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ZEITSCHRIFT
FÜR
AVISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE
N BEGRÜNDET VON
CARL THEODOR V. SIEBOLD
UND ALBERT V. KÜLLIKER
HERAUSGEGEBEN VON
ERXST EHLERS
PROFESSOR AX DER UNIVERSITÄT ZU GÜTTINGEN
HUXDERTNEUXTER BAND
MIT 41 FIGUREN LM TEXT UND 22 TAFELN
LEIPZIG UND BERLIN
VERLAG VON WILHELM ENGELISL^NN
1914
4/^/
Inhal i des huiulertneimten Bandes
Erstes Heft
Ausgegeben den 24. Februar 1914:
Seite
Jakob Rehs, Beitrüge zur Kenntnis der makroskopischen und mikros-
kopischen Anatomie insbesondere der Topographie des elastischen
Gewebes des Palatum durum der Mammalia. Mit 7 Figuren im Text
und Tafel I— IV 1
Walter Kühn, Beiträge zur Biologie der Weinbergschnecke (Helix poma-
tia L.). Mit 9 Figuren im Text 128
Zweites Heft
Ausgegeben den 10. März 19li
Wilhelm Haanen, Anatomische und histologisclie Studien an Mesothuria
intestinalis (Ascanius und Rathke). Mit 2 Figuren im Text und Ta-
fel V und VI 185
Sophie Krasiiiska, Beiträge zur Histologie der Medusen. Mit 5 Figuren
im Text und Tafel VII und VIII 256
Drittes Heft
Ausgegeben den 19. Mai lOli-
Johannes Fürster, Über die Leuchtorgane und das Nervensystem von
Pholas dactylus. Mit 15 Figuren im Text und Tafel IX 349
Höh. Stauffacher, Zellstudien. I. Bemerkungen zu den Methoden der
modernen Zellforschung. Mit 1 Figur im Text und Tafel X und XI 393
Serafino d'Antona, Über die Entstehung der Bindegewebsfasern bei den
atherosklerotischen Aortaverdickungen. Beitrag zur normalen Ent-
wicklung des Bindegewebes. Mit Tafel XII und XIII 485
Viertes Heft
Ausgegeben den 26. Mai 1914
Albert Nieder raeyer, Beiträge zur Kenntuis des histologischen Baues von
Veretillum cynoraorium Pall.\ Mit Tafel XIV und XV 531
Boris Schkaff, Zur Kenntnis des Nervensystems der Myopsiden. Mit
Tafel XVI— XVIII 591
D. Fedotov, Die Anatomie von Protomyzostomum polynephris Fedotov.
Mit 2 Figuren im Text und Tafel XIX— XXII 631
Beiträge zur Kenntnis der makroskopischen und mikros-
kopischen Anatomie insbesondere der Topographie des
elastischen Gewebes des Palatum durum der Mammalia.
Von
Jakob Rehs.
Mit 7 Figuren im Text und Tafel I— IV.
Einleitung.
Der harte Gaumen {Palatum durum) hat eine knöcherne Grund-
lage. Der vorderste Teil dieses knöchernen Gaumendaches wird von
den nach innen gerichteten, plattenförmigen Gaumenfortsätzen (Pro-
cessus palatini) der Zwischenkieferbeine (Ossa incisiva) gebildet. Diese
Gaumenfortsätze können stark reduziert sein oder auch ganz fehlen,
wie bei der Mehrzahl der Chiropteren. Median sind die Gaumen-
fortsätze durch die Sutura intermaxillaris verbunden. Aboral
stoßen sie an die Gaumenfortsätze der Oberkieferbeine (Maxillae)
und umgrenzen mit letzteren die Foramina incisiva, durch welche
die SxENSONschen Gänge (Canales naso- palatini) ihren Weg in die
Mundhöhle nehmen. Den mittleren Teil des knöchernen Gaunien-
daches liefern die schon erwähnten, nach innen gerichteten, platten-
förmigen Processus palatini der Maxillae. Median sind diese Gaumen-
fortsätze durch die Sutura palatina mediana verbunden, und an den
aboralen Rand schließt sich mittelst der Satura palatina transversa
der horizontale Teil (Pars horizontalis) der Gaumenbeine (Ossa pala-
tina) als hinterster Teil des knöchernen Gaumendaches an. Nur
bei den Edentaten und den Cetaceen nimmt das Keilbein (Os
sphenoidale) , das nach Schimkewitsch früher für die Flügelbeine
(Ossa pterygoidea) gehalten worden ist, an der Bildung des pharyn-
gealen Teiles des knöchernen Gaumendaches teil.
An dieses knöcherne Gaumendach heftet sich mundhöhlenseitig
— das Schleimhautblatt nasenhöhlenseitig würd nicht zum harten
Gaumen gerechnet — durch Vermittlung des Periost eine Schleimhaut
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CIX. Bd. 1
2 Jakob Rehs,
an, die vorn und lateral in das Zahnfleisch übergeht und sich, zum harten
Gaumen gehörend, aboral nur bis zum pharyngealen Rand des knöcher-
nen Gaumendaches erstreckt und hier in die Schleimhaut des weichen
Gaumens (Palatum molle) übergeht. Diese Schleimhaut des harten
Gaumens, die sich aus einer Submucosa, einer Propria mucosae mit der
Pars papillaris und einer Epithelschicht aufbaut, weist im vordersten
Teil des harten Gaumens in der Medianlinie eine Papilla palatina auf,
an der bei der Mehrzahl der Mammalier die Canales naso-palatini in die
Mundhöhle münden. In der Medianlinie des harten Gaumens findet
sich öfters eine Rhaphe palati duri, die leistenartig oder rinnenförmig
gestaltet sein kann. Beiderseits von der Rhaphe palati liegen die
Gaumenleisten (Rugae palatinae), die teilweise oder ganz fehlen können.
Was den Zweck, den die i^rbeit verfolgt, anbelangt, so sollen einige
der Lücken ausgefüllt werden, die in unserer Kenntnis vorhanden sind
über die makroskopische und mikroskopische Anatomie des Palatum
durum einiger Vertreter der Unterklassen der Mammalia, wie der Ovi-
jpara s. Monotrenmta, der Marswpialia und der Placentalia , letztere mit
den Ordnungen der Edentata, Cetacea, Perissodactyla, Artiodactyla, Car-
nivora, Pinnipedia, Rodentia, Insectivora und Chiroptera. Vorstehende
systematische Einteilung ist dem Lehrbuch von Schimkewitsch ent-
nommen. Außerdem soll das elastische Gewebe hinsichtlich seiner
Topographie besonders in den Gaumenleisten eingehender untersucht
werden. Auf Grund der sich ergebenden Befunde soll festgestellt
werden, was die Bildung der Gaumenleisten bedingt. Bei wenigen
Tieren wird auch die mikroskopische Anatomie des weichen
Gaumens insonderheit die Verteilung des elastischen Gewebes in
ihm beschrieben werden.
Eine Arbeit von Zimmerl, die sich mit der Topographie des
elastischen Gewebes in der Gaumenschleimhaut von Equus cabaUus,
Bos taurus, Canis familiaris, Felis domestica und Cavia cobaya be-
schäftigt, ist mir erst dann zu Gesicht gekommen, als ich diese
einschlägigen Untersuchungen schon abgeschlossen hatte.
Die Anregung zu dieser Arbeit habe ich von Herrn Geheirarat
Ehlers empfangen. Hierfür und für die im Lauf der Ausführung der
Untersuchungen erteilten, wertvollen Ratschläge sage ich meinem
hochverehrten Lehrer meinen herzlichsten Dank.
Material und Untersuchungstechnik.
Was die Beschaffung des zu den Untersuchungen verwandten
Materials anbelangt, so stellte mir Herr Geheimrat Ehlers eine Reihe
Beiträge zur Kenntnis der niakroskop. und mikroskop. Anatomie usw. 3
sehr wertvoller Gaumen aus einer reichhaltigen Sammlung von Gaumen-
schleimhäuten zur Verfügung. Diejenigen der Haussäugetiere erhielt
ich durch die gütige Vermittlung des Direktors des hiesigen Schlacht-
hofes, Herrn Dr. Rieken. Herrn Dr. med. Schwalb verdanke ich
einige Gaumen von Cavia cobaya. Andre Gaumen verschaffte ich mir
selbst.
Zur Fixierung der frischen Objekte gebrauchte ich anfänglich aus-
schließlich die gut fixierende und leicht in die Gewebe eindringende
ZENKERsche Flüssigkeit. Gaumen, die ich auf Exkursionen gesammelt
und in formolhaltigen Alkohol eingelegt hatte, und solche, die der
Sammlung entnommen und die nur in 80%igem Alkohol aufbcAvahrt
waren, zeigten mir aber, daß sie hinsichtlich der Erhaltung der Ge-
webe und der anzuwendenden Färbung zufriedenstellende Resultate
ergaben. Dieserhalb verließ ich obige zeitraubende Methode und
legte in Zukunft in ein Gemisch von 90 ccm 70%igen Alkohol und
10 ccm Formol bis zu 24 Stunden oder länger ein.
Dünne kleine Gaumen wurden ganz, um das Rollen zu vermeiden,
mit der Epithelseite auf eine Glasplatte gebunden, eingelegt, während
aus großen und dicken Gaumen bestimmte Stellen herausgeschnitten
und auf Glaswolle in das Gefäß mit der Fixierungsflüssigkeit gelegt
wurden.
Die so fixierten Präparate wurden in 80%igen Alkohol überführt
und hieraus bald, um einem allzugroßen Hartwerden vorzubeugen, in
Paraffin eingebettet, da die Gaumen, die der Institutssammlung ent-
nommen waren, in dem zur Aufbewahrung dienenden 80%igen Alkohol
sehr hart geworden waren. Eine Aufbewahrung in dem von Flemming
empfohlenen Gemisch von gleichen Teilen Alkohol, Glycerin und Wasser
erwies sich als sehr zweckdienlich.
Um nun den Objekten eine derartige Konsistenz zu geben, die es
ermöglichte, auch von Objekten mit einem Durchmesser von oft mehr
als einem Zentimeter und einer oft stark verhornten Epithelschicht
zusammenhängende Schnitte in einer Dicke von 20 — 30 u in aufeinander-
folgender Reihe zu erhalten, was für die Beobachtung der körperhchen
Ausbreitung des elastischen Gewebes und auch andrer Gewebselemente
vollkommen genügte, mußten für die Einbettung besondere Wege ein-
geschlagen werden.
Die Celloidindurchtränkung erwies sich bei der Menge der einzu-
bettenden Präparate als recht umständhch und langwierig und ergab
keine besseren Resultate, als die noch anzuführende, und \\^rde daher
aufgegeben.
1*
4 Jakob Kehs,
Die Celloidiu-Paraffindurchtränkung nach Field und Maetin
und nach Jordan ergab recht schlecht eingebettete Objekte,
Die Einbettungsmethode vermittelst Paraffin, bei der Xylol, Ben-
zol, Toloul, Petroläther, Chloroform, Tetrachlorkohlenstoff, verschie-
dene ätherische öle, wie Zedernholzöl, Bergamottöl und Origanumöl als
Vormedien verwandt wurden, lieferte auch unter allen Kautelen ent-
weder brüchige oder schlecht eingebettete oder derart harte Objekte,
daß das Messer oft ohne einzudringen darüber hinwegglitt.
Die von Fol angegebene schnelle Einbettung bei vermindertem
Luftdruck zeitigte ein vollkommen zerrissenes Gewebe, da die großen
Blutgefäße schneller evakuiert waren, als das Paraffin eingedrungen war.
Erst die etwas modifizierte HEiDENHAiNsche Methode, die Paraffin-
einbettung mit Schwefelkohlenstoff als Vormedium, erbrachte das ge-
wünschte Ergebnis. Es steht in diesem Falle der Schwefelkohlen-
stoff über dem Benzol oder Chloroform trotz kleiner äußerer Unannehm-
lichkeiten.
Die Abänderung der HEiDENHAiNschen Methode bestand nun
darin, daß es vermieden wurde, die Präparate in aufsteigendem Alkohol
besonders in den höhergrädigen, wie dem 96%igen und dem absoluten
Alkohol, von denen der letztere einen eminent härtenden Einfluß auf
die Gewebe ausübt, sehr lange zu belassen. An diese Stelle habe ich
das Anilin gesetzt, dessen Vorteile auch Ciaglimski und Sommer und
Przewowski rühmen.
Ich brachte die Präparate aus dem 80%igen Alkohol oder aus dem
Gemisch Alkohol, Glycerin und Wasser in 90%igen Alkohol auf 12 bis
24 Stunden, hierauf in bei dicken Objekten mindestens dreimal zu wech-
selndes Anilin bis zur vollständigen Aufhellung etwa 24 Stunden oder
auch länger, da hieraus kein Nachteil entsteht. Die direkte Über-
führung in Schwefelkohlenstoff hatte nun aber den Nachteil, daß die
Stücke darin sich schwärzten, was aber bei bestimmten Färbungen
durchaus nicht störend wirkt. Will man diese Schwärzung vermeiden,
so läßt sich das Anilin erst durch ein Gemisch von absolutem AUi^ohol
und Chloroform zu gleichen Teilen extrahieren, welches nur ein Ver-
weilen von längstens drei Stunden hierin beansprucht. Durch das hin-
zugefügte Chloroform erreicht man, daß das Objekt sofort im Schwefel-
kohlenstoff untersinkt. Im Schwefelkohlenstoff bleibt das Objekt 12
bis 24 Stunden. Hieraus kommt es in eine gesättigte Lösung von Pa-
raffin vom Schmelzpunkt 52 ° C in Schwefelkohlenstoff bei Zimmer-
temperatur. Nach 12 — 24 Stunden wird das Gefäß auf einen Wärme-
schrank gebracht, wo eine Temperatur von etwa 35 — 40° C herrscht
Beiträge zur Kenntnis der inakroskop. und niikroskop. Anatomie usw. 5
unter Hinzufügen von Paraffinstücken. Hier kann das Objekt, ohne
eine Härtung durch die Wärme zu erfahren, bis 24 Stunden verweilen.
Ein öfteres Umrühren ist anzuraten, um dem Entweichen des Schwefel-
kohlenstoffs, dessen Siedepunkt bei 46° C liegt, nachzuhelfen,. SchHeß-
lich wird das Objekt für nur eine Stunde in ein Gefäß mit Paraffin vom
Schmelzpunkt 52° C getan, das in einer 2 — 3° höheren Temperatur
steht, als der Schmelzpunkt des Paraffins ist. Ein Übertragen auf
30 Minuten in neues Paraffin ist empfehlenswert, aber nicht unbe-
dingt nötig.
Diese Einbettungsweise verbürgt eine vollkommene, homogene
Einbettung, nicht brüchige, speckig aussehende Schnitte in der oben
verlangten gleichmäßigen Schnittdicke in Serien, während dieselben
Objekte z. B. mit absolutem Alkohol entwässert, mit Xylol, Xylol-
paraffin und schließlich Paraffin durchtränkt, keine so vollkommene,
homogene Einbettung, aber sehr harte Präparate zeitigte, sodaß infolge-
dessen das Messer entweder garnicht angriff und über das Präparat
hinwegglitt, oder nur zerrissene Fetzen abschnitt, oder bei einer Dicke,
die um 10 — 15 u höher lag, wie oben angegeben, vollkommen ungleich-
mäßige Schnitte ergab.
Es ist ja selbstverständlich, daß zur Erreichung obigen Zieles das
Objekt so orientiert wnrde, daß das verhornte Epithel vom Messer
abgewandt war, und daß letzteres möglichst schräg zur Längsachse des
Mikrotomschlittens gestellt wurde.
Die so erhaltenen Schnitte wurden auf mit Wasser beschickte
Objektträger gebracht, die zur besseren Ausbreitung des Wassers sehr
dünn mit Eiweißglycerin bestrichen waren. Beim Erwärmen streckten
sich die Schnitte noch vollkommener und lagen glatt an. Objekte, die ein
sehr dick verhorntes Epithel besaßen, machten hinsichtlich des glatten
Auflegens und Anhaftens einige Schwierigkeiten. Infolge verschie-
dener Spannungsverhältnisse im verhornten Epithel und im Binde-
gewebe warfen sich die Schnitte und lösten sich bei der nachfolgenden
Behandlung teilweise ab. Um diesem Übelstande aus dem Wege zu
gehen, wurden die Objektträger mit den Schnitten so lange erwärmt,
bis das Wasser ziemlich verdunstet war. Dann wurden die Schnitte
mit Fließpapier bedeckt und durch streichende Bewegung des Fingers
fest angedrückt. Nachdem die Schnitte vollkommen trocken waren,
wurden sie auf etwa 5 — 10 Sekunden in eine wasserdünne Celloidin-
lösung getaucht. Das Celloidin ^\alrde in Chloroform gehärtet und be-
deckte die Schnitte als ganz feine Haut, die bei den folgenden Anwen-
dungen nicht hinderlich war. In dem Chloroform wurde gleichzeitig
6 Jakob Rehs,
das Paraffin gelöst. So kamen Verluste von Schnitten aus Serien
nicht vor.
Eine außerordentlich prägnante Darstellung der elastischen Fa-
sern, auch der feinsten, erzielte ich nur mit der von Weigert angege-
benen Färbung vermittelst Resorcinfuchsin. Die Färbung nach Unna
mit Orcein, auch die in der Folgezeit angegebenen Abänderungen,
waren teils zu umständlich, teils zu langwierig und ergaben auch nicht
eine so gut gelungene Färbung.
Die Schnitte wurden in dem Resorcinfuchsin 15 — 20 Minuten
gefärbt und solange in 96%igem Alkohol belassen, bis sie keine Farbe
mehr abgaben, und die rotblaue Farbe sich in eine dunkelblaue ver-
wandelt hatte.
Das Bindegewebe war nun mehr oder weniger mitgefärbt, und es
traten die elastischen Fasern nicht in wünschenswerter Schärfe her-
vor. Dieses wurde erreicht durch eine Nachfärbung in einer 5%igen
Lösung von Pikrinsäure in 96%igen Alkohol. Derart gefärbte Prä-
parate waren für die mikrophotographische Aufnahme sehr geeignet,
indem nämhch bei Verwendung des Grünfilters diese gelb gefärbten
Stellen besonders auf die grünempfindliche Platte wirkten, während
die schwarzblauen elastischen Fasern keine Wirkung hinterließen und
sehr scharf hervortraten.
Wenn eine Kernfärbung nötig war, so wurde zuerst mit Böhmers
Hämatoxyhn 30 Minuten, dann mit Resorcinfuchsin und Pikrinsäure
wie oben gefärbt.
Das Bindegewebe wurde nach Hansen (1898) zur Darstellung ge-
bracht. Erst wurde mit Resorcinfuchsin 20 Minuten gefärbt und nach
Behandlung mit 96%igem Alkohol zwecks Kernfärbung auf fünf Mi-
nuten in Böhmers Hämatoxylin überführt. Nach Abspülung mit
Wasser wurde nach Hansen in der bekannten Weise gefärbt, eine Fär-
bung, die der von van Giesson bedeutend überlegen ist.
Fett wurde an Schnitten, die mit dem Gefriermikrotom hergestellt
waren, mit Sudan III nachgewiesen, nach der von W. Rosenthal
(1900) empfohlenen Methode.
Der Grad der Verhornung wurde vermittelst der von Ernst (1896)
für diesen Zweck besonders empfohlenen GRAMschen Methode fest-
gestellt.
Eleidin wurde nach Buzzi (1896) mit Kongorot gefärbt.
Im Text werden gelegenthch andere Färbungen erwähnt werden,
die hier nicht besonders aufgeführt sind.
Beiträge zur Kenntnis der inakroskop. und mikroskop. Anatomie usw. 7
Nach der Färbimg wurden die Schnitte durch Xylol in Xylol-
balsani gebracht. Bei den mit dem Celloidinhäutchen überzogenen
Schnitten mußte der absohite Alkohol umgangen werden, und es wurde
eine Mischung von ^/^ Xylol und 1/3 Anilin vor Xylol eingeschaltet.
Schnitte, die mit dem Rasiermesser zwecks Schnelldiagnose gemacht
woirden, wurden in Glyceringelatine eingelegt. Es bietet dieses Vor-
teile insofern, als das Gemisch schnell erstarrt, das Präparat schneller
gebrauchsfähig wird, die schwache Aufhellung oft zweckdienlich ist,
und auch das Präparat zwecks einer Nachfärbung durch leichtes Er-
wärmen des Objektträgers der Einbettungsmasse schnell und mühelos
entnommen werden kann.
Die photographischen Aufnahmen wurden mit einem von Winkel
konstruierten sogenannten Zeichen- und Projektionsapparat nach
Edinger gemacht. Der Apparat ist mit Mikroluminaren ausgerüstet,
die sich »durch hohe Lichtstärke (1: 4,5), großen Bildwinkel und feine,
gleichmäßig scharfe Zeichnung über ein großes Gesichtsfeld« auszeich-
nen. Ein weiterer Hauptvorteil ruht in der zu jedem Mikroluminar
passenden besonderen Beleuchtungslinse. Der Apparat wurde umge-
kippt, und das BiJd durch eine auf einem Kasten befestigte, mit einem
Schlitzverschluß versehene Kamera aufgefangen. Die Belichtungszeit
betrug vermöge der intensiven Bogenlichtquelle den Bruchteil von
einer Sekunde bis wenige Sekunden, je nach Objekt. Herrn
Prof. Dr. Hoffmann und Herrn Dr. Dürken bin ich für die Unter-
stützung bei der Überwindung technischer Schwierigkeiten zu Dank
verpflichtet.
Historisches und eigene Untersuchungen, welche die makroskopische
und mikroskopische Anatomie insbesondere die Topographie des elas-
tischen Gewebes des Palatum durum der Mammalia betreffen.
Was die Literatur der Untersuchungen, welche die makroskopische
und mikroskopische Anatomie insbesondere die Topographie des elasti-
schen Gewebes betreffen, anbelangt, so werden die allgemein gehaltenen
Angaben und die kurzen Hinweise, die sich hier und da in den Lehr- und
Handbüchern vorfinden, selten herangezogen, da sie sich meistens aus ein-
gehenderen Arbeiten herleiten. Auch werden nur die Untersuchungen
gebracht, welche die Tiere angehen, die ich selbst einer Untersuchung
unterworfen habe. Aber bei den eigenen Untersuchungen werden gele-
gentlich Angaben, die im literarischen Teil nicht besonders aufgeführt sind,
da sie nur in losem Zusammenhang zu dem eigenen Thema stehen oder
andre Tiere, als die von mir untersuchten, angehen, zitiert werden,
8 Jakob Rehs,
meistens um meine eigenen Untersucliungen zu stützen oder auch, um
etwas Gegensätzliches festzustellen.
Monotremata.
Echidnidae.
Echidna aculeata Cuv.
Ornithorhyncliidae.
OrnithorhyncJms anatinus Shaw.
Historisches. Home (1802) und Meckel (1829) erwähnen schon die
hornartigen Erhabenheiten des harten Gaumens von Echnida. Wenn Milne
Edwards (1860) sagt, daß «chez l'Echidne, ils (les sillons) sont remplaces par
plusieurs rangees transversales d'epines courtes et dures dont la pointe est dirigee
en arriere«, so kann dieses sich nur auf den hinteren Teil des harten Gaumens
beziehen. Auch Owen (1868) erwähnt, daß "the palate", d. h. nur der hintere
Teil, "is armed with six or seven transverse rows of strong, sharp, but short re-
troverted spines". Diese Hornzähne werden auch von Flower (1872) beschrieben.
Von dem vordersten Teil des harten Gaumens von Echidna bringt Seydel
(1899) eine Abbildung und berichtet hierüber, daß »in geringem Abstand vom
Kieferrande sich die beiden Öffnungen der Canales nasopalatini finden . . . Dicht
hinter den Öffnungen findet sich jederseits eine flache Erhebung der Schleimhaut,
welche nach vorn und nach den Seiten allmählich verstreicht, nach hinten etwas
scharf abgesetzt ist. Beide Erhebungen sind in der Medianebene durch eine Ein-
senkung voneinander getrennt. Diese paarige Erhebung . . . hat wohl die Be-
deutung einer vordersten, unvollkommen entwickelten Gaumenleiste. . . In dem
Felde, welches zwischen den Öffnungen der Canales naso-palatini und den beiden
vordersten Gaumenleisten liegt, erhebt sich eine kleine, längs-ovale, deutlich
vorspringende Wulstung, die Papilla palatina«.
Eine sehr gute Abbildung (Retzius, Taf. XXXV, Fig. 1) und Beschreibung
des harten Gaumens von Echidna aculeata bringt Retzius (1906), dessen Arbeit,
was auch die anderen Tiere anbelangt, die vollkommenste Abhandlung ist, die
über dieses Gebiet erschienen ist. Retzitjs sagt: »In der vordersten Partie . . .
liegt die Region der Papilla palatina als ein schmaler medianer, hinten ein wenig
verbreiterter Höcker, und zu beiden Seiten von ihr ist je eine Öffnung der Canales
naso-palatini, . . .; diese beiden Öffnungen sind außen sowie vorn und hinten
von einem schmalen, niedrigen Wall umgeben. . . .
Hinter dieser Region der Papilla palatina und Foramina canalium naso-
palatin. folgt eine kurze Region, die dadurch ausgezeichnet ist, daß sich hier
über ihr zwei Paar kurze, der Quere nach gelegene Gaumenleisten befinden,
welche in der Medianebene unterbrochen und über ihrer ganzen Oberfläche mit
kleinen rundlichen Höckern oder Knöpfchen versehen sind. Sie gehen vorn in
die umliegende Schleimhautfläche ohne direkte Abgrenzung über; am hinteren
Rande ragen sie über diese Fläche hervor. Die vordere dieser Leisten findet sich
gleich hinter der Papille und den Kanalöffnungen, die hintere liegt dicht hinter
den hinteren Winkeln der Mundöffnung.
Dann folgt die mittlere Leistenregion, die dadurch ausgezeichnet ist, daß
fünf bogenförmige, in ungefähr gleichen Abständen voneinander angeordnete,
vorn in die Gaumenoberfläche direkt übergehende, hinten scharf begrenzte und
Beiträge zur Kenntnis der luakroskop. und luikroskop. Anatomie usw. 9
über diese Flüche sogar überhängende Leisten vorhanden sind, weklie mit ihren
Bogenschenkehi an den Seiten des Gaumens weit nach hinten verlaufen. Diese
Leisten haben also einen nach hinten gerichteten concaven Rand. Bei genauer
Untersuchung sieht man, daß dieser Rand gefranst ist, indem er sich in eine Reihe
dichtgedräi\gter kleiner Knöpfchen auflöst. Jede zwischen diesen Leisten liegende
Partie der Gaumenoberfliiche ist etwas ausgehöhlt und senkt sich von der hinteren
Leiste nach der vorderen hin.
Schließlieh findet sich in der hinteren Hälfte der Gaumenoberfläche eine
Region, welche sich dadurch auszeichnet, daß hier neun andersgestaltete Leisten
vorhanden sind. Sie bestehen nämlich aus stachelartig geformten, harten Fort-
sätzen, welche sämtlich nach hinten gerichtet sind und, einanderparallel gestellt,
mit ihren Spitzen etwas über die Gaumenoberfläche hervorragen. Die vier vor-
deren dieser Leisten sind bogenförmig, ihr hinterer Rand concav; sie sind aber
kürzer, mit nach hinten wachsender Breite. Die vier hintersten stehen mehr der
Quere nach, gerade oder gebogen, angeordnet; sie sind auch viel dichter anein-
andergestellt.
Im ganzen lassen sich also am Gaumen von Echidna 16 Leisten zählen. Hinter
der 16. fand sich in der Medianebene noch ein ganz vereinzelter Stachelfortsatz
derselben Art, wie die Fortsätze der hintersten Leisten; ob er noch eine rudimentäre
Leiste angibt, kann ich nicht entscheiden. Zwischen sämtlichen Leisten ist die
Gaumenfläche glatt und hart, ohne Fortsätze oder papilläre Erhabenheiten«.
Retzitjs kommt zu dem Resultat, daß bei den Monotremen die Gaumen-
leisten »so eigentümlich differenziert und spezialisiert sind, daß man aus der
Beschaffenheit derselben keine Schlüsse auf den ursprünglichen, phylogenetisch
niedrigsten Typus und somit auch nicht auf den L^rsprung dieser Leisten zu ziehen
vermag «.
Was die Funktion der im hinteren Teil des Gaumens von Echidna befindlichen
»Dornen« und die Bedeutung der vorderen Gaumenleisten anbetrifft, so sagt
darüber Gegenbaur (1892): »Diese . . . Gauraenleisten stehen bei Echidna am
hinteren Abschnitte in einer wichtigen Funktion, indem sie mit Zähnchen besetzte
derbe Platten tragen, wie schon erwähnt, mit der Reibplatte der Zunge zusammen-
wirkende Gebilde. Mit diesen verglichen sind die am vorderen Abschnitte des Gau-
mens befindlichen schwachen Leisten rudimentäre Gebilde, . . . «
Oppel (1900) hat die Gaumenleisten vom Eichhörnchen und von der Fleder-
maus untersucht, und er stellte hier fest, daß sich »die Gaumenleisten in ihrem
Bau nicht wesentlich von der übrigen Schleimhaut des harten Gaumens unter-
scheiden. Die Gaumenleisten sind nicht etwa als aus zu Reihen verschmolzenen
Papillen entstanden zu denken, vielmehr geht die ganze papillentragende Sehleim-
haut in ihre Bildung ein«. Diese Befunde überträgt er auf den harten Gaumen
von Echidna und sagt, »daß auch die bei Echidna sich findenden Platten mit
Zähnchen . . , Bildungen der ganzen Schleimhaut sind, also nicht papilläre
Bildungen, und sich mit verhornten Papillen der Zunge nicht ohne weiteres ver-
gleichen lassen«.
Eigene Untersuchungen. Zweifelsohne sind die von Retzius
geschilderten zwei ersten, transversal gelegenen und die fünf folgenden,
bogenförmigen mit den Bogenschenkeln pharyngealwärts gerichteten
10 Jakob Rehs,
Gebilde Gaumenleisten, wenn sie auch nicht, wie die mikroskopische
Untersuchung zeigen wird, so vollkommen ausgebildet sind, wie bei
andern Tieren. Alle übrigen Gebilde des hinteren Teiles des harten
Gaumens im Bereich der starken Epithel verdickung können, rein mor-
phologisch betrachtet, nicht den Namen Gaumenleisten tragen, da sie
aus zu bogigen oder geraden Papillenquerreihen angeordneten, stachel-
artigen, pharyngeal gerichteten Fortsätzen, den »Hornzähnen << be-
stehen, die als »Papulae operariae« zu bezeichnen sind, wie Immisch
(1908) derartige Gebilde treffend nennt >>in Anbetracht ihrer physio-
logischen Aufgabe, bei der Nahrungsaufnahme, dem Kauakt, der Ein-
speichelung und dem Mundschlingakt die Tätigkeit der Lippen, der
Zähne und der Zunge zu unterstützen, diesen Organen zu helfen, ihnen
gleichsam Handlangerdienste zu leisten.«
Es sei vorweg bemerkt, daß das Epithel des untersuchten Gau-
mens oberflächlich teilweise maceriert und infolgedessen bei den Prä-
paraten stellenweise nicht mehr vorhanden war.
Der vorderste Teil der Gaumenschleimhaut vor den Canales naso-
palatini, den Ausmündungen des jACOBSONschen Organs in die Mund-
höhle, ist oberflächenwärts vollkommen glatt und setzt sich zusammen
aus dem vielschichtigen Epithel, der Propria mucosae mit der Pars
papillaris und der Submucosa, an die sich teilweise das knorpelige
Gaumendach anschließt.
Das 130 1^1 dicke Stratum corneum des geschichteten Epithels
zerfällt in eine oberflächliche 90 /< und eine dar überliegende, 40 /< dicke
Schicht.
Die erstere Zone besteht aus stark abgeplatteten, schüppchen-
artigen Zellen, deren kürzester Durchmesser von, 2,6 /< senkrecht zur
Oberfläche der Schleimhaut steht. Es sind nur Kernreste zu erkennen.
Diese Schicht färbt sich an Schnitten, die aus der Region der Gaumen-
leisten stammen, nach der GKAMschen Methode intensiv violettblau.
Nach den Untersuchungen von Ernst (1896) läßt diese tinktorielle
Reaktion auf einen sehr »jungen Grad« der Verhornung schließen,
Rabl (1897) ist zwar der Meinung, daß diese spezifische Färbung keinen
Rückschluß auf den Grad der Verhornung zulasse, da dann auch die
Übergangszone zwischen dem Stratum germinativum und Stratum
corneum durch sie sich darstellen lassen müsse. Auf jeden Fall ist eine
verschiedene Beschaffenheit des Epithels in chemischer oder physi-
kaüscher Beziehung vorhanden, und sie tritt im Bereiche der Papulae
operariae am hinteren Teil des harten Gaumens sehr auffällig hervor.
Möglicherweise läßt sich durch Verdauung des Epithels und einer nach-
Beiträge zur Kcuutnis der makroskop. und niikroskop. Anatomie usw. 11
träglichen Färbung nach dem Vorgange Unnas diese Frage lösen.
Leider stand mir hierzu kein Material zur Verfügung.
Die darüberliegende 40 /< dicke Zone scheidet sich infolge der Be-
schaffenheit der Kerne scharf ab von der eben geschilderten Schicht
und der »Schicht ,die zwischen ihr und dem Bindegewebe liegt. Die
Kerne sind lang ellipsoidisch, und das Chromatin liegt in Körperchen
eng zusammen und verleiht dem gefärbten Kern ein kompaktes Aus-
sehen. Ähnliche Veränderungen der Kerne im »Stratum corneum be-
schreibt Rabl (1897). Das Protoplasma ist granuhert. Der kürzeste
Zelldurchmesser, der ebenso, wie oben geschildert, gerichtet ist, be-
trägt 5,2«. Es sind also die Zellen auch abgeplattet.
Die sich anschließende Schicht ist etwa 180 fi dick. Die Zellen der
oberflächUchsten Lage sind auch noch abgeplattet. Der Kern ist aber
kurz ellipsoidisch, und das Chromatin liegt in Körperchen weit aus-
einander. Um den Kern liegen durch Delafields Hämatoxylin ebenso
gefärbte Körperchen — wohl Keratohyalin — , und so ist diese Schicht
möghcherweise ein Stratum granulosum. Es folgen polyedrische Zellen,
sogenannte Stachelzellen, mit rundlichem Kern und feingranuliertem
Protoplasmaleib als ein Stratum spinosum. Gegen das Bindegewebe
grenzt ein Stratum cylindricum ab mit keulenförmigen, kernhaltigen
Zellen, die mit dem keulenförmigen Ende vom Bindegewebe weggewandt
sind. Eine sehr dünne, strukturlose Basalmembran ist vorhanden.
Die 130 // dicke Propria mucosae baut sich aus einem dicht ver-
filzten Bindegewebe mit einem dichten Geflecht von 0,6 /t dicken ela-
stischen Fasern auf, die nach allen Richtungen, besonders aber nach
der transversalen und paramedianen ziehen.
Die Pars papillaris der Propria mucosae, der infrapapillar und inter-
papillar das eben geschilderte Epithel angelagert ist, entsteht dadurch,
daß zwischen je 2 bis zu 60 u breite, paramedian verlaufende und durch
Anastomosen verbundene Epithelwülste 30 /< breite Bindegewebsleisten
eingeschlossen sind, denen 130 /< lange und an der Basis 30 /< im Durch-
messer messende, hintereinander stehende Bindegewebspapillen, so-
genannte Primärpapillen, aufgesetzt sind. Die Bindegewebsleisten sind,
wie später gezeigt wird, das Resultat der verschmolzenen Basis der
Papillen. Diese Zusammensetzung des Papillarkörpers kehrt mehr
oder weniger modifiziert im ganzen übrigen Gaumen wieder. Die Primär-
papillen bestehen aus dünnen, sich durchflechtenden, von der Propria
mucosae kommenden und von der Basis zur Spitze steigenden Binde-
gewebsfasern. Der äußere Mantel der Primärpapillen ist mit elastischen
Fasern versehen, die sich aus dem Geflecht der Propria mucosae ab-
12 Jakob Rehs,
zweit^en und im straffen Verlauf zur Spitze steigen. Ein Netz von
feinen Kapillaren und Nerven nimmt den zentralen Raum ein.
Dem lockeren Bindegewebe der Submucosa, die 345 /t dick ist,
sind zwischen den paramedian verlaufenden Nervensträngen und Blut-
gefäßen relativ wenige ebenso verlaufende etwa 0,6 /.i dicke elastische
Fasern zugesellt, die straff hinziehen, sich untereinander stellenweise
körperlich vereinigen oder durch Anastomosen verbunden sind. Es
sind dieses Eigenschaften der elastischen Fasern, die in allen Teilen des
Gaumens wiederkehren.
Das folgende knorpelige Gaumendach ist ein Hyalinknorpel, der
an die mediane Vereinigung der beiden Ossa incisiva ansetzt und an
das Septum nasale anlehnend lateral von ihm zwei schmale Platten
bildet, die nur zum geringsten Teil eine festere Scheidewand zwischen
Mund- und Nasenhöhle abgeben.
Die dem vordersten Teil der Gaumenschleimhaut folgende Region
der Papilla palatina steht bezüglich der Verteilung des elastischen Ge-
webes etwas unter dem Einfluß der Ausmündungen der Canales naso-
palatini. Diese Ausmündungen sind nicht nur, wie Retzius (1906)
angibt, »außen sowie vorn und hinten von einem schmalen, niedrigen
Wall umgeben«, sondern auch auf der Innenseite, und beide sind sie
durch Furchen von einem in der Medianen liegenden Wall getrennt
(Textfig. 1).
Meine Befunde über den Verlauf der Canales naso-palatini durch
das auch an dieser Stelle knorpelige Gaumendach decken sich mit
denen von Beoom (1896), die -ich im Folgenden wiedergebe. >>In the
next stage backwards we find the palatal cartilages each divided by
the upward extension of the naso-palatine canal.« (Textfig. 1 Ä'gr.)
»The inner moiety is roughly cubical in shape, with the outer side con-
cave ; in which concavity lies the anterior end of Jacobsons organ, as
it opens into the naso -palatine canal<< (Textfig. 1 io, cnp). »The
outer moiety is found as a small plate of cartilage in the nasal floor
just outside the canal<< (Textfig. 1 kg).
Nachdem die Canales naso-palatini nach ihrer Abzweigung von
der Außenseite des JACOBSONschen Organs das knorpelige Gaumen dach
durchsetzt und eine senkrechte Richtung nach der Oberfläche des
Gaumens angenommen haben, ist der Durchmesser in der Transver-
salen etwa 50/t, aber in der Paramedianen bedeutend größer. Die
betreffenden Maße ihrer Ausmündungsstellen sind 200 fi, bzw. 700 ^u.
Das Epithel im Bereich der Canales naso-palatini weist alle die
oben geschilderten Verhältnisse auf (Textfig. 1 sc, sg). Das Stratum
Beiträge zur Koimtuis der niakroskop. und mikroskop. Anatomie usw. 13
corneuni kleidet auch sich aUniählich verdünnend die Canales naso-
palatini bis zu ihrer Abzweigung von dem jACOBSONschen Organ aus.
Von der Innenwand der Canales naso-palatini springen in das Lumen,
mit ihrer Spitze nach den Ausmündungen zu gerichtet, Epithelpapillen
vor, die eine bindegewebige Grundlage haben (Textfig. 1 2?). Sie dienen
wohl dazu, Nahrungsteilchen, die in die Ausführungsgänge eindringen,
festzuhalten.
Die vom Papillarkörper und der Submucosa im davorhegenden
Teil geschilderten Verhältnisse bleiben auch hier bestehen (Textfig. 1
sm), nur daß in der letzteren reich-
lichere, paramediane elastische Fasern
auftreten. Was aber die Verteilung
des elastischen Gewebes in der Pro-
pria mucosae anbelangt, so ist eine
Änderung insofern eingetreten, als
aus dem Geflecht elastischer Fasern
zu den durchschnittlich 100 /t dicken
Epithelwänden der Canales naso-pala-
tini stark divergierende elastische
Fasern streben, vor diesen Wänden
enden und so diese in ihrer Stellung
fixieren (Textfig. 1 pm). Auch zwi-
schen dem Oberflächenepithel der
Seitenteile der Region der Papilla
palatina und den Außenwänden der
Canales naso-palatini spannen sich
transversale elastische Fasern, denen sches Organ; kg, knorpeliges Gaumenclacli;
. , -.. ■., nk, Nasenhöhle; ns, Nasenseptum; 7), ^'erv;
SICÜ paramediane zugesellen. ^^ ^^ ^^^^ I.umen der Canales naso-palatini
ragende Epithelpapillen mit bindegewebiger
Grundlage; pni, Propria mucosae; sc, Stratum
corneum ; sg, Stratum germinativum ; sm, Sub-
mucosa; V, Vene.
Textfig. 1.
Echidna acideata. Transversalschnitt durch
die Rpgion der Papilla palatina im Bereich
der Canales naso-palatini. Schematisiert.
Vergr. 17. Die Medianebene ist durch eine
Strichlinie gekennzeichnet, a, Arterie; cnp,
einer der Canales naso-palatini; io, J.4.COBSON-
die das jACOBSONsche Organ
Sobald sich hinter den Canales
naso-palatini die beiden durch sie
abgetrennten 'Seitenstücke des knor-
peligen, 130 /< dicken Gaumendaches
wieder an die knorpeligen Röhren
umscheiden, angeschlossen und sich nach hinten immer mehr ver-
breitert haben, gewinnt die Schleimhaut wieder den Aufbau, wie er
von der vor den Canales naso-palatini beschrieben wurde, nur hat die
Gaumenschleimhaut an Breite zugenommen, liegen die Blutgefäße und
Nerven weiter auseinander und haben Propria mucosae und Submucosa
je die Dicke von 200 _u.
Etwa 600 ,u von der hinteren Epithelwand der Canales naso-palatini
14 Jakob Rehs,
entfernt, im Bereich der ersten Gaumenleiste findet sich in das Binde-
crewebe der Submueosa ein Drüsengewebe eingebettet, das sich neben
der Medianebene rechts und links 1300 /< weit ausbreitet, in der Länge
600 /t mißt und durchschnittlich 150 /f dick ist. Da dieses Drüsen-
t^ewebe je im Bereich der Submueosa der ersten sieben Gaumenleisten
vorhanden ist, so trägt die Submueosa, wenn auch nur indirekt zum
Aufbau der Leisten bei, und es bildet das Drüsengewebe eine Ergän-
zung zu den im pharyngealen Abschnitt der Zunge befindlichen Drüsen.
Einen Paramedianschnitt durch das Drüsengewebe der zweiten Gaumen-
leite gibt Fig. 1 dr, Taf . I wieder. Die kugeligen oder ellipsoidischen
Kerne der Drüsenzellen, deren Entfernung von der Außenwand ein
Drittel der von der Innenwand ist, haben einen Durchmesser von 4,5 bis
7,5^«. Ihr Chromatin ist zu einzelnen Körperchen angehäuft. Der
sonstige Inhalt der Zelle hat eine körnige Struktur, aber sehr oft liegt
der Kern in einer hellen Zone, die von einer gekörnten umgeben ist.
Zwischen den Drüsenläppchen finden sich Sammelröhren mit Cylinder-
zellen und solche mit geschichtetem Epithel. Erstere Sammelröhren
schließen direkt an die Drüsenläppchen an und gehen in die mit ge-
schichtetem Epithel über, die ihrerseits wieder anschließen an die Haupt-
ausführungsgänge mit erweitertem Lumen und geschichtetem Epithel
in mehreren Zellagen. Diese schließen sich an Epithelwülste an und
münden auf der höchsten Erhebung der Leiste nach außen, eine Lage,
die für eine sichere Berührung der Nahrung mit dem Sekret sehr gün-
stig ist. Eine Färbung mit Mucicarmin ergab keine typische Schleim-
färbung. Mit Sicherheit konnte auf diesem Wege der mikrochemischen
Färbung nicht festgestellt werden, ob Schleimdrüsen vorliegen oder
nicht. Zu diesem Zwecke müßten die Untersuchungen an frischerem
Material, als mir zur Verfügung stand, gemacht werden. Ich möchte
noch hinzufügen, daß sich diese Drüsen von typischen Schleimdrüsen,
wie ich sie im weichen Gaumen anderer Tiere sah, durchaus unterschei-
den. Ob sie aber dem serösen Typus zuzurechnen sind, da ihr Bau
den serösen Drüsen ähnelt, die Oppel (1900) vom hinteren Teil der
Zunge von Echidna beschreibt, möchte ich dahingestellt sein lassen.
Dieses Drüsengewebe ist vollkommen von dem Geflecht aus ela-
stischen Fasern umsponnen. Mit dem interstitiellen Bindegewebe sind
elastische Fasern vergesellschaftet, welche die Propria der Drüsen
durchsetzen (Taf. I, Fig. 1 dr). Auch die Ausführungsgänge sind voll-
kommen von elastischen Fasern, die den Gängen parallel laufen, ein-
gescheidet. Diese Beziehung des elastischen Gewebes zu den Drüsen
ist von Wichtigkeit für die Austreibung des Sekretes.
Beiträge zur Kenntnis der makroskop. und mikroskop. Anatomie usw. 15
Die Submucosa über der First der ersten Leiste, also hinter dem
Drüsengewebe, ist von einem System von Lakunen durchsetzt, die in
der Transversalen oft 375 u und in der Dicke 40 /< messen und teilweise
mit einer körnigen Masse ausgefüllt sind. Möglicherweise hat man es
hier mit einem Venensystem zu tun, wie es Jaenicke (1908) besonders
ausgebildet, hinter den Schneidezähnen bei andern Tieren feststellte.
Ich konnte wohl eine feine Endothelschicht aber keine elastischen Fa-
sern nachweisen, wie es bei der vorn in der Gaumenschleimhaut median
gelegenen Vene der Fall ist. Überhaupt ist hier die Submucosa relativ
arm an elastischen Fasern.
Sehr reich dagegen ist die Propria mucosae damit ausgestattet.
Es ist ein Geflecht hauptsächlich aus transversalen mit wenigen para-
medianen Fasern nicht zu verkennen. Dieses reichliche Auftreten von
transversalen, elastischen Fasern wird uns deutlicher bei der folgenden
Leiste entgegentreten.
Über den Aufbau des bindegewebigen Innern der ersten Leiste
konnte ich, da mir nur Transversalschnitte zur Verfügung standen,
keinen genauen Aufschluß erlangen, aber ich glaube, daß er sich an
den anschließt, wie er von der zweiten Leiste geschildert werden wird.
Es ist hier wohl, wie die Schnitte andeuten, der bei jenen angegebene
Prozeß noch weiter fortgeschritten. Auf jeden Fall ist sie eine fast voll-
kommen entwickelte Gaumenleiste und keine unvollkommen ent-
wickelte, für welche sie Seydel (1899) hält.
In dem Gebiet des Tales zwischen der ersten und zweiten Gaumen-
leiste liegt die Schleimhaut nicht mehr einem knorpeligen sondern nun-
mehr, wie auch im ganzen übrigen Teil des harten Gaumens, dem knö-
chernen Gaumendach, einer festeren Grundlage, an. Es ist festzustellen,
daß nunmehr das elastische Gewebe nicht mehr ein Geflecht nach allen
Richtungen verlaufender elastischen Fasern ist, bei denen sich zwar
eine transversale und paramediane Richtung hervorhebt, sondern eine
sehr regelmäßige Schichtenfolge aufweist, wie im Folgenden gezeigt
werden wird.
Dem knöchernen Gaumendach schließt sich eine 100 fi dicke Schicht
ungeformten Bindegewebes aus feinen Bindegewebsfasern mit größe-
ren Zellen an, die ein Periost ist. Auffälligerweise ist in dieser Schicht
auch nicht eine Spur von elastischen Fasern zu konstatieren (Taf. I,
Fig. 1 pe).
Es folgt eine ebenso dicke Schicht, die aus dicken Bindegewebs-
fibrillen in transversaler Richtung, von paramedianen durchflochten,
aufgebaut ist. Hier treten ausschließlich paramediane, 2,5 /.i dicke.
16 Jakob Rehs,
elastische Fasern auf, die nebeneinander in Ebenen angeordnet sind,
die parallel der Schicht in der Schicht liegen.
Eine dicht verfilzte, 150 ^i dicke Bindegewebsschicht aus sehr
dünnen Fibrillen reiht sich an. In dieser Schicht verlaufen Arterien,
Venen und Nerven über die ganze Gaumenbreite verteilt, zwischen
denen paraniediane , elastische Fasern liegen (Taf . I, Fig. l v,n).
Diese und jene Schicht sind die Submucosa (Taf, I, Fig. 1 sm).
Reichlicherwerden diese paramedianen, elastischen Fasern beim Über-
gang zu der 100 /< dicken Propria mucosae, die ein dichtes Geflecht relativ
starker Bindegewebsfibrillen darstellt. Mit vielen paramedianen, elasti-
schen Fasern verflechten sich wenige transversale, die nach der Mitte der
Propria mucosae zu an Zahl zu, aber nach dem Papillarkörper an Dichte
abnehmen (Taf. I, Fig. 1 pm). Hier gewinnen die paramedianen, elasti-
schen Fasern wieder die Oberhand und ziehen den Epithelwülsten entlang
und liegen insgesamt rinnenförmig ihnen an (Taf. I, Fig. 1 und 2 opm).
Von diesen und aus dem Geflecht der Propria mucosae biegen
elastische Fasern ab, Aufspaltungen dicker Fasern, und heften sich
an die Epithelwülste an oder füllen den äußeren Mantel der Binde-
gewebspapillen aus (Taf. I, Fig. 2 jjr). Es ist ja selbstverständlich,
daß die elastischen Fasern der einzelnen Schichten Fortsetzungen der-
jenigen sind in den entsprechenden, da vorliegenden Schichten und
auch in die entsprechenden dahinterliegenden Schichten weiterziehen,
daß auch ein Zusammenhang der elastischen Fasern zwischen den ein-
zelnen, parallelen Schichten besteht.
Innerhalb der zweiten Leiste hat mit der allgemeinen Verdickung
der Schleimhaut hauptsächlich die Submucosa an Dicke zugenommen.
Eine Zunahme an elastischen Fasern ist in allen Schichten zu ver-
zeichnen. In der Submucosa sind paramediane, elastische Fasern
massenhaft anzutreffen, besonders dem Drüsengewebe angelagert
(Taf. I, Fig. 1 pef). In der Propria mucosae haben sich die para-
medianen, elastischen Fasern etwas vermehrt, aber die transversalen
haben an Menge und Dichte stark zugenommen.' In dieses Geflecht
ist, wie schon erwähnt, im Gebiet der Submucosa, ähnlich wie bei der
ersten Leiste, ein Drüsengewebe eingelagert, das auch im Bau voll-
kommen mit jenem übereinstimmt (Taf. I, Fig. 1 dr). Ein Transversal-
schnitt durch die First dieser Leiste und das zwischen ihr und dem
knöchernen Gaumendach gelegene Bindegewebe demonstriert deutHch
diese eben geschilderten Verhältnisse. Dem Periost ohne elastische
Fasern (Taf. I, Fig. 2 pe) schließt sich die Schicht mit paramedia-
nen an, welcher Verlauf auch in der Schicht mit den Blutgefäßen und.
Beiträge zur KcMintuis der tnakroskop. und inikroskop. Anatomie usw. 17
und den Nerven wiederkehrt (Taf. I, Fig. 2 sm). Die elastische Innen-
haiit der Intima der Arterien ist nur 0,5 /< dick. Der Media sind wenige
elastische Fasern eingelagert, und die elastische Haut der Externa ist
0,2 n dick. Aber in das au die Arterien anschließende Bindegewebe sind
dem Verlauf der Arterien gleichgerichtet ringsum elastische Fasern
eingelagert. Ähnlich verhält es sich bei den Venen, nur daß die Media
und Externa reichlicher elastische Fasern bergen (Taf. I, Fig. 2 a, v).
Auch das Epineurium weist rings um die Nerven mit ihnen gleich-
gerichtete elastische Fasern auf (Taf. I, Fig. 2 n). Im Übergang zur
nächsten Schicht gruppieren sich die paramedianen elastischen Fasern
zu Platten parallel dem knöchernen Gaumendach (Taf. I, Fig. 2 sp).
Auffallend hebt sich die Propria mucosae mit den gedrängten, trans-
versalen, elastischen Fasern heraus, denen paramediane zugesellt sind
(Taf. I, Fig. 2 pm).
Rechts auf der Abbildung, also nach der Medianeu zu, wo makro-
skopisch eine 1100 /< breite Furche, dieRhaphe palati, die Leiste in zwei
Hälften trennt, schließt sich an die Propria mucosae direkt der Papillar-
körper an, bestehend aus paramedianen Bindegewebsleisten (Taf. I,
Fig. 2'bl) mit schmalen hohen Bindegewebspapillen und peripheren
elastischen Fasern (Taf. I, Fig. 2 pr) zwischen je zwei Epithelwülsten
(Taf. I, Fig. 2 eiv). Die paramedianen elastischen Fasern sind auf
diesem Schnitt infolge ihres Verlaufs in Guirlandenform angeordnet
(Taf. I, Fig. 2 opm).
In den beiden Teilen der Leiste neben der Medianfurche schiebt
sich zwischen Propria mucosae und Papillarkörper eine 250 f^i hohe
und in der Basis, in der Paramedianen gemessen, 650 ^t breite, trans-
versal gelagerte, ie2,7mmlangeBindegewebsleisteein, die bindegewebige
Grundlage der Leiste, die das Oberflächenniveau des vor und hinter
der Leiste gelegenen Epithels nicht überragt. Die Submucosa hat keinen
direkten Anteil an der Bildung dieser Leiste. Die vordere Oberfläche
dieser Bindegewebsleiste steht in einem sehr stumpfen Winkel zu
der des Bindegewebes vor der Gaumenleiste, während diejenige der
hinteren Oberfläche mit der Oberfläche des Bindegewebes hinter der
Leiste etwas weniger als einen rechten Winkel bildet. Es ist die Leiste
also pharyngealwärts gerichtet (Taf. I, Fig. 1 u. 2 bi).
Die elastischen Fasern dieser Bindegewebsleiste sind Fortsetzungen
der in der Propria mucosae und den Epithelwülsten paramedian ver-
laufenden Fasern, die sich aufgefasert haben, den bindegewebigen
Innenraum der Leiste durchströmen, um teilweise vor dem Epithel der
Rückwand der Leiste zu endigen, besonders an der in das Bindegewebe
Zeitschrift f. wissenscii. Zoologie. CIX. Bd. 2
18 Jakob Rehs,
vorspringenden transversalen Kante, diese gleichsam in ihrer Lage
fixierend (Taf. I, Fig. 1 el). Teilweise biegen die elastischen Fasern
um und ziehen nach der First zu. Auch gehen wenige elastische Fasern
von der Epithelrückwand zur Vorderwand. Durchflochten werden
diese elastischen Fasern von wenigen, dünnen transversalen Fasern.
So bildet diese Anordnung der elastischen Fasern in paramedianer
Richtung einen Übergang zu der in den Leisten andrer Tiere, wo ein
Zusammenhang zwischen den elastischen Fasern, die von der Epithel-
vorderwand zur Eückwand ziehen und den in den Tälern vor und
hinter der Leiste befindlichen, kaum noch wahrzunehmen ist.
Der basalste Teil der Vorder wand der Bindegewebsleiste besitzt
im Übergang zum Papillarkörper des davor liegenden Tales 190 /< lange,
40 fi im Basisdurchmesser messende, das Stratum germinativum nicht
ganz durchsetzende Primärpapillen mit elastischen Fasern im peripheren
Teil aus dem bindegewebigen Grundstock, der Leiste. Die Rückwand
zeigt nur vereinzelt Pirmärpapillen an der äußersten Basis. Der schmäl-
sten, lingualwärts gelegenen Fläche des bindegewebigen Grundstockes
sind nach der First zu gerichtete, spitzkegelige und bindegewebige
Papillen derart aufgesetzt, daß ihre Epithelrückwand direkt in die
Epithelrückwand der bindegewebigen Transversalleiste übergeht, wäh-
rend die Epithelvorderwand der Papille auf die schmälste Fläche der
bindegewebigen Transversalleiste aufstößt. Diese Bindegewebspapillen
sind nur 130 /i lang. Ihr basaler Durchmesser ist aber 80 |tt (Taf. I,
Fig. 2 prvs). Sie sitzen auf beiden Seiten der Medianfurche, auf eine
Strecke von 1,6 mm verteilt, der bindegewebigen Transversalleiste auf
zu sechs transversal in einer Reihe nebeneinander, seltener zu zweien
paramedian hintereinander. In den Papillen, deren kollagene Fasern
parallel zur Oberfläche in der Richtung der Papille liegen, finden sich
ebenso verlaufende elastische Fasern, die Fortsetzungen der elastischen
Fasern sind, die den bindegewebigen Innenraum durchsetzt haben
und nach der First zu abgebogen sind (Taf. I, Fig. 2 prvs). Blut-
kapillaren und Nerven sind reichlich vorhanden.
Jede Bindegewebspapille ist von einem Mantel von spindelförmigen
Zellen des Stratum cylindricum umgeben, die schindeiförmig gelagert
sind. Auf ihn folgt ein sich distal wärts verdünnender Mantel aus kern-
haltigen und granulierten Epithelzellen, deren kürzester Durchmesser
senkrecht zur Oberfläche der bindegewebigen Papillen steht (Taf. I,
Fig. 2 sg). Beide Mäntel gehören dem Stratum germinativum an. Über
den distalen Teil dieses Mantels stülpt sich ein Gebilde mit sehr stark
granulierten, pigment- und kernhaltigen Zellen, die mit ihrem kürzesten
Beiträge zur Kenntnis der niakroskop. und mikroskop. Anatomie usw. 19
Diuchniesser senkrecht zur Papillenriclitiing eingestellt sind (Taf. I,
Fig. 2 II). Im basalen Teil gehen diese Gebilde aller Papillen ineinander
über. Distahvärts platten sich die Zellen stark ab , werden kernlos
und legen sich zu einer echt verhornten Epithelpapille zusammen. Diese
färbt sich mit Pikrinsäure intensiv (Taf. I, Fig. 2 III). In die inter-
papillaron Käume, also zwischen die Epithelpapillen, ist das Stratum
cornoum, das sich durch den ganzen Grad der Verhornung scharf von
den Epitholpapillen unterscheidet, im Gegensatz zu den gewöhnlichen
Primärpapillen, die das Stratum germinativum nicht durchdringen,
tief eingesenkt (Taf. I, Fig. 2 sc). Es besteht aus platten, jungver-
hornten Zellen. Der kürzeste Durchmesser der Zellen, die jenem Mantel
direkt angelagert sind, steht ebenso wie der jener Zellen, sonst aber
senkrecht zur Epitheloberfläche. Sie füllen aber die interpapillaren
Räume nicht ganz aus, sondern auf der Oberfläche der First sind Sättel
zu beobachten, die von den distalen Enden der verhornten Epithel-
papillen überragt werden. Diese sind die schon eingangs erwähnten
Höckerchen.
Die vordere und die hintere Oberfläche der bindegewebigen Leiste
sind von den Schichten des Stratum germinativum und Stratum cor-
neum bedeckt, die nach der First zu in die die Bindegewebspapillen
umgebenden Mäntel übergehen und deren kürzester Zelldurchmesser
auch zur Oberfläche der Bindegewebsleiste senkrecht steht (Taf. I,
Fig. 1 sc, sg). Alle Epithelzellen der Vorderwand gehen in die Epithel-
zellen des Tales zwischen der zweiten und ersten Leiste allmählich im
sanften Bogen über, indem ihr kürzester Durchmesser sich senkrecht
zur Oberfläche des Bindegewebes einstellt. An der pharyngeal gelegenen
Wand hingegen springen die Epithelzellen, deren kürzester Durch-
messer ebenso steht wie bei der Vorderwand, als Kante in das Binde-
gewebe vor (Taf. I, Fig. 1 el). Der Übergang zu den Zellen des Epi-
thels des Tales zwischen der zweiten und dritten Leiste, deren kürzester
Durchmesser senkrecht zur Oberfläche des Bindegewebes steht, ge-
schieht daher in weniger als einem rechten Winkel.
Es unterscheiden sich also jene zu Reihen transversal nebeneinander
liegenden Bindegewebspapillen von den Primärpapillen vollkommen,
auch von denen, die den Papillarkörper der Vorderwand der Binde-
gewebsleiste bilden. Jene Bindegewebspapillen leiten sich aber nicht
direkt von Primärpapillen her, sondern ich möchte sie als die Spitzen
großer Bindegewebspapillen deuten, wie sie vom hinteren Teil des
harten Gaumens noch beschrieben werden, bei denen es zu einer late-
ralen Konkreszenz der basalen bindegewebigen Hauptteile der Pa-
2*
20 Jakob Rehs,
pilleu gekomineu ist, woraus ein Teil des bindegewebigen Innern der
Leiste resultiert. Die lateralen Teile der Leiste werden wohl infolge
von Zuo'wirkung entstanden sein. Wie schon berichtet hat die Sub-
mucosa nur einen indirekten Anteil an der Bildung der Leiste.
Diese Deutung erhält eine Stütze, wenn man Paramedian- und
Transversalschnitte durch die zweite Gaumenleiste im Bereich einer
solchen Bindegewebspapille mit eben solchen durch die erste Papillen-
querreihe vergleicht, die sich aus stachelartigen, pharyngeal gerichteten
Papulae operariae zusammensetzt.
Periost, Submucosa und Propria mucosae mit Pars papillaris
zeisen denselben Aufbau wie es bei der zweiten Gaumenleiste geschildert
wurde. Der Grundstock der Papulae operariae ist eine etwa 600 f.i lange
Bindegewebspapille, deren äußerste Basis an der Vorderseite wenige
250^« lange Primärpapillen, die wie auch alle Papillen im Tal pharyn-
geal gerichtet sind. Man kann diese großen Bindegewebspapillen daher
kaum als Sekundärpapillen bezeichnen, sondern ich möchte sie, wie
noch gezeigt werden wird, für vergrößerte Primärpapillen halten.
Die vordere und hintere Oberfläche einer solchen großen Bindegewebs-
papille steht zur Oberfläche des Bindegewebes in den Tälern zwischen
den Papillenquerreihen ebenso, wie von der Vorder- und Rückwand der
zweiten Leiste angegeben wurde. Sie hat einen in der Para medianen
gemessenen geringeren Basisdurchmesser als der bindegewebige Innen-
raum der zweiten Leiste, aber sie ist um etwa 200 /< länger als der vor-
her genannte Innenraum und die darauf sitzenden Papillen. Diese
Verlängerung der großen und auch der Primärpapillen geht Hand in
Hand mit der Verdickung des Epithels. Die kollagenen Fasern im ba-
salen Teil der großen Bindegewebspapillen zeigen den Bau der Propria
mucosae, und distalwärts verlaufen sie parallel zur Oberfläche der Pa-
pille. Ebenso wie bei der zweiten Leiste liegen neben paramedianen
elastischen Fasern, die von den paramedianen kommen, die in der
Propria nmcosae und dem Papillarkörper vor der Papillenquerreihe
liegen, transversale elastische Fasern, auf die Basis beschränkt. In
der Spitze sind zur Spitze ziehende elastische Fasern anzutreffen, die
Fortsetzungen von bogig verlaufenden, paramedianen elastischen Fa-
sern sind. Das Papillenstroma nimmt Blutgefäße und Nerven auf.
Die großen Bindegewebspapillen (Taf.I, Fig. 3 2^rv) sind von einem
Epithel umscheidet, das sich sehr scharf durch die Lage und die
Beschaffenheit der Zellen von dem interpapillaren und dem zwischen
je zwei Papillarquerreihen befindlichen abgrenzt und so zur Bildung der
die Gaumenoberfläche überragenden Prominenzen, den Papulae opera-
Beiträge zur Ki-nulnis cUt makroskop. und nükroskop. Anatomie usw. 21
liao, fühlt. Auf einen Mantel aus keulenförmigen Zellen, die wie Schin-
deln der Bindegewebspapillc anliegen, folgt ein am basalen Teil 50 ^a
dicker, sich distalwärts auf 15 /< verdünnender Mantel aus granulierten,
kernhaltigen Zellen, die mit ihrem kürzesten Durchmesser senkrecht
zur Papillenrichtung stehen. Beide bedecken die Bindegewebspapillc
also vollständig und gehen in das Stratum germinativum des vor und
hinter der Papillenreihe liegenden Epithels über und sind daher ein
Stratum germinativum (Taf. I, Fig. 3 äj/). Abgeplattete, sehr stark
granulierte, mit dem kürzesten Durchmesser von 5/7, ebenso gelagert
wie die vorhergehenden und mit deutlichen Kern folgen in Mantelform
nach. Die Zellmembran hat ein Oberflächenrelief von Punkten und
Linien. Es sind dies Zähnchen und Leistchen, die von Zelle zu Zelle
ineinander greifen und für einen guten Verband sorgen. Bizzozero
(1885) beschreibt auf der Oberfläche der Mundepithelien andrer Tiere
auch derartige Riffzellen. Am basalsten Teil ist der Mantel 50 /< dick
und dringt hier bis zum Stratum germinativum des vor und hinter der
Papillenquerreihe liegenden Epithels vor (Taf. I, Fig. 3 II). Infra-
papillar bildet er einen 30 u im Durchmesser messenden Strang, der
den zentralen Raum des Epithelzahnes einnimmt. Um dieses helm-
artige Gebilde legt sich ein Mantel von Zellen, deren kürzester Durch-
messer mit derselben Lagerung, wie bei den vorgenannten Zellen, 3 i^t
ist. Die Basis reicht auch bis zum Stratum germinativum und hat eine
Dicke von 50^«. Distalwärts verdickt der Mantel sich auf 100^« und
bildet die Umhüllung des über die Gaumenoberfläche ragenden Epithel-
zahnes. Die Zellen sind auch verzahnt (Taf. I, Fig. 3 III). Dieser
Mantel färbt sich mit Pikrinsäure pikringelb, und die verhornten Epithel-
papillen der First der zweiten Gaumenleiste sind wohl Reststücke dieses
größeren Gebildes, bei denen, wie auch Oppel (1899) an den Hornzähnen
der Zungenoberfläche von Echidna feststellte, die Verhornung nicht nur
im oberen Teil der Papillen erfolgt, sondern auch an den Seitenteilen
tief hinab. Interpapillar ist das Stratum corneum, ein »junges Hörn«,
sehr tief in Lamellenform eingesenkt, und die Zellen, die letzterem Man-
tel am nächsten liegen, lagern ihm platt an, sonst liegen sie parallel
der Epitheloberfläche (Taf. I, Fig. 3 sc). Es bildet oberflächemvärts
Sättel, die von den makroskopisch sichtbaren Epithelzähnen, den
Papulae operariae, überragt werden. An die Vorderfläche wie an die
Hinterfläche der verhornten Epithelmäntel ist das Stratum corneum
angelagert, und es sind die Übergänge zwischen jenen Zellen und den
vor und hinter der Papillenquerreihe gelegenen ebenso, wie bei der
zweiten Leiste geschildert wurde.
22 Jakob Rehs,
Das Stratum corneum vor und hinter der Papillenquerreihe ist
bis auf 700 f^i verdickt. Die Zellen liegen parallel der Epitheloberfläche,
Jene allniähliche Verdickung ist fortschreitend von diesem Teil des
Gaumens zum hinteren festzustellen, und in diesem festen Gefüge vor,
hinter und zwischen den Papillen im Verein mit den tief eindringenden
Hornmänteln ist wohl die Ursache zu suchen, warum es hier nicht zu
einer lateralen Konkreszenz der Basis der großen Bindegewebspapillen
unter Zurückdrängung des Epithels gekommen ist. Liegen jedoch zwei
Papulae operariae sehr nahe beieinander, so sind die peripheren Teile
der verhornten Mäntel lateralwärts verschmolzen (Taf. I, Fig. 3 d),
und das interpapillare Epithel des Stratum corneum ist fast vollkommen
verdrängt und nur auf eine schmale, oberflächliche Lamelle beschränkt.
Bei solchen Papillen ist auch die laterale Basis der bindegewebigen
Grundstücke verschmolzen, und so ist hier tatsächlich ein Übergang
zu dem weiter fortgeschrittenen Prozeß in der zweiten Gaumenleiste
gegeben. Die bindegewebige Transversalleiste der zweiten Gaumen-
leiste ist nicht etwa für sich allein entstanden, und die aufsitzenden
Bindegewebspapillen sind nicht nur vergrößerte Primärpapillen ; denn
die Primärpapillen im Bereich der zweiten Gaumenleiste haben einen
Basisdurchmesser von 40 li und eine Länge von 190 ^t«, während jene
aufsitzenden Bindegewebspapillen die Maße 80«, bezw. 130 /< haben.
Der paramediane Basisdurchmesser der Bindegewebsleiste ist etwas
größer als der der großen Bindegewebspapillen. Letztere sind nur um
200 u länger als die bindegewebige Transversalleiste und die aufsitzende
Papille zusammen. Eine derartige Verkürzung des Basisdurchmessers
und Verlängerung der Höhe läßt sich im Gaumen fortschreitend von
vorn nach hinten feststellen. Ob oben genannter Verschmelzungsprozeß
im Laufe der ontogenetischen Entwicklung vor sich geht, vermag ich,
da mir hierzu das Material fehlt, nicht zu entscheiden.
Es sei noch nachgetragen, daß der Aufbau der dritten, vierten,
fünften, sechsten und siebenten Gaumenleiste im allgemeinen Bau und
im besonderen in der Verteilung des elastischen Gewebes vollkommen
in Übereinstimmung zu der zweiten Leiste steht. Auffälligerweise ist
in der Propria mucosae eine Zunahme transversaler elastischer Fasern
von der transversalen Mitte der Täler vor den Leisten bis zur trans-
versalen Mitte der Leisten selbst und dann eine Abnahme an Menge
bis zur transversalen Mitte der Täler hinter den Leisten zu verzeich-
nen. Es ist ein Zusammenhang zwischen dem Auftreten des Drüseu-
gewebes und den transversalen elastischen Fasern vorhanden; denn
mi Bereich der ersten transversalen Reihe der Papulae operariae ist
Beiträge zur Kenntnis der makroskop. und inikroskop. Anatomie usw. 23
kein Drüsengewebe eingelagert, und es sind auch jene Fasern bei weitem
nicht so reichlich vertreten.
Das Epithel nimmt von der ersten Papillenquerreihe an pharyn-
gealwärts immer mehr an Dicke zu und führt so zur Bildung der dicken
Epithelplatte, die von den Papulae operariae überragt wird. Aus dieser
Epithelverdickmig resultiert eine Abnahme des elastischen Gewebes
an Menge, das sich hier in derselben Schichtenfolge zeigt, wie bei der
ersten Papillenquerreihe und der zweiten Gaumenleiste eingehend ge-
schildert wurde. Diese Beziehung zwischen der Epithelverdickung und
der Abnahme des elastischen Gewebes au Menge wird eingehender bei
Cavia cobaya, da dieses Tier vor Echidna untersucht worden ist, be-
sprochen werden. Eine weitere Folge der Verdickung des Epithels ist
die starke Entwicklung des Papillarkörpers. Taf. I, Fig. 4 gibt einen
Teil des Oberflächenrehefs des 600 f.i dicken Bindegewebes nach Ab-
lösung des Epithels wieder. Bis zu 100 a breite, durch Anastomosen
untereinander verbundene Furchen in paramedianer Richtung, die durch
Epithelwülste, die schon früher geschildert worden sind, hervorgerufen
werden (Taf. I, Fig. 4:eivr), schließen kurze, paramediane, in der Basis
bis zu 60 /t breite Bindegewebsleisten ein, denen 400 -tt lange, 25 /< im
basalen Durchmesser messende und pharyngeal gerichtete Primär-
papillen reihenweise paramedian hintereinander aufgesetzt sind (Taf. I,
Fig. 4:bl + pr). Die Leisten sind das Produkt der verschmolzenen
Basis der Papillen, da sie öfters mit paramedian verlängerter Basis
für sich allein stehen können. So stellt sich hier etwas gleiches ein, wie
von den großen Papillen angegeben worden ist. Außerdem ragen sehr
große, etwa 1600 u lange Bindegewebspapillen hervor, die mit im Durch-
messer 350 u breiter Basis aufsitzen, sich aber distalwärts schnell ver-
jüngen, sodaß der Durchmesser noch 25 u mißt. Sie liegen transversal
in gerader Linie oder in Bogenform nebeneinander, aber nie konmit es
zu einer lateralen Konkreszenz der basalen Teile. Dem oralen Teil der
Basis sitzen 400 u lange Primärpapillen auf (Taf. I, Fig. 4 prv). Der
Aufbau der großen wie der kleinen Papillen ist so, wie er schon mehr-
fach geschildert wurde, nur wird bei den großen Papillen der dem
Gaumendach zugewandte Teil besonders von elastischen Fasern ein-
genommen. Es laufen nämlich die paramedianen elastischen Fasern
in der Pars papillaris und der Propria mucosae vor einer Papillenquer-
reihe bis zu der etwas ins Bindegewebe vorspringenden, pharyngealen
Epithelwand der Papulae operariae, und hierdurch werden sie getrennt.
Der eine Teil zieht seines "Weges weiter, während der andre Teil im
Bogen in den oben genannten Teil der Papille abgelenkt wird.
24
Jakob Rehs,
Das bis zu 2500 u verdickte Epithel, das diesem Papillarkörper
angelagert ist, differenziert sich noch weitergehend, sodaß es sich
von dem der ersten Papillenquerreihen in mancher Hinsicht unter-
scheidet. Während bei diesen letzteren zwischen die Hornmäntel der
Papillen der Querreihen das jungverhornte Stratum corneum mehr
oder weniger tief in Lamellenforni eingesenkt ist, und so einen Ver-
band zwischen dem Stratum corneum vor und hinter der Papillen-
querreihe herstellt, ist es bei den ersteren zu einer vollkommenen la-
teralen Verschmelzung des oralen Teiles der Hornmäntel gekommen,
ph <
prv m
Textfig. 2.
Echidna aculeata. Hoiizontalsclmitt im Bereich einer Querreihe von Papulae operariae und zwar
durch zwei transversal nebeneinander liegende Papulae operariae, so daß die Spitzen der binde-
gewebigen Grundstöcke getroffen sind. Schematisiert. Vergr. 30. Erklärung der Textfig. 2,
siehe unter Textfig. 3.
und nur von hinten dringt das jungverhornte Epithel in Lamellenform
zwischen die Papulae operariae (Textfig. 2 po, l).
Es schiebt sich also zwischen zwei Papillenquerreihen eine im
Durchschnitt 1100 /.i dicke in der Paramedianen gemessene, transver-
sale Schicht, die auf ihrer oralen Fläche gewellt ist, während die pha-
ryngeale vollkommen eben ist. Die Dicke der Schicht vom Stratum
germinativum zur Epitheloberfläche ist etwa 2200 /< (Textfig. 2 u. 3 sc).
Ungefärbt ist diese Schicht hellgelbhch, mit Alkahblau-Pikrokarmin
färbt sie sich dunkelblau, durch Osmiumsäure olivgrün, durch Ehrlichs
Triacid grün, mit Del. Hämatoxyhn-Eosin violettblau, mit der Geam-
schen Methode intensiv violettblau. Die kernlosen Zellen dieses Epi-
thels sind sehr stark abgeplattet, sodaß ihr kürzester Zelldurchmesser
Beitrüge zur Kenntnis der inakroskop. und mikroskop. Anatomie usw. 25
von 3 fi zur Oberfläclie des Epithels senkrecht steht, während der
längste Durchmesser, der parallel zur Oberfläche des Epithels in para-
medianer Kichtung liegt, 65 // ist. Die Membran der Zellen ist nicht
glatt, sondern trägt ein Relief. Bei ungefärbten Präparaten wechseln
helle Erhebungen mit dunkeln Vertiefungen ab. Ein solches Relief
wurde von Rausch (1897) und Wei^enreich (1900/01) bei andern
26 Jakob Rehs,
Hornzellen beschrieben. In die dunkeln Vertiefungen reichen die hellen
Erhebungen der Gegenzelle hinein, und so sind die Zellen schwer gegen-
einander verschiebbar. Die Vertiefungen sind nicht etwa Poren, die
die Zellmembran durchsetzen, wie Mekk (1900) an andern Hornzellen
beobachtet haben will. Seine Bilder stimmen mit den von mir in diesem
Falle beobachteten überein. Es sei noch erwähnt, daß Immisch (1908)
an der oralen Seite der Papulae operariae der Zungenspitze vom Pferd
einen Papillenpfeiler beschreibt, der oberflächenwärts eine Schicht
kernloser Epithelschichten aufweist, die sich »bei Hämatoxylin-Eosin-
färbung mit Hämatoxylin, bei Anwendung von Ehrlichs Triacid eben-
falls in Übereinstimmung mit der Kernfärbung grün« färbte. Er fährt
fort: »Daß der die Papilla operaria darstellende, verhornte Epithel-
aufsatz (Immisch, Fig. 2 c u. 3 /) und die oberste Schicht dieses Zell-
pfeilers (Fig. 2 d und 3 k) zwei verschiedenartige Gebilde sind, geht
aus der verschiedenen Tinktionsfähigkeit ihrer oberfächlichen Partien
hervor. Bei der Färbung mit Hämatoxylin-Eosin zeigen die eigent-
lichen Hornpapillen reine Eosinfärbung, während die Zellpfeiler das
Hämatoxyhn annehmen, also nicht verhornt sind<<. Ich glaube, daß
dieses Epithel denselben Grad der Verhornung aufweist wie jenes
oben geschilderte Epithel, das als ein »junges Hörn« anzusprechen ist.
Durch die GRAMsche Methode läßt sich feststellen, daß jene jung-
verhornte Epithelschicht zwischen sich und dem Bindegewebe eine
ungefärbte, etwa 250 /< dicke Zone einschließt, die ein Stratum germi-
nativum ist (Textfig. 3 sg). Die 400 /i langen Primärpapillen dringen
also in das jungverhornte Epithel ein (Textfig. 3 2)r). Der Übergang
vom jungverhornten Epithel zum Stratum germinativum ist ein all-
mählicher. Die Zellen nehmen an Dicke bis zu 10 /i zu und werden
kernhaltig. Aber sie sind jenen Zellen gleichgerichtet. Nur die keulen-
förmigen Zellen, die einschichtig dem Bindegewebe und auch den
Bindegewebspapillen anlagern, stehen mit der längsten Achse senkrecht
zur Oberfläche des Bindegewebes. Diese Zellen müssen in einem sehr
festen Verband mit dem Bindegewebe stehen; denn w^ährend das ganze
übrige Epithel losgelöst war, hatten sie allein den Zusammenhang mit
dem Bindegewebe bewahrt. Eine derartige Schicht kommt auch in
den Barten von Balaenoptera sibbaldii vor, und Tullberg (1881/83)
nennt sie eine »Zwischenschicht «. Er sagt : »Obgleich es ein eigentliches
Stratum corneum auf der Zwischenschicht nicht gibt, so kann man
doch eine innere Schleimschicht und eine äußere, mehr verhornte unter-
scheiden. Beide werden von Hämatoxylin und Carmin gefärbt, die
erstere jedoch stärker . . . Für diese Schicht möchte ich auf Grund ihrer
Beiträge zur Kenntnis der luakroskop. und mikroskop. Anatomie usw. 27
Konsistenz wie des Aussehens der Zellen den Namen , »Stratum subcor-
neum' vorschlagen«. Ferner stellte er fest, daß in der Epithelverdickung
der Bartenanlage beim Embryo von 3 m Länge zwischen dem Stratum
germinativum und Stratum corneum eine Übergangsschicht liegt, die
»in Ansehung der Beschaffenheit der Zellen von der größten Ähnlich-
keit mit der äußeren Schicht der Zwischensubstanz ist und dürfte
darum gleich wie diese am geeignetsten Stratum subcorneum ge-
nannt werden«.
Zwischen je zwei solcher transversaler Epithelschichten von jun-
gem Hörn ist eine Papillenquerreihe eingeschlossen. Die bindegewebige
Grundlage der Papulae operariae ist eine große Biudegewebspapille
(Textfig. 2 u. 3 jyo, prv). Umschlossen wird sie von einem einschich-
tigen Mantel kernhaltiger, keulenförmiger Zellen, die schindeiförmig ge-
lagert sind. Auf ihn folgt ein durchschnittlich 10 n dicker Mantel von
kernhaltigen Stachelzellen, die sich ebenso färben, wie das Stratum
germinativum und in dieses übergehen. Beide Mäntel gehören dem
Stratum germinativum an. Die Zellen stehen mit dem kürzesten Durch-
messer senkrecht zur Papillenrichtung (Textfig. 2 u. 3sg). Eine solche
Schicht hat Tullberg (1881/83) auch bei den Hornröhren der Barte
von Balaenoptera sibhaldii festgestellt. Infrapapillar erstreckt sich eine
25 i-i im Durchmesser messende Säule von Zellen, deren Kern färbbar
ist, von der Spitze bis zur Oberfläche des Hornzahns. Es ist dieses
eine Marksäule, wie sie auch nach den Angaben Tullbeegs in den Hör-
nern auf dem Nasenbein der Rhinocerotidae, in der Kauscheibe von
Rhytina stellen, in den Barten der Mystacoceti und in vielen eminent
entwickelten Epidermisbildungen auftreten (Textfig. 3 */;). Über die
Entstehung der Marksäulen sagt Tullberg, daß »die Zellen um die
längsten Papillen herum sich abplatten, wodurch Röhren gebildet wer-
den, die sich allmählich über die Papille vorschieben. So wie sie sich
vorschieben, werden sie mit Epithelzellen gefüllt, welche an der Spitze
der Papillen fortwährend neu gebildet werden. Da diese aber keinem
Druck von den Leisten ausgesetzt sind, so werden sie natürlich nicht
auf gleiche Weise wie die die Röhren bildenden Zellen zusammen-
gedrückt, sonderi^ sie bilden eine Art Marksäulen in den Hornröhren«.
Die Epithelhülle des Stratum germinativum und die Marksäule
werden von einem Mantel von kernhaltigen Epithelzellen umschlossen,
deren kürzester Durchmesser von 8 /.i auch senkrecht zur Papillen-
richtung steht. Die Wand der Röhre hat in der Höhe der Bindegewebs-
papillenspitze eine Stärke von 60 u. Die Röhre reicht bis zur Spitze
des Epithelzahus und senkt sich mit ihrem basalen pharyngealen Teil
28 Jakob Rehs,
tief in das Stratum germinativum ein, während sie sich oralwärts als
eine 200 f^i dicke, die Spitzen der gewöhnHchen Bindegewebspapillen
umfassende Schicht über das Stratum germinativum ausbreitet (Text-
fio-. 2 u. 3 I). Sie liegt aber nicht zwischen dem Stratum germinativum
und dem jung verhornten Epithel. Bei Alkaliblau-Pikrokarminfärbung
wird sie dunkelblau, bei Del. Hämatoxylin-Eosinfärbung eosinfarben,
bei Kongorot- Pikrokarmin kongorotfarben. Bei der GRAMschen Me-
thode bleibt sie ungefärbt. Ganz ungefärbt sieht sie gelbbraun aus,
welche Farbe durch ein Pigment hervorgerufen wird. Dieses reduziert
Osmiumsäure und wird schwarz und ist daher ein melaninhaltiges
Pigment. Außerdem zeigen die Zellen Linien und Punktreihen auf
ihrer Membran in der Richtung der Bindegewebspapille. Es sind dies
Leistchen und Zähnchen mit punktförmigen Vertiefungen dazwischen,
wodurch diese Biffzellen fest ineinander gefügt werden.
Diese Röhre wiederum aber nicht ihr basalster Teil, der nur bis
zum Niveau der Spitzen der gewöhnlichen Bindegewebspapillen reicht
und hier scharfkantig endet, und ihr distaler, oraler Teil ist von einem
Epithelmantel umgeben. In der Höhe der Bindegewebspapillenspitze
hat er eine Wandstärke von etwa 220 ,«. Ungefärbt ist er hellgelb. Mit
Ehrlichs Triacid färbt er sich hellorange, mit Alkaliblau- Pikrokarmin
hellgelb, durch Osmiumsäure gelbbraun und nach der GRAMschen Methode
rotgelb. Bei der Del. Hämatoxyhn-Eosinfärbung bleibt er ungefärbt
(Textfig. 2 u. 3 II). Die Zellen liegen ebenso wie die der vorhergenannten
Röhre und sind 6^u dick. Sie sind ineinander verzahnt, und diese Zähne
sind an den Enden der längsten Durchmesser der Zelle in einer Länge
von etwa 2 /t sehr deutlich zu sehen. Ein Pigment ist nicht vorhanden,
und so ist diese Röhre ungefärbt hellgelb, wie das junge Hörn. Es hat
aber mit jenem infolge der verschiedenen Färbbarkeit nichts zu tun.
Möglicherweise ist es noch einer andern Stufe der Verhornung unter-
worfen.
Der äußerste, typisch verhornte Mantel des Hornzahns umschließt
jenen inneren Teil pharyngeal und lateral in Gestalt einer Rinne (Text-
fig. 2 u. 3 III), und je zwei solcher Rinnen sind durch die Lamellen
des jungen Horns getrennt (Textfig. 2 1). Oralwärts verschmelzen
diese Rinnen und gehen vor der Papillenquerreihe in eine besonders
differenzierte Schicht über (Textfig. 2 u. 3 III). Basalwärts reicht die
Rinne so weit wie der vorher beschriebene Mantel. Dieses Epithel
färbt sich mit Ehrlichs Triacid dunkel-orange, mit AlkaUblau- Pikro-
karmin hellblau mit blauen Zellgrenzen, durch Osmiumsäure gelbbraun,
mit Del. Hämatoxylin-Eosin eosinfarben und nach der GRAMschen
Beiträge zur Kenntnis dw makroskop. und tnikrosko]). Anatomie usw. 29
Methode hellgelb. Ungefärbt wird ein braungelbes Pigment sichtbar,
aber es ist nicht in der Menge vorhanden wie bei dem innersten Zell-
mantel. Der kürzeste Durchmesser der Zelle ist 6 // und ist zu der Pa-
pillenrichtung senkrecht gestellt. Die Zellen des jungen Horns, die an
die Außenwand angelagert sind, biegen mit ihrem oralen Teil, nach der
Spitze der Papille zugerichtet, um und legen sich so an den Horn-
niantel an.
Wie schon erwähnt, kommt es zu einer weiteren Differenzierung
des Epithels vor den Papillenquerreihen. Es ist dies eine Schicht, die
nicht direkt an das Stratum germinativum anschließt, sondern durch
die oben erwähnte, stark pigmentierte Schicht davon getrennt ist (Text-
fig. 31). Gegen das oralwärts liegende junge Hörn schließt sie mit
glatter Fläche ab und reicht bis zur Oberfläche des Epithels. In para-
medianer Richtimg im Niveau der großen Bindegewebspapillenspitze
ist sie durchschnittlich 900 /.i dick. Sie färbt sich in Übereinstimmung
mit dem äußersten Hornmantel und ist demnach ebenso verhornt.
So unterscheidet sie sich auch von dem jungen Hörn. Von diesem ist
sie aber auch dadurch unterschieden, daß sich infrapapillar an jede der
gewöhnlichen Bindegewebspapillen eine Marksäule von Zellen an-
schließt (Textfig. 2 u. 3 m), die ebenso gebaut ist, wie die infrapapillar
einer großen Papille. Jede Marksäule ist von einer ein- oder mehr-
schichtigen Scheide hohlzieglig anliegender, kernhaltiger, stark pig-
mentierter Zellen umgeben. Der 5 (.i dicke, kürzeste Durchmesser der
Zellen mit Kernresten, die den Raum zwischen den Marksäulen aus-
füllen (Textfig. 2 u. 3 III), steht nicht etwa senkrecht zur Richtung
der Marksäulen, sondern diese Zellen zeigen, an die Schicht des jungen
Horns anschließend, eine Richtung, die nach der Hornpapillenspitze
hinzielt, und die dem Hornzahn angelagerten Zellen liegen in der Rich-
tung der Hornpapille.
Wichtig ist, daß an die Stelle mehrerer solcher Primärpapillen
mit Marksäulen eine große Bindegewebspapille mit einer Marksäule
treten kann, sodaß zwei große Bindegewebspapillen paramedian hinter-
einander liegen. Es bilden also die Primärpapillen mit den infrapapil-
laren Marksäulen, die nur im Bereich der oralwärts von den Papillen-
reihen gelegenen, typisch verhornten Schicht auftreten, den Übergang
von den gewöhnlichen Primärpapillen, die durch den papillären Bau
der Gaumenschleimhaut bedingt sind, zu den großen Bindegewebs-
papillen, welche die Grundstöcke der Papillae operariae abgeben. Wäh-
rend im Bereich der stärksten Epithelverdickung die Papillae operariae
zu einem festen , transversal gelegenen Gefüge verschmolzen sind und
30 Jakob Rehs,
das jungverhornte Stratum corneum in eine oral nnd pharyngeal ge-
legene Transversalschiclit scheiden, sind die der ersten Papillenquer-
reihe, die im Beginn der Epithelverdickung liegen, durch mehr oder
weni""er tief eingesenkte Lamellen des Stratum corneum von einander
o-etrennt. Hier kommt es schon bei naheliegenden, großen Bindegewebs-
papillen zu einer lateralen Konkreszenz der basalen Teile. Diese Kon-
kreszenz führt im vorderen Teil des Gaumens, wo ein normal dickes
Epithel vorhanden ist, unter Zurückdrängung dieses Epithels zum binde-
o-ewebigen Innern der Gaumenleisten, an deren Bildung die Submucosa
nur einen geringen, indirekten Anteil hat. Die Spitzen der großen Binde-
gewebspapillen und die aufsitzenden reduzierten Hornpapillen sind
noch deutlich vorhanden.
Auf Grund obiger mikroskopischer Befunde erleiden die Schlüsse,
die einige Autoren aus dem Aufbau des harten Gaumens von EcTiidna
ziehen, in ihrer Wahrscheinlichkeit eine Einbuße. Oppels (1900) Mut-
maßung, »daß die bei Echidna sich findenden Platten mit Zähnchen Bil-
dungen der ganzen Schleimhaut sind, also nicht papilläre Bildungen,
und sich mit verhornten Papillen der Zunge nicht ohne weiteres ver-
gleichen lassen <<, ist hinfällig, da aus der Beschreibung und Abbildung
eines Hornzahnes der Echidna-Zunge hervorgeht, daß ein solcher im
Bau mit denen am harten Gaumen im wesentlichen übereinstimmt.
Ebenso sind die Angaben von Retzius (1906), daß die Gebilde in der
hinteren Hälfte des harten Gaumens Gaumenleisten seien, nicht auf-
recht zu erhalten, sondern diese zu bogigen oder geraden Papillen-
querreihen angeordneten, stachelartigen, pharyngeal gerichteten Ge-
bilde sind, wie es schon bei der makroskopischen Schilderung getan
worden ist, als Papulae operariae zu bezeichnen. Hiermit fällt auch
die Angabe, daß der »ganz vereinzelte Stachelfortsatz« hinter den
Papillenquerreihen eine »rudimentäre Leiste« sei.
Bei Echidna leiten die Gaumenleisten im vorderen Teil des harten
Gaumens ihren Ursprung von den Papulae operariae her. Hieraus re-
sultiert, daß diese Gaumenleisten, da Echidna in der Reihe der Haar-
tiere auf der niedrigsten Entwicklungsstufe steht, einen »ursprünglichen,
phylogenetisch niedrigsten Typus << in der Klasse der Mammalia reprä-
sentieren. Retzius (1906) konnte »weder in der Literatur noch an Prä-
paraten << bei den Vorfahren der Mammalia Vorstufen der Gaumenleisten
finden, aber an ein Vorkommen von Papulae operariae kann nicht ge-
zweifelt werden. Da beim Menschen sich nach Gegenbaur (1878) die
Gaumenleisten teilweise zu Papillargruppen auflösen, so ist es auch
Beiträge zur Kenntnis der niakroskop. und mikroskop. Anatomie usw. 31
nichts ungewöhnliches, wenn sie aus Papulae operariae durch Ver-
schmelzung entstehen.
Nach diesen Untersuchungen ist es unverständlich, wenn Gegen-
BAUR (1892) sagt, daß diese >>in allen Abteilungen verbreiteten Gaumen-
leisten bei Eckidna am hinteren Abschnitte in einer wichtigen Funk-
tion stehen, indem sie mit Zähnchen besetzte derbe Platten tragen,
wie schon erwähnt, mit der Reibplatte der Zunge zusammenwirkende
Gebilde«, und daß >>nilt diesen verglichen die am vorderen Abschnitte
des Gaumens befindlichen schwachen Leisten rudimentäre Gebilde
sind<<. Zweifelsohne haben die Papulae operariae, die ihren Aufbau
vollkommen der Verdickung des Epithels verdanken, im hinteren Teil
des harten Gaumens gemeinsam mit denen der Zunge die wichtige
Funktion, von der Owen (1868) sagt, daß >>the insects are doubtless
crushed between the hardpapillaeof the tongueand the pallatalspines«.
Es kann aber auch kein Zweifel darüber bestehen, daß die Gaumenleisten
im vordersten Teil des harten Gaumens im Verein mit den Papulae
operariae der Echidna-Ziinge bei der Aufnahme der Nahrung eine ebenso
wichtige Funktion haben. Möglicherweise wird eine Höchstleistung ge-
währleistet durch den Zusammenschluß der bindegewebigen Grund-
stöcke der Papulae operariae zu Leisten, da die letzteren in diesem
Teil des Gaumens mit dem normal dicken Epithel nie die starre Aus-
bildung derjenigen im hinteren Teil des Gaumens erreichen konnten.
Es ist daher kaum angängig, diese Gaumenleisten als »rudimentäre Ge-
bilde« im Gegensatz zu den Papulae operariae am hinteren Teil des
Gaumens zu bezeichnen.
Da ich den Gaumen von Or7iithorhynchus anatinus nicht selbst
untersucht habe, werde ich die Literatur nicht anführen, sondern mich
nur auf einige Angaben über diesen Gaumen beschränken. Von dieser
Gaumenschleimhaut (Retzius, Taf. XXXV, Fig. 2 u. 3) gibt Retzius
(1906) an, daß die »ausgehöhlte Gaumenpartie zwischen den Horn-
zähnen eine sehr eigentümliche Querrunzelung zeigt, nämlich vorn eine
Anzahl unregelmäßiger Leistchen und weiter hinten in einer mittleren
dreieckigen Partie dichtgedrängte, einander parallele, sehr regelmäßige
schwach gebogene Querleistchen, welche außen jederseits scharf ab-
gesetzt enden (Taf. XXXV, Fig. 2). Bei stärkerer Vergrößerung
(Taf. XXXV, Fig. 3) erkennt man, daß jede dieser Leistchen aus einer
Reihe dichtgedrängter, perlenbandähnlich angeordneter, runder Knöt-
chen besteht <<. Bei diesen Gebilden hat man es wie bei Echidna mit zu Quer-
reihen angeordneten Papulae operariae zu tun. Ob aber diese Gebilde
im mikroskopischen Aufbau mit denen von Echidna übereinstimmen.
32 Jakob Rehs,
und ob die im vorderen Teil der Gaumenschleimhaut sich befindlichen
Leistchen sich von jenen Gebilden herleiten, ist ohne eine eingehende
Untersuchung, wozu mir kein Material zur Verfügung stand, nicht zu
entscheiden.
Marsupialia.
Polyprotodontia.
Didelphyidae.
Didelphys sp., junges Tier.
Didelphys opossum L.
Dasyuridae.
Dasyurus viveninus, Shaw, junges Tier.
Peramelidae.
Perameles nasuta Geoffr.
Diprotodontia.
Phalangeridae.
Phalmigista vuljmia Desm.
Macropodidae,
Halmaturus rujicollis Desm.
Macropus (Thylogole) hillardieri Desm.
Petrogale penicillata Gray.
OnycJiogole lunata Gould.
Betto7igia cuniculus Ogilby.
Historisches. Da der harte Gaumen aller Mai'supialier durch den ma-
kroskopischen Bau einem gemeinsamen Typus angehört, will ich das anführen,
was CuviER, Owen und Retzitts über den harten Gaumen dieser Tiere schreiben.
CuviEB (1845) sagt, daß »dans le sarigue a oreilles bicolores, on trouve
neuf plis ecartes dont le dernier depasse les arriere-molaires; entre les deux der-
niers se remarquent deux tres petits tubercules arrondis comme une tete d'epingle.
Ces plis forment d'un bord dentaire ä l'autre un seul arc arrondi ä Fexception
du troisieme, qui est ogival«.
OwEX (1868) schreibt: "The palate is sculptured with transverse ridges.
These arc most numerous in the Bandicoots, being fourteen in the Perameles nasuta
and are slightly curved forwards: the roughness thus produced must aid the
tongue in retaining small insects."
Retzius (190ü) l:)eschreibt und bildet die Gaumen von Macwpus hillardieri,
Onychogale lunata, Petrogale penicillata, Bettongia cuniculus, Phalangista vulpina,
eines jungen Didelphys sp. und Dasyurus viverrinus und eines erwachsenen Di-
delphys Opossum ab. Von Wichtigkeit aus der Beschreibung A^on Retzius ist
folgendes: »Die Papillenregion bildet eine zwischen die Schneidezähne eingekeilte,
dreieckige Fläche, an welcher vorn die etwas verschieden gestaltete Papilla palatina
in der Medianebene hervorragt; sie ist bald ganz schmal dreieckig, mit nach vorn
gerichteter Spitze, wie bei Betto7igia (Fig. 9 und stärker vergrößert in Fig. 10);
Beiträge zur Kenntnis der iiuil<.ro!sko|). und niikroskop. Anatomie usw. 33
l)akl ist sie wie eine dreieckige, mit zwei naeli hinten-außen ragenden Widerhaken
versehene Pfeilspitze gestaltet, wie bei Macropus (Fig. 6), Onijchogale (Fig. 7),
Petrogah (Fig. 8); bald bildet sie Zwischenstufen zwischen diesen beiden Formeii
und ist mehr einfach dreieckig, wie bei Phalangista (Fig. 5) und Didelplnjs (Fig. 4).
Hinter der l'apille findet sich in der Mitte noch ein Höcker, der zuweilen in zwei
geteilt ist. und zu jeder Seite desselben, in der Regel ein wenig w^eiter nach hinten,
ein paariger Höcker (Fig. G, 7, 8); diese drei Höcker sind aber zuweilen (bei Di-
delphi/s, Fig. 4) zu einer quergestellten Leiste zusammengeflossen, sodaß man
sie als die erste Gaumenleiste auffassen kann. An der zwischen der Papille und
den übrigen genannten Höckern gelegenen Gaumenfläche finden sich übrigens
mehr oder weniger zahlreiche kleinere, knopfförmige Hervorragungen (Fig. 6, 7, 8).
Hinter der geschilderten Papillenregion befindet sich die eigentliche Leisten-
region, welche bis an die hintere Grenze des harten Gaumens reicht. Man kann
an ihr zwei mehr oder weniger scharf markierte Partien unterscheiden, eine vordere,
welche etwa drei bogenförmige, nach vorn konvexe Leisten enthält (Fig. 5, 0, 7,
8, 0, 10) und eine hintere zwischen den Molaren gelegene, von der einen Seite zur
andern konkave, an welcher die Leisten in weit mehr gerader Richtung der Quere
nach gestellt sind. Die Leisten der vorderen Partie sind an ihrer freien Kante
schärfer und an den Seiten verjüngt, die der hinteren Kante sind mehr abge-
plattet oder eigentlich nach vorn gedrückt, mit der Kante nach vorn, und nach
den Seiten hin von etwa gleicher Breite. Zwischen den Leisten der vorderen
Partie sieht man in der Regel ein Menge kleiner, rundlicher, warzenähnlicher
Höcker, welche häufig zu den Rändern der Leisten parallelen Querreihen ange-
ordnet sind (Fig. 5 — 10); in Fig. 10 ist diese Einrichtung bei Bdtongia in stärkerer
Vergrößerung dargestellt. Die Zwischenräume der Leisten der hinteren Partie
der Leistenregion sind dagegen glatt oder (nach vorn hin) mit wenigen kleinen
Höckern versehen. Bei genauerer Untersuchung erkennt man aber, besonders
bei Macropus, Onychogale und Petrogah, ivber auch bei BeUongia und Phalangista,
daß diese hinteren Leisten in der Nähe ihrer vorderen Kante je eine derselben
parallele Rinne zeigt, und daß der vor dieser Rinne gelegene Teil der Leiste wie
ein aus dem zwischen den Leisten befindlichen Felde aufsteigender Wall erscheint.
Die hinterste Leiste befindet sich am hinteren Rande des harten Gaumens, etwas
hinter den hintersten Molaren. . . . Im allgemeinen stehen die Leisten in der
Mitte der Region am dichtesten (s. bei BeUongia, Fig. 9) und entfernen sich von-
einander nach vorn und hinten; besonders die vorderen haben große Zwischen-
felder und sind am stärksten voneinander entfernt, bei BeUongia jedoch weniger
als bei den andern. . . . Die Gesamtzahl der Gaumenleisten ist bei den ver-
schiedenen hier berücksichtigten Tieren etwas verschieden. Im ganzen schwankt
ihre Anzahl zwischen acht und zehn«.
Retzius kommt zu dem Ergebnis, daß »bei den ^larsupialiem sich in der
Anordnung des Gaumens und der Gaumenleisten ein Typus findet, welcher, oli-
schon auch speziahsiert und in charakteristischer Weise differenziert, doch einem
ursprünglichen und niedrigen Typus recht nahe stehen kann und wahrscheinlich
auch recht nahe steht; nur sind in dem vor den Backzahnreihen gelegenen Teil
des Gaumens, je nach der mehr oder weniger starken Verlängerung dieser Partie,
die Leisten mehr voneinander entfernt und mit größeren Zwischenfeldern ver-
sehen als im hinteren, welcher einer ursprünglicheren Anordnung entsprechen
dürfte {Macropus, Onychogale, Petrogale); bei andern wahrscheinlich ursprüng-
Zeitsclirift f. wiäsensch. Zoologie. CIX. ßd. 3
34 Jakob Rehs,
lichcren Formen (z. B. Bettongia) ist aber auch in dieser Beziehung eine geringere
Veränderung in der Anordnung der Leisten geschehen <-.
Eigene Untersuchuniien. Der harte Gaumen von Halmaturus
ruficollis, den ich meinen Untersuchungen zugrunde gelegt habe, ähnelt
im makroskopischen Bau denen von Macropus biUardien, OnycJiogale
lunata und Petrogale penicillata, wie überhaupt die Marsupialiergaumen
einem gemeinsamen Typus angehören. Wie bei den vorher genannten
Tieren bildet auch bei Halmaturus ruficollis die Kegion der Papilla
palatina eine zwischen die Schneidezähne eingekeilte, dreieckige Fläche,
an welcher vorn die Papilla palatina in der Medianebene hervorragt.
Sie ist wne eine dreieckige, mit zwei nach hinten-außen ragenden Wider-
haken versehene Pfeilspitze gestaltet (Taf. I, Fig. 5). Hinter der
Region der Papilla palatina finden sich mehrere Höcker. Es folgen nach
hinten bis zu den Molaren zwei Gaumenleisten, die ihre First pharyngeal-
wärts richten. Die erste Leiste ist bogenförmig nach vorn konvex ge-
staltet, wiihrend die zweite in gerader Richtung transversal liegt. In
den weiten Zwischenfeldern zwischen der Region der Papilla palatina,
den Höckern, der ersten und zweiten Gaumenleiste liegen kleinere oder
größere, oft zu Querreihen angeordnete Papulae operariae, wie sie auch
bei andern Marsupialiern anzutreffen sind. Zwischen den Molaren zählt
man fünf quergestellte Gaumenleisten, die leicht in der Mitte nach vorn
gebogen sind mit Ausnahme der ersten dieser Leiste, die überhaupt
derart eigentümlich gebaut ist, daß ich sie näher beschreiben will. Sie
ist durch eine Medianfurche in zwei Hälften geteilt, was möglicher-
weise eine pathologische Erscheinung ist. Vor der rechten Hälfte liegt
eine transversale Reihe großer, zottenförmiger Papulae operariae
(Taf. I, Fig. 5 po). An den medialen, oralen Teil der rechten Gaumen-
leistenhälfte schließt sich nach transversal links ein längerer Höcker an
(Taf. I, Fig. 5 pov), der durch eine Furche von den vor der linken
Hälfte der Gaumenlciste liegenden Reihe von Papulae operariae ge-
trennt ist (Taf. I, Fig. 5 2^0). Die einzelnen Papillen der rechten
Hälfte der Papillenquerreihe sind noch relativ deutlich durch Furchen
voneinander getrennt, während bei der linken Hälfte mehrere solcher
Papillen zu Komplexen verschmolzen sind und nur noch sehr seichte
Trennungsfurchen erkennen lassen. Am deutlichsten zeigt dieses der
transversal gestellte, längere Höcker. Nach der zweiten Gaumenleiste
zu schließen sich an die transversale Papillenreihe zerstreut liegende,
kleinere Papillae operariae an, wie sie auch vor der zweiten und ersten
Gaumenleiste zum Teil noch kleiner anzutreffen sind. Die Papillen der
rechten Hälfte der Papillenquerreihe würden einen Übergang bilden
Bi'itiäge zur Ivoiintuis (.ler tiuikroskop. und iiiikiusko]). Analuniic usw. 35
von den zerstreut liegenden zu den zu Komplexen ver.schmolzenen Pa-
pillen der linken Hälfte der Fapillenquerreihe, und diese wiederum zu
dem längeren, transversalen Höcker. Letzterer führt zur wolilausgebil-
deten Gaumenleiste hinüber. Nach Abschluß der Arbeit finde ich imter
den Gaumenschlcimhiluten der Institutssammlung eine solche von
HahnatuiHS nijicolUs, die au Stelle der Papillenquerreihe vor der dritten
typischen Gaumenleiste eine Gaumenleiste zeigt, die nicht so voll-
kommen ausgebildet ist wie die dritte und durch eine Medianfurche
und zwei Paramedianfurchen in vier Stücke zerlegt ist (Taf. I,
Fig. 6 pov).
Eine Stütze jener Anschauung sehe ich in den Angaben von Ret-
zius (1906) über das Verhalten der hinter der Region der Papilla
palatina liegenden Höcker bei verschiedenen Marsupialiern. Er sagt
darüber; »Hinter der Papilla palatina findet sich in der Mitte noch ein
Höcker, der zuweilen in zwei geteilt ist, und zu jeder Seite derselben, in
der Regel ein wenig weiter nach hinten, ein paariger Höcker; diese
Höcker sind aber zuweilen (bei Didelphys, Fig. 4) zu einer quergestellten
Leiste zusammengeflossen, sodaß man sie als die erste Gaumenleiste
auffassen kann <<. Vergleicht man noch die Gaumenabbildung von einem
jungen Didelphys sp. (Retziüs, Taf. XXXV, Fig. 4) mit der eines er-
wachsenen Didelphys opossum (Retzius, S. 168), so bemerkt man, daß
bei ersterem Tier die letzten Gaumenleisten vollkommen in transversal
nebeneinander liegende Papulae operariae aufgelöst sind, während dies
bei dem letzteren kaum noch zu beobachten ist. Außerdem wird
die mikroskopische Betrachtung die obige Vermutung bestätigen.
Über den mikroskopischen Aufbau der Region der Papilla palatina
und im besonderen über die Rolle, die das elastische Gewebe in Be-
ziehung zu den Canales naso-palatini spielt, kann ich keinen Aufschluß
geben, da diese Region zwecks Einbettung in mehrere Stücke zer-
legt wurde und infolgedessen die Orientierung verloren gegangen war.
Was das Gebiet vor der ersten Gaumenleiste anbelangt, so ist die
Gaumenschleimhaut durch ein Periost, das frei von elastischen Fasern
ist, an das knöcherne Gaumendach angeheftet (Taf. I, Fig. 7 pe).
Die etwa 1200« dicke Submucosa ist ein Maschenwerk aus dicken, para-
iuedian gerichteten, sich gegenseitig durchflechtenden Bindegewebsbün-
deln. Eingelagert sind Nerven, Arterien und ein klappe nhaltiges Venen-
geflecht, das eine Art Schwellkörper bildet. Den Arterien und Venen-
wandungen sind elastische Häute in auffallender Stärke eingelagert
(Taf. I, Fig. 7 v). Der Teil dieser Bindegewebsschicht , der direkt
an das Periost anschließt, ist relativ arm an bis zu 0,8 /« dicken elasti-
36 Jakob Rehs,
sehen Fasern, die in paramedianer Richtung verlaufen. Aber zwischen
den Arterien, Venen und Nerven ziehen paramediane elastische Fasern
zu Bündeln vereinigt. Untereinander sind sie durch von ihnen ab-
gehende elastische Fasern verbunden (Taf. I, Fig. 7 sni und Taf. II,
Fig. 10 sm). In der Übergangszone zwischen Submucosa und Propria
mucosae werden die paramedianen elastischen Fasern von transver-
salen gekreuzt, und so entsteht ein regelrechtes Geflecht (Taf. I, Fig. 7 S])
u. Taf. II, Fig. 10 sp).
In der 650 ^it dicken Propria mucosae aus dicht verfilzten! Binde-
gewebe liegen nur bis zu 0,8// dicke, transversale elastische Fasern, die
sich untereinander durchflechten (Taf . I, Fig. 7 pm u. Taf. II, FiglO pn).
Diese transversalen elastischen Fasern durchqueren aber nicht die ganze
Gaumenbreite, sondern indem bindegewebigen Teil der äußersten rechten
und linken Seitenteile, der ungefähr je ein Sechstel der ganzen Gaumen-
breite ausmacht, finden sich nur paramediane elastische Fasern in
dichter Anordnung. Eine oberflächlichste, 200 h dicke Schicht der
Propria mucosae, die an das Epithel anstößt, zeigt letzterem parallele
leastische Fasern, die in einem sehr weitmaschigen Geflecht aus 0,2 //
dicken, paramedianen elastischen Fasern angeordnet sind und solchen,
die von den transversalen Fasern der Propria mucosae abbiegen und
zum Epithel hinstreben, um sich hier pinselförmig aufzuteilen, an den
Epithelwülsten zu endigen (Taf. II, Fig. 10 ew) oder in die periphere
Schicht der 300 /t langen Bindegewebspapillen zur Spitze aufzusteigen
(Taf. I, Fig. 7 opm u. Taf. II, Fig. 10 opm).
Der Papillarkörper ist, wie bei Echidna näher beschrieben worden
ist, auch hier ausgebildet.
Das 325 fi dicke Epithel hat in der ganzen Schleimhaut fast dieselbe
Dicke und weist keine irgendwie verhornte Oberflächenschicht auf,
da die Zellen stets kernhaltig und abgeflacht sind (Taf. I, Fig. 7 ep
u. Taf. II, Fig. 10 ep).
Im Bereich der ersten Gaumenleiste nimmt die Submucosa von
vorn nach der transversalen Mitte der Leiste an Dicke bis auf 200 ii
(Taf. I, Fig. 7 rsm u. Fig. 8 sm). — Fig. 8 u. 9 sind Schnitte aus der
zweiten Gaumenleiste; da sie vollkommen mit denen aus der ersten
übereinstimmen und die geschilderten Verhältnisse noch schöner zeigen,
w^erden sie hier herangezogen. — In dem Tale zwischen der ersten und
zweiten Gaumenleiste schwächt sich die Submucosa wieder ab, um hier
die Dicke wie vor der Leiste zu besitzen. Hieraus resultiert eine dem
allgemeinen Niveau der Submucosa aufsitzende, transversal Hegende
Bindegewebsleiste, die zweifelsohne eine Submucosa ist, da große Blut-
Beiträge zur Kenntnis der nuikroskop. und niikroskop. Anatomie usw. 37
gefäße angesclinitten sind (Tat. I, Fig. 7 ü u. Taf. II, Fig. 9 v). Die vor-
dere Oberflächemvand steigt allmählich an, während die hintere steil
abfällt. Es hat also bei Hahnalurujs ruficolUs die Submucosa im Gegensatz
zu Echidna einen direkten, bedeutenden Anteil an der Bildung der
Gaumenleisten. Charakteristischerweise sind auch innerhalb dieser sub-
mucüsen Bindegewebsleiste paramediane elastische Fasern zu Bün-
deln angeordnet, welche untereinander durch abzweigende elastische
Fasern verbunden sind (Taf. II, Fig. 9 s»t)und welche die Tendenz haben,
Lamellen in paramedianen Ebenen zu bilden (Taf. I, Fig. 8 le).
Diese submucose Bindegewebsleiste ist von der Propria mucosae
ungefähr in derselben Schichtdicke wie im Tal vor der Leiste überwallt.
Die elastischen Fasern laufen untereinander verflochten in transver-
saler Richtung (Taf. I, Fig. 7 pm u. Taf. II, Fig. 9 pm). In der Propria
mucosae der First der Leiste liegen neben transversalen auch paramediaue
elastische Fasern (Taf. I, Fig. 8 pm). In jenem Geflecht sind die Enden
der elastischen Fasern der paramedianen Faserbündel der submucosen
Bindegewebsleiste gleichsam verankert (Taf, II, Fig. 9 sp), oder sie
durchsetzen jene Schicht und streben zu der vorderen oder hinteren
Epithel wand der Gaumenleiste. Auf ihrem Weg kreuzen sie parame-
diane elastische Fasern in der oberflächlichsten Schicht der Propria
mucosae, die an das Epithel anschließt.
Im Tal zwischen der ersten und zweiten Gaumenleiste besteht
dieselbe Schichtenfolge wie im Tal vor der ersten Leiste. In jenen
beiden Tälern sind, wäe schon eingangs erwähnt, auf der Oberfläche der
Gaumenschleimhaut makroskopisch Papulae operariae, die teils koni-
sche Form haben, teils breitere Höcker darstellen, in allen Größen mit
pharyngealer Richtung sichtbar. Der bindegewebige Grundstock der
kleinsten Papulae operariae ist eine stark vergrößerte Primärpapille,
welche das Epithel emporwölbt (Taf. II, Fig. 10 po, pr). Daneben
liegen solche und dieses besonders im zweiten Tal, deren bindegewe-
biger Grundstock eine Ausbuchtung der gesamten Pars papillaris mit
Einschluß der Propria mucosae ist und so als Sekundärpapille zu be-
zeichnen ist, da ihm Primärpapillen aufgesetzt sind. Jene Sekundär-
papillen überragen das allgemeine Niveau der Epitheloberfläche, wölben
das Epithel empor und führen so zu den größeren, zottenförmigen Pa-
pulae operariae (Taf. II, Fig. 11 po, s). Die ersteren vergrößerten
Primärpapillen werden vollständig von zum Epithel ziehenden elasti-
schen Fasern eingenommen. Bei den letzteren hingegen liegen neben
elastischen Fasern, die zum Epithel ziehen, transversale, wie sie in der
Propria mucosae angetroffen worden sind. Es hat also die Propria
3ji Jakob Rehs,
mucosae an der Bildung dieser Papulae operariae einen bedeutenden
Anteil (Taf. II, Fig. 11 pn, tef). Aber nicht nur diese, sondern auch
die Subnnicosa mit den paramedianen elastischen Fasern trägt, wenn
auch nur indirekt, zur Bildung der Papulae operariae bei (Taf. II,
Fig. 11 sm, rsm).
Die zweite Gaumenleiste zeigt einen noch regelmäßigeren Bau wie
die erste, da sie nicht bogig, sondern gerade transversal gestellt ist und
Fig. 8 u. 9, Taf. I bzw. II sind dieserhalb nach Präparaten dieser Leiste
wiedergegeben. Wie schon erwähnt, liegt vor der rechten Hälfte der
dritten Gaumenleiste eine Querreihe aus Papulae operariae, die durch
Furchen getrennt sind. Bei der linken Hälfte dagegen ist es zu einer
Verschmelzung mehrerer Papulae operariae gekommen, und es ist ver-
mutet worden, daß eine Leiste hierdurch entstehen könne. Die Pa-
pulae operariae der rechten Hälfte der Papillenquerreihe haben einen
bindegewebigen Grundstock, der auch eine Sekundärpapille mit Primär-
papilleu ist. Aber nicht nur die Propria mucof-ae sondern auch die »Sub-
mucosa hat einen direkten Anteil an der Bildung der Papulae operariae,
und es ist der paramediane Verlauf der elastischen Fasern sehr deut-
lich ausgeprägt (Taf. II, Fig. 12 6-, sm). Auch der transversale Ver-
lauf der elastischen Fasern in der Propria nmcosae ist klar zu erkennen
(Taf. II, Fig. 12 s, fm). Die Verschmelzung der einzelnen Papillae
operariae ist in der Papillenquerreihe vor der linken Hälfte der dritten
Gaumenleiste weitergegangen, und am vollkommensten mit dem
Aufbau einer eigentlichen Leiste stimmt der transversale, längere
Höcker überein. Die Submucosa, die wesentlich den Höcker aufbaut,
steht in einem engen Verband mit der, welche die Grundlage für die
rechte Hälfte der dritten Gaumenleistc abgibt. Die Anordnung der
elastischen Fasern in paramedianer Richtung stimmt mit der Leiste über-
ein (Taf. II, Fig. 12 {fov, sm), [3, sm]). Auch sie sind in den transver-
salen Fasern der Propria mucosae verankert (Taf. II, Fig. 12 fov, pm,).
Hiernach besteht kein Zweifel, daß der transversale, längere Höcker das
Produkt der Verschmelzung der bindegewebigen Grundstöcke mehrerer
großer Papillae operariae ist. Da der Höcker mit den Leisten im Auf-
bau übereinstimmt, so ist er der direkte Vorläufer einer solchen. Es
ist natürlich möglich, daß zwei oder mehrere parallele Höckerreihen eine
Leiste bilden, da Retziüs (1906) angibt, daß bei genauer Untersuchung
der Leisten der hinteren Partie mau besonders bei Macro'pus, Onycho-
gale und Petrogale, aber auch bei Bettongia und Phalangista erkennt,
»daß diese hinteren Leisten in der Nähe ihrer vorderen Kante je eine
derselben parallele Rinne zeigt, und daß der vor dieser Rinne gelegene
Beiträge zur Kenntnis cU'r nriUroskop. und mikroskop. Anatomie usw. 39
Teil der Leiste wie ein aus dem zwischen den Leisten befindlichen Felde
aufsteigender Wall erscheint« .
Aus allen diesen Befunden muß man die Anschauung gewinnen,
daß bei den [)riinitiven Marsupialiern das Primäre die aus den Papillae
()[)erariae gebiUleten Papillentjuerreihen und das Sekundäre die wohl-
ausgehildeten Leisten sind. Nichts spricht dafür, daß man nach Hetzius
in den wohlausgebildeten Leisten zwischen den Backzahnreihen die
»ursprüngliche Anordnung« zu sehen hat.
Die letzten Gaumenleisten stimmen im Bau mit den schon be-
schriebenen überein, nur daß das elastische Gewebe an Menge abge-
nommen hat, eine Tatsache, die schon in der dritten Gaumenleiste
festgestellt werden konnte. Retzius (1906) erwähnt bei den Marsu-
pialiern noch eine hinterste Leiste, von der Cuvier (1845) sagt, daß
sie »depasse les arriere-molaires«. Bei Halmaturus rujicollis und wohl
auch bei den andern Marsupialiern ist sie mit den typischen Gaumen-
leisten nicht auf eine Stufe zu stellen, sondern sie verdankt ihr Vor-
handensein einem transversalen Knochenwulst, der lingualwärts am
pharyngealen Rande der Pars horizontalis der Ossa palatma liegt und
die Gaumenschleimhaut in Gestalt einer transversalen Leiste empor-
wölbt. Man vergleiche auch die Schlußleiste des Gaumens des jungen
Didelphjs sp. (Retzius, Taf, XXXV, Fig. 4), und man wird sich über-
zeugen können, daß sie auch hier ganz anders gestaltet ist wie die da vor-
liegenden, letzten Gaumenleisten. Dieselbe Erscheinung wird uns bei
den Insektivoren wieder begegnen.
Edentata.
I. Nomarthra.
Manidae.
Manis javanica (Desm.).
Orycteropidae.
Oryderopus capensis (Gm.).
IL Xenarthra.
Bradypodidae.
Bradypus tridacüjlus L.
Dasypodidae.
Dasijpus villosus (Desm.).
Tatusia peba (Desm.). Fötus.
Historisches. Von Manis javanica hat Retzius (1906) den Caumen
eines Fötus und eines erwachsenen Tieres beschrieben und abgebildet (Retzixts,
Taf. XXXV r, Fig. 4 u. 5). Der Gaumen des Fötus zeigt fünf vordere voUkom-
40 Jakob Rehs,
men entwickelte Gaumenleisten, während die sechste Leiste aus einer Querreihe
von Papulae operariae besteht, und die andern nur Teilstücke einer solchen Quer-
reihe sind. Überall zwischen den Querreihen liegen zerstreut Papulae operariae.
Der Gaumen des erwachsenen Tieres weist zehn vollkommen ausgebildete Gaumen-
leisten auf.
Den Gaumen eines neugeborenen Jungen und erwachsenen Weibchens von
Bradijpus tridadylns beschreibt Retzius, und er bildet den Gaumen des erwach-
senen Tieres auf Taf. XXXVI, Fig. 7, ab. Hierüber sagt er: »Die zwischen den
Zahureihen gelegene, vordere und mittlere Partie desselben ist mit zahlreichen
kleineren und größeren, runden, ovalen oder länglichen Höckern und Erhaben-
heiten besetzt, bei denen man kaum eine Andeutung von regelmäßiger Anordnung
erkennt. Bei näherer Betrachtung lassen sich zwar, besonders vorn, einige Quer-
reihen unter diesen Höckern nachweisen, eine wirkliche Anordnung der Leisten
wibt es aber nicht«. Von dem Gaumen des neugeborenen Jungen schreibt er:
»Bei ihm zeigt die Gaumenoberfläche eine ähnhche Beschaffenheit; nur waren
die Höcker verhältnismäßig noch nicht so gut entwickelt; der Typus war derselbe«.
Bei Dasypus villosus (Retzius, Taf. XXXVI, Fig. 1 u. 2) sind acht Leisten
mit dazwischen liegenden kleinen Papulae operariae zu verzeichnen. Von einem
fast reifen Fötus von Tatusia peha bringt Retzius eine Gaumenabbildung (Taf.
XXXVI, Fig. 3) und er berichtet über ihn: »Bei dem fast reifen Fötus oder Jungen
von Tatusia peha zeigte sich die Anordnung recht sehr verschieden von der bei
dem nahe verwandten erwachsenen Dasypus villosus beschriebenen ... In der
Papillarregion sieht man ein Höckerpaar. Dahinter folgen zwei Paar eigentüm-
liche Leisten, welche beide in der Medianlinie durch je eine Spalte geteilt sind
und ihren Kamm nach hinten kehren. Zwischen ihnen sieht man ein Paar Höcker,
und hinter dem zweiten Leistenpaar folgt ein Paar verkümmerter Leisten. Dann
kommen sechs kräftiger ausgebildete Leisten, von denen die vier vorderen in der
Medianhnie nicht unterbrochen, die zwei hintersten aber geschieden sind. Alle
kehren ihre freie Kante nach hinten und sind hier mit hervorragenden Zacken
versehen. Einige dieser Leisten sind gebogen, mit der Konkavität nach hinten.
In den zwischen den hinteren sechs Leisten befindlichen Zwischenräumen, welche
ungefähr dieselbe Breite haben, sieht man eine JMenge rundlicher kornförmiger
Erhabenheiten «.
Retzius kommt durch diese Untersuchungen zu dem Ergebnis, daß »bei
den Edentaten man teils primitive , teils schon stark differenzierte Leistentypen
findet. So z.B. sieWt Dasypus einen primitiven Typus dar. Tatusia, . . . und
Manis zeigen auch ursprünglichere Formen; bei Bradypus liegt aber eine eigen-
tümliche Differenzierung vor, da sich die Leisten in eine Menge von größeren
und kleineren Knötchen aufgelöst haben, was auf eine Art Reduktion deutet«.
Eigene Untersuchungen, Bei Manis javanica kann es gar kei-
nem Zweifel unterliegen, daß die Entstehung der Leisten aus Papulae
operariae im Laufe der ontogenetischen Entwicklung angenommen
werden muß. Hiernach sind die Gaumenleisten des erwachsenen Tieres
iricherlich keine ursprünglicheren Formen, sondern sie sind sekundär
aus der Verschmelzung der primären Papulae operariae entstanden.
Beiträge zur Keimtiiis der niakiosko]). und niikioskop. Anatomie usw. 41
Der Gaumen von Orycteropus capensis (Taf. II, Fig. 13) zeigt voll-
kommen entwickelte Gaumenleisten, Es bilden also die Nomarthra in
bezug auf die Ausbildung der Gaumenleisten ein Gegenstück zu den
Xenarthra, die auf Südamerika beschränkt sind. Auffälligerweise zeigen
andre südamerikanische Tierfornien (Camelidae, Rodentia) auch mehr
oder weniger gut ausgebildete Gaumenleisten.
Bei dem neugeborenen Jungen von Bradypus tridactylus sind die
Papulae operariae noch nicht so gut entwickelt als beim erwachsenen
Tier, bei letzterem sind sogar Querreihen von Papillae operariae an-
zutreffen. An einem Gaumen habe ich sogar beobachten können, daß
die Papillae operariae vollkommen zu Leistenstücken verschmolzen
sind. Ich bin daher der Meinung, daß hier von keiner »Reduktion«
gesprochen werden kann, sondern daß hier auch primäre Zustände
vorliegen.
Daß bei dem fast reifen Fötus von Tatusia peha die Leisten, die wie
z. B. die dritte teilweise vollkommen aus Papillae operariae bestehen
oder die an ihrer freien Kante mit hervorragenden »Zacken« versehen
sind, »sehr verschieden von den bei dem nahe verwandten, erwachsenen
Dasypus villosus sind, bei dem die Leisten fast vollkommen ausgebildet
sind, spricht für die bei Manis javanica angegebene Ansicht. Es ist
daher auch Dasypus villosus durchaus kein »primitiver Typus«, im
Sinne von Retzius genommen.
Cetacea.
Mystacoceti.
Balaenopteridae ,
Balaenoptera physalus L., Fötus.
Balaenoptera sihhaldii (Gray).
Odontoceti.
Delphinidae.
Delphinus delphis L.
Historisches. Cüvier (1845) sagt über den Walfischgaumen: «Dans les
baleines, eile est garnie d'un nombre considerable de lames cornees, effilees ä
leur extremite inferieure. Ces lames, . . ., s'allongent ä mesure qu'elles s'ap-
prochent du bord externe de la mächoire au point d'acquerir, dans quelques especes,
une longueur de plus de 2 metres. On pourrait peut-etre considerer ces organes,
qui servent de filets ä ces animaux pour retenir leur proie, comme une exagera-
tion des plis transverses, denteles et cornes, du palais du boeuf «.
TuLLBERG (1883) hat den Bau der Barten von Balaenoptera sibbaldii von
zwei Entwicklungsstadien und einem erwachsenen Tier eingehend mikroskopisch
untersucht und kommt hinsichtlich der Entstehung und Entwicklung der Barten
zu folgenden Schlußfolgerungen: »Die erste Veränderung, weiche in tler Schleim-
42 Jakob Rehs,
haut des Oberkiefers zu bemerken ist, ist die, daß innerhalb der Ränder dieses
Kiefers das Epithel verdickt wird und die Bindegewebspapillen verlängert werden.
Diese Veränderung, welche beginnen dürfte, wenn der Embryo ungefähr 2m
lang ist, geht wahrsclieinlich von den mittelsten Teilen des Kieferrandes aus und
breitet sich von da nach hinten und vorn aus. Hierbei wird die äußere Schicht
der Schleimhaut in eine dünnere, ganz und gar verhornte Schicht differenziert',
welche mehr und mehr an Dicke zunimmt. Die Schleimschicht dagegen verdickt
sich langsamer. Allmählich erhebt sich das unter dem Epithel liegende Binde-
gewebe zu schräg längsgehenden Reihen kleiner konischer Fortsätze an schwach
erhabenen Leisten. Dazu ordnen sich diese Fortsätze in den äußeren und vorderen
Enden dieser Reihen allmählich zu Querreihen, und da nun die äußersten Fort-
sätze in diesen Querreihen sich durch Erhebung des zwischenliegenden Binde-
gewebes miteinander vereinigen, entstehen quergehende Leisten, die die erste
Andeutung zu den quergestellten Bindegewcbsplatten bilden. Auf den Rändern
dieser Platten wie auch auf den Spitzen der innerhalb dieser liegenden konischen
Fortsätze werden die Paj^illen allmählich länger, und da bei der Vermehrung
der um diese herumliegenden Zellen und dem Wachstum der Papillen eine Pressung
der außerhalb dieser liegenden Zellen entsteht, so werden die letzteren abgeplattet,
wodurch Röhren entstehen, welche anfangs undeutlich, je nach dem Wachstum
der Papillen mehr markiert werden.
Diese Röhren, welche um die Papillen herumgebildet werden, schieben
sich natürlich beim Wachstum der Epithelmasse über diese auf dieselbe Weise,
wie die Epithelmasse in gewöhnlichem Hörn sich über die Papillen schiebt; luid
so wie die Hormöhren sich verschieben, werden sie von Zellen gefüllt, welche
an der Spitze der Papille durch Teilung dortliegender Epithelzellen gebildet werden
müssen. Diese Zellen platten sich nicht ab, es entsteht aber zwischen ihnen eine
Anzahl größerer Lücken, angefüllt von einem feinkörnigen Inhalt. Eine Pressung,
ähnlich der um die Papillen herum, findet auch rund um die größeren Bincle-
gewebsfortsätze statt, und platten sich auch hier die Zellen mehr und mehr ab,
während die mitten zwischen den Fortsätzen liegenden Zellen, wie auch die, welche
außerhalb der von den Fortsätzen gebildeten Region liegen, von der Pressung
beinahe unberührt sind. So schreitet die Entwicklung weiter fort, bis die Epithel-
masse eine gewisse Dicke erreicht hat, da auch auf der Oberfläche der Bartenanlage
sich eine Andeutung zu Erhöhungen zu zeigen beginnt, welche den Bindegewebs-
fortsätzen entsprechen und so wie diese geordnet sind. Der erste Anfang zu diesen
Erhöhungen wird jedoch nicht auf die Weise gebildet, daß die über den Binde-
gewebsfortsätzen liegenden mehr differenzierten Teile des Epithels die übrige
Masse durchbrechen, sondern nur so, daß diese Masse ausgebuchtet wird, was
daraus ersichtlich ist, daß sie anfänglich von einer Hornschicht bekleidet sind.
Während eines fortgesetzten stärkeren Wachstums der Papillen auf den Rändern
der Bindegewebsfortsätze und des um diese herumliegenden Epithels erreichen
die von den Papillen ausgegangenen Röhren so allmählich die Oberfläche der
Bartenanlage. Dies dürfte teils dadurch geschehen, daß die über den Röhren-
gruppen liegende Epithelmasse abgestoßen wird, teils dadurch, daß sie von den
vordringenden festeren Röhrengruppen zur Seite gedrängt wird. Während dessen
werden die oben genannten Papillen ganz bedeutend länger und dringen ein gut
Stück in die mittelste Schicht ein; jetzt fangen die um sie herumgebildeten Röhren
an. sich zu verhornen. So wie nun diese Röhrengruppen unter der Form von quer-
Beiträge /iir Kenntnis der niakrosk(>i). und niii<iosko|). Anatomie usav. 43
gestellten l'latten oder koniselieii Zajjfen sieh über die Kptilielinasse erheben,
so lösen sieh die Röhren selbst allmählich voneinander durch Zerstörung der
dazwischenliegenden Zellen, und der erste Anfang zu Haarfransen zeigt sich auf
den neugebildeten kleinen Barten. Die Bartenanlage ist also zu dieser Zeit in
mehr oder weniger weit fortgeschrittene, von den Bindegewebsfortsätzen aus-
gehende Röhrengruppen und in eine sie \iingebende Zellenmasse, die embryonale
Zwischensubstanz eingeteilt . . .
Sowie die Zellenröhren um die Papillen herum schon angefangen haben sich
zu verhoriuMi, entsteht auch in den die Bindegewebsfortsätze und die Hornröhren-
grujipen iungel)inden schon etwas abgeplatteten Zellen eine Verhornung. Bei
einem ungeborenen aber beinahe ausgetragenen Jungen von Balaena vvjsficetus
hat EscHRiCHT faktisch einen dünnen Hornüberzug über die Hauptbarten ge-
funden. Möglieherweise sind jedoch die von den Seiten der Bindegewebsfortsätze
ausgehenden Papillen schon vorher verschwunden und von den bei dem ent-
wickelten Tiere hier vorkommenden Leisten ersetzt, möglicherweise hat aber die
\'erhornung auch schon früher begonnen. Da die Papillen hier verschwinden,
hören natürlich die von ihnen ausgehenden, mehr oder weniger deutlichen Mark-
säulen auf und die jetzt die Bindegewebsfortsätze und die Hornröhrengruppen
umschließende verhornte Schicht wird mehr homogen wie die Deckschicht der
ausgewachsenen Barte. Da nun je nach dem Wachstum des Tieres die von An-
fang an mit ihrer Basis beinahe zusammenstoßenden Bindegewebsfortsätze sich
von einander entfernen, so wird der Raum zwischen ihnen von Zwischensubstanz
ausgefüllt; und da es in diesem Raum fortfahrend Papillen gibt, so wird die sie
ausfüllende Zellenmasse wie die embryonale Zwischensubstanz von mehr oder
weniger deutlichen, von den Papillenspitzen ausgehenden Marksäulen durchzogen.
Während die f^ntwicklung so fortschreitet, verlängern sich auch die in der Basis
der Hornröhren eingeschlossenen Papillen mehr und mehr, während die außer-
halb der Epithehnasse hervorgeschossenen Teile dieser Röhren sich mehr und
mehr verhärten. Hierbei ist es klar, daß die Papille, wenn sie ein Stück aus der
Zwischensubstanz herausgekommen ist, von einer festen Hornröhre umgeben
wird; und von diesem Augenblicke an dürfte kaum irgendwelche Verschiebung
zwischen der Papille und der Hornröhre in Frage kommen, sondern muß nach
alledem, was ich finden konnte, die Pai)ille in ihrer Entwicklung alsdann mit dem
Haar gleichen Schritt halten . . .
Es ist klar, daß die Papillen in den Walfischbarten sehr lang sein und sich
weit in die Hornröhren hinein erstrecken müssen, um die langen und schweren
Bartenscheiben sicher befestigen zu können, welche übrigens nur durch die ver-
hältnismäßig kurzen Bindegewebsplatten, durch die Kranzbänder und die Zwischen-
substanz angeheftet sind. . . . Dagegen dürften die Barten während des ganzen
Lebens des Tieres, wie EscHRiCHT annimmt, zu wachsen fortfahren teils durch das
Bilden neuer Teile an der Basis der Bartenscheiben, teils durch eine fortgesetzte
Bildung neuer Xebenbarten an dem inneren Rande der Bartenquerreihe. Die
Hauptbarten nehmen dabei an Breite dadurch zu, daß sie, wie Eschricht auch
bewiesen hat, neue Nebenbarten in sich einverleiben, welche Erscheinung ich
bestätigen kann. Dies geschieht natürlich auf die gleiche Weise, wie die kleinen
Bindegewebsplatten beim Embryo mit sich die konischen Fortsätze vereinen,
nämlich so, daß das Bindegewebe zwischen den Bindegewebsplatten einer Haupt -
harte und ihrer nächsten Xebenbarte sich zu einer Erhöhung erhebt, welche die
44 Jakob Rehs,
beiden verbindet, während sie gleichzeitig aneinander herankommen. . . . Nach-
dem die Barten dicht aneinander gekommen sind, wird keine Zwischensubstanz
zwischen ihnen mehr gebildet, und wenn die die beiden Bindegewebsjjlatten zu-
sammenbindende Erhöhung sich zu gleicher Höhe mit ihnen erhoben hat, hört
auch die Bildung von der Deckschicht zwischen den Barten auf; sie schmelzen
auf diese Weise zu einer einzigen Barte zusammen, welche doch selbstverständlich
in dem distalen Teil noch geteilt ist, bis durch fortgesetzte Zerspaltung der nicht
zusammengewachsenen Teile die ganze ursprüngliche Nebenbarte in Haare auf-
gelöst wird. . . .
In morphologischer Hinsicht sind die Barten den Schwielen im Gaumen
gewisser Säugetiere, z. B. der Wiederkäuer am nächsten verwandt, trotzdem sie
im ausgebildeten Zustande sehr von ihnen abweichen. In dem Stadium, wo die
Erhöhungen auf die Oberfläche der Bartenanlage hervorzutreten beginnen, gleichen
die Barten auch in auffallender Weise oben genannten Bildungen, obgleich die
Epithelmasse bei den Bartenanlagen um ein ganz bedeutendes dicker ist. In
beiden Fällen haben Avir erhöhte Bindegewebsfortsätze mit Gruppen von ver-
längerten Papillen und in beiden Fällen entsprechen die Bindegewebsfortsätze
auch den Erhöhungen auf der Oberfläche der Schleimhaut, während aber diese
Erhöhungen bei den Wiederkäuern in diesem Stadium verbleiben, setzt sich die
Entwicklung der Barten auf die Weise fort, wie ich oben darlegte «.
Nach CuviER (1845) ist «dans les dauphins, la membrane du palais entiere-
ment lisse et dure».
Retzius (190G) bildet den Gaumen eines Delphinfötus ab (Taf. XXXVII,
Fig. 6) und sagt darüber: »Man sieht, daß der Gaumen ganz glatt, ohne Leisten
ist; in der Mitte ist eine Längsfurche und beiderseits von ihr je eine seichtere
Längsfurche «.
Er nimmt an, daß »bei den Cetaceen wohl die höchste Differenz in der Aus-
bildung der Gaumenleisten vorhanden ist, da dieselben bald (bei den echten
WaUischen, z.B. Balaenoptera) bekanntlich die kolossale Entwicklung der Barten
erreicht, bald sich so reduziert haben, daß man keine Spur von ihnen sieht {Del-
phini(s) und die Oberfläche des Gaumens ganz glatt ist «. Zwischenstadien zwischen
diesen Extremen hat Retzius nicht finden können, und er ist im Zweifel, ob
solche Typen noch unter den lebenden Tierformen vorkommen.
Eigene Untersucliungen. Der Gaumen eines 115 cm langen
Fötus von Balaenoptera fhysalus ist vollkommen glatt, und Bartenanlagen
sind niclit vorhanden.
Zur mikroskopischen Untersuchung haben mir nur kleine Stücke
aus verschiedenen Teilen des Gaumens zur Verfügung gestanden. Alle
stimmen sie im Aufbau des elastischen Gewebes überein. Das 400;«
dicke Periost ist frei von elastischen Fasern. Die Submucosa ist 1200 /<
dick. Die dem Periost anliegende, 500 ,« dicke Schicht mit dichtem Binde-
gewebe und keinen großen Blutgefäßen enthält paramediane elastische
Fasern, Die folgende, 700 ^t dicke Schicht mit sehr lockerem Binde-
gewebe und großen Blutgefäßen birgt spärliche paramediane elastische
Beiträge zur Kenntnis der nuikroskoi). luul mikroskop. Anatomie usw. 45
Fasern. Die Propria muco.'^ae ist 500 // dick und hat einzelne sehr dünne,
trausver.sale elastische Fasern, die nach dem Epithel zu noch spärlicher
werden.
Nach den Untersuchungen Tullbergs zu urteilen, besteht kein
Zweifel, daß sich sowohl die Haupt- wie Nebenbarten, die zu Querreihen
im Gaumen angeordnet sind, aus Clruppen von Papillae operariae zu-
sammensetzen. Die bindegewebigen Grundstöcke dieser Papillen leiten
sich von Primärpapillen her. Diese verlängern sich, und ihre binde-
gewebigen, basalen Teile verschmelzen zu konischen Gebilden, sodaß
die Primärpapillen hierauf zu sitzen kommen. Über diese sind Hornröhren
mit Marksäulen gestülpt. So entsteht ein Bündel von Papillae operariae.
Aber auch die konischen, bindegewebigen Grundstöcke, die in einer
Querreihe stehen, verschmelzen mit ihren lateralen basalen Teilen zu
einer quergehenden Bindegewebsleiste. Ferner verschmelzen mehrere
solcher Bindegewebsleisten lateralwärts zu einer einzigen. Tullberg
sagt nämlich ausdrücklich, daß >>sie (die vergrößerten Primärpapillen)
auf diesen Bindegewebsscheiben nicht in gewisser Entfernung von-
einander aufgereiht sitzen, sondern mit der Basis aneinanderstoßen.
Auch gehen sie nicht von derselben Höhe aus, sondern die Binclegewebs-
scheibe teilt sich in breitere Fortsätze, welche sich in die Papillen spal-
ten «. Die Papillen sind von den Hornröhren umschlossen, die als Pa-
pillae operariae die Bartenscheibe überragen. Retzius müßte diese
Barten ebenso wie die Papillae operariae andrer Tiere für reduzierte
Gaumenleisten halten. Daß bei den Walen, von denen der Zwergwal
ungefähr 10 m lang wird, die Papillae operariae eine so enorme Länge
haben, ist eigentlich nicht verwTinderhch. Ich möchte schließlich noch
auf die auffallende Übereinstimmung hinweisen, die im Aufbau des
Epithels des hinteren Teiles des Gaumens von Echidna aculeata und
des Gaumens von Balaenoptera sihhaldii sich kundgibt, und ich habe
feststellen können, daß die bindegewebigen Grundstöcke der Papillae
operariae ungefähr im selben Längenverhältnis zueinander stehen.
Der harte Gaumen von dem erwachsenen Delphinus delphis ist
nicht glatt, wie Retzius annimmt, sondern er ist, wie auch Cuvier
beschreibt, zerschhtzt. In das durchschnittlich IV2 mm dicke Epi-
thel senken sich bis zu 1 mm tiefe Furchen ein, die in der Längs-
richtung des Gaumens verlaufen und durch Querfurchen verbunden
sind. So entstehen abgegrenzte Felder, die aber ihrerseits wieder
auf der Oberfläche 200 /( hohe Papillae operariae tragen. In die
abgegrenzten Felder dringen nämlich vom Bindegewebe dicht bei-
sammen liegende schmale Primärpapillen ein, die 1 mm lang sind,
46 Jakob Rehs,
das »Stratum gerniinativuin als Kappe emporwölben und infolge-
dessen auch das .Stratum corneum, dergestalt, daß beide fast röhren-
förmio- die Spitzen der Primärpapillen umgeben. So entstehen jene
Papilla e operariae, die an die erinnern, die im harten Gaumen von
Cavia cohmja noch beschrieben werden. In dem Epithel der Furchen
lieo-en naturgemäß nur kleine Primärpapillen. Eetzius nimmt an,
daß bei diesem Tier die Gaumenleisten »sich so reduziert haben, daß
man keine Spur von ihnen sieht«. Es wird schwer sein, für diese An-
schauung einen Beweis zu liefern, und es erscheint mir daher wahrschein-
licher, daß in dieser Gaumenschleimhaut ein noch primitiverer Typus
vorliegt als in denen der Mystacoceti. Propria mucosae und Submucosa
sind ebenso dick wie das Epithel, und als Folge hiervon ist das elasti-
sche Gewebe, welches ein Geflecht nach allen Eichtungen verlaufender
elastischer Fasern ist, außerordentlich spärlich entw^ickelt, wie es auch
bei andern Tieren der Fall ist.
Perissodactyla.
Equidae.
Equus cdballus L.
Historisches. Cuvier (1845) sagt über den harten Gaumen des Pferdes,
daß »on trouve dix-huit ä vingt sillons, separes par des espaces plans. Ils formcnt
de chaque cote des arcs ou des croissants qui se touchent sur la ligne mediane,
et le dernier n'atteint jias le niveau de hx derniere molaire«.
Retzius (1906) bildet den Gaumen von Equus cahallus ab (Taf. XXXVIl,
Fig. 1) und gibt davon eine eingehende Beschreibung. »Die vorderste Partie ist
etwas verbreitert, bildet ein abgerundetes, vorn nach unten umbiegendes 8tück,
welches sich hinten verschmälert, um dann allmählich nach hinten immer etwas
breiter zu werden, und endigt zwischen den beiden hintersten Molaren mit einer
aus zwei paarigen Wülsten bestehenden Erhabenheit, die hinter der letzten Quer-
leiste liegt. Die Gaumenplatte ist sonst vom vordersten Stück ab und bis an
die eben erwähnte Erhabenheit von der einen Seite zur andern immer mehr aus-
gehöhlt, gewölbt, und hat in der Mittellinie eine Längsfurche, welche besonders
an den Querleisten deutlich ausgesprochen ist, indem sie diese in zwei Seitenarme
trennt. Diese Seitenarme sind besonders vorn, stellenweise aber auch hinten,
gegeneinander verschoben. An den von mir untersuchten Pferden fand ich 14
bis 15 Gaumenleisten oder Leistenpaare; Cuvier gibt ihre Zahl auf 18 — 20 an,
Ellenberoee und Baum auf 16 — 18 an. Die zwei vordersten Leisten ziehen nach
außen und ein wenig nach hinten; die dahinter folgenden biegen sich weniger
nach hinten. Diese sechs Leisten oder Leistenpaare finden sich vor der Back-
zahnregion. Sie sind im ganzen kräftig und stehen mit ihren scharf ausgeprägten,
etwas nach hinten gerichteten Rücken ziemlich weit voneinander entfernt, da
sich ziemlich breite und tiefe Furchenpartien zwischen ihnen finden. In der
zwischen den Backzahnreihen gelegenen Partie sind die Gaumenleisten etwas
niedriger und dichter gestellt; sie tragen ihren Rückenkamm mehr vorn, sind
iJcilnigc zui' Kenntnis der niakioskop. mxl inikroskop. Anatoniif usw. 47
im Durchschnitt dreieckig und auch rcgehniißigcr als die vorderen. Sie sind
bogcnförinig, in<Ieni jeder Seitenarm mit seiner Mittelpartic nach vom liin ge-
bogen ist und mit seinem äußeren Ende weiter nach hinten rückt als mit dem
inneren. Nach hinten vermindert sich diese starke Biegung der »Seitenarme
immer mehr, so daß sie zuletzt weit mehr gerade nach außen und nur wenig nach
liinten auslaufen; die medialen Enden sind jedoch stets etwas nach hinten ge-
bogen; die äußeren Enden sind durch eine schmale Furche begrenzt, welche sich
auch weit nach vorn fortsetzt. Die Oberfläche der Leisten in dieser hinteren
ilegion zwischen den Backenzähnen ist glatt und eben, die der vorderen Leisten
dagegen mit unregelmäßigen Furchen verschen, welche meistens in der Längs-
richtung des Gaumens verlaufen.
Ich habe aber noch nicht die allervorderste Ilegion des Gaumens bes])rochen,
welche offenl)ar der Region der Pajiilla palatina entspricht. Diese Region ist
halbmondförmig und endigt hinten mit einem wulstigen Rande, welcher einer
Leiste ähnelt. In der Mitte dieser Region sieht man eine schwach angedeutete,
nicht scharf markierte, niedrige schmale Papille mit hinterer Zuspitzung. Diese
Region zeigt vorn eine wallartige, von einer Furche begrenzte, nach vorn ge-
richtete Erhebung, welche zwischen die Vorderzähne eindringt. An der Ober-
fläche der Papillenregion sind übrigens ein Paar Höcker und mehrere Furchen
vorhanden«. Jaenicke (1908) bringt in seiner Beschreibung des harten Gaumens
von Equus cahallus nichts wesentlich Neues.
Nach Kunze und Mühlbach (1885) und Jaenicke (1908) ist das durch-
schnittlich 0.100 mm dicke Stratum corneum kernlos und stark verhornt. Loben-
HOFFER (1907) und Jaenicke (1908) stellen »in der Verlängerung der Papillen
nahezu senkrecht zur Lamina propria stehende Reihen von eigenartigen, noch
nicht verhornten Zellen fest «, die nach Jaenicke »Zellen darstellen, die dem
Vcrhornungsprozeß deshalb noch nicht verfallen sind, weil sie ihrer Matrix, der
blutreichen Papille, nahehegen«. Das Stratum profundum ist nach Jaenicke
0,()20 mm durchschnittlich dick.
Letzterer Autor findet, daß bei Equus cahallus »die Pars jiapillaris der
Staffeln nicht mächtiger als die der Staffeltäler ist, daß aber die Papillen der
Staffeln im oralen Drittel höher sind als die der Täler «. Die Papillen sind durch-
schnittlich 0,466 mm lang. Nach ihm hat die Submucosa einen Anteil an der
Bildung der Leisten, und es birgt die Submucosa Fettgewebe, sie ist aber drüsen-
los, was auch Hamecher (1905) bestätigt.
Kunze und Muehlbach (1885) finden in der Mitte der Papillen elastische
Fasern, die bis zur Spitze ziehen, in reicher Menge. Eine eingehende Topographie
des elastischen Gewebes dieses Tieres gibt Zimjierl (1905), und er bildet in Fig. 3
einen Transversalschnitt ab. Er schreibt: » Dapprima, immediatamente al
disotto dcU'epitelio, si ha il solito intreccio il quäle perö si comporta in modo
diverso, per abbondanza e per dimensione delle fibre, secondo le varie parti in
cui viene considerato.
In quei punti, che corrispondono alle creste ed alla loro parte piü clevata,
esso offre un'altezza molto rilevante ed inoltre presentasi molto piü fitto e robusto,
sia per la quantitä come pure per le dimensioni delle fibre, di quanto si puö osser-
vare nelle altre parti, cosi da aversi in questi punti la formazione di una specie
di cuscinetto elastico destinato forse a reagire alle pressioni alle (luali il palato
continuamente ^nene sottoposto.
48 Jakob Rehs,
In quanto poi alle variazioni, ehe si riscontrano iielle varie parti, notasi
che questo priino strato e piü abbondante nella parte mediana delle creste, mentre
va diminuendo portandosi ai lati e sopratutto nella linea mediana. Inoltre e
ordinariamente piü scrrato e robusto nei due terzi anteriori, mentre invece si
fa piü lasso nel terzo j^osteriore ed in vicinanza del velo del palato.
A questo primo strato ora accennato, un altro ne fa seguito, in cui le fibre,
piuttosto sottili, si trovano dirette quasi esclusivamente in senso trasversale;
hanno decorso rettilineo o solo leggermente ondulato e flessuoso e raramente
vcngono ad essere incrociate da altre decorrcnti in direzione diversa.
Questo secondo strato presenta una altezza rilevante potendo occupare
talora per piü di un terzo lo spessore del derma, ed esso prende sopratutto grande
sviluppo nelle parti corrispondenti ai solchi. Inoltre nel maggior numero dei
casi aumenta dall'avanti all'indietro, dove perö sopratutto in vicinanza del velo
trovasi spesso qua e la interrotto da fasci aventi direzione longitudinale.
A questi due primi strati, i quali sebbene non siano sempre nettamente
divisi fra di loro, confondendosi spesso a vicenda, ma sempre perö facilmente
riconoscibili, anche ad un esame superficiale, altri due ne seguono, i quali pre-
sentano numerose variazioni da soggetto a soggetto cosicche non sempre si riesce
a metterli nettamente in evidenza.
II terzo Strato e costituito da fibre a direzione longitudinale, le quali, come
le precedenti, accompagnano fasci conettivi aventi la medesima direzione, esso
poi trovasi per solito maggiormente svihippato nella parte corrispondente al
solco mediano.
Finalmente da ultimo quasi aderenti al tavolato osseo si notano qua e lä
robuste fibre aventi direzione trasversale spesso riunite in grossi fasci, per modo
che in certi punti costituiscono una vera e propria robusta lamina elastica.
Nelle papille il tessuto elastico e molto abbondante, le fibre hanno dimensioni
abbastanza notevoli ed occupano ordinariamente tutto il corpo della papilla
stessa, alla cui sommitä spesso si attorcigliano dando luogo alla formazione di
una specie di gomitolo«.
Durch meine eigenen Untersuchungen des Gaumens von Equus
cahallus habe ich obige Befunde der Autoren bestätigt gefunden. Be-
sonders sei erwähnt, daß die Submucosa einen direkten Anteil an der
Bildung der Gaumenleisten hat.
Artiodactyla.
N onruminantia .
Suidae.
Sus scrofa dornest. L.
Ruminantia.
Tylopoda.
Camelidae.
Lama huanacJms Mol.
Beiträge zur Kenntnis der niakroskop. und mikroskop. Anatomie usw. 49
Cavicornia.
Bovidae.
Buffelus hubalus L.
Bos taiirus L.
Orthaegoceros falconeri Wag.
Ovis aries L.
Historisches. Retzius (1906) gibt eine Abbildung des harten Gaumens
von Siis scrofa {Tai. XXXVII, Fig. 3) und schreibt darüber: »Die Gaumen-
platte des erwachsenen Schweines ist lang und schmal, vorn zugespitzt, hinten
beim Übergang zum weichen Gaumen der Quere nach in gerader Linie abge-
stutzt. Xur etwas hinter dem vorderen Ende, vor den Backenzähnen, zeigt sie
eine geringe Verbreiterung und verschmälert sich dann in der Partie zwischen
diesen Zähnen. Diese Partie ist ziemlich stark ausgehöhlt oder gewölbt; diese
Wölbung vermindert sich nach vorn hin und betrifft hauptsächUch die Mittel-
linie; hier läuft eine seichte Medianfurche, welche die Gaumcnlcisten in je zwei
Seitenteile trennt; diese sind teilweise gegeneinander verschoben und alternieren,
l)esonders vorn, miteinander.
i\Ian unterscheidet hinter den Vorderzähnen eine etwa dreieckige Region
der Papilla palatina, welche aus zwei symmetrischen Seitenhälften und der zwi-
schen ihnen gelegenen, der Länge nach ausgestreckten Papille besteht. Diese
zeigt in der Medianlinie sowohl vorn als hinten, je eine schmale, zipfelartige,
wulstförmige Verlängerung, von denen die vordere nach dem Zwischenraum der
beiden mittleren Vorderzähne, die hintere sich als medianer Wulst zwischen die
vorderen Paare der Gaumenleisten ausläuft. Die Papille zeigt übrigens eine
hintere breitere und eine vordere schmälere Partie, die sich winkelig gegeneinander
absetzen und hier jederseits die zwei Öffnungen der Canales naso-palatini haben.
Die Papille ist wenig erhaben, nur von einer Seite zur andern schwach gewölbt.
Die beiden Seitenpartien sind im ganzen glatt und eben; hinten haben sie aber
je einen kurzen queren Wulst, der wie ein Anfang der Gaumenleistenreihe aus-
sieht, obgleich er wohl eher als der Abschluß der Papillenregion zu betrachten ist.
Die Region der Gaumenleisten fängt nun direkt hinter diesen Wülsten an
und reicht bis an das Ende des harten Gaumens. Es finden sich nämlich in der
Regel nicht weniger als 23 Leisten, von denen, wie oben erwähnt, jede in zwei
Seitenteile getrennt ist. Alle Leisten haben ungefähr dieselbe Breite und ziehen
mehr oder weniger gerade gestreckt quer über die Gaumenplatte nach den Außen-
seiten hin, wo sie abgerundet endigen. Zwischen jedem Paar findet sich eine
schmale Furche. In der vorderen Partie sind sie jedoch kräftiger ausgebildet,
mit einem mittleren Wulst an ihrem Rücken; nach hinten hin, zwischen den
Backzahnreihen werden sie allmählich niedriger und flachen sich schließlich ab;
die hinteren laufen auch nicht mehr gerade nach außen, sondern biegen sich in
verschiedenen Richtungen und werden auch hier und da unterbrochen, nur kürzere
Stümpfe bildend.
Das Auffallendste am Gaumen des Schweines ist aber gerade der Umstand,
daß die Leisten, obwohl schwächer und unregelmäßiger, sich nicht nur in der
ganzen Partie zwischen den Backzahnreihen, sondern noch hinter denselben,
bis an die hintere Grenze des harten Gaumens erstrecken, wie die Fig. 3 zeigt«
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CIX. Bd. 4
50 Jakob Kehs,
Auch die Föten von 35 und 94 mm Scheitelsteißlänge zeigen schon Gaumen-
leisten. Jaenickes (1908) Beschreibung bringt auch bei Sus nichts Neues.
Nach Severest (1885) ist das Stratum corneum dieses Tieres nicht so ver-
hornt wie beim Hund und der Katze, und Jaenicke gibt seine Dicke auf durch-
schnittHch 0,029 mm an. Nach ihm ist das Stratum profundum 0,216 mm dick,
und die Höhe der Papillen ist durchschnittlich 0,115 mm. Die Papillen der
Staffeln sind im oralen Drittel höher als die der Täler.
Hamecher (1905) hat »mit bloßem Auge« keine Drüsen feststellen können,
während sie Jaenicke »in der Nähe der Mündung der Ductus naso-palatinus «
findet. Letzterer Autor stellte auch fest, daß die Submucosa Fettgewebe ent-
hält und einen Anteil an der Bildung der Leisten hat. Nach Ellenberger (1887)
und Jaenicke birgt die Schleimhaut des harten Gaumens vereinzelte Lymphnoduli.
CüViER (1845) sagt über den harten Gaumen von Bos taurus, daß »dans le
boeuf, il existe de chaque cote, du palais treize ou quatorze plis denteles dont
quelques uns se croisent par leur extremite sur la ligne mediane; en arriere de ces
plis ä dentelures ä demi cornees on trouve trois sillons lisses«.
Retzius (1906) bringt eine Abbildung des harten Gaumens von diesem
Tier (Taf. XXXVIII, Fig. 1) und sagt darüber: »Die Fläche des harten Gaumens
ist beim Rind bisquitförmig, sowohl in ihrer vorderen als in ihrer hinteren Partie
breit und zwar von ungefähr derselben Breite ; in der mittleren Partie ist sie nicht
stark eingekniffen. In der Medianlinie ist sie ferner besonders nach hinten rinnen-
förmig gesenkt.
Vorn findet sich eine halbmondförmige Region der Papilla palatina mit zwei
paarigen, von vielen kleinen warzenartigen Erhabenheiten übersäten, durch eine
schmale Medianfurche geteilten SeitenhäLften und einer zwischen sie hinten ein-
geschobenen, viereckigen, scheibenförmigen, wenig erhabenen Papille; jederseits
von den Seitenecken derselben finden sich, obwohl ziemlich verborgen, die Öff-
nungen der Canales naso-palatini. In den am hinteren konkaven Rande der
Papillarregion gelegenen Busen der Gaumenfläche schiebt sich die folgende Region,
die Region der Gaumenleisten hervor und füllt ihn zunächst mit einer Reihe
kleinerer Höcker und dahinter mit kurzen, gewissermaßen etwas verkümmerten
Querleisten. Dann folgt eine ziemlich weit nach hinten, zwischen die vorderen
Backzähne, reichende Partie mit stark entwickelten, die ganze Breite des Gau-
mens bedeckenden Querleisten, welche vorn näher aneinander, dann entfernter
voneinander stehen, um sich hinten einander wieder zu nähern. Diese Leisten,
welche in der Medianlinie durch eine sehr feine Furche in zwei Seitenhälften ge-
trennt sind, die sich auch voneinander trennen und alternieren können, haben
einen gebogenen, stark entwickelten und gezähnelten, erhabenen und die Fläche
überragenden hinteren Rand. Nach hinten hin, zwischen den vordersten Back-
zähnen, werden die Leisten niedriger; ihr Hinterrand wird weniger scharf und
hervorragend; er verliert seine Zähnelung. Allmählich senken sich also die
Leisten und werden rudimentär; man erkennt nur ihre Spuren noch eine Strecke
nach hinten; dann schwinden sie ganz; zwischen den hinteren Backzähnen ist
die Gaumenfläche glatt und von einer Seite zur andern, sowie auch nach hinten,
ausgehöhlt«. Jaenicke (1908) hat die Zähnchen am freien Rande der Gaumen-
leisten gemessen und solche »von 1,5—4 mm Höhe gefunden; die meisten hatten
eine Höhe von 2,5 mm. Die Breite der Basis der Zähnchen betrug 0,5—2 mm «.
Dieser Autor hat ein im Durchschnitt 0,111 mm dickes kernloses Stratum
Beiträge zur Kenntnis der inakroskop. und mikroskop. Anatomie usw. 51
cornouni und ein Stratum lucidum bei diesem Gaumen festgestellt. Das Stratum
profundum ist durchschnittlich 0,831 mm dick.
Am Papillarkörper der Zähnchen der Staffeln beim Rind hat er beobachtet,
»daß an der Spitze der Zähnchen nicht nur eine Papille, sondern bisweilen zwei
sitzen, und daß dieselben nicht in gerader Richtung nach der Spitze verlaufen,
sondern an ihr divergieren «. Die durchschnittliche Länge der Papillen ist 0,583 mm,
und die Papillen der Staffeln sind im oralen Drittel höher als die der Täler.
Kunze und Müehlbach (1885) stellen in der Submucosa des harten Gau-
mens acinüse Drüsen fest. Hamecher (1905) hat in ihm keine Drüsen gefunden,
während Jaenicke (1908) in der Zahnplattc am Ductus naso-palatinus Paketchen
von Drüsen (Fig. 14), bei einem Rinde in der Höhe der 13. Staffel ein Paket von
Schleimdrüsen und im leistenfreien Teil des harten Gaumens submucöse Drüsen
feststellen konnte. Nach letzterem Autor enthält die Submucosa Fettgewebe
und nimmt an der Bildung der Leisten teil.
Über die Topographie des elastischen Gewebes des harten Gaumens schreibt
ZniMERL (1905): «Nella mucosa del palato del bue il tessuto elastico si comporta
in modo molto piü semplice di quanto si e or ora osservato nel cavallo, non si ha
nessuna distinzione di strati e fatta astrazione della maggior o minor ricchezza
di fibre poche variazioni si possono notare nelle vai'ie parti della mucosa.
Xel terzo anteriore tiitto quanto lo spessore del derma si trova percorso
da fibre non aventi alcuna dcterminata direzione ed incrociantesi quindi fra di
loro in tutti i sensi, cosi da costituire un intreccio abbastanza fitto, il quäle mostrasi
molto piü denso neUe creste e sopratutto in quella parte di esse posta subito al
disotto dell'epiteUo dove perö le fibre si presentano molto esili con decorso ondulato
e tortuoso. Portandosi negli strati piü profoncli del derma, l'intreccio, che non
e se non una continuazione di quello precedentemente accennato, si mostra
meno fitto, ma in compenso perö le fibre vanno aumentando di dimensioni; in-
oltre se ne hanno ancora molte aventi direzione trasversale, le quali in certo quäl
modo ricordano, sebbene lontanamente, quelle fatte notare nel cavallo«.
Jaenicke (1908) sagt über die elastischen Fasern der Primärpapillen : »Bei
allen Tieren sah ich elastische Fasern in der Mitte der Papillen in die Höhe ziehen,
dieselben hatten beim Rinde (Fig. 17) einen mehr geschlängelten Verlauf«.
CtrviER (1845) gibt vom harten Gaumen von Ovis aries an, daß «il existe
de chaque c6t6 du palais quatorze plis transversaux dont les derniers sont peu
prononces, et dont ceux du milieu sont alternes; ils se terminent au niveau de
la deuxieme molaire; le reste de l'espace est une membrane lisse tres epaisse . . .».
Retzius beschreibt seine Abbildung (Taf. XXXVIII, Fig. 3): »Die Region
der Papilla palatina ist . . . groß und stellt eine . . . Platte mit vorn und außen
konvex abgerundeten, hinten konkaven Rand, welch letzterer in der Mitte einge-
schnitten ist und zu der Papille führt, um mit zwei stark divergierenden Ästen
den hinteren Umfang der etwa weinblattförmig gestalteten Papille zu begrenzen;
vorn hängt die Papille mit der sie umgebenden Platte innig zusammen. Die Quer-
leisten der Leisteru'egion sind auch beim Schafe dachziegelartig angeordnet, ihre
erhabenen hinteren Ränder sind gezähnelt, obwohl weniger stark als beim Rind.
Sie sind durch eine Medianfurche in zwei Seitenhälften geteilt. Hinten, zwischen
den vorderen Backzähnen, werden die Leisten niedriger und sind nicht mehr
dachziegelartig angeordnet; weiter hinten werden sie immer undeutlicher und
verschwinden zuletzt, indem die Schleimhaut der hinteren, von einer Leiste zur
4*
52 Jakob Rehs,
andern stark ausgehöhlten Partie des harten Gaiimens glatt und eben wird; in
der Mittellinie findet sich eine Längsrinne«. Jaenickb (1908) bringt nichts Neues
in bezuf^ auf die makroskopische Anatomie des Gaumens. Er stellt die durch-
schnittUche Dicke des kernlosen Stratum corneum auf 0,147 mm fest.
LOBENHOFFER (1907) beschreibt in dem Stratum corneum eigentümliche
Zellenreihen, von denen er sagt: »Schon bei der Betrachtung mit schwacher Ver-
größerung fallen bei den Hämatoxylinfärbungen Reihen von hintereinander
stehenden Kernen auf, die oft die ganze Hornschicht durchsetzen; imd zwar
stehen nie zwei oder gar mehrere Kerne nebeneinander, sondern jedes Glied der
Kette wird immer nur durch einen Kern gebildet, was auch Flachschnitte un-
zweifelhaft beweisen. Weitere Untersuchungen ergaben ohne Zweifel Beziehungen
dieser Zellenreihen zu den Papillen. Diese Zellenreihen ließen sich nämlich
überall da, wo der Schnitt in die entsprechende Ebene gefallen war, bis zur Spitze
der Papille verfolgen«. Eine nervöse Funktion der Reihenzellen hält er für aus-
geschlossen, und er fährt fort: »Noch eher ließe die enge Beziehung der Reihen-
zellen vermuten, daß durch die Reihenzellen hindurch nach den Papillen hin
oder umgekehrt ein Sekretions- oder Resorptionsstrom gehe. Bei dem dichten
Kapillarnetz der Papillen ist dieser Gedanke wohl naheliegend. Vielleicht läßt
sich die erwähnte Tatsache, daß die Zellen vieKach Pigment enthalten, noch für
die Anschauung ins Feld führen. Einen ausschlaggebenden Beweis dafür ver-
mag ich freilich nicht anzuführen «. Die Anschauung Jaenickes über diese Zellen-
reihen habe ich schon bei Equus cahalhis angeführt. Nach letzterem ist im Durch-
schnitt das Stratum profundum 0.374 mm dick.
Nach ihm sind die Papillen durchschnittlich 0,247 mm lang. Die Pars
papillaris der Staffeln ist aber nicht mächtiger als die der Staffeltäler, aber im
oralen Drittel sind die Papillen der Staffeln höher als die der Täler.
Kunze und Muehlbach (1885) haben in der Submucosa des harten
Gaumens acinöse Drüsen gefunden. Hamecher (1905) und Jaenicke (1908)
konstatieren im pharyngealen Abschnitt des harten Gaumens Drüsen, letzterer
auch überall Fettgewebe. Die Submucosa hat nach ihm einen Anteil an der
Bildung der Leisten.
Kunze und Muehlbach (1885) berichten von den Canales naso-palatini
der Riiminantia, daß sie von einer vollständig geschlossenen Knorpelkapsel um-
geben sind. Hier liegen Haufen von acinösen Drüsen, deren AusEührungsgänge
in die Canales naso-palatini münden.
Retzius (1906) kommt durch seine Untersuchungen an den Ungulaten zu
dem Ergebnis, daß bei diesen Tieren »wohl, von den WaHischen abgesehen, die
höchste Ausbildung der Gaumenleisten zu verzeichnen ist, und zwar sowohl
bei den Perissodactylen als bei den Artiodactylen (den non-Ruminantien sowohl
als den Ruminantien). Unter ihnen kennt man auch keine Form, bei denen eine
solche Reduktion vorkäme, wie sie bei gewissen Famihen von Nagetieren und
Waltieren zu finden ist«.
Jaenicke (1908) sagt über den mikroskopischen Aufbau, daß »aus den
vorstehend geschilderten Verhältnissen des harten Gaumens, insbesondere aus
der Dicke seiner einzelnen Schichten an den Staffeln und zwischen diesen folgt,
daß die Staffeln nicht durch die größere Mächtigkeit einer bestimmten Schleim-
hautschicht, und nicht etwa durch die größere Höhe der Papillen, oder größere
Stärke des Epithels, oder seiner Hornschicht und dergleichen zustande kommen,
Beiträge zur Kenntnis der niakroskop. und mikroskop. Anatomie usw. 53
und daß sie auch Iceine einfaclien Schleimhautf alten darstellen. Sie können
durch Verstärkung aller Schleimhautschichten gebildet werden. Es ist dies
jedoch nach Tierart, Individualität und auch regionär verschieden«.
Eigene Untersuchungen. Sus scrofa zeigt eine sehr gute Aus-
bildung der Gaumenleisten, obgleich bei diesem Tier im hinteren Teil
des harten Gaumens Papillae operariae vorhanden sind. Im Übergang
zum weichen Gaumen zeigt die Gaumenschleimhaut des Fötus von
94 cm Scheitelsteißlänge mehrere Querreihen von Papillae operariae,
die am Gaumen des erwachsenen Tieres zusammengeflossen sind.
Was den mikroskopischen Bau anbelangt, so kann ich die Befunde
der Autoren nur bestätigen. Die etwa 1800 f.i dicke Submucosa enthält
viel Fettgewebe mit paramedianen Bindegewebsbündeln dazwischen,
die sehr dünne, ebenso verlaufende elastische Fasern enthalten. Im
Fettgewebe selbst habe ich kein elastisches Gewebe feststellen können.
An dem Aufbau der Gaumenleisten hat die Submucosa einen bedeu-
tenden, direkten Anteil.
In der 1000 ii dicken Propria mucosae, die auch den submucosen
Auteil der Leiste überwellt, liegen elastische Fasern nach allen Rich-
tungen und bilden so ein Geflecht. Aus diesem Geflecht steigen spär-
liche Fasern zum Epithel und in die Bindegewebspapillen auf.
Der harte Gaumen von Lama huanachus (Taf. II, Fig. 14) weist
hinter den Incisiven eine Zahnplatte auf, die an den Seitenrändern
nach hinten in zwei Zipfel spitz ausläuft. Hierzwischen liegen am
hinteren, mittleren Teil der Zahnplatte die Öffnungen der Canales naso-
palatini. Im darauffolgenden Teil des Gaumens liegen Papillae operariae
zerstreut. Die folgenden transversal zum Gaumen liegenden Gebilde
sind keine typischen Gaumenleisten, da die Firsten noch deutlich den
Aufbau aus Papillae operariae andeuten. Die Gebilde stoßen mit ihren
medialen Enden an eine Rhaphe palati, und die Hälften der Gebilde schei-
nen so gegeneinander verschoben. Man kann aber wohl erkennen, daß
an diese medialen Enden auf der andern Hälfte des Gaumens zu Reihen
transversal nebeneinander liegende Papillae operariae anschließen.
Besser ausgebildete, fast typische Gaumenleisten liegen im hinteren
Teil des harten Gaumens, und es ist so ein Fortschritt in der Aus-
bildung der Gaumenleisten von vorn nach hinten festzustellen.
Retzius hat bei Bos taurus hinter der Region der Papilla pala-
tina »eine Reihe kleiner Höcker« ,also Papillae operariae feststellen
können. Die »stark entwickelten Gaumenleisten haben einen gebo-
genen, stark entwickelten und gezähnelten, erhabenen und die Fläche
überragenden hinteren Rand«. Die Zähnchen haben nach Jaenicke
54 Jakob Rehs,
eine Länge von 1,5 — 4 mm und in der Basis einen Breitendurchmesser
von 0,5 — 2 mm und sind auch demnach transversal in einer Reihe
nebeneinander liegende Papulae operariae.
Was den mikroskopischen Aufbau dieser Gaumenschleimhaut an-
geht, so kann ich die Angaben der Autoren bestätigen, nur einiges will
ich hinzufügen. Die Primärpapillen der Gaumenschleimhaut reichen
bis zum Stratum lucidum. Erwähnenswert ist noch, daß zwischen den
Canales naso-palatini hauptsächlich elastische Faserbündel in trans-
versaler Richtung anzutreffen sind. Sonst ist hier das elastische Ge-
webe auch gelagert, wie es Zimmerl (1905) beschrieben hat. Zwischen
den Stützknorpeln und den Epithelwänden der Canales naso-palatini
verlaufen elastische Fasern. Sie dringen nicht zwischen die Knorpel-
kapseln ein, sondern enden in der äußersten Schicht des Perichondriums.
Und es ist danach der Knorpel ein Hyalinknorpel. In der Nähe des
Epithels der Canales naso-palatini bilden die elastischen Fasern ein
subepitheliales Geflecht, und von diesem ziehen elastische Fasern in
die Bindegewebspapillen, die zwischen den Epithelzapfen der Wände
der Canales naso-palatini liegen.
Meines Erachtens kann von »stark entwickelten Gaumenleisten«
oder gar von einer »höchsten Ausbildung« derselben bei Bos taurus
kaum gesprochen werden; denn an einer Gaumenleiste ist der Dicken-
durchmesser der Schleimhaut im Bereiche des Tales etwa 6 mm, während
er im Bereich der First der Leisten nur etwa 2 mm mehr beträgt. Bei
Halmaturus rufi^ollis sind die Maße 1mm bzw. 1^/2^^^ mehr, bei
Equus caballus und Sus scrofa 3, bzw. 3 mm mehr. Die Submucosa hat
einen sehr geringen, indirekten Anteil an dem Aufbau der Gaumenleiste.
Die bindegewebige Grundlage einer Leiste wird von der Propria mucosae
mit dem Geflecht aus elastischen Fasern gestellt. Sie ist eine trans-
versale Leiste, deren hintere, in dem untersuchten Falle, etwa 600 fi
hohe Oberfläche fast senkrecht zur Oberfläche des Bindegewebes im
Tal hinter der Leiste steht, während die vordere Oberfläche sehr schräg
liegend in die des Tales vor der Leiste übergeht. Die First dieser Binde-
gewebsleiste hat so eine pharyngeale Richtung, wie es auch bei Echidna
festgestellt worden ist. Dieser Bindegewebsleiste sitzen transversal
nebeneinander liegende, etwa 400 f.t hohe Sekundär papillen mit Primär-
papillen auf, die auch eine pharyngeale Richtung haben. Die Sekundär-
papillen stoßen an der lateralen Basis aneinander und haben in der
Transversalen einen längeren Durchmesser als in der Paramedianen.
Sie sind von aus dem Geflecht der Bindegewebsleiste kommenden, zum
Epithel der Sekundärpapillen und in die Peripherie der Primärpapillen
Beiträge zur Kenntnis der makroskop. und mikroskop. Anatomie usw. 55
ziehenden elastischen Fasern in einem Geflecht ausgefüllt (Taf. II,
Fig. 15 po, s). Das Epithel der Vorderwand der Leiste ist etwa 700 ft
dick, während es an der Rückwand nur 300 /< mißt. Außerdem springt
es am Übergang von dieser Rückwand zum Epithel des folgenden Tales
in das Bindegewebe als transversale Leiste vor. Das Epithel umgibt
die Sekundärpapillen mit den Primärpapillen, schwächt sich nach dem
distalen Ende der Papillen ab, und so treten die von einander getrennten
Papulae operariae hervor. Ich kann nicht behaupten, daß die Binde-
gewebsleiste durch Verschmelzung der Basis von Sekundärpapillen ent-
standen ist, aber obige Sekundärpapillen können ihrerseits in der Basis
lateral verschmelzen, das Bindegewebe zurückdrängen, und so kommen
neben größeren Papulae operariae kleinere zu liegen. Daß die Papillae
operariae isoliert transversal nebeneinander stehen können, zeigt der
vordere Teil des Gaumens eines 12 Tage alten Buffelus hubalus ganz
deutlich (Taf. II, Fig. 16). Tullberg (1883) vergleicht die Barten-
anlagen von Balaenoptera sibbaldii mit den Bildungen bei den Rumi-
nantien, indem er sagt: »In beiden Fällen haben wir erhöhte Binde-
gewebsfortsätze mit Gruppen von verlängerten Papillen und in beiden
Fällen entsprechen die Bindegewebsfortsätze auch den Erhöhungen
auf der Oberfläche der Schleimhaut, während aber diese Erhöhungen
bei den Wiederkäuern in diesem Stadium verbleiben, setzt sich die Ent-
wicklung der Barten auf die Weise fort, wie ich oben darlegte«. Daß
die Papillae operariae in der Basis mehr oder weniger verschmelzen
können, geht daraus hervor, daß eine derartige Verschmelzung von
Papillae operariae auch in andern Teilen der Mundschleimhaut von
Ruminantien vorkommt. Nach Schultze (1912) hat die Wangen-
schleimhaut der Wiederkäuer »meist deutlich ausgebildete Längsreihen
von zuweilen zwei- oder mehrspitzigen Papillen, deren Basen häufig
zu einer Längsfalte vereinigt sind . . . Ja, bei manchen Wiederkäuern
fehlt auch am Unterkieferrande ein einreihiger Papillenbesatz. Es tritt
dann, wie z. B. bei Hirschen, eine derbe scharfkantige Hornleiste auf,
deren Zusammensetzung aus dicht nebeneinander stehenden oder seitlich
verschmolzenen, meißeiförmigen Papillen meist auch erkennbar ist ; oder
es hat sich, wie beim Renntier, diese Leiste zu einem abgerundeten Wall
verbreitert, welcher zum Abtasten, Fassen und Abzupfen des vielzacki-
gen Renntiermooses vorzüglich geeignet sein mag«. Ich möchte daher
die Gaumenleisten von Bos taurus auf dieselbe Stufe stellen, wie die von
Echidna aculeata, Tatusia feba und andern Tieren, und treffend sagt
daher Cuvier (1845), daß die Barten vom Walfisch »une exageration
des plis transverses, denteles et cornes du palais du boeuf << sind.
56 Jakob Eehs,
Retzius (1906) berichtet, daß bei Ovis aries die hinteren Ränder
der dachziegelartig angeordneten Gaumenleisten »gezähnelt << sind, »ob-
wohl weniger stark als beim Rinde«. Nach meinem Dafürhalten zeigt
die First der Hauptteile der Leisten kaum Andeutungen von Papulae
operariae, wie es Retzius auch von Capm hircus angibt. Nur die First
der seitlichen Endstücke weist teilweise Papulae operariae auf, ja es
können hier sogar öfters isolierte Papulae operariae beobachtet werden.
Es besitzt also der harte Gaumen von Ovis aries vollkommenere Gaumen-
leisten als der von Bos taurus, während der von Orthaegoceros falconeri
(Taf. II, Fig. 17) noch vollkommenere aufweist als der von Ovis aries.
Auch bei Ovis aries kann im Epithel ein Stratum lucidum fest-
gestellt werden. Die Region der Papilla palatina ist wie bei Bos taurus
aufgebaut, nur das elastische Gewebe in der Propria mucosae ist etwas
spärlicher vorhanden. In Beziehung hierzu sei erwähnt, daß das Stra-
tum corneum der Region der Papilla palatina fast doppelt so dick ist
wie das von Bos taurus.
Im Leistenteil des Gaumens haben im elastischen Geflecht der
Submucosa die elastischen Faserbündel hauptsächHch eine paramediane
Richtung. Diese kann auch in der anschließenden Schicht der Propria
mucosae und besonders ausgeprägt dorsal wärts von den Gaumenleisten,
wie es später auch bei Phoca vitulina beschrieben werden wird, beob-
achtet werden. Derartige paramediane elastische Fasern treten auch
in der Basis der bindegewebigen Grundlage der Leisten auf. Nach der
First zu sind aufsteigende elastische Fasern, die sich durchflechten,
anzutreffen. Die Submucosa hat keinen direkten Anteil an der Bildung
der Leisten.
Carnivora.
Ärctoidea.
Canidae.
Canis j amiliar is L.
Canis vulpes L.
Mustelidae.
Mustela foina Erxl.
Putorius vulgaris L.
Herpestoidea.
FeHdae.
Cervaria rufa Güldenst.
Felis domestica Briss.
Felis Serval Schreb.
Felis tigrina Schreb.
Beiträge zur Kenntnis der niakroskop. und mikroskop. Anatomie usw. 57
Historisches. Da der Aufbau des harten Gaumens des von mir unter-
suchten Canis familiaris mit denjenigen, die Cuvier (1845), Retzius (1906) und
Jaenicke (1908) besehreiben, nieht übereinstimmt, will ich deren Beschreibungen
nicht bringen.
Die mikroskopische Untersueluuig ergab Severin (1885), daß das Stratum
corneum des Huntlegaumens einen stärkeren Grad der Verhornung zeigt als das
des Gaumens vom Schwein und Jaenicke (1908), daß beim Hund »kein echtes
kernfreies Stratum corneum« nachzuweisen ist. Die Befunde Bizzozeros (1885)
an der Oberfläche der Mundepithehen wurden schon bei Echidna erwähnt. Severin
(18S5) und Jaexicke (1908) stellten im Epithel des harten Gaumens ein Stratum
granulosum fest.
Nach Jaenicke sind beim Hund im oralen Drittel die Papillen der Staffeln
höher als die der Täler. Nach ihm kommen beim Hund »in der Gegend des
Ductus naso- palatinus einige kleine Schleimdrüsen mit größeren wandständigen
Kernen vor«. Ferner fanden Hameoher (1905) und Jaenicke (1908) am Über-
gang in den weichen Gaumen und kurz vor demselben Drüsen. Letzterer Autor
konstatierte auch Netze von elastischen Fasern. Der Aufbau dieses Gewebes in
der ganzen Gaumenschleimhaut wird von Zimmerl (1905) eingehend beschrieben.
» Anche qui ,come nei ruminanti, nessuna distinzione puö farsi fra i diversi piani
del corion essendo tutto quanto oceupato da un intreccio costituito da fibre non
aventi mai una direzione determinata, fra le quali se ne hanno numerose, sebbene
untformemente sparse, dirette orizontalmente, e queste ultime forse stanno a rap-
presentare il secondo strato, che si e notato nel cavallo.
Anche nel cane, come al solito, si ha ixn notevole aumento nel numero e
nelle dimensioni delle fibi'e in corrispondenza delle creste, e la robustezza del
i'eticolo diminuisce dall'avanti all'indietro.
Nelle papille si trovano numerose fibre decorrenti spesso rettilinee, piü
raramente ondulate e tortuose, le quali si mantengono di solito sulle parti
laterali.
Se ne osservano ancora altre abbastanza numerose aventi una direzione
longitudinale, ed alcune anche aderenti quasi al tavolato osseo con direzione
trasversale : queste sebbene almeno per la loro f unzione, possano ritenersi analoghe
alle corrispondenti del cavallo, pur tuttavia non danno luogo mai, come in quest'ul-
timo, alla formazione di strati distinti«.
Nach Ellenberger (1887) stellt eine Art Schwellkörper bildendes Venen-
netz die wesenthche Grundlage der Staffeln dar.
Die Gaumenplatte von Canis vulpes bildet Retzius (1906) (Taf. XLII,
Fig. 1) ab und gibt folgende Beschreibung: »Die Gaumenplatte des Fuchses ist,
in Übereinstimmung mit der Gestalt der vorderen Partie des Schädels, schmal,
sich nach vorn hin allmählich verjüngend. Dicht hinter den Vorderzähnen findet
sich eine kleine Papillenregion mit einer etwas emporragenden gelappten Papille
in ihrer Mitte und einer großen Anzahl kleiner Höcker an den Seitenpartien.
Dicht hinter dieser Region sieht man die erste Gaumenleiste, welche in der Mittel-
linie unterbrochen ist; die beiden Seitenarme biegen sich in starker Abrundung
nach außen-hinten. Hinter ihr setzt sich die im ganzen platte, nicht gewölbte
Region der Gaumenleisten mit zehn andern Leisten bis an die zwischen den beiden
Molaren gelegene Stelle der Gaumenplatte fort. Von dieser Leiste sind die vier
ersten nach vorn ziemlich stark konvex gebogen und haben breite, eingesenkte.
58 Jakob Rehs,
in der Medianlinie zusammenhängende oder zuweilen durch eine nur schwache
Furche geteilte Zwischenräume; in der Mitte der Leisten erkennt man eine ge-
ringe Einknickung nach hinten. Die dahinter folgenden sechs Leisten sind dichter
aneinander gestellt und weniger nach vorn gebogen; dagegen ist die Medianpartie
derselben etwas mehr nach hinten gerückt. Die hintersten sind noch mehr gerade
quer gestellt, die letzte sogar in entgegengesetzter Richtung gebogen, die Enden
etwas nach vorn gezogen; in der hintersten Partie findet sich ein kleiner medianer
Kamm, in dessen Mittellinie eine feine Furche verläuft. Die Leisten reichen
vorn und in der Mitte der Gaumenplatte bis an die Zähne; hinten, an den Mo-
laren, lassen sie eine äußere Winkelpartie der Platten frei und endigen gegen
dieselbe abgerundet«.
Den harten Gaumen von Felis domestica beschreibt Cuvier (1845). »Dans
le Chat domestique, il y a cinq lignes saillantes de chaque cote qui vont se reunir
sur la ligne mediane sous un angle tres ouvert; elles se composent d'une rangee
moyenne de papilles tuberculeuses tres rapprochees et de deux autres rangees,
l'une en avant et l'autre en arriere, de tubercules plus petits et plus ecartes; der-
riöre ces cinq lignes, il en existe deux ou trois autres qui ne se prolongent pas comme
les premieres jusqu'aux gencives, et qui ne consistent qu'en filaments coniques
et presque cornes qui representent des especes de franges«.
Milne-Edwards (1860) sagt: »Chez le chat ces bourrelets palatins ne sont
qu'au nombre de cinq de chaque cote de la ligne mediane; mais ils portent chacun
trois rangees de papilles tuberculeuses«.
Retzius (1906) bildet den Gaumen einer erwachsenen Katze und einer
jungen Katze ab (Taf. XLII, Fig. 5 u. 6), und er berichtet hierüber wie folgt:
»Die Fläche des harten Gaumens bildet ungefähr ein gleichseitiges Dreieck. Im
vorderen Winkel desselben, dicht hinter den Vorderzähnen bemerkt man in der
Mitte der Papillenregion eine verhältnismäßig große, ovale, hervorragende Papilla
palatina mit den Öffnungen der Canales naso-palatini an ihren beiden Seiten,
sowie mit einigen angereihten Höckern auf den engen Seitenfeldern. Dahinter
findet sich eine in der Mittellinie unterbrochene Leiste, welche die Grenze zwischen
der Papillenregion und der folgenden, der Leistenregion, bildet. Wie beim Fuchs
und Hund ähnelt diese Leiste den folgenden und kann als die erste derselben
aufgefaßt werden. Die dahinter folgenden Leisten belaufen sich auf sechs; die
vordersten sind kürzer und schmäler und stehen gedrängter; nach hinten werden
die Leisten größer und weiter voneinander entfernt. Alle sind bogenförmig, die
Konvexität nach vorn; die vorderste ist die schmälste, sie ist gerade, der Quere
nach gestellt, aber mit den äußeren Enden winkehg nach hintenaußen umbiegend.
An den dahinter folgenden Leisten ist die mittlere Partie zwar auch ziemlich
gerade der Quere nach angeordnet, sie biegt sich aber sanfter in die Leistenteile
um, und diese verlaufen dann eine weite Strecke bis in die Nähe der Zahnreihen,
wo sie abgerundet endigen.
Die hinterste Leiste ist in der Mitte unterbrochen. In dem hinter ihr ge-
legenen Felde erkennt man jederseits eine ganz kurze querliegende Leiste, welche
wohl die Rudimente einer ferneren wirklichen Gaumenleiste enthält. Bei genauerer
Untersuchung erkennt man, daß sowohl diese rudimentären als auch alle die
übrigen, ausgebildeten Stücke an ihren Rückenkanten mit je einer Reihe von
kleinen Zacken oder papillären Erhabenheiten versehen sind, und sowohl vor als
hinter den Leisten steht je eine Reihe von ähnlichen rundlichen Knöpf chen;
Beiträge zur Kenntnis der makroskop. und mikroskop. Anatomie usw. 59
ferner sieht man in den Feldern zwischen den Leisten eine Menge zerstreuter
derartiger kleiner Papillen. . . .
Am Gaumen der jungen Katze erkennt man schön die Anlage sowohl der
Papille und ihre Region als die der eigentlichen Gaumenleisten mit ihren knopf-
förmigen kleinen Auswüchsen«. In Hinsicht auf diese eingehende Schilderung
bringt die von Jaenicke (1908) nichts wesentlich Neues.
Mikroskopisch stellte Severin ( 1885) fest, daß bei Felis domestica der Grad der
Verhornung ebenso ist wie beim Hunde.
Nach Jaenicke (1908) sind bei diesem Tier »im pharyngealen Drittel die
Papillen der Staffeln höher als die der Täler«. Er findet in der Gegend des Ductus
naso-palatinus wie beim Hund Drüsen. Nach ihm und auch nach Hamecuer
(1905) »treten am letzten aboralen Staffeltal Schleimdrüsen auf, die pharyngeal
in das dicke Lager der Gaumensegeldrüsen der Rachenschleimhaut übergehen«.
Nach ZiMMERL (1905) ist das elastische Gewebe hei Felis domestica ebenso gebaut,
wie es bei Canis familiaris geschildert wurde.
Retzifs (1906) ist der Meinung, daß »bei den Carnivoren wieder ein primi-
tiver, im ganzen weniger differenzierter Typus der Gaumenleisten vorherrscht,
obwohl auch in dieser Ordnung eine Reihe von verschiedenen Ausbildungsformen
vorkommen «.
Eigene Untersuchungen. Der Hund, von dem ich die Gaumen-
schleimhaut untersucht habe, war nicht reinrassig, er hatte aber einen
deuthchen Einschlag von Schäferhundblut. Die Bildung des knöcher-
nen Gaumendaches ähnelt der von Canis vulpes, und so hat die Gestalt
der Gaumschleimhaut Ähnlichkeit mit der des Fuchses. Dicht hinter
den Schneidezähnen findet man eine fast rundliche Papilla palatina.
Die erste Gaumenleiste liegt etwa 2 mm hinter dieser Papilla palatina
und ist in der Medianen durch eine Rhaphe palati unterbrochen, ihre
lateralen Enden biegen stark nach hinten und enden kurz vor der Mitte
der zweiten Gaumenleiste. Darauf folgen noch acht Gaumenleisten.
Die zweite, dritte und vierte sind auch in der Medianen unterbrochen.
Bei der zweiten bilden die medialen Enden nach vorn einen stumpfen
Winkel. Die medialen Enden der dritten Leiste dagegen sind nach hin-
ten umgebogen und stoßen fast mit denen der vierten zusammen, die
wieder nach vorn zeigen. Die fünf folgenden sind in der Medianen nicht
unterbrochen und sind mehr oder weniger konvex nach vorn gebogen.
Es bestehen also, wenn man die von Cuvier, Retzius und Jaenicke
beschriebenen, harten Gaumen von Canis familiaris mit diesem ver-
gleicht, in der morphologischen Gestaltung der Gaumenleisten der
Vertreter einzelner Hunderassen Unterschiede, wenn sie auch nicht
tiefgreifender Natur sind.
ZiMMERL (1905) ist in seiner Schilderung der Topographie des
elastischen Gewebes der Gaumenschleimhaut von Cayiis familiaris nicht
60 Jakob Rehs,
näher auf die der Region der P^ipilla palatina eingegangen. Die dem
Epithel anhegende, dünne Schicht, die der Propria mucosae angehört,
enthält nur dünne, zum Epithel und in die Peripherie der Bindegewebs-
papillen ziehende elastische Fasern. Sie nehmen ihren Ursprung von
stärkeren elastischen Fasern der folgenden Schicht, indem letztere
Fasern sich pinselförmig aufteilen. Diese Schicht elastischer Fasern ist
im Bereich der Region der Papilla palatina und, wie auch gleich be-
merkt werden soll, im ganzen übrigen Teil des harten Gaumens auch
in den Leisten nachzuweisen. Wie schon erwähnt, entspringen jene
elastischen Fasern aus einem Geflecht nach allen Richtungen ziehender
elastischer Fasern, die in einer doppelt so dicken Schicht wie die vorige
liegen, die auch der Propria mucosae angehört. Hierauf folgt eine
Schicht elastischer Fasern, die einen Übergang zwischen der Propria
mucosae und Submucosa darstellt. Es gewinnen paramediane elastische
Fasern die Überhand. Vor den Canales naso-palatini schließt sich die
Schicht der Submucosa mit paramedianen elastischen Fasern in Bün-
delform an. Die Bündel durchkreuzen sich und bilden so ein weit-
maschiges Geflecht.
Aboralwärts üben die Canales naso-palatini mit dem Stützknorpel
einen richtungsändernden Einfluß aus. Diese Canales naso-palatini
senken sich weitlumig, indem ihre größten Durchmesser in der Para-
medianebene liegen, an den Seitenabhängen der Papilla palatina ein
und durchqueren in pharyngealer Richtung divergierend die Gaumen-
schleimhaut. Sie sind an der Stelle, an der sie das knöcherne Gaumen-
dach durchsetzen, an der Außen- und Innenseite sowie dorsalwärts je
von einem Stützknorpel umgeben, der nach den Ausmündungen der
Gänge zu, diese nur auf der Außenseite begleitet und spitz ausläuft.
In der Schicht der Submucosa zwischen den Canales naso-palatini und
der Propria mucosae liegen auch paramediane elastische Fasern in sich
durchkreuzender Bündelform, aber die Schicht zwischen den beiden
Canales naso-palatini birgt transversale elastische Faserbündel, die
zwischen den Außenseiten der inneren Epithelwände der Canales naso-
palatini sich erstrecken. Da diese Wände, wie schon oben bemerkt,
in der Paramedianen ihre größte Ausdehnung haben, so fixieren die
elastischen Fasern, da hier der Stützknorpel fehlt, die Epithelwände
in ihrer Lage. In dem Bindegewebe zwischen dem Perichondrium des
Stützknorpels und den Epithelwänden der Canales naso-palatini spannen
sich elastische Fasern. Sie dringen zwischen die Zellen des Perichon-
driums und enden am Epithel der Kanäle sich pinselförmig aufteilend.
In dem Teil der Submucosa, die dem knöchernen Gaumendach anhegt
Beiträge zur Kenntnis der inakroskop. und niikroskop. Anatomie usw. 61
und auch in der Submucosa der Seitenteile der Region der Papilla
palatina trifft man paramodiane elastische Fasern.
Ich kann den Angaben Zimmerls, was die Topographie des elasti-
schen Gewebes des übrigen Teils des harten Gaumens anbelangt,, daß
man keinen Unterschied zwischen den einzelnen Schichten des elasti-
schen Gewebes machen könne, nicht zustimmen. Eine Teilung wird
schon durch die Begriffe Submucosa und Propria mucosae gegeben.
In der Submucosa sowohl der Leisten wie der Täler laufen die elastischen
Fasern zwar in der transversalen, paramedianen oder zum knöchernen
Gaumendach mehr oder weniger senkrechten Richtung, aber immer
sind sie zu Bündeln vereinigt. Der Grund für diese Anordnung des
elastischen Gewebes ist in dem stark verzweigten Venensystem zu suchen,
dem sich Arterien, Nerven und Fettgewebe zugesellen, sodaß die ela-
stischen Fasern von ihrer Bahn immer wieder sozusagen abgedrängt
o o o
werden. Aber schon innerhalb des bindegewebigen Innenraums der
Leisten, der in der Basis von der Submucosa gebildet wird, sodaß diese
also einen direkten Anteil an der Bildung der Leiste hat, liegen die Blut-
gefäße nicht so eng zusammen, und so kann man oft elastische Faser-
bündel in paramedianer Richtung beobachten. Diese Submucosa ist
von der Propria mucosae bedeckt, und sie enthält auch in den Leisten
einzelne elastische Fasern, die sich nach allen Richtungen durchkreuzen
und so ein Geflecht bilden. Die Fasern sind Fortsetzungen jener der
Submucosa, die an den Enden divergieren, und so tritt wieder die me-
chanische Eigenschaft des elastischen Gewebes zutage. Aus diesem
Geflecht ziehen elastische Fasern zum Epithel, wie schon in der Region
der Papilla palatina beschrieben worden ist. Auch ich konnte fest-
stellen, daß das elastische Gewebe nach hinten an Menge abnimmt.
Der makroskopischen Beschreibung des harten Gaumens von
Canis vulpes durch Retzius (1906) habe ich nichts hinzuzufügen. Mi-
kroskopisch habe ich feststellen können, daß hier wie bei Canis fami-
liaris kein echtes, kernfreies Stratum corneum, das etwa ein Viertel
der ganzen Dicke des Epithels ausmacht, vorhanden ist. Die Topo-
graphie des elastischen Gewebes ist so, wie bei Canis familiaris . Aboral
wird das elastische Gewebe spärhcher. Die Submucosa hat einen di-
rekten Anteil an der Bildung der Gaumenleisten,
Der harte Gaumen von Mustela foina und von Putorius vulgaris
ähnelt in auffallender Weise dem von Mustela erminea, von dem Retzius
zwei Abbildmigen (Taf. XLII, Fig. 8 u. 9) bringt. Dicht hinter den
Schneidezähnen liegt die Papilla palatina, die bei Mustela foina über
die Region der Papilla palatina hervorragt. Den Abschluß der Region
Q2 Jakob Rehs,
der Papilla palatina bildet die erste Gaumenleiste. Es folgen bei Mu-
stela foina vier Gaumenleisten, die bogenförmig die Konvexität nach
vorn angeordnet sind. In der Medianlinie sind sie durch eine schmale
First, dieKhaphe palati, verbunden, während d,ie hintersten vier Leisten
durch sie in Gestalt einer Furche getrennt sind. Diese Leisten sehen
rudimentär aus. Es scheint, daß die letzten Molaren jederseits, die
weit nach innen ragen, auf die Ausbildung einen Einfluß haben. Bei
Putorius vulgaris folgen auf die erste Leiste noch sechs Stück, die auch
nach vorn gebogen sind. Die letzten sind durch eine Medianfurche
getrennt.
Die Region der Papilla palatina von Mustela foina ist aufgebaut
wie bei Canis jamiliaris. Die Teile des Stützknorpels, die die Canales
naso-palatini auf der Außenseite bekleiden, sind sehr kräftig ausge-
bildet und reichen fast bis an das Oberflächenepithel und stoßen vorn
fast an die Ossa palatina. In auffallender Deutlichkeit und Stärke
treten zwischen den Canales naso-palatini die transversalen elastischen
Fasern hervor. Die Schlußleiste jener Region ist hier wie bei Putorius
vulgaris, da sie im Aufbau mit den folgenden Leisten übereinstimmt,
die erste Gaumenleiste. Im übrigen Teil des harten Gaumens verhält
es sich mit der Topographie des elastischen Gewebes so wie bei Canis
jamiliaris und Canis vulpes. Die Submucosa hat einen direkten Anteil
an der Bildung der Leiste.
Bei Putorius vulgaris ist das Stratum corneum sehr dünn, denn es
beträgt nur ein Zehntel der ganzen Epitheldicke. Der Aufbau der Re-
gion der Papilla palatina ist so wie bei Canis jamiliaris und Qanis
vulfes. Überraschend ist bei diesem Tier die außerordentliche Menge
der elastischen Fasern und daher Dichte des Geflechts. Dieser Reich-
tum tritt auch im übrigen Teil der Gaumenschleimhaut hervor, und es
ist in der Submucosa im Gegensatz zu Canis jamiliaris, Canis vulpes
und Mustela joina eine ausgesprochene paramediane Richtung der
sich durchkreuzenden elastischen Faserbündel zu beobachten. Die
Submucosa hat nur einen indirekten Anteil an der Bildung der Leisten.
In der Leiste selbst bis zu ihrer First haben die elastischen Fasern, die
der Propria mucosae angehören, einen paramedianen Verlauf und ziehen
so von Epithelvorderwand zur -rückwand. In den hintersten Leisten
werden die elastischen Fasern spärlicher, aber besonders hier tritt ihre
paramediane Richtung stark hervor.
Die Gaumenleisten von Felis domestica bieten das Auffällige, daß
nicht nur die First der eigenthchen Leisten in eine Reihe kleiner neben-
einander liegender Papulae operariae aufgelöst sind, sondern daß vor
Beiträge zur Ki^imtnis der makroskop. und inila'oskop. Anatomie usw. 63
und hinter je einer solchen Leiste parallel dazu je eine Reihe pharyngeal-
wärts gerichteter Papulae operariae sich finden, die nicht miteinander
verschmolzen sind. Außerdem Hegen solche Papulae operariae zerstreut
zwischen den Leisten. Bei Felis serval (Taf. III, Fig. 19) trifft man
da, wo bei Felis domestiai die Leisten mit dem gezähnten First liegen,
nicht miteinander verschmolzene Papulae operariae, die sich von den
davor und dahinter liegenden parallelen Querreihen nur dadurch unter-
scheiden, daß sie näher zusammenliegen und kleiner sind. Die Gaumen-
leisten von Cervaria rufa (Taf. III, Fig. 20) hingegen sind besser aus-
gebildet als die von Felis domestica. Sie sind ziemlich hoch, aber auch
gezähnt. Felis tigrina nimmt in dieser Hinsicht eine Mittelstellung
zwischen Felis serval und Cervaria rufa ein. Auch an dem Gaumen der
jungen Katze sieht man besonders an den hinteren Leisten den Auf-
bau aus einzelnen Papulae operariae. Hiernach halte ich es für wahr-
scheinlich, daß hier etwas Primäres in der Bildung der Gaumenleisten
vorliegt, und daß auch hier der Weg gezeigt ist, wie die Bildung der
Gaumenleisten vor sich gegangen sein mag. Die vollkommen ausge-
bildeten Gaumenleisten lassen sich bei Canis familiaris, Canis vulpes,
Mustela foina, Putorius vulgaris und vielen andern Carnivoren nach-
weisen, aber ich bezweifle, ob man mit Retzius diese Gaumenleisten
für einen »primitiven Typus der Gaumenleisten << halten darf.
Bei Felis domestica beträgt die Dicke des Stratum corneum ein
Fünftel der ganzen Epitheldicke. Der Aufbau der Region der Papilla
palatina mit Einschluß des elastischen Gewebes ist so wie bei Canis
familiaris; aber das elastische Gewebe ist in spärlicherer Menge ver-
treten. Auch im übrigen Teil des Gaumens stimmen beide Tiere über-
ein, aber es hat die Submucosa nur einen indirekten Anteil an der Bil-
dung der Leisten. Die schon erwähnten, den Leisten aufsitzenden Pa-
pulae operariae haben eine bindegewebige Grundlage in Gestalt einer
Sekundärpapille, der Primärpapillen aufsitzen, wie es bei Bos taurus
geschildert worden ist. Die Sekundärpapillen sitzen dicht nebeneinan-
der einer bindegewebigen Querleiste auf (Taf. III, Fig. 18 s, hi), die eine
Propria mucosae ist und die Grundlage für die Leiste abgibt, aber ich
vermag nicht zu sagen, ob die ganze Querleiste, wie bei Echidna acu-
leakiy aus einer Konkreszenz der lateralen Teile der Basis der Sekundär-
papillen entstanden ist. In der Querleiste haben die elastischen Fasern,
die sich durchflechteu, einen paramedianen Verlauf, während in den
Sekundärpapillen elastische Fasern aus dem Geflecht der Propria
mucosae von der Basis zur Spitze steigen und den ganzen bindegewebigen
Innenraum ausfüllen. In den Primärpapillen sind die elastischen Fasern
64 Jakob Rehs,
auf die Periplierie beschränkt. Die Sekundärpapillen mit den Primär-
papillen sind vom Epithel, das nicht anders beschaffen ist als das der
Täler, so umgeben, sodaß dieses naturgemäß zwischen die Papillen
eingesenkt ist, und so die Papulae operariae zutage treten (Taf. III,
Fig. 18 po). Vor und hinter je einer Leiste liegen diesen parallele Quer-
reihen von Papulae operariae. Sie sind vollkommen so gebaut wie die
eben geschilderten, nur sitzen sie auf keiner bindegewebigen Quer-
leiste. Bei diesen Papulae operariae ist wohl zu beachten, daß sie relativ
weit von einander liegen, sodaß es zu einer Verschmelzung der binde-
gewebigen Grundstöcke nicht kommen kann (Taf. III, Fig. 18 jw, s).
Pinnipedia.
Otariidae.
Zalophus californianus Lesson.
Phocidae.
Phoca vitulina L.
Ogmorhinus leptonyx (Blainv.).
Historisches. Über die Gaumenleisten der Pinnipedier sagt Eetzitjs
(1906): »Bei keinem der von mir studierten Pinnipedier sind die Gaumenleisten
in ihrem bei den Fissipediern vorkommenden ursprünglicheren Typus erhalten,
sondern sie sind im Gegenteil mehr oder weniger unregelmäßig und in verschiedene
Stücke aufgelöst; bei einigen Tieren sind sie im Schwinden begriffen, bei andern
sogar ganz verschwunden« und an andrer Stelle »interessant ist das Verhalten
bei den Pinnipediern, bei denen ich wieder eine merkwürdige Reduktion der Leisten
fand, und zwar in verschiedenen Gradationen, bis zum vollständigen Schwund
derselben bei den Seeleoparden, gerade wie bei den Nagetieren und den Waltieren «.
Eigene Untersuchungen. Im Gaumen von Zalophus cali-
fornianus (Taf. III, Fig. 21) tritt die Papilla palatina hervor. Eine
Rhaphe palati ist als deutliche First in der Medianlinie des Gaumens zu
erkennen. In dem vorderen Teil liegen zerstreut kleine warzenähn-
liche Papulae operariae, von denen öfters mehrere eine kurze Querreihe
bilden. Im mittleren Teil hingegen treten längere Querreihen auf, die
sich oft transversal über ein Drittel der Gaumenbreite erstrecken und
eine gewisse Gesetzmäßigkeit in der Anordnung zeigen.
Von dem Gaumen dieses Tieres, aber von einem andern als den
abgebildeten; haben mir zur mikroskopischen Untersuchung nur kleine
Stücke zur Verfügung gestanden. Die Partie mit den kleinsten Papulae
operariae weist eine etwa 600 /^i dicke Submucosa auf. Die Arterien
und Venen zeigen gut ausgeprägte elastische Häute. Dazwischen ver-
laufen relativ wenige, 2 /« dicke, paramediane elastische Fasern, die
durch sich abspaltende elastische Fasern untereinander zu einem sehr
Beiträge zur Kenntnis der niakroskop. und niikroskop. Anatomie usw. 65
lockeren Geflecht verbunden sind. An die Submucosa schließt sich eine
etwa 1000 n dicke Propria nmcosae an, die infolge des Aufbaues des
elastischen Gewebes in zwei »Schichten geschieden werden kann. Auf
eine 500 fi dicke Bindegewebsschicht, deren Bündel in transversaler
Richtung laufen und mit vielen sich durchkreuzenden, 1 n dicken ela-
stischen Fasern in derselben Richtung vergesellschaftet sind, folgt eine
ebenso dicke Schicht, deren Bindegewebsbündel nach allen Richtungen
ziehen, und ebenso sind die wenigen 0,2 /< dicken elastischen Fasern in
einem lockeren Geflecht angeordnet. Aus diesem Geflecht biegen
elastische Fasern in sehr lockerer Büudelform ab und füllen die Peri-
pherie der 200 u im Basisdurchmesser messenden, schlanken Binde-
gewebspapillen aus.
Die Zellen des Stratum cylindricum stehen mit ihrem längsten
Durchmesser und auch mit dem der ellipsoidischen Kerne senkrecht
zur Oberfläche des Bindegewebes. Es folgen polyedrische Zellen mit
ebensolchen Kernen, in denen das Chromatin in Körperchen zerstreut
liegt. Nach dem Stratum corneum zu platten sich die Zellen ab parallel
zur Epitheloberfläche. Im durchschnittlich 30 /< dicken Stratum cor-
neum sind sie noch stärker abgeplattet. Es ist nicht typisch verhornt,
und der längste Durchmesser der ellipsoidischen Kerne ist 7,5 /< und
der kürzeste 1,2 a, welch' letzterer senkrecht zur Epitheloberfläche
steht.
Was nun die schon eingangs erwähnten kleinen Papulae operariae
anbelangt, so ist eine Sekundärpapille mit aufsitzender Primärpapille
ihre bindegewebige Grundlage. Es überragt die Sekundärpapille das
allgemeine Niveau der Epitheloberfläche, wölbt das Epithel empor, und
so entsteht die Papilla operaria. Die Sekundärpapille ist von zum
Epithel und in die Peripherie der Primärpapillen ziehenden, elastischen
Fasern ausgefüllt. Das Stratum germinativum ist rings um die Sekundär-
papille wallförmig in das Bindegewebe eingesenkt. Dieses wird vom
Stratum corneum wiederholt, sodaß dieses etwa 200 in tief in das Stratum
germinativum eindringt. Bei sehr nahe liegenden Papillae operariae
kommt es zu einer Vereinigung der Sekundärpapillen unter Zurück-
drängung des Epithels, wie es auch bei Halmaturus rujicollis beschrieben
worden ist. Die mikroskopische Untersuchung eines Stückes aus dem
Gebiet mit längeren Höckern, wie sie bei diesem Gaumen zu beobachten
waren, zeigt eine kleine Abweichung von der des eben beschriebenen
Gebietes. Die 600« dicke Submucosa, die 700« dicke Propria mucosae
und der Papillarkörper sind auch hinsichtlich des elastischen Gewebes
ebenso gebaut wie oben berichtet worden ist, nur ist das elastische
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CIX. Bd. 5
QQ Jakob Rehs,
Gewebe reichliclier und haben in dem sehr lockeren Geflecht der ober-
flächlichsten Schicht der Propria mucosae die 1 u dicken elastischen
Fasern, die oft in Bündeln zusammenliegen, neben transversaler haupt-
sächlich paramediane Kichtung. Eine Ausbuchtung der Propria mu-
cosae mit dem Papillarkörper ist die wesentliche Grundlage der Höcker.
In der Propria mucosae sind paramediane elastische Fasern mit trans-
versalen zu einem Geflecht vereinigt. Aus diesem Geflecht gehen Faser-
bündel ab, deren Fasern divergierend zum Papillarkörper ziehen. Die
Submucosa hat, da sie hier nur 400 /^i dicker ist wie sonst, an der Bil-
dung des bindegewebigen Innern keinen direkten Anteil. Bei Schnitten
aus dem mittleren Teil des Gaumens mit den langen Höckern ist ein von
elastischen Fasern freies Periost anzutreffen. Submucosa und Propria
mucosae mit Papillarkörper bieten nichts Neues. Aber die Mitwirkung
der Submucosa mit paramedianen elastischen Faserbündeln kann an
dem Aufbau des bindegewebigen Innern dieser Gebilde nicht verkannt
werden, und sie rufen so den Eindruck einer Leistenvorstufe hervor.
Dieselbe Erscheinung ist bei Halmaturus ruficoUis beschrieben worden.
Es lassen sich also auch bei Zalophus calijornianus die Übergänge von
den kleinsten Papulae operariae zu der Leistenvorstufe feststellen.
Von Phoca vituUna untersuchte ich den Gaumen eines älteren Tie-
res (Taf. III, Fig. 22). Er ähnelt dem von Retzius beschriebenen
Gaumen eines ausgetragenen Fötus (Retzius, Taf. XLIII, Fig. 7). Die
Papilla palatina hebt sich bei weitem nicht s^ deutlich aus der Region
der Papilla palatina hervor wie bei dem Fötus. Der Abschluß dieser
Region wird von einer bogig verlaufenden Leiste gebildet. Es folgen
durch weite Lücken getrennte Teilstücke von Leisten, die gezähnt
sind und nach der Medianlinie zu in Papulae operariae übergehen. Im
ganzen übrigen Teil des Gaumens kann man bogige Querreihen der-
artiger Papulae operariae, die näher oder weiter voneinander entfernt
sein können und nach hinten immer kleiner werden, feststellen. Diese
Papulae operariae sind konisch und richten ihre Spitze pharyngealwärts.
Was den mikroskopischen Aufbau der Papilla palatina anbelangt,
so sind die Canales naso-palatini nicht vorhanden, eine Tatsache,
die ich von Herzfeld (1889) bestätigt finde. Aber die Papilla palatina
ist durch zwei Epitheleinsenkungen, die 500 j.l tiefe und 300 /< breite
Furchen bilden, die vorn an den Schneidezähnen ineinander übergehen
und nach hinten divergieren, von der übrigen Region der Papilla pala-
tina getrennt. Hierdurch ist auch das Stratum germinativum in das
Bindegewebe eingesenkt. Dieses Gebilde und Reste eines Stützknorpels,
die dem knöchernen Gaumendach angelagert sind, erweisen sich als
Beiträge zur Kenntnis der niakroskop. und mikroskop. Anatomie usw. 67
Reste der Canales naso-palatini. Durch das Fehlen dieser Gebilde ist
die Topographie des elastischen Gewebes in diesem Teil wie im übrigen
Teil des ganzen Gaumens beeinflußt. Das Periost ist frei von elasti-
.vchen Fasern. Die im Durchschnitt 500 /< dicke Öubmucosa ist ein locke-
res Bindegewebe, das einen Venenschwellkörper enthält. Es ist daher
wie bei einigen Carnivoren auf einen typischen Aufbau des elastischen
Gewebes nicht zu rechnen, sondern wenige elastische Faserbündel durch-
kreuzen sich nach allen Richtungen. Dorsalwärts einer Papillenquer-
reihc hingegen nehmen die sehr ausgeprägten elastischen Faserbündel
eine vollkonnnen paramediane Richtung an, wie es auch bei Ovis aries
festgestellt werden konnte. Auch in der anlagernden Propria mucosae
ist diese paramediane Richtung noch vorhanden, wenn auch das elasti-
sche Gewebe spärlicher gewordeji ist. Im übrigen ist die etwa 250 /t
dicke Propria mucosae von einem Geflecht elastischer Fasern ein-
genommen, in dem hauptsächlich die paramediane Richtung vorherrscht,
daneben aber auch transversale und von der Submucosa kommende
elastische Fasern vorhanden sind. Die dem Epithel anlagernde Schicht
birgt spärliche, einzelne paramediane elastische Fasern. Aus dem Ge-
flecht der Propria mucosae ziehen wenige elastische Fasern in die
schmalen und 200 a langen Primärpapillen.
Das Stratum germinativum ist im Bereich der Papilla palatina
1200 u dick, während es sonst nur zwischen 250 — 400 ^.i dick ist. An das
Bindegewebe schließt das Stratum cylindricum mit ellipsoidischen Ker-
nen an, deren längste Achse in der Längsrichtung der Zellen liegt. Polye-
drische Zellen mit rundlichem oder ellipsoidischem Kern liegen jener
Schicht in mehreren Lagen an. Nach dem Stratum corneum zu flachen
sich die Zellen ab, und die Kerne sind elHpsoidisch. Im 50 — 100 ^t
dicken Stratum corneum sind die Zellen stark abgeflacht, und es ist
kein Anzeichen eines Kernes vorhanden.
Der bindegewebige Grundstock der öfters in den Papillenquerreihen
für sich isoliert stehenden Papulae operariae ist eine Sekundärpapille
mit aufsitzenden Primärpapillen. In die Papillen steigen wenige ela-
stische Fasern aus der Propria mucosae auf. Bei näher zusammen-
liegenden Papillen ist die Basis der bindegewebigen Grundstöcke lateral
verschmolzen, wie es bei Halmaturus ruficollis eingehend geschildert
worden ist. Bei größeren Papulae operariae ist die Verschmelzung sehr
weit gegangen, und in der Basis der bindegewebigen Grundstöcke sind
die paramedianen elastischen Fasern der Propria mucosae festzustellen.
Die Submucosa hat keinen direkten Anteil an der Bildung dieser binde-
gewebigen Grundstöcke. Auffälligerweise ist das Epithel, das die
68 Jakob Rehs,
bindegewebigen Grundstöcke umgibt, nach der Spitze der Papillen zu
bis auf 90 /< verdünnt. Bei Zalophus californianus sind größere Leisten-
stücke vorhanden, die sich über ein Drittel der Gaumenquere erstrecken,
aber bei Phoca vitulina können weder beim Fötus noch beim erwach-
senen Tier größere, typische Leistenstücke festgestellt werden; denn die
größeren Stücke haben immer noch papillären Charakter. Ebenso ver-
hält es sich bei andern Pinnipediern. Bei Phoca fötida hingegen beschreibt
E.ETZIUS »echte Gaumenleisten«, und die Abbildung dieses Gaumens
(Taf. XLIII, Fig. 4 u. 5) zeigt sie auch ganz deutlich. Der Gaumen
eines Fötus von Ogmorhinus leptofiyx, den Retzius beschreibt und ab-
bildet (Taf. XLIII, Fig. 8), weist überhaupt keine Gaumenleisten auf,
ebenso wie die Gaumen des erwachsenen Seeleopards und des Seelöwen.
Hieraus schließt Retzius, daß »bei keinem der studierten Pinnipedier
die Gaumenleisten sich in ihrem bei den Fissipediern vorkommenden
ursprünglichen Typus erhalten«, und er ist der Meinung, daß hier Re-
duktionszustände vorliegen. Um diese Reduktion in phylogenetischer
Hinsicht zu begründen, wird keineswegs die angenommene Abstammung
der Pinnipedier von den Fissipediern genügen. Anderseits müßte sich
diese Reduktion der Gaumenleisten in der ontogenetischen Entwick-
lung von Phoca vitulina auf irgend eine Art und Weise kund tun, wie
es z. B. beim Menschen von Gegenbaue (1878) angegeben wird. Auch
ist das völlige Verschwinden dieser Gebilde bei den Seeleoparden und
Seelöweu höchst auffällig. Man kann daher mit demselben Recht die
glatten Gaumen der letzteren Tiere für das Primärste, die Papillen-
querreihen von Phoca vitulina und Zalophus californianus für das fol-
gende Stadium und die schwach ausgebildeten Gaumenleisten von Phoca
fötida für eine höhere Ausbildung halten. Es ist sehr fraglich, ob man
die Verhältnisse, wie sie bei den »tiefer stehenden Affen der alten und
neuen AVeit <<, bei denen man noch gut ausgebildete Gaumenleisten
wahrnehmen kann, und »höheren Affen« bestehen, bei denen man »und
zwar schon beim Gibbon«, »Spuren einer Reduktion« in phylogeneti-
scher und beim Menschen in phylogenetischer und ontogenetischer Hin-
sicht beobachten kann, auf die Pinnipedier ohne weiteres übertragen
kann.
Rodentia.
S implicidentata .
A. Hystricognathi.
1. ßathyergomorphi.
l. Bathyergidae.
Bathyergus maritimus Gu).
Beiträge zur Keimt iiis dt r makro.skop. und inikroskop. Anatomie usw. G9
II. Hystricomorphi.
2. Caviidae.
DasijprocUi fuUxjinosa AVagl,
Cavia cobaya Schreb.
Dolichotis fatagonica Shaw.
5. Echinomyidae.
Octodon hridgesi Waterh.
B. Sciurognathi.
I. Myomorphi.
b) Anonuiluroidei.
1. Anomaluridae.
Anomalurus heecwfti Fräs.
c) Myoxidei.
y. Muriformes.
3. Cricetidae.
Crieetus cricetus L.
5. Hesperomyidae.
Hesperomys longicaudatus Benn.
6. Muridae.
Nesokia setifer Horstf . '
II. Sciurotnorphi.
a) Sciuroidei.
2. Sciuridae.
Sciurus vulgaris L.
Sciurus indicus.
Spermophüus citillus L.
Die systematische Einteilung der Simplicidentaten ist nach Tüll-
berg (1900) erfolgt. Die Tiere, deren harter Gaumen zu den Unter-
suchungen herangezogen worden ist, die aber hier nicht aufgezeichnet
sind, finden sich auf S. 92 — 94. Cavia cobaya und Sciurus vulgaris sind
nochmals aufgeführt, da sie besonders genau untersucht worden sind.
Historisches. Retzius (1906) bildet den Gaumen von Cavia cobaya ab
(Taf. XL, Fig. 4) und beschreibt ihn. »Bei Cavia bildet der zwischen den Backen-
zähnen eingeschlossene harte Gaumen ein Dreieck mit nach vorn gerichteter
schmaler erhabener Spitze und ausgehöhlter (gewölbter) hinterer Partie, welche
ohne scharfe Grenze in die Fläche des weichen Gaumens übergeht. Auf diesem
ganzen Felde sind gar keine Spuren von Leisten zu entdecken; nur äußerst kleine
zarte Runzeln sind an der Schleimhautoberfläche, in der Richtung von vorn
nach hinten, mit der Lupe zu erkennen. Vorn geht die erwähnte schmale, enge
Partie des harten Gaumens in eine ebenfalls enge, von den an ihren beiden Seiten
liegenden Falten der behaarten Lippenhaut eingerahmte und überbrückte Furche
70 Jakob Rehs,
über; wenn man diese Falte auseinander zieht, findet man, wie die Fig. 4 in dop-
pelter Größe zeigt, diese eingesenkte schmale Partie, die Furche, bis an die Schneide-
zähne reichend und allmählich nach vorn hin etwas erweitert; sie hat ungefähr
dieselbe Länge wie die zwischen den Backzahnreihen gelegene dreieckige Partie
des harten Gaumens. In der Mittellinie der vorderen engen Partie (der Furche)
erheben sich nun zwei längliche schmale Höcker, einer ungefähr in der Mitte
ihrer Länge und einer vorn, dicht hinter den Schneidezähnen. Beide könnten
sie die Papilla palatina sein; da es nicht möglich war, mit der Lupe die Öffnungen
der Canales naso-palatini wahrzunehmen, hatte ich von ihrer Lage keine Leitung
hinsichtlich der Papille. Die entsprechenden Verhältnisse bei Lagostomus deuten
eher daraufhin, daß die hintere, größere Erhabenheit als die Papille aufzufassen
sei. In TuLLBERGs Darstellung finde ich keine Stütze für die Entscheidung
dieser Frage«.
Die mikroskopische Untersuchung ergab Bizzozkro (1885), daß die Zellen
der Oberfläche der Mundepithelien von diesem Tier oberflächlich, wie beim Hund
und bei Echidna näher beschrieben, beschaffen sind. Ranvier (1884) stellte
Eleidin und Severin (1885) ein Stratum granulosum und Teilungsfiguren im
Epithel dieses Tieres fest.
ZiMMERL (1905) gibt an, daß bei Cavia cobaija die Verteilung des elastischen
Gewebes gleich der bei andern Tieren ist und er fährt fort: »Unica particolaritä
degna di menzione, che osservasi nella cavia, e data dalla presenza di alcuni
nuclei di cartilagine elastica avente varia forma e dimensione, ma sempre perö
maggiormente sviluppati in quei punti, che corrispondono alle creste, dove ordi-
nariamente in compenso si ha un minor svihippo del reticolo.
Quäle sia l'ufficio di queste produzioni cartilaginee, io non potrei con cer-
tezza affermarc perö, tenuto conto della posizione da essi occupato e della con-
temporanea riduzione nella stesse parti delle fibre costituenti l'intreccio, credo,
che non sia fuori luogo pensare, che essi abbiano un identico ufficio di quest' ultimo,
cioe di reagire alle pressioni a cui il palato vienne sottoposto.
Questa, ripeto, non e che una semplice ipotesi per la piena conferma della
quäle occorrerebbero piü numerose e rigorose ricerche espressamente istituite«.
Klein (1881) hat den mikroskopischen Aufbau der Papilla palatina von
Cavia cdbaya beschrieben. Er sagt: "Having passed the bone and approaching
the oral cavity, the ducts become still smaller, they remain cleft like, and are
lined with stratified pavement epithelium, whose superficial cells, are as much
flattened as those of the palatine mucous membrane. The mucosa underneath
the epithelium of the ducts is dense fibrous tissue, and there are indications
of minute papillae. There is now already to be seen a trace of the Stenonian
cartilage in the peripher^' of the wall of the ducts. Sill nearer towards in dia-
meter, and while their shape becomes more cylindrical, the above rudiment of
the cartilage forms now for each duct a curved plate, semicircular in transverse
section, whose concave surface embraces the outer part of the wall of the duct.
The two ducts being close side by side, it foUows that the two semi lunar cartilages
meet at their extremities, and thus form nearly a complete capsule for the two
ducts (see figures 9 and 10). There is a smaller or larger apparently isolated
nodule of cartilage found between the two ducts.
Just before the ducts open into the oral cavity the lumen becomes a little
smaller, cylindrical, and there are here well developed papillae, such as these
Beiträge zur Kenntnis der inakroskop. und nükroskop. Anatomie usw. 71
of the palatine niucous nienibraue. The Stenonian eartilages liavc becomc con-
fluent with their extreniities, and jiresent thcraselves now in transverse sectiou
as a beautiful heart-shaped capsule, in each of whose cavities lies one of the ducts
the apex of the heart being directed forwards, the notch backwards (see fig. 10).
In conneetion with the apex one or more small pieces of cartilage are seen ex-
tending into the tissue separating tlie two duets.
As regards its structure, the Stenonian cartilage differs widely froni that
of the cartilage of the nasal septum and of Jacobsons cartilage the Stenonian
cartilage being elastic cartilage i. e. dense networks of elastic fibrils, forming a
sort of capsule around the individual cartilage cells. These latter are remarkable
for being idontical in appearance with well-formed fat-cells. Of the cartilage of
the septum I have mentioned, in my first paper, that in many places the cartilage-
cells are filled with numbers of minute fat globules, an appearance well known
of some other hyaline eartilages; but here, i. e. in the Stenonian eartilages, we
find each cartilage cell filled with one large oil globale". Da Cavia cobaya im
Englischen unter dem Xamen "the Guinea-Pig" geht, so ist mir die Arbeit nur
zufällig bekannt geworden, nachdem ich die Untersuchiuigen über dieses Tier
schon abgeschlossen hatte. Das Verlangen Erreras (1892), »lateinische Xamen«
zu gebrauchen, ist sehr berechtigt. Im übrigen bringen meine Befunde manches
anders und auch eingehender.
TuLLBERG (1900) berichtet über den Gaumen von Sciuriis vulgaris, daß er
»vier vordere und fünf hintere Falten« hat; »die letzteren sind an der Mitte
durchbrochen«. Eine Abbildung dieses Gaumens bringt Retzius (Taf. XL,
Fig. 1), und er beschreibt ihn eingehend. »Unter dem mir zugänglichen Material
von Xagetieren stellt der Gaumen von Sciurios den primitivsten, am wenigsten
differenzierten Typus dar. Er ähnelt in auffallender Weise sowohl dem der Mar-
supiaUer als dem der Insectivoren. Die Gestalt des Gaumens ist im ganzen, den
weichen Gaumen mit berechnet, sjiindelförmig, indem die mittlere, zwischen
den Backzahnreihen gelegene Partie rechteckig ist und die vordere und die hintere
Partie ungefähr konischen Umriß haben. In der mittleren Partie, welche den
hinteren Teil des harten Gaumens bildet, unterscheidet man zwischen den Back-
zahnreihen, sechs der Quere nach geordnete, bogenförmige Leisten, welche in
ihrer Mitte nach hinten gezogen sind, was besonders die zweite, dritte und vierte
betrifft. In der Medianlinie sind sie durch eine feine Furche in zwei Seitenarme
geteilt, und die Arme der drei hinteren sind sogar in der McdianUnie wirklich
voneinander getrennt. Die lateralen Enden der Leisten erreichen beinahe die
Backzähne und endigen hier abgerundet; die hintersten biegen sich aber stark
nach hinten und endigen mehr zugespitzt. Hierbei umfassen eben die beiden
Seitenarme dieser Leiste je ein Paar in der Mitte voneinander getrennter, schief -
ovaler Erhabenheiten, welche den hintersten Teil des harten Gaumens, zwischen
dem hintersten Backzahnpaar einnimmt. Meiner Ansicht nach stellen diese
beiden Erhabenheiten auch eine aus zwei Seitenarmen bestehende Leiste, die
allerhint erste, dar. . . , Die nun beschriebenen Leisten sind an ihrer Oberfläche
glatt, scharf begrenzt, walzenartig, die vorderen derselben sogar mit einer etwas
nach vorn gedrehten Rückenkante versehen.
In dem vor dieser »Zwischenzahnpartie « gelegenen Teil des Gaumens sind
zwei ebenfalls bogenförmige, in der ]\Iitte aber nicht geteilte und nicht nach hinten
gedrehte, sondern vielmehr, besonders was die vorderste betrifft, nach vorn zu-
72 Jakob Rehs,
gespitzte breite und kräftige Leisten vorhanden, welche an ihrem Rücken einen
zugeschärften Kamm haben; eigenthch scheint dieser Kamm nach hinten ge-
dreht zu sein, und die Oberfläche der zwischen den Leisten befindlichen Schleim-
haut biegt sich von hinten gegen ihn empor. Die Oberfläche der Felder sowohl
zwischen diesen als zwischen den hinteren Leisten ist mit einer Menge feiner
Wärzchen und Höckerchen besetzt. Die vorderen stehen weiter voneinander
entfernt als die hinteren, da die Zwischenfelder nach hinten hin immer etwas
kleiner werden. Die zuletzt beschriebenen beiden Leisten endigen lateralwärts,
wo bekanntlich keine Zähne verbanden sind, abgerundet. Vor diesen Leisten
findet sich noch eine bogenförmige Leiste, welche vorn in der Mitte einen rund-
lich-ovalen Auswuchs, eine scharf begrenzte Erhabenheit, trägt, die vielleicht
als die Papilla palatina zu bezeichnen ist, obwohl sie hier nicht dicht hinter den
Schneidezähnen liegt. Es findet sich nämlich zwischen ihrem vorderen Rande
und diesen Zähnen eine schmale, von den zusammengebogenen Lippenrändern
eingefaßte Rinne, welche beim Eichhörnchen nur kurz ist, während sie bei man-
chen andern Nagern recht lang sein kann. Am Boden dieser Rinne sieht man
noch eine längliche, aber ziemlich niedrige und schmale Erhabenheit, welche
vielleicht auch der fraglichen Papille entsprechen kann; zu ihren beiden Seiten
findet sich je eine kleine Falte der Schleimhaut. Die Anzahl sämtlicher Gaumen-
leisten von Sciurus beläuft sich also, wenn man die allerhinterste und die vor-
derste mitrechnet, auf nicht weniger als zehn; wenn man aber die vorderste als die
hinterste wallartige Abgrenzung der Papillarregion betrachtet, nur auf 9«.
Über den mikroskopischen Aufbau der Gaumenleisten von Sciurus vulgaris
sagt Oppel (1900): »Die mikroskopische Untersuchung . . . beim Eichhörnchen
. . . ergab mir, daß sich die Gaumenleisten in ihrem Bau nicht wesentlich von
der übrigen Schleimhaut des harten Gaumens unterscheiden. Die Gaumenleisten
sind nicht etwa als aus zu Reihen verschmolzenen Papillen entstanden zu denken,
vielmehr geht die ganze paiiillentragende Schleimhaiit in ihre Bildung ein. Epithel
und Hornschicht des Gaumens sind im Bereich der Leisten bei den beiden unter-
suchten Tieren nicht verdickt«.
Zusammenfassend sagt Tüllberg (1900) über die Gaumen der Simpliciden-
taten : »In der Regel finden sich bei den Simplicidentaten nur drei vordere Falten,
deren erste einen dreiseitigen Höcker bildet; nur bei den Sciuridae nimmt die
Zahl der vorderen Falten in bemerkenswerterem Grade zu. Mitunter können
die Falten undeutlich sein oder ganz fehlen <'.
Retzius (1906) kommt zu folgenden Ergebnissen. »Bei der weitaus über-
wiegenden, in der Natur reichlicher vertretenen Unterordnung der Simpliciden-
taten, die ich im ganzen als eine etwas primitivere, weniger differenzierte Gruppe
betrachte, tritt nun die eigentümliche Spezialisierung einzelner Familien auf,
daß bei ihnen die Leisten eine rückläufige Ausbildung erfahren haben, infolge
deren sie bald in der vorderen, vor den Backzahnreihen gelegenen, bald in der
hinteren, zwischen diesen Reihen befindlichen Region in ihrer Entwicklung re-
duziert sind oder sogar fehlen, ja zuweilen {Cavia, Lagostomus, Coelogenys) im
ganzen Gaumen verschwunden sind«.
Eigene Untersuchungen. Nach den Angaben von Tüllberg
(1900) und Retzius (1906) sind Cavia cohaya (Retzius, Taf. XL, Fig. 4),
Beitrage zur Kcnutnis der makroskop. uiul mikroskop. Anatomie usw. 73
Cavia porcellus (Tullberg, Taf. XXXVI, Fig. 4), II ijdrochoerus capy-
raba (Tullberg, Ö. 107), Mi/opotamiis coi/pus (Tullberg, Taf. XXXVI,
Fig. 5), Ctenomys vuujeUanicus (Tullberg, Taf. XXXVI, Fig. 9) und
Lagostomus trichodactylus (Tullberg, 8. Vll und Retziüs, Taf. XL,
Fig. 5) Vertreter der siinplicidentaten Rodentien aus der Gruppe der
Hystricognathen, denen die Gaumenleisten vollkommen abgehen. Alle
sind sie eng auf Südamerika beschränkt, und ist dieses Land nach Zittel
(1891/93) ihre Urheimat.
Zu meinen Untersuchungen an Cavia cobaya Avurden die Gaumen
von jungen, etwa 6 Monate alten Tieren verwendet. Der Beschreibung
der äußeren makroskopischen Verhältnisse dieses Gaumens von Retzius
ist 7A\ entnehmen, daß zwischen den Schneidezähnen und dem ersten
Paar der Backenzähne einerseits und den beiden vorderen Seitenteilen
der Oberlippe anderseits eine Furche sich befindet, in deren vorderen
engen Partie zwei längliche, schmale Höcker auftreten, einer vorn,
dicht hinter den Schneidezähnen und der andre ungefähr in der Mitte
der Furchenlänge. An den von mir untersuchten Gaumen war der
vordere Höcker nicht so scharf abgesetzt, wie es in der Abbildung von
Retzius zum Ausdruck gebracht ist. Man hat es hier mit einem von
Kohlmeyer (1906) bei Mus decumanus mit Längsleiste bezeichneten
Gebilde zu tun (Kohlmeyer, Fig. 1), das aber besser, wie es auch von
Röscher (1909) bei Cricetus frumentarius angegeben ist, Rhaphe palati
genannt wird (Textfig. 4 Ä, rp, S. 74 u. Taf. III, Fig. 23 rp). Eine solche
Rhaphe palati in mannigfacher Ausbildung konnte ich auch bei andern
simplicidentaten Rodentien feststellen, wie bei Dasyprocta fuligmosa,
Anomalurus Beecrofti, Microtus arvalis (hier sehr schwach), Cricetomys
gambianus, Sciurus vulgaris (Textfig. 6 A, rp) und Sciurus indicus.
Retzius gibt sie wieder bei Sciurus vulgaris (Taf. XL, Fig. 1), Mus
decunmnus (Taf. XL,lFig. 2), Mijoxus glis (Taf. XL, Fig. 3), Cavia
cobaya (Taf. XL, Fig. 4) und aus Tullbergs schematischen Figuren
der Gaumen auf Taf. XXXVI ist sie erkenntlich bei Cavia porcellus
(Fig. 4), Anomalurus Beecrofti (Fig. 12), Myoxus glis (Fig. 14), Zapus
hudsonius (Fig. 16), Gymnuromys Roberti (Fig. 19), Hesperomys leu-
copus (Fig. 22), Oxymycterus rufus (Fig. 24), Haplodon rufus (Fig. 28),
und sicherlich ist sie auch bei andern Vertretern vorhanden aber aus
den schematischen Zeichnungen nicht deutlich erkennbar. Röscher
bildet sie ab von Cricetus frumentarius (Röscher, Taf. II, Fig. 3).
Bei einem der untersuchten Gaumen von Cavia cobaya setzt die
5 mm lange Rhaphe palati hinter den Schneidezähnen in einer Breite
von 1 mm an und erhebt sich 1 mm über den Boden der »Furche <<. Bis
74
Jakob Rehs,
zur Mitte steigt sie zu einer Höhe von 1 1/2 mm an, während die Breite
nur noch V4 ^^^ mißt, um nach hinten auf 1/2 ''iiii' Höhe zu sinken und
sich auf eine ebensolche Breite zu verringern. Die Seitenwände stehen
so im vordem Vö ^^^ Hhaphe palati senkrecht zum Furchenboden und
konvergieren nach hinten. Ihr First ist schwach nach außen gewölbt.
Dieses ändert sich im letzten 1/5 der Rhaphe palati. Letztere Seiten-
wände lehnen sich lingualwärts im spitzen Winkel aneinander und
erzeugen so einen scharfen Kamm. Dieses Stück ist bezüglich des
inneren Baues als Übergangsstück zum zweiten Höcker anzusehen.
Ähnlich liegen die Verhältnisse im vorderen Teil des zweiten 6 mm
langen Höckers, der, wie später ge-
zeigt wird, die Papilla palatina ist,
nur daß allmählich nach hinten der
Winkel beider Flächen sich ver-
größert. Hand in Hand hiermit
geht eine Verbreiterung der First
bis auf 1 mm, und eine Erhöhung
ihrer Entfernung vom Furchen-
boden im vierten Millimeter der
Papillenlänge auf 3 mm. Dieses
op m.
cp
Textfig. 4.
Cavia cöbaya. A, Medianschnitt durch den har-
ten Gaumen. £, Aüsicht der beiden nach vom Vorderteil der Papilla palatina ist
stark konvergierenden Backzahnreihen des Ober- •■, i^-i-ri, ■u ^ xri ' i.
kiefers von Cavia porcellus. C, Ansicht der eisbrecileralinlicll gebaut. Es Ist
Zunge mit Zungenabsatz {za) von der rechten möo'lich
Seite. B und C nach Tüllberg). Alle Figuren
in natürhcher Größe, a, zu den ersten Backen-
zälinen .absteigender Teil der Gaumenschleim-
haut; b, der zwischen den beiden Backzahn-
reihen liegende Teil der Gaumenschleimhaut;
fi, Foramina incisiva; i Incisivus; m, Maxillae;
Ol, Ossa incisiva; op, Ossa palatina; pmo, Pala-
tum molle; pp, Papilla palatina; rp, Ehaphe
palati.
daß das Vorderteil der
Papilla palatina vermöge dieses
Baues auf eine Teilung der Nahrung
und so auf eine Hinleitung über
die Öffnungen der Canales naso-
palatini, die an den hinteren Seiten-
abhängen der Papilla palatina ihren
Sitz haben, zu den Backenzähnen
hinwirkt, eine Wirkung, die noch verstärkt ^\ird durch den auch eis-
brecherähnlich dem Vorderteil der Papilla palatina eingelagerten Stütz-
knorpel, der später eingehend beschrieben wird. An der Stelle der höch-
sten Erhebung der Papilla palatina über den Furchenboden ungefähr im
vierten MiUimeter ihrer Länge fällt sie 1 mm nach dem knöchernen Gau-
mendach zu steil ab, um in den letzten 2 mm allmählich in den Furchen-
boden überzugehen (Taf . III, Fig. 23 pp). Die größte Breite der Papilla
palatina in der Basis ist 3 mm, so konvergieren ihre Seiten wände nicht
nur nach der First zu, sondern auch nach vorn und hinten, was im Auf-
bau des Stützknorpels der Canales naso-palatini eine gewisse Wieder-
Beiträge zur Krimtiiis clor inakroskoj). iiiul niikro.skop. Anatomie usw. 75
holuiig findet. Das letzte 2 nmi laiij^e, allmählich abfallende Stück ge-
hört noch der Papilla palatina an ; denn in ihm liegt, wie später genauer
augegeben wird, ein Knorpelstrang, der mit dem Stützknorpel der Cana-
les naso-palatini verbundeii ist. Es deutet aber weder der äußere noch
der innere Bau auf eine Leiste hin, die mit der Papilla palatina ver-
schmolzen sein könnte, wie bei Sciurus vulgaris, sondern die Papilla pala-
tina erhebt sich für sich allein über das Niveau des Gaumens, nur nach
vorn mit der Rhaphe palati verbunden (Textfig. 4 A, ^yjj u. Taf. III,
Fig. 23 pp). Man kann daher die Papilla palatina als solche nicht, wie es
KoiiLMEYER (1906) bei 3Ius decumanus tut, als die erste Gaumenleiste
bezeichnen, sondern nur »den hinteren, quer über die Gaumenschleim-
hautfläche verlaufenden Teil<<, der mit dem hinteren Teil der Papilla
palatina verschmolzen ist.
Solche nicht mit einer Gaumenleiste in Verbindung stehende Pa-
pulae palatinae sind auch bei andern simplicidentaten Rodentien vor-
handen, wie aus Tullbergs Beschreibung und Abbildung auf Taf.
XXXVI hervorgeht, so bei Georychus capensis (Fig. 1), wo nur ein
paar an der Basis zusammenfließende Verdickungen in der vorderen
Abteilung vorhanden sind, bei Cavia porcellus (Fig. 4), dessen Gaumen
nur in der vorderen Abteilung mit einer kleinen Verdickung versehen
ist, bei Myopotamus coypus (Fig. 5), dessen Gaumen in der vorderen
Abteilung einen unbedeutenden Wulst zeigt, bei Ctenomys magellanicus
(Fig. 9), bei dem der Gaumen in der vorderen Abteilung nur eine un-
bedeutende Hervorragung besitzt, bei Chinchilla lanigera (Fig. 11),
das nur eine Verdickung in der vorderen Abteilung zeigt, alles Tiere,
die überhaupt jegliche Leisten zwischen den Nagezähnen und dem
ersten Paar Backenzähnen vermissen lassen. Aber auch andre Tier-
ordnungen enthalten Vertreter, deren Gaumen eine isolierte Papilla pala-
tina zeigt, wie ich es bei Pinnipediern und Primaten feststellen konnte.
Retziüs (1906) hat es in der Beschreibung der beiden Höcker zu
keinem endgültigen Entscheid gebracht, welcher seiner beiden Höcker
die Papilla sei. Er schreibt darüber: »Beide könnten sie die Papilla
palatina sein; da es nicht möglich war, mit der Lupe die Öffnungen
der Canales naso-palatini wahrzunehmen, hatte ich von ihrer Lage
keine Leitung hinsichtlich der Papille. Die entsprechenden Verhält-
nisse bei Lagostomus deuten eher darauf hin, daß die hintere, größere
Erhabenheit als die Papille aufzufassen sei. In Tullbergs Darstellung
finde ich keine Stütze für die Entscheidung dieser Frage«. Die Ver-
nmtung, daß die Öffnungen der Canales naso-palatini an der hinteren,
größeren Papille zu suchen seien, wird dadurch bestätigt, daß man am
76 Jakob Rehs,
abgelösten Gaumen diese Öffnungen an den beiden Seitenwänden der
Papilla palatina, 2 mm vom hinteren Steil abf all und 1 mm von der
First entfernt, durchschimmern sieht. Paramedian- und Transversal-
schnitte bestätigen diesen Befund (Taf . III, Fig. 23 pp).
Der zwischen der Papilla palatina und den ersten beiden Backen-
zähnen ausgebreitete Teil des Gaumens liegt einem zu den Backenzähnen
absteigenden Teil des knöchernen Gaumendaches an, der von den
beiden Maxillae gebildet wird und fast rechtwinklig zu dem von den
Ossa incisiva gestellten Teil des knöchernen Gaumendaches steht (Text-
iig. 4: A,oi,'m). Diese Konfiguration ist eine Folge der außergewöhn-
lichen Verdickung, der das knöcherne Gaumendach bildenden Maxillae,
die ihrerseits wieder aus der starken Konvergenz der beiden Backen-
zahnreihen nach vorn und den tief eingesenkten Backenzähnen resultiert
(Textfig. 4 B). Mit dieser Gestaltung des knöchernen Gaumendaches
ist eigentümlicherweise ein Nichtvorhandensein oder wenigstens eine
kümmerliche Ausbildung der Gaumenleisten in diesem Teil des Gaumens
verknüpft, und alle die Tiere, und zwar nur einzelne Vertreter aus dem
Tribus der Hystricognathen innerhalb der Unterordnung der Simpli-
cendentaten, die diesem von Cavia cobaya angegebenen Bildungsmodus
des knöchernen Gaumendaches gleichen, ihn übertreffen oder sich ihm
nähern, besitzen in dem Vorderteil des Gaumens keine oder schwach
ausgebildete Leisten. Cavia porcellus (Tullberg, Taf. IV, Fig. 1 u. 5)
verhält sich wie Cavia cohaya und besitzt keine Leisten (Tullbekg,
Taf. XXXVI, Fig. 4). Hydrochoerus capyraba, eine Cavia sehr nahe-
stehende Form, hat nach Tullberg keine Leisten, und ich konnte
mich an einem Schädel von der mit Cavia übereinstimmenden Bil-
dung des knöchernen Gaumendaches überzeugen. Eine Ansicht des
Schädels von der linken Seite (v. Hayek [1893], Fig. 3811) gibt diese
Gaumenkonfiguration treffend wieder. Bei DolicJiotis patagonica, auch
zu den Caviiden gehörig, stellte ich diese Bildung ebenfalls fest und
sicherlich ermangelt dieses Tier auch der Gaumenleisten. Bei Myopo-
tamus coypus aus der Familie der Echinomyiden tritt die Bildung des
knöchernen Gaumendaches sehr stark hervor (Tullberg, Taf, VII,
Fig. 10 u. 11). Das Vorderteil des Gaumens dieses Tieres hat keine
Leisten (Tullberg, Taf. XXXVI, Fig. 5). Ctenomys magellanicus
aus derselben Familie nähert sich etwas Cavia (Tullberg, Taf. VIII,
Fig. 10 u. 14). Die vordere Abteilung ermangelt der Leisten (Tullberg,
Taf. XXXVI, Fig. 9). Bei Chinchilla lanigera konnte ich mich von
der Gaumenbildung, die aus Tullbergs Figur nicht deutlich zu erkennen
ist, selbst überzeugen. Die starke Konvergenz der Zähne zeigt Fig. 5,
Beitrage zur Keimt nis iler makroskop. uiul niikroskop. Anatomie usw. 77
Textfig. 5.
Castor canadensis. Ansiclit der Zunge mit Zungenabsatz {za)
von der rechten Seite. (XacliTuLLBERG.) I^^atiirliclie Größe.
Taf. VI, und aus Tat. XXXVI, Fig. 11 ist das Fehlen der Leisten er-
sichtlich. Der ChinchilUdc L'ujostomus trichodacti/lus gleicht dem vorher-
geheiidoii in dieser Bildung. Nach Rktzius, Tai. X\j, Fig. 5 sollen
von der Papilla palatina dieses Tieres rechts und links zwei Flügel aus-
gehen, die Avohl als die erste Gaunienloiste anznspiechen sind, und dies
würde zu Ododon degus, einem Echinomyidcn hinüberführen; denn an
einem Schädel dieses Tieres konnte ich, wenn auch schwächer als bei
Cavia, diese Gaumenbil-
dung konstatieren, und das
A'orderteil des Gaumens
(TULLBERG, Taf. XXXVI,
Fig. 8) hat schwach ent-
wickelte Leisten. Erethizon
dorsatus , der nordameri-
kanische Kletterstachler,
hat eine knöcherne Gau-
menbildung, die von Cavia cobaya zu Hystrix cristata (Textfig. 7 Ä, B)
oder weiterhin zu Sciunis vulgaris (Textfig. 6 A, B) hinüberleitet; denn
hier ist die Konvergenz der Backenzahnreihen bedeutend schwächer
als bei Cavia, und es sind drei regel-
lose Leisten vorhanden (Tullberg,
Taf. XXXVI, Fig. 10). Coendu novae-
hispatiiae (Tullberg, Taf. VII, Fig. 1
u. 4) und Chaetomys suhspinosus {Tvi.h-
BERG, Taf. VII, Fig. 7), die zu den
Erethizontiden gerechnet werden, stim-
men in der Ausbildung des knöcher-
nen Gaumendaches vollkommen mit
Hystrix cristata überein, aber über die
Leisten konnte ich nichts erfahren.
Ahnliche Verhältnisse bietet der in Südafrika einheimische Georychus ca-
pensis (Tullberg, Taf. II, Fig. 1) bei vollständigem Fehlen der Gaumen-
leisten (Tullberg, Taf. XXXVI, Fig. 1), nur daß hier die Backenzahn-
reihen nach vorn nicht konvergieren, sondern parallel sehr nahe
beieinander liegen (Tullberg, Taf. II, Fig. 6). Die Wirkung auf die
Ausbildung des knöchernen Gaumendaches bleibt dieselbe. Wie mir
ein Schädel von Bathyergus marititnus zeigte, herrschen hier dieselben
Verhältnisse, nur konnte ich nichts in bezug auf die Ausbildung der
Leisten feststellen, aber auch hierin wird dieses Tier mit dem vorher-
genannten übereinstimmen.
Sdurus vulgaris. A, Medianschnitt durch
den harten Gaumen; B, Ansicht der beiden
parallel gerichteten Backenzahnreihen des
Oberkiefers; C, Ansicht der Zunge von der
rechten Seite. Zeiclienerklärung sielie
Textfig. 7.
78
Jakob Rehs,
Es mag im voraus erwähnt sein, daß bei allen andern von Tull-
BERG angegebenen hystricognathen und sciurognathen Simpliciden-
taten dieser Teil des Gaumens nicht diese extreme Ausbildung zeigt
und hier auch Gaumenleisten vorhanden sind. Bei Sciurus vulgaris
werde ich näher darauf zu sprechen kommen.
Bei Cavia cohaya ist aber jener Teil des Gaumens durchaus nicht
vollkommen glatt, sondern über die ganze Oberfläche liegen kleine
Höcker unregelmäßig zerstreut.
Der zwischen den Backenzahnreihen des Oberkiefers gelegene Teil
der Gaumenschleimhaut ist mit dem eben abgeschlossenen Teil durch
eine schmale Brücke verbunden, indem die ersten beiden Backenzähne
Textfig. 7.
Hystrix cristata. Ä, Ansidit des Oberkiefers von der recliteu Seite; B, Ansicht der beiden parallel
gerichteten Backzahnreihen des Oberkiefers und eines Teiles des knöchernen Ganmendaches; C,
Ansicht der Zunge von der rechten Seite. Alle Figuren außer 6 A nach Tuxlberg und in natür-
licher Größe, h, der zwischen den beiden Backzahnreihen liegende Teil der Gaumcnschleimhaut.
Die Leisten sind nicht getroffen, da sie in der Bledianlinie durch eine Rhaphe palati in Gestalt
einer Furche getrennt sind; i, Incisivus; m, Maxillae; oi, Ossa incisiva; op, Ossa palatina; pnio,
Palatum molle; vp, Papilla palatina; rp, Eliaphe palati; / — IV, erste bis vierte Gaumenleiste.
der Backenzahnreihen nicht viel Platz zwischen sich lassen (Textfig.
4 B). Auch dieser Teil des Gaumens entbehrt der Leisten vollkommen
(Textfig. 4.A,h u. Taf. III, Fig. 24). Ich konnte in diesem Falle und
auch in allen andern Fällen, wo die Leisten fehlen oder nicht vollkommen
sind, eine Beziehung zur äußeren Gestaltung der Zunge nachweisen.
Aber ich vermag nicht zu behaupten, ob diese morphologische Gestal-
tung der Zunge rückwirkend auf die Ausbildung der Gaumenleisten
war oder ist. Die Gestaltung der Zunge besteht darin, daß der pharyn-
gealwärts gelegene Teil einen Absatz besitzt, der mehr oder weniger
weit in die Mundhöhle hineinragt. Bei Cavia porcellus gibt dieses die
Textfig. 4 C, za wieder. Cavia cobaya besitzt ihn auch (Oppel [1900],
Fig. 237, a). Hydrochoerus cafyrdba stimmt auch in bezug auf diesen
Teil des Gaumens mit Cavia yorcellus überein, und Oppels Fig. 242
Beiträge zur Kenntnis der niakroskop. und niikroskop. Anatomie usw. 79
zeigt einen sehr starken Absatz. Myopotamus weist keine Falten auf
(TuLLBERü, Taf. XXXVI, Fig. 5), aber einen Absatz (Tullberg,
Taf. XXXVII, Fig. 11). und ebenso verhält es sich mit Ctenomys ma-
gellanicus (Tullberg, Taf. XXXVI, Fig. 9). Auch Lagostomus tricho-
dactiflus besitzt nach Retzius keine Leisten (Taf. XL, Fig. 5), und die
Zunge zeigt eine nicht unbeträchtliche hintere Anschwellung, ebenso
wie die von Chinchilla lanigera (Tullberg, Taf. XXXVII, Fig. 10).
Bei letzterem Tier aber sind schon recht undeutliche Leisten in der hin-
teren Abteilung zwischen den vorderen Backenzähnen vorhanden. Bei
Erethizon dorsatus beobachtete ich an einem Gaumen zwischen den
Backenzähnen schwache Leisten, während Tullbegr ein Vorhanden-
sein verneint, und die Zunge dieses Tieres besitzt einen kräftigen Wulst
(Tullberg, Taf. XXXVII, Fig. 9). In der Unterordnung der Sciuro-
gnathen ist Castor canadensis der einzige Vertreter, von dem Tullberg
angibt, daß er zwischen den Backenzähnen keine Leisten besäße
(Taf. XXXVI, Fig. 31), und an die Zunge ist ein deutlicher Absatz an-
gesetzt (Textfig. 5 za). Andre Vertreter, wie Ctenodachjlus gundi (Tull-
berg, Taf. XXXVI, Fig. 13), Pedetes caffer (Tullberg, Taf. XXXVI,
Fig. 11«), Sniinthus subtilis {Tvi.i,BEi<G S. 184), Dipus aegypticus {Tvll-
BERG, Taf. XXXVI, Fig. 15), Spcdax typhlus (Tullberg, Taf. XXXVI,
Fig. 17), Rhizomys (Tullb., Taf. XXXVI, Fig. 18), Arvicola amphi-
hius (Tullb., Taf. XXXVI, Fig. 21), Hydromys chrysogaster (Tull-
berg, Taf. XXXVI, Fig. 26), Psammormjs ohesus (Tullb., Taf. XXXVI,
Fig. 27), Perodipus agilis (Tullb., Taf. XXXVI, Fig. 32) haben nicht
vollkommen ausgebildete Leisten und alle einen mehr oder weniger
deutlichen Absatz (Tullb., Taf. XXXVII, Fig. 17), bzw. 13, S. 184,
Fig. 21, 24, 26, Taf. XXXVIII, Fig. 4, 10, S. 282, Fig. 23). Im übrigen
scheint dieser Teil des Gaumens, wenn das Verhältnis seiner Länge zur
Breite 3 : 1 oder 4 : 1 ist, eine gute Ausbildung der Gaumenleisten nicht
zu gewährleisten, wie es bei Georychus capensis (Tullb., Taf. XXXVI,
Fig. 1), dessen Zunge keinen Absatz hat (Tullb., Taf. XXXVII,
Fig. 2), bei Anomalurus Peli (Tullb., Taf. XXXVI, Fig. 12), dessen
Zunge ohne Absatz ist (Tullb., Taf. XXXVII, Fig. 15), bei Otomys
iinisidcatus (Tullb., S. 127), dessen Zunge einen sehr rmdeutlichen
Absatz besitzt, bei Haplodon rufus (Tullb., Taf. XXXVI, Fig. 28),
dessen Zunge keinen Absatz aufweist (Tullb., Taf. XXXVI, Fig. 15)
und bei Geomijs tuza (Tullb., Taf. XXXVI, Fig. 33), bei dem auch
kein Absatz an der Zunge vorhanden ist (Tullb., Taf. XXXVIII,
Fig. 25).
Von dem zwischen den Backenzähnen eingeschlossenen Teil des
80 Jakob Rehs,
Gaumens von Cavia cohaya behauptet Retzius, daß >>nur äußerst kleine
zarte Runzeln an der Schleinihautoberfläche in der Richtung von
vorn nach hinten zu erkennen« seien. Derartige Runzeln konnte ich
nur an den hinteren Seitenrändern entdecken, aber die ganze mittlere
Fläche ist mit lingualwärts gerichteten, stachelförmigen Gebilden
bedeckt, die bis zu 400 ^t« lang werden. Ihr basaler Durchmesser
ist 90 /.i (Taf. III, Fig. 24 po). Eingehender komme ich hierauf
später zu sprechen.
Es soll nun die Topographie des elastischen Gewebes des Gaumens
von Cavia cohaya einer Betrachtung unterzogen werden und auch
andre Gewebselemente, soweit sie zu einem besseren Verstehen der
Verteilung des elastischen Gewebes beitragen, besprochen werden.
ZiMMERL (1905) erledigt die Beschreibung der Verteilung des ela-
stischen Gewebes von Cavia cohaya mit der von Lepus cuniculus mit
den Worten: »Anche in questi due animali il piano di distribuzione del
tessuto elastico si mantiene uguale a quello che giä si e notato negli
altri animali, onde sarä superfluo insistervi ulteriormente <<. Meine
Präparate zeigen aber so abweichende Verhältnisse, daß es sich doch
lohnt, näher darauf einzugehen. Es muß hier nochmals betont werden,
daß die Präparate von 6 Monate alten Tieren stammen, daß aber sich
die Verhältnisse bei älteren Tieren sich nicht derart geändert haben
können.
Die Schleimhaut der Furche mit der Rhaphe palati zwischen den
Schneidezähnen und der Papilla palatina erhält ihren Anschluß an das
knöcherne Gaumendach durch transversale, quergestreifte Muskeln, den
ebenso verlaufende, dicke, elastische Fasern im Perimysium externum
zugesellt sind, die in dig Basis der Rhaphe palati einströmen (Taf. III,
Fig. 23 m, tef). Das elastische Gewebe unterstützt den Muskel in seiner
Funktion recht wesentlich, wie es von du Mesnil de Rochemont (1893),
Smirnow (1898/99) und Kahn (1903) an Muskeln aus den verschie-
densten Organteilen des Wirbeltierkörpers und von Fahr (1906) und
Seipp (1895) an den Herzmuskeln nachgewiesen wurde. In den Teilen
der Furche, die rechts und links neben der Rhaphe palati ihren Platz
haben, schiebt sich zwischen Muskeln und Epithel eine 600 f.i dicke Binde-
gewebsschicht aus einem dichten Geflecht feiner Bindegewebsfibrillen
ein, denen dicke, sich durchflechtende elastische Fasern, die nach dem
Epithel zu allmählich an Menge zunehmen, in paramedianen Verlauf
eingelagert sind. Ein ebensolches, dicht verfilztes Bindegewebe birgt
der bindegewebige Innenraum der Rhaphe palati. Daneben durchziehen
einzelne, 6 /t dicke, stark geschlängelte Bindegewebsfibrillen dieses
Beiträge zur Kenntnis der niakroskop. luul niikroskop. Anatomie usw. 81
Bindegewebe im senkrechten Verlauf zur Basis der Rhaphe palati,
teilen .sich in der Nähe des Epithels und laufen diesem parallel, treten
aber selten in die Papillen der Pars papillaris ein. Letztere sind dicht-
stehende, lange schmale Papillen, die das 300 u betragende Stratum
germinativum ganz durchsetzen, sodaß dieses als eine Kappe empor-
wewölbt ist. ein Zustand, der nicht auf die Oberfläche des kernlosen
Stratum corneum, das 50 /< dick ist, übertragen wird. Außerdem macht
sich in der Rhaphe palati ein durch Anastomosen verbundenes Strang-
werk eines Gewebes breit, dessen Hauptstränge eine senkrechte Rich-
tung zur Basis der Rhaphe palati haben und bis zu 100 /t dick sind.
Das Gewebe besteht aus einer homogenen, hellen Grundsubstanz mit
wenigen Bindegewebsfasern, deren Kerne in der Richtung der Stränge
liegen. Die oben beschriebenen starken Bindegewebsfasern sind nie
vorhanden. In dieses Gewebe sind kleine Arterien, die in Kapillaren
übergehen und ebensolche Venen und auch Nerven eingebettet.
Elastische Fasern treten nie auf. Wenige typische Fettzellen von
9 — 15 n Durchmesser deuten auf ein spezifisches Fettgewebe hin
(Taf. III, Fig. 23 fg). Auf jeden Fall wirkt es als ein Schutzpolster
gegen Druck, um diese eigentümlich gebaute Rhaphe palati aufrecht
zu erhalten. Dieses wird noch verstärkt durch das elastische Ge-
webe, das sich in diesen komplizierten Aufbau nur netzförmig ein-
ordnen kann. Es wird so das Bindegewebe zwischen dem Strang-
gewebe von dünnen, untereinander dicht verflochtenen elastischen
Fasern ausgefüllt, doch ist eine transversale Richtung dieser elastischen
Fasern nicht zu verkennen, w^olil hauptsächlich durch den senkrechten
Verlauf der Stränge bedingt (Taf. III, Fig. 23 tef). In dem Binde-
gewebe, das dem Epithel anliegt, bilden elastische Fasern noch ein
dichtes Flechtw^erk, ein subepitheliales Netz, so daß in diesem Netz
die transversalen elastischen Fasern verankert sind und so als trans-
versale Streben wirken. Aus dem letzteren Netz gehen elastische
Fasern in schnurgeradem Verlauf in den äußeren Mantel der Papillen
mit dünnfaserigem Bindegewebe.
Dem vordersten Stück dieser Rhaphe palati ist in der Medianen
im bindegewebigen Innenraum ein langgestreckter, spindelförmiger
und fetthaltiger Knorpel eingelagert, der in medianer Richtung 1400 (.i
mißt und einen Durchmesser von 400 u hat (Taf. III, Fig. 23 hn). Er
ist von dem knochenwärts gelegenen Muskel durch eine 200 {.i dicke
Bindegewebsschicht getrennt, die wohl z. T. das Perimysium des Mus-
kels darstellt, da hier transversale elastische Fasern liegen.
Mit dem hinteren Ende des Knorpels beginnt das Verbindungs-
Zeitsclirift f. wissensch. ZoolOL'ie. CIX. Iki. 6
82 Jakob Rehs,
stück zwischen der Kliaphe palati und der Papilla palatina. Im Binde-
gewebe hat sich nichts geändert, nur sind die dicken Fibrillen ver-
schwunden und verlaufen die elastischen Fasern, die dicker und dichter
geworden sind, rein paramedian. Sie nehmen z. T. ihren Ausgang von
dem elastischen Knorpel, zum andern Teil ordnen sie sich aus den ela-
stischen Fasern der Rhaphe palati um. Nach dem Epithel zu liegen
sie weniger dicht und entsenden wenige Ausläufer in die reichlichen
Papillen (Taf. III, Fig. 23 fej).
Daß das elastische Gewebe in der Papilla palatina mit den Canales
naso-palatini und dem kompliziert gebauten Stützknorpel unter die-
sem Einflüsse steht, soll im Anschluß an die Beschreibung der letzteren
gewürdigt werden. Die Canales naso-palatini durchbrechen, in der
Medianen durch eine Bindegewebsschicht von 200 /t getrennt, den
Knochen als ovale Gänge, die in der Paramedianen 800 /< und 300 (.t
in der Transversalen messen. Sie streben in einem nach der Medianen
zu gekrümmten Bogen nach dem Epithel auseinander und münden
als sehr enge, 1000 /t voneinander entfernte Öffnungen, die in der Para-
medianen 400 /t und in der Transversalen 50 /< messen, an den Seiten-
abhängen der Papilla palatina, wie oben angegeben ist (Taf. III,
Fig. 23 cnf). Der Stützknorpel setzt sich aus zwei Knorpelstücken zu-
sammen, welche die Gänge vorn und hinten auf ihrem Lauf begleiten
und untereinander verbunden sind. Der Teil vor den Canales naso-
palatini weist eine in der Medianebene liegende 3 mm lange Knickungs-
linie auf, deren epithelwärts gelegenes Ende weiter nach hinten liegt,
als das knochenwärts gelegene. Die beiden 1300 /< nach hinten sich
erstreckenden 200 — 100 (.i dicken Flügel sind epithelwärts verschmol-
zen, während knochenwärts allmählich ihr Flächenwinkel bis zu einem
rechten anwächst. Außerdem sind die Flügel an ihrer Basis nach außen
umgebogen, so daß dieses eisbrecherähnliche Gebilde auf breiten Füßen
steht, dessen Bedeutung oben schon gewürdigt wurde. An den epithel-
wärts gelegenen Teil der Kante der Knickungslinie setzt sich eine 250 (.t
dicke und 1000 /< lange Knorpellamelle an, die spitz in das vordere
Ende der Papilla palatina vorstößt und dieses, das arm an elastischen
Fasern ist, stützt (Taf. III, Fig. 23 skv). Der vorhin beschriebene Teil
des Stützknorpels ist mit dem hinter den Canales naso-palatini befind-
lichen verbunden sowohl durch von den beiden, knochenwärts gele-
genen Teilen der beiden hinteren Flügelkanten ausgehende, die Gänge
außen und hinten umfassende, 1300 /< breite in der Richtung der Gänge
gemessene und 200 f^i dicke Knorpelspangen — der knorpelfreie Teil
dient den Gängen als Durchgang — als auch durch eine in der Median-
Beiträge zur Kctiiitiiis der makroskop. imd mikroskop. Anatomie usw. 83
ebene gelegene, stark gefensterte, 400 */ in der Transversalen messende
Knorpelj)latte, die so die beiden Gänge auf der Innenseite stützend
begleitet. Mit ihr verbinden sich die die Gänge umfassenden .Spangen,
Außerdem spaltet sie sich in der Medianen auf und die Teilstücke stre-
l)on unter einem rechten Winkel auseinander. So kommt es zu einer
ähnlichen Anordnung wie bei dem ersten Knorpelteil, nur daß die
Knorpelflügel um etwa 200 ti länger und etwas dünner sind, und in-
folgedessen einen größeren bindegewebigen Innenraum einschließen,
als im ersten Knorpeltcil. Epithelwärts sind die Flügel nur durch
Knorpelspangen verbunden. Von hier aus dringen Knorpelstücke in
den hervorragenden hintersten Teil der Papilla palatina, diesem, der
auch spärliche elastische Fasern enthält, zur Stütze dienend (Taf. III,
Fig. 23 skh).
Es sei im voraus gesagt, daß der ganze Knorpel ein typischer ela-
stischer Knorpel ist. Die polygonalen, 20 — 30 f.i im Durchmesser messen-
den Zellen liegen ziemlich dicht beieinander, oft in Reihen die Dicke
des Knorpels durchsetzend, so daß eine im Durchschnitt 10 /< dicke
Intercellularsubstanz übrig bleibt. Die Zellen sind fast vollkommen
von Fett erfüllt, derart, daß das Cytoplasma und der Kern, oft kommen
zwei Kerne vor, wandständig geworden sind. Nach dem Perichondrium
zu werden die Zellen kleiner und spindelförmig und enthalten weniger
Fett. Homogene Knorpelkapseln sind deutlich sichtbar. Die zwischen
ihnen liegende Grundsubstanz ist mit einem Netz straffer elastischer
Fasern erfüllt, die der Hauptsache nach senkrecht zur Oberfläche des
Knorpels angeordnet sind und natürlich, wie noch gezeigt wird, in das
Bindegewebe übergehen.
Die Seitenteile rechts und links von der Papilla palatina gleichen,
was die Muskeln, das Bindegewebe und das elastische Gewebe anbe-
trifft, dem neben der Rhaphe palati.
Die paramedianen elastischen Fasern des Verbindungsstückes fin-
den ihr Ende an dem ersten Knorpelteil, der sich in den Weg stellt.
Nur einzelne strömen in den Teil zwischen Knorpel und Epithel ein.
Hinter dem ersten vor den Canales naso-palatini gelegenen Knorpel-
teil innerhalb der Flügel trifft man ein lockeres Bindegewebe mit Fett-
strängen und transversalen elastischen Fasern, die also von Flügel zu
Flügel ziehen und durch das Perichondrium in das Innere des Knor-
pels dringen, so die Wände in ihrer Lage fixierend. Der Raum zwischen
den Epithelwänden der Canales naso-palatini und den sie umfassenden
Knorpelstücken ist von einem Netzwerk feiner elastischer Fasern ein-
genommen, die ebenfalls im Knorpel verankert sind. Der transver-
6*
g4 Jakob Rehs,
sale Verlauf der elastischen Fasern wiederholt sich zwischen den beiden
Flü<Teln des zweiten Knorpelstückes natürlich in viel stärkerem Maße
als beim ersten Flügelpaar, da hier ein größerer bindegewebiger Innen-
raum eingeschlossen ist. Hier treten Fettstränge mit reichlichen Fett-
zellen auf, und die elastischen Fasern ziehen zwischen den Strängen
in einem ungeordneten, dicht verfilzten Bindegewebe von Knorpel zu
Knorpel (Taf. III, Fig. 23 tef).
Hinter diesen Knorpelflügeln ordnen sich die elastischen Fasern
in paramediane um. Diese Richtung wird im hinteren, sanft abfallen-
den Teil der Papilla palatina beibehalten (Taf. III, Fig. 23 'pej). Auch
hier treten rechts und links Muskeln herein, die in den Seitenteilen
eine sehr dünne Schicht Bindegewebe zwischen sich und dem Epithel
übrig lassen, vergesellschaftet mit paramedianen elastischen Fasern,
die nach dem Epithel zu weniger dicht liegen. Zwischen den Muskeln
und dem Epithel des eigentlichen Papillenabhanges zieht sich eine
Schicht aus dichtem Bindegewebe hin, das 1000 ^ in der Transversalen
und 1500 // in der Dicke mißt, eine Schicht, die sich nach hinten mit
dem allmählichen Abfallen auf 500 ji/ verdünnt. In diese Schicht ist in
der Medianen ein 5^/2 mm langer Knorpelstrang eingebettet, der mit
dem Stützknorpel der Canales naso-palatini, der in die hintere Kappe
der Papille vorstößt, in Verbindung steht und an der Stelle in zwei
Ausläufer endet, an der die Schleimhaut beginnt zu den Backenzähnen
abzusteigen. Der Stützknorpel zieht in einer Entfernung von 400«,
die an seinem Ende nur noch 100 // beträgt, vom Epithel entfernt diesem
entlang. Seine Breite in der Transversalen gemessen schwankt zwischen
700 und 900 /<, sodaß im Vergleich zur ganzen Gaumenbreite, die etwa
5 mm hier beträgt, dieses kaum ein Fünftel davon ist. Die Dicke schwankt,
zwischen 150 und 350 /<, nach alledem ein recht unregelmäßiges, aus-
gebuchtetes und gefenstertes Gebilde, dem in der Mitte und an den
Kanten von ihm ausgehend Spangen parallel verlaufen, sodaß der
Transversalschnitt oft sechs Querschnitte aufweist (Taf. III, Fig. 23 Tis).
Hierzu gesellt sich fast am Ende des Knorpels, von ihm 150 — 100 /<
entfernt, knocken wärts gelegen ein 1 Y4 mm langes, scharf in der Me-
dianen liegendes und walzenförmiges Knorpelstückchen mit einem
Durchmesser von 200 f^i. Ich muß annehmen, daß Zimmerl, der Knorpel-
kerne im Gaumen von Cavia cobaija erwähnt, diesen Knorpelstrang
gemeint hat; denn im ganzen übrigen Gaumen habe ich keinen andern
Knorpel feststellen können. Er berichtet hierüber, wie im historischen
Teil angeführt worden ist.
Wenn man den Gaumen rein äußerlich betrachtet, so kann man
Beiträge zur Kenntnis der niakroskop. und niikroskop. Anatomie usw. 85
da, wo der Knorpel liegt, auch nicht die geringste Andeutung einer
Leiste boobachton, sondern diese Stelle liegt vielmehr im Vergleich zu
der Papilla palatina und dem folgenden zu den Backenzähnen abstei-
genden Teil des Gaumens beträchtlich versenkt. In diesem Falle steht,
wie schon angeführt wairde, die Papilla palatina für sich allein und ist
nicht zur Stütze des hinteren Teiles mit einer Leiste verschmolzen.
Da aber der hintere Teil frei, sogar etwas überhängend, nach hinten
ragt, so dient ihr dieser Knorpelstrang als eine sehr gute Stütze. Ander-
seits kann von einer Verringerung des elastischen Gewebes an dieser
Stelle durchaus nicht gesprochen werden, sondern dies ist gerade die
Stelle im ganzen Gaumen, in der das elastische Gewebe in vollkommen
paramedianen Verlauf in größter Menge, Dichte und Dicke vorkommt,
und so der Knorpel sozusagen eingebettet ist, was selbstverständlich
eine Verstärkung der Stütze für die Papilla palatina herbeiführt (Taf.III,
Fig. 23 pef). Es haben daher Knorpel und elastisches Gewebe den
Zweck, >>cioe di reagire alle pressioni a cui il palato« — im engeren
Sinne die Papilla palatina — >>viene sottoposto <<.
Es mögen noch einige Zahlen über die Dickenverhältnisse des
Stratum germinativum und corneum, in dem vorauf beschriebenen
Teil des Gaumens angeführt werden, da Hand in Hand mit der Zu-
nahme des Epithels an Dicke besonders des Stratum corneum im fol-
genden Teil des Gaumens eine Verringerung des elastischen Gewebes
zu konstatieren ist. Echidna aculeata weist ähnliche Beziehungen auf.
Die Dicke des Stratum corneum der Rhaphe palati und der Papilla
palatina bewegt sich zwischen 40 und 100 j.i, während das Stratum ger-
minativum 200 — 400 // dick ist. Da aber, wo man es mit dem Beginn
des Epithels der zu den ersten Backenzähnen absteigenden Schleim-
haut zu tun hat, sind die Zahlen für das Stratum corneum 150 — 200 fi
und für das Stratum germinativum 200 — 300 f.i. Nach hinten steigen
erstere auf 300 — 450 /< und letztere auf 300 — 400 ,«. Es ist so die
Dicke des Stratum germinativum in der Rhaphe palati, der Papilla
palatina und der zu den Backenzähnen absteigenden Schleimhaut im
Durchschnitt dieselbe, aber das Stratum corneum des letzteren über-
trifft das der beiden ersteren um etwa das Fünffache, ja zwischen
den ersten Backenzähnen mißt man 600 /t (Taf . III, Fig. 24 sc).
Das auf das Epithel folgende, aus dicht verfilzten Fibrillenbündeln
bestehende, kernreiche Bindegewebe ist ungefähr 400 u dick, aber so
zahlreich und dicht die elastischen Fasern in der Schicht mit dem
Knorpelstrang vorhanden waren, so spärlich treten sie hier auf. Nur
ganz vereinzelt sind sie aufzufinden. Diese starke Reduktion des ela-
86 Jakob Rehs,
stischen Gewebes ist wohl auf die enorme Verdickung des Stratum
corneum zurückzuführen, das infolge seiner physikalisch-mechanischen
Beschaffenheit ausgleichend oder w^enigstens schwächend auf die von
außen auf den Gaumen einwirkenden Kräfte wirkt, und auf diese Weise
die Einwirkung nicht auf das Bindegewebe übertragen wird und so
mit dem Ausbleiben eines funktionellen Reizes auch ein Ausbleiben
des elastischen Gewebes in Einklang zu bringen ist. Es würde dieses
der Anschauung von Jores (1900) gegenüberstehen, der in mechanischen
Ursachen durchaus kein förderndes Moment für die Neubildung elasti-
scher Fasern sehen will. Da nach andern Untersuchungen feststeht,
daß die Organe in bezug auf die Menge des elastischen Gewebes ver-
schieden sind, so muß auch der Ausbildung des elastischen Gewebes bei
gleichem funktionellen Beiz in verschiedenen Organen gewisse Gren-
zen gesteckt sein, deshalb sind seine Beispiele nicht ganz beweiskräftig.
Die oben gegebene Anschauung würde vielmehr teilweise ein Gegen-
stück sein zu den nachfolgenden Befunden über die Zu- oder Abnahme
des elastischen Gewebes je nach dem gesetzten Reiz. Woltke (1900)
stellte nämlich fest, daß im Uterus das elastische Gewebe mit zunehmen-
dem Alter an Menge zunimmt aber nach dem Alter von 50 Jahren
bröckelig zerfällt und daß bei einer stattgehabten Konzeption auch
eine bedeutende Zunahme des elastischen Gewebes stattfindet. Ober-
MÜLLER (1900) beobachtete eine starke Vermehrung des elastischen
Gewebes der Vagina während der Gravidität und eine Rückbildung
nach dem Klimakterium. Fischer (1900) untersuchte Gefäße, deren
Wand nicht vollkommen durch eine Entzündung zerstört war und sah
eine sehr reichliche Regeneration des elastischen Gewebes, was funktionell
von hoher Bedeutung ist. Melnikow-Raswedenkow (1899) kommt
durch Untersuchungen über das elastische Gewebe in normalen und
pathologisch veränderten Organen zu derselben obigen Anschauung.
Grohe (1901), Fahr (1906), Linser (1900), Teuffel (1902) und Fischl
(1903) schließen sich dieser Anschauung an. Nakai (1905) und Schiff-
mann ziehen aus Untersuchungen an Embryonen den Schluß, daß ge-
wöhnlich elastisches Gewebe überall da sich zeigt, wo Bewegung sich
vorbereitet oder auftritt.
Die enorme Verdickung des Epithels zieht auch eine gute Aus-
bildung des Papillarkörpers nach sich. Die Papillen des Bindegewebes
stehen sehr dicht, haben an der Basis einen Durchmesser von 40 /.i und
durchdringen das Stratum germinativum vollständig, sodaß dieses als
eine spitze Kappe vorgewölbt wird (Taf. III, Fig. 24 fr). Der binde-
gewebige Innenraum der Papillen besteht aus Bindegewebsfibrillen, die
Beiträge zur Kenntnis der niakroskop. und mikroskop. Anatomie usw. 87
von der Basis straff zur Spitze laufen, denen Kapillargefäße und Nerven
aber keine elastischen Fasern eingelagert sind. Die Papillen sind von
einer einscliiclitigen Lage von Cylinderzellen des Stratum cylindricum
umgeben, an die sich Zellen des interpapillaren Stratum spinosum an-
.schließen, aber die zunächst lagernden sind mit dem der Papille zuge-
wandten Teil an die Papillen schräg oder parallel angelagert. Das
interpapillare Stratum spinosum besteht aus sehr großen polyedrischen
Zellen, deren kürzester Durchmesser parallel zur Richtung der Binde-
gewebspapille liegt. In das Protoplasma der Zellen der unteren Schicht
sind Körnchen verhältnismäßig weit auseinander eingelagert, die sich
mit der GRAMscheu Methode violettblau und mit Del. Hämatoxylin
dunkelviolett färben. Sehr oft sind zwei runde oder ovale Kerne in
einer Zelle anzutreffen. Das Stratum spinosum verstreicht aber nicht
mit den Spitzen der Papillen, sondern es sind zwischen die Papillen
Zellen der folgenden Schicht eingesenkt. Diese Schicht besteht aus
polyedrischen Zellen, deren kürzester Durchmesser auch parallel der
Papille liegt. Die Zellen weisen einen, oft auch zwei deutliche Kerne
auf und in das Protoplasma sind obige erwähnte Körnchen eingelagert.
Dieses sind Keratohyalinkörner, und die Schicht würde als Stratum
granulosum anzusprechen sein, das auch von Severin (1885) gefunden
worden ist. Eine Schicht, die sich mit Picrocarmin pikringelb, nach
Gram gelblich, mit Hämatoxylin-Eosin auch gelblich, mit Wasserblau-
Alkaliblau nach Frickenhaus wasserhellblau und mit Wasserblau-
Alkaliblau- Pikrinsäure blaugrün färbt und in die durch Kongorot Reste
von Körnchen rötlich gefärbt werden, schließt sich an. Ranvier (1884)
stellte nach Oppels Angaben in dem Epithel der Gaumenschleimhaut
von Cavia Eleidin fest, das bei meinen Präparaten infolge der Vor-
behandlung bis auf spärliche Reste gelöst wurde. Diese Schicht stark
abgeflachter, dicht geschichteter, glatt konturierter und mit Kern-
resten versehener Zellen ist ein Stratum lucidum. Die nächste Schicht
dokumentiert sich nach der GRAMschen Methode als violettblaue Zone
imd ist somit nach Ernst (1896) eine Schicht mit jungverhornten Zel-
len. Die Zellen der oberflächlichsten Schicht sind vollkommen ver-
hornt.
Wie schon oben bemerkt, wird von der Bindegewebspapille das
Stratum granulosum in Form einer spitzen Kappe vorgewölbt. Dieses
überträgt sich auch auf das Stratum corneum, sodaß dieses als kleine
Afdn hohe Höcker über das Niveau des Epithels hervorragen. Die infra-
papillare Kappe des Stratum granulosum setzt sich aus sehr kleinen
Zellen zusammen, und hieran schließen sich nicht die typischen, jung-
88 Jakob Rehs,
verhornten und kernlosen Zellen des Stratum corneum, sondern durch
dessen ganze Dicke hindurch liegen Zellen, durch verhornte Zellen
unterbrochen, in einer Reihe öfters mehrere nebeneinander, die sich
deutlich von den gewöhnhchen Zellen des Stratum corneum als durch
Pikrinsäure intensiv gefärbte und durch ihr schwächeres Lichtbre-
chungsvermögen hervortretende unterscheiden. Der Kern ist deutlich
sichtbar aber nicht durch Hämatoxylin gefärbt, und sie gleichen in
dieser Beziehung den Zellen des Stratum corneum, die dem Stratum
germinativum anliegen. Diese Zellen sind wohl identisch mit den Zellen,
die Ellenbergek (1887) in Fig. 236, S. 392 in einem Schnitt durch
die Sohlenpapillen vom Hund wiedergibt und als Markschicht der
suprapapillaren Epidermis bezeichnet. Ich vermute fast, daß die von
LoBENHOFFER (1907) in der Gaumenschleimhaut des Schafes und von
Jaenicke (1908) auch bei der Ziege und dem Pferde gefundenen Zellen
Vorläufer dieser Zellen sind. Sie verdanken sicher ihr Dasein den bis
dicht an das Stratum corneum reichenden Bindegewebspapillen. Diese
Zellen erlangen noch dadurch ein höheres Interesse, daß sie auch in dem
Teil der Gaumenschleimhaut auftreten, der zwischen den Backen-
zähnen liegt. Hier herrscht dieselbe Beziehung zwischen Epithel und
elastischem Gewebe wie im eben beschriebenen Teil. Aber die ganze
Oberfläche des Gaumens ist, wie schon geschildert, mit lingualwärts
gerichteten, stachelförmigen Gebilden besetzt. Diese Gebilde stehen
stets mit einer Bindegewebspapille in Verbindung. Der Zusammen-
hang beider wird noch dadurch deutlicher, daß die oben erwähnten,
an die Spitze der Kappe der infrapapillaren Zellen des Stratum granu-
losum ansetzenden, das Stratum corneum durchsetzenden Zellen auch
die Achse der stachelförmigen Gebilde ausfüllen nur mit dem Unter-
schied, daß sie sehr dicht zusammenliegen, mit dem kürzesten Durch-
messer senkrecht zur Richtung der Papille konzentrisch geschichtet,
und so einen Markstrang bilden, dessen Zellen distalwärts Kennzeichen
einer Verhornung tragen (Taf. III, Fig. 24 sr). An diesen Strang legen sich
parallel mit ihm Zellen des Stratum corneum an. An der Basis sind es
Zellen des Stratum lucidum. Es folgen als ein Mantel um den Mark-
strang zwei bis drei Lagen von Zellen, die jungverhornt sind, denen
verhornte Zellen anliegen. Der Markstrang reicht nicht bis zur Spitze
der Papillen, sondern wird distalwärts von jungverhornten Zellen um-
geben, sodaß die eigentliche Papillenspitze aus total verhornten Zellen
besteht. Es ist wohl nicht von der Hand zu weisen, daß dieser zentrale
Strang, der die Verbindung herstellt zwischen den der Teilung fähigen
Zellen des Stratum cylindricum, das die Spitze der Bindegewebspapille
Beiträge zur Kenntnis der inakrosI<o|). und niikroskop. Anatomie usw. 89
bedeckt, und zwischen den die Stacheln bedeckenden, verhornten Zellen,
eine wichtige Rolle beim Er.satz der letzteren, sich besonders stark
abnutzenden Zellen spielt. Die mit den einfachen Zellreihen vor den
Backenzähnen liegenden Höcker würden so nur einen Übergang be-
deuten zwischen den in der Rhaphc palati und der Papilla palatina vor-
kommenden einfachen Papillen des Papillarkorpers und den Papillen,
die eine Fortsetzung in den stachelförmigen Gebilden mit dem zentralen
Strang finden (Taf. III, Fig. 24 joo).
Diese Papulae operariae dienen im Verein mit der von Papillen
bedeckten Zunge durch die lingualwärts gerichteten Spitzen zur Bewälti-
gung der Nahrung und schützen die Schleimhaut vor mechanischen
Insulten durch die Nahrung. Sie sind so zweifelsohne ein trefflicher
Ersatz für die Gaumenleisten. Daß diese Papillae operariae aber im Laufe
der phylogenetischen Entwicklung als Zerfallsprodukte aus Leisten
hervorgegangen sind, ist wohl a priori nicht anzunehmen, da nicht ein-
mal eine irgendwie gestaltete transversale Anordnung von Stacheln
auch nur augedeutet ist.
Der weiche Gaumen schließt sich mit dem Ende des knöchernen
Palatinums (Textf ig. 4 a, pmo) an den vorher beschriebenen Teil der
Gaumenschleimhaut an. Oberflächlich ist er an den Seiten mit sehr
kleinen Längsfalten bedeckt, wie es von den hinteren Seitenteilen des
harten Gaumens beschrieben \vurde. Das Epithel setzt sich aus dem
20 /< dicken Stratum corneum und dem 60 u dicken Stratum germina-
tivum zusammen, dessen Papillarkörper aus kleinen breiten Papillen
ohne elastische Fasern besteht. Das homogene, QO ^i dicke Binde-
gewebe weist von vorn nach hinten, nach den Seitenrändern und dem
Epithel zu an Menge zunehmende, sich durchkreuzende elastische
Fasern in paramedianem Verlauf auf. Auf das Bindegewebe folgt ein
mächtiges Drüsenlager, das nach vorn und den Seiten keilförmig aus-
läuft und durch interstitielles Bindegewebe in einzelne Pakete zer-
legt wird. Weite Schläuche mit mehrschichtigem Epithel, die sich zwi-
schen die Drüsen einsenken und sich verzweigen, besorgen die Kom-
munikation mit der Mundhöhle. Aber es sind keine Beziehungen des
elastischen Gewebes zu den Drüsen selbst und zu den Ausführungs-
gängen vorhanden. Zwischen dem Drüsenlager und dem Zylinder-
epithel der Rückwand des Gaumensegels, das nach hinten in ein mehr-
schichtiges Plattenepithel übergeht und keinen Papillarkörper hat,
schiebt sich eine 250 f.i dicke Bindegewebsschicht aus gewellten Binde-
gewebsbündeln in paramedianen Verlauf ein. Hier tritt das elastische
Gewebe besonders in einer Schicht verdichtet auf, die in einer Ent-
90 Jakob Rehs,
feruimg von 40 /t dem Epithel parallel läuft und als eine subepitheliale
Schicht anzusprechen ist, die aber im hinteren Teil ausgeprägter ist
als im vorderen. Auffallend viele und dicke elastische Fasern enthält
das Perimysium externum des Gaumensegelmuskels, die dem Verlauf
des Muskels folgen und Abzweigungen besonders von der Kückwand
aus in das Perimysium internum senden und so den Tonus des Muskels
wesentlich unterstützen, wie es Schuetz von dem elastischen Gewebe
innerhalb der Muskulatur der Cardia des Magens, wo kein eigener
Sphincter vorhanden ist, annimmt.
Sciurus vulgaris ist der Typus für einen Teil der hystricognathen
und für alle sciurognathen Simplicidentaten, deren zwischen den Nage-
zähnen und den ersten Backenzähnen gelegener Teil der Gaumenschleim-
haut drei wohlausgebildete oder auch mehrere Leisten aufweist. Bei
allen diesen liegt eine vollkommen normale Ausbildung der das knö-
cherne Gaumendach mit zusammensetzenden Maxillae vor (Text-
fig. 6 A, 71%) und dementsprechend eine mehr oder weniger parallele Stel-
lung der Backenzahnreihen des Oberkiefers (Textfig. 6 B) oder eine nur
schwache Konvergenz derselben. Diesen Zusammenhang stellte ich fest
bei hystricognathen Schädeln yon Hystrix cristata (Textfig. 7 J., B),Dasy-
procta aguti (Tullb., Taf. V, Fig. 5), Coelogenys faca, Echinomys cayen-
nensis (Tullb., Taf. VIII, Fig. 5), Cannabateomys amblyonyx, dessen
Schädel nach Tullberg mit dem von Echinomys übereinstimmt. Die
Gaumen aller dieser genannten Formen haben im vorderen Abschnitt
drei Leisten (Tullb., Taf. XXXVI, Fig. 2, bzw. 3, S. 94, Fig. 6,7). Hier-
aus ist ersichtlich, daß Dasyprocta aguti und Coelogenys ]Mca, die Tull-
berg (1900) zu den Caviiden stellt, obgleich sie auch in andrer Hin-
sicht den Hystriciden nahestehen, in bezug auf die Bildung des knöcher-
nen Gaumendaches und auf das Vorhandensein von drei Leisten mit
Hystrix cristata übereinstimmen. Zittel (1891/93) hat auch beide zu
der Familie der Dasyproctidae vereinigt und läßt sie der der Hystri-
cidae folgen. Trouessart (1898/99) schheßt Dasyprocta und Coelo-
genys in die Familie der Agoutidae ein und stellt sie vor die Caviidae.
Alle Sciurognathen stimmen mit dem bei Sciurus vulgaris gekennzeich-
netem Typus überein. Ich überzeugte mich von der Bildung des knö-
chernen Gaumendaches an Schädeln von Anomalurus Beekrofti, siehe
auch Anomalurus Peli (Tullb., Taf. IX, Fig. 13, 18) dessen vorderer
Teil des Gaumens 3 Leisten besitzt (siehe auch Tullb., Taf. XXXVI,
Fig. 12), wenn auch nicht von der Hand zu weisen ist, daß dieser
ebenso wie Ctenodactylus gundi (Tullb., Taf. IX, Fig. 1 u. 6 und
Taf. XXXVI, Fig. 13) mehr einem Übergangsstadium angehört. Sciu-
Beiträge zur Kenntnis der niakroskop. und mikroskop. Anatomie usw. 91
rusähnlich sind Mijoxus glis (siehe auch Tullb., Taf. XI, Fig. 1 u. 6),
welches Tier vorn drei Leisten hat (Tullb., Taf. XXXVI, Fig. 14),
Muscardmus avellanarius, das nach Tullberg auch drei Leisten
hat, Dipus aegypticus (siehe auch Tullb., Taf. XII, Fig. 1 u. 6) , wo
drei Leisten vorhanden sind (Tullb. Taf. XXXVI, Fig. 15), Fiber
zibethicus, bei dem nach Tullberg drei Leisten nachzuweisen sind,
Hesperomys longicaudatus , indem Hesperomys leucopus drei Leisten
hat (Tullb., Taf. XXXVI, Fig. 22), Mus decumanus (siehe auch
Tullb., Taf. XVII, Fig. 1 u. 6), wo ebenfalls drei Leisten zu finden
sind (Tullb., Taf. XXXVI, Fig. 25), Nesohia setifer mit drei Leisten
nach Tullberg, Spahx typJdus (siehe auch Tullb., Taf. XIII, Fig. 23
u. 28) und Gymnuromys roberti, Cynomys ludovicianus und Tamias
striatus, bei denen die Zahl der Leisten auf vier gestiegen ist (Tullb.,
Taf. XXXVI, Fig. 17, 19, S, 302 u. 305), und Arctomys marmotta
(siehe auch Tullb., Taf. XX, Fig. 15, 17) nnd Castor canadensis (Tullb.,
Taf. XXII, Fig. 1 u. 5), die 5 Leisten haben (Tullb., Taf. XXXVI,
Fig. 30, 31). Auch alle andern von Tullberg abgebildeten Gaumen
mit drei oder mehreren Leisten liegen, wäe aus der Schädelbildung
hervorgeht, die von seinen Figuren wiedergegeben wird, einem nor-
malen knöchernen Gaumendach an.
Wie Sciurus vulgaris (Retzius, Taf. XL, Fig. 1), so besitzen auch
die Mehrzahl der eben aufgeführten Formen zwischen den Backen-
zähnen wohlausgebildete Leisten, deren Anzahl Schwankungen unter-
worfen ist imd in Beziehung hierzu eine Zunge ohne Absatz, wie Text-
fig. 6 C es bei Sciurus vulgaris und Textfig. 7 C bei Hystrix cristata
zeigt. Außerdem seien zum Vergleich angeführt die Gaumen und Zun-
gen von Coelogenys paca mit vier hinteren Leisten und einer Zunge, die
der von Hystrix gleicht (Tullb., Taf. XXXVII, Fig. 5), von Myoxus
glis mit vier hinteren Leisten und einer Zunge ohne Absatz (Tullberg,
Taf. XXXVII, Fig. 18 u. 19), von Gymnuromys roberti mit fünf hinteren,
gut entwickelten Leisten (Tullb., Taf. XXXVII, Fig. 19) und einer
Zunge, die der von Sciurus ähnlich sieht (Tullb., Taf. XXXVII,
Fig. 27), von Cricetus frumentarius mit fünf Leisten (Tullb., Taf.
XXXVI, Fig. 20), und die Zunge ermangelt eines Absatzes (Tullberg,
Taf. XXXVIII, Fig. 2). Hesperomys leucopus mit vier hinteren Falten
(Tullb., Taf. XXXVI, Fig. 22), und die Zunge ist glatt (Tullb., Taf.
XXXVIII, Fig. 6), von Mus decumanus mit fünf hinteren Leisten, und
die Zunge gleicht den vorhergehenden (Tullb., Taf. XXXVIII, Fig. 8).
Es scheint im allgemeinen festzustehen, daß für eine vollkommene Aus-
bildung der Gaumenleisten ein nicht zu schmaler Raum zwischen den
92 Jakob Eehs,
Backenzähnen zur Verfügung stehen muß und daß die Gaumen, bei
denen die Länge dieses Kaumes zur Breite im Verhältnis von 2 : 1 steht,
vollkommene Leisten aufweisen.
Der besseren Übersicht wegen habe ich die Beziehung, die zwischen
der Ausbildung der Leisten im vorderen Teil des Gaumens und der Kon-
figuration dieses Teiles des knöchernen Gaumendaches einerseits und
der Ausbildung der Gaumenleisten im hinteren Teil des Gaumens und
der Bildung der Zunge, bzw. Stellung der Backenzahnreihen des Ober-
kiefers anderseits im Anschluß an das von Tullberg aufgestellte
System der Simplicidentaten zusammengestellt.
A. HystricognatJii.
I. Bathyergomorphi.
1. Bathyergidae.
Georychus capensis Pall Vq = Ca. h- = 4 : l,ZoA.
II. Hystricomorphi.
1. Hystricidae.
Hystrix cristata L v^ = S. h^ = 2 : l,ZoA.
2. Caviidae.
Coelogenys paca L v^ = S. h^ = 2 : l,ZoA.
Dasyprocta aguti L v^ = 8. h^ = 2 : l,ZoA.
Cavia porcellus L Vq = C. h^ = ZmA.
Hydrochoerus capyraba Erxl Vq = C. /io = ZmA.
3. Erethizontidae.
Erethizon dorsatus L v^ — CuS. h- = ZmW.
4. Chinchillidae.
Chinchilla laniger Mol Vq = C. h- = ZmA.
Lagostomus trichodactylus Brook ^'i-= C. Hq = ZmA.
5. Echinomyidae.
Myopotamus coypus Mol Vq = C. h^ = ZmA
Echinomys cayennensis Desm v^ ^ S. h- = 3 : l,ZklA.
Cannabateomys amhlyonyx Wag v^ = S. h- — 3 : l,ZklA.
Ododon degus Mol «3-= C. h- = ZklA.
Ctenomys magellanicus Bennet Vq = CtiS. hQ = 3 : 1,ZMA.
B. Sciurognathi.
I. Myomorj)hi.
a. Ctenodactyloidei.
1. Ctenodactylidae.
Ctenodaciylus gundi Pall Vs = S. h- = 4 : l,ZmA.
b. Aiiomaluroidei.
1. Anomaluridae.
Anomalurus peli Temm v^ = S. h- = 4 : 1, ZoA.
2. Pedetidae.
Pedetes caffer Pall v^ = S. h- = 2 : 1, ZmW.
Beiträge zur Kenntnis der makroskop. und mikroskop. Anatomie usw. 93
c. Älyoxidc'i.
((. Myoxiformes.
1. Myoxidae.
Graph iurus nagtglasi JtMit v^ = S. h^ — 2 : 1, ZoA.
Graph iurus murinnii Dcsm. ... V3 — S. h^ = 2 : 1, ZoA.
Mi/ortis glis L v^ = S. h^ = 2 : 1, ZoA.
Muscardinus aveUanarius L. ... ^3 =: ^. Ji^ = 2:1, ZoA.
ß. Dipodiformes.
1. Dipodidae.
iSminthiis subtilis Pall v^ = S. ^4-= 2 : 1, ZmA.
Zapus hudsonius Zimm v^ = S. h^ = 2 : 1, ZoA.
Dipus aegyptkus Hasselqu ^'4 = S. h- = 2 : 1, ZmA.
y. Muriformes.
1. Spakvcidae.
Spohix typhlus Pall V4 = S. Ä- = 2 : 1, ZmA.
Rhizomys sp ^4 = *S. h- = 2 : 1, ZmA.
2. Xesomyidae.
Gymmiromys roberti Major, ... v^ = S. h^ = 2 : 1, ZoA.
3. Cricetidae.
Cricetus frumentarius Pall v^ — S. h^ = 2 : 1, ZoA.
4. Ai'vicolidae.
Arvicola amphibiiis L % = >S. A4- = 2:1, ZmA.
Neofiber alleni True v^ = S. h^ = 2 : 1.
Fiber zibethicus L v^ = S. h^ = 2 : 1.
Cnniculus torquatus Pall V4 = *S. h-.
Myodes lemnus L v^ = S. A4.
Myodes schisticolor Lillje v^ = S. h^.
5. Hesperomyidae.
Hesperomys leucopus Rafin. ... v^ = S. A4 = 2 : 1, ZoA.
Neotoma jloridana Say et Ord. . . V3 = S. h^ = 2 : 1, ZklA.
Sigmodon hispidus Say et Ord. . v^ = S. h^ = 2 : 1.
Oxymyctenis rufus Desm v^ = S. h^ = 2 : 1.
6. Muridac.
Mus decumanus Pall v^ = S. h^ = 2 : 1, ZoA.
Nesokia indica Gray? v^ =^ S. h^ = 2 : 1, ZoA.
Hapalotis sp v^ = S. Ä5 = ZmA.
Ilydromys chrysogaster E. Geoffr. . v^ = S. h^-= 2 : 1, ZklA.
Dendromys mesomelas Brants. . . v^ = S. h^-.
Steatomys edulis Pet v^ = 8. h^ = 2 : 1.
Saccostomus lapidarius Pet. ... v^ = 8. h^^ = 2 : 1.
Otomys unisulcatus F. Cuv v^ = 8. h^ = 4 : 1, ZklA.
1. Gerbillidae.
Gerbillus pyramidum J. Geoffr. . . v^ = 8. 7^4 = 2:1, ZklA.
Psammomys obe-sus Cretschmar . . v^ = 8. hi-= 2 : 1, ZklA.
II. Sciuromorphi.
a. Sciuroidei.
1. Haplodontidae.
Haplodon ruftis Rafiu V2 — 8. h^ = 3 : 1, ZoA.
s.
1h- = 2 :1, ZklA.
s.
I15 = ZoA.
s.
h^ = 3 : 1, ZoA.
94. Jakob Rehs,
2. Sciuridae,
Sciurus vulgaris L v^ = S. h^ = 2 : 1, ZoA.
Sciuropterus volucella Pall v^ = S. li^ = 2 -. 1.
Arctomys marmotta L v^ = S. /iviel= 2:1.
Cynomys ludovicianus Ord v^ = S. Äviel= 2 : 1.
S petmophiliis tridecimlineatus Mitch. . v^ = S. h^ = 2 : 1.
Tamias striatus L V4^ — S. h^ = 2 : 1, ZoA.
b. Castoroidei.
1. Castoridae.
Castor canadensis Kühl v^ = 8. Iiq = 2 : 1, ZmA.
c. Geomyoidei.
1. Geomyidae.
Perodipus agilis Gambel ^3 =
Heteromys sp i's =
Geomys tuza Ord V3 —
Zeichenerklärung.
C — Bildung des vorderen Teils des knöchei'nen Gaumendaches wie bei
Cavia cobaya. Ca — Bildung des vorderen Teils des knöchernen Gaumendaches
ähnlich wie bei Cavia cobaya. Cu 8 = Bildung des vorderen Teils des knö-
chernen Gaumendaches hegt zwischen der von Cavia cobaya und Sciurus vul-
garis. 8 — Bildung des vorderen Teils des knöchernen Gaumendaches wie bei
8ciurus vulgaris. ZoA = Zunge ohne Absatz. ZmA = Zmige mit Absatz.
ZmW = Zimge mit Wulst. ZklA = Zunge mit kleinem Absatz. Vq, Vx-, v^-y
V2, Vs, t'4 und V5 = Gaumen zwischen den Nagezähnen und den Backenzähnen
keine — , eine undeutHche — , ch-ei undeutliche — , zwei — , cbei — , vier — • und
fünf Gaumenleisten, h^, h-, h^-, h^-, ho, h^, h^, h^, hg, /i- und Ziviel = Gaumen
zwischen den Backenzahnreihen keine — , undeutliche ■ — , vier undeutliche — ,
fünf undeutliche — , zwei — , drei — , vier — , fünf — , sechs — , sieben — imd
viele Gaumenleisten. 2:1, 3:1, 4: 1 = das Verhältnis der Länge des zwischen
den Backenzahnreihen gelegenen Teiles des Gaumens zu seiner Breite.
Den äußeren Bau des Gaumens von Sciurus vulgaris hat Retzius
(1906) beschrieben und einen Gaumen auf Taf. XL, Fig. 1 abgebildet.
Aber es bleibt einiges richtig zu stellen und nachzutragen. Er hat es
unentschieden gelassen, was als die Papilla palatina anzusprechen ist.
Er schreibt darüber: »Vor diesen Leisten findet sich noch eine bogen-
förmige Leiste, welche vorn in der Mitte einen rundhchen, ovalen Aus-
wuchs, eine scharf begrenzte Erhabenheit trägt, die vielleicht als die
Papilla palatina zu bezeichnen ist, obwohl sie hier nicht dicht hinter
den Schneidezähnen liegt. Es findet sich nämlich zwischen ihrem
vorderen Eande und diesen Zähnen eine schmale, von den zusammen-
gebogenen Lippenrändern eingefaßte Rinne, welche beim Eichhörn-
chen nur kurz ist, während sie bei manchen andern Nagern recht lang
sein kann. Am Boden dieser Rinne sieht man noch eine längliche, aber
Beiträge zur K<"niitnis der üiakroskop. iiiul niikroskop. Anatomie usw. 95
ziemlich niedrige uiul schiiuile Erhabenheit, welche vielleicht auch
der fraglichen Papille entsprechen kann«. Eine genaue Betrachtung
der Region der Papilla palatina zeigt, daß der vorn in der Mitte der
Region der Papilla palatina gelegene, rundliche, ovale Auswuchs die
Papilla palatina ist, da man ganz deutUch die Ausmündungsstelleu
der Canales naso-palatini sondieren kann. Bei der RETZiusschen Ab-
bildung sind sie ungefähr in die Scheitelpunkte der beiden recht-
winkligen Figuren in der Region der Papilla palatina eingezeich-
net zu denken, eine Stelle, die sowohl durch Paramedianschnitte wie
durch Transversalschnitte als solche bestätigt wird. Man kann es
nicht als ein Kriterium für die Lage der Papilla palatina hinstellen,
daß sie dicht hinter den Schneidezähnen liegen müsse, da, wie schon
bei Cavia näher besprochen A\T.irde, eine mehr oder weniger länge Rhaphe
palati eingeschobon sein kann. Eine solche Verschmelzung der Papilla
palatina mit der ersten Gaumenleiste beobachtete ich auch bei Ano-
mcdurus Beecrofti, bei welchem Tier der Zusammenschluß nicht so
innig ist wie bei Sciurus, bei Arctomys marmotta, Dasyprocta fuliginosa,
Microtus arvalis, Sciurus indicus, Cricetomys gambianus. Tullberg
bildet sie ab auf Taf. XXXVI bei Hystrix cristata (Fig. 2), Anomalurus
Beecrofti (Fig. 12), Myoxus glis (Fig. 14), Zapus hudsonius (Fig. 16),
Gymnuromys roherti (Fig. 19), Cricetus frumentarius (Fig. 20), Arvicola
amphibius (Fig. 21), Hesperomys leucopus (Fig. 22), Oxymycterus rufus
(Fig. 24), Hydromys chrysogaster (Fig. 26), Sciurus vulgaris (Fig. 29),
Arctomys tnarniotta (Fig. 30) und Geomys tuza (Fig. 33).
Der Paramedianschnitt (Taf. III, Fig. 25 pp, 1) gibt auch darüber
Aufschluß, ob man die hintere wallartige Abgrenzung der Region der
Papilla palatina als erste Gaumenleiste zu deuten hat. Da sie im Bau
vorzüglich aber ihre äußeren Flügel den andern Leisten ähneln, so ist
sie tatsächlich die erste Gaumenleiste. Ihr mittlerer Abschnitt ist mit
der eigentlichen Papilla palatina zu einem Komplex verschmolzen, was
natürlich für die Festigkeit der Papille nicht ganz unwesentlich ist.
Die Rhaphe palati setzt in einer Höhe von 1/2 mm und einer Breite
von 1 mm hinter den Schneidezähnen an, erreicht mit einer Höhe von
1 nun und einer Breite von 1 1/2 ^"^ ^^"^ Ende. Die Seitenwände erheben
sich etwas der Medianen zugeneigt aus der Furche. Die First ist ge-
wölbt (Taf. III, Fig. 25 rp). An die Rhaphe palati schließt sich 1 mm
steil abfallend der vordere Teil der Papilla palatina an (Taf. III, Fig.
25 pp). Sie erhebt sich im Durchschnitt 2 mm über die Furche und
nimmt allmählich, in der Transversalen gemessen, bis 3 mm zu, um dann
in die erste Leiste überzugehen. Die Seitenwände der Papilla
96 Jakob Rehs,
palatina stehen zur Talfurche senkrecht und die First ist schwach ge-
wölbt.
Aus der RETZiusschen Figur könnte man ferner die Anschauung
gewinnen, daß die Rückwände der ersten, zweiten, dritten, vierten und
fünften Gaumenleiste sehr steil wären, während die Vorderwände der
zweiten, dritten, vierten und fünften sehr schräg zum Gaumen ständen.
Wie aber der Paramedianschnitt (Taf . IV, Fig. 26, 2 u, 3) durch die
zweite und dritte Leiste bekundet, ist gerade das Umgekehrte der Fall.
Im Anschluß hieran soll die Verteilung des elastischen Gewebes
und der allgemeine histologische Aufbau der Schleimhaut, soweit dieses
für die Einordnung des elastischen Gewebes von Wichtigkeit ist, einer
Betrachtung unterzogen werden. Ehe ich auf die einzelnen Teile der
Gaumenschleimhaut eingehe, soll die dünne Schicht mit paramedianen
elastischen Fasern, die dem Periost des knöchernen Gaumendaches
anliegt, aber nicht an allen Stellen die gleiche Dicke besitzt, erwähnt
werden, deren Bedeutung für den Knochen im allgemeinen (Schulz,
1894/95) einer Betrachtung unterzogen hat.
Der histologische Aufbau der oben beschriebenen Rhaphe palati
gleicht, was das Epithel, den Bau und die Verteilung des Bindegewebes
und der Muskeln anbelangt, mit einigen Abweichungen, die besonders
die Verteilung des elastischen Gewebes betreffen, dem von Kohl-
meyer (1906) bei Mus decumanus beschriebenen. Man kann daher
auf dessen Textfig. 2, die einen Transversalschnitt durch die Längs-
leiste darstellt, verweisen. Wie bei Mus decumanus, so dringen auch
hier links und rechts die Muskelbündel der beiden oberen Schneide-
zahnmuskeln in transversaler Richtung, die je von einem Perimysium
externum eingeschlossen sind, deren lockere Bindegewebsfasern und
vielen dicken elastischen Fasern denselben Verlauf wie die Muskel-
bündel zeigen, ein. Aber auch zwischen die einzelnen Muskelbündel in
das Perimysium internum senken sich die elastischen Fasern mit den
Muskelbündeln gleichgerichtet (Taf. III, Fig. 25 u. Taf. IV, Fig. 27 m, tef).
Diese elastischen Fasern, sowohl die, welche die Muskeln äußerlich beklei-
den wie die im Innern, stehen also in enger Beziehung zu den Muskeln
selbst, sie setzen sich aber nicht, wie bei Mus decumanus in die 400 i^i
dicke Schicht Bindegewebe fort, die zwischen den Muskeln median-
wärts liegt. Sie ist also in die Längsrichtung der Rhaphe palati ein-
gestellt, eine Richtung, «die mit den sehr reichlich vorhandenen, gegen
die eben genannte Schicht scharf abgesetzten elastischen Fasern in
der Schicht mit dichtverfilztem Bindegewebe übereinstimmt, die zwi-
schen der Mittelschicht und dem 250 /< dicken Epithel liegt und der
Beiträge zur Ki-imlnis der makroskop. und niikroskop. Anatomie usw. 97
Propria mucosae angehört. Die elastischen Fasern durchkreuzen sich
auf ihrem Wog. und so entstellt ein Flechtwerk.
Der Papillarkürper dieser Schicht setzt sich zusammen aus para-
median verlaufenden Epithelwülsten, die durch kleinere Wülste unter-
einander verbunden sind, und die Zwischenräume ausfüllende Binde-
gewebswülste mit Papillen auf breiter Basis aus homogenem Binde-
gewebe. Bindegewebe und Epithel sind durch eine zarte Basalmembran
getrennt. An diese Basalmembran oder nicht weit von ihr entfernt
lagern sich an die Epithel wülste die paramedianen elastischen Fasern
dichter zusammen, und auf einem Transversalschnitt macht es den
Eindruck einer durch die Querschnitte der Bindegewebswülste unter-
brochenen Guirlande. Aus diesen elastischen Fasern wie aus der ganzen
anliegenden Schicht biegen elastische Fasern zum Epithel und in die
Papillen ab.
Der Papillarkörper, der zwischen der Bindegewebsschicht, die
den Muskel nach dem Epithel zu begrenzt, und dem letzteren liegt,
enthält schlanke, hohe Papillen und ist von dünnen Bindegewebsfasern
mit viel Kittsubstanz dazwischen ausgefüllt. Wenige dünne elastische
Fasern kommen von den elastischen Fasern des Perimysium externum,
steigen zum Epithel und in die Papillen und werden auf ihrem Weg
von paramedianen elastischen Fasern gekreuzt. Es fehlt hier die Basal-
membran und die anschließende dünne Schicht mit paramedianen ela-
stischen Fasern.
An die Schicht zwischen den beiden Muskeln schließt sich eine
ebensolche dicke Schicht an, begrenzt von dem knöchernen Gaumen-
dach. Sie besteht aus dünnen Bindegewebsplatten mit transversal und
median verlaufenden Bindegewebsbündeln, die vereinzelte oder in
Haufen zusammenliegende Fettzellen umschließen und zwischen diese
Fettzellen dickere oder dünnere Bündel in netzförmiger Ausbildung
schicken. Das elastische Gewebe ordnet sich so ein, daß seine Haupt-
masse in den äußeren Schichten der Bindegewebsplatten sich ausbreitet
und in demselben Sinne wie die Bindegewebsbündel gerichtet ist. Von
hier entsendet es elastische Fasern als ein dichtes Netzwerk zwischen
die Fettzellen, diese umspinnend.
Hier treten noch paramedian gestreckte Stränge eines Gewebes auf
mit größerem oder kleinerem Durchmesser, das der Hauptsache nach
aus einer homogenen Grundsubstanz, die wie die Basalmembran schwach
oder garnicht gefärbt und von sehr w^enigen dünnen Bindegewebs-
fibrillen durchzogen ist. Die Stränge liegen ebenso wie die Gruppen
der Fettzellen zwischen den Bindegewebsplatten mit den elastischen
Zeitschrift £. wissensch. Zoologie. CIX. Bd. 7
98 Jakob Rehs,
Fasern in den äußeren Schichten, und von diesen aus durchziehen in
gestrecktem Verlauf nach allen Richtungen dicke elastische Fasern
diese Massen. Die Zellen verleihen diesem Gewebe ein ganz besonderes
Gepräge, indem nämlich die Kerne von spärlichem Protoplasma um-
o-eben, das an den beiden Enden des länglichen Kerns mit kompaktem
Chromatin spindelförmig ausgezogen ist, aber auch sonst Protoplasma-
stränge ausschickt, in einen Raum eingeschlossen sind, der eine spindel-
förmige Gestalt hat und dessen kleiner Durchmesser die Dicke des
Kerns um das Dreifache übertrifft. Der längere Durchmesser über-
trifft den des Kerns um ein Beträchtliches. Die blasigen Zellen liegen
zu Gruppen zusammen, können aber auch weit getrennt sein. Der
Raum ist oft nur durch elastische Fasern und Bindegewebsfibrillen
von der umgrenzenden homogenen Kittsubstanz abgesetzt, aber es
hat oft den Anschein, als ob wirkliche Kapseln vorhanden wären
(Taf. IV, Fig. 28 blz). Ich vermute, daß die Stränge mit denen iden-
tisch sind, die Röscher (1909) bei Cricetus frumentarnis beschreibt.
»Zwischen der Propria und dem Venenlager verläuft in der Ausdehnung
von den Schneidezähnen bis zur Einmündungsstelle der Ductus naso-
palatini median eine senkrecht gestellte Sehnenplatte, an der Fasern
des M.huccinator und M.incisivus ihren Ursprung nehmen«. Die
blasigen Zellen in Gruppen repräsentieren wohl eine Art Knorpel-
gewebe innerhalb der »Sehnenplatten <<. Ich verweise auf den typischen
Knorpelkern bei Cavia.
Die oben genannten beiden Muskeln treten auch rechts und links
in die Papilla palatina ein, und es stimmt der vordere dem Knochen
anliegende Teil der Papilla palatina im Bau des Bindegewebes und in
der Anordnung des elastischen Gewebes im wesentlichen mit der Rhaphe
palati überein. Eine Änderung ist insofern eingetreten, als die Fett-
zellen sich rechts und links in die Nähe der Muskeln und des Knochens
gruppiert (Taf. III, Fig. 27 fg) und die Bindegewebsplatten und die
dazu gehörigen elastischen Fasern sich horizontal angeordnet haben.
Auch die Gewebsstränge mit den blasigen Zellen erstrecken sich zwi-
schen den Bindegewebsplatten hier hinein. Es zeigt sich ein solcher
Strang von elastischen Fasern umscheidet und durchzogen auch in der
Schicht, die zwischen den beiden Muskeln liegt (Taf. IV, Fig. 27 Sfl)^
Je mehr man in die Papille eindringt, desto mehr weichen die Muskeln
rechts und (Taf. IV, Fig. 27 m + tej) links zurück, und desto mehr
wird die Mittelschicht von dem Strang erfüllt, um sich mit einem der
Stränge zu vereinigen, der in der Schicht hinzieht, die zwischen der
Mittelschicht und dem Knochen liegt. Hiermit gewinnt die Mittel-
Beiträge zur Kennt lüs der niakioski)p. und mikroskop. Anatomie usw. 99
Schicht den Charakter der letztgeuaunten Schicht, indem die Gewebs-
stränge mit paramedianer Kichtung zwischen Bindegewebsplatten in
horizontalem Verlauf mit vielen transversalen elastischen Fasern auf-
treten (Taf. IV, Fig. 27 spl, tef). Aber auch hier stehen die elastischen
Fasern in keiner Beziehung zu den elastischen Fasern, die im selben Sinne
die Muskeln begleiten, sondern sind von diesen durch Bindegewebsschich-
ten getrennt, in deren äußeren Schichten die Fasern beiderseits enden.
Im vorderen Teil der Papilla palatina, der die Rhaphe palati über-
ragt, stellen sich in der Paramedianen mehr hohe als breite Stränge
auf mit blasigen Zellen (Taf. IV, Fig. 28 hlz). Dieses Gewebe nimmt
schließlich den ganzen Teil der Papilla palatina bis zu den Canales
naso-palartini ein in Gestalt eines verknüpften Strangwerkes, ja es
strahlen einzelne Stränge in die Bindegewebsschicht zwischen den
Canales naso-palatini aus. In dieser Zentralmasse treten Nester von
typischen elastischen , 250 }.l dicken Knorpelkernen auf (Taf. IV,
Fig. '21 kk), und es ist wohl nicht von der Hand zuweisen, daß man es mit
einem besonderu Stützgewebe für das Vorderteil der Papilla palatina
zu tun hat. Dieses und der Befund eines größeren Knorpelstückes in
der Rhaphe palati von Cavia cobaya erinnert an Verhältnisse, wie sie
bei dem unter dem Namen Lyssa gehenden Gebilde in der Säugetier-
zunge von den verschiedensten Autoren beschrieben werden.
Das elastische Gewebe in dem eben beschriebenen Teil der Pa-
pilla palatina hat einen paramedianen Verlauf und häuft sich beson-
ders in Lamellen (Taf. IV, Fig. 27 pef) auf der Epithelseite des Ge-
webes mit den blasigen Zellen. Von den Nestern elastischen Knorpels
gehen die elastischen Fasern in Wirbeln ab, ohne einen Einfluß auf die
Hauptrichtung auszuüben. Nach vorne strebt das elastische Gewebe
zum Epithel des Vorderteils, um in dessen Papillarkörper ein Ende zu
finden.
Der übrige Teil der Papilla palatina mit Ausschluß der mit ihr
verbundenen ersten Gaumenleiste steht in bezug auf die Verteilung
des elastischen Gewebes in Beziehung zu der Ausmündung der Canales-
naso-palatini und dem sie begleitenden Stützknorpel.
Die Canales naso-palatini senken sich rechts und links, wie schon
bei der Beschreibung der äußeren Verhältnisse des Gaumens angege-
ben, an den Seitenabhängen der Papille in nach der Medianen zu kon-
vergierenden, etwas gebogenen Gängen in die Tiefe, um den Knochen
in einer in der paramedianen gestreckten Öffnung zu durchsetzen,
und es sei vorweg anücseben, daß zwischen Knochen und den Canales
naso-palatini sich dicke elastische Fasern spannen (Taf. III, Fig. 25 cnf,
7*
100 Jakob Rehs,
pef). Der Stützknorpel besteht aus zwei Teilen, die durch Knorpel-
spangen verbunden sind. Der eine Teil breitet sich als eine horizontale,
am hinteren Ende zum knöchernen Gaumendach geneigte, 250 — ^300 (^i
dicke Platte von Hyalinknorpel aus (Taf. III, Fig. 25 sä;) zwischen den
Canales naso-palatini ungefähr in der Höhe ihrer Ausmündungen. Sie
läuft in dem Vorderteil der Papilla palatina sich allmählich verschmä-
lernd spitz aus (Taf. IV, Fig. 27 sk), während der hintere Abschnitt
breit in einzelnen Fortsätzen endet, an die sich der zweite Teil angliedert,
der vornehmlich aus zwei zu jener Platte senkrecht stehenden, para-
median bis in die erste Gaumenleiste reichenden, nur durch eine ebenso
dicken Schicht Bindegewebe mit zahlreichen Fettzellen getrennten, 400 /^i
dicken Hyalinknorpelplatten besteht. Diese sind mit Stellen elastischen
Knorpels vergesellschaftet. An die Platten legen sich nach außen
Kjiorpelspangen an (Taf. III, Fig. 25 sk). Durch diese Richtung der
beiden Knorpelteile wird der paramediane Verlauf des elastischen Ge-
webes nicht beeinflußt. Wir haben gesehen, daß das elastische Ge-
webe in einer Schicht mit paramedianem Verlauf dem knöchernen
Gaumendach anliegt. Darauf folgt eine Schicht mit transversalen ela-
stischen Fasern, und in dem vorderen Teil der Papilla palatina wieder
paramedian verlaufende elastische Fasern. Der letztere Verlauf wird
auch zwischen den Canales naso-palatini und durch die erste Gaumen-
leiste hindurch beibehalten. Die transversalen elastischen Fasern in
der folgenden Schicht ordnen sich zwischen den Canales naso-palatini
vollständig um. Dieses resultiert daraus, daß die Canales naso-palatini
nach dem Knochen zu nur eine schmale Schicht Bindegewebe von
250 /< Dicke zwischen sich übrig lassen. Hier stößt man auf ein regel-
rechtes Netzwerk, das zum Teil Fasern aus der transversalen Schicht
erhält, und zum andern Teil spannen sich nach allen Richtungen zwi-
schen das Epithel der Canales naso-palatini einzelne Fasern oder Bün-
del, die meistens an vorpringenden Epithelzapfen angeheftet sind.
Sobald der Bereich der Canales naso-palatini nach der ersten Gaumen-
leiste zu verlassen wird, treten nicht etwa wieder elastische Fasern mit
ausgesprochener transversaler Richtung auf, sondern von dem Netz-
werk gehen paramediane elastische Fasern aus, ordnen sich parallel
den Knorpelplatten in Lamellen an und heften sich zuweilen an vor-
springende Knorpelstücke an. Es bleibt noch die Anordnung des ela-
stischen Gewebes in den beiden Seitenteilen, die durch die Canales
naso-palatini vom Hauptteil der Papilla palatina abgetrennt sind,
und in dem Teil, der zwischen der horizontalen Knorpelplatte und dem
Epithel der Papilla palatina liegt, nachzutragen. In dem Abschnitt
Beiträge zur Keimt uid der makro.skop. und inikroskop. Anatomie Ubw. lOl
der Seitenteile, der knoehenwärts liegt, behalten die elastischen Fasern
die transversale Richtung der vor den Gängen liegenden Schicht bei
und zwar ziehen sie vom Epithel der STENSONschen Gänge zu dem der
Papilla palatina mit hohen schmalen Papillen, in die wenige dünne
elastische Fasern einströmen. Aber schon hier gesellen sich paramediane
elastische Fasern zu, und diese nehmen auch den andern Teil ein, in-
dem sie sich hauptsächlich auf eine Schicht längs der Canales naso-
palatini verteilen, ein wohl nicht unwichtiges Moment für die Stütze
der Gänge, da hier kein Knorpel vorhanden ist. Selbstverständlich
stellen sich die elastischen Fasern zwischen Knorpelplatte und Epithel
in paramedianer Richtung ein und treten in die erste Gaumenleiste
über. Aber dem Knorpel dicht angelagert zwischen den Spangen, die
an der rechten und linken unteren Kante des Knorpels entlang laufen,
breiten sich elastische Fasern und Bündel transversal aus. Aus dem
paramedianen Faserwerk biegen elastische Fasern zu dem Epithel auf,
durchkreuzen sich und heften sich pinselförmig an den breiten Epithel-
wülsten an. Spärliche Ausläufer treten auch in den Außenmantel der
wenigen Papillen mit breiter Basis ein, oft weisen die Papillen gar
keine elastischen Fasern auf.
Wie schon mehrfach erwähnt, tritt das elastische Gewebe aus
der Papilla palatina in die mit dieser verschmolzenen, ersten Gaumen-
leiste in paramedianer Richtung ein und durchzieht ebenso die Leiste
bis zu dem Epithel der Rückwand. Sie umschließen hier die sich in
Unmasse häufenden Fettzellen und werden so oft von ihrer Bahn ab-
gelenkt (Taf. III, Fig. 25 fef). Ehe die elastischen Bündel das Epithel
der Rückwand der ersten Leiste erreichen, divergieren ihre einzelnen
Fasern, durchkreuzen sich mit andern, teilen sich kurz vor ihrer Endi-
gung pinselförmig auf, durchkreuzen sich wieder und bilden so ein dem
Epithel anliegendes subepitheliales Netz, in dem die paramedianen
elastischen Faserbündel einen festen Halt gewinnen. Der Papillar-
körper ist fast gar nicht ausgebildet. Dieselbe Ausbildung findet sich
auch zwischen der hinteren Wand der ersten Leiste und derjenigen der
Canales naso-palatini, nur daß bei den letzteren die Hauptendigungen
der elastischen Fasern in einer Bindegewebsschicht liegen, die von dem
Epithel der Canales naso-palatini durch eine Schicht von gleicher Dicke
wie jene Epithelwand getrennt ist. In diese letztere Schicht dringen
nur wenige dünne elastische Fasern oft bis zum Epithel. In den beiden
freien Flügeln der Leiste sind die elastischen Fasern ebenso angeordnet,
nur sind sie durch nichts in ihrem paramedianen Verlauf gestört, und
dieser Teil der ersten Leiste stimmt daher mit den andern Gaumenleisten
102 Jakob Rehs,
besonders überein, und man kann hieraus und aus dem äußeren mor-
phologischen Auf bau den Schluß ziehen, daß sie die erste Gaumenleiste ist.
In der Submucosa, die zu beiden Seiten der Medianen liegt, wer-
den durch dicke Venenstämme, die aus dem hinteren Teil des Gaumens
kommen, in den paramedianen Verlauf der elastischen Fasern Stö-
rungen gebracht (Taf. IV, Fig. 26 sm, v). Hier nehmen Venen, deren
Wände reichlich elastische Fasern enthalten, in Form eines Venen-
netzes fast den ganzen Raum zwischen Knochen, Leisten und dem
Epithel der Furchen zwischen den Leisten ein. Hierzu gesellen sich
Arterien und Nerven. Es bleibt nur eine dünne Schicht Bindegewebe
dem Knochen anliegend mit paramedianen elastischen Fasern übrig,
an die sich Gruppen von FettzelleUj von elastischen Fasern aus der
letztgenannten Schicht umsponnen, anschließen, die in Einbuchtungen
der Venen liegen (Taf. IV, Fig. 26 fg). Zwischen den Venen und dem
Epithel der Furchen schiebt sich eine dünne Schicht von Bindegewebe
ein. Nach den Seitenrändern des Gaumens treiben die Venen Aus-
sackungen, zwischen denen sich Bindegewebe breit macht. Die Sub-
mucosa hat keinen Anteil an der Bildung des bindegewebigen Innern
der Leisten. In den Gaumenleisten selbst, in der zweiten sowohl wie
bis zur letzten, herrscht der paramediane Verlauf des elastischen Ge-
webes vor, aber in der Fülle dieses Gewebes ist die zweite und dritte
den folgenden überlegen (Taf. IV, Fig. 26, 2 u. 3; Fig. 29, 5). Die
Leisten werden von zu stärkeren oder schwächeren Bündeln vereinig-
ten, paramedianen elastischen Fasern durchzogen. Die Bündel teilen
sich, und ihre Teile vereinigen sich wieder mit andern Bündeln, und so
entstehen mehr oder weniger große Maschen, in die die Nerven und
Blutgefäße eingelagert sind. Ehe die elastischen Faserbündel die Wände
des Epithels erreichen, weichen ihre einzelnen Fasern auseinander,
durchkreuzen die Fasern andrer Bündel und endigen, sich wieder auf-
fasernd, vor dem Epithel. Dem Epithel parallel zwischen den Endi-
gungen der Fasern ziehen wenige elastische Fasern hin, die sich aber
von den elastischen Fasern der Bündel herleiten, die kurz vor dem
Epithel umbiegen und diesem eine größere oder kleinere Strecke parallel
gerichtet sind. So wird dem Epithel ein dichtes Flechtwerk angela-
gert. Das elastische Gewebe nimmt nach den lateralen Enden der Lei-
sten an Menge und Dichte ab, aber es ändert sich nicht in der Rich-
tung. W^enige elastische Fasern von anderm als paramedianen Ver-
lauf bringen kein wesentlich andres Moment in die Anordnung des
elastischen Gewebes (Taf. IV, Fig. 26 u. 29 pef). Die elastischen Faser-
bündel, die in der Basis der Leisten liegen, schicken oft Bündel zwischen
Beiträge zur Kenntnis der makroskop. inid mikroskop. Anatomie usw. 103
die Einbuclitungeu und seitlichen Aussackungen der Venen, und diese
Fasern gehen meistens einen Verband mit den elastischen Fasern der
Venenwände ein, aber es ist nicht anzunehmen, daß die letzteren die Ur-
sprungstätte für jene sind.
Ebenso stammen auch die elastischen Fasern in der Propria nni-
cosae der Furchen, die in den hinteren Furchen reichlicher sind als in
den vorderen, von obigen Faserbündeln der Leistenbasis und verlaufen
ebenso. Sie strömen in die Außenmäntel der Bindegewebspapillen ein,
die hier in größerer Zahl vorhanden sind. Über diesen Papillen ist das
Epithel als kleiner Höcker auf der Außenfläche der Furche emporgewölbt.
Sind die Höcker breiter und höher, so ist ihr bindegewebiger Teil auch
stark vergrößert und eine Sekundärpapille mit aufsitzenden Primär-
papillen. Nun gesellen sich zu den aufsteigenden Fasern in der Basis der
Sekundärpapillen paramediane elastische Fasern. Der Paramedianschnitt
durch eine Leiste und ein Medianschnitt durch einen solchen Höcker glei-
chen sich daher in bezug auf die Anordnung des elastischen Gewebes
(Taf . IV, Fig. 29, 5 po). Die reihenweise Anordnung dieser Papulae opera-
riae in den breiten Furchen parallel den Leisten, das Auftreten von 10
und mehreren Leisten bei andern Sciuriden und der gleiche histologische
Aufbau der Papulae operariae und der Leisten lassen die Vermutung zu,
daß die Bildung einer Leiste aus solchen einzelnen zu Reihen geordneten
Papulae operariae im Laufe der Phylogenese wahrscheinlich sein kann.
In den weichen Gaumen setzen sich die Schichten elastischer Fa-
sern, die den Knochen und dem Epithel der Furchen augelagert sind,
in gleicher Weise nur an Dicke zunehmend, fort. Sie schUeßen ein
dickes Drüsenlager, dessen Ausführungsgänge durch das Oberflächen-
epithel nach außen münden und das durch interstitielles Bindegewebe
in kleinere Drüsenpakete gesondert ist, ein. Zwischen das interstitielle
Gewebe der Drüsen mischen sich elastische Fasern, die von den beiden
umscheidenden Schichten ihren Ursprung nehmen. Aus dieser An-
ordnung resultiert eine Einwirkung auf die Austreibung der Sekrete.
Insectivora.
Talpidae.
Talpa europaea L.
Soricidae.
Crocidura aranea Wagn.
Erinaceidae.
Erinaceus europaeu=> L.
Centetidae.
Centetes ecaudatus ^^'agn.
104 Jakob Rehs,
Historisches. Von Talpa europaea sagt Cüvjer (1845), daß »on trouve
sept plis saillants, . . ., leur courbure est ä peine marquee-*.
Retzius (1906) bildet die Gaumenschleimhaut von Talpa europaea (Taf. XLI,
Fig. 1) ab und gibt eine eingehende Beschreibung. »Der Gaumen von Talpa ist
von kegelförmigem Umriß mit an den Vorderzähnen abgestumpfter Spitze, an
welcher man eine kleine kurze Papilleni'egion bemerkt; in der Mitte derselben
erhebt sich eine kleine Papille mit einigen Höckern an ihren Seiten. Dahinter
finden sich die Gaumenleisten, acht an der Zahl, von denen die vier vorderen
etwas anders gestaltet sind als die vier hinteren. Eine mediane Furche ist hier
nur stellenweise vorhanden, nämlich an den zwei vordersten Leisten, welche
dadurch in zwei Seitenarme geteilt werden, und an den vier hintersten Leisten,
wodurch die Trennung in zwei Arme erfolgt; in dieser hinteren Partie des Gau-
mens setzt sich die Medianfurche auch zwischen die Leistenrücken fort. Die vier
vordersten Leisten stehen zwar der Quere nach, biegen sich aber mit ihren äußeren
Enden nach hinten um und kehren ihren freien zugeschärften Rand stark nach
hinten. Die vier hinteren Leisten sind auch im ganzen der Quere nach gestellt,
zeigen aber einige kleinere Biegungen und liaben ihre Rückenfirste in ihrer Mitte,
ohne eigentliche Drehung nach hinten und ohne Dachziegelanordnung. In den
eingesenkten Feldern zwischen den Leisten sieht man eine Menge kleinerer warzen-
ähnlicher Höcker. Hinten endigt der harte Gaumen mit noch einer wallartigen
Leiste. «
Die Gaumenschleimhaut von Erinaceus europaeus hat Retzius (1900) von
einer Reihe von Exemplaren abgebildet (Taf. XLI, Fig. 4 — 11). Er schreibt
darüber: »Arn vorderen Ende steigen von der Nasenspitze zwei schmale Wälle
zu ihr hinab und umfassen mit ihren hinteren Enden die länglich ausgestreckte,
aus zwei Erhabenheiten zusammengesetzten Papulae palatinae, wie die Fig. 10
deutlich zeigt. Dahinter findet sich ein dreieckiger Wulst, in dessen Median-
linie oft eine Furche vorkommt, welche ihn in zwei Seitenarme teilt. Dieser
Wulst ist entweder als ein hinterer Randteil der Papillarregion oder als die vor-
derste Gaumenleiste zu bezeichnen; in der Tat ähnelt er den Gaumenleisten. Da-
hinter folgen die eigentlichen ausgebildeten Leisten, von denen man konstant
acht, und, wenn man die Schlußleiste des harten Gaumens auch mitzählt, neun
findet. Die vorderste ist stets in der Medianlinie vorn zugespitzt und gebogen,
die beiden folgenden sind Aveniger nach vorn gebogen. Dann folgen drei, welche
zwar auch mit ihren Seitenarmen in derselben Richtung, nach vorn, gebogen
sind; die Mittelpartie ist aber nach hinten gezogen. Die drei letzten (die Schluß-
leiste mitgerechnet) stehen mehr gerade der Quere nach. In der Medianlinie
werden sie durch einen Kamm vereinigt, welcher besonders bei den mittleren
kräftiger ausgebildet ist. Hierdurch ist die Trennung der Leisten in zwei Seiten-
arme weniger markiert als bei manchen andern Tieren. In den eingesenkten
Feldern sieht man nur sehr niedrige, schwache, kleine Höcker «■.
Aus seinen Untersuchungen über die Insectivoren zieht Retzius den Schluß,
daß hier die »Anordnung der Gaumenleisten derjenigen der Marsupialier im ganzen
recht nahe steht, teilweise sogar auf einem noch primitiveren Standpunkt der
phylogenetischen Entwicklung, wie z. B. bei Erinaceus', obwohl auch in dieser
Ordnung ausgeprägtere spezielle Differenzierungen (z. B. bei Centetes) vor-
kommen «.
Beitrage zur Kountuis der makroskop. und mikroskop. Anatomie usw. 105
Eigene Untcrsuchunnen. Den mikroskopischen Aufbau der
Region der Papilla palatina von Talpa europaca kann ich aus Mangel
an geeigneten Schnitten nicht beschreiben.
Das Stratum germinativum ist durchschnittlich 30 /t dick, während
das Stratum corneum nur 10 u mißt. Letzteres ist an der First der
Leisten sehr scharf ausgezogen, und diese ist pharyngealwärts gerichtet.
Im übrigen Teil der Gaumenschleimhaut stimmen die Submucosa,
die Propria mucosae und das Epithel in der Dicke überein. Sie sind je
etwa 40 /( dick. Im Bereich der Leisten ist die Submucosa etwas dicker,
aber sie hat nur einen indirekten Anteil an der Bildung der Leisten. In
ihr verlaufen paramediane elastische Fasern, die besonders dorsal-
wärts der Leisten in dichter Menge liegen. Die Propria mucosae der
Täler ist relativ arm an elastischen Fasern. Nur da, wo sie Ausstülpungen,
Sekundärpapillen mit Primärpapillen bildet, die auf der Oberfläche
des Epithels als »warzenähnliche Höcker <<, Papulae operariae, sichtbar
werden, sind reichlichere, von der Propria mucosae kommende, auf-
steigende elastische Fasern vorhanden. Es sind aber keine Übergänge
von diesen Papulae operariae zu den Gaumenleisten vorhanden. Die
Propria mucosae innerhalb der Leisten führt paramediane elastische
Fasern in großer Menge und Dichte, die von Epithelvorderwand zur
Rückwand ziehen. Retzius sagt, daß »hinten der harte Gaumen mit
noch einer wallförmigen Leiste endigt«. Es ist dieses keine typische
Gaumenleiste und ihre Entstehung ist schon bei Halmaturus ruficollis
näher beschrieben worden.
Die Gaumenschleimhaut von Crocidura aranea ähnelt im makros-
kopischen Aufbau der von Sorex vulgaris, die Retzius beschrieben hat.
Vorn zwischen den beiden Zahnreihen liegt die in der Medianen 1 mm
lange Papilla palatina, deren vorderster Teil in der Medianen einen
Kamm aufweist, während der hintere Teil eine Medianfurche besitzt.
Kamm und Furche stellen die Rhaphe palati dar. Die größte Breite
der Papilla palatina ist von der linken zur rechten Zahnreihe 300 i.i,
während die größte Höhe, vom knöchernen Gaumendach ab gemessen,
330» beträgt (Taf. IV, Fig. 30 ^^p).
Hinter der Region der Papilla palatina folgen die transversal zum
Gaumen gestellten, durch eine Rhaphe palati in Gestalt einer Median-
furche getrennten, ersten Gaumenleisten (Taf. IV, Fig. 30, 1 u. 2). Die
lateralen Enden dieser Leisten stoßen in die Lücken zwischen den
zweiten und dritten, bzw. dritten und vierten Vorderzähnen. Sie sind
eher papillenähnlich , aber sie sind doch die ersten beiden Gaumen-
leisten, da sie im inneren Bau vollkommen mit den typischen Leisten
106 Jakob Rehs,
Übereinstimmen. Sie sind nur wegen der Schmalheit des Gaumens
an dieser Stelle und wegen der Rhaphe palati etwas weniger impo-
nierend ausgefallen. Man könnte sie allerdings auch als Vorläufer der
Gaumenleisten auffassen. Auch bei Sorex vulgaris beschreibt Retzius
derartige Höcker und hält sie für rudimentäre Gaumenleisten. Es reihen
sich noch acht Gaumenleisten an, die quer zum Gaumen gestellt, in
der Mittellinie etwas nach hinten eingeknickt sind und von vorn nach
hinten etwas schwächer werden (Taf. IV, Fig. 31, 9 — 10). In der Me-
dianen verläuft die Ehaphe palati, welche die dritte Gaumenleiste in
zwei Seitenarme trennt, während sie bei den übrigen Leisten in Ge-
stalt einer First auftritt. Hinter den Molaren findet sich wie bei Talpa
europaea und Sorex vulgaris »noch eine eigentümliche, abschließende
Querleiste, eine wallartige Erhebung«,
Was den mikroskopischen Aufbau der Region der Papilla palatina
von diesem Tiere anbelangt, so durchbrechen die Canales naso-pala-
tini, etwa 300 /< von einander entfernt, das knöcherne Gaumendach,
konvergieren nach der Medianen des Gaumens zu und nähern sich in
ungefähr halber Höhe der Papilla palatina bis auf 100 /<. Hiernach
divergieren sie, um an den Seitenrändern der Papilla palatina in der
Nähe der Innenseite der beiden zweiten Vorderzähne vor der ersten
Gaumenleiste also am hinteren Ende der Papilla palatina nach außen zu
münden. Der lichte Durchmesser der Canales naso-palatini ist durch-
schnittlich 20 1^1 (Taf. IV, Fig. 30 cnp). Nur auf der Außenseite werden
sie von einem Stützknorpel, der am knöchernen Gaumendach entspringt,
auf einer Strecke von 250 // umfaßt (Taf. IV, Fig. 30 sk). Im vordersten
Teil der Papilla palatina ist die Verteilung des elastischen Gewebes eine
Folge der Beziehung, die zwischen ihm und dem knöchernen Gaumen-
dach besteht. Die den vordersten Teil des knöchernen Gaumendaches
bildenden Ossa incisiva sind nicht wie z. B. bei andern Mammaliern in
der Medianen abgerundet verbunden und verstärkt, sondern sie enden
nach vorn sozusagen frei. Diese geringe Stabilität der Ossa incisiva
würde sicher die enorme Leistungsfähigkeit der Vorderzähne stark
beeinträchtigen, und es ist das elastische Gewebe als Hilfsfaktor heran-
gezogen. Es ist so geordnet, daß der vordere Teil des knöchernen
Gaumendaches in seiner Lage fixiert wird und trotzdem infolge der
physikalischen Eigenschaften des elastischen Gewebes beweglich genug
bleibt. Es setzt sich nämlich an das vordere Ende der dorsalen Fläche
des Gaumendaches ein hierzu transversal gestelltes dickes Band aus
dichten elastischen Fasern an (Taf. IV, Fig. 30 k, de). Den andern An-
heftungspunkt kann ich an meinen Präparaten nicht feststellen, aber
Bfiträge zur Kiuiitiiis der inakroskop. und niikroskop. Anatomie usw. 107
möglicherweise sind es die lateralen Wände der Ossa incisiva. Au den
ventralen, vorderen Teil des knöchernen (Jaumendaches gegenüber der
Anheftungsstelle des dorsalen Bandes heften sich auch elastische Fasern
an. Sie bilden aber kein kompaktes Band, sondern breiten sich diver-
gierend in dem vorderen Teil der Papilla palatina aus, da hier kein
fixer gegenseitiger Angriffspunkt vorhanden ist (Taf. IV, Fig. 30 k, ve).
Da die Canales naso-palatini und der Ötützknorpel einen relativ
einfaclien Bau haben, so stellen sie sich einer paramedianen Ausbreitung
der elastischen Fasern, die im hinteren Teil der Papilla palatina ein-
setzt, nicht störend in den Weg.
Was den allgemeinen Aufbau der Gaumenschleimhaut, die von
vorn nach hinten an Dicke abnimmt, hinter der Papilla palatina an-
betrifft, so schließt sich an das knöcherne Gaumendach die aus lockeren
Bindegewebsbündeln bestehende Submucosa an. In sie ist in die rechte
und linke vordere Hälfte der Gaumenschleimhaut je eine Vene einge-
lagert, die fast den Dickendurchmesser der Submucosa hat und die sich
bis in die Papilla palatina, sich vereinigend, erstrecken (Taf. IV, Fig. 30 v).
Zwischen den Blutgefäßen und Nerven liegen paramediane elastische
Fasern, die an Menge und Dichte beim Übergang zur Propria mucosae
zunehmen. Letztere besteht aus einem dichtverfilzten Bindegewebe
mit paramedianen elastischen Fasern, die besonders reichlich in Bündel-
form in den Gaumenleisten auftreten. Die Submucosa hat aber keinen
Anteil an der Bildung der Leisten. Der Teil der Propria mucosae,
der an das Epithel anstößt, hat einen homogenen Bau, und es sind nur
wenige elastische Fasern anzutreffen und in den Leisten verlieren sich
die Enden der paramedianen elastischen Fasern in dieser homogenen
Schicht.
Am hinteren Ende des harten Gaumens an der Grenze der hinteren
Molarzähne findet sich wie bei Talpa europaea und Sorex vulgaris noch
eine eigentümliche, abschheßende Querleiste, eine wallartige Erhebung
(Taf. IV, Fig. 31 w). Diese Leiste verdankt wie bei Halmaturus rufi-
collis und den andern Insectivoren ihr Vorhandensein einer wallartigen
Verdickung des ventralen, pharyngealen Randes der Ossa palatina,
welchem knöchernen Wall außerdem noch eine knorpelige Leiste auf-
gesetzt ist (Taf. IV, Fig. 31 kw, kl). So wird die Schleimhaut empor-
gewölbt, ohne daß der typische Bau einer Leiste nachgewiesen werden
kann.
Dem weichen Gaumen ist ein mächtiges Drüsengewebe eingela-
gert, das durch interstitielles Bindegewebe in einzelne Pakete zerlegt
wird (Taf. IV, Fig. 31 dr). Zwischen das Drüsengewebe und das mund-
108 Jakob Rehs,
seitige Epithel schiebt sich eine Propria mucosae ein, die fast voll-
ständio- von elastischen Fasern ausgefüllt ist, die in Gestalt einer Decke
sich über das Drüsengewebe spannen, sodaß sie vorn an die oben er-
wähnte Knorpelleistc angeheftet ist, wenige elastische Fasern zwischen
die Drüsenpakete schickt und nach hinten sich allmählich verliert
(Taf. IV, Fig. 31 vd, av). Eine ebensolche Decke breitet sich in der
Bindegewebsschicht auf der dorsalen Seite des Drüsengewebes aus.
Vorn ist sie an die Ossa palatina angeheftet und verliert sich nach
hinten (Taf. IV, Fig. 31 dd, ad). Das Drüsengewebe ist so in eine Presse
eingeschlossen, und es ist hier die auffällige Beziehung zwischen dem
elastischen Gewebe und der mechanischen Austreibung des Schleim-
sekrets gegeben, wie sie deutlicher bei keinem andern Tier zu finden ist.
Es sei noch nachgetragen, daß das Epithel des harten Gaumens
in ein 40 /t dickes Stratum germinativum und ein 30 i.i dickes, ver-
horntes Stratum corneum zerfällt.
Bei Erinaceus europaeus ziehen »von der Nasenspitze zwei<< durch
eine 300 u tiefe Furche getrennte »schmale Wälle << bis zu der Innenseite
der beiden ersten Vorderzähne und gehen hier in die Gaumenschleim-
haut über. Diese beiden Wälle schließen »mit ihren hinteren Enden <<
die langgestreckte Papilla palatina ein, deren vordere Spitze etwas
vor den beiden ersten Vorderzähnen liegt. Die Papilla palatina ver-
breitert sich nach ihrer Mitte zu und mißt hier in der Transversalen
500 /«. Nach hinten verschmälert sie sich wieder und geht in die seichte
Medianfurche, Rhaphe palati, die die erste Gaumenleiste in zwei Hälften
teilt, über.
Was den mikroskopischen Aufbau der Region der Papilla pala-
tina anbelangt, so durchbrechen die Canales naso-palatini auf der Grenze
zwischen den Processus palatini der Ossa incisiva und den der Maxillae,
etwa 1 1/2 i^J^ voneinander entfernt das knöcherne Gaumendach und
sind, wie es Broom (1897) ausdrückt »almost surrounded by carti-
lage«. Sie durchsetzen die Gaumenschleimhaut nicht in einer zum
knöchernen Gaumendach senkrechten Richtung, sondern konvergie-
rend in einem nach vorn gerichteten Verlauf. Ihre Ausmündungs-
stellen liegen 500 j.i voneinander entfernt in den Furchen, die die Pa-
pilla palatina von den beiden hinteren Enden der oben genannten
Wälle abgrenzen und zwar auf einer Linie, die zwischen den beiden ersten
Vorderzähnen liegt. Der Stützkuorpel, der die Canales naso-palatini
nur auf den Außenseiten bis dicht an das Epithel der Schleimhaut-
oberfläche begleitet, ist eine Fortsetzung des oben erwähnten Knor-
pels und steht mit dem knöchernen Gaumendach in einem sehr lockeren
Beiträge zur Koiiutuis der iiiakroskop. und niikroskop. Anatomie usw. 109
Verband. Transversalschnitte durcli die beiden Wälle dicht vor der
vorderen Spitze der Papilla palatina zeigen dorsalwärts paramediane
Muskelbündel, die an dem ventralen Teil der Ossa incisiva ansetzen
und von paramedianen elastischen Fasern begleitet sind. An diese
Schicht mit den Muskelbündeln schließt sich eine 600 /t dicke Submu-
cosa aus einem lockeren Flechtwerk von Bindegewebsbündeln, in das
paramediangerichtete Blutgefäße und Nervenstränge eingelagert sind.
Sehr viele paramediane elastische Faserbündel bilden ein dichtes Flecht-
werk, das auch die 200 /< dicke Propria mucosae, das aus einem dichten
Bindegewebe besteht, ausfüllt. Nach dem Epithel zu bildet das elasti-
sche Gewebe ein subepitheliales Netz, von dem elastische Fasern in
die 100 1.1 hohen aber schmalen Bindegewebspapillen aufsteigen. Dieser
eben geschilderte Aufbau des elastischen Gewebes erhält sich, da die
Canales naso-palatini und der Stützknorpel infolge ihres Verlaufs natur-
gemäß keinen richtungsändernden Einfluß ausüben, auch im ganzen
übrigen Teil der Region der Papilla palatina, nur daß die elastischen
Fasern in geringerer Menge auftreten.
Erwähnt sei eine Anordnung des elastischen Gewebes, die auf eine
Festigung des knöchernen Gaumendaches hinausläuft, das vorn von
den Ossa incisiva gebildet wird. Diese Ossa incisiva springen nämlich
an den lateralen Teilen weiter nach vorn als iu der Medianen, und diese
Lücke ist von elastischen Fasern ausgefüllt.
Nachdem Retzius die Region der Papilla palatina beschrieben
hat, fährt er fort: »Dahinter findet sich ein dreieckiger Wulst, in dessen
Medianlinie oft eine Furche vorkommt, welche ihn in zwei Seitenarme
teilt. Dieser Wulst ist entweder als ein hinterer Rand der Papillar-
region oder als die erste Leiste zu bezeichnen ; in der Tat ähnelt er den
Gaumenleisten«. Ganz davon abgesehen, daß rein äußerlich eine ge-
wisse Abghederung von der Region der Papilla palatina festzustellen
ist, so läßt ein Vergleich des mikroskopischen Baues dieses Gebildes
mit dem einer typischen Gaumenleiste keinen Zweifel darüber auf-
kommen, daß jenes Gebilde die erste Gaumenleiste ist. In der Sub-
mucosa dieser ersten Gaumenleiste, die etwas stärker ist als diejenige
vor und hinter der Gaumenleiste, also einen indirekten Anteil an der
Bildung der Leiste hat, sind auch elastische Faserbündel anzutreffen.
Ebensolche erfüllen sich durchflechtend die Propria mucosae inner-
halb der Leiste. Der Teil der Propria mucosae, der direkt dem Epithel
mit Ausnahme des Teiles vor der ersten Gaumenleiste und der First
der Leiste anschließt, weist sehr spärliche elastische Fasern auf. Dieses
prägt sich noch deutlicher bei den folgenden Leisten aus sowohl in der
HO Jakob Rehs,
Propria mucosae der Täler vor und hinter der Leiste, die die Dicke
von 500 u wie die Submucosa hat, wie auch in den Leisten selbst mit
Ausnahme ihrer First, sodaß man in dieser Schicht kaum elastische
Fasern antreffen kann. Sonst ist das elastische Gewebe in den der
ersten Leiste folgenden Leisten und den dazu gehörigen Tälern ebenso
nur etwas ausgeprägter aufgebaut. In den letzten Leisten nimmt das
elastische Gewebe an Menge ab. Auch bei Erinaceus tritt wie bei den
andern Insectivoren die wallartige Schlußleiste auf.
Den harten Gaumen von Centetes ecaudatus habe ich nicht unter-
sucht, aber Retzius sagt hiervon: »In den Zwischenräumen der Leisten
finden sich zahlreiche warzenähnliche Erhabenheiten verschiedener
Größe; sie sind größtenteils zu Querreihen angeordnet, welche den
Leisten parallel geordnet sind. Besonders in den vordersten Zwischen-
räumen und auf dem Felde, das hinter der letzten Leiste liegt, sind diese
Warzen in Menge vorhanden«. Wenn man sich die Abbildung von
Retzius (Taf. XLI, Fig. 3) ansieht, so kann man beobachten, daß
hinter der letzten Leiste diese Papulae operariae ungeordnet sind. Hinter
der zweit- und drittletzten Leiste haben sie zwar dieselbe Größe, sind
aber in den Querreihen parallel zu den Leisten angeordnet. Zwischen
den weiter nach vorn liegenden Leisten werden diese zu Querreihen an-
geordneten Papulae operariae größer. In den Zwischenfeldern der
ersten, zweiten, dritten und vierten Leiste kommt es sogar zu einer
seitlichen Verschmelzung der Papulae operariae, und diese Querreihen
ähneln vollkommen den Leisten. Wenn man bedenkt, daß dieses Tier
unter den Insectivoren infolge des Gebisses und des Geschlechtsapparates
eine niedere Organisation verrät, so kann man zu der Auffassung kom-
men, daß hier derselbe Bildungsmodus der Gaumenleisten vorliegt wie
bei den andern Tieren geschildert worden ist, und daß Talpa europaea,
Crocidura aranea und Erinaceus europaeus nicht auf dem »primitiven
Standpunkt der phylogenetischen Entwicklung« stehen geblieben sind
wie Centetes ecaudatus.
Chiroptera.
Carpophaga.
Pteropodidae.
Pteropus sp.
Entomophaga.
Vespertilionidae.
Vespertüio murinus Schreb.
Historisches. Robin (1881) berichtet über den Gaumen von Vespertilio
murinus wie folgt: »La voüte palatine du Vespertilio murinus a la forme d'un
Beiträge zur Kenntnis der niakroskop. und mikroskop. Anatomie usw. 111
rectanglo liiniti' ru uvant, ontro Ics incisives, par un tubercule sur les cotes et en
arriero ikiquel s'ouvrcnt los porcs tlc Jacobson. Ceux-ci sont bordes en arriere
par un pli transversal saillant qui reunit les ineisives externes des deux cotes.
Dcux autres rides ininterrompues, eonvexes, s'etendent respectivement entre
les premieres premolaires et les premieres luolaires, et sont suivies de cinq paires
de rides interrompues sur la ligne mediane, la derniere confine ä la lignc d'in-
sertion du voile du palais«.
Retzius (IDOG) beschreibt den harten Gaumen eines beinahe ausgetragenen
Fötus von Vespertilio murimis. Er sagt: »Man erkennt die zwischen die starken
Zahnwälle eingeschlossene Gaumenspalte mit ihrer vorderen Papillenregion,
welche hier noch zusammengesetzter erscheint als bei Vesperugo pipistrellus,
und mit der dahinter gelegenen Leistenregion, an der die drei vordersten Leisten
wenig, die folgenden stark gebogen sind, und zwar mit den medialen Enden weit
nach hinten ziehend; die äußeren Enden sind auch, obwohl weniger, nach hinten
gedreht und biegen sich dann nach vorn um «. Er kommt durch die Unter-
suchung der Chiropteren zu demselben Ergebnis wie bei den Insectivoren.
Oppel (1900) bildet einen Sagittalschnitt durch zwei Gaumenleisten der
Fledernuius ab (Fig. 23), und er berichtet darüber, wie schon im historischen Teil
der Insectivoren zitiert worden ist.
Eigene Untersuchungen. Im vorderen Abschnitt des Gaumens
von Vespertilio murinus Hegt die Region der Papilla palatina, die eine
dreieckige Gestalt hat. Die Dreiecksbasis wird durch eine von einem
Eckzahn zum andern verlaufende Querfurche von der ersten Gaumen-
leiste getrennt. Vor dieser Querfurche liegt ein breiter Querwulst, der
in der Medianen durch eine seichte Furche in eine rechte und linke
Hälfte getrennt ist und vorn eine Ausbuchtung enthält, die den hin-
teren Teil der von vorn nach hinten oval sich erstreckenden Papilla
palatina umschließt, von ihr aber durch eine Furche getrennt ist, die
in der Medianen mit der oben genannten Medianfurche zusammen-
fließt. Die vordere Hälfte der Papilla palatina liegt »entre les inei-
sives« und ist von der Oberlippe durch eine Furche getrennt. Es folgen
sieben Leisten mit den dazwischen liegenden Tälern. Die beiden ersten
Leisten verlaufen quer zum Gaumen. Die zweite ist in der Mitte ein
wenig nach hinten gebogen, und die äußeren Enden, bei der zweiten
ein längeres Stück als bei der ersten, sind stumpf winkehg nach hinten
geknickt und laufen spitz aus. Die durch eine Medianfurche, Rhaphe
palati, getrennten folgenden fünf Leisten sind in ihrem äußeren Bau
grundverschieden. Die beiden Schenkel der dritten und vierten Leiste
sind stark gebogen, die Konvexität nach vorn und die medialen Enden
sind zugespitzt. Die beiden Hälften der fünften Leiste sind ganz schwach
nach vorn gebogen und durch Raummangel an den Enden stark ver-
kürzt, da die Backenzähne weit nach innen reichen. Die sechste Leiste
112 Jakob Rehs,
gleicht ganz genau der zweiten mit Ausnahme der Medianfurche. Die
Schenkel der letzten Gaumenleiste bilden einen mit der Spitze nach
hinten gerichteten sehr spitzen Winkel. Sie liegt zwischen den letzten
Molaren. Es zeigt sich also, daß der harte Gaumen des erwachsenen
Tieres in mancher Hinsicht von dem des ausgetragenen Fötus, wie ihn
Retzius beschreibt, abweicht. Alle Leisten haben die besondere Eigen-
schaft, daß die vordere Wand mehr oder weniger steil zum Gaumen-
dach, während die Rückwand schräg gestellt ist, sodaß die First der
Leisten oralwärts gerichtet ist.
Der frugivore Pteropus sp., den Retzius beschreibt, nimmt eine
Sonderstellung ein, da bei ihm besonders die hinteren Leisten an der
First in Papulae operariae aufgelöst sind, eine Eigenschaft, die man
für etwas Primitives halten muß.
Was den vorderen Teil des harten Gaumens von Vespertilio murinus
anbelangt, so liegen die Verhältnisse hier ähnlich, wie sie Grosser
(1902) von Vesperugo noctula geschildert hat. »Der Zwischenkiefer,
dem ein Gaumenfortsatz fehlt, beteiligt sich an der Bildung des harten
Gaumens nicht; . . . die Knorpel des Nasenbodens . . bilden die Er-
gänzung des harten Gaumens , . . Diese Knorpel ordnen sich so an,
daß der Processus lateralis inferior und die Cartilago ductus incisivi
vor, die beiden Processus posteriores hinter dem STENSONschen Gange
zu finden sind; knapp vor demselben hängen alle hier zusammen . . .
Die Cartilago ductus incisivi (Textfig. 1, 2, 3 u. 6) bildet eine ziemlich
ebene Platte, welche nach vorn unten geneigt ist. Die Knorpel der
beiden Seiten verbinden sich im ausgewachsenen Zustand bei allen
untersuchten Vespertilioniden unterhalb des Septum und ragen in
die mächtig vergrößerte Papilla incisiva (Textfig. 1 — i u. 6) hinein . . .
Seiner Funktion nach ist der Knorpel kaum mehr ein Schutzgebilde
für den Ductus incisivus, dessen Achse mit der Ebene des Knorpels
ungefähr einen Winkel von 45 ° bildet ; er tritt für den medianen Defekt
des Alveolarrandes ein und wird zum Stützgebilde der vorhin erwähnten
Papilla palatina . . . Die Cartilago posterior lateralis (Textfig. 4 u. 5,
Taf.I, Fig. 4 u. 5, ca.p.l.) hat bei den Glattnasen eine eigene Bedeutung
gewonnen; sie bildet eigentlich den Boden der Nasenhöhle im Bereich
des x'\.usschnittes des harten Gaumens. In diesem Bereich nimmt der
Knorpel in geringer Entfernung kaudal vom Ductus incisivus eine
horizontale Lage ein (Textfig. 5) und verbreitert sich beträchtlich . . .
Nach ScHwiNKs Darstellung bleibt diese horizontale Platte auch in
bereits verknorpeltem Zustande bei Embryonen von Vespertilio murinus
^bis zur Größe von 54 mm Körperlänge) von den übrigen nasalen Kjior-
Beiträge zur Kenntnis der niaUrosk()|i. und inikroskop. Anatomie usw. 113
pelii vollständig isoliert . . . Der Ductus iucisivus (Textfig. 3 u. 4 und
Taf. I, Fig. 2, 4:, 5) ist bei den untersuchten Glattnasen, wie schon er-
wähnt, weit offen . . . Seine Verlaufsrichtung ist ziemlich genau ver-
tikal, seine untere Hälfte leicht nach vorn und außen abgeknickt«. Die
Lage der 800 u dicken Cartilago ductus incisivi und der Canales naso-
palatini in der Papilla palatina läßt eine paramediane Richtung der
spärlichen elastischen Fasern sowohl in der Submucosa mit dem lockeren
Bindegewebe wie in der Propria mucosae mit dichterem Bindegewebe
zu. Hauptsächlich treten elastische Fasern dem Knorpel anliegend
auf. Hinter den Canales naso-palatini nehmen die 50 f^i dicken Cartilago
posterior lateralis, die mit dem oralen Rande der Processus palatini
der IMaxillae durch starke elastische Fasern verbunden sind, eine hori-
zontale Lage ein, und hierdurch ist der paramediane Verlauf der elasti-
schen Fasern, die in größerer Menge als vor den Canales naso-palatini
auftreten, gewährleistet. Die elastischen Fasern heften sich an die epi-
thelwärts liegende Fläche dieses Knorpels an und ziehen von hier
kaudalwärts, aber sie spannen sich auch zwischen die nasenhöhlenwärts
liegende Fläche dieses Knorpels und das Epithel der Nasenhöhle oder
auch teilweise das knorpelige Nasenseptum. So wird der Knorpel in
meiner Lage fixiert, und es erweist das elastische Gewebe seine mecha-
nische Eigenschaft.
Hinter der Papilla palatina liegt die erste Gaumenleiste, >>qui
reunit les incisives externes desdeux cotes«. Die 40 (.i dicke Submucosa,
die keinen direkten Einfluß auf die Bildung der Leisten ausübt, birgt
hier wie im ganzen übrigen harten Gaumen dünne, w^ellige, parame-
diane elastische Fasern, die einzeln verlaufen oder zu Bündeln ver-
einigt sind. Nur das Bindegewebe im Bereich der Rhaphe palati, die
ein Achtel bis ein Zehntel der ganzen Gaumenbreite einnimmt, ist frei
von elastischen Fasern. Im bindegewebigen Innenraum der Leiste
liegen die paramedianen elastischen Fasern nur in der Basis der Leiste,
sodaß die Leiste fast frei von elastischen Fasern ist. Diesen Aufbau
haben alle übrigen Leisten, nur daß nach hinten allgemein die elastischen
Fasern spärlicher werden.
Im weichen Gaumen werden die elastischen Fasern wieder reich-
licher. Paramediane elastische Fasern liegen sowohl zwischen dem
Epithel der Vorderwand und den Drüsenpaketen wie auch zwischen
den letzteren und dem Epithel der Rückwand. Beide Schichten
stehen durch elastische Fasern, die das interstitielle Bindegewebe
durchsetzen, in einem Verband. Die paramedianen elastischen
Fasern heften sich an das Perichondrium der Cartilago palatina,
Zeitsclirift f. wissensch. Zoologie. CIX. Bd. 8
114 Jakob Rehs,
einem transversal im hinteren Teil des weichen Gaumens liegenden
Gebilde, an.
Zusammenfassung.
Auf Grund der Untersuchungen der Autoren und meiner eigenen
lassen sich, was die makroskopische und mikroskopische Anatomie ins-
besondere die Topographie des elastischen Gewebes des Palatum durum
der Mammalier anbetrifft, die folgenden hauptsächlichen Ergebnisse
zusammenstellen.
Bei den Monotremen sowohl bei Echidna aculeata wie bei Orni-
thorhynchus anatinus finden sich in der hinteren Hälfte des harten
Gaumens gerade oder bogige Querreihen von Papulae operariae, deren
bindegewebiger Grundstock bei Echidna eine vergrößerte Primärpapille
ist. Bei letzterem Tier entsteht durch Konkreszenz der lateralen, basalen
Teile der bindegewebigen Grundstöcke und durch Zurückdrängung des
Epithels das bindegewebige Innere der in der vorderen Hälfte des harten
Gaumens liegenden Gaumenleisten, die aber ihrer Entstehung zufolge
keine typischen Gaumenleisten sind. Der basale Teil der bindegewebi-
gen Grundstöcke der Papulae operariae und derjenige des bindegewe-
bigen Innern der Leisten weisen transversale und paramediane elastische
Fasern im Geflecht auf wie in der Propria mucosae, während im übrigen
Teil des bindegewebigen Innern der Leisten samt den aufsitzenden,,
vergrößerten Primärpapillen ebenso wie in dem der bindegewebigen
Grundstöcke der Papulae operariae zur Spitze verlaufende elastische
Fasern im Geflecht auftreten. Die Submucosa hat keinen direkten
Anteil an der Bildung der nicht typischen Gaumenleisten.
Bei den Marsupialiern sind zwischen den Gaumenleisten beson-
ders im vorderen Teil des harten Gaumens kleinere und größere Papillae
operariae anzutreffen, die oft zu den Gaumenleisten parallelen Quer-
reihen angeordnet sind. Bei Halmaturus riificollis ist der bindegewebige-
Grundstock einer solchen Papillae operariae entweder eine vergrößerte
Primärpapille mit zur Spitze ziehenden elastischen Fasern oder eine
Sekundär papille mit aufsitzenden Primärpapillen. An der Bildung
der Sekundärpapillen nimmt die Propria mucosae mit transversalen
elastischen Fasern teil. Noch größere Papillae operariae sind bei diesem
Tier fast vollständig verschmolzen, und hier hat an der Bildung der
Sekundärpapillen auch die Submucosa mit paramedianen elastischen
Fasern einen direkten Anteil. Die Verschmelzung kann soweit gehen,
daß das bindegewebige Innere mit dem einer typischen Gaumenleiste,
bei welcher nicht nur die Propria mucosae mit transversalen elastischen
I
Beiträge zur Keinitiiis der luakroskop. und mikroskop. Analoniie usw. 115
Fasern, sondern auch die Subniucosa mit paramedianen elasti!;:clien
Fasern einen bedeutenden, direkten Anteil an dem Aufbau haben,
vollkommen übereinstimmt. Denselben Entwicklungsgang nimmt die
erste Gaumenleiste, die bei Petrogale penicillaUi, Macropus billardieri,
IlalnuUunis ruficolUs und Onijchogale lunata aus mehreren HcJckern be-
steht, während sie bei Didelphys sp. und Didelphys opossum eine typische
rraumenleiste ist. Bei dem ersteren jungen Tier liegen im hinteren Teil
des harten Gaumens Querreihen von Papulae operariae, die bei dem
erwachsenen, letzteren Tier zu Gaumenleisten verschmolzen sind, also
letztere sich im Laufe der ontogenetischen Entwicklung bilden können.
Bei den Marsupialiern findet sich im Übergang zum harten Gaumen
eine Schlußleiste. Sie ist nicht auf eine Stufe mit den typischen Gaumen-
leisten zu stellen ; denn sie verdankt ihr Vorhandensein einem am ven-
tralen, pharyngealen Rand der Ossa palatina auftretenden Knochen-
wulst, über den sich die Gaumenschleimhaut in Gestalt einer Leiste
spannt. Diese Leiste habe ich auch bei den Insectivoren beobachten
können, und sie ist sicherlich auch bei vielen anderen Tieren nach-
zuweisen.
Bei den Edentaten stellt der harte Gaumen von Bmdijpus tridac-
tylus einen primitiven Typus dar, denn beim jungen wie beim erwach-
senen Tier sind Papulae operariae, die oft zu Leistenstückeu verschmol-
zen sind, nachzuweisen. Beim erwachsenen Manis javmiica läßt sich
eine Entwicklung der letzten Gaumenleisten aus Papulae operariae im
Laufe der Ontogenese feststellen. Ähnlich liegen die Verhältnisse beim
Fötus von Tatusia peba und dem nahe verwandten, erw^achsenen Dasy-
piis villosus. Orycteropus capensis hat vollkommen ausgebildete Gaumen-
leisten.
Über den Cetaceen ist der harte Gaumen von Delphinus delphis
ein primitiver Zustand, indem auf Feldern, die durch tiefe Epithel-
furchen hervorgerufen werden, kleine Papulae operariae anzutreffen
sind, deren bindegewebiger Grundstock eine Primärpapille ist. Die
Barten der erwachsenen Mystacoceti entstehen dadurch, daß ver-
längerte Primärpapillen in der Basis zu konischen Gebilden verschmelzen.
Diese konischen Gebilde verschmelzen ihrerseits lateralwärts zu trans-
versal gestellten Bindegewebsleisten, von denen sich wiederum mehrere
zu einer einzigen Leiste zusammenschließen, welche die bindegewebige
Grundlage einer Barte abgeben, auf welcher Grundlage viele Primär-
papillen aufsitzen, die von Hornröhren umscheidet sind, welche als
Haare den Hauptteil der Barten überragen und als Papulae operariae
zu bezeichnen sind. Ähnliche Verhältnisse liegen bei Echidna vor.
IIG Jakob Rehs,
Mehrere Barten stehen in einer Querreihe nebeneinander, aber diese ist
keine typische Gaumenleiste.
Von den Perissodactylen zeigt der harte Gaumen von Equus ca-
hallus typische Gaumenleisten, an deren Bildung nicht nur die Propria
mucosae mit dem Geflecht elastischer Fasern nach allen Richtungen,
sondern auch die Submucosa mit paramedianen elastischen Fasern
einen direkten Anteil haben.
In der Ordnung der Artiodactylen und zwar bei den Non-Rumi-,
nantien sind beim Fötus von Sus scrofa dornest, im Übergang zum wei-
chen Gaumen Querreihen von Papillae operariae zu beobachten, die
beim erwachsenen Tier miteinander verschmolzen sind. Die Gaumen-
leisten sind aber typische Leisten, und es hat neben der Propria mucosae
mit dem Geflecht elastischer Fasern nach allen Richtungen auch die
Submucosa mit dünnen, paramedianen elastischen Fasern einen sehr
bedeutenden, direkten Anteil an ihrer Bildung. Lama huanachus zeigt
im harten Gaumen zerstreut liegende Papillae operariae, solche die
zu transversalen Reihen angeordnet sind, solche die teilweise zu trans-
versalen Gebilden zusammengeschmolzen sind und auch fast typische
Gaumenleisten. Bei Buffelus huhalus und Bos taurus, welche Tiere, wie
Lama huanachus zu den Ruminantien gehören, sind Papillae operariae
zu Querreihen angeordnet vorhanden und ähneln den Wangenpapillen.
Die Gaumenleisten sind bei Bos taurus nicht vollkommen ausgebildet,
da die First aus nebeneinander sitzenden Papilla operaria besteht.
Die bindegewebige Grundlage einer Papilla operaria ist eine Sekundär-
papille mit aufsitzenden Primärpapillen, welche Sekundärpapillen einer
bindegewebigen Leiste aufsitzen wie bei Echidna. Die bindegewebige
Leiste ist eine Propria mucosae mit einem Geflecht elastischer Fasern
nach allen Richtungen, während die elastischen Fasern in den Sekundär-
papillen zur Spitze steigen. Bei Ovis aries hingegen sind die Gaumen-
leisten teilweise typischer ausgebildet, indem die First nur an den Seiten-
teilen Papillae operariae zeigt, während Orthaegoceros falconeri auch hier
kaum noch Papillae operariae aufweist. In der Basis des bindegewe-
bigen Innern der Leiste liegen paramedian<5 elastische Fasern der Propria
mucosae, während sie sonst so wie bei Bos gelagert sind. Bei beiden
Tieren hat die Submucosa keinen direkten Anteil an der Bildung der
Leisten.
Bei den Carnivoren ist der harte Gaumen von Felis serval primitiv ;
denn es finden sich Querreihen von Papillae operariae, die dicht neben-
einander liegen. Vor und hinter je einer solchen Querreihe sind je eine
dieser parallele Querreihe von Papillae operariae anzutreffen, die weiter
Beiträge ziii' KcniiUiii? ck'f nuikroskoi). iiiul mikroskop. Aiuitoniic' usw. 117
auseincinder liegen. Bei Felis donieslica fsitzcn die dicht nebeneinander
liegenden Papulae operariae einer Leiste wie bei Boa taurus auf. Der
bindegewebige Grundstock einer solchen Papilla operaria ist eine
Sekundärpapille mit aufsitzenden Primärpapillen. In dem binde-
gewebigen Innern der Leiste, an deren Bildung die Submucosa keinen
direkten Anteil hat, verlaufen paramediane elastische Fasern, während
sie in den Sekiindärpapillen zur Spitze ziehen. Bei Cervaria rufa ist
die Leiste, auf der die Papulae operariae aufsitzen, noch besser aus-
gebildet als bei Felis doniestica. Typische Gaumenleisten besitzen der
harte Gaumen von Canis familiaris, Canis vulpes, Mustela foina, Putorius
vulgaris und von andern Carnivoren. Bei allen diesen Tieren außer bei
Putorius hat die Subnmcosa mit den paramedianen elastischen Fasern
einen direkten Anteil an der Bildung der Gaumenleisten.
Bei den Pinnipediern hat der harte Gaumen des jungen Ogmorhinus
lepfonyx und des erwachsenen Seeleoparden und Seelöwen keine Leisten,
und ist daher ein sehr primitiver Typus. Es folgt der von Zalophus
californianus und Phoca vitulina, bei denen Papulae operariae für sich
allein stehend vorkommen. Die bindegewebige Grundlage einer solchen
ist eine Sekundärpapille mit aufsitzenden Primärpapillen, welche
Sekundärpapillen zur Spitze aufsteigende elastische Fasern besitzen.
Bei Phoca vitulina kann die laterale Basis dicht nebeneinander liegender
Papulae operariae verschmelzen, und bei größereu liegt in der Basis
des Verschmelzuugsproduktes die Propria mucosae mit paramedianen
elastischen Fasern, aber es können keine größeren Leistenstücke wie
bei Zalophus nachgeväesen werden, da die größeren Stücke immer
noch papillären Charakter haben. Bei Zalophus können mehrere Se-
kundärpapillen verschmelzen, und größere Leistenstücke zeigen in der
Basis paramediane und transversale elastische Fasern wie in der Pro-
pria mucosae. Bei noch größeren Leistenstücken nimmt auch die Sub-
mucosa mit paramedianen elastischen Fasern an der Bildung des binde-
gewebigen Innern teil wie bei Halmaturus ruficollis. Phoca fötida hin-
gegen zeigt schon schwach ausgebildete Gaumenleisten.
Bei den simplicidentaten Rodentien gehört der harte Gaumen von
Cavia cohaija, Cavia porcellus, H ydrochoerus capyhara, Myopotamus
coypus, Ctenomys magellanicus und Lagostomus irichodactylus einem
primitiven Typus an, da keine Gaumenleisten vorhanden sind; während
alle andern Rodentien schwach oder vollkommen entwickelte Gaumen-
leisten aufweisen. Es ist eine Beziehung zwischen dem Nichtvorhanden-
sein oder der kümmerlichen Ausbildung der Gaumenleisten im vorderen
Teil des harten Gaumens und der Gestaltung des knöchernen Gaumen-
118 Jakob Rehs,
claches, die ihrerseits wieder aus der starken Konvergenz der beiden
Backenzahnreihen nach vorn und den tief eingesenkten Backenzähnen
resultiert, vorhanden, die darin besteht, daß die Maxillae stark ver-
dickt sind. Eine Beziehung läßt sich auch zwischen dem Nichtvor-
handensein oder der unvollkommenen Entwicklung der Gaumenleisten
im hinteren Teil des harten Gaumens und der Bildung der Zunge nach-
weisen, welch letztere in diesem Falle einen mehr oder weniger stark ent-
wickelten, pharyngeal gelegenen Absatz hat, der in die Mundhöhle
hineinragt. Bei einem Teil der hystricognathen und bei vielen sciu-
rognathen Simplicidentaten, bei denen die Verhältnisse nicht so liegen,
sind Gaumenleisten vorhanden. Der harte Gaumen von Cavia cobaya
ist aber nicht glatt, sondern zerstreut liegen Papulae operariae, die eine
bindegewebige Grundlage in Gestalt einer Primärpapille haben. Sciurus
vulgaris hat zwischen den typischen Gaumenleisten, an deren Bildung
die Submucosa mit paramedianen elastischen Fasern einen direkten
Anteil hat, Querreihen von Papulae operariae, deren bindegewebige
Grundlage eine Sekundärpapille mit aufsitzenden Primärpapillen ist.
In der Basis der Sekundärpapille liegen paramediane elastische Fasern
der Propria mucosae.
Der primitive Insectivore, Centetes ecaudatus, hat Leisten, die teil-
weise aus Papulae operariae bestehen. Außerdem liegen überall Papulae
operariae, die oft zu Querreihen angeordnet sind, und dieser Gaumen
stellt einen primitiven Typus dar. Talpa europaea, Crocidura aranea
und Erinaceus europaeus haben typische Gaumenleisten, deren binde-
gewebiges Innere paramediane elastische Fasern besitzt, aber keine
Submucosa ist.
Unter den Chiropteren hat Pteropus sp. im hinteren Teil des harten
Gaumens Querreihen von Papulae operariae. Auch die vorderen Leisten
sind nicht typisch entwickelt. Vespert üio murinus hat Gaumenleisten,
an deren Bildung die Submucosa keinen direkten Anteil hat.
Ein nicht typisch verhorntes, kernfreies Stratum corneum be-
sitzen die harten Gaumen von Echidna aculeatd, Halmaturus ruficollis,
Sus scrofa, Canis familiaris, Canis vulpes, Felis domestica, Zalophus
californianus, während es bei Equus cahallus, Bos taurus, Ovis aries,
Phoca vitulina, Cavia cobaya, Talpa europaea und Crocidura aranea
verhornt ist. Bei Equus cahallus, Ovis aries und Cavia cohaya können
im Stratum corneum, das 100 /<, bzw. 147//, bzw. 300 — 450 /< dick ist,
in der Verlängerung der Primärpapillen Zelleureihen beobachtet wer-
den, deren Zellen nicht vollkommen verhornt sind. Ein Stratum luci-
dum haben Bos taurus, Ovis aries und Cavia cohaya. Ein Stratum gra-
Beiträge zur Kiimtiüs der makn)sk<)|). iiiul mikroskop. Anatomie usw. 119
nulosum besitzen Eckidna aculeata in der vorderen Hälfte des harten
Gaumens, Canis familiaris uiul Cavia cobaya, bei welch letzterem Tier
Eieidin vorkommt. Bei Ecliidna aculeata in der hinteren Hälfte des
harten Gaumens und bei Balacnoptcra sibhaldii ist das Epithel stark ver-
dickt, und hierdurch kommt es zu besondern Differenzierungen dieses
Ei)ithels wie zur Bildung einer Zwischenschicht und von Hornröhren
mit Marksäulen. Eine Art von Hornröhren läßt sich auch in eewisser
Hinsicht bei DelpJiiniis delphis und Cavia cohaya feststellen.
Mit der Epithelverdickung bei Eckidna aculeata, Delphinus delphis
und Cavia cobaya geht Hand in Hand eine spärliche Ausbildung des
elastischen Gewebes und eine Verlängerung der Primärpapillen, die
bei Eckidna 400 /<, bei Delpkinus 1000 «, bei Cavia 300 u lang sind.
Im allgemeinen kann gesagt werden, daß die meistens von der
Propria mucosae kommenden elastischen Fasern sich in der Peripherie
der Primärpapillen ausbreiten. Die Propria mucosae ist, soweit sie an
der Bildung der Gaumenleiste teil hat, schon besprochen worden. Bei
Eckidna aculeata, Halmaturus ruficoUis, Bakienoptera pkysalus liegen
in der Propria mucosae hauptsächlich transversale elastische Fasern
in kleinerer oder größerer Menge im Geflecht, während bei Ovis aries,
Putori US vulgaris, Phocavitulina, Sciurus vulgaris, Talpa europaea, Cro-
cidura aranea, Erinaceus europaeus und Vespertilio murinus es beson-
ders paramediane elastische Fasern sind. Bei Delphinus delphis, Sus
scrofa, Bos taurus, Canis familiaris, Canis vulpes, Mustela foina. Felis
dornest ica und Zalopkus californianus verlaufen in dieser Schicht die
elastischen Fasern nach allen Richtungen im Geflecht.
In der Submucosa, die ein mehr oder weniger entwickeltes Venen-
netz und Fettgewebe enthält, kommen Drüsen bei Eckidna^ aculeata
im Bereich der ersten sieben Gaumenleisten vor, bei Sus scrofa, Bos
taurus, Ovis aries, Canis familiaris, Canis vulpes und Felis domestica
in der Nähe der Canales naso-palatini, in der Zahnplatte oder in der
Region der Papilla palatina, bei Bos taurus, Ovis aries, Canis fami-
liaris und Felis domestica im pharyngealen Abschnitt des harten Gau-
mens. Die Submucosa birgt paramediane elastische Fasern in Bündel-
form in einem mehr oder weniger weitmaschigen Geflecht bei Eckidna
aculeata, Halmaturus ruficoUis, Balaenoptera pkysalus, Equus cahallus, Sus
scrofa, Ovis aries, Putorius vulgaris, Zalopkus californianus, Talpa euro-
paea, Crocidura aranea, Erinaceus europaeus und Vespertilio murinus.
Hauptsächlich paramediane elastische Fasern aber auch solche mit an-
derem Verlauf haben Canis familiaris, Canis vulpes, Mustela foina,
Felis domestica. Elastische Fasern nach allen Richtungen finden sich
120 Jakob Rehs,
bei Delphinus delphis, Bps taurus, Phoca vitulina und Sciurus vul-
garis.
Bei Echidna aculeata, Halmaturus ruficollis, Balaeno'ptera pJiysalus,
Zalophus californianus und Phoca vitulina kann festgestellt werden, daß
das Periost des harten Gaumens frei von elastischen Fasern ist.
Eine Beziehung zwischen dem elastischen Gewebe und den Canales
naso-palatini mit dem Stützknorpel besteht bei Echidna aculeata, Bos
taurus, Ovis aries, Canis familiaris, Canis vulpes, Mustela foina, Pu-
torius vulgaris, Felis domestica, Cavia cobaya, Sciurus vulgaris und
Vespertilio murinus, während eine solche kaum bei Crocidura aranea
und Erinaceus europaeus vorhanden ist. Bei Phoca vitulina ist, da bei
diesem Tier keine Canales naso-palatini und nur Reste eines Stütz-
knorpels dem knöchernen Gaumendach anliegend vorhanden sind,
naturgemäß keine Beziehung nachweisen.
Das elastische Gewebe tritt in Beziehung zu den Muskeln bei Cavia
cohaya, Sciurus vulgaris, zu den Drüsen bei Echidna aculeata, Sciurus
vulgaris, Crocidura aranea und Vespertilio murinus, zu dem vorderen
Teil des knöchernen Gaumendaches bei Crocidura aranea und Erina-
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69. Schulz, K., Das elastische Gewebe des Periosts und des Knochens. Inaug.-
Diss. Gießen 1894/95.
70. Schulze, F. E., Die Erhebungen auf der Lippen- und Wangenschleimhaut
der Säugetiere. I. Ruminantia. Sitzungsber. d. K. Preuß. Akad. d.
Wiss. Bd. XXVIII. 1912.
71. Secchi, E., Zur Topographie des elastischen Gewebes der normalen mensch-
lichen Haut. Arch. f. Dermatolog. u. SyiihiHs. Bd. XXXIV. 1896.
72. Seipp, L., Das elastische Gewebe des Herzens. Inaug.-Diss. Gießen 1895.
73. Severix, Untersuchungen über das Mundepithel bei Säugetieren mit Bezug
auf Verhornung, Regeneration und Art der Nervenendigung. Arch.
f. mikroskop. Anat. Bd. XXVI. 1885.
124 Jakob Rehs,
74. Seydel, O., Über Entvvicklungsvorgänge an der Nasenhöhle und amMund-
höhlendache von Echidna nebst Beitr. z. Morphologie des peripheren
Geruchsorgans und des Gaumens der Wirbeltiere. Zool. Forschungs-
reisen in Austr. u. dem Malay. Arch. v. R. Semon. Bd. III. 1889.
75. Smirnow, A. E., Über die Beziehung zwischen dem Muskel- und elastischen
Gewebe bei den Wirbeltieren. Anat. Anz. Bd. XV. 1898/99.
76. Spalteholz, W., Handatlas der Anatomie des Menschen. Bd. I u. III.
5. Aufl. 1909.
77. Stöiib, Ph., Lehrbuch der Histologie und der mikroskopischen Anatomie
des Menschen. XII. Aufl. 1906.
78. Stricker, Handbuch der Lehre von den Geweben des Menschen und der
Tiere. Bd. L 1871.
79. Teuffel, E., Entwicklung der elastischen Fasern in der Lunge des Fötus
und des Neugeborenen. Arch. f. Anat. u. physiolog. Anatomie, 1902.
80. ToLDT, Lehrbuch der Gewebelehre mit besonderer Berücksichtigung des
menschlichen Körpers. 1897.
81. Triepel, H., Über gelbes Bindegewebe. Anat. Anz. Bd. XV. 1898/99.
82. — Elastisches Gewebe und gelbes Bindegewebe. Anat. Anz. Bd. XV.
1898/99.
83. Trouessart, E. L., Catalogus Mammalium tam viventium quam fossilium.
Berolini (1898/99). Suppl. 1904.
84. TuLLBERG, T., Bau und Entwicklung der Barten bei Balaenoptera sibbaldii.
Acta societatis scientiarum Upsaliensis. III. Serie. Vol. XL 1881/83.
85. — Über das System der Nagetiere, eine phylogenetische Studie. Acta
societatis scientiarum Upsaliensis. III. Serie. Vol. XVIII. 1900.
86. Hayek, G. V., Handbuch der Zoologie. IV. Bd. 1893.
87. ScoNTAGH, V., Beiträge zur feineren Anatomie des menschlichen Gaumens.
Sitzungsber. d. Math.-naturw. Klasse d. K. K. Akad. d. Wiss. Wien.
Bd. XX. 1856.
88. Weidenreich, F., Über den Bau und die Verhornung der menschlichen
Oberhaut. Arch. f. mikroskop. Anat. Bd. LVI. 1900.
89. — Weitere Mitteilungen über den Bau der Hornhaut usw. Arch. f. mikrosk.
Anat. Bd. LVII. 1901.
90. Weigert, C., Über eine Methode zur Färbung elastischer Fasern. Centralbl.
f. allgem. Patholog. Bd. IX. 1898.
91. Wiedersheim, R., Vergleichende Anatomie der Wirbeltiere. VII. Aufl.
1909.
92. WoLTKE, W., Beitrag zur Kenntnis des elastischen Gewebes in der Gebär-
mutter und dem Eierstock. Beitr. z. patholog. Anat. u. allgem. Patholog.
Bd. XXVIL 1900.
93. Zenthöfer, Topographie des elastischen Gewebes innerhalb der Haut der
Erwachsenen. Dermatolog. Studien. XIV. Heft. 1892.
94. Zimmerl, U., Sulla distribuzione del tessuto elastico nella mucosa della
cavitä orale degli animali domestici. Parma 1905.
95. ZiTTEL,K.A., Handbuch der Palaeontologie. Bd. IV. 1891—1893.
Beitrage zur Kenntnis der niakroskoi). und niikroskop. Anatomie usw. 125
Erklärung der Abbildungen.
Zeichenerklärung:
a, Arterie; ad, Anheftungsstelle der dorsalen elastischen Decke; av, An-
hcftungsstellc der ventralen elastischen Decke; bi, bindegewebiger transversaler
Innenraum der Leiste; hl, paramediane Bindegewebsleiste ; hl-\- pr, paramedianc
Bindegewebsleiste mit teilweise abgerissenen Priniärpapillen; hlz, blasige Zellen;
rnp, einer der Canales naso-palatini; d, zwei lateral verschmolzene Epithelmäntel
aus verhornten Zellen; dd, dorsale elastische Decke; de, dorsales elastisches Band;
dl-, Drüsengewebe; ef, elastische Fasern; el, transversale Epithellciste; ep. Epithel;
ew, paramedianer Epithelwulst; ewr, eine von einem Epithelwulst {ew) gebildete
Bindegewebsrinne ; fg, Fettgewebe; k, knöchernes Gaumendach; kk, Knorpel-
kern; kl, Knorpelleiste; km, elastischer Knorpel in der Rhaphe palati; ks, elasti-
scher Knorpelstrang; kw, Knochenwulst derOssa ])alatina; le, paramediane elasti-
sche Fasern in Bündelform zu Lamellen in paramedianen Ebenen angeordnet;
m, Muskel; n, Nerv; opm, oberflächliche Schicht der Propria mucosae; pe, Periost;
pef, paramediane elastische Fasern; pm, Propria mucosae; p7no, Palatum moUe;
po, Pajiilla (ae) operaria (ae); pov, verschmolzene Papulae operariae; pp, Papilla
palatina; pr, Primärpapille ; prv, vergrößerte Primärpapille; prvs, Spitze einer
vergrößerten Primärpapille; rp, Rhaphe palati; rsm, Reichweite der Submucosa;
•s, Sekundärpapille ; sc, Stratum corneum ; sg, Stratum germinativum oder Mantel
aus Zellen des Stratum germinativum um eine große Bindegewebspapille ; sk,
Stützknorpel der Canales naso-palatini; skli, Stützknorpel hinter den Canales
naso-palatini; skv, Stützknorpel vor den Canales naso-palatini; sm, Submucosa;
sp, Übergang zwischen Submucosa und Propria mucosae; spl. Sehnenplatte; tef,
transversale elastische Fasern; v, Vene; vd, ventrale elastische Decke; ve, ventrales
elastisches Band; w, wallartige Querleiste; zr, Zellreihen, die infrapapillar von
Primärpapillen liegen; 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, erste, zweite, dritte, vierte, fünfte,
sechste, siebente, achte, neunte, zehnte Gaumenleiste; //, Epithelmantel aus
Zellen, die den Übergang zu den verhornten Zellen des äußersten Epithelmantels
der Papulae operariae bilden; ///, Epithelmantel aus vollkommen verhornten
Zellen (Taf. I, Fig. 2, /// = Epithelpapille); der Pfeil mit dem Zeichen o bzw. ph
kennzeichnet die orale bzw. pharyngeale Richtung.
Tafel I— IV.
Ovipara s. Monotremata.
Echidna aculeata Cuv.
Fig. 1. Paramedianschnitt durch die rechte Hälfte der zweiten Gaumen-
leiste mit Teilen des davor und dahinter liegenden Tales. Der Schnitt geht zwi-
schen zwei Bindegewebspapillenspitzen (Taf. I, Fig. 2 prvs) hindurch. Vergr. 60.
Fig. 2. Transversalschnitt durch die linke Hälfte der zweiten Gaumeu-
leiste im Bereiche der First. Vergr. 65.
Fig. 3. Transversalschnitt durch einige Papulae operariae der ersten Pa-
pillenquerreihe. Vergr. 55.
Fig. 4. Oberflächenansicht des Bindegewebes der Ganmensclilcimhaut aus
126 Jakob Rehs,
dem Gebiet der siebenten Papillenquerreihe nach Ablösung der Epithelschicht.
Vergr. 23.
Marsupialia.
Halmaturus ruficollis Desm.
Fig. o. Gesamtansicht des harten Gaumens. Vergr. I1/4.
Fig. 6. Gesamtansicht des harten Gaumens. Vergr. : natürl. Größe.
Fig. 7. Paramedianschnitt durch die erste Gaumenleiste mit Teilen des
davor und dahinter liegenden Tales. Vergr. 15.
Fig. 8. Transversalschnitt durch einen Teil der linken HäHtc der zweiten
Gaumenleiste, durch die First gehend. Vergr. 15.
Fig. 9. Horizontalschnitt durch einen Teil der rechten Hälfte der zweiten
Gaumenleiste im Bereich der Basis der Leiste. Vergr. 15.
Fig. 10. Transversalschnitt durch zwei kleine Papulae operariae des Tales
vor der ersten Gaumenleiste. Vergr. 80.
Fig. 11. Transversalschnitt durch eine große Papilla operaria des Tales
zwischen der ersten und zweiten Gaumenleiste. Vergr. 30.
Fig. 12. Horizontalschnitt durch den medial gelegenen Teil der rechten
Hälfte der dritten Gaumenleiste, durch die beiden davor liegenden verschmolzenen
großen Papulae operariae und durch den nach links anschließenden, längeren
Höcker. Vergr. 20.
Placentalia.
Edentata. Nomarthra.
Orycteropus capensis Gm.
Fig. 13. Gesamtansicht des harten Gaumens. Vergr. 1/0 der natürl. Größe.
Artiodactyla.
Lama huanachus Mol.
Fig. 14. Gesamtansicht des harten Gaumens. Vergr. 1/2 der natürl. Größe.
Bos taurus L.
Fig. 15. Horizontalschnitt durch die First einer Gaumenleiste im Bereiche
der Basis der Papulae operariae. Vergr. 18.
Buffelus huhalus L.
Fig. 16. Gesamtansicht des vorderen Teils des harten Gaumens. Vergr.
1/2 der natürlichen Größe.
Orthaegoceros falconeri Wag.
Fig. 17. Gesamtansicht des harten Gaumens. Vergr. 1/2 der natüil. Größe.
Carnivora.
Felis domestica Briss.
Fig. 18. Horizontalschnitt durch die First der dritten Gaumenleiste im
Bereich der Papulae operariae und durch die davor liegenden zu parallelen Quer-
reihen angeordneten Papulae operariae, Vergr. 18.
Felis Serval Schreb.
Fi». 19. Gesamtansicht des harten Gaumens. Natürl. Größe.
Beitrage zur Kenntnis der inakroskop. und inikroskop. Anatomie usw. 127
Cervaria rufa.
Fig. 20. Cesanitansielit des harten Oanmons. Natürl. Größe.
Pinnipcdia.
Zalophus californianus Lesson.
Fig. 21. Gesamtansicht des harten Gaumens. Vergr. * '5 der natürl. Größe.
Phoca vitulina L.
Fig. 22. Gesamtansicht des harten Gaumens. Vergr. 1/2 der natürl. Größe.
Rodentia.
Cavia cobaya Schreb.
Fig. 23. Paramedianschnitt durch die Rhaphe palati und die Papilla pala-
tina. Vergr. 15.
Fig. 24. Paramedianschnitt durch einen zwischen den beiden Backzahn-
reihen gelegenen Teil der Gaumenschleimhaut (das Bindegewebe ist durch Re-
sorcin-Fuchsin stark diffus gefärbt). Vergr. 40.
Sciurus vulgaris L.
Fig. 25. Paramedianschnitt durch die Rhaphe und j^alati Papilla palatina
und die erste Gaumenleiste. Vergr. 10.
Fig. 26. Paramedianschnitt durch die zweite und dritte Gaumenleiste.
Vergr. 20.
Fig. 27. Transversalschnitt durch den vorderen Teil der Papilla palatina.
Vergr. 40.
Fig. 28. Teil aus dem Transversalschnitt Fig. 23. Vergr, 250.
Fig. 29. Paramedianschnitt durch die fünfte Gaumenleiste, und Median-
schnitt durch eine in dem Tal zwischen der fünften und sechsten Gaumenleiste
liegenden Papilla operaria. Vergr. 60.
Insectivora.
Crocidura aranea Wagn.
Fig. 30. Paramedianschnitt durch die Region der Papilla palatina und
die zwei ersten Gauraenleisten mit den davor und dahinter liegenden Tälern.
Vergr. 60. Der Verlauf des Stensonschen Ganges ist auf der Platte abgedeckt.
Fig. 31. Paramedianschnitt durch die zwei letzten Gaumenleisten mit den
davor und dahinter liegenden Tälern, durch die letzte wallartige Querleiste und
durch den weichen Gaumen. Vergr. 60.
Beiträge zur Biologie der Weinbergschnecke
(Helix pomatia L).
Von
Walter Kühn.
(Aus dem Zoologischen Institut der Universität Marburg.)
Mit 9 Figuren im Text.
Inhalt.
Seite
I. Die längeren Ruheperioden 129
1. Allgemeine Vorbemerkungen 129
2. Die Winterruhe 130
a. Beginn der Winterruhe 130
b. Die Bedeutung des Ejiiphragmas 132
c. Unterbrechung und Verhinderung der Winterruhe 137
d. Stoffwechsel und Gewichtsabnahme 139
3. Die Hunger- und Trockenstarre 144
a. Allgcnieine Vorbedingungen 141
b. Die Gewichtsabnahme während einer Hunger- und Trockenperiode 144
c. Die Gewichtsabnahme bei Nahrungsmangel und Wasserzufuhr . 155
d. Die Gewichtsabnahme in trockener Atmosphäre 158
4. Das Wiederaufleben 161
a. Die Ursache des Auskriechens 161
b. Die ersten Lebensäußerungen nach der Winterruhe und die Ge-
wichtzunahme 165
II. Die Wasseraufnahme 169
Ergebnisse 179
Verzeichnis der benutzten Literatur 181
Die folgenden Ausführungen sind Absclinitte einer zusammen-
fassenden Darstellung der Biologie von Helix pomatia, die ihrerseits
als Teil einer größeren Monographie dieser Spezies gedacht ist. Gerade
die hier behandelten Gebiete waren seither noch nicht genügend er-
forscht, sodaß sich Gelegenheit zu einer Reihe neuer Untersuchungen
bot. Wenn diese Untersuchunaen auch den orößten Teil des Raumes
Beiträge x.ur Biologie der Weinbergsehneekc (Helix pomatia L.). 129
in AiLsprucli nehiiien, so wurde anderseits durch ausführliche Berück-
sichtigung der vorhegenden Literatur Vollständigkeit in der Darstellung
erstrebt.
Herrn Geheimrat Professor Korschelt, ebenso Herrn Privat-
dozent Dr. Harms spreche ich für die zahlreichen Anregungen und
Ratschläge, die sie mir im Laufe meiner Untersuchungen zu Teil werden
ließen, meinen aufrichtigen Dank aus.
I. Die längeren Ruheperioden.
1. Allgemeine Vorbemerkungen.
Die Weinbergschnecke besitzt die Fähigkeit, ihren Stoffwechsel für
lange Zeiträume auf ein außerordentlich geringes Maß herabzusetzen.
Derartige Ruhezustände kommen zu allen Jahreszeiten vor. Sie er-
möghchen das Überdauern ungünstiger äußerer Lebensbedingungen,
wie sie einerseits in der Winterkälte, anderseits in Trockenperioden
während der übrigen Jahreszeiten gegeben sind.
Das Verhalten der Weinbergschnecken in beiden Fällen zeigt w^eit-
gehende Ähnlichkeit. Zunächst suchen sie einen mögUchst geschützten
Ort auf; dann ziehen sie sich in die Schale zurück und verschließen
deren Öffnung mit einer oder mehreren häutigen Membranen, die aus
getrocknetem Schleim bestehen. Bei Eintritt in die Winterruhe kommt
hierzu noch der mehr oder weniger dichte Kalkdeckel.
In diesem Zustande verharren sie bis zum Eintreten günstiger
Lebensbedingungen. Herztätigkeit und Atmung werden schwächer
und scheinen unter Umständen ganz auszusetzen. Der Stoffwechsel
kann äußerst geringe Werte annehmen, wie man schon aus den Zeit-
räumen schließen muß, die Helix pomatia nach Angaben verschiedener
Autoren ohne Nahrung überdauern kann. Schon im Jahre 1820 be-
richtet Johann Carl Leuchs (36) über diesbezüghche Beobachtungen.
Er schreibt S. 35 : »Die Schnecken sind sehr gefräßig, können aber
auch sehr lange Zeit ohne Nahrung zubringen. Ich habe die behausten
wohl 19 Monate ohne Nahrung erhalten und gefunden, daß sie wäeder
auflebten.« E. Yung (53) gelang es sogar, ein Exemplar von Helix
pomatia vom Oktober 1884 bis zum 30. Juni 1886. also 21 Monate,
ohne Nahrung zu halten und dann durch Untertauchen zu neuem
Leben zu erw-ecken. M. Krahelska (27) berichtet von zw'ei Exemplaren,
die etwa 15 Monate hungerten. Andre Beobachtungen, zum Teil bei
andern Landschnecken angestellt, lieferten ähnliche Ergebnisse. Zu
erwähnen sind hier die Mitteilungen von Fack und Möbius (15),
Zeitschrift f. wiäsensch. Zoologie. CIX. Bd. 9
130 Walter Kühn,
W. Hartwig (23), W. Kochs (26), Treitel (52) und 0. Goldfuss (21).
Bemerkenswert ist die Beobachtung von Goldfuss, daß bei einer
künstlichen Verlängerung der Winterruhe größere Zeiträume ohne
Nahrung überdauert werden können als bei einer Unterbrechung der
vollen Lebenstätigkeit zu andern Jahreszeiten. Am längsten ver-
mögen die Arten ohne Nahrung zu existieren, die in besonders trockenen
Gegenden heimisch sind. So berichtet R. Taylor (51) von einem
Exemplar von Helix maculosa Ferussac, das aus den Sand wüsten
Ägyptens stammte und das nach einer Hunger- und Trockenperiode
von 4 Jahren wieder auflebte. Ähnlich lautet eine Mitteilung von
V. Martens (38) über Helix caesareana Mouss., die in Syrien heimisch
ist. Nach andern weniger genauen Angaben von v. Marxens und
0. Goldfuss sind sogar Fälle beobachtet worden, wo Hungerperioden
von 15 bzw. 8 Jahren überlebt wurden.
Obgleich die Weinbergschnecken in den Gegenden, wo sie heimisch
sind, nie so ausgedehnte ungünstige Perioden zu bestehen haben, wie
sie etwa von Yung künstlich geschaffen wurden, fallen sie doch den
Witterungseinflüssen unter Umständen in außerordentlich großer Zahl
zum Opfer. Sowohl große Sommerhitze und Trockenheit, als auch
starker und insbesondere plötzlich eintretender Frost können bedeu-
tende Verheerungen anrichten. Der Grund für das Absterben der
einzelnen Individuen besteht meist darin, daß sie sich entweder an
einem besonders ungünstigen Ort befinden, wo sie den Witterungs-
einflüssen direkt ausgesetzt sind, oder daß ihre Schutzmembranen
durch irgendwelche Zufälle beschädigt worden sind.
Wenn auch das Verhalten der Weinbergschnecke während der
Winterruhe, wie bereits erwähnt, große Ähnlichkeit mit dem während
einer Trocken- und Hunger periode besitzt, so sind die Unterschiede doch
erheblich genug, um eine getrennte Behandlung zu fordern. Es handelt
sich nicht nur um verschiedene Grade des Ruhezustandes, sondern auch
um Wesensunterschiede. In dieser Hinsicht ist von besonderer Be-
deutung, daß das Eintreten in die Winterruhe als Folge eines festen,
bis zu einem gewissen Grade von äußeren Einflüssen unabhängigen Instink-
tes aufgefaßt werden muß, während Beginn und Dauer jeder Trocken-
starre ausschließlich durch äußere Einwirkungen bestimmt werden.
2. Die Winterruhe.
a. Der Beginn der Winterruhe.
Über den Eintritt in die Winterruhe finden sich Mitteilungen
bei H. C. L. Barkow (4), S. Clessin (11) und J. G. Allmann (2).
Beiträge zur Biologie der Weinbergschnecke (Helix ponialia L). 131
Keiner von ihnen eneielit jedoch in bezug auf Ausi'ührhchkeit und
AiischauUchkeit die viel früher gegebene Darstellung von B. Gaspard
(19, S. 244), die im Folgenden wörtlich wiedergegeben ist:
>>In unsern gemäßigten Gegenden werden die Schnecken mit
dem Anfange des Oktobers, um die Zeit der ersten Herbstfröste und
Reife, auf den Bergen etwas früher, in der Ebene etwas später träge,
kriechen nicht mehr wie gewöhnlich, verlieren die Eßlust und ver-
>ammeln sich in ziemlich zahlreichen Haufen an Hügeln, Gräben,
kleinen Erhabenheiten in Gesträuchen, Hecken usw. Hier fasten sie
1—2 Tage lang, exzernieren den letzten Kot und verbergen sich dann
unter das Moos, Gras oder trockene Blätter. Hierauf gräbt sich jedes
Tier mit dem vorderen Teil seines Muskelfußes ein Loch, das weni»-
stens seine Schale aufnehmen kann, vergrößert und rundet es ab, indem
es sich mit dieser auf die Seite dreht und windet sich dann sacht zurück,
indem es anfangs längs der Seitenwand der Grube, dann gegen ihre
obere, aus Moos und Blättern oder etwas Rasen gebildete Wand kriecht.
Wenn es sich mit der Öffnung seiner Schale nach oben gewendet hat,
bleibt es liegen, zieht dann bald seinen Fuß nach innen, breitet sein
Halsband (Mantelsaum), das jetzt sehr weiß ist, völlig darüber aus
und läßt die Lungenöffnung eine Zeitlang halb offen, um Luft aufzu-
nehmen. Dann schließt es diese und bildet mit seinem klebrigen Saft
eine seidenartige Haut zwischen dem Halsbande und den über dem
Tiere befindlichen schädlichen, fremden Körpern. Sogleich nachher
-ondert das Halsband überall eine einförmige, kalkartige, eine halbe
Linie dicke Schicht ab. Ist der Deckel auf diese Art erhärtet, so wird
das Halsband durch ein Gespinnst von ihm abgesondert, das fester
als das erste ist. Nach einigen Stunden atmet das Tier die vorher in
]\Ienge eingenommene Luft aus, zieht sich dadurch mehr in die Tiefe
zurück, bildet eine zweite bloß häutige Schicht, atmet noch einmal aus,
zieht sich weiter zurück und bildet so oft bis sechs Scheidewände mit
dazwischen befindlichen Lufträumen.
»Diese Tatsachen habe ich im Oktober 1818 sehr genau und an
vielen Schnecken beobachtet. <<
Der Bau der Winterhöhle ninmit 2 — 3 Tage in Anspruch. Wenn
Gaspakd als Zeitpunkt für den Beginn der Winterruhe Anfang Oktober
angibt, so ist das auch für Gegenden mit gemäßigtem Klima nicht
unbedingt richtig. Der Eintritt in die Winterruhe, wie auch das
Aufleben im Frühjahr ist vielmehr abhängig von den gerade herr-
schenden Witterungsverhältnissen. An dem gleichen Ort können zeit-
liche Schwankungen von 4 und mehr Wochen vorkommen. Dazu
9*
132 M'iiltcv Kühn,
kommt, daß sich die Weinbergschnecken einer Gegend durchaus nicht
alle gleichzeitig einkapseln. Jüngere Exemplare behalten ihre Beweg-
lichkeit länger als ältere. Die letzteren sind weniger widerstandsfähig
gegen plötzliche Kälte. Die ersten Herbstfröste töten in der Regel
viele Exemplare, alle die, welche sich nicht rechtzeitig eingekapselt
haben.
Vergleicht man Beginn und Ende der "VVinterruhe an Orten mit
verschiedenem Klima, so zeigen sich erhebliche Unterschiede. E. Yung
(53) hat hierüber einige Beobachtungen veröffentlicht. Er stellte in 4
bzw. 5 Jahren die Zeitpunkte der Einkapselung und des Wiederauf-
lebens fest, einerseits für Genf (Meereshöhe 375 m), anderseits für das
nahe dem Genfer See in einer Höhe von 580 m gelegene Dörfchen Sonzier.
Die Ergebnisse sind aus folgender Tabelle ersichtlich.
1. Verschwinden im Herbst.
Genf Sonzier
1882 3. XI 7. X.
1883 18. XI. 5. X.
1884 30. X. 24. IX.
1885 9. XI. 1. X.
2. Aufwachen im Frühjahr.
Genf Sonzier
1882 29. III. 11. IV.
1883 4. IV. 16. IV.
1884 9. III. 7. IV.
1885 16. III. 2. IV.
1886 25. IV. 6. V.
Die Unterschiede sind sehr groß. In dem 205 m höher gelegenen
Sonzier begann die Winterruhe durchschnittlich mehr als einen Monat
früher und hörte etwa V2 Monat später auf als in Genf. In einem
Fall hatte sie eine mittlere Dauer von etwa 6V2 Monaten, im andern
Fall von 5 Monaten. Der Einfluß des KUmas ist also von wesentlicher
Bedeutung.
1). Die Bedeutung des Epiphragmas.
Seiner chemischen Natur nach besteht das Epiphragma aus Kal-
ziumkarbonat und Kalziumphosphat. In der Regel werden diese
Stoffe in erheblicher Menge nur in der äußersten Membran, dem eigent-
hchen Epiphragma abgeschieden, während die weiter nach innen ge-
legenen Schutzmembranen meist nur Spuren davon enthalten. Die
Beiträge zur Biologie «lir Weinbergschnecke (Helix poiiuitia L.). 133
Dicke dei' Kalk.scliicht ist abhün,uig von dem Kalkvoirat, über den die
Tiere bei Eintritt in die Winterruhe verfügen. Nicht selten findet man
Exemplare, die sehr dünne und wenig haltbare Deckel gebildet haben.
Die gute Ausbildung des Epiphragmas steht in engster Beziehung
zu der mehr oder weniger großen Vollkommenheit, mit der es seinen
Zweck erfüllt. Dieser Zweck besteht in der Vereinigung eines guten
Schutzes gegen Kälte und "Wasserverdunstung mit der Möglichkeit
eines Luftaustausches durch den Kalkdeckel hindurch.
1. Schutz gegen Kälte.
Gaspard hat bereits Versuche angestellt, die die Unentbehrlich-
keit des Winterdeckels veranschaulichen. Er setzte eine Schnecke, bei
der er die Bildung des Winterdeckels verhindert hatte, einige Tage
einer Temperatur von — 1° bis — 2° aus. Sie zog sich nur unvoll-
kommen in die Schale zurück und starb schließlich. Von mehreren
hundert großen Schnecken, die eine Kälte von einigen Graden unter
») ausgestanden hatten, fand er alle die tot, deren Deckel beschädigt
war, die übrigen lebten. Die Bestätigung dieser Beobachtungen kann
man sich leicht verschaffen, wenn man nach einem früh und plötzlich
eingetretenen Herbstfrost nach Schnecken sucht. Man findet stets
eine Anzahl von Exemplaren, die infolge ungenügenden Schutzes zu-
•iTunde gegangen sind.
Unrichtig ist dagegen die weitere Angabe Gaspards, daß die
Kälte auch von gut verschlossenen Exemplaren nur bis zu einer unteren
Grenze von etwa — 8° ertragen werden könne. Eine ähnliche Ansicht
äußert A. Moquix-Tandox (41), ebenso S. Clessin (11). Im Gegen-
-atz hierzu stehen die Ergebnisse einer Reihe von Versuchen von E.
YuNG (53). Er benutzte sowohl fest eingekapselte Exemplare, als
auch solche, deren W^interruhe durch Entfernung des Deckels und
Untertauchen unter Wasser unterbrochen worden war. Je drei Exem-
plare wurden zusammen mit zwei Individuen von Arion empiricorum
4 Stunden lang einer Kälte von — 100° ausgesetzt. Dann erfolgte
langsames Erwärmen. Erst nach 3 Stunden war die Temperatur der
Umgebung wieder erreicht. Zunächst reagierte keines der Tiere auf
mechanische oder elektrische Reize. Sie \\airden nun alle in Wasser
-ebracht, die eingekapselten nach Entfernung des Epiphragmas. Nur
die letzteren zeigten 3 Stunden nach dem Eintauchen Bewegung,
Eines von den drei Exemplaren starb nachträglich, die beiden andern
kehrten wieder ins Leben zurück und reagierten am folgenden Tage
auf einen schwachen Induktionsstrom mit sofortigem Zurückziehen
134 Walter Kühn,
in die Schale. Nach einem weiteren Tag erfolgte Nahrungsaufnahme.
Die Tiere schienen vollkommen gesund zu sein.
Nach diesem günstigen Ergebnis ließ Yung eine noch größere
Kälte einwirken. Außerdem setzte er die Tiere längere Zeit dieser
Kälte aus. Zunächst setzte er drei Exemplare 20 Stunden, dann
88 Stunden einer Temperatur von — 70 bis — 76 °C aus; schließlich
ließ er sie noch 20 Stunden lang in einer Temperatur von — 130°. Dar-
auf folgte wieder langsames Erwärmen. Selbst in diesem Falle über-
lebte ein Exemplar, Ähnliches gibt R. Pictet nach seinen Versuchen
für Temperaturen von — 120° an (La vie et les basses temperatures.
Rev. scient. T. 52, 1893).
Die Widerstandsfähigkeit gegen Kälte ist also ganz außerordentlich
groß; doch hängt sie vollkommen von dem Vorhandensein eines festen un-
versehrten Epiphragmas ab. Nach dem Gesagten ist es nicht verwunder-
lich, daß auch Einfrieren in Eis gut verschlossene Exemplare nicht tötet.
Die Herabsetzung der Wasserabgabe durch den Kalkdeckel wird
an andrer Stelle behandelt.
2. Luftaustausch durch den Kalkdeckel.
Der gute Schutz, den das Epiphragma gegen Kälte bietet, legt
die Vermutung nahe, daß der Verschluß der Schalenöffnung, den es
bewirkt, ein vollkommen dichter sei. Tatsächlich wurde diese Anschau-
ung vertreten, unter andern von Gaspard und Barkow. Ersterer
stützt sich auf die Beobachtung, daß eingekapselte Exemplare, die
er unter kaltem Wasser, Quecksilber, öl und Fett hielt, nicht erstickten,
vielmehr im Frühjahr gesund hervorkrochen. Aus diesen Beobachtun-
gen folgt jedoch nur, daß die Luftzufuhr während des Winters ohne
erheblichen Nachteil längere Zeit entbehrt werden kann. Daß tat-
sächlich ein Luftaustausch stattfindet, hätte Gaspard aus dem Er-
gebnis eines andern Versuches schließen können. In der Absicht, das
Auskriechen einiger Schnecken im Frühjahr hinauszuschieben, brachte
er sie in Flaschen, die mit trockenem Sand gefüllt waren und versiegelte
dann die Öffnung. Zu seinem Erstaunen beobachtete er jedoch, »daß
diese Vorrichtung selbst mitten im Winter das Auskriechen sehr be-
schleunigte, vorzüglich wenn das versiegelte Gefäß klein ist<< (S. 260).
Der Grund für das vorzeitige Auskriechen ist jedenfalls der, daß
der normale Luftaustausch wegen des kleinen Raumes, in dem die
Tiere eingeschlossen waren, nicht stattfinden konnte und diese nun,
um den unnatürlichen Zustand ein Ende zu machen, den Deckel ab-
stießen. Diese Erklärung wird gestützt durch einige Beobachtungen
Beiträge zur Biologie di-r Weinbergschnecke (Helix pomatia L.). 135
von E. EiiRARD (11). Er hatte, wie schon vor ihm Barkow, fest-
gestellt, daß die gelbliehe Membran, die dem Kalkdeckel auf der Innen-
seite fest anlicjit, an einer Stelle, und zwar gerade der Respirations-
öffnung gegenüber, eine Kalkeinlagerung besitzt. Auch bei den weiter
innen abiresonderten häutigen Membranen sind derartige Kalkeinlage-
rungen zu beobachten. Ebrard ging von der Vermutung aus, daß
an dieser Stelle in erster Linie ein Luftaustausch stattfände. Während
einer warmen Periode, wo die Atmung erhöht w^ar, ölte er die poröse
Stelle ein und fand tatsächlich, daß der Deckel abgestoßen wurde.
Damit ist das Bestehen eines Gasaustausches, das man auch schon
aus der Gewichtsabnahme während der Winterruhe schließen muß,
einwandfrei bewiesen.
Ich habe im Winter 1912/13 Versuche angestellt, die die Ergebnisse
von Ebrards Versuchen nicht nur bestätigen, sondern einen noch ge-
naueren Aufschluß geben über die Beziehungen, die zwischen der ein-
gekapselten Schnecke und der Außenwelt bestehen.
Am 11. Dezember bestrich ich das Epiphragma von zwei Wein-
bergschnecken mit Paraffin. Die Tiere wurden dann mit andern ein-
gedeckelten Exemplaren in einem geheizten Zimmer aufbewahrt.
AVährend von sechs andern Exemplaren im Laufe vieler Wochen nur
eins seinen Deckel abstieß, fand ich bereits am 19. Dezember eins der
beiden Versuchsexemplare ohne Epiphragma. Das zweite Exemplar
hatte seinen Deckel bis zum 7. Januar abgestoßen. Im Januar und
Februar wiederholte ich den Versuch mit einer größeren Anzahl von
Individuen. Am 15. Januar wurden die Deckel von fünf Exemplaren
mit Paraffin bestrichen, die von fünf weiteren Exemplaren mit Vaseline.
Von den letzteren hatten bereits am 17. Januar, also 2 Tage später,
alle ihren Deckel entw^eder abgestoßen oder doch an einer Seite gelüftet.
Etwas anders verhielten sich die mit Paraffin behandelten Individuen.
Zwei von ihnen hatten nach 3 Tagen ihren Deckel abgestoßen, ein
drittes nach weiteren 6 Tagen und die beiden übrigen nach im ganzen
16 bzw. 18 Tagen. Eine nochmalige Wiederholung des Versuches,
die Anfang Februar vorgenommen wurde, führte zu einem ähnlichen
Ergebnis. Die vier mit Vaseline bestrichenen Exemplare hatten nach
11 Tagen, drei bereits nach 7 Tagen, ihr Epiphragma gelüftet oder ab-
gestoßen. Bei den andern mit Paraffin verschlossenen Exemplaren
erfolgte wie bei dem vorigen Versuch die Reaktion etwas langsamer,
doch waren auch hier nach 31/2 Wochen sämtliche Deckel abgestoßen.
Von 21 Exemplaren, deren Epiphragma im Laufe des Winters
nnt einer undurchlässigen Masse bestrichen worden war, hatten also
136 Walter Kühn,
alle in oleicher Weise durch Abstoßen oder Lüften des Winterdeckels
reagiert. Da von sechs andern Exemplaren, die im übrigen genau den
gleichen Bedingungen ausgesetzt waren, nur eins im Laufe dieser Zeit
seinen Deckel abstieß, folgt aus dem Versuch, daß zu jeder Zeit während
der Winterruhe, im Dezember, Januar und Februar ein Gasaustausch
durch das Epiphragma hindurch besteht. Die lange Zeit, die "oft bis
zum Abstoßen des Deckels verstrich, führt anderseits zu der Ver-
mutung, daß der Gasaustausch entweder nicht sehr lebhaft ist, oder
aber auch auf anderem Weg erfolgt. Aus den verschieden großen
Zeiträumen, die sich zwischen 2 Tagen einerseits und nahezu 4 Wochen
anderseits bewegen, muß man ferner auf große individuelle Schwan-
kungen schließen. Daß tatsächlich die Unmöglichkeit einer genügen-
den Luftzirkulation Ursache für das Verhalten der Schnecken war,
geht auch aus der Beobachtung hervor, daß ein großer Teil der Indivi-
duen lediglich den Deckel lüftete und dann nach Bildung häutiger
Membranen gleich die Winterruhe fortsetzte.
Wenn somit bewiesen ist, daß ein Luftaustausch durch das Epi-
phragma stattfindet, so ist die weitere, schon angedeutete Frage von
Interesse, ob diese Funktion dem Epiphragma allein zukommt, oder
ob vielleicht auch die Schale einen Gasaustausch durch sie hindurch
gestattet.
Um hierüber Klarheit zu erhalten, habe ich am 2L Januar bei
sechs Weinbergschnecken die gesamte Schale mit Vaseline bestrichen,
das Epiphragma jedoch frei gelassen. Am 26. Januar hatte das erste
Exemplar seinen Deckel abgestoßen, am 2. Februar drei weitere. Am
3. März besaß nur noch ein Exemplar sein Epiphragma. Am 6, Februar
wTirden weitere sechs Exemplare in gleicher Weise behandelt. Bis
zum 1. April hatten von den zwölf Versuchstieren, die im ganzen ver-
wandt worden waren, zehn ihren Winterdeckel abgestoßen, eins hatte
ihn nur gelüftet und ein Exemplar war unverändert. Daß das Ab-
stoßen nicht auf natürliche Beendigung der Winterruhe zurückzuführen
ist, folgt aus dem Verhalten von sechs Koritrollexemplaren, von denen
am 1. April erst zwei ihr Epiphragma verloren hatten.
Es steht also fest, daß während der Winterruhe ein Gasaustausch,
sowohl durch das Epiphragma als auch durch die Schale erfolgt. Auch
hier lassen die Versuchsergebnisse auf große individuelle Verschieden-
heiten schließen.
Neben dem Kälteschutz und der Vermittlung eines Gasaustausches
kommt dem Epiphragma noch eine dritte sehr wesenthche Bedeutung
zu, der Schutz gegen eine große Zahl von Feinden.
Beiträge zur Biologie der Weinbergsclnieeke (Helix pomatia L.). 137
c. Uuterbrecliuiig und Verhinderung der Winterruhe.
Über die Ursache, die das Eintreten in die Winterruhe bewirkt,
^ind von einer Reihe von Forschern Untersuchungen angestellt worden;
insbesondere hat man sich mit der Frage beschäftigt, ob es sich nur
um eine Reaktion auf veränderte äußere Bedingungen handelt, oder
um die Wirkung eines angeborenen Instinktes, der bis zu einem ge-
wissen Grade unabhängig von äußeren Reizen tätig ist. S. Clessin (11)
l)richt sich für die erste Möglichkeit aus. Er schreibt: »Der Zeitpunkt
des Verkriechens beginnt mit dem Eintritt kalter Nächte, und es ist
durchaus kein eigner, den Tieren innewohnender Instinkt, welcher sie
antreibt, sich zurückzuziehen, sondern ganz allein die kalte Wirklich-
keit, die sie eindringlich zum Aufsuchen schützender Orte mahnt. <<
Richtig ist an dieser Auffassung, daß der Beginn der AVinterruhe
in der Regel mit dem Eintreten der Herbstkälte zusammenfällt und
bis zu einem gewissen Grade durch sie bestimmt ist. Wird die Ein-
wirkung der Kälte unmöglich gemacht, eo erfolgt der Übergang in den
Ruhezustand in der Regel erst später, er unterbleibt jedoch nur selten.
Das hat bereits Gaspard richtig beobachtet. Er brachte Ende Sep-
tember zwei Weinbergschnecken, die sich in einem mit Erde ange-
füllten Kasten befanden, in einen Keller von ungefähr 13° R. Trotzdem
bildeten sie ein Epiphragma, die eine am 15. Oktober, die andre 2 Tage
später. Ein andres Exemplar setzte Gaspard von Mitte September
an einer Temperatur von 15° aus. Es erhielt täglich etwas Kohl.
Trotzdem kapselte es sich am 6. Oktober ein. Am folgenden Tag ent-
fernte Gaspard den Deckel und brachte das Tier auf einen Kamin,
wo die Temperatur 20° betrug. Es kroch hervor und fraß, kapselte
sich aber dann wieder ein. Einige andre Exemplare, die in ähnlicher
Weise behandelt wurden, verbrachten den Winter ohne zu erstarren.
Aus diesen Versuchen, wie aus der Beobachtung, daß drei Exemplare,
die am Einkapseln verhindert wurden, stark abmagerten, schließt
Gaspard, daß die Kälte nicht die einzige Ursache der Winterruhe ist,
daß letztere vielmehr notwendig zum Lebensprozeß gehört. Immerhin
erkennt auch Gaspard die Kälte als wesentlichste Ursache des Eintritts
in die Winterruhe an. Vor einer Reihe von Jahren hat K. Kunkel
(30, 32) neue Beobachtungen angestellt. Er kommt zu dem Ergebnis,
daß Wärme, Feuchtigkeit und Futter die Weinbergschnecken bis Ende
November wachhalten können. Dann erfolgt jedoch die Bildung des
Epiphragmas.
Man muß wohl annehmen, daß die äußere Veranlassung für den
138
Walter Kühn,
Eintritt in die Winterruhe zwar in der Regel die beginnende Kälte ist,
daß die eigentliche Ursache jedoch tiefer liegt und in einem angeborenen
Instinkt zu suchen ist, der auch dann meist zur Geltung kommt, wenn
keine äußeren Beeinflussungen hinzutreten.
Für diese Anschauung spricht auch eine Beobachtung, die ich im
Herbst 1912 angestellt habe. Sieben "Weinbergschnecken, die 41/2
bzw. 5V2 Monate gehungert hatten, erhielten am 30. Oktober Nahrung
und Wasser. Zur Fütterung wurden abwechselnd verschiedene Ge-
müse, auch Feldsalat, Karotten usw. verwandt. Nachdem sie 6 Stun-
den in frischem Gemüse zugebracht hatten, war noch kein einziges
Exemplar ausgeschlüpft. Auch am folgenden Tag waren noch nicht
alle ausgekrochen. Sie w^urden nun mit etwas Wasser besprengt und
kamen infolgedessen bald aus der Schale. Die Gewichte, die an den
folgenden Tagen festgestellt wurden, sind in Tabelle 1 angegeben.
Tabelle 1.
Exemplar
,Nr.
^
bC -►^
® s
:§ «
30.
31.
1.
2.
OQ <U
X.
00 Q,
X.
XI.
XI.
5^
Q S
5.
XI.
XI.
1
2
3
4
5
6
7
Durchschnitt
ders. in %
d. ursp. Gew.
21,7
19,7
27,7
26,5
28,3
19,8
19,0
23,2
100
14,00
11,90
13,90
15,68
13,17
13,47
12,41
13,50
58,2
64,5
60,4
50,2
59,2
46,2
68,0
65,3
58,2
15,47
15,56
15,73
16,22
11,83
11,99
12,04
—
14,22
14,29
14,63
14,60
19,34
19,28
19,55
18,23
15,39
16,70
17,30
16,72
17,24
17,85
16,78
17,03
12,34
17,10
17,13
16,23
15,12
16,11
16,17
—
65,2
69,4
69,7
"
16,34
15,15
18,08
17,02
17,47
+
Bei einem Vergleich mit dem Verhalten von solchen Exemplaren,
die im Frühjahr oder Sommer nach einer Ruheperiode auflebten, fällt
zunächst die außerordentliche Langsamkeit und Trägheit auf, mit der
die Tiere die Nahrung angriffen. Weiter ist ein ganz auffallender Unter-
schied in bezug auf die Gewichte zu beobachten. Während fünf Exem-
plare, die im Juli nach einer Hungerstarre Nahrung erhielten, ihr
Gewicht in einem (dem ersten) Tag durchschnitthch um 20,7% steigerten,
zeigten die vorher erwähnten Versuchsexemplare eine Zunahme von nur
7%. In den nächsten 2 Tagen folgte dann eine weitere Zunahme um
4,50/0.
Beiträgt' y.wv Biologie der WriiilKTgschiu-tke (Helix poiiiatia L). 139
Schon «ehr bald schieden die Tiere Membranen ab. Wurden diese
zerstört, so erfolgte bald Abscheidung eines neuen Häutchens. Zum
Teil hatten die Membranen Kalkeinlagerungen. Ein richtiges Epi-
phragma konnte nicht gebildet werden, da die Schnecken im Sommer
keine Gelegenheit zur Kalkaufnahme gehabt hatten. Jedenfalls zeigten
alle Exemplare in der Folgezeit das Bestreben, ihre Winterruhe zu
beginnen, obgleich sie sich in einem warmen und feuchten Raum be-
fanden. Die häufige Störung, die durch Abnahme der Membranen
verursacht wurde, bewirkte, daß der größere Teil der Exemplare bis
Ende Dezember zugrunde gegangen war. Aus dem Versuch folgt
einerseits die Richtigkeit der Behauptung, daß die Winterruhe auch
dann stattfindet, wenn den Schnecken Feuchtigkeit, Wärme und Nah-
rung geboten wird, anderseits, daß auch eine längere Ruhezeit im
Sommer das Bedürfnis nach der Winterruhe nicht beseitigt.
Mit diesen Ergebnissen stimmen die Beobachtungen sehr gut
überein, die bei künstlicher Unterbrechung der Winterruhe gemacht
worden sind. In Betracht kommen hier Versuche von Leuchs (36),
C. Pfeiffer (45). Berger (4, zit.), Yung (53), 0. Buchner (9) und
KüxKEL (32). Es sind ganz verschiedene Mittel zur Wiederbelebung
angewandt worden. Am sichersten und schnellsten kommt man zum
Ziel, wenn man den Winterdeckel zunächst entfernt und die Tiere
dann unter nicht zu kaltes Wasser taucht. Wärme allein führt nie
zum Ziel.
Die ausgekrochenen Tiere bewegen sich, wie übereinstimmend be-
obachtet wurde, träge umher, nehmen wenig oder gar keine Nahrung
auf und kapseln sich über kurz oder lang wieder ein. Die neuen Mem-
branen sind natürlich sehr arm an Kalkeinlagerung. Auch Besprengen
mit W^asser führt in der Regel kein intensives Leben herbei. Yung
weist besonders auf die große Sterblichkeit der künstlich belebten
Schnecken hin. Von 100 Individuen, die er im Januar durch Unter-
tauchen weckte, lebten im April nur noch 63.
d. Stoflfnechsel nnd Ge^vichtsabnahmc.
Während der Winterruhe finden im Innern der Weinbergschnecken
wichtige Veränderungen statt. Es erfolgt eine wesentliche Vermin-
derung des AVassergehaltes in den Muskeln und in der Leber. Besonders
am Anfang des W^interschlafes wird der Gehalt der Leber an Fett und
Glykogen geringer. Dagegen findet in der Leber, wie auch in den
Muskeln und in der Eiweißdrüse eine Ansannnlung von Lecithin statt.
Glukose sammelt sich im Fußmuskel, ferner in Leber und Eiweißdrüse.
140
Walter Kühn,
Auch im Blut, das während des aktiven Lebens vollkommen frei von
Zucker ist, tritt solcher auf. In allen Geweben ist eine Ansammlung
von Kohlensäure und eine Verminderung des Sauerstoffgehaltes zu
beobachten. Die Abgabe von Kohlensäure und Wasserdampf nimmt im
ersten Teil des Winters stark ab. Der Wert des respiratorischen Quotien-
ten sinkt dauernd vom Beginn des Winterschlafes bis zu seinem Ende.
Nach Beendigung des Ruhezustandes werden alle inzwischen
eingetretenen Veränderungen wieder ausgeglichen. Den Geweben
wird Wasser zugeführt, der Kohlensäuregehalt schwindet allmählich,
und bald sind die normalen Verhältnisse wieder hergestellt.
Die Untersuchungen über diesen Gegenstand stammen von M.
Bellion (5). In den wesentlichen Punkten stimmen die Beobachtungen
ganz mit denen überein, die beim AVinterschlaf andrer Tiere gemacht
worden sind.
Im folgenden ist die Gewichtsabnahme näher zu betrachten,
welche durch den eben erwähnten Stoffwechsel verursacht wird. Neben
einigen kurzen Mitteilungen von Lambotte (33) konnnen hier die
Wägungen von M. Krahelska (27) in Betracht. Sie bestimmte den
Gewichtsverlust für Helix pomatia, H. arbustorum, H. fruticum und
für die im Mittelmeergebiet heimische Leucochroa candidissima. Die
AVägungen für Helix pomatia wurden etwa 1 Woche nach der Bildung
des Epiphragmas begonnen und dann in Zwischenräumen von je 1 Woche
ausgeführt. Die erste AVägung erfolgte am 6. November. Die Tiere
wurden in einem trockenen Keller aufbewahrt, dessen Temperatur
wenig über null Grad betrug. Im ganzen kontrollierte Krahelska
zehn Exemplare, von denen fünf ein Gewicht zwischen 20 — 25 g hatten
und fünf weniger als 20 g wogen. Für jede der beiden Gruppen sind
die durchschnittlichen Gewichte berechnet worden, wie sie aus jeder
Wägung folgten. Die Zahlen für die erste Gruppe sind
1. Wägung
2. Wägung
3. Wägung
4. Wägung
5. Wägung
6. Wägung
24168 g
24,056 g
23,970 g
23,838 g
23,708 g
23,570 g
7, Wägung
8. Wägung
9. Wägung
10. Wägung
11. Wägung
12. Wägung
23,431 g
23,315 g
23,216 g
23,074 g
22,928 g
22,724 g
13. Wägung
14. Wägung
15. Wägung
16. Wägung
22,604 g
22,144 g
21,944 g
21,404 g
Mittlere Gewichtsabnahme pro Woche:
0,112 — 0,086 — 0,132 — 0,130 — 0,138 — 0,139 — 0,166 — 0,99
0,142 — 0,146 — 0,204 — 0,120 — 0,460 — 0,200 — 0,510.
Beiträge zur Biologir tU r \Vi'inl)ergsLluu'ckt' (Helix pomatia L). 111
Im ganzen betrug dio duri'h.-chnittlieln' Al)n;iliiue dieser Gruppe
2,764 g oder 10.6% (Maxinmni 14,9%, Miniiniun 7,5%).
Die fünf leichten Exemplare hatten ein mittleres Anfangs-
gewicht von 18,705 g, ein mittleres Endgewicht von 16,345. Die
Abnahme betrug bei ihnen 2,360 g oder 12.61% (Maximum 14,1%,
Mininmm 1,176%). Aus den Zahlen folgt, daß die Abnahme des
Cewichtes in gleichen Zeiträumen erheblichen Schwankungen unter-
worfen ist, ferner, daß zwischen den einzelnen Individuen große Unter-
schiede vorkommen. Die kleineren Exemplare nahmen im Vergleich
zu ihrem Körpergewicht stärker ab als die größeren.
Von den andern untersuchten Arten zeigten die an Trockenperioden
gewöhnten Exemplare von Leucochroa die geringste Abnahme, 5,88%,
während H. fruticum um 36,70% und //. arhustorum um 23,84% ab-
nahmen.
Ich habe eine Reihe von Wägungen angestellt, die besonders
über die Abhängigkeit des Gewichtsverlustes von der Temperatur des
Aufenthaltsraumes Klarheit schaffen sollten. Versuchsobjekte waren
zwölf Weinbergschnecken, die alle ein festes Epiphragma abgeschieden
hatten. Von diesen wurden sechs (1. Gruppe) in einem geheizten
Zimmer aufbewahrt und zwar in einem offenen Glasgefäß. Die durch-
schnittliche Temperatur in dem Zimmer betrug etwa IS"" C. Die andern
sechs Exemplare (2. Gruppe) wurden in einen Speicherraum gebracht,
in dem bei Berücksichtigung der durch die Außentemperatur gegebenen
Schwankungen eine mittlere Temperatur von etwa 7 — 8° C herrschte.
Der Unterschied betrug also durchschnittlich 10 — 11°. Gegen Ende
des Winters nahm er naturgemäß etwas ab. Die Ergebnisse der Wä-
gungen, die vom 10. Dezember 1912 bis zum 1. April 1913 in Zwischen-
räumen von je 28 Tagen ausgeführt wurden, sind aus den Tabellen 2 und
3 (S. 142) zu ersehen.
In den ersten vier Vertikalspalten beider Tabellen sind die Ergeb-
nisse der Wägungen von Dezember bis März angegeben; dann folgen
in den drei nächsten Spalten die Abnahmen zwischen je zwei aufein-
anderfolgenden Wägungen. In der achten Vertikalspalte ist der Ge-
samtverlust vom 10. Dezember bis 4. März angegeben, in der folgenden
Spalte derselbe in Prozenten des Anfangsgewichtes. Schließlich folgen
die Wägungsergebnisse vom 1. April und zuletzt die Abnahme vom
4. März bis zum 1. April. In der letzten Horizontalspalte jeder Tabelle
finden sich die entsprechenden Durchschnittszahlen für jede Gruppe.
Die Ergebnisse der Wägungen am 1. April sind deshalb bei der
Berechnunj'- des Gesamtergebnisses nicht berücksichtiüt worden, weil
142
Walter Kühn,
Tabelle 2.
Gewichte der ersten Gruppe.
1-^
l-H
■ 1-; 1 *-*
-i -1^
^>
^ ^"^Z
10.
XII.
7.
I.
4.
IL
4.
III.
IX) >'*N
^ ö
^ OD • 1 - 03 .
1 '^
^ns
•<*
1
19,91
19,45
19,02
18,34
0,46
0,43
0,68
1,57
7,9
17,94
0,40
2
15,92
15,32
15,01
14,65
0,60
0,31
0,36
1,27
8,0
14,45
0,20
3
21,11
20,54
20,13
19,60
0,57
0,41
0,53
1,51
7,2
17,95
1,65
4
17,58
16,42
15,32
14,65
1,16
1,10
0,67
2,93
16,7
13,35
1,30
5
16,53
16,17
15,94
15,44
0,36
0,23
0,50
1,09
6,6
15,12
0,32
6
19,75
19,29
18,94
18,49
0,46
0,35
0,45
1,26
6,4
18,27
0,22
Duri;h-
18,64
18,15
17,81
17,30
0,49
0,34
0,51
1,34
7,2
—
—
schnitt d
Expl.-Nr.
1, 2, 3, 5, 6
Tabelle 3.
Gewichte der zweiten Gruppe
es
'S, .
X
10.
XII.
7.
I.
4.
II.
4.
III.
Gewichts-
verlust
10.XII.-7.I.
Gewichts-
verlust
7.I.-4.II.
Gewichts-
verlust
4. II.-4. III.
Gesamt-
verlust
Ders. in %
d.urspr.Gew.
Gewicht
am 1. IV.
Gewichts-
verlust
4. III.-l. IV
7
21,28
20,00
20,56
20,13
0,38
0,34
0,43
1,15
5,4
19,65
0,48
8
15,61
15,40
15,23
14.95
0,21
0,17
0,28
0,66
4,2
14,54
0,41
9
18,37
18,13
17,97
17,75
0,24
0,16
0,22
0,62
3,4
17,44
0,31
10
17,57
17,27
17,06
16,74
0,30
0,21
0,32
0,83
4,7
16,28
0,46
11
19,84
19,60
19,46
19,23
0,24
0,14
0,23
0,61
3,1
18,92
0,31
12
20,44
20,03
19,80
19,52
0,36
0,28
0,28
0,92
4,5
19,17
0,35
Durch-
18,85
18,56
18,35
18,05
0,29
0,21
0,30
0,80
4,2
17,67
0,38
schnitt
die Außentemperatur inzwischen so hoch gestiegen war, daß nur noch
vorübergehend erhebliche Temperaturunterschiede zwischen beiden
Räumen zu beobachten waren. Bei starkem Sonnenbrand stieg die
Temperatur in dem Speicherraum sogar mitunter auf einen höheren
Grad, als in dem Aufenthaltsraum der ersten Gruppe. Die wesentlichen
Versuchsbedingungen waren also zu dieser Zeit nicht mehr gegeben.
In der Tabelle kommt das dadurch zum Ausdruck, daß die Zahlen für
beide Gruppen (abgesehen von den Exemplaren Nr. 3 und 4, von denen
später die Rede ist) nur unbedeutende Unterschiede aufweisen.
Beiträge zur Biologie der Weinbergschnecke (Helix ])omatia L.). 143
Mit aller Deutlichkeit ist aus den für die Zeit vom Dezember bis
Anfang März gegebenen Zahlen die Abhängigkeit des Gewichtsverlustes
von der Temperatur zu ersehen. Die Abnahme in Prozenten war für
jedes Exemplar der ersten Gruppe größer als für jedes Exemplar der
zweiten Gruppe.
Ein Temperaturunterschied von rund 10° hatte bewirkt, daß die
in dem wärmeren Raum befindlichen Individuen in der Versuchszeit
von 12 Wochen mehr als l,7nial so viel an Gewicht verloren, als die
der tieferen Temperatur ausgesetzten.
Der Unterschied ist leicht zu erklären. Die größere Wärme be-
dingt sowohl einen erhöhten Stoffwechsel, als auch eine stärkere Wasser-
verdunstung. Beides kommt in einer schnelleren Abnahme des Ge-
wichtes zum Ausdruck. Daß tatsächlich der Temperaturunterschied von
ausschlaggebender Bedeutung ist, beweist die Abnahme bis zum 1. April,
bei der nur geringe Unterschiede zwischen beiden Gruppen zu be-
obachten waren. Hier zeigen bei wenig verschiedener Temperatur
die Exemplare der zweiten Gruppe sogar eine etwas stärkere Abnahme;
wahrscheinlich trägt der größere Wassergehalt, den die zweite Gruppe
noch besaß, die Hauptschuld an dem stärkeren Gewichtsverlust.
Am 7. Januar fand ich Exemplar Nr. 4 ohne Epiphragma vor.
Es hatte sich mit einer häutigen Membran an der Wand des Glases
festgeheftet. Das Epiphragma wog 0,27 g. Das Tier wurde wie die
andern weiter beobachtet. Es zeigte, wie aus Tabelle 1 hervorgeht,
eine bedeutend stärkere Gewichtsabnahme. Das Vorhandensein eines
Epiphragmas ist also von ganz wesentlichem Einfluß auf den Betrag
des Gewichtsverlustes. Bei der Berechnung der mittleren Werte wurden
die Zahlen für Exemplar 4 natürlich nicht berücksichtigt. Auch Nr. 3
stieß seinen Winterdeckel ab, allerdings erst im März. Als Folge war
ebenfalls eine Steigerung der Wasserabgabe zu beobachten. Da dieses
Exemplar bei der Berechnung der früheren Mittelwerte verwandt wurde,
mußte auf Angabe der Durchschnittszahlen für die Wägung am 1. April
verzichtet werden.
Aus den Tabellen folgt schließlich noch, worauf auch die Zahlen
von M. Keahelska hindeuten, daß die Gewichtsabnahme eines Exem-
plars in gleichen Zeiträumen starken Schwankungen unterworfen ist,
ferner daß erhebliche individuelle Verschiedenheiten vorkommen. Für
die Annahme, daß eine direkte Beziehung zwischen dem Anfangs-
gewicht und dem Betrag der Gewichtsabnahme bestehe, liefern meine
Beobachtungen dagegen keine Bestätigung. Zur Begründung einer
derartigen Anschauung erscheint mir das bis jetzt vorgelegte Material
144 Walter Kühn,
durchaus unzureichend, ganz abgesehen davon, daß auch theoretische
Überlegungen solche Beziehungen nicht vermuten lassen.
3. Die Hunger- und Trockenstarre.
a. Allgemeine Vorbedingungen.
Die Weinbergschnecke kann ihre volle Lebenstätigkeit nur dann
entfalten, wenn die Feuchtigkeit ihrer Umgebung den Ersatz des in
reichlicher Menge von ihr abgegebenen Wassers gestattet. Diese Be-
dingung ist nur zu gewissen Zeiten erfüllt. Lange Trockenperioden
sind in den Gebieten, wo Helix fomatia heimisch ist. nicht selten.
Beginnt eine solche Periode, so kann man sehr bald wesentliche
Änderungen in der Lebensweise der Weinbergschnecke bemerken.
Schon wenn der Boden nach dem letzten Regen auszutrocknen anfängt,
zieht sie sich tagsüber in die Schale zurück und ist nur von den Abend-
stunden bis zum Beginn des neuen Tages bei der Nahrungsaufnahme
anzutreffen. Mit zunehmender Trockenheit wird das Uniherkriechen
immer mehr eingeschränkt, bis es schließlich ganz aufhört. Die Tiere
sitzen dann tief im Gebüsch oder an sonstigen geschützten Stellen
und haben eine oder mehrere häutige Membranen abgeschieden, die
eine zu rasche Abgabe der im Körper enthaltenen Feuchtigkeitsmengen
verhindern. Der große Einfluß, den die relative Feuchtigkeit der
Luft auf die Lebenstätigkeit der Landschnecken ausübt, wurde bereits
von Döring (12) klar hervorgehoben.
Auf künstliche Weise kann man eine Trockenperiode herstellen,
indem man die Tiere in große trockene Behälter bringt, die mit der
umgebenden Luft in Verbindung stehen. Stellt man diese Behälter
in einen trockenen Raum und vermeidet man jede Zufuhr von Nahrung
und Feuchtigkeit, dann sind etwa die Verhältnisse hergestellt, -denen
die Weinbergschnecke auch im Freien ausgesetzt ist. Man darf al.-o
annehmen, daß viele Beobachtungen, die man unter solchen Umständen
anstellt, zu den gleichen Ergebnissen führen, wie das entsprechende
BeobachtLino;en im Freien tun würden.
b. Die Gfcwichtsabnahme während einer Hunger- und Trockenperiode.
Eine der wichtigsten Fragen, die bei der Hungerstarre einer be-
sonderen Erörterung bedürfen, hat die Gewichtsabnahme zum Gegen-
stand, speziell auch im Vergleich mit der während der Winterruhe be-
obachteten. 0. NüssLiN (44) hat zuerst eine größere Zahl von Wä-
gungen vorgenommen und zwar sowohl bei Helix fomatia als auch bei
Arion empircorum. Er sammelte bei Regenwetter 20 Exemplare von
1
Beiträge zur Biologie der Weinbergschnecke (Helix poraatia L.) 145
Helix fomatia, wog sie gleich darauf und brachte sie dann in trockene,
hölzerne, mit Drahtnetzen bedeckte Kästen. Die zweite AVägung
erfolgte nacli 3 Tagen, die dritte nach weiteren G Tagen. Dann wurden
noch zwei AVägungen im Zwisclienrauni von je G Tagen vorgenommen,
zuletzt noch zwei im Abstand von je 12 Tagen. Der Versuch wurde
also im ganzen auf 45 Tage ausgedehnt. Während dieser Zeit wurde
das Gewicht aller Tiere wesentlich geringer. Es betrug am Ende des
Versuchs bei dem Exemplar, das am stärksten abgenommen hatte
(Nr. 15), noch 55,1% des Anfangsgewichts, bei dem Exemplar, das die
geringste Gewichtsänderung erfahren hatte (Nr. 9), dagegen noch 73,8%
des ursprünglichen Gewichts. Es waren also recht erhebliche indivi-
duelle Verschiedenheiten zu beobachten.
NüssLiN schließt aus seinen Wägungen (S. 25 — 26): 1) »Die Wasser-
verdunstung durch die Haut ist bei Helix pomatia in der ersten Zeit
sehr bedeutend, nimmt aber rasch ab und verläuft in der Folge ohne
Regelmäßigkeit; in den ersten 3 Tagen verloren die Tiere in der Mehr-
zahl der Fälle fast ebensoviel Wasser, als in den folgenden 42 Tagen.
2) Die Gewichtsverluste während gleicher Zeiten scheinen den
ursprünglichen Gewichten umgekehrt proportional zu sein, d. h. größere
Schnecken verdunsten in gleicher Zeit relativ weniger als kleinere,
3) Die Bildung eines häutigen Deckels verlangsamt die Verdun-
stung, ohne sie jedoch ganz aufzuheben.«
Eine Anzahl von Wägungen wurde ferner von M. Krahelska aus-
geführt. Ihre Beobachtungen erstrecken sich auf fünf Exemplare von
Helix pomatia, die in Zwischenräumen von je einer Woche gewogen
wurden und zwar 20 Wochen, also fast ein halbes Jahr lang. Kra-
helska gibt in der Tabelle nur die Durchschnittsgewichte an, die sie
aus den für die fünf Exemplare gewonnenen Zahlen berechnet hat. Das
Durchschnittsgewicht betrug am Anfang der Wägungen 20,903 g, am
Ende der Hungerperiode 14,301g; das sind 68,4% des ursprünglichen
Gewichts.
Die Gründe, die mich veranlassten, eine weitere Reihe von Wä-
gungen anzustellen, sind folgende : Zunächst schien es mir von Interesse,
die Gewichtsabnahme am Anfang der Hungerperiode etwas genauer
zu verfolgen. Ich habe daher in der ersten Woche die Wägungen
täglich vorgenommen. Außerdem wollte ich feststellen, ob die Schlüsse,
die NüssLiN aus seinen AVägungen zieht, tatsächlich von allgemeiner
Gültigkeit sind.
Bevor ich dazu übergehe, die Gewichte im Einzelnen anzugeben,
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CIX. Bd. 10
146 Walter Kühn,
muß ich noch auf eine Ungenauigkeit aufmerksam machen, die bei
einem derartigen Versuch nicht zu vermeiden ist.
Ein Teil der Exemplare heftet sich stets mit einer feinen Membran
an der Wand des Behälters fest, in dem man die Tiere aufbewahrt.
Bei jeder Wägung muß das betreffende Exemplar natürlich von der
AVand abgerissen werden. Dabei wird die schützende Membran zer-
stört. Nicht selten kriecht die Schnecke infolge der Reizung aus der
Schale und bewegt sich umher. Bis zur Bildung einer neuen Membran
ist sie gegen Verdunstung schlecht geschützt und nimmt daher stärker
an Gewicht ab als unter normalen Verhältnissen. Bei längerer Ver-
suchsdauer wird diese Störung immer geringer, da die Tiere auf äußere
Reize immer schwächer reagieren.
Die Wägungen habe ich an zwei verschiedenen Gruppen von Tieren
vorgenommen. Die erste Gruppe umfaßt 20 Exemplare; sie wurden
am 17. Mai 1912, nachdem es 2V2 Tage ununterbrochen geregnet hatte,
im besten Ernährungszustand und in lebhafter Bewegung aufgefunden
und unmittelbar danach gewogen. In den ersten Tagen bewegten sich
diese Exemplare außerordentlich lebhaft umher, hatten reichlichen
Stoffwechsel und gaben große Mengen Schleim ab. Allmählich wurden
dann die Bewegungen träge, und nach 14 Tagen fingen die Schnecken
an, sich ganz in die Schale zurückzuziehen. Die meisten Exemplare
verschlossen die Schalenöffnung entweder mit einer häutigen Membran,
oder hefteten sich an der Gefäßwand fest. Gelegentlich wurden auch
mehrere Membranen übereinander abgeschieden. Nur vereinzelte
Exemplare blieben für längere Zeit ohne allen Schutz.
Die zweite Gruppe umfaßt zehn Exemplare, die am 14. Mai 1912
abends aufgefunden wurden. Es hatte länger als eine Woche nicht
geregnet. Infolgedessen waren alle Tiere ganz oder fast ganz in die
Schale zurückgezogen und hatten sich im Gebüsch fest geheftet. Das
Loslösen genügte bei den meisten Exemplaren, um sie zum Auskriechen
zu veranlassen. Doch gaben sie nur sehr wenig Schleim ab. Die erste
Wägung erfolgte am 15. Mai vormittags. Das Verhalten dieser Exem-
plare in der Gefangenschaft war anders als das der ersten Gruppe.
Von Anfang an war die Bewegung weniger lebhaft, die Schleimab-
sonderung viel geringer. Das vollkommene Zurückziehen in die Schale
erfolgte bereits nach 1 Woche.
Alle Exemplare waren in großen Glasbehältern untergebracht, die
oben mit einem sehr weit geflochtenen Drahtnetz verschlossen waren.
Besonders in den ersten Tagen machten sie vielfach Versuche, ins Freie
zu gelangen. Dabei kam es vor, daß einzelne Exemplare fast den
Beiträge zur Biologie der Weinbergseluiecke (Helix poniatia L.
U7
ganzen AVeicliköiper (hiich eins dvv nicht uanz 1 (jcni großen Löcher
des Drahtnetzes huulurclizwängten und längere Zeit in dieser Stelkino;
verblieben.
Die AVägungen wurden bei tlen meisten Exemplaren bis zum
26. August durchgeführt, wobei die Zwischenräume zwischen je zwei
Wägungen allmählich bis auf 21 Tage vergrößert wurden.
Die Individuen Nr. 15 — 20 der ersten Gruppe wie auch Nr. 29
und 30 der zweiten Gruppe sind zum Teil während der Dauer der Unter-
suchungen zugrunde gegangen (durch + bezeichnet), zum Teil wurden
sie vom 14. Juni bzw. vom 5. Juli ab für andere Versuche verwandt.
Betrachtet man das Verhalten jeder der beiden Gruppen für sich,
so findet man zunächst, daß die Exemplare jeder Gruppe große indivi-
duelle Unterschiede zeigen und zwar sowohl in bezug auf die Gewichts-
abnahme während der ersten Tage, als auch in bezug auf die Abnahme
während der ganzen Dauer der Untersuchungen. Im Laufe des ersten
Tages hat beispielsweise das Exemplar Nr. 19 sein Gewicht nur um 4,5%
vermindert. Nr. 15 dagegen in derselben Zeit um 16,4%, d. h. nahezu
Tabelle 4.
Gewichte der ersten Gruppe.
~ ü
il7.
18.
19.
20.
21.
22.
23.
24.
4.
14.
5. l 26.
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V.
V.
V.
V.
V.
V.
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VI.
VI.
VII. Vir.
1
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25,3
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20,5
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28,9
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26,3
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24.9
24,5
20,2
19,6
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16,9
4
27.0
23,4
22,5
22,2
21,8
21,4
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15,8
5
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24,8
24.5
23,7
23,0
22,5
22,1
21,5
19,9
18,7
17,7
6
29,0
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25,2
25,0
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24,3
23,8
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22,3
21,9
21,5
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20,2
20,0
17,9
17,1
16,1
14,8
8
23,9
21,8
20,5
20,2
19,9
19,4
18,9
18,6
17,1
16,0
14,3
13,1
9
27,4
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22,2
21,5
21,3
21,1
20,9
19,4
17,0
16,2
10
33,2
29.-5
26,9
26,6
26,1
25,1
24,7
24,3
23,3
22,4
20,1
19,3
11
28,9
26,2
24,2
23,9
23,7
23,2
22,6
22,3
19,7
18,5
16,4
15,3
12
27,4
25,5
24,2
23,7
23,5
22,4
22,1
21,8
20,6
19.3
17,2
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13
27,2
23,2
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21,8
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—
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—
16
24.6
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21,1
21,0
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—
17
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24,1
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20,5
19,7
19,3
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16,9
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+
18
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24,4
24,1
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—
19
1 29,1
27,9
25,6
25,3
25,0
24,5
24,1
23,9
21,5
20,5
18,8
—
20
32,4
29,6
28,2
27,7
27,4
27,3
26,9
26,5
24,6
23,8
21,8
—
10*
14:8 Walter Kühn,
Tabelle 5.
Gewichte der ersten Gruppe ausgedrückt in Prozenten des ursprünglichen Gewichts.
17.
18.
19.
20.
21.
22.
23.
24.
4.
14.
5.
26.
V.
V.
V.
V.
V.
V.
V.
V.
VI.
VI.
VII.
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1
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56,5
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82,7
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75,7
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65,5
59,7
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3
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79,5
77,6
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61,0
59,2
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4
100
86,7
83,3
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80,7
79,3
75,9
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71,5
65,9
61,9
58,5
5
100
87,0
82,4
81,4
78,7
76,4
74,8
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71,4
66,1
62,1
58,8
6
100
88,1
85,4
84,7
83,4
82,4
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79,3
66,8
65,8
62,7
54,6
7
100
93,3
87,8
86,2
84,6
82,3
79,5
78,7
70,5
67,3
63,4
58,3
8
100
91,2
85,8
84,5
83,3
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77,8
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66,9
59,8
54,8
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88,7
82,5
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78,5
77,7
77,0
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70,8
62,0
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10
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88,9
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67,5
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100
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83,7
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82,0
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68,2
64,0
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93,1
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86,5
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100
85,3
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77,9
76,5
75,7
74,6
62,9
59,6
50,4
47,8
14
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88,6
82,6
80,5
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—
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100
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—
16
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100
83,7
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71,2
68,4
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62,5
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+
18
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86,5
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1 —
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100
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84,6
84,3
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81,8
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73,5
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—
Tabelle 6.
Gewichte der zweiten Gruppe.
Exem-
plar
Nr.
15.
18.
21.
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4.
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V.
V.
V.
V.
VI.
VI.
VII.
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18,1
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15,2
14,9
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17,8
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17,8
17,3
17,0
16,5
16,0
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17,5
17,2
16,7
16,3
15,3
15,0
14,0
13,0
28
19,7
19,0
18,9
18,4
17,6
17,1
16,0
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29
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16,2
15,6
15,2
14.5
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+
30
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15,1
14,9
14,6
14,3
—
—
Beiträge zur Biologie der Weinbergschnecke (Helix poniatia J^.
149
Tabelle 7.
Gewichte der zweiten Gruppe ausgedrückt in Prozenten des ursprünglichen
Gewichtes.
Exem-
plar
Nr.
15.
18.
21.
24.
4.
14.
5.
26.
V.
V.
V.
V.
VI.
VI.
VII.
VII.
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99,0
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86,4
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100
98,3
95,4
93,1
87,4
85,7
80,0
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96,4
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100
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89,9
88,7
86,9
85,1
—
—
um den vierfachen Betrag in Prozenten des Anfangsgewichtes. Während
der 70 Tage, die die erste Gruppe im Hungerzustand verbrachte, ver-
minderte Exemplar Nr. 9 sein Gewicht auf 59,1% des anfänglichen
Betrages, Nr. 13 dagegen auf 47,8% des ursprünglichen Gewichtes.
Ähnliche Verschiedenheiten zeigt die zweite Gruppe. Hier nahm Nr. 23
zunächst so wenig ab, daß der Verlust bei den auf 0,1 g abgerundeten
AVänunosergebnissen nicht zum Ausdruck kommt. Nr. 30 dageoen
verlor in den ersten drei Tagen bereits 1,3 g, d. h. 7,7% seines Anfangs-
gewichtes. "Während der ganzen Dauer des Versuchs verlor Nr. 23
nur 13,9% seines ursprünglichen Gewichtes, Nr. 27 dagegen nicht
weniger als 25,7%.
Außer diesen individuellen Verschiedenheiten bemerkt man noch an-
dere Unregelmäßigkeiten. Wenn man jedes einzelne Individuum für sich
betrachtet, zeigt sich, daß die Gewichtsabnahme in gleichen aufein-
anderfolgenden Zeiträumen recht verschieden sein kann. Bei der
ersten Gruppe gilt für alle Exemplare mit Ausnahme von Nr. 19 die
Regel, daß die bei weitem stärkste Abnahme am ersten Tage erfolgt.
Abgesehen von dieser einen Regel kann man wenig Allgemeingültiges
über den Gewichtsverlust der einzelnen Individuen sagen. Nüsslin
hat bereits auf die Unregelmäßigkeit hingewiesen, mit der das Gewicht
der Tiere abninnnt. Wie groß diese Unregelmäßigkeit ist, kann man
an folgenden Beispielen sehen. Nr. 9 verlor in den 11 Tagen vom
24. Mai bis zum 4. Juni 0,7% seines Anfangsgewichtes, in den folgenden
10 Tagen, bis zum 14. Juni dagegen nicht weniger als 5,5%. In den
150 Walter Kühn,
folgenden 21 Tagen verlor es weitere 7,2% und in wieder 21 Tagen
noch einmal 2,9%. Daß Feuchtigkeits- und Temperaturverhältnisse
in diesem Falle nicht die Ursache für das merkwürdige Verhalten sein
konnten, zeigt das direkt entgegengesetzte Verhalten von Nr. 6 während
derselben Zeit. Nr. 6 hatte am 24. Mai noch 79,3% seines Anfangs-
gewichtes, am 4. Juni noch 66,8% (Verlust: 12,5%), am 14. Juni 65,8%
(Verlust: 1%) am 5. Juli 62,7% (Verlust: 3,1%), am 26. Juh 54,6%
(Verlust: 51%).
Ganz ähnliche Unregelmäßigkeiten zeigt die zweite Gruppe, nur
mit dem Unterschiede, daß hier das Verhalten auch schon bei Beginn
des Versuchs keine Gleichförmigkeit erkennen läßt. Die Unregelmäßig-
keit tritt besonders deutlich hervor bei den Exemplaren Nr. 22, 23
und 25. Auch hier sind die Gewichtsverluste, die in gleichen aufein-
anderfolgenden Zeiträumen von einem Tier erlitten wurden, zum Teil
außerordentlich verschieden, wie eine genauere Betrachtung der Ta-
bellen zeigt.
Die Unregelmäßigkeiten sind sicher zum Teil darauf zurückzu-
führen, daß die Tiere nicht ständig genau den gleichen äußeren Be-
dingungen unterworfen waren, haben jedoch wahrscheinlich auch noch
andre Ursachen.
NüssLiN behauptet, wie schon früher erwähnt wurde, daß die Ge-
wichtsverluste während gleicher Zeiten den ursprünglichen Gewichten
umgekehrt proportional zu sein »scheinen«. Er fügt aber hinzu:
»Freihch ist diese Regel nicht ohne Ausnahme, sie läßt sich bei den
Nacktschnecken mit größerer Sicherheit erkennen« (S. 25 — 26).
Das Verhalten meiner Versuchstiere kann diese Ergebnisse nicht
stützen. Für eine Reihe von Exemplaren trifft es zwar zu, daß An-
fangsgewicht und Gewichtsverlust in umgekehrtem Verhältnis zu-
einanderstehen, so etwa für die Exemplare Nr. 5, 10, 15, 25, 27. Man
kann aber auch bei zahlreichen Exemplaren das Gegenteil wahrnehmen,
z. B. bei Nr. 1, 3, 7, 23. Hier entspricht einem hohen Anfangsgewicht
starke Gewichtsabnahme, einem niedrigen Anfangsgewicht geringe Ab-
nahme. In der ersten Gruppe hat Nr. 9 den geringsten, Nr. 13 den
stärksten Gewichtsverlust erlitten. Beide Exemplare hatten sehr
ähnliche Anfangsgewichte, 27,4 g und 27,2 g. Ihr Verhalten spricht
also auch gegen eine direkte Beziehung zwischen Körpergewicht und
Gemchtsverlust.
Da die Wägungsergebnisse Nüsslins auch nicht als beweisend für die
Richtigkeit seiner Vermutung angesehen werden können, liegt kein aus-
reichender Grund vor, bei "leichem anfänglichem Feuchtigkeitsgehalt
Beiträge zur Biologie der \\'einbergschneckc (Helix [)oinatia L. )• 151
einen Zusainnienliang zwischen der Größe einer AVcinbergschnecke nnd
dem Gewichtsverlust, den sie durch Austrocknen erleidet, anzunehmen.
Anders liegt die Sache bei Ario)i emfiricorum. Hier sind zunächst
die AVägungsergebnisse Nüsslins viel überzeugender. Außerdem wird
die von Nüsslin erwähnte Gesetzmäßigkeit auch durch theoretische
Erwägungen wahrscheinlich gemacht. Der AVasserverlust durch Ver-
dunstung an der Körperoberfläche ist bei kleinen Exemplaren relativ
größer, weil die Ausdehnung der Oberfläche, die ja bei der Verdunstung
die Hauptrolle spielt, bei kleinen Tieren im Vergleich zum Gewicht
größer ist als bei großen Tieren, Infolgedessen ist hier eine Abhängig-
keit des Gewichtsverlustes von dem Anfangsgewicht von vornherein
sehr wahrscheinlich. Bei Helix ist dagegen durch das Vorhandensein
der Schale ein wesentlicher Unterschied gegeben, der bei der Beurteilung
der Frage nicht übersehen w^erden darf.
Auch die weitere Erfahrung Nüsslins, daß die Tiere in den ersten
3 Tagen meist ebensoviel abnahmen, wie in den folgenden 42 Tagen,
besitzt keine allgemeine Gültigkeit. Es kommt ganz darauf an, bei
welcher AVitterung die Schnecken gesammelt w^erden. Sucht man sie
bei einioermaßen trockenem Wetter, es braucht nur einen Tag nicht
geregnet zu haben, dann ist die Abnahme in der Regel sehr viel ge-
ringer. Auch die Tiere, die man bei Regenwetter sammelt, zeigen
vielfach eine geringere Abnahme, wie aus Tabelle 2 hervorgeht. Dort
gilt die Erfahrung Nüsslins mit ziemlicher Genauigkeit für die Exem-
plare Nr. 5, 9, 10, 14, für viele andre dagegen nicht.
Der Gewichtsverlust in den ersten Tagen hängt fast ausschließ-
lich ab von dem Wassergehalt, den die Tiere zu Beginn des Versuchs
besitzen, und dieser Wassergehalt ist auch bei Regen nicht bei allen
Exemplaren der gleiche. Sehr viel geringer ist er aber bei trockenem
Wetter. Der Unterschied im Verhalten der Schnecken geht deutlich
aus den Tabellen für die beiden Gruppen hervor, denen sow'ohl Exem-
plare zugrunde liegen, die bei sehr nassem Wetter gesammelt wurden
(erste Gruppe), als auch solche, die bei großer Trockenheit gefunden
wurden (zweite Gruppe).
Die Exemplare beider Gruppen hatten etwa gleich große Gehäuse.
Trotzdem war ihr Anfangsgewicht sehr verschieden. Der Vergleich
wird durch Berechnung der Durchschnittsgewichte wesentlich erleichtert.
Sie sind auf den Tabellen 8 und 9 für beide Gruppen angegeben, und
zwar wurden nur die Exemplare Nr. 1 — 14 und Nr. 21 — 28 berück-
sichtigt, w^eil von den übrigen nicht alle Wägungsergebnisse vor-
liegen.
152
Walter Kühn,
Tabelle 8.
Durchschnittsgewichte der ersten Gruppe.
i ^^■
18.
19.
20.
21.
22.
23.
24.
4. 14.
5.
26.
V.
V.
V.
V.
V.
V.
V.
V.
VI. VI.
VII.
VII.
D urchschnittsge w.
29,0
25,8
24,3
23,9
23,5
22,8
22,4
22,1
20,1
19,0
17,3
16,1
Dasselbe in % des
100
89,0
83,8
82,4
81,0
78,6
77,2
76,2
69,8
65,5
59,7
55,5
urspr. Gewichtes
Tabelle 9.
Durchschnittögewichte der zweiten Gruppe.
15.
V.
18.
V.
21.
V.
24.
V.
4.
VI.
14.
VI.
5.
VII.
26.
VII.
Durchschnittsgew.
Dasselbe in % des
urspr. Gewichtes
19,9
100
19,5
98,0
19,1
96,0
18,6
93,5
18,0
90,5
17,6
88,4
16,9
84,9
16,4
82,4
Aus diesen Tabellen gehen die Unterscbiede zwischen beiderlei
Exemplaren schon mit großer Deutlichkeit hervor. Noch schärfer
treten die wesentlichen Punkte hervor , wenn man versucht, die Ge-
^vichtsabnahme graphisch darzustellen, wie es in Fig. 1 — 3 geschehen ist.
Fig. 1 stellt den Verlauf der Kurve dar, die man erhält, wenn
man die Ergebnisse der Wägungen in einem Koordinatensystem so
abträgt, daß die Abszisse jedes Punktes durch das Datum der Wägung
bestimmt wird, die Ordinate durch das Durchschnittsgewicht der ersten
Gruppe; schließlich sind die so erhaltenen Punkte zu verbinden.
Fig. 2 soll die Gewichtsabnahme der ersten Gruppe in den ersten
Tagen genauer veranschaulichen. Sie ist ein vergrößerter Ausschnitt
aus Fig. 1. Als Nullpunkt des Koordinatensystems wurde der Punkt
gewählt, der einem Gewicht von 20 g entspricht.
Fig. 3 entspricht ganz der Fig. 1, nur daß alles auf die zweite
Gruppe von Weinbergschnecken bezogen ist.
Die Kurven zeigen, daß guter Ernährungszustand und großer
Wassergehalt, die ja beide in einem hohen Anfangsgewicht zum Aus-
druck kommen, von ausschlaggebender Bedeutung für das weitere Ver-
halten der Tiere sind. Werden ihnen Nahrung und Wasser entzogen,
dann erfolgt die Herabsetzung der Wasserabgabe und des Stoffwechsels
Beiträge zur Biologie cU-r Weinbergschnecke (Helix poraatia L
153
Fig. 1.
nicht sogleich, sondern erst dann, wenn das Körpergewicht auf einen
gewissen Betrag gesunken ist. Die bedeutenden Änderungen im Ge-
wicht, welche durch Entziehung oder Zufuhr von Wasser bereits im
Laufe eines Tages hervor-
traten, hat schon R. Dubois
(13) erwähnt.
Die Kurve fällt bei Be-
ginn der Hungerperiode sehr
steil ab. nähert sich dann
mehr und mehr einem hori-
zontalen Verlauf, behält je-
doch stets eine gewisse Nei-
gung zur Abszisse bei. Die
zweite Gruppe zeigte, wie
aus Fig. 3 hervorgeht, von
Anfang an ein Verhalten,
das mit dem der ersten
Gruppe im späteren Verlauf
des Versuchs große Ähnlich-
keit hat. Man kann mit
Sicherheit annehmen, daß
die zweite Gruppe vor Be-
ginn des Versuchs, als sie
sich bei trockenem Wetter
im Freien befand, eine
ähnliche Abnahme erfahren
hatte, wie die erste Gruppe
zu Anfang des Versuchs.
Wenn die äußeren Be-
dingungen, denen die Tiere
während der Dauer des Ver-
suchs unterworfen waren,
auch nicht bis in alle
Einzelheiten mit den Be-
dingungen übereinstimmen,
unter denen im Freien
Hungerperioden überdauert
werden, so darf man doch den
Hauptergebnissen allge-
meine Gültigkeit zusprechen.
Fir
154 Walter Kühn,
Diese sind 1) erhebliche individuelle Verschiedenheiten, 2) besonders
starke Gewichtsabnahme zu Beginn einer Hunger- und Trockenperiode,
insbesondere am ersten Tage, 3) Unregelmäßigkeit in der Gewichtsab-
nahme im späteren Verlauf der Hunger periode.
Interessant ist ein Vergleich zwischen den Beträgen der Gewichts-
abnahme während einer Hungerstarre und den entsprechenden für die
Winterruhe gewonnenen Zahlen. Es zeigte sich, daß in gleichen Zeit-
räumen der Verlust in den Sommermonaten ein Vielfaches von dem in
den Wintermonaten ausmacht.
Der Temperaturunterschied ist dabei offenbar nicht ohne Bedeutung.
Doch zeigt ein Vergleich zwischen den Tabellen 2 (S.142) und 8 (S. 152),
daß auch in dem Fall, wo die mittlere Temperatur etwa die gleiche
war, sehr erhebliche Unterschiede existieren. Die erste Zeit der Hunger-
periode darf man allerdings wohl nicht in Betracht ziehen, da eine
ähnlich starke Gewichtsabnahme jedenfalls auch vor Eintritt in die
Winterruhe stattfindet, wenn die Schnecken, ehe sie sich einkapseln,
alle überflüssigen Stoffe abscheiden. Doch ist selbst gegen Ende der
Trockenstarre, etwa in den 3 Wochen vom 5. bis 26. Juli, die durch-
schnittliche Abnahme (in Prozenten des Gewichts am 5. Juli aus-
gedrückt) mehr als zweieinhalbmal so groß als die mittlere Abnahme
der andern Exemplare in den 4 Wochen vom 10. Dezember bis zum
7. Januar. Die Zahlen sind 6, 9% und 2,6%. Eine Aufklärung über die
Ursache dieses Unterschiedes erhält man, wenn man zum Vergleich
das Exemplar Nr. 4 der Tabelle 2 heranzieht. Dieses hatte bald nach
Beginn der Wägungen sein Epiphragma abgestoßen und nahm nun
bedeutend rascher ab als die andern Exemplare der gleichen Versuchs-
gruppe. Sein Gewicht zeigt ganz ähnliche Änderungen wie das andrer
Exemplare im späteren Verlauf einer Hungerstarre im Sommer. Man
muß daraus schließen, daß bei gleichen äußeren Verhältnissen der
Unterschied in der Gewichtsabnahme zwischen Winterruhe und Trocken-
starre hauptsächlich auf das Vorhandensein des Kalkdeckels im ersten
Fall zurückzuführen ist.
Einige Exemplare wurden noch länger im Hungerzustand gehalten.
Nr. 10 beispielsweise zeigte am 26. Oktober ein Gewicht von 16,9 g,
am 25. November nach einer Hungerperiode von mehr als einem halben
Jahr, 16,0 g, d. h. 48,8% des Anfangsgewichtes. Es hatte sein Volumen
so stark reduziert, daß die letzte Schalenwindung zum größten Teil leer
war. Bei der Präparation dieses Exemplares zeigte sich, daß alle inneren
Organe stark abgenommen hatten; in besonders hohem Maße waren
Speicheldrüsen, Magen, Leber und Eiweißdrüse reduziert, weniger stark
Beiträge zur Biulogie cKr Weinbergschnecke (Helix poniatia L.]
155
die Niere. Daß der A\'a.s.servorrat iininer noch ziemlich <^roß war, ging aus
der sehr erhebhchen JSchleiniabsonderung während der Präparation hervor,
c. Die (<e>viclitsabu:ilime bei Xahrungsinau^cl und Wasserzufahr.
Wenn die Gewichtsabnahme auch zum allei<>rößten Teil auf lany,-
sames Austrocknen der Tiere zurückzuführen ist, so darf man doch nicht
außer Acht lassen, daß gleichzeitig die Reservestoffe, die in den Tieren
aufgespeichert sind, verbraucht werden. Ihr Gewicht nach Abzug
ihres "Wassergehaltes ist zwar relativ klein; trotzdem befähigen sie
die Tiere in erster Linie zum Überleben einer längeren Hungerperiode.
"Wie wenig es der "Weinbergschnecke nützt, wenn sie während einer
Hungerperiode Gelegenheit zur "Wasseraufnahme hat, geht aus dem
"Verhalten der sechs Exemplare Nr. 31 — 36 hervor (dritte Gruppe).
Sie wurden zusammen mit den Individuen Nr. 37 — 41 (vierte Gruppe)
am 18. Juni 1912 bei Regenwetter gefunden.
Die dritte Gruppe wurde in ein schräg gestelltes Gefäß gebracht,
dessen Boden zum Teil mit Wasser bedeckt war. Außerdem wurden
die Tiere häufig mit Wasser besprengt. Merkwürdigerweise wurden
sie nie am Wasser, sondern stets an der Wand des Gefäßes gefunden.
»Sie bewegten sich lebhaft umher, besonders kurz nachdem sie mit
Wasser besprengt worden waren. Gelegentlich setzten sie sich auch
fest und schieden feine Schutzmembranen ab, kamen aber bald wieder
aus der Schale hervor. Ihre Gewichte sind in Tabelle 10 angegeben.
Tabelle 10.
Gewichte der dritten Gruppe.
3
1 .j, 18. 21. 1 24.
27.
30.
6.
12.
18.
24.
30.
1^? 17.
g ^ VI.
VI. VI.
VI.
VI.
VII.
VII.
VII.
VII
VII.
i.flg- IX.
;=q
31
23,7 1 22,3 1
22,3
21,4
19,4
21,3
20,3
18,7
17,4
17,1
72,2 16.8
32
29,3 29,1
28,9
28,5
26,5
25,1
26,1
24,8
24,2 24,1
82,3
22,0
33
18,8
16,5
17,5
16.2
15,8
16,0
15,4
14,1
13,4 13,2
70,2
+
34
22,5
18,3
19,4
17,4
16,5
15,5
15,7
15,4
15,0 15,5
68,9
+
35
24,7
23,1
21.8
19,8
19,0
18.6
18,7
17,4
17,4 17,5
70,9
+
36
20,3
18,2
17,4
18,0
19,3
20,7
17,1
16,6
16,9 17,1
84,2
+
Durch-
schnitt
23,2
21,3
21,2
20,2
19,4
19,7
18,9
17,8
17,4
17,4
75,0
Dasselbe
100
91,8
91,4
87,1
83,6
84,9
81,5
76,7
75,0
75,0
in »/o des
Ursprung.
Gewichts
i
156
Walter Kühn,
Die vierte Gruppe, bestehend aus fünf Exemplaren, wurde ver-
gleichsweise ohne Nahruno; und ohne Wasser sehalten. Ihre Gewichte
sind in Tabelle 11 angegeben.
Tabelle 11.
Gewichte der vierten Gruppe.
18.
VI.
21.
VI.
24.
VI.
27.
VI.
30.
VI.
6.
VII.
12.
18
VII.
VII.
21,1
20,8
20,0
19,6
13,6
13,3
19,3
18,7
19,3
18,9
18,7
18,3
71,6
70,1
24. j 30.
VII. I VII.
OQ ^
17.
IX.
37
38
39
40
41
Durch-
schnitt
Dasselbe
in o/o des
Ursprung.
Gewichts
27,7
26,ö
20,0
28,3
28,0
26,1
100
23,6
22,9
21,7
24,2
22.6
21,4
19,0
16,7
15,5
23,7
21,7
20,5
22,7
21,5
20,5
22,6
21,1
19,9
86,8
80,8
76,2
21,5
21,1
14,9
20,3
20,1
19,6
75,1
21,4
20,6
14,2
19,8
19,7
19,1
73,2
20,5
20.3
19,4
19,2
12,7
12,5
17,9
17,8
18,5
18,2
17,8
17,6
68,2
67,4
73,3
72,5
62,5
62,9
65,0
67,4
15,5
15,7
9,6
15,1
14,3
14,0
53,6
Die vorletzte Vertikalspalte beider Tabellen gibt die Gewichte
am 30. Juli an, ausgedrückt in Prozenten des Anfangsgewichts. In der
vorletzten Horizontalspalte sind die durchschnittlichen Gewichte beider
Gruppen an den betreffenden Tagen angegeben, in der letzten Horizon-
talspalte dieselben Gewichte ausgedrückt in Prozenten der Anfangs-
gewichte.
Die Gewichtsänderungen im Durchschnitt sind für beide Gruppen
in Fig. 4 (dritte Gruppe) und Fig. 5 (vierte Gruppe) graphisch dar-
gestellt, und zwar in ganz analoger Weise wie das auch für die erste
und zweite Gruppe geschehen ist.
Während Fig. 5, wie das nicht anders zu erwarten war, weit-
gehende Übereinstimmung mit Fig. 1 zeigt, hat Fig. 4 ein wesentlich
verschiedenes Aussehen. Im ganzen ist zwar auch eine nicht unerheb-
liche Gewichtsabnahme festzustellen; doch betrug das durchschnitt-
liche Gewicht am 30. Juli immerhin noch 75,0% des Anfangsgewichtes,
während es in der gleichen Zeit bei der vierten Gruppe auf 67,4 des
Anfangsbetrages gesunken war; zweitens fällt der unregelmäßige Ver-
lauf der Kurve in Fig. 4 auf. Er kommt daher, daß die Tiere in ge-
wissen Zwischenräumen ihren Wasservorrat wieder ergänzten und dann
einige Zeit ohne Wasseraufnahme verharrten. Da nicht alle Exem-
Beiträge zur J5iologic der Weinbergschnecke (Helix pomatia L
157
plare gloich7Anti«j; Wasser autnalmirn, koninieii die Schwankungen bei
Berücksichtigung der durchschnitthchen Gewichte nicht scharf zum
Ausdruck. Besser treten sie sclion hervor, wenn man die Gewichte
der einzehien Individuen betrachtet. Doch ist auch hier durch die
Zeitpunkte der Wägungen eine gewisse WillkürUchkeit in die Beob-
achtungen gebracht worden. Der genaue Verlauf der Gewichtskurve
eines Exeniplares würde jedenfalls noch viel mehr und viel stärkere
Schwankungen aufweisen, als man bei einer derartigen Versuchs-
anordnung feststellen kann.
Auffallend ist, daß von den sechs Exemplaren der dritten Gruppe
vier während der Dauer des Versuchs zugrunde gingen, während alle
Exemplare der vierten Gruppe am 17. September noch lebten. Es ist
Ficr. 4.
Fig. 5.
kaum denkbar, daß das auf einem Zufall beruht. Man darf infolge-
dessen schließen, daß eine Hungerperiode leichter überstanden werden
kann, wenn sie mit Wassermangel verbunden ist, als wenn zwischen-
durch eine Wasseraufnahme möglich ist. Zu demselben Schluß kommt
man durch eine einfache Überlegung. Die Weinbergschnecke wird durch
Feuchtigkeit zu intensiven Lebensäußerungen, vor allem zu lebhaftem
Umherkriechen veranlaßt. Das wurde bei der dritten Gruppe auch
noch im August und September beobachtet. Mit dieser Bewegung ist
natürlich ein relativ starker Stoffwechsel verbunden. Die Keserve-
stoffe werden viel schneller aufgebraucht, d. h. die Lebensfähigkeit
schwindet viel schneller, als wenn das Tier ruhig, mit schützenden
Membranen verschlossen in irgend einem Winkel liegt.
Bei dieser Gelegenheit sei auch erwähnt, daß die Aufnahme von
Holzfa.serstoff, der in Form von Filtrierpapier gern gefressen wird,
keine nachweisbare Änderung im Verhalten der Schnecken bewirkte.
158 Walter Kühn,
Sie fraßen zwar große Mengen von feuchtem Filtrierpapier, zeigten
aber dieselben "NVägungsergebnisse wie die Exemplare, die nur AVasser
erhielten. Das stinunt überein mit der Beobachtung von "W. Biedee-
MAXX und P. Moritz (6), wonach Filtrierpapier nicht von den Yer-
dauungssäften der "Weinbergschnecke angegriffen ^vird.
d. Die fTeTTiehtsabnahiue in trockener Atmosphäre.
Über das Verhalten in trockener Atmosphäre macht AV. Kochs (26)
eine kurze Mitteilung. Er beobachtete eine schnellere Gewichtsabnahme
unter ständiser Membranbildung und einen früheren Tod als in ge-
wöhnUcher Atmosphäre. Seine Versuche erstrecken sich jedoch nur
über zwei Exemplare, von denen nur eins bis zum Absterben beob-
achtet wurde.
Ich habe zwei Gruppen von je sechs ausgewachsenen Exemplaren
längere Zeit in trockener Atmosphäre beobachtet und ihre Gewichte in
bestimmten Zwischem'äumen festgestellt. Die erste Gruppe umfaßt
solche Exemplare, die seit Herbst 1912 keine Nahrung und kein Wasser
mehr aufgenommen hatten. Ihre Schalenöffnung war bis zum Beginn
des Versuchs am 30. April 1913 durch das Epiphragma verschlossen.
An diesem Tage wurden sämtliche Membranen entfernt und die Tiere
in ein großes, dicht verschließbares Glasgefäß gebracht, in dem ein
kleines Glas mit wasserfreiem Chlorkalzium stand. Die Tiere krochen
zunächst einige Tage umher. Das ist offenbar darauf zurückzuführen,
daß die Luft trotz des Chlorkalziums anfangs nicht ganz trocken gehalten
wurde. Die Schnecken gaben erhebhche Schleimmengen ab, so daß
die Feuchtigkeit nicht rasch genug absorbiert werden konnte. Auf
diese "W'eLse befanden sich die Tiere zunächst in einer Atmosphäre,
deren Feuchtigkeitsgrad wohl nicht sehr verschieden war von dem,
welchen die äußere Luft an feuchten Tagen hat. Bald wurde die "Wasser-
abgabe jedoch wesentlich geringer, und die eingeschlossene Atmosphäre
erreichte die gewünschte Trockenheit. Die Versuchstiere hefteten sich
mit häutigen, vielfach auch mit kalkhaltigen Membranen an der Grefäß-
wand fest oder bheben am Boden hegen und schieden Membranen ab.
Die Membranen wurden stets entfernt, aber häufig wieder neugebildet.
Exemplar Xr. 2 bildete im Laufe von 2 Monaten etwa elf Membranen.
Die Ergebnisse der "Wägungen sind auf Tabelle 12 (S. 159) an-
gegeben.
Beim Vergleich dieser Gewichte mit den auf Seite 147 angegebenen
fällt die größere Regelmäßigkeit auf, mit der die Gewichtsabnahme in
trockener Atmosphäre verläuft. Xicht nur die Durchschnittszahlen
Beiträge zur Biologie der Weinbergschnecke (Helix ]X)raatia L.
Tabelle 12.
159
2 ^
30.
2.
4.
8.
16.
24.
5.
17.
29.
X
IV.
V.
V.
V.
V.
V.
VI.
VI.
VI.
1
23.13
22,55
21,93
21.10
20.64
20.27
+
2
19.96
19,20
18.85
17.94
17,56
17.15
16 53
15.38
14.59
3
15.53
15.30
15.04
14.69
14,43
14.15
13.53
13,17
11,76
4
25.25
2427
23.70
22.57
21.98
21.56
20.78
19.31
+
ö
22.50
21,58
21.35
21.23
20,82
20.20
19.42
18.60
18,2&
6
22,03
21,44
21,16
20,92
20,64
20.34
19.18
17,89
+
Durch-
schnitt
21,40
20,72
20,34 1
19,74
19,35
18.95
zeigen etwa vom 8. Tage an ein regelmäßiges Sinken, sondern auch
für die Einzelexemplare besteht kein großer Unterschied zwischen der
Gewichtsabnahme vom 8. bis 18. Mai und der vom* 16. bis 24. Mai.
Im weiteren Verlauf des Versuches werden die Verschiedenheiten %vieder
größer. Das hängt zum Teil damit zusammen, daß kurz vor dem Tode
eines Individuums eine besonders starke Gewichtsabnahme zu beob-
achten ist. Exemplar Nr. 3 beispielsweise war am 30. Juni tot. Darauf
i-t das auffallend geringe Gewicht am 29. Juni jedenfalls zurückzu-
führen. Exemplar Nr. 4, das am 17. Juni ein auffallend geringes Ge-
wicht besaß, ging bis zum 20. Juni zugrunde. Bei Exemplar Nr. 2
konnte ich die stärkere Abnahme in den letzten Tagen vor dem Tode
besonders deutlich wahrnehmen. Vom 29. Juni ab wurden bei diesem
Individuum die Wägungen alle 2 Tage vorgenommen.
Die Resultate waren
17.
29.
1.
o.
5.
( .
VI.
VI.
Vir.
VII.
VII.
VII.
15.38
14.49
14.26
13.90
13.52
+
Am 7. Juli war das Exemplar tot. In den 6 Tagen vom 29. Juni
bis zimi -5. JuU hatte es imi einen größeren Betrag abgenommen als
in den 12 vorhergehenden Tagen.
Die graphi-che Darstellung der Durchschnittsgewichte bis zum
24. Mai zeigt Fig. 8.
Die stärkere Abnahme zu Anfang des Versuches ist auf das Um-
160
Walter Kühn,
getrockneter Luftstrom hindurchgeleitet wurde
herkriechen der Tiere zurückzuführen. Der Mißstand, daß diese Gruppe
nicht von Anfang an einer trockenen Atmosphäre ausgesetzt war,
wurde bei einer zweiten Gruppe von Versuchstieren dadurch beseitigt,
daß diesmal nicht nur ein mit Chlorkalzium gefülltes Glasgefäß in
ihren Aufenthaltsraum (wieder ein großes Glasgefäß) gestellt wurde,
sondern außerdem ein ständiger durch Atznatron und Chlorkalzium
Erst nach 9 Tagen
wurde der Luftstrom unterbrochen und
die Tiere wie beim ersten Versuch weiter
behandelt. Die Exemplare hatten seit
der Winterruhe Gelegenheit zur Nahrungs-
aufnahme gehabt und befanden sich etwa
in einem mittleren Ernährungszustand.
Ihre Membranen wurden nicht wie bei
der ersten Gruppe jedesmal entfernt,
sondern nur gelegentlich bei den Wägun-
gen durch Abreißen der Tiere von der
Gefäßwand verletzt. Ursprünglich war
die Zahl der Versuchsexemplare acht. Von diesen wurden jedoch
vergleichsweise zwei Exemplare (Nr. 7 und 8) vom 3. Tag ab in einem
mit Wasserdampf gesättigten Kaum gehalten.
Von den beiden Exemplaren hatte Nr. 7 bis dahin eine relativ
schwachCj Nr. 8 eine relativ starke Abnahme erfahren. Die Gewichte
sind auf folgender Tabelle angegeben.
Fig. G.
Tabelle 13.
'^^
20.
22.
24.
26.
28.
5.
13.
25.
7.
V.
V.
V.
V.
V.
VI.
VI.
VI.
VII.
1
26,70
24,32
22,88
21,16
20,50
19,65
18,92
17,51
15,45
2
25,18
22,03
20,73
19,41
18,59
17,85
17,47
16,67
+
3
29,05
25,40
24,17
23,20
22,31
21,18
20,18
19,67
18,60
4
24,75
19,86
18,79
18,02
17,87
+ 5. VI.
ö
21,17
19,16
18,09
17,64
17,17
15,64
+ 7. VI.
6
24,98
22,52
21,19
20,33
19,88
18,09
17,46
+ 25. VI.
7
25,85
23,65
22,78
22,44
22,22
20,79
19,32
18,71
+
8
25,54
21,51
20,52
20,03
19,50
18,22
17,08
17,59
+
Die Berechnung von Durchschnittswerten mußte infolge des
frühen Absterbens einiger Exemplare wegfallen. Auch hier ist die
Beiträge zur Biologie der Weinbergschneeke (Helix pomatia L ). IGl
Gleichmäßigkeit der Gewichtsabnahme viel größer als etwa auf der
auf S. 147 angegebenen Tabelle. Und zwar trifft das sowohl für die
in trockener als auch füi- die in feuchter Luft gehaltenen Exemplare zu.
Daß bei diesem Versuch die Exemplare im allgemeinen rascher zugrunde
gingen als bei den früheren, obgleich sie bereits Gelegenheit zur Nah-
rungsaufnahme gehabt hatten, hängt wohl in erster Linie damit zu-
sammen, daß bei den Exemplaren, die zu dem ersten Versuch ver-
wandt wurden, der intensive Stoffwechsel der Sommermonate über-
haupt noch nicht begonnen hatte und es sich also im wesentlichen nur
um eine künstliche Verlängerung der Winterruhe unter besonders un-
günstigen Bedingungen handelte.
Im Vergleich zu der Abnahme der beiden in feuchter Atmosphäre
gehaltenen Exemplare erscheint die der übrigen auffallend gering.
Der scheinbare "Widerspruch erklärt sich jedoch von selbst, wenn man
berücksichtigt, daß die in feuchter Luft befindlichen Exemplare be-
sonders am Anfang, aber auch später noch von Zeit zu Zeit in ihrem
Behälter umherkrochen und dabei Schleim abgaben.
4. Das "Wiederaufleben.
a. Die Ursache des Auskriechens.
Das Auskriechen einer im Ruhezustand, gleicligültig ob Winter-
ruhe oder Trockenstarre, befindlichen Weinbergschnecke wird nur durch
äußere Einflüsse verursacht und kann daher jederzeit hervorgerufen
werden. Diese Behauptung scheint mit dem auf Seite 137 — 139
Gesagten im Widerspruch zu stehen, wonach eine längere Unterbrechung
der Winterruhe auch durch sehr günstige äußere Bedingungen kaum
möglich ist. Dennoch lassen sich beide Aussagen vereinen. Das Ab-
stossen der verschiedenen Membranen kann zwar leicht jederzeit be-
wirkt werden. Doch folgt darauf im Winter nur ein sehr schwaches
Leben, das bald wieder in vollkommene Ruhe übergeht. Nur in der
günstigen Jahreszeit findet ein rascher Übergang zur vollen Lebens-
tätigkeit statt. Ein Unterschied besteht also nicht in der unmittelbaren
Reaktion auf die veränderten äußeren Bedingungen, sondern erst im
späteren Verhalten. Das Auskriechen ist bei passender Versuchs-
anordnung stets zu beobachten.
Um die einzelnen Faktoren zu erkennen und richtig zu bewerten,
die das Verhalten der AVeinbergsch necke bedingen, ist es notwendig
einen kurzen Blick auf die äußeren Einflüsse zu werfen, unter denen
sie normalerweise ihre wichtigen Lebensfunktionen vollzieht. Diese
Einflilsse sind hauptsächlich Wärme und Feuchtigkeit. Die intensivste
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. C'IX. Bd. 11
162 Walter Kühn,
Lebenstätigkeit kann man während und kurz nach warmen Regen
beobachten. Niedere Temperatur und geringe Feuchtigkeit bewirken
unter allen Umständen, auch bei reichlichem Nahrungsvorrat, einen
Übergang in den Ruhezustand.
Man kann infolgedessen vermuten, daß Wärme und Feuchtigkeit
auch die Faktoren sind, die das Auskriechen verursachen, eine Ver-
mutung, die durch zahlreiche Beobachtungen vollkommen bestätigt ist.
Zunächst ist einiges über die Bedeutung der Temperatur zu sagen.
In der Jahreszeit, in welche das intensive Leben der AVeinbergschnecken
fällt, beträgt sie kaum weniger als 8 — 10°. Man muß also annehmen,
daß innerhalb der Grenzen von 10° und etwa 20 — 25° die günstigsten
Temperaturverhältnisse für die Weinbergschnecke herrschen. Gaspard
hat an einem Exemplar nach Entfernung des Epiphragmas während
der Wintermonate beobachtet, daß bei 12 — 15°, ebenso bei 8 — 10 °R
Nahrung aufgenommen wurde , während die Nahrungsaufnahme bei
3 — 6°R unterblieb. Steigerung der Temperatur bewirkt, wenn sie
sich in gewissen Grenzen bewegt, graduelle, nicht aber wesentliche
Unterschiede im Verhalten der Weinbergschnecke.
Die Wärme allein kann ein Auskriechen nicht bewirken. Das
hat bereits Gaspard erkannt. Seine Versuche, die Winterruhe dadurch
zu unterbrechen, daß er die Tiere längere Zeit einer trockenen Wärme
von 15 — 30° aussetzte, hatten alle ein negatives Ergebnis. Dagegen
fand er, daß andre Exemplare im April und Mai bereits bei 8° aus-
krochen. Auch wenn er Exemplare zunächst in Wasser tauchte und
dann einer Temperatur von 20° aussetzte, stießen sie ihren Deckel
ab. Ein Auskriechen erfolgte sogar mitten im Winter, wenn er die
Tiere bei 12 — 13° in eine feuchte Atmosphäre brachte.
Diese Versuche lassen bereits vermuten, daß innerhalb gewisser
Temperaturgrenzen die Feuchtigkeit von ausschlaggebender Bedeutung
für das Verhalten der Weinbergschnecke ist. Mitteilungen, die mit
dem Gesagten übereinstimmen, wurden von einer Reihe von Forschern
gemacht, von denen A. Moqüin-Tandon (41), C. A. Recluz (46)^
E. Ebrard (14), S. Clessin (11), Döring (12), R. Dubois (13), M.
Bellion (5), 0. Hesse (24) und K. Kunkel (32) genannt seien.
Um die meist sehr kurzen und unvollständigen Angaben zu er-
gänzen und nachzuprüfen, habe ich eine Reihe von Versuchen ange-
stellt, die sich mit der Einwirkung der Feuchtigkeit auf winterschlafende
oder in Trockenstarre befindliche Weinbergschnecken beschäftigen.
Es wurde dabei die von früheren Beobachtern vielfach angewandte
Einwirkung von flüssigem Wasser ganz vermieden, die Tiere vielmehr
Beiträge zur Biologie der Weinbergschnecke (Helix pomatia L.). 1G3
lediglirli in ciiuMi mit "WasscnlMm^)!' gesättigten Raum gebracht. Sie
befanden sich dabei in einem Behälter aus Drahtgeflecht, der in einem
nicht ganz dicht verschlü.ssenen Glasgefäß über Wasser aufgehängt war.
Die ersten Versuche wurden Ende Juni 1912 mit drei Exemplaren
angestellt, die vorher 4 Woclien gehungert hatten. Nach 1 — 2 Tagen
wurden sie alle in Bewegung angetroffen. Das Auskriechen erfolgte
ebenso rasch, wenn die Individuen nicht über Wasser, sondern nur
in ein dicht verschließbares Glasgefäß gebracht wiirden; da sie bestän-
dig Wasserdampf abgeben, erreicht die Luft in dem abgeschlossenen
Raum sehr bald einen hohen Feuchtigkeitsgrad, der seine Wirkuni^
ausübt. Daß andre Ursachen nicht in Betracht kommen, zeigt ein
Kontrollversuch, bei dem die eingeschlossene Luft durch Chlorkalzium
trocken gehalten Avurde. In diesem Fall erfolgte kein Auskriechen.
Nach 2 Tagen AM.irde das Chlorkalzium entfernt. Einen weiteren Tas:
später befand sich das Exemplar in Bewegung.
Ganz entsprechende Resultate ergaben die zu verschiedenen Zeiten
im Winter 1912/13 mit eingedeckelten Exemplaren angestellten Ver-
suche.
Bei einer Temperatur von etwa 18° C stießen alle Exemplare, die
genügend lange in feuchter Atmosphäre gehalten wurden, ihr Epi-
phragma ab. während solche, die sich in gewöhnlicher Atmosphäre
befanden, keinerlei Änderung in ihrem Verhalten zeigten. Im allge-
meinen erfolgte die Reaktion erst nach mehreren Tagen. Die individu-
ellen Verschiedenheiten w^aren viel größer als im Sommer. Von 16 Exem-
plaren hatten nur zwei nach 2 Tagen ihren Deckel abgestoßen, nach
weiteren 3 Tagen waren im ganzen sieben Exemplare ausgekrochen.
Von den übrigen neun hatten vier nach 10 Tagen, zwei nach 12 Tagen,
und je eins nach 16, 18 und 19 Tagen reagiert. Rascher erfolgte die
Reaktion vielfach bei solchen Tieren, die ein sehr dünnes oder be-
schädigtes Epiphragma besaßen.
Bei niederer Temperatur (11° C) stießen von vier Exemplaren im
Laufe von 9 Tagen zwei ihren Deckel ab. Die beiden andern waren nach
23 Tagen noch unverändert.
Ein besonderes Interesse verdient das weitere Verhalten derjenigen
Exemplare, die auch nach dem Auskriechen noch längere Zeit in feuchter
Atmosphäre gehalten wurden, jedoch ohne Nahrungszufuhr. Im AVinter
erfolgte sehr bald erneutes Zurückziehen; der Ruhezustand konnte, wie
früher bereits erwähnt wurde, nur vorübergehend unterbrochen werden.
Die im Sommer untersuchten Exemplare blieben länger beweglich.
Doch zogen auch sie sich allmählich weit in die Schale zurück, und
11*
164 Walter Kühn,
schieden zum Teil Membranen ab. Nachdem drei Individuen auf diese
Weise mehr als einen Monat in feuchter Atmosphäre zugebracht hatten,
wurden sie am 1. August 1912 in feuchten Salat gesetzt. Normaler-
weise werden ausgehungerte Exemplare in diesem Falle sehr rasch
lebendig. Die drei erwähnten Individuen waren jedoch nach einem
Tage noch nicht ausgekrochen. Der lange Aufenthalt in feuchter
Atmosphäre hatte sie offenbar unempfänglich für die sonst sehr rasch
wirkenden Reize gemacht. Am 2. August wurden die Tiere unter
Wasser getaucht. Sie kamen nun bald aus der Schale und fraßen
eifrig von dem Salat, in den sie wieder gesetzt wurden.
Aus dem Verhalten folgt erstens, daß bei einem längeren Aufenthalt
in feuchter Atmosphäre die Wirkung der Feuchtigkeit aufgehoben wird,
zweitens, daß die Nahrung, insbesondere Salat, in erster Linie durch
die von ihr ausströmende Feuchtigkeit auf die Weinbergschnecke wirkt.
Wäre der spezifische Geruch hauptsächlich wirksam, dann hätten die
Exemplare etwa ebenso rasch auskriechen müssen , wie das sonst bei
ausgehungerten Exemplaren der Fall ist.
Mit dem großen Einfluß, den der Wassergehalt der Atmosphäre
auf die Weinbergschnecke ausübt, stehen zwei Beobachtungen im
engen Zusammenhang. Es ist möglich, das Aufwachen nach der Winter-
ruhe dadurch beliebig lang hinauszuschieben, daß man die Exemplare
in einem trockenen Raum hält. Man kann anderseits Individuen,
denen man die Nahrung entzieht, sehr lang beweglich halten, wenn
man sie in einem feuchten Raum unterbringt. Am 22. Mai 1912 brachte
ich eine Anzahl Weinbergschnecken, die bei regnerischem Wetter in
vollster Lebenstätigkeit aufgefunden waren, in einen feuchten Souter-
rainraum, der eine ziemlich gleichmäßige Temperatur besaß. Obgleich
die Tiere keinerlei Nahrung erhielten, krochen einige Exemplare am
2. August, also nach mehr als 10 Wochen, noch umher und zogen sich
erst dann allmählich in die Schale zurück, als sie in eine trockene
Atmosphäre gebracht wurden.
Durch frühere Versuche (S. 135 — 136) v^ar festgestellt worden,
daß das Epiphragma, wie auch die Schäle, einen Gasaustausch ge-
statten. Am Epiphragma kommt hauptsächlich, wenn nicht aus-
schließlich die Stelle in Betracht, wo die innen dicht aufliegende häutige
Membran von einer Kalkeinlagerung unterbrochen ist. Eine eben-
solche Kalkeinlagerung besitzen alle darunter liegenden Membranen.
Nach den Ergebnissen dieses Abschnittes ist auch die auf S. 135 — 136
erwähnte Reaktion auf Bestreichen des Epiphragmas bzw. der Schale
mit Paraffin oder Vaseline leicht zu erklären. Offenbar ist der Grund
J
Beiträge zur Biologie der Weinbergschnecke (Helix pomatia L). 1G5
für das Auskrieclien darin zu sehen, daß die von den Individuen ab-
geschiedene Feuchtiiikeit nicht entweichen konnte und einen immer
stärkeren Reiz auf die Tiere ausübte, der schließUch das Abstoßen
des Deckels verursachte.
b. Die ersten Lebensänßoruiigcii nach der Winterruhe nud die
Genicittzuuahme.
Im Freien beginnt das Wiederaufleben nach der Winterruhe ge-
wöhnlich Ende März oder im April. Es ist abhängig von dem Ein-
treten warmer Friihlingsregen. In der letzten Zeit vor dem Aus-
kriechen nimmt das Gewacht der eingedeckelten Exemplare besonders
stark ab. Das Abstoßen des Epiphragmas beschreibt Gaspaed fol-
gendermaßen (S. 258): »Das Tier zieht nach und nach die in den ver-
schiedenen Zellen abgesetzte Luft in seine Lungen und zerbricht die
Scheidewände, indem es den hinteren Teil des Fußes vorschiebt. Zu-
letzt zerstößt es den Kalkdeckel an dem ausgeschweiften Punkte und
dem stumpfsten Winkel, schiebt den scharfen Rand des Fußes zwischen
Schale und Deckel und trennt dadurch diesen ganz ab. Darauf kriecht
es hervor und frißt sogleich mit Begierde.«
Die Sterblichkeit ist in den ersten AVochen nach Beendigung der
Winterruhe gesteigert.
Bald nach der Winterruhe beginnt die Weinbergschnecke das
Wasser und die Reservestoffe, die sie inzwischen verbraucht hat, durch
Neuaufnahme zu ersetzen.
Einige kurze Mitteilungen über die Gewichtsvergrößerung nach
der Winterruhe finden sich bei A. Lang (34) und K. Kunkel (30).
Beide haben eine durchschnittliche Zunahme um etwa die Hälfte des
ursprünghchen Gewichtes beobachtet.
Ich habe die Zunahme bei einer Reihe von ausgewachsenen Exem-
plaren während eines Monats festgestellt und dabei die auf Tabelle 14
(S. 166) angegebenen Resultate erhalten.
Es handelte sich durchweg um ausgewachsene Exemplare, die
zwar vor Beginn des Versuchs bereits ihr Epiphragma abgestoßen hatten,
aber weder Nahrung noch Wasser aufgenommen hatten. Vom 27.
bis 28. April war ihnen nur Wasser geboten worden. Von da ab auch
zusagende Nahrung, besonders Salat. Vor jeder Wägung mit Aus-
nahme der ersten, wurden die Tiere mit Wasser besprengt und dann
sorgfältig abgetrocknet. Als Aufenthaltsraum diente ein großer Glas-
behälter, der oben mit einem weitmaschigen Drahtnetz verschlossen
war.
166
Walter Kühn,
Tabelle 14.
Exemplar
27.
28.
29.
1.
3.
5.
9. 17.
25.
Nr.
IV.
IV.
IV.
V.
V.
V.
V. V.
V.
1
17,35
23,73
25,59
22,98
22,24
22,22
22,20
23,33
25,38
2
17,47
22,36
22,16
22,43
21,46
21,35
24,79
22,76
24,81
3
17,35
19,09
22,78
21,40
20,76
20,30
21,91
27,50
25,95
4
12,12
12,62
15,89
16,07
14,72
14,87
16,27
16,60
16,06
5
14,00
14,60
15,35
15,31
14,97
15,04
18,08
16,83
16,72
6
16,18
20,58
21,16
18,86
19,05
18,36
22,29
21,95
22,00
7
16,37
18,33
18,39
19,47
18,82
18,88
22,40
20,17
20,51
8
16.20
20,73
24,35
21,24
20.87
20,83
22,80
22,82
22,82
9
16,32
18,53
20,70
20,58
19,59
19,34
20,16
22,08
20,16
10
20,62
21,49
23,48
24,22
23,78
23,87
26,56
27,13
26,84
Durchschnitt
16,39
-19,21
20,99
20,26
19,63
19,51
21,75
22,22
22,13
Die Wägungen zeigen, daß besonders in den ersten Tagen eine
bedeutende Zunahme stattfindet. Exemplar Nr. 1 vergrößerte sein
Gewicht in den ersten beiden Tagen um 47% des Anfangsgewichtes,
im Laufe des ersten Tages allein durch Wasseraufnahme um 37%.
Die andern Exemplare zeigten zwar
größtenteils keine so erhebliche Zu-
nahme, doch war auch hier gerade in
den ersten Tagen eine auffallende Ge-
wichtsvergrößerung zu beobachten.
Das zeigt sich sehr deutlich bei der
Betrachtung einer graphischen D ar-
stellung der Wägungsergebnisse (Fig. 7.)
Ganz ähnlich verhielten i-ich in
dieser Beziehung fünf ausgewachsene
Exemplare, die im Juli 1912, nachdem
sie gerade 2 Monate gehungert hatten, Salat erhielten. Sie hatten be-
reits nach einer Stunde sämtlich die Schale verlassen und fraßen nun
eifrig. Ihre Gewichte vor Beginn der Nahrungsaufnahme und an den
beiden folgenden Tagen sind auf Tabelle 15 angegeben.
Auch NüssLiN (44) macht Mitteilungen über die Gewichtzunahme
der Weinbergschnecken nach einer Hungerperiode. Er gab seinen
Versuchstieren jedoch nur Wasser und stellte lediglich die Zunahme
in den ersten 24 Stunden fest. Seine Wägungsergebnisse stehen mit
den meinigen in Übereinstimmung.
Fig- 7.
Beiträge zur Biologie der WViiihorgschnockc (Hclix poinatia L.).
Tnhrllc IT).
107
Nr.
17.
18.
19.
VII.
Yll.
VlI.
1
11,55
14,86
14,96
2
13,70
18,53
17,36
3
16,90
22,30
24,51
4
18,46
25,90
24,10
5
21,50
29,35
27,93
Durchschnitt
16,42
22,19
21,77
Aul'fallend ist bei Tabelle l.j, wie auch schon bei der Gewichts-
kiirve der ersten Versuchsgruppe, daß bei ehiigen Exemplaren bereits
im Lauf des zweiten Tages wieder eine Abnahme erfolgte. Überhaupt
zeigen die Gewichte in der Folgezeit große Schwan-
kungen. Bei Betrachtung der Fig. 7 ist das schon
deutlich zu sehen, obgleich hier das Bild durch zweier-
lei verwischt ist. Einmal sind die Schwankungen
durch Berechnung der Durchschnittsgewichte zum
größten Teil ausgeglichen, ferner sind die Wägungen
in der zweiten Hälfte der Versuchszeit nicht häufig
genug angestellt worden. Sehr viel klarer wird daher
das Bild, wenn man die Wägungsergebnisse der Einzel-
individuen in der ersten Hälfte der Versuchszeit be-
trachtet. In Fig. 8 ist die Gewichtskurve von Exem-
plar Nr. 6 dargestellt, die sich durch besonders ungleichmäßigen
Verlauf auszeichnet. Eine Erklärung liegt wohl in der Angabe von
Fig. 8.
Fig. 9.
Ebrard (14), daß ausgewachsene Tiere im allgemeinen nur alle 2 — 3
Tage Nahrung aufnehmen.
Fig. 9 zeigt schließlich noch im Zusammenhang die Gewichtskurve
168 Walter Kühn,
eines Exemplars (Nr. 5 der auf Tabelle 12 augeführten Gruppe), das
direkt anschließend an die Winterruhe vom 30. April bis zum 7. Juli
in trockener Atmosphäre ohne Nahrung gehalten wurde und dann
reichliche Nahrung erhielt. Der regelmäßige Verlauf während der
Hungerperiode tritt gut hervor, ebenso die ständigen Gewichtsände-
rungen vom Augenblick der Nahrungszufuhr an. Eine Reihe andrer
Exemplare verhielt sich ähnlich. Daß der Aufenthalt in dem Glas-
behälter, in dem die Tiere aufbewahrt wurden, keine wesentlichen Ab-
weichungen von dem normalen Verhalten der Tiere verursachte, konnte
ich feststellen, als ich die Schnecken eine Woche in einem von Draht
eingezäunten Gärtchen bei reichhcher Nahrung und Feuchtigkeit hielt.
Im Anschluß an die Besprechung der Gewichtzunahme nach
längerem Nahrungsmangel ist noch von einigen Versuchen zu be-
richten, die über das Verhalten der Weinbergschnecke trockener Nah-
rung gegenüber Aufschluß geben. Die große Vorliebe für Feuchtigkeit
legt die Vermutung nahe, daß trockene Speisen entweder verschmäht
oder doch nur wenig berührt werden. Eine Reihe von Versuchen
bestätigte diese Vermutung. Als Speise setzte ich den Schnecken
Filtrierpapier vor, von dem ich bereits früher festgestellt hatte, daß
es in feuchtem Zustande gern verzehrt wird.
Am 10. Juli wurden acht Weinbergschnecken bei vollkommener
Wasserentziehung einzeln in Gläser auf trockenes Filtrierpapier gesetzt.
Am ersten Tage, als der Austrocknungsgrad der Schnecken noch gering
war, wurden drei Papierstreifen angegriffen. An den drei folgenden
Tagen, über die der Versuch noch ausgedehnt wurde, zeigte dagegen
kein einziger der täglich erneuten Papierstreifen irgendwelche Freß-
spuren.
Schon wesentlich anders war das Resultat, als die Tiere einmal
täglich mit Wasser besprengt und dann, nachdem sie sorgfältig abge-
trocknet waren, auf trockenes Filtrier papier gesetzt w^urden. Auch
jetzt verschmähte in der Regel noch die Mehrzahl der Tiere das Papier.
Immerhin hatten in zwei von fünf Fällen je fünf Exemplare ihr Papier
angefressen, in einem Falle vier, einmal zwei und einmal gar kein
Exemplar. Noch stärker wurde das Papier angefressen, wenn es feucht
war. In einem Falle zeigten sechs von den Papierstücken deutliche
Freßspuren, in einem zweiten Falle zwei, in weiteren Fällen 3, 6, 6.
Bei der zweiten Versuchsanordnung waren insgesamt 16 Papierstreifen
von 40 angefressen worden, bei der letzten Versuchsanordnung dagegen
23 von 40 Papierstreifen.
Die Versuche zeigen, daß trockene Speisen vollkommen verschmäht
I
Beiträge zur Biologie der Weinbergselniecke (Helix poinatia L.). 1G9
werden, wenn die AVeinberuschnecke nielit selbst einen hohen Feuchtig-
keitsgehalt bet^itzt und daß selbst, wenn diese Bedingung erfüllt ist,
ein erheblicher Unterschied im Vergleich zu dem Verhalten feuchter
Nahrung gegenüber zu beobachten ist.
Eine Zusammenstellung der Hauptergebnisse dieser Untersuchun-
gen zeigt mit großer Deutlichkeit, welch eine außerordentlich wichtige
Rolle die Feuchtigkeit im Leben der Weinbergschnecke spielt. Nur
in feuchter Atmosphäre bewegt sie sich lebhaft und nimmt Nahrung
auf. Die Nahrung selbst wird meist nur dann angegriffen, wenn sie
Feuchtigkeit enthält. Eintretende Trockenheit bewirkt sehr bald eine
Änderung in der Lebenstätigkeit; die Tiere kapseln sich ein und ver-
harren im Ruhezustand, bis neue Feuchtigkeit sie wieder hervorlockt.
In der Zwischenzeit können sie die Wasserabgabe von dem anfänglich
sehr hohen Betrag auf ein äußerst geringes Maß herabsetzen, das auch
in vollkommen trockener Atmosphäre nicht viel größer ist. Die Er-
gänzung des Wassergehaltes nach einer längeren Ruheperiode kann
sehr rasch erfolgen. Von Wichtigkeit ist, daß die Weinbergschnecke
nicht nur durch flüssiges Wasser, im Freien also durch direkte Berührung
mit dem Regenwasser zum Wiederaufleben veranlaßt wird, sondern
auch allein durch einen hohen Feuchtigkeitsgehalt der Atmosphäre.
Sie wird also auch in einem geschützten Versteck, wo sie den direkten
Witterungseinflüssen nicht preisgegeben ist, eine Änderung des Wetters
wahrnehmen.
Unsre Versuche geben einen neuen Beweis von der Vollkommen-
heit, mit der die Weinbergschnecke ihren Existenzbedingungen im
Freien angepaßt ist.
II. Die Wasseraufnahme.
Je intensiver sich die Lebenstätigkeit der Weinbergschnecke ge-
staltet, um so größer wird ihr Wasserverbrauch. Die Schleimabgabe,
wie auch die Verdunstung an der Körperoberfläche können einen hohen
Betrag erreichen. Die Tiere entfalten deshalb nur dann ihre volle
Lebenstätigkeit, wenn sie die Möglichkeit haben, ihren Wasservorrat
häufig zu ergänzen.
Es fragt sich, auf welchem Weg das Wasser in den Schnecken-
körper gelangt. Insbesondere ist die Frage von Interesse, ob die Auf-
nahme des Wassers ausschließlich durch den Mund erfolgt, oder ob
sie auch auf anderm Wege, etwa durch die Haut möglich ist. Die
Untersuchuniren, welche diese Frage für die Landschnecken zu be-
170 Walter Kühn,
antworten suchen, sind nicht sehr zahh-eich. Um so lebhafter ist da-
gegen die Frage nach der Wasseraufnahme bei Wassermollusken er-
örtert worden.
Obgleich über die spezielleren Verhältnisse bei den Landpulmonaten
nur relativ wenige Mitteilungen vorliegen, finden sich auch hier man-
cherlei Widersprüche. Übereinstimmung herrscht nur in bezug auf
die Wasseraufnahme durch den Mund. Leydig (37) beobachtete das
Trinken bei Limax arhorum. Gegenbaur (20, S. 544) schreibt in bezug
auf die Pulmonaten: »Die Aufnahme von Wasser geschieht aber hier
durch den Darmkanal. Bei Helicinen ist nicht unschwer nachzuweisen,
daß die Tiere dasselbe durch den Mund einführen.« Auch Ebrard (14).
SiMROTH (50), Nalepa (42) und Kunkel (28) beobachteten die Wasser-
aufnahme durch den Mund, teils bei Helix, teils bei Limax. Während
aber Gegenbaur das Trinken für die einzige Art der Wasseraufnahme
hielt und Nalepa die Anschauung vertrat, daß immerhin die Haupt-
masse des Wassers durch den Mund in den Körper gelangt, wies Sim-
ROTH darauf hin, daß das rasche Aufquellen der Schnecken in feuchter
Umgebung nicht durch Wasseraufnahme in den Mund und Darm
erklärt werden könne, und daß man das Trinken als den selteneren
Modus der Wasseraufnahme anzusehen habe. E. Mer (40) führt an,
man könne sich durch Eintauchen einzelner Körperteile der Wein-
bergschnecke in Wasser leicht von der Durchlässigkeit der gesamten
Haut für Wasser überzeugen.
Genauere Untersuchungen, die auch über die Quantität des etwa
durch die Haut aufgenommenen Wassers Sicherheit geben, wurden
von den letztgenannten Forschern nicht angestellt. Erst in neuerer
Zeit ist durch die Versuche von K. Kunkel (28) ein wesentlicher Fort-
schritt erzielt worden. Kunkel beträufelte ein Exemplar von Limax
cinereus, das zuvor einige Tage ohne Futter zugebracht hatte, mit
etwas angewärmtem Wasser.
Um eine Wasseraufnahme durch den Mund unmöglich zu machen,
hielt er das Brettchen, auf dem das Tier saß, schief und beträufelte
die Schnecke nur hinter dem Mantel. Nach 2 Stunden hatte sie ihr Ge-
wicht von 3,85 auf 5,43 g, d. h. um 41,03% erhöht. Daraus geht hervor,
daß eine beträchtliche Wassermenge durch die Haut aufgenommen
werden kann. Das Tier kroch nach der Beträufelung lebhaft umher
und nahm, als ihm Wasser geboten wurde, weitere 1,4 g, diesmal
aber durch den Mund, auf. Von der Gewichtzunahme, die im ganzen
3,05g oder 79,20% betragen hatte, war etwas mehr als die Hälfte
(41,03%) durch Aufnahme durch die Haut verursacht worden,
Beiträge zur Biologie der W'eiiibeigschiiecke (Helix pomatia L.). 171
die übrigen 38,17% durch Trinken. Stark ausgetrocknete Nackt-
.^clinecken waren nach Kunkel nicht imstande, Wasser zu trinken.
Sie kannten nur dadurch zum Wiederaufleben gebracht werden, daß
KüNKEL ihre Haut mit Wasser in Berührung brachte.
Es lag nahe, nach den Versuchen von Kunkel auch für Helix
pomatia die Möglichkeit einer Wasseraufnahme durch die Haut zu
vermuten.
Um Sicherheit zu erhalten, habe ich folgenden Versuch angestellt:
Einigen Exemplaren wurde, um eine Wasseraufnahme durch den
^huul unmöglich zu machen, der Vorderdarm kurz hinter der Mund-
öffnung zugebunden. Die Operation ging so vor sich, daß einer um-
herkriechenden Schnecke plötzlich durch eine Schlinge der aus der
Schale gestreckte Teil des Körpers abgebunden wurde. In den leeren
Raum der Schale wurde etwas Watte gesteckt, so daß dem Tier ein
Zurückziehen unmöglich w^ar. Dann wurde mit einer Schere nicht
weit hinter dem letzten Tentakelpaar ein möglichst kurzer Schnitt
geführt. Der Pharynx war nun leicht zu erreichen und konnte mit
einem feinen Faden abgebunden werden, w^orauf die Wunde vernäht
wurde.
Nur durch große Vorsicht war ein teilweises Hervortreten der
Geschlechtsorgane zu verhindern. Sind die Geschlechtsorgane einmal
aus der Wunde getreten, dann ist es kaum möglich, sie ohne erhebliche
Verletzungen wieder zurückzudrängen. Es wurden nur solche Tiere
weiter untersucht, bei denen keine Verletzung der Geschlechtsteile
vorgekommen war.
Während der Operation gaben die Tiere auf der ganzen Körper-
oberfläche Schleim ab, besonders reichlich in der Gegend des Mantel-
randes.
Wie wenig sie jedoch durch die Operation in ihrem weiteren Ver-
halten beeinträchtigt werden, kann man daran erkennen, daß eine
gut operierte Weinbergschnecke nach dem Vernähen der Wunde nicht
selten ebenso lebhaft umherkriecht wie vor der Operation.
Zwei Exemplare wurden am Tag nach der Operation in ein schräg
gestelltes Gefäß gebracht, dessen Boden zum Teil mit Wasser bedeckt
war. Sie lagen gerade an der Wassergrenze. Die Tiere, die sich in-
zwischen in die Schale zurückgezogen hatten, krochen aus und ver-
ließen alsbald das Wasser. Sie wurden in bestimmten Zwischenräumen
gewogen und dann w^ieder in das Gefäß zurückgebracht und zwar
stets so, daß sie gerade an der Wassergrenze lagen. Vor jeder Wägung
wurden sie mit Fließpapier sorgfältig abgetrocknet.
172
Walter Kühn,
Die Ergebnisse der Wägiingen sind aus folgender Tabelle zu er-
sehen :
Tabelle 16.
Gewicht un-
mittelbar vor
d. Operation
Gewicht un-
mittelbar vor
d. Wasser-
aufnahme
Gewicht
1 Std.
später
Gewicht
1 Std.
später
Gewichtzunahme
in g
in %
1
2
20,24
17,81
9,46
18,45
11,12
19,13
11,21
1,32
1,75
7,4
18,0
Spätere Wägungen zeigten keine bemerkenswerte Gewichtzu-
nahnie mehr.
Da ein Trinken unmöglich gemacht war, muß das Wasser durch
die Haut einoedrungen sein. Die Verschiedenheit in der Gewicht-
zunähme ist wohl zum Teil darauf zurückzuführen, daß der Austrock-
nungsgrad der Tiere verschieden war. Vielleicht waren sie auch in
ungleicher Weise durch die Folgen der Operation beeinflußt.
Ein weiteres Exemplar, Nr. 3, wurde vor und nach der Operation
längere Zeit im Hungerzustand gehalten. Zum Vergleich wurden ganz
entsprechende Wägungen auch bei einem nicht operierten Exemplar
(Nr. 4) vorgenommen. Die Gewichtsabnahme, die wegen der fehlenden
Operation wegfiel, wurde durch Verlängerung des Hungerzustandes
herbeigeführt. Die Gewichte der Exemplare 3 und 4 sind auf Ta-
belle 17 (S. 173) angegeben.
Spätere Wägungen zeigten nur geringe Schwankungen im Gewicht.
Bemerkenswert ist, daß die operierte Schnecke ihren Wasser-
vorrat im Vergleich zur andern sehr langsam ergänzte, wie man aus
der Tabelle ersehen kann. Während letztere bereits 2 Stunden nach
der Wasserzufuhr ihr Gewicht kaum noch änderte, erreichte Exemplar
Nr. 3 das Höchstgewicht erst nach 40 Stunden.
Weiter fällt bei Betrachtung der Tabelle auf, daß die Gewicht-
zunahme in Prozenten bei dem nicht operierten Exemplar (Nr. 4) be-
deutend größer war, als bei dem operierten (Nr. 3). Möglicherweise
ist die Differenz auf die Beeinträchtigung in der Lebenstätigkeit zurück-
zuführen, die die Operation nach sich zog. Vielleicht hatte aber Nr. 4
neben der Wasseraufnahme durch die Haut auch erhebliche Mengen
durch den Mund zu sich genommen.
Beiträge zur Biologie der Weinbergsclineclic (Helix pomatia L.). 173
Ta helle 17.
1
0
^
4
^
G
1 Ä
Urspr.
Gewicht
Gewicht un-
mittelbar vor
d. Operation
Gewicht un-
mittelbar
nach der
Operation
Gewicht unmittelbar vor
der Wasserzut'ulir
Gewicht
1 Std.
W
in g
in % d. ursp.
Gewichts
später
3
4
32,9
29,1
26,7
24,8
19,97
17,32
60,7
59,2
20,24
21.34
7
8
9
10
11
12
a ^
Gewicht
1 Std.
später
Gewicht
14 Std.
später
Gewicht
1 Tag
später
Gewicht
2 Tage
später
Gewichtzunahme
W
in g
in o/j d. Gew.
V. d. Wasser-
znfuhr
3
4
20,49
23,25
22,69
22,73
23,95
22,74
22,97
3,98
5,93
19,9
34,2
Das Hauptergebnis des Versuches ist der Beweis, daß Helix pomatia
imstande ist, bedeutende Wassermengen durch die Körperhaut auf-
zunehmen. Es stimmt vollkommen mit dem Ergebnis überein, das
KüxKEL auf Grund andrer Versuchsanordming bei einem andern
Objekt erhalten hatte. Im Freien werden bei Regen jedenfalls bedeu-
tende AVassermengen durch die Haut aufgenommen. Die Runzeln der
Haut haben dabei wohl, wie schon Simroth und Kunkel ausführten, den
Zweck, ein zu schnelles Abfließen des Wassers zu verhindern, die
Flüssigkeit vielmehr auf der ganzen Körperoberfläche zu verteilen.
Bei den Versuchen Künkels nahmen die Individuen am wenigsten
AVasser auf, welche sich während des Beträufelns kontrahierten. Mehr
nahmen die Exemplare auf, die in Fortbewegung begriffen waren, am
meisten aber die, welche ruhig ausgestreckt liegen blieben.
Es fragt sich weiter, auf welchem Wege das Wasser durch die
Haut der Schnecke in das Innere gelangt. Leydig und Nalepa waren
durch anatomische Untersuchungen und Injektionsversuche zu der
Überzeugung gekommen, daß das Wasser durch Interzellularräume,
die in direkter Verbindung mit den Bluträumen stehen, eindringe;
eine Auffassung, die auch von Meisenheimer (39, S. 7) geteilt wird.
Simroth (49) äußerte dagegen die Vermutung, daß das Wasser seinen
174 Walter Kühn,
Wee; auch durch die Schleimdrüsen nehme. Kunkel hat diese An-
schauung durch einige Versuche wahrscheinHch gemacht. Er fand,
daß stark ausgetrocknete Nacktschnecken nicht imstande waren sich
fortzubewegen, bevor ihre Haut durch die Quellung des Schleimes
weich und beweglich geworden war. Bei ausgetrockneten Exemplaren
war der Schleim so zäh, daß er jede Bewegung unmöglich machte.
Durch Beträufeln mit Wasser, das ganz dem Regen im Freien ent-
spricht, wurde die Zähigkeit allmählich beseitigt. Dabei verhinder-
ten die Runzeln und Rinnen ein zu rasches Abfließen des Was-
sers und breiteten dasselbe auf der Oberfläche des Tieres aus.
Die Natur des Schneckenschleims hat Kunkel durch einige Ver-
suche näher erforscht. Er verschaffte sich den Schleim dadurch in
größerer Menge, daß er eine Schnecke in ein tiefes Uhrglas setzte, das-
selbe mit einem andern Uhrglas bedeckte und dann in den so abge-
schlossenen Raum ein mit Chloroform getränktes Stückchen Filtrier-
papier brachte. Darauf erfolgte starke Schleimabgabe. Zunächst
stellte KüNKEL fest, daß der Schleim nicht hygroskopisch ist. Er
brachte ihn in einen mit Wasserdampf gesättigten Raum und fand,
daß das Gewicht nicht zunahm. Die Quellbarkeit des Schleimes hat
KüNKEL durch folgenden Versuch veranschaulicht. Er entzog einem
Exemplar von Helix 'pomatia, das ein Gewicht von 8,29 g hatte, 0,38 g
Schleim und übergoß denselben mit Wasser. Nach 2 Stunden wog
er 1,35 g, hatte sein Gewicht also um 0,97 g oder um 255,26% ver-
größert. Ahnlich verhält sich der Schleim andrer Schneckenarten.
In ganz analoger Weise konnte Künkel aufgequollenen Schleim
durch Austrocknen auf kleine Bruchteile seines ursprünglichen Gewichts
reduzieren.
Es ist leicht begreiflich, daß bei ausgetrockneten Exemplaren der
Schleim so zäh wird, daß er nicht aus den Drüsen treten kann. Dieser
Fall, der bei Nacktschnecken nicht selten zu beobachten ist, kommt
bei Gehäuseschnecken schwerlich vor, da sie sich bei eintretender
Trockenheit bald in die Schale zurückziehen und dann nur sehr lang-
sam weiter austrocknen.
Jedenfalls machen die Versuche Künkels eine Wasseraufnahme
durch Quellung des Schleimes sehr wahrscheinlich.
Damit ist nicht ohne weiteres gesagt, daß die Wasseraufnahme
durch die Haut allein durch Vermittlung der Schleimdrüsen vor sich
geht, besonders da man noch keine Sicherheit hat, ob das in die Schleim-
drüsen aufgenommene Wasser auch in die andern Körperteile ein-
Beiträge zur Biologie der Weinbergschnecke (Hclix poniatiu L.). 175
dringen kann. Simroth (Bronn, S. 134.) ist allerdings der Ansicht,
daß die Interzellularrännie des Epithels für die Aufnahme von Wasser
nicht in Betracht konnnen. Doch ist diese Auffassung bis jetzt nicht
ausreichend begründet.
Beweis g:e^en eine Wasseranfiiahme aus feuchter Atmosphäre.
Terhalteu iu feuchter Luft.
Die Tatsache, daß der Schneckenschleim nicht hygroskopisch ist,
läßt von vornherein vernmten, daß eine Wasseraufnahme aus feuchter
Atmosphäre ausgeschlossen ist. Auch sonst liegt kein Grund zu einer
solchen Annahme vor. Trotzdem behauptet E. Mer (40), daß von der
ersten Stunde an eine leichte Gewichtzunahme zu beobachten sei,
wenn man eine Helix in einen mit Wasserdampf gesättigten Raum,
bringt. Er erklärt das so, daß der Wasserdampf durch die Gewebe
kondensiert wird. Auffallenderweise soll diese Absorption bald auf-
hören und das betreffende Exemplar nach kurzem Aufenthalt in ge-
wöhnlicher Atmosphäre sein ursprüngliches Gewicht wieder annehmen.
Diese Angaben klingen von vornherein sehr unwahrscheinlich. Doch
gibt auch Fleischmann (17) an, eine AVasserauf nähme aus feuchter
Atmosphäre beobachtet zu haben. Er schreibt (S. 429): »Ich konnte
sehr wasserarme Schnecken in starke Schwellung geraten lassen, wenn
ich sie für einen größeren Zeitabschnitt in einen Raum brachte, der
mit Wasserdampf gesättigt war.«
KÜNKEL berichtet zuerst über Versuche, deren Resultat in direktem
Widerspruch zu den Angaben Fleischmanns steht.
Das Verhalten der Weinbergschnecke ist aus folgendem Versuch
zu ersehen.
Drei Exemplare wurden, nachdem sie etwa 6 Wochen ohne Nah-
rung zugebracht und sich vollkommen in ihre Schale zurückgezogen
hatten, in einen Behälter aus Drahtnetz gebracht und dieser in einem
hohen Gefäß so aufgehängt, daß die Schnecken dicht über dem mit
AVasser bedeckten Boden des Gefäßes schwebten. Sie befanden sich
also in einem mit AVasserdampf gesättigten Raum. Ein Austausch
der verbrauchten Luft war dadurch ermöglicht, daß der Deckel des
Gefäßes nicht ganz dicht aufsaß.
Bald nachdem die Schnecken in das Gefäß gebracht waren, kamen
sie aus der Schale und krochen umher. Im Laufe der ersten Tage
hatten sie infolge des Umherkriechens einen erheblichen Gewichts-
verlust, der Größer war als in einem gleichen Zeitraum, den die Schnecken
in gewöhnUcher Atmosphäre zubrachten. Um einen Vergleich mit
17G
Walter Kühn,
dem Verhalten in gewöhnlicher Atmosphäre anzustellen, wurden die
Tiere nämhch zwischendurch auf die Dauer von 4 Tagen (vom 2. 7.
bis 6. 7. 12) in gewöhnlicher Atmosphäre gehalten, dann verbrachten
sie noch etwa 4 Wochen in feuchter Atmosphäre. Über das Ergebnis
der AVägungen gibt die folgende Tabelle Aufschluß.
Tabelle 18.
s
X
15. V.
(nach dem
Auffinden)
28. VI.
(Beginn des
Versuches)
30.
VI.
2.
VII.
4.
VII.
6.
VII.
8.
VII.
20.
VII.
1.
VIII.
1
2
3
20,2
19,2
16,8
17,43
16,94
13,66
17,10
16,58
13,35
17,01
16,24
13,30
16,83
16,15
13,22
16,82
16,13
13,17
16,81
16,13
13,17
16,78
16,05
13,11
16,40
15,39
12,73
Der Versuch beweist, daß auch in feuchter Atmosphäre das Ge-
wicht der Weinbergschnecke ständig abnimmt, selbst dann, wenn sie
sich bereits in einem stark ausgetrockneten Zustand befindet. Ganz
entsprechende Ergebnisse wurden bei Wiederholung des Versuches,
auch während der Winterruhe, erzielt.
Eine Wasseraufnahme aus feuchter Atmosphäre ist also nicht
möglich. Aus der kurzen Bemerkung, die Fleischmann über den
Gegenstand macht, ist nicht festzustellen, woher sein unrichtiges Er-
gebnis rührt. KüNKEL vermutet, daß sich an der Wand des Gefäßes,
das Flelschmann benutzte, Wasser niedergeschlagen hatte, das dann
die Schnecken auflecken konnten. Die Verouche ergeben natürlich
nur dann ein sicheres Resultat, wenn die Temperatur keine erheblichen
Schwankungen aufweist. Andernfalls, besonders bei rascher Tem-
peraturerniedrigung, ist eine teilweise Kondensation des Wassers un-
vermeidlich. Dieses flüssige Wasser wird natürlich gern aufgenommen
und kann zu falschen Kesultaten führen.
Aufquellen in Wasser.
Bekanntlich tötet man Weinbergschnecken, an denen anatomische
Untersuchungen gemacht werden sollen, am besten dadurch, daß man
sie einige Zeit in einem festverschlossenen mit Wasser angefüllten
Gefäß liegen läßt. Dabei macht es keinen merklichen Unterschied,
ob man frisches oder abgekochtes Wasser benutzt. Die Tiere kommen
bald aus der Schale hervor, strecken sich aus und vergrößern ihr Vo-
lumen außerordentlich stark. Offenbar ist diese Volumenvergrößerung
auf eindringendes Wasser zurückzuführen. Daß das Gesamtvolumen
Beiträge zur Biologie der Weinbergschnecke (Helix pomatia L.). 177
Wasser plus AV'eiuborgschnecke das Gleiche bleibt, kann man auf ein-
fache "Weise feststellen. Man bringt ein Exemplar in ein Cyhnder-
gefäß, füllt dasselbe bis an den Rand mit Wasser und verschließt es
mit einem Stopfen, der von einer engen Glasröhre durchbohrt ist. An
dem Wasserstand in der dünnen Glasröhre kann man auch geringe
Volumenschwankungen wahrnehmen. Wenn die Ausdehnung des
Sc'hneckonkörpeis allein durch eindringendes Wasser verursacht wird,
dann darf sich das Gesamtvolumen nicht ändern. Tatsächlich blieb
das Volumen bei dem mehrfach wiederholten Versuch, abgesehen von
ganz minimalen Schwankungen, dasselbe.
Die Volumenzunahme der Weinbergschnecke in Wasser wird also
ausschließlich durch eindringendes Wasser bewirkt.
Je nachdem die Tiere einen mehr oder weniger großen Luftvorrat
in ihrer Lungenhöhle eingeschlossen haben, schwimmen sie an der Ober-
fläche des Wassers oder sinken sie zu Boden. Die iSchale ist in der
Regel nach oben, der Fuß nach unten gerichtet. Eingezogene Exem-
plare kommen gewöhnlich bald aus der Schale. Gelingt es den Tieren
nicht, irgendeinen festen Gegenstand zu erreichen und an diesem ent-
langkriechend das Wasser zu verlassen, so gehen sie meist nach etwa
3 Tagen zugrunde; doch sind erhebliche Abweichungen nicht selten.
Nimmt man ein Exemplar, so lange es noch lebt, aus dem Wasser,
so werden in kurzer Zeit große Flüssigkeitsmengen abgegeben. Hatte
der Aufenthalt unter Wasser nicht zu lange gedauert, so kann eine
vollständige Erholung eintreten. Eine derartige Erholung beobach-
tete ich nach eintägigem Aufenthalt der Tiere unter Wasser.
Die Wasseraufnahme beim Untertauchen unter Wasser erfolgt
gewöhnlich sehr rasch; ausgestreckte Exemplare haben bereits nach
1 Stunde ein bedeutendes Volumen erreicht. Langsamer quellen ein-
gezogene Exemplare auf.
Regulieruug der Wasseraufnahme.
Man hat leicht den Eindruck, als ob es der Weinbergschnecke
unmöglich sei, das Aufquellen zu verhindern, wenn sie einmal mit dem
Wasser in Berührung ist. Tatsächlich ist sie jedoch unter gewis-
sen Bedingungen imstande, dem Aufquellen mit Erfolg entgegen-
zuwirken. Dabei ist notwendig, daß nicht die ganze Körperoberfläche
von Wasser umgeben ist. Insbesondere muß die Atemöffnung frei sein.
Ich brachte einige Exemplare in eine flache, etwa 4 cm hohe Glas-
schale, die etwa 31/4 cm hoch mit Wasser gefüllt war. Die Schale
wurde mit einem Drahtnetz zugedeckt. Bald krochen die Tiere an den
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CIX. Bd. 12
178
Walter Kühn,
Rand des Gefäßes und setzten sich dort fest. Sie konnten das Atem-
loch über Wasser halten, doch befand sich der größere Teil ihres Weich-
körpers ständig unter Wasser. Trotzdem nahm ihr Volumen kaum
zu. Das Wasser wurde täglich erneuert, da es immer beträchtliche
Schleimmengen enthielt. Die Schnecken wurden 15 Tage in diesem
Zustande gehalten. Anfangs krochen sie ziemlich lebhaft am Gefäß-
rand umher; bald wurden ihre Bewegungen aber träge und schwer-
fällig. Zwei Exemplare, die nach einem Wasserwechsel in die Mitte
des Gefäßes gelegt wurden, waren nicht mehr imstande den Rand
zu erreichen. Sie blieben liegen und quollen stark auf. Das eine Exem-
plar (Nr. 5) ging zugrunde, das andre erholte sich wieder, nachdem
es aus dem Wasser genommen worden war. Von fünf Exemplaren wur-
den die Gewichte ermittelt. Sie sind in folgender Tabelle angegeben.
Tabelle 19.
Exemplar
Nr.
10. VII. 12.
(Beginn des
Versuches)
15. VII. 12.
25. VII. 12.
1
22,00
25,28
23,17
2
24,63
25,95
25,74
3
21,22
20,35
—
4
15,8ö
15,22
15,60
5
23;82
24,17
+ 23. VII.
Eine auffallend große Gewichtsvermehrung hatte bei keinem Exem-
plar stattgefunden.
Nr, 3 wurde am 17. Juli ganz unter Wasser gebracht und quoll
dann stark auf. Die Exemplare Nr, 2 und 4 wurden am 26. Juni ganz
unter Wasser gebracht, Sie quollen auch auf, aber langsamer und
schwächer als man gewöhnlich beobachtet. Andre Exemplare erholten
sich bald nachdem das Wasser abgegossen war.
Der Versuch zeigt zunächst, daß Helix fomatia sehr wohl im-
stande ist, das Eindringen einer zu großen Wassermenge in ihren
Körper zu verhindern, vorausgesetzt daß sie nicht vollständig von
der äußeren Luft abgeschlossen ist.
Die Schleimabgabe während des Versuchs rührte offenbar daher,
daß die Tiere das Eindringen von Wasser und das Aufquellen ihres
Schleimes nicht zu hindern vermochten und sich nur durch reichliche
Sekretion vor zu starker Wasseraufnahme schützen konnten. Die
Beiträge zur Biologie der Weinbergschnecke (Hclix pomatia L.). 179
zuneliinciKle Träüheit in der Bewegung war vermutlich eine Folge
der starken Schleiniabgabe.
Eine Wiederholung des Versuchs mit fünf neuen Exemplaren, bei
der die Wägungen in kürzeren Zwischenräumen vorgenommen wurden,
zuerst im Abstand von 2, dann von mehr Stunden, schließlich von
1 — i Tagen, führte zu dem Ergebnis, daß ein starkes Aufquellen beson-
ders dann zu beobachten ist, wenn die Atemöffnung sich unter Wasser
befindet, d. h. wenn der normale Luftaustausch unmöglich gemacht
ist. Ein Exemplar nahm in diesem Zustand im Laufe von 16 Stunden
etwa 12 g zu. Ist die Atemöffnung frei, so hängt der Betrag der Wasser-
aufnahme wohl zum Teil von dem anfänglichen Feuchtigkeitsgehalt
der Versuchstiere ab. E. Mer (40) gibt an, daß die Menge des auf-
genommenen Wassers um so größer sei, je weiter der Weichkörper
in das Wasser eingetaucht werde. Ich habe eine derartige Beziehung
nicht wahrgenommen.
Ergebnisse.
1) Während der Winterruhe findet bei der Weinbergschnecke
ein ständiger Gasaustausch sowohl durch das Epiphragma als auch durch
die Schale statt. Wird Schale oder Epiphragma durch Bestreichen
mit Vaseline oder Paraffin dicht gemacht, so erfolgt Abstoßen oder
Lüften des Deckels. Die Zeit bis zum Eintritt dieser Reaktion schwankte
zwischen wenigen Tagen und mehreren Wochen.
2) Der Eintritt in die Winterruhe erfolgt auch dann, wenn die
Weinbergschnecke sehr günstigen Lebensbedingungen ausgesetzt wird.
Eine längere Ruhezeit im Sommer beseitigt das Bedürfnis nach der
Winterruhe nicht.
3) Die Größe der Gewichtsverlustes während der Winterruhe
hängt wesentlich von der Temperatur ab, der die Weinbergschnecke
ausgesetzt ist. Im Laufe von 12 Wochen betrug die Gewichtsabnahme
bei sechs Exemplaren, die einer mittleren Temperatur von 7 — 8 ° C aus-
gesetzt waren, 4,2% des Anfangsgewichtes; bei fünf andern Exem-
plaren, die in einem Raum von 18° C aufbewahrt wurden, betrug sie
in der gleichen Zeit 7,2%, das ist mehr als l,7mal so viel.
4) Für Winterruhe und Trockenstarre gilt in gleicher Weise, daß
die Gewichtsabnahme eines Exemplares in gleichen aufeinanderfolgen-
den Zeiträumen sehr verschieden sein kann. Ebenso bestehen be-
deutende individuelle Schwankungen in der Gewichtsabnahme.
5) Die Gewichtsabnahme während einer Hungerperiode im Som-
mer ist bedeutend stärker als die während einer gleichlangen Zeit im
12*
180 Walter Kühn,
Zustande der Winterruhe bei gleicher Temperatur. Der Unterschied
ist zum großen Teil auf das Vorhandensein des Epiphragmas im einen
Fall zurückzuführen.
6) Am Anfang einer Hunger- und Trockenperiode im Sommer,
besonders im Laufe des ersten Tages nach der Wasserentziehung, ist
die Gewichtsabnahme besonders stark, wie aus den Kurven zu er-
sehen ist.
7) Wasserzufuhr während einer Hungerperiode bewirkt einen sehr
unregelmäßigen Verlauf der Gewichtskurve. Die so behandelten Exem-
plare bleiben beweglich, gehen aber schneller zugrunde als die, welche
einer Hunger- und Trockenperiode ausgesetzt werden.
8) Die Aufnahme von Holzfaserstoff, der in Form von feuchtem
Filtrierpapier gern gefressen wird, beeinflußt die Gewichtsabnahme
im Vergleich zu derjenigen bei ausschließlicher Wasserzufuhr nicht
merklich.
9) Die Gewichtsabnahme in vollkommen trockener Atmosphäre
zeigt im allgemeinen einen regelmäßigeren Verlauf als die in gewöhn-
licher Luft. Die Weinbergschnecke ist auffallend widerstandsfähig
gegen den Einfluß trockener Atmosphäre. Vor Eintritt des Todes
wird die Gewichtsabnahme beschleunigt.
10) Durch Einwirkung von feuchter Atmosphäre kann man zu
jeder Jahreszeit ruhende Weinbergschnecken zum Auskriechen ver-
anlassen. Im Sommer kommen sie meist schon am ersten oder zweiten
Tag aus der Schale. Ln Winter schwankte die Zeit zwischen 2 Tagen
und 19 Tagen. Temperaturen unter 11° verzögern die Reaktion oder
verhindern sie ganz.
11) Durch Aufbewahren in einem feuchten Raum kann man
hungernde Weinbergschnecken sehr lang beweglich halten. Einige
Schnecken krochen nach mehr als 10 Wochen noch umher.
12) Bei längerem Aufenthalt in feuchter Atmosphäre erfolgt wieder
Einkapselung. Derart behandelte Exemplare krochen nicht aus, als
ihnen feuchte Nahrung gegeben wurde. Daraus folgt, daß der Geruch
der Nahrung allein ein Auskriechen nicht bewirkt.
13) In den ersten Tagen nach Beendigung der Winterruhe nimmt
das Gewicht der Weinbergschnecke bei günstigen äußeren Bedin-
gungen bedeutend zu. In der Folgezeit findet gelegentlich auch noch
erhebliche Zunahme statt. Doch zeigt die Gewichtskurve sehr bald
große Unregelmäßigkeit. Das Höchstgewicht während der ersten
4 Wochen nach der Winterruhe betrug bei zehn Exemplaren im Maxi-
mum 159%, im Minimum 129%, im Durchschnitt 140% des Gewichtes
Beiträge zur Biologie der Weinbergschnecke (Helix pomatia L.). 181
vor der NahrungszAifuhr. Es wurde von einem Exemplar bereits nach
2 Tagen, von drei weiteren nach 12 Tagen, von sechs Exemplaren
nach 20 Tagen und von einem Exemplar nach 28 Tagen erreicht.
14) Trockene Speisen verschmäht die Weinbergschnecke voll-
kommen, wenn sie nicht selbst einen großen Feuchtigkeitsgehalt be-
sitzt. Auch in letzterem Falle ließ sie die Nahrung in der Mehrzahl
der Fälle unberührt.
15) Helix pomatia ist imstande, erhebliche Wassermengen durch
die Körperhaut aufzunehmen.
16) Eine Wasseraiif nähme aus feuchter Atmosphäre ist nicht
möglich. Das Gewicht ninmit vielmehr auch in feuchter Atmosphäre
ständig ab.
17) Beim Untertauchen einer Weinbergschnecke unter Wasser
bleibt das Gesamtvolumen Schnecke plus Wasser konstant. Die
Ausdehnung des Schneckenkörpers ist daher ausschließlich auf ein-
dringendes Wasser zurückzuführen.
18) Bei teilweisem Untertauchen unter Wasser geht die Wein-
bergschnecke nur dann bald zugrunde, wenn die Atemöffnung dauernd
von Wasser bedeckt ist. Andernfalls zeigt sie sich sehr widerstandsfähig.
Die Gewichtsvergrößerung durch Wasseraufnahme schwankt innerhalb
weiter Grenzen, ist jedoch bedeutend geringer als bei gänzlichem Unter-
tauchen. Anscheinend hängt sie zum Teil von dem Austrocknungsgrad
der Tiere zu Anfang des Versuches ab.
Marburg, im November 1913.
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bergischen Naturforsch. Gesellsch. Frankfurt. Bd. XXXII. 1910.
S. 253—267.
33. Lambotte, Diminution du poids de l'Helix pomatia pendant rhibernation.
Annales d. l. Societe Malacologique de Belgique. Tome I. BruxeUes
1863.
34. Arnold Lang, Kleine biologische Beobachtungen über die Weinbergschnecke
(Helix pomatia L.). Viertel]' ahrsschr. d. Naturforsch. Gesellsch. Zürich.
Bd. XLI. 1896. Festschr. IL Teil. S. 488—495.
35. — Über den Herzschlag von Hehx pomatia L. während des Winterschlafes.
Festschrift z. 60. Geburtst. Ricir. HertwiCxS. Jena 1910. Bd. III.
S. 1—14.
36. Johann Carl Leüchs, Vollständige Naturgeschichte der Ackerschnecke
nebßt Anleitung zur Anwendung sicherer und erprobter Mittel zur
Verhütung der starken Vermehrung und zur Vertilgung derselben. Ge-
krönte Preisschrift. Nürnberg 1820. 336 S.
37. Franz Leydig, Zur Anatomie und Physiologie der Lungenschnecken. Archiv
f. mikroskop. Anatomie. Bd. I. 1865. S. 43—67.
38. Ed. V. Marxens, Über das Wiederaufleben von Landschnecken. Sitzgsber.
d. Gesellsch. Naturforsch. Freunde z. Berlin. 1889. S. 159.
39. J. MeisenheIxMer, Die Weinbergschnecke Helix pomatia h. Leipzig 1912.
40. E. Mer, Recherches sur l'absorption cutanee dans l'HeUx pomatia. Compt.
rend. d. 1. Soc. d. Biologie. T. XXIX. 1877. p. 186—197.
MöBiüS, siehe Fack.
41. A. Moquin-Tandon, Histoire naturelle des Mollusques terrestres et fluviati-
les de France. Paris 1855. 2 Bde. und Atlas.
Moritz, siehe Biedermann.
42. Alfred Nalepa, Beiträge zur Anatomie der Stylommatophoren. Sitzgsber.
d. Kais. Akad. d. Wissenseh. Wien. Math. Nat. Klasse. Bd. LXXXVIL
1. Abt. 1883. S. 237—302.
43. — Die Interzellularräume des Epithels und ihre physiologische Bedeu-
tung bei den Pulmonaten. Ebenda Bd. LXXXVIII. 1. Abt. 1884.
S. 1180—1188.
184 Walter Kühn, Beiträge zur Biologie d. Weinbergschnecke (Helix pomatia L.).
44. O. NÜSSLIN, Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Pulmonaten. II.
Die Gewichtsveränderungen durch Abgabe und Aufnahme von Wasser
bei Helix und Arion. Tübingen 1879.
45. Carl Pfeiffer, Naturgeschichte deutscher Land- und Süßwassermollusken.
3 Abteilungen. 1821. 1825. 1828.
46. C. A. Recluz, Note sur des Helices servant de barometre pour indiquer
la Pluie. Journal de Conchyliologie. Paris 1858. p. 178 — 180.
47. H. Richard, Recherches physiologiques sur le cceur des Gasteroi^odes
pulmones. Revue d'Auvergne. T. IIT. Clermont-Ferrand 1886.
p. 31—46 und 227—234.
48. Paulus Schiemenz, Über die Wasseraufnahme bei Lamellibranchiaten und
Gastropoden (einschließlich der Pteropoden). Mitteil. a. d. Zoolog.
Station z. Neapel. Bd. V. Leipzig 1884. S. 509—543.
49. H.SiMROTH, Die Tätigkeit der willkürlichen Muskulatur unserer Landschnecken.
Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XXX. Suppl. 1878. S. 166—224.
50. — Die Fußdrüsen der Valvata piscinahs. Zoo . Anz. Bd. IV. 1881.
S. 527—528.
51. R. Taylor, Lange unterbrochene Lebenstätigkeit einer Schnecke. Froriep.
Tagsber. üb. d. Fortschritte d. Natur- und Heilkunde. Abt. f, Zool.
und Paläontol. Bd. I. Weimar 1850.
52. Treitel, Über die Lebensfähigkeit der Gartenschnecke. Arch. f. Anatomie
und PhysioL, Physiol. Abt. 1893. S. 192.
53. Emile Yung, Contributions ä l'histoire physiologique de l'escargot (Helix
pomatia). Memoires couronnes et memoires des savants etrangers
publ. par l'Acad. Royale des sciences, des lettres, et des Beaux-Arts
de Belgique. Tome XLIX. Bruxelles 1888. 119 S.
1
i
Anatomische und histologische Studien an Mesothuria
intestinalis (Ascanius und Rathke).
Von
Wilhelm Haauen.
(Aus dem zooIog. und vergleichend-anatom. Institut der Universität Bonn.)
Älit 2 Figuren im Text und Tafel V und VI.
Mesothuria intestinalis ist ein in den nordischen Meeren wie auch
im Mittehneer häufig vorkommendes Tier. Zuerst stellte Ascanius
und Rathke die Art im Jahre 1767 an der norwegischen Küste fest und
reihte sie als Hohthuria intestinalis der Familie der Aspidochiroten
ein. In den nächsten Jahren wurde sie in mehreren faunistischen Ar-
beiten von verschiedenen nordischen und englischen Forschern (M. Sars,
Cr. 0. Sars. Düren und Koren, Lütken, Forres und Goodsir) kurz und
ohne weitere Angaben aufgeführt; erst Lampert (1885), Theel (1886)
und Marenzeller (1893) sind die ersten, die uns Näheres über die
Kalkkörper und die gröbere Anatomie unsres Tieres mitteilen. Theel
stellte im Jahre 1886 (Blake) der echten Holothuria intestinalis eine
neue, ihr sehr nahestehende Art unter dem Namen Holothuria verillii
gegenüber und Marenzeller verkündete als erster das Vorkommen
beider Arten im Mittelmeer. Nachdem Ludwig (1894) diejenigen Gat-
tungen unter den Holothuriiden, die der Fühlerampullen entbehren,
als eine neue Subfamilie der Synallactinae von den übrigen getrennt
hatte, folgte Oestergren (1896) einer Andeutung desselben Forschers
und nimmt beide Arten als Mesothuria intestinalis, bzw. verillii in die
genannte Subfamilie auf. Dabei geht er auch auf anatomische Ver-
hältnisse ein und macht auf die höchst eigenartige Zwittrigkeit auf-
merksam. Er bemerkt jedoch, daß Theel diese Eigenschaft unsres
Tieres schon vor ihm beobachtet habe und kündet ausführlichere Be-
richte dieses Forschers über die Geschlechtsorgane an, die Theel denn
auch im Jahre 1901 erscheinen ließ. Ein Jahr vorher hatte Ludwig
in seiner Zusammenstellung der arktischen und subarktischen Holo-
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CIX. Bd. 13
186 Wilhelm Haanen,
thurien über die geographische Verbreitung genaue Auskunft gegeben
und dabei mit Koehler (1896) die beiden Arten vereinigt. Demgegen-
über wollen Oestergren (1903), Perrier (1902) und Herouard (1902
und 1906) an der Verschiedenheit der beiden Formen festhalten und
sie, wenn auch nicht als gänzlich verschiedene Arten, so doch wenig-
stens als Subspezies oder Varietäten getrennt wissen. Herouard
glaubt (1902) an seinen im Golf von Biscaya gefangenen Exemplaren
von Mesothuria verillii Tentakelampullen entdeckt zu haben und stellt
wegen der Verschiedenheit der radialen und interradialen Ampullen
eine ganz neue Gattung Ällantis auf, worin ihm Oestergren (1903)
aufs entschiedenste widerspricht. Der Letztere will aber nun (1896,
S. 357 und 1907, S. 203) die ganze Subfamilie der Synallactinae als
vierte Familie unter die Ordnung der Elasipoda stellen, nachdem Lud-
wig schon (1894) die Mittelstellung der Synallactinae zwischen den
Holothuriinae und den Elpidiidae genügend hervorgehoben hatte. Auf
die genaueren Einzelheiten kann ich an dieser Stelle nicht eingehen und
werde in den betreffenden Kapiteln darauf zurückkommen. Zum
Schluß dieses historischen Überblicks erwähne ich noch einige kurze
Untersuchungen, die G. Retzius 1906 und 1910 über die Spermien
und die Verteilung der Sinnesnervenzellen bei unsrer Art in seinen
biologischen Untersuchungen niedergelegt hat.
Im übrigen sind keinerlei Einzelheiten histologischer Natur weder
bei Mesothuria intestinalis noch bei irgend einem andern Vertreter der
Synallactinae bekannt geworden.
Synonymik.
1767 Holothuria intestinalis Ascanius u. Rathke, S. 5, Taf. XLV.
1835 Fistularia mollis M. Sars, S. 40.
1846 Holothuria intestinalis Düben u. Koren, S. 320 — 322, Taf. IV^
Fig.28.
FoRBEs u. GooDsiR, S. 309, Taf. IX, Fig. 1.
LüTKEN, S. 68 u. 104.
M. SARS, S. 113.
Selenka, S. 93 u. 280.
M. SARS, S. 3—4.
Heller, S. 74.
G. 0. SARS, S. 28. Anm.
V. Marenzeller (Mittelmeer), S. 121.
MöBius u. Bütschli, S. 151.
Danielssen u. Koren, S. 78, 81.
1851
»
>>
1857
>>
>>
1861
»
»
1867
»
>>
1868
Thyonidium
scabrum
1868 Holothuria intestinalis
1872
1877
1875
1882
Anat. u. histül. Studien au Mosothuria intestinalis (Ascanius u. Rathkc). 187
1883
1885
1885
188G
1880
1880
1889
1890
1891
1892
1892
1893
1893
1893
1893
1895
1895
1890
1890
1890
1890
1890
1897
1897
1898
1898
1899
19U0
1901
1901
1902
1902
1902
1903
1903
1900
1900
1900
HoJothuria intestinalis Ludwig (Kieler Museum), S. 174.
» » Jarzynski, S. 171.
» Lampert, S. 00—01, 288.
» Kükenthal u. "Weissenborn, S. 780.
» Theel (Challenger), S. 209.
verillii Theel (Blake), S. 0.
» intestinalis Grieg, S. 7.
» » HoYLE, S. 458—470.
>> » Sladen, S. 702.
» » BELL(Catalogue),S. 48— 49,Taf.VI,Fig.3.
» » Bell (Fingal), S. 522.
>> » Nordgaard, S. 10.
>> » Steindachner, S. 440.
>> verillii v. Marenzeller( Atiantique Nord), S. 7—9,
Taf. I, Fig. 2 u. Taf. II, Fig. 2.
>> intestinalis v. Marenzeller (Mittelmeer), S. 15.
>> » V. Marenzeller (Mittelmeer), S. 21 u. 24.
>> >> Sluiter, S. 78.
>> » koehler, s. 100 — 108.
Mesothuria » Oestergren, S. 347 — 351, Taf. XVIII,
Fig. 1—20.
Holothuria » Appellöf, S. 4, 0 u. 11.
>> » Grieg, S. 4 u. 12.
» (var. verillii) Herouard, S. 103.
>> intestinalis Appellöf, S. 12.
Mesothuria >> Grieg, S. 30.
» » Grieg, S. 4, 5, 7, 11, 12, 24.
>> >> Ludwig, S. 9 u. 10 — 11.
>> >> Aurivillius, S. 10.
» » Ludwig (Arkt. Holoth.), S. 138—139.
» » Sluiter, S. 28.
» » Theel, S. 1—38 u. 2 Tafeln.
Allantisint. (var. ■yenZZ^■) Herouard, S. 18 — 21, Taf. I, Fig. 3 — 0.
Mesothuria intestinalis R. Perrier, S. 304 — 307.
>> verillii
Atlantis intestinalis
Mesothuria >>
>> »
>> >>
Holothuria >>
R. Perrier, S. 307—312.
Belage u. Herouard, S. 324.
Oestergren, S. 0, 7 u. Appendix.
Herouard, S. 5 u. 7.
Retzius, S. 113—117, S. 114.
Mac Bride, S. 570.
13*
138 Wilhelm Haanen,
1907 Mesothuria intestinalis Oestekgren, S. 203.
1910 » » Retzius, Taf. XV, Fig. 45—50.
1912 » » Grieg, S. 11.
I. Geographische Verbreitung.
Die Durchsicht der in der obigen Tabelle aufgeführten Literatur
ergab, daß die geographische Verbreitung von Mesothuria intestinalis
sich lediglich auf die atlantisch-subarktische Region beschränkt. Im
einzelnen möchte ich hier auf die schon erwähnte Abhandlung Lud-
wigs verweisen und nur die seitdem angegebenen Fundorte zusammen-
stellen. Im Jahre 1902 wird Mesothuria verillii von Herouard an den
Azoren gefunden und beide Arten wurden von Perrier zum ersten
Male an der Nord- und Nordwestküste Afrikas zwischen Marokko und
den Kanarischen Inseln festgestellt. Oestergren (1903) und Grieg
(1912) verzeichnen ihren nochmaligen Fang an Norwegens Küsten
und die Exemplare, die mir durch die Freundlichkeit des Herrn Geheim-
rat Ludwig zur Bearbeitung überwiesen wurden, stamnien aus der Um-
gebung von Neapel, wo die Art auch im vorigen Jahre wieder in
überaus großer Zahl gefangen wurde. Die tiefsten Fundstellen gibt
Perrier für Mesothuria verillii mit 4255 m in der Nähe der Azoren
an. Schon Marenzeller (1893) fiel die Tatsache auf, daß gerade dieses
Tier fast stets in sehr großen Tiefen vorkommt, während die eigent-
liche Mesothuria intestinalis viel mehr an der Oberfläche, bis 18 m
unter dem Meeresspiegel, lebt.
II. Gesamt-Aussehen.
Die äußere Form unsres Tieres ist durchaus walzenförmig cylin-
drisch, nach vorn und hinten ein wenig konisch verjüngt. Nur bei dem
in Alkohol konservierten Material findet man manchmal Exemplare, die
eine kleine Abplattung ihrer Bauchseite zeigen, eine Erscheinung, die
aber lediglich auf Schrumpfung durch das Konservierungsmittel zurück-
zuführen ist. Denn eine ähnliche Beobachtung kann ich bei keinem
der Tiere bestätigen, die in Formol konserviert waren. Außerdem kann
im Alkohol manchmal der umgekehrte Fall eintreten, daß sich nämlich
die Bauchseite ganz unnatürlich vorwölbt und die Rückenseite flach
wird. Infolge der großen Kontraktionsfähigkeit des Tieres erscheint
die Haut mit kleinen zarten Falten versehen, ist sonst aber äußerst
weich und läßt die Längsmuskulatur durchschimmern; von Farbe ist
sie bei den in Formol fixierten Tieren rein- bis grauweiß, mit einem
kleinen Stich ins Gelbliche und Violette. Im Alkohol wird sie undurch-
Aiiat. u. liistol. Studien an Mesotluiria intestinalis (Ascanius u. Rathke). 18&
schimmernd und bekommt ein mehr (xler weniger gelbes und dabei
oft stark gerunzeltes Aussehen. Der Mund zeigt eine ausgesprochen
subventrale Stellung und ist mit einem Kranze von 20 kleinen, schild-
förmigen Tentakeln versehen, wie wir sie typisch bei den Aspidochiroten
ausgebildet sehen. Selten findet man nur 19 oder gar 18 dieser Fühler;
häufiger kann es vorkommen, daß ein beschädigter Fühler eine verloren
gegangene Endscheibe nicht wieder regeneriert und nun als kleiner
Stumpf zwischen den andern Fühlern versteckt liegt. Diese Tentakel
sind im Mittel 5 mm lang und alle gleich groß, sie können mitsamt
dem Peristom in das Innere hineingeklappt werden.
Über den ganzen Körper sind echte Füßchen, niemals Papillen,
ganz unregelmäßig und ohne jede Reihenordnung verteilt. Sie alle
haben eine Endscheibe mit Gitterplatte, sind aber in bezug auf die
Größe ihrer Ausbildung an den einzelnen Körperregionen verschieden.
An den beiden seitlichen Radien des Triviums sind sie bedeutend länger
als auf dem Rücken und Bauch und auf ersterem besser als auf letzterem
angedeutet. Bei manchen Exemplaren muß man Stückchen der Haut
aufhellen, um unter dem Mikroskop die gitterförmigen Endplatten und
damit ein wirkliches Vorhandensein von Füßchen an jenen Stellen zu
erkennen. Es ist das eine Tatsache, die schon durch Oestergren (1896,
S. 347), Perrier (1902, S. 305) und Herouard (1906, S. 6) genügend
erläutert worden ist und zu einem Vergleich mit einer angedeuteten
Kriechsohle, wie sie den Elpidiiden (Elasipoda) in typischem Maße
eigentümlich ist, berechtigten Anlaß gegeben hat.
Nur wenige meiner Exemplare weisen eine Länge von mehr als
20 cm auf. Das größte ist 24,5 cm lang und über 4 cm breit. Bei den
meisten schwankt die Länge zwischen 9 bis 11 cm und die Breite zwi-
schen 2,5 bis 3 cm. Die genaue Längenangabe hat keinen Zweck, weil
die Größe und Breite konservierter Tiere nur allzusehr von dem jewei-
ligen Kontraktionszustand abhängig ist.
Tiere, die sich dicht mit Fremdkörpern bedeckt haben, befinden
sich sehr in der Minderzahl. Die meisten sind frei oder nur mit sehr
kleinen Mengen von solchen Fremdkörpern, wie Muschel- oder Fora-
miniferenschalenresten oder kleinen Steinchen oder Schlammteilchen
besetzt. Perrier befindet sich im Unrecht, wenn er (1902, S. 310),
um die Verschiedenheit von Mesothuria intestinalis und verillii zu er-
läutern, das Fehlen oder Vorhandensein eines solchen Belages auf eine
Verschiedenheit der Drüsenelemente zurückführt. Wenigstens für
Mesothuria intestinalis, die sich ja nach Perrier im Gegensatz zu Me-
sothuria verillii mit Fremdkörpern zu bedecken pflegt, konnte ich
190 Wilhelm Haanen,
Drüsenzellen in der Haut nirgendwo nachweisen, und wenn auf Quer-
schnitten durch die Haut die Cuticula manchmal mit etwas Meerschlamm
besetzt ist, so muß man das Anhaften dieses Schlammes dessen Klebrig-
keit zuschreiben. Überall kann man sehr deutlich erkennen, daß die
Fremdkörper, wahrscheinlich absichthch, stets nur mit den Saugfüßchen
festgehalten werden. Dabei können dann diese starren Teilchen als
Schutz und mehr noch als besseres Fortbewegungsmittel durch den
weichen Schlamm dienen.
III. Kalkkörper der Haut.
Bei der systematischen Wichtigkeit der Kalkkörper ist es nicht
zu verwundern, daß diese von den in der Einleitung genannten Autoren
am meisten Beachtung gefunden haben. Der Vollständigkeit wegen
muß ich auch meine Beobachtungen über die Kalkkörper hier an-
fügen. In der äußersten Bindegewebsschicht der Haut finden sich
direkt unter der Epidermis nur Stühlchen, keine Schnallen. Wie bei
allen derartigen stühlchenförmigen Kalkablagerungen liegt die Scheibe
stets nach innen, die Krone nach außen gerichtet. Dabei kann die
letztere Epithel und Cuticula zu kleinen Vorwölbungen nach außen
vorstülpen. Die Scheiben haben einen welligen, glatten, niemals be-
dornten Rand, und rund um ein centrales Loch gruppiert sich in der
Regel ein Kreis von acht kleineren Löchern. Weniger häufig kommen
auch mehrere (2 bis 3) peripherische Löcherkreise vor, deren Löcher
nach der Peripherie zu immer kleiner werden. Die meisten Stühlchen
sind vierstäbig, doch finden sich ab und zu drei- und noch seltener
f ünfstäbige vor (Taf . V, Fig. 9, 14 u. 15). Die Krone ist in der Regel
eine einfache Querverbindung der vier Stäbe, die sich nach innen und
außen ein wenig verbreitert und von vier bis über zwanzig Dornen
trägt. Diese sind niemals ganz spitz, sondern an ihrem Ende mehr oder
weniger abgerundet. Gerade die Bildung der Krone bedingt jene Va-
riabilität, die schon Theel (1886) an den Stühlchen der Mesothuria
verillii aufgefallen ist. Seltener beruht diese auf Abnormitäten und
Mißbildungen des ganzen Stühlchens, wie das Fig. 11 auf Taf. V deut-
lich macht.
Die Dichte in der Anordnung der Stühlchen ist natürlich je nach
dem Kontraktionszustand des Tieres verschieden. Bei ziemlich aus-
gestreckten Exemplaren berühren sich die Ränder der Scheiben, bei
stark kontrahierten überdecken sie sich zum Teil. In den Füßchen
gibt es ebenfalls nur Stühlchen von derselben Bauart und Größe wie
in der Körperhaut. Bei allen Füßchen, auch bei den rudimentären der
Anat. u. hi.stol. Studien an Mesothuria intestinalis (Ascanius u. Rathkc). 191
Bauchhaut ist stets eine Gitterplatte mit sehr vielen kleinen Löchern
deutlich zu sehen (Fig. 21).
In den Tentakeln finden sich niemals Stühlchen, sondern stets
nur Stützstäbe, die bedeutend größer als jene sind. Meist sind sie ein-
fach, gerade oder gebogen und mit Dornen unregelmäßig besetzt. Sel-
tener konnnen seitliche Ausstülpungen vor. die sich verbinden und so
ein plattenähnliches Aussehen bekommen können (Fig. 20). Bis nahe
imter das Sinnesepithel liegen sie oft sehr dicht, in der seitlichen Wan-
dung stehen sie unregelmäßig quer zur Längsachse des Fühlers, in dena
Endschild sind sie strahlenförmig angeordnet. In der Mundhaut kommen
neben den Stützstäben der Tentakel auch dornenlose, größere Platten
in ziemlicher Menge vor (Fig. 8).
Die Afteröffnung wird von einigen Kränzen solcher plattenförmigen
Kalkkörper umgeben, die viel größer und auch dicker als die Stühlchen-
scheiben sind. Sie sind länger als breit und ihre Längsrichtung fällt
mit der des Körpers zusammen (Fig. 19).
Sehr dicht mit kleinen Kalkkörperchen sind die Lumina des Stein-
kanals und der Madreporenkanälchen umlagert. Hier findet man neben
kleinen Stäbchen und Plättchen zumeist äußerst bizarre und kom-
plizierte, dreidimensionale Formen, die dadurch entstehen, daß sich
einfache Stäbchen nach allen möglichen Richtungen des Raumes ver-
zweigen.
In bezug auf die Größenverhältnisse der einzelnen Kalkkörper
ergab sich:
.. I Scheibe 0,06 —0,09 mm, selten 0,11—0,14.
, Krone 0.016—0.028 » » 0,031.
chen
J Höhe 0,06—0,07 » » 0,088.
Tentakelstäbe 0,4 —0,58 »
Afterplatten 0,39—0,49 »
Gitterplatten ] 0,34 (seitliche Radien).
der Füßchen J 0,14—0,16 » (Bauch u. Rücken).
Die Meinung Marenzellers, daß die Stühlchen zweistöckig seien,
ist schon 1902 durch Hkroüard widerlegt worden. In der Tat kann
man noch bei älteren Tieren die einzelnen Entwicklungsstadien der
Stühlchen deutlich verfolgen. Man sieht, wie die ersten Verzweigungen
des Primärkreuzes sich nach unten umbiegen, während gleichzeitig an
der entgegengesetzten Seite dieser Verzweigungen die vier Stielstäbe
ansetzen. Die ersteren schließen sich zu einem centralen Loch und
weitere Verzweigungen bilden die peripherischen Löcherkreise, während
1^2 Wilhelm Ilaanen, . .
an die Stäbe die Krone ansetzt. Dadurch erscheint das fertige Stühl-
chen zweistöckig, in Wirklichkeit stellt das erste Stockwerk nur das in
die Höhe gehobene Primärkreuz dar.
Verschiedenheiten in der Anordnung der Kalkkörper an den ein-
zelnen Körperregionen oder in der Ausbildung bei jüngeren und älteren
Tieren konnte ich nicht feststellen. Jedoch standen mir allzu große
Altersunterschiede nicht zur Verfügung. Die Geschlechtsbasis, an deren
Ausbildung man das Alter der Tiere (natürlich nur vergleichsweise)
schätzen kann, war bei allen meinen Exemplaren schon mehr oder
weniger deutlich angelegt.
Der Kalkring besteht, wie typisch, aus fünf radialen und fünf
interradialen Stücken. Die Interradialia sind kleine Stäbe mit einem
nach oben gerichteten Fortsatz in der Mitte, Die Radialia sind be-
deutend größer, haben an der unteren Seite eine größere und an der
Oberseite drei kleinere Einbuchtungen, durch deren mittelste, tiefere,
das Wassergefäß in die Haut umbiegt (Fig. 3). Größe und Gestalt
dieser Einbuchtungen unterliegt bei den einzelnen Tieren geringen
Schwankungen. Die subventrale Stellung des Mundes hat eine ver-
schiedene Größe der dorsalen und ventralen Radialia zur Folge. Diese
sind im Mittel 3, jene 3,5 mm hoch. Auf die Beziehung zwischen Kalk-
ring und Hauptkanälen werde ich bei der Besprechung des "Wasser-
gefäßsystems näher eingehen.
IV. Technische und Färbemethoden.
Von den 28 Tieren, die mir zur Untersuchung vorlagen, waren 16
in Alkohol, die übrigen in Formol konserviert. Da die ersteren teil-
weise schon seit 1882 in Alkohol gelegen hatten, waren die Gewebe zum
Teil maceriert und zu histologischen Untersuchungen völlig unbrauch-
bar geworden. Die in Formol fixierten Tiere stammen aus dem vorigen
Jahr (1912) und waren so gut erhalten, daß nicht einmal die Kalk-
körper, die sonst von Formol angegriffen zu werden pflegen, irgendwie
beschädigt waren.
Von den Einbettungsmethoden lieferte die einfache Paraffin-
einbettung verhältnismäßig bessere Resultate, als die komplizierte
Celloidin-Paraffindurchtränkung. Harte Stücke z. B. entkalkte Haut-
stücke, müssen durch Cedernöl, Cedernöl-Paraffin durchgeführt wer-
den. Die bequemste Entkalkungsmethode ist die tropfenweise Bei-
fügung von konzentrierter Salpetersäure in größere Mengen etwa
80%igen Alkohols,
Für Kernfärbungen nahm ich Thionin, DELAFiELDsches Häma-
Aniit. u. histol. StiKÜcn an .Mcsotliuria intt-stiiialis (Ascauius u. Ratlikc). 193
toxylin und HEiDENHAiNsches Eisenhäiiiatoxylin; daneben benutzte
ich Boraxkarniin zur Stückfärbung. Das letztere reicht gewöhnlich
zur Färbung sehr dünner 8c'hnitte nicht aus, leistet aber bei hinter-
her aufgehellten Totalpräparatcn ausgezeichnete Dienste. Thionin ist
neben Eisenhämatoxylin der beste Kernfarbstoff, hat aber die un-
angenehme Eigenschaft, oft schon in ganz kurzer Zeit zu verblassen.
DELAFiELDsches Häniatoxvlin färbt auch das Bindegewebe und eignet
sich vorzüghch zum Nachweis feiner, bindegewebiger Membranen, z. B.
der Scheidewand des Radialnerven. Zur Nachfärbung nach Dela-
FiELDschem Hämatoxylin fand ich nur Eosin oder Säure fuchsin ge-
eignet. Nach vorhergegangener Kernfärbung mit Eisenhämatoxylin
konnte ich dagegen fast alle mir zur Verfügung stehenden Plasmafarb-
stoffe mit gutem Erfolg anwenden, z. B. Eosin, Wasserblau, Säure-
fuchsin, Pikrinsäure, Dahlia, Methylgrün u. a. Die besten und schönsten
Differenzierungen ergaben die Kombinationen: Eisenhämatoxylin,
Pikrinsäure-Säurefuchsin oder Pikrinsäure-Wasserblau.
V. Haut.
Cuticula, Epidermis, Bindegewebsschicht, Quermuskulatur und
Cölomepithel sind die von außen nach innen aufeinanderfolgenden.
Schichten der Körperhaut aller bisher daraufhin untersuchter Holo-
thurien. Dieser älteren Zusammenfassung der einzelnen Hautschichten
möchte ich mit Becher (1907) den Vorzug geben vor derjenigen, die
Herouard (1890) hauptsächlich nach Beobachtungen an Cucumaria
und Colochirus aufgestellt hat. Diese unterscheidet Cuticula, Epider-
mis und den äußeren Teil des Bindegewebes als zone externe, die
Muskelschicht und Endothel als zone interne und als zone moyenne
eine mittlere, aus AVanderzellen bestehende Lage. Neben dem Umstand,
daß hier entwicklungsgeschichtlich zusammengehörige Schichten getrennt
werden und umgekehrt, trifft bei unsrer Art die Vermutung Bechers
zu, daß die zone moyenne sicher nicht allen Holothurien zukomme.
Wohl treten überall im Bindegewebe der Haut beladene wie unbeladene
Wanderzellen auf, doch ordnen sie sich in keiner Weise zu einer zu-
sammenhängenden Schicht, sondern finden sich in annähernd gleicher
Verbreitung in der ganzen Breite der Cutis. Eine Nervenlage, wie sie
Herouaru in der zone moyenne findet, fehlt bei Mesothuria gänzlich.
a) Cuticula und Epidermis.
Die gesamte Körperoberfläche ist von einer äußerst dünnen, glas-
hellen Cuticula überzogen, die sich nicht färben läßt und darum an
lO-l Wiliielm Haancn,
vielen Stellen sehr schlecht nachzuweisen ist. Ihr Vorhandensein wird
dadurch zur Gewißheit, daß sie sich in vielen Fällen von der dicht
darunterliegenden Epidermis abhebt. In der Mundhaut ist sie am stärk-
fcten entwickelt und geht direkt in die etwas dickere Cuticula der Darm-
wand über.
Eine mehr oder weniger allen Holothurien zukommende Eigen-
tümlichkeit ist die undeutliche Ausbildung des Körperepithels. Bei
Synafta sehen wir nach Hamann (1884) und Joukdan (1883) noch cylin-
drische Epithelzellen, die ein einigermaßen zusammenhängendes Ganzes
bilden. Bei unsrer Art besteht die Epithelschicht aus protoplasma-
armen Zellen, die unter der Cuticula sehr unregelmäßig verteilt liegen.
Dabei dringt das Bindegewebe zwischen den freien Zwischenräumen
hindurch bis dicht unter die Cuticula und die Undeutlichkeit der Zell-
grenzen erhöht die Unklarheit des Bildes. Kontraktionen und Falten-
bildungen der Haut haben zur Folge, daß die Epithelzellen sich an
einzelnen Stellen der Schnitte dicht anhäufen, an andern gänzlich
fehlen können. Dazwischen findet man Bindegewebszellen und die
verschiedenen Arten von Wanderzellen eingelagert. Hautdrüsenzellen
scheinen am deutlichsten und häufigsten bei fußlosen Holothurien
beobachtet worden zu sein (Danielssen und Koren (1882) bei Acan-
ihotrochus, Hamann (1884) bei Syna/pta und Becher (1907) bei Rhab-
domolgus). Unter den Pedaten werden derartige Zellen nur bei Kolga
hyalina von Danielssen und Koren beschrieben und als einzige Art
unter den Aspidochiroten wird von Jourdan (1883) Stichopus regalis
genannt. Aber auch hier fehlt die nähere Beschreibung und Darstel-
lung auf seiner Abbildung. Diese Drüsenzellen könnten in gewisser
Hinsicht einen Ersatz darstellen für die Ambulakralfüßchen, indem
das ausgeschiedene Secret auf schlüpfriger Unterlage besseren Halt,
auf rauher Unterlage bessere Bewegungsmöglichkeit gewährt. Da-
durch wäre denn auch der völlige Mangel dieser drüsigen Zellelemente
bei unsrer mit Saugfüßchen reich ausgestatteten Art einigermaßen ver-
ständlich. Selbst bei Färbung mit DELAFiELDschem Hämatoxylin oder
Thionin konnte ich auf Hunderten von Schnitten keinerlei Drüsen-
zellen in der Haut wahrnehmen, obschon solche bei demselben Exem-
plar und derselben Behandlung im Magen sehr deutlich und scharf
hervortraten.
Weniger leicht hätte ich ohne Macerationspräparate das Nicht-
vorhandensein von Sinnesnervenzellen in der Haut behaupten können,
wenn nicht die Arbeit von Ketzius (1906) meine Beobachtungen in
dieser Hinsicht ergänzt hätte. Dieser Forscher behandelte die Haut
Anat. u. histol. Studik-ii an Mc'!?othuiia intestinalis (Ascanius u. Rathkc). 195
unsres Tieres mit Silberiütrat und küunte Siiiuesnervenzellen in der
Haut überhaupt nicht, dagegen in den Endscheiben der Füßchen und
Tentakel sehr wohl nachweisen.
b) Cutis.
Den größten Teil der Haut nimmt auch bei unsrer Art die Leder-
haut ein, die, wie überall bei Holothurien, aus einer hyalinen Grund-
substanz und zur Hauptsache aus Fasern besteht. Die Grundsubstanz,
die sich mit Thionin oder DELAFiELDschem Hämatoxylin an einzelnen
Stellen nachweisen läßt, ist jedenfalls beim lebenden Tier gallertig und
gerinnt beim Fixieren des Materials. Man findet sie nur selten ver-
dichtet und dann stets da, wo sie mit andern Gewebsteilen zusammen-
stößt, z. B. über dem Epineuralkanal und unter der Stühlchenschicht.
Die Cutis ist deutlich in zwei Schichten gesondert. Wegen der großen
Zahl der Kalkkörper enthält die äußere nur spärliche, dünne Faser-
bündel, die sich durch die Epithelzellen hindurch bis zur Cuticula vor-
drängen können. Diese Lage hat ungefähr die Höhe eines Stühlchens,
ist demnach sehr dünn und beträgt kaum ein Zehntel der ganzen Cutis.
Die Faserbündel werden in der inneren Schicht, die gänzlich frei von
Kalkablagerungen ist, zahlreicher und nehmen nach innen zu immer
an Dicke zu. Ihr Verlauf ist unregelmäßig, doch ist die zur Längsachse
des Tieres senkrechte Richtung die weitaus häufigste. In der Mund-
haut und in den Tentakelwandungen bildet die Cutis nur eine Schicht,
die von vielen Maschen durchbrochen wird, in denen die Stützstäbe
und Platten liegen. Die Bindegewebszellen sind auch hier stets mehr-
fach verästelt und in sehr geringer Anzahl vorhanden. Während das
Epithel und die äußeren Lagen des Bindegewebes frei von Pigment-
ablagerungen sind, finden wir an der Innenseite, dicht über der Quer-
muskulatur, besonders bei größeren und älteren Tieren, zahlreiche An-
häufungen von Pigmentkörnern. Diese Pigmentierung tritt nach
öffnen des Tieres in Gestalt kleiner, brauner, kreisförmiger Flecke auf
und ist auf dem mittleren Radius des Triviums am stärksten ausgebil-
det, nimmt dagegen nach dem Rücken zu allmählig ab. Am Grunde
der Tentakel finden sich zwischen den einzelnen Fühlern ebenfalls
größere Ansammlungen solcher Pigmentkörner, die sich auch äußer-
lich als gelbbraune, große Flecken bemerkbar machen. Pigmentzellen
habe ich nicht nachweisen können.
c) Quermuskulatur.
Wie bei allen pedaten Holothurien ist auch bei Mesothuria die
Quermuskulatur eine ziemlich kräftig entwickelte Lage ringförmig ver-
19G Wilhelm Haaiien,
laufender Faserbüüdel , die an den Kadien unterbrochen sind. Die
glatten, oft sehr langen Fasern liegen zuweilen locker, so daß das Binde-
gewebe zwischen sie eindringen kann. Mitunter kann sich auch der
ganze Strang etwas vom Epithel entfernen und in das Bindegewebe
verlagern, so daß sich eine zweite, außerhalb der Muskulatur gelegene
Bindegewebsschicht zeigt. Diese Verlagerung, in das Bindegewebe
wird dort vollständig, wo die Quermuskulatur in den Kreismuskel des
Schlundkopfs übergeht. Diesen kann man am besten mit einem lan-
gen, flachen Band von ziemlich kräftiger Ausbildung vergleichen, das
unterhalb der Tentakelbasis, aber außerhalb des Fühlerkranzes ge-
legen, den ganzen Schlundkopf kreisförmig umgibt. (Taf. V, Fig. 2, g-.)
Durch seine Kontraktion kann das Peristom mitsamt den Fühlern
in das Innere hineingeklappt werden. Der Kreismuskel ist in dem Binde-
gewebe vollständig eingebettet und steht in keinem Zusammenhang
mit der Kreismuskulatur, die als direkte Fortsetzung derjenigen des
Ösophagus den Mund umgibt. Diese an der Innenseite der Fühler
gelegene Ringmuskellage des Mundes ist äußerst schwach, setzt sich
in der Nähe des Nervenringes an und geht ohne irgendwelche Ver-
breiterung in die Ringmuskelschicht des Darmes über, so daß man
von einem Muskelsphincter innerhalb des Tentakelkranzes nicht gut
wird reden können. An der Afteröffnung bildet die Quermuskulatur
einen gutentwickelten Schließmuskelring und steht durch ihn in di-
rektem Zusammenhang mit der Eingmuskelschicht des Enddarms.
d) Längs muskulatur.
Die Längsmuskulatur besteht aus den fünf sehr kräftig ausgebil-
deten Faserbündeln, die, von Bindegewebe und Endothel rings um-
hüllt, sich innen an die Radiärkanäle des Wassergefäßsystems an-
legen. Im Gegensatz zu den meisten Aspidochiroten hat Mesothuria
intestinalis einfache Längsmuskeln und gleicht in dieser Eigenschaft
den Elasipoden, Synaptiden und Dendrochiroten. Von den letzteren
unterscheidet sie sich durch das gänzliche Fehlen der Rückziehmuskelu.
In der Nähe des Schlundkopfs ist der Querschnitt des Längsmuskels
bohnenförmig rundlich, wird aber nach der Körpermitte zu ganz be-
deutend länger und schmäler und nimmt am After allmählich an Aus-
dehnung ab. Durch den Besitz eines besonders kräftigen Längsmuskels
ist der mittlere Radius des Triviums ausgestattet. Die Längsmuskeln
setzen sich ungefähr in gleicher Höhe, nur mehr nach innen, wie die
Kreismuskelschicht des Schlundes, also oberhalb des Kalkrings, in dem
die Hauptkanäle umgebenden Bindegewebe an (Fig. 5 Im). Sie stehen
Anat. u. histol. 8tudion an Mosothnria intestinalis (Ascanius u. Rathkc). 197
weder dort noch auch an der Afterüt'fnung in irgend einer Verbindung
mit den Läugsmuskehi des Darnitractus.
e) Endothel.
Das Cölomepithel ist ein «äußerst flaches Plattenepithel, dessen
Zellgrenzen nicht mehr zu erkennen sind. Man hat daher den Eindruck
einer dünnen Membran, an der sehr häufig rundlich-ovale Kerne liegen.
Schon weiter oben bemerkte ich, daß dicht unter dem Endothel sehr
häufig eine deutliche Bindegewebsschicht liegt, die auch bei einigen
andern Holothurien gefunden worden ist und die nach Becheks sehr
einleuchtender Ansicht (1907) lediglich durch Verlagerung, d. i. Ent-
fernung der Muskulatur von ihrem Entstehungsort. dem Cölomepithel,
entstanden ist. Die gleiche Bindegewebslage konnten bereits Danielssen
und Koren (1882) für Trochostoma thomsonii beschreiben. Auch bei
Mesothuria findet sich eine peritoneale Auskleidung der Leibeshöhle
(Peritoneum Ludwigs 1889 — 92), die nicht bei allen Holothurien vor-
kommt. Becher hat (1907) sie z. B. bei Rhabdomolgus nicht wieder-
finden können, vielmehr hängt dort noch die Muskulatur dicht mit
dem Cölomepithel zusammen.
VI. Wanderzellen.^
Die bis jetzt bei Holothurien gefundenen Wanderzellen lassen sich
einteilen in: 1) Blutzellen und unbeladene Plasma wanderzellen, 2) sog.
beladene, d. s. körnchentragende Plasmawanderzellen, 3) Exkretions-
zellen und 4) Freßzellen.
Während die unter 1) angeführten Zellen bei allen Holothurien
aufzutreten scheinen, wechseln die übrigen, was Vorkommen und Aus-
sehen anbelangt, bei den einzelnen Familien und Gattungen beträcht-
lich. Eine Übersicht über die verschiedenen Ansichten der einzelnen
früheren Forscher gibt Bechers erwähnte Abhandlung über Rliah-
domolgus (1907).
Den Blutzellen, sowie den unbeladenen Plasmawanderzellen, die
bei konserviertem Material oft nur schwer zu unterscheiden sind, be-
gegnen wir in fast allen bindegewebigen Organteilen unsres Tieres,
besonders häufig im Blut- und Wassergefäßsystem.
Auch die großen beladenen Plasmawanderzellen, die mit den
Schleimzellen Sempers, den Plasmawanderzellen Hamanns imd den
cellules muriformes Heroüards zu identifizieren sind, finden sich
bei Mesothuria intestitialis ganz außerordentUch häufig. Sie sind im
Durchschnitt 7 — 10 */ sroß und liec[en frei zwischen den Lücken aller
198 Wilhelm Haanen,
bindegewebigen Teile unsres Tiers. »Sehr auffallend ist das verscbiedene
Verhalten der Einschlußkörner den einzelnen Farbstoffen gegenüber,
sodaß man zunächst den Eindruck hat, als ob man es mit mehreren,
ganz verschiedenen Arten von Zellen zu tun hätte. Theel findet sie
(1901) in den Bindegewebsteilen der Geschlechtsorgane und nennt
sie »cells with spheres«. Diese Zellen mit Kugeln, die man ungefärbt
am besten untersucht, indem man einfach ein Stück des Dorsalmesen-
teriums von der Fläche unter starker Vergrößerung betrachtet, zeigen
in diesem ungefärbten Zustande genau das Aussehen, das die oben
genannten Autoren an den großen beladenen Plasmawanderzellen be-
schrieben und abgebildet haben. Bei Anwendung verschiedener Schnitt-
färbungen sieht man nicht mehr, wie im ungefärbten Zustande stark
lichtbrechende, tröpfchenähnliche Einschlüsse, sondern ganz massive
Körnchen, die oft bis zu 50 in einer Zelle sich vorfinden. Theel sagt
von ihnen : »The typical cells are characterized by possessing a number
of refringent spheres easily brought to view by dyeing in acid-fuchsine
or iron-hämatoxyline <<. Nun ist aber Säurefuchsin ein Plasmafarb-
stoff, während Eisenhämatoxylin die Kerne färbt. Es geht also aus
Theels Worten hervor, daß auch er schon gesehen hat, daß viele Zellen
Körner enthalten, die sich wie Plasma, andre, die sich wie Chromatin
färben, ohne diesem Umstand eine unterscheidende Wirkung zuzu-
schreiben.
In bezug auf die Färbbarkeit der Einschlüsse könnte man sogar
drei verschiedene Zellarten unterscheiden, die aber durch Übergänge
miteinander verknüpft sind und meiner Meinung nach als verschiedene
Stadien einer und derselben Zellart anzusehen sind. Man findet 1) Zellen,
deren Einschlußkörner sich wie Chromatin, also schwarz nach Eisen-
hämatoxylin, blau nach ÜELAFiELDschem Hämatoxylin färben, 2) Zel-
len, in denen sich die genau so großen und in derselben Anzahl vor-
kommenden Einschlußkügelchen wie Plasma färben, z. B. mit Eosin
hell-, mit Säurefuchsin dunkelrot oder mit Pikrinsäure gelb, mit Pikrin-
säure-Säurefuchsin braunrötlich, mit Pikrinsäure-Wasserblau grün und
3) Zellen, die gar keine Einschlußköruer mehr enthalten und in ihrem
unfärbbaren, wasserhellen Plasma kleine, blasige, an die Körner er-
innernde Strukturen erkennen lassen. Die unter 3) aufgeführte Zellart
gleicht also eigentlich allein den ungefärbten Wanderzellen, ist aber
sowohl mit der ersten, als auch mit der zweiten Art durch mannig-
fache Übergänge sehr deutlich verbunden. Es gibt nämlich bei beiden
Arten Zellen, die nur wenige, oft auch gar keine Körner mehr
enthalten, dann aber die oben erwähnten Strukturen gefärbt erschei-
Anat. u. histol. kStudion an Mcsothuria intestinalis (Ascanius u. Ratlike). 199
neu lassen. Das kann z. B. auf Präparaten, die mit DELAFiELD-scheni
Häniatoxyliu und Eosin gefärbt sind, den Anschein erwecken, als ob
bei der unter 2) genannten Zellart der Kern, der sonst immer schön
blau hervortritt, in diesem Falle rot gefärbt wäre. Indes ist er nur durch
die rötlich schimmernde Membran verdeckt. Nur sehr selten findet
man jedoch Zellen, in denen, wie ich mich kurz ausdrücken will, chro-
matin- und plasmaähnliche Kügelchen mit einander gemischt er-
scheinen. Ich habe das mit Deutlichkeit nur auf einem Präparat ge-
sehen, das mit DELAFiELDschem Hämatoxylin und mit Eosin ziem-
lich stark nachgefärbt war. Da fand ich in sehr vielen Zellen der ersten
Art auch wenige Kügelchen, die sich wie Plasma, also in diesem Falle
rötlich gefärbt hatten (Fig. 4 d). Es dürfte sich hier um ähnliche
Vorgänge handeln, wie sie Becher (1907) für Zellen beschrieb, die de-
generierte Kerne fressen und in denen diese degenerierenden Kerne in
ihren verschiedenen Stadien der Resorption auch auf die verschie-
denen Farbstoffe besonders reagieren. (Vgl. Bechers Taf. XXXII,
Fig. 12 u. 13.) Diese Zellart mit unsrer, oben beschriebenen zu identi-
fizieren, ist indes nicht wohl denkbar, da jene BECHERschen Zellen
keine größere Anzahl von kleineren Kugeln und auch im Verhältnis
zur Zelle einen bedeutend größeren Kern besitzen, der überdies auch
andre Chromatinstrukturen aufweist. Alle oben besprochenen Zell-
arten findet man in annähernd gleicher Häufigkeit nicht nur in den
Geschlechtsorganen, sondern auch in sämtlichen andern Organen
unsres Tieres. Ihre reichliche Anwesenheit besonders im Ösophagus
und Magen läßt mit Sicherheit darauf schließen, daß sie beim Stoff-
wechsel eine wichtige Rolle spielen, daß also keinesfalls davon die Rede
sein kann, sie, wie Theel das tut, als eigens dazu spezialiserte Gebilde
anzusehen, die lediglich unbrauchbar gewordene Teile der Genital-
schläuche zu resorbieren haben. Vielmehr scheint es mir, daß man in ■
diesen Zellen typische Exkretionszellen zu erbhcken hat, die an allen
Stellen des Körpers die unbrauchbar gewordenen Stoffwechselreste
sammeln, sie chemisch zersetzen und dadurch unschädlich machen.
Dieses Unschädlichmachen von Exkretionsstoffen wird bei den meisten
andern Tieren dadurch erreicht, daß diese Teile einfach aus dem Körper
entfernt werden; und so hat man denn auch bei Holothurien lange
danach gesucht, irgend eine Öffnung oder Stelle zu finden, wo ein Aus-
tritt solcher Exkretionsstoffe stattfinden könnte. Becher hatte be-
reits 1907 bei Rhahdomolgus ruber einen größeren Wanderzellenklumpen
in dem hinteren Teile der Leibeshöhle gefunden und als Ansammlung
von Exkretionsstoffen erkannt; aber erst 1912 konnte er bei Lajxido-
200 Wilhelm Haanen,
flax huskii allerdings nur beim lebenden Tier in der Nähe des Afters
einen Rückenporus feststellen, durch den der betreffende Wander-
zellklumpen ausgestoßen werden kann. Herouard (1890) .findet,
daß das aus den Kiemenbäumen ausgestoßene Wasser zellige Elemente
enthält und schließt daraus, daß durch die Wandungen dieser Kiemen
ein Austritt von Exkretionszellen ermöglicht wird. Bei Mesothuria
intestinalis konnte ich wegen Mangels an frischem Material weder
Herouards Wahrnehmung, noch auch das Vorhandensein eines Rücken-
porus nachprüfen. Indes weisen Quer.-chnitte durch die Kiemen so-
wohl im Bau des Innenepithels, als auch in der besonders großen Häufig-
keit der Wanderzellen keinerlei Besonderheiten auf; auch existiert bei
unsrem Tiere niemals ein solcher Wanderzellklumpen, wie ihn Becher
für die beiden genannten Paractinopoden fand.
Am ehesten glaubte ich über die Exkretionstätigkeit unserer
Wanderzellen Aufklärung zu erlangen, indem ich Stellen untersuchte,
die sich offensichtlich in Resorption befinden. Das ist z. B. bei älteren
Tieren stets der Fall an dem hinteren, nackten Teil der Genitalbasis,
der sich nach dem Verlust der Geschlechtsschläuche nach oben krümmt
und dann eine bräunliche Verfärbung annimmt. Diese bräunliche Ver-
färbung, die stets die stattfindende Resorption auch äußerlich an-
deutet, gleicht genau der Färbung, die das Pigment der Körperhaut
der Innenseite unsres Tieres verleiht. Vergleicht man auf Schnitten
dieses Pigment der Körperhaut mit den Einlagerungen, die das braun-
gewordene Genitalbasisende stets in großen Mengen aufweist, so stellt
sich die völlige Identität beider heraus. Man findet nämlich hier, wie
dort eine Unzahl kleiner Körnchen oft zu dichten Haufen zusammen-
gedrängt, die sich Farbstoffen gegenüber sehr verschieden verhalten.
Die kleinen Körnchen haben ungefähr die Größe der Einlagerungen
der Wanderzellen, färben sich jedoch nie so intensiv wie diese. Oft
nehmen sie gar keine, oder doch nur sehr wenig Farbstoffe auf, oft aber
auch übt DELAFiELDsches Hämatoxylin oder Pikrinsäure-Säurefuchsin
oder auch Pikrinsäure- Wasserblau u. a. die bekannten Färb Wirkungen
mit schwacher Intensität aus* Immer aber findet man in diesen Pigment-
klumpen sehr viele Zellkerne, die mehr oder weniger degeneriert sein
können. In diesem Falle zeigen sie keine Chromatinstruktur, sondern
färben sich stets nach Eisenhämatoxylin ganz schwarz und sind zu-
meist etwas eingeschrumpft. Manchmal an Stellen, wo die Pigment-
körner weniger dicht zusammenliegen, scheinen sie zu kleinen Häufchen
vereinigt, die in bezug auf ihre Größe sehr an unsre Wanderzellen er-
innern, doch ist es unmöglich, irgendwelche Zellabgrenzungen fest-
Anat. u. histol. Studii'u an Mesothuria intestinalis (Ascanius u. Rathke). 201
zustellen. Daß imsre Zellen mit Kugeln unter den »Maculae« (vgl.
S. 233) der Genitalbasis, also unter den Teilen, die in Anfangsstadien
der Resorption stehen, oft sehr häufig auftreten, hebt schon Theel
hervor.
Obschon wir noch sehr weit davon entfernt sind, die Frage nach
den Exkretionsorganen der Holothurien endgültig gelöst zu haben, so
dürfte sich diese ebenso interessante wie schwierige Frage durch obige
Ausführungen um einen Gesichtspunkt erweitern, wenn man in den
Pigmentablagerungen, sowohl denjenigen in der Körperhaut, wie auch
in der Genitalbasis, Ansammlungen von Stoffwechselresten erblickt,
die von den Wanderzellen gesammelt und unschädlich gemacht worden
sind. Anstatt also nach außen befördert zu werden, bleiben diese Reste
wenigstens zum Teil als Pigment in den Lücken zwischen den Binde-
gewebsfasern der Körperhaut liegen. Dann macht auch die Lage des
Tieres es verständlich, wenn sich diese Pigmenthaufen in viel stärkerem
Maße auf der Bauchseite ansammeln, wie auf der Rückenseite, Der
Umstand ferner, daß sich bei iungen Tieren keinerlei derartiges Piff-
ment, weder in der Haut noch in der Geschlechtsbasis vorfindet, bei
älteren Exemplaren dagegen mit wachsender Größe das Pigment gleich-
falls zunimmt, kann die oben ausgesprochene Vermutung nur be-
kräftigen. Anderseits erregt die unregelmäßige Färbbarkeit Bedenken
und wird durch komplizierte chemische Vorgänge erklärt werden
müssen. Völlige Aufklärung bleibt späteren chemischen und physio-
logischen Untersuchungen vorbehalten.
Eine weitere Art von Zellen, und zwar Phagocyten, hat schon
Theel bei unserm Tier gefunden und >)cells with vacuoles« genannt.
Solche Zellen trifft man nur in Geschlechtsschläuchen an, die schon
mehr oder weniger ausgewachsene Eier enthalten. Dort resorbieren
sie einen Teil der Eier, wahrscheinlich damit den übrigen mehr Nähr-
material zukommen kann. Sie sind große rundliche Gebilde, die sich
durch starke Vacuolisation ihres hellen Plasmas auszeichnen und in
der Größe und Zahl dieser Vacuolen sehr wechselnde Bilder bieten
können. Wenn sie nicht vereinzelt im Bindegewebe des Eischlauchs
liegen, sondern sich, wie das im Deutoplasma des zu zerstörenden Eies
zu geschehen pflegt, zu dichten Gruppen vereinigen, ist es unmöglich,
die Zellgrenzen nachzuweisen. Da die meisten meiner histologisch
brauchbaren Exemplare in großer Überzahl nur reife männliche Ge-
schlechtsschläuche besaßen, habe ich diese Vacuolenzellen auf meinen
Präparaten selten angetroffen und verweise auf Theels Beschreibung
und Abbildung.
Zeitechrift f. wissensch. Zoologie. CIX. Bd. 14
202 Wilhelm Haanen,
Neben den bisher genannten kommt als letzte Form von Wander-
zellen bei Mesothuria noch eine besondre Zellart vor, die ich fast nie
in den bindegewebigen Teilen des Körpers, sondern stets dem Cölom-
epithel anhaftend vorfand, so daß man sie als spezifischen Bestandteil
der Leibeshöhlenflüssigkeit ansprechen kann. Die runden Zellen haben
ungefähr die gleiche Größe wie die beladenen Plasmawanderzellen und
lassen sich am besten vergleichen mit der Zellform, die Becher (1907)
homogene Wanderzellen genannt hat. Das Plasma färbt sich nach
DELAFiELDschem Hämatoxylin blau und nach Pikrinsäure-Säure-
fuchsin hellbraun, meist durchaus homogen. Nur selten erscheint es
fein granuliert. Eine wabige Struktur, wie wir sie bei der dritten
Art der beladenen Wanderzellen beobachten konnten, fehlt ebenfalls.
Der Kern ist meist länglich, stets an die Wand der Zelle gedrückt.
Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, daß man es auch hier nur mit einer
eigentümlich aussehenden Form der Plasmawanderzellen zu tun hat.
Die von Becher (1907) für Rhahdomolgus ruber beschriebenen,
eigentlichen Exkretionszellen, die sich durch ihre bedeutende Größe
wie auch durch kleine, nicht färbbare Inhaltskörnchen auszeichnen,
finden sich bei Mesothuria ebenso wenig wieder, wie die von den Freß-
zellen abzuleitenden Riesenwanderzellen.
VII. Wassergefäßsystem.
a) Ringkanal.
Bei Mesothuria intestinalis befindet sich der Gefäßring 5 — 7 mm,
also ziemlich dicht hinter dem Kalkring. Sein Durchmesser ist jedoch
bedeutend kleiner, als der des Kalkrings und wird mit 5 — 6 mm kaum
halb so groß als dieser. Bei mittleren Tieren beträgt sein Lumen, das
übrigens durch Kontraktion sehr variiert, an der weitesten Stelle 0,6 bis
0,8 mm. Die histologische Zusammensetzung seiner dünnen Wandung
ist die allen Holothurien eigentümliche. Eine bindegewebige Lage,
die frei von Kalkkörpern ist, wird an der Außenseite von einem sehr
flachen Plattenepithel begrenzt. Nach innen folgt eine nicht sehr
kräftige Muskelschicht, die parallel der Längsrichtung des Körpers
läuft und wiederum ein äußerst dünner Epithelstreifen. Nur selten
kann man auf dem Innen- sowohl wie auf dem Außenepithel eine Be-
wimperung beobachten, obschon das Bild, das eine solch dünne Mem-
bran mit ziemlich weit auseinanderliegenden Kernen darbietet, eine
Bewimperung auf den ersten Blick nicht sehr wahrscheinlich macht.
Die Wimpern sind äußerst zart und lang; auf stark mit DELAFiELD-
schem Hämatoxylin gefärbten Präparaten werden sie sichtbar. Die
Anat. u. histol. Studien an Mosothuria intestinalis (Ascanius u. Rathke). 203
innere Wandung des Riugkanals hat stärker entwickelte Muskel-
nnd Bindegewebslage und letztere beherbergt den Blutgefäßring.
h) PoLische Blase.
Die schlauchförmige PoLische Blase ist fast immer in Einzahl
vorhanden, liegt stets genau ventral und erreicht mit höchstens 2 cm
etwa ein Zehntel der Körperlänge. Nur ein einzigesmal fand ich drei
Blasen, von denen die eine gewöhnliche Stellung und Größe, die beiden
andern die gleiche Größe und etwas höhere, linksseitige Stellung hatten.
Als Ausstülpung des Ringkanals ist die histologische Zusammensetzung
die gleiche wie dort. Nur ist der Funktion als Regulator des Wasser-
gefäßsystems Rechnung getragen durch die ungleich stärkere Ausbil-
dung der Muskeln, die als direkte Fortsetzung derjenigen des Ring-
kanals hier als Ringmuskeln auftreten. Das Bindegewebe besteht aus
ungemein feinen Fasern, die sich leicht zusammenpressen lassen. Bei
starken Kontraktionen der Blase erscheint das dünne Außenepithel
oft faltig zusammengelegt. Dicht unter diesem äußeren Epithel fin-
den sich sehr große Haufen der oben beschriebenen Wanderzellen mit
Kuseln meist von der chromatinähnlichen Form. An dem inneren
Epithel fand ich nie solche Anhäufungen, so daß für Mesothuria in-
testimiUs Cüenots Ansicht, daß dort Wanderzellen gebildet würden,
keine Bestätigung findet (Fig. 26).
c) Haupt-, Fühler- und Radialkanäle.
Die dünne Wandung, die den Ringkanal bildet, ist keineswegs eine
Fortsetzung der äußeren Bindegewebsschicht des Ösophagus, sondern
stets mit der inneren, weit mächtiger entwickelten Bindegewebslage in
Verbindung. Am vorderen Ende des Drüsenmagens, da, wo dieser in
den Ösophagus übergeht, sieht man bindegewebige Stränge die Muskel-
schichten des Darmes durchsetzen und sich zu einer Art den Schlund
umhüllender Lamelle vereinigen, die eine Strecke weit den Darm ein-
fach begleitet, sich dann aber teilt und so einen ringförmigen Kanal
bildet (vgl. Textfig. 1 la). Die Epithelüberzüge dieser Lamelle gehen
einfach aus dem Darmepithel hervor und auch die an der Innenseite
ausgebildete Muskelschicht steht mit derjenigen des Darmes in Ver-
bindung. Indem sich oberhalb des Ringkanals die beiden Lamellen
an den Interradialia wieder vereinigen, bleiben an den Radien die fünf
Hauptkanäle, die demnach wie bei allen Aspidochiroten, mit ziemlich
weiter Öffnung in den Ringkanal münden und sich nach vorn in die
Fühler und Radialkanäle fortsetzen. In die Fühlerkanäle gehen die
14*
204 Wilhelm Haanen,
Hauptkanäle ebenfalls mit weiter Öffnung und ohne jede Ventilvor-
richtung über, Anzahl und Bau der Radialkanäle zeigen keine be-
sondern Eigentümlichkeiten. Das ziemlich lange, schmale Lumen
ist ausgekleidet mit einem äußerst flachen Plattenepithel, auf das
nach dem Körperinnern zu der in Bindegewebe eingehüllte Längs-
muskel der Haut folgt. Aber auch an der entgegengesetzten Seite
befindet sich eine Muskelschicht, die aus sehr viel feineren, regelmäßig
längsverlaufenden Fasern gebildet wird, so daß das Radialgefäß mit
Ausnahme der beiden Schmalseiten zum größten Teil von Längsmuskeln
eingefaßt ist. Das Vorkommen dieser, aus einer einzigen Lage beste-
henden Längsmuskelschicht war schon Hamann (1884) für Synapjta
und wohl auch für andre, pedate Holothurien bekannt; sie soll vielleicht
bei starken Körperkontraktionen eine allzustarke Faltenbildung der
dünnen Membran verhindern, die das Wassergefäß von dem Hyponeural-
kanal (Pseudohämalkanal Ludwigs) trennt.
d) Füßchenkanäle.
Über den Verlauf der Füßchenkanäle geben mit Boraxkarmin
gefärbte und in Cedernöl oder Xylol aufgehellte Totalpräparate von
radialen Hautstücken die beste Auskunft. Da die Füßchen über den
ganzen Körper zerstreut liegen, müssen ihre Kanäle, die sie mit dem
Radialgefäß verbinden, oft sehr lang sein. Senkrecht zu dem Radial-
gefäß treten sie seitlich als äußerst dünne Kanälchen aus, die sich
dicht an der Quermuskulatur durch das Bindegewebe bis zu der Stelle
hinziehen, wo das betreffende Füßchen liegt. Erst dort biegen sie
wiederum fast senkrecht um, wobei sich das Lumen beträchtlich er-
weitert. An dieser Umbiegungsstelle werden bei unsrer Art niemals
Ampullen, weder freie, noch verdeckte, ausgebildet. Auch habe ich
nie Verästelungen dieser Füßchenkanäle gesehen, so daß also jedes
Füßchen seinen eignen Kanal zum Radialgefäß hinschickt. In histo-
logischer Beziehung zeigen sie dasselbe dünne Plattenepithel und die-
selbe Längsmuskulatur wie letzteres.
e) Fühlerampullen.
Herouard glaubt (1890) bei Mesothuria verillii Fühlerampullen
gefunden zu haben. Er meint damit kleine Vorwölbungen, die nach
Injektion des Wassergefäßsystems »pinces entre les dents de la cou-
ronne calcaire« sichtbar werden. Weil diese Vorwölbungen an den
Interradialstücken des Kalkrings bedeutend größer sind als an den
Radialia, stellt er für Mesothuria verillii sowohl, wie anfangs auch für
Anat. u. histol. Studien an Mcsothuria intestinalis (Ascanius u. Rathke). 205
Mesothuria intestinalis die neue Gattung Allantis auf. Diese wird jedoch
von den andern Forschern, z. B. Perrier und Oestergren (1. c.) nicht
anerkannt. Deshalb zieht Herouard seine Behauptung für Mesothuria
intestinalis zurück, will sie jedoch für Mesothuria verillii, die er allein
daraufhin untersucht hatte, aufrecht erhalten, bis man gezeigt habe,
daß diese verschiedene Größe der Fühlerampullen eine allen Synal-
lactinen zukommende Eigentümlichkeit ist. Obwohl mir kein Exem-
plar der Mesothuria verillii und auch von Mesothuria intestinalis kein
frisches Material zu Injektionszwecken zur Verfügung stand, gelang
es mir, einige Klärung zu erlangen durch Beobachtungen über die Be-
festigungsweise des Kalkrings. Schneidet man an einem mit Borax-
karmin vorgefärbten und aufgehellten Schlundkopf dicht über dem
Kalkring die Tentakel ab, so sieht man, daß der Kalkring mit seinem
unteren Teile an der äußeren Wand der Hauptkanäle befestigt ist.
In ihrem oberen Teile aber lehnen sich die Kadialstücke des Kalkrings
nicht mehr vollständig an die äußere Wandung an, sondern ragen in
das Lumen der Kanäle herein, das dadurch beträchtlich verengt wird
(Fig. 5 k). Der Kalkring selbst wird durch verkalktes Bindegewebe
gebildet, d. h. er besteht aus einzelnen, sehr kleinen Kalkkörnchen,
die zwischen den hier sehr lockeren Fasern des Bindegewebes massen-
haft eingelagert sind. So kommt es, daß man auf Schnitten, aus denen
man den Kalk entfernt hat, an Stelle des Kalkrings spongiöse, binde-
gewebige Massen, aber keine Löcher sieht, die der Gesamtgröße der
einzelnen Kalkstücke entsprächen. Da also die äußere Wand des Haupt-
kanals mit dem Radialstück des Kalkrings nur an den beiden Enden
in der Mitte in Verbindung bleibt, wo die Längsmuskeln sich ansetzen,
so entstehen außerhalb des Kalkrings zwischen diesem und der äußeren
Kanalwandung am unteren Ende des Kalkrings blindgeschlossene
Räume, die sich aber niemals röhrenförmig über den Rand des Kalk-
rings verlängern. An meinen konservierten Exemplaren sind äußerlich
gar keine Vorwölbungen sichtbar, doch ist es leicht ersichtlich, daß
jeder scharfe Druck, wie er z. B. durch eine Injektionsflüssigkeit hervor-
gerufen wird, solche Vorwölbungen entstehen lassen muß. Bei den
interradialen Stücken liegt die Sache noch klarer. Denn hier besteht
die Kalkmasse aus dünnen Stäbchen, die in der Mitte einen nach oben
gerichteten spitzen Fortsatz tragen, der an der Wandimg, natürlich
ebenfalls der äußeren, befestigt ist. Auch hier wird selbstverständlich
ein Druck auf die W^ände jene Vorwölbungen erscheinen lassen, die
Herouard als die größeren Tentakelampullen ansieht. Diese müssen
naturgemäß größer sein, als jene an den Radialstücken, da hier ja die
206 Wilhelm Haanen,
Kalkmasse bedeutend kleiner ist und auch kein Längsmuskel Platz
wegnehmen kann. So ist es klar, daß auch Mesothuria intestinalis nach
Injektion des Wassergefäßsystems jene von Herouaed für Mesothuria
verillii gefundenen Tentakelampullen deutlich zeigen würde und daß also
darin keinerlei Unterschied zwischen den beiden Tieren besteht. Ebenso
werden diese Vorwölbungen an den InterradiaHa stets größer sein, als
an den Radialia, wo die Radialstücke des Kalkrings größer sind als
die Interradialstücke. Demgemäß kann ich Perrier und Oester-
GREN nur zustimmen, wenn sie diese Tatsache der ungleich großen Aus-
bildung der sogenannten Fühlerampullen für die Aufstellung einer
neuen selbständigen Gattung für unzureichend halten.
Übrigens hängt es allein von der Definition der Fühlerampullen
ab, ob wir die oben beschriebenen Gebilde als Fühlerampullen bezeich-
nen sollen oder nicht. Jedenfalls zeigt Mesothuria intestinalis wie auch
verillii einen bedeutenden Unterschied den übrigen von Ludwig Holo-
thuriinae genannten Aspidochiroten gegenüber dadurch, daß sich ihre
Fühlerampullen nicht röhrenförmig über den Rand des Kalkrings ver-
längern und frei in die Leibeshöhle hineinragen. Vielleicht wäre es
besser, solche Gebilde, die nicht durch direkte Ausstülpungen der Haupt-
kanäle, sondern dadurch entstanden sind, daß der Kalkring sich frei
in das Lumen dieser hineinerstreckt, nicht als eigentliche Fühler-
ampullen zu bezeichnen. Denn daß diese ampullenähnlichen Gebilde
keine direkten Ausstülpungen der Hauptkanäle sind, zeigt Fig. 5 1
auf Taf . V, die einen Querschnitt durch ein Radiale des Schlundkopfs
darstellt kurz unterhalb der Stelle, wo der Haupt- in den Fühlerkanal
übergeht. Es fehlen nämlich sowohl auf der Innenseite wie auch auf
der Außenseite des Bindegewebes, das den Kalkring trägt, die charak-
teristischen Längsmuskeln, die an beiden Stellen unbedingt vorhanden
sein müßten, wenn es sich um eine echte Ausstülpung des Hauptkanals
über den Kalkring hinaus handelte.
/) Steinkanal.
Der Steinkanal ist stets in der Einzahl vorhanden und läuft in
einem sanften, nach vorne etwas konkaven Bogen bis dicht unter die
Fühlerbasis, wo er mittels Bindegewebe an der Körperhaut befestigt
ist. Er legt sich dem von der Genitalbasis kommenden und ebenfalls
nach vorn verlaufenden Ausführgang der Genitalien nach innen zu an,
öffnet sich aber nicht, wie dieser nach außen, sondern durch ein ellip-
soidales Madreporenköpfchen in die Leibeshöhle. Ohne irgendwelche
schraubigen Windungen durchzieht er das Bindegewebe des Dorsal-
Anat. u. liistol. Stutlicn au Mcsothuria intestinalis (Ascanius u. Rathke). 207
mesenterlums, in das er vollständig eingebettet ist. Das Lumen ist
rundlich, fast überall gleich weit und hat bei mittleren Tieren einen
Durchmesser von 0,144 mm. Seine Länge übersteigt selten 2 cm. Was
die histologische Zusammensetzung anbetrifft, so entlehnt er Außen-
epithel, Längsmuskeln und Bindegewebe vom Dorsalmesenterium.
Seine innere Auskleidung besteht wie überall bei den Holothurien aus
einem cylindrischen Flimmerepithel, das stets an seiner dorsalen Seite
bedeutend höher ist, als an der gegenüberliegenden. Es wird mit 0,032 mm
an der Dorsalseite mindestens viermal so hoch als ventral, wo es nur
0,007 — 0,08 mm Höhe erreicht. Die Kerne dieses einschichtigen, aus
sehr Schmalen cylindrischen Zellen bestehenden Epithels füllen fast
die ganze Zelle aus und bekommen so an der dorsalen Seite ein langes,
fadenförmiges Aussehn (Fig. 24). Alle, auch die niedrigen Zellen, tragen
je eine Wimper, die ihrer Größe nach im gleichen Verhältnis zur Zell-
größe stehen, Sie sind äußerst dünn und oft viel länger als die Zellen.
Ihre Bewegung kann eine Strömung der Wassergefäßsystemsflüssig-
keit, die hier mit der Leibeshöhlenflüssigkeit identisch ist, sehr wohl
veranlassen. Nach Hamann (1884) trägt bei Sipiapta auch jede Zelle
des Steinkanals nur ein Wimperhaar, ist aber außerdem noch von einer
feinen Cuticula überzogen. Diese Cuticula fehlt bei Mesotkuria ebenso
wie bei Rhahdomcägus. Aber auch die bei letzterem Tier von Becher (1907)
beschriebene Basalkörnerreihe, denen die Wimpern aufsitzen, habe ich
für unsre Art vergeblich gesucht. Vielmehr zeigt die Zellreihe, deren
einzelne Zellen sich in je ein Wimperhaar verjüngen, in ihrer Gesamt-
heit eine mehr oder weniger unregelmäßige Begrenzung. Das feinfaserige
Bindegewebe ist überall in der näheren Umgebung des Steinkanals mit
jenen schon beschriebenen kleinen, bizarren Kalkkörperchen sehr dicht
durchsetzt. Da das Dorsalmesenterium an seinen beiden Außenseiten,
dicht unter dem Cölomepithel, feine senkrecht zur Körperachse ver-
laufende Muskelfasern ausgebildet hat, kann man hier nicht sagen,
daß der Steinkanal den einzigen, ganz muskelfreien Teil des Wasser-
gefäßsystems darstelle (vgl. Ludwig, 1889 — 92).
g) Madreporenteil.
Der etwa 2 mm große Madreporenteil ist ein rundliches, ellipsoi-
dales Köpfchen, das mit seiner etwas abgeflachten Unterseite dem
Steinkanal, an dessen Ende, also dicht an der Körperwand, seitlich auf-
sitzt. Stets liegt er auf der rechten Seite des Mesenteriums und ragt
mit seinem oberen Teile über das Dorsalmesenterium hinaus, an der
Stelle, wo dieses den zum Überströmen der Leibeshöhlenflüssigkeit
208 Wilhelm Haauen,
von einer zur andern Körperhälfte nötigen kleinen Ausschnitt freiläßt.
Auf Querschnitten sieht man ganz unregelmäßig verlaufende Kanäl-
chen, die den Siebteil nach allen Richtungen durchsetzen. Rekonstruk-
tionen von geeigneten Querschnittserien zeigten mir, daß vom Stein-
kanal, immer aber von dem niedrigen Epithelbelag mehrere, doch nicht
übermäßig viele Kanälchen ausgehen, die sich ihrerseits vielfach ver-
zweigen und sich dann direkt in die Leibeshöhle öffnen. Das hohe
Epithel des Steinkanals nimmt dann nach vorne zu bald an Größe ab,
und dieser selbst verzweigt sich in einzelne kleine Kanälchen. Es exi-
stiert demnach kein eigentlicher Sammelraum, wie man ihn bei Aspido-
chiroten sonst häufig findet. Histologisch finden sich hier dieselben
Elemente wie bei dem Kanalabschnitt. Die Ausführgänge besitzen
alle einen sehr flachen Epithelbelag, der erst an der äußeren Fläche
wieder allmählich in ein Wimperepithel übergeht. Dieses gleicht dem
des Steinkanals, erreicht aber niemals auch nur die halbe Höhe, die
dessen Epithel an der Dorsalseite aufweist (Fig. 24).
VIII. Nervensystem.
a) Ringnerv.
Der hier vollkommen kreisförmige Ringnerv liegt unmittelbar
an der Fühlerbasis und an der Innenseite der Fühler, wie überall ein-
gebettet in das Bindegewebe der Mundhaut. Somit ein wenig mehr
nach innen gelegen als der Kalkring, befindet er sich höher als dieser,
so daß die von ihm zu den Radien ausgehenden Radialnerven keine
Umbiegung über den Kalkring zu machen brauchen, sondern direkt nach
unten abgehen. Zwischen je zweien dieser Ansatzstellen nehmen eben-
falls an der Außenseite nach oben zu je vier Fühlernerven ihren Ur-
sprung. Der Querschnitt des Rings ist eine Ellipse, deren große Achse
jedoch quer zur Ebene der Mundscheibe steht und bei kleineren Tieren
etwa 0,019 mm mißt. Die etwas abgeflachte Unterseite liegt nicht wie
bei Rhahdomolgus direkt dem Cölomepithel auf, sondern wird von die-
sem durch eine Bindegewebsschicht und die Kreismuskelschicht ge-
trennt, die als Fortsetzung der Ringmuskelschicht des Ösophagus dort
endet. Es ist somit bei Mesothuria kein Hyponeuralring vorhanden,
der Epineuralring dagegen auf allen Präparaten sehr deutlich (vgl.
Fig. 22). Da somit die Ringnervenfasern von den Bindegewebsfasern
an der Unterseite des Rings nicht durch eine besondre Membran ge-
schieden sind, sondern direkt in einander übergehen, lassen sich die
beiden Schichten nur durch ihre verschiedene Färbbarkeit deutlich
sondern. Die überall auftretenden Stützfasern setzen sich mit ihrem
Anat. u. histol. Studien an Mesothuria intestinalis (Ascanius u. Rathke). 209
unteren, etwas verdickten Ende direkt an das Bindegewebe an; ähn-
lich wie sie sich auch im Radiahierven an die bindegewebige Scheide-
wand anlehnen. Überall auf der größeren Oberseite des Ringnerven
sitzen oft dichtgedrängt die Deckzellen, denen Hamann im Gegensatz
zu Semper, Teuscher, Jourdan und Semon die nervöse Natur ab-
spricht. Der ganze Bau und Verlauf jener Fasern, die, soweit ich fest-
stellen kann, einzeln aus je einer der Deckzellen entspringen, um sich
in unverzweigtem, doch mehr oder weniger gekrümmten Verlaufe an
dem gegenüberliegenden Bindegewebe festzusetzen, spricht mehr für
Hamanns Ansicht, daß sie lediglich als epitheliale Gebilde aufzufassen
sind, die Stützfunktionen dienen. Damit soll nicht gesagt sein, daß
sich unter ihnen, die ja keine einfache Lage, sondern eine mehr unregel-
mäßige Anhäufung von Zellen darstellen, nicht auch zuweilen echte
Ganglienzellen vorfinden können. Was die Färbbarkeit dieser auf-
rechten Fasern angeht, so hat schon Becher (1907) bemerkt, daß sie
darin eine gewisse Ähnlichkeit mit feinen Muskelfasern besitzen, indem
sie Eosin und auch HEiDENHAiNsches Eisenhämatoxylin, letzteres jedoch
nur nach starker Färbung, begierig aufnehmen. Ferner werden sie von
Pikrinsäure gelb, von Säurefuchsin rot, von Pikrinsäure-Säurefuchsin
braunrötlich und von Pikrinsäure-Wasserblau grün gefärbt. Becher
konnte durch Anwendung von Eosin- Wasserblau die aufrechten Fasern
von den echten nervösen Längsfasern unterscheiden, was mir bei meinen
Tieren nicht glückte. Nur in sehr seltenen Fällen gelang es, bei einer
ganz bestimmten, nur zufällig erreichbaren Differenzierung des Eisen-
hämatoxylins die aufrechten Fasern ein wenig schwärzer hervortreten
zu lassen, als die Längsfasern. Die aufrechten Fasern sind meist etwas
dicker als die Längsfasern, doch kommen auch dünnere in ziemlicher
Menge vor. Auf meinen Schnitten konnte ich nirgendwo eine Verbin-
dung der aufrechten Fasern mit den Innenzellen, die von allen Autoren
als Nervenzellen angesehen werden, genau feststellen, womit allerdings
keinesfalls die absolute Sicherheit gegeben ist, daß eine solche nicht
doch besteht. Die Innenzellen sind wie bei den andern Holothurien
auch hier im Ringnerv bedeutend häufiger als in den Radialnerven.
Sie besitzen einen länglichen, etwa 7 /t großen Kern und sehr wenig
Plasma, das sich meist spindelförmig in die Nervenfasern fortsetzt.
h) Radialnerv.
Der Radialnerv besteht bei Mesothuria, wie typisch, aus einem
breiteren, äußeren und einem schmäleren, inneren Band, die durch eine
bindegewebige Scheidewand deutlich getrennt sind und im Innern alle
210 Wilhelm Haanen,
die histologischen Bestandteile wiederfinden lassen, die man als Nerven-
fasern, aufrechte Fasern, Deck- und Innenzellen auch im Ringnerv
unterscheidet. Das innere Nervenband weist an seiner Innenseite eine
flache, oft undeutliche Furche auf, die aber immer dadurch zu erkennen
ist, daß hier die Scheidewand einen kleineren Abstand vom Rande hat
als an den beiden Seiten. Randzellen befinden sich an den Außenseiten
beider Bänder äußerst zahlreich; ihre Gruppierung zu Zellsäulen am
äußeren Band, wie man sie bei vielen andern Holothurien gefunden
hat, ist hier nicht überall sehr deutlich, doch dadurch nachweisbar,
daß in vielen Fällen auf einer kleinen Strecke in der Mitte des Nerven
sehr wenig Randzellen, ja sogar manchmal gar keine zu finden sind,
während sie nach den Seiten zu in oft unregelmäßiger Anordnung dicht
den Nerv bedecken. Jedenfalls sind die Zellsäulen lange nicht so hervor-
stechend, wie es die vielleicht etwas zu schematisierte Figur Semons
(1887) andeutet. Da auch Innenzellen und Stützfasern in beiden Nerven-
bändern zu finden sind, ist das Bild, das diese beiden getrennten Nerven-
schichten geben, ein so gleichartiges, daß Hamanns Ansicht, nur das
äußere Band sei nervöser Natur, sicher nicht zu Recht besteht. Die
Stützfasern, die bei unsrer Art auch im inneren Nervenband stets deut-
lich hervortreten, scheinen nicht bei allen Holothurien dort vorzukom-
men. Becher konnte sie z. B. bei Rhahdomolgus nicht im inneren
Nervenband feststellen. "Wie schon erwähnt, sitzen die aufrechten Stütz-
fasern beider Schichten an der bindegewebigen Scheidewand fest, die
sich durch Färbung mit DELAFiELDschem Hämatoxylin oder Dahlia
stets sehr deutlich abhebt. An den beiden Schmalseiten des Nerven er-
weitert sich oft diese Bindegewebslamelle nach außen zu keilförmig,
daß ein Bild entsteht, wie es schon Heeouard (1890) in seiner sche-
matischen Skizze (S. 77) andeutet. In diesen keilförmigen Erweiterungen
liegen häufig Plasmawanderzellen, wie wir sie oben als Zellen mit Ku-
geln näher beschrieben haben. Auch innerhalb des Nerven liegen sie
oft, doch stets nur in der Scheidewand. Diese Scheidewand hat meist
einen geraden, nur bei kontrahierten Exemplaren manchmal auch
einen gewundenen Verlauf, setzt sich auch bei Mesothuria niemals in
den Ringnerv fort, sondern verschwindet unterhalb der Mündung des
äußeren Bandes in den Ringnerv. Das innere Nervenband läuft bis
zu diesem Punkte, der gewöhnlich an der vorderen Seite des Kalkrings
liegt, spitz zu und geht ebenfalls nicht in den Ringnerv. Mit der Be-
hauptung jedoch, daß nun absolut keine Nervenfasern des inneren
Bandes entweder direkt oder indirekt eintreten, indem sie die Scheide-
wand durchsetzen, muß man bei der ungeheuren Feinheit der Nerven-
Aaat. u. histol. Studien an Mcsothuria intestinalis (Ascanius u. Rathke). 211
fasern äußerst vorsichtig sein. Mehrfach sah ich deutlich, daß aufrechte
Fasern durch die Scheidewand hindurchgingen, ein Zeichen, daß dies
für die Nervenfasern, die zum Teil viel zarter sein können, keine Un-
möglichkeit wäre.
Nach Herouard (1890) und Gerould (1896) soll sich das innere
Nervenband an seinem vorderen Ende bei Pedaten und Molpadiiden
in zwei getrennte Streifen gabeln, eine Beobachtung, die Becher (1907)
zu einem Vergleich dieses inneren Nervenbandes der Holothurien mit
dem tiefer gelegenen, ebenfalls zweigeteilten, oralen motorischen Nerven-
system der übrigen Echinodermen veranlaßt hat. Bei Mesothuria habe
ich diese Gabelung ebensowenig wiederfinden können wie Becher bei
Rhabdomolgus. Nichtsdestoweniger erscheint mir die Ansicht He-
ROUARDs, daß man es in der inneren Nervenschicht hauptsächlich mit
motorischen Nerven zu tun habe, sehr einleuchtend. Denn bei unsrer
Art gehen von der äußeren Nervenschicht lediglich Füßchennerven,
niemals aber Nerven zu den Muskeln aus. Außerdem konnte ich bei
noch so starken Vergrößerungen niemals Verästelungen oder Seiten-
zweige der Füßchennerven finden, die die Muskulatur innervieren
könnten. Das innere Nervenband gibt, soweit ich feststellen konnte,
fast gar keine Fasern zu den Füßchennerven ab, wohl aber gehen von
dem inneren Band kleinere, doch bald verschwindende Fäserchen zu
den Muskeln strahlig aus.
c) Schlundnerv.
Die erste bestimmte Angabe der Innervierung des Schlundes rührt
von Semper (1868) her, der S. 151 seines großen Holothurienwerkes die
Beobachtung niederlegt, daß »die Schicht 7i^ sowohl mit ihrer inneren
Faserlage wie äußeren Zellenlage in den ziemlich stark anschwellenden
Nervenring übergehe, welcher genau im Radius mit einer kurz umge-
bogenen, stumpfen Spitze (Taf . XXXVIII, 12 b) endigt, interradial aber
die Nerven für die Mundscheibe und den Schlund abgibt«. Diesen Aus-
spruch Sempers führe ich deshalb hier an, weil das Bild, das Semper
für Cucumaria japonica vom Nervenring in der Radialzone entwirft,
sich bei Mesothuria intestinalis nicht lediglich an den Radien, sondern
auf jedem unverletzten Längsschnitt durch den Nervenring wieder-
findet. Man sieht da auf der Innenseite des Rings von dessen Unter-
seite einen kurzen, spitz zulaufenden Nervenfortsatz nach oben auf
die Mundscheibe zu ausgehen (Fig. 22 s), der sich dicht an die Innen-
seite der Mundmuskeln anlegt, ohne daß man die dort austretenden
Nervenfasern weiterhin genau verfolgen könnte; daß es sich aber hier
212 Wilhelm Haanen,
tatsächlich um solche Nervenfasern handelt, die sich zwischen den
Bindegewebsfasern verlieren, zeigt auf sehr vielen Schnitten die Fär-
bung, die in der nächstliegenden, bindegewebigen Umgebung stets
eine Übergangstönung zwischen der Nerven- und Bindegewebsfarbe
andeutet. Es erfolgt also bei unsrer Art die Innervierung des Schlun-
des und der Mundscheibe durch außerordentlich zarte Fasern, die von
der Innenseite des Ringner vs, und zwar von dessen ganzem Umkreise
strahlig ausgehen. Einen oder mehrere dickere, bandförmige Nerven-
stränge, wie sie Hamann (1883), Vogt und Jung (1887), Hekouard
(1890), CuENOT (1891), Gerould (1896 u. 98) und Clark (1898) bei
andern Holothurien feststellen, habe ich auf einer ganzen Anzahl von
Quer- und Längsschnittserien durch den Schlundkopf stets vergeblich
gesucht.
d) Fühlernerv.
Jeder Fühler und jedes Füßchen hat seinen eigenen Nerv, der bei
ersterem direkt vom Ringnerv, bei letzterem stets vom Radialnerven
seinen Ursprung nimmt. Während die Schlundnervatur von der Innen-
seite des Rings mit ziemlich dünnem Strang ausläuft, geht der Ring-
nerv an seiner Außenseite fast mit seiner ganzen Breite in den Fühler-
nerv über, verschmälert sich aber sehr bald zu einem flachen, lang-
gestreckten, etwa 0,038 mm breiten Band, das an den Seiten sehr spitz
zuläuft. Sobald der Fühlerkanal über die Mundscheibe in den Fühler
übertritt, umgreift der Nerv den Fühler scheidenförmig, wobei aber
der ursprüngliche Strang an dessen Innenseite an der viel deutlicheren
Ausbildung immer erkennbar bleibt. Histologisch enthalten sowohl
Fühler- wie Füßchennerv mit Ausnahme der bindegewebigen Scheide-
wand alle charakteristischen Nervenbestandteile. Nur sind hier die
Randzellen und aufrechten Stützfasern weniger zahlreich. Unterhalb
der Fühlerscheibe breitet sich der Nerv zu feinen, faserigen Ausstrah-
lungen aus, die, ohne irgend eine bandartige Form anzunehmen, durch
das Bindegewebe zu den knöpfchenartigen Vorstülpungen der End-
platte gehen und sich dort in die Sinnesnervenzellen der Nervenplatte
fortsetzen. Soweit man aus Schnittpräparaten ersehen kann, bestätigen
sich hier die früheren Beobachtungen Hamanns (1884), Jourdans
(1883) und Semons (1883), daß sich die Sinnesplatte aus einer Epithel-
platte und einer dicht daruntergelegenen Platte von Sinnesnerven-
zellen zusammensetzt. Der massenhaften Kernanhäufungen wegen
machen die knöpfchenartigen Vorwölbungen, wie sie in ziemlicher An-
zahl die Fühlerscheibe unregelmäßig bedecken, den Eindruck von
Anat. u. histol. Stadion an Mesothuria intestinalis (Ascanius u. Rathke). 213
vielschichtigen Epithelieu, lassen aber eine Zusammensetzung aus den
beiden genannten Schichten an vielen Stellen deutlich erkennen. Die
tStützzellen der Epithelplatte sind cylindrischer und protoplasmareicher
als die Epithelzellen an den übrigen Stellen des Fühlers, doch eben-
falls von der Cuticula überzogen. Ohne Macerationspräparate kann
man die unteren Endigungen der Stützzellen nicht erkennen. Sie ver-
schwinden zwischen den Sinnesnervenzellen, gehen aber nicht durch
diese Schicht hindurch in das darunter gelegene Bindegewebe (vgl.
Hamann 1884). Die Sinnesnervenzellen sind außerordentlich feine Ge-
bilde, eigentlich nur Fortsätze der Nervenfasern, die sich an der einen
Stelle des Kerns bis zu dessen Dicke erweitert haben, dann aber nach
außen zu wieder spitz zulaufen und mit diesen feinen Fortsätzen zwischen
den Stützzellen der Epithelplatte endigen, so daß man eine einschichtige
Zellage vor sich hat. Retzius gelang es (1906), mittels der Versilbe-
rungsmethode eine sehr reine und vollständige Färbung des Epidermis-
mosaiks zu erhalten. Seine Resultate gipfeln in folgenden Befunden:
>)Hier (an den Endscheiben der Fühler und Füßchen) sieht man überall
zwischen den polygonalen Feldern (Stützzellen) kleine rundliche oder
ovale knopfähnliche Felder (Sinneszellen), welche teils an den Stellen,
wo mehrere polygonale Felder zusammenstoßen, teils auch an den
Grenzen, wo nur zwei polygonale sich berühren, eingefügt sind. Sie
sind jedoch von etwas verschiedener Größe und ihre Verteilung ist nicht
ganz regelmäßig, da sie zuweilen zu mehreren beisammen liegen. << Hier
unterscheiden sich also die Stützzellen von den Sinneszellen schon durch
die erheblichere Breite ihrer Endigungen, w^as z. B. bei Holothuria foli
nicht der Fall ist (vgl. Hamann [1884], Fig. 88). Die großen, rundlichen
»cellules basales«, die Joürdan (1883, S. 25) direkt unter dem Epithel
des »Capitulums << bei Holothuria tuhulosa findet, und deren noch nicht
ganz aufgeklärte Bedeutung in einer Beziehung zu einem subepithe-
lialeii Nervenplexus gesucht werden soll, fehlten bei Mesothuria gänzlich.
e) Füßchennerv.
Der Querschnitt des Füßchennerven ist etwa 0,029 mm breit,
kleiner und auch rundlicher als der Fühlernerv. Erst ganz nahe der
Endplatte und auch da noch schwierig läßt sich nachweisen, daß er
das ganze Lumen des Füßchens scheidenförmig umgreift, eine Beob-
achtung, die wir beim Fühler schon viel näher an der Basis und be-
deutend klarer erkennen konnten. Rand- und Innenzellen wie auch
aufrechte Stütz- und längsverlaufende Nervenfasern sind überall deut-
lich ausgebildet. Wenn aus dem inneren Band des Radialnerven über-
214 Wilhelm Haanen,
haupt Fasern in die Füßcliennerven gelangen, dann können es nur ganz
wenige, schwer nachweisbare, wahrscheinlich motorische Fasern sein.
Jedenfalls stammt die bei weitem größere und auf den meisten Prä-
paraten allein deutlich erkennbare Nervenmasse lediglich aus der
äußeren Schicht des Radialnerven. Ein gleiches Verhalten konnte
Teuscher (1876) für Holothuria tuhulosa nachweisen, während nach
Semper (1868) bei Cucumaria japonica beide Schichten an der Bildung
des Füßchennerven beteiligt sind. In einem etwas unregelmäßigen
Verlaufe folgt der Nerv, wie überall, dem Füßchenkanal; solange er
im Bindegewebe der Haut verläuft, legt er sich durchaus nicht immer
an dessen Längsmuskulatur unmittelbar an, tut dies aber stets nach
dem Eintritt in das eigentliche Füßchen. Niemals habe ich beobachten
können, daß er auf diesem Verlaufe irgendwie Verästelungen in die
Haut oder zu den Muskeln abgibt, vielmehr wird er überall durch die
Randzellschicht von dem umgebenden Bindegewebe (auch in der Körper-
haut) membranartig deutlich abgegrenzt,
/) Hautnerven.
Schon bei der Besprechung der Körperhaut sahen wir, daß für
Mesothuria intestinalis Sinneszellen, wie auch eine subepitheliale Nerven-
schicht nicht nachweisbar sind. Auf Schnitten konnte ich nirgendwo
derartige Gebilde feststellen und auch Retzius (1906) konnte an den
kleinen, warzenförmigen Erhebungen der Rückenseite unsres Tieres
keine Sinneszellen zwischen den polygonalen Feldern des Epidermis-
mosaiks nachweisen. Nur an der Mundscheibe sah er rings um die
Mundöffnung eine Mosaikanordnung, die derjenigen der Endscheibe
des Fühlers, bzw. Füßchens glich. Die große Anzahl und regelmäßige
Verteilung der Füßchen über die ganze Körperoberfläche machen die
zwischen den Füßchen vom Radialnerven abgehenden »Interradial-
nerven«, die Semper (1868), Danielssen und Koren (1882), Geroüld
(1896), Herouard (1890) und Cuenot (1891) bei andern Arten fanden,
vollständig überflüssig. Niemals bemerkte ich Bilder, wie sie Cuenot
(1891) für Cucumaria cucumis (Taf. XXVII, Fig. 39) zeichnet, wo man
peripherische, sich verästelnde Nervenzweige ausgehen sieht, die sich
direkt nach dem Austritt in zwei Hauptstämme, den peripherischen
Haut- und den Muskelnerv gabeln. Da die Quermuskulatur des Kör-
pers sich bis dicht an das innere Band des Radialnerven heranzieht,
so sind längere Nerven zu den Muskeln natürlich nicht notwendig;
aber damit wächst auch die Schwierigkeit, Muskelnerven mit Bestimmt-
heit als solche zu erkennen ganz erheblich und wird noch vergrößert
Anat. u. histol. Studien an Mesothuria intestinalis (Ascanius u. Rathke). 215
durch die schon hervorgehobene ähnliche Farbstoffreaktion der Muskeln
und Nerven. Die kurzen Ausstrahlungen, die ich öfter von der inneren
Schicht des Radialnerven ausgehen sah, kann ich nur als solche Muskel-
nerven betrachten.
g) Neuralkanäle.
Meine Untersuchungen über das Vorhandensein eines Epineural-
kanals bei Mesothuria stimmen mit den Beobachtungen aller früheren
Forscher dahin überein, daß man auf manchen Präparaten solche
Hohlräume sieht, auf andern aber gänzlich vermißt. Herouard (1890)
und Becher (1907) geben eine genaue Übersicht über die Ansichten
der einzelnen Forscher, die zum Teil die in Frage stehenden Hohlräume
als Zerreißungen (Teuscher 1876) oder als zufällige Spalten zwischen
Bindegewebe und Nerv betrachten (Jourdan 1883), zum größeren Teil
aber als normale Bildungen ansprechen, deren Lumen durch die ver-
schiedene Kontraktion der Tiere entsprechend geändert wnrd, und die
allzu heftige Quetschungen des Radialnerven bei solchen Körperzusam-
menziehungen verhindern sollen (Herouard [1890], Ludwig und
Bartels [1891], Gerould[1896], Becher [1907], Reimers [1912]). Wäh-
rend nun Cuenot (1891) hauptsächlich durch das Fehlen eines Epineural-
rings veranlaßt wird, auch die Epineuralräume als »espaces schizozoeli-
ques developpees apres coup<< anzusehen, machte mir bei unsrer Art
das Vorhandensein eines wohlausgebildeten Epineuralrings auch das
normale Vorkommen der Epineuralkanäle sehr wahrscheinlich. Denn
ein solcher Epineuralring ist auf allen Längsschnitten durch einen aus-
gestreckten Schlundkopf deutlich zu sehen. Da der ellipsoidale Ring-
nerv nur auf der Unterseite befestigt ist, geht der Epineuralring um
dessen beide, runde Seiten herum und weist also auf Längsschnitten
ein sichelförmiges Lumen auf (Fig. 22). Er setzt sich dort oben am
Schlünde deutlich in die Epineuralkanäle, wie auch eine kleine Strecke
weit in den Fühler fort, und hat jedenfalls die Aufgabe, den Ring-
nerven vor Quetschungen zu bewahren, wenn das Tier seine Fühler
über die Mimdscheibe umlegt und sie mit dieser in das Innere hinein-
klappt. Daß man auf Querschnitten durch ein Hautradiale mehr
Schnitte mit schwer nachweisbaren Epineuralkanälen antrifft, liegt
meist daran, daß man zu solchen Schnitten Heber gestreckte als stark
gefaltete Hautstückchen auswählt. Daß die Ansicht Teuschers, die
Epineuralkanäle für bloße durch Schnitt oder Konservierung hervor-
gerufene Zerreißungen zu halten, nicht so fern lag, zeigen auch bei
Mesothuria Bilder, auf denen man Zerreißungen des Bindegewebes
216 Wilhelm Haanen,
beobachten kann, die nicht direkt an den Radialnerven anschließen,
sondern von ihm durch eine kleinere Bindegewebslage getrennt ist.
Mit absoluter Gewißheit eine Epithelschicht nachzuweisen, die einer
Bindegewebslage -dicht anliegt, ist bei unsrer Art wegen der Feinheit
dieser Bindegewebszellen wie auch der Epithelmembranen nicht
einfach, zumal die Kerne auch im Bindegewebe häufig sind und sich
nicht durch ihre Form von denen der Epithellagen unterscheiden
lassen. So kommt es, daß nur ganz unzureichende Angaben über das
Vorhandensein eines epithelialen Überzuges des Epineuralkanals ge-
geben wurden. Nach Bechers Angabe sind Herouard (1890) und Ge-
ROULD (1896) die einzigen, die einen solchen Epithelbelag auf der Außen-
seite des Epineuralkanals haben finden können, während Becher
selbst (1907) das Vorkommen dieser Epithelschicht für Rhabdomolgus
entschieden in Abrede stellt. Für Mesothuria intestinalis möchte ich
das Vorkommen einer solchen Epithelkleidung höchstens als sehr wahr-
scheinlich hinstellen, da ich an einzelnen Stellen solche membranhaft
dünne Überzüge an der Außenseite des Kanals wahrzunehmen glaubte,
und zwar meistens an Schnitten, die gar kein eigentliches Kanallumen
aufwiesen, wo sich also die dünne Membran dicht an die Randzellen-
schicht des äußeren Nervenbandes anlegt und so etwas deutlicher her-
vortritt.
Dagegen ist die epitheliale Bekleidung des Hyponeuralkanals (Pseu-
dohämalkanal Ludwigs), dessen Lumen auf allen Schnitten viel klarer
und konstanter erkannt werden kann wie das des Epineuralkanals,
stets sehr gut nachzuweisen. Ein hyponeurales Ringsystem fehlt jedoch
vollständig, vielmehr liegt der Ringnerv, wie schon erwähnt, mit seiner
Unterseite stets dicht dem Bindegewebe an. Bei einer Ausbildung eines
Epi- und Hyponeuralringes würde wohl die Befestigung des Nerven-
rings in der Körperwand nur eine sehr unsichere und mangelhafte sein
können. Der Hyponeuralkanal zieht sich bis dicht an die Basis des
Ringnervs heran und endet dort blind, während das ihn auf seiner
Innenseite begleitende radiale Blutgefäß dort über den Kalkring um-
biegt, um in der innersten Bindegewebsschicht der Hauptkanalwandung
dem Blutgefäß zuzueilen. Bei unsrer Art bestätigt sich Sempers Mei-
nung, der ebenfalls die Pseudohämalkanäle oder, wie er sich ausdrückt,
die radialen Nervenröhren dicht unter dem Ringnerv blindgeschlossen
endigen läßt, während bei andern Arten, z. B. Holothuria tuhulosa von
Teuscher ein Hyponeuralring unzweifelhaft nachgewiesen sein soll.
Eine Abzweigung der Hyponeuralkanales in die Füßchen, ist eine kurze
Strecke zu verfolgen, verschwindet aber sehr bald schon im Binde-
Aiuit. u. histol. .Studien au Mosotluiria intestinalis (Ascanius u. Rathke). 217
gewebe der Haut, so daß man also auf Querschuitteii durch ein eigent-
liches Füßchen niemals einen solchen Raum sieht.
Die Zusammenfassung der obigen Erörterungen ergibt die den
pedaten Holothurien eigentümliche, typische Topographie des Radial-
schnitts durch die Körperhaut. Ein solcher Querschnitt weist von
innen nach außen 1) den Längsmuskel, 2) das radiale Wassergefäß,
3) die radiale Blutlakune, 4) den Hyponeuralkanal, 5) das innere,
6) das durch die Scheidewand von dem vorigen getrennte, äußere
Nervenband, 7) den Epineuralkanal und endlich Bindegewebe und
Epithel der Haut auf.
IX. Verdauungssystem.
a) Morphologie.
Die für die meisten Holothurien charakteristische Darmwindung
findet sich auch bei Mesothuria intestinalis in ganz ausgesprochener
Form wieder, sodaß die Länge des Darmrohres stets mindestens das
2 — 2 1/2 f^ che der Körperlänge beträgt. Das Dorsalmesenterium be-
festigt den Darm zunächst am mittleren Interradius des Biviums, führt
ihn bis dicht vor die Kloake, biegt dann über den Radius um und steigt
im linken Interradius des Biviums wieder empor bis ungefähr zum vor-
dersten Drittel, manchmal auch nur bis zur Hälfte des Körpers; dort
biegt der Darm wieder um, indem er über zwei Radien hinweg nunmehr
im rechten Interradius des Triviums seinen Weg zur Kloake nimmt.
Die vier Abteilungen des Darms: »Ösophagus, Drüsenmagen, Dünndarm
und Enddarm« sind auch hier vorhanden, äußerlich aber weder durch
ihre verschiedene Färbung noch durch verdickte Wülste an den Über-
gangsstellen auseinanderzuhalten. Durch die Einmündung der Kiemen-
bäume ist die Grenze zwischen Dünn- und Enddarm, auch äußerlich
hervorgehoben, während ich nur in sehr seltenen Fällen die Grenze
zwischen Magen und Dünndarm angedeutet fand. Zwischen Ösopha-
gus und Magen ist die Grenze leicht dadurch zu erkennen, daß sich hier
die Membran ansetzt, die weiter nach vorn in den Wassergefäßring und
die Hauptkanäle übergeht. Schnittserien lehren, daß die Zotten des
Ösophagus ohne Unterbrechung und ohne Bildung einer Kjeisfalte
direkt in die des Magens übergehen, an der hinteren Grenze des Ma-
gens allmählich abnehmen und schließlich ganz verschwinden. Öso-
phagus und Magen haben gleiche Länge. Meist ist der Magen das kleinste,
der Dünndarm stets das bei weitem längste Stück des Traktus. Der
Schlund reicht bis dicht hinter den Wassergefäßring, der Magen nicht
sehr weit hinter die Genital basis, während die drei Darmschenkel zur
Zeitsclirilt f. wigsensch. Zoologie. CLX. Bd. 15
218 Wilhelm Haanen,
Hauptsache vom Dünndarm allein gebildet werden. Das Lumen des
Darmrohrs hängt natürlich sehr von der Kontraktion, bzw. dem
augenblicklichen Inhalt ab, ist aber im allgemeinen im Ösophagus
am kleinsten und nimmt nach hinten stetig zu. Die dünnste Wan-
dung besitzt, wie schon der Name sagt, der Dünndarm, dann folgen
Enddarm, Magen und endlich der Ösophagus mit der stärksten Dicke
seiner "Wand. Alle Wandungen sind nach der Cölomhöhle zu glatt,
Dünndarm und Enddarm auch im Innern, während Schlund und Magen
die bekannten Längsfalten, niemals aber Querfalten besitzen. Durch
starke Kontraktionen kann sich auch die Dünndarmwand in Falten le-
gen; diese fehlen aber stets an den ausgedehnten Stellen des Darmrohrs,
haben also nichts mit den Zotten des Schlundes und Magens gemein.
Außer den Kiemen sind keinerlei Ausstülpungen am Darm vorhanden.
Mund und After sind beide kreisrund ; der erstere steht subventral und
hat keinen besonders ausgebildeten Schließmußkel, während der letztere
stets genau terminal liegt und einen aus der Quermuskulatur des Darms
hervorgegangenen Sphincter besitzt.
b) Histologie.
Bei fast allen Holothurien zeigt die histologische Zusammensetzung
des Darmrohres fünf Schichten: »Äußeres oder Cölomepithel, äußere
Bindegewebslage, die zweischichtige, Längs- und Ringmuskellage, das
innere Bindegewebe und innere Epithel.
1. Ösophagus.
Das innere Epithel des Schlundes ist von einer gut ausgebildeten,
stark lichtbrechenden Cuticula überzogen, die eine direkte Fortsetzung
der Hautcuticula darstellt. Die Zellen sind kubisch, von etwas un-
regelmäßiger Gestalt und etwa 8 f.i breit. Die Grenzen der einzelnen
Zellen untereinander sind schwer zu erkennen, ihr Kern ist groß und
rundlich. Von der darunterliegenden Bindegewebsschicht sind sie zwar
nicht durch eine Basalmembran, wohl aber durch ihre verschiedene
Färbung deutlich zu unterscheiden. Schlauch- oder becherförmige
Drüsenzellen sind von mir im ösophagusepithel nicht angetroffen wor-
den; dagegen wimmelt es direkt unterhalb des Epithels als auch manch-
mal zwischen den Epithelzellen selbst von den oben beschriebenen
körnchentragenden Plasma wanderzellen, die somit beim Stoffwechsel
irgend eine Rolle spielen müssen. Wie in allen Teilen des Darms ist
auch im Ösophagus das innere Bindegewebe die am kräftigsten ent-
wickelte Gewebslage. Mit dem Epithel zusammen stülpt sie sich nach
i
Anat. u. liistol. Studien au Mesothuria intestinalis (Ascanius u. Rathke). 219
innen zu den längsverlaufondon Zotten aus, die an dem inneren Ende
jstets mehr oder weniger rundlich aussehen im Gegensatz zu den Zotten
des Magens, die zum größten Teil nur von Drüsen- und Epithelzellen
gebildet werden und innen etwas abgeflacht sind. Eine eigentliche
Blutlacunenschicht gibt es bei Mesothuria nicht, wohl aber dient das
gesamte innere Bindegewebe zur Verteilung der Blut- und Wander-
zellen, die überall in sehr großer Zahl zwischen den Lücken sichtbar
sind. Bemerkenswert ist, daß diese innere Bindegewebsschicht Fasern,
und zwar manchmal in ganz beträchtlicher Anzahl durch die andern
nach außen gelegenen Schichten, also auch durch die beiden Muskel-
lagen hindurch nach außen in die Aufhängestränge des Schlundkopfs
sendet (Fig. 23 s), eine Eigentümlichkeit, die bei der ganz außergewöhn-
lich schwachen Ausbildung der äußeren Bindegewebsschicht nicht all-
zusehr überrascht. Das innere Bindegewebe besteht im allgemeinen
aus sehr feinen Fasern, die niemals die Dicke erreichen wie die Binde-
gewebsfasern der Körperhaut. An der Außenseite befindet sich stets
ein Ring von großen, rundlichen Hohlräumen, in denen die sehr kräf-
tigen Längsmuskelfasern verlaufen. Dann erst folgt nach außen die
ebenfalls stark ausgebildete Ringmuskellage, so daß der Ösophagus
die sogenannte regelmäßige Muskelanordnung aufweist. Alle übrigen
Darmteile haben die entgegengesetzte Muskellagerung, indem dort
die meist sehr schwache Längsmuskulatur außerhalb der Ringmuskel-
schicht liegt. Eine derartige Umlagerung der Muskelschichten im
Darmverlaufe stellten schon Jourdan (1885) und Hamann (1884) bei
Holothuria tuhulosa fest, bei der genau dieselben Verhältnisse auftreten
wie bei unsrer Art. Die beiden Autoren widersprechen sich zwar, in-
dem der erstere die Umlagerung schon vor, der letztere erst hinter dem
Magen erfolgen läßt. Vergleicht man aber Hamanns Tabelle (1884,
S. 74) mit seiner Abbildung 46, so besteht kein Zweifel, daß in der
Tabelle ein Druckfehler vorliegt, daß also Jourdans Darstellung die
richtige ist.
Die Lageänderung der Muskelschichten kommt lediglich durch
eine Umlagerung der Längsmuskelschichten zustande. Die Ring-
muskellage des Schlundes geht also unmittelbar in die des Magens
über, während die Längsmuskelschicht am Ende des Ösophagus all-
mählich verschwindet, um im Magen an der Außenseite der Ringmuskeln
in ganz erheblich schwächerer Ausbildung wieder aufzutreten. Jour-
dan bringt diese Umlagerung der Muskellagen in Zusammenhang mit
der bekannten Tatsache, daß sehr viele Holothurien bei starken Rei-
zungen den Darm hinter dem Schlünde leicht abreißen und ausstoßen.
lö*
220 Wilhelm Haanen,
Daß auch Mesothuria intestinalis von dieser Gewohnheit nicht ab-
weicht, erkennt mau an meinen in Alkohol konservierten Exemplaren
sehr leicht, da sie fast alle keinen Darm mehr besitzen. Aber alle diese
Tiere haben ihre Geschlechtsteile unversehrt bewahrt, und da die
Genitalbasis stets am Magen, also unterhalb der Übergangsstelle liegt,
so sieht man schon äußerlich, daß die Abschnürung des Darms niemals
unmittelbar an der Stelle stattfindet, wo die oben geschilderte Muskel-
umlagerung vor sich geht, sondern stets mehr oder weniger nahe der
hinteren Magengrenze. Die überaus starke Entwicklung der beiden
Muskelschichten im Ösophagus, der hier die Rolle des sogenannten
Muskelmagens der Dendrochiroten vertreten muß, könnte wohl mit
der Nahrungszerkleinerung in Verbindung stehen; denn da dem Tiere
jegliche Bewehrung durch Zähne fehlt, können nur die Muskelkontraktio-
nen eine solche Nahrungszerkleinerung dadurch herbeiführen, daß sie
die stets mitgeschluckten körnigen Schlammteilchen zu reibenden und
mahlenden Bewegungen veranlassen. Daß die Muskulatur des ecto-
dermalen Schlundes am vorderen Körperende in keinem Zusammen-
hange mit der Hautmuskulatur des Körpers steht, habe ich schon in
einem früheren Abschnitt betont.
Die äußere Bindegewebsschicht ist bei unsrem Tiere ganz außer-
ordentlich schwach ausgebildet, und nur an seltenen Stellen sind Fasern
deutlich wahrnehmbar. Ein Vergleich der Literaturangaben zeigt,
daß diese äußere Bindegewebslage im Darm nur bei den Dendrochi-
roten stark, bei allen andern Holothurien aber nur sehr schwach ent-
wickelt ist. Becher vermißt sie (1907) bei Rhabdomolgus gänzlich.
Ohne Zweifel hat der letztgenannte Autor recht, wenn er annimmt,
daß »die beiden Bindegewebsschichten des Darms keine scharf trenn-
baren morphologischen Bildungen, sondern eine einzige Schicht bilden,
die nur durch die Muskulatur in zwei Lagen gesondert wird«. Ent-
wicklungsgeschichtlich werden diese Schichten einheithch angelegt
und müssen dadurch entstehen, daß die sämtlichen, ursprünglich epi-
thelialen Muskelzellen sich vom Cölomepithel emanzipieren und in
die Bindegewebsschicht gelangen«. Bei Besprechung der Körperhaut
unsres Tieres habe ich schon darauf aufmerksam gemacht, daß auch
in der Haut eine solcheVerlagerung der Quermuskulatur in das Binde-
gewebe sehr häufig zu beobachten ist, und zwar ist hier diese Umla-
gerung stets sehr viel deutlicher als im Darm. Übrigens ist es nicht
einfach, im Ösophagus eine solche äußere Bindegewebsschicht ganz
einwandfrei nachzuweisen, da die durch die Muskellagen hindurch-
gehenden bindegewebigen Stränge der inneren Schicht wie auch die
Anat. u. histol. Studien an Mesothuria intestinalis (Ascanius u. ^athke). 221
unregelmäßige Aiißenepitlielbildung die Klarheit des Bildes sehr be-
einträchtigen. Wie das Cöloniepithel der Haut, besteht auch das Aiißen-
epithel des Schlundes aus protoplasmaarmen Zellen, die alle einen
großen, runden Kern tragen. Nur treten sie hier bedeutend häufiger
auf und liegen sehr dicht nebeneinander. Bei stark kontrahiertem
Schlünde kommt es häufig zu Faltenbildungen, die ein ganz eigenartiges
wie zerfetztes Aussehn des Randes bedingen.
2. Magen.
Wie alle Aspidochiroten besitzt Mesothuria einen Drüsenmagen,
denn zu einem »Muskelmagen«, wie ihn die Dendrochiroten besitzen,
fehlt eine stärkere Ausbildung der Muskulatur, die im Gegensatz zu
der des Schlundes sehr schwach genannt werden muß, und außerdem
ist das innere Epithel mit einer sehr großen Masse kolbiger Drüsenzellen
ausgestattet, die sich durch Dahlia oder ÜELAFiELDsches Hämatoxylin
außerordentlich scharf blau färben und dadurch immer sehr deutlich
nachzuweisen sind. Diese Zellen befinden sich so massenhaft im Magen-
epithel, daß die eigentlichen Epithelzellen, deren Kerne an der Basis
der Drüsenzellenschicht zusammengehäuft liegen, und die feine spitz
zulaufende Stützzellen darstellen, auf Schnittpräparaten nur selten zu
bemerken sind. Ja, die eignen Zellgrenzen dieser Drüsen werden durch
die starke Färbbarkeit meist etwas verwischt, doch kann man erkennen,
daß sie das nur wenig verdickte Ende ihrer kolbenförmigen Gestalt
dem Lumen des Darms zukehren. Ihre Kerne, von denen der Stütz-
zellen zu unterscheiden, ist auf Schnitten ganz unmöglich. Während
Hamann (1884), Jourdan (1883) und Becher (1907) das Magenepithel
von einer gut ausgebildeten Cuticula überzogen fanden, die bei Rhab-
domolgus die Höhe des kubischen Epithels manchmal noch übertreffen
soll, fehlt eine derartige Cuticularbildung im Magen von Mesothuria
vollständig. Vielmehr erscheint die Oberfläche dieser etwa 0,019 mm
breiten Drüsenzellenschicht stets mehr oder weniger wellig, da die
rundHchen Enden der einzelnen Drüsenzellen direkt in das Lumen
des Magens hineinragen (Fig. 30). Der Inhalt dieser Drüsen besteht
aus ziemlich engmaschigen Protoplasmasträngen, zwischen denen ganz
kleine Vacuolen sichtbar sind. Epithel- und Drüsenzellen sind gegen
das innere Bindegewebe durch eine feine, dünne Basalmembran sehr
scharf abgegrenzt. Die W^anderzellen im Bindegewebe sind ebenso
häufig wie im Ösophagus. Das innere Bindegewebe ist schwächer ent-
wickelt wie im Schlund und entbehrt des Vacuolenringes. Man findet
zuweilen im Bindegewebe feine, helle, nicht färbbare Körnchen, die
222 Wilhelm Haauen,
den Pigmentkörnern der Haut gleichen und nur viel kleiner sind, zu
kleinen Häufchen vereinigt. Es sind das dieselben Körnchen, die meist
farblos in großen Massen in den Befestigungssträngen des Schlund-
kopfs zu finden sind. An der Übergangsstelle zwischen Schlund und
Magen füllen solche Körnchen fast das ganze innere Bindegewebe.
Beide Muskelschichten sind auch im Magen immer deutlich wahrzu-
nehmen, die Ringmuskelschicht stets besser als die Längsmuskelschicht.
Die äußere Bindegewebslage besteht auch hier nur aus wenigen Fasern
und das Außenepithel ist deutlich bewimpert. Im hinteren Teil des
Magens werden die Zotten kleiner und tragen schließlich wenig oder
gar keine Drüsenzellen mehr, deren Platz dann von cylindrischen
Epithelzellen mit großem, länglichen Kern eingenommen wird. Hier ist
dann die Basalmembran zwischen Epithel und Bindegewebe noch besser
zu erkennen als im eigentlichen drüsigen Teil des Magens.
3. Dünndarm.
Das Innenepithel des Dünndarms bildet keine Zotten mehr und
besteht aus 6 /.i hohen, kubischen Epithelzellen mit rundlichem Kern.
Alle Schichten sind weniger stark als in den übrigen Teilen des Traktus
ausgebildet, aber doch immer einwandfrei nachzuweisen. Am schwie-
rigsten überzeugt man sich auch hier von dem Vorhandensein der
äußeren Bindegewebslage und die Längsmuskelschicht ist ebenfalls sehr
dünn ; sie besteht aus einzelnen feinen Fasern, die oft durch Zwischen-
räume getrennt sind. Die Längsmuskellage tritt somit bei unsrem Tier
in allen Teilen des Tractus sehr gegen die Ringmuskelschicht zurück.
Das gleiche Verhalten bemerken Hamann (1884) und Jourdan (1883)
für Holothuria tubulosa, während Becher für Rhabdomolgus über eine
stärkere Ausbildung der Längsmuskulatur berichtet.
4. Enddarm.
Der Enddarm, der wegen der Einmündung der Kiemenbäume die
Bezeichnung Cloake verdient, zeigt keine Gliederung in Colon und Rec-
tum wie bei Rhabdomolgus (Becher) oder in Dickdarm und Cloake
wie bei Caudina (Gerould 1896). Sein Aufbau gleicht im allgemeinen
dem des Dünndarms am meisten, wobei jedoch sämtliche Lagen, ins-
besondre das innere Bindegewebe wieder verbreitert sind. Bei stärkeren
Kontraktionen treten faltige Einstülpungen des Innenepithels in das
Lumen auf, die aber stets ein unregelmäßiges Aussehn zeigen und nicht
im mindesten mit Zotten, wie sie im Schlund und Magen vorkommen,
vergleichbar sind. Wie im Magen und Dünndarm zeigt das Innen-
epithel keine nachweisbare Cuticula und auch die Anordnung der
Aiuit. u. histol. Studien an Mcsotluiria intestinalis (Ascanius u. Rathkc). 223
Muskelschichten ist die gleiche wie dort. So zeigt also der ectodermale
Enddarm in seinem histologischen Aufbau viel mehr Anklang an die
entodermalen Darniteile wie an den gleichfalls ectodermalen Ösophagus,
und die entwicklungsgeschichtliche Entstehung dieser so verschiedenen
Bilder genauer zu verfolgen, wäre sicherlich von Interesse.
X. Kiemenbäume.
Die Kiemenbäunie sind bei Mesoihuria sehr wohl entwickelt und
stellen längliche Schläuche dar, die bis zum vordersten Körperende
reichen können und mit kleinen, rundlichen blasenförmigen Ausstül-
pungen unregelmäßig besetzt sind. Die Länge der Schläuche sowie
die Form und Zahl der Ausstülpungen hängen sehr von dem Kon-
traktionszustand der Kieme ab, so* daß diese Stellen aufweisen kann,
wo sie ohne jede Ausstülpung einem einfachen Sacke gleicht, während
in andern Teilen die sonst beerenförmigen Aussackungen selbst wäeder
zu sekundären Blasen verästelt erscheinen. Beide Kiemenbäume zeigen
sich nicht immer gleich groß; da aber bald die linke, bald die rechte
Kieme größer und in vielen Fällen überhaupt kein Größenunterschied
wahrzunehmen ist, wird die Annahme notwendig, daß sie beide in glei-
chem Kontraktionszustand gleiche Größe haben. Demgegenüber hat
Marenzeller (1893) »sekundäre Arme« bei Mesothuria venllii niemals
gesehen und meint auch, daß die rechte Kieme ein »wenig« länger als
die linke sei. Bei sehr großen Exemplaren werden die seitlichen Bläs-
chen sehr dick und groß (bis zu 1,5 cm), w^ährend sie bei kleineren und
mittleren Tieren nur wenige Millimeter erreichen. Daher ist hier kein
Unterscheidungsmerkmal zwischen Mesothuria intestinalis und verillii
zu suchen, wie das jVL4.renzeller meint, wenn er von der letzteren
sagt: >>Les coecums sont gros, plus petits toutefois que chez Holothuria
intestinalis«.
In der Ausbildung von zwei typischen Kiemen gleicht Mesothuria
intestinalis den Holothuriiden mehr als den Elpidiiden, von denen die
meisten gar keine und nur wenige einen einzigen kleinen BUndsack an
Stelle der Kiemen aufzuweisen haben. Die getrennte Einmündung der
Kiemen, die Ludwig (1889 — 1892) phylogenetisch als sekundäre Er-
scheinung von dem einzigen Blindsack der Elpidiiden abzuleiten ge-
neigt ist, begegnet uns sonst nur noch bei den Dendrochiroten. Von den
beiden getrennten Einmündungssteilen, die sich stets seitlich an den
Enddarm ansetzen, gehen die Kiemenschläuche eine kleine, etwa V2
bis 3/^ cm lange Strecke mit ziemlich engem Durchmesser ohne jede
Ausstülpung oder Verzweigung aus, entsenden dann aber zuweilen
224 Wilhelm Haanen,
einen oder wenige Nebenäste, die bedeutend größer als die nun folgen-
den bläschenförmigen Aussackungen sind und stets sekundäre Ver-
zweigungen tragen. Nur selten kommt es vor, daß weiter nach der
Spitze zu ein größerer Ast abgegeben wird, oder daß die Kieme dicho-
tom in zwei Ästen endigt. Schon Teuscher (1876) und nach ihm
Heeouard (1890) halten Sempers Ansicht, daß die Kiemen durch feine
Poren mit der Leibeshöhle in Verbindung stehen, für irrig. Der erstere
z. B. hat solche Poren niemals finden können und auch die Gewebsteile
an jenen Stellen deuten seiner Ansicht nach auf ein derartiges Verhalten
nicht hin. Er hält es überdies für unmöglich, daß Wasser durch fco
feine Öffnungen gegen weiche Wände zurückzufließen vermöge. Meine
Beobachtungen an Mesothuria intestinalis geben diesen Ausführungen
vollkommen recht. Denn weder euf Schnittfolgen, noch an aufge-
hellten Totalpräparaten konnte ich Öffnungen an den Kiemen wahr-
nehmen. Auch existieren hier keine solchen sphincterartigen Gebilde,
wie Semper sie für Holothuria tenuissima zeichnet, und die auf ein Vor-
handensein von Poren hindeuten könnten. Vielmehr sind alle diese
Bläschen, auf deren Endpunkt eine Öffnung liegen könnte, bei unserm
Tiere in ausgespanntem Zustand rundliche Gebilde, die überall die gleiche
dünne Membran besitzen und, da sie äußerst durchschimmernd sind,
die innere Epithelschicht als unklaren Saum durchblicken lassen. Auch
histologisch lassen sich in ihnen keine besondern Muskeln entdecken,
die zur Schließung solcher Poren dienen könnten. Da ferner ein Durch-
dringen von Wasser durch eine so feine Wandung auf osmotischem
Wege durchaus nicht unmöglich ist, kann ich mir von der Existenz
solcher Öffnungen keinen absehbaren Zweck oder Nutzen versprechen.
Die Lage der Kiemen im Cölomraum zeigt im allgemeinen die
gewöhnliche, bei vielen andern Holothurien vorkommende Anordnung
daß die linke im ventralen linken, die rechte im dorsalen rechten Inter-
radius liegt, kann aber bei den konservierten Exemplaren nicht genau
festgestellt werden und wird wohl auch beim lebenden Tier innerhalb
gewisser Grenzen schwanken. Denn die Kiemen sind in ihrem bläschen-
tragenden Teil nirgendwo, weder an der Körper- noch an der Darm-
wand, befestigt, sondern ragen frei in die Leibeshöhle hinein. Einige
wenige Suspensorien finden sich an dem untersten, nicht mit Aus-
stülpungen versehenen Kiementeil und befestigen diesen an der Körper-
wand, wie das ebenfalls die Suspensorien des Enddarms tun. So ist
es leicht erklärlich, daß man bei einem aufgeschnittenen Tier die links
ansetzende Kieme in der rechten Körperhälfte und umgekehrt, oder
daß man den Dünndarm von einer Kieme umschlungen vorfinden kann.
Anat. u. liistol. Stiulicn an Mesothuria intestinalis (Ascanius u. Bathke). 225
Obwohl nun bei Mesothuria kein Gefäßwundernetz ausgebildet ist und
daher von einer engeren Verschlingung der linken Darmkieme mit
einem solchen keine Rede sein kann, bedingt die deutliche Windung
des Darmrohres doch in den meisten Fällen die natürliche »Stellung
der Kiemen.
Als direkte Ausstülpungen des Darmes zeigen die Kiemenbäume
denselben histologischen Aufbau wie dort. Auf das wimpernde, äußere
Cölomepithel folgen die Längsmuskeln, die ebenfalls spärlich in einer
noch schwieriger nachzuweisenden äußeren Bindegewebslage liegen.
Ringmuskeln und inneres Bindegewebe sind durchweg kräftiger ent-
wickelt. Das Innenepithel besteht aus kubischen Zellen, an denen ich
nirgendwo Wimpern auch nur angedeutet fand.
Herouard schreibt (1890) den Kiemenbäumen eine vierfache
Funktion zu, indem er sie als »Gleichgewichtsorgane« auffaßt, die der
»Atmung« und »Exkretion <<, wie wahrscheinlich auch der »Bildung
von Wanderzellen« dienen. Die Bedeutung der Kiemen als Atmungs-
organe ist so oft bewiesen und stets so deutlich betont worden, daß es
unnütz wäre, hier darauf zurückkommen zu wollen. Auch als Gleich-
gewichtsorgane können sie sehr wohl angesehen werden, da sie durch
Vergrößerung ihres Volumens das spezifische Gewicht des Tieres zu
ändern imstande sind, obwohl Kontraktionen des ganzen Körpers den-
selben Erfolg herbeiführen können. Die exkretorische Funktion der
Kiemen erkennt Herouard in der Beobachtung, daß das von dem After
ausgestoßene Wasser stets zellige Elemente enthält. Ob das auch für
Mesothuria intestinalis der Fall ist, konnte ich wegen Mangels an leben-
dem Material nicht feststellen. Auf Quer- und Längsschnittserien sah
ich jedoch niemals eine besondre Ausbildung des Inneuepithels und
auch die Wanderzellen treten dort nicht häufiger als an den übrigen
Teilen des Tieres auf. Wenn sich die Vermutungen, die ich in dem Ab-
schnitt über die Wanderzellen in betreff der Exkretion niedergelegt
habe, bestätigen sollten, so wird die Exkretionstätigkeit der Kiemen,
wenn auch nicht ganz, so doch größtenteils entbehrlich.
Ebenso folgt aus meinen obigen Angaben, daß ich bei unsrem Tier
keinerlei beweiskräftige Stützpunkte finden konnte für Herouards
Ansicht, daß Wanderzellen in der Kiemenwanduug gebildet werden.
XI. Aufhängestränge des Schlundkopfs und Enddarms; Mesenterien.
Ganz unregelmäßig verlaufende ziemlich dicke Suspensorien be-
festigen Hauptkanäle und Wassergefäßring an der Speiseröhre und
durchziehen in überaus großer Zahl senkrecht zur Körperachse den
226 Wilhelm Haanen,
von Semper Schlundsinus genannten Teil der Leibeshöhle. In allen
Teilen dieses Schlundsinus, auch schon unterhalb des Gefäßringes treten
die bindegewebigen Stränge auf, die dadurch in Gegensatz zu den
meisten daraufhin untersuchten Holothurien treten, daß sie stets in
Zusammenhang mit der inneren Bindegewebslage des Ösophagus stehen.
Neuerdings hat Becher (1907) dieses Zusammenhängen des Binde-
gewebes der Suspensorien und der inneren Lage des Darms auch bei
Rhabdomolgus gesehen, wo allerdings eine äußere Bindegewebsschicht
gänzlich fehlen soll. Das Bindegewebe dringt in sehr feinen Strängen
durch die Muskelschichten des Schlundes, vereinigt sich aber sehr bald
zu den oben beschriebenen dickeren Suspensorien (Fig. 23 s). Zum
größten Teil ist das Bindegewebe, das die Hauptmasse der Suspensorien
ausmacht, mit dem Cölomepithel überkleidet, doch kann man zu-
weilen ganz feine Faserbündel auch ohne diese Bekleidung aus dem
Ösophagus austreten sehen. Muskulatur ist auf den dickeren Strängen
stets sehr deutlich nachweisbar und ebenso wie beim Gekröse meist
auf beiden Seiten des Stranges ausgebildet. Um als Antagonisten der
Schlundmuskulatur dienen zu können, verlaufen diese Muskelfasern
fast durchweg in der Längsrichtung der Stränge und auch die Faser-
bündel des Bindegewebes bevorzugen diese Anordnung. Für den Blut-
kreislauf spielen die Aufhängestränge des Schlundkopfs dadurch eine
wichtige Rolle, daß sie Träger aller Arten der Blut- und Wanderzellen
sind und so die vom Blutring die innere Hauptkanalwandung empor-
steigenden Blutzellen in die inneren Darmschichten gelangen lassen.
In ganz besonders großer Zahl sammeln sich in diesen Suspensorien
die Wanderzellen, deren Einschlußkügelchen sich wie Chromatin färben
lassen. Auch findet man hier sehr häufig Ansammlungen von kleinen,
runden pigmentähnlichen Körnchen, die sich bei den meisten Färbungen
nicht mitfärben.
Die Aufhängestränge des Enddarms zeigen sich stets kräftiger
entwickelt, als die des Schlundkopfes, sind aber, was Zahl, Bau und
Anordnung anlangt, den ersteren vollkommen ähnlich. Sie sind stets
länger als die des Schlundkopfes, weil sie bis zur Körperwand eine wei-
tere Strecke zurückzulegen haben als jene bis zur Wand der Haupt-
kanäle. Die Stränge an den Radien sind durch ihre Größe vor denen
der Interradien nicht bevorzugt wie bei Rhabdomolgus und nur selten
trifft man Suspensorien, die sich an den Längsmuskel der Haut an-
setzen. Den Zusammenhang ihres Bindegewebes mit der inneren
Bindegewebsschicht des Enddarmes hat schon Ludwig (1889 — 92) aus
Hamanns Angaben (1883, 2) erschlossen und nach ihm Becher für
Anat. u. histol. Studii'u an Mcsothuria intestinalis (Ascanius u. Rathke). 227
Rhabdomolgus bestätigen können. Auch bei Mesothuria ist dieser Zu-
sammenhang außerordentlich deutlich und viel besser zu konstatieren
als beim Ösophagus, weil die Suspensorien hier nicht in dünneren
Strängen, die sich später vereinigen, sondern sofort mit breiter Basis
vom Darme auszugehen pflegen (Fig. 28 s). Die Muskulatur ist kräf-
tiger als bei den Schlundsuspensorien, ja meist auch stärker noch als
die des Enddarmes selbst. Die Wanderzellen sind häufig, jedoch fehlen
die pigmentartigen Körnchen der Schlundsuspensorion.
Das Mesenterium befestigt den Darmtractus an der Körperwand
und gibt durch seinen ge^^^lndenen Verlauf die gleiche, weiter oben
schon hervorgehobene, typische Drehung des Darmes an. Den drei
Darmschenkeln entsprechend nennt Ludwig (1889 — ^92) das Mesenterium
des ersten Schenkels das dorsale, das des zweiten das linke und das
des dritten das rechte Mesenterium und hebt hervor, daß die Ansatz-
stellen dieser Mesenterien durchaus nicht immer genau in der Mittel-
linie der betreffenden Interradien zu liegen brauchen. Bei Mesothuria
intestinalis läuft die Ansatzlinie des dorsalen Mesenteriums genau in
der Mittellinie des mittleren Interradius des Biviums, das linke durch-
quert den linken Interradius derselben Körperhälfte diagonal in einer
etwas steilen Richtung, während das rechte Mesenterium sich dem mitt-
leren Längsmuskel des Triviums, wenigstens in seinem unteren Teile,
sehr nahe anlegt. Die ziemlich breiten Mesenterien befestigen sich an
der Haut durch kleine bindegewebige Stränge, so daß man dicht an der
Ansatzlinie eine Reihe oft winzig kleiner Löcher bemerkt. Sonst sind
solche löcherartigen Durchbrechungen der Wand selten und, wenn sie
auftreten, sehr klein. Nur beim Übergang des dorsalen Mesenteriums
in das linke und des linken in das rechte treten solche Löcher konstant
auf und bedingen dadurch dort ein netzartiges Aussehen des Mesen-
teriums. An diesen Stellen ist das Band auch etwas breiter als an den
übrigen, ohne indes den Namen Mesenterialtaschen zu verdienen. Am
vorderen Körperende, direkt am Schlundkopf, läßt das Dorsalmesen-
terium stets einen kleinen, rundlichen Ausschnitt frei, durch den die
Leibeshöhlenflüssigkeit von einer Körperhälfte in die andre übertreten
kann. Das Dorsalmesenterium umhüllt nicht nur den Ausführgang der
Geschlechtsorgane, sondern auch den Steinkanal, der in seinem ganzen
Verlaufe nicht aus dem Mesenterium heraustritt. Ferner wird der später
zu besprechende Geschlechtssinus wie auch der Nebenschlundsinus
vom Dorsalmesenterium gebildet. Die Ähnlichkeit dieses Mesenteriums
mit den Suspensorien in histologischer Beziehung ist schon mehrfach
auch für andre Holothurien betont worden (Lüdavig 1889 — 92, Becher
228 Wilhelm Haanen,
1907). Beiderseits liegen unter den flachen Plattenepithelzellen des
Cölomepitliels spärlich entwickelte Muskelfasern, die fast stets quer
zur Längsachse der Körperwand verlaufen. Die Bindegewebsfasern
gleichen in ihrer Feinheit mehr den Fasern der bindegewebigen Teile
des Wassergefäßsystems als denen der Haut. Wanderzellen trägt dieses
Bindegewebe ebenso häufig wie dort, Kalkkörper nur in der Umgebung
des Steinkanals, hier aber in ziemlich reichhaltigem Maße.
XII. Räume der Leibeshöhle.
Schlundsinus.
Denjenigen Teil der Leibeshöhle, der von dem Ösophagus als innere,
den Wandungen des Ringkanals, der Haupt- bzw. Fühlerkanäle als
äußere Grenze umschlossen wird, pflegt man seit Semper (1868) Schlund-
sinus zu nennen. Er scheint bei allen Holothurien ziemlich konstant
aufzutreten und ist von den oben besprochenen Aufhängesträngen des
Schlundkopfes dicht durchsetzt. In den meisten Fällen steht der
Schlundsinus (vgl. die Zusammenstellung Ludwigs 1889) in offenem
Zusammenhange mit der Leibeshöhle, und zwar kann dieser Zusammen-
hang dadurch hervorgerufen werden, daß 1) die vom Ringkanal aus-
gehenden fünf Hauptkanäle einzeln nach oben gehen und so zwischen
sich mehr oder weniger weite Öffnungen freilassen, oder daß 2) sich der
Wassergefäßring an seinem hinteren Ende nicht dicht an den Darm
anlegt. Es wird dann an dieser Stelle eine Ringspalte entstehen, die
durch die Aufhängestränge nur teilweise verschlossen wird. Die Löcher
zwischen den fünf Hauptkanälen können sich verkleinern, z. B. bei
Synaptiden, den meisten Aspidochiroten und wenigen Dendrochiroten,
oder auch sich gänzlich schließen wie bei sehr vielen Elasipoden. In
diesem letzteren, bei weitem seltener vorkommenden Fall bildet dann
die Ringspalte den einzigen Zusammenhang zwischen Schlundsinus und
Cölomraum. Nur eine einzige Angabe besitzen wir von Danielssen
und Koren (1882) für Kolga hyalina, daß auch diese Ringspalte sich
schließt und so der Schlundsinus von der Leibeshöhle vollständig ge-
trennt ist. Diese Beobachtung ist so einzig dastehend, daß sie Ludwig
(1889 — ^92), S. 290 zu der Bemerkung veranlaßt: »Von dieser Art
{Kolga hyalina) behaupten zwar Danielssen und Koren einen voll-
ständigen Abschluß des Schlundsinus von der Leibeshöhle. Da aber
ein solches Verhalten bis jetzt bei keiner einzigen andern Seewalze
bekannt ist und ein näherer Nachweis für die Richtigkeit ihrer Behaup-
tung von den genannten Forschern nicht erbracht wird, so wird man
derselben wohl einigen Zweifel entgegensetzen dürfen«. Betrachtet
Anat. n. histol. Studioii an Mcsotluuia intestinalis (Ascanius u. Rathke). 229
man aufgehellte und mit Boraxkarmin gefärbte Totalpräparate des
Sclilundkopfes bei Mesothuria intestinalis, so scheint hier ein solcher,
vollständiger Abschluß des Schlundsinus von der Leibeshöhle zu
existieren.
Bei Besprechung des Wassergefäßsystems wie auch des Darm-
tractus habe ich darauf hingewiesen, daß genau an der Übergangs-
stelle zwischen Ösophagus und Magen eine ringförmige, bindegewebige
Lamelle aus der inneren Bindegewebsschicht des Darmes austritt, sich
Textfig. 1.
Schematisierter Längsschaitt durch das hintere Ende des Schlundkopfs. Ö= Ösophagus; »» =
Magen; r = Ringkanal; ss = Sclilundsiniis, la dessen Grenzlamelle; h = Hauptkanal; s = Suspen-
sorien; p= Öffnung des Schlundsinus in der Leibeshöhle. Vergr. etwa 35mal.
dann nach oben fortsetzt und schließlich Ringkanal und Hauptkanäle
bildet (vgl. d. Textfig. la). Diese Lamelle stellt nichts andres dar, als
die hintere Grenze der zum Wassergefäßsystem gehörigen Teile des
Schlundkopfes. Es ist zwar in diesem Falle nicht der Ringkanal, der sich
auf diese Weise an den Darm ansetzt, sondern gewissermaßen seine Ver-
längerung, jene einfache Lamelle, die aus der Verwachsung der beiden
Ringkanahvandungen entstanden zu sein scheint. Aus Querschnitt-
folgen geht deutlich hervor, daß sich dort an der Ansatzstelle nirgend-
wo größere Öffnungen oder Löcher befinden. Hierbei ist natürlich zu
betonen, daß bei einem derartigen Durchbruch des Bindegewebes durch
230 Wilhelm Haanen,
Muskulatur und Epithel ganz dicht an der Außenseite des Darmes eine
Entstehung von Poren unvermeidlich ist. Denn andernfalls müßte
die Lamelle die Muskulatur an dieser Stelle vollständig unterbrechen.
Das ist zwar, wie wir weiter oben schon betont haben, der Fall für die
Längsmuskulatur, nicht aber für die Ringmuskeln, deren Zusammen-
hang an einzelnen Stellen deutlich festzustellen ist. Vielmehr bildet
sich die Lamelle durch mehr oder weniger dicke Stränge, die sich zwar
nach dem Austritt aus dem Darm sofort zusammenschließen, doch an
einzelnen Stellen Poren freilassen (vgl. Textfig. 1 p). Diese Poren sind
äußerst klein und nur auf Schnitten zu erkennen.
Auch mehr vor dem Ringkanal treten zwischen den Hauptkanälen
niemals Öffnungen, auch keine derartig kleinen Poren auf, weder direkt
am Ringkanal noch auch kurz vor dem Kalkring; vielmehr erscheinen
die Hauptkanäle stets so gebildet, als ob an den Interradien die bei-
den Wände des Ringkanals zusammengewachsen wären.
Da demnach weder eine Ringspalte noch auch Öffnungen zwischen
den Hauptkanälen auftreten, wird man den Schlundsinus von Meso-
iliuria intestinalis als geschlossen ansehen können gegenüber den von
Ludwig und Semper beschriebenen Formen. Anderseits aber ward
man nicht imstande sein können, eine Kommunikation des Schlund-
sinus mit der Leibeshöhle in Abrede zu stellen. Das tun zwar Danielssen
und Koren (1882, S. 11), wenn sie sagen: »And does not correspond
with the perivisceral cavity<<, doch glaube ich, daß man bei näherer
Untersuchung auch bei dieser Art ganz gewiß ähnliche kleine Öffnungen
wird nachweisen können wie bei Mesothuria intestinalis.
Nebenschlundsinus.
Der ebenfalls von Semper so genannte Nebenschlundsinus stellt
eine Verlängerung des Schlundsinus hinter den Ringkanal dar, der mit
dem Geschlechtssinus den Ausführgang der Genitalien mehr oder we-
niger weit begleitet. Diese beiden Sinus kommen in den meisten Fällen
zusammen vor {Stichopus variegatus , Holothuria tenuissima, gracilisu.Si.),
doch kann der Nebenschlundsinus fehlen, während der Geschlechts-
sinus wohl ausgebildet ist {Mülleria lecanora). Dieser letzteren Art
gleicht Mesothuria am meisten, indem sie einen gut entwickelten Ge-
schlechtssinus, aber keinen sehr ausgeprägten Nebenschlundsinus be-
sitzt, Wohl kann man manchmal die Beobachtung machen, daß eine
ganz kleine Strecke weit, d. h. nur wenige Schnitte hindurch das Dorsal-
mesenterium noch hinter dem Schlundkopf eine kleine Höhlung auf-
weist, die aber sehr bald blind endet und niemals von zahlreichen,
1
Anat. u. histol. Studien an Mesothuria intestinalis (Ascanius u. Rathkc). 231
radiär gestellten Fasern durchzogen ist (vgl. Semper, S. 106). Auch
treten hier keinerlei Öffnungen in die Leibeshöhle auf. Auf etwas weiter
nach hinten, vor der Genitalbasis gelegenen Querschnitten sieht man
stets nur mehr den ziemlich weiten Genitalsinus den Ausführgang der
Genitalien begleiten, so daß meiner Ansicht nach die kurze, oben ge-
schilderte Ausbuchtung den Namen eines Nebenschlundsinus wenig
verdient, obwohl ihn Theel (1901, S. 15) auf einer seiner Textfiguren
mit dieser Bezeichnung andeutet. Hierzu ist jedoch zu bemerken, daß
sich der eigentliche Schlundsinus nicht nur bis zum Wassergefäßring
erstreckt, sondern noch etwas weiter nach hinten sich bis zur Grenze
zwischen Magen und Schlund ausdehnt, so daß der
eigentliche Nebenschlundsinus stets neben dem Magen
herlaufen muß und deshalb leicht zur Verwechslung
der beiden Sinus Anlaß geben kann (vgl. Textf ig. 2 ss).
Es hängt allein von der individuellen Auffassung ab,
ob man die kleine, höchstens 0,5 mm große Ausbuch-
tung als Nebenschlundsinus besonders hervorheben
will oder nicht. Auf jeden Fall muß sie als An-
deutung dieses Sinus an dieser Stelle Erwähnung
finden.
Geschlechtssinus,
Der bisher nur für Aspidochiroten bekannt ge-
wordene Geschlechtssinus ist auch bei Mesothuria
intestinalis stets sehr deutlich w^ahrnehmbar. Er „ ^x- n
Textfig. 2.
beginnt vorn bereits am Wassergefäßring, dicht schnitt durch das Dorsai-
unterhalb der Einmündung des Steinkanals in diesen mesenterium unterhalb
-,,,,,-, 1 1 T> 1 1 j p des Eiugkanals, aber
und stellt ein langes, schmales Jband dar, das auf oberhalb der Trennungs-
Querschuitten oft bedeutend länger erscheint als steile zwischen Schlund
der Ausführgang selbst. An seiner linken Wandung s"tmng;''a = Ausführging
trägt er an der dem Magen zugekehrten Seite das der Genitalien; ? = Ge-
mächtige Blutgefäß der Geschlechtsteile, die »lacu- taibiutgefaß ; «« =
nar blood cord<< Theels. Mit der Leibeshöhle Schiundsinus.
kommuniziert der Geschlechtssinus durch kleine, po-
renartige Öffnungen, die zum allergrößten Teil in der Höhe der Schlund-
krause und an der linken Seite ganz unregelmäßig aufzutreten scheinen.
Manchmal, aber viel seltener kommen auch an der rechten Seite der
Sinuswandung oder mehr nach der Genitalbasis zu solche kleine
Öffnungen vor. Nach hinten setzt sich der Geschlechtssinus mit gleich-
bleibendem Lumen bis an die Genitalbasis fort, reicht sogar öfters noch
232 Wilhelm Haanen,
etwas in diese hinein, endet aber dort blind und setzt sich nicht in das
Lumen der Genitalbasis fort. Genauere Angaben, wie die Kommunika-
tion des Geschlechtssinus mit der Leibeshöhle für andre Aspidochiroten
sich vollzieht, habe ich in der Literatur vergeblich gesucht. Semper
z. B. beschränkt sich auf die Erwähnung der Tatsache, daß sich dieser
Geschlechtssinus hinter der Schlundkrause in die Leibeshöhle öffnet.
An dieser Stelle möchte ich noch darauf hinweisen, daß ich für
die Neuralkanäle, von denen man früher vermutet hatte, daß sie in
irgend einer Verbindung mit der Leibeshöhle stehen (vgl. Ludwig 1889,
S. 234), bei Mesothuria keinen solchen Zusammenhang gefunden habe.
Der Hyponeuralkanal endet, wie schon erwähnt, ohne einen Pseudo-
hämalring zu bilden, blindgeschlossen kurz vor dem Ringnerv und der
Epineuralkanal setzt sich in den Epineuralring fort und bleibt so eben-
falls ohne den erwähnten Zusammenhang mit dem Cölomraum.
Über die Auskleidung der Leibeshöhle habe ich schon an früheren
Stellen Genügendes mitgeteilt.
XIII. Geschlechtsorgane.
Mesothuria intestinalis ist eine der wenigen pedaten Holothurien,
die beiderlei Geschlechtsprodukte in demselben Individuum entwickelt.
Nicht wie viele Synaptiden erzeugt dieser Zwitter Spermatozoen und
Eier in demselben Geschlechtsschlauche, sondern für beiderlei Pro-
dukte werden besondere Schläuche ausgebildet, so daß verschiedene
miteinander alternierende Bündel entstehen, von denen die einen nur
männliche, die andern nur weibliche Geschlechtsprodukte enthalten. Die-
ser eigenartige Hermaphroditismus, wie er vordem nur von Sluiter für
Ocnus javanicus und Ananus Jiolothurioides beschrieben, aber histo-
logisch noch nicht genauer untersucht worden war, veranlaßte die
schon erwähnte ausführliche und genaue Untersuchung Theels über
die Geschlechtsorgane unsres Tieres (1901). Im folgenden Jahre be-
schrieb Ackermann ähnliche Verhältnisse bei Cucumaria laevigata.
Hier finden sich ebenso wie bei unsrer Art männliche und weibliche
Schläuche in demselben Tier vereinigt, doch pflegen dieselben Schläuche
im Gegensatz zu Mesothuria intestinalis nacheinander weibliche und
männliche Geschlechtsprodukte hervorzubringen oder wenigstens an-
zulegen. Stets werden zunächst die jungen Eizellen angelegt, die durch
Phagocyten beseitigt werden und an deren Stelle Samenzellen ent-
stehen. Diese Samenzellen werden zuerst reif und entleert, darauf die
Schläuche resorbiert und andre, mehr nach vorn gelegene Schläuche
entwickeln dann auch reife Eier. Ackermann hat diese Tatsachen
Anat. u. liistol. Studien an Mcsotluiria intestinalis (Ascanius u. Rathke). 233
entwickluug.sgeschichtlich und histologisch genauer untersucht und
auch in genügender Weise auf die Merkmale hingewiesen, die Cucu-
maria laevigata und Mesothuria intestinalis in bezug auf ihre Zwittrig-
keit gemein haben, so daß ich an dieser Stelle nicht näher darauf
einzugehen brauche. Wenn es auch die Vollständigkeit einer Mono-
graphie verlangt, daß ich an dieser Stelle auf diese schon untersuchten
Gegenstände eingehe, so möchte ich doch in Einzelheiten auf die vor-
genannte Abhandlung Theels verweisen, zumal ihr dieser eine Anzahl
Abbildungen beigegeben hat, die, soweit sie mit meinen Beobach-
tungen übereinstimmen, nochmals wiederzugeben kein Grund vorlag.
a) Genitalbasis.
Die Genitalbasis stellt nichts andres als eine Anschwellung des
Dorsalmesenteriums dar, die stets an dessen linker Seite, nicht weit
hinter der Übergangsstelle zwischen Magen und Schlund auftritt, immer
aber mit dem Magen, niemals mit dem Ösophagus in Verbindung steht.
Diese Verbindung wird dadurch hergestellt, daß sich die innere Binde-
gewebslage des Magens unmittelbar in das Bindegew^ebe fortsetzt, das
die Genitalbasis zum größten Teile ausfüllt. Die Anschwellung des
Mesenteriums nimmt mit steigendem Alter des Tieres zu, so daß der
Größenvergleich der Genitalbasen auf das Alter der betreffenden Tiere
schließen läßt. Bei jungen Tieren ist die ganze Unterseite, d. i. die dem
Körperinnern zugekehrte Seite, überall dicht mit Geschlechtsschläuchen
besetzt, während bei älteren Exemplaren an dem hinteren Ende ein
nackter Teil (naked portion of the genital basis Theels) zu bemerken
ist, der keine Geschlechtsschläuche mehr trägt und sich in noch späteren
Stadien nach oben und vorne aufrollt, so daß das Ganze etwa einem
Schneckengehäuse ähnlich sieht. An diesem aufgebogenen, nackten
Teil sieht man manchmal kleine, cylindrische Fortsätze, fast immer
aber bräunliche Flecken, die sich oft zu kleinen Kreisen mit dem Durch-
messer ausgewachsener Geschlechtsschläuche vereinigen, so daß man
in diesen »Maculae << sicherlich die Ansatzstellen verlorener, resorbierter
Genitalschläuche erblicken muß. Das letzte Ende des umgebogenen
Teiles pflegt sich ebenfalls bräunlich zu verfärben und erweckt, wenn
es sich bei älteren Tieren in die Mitte der Windung legt, den Eindruck
eines selbständigen Organs. Indessen lehren Querschnitte, daß man
es hier nur mit dem in Resorption befindlichen Genitalbasisende zu
tun hat, in das sich ebenso wie in den Maculae ungeheure Massen von
kleinen, wenig färbbaren Körnchen eingelagert haben, die genau den
in der Körperhaut und zwischen den einzelnen Tentakeln vorgefunde-
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CIX. Bd. 16
234 Wilhelm Haanen,
nen Pigmentkörnern gleichen. Über Wesen und Bedeutung dieser
Körner habe ich in dem Kapitel über "Wanderzellen (vgl. S.200) einiges
niedergelegt. Die in der Entwicklung am weitesten vorgeschrittenen,
reiferen Schläuche sitzen stets am hinteren Ende der Basis, während
sich mehr nach vorn kleinere, unentwickelte Schläuche anlegen. In-
dem nun nach Entleerung und Resorption der gereiften Schläuche das
Ende der Basis sich in der oben geschilderten Weise umbiegt, rückt
die Stelle, wo die Geschlechtsschläuche sich ansetzen, allmähhch mehr
nach vorn, wo dann das Dorsalmesenterium zur vollen Größe der Genital-
basis auswächst.
Unter dem wimpernden Cölomepithel zieht sich eine ziemlich
kräftige Ringmuskellage hin, der seltener und viel schwächer entwickelte
vertikal verlaufende Fasern aufliegen. Bei keinem andern Organ
unsres Tieres konnte ich die Eigentümlichkeit feststellen, die in der
Genitalbasis dadurch auftritt, daß recht kräftige Muskelfasern in statt-
licher Anzahl regellos in das Bindegewebe eindringen; sie heben sich
durch ihre bedeutendere Dicke, das stärkere Lichtbrechungsvermögen
wie ganz besonders durch die Färbemittel stets deutlich hervor und
dienen den feinen Bindegewebsfasern, zwischen denen sie ganz unregel-
mäßig verteilt liegen, zur Stütze. Das Bindegewebe ist von vielen Lö-
chern und Hohlräumen durchzogen, die sich einerseits in den Ausführ-
gang vereinigen und anderseits in die Creschlechtsschläuche führen.
So lange sich diese Hohlräume innerhalb der Basis hinziehen, sind sie
von dem eigentümlichen, stark wimpernden Epithel ausgekleidet, das
auch dem Ausführgang der Geschlechtsprodukte eigen ist und bei dessen
Besprechung näher erläutert werden soll. Sobald aber ein solcher
Hohlraum in den eigentlichen Geschlechtsschlauch übergeht, tritt ein
einfaches Plattenepithel an seine Stelle. Dabei pflegt dann auch das
Bindegewebe in einzelnen Längsfalten in das bis dahin runde Lumen
vorzudringen, so daß der Querschnitt ein mehr oder weniger sternartiges
Aussehen bietet. Auffallend ist die ungeheure Anzahl der Blut- und
Wanderzellen, die den ganzen bindegewebigen Teil der Genitalbasis
erfüllen und für die Ernährung der Geschlechtsprodukte in reichlichem
Maße Sorge tragen.
Ausführgang der Genitalien.
Der Ausführgang ist ein flaches, gerades Band, das dem Darm
parallel bis zur Einmündung des Steinkanals in den Ringkanal ver-
läuft, dann aber etwas nach außen umbiegt, um hinter dem Steinkanal
herlaufend bis zur Körperwand zu gelangen, wo er sich genau in der
Anat. II. histol. Studien an Mesothuria intestinalis (Ascanius u. Rathkc). 235
Dorsalmittellinie, etwas hinter der Fühlerbasis nach außen öffnet. Bei
den in Alkohol fixierten Exemplaren und besonders bei großen Tieren
bemerkt man dort immer eine deutliche, etwa 1 bis 2 mm große Genital-
papille. Bei kleineren und mittleren und vor allem auch bei den in Formol
konservierten Tieren konnte ich diese Erhebung nicht annähernd so
deutlich wiederfinden, so daß ich geneigt bin, diese außerordentliche
Deutlichkeit der Genitalpapille zum größten Teil auf Materialschrum-
pfung zurückzuführen. Untersucht man diese Papille auf eine Öffnung
nach außen, so findet man auf aufgehellten Totalpräparaten eine solche
eigentlich fast nie. Erst Querschnittserien zeigen, daß sich der Genital-
gaug bis dicht unter die Epidermis hinzieht, so daß dieser Gang im all-
gemeinen durch Cuticula, Epithel und ein kleines Stück der Cutis
von der Außenwelt abgeschlossen ist. Erst wenn die Genitalprodukte
entleert werden sollen, wird wahrscheinlich durch deren Druck dieser
dünne Verschluß durchbrochen, der nach stattgehabter Ablegung der
Eier, bzw. der Samenfäden jedenfalls wieder zuwächst und so vor Ein-
dringen von Schlamm und Schmutz genügenden Schutz gewähren kann.
Sobald der Genitalgang in das Bindegewebe der Haut eingetreten ist,
umgibt ihn ein Kranz kleiner Löcher, die Teile der Leibeshöhle dar-
stellen und den für ein Durchtreten der Genitalprodukte nötig wer-
denden Spielraum gewähren.
Der Ausführgang ist ebenso wie der Steinkanal gänzlich im Dorsal-
mesenterium eingebettet und auch wie dieser, von einem eigentümlichen
doch anders gearteten Epithelüberzug ausgekleidet. Die ovalen Kerne
dieser Epithelzellen liegen ziemlich dicht nebeneinander ungefähr in
der Mitte von Zellen, die nach dem Lumen zu in je ein starkes, geißel-
artiges Wimperhaar übergehen und sich nach dem Bindegewebe zu
ebenfalls zuspitzen; die dünnen Fortsätze befestigen sich dort am
Bindegewebe vermittels einer feinen Basalmembran. Durch diesen
eigenartigen Bau müssen zwischen den einzelnen Epithelzellen und
dem Bindegewebe bald größere, bald kleinere Hohlräume entstehen,
und diese Hohlräume fand schon Theel durchsetzt mit feinen, längs-
verlaufenden Fasern, die er für peripherische Nervenfasern zu halten
geneigt ist. Auf Theels Präparaten blieben sie nach der Behandlung
mit verschiedenen Farbstoffen stets blaß und farblos, bei meinen Unter-
suchungen dagegen färbten sie sich, und zwar stets wie Nerven-, bzw.
Muskelfasern. Trotzdem traten diese feinen Fasern bei meinen Prä-
paraten nie mit solcher Deutlichkeit und Häufigkeit auf, wie Theels
Abbildung andeutet, und nur auf Längsschnitten habe ich sie mit un-
zweifelhafter Sicherheit nachweisen können.
16*
236 Wilhelm Haanen,
An dieser Stelle möchte ich noch darauf hinweisen, daß ähnliche,
ich kann sagen, die gleichen feinfaserigen Gebilde auch im Ösophagus
unsres Tieres auftreten. Dort liegen sie ebenfalls in Hohlräumen, und
zwar in den Lücken, die sich zwischen der Längsmuskulatur und der
inneren Bindegewebsschicht des Schlundes befinden; da sich aber
diese Fasern in bezug auf ihre Färbbarkeit mit Sicherheit nicht von
den dicht anliegenden Längsmuskeln unterscheiden lassen, und ferner
ein Zusammenhang dieser Fasern mit andern Nervenfasern nirgend-
wo erkannt werden konnte, habe ich in dem betreffenden Abschnitt
von einer besonderen Betonung dieser feinen Fasern abgesehen. Von
den typischen Muskelfasern unterscheiden sie sich durch ihre außer-
ordentliche Feinheit und durch geringeres Lichtbrechungsvermögen,
so daß es nicht ausgeschlossen ist, daß man es hier mit peripherischen
Nerven zu tun hat.
Keimstrang.
Unter dem Namen »germinal cord<< beschreibt Theel (1901) eine
eigentümliche, kanalartige Bildung, die stets in der etwas verdickten,
linken Wandung des Ausführganges der Genitalien liegt. Der mehr
oder weniger stark gekrümmte, meist sehr englumige Kanal begleitet
den Ausführgang oft ungefähr bis zur Höhe des Ringkanals und endet
dort blind im Bindegewebe des Dorsalmesenteriums, in das er ebenso
wie der Ausführgang selbst vollständig eingebettet ist (vgl. Acker-
mann, S. 20 imten). An seinem hinteren Ende reicht er bis zur Genital-
basis und steht dort einerseits mit deren Lumen, anderseits mit klei-
nen, keulenförmigen Erhebungen in Verbindung, die den vordersten,
kleinen Geschlechtsschläuchen sehr ähnlich sehen. Sie unterscheiden
sich aber dadurch von den etwas weiter rückwärts gelegenen Schläuchen,
daß sie, wie auch der Keimstrang selbst, an ihrer Innenseite sehr dicht
besetzt sind mit Keimzellen, d. s. große Epithelzellen mit ebenfalls
sehr großem, rundem Kern. Es fehlt also hier das Zwischenstück, in
dem keine Geschlechtsprodukte hervorgebracht werden und das allen
etwas größeren Geschlechtschläuchen bei unsrer Art eigentümlich ist.
Der ganze Aufbau dieser »germinal cord << berechtigt zu der Annahme, daß
man es hier mit einer Bildungsstätte der ersten Anlage von Geschlechts-
produkten zu tun hat, ebenso wie man in den oben erwähnten kleinen,
keulenförmigen Erhebungen die erste Anlage von Geschlechtsschläuchen
erblicken muß, die durch späteres interkalares Wachstum ein steriles
Zwischenstück einschieben. Theel läßt die Frage offen, ob der Keim-
strang nur einen einzigen Kanal oder mehrere verschiedene Kanäle dar-
stellt, da man auf verschiedenen Querschnitten oft verschieden viele
Anat. u. histol. Studien an Mcsothuria intestinalis (Ascanius u. Rathkc). 237
Lumina (bei Theel bis zu acht) waliruehmen kann. Bei den Serien,
die ich daraufhin untersuchte, schien meist nur ein, wenn auch stark
gekrümmter Kanal vorhanden zu sein; doch schwankt die Ausbiklung
bei den verschiedenen Tieren sehr, so daß wohl auch mehrere Kanäle
vorkommen können. Zwischen den großkernigen Keimzellen findet
man oft Zellen mit kleinem Kern, die Theel als später den Keimzellen
zur Nahrung dienende FoUikelzellen ansieht.
Geschlechtsschläuche.
An der dem Körperinnern zugekehrten Seite der Genitalbasis
sitzen dichtgedrängt die Genitalschläuche, lange, schmalcylindrische
Gebilde, die am hinteren Ende der Basis am größten und reifsten sind
und mehr nach vorn an Größe und Reife allmählich abnehmen. Eine
kleine Strecke weit sind die Schläuche einfach, dann aber verzweigen
sie sich mehr oder Aveniger unregelmäßig, oft so stark, daß ein einzelner
der Basis entspringender Schlauch 10 — 15 Genitalprodukte erzeugende
Nebenschläuche tragen kann. In dem unverzweigten Zwischenstück
werden niemals Geschlechtsprodukte hervorgebracht. Die Zahl der
Schlauchbündel wechselt mit dem Alter des Tieres und auch mit der
Jahreszeit. Bei den bestentwickelten Tieren fand ich bis 25 und mehr
Bündel, sodaß ein ausgewachsenes Exemplar 200 bis 300 Geschlechts-
schläuche tragen kann, die oft eine beträchtliche Länge erreichen und
das vordere Körperinnere prall ausfüllen. Unreife männliche und weib-
liche Schläuche lassen sich äußerlich nicht unterscheiden, während im
ausgewachsenen Zustand die großen Eier schon mit bloßem Auge deut-
lich wahrnehmbar und an ihrer rötlichen Farbe, die sich in Formol gut
erhält, in Alkohol dagegen auszieht, gut erkennbar sind. Mesothuria
intestinalis wird dadurch zum Zwitter, daß einzelne dieser Schläuche
nur männliche, andre nur weibliche Geschlechtszellen entwickeln, und
zwar geschieht das derart, daß immer eine ganze Anzahl solcher Ge-
schlechtsbündel dieselben Geschlechtsprodukte hervorbringt. Bei allen
daraufhin untersuchten Tieren konnte ich mindestens zwei, bei den
meisten drei derartige Bündelkomplexe nachweisen, die abwechselnd
Eier oder Sperma enthielten. Die Schläuche dieser einzelnen Bündel-
komplexe stehen meist auf derselben Entwicklungsstufe, wenn aber
Reifungsunterschiede vorliegen, befinden sich die reiferen Schläuche
stets mehr nach hinten. Die männüchen und weiblichen Geschlechts-
bündelkomplexe reifen aber stets zu verschiedenen Zeiten, so daß auf
diese Weise einer Selbstbefruchtung vorgebeugt wird, die sonst unbe-
dingt erfolgen müßte, da sämtliche Produkte in dieselben Hohlräume
238 Wilhelm Haanen,
der Genitalbasis entleert und durch denselben Ausführgang nacb außen
befördert werden.
Der Querschnitt durch das sterile Zwischenstück der Geschlechts-
schläuche zeigt bei beiden Geschlechtern dasselbe Aussehn. Unter dem
wimpernden Cölomepithel findet sich eine ziemlich kräftige Ring-
muskelschicht, der weiter nach innen zu eine meist homogene Binde-
gewebslage und eine dünne membranartige Epithelschicht folgt. Das
Bindegewebe ist zu Längsfalten in das Innere vorgewölbt und bedingt
dadurch ein sternartiges Bild. In den Teilen der Schläuche, die Ge-
schlechtszellen produzieren, ist auch eine Ringmuskellage überall deut-
lich wahrnehmbar, aber viel schwächer ausgebildet wie im Zwischen-
stück. Hier fällt vor allem die Ausbildung des Innenepithels auf, das
neben Follikelzellen die charakteristischen Keimzellen enthält. Die
männlichen und weiblichen Keimzellen sind schon in sehr jungen Stadien
deutlich auseinanderzuhalten, indem die weiblichen stets viel größer
sind und neben dem Nucleus schon sehr früh einen deutlichen Nu-
cleolus besitzen. Die männlichen Keimzellen sind größer und plasma-
reicher als die Follikelzellen, haben einen großen, runden Kern und
ebenso wie diese keinen Nucleolus. Das Bindegewebe, welches in den
jüngsten Stadien noch keine Falten aufweist, wächst im Verlauf der
weiteren Entwicklung enorm heran und stülpt sich dann in Falten in
das Innere hinein, sodaß die Sexualzellen rings von diesem umschlossen
werden. In noch späteren Stadien entwickeln sich dann die Sexual-
zellen auf Kosten des Bindegewebes, das in der Folge mitsamt den
Falten allmählich verschwindet. Diese Falten sind aber auch bei
reiferen Schläuchen immer noch angedeutet durch Epithelmembranen,
die bei weiblichen Schläuchen die Eier umgeben, bei männlichen dicht
mit spermatogenen Zellen besetzt sind.
In ausgewachsenen weiblichen Schläuchen findet man stets nur
unreife Eier, die bis zu 0,5 mm groß werden können. Die netzförmige,
fein gekörnelte Struktur des Plasmas, das ziemlich große, hyaline Keim-
bläschen und der scharf abgesonderte, manchmal kleine Fettröpfchen
enthaltende Keimfleck zeigt das typische Bild des Echinodermeneies.
Die einzigen Eigentümlichkeiten, die hier zu erwähnen wären, hat
Theel schon in genügender Weise hervorgehoben und erklärt. Seine
Angaben vom Fehlen eines wirklichen Stieles, sowie einer eiweißartigen
»zona radiata« (vgl. Hamann, Semper I.e.) und dem Auftreten von
feinen, pseudopodienartigen Fortsätzen, bzw. Häutchen, die das Ei
mit der umgebenden Follikelmembran verbinden, kann ich nach meinen
Präparaten voll und ganz bestätigen. Auch den eigenartigen Mikropyl-
Anat. u. histol. Studien au Mt'.sotluu'ia iutostiuali.s (Ascanius u. Rathke). 239
kanal, der das innere des ausgewachsenen Eies mit dem Lumen des
Geschlechtsschlauches in Verbindung setzt, habe ich in der von Theel
beschriebenen Form wiederfinden können.
Bei ausgewachsenen männlichen Schläuchen finden sich gleich-
falls keine Longitudinalfalten mehr. Am Rande der Schläuche, die ganz
mit Spermatozoen erfüllt sind, und bei jüngeren auch an den dünnen,
in das Lumen hineinragenden Falten sitzen die größeren spermato-
genen Zellen, deren Kerne öfters undeutliche Teilungsstadien erkennen
lassen. Die Spermatozoen sind von Retzius (1910) an besser fixierten
Tieren, als sie mir zu Gebote standen, genauer untersucht worden.
Von seinen Ausführungen kann ich bestätigen, daß das Kopfstück der
Spermien bei unsrem Tiere eine von vorn und einer Seite etwas abge-
flachte Kugel ist, die vorn an dieser abgeflachten Stelle ein kleines
stärker lichtbrechendes, von Retzius als Perforatorium angesehenes
Kügelchen trägt.
XIV. Blutgefäßsystem.
Seit Hamann (1884) sind sich alle Forscher darüber einig, daß man
in den Blutgefäßen der Holothurien Blutbahnen zu erblicken hat, die
eines inneren Epithels entbehren und in einer bindegewebigen, geflecht-
artigen, öfters lacunenhaltigen Substanz große Mengen der oben geschil-
derten Blutzellen nach allen Körperregionen befördern. Es mag wohl
an der Konservierung und Fixierung meiner Tiere gelegen haben, daß
ich diese Blutbahnen nur sehr selten mit geronnener Blutflüssigkeit
durchtränkt fand, die sich von dem umgebenden Bindegewebe beson-
ders abgehoben hätte, wie es z. B. Hamann (1884) auf Taf. III, 36, 39,
41 und Becher (1907) auf Taf. XXXII, 5 und XXXV, 31 andeuten.
Vielmehr sah ich als Grundsubstanz, die das Innere eines solchen
Gefäßes größtenteils ausfüllt, nur Bindegewebe, welches genau dem
Bindegewebe andrer Körperteile, z. B. des Tractus glich und in dessen
Lücken oft ungeheure Massen der kleinen, homogenen, plasmaarmen
Blutzellen untermischt mit allen möglichen Arten von Wanderzellen auf-
treten. Charakterisiert sind ferner alle diese Blutbahnen durch Musku-
latur, zumeist Längsmuskulatur, die in der Regel stärker ausgeprägt
ist als an unmittelbar daneben gelegenen, mit den eigentlichen Blut-
bahnen in offenem Zusammenhange stehenden bindegewebigen Teilen
(z. B. bei den Gefäßen der Hauptkanäle). Nur das Radialgefäß zeigt
einen etwas andern Anblick. Hier sind die Muskeln nicht stärker aus-
gebildet, sondern ganz gleichmäßig an der Membran verteilt, die das
radiale W'assergefäß von dem Pseudohämalkanal trennt, und statt des
240 Wilhelm Haanen,
Bindegewebes findet man meist eine homogene, mit Säurefuchsin sehr
stark färbbare Grundsubstanz, die vielleicht als ein Überrest geronne-
ner Blutflüssigkeit augesehen werden könnte. Schwach angedeutet
finden sich manchmal ähnliche Massen in den Blutbahnen, die sich
vom Blutring aus an der Innenseite der Hauptkanäle zum Radial -
gefäß hinziehen und so den Übergang zwischen beiden Gefäßarten
darstellen.
Mesoihuria intestinalis besitzt folgende Blutgefäße: 1) den Blut-
gefäßring, 2) die Radialgefäße, 3) die Füßchengefäße, 4) das dorsale.
5) das ventrale Darmgefäß und 6) das Genitalgefäß.
Es fehlt hier ein Darmwundernetz wie auch das Quergefäß, das bei
vielen Holothurien eine große Anastomose des ventralen Dünndarm-
gefäßes darstellt, indem sich der erste Schenkel des genannten Ge-
fäßes mit dem zweiten durch einen frei durch das Körperinnere hin-
durchgehenden Ast verbindet. Ferner sind keine besonderen Gefäße
ausgebildet, die zum Steinkanal, zur PoLischen Blase oder zum Öso-
phagus verlaufen.
Was bei allen diesen Gefäßen besonders betont werden muß, ist
die Tatsache, daß sich die Blut- und Wanderzellen keineswegs nur auf
diese Gefäße zu beschränken brauchen, sondern daß sie sich jederzeit
frei hinein begeben können in das Bindegewebe der umliegenden Körper-
teile, mit dem sie stets in offener, durch keinerlei Epithelien oder
Membranen getrennter Verbindung stehen. Es sind also die Gefäße
Blutbahnen, in denen kontinuierlich stets eine größere Menge von
Blutflüssigkeit strömt und die durch ihre ausgeprägte Muskulatur die
eigentliche Strömung in Gang zu halten imstande sind, wenngleich auch
viele Wanderzellen selbsttätig amöboid zu wandern pflegen.
a) Blutgefäßring.
Der Blutgefäßring ist das Centralorgan des Blutgefäßsystems;
denn von ihm gehen bei unsrer Art alle andern Gefäße aus und neben
dem Genitalgefäß ist er das am deutlichsten ausgeprägte Gefäß. Die
innere Wandung des Ringkanals des Wassergefäßsystems hat sich ent-
sprechend stärker als die äußere Wandung ausgebildet und beherbergt
den Blutring, dessen Innenseite sich nach dem Ösophagus zu in fal-
tigen Vorsprüngen vorwölbt und so die Bezeichnung Schlundkrause
mit vollem Recht verdient. Mit dem inneren Bindegewebe des Öso-
phagus kann er direkt kommunizieren durch die schon beschriebenen
Aufhängestränge des Schlundkopfs, sodaß die Ausbildung eines be-
sondern Gefäßes zum Schlund überflüssig wird. Im Vergleich zu der
Anat. u. histol. .Stiuliea an Mesothuria intestinalis (Ascanius u. Rathke). 241
äußeren Wandung des Ringkanals, ist die Längsmuskellage am Blut-
ring besonders kräftig, befindet sich aber stets nur auf einer Seite,
und zwar auf der Außenseite dieses Blutrings oder, was dasselbe sagt,
auf der Innenseite des AVassergefäßrings. Die dem Ösophagus zuge-
wandten faltenartigen Vorvvölbungen tragen also keine Muskeln
(Fig. 27).
6) Radialgefäß.
Sobald der Ringkanal des Wassergefäßsystems nach vorn übergeht
in die fünf Hauptkanäle, hört auch der Blutring auf, und es bleiben
fünf, anfangs noch ziemlich breite, dann aber allmählich schmäler
werdende Blutbahnen, die sich an der Innenseite dieser Hauptkanäle
hinziehen und stets deutlich zu verfolgen sind, bis sie zugleich mit dem
Lumen der Hauptkanäle über den Kalkring umbiegen und in das Radial-
gefäß einmünden. Diesen Zusammenhang der Hauptkanalgefäße mit
den Radialgefäßen habe ich sowohl auf Quer- wie auf Längsschnitt-
serien durch den Schlmidkopf überaus klar beobachten können, wo-
durch somit der Charakter dieses Radialgefäßes als Blutlacune deut-
lich zutage tritt. Wir haben es hier mit einem auf Querschnitten bald
sehr flach, bald mehr rundlich aussehenden Bande zu tun, das an der
Innenseite des Hypoueuralkanals (= Pseudohämalkanal, Ludwig) in
mehr oder weniger unregelmäßigem, manchmal etwas ge^vundenem
Verlaufe hinzieht. Auf manchen Querschnitten durch das Radiale der
Haut bemerkt man infolgedessen unregelmäßige, homogen sich färbende
Massen, welche der dünnen Lamelle angeheftet zu sein scheinen, durch
die sich der Pseudohämalkanal von dem Radialkanal des Wassergefäß-
systems trennt. Auf andern Schnitten ist das Gefäß ganz flach, so daß
es oft undeutlich und Schwer zu erkennen ist. An vielen Stellen kann
man auch beobachten, daß dieses Band sich nicht in der Mitte, sondern
mehr seitlich ansetzt, und zwar ist das immer der Fall beim Eintritt
von Füßchen in den Radialkanal. Eine kurze Strecke weit kann man
den Ast, den das Radialgefäß an solchen Stellen zu dem Füßchen ent-
sendet, verfolgen. Auf Querschnitten durch einzelne Füßchen selbst
sucht man jedoch vergebüch nach irgend welchen größeren Füßchen-
gefäßen.
c) Darmgefäße.
Das ventrale und dorsale Darmgefäß sind die einzigen Gefäße,
die sich ohne mikroskopische Untersuchung auch äußerlich darstellen
als flache, den Darm (mit Ausnahme des Schlundes) dicht begleitende
Bänder. Das dorsale Darmgefäß ist gänzlich im Dorsalmesenterium
242 Wilhelm Haanen,
eingebettet und besteht eigentlich mir in einer Anschwellung des letzte-
ren. Das ventrale Gefäß liegt wie überall an der diametral gegenüber-
liegenden, ventralen Seite des Darms und hängt als freie Lamelle in
die Leibeshöhle hinein. Die Eigentümlichkeit, daß sie kein Wunder-
netz oder Quergefäß bilden, ist eine allen Synallactinen charakteristische
Eigenschaft. Beide Gefäße setzen sich kontinuierlich über den Magen,
Dünndarm und Enddarm fort, wo sie sich allmählich verlieren. Das
dorsale Gefäß verlängert sich nach vorn, bis es die Bindesubstanz der
Genitalbasis erreicht, wo es dann seitlich mit dem mächtigen Genital-
blutgefäß in Verbindung treten kann und auf diesem Wege zum Blut-
ring gelangt. Ebenso wie dieses dorsale Gefäß schon oberhalb der
Geschlechtsbasis, verläßt auch das ventrale Darmgefäß an der Über-
gangsstelle zwischen Magen und Ösophagus den Darm und verläuft
an der ventralen Seite manchmal etwas weniger stark entwickelt, immer
aber deutlich erkennbar in dem Bindegewebe der Lamelle, die den
Schlundsinus von der Leibeshöhle abtrennt. So kommt es denn bei
beiden Gefäßen zu einer Vereinigung mit dem Blutgefäßring. Die Darm-
gefäße stehen auch bei Mesoihuria in offenem Zusammenhange mit
der inneren Bindegewebsschicht des Darmes und zwar ist die Ein-
mündungsbasis meist genau so breit wie das ganze Gefäß. Daraus
folgt, daß der Querschnitt durch das Darmgefäß keine kreisrunde, son-
dern eine mehr längliche Form aufweist, die beim Dorsalgefäß all-
mählich dünner wird und in das Dorsalmesenterium übergeht, während
das Ventralgefäß überall fast gleich breit bleibt und sich nach der
Leibeshöhle zu ziemlich flach abrundet. Nur das Dorsalgefäß zeigt
manchmal in der Mitte eine etwas dickere Anschwellung. Alle Schichten
des Gefäßes gehen in die entsprechenden Lagen des Darmes über; nur
die Kingmuskulatur, die ja im ganzen Tractus die entschieden stärkere
Muskellage darstellt, geht nie in die Gefäße hinein, sondern sie allein
ist es, die von Zeit zu Zeit die bindegewebigen Innenschichten des Darmes
und Gefäßes von einander trennen. Dafür aber ist in den Gefäßen
eine sehr gut ausgebildete LängsmuskeUage zu bemerken, die be-
deutend kräftiger ist als die der begleitenden Abschnitte des Tractus.
d) Genitalgefäß.
Vom Blutring geht an der dorsalen Seite das Genitalgefäß ( = la-
cunar blood cord Theels) als das mächtigste Gefäß in ganz geradem
Verlaufe zur Genitalbasis. Dabei legt es sich an der linken und dem
Darm zugekehrten Seite an die Wandung des Genitalsinus an. Der
Querschnitt ist stets fast kreisrund und hat einen Durchmesser, der
Anat. u. histol. Studien an Mesothuria intestinalis (Ascanius u, Rathkc). 243
meist etwa ein Viertel bis ein Fünftel des Darmdurclimessers beträgt
(vgl. Textfig. 2 &). Der ganze Innenraum ist gleichmäßig ausgefüllt
von Bindegewebe und durchsetzt von vielen Lücken, in denen die
Blut- und Wanderzellen oft so massenhaft liegen, daß das ganze Innere
des Gefäßes einen einzigen Klumpen dicht zusammengedrängter Kerne
darzustellen scheint. Unter dem wimpernden Cölomepithel befindet
sich hier im Gegensatz zu den andern Gefäßen eine kräftige Ringmuskel-
schicht. An der Wandung des Geschlechtssinus befestigt sich das
Genitalgefäß nur mit einem kleinen Teil seiner Peripherie, sodaß der
bei weitem größere Teil frei in den Genitalsinus hineinragt und so auch
auf den ersten Blick mehr den Eindruck eines eigentlichen Gefäßes
erweckt wie das bei den übrigen Gefäßen der Fall war. An seinem hin-
teren Ende löst sich das Genitalgefäß in die Genitalbasis auf, indem
seine Schichten direkt in deren entsprechende Schichten übergehen.
Die Genitalbasis wird dadurch so reichlich mit Blutflüssigkeit ver-
sorgt, daß sie fast an einen einzigen großen Blutzellenbehälter erinnern
könnte.
XV. Cuviersche Organe.
Die CuviERSchen Organe fehlen vollständig bei unsrer Art.
XVI. Stellung im System.
Als Einleitung in eine Klassifikation der Holothurien schickt
Mac Bride noch im Jahre 1906 der systematischen Zusammenstellung
die bezeichnenden Worte voraus : »The class is in many points of struc-
ture exceedingly variable, but many striking variations in important
Organs occur in allied species and even in the same species, and hence
are probably not of physiological importance <<. Die Folge dieser Va-
riabilität der einzelnen Eigenschaften ist denn auch eine ständige Um-
änderung des Systems der Holothurien gewesen. Ein Blick in die
von Ludwig (1889 — 92) aufgestellte Zusammenstellung der einzelnen
von den verschiedenen Forschern ausgearbeiteten Systeme bestätigt
dies und auch ein Durchblättern der neueren und neuesten Literatur
zeigt die wenig erfreuliche Tatsache, daß fast alle Autoren, die sich
näher und eingehender mit Holothurien beschäftigt haben, auch an
dem System mehr oder weniger zu ändern und zu bessern versucht
haben (Oestergren 1896, Slüiter 1901, Perrier 1902, Delage und
Herouard 1903, Mac Bride 1906, Oestergren 1907). Es kann natür-
lich nicht der Zweck der vorliegenden Arbeit sein, alle diese Verbesse-
rungsversuche hier auseinanderzulegen und kritisch zu beleuchten, da
244 ' Wilhelm Haanen,
ja selbst eingehende Untersuchungen über eine einzelne Art niemals
maßgebenden Einfluß auf ein ganzes System ausüben können. Immer-
hin aber haben wir hier die engeren Beziehungen verwandter Arten und
Gattungen zu unsrem Tier etwas näher ins Auge zu fassen und ihre
Zusammengehörigkeit im System zu betrachten. Schon in der Ein-
leitung habe ich vorweggenommen, daß Mesothuria intestinalis von
AscANius und Rathke (1767) als Holothuria intestinalis zu den Aspido-
chiroten ( = Holothuriiden) gestellt und 1896 von Oestergeen in Lud-
wigs Subfamilie der Synallactinae überwiesen worden ist. Bis heute
sind 14 Arten in die Gattung Mesothuria eingeordnet worden:
Mesothuria Ludwig.
1) Mesothuria multipes Ludwig.
lactea Theel) t^..i i ■ • ,
-, .. } von Köhler veremigt.
thomsonii >> )
7nurrayi Theel.
ititestifialis (Ascan. s. Rathke) Oestergren.
verilUi (Theel) Oestergren.
magellani (Ludwig).
roulei (?) (Koehler) Oestergren.
aspera (?) (Bell) Oestergren.
marginata Sluiter.
oktaknema Sluiter.
holothurioides Sluiter.
marrocana R.. Perrier.
expectans R. Perrier.
Auch hier sind wir von einer Einigkeit unter den einzelnen For-
schern noch weit entfernt. So läßt z. B. Peerier (1902) die von Oester-
gren aufgenommenen Holothuria aspera und roulei weg und ver-
einigt Mesothuria lactea, thomsonii und marginata mit einer neu von
ihm beschriebenen Art Zygothuria connectens zu einer selbständigen
Gattung Zygothuria. Koehler vereinigt (1896) Mesothuria thomsonii
und lactea und Ludwig (1900) und Koehler (1896) vereinigen Me-
sothuria intestinalis und verillii. Herouard trennt (1902) die beiden
letztgenannten Arten und bildet für sie eine neue Gattung Allantis,
die er 1906 trotz des Einspruchs Oestergrens (1903) für Mesothuria
verillii bestehen lassen will. Es ist somit ganz unmöglich, eine einwand-
freie Diagnose der Gattung Mesothuria aufzustellen, bis sich alle diese
Gegensätze geklärt haben. Oestergrens Diagnose (1896) scheint mir,
soweit ich das hier beurteilen kann, die treffendste zu sein: »Körper
2)
3)
4)
5)
6)
7)
8)
9)
10)
11)
12)
13)
14)
Aiiat. u. histol. Studien an Mesothuria intestinalis (Ascanius u. Rathke). 245
cylindrisch oder mit schwach abgeflachtem Bauche, ohne Randsaum.
Haut dünn mit Kalkkörpern (gewöhnUch Stühlchen). Fühler 12 — 20.
Füßchen in den Flanken immer gut entwickelt, auf dem Rücken
und dem Bauch in der Regel kleiner (bisweilen papillenähnlich) oder
rudimentär bis ganz [?] fehlend. Genitalschläuche in einem (linken)
Büschel. Längsmuskeln ungeteilt«.
Was die Aufstellung der Gattung AUantis anbetrifft, so habe ich
meine Ansichten schon in früheren Kapiteln klarzustellen versucht.
Herouard begründet die Gattung AUantis durch die Beobachtung,
daß Mesothuria veriUii kleine, dem Kalkring aufliegende Tentakel-
ampullen besitzt, die durch Injektion sichtbar werden und an den In-
terradialia größer sind als an den Radialia. Diese seine Beobachtung
ist, wie wir gesehen haben, auch für Mesothuria intestinalis vollkommen
richtig, soweit es sich um die Existenz jener kleinen, an der Außenseite
des Kalkrings gelegenen Hohlräume handelt. Da aber meiner Meinung
nach 1) jene Hohlräume keine echten Fühlerampullen darstellen, 2) die
verschiedene Größe durch den Größenunterschied der Radialia und
Interradialia ganz natürlich bedingt wird und 3) die andern Arten der
Gattung Mesothuria auf ein derartiges Verhalten noch gar nicht ge-
prüft sind, so wird die Aufstellung der Gattung AUantis unberechtigt
oder wenigstens verfrüht.
Durch das Vorhandensein jener ampullenähnlichen Gebilde bei
Mesothuria intestinalis und veriUii verschwindet wieder ein Unterschei-
dungsmerkmal zwischen diesen beiden Tieren. Am entschiedensten
spricht sich gegen die Vereinigung dieser beiden Arten Perrier (1902)
aus (vgl. die Einleitung), der die Unterschiede durch die Aufstellung
einer besonderen Tabelle möglichst deutlich hervorheben will. Aber
alle diese Unterschiede sind so geringfügig gegenüber den Unterschieden
beider Tiere und andrer Mesothuria- Arten und die gemeinsamen Eigen-
schaften so hervorstechend, daß ich eine vollständige Trennung in
gänzlich gesonderte Arten nicht befürworten kann. Bei der Besprechung
der Kalkkörper unsres Tieres habe ich hauptsächlich Wert darauf
gelegt, die beträchtlichen Variationen zu zeigen, denen die Kalkkörper
hier unterworfen sind. Der einzige Unterschied, der hier nach Perriers
Ausführungen besteht, läuft darauf hinaus, daß bei Mesothuria veriUii
nur vier spitz zulaufende, bei M. intestinalis immer mehrere, rundliche
Dornen die Krone des Stühlchens bedecken.
Sodaim besteht ein Unterschied in der Tiefenverbreitung der bei-
den Tiere, indem Mesothuria intestinalis meist ziemlich nahe an der
Oberfläche, M. verUlii in sehr großen Tiefen vorkommt. Anderseits
246 Wilhelm Haanen,
bestehen unverkennbare Äbnliclikeiten im ganzen Habitus, im Bau
der Stühlclien, im Besitz jener ampullenähnlichen Vorwölbungen und
vor allem darin, daß sie beide, wie Theel (1901) gezeigt hat, Zwitter
sind. Die bläschenförmigen Ausstülpungen der Kiemenbäume variieren
bei Mesothuria intestinalis in bezug auf ihre Größe so sehr, daß Perrier
darin einen Unterschied mit Unrecht sucht. Endlich ist Mesothuria
intestinalis noch lange nicht immer mit Fremdkörpern bedeckt und,
selbst wenn das hier häufiger der Fall sein sollte als bei M. verillii,
kann darin kein Unterschied in der drüsigen Beschaffenheit der Haut
zurechtkonstruiert werden (vgl, Perrier 1902, S, 310), da gerade
Mesothuria intestinalis gar keine Drüsen in der Haut besitzt und des-
halb die Fremdkörper stets nur mit den Saugfüßchen festhält. So
möchte ich denn Mesothuria verillii höchstens als eine Varietät von
Mesothuria intestinalis ansehen, womit ich mich der »späteren << Ansicht
Oestergrens anschließe, die er 1903 in den Worten niederlegt: >>If
one wishes to characterize M. verilli as a subspecies or even only as a
variety of M. intestinalis, it may be justif iable <<, worauf er den nur
allzu wahren Ausspruch hinzufügt : >>In reality we know only too little
of the systematical value of different characters <<.
Die Gattung Mesothuria vereinigt sich mit acht andern Gattungen
zur Subfamilie der Synallactinae :
1) Pseudostichopus Theel.
2) Paelopatides Theel,
3) Synallactes Ludwig.
4) Mesothuria Ludwig,
5) Meseres Ludwig,
6) Bathyplotes Oestergren,
7) Bathyherpystikes Sluiter.
8) Benthothuria K. Perrier.
9) Zygothuria E. Perrier.
Als Ludwig im Jahre 1894 die fünf ersten der oben aufgeführten
Gattungen zur Subfamilie der Synallactinae von den übrigen Aspido-
chiroten abtrennte, die er im Gegensatz zu diesen Holothuriinae nannte,
stützte er sich auf die Beobachtung, daß alle jene Gattungen im
Gegensatz zu den Holothuriinae keine Tentakelampullen, kein Darm-
wundernetz, einen einfachen, an der Körperwand befestigten Stein-
kanal, dabei aber, wie diese, wohlausgebildete Kiemenbäume besitzen.
Vergleicht man nun die verschiedenen Gattungsdiagnosen mit ein-
ander, so zeigt sich, daß die einzelnen Gattungen in andrer Hinsicht
Anat. u. histol. Studien an Mesothuria intestinalis (Ascanius u. Rathke). 247
manclioilei Verschiedenheiten aufweisen können. So kann z. B. die
Körperforni rund {Mesothuria) oder abgeflacht {Synallactes, Pseudo-
stichopus) oder sogar mit Randsauni ausgestattet sein {Paelopatides).
Die Kalkkorper können ganz fehlen {Pseudostichopus, Meseres) oder
in Form dreiarmiger Körperchen {Paelopatides) oder Stühlchen auf-
treten {Synallactes, Mesothuria). Die Längsmuskeln können geteilt
{Paelopatides, Synallactes) oder ungeteilt sein {Pseudostichopus, Meso-
thuria, Meseres). Es können endlich Füßchen und Papillen {Pseudo-
stichopus u. a.) oder nur Füßchen den Körper bedecken {Mesothuria)
und die Geschlechtsschläuche in einem {Mesothuria) oder in zwei
Büscheln {Pseudostichopus, Paelopatides u. a.) ausgebildet sein. Der-
artige Wahrnehmungen, die auf Verwandtschaften mit den ver-
schiedenen Holothuria- und Stichopus- Alten hindeuten, haben Sluiter
(1901) veranlaßt, die ganze Subfamilie der Synallactinae als künstlich
hinzustellen imd ihre baldmöglichste Aufgabe anzuraten. Desgleichen
gibt ]Mac Bride (1906) weder die Subfamilie der Synallactinae noch
die Gattung Mesothuria an, sondern erw^ähnt unsre Art wieder unter
dem alten Namen Holothuria intestinalis. Meines Erachtens ist ein der-
artiges Vorgehen vom praktisch-systematischen Standpunkte durch-
aus nicht zu empfehlen. Sluiter selbst muß zugeben, daß dadurch
>>die Lösung der Frage, wo diese Formen dann einzureihen wären, sehr
schwierig sei und uns die Gewißheit hierüber wohl für immer versagt
bleibe«. Ebenso wie die Notwendigkeit, aus der unübersehbar großen
Anzahl der Holothuria- Alten einzelne zu Untergruppen enger zusammen-
zufassen, spricht für die Aufrechterhaltung der Subfamilie der Synallac-
tinae die Tatsache, daß Ludwig in dieser solche Gattungen vereinigt
hat, die entschiedene Übergangsformen zwischen den Holothuriiden
( = Aspidochiroten) und Elpidiiden ( = Elasipoda) aufw^eisen (vgl. Lud-
wig 1894, Oestergren 189G u. 1907, Perrier 1902). Ja, diese Ähnlich-
keit mit den Elpidiiden geht so weit, daß Oestergren (1896 u. 1907
und Perrier (1902) die Subfamilie der Synallactinae gänzlich aus der
Familie der Holothuriiden entfernen und in ihr eine vierte Subfamilie
der Elpidiiden erblicken wollen. Zur näheren Erläuterung dieser Frage
führe ich am besten Oestergrens Worte (1907, S. 203) an: »Diese Ab-
teilung (die Synallactinae) unterscheidet sich von den übrigen Elasipoden
einzig und allein durch den Besitz von Wasserlungen, \vobei einerseits
zu merken ist, daß rudimentäre Wasserlungen sich bei verschiedenen
andern Elasipoden finden, und anderseits, daß einige Synallactinae diese
Organe ziemlich schwach entwickelt haben. Ferner kann man zwischen
den Synallactinae und den echten Aspidochiroten keine nähere Ver-
248 Wilhelm Haanen,
wandtschaft entdecken, während zwischen den Synallactinae und ge-
wissen andern Elasipoden eine auffallende vorliegt. So schließen sich
die Gattungen Paelopatides Theel, Synallactes Ludw. und Bathyplotes
Oestergren eng an die Psychoprotiden an, während anderseits die Über-
einstimmung zwischen Mesothuria Ludw. und gewissen Gattungen (be-
sonders Capheira) unter den Deimatiden eine unverkennbare ist«.
Bei jeder Gruppe, die Übergangsformen enthält, findet man indes
solche Formen, die nach der einen oder nach der andern Seite verwandt-
schaftlich engere Beziehungen zeigen. Es soll hier durchaus nicht ab-
gestritten werden, daß Paelopatides, Bathyplotes u. a. einzelnen El-
pidiiden mehr gleichen als den Holothuriiden, anderseits aber mag
darauf hingewiesen werden, daß es ebenso gut Formen gibt, die den
Holothuriiden bedeutend näher stehen als den Elpidiiden. Ein Ver-
gleich ist zwischen Capheira und Mesothuria (das gilt übrigens noch
lange nicht für alle Mesothuria- Arten) gar nicht stichhaltig, da Capheira
unter den Elpidiiden ganz gesondert dasteht (vgl. Ludwig 1894), Und
Arten wie Mesothuria holothurioides und besonders auch Mesothuria
intestinalis und var. verillii stehen den typischen Aspidochiroten (ich
spreche absichtlich nicht von einzelnen Arten) ganz außerordentlich
nahe. Das gibt sich für Mesothuria ifitestinalis außer in ihrer walzen-
runden Körperform in ihren stühlchenförmigen Kalkkörpern zu er-
kennen, die, wie ich aus eigner Beobachtung weiß, den Stühlchen von
Holothuria albanensis so sehr gleichen, so daß sie in der Aufsicht gar nicht
zu unterscheiden sind und nur von der Seite gesehen etwas schlanker
und höher als jene erscheinen. Die Andeutung der Tentakelampullen
vor allem aber auch die histologischen Befunde sprechen für eine enge
Beziehung unsrer Art zu den Holothuriiden. So ist z. B. die histologische
Zusammensetzung des Darmtractus mit dem äußerst charakteristischen
Wechsel der Muskellagen ganz genau dieselbe wie bei Holothuria tuhu-
losa und fällt umso mehr ins Gewicht, als dieser gleiche Aufbau von ecto-
und entodermalen Teilen auf eine Ähnlichkeit in der Entwicklung
berechtigte Schlüsse ziehen läßt. Im übrigen ist es ja Geschmacksache,
das Fehlen des Darmwundernetzes oder das der Kiemenbäume für syste-
matisch wichtiger anzusehen. Meiner Ansicht nach muß das Ver-
schwinden der Kiemen im Organismus des Tieres größere Veränderungen
hervorrufen als das Verschwinden des Darmwundernetzes ; denn im
ersten Falle müssen andre Organe die wichtigen Funktionen der Atmung
Excretion usw. übernehmen, während im zweiten das Blutgefäßsystem
nur eine einfachere Form annimmt. Schließlich kommt es ja nur da-
rauf hinaus, ob man die Synallactinae als werdende Elpidiiden oder
Anat. u. histol. Studien an Mcsolluiria intestinalis (Ascanius ii. Ratlike). 249*
als werdolulo Hülütliuriidon an.siclit, d. h. ob man die Elpidiiden oder
die Holütliuriiden für phylogenetisch älter liält. Nun wissen wir aber
heute .sowohl über die Entwicklungsgeschichte als auch überhaupt
über die Histologie der Elpidiiden viel zu wenig Bescheid, um eine auch
nur annähernd sichere Antwort auf diese Frage geben zu können und
deshalb möge man bis zu einer solchen sicheren Entscheidung die
Synallactinae nicht voreilig von den Holothuriiden zu trennen versuchen.
Es ist mir eine angenehme Pflicht, an dieser Stelle meinem hoch-
verehrten Lehrer, Herrn Geh. Regierungsrat Prof. Dr. H. Ludwig
für die rege Anteilnahme und die freundliche Unterstützung, die er
meiner Arbeit hat angedeihen lassen, sowie für die liebenswürdige
Überlassung des Materials und seiner überaus reichhaltigen Holothurien-
literatur meinen wärmsten Dank auszusprechen. Ferner bin ich Herrn
Privatdozenten Dr. A. Reichensperger für sein beständiges, reges
Interesse, das er meinen Studien stets entgegengebracht hat, zu
großem Danke verpflichtet.
Bonn, im Mai 1913.
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23. 1897. — Om Bukkenfjordens echinodermer og mollusker. In: Stavanger
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25. 1912. — Sagnefjordens Echinodermer. In : Arch. for Mathematik og natur-
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Taf. X— XIL
I
Anat. u. histol. Studien au Mesothuria intestinalis (Ascanius u. Rathke). 251
27. 1883, 2. Otto Hamann. IL Mitteil. Ibid. S. 309—333. Taf. XX— XXII.
28. 1884. — Beiträge zur Histologie der Echinodernien. Heft I. Die Holo-
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29. 1868. Cam. Heller, Die Zoophyten und Echinodernien des adriatischen
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30. 1887. Edgard Heroitard, Sur le Systeme lacunaire dit sanguin et le
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p. 1 — 170 und Taf. 25—32. Auch in: Aich. Zool. Exp^r. 2. Serie
T. VII.
32. 1902. • — • Holothuries provcnant des campagnes de la Princesse Alice
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Journal of the Linnean Society. Zoology. Vol. XX. London 1890.
p. 442—472- Taf. XXIX.
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Leipzig 1885, fol. 171 Seiten mit 21 Tafehi.
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Ann. du Musee d'histoire nat. de Marseille. T. I. Mem. Nr. 6. 64 Seiten
und 5 Tafehi.
38. 1896. R. KoEHLER, Resultats scientifiques de la campagne du «Caudan»
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39. 1886. W. KÜKENTHAL und B. Weissenborn, Ergebnisse eines zoologischen
Ausfluges an die Westküste Norwegens. In: Jenaische Zeitschr. f.
Natm-wissensch. Bd. XIX. Jena 1886. S. 776—789.
40. 1885. Kurt Lajipert, Die Seewalzen. In: Semper, Reisen im Archipel
der PhiUppinen. 2. Teil. Bd. IV. 3. Abt. Wiesbaden 1885. 4°.
310 Seiten mit 1 Tafel.
41. 1857. Franz Leydig, Lehrbuch der Histologie des Menschen und der
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42. 1883. Hubert Ludwig, Verzeichnis der Holothurien des Kieler Museums.
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kunde. Gießen 1883. S. 155—176.
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In: Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. LL S. 569—612. Taf. XXIX.
44. 1889 — 92. — Echinodernien. II. Bd. 3. Abteilung von Bronn, Klassen
und Ordnungen des Tierreichs. I. Buch: Die Seewalzen. Leipzig.
17*
252 Wilhelm Haanen,
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Charge of Alexander Agassiz, by the U. S. fish commission steamer
"Albatross" dm-ing 1891. XII. "The Holothurioidea". In: Memoirs
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Vol. XVII. Nr. 3. 183 Seiten und 19 Tafeln.
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Anat. u. histol. Studien an Mcsothuria intestinalis (Ascanius u. Rathke). 253
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Taf. XVII— XX. Nachtrag dazu, ebendort Bd. XVIII. 1868. S. 109
bis 118 mit Taf. VIII.
71. 1883. Richard Semon, Das Nervensystem der Holothurien. In: Jenaische
Zeitschrift f. Naturwissenschaft. Bd. XVI. S. 578—600.
72. 1884. — Berichtigung einiger Angaben und Behauptungen des Herrn
Dr. Hamann. In: Zool. Anzeiger. 1884. Bd. VII. Nr. 184. S. 699
bis 702.
73. 1868. Karl Semper, Reisen im Archipel der PhiUppinen. II.Teil. Bd. I.
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75. 1901. C. Ph. Sluiter, Die Holothurien der Siboga-Expedition. Monogr.
XLIV aus: Uitkomsten op zoologisch, botanisch, oceanographisch en
geologisch Gebied verzameld in Nederlandsch Oost-Indie 1899 — 1900.
141 Seiten und 10 Tafeln.
76. 1891. F. Steindachner, Veröffentlichungen der Kommision für Erfor-
schung des östhchen Mittelmeers. Vorlauf. Bericht über die zoologischen
Arbeiten im Sommer 1891. Sitzungsbericht. Akad. S. 435 — 444.
77. 1876. R. Teuscher, Beiträge zur Anatomie der Echinodermen. V. Holo-
thuriae. In: Jenaische Zeitschr. f. Naturwiss. Bd. X. S. 542 — 560.
78. 1882. Hj. Theel, Report on the Holothurioidea. Part I. In: Report
on the Scientific Results of the voyage of H. M. S. "Challenger". Zoology
Vol. XIV. Part. XITI. London 1882. 4°. 176 Seiten mit 46 Taf.
254 Wilhelm Haanen,
79. 188G. Hj. Theel, Part II. Ibid. Vol. XIV. Part XXXIX. London. 4°
290 Seiten xuid 16 Tafeln.
80. 1886. — Report on the Holothurioidea. (Reports on the Results of Dred-
ging etc. by the Steamer "Blake", Nr. 30.) In: Bull. Mus. Comp.
Zool. Harvard College, Cambridge, Mass. Vol. XIII. Nr. 1. 21 Seiten
mit 1 Tafel.
81. 1901. — On a singular case of hermaphrodism in Holothurids. In: Bihang
Till k. Svenska vet.-Akad. Handlingar. Bd. XXVII. Afd. IV. Nr. 6.
38 Seiten mit 2 Tafeln.
Erklärung der Abbildungen.
Alle Figuren sind angefertigt mit dem Zeichenocular Nr. 135 der Firma
E. Leitz.
Tafel V.
Fig. 1. Mesothiiria intestinalis, Rückenansicht nach dem Leben. Mercu-
hano pinxit. Natürl. Größe.
Fig. 2. Teil eines Längsschnittes durch den Schlundkoj)f. (Getroffen ist
die interradiale Zone des oberen Haupt- bzw. Fühlerkanals.) h, Hauptkanal;
/, Fühler kanal; r, Ringnerv; k, Bindegewebe, wo der Kalkring gesessen hat;
q, Quermuskulatur d. Haut; km, Kreismuskel d. Mundes; er, Epineuralring;
Im, Längsmuskulatur des Wassergefäßsystems. Vergr. 24.
Fig. 3. Zwei radiale und zwei interradiale Stücke des Kalkrings. Links
das mittl. ventrale Radiale. Vergr. 5.
Fig. 4. Wanderzellen mit Kugeln, a, Kugeln, die sich wie Chromatin
gefärbt haben; b, Kugeln, die sich wie Plasma gefärbt haben; c, Zellen mit wabigem
Plasma; d, Zellen mit gemischten Kugeln; e, Blutzelle. Färbung: Links unten,
EisenhämatoxyUn- Pikrinsäure bezw. Pikrinsäure- Wasserblau; rechts oben, De-
LAFiELDsches Hämatoxyhn-Eosin. Vergr. 850.
Fig. 5. Querschnitt durch die Radialzone des Hauptkanals, km-z unter-
halb der Stelle, wo der Hauptkanal in den Radialkanal umbiegt, h, Hauptkanal;
rk, Radialkanal; bl, Radialblutgefäß; p, Pseudohämalkanal; k, Bindegewebe, wo
der Kalkring gesessen hat; l, Längsmuskulatur des Hauptkanals; rn, Radialnerv; ep,
Epineuralkanal ; fa, FühleramjDulle ; Im, Längsmuskel d. Haut. Vergr. 26.
Fig. 6. Das umgebogene Ende der Genitalbasis, s, Schläuche; m, Makulae;
gg. Genitalgefäß. Wenig vergrößert.
Fig. 7. Madreporenteil des Steinkanals. Wenig vergrößert.
Fig. 8. Kalkplatten aus der Mundhaut. Vergr. etwa 200.
Fig. 9. Großes, dreistäbiges Stühlchen. Vergr. 330.
Fig. 10. Normales, vierstäbiges Stühlchen mit einem Kranz peripherischer
Löcher. Vergr. 330.
Fig. 11. Großes, abnormes Stühlchen ohne centrales Loch mit sechs Stiel-
stäben und dreizinkiger Krone. Vergr, 340.
Fig. 12. Großes Stühlchen mit typischer Krone, aber ohne centrales Loch.
Vergr. 340.
Fig. 13. Entwicklungsstadium eines Stühlchens, von unten. Vergr. 350.
1
Anat. u. histol. Studien an Mesothuria intestinalis (Ascanius u. Ratbke). 255
Fig. 14. Typisches Stühlchcu mit zwei peripherischen Löcherkreisen.
Vergr. :530.
Fig. 15. Fünf stäbiges Stühlchen. Vergr. 330.
Fig. 16. Normales Stühlchen von der Seite. Verschiedene Kronenbildung.
Vergr. 400.
Fig. 17. Normales Stühlchen von oben. Verschiedene Kronenbildung.
Vergr. 400.
Fig. 18. Normale und abnorme Krone. Vergr. 360.
Fig. 19. Kalkplatten aus der Afterhaut. Vergr. 140.
Fig. 20. Stützstäbe aus dem Fühler. Vergr. 140.
Fig. 21. Gitterplatte eines Füßchens. (Bauchseite). Vergr. 35.
Tafel VI.
Fig. 22. Querschnitt durch den Ringnerven (aus einem Längsschnitt durch
den Schlundkopf), d. Deck- oder Randzellen; i, Innenzellen; a, aufrechte Stütz-
fasern; s, Schlundnerv; n, Nervenfasern; er, Epineiu-alring; hm, Kreismuskel d.
Mundes. Vergr. 326.
Fig. 23. Querschnitt durch den Oesophagus, ie, Innenepithel; ib, inneres
Bindegewebe; Im, Längsnmskeln; rm, Ringmuskeln; c, Cuticula; ah, äußeres
Bindegewebe; ae, Außenepithel; s. Aufhängest ränge d. Schlundkopfes; xo, Wander-
zellen. Vergr. 320.
Fig. 24. Querschnitt durch den Madreporenteil des Steinkanals, s, Lumen
d. Steinkanals; mk, Madreporenkanälchen. Vergr. 80.
Fig. 25. Querschnitt durch den äußeren Teil der Haut, c, Cuticula; e, Epi-
thel; s, Stühlchenschicht der Cutis; /, Faserschicht der Cutis; w, WanderzeUen.
Vergr. 330.
Fig. 26. Querschnitt durch die Wand einer ziemlich stark kontrahierten
PoiLschen Blase, ie, Imienepithel ; rm., Ringmuskeln; ae, gefaltetes Außen-
epithel mit WanderzeUhaufen. Vergr. 320.
Fig. 27. Querschnitt diu:ch ein Stück des Blutgefäßringes, ae, Außen-
epithel = Innenepithel des Ringkanals; hi, Blutzellentragende Bindegewebslage;
ie, Innenepithel = Außenepithel des Ringkanals, faltig nach dem Oesophagus
vorgestüljit. Vergr. 320.
Fig. 28. Querschnitt durch die Wand des Enddarms, ie, Innenepithel;
ib, inneres Bindegewebe; rm, Ringmuskulatur; Im, Längsmuskulatur; ab, äußeres
Bindegewebe; ae, Außenepithel; s, Aufhängestrang des Enddarms; w, Wander-
zellen. Vergr. 320.
Fig. 29. Querschnitt durch die Wand des Dünndarms; ie, Innenepithel;
ib, inneres Bindegewebe; rm, Ringmuskulatur; Im, Längsmuskulatur; ab, äußeres
Bindegewebe; ae, Außenepithel; jn, Pigmentkörner. Vergr. 320.
Fig. 30. Querschnitt durch die Wand des Drüsenmagens, ie, Innenepithel
u. Drüsenzellenschicht; ib, inneres Bindegewebe; rm, Ringmuskulatiu-; Im, Längs-
muskulatur; ab, äußeres Bindegewebe; ae, Außenepithel; hw, homogene Wander-
zellen. Vergr. 320.
Beiträge zur Histologie der Medusen.
Von
Sopbie Krasiiiskn.
Mit ö Figuren im Text und Tafel VII und VIK.
Inhaltsübersicht.
Seite
Einleitung 256
Literatur 260
Technik 274
I. Muskulatur 277
1. Circuläre Muskulatur 277
2. Querstreifung 291
3. Radiale Muskulatur 302
4. Tentakclmuskulatur 308
5. Zusammenfassung 315
IL Nesselzcllstiele 324
III. Peripheres Nervensystem 328
Literaturverzeichnis 343
Erklärung der Abbildungen 345
Einleitung.
Die Grundlage unsrer Kenntnis der Muskulatur und des peripheren
Nervensystems der Medusen, bilden Arbeiten, die bereits in den 70er
Jahren erschienen sind. In erster Linie sind hier die Arbeiten von
0. und R. Hertwig (1878, 1880) zu nennen, sowie die Arbeiten von
C. Claus (1878). Seitdem findet man nur spärliche Angaben über den
Gegenstand in der Medusenliteratur zerstreut und sie haben wenig
Neues ergeben, so daß eine gründliche histologische Untersuchung der
Muskulatur und des peripheren Nervensystems der Medusen bis heut-
zutage vollständig fehlt. Diese Lücke einigermaßen auszufüllen und die
Muskulatur der Medusen histologisch zu untersuchen ist die Aufgabe
dieser Arbeit.
Beiträge zur Histologie der Medusen. 257
Wie aus deu Unter;siic'liungeu von 0, und K. Hertwig (1878,
1880) au Hydromeduseu hervorgeht, hat die Muskulatur der Medusen,
dort wo sie primitiv geblieben ist, einen rein epithelialen Charakter
Dieses primitive Verhalten unterliegt aber in vielen Fällen weitgehenden
Veränderungen, indem die Ötützlanielle mit den ihr ansitzen-
den Muskelfasern sich in Falten legt, und die Muskelzellen
aus dem Epithel in die Tiefe treten. Wie wertvoll und sicher
die tatsächUchen Befunde von 0. und R. Hertwig auch sind, so folst
doch aus den von ihnen angeführten Beispielen keinesfalls zwingend,
daß die Faltung der Stützlamelle den Austritt der Muskelzellen aus
dem Epithel verursacht, wie sie es angenommen haben. Hingegen
fcicheint die Annahme, daß Faltung der Stützlamelle und Austritt der
Muskelzellen aus dem Epithel zwei voneinander unabhängige Vorgänge
sind, ebenso berechtigt zu sein.
Vollständig unaufgeklärt und bisher nur von Th. Eimer (1878)
ausführlicher besprochen, bleibt das Verhältnis des Myoblasts
zur Muskelfaser. In den muskulösen Körperbezirken der Medusen
ziehen sehr viele Muskelfasern unter jeder Epithelzelle durch. In den
allermeisten Fällen bleibt unbekannt, in welcher Beziehung diese
Muskelfasern zu den Epithelzellen stehen. Es gibt hier mehrere Mög-
lichkeiten. Entweder 1) werden die Muskelfasern der Medusen von
allen Zellen unter welchen sie verlaufen gebildet, oder 2) die Muskulatur
setzt sich aus individualisierten Muskelzellen zusammen. Im ersten Falle
müßten die basalen Teile der Epithelzellen zu einer Art Syncytium ver-
einigt sein, in welchem die Muskelfasern zur Ausbildung kämen. Im
zweiten Falle könnte sich das Verhältnis der Zellen zu den Muskel-
fasern verschiedentHch gestalten ; es könnte eine einzelne Zelle entweder
nur eine Muskelfaser oder mehrere Muskelfasern bilden; jede solche
von einer individualisierten Zelle gebildete Muskelfaser würde ent-
weder zeitlebens nur mit ihrer Matrixzelle verbunden bleiben, oder auch
sekundär mit den andern Zellen, unter welchen sie verläuft, Verbin-
dungen eingehen. Diese Verhältnisse A\Tirden bei einer Reihe von
Medusen verfolgt, mit dem Ergebnis, daß die meisten hier angeführten
Fälle auftreten können.
Die Untersuchung der Querstreifung und des feineren Baues der
Muskelfasern schien schon deshalb lohnend, weil sie bei den Medusen
noch nie durchgeführt worden ist. Es hat sich gezeigt, daß die Quer-
streifung der Medusenmuskulatur eine große Übereinstimmung mit
derjenigen höherer Metazoen zeigt.
Neben der Körper- und Tentakelmuskulatur wurden die Nessel-
258 • Sophie Krasiriska,
zellstiele untersucht, die woM als den Cnidariern eigentümliclie
muskulöse Gebilde angesehen werden dürfen. Sie treten in zwei Formen
auf, — als Anhänge der Nesselzellen selbst und als selbständige Zellen.
Im Laufe der Untersuchung über die Muskulatur stellte sich
heraus, daß das periphere Nervensystem der Medusen weit kom-
plizierter ist, als bisher angenommen wurde und ebenfalls ungenügend
bekannt. So ist eine Verbindung von Muskel und Nerv in keinem einzigen
Fall mit Sicherheit festgestellt worden, obwohl seit der Entdeckung dgs
subepithelialen Nervenplexus alle Forscher annehmen, daß die Mus-
kulatur der Medusen, wie diejenige aller höheren Metazoen inner-
viert ist. Auch der Zusammenhang der Ganglienzellen des subepi-
thelialen Plexus untereinander ist noch nicht definitiv aufgeklärt, und
es herrschen über diesen Punkt viele Meinungsverschiedenheiten. Die
Frage ist für die Lehre der Kontinuität der Neurofibrillen von großem
Interesse. Nach A. Bethe (1903) sollen bei Rhizostoma die Ausläufer
verschiedener Ganglienzellen ineinander übergehen und ein echtes
Nervennetz bilden.
Leider scheiterten alle meine Versuche, specifische Nervenfär-
bungen auf Medusen anzuwenden. Mit Hilfe der gewöhnlichen Fär-
bungen konnten die eben erwähnten Fragen nicht definitiv und ein-
wandfrei beantwortet werden. Wenn ich mich trotzdem entschließe,
die erhaltenen Resultate zu. publizieren, so geschieht das aus zwei
Gründen: erstens bleibt die Schilderung der Muskulatur sehr unvoll-
ständig, wenn man das zu ihr in so nahen Verhältnissen stehende
periphere Nervensystem nicht mit berücksichtigt; zweitens glaube ich,
daß einige neue von mir gefundene Tatsachen wenigstens zeigen
können, wieviel die Nervenforschung noch bei den Medusen zu er-
reichen hat.
Da aus der Arbeit von 0. und R. Hertwig ersichtlich ist, daß
die Medusen eine große Mannigfaltigkeit in der Ausbildung ihrer Musku-
latur zeigen, schien eine vergleichend-anatomische Behandlung des
Gegenstandes erwünscht. Es wurden Vertreter der vier Hauptgruppen
der Medusen zur Untersuchung gewählt, bei welchen man die größten
Unterschiede in der Ausbildung der Muskulatur zu erwarten hatte.
Die Anthomedusen sind in dieser Arbeit duich Neoturris pileata,
die Leptomedusen durch Aequorea forskalea vertreten. Unter den
Trachymedusen wurde Carmarina hastata untersucht, die sich durch
ihre Größe und durch die feste Beschaffenheit ihrer Gewebe besonders
zu histologischen Studien eignet. Als Vertreter der Acalephen wurde
Pelagia noctiluca gewählt, da ihre Muskulatur fast gar nicht bekannt ist.
Beiträge zur Histologie der Medusen. 259
Wegen der radiären Symmetrie und des epithelialen Charakters
der Medusengewebe war ich gezwungen, bei der Beschreibung der Prä-
parate einige Bezeichnungen einzuführen, die nicht allgemein gebraucht
werden. So wird bei der Beschreibung der Subumbrella von »radialen
Schnitten« und »tangentialen Schnitten« gesprochen, da die üblichen
Ausdrücke »Querschnitte« und »Längsschnitte« sich nicht anwenden
lassen. Wenn man sich die immer mehr oder weniger concave Sub-
umbrella in einer Ebene ausgebreitet denkt, so bestimmen die Worte
»radial« und »tangential« die Schnittrichtung eindeutig.
Der epitheliale Charakter der Medusengewebe erlaubt in jeder
Gewebsschicht eine freie Oberfläche und eine dem Körperinnern zu-
gekehrte Basis zu unterscheiden. Ich orientiere alle meine Figuren
derart, daß die freie Oberfläche des Ectoderms nach oben, seine Basis
nach unten liegt. Dementsprechend wird unter »Höhe der Zelle« die
Entfernung ihrer Basis von der freien Oberfläche verstanden, während
»Breite« und »Länge« der Zelle ihre Ausdehnung in der Ebene des
Epithels bedeuten.
Zur Bezeichnung der Lage der einzelnen Teile des Medusenkörpers
zum Ganzen werden die von 0. und R. Hertwig (1878) eingeführte»
Bezeichnungen gebraucht. Die genannten Autoren nennen alles, waü
dem Mittelpunkt der Scheibe näher liegt »proximal«, alles der Peri-
pherie zu gelegene »distal«.
Einer Erläuterung bedarf ferner das Wort »Muskelfaser«, wie
es hier gebraucht wird, da dasselbe wohl allgemein als Synonym von
Muskelzelle gebraucht wird und bei der quergestreiften Muskulatur
sogar zur Benennung eines ganzen Zellkomplexes dienen kann. Bei
den Medusen läßt sich ein »Zellkörper« oder »Myoblast« von mehr
oder weniger epithelialem Charakter, von einer anhängenden »con-
tractilen Platte« oder »Faser« immer deutlich unterscheiden.
Unter »Muskelfaser« verstehe ich im folgenden den contractilen,
faserigen Teil der Muskelzelle im Gegensatz zum Zellkörper
oder Myoblast.
0. und E. Heetwig (1878) gebrauchen öfters das Wort »Muskel-
fibrille« zur Bezeichnung der Muskelfaser, auch nennen sie die Aus-
läufer der Ganglienzellen »Nervenfibrillen«. Der modernen Nomen-
klatur gemäß, verstehe ich unter »Nervenfibrille« (bzw. Neurofibrille)
die feinsten in einer Nervenfaser wahrnehmbaren Fibrillen und ebenso
unter »Muskeif ibrille « (bzw. Myofibrille) die feinsten Fibrillen, welche
in einer Muskelfaser zu beobachten sind.
260 Soi^hie Krasinska,
Literatur.
Die erste Arbeit von 0. und R. Hertwig (1878) enthält eine gründ-
liche Besprecliung der älteren Medusenliteratur. Da die Ansichten der
Oebr. Hertwig über die Arbeiten ihrer Vorgänger noch heutzutage
als vollständig richtig angesehen werden können, ist es überflüssig,
hier noch einmal auf diese ältere Literatur einzugehen. Ich beschränke
mich daher auf die Besprechung der 1878 und später erschienenen
Abhandlungen.
Im Jahre 1878 sind nicht weniger als fünf große Arbeiten über
Medusenhistologie erschienen: C. Claus: »Acalephen << ; C. Claus: »Über
Charyhdea tnarsupialis<<; Th. Eimer: »Die Medusen physiologisch und
morphologisch auf ihr Nervensystem untersucht << ; 0. und R. Hertwig:
»Das Nervensystem und die »Sinnesorgane der Medusen«; E. F. Schäfer:
>>Observations on the nervous System of Aurelia aurita <<. Zwei Jahre
später erschien eine zweite Abhandlung von 0. und E. Hertwig, die
eine wichtige Ergänzung der ersten bildet. Durch diese Arbeiten
^^^lrde die Medusenhistologie auf neue Bahnen geleitet.
Nach dem Jahre 1878 ist ein Stillstand auf diesem Gebiete ein-
getreten. Mit der Muskulatur und dem peripheren Nervensystem
haben sich nur drei Forscher: R. v. Lexdenfeld (1882, 1888), K. C.
Schneider (1890, 1893) und R. Hesse (1895) eingehender beschäftigt.
Außerdem hat sich A. Bethe (1903) in seinem Buch über »Allgemeine
Anatomie und Physiologie des Nervensystems << über den subepithelialen
Nervenplexus von Rhizostoma Cuvieri geäußert, und Ida Hyde (1902)
hat eine kurze vorläufige Mitteilung über das Nervensystem von Go-
nionemus Murbachii publiziert.
Nach den übereinstimmenden Angaben aller dieser Autoren ist
die ectodermale Muskulatur der Medusen fast ausschließlich auf die
subumbrellare Seite der Glocke und auf die Tentakeln beschränkt.
Nur bei den Acraspedcn sollen spärliche glatte Muskelfasern in der
Exumbrella vorkommen. Dieselben wurden von Claus (1878) bei
Charyhdea und von Lendenfeld (1882) bei Cijanea Annaskala ge-
funden. Auch berichtet Lendenfeld (1888), daß glatte Muskelfasern
in der Exumbrella von Cassiopea folipoides (einer Rhizostomee) von
Keller (1883) gefunden worden sind, während sie andern Rhizo-
stomeen vollständig fehlen.
Die circuläre Muskulatur der Subumbrella ist quergestreift,
während die gesamte radiale Muskulatur aus glatten Muskelfasern
Boiträgr zur Hi-stologie der Medusen. 261
besteht. Nur Eimer (1878) will neben quergestreiften aucli glatte
Muskelfasern in der circulären Muskulatur der Acalephen (die er Topo-
neuren nennt) gefunden haben, und Lendenfeld (1882) hat quer-
gestreifte Längsmuskelfasern in den Mundarnien von Cyanea Annaskala
gefunden. Diese beiden Angaben bedürfen jedenfalls der Bestätigung.
Die Tentakelmuskulatur besteht im allgemeinen aus glatten Muskel-
fasern. Quergestreifte Muskelfasern haben die Gebr. Hertwig (1878)
in den Tentakehvurzeln der Ocellaten (Anthomedusen) und Lenden-
feld (1882) in den Tentakeln von Cyanea gefunden.
0. und R. Hertwig (1878) haben festgestellt, daß die circuläre
Velum- und Subumbrellamuskulatur der Hydromedusen nicht konti-
nuierlich ineinander übergehen, sondern immer durch einen muskel-
freien Streifen voneinander getrennt sind, der vom unteren Nervenring
eingenommen wird. Sie haben ferner gezeigt, daß sich in der Sub-
umbrella der Medusen vier Schichten unterscheiden lassen, und zwar
von innen nach außen: das Entoderm, die Stützlamelle, die Muskel-
faserschicht und zu äußerst die Epithelzellen des Ectoderms, w^elche
die Matrixzellen der Muskelfasern sind. Die epitheliale Muskulatur
der Medusen erfährt in vielen Fällen weitgehende Veränderungen,
die ebenfalls von den Gebr. Hertwig studiert wurden. Die Stützlamelle
mit den ihr ansitzenden Muskelfasern — die Muskellamelle — legt sich
in Falten, die immer parallel der Eichtung der Muskelfasern verlaufen
und eine Vergrößerung ihrer Ansatzfläche bewirken. Die Furchen
zwischen diesen Falten werden durch die wechselnde Höhe der Epithel-
muskelzellen ausgeghchen, so daß die Epitheloberfläche glatt über
sie hinwegzieht. Gleichzeitig und nach 0. und R. Hertwig infolge
der Faltung der Muskellamelle treten die Epithelmuskelzellen von der
Epitheloberfläche aus in die Tiefe und werden zu subepithelialen, ja
zu >> mesodermalen << Muskelzellen.
In der Subumbrella und im Velum aller untersuchten Trachy-
medusen^ haben die Gebr. Hertwig eine glatte oder in ver-
schiedenem Grade gefaltete Muskellamelle gefunden, die von einer
Schicht großer, flacher Epithelzellen, den Matrixzellen der Muskel-
fasern, bedeckt ist. In den Tentakeln und im Magenstiel von Carma-
rina haben sie die stärkste Faltuno; der Muskellamelle gefunden; eine
1 Untersucht wurden von O. und R. Hertwig (1878) unter den Aeginiden:
Aeginopsis yneäiterranea, Cunina lativentris und Cunina solmaris; unter den Tra-
chynemiden: RJwpalonema velatum und Aglaura hemistoma; unter den Geryoniden:
Carmarina hastrtta und Glossocodon mucroncUum.
262 Sophie Krasinska,
Ausscheidung der Muskelzellen aus der Oberfläche » ob vollständig oder
teilweise sei dahin gestellt <<, war hier zu beobachten. In der Subum-
brella von Lizzia (einer Ocellate) kommen echte Epithelmuskelzellen vor;
nur in der Gegend der Radiärkanäle ist die Schicht der Muskelzellen
von einer zweiten flachen, radiärstreifigen Epithelschicht bedeckt.
Unter den Vesiculaten bildet die Muskelfaserschicht der Subumbrella
bei Octorchis und Phialidium eine platte ungefaltete Schicht und wird
nach außen von einer einzigen Schicht von Epithelzellen bedeckt; bei
Mitrocoma und Aequorea legt sich die Muskellamelle, wenigstens in der
Nähe des Schirmrandes, in Falten und die Schicht der Epithelmuskel-
-zellen wird nach außen von einer zweiten, flachen Epithelschicht voll-
ständig bedeckt. Die Epithelschicht ist auf Schnitten durch eine
scharfe Linie von der unterliegenden Zellschicht gesondert, 0. und
R. Hertwig halten diese Linie für den Querschnitt einer Membran
und deuten sie in ihrer zweiten Arbeit (1880) als eine Stützlamelle, die
mitten im Ectoderm ausgeschieden worden ist, »Man kann wohl sagen,
daß durch die Bildung dieser Grenzscheide die Muskulatur von ihrem
Mutterboden dem Ectoderm losgelöst und zu einer besonderen meso-
dermalen Lage geworden ist. << Eine theoretische Deutung dieser Tat-
sachen versuchen 0. und R. Hertwig zu geben, indem sie die Bildung
eines selbständigen Muskelgewebes auf die Muskeltätigkeit zurück-
führen wollen (1880, S. 10). »Die untersuchten Medusen zeigen dem
Gesagten zufolge in der Beschaffenheit ihrer Muskulatur sehr wesent-
liche Verschiedenheiten, die dadurch für ims von Interesse sind, daß
sie verschiedene Stufen in der Ausbildung dieses Gewebes veranschau-
lichen. Bei einem Teil sind die Muskelzellen zugleich Epi-
thelzellen, bei einem anderen ist eine Differenzierung in
<iin gesondertes ectodermales Epithel und eine gesonderte
mesodermale Muskulatur eingetreten. Übergangsformen
vermitteln zwischen beiden Extremen und deuten uns den
Weg an, auf dem die Ausscheidung der Muskulatur erfolgt
sein mag. Die Größenzunahme der Muskellamelle zwingt dieselbe,
sich einzuf alten. So scheiden zuerst einige der Muskelzellen von der
Oberflächenschicht des Körpers aus; ihnen folgen die übrigen nach,
während eine Epithellage über ihnen zur Entwicklung kommt. Ist
diese Auffassung richtig, so ist in der Volumenzunahme der Grund
zu suchen, daß sich vom Ectoderm eine besondere Muskel-
iamelle abspaltet; da nun die Volumenzunahme in den
engsten Beziehungen zum Gebrauch des Organs steht, so
ist in letzter Instanz die Muskeltätigkeit als der Faktor
1
Beiträge, zur Histologie der Medusen, 263
ZU bezeichnen, der aus dem Epithelmuskelgewebe ein selb-
ständifTes Muskelgewebe macht.
Ich habe schon in meiner vorläufigen Mitteilung (1912) bemerkt,
daß ich mit diesen Ansichten nicht einverstanden bin. Ohne vorzu-
greifen und meine eignen Befunde heran zu nehmen, glaube ich an den,
von O. und R. Hertwig (1880) selbst gegebenen Beispielen beweisen
zu können, wie wenig ihre Schlußfolgerungen, was die Medusen angeht,
berechtigt sind.
Als Beispiel eines Anfangsstadiums der Faltung wird das Velum von
Carmarina angeführt (1. c. Taf. I, Fig. 19 und 20), deren Muskelzellen
noch ganz epithelial geblieben sind; als Beispiel weiterer Entwicklung,
die Muskulatur der Tentakel und des Manubriums von Carmarina
(1. c. Taf. I, Fig. 14 und 16), Hier ist wegen der starken Faltung
der Muskellamelle ein, wenigstens teilweiser Austritt der Muskulatur
aus dem Epithel eingetreten. Der Vorgang des Austritts erreicht
in der Subumbrella von Aequorea seinen Höhepunkt; hier ist die
Muskulatur vom Ectoderm gleichsam abgespalt'^n und repräsentiert
ein gesondertes Muskelblatt (1. c. Taf. I, Fig. 15 und 18).
Auch wenn wir mit 0. und R. Hertwig annehmen, daß die Muskel-
tätigkeit die Volumenzunahme der Muskulatur und die Faltung der
Muskellamelle verursacht, so können wir in den angeführten Beispielen
absolut keine Proportionalität zwischen der Faltung der Muskellamelle
und der Ausscheidung der Muskelzellen aus dem Epithel finden. Im
Gegenteil, wenn wir die gegebenen Abbildung^en betrachten, so sehen
wir, daß das Velum von Carmarina (1. c. Fig. 20) mit rein epithelialer
Muskulatur eine ebenso stark, oder stärker gefaltete Muskellamelle
hat, als die Subumbrella von Aequorea, (1. c. Fig. 18 und 15), wo ein
♦gesondertes Muskelblatt« vorkommt. Im Vergleich zeigen aber das
Manubrium und die Tentakel von Carmarina, wo nach den eignen
Worten der Verfasser der Austritt der Muskelzellen kein vollkommener
ist, eine ganz enorme Faltung der Muskellamelle. Es kann hier wohl
weder der Austritt der Muskelzellen aus der Oberfläche auf die Faltung
der Muskellamelle zurückgeführt, noch die Muskeltätigkeit als der
Faktor bezeichnet werden, welcher aus dem epithelialen ein selbst-
ständiges Muskelgewebe macht.
Eimer (1878) hat die Faltung der Muskellamelle mit keinem
Wort erwähnt, obwohl er sie bei Carmarina angetroffen haben maß.
Auch Claus (1878) bemerkt in seiner Arbeit über Discomedusen nichts
darüber, dagegen hat er in den Tentakeln von Charyhdea marsupialis
die stärkste überhaupt bei den Medusen bekannte Faltung der Muskel-
264 Sophie Krasinska,
lamelle, und die vollkommenste Sonderung der Muskulatur vom ecto-
dermalen Epithel gefunden. Es ist hier eine Abschnürung der Falten
vom Ectoderm eingetreten, so daß die Muskelfasern in langgestreckten,
kanalartigen Räumen liegen, die allseits von der mächtigen Gallert-
schicht der Tentakeln umgeben sind. Claus stellt ferner fest, daß
die Muskelfasern den Wänden der Kanäle anliegen, während die zu-
gehörigen Zellkörper und Kerne das Innere der Kanäle ausfüllen.
Lendenfeld (1882) ist der einzige Forscher, nach welchem in
den Tentakeln und in der Subumbrella von Cyanea die Zwischenräume
zwischen den Falten der Muskellamelle von den Muskelzellen nicht
ausgefüllt werden, so daß die Epitheloberfläche sich ebenfalls in diese
Räume einfaltet (I.e. Taf. XXX, Fig. 38; Tai. XXXIII, Fig. 74).
Eigentümliche Verhältnisse sollen ferner in der Subumbrella von
RJiizostoma (1888) herrschen: Die Muskellamelle ist hier gefaltet und
die Muskelzellen liegen subepithelial ; im Laufe der Entwicklung werden
die Falten von Gallerte ausgefüllt und das Epithel zieht beim aus-
gebildeten Tier glatt über sie hinweg (1. c. Taf. XXVI, Fig. 96 und 97).
Es wäre hier somit zwischen dem äußeren Epithel und der darunter
liegenden Schicht von Muskelzellen Gallerte ausgeschieden. Weiterhin
bemerkt Lendenfeld: >>Bei andern Coelenteraten sind solche meso-
dermal gelagerte Muskelrinnen oder Röhren keineswegs selten. Sie
wurden bei Charyhdea von Claus, bei Carmarina von Gebr. Hertwig,
bei den Actinien von mir und von den Gebr. Hertwig aufgefunden,
und kommen auch sonst nicht selten vor. << Es liegt hier ein schweres
Mißverständnis vor, Lendenfeld scheint das charakteristische an der
Faltung der Muskeliamelle nicht verstanden zu haben. Überall näm-
lich, wo eine Faltung bei den Coelenteraten vorkommt, bleiben immer
die basalen Enden der Zellen der Gallerte zugewandt, das Innere der
Muskelrinnen und der Muskelröhren wird stets nur von den Zellen
selbst ausgefüllt. Die Gallertcylinder, welche R. v. Lendenfeld im
Ectoderm der Subumbrella von RJiizostoma beschreibt, lassen sich
somit mit keinen andern bei den Coelenteraten vorkommenden Ge-
bilden vergleichen. R. Hesse (1895) hat seitdem gezeigt, daß wenig-
stens bei europäischen Rhizostomiden keine solche Gallertbildung im
Ectoderm vorkommt.
Ob die Lage der Muskelzellen bei den Acalephen epithelial oder
subepithelial ist, darüber scheint keine Einigkeit zwischen den ver-
schiedenen Forschern zu herrschen. Aus den Angaben von Claus
(1878) geht hervor, daß er bei Discomeduseni und bei Charyhdea
1 C. Claus hat Aurelia, Chrysoora, Discomedusa, und Rhizostoma untersucht.
Beiträge zur Histologie der Medusen. 265
ausschließlich epitheliale Muskelzelleu in der Subumbrella gefunden
hat. Eimer (1878) behauptet ebenfalls, daß bei allen Acalepheni
(von ihm Toponeuren genannt) epitheliale Muskelzellen in der Sub-
umbrella auftreten, während Lendenfeld (1882, 1888) in der gesamten
circulären und radialen Muskulatur der untersuchten Acalephen^ nur
subepitheliale Zellen gefunden hat. Echte Epithelmuskelzellen fand
er nur auf der Exumbrella von Cyanea Annaskala. Es wird die Auf-
gabe zukünftiger Forschungen sein, in jedem einzelnen Fall festzustellen,
wie die Verhältnisse liegen, denn es scheint von vornherein wahrschein-
lich, daß bei den Acalephen ebenso wie bei den Hydromedusen eine
große Mannigfaltigkeit in der Lage und in der Gestalt der Muskelzellen
herrschen muß.
Bisher wurde von R. Hesse (1895) der mikroskopische Bau der
circulären Muskulatur der Subumbrella von Rhizostoma Cuvieri auf-
geklärt. In der Subumbrella dieser Meduse wechseln Stützzellen mit
Muskelzellen ab. Die Stützzelleu liegen an der Epitheloberfläche
verschmälern sich basalwärts und reichen bis zur Stützlamelle, während
die zwischen ihnen liegenden Muskelzellen eine breite Basis haben
imd sich mit ihren spitzen äußeren Enden zwischen die Stützzellen
einkeilen 3. Über das Verhältnis der Körper der Muskelzellen zu der
darunter liegenden Muskelfaserschicht sagt Hesse : »An ihrem unteren
Ende tragen sie quergestreifte Muskelfasern; diese sind flachgedrückte
Bänder, die mit ihrer schmalen Seite den Zellen ansitzen und bei radiären
Schnitten durch den Medusenschirm quergeschnitten werden; in ihrer
Längserstreckung reichen diese Muskelbänder über eine Zelle nach
beiden Seiten hinaus und verlaufen unter den benachbarten Zellen
weiter, so daß nicht alle vier oder fünf Muskelquerschnitte, welche
man unter einer Zelle liegen sieht, organisch zu dieser Zelle gehören,
sondern auch von Nachbarzellen stammen können; es ist anzunehmen,
daß jeder Zelle nur ein Muskelband zukommt (Eimer). <<
Dies ist eine der wenigen klaren Angaben über das Verhältnis
1 Th. Ei>ier scheint vor allem die Muskulatur von Cyanea und Pelagia
untersucht zu haben.
2 R. V. Lendenfeld hat Cyanea Annaskala und die australischen Rhizo-
stomiden: Pseudorhiza aurosa, Phylorhiza punctata und Cramhessa mosaica
untersucht.
3 Ich habe diese Befunde von Hesse an Schnitten kontrolliert und kann
sie mit aller Bestimmtheit bestätigen. Es muß hier noch hervorgehoben werden,
daß in der Abbildung, welche Bethe (1903) von einem Schnitt durch die Sub-
umbrella von Rhizostoma gibt, die ]Muskelverhältnisse vollständig falsch einge-
zeichnet sind, wie aus einem Vergleich mit der Abbildung von Hesse hervorgeht.
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CIX. Bd. 18
266 Sophie Krasinska,
vom Zellkörper zur Muskelfaser, welclie in der Medusenliteratur
vorkommen.
0. und R. Hertwig (1878) geben nur zwei Abbildungen von
isolierten dchten Epithelmuskelzellen ; und diese beziehen sich auf die
Muskulatur der Tentakeln und der Subumbrella von Lizzia, wo eine
unoefaltete Muskellamelle vorkommt. 1880 schreiben sie über die
Muskelzellen der Medusen im allgemeinen (1, c. S. 8): »Die zu den
Muskelfibrillen gehörenden Zellen sind meist protoplasmareiche Körper,
welche die Muskellamelle von außen bedecken. Hierbei läßt sich nicht
entscheiden, wieviel contractile Substanz von dieser, wieviel von jener
Zelle gebildet worden ist.«
Einen klaren Ausdruck gibt demselben Gedanken Claus (1878)
bei der Besprechung der Ephyra von Aurelia aurita (1. c. S. 19) : »Daß
die Muskelzellen dem Ectoderm angehören und in der Tiefe desselben
die Faserstränge erzeugt haben, kann meines Erachtens keinem Zweifel
unterliegen. Mit Überosmiumsäure und Pikrocarmin behandelte, in
Glyzerin oder Kanadabalsam aufgehellte Präparate geben vortreffliche
Bilder, an denen man sich davon überzeugt, daß die zugehörigen Zellen
als flache, mit deutlichem Kern versehene membranlose Zellen an der
Außenseite aufliegen und ein fast kontinuierliches Epithel darstellen,
zwischen und über dem jedoch noch zahlreiche Nesselkapseln hervor-
treten. Freilich ist die Beziehung der langen, dicht nebeneinander
verlaufenden Fasern zu den einzelnen Elementen schwer zu bestimmen
und kaum zu entscheiden, ob jede lange Faser zu einer in ihrem Ver-
laufe anliegenden Zelle mit Kern gehört, wofür besonders Zerzupfungs-
präparate sprechen, oder ob die tiefere Protoplasmaschicht des Epithels
in continuo die Muskelfaserlage ausgebildet hat. << Die wenigen in den
Arbeiten von C. Claus zerstreuten Abbildungen isolierter Epithelmuskel-
zellen zeigen immer eine Muskelfaser, welcher ein Zellkörper ansitzt.
Eingehender hat sich mit dieser Frage Eimee (1878) beschäftigt.
Von den untersuchten Acalephen berichtet er, daß die Epithelzellen
in gleicher Weise mit den spindelförmigen Muskelfäden in Verbindung
stehen, wie die von Kleinenberg beschriebenen Ectodermzellen von
Hydra, nur sind hier die Muskelfäden quergestreift. Er gibt dabei
zwei Abbildungen der hohen cylinderförmigen Epithelnmskelzellen von
Pelagia. Während 0. und R. Hertwig über die Muskulatur der Sub-
umbrella von Carmarina nur sagen, daß die Muskelfaserschicht von
einer Lage flacher Epithelzellen bedeckt ist, konnte Eimer feststellen,
daß jede Epithelzelle mit mehreren quergestreiften Muskelfasern in
Verbindung steht, und bei der Maceration mit ihnen isoliert wird.
Beiträge zur Histologie der Medusen. 267
Dieser au sich so interessante Befund blieb vollständig unbeachtet,
vielleicht weil Th. Eimer bei diesem Anlaß an der Basis der Epithel-
zellen merkwürdige stabähnliche Fortsätze beschreibt, welche den
Zellen in großer Anzahl — 15 und mehr — ansitzen, und die Ver-
bindung mit den Muskelfasern vermitteln sollen, »so daß ein Bild
hervorgebracht wird, welches man ungefähr mit einer Flimmerzelle
vergleichen könnte, die statt der feinen Wimperhaare grobe Stäbe
tragen würde (1. c. S. 233). Das Vorkommen solcher Fortsätze scheint
von vornherein unwahrscheinlich und die betreffenden Figuren sehen
etwas phantastisch aus.
In Anschluß an die Entdeckung, daß bei Carmarina eine Epithelzelle
mit mehreren Muskelfasern in Verbindung steht, bespricht Eimer
das Problem des Zusammenhangs von Zellkörper und Muskelfaser
folgendermaßen (I.e. S. 234): >>Es fragt sich nur, ist wirklich eine
einzelne Zelle mit zahlreichen Muskelbändern organisch verbunden,
oder bildet sie nur mit einem einzigen derselben eine Einheit, während
die übrigen von benachbarten Zellen nur übergreifen und vielleicht
sekundär erst mit den Nachbarn in Verbindung treten. Daß ein Über-
greifen je eines Muskelbandes auf mehrere Zellen statthaben muß, ist
wegen des großen Unterschiedes im Breitendurchmesser der Bänder
selbstverständlich, und so möchte man zu der Auffassung hinneigen,
daß zu jeder Zelle nur je ein Muskelband ursprünglich gehöre, mit ihr
ein ganzes bilde. Dem scheint aber die Verbindung aller Bänder mit
je einer Zelle direkt zu widersprechen. Auch wäre der dritte Fall
möglich, daß nicht alle über eine Zelle weglaufenden Muskelbänder,
aber doch mehrere derselben zu dieser organisch gehören. Mag
dem sein wie es wolle, jedenfalls haben wir in diesen eigenartig ge-
bauten Elementen nach Analogie der bei andern Medusen beschriebenen
Verhältnisse Neuromuskelzellen vor uns.«
Es scheint jedenfalls sicher, daß in manchen Fällen (so z. B. bei
Lizzia nach 0. und R. Hertwig, bei Cyanea und Pelagia nach Eimer,
bei australischen Rhizostomeen nach Lendenfeld, und bei RJiizo-
stoma Cuvieri nach Hesse), eine Zelle nur eine Muskelfaser bildet,
und daß letztere mit keiner andern Zelle in Verbindung steht. Bei
der großen Mehrzahl der Medusen müssen die Verhältnisse aber erst
aufgeklärt werden i.
1 K. C. Schneider (1893) sagt in einer Stelle seiner Abhandlung, daß das
Verhältnis von Zellkörper und Muskelfaser nicht zu ermitteln ist, schreibt aber
a. a. 0.: »Auch die contractile Faser kann des Zusammenhanges mit Zellen ent-
behren. «
18*
268 Sophie Krasinska,
Alle Forscher (seit 1878) fanden bei den Medusen, sowohl bei den
Hydromedusen, wie bei den Acalephen, einen subepithelialen
Nervenplexus in der Subumbrella, der aus Ganglienzellen und ihren
Ausläufern zusammengesetzt ist, und zwischen Epithel und Muskel-
faserschicht liegt. Die Medusenliteratur ist reich an Abbildungen
dieses Plexus; (Schäfer [1878], Claus [1878], Eimer [1878], 0. und
E. Hertwig [1878], Lendenfeld [1882, 1888], Schneider [1893],
Hesse [1895]), trotzdem ist ein wichtiger Punkt noch nicht definitiv
aufgeklärt worden, nämlich : ob und wie die Ganglienzellen miteinander
zusammenhängen.
Gegen das Vorkommen von Anastomosen zwischen den Aus-
läufern verschiedener Ganglienzellen des Plexus von Aurelia aurita,
spricht sich ganz kategorisch Schäfer (1878, S. 565) aus: "If we trace
out the course of the individual nerve-fibres more closely (as has been
done in the fibres XX in fig. 11 — 16), we are Struck with certain re-
markable facts. In the first place, each fibre is entirely distinct from,
and nowhere structurally continuous with any other fibre. Secondly
each fibre is provided with a bi-polar nerve-cell (fig. 13), which is
interpolated in or near the centre of the fibre, each end of the fibre
representing the Prolongation of one of the poles of the nerve-cell.
Thirdly, each nerve-fibre is of limited length (seldom exceeding 4 mm
from end to end) and in most cases tapers at either extremity to a
gradual termination. Lastly it may be mentioned that the fibres are
rarely branched and when they are so (as in Eig. 12) the branches do
not join with other nerve-fibres, but after a longer or shorter course
end in a tapering extremity like the unbranched fibres." Obwohl die
Fasern nach Schäfer nie miteinander verschmelzen, kommen sie durch
Verflechtung in innige Berührung miteinander: "So that though there
is no anatomical continuity abundant opportunity is afforded for
inductive action, whether electrical or of some other kind."
Claus (1878, 1) äußert sich gar nicht über den Zusammenhang
der Ganglienzellen untereinander im subumbrellaren Plexus der Disco-
medusen. Über den Nervenplexus der Subumbrella von Charybdea
marswpialis schreibt er auf Seite 25 : »Anastomosen zwischen Fibrillen
benachbarter Ganglienzellen habe ich nicht mit Sicherheit nachgewiesen,
obwohl die Existenz derselben kaum zu bezweifeln ist. «
Etwas unsicher sind die Aussagen von E. Hesse (1895) über den
Plexus von Rhizostoma, denn obwohl aus seiner Beschreibung klar
hervorgeht, daß er nie Anastomosen gesehen hat, konnte er auch eine
freie Endigung von Nervenfasern nie finden, »obwohl man solche
Beiträge zur Histologie der Medusen. 269
sicher erwarten mußte«. Th. Eimer (1878) berichtet, daß er zahl-
reiche Anastomosen zwischen Ausläufern verschiedener Ganglienzellen
in der Subumbrella von Carmarina gefunden hat. Auch 0. und R.
Hertwig (1878) schreiben vom subumbrellaren Nervenplexus dieser
Meduse: >>Zwischen benachbarten Ganglienzellen haben wir in ein-
zelnen Fällen Anastomosen wahrgenommen (Taf. IV, Fig. 13)«. Da
sie bei keiner andern Hydromeduse Anastomosen beschreiben, scheinen
sie dieselben nur bei Carmarina bemerkt zu haben.
Jedenfalls wurden bei Acalephen von den älteren Forschern
nirgends sichere Anastomosen gefunden. Nur Lendenfeld (1882,
1888) steht dazu in schroffem Gegensatz. Er beschreibt echte Nerven-
netze bei den australischen Rhizostomeen. Es ist mir unmöglich,
hier ausführlich zu begründen, warum ich Lendenfelds Angaben über
das periphere Nervensystem der Medusen für unzuverlässig halte.
Es mögen hier nur einige Punkte hervorgehoben werden: Der Verlauf
der Nervenfasern in der Subumbrella der australischen Rhizostomeen
soll nach seinen Angaben ganz verschieden von dem aller andern Aca-
lephen (auch der europäischen Rhizostomeen) sein, es sollen nämlich
die Nervenfasern auf der äußeren Kante der Stützlamellenleisten ver-
laufen; während alle- Autoren ausschließlich bi-polare Ganglienzellen
in der Subumbrella der Acalephen fanden, beschreibt R. v. Lenden-
feld nur multipolare; außer den großen Ganglienzellen fand er noch
kleine Kerne in den Verlauf der Nervenfasern eingeschaltet und bildet
die Nervennetze als abwechselnd aus großen und kleinen Ganglien-
zellen zusammengesetzt ab, — während die letzteren wahrscheinlich nur
Varicositäten sind; usw.^.
Lendenfeld beschreibt Sinneszellen in der Subumbrella der
Acalephen. Auch Hyde (1902) fand mit Hilfe der vitalen Me-
thylenblaufärbung Sinneszellen in der Subumbrella und im Manubrium
von Gonionemus murhachii. Dies sind die zwei einzigen Angaben über
1 Merkwürdige Ganglienzellen schildert Lendenfeld (1888) bei Pseudo-
rhiza aurosa (1. c. Fig. 83, 84); sie sind mit mehreren dickeren protoplasmatischen
Ausläiifern versehen. »Einem Ende der Zelle genähert, liegt der ovale Kern,
dieser wird von einer wohlbegrenzten Lage körnchenfreien Protoplas-
mas umgeben, welches gegen das körnige Plasma hin durch eine feine Membran
abgegrenzt erscheint. Ob eine solche Membran wirklich existiert, kami ich nicht
entscheiden. Die kömchenfreie Hülle des Zellkernes zieht sich in einen der Ober-
fläche der Zelle zustrebenden Zipfel aus, der sich über die Zelle hinaus in einen
langen, varicösen, weithin zu verfolgenden, stets unverzweigten Faden fortsetzt . . .
Es dürfte die Annahme erlaubt sein, daß der varicöse Faden als zuleitender und
die übrigen als ableitende Nerven anzusehen sind. «
270 . Sophie Krasinska.
das Vorkommen von Sinneszellen in der Subiimbrella, welche in der
Literatur vorhanden sind. An den Tentakeln der Medusen wurden
Sinneszellen häufiger gefunden (0. und E,. Hertwig [1878], Claus
[1878J, Lendenfeld [1882]); auch ist das Vorkommen von Ganglien-
zellen in demselben öfters festgestellt worden.
Eine spezifische Neurofibrillenmethode ist bisher nur ein einziges
Mal auf die Medusen angewandt worden, und wie es scheint mit hervor-
ragendem Erfolg. Bethe (1903) hat mit Salpetersäure fixierte Schnitte
durch die Subumbrella von Rhizostoma mit Toluidinblau gefärbt, und
berichtet in seinem Buch über »Anatomie und Physiologie des Nerven-
systems <<, daß in den Ganglienzellen und Nervenfasern des subumbrel-
laren Nervenplexus dieser Meduse zahlreiche Nervenfibrillen verlaufen,
und die Ganglienzellen Gitterbildungen enthalten, wie sie aus denen
höherer Tiere bekannt sind. Er sah ferner einzelne Fibrillen aus den
Nervenfasern in das umgebende Gewebe austreten, und gegen die
Muskelfaserschicht oder auch gegen die Oberfläche ziehen, woraus er
auf das Vorkommen freier Nervenendigungen im Epithel schließt.
Ferner behauptet Bethe, daß Anastomosen zwischen den Ganglien-
zellen mittels ihrer Fortsätze stattfinden und der Plexus von Rhizo-
stoma somit ein echtes Nervennetz bilde.
Dem subumbrellaren Nervenplexus wurde von allen Forschern
eine motorische Funktion zugeschrieben. Jedoch fehlt dieser Auf-
fassung so wahrscheinlich sie auch sein mag, ein tatsächlicher Beweis;
denn die Verbindung von Muskel und Nerv wurde bei den Medusen
bis heutzutage noch nie beobachtet. Die Gebr. Hertwig (1878) äußern
sich folgendermaßen über die Innervierung der Muskulatur (S. 132):
»Weniger erfolgreich sind unsre Bemühungen gewesen, die Endigungs-
weise der Nerven in der Muskulatur durch direkte Beobachtung fest-
zustellen; da wir die feinen Fäserchen zwar zwischen die als Muskel-
körperchen fungierenden Epithelzellen und die Muskelfibrillen eintreten
sahen, aber nicht bis zu ihrem Ende verfolgen konnten. Wer jedoch
mit dem heutigen Standpunkt der Frage nach der Nervenendigung
im Muskel vertraut ist, wird uns zugeben müssen, daß auch bei höheren
Tieren dieselbe keineswegs gelöst ist.«
Claus (1878, 1) sieht in dem physiologischen Verhalten der quer-
gestreiften Muskulatur der Medusen einen Beweis für die motorische
Funktion der Nervenfasern der Subumbrella (S, 27): »Denn wenn wir
auch für das körnige Plasma der Ectodermzelle, w^elche genetisch als
integrierender Teil zu der quergestreiften Muskelplatte gehört^ eine
selbständige Eeizbarkeit, und die Fähigkeit unabhängig von nervösen
Beiträge zur Histologie der Medusen. 271
Elementen auf die Kontraktion der Muskelfasern einzuwirken, voraus-
setzen, ähnlich wie sie beim mangelnden Nervensystem der sogenannten
Neuromuskelzelle beizulegen ist, so stimmt doch die Reaktion, welche
die quergestreifte Ringmuskellage auf elektrische Reize und insbe-
sondere bei Anwendung des Induktionsstromes, eventuell von Strom-
schlingen desselben zeigt, so auffallend mit dem Verhalten des quer-
gestreiften und nervenhaltiuen (nicht curarisierten) Muskels der
Vertebraten überein, daß wir schon aus diesem Grunde das Vorhanden-
sein motorischer Nervenfasern in dem Schirmmuskel der Acalephen
als ziemlich sicher annehmen dürfen. <<
Die Angaben E. F. Schäfers über Endigung von Nervenfasern
beziehen sich auf die Enden der dicken, von den Ganglienzellen ab-
stehenden Nervenfasern, deren Verzweigungen er ganz übersehen hat.
Da die Innervation durch die dünnsten Verzweigungen der Nerven-
fasern besorgt wird, so brauchten wir auf die diesbezüglichen Befunde
E. F. Schäfers nicht einzugehen.
Seit dem Jahre 1878 ist zur Frage über die Innervierung der
Muskulatur der Medusen nichts beigetragen worden, sie steht bis
heute auf dem Punkt, auf den sie durch 0. und R. Hertwigs und
Claus' Arbeiten befördert wurde.
Wie aus dieser Zusammenfassung hervorgeht, ist unsre Kenntnis
der Muskulatur und des peripheren Nervensystems der Medusen eine
noch sehr unvollkommene. Am wenigsten sind die Verhältnisse bei
den Acalephen bekannt. Die Angaben verschiedener Forscher über
die epitheliale oder subepitheliale Lage der Muskelzellen, die Faltung
der Muskellamelle, ja sogar über die Zahl der Fortsätze der Ganglien-
zellen, sind voll von Widersprüchen. Die Muskulatur und das peri-
phere Nervensystem der Hydromedusen sind besser erforscht worden,
jedoch bleibt auch hier das Verhältnis der Myoblasten zu den Muskel-
fasern in den gefalteten und stark veränderten Teilen der Muskulatur
so gut wie unbekannt. Vor allem ist aber der Zusammenhang von
Muskel und Nerv bei keiner Meduse festgestellt worden, und über den
Zusammenhang der GangUenzellen untereinander wissen wir in den
allermeisten Fällen ebenfalls gar nichts.
Trotzdem dienten gerade die Muskulatur und das Nervensystem
der Medusen den Autoren der 70er Jahre als Ausgangspunkt für Hypo-
thesen, welche sich mit der phylogenetischen Entstehung des Muskel-
und Nervensystems und mit dem Zusammenhang von Muskel- und
Nerv beschäftigten. Unzweifelhaft hat sogar das theoretische Interesse,
welches diese Fragen zu jener Zeit erweckten, als Anregung zum Stu-
272 Sophie Krasiiiska,
dium des Nerven- und Muskelsystems der Medusen gedient. Man
glaubte bei den Coelenteraten der Lösung der Frage am nächsten
kommen zu können, weil sie die niedrigsten Metazoen sind, und das
primitivste Muskel- und Nervensystem besitzen. Den klarsten Aus-
druck haben 0. und R. Hertwig (1878,) diesem G-edankengang gege-
ben: »Wie bei der vergleichend anatomischen Stellung der Medusen
nicht anders zu erwarten war, haben sich im Bau ihres Nervensystems
und ihrer Sinnesorgane bei näherer Untersuchung so außerordentlich
primitive Verhältnisse ergeben, wie sie bisher in keiner andern Tier-
abteilung beobachtet worden sind. Die ermittelten Tatsachen sind
daher geeignet, auf die komplizierten Einrichtungen der höheren Tier-
stämme ein Licht zu werfen und hier auch neue Gesichtspunkte zur
Lösung der Frage nach der ersten Entstehung des Nervensystems im
Tierreich zu bieten.«
Die älteste unter den Theorien, welche, von den bei Coelenteraten
herrschenden Verhältnissen ausgehend, die Entstehung des Muskel-
und Nervensystems der höheren Tiere zu erklären versuchen, ist die
»Neuro muskeltheorie« von Kleinenberg (1872), welche er in
seiner berühmten Hydra-Monographie dargelegt hat. Als Ausgangs-
punlct für seine Hypothese gebraucht er die von ihm entdeckten Epithel-
muskelzellen, die er »Neuromuskelzellen << nennt. Kleinenberg hat
das Nervensystem von Hydra übersehen und wollte in jeder »Neuro-
muskelzelle« nervöse und muskulöse Eigenschaften vereinigt sehen.
Dem epithelialen Zellkörper schrieb er die Fähigkeit zu, Reize zu
empfangen und auf den basalen contractilen Teil der Zelle zu über-
tragen. Er stellte ferner die Hypothese auf, daß die Muskulatur und
das Nervensystem der höheren Tiere auch aus einem einheitlichen
Neuromuskelsystem entstehen, indem sich aus dem epithelialen Zell-
körper Sinneszelle und Nerv, — aus der contractilen Platte die Muskel-
faser differenziert. Nach dieser Hypothese würden somit Muskel
und Nerv aus einer und derselben Zelle entstehen und der
Zusammenhang zwischen ihnen wäre ein primärer.
Unter den Coelenteratenforschern sind E. v. Beneden (1874)
und Eimer (1878) Anhänger der KLEiNENBERGschen Neuromuskel-
theorie. Eimer hat mit wenig Erfolg versucht, seine Befunde an
Medusen mit dieser Theorie in Übereinstimmung zu bringen.
Eine andre Hypothese hat Claus (1878) aufgestellt. Er behauptet,
daß Muskel und Nerv aus verschiedenen Zellen entstehen und erst
sekundär miteinander in Verbindung treten. Aus den Neuromuskel-
zellen, welche an sich reizbar sind, und als Ersatz eines Nervensystems
I
Beiträge zur Histologie der Medusen. 273
dienen, soll sich die Muskulatur der höheren Tiere, aus besonderen
Zellgruppen des Ectodernis die Sinneszellen differenzieren, und erst
sekundär ein Zusammenhang zwischen beiden Zustandekommen.
0. und R. Hertwig (1878) endlich wollen Muskel und Nerv aus
verschiedenen Zellen entstehen sehen, wobei aber der Zusammenhang
zwischen ihnen primär sein soll. In einer einfachen Zelllage treten
die Zellen miteinander in Verbindung. Manche von ihnen differen-
zieren sich dann zu Muskelzellen, andre zu Sinnenzellen, noch andre,
indem sie besonders zahlreiche Verbindungen eingehen — zu Ganglien-
zellen. Die nächste Stufe der Entwicklung besteht darin, daß sich
die Sinneszellen zu Sinnesorganen vereinigen, und im Zusammenhang
damit sich nervöse Bezirke von mehr indifferenten trennen. In der
dritten und höchsten Ausbildungsstufe werden zuerst die Muskulatur
und das periphere Nervensystem, später auch das centrale Nerven-
system vom Ectoderm in die Tiefe verlegt.
Auf eine Kritik dieser vielfach besprochenen und so gut bekannten
Hypothesen will ich mich nicht einlassen, da ich selbst zur Frage über
die Entstehung des Muskel- und Nervensystems, auch nicht den klein-
sten Beitrag bringen kann. Das Studium der Medusenhistologie eignet
sich zur Lösung dieser Frage nicht. Das Muskel- und Nervensystem
der Medusen ist zwar sehr primitiv, aber Ganglien-, Sinnes- und Muskel-
zellen sind bei erwachsenen Tieren bereits differenziert, und die Ver-
bindung von Muskel und Nerv hergestellt. Wie diese Differenzierung
und diese Verbindung entstanden sind, darüber lassen sich nur Ver-
mutungen aussprechen, solange man beim Studium der geschlechts-
reif en Medusen bleibt. Das Studium von Entwicklungsstadien könnte
für die Lösung der Frage sehr fruchtbar sein, wie es am besten die
Untersuchungen von Th. Schaeppi (1904) an jungen Siphonophoren
beweisen. Er fand, daß die Epithelzellen schon in den frühesten Ent-
wicklungsstadien untereinander durch Protoplasmafäden verbunden
sind, daß also ihr Zusammenhang ein primärer ist. Etwas später
differenzieren sich gleichzeitig die Ganglienzellen und Muskelfasern.
Vom Moment an, wo man die Ganglienzellen von den sie umgebenden
Zellen unterscheiden kann, stehen sie in kontinuierlichem Zusammen-
hange unter einander. Die Verbindung zwischen Muskel und Nerv
wird wegen der großen Dünne der Nervenendf äserchen erst auf späteren
Entwicklungsstadien sichtbar. Sobald aber die Nervenendfäserchen
zu unterscheiden sind, läßt sich auch mit aller Deutlichkeit ihre Endi-
gung im Protoplasma der Epithelzellen konstatieren. »Nirgends
konnte ich dagegen« — schreibt Th. Schaeppi — »eine Andeutung
274 Sophie Krasinska,
davon finden, daß die Endfasern auswachsen, daß sie also mit andern
Worten eine Zeit lang frei endigen, um erst später mit den Epithel-
zellen in Verbindung zu treten.« Die erhaltenen Resultate faßt Th.
ScHAEPPi in folgender "Weise zusammen:
1) »Die Ganglienzellen stehen sowohl untereinander als auch mit
den Epithelzellen in kontinuierlichem Zusammenhang ; nirgends
findet ein bloßer Kontakt statt.«
2) »Alle unsre Befunde deuten darauf hin, daß dieser Zusammen-
hang ein primärer, d. h. von Anbeginn der Entwicklung an
bestehender ist, daß also mit andern Worten Muskel und Nerv
ab origine miteinander verbunden sind.
3) »Die Epithelzellen stehen von frühesten Entwicklungsstadien
miteinander in Zusammenhang.«
4) »Nervensystem und Muskulatur gelangen gleichzeitig zur Ent-
wicklung. «
Nichts könnte klarer und mehr eindeutig sein, und nichts stärker
für die Richtigkeit der ÜERTWiGschen Theorie sprechen. Es ist zu
bedauern, daß der Verfasser seine Arbeit nur mit ganz schematischen
Abbildungen versehen hat, und daß er gar nichts über die gebrauchten
Untersuchungsmethoden berichtet, so daß man gezwungen ist, seine
Angaben kritiklos anzunehmen, ohne über mögliche Fehlerquellen
orientiert zu sein.
Technik.
Dem Beispiel der älteren Forscher folgend, habe ich beim Studium
der Medusenhistologie neben der gewöhnlichen Schnittmethode auch
Maceration gebraucht.
Der Vorteil der Macerationspräparate liegt im allgemeinen darin,
daß sie die Gestalt der einzelnen Zellen zu erkennen erlauben. Bei
den Medusen, deren Gewebe sich durch außerordentlich dünne Zell-
wände und durch ein faseriges, von zahlreichen Vacuolen durchsetztes
Plasma auszeichnen, hat die Maceration noch den großen Vorteil, daß
sie dies Vorkommen von Zellgrenzen in syncytial aussehenden Geweben
festzustellen erlaubt.
Ich habe die verschiedensten Macerationsmethoden ausprobiert,
um schließlich zu der ÜEßTWiGschen Osmium-Essigsäure zurückzu-
kommen, welche bei den Medusen ganz entschieden die besten Re-
sultate gibt.
»Wir verfahren« — schreiben 0. und R. Hertwig (1878, S. 5) —
»gewöhnlich in der Weise, daß wir die zu behandelnden Objekte je
Beiträge zur Histologie der Medusen. 275
nach ihrer Größe 2 — 3 Minuten in einer Mischung von 0,2% Essig-
säure und 0,05% Osmiunisäure zu gleichen Teilen brachten, und mit
0,1% Essigsäure öfters auswuschen, bis die geringsten Mengen freier
Osniiumsäure entfernt wurden. Die Präparate blieben dann einen
Tag lang in einer 0,l%igen Essigsäurelösung, wurden darauf mit
reinem Wasser ausgewaschen, mit BEALEschem Carmin gefärbt und
in Glyzerin aufbewahrt.«
Die Anwendung dieser Methode bietet dem Techniker große
Schwierigkeiten, denn erstens haben verschiedene Nebenumstände,
so z. B. die Temperatur den größten Einfluß auf ihren Erfolg und
zweitens nmß für jede Medusenart die Dauer der Fixation in Osmium-
Essigsäure, sowie die Dauer der macerierenden Wirkung der Essigsäure
experimentell festgestellt werden.
Wenn die Temperatur nicht niedriger als 15° C ist, muß z. B.
Pelagia etwa 6 — 8 Stunden, Carmarina mindestens 24, Neoturris und
Aequorea etwa 12 — 18 Stunden in 0,l%iger Essigsäure liegen bleiben.
Die Dauer der Maceration muß auch nach dem zu macerierenden Ge-
webe geändert werden: am leichtesten macerieren die Nervenringe und
das Nesselgewebe, am schwierigsten die quergestreifte Muskulatur.
0. und R. Hertwig haben ihre Macerationspräparate mit BEALE-
schem Carmin gefärbt. Obwohl ich verschiedene Carmingemische
(auch das BEALEsche Carmin), ausprobiert habe, gebe ich entschieden
den Hämatoxylinfarbstoffen den Vorzug. Besonders gute Dienste hat
mir das Hämatein lA nach Apathy geleistet, denn es differenziert am
schärfsten verschiedene Zellbestandteile und blaßt in Glyzerin nicht ab.
Das macerierte Material kann in Glyzerin monatelang ohne merk-
liche Veränderung aufbewahrt werden. Die mit Paraffin oder Schutz-
leistenkitt eingeschlossenen Präparate halten sich ebenfalls recht gut.
Die Präparate wurden durch Zerzupfen eines Stückchens Gewebe
auf dem Okjektträger und Zerklopfen unter dem Deckgläschen ange-
fertigt. Beim Zerklopfen muß eine genügende Menge Flüssigkeit unter
dem mit Wachsfüßchen gestützten Deckgläschen vorhanden sein, da
die Zellen durch die Vibration der Flüssigkeit und nicht durch Zer-
drücken isoliert werden sollen. Neben der Maceration ist die Schnitt-
methode zum Studium der Medusenhistologie unentbehrlich, da nur
auf Schnitten eine Übersicht über das Gewebe als Ganzes gewonnen
und die Lage der einzelnen Zellen im Gewebe erkannt werden kann.
Wegen der großen Zartheit der Medusengewebe sind die osmium-
säurehaltigen und deshalb härtend wirkenden Fixierungsflüssigkeiten
zu bevorzugen. Die besten Dienste hat mir die schwache Flemming-
276 Sophie Krasiriska,
sehe Lösung geleistet. Außerdem wurde für Carmarina eine 6%ige
Sublimatlösung in Seewasser, sowie eine in der zoologischen Station
zu Villefranche viel gebrauchte Mischung von Sublimat-Formol-Eis-
essig gebraucht 1. Die meisten Medusen lassen sich mit Sublimat nicht
fixieren, da sie im Jodalkohol zu sehr schrumpfen. Es empfiehlt sich,
womöglich ganze Tiere, oder wenigstens große Gewebsstücke zu fixieren,
da die Gewebe in der Nähe der Schnittfläche unerwünschte Veränderun-
gen erleiden. Das Auswaschen des Materials nach Fixierung mit Flem-
MiNGscher Lösung bietet große Schwierigkeiten, da fließendes Wasser
die Epithelien der Medusen ablöst. Beim Einbetten habe ich mich
ausschließlich der kombinierten Celloidin-Paraffin-Methode nach Apa-
THY bedient. Sie hat gegenüber der gewöhnlichen Paraffinmethode
den Vorteil, daß die Gewebsstücke im Thermostat nicht schrumpfen ; —
auch lassen sich die nesselzellhaltigen Teile der Gewebe viel besser als
in Paraffin schneiden. Man kann bei Anwendung dieser Methode
5 u dicke Schnitte immer bequem herstellen und ich konnte, wenn
notwendig, 3 und 2 /.i dicke Schnitte erhalten.
Aus dem absoluten Alkohol werden kleine Gewebsstücke für mehrere
Stunden in eine Mischung von gleichen Teilen von absolutem Alkohol
und Äther gebracht; dann für 24 Stunden in eine Mischung von V5
konz. Celloidinlösung und V5 Alkoholäther übertragen, für weitere
24 Stunden in eine zweite Mischung, die 1/3 konz. Celloidinlösung und
2/3 Alkoholäther enthielt. Aus der zweiten Celloidinlösung wurden sie
zum Härten direkt für 24 Stunden in Chloroform gebracht. Aus dem
Chloroform wurde in gewöhnlicher Weise durch Chloroformparaffin in
Paraffin eingebettet. Es muß Paraffin von 56° Schmelzpunkt ge-
braucht werden. — Wichtig ist dabei, daß so wenig wie möglich über-
flüssiges Celloidin eingebettet wird. Es wurde mir freundUchst von
Herrn Dr. Davidoff ein Kunstgriff gezeigt, welcher beim Übertragen
aus der zweiten Celloidinlösung in Chloroform sehr nützlich ist. Das
Gewebestückchen wird auf einem Deckgläschen, welches mit einer
dünnen Paraffinschicht bedeckt ist, ausgebreitet und mit demselben
ins Chloroform geworfen. Das flüssige Celloidin breitet sich auf dem
Deckgläschen aus, und kann nach der Erhärtung geeignet abgeschnitten
werden.
Von den verschiedenen versuchten Färbungsmethoden haben sich
1 Zusammensetzung: 6%iges Sublimat 45 ccm
Eisessig .... 5 »
Formaldehyd . . 2 »
Wasser .... 50 >>
Beiträge zur Histologie der Medusen. 277
vor allem die Eisenhämatoxylinmethode nach Heidenhain, und die
Fuchsin-Anilinblau-Orange-Methode nach Mallory bewährt. Zur
Kontrolle xNiirde immer Hämatoxvlin-Eosin gebraucht. Das Eisen-
hämatoxylin bringt wie gewöhnlich die Kern- und Plasmastrukturen,
die Querstreifung der Muskulatur, die Neurofibrillen in den Ganglien-
zellen und Nervenfasern, sehr schön zum Vorschein. Die Mallory-
methode eignet sich zum Studium der Muskulatur ganz besonders, da
sie die Muskeln und Nesselzellstiele rot, die Stützlamelle blau färbt,
und sie voneinander zu unterscheiden erlaubt.
Leider ist es mir nicht gelungen, irgendwelche specifische Nerven-
färbungen auf die Medusen anzuwenden, obwohl ich mich während
eines zweiten Aufenthaltes in Villefranche speziell mit diesen Färbungen
beschäftigte. Das äußerst ungünstige Wetter, welches ein Mangel an
Material bedingte, war wenigstens zum Teil Schuld daran, da ich die
Färbungsversuche nicht systematisch genug durchführen konnte.
I. Muskulatur.
1. Zirkuläre Muskulatur.
Pelagia noctiluca.
Wie bekannt, setzt sich die circuläre Muskulatur der Subumbrella
bei allen Medusen aus quergestreiften Muskelfasern zusammen.
Über die Anordnung der circulären Muskulatur der Subumbrella von
Pelagia sagen 0. und K. Hertwig (1878, S. 106) : »Sie beschränkt sich
auf ein breites Band, das etwas nach einwärts von der Basis der Sinnes-
lappen liegt und sich von einer Tentakelbucht zur andern quer hinüber-
zieht. Die äußere Begrenzung des Bandes bildet ein achtseitiges
Polygon, dessen Ecken den Tentakelbuchten entsprechen, und dessen
Seiten den Sinneskörpern gegenüberliegen und durch einen geringen
Abstand von ihrer Basis getrennt sind. «
Die Subumbrella von Pelagia (Taf . VII, Fig. 10) setzt sich aus
folgenden Gewebsschichten zusammen: außen liegen die hohen Zellen
des Ectoderms (epmz), an ihrer Basis die Muskelfaserschicht (m/),
dann eine Gallertschicht (gal), zu unterst liegt das Entoderm. Dieselben
Schichten kommen in der Subumbrella aller Medusen vor^. Der einzige
Unterschied gegenüber den Hydromedusen ist, daß bei jenen zwischen
Ecto- und Entoderm nur eine Stützlamelle, bei Pelagia aber eine ziem-
lich mächtige Gallertschicht liegt, die sowohl gegen das Ectoderm, wie
gegen das Entoderm durch ein dünnes Häutchen — die Stützlamelle —
abgegrenzt ist. Da bei den Hydromedusen die Stützlamelle häufig
1 Vgl. O. und R. Hertwig, 1878.
278 Sophie Krasinska,
doppelt konturiert erscheint (z. B. bei Carmarina), so ist dieser Unter-
schied nicht tiefgreifend.
Die sehr dünne Stützlamelle {stl), welche das Ectoderm von der
Gallertschicht trennt, legt sich bei Pelagia in hohe circulär verlaufende
Falten, was eine Vergrößerung der Ansatzfläche der Muskelfasern
bewirkt. Auf Radialschnitten durch die Subumbrella werden diese
Falten quer getroffen (Taf. VII, Fig. 10). — Auf dieser Figur sieht man,
daß das Ectoderm aus sehr hohen Epithelzellen besteht (epinz), die alle
die Oberfläche des Ectoderms erreichen und zwischen welchen einzelne
Drüsen (gr. u. kl. drz) und Ganglienzellen {Gz.), zu bemerken sind.
Da sonst gar keine Kerne im Ectoderm vorkommen, müssen diese
Zellen von vornherein als die Matrixzellen der darunter liegenden
Muskelfasern gelten.
Die freie Oberfläche der Zellen wird von einer dünnen Cuticula
bedeckt, welche die den Medusen eigentümliche Körnelung zeigt.
Bei Pelagia liegen die sehr großen und deutlichen länglichen Körner
nach innen von der Cufcicula und ragen frei ins Zellplasma hinein. Sie
unterscheiden sich von der Cuticula durch ihre Färbbarkeit, so färben
sie sich z. B. mit Eisenhämatoxylin intensiv schwarz, die Cuticula nur
schwach grau; an mit Mallory gefärbten Schnitten erscheinen die
Körner intensiv rot, die Cuticula dagegen dunkelblau.
Jede Epithelzelle trägt eine feine und sehr lange Geißel, deren
Verlängerung im Zellplasma der meisten Zellen bemerkbar ist. Letztere
erscheint bei Eisenhämatoxylinfärbung dicker als die Geißel selbst und
verläuft in gerader Linie, manchmal bis in die Kerugegend. Basal-
körperchen — falls vorhanden — sind von den übrigen Körnern der
Cuticula nicht zu unterscheiden i. Die ovalen Kerne haben eine fein-
körnige Struktur, eine deutliche Membran, und enthalten einen oder
zwei Nucleoli. Mit Kernfarbstoffen färben sie sich wenig, die Kern-
körperchen dagegen sehr stark (so z. B. mit Hämatoxylin, Eisenhäma-
toxylin, Safranin, Fuchsin S und andern).
Im äußeren Teil des Ectoderms sind die Zellgrenzen deutlich,
das Protoplasma scheint bei der Fixierung etwas zu schrumpfen und
von den Zellwänden abzustehen ; im basalen Teil des Ectoderms werden
die Zellgrenzen verwischt und die faserige Beschaffenheit des Plasmas
ist ausgeprägter; zwischen den muskeltragenden Falten der Stütz-
lamelle läßt sich nur noch ein mit Vacuolen durchsetztes Gewirr von
Plasmasträngen unterscheiden.
Die Muskelfasern (Taf. VII, Fig. 10 m/) sind bandförmig, mit einer
1 Dagegen sind im Entoderm von Pelagia Basalkörperchen immer vorhanden.
Beiträge zur Histologie der Medusen. 279
ihrer schmalen Seiten der Ötützlamelle angewachsen und erscheinen
deshalb auf Querschnitten als schwarze Striche, die der Stützlanielle
senkrecht oder unter einem spitzen Winkel ansitzen. Man sieht, daß
Plasmastränge zu den Muskelfasern ziehen, jedoch ist das gegenseitige
Verhältnis zwischen Zellen, Plasmasträngen und Muskelfasern, nicht
zu ermitteln. Am ehesten wäre man geneigt ein Verschmelzen der
unteren Teile aller Epithelmuskelzellen anzunehmen.
Man wird deshalb überrascht, wenn man auf Macerationspräparaten
das Ectoderm in einzelne typische Epithelmuskelzellen auseinander-
fallen sieht (Taf. VII, Fig. 11). Die Gewebe von Pelagia macerieren
sehr leicht, was sich wahrscheinlich durch die Zartheit der Stützlamelle
erklärt. Auch die quergestreiften Muskelfasern lösen sich ohne Schwie-
rigkeiten von der Stützlamelle ab, wobei sie mit den zugehörigen Zell-
körpern meist in Verbindung bleiben. Die Körper der Epithelmuskel-
zellen (Fig. 11 efmz) erscheinen auf Macerationspräparaten mehr oder
weniger hoch, je nachdem sie zu höher oder tiefer liegenden Muskeif asern
gehören. Kern, Körnelung der Cuticula und Flagellum erscheinen
im allgemeinen ebenso wie auf Schnitten. Die faserige Beschaffenheit
des Plasmas ist hier ausgeprägter wegen der starken Lichtbrechbarkeit
der faserigen Bestandteile der Zelle (Taf. VII, Fig. 11). Basalwärts
breitet sich die schmale Zelle (epmz) fächerförmig nach zwei Seiten
aus und sitzt der Muskelfaser mit einer breiten Basis an^. Von der
Zellbasis sieht man einen ganz schmalen wabigen Plasmasaum am
Rande der Muskelfaser bis zu ihren Enden ziehen. Dieser Saum scheint
während der Maceration etwas zu schrumpfen, wodurch die Enden
der Muskelfaser bogenförmig nach oben gekrümmt werden (Taf. VII,
Fig. 11). Die Muskelfaser hat immer ganz glatte und scharf konturierte
Ränder, sie ist viel stärker lichtbrechend als das Zellplasma und deshalb
deutlich von ihm abgesetzt. Die Querstreifung der contractilen Substanz
tritt bei guter Fixierung deutlich hervor. In ihrem mittleren Teil ist
die Faser etwa 2 u breit, und läuft gegen beide Enden spitz aus ; ihre
Länge kann 90 — 130 u betragen 2, wechselt also bei einem und dem-
selben Tier beträchtlich.
Wenn man nach diesen Ergebnissen die Radialschnitte durch die
Subumbrella zu verstehen versucht (Taf. VII, Fig. 10), so muß man
annehmen, daß die verwirrten Plasmastränge zwischen den Falten der
Muskellamelle den Querschnitten der basalen fächerartigen Teile der
1 Mit den Epithelmuskelzellen von Pelagia hat sich Th. Eimer (1878) be-
schäftigt und gibt mehrere Abbiklungen derselben.
2 Gemessen \nu:de mit Obj. 2 mm, Oe. 6.
280 Sophie Krasinska,
Epitlielmuskelzellen entsprechen. Der basale Teil jeder Zelle breitet
sich auch unter den benachbarten Zellen aus ; somit trifft man zwischen
zwei Falten der Muskellamelle die Querschnitte der basalen Teile vieler
Zellen, wodurch das anscheinende Gewirr von Plasmasträngen entsteht.
Es wäre interessant, festzustellen ob es Plasmabrücken oder irgend-
welche Zellverbindungen zwischen den basalen Teilen der einzelnen
Zellen gibt. Leider läßt sich nichts Sicheres darüber sagen. Bei
der Maceration würden vorhandene Verbindungen selbstverständlich
zerreißen, so daß ihr Fehlen auf Macerationspräparaten gar nichts
gegen ihre Existenz beweist. Ebensowenig kann aber das Aussehen
•der Schnitte für ihre Existenz sprechen, denn, wo nicht einmal un-
zweifelhaft vorhandene Zellgrenzen zu unterscheiden sind, kann man
selbstverständlich nicht von Zellverbindungen reden. Der basale Teil
des Subumbrellaectoderms von Pelagia ist ein Beispiel, daß das auf
Schnitten syncytial aussehende Gewebe der Medusen doch kein Syncy-
tium zu sein braucht.
Die subumbrellare Ringmuskulatur von Pelagia setzt
sich somit aus echten Epithelmuskelzellen zusammen, die
sich nur dadurch von den gleichen Gebilden bei Hydroidpolypen und
Actinien unterscheiden, daß ihre Muskelfasern quergestreift sind.
Dies Verhalten ist insofern von Interesse, als die Muskellamelle hier stark
gefaltet ist. Es beweist, daß trotz einer starken Faltung der
Muskellamelle die Muskelzellen vollständig epithelial blei-
ben können, ja, nirgends die kleinste Tendenz zum Austreten aus dem
Epithel zu zeigen brauchen.
Die Ectodermzellen der Subumbrella sind mannigfaltig differen-
ziert. Außer den Epithelmuskelzellen kommen zunächst mehrere
Formen von Drüsenzellen vor (Taf. VII, Fig. 10 drz).
1) Die kleinen Drüsenzellen {kl.drz) haben die Gestalt kleiner
Becher, und sind dicht von kleinen runden Körnchen erfüllt, die sich
mit Eisenhämatoxylin intensiv schwarz färben, weshalb der Kern
nicht zu sehen ist. 2) Die zweite Form der Drüsenzellen ist viel größer,
der Becher reicht manchmal bis zur Muskelschicht hinab und ist mit
größeren durch Eisenhämatoxylin grau färbbaren Secrettropfen erfüllt.
3) Die dritte Form (gr.Drz) ist durch das homogene Aussehen der sehr
großen Secrettropfen und durch die starke Vorwölbung ihrer freien
Oberfläche charakterisiert; die Secrettropfen scheinen verquollen zu
sein, färben sich nur ganz blaß und sind voneinander durch dünne
Plasmawände getrennt. Die beiden letzten Arten von Drüsenzellen
lassen manchmal einen Kern wahrnehmen, der an der Basis der Zelle
Beiträge zur Histologie der Medusen. 281
zusammengedrückt Hegt. Er unterscheidet sich von allen andern
Kernen des Ectoderms durch eine dicke Kernmembran und ein lockeres
aber mit Eisenhämatoxylin intensiv färbbares Gerüst, Alle drei Arten
von Drüsenzellen schicken nach unten einen intensiv färbbaren Fort-
satz aus, der wahrscheinlich zu ihrer Befestigung an der Stützlamelle
dient. Da ich diesen Zellen keine besondere Aufmerksamkeit gewidmet
habe, bin ich außerstande zu entscheiden, ob es sich hier wirklich um
drei verschiedene Arten von Drüsenzellen, oder nur um drei verschie-
dene Tätigkeitsstadien einer und derselben Zellenart handelt. Da sich
manche Übergangsstadien finden lassen, ist das letztere wohl wahr-
scheinlicher.
Fig. 10 zeigt noch eine eigenartige Zelle (X), deren Natur mir
unverständlich blieb. Solche, oder wenigstens ähnliche Zellen kommen
auf Schnitten, die mit Eisenhämatoxylin gefärbt sind, ziemlich häufig
vor, während sie bei Färbung mit Hämatoxylin-Eosin oder Mallory
nicht differenziert zu werden scheinen. Sie können schmäler oder
breiter sein, ihr Kern spindelförmig oder mehr rundlich; sie sind aber
stets mit dicken, intensiv färbbaren, körnig aussehenden Fibrillen
ausgefüllt und treten daher durch ihre dunkle Färbung deutlich hervor.
Daß es sich nicht um Sinneszellen handelt geht aus der Beschaffenheit
der Fibrillen hervor, die von den glatten, äußerst dünnen Neuro-
fibrillen total verschieden sind. Vielleicht stehen sie in irgend einem
Verhältnis zu den Drüsenzellen. Ich notiere hier nur ihr Vorkommen,
ohne über ihre Natur eine begründete Vermutung äußern zu können.
Die Elemente des Nervensystems, welche in der Subumbrella von
Pelagia vorkommen, sollen weiter unten besprochen werden,
C ar mar i na h a st at a.
Wie aus der Arbeit von 0. und R. Hertwig (1878) bekannt, be-
deckt die circuläre, quergestreifte Muskelfaserlage die ganze Fläche der
Subumbrella von Carmarma (Textfig. 1 m S. 303) und wird nur durch
die dreieckigen Genitalblätter (g) unterbrochen, an deren Rändern
sie mit zickzackförmiger Linie abbricht. Proximal endet sie da, wo
die Genitalblätter sich mit ihren Ecken nahezu berühren; distal hört
sie plötzlich in einer kleinen Entfernung vom Schirmrand auf und ist
durch einen schmalen muskelfreien Streifen (z) von der Muskelfaser-
schicht des Velums (mi) getrennt. Ein solcher muskelfreier Streifen
zwischen Subumbrella (2) und Velummuskulatur kommt nach den
genannten Forschern bei allen Hydromedusen vor und wird von dem
unteren Nervenring eingenommen. Die quergestreiften Muskelfasern
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CIX. Bd. 19
282 Sophie Krasinska,
der Subumbrella sind flach bandförmig, stehen mit ihrer schmalen
Kante senkrecht auf der Stützlamelle wie die Blätter eines Buches
dicht nebeneinander; sie werden nach außen von einer Lage großer
flacher Epithelzellen bedeckt. Nach 0. und K. Heetwig (1878) soll
sich die Stützlamelle geschlechtsreifer Tiere in seichte, circulär ver-
laufende Falten legen. Wie bei allen Medusen läuft die Epithelober-
fläche glatt über diese Falten hinweg, indem die Furchen durch die
Höhenunterschiede der Zellen ausgeglichen werden. Ich habe eine
gefaltete Stützlamelle in der Subumbrella von Carmarina nie beob-
achtet, vielleicht deshalb, weil ich unter den geschlechtsreif en Tieren
stets die kleineren zur Untersuchung gebrauchte.
Was sich über die histologische Beschaffenheit der Subumbrellar-
muskulatur sagen läßt, gilt auch für die Muskulatur des Velums. Wenn
ich mich im folgenden auf die Muskulatur der Subumbrella beschränke,
so geschieht dies aus zwei Gründen: erstens sind die Muskelfasern des
Velums viel fester mit der Stützlamelle verwachsen, so daß es unmög-
lich ist, ein gutes Macerationspräparat herzustellen; zweitens ist die
Subumbrella reich an Ganglien- und Sinneszellen, welche im Velum
völlig zu fehlen scheinen, es läßt sich somit an einem und demselben
Schnitt durch die Subumbrella sowohl die Muskulatur als das Nerven-
system studieren. Das für die Subumbrella gewonnene komplizierte
Bild, kann man direkt auf das Velum übertragen, abgesehen von dem
Fehlen der Ganglienzellen.
Wenn man die Subumbrella von Carmarina bei starker Vergröße-
rung von der Fläche betrachtet, so sieht man, daß die großen flachen
Epithelzellen langgestreckt sind, und zwar mit ihrer Längsachse quer
zur Verlaufsrichtung der Muskelfasern liegen i. Die darunter liegenden
Muskelfasern erblickt man auf Flächenpräparaten von der schmalen
Seite, wobei sehr viele Muskeif asern unter jeder Epithelzelle durchziehen.
Ein Verständnis dieser Verhältnisse läßt sich nur an Macerations-
präparaten gewinnen. Carmarina ist sehr schwer zu macerieren; woran
die feste Verbindung der Muskelfasern mit der Stützlamelle schuld
1 Die Gestalt der Zellen wechselt übrigens bedeutend mit dem Kontraktions-
zustande der Muskeln: wenn die Muskehi kontrahiert sind, sind die Zellen länger
und schmäler, wenn die Muskeln erschlafft sind, sind die Zellen mehr rundlich.
O. und R. Hbrtwig (1878, Taf. V, Fig. 3 imd 5) geben zwei Flächenbilder der
Subumbrella, auf denen die Epithelzellen polygonal mit nahezu gleicher Quer-
und Längsachse gezeichnet sind. Dagegen sagt Th. Eimee (1878, S. 233) über
ihre Gestalt: »Die Zellen erscheinen in der Ansicht von der Unterfläche des Schir-
mes her annähernd spindelförmig (Taf. XII, Fig. 6, 9, 20) mit der längsten Aus-
dehnung der Spindel radial gelagert.«
Beiträge zur Histologie der Medusen. 283
ist. Das Gewebe wird lueistons ganz zerstört bevor man die Muskel-
fasern von der Stützlanielle ablösen kann. In Macerationspräparaten
erhält man meist einerseits die Stützlamelle mit anhaftender Muskel-
faserschicht, anderseits das von ihr abgelöste Epithel. Nur selten
findet man isolierte Muskelfasern, noch seltener Epithelzellen mit
Muskelfasern in Zusammenhang. Wenn man einen abgepinselten
Epithelstreifen von der Seite betrachtet, so sieht man, daß die Zellen
äußerlich von der derberen Cuticula zusammengehalten werden, während
die etwas geschrumpften Zellkörper voneinander abstehen und durch
breite Spalten getrennt sind. Eine von der Muskelfaserschicht ab-
gelöste Epithelzelle von ihrer breiten Seite gesehen zeigt Fig. 6 (Taf . VII).
Das Plasma erscheint außerordentlich faserig, und die faserigen Bil-
dungen stark lichtbrechend. Der Kern ist linsenförmig zusammen-
gedrückt. Basal sendet die Zelle drei schmale längsfaserige plasmatische
Stränge aus {prfr). Ich will diese Stränge »basale Plasmafortsätze«
nennen 1. Außerdem sieht man links einen kleinen, kegelförmigen,
mehr homogen aussehenden Fortsatz, der in ein äußerst feines Fäser-
chen — vermutlich ein Nervenfäserchen (Nf) — übergeht. In jedem
guten Macerationspräparat findet man große Mengen solcher isolierter
Epithelzellen. Basal sind sie immer in mehrere Plasmafortsätze geteilt,
deren Zahl jedoch nicht konstant ist, ich fand am häufigsten Epithel-
zellen mit drei bis sieben basalen Plasmafortsätzen.
Wenn man eine Epithelzelle von der schmalen Seite betrachtet,
so sehen die Plasmafortsätze ganz anders aus, denn sie breiten sich
basal fächerförmig aus (Taf. VII. Fig. 5). Die Fortsätze sind also
lamellenartig abgeflacht; Fig. 6 zeigt sie von der schmalen, Fig. 5 von
der breiten Seite. In seltenen Fällen findet man eine Epithelzelle noch in
Verbindung mit der Muskelfaserschicht (Taf. VII, Fig. 5). Dann kann
man feststellen, daß sich jeder basale Plasmafortsatz (pr/r) zu einer
Muskelfaser {mf) begibt, der er mit seiner ausgebreiteten Basis ansitzt.
Demnach steht hier eine Epithelzelle mit mehreren Muskel-
fasern in Verbindung^, und zwar entspricht die Anzahl der Fasern
die zu einer Zelle gehören, der Zahl der basalen Plasmafortsätze.
1 Vermutlich hat Emer (1878) diese Plasmafortsätze beschrieben als die
»stabähnlichen Bildungen, meist annähernd von der Höhe der Zelle selbst, und
ziemlich dick«, die der Zelle in größerer Anzahl — bis 15 und mehr — aufsitzen,
obwohl seine Abbildung derselben absolut keine Ähnlichkeit mit meinen Plasma-
fortsätzen hat. Es bleibt auch unverständlich, wie er 15 und mehr derselben
sehen konnte, da höchstens sieben, meist aber drei oder vier vorkommen.
2 Dieser Zusammenhang von Epithelzelle und Muskelfasern, wurde zuerst
durch Th. Eimer (1878) gefunden. (Vrgl. S. 266.)
19*
284 Sophie Krasinska,
Eine weitere Bestätigung dieser Befunde geben Fläclienbilder.
Wenn man bei der Betrachtung eines macerierten und flach ausge-
breiteten Epithelstückchens das Objektiv herunter- und herauf bewegt,
so sieht man zu oberst die gekörnelte Cuticula mit deutlichen Zell-
grenzen (Taf. VII, Fig. 9 a), bei weiterem Senken des Tubus kommen
die länglich ovalen Kerne mit umgebendem, faserigem, unregelmäßig
zerteiltem Zellplasma zum Vorschein (Fig. 9 b), und bei noch tieferer
Einstellung — die Plasmafortsätze (Fig. 9 c). Dieselben liegen zu
mehreren (3 — ^7) unterhalb jeder Zelle und sind quer zur Längsachse
der Zelle aber parallel zur Verlaufsrichtung der Muskelfasern aus-
gebreitet (die Muskelfasern würden auf Fig. 8 von links nach rechts
ziehen).
Die zu einer Epithelzelle gehörenden Muskelfasern liegen nicht
direkt nebeneinander, vielmehr ziehen meist mehrere fremde Muskel-
fasern dazwischen wie aus Fig. 5 und Fig. 9 klar hervorgeht. Diese
von andern Epithelzellen gebildeten Muskelfasern gehen keine Ver-
bindungen mit den Zellen, unter welchen sie verlaufen, ein. Jede
Muskelfaser steht nur mit ihrer Matrixzelle in Verbindung.
Man kann sich am besten davon überzeugen, wenn man isolierte und
von den Epithelzellen abgerissene Muskelfasern betrachtet. Dem der
Zelle zugekehrten Kande dieser Faser läuft ein schmaler Plasmasaum
entlang, und an einer Stelle, nahe ihrer Mitte, findet man meist eine
größere Anhäufung von Plasma. Dies ist der basale Teil des abgerissenen
Plasmafortsatzes der Epithelzelle. Derartige Zellreste kommen stets
nur an einer Stelle der Muskelfaser vor. Die Muskelfasern von Car-
marina sind breit bandförmig (8 — 10 /<), außerordentlich dünn und
zeichnen sich durch eine beträchtliche Länge aus ; die Querstreifung der
Muskelfasern ist äußerst deutlich.
Auf Radialschnitten der Subumbrella von Carmarina lassen
sich vier Schichten unterscheiden (Taf. VII, Fig. 1) : zu äußerst die
Ectodermzellen, darunter die quergetroffene Muskelfaserschicht (m/),
dann die Stützlameile {stl), am tiefsten das Entoderm (en). Fig. 1 ist
nach einem mit FLEMMiNGscher Lösung fixiertem und mit Eisen-
hämatoxylin (nach Heidenhain) gefärbten Schnitt gezeichnet. Der
Schnitt führt hier durch einen Kadialkanal, von dessen sehr hohen
außerordentlich vacuolisierten Entodermzellen nur der basale kern-
freie Teil eingezeichnet ist.
Die großen, ziemlich flachen Ectodermzellen sind in einfacher
Schicht angeordnet und ihre Kerne liegen alle in einer Ebene, was
die Tatsache bestätigt, daß die Matrixzellen der Muskelfasern noch
Beiträge zur Histologie der Medusen. 285
alle echte Epithelzellen geblieben sind. Da die langgestreckten Epithel-
zellen quer zur Verlaufsrichtung der circulären Muskelfasern liegen,
so sind sie auf dem Radialschnitt längs getroffen, ebenso ihre ovalen
Kerne (Taf. VII, Fig. 1). Die äußere Cuticula zeigt auf ihrer Innen-
seite eine kaum sichtbare Körnelung, Geißeln fehlen. Während auf
Macerationspräparaten die einzelnen Epithelmuskelzellen sich leicht
voneinander isolieren lassen und bei Schrumpfung oft Spalten zwischen
den Zelhvänden der benachbarten Zellen entstehen, ist auf Schnitten
von Zellgrenzen meist fast nichts zu sehen. Wie früher bemerkt, ist
es eine Eigentümhchkeit der Medusengewebe, daß die Zellgrenzen
wegen ihrer Dünne und schwachen Färbbarkeit auf Schnitten so sehr
unscheinbar sind, bei Carmarina stellt außerdem die FLEMMiNGsche
Lösung die Zellmembranen ganz besonders undeutlich dar. In der
basalen Hälfte der Epithelzellen teilt sich das Plasma in Stränge,
welche durch vacuolenähnliche Räume voneinander getrennt sind und
den in Macerationspräparaten bereits geschilderten Protoplasmafort-
sätzen entsprechen. Das Zellplasma zeigt eine faserige Beschaffenheit.
Die Querschnitte der bandförmigen breiten und sehr dünnen Muskel-
fasern erscheinen (Taf. VII, Fig. 1 mf) als schwarze Linien, die senkrecht
auf der Stützlamelle dicht nebeneinander stehen. Die Stützlamelle {stl)
wird von Eisenhämatoxylin dunkelgrau gefärbt, ist deutlich doppelt-
konturiert und sieht völHg homogen aus^. Es liegen 30 bis 40 Muskel-
faserquerschnitte unter jeder Zelle. Die Bilder, die wir auf Radial-
schnitten und auf Macerationspräparaten erhalten, stimmen somit
gut überein, nur sind auf radialen Schnitten die Plasmafortsätze weniger
scharf konturiert und ihr Verhältnis zu den zahlreichen unter einer
Zelle verlaufenden Muskelfasern ist nicht feststellbar.
Ein wesentKch verschiedenes Bild gibt ein tangentialer Schnitt
durch die Subumbrella (Taf. VII, Fig. 2). Die Muskelfasern sind hier
längs getroffen {mj) und ihre Querstreif uug ist sehr deutlich, dagegen
sind die Epithelzellen {efniz) und ihre Kerne quer durchschnitten,
weshalb die Zellen schmäler, ihre Kerne mehr rundlich erscheinen.
Die Protoplasmafortsätze sind hier von der breiten Seite zu sehen,
und es ist deshalb keine Teilung der basalen Teile der Zellen in Stränge
zu bemerken. Der Schnitt auf Fig. 2 ist mit Eisenhämatoxylin gefärbt
und mit Sublimat fixiert. Auf letzteres ist zurückzuführen, daß die
Zllegrenzen viel deutlicher sind als auf Fig. 1 und daß das Plasma
eine sehr verschiedene Struktur zeigt, nämlich körnig erscheint. Die
JL 0. und R. Hertwig beschreiben ebenfalls eine doppeltkonturierte Stütz-
laraelle bei Carmarina.
286 " Sophie Krasinska,
Körnclien sind alle ungefähr gleich groß, färben sich dunkel mit Eisen-
hämatoxylin und scheinen manchmal durch Plasmafäden miteinander
verbunden und konzentrisch um den Kern angeordnet zu sein. Die
Fixierung mit Sublimat und FLEMMiNGscher Lösung bringen somit
sehr verschiedene Plasmastrukturen in den Ectodermzellen zum Vor-
schein, was an allen mit diesen Lösungen fixierten Präparaten be-
merkbar ist (vgl. Taf. VIII, Fig. 36)
Das Ectoderm der Subumbrella von Carmarina ist recht ein-
förmig gebaut, indem in ihm außer den Epithelmukelzellen nur noch
die Nervenelemente vorkommen. Die Sinneszellen (Taf. VII, Fig. 1 Sz)
liegen an der Epitheloberfläche, die den subepithelialen Nervenplexus
zusammensetzenden großen Ganglienzellen (Gz) mit ihren Ausläufern
(Nf) breiten sich zwischen den basalen Plasmafortsätzen der Epithel-
muskelzellen aus.
Unsre Befunde über die Muskulatur der Subumbrella lassen sich
folgendermaßen kurz zusammenfassen: Die circuläre, querge-
streifte Muskulatur der Subumbrella und des Velums von
Carmarina setzt sich aus echten Epithelmuskelzellen
zusammen; zu jeder Epithelzelle gehören mehrere Muskel-
fasern, jede Muskelfaser steht aber nur mit ihrer Matrix-
zelle in Verbindung.
Neoturris p il eat a (ForskaU) und A e quo r ea
Forskale a.
Der Bau der Subumbrella von Neoturris pileata und Aequorea
Forskalea ist so ähnlich, daß er gemeinsam besprochen werden kann.
Ein Stück der Subumbrella von Neoturris mit starken Vergröße-
rungen von der Fläche betrachtet, zeigt außen eine Schicht sehr großer
flacher Epithelzellen an denen man eine eigentümliche Radiärstreifung
bemerkt. Dicht darunter liegt eine zweite Zellschicht mit körnigem
Plasma und runden Kernen und an deren Basis folgt die quergestreifte
Muskulatur ; erst unter derselben kommen die Entodermkerne zum Vor-
schein. So überzeugt schon die flüchtige Betrachtung eines Totalpräpa-
rats, daß dasEctoderm derSubumbrella von Neoturris aus zwei
Zellschichten zusammengesetzt ist. Das Gleiche gilt für Aequorea.
^ In meiner vorläufigen Älitteilung (Zool. Anz. 1912) wurde die untersuchte
Tiaride i Turris pileata (Haeckel) « genannt. Herr Professor C. Hartlatjb, der das
von mir untersuchte Material in die Hände bekam, machte mich freundüchst
darauf aufmerksam, daß die Meduse falsch bestimmt war, und zu der von ihm
Neoturris pileata genannten Art gehöre.
Beiträge zur Histologie der Medixsen. 287
Schnitte bestätigen diese Beobachtung, da im Ectoderm von NeO'
tunk (Tai. VII, Fig. 3 ect) sowohl wie von Aequorea (Taf. VII, Fig. 4
ect) zwei Zellschichten übereinander liegen. Auf Macerationspräparaten
läßt sich die äußere Epithelschicht leicht ablösen. An isolierten Epi-
thelstückchen ist festzustellen, daß die eigentümliche Radialstreifung
des Epithels von radial verlaufenden Fasern verursacht wird, welche
stark lichtbrechend sind, vollkommen homogen erscheinen und sich
mit Hämatein lA (nach Apathy) intensiver als das Epithel färben
(Taf. VII, Fig. 8). Die Epithelzellen scheinen sehr groß zu sein, denn
obwohl keine Zellgrenzen sichtbar sind, liegen die ovalen Kerne ziem-
lich spärlich zerstreut. Die radialen Fasern {nnf) verlaufen in wellen-
förmigen Linien und zwar derart, daß sie die zentralen den Kern um-
gebenden Teile der Zellen frei lassen, und nur an ihren seitlichen Rän-
dern einzeln oder zu mehreren ziehen. Sie treffen sich unter spitzen
Winkeln, verschmelzen miteinander und bilden ein kompliziertes,
langmaschiges Netz. Individualisierte Fasern sind hier nicht zu unter-
scheiden, da sie alle ineinander übergehen und nie in freie Enden aus-
laufen. Außer den Epithelzellen und den Radialfasern sieht man noch
an abgepinselten Epithelstückchen die Ganglienzellen ( Gz) und Nerven-
fasern des subepithelialen Plexus, welche immer an der äußeren Epithel-
schicht haften bleiben. Bei Aequorea läßt sich das Epithel ebenso
leicht abziehen, wie bei Neoturris und bietet dasselbe Bild, nur sind
hier die radialen Fasern dünner und deshalb weniger auffallend.
Schon 0. und R. Hertwig (1878) stellten bei Lizzia (einer Ocellate)
das Vorkommen eines zweischichtigen Ectoderms fest. In der Um-
gebung der Radiärkanäle findet sich bei Lizzia eine feine radiärstreifige
Zellage vor, welche die Ringmuskelschicht und die zu ihr gehörigen
Zellen nach außen bedeckt und sich beim Zerzupfen leicht von ihr
abziehen läßt. Die genannten Autoren fanden ferner, daß die Grenzen
der sehr flachen Epithelzellen sich schwer unterscheiden lassen, da-
gegen die querovalen Kerne gut sichtbar sind. Über die radialen
Fasern wird bemerkt (S. 96): »Außerdem verlaufen in den dünnen
Häutchen noch feine, glänzende, glatte Fasern in geringen Abständen
voneinander. Die meisten sind einander parallel gerichtet, einige
treffen aber die andern unter spitzen Winkeln und scheinen mit ihnen
zu verschmelzen. Ob diese glatten Fasern nur lokale Verdickungen
des Zellhäutchens darstellen oder ob sie vielleicht muskulöser Natur
sind, darüber haben wir uns kein sicheres Urteil bilden können. << Aus
dieser Beschreibung sowie der gegebenen Abbildung (1. c. Taf. VIIT,
Fig. 14) geht klar hervor, daß 0. und R. Hertwig bei Lizzia dieselbe
288 Sophie Krasii'iska,
äußere Epithellage mit radiären Fasern gefunden haben, welche bei
Neoturris vorkommt, nur ist sie bei Lizzia auf die Gegend der Radiär-
kanäle beschränkt, während sie bei Neoturris die ganze Subumbrella
bedeckt.
0. und R. Hertwig (1878) fanden auch bei Aequorea ein zwei-
schichtiges Ectoderm. In Macerationspräparaten konnten sie aber
an abgepinselten Epithelstückchen keine Radialstreifung bemerken.
Da ich leider nicht festgestellt habe, wie weit sich die radialen Muskel-
fasern proximal erstrecken ist es möglich, daß in den centralen Teilen
der Subumbrella das Epithel der Radialfasern entbehrt. Auf Radial-
schnitten fanden 0. und R. Hertwig zwischen den zwei Zellschichten
des Ectoderms eine scharfe Grenze (S. 71): »Die Epithelzellen werden
von den unterliegenden Zellen, welche die Matrix der Muskelfibrillen
zusammensetzen durch eine scharfe und deutliche Linie getrennt;
dieselbe entspricht wahrscheinlich einer Membran, die sich zwischen
beide Lagen einschiebt.« In ihrer späteren Arbeit (1880) deuten sie
diese Membran als eine Stützlamelle die mitten im Ectoderm ausge-
schieden worden sei. Da bei Aequorea (Taf. VII, Fig. 4) ebenso wie
bei Neoturris (Taf. VII, Fig. 3) nur die zarten Zellwände die beiden
Zellschichten des Ectoderms voneinander trennen, so haben wahr-
scheinlich die Hertwigs einen Längsschnitt durch die radialen Muskel-
fasern für den Querschnitt einer Membran gehalten.
0. und R. Herwtig konnten nicht feststellen, ob die radialen im
äußeren Epithel von Lizzia vorkommenden Fasern »lokale Verdik-
kungen der Cuticula«, oder ob sie muskulöser Natur sind. Ich halte
diese Fasern sowohl bei Neoturris, wie bei Aequorea für radiale Mus-
kelfasern. Sie haben das Aussehen und das starke Lichtbrechungs-
vermögen von Muskelfasern, auch färben sie sich intensiv mit Eosin,
Fuchsin S, Safranin, Eisenhämatoxylin, genau so wie die übrigen
Muskeln der Medusen. Ferner kann man auf Schnitten sowohl für
Neoturris (Taf. VII, Fig. 3 rmf) wie für Aequorea (Taf, VII, Fig. 4 rmf)
feststellen, daß sie an der Basis der äußeren Epithelzellen liegen, also
die für alle Muskelfasern der Medusen so charakteristische Lage ein-
nehmen. Auch das Verhalten von Neoturris beim Einlegen in die
Fixierungsflüssigkeit spricht für die muskulöse Natur dieser Fasern.
Wie erwähnt, wird bei der Fixierung die circuläre Subumbrellamusku-
latur der meisten Medusen stark kontrahiert, wobei sich der Glocken-
hohlraum verengt und seine Höhe zunimmt. Ganz anders verhält sich
Neoturris: ihre hohe und schmale Glocke wird stark abgeflacht, was
nur durch die Kontraktion einer radialen Muskulatur verursacht werden
Beiträgt' zur Histologie ck-r Medubcn. 289
kann, deren AVirkung in diesem Fall über die der circulären Mnskel-
faserschicht überwiegt.
Auf Macerationspräparaten zerfällt nach Entfernung des äußeren
Epithels die circuläre Muskelfaserschicht von Neoturris sehr leicht
in einzelne Muskelzellen (Taf. VII, Fig. 7 a—b) die aus einer Muskel-
faser und einem kubischen ZeDkörper bestehen. Die Muskelfasern (m/)
sind bedeutend kürzer als bei Pelagia und Camiarina (60 bis höchstens
80« lang). Ihre Breite beträgt etwas mehr wie 2/< im mittleren Teil
der Faser und nimmt gegen beide Enden schnell ab. Die Querstreifung
ist an den Muskelfasern von Neoturris außerordentlich schön zu sehen.
Der Zellkörper liegt ungefähr in der Mitte der Muskelfaser an einem
ihrer schmalen Ränder und ist mit ihr fest verwachsen; von der Seite
gesehen hat er meist eine kubische Gestalt und verlängert sich basal
beiderseits in einem Plasmasaum, der bis zu den Enden der Muskel-
faser zieht (Taf. VII, Fig. 7 a). Von oben gesehen erscheint der
Zellkörper rundlich (Fig. 7 h). Die Myoblasten bilden eine zusammen-
hängende Zellschicht, welche die Muskelfasern bedeckt.
Bei Aequorea haben die isolierten Muskelzellen eine etwas andre
Gestalt, da hier die Zellen der breiten Seite der Muskelfasern ansitzen
(vgl. 0. und R. Hertwig, 1878).
Auf tangentialen Schnitten durch die Subumbrella von Neoturris
werden die radialen Muskelfasern quer, die circulären quergestreiften
Muskelfasern längs getroffen (Taf. VII, Fig. 3). Die Cuticula (cw) des
äußeren Epithels zeigt eine unregelmäßige Körnelung, das Plasma
der Epithelzellen ist stark vacuolisiert. An der Basis dieser Epithel-
lage sieht man eine Reihe sehr großer schwarzer Körner von unregel-
mäßiger Gestalt und wechselnden Dimensionen: es sind dies die Quer-
schnitte der radialen Muskelfasern (rmf). Die tiefe Zellenschicht wird
von dicht nebeneinander stehenden Zellen gebildet (Taf. VII, Fig. 3 mz)y
an deren Basis die quergestreiften Muskelfasern (m/) liegen, welche
zu ihnen gehören. Die Zellen haben ein dichtes, körniges Plasma und
runde Kerne mit großem Nucleolus. Sie sind sow'ohl voneinander
wie von den äußeren Epithelzellen durch dünne aber deutliche Zell-
membranen abgegrenzt. Die Muskelfasern stehen senkrecht auf der
dünnen, schwarz gefärbten Stützlamelle {stl). Die darunter liegende
Entodermlamelle {enl) ist verhältnismäßig hoch, hat runde Kerne und
ein stark vacuolisiertes Plasma. Diese starke Entwicklung der Ento-
dermlamelle ist sowohl für Neoturris als für Aequorea charakteristisch
(vgl. Fig. 4 enl).
Einen Radialschnitt durch die Subumbrella von Aequorea zeigt
290 Sophie Krasinska,
VvK 4 (Taf. VII). Die radialen Muskelfasern an der Basis des äußeren
Epithels (rmf) sind hier längs, die circulären quergestreiften Muskel-
fasern quer getroffen. Die ersteren sind bei Aequorea dünner, —
sonst bieten sie auf radialen und tangentialen Schnitten und auf Ma-
cerationspräparaten genau dasselbe Bild, wie bei Neoturris. Die quer-
gestreiften Muskelfasern von Aequorea stehen nicht senkrecht auf der
Stützlamelle, wie es bei Neoturris der Fall ist, sondern liegen derselben
mit ihren breiten Seiten an, auch sind die darüber liegenden Zellkörper
etwas flacher.
Die Muskellamelle der beiden Medusen ist etwas gefaltet. Die
circulär verlaufenden Falten beginnen am Schirmrand und sind ziem-
lich hoch, proximal werden sie bald niedriger und hören in einer kleinen
Entfernung vom Schirmrand ganz auf. Der auf Fig. 3 abgebildete
tangentiale Schnitt durch die Subumbrella von Neoturris scheint durch
eine niedrige Falte geführt zu sein, da mehrere Muskelfasern überein-
ander liegen. Auf dem Radialschnitt durch die Subumbrella von
Aequorea (Fig. 4) ist die Stützlamelle kaum etwas gewellt.
Das Ectoderm der Subumbrella von Neoturris und Aequorea ist
somit aus zwei Zellao-en zusammengesetzt, die äußere Lae;e
hat an ihrer Basis eine radiale Muskulatur gebildet, die
innere eine circuläre quergestreifte.
Die radiale Muskulatur ist spärlich entwickelt und besteht
aus einem Fasernetz, in welchem man keine individualisierten Muskel-
fasern unterscheiden kann; auch ist das Verhältnis von Epithelzellen
und Muskelfasern nicht zu ermitteln, da die Fasern unter allen Zellen
kontinuierlich durchziehen. Die circuläre quergestreifte Mus-
kulatur ist aus einzelnen Muskelzellen zusammengesetzt, von denen
jede aus einem Zellkörper und einer quergestreiften Muskelfaser besteht.
Diese Muskelzellen entbehren jeder Verbindung mit der Körper-
oberfläche, da sie von dem äußeren Epithel nach außen bedeckt sind,
sie liegen vollständig subepithelial. Das äußere Epithel mit
radialen Muskelfasern kommt sowohl in der Nähe des Schirmrandes,
wo die Muskellamelle gefaltet ist, wie auch da wo sie glatt verläuft
vor, sein Auftreten ist somit von der Faltung der Muskel-
lamelle unabhängig.
Das Auftreten eines zweischichtigen Epithels und einer radialen
Muskulatur oberhalb der circulären ist auf Neoturris und Aequorea
nicht beschränkt, da nach 0. und K. Hertwig (1878) nicht nur bei
Lizzia (einer Ocellate), sondern auch bei Mitrocoma (einer Vesiculate)
eine zweite Zellaee im Ectoderm vorkommt. Bei Mitrocoma wurde
Beitiäge zur Histologie der Medusen. 291
zwar von den genannten Forschern keine Radiärstrcifung im Epithel
bemerkt, sie wurde aber wahrscheinhch ebenso wie bei Aequorea nur
übersehen. Höchst wahrscheinlich wird durch weitere Untersuchungen
die gleiche Ausbildung der Muskulatur auch bei andern Ocellaten und
Vesiculaten aufgefunden.
2. Querstreifung.
Über die Querstreifung der Medusenmuskulatur liegen in der
Literatur fast keine genaueren Angaben vor. Die meisten Autoren
begnügten sich mit der bloßen Feststellung der Tatsache, daß eine
Querstreifung vorkommt, nur wenige widmeten dem Gegenstand
einige Aufmerksamkeit. Schon Eimer (1878) hat bei Carmarina hastata
neben der Querstreifung auch eine Spaltung der Muskelfasern in Fi-
brillen beobachtet wie aus folgender Bemerkung hervorgeht: »Die
Muskelbänder erscheinen im frischen Zustande, wenn nicht überall so
doch an manchen Stellen deutlich quergestreift (1. c. Taf. XII, Fig. 15
und 18). An Chromkalipräparaten dagegen zeigen sie nicht nur überall
eine durchaus schöne Querstreifung, sondern zerfallen auch der Länge
nach in Fibrillen, welche aus abwechselnd hellen und dunklen Teil-
chen zusammengesetzt sind, verhalten sich also ganz wie die quer-
gestreiften Muskelfasern der höheren Tiere.«
0. Nasse (1882) gab in seiner Arbeit über die »Anatomie und
Physiologie der quergestreiften Muskelsubstanz« eine Abbildung einer
quergestreiften Muskelfaser von Carmarina, wobei er die breiten dunklen
»Scheiben derselben mit den Q-Streifen, die schmalen dunklen mit den
Z-Streifen der Muskelfasern höherer Tiere homologisierte. Er wies
auch auf die außerordentliche Feinheit der Querstreifung hin.
Lendenfeld (1888, S. 292) bemerkt über die quergestreiften Muskel-
fasern von Rhizostoma : »Das Band besteht aus langgestreckt rechteckigen
Scheiben, abwechselnd einfach und doppelt lichtbrechender Substanz. <<
K. C. Schneider (1892) studierte die quergestreiften Muskel-
fasern von Forskalea, Carmarina und Pelagia an Macerationspräparaten.
Seine Schilderungen lassen sich folgendermaßen kurz zusammenfassen:
eine echte Querstreifung ist nicht vorhanden, die Muskelfasern sind
perlschnurförmig, sie bestehen aus abwechselnd dickeren und dünneren
Partien, die keine Strukturunterschiede aufweisen. Die scheinbare
Querstreifung ist auf Lichtkontraste zurückzuführen, was dadurch
bestätigt wird, daß beim Heben und Senken des Tubus die dicken
in\d dünnen Partien abwechselnd hell und dunkel erscheinen. Bei
Pelagia sind die Endabschnitte der Muskelfasern nicht quergestreift,
292 Sophie Krasinska.
der Übergang in die ausgesproclien gestreiften Partien erfolgt durch
leise Anschwellungen in bestimmten Abständen; bei Carmarina tritt
die perlschnurförmige Beschaffenheit der Muskelfasern in ihren End-
abschnitten deutlich hervor. Auf Fig. 42 und Fig. 61 der Abhandlung
von Schneider sind solche »quergestreifte« Muskelfasern von Car-
marina und Pelagia abgebildet.
Solch angeschwollene Endabschnitte der Muskelfasern habe ich
bei Carmarina nie gesehen, ebensowenig perlschnurförmige Muskel-
fasern bei Pelagia. Die Ränder der bandförmigen Muskelfasern waren
von der breiten wie schmalen Seite betrachtet, stets gerade, nirgends
waren wellige Konturen zu beobachten. Meiner Ansicht nach sind
die Befunde von Schneider darauf zurückzuführen, daß das von
ihm untersuchte Material übermaceriert oder schlecht maceriert war.
Die von ihm beobachtete perlschnurförmige Beschaffenheit der Muskel-
fasern wäre somit durch Quellung hervorgerufen. Diese Vermutung
ist um so wahrscheinlicher, als auch andre Figuren seiner Abhandlung
nach übermacerierten Präparaten ausgeführt zu sein scheinen,
Aus diesen Ausführungen geht hervor, daß die Querstreifung der
Muskelfasern noch wenig genau verfolgt wurde. Der Gegenstand
dürfte ein gewisses allgemeines Interesse haben, da ja die Medusen
die primitivsten Metazoen sind, bei denen Querstreifung vorkommt,
und da die Struktur ihrer Muskelfasern daher wohl auch als besonders
primitiv angesehen werden darf. Ich möchte deshalb hier einige von
mir beobachtete Tatsachen mitteilen, ohne auf Vollständigkeit An-
spruch zu erheben, um so mehr als die Querstreifung der Medusen-
muskeln wegen ihrer großen Feinheit dem Studium große Schwierig-
keiten bereitet und ich kein frisches Material studiert habe. Untersucht
wurden Macerationspräparate die mit Osmium-Essigsäure hergestellt,
und mit Hämatein lA gefärbt waren, sowie sehr dünne (2 — 3 (.i) mit
Eisenhämatoxylin nach Heidenhain gefärbte Schnitte. Das Schnitt-
material war mit Sublimat (bei Carmarina) oder mit schwacher Flem-
MiNGscher Lösung (bei Pelagia, Neoturris und Aequorea) fixiert. Das
Eisenhämatoxylin gibt, wenn richtig differenziert, ein äußerst scharfes
Bild der Querstreifung, dagegen nehmen die Muskelfasern in Macera-
tionspräparaten die Hämateinfarbe nur sehr schwach auf. Bei letzteren
beruht daher das deutliche Bild hauptsächlich auf der verschiedenen
Lichtbrechung der Quer- und J-Scheiben. Wie bekannt, wechselt
jedoch ein solches Bild je nach der Einstellung des Objektivs. Schon
Rollet (1885, S. 93) hat dies ausdrücklich betont: »Alles stärker
lichtbrechende erscheint am Muskelfaden bei hoher Einstellung heller,
Beiträge zur Histologie der Medusen. 293
alles schwächer lichtbrechende dabei dunkel; dagegen alles stärker
lichtbrechende bei tiefer Einstellung dunkel, alles schwächer licht-
brechende dabei hell.« Alle Bilder, die ich von macerierten Muskel-
fasern gebe, wurden bei tiefer Einstellung gezeichnet: dunkel
sind also die stärker lichtbrechenden, hell die schwächer
lichtbrechenden Streifen angegeben. Zur Untersuchung in po-
larisiertem Lichte eignen sich die Muskelfasern der Medusen wegen
ihrer großen Dünne nicht i. Daher kann ich die Querstreifen der Me-
dusenmuskulatur nicht direkt mit den isotropen und anisotropen
Scheiben der Muskulatur höherer Tiere homologisieren. Um aber
ihre Lage eindeutig zu bestimmen, bezeichne ich sie mit den in der
Muskelhistologie allgemein gebräuchlichen Buchstaben. Die stärker
lichtbrechenden, mit Hämatoxylin intensiver färbbaren (bei andern
Muskeln anisotropen) Streifen bezeichne ich mit Q (Querscheibe), —
die mit ihnen alternierenden , schwach lichtbrechenden und schwach
färbbaren (bei andern Muskeln isotropen) Streifen mit J, — die zarte
Linie, welche den /-Streifen halbiert, mit-Z (Zwischenscheibe).
Mit Qh (und nicht mit M) bezeichne ich die schwach lichtbrechende
Linie, welche in der Mitte der Querscheibe ( Q) liegt, da nach der von
Heidexhain (1911) eingeführten Nomenklatur die in manchen Mus-
keln an gleicher Stelle gelegene Mittelscheibe (M) stärker lichtbrechend
und intensiver färbbar sein soll als die Querscheibe ( Q) selbst und von
dem schwach lichtbrechenden Q7i-Streifen scharf zu sondern ist^.
Die sich periodisch wiederholenden Abschnitte der Faser, näm-
lich Q + J, da Z in der Regel nicht wahrnehmbar ist, nenne ich Quer-
streifungsperioden^. Unter »Höhe der Querstreifungsperi-
ode<< und unter »Höhe« der einzelnen Querstreifen verstehe ich immer
ihre Ausdehnung in der Längsachse der Faser, — unter ihrer Breite —
ihre Ausdehnung in der Querachse der Faser, — so daß »Breite der
1 B. V, Lendenfeld (1888) gibt nicht an, wie er die Doppelbrechung der
Querstreifen festgestellt hat.
2 M. Heidenhain gebraucht für die Zwischenscheibe (Z) den Ausdi-uck
»Mesophragma «, iüv die Älittelscheibe (M), auch HENSENSche Scheibe genannt,
den Ausdruck »Telophragma « und hält beide für Quermembranen. M konnte
ich bei den Medusen nicht auffinden; über die membranöse oder nicht membranöse
Natur von Z kann ich nichts aussagen.
3 Den von M. Heidenhain eingeführten Ausdruck »Inokomma« will ich
nicht gebrauchen, da darunter (ebenso wie unter den Ausdrücken Muskelkästchen,
Muskelfach, Muskelsegment älterer Autoren) der Abschnitt zwischen zwei Z-
Linien gemeint ist, während ich oft von Fasern zu sprechen haben werde, an denen
kein Z sichtbar ist.
294 Sophie Krasinska,
Muskelfaser« und »Breite der Querstreifen« eine Ausdehnung in
der gleichen Richtung bedeutet. Für die zwischen den »Myo-
fibrillen« oder kurzweg »Fibrillen« einer Muskelfaser gelagerte Sub-
stanz gebrauche ich das Wort »interfibrilläre Substanz« oder »Zwi-
schensubstanz «.
Die Muskelfasern von Carmarina eignen sich wegen ihrer Breite,
die etwa 8 — 10 /.i beträgt, am besten zum Studium der Struktur. Auf
Fig. 25 a (Taf. VIII) ist diejenige Form der Querstreifung abgebildet,
welche an Macerationspräparaten am häufigsten vorkommt und schon
von Nasse (1882) gezeichnet wurde. In der Querrichtung sehen wir
schmale, dunkle (stark lichtbrechende) Streifen — die Querschei-
ben (Q) — mit viel breiteren hellen — den J-Scheiben (J) — ab-
wechseln. In der Mitte der J-Scheibe tritt nochmals eine schmale
dunkle Linie auf — die Zwischenscheibe (Z). An gewissen Muskel-
fasern kann die Zwischenscheibe so breit werden, daß sie sich kaum
oder gar nicht von der Querscheibe {Q) unterscheidet, wodurch sich
also eine regelmäßige aber zweimal dichtere Streifung ergibt. Z kann
jedoch auch völlig fehlen; dann alternieren nur die schmäleren ^-
Scheiben mit den breiteren J-Scheiben. Die Höhe der Querstreif ungs-
periode beträgt bei Carmarina etwa 1,4 — 1,6//, wovon höchstens ein
Drittel, meist viel weniger, von der Querscheibe eingenommen wird.
Die Quer- und Zwischenscheibe sehen wie einheitliche Linien aus, die
von einem Rand der Faser bis zum andern ziehen und sich voneinander
nur durch ihre Höhe unterscheiden. Die Ränder der Muskelfaser selbst
sind auf Macerationspräparaten immer ganz glatt und scharf kon-
turiert. Außer der Querstreifung tritt an allen macerierten Muskelfasern
eine feine aber ganz regelmäßige Längsstreifung auf, die unzweifelhaft
auf eine Zusammensetzung der Muskelfaser aus fibrillenartigen Bil-
dungen hinweist. Die feinen Längsstreifen verlaufen in der Regel durch
die Q- und J-Scheiben ohne merkliche Verdickungen hindurch.
Auf Schnitten, die mit Eisenhämatoxylin gefärbt und richtig dif-
ferenziert sind, sieht jedoch die Struktur der Muskelfasern von Car-
marina ganz anders aus (Fig. 25 h). Der wesentliche Unterschied
zwischen beiden Bildern besteht darin, daß die Zwischensubstanz auf
den Schnitten vollständig farblos bleibt, so daß man ein reines Fibrillen-
bild vor Augen hat. Die Fibrillen verlaufen im J-Streifen als zarte,
blaß gefärbte Linien, im ^-Streifen schwellen sie zu großen intensiv
färbbaren körnerartigen Gebilden an. Die Querscheibe setzt sich also
aus aneinander gereihten schwarzen Körnern zusammen, während die
J-Scheibe aus farbloser Zwischensubstanz und zarten, schwach ge-
Boiträgo zur Histologie der Medusen. 295
färbten Fibrilleu besteht. Auf Eiseuhämatoxylinschnitten ist die
Zwischenscheibe (Z) nie zu sehen.
"Wie früher geschildert (S. 282), sind die Muskelfasern von Corma-
rina flach bandförmig und mit ihrer schmalen Seite der Stützlamelle an-
gewachsen. Auf tangentialen Schnitten durch die Subumbrella erhält man
breite Längsschnitte durch die Muskelfaser in der Bandfläche (Fig. 25 h)
auf Flächenschnitten, durch die Subumbrella dagegen schmale Längs-
schnitte der Muskelfaser senkrecht zur Bandfläche (Fig. 25 c). Der
auf Fig. 25 h abgebildete Schnitt in der Bandfläche der Muskelfaser
zeigt, daß sie aus einer größeren Anzahl von Fibrillen zusammengesetzt
ist; die genaue Zahl ist schwer zu ermitteln und beträgt im mittleren
breitesten Teil der Faser etwa 12 bis 15. Auf dem Schnitt senkrecht
zur Bandfläche dagegen erscheint die Muskelfaser wie eine einzige
Fibrille, wobei sie eine durch die Q- Abschnitte der Fibrillen bedingte,
ausgesprochen perlschnurförmige Gestalt hat (Fig. 25 c). Aus dem Ver-
gleich dieser beiden Bilder geht klar hervor, daß die Muskelfasern von
Carmarina aus einer einzigen Schicht von Fibrillen zusammengesetzt
sind.
Eine solche Anordnung der Fibrillen war von vornherein zu erwarten
wegen der außerordentlichen Dünne der Muskelfasern, die man am
besten an radialen Schnitten durch die Subumbrella (vgl. Taf. VII,
Fig. 1) feststellen kann.
Die Muskelfasern von Pelagia sind bedeutend schmäler als die
von Carmarina', ihre Breite beträgt etwa 2 f^i. In Macerationspräpa-
raten bemerkt man an ihnen oft einen schmalen homogenen Rand,
der den Eindruck eines Sarcolemmas macht (Taf. VIII, Fig. 24 a).
Da dieser Rand dasselbe Lichtbrechungsvermögen besitzt wie die «7-
Scheiben, machen die Querscheiben ( Q) den Eindruck von stark licht-
brechenden Vierecken auf schwächer lichtbrechendem Untergrunde.
Während die Querstreif ungsperiode etwa 1,6 — 2 f.i hoch ist, also nur
wenig größer als bei Carmarina , ist das Höhenverhältnis der Q- und
J-Scheiben untereinander ein ganz verschiedenes. Bei Carmarina
nimmt die Querscheibe (Q) höchstens ein Drittel der Querstreif ungs-
periode ein. Bei Pelagia ist die Querscheibe {Q) mindestens ebenso
hoch, meist aber bedeutend höher als die J-Scheibe (Taf. VIII, Fig. 24
fl, b, c, d). Ein weiterer Unterschied besteht darin, daß Q bei Pelagia
durch eine schmale schwächer lichtbrechende Linie halbiert wird, die
auf manchen Macerationspräparaten nur als eine Art mittlerer Auf-
hellungszone sichtbar ist (Fig. 24 ö). Diese schmale helle Linie be-
zeichne ich, in Übereinstimmung mit der Nomenklatur von M. Heiden-
296 Sophie Krasinska,
HAIN (1911) als Qh. Dagegen erscheint die schmälere /-Scheibe auf
Macerationspräparaten und auf vielen Schnitten einheitlich, so daß man
zunächst annehmen möchte, daß die Zwischenscheibe bei Pelagia
fehle. Indessen kommt sie in manchen Eisenhämatoxylinschnitten
(Fig. 24 b) deutlich zum Vorschein. Die Längsfibrillierung ist in Ma-
cerationspräparaten nur ganz schwach angedeutet.
Die Eisenhämatoxylinschnitte geben wieder ein, wenn auch viel
weniger deutliches Fibrillenbild, als es bei Carmarina der Fall ist.
Die J- Abschnitte der Fibrillen bleiben hier meist farblos und unsichtbar,
die übrigen Bestandteile verhalten sich in gleicher Weise wie bei Car-
marina, d. h. die Q- Abschnitte der Fibrillen färben sich intensiv schwarz
und die Zwischensubstanz bleibt farblos (Fig. 24 h — d).
Man kann deutlich drei Grade der Differenzierung des Eisen-
hämatoxylins unterscheiden: im ersten erscheint die Querscheibe als
einheitliches schwarzes Viereck (Fig. 24 &), — im zweiten teilen sich
die Vierecke in parallele Längsstäbchen, die den ^-Abschnitten der
Fibrillen entsprechen (Fig. 24 c), — im dritten zerfallen die Stäbchen
in der Querrichtung je in zwei schwarze Körner (Fig. 24 d). Jeder
Q-Abschnitt der Fibrillen besteht somit aus zwei Körnern, der Raum
zwischen ihnen entspricht dem Streifen Qh.
Die Anzahl der Fibrillen würde sich an der Zahl der in einer Faser
quer nebeneinander liegenden (^-Abschnitte der Fibrillen bestimmen
lassen, — jedoch wird dies bei Pelagia durch die starke Faltung der
Muskellamelle erschwert. Es kommen auf jedem tangentialen Schnitt
durch die Subumbrella so viele Längsschnitte von Muskelfasern neben-
einander zu liegen, daß die gegenseitige Zugehörigkeit der Fibrillen
und der Fasern sehr schwer festgestellt werden kann. Dort wo Muskel-
fasern einzeln liegen, sieht man, daß sie in der Breitfläche aus zwei
Fibrillen bestehen, denn jede Querscheibe setzt sich aus zwei neben-
einander liegenden Stäbchen (Fig. 24 c) oder aus vier Körnern zusammen
{Fig. 24 d). Ein Längsschnitt senkrecht zur Bandfläche zeigt nur eine
einzige Fibrille i. Ob daraus zu schließen ist, daß die Muskelfasern
von Pelagia aus nur zwei Fibrillen bestehen, vermag ich nicht zu ent-
scheiden; da sich die Muskelfasern nach beiden Enden zu stark ver-
jüngen, wäre es möglich, daß die eben beschriebenen Bilder den schmä-
leren Endabschnitten entsprechen, und daß der mittlere Teil der Faser
aus einer größeren Anzahl von Fibrillen zusammengesetzt ist. Die
Schwankungen in der Höhe der Querstreif ungsperiode sind bei Pelagia
1 Ähnliche Bilder hat G. Schlater (1905-06) bei der Muskulatur des Hühner-
embryos gefunden.
Beiträge zur Histologie der Medusen. 297
etwas größer als bei Carmarina, am besten kann man sie an Schnitten
beobachten. Die große Mehrzahl der Fasern hat eine Querstreifungs-
periodo von 1,6/«, wobei die Querscheibe immer bedeutend höher ist
als die e/-.Scheibe (Fig. 24 c — d). Vereinzelte Fasern zeigen eine größere
Querstreifungsperiode und an diesen hat J bedeutend an Höhe zu-
genommen; an Fasern, die eine Querstreifungsperiode von 2 /< be-
sitzen, kann J ebenso hoch erscheinen wie Q (Fig. 24 b). Wenn man
nun die Fasern mit der Querstreifungsperiode von 2 u an Schnitten
studiert, in welchen das Eisenhämatoxylin sehr wenig differenziert
ist und die Querscheibe noch einheitlich erscheint, so bemerkt man,
daß J durch eine zarte Zwischenscheibe halbiert ist (Fig. 24 b). Bei
weiterer Differenzierung des Eisenhämatoxylins verschwindet die Zwi-
schenscheibe sehr schnell, sie scheint also eine schwächere Affinität
zum Farbstoff zu haben als die Querscheibe. In Muskelfasern mit
kleinerer Querstreifungsperiode bleibt die Zwischenscheibe immer un-
sichtbar.
Somit ist die Querstreifung bei Pelagia komplizierter als bei Car-
marina, da bei ihr nicht nur eine Zwischenscheibe vorkommt, sondern
auch noch die Querscheibe durch den Streifen Qh halbiert wird.
Von Neoturris 'pileata (Taf . VIII, Fig. 26) standen mir ausgezeich-
nete Macerationspräparate, aber nur mangelhafte Schnitte zur Ver-
fügung, weshalb ich mich auf die Beschreibung der ersteren beschränken
will.
In den Macerationspräparaten haben die Muskelfasern von Neo-
turris nahezu gleich breite Q- und J-Scheiben (Fig. 26). Die Höhe
der Querstreifungsperiode ist etwas kleiner als bei Pelagia und zeigt
größere Schwankungen als bei Carmarina (1,2 — 1,6 /<). In den meisten
Fasern ist sowohl die Querscheibe (Q) durch die Qh-hinie, wie die
J-Scheibe durch die Z-Linie halbiert. Dies ist der einzige Fall, in dem
an einer und derselben Faser alle bei den Medusen überhaupt vorkom-
menden Querstreifen (Z, J, Q, Qh, Q, J, Z) gleichzeitig auftreten (Fig. 26)
Die Zwischenscheibe erscheint als dunkle, feine und äußerst scharfe
Linie, der Q/i-Streifen — • als helle Linie oder als Aufhellungszone in der
Mitte der Querscheibe. Die Muskelfasern von Neoturris zeichnen sich
durch sehr große Lichtbrechungsunterschiede von Q und J aus. Die
Querscheibe tritt deshalb sehr stark hervor.
Eine Längsfibrillierung ist nur hier und da angedeutet, die Zahl
der Fibrillen, die jedenfalls sehr klein ist, ließ sich nicht bestimmen.
Die sehr dünnen Querschnitte der Muskelfasern auf Radialschnitten
der Subumbrella zeigen, daß die Muskelfasern hier ebenso wie bei
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CIX. Bd. 20
298 Sophie Krasinska,
Carmarina und Pelagia aus einer einzigen Schicht von Fibrillen be-
stehen.
Die Muskelfasern von Äequorea Forskalea gleichen auf Längs-
schnitten denen von Pelagia ungemein; an Macerationspräparaten
war wegen schlechter Fixierung von Querstreifung wenig zu sehen.
Die Zweiteiligkeit der Querscheibe macht sich ebenso wie bei Pelagia
auf Schnitten durch den Zerfall der ^-Abschnitte der Fibrillen in
zwei Körner geltend. Isolierte Muskelfasern schienen aus nur zwei
Fibrillen zu bestehen, so daß die Gruppen von vier Körnern auch hier
vorkommen. Die J- Abschnitte der Fibrillen sind außerordentlich
schwach gefärbt, die Zwischensubstanz bleibt vollständig farblos.
Größer als bei Pelagia sind die Schwankungen in der Höhe der
Querstreif ungsperiode, die von 1,2 — 2 /< betragen kann. An verein-
zelten Fasern mit großer Querstreif ungsperiode kann man die Zwischen-
scheibe schwach erkennen. Die Muskelfasern bestehen aus einer ein-
zigen Fibrillenschicht, was Längsschnitte wie Querschnitte überein-
stimmend beweisen.
Ein Überblick der bei dieser Untersuchung gewonnenen Resul-
tate zeigt, daß eine auffallende Übereinstimmung in der Struktur der
quergestreiften Muskelfasern der Medusen und der höheren Tiere
herrscht.
Die Anordnung der Querstreifen ist bei beiden genau dieselbe.
Hier wie dort kommt eine Querscheibe {Q) vor, die durch den Qh-
Streifen halbiert wird, und eine J-Scheibe, in deren Mitte die Zwi-
schenscheibe (Z) liegt. Von den besonders komplizierten quer-
gestreiften Muskelfasern der Arthropoden unterscheiden sich die Mus-
kelfasern der Medusen somit nur durch das Fehlen der Mittelscheibe
(M) und der beiden Nebenscheiben (iV). Wie bekannt, wurde aber die
Mittelscheibe nicht bei allen quergestreiften Muskelfasern höherer Tiere
nachgewiesen, und nach Heidenhain (1911) sollen die Nebenscheiben
durch »interkolumnäre Körner« vorgetäuscht sein und keinen wirk-
lichen Bestandteil der Querstreifung bilden, so daß sie als nebensächlich
betrachtet werden können. Wichtiger erscheint, daß eine Anisotropie
wegen der großen Dünne der Muskelfasern bei den Medusen nicht
nachgewiesen werden kann, und die Benennung und Homologisierung
der Streifen deshalb nur nach ihrer Fäi;bbarkeit und ihrem Licht-
brechungsvermögen durchgeführt wurde. Innerhalb der Medusen-
gruppe selbst ist in der Querstreifung nur ein wichtiger Unterschied
vorhanden: Die Querscheibe kann entweder einheitlich sein (bei Car-
marina), oder durch den QA-Streifen halbiert (bei Pelagia, Neoturris,
Beiträge zur Histologie der Medusen. 299
Aequorea). Im ZusaiuuKMilianij, damit .steht das Höhenverhältiiis der
Q- und «/-Scheibe; im ersten Fall (bei Carmarina, Taf. VIII, Fig. 25)
beträgt die Höhe der (^-Scheibe höchstens ein Drittel, die Höhe der
J-Scheibe mindestens zwei Drittel der Querstreifungsperiode ; im zweiten
Fall (bei den drei übrigen Medusen) ist die Querscheibe Q entweder
bedeutend höher als die J-Scheibe, so daß sie nahezu zwei Drittel der
Querstreifungsperiode einnimmt (Fig. 24 a, c, d), oder Q- und J-Scheibe
sind nahezu gleich hoch (Fig. 26, Fig. 24 b). Daraus geht hervor, daß
das Höhenverhältnis von Q- und J-Scheibe sehr verschieden sein kann,
und daß der Satz von W. Engelmann (1873), nach welchem die Höhen-
ausdehnuug von Q und / bei allen quergestreiften Muskeln nahezu
gleich sein soll, für die Medusen jedenfalls nicht zutrifft. Kleinere Schwan-
kungen im Höhen Verhältnis von Q und J bei einer und derselben Me-
duse, müssen auf verschiedene Kontraktionszustände der Muskelfasern
zurückgeführt werden. Für das unregelmäßige Auftreten oder Fehlen
der Zwischenscheibe bei einem und demselben Tier wären zunächst
zwei Erklärungen möglich : entweder könnte dies von der verschiedenen
Behandlung des Materials, oder vom verschiedenen Kontraktionszu-
stände der Muskelfasern abhängen. Ersteres scheint nicht der Fall
zu sein, d. h. die Fixierungs- und Färbungsweise dürfte mit der Erschei-
nung nichts zu tun haben, da bei Carmarina die Zwischenscheibe nur
auf Macerationspräparaten, bei Pelagia nur auf Schnitten sichtbar ist,
und außerdem in einem und demselben Präparat an benachbarten
Fasern die Zwischenscheibe auftreten oder fehlen kann. Somit scheinen
die Unterschiede im Querstreifungsbild auf die verschiedenen Kon-
traktionszustände der Fasern zurückzuführen zu sein. Sorgfältige
Messungen ergaben in der Tat wenigstens für Pelagia und Aequorea,
daß zwischen dem Querstreifungsbild und der Höhe der Querstreifungs-
periode eine bestimmte Beziehung besteht. An Eisenhämatoxyhn-
schnitten wurde festgestellt, daß die Zwischenscheibe nur an Fasern
mit großer Querstreifungsperiode sichtbar ist und daß mit der Höhe
der Querstreifungsperiode vor allem die J-Scheibe an Höhe zunimmt.
Daraus läßt sich schließen, 1) daß die Fasern, an denen die Zwischen-
scheibe sichtbar ist, erschlafft sind, und 2) daß bei der Kontraktion
die J-Scheibe verkürzt wird, wie bei allen sonstigen quergestreiften
Muskelfasern.
Das Messen der Querstreifungsperioden ist wegen der Feinheit
der Querstreifung und den unbedeutenden Schwankungen in der Höhe
der Querstreifungsperiode bei den Medusen äußerst schwierig. Es
wurde immer die Zahl der Querscheiben gezählt, die auf je zehn, oder
20*
300 Sophie Krasinska,
auf je fünf Striche des Ocular-Mikrometers (Imm. 2 mm Oc. 6)
kamen, und dann durch Division die angenäherten Werte für die
Querstreifungsperioden erhalten. Bei Carmarina, wo die Querstreifungs-
periode von 1,4 — ^1,6;« schwankt, beträgt die Verkürzung ein Achtel,
bei Pelagia (1,6 — 2 /<) ein Fünftel, bei Neoturris (1,2 — 1,6/<) ein Viertel
und bei Aequorea endlich (1.2 — 2/<) zwei Fünftel des größten für die
Querstreif ungsperiode gefundenen Wertes. Die Querstreifung der Me-
dusen gehört zu den feinsten unter den bisher bekannten, Carmarina
und Neoturris scheinen sogar die feinste überhaupt beobachtete Quer-
streifung zu besitzen, wie es schon Nasse (1882) für Carmarina her-
vorhob i.
Die sehr kleinen Schwankungen in der Höhe der Querstreifungs-
periode sind wohl nicht eigentlich für die Medusenmuskeln als charak-
teristisch anzusehen, sondern eher darauf zurückzuführen, daß in den
untersuchten Präparaten keine erschlafften Fasern vorkommen. Die
Medusen kontrahieren sich beim einlegen in die Fixierungsflüssigkeit
stark und sterben so ab. Infolgedessen sind wahrscheinlich die Muskel-
fasern alle mehr oder weniger kontrahiert, so daß nur die Differenzen
im Kontraktionsgrade die Unterschiede im Bild der Querstreifung
bedingen.
Der auffallende Unterschied im Aussehen auf Macerationspräparaten
und auf Schnitten scheint allen quergestreiften Muskelfasern gemein-
sam zu sein. Auf Macerationspräparaten tritt die Querstreifung in
den Vordergrund und der fibrilläre Bau ist nur durch eine wenig aus-
geprägte Längsstreifung angedeutet; die Muskelfaser scheint aus ab-
wechselnd stärker und schwächer lichtbrechenden Abschnitten zu be-
stehen, wobei sich sowohl die Fibrillen als die Zwischensubstanz am
Aufbau der Querstreifen zu beteiligen scheinen. Auf entsprechend
differenzierten Eisenhämatoxylinschnitten bekommt man ein reines
Fibrillenbild, — die Querstreifung scheint nur durch die verdickten
und intensiv gefärbten Abschnitte der Fibrillen hervorgerufen zu sein.
In ihrem fibrillären Bau stimmen die Muskelfasern der Medusen mit
denen der höheren Tiere überein. Nur in der Zahl und Anordnung
der Myofibrillen kommen wesentliche Unterschiede vor. 1) Die Fi-
brillen sind in den flach bandförmigen Muskelfasern der Medusen in
einer einzigen Schicht angeordnet; 2) die Zahl der Fibrillen ist außer-
ordentlich klein. Carmarina, die die breitesten Muskelfasern besitzt.
1 M. Heidenhain (1911) fand die feinste Querst reif ung bei Heli.v pumatia
(= 1,8 ^<), in den menschlichen Herzmuskeln (= 2 /li) und der 2V/ton-Muskulatur
(= 2/,/).
Beiträge zur Histologie der Medusen. 301
hat etwa 12 bis 15 Fibrillen, Pclagia, Neoturris und Aequorea viel
weniger, vielleicht sogar nur zwei in einer Muskelfaser. Eine ganze
Muskelzelle, z. B. von Pelagia ließe sich somit, was die Zahl der Fibrillen
anseht, mit den feinsten »IMuskelsäulchen« der Muskulatur höherer
Tiere vergleichen.
Auf Eisenhämatoxylinschnitten erscheinen bei den meisten quer-
gestreiften Muskelfasern der höheren Tiere die intensiv schwarzen
(^-Abschnitte der Fibrillen breiter als die «/-Abschnitte. Es wird
aber allgemein angenommen (Heidenhain 1911), daß dieses Bild
durch die Schrumpfung der «/-Abschnitte der Fibrillen verursacht
wird und daß die Fibrillen in Wirklichkeit parallele Konturen besitzen.
Bei den ^ledusen sind die Anschwellungen der Fibrillen ganz besonders
ausgeprägt, die ^-Abschnitte der Fibrillen sehen wie schwarze Körner
aus und geben den Fibrillen ein ausgesprochen perlschnurförmiges
Aussehen. In den letzten Jahrzehnten haben nur noch Schlater
(1906 — 07) und Haycraft (1891) den Myofibrillen eine wirklich perl-
schnurförmige Gestalt zugeschrieben. Ob die Q- Abschnitte wirklichen
Anschwellungen der Fibrillen entsprechen, wie es die genannten Autoren
wollen, oder nur durch Schrumpfung hervorgerufene Kunstprodukte
sind, bleibt für mich eine offene Frage.
Die Abhandlung Schlaters (1905 — 06) über die Muskulatur des
Hühnerembryos ist von Interesse, da seine Abbildungen außerordent-
lich an die bei den Medusen vorkommenden Bilder erinnern. Die
»Muskelsäulchen <<, oder richtiger »Primitivf äserchen << (1. c. S. 447) sind
beim Hühnerembryo nur aus vier, oder (im Herz) nur aus zwei Fibrillen
zusammengesetzt, die Q-Abschnitte der Fibrillen bestehen aus zwei
Körnern und es entstehen infolgedessen dieselben typischen Gruppen
von vier Körnern wie in den Muskelfasern von Pelagia und Aequorea
(Fig. 24 d).
Wie schon oben bemerkt, erscheint die Zwischensubstanz auf
Schnitten vollständig farblos, auf Macerationspräparaten ganz homogen.
Das Wort >>Sarcoplasma << wurde hier absichtlich vermieden. Während
nämlich bei höheren Tieren eine Sonderung von »Sarcoplasma << und
der zwischen den Fibrillen liegenden plasmatischen Substanz (»Inter-
f ibrillärsubstanz <<) nicht möglich ist, ist bei den Medusen die Abgren-
zung des Plasmas der Epithelzellen und der Interf ibrillärsubstanz eine
äußerst scharfe. Ein schmaler Plasmasaum ist mit einer der schmalen
Seiten der Muskelfaser in ihrer ganzen Länge fest verwachsen (vgl.
Taf. VII, Fig. 10 und 11) und vermittelt die Verbindung von »Zell-
körper« (Myoblast) und »Muskolfaser«, Die Substanz der Muskelfaser
302 Sophie Krasinska,
unterscheidet sich von der de3 Plasmasaums durch ihr homogenes
Aussehen und ihr starkes Lichtbrechungs vermögen, die Grenzhuie
zwischen beiden ist immer ganz scharf. Diese scharfe Abgrenzung des
Sarcoplasmas von der einseitig gelagerten contractilen Substanz, sowie
die einschichtige Anordnung der Fibrillen in derselben sind allen quer-
gestreiften Muskelzellen der Medusen gemeinsam und eignen sich am
besten zu ihrer Charakteristik, im Gegensatz zu den quergestreiften
Muskeln der höheren Tiere.
3. Radiale Muskulatur.
Wie bekannt, besteht die radiale Muskulatur der Medusen aus-
schließlich aus glatten Muskelfasern, im Gegensatz zu der circulären,
welche aus quergestreiften Muskelfasern zusammengesetzt ist^.
Ich habe die Längsmuskulatur der Mundarme von Pelagia
noctiluca nur an Macerationspräparaten studiert und mich überzeugt,
daß sie ausschließlich aus echten Epithelmuskelzellen zusammen-
gesetzt ist. Jede Epithelzelle hat an ihrer Basis eine einzige glatte
und sehr lange Muskelfaser gebildet. Die Muskelfasern sind dünn
und erscheinen vollständig homogen. Die radiale Muskulatur der
Subumbrella von Neoturris und Äequorea wurde bereits im letzten
Kapitel beschrieben, da sich ihre Schilderung von derjenigen der quer-
gestreiften Muskulatur nicht trennen ließ. Die Muskulatur des Magens
dieser Medusen wurde nicht untersucht.
Ein gründliches Studium erfuhr dagegen die radiale Muskulatur
von Carmarina hastata, die wegen ihrer mächtigen Entwicklung und
der außerordentlich starken Faltung ihrer Muskellamelle besonderes
Interesse erweckte.
0. und R. Hertwig (1878) unterscheiden im Ectoderm der Sub-
umbrella von Carmarina die >>unpaaren<< und die »paarigen« radialen
Muskelstränge und beschreiben genau ihren Verlauf. Beide Muskel-
stränge sind auf die Nähe der Radialkanäle beschränkt Die Un-
paaren bestehen nur aus wenigen Muskelfasern, nehmen ihren Ur-
sprung am Schirmrand und verlaufen unter der Mitte der Radiär-
kanäle (Textfig. 1 rm'^), sie halbieren die Genitalblätter und setzen
sich dann auf dem Manubrium fort. 0. und R. Hertwig (1878) konnten
ihren Verlauf bis zum Magen verfolgen. Die breiten paarigen Mus-
kelstränge (von E. Haeckel, 1864 — 66, auch »longitudinale Stiel-
1 Angaben über quergestreifte radiale Muskelfasern sind bei Lendenfeld
(1882) zu finden, (vgl. S. 261).
Beiträge -/ur Histologie der Medusen.
303
uiuskeln<.< gouannt) begiimeu proximal an den Licnitalblättern auf
beiden Seiten jedes Radialkanals (Textfig. 1 rm^). "Wenn sich die
Radialkanäle am Manubrium einander nähern, vereinigen sich je zwei
Textfig. 1.
Camiarina hastata von der Subumbrellarseite gesehen. Umrisse des Gastrovascularsystems an-
gegeben, die von der Muskulatur eingenommenen Fläclien gestrichelt, nii, circuläre Velummus-
kulatur; »f». circuläre SubumbrelLirmuskulatur; z, muskelfreier Streifen zwischen denselben;
Rk. Radialkanal; rmi, unpaare radiale Muskelstränge; rmo. paarige radiale Muskelstränge.
dieser Muskelbänder, welche benachbarte Radialkanäle begleiten und
ziehen als einheitUches Muskelband bis zum Magen hinab ^ (Textfig. 1).
Unterhalb der Radialkanäle besteht das Ectoderm aus Drüsenzellen,
1 Die Bezeichnung »paarige Muskelstränge« ist insofern unpassend, als
diese Muskelstränge nur in ihrem kürzeren Anfangsteil paarig sind, am Manubrium
304 Sophie Krasinska,
zwischen welchen sich die unansehnhchen unpaaren Muskelstränge nur
schwer auffinden lassen. Das Drüsenge webe fängt da an, wo die Geni-
talblätter aufhören und die Radialkanäle sich plötzlich verschmälern,
und erstreckt sich oralwärts bis auf das Ectoderm des Magens. Am
Manubrium wechseln somit im Ectoderm sechs Muskelstränge (Text-
fig. 1 rm^) mit sechs Streifen von Drüsengewebe ab, welch letztere in
ihrer ganzen Länge noch von den unpaaren Muskelsträngen halbiert
werden. Die Teile der Subumbrella, welche zwischen den proximalen
Eändern der Genitalblätter und dem Anfang je zweier, paariger Muskel-
stränge liegen, tragen ein flaches Plattenepithel.
Die schwach entwickelten unpaaren Muskel stränge bestehen
aus einfachen Epithelmuskelzellen, die schlanker und höher sind als
Lntoderm Gallerte
Ectoderm i I
die Myoblasten der quergestreiften Subumbrellamuskulatur, sich aber
ebenfalls in mehrere basale Plasmafortsätze teilen und mit mehreren
Muskelfasern verbinden. Ihre Zellkörper zeichnen sich ferner durch
ihren drüsigen Charakter aus, worauf schon die Brüder Hertwig
(1878) aufmerksam machten. Die Muskelfasern erscheinen auf Ma-
cerationspräparaten fadenförmig und vollständig homogen, sie sind
ziemlich lang, obwohl sie die große Länge der Muskelfasern der radialen
paarigen Muskelstränge nicht erreichen.
Die Muskellamelle der paarigen Muskelstränge ist schon in
einer kleinen Entfernung von den Genitalblättern stark gefaltet und
diese Faltung nimmt am Manubrium, wo sich die Muskelstränge all-
mählich verschmälern, immer mehr zu. Ln mittleren Teil des Manu-
sind sie in derselben Zahl wie die »unpaaren Muskelstränge« und wie die Radial-
kanäle, d. h. zu sechs vorhanden.
Beiträge zur Histologie der Medusen. 305
briums eines verhältnismäßig kleinen Tieres, wo der Muskelstrang
etwa 1,5 mm breit war, betrug die Höhe der Muskelschicht ungefähr
50 u ; in der Nähe des Magens war der Muskelstrang nur noch 0,8 mm
breit, während die Muskelschicht die enorme Höhe von 200 fi erreichte.
Der Querschnitt (Textfig. 2) zeigt, wie eine solche Muskelschicht an
den Rändern der . Muskelstränge (rm2) gegen die Radialkanäle (RK)
auskeilt. Neben der starken Faltung der Muskellamelle ist für die
Muskulatur des Manubriums die dichte Anordnung der Falten, das
flache Epithel und die sehr geringe Zahl der Kerne charakteristisch
(Taf.MII, Fig. 27)1.
Fig. 27 stellt einen Querschnitt durch den Muskelstrang im oberen
Teil des Manubriums dar, wo die Faltung der Muskellamelle nur mäßig
ist. Auf die gekörnelte Cuticula (cw) folgt eine dünne Protoplasma-
schicht mit einigen Kernen; im übrigen wird das ganze Ectoderm
durch die Falten der Stützlamelle mit ansitzenden Muskelfasern ein-
genommen. Die sehr dünne Entodermlamelle (enl) ist sowohl gegen
die Muskelschicht wie gegen die Gallerte (gal) durch eine ziemlich
dicke, von EisenhämatoxyUn schwarz gefärbte Stützlamelle {stl) ab-
gegrenzt. Die Falten der Muskellamelle stehen dicht nebeneinander
und sind entweder einfach oder sekundär Y-förmig verzweigt, oder
endlich distal umgebogen (Fig. 27). Die Fasern sind nicht drehrund,
wie sie auf Macerationspräparateu zu sein scheinen, sondern nach einer
Seite zu lamellenartig abgeflacht, und sitzen mit dieser Seite der Stütz-
lamelle an. Ihre Querschnitte erscheinen deshalb birnförmig (Taf . VIII,
Fig. 27 rtnf). Mit Mallory färben sie sich intensiv rot, die Stütz-
lamelle blau, so daß sie gegeneinander scharf abgegrenzt sind Die
außerordentlich geringe Zahl der zu den Fasern gehörigen Kerne fällt
auf Querschnitten sogleich auf ; es kommen hier auf einen Kern hunderte
von Muskelfaserquerschnitten. Man wäre daher zunächst geneigt, an-
zunehmen, daß sehr viele Muskelfasern mit jeder Zelle in Verbindung
stehen müßten, doch läßt sich dies Verhalten zum Teil durch die außer-
ordentliche Länge der Fasern erklären. Ich konnte Fasern aus dem
Manubrium isolieren, die mehr als 500 /<, also über 0,5 mm lang waren.
Die Kerne kommen nicht nur nahe unter der Oberfläche des Epithels,
sondern auch zwischen den Falten der Muskellamelle, ja sogar ganz
in der Tiefe des Ectoderms vor (Taf. VIII, Fig. 27). Sie liegen in
strangartigen Verdichtungen des Plasmas, welche bis zur Cuticula
^ 0. und R. Hertwig (1880) geben eine etwas schematische Abbildung durch
den »interradialen« Muskel des Magenstiels von Carrnariim (1. c. Taf. I, Fig. 10)
306 Sophie Krasinska, ^
aufsteigen und sich dort kegelartig ausbreiten. Auf Querschnitten ist
von Zellgrenzen nichts zu sehen wie auch die Fixierungsart sein mag;
jedenfalls stören beim Auffinden der Zellgrenzen die faserigen Plasma-
strukturen, welche hauptsächlich von der Zelloberfläche nach unten,
also parallel den zarten Zellwänden ziehen. Auf Flächenschnitten
lassen sich jedoch im peripheren Teil des Epithels deutliche Zellgrenzen
erkennen. Zwischen den Falten der Muskellamelle ist das Gewebe
außerordentlich reich an Vacuolen und das Plasma zerteilt sich in
ein Gewirr dünner Plasmastränge, welche zu den Muskelfasern ziehen.
Die Erklärung dieser Bilder ergibt sich erst aus den Macerations-
präparaten.
Nach Zerzupfen eines macerierten Manubriumstückchens findet
man in jedem Präparate Epithelstreifen, welche von der Muskelfaser-
schicht abgerissen sind (Taf. VIII, Fig. 28). Die Epithelzellen (epmz)
halten mittels der Cuticula zusammen, sind oberflächlich stark ver-
breitert und verschmälern sich ziemlich plötzlich basalwärts, so daß
sie voneinander durch weite freie Räume getrennt sind. In nicht
zerzupften Geweben werden diese freien Räume durch die Falten der
Muskellamelle eingenommen. Die Höhe der benachbarten Epithel-
zellen wechselt von 10 — 60 /< und mehr. Wenn man nun einerseits
eine Reihe von Macerationspräparaten aus ganz bestimmten Teilen
des Manubriums herstellt, andrerseits Querschnitte durch dieselben
Teile des Manubriums führt, so kann man die Höhe der isolierten
Epithelzellen mit der Höhe der ganzen Muskelschicht vergleichen.
Systematische Messungen ergeben nahezu die gleichen Zahlen für die
höchste Höhe der Epithelzelle und die gesamte Höhe der Muskel-
schicht. Die Kerne können im peripheren und mittleren, aber auch
im basalen Teil der isoHerten Epithelzellen liegen (Taf. VIII, Fig. 28).
Daraus folgt, 1) daß die Zellen von der Oberfläche bis
in die tiefsten Gegenden des Ectoderms reichen können,
uud 2) daß die in der Tiefe liegenden Kerne zu Zellen ge-
hören, welche die Oberfläche erreichen. Die basalen Enden
aller Zellen teilen sich in eine größere Anzahl dünner Plasmafortsätze,
die kegelförmig auseinandertreten und den schmalen Zellen ein pinsel-
förmiges Aussehen geben (Taf. VIII, Fig. 28 pr.fr.)'^. Wo man Epithel-
1 Eine lange Beschreibung der faserigen Plasmastrukturen dieser » Deck-
zellen« der radialen Muskulatur gab Eimer (1878), der jedoch vermutete, daß
die radialen Muskeln nicht mit diesen Epithelzellen in Verbindung stehen, sondern
eigne Kerne besitzen. Die Übergangsformen zwischen den Deckzellen und
Ganglienzellen, welche er beschreibt, sind nicht vorhanden.
Beiträge zur Histologie der Medusen. 307
Zellen in Verbindung mit den Muskeltasein findet — und es bleibt hier
die Verbindung öfters als in der Subumbrella erhalten — kann man
feststellen, daß jeder dünne fadenartige Plasniafortsatz zu einer Muskel-
faser zieht, sich plötzlich nach zwei Seiten ausbreitet und ihr mit einer
verbreiterten Basis ansitzt. Es hängt hier wohl sicher jede Epitliel-
muskelzelle mit mehreren Muskelfasern zusammen. Die niedrigen
Epithelzellen schicken dabei ihre Fortsätze an die oberflächlich ge-
legenen Muskelfasern, die hohen Zellen an diejenigen, welche tief
zwischen den Falten der Muskellamelle liegen. Auf Schnitten ent-
sprechen die dünnen Plasmastränge, welche in allen Richtungen die
Räume zwischen den Falten der Muskellamelle durchziehen, den Quer-
und Längsschnitten der zahlreichen Plasmafortsätze der Zellen.
Daß alle Muskelzellen die Oberfläche des Epithels erreichen, kann
ich mit Sicherheit nicht behaupten. Es gibt Stellen in Macerations-
präparaten, die darauf hinweisen, daß einzelne Zellen in der Tiefe
verbleiben, sichere Beweise dafür konnte ich nicht finden. Jeden-
falls blieb die große Mehrzahl der Muskelzellen trotz der
sehr starken Faltung der Muskellamelle epithelial^.
Ebenso vermag ich nicht zu entscheiden, ob jede Muskelfaser nur
mit einer Zelle in Verbindung steht, da ich nur wenige Fasern in ihrer
ganzen Länge verfolgen konnte. Dies ist aber höchst wahrscheinlich,
denn es spricht dafür die sehr geringe Zahl der Kerne ebenso w^ohl
als die Tatsache, daß ich an den glatten schart konturierten Fasern
immer nur an einer Stelle Zellreste beobachtete. Auf Macerations-
prä paraten läßt sich kein »Plasmasaum << an den Muskelfasern nach-
weisen, ich konnte aber einen solchen an besonders günstigen Flächen-
schnitten nachweisen; jeder Muskelfaser läuft ein ganz schmaler, aus
nur einer Reihe deutlicher Waben zusammengesetzter Plasmasaum
entlang. Die Art der Verbindung zwischen Zelle und Muskelfaser ist
somit im Manubrium von Carmarina die gleiche wie in allen übrigen
Epithelmuskelzellen der Medusen. Es scheint somit das Verhalten
von Zellkörper und Muskelfaser im Manubrium von Carmarina und
in ihrer Subumbrella das gleiche zu sein: hier wie dort steht eine
Epithelzelle mit mehreren Muskelfasern, aber eine Muskel-
faser nur mit einer Epithelzelle in Verbindung. Außer durch
1 Ich bin also zu einem ähnlichen Resultat wie O. und R. Hertwig (1880)
gekommen; nur scheinen diese Forscher gemeint zu haben, daß in der radialen
Muskulatur des Manubriums von Carmarina nur wenige Muskelzellen epithelial
geblieben sind, während ich glaube, daß jedenfalls nur sehr wenige Muskelzellen
aus dem Epithel ausgetreten sind.
308
Sophie Krasinska,
ihre Länge, zeichnen sich die Muskelfasern des Manubriums noch da-
durch aus, daß sie nicht die geringste Spur von Längsfibrillierung
zeigen; sowohl auf Schnitten als auf Macerationspräparaten erscheinen
sie ganz homogen.
Die Muskelstränge des Manubriums sind sehr reich an Ganglien-
zellen und Nervenfasern, die zwischen der Muskelschicht und der
Cuticula, also dicht unter der Oberfläche des Epithels liegen. Näheres
darüber wird im Kapitel über das periphere Nervensystem berichtet.
Entoderm
4. Tentakelmuskulatur.
P el a g i a noctiluca.
Der Bau der hohlen Tentakeln von Pelagia ist sehr kompliziert.
Zwischen Ento- und Ectoderm liegt eine mächtige Gallertschicht,
welche die Hauptmasse des
Tentakels bildet und wegen
Ectoderm ihrer Festigkeit und feinfase-
rigen Beschaffenheit eher als
Stützlamelle bezeichnet wer-
den dürfte (Textfig. 3). Es
tritt hier ein Faltungsvor-
gang auf, welcher die Ver-
größerung der Oberfläche der
Stützlamelle und die Ver-
mehrung der Muskelfasern be-
wirkt, aber nach einein ganz
andern Typus wie gewöhnhch.
In der Subumbrella der Me-
dusen wachsen dünne Falten
der Stützlamelle in das Ecto-
derm hinein, hier dagegen
senken sich vom Ectoderm
in die mächtige Stützlamelle
einige wenige Falten hinab,
die in tiefen, der Tentakel-
achse parallelen Furchen der Stützlamelle liegen; sie sind in geringer
Zahl vorhanden und sowohl voneinander wie vom Entoderm durch
mächtige Stützlamellenschichten getrennt (Textfig. 3). An den Wän-
den dieser Falten ist die Längsmuskulatur der Tentakel angeordnet.
Es kann hier scharf zwischen dem Tentakelepithel und den in tiefen
Textfig. 3.
Pelagia nortiluca. Querschnitt durch einen
Tentakel.
Beiträge zur Histologie der Medusen. 309
Furchen liegenden, allseits von Gallerte umgebenen >>Muskelfalten <<
des Ectoderms unterschieden werden.
Der Tentakelquerschnitt ist oval und wegen der Verteilung der
Muskelfalten ausgesprochen bilateral symmetrisch. Die Muskelfalten
sind symmetrisch zur Mittellinie des ovalen Querschnittes angeordnet;
in dieser Mittellinie liegt an einem Ende des Ovals eine einzelne tiefe
Falte (Textfig. 3, unten). Die mediane Muskelfalte ist immer die
tiefste, von ihr aus nimmt auf beiden Seiten des Querschnitts die Tiefe
der Falten ständig ab, so daß eine Falte um so seichter ist, je weiter
sie von der medianen absteht (vgl. Textfig. 3, stetige Abnahme von
unten nach oben). Bei den von mir untersuchten Tieren betrug die
Zahl der Muskelfalten in der Nähe des Schirmrandes etwa 21 — 25.
Gegen das Tentakelende nimmt die Zahl der Muskelfalten immer mehr
ab, bleibt aber stets unpaar, da sich die seichter gewordenen Falten
je zu zweien auskeilen.
Die Verhältnisse werden noch komplizierter, indem die Muskel-
falten durch längsverlaufende Einschnürungen in mehrere Partien
geteilt werden. Wenn die Einschnürung eine vollkommene ist, kommt
es zur Bildung von »Muskelröhren«, die voneinander und vom Epithel
vollständig abgetrennt sind, bleibt die Einschnürung unvollkommen,
so stehen die Röhren durch mehr oder weniger breite Spalten mit-
einander in Verbindung. Die tiefste mediane Falte und die ihr am
nächsten gelegenen paarigen bleiben einheitlich, in den andern kommt
die Bildung von Muskelröhren und eine mehr oder weniger vollständige
Abschnürung derselben voneinander und vom Epithel zustande. Die
Muskelröhren einer Falte sind in einer Reihe übereinander angeordnet
und nur durch dünne Stützlamellenmassen voneinander getrennt.
Eine viel vollständigere Abschnürung der ectodermalen Muskelröhren
vom Epithel kommt bei Charybdea marsupialis (nach S. Claus 1878)
vor. Pelagia und Charybdea sind die einzigen Medusen, bei welchen bis-
her eine derartige Versenkung der Muskulatur in die Stützlamelle gefun-
den worden ist. Bei andern Coelenteraten kommt eine solche indessen
recht häufig vor. In trefflicher Weise wurde sie von 0. und R. Hert-
wiG (1879) bei den Actinien geschildert; diese Forscher bezeichnen eine
solche Lage der Muskulatur in der Stützlamelle als >> mesodermal «. Die
Stützlamelle der Tentakel hat einen sehr feinfaserigen Bau. Die feinen,
sich dunkler färbenden und ganz homogenen Fäserchen verlaufen
spärlich in der Tiefe der Stützlamelle und bilden an ihrer Oberfläche
eine dichtere faserige Schicht; diese Schicht ist am stärksten um die
Muskelfalten ausgebildet (Taf. VIII, Fig. 17).
310 Sophie Krasinska,
Die Muskelfasern sind an den Wänden der Furchen der Stütz-
lamelle angeordnet und fest mit ihr verwachsen. Die Querschnitte
der Muskelfasern (Taf . VIII, Fig. 17 und 20 mf) sind unregelmäßig oval
und besitzen runde, mit Eisenhämatoxylin schwarz färbbare, von einem
kleinen Protoplasmaklümpchen umgebene Kerne (Taf. VIII, Fig. 17
k.d.mz). Die wenigen Muskelzellen, welche an der Basis des Tentakel-
epithels in der Nähe der Muskelfalten liegen (Taf. VIII, Fig. 20) sind
ebenfalls mit einem ihnen dicht anliegenden Kern versehen. Es ent-
behren hier alle Muskelzellen jeglicher Verbindung mit der Epithel-
oberfläche.
Auf Macerationspräparaten lassen sich die Muskelfasern in Zu-
sammenhang mit den zugehörigen Zellkörpern isolieren; die Muskel-
faser (Taf. VIII, Fig. 21) ist je nach dem Kontraktionszustand lang
oder kurz spindelförmig und der Zellkörper — ein Protoplasmaklumpen
mit Kern — sitzt derselben auf einer Seite an. Auffallend im Ver-
gleich mit den Epithelmuskelzellen der Subumbrella (Taf. VII, Fig. 11)
ist die geringe Größe des Zellkörpers und seine innige Anschmiegung
an die Muskelfaser. Der Zellkörper hat jedoch seine einseitige Lage
an der Muskelfaser beibehalten und die contractile Substanz ist scharf
vom Plasma des Zellkörpers gesondert.
Es ist somit in den Tentakeln von Pelagia die Mus-
kulatur vollständig aus dem Epithel ausgetreten, indem
die Muskelfasern samt ihren Myoblasten in der Tiefe in »Muskelfalten <<
oder in vom Epithel abgeschnürten »Muskelröhren << liegen, die allseits
von Stützlamelle umgeben sind.
Claus (1878) hat in den ähnlich gebauten Tentakeln von Charybdea
marsupialis ebenfalls einen vollständigen Austritt der Muskelzellen
aus der Oberfläche festgestellt, indem er in den abgeschnürten Muskel-
röhren zu den Muskelfasern gehörende Kerne fand.
Die Muskelfasern der Tentakeln von Pelagia unterscheiden sich
durch ihre bedeutende Dicke und geringe Länge, sowie ihre faserige
Struktur von den glatten Muskelfasern der Mundarime aus. Auf Quer-
schnitten färbt sich die Zwischensubstanz der Muskelfasern mit Eisen-
hämatoxylin ziemlich hell; während die Querschnitte der Myofibrillen
als schwarze Punkte auftreten (Taf. VIII, Fig. 17 mf). Auf Macera-
tionspräparaten ist eine Längsstreifung der Muskelfasern immer deut-
lich sichtbar (Fig. 21). Bei vorgeschrittener Maceration tritt eine
vorzügliche Spaltung in Fibrillen auf, so daß die Muskelfasern manch-
mal direkt pinselförmig erscheinen. Aus den Spaltungsbildern scheint
hervorzugehen, daß nur wenige Myofibrillen von einem Ende der
Beiträge zur Histologie der Medusen.
311
Muskelfaser bis in das andre verlaufen, daß aber viele kürzere Myo-
fibrillen nur durch den breiteren mittleren Teil der spindelförmigen
Muskelfaser ziehen.
AVährend die Muskelfasern an den Wänden der Furchen liegen,
wird die Mitte derselben von einem Gewirr feinster Fibrillen und Fäd-
chen eingenommen (Fig. 17), in welchen zahlreiche kleine {kl. Gz.) und
einige wenige große Ganglienzellen (</r. Gz.) liegen. Im Tentakelcpithel
fehlen Ganglienzellen vollständig. Mit der Muskulatur ist hier demnach
auch das periphere Nervensystem in die Tiefe gerückt.
Carmarina hastata.
Die Tentakeln der Carmarina sind ebenfalls hohl und mit einer
mächtigen Stützlamelle versehen. Diese bildet um das Entoderm
ein dickes Kohr, von wel-
chem sich radial Stütz-
leistenerheben, die parallel
zur Längsachse der Ten-
takeln verlaufen. Auf dem
Querschnitt (Textfig. 4)
bildet daher die Stützla-
melle um das Entoderm
einen einheitlichen Ring,
von welchem nach allen
Seiten die Leisten strahlig
divergieren. Die Leisten
sind an ihrem freien Ende
wulstförmig erweitert und
überall mit längsverlaufen-
den Muskelfasern besetzt.
Die Verhältnisse lassen
sich leicht von denen in
der Subumbrella von Pe-
lagia oder in der Muskulatur des Manubriums von Carmarina vor-
kommenden ableiten, indem man sich die, dort sehr dünnen Leisten
der Stützlamelle stark verdickt denkt. Es läßt sich aber auch eine
gewisse Analogie mit den Tentakeln von Pelafjia nicht leugnen, wenn
wir uns bei Pelagia die Muskelfalten ungeteilt und viel zahlreicher,
die sie trennenden Stützlamellenwände viel dünner denken (vgl. Text-
fig. 3 S. 308).
Die Tentakeln Avurden von den Gebr. Hertwig (1880) beschrieben
Muskel
Fasern
Stutzlamellen -
leisten
Textfig. 4.
Carmarina hastata. Querschnitt durch einen Tentakel.
312 Sophie Krasinska,
und im Querschnitt abgebildet. Claus (1878) bildet ebenfalls einen
Querschnitt durch den Tentakel von Carmarina ab, und vergleicht
seinen Bau mit dem des Siphonophorenstammes.
Die Stützlamelle zeigt eine feinfaserige Beschaffenheit; die feinen,
homogenen, sich dunkler als die Grundsubstanz färbenden Fibrillen,
verlaufen in den Leisten radial, und bilden im Ring, welcher das Ecto-
derm vom Entoderm trennt, eine circuläre Schicht (Taf. VII, Fig. 15
stl). Die gleiche fibrilläre Beschaffenheit zeigt die Stützlamelle im
ganzen Körper von Carmarina, so z. B. zwischen den Nervenringen,
nur gibt es dort viel mehr Fibrillen und viel weniger Zwischensubstanz,
wodurch die Stützlamelle auf dickeren Schnitten homogen aussieht,
sich dunkler färbt und wahrscheinlich auch viel resistenter ist.
Den Stützlamellenleisten sitzen die Längsmuskelfasern auf. Auf
Querschnitten erscheinen sie unregelmäßig, drei- oder viereckig und
sind mit breiter Basis der Stützlamelle angewachsen (Taf. VII, Fig. 15
m/). Die Mitte der, zwischen den Stützlamellenleisten gelegenen »Mus-
kelfalten« wird von einem plasmatischen Strang eingenommen, welcher
vom Epithel außerhalb der Falte bis in die Tiefe derselben zieht.
Dieser plasma tische Strang ist faserig strukturiert und gibt beiderseits
äußerst regelmäßig feinere Stränge ab, die zu den Muskelfasern ziehen
(Taf. VII, Fig. 15) In diesem plasmatischen Strang liegen zwei
oder drei ovale Kerne, mit einem oder zwei Nucleolen. Dieser Strang
geht kontinuierlich in das faserige Plasma des Tentakelepithels über,
wo man gleich aussehende Kerne findet.
Den protoplasmatischen Strang müssen wir als Zellkörper der
Myoblasten deuten, während die zu den Querschnitten der Muskel-
fasern ziehenden, feinen Plasmastränge nichts andres als die Quer-
schnitte der »Plasmafortsätze« sind, welche bei Carmarina überall die
Verbindung der Myoblasten mit den Muskelfasern vermitteln. Aus
der Zahl der Muskeln ergibt sich ohne weiteres, daß hier wie in der
gesamten Muskulatur von Carmarina, auf einen Kern (bzw. auf
eine Zelle, falls hier individualisierte Zellen vorkommen) viele Mus-
kelfasern entfallen.
Wenn ein Längsschnitt durch den Tentakel so glücklich geführt
ist, daß er eine Muskelfalte in ihrer ganzen Höhe trifft, ohne dabei
die Stützlamellenleisten anzuschneiden, so wird die dünne Zellschicht,
welche die Mitte der Muskelfalten einnimmt, und auf Querschnitten
als Plasmastrang erscheint (Taf. VII, Fig. 15) in der Fläche ge-
troffen. Man kann sich überzeugen, daß diese Zellschicht kontinuierUch
von der Tiefe der Falte bis zur Tentakeloberfläche zieht, und daß sie
Bfitiäge zur Histologie der Medusen. 313
Korne in verschiedenen Höhen enthält. Zellgrenzen sind zwar nicht
zu unterscheiden, aber jeder Kern liegt in einem verdichteten Plasma-
strang, der eine parallelfaserige Struktur hat und von außen nach
innen zieht. Nach langem und sorgfältigem Studium dieser Verhält-
nisse kam ich zur Ansicht, daß die Muskelzellen dieser Tentakel
noch Epithelzellen geblieben sind, daß sie von der Tiefe der
Muskelfalten bis an die Epitheloberfläche ziehen. Wir haben es hier
mit demselben Verhalten der Epithelzellen zu tun, welches schon
im Manubrium von Carmarina vorkam: äußerst hohe und schlanke
Epithelzellen, welche Kerne in verschiedenen Höhen enthalten können,
stehen durch zahlreiche, dünne, lamellenartige Plasmafortsätze mit
vielen Muskelfasern in Verbindung. Bemerkenswert erscheint dabei
die außerordentliche Höhe der Epithelmuskelzellen, welche 200 tt und
mehr messen können.
Unentschieden muß die Frage bleiben, ob hier die Epithelmuskelzel-
len in ihrem basalen Teil miteinander verschmelzen oder nicht. Daß
sie im Tentakelepithel deutliche Zellgrenzen haben, läßt sich auf Flächen-
schnitten ohne Schwierigkeiten feststellen. Es wurden schon oft, so
in der Subumbrella von Pelagia und im Manubrium von Carmarina
Muskelepithelien gefunden, in deren peripheren Teilen Zellgrenzen zu
unterscheiden waren, während sie basal vollständig zu fehlen schienen.
Durch Maceration konnte jedoch immer festgestellt werden, daß sich
diese Epithehen in einzelne gut abgegrenzte Zellen zerlegen lassen,
daß also Zellgrenzen auch da vorhanden sind, wo sie auf Schnitten
unsichtbar bleiben. Im vorliegenden Fall versagte jedoch die Macera-
tion vollständig; wegen der Höhe und Mächtigkeit der Stützlamellen-
leisten gelang eine Isolierung der Epithelmuskelzellen nie. Wir können
daher einstweilen nichts mehr sagen, als daß auf Schnitten keine Zell-
grenzen sichtbar sind, und manche Bilder (Taf. VII, Fig. 15) für
ein Verschmelzen der Epithelnmskelzellen zu sprechen scheinen. Trotz-
dem bin ich, nach Analogie mit den eben zitierten Fällen zu vermuten
geneigt, daß auch hier individualisierte Zellen vorkommen könnten.
Im Tentakelepithel von Carmarina kommen verschiedene Zell-
arten vor (Taf. VII, Fig. 15). In einer faserigen Plasmamasse sind
große Nesselzellen mit ihren mächtigen Stielen eingebettet, ferner
kleine Nesselzellen {kl.nz), Ganglienzellen {kl. Gz.) und Sinneszellen {Sz).
Besondere Stützzellen kommen aber nicht vor: — alle diese Zellen
liegen zwischen den peripheren Enden der Epithelmuskelzellen, denen
das faserige Plasma sowie die oben erwähnten ovalen, im Epithel
liegenden Kerne (k.d.epmz) gehören.
Zeitsclirift f. wissensch. Zoologie. CIX. Bd. 21
314
Sophie Krasinska,
Die Epithelmiiskel Zellen der Tentakeln von Carmarina sind an
ihrer freien Oberfläche mit Geißeln versehen, während diese den gleichen
Zellen des Manubriums und der Subumbrella fehlen. Die Cuticula der
Tentakeln ist dick, eine Körnelung ist auch vorhanden, aber die runden,
intensiv färbbaren Körner scheinen hier frei in der oberflächlichsten
Plasmaschicht zu liegen (Taf. VII, Fig. 15 cu). Wie schon erwähnt,
haben die Epithelmuskelzellen eine stark faserige Struktur; im Epithel
und in der Nähe der Kerne durchkreuzen sich die Fasern in allen Eich-
tungen; in den Muskelfalten nehmen sie basalwärts einen immer mehr
parallelen Verlauf an. Im tiefsten Teil der Epithelmuskelzellen kommt
es zur Ausbildung gut individualisierter, dicker glatter Fasern, die
sich mit Eisenhämatoxylin intensiv schwärzen und stark lichtbrechend
sind. Diese Fasern verlaufen radial zur I;ängsachse der Tentakeln und
sind sowohl auf Längs- als auf Querschnitten deutHch (Taf. VII, Fig. 15
— Cuficula
_ Große Nessel-
kapsel
Nesselzell-
-'"' stiele
- - _ Kern einer
Epilhelmuskelzelle
-—Stätzlamelle
Carmarina Mstala.
Textfig. 5.
Querschnitt durch das Tentakelepithel.
r/). Sie verlaufen zunächst eine Strecke lang im mittleren plasmatischen
Strang, biegen dann aber um und ziehen zu den Längsmuskeln, mit
denen sie sich zu vereinigen scheinen. Unzweifelhaft handelt es sich
hier um eine Einrichtung, welche vor allem eine stärkere Verbindung
der Epithelzellen mit den Muskelfasern bewirken soll. Den radialen
Fasern könnte elastische oder muskulöse Natur zugeschrieben werden;
färberisch verhalten sie sich wie Muskelfasern. Möglicherweise haben
wir es hier mit einem schwach entwickelten System radialer Muskel-
fasern zu tun.
Die Längsmuskelfasern der Tentakeln von Carmarina sind
ebenso wie die von Pelagia spindelförmig und aus Myofibrillen zu-
sammengesetzt. Auf Macerationspräparaten lassen sie sich leicht in
Fibrillen spalten; auf Querschnitten sind die Myofibrillen als schwarze
Beiträge zur Histologie der Medusen. 315
unregelmäßige Punkte sichtbar. Die Muskelfasern der Tentakeln sind
im Vergleich mit den glatten Längsmuskelfasern des Manubriums sehr
dick, Avie es die Querschnitte zeigen (Taf. VII, Fig. 15 m/; Taf. VIII,
Fig. 27 rm).
Als gemeinsames Merkmal der Tentakelmuskulatur von Carma-
rirui und von Pelagia ergibt sich somit die Gestalt und Struktur ihrer
Muskelfasern, sowie die Anordnung derselben an den Wänden der
Muskelfalten. Während aber bei Carmarina die Muskelzellen epithelial
geblieben sind, sind sie bei Pelagia vollständig aus dem Epithel aus-
getreten, was vielleicht mit der Ausbildung der Muskelfalten zusammen-
hängt. Auch besteht bei Pelagia in den Tentakeln ebenso, wie in der
übrigen Muskulatur jede Muskelzelle aus einem Zellkörper und einer
Muskelfaser, bei Carmarina gehören mehrere Muskelfasern zu jedem
Myoblast.
Sehr interessant ist das Verhalten der Tentakel von Carmarina
bei der Kontraktion, die ja hier einen ganz enormen Umfang erreicht i.
Wenn die Tentakel ausgestreckt sind, kann man feststellen, daß die
großen Nesselzellen um die Tentakelachse in Ringen angeordnet sind,
welche durch nesselzellfreie Epithelstreifen voneinander getrennt sind.
Bei der Kontraktion verkürzt sich die Stützlamellenachse außerordent-
lich und nimmt an Umfang zu. Das weniger elastische Epithel legt
sich aber in Falten (Textfig. 5) und zwar immer so, daß die Nessel-
zellen an die Oberfläche zu liegen kommen und die nesselzellfreien
Teile des Epithels bedecken.
5. Zusammenfassung.
Aus den mitgeteilten Tatsachen geht hervor, daß die Muskulatur
der Medusen in ihrer Ausbildung eine große Mannigfaltigkeit zeigt.
Dieselbe äußert sich in dem Grade und in der Art der Faltung der
Muskellamelle, sowie in dem mehr oder weniger vollständigen Aus-
treten der Muskelzellen aus dem Körperepithel, ferner im Verhältnis
1 Es ist sehr schwer, die Tentakel ausgedehnt zu fixieren, da Lösungen
von Magnesiumchlorid oder Magnesiumsulfat, welche eine vollständige Lähmung
der übrigen Muskulatiu- von Carmarina bewirken, gar keinen Einfluß auf die Ten-
takelmuskulatur haben. Nachdem die Tentakeln mehrere Stunden in den genannten
Lösungen verweilten, blieben sie noch vollständig kontraktionsfähig. Dies wurde
auch schon von A. Bethe (1903) beobachtet. Eine Fixierung der gestreckten
Tentakeln kami man nur dadurch erzielen, daß man eine Carmarina durch all-
mähliches Zugießen von Formol zum Seewasser absterben läßt, und nachträghch
mit FLEMMiNOscher Lösung oder Subhmat fixiert.
21*
316 Sophie Krasinska.
des Zellkörpers (Myoblast) zur Muskelfaser und der Struktur der Muskel-
fasern selbst.
Es lassen sich zwei Typen der Faltung der Muskellamelle unter-
scheiden. Als Beispiele des ersten, welcher in der Körperniuskulatur
der Medusen allgemein vorkommt, können die Subumbrella von Pe-
lagia (Taf.VII, Fig. 10) und das Manubrium yon Carmarina (Taf. VIII,
Fig. 27) dienen. Das Ectoderm ist hier nur durch eine dünne Stütz-
lamelle oder durch eine schwach entwickelte Gallertschicht vom Ento-
derm getrennt. Die Faltung kommt dadurch zustande, daß dünne
Stützlamellenleisten, sozusagen in das Ectoderm emporwachsen. Dabei
ist ein vollständiger Austritt der Muskelzellen aus dem Epithel bei den
Medusen noch nicht beobachtet worden, obwohl die Falten manchmal
eine sehr große Höhe erreichen (Manubrium von Carmarina).
Einen andern Typus der Faltung zeigen die Tentakeln von Pelagia.
(Textfig. 3, S. 308). Hier senken sich vom Ectoderm aus tiefe Muskelfalten
in die dicke Stützlamellehinab, wobei die Falten durch Einschnürungen
der Stützlamelle in einzelne Partien zerlegt werden können. Ein Austritt
der Muskulatur aus dem Epithel kann hier schon bei ganz schwacher
Faltung vorkommen, indem sich ganz seichte Falten vom Epithel
vollständig abschnüren. Ein derartiger Faltungsvorgang scheint bei
den Coelenteraten überall da vorzukommen, wo eine dicke Stütz-
lamelle, oder ein mächtiges Mesenchym zwischen Ento- und Ectoderm
liegen (vgl. 0. und R. Hertwig (1879), C. Claus (1878, 2).
Einen Übergang zwischen beiden Typen stellen die Tentakeln
von Carmarina (Textfig. 4. S. 311) vor, denn die Stützlamellenleisten
sind hier sehr dick und ihre Enden ^vtdstförmig verdickt, wodurch die
Muskelfalten etwas vom Epithel abgetrennt werden.
Eine sehr eigentümliche Ausbildung der Muskulatur zeigt die
Subumbrella von Neoturris und .4e5'worea (Taf. VII, Fig. 3 u. 4). Ober-
halb der circulären Muskelfaserschicht und ihrer Myoblasten ist hier eine
Epithelschicht entwickelt worden, welche an ihrer Basis glatte radiale
Muskelfasern gebildet hat. Die circulären und radialen Muskelfasern
kreuzen sich unter rechten Winkeln, und es wäre vielleicht erlaubt, in
dieser Ausbildung der Muskulatur eine Art von sehr primitivem Muskel-
schlauch za sehen. Die gesamte circuläre Muskulatur liegt hier sub-
epithelial, da sie nach außen von der zweiten Epithelschicht bedeckt
ist; eine Faltung der Muskellamelle ist jedoch nur in der Nähe des
Schirmrandes vorhanden.
Aus dem eben Gesagten geht klar hervor, daß zwischen der Faltung
der Muskellamelle und dem Austreten der Muskelzellen aus dem Epi-
Beiträge zur Histologie der Medusen. 317
thel gar keine Proportionalität herrscht. Echte Epithel muskel -
Zeilen finden wir ebensowohl in den Tentakeln von Neoturris und
Aequorea und der Subumbrella von Carmarina (Taf. VII, Fig. 1 und 2),
wo die Muskellamelle ungefaltet bleibt, — als in der Subumbrella
von Pelagia, (Taf. VII, Fig. 10 und 11), wo sie stark gefaltet ist. Auch
in dem Manubrium und in den Tentakeln von Carmarina (Taf. VII,
Fig. 15; Taf. VIII, Fig. 27), bei der stärksten Faltung der Muskel-
lamelle, sind die Muskelzellen mehr oder weniger vollständig
epithelial geblieben.
Nur die Muskelzellen der Tentakeln von Pelagia (Tai. VIII,
Fig. 17 und 20) und der Subumbrella von Neoturris und Aequorea
(Tai. VII, Fig. 3 und 4) sind vollständig aus dem Epithel aus-
getreten. Dabei ist im ersteren Fall die Muskellamelle stark ge-
faltet, in den beiden letzteren dagegen kommt eine Faltung nur in der
Nähe des Schirmrandes vor, der größte Teil der Subumbrellarfläche
besitzt eine vollständig glatte Stiitzlamelle und subepithelial gelegene
Muskelzellen.
0. und R. Hertwig (1880) haben ein Schema der Entwicklung
der epithelialen Muskelfaserschicht zu selbständigem Muskelgewebe
aufgestellt. Die Tätigkeit der Muskulatur soll ihre Volumzunahme
verursachen, die zur Faltung der Muskellamelle führe, letztere rufe
schließlich das Austreten der Muskelzellen aus dem Epithel hervor.
>>So ist in letzter Instanz die Muskeltätigkeit als der Faktor zu be-
zeichnen, der aus dem Epithelnmskelgewebe ein selbständiges Muskel-
gewebe macht << (vgl. S. 262, vorn).
Die eben zusammengestellten Befunde passen in dieses Schema
nicht. Es herrscht unzweifelhaft eine Proportionalität zwischen der
Muskeltätigkeit und der Faltung der Muskellamelle, da eine Ver-
mehrung der Zahl der Muskelfasern nur bei gleichzeitiger Faltung der
Muskellamelle zustande kommen kann. Da aber zwischen der Faltung
und dem Austreten der Muskelzellen aus dem Epithel gar keine Pro-
portionalität herrscht, und da ferner die Muskelzellen auch da aus
dem Epithel austreten können, wo gar keine Faltung vorkommt, läßt
sich bei den Medusen die Muskeltätigkeit keinesfalls als der Faktor
bezeichnen, welcher zur Bildung eines vom Epithel abgelösten Muskel-
gewebes führt.
In der Subumbrella von Neoturris und Aequorea steht jedenfalls
der Austritt der circulären Muskulatur aus der Körperoberfläche, mit
der Ausbildung einer zweiten radialen Muskelfaserschicht außerhalb
der circulären im Zusammenhange. In den Tentakeln von Pelagia,
318 Sophie Krasinska,
ist es die schon beschriebene abweichende Ausbildung der Muskelfalten,
welche ein frühzeitiges Austreten der Muskelzellen aus dem Epithel
bedingt.
Die Muskulatur der Medusen setzt sich im allgemeinen
aus einzelnen gut individualisierten Muskelzellen zusam-
men. So besteht die gesamte Muskulatur von Pelagia, sowie die Ten-
takelmuskulatur und die circuläre Muskelfaserschicht der Subumbrella
von Neoturris und Äequorea aus leicht isolierbaren Muskelzellen. Bei
Carmarina konnten individualisierte Epithelmukelzellen in der Sub-
umbrella und im Manubrium nachgewiesen werden, in den Tentakeln
wurden die Verhältnisse allerdings nicht aufgeklärt und es ist nicht
ausgeschlossen, daß hier eine Verschmelzung von Epithelmuskelzellen
vorkommt. — Soweit sich feststellen ließ, scheint die zu einer Zelle
(Myoblast) gehörende Muskelfaser keine sekundären Verbindungen mit
den andern Epithelzellen unter welchen sie verläuft, einzugehen, so
daß die Muskelfasern nur mit ihren Myoblasten in Ver-
bindung stehen.
Während aber bei Pelagia, Neoturris und Äequorea
zu jedem Myoblast eine einzige Muskelfaser gehört, scheidet
bei Carmarina jeder Myoblast mehrere Muskelfasern ab.
Ganz anders als die besprochene Muskulatur der Me-
dusen verhält sich die radiale Subumbrella muskulatur von
Neoturris und Äequorea. Hier haben sich an der Basis
eines flachen Epithels ohne deutliche Zellgrenzen, radiale Muskel-
fasern gebildet, die miteinander anastomosieren. Das langmaschige
Fasernetz, welches dadurch entsteht, erstreckt sich kontinuierhch
unter dem ganzen Epithel, ohne daß man einzelne Muskelfasern unter-
scheiden kann. Es läßt sich hier weder von individualisier-
ten Zellen, noch von individualisierten Muskelfasern spre-
chen; das gegenseitige Verhältnis beider ist nicht bestimmt
festzustellen.
Die circuläre Muskelfaserschicht der Subumbrella und
des Velums besteht bei allen untersuchten Medusen aus quergestreiften,
die radiale aus glatten Muskelfasern. Die Tentakelmuskulatur von
Carmarina und Pelagia ist ebenfalls glatt. Der Unterschied zwischen
den glatten Muskelfasern der Tentakeln und denen des Manubriums
und der Mundarme ist sehr bedeutend, indem die ersteren eine aus-
gesprochen fibrilläre Struktur besitzen, die letzteren keine Spur davon.
Die Querstreifung der circulären Muskulatur ließe sich vielleicht
mit der Rhythmik der Schirmkontraktionen, oder mit der intensiven
Beiträge zur Histologie der Medusen. 319
Arbeit, welche sie zu leisten hat, in Zusannnenhang bringen, — die
fibrilläre Struktur der Tentakelmuskeln mit ihrer außerordentlich
großen Kontraktionsfähigkeit.
Auf Grund der eben zusammengestellten Tatsachen und der Be-
funde andrer Forscher kann man die Muskulatur der vier Haupt-
gruppen der Medusen etwa folgendermaßen charakterisieren.
Die Antho- und Leptomedusen, soweit dieselben von den
Hertwigs (1878) und mir untersucht wurden, haben immer eine glatte
Stützlamelle und echte Epithelmuskelzellen in den Tentakeln. In
der quergestreiften Muskulatur der Subumbrella sind die Myoblast-
zellen immer sehr klein und niedrig (vgl. Taf. VII, Fig. 10, Neoturris),
unabhängig davon, ob sie subepithelial {Aequorea, Neoturris) oder epi-
thelial liegen {Lizzia, Mitrocoma, nach 0. und R. Hertwig). Bei
Neoturris und Aequorea kommt in der Subumbrella eine spärliche
radiale Muskelfaserschicht oberhalb der circulären zur Ausbildung
(Taf. VII, Fig. 7). Eine ähnhche radiale Muskulatur wurde in der
Subumbrella von Lizzia beobachtet (0. und R. Hertwig [1878]), ist
aber auf die Gegend der Radialkanäle beschränkt. Durch ihren syn-
cytialen Charakter unterscheidet sich diese radiale Muskulatur von
der gesamten übrigen Muskulatur der Medusen; sie wurde bisher bei
Trachymedusen und Acraspeden nie angetroffen.
Die Ausbildung der Muskulatur von Pelagia darf nicht als für
die ganze Gruppe der Acalephen charakteristisch angesehen werden.
Die Muskulatur von Rhizostoma, welche von Hesse (1895) untersucht
wurde, ist jedenfalls von derjenigen der Pelagia sehr verschieden. Bei
Pelagia fällt der Unterschied zwischen den sehr hohen Epithelmuskel-
zellen der Subumbrella (Taf. VII, Fig. 11) und den sehr kleinen Zell-
körpern der ganz subepithelial gelegenen Muskelzellen der Tentakeln
auf (Taf. VIII, Fig. 21). Wir begegnen bei dieser Meduse einer ganz
epithelialen Muskulatur in der Subumbrella, in den Tentakeln dagegen
der vollkommensten Verlagerung der Muskulatur unter das Epithel,
und zwar in eigentümlich typischer Weise, wie sie nur noch bei Cha-
ryhdea gefunden wurde.
Die gesamte Muskulatur von Carmarina hastata wird durch das
Verhalten der Myoblasten charakterisiert, von denen jeder mehrere
Muskelfasern bildet. Es ist nicht aufgeschlossen, daß diese Eigentüm-
lichkeit nicht nur bei den Geryoniden, sondern in der ganzen Gruppe
der Trachymedusen weiter verbreitet ist. Aus der Arbeit der Gebr.
Hertwig (1878) geht hervor, daß bei den Aeginiden, Trachyne-
miden und Gervoniden die circuläre subumbrellare Muskelschicht
320 Sophie Krasiuska,
von großen flachen Epithelzellen, ebenso wie bei Carmanna überdeckt
ist; es scheint deshalb möglich, daß diese Epithelzellen wie bei Carma-
rina mit mehreren Muskelfasern zusammenhängen. Meine eignen Be-
obachtungen an Macerationspräparaten und Schnitten von Aeginiden
ergaben, daß in ihrer Subumbrella das Verhältnis der Myoblasten zu
den Muskelfasern das gleiche sein muß wie bei Carmanna.
Die Tatsache, daß bei Carmanna eine Zelle mehrere Muskelfasern
bildet, steht nicht vereinzelt da. So haben z. B. Blochmann und B.
Bettendorf für die Muskulatur der Trematoden und Cestoden fest-
gestellt, daß mehrere Muskelfasern mit einem Myoblast zusammen-
hängen. Für die Siphonophoren wurde das gleiche von Th. Schaeppi
(1903) gefunden. Allerdings behauptet letzterer, daß nicht nur jede
Zelle mit mehreren Muskelfasern zusammenhängt, sondern jede Muskel-
faser auch secundär mit mehreren Zellen in Verbindung trete. Ist das
wirklich der Fall, so hat die Muskulatur der Siphonophoren einen
andern Charakter als die von Carmarina.
II. Nesselzellstiele.
Ich reihe hier die Besprechung der Nesselzellstiele an, obwohl ihre
muskulöse Natur noch keinesfalls als sicher bewiesen gelten kann.
Über die Natur der Nesselzellstiele werden die verschiedensten Meinun-
gen geäußert. Manche Autoren, z. B. Hamann (1882), Lendenfeld
(1897), IwANZOFF (1896), K. C. Schneider (1890, bei Fcnnaria) halten
sie für Stützgebilde. Andre, so z. B. Chun (1891, 1892), Will (1909),
Murbach (1893, 1894), K. C. Schneider (bei Hydra und Carmarina)
(1890, 1892), Toppe (1910) erklären sie für muskulös. Eine dritte
Ansicht vertritt J. Hadzi (1909), der sie für Bildungen eigner Art
hält, die elastische und muskulöse Eigenschaften in sich vereinigen.
Von den genannten Autoren wurden die verschiedensten Coelen-
teraten untersucht : craspedote und acraspede Medusen, Siphonophoren
und Actinien. Es hat sich herausgestellt, daß die Nesselzellstiele recht
verschieden sein können, daß sie z. B. in manchen Fällen mit musku-
lösen Differenzierungen der Nesselzelle in Verbindung stehen, während
solche Differenzierungen bei andern Nesselzellen vollständig fehlen.
Ich halte es für verfehlt, von den »Nesselzellstielen« im allgemeinen
zu reden, und auf Grund der bei einzelnen Coelenteraten gefundenen
Verhältnisse diejenigen bestreiten zu wollen, welche bei andern Formen
gefunden wurden. Ich beschränke mich daher auf die Besprechung
der Befunde solcher Forscher, die ebenso wi« ich die Nesselzellstiele
von Carmarina hastata und Pelagia noctiluca untersuchten.
Beiträge zur Histologie der Medusen. 321
Unter den Forscliern, welche die Nesselzellstiele von Carmarina
untersuchten, erklärten sie Hamann (1882) und Iwanzoff (1896) für
8tützgebilde, K. C. Schneider (1893) und Toppe (1910) dagegen für
Muskeln. Während Iwanzoff nur bemerkte, daß er keine Beweise
für ihre muskulöse Natur finden konnte, begründete Hamann seine
Ansichten damit, daß die Stiele mit der Stützlamelle verwachsen seien,
und sie sich wie letztere mit Pikrocarmin rosa färben.
Das färberische Verhalten der Nesselzellstiele und der Stütz-
lamelle ist indessen andern Farbstoffen gegenüber ein grundverschie-
denes: Die Stiele färben sich, wie die Muskelfasern sehr intensiv mit
Eosin, Fuchsin S, und Safranin, — während die Stützlamelle diese
Farbstoffe nicht annimmt. Auf Schnitten, die nach der Mallory-
Methode behandelt wurden, sind die Stiele intensiv rot, die Stützlamelle
intensiv blau, und man kann deutlichst feststellen, wie die zer-
faserten Stielenden und die faserigen Auswüchse der Stützlamelle inein-
andergreifen i. (Textfig.ö, S. 314). An den Tentakeln differenziert das
Eisenhämatoxylin ebenfalls sehr scharf die Stiele, welche sich intensiv
schwarz färben {st.d.nz.) von der Stützlamelle {stl), die hier nur schwach
grau erscheint (Taf. VII, Fig. 15, Carmarina, Taf. VIII, Fig. 22, Pehgia).
Das starke Lichtbrechungsvermögen der Stiele und ihre Längsstreifung
machen sie den Muskelfasern außerordentlich ähnlich. Deshalb gleichen
die Stiele von Carmarina und Pelagia viel mehr Muskel- als Stütz-
gebilden. Ihre vermutHche Funktion bei der Entladung der Nessel-
kapseln ziehe ich als Beweis ihrer muskulösen Natur nicht heran, da
ja diese Wirksamkeit noch nicht als sicher bewiesen gelten kann.
Daß die Stiele neben muskulösen Eigenschaften auch elastische
haben können, ist sehr wahrscheinlich, denn wie es Hadzt hervor-
gehoben hat, wird bei der Kontraktion der Tentakeln das Tentakel-
epithel ungemein höher, die Nesselkapseln bleiben aber immer an
seiner Oberfläche, so daß sich die Stiele bedeutend verlängern müssen,
Hadzi (1909) hat die Dehnung der Nesselzellstiele von Tubularien und
Campanularien direkt beobachtet, dasselbe ließe sich wohl auch bei
Pelagia und Carmarina unschwer feststellen.
Carmarina.
Wie BouLENGER (1910) und Hadzi (1911) bewiesen haben, wan-
dern die Nesselzellen bei Carmarina vom Schirmrand aus in die Ten-
takeln hinein. Boulenger bildet einen Längsschnitt durch die Ten-
1 0. Toppe (1910) gibt ausgezeichnete Abbildungen der Verwachsung der
Nesselzellstiele von Pelagia und Carmarina mit der Stützlamelle.
322 Sophie Krasiiiska,
takel Wurzel ab, auf dem man die Einwanderung der Nesselzellen in
die Muskelfalten sehen kann. Auch meine Präparate beweisen, daß
eine solche Einwanderung tatsächlich stattfindet. Denn erstens findet
man frühe Entwicklungsstadien der Nesselkapseln ausschließlich am
Schirmrand, wo nie explosionsfähige aufgestellte Kapseln vorkommen,
zweitens sind in den Tentakeln reife, an der Epitheloberfläche auf-
gestellte Kapseln massenhaft vorhanden, aber frühe Entwicklungs-
stadien kommen in den Tentakeln nie vor, drittens findet man parallel
zur Tentakelachse wandernde Nesselzellen in der Tiefe der Muskelfalten,
Unterhalb des Nesselwulstes des Schirmrandes liegt ein Strang embryona-
ler Zellen, der unzweifelhaft die Bildungszellen der Nesselkapseln liefert.
In den Nesselzellen, welche man in den Muskelfalten wandernd
antrifft, ist die Nesselkapsel immer schon angelegt, ich ver-
mute jedoch, daß ganz reife Nesselzellen nicht mehr wandern.
Ein letzter chemischer Reifungsprozeß läßt sich im Moment der Auf-
stellung der Nesselkapseln durch geeignete Färbungsmethoden nach-
weisen. Mit der MALLORY-Methode färben sich die in der Tiefe der
Muskelfalten liegenden Nesselkapseln blau und nur der Achsenteil
ihres Fadens wird rot, die aufgestellten Nesselkapseln dagegen orange ;
blau bleibt nur die Kapselmembrau. Der Umschlag in der Färbung
kommt zustande während die Nesselzellen aus der Tiefe der Muskel-
falten gegen die Oberfläche rücken. Man kann alle Übergänge zwischen
rein blauen und orangen Kapseln beobachten. Der Reifungsprozeß
scheint aber nicht immer im gleichen Moment stattzufinden, denn
man findet Nesselkapseln, die schon orange gefärbt sind, wenn sie
ihre Stiele zu bilden anfangen, und bläulich gefärbte aufgestellte Kapseln.
Eisenhämatoxylin differenziert die unreifen und reifen Nesselkapseln
gleichfalls recht scharf. Die unreifen Kapseln werden ganz schwarz
gefärbt, dann werden sie allmählich heller, bis nur der Nesselfaden
dunkel bleibt, die meisten aufgestellten Kapseln sind ganz farblos
(Taf. VII, Fig. 15 gr.nz). Wegen dieser Färbungsunterschiede vermute
ich, daß die wandernden Nesselkapseln noch nicht explosionsfähig sind.
Eine andre Ansicht vertritt J. Hadzi (1909), der bei Campanularia
und Tuhularia ebenfalls Färbungsunterschiede zwischen den wandern-
den und aufgestellten Kapseln beobachtete, aber doch die Explosions-
fähikeit der wandernden Cniden behauptet.
Auf Schnitten bemerkt man in den meisten Muskelfalten nur
wenige wandernde Nesselzellen (Taf. VII, Fig. 15 grr.nz.); manchmal
ist jedoch die Falte von Nesselzellen ganz erfüllt, in solchen Fällen
fand ich zuweilen sogar eine teilweise bis vollständige Degeneration
Beiträge zur Histologie der Medusen. 323
der Muskeln. In der Basalregion des äußeren Epithels angelangt, legen
sich die Kapseln mit einer Seite dem distalen Wulste der Stützlamellen-
leiste an {stl.ls.), wobei der Kern der Nesselzelle immer basal liegt.
Nun beginnt die Bildung der Stiele. "Wie Hadzi (1909) hervorhebt,
erreichen die Nesselzellen die Tentakeloberfläche nicht durch Hinauf-
wandern, um dann erst die Stiele zu bilden, sondern durch die Stiel-
bildung selbst. Da die Stielbildung bei Carmarina von einer Seite
der Zelle ausgeht, (Taf. VII, Fig. 15), so entspringen auch bei den
aufgestellten Zellen die Stiele von der den Kern enthaltenden Seite
der Zelle. Dieses hat schon Iwanzoff (1896) bemerkt und richtig
gedeutet. Das Aufrichten der Kapsel geschieht derart, daß die dem
späteren distalen Ende der Kapsel näher liegenden Stiele stärker
wachsen als die andern. Die in einem Anfangsstadium der Stielbil-
dung begriffene Nesselzelle auf Fig. 15 (Taf. Vll) und die nach einem
Macerationspräparat gezeichnete (Fig. 16), mit etwas längeren Stielen
versehene, jedoch cnidocillose und noch nicht aufgerichtete Zelle,
stellen zwei Stadien der Stielbildung vor. Iwanzoff (1896) sah schon,
daß die Nesselzellen immer mehrere Stiele, und zwar meist sieben be-
sitzen, und daß die Stiele bandförmig sind. Ich kann diese Angaben
bestätigen. Die bandförmige Gestalt läßt sich auf Macerationspräpa-
raten feststellen, und folgt aus dem Vergleich von Quer- und Längs-
schnitten durch die Tentakeln. Auf Querschnitten wird die breite
Seite (Taf. VII, Fig. 15), auf Längsschnitten die schmale Seite der
Nesselzellstiele getroffen (Textfig. 5, S.314).
Schneider (1893) fand nur einen Stiel an den Nesselzellen von
Carmarina, was sich nur so erklären läßt, daß er durch Übermacerieren
die andern zum Abfallen brachte. Auch beschreibt er die Stiele als
schlauchförmig. Wenn Iwanzoff neben den gestielten auch stiellose
Nesselzellen beschrieb, so bezog sich dies unzweifelhaft auf noch wan-
dernde Cniden.
Die Nesselzellen von Carmarina lassen sich sehr leicht isolieren
(Taf. VII, Fig. 16). Iwanzoff (1896) gab ausgezeichnete Abbildungen
isolierter Nesselzellen. Die Kapsel ist lang und schmal, ihre Gestalt
läßt sich wohl am besten als schwertförmig bezeichnen ; der Kern liegt
einer Seite der Kapsel an; das Cnidocil ist ziemlich kurz. Die band-
förmigen Nesselzellstiele zeigen eine feine Längsstreifung, sind sehr
stark lichtbrechend, färben sich intensiv mit Hämatein lA, und sehen
überhaupt wie Muskeln aus. Auf Macerationspräparaten scheinen sie all-
mählich in das Plasma der Nesselzelle überzugehen. Ihre basalen
Enden sind oft zerfasert.
324 Sophie Krasiriska,
Auf Schnitten, wo die Stiele mit Eisenhämatoxylin intensiv schwarz
gefärbt sind, kann man jedoch feststellen, daß die Stiele nicht allmählich
in das Zellplasma übergehen, wie es auf Macerationspräparaten zu
sein scheint, sondern sich in eine Membran fortsetzen, welche die ganze
Nesselzelle mit Kern und Plasma wie ein Mantel umschließt. Diese
Membran scheint kontinuierlich in das Cnidocil überzugehen (Taf. VII,
Fig. 15 gr.nz). Wenn man die Stiele der Nesselzellen als muskulös deutet,
so ist man wohl gezwungen, auch dieser Membran muskulöse Natur
zuzuschreiben. Auf Querschnitten durch die Nesselzellen umgibt die
Membran in zickzackförmiger Linie allseits den runden Querschnitt
der Kapsel. Sie ist nicht überall gleich dick, vielmehr lassen sich in
ihr Verdickungen bemerken, die eine Verlängerung der Nesselzellstiele
bilden. Die großen Nesselzellen von Carmarina entbehren der feinen
protoplasmatischen Stiele, welche vielen Nesselzellen zukommen; außer
den eben beschriebenen mächtigen Stielen tragen sie keine proximalen
Anhänge.
Außer den großen Nesselzellen kommen in den Tentakeln von
Carmarina noch kleine vor (Taf. VII, Fig. 12 und Fig. 15 kl.nz).
Diese Kapseln sind oval, färben sich mit Eisenhämatoxylin schwarz,
mit Mallory orange, und erscheinen auf Schnitten völlig homdgen.
Auf Macerationspräparaten (Taf. VII, Fig. 12 a — h) nimmt die Kapsel
einen stahlgrauen Ton an, und man kann im Innern derselben einen
feinen Faden bemerken, der vom Distalpol ausgeht und wahrscheinlich
der Anfangsteil des Nesselfadens ist. Da dieser Faden sehr dünn ist,
handelt es sich möglicherweise um die von Bedot (1890) als Spiro -
cyten bezeichneten Nesselzellen, die einen nicht umstülpbaren Faden
enthalten sollen. Ich habe diese kleinen Nesselkapseln nie explodiert
gesehen.
Die kleinen Kapseln sind wie die großen schief zur Oberfläche
des Epithels gerichtet ; ihr Cnicocil ist länger als der der großen (Taf. VII,
Fig. 12). Der rundliche Kern liegt der Kapsel basal an, und enthält
viele intensiv färbbare Körner. Die Nesselzelle ist sehr plasmaarm
und läuft basal in eine feine Faser aus, die einer Nervenfibrille gleicht.
Auf Schnitten bemerkt man manchmal eigentümliche Zellen im Epithel,
die vielleicht als Bildungszellen kleiner Nesselkapseln gelten könnten;
deshalb bin ich geneigt anzunehmen, daß die kleinen Nesselzellen in
den Tentakeln selbst entstehen.
Außer den Nesselzellen kommen im Tentakelepithel noch zahl-
reiche kleine Zellen mit runden Kernen vor, die ich für kleine Gan-
glienzellen halte, sie laufen in feine Fasern aus (Taf. VII, Fig. 14
I
Beiträge zur Histologie der Medusen. 325
und 15 kl. Gz). An der Epitheloberfläche liegen ferner ähnliche, gleich-
falls in feine Fasern auslaufende Zellen, die an ihrem Distalende lange
über die Oberfläche hervorragende Borsten tragen, weshalb ich sie
als Sinneszellen deute (Taf . VII, Fig. 13 und 15 Sz). Alle beschriebenen
Zellen sind in eine faserige Plasmamasse eingebettet, die den Distal-
enden der Epithelmuskelzellen angehört. Stützzellen habe ich bei
Carmarina nie gesehen. Es ist zu vermuten, daß hier wie überall
die Nessel-, Ganglien- und Sinneszellen zwischen den Epithelzellen
und nicht in ihnen liegen. Man kann dies aber hier nur aus der Analogie
mit andern Medusen erschließen, die gefundenen Bilder geben keinen
Aufschluß darüber.
Wie erwähnt, sind die großen Nesselzellen von Carmarina an den
Tentakeln in Wirtein angeordnet. Bei der Maceration haften die neben-
einander angeordneten Nesselzellen zusammen, und man erhält Epithel-
streifen, die aus einer einzigen Reihe von Nesselzellen bestehen. In
diesen Streifen kann man sich am besten über die gegenseitige Lage
der Nessel-, Ganglien- und Sinneszellen orientieren. Zahlreiche Sinnes-
und Ganglienzellen liegen im distalen Teil des Epithels zwischen den
Nesselzellen, aber sehr viele Ganglienzellen finden sich auch tiefer
zwischen den Stielen. Bei weiterer Maceration lassen sich die scharf
konturierten Nessel-, Ganglien- und Sinneszellen außerordentlich leicht
aus der faserigen Plasmamasse ausschälen, und finden sich zahlreich
und gut isoliert vor.
Da ich bei Pelagia zu den Nesselzellstielen gehörende Kerne fand,
vermutete ich vorübergehend, daß die zahlreichen, bei Carmarina
zwischen den Nesselzellstielen vorkommenden Kerne der Ganghen-
zellen, zu den Nesselzellstielen gehören könnten^. Bessere Macerations-
präparate, in denen sich die kleinen Ganglienzellen vollständig isolieren
ließen, sowie die auf Schnitten und in Macerationspräparaten vor-
kommenden Bilder der Stielbildung überzeugten mich jedoch, daß
die Stiele von den großen Nesselzellen selbst gebildet
werden.
P ela g i a.
Das Tentakelepithel von Pelagia (Taf. VIII, Fig. 20 und Fig. 22)
ist wesentlich anders beschaffen als bei Carmarina: Die wenigen sub-
epithelialen Muskelzellen haben kleine und scharf begrenzte Zell-
körper; es kommen keine Ganglienzellen vor, und SinneszeDen konnten
auch nicht aufgefunden werden, so daß das Epithel hier im wesent-
1 Vgl. S. Krasinska (1912).
326 Sophie Krasinska,
liehen aus Stützzellen {stz) großen {nz) und kleinen Nesselzellen
und aus Nesselkapselbildungszellen (62;) besteht.
Die großen und kleinen Nesselzellen scheinen sich nur durch ihre
Dimensionen voneinander zu unterscheiden. Kleine Nesselzellen finden
sich sehr selten; sie haben keine muskulösen Stiege, laufen aber basal
in einen dünnen protoplasmatischen Stiel aus.
Die großen Nesselzellen sind immer ganz senkrecht aufgestellt
und vollständig symmetrisch gebaut. Der Deckel liegt am peripheren
Ende der Kapsel; das Cnidocil steht senkrecht auf der Epitheloberfläche,
genau oberhalb der Nesselkapsel ; der Kern liegt basal unter der Kapsel
(Taf. VIII, Fig. 22 nz). Der Kern ist klein, etwas flachgedrückt und
färbt sich mit allen Kernfarbstoffen sehr intensiv. Von der Nessel-
zelle ziehen mehrere, allem Anschein nach muskulöse Stiele zur Stütz-
lamelle. Sie sind schmäler wie die von Carmarina und nicht band-
förmig. Mit Eisenhämatoxylin färben sie sich intensiv schwarz
(Taf VIII, Fig 22 st.d.nz) und sind mit ihren zerfaserten Enden der
Stützlamelle aufgewachsen. Schon auf Schnitten bemerkt man kleine
runde Kerne, die den Stielen dicht anliegen 1. In nicht zu stark ma-
cerierten Präparaten kann man die Nesselzellen im Zusammenhang
mit ihren Stielen isolieren (Taf. VIII, Fig. 18), wobei sich deuthch
zeigt, daß jedem Stiel ein Protoplasmaklümpchen mit Kern anhaftet
(k.d.st.). Die Nesselzellstiele trennen sich leicht von der Nesselzelle,
Jeder Stiel mit Kern und Plasma repräsentiert eine selbständige Muskel-
zelle, — die mit Stielen versehene Nesselzelle der Pelagia — also einen
mehrzelligen Apparat.
An Nesselzellen, deren Stiele sich abgelöst haben, kann man sehen,
daß die Zelle außer den dicken Stielen noch einen dünnen, basalen,
protoplasmatischen Fortsatz besitzen (Taf. VIII, Fig. 19 pr.st), der bis
zur Stützlamelle zieht. Solche protoplasmatischen Stiele wurden von
vielen Forschern, so z. B. von Lendenfeld, als nervöse Fortsätze
gedeutet.
Die Stützzellen des Tentakelepithels haben einen ausgesprochen
drüsigen Charakter und tragen an ihrem freien Ende ein langes Wimper-
haar (Taf. VIII, Fig. 23). Der runde Kern liegt basal und ist viel
heller als die Kerne der Nesselzellen, und die im tiefen Teil des Ecto-
derms liegenden Kerne gefärbt. Basalwärts verschmälern sich die
Zellen zu einem Fortsatz, der zur Stützlamelle zieht, und dem musku-
lösen Stiele der Nesselzellen gleicht.
1 0. Toppe (1910) hat die Kerne der Nesselzellstiele bei Pelagia gesehen,
und vermutet, daß die Stiele selbständige Muskelzellen sind.
Beiträge zur Histologie der Medusen. 327
Im basalen Teil des Epithels, zwischen den Stielen der Nessel-
und Stützzellen, liegen die Nesselkapselbildunuszellen (Taf. VIII,
Fig. 22 bz), — außerdem verläuft dicht auf der Stützlamelle ein Gewirr
feinster Nervenfibrillen (Nfl). Die Bildungszellen {62) erscheinen sehr
verschieden in ihren verschiedenen Entwicklungsstadien. Die hier in
allen Stufen der Entwicklung vorkommenden Bildungszellen werden
frühzeitig oval, und stehen mit ihrer Längsachse immer senkrecht zur
Stützlamelle. Parallel zur Längsachse der Tentakel liegende Nessel-
zellen fand ich bei Pelagia nie. Daraus schließe ich, daß bei Pelagia —
im Gegensatz zu Carmarina — die Nesselzellen in den Tentakeln selbst
entstehen, daß hier also keine Nesselzellwanderung stattfindet.
Außer den beiden beschriebenen Nesselzellarten kommt bei Pe-
lagia noch eine dritte, viel größere vor, die sich durch vollkommen
runde Gestalt und eine außerordentlich dicke Kapselmembran aus-
zeichnet 1. Man trifft sie in den Mundarmen und den Nesselwarzen
der Exumbrella. Überall, wo sich diese großen Nesselzellen finden,
treten auch ihre Bildungszellen auf. Somit scheint eine Nessel-
ze 11 Wanderung hei P elag ia überhaupt nicht vorzukommen.
Einen erheblichen Unterschied zeigen die Nesselkapselbildungs-
zellen bei Carmarina und Pelagia. Im Nesselwulst des Schirmrandes
der ersteren kann man öfters die charakteristischen Bilder sehen,
welche von vielen Forschern als Beweis für die Bildung des Nessel-
fadens außerhalb der Kapsel gedeutet werden. Dagegen zeigen
die Bildungszellen der PeZa^m-Tentakeln sehr deutlich, daß der Faden
hier in der Kapsel entsteht.
Ich hebe diesen Punkt hervor, da die Entwicklung der Nessel-
kapseln noch immer ungenügend bekannt ist. Es könnten viele zweck-
lose Diskussionen vermieden werden, wenn man zugeben würde, daß
die Nesselkapseln verschiedener Coelenteraten sich nicht nur in ihrer
Form und Größe, sondern auch in ihrer Entstehungsweise voneinander
imterscheiden können.
Das Schicksal der Nesselzellen nach der Explosion der Kapsel
blieb bisher beinahe unberücksichtigt. Die Kapsel wird unzweifelhaft
kurz nach der Explosion aus dem Gewebe ausgestoßen. In jedem
Präparat liegen zahlreiche explodierte Nesselkapseln in der Nähe der
Tentakel, bei Carmarina z. B. habe ich nie explodierte Kapseln im
Epithel gefunden Es wäre möglich, daß auch die Nesselzelle nach-
1 In ToppEs Abhandlung (1910) findet sich eme treffliche Abbildung dieser
Nesselkapseln.
328 Sophie Krasiuska,
träolich ausgestoßen wird, doch sah ich nie Bilder, die auf ein Aus-
stoßen der Zellen hingewiesen hätten.
Bei Carmarina, deren Nesselzellstiele so ansehnlich und mit der
Stützlamelle so fest verwachsen sind, ist ein Ausstoßen der Zellen
samt den Stielen schwer denkbar. Die etwaige Annahme, daß die
Nesselzellen samt ihren Stielen im Gewebe bleiben und als Stützzellen
weiter funktionieren, scheint jedoch ausgeschlossen, da, wie oben her-
vorgehoben wurde, gar keine Stützzellen im Tentakelepithel von
Carmarina vorkommen, und da Stiele ausschließlich in der Nähe der
Nesselkapseln vorhanden zu sein scheinen. Bei dem steten Verbrauch
von Nesselkapseln müßte aber die Anhäufung von Stielen im Ten-
takelepithel eine ganz ungeheure sein. Es scheint daher die Annahme
möglich, daß die Stiele allmählich resorbiert werden, wobei allerdings
dieser Prozeß im Tentakelepithel andauernd stattfinden müßte Die
Entscheidung dieser Frage wird wohl recht schwierig sein.
Bei Carmarina kommen manchmal im Tentakelepithe] verein-
zelte Stiele vor, die mit keiner Nesselzelle zusammenhängen und sich an
einem der beiden Enden kolbenförmig verdicken; welchem Ende ein
großer Kern ansitzt. Da von Anfang an die Stiele am äußeren Ende
mit der Nesselzelle, am basalen mit der Stützlamelle verwachsen sind,
so ist die Bedeutung solcher Bilder höchst rätselhaft. Es wäre möglich,
daß hier eine Art Phagocytose vorliegt, wobei der Nesselzellstiel durch
den Kern an seinem Ende resorbiert würde.
Bei Pelagia liegen die Verhältnisse anders; möglicherweise werden
die Nesselzellen hier sogar ausgestoßen. Die Hauptfrage ist, ob die
eigentümlichen Muskelzellen, welche als Nesselzellstiele funktionieren,
zugrunde gehen, oder sich mit neuen, aus der Basis des Epithels nach-
rückenden Nesselzellen verbinden. Meine Beobachtungen gaben leider
keinen Hinweis darauf, wie diese Verhältnisse liegen mögen.
III. Peripheres Nervensystem.
Pelagia noctiluca
Obwohl der subepitheliale Nervenplexus der Acalephen mit
besonderer Vorliebe untersucht wurde [Schäfer (1878), Claus (1878),
Lendenfeld (1882, 1888), Hesse (1895)], so fehlen meines Wissens
über den Nervenplexus von Pelagia nähere Angaben.
Ein Nervenplexus kommt natürlich auch bei Pelagia vor, und
seine Elemente sind sowohl auf Macerationspräparaten, als auf Schnitten
leicht aufzufinden. Die Verteilung der Ganglienzellen in der Sub-
umbrella konnte ich nicht feststellen, da mir Totalpräparate fehlen.
Beiträge zur Histologie der Medusen. 329
Soweit mau nach Maceratiouspräparaten und Schnitten urteilen
kann, sind die Nervenelemente ziemlich gleichmäßig im Bereich
der circulären Muskelfaserschicht verteilt. Auf radialen und tan-
gentialen Schnitten der Subumbrella liegen die großen Ganglien-
zellen stets subepithelial, etwas nach außen von der Muskelschicht.
Sie treten meist vereinzelt auf, manchmal aber zu je zweien dicht
nebeneinander angeordnet (Taf. VII, Fig. 10 Gz.). Der große runde
Kern färbt sich schwach mit Eisenhämatoxylin und enthält einen
großen schwarzen Nucleolus. Im feinkörnigen Zellplasma sind kleine
runde, intensiv färbbare Körnchen unregelmäßig zerstreut. Von
diesen Ganglienzellen gehen dicke Nervenfasern aus , die sich in
einer Ebene parallel zur Epitheloberfläche ausbreiten. Eisenhäma-
toxylin differenziert in den Nervenfasern fast ausschließlich Nerven-
fibrillen, so daß die Fasern wie Fibrillenbündel erscheinen (Taf. VII,
Fig 10 A7) In den Ganglienzellen dagegen sind nur wenige Fibrillen
gefärbt, so daß man selten eine Fibrille von einem Fortsatz durch die
Ganglienzelle bis in den andern verfolgen kann. Während die meisten
großen Ganglienzellen spindelförmig sind, verlängern sich einzelne
kegelförmig nach oben, und gehen in einen zarten Fortsatz über, der
die Epitheloberfläche erreicht und dort mit einer kleinen Platte endigt
(Taf. VII, Fig. 10 Gz). Manchmal treten Neurofibrillen aus dem Zell-
plasma in diesen Fortsatz ein. Nach Schnitten läßt sich schwer be-
urteilen, ob alle oder nur einzelne Ganglienzellen derart mit der Epithel-
oberfläche in Verbindung stehen, da es ja stets ein glücklicher Zufall
ist, wenn der Schnitt den peripheren Fortsatz trifft. Aufschluß darüber
geben Macerationspräparate, in welchen die meisten großen Ganglien-
zellen spindelförmig erscheinen (Taf. VIII, Fig. 31 b), manche aber auf
einer Seite abgeflacht sind, während bei andren ihre, der Epithelober-
fläche zugekehrte Seite stark vorgewölbt ist (Fig. 31 a). Daraus läßt sich
schließen, daß die spindelförmigen Ganglienzellen in der Tiefe des
Epithels liegen, und nur die seltener vorkommenden vorgewölbten
die Epitheloberfläche erreichen.
Die großen Ganglienzellen sind ungefähr 16 /< lang. Im Gegen-
satz zu den Bildern, welche man auf Schnitten bekommt, erscheint
auf Maceratiouspräparaten das Zellplasma stark fibrillär, was durch
die stärkere Lichtbrechung der Nervenfibrillen verursacht wird, wo-
gegen die Nervenfasern nur eine Andeutung von Längsstreifung zeigen
(Taf. VIII, Fig. 31 a und 6). Sowohl Ganglienzellen, wie Nervenfasern
besitzen eine deutliche Membran. Außer den großen Ganglienzellen
kommen auf Macerationspräparaten noch viel kleinere Zellen vor, die
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CIX. Bd. 22
330 Sophie Krasinska,
nach ihrem Bau ebenfalls Ganglienzellen sein müssen. Sie sind 8 bis
höchstens 11 j« lang, bei einer Breite von 5 — 7 ^i, und können uni-
oder bipolar sein (Taf. VIII, Fig. 34 und 35). Das körnige Plasma
enthält einen runden Kern mit kleinem Nucleolus. Diese kleinen
Gano-lienzellen verlängern sich in feine variköse Nervenfortsätze, die
sich bei den unipolaren Ganglienzellen stark verzweigen, bei den bi-
polaren dagegen meist nur feinste Fibrillen abgeben und eine bedeu-
tende Länge erreichen können.
Die Macerationspräparate zeigen auch Sinneszellen, deren Kern
und Plasma sich wie bei den kleinen Ganglienzellen verhalten (Taf. VIII,
Fig. 32 und 33). Sie liegen zwischen den Epithelmuskelzellen, ihre
freie Oberfläche ist ziemlich breit und mit sehr kurzen, steifen Borsten
besetzt; außerdem tragen sie noch eine lange und feine Geißel, die
man bis in die Kerngegend verfolgen kann. Basalwärts verjüngen
sie sich allmählich, weshalb sie becherförmig aussehen und gehen in
einen feinen Fortsatz über. Meist gabelt sich dieser Fortsatz in kurzer
Entfernung von der Zelle in zw^ei Äste, die unter rechten AVinkeln
abgehen und parallel zur Epitheloberfläche verlaufen (Fig. 32). Diese
Fortsätze sind oft varikös und geben feinste Fäserchen ab. Einmal
gelang es mir, die Verbindung einer solchen Zelle mit einer kleinen
Ganglienzelle zu finden (Fig. 33), wodurch bewiesen ist, daß es sich
hier wirklich um Sinneszellen handelt.
Auf Schnitten sind die kleinen Ganglien- und Sinneszellen schwer
aufzufinden. Sie liegen wie die großen Ganglienzellen etwas nach außen
von der Muskelfaserschicht. Ihre feinen Nervenfortsätze verlaufen in
der Nähe der dicken Nervenfasern (Taf. VII, Fig. 10 kl. Gz). Die Sinnes-
zellen findet man an der Epitheloberfläche ; die Nervenfasern, in welche
sich ihr Basalfortsatz gabelt, verlaufen in derselben Ebene wie die
übrigen Nervenfasern des subepithelialen Plexus.
In der Subumbrella von Pelagia gibt es somit große und kleine
Ganglienzellen, die in Verbindung mit Sinneszellen stehen.
Die großen Ganglienzellen bilden den bei allen Medusen bekannten
subepithelialen Nervenplexus; es wird ihnen allgemein eine motorische
Funktion zugeschrieben. Das Vorkommen kleiner Ganghenzellen und
ihre Verbindung mit Sinneszellen läßt vermuten, daß neben einem
motorischen Plexus noch ein zweiter, vielleicht sensorischer vorkommt.
Es konnten keine Verbindungen zwischen den beiderlei Ganglienzellen
festgestellt werden, weshalb das gegenseitige Verhältnis beider Nerven-
plexus unbekannt bleibt.
Es verlaufen viele Nervenfasern verschiedener Dicke zwischen
Beiträge zur Histologie der Medusen. 33-1
eleu Epithelmuskelzellen, Auf Maceratiouspräparateu sah ich manch-
uial feiuste variköse Nervenfäserchen zwischen den Epithelmuskel-
zellen bis zur Oberfläche aufsteigen.
Somit wäre eine dreifache Verbindung zwischen dem sub-
epithelialen Nervenplexus und der Epitholoberfläche vorhanden, —
und zwar: 1) durch die peripheren Fortsätze der großen
Ganglienzellen, 2) durch die Sinneszellen und 3) durch freie
Nervenendigungen.
Leider kann ich nichts Bestimmtes über die Innervierung der
Muskulatur sagen. Auf Schnitten ist davon nichts zu sehen. In
Macerationspräparaten sah ich zuweilen feinste Fibrillen an die Epi-
thelmuskolzelleu herantreten, und zwar immer an ihren mittleren Teil;
sie schienen mit einer kleinen Anschwellung der Zelloberfläche in
Verbindung zu treten. Auf Taf. VII, Fig. 11, ist die Stelle mit in
bezeichnet. Da ich jedoch solche Bilder nur selten fand und man
bei der Beurteilung der Bilder in Macerationspräparaten nie vorsichtig
genug sein kann, so kann ich diese Befunde nicht als völlig beweisend
ansehen. Es ist aber wahrscheinlich, daß hier, ebenso wie bei Carma-
rina (s. weiter unten), nicht die Muskelfaser selbst, sondern der Myoblast
innerviert wird.
In den Tentakeln von Pelagia kommen große und
kleine Ganglienzellen vor. Alle Ganglienzellen liegen in der Tiefe
der Muskeif alten Taf, VIII, Fig. 17 gz.Gz.M.Gz; im äußeren Epithel findet
man nur ein Gewirr feinster Nervenfäserchen, einen >>Nervenf ilz «, wie
solche Bildungen von 0. und K. Hertwig und andern genannt werden.
Der Nervenfilz liegt zwischen den basalen Enden der Stütz- und Nessel-
zellen (Taf. VIII, Fig. 22 Nflz). Die Tentakeln können somit als klassi-
sches Beispiel für die von 0. und R. Hertwig (1878) aufgestellte Regel
dienen, nach welcher die Verlagerung der Muskulatur in die Tiefe auch
einen vollständigen Austritt des peripheren Nervensystems unter das
Epithel zur Folge hat.
Während die Muskelfasern mit ihren Kernen an den Wänden der
Muskelfalten angeordnet sind, finden sich die Ganglienzellen und ihre
Ausläufer in der Mitte der Muskelfalten (Taf. VIII, Fig. 17 und 20
kl. Gz.gr. Gz). Man trifft meist mehrere kleine Ganghenzellen auf dem
Querschnitt einer Muskelfalte. Obgleich sie auf Schnitten meist uni-
polar erscheinen (Taf. VIII, Fig. 27 kl. Gz), wäre es doch möglich, daß
sie zwei, nicht in einer Ebene liegende Fortsätze haben. Die großen
Ganglienzellen (Taf. VIII, Fig. 17) sind seltener und kommen fast
ausschheßhch in der unpaaren medianen Muskelfalte vor (vgl. Text-
22*
332 Sophie Krasinska,
fig. 3,S.308), welche überhaupt die meisten Nervenelemente zu enthalten
scheint. Die Ganglienzellen sind in einer Masse faserigen Plasmas
eingebettet. Da außer den Muskelzellen, welche kleine und gut be-
grenzte Zellkörper haben, nur noch Ganglienzellen in den Muskel-
falten vorkommen, so scheint die Herkunft dieser faserigen Plasma-
masse unsicher. Möglicherweise handelt es sich um ein Gewirr feinster
Nervenf äserchen, welches durch Aufsplitterung der Ganglienzellenfort-
sätze selbst zustande kommt, also ebenso wie im Tentakelepithel, um
eine Art von Nervenfilz.
Ein solcher Nervenfilz wurde bisher im centralen Nervensystem
der Medusen beschrieben, also bei den Hydromedusen in den beiden
Nervenringen, bei den Acalephen in den Sinnesgruben und an de^ Basis
der Sinneskörper. Er kann dort eine sehr starke Entwicklung erreichen.
Vielleicht ließe sich der Nervenfilz der Medusen mit dem aus dem
Nervensystem andrer Wirbellosen bekannten >>Neuropil<< vergleichen.
Von der faserigen Plasmamasse, in welcher die Ganglienzellen
liegen, sieht man auf Schnitten (Taf. VIII, Fig. 17) zahlreiche Fibrillen-
bündel zu den Muskelfasern ziehen; auf Macerationspräparaten findet
man die Muskelfasern oft von feinsten Nervenf äserchen umsponnen,
so daß eine Innervierung der Tentakelmuskulatur sicher vor-
kommt. Wie bei der Besprechung der Nesselzellstiele schon erwähnt
wurde (S. 326), laufen sowohl die großen, als die kleinen Nesselzellen der
Pelagia-Tentaikel in feine protoplasmatische Stiele aus (Taf. VIII,
Fig. 19). Lendenfeld (1897) und andre Forscher nehmen an, daß es ner-
vöse Fortsätze sind, welche die Innervierung der Nesselzellen besorgen.
Diese Annahme scheint viel für sich zu haben. Wenn die Nesselzellen
überhaupt innerviert sind, geschieht dies jedenfalls mittels dieser
Basalfortsätze, denn andre Nervenfasern scheinen nie an die Nessel-
zellen heranzutreten.
Sinneszellen wurden in den Tentakeln von Pelagia nicht gefunden,
obgleich ihr Vorkommen wegen der Schnelligkeit, mit welcher die
Tentakel auf Reize reagieren, höchstwahrscheinlich ist. •
C a r mar i na h a st ata.
Die Verteilung der Nervenelemente in der Subumbrella von Car-
marina hastata wurde von 0. und R. Hertwig (1878, S. 62) beschrieben.
Stärkere Faserzüge mit zahlreichen Ganglienzellen begleiten die Ränder
der Radialkanäle, sowie die paarigen und unpaaren radialen Muskel-
stränge; sie gehen mit denselben auf den Magenstiel über und bilden
dort einen ziemlich dichten »gangliösen Endplexus<<. In den Muskel-
Beiträge zur Histologie der Medusen. 333
feldern der Subumbrella sind die Ganglienzellen spärlicher verteilt.
»Sie liegen meist einzeln, nianchnial aber zu zweien dicht nebeneinander;
die Nervenfasern bilden oft kleine Züge von drei bis fünf Fasern neben-
einander. Die Ganghenzellen liegen zwischen der Muskelschicht und
den Epithelzellen; sie sind meist multipolar mit gewöhnlich drei bis
fünf Fortsätzen. Bipolare Zellen sind selten und kommen meist in den
Nervenzügeu vor, die am Rande der Genitalblätter und in den unpaaren
Muskelsträngen verlaufen. Meine Beobachtungen bestätigen diese
Beschreibung von 0. und R. Hertwig vollständig. Nur über die Aus-
läufer der Ganglienzellen sagen die genannten Autoren, daß sie »in
kurzer Entfernung von der Zelle die Stärke zarter Fibrillen annehmen <<,
während ich fand, daß die Ausläufer sehr dick sind (meist mehr als
zwei H Durchmesser) und auf lange Strecken ihre ursprüngliche Dicke
beibehalten (Taf. VIII, Fig. 37).
Auf Macerationspräparaten lassen sich die Ganglienzellen leicht
isolieren (Taf. VIII, Fig. 37). Wie schon 0. und R. Hertwig (1878)
fanden, enthalten sie einen oder zwei Kerne (Taf. VII, Fig 2; Taf. VIII,
Fig. 29 und 37 gr. Gz). Ich habe manchmal vermutet, daß die scheinbar
zweikernigen Zellen nur einen hanteiförmigen Kern enthielten, dessen
verdickte Enden aneinander gepreßt seien, und je einen Nucleolus
enthielten. Volle Sicherheit über diesen Punkt konnte ich nicht er-
reichen. In der Kernsubstanz liegen außer den deutlichen Nucleolen
kleine intensiv färbbare Körner — vermutlich Chromatinbröckchen —
die auf Eisenhämatoxylinschnitten (Taf. VII, Fig. 2 Gz) besonders
deutlich sind. In Macerationspräparaten bemerkt man, daß die Gan-
glienzellen und alle dickeren Fasern eine deutliche Zellmembran haben.
Die Neurofibrillen scheinen sich hier ebenso wie bei Pelagia mit Hä-
matein lA fast gar nicht zu färben und ihr Verlauf ist durch eine kaum
merkliche Streifung im Zellkörper und Nervenfasern angedeutet. Die
Ganglienzellen unterscheiden sich somit auf Macerationspräparaten
durch ihr homogenes Aussehen von den Epithelmuskelzellen, deren
Plasma eine ausgesprochene fibrilläre Struktur besitzt i (vgl. Fig. 37,
Taf. VIII mit Fig. 5 und Fig. 6, Taf. VII).
1 Den Gegensatz zwischen dem homogenen Aussehen der Ganglienzellen
und der fibrillären Struktur der Epithelmuskelzellen hat schon Eimer (1878)
bemerkt und äußert sich folgendermaßen darüber (Seite 239): »Histologisch be-
merkenswert ist, daß die Faserung des neuroplasmatischcn Inhaltes der Deck-
epithelien, eine gröbere, deutlichere ist, als diejenige der Ganglienzellen von typi-
scher Ausbildung. Der letztere macht zugleich einen viel kompakteren Eindruck
als der erstere. Es seheint mir nicht zu bezweifeln zu sein, daß diese Unterschiede
334 Sophie Krasinska,
Auf Eisenhämatoxylinsclinitteii dagegen sind die Neurofibrillen meist
differenziert und dunkler gefärbt, als die fibrillären Strukturen der
Epithehnuskelzellen. Die Nervenfasern erscheinen an manchen Stellen
wie Bündel schwarz gefärbter Fibrillen (Taf. VII, Fig. 1 und Fig. 2 Nf),
manchmal läßt sich auch der Verlauf der Neurofibrillen in den Zellen
gut verfolgen (Taf. VIII, Fig. 29). Auf Quer- und Längsschnitten des
Manubriums und der Subumbrella können höchstens zwei Ausläufer
der Ganglienzellen getroffen werden, und die Ganglienzellen erscheinen
daher spindelförmig (Fig. 29). Die Neurofibrillen weichen beim Ein-
tritt in die Zelle auseinander, gehen am Kern vorbei und ziehen im
zweiten Fortsatz wieder als schmales Bündel weiter. Auf Flächen-
schnitten, wo alle Ausläufer einer Ganglienzelle zugleich gesehen
werden, läßt sich an Ganglienzellen beobachten, wie die Neuro-
fibrillen, die durch einen Fortsatz in die Zelle eintreten, sich an alle
andern Fortsätze derselben verteilen. Sowohl aus den Nervenfasern
als gelegentlich aus den Ganglienzellen selbst, treten feinste Fibrillen
in das umgebende Gewebe aus. Manche ziehen nach außen gegen
die freie Epitheloberfläche, die meisten aber parallel zu derselben;
am Manubrium können manche von ihnen auch basalwärts gegen die
Muskelfaserschicht ziehen. Es ist höchstwahrscheinlich, daß hier
ebenso wie bei Pelagia die nach oben aufsteigenden Neurofibrillen an
der Epitheloberfläche frei endigen und auf diese Weise eine Verbindung
zwischen dem Nervenplexus und der Außenwelt herstellen.
In der Subumbrella und am Manubrium von Carmarma treten
auch Sinneszellen aufi. Sie finden sich am zahlreichsten am Hände
der Genitalblätter und an den radialen Muskelsträngen, also da, wo
der Nervenplexus am dichtesten ist, sind jedoch auch in der ganzen
Subumbrella zerstreut. Sie sind bedeutend kleiner als die großen
Ganglienzellen (Durchmesser etwa 8//) mit rundem Kern und deut-
lichem Nucleolus, nebst spärlichem Plasma. Basal geht von ihnen
eine, häufiger zwei, feine Nervenfasern aus (Taf. VII, Fig. 1, Taf. VIII
Fig. 28 Sz) ; ihr dickes Sinneshaar ragt etwas schief über die Epithel-
oberfläche empor. Auf Eisenhämatoxylinschnitten läßt sich mit
stärksten Vergrößerungen die feinere Struktur der Sinneszellen gut
studieren (Taf. VIII, Fig. 30). Das dicke, steife Sinneshaar (Sh) er-
nur herrühren von einer feineren Ausbildung und Verfilzung, und von einer dich-
teren Zusammenlagerung des Fadensystems in den vollkommeneren GangUen-
zellen. «
1 Ida Hyde (1902) hat Sinneszellen am Manubrium von Gonionemus
Murbachii gefunden.
Beiträge zur Histologie der Medusen. 335
scheint wie aus mehrereu Haaren zusammengeklebt, welche an seiner
Basis kegelförmig auseinander treten und an der Zelloberfläche mit
stäbchenähnlichen Basalkörperchen (bk) endigen. Von jedem dieser
Basalkörperchen zieht eine feine Nervenfibrille ins Zellplasma hinab.
Am Äquator der Zelle ist eine Reihe kleiner, intensiv färbbarer Körner
angeordnet; es scheint als ob die Fibrillen durch diese Körner hindurch-
zögen. Auf Flächenschnitten der Subumbrella oder des Manubriums
(Taf. VIII, Fig. 36 Sz) bemerkt man, daß sich in jeder Sinneszelle
acht Basalkörperchen finden und somit ein Sinneshaar aus acht Haaren
zusammengesetzt ist; außerdem scheint noch eine feine Fibrille in der
Achse des Kegels emporzusteigen.
Diese hochdifferenzierten Sinneszellen wurden bisher im peripheren
Nervensystem von Carmarina übersehen. Im unteren Nervenringe
hat sie dagegen M. Davidoff (1905 — 06) aufgefunden und in seiner
Abhandlung über das centrale Nervensystem dieser Meduse abge-
bildet (1. c, Fig. 5). Ich kann diesen Befund bestätigen, da diese
Sinneszellen auch in meinen Präparaten im unteren Nervenring vor-
kommen, während sie — übereinstimmend mit den Angaben Davi-
doffs — im oberen Nervenring vollständig fehlen.
Bei Carmarina habe ich vergeblich nach einer zweiten kleineren
Art von Ganglienzellen gesucht, wie sie in der Subumbrella von Pelagia
vorkommen. Die Größenunterschiede zwischen den einzelnen Ganglien-
zellen sind zwar bedeutend, doch kommen zahlreiche Übergangsformen
vor, ferner ist der Bau aller Ganglienzellen derselbe. Es scheint somit
ein zweiter sensorischer Nervenplexus (wie man ihn bei Pelagia wohl
deuten darf) bei Carmarina zu fehlen; — das periphere Nerven-
system der Subumbrella besteht nur aus großen Ganglien-
zellen und ihren Ausläufern, und aus Sinneszellen.
Die GangUenzellen der Subumbrella und des Manubriums liegen
alle subepithelial (Taf. VII, Fig. 2). Sie sind vollständig aus der Epithel-
oberfläche ausgetreten; auch im Manubrium, wo sie nahe an der Ober-
fläche liegen, habe ich nie eine Andeutung peripherer Fortsätze an
ihnen gesehen (Taf. VIII, Fig. 29 Gz). Meine Befunde widersprechen
also dem, was A. Bethe (1903, S. 86) über die Ganglienzellen der
Hydromedusen und Acalephen auf Grund seiner Untersuchungen an
Rhizostomeen behauptet, nämlich, daß sowohl Ganglien- als Muskel-
zellen der Hydromedusen noch einen epithelialen Charakter haben,
während bei Acalephen die Muskelzellen eine tiefere Lage im Epithel
einnehmen und die Ganglienzellen zwischen dem Epithel und den Muskel-
zellen gelagert sind. Im peripheren Nervensystem schicken gerade die
336 Sophie Krasinska,
Ganglienzellen von Pelagia Fortsätze zur Oberfläche, während die von
Carmamia keine Verbindung mit der Epitheloberfläche besitzen. Was
die Muskelzellen angeht, so können sie, wie wir fanden, sowohl bei Aca-
lephen als Hydromedusen, in dem oder unter dem Epithel liegen.
Die bei Rhizostoma herrschenden Verhältnisse lassen sich also keinenfalls
ohne weiteres auf alle Acalephen, im Gegensatz zu den Hydromedusen,
übertragen.
Auf Schnitten scheinen Nervenelemente manchmal mitten im
Protoplasma der Epithelmuskelzellen zu liegen (Taf. VII, Fig. 1 und 2).
Wie schon mehrere Autoren hervorhoben, beruht dies auf einer Täu-
schung, denn die Nervenelemente liegen immer zwischen den Epithel-
muskelzellen, nur schmiegen sich letztere den Ganglienzellen so dicht
an, daß die zarten Zellgrenzen nicht unterscheidbar sind. Wo aber
eine Schrumpfung im Gewebe eintritt, treten die Zellen auseinander,
die doppelten Zellgrenzen sind deutlich zu sehen, und die Ganglien-
zellen scheinen in einem Hohlraum zu liegen (Taf. VII, Fig. 2).
Einen guten Überblick über den Nervenplexus gewinnt man auf
Totalpräparaten, jedoch sind auf denselben nur die Ganglien- und
Sinneszellen und die dickeren Nervenfasern sichtbar. Die Ausläufer
der Ganglienzellen geben viele feinere Seitenäste ab, verlaufen aber
große Strecken geradlinig, und verjüngen sich sehr allmählich; erst
in großer Entfernung von der Zelle lösen sie sich in mehrere feinere
Fasern auf. Die Nervenfasern durchkreuzen sich vielfach, ziehen oft
nebeneinander, anastomosieren aber höchst selten. In allen meinen
Präparaten habe ich nur ein- oder zweimal eine Anastomose gefunden,
worin meine Beobachtungen mit denen von 0. und R. Hertwig (1878)
übereinstimmen. Die feineren Verzweigungen der Nervenfasern, wenn
überhaupt sichtbar, lassen sich nur kurze Strecken verfolgen, so daß
man nicht feststellen kann, ob sie Verbindungen zwischen den Zellen
herstellen. Ihr Verlauf läßt sich am besten an Flächenschnitten bei
Eisenhämatoxylinfärbung studieren. Die als Bündel von Nerven-
fibrillen erscheinenden Nervenfasern geben viele kleinere Fibrillen-
bündel ab, die sich weiter spalten, zwischen den Epithelzellen ver-
laufen und das Gewebe in allen Richtungen durchkreuzen. Der Nerven-
plexus erscheint bei Carmarina außerordentlich dicht, höchst wahr-
scheinlich ist sogar jede Epithelzelle von Nervenfibrillen umflochten.
Trotzdem konnte ich einen sicheren Beweis für das Vorkommen von
Anastomosen zwischen den Ausläufern verschiedener Ganglienzellen
nicht finden. Das Bild, welches man erhält, ist so kompliziert und
verworren, daß man vielen Täuschungen ausgesetzt ist. Einen
Beiträge zur Histologie der Medusen. 337
einwandfreien Beweis würde das Verfolgen einer Fibrille von einer
Ganglieuzelle bis in die andre liefern, auf Eisenhämatoxylinschnitten
ist dies jedoch unmöglich, da die Differenzierung der Fibrillen nicht
bestimmt genug ist. Die Frage, ob bei Carmarina in der Subumbrella
echte Nervennetze vorkommen, bleibt daher offen; eine endgültige
Entscheidung ist nur von einer geeigneten Färbungsmethode zu er-
warten.
Die Tatsache, daß so sehr viel feinste Nervenfibrillen zwischen
den Epithelzellen verlaufen, weist darauf hin, daß jede Epithelmuskel-
zelle für sich innerviert werden muß. An Schnitten läßt sich jedoch
von der Innervierung nichts bemerken. Günstiger sind Macerations-
präparate, auf denen man an vielen Epithelzellen (Taf. VII, Fig. 6)
neben den dicken Plasmaforts ätzen, die zu den Muskelfasern ziehen,
einen kleinen, kegelförmigen, mehr homogenen Fortsatz bemerkt, der
nahe am Zellrand liegt und an den eine zarte Faser tritt, die unzweifel-
haft ein Nervenfäserchen ist (Fig. 6 nf).
Die Nervenfaser und die Epithelzelle gehen also mit-
tels einer kegelförmigen Anschwellung ineinander über.
Allerdings habe ich dies Nervenfäserchen nur auf kurze Strecken ver-
folgen und ihre Verbindung mit einer dickeren Nervenfaser nicht fest-
stellen können. Eine Nachprüfung dieses Befundes mit specifischen
Nervenfärbungen wäre deshalb erwünscht. Wenn wir jedoch meine
Deutung als richtig annehmen, so erscheint die Sachlage insofern be-
deutungsvoll, als der Myoblast und nicht die Muskelfaser
innerviert wird. Die Tatsache, daß die zahllosen Nervenfibrillen,
welche man auf Macerationspräparaten findet, fast ausschließlich zwi-
schen den Muskelfasern selbst verlaufen, scheint gleichfalls für die
Innervierung des Zellkörpers der Epithelmuskelzelle zu sprechen. Für
Pelagia wurde schon oben die Innervierung des Myoblasts wahrschein-
lich gemacht. Auch Schaeppi (1904) hat das gleiche bei Physophora
hijdrostatica gefunden. In der glatten Radiärmuskulatur von Carma-
rina konnte ich die Innervierung nicht beobachten, obwohl der sub-
epitheUale Nervenplexus gerade im Bereiche der radialen Muskulatur
am dichtesten ist und die Muskeln daher unzweifelhaft innerviert sein
müssen.
Die große Mehrzahl der Nervenfäserchen, welche zwischen den
Epithelmuskelzellen verlaufen, stammen von den dicken Nervenfasern
des subepithelialen Nervenplexus, was auf Flächenschnitten leicht
festzustellen ist. Es muß deshalb angenommen werden, daß die Inner-
vierung der Muskulatur vom Nervenplexus besorgt wird, und daß
338 Sophie Krasiriska,
demselben wirklich die motorische Funktion zukommt, welche ihm
immer zugeschrieben wurde. Wenn wir somit die großen Ganglien-
zellen für motorisch halten, so fällt auf, daß diese nur im Bereiche der
circulären und radialen Muskulatur der Subumbrella und des Manu-
briums vorkommen und in den andern muskulösen Bezirken des Körpers,
also im Velum und in den Tentakeln vollständig fehlen.
Schon 0. und R. Hertwig vermißten Ganglienzellen im Velum
und vermuteten deshalb, daß seine Muskeln vom unteren Nervenring
innerviert werden. Ich schließe mich dieser Anschauung auch an,
denn es ist nicht anzunehmen, daß die Muskulatur des Velums der
Innervierung entbehre. Nach sorgfältigster Untersuchung kam ich
zur Überzeugung, daß im Velum nicht nur Ganglienzellen, sondern
auch dickere Nervenfasern fehlen, es kommen hier nur feinste Nerven-
fäserchen vor. Diese Nervenfäserchen müssen vermutlich sehr lang
sein, da sie vom unteren Nervenring bis zum Rand des manchmal mehr
wie 1 cm breiten Velums ziehen müssen.
Wie bemerkt, fehlen auch in den Tentakeln von Carmarina die
großen Ganglienzellen vollständig, auch kommen gar keine dickeren
Nervenfasern vor. Auf Macerationspräparaten bemerkt man aber
zahlreiche Zellen mit rundlich ovalen Kernen, die in feinste Fäserchen
auslaufen und unzweifelhaft kleine Ganglienzellen sind (Taf. VII,
Fig. 15). Sie lassen sich leicht isoHeren (vgl. vorn S. 324). Auf Schnit-
ten kann man feststellen, daß sie nie in den Muskelfalten vorkommen,
sondern im Tentakelepithel liegen. Man findet sie sowohl in der Tiefe
des Epithels als nahe seiner Oberfläche, zwischen den Nesselzellen
wie in den nesselzellfreien Epithelstreifen (Taf. VII, Fig. l^hl.Gz.).
Ihrem Kern fehlt der Nucleolus, er enthält aber zahlreiche kleine mit
Eisenhämatoxylin intensiv färbbare Körnchen. Das homogene Plasma
bedeckt den Kern nur als dünne Schicht, es ist stark lichtbrechend
und geht kontinuierlich in die gleichfalls stark lichtbrechenden Nerven-
fäserchen über. Die letzteren entspringen in Zwei- bis Vierzahl meist
direkt vom Zellkörper; manchmal bildet aber das Zellplasma einen
breiten Fortsatz, welcher sich in feine Nervenfäserchen spaltet (Taf. VII,
Fig. 14). Auf Eisenhämatoxylinschnitten (Fig. 15 Ä'^. 6^2.) kann man
einige schwarze feine Fibrillen im Ursprungsteil der Nervenfäserchen
unterscheiden.
Die Sinneszellen des Tentakelepithels gleichen den kleinen
Ganglienzellen vollständig (Taf. VII, Fig. 13 und Fig. Ib Sz). Sie
erreichen die Oberfläche mit einem konischen Fortsatz, der mehrere
steife Sinneshaare trägt. Ein sehr langes mittleres Sinneshaar ist von
Beiträge zur Histologie der Medusen. 339
einem Kranz kürzerer umgeben. Auf Eisenhämatoxylinsclmitten kann
man feststellen, daß feine Fibrillen von den Sinneshaaren in die Zelle
hinabziehen (Fig. 15). Basal gehen von den Sinneszellen zwei bis drei
feine Nervenfäserchen aus.
Die Sinneszellen der Tentakeln stimmen mit denen der Subumbrella
darin überein, daß sie mehrere Sinneshaare tragen. Während letztere
jedoch in der Subumbrella zu einem gemeinsamen Sinneshaar ver-
klebt sind (Taf. VIII, Fig. 30), sind sie in den Tentakeln unverbunden.
Auch die Kerne und das Plasma der Sinneszellen der Tentakeln unter-
scheiden sich von denen der Subumbrella erheblich. Auffallend ist
der Unterschied zwischen den kleinen Ganglienzellen der Tentakeln
(Taf. VII, Fig. 14) und den sehr großen, mit mächtigen Fortsätzen
versehenen Ganglienzellen der Subumbrella (Taf. VIII, Fig. 37). Die
Ganglienzellen der Tentakeln müssen jedoch, ebenso wie die der Sub-
umbrella eine motorische Funktion besitzen. Es gibt keinen stichhaltigen
Grund für die Annahme, daß die Tentakelmuskulatur der Innervation
entbehren sollte, und sie sind die einzigen Ganglienzellen, welche in
den Tentakeln vorkommen. Die Schnittbilder sind jedoch zu kompli-
ziert, das Plasma der Epithelmuskelzellen zu faserig, als daß man
die freien Ausläufer der Ganglienzellen zwischen den faserigen Plasma-
strukturen verfolgen könnte.
Auf Macerationspräparaten sah ich gelegentlich zwei bis drei feine
Fibrillen von den großen Nesselzellen abgehen, auch von den Nessel-
zellstielen spaltete sich manchmal ein feiner Seitenast ab, welcher
ebenfalls in eine feine Fibrille übergingt. Dies macht die Innervie-
rung der großen Nessel Zellen von Carmarina wahrscheinlich. Die
Feststellung der Innervierung der großen Nesselzellen würde eine große
theoretische Bedeutung haben. Wie hervorgehoben, wandern die
Nesselzellen vom Schirmrand in die Tentakel, falls es sich nun ein-
wandfrei beweisen ließe, daß sie von den Ganglienzellen der Tentakeln
innerviert werden, so bildete dies wohl einen schlagenden Beweis für
eine sekundäre Verbindung von Nerv und innervierter Zelle.
Die kleinen Nesselzellen scheinen wirklich innerviert zu sein, da
sie alle basal in eine feine Faser übergehen, die den Ausläufern der
kleinen Ganglien- und Sinneszellen vollständig gleicht (Taf. VII,
Fig. 12). Dieser Befund hat aber weniger theoretisches Interesse, da
sich die kleinen Nesselzellen im Tentakelepithel zu entwickeln scheinen.
1 N. IWANZOFF (1896) hat auch an den Xcsselzellstielcn die Abspaltung
eines feinen Astes bemerkt, stellt aber solche Bildungen in keine Beziehung zur
Innervierung.
340 Sophie Krasiüska,
Es oelano mir, auch im Entoderm des Manubriums und Magens
von Carmarina einen subepithelialen Nervenplexus aufzufinden.
Die Gano^lienzellen sind hier sehr zahlreich und denen des subumbrellaren
Plexus sehr ähnlich. Sie liegen zwischen den Entodermzellen ; ihre
Ausläufer verzweigen sich vielfach und gehen endlich in feinste Nerven-
fasern über. In Macerationspräparaten, in i\' eichen die Entodermzellen
etwas geschrumpft sind und daher voneinander abstehen, kann man
out verfolgen, wie die Nervenfasern zwischen allen Entodermzellen
verlaufen und sie umflechten. Das Entoderm des Manubriums und
des Magens besteht aus drüsigen Zellen, die an ihrer Basis kurze glatte
Muskelfasern gebildet haben. Der Nervenplexus hat also w^ohl vor-
wiegend eine motorische Funktion und innerviert die Entodermzellen.
Mit dem Nervensystem von Neoiurris füeata und Aequorea Fors-
kalea habe ich mich nicht näher beschäftigt. "Wie aus der Arbeit der
Gebrüder Hertwig (1878) bekannt, kommt bei Antho- und Lepto-
medusen ein subumbrellarer Nervenplexus ebenfalls vor. Die genann-
ten Autoren bemerkten, daß die Ganglienzellen bei der Maceration
immer an der äußeren Epithelschicht haften bleiben; ich beobachtete
dasselbe. Die Ganglienzellen lassen sich mit der radialen Muskelfaser-
schicht von der darunter liegenden circulären Muskelschicht abziehen
(Taf. VII, Fig. 8). Auf Schnitten durch die Subumbrella von Aequorea
gelang es, festzustellen, daß die Ganglienzellen über den radialen Mus-
keln, also vermutlich zwischen den Zellen des Epithels liegen, was
ihr Verhalten bei der Maceration erklärt (Taf, VII, Fig. 4).
Zusammenfassung.
Diese Untersuchung, so unvollkommen sie auch ist, hat jedenfalls
ergeben, daß es weitgehende Unterschiede zwischen dem peripheren
Nervensystem von Carmarina und Pelagia gibt, und daß das periphere
Nervensystem dieser Medusen weit komplizierter ist, als bisher an-
genommen wurde.
Bei beiden Medusen lassen sich im peripheren Nervensystem
große und kleine Ganglienzellen unterscheiden; bei Pelagia
kommt nur eine Art von Sinneszellen vor, Avährend bei Carmarina
zwei Sinneszellarten zu unterscheiden sind.
Die großen Ganglienzellen von Pelagia sind bipolar und
häufig durch einen distalen Fortsatz noch mit der Epitheloberfläche
verbunden. Diejenigen von Carmarina sind meist multipolar und
völlig subepithehal gelegen. Auch ist die Kern- und Plasmastruktur
der großen Ganglienzellen beider Medusen recht verschieden, wie aus
Beiträge zur Histologie der Medusen. 341
den entsprechenden Figuren hervorgeht (Tai. VII, Fig. 10; Taf. VIII,
Fig. 34, Pelagia; Taf.VIL Fig. 2; Taf. VIII, Fig. 29 und 37, Car-
marina).
Einen bedeutenden Unterschied zeigen die subumbrellaren Sinnes-
zellen. Die mit einem zusammengesetzten Sinneshaar und mit Basal-
körperchen versehenen Sinneszellen von Carmarina sind morphologisch
hoch differenziert und erinnern an die Sinneszellen höherer Metazoen
(Taf. VIII, Fig. 30). Die Sinneszellen von Pelagia sind sehr eigentüm-
lich gebaut, da sie zahlreiche kurze und steife Borsten und ein langes
Flagellum tragen; nur wegen ihrer nervösen Fortsätze und ihrer Ver-
bindung mit Ganglienzellen konnten sie als Sinneszellen erkannt wer-
den (Taf. VIII, Fig. 32 und 33). Die Tentakeln von Carmarina ent-
halten Sinneszellen mit eigenartigen Sinneshaaren, wogegen in den
Tentakeln von Pelagia keine Sinneszellen aufgefunden werden konnten.
Der wichtigste Unterschied im peripheren Nervensystem der beiden
Medusen liegt aber in der Verteilung der Nervenelemente auf die Sub-
umbrella und die Tentakel. Während bei Pelagia kleine und große
Ganglienzellen sowohl in der Subumbrella als in den Tentakeln vor-
kommen, sind die großen Ganglienzellen bei Carmarina auf die Sub-
umbrella, die kleinen auf die Tentakeln beschränkt. Der Nerven-
plexus der Subumbrella und derjenige der Tentakel sind somit bei
Carmarina aus verschiedenen Zellen zusammengesetzt, während bei
Pelagia im peripheren Nervensystem überall die gleichen Zellen vor-
kommen.
Eine solche Differenzierung der zelligen Bestandteile des peri-
pheren Nervensystems setzt die Existenz zahlreicher Leitungsbahnen
voraus, welche die einzelnen Teile des Nervenplexus miteinander ver-
binden. Bei Carmarina müssen z. B. alle Reize, welche rhythmische
Kontraktionen verursachen, zu den Nervenringen geleitet werden,
da das Velum vom unteren Nervenring aus innerviert wird. Physiolo-
gische Experimente werfen ein interessantes Licht auf diese Frage.
So berichtet Bethe (1903), daß bei schwacher Reizung eines Tentakels
zunächst dieser und die beiden benachbarten durch Kontraktion re-
agieren; auf einen etwas stärkeren Reiz auch die übrigen Tentakel;
gleichzeitig wird das Manubrium gegen den gereizten Tentakel ge-
krümmt. Erst bei viel stärkeren Reizen reagiert die subumbrellare
und Velare Muskulatur durch rhythmische Kontraktionen. Es müssen
somit Leitungsbahnen einerseits die Tentakel untereinander, anderseits
aber mit der Subumbrella und dem Manubrium verbinden. Da letzteres
früher als die Subumbrella reagiert, so muß man entweder annehmen,
342 Sophie Krasiiiska,
daß die Tentakel direkt mit dem Manubrium durch Nervenfasern ver-
bunden sind, oder — falls der Keiz den Nervenplexus der Subumbrella
passiert — daß die Innervierungseinrichtungen in der cireulären und
radialen Muskulatur verschieden sind.
Verbindungen konnten indessen weder zwischen den einzelnen
Ganglienzellen, noch zwischen den verschiedenen Teilen des Nerven-
systems festgestellt werden, und die Leitungsbahnen sowie die Funk-
tion der verschiedenen Bestandteile des Nervensystems bleiben
vollständig unbekannt. Es bleibt auch die Frage offen, ob der sub-
epitheliale Nervenplexus der Medusen ein echtes Nervennetz bildet
oder nicht. Im Gegensatz zu den Befunden von A. Behte (1903)
an Rhizostoma , kann ich nur behaupten, daß bei allen von mir
untersuchten Medusen Anastomosen mittels der dickeren Nerven-
fasern gar nicht, oder nur äußerst selten (bei Carmarina) vorkommen.
Die großen Ganglienzellen des subepithelialen Nervenplexus der
Subumbrella wurden bisher immer als motorisch gedeutet. Bei Pe-
lagia scheint die motorische Funktion der großen Ganglienzellen durch
das Auffinden der kleinen bestätigt, da letztere mit den Sinneszellen
in Verbindung stehen und deshalb als Bestandteile eines zweiten sen-
sorischen Nervenplexus gedeutet werden können. Indessen muß die
Verteilung der Ganglienzellen in den Tentakeln von Pelagia gewisse
Bedenken über die Richtigkeit dieser Deutung erwecken. Wie oben
gesagt, kommen in den Tentakeln viele kleine Ganglienzellen vor, und
sie sind in allen Muskelfalten verteilt; die großen Ganglienzellen sind
selten und fast ausschließlich auf die tiefe mediane Falte beschränkt.
Es ist einerseits schwer anzunehmen, daß morphologisch gleich aus-
gebildete Ganghenzellen in den Tentakeln und der Subumbrella ver-
schiedene Funktionen besitzen sollten, anderseits aber unwahrscheinlich,
daß die wenigen großen Ganglienzellen die Innervierung der gesamten
Tentakelmuskulatur besorgen.
Bei Carmarina müssen die großen Ganglienzellen des subepitheli-
alen Nervenplexus als motorische gelten, da sich sonst keine in der
Subumbrella finden. Wir müssen jedoch annehmen, daß es bei Car-
marina zwei Arten von motorischen Ganglienzellen gibt, da in den
Tentakeln ausschließhch kleine Ganglienzellen vorkommen und die
Tentakelmuskulatur doch ebenso wie die subumbrellare und velare
innerviert sein muß.
Verbindungen von Muskel und Nerv wurden mit einiger Sicherheit
nur in der Subumbrella von Carmarina festgestellt. Dabei ergab sich,
daß die Myoblasten, und nicht die Muskelfasern innerviert werden.
Beiträge zur Histologie der Medusen, 343
Daß die gesamte Muskulatur der Medusen innerviert wird, dafür spricht
vor allem die außerordentliche Menge von Ganglienzellen und Nerven-
fasern, die im Bereich der Muskulatur auftreten. Die mangelhaften
Färbuugsmethoden verschulden es, daß die Innervierung nicht überall
aufgefunden wurde.
Der Nervenplexus steht somit einerseits mit der Muskulatur in
Verbindung, anderseits mit Sinneszellen an der Oberfläche. Es kommen
auch freie Nervenendigungen vor, und außerdem stehen bei Pelagia
die großen Ganglienzellen noch durch distale Fortsätze mit der Epithel-
oberfläche in Verbindung,
Da die Innervierung der Muskulatur als gesichert angesehen
werden darf, und da das periphere Nervensystem befähigt ist, äußere
Keize auf die Muskulatur zu übertragen, so glaube ich die zuerst von
Kleinenberg (1872) postulierte, direkte Reizbarkeit der Epithel-
nmskeln (Myoblasten) und ihre Fähigkeit Reize auf die Muskelfasern
zu übertragen, bezweifeln zu dürfen.
Nachdem ein Nervensystem bei den Coelenteraten gefunden
wurde, hielten sowohl Claus (1878) wie 0. und R. Hertwig (1878)
eine direkte Reizbarkeit der Epithelmuskelzellen aufrecht. Daß die
Existenz eines mit Sinneszellen verbundenen Nervenplexus, und das
mehr oder weniger sicher festgestellte Vorkommen einer Innervierung
der Muskulatur vollkommen genügen, um die Funktion der Muskulatur
bei den Medusen zu erklären, unterliegt wohl keinem Zweifel. Eine
direkte Reizung der Epithelmuskelzellen dürfte daher bei den Coelen-
teraten in nicht größerem Maße vorhanden sein, als bei den höheren
Metazoen.
Meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Professor Dr. 0. Bütschli
in Heidelberg, bin ich für die Anregung zu dieser Arbeit, sowie für
seine freundliche Hilfe zum verbindlichsten Dank verpflichtet. Auch
der Leitung der zoologischen Station zu Villefranche, Herrn Professor
Dr. M. Davidoff und den Assistenten Herren Spitschakoff und
TiMOFEEFF möchte ich für ihr freundliches Entgegenkommen herzlich
danken.
Heidelberg, im April 1913.
344 Sophie Krasinska,
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Zeitschrift f. wissenscli. Zoologie. C'IX. Bd. 23
346
Sophie Krasinska,
Erklärung der Abbildungen.
Gebrauchte B
hk, Basalkörner ;
hz, Bildungszellen der Nesselkapseln;
cnid, Cnidocil;
cut, Cuticula;
gr.drz., große Drüsenzellen;
kl.drz, kleine Drüsenzellen;
ect, Ectoderm;
en, Entoderm;
nel, Entodermlamelle;
ep, Epithel;
epmz, Epithelmuskelzelle ;
gal, Gallerte;
gr.Oz, große Ganglienzelle;
kl. Gz, kleine Ganglienzelle;
in, Stelle wo die Epithelmuskelzelle
innerviert wird;
k.d.enl. Kerne der Entodermlamelle;
k.d.epmz, Kerne der Epithelmuskel-
zellen ;
k.d.mz. Kern der Muskelzelle;
k.d.nz. Kern der Nesselzelle;
ezeichnungen:
k.d.st, Kern des Nesselzellstieles;
m/, Muskelfaser;
Mr, Muskelröhre;
mz, Muskelzelle;
Nf, Nervenfaser;
Nßz, Nervenfilz;
nz, Nesselzelle;
gr.nz, große Nesselzelle;
kl.nz, kleine Nessejzelle;
pr.fr, Protoplasmafortsätzeder Epithel-
muskelzellen ;
pr.st, protoplasmatischer Stiel der Nes-
selzelle ;
rmf, radiale Muskelfasern;
)•/, radiale Easern in den Tentakeln;
Sh, Sinneshaar;
st.d.nz, Nesselzellstiele;
stl, Stützlamelle;
stl.ls, Stützlamellenleisten :
stz, Stützzellen;
8z, Sinneszelle.
Tafel VII.
Die Fig. 1 — 7, 9 — 16 sind um ein Drittel, Fig. 8 a,b, c um die Hälfte der
Originale verkleinert. Die angegebenen Vergr. beziehen sich auf die Originale.
Fig. 1. Garmarina hastata. Radialschnitt durch die Subumbrella. Flbm-
MiNG, Eisenhämatoxylin. Vergr. 1000 (vgl. S. 284).
Fig. 2. Garmarina hastata. Tangentialer Schnitt durch die Subumbrella.
Sublimat-Eisenhämatoxylin. Vergr. 1000 (vgl. S. 285).
Fig. 3. Neoturris pileata. Tangentialschnitt durch die Subumbrella. Flem-
MiNG, Eisenhämatoxlyin. Vergr. 1000 (vgl. S. 289).
Fig. 4. Aequorea forskalea. Radialschnitt durch die Subumbrella. Flem-
MiNG, Eisenhämatoxylin. Vergr. 1000 (vgl. S. 290).
Fig. 5. Garmarina hastata. Epithelmuskelzelle aus der Subumbrella, der
Muskelfaserschicht ansitzend. Nach einem Macerationspräparat, etwas schema-
tisiert. Hämatein lA (nach Apathy). Vergr. 1000 (vgl. S. 283).
Fig. 6. Garmarina hastata. Isolierte Epithelmuskelzelle aus der Subum-
brella, von der Muskelfaserschicht abgerissen und von der breiten Seite gesehen.
Nach einem Macerationspräparat. Hämatein I A. Vergi\ 1000 (vgl. S. 283).
Fig. 7 {a — 6). Neoturris pileata. Isolierte Muskelzellen aus der querge-
streiften, circulären Muskulatur der Subumbrella. a. von der Seite, b. von oben
gesehen. Nach einem Macerationspräparat. Hämatein I A. Vergr. 1000 (vgl.
S. 289).
Beitrage 7au- Histologie der Medusen. 347
Fig. 8. Xeofinri.s piknta. Abgepinseltes Epithelstück von der Öubumbrella
mit radialen Muskelfasern. Xaeh einem Macerationspräparat. Häniatein I A.
Vergr. 1000 (v. S. 287).
Fig. 9. Carmarina hastata. Epithelmuskelzellen aus der Subumbrella von
der Fläche gesehen, bei drei verschiedenen Einstellungen des Objektivs: a. Ein-
stellung auf die Cuticula mit den Zellgrenzen; b. Einstellung auf die Zellkörpcr
und Kerne; e. Einstellung auf die Protoplasniafortsätze. Nach einem Macera-
tionspräparat. Häinatein I A. Vergr. öOO (vgl. S. 284).
Fig. 10. Pelagia noctiluca. Radialschnitt durch das Ectoderm der Sub-
umbrella. Flemmino, EisenhämatoxyUn. Vergr. 1000 (vgl. S. 277).
Fig. 11. Pelagia noctiluca. Isoherte quergestreifte Epithelmuskelzelle aus
der Subumbrella. Nach einem Macerationspräparat. Hämatein I A. Vergr. 1000
(vgl. S. 279).
Fig. 12. Carmarina hastata. Zwei kleine Nesselzellen aus dem Ectoderm
der Tentakel, isoliert. Nach einem Macerationspräparat. Hämatein I A. Ver-
größerung 1000 (vgl. S. 324).
Fig. 13. Carmarina hastata. Isolierte Sinneszelle aus dem Ectoderm der
Tentakel. Nach einem IMaccrationspräparat. Hämatein I A. Vergr. 1000 (vgl.
S. 338).
Fig. 14. Carmarina hastata. Kleine Ganglienzellen aus dem Ectoderm der
Tentakel. Nach einem Macerationspräparat. Hämatein I A. Vergr. 1000 (vgl.
S. 338).
Fig. 15. Carmarina hastata. Teil eines Querschnittes dui'ch einen Ten-
takel, Entoderm unvollständig eingezeichnet. Flemmeng, Eisenhämatoxylin.
Vergr. 1000 (vgl. S. 311 und S. 321).
Fig. 16. Carmarina hastata. Große Nesselzelle aus dem Ectoderm der
Tentakel. Nach einem Macerationspräparat. Hämatein I A. Vergr. 1000 (vgl.
S. 323.)
Tafel VIII.
Die Fig. 17 — 23., 25 — 30, 36 und 37 sind um ein Drittel der Vorlagen
verkleinert.
Fig. 17. Pelagia noctiluca. Querschnitt durch einen Teil einer MuskeLfalte
des Tentakels. Flemming, Eisenhämatoxylin. Vergr. 1000 (vgl. S. 308).
Fig. 18. Pelagia noctiluca. Isolierte Nesselzelle aus den Tentakeln mit
kernhaltigen muskulösen Stielen. Nach einem Macerationspräparat. Hämatein
I A. Vergr. 1000 (vgl. S. 326).
Fig. 19. Pelagia noctiluca. Isolierte Nesselzelle aus den Tentakeln, ohne
muskulöse Stiele. Nach einem Macerationspräparat. Hämatein I A. Vergr. 1000.
Fig. 20. Pelagia noctiluca. Querschnitt durch einen Teil des Ectoderms und
eine in Muskelröhren geteilte Muskelfalte. Flemming, Eisenhämatoxylin. Ver-
größerung 333 (vgl. S. 308).
Fig. 21. Pelagia noctiluca. Isolierte glatte Muskelzelle aus einem Tentakel.
Macerationspräparat. Hämatein I A. Vergr. 1000 (vgl. S. 310).
Fig. 22. Pelagia noctiluca. Querschnitt durch das Epithel eines Ten-
takels. Flemming, Eisenhämatoxylin. Vergr. 1000 (vgl. S. 325).
Fig. 23. Pelagia noctiluca. Stützzellen mit Geißeln aus dem Tentakel-
epithel, isoliert. Nach einem Macerationspräparat. Hämatein I A. Vergr. 1000.
23*
348 Sophie Krasinska, Beiträge ^r Histologie der Medusen.
Fig. 24 (a — d). Pelagia noctiluca. Quergestreifte Muskelfasern aus der
Subumbrella von der breiten Seite; Vergr. etwa 2000. a. nach einem Macerations-
präparat; h, c, d, nach tangentialen Schnitten. Flemming, Eisenhämatoxylin.
b. nur schwach differenziert, ausgestreckte Faser; c. stärker differenziert; d. bei
sehr starker Differenzierung des Eisenhämatoxylins. Vergr. etwa 2000 (vgl.
S. 295).
Fig. 25 (a — c). Carmarina hastata. Quergestreifte Muskelfasern aus der
Subumbrella; Ansicht von a und h von der breiten Seite, von c von der schmalen
Seite (vgl. S. 294).
a. Nach einem Macerationspräparat ; h. nach einem Tangentialschnitt durch
die Subumbrella. Sublimat, Eisenhämatoxylin. c. nach einem Flächenschnitt
durch die Subumbrella. Sublinaat Eisenhämatoxylin.
Fig. 26. Neoturris pileata. Quergestreifte Muskelfaser von der breiten
Seite gesehen. Nach einem Macerationspräparat. Vergr. etwa 2000 (vgl. S. 297).
Fig. 27. Carmarina hastata. Querschnitt durch das Ectoderm des Manu-
briums. Flemming, Eisenhämatoxylin. Vergr. 1000 (vgl. S. 305).
Fig. 28. Garmarina hastata. Abgepinselter Epithelstreifen aus dem Ecto-
derm des Manubriums von der Seite gesehen. Nach einem Macerationspräparat.
Hämatein I A. Vergr. 1000 (vgl. S. 306).
Fig. 29. Carmarina hastata. Querschnitt durcli das Ectoderm des IManu-
briums mit einer Ganglienzelle. Sublimat-Eisenhämatoxylin. Vergr. 1000 (vgl.
S. 334).
Fig. 30. Carmarina hastata. Querschnitt durch das Ectoderm des Älanu-
briums mit einer Sinneszelle. Sublimat-Eisenhämatoxylin. Vergr. etwa 2000
(vgl. S. 334).
Fig. 31 {a — b). Pelagia noctiluca. Große Ganglienzellen aus der Subum-
brella. Macerationspräparat. Hämatein I A. Vergr. 1000 (vgl. S. 329).
Fig. 32. Pelagia noctiluca. Isolierte Sinneszelle aus der Subumbrella.
Nach einem Macerationspräparat. Hämatein I A. Vergr. 1000 (vgl. S. 330).
Fig. 33. Pelagia noctiluca. Isolierte Sinneszelle aus dem Ectoderm der
Subumbrella, die in Verbindung mit einer kleinen Gauglienzelle steht. Macera-
tionspräparat. Hämatein I A. Vergr. 1000 (vgl. S. 330).
Fig. 34. Pelagia noctiluca. Isolierte, kleine bipolare Ganglienzelle aus dem
Ectoderm der Subumbrella. Nach einem Macerationspräparat. Hämatein I A.
Vergr. 1000 (vgl. S. 329).
Fig. 35. Pelagia noctiluca. Isolierte kleine unipolare Ganglienzelle aus
dem Ectoderm der Subumbrella. Macerationspräparat. Hämatein I A. Ver-
grösserung 1000 (vgl. S. 329).
Fig. 36. Carmarina hastata. Flächenschnitt durch die Subumbrella mit
einer Sinneszelle. SubHmat, Eisenhämatoxylin. Vergr. 1000 (vgl. S. 334).
Fig. 37. Carmarina hastata. Große Ganglienzelle aus dem Ectoderm der
Subumbrella isoliert. Nach einem Macerationspräparat. Hämatein I A. Ver-
größerung 1000 (vgl. S. 333).
über die Leuchtorgane und das Nervensystem von
Pholas dactylus.
Von
Johannes Förster.
Mit lö Figuren im Text und Tafel IX.
Bereits mehrfach ist Pholas dactylus Gegenstand anatomischer und
histologischer Unter.^uchungen gewesen, da das Leuchten dieser Muschel
schon frühzeitig die besondre Aufmerksamkeit der Forscher erregte.
Die erste Aufzeichnung über das Leuchtvermögen von Pholas ist sehr
alt. und zwar müssen wir bis auf Plinius zurückgehen.
Eingehender beschäftigte sich Poli (1791) mit diesem Lamelli-
branchier, der in den »Testacea utriusque Siciliae« Tom. I, Taf. VIII,
Fig. 1 u. G eine Abbildung der im Mantel und Sipho gelegenen Leucht-
organe gibt, ohne freilich in der Tafelerklärung oder im Text über ihre
Bedeutung eine Meinung zu äußern. Die nächsten Mitteilungen über
das Leuchten von Pholas verdanken wir Panceki, der in einer bekann-
ten Untersuchung (1872) sowohl die Physiologie wie auch den anato-
mischen Bau der Leuchtorgane zu erklären versuchte. Er erkannte,
daß gewisse Körperstellen ein Secret liefern, das körniger Natur ist,
sich in Alkohol und Äther löst und mit Wasser in Berührung ge-
bracht, aufleuchtet. Seiner Ansicht nach wird die leuchtende Materie
von den Epithelzellen ausgeschieden, die die Leuchtorgane bedecken.
In den SOiger Jahren veröffentlichte Raphael Dubois einige
Abhandlungen, die in der Hauptsache physiologisch-chemischer Natur
sind. Neben den PANCERischen Versuchen, die er nachprüfte, stellte
er eigene über die Phosphoreszenz dieses Lamellibranchiers an und
analysierte als erster das Secret der Leuchtorgane, das er in zwei
Komponenten zu spalten vermochte, die er als Luciferine und Luci-
ferase bezeichnete. Seine anatomischen Resultate, die oft wenig zu-
verlässig sind, scheint der Autor zumeist spekulativ, nicht empirisch,
Zeitschrift f. wissinscli. Zoologie. CIX. B'l. 24
350 Johannes Förster,
durch mikroskopische Untersuchungen von Schnittpräparaten, ge-
wonnen zu haben. Einige seiner Darstellungen leiden an Unklarheit,
da ihnen keine Zeichnungen beigegeben wurden.
Anfang der 90iger Jahre erschien dann die Arbeit von Rawitz,
die ein Kapitel in der großen Abhandlung »Der Mantelrand der Ace-
phalen« bildet. Der Verfasser gibt im wesentlichen eine Darstellung
der anatomischen und histologischen Verhältnisse des Sipho mit seinen
Leuchtorganen und geht gleichzeitig näher auf die früheren Arbeiten
ein, deren Irrtümer er zum Teil richtig stellt. Es ist bis heute die letzte
Abhandlung über die Leuchtorgane von Pholas dactylus.
Wenn auch die Resultate von Rawitz noch nicht einwandfrei und
erschöpfend sind, so brachten sie doch gewisse Probleme ihrer Lösung
einen Schritt näher. Seine Arbeit, auf die ich später genauer eingehen
werde, hat mir in erster Linie als Grundlage gedient i.
Aber trotz dieser mannigfachen Untersuchungen sind wichtige
Fragen bis jetzt noch ungelöst geblieben; ja selbst über ganz augen-
fällige Dinge, wie die Lage und Zahl der Leuchtorgane bestehen nach
meinem Dafürhalten sogar in der letzten Arbeit noch falsche Anschau-
ungen.
Durch Herrn Prof. Chun wurde ich auf die verschiedenen Lücken
und Widersprüche in den bisherigen Untersuchungen aufmerksam ge-
macht und zu einem eingehenden Studium der Organe angeregt.
Material und Technik.
Die Muscheln, die ich zu meinen Untersuchungen verwandte,
waren ausgewachsene Tiere, die nach meinen besonderen Angaben in
der Zoologischen Station zu Neapel auf die verschiedenste Weise kon-
serviert worden waren.
Am vorteilhaftesten für die histologischen Untersuchungen der
Leuchtorgane erwies sich die bekannte Konservierung mit Sublimat-
Alkohol-Eisessig (1 Teil konz. Sublimat in dest. W^asser, 1 Teil 96%iger
Alkohol, 0,2 Teile Eisessig, dazu einige Tropfen Formol), die kalt ange-
wendet wurde. In dieser Flüssigkeit bheben die Tiere etwa 10 — 12
Stunden liegen, wurden nachher in 70%igen Alkohol gebracht und mit
Jodtinktur behandelt.
Annähernd gleich gute Resultate lieferten Objekte, die mit einem
1 Nicht erwähnt habe ich hier die Arbeiten, die sicli ausschließlich mit
dem Nervensysteme oder einzelnen Teilen desselben befassen; sie sollen erst in
einem zweiten Teile der vorliegenden Darstellung besprochen werden.
i'ljer die Jji'uchtorguiu' und das Xcrvensystein von Pholu.s daclylu.s. 351
Formol-Alkohol-Eiscssi<>;-Gemisch konserviert waren, das in folgender
Weise zusammengesetzt war: 15 Teile 9ü%iger Alkohol, 30 Teile
destilliertes Wasser, 6 Teile konzentriertes (40%iges) Formol und 7 Teile
Eisessig. Läßt man die Tiere 1 — 2 Tage in diesem Gemisch liegen,
so treten Kerne und Nervenfibrillen besonders deutlich hervor.
Nicht empfehlen kann ich die Anwendung der Osmiumkonservie-
rung nach Flemming. Zwar sind Epithel und Drüsenzellen vorzüg-
lich erhalten, doch wird die Muskulatur, die sehr reichlich unter den
Leuchtorganen liegt, hart und spröde, so daß man nur selten gute und
völlig intakte Schnitte erhält, wie sie für genaue histologische Unter-
suchungen erforderlich sind.
Ebenso ungünstig ist eine Fixierung mit einem hochprozentigen
Alkohol, und zwar aus zwei Gründen: Wie schon früher erwähnt, löst
sich das Leuchtsecret in Alkohol und verschwindet bis auf wenige Rudi-
mente aus den Leuchtdrüsen. Unter solch veränderten Bedingungen
lassen sich dann nur schwer die wirklichen Verhältnisse erkennen.
Anderseits aber wird der Inhalt der unter dem Epithel der Leucht-
organe liegenden Muzindrüsen verändert und erstarrt zu einer harten
Masse, die unter dem Messer splittert und die Zellverbände zerreißt.
Ich möchte nicht verfehlen, bei dieser Gelegenheit über das Frei-
legen der Leuchtorgane eine Bemerkung zu machen. Bekanntlich sind
bei Pholas dact. beide Mantelränder auf der ventralen Seite des Tieres
mit Ausnahme der Stelle, wo der keilförmige Fuß hindurchtritt, zu
einer Membran verwachsen, was eine nur ganz geringe öffnungsmöghch-
keit der Schalen zur Folge hat. Die Quermembran setzt sich nach hin-
ten in die Wand des Branchialsipho fort, der kürzer als der darüber-
liegende Analsipho ist und ein weiteres Lumen besitzt.
Um nun die von außen nicht sichtbaren Leuchtorgane freizu-
legen, trennten die bisherigen Beobachter den Branchialsipho sowie die
beide Mantelhälften verbindende Quermembran der Länge nach auf
und klappten die Schalen nach außen um. Daß sie dabei ein Leucht-
organ halbierten, dessen ist sich keiner bewußt geworden. Diesen
Fehler mußte ich zu vermeiden suchen und erreichte dies durch fol-
gende, zwar umständlichere, aber günstigere Sektions weise.
Einem Tiere, dessen Schalen mit verdünnter Essigsäure weg-
gelöst waren, wurde der Branchialsipho bis etwa 1 cm vor dem Über-
gang in den Mantel geöffnet; dann schnitt ich rechtwinklig hinauf
nach der Rückenlinie und an dieser entlang bis zur Mundöffnung. Den
Mantel, der in seinen ventralen Partien völlig intakt geblieben war,
klappte ich auf die eine Seite und steckte ihn fest (Taf. IX, Fig. 8).
24*
352 Joliaimes Förster,
Um ganz sicher zu gehen bei der Angabe der Zahl der Leuchtorgane,
machte ich nachstehenden Kontrollversuch, der mir die Frage unzwei-
deutig löste. Beim Färben von Schnittserien war mir immer aufge-
fallen, daß die subepitheliale Schicht der Leuchtorgane Muzindrüsen
von bedeutender Größe und in viel reicherer Zahl als die umliegen-
den Körperteile enthält. Da diese Drüsen eine ausgesprochene Affinität
zu Hämalaun haben, brachte ich meine in der erwähnten Weise prä-
parierten Objekte in toto etwa zwei Tage in eine Hämalaunlösung
und differenzierte sie darauf mit 70%igem Alkohol und Salzsäure.
Die großen Muzindrüsen hielten den Farbstoff fest und gaben so den
Leuchtorganen ein tief veilchenblaues Kolorit, das sich scharf vom Mantel
und den übrigen Organen abhob, die längst wieder entfärbt waren.
Einige Angaben möchte ich noch über das Einbetten der Objekte
beifügen, hängt doch zumeist das gute Gelingen der Schnittpräparate
von der richtigen Wahl der bei der Überführung vom absoluten Alkohol
zum Paraffin verwendeten Flüssigkeit ab. Nicht minder ist die Zeit
von Bedeutung, während der die Objekte darin verbleiben. Oft ist zu
langes Verweilen schuld daran, daß sie eine unerwünschte Härte an-
nehmen. Nach vielen Versuchen gelang es mir, eine Methode aus-
findig zu machen, durch die man das Secret der Mucindrüsen weich
erhält.
Aus dem 70%igen Alkohol werden die betreffenden Objekte direkt
in 100%igen gebracht, in dem sie je nach ihrer Größe 1 — 3 Stunden
verbleiben. Hat man den Alkohol einige Male gewechselt, so setzt
man allmählich Cedernholzöl zu, bis das Verhältnis von absolutem Alkohol
und Cedernholzöl 1 : 1 beträgt. Die Präparate werden nach 6 — 8 Stun-
den sofort in reines Cedernholzöl, das vorher angewärmt wird, über-
geführt und auf einen 50° igen Thermostaten gestellt (4 — 5 Stunden).
Darauf bringt man das Material in ein Schälchen, in dem 40° Paraffin
in Cedernholzöl gelöst ist (1: 1), wo es 3 — 4 Stunden verbleibt, um als-
dann in ein zweites Schälchen übergeführt zu werden, in dem sich ein
Gemisch von 58° Paraffin, wiederum in Cedernholzöl gelöst (2:1) be-
findet. Nach einem Verweilen von 5 — 6 Stunden in diesem Gemisch
kommt es in geschmolzenes 60°iges Paraffin und wird nach 2 — 3
Stunden eingebettet. Ein derart schnelles Überführen des Materials
durch Cedernholzöl und durch die verschiedengradigen Paraffine, sowie
der kurze Aufenthalt in hoher Temperatur erwiesen sich als äußerst
günstig, und so behandelte Objekte ließen sich ohne große Schwierig-
keiten in lückenlose Serien zerlegen.
Zur Färbung der Schnittserien, die als Übersichtsbilder dienen
über die LLUcIitoigane und das Nervensystem von Pholas dactyluss. 353
.■füllten, fandon meist Häiiuilauu und ÜELAFiELDsches Hämatoxylin An-
wendung. Da es sich in der Hauptsache um Drüsen oder drüsenähn-
liche Gebilde handelte, diente Thionin und Mucikarmin, beide nach
Paul Mayer spezifische Schleimfarbstoffe, zur Identifizierung und
zum Nachweis der Mucindrüsen. Oft erwies sich noch ein Nachfärben
des Plasmas und der Granula des Leuchtsecrets mit Fuchsin oder Bor-
deauxrot, die dem Eosin auf jeden Fall vorzuziehen sind, als sehr gün-
stig und erhöhte durch den scharfen Kontrast zu den blaugefärbteu
Mucindrüsen den Gesamteindruck. Bei dem nicht immer einfachen
Nachweis der Kerne in den Mucin- und Leuchtdrüsen, sowie der Nerven-
zellen und ihrer Kerne lieferte Eisenhämatoxylin nach Heidenhain
gute und sichere Resultate. Besonders schöne Bilder ergaben sich
dann, wenn beim endgültigen Heraufführen die Schnitte im 70%igen
Alkohol, dem einige Tropfen konz. Ammoniaks beigesetzt waren, nach-
gebläut wurden. Auf diese Weise ist es mir gelungen, Ganglienzellen
unter den Leuchtorganen und die .Struktur der Secretkörner einwand-
frei nachzuweisen.
Die Leuchtorgane.
1. Lage, Gestalt, Aussehen.
An den in toto gefärbten Tieren konnte ich fünf Leuchtorgaue
feststellen, die sich wie folgt verteilen:
1) Zwei Streifen im Branchialsipho auf dem Septum.
2) Zwei annähernd dreieckige Flecke auf den Retrak-
toren, da, wo der Sipho in den Mantel übergeht.
3) Ein parabolisch geschwungenes Band, das von hinten
her das Fußloeh umgreift und die inneren Mantellippen
deckt.
Da Gestalt und Lage der Siphonal- und Mantelorgane von Rawitz
schon eingehend beschrieben sind, ich aber seinen Angaben nichts
wesenthch Neues hinzufügen kann, so gebe ich seine Darstellung wört-
lich wieder:
>>Vom Ursprung des ventralen Sipho bis zur Papillarregion, i. e.
derjenigen Partie, von welcher die Pigmentierung der Innenfläche des
Sipho anfängt, trifft man zu beiden Seiten der Kiemen auf dem Sep-
tum aufliegend zwei Streifen, die als ganz schmale Striche beginnend,
allmählich eine Breite von mehreren Millimetern erlangen, sich an ihrem
distalen Ende wieder verjüngen, um an der Pigmentgrenze als ganz
feine, schwer wahrnehmbare Linien zu verschwinden. Sie haben am
lebenden (das gleiche gilt auch vom konservierten) Tiere ein milchweißes
354
Johannes Förster,
-Fl.
Aussehen und prominieren über die Oberfläche nicht unbedeutend.
Im dorsalen Siplio fehlen diese Streifen vollkommen. Die seitlichen
Flecke haben nicht immer dreieckige Gestalt, wie Panceri angibt,
manchmal sind sie viereckig, manchmal ganz unregelmäßig gestaltet. <<
Bei zwei Tieren beobachtete ich sogar, daß noch jeder Mantel-
fleck durch eine breite, bis auf den Eetraktormuskel einschneidende
Furche in zwei verschieden große Teile zerlegt wurde.
Nicht wenig überrascht das Lippenorgan durch seine Lage, die
vollständig abweicht von den Zeichnungen früherer Autoren. Da. wo
es Panceri und Rawitz gesehen haben wollen, liegt es sicher nicht;
ebensowenig kann von einem Organpaar
(Rawitz, S. 154, 160, 181) zu beiden Seiten
des Fußes die Rede sein, das »an der Mund-
gegend beginnend nach der Schalenmitte ver-
läuft und sich dort in Spitzen auszieht«.
Vielmehr erkennt man, daß es sich im Gegen-
satze zu den übrigen paarigen Orgauen um ein
unpaares von hufeisenförmiger Gestalt han-
delt, das im ventralen Teile des Mantels ge-
legen ist und dessen Schenkel, das Fußloch
von hinten her umgreifend, oralwärts in zwei
Spitzen auslaufen. Wie die übrigen, erhebt
sich das an seiner konvexen Seite wulstförmig
verbreiterte Leuchtorgan über die Mantel-
fläche und grenzt sich dadurch scharf gegen
seine Umgebung ab.
Die Oberfläche aller Leuchtorgane ist be-
deckt mit einem noch später zu behandelnden
Wimperepithel und wird zuweilen von mehr
oder minder tiefen Furchen durchzogen. Auf den Mantelorganen ziehen
sie parallellaufend vom inneren zum äußeren Rande und zerlegen den
ganzen Drüsenkomplex in bandförmige Streifen. Gefurcht sind auch
die Leuchtorgane im Sipho und zwar senkrecht zu ihrer Längsausdeh-
nung. Die Zahl der Riefen ist größer, wenn das Tier sich im kontrahierten
Zustande befindet, während die Oberfläche der Leuchtorgane glatt er-
scheint, wenn es ausgestreckt ist.
Verhältnismäßig selten lassen sich Furchen auf dem Lippenorgan
nachweisen, was mit dem geringen Kontraktions vermögen dieser durch
die Schalen so gut geschützten Mantelteile zusammenhängt. (Die
Falten im Lippenorgan unsres Übersichtsbildes rühren einesteils von
Mantelränder mit Lippenleucht-
oigau. Fl, Fußlocli; L, Leucht-
organ; ilfar, verwachsene Man-
telränder ; R, Retraktormuskeln ;
K, KonstriktoiTnuskeln (quer-
laufend).
über die Leiuhtorgaiu- und das Xorvi'usystrin von Pholas dactylus. 355
der unnatürlichen Lage her, in die diese Partien durch das Ausbreiten
und Aufstecken gebracht sind, andernteils sind viele der Runzeln ein
Produkt der Konservierung, d. h. Schruniptungsorscheinungen.)
Da Panceri und Rawitz bei ihren Untersuchungen über das
Lippenorgan übereinstimmende Resultate erzielten, die sich aber mit
meinen Befunden nicht decken, so nmü ich noch kurz auf die Zeichnungen
und Angaben beider eingehen.
Die falsche Vorstellung von dem Lippenorgan bei Panceri, die
unzweideutig aus den Zeichnungen, weniger aus der unklaren Be-
schreibung (sie beschränkt sich auf den Satz: >>I1 bordo superiore del
mantello fiuo alla metä di ciascuna delle valve«) hervorgeht, ist mei-
ner Ansicht nach auf zwei Fehler zurückzuführen.
Bei seinen Versuchen hat er, um die Tiere nicht unnötig zu reizen
und dadurch imgewünschte Secretionen zu veranlassen, die Schalen
nicht entfernt. Wollte er möglichst schnell das Tier geöffnet vor sich
haben, um ungestört den Entleerungsprozeß der Organe verfolgen zu
können, so mußte er die Mantelmembran als Schnittbahn benutzen
und dabei trennte er das Lippenleuchtorgan in zwei Teile. Da er ander-
seits seine Versuche in der Dünkelkammer anstellte, mag ihm die eigen-
artige Gestalt der inneren Lippen entgangen sein, deren freie Ränder,
nach dem Innern des Tieres aufgebogen, eine flache Rinne bilden,
die um das ganze Fußloch herumläuft. Reizte Panceri das Versuchs-
tier, so trat aus dem Lippenorgane das leuchtende Secret heraus und
ergoß sich nach allen Seiten über den Mantel, wobei es natürlich auch
diese dachrinnenähnliche Aufbiegung der Lippen erfüllte. Während
sich das Secret vom glatten Mantel mit Wasser leicht abspülen ließ;
blieb es in der Vertiefung, gegen äußere Angriffe gut geschützt, liegen
und verleitete Panceri zu der Annahme, an diesen Stellen seien eben-
falls Leuchtdrüsen ausgebildet.
Daß die fraglichen Stellen völlig frei sind von den großen, cha-
racteristischen Leuchtdrüsen, bewiesen mir Schnitte, die ich zur Kon-
trolle durch jene Lippenregionen legte.
Rawitz, der die Versuche Panceris nachprüfte, kam zu folgen-
dem Ergebnis: »Bezüglich der Organe, welche am vorderen Mantel-
rande sich finden, ist zu bemerken, daß dieselben breit beginnen, sie
folgen dann der Biegung des Mantels und laufen gegen die Mitte der
Schale spitz aus. Alle drei Organpaare...« Dabei verweist er auf
Fig. 54, Taf. VI (Jenaische Zeitschr. f. Nat. Bd. 27), auf der eine der
oben erwähnten fehlerhaften Zeichnungen Panceris reproduziert ist.
Klar und deutlich ist darin an der betreffenden Stelle ein mit a bezcich-
356
Johannes Förster,
netes >>unpaares<< Leuchtorgan eingetragen. Im Text dagegen spriclit
er immer von einem Organpaar. Wo der Fehler hier liegt, will ich nicht
untersuchen; jedenfalls aber muß auch ich seine Angaben über dieses
Leuchtorgan als unzutreffend zurückweisen.
2. Das Leuchtorgan im engeren Sinne.
Der Leuchtkörperi.
Seine Form wechselt bei den einzelnen Organen. So stellen sich
die siphonalen Streifen im Querschnitt als zwei unregelmäßig gewölbte
Kalotten auf dem Septuni dar, die ihre konvexe Seite dem Bran-
Textfig. 2.
Schnitt durch ein etwas entleertes Siplio-Leuchtorgan. Das Bindegewebe zwischen den Drüsen
ist nicht gezeichnet. S, Schleimdrüsen; L, Leuchtdrüsen; bl, Blutgefcäß; n, Nerv; se, Septum.
chialsipho zukehren, während sie mit ebener Basis auf den Kon-
striktorb ündeln aufsitzen. Die übrigen Organe, die Mantelflecken und
das Lippenorgan dagegen haben eine ebene Oberfläche. (Diese Angaben
beziehen sich auf Objekte, die sich nicht kontrahiert haben).
Die im Vergleich zu andern Mollusken, z. B. den Cephalopoden, sehr
primitiven Leuchtorgane zeigen in allen Fällen eine übereinstimmende
Bauart. Mikroskopisch betrachtet erkennen wir eine große Menge
Drüsen, deren Ausführgänge der Außenfläche zustreben und senkrecht
1 Unter dem Leuchtkörper verstehe ich den ganzen Raum, soweit er von
den Schleim- und Leuchtdrüsen eineenoinmen wird.
über die Leuehtürganc und (l;is Xcivciisystciii von Pliolas daetylus. 357
ZU dieser stehen, mit Ausnaliinc dci' in den äußersten Randpartien
gelegenen. An den Rändern der Organe sind die Drüsen nur klein;
sie nehmen aber gegen die Mitte hin an Größe beträchtlich zu. Nach
ihrem verschiedenen Verhalten ";e<>;en Farbstoffe — die einen haben
eine große Affinität zu den Schleimfarbstoffen Thionin und Muci-
karmin, die anderen zu Eiscnhämatoxylin — müssen wir sie in zwei
Gruppen scheiden: Schleim- und Leuchtdrüsen.
Beide sind einzellige Gebilde ; mehrzeUige habe ich nie wahrgenom-
men. Jede Drüse hat ihren besondern Ausführgang, durch den sie ihr
Textfig. 3.
Schnitt durch das Lippenorgan und den freien aufgebogenen Lippenrand {Li). Das Bindegewebe
ist niciit gezeichnet. S, Sclileimdrüse ; L, Leuchtdrüse, n', Hauptnerv; n, Xebenäste; a, Arte-
rien; mu. Konstriktormuäkeln.
Secret in den Branchialsipho entleert. An Größe übertreffen die Leucht-
drüsen die Schleimzellen mitunter um das zwei- bis dreifache. Beide
Drüsenarten liegen niemals wirr durcheinander, sondern jede ist auf
eine bestimmte Region beschränkt, die ihre Lage nicht verändert,
was deuthch aus den verschiedenen Abbildungen hervorgeht
Auf diese Weise ergibt sich eine einfache Dreiteilung in allen Leucht-
organen, insofern als wir eine Epithelschicht, die Region der Mucin-
driisen und unter ihr die große Masse der Leuchtdiüsen zu unter-
scheiden vermögen. Die Lücken zwischen den Leuchtdrüsen und der
358 Johannes Förster,
oberen Konstriktorschicht erfüllt lockeres Bindegewebe, das auch die
Drüsen umscheidet (Taf. IX, Fig. 1).
Die relativen Größenverhältnisse dieser drei Schichten sind in den
einzelnen Organen Schwankungen unterworfen. Aus diesem Grunde
läßt sich auch meiner Ansicht nach die Allgemeingültigkeit der von
Rawitz aufgestellten Proportion (1:4:6) nicht aufrecht erhalten.
Ich wende mich nunmehr dem feineren Baue jeder einzelnen Re-
gion zu.
a) Epithel. Nach außen sind die Drüsenpolster durch eine Schicht
von schmalen Cylinderzellen mit kleinen rundlichen Kernen abge-
schlossen, zwischen denen sich die Ausführgänge der darunter liegen-
den Drüsen hindurchdrängen. Auf ihrem freien, sich deutlich abheben-
den Rande tragen sie einen Besatz von weichen Härchen, die von ganz
bedeutender Länge sind, oft zweimal so groß, als wir sie auf den Wimper-
zellen im Mantel zu finden gewohnt sind. Jede dieser Cilien inseriert
an einem Basalkorn, das dicht unter der Cuticula gelegen ist; von
ihm gehen fibrillenartige Plasmastränge aus, die die ganze Zelle durch-
setzen, so daß diese in ihrer Längsrichtung gestreift erscheint.
Die Bedeutung dieser kräftigen Wimperzellen liegt jedenfalls in
der Erzeugung starker Wasserströmungen im Mantelraume, die die
erste Bedingung für eine weitere Ausbreitung der Leuchtmaterie im
umgebenden Medium sind.
b) Schleimdrüsenschicht. Dieser Abschnitt setzt sich aus
einzelligen Drüsen von recht stattlichem Durchmesser zusammen,
deren Inhalt, wie aus der intensiven Färbbarkeit mit Thionin und
Mucikarmin hervorgeht, schleimiger Natur ist. Bei Tieren, die man
durch anhaltenden Reiz zur völligen Entleerung ihrer Organe gezwungen
hat, sind sie ganz zusammengefallen und enthalten außer dem Kerne nur
noch geringe Schleimreste. Jede Drüse (Taf. IX, Fig. 7) hat ihren be-
sondern kurzen Ausführgang, der sich, wie stark überfärbte Hämalaun-
präparate lehren, zwischen den Epithelzellen kelchförmig erweitert.
Der Zellinhalt ist eine zarte Masse mit wabig-blasiger Struktur, die
sich gegen den Drüsenhals verliert und besonders schön in Eisenhäma-
toxylinpräparaten zur Geltung kommt. Das Secret ist zumeist aus
der Mündung etwas herausgedrängt und sitzt auf dieser wie ein Pfropfen
auf einer Flasche. Der Zellkern, dessen Größe zwischen 4,5 und 5 /i
schwankt, liegt basal, nicht selten in eine kleine Aussackung hinein-
gedrückt. Ihn färberisch gut hervorzuheben, ist nicht immer leicht.
In dunkelgefärbten Zellen ist er vielfach gar nicht zu erkennen, da er
völlig von den Muciumassen verdeckt wird, ein Umstand, der Rawitz
i'licr die Ivcuclitorgaue und das Ncrvensystcni von Pliolas dactylus. 359
veranlaßte, die nach seiner Ansicht kernlosen Schleimmassen als das
Produkt der Leuchtdrii.sen anzusehen.
Die Mucindrüsen sind in allen Organen bis auf die Randpartien,
in denen sie etwas spärlicher vorkommen, regelmäßig verteilt. Sie lie-
gen dichtgedrängt nebeneinander — nicht wie auf der äußern Fläche
des Sipho zu Gruppen von acht bis zehn vereinigt — und durchziehen
auf gefärbten Schnitten die Leuchtorgane subepithelial wie ein blaues
Band (Textfig. 1 u. 2 S).
Was ihre Entstehung anlangt, so sind sie herzuleiten von den im
ganzen inneren Mantel zerstreut liegenden mukösen Becherzelleu.
c) Leuchtdrüsenschicht. Man studiert sie am besten an Schnit-
ten durch ein stark entleertes Leuchtorgan, da dort die Drüsen, weil
weniger mit Secret erfüllt, einander nicht verdecken und deshalb sich
weit besser für die Beobachtungen eignen.
Wir haben es auch hier mit einzelligen, birnenförmigen Drüsen
zu tun, deren Ausführgänge sehr lang sind (Taf. IX, Fig. 1 Ld). Jede
enthält nur einen Kern von kurzelliptischer Gestalt, den man im
untern Teile der Zelle in verschiedener Lage antreffen kann. Da er
groß ist — im Durchschnitt 4,7 u — und einen deutlich hervortreten-
den Nucleolus in sich schließt, so unterscheidet er sich sofort von
den umliegenden Bindegewebskernen, die bedeutend kleiner und lang-
elliptisch sind. In prallgefüllten Leuchtorganen haben diese Zellen
infolge rein mechanischer Zusammendrängung oft polyedrische Form
angenommen; dies beobachtet man durchgängig bei solchen, deren
Secret noch nicht die völhge Reife erlangt hat (Taf. IX, Fig. 2),
Die eben charakterisierten Drüsen liefern die leuchtende Materie
und sind zu gewissen Zeiten völlig erfüllt von feinen Körnchen, die im
ungefärbten Präparat durchsichtig erscheinen und stark lichtbrechend
sind. In ihrer Anordnung habe ich eine Gesetzmäßigkeit nicht fest-
stellen können.
Mit ein paar Worten möchte ich den Prozeß der Secretbildung
und die mit ihm Hand in Hand gehenden, auffallenden Veränderungen
in den Leuchtzellen behandeln, die bisher noch niemand beachtet hat.
Drei aufeinanderfolgende Stadien lassen sich dabei unterscheiden.
Das erste wird repräsentiert durch eine Zelle, die vor einiger Zeit
entleert wurde und nun im Begriff ist, ihr Secret zu regenerieren
(Taf. IX, Fig. 5 a). Ihren alten Größenumfang hat sie noch nicht wieder
erreicht. Das intensiv, aber gleichmäßig gefärbte Zellplasma, von dem
sich der große Kern scharf abhebt, erscheint auf den ersten Blick
homogen. Untersucht man es genauer, so kann man darin die ersten
360 Johannes Förster,
Spuren eines sich bildenden feinen Maschenwerkes entdecken. Da die
Wandungen des Ausführganges, der meist nur gegen sein oberes Ende
hin noch einige zurückgebhebene Granula enthält, an den secretleeren
Stellen durch den Druck der umliegenden Zellen eng aufeinandergepreßt
werden, so ist der Drüsenhals schwer zu finden. Mit zunehmendem
Alter werden die Wandungen des Maschen Werkes dicker, färben sich
viel dunkler als das von ihnen eingeschlossene Plasma und treten
deshalb deutlicher hervor. Die Zelle ist jetzt in eine große Menge
scharf abgegrenzter, polygonaler Bezirke eingeteilt (Taf. IX, Fig. 5 h).
Damit sind wir am wichtigsten und interessantesten Punkte
in der Entwicklung des Leuchtsecretes angelangt. Bekannt sind uns
seine zwei Erscheinungsformen: nämlich der homogene Zustand, wie
wir ihn in den regenerierenden Zellen finden (Taf. IX, Fig. 5a u. b),
und die Granula, das ausgereifte Secret, in den sezernierenden Zellen
(Taf. IX, Fig. bd). Es drängt sich die Frage auf: Wie gestaltet
sich der Übergang aus der einen Form in die andre und welche
sichtbaren Veränderungen sind dabei an der Zelle zu kon-
statieren?
Erst nach längerem Suchen auf einer großen Menge von Schnitten
gelang es mir, einige Zellen herauszufinden, die günstig getroffen waren
und darum sichere Aufschlüsse über diesen Punkt liefern konnten.
Der homogene Inhalt einiger dieser kleinen, polyedrischen Bezirke
hatte sich in rundlich ovale Secretkörnchen umgewandelt. Da sie nur
noch etwa zwei Drittel des früheren Raumes einnahmen, so mußte es
unter Volumenverringerung, die eine entsprechende Zunahme der
Dichte zur Folge hatte, vor sich gegangen sein (Ausscheidung von Kon-
kretionen in jedem Granulum siehe später). Dieser Koeffizient läßt sich
ziemlich genau angeben, da die abgrenzenden Maschenwandungen noch
eine kurze Zeit nach der Verwandlung bestehen bleiben. Bemerkens-
wert ist, daß der Inhalt jeder Masche nur ein Granulum liefert, nie
mehr (Taf. IX, Fig. 5 c).
Der Übergang aus dem plasmatischen Zustande in den körnigen
ist erst eine Folge von durchgreifenden chemischen Umwandlungen
innerhalb der Drüsenmasse, was einerseits aus der veränderten Gestalt
des Plasmas, anderseits aus der neuauftretenden Affinität zu gewissen
Farbstoffen hervorgeht. So nehmen die Granula z. B, Eisenhämatoxylin
sehr stark auf, während es niemals gelingt, den plasmatischen Inhalt
der Maschen damit zu färben.
Es ist wahrscheinlich, daß die Ursache für den Beginn der Secret-
umwandlung in vorangegangenen chemischen Prozessen im Kern zu
L'Ikt (1r> LfUclitomaiU' luul das XcrvcMisystem von l'liolas dactvhis. ."JGJ
MirluMi i.st ; (ItMiii wiederholt konnte ich beobaehten, daß Maschen um
den Kern herum CJraiuda enthielten, während jenseits dieser Zone
noch keine Uniwandkmgen in der Zelle stattgefunden hatten. Am Kern
selbst habe ich nie nachweisbare Veränderungen in bezug auf Größe,
Gestalt oder Chromatingehalt feststellen können.
Da Drüsen mit derartigen Umwandlungsstadien nicht sehr häufig
sind, kann man daraus schließen, daß der Übergang aus doi' tiiuii
Secretform in die andre nur kurze Zeit in
Anspruch nimmt.
Damit ist die Drüse im letzten Stadium
angelangt. Ihr gesamter Inhalt ist in feine
Körnchen umgewandelt, die enggedrängt
Roll ha um und Ausführgang erfüllen, wäh-
rend vom Maschenwerk keine Spur mehr
zu sehen ist. Wahrscheinlich wird es wieder
in flüssige Form umgewandelt und erfüllt
die Lücken zwischen den Secretkörnern, um
die Reibung der Granula untereinander wie
auch an den Wandungen der engen Hälse
herabzumindern. Das flüssige Secret läßt
sich deutlich in solchen Drüsen erkennen,
deren Granula sich zu mehreren großen
Klumpen zusammengeballt haben (Textf ig. 4).
Es bleibt mir noch übrig, auf die Struk-
tur der Leuchtmaterie, d. h. der Granula
einzugehen. Besser als alle weitläufige Be-
schreibung gibt ein Bhck auf Taf. IX, Fig. 6
Aufschluß. Ein solches Granulum stellt sich
als ein gewölbtes, linsenförmiges Körper-
chen von etw^a 2,8 u Durchmesser dar, das
in der Regel eine strenge Scheidung in eine
. . Leuciitdiüsc mit zusammengeball-
äußere HüUschicht und eine zentrale Masse tem körnigen Secret. fi.s, flüssiges
Textfig. 4.
Secret.
Komp.-Oc. 12, Apoclir.
2 mm.
zeigt. Diese letztere, die sich selbst bei lan-
gem Verweilen in Eisenhämatoxylin nur
äußerst schwach färbt, ist elliptisch und durchaus homogen. In
Secretkörnern, die eben erst umgewandelt sind, ist der Zentralkörper
noch nicht vorhanden; wohl aber lassen sich in der dunklen Secret-
masse Vacuolen nachweisen, deren Inhalt ebenfalls auf Eisenhäma-
toxylin nur schwach reagiert. Diese wandern allmählich nach der
Mitte, vereinigen sich und bilden die zentrale Masse. Um diese herum
362
Johannes Förster,
lieüt der dicke, leicht färbbare Mantel, der stets eine beschränkte
Menge in Gestalt und Größe variierender Einschlüsse biro;t. Mit Eisen-
hämatoxylin färben sich diese regellos eingestreuten Konkretionen
blauschwarz. Bei Secretkörnern, die diese Scheidung in zwei Zonen
nicht aufweisen, was ich auch beobachtet habe, liegen die Einschlüsse
entweder in der ganzen Masse zerstreut oder sind in der Mitte zu einem
einzigen Klumpen zusammengeballt.
Durch die Ausscheidung dieser Konkretionen im Secretkorn würde
die beobachtete Volumen Verringerung eine Erklärung finden.
Am lebenden Tiere besitzen die Öecretkörnchen nach Rawitz
einen ungemein hohen Grad
der Viscosität, sind farblos
und haben einen matten
Glanz.
Direkte Schlüsse über
die chemische Natur der
Stoffe, auf deren Umsetzun-
gen die Chemoluminiszenz
beruht, lassen sich aus
meinen Befunden nicht zie-
hen. Darum wäre es wün-
schenswert, wenn sich ein-
mal exakte Chemiker inten-
siver mit diesem Photogen
Ld
--Sd
Textfig. 5.
Aufsicht auf die Oberfläche eines Leuchtorganes. Ld, Mün
düngen der Leuchtdrüsen; Sd, Mündungen der Schleim
drüsen; m, subepitheliale Muskellage.
beschäftigen würden; denn
Pholas dact. mit seiner star-
ken Secretentwicklung lie-
fert sehr günstiges Material, um unter Ausschluß aller vitalen Einflüsse
die rein chemischen Eigenschaften zu studieren. Vielleicht gelingt es
auch, die chemisch-physikalischen Bedingungen für die Umwandlung
der leuchtfähigen Substanz in leuchtende klarzulegen, d. h. die Frage
zu lösen, ob der Sauerstoff für die Luminiszenz eine conditio sine qua
non ist, wie es die Oxydationshypothese verlangt, oder ob auch andre
als Oxydationsvorgänge ein Leuchten des Photogenes hervorrufen
können.
Bisher habe ich stets die mit körniger Materie erfüllten Gebilde
als Leuchtdrüsen angesehen, habe aber noch nicht die Gründe ange-
führt, die mich zu dieser Annahme zwingen.
Die Schleimdrüsen sind bekanntermaßen nicht nur auf die Leucht-
organe beschränkt, sondern über den ganzen Mantel und die Außen-
über die Leiulitoigaiu' und das Xeivonsystem von Pholas dactylus. 363
fläche des Sipho zerstreut. Danuuh müssen die Erselieiuungen der
Luininiszenz an die Anwesenheit und Tätigkeit der Drüsen geknüpft
sein, die den dritten Absclmitt des Leuchtkörpers einnehmen. Dies
wird bestätigt durch die Tatsache, cUiß die Drüsen mit dem körnigen
Secret stets nur an den Stellen vorkonnnen, wo bei Pholas dact. nach
den Angaben der Beobachter ein Leuchten auftritt, und zwar dort in
erstaunlich reicher Zahl.
3. Blutgefäße.
Die reiche Versorgung mit Nährstolten spielt bei Drüsen, die be-
sonders stark in Anspruch genommen werden, immer eine bedeutende
Rolle. Darum überrascht es auch nicht, wenn wir neben oder unter den
Leuchtorganen auf starke Blutgefäße stoßen.
Die beiden zuführenden Arterien im Lippenorgan gehören in das
Bereich der Aorta anterior, die vom Herzen kommend im Bogen über
den Magen hinwegsetzt, um kurz darauf nach abwärts in den Einge-
weidesack scharf umzubiegen. An dieser Krümmung zweigt sich ein
starker Ast ab, der ein Stück nach vorn läuft und sich dann in eine
rechte und linke vordere Mantelarterie gabelt. Jedes dieser beiden Ge-
fäße zieht parallel dem Mantelnerven unter einem Schenkel des
Leuchtorganes entlang und gibt auf diesem Wege eine Menge von Seiten-
ästen ab.
Die Blutbahnen, die unter die Mantelflecke und die Siphonal-
streifen treten, gehören zum System der Aorta posterior. Diese läuft
am Enddarm entlang über den hinteren Schließmuskel hinweg, an
dessen Ende sie sich in die beiden Siphonalarterien gabelt, die parallel
den Septalnerven den Sipho in seiner ganzen Länge durchziehen, und
dabei neben vielen andern in kurzen Abständen schwächere Gefäße
nach den Leuchtorganen entsenden.
Die Blutzufuhr zu jedem Mantelfleck versorgt eine Arterie, die in
der Nähe des Siphonalganglions jederseits rechtwinklig von der Sipho-
arterie abzweigt.
Verfolgen wir die kleineren Blutgefäße in einem der Leuchtorgane,
so sehen wir, daß sie sich schon nach kurzem Verlauf in ein Lacunen-
system ergießen, das sich unter dem Drüsenpolster ausbreitet. Das
arterielle Blut kann auf diese Weise direkt an die Drüsenzellen heran-
treten und seinen Sauerstoff abgeben. Venös geworden, sammelt es
sich dann in andern wandungslosen Räumen des Gewebes und fließt
in Kanälen einem venösen Läugssinus zu, der unter dem Pericard ge-
legen ist. Von da gelangt es teils in die Niere und zu den Kiemen, teils
364
Johannes Förster,
direkt in die Kiemen. Die Venen selbst kann man als in die Länge ge-
zogene Lacunen betrachten.
4. Muskulatur.
Betrachtet man den Querschnitt eines Leuchtorganes aus dem
Sipho, so findet man eine Anordnung der Muskelfasern nach den drei
Dimensionen des Raumes. Die Hauptmasse der Muskulatur wird von
Textfig. 6.
Schema für die Anordnung der Muskeln in den Leuchtorganen (speziell Siphonalstreifeu). Re. Re-
tractorbündel; K, Konstriktormuskeln ; Ko, Kompressormuskeln: Su, subepitheliale Muskel-
schicht.
mächtigen, oval gestalteten Bündeln des Retraktors gebildet, der unter
dem Drüsenpolster entlang läuft. Geschieden werden sie von einander
durch schmale Septen, die aus den Muskelfasern des Kompressors be-
stehen und nach der Oberfläche des Leuchtorganes laufen, wo sie sich
fächerförmig auflösen. Die Retraktorbündel werden von schwächeren,
querlaufenden Muskelzügen des inneren Siphonalkonstriktors allseitig
umgeben. Auf die obere Konstriktorschicht folgt eine breite Zone, die
von den Leucht- und Schleimdrüsen eingenommen wird. Darin stoßen
wir nur auf die schon erwähnten, vertikalen Fasern des Kompressors.
Erst dicht unter dem Epithel können wir noch einige spärlich ent-
wickelte Muskeln nachweisen, die sich aus Konstriktor und Retraktor-
fasern zusammensetzen, wobei die Quermuskeln zu oberst laufen.
Da ein entsprechend gelegter Schnitt durch ein Mantelorgan in
IMjor die l^ciuhtorganc uiul das Xcrvensy.stom von Pholas dactylus. 365
bezug auf Anordmiiiu und Stärke <l<'r einzelnen Muskelschichten das
gleiche Bild gibt, erübrigt es sich, weiter darauf einzugehen.
Derart stark entwickelte Muskeln fehlen unter dem Lippenorgan
völlig; dort lassen sich nur einige kleinere nachweisen, die dem Re-
traktor des Sipho entstammen. Sie laufen auf der beide Mantelhälften
verbindenden Quermembran nach vorn, teilen sich am hinteren Ende
des Fulilociies und ziehen unter den Schenkeln des Leuchtorganes hin,
um sich in der Mundgegend wieder zu vereinigen. Dazu kommen noch
^luskelfasern des äußeren Siphonalkonstriktors, die die inneren Lippen
und die Mantelmembran quer durchsetzen. Die einzelnen Fasern liegen
nicht eng nebeneinander, sondern sind mehr gelockert, da die Bindesub-
stanz zwischen ihnen ziemlich reichlich entwickelt ist. Muskelbündel,
die das Drüsenpolster quer durchziehen, treten nur ganz vereinzelt auf.
Die Frage nach einem direkten Zusammenhange von Epithel-
zellen und Muskelfaser wurde schon von verschiedenen Forschern auf-
geworfen. DuBOis will ihn gesehen haben, doch wird die Richtigkeit
der Angaben von Rawitz angezweifelt. Meine Resultate entscheiden
zugunsten von Dubois, insofern als ich einen direkten Zusammen-
hang zwischen beiden erkannte, der auch gar nicht schwer nachzu-
weisen ist, wenn man geeignete Stellen svicht und die Präparate speziell
für derartige Untersuchungen färbt. Günstig sind z. B. die beiden
Enden jedes Siphonalstreifens, da dort die Leucht- und Schleimdrüsen
überhaupt noch völlig fehlen oder nur erst vereinzelt auftreten. Auf
den Schnitten durch diese Regionen sieht man die radiär gestellten
Kompressormuskeln, wie ich schon früher angab, gegen die Oberfläche
sich in mehrere Fasern fächerförmig auflösen. Verfolgt man eine dieser
Fasern weiter, so zerfällt sie kurz vor dem Epithel in eine Menge zarter
Fibrillen, die besenartig auseinanderlaufen und an die unteren Enden
der Epithelzellen herantreten, mit deren Zellmembran sie in engstem
Kontakt stehen. Wir hätten also hier einen weiteren Fall der sekun-
dären Verbindung von Epithelzellen mit Derivaten des mittleren Keim-
blattes, wie sie in unsrer Zeit von Schuberg, Heidenhain u. a. nach-
gewiesen sind.
Solche Verbindungen bestehen auch zwischen den Leuchtdrüsen
und den Kompressornmskeln, insofern die letzteren an die Zellen heran-
treten und den untersten Teil umfassen.
Im Anschluß hieran möchte ich noch die Frage erörtern, wie diese
verschiedenen Muskelgruppen im Leuchtorgan bei einer Kontraktion
auf die Drüsen wirken.
Durch die Retraktorbündel werden die Drüsenpolster in ihrer
Zeitsdirift f. wissenscli. Zoologie. CIX. IJd. 25
366 Johannes Förster,
Längsausdehnung stark verkürzt, während die Konstriktormuskeln
den Qiierdurchmesser zu verringern und die Kompressorfasern das
Leuchtorgan von oben nach unten zusammenzuziehen suchen. So wird
auf die Drüsen ein allseitiger Druck ausgeübt, dem das Secret dadurch
auszuweichen sucht, daß es sich in die leeren Ausführgänge der Drüsen
hineinschiebt, sie erfüllt und zuletzt aus den Mündungen an der Ober-
fläche des Leuchtorganes heraustritt. Es findet also ein rein mecha-
nisches Auspressen der in den Drüsen enthaltenen Secretmassen statt.
Bei völliger Kontraktion der Muskeln kann z, B. ein Siphonal-
streifen, wie ich an mehreren Exemplaren gemessen habe, fast auf
die Hälfte seiner früheren Länge zusammengeschoben werden.
5. Nerven.
Alle Leuchtorgane werden reichlich von Nerven versorgt, die den
verschiedenen Hauptgruppen entstammen. Ich beginne mit der Schil-
derung der Innervation der Siphonalstreifen, wobei ich mich, wie auch
später bei den Mantelorganen, nur auf die eine Seite des Tieres be-
schränken werde.
Als Wurzel aller nervösen Elemente, die sich in und unter den
Drüsenpolstern nachweisen lassen, ist der Septalnerv anzusehen, der,
npe
nM
a b
Textfig. 7.
Schema füi- die Inneivierung der Mantelflecken, a, Leuclitorgan, liegt neben der Xerventeilung;
b, Leuchtorgan, liegt über der Teilungsstelle. nM, Xerv vom inneren Mantelbogen; npe, äußerer
Mantelbogen,
zwischen den Retraktormuskeln laufend, das Leuchtorgan in seiner
ganzen Länge begleitet. Er gibt, sobald er darunter tritt, einen starken
Nerv ab, der aufwärts steigt, umbiegt und unter den Leuchtdrüsen
sich verschiedentlich gabelt. Seine Verzweigungen durchziehen das
Leuchtorgan und lösen sich in ihm fibrillär auf. Ab und zu treten auch
noch feine Nervenfasern an das Drüsengewebe heran, die direkt vom
Septalnerv kommen.
('l)cr die Loiulitoigano und das Xervousystein von Pholas dactjius. 367
Die liinei'viciun^ dor Manteloigaue geschieht iu der Hauptsache
durch den äußeren Mantelbogen, wobei zwei Fälle zu unterscheiden
sind (Textfg. 7 n u. h).
Nicht innner haben diese leuchtenden Flecke zur Gabelungsstelle
des dritten und vierten Siphonerven die gleiche Lage, insofern sie
bald seitlich von ihr liegen {a), bald sie völlig verdecken (6). Die Art
der Innervierung dieser Mantelpartien hängt von der jeweiligen Lage ab.
Entspricht nämlich die Lage des Leuchtorganes der Abbildung a,
so führt nur ein einziger Nerv unter das Drüsenpolster, der sich vom
äußeren Mantelbogen abzweigt und von Panceri in seiner Nerven-
zeichnung bereits vermerkt wurde.
Liegt dagegen das Leuchtorgan über der Gabelung ausgebreitet,
so beteiligen sich an der Innervie-
rung neben dem äußeren Mantel-
bogen auch noch Fasern des vierten
Branchialsiphonerven. Zwischen den
beiden treten Anastomosen auf, von
denen feine Fasern zwischen die
Drüsen abgehen.
Schließlich kommt noch für das
Mantelorgan ein Nerv in Betracht,
der vom inneren Mantelbogen her-
überkommt und in der Hauptsache
die eine Randpartie innerviert.
Zu jeder Spitze des Lippenor-
ganes zieht ein starker Nerv, den
man schon mit bloßem Auge durch
die zarte Haut hindurchschimmern
sieht, und verstreicht in dem Binde-
gewebe, zuweilen auch sogar zwi-
schen den Leuchtdrüsen, parallel
dem äußeren Rande. Am konvexen Ende des Leuchtorganes nähern
sich die beiden Nerven und ziehen in den verwachsenen Lippen abo-
ral wärts, indem sie in Abständen Äste nach dem Innern abgeben. Ob
in dem hintern Teile des Leuchtorganes die von dem einen (Textfig. 8)
Nerv nach innen abgegebenen Fasern mit den von der andern Seite
kommenden iu Konnex stehen und Verbindungsbrücken zwischen den
Hauptstämmeu schaffen, habe ich nicht mit Sicherheit feststellen
können, halte es aber für sehr wahrscheinlich.
Genauere Angaben über den feineren Bau der Nerven unter den
25*
Textfig. 8.
])arste]lung des Verlaufes der Xerven und Ülut-
gefäße im Lippenorgan. äu.M, äußerer Mantel-
bogen; a, Arterie.
368 Johannes Förster,
Leuchtorganen und über das Auftreten von Ganglienzellen in den
Geweben der Leucbtorgane sind bisher noch nicht gemacht worden.
Deshalb möchte ich hier noch einige interessante Befunde kurz er-
läutern, die mir durch genaue Orientierung der Objekte und durch
gute Längsschnitte der stärkeren Nerven, die sich am Grunde der
Leuchtorgane hinziehen, ermöglicht wurden. Auf derartigen Schnitten
(Taf IX, Fig. 3) bemerkt man einen blassen, centralen, auf den ersten
Blick homogen erscheinenden Streifen, in dem sich erst bei Anwendung
starker Tauchsysteme eine Anzahl ganz zarter, parallellaufender Fibril-
len erkennen lassen, die in unserm Falle durch das Säurefuchsin kaum
gefärbt sind. Um diesen in Wirklichkeit cylindrischen Kern legt sich
ein dicker, gegen das umgebende Bindegewebe scharf abgegrenzter
Mantel, in dem zwischen stärkeren Fibrillen, die sich mit Säurefuchsin
viel intensiver färben als die obigen und im allgemeinen ebenfalls pa-
rallel laufen, große Ganglienzellen unregelmäßig zerstreut liegen. Außer-
dem lassen sich in der Mantelschicht eine Menge kleiner Kerne nach-
weisen.
Solche Bilder gewähren alle Nerven unter den Leuchtorganen.
Einige Typen dieser feingranulierten Ganglienzellen, nämlich uni-, bi-
und multipolare, habe ich zur Darstellung gebracht (Taf. IX, Fig. 4).
Von diesen treten die multipolaren in vorwiegender Zahl auf, während
mir nur selten uni- und bipolare zu Gesicht gekommen sind. Ihre
Größe ist bedeutend, insofer der mittlere Durchmesser etwa 26 fi be-
trägt. Fast durchgängig sind diese Ganglienzellen einkernig ; doch lassen
sich auch hin und wieder solche mit einem zweiten Kern (gs) nach-
weisen, der dann in einer kleineren, abgeschnürten Plasmamasse liegt,
die mit der Hauptmasse durch eine starke Brücke verbunden ist. Solche
Zellen lassen sich verschieden deuten. Entweder handelt es sich um
doppelkernige, wie sie bei Mollusken vorkommen und von Rawitz für
einige Lamellibranchier nachgewiesen sind, oder wir haben es mit
amitotischen Teilungen zu tun, die für Ganglienzellen charakteristisch
sind.
Die Kerne sind groß, färben sich nur ganz wenig und sind
deshalb ziemlich durchsichtig. Eine deutlich sichtbare Kernmembran,
strukturlos und von sehr zarter Beschaffenheit, umgibt sie. Zumeist noch
recht gut erhalten ist das Kerngerüst, in dem sich das Kernkörperchen
scharf abhebt.
Die breiten, langen Fortsätze der Ganglienzellen lassen deutlich
fibrilläre Struktur erkennen.
Derartige auffällige Ganglienzellen habe ich niemals zwischen den
über die LeuehtorgaiU' und das Nervensystem von Pliolas dactylus. 369
Leufhtdrü.veii uiul im subt'pitlu'lialen Teile der Leuchtorgane luicli-
weisen ktiniuMi. Aueli ei'imitMc ich inicli, i\ur höchst selten solche isoliert
im Bindegewebe unter den Drüsen gefunden zu haben. Dagegen sind
.sie im Bereiche der Nerven stets nachweisbar.
Leider kann ich auf die Frage, wo und wie die feinsten nervösen
Elemente im Leuchtorgane enden, kein abschließendes Urteil abgeben.
Denn trotz eifrigen Bemühens ist es mir nicht gelungen, diese färberisch
so deutlich hervorzuheben, daß sie sicher zu erkennen gewesen wären.
Gerade bei Mollusken macht ja die Unterscheidung von bindegewe-
bigen Elementen und Nervenfibrillen große Schwierigkeiten. Sicher-
lich aber werden sie mit den Bindegewebszügen zwischen die einzelnen
Drüsen gelangen und mit ihnen in Konnex treten.
Rawitz kennt überhaupt keine Nerven, die an die Leuchtorgane
herantreten; so lehnt er jede Innervierung von seiten der Septalnerven
für die beiden Streifen im Sipho ab. Über das Lippenorgan macht
er keine Angaben, während er den vom äußeren Mantelbogen zum Mantel-
organ führenden Ast nicht gefunden hat, als er die PANCERischen
Untersuchungen nachprüfte. Hinfällig durch meine Ausführungen
wird auch seine Behauptung, daß »nirgends im ganzen Organe, so
wenig wie unter ihm sich Nervenzellen, d. h. Ganglienzellen finden«.
Die Angaben von Dubois kann ich nur insofern bestätigen, als ich
nachzuweisen vermag, daß Ganglienzellen unter den Leuchtorganen
vorhanden sind. Hingegen habe ich sie nicht in andern Teilen des
Sipho gefunden, obgleich isolierte, periphere Ganglienzellen bei Mol-
lusken zuweilen beobachtet wurden. Von einem »segment neural, qui
est constitue par des cellules ganglionnaires ordinairement ovoides,
bipolaires ou nmltipolaires, qui a leur tour envoient des prolongements
dans la profondeur du siphon ou vers les segments semblables situes
dans les zones superficielles«, wie er es sich für seine »photodermatische
Theorie« konstruiert hat, kann nicht die Rede sein.
Eine kurze Zusammenfassung der morphologischen Daten ergibt
folgendes :
Pholas dactylus besitzt fünf Leuchtorgane: ein Paar schmale,
parallellaufende Streifen auf dem Septum, im Branchialsipho, zwei
unregelmäßige Flecke im Mantel und ein hufeisenförmiges Organ, um
den hinteren Teil des Fußloches. Alle liegen auf der inneren Mantel-
fläche, über die sie sich nicht unbedeutend erheben.
Jedes Leuchtorgau setzt sich zusammen aus einer großen Zahl von
Einzeldrüsen, die in lockeres Bindegewebe eingebettet sind und durch
enge Ausfuhr üänge ihren Inhalt in den Mantelraum entleeren. Nach
370 Johannes Förster,
der Art des ausgeschiedenen Secretes teilen wir die einzelnen Drüsen
in Mucin- und Leuchtdrüsen ein. Für die erstgenannten ist ein homo-
gener Schleim charakteristisch, während der Inhalt der Leuchtdrüsen
aus einem flüssigen Secret und einer körnigen Masse besteht. Bei der
Bereitung des Secretes werden die Zellen nicht verbraucht, sondern
regenerieren während eines der Entleerung folgenden Ruhestadiums
ihren Inhalt. Das Leuchtsecret entsteht durch Umwandlung des homo-
genen Inhaltes grober Maschenräume in Granula.
Während Mantelflecke und Siphonalstreifen durch Gefäße der
Aorta posterior versorgt werden, zieht unter jedem Schenkel des Lippen-
organes eine der beiden vorderen Mantelarterien entlang. Zwischen
den Drüsen ist ein reichverzweigtes Lacunensystem ausgebildet, aus
dem dann das sauerstoffarme Blut durch Venen 2;esammelt und weg-
geführt wird.
Unter den Drüsenpolstern verstreichen starke Längs- und Quer-
muskeln, während schwächere sie septenartig von oben nach unten
durchziehen.
In die Innervierung des Lippenorganes teilen sich die beiden äuße-
ren Mantelbögen, während ein starker Ast des Septalnerven jeden Si-
phonalstreifen durchzieht. Das Mantelorgan wird außer von dem schwa-
chen Astchen, das vom inneren Mantelbogen herüberkommt, in der
Hauptsache vom äußeren Mantelbogen versorgt, dem sich der vierte
Branchialsiphonerv in besonderen Fällen anschließt. Die letzten Ver-
zweigungen der Nerven nachzuweisen, war nicht möglich.
Den morphologischen Erörterungen lasse ich noch einige kurze
physiologische Betrachtungen folgen :
Der Mechanismus des Leuchtens ist bei Pholas dact. nicht weiter
verwickelt. Große Drüsenzellen bilden ein körniges Secret, das durch
die Kontraktion von Muskeln, die auf äußere Reize hin erfolgt, aus den
Drüsen herausgepreßt wird und aufleuchtet, sobald es mit Wasser in
Berührung kommt. Wir haben damit ein typisches Beispiel für extra-
celluläre Luminiszenz vor uns, wäe sie auch bei Copepoden und Ostra-
koden vorkommt.
Das Leuchten ist nicht kontinuierlich; denn bei fortgesetzter Rei-
zung tritt bald ein Versagen der Leuchtfähigkeit ein. Erst nach einer
Zeit der Ruhe kehrt sie wieder. Daraus folgt, daß die Assimilation der
leuchtfähigen Stoffe weit hinter der von Luminiszenz begleiteten Dissi-
milation zurücksteht.
Gebildet wird die leuchtende Materie stets von lebenden Zellen.
über dif Lciiclitorgaiie iiiul das Xervcnsystcin von Pliolas dactylus. 371
Doch wäre es falsch, daiuus zu schlicßou, daß die Luiuiniszenz an die
Bedingungen des Lebens gebunden ist, d. li. im lebenden Protoplasma
vor sich geht. Pflüger vertrat lange diese Ansicht. Man ist jetzt im
allgemeinen davon abgekommen und neigt mehr der Auffassung Gies-
BRECHTs zu, der meint, daß bei vielen Tieren mit extracellulärer Lumi-
niszenz »das Leuchten nicht an dem lebenden Protoplasma der Drüsen-
zellen, sondern an dem von ihm produzierten toten Secret auftritt«.
Das gilt auch für die Leuchtmaterie von PJiolas dact. Eine Bestäti-
gung dafür sind die von Panceri, Dubois und Rawitz angestellten
folgenden Versuche, bei denen alle drei Forscher zu übereinstimmenden
Resultaten kamen. — Unter einer Glasglocke ließen sie eine Anzahl ge-
öffneter Tiere stehen. Noch nach Tagen, als schon Fäulnis eingetreten
war, konnton sie durch erneute mechanische Reizung das Phänomen
des Leuchtens hervorrufen, doch waren die Lichterscheinungen weniger
intensiv und nicht mehr so schön wie am frischen Material. Ebenso
gelang es ihnen, aus dem lebenden Tier herausgeschnittene Organe,
die möglichst schnell getrocknet waren, nach längerer Zeit durch Ein-
tauchen in Süßwasser wieder zum Leuchten zu bringen.
Noch nicht erörtert ist die Verwendung der reichen Schleimmassen,
die in den Leuchtorganen gebildet werden.
Unter normalen Bedingungen tritt die leuchtende Materie in Wolken
aus den Öffnungen der Siphonen heraus und verteilt sich gleichmäßig
im Wasser. Dabei hat man bei schwacher Vergrößerung den Eindruck,
als ob um das Tier tausende von kleinen leuchtenden Sternchen schweb-
ten. Bringt man eine Wasserprobe auf einen Objektträger und unter-
sucht sie unter dem Mikroskope, so sieht man einzelne rundliche Gebilde,
die in eine homogene, aus dem Secret der Schleimdrüsen bestehende
Masse eingebettet sind. Da die einzelnen Granula, sobald sie an die
Oberfläche treten, in einen Schleimmantel eingehüllt werden, so wird
ein gegenseitiges Verkleben oder Klebenbleiben an den Siphowänden
verhindert, was bei der Zähigkeit des Leuchtsecretes unfehlbar eintreten
würde. Die Mucinmassen sind also dazu da, die Granula des Leucht-
secretes nach Möglichkeit zu isolieren ; auf den Verlauf des eigentlichen
Leuchtprozesses, d. h. auf die chemischen Vorgänge, die sich dabei ab-
spielen, haben sie gar keinen Einfluß.
Daß sich Blindheit und Leuchtorgane nicht ausschließen, dafür
ist auch Pholas dact. ein Beispiel.
Da nur wenige und zumeist aphoristische Angaben über den fei-
neren Bau der Leuchtoroane von älteren Forschern gemacht worden
372 Johannes Förster,
sind, dürfte es sich empfehlen, auf die einzige genauere histologische
Untersuchung, nämlich auf die Arbeit von Eawitz, einzugehen — dies
umso mehr, als ich in wichtigen Punkten zu andern Befunden und An-
sichten gelangte.
Jedes Leuchtorgan gliedert er in die drei Abschnitte : Epithel — Um-
wandlungszone des Leuchtsecretes — Leuchtdrüsen. Diese Einteilung
stützt sich auf die verschiedene Färbbarkeit der Partien.
Von den einzelnen Abschnitten entwirft er dann folgende Schil-
derung: >>An den meisten Stellen sind die Epithelzellen durch becher-
förmige Gebilde so auseinandergepreßt, daß sie meist konisch erscheinen.
Diese becherförmigen Gebilde sind epitheliale Lücken von sehr großer
Ausdehnung, aber keine Becherzellen. Das zur Bezeichnung , Zelle'
unbedingt notwendige Kriterium, das Vorhandensein eines Kernes,
geht den Gebilden vollständig ab. Man trifft diese Lücken in allen
Stadien der Füllung, bald ganz prall gefüllt, bald nur im basalen, bald
nur im distalen Teile Secret enthaltend. Je weniger Secret in den Lücken
ist, desto breiter sind die die Lücken begrenzenden Epithelzellen. «
»Der dritte, d. h. der der Substanz des Septum direkt aufliegende
Abschnitt . . . besteht aus einzelnen Zellen, welche meist von oblonger
Gestalt sind, manchmal infolge gegenseitigen Druckes eine polyedrische
oder ganz unregelmäßige Form angenommen haben. Die Zellen sind
gegeneinander scharf abgegrenzt, eine besondre Membran um dieselben
habe ich nicht wahrnehmen können. Die Kerne sind klein und kreis-
rund und unterscheiden sich dadurch ganz scharf von den stets ovalen
Kernen des vorhandenen Bindegewebes. Die Zellen des basalen Organ-
abschnittes gehen über in die Massen, welche die mittlere Partie bilden.
In den allermeisten Fällen ist die Differenz, welche die bereits erwähnte
Färbung beider Partien darbietet, eine ganz scharfe, unvermittelte. An
einigen, wenn auch nur wenigen Stellen findet man indessen, daß beide
Farbennüancen kontinuierlich in einander übergehen. Das Plasma der
den basalen Abschnitt bildenden Zellen erscheint sehr stark granu-
liert, fast wie aus einzelnen Tropfen bestehend. Allmählich beim Über-
gang zum mittleren Abschnitte wird das Plasma homogener und nimmt
beispielsweise in Orange-Hämatoxylinpräparaten eine andre Färbung
an, indem das Hellgelb einem violetten Tone zu weichen beginnt. Dieser
violette Ton wird nach und nach intensiver bis wir im mittleren Drittel,
intensiv gefärbte, in der erwähnten Doppelfärbung tief veilchenblaue
Massen antreffen. Die Massen, welche den mittleren Abschnitt bilden,
setzen sich unmittelbar fort in die interepithelialen Lücken, durch
welche hindurch sie sich entleeren; sie entbehren der Zellkerne voll-
über die Leuchtoigaiu' und das Norvcnsystcni von Pholas dactylus. 373
ständig. Die einzigen keinlialtigen, also zelligen Elemente der Leucht-
organe sind daher nur im basalen, großen Abschnitte vorhanden.«
Aus diesem Passus geht hervor, daß Kawitz den Bau des eigent-
lichen Leuchtkörpers verkannt hat; denn es ist falsch, die Schleim-
massen zwischen den Epithelzellen und im mittleren Abschnitte des
Organes als das Produkt der in der Tiefe liegenden Leuchtdrüsen an-
zusehen. Die violettgefärbten Mucinmassen enthalten, wie ich nach-
gewiesen habe, Kerne und sind aus diesem Grunde als echte, selbstän-
dige Drüsen anzusehen. Mit den Leuchtdrüsen stehen sie in keiner
Weise in Verbindung. Übergangsformen, wie sie Rawitz an einigen
Stellen zwischen den gelb gefärbten Leuchtdrüsen und den violetten
Schleimmassen gesehen haben will, sind auf ungenaue Beobachtungen
zurückzuführen.
Ich betone also nochmals, daß nicht die Leuchtdrüsen die ein-
zigen kernhaltigen Elemente im Leuchtorgane sind, sondern daß neben
diesen Schleimdrüsen in großer Menge ausgebildet sind.
Wenn Rawitz weiterhin behauptet, daß die Kerne der Leucht-
drüsen klein sind, so kann ich dem nicht beipflichten. Im Gegenteil
fallen sie infolge ihrer ansehnlichen Größe sofort auf und unterscheiden
sich scharf von denen des Bindegewebes.
Widersprechen muß ich ihm auch in einem andern Punkte. Ra-
witz schreibt auf S. 183: >>Es sei noch erwähnt, daß man an einigen
Stellen die Zellen des basalen Abschnittes bis an das Epithel heran-
reichen sieht. Es fehlen hier also im mittleren Abschnitte die intensiv
gefärbten Massen, d. h. mit andern Worten: es befindet sich das Organ
an dieser Stelle in Ruhe, es ist secretleer; eine Umwandlung des Plasmas
dieser Zellen hat noch nicht stattgefunden. Sehr beachtenswert ist
dabei, daß an solchen Punkten, die eine Secretionspause zeigen, Lücken
nicht vorhanden sind, die Epitheldecke vielmehr in ununterbrochener
Kontinuität diese Stellen überzieht. Das zeigt meines Erachtens deut-
lich, daß jene becherförmigen Lücken in der Tat nur Lücken sind, die
entstehen, wenn das in der Tiefe bereitete Secret epithelwärts rückt,
und die verschwinden, wenn das Secret ausgestoßen ist, indem nun-
mehr die vorher auseinandergepreßten Wimperzellen wieder ihre nor-
male Gestalt annehmen und folglich sich eng aneinander lagern.«
Dieser Auffassung kann ich mich nicht anschließen, denn bei
Drüsen, die ihr Secret regenerieren, sich also in einem Ruhestadium
befinden, lassen sich die Ausführgänge aus früher angegebenen Grün-
den nur selten bis zur Oberfläche verfolgen. Rawitz hebt aber beson-
ders hervor, daß man »die Zellen des basalen Abschnittes bis an das
374 Johannes Förster,
Epithel heranreichen sieht«. Diese Bemerkung deutet im Gegenteil
darauf hin, daß es sich nicht um regenerierende Zellen handelt, sondern
um Leuchtdrüsen, die mit reifem Secret vollkommen erfüllt sind. Liegen
nun zufällig die Ausführgänge mehrerer Leuchtdrüsen dicht nebenein-
ander, so werden die Mucindrüsen beim Aufsteigen des Leuchtsecretes
zur Seite gedrängt, wodurch es den Anschein gewinnt, als fehlten
hier die blaugefärbten Schleimmassen.
Auch bei der Untersuchung des Epithelbelages der Leuchtorgane
gelangte ich zu anderen Resultaten. Nach Rawitz besteht er aus
Zellen, die sich nach der Art ihrer Bewimperung in zwei Gruppen schei-
den lassen. S. 179 beschreibt er beide mit folgenden Worten: »Bei
der Untersuchung der das Leuchten bewirkenden Partien im frischen
Zustande erkennt man, daß das Epithel, welches diese Stellen bedeckt,
ein Wimperepithel ganz eigener Art ist. Es sind nämlich Zellen von
zweierlei Formen vorhanden, einmal gewöhnliche Wimperzellen, d. h.
relativ niedrige, cylindrische Gebilde, die auf schmalem cuticularem
Saume zahlreiche, sehr schnell schlagende, weiche Haare tragen und
dann Zellen, auf deren cuticularem Saume bei dieser Art der Betrach-
tung nur eine Wimper zu sitzen scheint. Diese Wimper ist sehr lang,
12,6 u, ist tief in die Zellen hinein zu verfolgen und gleicht einem Dorne,
der mit etwa 0,9 /t breitem Fuße auf dem freien Bande der Zelle auf-
sitzt. Diese Form der anscheinend einheitlichen Wimper erinnert leb-
haft an die langen Sinneshaare auf den Pinselzellen von Lithodonius
dactylus; nur unterscheiden sich die Bildungen hier bei Pholas von
denen bei Lithodomus dadurch, daß sie schnell im Sinne der übrigen
Wimperbewegung hin und her schlagen, und zwar so schnell, daß diese
Bewegung ihnen nicht von andern Wimpern mitgeteilt sein kann,
sondern auf eigener Fähigkeit dazu beruhen muß. Diese Eigenbewe-
gung der langen Wimpern deutet aber darauf hin, daß die zu den Wim-
pern gehörigen Zellen keine Sinneszellen, sondern gewöhnliche in-
differente sind; denn der Haarbesatz der FLEMMiNGschen Pinselzelleu
entbehrt der Eigenbewegung.«
Bei den Untersuchungen des Epithelbelages war ich Bawitz gegen-
über in sofern etwas im Nachteile, als mir lebendes Material nicht zur
Verfügung stand. Doch glaube ich immerhin darauf hinweisen zu
dürfen, daß verschiedene konservierte Tiere stets übereinstimmende
Resultate lieferten.
Seine Angaben über das Vorkommen von Zellen mit nur einer
großen einheitlichen Wimper, kann ich nicht bestätigen. Ich habe eine
ansehnliche Zahl von Schnitten durch die verschiedenen Organe auf
über die Leuehturgaue iiiul das Xervensysteiu von Pliolas dactyhis. 375
solche Gebildt' hin (hi ichgesehen, docli stets mit negativem Resultat.
Da auf luciiu'ii Präparaten übeiall die Cilicii der AViiii[)erzellen sehr
gut erhalten sind und infolge ihrer Län^e scharf herv(U'treten, so hätten
mir einfache Wimpern von 0,\) u Fußbreite und 12,6 {^i Länge nicht ent-
gehen können. Ebensowenig fand ich sie auf Total -oder Macerations-
präparaten. Nachträglich fügt Rawitz nun noch hinzu, daß »eine
Differenzierung beider Arten von Wimperzellen im Schnitt nicht mehr
zu erkennen ist«. Dies dürfte nicht der Fall sein, wenn seine ersten Be-
obachtungen richtig waren. Auch aus gewissen Worten seiner Be-
schreibung geht deutlich hervor, daß er selbst von der Einheitlichkeit
der Wimper nicht so fest überzeugt ist. Deshalb hat er es vielleicht
auch vermieden, in seine Zeichnung, die ein Stück aus einem Leucht-
organe darstellt, derartige Wimpern einzutragen. (Vgl. Fig. 57, Taf . VI,
Jenaische Zeitschr. f. Nat., Bd. 27). Ich glaube bestimmt, daß es
sich hier um einen Beobachtungsfehler handelt. Denn auf den Leucht-
organen kommen mancherlei Gebilde vor, die bei eiUger Betrachtung
mit Geißeln verwechselt werden können. Hin und wieder tragen näm-
lich Zellen dicke, anscheinend einheitliche Wimpern, die mit breitem
Fuße aufsitzen, während ihre freien Enden starr wie Dornen aufragen.
Sie erscheinen bedeutend größer als die Cilien der Wimperzellen, die
bei ihrer Länge und dem geringen inneren Halte zumeist ein wenig nach
der Seite umgelegt sind. Trotzdem ergeben sich für beide bei Messungen
die gleichen Werte, Vergrößert man eine solche Geißel stark, so löst sie
sich in viele zarte Fasern auf, deren jede an einem Basalkorne unter dem
oberen Rande der Zelle inseriert. Von da ziehen plasmatische Fibrillen
nach dem Zellgrunde. W^ir haben eine reguläre Wimperzelle vor uns,
die sich von den umstehenden morphologisch nur dadurch unter-
scheidet, daß ihre sämtlichen Härchen wie ein Strick zusammenge-
dreht und vielleicht verklebt sind. Nach Panceri bewegen sich diese
Geißeln in »langsamem Rhythmus«. Das ist erklärlich. Durch das
Zusammendrehen der Cilien zu einem Bündel haben sie eben einen
großen Teil ihrer Beweglichkeit eingebüßt.
Seine Betrachtungen über den Leuchtkörper schheßt Rawitz mit
den Worten : »Alle drei Abschnitte bilden mithin eine histologische und
physiologische Einheit; sie sind als eine einzige, in den Siphonen außer-
ordenthch lang ausgedehnte, vielzellige Drüse zu betrachten, deren
Zellen für sich ohne einen besonders differenzierten, gemeinsamen Aus-
fuhrgang zu besitzen, das von ihnen bereitete Secret nach außen führen.
Die tinktionellc Eigentümlichkeit, welche im Schnittpräparate des
Secretes dieser Organe, also die leuchtende Materie darbietet, die un-
376 Johannes Förster,
gemeine Affinität zu basischen Anilinen und zum Hämatoxylin charak-
terisiert die Massen als Mucinmassen. Worin die Differenz vom ge-
wöhnHchen Mucin beruht, welche Momente es sind, die das Leuchten
bedingen, das kann ich nicht sagen.«
Diese Auffassung von den drüsigen Elementen im Leuchtorgane, wie
sie von Kawitz hier vertreten wird, läßt sich nach der Erkenntnis, daß
Schleim- und Leuchtdrüsen den Leuchtkörper zusammensetzen, nicht
länger aufrecht erhalten. Wenn er anderseits dem Leuchtsecret mu-
kösen Charakter zuschreibt, so hängt das mit seiner falschen Vor-
stellung über die Herkunft der Schleimmassen zusammen. Demgegen-
über habe ich sicher feststellen können, daß die Granula durchaus keine
Mucinreaktion zeigen.
Das Nervensystem.
Zunächst möchte ich nicht versäumen, einige Bemerkungen über
die Arbeiten jener Forscher zu geben, welche speziell das Nervensystem
von Pholas untersucht haben. Duvernoy (1854) gibt zum ersten Male
in seinen »Memoires sur le Systeme nerveux des Mollusques acephales<<
unter andern einen Überblick über das gesamte Nervensystem von
Pholas und fügt dem eine vollständige Zeichnung bei.
Panceri (1872) beschreibt in einer Arbeit eingehend die Sipho-
nerven und ihre Abzweigungen nach den verschiedenen Leuchtorganen.
Über den Bau des Visceralganglions finden sich Angaben bei
Eggee (1887) und Pelseneer (1891), die mir bei meinen Untersuchungen
gute Dienste leisteten.
Von Kawitz kommen hier zwei Arbeiten in Frage. In seinem
centralen Nervensystem der Acephalen (1889) gibt er eine recht an-
sprechende allgemeine Schilderung des centralen Nervensystems der
Siphonier und Asiphonier und geht dann zur Beschreibung der feineren
Struktur der Cerebral-, Visceral- und Pedalganglien über. Bei dieser
Gelegenheit kündigt er auch für später eine ausführliche Darstellung des
ganzen Nervensystemes von Pholas an, die bis jetzt jedoch nicht er-
schienen ist; denn in der Abhandlung über den Mantelrand der Ace-
phalen von 1892 beschränkt er sich auf eine knappe Beschreibung
und schematische Abbildung der centralen Partien. Auf den Verlauf der
größeren peripheren Nerven weist er nur andeutend hin. In einigen
wesentlichen Punkten muß ich seine Angaben berichtigen und kann
denselben manches Neue hinzufügen.
Da die den meisten Arbeiten beigegebenen Zeichnungen mangel-
über dk' Lcuclitorgano und das Xi-rvonsystoni von Pliolas daotylus. 377
haft sind, habe ich auf eine genaue bildliche Darstellung besondern Wert
geleot.
An Material standen mir nur fast ausoewachsene Tiere zur Ver-
fügung, weshalb ein Zerlegen in Schnittserien wegen der Größe der
Objekte nicht möglich war. Angewandt wurde das Schnittverfahren
nur beim Nachweis des in Muskeln eingebetteten J^uccalganglions und
der sehr zarten Buccalkommissur.
Zum Einarbeiten verwandte ich altes Alkoholmaterial. Später
lieferte mir die Zoologische Station in Neapel Tiere, die mit Chromessig-
säure nach dem Rezept von Dr. Naef, Neapel, behandelt waren. Da
diese Konservierung die Nerven recht widerstandsfähig macht und
dadurch das Präparieren erheblich erleichtert, gebe ich sie hier kurz
wieder.
Die frischgefangenen Tiere werden in Seewasser mit Alkohol be-
täubt (Ausstrecken des Sipho.) und diesem dann 4% Formol zugegeben.
Nachdem eine mäßige Härtung eingetreten ist (1 Stunde), werden sie
mit Süßwasser gut abgewaschen und etwa 24 Stunden in verdünnte
Ohromsäurelösung gebracht. (Auf 9 Teile Wasser 1 Teil Lösung.) Die
Zusammensetzung der Chromsäurelösung ist folgende: 50 Teile Eis-
essig, 10 Teile kristalline Chromsäure, 40 Teile dest. Wasser. Auf diese
Fixieruno; folsit 1 — 2 tägiges Wässern in Süßwasser und dann ein Über-
führen in Alkohol,
So behandelte Objekte eignen sich sehr gut zum Präparieren des
peripheren Nervensystemes. Dagegen tritt leicht ein Verfall in den
Ganglien ein, die man am besten an Alkohol- oder Formolmaterial
präpariert.
Zentrales Nervensystem.
Alle nervösen Hauptcentren, die wir bei den Lamellibranchiern
zu finden gewohnt sind, die Cerebral-, Visceral- und Pedalganglien
kommen auch unsrer Muschel zu, und zwar in derselben Anordnung,
wie sie allen Gliedern der Pholadideufamilie, mit Ausnahme der Tere-
dinen, gemeinsam ist. Dazu gesellen sich noch die Buccalganglien, die
infolge ihrer geringen Größe und der versteckten Lage bisher den For-
schern vollkommen entgangen waren. Schließlich sind noch zwei gan-
glionäre Anschwellungen zu erwähnen, eine paarige und eine unpaare.
Kurz hinter der Abzweigung des Septalnerven können wir an jedem
äußeren Mantelbogen eine mäßige Verdickung feststellen, die man als
Siphonalganglion bezeichnet. Bevor die Cerebrovisceralcommissur in
das Eingeweideganglion eintritt, zweigt sich sekundär eine kurze
378 Johannes Förster,
aber starke Kommissur nach innen ab, die zu einem völlig kugligen,
medianen Ganglienknoten führt, den Pelseneer zuerst bei mehreren
Pholaden nachgewiesen hat, und den er Medianganglion nennt. Mir
scheint die Bezeichnung »Prävisceralganglion « treffender, weil damit
eine genaue Bestimmung seiner Lage verbunden ist.
Über den Verlauf der Kommissuren, durch die diese Ganglien zu-
sammenhängen, ist folgendes zu bemerken.
Der Schlund wird völlig umschlossen, da einerseits von Buccal-
ganglion zu Buccalganglion sich auf seiner ventralen Seite ein Nerven-
strang, die Buccalcommissur, hinzieht, anderseits die Cerebralganglien
untereinander durch die supraösophageale Cerebralcommissur ver-
bunden sind. Außerdem stehen die letzteren durch Schlundcommissuren
mit dem infraösophagealen Pedalganglion und durch die Cerebrovis-
ceralcommissuren mit dem Visceralganglion in Zusammenhang. Kurz
vor ihrem Eintritt in das Eingeweideganglion sind die beiden Cerebro-
visceralkonnektive noch untereinander durch eine Commissur, die
Prävisceralcommissur, verbunden. Durch ein Connectiv werden Fa-
sern jedes hinteren Mantelnerven direkt nach dem entsprechenden
Branchialnerven unter Umgehung des Visceralganglions geleitet. Zwi-
schen Cerebral- und Buccalganglien sind infolge des engen Aneinander-
legens die Commissuren stark verkürzt.
Bemerkt sei nur noch, daß im Aufbau des centralen, wie peripheren
Nervensystems vollkommene Symmetrie herrscht.
Ganglion cerebrale. Das Cerbralgangiion, ein paarig ange-
legtes Gebilde, ist zu beiden Seiten des Schlundes an der hinteren,
ventralen Fläche des vorderen Schließmuskels anzutreffen, wo es in
lockeres Bindegewebe eingebettet liegt. Von oben betrachtet zeigt es
birnenförmige Gestalt, was ich besonders hervorheben möchte. Rawitz
behauptet nämlich: »Bei den Siphoniata ist ihre Gestalt eine kugelige
oder richtiger, da die abgehenden Nervenstämme das Äußere modi-
fizieren, eine morgensternartige« und stellt sie einer »kegelförmigen
Gestalt << bei Asiphoniern gegenüber. Für Pholas dact. trifft dies nicht
zu. Sowohl auf Schnittserien wie auch auf Totalpräparaten erkennt
man deutlich eine gestreckte Kegelform mit nach hinten gerichteter
Spitze des Kegels. Die äußere und obere Fläche ist konvex, mäßig
konkav die innere und flach die untere.
Von jedem Cerebralganglion gehen vier Commissuren ab; aus
der Kegelspitze tritt die Commissur zum Visceralganglion aus; die
Cerebralcommissur entspringt am inneren oberen Rande, während die
Fasern der Cerebropedalcommissur an einer darunterliegenden Stelle
über die Linu'litorg;uic und das Xcrvensyslciii von Pliolas dactylus. 379
abzweigen; auf clor ventiaK'ii Seite verläßt die Cerebrobuccalcommissur
das Ganglion.
Außerdem entsendet jedes der beiden Nervencentren noch folgende,
später zu behandelnde Nerven: den vorderen Mantelnerv, mit dem
die Fasern für den vorderen Schließmuskel vereinigt sind und den
Nerv für die Muskulatur des Ösophagus.
Ganglion buccale. Dieses winzig kleine, kuglige Gebilde schmiegt
sich der Unterseite des Cerebralganglions eng an, mit dem es durch
eine ganz kurze Commissur verbunden ist. Mit der Gegenseite hängt
es durch die ventralwärts vom Ösophagus liegende, langgestreckte
Buccalcommissur zusammen.
Textfig. 9.
Schnitt durcli das rechte Cerebral- und Buccalganglion. cg, Cerebralganglion ; bg, Buccalgan-
glion; ck, Cerebralcommissur; cbk, Cerebrobuccalcommissur; bgJk, Buccalcommissur; nös, Xerv
für die Oesophagusmuskulatur. Vergr. Oc. 1, Obj. 8.
Vom Buccalganglion aus werden durch feine Nerven die Mund-
lappen innerviert.
Ganglion viscerale. Das Visceralganglion stellt den größten
Nervenknoten dar, den PJiolas dact. besitzt. Hat man die Kiemen vor-
sichtig wegpräpariert, so sieht man das Ganglion, das mit seiner Dorsal-
seite der ventralen Fläche des hinteren Schließnmskels anliegt, nur
wenig oberhalb des Afters durch die zarte Haut hindurchschimmern.
Es zeigt ungefähr die Form eines Quadrates, dessen vordere Partie in
zwei konische Fortsätze ausgezogen ist, und das eine Länge von etwa
V4 mm hat. Um den feineren makroskopischen Bau studieren zu können,
heben wir die zarte Hülle, die es auf der ventralen Seite deckt, behut-
sam ab. Durch eine Längsfurche wird es in zwei symmetrische Hälften
zerlegt, während eine Querfurche, die senkrecht zur Längsfurche steht,
eine größere Vorderhälfte von einer kleineren scheidet. Beide Furchen
380
osphr
nag
Textfig. 10.
Visceralganglion (Dorsalansicht) mit da vorliegenden Prävisceralganglien. cvc, Cerobrovisceral-
commissur; brnic, Branchial-Mantelnervcommissur; prc, Prävisceralconimissur mit Ganglion; nbr,
Branchialnerv; npp, hinterer Mantelnerv; nr, jS'erv zur Niere; na, Nerv zum After; nag, Nerv
zu den Ausführgängen der Geschlechtsorgane; osphr, Osphradium: nadp, hintere Schließmuskel-
nerven. Vergr. Oc. 1, Obj. 5.
Textfig. 11.
Visceralganglion (Ventralansicht) mit davorliegendem Prävisceralganglion. Erklärung s.Te.xtfig.lO.
ÜluT die Linulitorgaur und das Xi'ivi'iisystcin von l'holas dactylus. 381
sind nicht sehr tief, doch bei genauer Beobachtung gut sichtbar. Das
VisceralgangUon zerfällt also in vier flach gewölbte Felder, von denen
das vordere Paar sich ein wenig über die beiden hinteren Abschnitte
hiuwegschiebt. Auf der Dorsalseite ist diese Vierteilung ebenfalls zu
erkennen, nur weniger deutlich.
Hinweisen möchte ich auf die Sipho- und Kiemennerv verbindende
Commissur, die in geringem Abstände zu beiden Seiten des Eingeweide-
ganglions hinzieht und bisher den Beobachtern stets entgangen zu
sein scheint; denn in der Pholadenliteratur ist sie nirgends erwähnt.
Meiner Ansicht nach handelt es sich hier um eine Brücke, die durch
sekundäre Trennung gewisser Fasern vom Ganglion entstanden ist.
Die ältere Literatur weiß von all diesen feineren Bauverhältnissen
des Visceralganglions noch nichts.
c=d\
\
Prävisceralcommissur mit Ganglion.
Textfig. 12.
Verschiedeil stark entwickelt.
Vergr. Oc. 1, Obj. 5.
Egger zeichnet die Längsfurche viel zu tief und erweckt damit
beim Leser die Vorstellung, als ob das Visceralganglion noch paarig
angelegt sei, was in Wirklicheit nicht der Fall ist.
Die Abbildungen von Duvernoy, Panceri und Pelseneer sind
sehr schematisch gehalten und lassen keine Details erkennen.
Im Eingeweideganglion wurzeln eine ganze Reihe wichtiger Nerven,
nämlich der hintere Mantelnerv, der Kiemennerv, ein Nerv zur Niere
und Nerven für den hinteren Schließmuskel. Ihre genaue Beschreibung
folgt später.
Ganglion prae viscerale. Das Prävisceralganglion liegt bei
Pholas dact. als ein kleines Knötchen zwischen den Connectiven, das
merkwüdigerweise in seiner Größe recht variieren kann. So hatte es
bei zwölf der von mir untersuchten Tiere ausgesprochen kugelige Gestalt
(Textfig. 12 ö), während ich bei zwei Individuen kein echtes Ganglion
finden konnte. Bei ihnen war die starke Prävisceralcommissur an der
Stelle, wo sonst der Nervenknoten zu liegen pflegt, nur schwach ver-
dickt (Textfig. 12 b). Die mikroskopische Untersuchung ergab, daß nur
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CIX. Bd. 2l)
382
Joharmes Förster,
P^/3
wenige Ganglienzellen angelagert waren. Schließlich kann ich noch einen
recht extremen Fall mitteilen, wo die Commissur nur ein zarter Faden
war, so fein, daß ich ihn erst gar nicht bemerkte und an ein Fehlen
glaubte (Textfig. 12 c). Ein Prävisceralganglion war nicht angedeutet
und Ganglienzellen waren nur in den verbreiterten Ansatzstellen an
den Connectiven nachweisbar.
Zwei feine Nerven zu den Ausführgängen der Geschlechtsorgane
konnte ich nur dann feststellen, wenn ein wirkliches Ganglion ausge-
bildet war (Textfig. 12 «).
Interessant ist, daß in dem Prävisceralganglion eine Kreuzung
gewisser, von den Hirnganglien kom-
menden Nervenfasern stattfindet. Hellt
man z. B. ein Totalpräparat, in dem
die Ganglienzellen mit Eosin gefärbt
sind, mit Nelkenöl auf, so konstatiert
man daran folgendes: An der inneren
Seite der von den Hirnganglien kom-
menden Cerebrovisceralconnective las-
sen sich gewisse Nervenfasern wahr-
nehmen, die von den übrigen Fibrillen
geschieden sind. Sie biegen scharf in
die Prävisceralcommissur ein, laufen
schräg durch das Ganglion hindurch
und verschwinden auf der gegenüber-
liegenden Seite im Visceralganglion.
Der bei weitem größte Teil, der im
Connectiv enthaltenen Nervenelemente tritt, ohne sich gekreuzt zu
haben, geradeswegs in das Visceralganglion ein (Textfig. 13).
Den Verlauf und die Kreuzung der einzelnen Nervenfasern im
Prävisceralganglion genau zu verfolgen, ist nur auf Schnitten möglich.
Nie habe ich ein Aneinanderstoßen oder Verwachsen von Prävis-
ceral- und Visceralganglion beobachtet, wie es Egger in seiner Zeich-
nung darstellt. Beide Ganglienmassen sind stets durch ein bohnen-
förmiges Foramen geschieden, das je nach der Ausbildung des Prävis-
ceralganglions kleiner oder größer ist. Davon ist auch Pelseneer über-
zeugt, der die Partien bei Pholas dact., Pholas Candida und Pholas cris-
pata genau untersuchte. Nicht bekannt sind ihm die Nerven zu den
Ausführgängen der Geschlechtsorgane, wie auch die verschiedene Größe
des Prävisceralganglions. Egger verneint ebenfalls den Austritt von
Nerven aus der ganglionären Querbrücke; so viel ich aber aus seiner
^.9
Textfig. 13.
Längsschnitt durch das Prävisceralganghon
und die Cerebrovisceralcommissuren ; zur
Demonstration des Faserverlaufes, vg, Vis-
ceralganglion; prvg, Prävisceralganglion;
di, direkte Fasern; hr, sich kreuzende
Fasern: cvc, Cerebrovisceralcommissur.
Vbvv die Leuclitoigaiie luul das Nervciisystein von Fliolas dactylus. 383
Zeicliiiung entnehnion kann, hat das von ihm untersuchte Tier ein auti-
gebildetes Prävisceralganglion garnicht besessen und entbehrte dem-
gemäß der Nerven.
Eine irrige Vorstellung von diesem Nervenknoten hat Rawitz.
iSeiner Meinung nach »entspringen von den vorderen Ecken des Visceral-
ganglions zwei zarte Nervenstämmchen, die nach vorn konvergierend
sich zu einem kleinen Ganglion vereinigen und sich vielleicht in dem-
selben kreuzen. Erst aus diesem Ganglion kommen die Cerebrovisceral-
connective heraus«. Diese Angabe stimmt insofern nicht, als die Com-
missuren schon aus dem Eingeweideganglion entspringen und sich
niemals kreuzen.
Über die Bedeutung solcher Prävisceralganglien bei Muscheln hat
Stempell in einer neueren Arbeit Betrachtungen angestellt, in denen
er folgender Ansicht zuneigt: >>Die meisten derartigen Medianganglien
versorgen vornehmlich die Geschlechtsorgane. Wenn man alle diese
in den Verlauf der Visceralconnective eingeschalteten Ganglien nicht als
Bildnungen sui generis auffassen will, so kann man in ihnen eigentlich
nur nach hinten verlagerte Sondercentren des sympathischen Nerven-
systemes erblicken, die sich vielleicht deswegen bei Muscheln ausge-
bildet haben, weil die meist langgestreckte Gestalt des Körpers der-
selben die Schaffung besondrer Centren im hinteren Körperabschnitte
forderte« (vgl. Chanui, Dreissensia, louannetia usw.),
Ganglion pedale. Die ventral vom Schlundrohr gelegenen Fuß-
ganglien sind so eng aneinandergerückt, daß sie zu einem Nervenknoten
verschmolzen sind. Eine vertikale Eurche, wie sie bei den Unioniden
noch nachweisbar ist imd die als ein letztes Dokument für die frühere
paarige Anordnung angesehen werden kann, fehlt hier völlig. In seiner
Gestalt gleicht es einem Rechtecke, dessen untere Ecken abgerundet
sind und aus dessen oberen die starken Commissuren zu den Hirn-
gangUeu ausstrahlen.
Zwei Nervenpaare entspringen aus ihm und versorgen die Fuß-
muskulatur und die Eingeweide.
Ganglion siphonale. Hinter der Abzweigungsstelle des Septal-
nerven stößt man auf ein unscheinbares, länghches Nervenknötchen,
das Siphonalganglion, das zugleich die Ursprungsstelle für den ersten
Branchialsiphonerv bildet.
Einen sehr ansehnlichen Eindruck macht das Siphonalganglion
auf der Zeichnung (Taf. III, Fig. 3) Panceris, wo es ungefähr halb so
groß wie das Visceralganglion gezeichnet ist, eine Größe, die es sicher
nie erreichen dürfte. Kawitz dagegen schreibt richtig, daß »die
2l>*
384
Johannes Förster,
Ursprungsstelle des ersten Astes (für den Branchialsipho) durch eine
kleine gangliöse Anschwellung ausgezeichnet ist«.
Commissuren. Von den Nervenbahnen, diedie einzelnen Ganglien-
knoten dieser Muschel zu einem centralen Nervensystem verbinden,
ist in erster Linie die lange Cerebrovisceralcommissur hervorzuheben.
Vom Cerebralganglion geht sie zuerst stark
nach auswärts, bis sie unter der Anheftungs-
linie der inneren Kiemenlamelle an der Grenze
des Eingeweidesackes angelangt ist und nun-
mehr in diesen eintritt. Parallel der Kieme,
aber stets nach außen von der Körperhülle
überdeckt zieht sie stark konvergierend nach
hinten. Vom Eingeweidesacke setzt sie zum
Nierenbeutel über, verläuft medianwärts von
der Nierenspritze, um endlich hinter der Niere
in das Visceralganglion einzutreten.
Die Cerebropedal- und die Cerebralcom-
missuren sind kurze Stränge, die durchaus
normal verlaufen; weshalb ich auf eine ein-
gehende Beschreibung verzichten kann.
Endlich ist noch die Commissur zu er-
wähnen, die beide Buccalgangiien verbindet
und fast in ihrer ganzen Länge in die Musku-
latur des Ösophagus eingebettet liegt.
Wenn ich au dieser Stelle nochmals auf die
Commissur zwischen dem Sipho- und Kiemen-
nerv zurückkomme, so geschieht es, um über
den Verlauf der Fibrillen einiges nachzutragen.
Ehe sie vom Siphonerv abzweigt, be-
merkt man, daß sich von den Fibrillen, die
aus Sipho und Mantel kommen, eine Anzahl absondert, in die
Kommissur eintritt und auf diesem Wege direkt zum Branchialnerven
Textfig. 14.
Zur Demonstration des Faserver-
laufes in der Branchial -Mantel-
nervencommissur. Längsschnitt.
npp, hinterer Mantelnerv: nbr,
Branchialnerv : osphr, Osplna-
dium; brsc, Branchial -Mantel -
nervcommissur.
Textfig. 15. T^ewensysiemvon Pholasdactylus (Dorsalansiclit). Übersichtzeichnung, cs', t'erebralgau-
ghon ; bg, Buccalganglion ; vg, Visceralganglion ; prg, Prä visceralganglion ; pg, Pedalganglion ; sg, Sipho-
nalganglion: cc, Cerebralconimissur; bc, Buccalcomniissur; cpc, Cerebropedalcommissur: cvc, Cere-
brovisceralcommissur; brtnc, Brancliial-Mantelnervcommissiir; na, Analnerv: nab, Mundlappennerv;
nada, vorderer Schließmuskelnerv; tiadp, hinterer Schließmuskelnerv: nag, i^erv zu den Ausfiihr-
gängen der Geschlechtsorgane; nas, Analsiphonerv; nat, Herznerv; nb^-^, Branchialsiphonerveu:
nbr, Kiemennerv; ne, Nerv für den hinteren Teil des Eingeweidesackes: nf, Nerv für die vor-
deren Partien um das Fußloch; ng, Nerv zu den Geschlechtsorganen; nmai-2, Nerven zu dem
Mantelleuchtorgan; npi, innerer Mantelbogen; npe, äußerer Mantelbogen; npa, vorderer Mantel-
nerv; npp, liinterer Mautelnerv: nre, Nerven zum Ketractormuskel: nse, Septalnerv; «, /<, r. *>,
Commissuren zwischen den beiden äußeren Mantelbögen.
385
Textfig. 15. Erkläruncr s. S. 384 unten.
386 Johannes Förster,
geleitet wird. Sie vermisclien sich nicht mit den Fasern, die aus
dem Visceralganglion kommen, sondern laufen geschlossen zum Os-
phradium und treten mit den Ganglienzellen in Konnex, die dort
in großer Zahl liegen. Vom Branchialnerven wenden sich nur einzelne
Fibrillen zu den Sinneszellen des Osphradiums; die Hauptmasse zieht
geradeswegs nach den Kiemen.
Ob durch diese Commissur ein spezieller und direkter Zusammen-
hang zwischen dem Osphradium und dem Siphonalganglion geschaffen
wird und welche Bedeutung ihm zuzuschreiben wäre, vermag ich nicht
zu entscheiden.
Wenn auch die Mantelbögen als echte Commissuren nicht ange-
sehen werden können, so haben sie doch mit ihnen so viel Ähnlich-
keit, daß man sie in dem Zusammenhange anführen kann.
Die Feststellung des geschlossenen Mantelbogens verdanken wir
DuvEKNOY, der ihn bei zahlreichen Lamellibranchiern nachwies. Er
unterscheidet dabei zwei besondre Typen des Nervensystemes, einen
»type palleal mouocirculaire << und einen »type palleal bicirculaire <<
(S. 33). Da der erste Typus nach seinen Beobachtungen nur den Mono-
myariern und Pinna zukommt, brauche ich nicht näher auf ihn ein-
zugehen. Dagegen soll der zweite sich besonders bei den Siphonaten
finden, also auch bei Pholas. Dieser letztgenannte ist nun dadurch
charakterisiert, daß vom Hirnganglion ein vorderer und vom Ein-
geweideganglion ein hinterer Mantelnerv ausgeht, die von beiden Seiten
her gegeneinander laufen, zusammentreffen und verschmelzen. Bicir-
culaire, d. h. zweikreisig hat er diesen Typus bezeichnet, weil durch den
Mantelbogen und die entsprechende Cerebrovisceralcommissur in jeder
Mantelhälfte ein vollkommen geschlossener Nervenring geschaffen wird.
Nach Angabe Duvernoys soll indessen auch ein doppelter Mantel-
bogen vorkommen, und zwar dann, wenn der vordere wie der hintere
Mantelnerv Gabeläste bilden, die sich vereinigen. Er selbst hat ihn
jedoch bei keinem Siphonaten vollständig abgebildet. Bei Phohs ist
er nun entschieden vorhanden, und zwar liegen die Verhältnisse da
folgendermaßen :
Aus dem 'Cerebralganglion tritt der vordere Mantelnerv aus, zieht
über den Schließmuskel hinweg und wendet sich in steilem Bogen nach
rückwärts. Vor der Spitze des Lippenleuchtorgancs teilt er sich in zwei
Zweige. Der äußere, bedeutend stärkere verschwindet unter dem Drüsen-
polster und läuft in der Verwachsungsmembran der Mantelränder nach
hinten. Der andre geht erst ein Stück nach innen, zieht aber dann in
der zarten Haut an der Grenze zwischen Rand und Mantel ebenfalls
über die Leuchtorgano und das Xcrvonsystt'in von Pholas dactylus. 387
aboralwärts. Beiden Ästen kommt der hintere Mantelnerv entgegen,
der auch zwiegespalten ist. Durch eine Vereinigung der vier Nerven
entsteht ein doppelter Mantelbogen, der sich aus einem äußeren und einen
inneren Bogen zusammensetzt. Zwischen den beiden äußeren Bogen
vermochte ich mehrere Commissuren nachzuweisen, während ich zwi^
sehen dem inneren und dem äußeren Mantelbogen nur eine einzige Ver-
binduugsbrücke entdecken konnte, die dann stets an der Stelle der
grüßten gegenseitigen Annäherung lag. Die Ausbildung eines solch
völlig geschlossenen Nervensystems, wie es Lamellibranchier mit freien
Mantelrändern niemals besitzen können, dürfte für alle Pholaden cha-
rakteristisch sein (vgl, Textfig. 15).
Peripheres Nervensystem.
Nerven des CTanglion cerebrale. Außer dem Mantelnerven
und den Commissuren entsendet jedes Ganglion noch einen kleineren
Nerv, der an der Basis, unmittelbar neben dem Buccalganglion entspringt
und die ösophagusmuskulatur versorgt.
Nerven des Ganglion pedale. Der muskulöse Fuß wird von
zwei Nerven des Pedalganglions versorgt, die an seiner Vorderseite
hinabziehen bis zur Sohle, in der sie sich auflösen. Zwei andre Aste
wenden sich nach hinten und innervieren die Organe des Eingeweide-
sackes (Darm, Leber, Kristallstielsack).
Nerven des Ganglion viscerale. Auf der Dorsalseite des
Eingeweideganglions gehen neben drei schwachen Nerven für den Schließ-
muskel noch zwei zur Niere ab, welche vorn neben den Cerebrovisceral-
commissuren entspringen. Aus den beiden vorderen Feldern treten auf
der ventralen Fläche des Ganglions die starken Kiemennerven hervor.
Zunächst laufen sie eine größere Strecke schräg* nach vorn und außen,
mit den Cerebrovisceralcommissuren einen spitzen Winkel bildend ; später
wenden sie sich im Bogen zu den Kiemen und treten an der Stelle ein,
wo diese mit dem Nierenbeutel verwachsen sind. An der dem Sipho
zugekehrten Seite sind die Branchialnerven mit Sinneszellen bedeckt,
welche das Osphradium bilden. Nach hinten setzt sich das Visceral-
ganglion in zwei breite, divergierende Nerven fort, die Mantel und Si-
phonen versorgen. Dicht hinter dem hinteren Ende des Schließmuskels
zweigt sich von der Innenseite jedes Stannnes ein feiner Nervenstrang
nach der Afterpapille ab und bald darauf auf derselben Seite ein starker
Nerv, der sich im Analsipho aufteilt. Weiter distalwärts entspringt
dann, ebenfalls von der Innenseite, der Septalnerv, der das siphonale
Leuchtoruan innerviert.
388 Johannes Förster,
Aus dem darauffolgenden, früher beschriebenen Siphonalganghon
geht der erste Branchialsiphonnerv hervor, dem unter spitzem Winkel
noch vier weitere Nerven für den Branchialsipho folgen. Mit Ausnahme
des Septalnerven verzweigen sich alle Siphonnerven dichotomisch und
treten mit ihren letzten Ausläufern an die Sinneszellen auf den Papillen
heran, die um die Öffnungen der Siphonen in reicher Zahl ausgebildet
sind. Ihre einzelnen Verzweigungen genauer zu beschreiben, halte ich für
überflüssig, da weder eine Gesetzmäßigkeit in ihrer Anordnung herrscht,
noch eine völlige Symmetrie zwischen beiden Seiten besteht. Die benach-
barten Siphonerven sind durch feine Anastomosen verbunden und so
bilden die nervösen Bahnen dieses Mantelteiles ein geschlossenes Netz.
Somit werden an die Siphonen von jedem Mantelbogen sieben
Nerven abgegeben, und zwar: einer zum Analsipho, einer zum Septum
und fünf zum Branchialsipho.
Zwischen dem Nerv für den Analsipho und dem für das Septum
zweigt sich auf der Außenseite des Hauptstammes der innere Mantel-
bogen ab, dessen Ursprungsstelle von den Autoren verschieden an-
gegeben wird. Panceri, der noch keinen geschlossenen Mantelbogen
kennt, läßt einen Mantelnerv direkt aus dem Siphonalganghon her-
vorgehen. Er ist seinem Verlauf nach identisch mit dem von mir
festgestellten inneren Mantelbogen; der äußere Mantelbogen scheint
Pakceri völhg entgangen zu sein.
Nerven der Cerebrovisceralcommissur. Zu einem nicht ge-
ringen Teile werden die Eingeweide von dieser Commissur aus inner-
viert. Da sie doppelt angelegt ist, treten alle Nerven paarig auf.
Der erste entspringt auf der Innenseite, läuft nach vorn und endigt
auf dem Herzen. Dann zweigt ein Ast auf der Außenseite ab und steigt
nach unten, um sich im hinteren Teile des Eingeweidesackes aufzufasern.
Schließlich fand ich weiter vorn noch einen Nerv, der bei männlichen
Tieren, wo ich ihn beobachtete, zu den Geschlechtsorganen führte, die
in Gestalt dendritischer Schläuche den Eingeweidesack gleichmäßig
durchsetzen. Aus der Richtung, in der er die Commissur verläßt,
erkennt man, daß seine Fasern dem Cerebralganglion entstammen.
Die Nerven, die vom vorderen Mantelnerven und vom inneren
Bogen abgegeben werden, sind sehr zahlreich, aber weniger wichtig.
Ich habe nur die hauptsächlichsten gezeichnet. Außer zwei, die sich
zwischen den Fasern des Retraktormuskels aufteilen {nre), innervieren
die übrigen die große Fläche des Mantels. Hervorzuheben ist dagegen
noch der auf der Außenseite des inneren Mantelbogens entspringende
Ast zum Mantelleuchtorgan. Die Partien um das Fußloch werden
Vbvv die Lciulitorgauc und das XcrviMisy.stcin von IMiolas dactylu«. 389
durch eiiu'ii A.st des vordoicu Manteluerven verborgt, der auf der
Außenseite abücht (;(/).
Fassen wir die Ergebnisse der Untersuchungen über das Nerven-
system zusammen, so ergibt sich folgendes:
Das centrale Nervensystem von Pholas dactylus setzt sich zusam-
men aus dem Ganglion cerebrale (paarig), Ganghon buccale (paarig),
Ganglion pedale, Ganglion praeviscerale, Ganglion siphonale (paarig),
die alle untereinander durch Commissuren zusammenhängen.
Aus dem Ganglion cerebrale entspringen:
1. Der vordere Mantelnerv und mit ihm vereint der Schließ-
muskelnerv.
2. Ein Nerv für die ösophagusmuskulatur.
Aus dem Ganglion buccale entspringen:
Nerven zum Mundlappen.
Aus dem Ganglion viscerale entspringen:
1. Die hinteren Mantelnerven.
2. Nerven für den hinteren Schließmuskel.
3. Nerven zur Niere.
4. Die Kiemennerven.
Aus dem Ganglion praeviscerale entspringen:
Nerven zu den Ausführgängen der Geschlechtsorgane.
Aus dem Ganglion pedale entspringen:
1. Nerven für die Fußmuskulatur.
2. Nerven für die Eingeweide.
Aus dem Ganglion siphonale entspringt:
Der 1. Branchialsiphonerv.
Aus der Commissura cerebrovisceralis entspringen:
1. Ein Nerv zum Herzen.
2. Ein Nerv für den hinteren Teil des Eingeweidesackes.
3. Ein Nerv zu den Geschlechtsorganen.
Aus dem äußeren Mantelbogen entspringen:
1. Nerven für das Lippenleuchtorgan,
2. Ein Nerv zum Mantelleuchtorgan.
Aus dem inneren Mantelbogen entspringen:
1. Mehrere Mantelnerven.
2. Nerven zum Retraktormuskel.
3. Ein Nerv zum Mantelleuchtorgan.
Aus dem vorderen Mantelnerv entspringt:
Ein Nerv für die freien Lippen (vorn).
Leipzig, im September 1913.
390 Johannes Förster,
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Erklärung der Abbildungen.
Tafel IX.
Fig. 1. Querschnitt durch den Leuchtkörper eines Mantelflecken. Die
Leuchtdrüson sind stark entleert, wiz, Wimperzellen; md, Mucindrüscn mit wa-
biger Struktur. ÄTj, Zellkern der Mucindrüse; Ld, Leuchtdrüse mit körnigem
Secret erfüllt; k2, Zellkern der Leuchtdrüse; hi, Bindegewebe; pf, Leuchtsecret-
pfropfen; hl, Blutgefäß. Vergröß. C.-Oc. 12. Imm. 1/12.
Fig. 2. Flächenschnitt durch die untere Region des Leuchtkörpers (Lippen-
organ), 2)1, Leuchtdrüsen, deren Secret noch homogen ist. gr, Leuchtdrüsen mit
körnigem Secret; hi, Bindegewebe. Vergr. C.-Oc. 12, Imm. 1/12.
Fig. 3. Nervenlängsschnitt (Siphonalorgan). Fix, innere Fibrillen; Fi-i,
außenliegende Fibrillen; gz, Ganglienzellen. Vergr. C.-Oc. 18. Apo. 2 mm.
392 Johannes Förster, Über die Leuchtorg. u. d. Nervensystem v. Pholas dactylus.
Fig. 4. Verschiedene Nervenzellen aus den Lenchtorganen. gi, unipolare,
9'2> 3» 4» 6' miiltipolare Zellen. Vergr. C.-Oc. 18, Apo. 2 mm.
Fig. 5. Typische Stadien aus dem Entwicklungsgange des Leuchtsecretes.
5a. Zelle mit kaum sichtbarem Maschenwerke. 5b. Maschenwerk deutlich. 5c. Zelle
im Umwandlungsstadium. 5d. Leuchtzelle mit körnigem Secret erfüllt, s, homo-
genes Secret; w, Maschenwandungen; k. Kern; gr, Granulum; au, Drüsenausfuhr-
gang; e. Epithel des Leuchtorganes ; au{a,b,c), Ausfuhrgang secretleer. Vergr.
C.-Oc. 18, Apo. 2 mm.
Fig. 6. Secretkörner aus den Leuchtdrüsen. Vergr. C.-Oc. 12. Apo. 2 mm.
k, Concretionen ; a, äußerer Mantel; h, hoiuogene innere Masse.
Fig. 7. Schleimdrüse: iva, wabige Struktur; k. Kern; ke, kelchförmige
Erweiterung zwischen den Epithelzellen (e). Vergr. C.-Oc. 8. Immer. 1/12.
Fig. 8. Pholas dactißas, geöffnet. Li, Lippenleuchtorgan; Ma, Mantel-
leuchtorgan; 8i, leuchtende Streifen mit Sipho. 2/^ nat. Größe.
Zellstudien.
I.
Bemerkungen zu den Methoden der modernen Zellforschung.
Von
Dr. Hch. Stauifacher.
Mit 1 Figur im Text und Tafel X und XI.
Demjenigen, der in der Zellforschiing sich umschaut, wird auf-
fallen, daß von Schwann an bis heute die rein morphologische Rich-
tung die unbedingt vorherrschende war. Aber auch darüber wird er
sich bald klar werden, daß uns diese Richtung allein nicht mehr be-
friedigen kann. Man darf ihr sogar vorwerfen, daß sie eine ganze Reihe
von Problemen komplizierte, statt sie ihrer Lösung entgegenzuführen
und daß sie den ursächlichen Zusammenhang verschiedener Vorgänge
im Zellenleben verschleierte.
Nach mehreren Richtungen hin geriet so die Cytologie allmählich
in Sackgassen, aus denen sie vermutlich nur schwer wieder zu befreien
sein wird. Ein solches Schicksal erlitt die Zellforschung z. B. durch
die Lehre von dem Centrosom. Man braucht nur die Literatur
über dieses Gebilde zu studieren, um sofort die Unsicherheit und den
Wirrwar zu bemerken, welche hier herrschen. Und je zahlreicher die
Meldungen über dieses »Zellorgan« einlaufen, desto verworrener wird
die Situation, desto beladener die Terminologie und desto weiter ent-
fernen wir uns vom Ziel: Dem Verständnis der mechanischen Funk-
tionen des Centrosoms. Da gibt es doch, wie mir scheinen will, nur
eine Rettung. Der Bergsteiger, der seinen Gipfel auf der von ihm
eingeschlagenen Route nicht zu erklimmen vermag, wird nicht im
Gefelse hängen bleiben wollen, bis ihn seine Kräfte verlassen; er wird
vielmehr — falls er von seinem »Problem« nicht abstehen will — um-
kehren und den Angriff von einer andern Seite versuchen.
Zu einem ähnlichen Schritt müssen wir uns dem Centrosom gegen-
39J: Hch. Stauffacher,
über aufraffen. "Wir vergeuden unsere Kraft und Zeit nicht mehr
wie bis anhin im aussichtslosen Eingen mit diesem Organ, sondern
fassen das Problem von einer andern Seite an. Wir ändern die Methode
und zwar selbst auf die Gefahr hin . am Ende unserer Exkursion nicht
mehr von seiner Majestät, dem Centrosom, sondern von Wesen niedri-
geren Ranges empfangen zu werden.
Dem kritischen Beobachter entgeht nämhch nicht, daß die Me-
thoden, mit denen wir die Centrosomen bisher sichtbar machten, ein-
ander auffallend nahe stehen und daß besonders zur Tinktion dieser
Grebilde fast gar nur Heidenhaixs Eisen-Hämatoxylin in Anwendung
kommt, ein Reagens, von dem Meves^ und Bexda^ sagen, »daß es
eben alles färbe«.
Auch Meves (loc. cit.) bekennt, »daß er zur Färbung vorwiegend
Eisenhämatoxylin nach der Vorschrift von M. Heidexhaix (Zeitschr.
f. wiss. Mikrosk. Bd. XIII) benutzt habe«.
Aber »für die Darstellung der Centriolen (wie für diejenige der
Mitochondrien) — fährt der Autor fort — kommt bekanntlich alles
darauf an, den richtigen Ausziehungsgrad bei der Differenzierung zu
treffen. Ich verfahre daher folgendermaßen: Ich nehme stets etwa
zwölf Objektträger, von denen jeder mit zwei bis drei Reihen von
Schnitten beklebt ist, gleichzeitig in Behandlung. Die Objektträger
werden zunächst für 24 Stunden in einer 2 — 2Y2%igen Lösung von
schwefelsaurem Eisenoxydammon, dann (nach kurzem Abspülen mit
destilliertem Wasser) für ebenso lange Zeit in einer l%igen Häma-
toxyhnlösung aufgestellt. Sie werden dann, nachdem sie mit Leitungs-
wasser abgespült sind, mögHchst gleichzeitig zur Differenzierung in
die Beizflüssigkeit zurückgebracht. Aus dieser werden sie in kleinen
Intervallen nacheinander wieder herausgenommen; die einzelnen bisher
gleich behandelten Objektträger werden demnach verschieden lange
extrahiert. Sie werden dann weiter mit fließendem Wasser etwa
V4 Stunde lang ausgewaschen und in Kanadabalsam eingeschlossen.
Bei einem derartigen Vorgehen hat man offenbar Aussicht,
wenigstens in einigen Fällen, den richtigenDifferenzierungs-
grad zu treffen. Jedoch kann man auch dann niemals mit
Sicherheit auf einen Erfolg rechnen. Ist er ausgeblieben, so
1 ilEVEs, F., Die Spermatocytenteilungen bei der Honigbiene (Apis mellifica
L.) nebst Bemerlomgen über Chromatinreduktion. Schultze, ]\likrosk. Anat.
1907. Bd. LXX.
2 Bexda, C, Die Mitochondria. Ergebn. d. Anat. u. Entwicklungsgesch.
1902. Bd. XII.
Zcllstudion. I. 395
muß inau weiter färben, wobei dieselben Lösungen, speziell die
Hämutoxylinlösung, immer wieder benutzt werden können. AVirklich
schöne Färbungen der Centriolen ergeben sich häutig erst
nach monatelangem Arbeiten« i.
Mit andern Worten: Mau l)ehaudelt die Zellen genau so lange, bis
sie das zeigen, was man sich wünscht und sollte dies Monate dauern. Daß
auf diese Weise aus dem maltraitierten Protoplasten alle möglichen Zuge-
ständnisse an den Peiniger herauszupressen sind, gerade so, wie vom De-
linquenten in der mittelalterlichen Folterkanmier, ist einleuchtend. Hat
man zwölf Objektträger mit je zwei bis drei Reihen, also im ganzen viel-
leicht 250 — 300 Schnitte, dann besteht Aussicht, »daß wenigstens in eini-
gen Fällen der richtige Differenzierungsgrad getroffen werde. << Wer ent-
scheidet denn nun aber hier, welches der »richtige << Differenzierungs-
grad ist? Unter diesem »richtigen Differenzierungsgrad« kann ich mir
persönlich nichts anderes vorstellen, als diejenige Differenzierung, die
dem Autor das zeigt, was zu seinen Erwartungen und Voraussetzungen
paßt. Nehmen wir an, dieser sogenannte richtige Differenzierungsgrad
betrage einen Prozent aller vorliegenden Fälle. Was fangen wir nun
mit den übrigen 99 Prozenten an? Wo ist der Maßstab, mit dem wir
messen, mit dem wir vergleichen und der uns erlaubt, den einen Prozent
als »normal« zu taxieren; und warum ist die weitaus größte Zahl der
Objekte nicht »richtig« differenziert? Wo liegt hier der Fehler, an
der Methode oder am Gewebe? Und wenn die Methode nicht zuver-
lässig ist, warum will der Forscher nicht von ihr lassen?
Es ist in der Tat ein Maßstab vorhanden, dem man vielorts felsen-
fest vertraut: Es ist eine Theorie — die Centrosomentheorie — mit
der man mißt, eine vorgefaßte Meinung über das zu erwartende Re-
sultat. Was zu dieser Voraussetzung paßt, ist normal, was ihr wider-
spricht, wird unbarmherzig ignoriert. — Aber dieser Maßstab ist nicht
zuverlässig; die Methode jedoch ist so gefügig, daß sie bei genügend
langer Einwirkung der Agentien auf die Zelle immer wieder Fälle de-
monstrieren läßt, die jene Theorie zu stützen scheinen. Gerade aus
diesem Grunde scheint mir das Eisenhämatoxylin- Verfahren vielen
Forschern so unentbehrlich auf dem Gebiete der Centrosomenforschung
zu sein.
Bleibt nach einer wochen- oder monatelangen Kur irgendwo im
Zelleib — unter Dutzenden von Fällen vielleicht ein einziges Mal —
ein größeres Körnchen sichtbar, so ist das natürlich ein Centrosom
und kommt zufällig ein anderes, ähnliches Körnchen in dessen Nähe,
1 Die Sperrschrift rührt von mir. Stauffachek.
396 Hell. Stauffacher,
SO liegt der Schluß nahe, daß sich hier eine Teilung vollzogen. — Anders
hätte auch die berühmte Dälle des Kernes als Bettung der Sphäre
nicht zustande kommen können.
Besser hätte das Subjektive, Willkürliche, das der Centrosomen-
forschung anhaftet, nicht zum Ausdruck gebracht werden können,
wie dies durch Meves anläßlich der Beschreibung seiner Fangmethode
für Centriolen geschah und der Fall dürfte in unserer Wissenschaft
selten sein, wo eine auf so schwanken Füßen stehende Theorie eine so
allgemeine Anerkennung gefunden hat, wie die Lehre vom Centrosom.
Mir wenigstens will es scheinen, als ob dies seit den Tagen des Plilo-
gistons nicht mehr vorgekommen sei.
Wir vermissen in der Zellenlehre bis jetzt überhaupt die Kon-
stanten, die biologischen Konstanten, wenn dieser Ausdruck gestattet
ist, und während in den sogenannten »exakten« Naturwissenschaften
erst aus der Konstanz auf eine hinter der sichtbaren Erscheinung
sich verbergende Ursache, — • dann aber mit Naturnotwendigkeit — ■
oeschlossen wird, kommen wir in der Biologie der Zelle vielfach über
Willkürlichkeiten nicht hinaus. Daß übrigens bei einem solchen Stand
der Dinge auch der Autoritätenglauben, den man mit dem letzten
Scholastiker glaubte zu Grabe getragen zu haben, wieder aufzublühen
begann, dürfte nicht verwunderlich sein.
Die geforderten Konstanten aber werden sich nicht finden lassen,
so lange wir nicht die bis jetzt vornehmlich in der Zellforschung an-
gewendeten Methoden verbessern, unser Rüstzeug also zuverlässiger
machen; von Konstanz im Zellgeschehen wird wenig zu spüren sein,
wenn es uns nicht gelingt, an die Stelle solcher gefügigen Mittel, wie
wir sie soeben kennen gelernt haben und deren Resultate der willkür-
lichen Deutung Tür und Tor öffnen, andere Reagentien zu setzen, die
dem Objekt selbst erlauben, eine deutliche und klare Sprache zu spre-
chen. Das ist — meiner Überzeugung nach — nur unter Erfüllnug
der nachfolgenden vier Bedingungen möglich:
1) Wir beeinflussen die chemische Eigenart der verschiedenen
Eiweißkörper bei der Fixierung des Zellinhaltes so wenig als möglich.
2) Wir lassen den Protoplasten und seine Derivate diejenigen
Farbstoffe freiwillig auslesen, zu denen sie wirklich Affinität haben.
3) Wir üben stete Kontrolle am lebenden Objekt, soweit dies
überhaupt möglich ist und
4) wenden wir die Ergebnisse makrochemischer Forschung konse-
quent auf die mikrochemische Erforschung der Zelle an.
Gerade im cellulären Chemismus stoßen wir — und zwar bei
Zrllstudi.n. I. 397
Fundamentalfunktionen — aul; gewisse konstante Erscheinungen,
deren konsequente Verfolgung uns die wunderbarsten und versteckte-
sten Beziehungen und Zusammenhänge in den Äußerungen des Zell-
lebens aufzudecken verspricht und es kann nicht mehr bestritten werden,
»daß die folgerichtige Anwendung der chemischen Grundgesetze auch
die heterogensten Gebiete der Lehre von den Lebensvorgängen mit-
einander verknüpfen und befruchten kann<<i. Es ist nicht mehr daran
zu zweifeln, daß Tieren und Pflanzen gewisse chemische Lebensprozesse
gemeinsam sind, daß es, wie sich Kossel ausdrückt, einen »chemischen
Mechanismus << gibt, der nach gemeinsamem Prinzip in den verschieden-
artigen lebenden Teilen arbeitet.
Um nicht mißverstanden zu werden, will ich aber gleich beifügen,
daß ich nicht etwa der Meinung bin, es werden sich alle Zellprobleme
auf rein chemische Art lösen lassen: Das Protoplasma, der Sitz der
physiologischen Grundprozesse, wird uns durch eine noch so genaue
Kenntnis seiner chemischen Zusammensetzung — selbst in seinen ein-
fachsten Reaktionen — kaum je verständlich, wenn wir neben der
chemischen Erforschung dieser Substanz nicht auch zu einem Ver-
ständnis seiner Struktur gelangen. Diese innere Organisation des
Protoplasmas braucht nicht notwendigerweise eine mikroskopisch
sichtbare zu sein und alle Anzeichen deuten darauf hin, daß sie sich
in der Tat in ultramikroskopischen Grenzen hält; auf alle Fälle aber
ist sie eine andere, als eine rein chemische. Die physiologische Chemie
bedarf also in solchen Fragen der Unterstützung durch die physiolo-
gische Physik.
Aber es gibt in der Cytologie näher liegende und einfachere Pro-
bleme, wie die Erforschung der Strukturverhältnisse des Protoplasmas,
Probleme, die der Untersuchung jetzt schon direkt zugänglich und
damit der Spekulation entrückt sind; Probleme, deren Lösung auf
rein chemische Art erfolgen kann und zu deren Bearbeitung uns
die makrochemische Forschung die Wege geebnet hat. Zu diesen Pro-
blemen rechne ich neben andern ganz besonders das Studium der
Nucleine^, ihre Entstehimg und ihr Verhalten im Nucleus, ihre Ver-
teilung im Cytoplasma und ihre physiologische Bedeutung im Zellen-
leben. Es ist zwar nicht protoplasmatisches, also nicht
lebendes Material, was wir hier unter den Händen haben; es wächst
1 F. Ehrlich, L^ber die Bedeutung des Eiweißstoffwechsels für die Lebens-
vorgänge in der Pflanzenwelt. Sammlung chemischer u. chemisch-techn. Vor-
träge. 1911. Bd. XVir. Heft. 9.
2 Im weiteren Sinne; also: Nucleoproteide, Xucleine und Xudeinsäuren.
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CIX. Bd. 27
398 Hell. Stauffacher,
nicht selbst, es ist leblos, ein Absonderungsprodukt bloß — ■ quasi
ein Sekret — des Protoplasmas; dafür haben wir aber bereits einen
recht tiefen Einblick tun können in seinen molekularen Bau und wir
kenneu seine charakteristischen, chemischen Reaktionen, die es uns
immer wieder ermöglichen, selbst Spuren dieser Substanz mit be-
deutender Sicherheit analytisch nachzuweisen.
Eine Reihe klassischer Untersuchungen von Hoppe-Seyler an
bis zu KossEL und seiner Schule haben gezeigt, daß die Nucleine dem
Zellkern eigentümlich sind. — Diese Nucleinstoffe enthalten zwei Kom-
ponenten, von denen die eine die Eigenschaften eines Proteins oder
Eiweißkörpers trägt; die Atomgruppen, welche dieser Bestandteil
birgt, kommen auch den gewöhnlichen Eiweißsubstanzen zu. Die
andere Komponente heißt jetzt Nucleinsäure. In ihr existieren zu-
nächst vier stickstoffhaltige Atomgruppen: das Cytosin und Thymin
als Pyrimidinderivate, dann das Adenin und Guanin als Abkömmlinge
des Purins. Der Rest der Nucleinsäure-Molekel besteht aus zwei ver-
schiedenartigen Bestandteilen. Der eine enthält sechs Atome Kohlen-
stoff und gehört den Kohlehydraten an, der andere ist frei von Kohlen-
stoff; es ist Phosphorsäure. — Nach den Analysen von H.Steudel
hätten wir für jede der vier stickstoffhaltigen Atomgruppen eine Molekel
des Kohlehydrates und eine Molekel Phosphorsäure anzunehmen, so
daß die Molekel der Nucleinsäure aus mindestens zwölf Bausteinen
bestehen müßte.
Die mit diesen komplexen Nucleinsäuren verbundenen Protein-
oder Eiweißstoffe tragen, so weit die Beobachtung bis jetzt reicht,
den Charakter von organischen Basen; in ihnen herrschen also freie
basische Gruppen vor.
Ihre Kombination mit der Nucleinsäure wird — je nach der Menge
des an die Säure gebundenen Eiweißes — als Nucleoproteid oder als
Nuclein bezeichnet. Die gesamtchemische Reaktion ist aber auch
bei diesen Körpern sauer: die saure Reaktion der Phosphorsäure über-
tönt die basische der vorhandenen Amidogruppeni. Daher zeigen
die Nucleinstoffe Affinität zu basischen Farbstoff lösungen ; sie sind
basophil, genauer: ampho-basophil. Man bezeichnet sie als Basi-
chromatin, kurz auch etwa als Chromatin, wobei aber darauf zu achten
ist, daß sich der moderne, chemisch geläuterte und präzisierte Chro-
1 Ähnlich verhält sich die Sache oiJtisch: Nach Gamgee u. Jones (Hof-
meisters Beiträge 4, 1903) sind die Nucleinsäuren und ihre Derivate, die Nucleine
und Nucleoproteide, rechts drehend. Die Eiweißkomponente ist zwar linksdi-ehend,
doch überwiegt die Drehung der Nucleinsäure.
Zellstudien. I. 399
matinbegriff nicht notwendigerweise und überall mit dem alten Begriff
Chromatin, der ein rein morphologischer ist, zu decken braucht.
)>Das Chromatin (genauer Basichromatin) des Zellkernes besteht
also aus zwei Teilen, deren einer reich an gebundener Phosphorsäure
ist und saure Eigenschaften zeigt, deren zweiter dagegen einen Eiweiß-
körper mit basischen Eigenschaften (Histon) repräsentiert. Beide
Bestandteile zeigen in ihrem Bau eine bemerkenswer-te Ähnlichkeit,
welche auf der eigentümlichen Anhäufung von Stickstoffatomen beruht.
Durch diese chemische Struktur werden die Chromatingebilde von
den übrigen Bestandteilen der Zelle scharf unterschieden und
diese Beschaffenheit muß offenbar mit der Funktion der Chromatine
in Zusammenhang gebracht werden. Diese Stickstoff reichen und
phosphorhaltigen Atomgruppen sind es, die in den Kernen vegetativer
Zellen so konstant und in großer Menge vorkommen, deren Ab-
lagerungsstätten in den Chromosomen bei der Zellteilung in Bewegung
gesetzt werden und deren Übertragung auf andere Zellen einen wesent-
lichen ^ Teil des Befruchtungsvorganges ausmacht« (Kossel).
Ich möchte aber nicht versäumen, noch einmal darauf aufmerk-
sam zu machen, daß die Bezeichnung Basichromatin ein Sammelname
ist und eine Reihe verschiedener Körper umfaßt; ob dies jedoch Nu-
cleoproteide oder Nucleine (im engeren Sinne) oder gar freie Nuclein-
säuren sind, läßt sich vorläufig mit Sicherheit weder mikroskopisch
noch chemisch entscheiden. Dagegen ist diese Gruppe von Chroma-
tinen sehr viel einheitlicher und der chemischen Deutung, wie wir ge-
sehen, sehr viel zugänglicher, als das, was wir bis jetzt als Chromatin
zu bezeichnen pflegten.
Ein diesen Basichromatinen specifischer Farbstoff ist das Me -
thylgrün. Pappenheim 2 kommt zu demselben Schluß: >>Alle andern
Zellbestandteile (Parachromatin, Spongioplasma, Paraplasma) sind
vom Chromatin prinzipiell dadurch different, daß sie niemals Methyl-
grün aufnehmen. Wir fassen diese andern als Plastinsubstanzen zu-
sammen.« (S. 573). »Der basische Farbstoff, das Methylgrün, färbt
nur Chromatin, keine Plastinsubstanz, auch nicht basophile «3 (S. 587).
Und S. 592 : »Der Schlüssel des Verständnisses für das Ergebnis der
1 Hier bin ich mit Kossel nicht ganz einverstanden. Wir werden weiter
hinten auf diesen Punkt noch zurückzukommen haben.
2 A. Pappenheim, Neue cytomorphologische Studien an Blutzellen mit
farbenanalytischen Methoden. Folia hacniatologica. Bd. IX. 1910.
3 Ist die Base des Methylgrüns vorher befreit worden (z. B. durch Borax-
zusatz), so würde selbstredend alle basophile Substanz gefärbt.
27*
400 Hell. Stauffacher,
Methylgrün + Pyroninfärbuug liegt in einer Specifität des Methyl-
grüns, das. ganz unabhängig von seinem Basizitätsgrad und seiner
oeringen tinktoriellen Energie und Echtheit, von allen färbbaren Sub-
straten eben einzig und allein nur Chromatin zu färben imstande ist,
keine oxyphile Substanz und auch sonst keine basophile Substanz,
weder Bakterien, noch Lymphoplasmen noch basophile Mastkör-
ner färbt . . . Diese Spezifität des Methylgrüns ist also tat-
sächHch eine gewisse Schwäche oder Impotenz, die aber weder
eine Schwäche des chemischen Charakters noch der physikalischen
Tinktorialkraft ist, sondern in einer besonderen Stabilität des Farb-
salzes beruht. Sie beruht vermutlich darin, daß das Molekül seines
Farbsalzes, dieses Chlormethyl- oder Jodäthyl-Chlorzink-Doppelsalzes,
so fest in sich gebunden ist, daß allein die Nucleinsäure des Chromatins
(nicht einmal die viel stärker basophile Substanz der sogar in saurer
Lösung farbecht färbbaren Mastzellkörper) von allen basophilen Sub-
stanzen imstande ist, dieses Farbsalz in seine Jonen zu dissoziieren und
seine Karbinolbase ^ zu isolieren, welcher Prozeß einer chemischen
Färbung vorangehen muß. Diese feste Bindung ist also eine ganz
andere Art von >> Schwäche << als die Mattheit und wenig distinkte Hellig-
keit seiner Färbungen sowie die große tinktorielle Schwäche und Un-
echtheit seines Haftens. Sie ist weder eine schwache Basizität,
noch eine schwache physikalische Echtheit, noch eine schwache
Färbekraft und Intensität, sondern die »Schwäche« liegt einzig und
allein in der spezifisch zirkumskripten Beschränkung der Extensität
des Wirkungsbereiches dieses Farbstoffes. Er ist spezifisch nur
Chromatinfärber. <<
In diesem Falle würde ich — so sehr ich sonst mit Pappen heim
übereinstimme — überhaupt nicht von »Schwäche« sprechen; diese
1 Als Carbinol bezeichnet man eigentlich den Methylalkohol CH3OH.
Methylgrün ist nun ein Derivat des Rosanilins und dieses gehört zu den sogenannten
Triphenylmethanfarbstoffen, die ihrerseits auf das Triphenylmethan CH(C6H6)3
zurückgeführt werden können. Die dem Methylgrün
C6H4N(CH3)2
C-C6H4N(CH3)2
^C6H4N(CH3)2C1.CH3C1
zugrunde liegende Base
CeH4N(CH3)2
\>CeH4N(CH3)2
OH
ist also quasi Carbinol, in dem 3H-Atome durch den einwertigen Rest C6H4N
(0113)2 des Dimethylanilins ersetzt sind. Stauffacher.
Zellstuclicn. I. 401
Bezeichnung scheint mir hier gar keine Berechtigung zu haben. Man
könnte sonst jedem Reagens auf chemisch-analytischem Gebiete mehr
oder weniger »Schwäche << vorwerfen, so — um nur eins von vielen
zu erwähnen — dem NfiSSLERschen Reagens zur Nachweisung von
in Wasser gelöstem Ammoniak. Die alkalische Lösung des Queck-
silberchlorids in überschüssigem Jodkalium (besser: die alkahsche
Lösung des komplexen Salzes KgllgJ^) ist bekanntlich ein Nach-
weisungsmittel für NHg in Trinkwässern. Um ihren Zweck erfüllen
zu können, muß aber die NESSLERsche Lösung vor allem eine Eigen-
schaft haben: Ihre Reaktion muß charakteristisch, auf NHg specifisch
sein, d. h. sie darf nur mit NHg, nicht auch mit einer andern Substanz
erfolgen, sonst weiß man ja gegebenenfalls nicht, welche von den mög-
lichen Verbindungen vorliegt. Man weist z. B. analytisch die salpetrige
Säure sehr häufig durch Jodkalium nach, aus dem HNOg durch Oxy-
dation Jod auszuscheiden vermag. Das ist aber keine für HNO2
charakteristische Reaktion, weil sie auf diese Verbindung nur dann
sicher hinweist, wenn Chlor oder Brom, H2O2 und Ferrisalze abwesend
sind; denn alle diese Substanzen machen aus Jodkalium ebenfalls
Jod frei. Ein charakteristischer und daher einwandfreier Nachweis
der salpetrigen Säure findet dagegen statt mit dem Reagens von Peter
Griess oder von Ilosway v. Ilosva (Lunge). — Erst diese Mittel
bewahren uns vor Irrtümern und daher ist vom chemisch-analytischen
Gesichtspunkte aus diese Einseitigkeit der NESSLERschen oder Lunge-
schen Lösung gerade das Gegenteil von »Schwäche <<, trotzdem auch
ihnen eine »spezifisch zirkumskripte Beschränkung der Extensität
des Wirkungsbereiches« zukommt.
Wollen wir die Resultate makrochemischer Untersuchungen auf
die Erforschung der Zellbestandteile anwenden, so werden wir auch
die Methoden, die sich dort so vorzüglich bewährt, in den Bereich
der mikrochemischen Analyse ziehen. ; wir werden darnach trachten,
die verschiedenen chemischen Substanzen des Zellinnern zu indivi-
dualisieren und zu charakterisieren und hierfür Reagentien zu be-
schaffen suchen, Reagentien die vorläufig vielleicht bloß auf den chemi-
schen Eigenschaften allgemeiner Natur — der überwiegenden
Säure- oder Basekapazität — der Masse beruhen. Das Methyl-
grün geht aber, wie wir gesehen, bereits über das hinaus, was wir
Gruppenreagens in dem angedeuteten Sinne nennen würden; denn es
charakterisiert bereits eine spezielle basophile Gruppe, die Klasse
der Nucleinkörper und dadurch wird uns die Spezifität des Methyl-
grüns sehr wertvoll. Ich bin mir der Schwierigkeiten, die sich hier
402 Hch. Stauffacher,
dem Bio-Chemiker entgegenstellen werden, vollauf bewußt und ich
bin mit Heidenhain durchaus einverstanden, wenn er das, was wir
bis jetzt durch Methylgrün, BiONDische Lösung und andere heterogene
Farbstoffgemische erreicht, nur als Anfang einer mikrochemischen
Analyse durch Farbenreaktionen gelten lassen wilU. Der Anfang ist
sogar ein recht bescheidener; aber das ist nicht ausschlaggebend und
wirkt auf mich persönlich weder entmutigend noch abschreckend;
denn die Anfänge sind immer bescheiden. Entscheidend wird die
Frage sein, ob die Gesichtspunkte und Prinzipien, die wir auf die Er-
forschung der Zelle anwenden wollen, einwandfrei seien; und wenn
wir die mit unsern schwachen Mitteln bis jetzt gewonnenen Kesultate
— ganz besonders die Konstanz der beobachteten Erscheinungen —
überblicken, so könnten war in der Tat glauben, wir befänden uns auf
guter Fährte. — Und in der Ferne sehen wir den Schwärm der Fer-
mente als feinste Indikatoren (sehr charakteristisch in ihren Keak-
tionen und im höchsten Grad empfindlich) dem Zellforscher zu Hilfe
eilen, mit deren Unterstützung er Probleme lösen wird, an die wir
uns jetzt noch nicht heranwagen dürfen. Auch in dieser Beziehung
ist ja erst ein ganz bescheidener Versuch gemacht.
Eine auffallende und für unsere mikrochemischen Bedürfnisse
äußerst wichtige Eigenschaft der Nucleine hat Miescher^ festgestellt.
Er fand nämlich, daß sie in künstlichem Magensaft, also in Pepsin-
Salzsäure unverdaulich seien, bzw. daß von jener Molekularkombina-
tion nur der Eiweißpaarling gelöst werde. Diese Eigenschaft ist neben
dem Gehalt an Phosphorsäure und an Purin- bzw. Pyrimidinbasen
charakteristisch für die Nucleoproteide.
Nach Milroy und Umber^ soll zwar in guter Pepsinsalzsäure
auch ein beträchtlicher Teil der Nucleinsäure gelöst werden. Ich
weiß nicht, was die genannten Autoren unter »guter« Pepsinsalzsäure
verstehen; die Pepsinsalzsäure, deren ich mich bediene, stammt von
Dr. GRÜBLER-Leipzig, wird mit dem dreifachen Volumen 0,2%iger
HCl versetzt und jeweils möglichst frischer Sendung entnommen.
Die zahlreichen Beobachtungen, die ich mit diesem Präparat machen
konnte, haben mich hinreichend darüber belehrt, daß seine verdauende
Wirkung eine sehr gute ist. Nichtsdestoweniger blieben in ihm die
winzigsten Nucleinkörnchen, die ich bei lOOOf acher Vergrößerung
1 M. Heidenhain Plasma und Zelle. Bd. I. S. 119.|
2 F. MiESCHER, Hoppe-Seylers Medizin. -chem. Unters. 1871. S. 441.
3 Zitiert nach Cohnheim, 0., Chemie der Eiweißkörper. Braunschweig.
Vieweg. II. Aufl. 1904. S. 222.
Zellstudien. I. 403
noch nachzuweisen vermochte, selbst bei 15stündiger Einwirkung der
Verdauungsflüssigkeit erhalten. "Wenn also durch Pepsinsalzsäure
neben dem Eiweißpaarling der Nucleine auch die Nucleinsäure ange-
griffen wird, so kann das kaum in erheblichem Maße der Fall sein.
In Alkalien oder in durch Hydrolyse alkalisch reagierenden Lö-
sungen von Salzen (Soda, Pottasche) lösen sich die Nucleinkörper — •
wie vorauszusehen war — auf; ebenso begreiflich ist ihre Verdauung
in Trypsin.
Mit Hilfe der Pepsin- und Trypsinvcrdauung machte ich einen
lehrreichen Versuch an Eiern von Anodonta. In einer Arbeit ^ wies
ich darauf hin, daß die doppelten Nucleolen der Teichmuschel aus
zwei chemisch ganz verschiedenen Teilen bestehen, indem der (später)
kleinere Abschnitt nucleinhaltig, der (später) größere dagegen frei von
Nuclein sei. Ich unterwarf nun die Eizellen der Verdauung und zwar
einerseits der Pepsinsalzsäure — anderseits der basischen Trypsin-
vcrdauung. Der Prozeß dauerte in beiden Fällen 9 Stunden; gefärbt
wurde nachher ebenfalls in beiden Fällen mit Fuchsin-Methylenblau.
Die Fig. 1 und 2, Taf. X, zeigen den Effekt. In Fig. 1 (Pepsin Verdau-
ung) ist der ganze Kern leer; nur der kleinere Teil des Nucleolus
blieb erhalten und nahm intensiv Methylenblau auf, genau wie vor
der Verdauung (loc. cit. Taf. XXIII, Fig. 11 u. 12). Die Konturen
des größeren Nucleolarabschnittes Avaren noch etwas sichtbar. — In
der fast gleichmäßig blau gefärbten Fläche der kleineren Nucleolar-
partie erkennt man sehr gut einzelne schwarzblau gefärbte Körnchen,
von denen sich die größten vornehmlich in der Nähe des Randes auf-
halten. Die hier dunkelblau tingierten Elemente würden sich in Ehk-
LiCH-BiONDis Lösung dunkelgrün gefärbt haben, intensiver also,
wie die ül)rige Fläche dieses Abschnittes (loc. cit. Taf. XXIII). — •
Tatsächlich ist zwar auch der in Fig. 1 gezeichnete Kern • — ■ obschon
er hier leer erscheint — nicht ganz frei von Nuclein ; denn in der oben
zitierten Abhandlung wurde gezeigt, daß der Nucleus des reifenden
Anodonta-^ies immer geringe Mengen jener Substanz enthält. Die
kleinen Nucleinportionen sind jedoch nicht etwa verdaut worden, wie
man das nach Milroy und Umber annehmen könnte, sondern aus
der Schnittfläche herausgefallen, weil sie ihrer Grundlage — die ver-
daulich ist — beraubt worden sind. Genaue vergleichende Unter-
suchungen berechtigen durchaus zu dieser Annahme.
Ganz anders nun sieht der Schnitt (Fig. 2) durch ein Anodonta-Ki
1 HcH. Stauffacher, Neua Beobachtungen auf dem Gebiete der Zelle.
Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XCVIII.
404 Hch. Stauffacher,
nach der Trypsin Verdauung i aus, trotzdem die beiden Objekte der Fig. 1
und 2 in allen Punkten sonst völlig gleich behandelt wurden.
In erster Linie fällt der Kern auf. Man bemerkt auch hier wieder
den doppelten Nucleolus. Nun ist aber der kleinere Abschnitt des-
selben leer (derjenige Teil also, der in Fig. 1 erhalten blieb), während
der größere Nucleolarteil persistiert und intensiv den Fuchsinfarbstoff
aufnimmt. In ihm bemerkt man ferner ein feines weitmaschiges Netz-
werk, offenbar dasselbe, das in den Fig. 11 und 12 der Taf. XXIII
der oben erwähnten Untersuchung eingezeichnet ist. Während aber
dort die Ecken der Maschen mit kleinen Körnchen besetzt sind, die
besonders in der Mitte der Scheibe zahlreich auftreten, erkenne ich
solche Verdickungen hier nicht mehr; sie sind ohne Zweifel auch ver-
daut. Wenigstens sehe ich keine andere Ursache, die sie aus dem orga-
nischen Zusammenhang mit der sonst völlig intakt gebliebenen Schnitt-
fläche hätte lösen können. — Die Berandung dieses Teils des Nucleolus
erscheint hier außerordentlich scharf.
Die Umrisse des kleineren Nucleolarabschnittes sind deutlich zu
sehen, ebenso einige Brücken, die von hier in den Kernraum führen
und an ihrer Basis die Stellen zeigen, die vorher von den Kügelchen
eingenommen wurden, die uns in Fig. 1 durch ihre dunkelblaue Färbung
auffielen. Tingiert ist, wie gesagt, nichts in dieser Partie — sie ist
durchaus hell; doch beobachtet man in ihr bei sehr genauer Visitation
ein feines Netzwerk ungefärbter Substanz: Es ist die oxychroma-
tische Grundmasse des Nucleins. Diese Grundsubstanz ist also nicht
verdaut, wie man aus der Fig. 2 schließen möchte; dagegen ist sie
nicht gefärbt. Hätten wir nämlich den Schnitt der Fig. 2 nicht
mit Fuchsin-Methylenblau, sondern mit Ehrlich-Biondis Lösung,
bzw. mit Säurefuchsin gefärbt, so würde nicht nur der größere, sondern
auch der kleinere Nucleolarteil eine rote Färbung angenommen haben.
Derjenige, der in der Mikroanalyse schon einigermaßen bewandert ist,
wird dieses Kesultat mit Sicherheit erwarten. W^ir wissen nämlich,
daß dem Nuclein überall oxy chromatisches Material zugrunde liegt;
diese oxyphile Grundsubstanz ist in Trypsin nicht verdaulich^, sie färbt
sich aber nicht mit neutralem Fuchsin, sondern — kraft ihrer
ausgesprochenen Oxyphilie — nur mit Säure fuchsin, das bekannt-
lich eine Komponente des EHRLiCH-BiONDischen Farbstoffgemisches
1 0,1 g Tryjjsin sicc. gelöst in etwa 30 com alkal. Wasser.
2 RuziCKA hat vor mir die gleiche Beobachtung gemacht. Vgl. Ruzicka,
Vlad., »Das Chromatin und Plastin in ihren Beziehungen zur Regsamkeit des
Stoffwechsels.« Festschr. z. 60. Geburtstage R. Hertwigs. 1910. Bd. I.
ZcUstudien. T. 405
ist. Wir werden übrigens bald einen andern Fall antreffen, wo die
Affinität der oxychromatischen Substanz zu sauren Farbstoffen ebenso
ausgeprägt ist, wie hier.
In Fig. 2«!, Taf. X, ist nun eine Eizelle von Anodonta — genau
so vorbehandelt wie Fig. 2, — nach der Trypsinverdauung in Ehr-
LiCH-BiONDis Lösung gefärbt. Wir beobachten in der Tat Rotfärbung
des gesamten Nucleolus; auch der kleinere Abschnitt ist nun deut-
lich rot tingiert, wenn er auch an Intensität der Färbung seinen
größeren Begleiter nicht erreicht. Damit ist auch der Beweis, daß die
Grundsubstanz des kleineren Nucleolarteiles in Trypsin nicht verdaut
wurde, erbracht.
Wir haben soeben erfahren, daß die beiden Nucleolarabschnitte
in Ehrlich -BiONDi verschieden starke Rotfärbung annehmen, selbst
nachdem das Nuclein aus dem kleineren Teil des Kernkörperchens
entfernt ist. Daraus könnte man auf eine Verschiedenheit in der
Grundsubstanz der beiden Abschnitte schließen. Aber auf graduelle
Differenzen und Farbennuancen läßt sich nicht sicher bauen, und ihre
Verwertung würde ein viel zu subjektives, willkürliches Moment in
unsere Zellforschung tragen. Zum Aufsehen mahnen ja solche Er-
scheinungen zweifellos und sie geben — als Fingerzeig — wenigstens
den ersten Anstoß zu einer genaueren Erforschung der eventuell vor-
liegenden-Differenzen. — Nun haben wir zwar gesehen, daß in Trypsin
die Grundsubstanz beider Nucleolarabschnitte unverdaulich ist, was
uns dazu verleiten könnte, an der soeben ausgesprochenen Vermutung,
die beiden Teile könnten different sein, wieder zu zweifeln. Aber
in neutralem Fuchsin ist die Grundsubstanz des kleineren
Nucleolarteils nicht färbbar, tingierbar dagegen ist der größere
Abschnitt des Nucleolus. Der kleinere Teil des Kernkörperchens ist
also nur färbbar in Säurefuchsin; seine Gundsubstanz ist ausgespro-
chen oxyphil. Der größere Abschnitt dagegen ist tingierbar sowohl
in Säurefuchsin wie in gewöhnlichem Fuchsin. Der kleinere Nu-
cleolarabschnitt des reifenden Anodonta-^ies unterscheidet sich also
nicht nur dadurch von seinem größeren Begleiter, daß er Nuclein
enthält: Auch seine Grundsubstanz verhält sich anders wie die-
jenige des größeren Abschnittes, — • Es bliebe nun noch die Frage
zu erledigen, ob die Materie des letzteren etwas von der Grundsubstanz
des ersteren enthalte. Das läßt sich mit den mir momentan bekannten
^Mitteln nicht sicher entscheiden, ist aber aus dem Grunde wohl zu
verneinen, weil die Grundmasse des kleineren Nucleolarteiles Nuclein
1 Jn die Abbildung aufgonoinrncii wurde l)loß der Xueleolus.
406 Hch. Staiiffacher,
ZU erzeugen imstande ist, während diese Eigenschaft dem größeren
Nucleolarabschnitt durchaus abgeht.
Der kleinere (cyanophile) Nucleolarabschnitt in den Eiern von
Anodonta, TJnio, Cyclas usw. entspricht den Nucleolen vegetativer
Zellen. Bei der Reifung des Eies nimmt er allmählich ab und ver-
schwindet schließlich ganz, während der erythrophile nunmehr sein
Maximum erreicht. Nur der letztere bleibt in der Eizelle zurück;
über seine Bedeutung weiß ich auch jetzt noch nichts Bestimmtes
anzugehen, doch werden weitere Untersuchungen seine Rolle in der
befruchtungsbedürftigen Eizelle sicher festzustellen vermögen. Man
könnte zunächst annehmen, daß es Abbauprodukte der Kerntätigkeit
seien, die sich im größeren Teil des Kernkörperchens gesammelt; aber
die netzigen Strukturen und ihre Verdickungen, die man im Innern
des Körperchens nachweisen kann, scheinen mir jene Annahme nicht
sonderlich zu stützen. Möglicherweise erwacht das sonderbare Ge-
bilde erst nach erfolgter Befruchtung zu neuem Leben. — Jeden-
falls aber haben wir zwei Arten von Nucleolen scharf von
einander zu unterscheiden: Solche, die Basichromatin
erzeugen und solche, die dies nicht zu tun imstande sind
und vielleicht Abbaustoffe aufspeichern.
Der Kern der Fig. 2 ist noch in einer andern Richtung interessant.
Die Gesamtfläche des Nucleus hebt sich nämlich sehr deutlich von
dem Cytoplasma ab und zwar dadurch, daß nicht nur das im Mikroskop
sichtbare Netzwerk gefärbt ist, sondern auch der Raum zwischen
den Maschen. Das ist im Cytoplasma nicht der Fall; hier sind die
Räume zwischen den mehr oder weniger engen Maschen nicht tingiert.
Die sehr deutliche und gleichmäßige Rotfärbung der ganzen Kern-
fläche ist wohl dadurch zu erklären, daß die Struktur der oxychroma-
tischen Grundsubstanz des Kernes eine sehr dichte ist, viel dichter
als im Cytoplasma, und daß ein großer Teil dieser Strukturen vor-
läufig jenseits der Leistungsfähigkeit unsrer Mikroskope liegt. Ich
werde nächstens referieren über die parthenogenetischen Eier von
Phylloxera vastatrix und wir werden sehen, daß dort in dem soeben
geschilderten Punkte ganz dieselben Verhältnisse vorliegen wie bei
Anodonta: Die Kernfläche ist als Ganzes tingiert und hebt sich sehr
scharf gegen das viel hellere Cytoplasma ab.
Im Kern der Fig. 2 erkennen wir endlich eine Anzahl größerer
und kleinerer Kugeln von intensiv roter Färbung, die mir bis jetzt
noch nicht aufgefallen waren, aber in den Präparaten der Trypsin-
verdauung regelmäßig vorkommen.
ZelUtudieii. I. 407
Neben den basophilen Nucleinen finden wir nun aber in der pflanz-
lichen und tierischen Zelle noch eine andere Substanz mit ebenfalls
ausgesprochener Affinität zu. Farbstoffen. Es ist soeben darauf auf-
merksam gemacht worden, daß sich die Grundsubstanz des kleineren
Nucleolarteiles vom Anodonta-Ki nicht in Fuchsin, dagegen in Säure -
fuchsin färbe. Etwas ganz ähnliches beobachten wir z. B. bei der Tink-
tion eines Pollenkornes mit Fuchsin-Methylenblau. Es ist früher
einmal 1 darauf aufmerksam gemacht worden, daß der generative
Kern der Pollenkörner wenig Basichromatin enthalte, während der
vegetative damit förmlich erfüllt sei. Färben wir nun den Schnitt
durch ein Pollenkorn — vielleicht von Fritülaria imperialis — (siehe
Fig. 26) mit Fuchsin-Methylenblau, so wird kein Fuchsin aufgenom-
men. Das Cytoplasma bleibt also, sofern es selbst keine basichroma-
tischen Elemente enthält, ungefärbt, ebenso der generative Kern^,
mit Ausnahme seines Nucleolus und der auf der Kernfläche etwa vor-
handenen Nucleinkörnchen. Ersetzen wir dagegen das Fuchsin-Me-
thylenblau durch die EHRLiCH-BiONDische Lösung, d. h. das gew^öhn-
liche neutrale Fuchsin durch das saure Fuchsin, so färben sich sofort
die vorhin farblosen Partien leuchtend rot, ein Beweis für die ausge-
sprochene Oxyphilie dieser Substanzen (Fig. 2c).
Die Grundsubstanz der Zelle ist durchaus oxyphil, d. h. die che-
mischen Verbindungen, welche diese Substanz zusammensetzen, zeigen
deutliche und konstante Affinität zu sauren Farbstoffen ; wir fassen sie
deshalb unter der Bezeichnung Oxy chromatin zusammen, w^ährend
bis jetzt für diesen Zellbestandteil die Bezeichnung Plastin oder Linin
üblich war. Aus dem Gesagten geht ohne weiteres hervor, daß der
Ausdruck Oxychromatin ein Sammelname ist, wie das ja auch von
der Bezeichnung Basichromatin gesagt werden mußte. Aber diesem
Oxychromatin haben wir uns bis jetzt chemisch noch weniger zu nähern
vermocht, wie dem Basichromatin und vermutlich wird uns die Ent-
wirrung der oxyphilen Zellsubstanzen noch größere Schwierigkeiten
bereiten, wie diejenige der basophilen Verbindungen.
Das Basichromatin sitzt, wie ich schon früher betont^, immer
auf konformer oxychromatischer organisierter Unterlage,
aus der es ja auch — und zwar in den Nucleolen — hervorgeht.
Diese oxychromatische Grundsubstanz, das Plastin oder Linin, auch
1 Stalffacher, Hch. Beiträge zur Kenntnis d. Kernstrukturen. Zeitschr.
f. wiss. Zool. 1910. Bd. XCV. Hft. 1.
2 Der generative Kern zeigt mitunter eine Spur von Rötlichfärbung.
3 loe. cit.
408 Hell. Stauffachor,
Achromatill geiianiit, wurde früher beim Studium der Zelle fast ganz
und wird auch jetzt noch zu sehr vernachlässigt, beim Chromatin-,
Vererbungs- und Centrosomenproblem so gut, wie beim Vorgang der
Kernteilung, in der Lehre von einer Kernmembran ebenso, wie bei der
Beschreibung der Chondriosomen , und der Entstehung der Chloro-
phyllkörner. Es ist das protoplasmatische Material der Zelle, das
formgebende Prinzip derselben, der Sitz der Kontraktilität, der Irri-
tabilität und der Heizleitung: Kot färbt sich in Ehrlich-Biondis
Lösung der Leib des Paramaeciums, rot die Cilie und die Geißel, der
Schwanz des Spermatozoids und die Muskelfaser, rot die Ganglienzelle
samt Kern und Nervenfaser.
Auch Heidenhain sagt (loc. cit. S. 165): »Der Liningrundlage
des Kernes hat man offenbar in morphologischer und physiologischer
Beziehung viel zu wenig Beachtung geschenkt, denn das Linin ist offen-
bar die formgebende, sich gestaltende Substanz der Kernstruktur.
Das muß richtig dahin verstanden werden, daß die Chromiolen inner-
halb des Linins frei suspendiert sind, weswegen die Formen der Kern-
struktur und die Form der Chromosomen Formen des Linins in mor-
phologischem Sinne sind.«
Aus der Beobachtung, daß das Basichromatin konstant auf kon-
former oxychromatischer Unterlage sitzt, die es nie verläßt, ziehe ich
den Schluß, daß wir im organisierten Plastin eine Substanz
vor uns haben, die zu den Nucleinen besondere Affinität
hat. Das erinnert uns sofort an eine Idee Paul Ehrlichs, die er
anläßlich seiner Untersuchungen über Immunisierung gegen die Try-
panosomeninfektion ausspricht i. Indem Ehrlich die Möglichkeit
ins Auge faßt, Trypanosomenstämme zu züchten, die gegen bestimmte
Stoffe, z. B. Arsen, giftfest sind und die Immunität auch bei "Weiter-
züchtung in normalen Wirtstieren behalten, sagt er: >>. . . durch
weitere Untersuchungen ist es gelungen, den Mechanismus der Arzenei-
festigkeit (hier Arsen) aufzuklären. Derselbe beruht darauf, daß in
den Trypanosomen, wie wohl überhaupt in allen Zellen, bestimmte
chemische Gruppierungen, Chemoreceptoren, vorhanden sind, welche
zu bestimmten Arzneistoffen eine gewisse specifische Verwandtschaft
haben, welche die Ursache der Verankerung (der Arsengruppe) und
dadurch auch der arzneilichen AVirkung darstellt. So nehme ich be-
stimmte Keceptoren an, die zu dem Radikal des dreiwertigen Arsens
1 P. Ehrlich, Über die neuesten Ergebnisse auf dem Gebiet der Trypano-
somenforschung. Archiv f. Schiff s- u. Troijenhygiene. Bd. XIII. 1909. Beiheft C.
J. A. Barth, Leipzig.
Zcllstiidion. T. 409
Verwandtschaft haben, wieder andere, die charakteristische Grup-
pierungen, welche dei\ basischen Triphenyhnethanstoffen eigen sind,
oder aber die Gruppe der Trypanrotfarbstoffe an sich reißen.«
Eine solche Art von Chemoreeeptoren, eine solche
haptophore Gruppe müssen wir in dem organisierten Plastin
auch für die Verbindungen der Nucleinsäure annehmen.
Mit andern Worten: Wir müssen annehmen, daß in der Zelle schon
unter normalen Bedingungen Chemoreceptoren existieren, die mit den
normalen Stoff Wechselprodukten (hier also mit den Nucleinen) chemi-
sche Bindung eingehen, daß also diese Chemoreceptoren nicht von An-
fang an die Rolle der Giftfänger spielen, um Stoffe zu verankern, mit
denen sie vielleicht nie in Berührung geraten i. Dadurch würde uns
auch verständlich, weshalb die oxychromatische Grundsubstanz durch
die Bildung von Basichroniatin im wesentlichen nicht affiziert wird.
AVir brauchen bloß anzunehmen, daß die nucleinaffine Gruppe, welche
die nucleinsauren Bestandteile verankert, eine Seitenkette ist, durch
deren Tätigkeit der für die Eigenschaften des organisierten Plastins
ausschlaggebende Kern nicht in Mitleidenschaft gezogen wird. Jeden-
falls ist die Menge des organisierten Plastins für eine Zellenart nicht
den ungeheuren Schwankungen unterworfen, denen der Basichromatin-
bestand dauernd unterliegt. — • Ich glaube mich nicht zu täuschen,
wenn ich annehme, daß hier die der Serumtherapie zugrunde-
liegende morphologische Ursache zu suchen ist.
Die chemische Konstitution des betreffenden Receptors bestimmt
wohl auch die Beschaffenheit des dort verankerten Basichromatins,
wie ja auch Ehrlich verschiedene Arten von Receptoren annimmt,
Avonach sich auch die recipierteu Stoffe unterscheiden.
Hier mochte ich noch auf einen Versuch Malfattis zu sprechen
kommen. Dieser Autor verwandte 2 »Eiweiß mit Nucleinsäure und erhielt
daraus die seit Altmann bekannten nucleinhaltigen Körper, welche,
je nachdem, von verschiedenem Eiweißgehalte waren. Eine alko-
holische Lösung von Säurefuchsin und Methylgrün färbte nun reine
Nucleinsäure rein grün, phosphorärmere Nucleine bläulichviolett, bei
großer Phosphorarmut selbst rein rot.«
Heidenhain bemerkt dazu (S. 162) Folgendes: >>. . . so hätten
wir demnach in dem Basichromatin oder dem Chromatin der Autoren
1 Diese Annahme stellt in vülligem Einklang mit der Lehre P. Ehrlichs.
Siehe: Ehrlich, P,, »Beiträge zur experiment. Pathologie und Chemotherapie«.
Leipzig, Akad. Verlagsges. 1909. S. 213.
2 M. Heidenhain, loc. cit. 8. 102.
410 Hch. Stauffacher,
phosphorreiche, in dem Oxy chromatin . . . phosphorarme Nucleine
vor uns. Danach sind ferner die Basi- und Oxychromatine durchaus
nicht als für die Dauer unveränderhche Körper aufzufassen, sondern
durch Aufnahme und Abgabe von Phosphor (Nucleinsäure, saure
Gruppen) könnte eventuell auch die Färbbarkeit sich ändern. Meine
heutige Meinung geht also dahin, daß die Affinitäten der chromato-
philen Mikrosomen der Kerngerüste gegenüber den basischen und
sauren Anilinfarbstoffen sich nach gewissen physiologischen Zuständen
des Kernes oder der Zelle regulieren, inbetreff deren wir bisher eine
genauere Einsicht noch nicht haben . . .<<
»Indessen — • so fährt der Autor fort — ist doch eine Differenz
zwischen den Färbungen des chemischen Präparates (Lilienfeld und
Malfatti) und des (sauer gefärbten) histologischen Objektes erkennbar,
denn in ersterem Falle entsprechen derEeihe der Kernstoffe, von eiweiß-
freien bis zu eiweißreichen, eine Reihe von Mischfarben, welche bei
Malfatti allerdings von rein Grün anfangend Übergänge bis zu rein
Rot liefern, während beim histologischen Objekt grüne und grün-
blaue Färbungen einerseits den rein roten anderseits gegenüberstehen,
ein Resultat, welches schwer erklärlich ist, denn es muß die Frage
auftauchen, ob nicht etwa doch zwischen der Substanz der Basichro-
miolen und der Oxychromiolen ein tiefgreifender, chemischer Unter-
schied besteht. Makrochemisch wird aus den Kernen, soweit mir be-
kannt, jedesmal nur ein einheitliches Nucleoproteid isoliert, also z. B.
bei der Darstellung aus Leucocyten; mikroskopisch indessen zeigen
sich mindestens zwei chemisch differente Körper, welche durch eine
typisch verschiedene Chromatophilie ausgezeichnet sind und sich
biologisch verschieden verhalten. Es ist ja (S. 162) allerdings etwas
ganz GewöhnUches, daß das Basichromatin in verschiedenen Nuancen,
bald mehr grün (besonders Chromosomen und chromatolytische Figuren),
bald mehr bläulich sich färbt. Indessen ist die histologische Haupt-
erscheinung dennoch die, daß bei einer rite ausgeführten Färbung die
chromatophilen Substanzen des Kernes in zwei Reihen, eine grüne
und eine rote, vollkommen ohne Zwischenglieder auseinanderfallen.«
In diesem Punkt stimme ich mit Heidenhain — sofern vorläufig
bloß vegetative Zellen oder Spermatozoiden in Betracht fallen — • voll-
ständig überein: In allen diesen Fällen ist der Kontrast zwischen
Rot und Grün ein konstanter, scharf ausgeprägter und Mischfarben,
die zwischen ihnen vermitteln würden, gibt es nicht. Fast noch ver-
blüffender ist die Sachlage da, wo generative und reproduktive Kerne
in einer Zelle nebeneinander liegen, wie wir dies bei ciliaten Infusorien
Zi'll.studien. J. 4H
oder in den Pollenkörnern antreffen. ^\^'I• je einen Schnitt durch
ein Pollenkorn, z. B. von FritiUaria in Ehklich-Biondis Lösung gefärbt
gesehen, wird den wundervollen xhibück nicht mehr vergessen : Leuch-
tend rot präsentiert sich der eine, leuchtend grün der andere Kern.
Und in der roten Fläche des generativen Nucleus erblicken wir — ■
wiederum scharf sich aus der Umgebung abhebend — intensiv grün
gefärbte Körnchen von Basichromatin. — In solchen Fällen allerdings,
wo wenig Nuclein vorhanden ist und Oxychromatin daher vorherrscht,
wie das in tierischen und pflanzlichen Eizellen, übrigens auch in den
vorhin genannten generativen Kernen von Pollenkörnern, konstatiert
werden kann, dunkelt die hell- oder bläulich-grüne Farbe kleiner basi-
chromatischer Elemente wegen des hellen Rot des unterliegenden
Oxychromatins oft sehr stark, so daß man in vielen Fällen nicht direkt
zu entscheiden vermag, ob die beinahe schwarz erscheinenden Körn-
chen in WirkKchkeit dunkelgrün oder anders gefärbt sind. In solchen
Fällen aber kommt uns der Umstand zu Hilfe, daß das Basichromatin
in Pepsinsalzsäure unverdaulich ist. Machen wir also mit unserm
Präparat Verdauungsversuche, d. h. lösen wir das Oxychromatin weg,
so läßt sich bei nachträglicher Färbung in Ehrlich-Biondi die Grün-
färbung der vorher dunkel erscheinenden Körnchen mit jeder wünsch-
baren Deutlichkeit demonstrieren. Solche Versuche habe ich bis jetzt
sehr viele gemacht und auf den verschiedensten Gebieten Erfahrungen
gesammelt. Auch im Cytoplasma kommen häufig und oft in sehr großer
Menge Elemente vor, die sich in Ehrlich-Biondi entweder heller oder
dunkler grün bis schw^ärzlich färben. Wir werden auf diese basi-
chromatischen Bestandteile des Cytoplasmas weiter hinten zu sprechen
kommen. — Die dunkeln Nuancen, von denen ich soeben gesprochen,
sind nun aber keine Mischfarben, im Sinne der Untersuchungen Mal-
FATTis; es liegt hier keine Tinktion vor, die alle möglichen Übergänge
zwischen Rot und Grün repräsentiert: Es lagert vielmehr wirklich
grün gefärbte Substanz in bescheidenen Portionen auf ebenso aus-
gesprochen rot tingierter Unterlage, und diese Überlagerung ist durch
geeignete chemische Eingriffe — wie gesagt — leicht zu bew^eisen.
Bei Anwesenheit sehr geringer Nucleinmengen kann — wie ich
bereits früher betont — • der Schnitt durch eine Zelle bzw. ihren Kern
nach Färbung in Ehrlich-Biondi eventuell auf den ersten Blick ganz
rot erscheinen. Bei genauer Besichtigung erkennt man dann vielleicht
hier und da in der roten Fläche dunklere Körnchen, die wiederum
deshalb dunkel pigmentiert sind, weil hier winzige Mengen von Basi-
chromatin auf stark oxy chromatischer Unterlage ruhen. Seit meiner
412 Hch. Stauff acher,
Arbeit über Anodonta habe ich auch die Eier verschiedener Pflanzen,
ferner von Insekten, vom Hausschwein, von der Katze, vom Rind
und vom Menschen in die Untersuchung einbezogen und die bei Mu-
scheln gemachten Beobachtungen bestätigen können: Das befruch-
tungsbedürftige Ei enthält von Anfang an recht bescheidene Mengen
von Nuclein und verliert auch diesen Rest bis zu seiner vollkommenen
Reife, falls die Zelle absolut auf ein Spermatozoid angewiesen ist.
Wenn dagegen Heidenhain meint, daß die >>Basi- und Oxychroma-
tine durchaus nicht als für die Dauer unveränderliche Körper auf-
zufassen seien, daß sich durch Aufnahme und Abgabe von Phosphor
(Nucleinsäure, saure Gruppen) eventuell auch die Färbbarkeit ändern
könnte«, so kann ich mich nur teilweise mit ihm einverstanden er-
klären. Sicher ist jedenfalls, daß das Basichromatin aus Oxychromatin
entsteht. Das ist der Fall in den Nucleolen. Mit Leichtigkeit erkennt
man in der oxychromatischen Grundmasse der Kernkörperchen (be-
sonders vegetativer Zellen) grün gefärbte Körnchen von verschiedenen
Dimensionen. Meine früher ausgesprochene Überzeugung, daß diese
basichromatischen Elemente hier entstanden und nicht etwa aus dem
Kern eingewandert seien, daß also der Nucleolus der Ort der Nuclein-
synthese ist, halte ich fest und zwar je länger je mehr. Ich werde
in einer monographischen Behandlung der Nucleolen übrigens noch
einmal auf diesen Punkt zu sprechen kommen i. — Es kann ja aller-
1 Es ist mir übrigens unverständlich, weshalb diejenigen Forscher, welche
meiner Zelltheorie skeptisch oder gar feindlich gegenüberstehen, sich nicht dazu
entschließen können, wenigstens diese eine Meldung von der Anwesenheit basi-
chromatischer Elemente in der oxychromatischen Grundmasse der Nucleolen
zu prüfen, trotzdem die bisherigen Forschungen die Rolle der Kernkörperchen
und ihr sonderbares färberisches Verhalten nicht im entferntesten aufzudecken
und den Zellvorgängen dienstbar zu machen vermochten.
ScHAXEL scheint zwar mit meiner Auffassung von der Bedeutung des Nucleolus
einverstanden zu sein (Sciiaxel, J., Das Zusammenwirken der Zellbestandteile usw.
Arch. f . mikr. Anat. Bd. LXXVI. 1911), wenn er (S. 557) schreibt: »Während der
Emission spielen sich in ihm (im Nucleolus) die Assimilationsvorgänge des Chroma-
tins ab, wie aus der Vermehrung und dem Abströmen des Chromatins zu erkennen
ist. Gegen das Ende dieser Prozesse und vor allem bald danach, während das
Chromatin den Nucleolus verläßt, erscheinen in ihm Stellen von nur geringer
Färbbarkeit . . . « oder S. 566: »der Nucleolus ist Assimilations- und Emissionscen-
trum des Chromatins . . . das im Kern verbleibende Chromatin strömt vom Nucleolus
ab, der als achromatischer Körper deformierender Vacuolisation verfällt« . . .
Aber Schaxel will dieses Resultat — wie es scheint — nicht als bloße Be-
stätigung meiner Untersuchungen angesehen wissen, obschon letztere bereits
im Jahre 1910 publiziert wurden und trotzdem seine Methode niemals dazu ge-
Zellstudicn. I. 413
(lii\«;s auch in diesem Falle vorkommen, daß diese basichromatischen
Körnchen da und dort dunkeliiiün bis schwarz erscheinen — • das ist
hier vermöge der Kleinheit der in Betracht fallenden Körperchen
sogar häufig zu beobachten — , so daß erst durch die Hilfsreaktion der
Magensaftverdauung einwandfrei bewiesen werden kann, daß hier basi-
chromatisches Material auf oxychromatischer Unterlage sitzt; aber
inuner — ob sich die Körnchen primär grün oder dunkel färben mögen —
immer hebt sich ihre Substanz scharf von der Umgebung ab und nie
habe ich in den zahllosen Fällen, in denen ich Nucleolen untersuchte
ein Verschwimmen der basichromatischen Elemente mit der Grund-
niasse der Kernkörperchen, bzw. einen allmählichen Übergang der
ersteren in die letzteren, wahrgenommen. Gerade hier, wo Basichro-
matin aus Oxychromatin entsteht, sollten am ehesten die Mischfarben
der Versuche ]\Ialfattis deutlich und häufig nachgewiesen werden.
Aber das ist keineswegs der Fall: Wo Rot und Grün nicht rein er-
scheinen, da findet überall Deckung (unter Umständen sogar auf der
ganzen Fläche des Nucleolus) der einen Substanz durch die andere
statt; die eigentlichen Träger der acidophilen und basophilen Eigen-
schaften aber sind in der ganzen Zelle scharf voneinander getrennt
und durch keine nachweisbaren Zwischenglieder miteinander verbunden.
Es kann ja bei der Verwandlung oxychromatischer Substanzen in
basichromatische in der Zelle immerhin etwas Ähnliches sich abspielen,
wie es uns Malfatti in seinen Versuchsreihen demonstrierte: Ein
durch intermediäre Produkte vermittelter stufenweiser Übersans; von
oxyphilem Material in basophiles. Der Unterschied zwischen den beiden
Fällen dürfte alsdann aber in der Reaktionsgeschwindigkeit zu suchen
sein: Während Malfatti die einzelnen Zwischenstufen durch will-
kürliche Änderung des Mischungsverhältnisses der Paarlinge isoliert,
spielt sich der Prozeß der Umwandlung in der Zelle offenbar so schnell
ab, daß wir die Zwischenglieder der Reaktion nicht zu fassen ver-
mögen, sondern bloß Ausgangs- und Endsubstanzen kennen. Das
ist ja durchaus nichts Besonderes, es ist vielmehr das Normale auf
chemischem Gebiet. Nehmen wir nur ein Beispiel unter vielen heraus:
Die berühmte LANDOLTsche Reaktion zwischen Schwefeldioxyd (SO2) und
Jodsäure (HJO3). Lassen wir SO2 und HJO3 in ziemlich konzentrierten
Lösungen (bei nicht zu großem Überschuß an SO2) aufeinander ein-
wirken, so scheidet sich augenblicklich Jod aus nach der Gleichung :
5SO2 + 2HJO3 + 4H2O = 5H2SO4 + Jg
eignet sein kann, überzeugend nachzuweisen, daß der Nuclcohis der Oit der
Chromatin-(Nuclein-)Synthese ist.
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CIX. Bd. 28
414 Hell. Stauffacher,
und kein Beobachter dieser Umsetzung hätte auch nur den leisesten
Anhaltspunkt, anzunehmen, daß sich hier zwischen Ausgangs- und
Endsubstanz eine Reihe von ganz differenten Zwischengliedern ein-
schalte. Verdünnen wir dagegen beide Lösungen, so vergeht eine
gewisse — • meßbare — - Zeit, bis sich das Jod schließlich blitzschnell
abscheidet. Die anscheinend so einfache Reaktion besteht nun nach
Landolt aus drei nacheinander sich abspielenden Phasen;
I. 3SO2 + HJO3 = 3SO3 + HJ,
II. 5HJ + HJO3 = 3H2O + 6 J,
III. J2 + SO2 + H2O = SO3 + 2HJ,
und das Jod kann daher erst dann definitiv frei werden, wenn sich nach
Phase I und III sämtliches SO2 in SO3 bzw. H2SO4 verwandelt hat.
Auch bei der Assimilation des Kohlenstoffs, d. h. bei der Be-
reitung von Kohlehydraten aus CO2 und HgO in der chlorophyllhaltigen
Zelle treten ohne Zweifel Zwischenprodukte anf , möglicherweise Formal-
dehyd oder seine Derivate (Hypothese von Baeyer), aber es ist uns
bis jetzt, trotz der größten darauf verwendeten Mühe, noch nicht ge-
lungen, dieser intermediären Substanzen habhaft zu werden.
Ebensowenig, wie die Synthese findet die Zerlegung eines Stoffes
in seine Endprodukte durch die Zellen auf einen Schlag statt. Ver-
abreichen wir einem Menschen z. B. die aromatische Aminosäure Ty ro-
sin ^ {— p-Oxyphenyl-a-aminopropionsäure,
OH
CH2 . CH(NH2) . COOH),
so kommt der Stickstoff dieses Bausteins der Eiweißstoffe als Harnstoff
/NH2
C0\ zum Vorschein und zwar im Harn,
\NH2
Ein direkter Übergang von der einen zur andern Verbindung kann
unmöglich stattgefunden haben, aber wir kennen die Zwischenglieder
nicht, wissen, mit andern Worten, noch nicht sicher anzugeben, wie
die NH2-Gruppe der Ausgangssubstanz in das Endprodukt, den Harn-
stoff, überging usf. 2.
1 Abderhalden, E. Die Bedeutung der Verdauung für den Zellstoff-
wechsel. Vortrag. Urban u. Schwarzenberg. 1911.
2 Auch beim Übergang des Krystallinen ins Amorphe ändern sich alle
Eigenschaften discontinuierlich (Volumen, Lichtgeschwindigkeit usw.).
Zfllstiulicii. I. 415
Es wäre noch die Frage zu prüfen, ob nur das Oxy chromatin
der Nucleolen Basichromatin zu erzeugen vermöge, oder ob Nucleine
auch sonstwo aus oxychromatischer Unterlage entstehen könnten.
Meine Untersuchungen sind in diesem Punkte noch nicht abgeschlossen;
aber nach meinen bisherigen Erfahrungen muß ich die Ansicht vertreten,
daß die Nucleinsynthese nur in den Kernkörperchen, bzw. da statt-
findet, wo das oxychromatische Material direkt nucleolarer Abstam-
mung ist: Die intimen Beziehungen vieler Nucleolen zum Chromatin
des Kernes, die Entleerung des (Ei-)Kernes an Nuclein in dem Moment,
wo das Basichromatin des Nucleolus erschöpft ist und die Verteilung
nucleolarer Substanz auf die Tochterzellen anläßlich der Mitose unter-
stützen meine Behauptung.
Aber aus dem oben zitierten Passus Heidenhains, »daß sich
durch Aufnahme und Abgabe von Phosphor eventuell auch die
Färbbarkeit ändern konnte <<, scheint hervorzugehen, daß dieser Forscher
auch eine Verwandlung von Basichromatin in Oxychromatin anzu-
nehmen geneigt ist. — Da kommt es aber doch in erster Linie darauf
an, zu untersuchen, was für ein Oxychromatin gemeint sein kann.
Ich habe bereits darauf hingewiesen, daß die organisierte Grund -
Substanz der Zelle, sagen wir das organisierte Plastin, der
Sitz der Bewegung, der Kontraktilität, Reizbarkeit usw., ausgesprochen
oxyphil sei. Nie finden wir irgendein kontraktiles Element in Ehr-
LiCH-BiONDi anders wie rot gefärbt, vom Stiel der Vorticelle an bis zur
Muskelfaser des Menschen hinauf; nie ist ein Organ, mit Bewegung
begabt, anders wie oxy chromatisch, von der Wimper und Geißel des
Infusors an bis zum Schwanz des Spermatozoids und oxyphil ist kon-
stant auch die reizleitende Bahn. Dieses Oxychromatin kann daher
nichts andres sein, als das lebende Substrat, das wir seit Mohl mit
dem Namen Protoplasma belegen.
Das Basichromatin dagegen finden wir konstant und überall da,
wo Stoffwechsel- und Wachstumsprozesse stattfinden. AVir brauchen
ja nur einmal ein tierisches Ei in seiner Wachstumsperiode zu ver-
folgen, um sofort von der großen Rolle überzeugt zu werden, die das
Basichromatin bei der Füllung der Zelle mit Nährmaterial spielt; der
Pollenschlauch verbraucht bei seinem Wachstum das Nuclein seines
vegetativen Kernes und es ist nicht ausgeschlossen, daß in analoger
Weise auch die Gauglienzelle, die ursprünglich ebenfalls Basichromatin
enthält, diese Substanz verbraucht bei der Bildung der Nerven-
faser, die — nach Carrels Versuchen — von der Nervenzelle erzeugt
wird.
28*
41G Hell. .Stauffachc'i',
Der Stoffwechselkern ciliater Infusorien ist prall gefüllt mit Basi-
chromatin ebenso, wie die Nuclei sämtlicher vegetativer Zellen.
Ein parthenogenetisch sich entwickelndes Ei unterscheidet sich
prinzipiell von einem befruchtungsbedürftigen. Man braucht nur das
Ei einer Wurzellaus von Phylloxera vastairix, das niemals befruchtet
wird, zu vergleichen z. B. mit dem Ei einer Zygaena'^, um sofort die
fundamentale Differenz in diesen Eitypen zu erkennen. — Eine Zelle
ist weder Wachstums- noch teilungsfähig, wenn ihr das Nuclein mangelt :
Eine Eizelle, die ihr Basichromatin verloren, ist nur noch bedingt
existenzfähig; eine Ganglienzelle tritt normal nicht mehr in Mitose.
Heidenhain, mit dessen Beobachtungen die meinigen außer-
ordentlich häufig übereinstimmen, machte schon früher auf das zu-
letzt Gesagte aufmerksam, Loc. cit. S. 163 sagt er: »Eine andere be-
langreiche Beziehung der beiden Chromatine zur Biologie der Zellen
scheint mir in dem Umstand enthalten zu sein, daß Kerne, welche
der Regel nach nicht mehr in Mitose eintreten, häufig arm an Basi-
chromatin, reich an Oxychromatin sind. Diese meine Wahrnehmung
ist oftmals bestätigt worden. Sie betrifft in erster Linie die Kerne
der Nervenzellen. Ferner läßt sich diese Tatsache besonders gut beim
Darmepithel der urodelen Amphibien an dem gegensätzlichen Ver-
hältnis der Kerne des Oberflächenepithels einerseits und der Kerne
in den Keimlagern anderseits erkennen. Jene treten fast nie in Teilung
ein und sind fast ganz und gar oxychromatischer Natur, diese sind
in fortwährender Teilung begriffen und enthalten Basichromatin in
reichlicher Menge. Ereignet es sich aber ausnahmsw^eise, was zu den
größten Seltenheiten gehört, daß die Darmepithelzelle (des Salamanders)
dennoch einmal in Teilung eintritt, so entwickelt sie sehr schöne große
Teilungsfiguren mit sehr langen und schlanken, basichromatischen
Chromosomen. Es liegt also bei diesen Kernen die Fähigkeit vor,
Basichromatin in größerer Menge zu regenerieren.«
Das Basichromatin dient ohne Zweifel trophi sehen Funk-
tionen. Zum Wachstum und Stoffw^echsel aber ist die Anwesenheit
einer lebenden Substanz direkt nicht nötig. Es sind das Vorgänge
rein chemischer Natur oder doch Umsetzungen von chemischer Energie
in andere Energieformen und umgekehrt. Ein Kristall wächst genau
so gesetzmäßig, wie eine pflanzliche oder tierische Zelle und Oxy-
dation, Reduktion, Hydrolyse, Condensation, Polymerisation und wie
die Prozesse noch heißen mögen, die sich in der Zelle abspielen —
sie erfordern bloß die Anwesenheit eines mit der nötigen Energie aus-
^ Über diesen Fall wird nächstens in dieser Zeitschrift referiert werden.
Zollsiudi.Mi. I. 417
iiestatteten chemischen Stoffes, zum mindesten eines Katalysators
und höchst wahrscheinlich sind die Träger der chemischen Umsetzung
in der Zelle Katalysatoren von kolloidaler Beschaffenheit. — Der
natürliche Vorgang der Gärung ist nur insofern an die lebende Hefe-
zelle geknüpft, als letztere das zu jenem Prozeß notwendige Ferment
erzeugt und E. Buchner hat bekanntlich bewiesen, daß letzteres j^anz
unabhängig von der Zelle, losgelöst von seinem Erzeuger, Zucker
dennoch in Alkohol und Kohlensäure zu spalten vermag.
Ein solches Ferment oder doch der Träger eines solchen, ist auch
das Basichromatin, dessen die Entwicklung einer Zelle auslösenden
Reiz wir bekanntlich durch andere Reize zu ersetzen imstande sind.
Nichts vermögen wir zu beobachten, was uns zur Annahme brächte,
daß wir im Nuclein ein wirklich lebendes Substrat vor uns hätten.
Nirgends bemerken wir Selbstbewegung oder ein anderes Kriterium
des lebenden Zustandes dieses Materials und wo immer Dislokation
von basichromatischen Elementen vorkommt, da liegt die Ursache
bei der oxychromatischen Grundsubstanz, deren Bewegungen und
Kontraktionen das Basichromatin passiv folgt. Nichts berechtigt
uns vorläufig, diesen basichromatischen Tröpfchen eine andere als
eine bloß chemische Struktur zuzuschreiben, während untrügliche
Zeichen dafür vorliegen, daß ihre oxychromatische Unterlage noch
eine andere, als eine bloß chemische Struktur aufzuweisen hat. Das
Basichromatin ist — wie ich eingangs betonte — lediglich ein Derivat
— ein Produkt innerer Secretion — des Protoplasmas i.
Und eine Rückverwandlung von Basichromatin in organisiertes
Plastin, in Plasmaeiweiß hätte ja gar keinen Sinn. Die Nucleine
sind vom organisierten Plastin erzeugt und haben eine ganz bestimmte
physiologische Rolle zu spielen, die von derjenigen ihres Erzeugers
total verschieden ist. Das Basichromatin reguliert den Stoffwechsel
der Zelle; es ist der Träger chemischer Energie, relativ labil und —
als Säure — wahrscheinlich bis zu einem gewissen Grade dissoziiert,
während das organisierte Plastin — wenigstens so weit meine per-
>önüchen Erfahrungen reichen — ein chemisch ziemlich inertes Material
sein dürfte. Daß das organisierte Plastin seinen hochmolekularen
1 Ich komme also in diesem Punkt zu einem Resultat, das demjenigen von
Mathews direkt entgegengesetzt ist. » . . . . Wenn dies Bild des Zelllebens rich-
tig ist, meint nämlich Mathews, so ist das einzige als lebend zu betrachtende
Element der Pankreaszelle das Chromatin, da dies allein die Eigenschaft besitzt,
andere Substanzen wie es selbst zu bilden«. (Citiert nach R. W. Hoffmann,
Über die Ernährung der Embryonen von Nass^i mutahilis Lam. Zeitsch. f. wiss.
Zool. Bd. LXXIl, S. 707.)
418 Hell. Stauffacher,
Bau dauernd zu erhalten verstellt, erhellt auch aus den Experimenten
Ehrlichs (loc. cit.). Ehrlich gelang es, einen Trypanosomenstamm
arsenfest zu machen, d. h. durch konsequente Anwendung von Arsen
den auf Arsen reagierenden Receptor zu vernichten oder wenigstens
aufs äußerste zu schwächen. Und diese Eigenschaft behielt das Plasma
bei einer Kultur durch 3 Jahre hindurch und während dieser Zeit
durch mehr als 400 Mäuse. Wenn das, wie Ehrlich meint, bei einer
Seitenkette der Fall ist, wie viel mehr muß der Kern der betreffenden
Eiweißverbindung einmal erworbene Eigenschaften festhalten.
Das chemisch ungleich labilere Basichromatin dagegen sieht man
aus dem Nucleus in das Cytoplasma übertreten und hier mehr oder
weniser rasch verschwinden oder es eilt von Zelle zu Zelle und erleidet
bei diesem Transport das gleiche Schicksal. Verfolgen wir die Ernäh-
rung eines reifenden Insekteneies, z. B. von Zygaena, so fällt die Be-
teiliguno- der Nähr- und Follikelzellen am Wachstum der Eizelle mi-
kroskopisch besonders in einem Punkte auf: Basichromatische Tröpf-
chen ergießen sich in Scharen in den Leib des Eies, das sich dafür mehr
und mehr mit Nahrungsdotter, der nun allerdings oxyphil ist, füllt.
Im Ei angelangt verschwinden die Nucleinelemente spurlos; sie blieben
unauffindbar trotz der größten Mühe, die ich mir gab, Basichromatin
zu entdecken: Pepsinsalzsäure verdaute den Eiinhalt restlos. Die
basichromatischen Körnchen bzw. Tröpfchen sind mit größter Deut-
lichkeit nachzuweisen und zu verfolgen bis sie aus den Follikelzellen
in das Ei übertreten; sie verschwinden, kaum daß sie die Schwelle
des Eies überschritten.
W^ir werden uns, wie gesagt, diesen Fall andernorts noch etwas
genauer zu besehen haben; aber ich bin jetzt schon gezwungen anzu-
nehmen, daß sich die Nucleine in hervorragender W^eise beteiligen
an der Bildung des Nährmaterials für das reifende Ei, also auch be-
sonders der Eiweißkörper, die hier aufgestapelt werden i.
1 Schon in meiner Dissertation (Eibildung und Furchung bei Cyclas Cornea L.
Jen. Zeitschr. f. Naturw. 1893. Bd. XXVIII. N. F. 21) beschäftigte ich mich
mit der Eibildung und zwar von Cyclas cornea L. Schaue ich mir jetzt z. B. die
Fig. 4 und 8 der Taf. XI an, so liegt der Schluß nahe, daß die in Hämalaun schwärz-
lich gefärbten Elemente, die sich aus den Follikelzellen in das Ei ergießen, nichts
anderes sind als basichromatische Tröpfchen, an denen sich — wie ein Vergleich
zwischen Fig. 4 und 8 zeigt — die ernährende Zelle allmählich erschöpft. Die
Abbildungen dürften ziemlich getreu sein. Aber aus meinen Abbildungen geht
der gewaltige Unterschied zwischen dem Material, das sich in die Eizelle ergießt
und demjenigen, mit dem sie sich füllt, keineswegs hervor; denn letzteres ist
ohne Zweifel auch hier Eiweiß, Fett usw., also Material oxychromatischer Natur,
ZcUstiulicn. L 419
R. W. Hoffmann 1 wies bereits im Jahre 1902 auf die Rolle hin,
welche das Chromatin des Kernes bei der Verarbeitung des Nahrungs-
dotters zu einem für die Zellsubstanz assimilierbaren Körper (bei
Nassa) spielt, indem er sagt (S. 713): »Das in äußerster Feinheit im
Kern verteilte Chromatin besorgt die Verarbeitung des in ersterem
aufgespeicherten Dotters zu einem für die lebende Substanz assimilier-
baren Körper. Auch das vom Nucleolus gelieferte Secret mag bei
diesen Umsetzungsprozessen aktiv beteiligt sein.«
Aber auch hier wird vermutlich die Assimilation kaum via Kern
sich abspielen, sondern besorgt werden von dem massenhaft aus dem
Nucleolus und Kern ins Cy.toplasma ausgewanderten >> Chromatin <<.
Oxychromatisches Material, das sich nicht am aktiven Leben
der Zelle beteiligt, kann also tatsächlich als eine Folge gleich-
zeitigen Schwindens von Basichromatin entstehen. Das ist aber ohne
Zweifel etwas anderes als das, was Heidenhain vermutet, daß näm-
lich eine Substanz bald als Oxychromatin, bald wieder als Basichromatin
und umgekehrt auftreten und demnach auch das tinktorielle Verhalten
dieser Körper zu einem unstäten Hin- und Herschwanken zwischen
Rot und Grün gestalten könnte. Ein umkehrbarer Prozeß kann
also hier unmöglich vorliegen. Heidenhatn weist nun allerdings
(loc. cit. S. 125) auf eine wirklich verblüffende Differenz einiger Nu.cleo-
proteide an Phosphor hin:
Nucleoproteid der Schilddrüse (Osswald^) 0,16%,
» » Hefe (Kossel) 6,19%
und meint, daß so stark ausgesprochene Unterschiede der Zusammen-
setzung mit tiefgreifenden Unterschieden der färberischen Reaktion
fixierter Präparate zusammengehen müssen.
Gegen diese Schlußfolgerung ist wohl nicht viel einzuwenden;
doch glaube ich, daß wir durch derartige Kalkulationen über das nächst-
liegende Ziel unserer Bestrebungen hinausgreifen. Es gelingt ja mit den
uns bis jetzt zur Verfügung stehenden Mitteln nicht einmal sicher
zu entscheiden, ob freie Nucleinsäuren oder Nucleoproteide vorliegen ;
Und wenn unter dem Titel »Methode der Untersuchung« (S. 196) der Satz steht:
»Dieses Verfahren ergab mir sehr günstige Präparate, die an und für sich
schon genügt hätten, mich über die hauptsächlichsten Fragen ins
Klare zu setzen«, so bewundere ich offen gestanden jetzt die Genügsamkeit
des Dr. in spe.
1 R. W. HoFFMÄNX, Über die Ernährung der Embryonen von Nassa muta-
hilia Lam. Zeitschr. f. wiss. Zool. 1902. Bd. LXXII Heft 4.
2 vermutlich Oswald, statt Osswald?
420 Hch. Stauffacher,
wie sollten wir mikroskopisch gar eine Untersclieidung zwischen Nu-
cleoproteiden wagen. — Ich habe schon früher ^ (S. 15) darauf auf-
merksam gemacht, daß der Nucleingehalt pflanzlicher (vegetativer)
Zellen gewöhnlich deshalb mehr auffalle, weil im allgemeinen die Kerne
tierischer Zellen kleiner und das Oxychromatin hier stärker vertreten
sei wie dort, und daß (S. 13) wir in tierischen Geweben recht häufig
eine Färbung der Kerne durch Methylgrün vermissen, trotzdem Nu-
cleine vorhanden seien. Das mag zum Teil Fälle betreffen, wie wir sie
oben registrierten, Fälle also, wo Zellkerne in Ehklich-Biondi nicht
grün, sondern rot gefärbt werden und auf deren Schnittfläche höch-
stens dunkelrote Körnchen den Verdacht erwecken könnten, daß sich
hier Basichromatin verberge. Mit Hilfe der Pepsinsalzsäure Verdauung
aber gelang es in allen meinen Präparaten leicht, den Nucleingehalt
nachzuweisen und ich bin fest davon überzeugt, daß dies auch in den
Kernen der Schilddrüse der Fall sein wird. Und mehr als eine unge-
fähre Schätzung zwischen dem Basi- und Oxychromatinreichtum ver-
schiedener Zellen bzw. Gewebe können wir uns ja vorläufig mikrosko-
pisch noch nicht gestatten.
Bis jetzt kenne ich nur die Schilddrüse des Rindes. Hier ist aber
bei einer Färbung der Schnitte in Ehrlich-Biondi (oder in Fuchsin-
Methylenblau) nichts davon zu merken, daß die Kerne arm an Nu-
cleinsäure wären: Sie färben sich sehr schön grün, so deutlich, wie
man es sich nur wünschen kann und zwar direkt, ohne Zuhilfenahme
von Pepsinsalzsäure. — Was für Schilddrüsen der Untersuchung
Oswalds zugrunde gelegt wurden, habe ich bis jetzt nicht in Erfahrung
bringen können.
Es ist oben darauf aufmerksam gemacht woi'den, daß die Labilität
des Basichromatins eine relativ bedeutende sei. Das ist natürlich von
größter Bedeutung bei der Fixierung der Zelle, d.h. bei der Wahl
der zum Töten der Zelle anzuwendenden chemischen Mittel. Nach
der Einwirkung sehr vieler Substanzen reagieren die Nucleine nicht
mehr, oder nicht mehr normal, d. h. geben mit ihrem Reagens, dem
Methylgrün, die charakteristische Färbung nicht mehr. Mineralsäuren
sprengen die Nucleoproteide, fällen die Nucleinsäuren und lösen sie
im Überschuß auf, zersetzen sie wohl auch mehr oder weniger stark.
Es kann also nicht Wunder nehmen, wenn Zellkerne, nach der Be-
handlung in Salzsäure, Salpetersäure oder gar Königswasser ihre Färb-
barkeit ganz und gar verloren haben. — Mit den meisten Schwermetallen
1 Stauffacher, Hch. Die Rolle des Nuoleins in der Fortpflanzung. Ver-
handig. d. Schweiz, natui-f. Ges. Bd. I. Solothurn 1911.
Zrllstu.licn. r. -421
geben die Nucleinsäuren unlösliche Salze, werden also in dieser Form
gefällt von Eisen-, Zink-, Blei-, Kupfer-, Silberverbindungen usw. Da-
mit hört natürlich auch die Fähigkeit der Nucleinsäure, spaltend auf
das Farbsalz der EHRLiCH-BioNDischen Lösung einzuwirken auf und
die Methylgrünreaktion bleibt ebenfalls aus. Ebenso versagt Forma-
linfixation^, während Osmiunisäure (Lösung von OSO4) nach gutem
Auswaschen der Objekte in H2O2 leidliche Resultate gibt. Da jedoch
das käufliche H2O2 Säuren enthält (z. B. Salzsäure), so können die
basischen Eiweißkörper beim Verweilen der Objekte in der Wasser-
stoffperoxydlösung in Salze verwandelt, eventuell auch gelöst werden,
so daß die normal mit Ehrlich-Biondi auftretende Reaktion des
Oxychromatins entweder ausfällt oder doch geschwächt wird. Auch
nach Sublimatfixierung ist die Färbung mit Ehrlich-Biondis Lösung
sehr unsicher und die Methylgrünreaktion bleibt oft gänzUch aus,
trotzdem nachweislich Nucleine vorhanden sind. Die Ursache dürfte
dieselbe sein , wie bei Fixation der Gewebe in Blei- und Kupferver-
bindungen. Denn die Mercurisalze, also auch HgCl2, haben die Eigen-
schaft, durch Wasser leicht in basische Salze überzugehen, die durch
Säuren wieder in neutrale Salze verwandelt werden. Im vorliegenden
Falle würden daher die Nucleinsäuren ebenfalls an ein Schwermetall-
salz gebunden und demzufolge in ihren Wirkungen auf das Farbsalz
gehindert sein. Bei botanischen Präparaten hatte ich indes gelegent-
lich doch teilweise Erfolg, bei tierischen dagegen nie (vgl. Stauffacher,
HcH., Beiträge z. Kenntnis der Kernstrukturen. Zeitschr. f. wiss. Zool.
Bd. XCV. S. 37 und 43—44. Anmerkung).
Da nämhch die Präparate vor der Färbung in Ehrlich-Biondi
jodiert werden, so modifiziert wahrscheinlich das Jod, durch Zurück-
nahme des Quecksilbers aus seiner Verbindung, mehr oder weniger
die störenden Einflüsse des Sublimats; denn die Affinität des Queck-
silbers zu den Halogenen wächst bekanntlich mit zunehmendem Atom-
gewicht der letzteren.
Wenn nun Heidenhain mit Sublimat fixierte tierische Gewebe
in Ehrlich-Biondi färbt, so ist diese Tinktion nicht einwandfrei.
Höchst wahrscheinlich sind z. B. die Beckendrüsengranula (Heiden-
hain, loc. cit. S. 373 ff.) nicht rein oxychromatischer, sondern vor-
wiegend basichromatischer Natur. Ich habe zwar — aus Mangel
an Zeit — die Beckendrüsen der Tritonen bis jetzt noch nicht unter-
1 Sjöbring (Anat. Anzeiger, Bd. XVII, 1900, S. 274) vermutet eine Oxy-
dation der Gewebe durch Formaldehjd, während Blum (Anat. Anz. Bd. XI. 1896.
8. 720) das Fornialdehyd ^MethAlen Verbindungen mit dem Eiweiß eingehen läßt.
422 Hch. Stauffacher,
suchen können, aber in pflanzlichen Präparaten offenbar analoge
Bildungen angetroffen, wie sie in den genannten Beckendrüsenzellen
vorkommen. Wir werden weiter hinten auf den Fall zurückkommen.
Heidenhain zeichnet denn auch in der Tat die Kappe der Halbmond-
körperchen (loc. cit. S. 373, Fig. 220^1 u. B) da und dort blau und
das bestärkt mich sehr in der Annahme, daß sich diese Gebilde bei
Alkoholfixation als zweifellos basichromatisch entpuppt hätten. Die
Sublimatfixation ist ferner schuld, wenn Heidenhain in seiner Arbeit:
Über Kern und Protoplasma 1891, Taf. X, die Centrosomen nach
Färbung in Ehrlich-Biondis Lösung rot zeichnet.
Auf solche Reaktionen zwischen den fixierenden Medien und den
Zellinhaltsbestandteilen, durch welche die letzteren zerstört oder doch
mehr oder weniger stark verändert werden, hat man in der Cytologie
bis jetzt im allgemeinen zu wenig Rücksicht genommen und dieser
Umstand war zum größten Teile Schuld an den Mißerfolgen, die der
Zellforscher mit den elektiven Methoden vielfach zu verzeichnen hatte.
Merkwürdigerweise gab man in der Mehrzahl der Fälle dem Farbstoffe
Schuld, bezeichnete z. B. die Tinktion mit Ehrlich-Biondi als schwierig,
unzuverlässig usw., während es doch sehr nahe gelegen hätte, in erster
Linie dem Gift, mit dem man die Zelle tötete, und dessen Wirkung
auf die Proteine etwas genauer nachzuspüren.
Die Beobachtung, daß oft selbst die gebräuchlichsten Farbstoffe
in ihrer färbenden Wirkung versagten, hätte mehr zum Aufsehen
mahnen sollen. Anstatt aber die Ursache dieses Mißerfolges zu er-
gründen, färbt der Cytologe hartnäckig darauf los, versenkt die Zellen
vielleicht sukzessive in drei bis vier verschiedene, konzentrierte Farb-
stofflösungen oder behandelt den renitenten Protoplasten wochen-
oder monatelang mit Agentien, bis schließlich in einigen Fällen wenig-
stens ein Effekt erreicht ist, der zur theoretischen Voraussetzung des
Forschers paßt. — Was da durch die fixierenden und färbenden Medien
mit dem Zellinhalt alles passiert sein mag, ist nicht zu sagen und des-
halb können wür dem alten Begriff »Chromatin << kein Vertrauen mehr
entgegenbringen. Daß wir übrigens unter seiner Flagge über den
kausalen Zusammenhang der verschiedenen morphologischen Erschei-
nungen mit den ihnen zugrunde liegenden Stoffwechselvorgängen recht
ungenügenden Aufschluß erhielten, braucht demjenigen nicht mehr
gesagt zu werden, der über der Freude, in dem Wunderbau der Zelle
überhaupt etwas optisch differenziert zu haben, nicht vergißt, daß
der größere Genuß darin besteht, die hinter der Erscheinung sich ver-
bergende, gesetzlich geregelte Ursache entdeckt zu haben.
Zriistii(iici). r. 423
Seit vielen Jahren wende ich daher — besonders in Fällen, wo
es sich lim Befriedigung chemisch-analytischer Bedürfnisse handelt —
den Alkohol, und zwar absolut oder in seinen verschiedenen Ver-
dünnungen, als Fixiermittel an^ und zwar deshalb, weil der neutrale
Alkohol indifferent fällt und die chemische Konstitution der
Proteide nach meinen bisherigen Erfahrungen am wenigsten
störend beeinflußt, ■ — • Unter Umständen wurden auch verdünnte
Essigsäure — die ebenso harmlos ist, wie Alkohol — und Mischungen
von Alkohol mit Essigsäure, wie sie in der Lösung von Carnoy (Alkoh.-
Chloroform-Essigs.) vorkommen, in Gebrauch genonmaen.
Über diesen Punkt bemerkt Heidenhain (loc. cit. S. 129) Fol-
gendes: »Werden Fällungsmittel eingreifender Art verwendet, wie
dies in der Histologie üblich ist (Sublimat, Chromsäure, Pikrinsäure,
Salpetersäure), so kann nicht ausbleiben, daß die Nucleoproteide in
mannigfacher und sehr verschiedener Weise zersetzt und verändert
werden, besonders durch Denaturierung der Eiweißpaarlinge, aber
auch durch mehr oder minder weit fortschreitende Veränderung und
Zersetzung der Nucleinsäuregruppe. Deswegen ist die Färbbarkeit
verschieden konservierter Kerne so sehr verschieden, deswegen ver-
lieren nach meiner Erfahrung bei längerer Wirkung von Salz- oder
Salpetersäure oder von Königswasser (5%) die Kerne ihre Färbbarkeit
ganz und gar. Bleiben nun nach Anwendung eingreifender Fixierungs-
mittel im Kern irgendwelche Körper zurück, die sich mit basischen
Anilinfarben (Safranin usw.) scharf darstellen lassen, so nennen wir
die färbbare Masse immer gleicherweise »Chromatin« (eventuell Basi-
chromatin), obwohl das chemische Substrat je nach der Vorbehand-
lung (Sublimat, Pikrinsäure usw.) sehr verschiedener Natur sein mag . . .
Der Begriff der Chromatine ist daher zunächst geweblicher oder bio-
logischer Natur . . . Die färbbaren Nucleoproteide der Chemiker,
sowie die Chromatine der Histologen entstehen aus dem lebenden
Kernplasma erst dann, wenn letzteres unter der Einwirkung unserer
Fällungsmittel einer bestimmt gerichteten Zersetzung anheimfällt.
Man kann aber dem Begriff des Chromatins sekundär eine Wendung
nach der Chemie hin geben, wenn man darunter diejenigen färbbaren
Körper versteht, welche bei Gelegenheit einer vorsichtigen indiffe -
renten Fällung oder Fixierung im Kerne erhalten werden (Alkohol,
schwache Essigsäure); unter diesen werden dann die Nucleoproteide
der Chemiker in unverändertem Zustande enthalten sein .,,«
1 Allzu verdünnt darf der Alkohol deshalb nicht A-erwendet werden, weil
die Xucleoproteide in Wasser löslich sind.
424 Hch. Stauffacher,
Oder hören wir, was Robertson in seiner physikalischen Chemie
der Proteide! (S. 47) sagt: »Die direkte Beweismethode (die häufigst
angewandte) des Vorhandenseins von Proteinverbindungen besteht
gewöhnlich in der Fällung des Proteinsalzes durch den Zusatz passender
Reagentien; das gewöhnlich angewandte Reagens ist der
Alkohol.«
Ich möchte, um ja nicht mißverstanden zu werden, noch einmal
in aller Schärfe Folgendes hervorheben. Es handelt sich weder darum,
Ehrlich-Biondis Lösung als Universal-Färbe mittel, noch den
Alkohol als Universal-Fixier mittel anzupreisen. Es kommt viel-
mehr in erster Linie auf die Bedürfnisse des Forschers an, welche
Farbstoffe und welche zeiltötenden ]\Iittel er wählen soll. Neben den
rein morphologischen Standpunkt, der bis anhin in der Biologie der
Zelle dominierte und dessen Bedeutung für die Erforschung des Zell-
geschehens zweifellos überschätzt worden ist, habe ich den rein che-
mischen, den analytischen zu stellen versucht. Nicht deshalb,
weil ich nun alles Heil ausschließlich von ihm erwarte, sondern des-
halb, weil die Zell Vorgänge zu einem guten Teil chemische
Prozesse sind und daher auch nur vom chemischen Stand-
punkt aus verstanden und mit chemischen Mitteln und Me-
thoden zu ergründen sind. Es ist mir nie eingefallen, die morpho-
logische Seite der Zellforschung zu eliminieren oder gar zu diskreditieren ;
aber wenn zur Evidenz klar ist, daß sie allein nicht ausreicht, sollte
man sich der andern Richtung nicht mehr länger verschließen.
Es mag der Forscher nach wie vor zu FLEMMiNGschen und Her-
MANNschen Gemischen, zu Pikrinsäure, Chromsäure, Sublimat und
Formaldehyd usw. greifen und er mag weiterhin mit Gentiana, Safranin,
Boraxcarmin, Hämalaun, Eisenhämatoxylin usw. usw. färben, wenn es
sich bloß um optische Differenzierung handelt; verfolgt er aber
chemisch-analytische Zwecke, dann wird der Alkohol als Fällungs-
mittel — vorläufig wenigstens — geradezu universell, weil er, wie
oben betont, die verschiedenen Proteide indifferent, unter möglichster
Schonung ihrer chemischen Konstitution fällt. Zur Sichtbarmachung
und Unterscheidung der gefällten Eiweißkörper — sei das nun erst
gruppenweise oder später individualisiert der Fall — bedienen wir
uns nunmehr der verschiedenen Indikatoren, zu denen auch die Kom-
ponenten der EHRLiCH-BiONDischen Lösung und andrer heterogener
Farbstoff gemische zu zählen sind. Den Wert der dadurch erzielten
1 Robertson, T. B. Die iihysikalische Chemie der Proteine. Dresden 1912.
Th. Steinkopff.
Zrllstlldicn. I. 425
Doppelfärbungen (wenigstens für den Kern) würdigt Heidenhain
(loc. cit. S. 163) mit folgenden Worten: »In Rücksicht auf die Biologie
des Kernes können die reinen Doppelfärbungen der Chromatine unsrer
Ansicht nach gar nicht hoch genug geschätzt werden, denn sie sind
zweifellos der Ausdruck, das Symbol wichtiger Stoffwechselvorgänge
im Kern. Hierauf deuten die konstanten Variationen der relativen
Mengenverhältnisse der beiden Chromatine in verschiedenen Kern-
arten hin.<<
Aber noch eins geht aus meinen langjährigen Beobachtungen
hervor: Alkohol ist auch ein gutes Erhaltungsmittel für die Struk-
turen, sofern man ihn nur in einer dem betreffenden Gewebe an-
gepaßten Konzentration anwendet. Er ist also, mit andern Worten,
nicht nur das Fällungsmittel par excellence, sondern auch ein
gutes Fixier mittel. Ob er hierbei absolut oder in einer Verdünnung
angewendet werden soll, das entscheidet das zu fixierende Gewebe.
In erster Linie ist an dem Alkohol als Fixiermittel wertvoll, daß
er sehr schnell in die Gewebe eindringt und dadurch den Zellen nicht
Zeit läßt, ihre Strukturen zu transformieren. Deswegen fällt auch
allen denjenigen, die sich dieses Fixiermittels bedienen, die vorzüg-
liche Erhaltung des Kernzustandes der Zelle auf. Ich habe seinerzeit ^
nachdrücklich auf diesen Punkt aufmerksam gemacht und von Der-
SCHAU stimmt mir bei. Auch Vonwiller^ betont (S. 397), daß die
besten (Kern-)Bilder bei den von ihm untersuchten Amöben durch
Behandlung derselben mit (abs.) Alkohol geliefert wurden.
Es ist nämlich ganz besonders der Plasmabezirk des Kernes,
der — vermöge seiner dichteren Struktur oder größeren Sensibilität —
auf das anrückende Gift reagiert und Kontraktionserscheinungen zeigt,
sofern ihm dazu Zeit gelassen wird^. Der Erhaltungszustand des
1 STArFFACHER, HcH. Xcue Beobachtungen auf d. Gebiete d. Zelle. Zeit-
schrift f. wiss. Zool. Bd. XCVIII.
2 VoxwiLLER, P. Über den Bau der Amöben. Archiv f. Protistenkunde.
Bd. XXVIII. 19i:3.
3 Hierauf ist ohne Zweifel — wie ich bereits früher betont — die Entstehung
nienibranartiger Bildungen an der Kernperipheric fixierter Zellen zurückzuführen.
Ullmaxx sagt (Über physiologische und Reizbewegungserscheinungen an Leuco-
cyten. Virciiows Archiv. Bd. CCV. 1911): ». . . bei einem ungereizten lebens-
frischen Leucocyt ist ein Kern von der übrigen Leibessubstanz nicht geschie-
den, das Kernplasma ist vielmehr gleichmäßig zwischen den übrigen Zellschichten
verteilt . . . Den Kern sichtbar machen heißt, einen Reiz anwenden, der das
Kernplasma zu einer bestimmten Kontraktian veranlaßt.«
In einer mir unverständlichen Art äußert sich Sch.^jcel über die Kern-
membran (ScHAXEL, J., Das Zusanniienwirken d. Zellbestandteile usw. Älikr.
426 Hch. Stauffacher,
Kernes und seines Kandes kann daher geradezu als Kriterium für
den Erhaltungszustand der Zelle überhaupt angesehen werden
und hier finde ich mich wiederum in Übereinstimmung mit Heiden-
hain, wenn er (loc. cit. S. 116) sagt: ». . . Welche Bilder nun für
normal, welche für unverändert anzusehen sind, das kann ja in den
allermeisten Fällen aus begreiflichen Gründen nicht durch einen Ver-
gleich mit dem lebenden Objekt ausgemacht werden, sondern die
Kritik muß an dem gefärbten Objekt selbst einsetzen und
sozusagen aus dem Sinne des Dinges heraus geführt werden, wie bei
Entzifferung und Kritik eines Textes in toter und womöglich unbe-
Anat. Bd. LXXVI. 1911). Er sagt nämlich (S. 558): »Im fixier teni Präparat
tritt die Kernmembran deutlich hervor, sobald der »Ruhekern « nach der Teilung
vom umgebenden Plasma sich überhaupt abgrenzt . . . Während der Chromatin-
emission fällt sie auf durch ihre chromatische Tönung, die hervorgerufen wird
durch die hier offenbar langsamer passierenden Chromatinpartikel und die aller-
dings nur minimalen Chromatinstauungen . . . Ihr Spannungszustand ist bis
über die Emission hinaus straff und der von Kernsaft erfüllte Kern daher kugelig.
Gegen Abschluß der Reifung weist die Membran kleine Eältelungen auf . . .
Die Auflösung beim Abschluß der Reifung muß wirklich eine Lösung, kein Zer-
reißen sein; denn sie geschieht zwar äußerst rasch, doch ohne irgendwelche Spuren
zu hinterlassen.
Im Lebeni ist, sobald überhaujDt ein Kern wahrzunehmen ist, eben die
Begrenzungslinie des als Kern erscheinenden helleren Raumes als Membran an-
zusehen. Sie scheint eine dichtere Lagerung desjenigen Protoplasmas
zu sein, das die Grundstruktur von Kern und Zellleib gleichermaßen
bildeti.«
Ich bin ja damit einverstanden, daß die Amputation der Kernmembran
schmerzlos vor sich gehe und daß der Zellforscher sich ganz allmählich an das
Fehlen einer solchen Hülle gewöhne; aber die Art, wie Schaxel den Übergang
bewerkstelligen will, dürfte denn doch als verfehlt zu bezeichnen sein. Im
fixierten Zustande ist also — nach Schaxel — die Kernmembran eine wirkliche
Haut mit einer gewissen Spannung, mit der Eigenschaft sich fälteln und schheß-
lich auflösen (eventuell auch zerreißen) zu können, also ein Umwandlungs- oder
Ausscheidungsprodukt des Protojilasmas, das den Kern rings einschUeßt und
absperrt, das aber die Chromatintröpfchen trotzdem — wenn auch zögernd —
passieren läßt; und im Leben ist es nichts anderes wie eine dichtere Lagerung
der protoplasmatischen Grundsubstanz. Wenn nun im Leben der Zelle keine
wirkliche Kernmembran existiert, so kann sie auch im fixierten Zustand nicht
vorkommen; ist sie im letzteren Fall aber trotzdem sichtbar, so ist das eben
lediglich optische Täuschung oder Artefakt. Es nimmt wohl die wenigsten Cyto-
logen Wunder, wenn ich mich weiter »bemühe« (Schaxel a. a. O., S. 595), gegen
ein solches undefinierbares Wesen im Zellorganismus, wie es uns Schaxel schildert,
Front zu machen und den in der Kernmembran eingekeilten Chromatinpartikel-
chen glückhch ins Cytoplasma hinüber zu verhelfen.
1 Von mir gesperrt. Stauffacher.
z.'iistiidi.ii. I. 427
kannter Sprache. Auweiulunji; verschiedener Fixiermittel einerseits
und auch der sorgfältigste Vergleich der Kerne desselben
Präparates und derselben Gewebeform anderseits lehren die
überaus mannigfachen, sozusagen um eine natürliche Gleichgewichts-
lage herum sich bewegenden Abweichungen von der Norm allmählich
kennen . . . «
Daß der Alkohol (besonders der absolute) unter Umständen auch
schrumpfend wirken kann, soll nicht geleugnet werden; darin macht
er aber keine Ausnahme: Jedes der vielen, jetzt gebräuchlichen,
Fixiermittel wirkt in diesem Sinne, wenn ihre Anwendung auf die Ge-
webe die besonderen Verhältnisse derselben nicht sorgfältig ins Auge
faßt. Ich glaube aber behaupten zu dürfen, daß die eventuell schrump-
fende Wirkung des Alkohols durch einfache Konzentrationsänderung
desselben und tuulichste Verkleinerung der Objekte viel leichter zu
reguUeren ist, wie diejenige irgendeines anderen Fixiermittels, von
denen einige — infolge ihres schwachen Diffusionsvermögens — über-
haupt nie andre als Schrumpfungsbilder geben (vgl. hierzu die Sublimat-
präparate in Heidenhaix (loc. cit.) S. 373, Fig. 219 und 220-^^1 u. B).
Sollte übrigens der Alkohol bei irgendeinem Gewebe als Fixierflüssig-
keit wirklich versagen, so fiele das, meiner Meinung nach, nicht allzu-
schwer ins Gewicht. Die Bedürfnisse, chemisch und optisch zu diffe-
renzieren, brauchen ja nicht notwendigerweise kombiniert zu werden.
Wir würden in einem solchen Falle den Alkohol lediglich als Fällungs-
mittel verwenden und die so gewonnenen Präparate ausschließlich
zum Studium chemisch-analytischer Fragen benutzen, während wir
die Strukturen an solchen Objekten verfolgen müßten, die mit den
geeignetsten Mttel fixiert worden sind.
Der Alkohol unterscheidet sich auch dadurch sehr vorteilhaft vor
vielen andern Fixiermitteln, daß die durch Wasser aufgeklebten
Schnitte der Alkoholpräparate ausnahmslos und sicher auf dem
Objektträger kleben. Nicht ein einziger Schnitt schwimmt ab, während
gerade in diesem Punkte andere Präparate, besonders die mit Osniium-
säure behandelten, sich sehr unangenehm bemerkbar machen.
Leider werden gewisse Objekte bei Alkoholbehandlung zu hart,
so daß sie sich schlecht schneiden und zur Erzielung von Serien gänz-
lich unbrauchbar sind. Darauf habe ich übrigens schon früher einmal
aufmerksam gemacht i.
Einen solchen Vergleich, wie wir ihn oben zur Taxierung eines
1 Daß man sich zum Studium der Fette, fetten Öle u. dergl. nicht der
Alkoholpräparate bedienen kann, braucht wohl nicht extra betont zu werden.
428 Hfh. Stauffacher,
Fixiermittels auf seine Brauchbarkeit forderten, können wir in einem
Beispiel gleich folgen lassen.
Die Fig. 3, 4, 5, 6, 7 und 8, Taf. X, zeigen Eizellen von Ascaris
megalocefhala, fixiert in 70% Alkohol i. Alle sechs Abbildungen de-
monstrieren dasjenige Stadium, wo das Sperma eingedrungen ist und
einen großen Teil seines Inhaltes, gleich einer Wolke, in den Eiinhalt
entleert. In den Fig. 3, 4 und 8 sehen wir randständig auch den weib-
lichen Kern, in der »Richtungskörper «-Bildung begriffen. >>
Mit genau denselben Stadien der Eizellen von Ascaris beschäftigt
sich nun auch eine Abhandlung von Meves Ȇber die Beteiligung
der Plastochondrien an der Befruchtung des Eies von Ascaris megalo-
cephala« (Mikrosk. Anatomie Bd. LXXVI. 1910/11), welcher die
Taf. XXVII — ^XXIX beigegeben sind. Meves fixierte seine Objekte
im ALTMANNschen Gemisch (2%ige Osmiumsäure und 5%ig.e Kali-
bichromatlösung zu gleichen Teilen). — Auf S. 689 sagt der Autor:
»Es (das Ei) enthält einen central gelegenen Kern, welcher infolge der
starken Osmierung völlig homogen aussieht; eine meistens vorhan-
dene Unregelmäßigkeit des Konturs ist wahrscheinlich auf Schrumpfung
zurückzuführen.
Ich habe meine Präparate absichtlich nicht gezeichnet, sondern
photographiert, um selbst völlig objektiv bleiben zu können; aber
auch bei genauester Besichtigung der Bilder beobachtet man nichts,
was als Schrumpfung zu deuten wäre: Nirgends tritt der Eiinhalt
von der Membran zurück und die Konturen sind überall vollkommen
glatt2.
Wie mir scheint, will Meves für die Schrumpfung seiner Präparate
den Übergang aus dem absoluten Alkohol ins Paraffinbad verant-
wortlich machen. Er sagt nämlich (loc. cit. S. 687): »darauf werden die
Eier in Alkohol von steigender Konzentration übertragen (wobei sie
in jedem Konzentrationsgrad 24 Stunden belassen werden) und dann
in Paraffin eingebettet. Hierbei muß man, wenn man Schrumpfungen
vermeiden will, mit äußerster Vorsicht zu Werke gehen . . .«
Es ist eine alte, bekannte Forderung der Mikrotechnik, daß ein
Objekt nie aus einem Bad direkt in ein anderes übergeführt werden darf,
selbst dann nicht, wenn die Härtung bereits erfolgt ist. Übrigens ist
1 Gefärbt in Eisenhämatoxylin.
2 Auch Van Beneden sagt: «On peut employer avec grand avantage l'al-
cool au tiers, puls l'alcool a 70, au lieu de Tacide nitrique, pour durch" les oeufs.
(Van Beneden, E., Eecherches sur la maturation de Toeuf et la fecondation
[Ascaris megalocepJiala']. Archives de Biologie. T. IV. 1883. p. 281.)
z.'iistiKiicii. T. 429
ein Intermediuni zwisrluMi Alkdhol und Paraffin schon aus dem Grunde
nötig, weil die Präparate aufgehellt werden müssen. Der ganze Unter-
schied zwischen Meves und mir besteht nun darin, daß er hierzu Äther-
Chloroform verwendet, während ich Xylol vorziehe. Hier also treten
die Differenzen in unsern Schnitten schwerlich erst ein, besonders
w<>nn man sieht, mit welcher großen Sorgfalt Meves seine Objekte
allmählich in Paraffin bettet. Die Schrumpfung ist ohne Zweifel
vorher schon erfolgt und muß auf die Fixierflüssigkeit zurückgeführt
werden. Nun wäre ja allerdings eine Schrumpfung der Kontur allein
an und für sich nichts Schreckliches ; aber wir kennen eben in der Zelle
empfindliche Partien, die der Schrumpfung erst recht nicht entgehen,
wenn eine solche tatsächlich möglich ist. Ich möchte noch einmal
besonders auf den Kernrand verweisen, wo die geringsten Schädigungen
infolge der dort dicht stehenden Elemente (und zwar oxy- und basi-
chromatischer Natur) leicht zu Täuschungen führen können.
In der Fig. 11 der Taf. X ist die befruchtete Eizelle von Ascaris
megalocephala in der ersten Furchungsteilung begriffen; in Fig. 12 ist
diese Teilung vollständig durchgeführt. Beide Abbildungen zeigen
mit größter Deutlichkeit die Körper chen, die man— und damit kommen
wir auf unser Ausgangsthema zurück — als Centrosomen bezeichnet
und man würde im Hinblick auf diese Figuren allein in der Tat zur
Überzeugung kommen können, daß wir es hier mit Zellorganen zu
tun haben, die mindestens im Stadium der Mitose eine wichtige Mission
zu erfüllen haben. Die Centrosomen sollen aber bereits in der »ruhen-
den« Zelle präformiert und dort mit ihrer Sphäre in einer Dälle des
Kernes gebettet sein. Ich habe bereits früher i darauf hingewiesen,
daß eine solche Dälle normal nicht existiere und daß man den Ver-
hältnissen Zwang antun müsste, wollte man eines der vielen Körnchen,
die gewöhnlich im Zelleib, und besonders häufig in der Nähe des Kernes,
auftreten, speziell als Centrosom ansprechen. Seit 1910 habe ich
wiederum ungezählte tausende von Zellkernen der verschiedensten
Provenienz im mikroskopischen Felde geprüft und ich bin zu keinem
andern Resultat gekommen: Für mich persönlich ist das Centrosom
in der »ruhenden« Zelle erledigt.
Über die wahre Natur und die Bedeutung der bei der indirekten
Zellteilung an den Polen der Tonnenfigur mehr oder weniger leicht
konstatierbaren Centrosomen haben uns die bisher gebräuchlichen
1 HcH. St.vuffacher, Beiträge zur Kenntnis der Kernstrukturen. Zeit-
.schrift f. wiss. Zool. Bd. XCV.
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CIX. Bd. 29
430 Hch. Stauffacher,
Methoden keinen Aufschluß gebracht; sie haben ihn nicht bringen
können, weil sie — wie ich schon betonte — die Hauptsache bei der
Erscheinung unberücksichtigt ließen und das ist die oxychromatische
Grundsubstanz, das organisierte Plastin.
In Fig. IIa, Taf. X, ist eine Eizelle von Ascaris megalocephala
gezeichnet, die derselben Serie entstammt, wie Fig. 11. Der Alkohol-
fixation folgte aber hier Färbung in Ehrlich-Biündi. Und das, was
wir jetzt sehen, ist einer klaren Interpretation sehr viel leichter zu-
gänglich, wie das, was uns Fig. 11 zeigen kann. — Wenn wir von den
Chromosomen vorläufig absehen, so ziehen auch in Fig. 11« die beiden
Pole der Kernspindel in erster Linie unsere Aufmerksamkeit auf sich.
Aber da sieht es jetzt ganz anders aus, wie in dem sonst ja völlig kon-
gruenten Fall der Fig. 11. Diese Pole heißen zu Unrecht Attraktions-
sphären; es sind vielmehr Kontraktionssphären, denn es ist doch
über jeden Zweifel erhaben, daß sich hier die Erscheinung der Kontrak-
tion abspielt. Und zwar ist es die oxychromatische Grundsubstanz,
das strukturierte Plastin, bekanntlich der Sitz der Kontraktilität,
das an zwei oder mehr Stellen des Cytoplasmas gleichzeitig in diesen
Reizzustand tritt. Schon früher i habe ich demonstriert, wie aus den
Wandungen der zwischen den beiden Kontraktionspunkten gelegenen
Waben des Cytoplasmas und des Kernes die filaren Strukturen der
»Tonne << entstehen, die nicht erst nachträglich mit den' Chromosomen
in Konnex geraten — >>in den Kern hineinwachsen« — , sondern von
allem Anfang an im organischen Zusammenhange mit ihnen gewesen
sind.
Völlig passiv machen nun die basichromatischen Tröpfchen des
an diesem Prozeß beteiligten Cytoplasmas die Bewegung der oxy-
chromatischen Grundmasse mit. Nirgends finden wir die leiseste
Spur einer Selbstbewegung bei diesen Nucleinelementen, nirgends
zackige Ränder, die man doch sehen müßte und auch sehen könnte,
falls diese Tröpfchen Eigenbewegung besäßen und aktiven Anteil
nähmen an den Dislokationen und strukturellen Änderungen, die sich
hier vollziehen: Sie bleiben rund, wie sie es vorher waren und wie
alle die entfernteren und nicht in den Strudel der Mitose hineinge-
zogenen basichromatischen Portionen des Cytoplasmas es immer sind
(Fig. IIa).
Infolge der mehr oder weniger energischen Kontraktion des Plastins
werden naturgemäß an den Polen eine größere Anzahl der auf dem
1 Hch. Stauffacher, Zeitschrift f. wiss. Zool. Bd. XCV.
Zellstudicn. I. 431
Oxychromatin reitenden basichiomatischen Elemente, die vorher auf
den Wabenwandungen relativ zerstreut waren, einander genähert,
so daß sie schließlich konfluieren und größere Kügelchen formen.
An den Polen der Tonnenfigur sind denn auch wohl in den meisten
Fällen mehr oder weniger dickt stehende Gruppen kleiner Körnchen
oder dann einzelne größere solcher Elemente anzutreffen i, die durch
Zusammenfließen aus jenen entstanden sind. Und zwar sind es —
wie ich immer wieder betonen muß — Tröpfchen basichromatischen
Materials.
Die Fig. IIa wirft nun auch Licht auf die Fig. 11 und 12. Hier
verhält sich die Sache genau so, wie bei Fig. IIa; wir glauben zwar
ein einheitliches Gebilde — eben das Centrosom — vor uns zu sehen;
tatsächlich ist das sicher nicht der Fall. Auch hier stehen lediglich
mehrere Körnchen dicht nebeneinander und am unteren Pol der Fig. 11
können wir das bei einiger Aufmerksamkeit direkt sehen. Die Häma-
toxylinmethode ist eben nicht fähig, hier den diskontinuierlichen
Charakter dieser Gebilde zu demonstrieren.
Tingiert man nun einseitig, also bloß mit basischen Farbstoffen,
so kann nicht ausbleiben, daß um diese »Centrosomen << herum ein mehr
oder weniger ausgeprägter heller Hof bemerkbar wird; denn durch
das Strecken der oxychromatischen Fasern und das dadurch bedingte
Konfluieren der basichromatischen Tröpfchen an den Orten stärkster
Kontraktion ward die nächste Umgebung dieser Pole auf größere oder
kleinere Distanz an Basichromatin entblößt und diese Zone bleibt
alsdann ungefärbt.
In Fig. 13, Taf. XI, haben wir ein ähnliches Stadium der Eizelle
von Ascaris megalocephaln vor uns, wie in den Fig. 4, 5, 6 und 8; es
entstammt derselben Serie, wäe diese, ist jedoch in Ehklich-Biondi
gefärbt. Die anfänglich kegelförmige Spermazelle ist in das Ei einge-
drungen und fängt eben an, den größten Teil ihres Inhaltes in Form
schwarzrot tingierter Kügelchen über die Kernbrücken ins Ei zu ent-
leeren^. Annähernd im Centrum des allmählich kugelig gewordenen
Spermas aber sehen wir ein äußerst scharf grün gefärbtes Körper-
chen (den »Spermakern^«), das aus vier einzelnen, rundlichen, basi-
chromatischen Bestandteilen besteht, die in der folgenden Weise zum
Quartett geordnet sind: JJ oder •*•, und die schließlich mit den Chro-
1 Siehe z. B. Th. Boveri, Zellstudien. Hft. 4. Über die Natur der Centro-
soineii. 1901. Jena, G. Fischer.
2 Centrosom u. Spermastrahlung sind in meinen Präparaten unauffindbar.
3 Dieser >>Spermakern « scheint mir zwar viel eher ein Xucleolus zu sein.
29*
4:32 Heb. Stauffacher,
mosoineu des Eikerns kopulieren i. Ich betone: Jene vier Elemente
sind in der EHRLiCH-BiONDi-Lösung leuchtend grün gefärbt und sehr
deutlich unterscheidbar. Schauen wir uns darauf hin noch einmal
die Fig. 4 — 8, Taf . X, an, so erkennen wir hier die genannte Partie
unschwer ebenfalls; aber niemand wäre imstande, selbst bei Anwendung
schärfster Linsen, anzugeben, ob der tiefschwarze rundliche Klex im
Innern der Spermazelle ein einheitliches Gebilde, oder ob er aus mehreren
Bestandteilen zusammengesetzt sei. Würden wir bloß die Fig. 4, 5,
6, 7, und 8, bzw. nur Hämatoxyhnpräparate zur Verfügung haben,
so müßten wir unbedingt ersteres annehmen und würden uns hierbei
täuschen ; denn die Färbung in Ehrlich-Biondi löst den »Spermakern «
mit größter Leichtigkeit in seine vier Komponenten auf. Ahnlich wür-
den sich wohl auch andere heterogene Farbstoffgemische verhalten. —
Auch Meves (loc. cit.) ist mit seiner Methode die Auflösung nicht ge-
lungen; man sieht zwar in Fig. 16 seiner Taf. XXIX etwas von einer
Differenzierung dieser Partie, aber der Fall ist weit davon entfernt,
uns Klarheit über die tatsächlichen Verhältnisse zu schaffen, ganz
abgesehen davon, daß der »Spermakern« in andern Zellen »bloß als
helle, von Plastochondrien freie Stelle erscheint« (loc. cit. S. 695
u. 712).
Meves verfolgt zwar in erster Linie andere Ziele als das Sichtbar-
machen des »Spermakerns «, sonst hätte er wohl kaum mit Säurefuchsin
gefärbt; aber er würde zum Studium des »Spermakerns« höchst wahr-
scheinlich nur den Farbstoff, nicht aber auch die Fixierflüssigkeit
ersetzt haben und dann wäre Meves — und das geht schon aus seinen
Zeichnungen mit Sicherheit hervor — selbst dann die Zusammensetzung
des »Spermakerns« entgangen, wenn er sich der basischen Farbstoffe
bedient hätte. Es liegt also hier ein ganz ähnlicher Fall vor, wie wir
ihn oben bei den Centrosomen kennen gelernt haben.
Wenn nun Meves mit seiner Methode die Differenzierung des »Sper-
makerns« nicht gelingt; so liegt der Verdacht nahe, daß sich unter
solchen Verhältnissen auch andernorts in der Zelle Aggregate in der
Verkleidung des Zusammenhängenden, Kontinuierlichen, präsentieren
könnten. Das ist z. B. möglich beim sogenannten »Glanzkörper«, in
1 Der Raum zwischen den vier dunkelgrün gefärbten Kügelchen ist zwar
auch grün, aber viel heller, wie jene, so daß sich das Quartett scharf abhebt. —
Auch VAN Beneden sieht bei Alkoholfixation und Färbung mit Boraxcarmin
die vier Chromatinkügelchen. (Vax Beneden, E., Recherches sur la maturation
de l'oeuf et la fecondation. Ascaris megalocephala. Archives de Biolog. T. IV.
1883. Platte XIV. Fig. 16.)
Zt'llstiKlicn. I. 433
den Abbildungen von Meves (loc. cit.) als einheitliches, rot gefärbtes
Organ im zugespitzten Ende der Spermazelle sichtbar^.
In derselben Fig. 13 sehen wir den Eikern in Teilung und zwar
i-<t die Kernspindel vielpolig angelegt. Auch Meves (loc. cit. S. 695)
macht darauf aufmerksam, daß sich in seiner Fig. 2 die achromatische
Spindel w-ahrscheinlich mehrpolig angelegt habe.
Zunächst beobachten wir an der genannten Stelle unserer Fig. 13
den Effekt einer dort erfolgten Kontraktion: Nur der unmittelbar im
Bereich des einen Pols der Kernspindel gelegene Oberflächenteil des
Eies ist von der Membran losgelöst, während der Ei Inhalt sonst im
ganzen Umfang des Schnittes der Membran lückenlos anliegt.
Sodann fehlt - — und das interessiert uns hier am meisten — jeg-
liche Andeutung eines Centrosoms. An den Polen sehen wir dagegen
Gruppen, ja mitunter Scharen basichromatischer Elemente, die — wie
besonders der obere Pol der Teilungsfigur in Fig. 13 mit größter Deut-
lichkeit zeigt — erst sekundär, durch die im strukturierten Oxychro-
matin erfolgte Kontraktion in engere Beziehung zueinander geraten
sind. — Und zwar ist diese gegenseitige Annäherung an zw^ei Polen
(links und rechts in Fig. 13) stärker, wie am dritten (oberen) Pol, wo
die Kontraktion auf eine relativ so große Fläche des Eies sich erstreckt,
•>o wenig auf einen Punkt konzentriert, also so w^enig lokalisiert ist,
daß selbst von einer Strahlenbildung im Cytoplasma nicht die Rede
sein kann.
Auch die Fig. 6, 10, 11, 12, 13 und 14 der Abhandlung von Meves
(loc. cit.) stimmen vollkommen mit meiner Darstellung überein: Von
einem Centrosom ist nirgends eine Spur vorhanden, trotzdem gerade
hier die Bedingung erfüllt ist, die das Körperchen sichtbar machen
müßte, falls es oxychromatischer Natur ist, wie Heidenhaim^ meint:
Sind doch die Präparate von Meves mit Säurefuchsin gefärbt.
Von einer Teilung eines ursprünglich etwa vorhandenen Centro-
soms in die Körnchenhaufen der Fig. 13 kann doch im Ernste auch
nicht die Rede sein, ebensowenig von einer Bildung der Kernspindel
durch Auseinanderrücken der Centrosomen, Ausgeschlossen ist ferner
1 Wahrscheinlich ist das in Fig. 26c' (Taf. XI) gezeichnete Spermium ein
solches mit »Glanzköiper«. Sollte sich dies bestätigen, so würde meine soeben
ausgesprochene Vermutung richtig sein: denn der große cylindrische Körper
liinter dem »Spermakern« zeigt nach Alkoholfixation und Färbung in Ehblich-
BiONDis Lösung ganz deutlich eine netzartige Struktur. Das Netz selbst ist
bläulich, die Räume dazwischen dagegen röthch gefärbt.
2 Heidenhaix, M. Über Kern und Protoplasma. (Festschr. f. A. V. KoL-
LICKER.) 1891.
434 Hell. Stauffacher,
eine nachträgliche Bildung eines Centrosoms an den Polen der
Fig. 13 und aller ähnlichen Fälle, und sie würde uns auch gar nicht
aus der Verlegenheit helfen; denn wenn das Centrosom ein persistieren-
des Gebilde der Zelle sein soll, so müßte es ja auch in den Prophasen
der Teilung irgendwo vorhanden sein.
Der in Fig. 13 gezeichnete Fall ist .sozusagen normal für die Teilung
des Eikerns bei der Richtungskörperbildung von Ascaris megalocephakt,
wie auch aus den Abbildungen von Meves hervorgeht; und er wieder-
holt sich tausendfach, bei Tieren sowohl wie (und ganz besonders)
bei Pflanzen, widerspricht aber der modernen Centrosomenlehre des
Entschiedensten .
Angesichts dieser Sachlage ist es im höchsten Grade interessant
zu sehen, mit welcher Hartnäckigkeit viele Cytologen an ihrem Cen-
trosom festhalten, die gefügigsten Mittel anwenden und wochen- ja
selbst monatelang den Protoplasten den verschiedensten Prozeduren
unterwerfen, um schließlich in ein paar Fällen wenigstens scheinbar
Bestätigung ihrer Anschauung zu gewinnen, während eine von jeder
Voreingenommenheit freie Besichtigung der Präparate und besonders
eine objektive Vergleichung derselben mit größter Deutlichkeit zeigt,
daß das Centrosom kein individualisiertes Gebilde der Zelle, kein
Zellorgan sein kann.
In ähnlicher Weise, wie unsere Zellforschung bei den Centrosomen
ins Stocken geriet, fand sie unübersteigliche Hindernisse für das Ver-
ständnis der Vorgänge bei der als »Kernteilung << bezeichneten Bildung
und Locomotion der Chromosomen. Und auch die Ursache ist hier
die gleiche, wie dort: Auch bei der Formierung und Teilung der Chro-
mosomen hat man den eigentlichen Träger, die organisierte Grund-
substanz, die oxychromatische Unterlage des »Chromatins << über-
sehen oder vernachlässigt; denn das wirklich Formgebende und sich
Bewegende, das Treibende bei der ganzen interessanten Umwälzung,
die sich während einer Mitose vollzieht, ist auch hier wieder das kon-
traktile Plastin, während das »Chromatin << (Basichromatin) völlig
passiv den Verschiebungen, die das Oxychromatin vornimmt, folgt.
Heidenhain hat hierauf schon mit allem Nachdruck hingewiesen,
indem er sagt (loc. cit. S. 166): ». . . so wird ohne weiteres sinnen-
fällig, daß die Struktur des ruhenden und in Teilung befindlichen
Kernes auf der Gestaltung des Linins beruht.« Und weiter unten
(S. 166) lesen wir: »Man findet nämlich (bei Salamandra), daß die
Chromosomen vom ersten Moment ihrer Entstehung an bis zum Schluß
der Mitose sich fortwährend verkürzen, wobei sie immer dicker werden.
Zollstudion. I. . 435
Diese Erscheinun<>: ist naturgemäß an den geformten Träger
der Chromiolen^ an das Linin gebunden und bedeutet eine
wirkliche Zusammenziehung oder Kontraktion desselben . . .<<
Die Konsequenz, die sich aus dem Gesagten ergibt, ist nicht zu
übersehen: Die Zelle hat nicht bloß, vielleicht nicht einmal so sehr
das Bedürfnis, das »Chromatin«, exakt auf die Tochterzellen zu ver-
teilen, da ja eine Ergänzung desselben relativ leicht möglich wäre.
Wichtiger ist wohl die säuberliche Halbierung der organisierten Grund-
substanz des Kernes (natürlich einschließlich Nucleolus), für die Tochter-
kerne. Der Kern teilt sich vermutlich nicht deshalb, damit
das »Chromatin« halbiert werde, sondern letzteres wird hal-
biert, weil das ihm zugrunde liegende Oxychromatin, sein
Erzeuger und Receptor, halbiert werden mußi.
Wollen wir daher über den Mechanismus der Kernteilung Aus-
kunft haben, so werden wir wiederum beim Oxychromatin anfragen
müssen, bei der organisierten Grundsubstanz der Chromosomen, die
aktiv an dem Vorgang beteiligt ist, während das Basichromatin, weit
davon entfernt, uns den Teilungsprozeß aufzuklären, denselben eher
verdeckt.
Auf ein »totes Geleise« droht neuerdings unsere Zellforschung zu
geraten durch die Lehre von den Piastosomen (Plastokonten oder
Plastochondrien) bzw. Chondriosomen. Die Lehre von den »Chon-
driosomen« bildet in ihren Schwächen und dementsprechend auch in
ihren Resultaten eine vollständige Parallele zur Centrosomenlehre.
Zunächst ist festzustellen, daß zur Demonstration der Chondrio-
somen im wesentlichen dieselben Methoden und Mittel in Anw"endung
kommen, die zur Sichtbarmachung der Centrosomen im Gebrauche
waren und noch sind. Und von diesen Methoden und Mitteln gilt hier
genau das, was wir schon einmal betonten : Sie sind zu einseitig, weil
sie das Oxychromatin nicht berücksichtigen, sie sind zu gefügig, und
ihre Präparate daher der subjektiven Deutung im höchsten Grade
zugänglich. Das führt auch hier wiederum, wie dort, zu einer un-
nötigen und daher bedauerlichen Bereicherung der Terminologie:
Piastosomen, Plastochondrien, Plasmosomen, Mitochondrien, Plasto-
konten, Plastidulen, Chondriosomen, Chondriokonten, Chondriomiten,
Kinetochromidien sind Namen für Dinge, die im Grunde genommen
identisch sind und deren verschiedene Erscheinungsformen lediglich
auf die Wirkung der Reagenzien zurückgeführt werden können.
Man berücksichtige hier auch das auf S. 453, Anmerkung, Gesagte.
436 . Hell. Staiiff acher,
Auch hier herrscht Willkür, wie auf dem Gebiete der Centrosomen-
forschuno' und zwar nicht nur in der Wahl der Mittel zur Fixierung
und Färbung der »Chondriosomen <<, sondern auch in der Interpre-
tation der mikroskopischen Objekte. Wir werden zwar auf diesen
Punkt später zu sprechen kommen ; einen Fall aber zur Demonstration
des Gesagten und brauchbar zur Reduktion der im folgenden nötigen
Termini wollen wir vorwegnehmen.
Meves sagt (loc. cit. S. 685): ». . . Weiterhin fand ich selbst,
daß Chondriosomen oder, wie ich sie von nun an ausschließ-
lich nennen werde^ Piastosomen (d. h. Plastokonten oder Plasto-
chondrien), in allen embryonalen Zellen gegenwärtig sind . . .<< Bei
pflanzlichen Zellen spricht Meves ebenfalls von Chondriosomen (Ber.
d. Deutsch, bot. Ges. 1904) und Lewitsky^ sagt S. 540: »In allen
Fällen habe ich denen von Meves und andern, als Chondriosomen
bezeichneten, ganz analoge Strukturen gefunden . . .<<
Sie entsprechen also einander vollkommen, sie sind »ganz analog <<
die Strukturen, welche Meves und Lewitsky beschrieben und als
Piastosomen oder Chondriosomen bezeichnen, trotzdem sie Meves
mit Säurefuchsin, Lewitzky aber mit Hämatoxylin färbt, bei
prinzipiell gleicher Vorbehandlung (Fixierung) der Präparate.
(Meves: ÄLTMANNsches Gemisch 2% Osmiumsäure | , . , „, .,
^X; T^ 1-1 • 1 \ gleiche Teile,
0% Kalibichromat J
Lewitsky: >>BENDAsche<< Flüssigkeit 2% Osmiumsäure 4 ccni
1% Chromsäure 15 ccm
Eisessig 3 — 5 Tropfen).
Mehr Freiheit kann mau sich auf dem Felde der Zellforschung
wahrhaftig nicht mehr gestatten.
Wir wollen uns nun die Fälle einzeln genauer ansehen.
a. Die Piastosomen (Chondriosomen) von Ascaris meyalo-
cephala (Meves, loc. cit.).
Über die Spermien sagt Meves unter anderni Folgendes: »Der
Kopf teil besteht aus Protoplasma und enthält einen rundlichen, stark
färbbaren Kern, während der Schwanzteil durch einen kegelförmigen,
im lebenden Zustand stark lichtbrechenden Körper, den sogenannten
Glanzkörper, gebildet wird, der nur von einer dünnen Protoplasma-
hülle bekleidet ist.
1 Von mir gesjaerrt. Stauffacher.
2 G. Lewitsky, Über die Chondriosomen in ^pflanzlichen Zellen. Ber. d.
Deutsch, bot. Ges. Bd. XXVIII. Hft. 10.
Zcllstu(ii(>ii. 1. 437
Das Protoplasma des Kopfteils ist von zahlreichen Körnern erfüllt,
welche sich bei Anwendung der ÄLTMANNschen und BENDAschen Me-
thode ebenso wie Plastochondrien färben und zweifellos
mit solchen identisch sindi. Als ALTMANNsche Körner oder
Plastidulen sind sie bereits von L. und R. Zoja, als Mitochondrien
von Tretjakoff und Alfred Mayer angesprochen worden. Mehr
vereinzelt finden sich Pastochondrien auch im Schwanzteil in der
den Glanzkörper umgebenden Plasmahülle . . .<<
Es erhöht den Effekt nicht im geringsten, wenn Meves sich darauf
beruft, daß sich die Körner des Spermakopfes nach der ALTMANNscheu
sowohl wie nach der BENDAschen Methode gleich — • und zwar wie
Plastochondrien färben; denn diese Methoden sind im Grunde ge-
nommen gar nicht different.
Wie gestaltet sich nun aber die Situation, wenn wir das Objekt
nach ganz andern und zwar — wie wir gesehen — zuverlässigeren
Methoden behandeln, es in Alkohol fixieren und z. B. in Ehrlich-
BioxDi färben? — >>Dann werden überhaupt keine Chondriosomen
mehr sichtbar sein,<< wird Lewitsky sofort einwenden, denn nach
ihm soll der Alkohol diese Gebilde zerstören^.
Sie sind aber trotzdem nicht verschwunden, die zahl-
reichen Körnchen, die Meves und vor ihm andere im Spermakopf und
-schwänz von Ascaris megaloce'phala gesehen und die von Meves als
Piastosomen oder Chondriosomen bezeichnet worden sind. Sie sind
sogar sehr schön erhalten, wenn auch nicht in der brutalen Aufdring-
lichkeit, wie nach dem Osmiumsäure-Hämatoxylinverfahren.
Und auch vom chemischen Standpunkte aus ist es im höchsten
Grade unwahrscheinlich, daß die genannten Elemente durch Alkohol
vernichtet worden sein sollen, wenn wir bedenken, wie dieses Fixier-
mittel auf die Proteine wirkt. Wenn jene Körnchen nach Alkohol-
behandliing nicht mehr bestehen, dann müssen sie eben aufgelöst
worden sein; ich wenigstens kann mir nicht vorstellen, was denn sonst
mit ihnen passiert sein soll. Anderseits aber liegen in ihnen ohne Zweifel
Eiweißverbindungen vor — die Chondriosomen kriechen ja nach Le-
witsky in der Zelle herum — - und daher muß die Behauptung dieses
Autors, die Chondriosomen werden durch Alkohol vernichtet, dem
Chemiker absolut unfaßbar erscheinen. In der Tat stimmt der mikro-
1 Von mir gesperrt. Stauffacher.
2 G. Lewitsky, Vergleichende Untersuchungen über die Chondriosomen
in lebenden und fixierten Pflanzenzellen. (Vorl. Mitt.) Ber. d. Deutsch, bot.
Ges. Bd. XXIX. 1912.
438 Hch. Stauffacher,
skopische Befund mit dieser Angabe Lewitskys weder hier noch an
andern Orten.
Ich habe in Fig. 26a, Taf. XI, ein kegelförmiges Spermium von
Ascaris megalocephala nach einem in 70% Alkohol fixierten und mit
Ehrlich-Biondis Lösung gefärbten Präparat möglichst genau ab-
gebildet. Leuchtend grün hebt sich der >:>Spermakern << aus der Schnitt-
fläche hervor und ist umgeben von einer großen Zahl scharf markierter
Körnchen, welche dunkelgrün bis schwärzlich erscheinen und
auch im Schwanz in erheblicher Menge vorkommen. Setzt man die
Präparate Verdauungsversuchen mit Pepsin-HCl aus und färbt nachher
wieder mit Ehrlich-Biondi, so kann man die grüne Färbung jener
Körnchen sehr schön sehend: Sie enthalten also Basichromatin. Die
schwärzliche Tinktion dieser Elemente deutet wiederum auf ihre oxy-
chromatische Unterlage hin, die man in der Tat demonstrieren kann,
wenn man die basichromatische Deckung durch Alkalien löst und
wieder mit Ehrlich-Biondi färbt: Jetzt erscheinen die Körnchen
rot. Den gleichen Effekt würden wir bekommen, wenn wir von vorn-
herein (ohne Lösung des Nucleins) mit Säurefuchsin tingieren würden,
weil alsdann das Basichromatin ungefärbt bliebe.
Sollte jemand daran zweifeln, daß die Körnchen, von denen ich
gesprochen, den Piastosomen von Meves entsprechen, dann mag er
sich eines der in Alkohol fixierten Präparate zum Vergleich auch noch
in Eisenhämatoxylin färben. Er wird dann sehen, daß die (jetzt
schwarz gefärbten) Körnchen meist so dicht stehen, daß zwischen
ihnen gar keine andern mehr Platz fänden (Fig. 266, Taf. XI). Übrigens
werden wir bald das Schicksal dieser Körnchen in der Eizelle ver-
folgen können und alsdann Gelegenheit haben, dieselben wiederum
den Piastosomen von Meves gegenüberzustellen.
Die Körnchen in den Spermien von Ascaris megaloce'phala — nach
Meves zweifellos mit Plastochondrien identisch« — sind basichro-
matische Elemente^ deren Nuclein, wie überall^ auf oxy-
chromatischer Unterlage sitzt.
Van Beneden 2 beschreibt, daß der Kern (des Spermiums) von
einer helleren, fein punktierten (sogenannten perinucleären) Zone,
welche aber auch undeutlich sein oder fehlen kann, und einer dunkleren
Rindenzone umgeben sei. Die Rindenzone enthält Körner, welche
1 Läßt man das Oxychromatin durch längeres Liegenlassen der Präj^arate
etwas abblassen, so kann man die grüne Färbung jedes einzelnen Körnchens
ohne weiteres und völlig einwandfrei sehen (Fig. 2G a).
2 Zitiert nach Meves (loc. cit. S. G93— 094).
Zellstudien. T. 439
nach Van Beneden konzentrisch um den Kern herum angeordnet
sind, in der Weise, daß sie zugleicli radiäre Reihen bilden. Sie sind
untereinander durch Fäden verbunden, so daß Systeme von Linien
entstehen, von denen die einen radiär, die andern konzentrisch sind. . . .
Dazu bemerkt Meves: »Ich habe weder eine derart regelmäßige An-
ordnung der Körner beobachtet, noch auch Fäden wahrgenommen,
welche die Körner untereinander verbinden.«
V. Erlanger 1 schreibt dem Protoplasma des ^sc«m-Spermiums
einen wabigen Bau zu; die Körner (nach v. Erlanger »Deutoplasma-
körner«) sollen in den Knotenpunkten des Waben werks liegen . . .
Die Beobachtungen von Van Beneden und von v. Erlanger
beziehen sich ohne Zweifel auf dieselben Strukturen des Protoplasma
und nur in der Interpretation des Gesehenen weichen die beiden For-
scher voneinander ab. In der Tat sieht man in den Spermien von
Ascaris unschwer ein Netzwerk (Fig. 26a) und ich neige sehr zur An-
sicht, daß die im Mikroskop sichtbaren Fäden tatsächlich Waben-
wandungen entsprechen, welche auf die Bildebene projiziert werden.
Daß Meves diese netzigen Strukturen nicht gesehen, dürfte nicht sehr
ver\\-undern, wenn er bekennt (loc. cit. S. 689 u. 695), >>daß der Kern
der Eizelle infolge der starken Osmierung völlig homogen aussehe«.
Ich denke, die »starke Osmierung« wird auch am Spermium nicht
spurlos vorübergegangen sein.
Viele Körnchen liegen nun in der Tat in den Knotenpunkten
dieses Netzes und höchst wahrscheinlich ist dies bei allen der Fall,
wenigstens sprechen meine Präparate sehr zugunsten dieser Annahme.
Auch darin stimme ich mit Van Beneden durchaus überein, daß die
Körnchen eine bestimmte Anordnung besitzen und in Reihen auf den
»Spermakern << zustreben, oder ihn konzentrisch umstellen. Die Ur-
sache dieser Erscheinung wird uns weiter hinten beschäftigen. Es
muß jedoch zugestanden werden, daß z. B. die Fig. 64 (Taf. XII)
der Arbeit Van Benedens ein etwas stilisiertes Aussehen hat.
Meves sagt ferner (loc. cit. S. 694), »daß man nach L. und R.
Züja2 beim Vergleich derjenigen Bilder, welche man mit der Altmann-
schen Methode erhält, mit den Spermatozoenabbildungen Van Be-
nedens auf den Gedanken komme, daß die von diesem Autor geschil-
derten Granula nicht den Plastochondrien, sondern der Substanz
zwischen ihnen entsprechen, daß sie also gleichsam das Negativbild
1 Zitiert nach Meves (loc. cit. 8. 693— G94.
2 L. u. R. ZojA, Intorno ai plastiduli fucsinofili (bioblatsti dell' Altmank).
Mcni. Ist. Lomb. Sc. Lett. Milano 1891. Vol. XVI.
440 Hch. Stauffacher,
der Plastochondrien darstellen«. Es scheint L. und R. Zoja sowohl
wie Meves entgangen zu sein, daß Van Beneden seine Objekte zum
Teil mit Osmiumsäure fixierte. Gerade die Spermatozoenpräparate
der Fig. 45 — 56 und 62 (Taf. XII) der Arbeit Van Benedens sind
mit »Acide osmique<< behandelt worden. Und was für ein Unter-
schied besteht denn nun eigentlich zwischen der Fixierung nach Alt-
mann und derjenigen, die hier Van Beneden benutzte? Beide Lö-
sungen enthalten — und das ist wohl die Hauptsache — Osmium-
säure, diejenige Altmanns dagegen noch Kalibichromat. Ist nicht
die Phantasie zu bewomdern, welche die Vorstellung fertig bringt,
daß sich dieselben Objekte wie Positiv und Negativ zueinander ver-
halten, ob man sie mit Osmiumsäure allein, oder aber mit Osmium-
säure + Kalibichromat behandelt? Meves gibt denn auch zu, daß
die Annahme der Gebrüder Zoja unwahrscheinlich sei.
Auf derselben Tafel XII der Abhandlung Van Benedens exi-
stieren dann noch die Fig. 64, 65 und 66, deren Präparate mit Alkohol
fixiert wurden und unschwer erkennt man die völlige Übereinstimmung
der Körnelung der Spermatozoen dieser drei Abbildungen mit der-
jenigen der oben genannten Figuren, genau so, wie es auch in meinen
Präparaten der Fall ist. Nur zeigt die Fig. 64 dazu noch das Netz-
werk, das ich bei Alkoholfixation immer wahrnehmen kann und das
in den osmierten Präparaten (auch denjenigen Van Benedens) der
Osmiumsäure zum Opfer fällt, geradeso, wie die entsprechenden oxy-
chromatischen Strukturen im Kern der Eizelle (s. oben).
Auch die Abbildungen Van Benedens sprechen also keineswegs
für eine Vernichtung der Plastochondrien durch Alkohol.
Aus dem winzigen >>Spermakern << habe ich oft Kernbrücken in
großer Deutlichkeit abgehen sehen (Fig. 26a).
In den Fig. 4 — 8, Taf. X, folgen Stadien, von denen wir bereits
einmal kurz gesprochen, wo das Spermium in das Ei eingedrungen ist.
Meves sagt über diesen Abschnitt der Befruchtung von Ascaris me-
(/aZocejsÄaZa Folgendes 1 (S. 695):
»Van BeneüExX (1883, S. 179) hat beschrieben, daß die Kerne
sich an den eingedrungenen Spermien viel weniger intensiv als an den
freien färben. In Übereinstimmung damit finde ich an Präparaten,
welche nach der ALTMANNschen Methode behandelt sind, daß der
Spermienkern bald nach Eintritt der Copulation den Farbstoff sehr
leicht abgibt, während er ihn vorher zähe festhielt; er erscheint daher
Wir heben nur das für die vorliegende Arbeit Wiehtige hervor.
Zellstiidiiii. r. 441
in Fijj;. 1 und ol)ens() in ileii iol^endou Figuren als liellcr Fleck zwischen
den ihn umgebenden Plastochondrien.<*
Unser Interesse richtet sich aber wohl nicht in erster Linie dai-
nach, zu erfahren, was nach ALXMANNscher Methode gefärbt wird und
was nicht. Die Frage ist viehnehr die: Ist die gemachte Beobachtung
wirklich im Wesen des Spermiums begründet, oder ist sie eine Folge
chemischer Eingriffe des Fixiermittel.s auf das Objekt, eine Laune
des Farbstoffes, oder in andern Zufälligkeiten der ganz und gar will-
kürlichen Behandlung zu suchen. Ist die Erscheinung nicht zufällig,
sondern wesentlich, dann muß sie auch mit andern Mitteln demon-
.strierbar sein, ganz besonders nach der Fixierung der Präparate in
Alkohol. Hier ist aber keine Differenz in der Färbbarkeit zu sehen
zwischen den vier Chromatinkügelchen des ins Ei eingedrungenen und
dem >>Kern<< des freien Spermiums: Leuchtend grün färbt sich in
Ehrlich-Bioxdis Lösung beides.
Meves fährt dann fort (S. 696): »Sobald das Spermium von der
Eizelle aufgenommen ist, treten Plastochondrien zuerst vereinzelt,
später in immer größerer Zahl, aus dem Innern des Spermiums an die
Oberfläche desselben heraus, so daß diese schließlich vollständig von
ihnen bedeckt ist. Die an die Oberfläche getretenen Plastochondrien
erscheinen auf einem optischen Schnitt durch das Spermium wie ein
Saum, welcher von den im Innern zurückgebliebenen, die hauptsäch-
lich um den Kern gruppiert liegen, durch einen größeren Zwischen-
raum getrennt ist. Gleichzeitig erfahren ein Teil der herausgetretenen
Plastochondrien, besonders alle diejenigen, welche an der Oberfläche
des Schwanzteils liegen, eine Zerlegung in kleinere Körner, welche
nicht größer sind als diejenigen der Eizelle. Ebenso zerlegen sich
die Plastochondrien, welche im Innern des Schwanzteiles zurück-
geblieben sind. Im ganzen Bereich des Kopf teils dagegen bleiben sie
durchweg mehr groß. Dieser Umstand ermöglicht es, Kopf- und
Schwanzteil des Spermiums noch mit Sicherheit zu unterscheiden,
nachdem die Gestalt des Spermiums sich bereits stark der Kugelform
genähert hat. Auf einem weiteren Stadium zerlegen sich die großen
Plastochondrien im Innern des Spermiums, welche hauptsächlich um
den Kern angehäuft liegen, ebenfalls. Das Spermium ist nun von kleinen
Plastochondrien (von der Größe derjenigen der Eizelle) dicht durchsetzt.
Während diese Vorgänge sich am Spermium abspielen, beginnen
die Plastochondrien der Eizelle Lage Veränderungen zu zeigen, wesent-
liche aber erst dann, wenn die Richtungsspindel die Eimitte verläßt,
imi dem Spermium Platz zu machen.
442 Hch. Stauffacher,
Das Spermium dreht, indem es sich dem Eizentrum nähert, seine
Schwanzspitze regelmäßig gegen dieses. Um diese Schwanzspitze als
Mittelpunkt beginnen nun die Plastochondrien der Eizelle sich anzu-
sammeln. Die Ansammlung wird immer stärker. Nachdem das
Spermium den Mittelpunkt des Eies eingenommen hat, häufen sich
die Plastochondrien auf allen Seiten um das Spermium an, so daß
sie eine vollständige Umhüllung desselben bilden, während sie sich
aus den peripheren Teilen der Eizelle mehr und mehr zurückziehen
(Fig. 8 — 12). Es ist übrigens möglich, wenn es sich auch nicht kon-
statieren läßt, daß männliche Plastochondrien sich schon auf diesen
Stadien von der Spermienoberfläche ablösen und sich unter die Plasto-
chondrien der Eizelle mischen.
Nachdem die Plastochondrienansammlung um das Spermium
vollständig geworden ist, weist sie in der Regel gegenüber dem central-
wärts gekehrten Ende der ersten Richtungsspindel eine Einbuchtung
auf. Sie wird von zahlreichen anscheinend leeren Bläschen durch-
setzt, welche wahrscheinlich aufgehellten Corpuscules refringents ent-
sprechen. Die »hyalinen Kugeln << Van Benedens, unter denen solche
mit gleichartigem Inhalt (Gouttelettes homogenes) zahlreicher ge-
worden sind, finden sich nunmehr auf eine periphere Zone der Eizelle
beschränkt, in welcher man nur noch vereinzelte Plastochondrien
wahrnimmt.
Auf einem weiteren Stadium (Fig. 13) zieht die Kugel der Ei-
Plastochondrien sich enger um das Spermium zusammen. Gleich-
zeitig beginnen die Plastochondrien, welche das Spermium durchsetzen,
offensichtlich in das Eiprotoplasma überzutreten. Zunächst wird
die Mitte des Spermiums von Körnern frei; dagegen häufen sie sich
in der Peripherie des Spermiums und in der Umgebung desselben im
Eiprotoplasma an. Auf diese Weise entsteht folgendes Bild: Die
körnerfreie Mitte des Spermiums wird von einer sehr körnerreichen Zone
eingefaßt, welche über den Rand des Spermiums in das Eiprotoplasma
hinübergreift und den Kontur des Spermiums verdeckt. Nach außen
grenzt sie sich mit unregelmäßig zackigem Kontur gegen eine weniger
körnerreiche Zone ab, in welche wahrscheinlich erst wenige oder gar
keine männhche Plastochondrien gedrungen sind (Fig. 13, 14). Der
Spermienkern, welcher auf den bisherigen Stadien nur als ein von
Plastochondrien freier heller Fleck wahrnehmbar war, tritt nunmehr
(bei Anwendung der ALTMANNschen Methode) als bräunlicher Körper
in der Mitte des Spermiums hervor (Fig. 14).
Während nun die erste Reifungsteilung ihrem Ende entgegengeht
Zellstudien. I. 443
. . . wandern immer mehr Plastocliondrien aus dem Spermium in
das Eiprotoplasma aus, so daß der körnerfreie Teil des Spermiums
immer größer wird (Fig. 15, IG). Allmählich tritt der Kontur des
Spermiums wieder deutlich hervor (Fig. IG). Bald (Fig. 17) sind im
Innern nur noch vereinzelte Körner zurückgeblieben, welche aber
gleichfalls noch ihren Weg in das Eiprotoplasma nehmen. Andere
zahlreichere und zum Teil größere Körner, w^elche noch die Ober-
fläche des Spermiums besetzen, lösen sich von dieser ebenfalls ab.
Schließlich hat das Spermium seine sämtlichen Plastochondrien an das
Eiprotoplasma abgegeben (Fig. 18) . . .
Schon vor diesem Zeitpunkt ist der Unterschied zwischen den
vorhin erwähnten beiden Körnerzonen vollständig geschwunden, was
als ein Zeichen dafür gelten kann, daß die männlichen Plastochondrien
sich gleichmäßig überallhin verbreitet haben.
Aus theoretischen Gründen muß angenommen w^erden, daß, nach-
dem die männlichen und w-eiblichen Plastochondrien sich gemischt
haben, früher oder später je ein männliches und weibliches Korn mit-
einander verschmelzen. Es ist nun in der Tat vielfach unverkennbar,
daß die Plastochondrien, welche nach Beendigung der ersten Rich-
tungsteilung das Spermium umgeben, im Vergleich mit denjenigen
früherer Stadien nicht unerheblich größer sind. Ferner scheint mir,
daß gleichzeitig eine Abnahme ihrer Zahl stattgefunden hat. Immer-
hin muß man wohl die Möglichkeit im Auge behalten, daß diese Er-
scheinungen auf Rechnung einer Quellung zu setzen sind, welche ein-
getreten sein könnte, weil das fixierende Reagens die auf diesen Stadien
bereits stark verdickte Dotterhaut erst nach Ablauf einiger Zeit zu
durchdringen vermag . . .<<
In den Fig. 4 — 8 der Taf. X zeige ich nun photographische Re-
produktionen solcher Eistadien von Ascaris megalocephala, die den
von Meves (loc. cit.) beschriebenen entsprechen: Das Sperma ist
ins Ei eingedrungen und nähert sich allmählich dessen Mitte. Die
Figuren sind direkt nach meinen Präparaten bei lOOOfacher Vergröße-
rung des Mikroskops photographiert ; fixiert W'Urden die Objekte in
70%igem Alkohol und gefärbt mit Hämatoxylin nach Heidenhains
Vorschrift. Mit Sicherheit sieht man, besonders in den Fig. 4, 5, 6
und 8 wie Spermainhalt in das Cytoplasma des Eies sich ergießt: Eine
Wolke von Körnchen tritt mehr oder weniger einseitig (Fig. 4, 5 u. 6)
oder allseitig (Fig. 8) aus dem Spermium aus und verteilt sich in der
Eizelle. Ich sehe also im Prinzip genau das, was Meves beobachtet
und beschrieben hat.
444 Hch. Stauffacher,
Daraus ziehe ich folgerichtig den Schkiß. daß die Körnchen oder
Tröpfchen, die in meinen Präparaten das Spermium ins Cytoplasma
des Eies aussät, nichts anderes sein können, wie die von Meves soge-
nannten Plastochondrien.
Gegen diese Identifizierung scheint allerdings die Tinktion der
Gebilde Protest zu erheben: Meves färbt mit Säurefuchsin, während
meine Präparate mit Hämatoxylin tingiert sind. Es wird also zu
zeigen sein, daß sich die aus dem Spermium austretenden Tröpfchen
meiner Präparate mit Säurefuchsin ebenfalls färben. Das ist in der
Tat der Fall: Fig. 3i, Taf. X, zeigt eine Zelle aus einer Serie, welcher
die Fig. 4 entstammt, gefärbt in Säurefuchsin und die Elemente, die
in den Fig. 4, 5, 6 und 8 schwarz erscheinen, sind hier tatsächlich rot.
Diese auf den ersten Blick etwas sonderbare Erscheinung ist indes,
wie wir noch sehen werden, leicht zu erklären; allerdings nicht durch
die Janusnatur der gefärbten Eiweißkörper chen, sondern dadurch,
daß wir auch hier das eine Mal (mit Hämatoxylin) das Basi chromatin,
das andere Mal (mit Säurefuchsin) seine konforme oxy chromatische
Unterlage färben.
Ist die "Wahrscheinlichkeit von vornherein schon sehr groß, daß
in den Präparaten von Meves dieselbe Körnelung vorliege, wie in den
meinigen, so wird dies jetzt zur Gewißheit. Damit ist aber auch be-
wiesen, daß die Plastochondrien durch Alkohol nicht »zerstört«
werden, eine Erfahrung, die übrigens, wie ich schon früher betont,
mit unsern chemischen Kenntnissen und Voraussetzungen durchaus
zusammentrifft.
Wir färben unsere Schnitte nunmehr in Ehrlich-Biondis Lösung,
weil wir hier im Verein mit alkoholischer Fällung der Eiweißkörper
am ehesten über die wirkliche Natur der »Plastochondrien« des Ascaris-
Spermas Auskunft erhalten. Fig. 13, Taf. XI, repräsentiert einen
solchen Fall. Es ist von dieser Zelle früher schon einmal die Rede
gewesen. Hier interessieren uns nun besonders die Körnchen oder
Tröpfchen (»Plastochondrien«), die wiederum vom Spermium aus-
gehen und ins Cytoplasma des Eies übertreten. Diese Elemente färben
sich nunmehr dunkelrot bis schwarzrot. Das ist, wie ich bereits
betont, eine allbekannte Erscheinung bei EHRLiCH-BiONDi-Färbung
1 Auch diese Figur ist nicht gezeichnet worden, sondern auf rein photo-
graphischem Wege hergestellt. Zuerst wurde eine mikrophotographische Auf-
nahme auf LuMiÄREs Autochromplatten gemacht und von diesen ein Abzug auf
Papier nach dem Verfahren von Dr. Smith, Paris, hergestellt. Dieser Abzug
ist die vorliegende Fig. 3.
ZclLstudirii. 1. 445
und eine Überlagerung von grün (ßa.sichromatin) auf rot (Oxychro-
niatin) erkannt worden. Wir wollen auch hier den Beweis antreten.
Färben wir, wie oben bemerkt, die Schnitte mit Säurefuchsin,
so werden die Körnchen rot; legen wir die Präparate in Pepsin-HCl
und färben mit Ehrlich-Biondi, so nehmen die Elemente deutliche
Orünfärbung an (Fig. 8, Taf. X), während sie in Hämatoxylin (nach
Heidenhain) auch jetzt wieder schwarz werden, genau so wie in den
Fig. 4 — 8. Stellen wir die Objektträger in alkalisch reagierende Flüssig-
keiten und färben wieder mit Ehrlich-Biondi, so tingieren sich die
Körnchen nunmehr rot^ genau so, wie wenn sie von vornherein mit
Säurefuchsin gefärbt worden wären. Färben wir aber nach der Be-
handlung mit verdünnter Natronlauge mit Säurefuchsin, so ist der
Effekt genau derselbe, wie wenn wir kein NaOH angewendet hätten.
Erklärung. Die schwarzrote Färbung in Ehrlich-Biondi deutet
darauf hin, daß auch hier grün auf rot liegt, daß also Basichromatin
auf oxychromatischer Unterlage ruht. In Pepsin-HCl wird nun die
letztere verdaut und zurück bleibt nur das Basichromatin; ist das bei
unsern Körnchen der Fall, so müssen sie sich jetzt grün färben, was
ja auch zutrifft. — In NaOH usw. löst sich dagegen die Nucleinsäure,
während das Oxychromatin erhalten bleibt. Gefärbt wird also in
Ehrlich-Biondi nur noch das letztere; da aber die oxychromatische
Grundlage dem Basichromatin konform ist, bleibt das Bild im Prinzip
dasselbe; nur sind die Körnchen jetzt rot, nicht mehr grün. Das trifft
für unsere Präparate wiederum zu. — Färben wir dagegen von vorn-
herein nur mit basischen Farbstoffen (Hämatoxylin) so tingiert sich
nur das Basichromatin; färben wir aber mit Säurefuchsin, so nimmt
einzig das konforme Oxychromatin den Farbstoff auf: Auch hier
scheinbar in beiden Fällen dasselbe Bild, nur das eine Mal die Körn-
chen schwarz, das andere Mal rot gefärbt, weil im ersten Fall das Basi-
chromatin, im andern Fall hingegen das konforme Oxychromatin
gefärbt ist. Da NaOH nur das Basichromatin löst, Säurefuchsin
jedoch bloß das Oxychromatin färbt, ist der Effekt offenbar der-
selbe, ob vor der Färbung mit Säurefuchsin die Präparate mit NaOH
behandelt worden sind oder nicht. Die Objekte bestätigen dies.
Wenn also Lewitsky behauptet, seine Chondriosomen entsprechen
den Plastochondrien von Meves, trotzdem er mit Hämatoxylin, Meves
aber mit Säurefuchsin färbt, so ist daran so viel richtig, daß die Bilder
übereinstimmen und zwar deshalb, weil beide Forscher konformes
Material färben; tatsächlich wird aber in den beiden Fällen chemisch
total Verschiedenes gezeigt: das eine Mal (Lewitsky) das Basi-
Zeitsclirift f. wissensch. Zoologie. CIX. BJ. 30
44G Hch. Stauffacher,
chromatin der Plastochondrien (bzw. Chondriosomen), das andere Mal
(Meves) die oxychromatische Grundlage derselben.
Lewitsky ist der Widerspruch, in den er mit seiner Behauptung
geriet, wie es scheint nicht aufgefallen; an Hand seiner Methode hätte
er ihn aber auch nicht zu lösen vermocht.
Die >>Plastochondrien<<, welche das yl s c a r * s-Sperma
gleich einer Wolke ins Ei übertreten läßt, sind also mikro-
somale Portionen basichromatischen Materials, die auf
entsprechender oxychromatischer Grundlage sitzen.
Das erinnert uns sofort an einen ganz ähnlichen Vorgang. Ich
habe seinerzeit zu beweisen versucht i, daß der Eikern während der
Eientwicklung ununterbrochen basichromatisches Material ins Cyto-
plasma hinaus verfrachte und zwar bis zur völligen oder annähernden
Erschöpfung des Nucleus an dieser Substanz. Die Entwicklung des
Eies von Äscaris megaloce/phala wurde nun allerdings von mir bis jetzt
noch nicht untersucht, dazu fehlte mir die Zeit; aber es ist wohl ziem-
lich sicher, daß dieser Vorgang, der bei Insekten und Mollusken bis
hinauf zum Säugetier (einschließlich) sich abspielt, auch beim Ascaris-Ki
nicht fehlt. Und nun haben wir erfahren, daß nicht nur der Eikern,
sondern auch der Spermakern seinen Beitrag an die basichromatischen
Elemente des Eicytoplasmas liefert und zwar setzt die Lieferung des
Spermakerns da ein, wo der Eikern die seinige sistieren muß. ■ — • Wir
haben es ferner bei jener Gelegenheit als höchst wahrscheinlich hin-
gestellt, daß die aus dem Eikern stammenden mikrosomalen Basi-
chromatinportionen im Cytoplasma der Zelle eine ernährungsphysiolo-
gische Rolle spielen: Höchst wahrscheinlich ist das nun auch mit
den vom Spermakern gelieferten Elementen der Fall. Wir kommen
noch auf diesen Punkt zu sprechen. In einer Eigenschaft allerdings
stimmen die »Plastochondrien <<, welche Meves zeichnet, nicht über-
ein mit den Körnchen meiner Präparate: Jene sind — wenigstens
in den Stadien bevor ihre Teilung erfolgt sein soll — bedeutend größer.
Körnchen von solchen relativen Dimensionen, wie wir sie in den Ab-
bildungen 1—11, Taf. XXVII und XXVIII, der MEVESschen Arbeit
zum Teil finden, suche ich in meinen Schnitten umsonst. Wo etwa
größere solcher Körperchen auftauchen, so sind sie dadurch entstanden,
daß zwei oder mehr einzelne Körnchen (Tröpfchen) in große Nähe zu-
einander geraten, was sich bei genauer mikroskopischer Besichtigung
1 Hch. Stauffacher, Neue Beobachtungen auf dem Gebiete der Zelle.
Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XCVIII.
Zrllstudieii. 1. 447
meist direkt nachweisen läßt; auch in den photographischen Repro-
duktionen kann man unschwer solche Stellen entdecken.
Die Ursache jener Größendifferenz liegt wohl sicher in der Ver-
schiedenheit der fixierenden Agentien. Die Osmiumsäure ist schon
längst als quellendes Mittel bekannt und auch Meves gibt ja selbst
die Möglichkeit einer erfolgten Quellung zu.
Auch in einer ganzen Reihe weiterer Beobachtungen kann ich
Meves nicht beipflichten.
1) Meves sagt, daß das Spermium seine Schwanzspitze, indem
es sich dem Eicentrum nähere, regelmäßig gegen dieses kehre. In meinen
zahlreichen Präparaten rundet sich das Spermium fast regelmäßig sofort
ab, sobald es ins Ei eingedrungen ist und nur ganz vereinzelte Fälle
sind mir zu Gesicht gekommen, in denen das Sperma, so lange es wenig-
stens noch in der Nähe der Eiperipherie lag, eine längliche Form zeigte.
Im Eiinnern dagegen nahmen sämtliche Spermien — wie gesagt —
mehr oder weniger Kugel form an. Ich konnte dementsprechend auch
von einem richtenden Einfluß der Eimitte auf den Schwanz des Sper-
miums nichts bemerken. — Es ist das übrigens ein Punkt, der für die
uns hier interessierenden Fragen nicht ins Gewicht fällt,
2) Meves betont, daß der »Spermienkern « erst nachträglich als
bräunlicher Körper in der Mitte des Spermiums hervortrete (Fig. 14
seiner Abhandlung), während er auf den vorhergehenden Stadien nur
als ein von >>Plastochondrien<< freier heller Fleck wahrnehmbar ge-
wesen sei. In meinen Präparaten ist dieser »Spermienkern << (Nucleolus)
kontinuierlich und zwar mit größter Leichtigkeit sichtbar, vom freien
Spermium außerhalb der Eizelle an bis zum Quartett von Chromatin-
kügelchen, das von ihm schließlich noch übrig bleibt. Seine Färbung
in Ehklich-Biondi ist konstant eine leuchtend grüne.
Ich zweifle nicht daran, daß Meves richtig beobachtet hat ; aber
es ist nach den Präparaten der Alkoholfixation ausgeschlossen, daß
seiner Wahrnehmung eine Ursache zugrunde liegt, die in der Natur
des »Spermienkernes << selbst zu suchen wäre, es hätten mir sonst
Schwankungen in der Färbbarkeit sicher auch auffallen müssen. Es
ist übrigens auch gar nicht einzusehen, was solche zeithche oder ört-
liche Differenzen in der Farbstoffspeicherung für den »Spermakern <<
und die Befruchtung für eine Bedeutung haben sollten. Die Erschei-
nung ist ohne Zweifel nichts andres als eine durch die fixierenden
Agentien bedingte Unregelmäßigkeit. — Ich gebe zu, daß Veränderungen
am »Spermakern« vor sich gehen; sie betreffen aber keineswegs sein
30*
448 Hch. Stauffacher,
tinktionelles Verhalten. Wir werden gleich auf diesen Punkt zurück-
kommen.
3) Meves behauptet ferner, daß ein Teil der (ins Ei) ausgetretenen
»Plastochondrien<<, besonders alle diejenigen, welche an der Oberfläche
des Schwanzteiles (des Spermiums) liegen, eine Zerlegung in kleinere
Körner erfahren, welche nicht größer sind, als diejenigen der Eizelle.
Ebenso sollen sich die »Plastochondrien << zerlegen, welche im Innern
des Schwanzteiles zurückgeblieben sind, während sie im ganzen Bereich
des Kopf teils durchweg mehr groß bleiben. Erst auf einem weiteren
Stadium zerlegen sich nach Meves die großen »Plastochondrien« im
Innern des Spermiums, welche hauptsächlich um den Kern angehäuft
liegen, ebenfalls, so daß das Spermium nunmehr von kleinen »Plasto-
chondrien« (von der Größe derjenigen der Eizelle) dicht durchsetzt wäre.
Mir persönlich erscheint es vorläufig noch sehr gewagt, aus Größen-
differenzen im Bereiche mikrosomaler Portionen der Zelle bestimmte
Gesetzmäßigkeiten ableiten zu wollen und diese zum Ausgangspunkt
von Spekulation zu machen, ganz besonders dann, wenn die fixierenden
Mittel keineswegs zuverlässig sind, wie das — und besonders im vor-
liegenden Fall — von der Osmiumsäure gilt. Tatsächlich sehe ich
denn auch keine Größendifferenzen zwischen den Körnchen, die etwa
eine hinter der Erscheinung steckende Gesetzmäßigkeit ahnen ließen,
so wenig, wie dies van Beneden möglich war. Man vergleiche
hiermit die Fig. 4—8, Taf. X.
Etwas anderes dagegen fällt sicher auf, eine Erscheinung, welche
nicht die Größe, w^ohl aber die Zahl der aus dem Spermium aus-
tretenden basichromatischen Elemente (»Plastochondrien«) betrifft:
die Zahl dieser Tröpfchen, die das Spermium ins Ei aussät, übersteigt
die Zahl derjenigen, die im Spermium präformiert sind, außerordent-
lich. Diese Beobachtung finden wir bei Meves nicht klar hervor-
gehoben und doch würde die Kegistrierung dieser Tatsache die Meves-
sche Annahme einer erfolgten Teilung der » Plastochondrien << sehr viel
plausibler und notwendiger erscheinen lassen, wie wenn der Autor
der Wirkung die vermeintliche Ursache voranstellt. Aber Meves ist
es — wie mir scheint — nicht in erster Linie darum zu tun, die Teilung
zur Erklärung einer wirklichen Beobachtung — der Vermehrung
der »Plastochondrien« heranziehen; vielmehr soll damit lediglich eine
Verkleinerung dieser Elemente erreicht werden, wie sie für die
Theorie einer Verschmelzung »männlicher und weiblicher Plasto-
chondrien« nötig erscheint.
Diese Vermehrung der basichromatischen Körnchen oder Tropf-
Z."lls(iuli.'ii. I. 449
eben ( »Plastochondrien «) des Spermiums ist jedoch nicht aul' eine
Teilung dieser Elemente zurückzuführen: es findet vielmehr eine
fortwährende Erzeuguno; derselben durch den >>Kern<< des Spermiums
statt, nachdem letzteres ins Ei eingedrungen ist. — An diesem >>Sper-
niienkern« fällt ganz besonders auf, daß er eine große Zahl von Kern-
brücken aufweist, welche die Kommunikation mit seiner Umgebung
anstreben. Schon in den Fig. 4, 5 und 6 beobachten wir diese Er-
.^cheinung, obschon hier nicht extra auf diese Strukturen eingestellt
war; besser noch erkennen wir sie in den Fig. 7 und 8. In Fig. 7 z. B.
sind zwei dieser doppelt konturierten, nach außen verjüngten Bahnen
ganz deutlich sichtbar. Und ich kann mir jetzt ebenso wenig wie
früher 1 eine andere Bedeutung dieser Strukturen vorstellen als die,
daß auf ihnen basichromatisches Material in centrifugaler Richtung
abfließt. — Ich gehe momentan auf diese Frage nicht weiter ein, weil ich
sie in der genannten früheren Arbeit ausführlich erörtert habe ; betonen
möchte ich aber doch, daß die dort beschriebenen Verhältnisse auch
für den vorliegenden Fall in allen Details zutreffen. Und Van Beneden
hat diese Striikturen zweifellos auch gesehen. Schauen wir uns die
Fig. 15 und 16 seiner Taf. XIV, oder die Fig. 5, 7 und 17 der Taf. XV,
endlich die Fig. 4, 5 und 6 der Taf. XVI an, so erscheint eine andere
Annahme als ausgeschlossen : Genau so, wie in meinen Fig. 4 — 8 (be-
sonders Fig. 8) gehen vom Spermakern mehrere Strukturen in radiärer
Richtung nach außen ab und wenn sie Van Beneden auch nur durch
dünne Striche andeutet, so können sie doch wohl kaum etwas anderes
repräsentieren, als das, was ich mit dem Namen Kern brücken belegt
habe. In den Fig. 5 und 17 (Taf. XV) und 6 (Taf. XVI) der Arbeit
Van Benedens kommt übrigens noch eine andere Beobachtung, die
diese meine Überzeugung stützt, zum Ausdruck: die Strukturen,
welche vom »Spermakern « ausgehen, münden außen fast sämtlich
in kleinen Körnchen. Das ist ja in der Tat für die Kernbrücken (innere
sowohl wie äußere) höchst charakteristisch und war seinerzeit mit
ein Punkt, der mich veranlaßte, diese Strukturen für einen Transport
basichromatischer Elemente von innen nach außen anzusprechen.
Aber noch etwas anderes zieht unsere Aufmerksamkeit auf sich.
Es ist oben zugegeben worden, daß sich am Spermienkern nach dem
Eintritt des Spermas ins Ei gewisse Veränderungen abspielen, jedoch
nicht solche, welche seine Färbbarkeit betreffen.
Es ist schon einmal darauf hingewiesen worden, daß man im
1 HcH. Stauffacher, Beiträge z. Kenntnis d. Keinstrukturen. Zcitschr.
f. wiss. Zool. Bd. XCV. 1910.
450 Hch. Stauffacher,
Spermienkern genau vier Chromatinelemente — und zwar mit größter
Leichtiokeit — nachzuweisen imstande sei, eine Ersclieinung, die
schon Van Beneden, wie sich aus seinen Figuren ohne weiteres ergibt,
wohl bekannt war. Das ist indes erst von einem ganz bestimmten
Momente an möglich: Tatsächlich kann das Quartett von Chromatin-
kügelchen im Spermakern erst nach der Aussaat der zahlreichen basi-
chromatischen Elemente ins Ei gesehen werden; vorher war es mir
nie und nirgends möglich, diese einfache Gruppierung klar zu erkennen,
gleichgültig, welche Methode ich in Anwendung brachte. In der durch
Ehklich-Biondi leuchtend grün gefärbten Fläche des »Spermakernes«
nimmt man allerdings auch beim freien Spermium deutlich dunkler
gefärbte Körnchen wahr und gelegentlich konnte ich auch deren Vier-
zahl beobachten. Da aber Schnitte vorlagen, kann ich nicht wissen,
ob nicht doch einige dieser Elemente tiefer und hoher lagen und daher
in andre Schnitte zu liegen kamen. In der Kegel birgt der »Sperma-
kern«, wie gesagt, eine größere Zahl solcher Körnchen oder Tröpfchen.
— Van Beneden deutet zwar diese Vierergruppe gelegenthch vorher
schon an, so in den Fig. 9 und 15 (Taf. XIV); aber ich glaube, an Hand
meiner Präparate zu der Annahme berechtigt zu sein, daß hier Van
Benedens Zeichnungen den vorherrschenden Verhältnissen nicht ganz
entsprechen, um so mehr, als er in den andern Abbildungen ähnlicher
Stadien (Fig. 14, Taf. XIV; Fig. 8— 15, 17 und 19, Taf . XV, Fig. 1,
Taf. XVI) mehr solcher Körnchen verzeichnet. Wohin gerät nun diese
Überzahl von Chromatinelementen?
In meinen Präparaten ist ganz deutlich zu sehen, wie das Volumen
des »Spermienkernes << nach dem Eintritt des Spermas ins Ei um ein
Bedeutendes zunimmt. Hierbei ist der »Kern« prall gefüllt mit Basi-
chromatin und tritt alsbald in intensivste Tätigkeit : Zahlreiche pracht-
volle Kernbrücken gehen von ihm ab und ganze Körnchenreihen basi-
chromatischen Materials entquellen diesen Strukturen, um in radiärer
Eichtung nach außen zu gelangen: Es sind dieselben Körnchen oder
Tröpfchen, die wir schheßhch im Cytoplasma der Eizelle antreffen.
Nach und nach wird der »Spermakern« kleiner, das Basichromatin
wird spärlicher, bis man das bekannte Quartett der Chromatinkügel-
chen erkennt. — Der »Spermakern« ist also — da er Basichromatin
erzeugt — , kein Kern^ sondern ein Nucleolus.
Auch die basichromatischen Körnchen, die wir bereits im freien
Spermium angetroffen haben, entstammen ursprünglich zweifellos
diesem Nucleolus; daher ihre eigenartige gesetzmäßige Anordnung
um das Kernkörperchen, wie sie bereits Van Beneden in seinen Fig. 1
I
Zcllstudien. I. 451
bis 17 USW. der Taf. XI gezeichnet hat und wie sie ganz ähnlich auch
in meinei\ Präparaten zu sehen ist. — Das aber, was in den Fig. 3 — 8^*
unserer Taf. X diese basichromatischen Elemente direkt ins Cytoplasma
des Eies entläßt, ist der eigentliche Kern der Spermazelle.
Wir konstatieren also im Verhalten des Spermiums von Ascaris
»legalocephala eine vollständige Parallele zu dem Verhalten, das wir
beim reifenden Ei nachweisen konnten: Wie der Kern der Eizelle
basichromatische Elemente ins Cytoplasma aussät, so
liefert auch der Kern der Spermazelle einen Schwärm sol-
cher Körnchen bzw. Tröpfchen an das Cytoplasma des Eies
ab. Der Unterschied besteht nur darin, daß die Lieferung
durch den Eikern nach und nach, während der ganzen Ent-
Avicklung der Eizelle erfolgt, während das Sperma seinen
Beitrag an Nuclein auf einmal, während seines Eindringens
ins Ei abgibt.
Die »Plastochondrien<< des ^ s c a rt s-Spermas sind da-
her nichts anderes als mikrosomale Portionen basichroma-
tischen Materials nucleolarer Herkunft.
Das soeben Gesagte wirft, meines Erachtens, auch wieder einiges
Licht auf die Vererbungssubstanz. Bis jetzt wurde fast allgemein
das »Chromatin << als Träger der Vererbungstendenzen angesprochen.
Von unsern beiden Chromatinen wäre es also das Basi -Chromatin,
welches die Eigenschaft der Erbübertragung besitzen müßte und das
würde selbstredend auch die ins Cytoplasma hinüber beförderten
Xucleinportionen betreffen. Aber dann müßten diese letzteren in ihrem
extra-nucleären Dasein auch erhalten bleiben, sie dürften im Verlaufe
des Stoffwechsels nicht verändert oder gar aufgebraucht werden. Ich
muß aber immer wieder betonen, daß dies nicht zutrifft. Die mikro-
somalen Teilchen des Basichromatins verschwinden mit der Zeit im
Cytoplasma spurlos und müssen — falls das Wachstum der Zelle nicht
sistiert werden soll — aus leistungsfähigen Kernen ergänzt werden.
Auch das Basichromatin des Kernes ist in der lebenden Zelle in be-
ständigem Kommen und Gehen begriffen und es ist aus diesem Grunde
schon im höchsten Grade unwahrscheinlich, daß diese beständig im
Fluß sich befindhche Substanz die Trägerin der Arteigenschaften sein
soll, deren auffallende Konstanz in direktem Widerspruch steht zu
der labilen und wenig seßhaften, ephemeren Natur des Basichromatins.
Ich komme deshalb auch hier wieder, wie früher schon, zum
Schluß, daß das Oxychromatin und zwar das organisierte Pla-
stin, die lebende Substanz, der Träger der Vererbungsmerkmale
452 Hch. Stauffcacher,
sei. Man wird mir jedoch zweifellos entgegnen, daß ja das Basichro-
matin konstant auf oxychromatischer Unterlage sitze und daß mit
den in das Cytoplasma auswandernden Nucleinpartikelchen auch oxy-
chromatisches Material dorthin abgeliefert werde, daß sich also die
Dislokation der beiden Substanzen in genau gleicher Weise vollziehe.
Es ist jedoch darauf aufmerksam zu machen, daß das Oxy chromatin
(auch im Cytoplasma der Zelle) lange nicht den großen Schwan-
kungen unterliegt, wie das Basichromatin. Wäre letzteres der Träger
der Vererbungsmerkmale, so müßte z. B. bei Ascaris 7negalocej)hala
die Übertragung väterlicher Merkmale stark überstiegen; denn das
reife Ei bietet — wenigstens in seinem Cytoplasma — den vom Sper-
mium ausgesäten Elementen, wie wir gesehen, kein Äquivalent. Die
während der Eientwicklung ins Cytoplasma ausgewanderten Nuclein-
portionen sind größtenteils verbraucht und diese Armut an entwick-
iungserregender Substanz wird ja — wie mir scheint — sehr gut illu-
striert durch das Stadium der Hilflosigkeit und Abhängigkeit, in das
die Eizelle nunmehr gerät. Das zeitliche Zusammentreffen von Basi-
chromatinarmut und Stillstand der Eientwicklung kann doch un-
möglich rein zufällig sein, wenn man bedenkt, mit welcher Kon-
stanz diese beiden Erscheinungen überall gleichzeitig auftreten und
anderseits beobachtet, wie das parthenogenetische Ei reich ist an
Nuclein.
Halten wir aber nach wie vor daran fest, daß das >>Chromatin«
(Basichromatin) der Sitz der Vererbungstendenzen sei, so würde auch
die Annahme unvermeidlich, daß das parthenogenetische Ei mit Ver-
erbungsmerkmalen weit besser ausgestattet sei, als das zu befruchtende
und die befruchtungsbedürftige Eizelle während ihrer Entwicklung
eine geradezu ungeheuerliche Einbuße an solchen erlitten hätte. Es
spielen sich eben während der Befruchtung nicht nur gewisse Vor-
gänge im Zellkern ab: Wichtige Ereignisse finden auch im Cytoplasma
statt, Ereignisse, die bis jetzt noch nicht genügend eingeschätzt werden
konnten, die meine Überzeugung, daß das >>Chromatin << nicht der
Träger der Vererbung sein kann, ganz bedeutend stützen. Ich be-
absichtige nicht, hier auf dieses Thema weiter einzutreten; es ließe
sich aber zeigen, daß eine ganze Reihe der wichtigsten Forderungen,
die wir an den Träger von Vererbungsmerkmalen stellen, vom Oxy-
chromatin besser erfüllt werden, wie vom Basichromatin.
Die entwicklungserregende und die vererbende Wirkung des
Spermas wäre also nach dem Gesagten an verschiedene Stoffe ge-
bunden: Das Basichromatin ist entwicklungserregend, während das
I
Zriistudicil. I. 453
Oxychiüiiiatin (oiganisiertes Plast in) der Sitz der Vererbungsmerk-
niale ist^.
Meves nimmt mm aii.s »theoretischen Gründen« an, daß, nach-
dem sich die weiblichen mid männlich(Mi »Plastochondrien << gemischt
haben, früher oder später je ein männliches und weibliches Korn )nit-
einander verschmelzen und zwar stützt er sich darauf, daß vielfach
die >>Plastochondrien«, welche nach Beendigung der ersten Richtungs-
teilung das Spermium umgeben, im Vergleich mit denjenigen früherer
Stadien nicht unerheblich größer seien. Auch eine Abnahme ihrer
Zahl sei möglicherweise eingetreten. Meves gibt jedoch zu, daß diese
Erscheinungen auch auf Rechnung einer Quellung durch das fixierende
Agens gesetzt werden könnten.
Meves verschweigt uns zwar die »theoretischen Gründe«, die
zu der Annahme drängen sollen, an eine Verschmelzung der basi-
chromatischen Körnchen männlicher und weibhcher Provenienz zu
glauben; aber ich glaube nicht, daß diese theoretischen Gründe einen
besonderen Eindruck auf uns hervorrufen würden, denn ich kann mir
persönlich nicht recht vorstellen, wie eine Idee bestimmenden Einfluß
gewinnen soll, so lange sie sich nicht auf sichere Beobachtungen be-
rufen kann. Und das, was Meves zur Stütze seiner Annahme au
empirischem Material beibringt, ist weit davon entfernt, Vertrauen
einzuflößen, ganz abgesehen davon, daß Meves ihm selbst nicht traut.
Selbst dann, wenn die Osmiumsäure eine Vergleichung der mikro-
somalen Portionen basichromatischen Materials nicht von vornherein
illusorisch machen würde, wäre ein derartiges Unterfangen auch aus
dem Grunde gänzlich aussichtslos, weil allzuhäufig Fälle beobachtet
werden können, wo rein zufällig basichromatische Tröpfchen zusammen-
fließen oder doch in derartige Nähe zu einander geraten, daß die ge-
bräuchlichen Fixier -und Färbemittel die Intervalle zwischen ihnen
nicht mehr aufzuzeigen vermögen. Darauf habe ich ja schon früher
aufmerksam gemacht und wir werden auch im folgenden Fälle genug
antreffen, die das Gesagte bestätigen.
AVenn also in den MsvESschen Präparaten tatsächlich Differenzen
in der Größe der einzelnen »Plastochondrieu « auftreten, so ist das
1 Während der Drucklegung dieser Arbeit gelang es nur endlicli nach lan-
gen vergeblichen Bemühungen, Schnitte durch ein befruehtungsbedürftiges
Insektenei {Zygaena) im Stadium der Richtungskörperchenbildung zu erhalten.
Im höchsten Grade interessant war mir nun die Beobachtung, daß die sehr
schön entwickelten Kernspindeln keine Spur von Basichromatin mehr
enthielten. Ich werde auf diesen Fnll in ciiicr besonderen Abhandlung zurück-
kommen.
454 Hell. Stauffacher,
absolut kein Grund dafür, anzunehmen, daß sich hier eine Copulation
männlicher und weiblicher »Plastochondrien << abgespielt, weil solche
Unterschiede — wie gesagt — in allerlei Zufälligkeiten ihre Ursache
haben köimen. Die Zelle Fig. 25, Taf. XI, z. B. repräsentiert das Sta-
dium der ersten Furchungsteilung (da nicht auf die Chromosomen und
Centrosomen eingestellt ist, sind diese nicht sehr deutlich), also ein
Stadium, auf dem die Copulation männlicher und weiblicher »Plasto-
chondrien« wohl als abgeschlossen betrachtet werden dürfte. Es hätte
daher bereits ein Ausgleich in den Größenverhältnissen der »Plasto-
chondrien« eintreten müssen. Statt dessen sieht man aber große
und kleine »Plastochondrien« jetzt noch kunterbunt durch einander
liegen, wie dies bereits auf früheren Stadien konstatiert werden kann
und wie man das überall beobachtet, wo das Mikroskop auf diese
Bestandteile des Cytoplasmas gerichtet wird.
Aber noch andere Bedenken sind hier geltend zu machen.
a. Der Kern (bzw. Nucleolus) des Eies entläßt seine »Plasto-
chondrien«, d. h. seine basichromatischen Tröpfchen nicht erst in dem
Moment, wo das Sperma sich zur Aussaat der seinigen anschickt.
Basichromatische Elemente werden vielmehr — und das ist bei Ascaris
megalocejyhala sicherlich auch der Fall — in das Eicytoplasma von
den allerersten Stadien der Eientwicklung an hinausbefördert und
zwar in den frühen Phasen mehr wie später ; es flaut diese Emission —
so möchte man sagen — • gegen das Ende der Reifungsperiode allmähHch
ab, bis der Nucleolus erschöpft ist. Weshalb entleert nun der Kern
der Eizelle sein Nuclein nicht erst in dem Moment, wo das Spermium
eintritt oder doch unmittelbar vor diesem Ereignis, wenn es sich schließ-
lich doch nur um eine Vereinigung dieser Elemente väterhcher und
mütterlicher Provenienz handelt? Und
b. wo stecken denn alle diese in der langen Periode der Eireifung
haufenweise in die Eizelle gewanderten basichromatischen Körnchen
des Eikernes?
In den Fig. 9 und 10 (Taf. X) habe ich zwei Eizellen von Ascaris
megalocephala photographiert, in die das Spermium noch nicht ein-
gedrungen ist. Die Präparate sind genau so behandelt, wie diejenigen
der Fig. 4—9.
Auf den ersten Blick fällt in diesen Schnitten die Armut an »Plasto-
chondrien« auf. Graduelle Unterschiede sind ja immerhin vorhanden;
im allgemeinen aber sind diese Elemente recht spärlich vertreten und
sehr klein. In Fig. 10 ist ihre Zahl und Größe auf das bescheidenste
Maß reduziert, während sie in Fig. 9 noch etwas besser sichtbar sind.
Zoll-studien. I. 455
Ganz entsprechend der Fig. 10 sieht es auch in der Fig. 7 aus, wo das
Spermium offenbar mit der Aussaat gezögert hat. — Aber auch die
Fig. 4 — 8 sprechen jetzt eine klare Sprache. Wir konnten früher diese
Präparate deshalb nicht als Belege für die Armut der Eizelle an »Plasto-
chondrien« verwenden, weil Meves behauptet (loc. cit. S. 697), daß
die weiblichen >> Plastochondrien << Lageveränderungen zeigen, indem
sie sich aus den peripheren Teilen der Eizelle mehr und mehr zurück-
ziehen und sich auf allen Seiten um das Spermium häufen. Das trifft
indes für unsere Fig. 4 — 8 nicht zu. Die peripheren Teile dieser Eier
sind nicht deshalb frei an eigenen »Plastochondrien <<, weil sich letztere
um das Spermium herum gesammelt haben, sondern deshalb, weil
die Eizellen überhaupt keine oder nur wenige solcher Elemente mehr
enthalten, wie wir das auch in den Fig. 9 und 10 gesehen. Aber auch
die Fig. 7 ist in dieser Beziehung sehr lehrreich. Das Spermium hat
seine »Plastochondrien« offensichtlich noch nicht entleert, so daß uns
der Schwärm dieser Elemente nicht daran hindert, seine Umgebung
auf eventuelle Anwesenheit weiblicher »Plastochondrien« abzusuchen.
Aber es geht uns hier, wie in den Fällen der Fig. 9 und 10 : Es fällt
wiederum die geringe Zahl der »Plastochondrien« auf und zwar auf
der ganzen Schnittfläche durch das Ei, nicht bloß in seinen peripheren
Partien; die Reduktion der basichromatischen Elemente hat hier
sozusagen mit einem völligen Schwund der letzteren geendet.
Die Wolke von »Plastochondrien«, die wir in den Fig. 4, 5, 6 und 8
um das Spermium herum wahrnehmen, entstammt also dem letzteren
nicht nur teilweise, sondern vollständig und die Bilder sprechen
denn auch — meiner Meinung nach — von vornherein eine deutliche
Sprache zugunsten dieser Herkunft der »Plastochondrien«, vor allem
die Fig. 5 und 6.
Angesichts dieser gewaltigen Überzahl von »Plastochondrien«,
die dem Sperma entstammen, gegenüber denjenigen, die der Eizelle
eigen sind, ist an eine Copulation männlicher und weiblicher »Plasto-
chondrien « nicht mehr zu denken ; die Präparate und auch unsere Bilder
zeigen zu deutlich, daß den männUchen »Plastochondrien « in der Eizelle
kein Äquivalent gegenübersteht.
Dagegen wird die Situation von einem andern Standpunkt aus
verständlich. Ich habe oben wiederum darauf aufmerksam gemacht,
daß von den ersten Stadien der wachsenden Eizelle an basichromatische
Elemente vom Kern aus ins Cytoplasma abgeliefert werden und daß
dieser Vorgang in immer schwächer werdendem Maße sich bis ans
Ende der Reifeperiode abspiele. Diese Körnchen sind nun, wie wir
456 Hell. Stauffaclier,
gesehen, im reifen Ei ganz, oder fast ganz verscli wunden und es bestellt
die größte Wahrscheinlichkeit, daß sie beim Wachstum des Eies, d. h.
in den für diesen Prozeß nötigen Stoffwechselvorgängen verbraucht
worden sind, gerade so, wie das Nuclein des vegetativen Pollenkerns
beim Wachstum des Pollenschlauches allmählich verbraucht wird.
Wir dürfen sogar behaupten, daß die Intensität des Stoffwechsels
und damit auch des Wachstums geradezu direkt proportional sei der
Menge des vom Kern zur Verfügung gestellten Basichromatins ; denn
— wie ich anderwärts schon betont — steht das Wachstum der Eizelle
in dem Momente still, wo das Nuclein des Kernes (bzw. des Nucleolus)
erschöpft ist. — Fast gleichzeitig ist aber auch — wie wir gesehen —
das Basichromatin des Cytoplasmas verbraucht und wir würden daraus
den Schluß zu ziehen haben, daß die ins Cytoplasma der Eizelle emit-
tierten Nucleinelemente hier relativ rasch verschwinden, was uns
anderseits wieder die fortwährende Eile erklären würde, mit welcher
Basichromatin während des Reifeprozesses aus dem Kern in die Zelle
hinüber transportiert wird.
Das von Basichromatin sozusagen entblößte Cytoplasma des Eies
hat also vorläufig keinen Ersatz jenes Stoffes (und. der ihn begleitenden
Energie) von innen mehr zu erwarten ; das wird erst möglich sein, wenn
wieder ein Nuclein erzeugendes Kernkörperchen formiert ist. Und
doch verbraucht die Eizelle für die nun folgenden Vorgänge der Copu-
lation und Teilung ohne Zweifel Energie. In diesem Falle der Not
— um mich so auszudrücken — tritt das Sperma in die Lücke: Es
überschüttet die Eizelle mit einer Wolke von basichromatischen Tröpf-
chen, welche wohl ausreichen, bis ein leistungsfähiger Nucleolus in
Funktion treten kann. — Daß diese Voraussetzung zutrifft, erkennt
man meines Erachtens gut aus den Fig. 11, IIa, IIb und 12. In Fig. 11
ist zv/ar eingestellt auf die >> Centrosomen <<, die jedoch nicht präzise
in der Schnittebene liegen; daher treten auch die basichromatischen
Microsomen nicht so scharf hervor, wie wir es wünschen möchten.
Immerhin sieht man deutlich, daß eine Menge solcher vorhanden sind.
Besser erkennt man sie in Fig. 11& und ebenfalls sehr deutlich in Fig. 12.
Und doch hat unterdessen kein Kern existiert, der diese Elemente hätte
liefern können. Es bleibt also keine andere Annahme übrig als die, daß
die basichromatischen Tröpfchen der Fig. 11, 11« und b und 12 der Aus-
saat durch das Spermium entstammen; daß sie der Eizelle selbst ange-
hörten, dürfte nach der Besichtigung der Fig. 3 — 10 ausgeschlossen sein.
In meiner Arbeit: »Neue Beobachtungen auf dem Gebiete der
Zelle« (Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XCVIII) steht auf S. 522 folgender
Zfllstiuiirii. I. 457
Passus: »Wir haben der Überzeugung Ausdruck verschafft, daß das
Ei von Anodonki deshalb in einen latenten Zustand gerate, weil ihm
das für seine Weiterentwicklung notwendige Nuclein fehle. Die Ent-
wicklung des Eies setzt aber bekanntlich sofort ein, sobald das Sperma
in die weibliche Zelle eingedrungen ist und diese »befruchtet« hat.
Da sich das Sperma — wenigstens der für die Befruchtung besonders
wichtige Spermakopf — durch seinen Gehalt an Nuclein auszeichnet
und vom Eikern unterscheidet, so liegt der Schluß nahe, das Sperma
ersetze dem Ei die für vegetative Vorgänge unumgänglich notwendige
Substanz, das Nuclein, dessen Eintritt in die Eizelle dieser die Fähig-
keit und den Anstoß zum Wachstum, bzw. zur Entwicklung erteilt.«
Ich stehe nicht an, die Beobachtungen, die wir am Spermium von
Ascaris megalocefhala gemacht, als ein weiteres Beweismoment für
jene Behauptung anzusprechen.
Von dem soeben gewonnenen Standpunkt aus wird uns nun noch
ein anderes Moment verständlich. Es gibt nämlich Tiere (Anneliden),
welche die Eier im Oocytenstadium ablegen, wobei also das Sperma
ins unreife Ei eindringt. (Loeb, J., Die chemische Entwicklungserregung
des tierischen Eies, 1909, Berlin, Springer). In diesen Fällen würde
also das Sperma mit seinem Basichromatin der Eizelle früher zu Hilfe
eilen und dadurch nicht bloß Ursache der Entwicklung, sondern
bereits Ursache der Reifung des Eies werden.
Die Fähigkeit des Spermiums, bei seinem Eintritt in das Ei basi-
chromatische Elemente in großer Menge liefern zu können, dürfte
unserm Verständnis keine Schwierigkeiten bereiten. Da die Sperma-
zelle klein bleibt, wird hier das Basichromatin nur zu einem unwesent-
lichen Teil in Anspruch genommen und verbraucht und der Nucleolus,
der bereits im freien Spermium basichromatische Körnchen an seine
Umgebung abgab, setzt mit seiner Nucleinsynthese und -emission
erst dann kraftvoll ein, wenn das Sperma den Bedarf der Eizelle au
solchem Material zu decken hat. Im Grunde genommen ist daher —
wie oben schon gesagt — die Bolle, welche die vom Nucleolus emit-
tierten basichromatischen Elemente spielen, in beiden Fällen, bei Ei
und Sperma, dieselbe; ihre Bedeutung liegt lediglich auf ernährungs-
physiologischem Gebiete.
Hätte Meves die Eier von Ascaris megalocephula nicht isoliert
(loc, cit. S. 687), also die Uterusschläuche nicht zerzupft, sondern
hätte er diese Schläuche mitsamt den Eiern geschnitten, so würde er
wohl kaum auf den Gedanken einer Copulation zwischen den »Plasto-
chondrien« gekommen sein und die wahre Bedeutung dieser Dinge
458 Hch. Stauffacher,
ohne Zweifel klarer eingesehen haben ; denn ein Blick auf die ins Lumen
des Uterus ragenden Zellen der Uteruswand belehrt uns sofort darüber,
daß hier ebenfalls »Plastochondrien << vorkommen und zwar in großer
Zahl. Die Fig. 14 — 24: zeigen photographische Keproduktionen solcher
Zellen. Die Behandlung — Fixation, Färbung usw. — ist genau die
gleiche, wie bei den Präparaten der Fig. 4 — 12. Sämtliche Figuren von
3 — 24 sind ferner bei derselben Vergrößerung aufgenommen worden.
Betrachten wir zunächst bloß Fig. 14. Auf den ersten Augenblick
fällt — in Form sowohl wie in Größe — die Übereinstimmung auf
zwischen den Körnchen im Cytoplasma der Fig. 14 und diejenigen,
die das Sperma in den Fig. 4, 5, 6 und 8 ins Ei aussät. Diese Über-
einstimmung beschränkt sich nicht bloß auf die genannten Merkmale:
Auch in bezug auf Färbbarkeit und chemisches Verhalten besteht
Gleichheit zwischen diesen Elementen.
Die Körnchen oder Tröpfchen im Cytoplasma der Fig. 14 färben
sich in Hämatoxylin (nach Heidenhains Methode) schwarz, in Säure-
fuchsin dagegen rot; in Ehrlich-Biondis Lösung erscheinen sie in der
bekannten dunkel- oder schwarzroten Nuance. In Pepsinsalzsäure sind
sie unverdauhch und färben sich nunmehr in Ehrlich-Biondi grün.
Die grüne Tinktion kann man auch sehr gut — wie bei den Objekten
der Fig. 4 — 8 — bei direkter Färbung in Ehrlich-Biondi (also ohne vor-
gängige Verdauung) nachweisen, wenn man die rote Farbe des Oxychro-
matins durch längeres Liegenlassen der Objekte etwas verblassen läßt.
Daß die Körnchen im Cytoplasma der Zelle Fig. 14 in Pepsin-HCl
nicht verdaut sind, erkennen wir aus den Fig. 23 und 24 (Taf. XI).
Beide Objekte sind in der Verdauungsflüssigkeit gelegen und nachher
in Heidenhains Hämatoxylin gefärbt worden. Ich zog letztere Tinktion
hier deshalb der EHRLiCH-BiONDischen vor, weil sie sich für scharfe
photographische Reproduktion besser eignet, wie diese. Es ist, wie man
sieht, kein Unterschied vorhanden zwischen den Fig. 23 u. 24 einerseits
und der Fig. 14 anderseits : Die Elemente im Cytoplasma der Fig. 23 und
24, die denjenigen der Fig. 14 entsprechen sind immer noch vorhanden.
Sämtliche Reaktionen, die wir mit diesen Gebilden anstellen können,
beweisen uns also, daß es lediglich basichromatische Tröpfchen sind,
die auf oxychromatischer Unterlage sitzen, ganz so, wie die oben be-
schriebenen, dem Spermium entstammenden Elemente des Eies von
Ascaris megalocephala.
Und daher stimmen alle diese Elemente, sowohl diejenigen der
Fig. 4 — 8, wie diejenigen der Fig. 14 — 24 vollkommen überein mit den
von mir längst beschriebenen basichromatischen Mikrosomen des
Zcllstiidk-n. I. 459
Cytoplasnias, die, in letzter Linie dem Nucleolus entstammend, über
den Kern in den Zelleib hinübergelangen. Auch in den Kernen der
hier vorliegenden Zellen (Fig. 14 — 24) sieht man die Kernbrücken,
welche diesem Transport dienen, leicht. Der Nucleolus ist zwar nur
in Fig. 14 getroffen, und trotzdem bei der mikrophotographischen
Aufnahme dieses Bildes lediglich auf die Körnchen des Cytoplasmas
und keineswegs auf den Kern oder einzelne seiner Teile eingestellt
wurde, erkennt man in letzterem ganz deutlich innere und äußere
Kernbrücken; von den äußeren wenigstens eine und zwar in der linken,
oberen Ecke des Kernes.
Verbleiben wir noch einen Moment bei den Fig. 14, 23 und 24,
so ist zu bemerken, daß auch in diesen Präparaten größere und kleinere
Körnchen vorhanden sind. Während jedoch in den Fig. 14 und 23
die Größenunterschiede wenig auffallen, finden wir in der Fig. 24 im
Innern des Schnittes auch Elemente von relativ bedeutenden Dimen-
sionen. Aber auch hier haben wir keineswegs das Gefühl, als ob die
peripheren, kleineren Körnchen durch Teilung aus den centralen,
größeren hervorgegangen seien. Im Gegenteil: Schauen wir uns das
Bild genau an, so erkennt man ganz deutlich, daß bei den im Innern
gelegenen Körnchen Gruppierungen zu Häufchen nicht selten sind;
zwei, drei, vier und auch mehr Tröpfchen geraten mitunter nahe zu-
sammen, so daß ihre Abstände dem bewaffneten Auge eben noch zu-
gänglich sind, während in andern Fällen die Distanz zwischen ihnen
unmerklich geworden, eventuell auch ein wirkliches Ineinanderfließen
vorgekommen ist.
Am Rande der Fig. 24 dagegen sehen wir die basichromatischen
Elemente in einer etwas andern Anordnung: An Stelle der Häufchen
die Reihung hintereinander, zu rosenkranzförmigen Gebilden. Ohne
Zweifel hängt diese verschiedene Anordnung der basichromatischen
Körnchen mit der Strömung der oxychromatischen Grundsubstanz
zusammen.
In den Zellen der Fig. 15 — 22 sehen wnr im Prinzip dasselbe, was
in den geschilderten Fällen der Fig. 14, 23 und 24. Überall finden wir
im Cytoplasma kleinere und größere basichromatische Körnchen oder
Tröpfchen in sehr großer Zahl, die in allen Reaktionen mit denjenigen
der Fig. 3 — 10 übereinstimmen. Sehr schön sehen wir auch da und
dort Aggregate dieser Elemente und zwar ebenfalls meist in der inneren
Partie des Zelleibes, so in Fig. 15, 16, 17, 18, 19 und 21. Überall läßt
sich nachweisen, daß größere Portionen des basichromatischen Materials
lediglich dadurch zustande koumien, daß sich gewöhnliche mikrosomale
460 Hch. Stauffaclier,
Einheiten zu Grüppclien häufen, z. B. in den Fig. 15, 18 und besonders
in Fig. 21. In der Fig. 21 können zwar im Innern der großen basi-
chromatischen Brocken keine Brücken mehr wahrgenommen werden;
aber der Rand dieser Bildungen, über den ja die einzehien Elemente
deutlich hinausragen, beweist hinlänglich ihre Entstehung.
Einige Zellen der Fig. 15 — 22 zeigen besser noch wie die Fig. 23
und 24 die kettenförmige Anordnung der basichromatischen Ele-
mente. Die rosenkranzförmigen Bildungen sind oft kurz, oft aber er-
reichen sie eine beträchtliche Länge (Fig. 15, 19). Obschon gelegent-
lich auch im Innern des Cytoplasmas solche Ketten auftreten (Fig. 19,
22, 23) finden wir sie doch meistens in der Nähe des Randes (Fig. 15,
16, 17, 18 und 21) und zwar entweder zu diesem parallel (Fig. 19, 21, 22)
oder auf ihn zugerichtet (Fig. 15, 16, 17, 18). Man möchte fast ver-
sucht sein, die Stellung dieser Ketten zum Zellenrand mit den Rand-
spalten einer Gletscherzunge zu vergleichen (s. Fig. 15, 16, 18).
Es kann auch etwa vorkommen, daß diese Reihen basichromatischer
Elemente einheitlich zu sein scheinen und dann oft den Eindruck von
gew^undenen oder geknickten Fäden oder Spindeln erwecken; aber in
allen diesen Fällen ist eine mehr oder weniger gründliche Verschmel-
zung der hintereinander gereihten Körnchen vor sich gegangen, sei
diese nun dadurch erfolgt, daß sich die oxy chromatische Grundsubstanz
kontrahiert oder dadurch, daß sich die basichromatischen Tröpfchen
durch die quellende Wirkung gewisser Reagentien (besonders Osmium-
säure) einander so genähert, daß die Distanzen zwischen ihnen nicht
mehr aufzeigbar sind.
Daß eine bestimmte Strömung in diesen Zellen stattgefunden
haben muß, geht eigentlich aus sämtlichen Figuren von 15 — 24 hervor;
ganz besonders verraten sie die Zellen der Fig. 19 und 20. Von der
Wand der Uterusschläuche aus, wo auch der Zellkern gewöhnlich sein
Domizil aufgeschlagen hat, also von der Zellbasis aus, ist die Bewegung
gegen die ins Lumen des Uterusschlauches reichende Zellspitze gerichtet.
Da und dort ist diese Bewegung stark, wie in Fig. 19 oben und in
Fig. 20 links, während an andern Orten wieder Stauungen vorkommen,
gerade so, wie man dies in den Staubfadenhaaren von Tradesccmtia
unter dem Mikroskop direkt verfolgen kann. Da nun, wo die Strömung
der oxychromatischen Grundsubstanz eine starke ist, wie z. B. in
Fig. 19 links, da überwiegt die kettenförmige Anordnung der basi-
chromatischen Tröpfchen; wo aber Stauungen eintreten, gruppieren
sich die letzteren zu Häufchen.
Auf ein tröpfchenförmiges Abfließen des basichromatischen Ma~
Zellstudicil. i. 461
terials aus dem Kern in das t'ytoplasma habe ich wiederholt aufmerk-
sam gemacht^, ist das doch einer der Hauptpunkte meiner Zelltheorie.
Diese Strömung ist aber nur die AViederholung dessen, was bereits
zwischen Nucleolus und Kern passiert: Auch vom Kernkörperchen
aus (sofern dieses noch Nuclein liefert) geht das Basichromatin in
kettenförmiger Anordnung seiner Elemente in den Kern ab. Man ver-
gleiche hierzu die Fig. 8, 9. und 11 meiner Arbeit »Neue Beobach-
tungen auf dem Gebiete der Zelle« und lese auf S. 506 nach, wo es
heißt: >>Im höchsten Grade auffallend ist aber die Erscheinung, daß
sich an das schwarzrote Trcipfchen am äußeren Ende der Nucleolar-
fortsätze schwarzrote Körnchen reihen anschließen, die einfach oder
doppelt sich in den Kern hinein fortsetzen ... Es macht ganz den
Eindruck, als ob vom kleineren Nucleolarteil aus ein Materialtransport
besonders in Form von Tröpfchen in den Kern hinein stattfände;
kleine »Ströme << scheinen langsam von diesem Abschnitt des Nucleolus
auszugehen, die Tröpfchen vim Tröpfchen jener Substanz entführen
lind im Kern anhäufen.«
Ich wiederhole zum Schluß dieses Abschnittes: Die in den Fig. 14
bis 24 durch Hämatoxylin gefärbten Körnchen, seien sie nun in Häuf-
chen oder Ketten gruppiert, sind basiehromatische Elemente auf
oxy chromatischer Unterlage, die dem Kern, bzw. dem Nucleolus ent-
stammen; sie stimmen in allen Einzelheiten mit den in den Fig. 4 — 10
beschriebenen Elementen überein. Die Bedeutung jener Körnchen
oder Tröpfchen in den Fig. 14 — 24 kann nur eine vegetative, eine
ernährungsphysiologische sein und damit wird auch die Rolle der
von Meves im Spermium und Ei von Ascaris beschriebenen, »Plasto-
chondrien« festgelegt: Sie spielen mit größter Wahrscheinlichkeit
ebenfalls eine ernährungsphysiologische Rolle; sie stehen, als Nuclein-
portionen im Dienste des Wachstums und der Ernährung der Zelle
und sind keine selbständigen Zellorgane.
Solche basichromatischen Microsomen, wie wir sie in den Wand-
zellen der Uterusschläuche und in der copulierenden Eizelle von Ascaris
meyalocephala angetroffen haben, finden wir nun überall in den-
jenigen Zellen, die sich lebhaft vegetativ betätigen, also
im lebhaften Wachstum und Stoffwechsel begriffen sind
und zwar in pflanzlichen sowohl wie in tierischen Geweben.
1 HcH. St.vuffacher, a. Beiträge z. Kenntnis d. Kernstrukturen. — b. Neue
Beobachtungen auf de n Gebiete der Zelle. — e. Die Rolle des Nueleins in der
Fortpflanzung.
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CIX. Bd. 31
462 Hch. Stauffacher,
Damit kommen wir auf unsern zweiten Punkt, die pflanzlichen Chon-
driosomen, zu sprechen.
b. Die »Chondriosomen« Lewitskys,
Da, wie wir gehört, die pflanzlichen >>Chondriosomen << den tieri-
schen »Plastochondrien << homolog sein sollen ^ — man belegt auch
etwa alle diese Dinge mit demselben Namen — wäre es eigentlich
nicht mehr nötig, auf die pflanzlichen Chondriosomen spezieller ein-
zutreten: (Sie teilen eben das Schicksal der »Plastochondrien«. Trotz-
dem möchte ich aus der umfangreichen Literatur über die »Chondrio-
somen« einige Punkte hervorheben. Ich halte mich hier vornehmlich
an die Publikationen Lewitskys und verweise auf die Literatur bei
Forenbacher und Rudolf (Ber. d. Deutsch, bot. Ges. Bd. XXIX
und XXX, 1911 und 1912) und E. W. Schmidt (Zeitschr f. Bot. Bd. IV,
1912). — Genau untersucht habe ich ein Objekt, das auch Lewitsky"
studierte: Das Würzelchen des Keimlings von Pisum sativum.
In seiner Arbeit^ »Über die Chondriosomen in pflanzlichen Zellen«
bemerkt Lewitsky Folgendes:
»Von den späteren sehr zahlreichen Untersuchungen über die
Chondriosomen in den tierischen Zellen ist für unsere Zwecke die Arbeit
von Meves ,,Die Chondriosomen als Träger erblicher Anlagen" aus dem
Jahre 1908 die wichtigste. In dieser Arbeit zeigte er in prägnanter
Weise, daß die sämtlichen Zellen des jungen Hühnerembryos von
Chondriosomen gefüllt seien. Die letzteren treten hier meist in Form
von ,Chondrioconten', d. h. homogenen Fäden auf. Diese Fäden ver-
laufen ganz isoliert im Cytoplasma, sind meistens unregelmäßig ge-
wunden oder geknickt und treten ungemein scharf bei Eisenhämatoxy-
linfärbung hervor . . .
Was die Chondriosomen in den pflanzlichen Zellen anbetrifft,
so gehören die ersten Angaben darüber auch Meves. Im Plasma
der Tapetenzellen von Nymphaea hat er lange, unregelmäßig gewTindene,
ziemlich dicke Fäden, welche sich mit Eisenhämatoxylin intensiv
1 So sagt Lewitsky, indem er die Hauptresultate seiner Arbeit Ȇber die
Chondriosomen in pflanzlichen Zellen« zusammenfaßt:
»Die früheren Angaben, daß die im Cytoplasma der tierischen Zellen vor-
handenen spezifischen Zellorganula, die sogenannten Chondriosomen, auch dem
pflanzlichen Cytoplasma eigen sind, finden durch meine Unter-
suchung völlige Bestätigung. Die Chondriosomen dürfen daher als ein
wesentlicher Teil des Cytoplasmas im allgemeinen gelten. «
2 G. Lewitsky, Über die Chondriosomen in pflanzlichen Zellen. Ber. d.
Deutsch, bot. Ges. Bd. XXVIIL lOIL
ZfiistudiL'ii. I. 463
schwarz gefärbt haben, gefunden und abgebildet: dieselben stellen
nach ihm nichts andres, als die von tierischen Zellen be-
kannten Chondriomiten dar. Etwas Ähnliches hat Tischler
ebenfalls in den Tapetenzellen bei Ribes gesehen und als »Chromi-
dialsubstanz in Strängen und Fäden im Plasma«^ bezeich-
net; er läßt dieselben von dem aus dem Kerne heraus-
tretenden ,Chromidialpartikelchen' stammen^ . . .
Vor einigen Monaten untersuchte ich verschiedene Pflanzenteile,
die mit ,BENDAscher Flüssigkeit' (15 ccm l%ige Chromsäure, 4 ccm
2%ige Osmiunif^äure, 3 — 5 Tropfen Eisessig) fixiert und nach Meves-
schem Eisenhämatoxylinverfahren^ gefärbt wurden. In allen Fällen
habe ich denen von Meves and andern als ,Chondriosomen' bezeich-
neten ganz analoge Strukturen gefunden . . . Außer BENDAscher
Flüssigkeit bediente ich mich noch des Gemisches von 10%igem For-
malin (85 T.) und l%iger Chromsäure (15 T.) mit nachfolgender Be-
handlung mit starkem Flemming ohne Eisessig (5 Tage). Die Resultate
waren dieselben.
Nach dieser letzten Methode \vurden unter andern Objekten auch
die "Wurzeln der Keimlinge von Pisum sativum fixiert. Von diesen
sind zwei Zellen auf Fig. 1 abgebildet. Die intensiv schwarz gefärbten,
scharf abgegrenzten Fäden, welche in der Zeichnung sofort auffallen,
entsprechen vollkommen ihrem Aussehen nach den ,Chondriokonten'
der tierischen Zellen. Beziehungen zum Kern, wie solche Gold-
schmidt* für seinen Chromidialapparat lebhaft funktionierender Zellen
angibt, konnte ich für die eben besprochenen Gebilde in keinem Falle
nachweisen. Im Gegenteil, ein abweichendes Färbungsverhalten,
das die Chondriosomen einerseits und das Chromatin ander-
seits zeigen, läßt sich in manchen Fällen ganz deutlich be-
obachten. Ein solcher Fall ist gerade auf Fig. 1 ersichtlich. Während
die Chondriosomen hier ungemein scharf hervortreten, ist das Chromatin
der sich teilenden Kerne fast ungefärbt geblieben und sieht wie gequollen
aus. Ganz analoge Verhältnisse sind nach Meves' Zeichnungen in den
Zellen des Hühnerembryos zu beobachten . . . Fig. 2 zeigt die Chon-
driosomen im Plasma einer Pollenmutterzelle in Diakinese. Man sieht
da unregelmäßig gebogene, ziemlich zarte, etwas variköse und ver-
1 Jahrb. f. wiss. Bot. Bd. XLII. 1906.
~ Von mir gesperrt. Stauffacher.
3 Archiv f. mikr. Anat. Bd. LXX.
■* Zool. Jahrb., Abt. f. Anat. u. Ontog. Bd. XXI. 1905.
31 =
464 Hch. Stauffacher,
schieden stark gefärbte Fädeni. Auch einige Körner sind da.
An manchen Fäden bemerkt man ihre Zusammensetzung
aus Körnchen, welche in einem weniger färbbaren Stroma
eingelagert sind^ . . .<<
In seinen »Vergleichenden Untersuchungen über die Chondrio-
.somen in lebenden und fixierten Pflanzenzellen (Ber. d. D. bot. Ges.
Bd. XXIX. 1912) untersucht sodann Lewitsky die verschiedenen
Fixierungsflüssigkeiten auf ihre Brauchbarkeit. Er unterscheidet
dabei brauchbare, »die wahre Struktur des Cytoplasmas konservierende <<,
oder wie er sich ausdrückt, >>chondriosomenerhaltende<< Flüssigkeiten
von »chondriosomenzerstörenden«. Zu den ersten gehören die Benda-
sche Mischung mit oder ohne Essigsäure, das ALTMANNsche Gemisch,
Y2%^ge Osmiumsäure, 10%iges Formalin und das schwache Flem-
MiNGsche Gemisch. Chondriosomenzerstörend sind vor allem die Alko-
hol führenden Fixierungsmittel. Aber außer der Zerstörung der Chon-
driosomen haben diese Flüssigkeiten noch andere schädliche Wirkungen,
die sich vor allem in der Bildung von Gerinnseln in der Grundsubstanz
äußern.
Zu diesen Äußerungen Lew^tskys möchte ich formell zunächst
Stellung nehmen.
In erster Linie ist darauf hinzuweisen, daß der Ausdruck »Benda-
sche Lösung« nicht gerechtfertigt ist; es ist dies vielmehr Flemmings
starkes Gemisch, wie aus folgender Gegenüberstellung ohne weiteres
ersichtlich ist:
(15 ccm l%ige Chromsäure,
4 ccm 2%ige Osmiumsäure,
3 — 5 Tropfen Eisessig.
15 Maßteile l%ige Chromsäure,
Flemmings starkes Gemisch
(s. Zeitschr. f. wiss. Mikr.
Bd. I. 1884. S. 349).
4 » 2%ige Osmiumsäure
1 >> oder weniger, Eisessig.
Einem objektiven Zuschauer muß es daher unbegreiflich erscheinen,
wie man hier die Zusammenstellung eines Fixiermittels Benda zu^
schreiben kann, während Flemming lange vorher genau dasselbe Ge-
misch in die Cytologie einführte.
Eine solche Usurpation ruft aber unter Umständen nicht bloß
einen Prioritätsstreit hervor ; sie kann vielmehr schlimmere Folgen haben
und dazu führen, daß die klare Situation verdeckt wird und Wirrwar
1 Von mir gesperrt. Stauffacher.
Zfllstudicn. 1. 405
an ihre Stelle tritt. Und das ist hier tatsiichUch der Fall. Oben haben
wir gehört, daß Lewitsky nur das schwache FLEMMiNGsche Gemisch
als »Chondriosomenerhaltend << bezeichnete; sofort wird der nicht
absolut kritikfähige Leser die Frage stellen: Warum ist nicht auch
das starke FLEMMiNGsche Gemisch >>chondriosomenerhaltend<<? Weiß
er nicht, daß >>Benda<< (.> chondriosomenerhaltend «) nichts andres ist
als Flemmings starkes Gemisch und fehlt ihm die Gelegenheit der Nach-
frage oder Nachprüfung, so bleibt für ihn nichts übrig, als die Annahme,
daß die Chondriosomen nur unter ganz bestimmten Bedingungen auf-
zeigbar seien und daß die geringfügigsten Variationen der letzteren
bereits vernichtend auf jene Gebilde einwirken müssen. Sollte dies
bewiesen werden können, dann wäre allerdings die Möglichkeit, daß
wir es in den »Chondriosomen << mit Zellorganen zu tun haben, die
lange Zeit übersehen wurden, ernsthaft ins Auge zu fassen. Um diesen
Beweis handelt es sich denn auch ohne Zweifel bei Lewitsky; aber
gleich sein erster Versuch endet in einer Täuschung, die dadurch mög-
lich wurde, daß willkürlich, ohne jegliche Veranlassung und ohne
Kompromiß, die Terminologie abgeändert wurde. Und mit den weiteren
Beweisen, die Lewitsky zu erbringen versucht, ist es — wie wir bald
sehen werden — nicht besser bestellt.
Lewitsky macht 2) auf das »MEVESsche Eisenhämatoxylinverfah-
ren<< aufmerksam. Unwillkürlich greift man zu Band LXX des Arch.
f. mikr. Anat. um die Methode kennen zu lernen und ist im höchsten
Grade erstaimt, an ihrer Stelle Heidenhains Vorschriften und zwar
bis ins Detail vorzufinden, wie ja auch aus der Darstellung auf S. 2
der vorliegenden Abhandlung klar hervorgeht. Die Änderung, die
Meves anbringt, besteht lediglich darin, daß er >> zwölf Objekt-
träger . . . gleichzeitig in Behandlung nimmt . . . und diese aus
der Beizflüssigkeit in kleinen Intervallen nacheinander wieder
herausnimmt« (s. S. 394 dieser Abhandlung) und so etwas genügt,
um das altbekannte HEiDENHAiNsche Verfahren durch Lewitsky
plötzlich in eine MEVESsche Methode umzustempeln, während Meves
selbst bekennt, daß er zur Färbung »Eisenhämatoxylin nach
der Vorschrift von M. Heidenhain benutzt habe«. — Auch
dieser willkürlichen Handlungsweise Lewitskys stehe ich persönlich
absolut verständnislos gegenüber.
Wenn wir uns weiter in den Methoden umschauen, die Lewitsky
anwendet, um die »Chondriosomen« sichtbar zu machen, so fällt be-
sonders seine Behandlung der Gewebe mit Formalin auf: »Ich be-
diente mich des Gemisches von lÜ%igeni Formalin (85 Teile) und
466 Hch. Stauffacher,
l%iger Chromsäure (15 Teile) mit nachfolgender Behandlung mit
starkem Flemming ohne Eisessig (5 Tage).«
Wie kommt Lewitsky nun plötzlich auf die starke FLEMMiNGsche
Lösung? Warum verwendet er jetzt nicht auch den »schwachen
Flemming«, den er doch unmittelbar vorher als »chondriosomenerhal-
tend« bezeichnet, während der »starke Flemming« mit keiner Silbe
erwähnt wurde? Und wenn Lewitsky doch einmal den »starken
Flemming« nach dem Gemisch aus Formalin + Chromsäure anwenden
will, weshalb läßt er nicht probeweise auch die schwache FLEMMiNG-
sche Lösung einwirken? Das läge, meiner Meinung nach, doch sehr
nahe. Oder befürchtet Lewitsky vielleicht, daß ihm das »chondrio-
somenerhaltende « schwache FLEMMiNGsche Gemisch nunmehr nicht
diejenigen Resultate liefert, die er erwartet?
Und weshalb läßt Lewitsky starken Flemming ohne Eisessig
einwirken? Kein Mensch sieht den Grund ein, warum auf einmal die
Essigsäure verpönt sein soll, während doch sonst ihr Zusatz zur Osmium-
säure vorteilhaft wirkt und Lewitsky (loc. cit. S. 544) selbst betont,
»daß auf dem minimalen Gehalt an Essigsäure in Bendas Flüssigkeit
(also starkem Flemming!) das Erhaltenbleiben von Chondrio-
somen bei der Fixierung beruhe«. — Überhaupt ist die Idee
im höchsten Grade befremdend, nach dem Gemisch von Formalin und
Chromsäure den Geweben noch eine 5tägige Nachkur in »starkem
Flemming ohne Eisessig« zu verschreiben. Verständlicher wäre die
Umkehrung dieses Verfahrens, dann könnte man sich das 'Formalin
wenigstens als Mittel zur Härtung der Gewebe vorstellen.
Die Reihenfolge, in der Lewitsky die Chemikalien zur Anwendung
bringt, könnte zunächst den Verdacht erwecken, daß das 10%ige
Formalin trotz der Unterstützung durch die Chromsäure als Fixierungs-
mittel nicht genüge. Aber warum wendet Lewitsky es dennoch an?
Ein verpfuschtes Präparat wird durch noch so lange Behandlung mit
»starkem Flemming« kaum mehr brauchbar. Oder tritt endlich auch
hier der gewünschte Effekt erst ein, wenn jene Nachbehandlung wirk-
lich erfolgt? Wozu dann die Vorbehandlung mit Formalin? Und
warum muß es gerade 10%iges Formalin sein? Bietet eine 9- oder
8%ige Lösung kein Äquivalent für eine 10%ige?
Nun aber kommt das Interessanteste in dem Wirrwar, den Le-
witsky in wenigen Sätzen angerichtet hat: Unter den »chondriosomen-
erhaltenden« Mitteln figuriert in der zweiten Abhandlung dieses Autors
nun plötzlich das 10%ige Formalin ! — Das 10%ige Formalin ganz
allein. Wo bleibt denn wieder die »starke FLEMMiNGsche Lösung«?
Zcllsliulicn. T. 467
Lewitsky hat ja gar incht mit 10%igem Formalin allein experimen-
tiert. Ist es nun erlaubt, mit 10%igem Formalin unter nachträglicher
ötägiger Behandlung mit »starkem Flemming<< seine Resultate fest-
zustellen, um diese alsdann auf Konto des 10%igen Formalins zu
setzen? Dagegen möchte ich allerdings energische Verwahrung ein-
legen; lassen wir derartige "Willkürliclikeiten passieren, so verlieren
wir gar bald den Kompaß in unserm wissenschaftlichen Betrieb.
Hätte Lewitsky auch nur ein einziges Präparat mit Formalin
allein (d. li. mit 10%igem Formalin + l%iger Chromsäure) fixiert, so
würde er zur Überzeugung gekommen sein, daß der Anblick des mit
Hämatoxylin gefärbten Schnittes ein anderer ist, wie wenn er das Objekt
der Nachbehandlung mit »starkem Flemming« unterwirft; er hätte
alsdann erfahren, daß die starke FlemmingscIic Lösung (mit oder
ohne Eisessig) erst den Effekt erzeugt, der dem Autor das Formalin
unter die >> chondriosomenerhaltenden << Mittel einzureihen erlaubt:
Lewitsky hätte erfahren, daß das 10%ige Formalin (+l%Cr03)
nicht mehr und nicht weniger » chondriosomenerhaltend << ist, wie
Alkohol.
Wir stehen hier also vor einer ganz ähnlichen Täuschung, wie sie
uns schon einmal begegnet ist. Dort glaubten wir annehmen zu müssen,
die starke FLEMMiNGsche Lösung sei nicht »chondriosomenerhaltend«,
weil sie unter der Bezeichnung »Bendas« Gemisch versteckt war;
und hier werden wir zur Überzeugung gedrängt, das 10%ige Formalin
erzeuge dieselben Bilder wie »Benda«, V2%ig® Osmiumsäure, Alt-
MANNsches Gemisch und schwache FLEMMiNGsche Lösung, weil ver-
schwiegen wird, daß der Fixierung mit Formalin eine (mehrtägige)
Nachbehandlung mit Flemmings starker Mischung folgte.
Die Behauptung Lewitskys, das Formalin rangiere als »chondrio-
somenerhaltendes << Mittel inmitten der ALTMANNschen und Flemming-
schen Gemische hätte — ihre Richtigkeit vorausgesetzt — in der Tat
zum Aufsehen mahnen müssen ; der Beweis ist aber nicht zu erbringen,
weil die Angabe Lewitskys eine wichtige Bedingung, unter der das
Experiment vorgenommen wurde, verschweigt. — Ziehen wir die
Korrekturen in Betracht, die wir im Interesse der Sache durchaus vor-
nehmen nuißten und die auch Lewitsky leicht selbst hätte besorgen
können, so verbleiben als >>chondriosomenerhaltende<< Mittel im Sinne
Lewitskys :
ALTMANNsches Gemisch ;
V2%ige Osraiumsäure (oder andere Konzentrationen),
Flemmixgs starkes Gemisch,
468 ,H.ch. Stauff acher,
Flemmings schwaches Gemisch; alle andern fixierenden Medien
wären »chondriosomenzerstörend <<.
Diese Zusammenstellung bringt nun sehr viel mehr Klarheit in
die Situation, wie wenn das schwache FLEMMiNGsche Gemisch >> chon-
driosomenerhaltend <<, das starke dagegen zerstörend, vveim 10%iges
Formalin »chondriosomenerhaltend <<, Alkohol dagegen wieder ver-
nichtend auf die »Chondriosomen << einwirken würde.
Bei den vorhin genannten >>chondriosomenerhaltenden« Mitteln
fällt nämlich ohne weiteres auf, daß sie alle Osmiumsäure ent-
halten. Diesem gemeinsamen Bestandteil verdanken nun ohne
Zweifel jene Substanzen den Vorzug, den man ihnen von einer Reihe
von Forschern vor andern fixierenden Flüssigkeiten einzuräumen be-
strebt ist. Lewitsky nennt sie geradezu >> die wahre Struktur des
Cytoplasmas erhaltende <<. Aber selbst Meves muß zugeben (s. S. 428
dieser Abhandlung), »daß der Kern infolge der starken Os-
mierung völlig homogen aussehe«; von allen Seiten wird darauf
aufmerksam gemacht, wie unzuverlässig die Osmiumsäure sei und
wie leicht Überfixierung eintrete, in welchem Falle dann die Zellen
»eigentümlich homogen oder glasig aussehen, weil alle ihre Bestand-
teile infolge der Koagulation das Licht so stark, brechen, daß man
wenig oder gar keine Einzelheiten darin wahrnehmen könne«, (Lee
und Mayer, Grundzüge d. mikrosk. Technik, 1901, S. 30) und auch
Lewitsky muß bekennen (S. 464 dieser Abhandlung), daß man in
manchen Fällen eine Zusammensetzung der Fäden (»Chondriosomen«)
aus Körnchen bemerke, »welche in einem weniger färbbaren Stroma
eingelagert sind«. Ein solches »Stroma« ist in der Tat vorhanden,
aber nicht nur in »manchen Fällen«, sondern immer: Es ist gar nichts
anderes als die oxychromatische Grundsubstanz, das eigentUch struk-
turierte Plastin. Und diese Struktur leidet bei Überosmierung zuerst;
diese oxyphile Grundsubstanz ist es, die alsdann leicht »ein homo-
genes Aussehen« annimmt, so daß man von ihr nichts mehr Genaues
wahrnehmen kann. Erhalten bleiben unter Quellungserscheinungen
bis auf weiteres bloß die Nucleoproteide bzw. die Nucleinsäuren
also das Basichroma tin , das sich bei der Färbung in Hämatoxylin
um so schärfer und unvermittelter vom Untergrund abhebt, je homo-
gener letzterer selbst ist. Das ist ja auch der Grund, weshalb Lewitsky
seine Formalinpräparate noch der Einwirkung von »starkem Flem-
MiNG« aussetzt imd zwar nicht weniger als 5 Tage, weil erst nach un-
gefähr dieser Zeit die Silhouette des Basichromatins in der Schärfe
auftaucht, wie sie nötig ist, um die Meinung zu erwecken, der Forscher
Zcllstudicn. f. 4G9
stehe hier vor ganz neuen Bildungen. Dieses Basichromatin repräsen-
tiert keineswegs die Struktur des Cytoplasmas; es hat überhaupt
keine Struktur, es sei denn eine chemische, die, im Mikroskop nach-
zuweisen uns wohl nie beschieden sein wird.
Bei der Überosniierung färben sich die Präparate schlecht oder
gar nicht mehr (Lee und Mayer, loc. cit. S. 30); d. h. auch das Basi-
chromatin leidet nach und nach unter der Wirkung dieser Substanz.
Nun polemisiert aber Meves gegen Goldschmidt und Popoff
wie folgt: . . . >>Auch davon kann keine Rede sein, daß die ,Mitochon-
drien' sich in derselben Weise wie Chromatin färben; das tun sie aller-
dings bei Anwendung der Eisenhämatoxylinmethode ; aber dieses färbt
eben alles und täuscht so, wie Benda sagt, die wunderbarsten Ver-
wandtschaften der verschiedenartigsten Gewebsteile vor« (F. Meves,
Die Spermatocytenteilungen bei der Honigbiene. Archiv f. mikrosk.
Anat. Bd. LXX. 1907).
Es berührt zunächst sonderbar, daß nach diesem Urteil über das
Eisenhämatoxylin verfahren Meves dennoch »zur Färbung vorwiegend
Eisenhämatoxylin nach der Vorschrift von M. Heidenhain benutzt«.
Indes spricht auch Lewitsky — wie Meves — von der färberischen
Differenz zwischen Chromatin und den »Chondriosomen«. Er sagt:
»Beziehungen zum Kern, wie solche Goldschmidt für seinen ,,Chromi-
dialapparat lebhaft funktionierender Zellen" angibt, konnte ich für die
eben besprochenen Gebilde in keinem Falle nachweisen. Im Gegen-
teil, ein abweichendes Färbungsverhalten, das die ,Chondriosomen'
einerseits und das Chromatin anderseits zeigen, läßt sich in manchen
Fällen! ganz deutUch beobachten. Ein solcher Fall ist gerade auf
Fig. 1 ersichthch. Während die Chondriosomen hier ungemein scharf
hervortreten, ist das Chromatin der sich teilenden Kerne fast unge-
färbt geblieben und sieht wie gequollen 2 aus.« (G. Lewitsky, Über
die Chondriosomen in pflanzlichen Zellen. Ber. d. Deutsch, bot. Ges.
Bd. XXVIII. 191L S. 540). Und was beobachtet denn Lewitsky in den
vielen andern Fällen? Solch ein »anderer Fall« liegt dicht neben
seiner Fig. 1 in Fig. 2 und unmittelbar daneben in Fig. 3 und wiederum
in Fig. 6 und in Fig. 10 und wahrscheinlich auch in Fig. 12. Der Fall,
aus dem Lewitsky seine Konsequenzen zieht, ist also in seiner Taf . XVII
umrahmt von nicht weniger als vier Fällen, die genau das Gegenteil
von dem beweisen, was Lewitsky behauptet. Ich bitte jeden Zellen-
forscher, sich die Fig. 2, 3, 6 und 10 genau anzusehen und mir zu
1 Von mir gesi^errt. Stauffacher.
2 Von mir gesperrt. Stauffacher.
470 Hch. Stauffacher,
sawen, worin denn eigentlicli hier die färberische Differenz zwischen
dem Chromatin und den »Chondriosomen << bestehen soll. Derartige
Vorkommnisse sind ja der eklatanteste Beweis dafür, daß die Tinktion
nach der Osmiumsäurebehandlung gänzlich unzuverlässig ist^. —
Daraus können wir wieder den Schluß ziehen, daß auch die von Meves
aus seinen mit Osmiumsäure fixierten Präparaten gezogenen Konse-
quenzen nicht stichhaltig sind. Zu diesem Resultate sind wir übrigens
auf einem andern Wege früher schon gekommen, nämlich durch direkte
Vergleichung seiner Objekte mit den durch Alkohol fixierten.
Auf S. 394 dieser Abhandlung haben war gesehen, daß sich Meves
damit begnügt, seine Schlußfolgerungen auf »einige Fälle«, von denen
er annimmt, sie repräsentieren den richtigen Differenzierungsgrad,
zu stützen. Genau die gleiche Erfahrung machen wir bei Lewitsky:
»Manche Fälle«, in denen Chromatin und »Chondriosomen« in ihrer
Tinktion nicht übereinzustimmen scheinen, genügen ihm, um eine
färberische Differenz zwischen Chromatin und »Chondriosomen« zu
proklamieren. Alle andern Fälle, die den Erwartungen nicht ent-
sprechen, bleiben unberücksichtigt und der Verdacht, die mangelnde
Übereinstimmung zwischen den tingierten Präparaten könnte auf die
Einwirkung des fixierenden Mediums zurückzuführen sein, regt sich
nirgends. Ich wiederhole daher, was ich schon früher betont: In der
Chondriosomenforschung und in der Centrosomenlehre finden wir genau
dieselben Schwächen: Einseitige Methode und willkürliche
Interpretation der durch sie gewonnenen Resultate.
Angesichts dieses Ergebnisses fällt die Behauptung Lewitskys,
daß der Alkohol »außer der Zerstörung der Chondriosomen noch andere
schädliche Wirkungen habe, die sich vor allem in der Bildung von
Gerinnseln in der Grundsubstanz äußern«, nicht mehr schwer ins
Gewicht. Unfehlbar ist ja zugestandenermaßen auch der Alkohol nicht;
aber die Osmiumsäure und ihre Gemische sind erst recht geeignet,
Artefakte zu erzeugen (s. auch Fischer, Fixierung usw. S. 28) und
eine unreinlichere Methode, wie die Osmiumsäure-, Eisenammonalaun-,
Hämatoxyhn-, Eiweiß-, Glycerinbehandlung gibt es meines Wissens
nicht.
Färbt man Schnitte durch die Wurzelspitze des Keimlings von
Pisum sativum mit Ehrlich-Biondis Lösung, so ergeben sich Bilder,
wie wir sie in Fig. 27 gezeichnet finden. In erster Linie fällt der relativ
1 Heideis^häin sagt (loc. cit. S. 117): ». . . osniierte Präparate sind schwierig
färbbar und die positiven Resultate der Untersuchung sind daher meist so gering,
daß der ganze Erhaltungszustand nur schwer zu beurteilen ist. «
i
Zoiistudicn. r. 471
gewaltige Nucleolus auf; seine Grundmasse besteht — wie überall —
aus Oxychromatin. In dieser oxychromatischen Grundsubstanz nimmt
man wiederum mit Leichtigkeit basichromatische Elemente wahr, wie
dies von mir nun öfters hervorgehoben wurde. Mit großer Deutlichkeit
kann man auch die inneren Kernbrücken verfolgen, die, vom Nucleolus
ausgehend, in den Kern münden und dort in basichromatischen Körn-
chen oder Tröpfchen endigen.
Einige dieser inneren Kernbrücken sind rot, andere hingegen
grün gefärbt. Die Grundsubstanz ist aber in allen Fällen oxychro-'
matischer Natur. Die gelegentliche grüne Deckung dieser Strukturen
kann ich niir auch hier nicht anders erklären, als durch einen im
Momente des Zelltodes erfolgten Transport basichromatischen Materials
aus dem Nucleolus in den Kern. — Eine Membran ist auch bei diesen
Nuclei absolut unauffindbar. Dagegen erkennt man äußere Kern-
brücken, die ins Cytoplasma hinüberreichen. Auch diese Strukturen
sind teils rot, teils grün tingiert. Diese äußeren Kernbrücken münden
ebenfalls regelmäßig in Tröpfchen oder Körnchen, d. h. ihr distales
Ende ist mit mikrosomalen Portionen einer Substanz besetzt, deren
Grünfärbung oft recht deutlich ist, während anderswo eine dunkelrote
Nuance an ihre Stelle tritt, in welchen Fällen die oxy chromatische
Unterlage der basichromatischen Elemente an dem färberischen Effekt
stark partizipiert. — An diese endständigen Tröpfchen der äußeren
Kernbrücken reihen sich nun ähnliche Tröpfchen perlschnurartig an
und solche Ketten oder Reihen basichromatischer Elemente erstrecken
sich in mehr oder weniger gewundenem Verlauf oft weit ins Cyto-
plasma hinein. Das Bild ist nicht anders zu erklären als durch die
Annahme, daß Tröpfchen um Tröpfchen des basichromatischen Ma-
terials aus dem Kern ins Cytoplasma hinüberfließt und zwar auf oxy-
chromatischer Unterlage, die allein in Bewegung ist und an deren
Strömung die basichromatischen Elemente passiv teilnehmen; denn
auch hier ist nicht die leiseste Andeutuno; von einer aktiven Bewegung
der letzteren zu finden. — Solche ketten- oder rosenkranzförmigen
Gebilde, die kürzer oder länger, gestreckt oder mehr oder weniger
gewunden sein können, trifft man nun auch in größerer Entfernung
vom Kern und zwar sowohl im Innern der Zelle, wie am Rande der-
selben an, wenn auch ihre randständige Lage — offenbar infolge der
an der Zellperipherie erfolgenden intensiveren Strömung der oxy-
chromatischen Grundsubstanz — eine häufigere ist. Neben diesen
Bildungen finden wir im Cytoplasma häufig einzelne solcher Körnchen,
wie wir sie soeben in Verbänden kennen gelernt haben oder es tritt der
472 Hch. Stauffacher,
Fall ein, daß die isolierten Körnchen überwiegen oder gepaart, »hantel-
förmig<< usw. auftreten. Immer aber sind es basichromatiscbe Ele-
mente auf oxycliromatisclier Unterlage, die samt und sonders dem
Kern und damit in letzter Linie dem Nucleolus entstammen. Ihre
basichromatisehe Natur ist — soweit die Grünfärbung in Ehrlich-
BiONDi nicht ohne Weiteres hervortritt — auf die weiter vorn ange-
gebene Art leicht festzustellen.
Die basichromatischen Elemente des Cytoplasmas werden um so
spärlicher, je weiter die Zellen von der fort wachsenden Wurzelspitze
entfernt sind. Jene nucleinhaltigen Portionen dominieren also auch
im vorliegenden Falle wiederum da, wo der Vorgang des Wachstums
und des Stoffwechsels sich in intensiver Weise abspielt: Diese vege-
tativen Prozesse sind — wir mögen hinblicken wohin wir wollen — •
abhängig von reichlichen Mengen von Nucleinstoffen, die aus dem
Kern ins Cytoplasma hinüber befördert werden.
In der Basis des Fruchtknotens von Chrysanthemum Leucanthemum
habe ich übrigens Zellen angetroffen, in denen die oben besprochenen
Körnchen und Fäden des Cytoplasmas in Ehrlich-Biondi ohne weiteres
prachtvoll grün erscheinen, ohne daß etwa eine Verdauung oder Ab-
blassung des Oxychromatins notwendig gewesen wäre. Die Fäden sind
deutlich rosenkranzförmig, aus hintereinander gereihten basichromati-
schen Kügelchen bestehend und eines dieser Gebilde sieht man eben
einer äußeren Kernbrücke entquellen (Fig. 28, Taf. XI). — Auch im
Nucleolus kann man basichromatisehe Elemente mit der größten
Deutlichkeit nachweisen. Hätten war diese Zelle mit Osmiumsäure-
gemischen fixiert und mit Hämatoxylin gefärbt, so würde sich —
besonders bei »Überosmierung« und damit Hand in Hand gehendem
Homogenwerden der Grundsubstanz — ein Bild ergeben haben, wie
wir es in Fig. 30, Taf. XX, gezeichnet.
Ein Teil der in Alkohol fixierten Zellen aus der Wurzel des Keim-
lings von Pisum sativum wurde ferner mit Hämatoxylin (nach der
Vorschrift Heidenhains) gefärbt. Fig. 29, Taf. XI, zeigt die bei
lOOOfacher Vergrößerung des Mikroskops aufgenommene Photographie
einer Partie dieser Präparate. Es ist klar, daß ein durch Mikrophoto-
graphie hergestelltes Bild in verschiedenen Beziehungen in Nachteil
ist gegen eine durch Handzeichnung erhaltene Keproduktion. 1) kon-
zentriert sich der Zeichnende auf das Hauptsächliche; er läßt alles
was nicht notwendig zum Thema gehört, weg. 2) Er hebt das zu De-
monstrierende unwillkürlich hervor, schärfer und größer vielleicht, als es
das mikroskopische Bild tatsächlich zeigt. 3) Er wird nicht nur eine
Zellstudien. I. 473
optische Ebene möglichst genau absuchen, sondern auch die tieferen
lind höheren Lagen des Schnittes ; er wird also eventuell im vorliegen-
den Fall nicht nur die »Chondriosomen « einer Ebene, sondern — um
ein möglichst sprechendes Bild zu erzeugen — auch diejenigen der
tieferen und höheren Lagen in seiner Zeichnung aufnehmen. Das ist
ja ohne Zweifel alles erlaubt, sofern der Forscher nicht notiert, was er
in seinen Objekten nicht einwandfrei zu sehen imstande ist.
Bei osmierten Präparaten tritt alsdann 4) noch eine Erscheinung
auf, die auch Meves hervorhebt und die bei der Untersuchung des
Chromatins unter Umständen gewisse Vorteile aufweisen kann. Die
oxychromatische Grundmasse wird homogen und es hebt sich davon
das durch Hämatoxylin schwarz gefärbte Chromatin in höchster
Schärfe ab.
Trotz der genannten unleugbaren Vorteile der zeichnerischen
Wiedergabe osmierter Präparate über die photographische nicht os-
mierter Objekte — welche Vorteile selbstredend schon den besprochenen
MEVESschen Figuren zugute kommen — läßt sich die Fig. 29, Taf. XI,
doch ohne weiteres mit den LEWiTSKYscheu Bildern der Taf. X\T^I
(Bei. d. D, bot. Ges. Bd. XXVIII) vergleichen, sofern wir einstweilen
die Fig. 7, 8, 14 und 19 unberücksichtigt lassen, weil wir sie später
an die Reihe zu nehmen gedenken. Legen wir einer der Zellen unsrer
Fig. 29 die LEWixsKYsche Zeichnungsart der Taf. XVII zugrunde, so
erhalten wir die Fig. 31, die an Vergleichsfähigkeit mit Lewitskys
Bildern — etwa mit Fig. 17 — gewiß so wenig zu wünschen übrig
läßt, daß wir uns allen Ernstes fragen müssen, ob diesem Forscher
wirklich gute mit Alkohol fixierte Präparate zur Verfügung standen.
Über seine Alkoholpräparate äußert sich Lewitsky — ohne eine
Abbildung beizubringen — wie folgt (loc. cit. S. 544): »Einige Keim-
linge von Asparagus officinalis wnirden auch mit Alkohol (3 Tage) und
Eisessig (1 Tag) fixiert. Von diesen wurden die Stengelspitzen mit
Eisenhämatoxylin und Lichtgrün gefärbt. In den dritten und vierten
Zellenschichten von oben, wo man in den nach Benda fixierten
Präparaten die schon ausgebildeten, ziemlich großen »Chromato-
phorenhanteln« findet (Fig. 6), war nichts davon zu sehen: nur das
gewöhnliche netz wabige »Plasmagerüst << war da. Ob die hier stellen-
weise hervortretenden etwas dichteren und stärker gefärbten Ver-
dickungen des Gerüstes den Chondriosomen entsprächen, war schwie-
rig zu entscheiden^. Erst etwas weiter von der Stengelspitze in
1 Von mir gesperrt. Stauff ACHER.
474 Hch. Stauffacher,
dem jungen Assimilationsparenchym ließen sicli verschwommene
lockere Gebilde wahrnehmen, die ihrem Aussehen nach bald den jungen
Chloroplasten (wie in Fig. 8), bald stäbchenförmigen Chondriokonten
ähnelten. Die fertigen Chromatophoren dagegen waren auch in diesem
Fall wohl erhalten ; sie glichen den in Fig. 9 abgebildeten. <<
Lewitsky wagt also an Hand seiner Objekte nicht zu entscheiden,
ob nicht gewisse Erscheinungen in den Alkoholpräparaten doch den
Chondriosomen entsprechen. Weshalb stellt er nun kurzerhand den
Alkohol zu den »Chondriosomen «zerstörenden Mitteln? Und wenn die
Mischung aus 3 Teilen (absol.?) Alkohol und 1 Teil Eisessig die schwe-
bende Frage ungelöst läßt, weshalb wendet Lewitsky alsdann nicht
auch andere Konzentrationen des Fixiermittels an ? Er liest doch auch
eine ganz bestimmte Formalinlösung, nämlich die 10%ige aus. Und
— sollten die Resultate immer noch nicht entscheidend sein — weshalb
läßt schließlich Lewitsky nicht auch auf die Alkoholfixation »starken
Flemming ohne Eisessig« folgen, wie dies nach der Fixierung mit
Formalin geschah, die ja an und für sich scheints auch nicht genügte? —
Was endlich Lichtgrün hier zur Entscheidung beitragen soll, ist mir
persönlich unerfindlich.
Die »Chondriosomen« Lewitskys sind nichts anderes, als basi-
chromatische Elemente, die den Kern entstammen. Diese Beziehung
zwischen Kern und »Chondriosomen« bzw. »Chondriokonten« ist
bereits von Goldschmidt i und Tischler^ hervorgehoben worden.
Die Bemerkung Lewitskys (loc. cit. S. 65), daß die Fäden ganz
isoliert im Cytoplasma verlaufen, widerspricht der basichromatischen
Natur dieser Elemente durchaus nicht; denn bei der Osmierung wird
— wie wir bereits gehört — die Grundsubstanz mehr oder weniger
homogen und durch Hämatoxylin ist sie nicht färbbar, so daß in diesem
Fall in der Tat die basichromatischen Portionen des Cytoplasmas,
gleichgültig ob Körnchen oder ihre perlschnurartigen Aufreihungen
zu fadenförmigen Gebilden, den Eindruck erwecken, als schwebten
sie isoliert in der Zelle. Hätte Lewitsky nicht einseitig auf seine
Osmiumpräparate aufgebaut, so würde er wohl zu einem andern Schluß
gekommen sein.
Auch die Behauptung, daß man die »Chondriosomen« in lebenden
Zellen etwa herumkriechen sehe, erschüttert meinen Standpunkt, daß
jene Gebilde lediglich dem Kern entstammende Basichromatinportioneu
1 Zool. Jalirb., Abt. f. Anat. u. Ontog. Bd. XXT. 1905.
2 Jahrb. f. wiss. Bot. Bd. XLII. 1906.
Zellstudicn. T. ' 475
seien, nicht im Geringsten. Denn letztere, wenn sie aus dem Nucleolus
(bzw. Nucleolus) ins Cytoplasma hinausgelangen wollen, müssen sich
ja auch bewegen und diese Dislokation basichromatischer Tröpfchen
habe ich in den Zellen der Froschlaichalge {Batrachospermum) oft
genug beobachtet.
Dasselbe hat ohne Zweifel Gaidukov gesehen, wenn er sagt^
(S. 50) : »Er (der Kern der Blumenstaubhaare von Tradescantia) ist
amöbenartig, verändert ständig seine Form und enthält ebenfalls
bewegliche Teilchen^, die aber größer sind, als die vom Proto-
plasma und sehr nahe aneinander liegen. Leider konnte ich die Kern-
teilung bis jetzt nicht beobachten. Es scheint, daß dieses feine Objekt
durch die starke Beleuchtung sehr leidet. Ich konnte nur die Stadien
beobachten, in denen der Zellkern sehr unruhig war. Dabei^ traten
einige Zellkernteilchen (Chromidien ?) aus dem Zellkern ins
Protoplasma und bewegten sich dort weiter.«
Opponieren muß ich bloß gegen die Bezeichnung »herumkriechen«.
Tatsächhch ist nämlich die Bewegung keine Kriechbewegung, also
keine Eigenbewegung jener Elemente; sie fließen vielmehr in der
Zelle herum und zwar passiv, im Strom der oxychromatischen Grund-
substanz.
Nach dieser Identifizierung der Chondriosomen mit den dem Kern
entstammenden basichromatischen Elementen, würde die Lehre Le-
wiTSKYs und andrer Forscher über die Bildung der Chlorophyllkörner
mit meinen eigenen Beobachtungen und Anschauungen über die
Entstehung dieser Gebilde eine gewisse Übereinstimmung zeigen,
wobei allerdings zu bedenken ist, daß Lewitsky das Oxychromatin
vernachlässigt, das auch die Grundsubstanz der Chlorophyllkörner
bildet.
AnläßUch der Tagung der schweizerischen naturforschenden Ge-
sellschaft in Basel im Jahre 1910 hielt ich dort einen Vortrag 3, in welchem
ich die Anteilnahme von Basi- und Oxychromatin des Kernes an der
Bildung der Chlorophyllkörner hervorhob und mit zahlreichen Ab-
bildungen und Präparaten belegte. Aus dem kurzen Resümee über
meine Ausführungen möchte ich hier das Folgende herausgreifen:
»Bei meinen fortgesetzten Studien am Kernrande pflanzlicher und
1 X. Gaidukov, Dunkflfoldbelcuclitung und ültraniikroskopie in der
Biologie und in der Medizin. 1910. Jena, G. Fischer.
2 Von mir gesperrt. Stauffacher.
3 Verhandlungen der Schweiz. Naturforschcnden Gesellschaft. 03. Jahres-
versammlung. Basel 1910. Bd. I.
476 Hch. Stauffaclier,
tierischer Zellen fiel mir schon längst die eigenartige und ohne Zweifel
innige Beziehung zwischen dem Kern pflanzlicher Zellen und den
Chlorophyllkörnern auf. Die Abhängigkeit der Chlorophyllkörner vom
Zellkern ist besonders da sehr deutlich, wo die ersteren noch jung, also im
Entstehen begriffen sind. Es zeigt sich z. B. in solchen Fällen i, da
die Chlorophyllkörner den Nucleus nicht nur dicht umstellen, sondern
(geradezu in die Substanz des Kernes eingebettet sind, derart, daß dem
vollkommen runden Chlorophyllkorn eine ebensolche Einbuchtung
im Kern entspricht, die jenes genau faßt. Zu beachten ist, daß es sich
hier nicht etwa um eine Projektion der Chlorophyllkörner auf den
Nucleus, sondern um Schnitte von 2 — 4 f^i handelt, welche die genannte
Erscheinung leicht und in beliebiger Zahl zeigen.
Die Situation ist nur dadurch zu erklären, daß wir annehmen,
die Chlorophyllkörner seien da, wo sie jetzt liegen, entstanden und
zwar aus dem Kern. In der Tat sieht man denn auch den Zellkern
m dem Maße kleiner werden, wie die Zahl der ihn umlagernden Chloro-
phyllkörner sich vergrößert und es gibt sehr viele Fälle, wo nur noch
ganz geringe Reste des Nucleus zwischen dem Kranz der Chlorophyll-
körner übrig geblieben sind. In andern Fällen sind auch diese letzten
Spuren des Kernes verschwunden; letzterer wäre also ganz in den
Chlorophyllkörnern aufgegangen.
Bei genauerer Untersuchung dieser Verhältnisse ergab es sich
ferner, daß die Kernbrücken, die ich früher beschrieben, auch bei der
Bildung der Chlorophyllkörner eine Rolle spielen und den Stofftrans-
port zwischen diesen und dem Kern besorgen. Das vermittelst dieser
Kommunikation am Nucleus hängende Chlorophyllkorn ähnelt der
Seifenblase, die man aus einem Röhrchen bläst.
>> . . . bei tausendfacher Vergrößerung beobachtet man im Chloro-
phyllkorn bei Färbung in Ehrlich-Biondi noch ein feines grünes
Netz . . . Die Fäden dieses Netzes (es könnten auch Wandungen
eines Waben Werkes sein) sind deutlich grün gefärbt; ihre Durch-
kreuzungspunkte sind verdickt und diese Verdickungen sind eben-
falls grün tingiert. Das Netz besteht also mit samt seinen Knoten-
punkten aus Basichromatin . . .<< — Zwei Abbildungen, wie ich sie
meinen Präparaten von Chrysanthemum Leucanthemum entnahm und
die denjenigen in Basel demonstrierten vollständig entsprechen, zeigen
die Fig. 32 und 33 der Taf. XI, wo n der Kern und ch ein Chloro-
phyllkorn ist.
1 Besonders eingehend untersucht wurde Fritillaria imperialis.
Zrllwtiulion. 1. 477
c. Die kugelf(")riniji,en Mitochondricn.
Auf S. 95 der »Study of tlie Male Germ Cells in Notonecta<<^ sagt
E.N.Browne: (übersetzt) >>. . , Es ist also klar, daß die Mitochon-
drien zweierlei Art sind: Fäden und Kugeln. Die Kugeln kom-
men hauptsächlich um die Kernperipherie herum vor^ und
bilden häufig einen vollständigen Kreis darum herum; die Fäden er-
scheinen gewöhnlich weiter draußen im Cytoplasma und neigen dazu,
sich in mehreren, dichten Klumpen zu sammeln.
Die Beziehung zwischen Fäden und Kugeln s. Fig. 113.
Die Kugeln zeigen eine gekrümmte Rute (Faser), die sich am
Rande ungefähr halb um den Umfang erstreckt; der Rest der Kugel
ist weniger tief färbend^. Durch ein allmähliches Verschwinden
dieser weniger dichten Substanz verwandelt sich die Kugel in eine
Faser oder vielmehr: Die Faser, welche schon in der Kugel war, wird
frei. Ob die Fasern immer in dieser Form entstehen, ist unmöglich
zu sagen . . . Wenn die Zelle sich teilt, teilen sich auch die Mito-
chondricn massenhaft, so daß jede Tochterzelle annähernd den gleichen
Betrag erhält . . . <<
Nach dem, was wir bis jetzt erfahren, müssen wir — E. N. Browne
ergänzend — beifügen, daß man auch von körnchenf ör migen >>Mito<<-
chondrien spricht. Dieser Ansicht ist übrigens auch Lewitsky, wenn
er sagt (Über d. Chondriosomen in pflanzlichen Zellen, S. 544) :>>.... In-
teressant ist es, daran zu erinnern, daß die »auflösende« Wirkung von
Essigsäure von Brunn für »Körner« (d.h. Mitochondria)^ in den
Spermatidenkörper verschiedener Tiere bereits im Jahre 1884 beob-
achtet wurde. << Oder S. 539: »Nach Meves lassen sich also die Mito-
chondria, welche das Spermatozoon (von Ascaris) ins Eiplasma bei
der Befruchtung mitbringt, als »Träger erblicher Anlagen« ebensogut
wie der Spermakern betrachten . . . << Oder S. 543 : »An den Zellen
der Wurzelhaube ... ist sehr schön die Umwandlung von homo-
genen Fäden (,Chondriokonten') der Initialzellen in Körnerfäden
(,Chondriomiten') der Zellen in der Mitte der Wurzelhaube . . . und
dann in Körner (,Mitochondria') der Zellen aus der Spitze der Wurzel-
haube ... zu beobachten.«
Sodann ist darauf aufmerksam zu machen, daß nicht nur die
kugelförmigen, sondern auch die faden- und körnchenförmigen »Mito-
chondricn« sich unter Umständen in sehr verdächtiger Nähe des Zell-
1 Journ. of Experim. Zool. 1913. Vol. XIV.
2 Von mir gesperrt. Stauffacher.
Zeitsclirift f. wissensch. Zoologie. CIX. Bd. 32
478 Hch. Stauffacher,
keines aufhalten. So sagt z. B. Meves in seiner oben zitierten Arbeit
Ȇber die Beteiligung der Plastochondrien an der Befruchtung des
Eies von Ascaris megaloce'phala<<: ». . . Mit Hilfe dieser Methode sind
sie (die »Mikrosomen« Van Benedens) schon von den Gebrüdern
ZoJA . . . dargestellt worden, welche sie als Plastidulen bezeichnet
haben. Ich nenne sie Plastochondrien. Sie finden sich durch den
ganzen Zelleib zerstreut. Stellenweise bilden sie Gruppen. Außerdem
sind sie . . . unter der Zelloberfläche (an Eiern, die sich erst kürzlich
von der Rhachis gelöst haben, besonders in der Gegend des sogenannten
disque polaire von Van Beneden) und an der Membran des Kernes
stärker angehäuft . . .<<
Die kurze Beschreibung, die E. N. Browne von den kugelförmigen
»Mitochondrien << in den männlichen Geschlechtszellen von Notonecta
gibt, erinnert uns nun vollständig an die Drüsengranula die M. Heiden-
hain auf S. 372 — -380 seines Werkes »Plasma und Zelle« aus der Becken-
drüse von Triton Jielveticus und aus der Tränendrüse des Kalbes be-
schreibt. Auch die Abbildungen 111 — 117 von E. N. Browne stim-
men — wie unschwer zu erkennen ist — mit den HEiDENHAiNschen
Figuren (z. B. Fig. 223 c, (?, e und 223) i, besonders mit der »zweiten
Entwicklungsstufe« der Drüsengranula überein. Heidenhain sagt
nämlich über dieses Stadium Folgendes: »Die Granula nehmen au
Größe zu und bekommen eine besondere Struktur: sie werden zu
Halb mondkör per che n. Sobald nämlich die Granula etwa 1 /i im
Durchmesser halten, erscheint an ihnen einseitig angelagert eine dunk-
lere Zone, so daß die Körperchen jetzt eine bestimmte morphologische
Zusammensetzung aufweisen. Daß es sich hier um eine besondere
Binnenstruktur handelt, läßt sich leicht erkennen, wenn die Körper-
chen weiterhin an Größe zugenommen haben. Man gewahrt ein solides
sphärisches Gebilde, bestehend aus zwei scharf gesonderten Teilen.
Ein meist kugeliges, blaß gefärbtes Körperchen, der von mir soge-
nannte »Träger«, wird auf der einen Seite von einer dunkleren schalen-
förmigen Kapuze bedeckt, deren optischer Querschnitt mithin sich
unter der Form einer Sichel präsentiert. Die Trennungsebene zwischen
der helleren und dunkleren Masse ist gewölbt, gleich dem Teil einer
Kugeloberfläche, doch kann sich dieselbe so stark abplatten,
daß eine Krümmunsi; nicht mehr wahrnehmbar ist^ , . . Dies
1 Die Fig. 225 und 226 in Heidenhains Werk stammen aus : B. Fleischer,
»Beiträge z. Histologie d. Tränendrüse und zur Lehre von den Secretgranula «.
Anat. Hefte 1904.
2 Von mir gesperrt. Stauffachee.
ZcllstudicMi. I. 479
sind also die Halbmondkörpcrchen . . . Ihre BetraclituDg ruft
direkt den Eiudmck hervor, als ob diese Gebilde aus eigener Kraft
wachsen und sich selbständig differenzieren. Die Regelmäßigkeit und
Schönheit der Bilder, welche in voller Gesetzmäßigkeit und größter
Deutlichkeit sich über weite Strecken der Präparate hin wiederholen,
läßt keinen Zweifel darüber aufkommen, daß wir es hier mit einem
der bemerkenswertesten Objekte der gesamten Granula-
lehre zu tun haben . . .<<
Aus der mir bekannten und zugänglichen botanischen Literatur
zu schließen, wären die »Halbmondkörperchen <<, wie wir sie vorläufig,
nach dem Vorschlage Heid:enhains, nennen können, bei Pflanzen
noch nicht beschrieben i.
Und doch existieren sie
auch hier, genau der
oben notierten Ausfüh-
rung Heidenhains ent-
sprechend und präzise
übereinstimmend mit
den HEiDENHAiNschen
und FLEiscHERschen Bil-
dern, sofern momentan
die Tinktion dieser Ele-
mente nicht in Betracht
gezogen wird. Diese Drüsengranula Heidenhains oder >> kugeligen
Mitochondrien « von E. N. Browne zeigen also eine noch allgemeinere
Verbreitung wie dies bisher angenommen wurde. Bis jetzt habe ich
sie sehr schön angetroffen bei Compositen, z. B. bei Chrysanthemum
Leucanthemum imd zwar in den großen Zellen, welche die Basis des
Griffels bilden (s. obenstehende Textfigur). Höchst wahrscheinlich
kommen sie auch bei andern Pflanzen vor. Ich muß jedoch betonen,
daß man die '>Halbmondkörperchen << nicht in jeder Blüte eines und
desselben Köpfchens von Chrysanthemum antrifft. In den von mir
bis jetzt untersuchten Blutenständen waren es besonders die peripheren
Blüten, welche diese Elemente sehr deutlich zeigten. Es wäre aber
möglich, daß das Erscheinen der Halbmondkörperchen an ein ganz
bestimmtes Entwicklungsstadiuni des Griffels geknüpft wäre, und daß
— da der Blütenstand von Chrysanthemum centripetal aufblüht — die
1 Auch Heidenhain hätte ohue Zwcift-l in seinem Werke Notiz davon
genommen, wenn diese Gebilde (vor 1907) auf botanischem Gebiete bekannt
gewesen wären.
32*
480 Hch. Stauffacher,
inneren Blüten meiner Präparate später ebenfalls zur Erzeugung solcher
Gebilde gekommen wären ; denn bei den von mir gesammelten Pflanzen
war erst der äußerste Kranz der Röbrenblüten geöffnet.
Ich werde später auf diese »Halbmondkörperchen << genauer zu
sprechen kommen; hier wollen wir sie nur so weit berücksichtigen,
als es unser Thema erfordert. In Fig. 34, Taf. XI, ist eine Gruppe
von Zellen aus der Griffelbasis von Chrysanthemum Leucanthemimi
mit »Halbmondkörperchen« gefüllt, gefärbt in Ehrlich-Biondis
Lösung, möglichst genau gezeichnet und in den Fig. 35a — d, Taf. XI,
eine Anzahl dieser Gebilde stärker vergrößert dargestellt.
Die »dunklere schalenförmige Kapuze«, die sich nach Heiden-
hain (loc. cit. S. 373, Fig. 220A u. B) nach Sublimatfixation in Biondis
Lösung ganz oder doch überwiegend rot färben soll, tingiert sich jetzt,
nach Alkoholfixation leuchtend grün^ mit Hämatoxylin (nach
Heidenhains Verfahren) natürlich schwarz (s. auch E. N. Browne,
loc. cit. Fig. 112 — 117). Meine Vermutung, die ich auf S. 421 dieser
Abhandlung aussprach, bestätigt sich also vollkommen: Die charak-
teristische Reaktion des Methylgrüns auf Nucleine versagt oder
wird zum Mindesten sehr unzuverlässig nach Fixation mit Sublimat;
die Ursache dieser Erscheinung ist vorn erörtert worden. — Zerstört
aber werden die »kugelförmigen Mitochondrien« durch
Alkohol ebensowenig wie die Plastochondrien von Meves
und die Chondriosomen von Lewitsky.
Die Sichel dieser Halbmondkörperchen (die übrigens auch ge-
schlossen sein kann) besteht also aus Basichromatin, enthält sogar
sehr viel von diesem Material, was mit größter Leichtigkeit nachzu-
weisen ist. Der Binnenraum des Körperchens färbt sich — falls er
nicht selbst mit Basichromatin ganz oder beinahe gefüllt ist — in
Ehrlich-Biondis Lösung schwach rot ; hier und da scheint er mir auch
ganz hell, also ohne rote Tönung zu sein. Diesem Raum nun entsteigt,
wie ich in einer großen Zahl sehr guter Schnitte haben sehen können,
ein Stielchen, das oft von relativ bedeutender Länge sein kann; es ist
in den Fig. 34a und h an einigen Orten angedeutet und in Fig. 35&
vergrößert abgebildet i. Die Basis dieser Struktur ist blasser gefärbt
wie ihr äußeres Ende, das nicht selten in einem basichroma tischen
Tröpfchen abschließt (Fig. 356). Diese Beobachtung macht uns das
kleine Kreischen im Innern des hellen Binnenraumes verständlich (3),
wie es bereits von Fleischer in seinen Figuren (Heidenhain, Plasma
und Zelle, S. 378, Fig. 225) gezeichnet wurde und wie es in meinen
1 Dieses »Stielchen« erinnert lebhaft an die Kernbrücken.
Zcllsfudicn. I. 481
Präparaten ebenfalls sein- liäulig gesehen werden kann (Fig. 34c und
Fig. 35(/) untl hier meistens scharf rot tingiert erscheint: Es ist nichts
anderes als die Projektion des senkrecht zum Gesichtsfeld stehenden
tStielchens auf die Bildebene.
Die Entwicklung und die physiologische Rolle dieser Halbmond-
körperchen sind von mir bis jetzt noch nicht genauer verfolgt worden,
so daß ich in dieser Beziehung den Ausführungen Heidenhains vor-
läufig nichts Definitives beifügen kann. Doch dürfte ihre Entstehung
aus Granula des Cytoplasmas, wie sie Heidenhain annimmt, sehr
fraglich sein; wahrscheinlicher ist ihre Bildung durch den Kern. Nicht
nur liegen sie oft in verdächtiger Nähe der Kernperipherie, was bereits
E.N.Browne bemerkt hat: Auch die Stielchen dieser Bestandteile
des Cytoplasmas passen wenig zu einer Theorie des Wachstums aus
Granula oder einer Verschmelzung der letzteren untereinander. Auf-
fallen nuiß ferner, daß die Kerne derjenigen Zellen, welche Halbmond-
körper enthalten, keine Nucleolen mehr besitzen und es ist daher nicht
ausgeschlossen, daß in diesen Bildungen direkt ins Cytoplasma aus-
gewanderte nucleolare Substanz vorliegt. Ich hoffe, über diese Ver-
hältnisse bald genauere Auskunft geben zu können.
Einverstanden erkläre ich mich mit Heidenhain, wenn er die-
sen Elementen eine ganz spezielle Funktion zuschreibt. Die An-
hänger der »Chondriosomeulehre << dagegen identifizieren ^ diese
»Halbmondkörperchen « ohne weiteres mit den »Plastochondrien «
und »Chondriosomen<<. Das geht klar daraus hervor, daß sie als »Mito-
chondrien« bezeichnet werden. Wir finden also hier einen neuen Beleg
für die Behauptung, daß die Theorie der »Chondriosomen << auf durch-
aus ungenügenden Beobachtungen aufbaut und nicht nur die wahre
Natur der Dinge verkennt, sondern auch Erscheinungen zueinander
in Beziehung bringt, deren Zusammengehörigkeit ausgeschlossen oder
doch als sehr unwahrscheinlich zu betrachten ist. — Die Anwendung
einseitiger Methoden und gefügiger Mittel, verbunden mit einer will-
kürlichen Interpretation der durch sie gewonnenen unzuverlässigen
Resultate werden eben immer zu Irrtümern führen, das hat in der Bio-
logie der Zelle nicht nur die Theorie der »Centrosomen << bewiesen,
es wird auch bestätigt durch die moderne »Chondriosomeulehre«.
Frauenfeld (Schweiz), September 1913.
1 Möglicherweise liegen auch in den Fig. 7, 8 und 14 (lUV), Tuf. XVII,
dei" Abhandhing Le\\7Tskys (loc. cit.) solche »Halbmondkörperchen« vor. Letztere
dürften aber — aus ihrer Verbreitung im Tierreich zu schließen — schwerlich
etwas mit der Chlorophyllkörnerbikiung zu tun haben.
482 Hell. Stauffacher,
Erklärung der Abbildungen.
Tafel X.
Fig. 1. Anodonta piscinalis. Ei. Alkoholfixation. Verdauung in Pepsin-
HCl: 9 Stunden. Färbung in Fuchsin-Methylenblau, n, Kern. Vom Nucleolus
ist nur der (später) kleinere ( » cyanophile «) Teil erhalten. Nach mikroskopischen
Präparaten gezeichnet. Die Figur sollte blau gefärbt sein.
Fig. 2. Anodonta piscinalis. Ei. Alkoholfixation. Trypsinverdauung :
9 Stunden. Färbung in Fuchsin-Methylenblau, n. Kern. Vom Nucleolus ist
nur der (später) größere ( » ery throphile «) Teil gefärbt. Das Nuclein des cyano-
philen Teils ist gelöst. Die Grundsubstanz dieser Partie ist zwar noch vorhanden;
sie nimmt aber kein neutrales Fuchsin auf. Nach mikroskopischen Präparaten
gezeichnet.
Fig. 2a. Anodonta piscinalis. Ei. Nucleolus. Alkoholfixation. Trypsin-
verdauung: 12 Stunden. Färbung in Ehrlich-Biondis Lösung. Die saure Kom-
ponente dieses Farbstoff gemisches wird von der Grundsubstanz beider Nucleolar-
teile aufgenommen. Nach mikroskopischen Präparaten gezeichnet.
Fig. 2b u. c. Fritillaria imperialis. Pollenkörner. Fixation: abs. Alkoli.
Fig. 2h gefärbt in Fuchsin-Methylenblau. Die Grundsubstanz der Zelle nimmt
kein Fuchsin auf (hier und da ist eine Spur von Rotfärbung zu sehen). Fig. 2 c ge-
färbt in Ehrlich-Biondis Lösung. Die Grundsubstanz der Zelle hat die saure
KomjDonente des Farbstoffgemisches intensiv aufgenommen. Fig. 2b. Farben-
photographie nach Ltjmiere. Fig. 2 c. Nach mikroskopischen Präjjaraten ge-
zeichnet. Fig. 2& sollte blau gefärbt sein.
Fig. 3 — 8o. Ascaris megalocephala. Eier in die das Spermium eingedrungen
ist. Fixation: 70%Alkoh. Mikrophotographien nach lOOOfacher Vergrößerung
des Miki'oskops.
Fig. 3. Das Sperma entleert eine große Zahl basichromatischer Körnchen
oder Tröpfchen in das Cytoplasma des Eies. Der Eikern auf dem Stadium der
Richtungskörperbildung. Färbung in Säurefuchsin. Gefärbt ist nur die kon-
forme oxychromatische Grundlage der basichromatischen Elemente. Autochrom -
aufnähme nach Ltjmiere und Dr. Smith.
Fig. 4. Ebenso wie in Fig. 3. Aber Färbung in Hämatoxylin (nach Hei-
denhain). Nun färbt sich die basichromatische Deckung der Elemente, die sich
in Fig. 3 mit Säurefuchsin gefärbt.
Fig. .5. Wie Fig. 3 und 4. Eikern durch den Schnitt nicht getroffen. Fär-
bung in Hämatoxylin (nach Heidenhain).
Fig. 6. Wie Fig. 3, 4 und 5. Kernbrücken am Spermium deutlich sichtbar.
Färbung in Hämatoxylin (nach Heidenhain).
Fig. 7. Wie in den Fig. 3, 4, 5 und 6. Das Spermium hat mit der Aussaat
der basichromatischen Elemente noch nicht begonnen. Das Körperchen unge-
fähr in der Mitte, links vom Spermium ist Verunreinigung. Färbung in Häma-
toxylin (nach Heidenhäin).
Fig. 8. Wie in den Fig. 3 — 7. Eikern in der Richtungskörperbildung.
»Spermakern« mit vielen Kernbrücken. Lebhafte Aussaat von Nuclein durch
das Spermium. Färbung in Hämatoxvlin (nach Heidenhain).
Zfllstudirn. I. 483
Fig. 8«. Ei aus der Xälie des Priiparates der Fig. 8. Stadium wie Fig. 8.
Eikeru im Schnitt nicht getroffen. Pepsin-HCi- Verdauung. Färbung in Ehr-
LiCH-BiONDis Lösung. Die vom Spermium ausgesäten Elemente sind nicht ver-
daut (d. h. ihre oxychromatische Gruiidsubstanz bloß ist verschwunden) und
nehmen die basische Komponente des EiiRLicii-BiONDischen Farbstoffgemisches
auf. (Basiehromatin). Man vergleiche diese Fig. 8a mit Fig. 3 !
Fig. 9 u. 10. Ascaris megalocephala. Eier, in die das Spermium noch nicht
eingedrungen ist. Kern im Stadium der Richtungskörperbildung. — Cytoplasma
dieser Zellen beinahe frei von basichromatischen Elementen. Fixation: 70% Alkoh.
Färbung: Hämatoxylin (nach Heidenhain). Photographie nach lOOOfacher
mikroskopischer Vergrößerung.
Fig. 11 u. 12. Ascaris megalocephala. Befruchtete Eier im Stadium der
ersten Furchung. Fixation: 70"^ Alkohol. Fig. 11, 116 und 12. PhotOgr. nach
lOOOfacher mikrosk. Vergr. Fig. IIa. Zeichnung nach mikrosk. Präparaten.
Fig. 11. Chromosomen und Centrosomen. Im Cytoplasma zahlreiche basi-
chromatische, dem Spermium entstammende Elemente. Färbung: Hämatoxylin
(nach Heidenhain).
Fig. IIa. Wie Fig. 11. Färbung in EuRLicii-BiONDischer Lösung.
Fig. 116. Wie Fig. 11 und IIa. Basichromatische Elemente im Cytoplasma
(dem Spermium entstammend) sehr gut zu sehen und zaliheich. Färbung:
Hämatoxylin (nach Heidenhain).
Fig. 12. Erste Fm-chung beendigt, Basichromatische Elemente im Cyto-
plasma immer noch sichtbar, aber weniger zahlreich wie in Fig. 116. Färbung:
Hämatoxylin (nach Heidenhain).
Fig. 14 — 19. Ascaris megalocephala. Zellen, welche von der Uteruswand
in das Lumen des üterusschlauches ragen. Fixation: 70^^ Alkohol. Färbung:
Hämatoxylin (nach Heidenhain). Mikrophotographien nach lOOOfacher Vergr.
des Mikroskopes. Alle Zellen enthalten im Cytojiksma reichlfch basichromatische
Elemente, die denjenigen der Fig. 3 — 8a vollständig entsprechen. Das Basi-
ehromatin tritt in Form größerer oder kleinerer Körnchen (Tröpfchen) oder Fäden
auf; letztere bestehen aus perlschnurartig hintereinander gei-eihten Körnchen.
Fig. 26a, b, c. Spermien von Ascaris megalocephala. Fig. 26a u. 6. kegel-
förmige (reife) Spermien. Fig. 26c Spermium mit »Glanzkörper«. In allen drei
Spermien sieht man den »Spermienkern « mit z. Teil sehr deutlichen Kernbrücken.
Um den »Spermienkern « sind zahlreiche basichromatische Körnchen gesetzmäßig
angeordnet. Im »Glanzkörper« bemerkt man netzartige Strukturen. Fixation:
70% Alkohol. Färbung: Fig. 26a u. c EHRLiCH-BiONDische Lösung. Fig. 266
Hämatoxj-hn (nach Heidenhain).
Tafel XI.
Fig. 13. Ascaris megalocephala. Ei. Wie die Fig. 3 — 8a. Sperma einge-
drungen imd mit der Aussaat basichromatischer Elemente beginnend. Eikern in
der Richtungskörperbildung. Im »Spermakern« ein Quartett von basichroma-
tischen Kügelchen sichtbar. Fixation: 70% Alkohol. Färbung: Ehrlich-Bi-
ONDische Lösung. Nach mikroskop. Präparat gezeichnet.
Fig. 21 — 24. Ascaris megalocephala. Zellen, welche von der Uteruswand
in das Lumen des Uterusschlauches ragen. Wie die Fig. 14 — 19. Fixation: 70%
484 Hch. Stauff acher, Zellstudicn. I.
Alkohol. Färbung: Hämatoxyhn (nach Heidenhain), Mikrophotogr. nach 1000-
facher Vergr. d. Miki'oskops.
Fig. 23 u. 24. Verdauung vor der Färbung in Pepsin-HCl.
Fig. 25. Ascaris megalocephala. Ei. WiedieFig.il — 11&. Erste Furchung
Im Cytoplasma kleinere und größere basichromatische Elemente. Fixation:
70% Alkohol. Färbung: Hämatoxyhn (nach Heidenhain). Photographie nach
lOOOf acher Vergr. des Mikroskops.
Fig. 27. Pisum sativum. Zelle aus der Wurzelspitze des Keimlings. Großer
Nucleolus mit basichromatischen Einschlüssen. Innere und äußere Kernbrücken.
Dem Kern entströmen reihenweise basichromatische Tröpfchen. Fixation: 50%
Alkohol. Färbung: EnnLiCH-BiONDische Lösung. Nach mikroskrosk. Präparat
gezeichnet.
Fig. 28. Chrysanthemum Leucanthemum. Zelle aus der Basis des Griffels.
Relativ großer Nucleolus mit basichrom. Einschlüssen. Kernbrücken. Basi-
chromatische Elemente werden in zum Teil langen Körnchenreihen an das Cyto-
plasma abgegeben. Fixation: 70% Alkohol. Färbung: EHBLiCH-BiONDische
Lösung. Nach mikroskop. Präparat gezeichnet.
Fig. 29. Pisum sativum. Zellengruppe aus der Wurzelspitze des Keimlings.
Im Cytoplasma zahlreiche basichromatische Elemente ( »Chondriosomen «). Fixa-
tion: 70% Alkohol. Färbung: Hämatoxyhn (nach Heidenhain). Mikrophotogr.
nach lOOOfacher Vergr. d. Mikroskops.
Fig. 30. Die Fig. 27 nach Fixierung mit Osmiumsäure und Färbung in
Hämatoxyhn (nach Heidenhain) gedacht.
Fig. 31. Eine Zelle der Fig. 29 nach Fixierung mit Osmiumsäure und
Färbung in Hämatoxyhn (nach Heidenhain) gedacht.
Fig. 32 u. 33. Chrysanthemum, Leucanthemiim. Kerne aus den Zellen des
Griffels in der Chlorophyllkörner bildung begriffen, n, Kern; ch, Chloroijhyll-
korn mit oxychromatischer Grundsubstanz und darin eingelagerten basichroma-
tischen Elementen. Fixation: 70% Alkohol. Färbung: EHBLiCH-BiONDische
Lösung. Nach mikroskoj). Präparat gezeichnet.
Fig. 34. Chrysanthemum Leucanthemum. Dx-ci Zellen aus der Griffelbasis
mit »Halbmondkörperchen «. Fixation: 70% Alkohol. Färbung: Ehrlich-
BiONDische Lösung. Nach mikroskop. Präparat gezeichnet.
Fig. 35a — d. Einige »Halbmondkörperchen« der Fig. 34 stärker vergrößert.
über die Entstehung der Bindegewebsfasern bei den
atherosklerotischen Aortaverdickungen.
Beitrag zur normalen Entwicklung des Bindegewebes.
Von
Dr. Serafino d'Antona
(Siena).
(Aus dem Institut für pathologische Anatomie der Kgl. Universität Siena.
Leiter: Prof. O. Barbacci.)
Mit Tafel XII und XIII.
I. Einleitung.
Die Entstehung der collagenen und elastischen Fasern ist trotz
umfangreicher auf diesem Gebiete vorgenommener Nachforschungen
immer noch einer der dunkelsten und umstrittensten Punkte der allse-
meinen Histologie.
Ich verzichte auf eine genaue Beschreibung des historischen Teils
der Frage und verweise dafür auf die Arbeiten von Flemming (1902),
VON KoRFF und RöTHiG (1907), Bruni (1909), und Meves (1910).
Zieht man auch nur die neueren Forscher in Betracht, so lassen sie
sich auch heute noch den von ihnen vertretenen Ansichten nach in
zwei Gruppen teilen: Avd der einen Seite stehen Flemming, Reinke,
Walüeyer, Hansen, jVIall, Studnicka, Spalteholz, Zachariades,
VON KoRFF, GoLOWiNSKi, LiviNi, Meves und andre, die, der Denk-
weise Schwanns, Schultzes, Bolls und andrer folgend, der Ansicht
huldigen, daß die Fasern unmittelbar vom Zellprotoplasma abstam-
men, — auf der andern Seite Merkel, von Ebner, Laguesse, Renaut,
Bruni, die an die alten Anschauungen Henles, Köllikers und
Ranviers anknüpfend, der Meinung sind, daß die Fasern aus einer
amorphen Grundsubstanz zustande kommen ohne irgend welche direkte
Beziehung zu den Zellen.
Ein versöhnender jMittelweg zwischen den beiden entgegengesetzten
Anschauungen ist von mehreren Forschern (Hansen, Mall, Stüd-
486 Serafino d'Antona,
NICKA) mit der Einführung des neuen Begriffs eines »Ectoplasmas <<
eingeschlagen worden. Unter diesem Namen verstehen, wie wir noch
sehen werden, die genannten Autoren einen mehr oder weniger ver-
änderten Teil des Zellprotoplasmas, in dem sie die Fibrillen ihren Ur-
sprung nehmen lassen. Die Unterscheidung zwischen Ectoplasma und
Endoplasma ist jedoch nicht allseits anerkannt worden; diejenigen
Autoren, die diese Bezeichnung wirklich angenommen, haben sich
niemals darüber zu einigen vermocht, welche Bedeutung und welche
Grenzen dem Ausdruck »Ectoplasma« zu geben sind. Andre Forscher
haben den Begriff eines »Ectoplasmas« geradezu zurückgewiesen, da
sie ihn für ein verfehltes Beobachtungs- imd Deutungsprodukt hielten.
Angesichts der Ungewißheiten, die heute noch die Frage um-
schweben, kann die Bekanntgabe einiger Ergebnisse, zu denen ich
auf einem Gebiete gelaugt bin, das etwas abliegt von dem allgemein
bei solchen Studien betretenen, meiner Ansicht nach nicht uner-
wünscht sein.
Meine Beobachtungen sind im Laufe von Untersuchungen über
die Histogenese der atherosklerotischen x4.ortaveränderungen gemacht
worden und betreffen hauptsächlich die Neubildung der Bindegewebs-
fasern bei der Verdickung der Intima.
Bevor ich auf die Frage näher eingehe, halte ich es der besseren
Verständlichkeit der nachfolgenden Auseinandersetzungen wegen für
angebracht, einige meinen früheren Untersuchungen entsprungene
Tatsachen vorauszuschicken. Wie bekannt bilden die kennzeichnenden
Zellelemente der Aortaintima die sogenannten LANGHANSschen Zellen,
deren morphologischer Wert und Wesen aber immer noch und insofern
umstritten sind, als die meisten sie für Bindegewebszellen halten,
andre jedoch glauben, daß es sich da um eine besondere Art von Muskel-
faserzellen handle.
Aus dem Studium der normalen Intima und mehr noch aus dem
des Verhaltens dieser Elemente bei den pathologischen Vorgängen bin
ich, w;as sie betrifft, zu folgendem Schluß gelangt: »Die LANGHANS-
schen Zellen, die beständigen und typischen Bestandteile der Aorta-
intima, stellen große Elemente dar, deren morphologische Eigentüm-
lichkeiten je nach den verschiedenen Entwicklungsabschnitten, die sie
durchziehen, verschieden sind. Im Anfange treten sie uns als große
Elemente mit körnigem, basophilem Protoplasma und langen, dünnen,
zahlreichen Ausläufern gegenüber; später unterscheidet man an ihrer
Peripherie eine lichtbrechende, feste, unbestimmt fibrilläre Zone, die
nach dem v, GiESONschen Verfahren orangegelb wurde, während zu
über die l-;iitst(huiig der Uiiulcgewebsfaserii usw. 487
gleicher Zeit der mittlere, körnige, basophile Teil an Volumen und
Ausdehnung sich verringert, und die Anzahl der Ausläufer abnimmt.
In einem weiteren Stadium ist die mittlere, körnige Substanz fast ganz
oder ganz aus den Ausläufern und dem Körper der Zellen verschwunden,
welch letztere nun fast ausschließlich aus jener lichtbrechenden festen,
mit der v. GiESONschen Methode orange gelb gefärbten Substanz be-
stehen, die primär an der Peripherie des Zellelements zum Vorschein
kommt. In diesem Stadium ähneln solche Elemente stark den Muskel-
faserzellen, von denen sie sich durch morphologische Kennzeichen nicht
unterscheiden lassen. « Da die Umwandlungen, die wir bei den Lang-
HANSschen Zellen verfolgt haben, Schritt für Schritt den von Hansen
bei den Zellen der Zwischenwirbelscheibe von Kalbsfoeten entsprechen,
haben wir für sie vom rein morphologischen Standpunkt aus die von
diesem Verfasser gegebene Unterscheidung zwischen Endoplasma (dem
mittleren, basophilen Teil) und Ectoplasma (dem peripheren, acido-
philen Teil) angenommen. Ebenso haben wir es für möglich gehalten,
daß die LANGHANSschen Zellen von den Endothelzellen herrühren.
Ferner muß ich hier noch auf die Art und Weise aufmerksam
machen, in der sich die Verdickung der Intima vollzieht. Aus meinen
Untersuchungen geht hervor, daß die atherosklerotische Verdickung
in zwei Zeitabschnitten geschieht. In dem ersten Zeitabschnitt stellt
sich Hypertrophie und Hyperplasie der zuvor bestehenden Intima-
schichten ein, in dem zweiten findet eine wahre und eigentliche binde-
gewebig-elastische Neubildung statt, der eine kräftige Wucherung der
LANGHANSschen Zellen vorhergeht.
Meine Beobachtungen beziehen sich ausschließlich auf die Ent-
stehung der Fasern in diesem zweiten Zeitabschnitt.
II. Material und Methoden.
Als Untersuchungsmaterial dienten atherosklerotische Aorten, mit
nicht stark ausgesprochenen Entartungserscheinungen.
Fixiert wurden die Stücke in Formol, Zenker, Subhmat, Alkohol,
und in der nach Meves abgeänderten FLEMMiNGschen Flüssigkeit
(Chromsäure V2% mit NaCl l%ccm. 15; Osmiumsäure 2%, ccm4;
Essigsäure 4 — 3 Tropfen).
Mehrere Stücke wurden mit dem Gefriermikrotom geschnitten,
andre in Paraffin und Zelloidin eingebettet. Neben den durch die
ganze Dicke der Aortawand geführten Schnitten wurden auch viele
Oberflächenschnitte vorgenommen, die sich zum Studium des Gesamt-
bildes und der Einzelheiten am besten eignen.
488 Serafino d'Antona,
Zur Färbung der collagenen Fasern kam das v, GiESONsche, Mal-
LORische und BiELSCHOWSKYsche Verfahren zur Verwendung. Das
MALLORYsche Verfahren wurde in der vom Verfasser vorgeschlagenen,
veränderten Form angewandt, nach der die Schnitte nach 5 oder mehr-
minutigem Verbleib in einer 0,l%igen säuren Fuchsinlösung 20 Minuten
oder länger in einer aus 0,5 g Anilinblau, 2 g Orangegelb und 100 cc einer
l%igen Phosphormolybdänsäurelösung bestehenden Färbemischung
belassen werden. Die BiELSCHOWSKYsche Methode kam in der von
Levi vorgeschlagenen, abgeänderten Form zur Anwendung. Außerdem
wurden auch Präparate in HEiDENHAiNschem Eisenhämatoxylin mit
und ohne Kontrastfärbung in Fuchsin angefertigt.
Die in der abgeänderten FLEMMiNGschen Flüssigkeit fixierten
Stücke dienten zu der nach Meves mit Eisenhämatoxylin vorgenom-
menen Untersuchung auf Mitochondren.
Bei den elastischen Fasern kamen Fuchselin und Kontrastfärbung
mit Carmin oder nach Jores mit Pyronin, sowie Saffranelin-Hämatein
und Orzein-Hämatein zur Verwendung.
III. Entstehung der collagenen Fasern,
a. Gegenwärtiger Stand der Frage.
Wie wir schon zu Anfang angedeutet haben, besteht der Streit
zwischen den Anhängern der intracellulären Ursprungstheorie und
denen der intercellulären Ursprungstheorie der collagenen Fasern
auch heute noch weiter.
Die intercelluläre Theorie war den Forschungen Henles, Kölli-
KERs und Ranviers zufolge vorherrschend geworden, begann jedoch
an Boden zu verlieren, als Flemming seine Beobachtungen über die
Zellen des parietalen Peritonäums der Salamanderlarven veröffentlicht
hatte. Flemming beschrieb in diesen Zellen eine feine fibrilläre Struktur
»die ohne Zweifel der Anlage von collagenen Fibrillen entspricht«.
Diese Fibrillen finden sich nicht etwa nur an der Oberfläche der Zellen,
wie dies Lwof glaubte, sondern überall in ihrem Körper, was sich
nach Flemming aus ihrem Verhalten bei der Kernteilung mit unver-
kennbarer Deutlichkeit feststellen läßt. In seiner ersten Arbeit ließ es
Flemming unentschieden, ob die intracellulären Fibrillen von der
Filarmasse herrühren, oder vielmehr von der Interfilarmasse geprägt
sind. In einer späteren Arbeit nahm er ausdrücklich an, daß die Fi-
brillen von einer »Umprägung der Fadenstruktur« des Protoplasmas
herrühren.
Die Forschungen Reinkes, Waldeyers, Spulers, Golowinskis,
über die l-]iitstrlniiig dvv Bindcgewcbsfasorii usw. 489
Spalteholz' und andrer haben im wesentlichen die Ansichten Flem-
MiNGs insofern bestätigt, als auch sie in den Bindegewebszellen Struk-
turen beschrieben haben, die sie als Umrisse von coUagenen Fasern
betrachteten.
Eine ganz besondere AN'ürdiguug verdienen die Untersuchungen
GoLOWiNSKis, der in den Zellen des Nabelstrangs von Menschen- und
Schweineembryonen, sowie in den Fibroblasten, die in dem Unter-
hautgewebc der Inokulation von Fremdkörpern zufolge zustande
kommen, die collagenen Fasern aus den »präcollagenen Fasern« ent-
stehen sah, die an der Oberfläche der Zellen erscheinen und von Eisen-
hämatoxylin schwarz gefärbt werden. »Bevor die präcollagenen Fasern
sichtbar werden, sind die Zellen mit zahlreichen, unzweifelhaft epi-
cellulär liegenden Körnchen bedeckt, welche in Eisenhämatoxylin
dieselbe Farbe annehmen, wie die präcollagenen Fasern selbst. Diese
Körnchen sind zuerst unregelmäßig auf der Oberfläche der Zellen
zerstreut; in der Folge aber stellen sie sich, vermutlich unter dem
Einfluß der Zelle selbst, reihenweise ein, wobei sie wie die präcollagenen
Fibrillen von einer Zelle auf die andre übergehen. Diese Körnchen-
reihen fließen endlich zu den präcollagenen Fasern zusammen. SchHeß-
lich werden sie von den Zellen frei und wandeln sich in collagene Fasern
um. Daß diese Metamorphose tatsächlich in dieser Eeihenfolge vor
sich geht, scheint mir dadurch bewiesen zu sein, daß ich neben den
Zellen außer collagenen Fasern auch präcollagene gesehen habe.«
Daraus geht also hervor, daß Golowinski, der Meinung Flemmings
entgegen, die Fibrillen nicht aus dem ganzen Zellprotoplasma hervor-
gehen läßt, sondern nur aus dessen peripherem Teil.
In diesen letzten Jahren sind mit den Studien über die Mitochondren
der cellulären Theorie neue Stützen erstanden, denn seit den For-
schungen Meves', die dann von v. Korff bestätigt worden sind, hat
man in den Mitochondren das Bildungsmaterial für die collagenen
Fasern erkennen zu dürfen geglaubt. Davon soll später ausführlicher
die Rede sein.
Doch auch der intercellulären Theorie hat es nicht an tapferen
Verteidifrern gefehlt. Merkel hat die Fibrillen in den TnYow-Larven
und in dem Nabelstrang der Säugetiere, von Ebner in der Chorda
dorsalis der unteren Fische und im Zahnbeingewebe, Renaut im
Unterhautgewebe und im Netz verschiedener Säugetiere, Lagüesse
in der Milzkapsel der Selachien und dem Unterhautbindegewebe der
Säugetiere in der amorphen Substanz ohne jede direkte Beziehung
zu den Zellen sich bilden sehen. Den Zellen fiele dabei einzig und
490 Serafino d'Antona,
allein die Aufgabe zu, besagte amorplie Grundsubstanz zu erzeugen,
während die Fibrillen dann ganz unabhängig und besonders unter
dem Einfluß mechanischer Wirkungen zustande kämen.
Zwischen diesen entgegengesetzten Strömungen liegt eine dritte,
die eine Art Bindeglied bildet zwischen eben diesen und in der Ein-
führung des neuen Begriffs eines »Ectoplasmas << besteht, das jedoch
leider von den Verfassern, die es angenommen haben, in ganz ver-
schiedener Weise gedeutet wird. Hansen unterscheidet in den Zellen
der Zwischenwirbelscheibe der 40 — ^60 cm messenden Kalbsföten ein
Endoplasma und ein Ectoplasma, das sich unmittelbar mit der Grund-
substanz fortsetzt. Die Zellen bestehen ursprünglich aus einem Endo-
plasma oder »Protoplasma im engen Sinne«; das Ectoplasma ent-
wickelt sich, nachdem das Endoplasma die ersten Fibrillen erzeugt
hat. »Dieselben ragen teilweise frei in die umgebende Grundsubstanz
hinaus, teils stehen sie mit den Fibrillen aus der Nachbarschaft in
Verbindung, teils setzen sie sich durch die Zellenanastomosen in die
Fibrillen der Nachbarschaft fort. In älteren Stadien umgeben sich
die Bindegewebszellen mit einem stark lichtbrechenden Ectoplasma,
welches durch Umwandlung aus dem Endoplasma hervorgehen soll.
Das Ectoplasma bildet nun auch Bindegewebsfibrillen, und eine Weile
findet man gleichzeitig das Endo- und Ectoplasma an der Bindegewebs-
fibrillenbildung beteiligt; aber relativ schnell wird diese Funktion,
die Bildung von coUagenen Fasern, von der peripheren Schicht, dem
Ectoplasma allein übernommen. <<
Anders denkt sich Mall das Ectoplasma. Nach Mall stammen
die Bindegewebe von einem Syncytium her, das durch das Zusammen-
fließen der ursprünglich isolierten Zellen des Mesenchyms zustande
gekommen ist. In diesem Syncytium differenziert sich nachher ein
Endoplasma, das körniges Aussehen annimmt und den Kern umgibt,
und ein Ectoplasma, das den größten Teil des Syncytiums ausmacht,
und in dem sich dann die Bindegewebsfasern entwickeln.
Studnicka bekannte sich zuerst zu einer mit der ÜANSENschen
verwandten Anschauung, indem auch er als Ectoplasma den peripheren
Teil der Zelle auffaßte, in dem sich dann die ursprünglich in dem ganzen
Zellkörper entstandenen Fibrillen ansammeln. In einer neueren Arbeit
scheint seine Auffassung sich aber mehr an die Malls anzulehnen,
insofern als auch er unter Endoplasma das die Zellen bildende Plasma
versteht, und unter Ectoplasma das zwischen den Zellen liegende.
Es ist somit nach Studnioka Endoplasma = Zellen, Ectoplasma =
Grundsubstanz.
llbcr die Kiitstcliuiiu; der Biiuk'gewebsfast'in u.sw. 491
Wesentlich nicht verschieden ist die Ansicht Retterers, wonach
das erste Stadium der Bindegewebe das Plasmodium darstellt. Darauf-
hin wird in dieser Protoplasmamasse ein »chromophiles Netz« diffe-
renziert, das den Kern umgibt, in dessen Maschen sich das »homogene
Protoplasma« oder »Hyaloplasma« vorfindet. Die Fasern nehmen
ihren Ursprung sowohl vom Hyaloplasma, wie auch vom chronio-
philen Netz.
Nach Bruni findet die Bildung der Bindegewebsfasern in der
Zwischenwirbelscheibe der Rinderföten in zwei Zeitabschnitten statt.
In einer ersten Zeit bilden sie sich ausschließlich in einer amorphen
Grundsul)stanz, die er für ein verändertes Protoplasma hält (Meta-
plasma) ; in einer zweiten Zeit bilden sie sich ebensowohl in dem Meta-
plasma, wie auch im Zellkörper.
Die heute vorherrschende Anschauung ist diejenige, daß die
collagenen Fasern aus der Differenzierung des peripheren Teils des
Zellplasmas herstammen.
b. Eigne Beobachtungen.
Die Neubildung ist bei den Verdickungen der Intima gekenn-
zeichnet durch zwei anfängliche Erscheinungen: die Wucherung der
LANGHANSschen Zellen und das Auftreten einer amorphen Intercellular-
substanzi. Die Zellen stellen in dieser ersten Periode große Ele-
mente dar (Fig. 1 u. 2) mit hellem, eiförmigem oder rundlichem Kern,
abgeplattetem, von zahlreichen Körnchen und langen, feinen Aus-
läufern besetztem Protoplasmakörper, welche sich bald mit denen
der benachbarten Zellen anastomisieren, bald' aber auch sich nach
und nach in der intercellulären Substanz verlieren. Die Protoplasma-
körnchen, die sich mit der BiELSCHOWSKYschen Methode ganz außer-
ordenthch deutlich erkennen lassen, liegen meist ohne offenbare Ord-
nung im Zellkörper zerstreut; nur in einigen Fällen treten sie uns zu
mehr oder weniger regelmäßigen Reihen angeordnet entgegen, wodurch
sie dem Zellplasma zu einer Art Streif ung verhelfen. Die Neigung
der Körnchen zur reihenweisen Anordnung tritt ganz besonders deut-
lich an der Wurzel der Ausläufer hervor, die von den Zellen ausgehen,
sowie längs ihres Verlaufs. Das Volumen der Körnchen ist in ein und
derselben Zelle verschieden; die einen sind ziemlich groß und deutlich,
die meisten jedoch sind ziemlich klein.
1 Es ist ganz selbstverständlich, daß diese »amorphe Substanz« nichts zu
tun hat mit den Mengen geronnenen Plasmas, denen man besonders in den alten
Verdickungen zuweilen begegnet.
492 Serafino d'Antona,
Die intercelluläre Substanz läßt sich in den nach v. Gieson her-
gestellten Präparaten als eine feste, gelbliche Masse ohne bestimmte
Struktur, von bald körnigem, bald unbestimmt fibrillärem Aussehen
erkennen. Auch die MALLORYsche Methode verleiht einer amorphen,
körnigen Masse ganz je nach der Menge der Substanz und der Dicke
des Schnittes eine mehr oder weniger starke orangerote oder rosarote
Farbe. In den nach dem BiELSCHOWSKYschen Verfahren hergestellten
Präparaten (Fig. 10) weist diese Substanz eine körnige Beschaffenheit
auf; die Körnchen sind sehr klein und erreichen nicht die Größe der
größeren Protoplasmakörnchen. Die extracellulären Körnchen lassen
sich inmitten einer hellen, vollständig gleichartigen, bald mehr bald
weniger reichlichen Substanz nachweisen. Herrscht das körnige Ele-
ment vor, wie das gewöhnlich in dem Oberflächenteil der Verdickung
der Fall ist, so sind die Zellumrisse der dazwischenliegenden Substanz
gegenüber schlecht differenziert. Auf diese Weise kommt es zu einer Art
syncytialen Gebildes, inmitten dessen die Zellen und ihre Ausläufer
wie ausgehauen erscheinen.
Im Anfang läßt sich in dieser Substanz mit der BiELSCHOWSKYschen
Methode auch nicht ein Schein fibrillärer Struktur wahrnehmen; nur
hin und wieder läßt sich besonders in den schiefen Schnitten ihre Nei-
gung zur Lamellenbildung erkennen. Früher oder später jedoch treten
in dem so angehäuften Material Veränderungen auf, die zur Differen-
zierung der Bindegewebsfibrillen führen dürften. Das Wesen und der
innere Mechanismus dieser Veränderungen lassen sich mit den uns
zu Gebote stehenden technischen Mitteln nur unvollständig enthüllen.
Mit der v. GiESONschen und MALLOTiYschen Methode erscheinen hier
und da, besonders aber in nächster Nähe der Zellen, rosarot, bzw.
bläulich schwach gefärbte Zonen. Zu gleicher Zeit läßt die ursprüng-
lich amorphe Substanz leichte Fibrillenformen wahrnehmen, die nicht
so sehr durch die Einwirkung der Farbstoffe hervortreten, als viel-
mehr der Lichtbrechung wegen.
Etwas deutlichere Einzelheiten liefert uns die BiELSCHOWSKYsche
Methode (Fig. 10). Mit ihr lassen sich inmitten der intercellulären
Substanz nach und nach kurze, dünne Fäden unterscheiden, die von
dem Aneinanderdrängen des körnigen Materials längs bestimmter
Linien herrühren und infolge von Verschlingung und Anastomisierung
die ersten Spuren eines äußerst feinen Netzes bilden. Die Maschen
des Netzes lagern sich schichtweise übereinander und konzentrisch zur
Lichtung des Gefäßes, wodurch die Masse der Intercellularsubstanz
eine immer deutlichere Lamellenstruktur erhält. Nach und nach
über die Entstehung der Bindegewebsfasern usw. 493
nehmen dann die feinen Fäden, die eine jede der Lamellen bilden,
größere Dimensionen an und bekommen deutlichere Umrisse, bleiben
dabei aber immer körnig. Noch deutlicher treten sie dann dadurch
hervor, daß der körnige Teil der Grundsubstanz nach und nach ab-
nimmt; es bleibt der klare, homogene Teil, der sich wie Kitt zwi-
schen den Maschen des Fibrillengeflechtes hindurchzieht. Läßt sich
nun auch diese Substanz mit den angewandten Mitteln nicht erkennen,
so müssen wir doch annehmen, daß sie wirklich vorhanden ist und
einen gewissen Dichtigkeitsgrad besitzt.
Prüfen wir nämlich kleine Fetzen der Lamellen, so sehen wir,
daß die von den Fäden des Netzes umschriebenen Räume oft von
Körnchen beschickt sind, deren Verbleiben in derselben Lamellen-
schicht doch nur verständlich ist, wenn wir annehmen, daß sie von
einer zwischen den gebildeten Elementen liegenden Substanz fest-
gehalten werden.
Bevor wir zu weiterem übergehen, ist es jedoch angebracht, zuerst
etwas näher auf das Wesen und die Bedeutung dieser Substanz ein-
zugehen.
Wir könnten da vor allem die Frage aufwerfen, ob die in ihr nach-
gewiesene Körncheunatur ein technisches Kunstgebilde ist, oder ob
sie einem wirklichen Zustand dieser Substanz entspricht. Es scheint
mir ausgeschlossen werden zu können, daß die Körnung durch Re-
agentien hervorgerufenen Gerinnungserscheinungen zugeschrieben wer-
den kann, einmal, da sie beim Wechsel dieser nicht auch wechselt,
dann außerdem, weil auch bei Prüfung frischer, in physiologischer
Lösung zerfeztter Intimalamellen das körnige Aussehen besitzen, das
in den fixierten und gefärbten Präparaten beobachtet wird. Ferner
erleidet die Körnung dieser Substanz ganz je nach dem Fibrillierungs-
vorgang, dem diese Substanz unterliegt, eine Veränderung im Aus-
sehen, denn je mehr sich inmitten derselben die körnigen Fäden des
ursprünglichen Netzes differenzieren, desto mehr nimmt die Menge
der zerstreut liegenden Körnchen ab (Fig. 10). All dies führt uns zur
Anschauung, daß die Körnchen Bestandteile schon vorher gebildeter
Elemente dieser Substanz darstellen, die zum Aufbau der Fibrillen
verwandt werden.
Das körnige Element ist aber nicht der einzige Bestandteil dieser
Substanz, denn wir haben bereits darauf hingewiesen, daß wir an-
nehmen müssen, daß zwischen den Körnchen eine helle, gleichartige
Substanz gallertiger Dichtigkeit vorhanden ist. Von diesen beiden
Bestandteilen ist bald der eine bald der andre vorherrschend. Im allge-
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. C'IX. Bd. 33
494 Serafino cFAntona,
meinen ist der körnige Teil der am reichsten vertretene, und es er-
scheint also die Intercellularsubstanz dicht; in andern Fällen dagegen
ist der helle, gleichartige Teil vorherrschend. Und wenn wir dann,
was logisch ist, annehmen, daß zwischen den Zellen das Plasma kreist,
das die Nahrung zu allen Elementen des Organismus hinführt, so
ergibt sich uns daraus ein dritter Bestandteil der intercellulären Sub-
stanz, die somit in ihrer Gesamtheit aus drei Teilen besteht: einem
flüssigen Teil (Plasma), einem gallertigen, gleichartigen Teil, und
einem körnigen Teil. Je nachdem der eine oder andre dieser Bestand-
teile reichlicher vorhanden ist, bietet sich die amorphe Substanz mejir
oder weniger dicht dar. Im allgemeinen ist der körnige Teil sehr reich-
lich bemessen, und es sind deshalb die Oberflächenzellen der Verdickung
zu einer festen, zähen Masse verbunden. In andern Fällen dagegen,
bei denen der flüssige oder gallertige Teil vorherrscht, lassen sich die
Zellen durch helle Räume getrennt wahrnehmen, in die sich ihre Aus-
läufer erstrecken; die Körnchen sind äußerst spärlich und lagern in
Form von mehr oder weniger regelmäßigen Reihen in nächster Nähe
der Zellkörper. In diesen Fällen hat das Gewebe eine große Ähn-
lichkeit mit dem schleimigen Gewebe.
Ihren Merkmalen nach scheint die von mir beschriebene Substanz
unter die Gruppe der amorphen Substanzen eingereiht werden zu
müssen, denen eine schon stattliche Schar von Forschern eine große
Bedeutung für das Zustandekommen der Fibrillen beigelegt hat. Mag
es sich dabei nun um die MEEKELsche »Gallerte <<, um die LAGUESSEsche
»substance precollagene <<, um das RETTERERsche »Hyaloplasma« oder
um das BRUNische »Metaplasma << handeln, so ist doch das allgemeine
Merkmal dieser Substanzen ihr ursprüngliches amorphes Wesen, sowie
ihre darauffolgende mehrfache Umwandlung, die in ihr zur Differen-
zierung eines fibrillären Netzes führt, und zwar bei Fehlen jeder direkten
Beziehung zum Zellkörper,
Der Besitz eines homogenen oder körnigen Aussehens, sowie die
mehr oder weniger spät eintretende Annahme der collagenen Reak-
tion sind Merkmale, die für diese Substanzen keine beträchtlichen
Unterschiede bedeuten. Aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es
sich da um eine einzige Substanz, die je nach den verschiedenen
Stellen des Organismus und dem Entwicklungsstadium, in dem sie zur
Untersuchung gelangt, verschiedene Merkmale aufzuweisen vermag.
Vergegenwärtigen wir uns die verschiedenen Elemente, aus denen sie
unsrer Anischt nach besteht, so kann es nicht schwer fallen, den Grund
des verschiedenartigen Aussehens zu begreifen, das sie zu bieten vermag.
über die Entstehung der Bindegewebsfasern usw. 495
Vüu den Anhängern der Theorie des cellulären Ursprungs der
Fibrillen wird das Vorhandensein dieser Substanz entweder ganz ge-
leugnet, oder in andrer Weise ausgelegt, als von den Anhängern der
Theorie des extracellulären Ursprungs der Fibrillen. Im allgemeinen
zeigt sich bei ihnen das Bestreben, sie mit der gewöhnlichen, amorphen
intercellulären Substanz, der »homogenen Grundsubstanz« Schiffer-
deckers, der »Kittsubstanz« Schaffers, zu identifizieren. Unsrer
Ansicht nach kann diese Deutung für die von uns beschriebene Sub-
stanz insofern nicht angenommen werden, als sie ganz andre strukturelle
und chemische Eigenschaften darbietet, als die Kittsubstanz. Wie wir
weiter unten ausführen werden, umfaßt die Kittsubstanz nicht unsre
ganze Substanz, sondern stellt nur einen Teil derselben dar, oder besser,
eines ihrer Derivate.
Aber selbst unter den Verfassern, die das Bestehen einer Mutter-
bodensubstanz der Fibrillen annehmen, sind die Ansichten über ihren
Ursprung und über ihre wirkliche Bedeutung noch geteilt. Einige
Forscher (Merkel, Laguesse, Renaut, von Ebner) halten sie für
ein Ausscheidungsprodukt der Zelle, andre (Retterer, Bruni und
auch Mall und Studnicka) für das Derivat einer Umbildung des Zell-
protoplasmas. Im Grunde genommen liegt aber der Zwiespalt zwischen
diesen beiden Anschauungen mehr in der Form als in der Wesenheit,
denn auch die modernen Anhänger der Ausscheidungstheorie gehen
hierin etwas von dem alten Begriff Henles, Köllikers und Ranviers
ab und erkennen an, daß diese Substanz der Sitz von Lebensvorgängen
ist und ähnliche Eigenschaften besitzt, wie das Protoplasma.
Kann ich nun auch die Möglichkeit eines Ausscheidungsvorgangs
(besonders des gallertigen Teiles wegen) nicht ausschließen, so neige
ich doch zur Annahme hin, daß die von uns beschriebene Substanz
nicht so sehr ein Ausscheidungsprodukt, als vielmehr ein verändertes
Protoplasma darstelle. In der Tat stehen die chemischen Eigenschaften
dieser Substanz denen der Protoplasmen sehr nahe, denn sie läßt eine
Verwandtschaft mit denselben Farben erkennen (bevor sie die collagene
Reaktion erwirbt), die auch die Protoplasmen färben (gelbliche Fär-
bung nach V. Gieson, rötliche Färbung nach Mallory). Anderseits
habe ich beobachtet, daß die LANGHANSschen Zellen schon vor Beginn
der Entwicklung des Ectoplasmas den größten Teil ihrer Ausläufer
verlieren, was meines Erachtens nicht anders ausgelegt werden kann,
als indem wir annehmen, daß sie in die intercelluläre Substanz über-
gehen.
Auf der Suche nach einem Ausdruck, der sie kurz zu bezeichnen
33*
496 Serafino d'Antona,
imstande ist, will mir der Name Metaplasma am angebrachtesten er-
scheinen, der von Heidenhain vorgeschlagen und von Bruni an-
genommen worden ist. Wir können sie nicht, wie Laguesse, »prä-
coUagene Substanz« nennen, weil, worauf wir noch eingehen werden,
in ihrem Innern sich nicht nur collagene Fasern, sondern auch elastische
Fasern differenzieren, was an das »Albuminoid << Hansens erinnert.
Das »Hyaloplasma« Retterers ist ein Ausdruck, der schon in anderm
Sinne verwandt wird; überdies ließe er sich unsrer Substanz nicht in
allen Fällen beilegen, denn sie sieht nur hyalin aus, wenn die Körn-
chen fehlen. Ebensowenig können wir den von Mall, Studnicka
und auch von Laguesse gebrauchten Namen »Ectoplasma << annehmen,
denn damit zeigen wir ein Gebilde an, das sehr verschieden ist von
dem, auf das sich diese Verfasser beziehen.
Die fibrillären Blättchen, die sich bei den atherosklerotischen Ver-
dickungen auf Kosten des Metaplasmas bilden, haben eine sehr
große Ähnlichkeit mit den von Renaut, Laguesse und Merkel in
verschiedenen Bindegeweben und besonders bei dem Unterhautbinde-
gewebe beschriebenen Blättchengebilden. Das Netz, dessen Differen-
zierung wir im Metaplasma beobachten konnten, ähnelt den von E,e-
naut im Netz von Kaninchen- und Katzenföten beschriebenen äußerst
feinen fibrillären Geflecht. Auch Bruni hat in der Zwischenwirbel-
scheibe von Rinderföten in einer ersten histogenetischen Periode in-
mitten einer amorphen Substanz ein Geflecht elementarer Fibrillen
entstehen sehen, die sich nacheinander zu Lamellen und Fasern aus-
bilden. Der Unterschied besteht nun einfach darin, als was man sich
die Substanz denkt, aus der sie hervorgehen. So ist sie für Renaut
einfach die primitive schleimige Substanz, nach Bruni dagegen handelt
es sich, wie bereits erwähnt, um einen differenzierten Teil des primi-
tiven, syncytialen Protoplasmas.
Die lamellöse Struktur des Gewebes tritt mit besonderer Deutlich-
keit in den etwas schief durch die Dicke der Aorta geführten Schnitten
zutage, bei denen die Schnittlinien der Lamellen dachziegelartig ge-
lagert erscheinen. Dreht man die Mikrometerschraube etwas, so ver-
mag man in diesen Fällen die Netzstruktur einer jeden Lamelle zu
erblicken. In den senkrecht zur Wand hergestellten Schnitten da-
gegen nimmt man nichts andres wahr, als fortlaufende körnige Linien,
und da die Fäden des Netzes sehr kurz und zusammengedrängt sind,
so läßt sich zumeist auch bei Drehung der Schraube nicht feststellen,
ob es sich um vereinzelte Körnchen oder Schnitte kurzer Fibrillen
handelt; jeder Zweifel darüber verschwindet jedoch bei Prüfung der
Übel- die Hiitsteluiiig der Bindegewebsfasern usw. 497
schief oder oberflächlich geführten Schnitte. Im Anfang sind die
netzartigen Lamellen nur wenig zahlreich, und zwischenhindurch zieht
«ich eine bedeutende Menge nicht differenzierter Substanz; je mehr
jedoch die Lamellen an Zahl zunehmen, desto mehr nimmt die Masse
allmählich an Volumen ab, bis sie schließlich fast ganz verschwun-
den ist und die Lamellen nur von dünnen Spalträumen getrennt sind.
In diesem Stadium angelangt, können die neugebildeten Fasern, trotz-
dem sie ihre netzartige Lagerung beibehalten haben, auf ziemlich
langen Strecken verfolgt werden; sie sind ferner im Vergleich zu den
dünnen Fäden des primitiven Netzes etwas dicker, besitzen aber doch
noch ein leicht körniges Aussehen. Nach dem BiELSCHOWSKYschen
Verfahren nehmen sie eine starke schwarze Farbe an, mit der v. Gie-
soNschen und MALLORYschen Methode werden sie nur schwach gefärbt,
sie haben also die Eigenschaften der Gitterfasern.
Die Netzstruktur der neugebildeten Lamellen kann auf lange Zeit
hinaus bestehen bleiben, zuweilen haben wir sie sogar in vollkommen
entwickelten Verdickungen angetroffen. Der einzige Unterschied
besteht dabei in einer größeren AVeite der Maschen und einer leichteren
Färbbarkeit der sie bildenden Fibrillen, die ihr körniges Aussehen
verloren hatten, die Reaktionen des gewöhnlichen CoUagens aufwiesen,
und sich nicht nur nach Bielschowsky, sondern auch ziemlich gut
nach V. Gieson und Mallory färben ließen.
Bei den meisten vollentwickelten Verdickungen haben die La-
mellen eine ganz andre Zusammensetzung als zu Anfang ergeben,
Sie bestehen nun nicht mehr aus einem unregelmäßigen Geflecht von
dünnen Fäden, sondern aus langen, untereinander parallel angeord-
neten, teils circulär, teils transversal laufenden Fibrillen. In andern
Fällen zeigten die Fibrillen nicht so sehr das Bestreben, sich zu La-
mellen zu vereinigen, als vielmehr zu Bündeln. Bei der Art des von
mir studierten Untersuchungsmaterials, die es nicht gestattete, mit
Beständigkeit und Sicherheit über die nachfolgenden Stadien des
Krankheitsvorgangs zu verfügen (was der Fall ist, wenn man mit
embryologischem oder experimentellem Material arbeitet), konnte ich
unmöglich Schritt für Schritt die Veränderungen verfolgen, denen das
primitive Netz bei seiner weiteren Entwicklung unterworfen ist, doch
ist es mir so vorgekommen, als ob auch hier, wie bei ähnlichen Bil-
dungen beschrieben worden ist, der Übergang von der Netzstruktur
zu dem Gefüge von parallelen Fibrillen durch das, allmähliche Ver-
schwinden anastomotischer Fäden vermittelt würde.
Die collagenen Fasern bei der Intimaverdickung können jedoch
498 Serafino cFAntona,
auch noch auf eine andre als auf die beschriebene Art und Weise zu-
stande kommen.
Wie aus dem Vorstehenden hervorgeht, nehmen, soweit uns be-
kannt ist, die Zellen an der Fibrillenbildung nicht unmittelbar teil.
Der erste Umriß des Netzes, die ersten chromatischen, collagenen Re-
aktionen treten zwar vorwiegend in nächster Nähe der Zellen auf,
aber die Fäden des Netzes differenzieren sich ganz unabhänsiff vom
Zellkörper und seinen Ausläufern.
Nun unterliegen jedoch die LANGHANSschen Zellen, wie bereits
angeführt, im Laufe ihres Lebens einer Reihe von Umwandlungen,
die ihre primitiven morphologischen Merkmale bedeutend verändern.
Und diesen morphologischen Veränderungen der Zellen entspricht
dann auch ein verschiedenes Verhalten in der Bildung der Fibrillen.
Die Zellverwandlungen und die entsprechenden Veränderungen
in der Entstehung der Fibrillen können äußerst deutlich in den knotigen
Verdickungen verfolgt werden, in denen die Wucherungsvorgänge viel
kräftiger sind, als in den diffusen. In ihnen gehen die Zellen einen
viel rascheren Entwicklungsgang, deren einzelne Strecken wir verfolgen
können, bevor es noch zu Entartungserscheinungen gekommen ist.
In der Einleitung haben wir kurz auf die Entwicklung hingewiesen,
die die LANGHANSschen Zellen durchmachen. An dieser Stelle ist es
geboten, den Vorgang näher ins Auge zu fassen und ihn in Verbindung
zu bringen mit der Neubildung der Fibrillen.
Prüfen wir die verschiedenen Typen der LANGHANSschen Zellen
im Stadium des nackten Protoplasmas neben denjenigen mit stark
körnigem Protoplasma und zählreichen, äußerst dünnen Ausläufern,
so treffen wir auch andre an, bei denen die dünnen Ausläufer fehlen
und die Körnchen weniger zahlreich sind (Fig. 4). Beobachten wir
diese letzten Elemente genau, so sehen wir, daß an ihrer Peripherie
ein kleiner, stark lichtbrechender Rand sich bemerkbar macht, etwas
wie ein unbestimmt fibrilläres Häutchen. In denjenigen Zellen, in
denen dieser etwas stärker entwickelt ist, nimmt er nach v. Gieson
gefärbt eine gelbliche Farbe an (Fig. 5 u. 9), die dann immer mehr in
Orange übergeht (Fig. 6), während zu gleicher Zeit seine fibrilläre
Struktur immer deutlicher zutage tritt. Je weiter nun diese periphere
Schicht (Ectoplasma) in der Entwicklung fortschreitet, erfährt der
mittlere körnige Teil der Zelle (Endoplasma) eine allmähliche Ver-
minderung seines Volumens, wobei er zuerst von den Zellausläufern
verschwindet, von denen nur die dicksten eine Spur desselben in ihrem
axialen Teil aufweisen.
über die Entstehung der Bindegewebsfasern usw. 499
Zur gleichen Zeit erscheinen die Körnchen des Endoplasmas
weniger zahlreich, aber größer und deutlicher. Zuweilen, besonders
in der dem Ectoplasma benachbarten Zone, sind diese Körnchen zu
mehr oder weniger langen, bald geraden, bald verschieden gekrümmten
Reihen ausgebildet; man erhält fast den Eindruck, als ob aus dem
nach und nach verschwindenden feinst gekörnten Teil des Proto-
plasmas das Gerüstwerk des Spongioplasmas entstehe i.
Der BiELSCHOWSKYschen Methode gegenüber verhält sich das
Ectoplasma durchaus negativ und tritt uns (Fig. 11) wie ein zumeist
vollständig heller, zuweilen leicht veilchenblauer Rand mit glänzender
Lichtbrechung entgegen, in dem ich nur sehr selten Körnchen ange-
troffen habe. Der fibrilläre Bau des Ectoplasmas, der, nach Bielschows-
KY behandelt, lange nicht so deutlich hervortritt, als mit dem v. Gieson-
schen Verfahren, läßt sich in den mit Sublimat fixierten und mit Eisen-
hämatoxylin gefärbten Präparaten sehr deutlich erkennen. In diesen
Präparaten (Fig. 3, 4, 7) sieht das Ectoplasma wie ein mehr oder we-
niger dickes Häutchen aus, das sich über den Zellkörper hinzieht und
von durch das Hämatoxylin schwarz oder tiefblau gefärbten Fibrillen
durchsetzt ist.
Die Fibrillen haben eine etwas größere Dicke als die collagenen
Fibrillen, sehen steif oder leicht gewellt aus und verlaufen unterein-
ander meist parallel, zuweilen auch stoßen zwei benachbarte Fibrillen
in einem spitzen Winkel zusammen oder erscheinen mit kurzen, dünnen,
anastomotischen Stücken verbunden. Sieht man da genau zu, so
wird man gewahr, daß die Fibrillen kein gleichmäßiges Kaliber haben,
1 In einer LANGHANsschen Zelle, die aus einem in Sublimat fixierten und
mit HEiDENHAiNschem Eisenhämatoxylin gefärbten Stück herrührte, und in dem
die Differenzierung ziemlich stark ausgefallen war, habe ich ein elegantes und
regelmäßiges, aus kurzen, dicken Stäbchen von äußerst regelmäßigen Dimen-
sionen gebildetes Bälkchensystem wahrgenommen, bei dem die Stäbchen, sich
an ihren Enden verbindend oder sich T-weise irmestierend, eine Art Netz bildeten.
Obgleich ich eine große Menge Präparate sowohl von demselben wie auch von
andern Stücken hergestellt und die Differenzierung verschieden stark durch-
geführt habe, hat sich doch kein zweiter derartiger Befund erheben lassen. Ich
halte es für ausgeschlossen, daß es sich da um ein Kunsterzeugnis handelt. Da
sich mir überdies nicht die Gelegenheit geboten hat, zur Bestimmung dieses Ge-
bildes auch andre Methoden heranzuziehen, kann ich mich augenblicklich nicht
darüber aussprechen, zu welchen der ähnlichen, von andern Forschern beschrie-
benen Strukturen dieses Gebilde zugezählt werden muß. Ebensowenig könnte
ich darüber Auskunft geben, ob die Körnchen und die Fibrillen, über die nach-
stehend noch gesprochen werden soll, mit dem Zerfall dieses Apparates in Be-
ziehung stehen.
500 Serafino d'Antona,
sondern hier und da varixartige, streckenweise mehr und weniger
stark gefärbte Anschwellungen aufweisen, wie wenn sie von der Ver-
schmelzung einer Anzahl abgetrennter Stückchen herrührten.
Tatsächlich können in den Zellen mit kaum begonnener Ecto-
plasmaentwicklung (Fig. 3 u. 4) an ihrer Oberfläche meist kugelige,
zuweilen auch länglichrunde Körnchen wahrgenommen werden, die
das Bestreben zeigen, sich reihenweise zu lagern und so die Fibrillen
erstehen zu lassen, die in den Zellen mit stark entwickeltem Ecto-
plasma gleichmäßiger und länger erscheinen (Fig. 7).
Auch dann, wenn die Fibrillen in ihrem Verlauf von der Schnitt-
linie verschont geblieben sind, läßt sich keineswegs feststellen, wie sie
endigen, da sie sich bald unmerklich in der intercellulären Substanz
verlieren, bald von einer Zelle ohne sichtbare Unterbrechung zur andern
ziehen. Zu denselben Einzelheiten gelangt man mit den nach Mallory
hergestellten Präparaten, in denen das sich hell oder leicht rosarot
färbende Ectoplasma von stark rot gefärbten Fibrillen durchsetzt er-
scheint (Fig. 8), die dieselben Eigentümlichkeiten aufweisen, wie die
mit Hämatoxyhn kennthch gemachten. In den quer geschnittenen
Zellen und Ausläufern läßt sich sehr deutUch nachweisen, daß die
Fibrillen den peripheren Teil des ectoplasmatischen Eandes besetzt
halten. Zuweilen aber, und ganz besonders, wenn das Ectoplasma
stark entwickelt ist, lassen sich wenige blassere und dünnere Fibrillen
auch in seinem Innern wahrnehmen.
Der diesem fibrillären, lichtbrechenden Rand von uns gegebene
Name »Ectoplasma« scheint mir von den einschlägigen Tatsachen
selbst aufgezwungen zu sein; ein rascher Blick auf unsre Abbildungen
genügt, um uns den Unterschied zwischen äußerem und innerem Teil
des Zellkörpers überzeugend vor Augen zu führen.
Wir gebrauchen also den Ausdruck »Ectoplasma« in derselben
morphologischen Bedeutung, in der ihn schon Hansen gebraucht hat,
indem auch wir darunter einen veränderten peripheren Teil des Zell-
körpers mit fibrillärer Struktur verstehen.
Das »Ectoplasma« Malls und Studnickas unterscheidet sich in
nichts von dem, was wir unter Annahme der Anschauungen Heiden-
halns »Metaplasma« genannt haben.
Anderseits ist der lichtbrechende Rand, den wir an der Peripherie
der LANGHANSschen Zellen haben hervortreten sehen, ebenso ver-
schieden von dem körnigen Protoplasma (Endoplasma) der Zellen,
wie von der intercellulären Substanz. Die Notwendigkeit eines Namens,
der ihn zu bezeichnen vermag, ist also damit vollauf erwiesen. Der
über dio Entstfhung der Uiiulcgowebsfasern usw. 501
in dem Ausdruck >>Ectoplasina « enthaltene topographische Begriff
paßt nun aber zu diesem pericellulären Gebilde viel besser als zur
intercellulären Substanz Malls und Studnickas.
Die ectoplasmatischen Fibrillen der LANGHANSschen Zellen er-
innern in bezug auf ihre Merkmale und Bildungsweise sehr stark an
an die von Golowinski beschriebenen und von uns oben erwähnten
Befunde.
Unser Befund unterscheidet sich von dem Golowinskis dadurch,
daß nach Golowinski die Körnchen und Fibrillen sich an der Ober-
fläche der Zelle vorfinden, während wir festgestellt haben, daß die
Körnchen im Zellprotoplasma zerstreut sind, und auch die Fibrillen
sich im Innern des Ectoplasmas vorfinden können, wenn dieses stark
entwickelt ist, während die deutlichsten sich immer in seinem peri-
phersten Teil nachweisen lassen.
Die Richtigkeit der GoLOwmsKischen Befunde ist auch von den
Anhängern der Theorie vom extracellulären Ursprung der Fibrillen
anerkannt worden. Da diese sie nicht zu leugnen vermochten, haben
sie nach einer andern Auslegung derselben gesucht.
So hat zwar Mekkel, unter dessen Augen Golowinskis Unter-
suchungen sich abwickelten, die Richtigkeit der Beschreibung dieses
Verfassers wohl anerkannt, will aber dessen Ansicht, daß das Schicksal
der epicellulären Fasern das ist, sich in collagene Fasern zu verwandeln,
nicht annehmen. Nach Merkel gehören sie zur inneren Struktur
des Protoplasmas. Zur Stütze seiner Behauptung zieht Merkel die
Tatsache heran, daß die von Golowinski angeführten vom Zellkörper
sich trennenden Fibrillen nur selten angetroffen werden, und ander-
seits die epicellulären Strukturen Golowinskis in Zellen vorge-
funden werden, die in keinerlei Beziehung stehen zur Fibrillenbildung
(z. B. MuskeKaserzellen des Darms der Salamanderlarven und in einigen
Epithelien), dagegen in andern Zellen fehlen, die in engem Zusammen-
hang stehen mit der Entstehung der collagenen Fibrillen (z. B. in dem
in Entwicklung befindüchen Bindegewebe des Kopfes und des Schwanzes
der Salamander).
Nun scheint mir aber der erste dieser Einwände gegen die Aus-
legung Golowinskis nicht stichhaltig zu sein, denn die Tatsache, daß
wir eine Erscheinung nur selten feststellen können, reicht noch lange
nicht zur Behauptung hin, daß eine gegebene Erscheinung überhaupt
nicht eintritt. AVir müssen da eher annehmen, daß die Unzulänglichkeit
unsrer Untersuchungsmittel es uns nicht gestattet, die verschiedenen
Momente ihres Werdeganges zu fassen.
502 Serafino d'Antona,
Dem zweiten Einwand kann man entgegenhalten, daß die Zell-
strukturen ganz je nach der Arbeitsleistung einer Zelle eine verschiedene
Bedeutung haben. Sowohl eine Muskelfaserzelle wie auch eine Nerven-
zelle und eine Epithelzelle können eine fibrilläre Struktur aufweisen
und weisen sie auf, wie die Bindegewebszelle, doch dürften die Fibrillen
eben in jedem dieser Elemente eine verschiedene Bedeutung haben.
Daß dann die GoLOWiNSKischen Strukturen in Zellen fehlen, die un-
leugbar in Beziehung stehen zur Genesis der coUagenen Fasern, hat
für uns insofern keinen Wert, als wir zugeben, daß diese Strukturen
nicht feststehend noch beständig sind für jede Zelle, sondern daß sie
auftreten und sich dann ganz je nach dem Alter des Gewebes und den
Einflüssen, die ihre Entwicklung bedingen, verändern.
Zuletzt sei noch darauf hingewiesen, daß die Bemerkung, diese
Gebilde gehörten »der inneren Protoplasmastruktur << an, die Frage
nicht löst, sondern einfach abbricht.
Zu denselben Schlüssen gelangt, obgleich von ganz andern Gesichts-
punkten ausgehend, Meves in seiner kürzlichen Arbeit. Nach Meves
sind die präcollagenen Fibrillen Golowinskis identisch mit den von
Malloky beschriebenen Fasern der »Fibroglia <<. Wenngleich ihre
Bedeutung sich ihm nicht recht klar ergibt, so ist er doch der Ansicht,
daß sie »ein Bestandteil der Protoplasmastruktur << sind, und hält sie
»nicht für vergleichbar«, wie Merkel sich ausgedrückt hatte, sondern
für identisch mit den von Heidenhain und Benda in den Muskelfaser-
zellen beschriebenen Fibrillen (Grenzfibrillen Heidenhains, MyogUa-
fibrillen Bendas). Was nun aber Meves zur Stütze seiner Anschauungs-
weise anführt, ist weder reiche noch überzeugende Beweisführung.
Im wesentlichen stützt er sich dabei auf die angeführten MERKELschen
Folgerungen und, was die Wesensgleichheit zwischen den präcollagenen
Fasern Golowinskis, der Fibroglia Mallorys, der Myoglia Bendas,
und den Grenzfibrillen Heidenhains anbetrifft, auf ihre äußere Iden-
tität. Unbegreiflich ist es, wie man in bezug auf die Fibroglia immer
noch von einer Komponente der Protoplasmastrukturen
reden kann, von dem Augenblick an als ihre Fasern, wie von Mallory
und CocA beschrieben worden ist, frei sind und mcht mehr mit dem
Zellprotoplasma in Beziehung stehen.
Merkel stellt absolut in Abredö, daß die fibrillären-cellulären
Strukturen irgendwelche Beziehung zur Entstehung der Fibrillen haben,
Meves dagegen spricht sich einerseits in negativem Sinne aus hin-
sichtlich des Bestehens einer solchen Beziehung zu den von Golo-
wiNSKi beschriebenen Gebilden, nimmt sie aber bezüglich der von
über dio Entstehung der Bindegewebsfasern usw. 503
Flemming in den Bindegewebszellen der Salamanderlarven erkannten
Fibrillenbildungen an, die von ihm (Meves) mit den Chondriokonteu
identifiziert worden sind.
Es ist hier angebracht, auseinanderzusetzen, wie sich Meves die
Bildung der collagenen Fasern denkt. Nach Meves stellen die von
ihm Chondriokonteu genannten Cytoplasmafäden die erste Anlage der
Bindegewebsfibrillen dar. Erstere liegen zuerst unregelmäßig im
Zellkörper zerstreut, wandern dann aber nach und nach an dessen
Oberfläche, Auf diese Weise epicellulär geworden, »ändern sie dann
ihre chemische Beschaffenheit, indem sich ihre Substanz in eine solche
umwandelt, welche weder durch Eisenhämatoxylin noch durch Fuchsin
färbbar ist. Auf diesem Stadium (d.h. während sie nicht sicht-
bar sind) treten diejenigen von ihnen, welche in einer Keihe liegen,
untereinander mit ihren Enden in Verbindung. An der Bildung einer
Fibrille beteiligen sich zahlreiche Zellen (alle diejenigen, denen ihr
Verlauf fest anliegt), indem jede einen Fibrillenabschnitt liefert. Die
Fibrillen ändern dann zum zweitenmal ihre chemische Beschaffenheit,
indem sie eine intensive Färbbarkeit für die Collagenfarbstoffe ge-
winnen. Schließlich werden sie von den Zellen frei und kommen in
den Spalträumen zwischen ihnen zu hegen.«
Bemerkensw^ert ist, daß in einer früheren Arbeit Meves ange-
nommen hatte, daß die Körnchen und Fasern Golowinskis identisch
seien mit seinen Mitochondren und Chondriokonten. In seiner neuesten
Arbeit, auf die wir uns hier beziehen, sagt er dagegen, daß er diese
Gleichheit insofern nicht mehr zugeben kann, als die GoLOWiNSKischen
Fasern sich von den Chondriokonten sowohl chemisch wie auch morpho-
logisch differenzieren: chemisch insofern, als sie von der ZENKERschen
Flüssigkeit, die die Chondriokonten auflöst, nicht angegriffen werden;
morphologisch insofern, als die Chondriokonten Fadenstücke sind,
und auch dann, wenn sie sich an der Zelloberfläche befinden, sich nie-
mals auf der Zelle und längs ihrer Ausläufer so weit erstrecken.
Mir macht es dagegen den Eindruck, daß sowohl die chemischen,
wie auch die morphologischen Eigenschaften kein unüberwindbares
Hindernis für die Annahme der Gleichheit der GoLOWiNSKischen Körn-
chen und Fasern und der MEVESschen Mitochondren und Chondrio-
konten sind. Wir müssen dabei in Betracht ziehen, daß diese Teile
lebende Elemente sind, deren Eigenschaften, wie auch Meves zugibt,
Veränderungen unterworfen sind, weshalb sie sich den chemischen
Agentien gegenüber ganz verschiedenartig verhalten können, ganz je
nachdem diese sie in einem oder dem andern Stadium ihres Daseins
504 Serafino d'Antona,
treffen. Ebenso lassen sich auch die morphologischen Unterschiede
erklären, indem man in Betracht zieht, daß die zwischen Körnchen
und Fäden zur Bildung der Fibrillen vor sich gehende Vereinigung
mehr oder weniger vorgeschritten, und also das gebildete Fibrille n-
segment mehr oder weniger lang sein kann.
Eines andern Unistandes verdient dann überdies gedacht zu
werden, daß nämlich einer der hauptsächlichsten (wenn nicht geradezu
der hauptsächlichste) von Meves zugunsten der Abhängigkeit der
Entstehung zwischen Chondriokonten und collagenen Fasern vorge-
brachten Beweisgründe in gewissem Sinne dazu geeignet ist, die Deutung
GoLOWiNSKis zu stützen. So sagt Meves tatsächlich: Ständen die
Chondriokonten in keinerlei Beziehung zur Bildung der Fibrillen,
weshalb würden sie denn dann epicellulär werden? Nun ordnen sich
auch die zuerst an der Oberfläche des Zellkörpers unregelmäßig zer-
streut liegenden GoLOWiNSKischen Körnchen nach und nach zu regel-
mäßigen Reihen an, um dann zu Streifen und Fibrillen zu werden.
Wir könnten uns also auch ihretwegen fragen: Wenn sie wirklich
nichts mit der Fibrillenbildung zu tun hätten, warum würden sie sich
dann reihenweise lagern?
Ich habe in den LANGHANSschen Zellen mittels des MEVESschen
Verfahrens nach Mitochondren gesucht, aber ohne sicheren Erfolg,
denn es haben sich mir keine wesentlichen Unterschiede zwischen den
zu diesem Zweck hergestellten Präparaten und den von in Sublimat
oder Zenker fixierten Stücken herrührenden Präparaten ergeben.
Sowohl in diesen, wie auch in den in FLEMMiNGscher Flüssigkeit fixierten
Präparaten^ kamen dieselben körnigen und fibrillären Strukturen mit
den beschriebenen Merkmalen zum Vorschein.
Da wir nun einmal zugegeben haben, daß diese Strukturen den
von GoLOWiNSKi beschriebenen entsprechen, entscheidet sich so die
Frage ihrer vorhandenen oder nicht vorhandenen Wesensgleichheit
mit Mitochondrengebilden, je nachdem wir diese Wesensgleichheit für
die GoLOWiNSKischen Gebilde zugeben oder nicht. Die von Golowinski
geschilderten Fibrillen haben von ihm den Namen »Präcollagene Fasern <<
erhalten; diese Benennung können wir aber aus demselben Grunde
nicht annehmen, aus dem wir schon die von Laguesse für die amorphe
Substanz vorgeschlagene Benennung >>Präcollagene Substanz« zurück-
1 In den von in FLEMMiNOscher Flüssigkeit fixierten Stücken herrührenden
Hämatoxylinpräparaten beobachtet man zuweilen die Schwärzung von Körnchen,
die nichts mit den beschriebenen Gebilden zu tun haben (es handelt sich da wahr-
scheinlich um Entartungsprodukte).
i'ber dio Entstellung der Bindegewebsfasern usw. 505
weisen mußten, nämlich weil, worauf wir noch näher eingehen werden,
diese Fibrillen unsrer Ansicht nach sich nicht nur in collagene, sondern
auch in elastische Fasern verwandeln; ebendeshalb wollen wir sie
»Ectoplasmaf ibrillen << nennen, und unter dem Namen »Primitive
Fibrillenstrukturen« sowohl die Ectoplasmafibrillen wie auch die ersten
körnigen Fäden verstehen, die sich inmitten des Metaplasmas differen-
zieren.
Gehen wir dann auf die Frage ein, welches Verhalten die Neu-
bildung der Fibrillen den Zellveränderungen gegenüber an den Tag
legt, so können wir da feststellen, daß je mehr die Entwicklung des
Zeilectoplasmas fortschreitet, das Metaplasma desto mehr an Volumen
verliert; es erscheint nicht mehr als eine gleichmäßig zwischen die
Zellelemente verteilte Masse, sondern tritt uns in Form fleckenartiger
Ansammlungen in ihrer Nähe entgegen, und umgibt sie zuweilen auch
hofartig (Fig. 9).
In diesem Zeitabschnitt erwirbt das Metaplasma die chromatischen
Reaktionen der collagenen Substanz, noch bevor in ihm Fibrillen-
strukturen deutlich zu erkennen sind. Mit der van GiESONschen und
MALLORYschen Methode nimmt es eine schwache, diffuse rote oder
blaue Farbe an; nur das BiELSCHOWSKYsche Verfahren läßt uns er-
kennen, daß in dem Metaplasma sich noch äußerst feine, körnige Fi-
brillen differenzieren.
Sobald jedoch die ectoplasmatische Umwandlung der Zellen be-
ginnt, werden die ganz unabhängig von den Zellen inmitten des Meta-
plasmas zustande kommenden Fibrillen immer seltener; nun erscheinen
die meisten Fibrillen an den Umrissen der Zellen selbst, deren Ver-
teilung sie folgen (Fig. 9 u. 11). Diese pericellulären Fibrillen sind
lang, dünn und leicht gewellt; sowohl sie, wie auch die gleichzeitig im
Metaplasma zur Bildung gelangenden Fibrillen verlaufen unterein-
ander parallel, sind isoliert oder zu kleinen Bündeln vereinigt; Ana-
stomosen werden nicht beobachtet. Die Fibrillen bilden um die Zellen
herum sozusagen Manschetten, die mit den das Collagen kolorierenden
Farbstoffen eine kräftige Farbe annehmen; doch wird, wie ich bereits
in bezug auf die Fibrillen metaplasraatischen Ursprungs hervorgehoben
habe, die collagene Reaktion im Anfang nicht so sehr von den Fibrillen,
als vielmehr von der zwischen ihnen verteilt liegenden Substanz ab-
gegeben. Besonders bei den nach van Gieson hergestellten Präparaten
tritt die collagene Färbung diffus hervor, und die Fibrillen lassen sich
mehr ihrer . Lichtbrechung als der Farbewirkung wegen erkennen.
Dasselbe ist bei den nach Mallory hergestellten Präparaten der Fall.
506 Serafino d'Antona,
Nur mit Hilfe der Silbertränkung lassen sich feinste, körnige Fibrillen
aufs deutlichste wahrnehmen.
Daß diese pericellulären Fibrillen nach dem, was wir über sie
gesagt haben, aus den im Ectoplasma beschriebenen Strukturen her-
rühren (mögen diese Strukturen als Mitochondrengebilde aufgefaßt
werden oder nicht) scheint mir über jeden Zweifel erhaben zu sein.
Bringen wir die mit den verschiedenen Verfahren erhaltenen Befunde
nebeneinander, so können wir die Veränderungen, die das Zellproto-
plasma erfährt, bevor es die Fibrillen schafft. Schritt für Schritt ver-
folgen. Ganz besonders die BiELSCHOWSKYsche Methode setzt uns in
den Stand, die Fibrillen in einer Zeit vor Augen zu bekommen, in der
sie noch mit dem Zellkörper zusammenhängen, und mit den gewöhn-
lichen Verfahren noch keine Färbung zu erhalten ist. Leider läßt
diese Methode die Ectoplasmagebildei, besonders wenn das Ecto-
plasma stark entwickelt ist, nicht erkennen; ihre Lücken werden aber
durch die Eisenhämatoxylinpräparate ausgefüllt.
Die Verteidiger des intercellulären Ursprungs der Fasern, darunter
besonders Merkel, stehen derart im Banne ihres Vorurteils, daß die
Bildung der Fasern nur auf eine einzige Art und Weise stattfinden
könne, daß sie selbst klar vor uns liegende Tatsachen leugnen.
Wenn diese Gebilde wirklich nichts zu tun hätten mit der Bildung
der Fasern, welche Bedeutung müßte man ihnen dann beilegen? Warum
würden sie dann hervortreten, wenn gerade die Erscheinungsweise der
neugebildeten Fasern die Vermutung bekräftigt, daß die Fasern direkt
von den Zellen abstammen?
Merkel hat nun zwar die Tatsache, daß oft die Fasern und Aus-
läufer der Zellen in derselben Richtung verlaufen, damit zu erklären
versucht, daß er annahm, daß diese Erscheinung einer in derselben
Weise auf Zellen und Fasern einwirkenden Kraft zuzuschreiben sei.
Aber dann müssen wir uns doch in unserm Fall ohne weiteres fragen:
Warum haben die Fasern, deren Bildung inmitten des Metaplasmas
wir feststellen konnten einen von den Zellausläufern unabhängigen
Verlauf, während die an der Peripherie des Ectoplasmas auftretenden
Fasern den Zellausläufern getreulich folgen?
1 Höchstwahrscheinlich ist das dem Umstand zuzuschreiben, daß die Körn-
chen ins Ectoplasma eingeschlossen sind und da von einer homogenen, zähen
Substanz festgehalten werden, die sie der Silbertränkung entzieht; tatsächlich
werden die körnigen Strukturen wieder sichtbar, wenn sie die Oberfläche des
Ectoplasmas erreichen. Es sei hier gleich darauf hingewiesen, daß das eigentüm-
liche von Langhans beschriebene Kanalsystem gerade den von der Silberträn-
kung weiß gelassenen Ectoplasmen zuzuschreiben ist.
t'l)ci- die Entstc'lniiip; der BiiKli'gowcltsfasorn usw. 507
In unserin Fall kann dann auch keine Verschiedenheit der mecha-
nischen Verhältnisse untorpjeschoben werden, denn wir haben in ein
und derselben knotii;en oder diffusen Intinuiverdickung von der Ober-
fläche der Tiefe zu vorgehend nacheinander die beiden Bildungsarten
angetroffen.
Nun könnte aber doch zur Leugnung der zwischen den Ectoplasma-
strukturen und den pericellulären Fasern bestehenden genetischen Ab-
hängigkeit das herangezogen werden, was wir bereits festgestellt haben,
daß nämlich sehr oft der Durchmesser der Körnchen und der Ecto-
plasmafibrillen größer ist, als der der gebildeten collagenen Fibrillen.
Auch Meves hat ebendiese Erscheinung bezüglich der Chondriokonten
beobachtet und sie den technischen Verfahren zuschreiben zu müssen
geglaubt. Kann zu dieser Erklärung gegriffen werden, wo es darauf
ankommt, einen Vergleich anzustellen zwischen Fibrillen, von denen
die einen mit Hämatoxylin, die andern mit Fuchsin gefärbt worden
sind, wie dies bei dem von Meves verwandten Verfahren der Fall ist,
so will sie mir doch unannehmbar vorkommen, wenn die intracellu-
lären wie auch die extracellulären Gebilde unter der Einwirkung
ein und derselben Substanz stehen, wie dies bei der Silbertränkung der
Fall ist.
Meiner Meinung nach kann diese Erscheinung ihre Erklärung
finden, indem man annimmt, daß jede der ectoplasmatischen Fibrillen
nicht eine einzige, sondern mehrere collagene Fibrillen hervorruft,
daß also die größten Fibrillen im Augenblick ihrer Trennung von der
Zelle sich der Länge nach spaltend zu dünneren Fibrillen umwandeln.
Diese Vermutung steht mit keiner der von uns erworbenen Kenntnisse
in Widerspruch und ist auch insofern gar nicht neu, als dieselbe Ver-
vielfältigungsart von V. Ebner, Flemmtng und Heidenhain für die
vollentwickelten Fasern angenommen worden ist.
Übrigens ist die Vermutung, daß die pericellulären Fibrillen im
Metaplasma entstandene und dann an den Zellkörper sich anlegende
Fibrillen seien, auch schon durch das bei ihrer weiteren Entwicklung
an den Tag gelegte Verhalten hinfällig geworden. Tatsächlich ent-
fernen sie, die zuerst eine Art Muff oder Mantel um die Zelle bilden,
sich nach und nach von ihr und werden immer weiter zurückgedrängt,
bis sie die hellen, zwischen Zelle und Zelle bestehenden Zwischen-
räume ausfüllen. Bei ihrem Zurücktreten von der Zelle lagern sie sich
dann in ein und derselben Schicht und bilden so eine Lamelle, genau
dem entsprechend, was wir bei den Fibrillen haben eintreten sehen, die
sich inmitten des Metaplasmas differenzieren. Der Unterschied in der
508 Serafino d'Antona,
Entstehung der beiden Lamellengebilde liegt darin, daß im ersten
Fall die das Blatteten ausmachenden Fibrillen zuerst netzartig an-
geordnet sind und erst später untereinander parallel laufen, hier da-
gegen die Fibrillen von Anfang an isoliert und parallel erscheinen.
Es verlaufen jedoch nicht alle eine Lamelle bildenden Fibrillen in
derselben Kichtung, sondern es besteht ein jedes Blättchen aus zwei
oder drei Fibrillensystemen, die sich verschiedene Winkel bildend kreu-
zen. Nach der am meisten von mir angetroffenen Lagerung zu urteilen,
besteht jedes Blättchen aus einem System circulärer und einem System
länglicher Fibrillen, in bezug auf die Achse des Gefäßes. Zwischen
diesen beiden grundlegenden Systemen verlaufen wenig zahlreiche,
mehr oder weniger schiefe Fibrillen. Die Hauptsache bleibt also,
mögen die Fibrillen nun von dem Metaplasma oder dem Ectoplasma
abstammen, daß sie schließlich zu einem Gewebe führen, das dieselben
Eigenschaften besitzt.
IV. Entstehung der elastischen Fasern.
A. Gegenwärtiger Stand der Frage.
Die Entstehung der elastischen Fasern liegt noch mehr im Dun-
keln als die der collagenen Fasern. Ich verzichte darauf, hier auch
nur in großen Zügen die reiche darüber bestehende Literatur wieder-
zugeben, die ziemlich ausführlich vor nicht langer Zeit von Röthig
zusammengestellt worden ist. Ich will hier nur anführen, daß für die
elastischen Fasern die verschiedensten, celluläre und extracelluläre.
Bildungsweisen beschrieben worden sind.
So haben sie einige Forscher an der Peripherie der Zellen ent-
stehen (ViRCHow, Hertwig, Spuler, Loisel, Hansen, Acquisto)
und andre aus dem ganzen Zellprotoplasma ihren Ursprung nehmen
sehen (Deutschmann, Gerlach, Ageno, Spuler, Loisel, Gard-
ner, Retterer, Taddei, Teufel, Spalteholz). Die Bildung auf
Kosten der Zellausläufer ist von de Lieto-Vollaro, Spuler, Loisel,
Hansen, Nakai, Stoss, Jores beschrieben worden; die Umwand-
lung ganzer Zellen in elastische Fasern und die Teilnahme des Kernes
an ihrer Bildung haben Sondakewitsch, Heller, Kuskow, Panzini,
Retterer, Loisel, Spuler, de Kervily, Livini angenommen.
Sowohl der unmittelbare intercelluläre Ursprung aus der Grund-
substanz wie auch der mittelbare durch Umprägung der collagenen
Fasern ist unter andern von Ranvier, Heller, Passarge und Krö-
siNG, Meissner, von Ebner, Hansen, Geipel, Schiffmann, Fuss,
Matsuoka, Henneguy wahrgenommen worden.
t'bfr dii' Eiitstcluiiig der Biiulogcwobsfa.scrn usw. 509
Am verbreitetsten ist heute die Meinung, daß die elastische Sub-
stanz in dem Körper der Zelle und ihren Ausläufern vornehmUch in
Form von Körnchen auftrete, und daß die Fasern durch Vereinigung
dieser Körnchen an der Oborfliiche der Zellen zustande kommen.
B. Eigne Beobachtungen.
Nach dem, was bereits über die Entstehuno; der coUaüenen Fasern
gesagt worden ist, kann sich das über die Bildung der elastischen
Fasern zu Sagende deshalb auf wenige Worte beschränken, weil ich
in der Bildungsweise dieser beiden Faserarten keine wesentlichen
Unterschiede gefunden habe. Genau wie die collagenen Fasern können
auch die elastischen Fasern in zweierlei Form auftreten, in Form eines
Netzes, inmitten des Metaplasmas (Fig. 12) oder in Form von anfäng-
lich vereinzelten Fasern (Fig. 13 u. 14) an den Umrissen der Zelle.
Was die Fasern ectoplasmatischen Ursprungs anbelangt, möchte ich
hier bemerken, daß ich elastische Fasern niemals im Zellkörper, sondern
immer an seiner Peripherie angetroffen habe. Um zwecklose Wieder-
holungen zu vermeiden, verzichte ich darauf, Aviederum den ganzen
Vorgang zu verfolgen, denn auch hier vereinigen sich die neugebil-
deten Fasern und bringen so die schon bei den collagenen Fasern be-
schriebenen Lamellengebilde zustande, mit dem Unterschied jedoch,
daß hier natürlich die netzartige Anordnung der elastischen Fasern
nicht verschwindet, wie wir es bei den collagenen Fasern gesehen haben,
sondern die Zweiteilungen und Anastomosen der Fasern das ganze
Leben hindurch bleiben, was eine besondere Eigenschaft des elastischen
Gewebes ist.
Was jedoch hervorgehoben zu werden verdient, ist, daß ich bei
der Bildung der elastischen Fasern kein körniges Stadium habe wahr-
nehmen können. Das weniger oder mehr vorgeschrittene Alter der
elastischen Fasern wurde mir durch die mehr oder wenio;er starke
Fixierung der Farbstoffe verraten. Prüfte man diese Präparate, so
machte es fast den Eindruck, als ob sie unvollständig differenziert
■wären, denn neben den deutlich gefärbten Fasern ließen sich auch
andre wahrnehmen, die verschiedene Farbentöne aufwiesen (Fig. 12).
Das gilt ganz besonders von den Fasern, die sich in Form eines Netzes
inmitten des Metaplasmas differenzieren, während die an der Peri-
pherie des Ectoplasmas entspringenden Fasern von Anfang an deutlich
gefärbt, aber glatt und homogen erscheinen.
Das steht nun aber in Widerspruch mit dem, was Jores und
andre beobachtet haben, daß nämlich die elastischen Fasern der Intima-
Zeitschrift f. wisienscli. Zoologie. (IX. I'.il. 34
510 Serafino d'Antona,
Verdickungen einen körnigen Ursprung hätten; doch habe ich bereits
an andrer Stelle darauf hingewiesen, wie leicht es ist, das als Körnchen
zu deuten, was weiter nichts ist, als ein Fibrillendurchschnitt (Fig. 13
und 14).
Übrigens leugnet auch Mall, der die Entstehung der elastischen
Fasern der Aorta und andrer Organe vom embryologischen Stand-
punkt aus gründlich studiert hat, für die Gefäße den körnigen Ursprung
dieser Fasern.
Nun habe ich zwar zuweilen sowohl im Metaplasma, wie auch
(aber seltener) im Protoplasma der Zelle mit den für das Elastin für
elektiv gehaltenen Farbstoffen gefärbte Körnchen angetroffen, doch
schien mir dieser Befund keine besondere Bedeutung für die Bildung
der Fasern zu besitzen, vor allem weil er unbeständig war und dann
auch, weil diese Körnchen im Verhältnis zu der bedeutenden Menge
Fasern, die sich differenzieren, sehr spärlich sind. Anderseits ist es
eine wohlbekannte Tatsache, daß diese Farbstoffe viele andre Gebilde
färben, die mit Elastin nichts zu tun haben. Wahrscheinlich können
wir gerade hierin den Hauptgrund finden für die Fülle der für die
elastischen Fasern beschriebenen Bildungsweisen.
Damit soll nun aber natürlich noch gar nicht gesagt sein, daß die
elastischen Fasern niemals und in keinem Organ in Körnchenform
auftreten können, denn ich stehe gar nicht an, zuzugeben, daß unter
bestimmten Verhältnissen und in bestimmten Geweben die elastische
Substanz auch unter Form von Körnchen sich zeigen kann. Auch
Mall leugnet, wie gesagt, den körnigen Ursprung der elastischen
Fasern für die Gefäße, nimmt ihn dagegen aber für den Arytenoid-
knorpel an. Bei alledem scheint mir jedoch behauptet werden zu
können, daß bei der Neubildung der elastischen Fasern bei den athero-
sklerotischen Aortaverdickungen von dem Bestehen eines körnigen
Stadiums nicht geredet werden kann. Dem Zeitpunkte nach erscheinen
die elastischen Fasern in den Verdickungen sehr früh; wir finden sie
oft schon reichlich entwickelt, wenn die rein collagenen Fibrillen als
solche noch nicht erkennbar sind.
V. Bedeutung der erhaltenen Ergebnisse.
Aus dem bisher Ausgeführten geht hervor, daß die Fasern bei
den atherosklerotischen Aortaverdickungen auf zwei verschiedene
Weisen zustande kommen. Bei der ersten Bildungsart differenzieren
sich die fibrillären Gebilde inmitten einer intercellulären, amorphen
Substanz (Metaplasma), ohne daß, wenigstens allem Anschein nach,
Vhcv clio Kn(«t(Imiig der Bindegewebsfasern usw. 511
die Zellen an dem Fortschreiten des Vorgangs direkt teilnehmen. Bei
der zweiten Bildungsweise differenzieren sich die fibrillären Gebilde
in einem veränderten peripheren Teil des Zellprotoplasmas (Ecto-
plasnia), aus dem sie dann heraustreten und sich in intercelluläre
Fasern verwandeln. Der Zeit nach geht die erste Bildungsweise der
zweiten vorher. In Wirklichkeit aber werden beide in demselben
Stück und in demselben Präparat gleichzeitig beobachtet.
Die erste der zwei Entstehungsarten entspricht der intercellulären
Bildungsweise der Bindegewebsfasern, wie solche von Merkel, von
Ebner, Laguesse, Kenaut und andern aufgestellt worden ist, die
zweite dagegen der epicellulären Bildungsweise, die, nur der neuesten
Forscher gedenkend, von Hansen, Golowinski, Meves und andern
vertreten wird. Aus dem vorher Auseinandergesetzten geht aber
deutUch hervor, daß der Kontrast und die Unvereinbarkeit, die man
zwischen diesen beiden Bildungsweisen hat erblicken wollen, in Wirk-
lichkeit überhaupt nicht besteht.
Die fibrillären Gebilde können sowohl intercellulär wie auch epi-
cellulär erscheinen, wobei sie ein und demselben Mechanismus folgen,
der nur dem Schein nach verschieden ist.
In Wirklichkeit rühren die Fibrillen von einem Protoplasma-
material körniger Natur her. Dieses Material kann uns als anfänglich
amorphe intercelluläre Substanz (Metaplasma) entgegentreten, in der
später die fibrillären Gebilde erscheinen (intercellulärer Ursprung);
oder aber das Protoplasmamaterial ordnet sich zu Fibrillen an, und
zwar in dem peripheren veränderten Teil des Zellkörpers (Ectoplasma),
aus dem es unter der Form eines fibrillären Gebildes hervortritt (epi-
cellulärer Ursprung).
Die von uns den primitiven fibrillären Gebilden zugeschriebene
körnige Beschaffenheit stimmt mit der sowohl in der alten, wie auch
in der neuen Literatur am meisten verbreiteten Ansicht überein, daß
die Fibrillen in Form von reihenweise angeordneten Körnchen er-
scheinen, wobei ich daran erinnere, daß auch Merkel mehrmals von
dem körnigen Aussehen der jungen der Gallerte entsprungenen Fi-
brillen spricht.
Die Anschauung, daß die Fibrillen von reihenweise angeordneten
Körnchen stammen, wird übrigens in überzeugender Weise durch die
kürzlich von FooT gemachten Beobachtungen über das Wachstum
des Knochenmarks in vitro bestätigt. Bei Erforschung der von FooT
X-Zellen genannten Gebilde hat auch dieser Forscher an ihrer Peri-
pherie ein Ectoplasma sich differenzieren sehen, in dem sich Körnchen
34*
512 Serafino d'Antona,
einstellen, die vorher um den Kern herum angehäuft waren. Diese
Körnchen lagern sich in den Bälkchen des Ectoplasmas reihenweise
und bilden so kurze Ketten. Die Ketten werden nach und nach immer
zahlreicher und deutlicher, weniger körnig und mehr fibrillär. Bei
der Ausdehnung des Zellkörpers dehnen auch sie sich aus, werden
länger, bis sie schließlich in Form von Fibrillen die Zelle verlassen.
Aber, die ersten intercellulären wie epicellulären Fibrille ngebilde,
und heute kann die Übereinstimmung der Forscher in diesem Punkt
für vollständig gelten, sind noch keine collagenen Fasern und ebenso-
wenig elastische Fasern. Wir haben sie »primitive Fibrillenstrukturen«
genannt, weil sie in Wirklichkeit nichts andres darstellen, als eine
einfache Struktur, auf der dann die künftigen collagenen und elastischen
Fasern zustande kommen. Die Ausbildung dieser undifferenzierten
fibrillären Gebilde zu den vollentwickelten, morphologisch und funk-
tionell differenzierten Fasern, geschieht durch eine Reihe von Lebens-
vorgängen hindurch, die sich inmitten der Intercellularsubstanz ab-
wickeln, denn diese ist, wie sich aus den Nachforschungen Flemmings,
VON Ebners, Grönroos', Hansens, Studnickas, Heidenhains und
vieler andern ergeben hat, wirklich eine lebende Substanz.
Die verschiedenen uns bekannten Bindegewebsfasern (Fibroglia
Mallorys, Reticulum fibrils Malls und die Gitterfasern Kupfers,
die collagenen Fasern, die elastischen Fasern) sind weiter nichts als
ebensoviele Stadien oder Formen von Entwicklungsvorgängen der
primitiven Fibrillenstrukturen.
Was die Fibroglia anbetrifft, vermag ich nicht mit Sicherheit zu
behaupten, ob die von uns im Ectoplasma der LANGHANSschen Zellen
beschriebenen Fasern, die, nach dem MALLORYschen Verfahren mit
Fuchsin gefärbt, rot wurden, wirkliche Fibrogliafasern sind. Ihr
Aussehen und Verhalten entspricht zwar dem der von Mallory be-
schriebenen Fasern, über die besonderen Eigenschaften und die wahre
Natur dieser Fasern bestehen aber noch zu viele Unsicherheiten, als
daß wir über dieselben ein positives Urteil abzugeben vermögen. Sind
die von uns im Ectoplasma der LANGHANSschen Zellen wahrgenommenen
Gebilde fibrogliaischer Natur, so müßten wir zum Schlüsse kommen,
daß die Fibrillen der Fibroglia den präcollagenen Fibrillen Golo-
wiNSKis entsprechen und dieselbe Bedeutung haben wie diese, d. h.
entgegen der von Merkel und Meves vorgebrachten Anschauung,
die ersten Züge oder Umrisse der künftigen Bindegewebsfasern sind.
Auch CocA ist auf Grund seiner Untersuchungen an Hühnerembryonen
zum Schlüsse gekommen , daß die Fibroglia das embryonale Vorstadium
über die Entstehung der Bindegewebsfasern usw. 513
der collagenen Fasern des vollentwiekelten Bindegewebes darstellt.
Mc.GiLL dagegen hat bei der Untersuchung des Verhaltens dieser
Fibrillen in der Darinwaiul des A^ecturus gefolgert, daß sie eine Art
Myofibrillen darstellen. Daraus läßt sich also ersehen, daß die Klärung
dieser Frage noch weitere Nachforschungen erheischt.
Gehen wir dann auf die andern in den Aortaverdickungen ange-
troffenen Faserarten ein, d. h. auf die Gitterfasern, die collagenen und
elastischen Fasern, so sehen wir, daß die Gitterfasern in der Entwick-
lung der primitiven fibrillären Gebilde weniger fortgeschrittene Fasern
darstellen. In der Tat sehen sie bei Verwendung der Bielschowsky-
schen Methode mehr körnig als homogen aus. Mit den Substanzen,
die die collagenen Fasern färben, nehmen sie nur eine schwache Farbe
an, besitzen dagegen eine gewisse Anziehungskraft auch für die Farb-
stoffe, die dem Elastin gegenüber für spezifisch gehalten werden, so
daß also in den Orzein- und Fuchselinpräparaten, wenn die Differen-
zierung nicht weit getrieben wird, auch die Gitterfasern gefärbt erhalten
werden. Wenngleich nun also die Gitterfasern den primitiven fibril-
lären Strukturen gegenüber ein vorgeschritteneres Stadium darstellen,
bilden sie doch noch ein indifferentes Stadium, da man sie ihrer Eigen-
tümlichkeiten wegen weder zu den collagenen Fasern noch zu den
elastischen Fasern zählen kann.
Im Hinbhck auf ihre morphologischen und chemischen Eigenschaf-
ten entsprechen die Gitterfasern vollständig den zuerst von Mall und
dann von Flint unter dem Namen Reticulum fibrils beschriebenen
Fasern, denn sowohl die einen wie die andern bilden anastomotische
Netze, geben beim Kochen keinen Leim ab, schwellen in den Säuren
wenig an, werden aber wohl von dem Trypsin und dem Pepsin an-
o;eorriffen. Die Gitterfasern können in diesem Zustand in bestimmten
Organen, ganz besonders in den parenchymaleu, kürzere oder längere
Zeit und selbst das ganze Leben hindurch verharren, können sich aber
auch, wie dies von uns angenommen und auf andern Gebieten auch
von RössLE, YosHiDA, RoussAKOFF, Barbacci, Lunghetti, und andern
bestätigt worden ist, in coUagene Fasern verwandeln. Nach Rössle
und YosHiDA wird die schon normalerweise vor sich gehende Meta-
plasie durch die Entzündungsprozesse vermehrt. Ich möchte darauf
hinweisen, daß sehr oft die Gitterfasern dicker sind, als die collagenen
Fasern. Wir müssen daher annehmen, daß nicht immer jede Gitter-
faser eine collagene Faser erzeugt, sondern daß die umfangreicheren
sich zu Bündeln verwandeln. Tatsächlich lassen sich sehr oft Gitter-
fasern wahrnehmen, die sich in ein Büschel dünner Fibrillen zerflockeu.
514 Serafino d'Antona,
Die collagenen Fasern rühren aber nicht alle durch Metaplasie
von den Gitterfasern her. Es können diese letzteren spärlich sein,
zahlreich dagegen sind die Fasern mit coUagener Reaktion, wie dies
zum Beispiel in den umschriebenen Verdickungen der Fall ist, wo die
neugebildeten Fasern äußerst frühzeitig die Eigentümlichkeiten der
collagenen Fasern erwerben. In diesen Fällen fehlt das Vorstadium
»Gitterfasern«; die primitiven fibrillären Gebilde werden unmittelbar
zu collagenen Fasern.
Leider vermögen wir bei dem heutigen Stand unsrer Kenntnisse
noch nicht zu sagen, worin wirklich der Vorgang besteht, demzufolge
sich die collagenen und die elastischen Fasern differenzieren. Ich
verweise in dieser Hinsicht auf die interessanten Untersuchungen
Zachariades' , der nachgewiesen hat , daß die vollentwickelten
Bindegewebsfibrillen keinen so einfachen Bau darstellen, wie dies
allgemein geglaubt wird. Unterwarf er die Fibrillen der Einwirkung
von Säurelösungen, so hat er nur den peripheren Teil anschwellen
sehen, während das Centrum dabei ein »filament axile<< blieb, das auch
der fortgesetzten Einwirkung der Säuren Widerstand leistet und sich
mit Methylenblau färbt. Das collagene Wesen der Fibrille liegt in der
den Achsenfaden wie eine Scheide umgebenden Substanz.
Diese von Zachariades vorgebrachten Tatsachen stimmen mit
der Vorstellung überein, die wir uns von der Histogenese der Binde-
gewebsfibrillen gemacht haben. Wir bemerken dazu nur, daß der
»Filament axile<<, der Anschauung Zachariades' entgegen, nicht
einen Rest des Zellfortsatzes darstellt, aus dem die Fibrille entsprungen
ist, sondern unsrer Meinung nach die primitive Fibrille, das körnige
Gerüst, auf dem die collagene Faser ihre Form angenommen hat.
Die Vermutung Zachariades', daß nämlich jede Faser von einem
Zellfortsatz herrühre, wird in den Fällen un verwendbar und unhaltbar,
in denen die Fasern sich im Metaplasma differenzieren, während unsre.
Auffassung von der ersten Anlage der fibrillären Gebilde als auf alle
Fälle anwendbar gelten kann.
Etwas Ähnliches geht wahrscheinlich auch in bezug auf die Diffe-
renzierung der elastischen Fasern vor sich, daß nämlich in einem Fall
die collagene Substanz und im andern die elastische Substanz die
primitiven Fibrillengebilde vervollständigt. Auf diese Weise ließe es
sich in unserm Falle erklären, weshalb die elastischen Fasern die eigen-
tümliche Reaktion stufenweise erwerben und von Anfang an homogen
erscheinen. Was diesen Punkt anbetrifft, muß ich daran erinnern,
daß nach den Forschungen Malls das Elastin bei den elastischen
über die Entstehung der Bindegewebsfasern usw. 515
Fasern nicht den peripheren, sondern den centralen Teil einnimmt,
das Gegenteil also von dem, was Zachariades in bezug auf die col-
lagene Substanz beobachtet hat.
Was die wechselseitigen genetischen, zwischen diesen verschiedenen
Faserarten, den Gitterfasern, collagenen Fasern, elastischen Fasern
bestehenden Beziehungen anbelangt, haben wir bereits eine Meta-
plasie der Gitterfasern in collagene Fasern als bewiesen angenommen.
Nicht ausreichend haltbar scheint mir die von Passarge und Krösing,
LoiSEL, Linser, Fuss und einigen andern Forschern vorgebrachte
Ansicht zu sein, daß die collagenen Fasern sich in elastische umwandeln
können. Diese beiden Faserarten haben einen zu hohen und zu ver-
schiedenen Differenzierungsgrad erreicht, als daß da ein direkter Über-
gang von der einen zur andern einzutreten vermöchte. Ich wenigstens
habe in der Aorta niemals etwas wahrgenommen, was diese Möglich-
keit auch nur im entferntesten in Aussicht stellte.
Einen festeren Boden hat schon die Annahme einer Umwand-
lung der Gitterfasern in elastische Fasern. Die Gitterfasern besitzen
nämlich Eigentümlichkeiten, die sie sowohl den collagenen, wie auch
den elastischen Fasern nahe bringen, mit den letzteren stehen sie über-
dies in größter chemischer Verwandtschaft. Genau so wie die elasti-
schen Fasern werden nämlich auch die Gitterfasern weder von den
Säuren noch von den Alkalien angegriffen, geben beim Kochen keinen
Leim, werden aber vom Trypsin und vom Pepsin zerstört. Die engen
Beziehungen zwischen den elastischen Fasern und den Reticulum
fibrils wurden von Mall eingehend untersucht, der zum Schlüsse kommt,
daß "an elastic fibril is a reticulum fibril filled with a tenacious highly
refractive substance viz. elastin".
Es besteht somit die Wahrscheinlichkeit, daß die Gitterfasern
aus ihrem indifferenten Stadium ebensowohl zu den collagenen Fasern,
wie auch zu den elastischen Fasern übergehen können, ganz je nachdem
die Substanz, die sich ihnen einverleibt, die collagene oder die elastische
Substanz ist.
Die Wahrscheinlichkeit dieser Vermutung erhält eine Stütze durch
das Verhalten der Gitterfasern in den Aortaverdickungen, Wir haben
nämlich beobachten können, daß bei den jungen Verdickungen die
Gitterfasern sehr zahlreich, die collagenen und elastischen Fasern
dagegen spärlicher vorhanden sind; mit dem Altern der Verdickung
wird dann im Gegenteil die Zahl der Gitterfasern immer geringer,
und die der collagenen und elastischen Fasern immer größer. Wahr-,
scheinüch handelte es sich bei der von mehreren Verfassern beschrie-
516
Serafino d'Antona,
benen Umwandlung coUagener Fasern in elastische Fasern nicht um
wahre, eigentliche collagene Fasern, sondern um Gitterfasern.
Die Bildung der Bindegewebsfasern kann an der Hand der unsern
Untersuchungen entspringenden Ergebnisse wie auf nachfolgendem
Schema zusammengefaßt werden:
Syncytiales Gebild.
(Zellen mit nacktem Protoplasma = Endoplasma)
Metaplasma
Primitive Fibrillenstrukturen
Ectoplasma
I
Primitive Fibrillenstrukturen
Fibroglia? Gitterfasern
Collagene Gitterfasern
Fasern
Elastische
Fasern?
Collagene
Fasern
Elastische
Fasern
Aus vorstehendem zusammenfassendem Schema lassen sich also
die zwei Bildungsarten der Fasern entnehmen: die intercelluläre oder
metaplasmatische und die epicelluläre oder ectoplasmatische Bildungs-
weise. Den Ausgangspunkt des ganzen Vorgangs stellt der aus den
LANGHANSschen Zellen mit nacktem Protoplasma (das dann zu Endo-
plasma wird) gebildete Syncytium dar. Zwischen den Maschen dieses
Syncytiums befindet sich das Metaplasma (modifiziertes Syncytiums-
protoplasma) in dessen Mitte die primitiven Fibrillenstrukturen er-
scheinen. In einem weiter vorgeschrittenen Stadium der Gewebs-
entwicklung unterliegt das Zellprotoplasma selbst einer Veränderung
und führt zur Entstehung der Fibrillen. Es tritt das Ectoplasma
auf, von dem Fibrillengebilde ausgehen, die den vom Metaplasma
gebildeten entsprechen.
i'lxi- die Kiitstfliuiig der Bindegewebsfasern usw. 517
Aus diesen primitiven fibrillären Strukturen, sowohl des Meta-
plasmas wie auch des Ectoplasmas, differenzieren sich also die ver-
schiedenen Arten von Bindegewebsfasern,
In dem Schema habe ich mich damit begnügt, die Fibroglia nur
liypothetisc'h hinzustellen, da ja über ihre Bedeutung noch viele Zweifel
herrschen. Ebenfalls hypothetisch steht die Abstammung der elastischen
Fasern von den Gitterfasern da.
Es liegt keineswegs in meiner Absicht, die Frage der Entstehung
der Fasern einer allgemeinen Revision zu unterziehen, um daraus zu
ersehen, ob dieses Schema bei der einen oder andern oder bei beiden
]\Iöglichkeiten auf alle Fälle angewandt werden kann.
Diese Aufgabe liegt außerhalb der Grenzen uiisrer Nachforschun-
gen, bei denen wir hauptsächlich die Klärung eines Punktes der Histo-
genese der atherosklerotischen Schädigungen der Aorta im Auge
hatten; wenn wir dann doch weitere Umschau gehalten haben, und tiefer
in die Betrachtung des allgemeinen Problems der Faserbildung ein-
gedrungen sind, als wir das zuerst beabsichtigt hatten, so ist dies nur
deshalb geschehen, weil die erhaltenen Ergebnisse uns die Möglichkeit
einer Beilegung des fast säkularen Zwiespalts durchblicken ließ, der
zwischen den Anhängern des intra- und extra cellulären Ursprungs
der Fibrillen herrscht.
Aber auch ohne die Analyse zu weit zu vertiefen, will es uns so
vorkommen, als ob das gegebene Schema, weitzügig ausgelegt, als
Führer dienen kann zur endgültigen Beilegung des diese Frage um-
schwebenden Streits. Was verschieden sein kann und sicherlich ver-
schieden ist, das ist die Art und Weise, in der die Tatsachen uns vor
Augen treten, ihre AVesenheit ist vermutlich aber ganz dieselbe in allen
Fällen.
Das Bestehen einer amorphen Stammsubstanz der Fibrillen scheint
mir, wie die Verhältnisse heute liegen, nicht mehr fraglich zu sein,
mag es sich nun dabei um das ÜEiDENHAiNsche Metaplasma, das
RETTEKERsche Hyaloplasma, die präcoUagene Substanz Laguesses,
das Ectoplasma Malls, die Gallerte Merkels handeln, oder man sie
für ein AiLsscheidungsprodukt der Zellen halten oder für ein ver-
ändertes Protoplasma. Diese Stammsubstanz mag mehr oder weniger
reichUch vorhanden und mehr oder weniger dicht sein, sie mag unsern
Mitteln gegenüber sichtbar oder unsichtbar sein, sie mag bald die
einen, bald die andern chromatischen Reaktionen bieten, das eine aber
steht fest, nämlich, daß sie wirklich vorhanden ist und sich in ihr fibril-
518 Serafino d'Antona,
läre Gebilde zu differenzieren vermögen ohne ersichtlichen Einfluß
von Seiten der Zellen
Am meisten umstritten war das Bestehen des Ectoplasmas oder
besser die Art und Weise seiner Begriffsbestimmung. Das kommt
großenteils, wie wir gesehen haben, von der verschiedenen Bedeutung
her, in welcher die einzelnen Forscher das Wort gebraucht haben,
teils auch von den technischen Schwierigkeiten, die seiner Beobachtung
in den Weg treten. In dieser Hinsicht sind wir insofern vom Glück
begünstigt gewesen, als wir auf Elemente gestoßen sind^, bei denen
die ectoplasmatische Umwandlung des Zellprotoplasmas in so aus-
gedehntem Maße stattfindet. Wahrscheinlich jedoch bildet das Ecto-
plasma bei den meisten Bindegewebselementen nur eine ganz dünne
Schicht, eine Art Häutchen, das sich der Beobachtung leicht entzieht.
Wenn wir uns aber zum Beispiel das Aussehen der jungen Fibroblasten
mit ihrem umfangreichen Körper voller Körnchen vergegenwärtigen,
und dann auch das feste, gestreifte Aussehen der vollentwickelten
Bindegewebszellen mit ihrem äußerst spärlichen, körnigen, perinucleären
Protoplasma, kann uns die Vermutung nicht so ganz unwahrscheinlich
vorkommen, daß bei der Entwicklung dieser Elemente sich ähnliche
Vorgänge abspielen, wie solche von Hansen für die Zwischenwirbel-
scheibenzellen und von uns für die LANGHANSschen Zellen beschrieben
worden sind.
Tatsächlich hat auch Ziegler in den entzündeten Bindegeweben
die Fibrillenbildung in einem hellen, homogenen Oberflächenteil des
Zellkörpers beschrieben, der vollständig dem Ectoplasma entspricht.
Ebenso stellt auch die »Grenzschicht« Golowinskis, die seine
präcollagenen Fasern enthält, nichts andres vor, als ein Ectoplasma-
häutchen.
Ich weise ferner noch darauf hin, daß auch Bruni, bei Erforschung
der Histogenese der Bindegewebsfasern der Zwischenwirbelscheibe
beim Rind wahrgenommen hat, daß die Bildung der Fasern in einer
1 Einen Punkt wäre ich jedoch nicht in der Lage mit hinreichender Ge-
nauigkeit zu klären, nämhch das fernere Schicksal der LANGHANsschen Zellen,
d. h. ob ihr Ectoplasma, nachdem sein Faserbildungsvermögen erschöpft ist,
kontraktionsfähig wird. Es ist eine feststehende Tatsache, daß die vollständig
entwickelten LANGHANsschen Zellen, wie ich bereits in meinem ersten Bericht
hervorgehoben habe, die größten morphologischen Analogien besitzen mit den
Muskelfaserzellen. Ebensowahr ist es aber auch, daß ich auch aus derart ver-
änderten Elementen, wie solche auf Fig. 6 stehen, die Faserbildung habe fort-
dauern sehen. Entsprechen die vollentwickelten LANGHANsschen Zellen viel-
leicht den «cellules myo-conjonctives» Renaxjts?
i'bci- die Eiilsti'luing der Biiuk'gc'wcb.sfasoru usw. 519
ersten Periode sich nur im Metaplasma abwickelt, in einer zweiten
Periode dagegen auch auf den Zellkörper übergreift. Aus der Be-
schreibung des Verfassers hat sich mir aber diese zweite Bildungsweise
nicht ganz klar ergeben. Allem Anschein nach ist Bruni der Wert
des von Hansen in denselben Zellen beschriebenen Ectoplasmas ent-
gangen. Anderseits hat Hansen bei dem zu weit vorgeschrittenen
Stadium der von ihm untersuchten Embryonen ^ die erste histogene-
tische Periode nur sehr unvollständig beobachtet, die Bruni in den
früheren Stadien beschrieben hat, in denen die Fasern inmitten des
Metaplasmas erscheinen. Meine an der Aortaintima vorgenommenen
Beobachtungen ergänzen die Hansens und Brunis. Wie aus dem
Schema hervorgeht, haben das Metaplasma und das Ectoplasma in
bezug auf das Zustandekommen der Fibrillen denselben Wert, denn
sowohl durch das eine, wie durch das andre hindurch gelangt man
zur Bildung der primitiven Fibrillenstrukturen, die den Ausgangs-
punkt bilden für die weitere Differenzierung der verschiedenen Faser-
arten.
Die mehr oder w^eniger rasch eintretende ectoplasmatische Meta-
morphose der Mutterzelle oder das lebenslängliche Verbleiben der-
selben im Stadium des nackten Protoplasmas, das mehr oder weniger
enge Anliegen der neugebildeten Fasern an die Zellen, ihr geflecht-, bün-
del-, oder lamellenartiges Auftreten, sow^ie die mehr oder weniger rasche
Annahme der specifischen Reaktionen sind ebensoviele Modalitäten,
die in unser Schema hineinpassen und Fall für Fall je nach der Natur
des Gewebes, auf das sie sich beziehen, erklärt werden können.
Vi. Grundsubstanz. Intercellularsubstanz. Kittsubstanz.
Bevor wir mit diesen kurzen Betrachtungen zum Abschluß kom-
men, erübrigen sich uns notwendigerweise noch einige Worte über die
sogenannten »Intercellularsubstanzen« und »Grundsubstanzen«. Das
Unbestimmte, was sich unter diesen Benennungen verbirgt, hat wahr-
scheinlich hauptsächlich dazu beigetragen, daß die Forscher bis heute
nicht dazu gekommen sind die Entwicklung der Bindegewebe überein-
stimmend zu erklären.
Mehrere Autoren haben da Abhilfe zu schaffen gesucht, aber ihr
Bemühen hat noch keine endgültige Übereinstimmung herbeizu-
führen vermocht.
Waldeyer unterscheidet bei den Grundsubstanzgeweben 1) die
1 Haxsex untersuchto 40 — 00 cm großo Früchte, Bruni Früchte von
25 cm an.
520 Serafino d'Antona,
Grundsubstanzzellen, 2) die Intercellularsubstanz, 3) die Intercellular-
fasern. Die Intercellularsubstanz besteht ihrerseits dann aus der
Grundsubstanz und den in ihr verborgenen Grundsubstanzfibrillen,
Er findet die Benennung Kittsubstanz überflüssig, insofern als sie
weiter nichts ist, als die Grundsubstanz, in der die Fasern lagern.
Schaffer hat zwar im allgemeinen diese Benennungsweise ange-
nommen, hält es jedoch nicht für richtig, den Ausdruck Grundsubstanz
durch Intercellularsubstanz ersetzen zu wollen. Die Grundsubstanz
kann nur dann auch Intercellularsubstanz genannt werden, wenn die
2]ellen, die sie erzeugen, im Verlauf der sich da abspielenden Prozesse
in sie eingeschlossen bleiben, so daß also die Grundsubstanz in Wirk-
lichkeit zwischen den Zellen lagert. Verschwinden dagegen die Zellen
(Rückenstranghülle einiger Fische, Zahnbein), so kann man nicht
von Intercellularsubstanz, sondern nur von Grundsubstanz reden.
Ebenso findet er, daß der Name Kittsubstanz beibehalten werden
nmß zur Bezeichnung der amorphen Substanz, welche die von der Grund-
substanz oder Intercellularsubstanz gebildeten Elemente verbindet.
VON KoRFF dagegen unterscheidet bei den Bindegeweben 1) die
Grundsubstanz- oder Bindegewebszellen, 2) die Grundsubstanz. Diese
Substanz besteht aus Grund- oder Bindegewebsfibrillen und Inter-
f ibrillarsubstanz .
Die vorstehend angeführten Nachforschungen setzen uns instand,
unsre Ansicht darüber preiszugeben, welche Deutung man diesen ver-
schiedenen Ausdrücken am besten geben kann.
Wir wollen da vor allem darauf hinweisen, daß der in dem Aus-
druck »Interzellularsubstanz« enthaltene Begriff stark topographisch
klingt, und sich nur schlecht dazu eignet, eine bestimmte Substanz
auszudrücken. Die zwischen den Zellen lagernde Substanz ist je nach
der Art des Gewebes und besonders je nach seiner Entwicklungszeit
verschieden. In unserm Fall, zum Beispiel, besteht die Intercellular-
substanz anfänglich ausschließlich aus Metaplasma, später aus Meta-
plasma und Fasern; nach vollständiger Entwicklung ist dann das
Metaplasma als solches ganz verschwunden, während die Fasern er-
halten geblieben sind. Daraus erhellt, daß in diesem Fall der Ausdruck
»Intercellularsubstanz« ganz nach dem Stadium, auf das wir uns be-
ziehen, etwas Verschiedenes anzeigt.
Demnach scheint es uns, daß der Ausdruck »Intercellularsubstanz«
nur in rein topographischem Sinne angewandt werden darf, und die
Gesamtheit der Substanzen anzuzeigen hat, die sich zwi-
schen den Zellen vorfinden oder sich da zu irgend einer
über die Entstehung der Bindegewebsfasern usw. 521
Zeit ihrer Entwicklunu vorgefuiulen haben, ohne Rück-
sicht auf ihre Natur und Gestalt.
Die »Grundsubstanz << ist für uns die amorphe Muttersub-
stanz der Fasern. Sie entspricht also der Substanz, die wir Meta-
plasma genannt haben, und die von andern Forschern verschieden
benannt worden ist (Ectoplasnia von Mall und Studnicka, Hyaloplas-
plasma von Retterek usw.). Diese Substanz wird dann endgültig
getauft werden können, wenn über Dir eigentliches AVesen volle Klar-
heit geschaffen sein wird. Wir haben bereits darauf hingewiesen, daß
der von Heidenhain vorgeschlagene Name »Metaplasma« sich der
Eigentümlichkeit dieser Substanz wohl anpaßt. Ferner haben wir
erwähnt, daß der Ausdruck »Ectoplasnia« den, Studnicka dieser
Substanz geben möchte, besser im Sinne Hansens verwendet wird,
um einen peripherischen, veränderten Teil des Zellkörpers zu be-
zeichnen.
Die »Kittsubstanz << ist der Teil der Grundsubstanz, der
nicht zur Bildung von Fasern verwandt wird, sondern im
amorphen Zustand verbleibt, die Fasern zusammenhält
und das Substrat für die Lamellengebilde abgibt. Die
Kittsubstanz kann jedoch ihrer chemischen Zusammensetzung nach
nicht für identisch gehalten werden mit der Grundsubstanz, denn
diese gibt Färbereaktionen, die sich bei der Kittsubstanz als solcher
nicht einstellen. Wenn die von uns dem Metaplasma zugeschriebene
Zusammensetzung (nach der es aus einem körnigen Teil und einem
homogenen, gallertigen Teil besteht) sich als nachgewiesen heraus-
stellte, könnte man wohl daran denken, daß die Kittsubstanz gerade
von diesem gallertigen Teil herstammt. In der Kittsubstanz können
Fibrillengebilde verborgen bleiben, die dann unter dem Einfluß be-
stimmter Einwirkungen zutage treten können. In der Kittsubstanz
können sich bestimmte Stoffe ablagern, die dem Gewebe eine besondere
Beschaffenheit verleihen (z. B. Knochengewebe).
Die Grundsubstanz und die Kittsubstanz stellen die amorphen
Elemente des Bindegewebes dar; die Zellen und die Fasern dagegen
die geformten Elemente; zwischen diesen Elementen kreist das Plasma,
das ihnen das Nahrungsmaterial zuführt.
In der Gesamtheit der Bindegewebe unterscheiden wir also:
a. Geformte Bestandteile
1. Zellen,
2. Fasern.
522 Serafino crAntona,
b. Amorphe Bestandteile
1. Grundsubstanz,
2. Kittsubstanz.
Alles zusammen vom Nährplasma umkreist.
Die Grundsubstanz, die Fasern und die Kittsubstanz können in
den verschiedenen Arten ihres Auftretens mit dem Namen »Inter-
cellularsubstanz << belegt werden, wobei wir diesem Ausdruck die be-
reits erwähnte topographische Bedeutung geben.
Zusammenfassende Betrachtungen.
Unsre Untersuchungen sind unter ganz andern Verhältnissen
abgelaufen, als dies bei ähnlichen Untersuchungen der Fall zu sein
pflege. Das unsern Nachforschungen zugrunde liegende Gewebe besitzt
eine nur schwache Lebensfähigkeit, w^eshalb sich in ihm rasch Ent-
artungserscheinungen einstellen. Dieser Umstand hat in gewissem
Sinne unsre Aufgabe noch mehr erschwert.
Anderseits ist der größte Teil der von uns erhaltenen Ergebnisse
der besonderen Natur des von uns studierten Gewebes zuzuschreiben.
Seine Zellelemente erreichen einen Umfang, wie solcher sich in keiner
andern Art Bindegewebszellen des menschlichen Organismus fest-
stellen läßt, wodurch ihre Erforschung bedeutend erleichtert wurde.
Außerdem laufen in ihm die da auftretenden Wucherungsvorgänge
unter bestimmten Verhältnissen derart rasch ab, daß wir ihnen zu-
weilen durch einfaches Verschieben des Präparats durch ihre ver-
schiedenen Phasen hindurch folgen können.
Angesichts der vielfachen Ursachen, die den Verlauf dieser Vor-
gänge zu verändern vermögen, wollen wir uns nicht weiter bei den
Einzelheiten unsrer Beschreibung aufhalten, sondern uns darauf be-
schränken, die hauptsächlichsten unsrer Forschungen entspringenden
Tatsachen zusammenzufassen.
Das Bedeutendste, was wir glauben klar und deutlich nachge-
wiesen zu haben, ist, daß bei den Aorta verdickungen die Faserbildung
zweierlei Vorgängen entspringt. Bei dem einen Vorgang treten diese
in einer primitiv amorphen Substanz (Metaplasma) unabhängig von
jeder direkten Beziehung zum Zellkörper auf; bei dem andern Vorgang
stammen sie unmittelbar von einem veränderten peripheren Teil (Ecto-
plasma) des Zellkörpers her. Der Zeit nach geht die erste dieser beiden
Bildungsarten der zweiten voran, in Wirklichkeit aber lassen sich die
beiden Vorgänge zu gleicher Zeit miteinander kombiniert beobachten.
Da die erste dieser beiden der intercellulären Entstehung der Fasern
über die Kiitstcluiii}]; der Bindegewebsfasern usw. 523
entspricht, und die zweite der cellulären Bildungsweise, so erhellt
daraus, daß die beiden ßildungsarten nebeneinander wahrgenommen
werden können, und der Kontrast, die geglaubte Unvereinbarkeit
beider in Wirklichkeit nicht besteht.
Recht haben weder diejenigen, die behaupten, daß die Fasern
ausschließlich von der Grundsubstanz herrühren, noch diejenigen, die
dafür eintreten, daß sie ausschließlich von der Zelle abstammen, sondern
es haben teilweise die einen recht und auch die andern.
Wahrscheinlich liegt der Hauptgrund für diese bestehende Mei-
nungsverschiedenheit, wie schon Loisel und Bruni bemerkt haben,
darin, daß die verschiedenen Forscher den Vorgang nicht in seiner
ganzen Entwicklung verfolgt, sondern sich mit der Beobachtung einer
oder weniger Stadien beonüo;t haben.
Darüber, ob die Muttergrundsubstanz der Fibrillen ein verändertes
Protoplasma darstellt, oder ein Ausscheidungsprodukt der Zellen ist,
kann noch gestritten werden, wenngleich dieser Streit für das Wesen
der Tatsachen keinen besonderen Wert hat. Unsrer Ansicht nach
besteht alle Wahrscheinlichkeit dafür, daß sie ihrer biologischen Eigen-
tümUchkeiten wegen für ein verändertes Protoplasma, ein Meta-
plasma zu halten ist. Für ausgeschlossen halten wir es jedoch nicht,
daß an ihrem Zustandekommen auch Ausscheidungsprodukte der
Zellen teilnehmen können.
Dadurch, daß wir die Grundsubstanz als ein verändertes Proto-
plasma betrachteten, schien uns der Bildungsvorgang der Fibrillen
leichter verständlich zu werden: Zuerst wird dieses morphologisch
weniger differenzierte Material zum Aufbau der Fibrillen verwandt,
und dann verändert sich das Zellprotoplasma selbst und bildet sich
in Fibrillen um.
Dieser zweite Abschnitt des Vorgangs fällt mit der Bildung des
>>Ectoplasmas<< zusammen, einem Ausdruck, dem wir dieselbe mor-
phologische Bedeutung beilegen wie Hansen.
VON Ebner und Meves fassen das Ectoplasma Hansens falsch
auf, wenn sie annehmen, daß das Ectoplasma die fibrillär gewordene
Grundsubstanz darstelle, denn das Ectoplasma ist nicht die fibrilläre
Grundsubstanz, sondern das Zellprotoplasma, das in Veränderung be-
griffen ist zur Erzeugung der Fibrillen.
Auch der andre von v. Ebner, v. Korfp, Merkel und Meves
erhobene Einwand, daß nämlich in den gut o;efärbten Geweben immer
eine Grenze zwischen Zelle und Interzellularsubstanz erkennbar sei,
hat keinen praktischen AVert, denn die Grenze zwischen Zelle und
524 Serafino d'Antona,
Intercellularsubstanz erscheint nur dann relativ deutlich, wenn der
Fibrillenbildungs Vorgang ganz oder fast erloschen ist, während man,
solange er noch andauert, wie unsre Abbildungen zeigen, unmerklich
vom Zellkörper zur Intercellularsubstanz gelangt. Wir haben gesagt
»relativ deutlich«, denn auch in den Zellen, in denen die Fibrillenbildung
fast erloschen ist, kann bei aufmerksamer Beobachtung in vielen Fällen
wahrgenommen werden, wie das Protoplasma sich mit der umstehenden
Substanz fortsetzt.
»Eine scharfe Sonderung in , Protoplasma', ,Zellkörper' und ,Grund-
substanzen' läßt sich in vielen Fällen unmöglich aufrecht erhalten
oder nachweisen. Ob man sagt, die Zelle ,scheide' an ihrer Oberfläche
Grundsubstanz ,aus', oder ,bilde' solche, oder ob man sagt, die peri-
pheren Protoplasmaschichten ,verwandelten sich' in Grundsubstanz
oder in ein Vorstadium derselben, so bleibt die Tatsache doch die,
daß in einer großen Menge von Fällen irgendwo ein mehr oder weniger
umfangreicher, oft direkt nachweisbarer Übergang aus , Protoplasma'
in Grundsubstanz angetroffen wird« (Hansen).
Ob die von uns in den LANGHANSschen Zellen beschriebenen Körn-
chen und Fasern Mitochondrenbildungen vorstellen, das erlaubt uns
der gegenwärtige Stand unsrer Kenntnisse weder zu behaupten noch
in Abrede zu stellen, denn die Unterscheidungsmerkmale dieser Ge-
bilde sind noch zu unsicher, und noch zu unbestimmt ist die Vorstellung,
die sich auf sie bezieht, als daß man in ihrer Hinsicht ein sicheres Urteil
abzugeben vermöchte.
Nehmen wir aber auch selbst an, daß diese Körnchen und Fibrillen
Mitochondren sind, so können wir doch der Anschauung Meves' und
VON KoEFFs nicht beistimmen und also nicht annehmen, daß die Mito-
chondren das einzige Bildungsmaterial der Fasern darstellen, die immer
von der Umbildung der cytoplasmatischen Strukturen herrührten,
eben weil wir Zeuge waren, daß die Fasern auch unabhängig von der
Umbildung der cytoplasmatischen Strukturen zustande kommen, die
sich nur in einem bestimmten Zeitabschnitt verändern und in Fibrillen
verwandeln.
Mögen die ersten Fibrillen vom Metaplasma oder vom Ectoplasma
abstammen, so sind sie doch weder collagene noch elastische Fasern.
"Wir haben ihnen den Namen »Primitive Fibrillenstrukturen« beigelegt,
weil sie in Wirklichkeit nichts andres darstellen, als einfache Struk-
turen, an denen sich dann die differenzierten Fasern des vollentwickelten
Bindegewebes modellieren, gleichviel ob man dabei die collagene Sub-
stanz und die elastische Substanz als unmittelbare Erzeugnisse der
über die Entstehung der Bindegewebsfasern usw. 525
Zelltätigkeit betrachten will, oder als durch die im Metaplasnia ab-
laufenden Lebensvorgänge zustande gekommene Substanzen.
Soweit wir nachweisen konnten, stellen die Gitterfasern, die colla-
genen Fasern, die elastischen Fasern nichts andres dar, als ebensoviele
Stadien der Entwicklungsvorgäuge, deren gemeinsamer Ausgangspunkt
in den »Primitiven Fibrillcnstrukturen« liegt.
Wie schon Merkel bemerkt hat, ist kein scharfer Unterschied
zulässig zwischen Collagen und elastisch, »dies sind nur die beiden
Endpunkte einer Reihe, in welcher je nach Lokalität und Bedürfnis
des ausgebildeten Körpers Z\vischenstufen vorkommen, welche jedoch
sämtlich auf einen gemeinsamen Ausgangspunkt zurückgehen«.
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über clif Eutsti-hung der Bindegewebsfasern usw. 529
Erklärung der Abbildungen.
Die Fig. 1, 2, 5 und (i wurden mit dem AuuEschen Zeichenapparat ge-
zeiehnet und um die Hälfte verkleinert; andre Figuren wurden mit der Camera
chiara von Scakpini (Anat. Anz. Bd. XXXV. Hft. 15 und 10. 1909) gezeichnet.
Tafel XII.
Fig. 1 u. 2. LANGHANSsche Zellen im Stadium des »nackten Protoplasmas«.
Formol. Gefrierschnitte. WEiGERTsche Eisenhämatoxylin-VAN Gieson. Ko-
RISTKA, Hom. Immers. 1 15, Comp.-Oc. 4.
Fig. 3. Schrägschnitt durch eine LanghansscIic Zelle. Die Zelle zeigt eine
ectoplasmatische Cuticula mit Körnchen und Fibrillen. Weniger zahlreiche
Körnchen smd im Endoplasma zerstreut. Sublimat. Eisenhämatoxylin nach
Heidenhaes^. Koristicv, Hom. Immers. 1/15, Comp.-Oc. 8.
Fig. 4. LAiSTGHANSSche Zelle mit neben dem Kerne herausgeschnittener
Cuticula, Körnchen und Fibrillen. Fixierung, Färbung und Vergrößerung wie bei 3.
Fig. 5. LANGHANssche Zelle mit ziemlich gut entwickeltem Ectoplasma.
In den Ausläufern ist die ectoplasmatische Umbildung fast vollkommen, nur in
dem centralen Teile derselben bleiben Spuren von Endoplasma zurück. Der
ZeUkörper besteht noch fast ausschließlich aus Endoplasma. Fixierung, Färbung
und Vergrößerung wie bei Fig. 1 und 2.
Fig. 6. LANGHAJsrssche Zelle. Der ZelLkörper besteht fast ausschüeßhch
aus Ectoplasma; unverändertes Endoplasma bleibt nur an den Kernpolen zurück.
Fixierung, Färbung und Vergrößerung wie bei Fig. 1 und 2.
Fig. 7. LANGHANssche Zelle mit stark entwickeltem, fibrillenenthaltendem
Ectoplasma. An dem einem der Kernpole unverändertes Endoplasma. Fixie-
rung, Färbung und Vergrößerung wie bei Fig. 3.
Fig. 8. LANGHANssche Zelle mit stark entwickeltem, fibrillenenthaltendem
Ectoplasma und Spuren von Endoplasma um den Kern. Fixierung und Ver-
größerung wie bei Fig 3. Färbung mit Anilinblau-Fuchsin-Orange nach jVIallory.
Fig. 9. Flächenschnitt durch eine Gallerte- Plaque: LANGHANssche Zellen
mit beginnender ectoplasmatischer Umwandlung. Das Zmschengewebe ist leicht
rosa gefärbt und läßt Zeichen einer fibrillären Struktur nur in der Nähe der Zellen-
körper erkennen.
Fixierung, Färbung und Vergrößerung wie bei Fig. 1 und 2.
Tafel XIII.
Fig. 10. Schrägschnitt dm-ch eine diffuse Intimaverdickung. Die ober-
flächlichste Lamelle ist amorph, körnig; die tief erliegenden Lamellen zeigen
immer deutlichere körnige Fibrillen. Eine Lamelle enthält eine stärker gefärbte,
durchschnittene LANGHANssche Zelle: die Fibrillen stehen in keinem nachweis-
baren Verhältnis mit der Zelle. Hier und da sind LANGHANssche Kerne, deren
Protoplasma nicht sichtbar ist. Formol. Gefrierschnitt. Bielschowsky. Ko-
RISTKA, Hom. Immers. 1/15, Comp.-Oc. 8.
Fig. 11. Der Schnitt wurde aus demselben Stücke angefertigt, aus dem
das Präparat der Fig. 9 herkommt : nur die Färbung ist verschieden. Ectoplasma
530 Serafino d'Antona, Über die Entstehung der Bindegewebsfasern usw.
hell, Endoplasma körnig. An der Peripherie des Ectoplasmas, Fibrillenbündel,
die die Zellfortsätze in ihrem Verlaufe begleiten. Auch das mit der van Gieson-
schen Färbung anscheinend strukturlose Zwischengewebe zeigt hier eine zarte
fibrilläre Struktur. Fixierung, Färbung und Vergrößerung wie bei Fig. 10.
Fig. 12. Intimale Lamelle einer atherosklerotischen Verdickung mit neu-
gebildeten elastischen Fasern. Die Fasern stehen in keinem Verhältnis mit den
Zellen, haben einen unregelmäßigen Verlauf und bilden ein Netz. Formol. Ge-
frierschnitt. Safranelin-Hämatein. Koristka, Hom. Immers. 1/15, Comp.-Oc. 8.
Fig. 13. Querschnitt durch eine LANGHANSsche Zelle. Das stärker gefärbte
Endoplasma ist geschrumpft und daher hat es sich vom Ectoplasma etwas ab-
gelöst. An der Peripherie des Ectoplasmas sind kleine, ihm eng aufliegende
Pünktchen zu sehen. Sublimat. WEiGERTsche Flüssigkeit für die elastischen
Fasern. PjTonin. Koristka, Hom. Immers. 1/15, Comp.-Oc. 8.
Fig. 14. Schrägschnitt durch eine LANGHANSsche Zelle. Zeigt, daß die
in der obigen Figur sichtbaren Pünktchen der Sektion von neugebildeten elasti-
schen Fasern entsprechen. Fixierung, Färbung und Vergrößerung wie bei Fig. 13.
Beiträge zur Kenntnis des histologischen Baues
von Veretillum cynomorium (Pall.).
Von
Dr. phil. Albert Niedermeyer,
(Aus dem kgl. zoologischen Institut der Universität Breslau.)
Mit Tafel XIV und XV.
Inhalt.
Seite
Einleitung 532
Historischer Überblick 532
Material und Technik 534
Äußere Morphologie 535
Histologie 539
A. Allgemeiner Teil 539
1. Das Ektoderm = . 539
2. Das Entoderm 543
3. Drüsenzellen 545
B. Spezieller Teil 551
1. Die Polypen 551
a) Tentakel 551
b) Mundscheibe 556
c) Schlundrohr 557
d) Mauerblatt 558
e) Septen 559
f) Mesenterialfilamente 559
g) Geschlechtsprodukte 561
2. Zooide und Dimorphismus 562
3. Muskulatur *. 566
4. Nervensystem 567
5. Mesogloea 571
6. Achse 578
7. Kanalsystem 583
Phylogenetische Schlußbemerkungen 586
i^itscbrift t. wisseasch. 'Loo\o>iie CIX. Bd. 36
532 Albert Niedermeyer,
Einleitung.
Die Familie der Veretilliden stellt in vielen Beziehungen einen
recht interessanten Zweig des Pennatulaceenstammes dar und weicht
in manchen Punkten von den typischen Vertretern der Ordnung, den
Gattungen Pteroeides und Pennatula, die echte »Seefedern«, mit wirk-
lich federförmigem Bau darstellen, so weit ab, daß es dem Verfasser
als eine lohnende Aufgabe erschien, einen Vertreter dieser Familie
zum Gegenstande einer ähnlichen Untersuchung zu machen, wie sie
seinerzeit über Pteroeides griseum (33.) unternommen worden war.
Diese Untersuchungen gewannen für den Verfasser um so mehr
an Interesse, als nach den Ergebnissen der grundlegenden Forschungen
von Kükenthal und Broch (34.) die radiär gebauten Pennatuliden
auf Grund systematischer Erwägungen als primitivste Gruppe an die
Wurzel des ganzen Stammes der Pennatuliden gestellt wurden — eine
Auffassung, die ja bekanntlich der vieler Autoren direkt widerspricht,
die die radiären Formen als abgeleitete ansehen und die Einfachheit
ihres Baues als sekundäre Rückbildung auffassen.
Es lag daher nahe, zu fragen, ob denn nicht das Studium des
reineren Baues beitragen könnte, um die eine oder die andere Auf-
fassung mit neuem Tatsachenmaterial zu stützen. Wie immer man
aber das System der Pennatuliden auffassen will, ob man nun die
radiär gebauten Veretilliden an die Wurzel stellen oder sie als abge-
leitete Formen ansehen will, — soviel ist sicher, daß sie in erheblichem
Gegensatze zu der hoch komplizierten bilateral-symmetrischen Fa-
milie der Pteroeididen stehen. Aus diesem Grunde lag dem Verfasser
daran, auch Veretillum etwas eingehender zu untersuchen, um so einen
Beitrag zur Kenntnis und zum Vergleich der beiden entgegengesetzten
Endglieder der Pennatulidenreihe liefern zu können.
An dieser Stelle sei es dem Verfasser auch gestattet, Herrn Prof.
Kükenthal für die Erlaubnis zur Benutzung von Präparaten und
von Material des Breslauer Museums auf das wärmste zu danken ; ferner
sage ich Herrn Geheimrat Prof. Müller in Greifswald für die Über-
lassung eines Arbeitsplatzes und für verschiedentliche Unterstützung
meinen besten Dank. — Eine vorläufige Mitteilung über die Ergebnisse
vorliegender Arbeit ist im »Zoologischen Anzeiger« (39.) erschienen.
Historische Übersicht.
Da Veretillum cynomorium (Pall.) eine sehr weit verbreitete See-
federnart ist und auch an den europäischen Küsten (Golf von Biscaya
Beiträge z. Könnt n. d. liistol. Baues von Vorotilluni cj'noinoriuin (Pall.). 533
und Mittelmeer) liäufig voikoninit, so ist sie schon lange bekannt und
bereits melufatli zum Gegenstande nnkroskopiscb-anatomischer und
histolouisclier Untersuchungen gemacht worden. 1829 hat Rapp (1.)
unsere Art genauer beschrieben und einige anatomische Beobachtungen
gemacht, von denen später noch die Rede sein wird. Da er im Gegen-
satze zu den meisten anderen Korallenforschern seinerzeit die Tiere
lebend beobachtet hatte, so war er auch in der Lage, einige wertvolle
Aniraben über ihre Lebensweise zu machen.
Erdl (2) hat 1842 die Tentakel der Polypen von Veretillum cyno-
morium auf ihren feineren Bau hin untersucht und vieles richtig beob-
achtet, doch wußte er seinen Beobachtungen nicht die immer richtige
Deutung zu geben; darum sind seine Angaben nur mit vorsichtiger
Kritik zu verwenden.
KÖLLiKER (4) hat 1872 über den feineren Bau von Veretillum
eigentlich nicht viel berichtet, was ein wenig Wunder nehmen muß,
da er Pennatula und Pteroeides sehr eingehend untersucht hat. Seine
Angaben sind jedoch alle mit großer Sorgfalt und Exaktheit gemacht
und wo in unwesentlichen Dingen eine Unrichtigkeit zu finden ist,
erklärt sich diese ohne weiteres aus der Unzulänglichkeit des Materiales
für histologische Untersuchungen.
Von späteren Arbeiten, die sich mit dem feineren Bau von Veretillum
beschäftigten, sind zu nennen die von Korotneff (10) (1887),
von BujOR (19) (1901) und von Kassianow (27) (1908). Die zuerst
genannte Abhandlung von Korotneff ist eine sehr oberflächliche
und wenig wertvolle Schilderung, die zum Teil auf ganz unrichtige
Beobachtungen gegründet ist und eine sehr unklare Terminologie ent-
hält, so daß man oft Mühe hat, herauszufinden, was der Verfasser mit
seinen Bezeichnungen eigentlich meint. — Die Arbeit Bujors enthält
eine Anzahl genauer und guter Beobachtungen über die mikroskopische
Struktur von Veretillum cynomorium, ist aber lückenhaft und nicht
frei von irrigen Auffassungen. Kassianow endlich erbrachte manche
histologische Detailangaben über unsere Pennatulide, besonders über
den Bau der Epithehen, und über die Muskulatur, doch waren seine
Untersuchungen hauptsächhch speziell auf das Nervensystem ge-
richtet.
Das letzte große Werk über Pennatulaceen, von Kükenthal und
Broch (34), 1911 erschienen, enthält einen eigenen größeren Abschnitt
über die Anatomie der Seefedern, die hier mehr Berücksichtigung als
in den früheren Bearbeitungen findet. Auf ein Eingehen auf die fei-
nere Histologie ist jedoch hier mit Absicht verzichtet worden.
36*
534 Albert Niedermeyer,
Material und Technik.
Das Material, das dem Verfasser zur Verfügung stand, stammte
zum Teil von der deutschen Tiefsee-Expedition, Station 76, (Große
Fischbucht). Es waren dies drei in Formol- Alkohol konservierte
Exemplare mit schön ausgestreckten Polypen, von denen das eine
durch eine intensiv schokoladenbraune Färbung ausgezeichnet war.
Ferner stammten vier Exemplare aus den alten Beständen des Bres-
lauer zoologischen Museums, teils ohne Angabe des Fundortes, teils
mit der Fundortsnotiz »Mittelmeer«. Zwei dieser Exemplare besaßen
sehr schön ausgedehnte Polypen. Endlich waren noch einige Exem-
plare des Breslauer Museums vorhanden, die aus Arcachon stammten;
sie waren jedoch stark kontrahiert und infolge ihrer mangelhaften
Konservierung für histologische Untersuchungen nicht recht geeignet.
Für die Schnittserien war vom Verfasser zum größten Teile ein
vorzüglich konserviertes Exemplar der deutschen Tiefsee-Expedition
verwendet worden; diese Serien sind auch bei der Bearbeitung der
PennatuHden der Tiefsee-Expedition durch Kükenthal und Broch
verwendet worden.
Über die Technik sei kurz folgendes berichtet: Zum Entkalken
eignete sich am besten die Entkalkungsflüssigkeit nach Haug in fol-
gender Zusammensetzung :
Alkohol 70% 100,0
Salpetersäure conc 5,0
Phloroglucin 1,0.
Beim Schneiden harter Gebilde, wie z. B. der Achse, erwies es
sich als vorteilhaft, sie vor dem Einbetten, und zwar nach der Ent-
kalkung, mit Seifenspiritus zu behandeln, wodurch die Objekte ge-
schmeidiger werden.
Das Einbetten muß stets sehr vorsichtig geschehen, insbesondere
ist Xylol als Intermedium immer zu vermeiden, und statt dessen Chloro-
form oder noch besser Zedernöl zu verwenden.
Von Färbungsmethoden wurde eine große Zahl verwendet, je
nach den Strukturelementen, auf die gerade die Untersuchung gerichtet
war. Im allgemeinen eignet sich sehr gut zur Färbung das Delafield-
sche Hämatoxylin in Verbindung mit Eosin, Van-Gieson, Orange-G,
oder mit Safranin und Pikrinsäure (Dreifachfärbung nach Stöhr).
Auch Heidenhainsches Eisenhämatoxylin lieferte gute Resultate. Für
die drüsigen Elemente wurden vor allem verwendet: Mucikarmin, Thio-
Beiträge z. Kenntnis d. histol. Bauca von Veretillum cynomoriuni (Pall.). 535
nin, und Orceiii; für die Bindesubstanz Pikronigrosin, bei dem sich
aber, wenn mau es allein verwendet, der Mangel einer Kernfärbung
oft störend bemerkbar macht. Ich suchte daher diese Färbung mit
einer Kernfärbung zu kombinieren und fand als besonders geeignet
zu diesem Zwecke die Vorfärbung der Kerne mit Bismarckbraun, wo-
nach die Färbung mit Pikronigrosin nach Freebokn erfolgte. Für die
Elemente des Nervensystems verwandte ich mit Erfolg die Methode
der »Nach Vergoldung << nach Apathy und die Behandlung der Schnitte
mit Osmiumsäure und darauffolgender Reduktion durch Holzessig;
die Vergoldungsmethode lieferte Bilder von ganz besonderer Schön-
heit und Klarheit der mikroskopischen Strukturen.
Es sei kurz erwähnt, daß nicht nur Schnittserien untersucht wurden,
sondern es wurde auch des öfteren Gebrauch von der Macerations-
methode und von Toto- Präparaten gemacht.
Äußere Morphologie.
Veretillum cynomorium gehört, wie bereits erwähnt wurde, zu den
radiär gebauten PennatuUden und kann als deren typischer Vertreter
gelten; die Bezeichnung »Seefedern << ist für diese Formen eigentlich
gar nicht recht am Platze, da sie ja nichts federartiges mehr an sich
haben. Eine Beschreibung der äußeren Körperform ist hier wohl
nicht weiter nötig, da diese oft genug geschildert worden ist; es ge-
nügt wohl, auf die letzte genaue Beschreibung bei Kükenthal und
Broch zu verweisen. Ich werde mich für die einzelnen Teile der Ko-
lonie auch der Terminologie der genannten Autoren bedienen und mit
ihnen die Bezeichnungen Kiel oder Rhachis, und Stiel, Polypen und
Zooide, Ventral und Dorsalseite im Sinne Jungersens (14, 22) ver-
wenden.
Am Stiele unterscheiden Kükenthal imd Broch zwei Anschwel-
lungen, den sogenannten »Bulbus« und die »Endblase«. Diese lassen
sich bei vielen Pennatuliden deutlich erkennen; bei Veretillum war
der Bulbus zwar auch deutlich am Übergange des Stieles in den Kiel
sichtbar, doch ließ eine Endblase am basalen Ende des Stieles sich
nicht feststellen; sie fehlte bei allen Exemplaren, die mir zu Gesicht
gekommen waren.
Eine Frage, die beim Studium der äußeren Form Verhältnisse noch
zu lösen wäre, ist die, ob sich irgendwelche Andeutungen von Bila-
teraütät entdecken lassen und ob wir gewisse Unterschiede der Ventral-
seite gegenüber der Dorsalseite feststellen können. AVie Kükenthal
und Broch hervorheben, ist der radiäre Bau ja nur ein äußerer; im
536 Albert Niedermeyer,
Inneren ist die Kolonie bilateralsymmetrisch gebaut, wie es ja selbst-
verständlich erscheint, wenn man daran denkt, daß sie von einem
symmetrischen Primärpolypen abstammt. Die beiden medianen
Hauptkanäle (der dorsale und der ventrale) lassen sich, wenigstens
im Kiele, deutlich von den lateralen unterscheiden; der radiäre Bau
der Kolonie besteht nur darin, wie Kükenthal und Broch treffend
bemerken, daß sie befähigt ist, nach allen Richtungen gleichmäßig
Polypen knospen zu lassen.
Läßt sich nun eine Andeutung von Bilateralität in der Anordnung
der Polypen am Kiele bemerken — etwa in ähnlicher Weise wie dies
bei Echinoptilum der Fall ist? Es ist dem Verfasser nicht gelungen,
nur eine Spur eines solchen Verhaltens der Polypen und Zooide am
Kiele zu finden. Eine gewisse Regelmäßigkeit der Anordnung in
Längsreihen, wie sie bereits Kölliker gesehen hat, läßt sich nicht
verkennen, von Andeutungen bilateraler Symmetrie ist aber nichts
zu entdecken. Diese Tatsache erscheint mir als eine Stütze der von
Kükenthal und Broch vertretenen Ansicht, daß Veretillum als pri-
mitive Form anzusehen sei, wie am Schlüsse im Kapitel über die Phylo-
genie noch des näheren erörtert werden soll.
Es ist auf Grund des oben Gesagten auch nicht möglich, zu sagen,
wo wir an der erwachsenen Kolonie die Dorsal- und wo die Ventral-
seite zu suchen haben, wie wir dies z. B. bei Echinoptilum wohl können.
Gewiß können wir auf Querschnitten wenigstens in der Kielregion
deutlich die medianen Hauptkanäle von den lateralen unterscheiden,
doch sind wir nicht ohne weiteres in der Lage, zu sagen, welches der
ventrale und welches der dorsale ist.
Betreffend die Anordnung der Polypen und Zooide an der Kolonie
ist noch zu bemerken, daß sie durchweg eine derartige ist, daß stets
die dorsale Seite der Individuen apikalwärts gerichtet ist, wie ich dies
schon bei Pteroeides festgestellt habe und auch bei allen übrigen beob-
achteten Pennatuliden fand.
Es ist also stets die dorsale Seite die »axiale <<, um eine Bezeichnung
von M. Marshall (11) zu gebrauchen. Das gleiche Verhalten zeigen
nicht nur die Polypen von Pennatuliden; Reinhardt (26) erwähnt
es zum Beispiel auch von Nephthyiden. Es scheint sich bei dieser
Anordnung der Individuen an der Kolonie um ein ganz allgemeines
Wachstumsgesetz der Pennatuliden, vielleicht sogar aller kolonie-
bildenden Alcyonarien zu handeln; ein zweites derartiges Gesetz für
das Wachstum der Seefedern läßt sich darin finden, daß die Wachs-
Beiträge z. Kenntnis d. histol. Baues von Veretillum cynomorium (Fall.). 537
tumszone stets basal gelegen ist, sowohl beim Einzeltier, wie auch
bei der ganzen Kolonie.
Die Anzahl der Individuen einigermaßen genau zu schätzen
war nicht möglich, nur so viel läßt sich behaupten, daß trotz des all-
seitigen Wachstumes von Polypen und Zooiden die Zahl der die Kolonie
zusammensetzenden Tiere bedeutend geringer ist als bei Pleroeides;
die primitive Anordnung der Individuen von Veretillum läßt keine
derartig vollkommene Raumökonomie erkennen wie wir sie in der
komplizierten Gruppierung der Polypen und Zooide von Pteroeides
finden.
Über die Größen Verhältnisse kann das von Pteroeides und
anderen achsentragenden Formen Gesagte in noch erhöhtem Maße
gelten, daß ihnen nämlich infolge der außerordentlich großen Kon-
traktilität keinerlei Konstanz und irgendwelche Bedeutung zukommt.
Es möge daher unterbleiben, hier eine Tabelle mit den Maßen der
untersuchten Exemplare zu geben, zumal da bereits oft genug der-
artige Messungen angestellt worden sind.
Auch KöLLiKEÄ steht, wenigstens soweit es Veretillum betrifft,
auf diesem Standpunkte. Es heißt da auf S. 333:
»Über die Größenverhältnisse der Stöcke und ihrer einzelnen
Teile geben Spiritusexemplare gar keinen näheren Aufschluß und
übergehe ich daher alle in dieser Beziehung gefundenen Unterschiede«.
KüKENTHAL uud Broch, die im Gegensatze zu Jungersen (22)
und Balss (31) größeren Wert auf die Größenverhältnisse und auf
genaue Messungen legen, gestehen zu, daß bei achsenlosen Formen
die Schwankungen größer und Messungen leicht irreführend sind. Ich
konnte beobachten, daß bei Veretillum nicht einmal das Verhältnis
der Länge des Stieles zu der des Kieles annähernd konstant ist.
Färbung.
Die lebenden Kolonien von Veretillum cynomorium sind intensiv
orangerot gefärbt. Entsprechend den Befunden über die Farben von
Pteroeides griseum liegt es nahe, anzunehmen, daß diese intensive
Färbung in einem gewissen Zusammenhange mit dem Reichtum an
Drüsenzellen im Ektoderm steht. Man findet keine geformten farbigen
Elemente, sondern der Farbstoff ist diffus verteilt. Ein in Formol
konserviertes Exemplar der deutschen Tiefsee-Expedition war, wie
bereits erwähnt, auf der ganzen Oberfläche, wie auch im ganzen In-
neren dunkelbraun gefärbt. Bei der mikroskopischen Untersuchung
ließen sich auch hier keine geformten Pigmente nachweisen, sondern
538 Albert Niedermeyer,
der Farbstoff war gleichmäßig diffus durch alle Gewebe verteilt. Wohl
fanden sich in der Mundscheibe der Polypen auch reichlich dunklere
Drüsenzellen, aber die braune Färbung war nicht an deren Verteilung
gebunden. Nach dem Entkalken ging sie stets verloren, so daß auf
Schnitten nichts mehr von ihr zu erkennen war. Die Färbung be-
ruhte aber nicht, wie dies bei vielen Pennatuliden, z. B, bei Pennatula
phosphorea, Renilla amethystina usw. der Fall ist, auf dem Besitze
gefärbter Spicula, denn diese waren auch bei dem vorliegenden Exem-
plare ungefärbt, sondern wir haben es hier mit einem Falle zu tun,
wo sich bei einer Pennatulide ein durch die ganze Kolonie gleichmäßig
verteilter, in Alkohol unlöslicher Farbstoff vorfindet, der nicht an
Drüsenzellen oder gefärbte Kalkkörperchen gebunden ist.
Die orangerote Färbung der Wandungen der Kolonie, die am
Stiele besonders stark ausgeprägt ist, und durch ihre geringe Wider-
standsfähigkeit gegen Formol und Alkohol ausgezeichnet ist, ist da-
gegen meines Erachtens in Beziehung zu den ektodermalen Drüsen-
zellen zu bringen, die am Stiele, gerade im Bereiche der intensivsten
Färbung sich so zahlreich vorfinden. (S. Fig. 6.)
In einem Falle konnte ich nachweisen, daß die Färbung gewisser
Stellen direkt von geformten drüsigen Sekreten herrührte. Einige
Exemplare waren nämlich durch eine dunkle Färbung der Polypen
unterhalb der Krone, nur im Bereiche des Schlundrohres ausgezeichnet.
Die mikroskopische Untersuchung ergab hier das Vorhandensein
brauner Zellen mit körnigem Inhalt im dunkel gefärbten Bezirke des
Polypen; diese Zellen waren etwas kleiner als die braun gefärbten
körnigen Drüsenzellen, die ich bei Pteroeides beschrieben habe. Auch
lagen sie nicht wie bei Pteroeides im Entoderm sondern im ekto-
dermalen Schlundrohrepithel. Es kommen aber auch Zellen dieser
Art in den ventralen (entodermalen) Mesenterialfilamenten vor.
Auch im Epithel des inneren Mauerblattbelages waren diese Zellen
vorhanden, aber auch hier vorwiegend im Bereiche des Schlund-
rohres.
Stellenweise finden sich Gruppen von Sekretkörnchen, die unter-
einander in Zusammenhang treten oder die Form von kleinen Klum-
pen mit feinen Ausläufern haben, so daß das Aussehen von Pigment-
zellen und freien Pigmentanhäufungen oft täuschend nachgeahmt
wird. Wir werden aber immerhin diese Gebilde trotz der gelegent-
lichen Ähnlichkeit mit Pigmentzellen von höheren Tieren als etwas
morphologisch durchaus verschiedenes betrachten müssen, da ja ein
drüsiges Sekret der Träger der Färbung ist, während die Pigment-
I
I
Beiträge z. Kenntnis d. histol. Baues von Voretilluin cynomoriuin (Pall.). 539
zelle eine Bindegewebszelle ist. Physiologisch dagegen dürften sie
jedoch mit den Pigmentzellen höherer Tiere vieles gemeinsam haben.
Man kann ja, wenn man will, sagen, daß die Drüsenzelle gleichzeitig als
Pigment Zelle funktioniert und sie wegen dieser doppelten Funktion
als Piirmentdrüsenzelle bezeichnen.
Histologie.
A. Allgemeiner Teil.
Bevor auf den feineren Bau der einzelnen Teile der Kolonie ein-
gegangen werden soll, erscheint es zweckmäßig, eine kurze Charak-
teristik der beiden primären Epithelien, die am Aufbau aller Organe
beteiligt sind, des Ektoderms und des Entoderras vorauszuschicken.
Da die Epithelien der Coelenteraten nur von den primären Keimblättern
stammen, sind wir ja wohl berechtigt, die Namen Ektoderm und Ento-
derm, die ja eigentlich nur in die Entwicklungsgeschichte gehören,
auch für die erwachsenen Tiere anzuwenden und verstehen daiiinter
die fertigen, zum Teil hochdifferenzierten Gewebe, die histologisch
wohl charakterisiert sind und sich untereinander leicht unterschei-
den lassen.
1. Das Ektoderm.
Das ektodermale Epithel erweist sich als sehr verschieden gebaut
je nach der Region, von der wir es untersuchen und diese Verschieden-
heiten im einzelnen zu beschreiben wird erst bei der Beschreibung der
einzelnen Teile der Kolonie möglich sein. Hier soll vor allem das
Ektodermepithel der gemeinsamen äußeren Körperbedeckung, das
Ektoderm des Coenenchyms kurz charakterisiert werden.
Das Ektoderm des Coenenchyms läßt zwei deutlich voneinander
verschiedene Formen erkennen: die eine findet sich in der Rhachis,
die andere im Stiel.
Das Epithel der Rhachis ist ein Zylinderepithel, das der Haupt-
masse nach aus sehr schmalen und ziemlich hohen Zellen besteht. Dieses
Epithel besitzt im Mittel eine Höhe von 0,035 mm. Die Zellkerne
liegen in sehr verschiedenen Höhen, doch meist der Basalfläche des
Epithels genähert, so daß das bekannte Bild eines mehrschichtigen
Epithels entsteht; in Wirklichkeit ist das Epithel bloß mehrreihig.
Die Zellkerne sind stets elliptisch, in der Längsachse 0,0045 mm,
in der Querachse 0,0025— 0,0035 mm groß. Im Plasma der Zellen
lassen sich sehr zarte und dichte Körnerstrukturen wahrnehmen.
540 Albert Niedermeyer,
Interstitielle Zellen, die nicht die freie Fläche des Epithels erreichen,
werden an der Basalfläche vorgefunden,
Deckzellen von der Form, wie sie Kassianow (27) beschreibt,
konnte ich ebenfalls wahrnehmen. Am häufigsten waren sie im oberen
Teile der Khachis, wo das Epithel oft tiefe, geradezu kryptenartige
Falten bildet. (Fig. 1.)
Sie sind sehr schmal und verbreitern sich gegen die freie Epithel-
fläche hin ein wenig und tragen außen einen tischplattenförmigen Auf-
satz, der mehrere Zellen überdeckt. An ihrer Basis besitzen diese
Zellen feine Fortsätze, die man besonders dort, wo sie sich von der
darunter liegenden Mesogloea abgehoben haben, deutlich wahrnehmen
kann. (Fig. 3.)
Ob diese feinen Fortsätze nur zur Verankerung der Zelle dienen,
oder mit der subepithelialen Nervenschicht im Zusammenhange stehen,
ist schwer zu sagen, doch scheint mir eher das erstere zuzutreffen, da
eine Verbindung von Deckzellen mit nervösen Elementen sich physio-
logisch kaum recht erklären ließe.
Von polaren Differenzierungen der Zellen des Ektodermepithels
ist zu erwähnen, daß sich an der freien Fläche Cuticularbildungen
deutlich beobachten lassen. Am schönsten waren solche an Schnitten
durch Tentakel und durch das Mauerblatt zu sehen, wo das Epithel meist
in feine Falten gelegt ist (Fig. 4 und 12), aber auch im Ektoderm des
Coenenchyms. (Fig. 2.) Es ist hier ein äußerst feiner Cuticularsaum
vorhanden, der auch die verbreiterten Enden der Deckzellen über-
zieht; es hat den Anschein, als ob er von außerordentlich feinen Poren
durchbohrt wäre, die darauf hindeuten, daß hier beim lebenden Tiere
eine, wenn auch sehr zarte Bewimperung verhanden gewesen sein
mußte. Wir haben es hier mit einer »crusta« im Sinne Pütters (23)
zu tun, da sie im Gegensatze zu einer echten Cuticula gegen das Innere
der Zellen nicht scharf abgegrenzt erscheint. Eine derartige »crusta«
besitzt das Epithel der Aktinien regelmäßig. Bei Alcyonarien sind
solche Strukturen noch nicht genau beobachtet worden, doch beruht
dies lediglich darauf, daß sie hier nur viel subtiler und daher schwieriger
zu beobachten sind; vorhanden sind sie aber ebenso wie bei den Ak-
tinien. Wir werden im folgenden noch öfters Gelegenheit haben, zu
sehen, daß bei genügend genauer Beobachtung hinlänglich fein kon-
servierter Schnitte die histologischen Unterschiede zwischen den beiden
Hauptgruppen der Anthozoen sich bedeutend reduzieren lassen und
im feineren Bau sonderlich tiefgreifende Unterschiede zwischen beiden
gar nicht bestehen.
Beiträge z. Kenntnis d. liistol. Baues von Veretillum cynomorium (Fall.), 541
Wenn mau in Toto- Präparaten das Epithel bei starken Vergröße-
rungen von der Fläche her betrachtet, so beobachtet man eine außer-
ordentlich fein granulierte Struktur, die wahrscheinlich mit der eben
beschriebenen, an Schnitten beobachteten Cuticularstruktur identisch ist.
Was die Frage der Bewimperung des Epithels betrifft, so habe
ich Flimmerung wohl direkt nicht feststellen können, und Unter-
suchungen an frischem Material zu machen, die darüber hätten Auf-
schluß geben können, war leider nicht möglich. Bei Pteroeides habe
ich keine Spur von Bewimperung finden können. Hickson (16) hat
bei Alcißmium diijitatum ebenfalls keine gefunden, auch Kölliker
spricht sich gegen ihr Vorhandensein aus, gibt aber zu, daß die Ekto-
dermzellen auch »Flimmerung zeigen können« (S. 424). Die bei Vere-
tillum vorgefundene Struktur der Crusta läßt es aber immerhin als
glaubhch erscheinen, daß beim lebenden Tiere das Ektoderm eine
Flimmerung besitzt, mag sie vielleicht auch schwach sein, und dies
körmte wohl mit Recht als ein primitiver Charakter angesehen werden,
aus Gründen, die noch erörtert werden sollen.
Um derartige Strukturen des Epithels mit einiger Deutlichkeit
sehen zu können, ist es am besten, die Schnitte mit der Goldchlorid-
Imprägnationsmethode nach Apathy zu behandeln.
Man kann dann an solchen Stellen, an denen das Epithel schräg
getroffen ist, daß seine freie Fläche sich zum Teil in Oberflächenansicht
darbietet, auch das Schlußleistennetz deutlich sehen. Es gelingt
auch Basalkörner zu finden, die ja offenbar auf eine Bewimperung
hindeuten. Solche Basalkörner findet man natürlich in der schönsten
Ausbildung im Epithel des Schlundrohres der Polypen, wo ja Flim-
merung allseitig vorhanden ist. (Fig. 5.) Die Basalkörner sind hier
in doppelter Reihe gelegen (Diplochondren) und im Inneren der Zellen
sieht man die Wurzelfasern der Flimmerhaare als deutlich ausgebildete
Chondriomiten, die zu den Basalkörnern hinführen und mit ihnen den
kinetischen Apparat der Flimmerhaare bilden. (Wie die Basalkörner
physiologisch funktionieren, ob sie für die Flimmerbewegung ein kine-
tisches Zentrum darstellen oder nicht, darauf kann hier nicht ein-
gegangen werden; bei Pütter (23) findet sich über diesen Gegenstand
alles sehr schön zusammengestellt.)
Die letztgenannten feinen Strukturen im Inneren der Zellen ließen
sich in den Epithelzellen des Coenenchyms nicht nachweisen.
In den Zellen des ektodermalen Epithels findet man oft allerhand
Einschlüsse, Vakuolen, Sekrettröpfchen und Fettkügelchen, die meist
in Gruppen zusammenliegen, gewöhnlich nahe der freien Epithelfläche.
542 Albert Niedermeyer,
Von polaren Differenzierungsprodukten des Epithels finden wir
im Ektoderm des Coeno'arks auch Muskelfasern an der Basalseite
der Zellen, allerdings nicht häufig und nur sehr schwach ausgebildet,
so daß sie der Beobachtung leicht entgehen können. (Fig. 2.)
Daß das Epithel der allgemeinen Körperbedeckung auch eine
Muskelschicht besitzt, ist bei Pennatuliden durchaus ungewöhnlich.
(Vgl. KÖLLIKER, S. 424.) Ektodermale Epithelmuskeln kommen sonst
nur in den Polypententakeln, der Mundscheibe und allenfalls im oberen
Teile des Mauerblattes vor. Wir finden also in dieser Ausbildung des
Epithels von Veretillum einen Charakter, in dem es sich von anderen
Pennatuliden unterscheidet.
Von den übrigen histologischen Elementen des Ektoderms des
Coenenchyms sind folgende zu erwähnen:
1. Drüsenzellen, unter denen sich verschiedene Typen unter-
scheiden lassen, die noch ausführlicher « beschrieben werden sollen.
Teils sind es schmale längliche mit netzförmiger oder körniger Struktur
des Inhalts, teils sind es große, rundlich-ovale vom Typus der Becher-
zellen, die sehr hell erscheinen und ein sehr feines, schwach färbbares,
weitmaschiges Plasmanetz enthalten. Die Größe der Becherzellen
beträgt 15 — 20 /< in der Länge, 9 — 11 i^i in der Breite; die der läng-
lichen Drüsenzellen 30 — ^35 f^i in der Länge, 5 f.i in der Breite. Die
Becherzellen verleihen durch ihren Reichtum dem coenenchymalen
Epithel der Rhachis zum größten Teil sein charakteristisches Aus-
sehen, denn im Epithel des Stieles kommen sie nicht vor, sondern
andere Formen von Drüsenzellen. (Fig. 1.)
2. Sinneszellen sind sehr spärlich vorhanden, was ja nicht
Wunder nehmen kann, da das Epithel des Coenosarks mit der Außen-
welt nicht so in Berührung kommt, wie das der Polypen. Als Sinnes-
zellen spreche ich sehr schmale, mit einem feinen Fortsatze an der
freien Seite versehene Zellen an, die sich am häufigsten in der Um-
gebung der Becherzellen finden, welche letztere oft von einer Anzahl
schmaler Epithelzellen gewissermaßen knospenartig umgeben sind;
zwischen diesen Stützzellen sind vereinzelt die eben beschriebenen
Zellen vorhanden, die sich auch mit Goldchlorid dunkler färben als
ihre Umgebung und nach ihrem ganzen Verhalten für nichts anderes
als für Sinneszellen angesehen werden können. (Fig. 1, 2 und 4.)
3. Nervenzellen und -fasern. Auch deren Vorhandensein war
nur an Goldchloridpräparaten mit einiger Sicherheit zu erweisen und
zwar liegen sie zwischen den Epithelzellen und der Muskelschicht,
doch kommt es nicht zur Ausbildung einer sehr distinkten Nerven-
Beiträge z. Kenntnis d. hiatol. Baues von Veretillum cynomorium (Pall.). 543
Schicht, sondern nur zu der eines feinen und lockeren Plexus. (Fig. 2.)
Daß Nervenelemente im Ektoderm des Coenenchyms vorkommen,
wird aucli nicht weiter "Wunder nehmen, da ja, wie bereits erwähnt
wurde, auch Muskulatur hier angetroffen wird.
Das Ektodermepithel des Stieles unterscheidet sich von
dem der Rhachis in folgenden Punkten: Die Becherzellen fehlen hier,
dafür sind Drüsenzellen in großer Zahl vorhanden, die denen der ersten
Form von der Rhachis sehr ähneln. Das Epithel bildet hier ferner
zahlreiche papillenförmige Erhebungen, während es an der Rhachis
kryptenartige Vertiefungen aufweist. (Fig. 6.) Die Höhe des Epi-
thels beträgt durchschnittlich 50 ^i, die der Papillen 80 — 100 /<. Die
Struktur der Crusta läßt sich hier nicht mit Deutlichkeit erkennen:
Goldchloridpräparate zeigen zwar, daß sie auch hier vorhanden ist,
aber lange nicht so deutlich wie in der Rhachis. Es erscheint wohl die
Annahme gerechtfertigt, daß die Epithelzellen des Stieles keine Flimme-
rung besitzen. Mit Sicherheit ließe sich dies natürlich nur an lebenden
Tieren feststellen, deren mir ja leider keine zur Verfügung standen.
Ein weiterer Unterschied ist der, daß die ektodermale Muskulatur
hier vollständig fehlt. Das Verhalten der Nervenschicht ließ sich nicht
mit voller Sicherheit feststellen. Bei Goldimprägnation findet man
ja zahlreiche sehr feine dunkel gefärbte Fasern, die sich auch verzweigen,
sich aber nicht parallel der Oberfläche ausbreiten, sondern zwischen
den einzelnen Zellen aufsteigen, oft die Drüsenzellen umspinnend.
(Fig. 6.) Wenn diese Fasern Nervenfibrillen sind, so kann es sich beim
Fehlen der Muskelschicht hier nicht um motorische sondern höchstens
um sekretorische Fasern handeln. — Endlich ist zu bemerken, daß
Sinneszellen in diesem Anteil des Ektoderms nicht gefunden worden sind.
2. Das Entoderm.
Während das Ektoderm an den verschiedenen Stellen der Kolonie
ein sehr verschiedenes Aussehen hat, so ist das Entoderm in allen
inneren Hohlräumen ziemlich gleichmäßig ausgebildet und weist in
seinen Elementen eine recht gleichartige Zusammensetzung auf; Unter-
schiede lassen sich fast nur in der Stärke und Höhe des Epithels fest-
stellen, dermaßen, daß in den stärksten Kanälen, den vier Haupt-
kanälen, das Epithel am höchsten ist und eine Stärke von 50 ^i erreicht,
und hier sogar mehrere Zellagen übereinander liegen können, wodurch
es den Charakter eines mehrschichtigen, nicht eines mehrreihigen
Epithels gewinnt; in den kleineren Kanälen nimmt es an Höhe ab und
erscheint als einschichtiges zylindrisches oder kubisches Epithel, wie
544 Albert Niedermeyer,
in den Hohlräumen der Polypen und Zooide, und endlich in den klein-
sten Gefäßen kann es den Charakter eines flachen Endothels annehmen.
Die Entodermzellen besitzen eine Höhe von durchschnittlich 8,5 /<,
und ihr' Kern einen Durchmesser von 3,5//. Durch einigermaßen
komplizierteren Bau sind nur die entodermalen (ventralen) Mesen-
terialfilamente ausgezeichnet.
Die Elemente des Entoderms besitzen ein charakteristisches
Aussehen und dem einigermaßen geübten Auge fällt es nicht schwer,
sie sofort von den Elementen des Ektoderms zu unterscheiden. Der
Hauptmasse nach sind es kleine rundliche Zellen mit kreisrundem
Kerne. Wie wir bei den Ektodermzellen stets ovale oder elliptische
Kerne finden, so kehren hier immer Kerne von der genannten Form
wieder, so daß wir in den Kernen schon geradezu ein charakteristisches
Merkmal für die primären Epithelien besitzen. (Fig. 7.) Auch die
Konsistenz des Plasmas muß bei den Zellen eine verschiedene sein,
da die Entodermzellen eine ausgesprochene Affinität zu sauren Plasma-
farbstoffen besitzen; auf den Schnitten erscheinen sie meist heller und
das Zellplasma scheint ein weniger dichtes Gefüge zu besitzen als das
der Ektodermzellen.
KÖLLiKEE (4) schreibt über das Entoderm folgendes: (S. 424)
»Beim Entoderma scheint da, wo dasselbe größere Höhlen auskleidet,
Flimmerung Regel zu sein, ebenso können auch Nesselorgane in dem-
selben vorkommen {Kofhohelemnon), deren Verteilung jedoch noch
genauer zu prüfen ist. Sehr häufig sind die Entodermzellen Sitz von
Pigment- und Fettkörnchen, auch können dieselben Kalkkörperchen von
Otolithenform in sich erzeugen. [Virgularia, Renillaceae, Veretillidae.)<<
Die angeführten Angaben Köllikers scheinen nicht in allem
zuzutreffen. Von Nesselorganen hat sich im Entoderm nichts nach-
weisen lassen, doch bezieht sich die zitierte Angabe freilich auf Kopho-
belemnon. Die Pigmentkörnchen stammen jedenfalls vom körnigen
Sekrete der Drüsen her, an denen das Entoderm auch hier recht reich
ist; Fettröpfchen sind des öfteren anzutreffen.
Das Vorkommen von Kalkkörperchen im Inneren von Entoderm-
zellen halte ich nach allem, was ich bisher an Pennatuliden zu beobachten
Gelegenheit hatte, für sehr unwahrscheinlich. Es kommen wohl kleine
»Otolithen «förmige Kalkkörperchen in der dem Entoderm unmittelbar
angrenzenden Mesogloeaschicht vor, doch stammen diese offenbar aus Zel-
len der Mesogloea und nicht aus solchen der epithelialen Auskleidung.
Es ist nun die Frage, ob den Entodermzellen eine Flimmerung
zukommt, wie Kölliker annimmt. Wie schon mehrfach betont wurde,
Beiträge z. Kenntnis d. histol. Baues von Veretillum cynomorium (Pall.). 545
ist es schwer, an der Hand konservierten Materiales diese Frage zu
entscheiden; Macerations- und Totopräparate geben hierüber keine
Auskunft, doch müssen sich, wenn Flimmerung beim lebenden Tiere
vorhanden war, an guten Schnitten gewisse Strukturen des Epithel-
saumes noch wiederfinden lassen; am ehesten wohl in den Hohlräumen
der Polypen. Tatsächlich finden wir derartige Strukturen, wie feine
Basalkörnchen (Fig. 7), die darauf hinweisen, daß auch das Ento-
derm im lebenden Zustande Bewimperung besitzt. Auch Bujor (19)
bildet die Entodermzellen als bewimperte Zellen ab.
Zoochlorellen, die bei Alcyonarien sehr häufig im Entoderm
auftreten und es in großen Massen erfüllen, habe ich bei Veretillum
nicht finden können. Die untersuchten Exemplare stammten zum
Teil von der afrikanischen Küste (Große Fischbucht), und es wäre
nach Pratt (25) bei einer tropischen Form eigentlich das Vorhanden-
sein von Zoochlorellen zu erwarten gewesen, aber auch diese Exem-
plare waren völlig algenfrei.
Das Entoderm bildet auch in ausgedehntem Maße Muskulatur,
und zwar überall, wo die Muskulatur direkt subepithelial ist, King-
oder transversale Fasern, was besonders dort auffällt, wo nach außen
das Ektoderm Epithelmuskelfasern bildet, die dann longitudinal ver-
laufen. Schon KöLLiKER hat auf diese Tatsache kurz hingewiesen,
und auch Ashworth (17) machte eine ähnliche Beobachtung an Xenia
HicJcsoni, ohne aber näher darauf einzugehen. Bei der Regelmäßig-
keit dieses Verhaltens der Epithelien erscheint es mir aber nicht un-
wichtig, darauf besonders hinzuweisen; es wäre doch immerhin
möglich, daß es in der Entwicklungsgeschichte tiefer begründet ist,
daß die Entodermzellen die Tendenz zur Bildung von Ringmuskel-
fasern, und die Ektodermzellen die zur Bildung von Längsmuskel-
fasern besitzen; es wäre interessant, wenn auf diesen Punkt sich die
Aufmerksamkeit der Beobachter richten wollte, um vielleicht diese
eigentümliche Erscheinung noch aufzuklären. Eine scheinbare Ausnahme
ist vorhanden, indem die großen Längsmuskelzüge der Kolonie und
die Muskelfahnen in den Septen der Polypen auch vom Entoderm her-
stammen, aber wir finden, daß in solchen Fällen stets die Muskulatur
in die Tiefe der Mesogloeafalten versenkt ist und epitheloiden Charakter
angenommen hat.
3. Drüsenzellen.
Unter den Drüsenzellen können wir nach dem Charakter ihres
Sekretes Schleimzellen und Eiweißzellen unterscheiden. Auch
546 Albert Niedermeyer,
im Vorkommen dieser beiden Typen von Drüsen zeigt sich eine tTber-
einstimmung mit dem histologischen Bau der Aktinien. Die beiden
genannten Formen lassen sich im allgemeinen ganz leicht durch ihr
Verhalten den Farbstoffen gegenüber unterscheiden, doch ähneln sie
in ihrer Form einander oft sehr. Es ist wohl möglich, daß Übergangs-
formen zwischen diesen beiden Typen auch in physiologischer Beziehung
vorkommen, so wie sie ja morphologisch nicht so ganz streng zu scheiden
sind. Im großen und ganzen kann man wohl sagen, daß die Schleim-
drüsen vorwiegend basophil, die Eiweißdrüsen hingegen acidophil
sind. Als charakteristische Reaktionen auf Schleimzellen haben sich
die Färbung mit Mucikarmin nach Mayer und die metachromatische
Färbung mit Thionin bewährt, welch letztere leider nicht haltbar ist;
auch das Delafieldsche Hämatoxylin gibt eine gute brauchbare Reaktion.
Über das Verhalten von Drüsenzellen bei Nephthya gegenüber
Farbstoffen macht Reinhardt (26) einige Angaben, die aber so irre-
führend sind und falsche Vorstellungen erwecken, daß ich sie hier
anführen möchte, weil sie nicht unwidersprochen bleiben sollen. Da
Reinhardt mit Orcein bei einigen Drüsen eine blaue, bei anderen eine
rote Färbung des Inhaltes erzielte, und da das Orcein den gleichen
Farbenwechsel im Reagensglase als Indikator für Säuren und Alkalien
zeigt, glaubt Reinhardt, daß man von basischen und sauer reagieren-
den Drüsen reden dürfe. So einfach ist denn doch das histologische
Verhalten der Drüsen nicht, daß sich derartige Reaktionen wie im
Reagensglase vollziehen sollten; und wenn die Schnitte durch eine
Reihe von Flüssigkeiten hindurchgeführt worden sind, die teils sauer,
teils alkalisch reagieren, so muß doch die ursprüngliche chemische
Reaktion der Zellen längst verändert worden sein. Jedenfalls sind die
Vorgänge, die sich bei der Färbung der Zellen abspielen, viel kompli-
zierterer Art, als die, die beim Farbenwechsel eines chemischen
Indikators eintreten! — Im übrigen habe ich versucht, ob sich die
basophilen und acidophilen Zellen dem Orcein gegenüber verschieden
verhalten, doch fand ich, daß sich sämtliche Drüsenzellen mit diesem
Farbstoffe in gleicher Weise rot oder rotbraun färbten.
Nach ihrer ontogenetischen Herkunft haben wir noch die ekto-
dermalen Drüsen den entodermalen gegenüberzustellen.
Auf Grund ihrer charakteristischen morphologischen und färbe-
rischen Merkmale lassen sich eine Reihe verschiedener Typen von
Drüsenzellen gegeneinander abgrenzen:
1. Die Drüsenzellen des kolonialen ^ Ektoderms der Rhachis.
1 D^r Ausdruck »koloniales Ektoderm« erscheint mir für das Ektoderm
Beiträge z. Kenntnis d. liistol. Baues von Veretillum cynomoriiim (Pall.). 547
2. Die des Tentakel-Ektoderms.
3. Die des Mauerblatt-Ektoderms,
4. Drüsen der Mundscheibe und des Schlundrolires; unter ihnen
sind wiederum mehrere Formen zu unterscheiden.
5. Drüsen des Stieles.
6. Der dorsalen Mesenterialfilamente.
7. Der ventralen Mesenterialfilamente.
8. Der allgemeinen Entodermauskleidung.
Die Drüsen des kolonialen Ektoderms (Fig. 1 und 2), die in außer-
ordentlicher Menge vorhanden sind, sind Becherzellen, und wie ihre
Färbbarkeit mit Mucikarmin beweist, Schleimzellen, doch jedenfalls
solche ganz besonderer Art. Mit Delafieldschem Hämatoxylin färben
sie sich im allgemeinen nicht, nur bei einigen ließ sich ein schwach
blau gefärbtes, weitmaschiges Netz erkennen, zwischen dessen Maschen
sich zweifellos noch eine ungefärbte, wahrscheinlich kolloide Substanz
befinden mußte, da die Zellen prall gefüllt aussahen. Thionin färbt
sie so gut wie garnicht, dafür nehmen sie Bleu de Lyon an. Da dieses
ein saurer Farbstoff ist, müssen sie auch acidophile Bestandteile ent-
halten. Ganz ungefärbt bleiben sie bei folgenden Färbungen: Heiden-
hainsches Eisenhämatoxylin, Biondi und Gold-Imprägnation. Wir
werden diesen Drüsen wohl eine spezielle Funktion zuschreiben müssen,
die sich nur durch physiologische Experimente wird erweisen lassen;
doch möge es gestattet sein, im Folgenden wenigstens eine Vermutung
darüber auszusprechen.
Im Tentakel-Ektoderm sind Drüsen nicht gerade häufig, doch
lassen sie sich durch Mucikarmin nachweisen, es sind also Schleim-
drüsen. Sie ähneln sehr den oben beschriebenen, sind aber kleiner
und mehr rundlich.
Hierher gehören auch die Drüsenzellen des Mauerblattes der
Polypen, die meist im äußeren Teile der Ektodermf alten sitzen; auch
sie sind nicht sehr zahlreich.
Im Schlundrohre und in der Mundscheibe kommen zahlreiche
Drüsen vor, die in beiden Regionen gleich sind, jedoch mehrere Typen
unterscheiden lassen :
a) schmale Zellen mit körnigem Sekret, ohne Schleim. Muci-
karmin färbt sie nicht, mit Goldchlorid imprägnieren sie sich tief dunkel.
Gegenüber der Färbung mit Delafield-van Gieson verhalten sie sich
des Coenosarks ganz passend im Gegensatz zu dein der Polypen- und Zooidindi-
viduen, da wir ja aiieh z. B. individuelles und koloniales Nervensystem unter-
scheiden.
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CIX. Bd. 37
548 Albert Niedermeyer,
nicht gleich, bald färben sich die Sekretkörner hellgelb, bald heller
oder dunkler braun. Mit Thionin werden sie sehr dunkel. Diese
Drüsen bilden die Hauptmasse der Drüsenzellen des Schluudrohres.
Die mit Delafield dunkel gefärbten sind mehr rundlich und tiefer ge-
legen und bilden wohl einen Übergang zur nächsten Form.
b) rundliche Schleimzellen, die die Reaktionen mit Thionin und
Mucikarmin geben. Sie sind in geringerer Anzahl vorhanden.
c) ziemlich kleine Drüsenzellen mit homogen erscheinendem
Inhalt, die sich mit Thionin blau, mit Delafield- van Gieson braun
färben. Goldchlorid imprägniert sie sehr kräftig. Diese Zellen kommen
vorwiegend im unteren Teile des Schlundrohres vor und sind anschei-
nend identisch mit gleich aussehenden Drüsen der Mesenterialfila-
mente. Da sie durch Mucikarmin gefärbt werden, so dürfte ihr Sekret
auch schleimartig sein, jedenfalls nehmen sie eine Mittelstellung zwischen
basophilen und acidophilen Zellen ein.
Kassianow (27) beschreibt noch in der Tiefe des Epithels »un-
entwickelte Drüsen«, nach seiner Beschreibung ist es aber nicht aus-
geschlossen, daß er nur teilweise getroffene Drüsenzellen dafür an-
gesehen hat.
Im Stiele finden sich auch mehrere Formen von Drüsenzellen
vor, die den bei Pteroeides beschriebenen sehr ähneln und die
jedenfalls nur verschiedene Phasen des Sekretionszustandes darstel-
len. Deutlich lassen sich nur zwei Typen sondern, größere läng-
liche, sehr schmale und kleine rundliche Zellen. Ihr Sekret ist
schleimig, und wird von Mucikarmin gefärbt und verhält sich anderen
Farbstoffen gegenüber basophil; das Aussehen der Drüsenzellen ist
ein stark granuliertes. Sie finden sich auf Epithelpapillen vor, die über
den ganzen Stiel verteilt sind. (Fig. 6.) Die Anordnung dieser Drüse n-
papillen des Stieles ist die gleiche wie bei Pteroeides: Im basalen Teile
des Stieles sind sie rundlich oder polygonal geformt, im oberen, der
Rhachis angrenzenden Teile des Stieles sind sie mehr länglich, wulst-
artig, in der Richtung senkrecht zur Längsachse der Kolonie gestreckt.
In den dorsalen Mesenterialfilamenten wurden basophile Becher-
zellen (Schleimzellen) beobachtet, die alle Schleimreaktionen gaben.
In den ventralen Mesenterialfilamenten treten, obgleich sie ento-
dermal sind, die drei gleichen Typen von Drüsenzellen auf wie im
Schlundrohre: a) basophile, mit Körner- oder Netzstruktur, wohl je
nach der verschiedenen Sekretionsphase, b) acidophile mit körnigem,
c) neutrale mit homogenem Inhalte.
Das allgemeine Entoderm enthält im Gegensatze zu Pteroeides
Beiträge z. Kenntnis <1. histol. Baues von Veretilhun cynoniüiiuni (Pall.). 549
nur sehr wenige Drüsenzellen und die vorhandenen sind typische
Schleimzellen und gleichen nicht im geringsten den braun gefärbten
Pionientdrüsenzellen von Pteroeides. Pigmentierte Drüsenzellen finden
sich bei Veretillum im Ektoderm und es scheint, daß gewissen Zuständen
der Sekretion der ektodermalen Drüsen eine dunklere Pigmentierung
entspricht.
Außer dem Schleim, der als intracytäre Differenzierung in den
Drüsenzellen auftritt, finden wir an bestimmten Stellen des Körpers
regelmäßig extracytäre Schleimüberzüge vor, die in dünner Schicht
das Epithel bedecken. So finden sie sich z. B. im Schlundrohr der
Autozooide und der Siphonozüoide, bei letzteren jedoch nur an der
Dorsalseite, da die Ventralseite von der Siphonoglyphe eingenommen
wird.
An dieser Stelle möge auch die Frage erörtert werden, was die
»globules spheriques« sein mögen, die Bujor (19) bei Veretillum be-
schreibt. BuJOR schreibt über diese Gebilde :
>>0n sait, que les Veretilles sont phosphorescentes. Une parti-
cularite caracteristique de tous les elements cellulaires de ces animaux
c'est" leur richesse en petites gouttelettes spheriques de differentes
■grandeurs, qui ont seulement l'apparence de la graisse et qui doivent
contribuer ä la phosphorescence. <<
>>En outre dans toute la colonie on trouve en grande abondance
des gros globules spheriques, lesquels renferment les memes goutte-
lettes et doivent contribuer aussi ä la phosphorescence. Lorsque ces
gouttelettes s'echappent des cellules et des vesicules, qui les renfer-
ment, elles presentent des mouvements browniens plus ou moins
rapides. <<
Die Tröpfchen von Fett, die in den Geweben vorkommen, kann
BüJOR nicht gemeint haben, dagegen spricht sowohl die ganze Schil-
derung wie insbesondere die Abbildung, die er von den »globules spheri-
ques« gibt. Es wäre nun meines Erachtens nicht unmöglich, daß die
fraglichen Gebilde rundliche Drüsenzellen sind, wie wir sie im Ekto-
derm der Tentakel und des Mauerblattes gefunden haben (Typus 2 u. 3)
die »gouttelettes«, die in ihnen vorkommen, wären sonach Körnchen
eines Sekretes, das die Fähigkeit zu leuchten besitzt. Solche Körnchen
finden wir, wie schon erwähnt, auch mehrfach außerhalb der Zellen
vor, auch finden sie sich noch in verschiedenen anderen Drüsenzellen.
Andere Gebilde, die mit den »globules spheriques« identisch sein
könnten, habe ich weder auf Schnitten noch in Macerations- oder Toto-
präparaten finden können, wohl aber fand ich in letzteren, besonders
37*
550 Albert Niedermeyer,
im Tentakelektoderm rundliche leicht gelblich oder bräunlich gefärbte
Zellen, die ganz den von Bujor geschilderten Gebilden entsprachen
und sich als Drüsenzellen vom Typus 2 und 3 erwiesen.
Auch Panceri (5) hält fettartige Kügelchen für die Ursache des
Leuchtens, die in acht »cordoni luminosi« (damit sind die Ansätze
der Septen am Schlundrohr und der Mundscheibe gemeint) angeordnet
seien, ferner fand er Zellen mit »granulazioni albuminoidi <<, die eben-
falls am Leuchten beteiligt sein sollen. Einige Abbildungen, die er
von den beiden genannten Zellformen gibt, weisen eine ganz über-
raschende Ähnlichkeit mit unseren Drüsenzellen auf. Panceri will
von einer Beteiligung von Drüsen am Leuchten nichts wissen, doch
lassen seine Abbildungen wirklich kaum einen Zweifel darüber aufkom-
men, daß es sich auch hier um drüsige Organe handelt.
Nur eine Angabe Panceris läßt sich mit dieser Annahme nicht
ganz leicht in Übereinstimmung bringen, nämlich die, daß die »materia
grassa« beim Konservieren in Alkohol aus den Geweben verschwindet.
Die Frage, ob in den lebenden Drüsenzellen sich etwa noch Elemente
befinden, die durch Alkohol aufgelöst werden, aufzuklären, ist mir
infolge des Mangels lebenden Materials nicht möglich gewesen. Immer-
hin glaube ich die leuchtenden Elemente, die Panceri abbildet und
die »globules spheriques« Bujors für Drüsenzellen ansehen zu dürfen,
in Übereinstimmung mit den Ansichten, die vom Verfasser bei Ptero-
eides über die Drüsenzellen und ihren Zusammenhang mit der Phos-
phoreszenz geäußert worden sind. Auch die »großen saftreichen und
körnigen Leuchtzellen«, die Korotneff (10) bei Veretillum beschreibt,
sind allen Anscheines Drüsenzellen.
Veretillum cynomorium ist, wie wir gesehen haben, an Drüsen
im ektodermalen Epithel ganz außerordentlich reich; es wird auch an-
gegeben, daß dieses Tier ein sehr starkes Leuchtvermögen besitzt.
Diese beiden Tatsachen stehen wohl in einem gewissen ursächlichen
Zusammenhange, und wir werden wohl in den Drüsenzellen der Ten-
takel und des Mauerblattes, und wohl auch in den so zahlreichen Drüsen
des kolonialen Ektoderms, die ja den erstgenannten Formen sehr
ähnlich sind, die Hauptursache des Leuchtens zu erblicken haben. Darin
dürfte wohl auch die »spezielle Funktion« bestehen, von der oben die
Rede war; natürlich muß diese Funktion nicht auf die drei ersten
Drüsenformen beschränkt sein, sondern kann vielleicht mehr oder
weniger auch den anderen zukommen.
Für die Annahme, daß die geschilderten Drüsen die hauptsächlichen
leuchtenden Organe sind, spricht ihr histologisches Verhalten auch
Beiträge z. Kcimtnis d. liistt)!. Baiu-s von Veretilluiu cynoinoriuin (l'all.)- 551
insoferne, als die Hauptmasse ihres Inhaltes keine Färbungen an-
ninimt, also eine ganz spezifische chemische Substanz darstellt. Dies
erinnert au die »negative Färbung« von Leuchtzellen, wie sie Kut-
SCHERA (29) bei Ächoloe astericoln beschreibt. (Vergl. die angeführte
Arbeit über Pteroeides.)
B. Spezieller Teil.
Im folgenden Abschnitte sollen nun, nachdem die Epithelien und
ihre Elemente beschrieben sind, die einzelnen Teile der Kolonie im
Speziellen auf ihren histologischen Aufbau untersucht werden, und
zwar zunächst die Individuen, die Polypen und Zooide, und dann die
Organe des Coenenchyms.
1. Die Polypen.
An den Polypen unterscheiden wir Tentakel, Mundscheibe, Schlund-
rohr, Mauerblatt, Septen und Mesenterialfilamente. Die Terminologie
wird noch immer nicht von allen Autoren einheitlich gehandhabt, und
es herrscht bei einigen, z. B, Koeotneff (10) eine ziemliche Verwirrung
in der Bezeichnungsweise. Korotneff spricht bei Veretillum von
»Kelchen« der Polypen, und meint damit offenbar die Mundscheibe,
Was wir unter einem >>Kelch << verstehen, in dem Sinne, wie nach Küken-
thal und Broch die Terminologie der Pennatuliden anzuwenden ist,
gibt es bei Veretillum nicht. — Die Beschreibung des feineren Baues
der Polypen von Veretillum cynomorium, die Korotneff gegeben hat,
ist im Ganzen sehr unklar und verworren und entspricht auch in Einzel-
heiten, auf die wir später noch zurückkommen, nicht den Tatsachen.
a) Die Tentakel der Polypen eignen sich ihrer Durchsichtigkeit
wegen sehr gut zum Studium des histologischen Aufbaues an Toto-
Präparaten in Glycerin. Infolge ihrer Funktion als Sinnes- und Be-
wegungsorgane ist ihr Aufbau besonders kompliziert und bietet recht
interessante Verhältnisse dar, die schon des öfteren zum Gegenstande
des Studiums gemacht worden sind. Die Tentakel von Veretillum hat
Erdl (2) schon 1841 histologisch untersucht, doch war er wegen der
Un Vollkommenheit der damaligen histologischen Methoden noch nicht
in der Lage, alle seine Beobachtungen richtig zu erklären, immerhin
hat er aber bereite manche Einzelheiten richtig gesehen und abgebildet.
Die äußere Form der Tentakel unterscheidet sich in manchen
Punkten von der bei Pteroeides beobachteten. Es finden sich beim
erwachsenen Polypen 14 — 15 Pinnulae zu jeder Seite des Tentakels
und es scheint diese Anzahl eine gewisse Konstanz zu besitzen. Von
552 Albert Niedermeyer,
diesen Pinnulae sind die distalen sehr lang und nicht mehr ganz regel-
mäßig angeordnet, wie dies bei den proximalen der Fall ist. So kom-
men hier in der Tat Formen zustande, die es verstehen lassen, daß
Vogt und Young (13) von »hirschgeweihartigen Verzweigungen der
Tentakel« sprechen können, wiewohl auch hier eine mehrfache Ver-
zweigung nie gesehen wird. (S. Fig. 8.) Die Wachstumszone der
Pinnulae liegt auch hier wieder, wie die der ganzen Kolonie, basal.
An den Tentakeln, vor allem an den Fiederchen, kann man an
Totopräparaten Epidermiswülste beobachten, die eine ganz bestimmte
Anordnung besitzen, wie sie in der Fig. 8 wiedergegeben ist, und die
dem Tentakel sein charakteristisches Aussehen verleiht. Wenn man
diese Epidermiswülste an kontrahierten Tentakeln betrachtet, so ver-
mögen sie den Eindruck hervorzurufen, als wären die Pinnulae noch-
mals gefiedert. An ausgedehnten Tentakeln dagegen, wo sie mehr
zerstreut liegen, erkennt man deutlich, daß man es mit Nesselwülsten
zu tun hat. Diese Nesselwülste sind derart angeordnet, daß sie im
proximalen Teile der Tentakel rundliche Flecke bilden, distalwärts
und an den Pinnulae dagegen ringförmig den Tentakel, bzw. die Pin-
nulae zu umgreifen scheinen. Die äußersten Enden der Tentakel,
sowie die letzten Pinnulae sind frei von diesen Wülsten; die Nessel-
kapseln sind hier gleichmäßig und spärlich verteilt.
Vom Ektoderm der Tentakel ist folgendes zu berichten: Das
Epithel besitzt eine nicht unbeträchtliche Höhe, von 25 — 60 ^i und
es finden sich eine ganze Anzahl I^agen von Zellkernen übereinander.
Nach den Abbildungen Kassianows dagegen erscheint es niedrig,
mit größeren Zwischenräumen zwischen den Zellen. Es scheint nach
dieser Abbildung, als ob sie von schlecht konserviertem Material ge-
wonnen wäre. — Wenn man die Tentakel an durchsichtigen Stellen
bei starken Vergrößerungen von der Fläche her betrachtet, so beob-
achtet man an ihnen eine außerordentlich feine körnige Struktur der
Oberfläche des Epithels. Diese Struktur ist meines Erachtens nichts
anderes als die Cuticularstruktur, die man auf Schnitten beobachten
kann, und an der man sowohl feinste Poren, wie Basalkörner unter-
scheiden kann. Deren Vorhandensein ist wohl beweisend für eine im
Leben vorhandene Bewimperung, und tatsächlich ist eine solche nach
Erdls Beobachtungen an den Tentakeln lebender Tiere in sehr reichem
Maße vorhanden. — • Die Form der Deckzellen des Tentakelepithels
fand ich so, wie Kassianow sie beschreibt. Sinneszellen sind sehr
reichlich vorhanden (Fig. 4), besonders an den Enden der Pinnulae.
Das Vorkommen von Drüsenzellen bestimmter Form wurde bereits
Beiträge z. Kenntnis d. liistol. Baues von Veietillum cynomorium (Pall.). 553
festgestellt. Die Drüsenzellen kommen auch in den Nesselwülsten
vor. In Totopräparaten finden wir große körnige Zellen, offenbar
Drüsenzellen, die ganz den »saftreichen Leuclitzellen « Korotneffs
entsprechen; ihr Durchmesser ist 12 — 15//, ihre Form rundlich; häu-
figer finden sie sich im distalen Teile der Tentakel. Bei kontrahierten
Exemplaren erscheinen sie viel kleiner und von sphärischer Gestalt.
Ihr Inhalt ist gelblich gefärbt, ihre Größe hier nur 6,5 — 8 ,« im Durch-
messer. Ich glaube, annehmen zu können, daß sie mit den erwähnten
»globules spheriques« identisch sind.
Die Nesselzellen sind hier größer als bei Pteroeides und lassen die
Ein^ielheiten ihres Baues deutlicher wahrnehmen. Sie sind 6 — 8 fi lang
und 3 — 4 n breit, erscheinen dem Auge des Beobachters gewöhnlich
sehr hell, und besitzen, wie man mit Immersion feststellen kann, Cnido-
cile. Deren Vorhandensein wird von Kassianow bestritten. Cnido-
blasten finden sich überall vor, mit einem halbmondförmigen, der
Nesselkapsel anliegenden Kerne versehen. Am untersten Teile der
Tentakelbasis erscheinen die Cnidoblasten überwiegend, die Nessel-
kapseln gleichmäßiger und weniger zahlreich über die Oberfläche
verteilt. — Die bessere Ausbildung der Nesselkapseln bei Veretillum
im Vergleich zu Pteroeides scheint mir dafür zu sprechen, daß bei der
letzteren Form eine starke Rückbildung der Cniden stattgefunden hat,
die doch sonst bei primitiven Cnidariern, z. B. Hydra sehr wohl ent-
wickelt sind.
Die Nesselorgane finden sich, wie bereits erwähnt wurde, in eigen-
tümlichen Nesselwülsten gehäuft vor, die einen komplizierten Bau
besitzen. An ihren Enden finden sich Sinneszellen häufig und es läßt
sich eine, wenn auch nur äußerUche Ahnhchkeit mancher Nesselwülste
mit Hautsinnesknospen gewisser wasserlebender Tiere nicht leugnen.
Auch Drüsenzellen finden sich hier vor, ferner feine Fibrillen, die gegen
die Basis des Epithels zu verlaufen. Diese Faserbündel divergieren
nach außen, sind mitunter verzweigt, und stehen in Beziehung zu
den Nesselkapseln, wie auch zu den Sinneszellen und Drüsenzellen,
wenn auch ein direkter Zusammenhang sich nicht hat erweisen lassen.
Es erscheint aber trotzdem als sehr glaublich, daß wir es hier mit Nerven-
fasern zu tun haben, und wir finden auch spindelförmige und poly-
gonale Zellen darunter, die wir als Ganglienzellen zu deuten haben werden.
Manche der Fasern führen zu der subepithelialen Muskulatur hin, was
unsere Annahme bekräftigt, (Siehe Fig. 4.)
Es ist hier also ein Nervensystem vorhanden, von dem die Muskeln
Sinnes- und Nesselzellen, und wahrscheinUch auch die Drüsenzellen
554 Albert Niedermeyer,
innerviert werden. Auch über die ganze Fläche (Oralseite) der Ten-
takel verbreitet sich ein deutlich entwickelter Nervenplexus, der dem
Ektoderm angehört. Dieser reiche Plexus ist besonders unter den
Nesselanhäufungen entwickelt, die von seinen Fasern dicht umsponnen
werden. An einer Stelle, an der das Präparat zerrissen war, fand ich
schön isolierte Ganglienzellen und Nervenfasern. (Fig. 11.)
Es ist also ein wohl ausgebildetes individuales Nervensystem
vorhanden, das sich in den Tentakeln besonders schön studieren läßt.
Vom Entoderm der Tentakel ist Besonderes nicht zu erwähnen.
Eedl gibt an, daß es ebenfalls lebhaft flimmern soll, und dem würden
ja auch die bei der allgemeinen Beschreibung des Entoderms von mir
angeführten Tatsachen entsprechen.
Eine besondere Betrachtung erfordert bei den Tentakeln die Mus-
kulatur. Diese ist nämlich bei Veretillum sehr wohl ausgebildet und
eignet sich besonders gut zum Studium. An Totopräparaten erkennt
man deutlich die Längsmuskulatur. Die Fasern nehmen oft keinen
geraden Verlauf, sondern sind mehr oder weniger gewunden. Nach
Reinhardt (26) scheiden die Ektodermzellen der Nephthyiden an
ihrer Basis Längsmuskelfasern aus, die in zwei Längsstreifen ange-
ordnet sind, die die Mittellinie freilassen. Ein derartiges Verhalten
habe ich bei Veretillum nicht beobachten können. — Außer den Längs-
fasern findet sich in den Tentakeln eine deutlich entwickelte Ring-
muskulatur. Diese ist allerdings viel schwächer als die Längsmusku-
latur und daher meist übersehen worden. Erdl (2) hat sie richtig ge-
sehen und abgebildet, stellte sie sich aber als spiraligen Faden vor,
der den Tentakel durchläuft. Man erkennt an sehr durchsichtigen
Stellen, daß die etwas länglichen Kerne der Ringmuskelfasern mit
ihrer Längsachse senkrecht zu denen der Längsmuskelfasern stehen
(Fig. 10); ferner sieht man die Ringfasern bei tieferer Einstellung
deuthcher als die Längsfasern. Daher erscheint es von vornherein wahr-
scheinlich, daß die ersteren dem Entoderm, die letzteren dem Ekto-
derm angehören.
Eine entodermale Ringmuskulatur der Tentakel wurde aber
bisher an Alcyonarien nur bei Kenia von Ashworth (17) beschrieben.
Nach HiCKSON (16) und KL^ssianow fehlt sie. An Schnitten kann
man nun ganz einwandfrei feststellen, daß die Längsmuskulatur ekto-
dermal ist, wie dies ja auch Kassianow angibt, die Ringmuskulatur
dagegen entodermal. Seine Angabe, daß das Entoderm der Tentakel
von Veretillum muskellos sei, ist daher unrichtig. Auch hierin stimmt
Veretillum^ wie vielleicht überhaupt alle Alcyonarien, mit den Aktinien
Beiträge /. Kenntnis d. Iiistol. Baues von V'crctilliun cyiionioriiun (Pall.). 555
Überein, in deren Tentakeln die Muskulatur das gleiche Verhalten be-
sitzt. Interessant wäre es entschieden, zu untersuchen, ob sich bei
allen Alcyonarien diese Feststellung machen läßt, oder ob sich das ge-
nannte Verhalten nur bei den primitiveren Formen findet und die
abgeleiteten die entodermale Ringmuskulatur verloren haben.
Auch in den Pinnulae ist die Muskulatur deutlich zu erkennen
und zeigt die gleiche Ausbildung, wie im Stamme der Tentakel. Die
Eiugnmskulatur ist allerdings im basalen Teile der Tentakel deut-
licher und scheint im distalen Ende und in den Pinnulae zu verschwin-
den, doch läßt sie sich bei hinreichend genauer Untersuchung von
Totopräparaten, wie auch an Schnitten, auch noch hier nachweisen.
"Wir können also die Tatsache feststellen, daß die Tentakel von
Veretillum eine kräftig entwickelte Muskulatur besitzen, und daß
deren Ausbildung mit einer starken Entwickelung des Nervensystems
Hand in Hand geht.
In der Mesogloea der Tentakel wurden des öfteren eigenartige
ringförmige Versteifungen der Tentakelwandung gefunden, wie sie
bisher noch nicht beschrieben worden sind. Es sind Falten in der
Mesogloea, die bei der Färbung des Präparates mit Bleu de Lyon sehr
stark hervortraten (Fig. 9). Es lag nahe, sie für bloße Kontraktions-
falten anzusehen, doch findet man sie auch in unkontrahierten Ten-
takeln. Auch an ungefärbten Präparaten sind sie deutlich zu erkennen.
Ihre Anordnung ist eine ziemlich regelmäßige. Wenn man Schnitte
durch die Tentakel untersucht, dann erkennt man, daß es sich nicht
um bloße Kontraktionsfalten handeln kann, sondern um wirkliche
innere Vorsprungsbildungen, die eine ständige Erscheinung bilden
und offenbar zur Versteifung der Tentakel dienen.
In den Tentakeln, wie auch in den Fiederchen, kommen auch
ganz kleine Spicula vor, von sphärischer oder ovaler, bzw. ellipsoidischei
Form. Erdl (2) hat sie auch gesehen und abgebildet, bezeichnet sie
aber als »kleine Bläschen«, doch geht aus der Abbildung und seiner
Beschreibung hervor, daß er die Spicula gesehen hat.
Von Kassianow ist die Frage aufgeworfen worden, ob die »orale «
Seite der Tentakel sich in ihrem histologischen Bau von der »aboralen <<
Seite unterscheidet. Schon Kölliker fand, daß die »konkave << ( = orale)
Seite ein stärker entwickeltes Epithel und reichhchere Muskulatur
besitzt als die »konvexe« (= aborale) Seite. Diese Unterschiede habe
ich auch wiedei gefunden, das Ektodermepithel der oralen Seite ist
höher (75 — SO fi an der höchsten Erhebungen), als das der aboralen
Seite (50 — 56 /t an den höchsten Papillen). Auch die Muskulatur ist
556 Albert Niedermeyer,
stärker entmckelt, ebenso das Nervensystem und die Sinneszellen,
die sich aboral nur äußerst spärlich finden.
Die Pinnulae (von Erdl »Tastläppchen << genannt) unterscheiden
sich in ihrem histologischen Aufbau nicht von Stamme der Tentakel.
Eine merkwürdige Erscheinung konnte ich aber an den letzten Fieder-
chen des distalen Endes beobachten, die sich schon durch ihre äußere
Form von den übrigen unterscheiden. Hier war das ganze Gewebe
viel lockerer, die Zellgrenzen undeutlich geworden, histologische Ein-
zelheiten ließen sich viel schwerer beobachten und die ganze geweb-
liche Differenzierung erschien herabgesetzt. Wie man auf Fig. 8 sehen
kann, fehlen hier auch die Nesselwülste, wenn auch Nesselkapseln
noch spärlich verteilt vorkommen; es können manchmal auch ganz
unvermittelt wulstartige Verdickungen auftreten. Das Ganze macht
den Eindruck, als hätten wir es mit Anzeichen einer gewissen Degene-
ration des äußersten Endes zu tun ; da die Wachstumszone der Pinnulae
an der Basis der Tentakel liegt, so ist diese Erklärung nicht von der
Hand zu weisen, denn die distalen Pinnulae sind ja auch die ältesten.
Es wäre aber immerhin möglich, daß diese Erscheinung nur eine ge-
wisse Arbeitsteilung der Fiederchen darstellt, und daß die distalen
Pinnulae eine andere Funktion besitzen als die proximalen. Darüber
könnten bloß experimentelle Untersuchungen am lebenden Tier Klar-
heit verschaffen.
So viel über die Tentakel der Polypen.
b) Die Mundscheibe. In der Mundscheibe geht das Epithel
langsam in das des Schlundrohres über. Da nach Kassianows Unter-
suchungen hier das Zentrum des individualen Nervensystems der
Alcyonarien zu suchen ist, so hat er dieser Region seine besondere
Aufmerksamkeit zugewendet. Ich kann mich daher auf die eingehen-
den und ausgezeichneten Untersuchungen von Kassianow berufen,
gegen die ich keine widersprechenden Befunde anzuführen habe. Nur
die Form der Epithelelemente war auf meinen Schnitten nicht ganz
die gleiche, wie auf Kassianows Abbildung, sondern das Gefüge war
dichter und stets ließen sich mehrere Lagen von Zellkernen erkennen,
das Epithel ist auch hier mehrreihig, nicht einschichtig. Von der
Abbildung, die Kassianow von der Mundscheibe gibt, kann wohl
das Gleiche wie von der der Tentakel gelten. — Bei Pteroeides fand ich
die Mundscheibe reich an braun gefärbten Drüsenzellen, die eine cha-
rakteristische Anordnung besaßen. Solche Drüsen kommen auch
hier vor, allerdings nicht so zahlreich und ohne die charakteristische
Anordnung wie bei Pteroeides. Wir haben diese Drüsenzellen oben als
Beiträge z. Kcniitiiis d. liistol. Baues von Veretillum eynonioriuiii (Fall.). 557
>>Pigineiitdiüsenzellen<< «rekennzoiclinet. Deren Vorkommen in der
Miindscheibo, dein nervösen nnd sensiblen Zentralorgan der Polypen,
dürfte vielleiclit mit einer neuerdings vom Physiologen R. F. Fuchs (38)
geäußerten Hypothese ihre Erklärung finden, wonach die Pigmente
eine Rolle als Sensibilisatoren für gewisse Formen strahlender Energie
spielen.
c) Das Schlund röhr ist im wesentlichen recht gut bekannt.
Die Epithelzellen, ektodermalen Ursprunges, sind hier sehr schmal
und hoch (bis 90//), die Zellkerne sehr dicht gedrängt. Auch dieses
Epithel ist bloß ein mehrreihiges, nicht ein mehrschichtiges Zylinder-
epithel. Man findet es von einer dünnen, distinkten Schleimschicht
überzogen, deren Nachweis durch die bekannten Mucinreagentien er-
bracht wird. Die Schnitte lassen hier deutlich Reste einer im Leben
vorhandenen allseitigen Flimmerung erkennen. (Fig. 5.) Es ist ein
Cuticularsaum vorhanden, in dem man eine doppelte Reihe von Basal-
körnern, Diplochondren, unterscheiden kann, zu denen aus dem In-
neren der Zelle heraus feine Fäden, Mitochondrien, ziehen, der kine-
tische Apparat der Flimmerhaare. — Spuren einer Siphon oglyphe
sind auch bei den Autozooiden nachzuweisen, indem die Bewimperung
an der Ventralseite des Schlundrohres viel deutlicher ist als an den
übrigen Seiten; auch besteht hier das Epithel nur aus langen Zylinder-
zellen. Eine Siphonoglyphe scheint auch, allerdings viel schwächer,
in der dorsalen Rinne des Schlundrohres ausgebildet zu sein, wie es
bei den Aktinien regelmäßig der Fall ist.
Das Schlundrohr besitzt eine kräftige Muskulatur im Entoderm,
und auch Muskelzüge unter dem Ektodermepithel, die freilich sehr
schwach sind und sich nicht an allen Stellen finden lassen. Eine Nerven-
schicht ist vorhanden. Basale Fortsätze und Fäden zur Verankerung
kommen den Epithelzellen zu.
Weiterhin ist das Schlundrohr charakterisiert diirch eine große
Anzahl körniger, schlanker Drüsenzellen. Es lassen sich von diesen
verschiedene Typen, wie sie bereits oben geschildert wurden, unter-
scheiden. Mit K. C. Schneider (20) kann man wohl die basophilen
für Schleimdrüsen, die acidophilen für seröse Drüsen halten. Asn-
WORTH (17) nimmt an, daß das Auftreten von Drüsen am Stomodaeum
von Xenia als Korrelation zum Fehlen der ventralen Mcsenterial-
filamente aufzufassen sei. Doch muß dieser Annahme auf Grund
der vorliegenden Beobachtungen widersprochen werden. Schon bei
Pteroeides habe ich bei vollkommener Ausbildung der Mesenterial-
filamente Drüsen im Schlundrohrc gefunden, wenngleich viel kleinere
558 Albert Niedermeyer,
und spärlichere als bei Veretillum. Das Vorkommen von Drüsen-
zellen im Schlundrohre ist also weit verbreitet und vom Vorhandensein
oder Fehlen der Mesenterialfilamente unabhängig. Daß im Epithel
der Siphonoglyphe Drüsenzellen fehlen, braucht wohl nicht besonders
hervorgehoben zu werden.
d) Das Mauerblatt. Das Epithel des Mauerblattes ähnelt im
Aufbau dem der Aboralseite der Tentakel, nur ist es niedriger, und
nimmt gegen die Basis zu an Höhe ab. Das Epithel weist auch hier
zahlreiche feine Fältelungen auf. Die bei den Tentakeln erwähnte feine
»granulöse Struktur« der Epitheloberfläehe ist auch hier vorhanden.
Die Drüsen des Mauerblattes sind bereits beschrieben und ähneln auch
sehr denen der Tentakel. Es findet sich im Mauerblatte subepitheliale
ektodermale Längsmuskulatur und eine sehr deutlich ausgebildete
entodermale Ringmuskulatur. Die Mesogloealamelle zwischen den
beiden Epithelien läßt manchmal deutlich eine Zusammensetzung aus
zwei getrennten Lamellen erkennen. (Fig. 12). Es ist wahrscheinlich,
-daß die Stützlamelle wohl überall sich als zusammengesetzt erweisen
lassen wird; Reinhaedt (26) gibt an, daß bei Lithophytum die dem
Entoderm angrenzende Schicht sich durch dunklere Färbung von der
äußeren abhebt.
Nach Kassianow soll im Mauerblatt die Nervenschicht fehlen.
Er beschreibt nervenähnliche Zellen mit Fortsätzen, die aber sicher
keine Ganglienzellen sein sollen. Der Mangel der Nervenschicht soll
mit dem Fehlen ektodermaler Muskulatur zusammenhängen. Nun
besitzt aber Veretillum auch hier eine, wenn auch schwache ektodermale
Längsmuskulatur (Fig. 12 mfs), und wenn sich eine Nervenschicht
nach Kassianow noch nicht mit Sicherheit hat erweisen lassen, so
spricht nach seinen Befunden wenigstens nichts dagegen, daß sie doch
auch hier zu finden sein würde.
Leider war auf meinen Schnitten das Mauerblatt nirgends so kon-
serviert wie es wünschenswert gewesen wäre, um diese Frage mit voller
Sicherheit zu entscheiden, die, wie Kassianow sehr richtig betont,
von Bedeutung ist für die Frage des Zusammenhanges des individualen
mit dem kolonialen Nervensystem. Feine Fibrillen, die zwischen den
Zellen gegen die Oberfläche des Epithels zu aufsteigen, habe ich auch
gefunden. Diese Fasern hat Kassianow ganz richtig beobachtet;
es erscheint mir aber noch gar nicht ausgemacht, daß sie nicht ner-
vöser Natur sein müssen. Kassianow führt dagegen nur die Größe
der zu den Fasern gehörigen Zellen an. Mit Goldchlorid imprägnieren
sie sich dunkel, und man erkennt auch unterhalb des Epithels plexus-
Beiträge z. Kciinlnis d. histol. Baues von Vcretilluiii cynoinorium (l'all.). 559
artige Verbindungen solcher Fasern. Ich weiß nun freiUch nicht, ob
die sternförmigen Zellen Kassianows mit denen, die ich gesehen habe,
identisch sind; es scheint kaum der Fall zu sein, da die von mir gesehe-
nen sehr klein sind; jedenfalls aber möchte ich diese Zellen für ner-
vöse Elemente halten, da sie in ihrem histologischen Verhalten mit den
Nervenzellen der Tentakel und anderer Körperregionen übereinstimmen.
Es wäre empfehlenswert, die Frage der Nervenschicht des Mauerblattes
noch zum Gegenstande spezieller Untersuchungen zu machen; nach
meinen Befunden spricht alles dafür, sie in positivem Sinne zu ent-
scheiden.
e) Die Septen von Veretillum cijnomorium hat Kassianow auch
einer eingehenden Untersuchung unterzogen und den Verlauf der
Muskulatur genau klargestellt. Kassianow nimmt an, daß die Septen-
muskulatur der Polypen vom Ektodcrm aus innerviert wird, da er keine
entodermale Nervenschicht feststellen konnte. Es ist aber, wie die
Goldchlorid- Präparate erweisen, auch hier eine Nervenschicht im
entodermalen Epithelüberzug der Septen vorhanden. Die Muskulatur
der Septen ist sehr kräftig entwickelt, nicht nur die longitudinale,
sondern auch die transversale auf der Dorsalseite. Ein Vergleich mit
Pteroeides ergibt, daß die Muskelfahnen bei Veretillum eine größere
Anzahl von Mesogloealamellen, daher auch mehr Muskelfasern be-
sitzen als bei Pteroeides. — Die Septen werden, wie bekannt, nach
dem Inneren der Polypenkanäle zu immer kleiner und verlaufen in
den Fortsetzungen der Kanäle nur als niedrige Leistchen, für die KöL-
LiKER den Terminus »Septula<< eingeführt hat. Nach der Ansicht
des Verfassers würde es sich aber empfehlen, diesen Terminus auf-
zugeben, da ein tatsächlicher Unterschied zwischen »Septen << und >>Sep-
tula<< nicht besteht; »Septula<< sind eben nichts weiter als der schmale
basale Teil der Septen.
f) Die Mesenterialfilamente, a) Die dorsalen Mesenterial-
filamente stammen, wie bekannt, vom ektodermalen Epithel des Schlund-
rohres, mit dem sie auch in ihrem mikroskopischen Bau vollkommen
übereinstimmen, nur ist die histologische Differenzierung keine so
reiche. Drüsenzellen habe ich hier nur spärlich beobachtet; es waren
basophile Becherzellen, die die Schleimreaktionen gaben. Die Epithel-
zellen besitzen lebhafte Flimmerung und lassen einen deutlichen Cuti-
cularsaum mit Basalkörnern und kinetischem Apparat erkennen.
(Fig. 13.) Kassianow gibt an, daß er eine Nervenschicht nicht habe
finden können, doch könne man kaum annehmen, daß sie vollkommen
fehle. Diese Annahme kann ich auf Grund meiner Beobachtungen
560 Albert Niedermeyer,
nur bestätigen; eine Nervenschicht ist tatsächlich vorhanden, nur
für gewöhnUch schwach entwickelt, an vergoldeten Schnitten jedoch
mit Deutlichkeit zu erkennen.
In seiner Beschreibung des Baues der Filamente gibt Wilson (9)
an, daß sie auf dem Querschnitte V- oder Y-förmig aussehen und
daß die Kerne der Zylinderzellen ( »columnar-cells <<) zwei Reihen bilden :
'The nuclei of the band are arranged in two lateral groups to
correspond with the two external lobes. Between these two groups
is a clearer obscurely triangulär mass, the structure of which I have
been able clearly to make out but which would well repay investi-
gation. In Gorgonia a few pale rounded bodies may be seen in it,
which are apparently nuclei. In Paralcyonium very similar nuclei
occur, and in addition a number of bodies which have the appearance
of columnar cells. It is possible, that these structures may be some
kind of a nervous apparatus.".
Die Beschreibung Wilsons ist vollkommen richtig, und ich habe
auch diese Zellkerne — denn solche sind die »pale rounded bodies«
in der Tat — beobachten können. Die genannten Kerne unterschieden
sich wesentlich von denen der Zylinderzellen, denn diese sind elliptisch,
kleiner und färben sich sehr dunkel, während jene kreisrund, größer
und blaß gefärbt sind. Es erscheint mir aber ausgeschlossen, daß sie
zum nervösen Apparat gehören; ihr ganzes histologisches Verhalten
spricht so absolut dagegen. (Fig. 13.) Dagegen stimmen sie voll-
kommen ihrem histologischen Charakter nach mit den Entoderm-
zellen überein, die den äußeren Epithelbelag der Filamente bilden.
(Fig. 13 ent.) Ich bin der Überzeugung, daß diese »Wilsonschen Zellen«
{Wz) in der Tat Entodermzellen sind, die von den beiden vom Schlund-
rohr herab wachsenden Ektodermleisten eingeschlossen worden sind
und nun einen inneren entodermalen Strang zwischen den beiden
Strängen der Zylinderzellen bilden. Ob diesen »Wilsonschen Zellen«
eine physiologische Bedeutung zukommt oder ob sie nur eine gene-
tische Bedeutung besitzen, läßt sich auf histologischem Wege natür-
lich nicht ermitteln.
ß) Die ventralen (entodermalen) Mesenterial filamente sind ihrem
Baue nach wohl studiert und durch Wilsons schöne Untersuchungen
gut bekannt. Das Epithel ist bewimpert und enthält Nesselkapseln
und verschiedene Formen von Drüsenzellen, die bereits beschrieben
sind. Daß diese Drüsenzellen alle gleichartig sind, und nur verschiedene
Sekretionsphasen darstellen, glaube ich nicht auf Grund ihres färbe-
rischen Verhaltens, da die einen acidophil, die anderen basophil sind.
Beiträge z. Kenntnis d. lii.stol. Baiu-s von Vt'irtilluiu cynonioriuni (L'all.). 561
Eine Nervenschicht habe ich auch hier deutlich beobachtet. Kas-
SIANOW hat sie zwar nicht gesehen, nimmt aber auch an, daß sie vor-
handen sein müsse.
Auf Querschnitten durch die ventralen Gastralfilaniente kann
man erkennen, daß sie hier nicht einfache, runde Verdickungen der
freien Septentoile sind, wie bei den von AVilson untersuchten Formen,
sondern deutlich bemerkt man eine Dreilappigkeit und die Bilder
erinnern an die Querschnittsbilder, die K. C. Schneider (20) von den
Gastralwülsteu der Aktinien gibt. Im mittleren Lappen sind die
Drüsen häufiger als in den seitlichen Lappen (Fig. 14), daher kann
man wohl mit Kecht auch hier eine Unterscheidung in »Flimmer- <<
und >>Drüsenstreif en << vornehmen, wie dies Schneider tut. Auch hier
befindet sich die Keimschicht der Urgenitalzellen im Winkel zwischen
dem mittleren und den seitlichen Wülsten. Auch im Bau der Mesen-
terialfilamente offenbart sich die histologische Übereinstimmung mit
den Aktinien.
g) Geschlechtsprodukte. In geschlechtsreifen Kolonien findet
man alle Hohlräume dicht erfüllt mit Geschlechtspicdukten, und zwar,
wie bei den meisten Alcyonarien, stets mir mit solchen einer Art in
einer Kolonie. Hermaphroditismus wurde bisher nur bei wenigen
Formen gefunden, so von Keinhardt (26) bei Dendronephthya maxima,
und von Ashworth bei Xenia viridis. — Die männlichen Kolonien
sind bei weitem seltener als die weiblichen; doch vermag eine männ-
liche durch die ungeheuere Zahl der produzierten Spermien eine große
Anzahl weiblicher befruchten. — Über den Bau der Geschlechtspro-
dukte sei folgendes erwähnt: Hoden, wie Eier, sind umgeben von einem
einschichtigen flimmernden Epithel von 10 — 15 (.i Höhe, das durch
eine Basalmembran, die Ashworth für eine dünne Mesogloealamelle
erklärt, gegen die Eizelle bzw. gegen die Hodenkapsel abgegrenzt ist.
Mir erscheint es richtiger, daß diese Membran erst von den Follikel-
epithelzellen gegen die Geschlechtszelle abgeschieden wird, also eine
Basalmembran ist, und nicht von der Mesogloealamelle des Septums
abstammt. Im übrigen ist die große Ähnlichkeit der Membran mit
Mesogloea nur ein Beweis für die Anschauung des Verfassers, daß die
Mesogloea als eine Art von Basalmembran aufzufassen sei. — Das
Follikelepithel ist entodermaler Herkunft. Nach Reinhardt hängt
es direkt mit dem Entoderm der Septen zusammen, und die darunter-
liegende Membran mit dem >>Mesenchymstrang<< des Stieles, der den
Genitalfollikel mit dem Septum verbindet. Danach scheint die Basal-
membran doch von der Mesogloea des Septums herzustammen, doch
562 Albert Niedermeyer,
erscheint der von Reinhardt beobachtete Zusammenhang der Follikel-
membran mit der Mesogloea noch nicht ganz überzeugend. Wie käme
denn das Ei, das vom Entoderm stammt, in die Mesogloea hinein?
Die Hoden sind kugeüg, oder dort, wo sie in engen Kanälen dicht-
gedrängt beieinander Hegen, flachgedrückt; birnförmige wie sie Köl-
LiKER bei seinem einzigen männlichen Exemplar beschrieb, habe ich
nicht finden können. Die Samenzellen sind derartig angeordnet, daß
in der Mitte der Hodenkapsel ein freier Raum bleibt, der wohl von
Flüssigkeit — nach Hickson (16) von einem >>coagulum<< erfüllt ist.
Das >>coagulum« soll nach Reinhardt da entstehen, wo bei nicht
sehr guter Konservierung die Schwänze der Spermien zusammen-
gebacken sind. An den Hoden läßt sich ferner beobachten, daß die
Samenzellen in strahligen Zügen angeordnet liegen.
Über den Bau der Eizellen ist Besonderes nicht zu vermerken.
An einem weiblichen Exemplar beobachtete ich zuerst was ich dann
an männlichen wiederfand, daß nämlich junge Geschlechtszellen nicht
nur in den Mesenterialfilamenten, sondern auch in dem Epithelbelag
der Wand des Septums angetroffen werden, wie wir dies auch bei den
Aktinien finden, während sonst für Alcyonarien das erst geschilderte
Verhalten als die Regel angesehen wird. Auch hierin finden wir wieder
eine Übereinstimmung im histologischen Verhalten mit den Aktinien.
2. Zooide und Dimorphismus der Individuen.
Zwischen den Polypen befinden sich über die ganze Rhachis ver-
teilt die rudimentären Individuen, die Zooide, angeordnet in mehr
oder weniger deutlichen Längsreihen; stets sind sie derartig situiert,
daß sie mit ihrer Dorsalseite gegen die Spitze der Kolonie gerichtet sind,
wie es auch bei Pteroeides und allen anderen beobachteten Penna-
tuliden zu finden war. Der Dimorphismus der Individuen ist schon
seit langem bekannt, und die Unterschiede zwischen beiden Formen
von Einzeltieren sind bei Kölliker und bei Kükenthal und Broch
genau charakterisiert. Eine zusammenfassende Arbeit über den Di-
morphismus bei den Alcyonarien hat B. Cylkowski (35) verfaßt; über
Pennatuliden hat er jedoch keine eigenen Untersuchungen angestellt.
Cylkowski stellte fest, daß bei manchen Alcyonarien der Dimorphismus
innerhalb einer und derselben Art vorkommen und fehlen kann; jeden-
falls ist er ziemlichen Variationen unterworfen. Es ist nun ganz inter-
essant, wie sich die Erscheinung des Dimorphismus innerhalb der
Reihe der Pennatulaceen verhält, bei denen wir eigentlich von einem
Trimorphismus der Individuen reden müßten. Bei Pteroeides hatten
Beiträge z. Kenntn. d. hislol. Baues von Verotillum cynomorlum (PalL). 563
wir einen sehr stark ausgeprägten Trimorphismus und die Unterschiede
der einzelnen Individuen ließen sich scharf präzisieren. Bei Vere-
tillum finden wir nun diese Verhältnisse etwas anders.
Die Zooide besitzen auch bei VeretiUum ein kurzes, dickes und
leicht dorsalwärts gebogenes Schlundrohr, dessen Epithel dem des
Schlundrohres der Polypen sehr ähnelt; es ist aber einfacher gebaut,
es fehlt hier die Muskelschicht, auch habe ich keine Nervenschicht
wahrnehmen können; ferner sind die Elemente des Epithels viel gleich-
artiger und sind fast ausschließlich lange, schmale Zylinderzellen.
Es ist sehr arm an Drüsenzellen, die nur spärlich an der Dorsalseite
vorhanden sind, was ja verständlich ist, wenn man bedenkt, daß das
Schlundrohr zum größten Teil von der starken Siphonoglyphe ein-
genommen wird. Das Epithel der Siphonoglyphe ist nicht, wie vom
Verfasser in der früheren Arbeit über Pteroeides angegeben wurde,
von einer Stäbchencuticula bedeckt, — was auch andere Autoren
annehmen, und zum Teil auch aus ihren Abbildungen hervorzugehen
scheint, sondern die Cuticularstruktur besitzt den schon mehrmals
geschilderten komplizierten Charakter. Eine doppelte Reihe von
Basalkörnern am Grunde der langen Cilien wüd auch hier immer ge-
funden. Die Zellkerne im Schlundrohre sind elhptisch und wegen der
Schmalheit der Zellen dicht gedrängt.
Vom Schlundrohre aus ragen sehr lange dorsale Mesenterial-
filamente in den Gastralraum und noch weit in die angrenzenden Er-
nährungskanäle hinein. Die Septen sind wohl entwickelt und nicht
rudimentär, wie bei den Blattzooiden von Pteroeides.
KoROTNEFF (10) gibt eine Beschreibung der Zooide von Vere^
tillum, die in manchen Punkten nicht zutrifft. Ein eigentliches Mauer-
blatt ist nach ihm nicht vorhanden. Man kann dies jedoch nicht sagen,
das Mauerblatt geht nur direkt in das Mundfeld über, da ja die Ten-
takel fehlen. Im Schlundrohre sollen sehr zahlreiche kleine Nemato-
cysten vorhanden sein, und das veranlaßt Korotneff, die Zooide
als »Nesselpolypen << zu bezeichnen. Es kommt ja bei einigen Alcyo-
narien vor, daß die Zooide an Nesselorganen sehr reich sind, so daß
man sie z. B. bei den Chrysogorgiiden geradezu als Nematozooide be-
zeichnet hat; für VeretiUum trifft diese Auffassung aber ganz gewiß
nicht zu. Ich habe nicht finden können, daß die Zooide reichlicher
mit Nesselkapseln versehen sind als die Polypen, eher das Gegenteil.
Die Mesenterialfilamente bezeichnet Korotneff nicht als solche,
sondern bloß als »schnurförmige Wülste«, ohne etwas weiteres über
sie auszusagen. Insofern macht er sich über die Funktion der Zooide
Zeitsclirit't f. wisseuBch. Zuulutjie. CIX. Bd. 38
564 Albert Niedermeyer,
eine richtige Vorstellung, als er ihnen die Aufgabe der "Wasseraufnahme
und -abgäbe zuschreibt, gleich darauf bringt er aber ganz irreführende
und unklare Angaben über die Bedeutung des Dimorphismus bei Vere-
tillum: Die Geschlechtspolypen sollen alle männlich sein, die Eier
dagegen sich im Stamme selbst bilden, und in Form von vier Längs-
strängen vorkommen, die äußerlich an vier Seiten des inneren Achsen-
kanales angebracht sind. (Was Korotneff damit meint, ist ganz unklar.)
>>Da die Eier näher zu den ungeschlechtlichen Polypen stehen,
so kann man vielleicht annehmen, daß ursprünglich alle Polypen ge-
schlechtlich waren, mit der Zeit aber reduzierte und veränderte sich
die frühere Funktion, die weiblichen Geschlechtsprodukte rückten
ins Innere der Kolonie, was endlich eine Entstehung von geschlechts-
losen Polypen hervorrief«.
Eine Kritik dieser eigenartigen Vorstellungen von der Entstehung
des Dimorphismus erübrigt sich wohl.
Trotz der äußeren Gleichförmigkeit der Zooide von Veretillum,
die nicht einen so auffallenden Dimorphismus beistzen, wie die Pin-
nular- und Rhachidozooide von Pteroeides, ist es dem Verfasser doch
gelungen, zwei verschiedene Formen von Zooiden festzustellen. Die
beiden Formen zeigen keine auffälligen Unterschiede, immerhin aber
sind die einen deutlich kleiner und besitzen weder an den Septen, noch
sonst im Entoderm eine Spur von Muskulatur; die anderen dagegen
sind mit einer ganz wohl entwickelten Septenmuskulatur versehen
und besitzen außerdem eine Ringmuskulatur, die entodermalen Ur-
sprunges ist. Was nun die Lage der genannten Formen betrifft, so be-
finden sich die ersteren an der Basis des Polypars und zwischen den
Polypen verstreut, die letzteren nur an der Spitze der Rhachis. Auf-
fallend dicht waren bei den letzteren die zwischen den Septen gelegenen
Gastralkammern mit Entodermzellen erfüllt, zwischen denen oft eigen-
artige Zellen mit blasigem Inhalte gesehen wurden.
Der Dimorphismus der Individuen von Veretillum und anderen
Formen ist bekanntlich von einigen Autoren geleugnet worden, die,
wie BujOR (19) die Zooide bloß für junge Polypen ansehen wollen.
Es gäbe also keine Zooide, bloß Polypenknospen. ( »bourgeons «,
BujOR.) Es könnte aber auch folgendes der Fall sein, daß Polypen-
knospen und Zooide nebeneinander vorkommen und zwar gleich-
mäßig untereinander verteilt, oder so, daß Knospen nur in der basalen
Bildungszone auftreten. Dieser letztere Fall scheint mir nach meinen
Beobachtungen für Veretillum zuzutreffen. Gewiß sind einige der
zooidartigen Gebilde nur Knospen, die sich noch zu vollkommenen
Beiträge z. Kenntnis d. histol. Baues von Veretillum cynomorium (Pall.). 5G5
Polypen entwickeln, aber nur an der Basis des Kieles; die übrigen
sind dagegen echte Zooide, aus denen sich keine Polypen mehr ent-
wickeln und besitzen eine spezielle Funktion im Dienste der gesamten
Kolonie. Daß bei Veretillum die Frage, ob die Zooide bloß Knospen
seien, überhaupt aufgeworfen werden konnte, hat meines Erachtens
folgende Ursache: Bei Pteroeides und überhaupt allen Penniformes ist
infolge der Ausbildung der Blätter kein Zweifel möglich, daß die am
Rande der jüngsten Blätter stehenden Knospen zu Polypen, die an
der Basis stehenden zu Zooiden werden. Durch ihre verschiedene
Lage sind sie eindeutig charakterisiert. Bei Veretillum und den radiär
gebauten Pennatuliden besteht diese Differenzierung eben nicht und
daher ist es bei rein äußerer morphologischer Betrachtung ohne wei-
teres nicht möglich, zu sagen, wo man Knospen und wo Zooide vor sich
hat, denn durch ihre Lage sind sie ja nicht charakterisiert.
Eigenartig ist nun aber die Tatsache, daß wir auch bei Veretillum
zwei verschiedene Arten von Zooiden vorfinden, wenngleich sie nicht
so auffallende Unterschiede aufweisen, wie die von Pteroeides. Im
wesentlichen ist aber genau das gleiche Verhalten zu konstatieren,
wie bei den Zooiden, die ich dort Pinnular- und Rhachidozooide
genannt habe. Offenbar sind die einen auch hier die primären, direkt
aus den Knospen hervorgegangenen Zooide, die anderen die sekun-
dären, aus sich rückbildenden Polypen an der Spitze der Kolonie ent-
standenen. Wir können daher allgemein die ersteren als Protozooide,
den letzteren als Meta zooiden gegenüberstellen, wobei dann natür-
lich die vom Verfasser seinerzeit vorgeschlagenen Termini »Pinnular-
und Rhachidozooide« als nicht allgemein zutreffend fallen zu lassen
wären, denn Pinnulae gibt es bei den radiären Formen nicht und die
Protozooide sind bei ihnen genau so wie die Metazooide an der Rhachis
gelegen.
Wenn wir nun versuchen wollen, den »Dimorphismus « — genauer
ausgedrückt, den Polymorphismus, denn wir haben Polypen, Knospen
und zwei Formen von Zooiden — bei Veretillum vom vergleichend-
anatomischen Standpunlct zu beurteilen, so müssen wir zunächst die
Tatsache konstatieren, daß der Gegensatz zwischen Polypen und
Zooiden kein so scharfer ist wie bei Pteroeides, wie auch desgleichen
der Unterschied zwischen den beiden Zooidformen. Die Septen der
Protozooide sind wohl entwickelt, desgleichen die dorsalen Mesen-
terialfilamente, die ja bei Veretillum ganz auffallend weit ins Innere
der Kolonie hinabreichen; die Polypen besitzen eine, wenn auch nicht
so starke, so doch ganz deutlich entwickelte Siphonoglyphe, dio bei
38*
566 Albert Niedermeyer,
Pteroeides vollständig fehlt; und so ließen sich noch mehrere derartige
Unterschiede feststellen. Da ein Beweis dafür, daß die angeführten
Verhältnisse durch ganz spezielle Anpassungen hervorgebracht worden
wären, nicht erbracht werden kann, so bleibt nur die Annahme übrig,
daß die Zooide nicht so weit reduziert sind, wie bei Formen mit hoch-
gradig entwickeltem Polymorphismus, daß der Polymorphismus hier
somit noch auf einer viel geringeren Höhe der Ausbildung steht und
auch dies spricht wieder mit für die Auffassung von Veretillum als
einer primitiven Pennatulidenform.
3. Die Muskulatur.
Veretillum cynomorium ist ausgezeichnet durch eine reiche Ent-
wicklung des Muskelgewebes. Es wurde bereits bei der Beschreibung
einzelner Teile der Kolonie darauf hingewiesen, daß wir bei Veretillum
auch an solchen Stellen Muskelfasern finden, an denen sie bei Alcyo-
narien sonst meist nicht gefunden worden sind ; auch sind sie an anderen
Stellen, wo sie sonst sehr schwach entwickelt sind, gut ausgebildet.
Solche Stellen sind:
a) Das Schwaimngewebe der Khachis. Hier ist eine ganz deut-
liche entodermale Bpithelmuskulatur vorhanden.
b) Das Epithel der Hauptkanäle. Ringmuskelfasern kommen
hier für gewöhnlich vor, sind aber bei Veretillum besonders stark ent-
wickelt, während sie bei Pteroeides nur sehr schwach sind.
c) Das Entoderm der Tentakel; es bildet epitheliale Eingmusku-
latur.
d) Das Mauerblatt der Polypen; besitzt entodermale Ringmuskeln
und ektodermale Längsmuskulatur.
e) Das Schlundrohr der Polypen, ist mit kräftigen entodermalen
und mit schwachen ektodermalen Muskelfasern versehen.
f) Das Ektodermepithel des Coenenchyms besitzt im Bereiche
der Rhachis schwache epitheliale Muskulatur; im Stiele fehlt sie. —
Veretillum ist nach Kölliker die einzige Pennatulide, bei der er direkt
unter der »Epidermis« Muskulatur gefunden hat.
Sehr stark ist die Septenmuskulatur entwickelt; die Muskel-
fasern sitzen auf sehr zahlreichen Mesogloealamellen.
Auf den anatomischen Bau der großen Muskelzüge des Stieles
und der Rhachis will ich hier nicht näher eingehen. Er ist gut be-
kannt, vor allem wohl deshalb, weil die Anordnung der Muskellamellen
in engen Beziehungen steht zum Kanalsystem, dessen Negativ sie
gewissermaßen darstellen. Die Muskellamellen sind stark verzweigt
Beiträge z. Kenntnis d. histol. Bauca von Veretillum cynomorium (Pall.). 567
und geben auf dem Querschnitte schöne baumförmige Bilder, wie ich
sie auch bei Pteroeides gesehen habe. HauptsächHch sind es Längs-
fasern im Stiele, die großen Retraktoren der Kolonie; im Sphinkter,
am Übergange des Stieles in den Kiel, überwiegen die Ringfasern.
Die Längsfasern stammen vom Entoderm, stellen aber nicht Epithel-
muskelfasern, sondern in die Tiefe gerückte epitheloide Muskulatur
dar. — Balss (31) will in der Anordnung der Muskelzüge in der Kolonie
ein Merkmal erblicken, das für bestimmte Arten charakteristisch sein
soll, doch kann ich dem nicht zustimmen. Gerade die Muskulatur ist
so abhängig von speziellen Anpassungen und wir werden bei Formen
mit ähnlicher Lebensweise auch ähnliche Ausbildung derselben finden;
für systematische Zwecke ist dieses Merkmal schon aus diesem Grunde
nicht gut verwertbar.
Auch in den feineren Ernährungskanälen der Kolonie finden wir
noch Muskelfasern. Mit dieser reichen Ausbildung steht die starke
Kontraktions-fähigkeit im engsten Zusammenhange.
Muskuläre Verschlußeinrichtungen im Kanalsystem, wie sie von
Kükenthal und Broch bei Echinoptilum, ferner von mir (37) bei
Pemuitula und Pteroeides beschrieben worden sind, habe ich hier nicht
finden können. Doch spricht die Anordnung der Muskelzüge um die
Gastralhöhlen der Zooide dafür, daß hier ein rascher Verschluß gegen
die tieferen Kanäle möglich ist; bei den Polypen mag er wohl durch
die Ringmuskulatur des Schlundrohres und durch die Fasern der Mund-
scheibe gegen außen hin ermöglicht werden, so daß im Inneren der
Kolonie ein beträchtlicher Überdruck herrschen kann ohne daß das
Wasser durch die Polypen- und Zooidmündungen zu entweichen
braucht.
Veretillum besitzt also, wie wir gesehen haben, eine kräftige indi-
viduale Muskulatur. Es besitzt aber auch eine reich entwickelte kolo-
niale Muskulatur, die nächst verwandten Formen, wie Cavernularia,
im Bereiche der Rhachis völlig fehlt. In innigem Zusammenhange
mit der Entwicklung der kolonialen Muskulatur steht die von Kas-
SIANOW aufgeworfene Frage nach dem Vorhandensein des kolonialen
Nervensystems.
4. Nervensystem.
Bereits bei der Beschreibung der Epithelien im allgemeinen, wie
der Polypen, ist gezeigt worden, daß wir bei Veretillum cynomorium
ein ganz wohl ausgebildetes Nervensystem vorfinden, wie wir es ja
von vornherein bei der starken Entwickelung der individualen und
568 Albert Niedermeyer,
kolonialen Muskulatur erwarten konnten. Eine ganz eingehende
Detailuntersuchung des Nervensystems war dem Verfasser allerdings
nicht möglicli, da er ja auf zwei wichtige Methoden verzichten mußte:
Die vitale Färbung mit Methylenblau nach Bethe und die Maceration
frischer Objekte. Dafür gelang es, mit Hilfe der Methode der »Nach-
vergoldung« nach Apathy wenigstens festzustellen, wo wir nervöse
Elemente zu finden haben, wenngleich die feineren Einzelheiten des
histologischen Aufbaues nicht zu ergründen waren, da hierzu das
Material doch nicht geeignet war. Die Untersuchung konnte nur
mit der ölimmersion von Zeiss (Apochromat 2 mm) geschehen, da
die Strukturen äußerst subtil waren. — An einzelnen Stellen gelang
es immerhin, Ganglienzellen mit voller Deutlichkeit zu erkennen, wie
eine solche in der Figur 11 abgebildet ist. Die Größe der Ganglien-
zellen betrug durchschnittlich 6 — 7 (.i. Wo Ganglienzellen auch nicht
ganz deutlich zu erkennen waren, fand sich immerhin ein feines Faser-
werk von Neurofibrillen vor, das durch seine dunkle Imprägnation
charakterisiert war. Diese Fibrillen waren meist als subepithehale
Nervenschicht zwischen dem Epithel und der Epithelmuskulatur
entwickelt.
Die Nervenschicht wurde im Besonderen an folgenden Stellen
gefunden :
a) Im Ektoderm der Polypententakel. Hier wurden Ganglien-
zellen mit besonderer Deutlichkeit beobachtet. (Fig. 4.) Im übrigen
verweise ich auf die genauere Beschreibung bei den Tentakeln.
b) In der Mundscheibe; hier ist sie auch sehr deutlich entwickelt,
und ich kann mich wohl der Ansicht Kassianows anschließen, daß
in ihr das Zentrum des individualen Nervensystems zu erblicken ist.
c) Im ektodermalen Schlundrohrepithel der Polypen (Fig. 5);
in dem der Zooide habe ich sie nicht finden können, doch ist es wohl
möglich, daß sie auch hier vorhanden ist.
d) In den dorsalen Mesenterialfilamenten der Polypen.
e) Im Ektoderm des Mauerblattes der Polypen (Fig. 12).
f) Im Ektoderm des Coenosarks der Ehachis (Fig. 2); im Stiel
waren wohl auch feine Fibrillen zu finden, deren Verlauf jedoch ein
anderer war: nicht parallel der Epitheloberfläche, sondern zwischen
den Zellen emporsteigend. Wenn diese Fasern Neurofibrillen sind
und nicht Stützfibrillen irgendwelcher Art (Fig. 6), so sind sie keines-
falls als motorische Fasern anzusehen, sondern als sekretorische, da
sie zu den Drüsenzellen hinführen, die hier in den Papillen des Stieles
besonders zahlreich vorhanden sind.
Beiträge z. Kenntnis d. liistol. Baues von Verelilluni eynoiuorium (Pall.). 569
Soweit waren ektodermale nervöse Elemente festzustellen. Aus
dem Entoderm stammten sie an folgenden Stellen:
g) Im Entodermepithel des Schlu ndrobres (Fig. 7).
li) Im Entoderm der Septeu der Polypen.
i) In den ventralen Mesenterialfilamenten.
k) Im Entoderm der Polypenliolilräume fand ich zwar auch
nervöse Elemente, doch kommt es hier nicht zur Ausbildung einer
distinkten Nervenschicht und es ist anzunehmen, daß hier nur lockere
plexusartige Verbindungen vorkommen.
1) Im Entoderm der Hohlräume der Rhachis finden wir, besonders
an den Längsmuskelzügen lose plexusartige Verbindungen. Die gleichen
Plexus finden wir auch in den Hohlräumen des Stieles, besonders in
den Muskellamellen entwickelt (Fig. 15).
m) Im Entodermepithel der Hauptkanäle. Hier finden wir wieder
die nervösen Elemente mehr als distinkte Nervenschicht entwickelt
zwischen Epithel und epithelialer Ringmuskulatur (Fig. 16).
An folgenden Stellen, an denen ich nervöse Elemente beobachtet
habe, sind sie von Kassianow nicht gesehen worden: In den Mesen-
terialfilamenten, im Mauerblatt der Polypen, im Coenosark. Im Ento-
derm der Septen fand er nur vereinzelte Ganghenzellen.
Wenn mr nach den Ergebnissen der vorliegenden Beobachtungen
die Resultate der Arbeit Kassianows nachprüfen, können wir sagen,
daß er größtenteils richtige Angaben gemacht hat. Überall, wo er
Nervensubstanz beschrieben hat, war sie auch bei den vorliegenden
Untersuchungen wiederzufinden; dort, wo er sie nicht beschrieben
hat, fehlt sie allerdings auch nicht, doch ist dies insofern kein Wider-
spruch gegen ELassianow, als er ja nicht behauptete, daß sie fehle,
sondern nur, daß er sie nicht beobachten konnte. — Die Verteilung
des Nervensystems, wie Kassianow sie beschreibt, konnte ich aller-
dings nicht nachprüfen, da mir nur Schnitte zur Verfügung standen.
Nach ihm soll um das Schlundrohr herum ein Ring von Nervenfasern
entwickelt sein, von dem aus radiär, entsprechend dem Ansätze der
Septen, stärkere Züge ausgehen sollen; ferner sind nach ihm stärkere
Züge im Schlundrohre längs der Ansatzlinien der Septen vorhanden.
Diese Befunde scheinen wohl den Tatsachen vollkommen zu entsprechen.
Nur in einem Punkte möchte ich Kassianow entschieden wider-
sprechen: Er nimmt an, daß die entodermale Muskulatur der Polypen
von den ektodermalen Nerven her innerviert werden soll, und zwar
durch die »Gallerte« (die Mesogloea) hindurch. Eine Beobachtung,
die dafür sprechen könnte, vermag er nicht anzuführen und gründet
570 Albert Niedermeyer,
seine Ansiclit lediglicli darauf, daß er im Entoderm keine Nerven-
elemente gefunden hat. Es sind aber solche vorhanden und dienen
natürlich in erster Linie zur Innervation der entodermalen Muskel-
fasern, wie die ektodermalen auch von ihrer eigenen subepithelialen
Nervenschicht her innerviert werden. In der Gallerte finden wir kei-
nerlei nervöse Elemente. Es wäre auch sehr merkwürdig, wenn die
starken entodermalen Muskelzüge keine direkte Innervation besäßen;
der KASSiANOWsche Erklärungsversuch der Innervation durch die
Gallerte erscheint gesucht und gekünstelt und konnte auch ohne daß
positive Tatsachen gegen ihn gefunden worden wären, nicht befriedigen.
Die Frage nach dem »kolonialen Nervensystem«, die Kassi-
ANOW für Alcyonium negativ beantwortet, während er bei Verctillum
eine positive Lösung nicht für ausgeschlossen hält, werden wir auf
Grund des vorhegenden Beobachtungsmateriales unbedingt positiv zu
entscheiden haben. Die Polypen stehen untereinander in nervösem
Zusammenhange vermittels der Nervenschicht des Mauerblattes und
des Coenenchyms ; die inneren Teile der ganzen Kolonie besitzen ento-
dermale Nervenplexus und so stehen alle Teile des Ganzen unterein-
ander in engster Verbindung.
In einer zweiten Abhandlung wurde von Kassianow (28) die Frage
aufgeworfen, ob das Nervensystem der Alcyonarien sich mit dem der
Aktinien vergleichen lasse. Dies ist nach ihm in weitgehender Weise
der Fall und ich kann mich dieser Anschauung um so mehr anschließen,
als sich ja auch in so vielen anderen histologischen Einzelheiten, wie
z. B. im Bau der Mesenterialfilamente usw. Übereinstimmungen finden,
und da sich Nervensubstanz an verschiedenen Stellen hat nachweisen
lassen, von denen man bisher angenommen hatte, daß sie nur bei den
Aktinien, nicht aber bei Alcyonarien Nervenelemente enthielten, wie
z. B. im Entoderm der Polypen, im Mauerblatte, in den Mesenterial-
filamenten u. a. m. Es ist wahrscheinlich, daß die bestehenden Unter-
schiede bei fortgesetzter Untersuchung der feineren Struktur der Alcyo-
narien sich immer mehr werden reduzieren lassen.
Auf die neueren Arbeiten von Havet, Wolpf und Heider über
das Nervensystem der Aktinien, die Kassianow in seiner letztge-
nannten Abhandlung zitiert, näher einzugehen, ist dem Verfasser
unmöglich gewesen und er konnte ihre Ergebnisse nur so weit in Be-
tracht ziehen, als er sie bei Kassianow angeführt fand. Es wäre jedoch
eine dankenswerte Aufgabe, das Nervensystem der Alcyonarien und der
Aktinien zum Gegenstande einer gründUchen vergleichenden Spezial-
untersuchung zu machen. Das Gebiet ist freilich so umfangreich
Beiträge z. Kenntnis d. histol. Baues von Veretilluni cynomoriuin (Fall.). 571
und schwierig, daß es im Kahmen dieser Arbeit nicht möglich war,
die Frage weiter zu verfolgen und mehr beizubringen, als einige Bruch-
stücke.
5. Die Mesogloea.
Die Mesogloea soll nach der Auffassung der meisten Autoren aus
einer homogenen, strukturlosen Grundsubstanz bestehen und überall
die gleiche Beschaffenheit besitzen. So charakterisiert sie auch Kassi-
ANOW, Reinhardt (26) bezeichnet sie als vollkommen strukturlos,
zuweilen aber etwas faserig. — Homogen erscheint die Mesogloea
jedoch nur bei flüchtiger Beobachtung in ganz dünnen Schichten, be-
sonders bei Anwendung von Hämatoxylingemischen. In dickerer
Schicht weist sie deutliche Strukturen auf, die Bourne (18) zwar für
Kunstprodukte erklärt, die aber meines Erachtens in der Natur der
Mesogloea begründet liegen (Fig. 16). Diese Strukturen sind nicht
überall gleich sondern sogar sehr verschieden in den verschiedenen
Regionen der Mesogloea und geben ihr ein charakteristisches Aus-
sehen. Es sind feinste Fibrillen, die bald wellenförmig, bald netz-
artig verbunden verlaufen; bald sind sie dicht, bald wieder lockerer,
und so gewinnt die Mesogloea ein sehr verschiedenartiges Aussehen.
Die genannten Strukturen sind nicht mit allen Farbstoffen gleich gut
zu erkennen. Deutlich zu sehen sind sie an Präparaten, die mit Pikroni-
grosin nach Freeborn gefärbt sind, besonders schön aber bei Gold-
Imprägnation.
Die Grundsubstanz der Mesogloea besteht also vorwiegend aus
fibrillären Elementen. Bei sehr starken Vergrößerungen erscheint
die Mesogloea auch in ganz dünnen Lagen nicht mehr als homogene
Lamelle, sondern ist auch hier aus Fibrillen zusammengesetzt. "Wo
die Mesogloea zwischen zwei nahe benachbarten Epithelien, wie z. B.
zwischen Ektoderm und Entoderm des Mauerblattes oder der Tentakel
nur sehr dünne Schichten bildet, läßt sich nachweisen daß sie aus
zwei Lamellen besteht, deren eine offenbar vom Ektoderm, die an-
dere vom Entoderm abgeschieden ist. (Fig. 12). Dort, wo die Mesogloea
dick ist, finden wir auch direkt unter den Epithelien eine dichtere Struk-
tur, die Schneider (20) als »Grenzlamelle << beschreibt. (S. auch Fig. 16.)
Reinhardt gibt an: »Mit Säurefuchsin färbt sie sich rosa, wobei die
an das Entoderm angrenzende Schicht durch dunklere Färbung her-
vortritt <<.
Auf Grund der beobachteten Tatsachen erscheint es gerecht-
fertigt, die Grundsubstanz der Mesogloea als eine Art von Basal-
572 Albert Niedermeyer,
membran oder bindegewebiger Propria auffassen zu wollen, die
vom Ektoderm- wie vom Entodermepithel ausgeschieden ist und
zwischen beidf/^n Epithelien allerdings an manchen Stellen große Mäch-
tigkeit erlangen k^inn. An gewissen Stellen (Tentakel, Schlundrohr)
ähnelt die Mesogloea sehr einer dünnen Propria, und andrerseits ist
die dünne Membran, die zwischen Ei und Follikelepithel sich befindet,
eine typische Basalmembran, und zeigt genau den gleichen Bau, wie
die Mesogloea in sehr dünner Schicht.
In die Grundsubstanz der Mesogloea sind mannigfache zellige
Elemente eingelagert, die aus den Epithelien stammen und als Wander-
zellen den epithelialen Charakter verloren haben und nach Aufgabe
ihrer polaren Differenzierung zu mesenchymatischen Zellen geworden
sind. Dazu gehören die Bildungszellen der Spicula, die hauptsächlich
aus dem Ektoderm stammen und die »Gallertzellen << (Kassianow),
die vorwiegend entodermalen Ursprunges sind. Die »Gallertzellen«
sind diejenigen, die den »mesogloeal cell-plexus << (Peatt, 25) bilden.
Nach KÖLLIKER (3) sind sie Bindegewebszellen. Pratt schreibt ihnen
wegen einer äußerlichen Ähnlichkeit mit Ganglienzellen auch ge-
wisse nervöse Funktionen zu, als »Neurophagocyten <<, wogegen Kas-
SIANOW mit Recht polemisiert. Als Derivate des Entoderms sind sie
ihrer Funktion nach hauptsächlich Ernährungszellen; nach ihrer
Lage in der Mesogloea sind sie Bindegewebszellen. Histologisch bieten
sie ein wohl charakterisiertes Aussehen dar und sind nicht mit anderen
Zellen, wie z. B, Nervenzellen oder Entoderm-Epithelzellen zu ver-
wechseln. Ich glaube sie folgendermaßen am besten charakterisieren
zu können:
Gallertzellen sind die mesenchymatischen Zellen der Mesogloea,
die bald einzeln, bald in Gruppen oder zum »mesogloeal cell-plexus«
vereinigt liegen; sie besitzen einen stark körnigen Zellinhalt und acido-
philen Charakter. Ihre Größe ist 15 — 20/« im Durchmesser; sie be-
sitzen einen sehr deutlichen Kern, der 3 — 4 j.i im Durchmesser mißt.
Ihre Form ist sehr veränderlich, sie sind amöboid und erscheinen
bald geballt, bald rundlich, spindelförmig oder polygonal. (Fig. 17.)
Sie sind besonders in der Mesogloea des Stieles entwickelt, aber
auch in der Bhachis. In der Gallerte finden sich oft Nester oder
dichte Zellhaufen, oder solide Zellstränge ohne Lumen, die netzartig
miteinander zusammenhängen, bald feine Kanäle, in denen sie nach
und nach in typische Entodermzellen übergehen, die die Wandungen
der größeren Kanäle auskleiden. Die Kanäle stehen untereinander
auch wie die Zellstränge in vielfacher Verbindung. (Fig. 16.)
Beiträge z. Kenntnis d. histol. Buuos von Voretillum cynomorium (Fall.). 573
Reinhardt sagt von den Zellen der Mesogloea aus, ihr Inhalt
gleiche dem der Ektodermzellen, >>da außer dem runden Kern noch
viele kleine, sich ebenfalls dunkel färbende Körnchen vorhanden sind«.
Die Granula der Gallertzellen sind jedoch von denen der Ektoderm-
zellen wesentlich verschieden, viel größer und außerdem stark acido-
phil. Ferner gibt Reinhardt an, daß diese Zellen »Muskelfasern ab-
scheiden können, die leicht zu erkennen sind, da sie durch Eisenhäma-
toxylin stark gefärbt werden können«. Muskelfasern können sie ganz
sicher nicht abscheiden; die Beobachtung Reinhardts beruht auf
einem Irrtum und wenn er sich auf andere Färbungen als bloß die
Heidenhainsche gestützt hätte, hätte er jedenfalls auch gesehen, daß
diese Fasern keine Muskelfasern sind; die Untersuchung von Präpa-
raten, die nach van Gieson gefärbt sind, zeigt dies mit Deutlichkeit.
Es sind bloß Bindegewebsfasern der Mesogloea, die in der Umgebung
der Zellen liegen.
Spicula. Da nach Kükenthal und Broch die Spicula ein be-
sonders wichtiges Unterscheidungsmerkmal für die Systematik sind,
so ist es von einigem Interesse, auch ihren feineren Bau zu studieren,
der bei den Kalkkörperchen der Seefedern noch sehr wenig bekannt
ist ; denn gewöhnlich wird den Spiculis nicht mehr Beachtung geschenkt,
als für systematische Zwecke erforderlich ist. — Was zunächst die
äußere Form der Spicula betrifft, so fällt auf, daß trotz einer gewissen
Übereinstimmung in der allgemeinen Erscheinung sich kaum zwei gleich
geformte vorfinden. Im allgemeinen ist die Form einfach elliptisch
oder biscuitf örmig ; auch gabelförmige kommen bisweilen vor, worauf
besonders hingewiesen sein möge, da Kükenthal und Broch das Vor-
kommen solcher Spicula bei Lituaria zum Anlaß nehmen, um diese
Form im System vor VeretiUum zu stellen. Ferner finden sich Zwil-
linge, auch Drillinge vor, in allen möglichen Graden der Ausbildung,
manchmal innig miteinander verbunden, manchmal nur lose zusammen-
hängend. Es erschien angezeigt, zu untersuchen, ob wir es wirklich
mit echten Zwillingen im mineralogischen Sinne zu tun haben, oder ob
es bloß Aggregate mehrerer Spicula sind, die durch Teilung oder An-
einanderlagerung entstanden sind.
Einige Formen von größeren Spiculis dieser Art sind in Figur 18
abgebildet; die Zwillinge haben meist die Form von Semmeln. — Außer
diesen größeren Formen finden wir noch kleinere von ovaler oder ellip-
tischer bis sphärischer Gestalt.
Verteilung der Spicula: Wie Kükenthal und Broch gefunden
haben, ist jede bestimmte Körperregion durch eine für sie charakte-
574 Albert Niedermeyer,
ristisclie Spiculation ausgezeichnet. Über die Verteilung der Spicula-
formen bei Veretillum machen sie folgende Angaben:
»Die Spicula des Stielin nern sind sehr kleine schmale, längs-
ovale Körperchen, die in kleinen Gruppen angeordnet sind.
Die Spicula der Stiel rinde sind breite ovale Platten von durch-
schnittlich 0,06 mm Länge, die häufig Biscuitform annehmen, und
bei denen auch sehr häufig Spaltungen vom Zentrum aus sichtbar
werden, die das Spiculum in meist vier, aber auch 5 — 6 radial ange-
ordnete Abteilungen trennen. Diese dicht gelegenen Spicula erfüllen
nicht nur die Rinde, sondern ziehen auch in dicht angeordneten Zügen
ventralwärts ins Stielinnere, sich schließlich in kleine Nester auflösend,
die zwischen den Gruppen der eigentlichen kleinen Spicula des Stiel-
inneren liegen.
In der Binde des Polypars finden sich ähnliche aber in allen
Dimensionen kleinere und noch mehr abgeplattete Spicula als in der
Stielrinde. Diese Spicula können in den basalen Teil des Polypen
übergehen und kommen auch in den Tentakeln vor.«
Meine eigenen Beobachtungen stimmen mit diesen Angaben über-
ein. Die Spicula des Stielinneren sind vorwiegend rundliche oder
ovale Körperchen von ungefähr 15 /.i Länge und 4,6 — 8 fi Breite. Diese
Spicula finden sich in etwas größeren Formen, sehr dicht gehäuft in
den Radiallamellen des Stieles, und zwar im oberen Teile größere als
im basalen. Es kommen aber auch im Stielinneren Spicula von der
Form der Rindenspicula vor: ovale oder biscuitförmige Platten oder
auch zusammengesetzte Formen. (Fig. 18 u. 19.) Einige gemessene
Längen und Breiten von Spiculis betrugen:
Länge in /<: 74 90 63 50 50
Breite in ^i : 37 45 50 25 45.
Das Verhältnis von Länge zu Breite betrug in der Mehrzahl un-
gefähr 2:1, näherte sich aber bei einigen dem Werte 1:1.
In der Stielrinde finden wir besonders entlang der Ansatzstellen der
Radiallamellen dichte Längszüge von ovalen, mittelgroßen Spiculis
von etwa 40 ^u Länge, Die größeren Formen, die auch eine größere
Mannigfaltigkeit aufweisen, finden wir wieder in peripherer Lage, im
oberen Teile des Stieles sehr zahlreich. Doch kommen auch unter ihnen
viele sehr kleine vor.
Im Kiele ist die Spiculation viel schwächer: Die Kalkplättchen
sind viel kleiner und spärlicher als im Stiele und es sind nur runde
kleine Spicula in größerer Anzahl vorhanden. Das gleiche gilt vom
Beiträge z. Kenntnis d. histol. Baues von Veretilluni cynomorium (Pall.). 575
Kielinneren wie von der Kielrinde. In den Polypen sind spärliche
und kleine Spicula von ovaler Form vorhanden. In den Tentakeln
kommen ganz kleine spindelförmige Spicula vor, die nicht sehr dicht
gehäuft sind, Ihre Enden sind abgestumpft. Folgende Größen wurden
bei ihnen gemessen:
(in «0 4,7 6,2 10,9 15,6 17 18,7 23,4.
Es kommen endlich ganz kleine Körperchen im Kiele und im Stiele
vor, die wie korrodiert aussehen und vielleicht die Trümmer von größeren,
vielleicht aber auch erst im Entstehen begriffen sind, zum Teile aber
auch sicher eigene Formen darstellen. Ihre Größe betrug 3,5 — 6,2 (.i.
Von Kükenthal und Broch wurden sie nicht beschrieben, Sie sind
ungemein zahlreich, von Gestalt mehr oder weniger um'egelmäßig.
Sie liegen manchmal zu zweien oder dreien hintereinander oder bilden
traubige und klumpige Aggregate. Auch bei diesen kleinsten Formen
kommen noch Durchkreuzungszwillinge vor, und auch die . kleinsten
lassen bereits die Strukturen erkennen, die deutlicher bei den größeren
Formen beobachtet werden konnten. In ihrem Inneren ist ein zen-
traler Hohlraum, der die organische Grundsubstauz enthalten hat,
Struktur der Spicula, Bei genauerer Betrachtung erscheinen
die Spicula durchaus nicht homogen, sondern selbst die kleinsten lassen
noch ganz deutliche Strukturen erkennen. Im Inneren hebt sich deutlich
eine zentrale Masse ab, die die Umrißform des Spiculums wiedergibt.
Sie ist oft durch dunklere Färbung unterschieden und wir werden
wohl nicht fehlgehen, w^nn wir hier eine stärkere Anhäufung orga-
nischer Substanz annehmen. Ferner findet sich eine Marksubstanz
vor, die sich durch etwas gelbliche Färbung von der hellen Rinden-
substanz abhebt. Außerdem finden wir ziemlich regelmäßige konzen-
trische Strukturen; an den Polen der Spicula sind die Ringe dieser
konzentrischen Strukturen voneinander weiter entfernt als in der Mitte.
Von der Zentralsubstanz aus strahlen radiale Strukturen, bald feiner,
bald gröber gegen die Peripherie aus, in letzterem Falle wie Risse aus-
sehend. Sie fallen auch oft durch dunklere Färbung auf, mitunter
besonders an den Stellen, wo die radialen Strukturen sich mit den
konzentrischen durchkreuzen, — Die radialen und konzentrischen
Strukturen der Spicula treten nach Kochen in Eau de Javelle sehr
deuthch hervor, doch erscheint die organische Grundsubstanz ver-
schwunden. An ihrer Stelle findet man dann oft größere Sprünge im
Inneren des Spiculums,
Wenn man die Spicula mit einer Säure behandelt, sie jedoch nicht
576 Albert Niedermeyer,
ganz auflöst, so findet man, daß die konzentrisclien Strukturen ver-
schwinden, die radialen dagegen in Form von Rissen und Sprüngen
sehr auffällig hervortreten. In deren Richtung zerfallen sie denn auch
bei weiterer Fortsetzung des Auflösungsprozesses. Demnach scheinen
die radialen Strukturen die Richtungen der geringsten Kohäsion der
Moleküle zu bezeichnen. Ferner geht aus der genauen Betrachtung
der Strukturen und ihres Verhaltens hervor, daß sie nicht der Ober-
fläche angehören, sondern ein Produkt des Wachstumes und der inneren
Organisation der Spicula sind. — Außer den genannten Strukturen
finden sich noch ganz feine Riefungen, die in diagonaler Richtung ver-
laufen und der Oberfläche anzugehören scheinen.
Die Untersuchung der Spicula mit dem Polarisationsmikroskop
ergab folgendes: Sie sind, wie dies ja zu erwarten war, anisotrop,
hellen das dunkle Gesichtsfeld zwischen den gekreuzten Nicoischen
Prismen auf. Dabei treten bei den dünneren die Newtonschen Inter-
ferenzfarben auf, deren Aufeinanderfolge jedoch nicht den Schichten
der konzentrischen Strukturen entspricht, soweit man dies bei den
kleinen Objekten mit Sicherheit behaupten kann. Weder die radialen
noch die konzentrischen Strukturen weisen ein verschiedenes optisches
Verhalten auf, woraus sich ergibt, daß die Substanz der Spicula durcTi-
weg gleichartig ist und ihre Schichtungen nur auf Wachstumsver-
schiedenheiten beruhen. Das optische Verhalten der organischen Grund-
substanz aus der Mitte des Spiculums ließ sich nicht mit Genauigkeit
feststellen. Die Auslöschungsrichtung ist bei den länglichen Formen
parallel zur Längsachse: es ist also gerade Auslöschung vorhanden.
Bei den zusammengesetzten Formen ließ sich feststellen, daß die
Auslöschungsrichtungen nahezu vollkommen symmetrisch zur Mittel-
ebene liegen, und sie sich somit optisch genau so wie echte Zwillings-
bildungen verhalten.
Auch bei scheinbar einfachen Spiculis wurde des öfteren ein der-
artiges Verhalten gefunden, das darauf schließen ließ, daß in Wirk-
lichkeit zusammengesetzte Formen vorlagen. Insbesondere war dies
bei den biscuitförmigen oft der Fall.
Ob die Spicula optisch ein- oder zweiachsig sind und es sich dem-
nach um Calcit oder Arragonit handelt, ließ sich wegen ihrer Klein-
heit und der sich daraus ergebenden Unmöglichkeit, Schnitte senk-
recht zur optischen Achse zu erhalten, auf dem Wege der Untersuchung
im convergenten polarisierten Licht nicht feststellen. Ebensowenig
ließ sich über den Charakter der Doppelbrechung, ob positiv oder
negativ etwas aussagen. — Die MEiGENsche Reaktion (Kochen mit
Beiträge z. Koimtnis d. histol. Baues von Vorotillum cynomorium (Pall.). 577
Kobaltnitrat) ergab, daß die anorganische Substanz der Spicula aus
Calcit besteht: Die Spicula färbten sich auch nach langem Kochen
nur ganz schwach hellblau ; auch mikroskopisch war keine Veränderung
der so behandelten Spicula zu beobachten.
Eine Frage, die noch zu entscheiden wäre, ist die, ob die zusammen-
gesetzten Kalkkörper durch Teilung oder durch Aneinanderlagerung
ursprünglich getrennter Teile entstehen.
Für die letztere Annahme sprechen folgende Tatsachen:
1. Kommen tatsächlich Zwillingsbildungen im mineralogischen
Sinne vor, als Berührungs -und Durchkreuzungszwillinge.
2. Finden wir manchmal in jedem Teile eine eigene Zentralpartie
organischer Grundsubstanz.
3. Oft sind schon ganz kleine Spicula aus mehreren zusammen-
gesetzt.
4. Entstehen die jüngsten Spicula stets in dichten Haufen oder
Nestern.
Dagegen und für die Entstehung durch Teilung sprechen jedoch
folgende Punkte:
1. Man kann ganze Reihen verschiedener Übergänge beobachten,
wie aus einem einfachen Spiculum durch Stärkerwerden eines radialen
Risses zwei, aus einem Doppelindividuum ebenso vier, sechs, usw.
werden.
2. Nicht alle verhalten sich wie Zwillinge: Es kommen auch An-
häufungen von 5 und 7 Individuen vor, deren gemeinsamer Umriß
oft noch die frühere Zusammengehörigkeit erkennen läßt.
3. Die Strahlen scheinen dann von einem gemeinsamen Zentrum
organischer Grundsubstanz zu entspringen.
Wir werden daher wohl annehmen dürfen, daß beide Arten der
Bildung zusammengesetzter Spicula nebeneinander vorkommen können.
Entstehung der Spicula : Die Art der Entstehung der Kalkkörper-
chen als intracelluläre Differenzierungen innerhalb einer vom
Ektoderm stammenden Zelle, eines »Skleroblasten <<, läßt sich deutlich
an einigen Schnitten studieren. An der Stelle des Spiculums befindet
sich eine Lücke in der Mesogloea, durch die Entkalkungsflüssigkeit
hervorgerufen; am Rande dieser Lücke ist der Rest der Bildungszelle
mit ihrem Kerne zu sehen. — Das Wachstum der Spicula geschieht
durch Apposition.
Organische Grundsubstanz: In der Mitte solcher Lücken, wie wir
sie eben beschrieben haben, finden wir einen Rest organischer Grund-
substanz, der bei jungen Spiculis noch genau die ovale oder biscuit-
578 Albert Niedermeyer,
förmige Gestalt erkennen läßt, ebenso die konzentrische Faserrichtung.
Dieser Best liegt bei größeren Spiculis genau an derselben Stelle, wie
im uuentkalkten Zustande die dunkle Zentralsubstanz.
KöLLiKER wirft die von ihm nicht entschiedene Frage auf, ob der
Rückstand nur eine Cuticula ist, wie bei anderen Alcyonarien, oder
ob er den ganzen Kalkkörpern entspricht. Nach allen meinen Be-
obachtungen bin ich der Ansicht, daß er keine cuticulare Bildung ist,
sondern bindegewebige Grundsubstanz, wofür auch der fibrilläre Auf-
bau des Rückstandes spricht. Auch histologisch gibt der Rückstand alle
Reaktionen des Bindegewebes, besonders deutlich mit Pikronigrosin.
6. Das Achsenskelett.
Bekanntlich unterscheidet man nach Kölliker bei Veretillum
cynomorium zwei Varietäten, die var. astyla, der ein Achsenskelett
fehlt, und die var. stylifera, die ein solches besitzt ; außer diesem variab-
len Verhalten besitzt die Achse von Veretillum noch einige Merkwürdig-
keiten. Sie ist in jedem Falle sehr klein und kümmerlich entwickelt.
Balss (31) sieht darin eine Anpassung an das Leben im bewegten
Wasser; demnach wäre die Achse sekundär rückgebildet, doch könnte
ihre mangelhafte Ausbildung auch ein primitives Verhalten darstellen.
Freilich ist es auch oft festgestellt worden, daß Variabilität gerade
bei reduzierten Organen auftritt, doch kann man allein aus ihrem
Auftreten noch keinen Rückschluß auf sekundäre Reduktion ziehen.
Jedenfalls erlaubt uns das Verhalten der Achse weder nach der einen
noch nach der anderen Richtung etwas Bestimmtes auszusagen.
Die histologische Struktur der Achse ist folgendermaßen
beschaffen: Es lassen sich an ihr drei Schichten unterscheiden (Fig. 20),
eine innerste, der »Zentralstrang«, eine mittlere, und eine äußere.
Der Zentralstrang ist nicht, wie bei anderen Korallentieren, deutlich
abgegrenzt, sondern geht allmählich in die Mittelsubstanz über. Er
zeichnet sich nur durch größere Kompaktheit aus. Die Hornfasern
sind hier sämtlich longitudinal angeordnet. Bei Pteroeides habe ich
sie in konzentrischer Anordnung gefunden.
Die drei genannten Schichten sind auf Querschnitten, die in ver-
schiedener Höhe durch die Achse gelegt werden, in sehr verschiedener
Ausbildung wahrzunehmen und haben nicht überall gleichmäßig Anteil
an der Achsensubstanz. — ■ Auch bei der Achse von Veretillum ist eine
Umbiegung des oberen Endes festzustellen. Diese Umbiegung tritt
nicht so deutlich in die Erscheinung wie bei Formen mit wohl aus-
gebildetem Achsenskelett, doch ist sie auf Querschnitten durch das
Beiträge z. Kenntnis d. histol. Baues von Veretillum cynomoriuni (Fall.). 579
obere Ende der Achse schon bei schwacher Vergrößerung zu erkennen:
Man findet im Bindegewebe die Achse doppelt getroffen, einmal mit
dickem, einmal mit dünnem Querschnitte.
Auf einem Querschnitte durch das oberste Achsenende ist es
schwer, die einzelnen Schichten, die in der mittleren Höhe der Achse
deutlich voneinander unterscheidbar sind, gegeneinander scharf ab-
zugrenzen und richtig auszudeuten. Das liegt einmal daran, daß die
beiden inneren Schichten ineinander übergehen und eine gemeinsame
Mittelschicht bilden, andrerseits daran, daß die äußere Schicht, die
weiter unten, gegen die Mittelhöhe der Achse zu, ausgesprochen ver-
hornt ist, hier rein bindegewebigen Charakter besitzt und durch zell-
ähuHche Elemente von der Mittelschicht getrennt ist. Dadurch ge-
winnt die äußere Schicht ein derartiges Aussehen, daß man sie für eine
bindegewebige »Achsenscheide << halten kann, wie wir eine solche bei
Pteroeides vorfinden, und als ob die zellähnlichen Elemente dem dort
gefundenen »Achsenepithel << homolog wären. Diese Verhältnisse lassen
sich am besten durch die Abbildung auf Figur 20 erläutern. Wir können
uns von ihnen zwei Auffassungen möglich denken.
Nach der ersteren wäre die mit c bezeichnete Schicht ein Teil des
Schwammgewebes der Rhachis, a und h das entodermale Epithel der
zentralen Hohlräume des Kanalsystems; d wäre demnach die binde-
gewebige Achsenscheide, / die Reste des Achsenepithels und e die
Achse selbst.
Diese Auffassung ist jedoch, wie die genaue Verfolgung der Schnitt-
serie und die histologische Untersuchung ergibt, nicht die richtige,
sondern eine andere. Nach dieser wäre c die bindegewebige Achsen-
scheide, a und h Teile des Achsenepithels, d die periphere Schicht der
Achse, die hier zwar noch fast ganz aus reinem Bindegewebe besteht,
jedoch bereits Spuren beginnender Verhornung aufweist, wie die In-
tensität der Färbung schließen läßt; demnach ist e die Mittelschicht
der Achse mit dem Zentralstrauge, ferner haben wir bei / bloß Spuren
oder Reste von Zellen vor uns, die mit dem Achsenepithel nichts zu
tun haben, sondern es handelt sich hier offenbar um solche zellige
Elemente, wie sie Schneider (24) als >>Spongioblasten<< bezeichnet
hat, von denen die Umwandlung der Bindesubstanz in Hornsubstanz
ihren Ausgang nimmt. Eine Tatsache von einer gewissen Bedeutung
ist das Vorkommen von Spiculis in der peripheren Schicht der Achse
bei g. Ganz im Inneren der Schicht e kann man auch schon eine An-
deutung der Differenzierung des Zentralstranges erkennen.
Dafür, daß diese Auffassung die richtige ist, spricht, daß das
Zeitgclirift f. wisseuscli. Zoologie. C'iX. üd. 39
580 Albert Niedermeyer,
Achsenepithel, wie die Untersuchungen bei Pteroeides ergeben haben,
den Charakter des Entodermepithels besitzt, was vom Epithel bei
a und b wohl zutrifft, aber keinesfalls von den Zellen bei /, die aus-
gesprochen mesenchymatischen Charakter besitzt; ferner der Um-
stand, daß im Bindegewebe der Mesogloea im obersten Teile der Achse
eine allmähliche hornige Umwandlung des Bindegewebes gegen die
Achse zu stattfindet, und man kann beobachten, daß diese umge-
wandelte Bindesubstanz sich direkt in die peripheren Schichten der
Achse fortsetzt.
Die Schichten, die wir am oberen Teile der Achse unterscheiden
können, haben also folgenden Bau: Die äußerste ist in Umwandlung
begriffene Bindesubstanz, in der man konzentrische Struktur, Reste
von Zellen und Spicula vorfindet. Die mittlere besteht aus Fasern,
die vorwiegend in der Längsrichtung verlaufen. Spicula kommen
auch in dieser Mittelschicht vor. Ganz im Inneren bemerkt man noch
einen dünnen Strang, in den die Mittelschicht ohne scharfe Grenze
übergeht.
Wenn wir das äußerste umgebogene Ende der Achse auf diesen
Schnitten untersuchen, so bemerken wir, daß die bindegewebige Schicht
fast den ganzen Raum einnimmt; in ihr finden wir deutlich Spicula,
und im Inneren einen dünnen, seitlich zusammengedrückten Strang,
der eine blasig-maschige Struktur besitzt. Auch in diesem Strange
finden wir Zellen vor; er entspricht der mit dem Zentrais brange ver-
einigten Mittelschicht.
Wenn wir die Schnittserie nach abwärts, gegen die Mittelhöhe
der Achse zu verfolgen, so finden wir, daß die periphere Schicht (d) an
Ausdehnung immer mehr abnimmt, je mehr wir uns der Mitte nähern;
wo die Achse am stärksten ist, ist die periphere Schicht am schwächsten.
Sie behält ihre konzentrische Struktur bei, verhornt jedoch mehr und
mehr, und erscheint mehr und mehr homogen. — In dem gleichen
Maße, wie bei dem Dicken Wachstum der Achse der Anteil der peri-
pheren Schicht zurücktritt, wächst der der inneren, die sich deutlich
in Mittelschicht und Zentralstrang differenziert. Diese beiden Schich-
ten sind also aus der gleichen Grundlage hervorgegangen. Die Mittel-
schicht nimmt in der Mittelhöhe der Achse den größten Raum ein.
Die Längsfasern, aus denen sie besteht, erscheinen hier in radiär an-
geordneten Zügen gruppiert, die auch stellenweise zwischen die kon-
zentrischen Fasern der äußeren Schicht treten. Die innerste Schicht,
der Zentralstrang, ist von der Mittelschicht auch hier nicht mit scharfer
Grenze gesondert, sondern der Übergang ist noch immer ein allmäh-
Beiträge z. Kenntnis d. histol. Baues v-^on Vcretillum cynomorium (Pall.)- 581
lieber. Im Zentralstrange erscheinen die Fasern etwas mehr regellos
durcheinandergeflochten. Reste von Zellen sind im peripheren Teile
der Mittelschicht zu finden. Ferner finden wir darin radiäre Faser-
züge von Bindegewebe, die offenbar aus der peripheren Schicht stammen.
Die Achsenscheide besteht aus Mesogloea, die hier den typi-
schen welligen Verlauf ihrer Fibrillen besitzt. Sie ist von zahlreichen
Kanälen durchsetzt, so daß sie netzartig aufgelockert erscheint. Diese
Kanäle sind ausgekleidet von einem Epithel, das durch die fast kubi-
schen, oft etwas blasigen Zellen mit ihren kreisrunden Kernen hin-
reichend deutüch als entodermales Epithel zu erkennen ist. In der
Mesogloea finden sich die großen, oft polygonalen, stark körnigen
Gallertzellen.
Das Achsenepithel ist nur sehr unvollkommen erhalten, doch
kann man nach allem, was sich beobachten läßt, auch sagen, daß seine
Zellen den Charakter der entodermalen Zellen der Kanalepithelien
besitzen. Seine Höhe beträgt 25 — 30 f.i. Für die Beurteilung der
morphologischen Bedeutung des Achsenepithels scheint mir folgende
Tatsache von Bedeutung zu sein: Die periphere Schicht der Achse
ist ganz außen begrenzt von einem sehr feinen Saum, den ich auf Grund
der Untersuchung mit der stärksten Vergrößerung nur als Basal-
membran des Achsenepithels ansprechen möchte. Demnach wäre
die der Achse zugewendete Seite des Achsenepithels als dessen basale
anzusehen und somit die Anschauung von v. Koch (6), daß die Achse
eine kutikulare Ausscheidung des Achsenepithels sei, unhaltbar,
da eine solche doch nur an der freien Epithelseite entstehen könnte.
Daß es sich tatsächlich so verhält, dafür scheint mir der Umstand zu
sprechen, daß sich im Achsenepithel zwei getrennte Lamellen nach-
weisen lassen. (Fig. 20, a, b.) Somit fasse ich das Achsenepithel auf
als die entodermale Auskleidung des Hohlraumes, in den hinein sich
aus der Bindesubstanz durch hornige Umwandlung und nachfolgende
Kalkeinlagerung die Achse entwickelt; hierbei wird das Lumen dieses
Raumes ausgefüllt, und die beiden Entodermlamellen werden anein-
andergedrängt. Wenn bei starker Entwicklung der Achse das Epithel
verschwindet, so haben wir dann die Verhältnisse vor uns, wie wir sie
bei Funiculina finden. Sonach gäbe es keinen prinzipiellen Unter-
schied zwischen Formen mit und ohne Achsenepithel.
Bemerkungen zu den Theorien über die Achsenentstehung.
Über die Theorien von v. Koch (6) und Studer (12) ist in letzter
Zeit so viel geschrieben worden, daß es wohl nicht nötig erscheint,
39
682 Albert Niedermeyer,
auf die bisher bekannt gewordenen Tatsachen nochmals einzugehen.
Hier möge diese Frage nur soweit berührt werden, als es nötig ist, um
das Verhalten von Veretillum in dieser Hinsicht klarzustellen. Ich
verweise auf die Arbeiten von Schneider (24) und Neumann (36),
die sich mit der Achsenfrage bei den Gorgoniden in neuerer Zeit be-
schäftigt haben. Beide Autoren sprechen sich unbedingt zu Gunsten
der SxuDERschen Theorie aus. Ob die Achsen der übrigen Alcyonarien
wirklich den einheitlichen Entstehungstypus, den die STUDERsche
Theorie fordert, besitzen, vermag ich nicht zu entscheiden, jedenfalls
bringt Neumann viel überzeugendes Beweismaterial bei ; für die Penna-
tulaceen scheint mir nach meinen bisherigen Untersuchungen eine
derartige einheitliche Form der Achsenentstehung festzu-
stehen. Für die Theorie von v. Koch scheint ja freilich auch hier
zunächst das Vorhandensein des Achsenepithels zu sprechen, aber
gerade dessen genauere histologische Untersuchung zeigt, wie bereits
erwähnt, daß es identisch ist mit dem Epithel entodermaler Kanäle,
während es nach v. Koch ektodermales Epithel, das von der Fuß-
scheibe des Primärpolypen aus ins Innere vorgestülpt ist, sein müßte.
Ferner sprechen meines Erachtens unbedingt für die Gültigkeit der
SxuDERschen Theorie für die Pennatulaceen folgende Punkte:
1. Das variable Verhalten der Achse von Veretillmn.
2. Das Vorkommen von zwei Achsen bei Veretillum, das zuerst
von BujOR (19) festgestellt und von mir gleichfalls mehrmals beob-
achtet worden ist.
3. Der bindegewebige Charakter der peripheren Schicht, die ge-
wissermaßen die Grundlage der ganzen Achse bildet und sich erst
nach und nach unter Mitwirkung zelliger Elemente in Hornsubstanz
umwandelt.
4. Das Vorkommen von Spiculis in der Substanz der Achse.
5. Das Verhalten des Achsenepithels und seiner Basalmembran.
So scheinen mithin die Achsen der Pennatulaceen in einheitlicher
Weise aus der Bindesubstanz zu entstehen, und es ist wohl möglich,
daß eine derartige Einheitlichkeit für die ganzen Oktokorallia gilt.
R. Müller (32) hat für Gorgonac.een allerdings vor kurzem einige
entwicklungsgeschichtliche Tatsachen beigebracht, die für die v. Koch-
sche Ansicht sprechen. In Ermangelung von entwicklungsgeschicht-
lichen Beweisen liefert aber für die Pennatulaceen die histologische
Untersuchung ausreichende Beweise für die Theorie der einheitlichen
mesodermale n Achsenentstehung.
1
Beiträge z. K(>iHi(nis d. liistol. Baues von Veretillum cynomorium (Fall.). 583
7. Das Kanalsystem.
Das Kanalsystem von Veretilhim ist gut bekannt und von mehre-
ren Forschern beschrieben worden. Wir können daher hier auf eine
ausführlichere Beschreibung verzichten, indem wir uns den Angaben
von Kükenthal und Broch anschließen und wollen nur einige be-
sondere Punkte hervorheben.
a) Das Schwammgewebe ist hier sehr schwach entwickelt, im
Gegensatze zu Pteroeides griseum; die Hohlräume des Kieles sind ihrer
Hauptmasse nach direkte Fortsetzungen der Gastralräume von Po-
lypen und Zooiden, von denen die letzteren bedeutend länger sind
als bei anderen Pennatuliden , was wir der geringv?.ren Ausbildung des
Polymorphismus zuschreiben. E. Musgrave (30) spricht von einer
Verschiedenheit des Epithels des Schwammgewebes von dem der übrigen
Kanäle, indem die Zellen niedriger sein und Drüsenzellen fehlen sollen.
Es seien daher die Kanäle des Schwammgewebes nicht als Ernährungs-
gefäße im Sinne Köllikers, sondern als »erektile Gefäße« anzusehen.
Die eine Beobachtung, daß das Epithel niedriger ist, ist entschieden
richtig; wir haben auch bereits auf die Erscheinung hingewiesen, daß
es mit fortschreitender Kleinheit der Kanäle an Höhe abnimmt. Ich
vermag jedoch nicht zu bestätigen, daß Drüsenzellen fehlen sollen.
Immerhin mag es möglich sein, daß bei höher differenzierten Formen
auch eine funktionelle und histologische Verschiedenheit der Kanäle
sich bemerkbar macht. Auch Muskelfasern fehlen dem Epithel des
Schwammgewebes nicht.
b) Im Stiele sind die Kanäle bekanntlich dem Verlaufe der muskel-
tragenden Bindegewebslamellen entsprechend angeordnet. Wir haben
hier mehrere Lamellensysteme, radiale und transversale, mit Längs-
bzw. Ringmuskulatur. Bei den Radiallamellen nun unterscheiden
KÜKENTHAL und Broch zentrifugale und zentripetale Radiallamellen.
Diese Unterscheidung ist aber nicht völlig begründet. Es lassen sich
nämUch zentrifugale und zentripetale Radiallamellen nur unterscheiden,
wenn man einen einzelnen Schnitt untersucht; dann erscheinen die
zentripetalen von der äußeren Stielwand gegen innen gerichtet, und
erreichen nicht die Ringmuskellage, und umgekehrt die zentrifugalen
von der Transversallamellenschicht nach außen gerichtet und erreichen
die Stielwand nicht ganz. Wenn man aber die Schnittreüie verfolgt,
und sich einen Aufriß der Lamellen rekonstruiert, findet man, daß
eine und dieselbe Lamelle in verschiedener Höhe bald als zentripetale,
bald als zentrifugale erscheint, je nachdem zwischen ihr und der äußeren
584 Albert Niedermeyer,
Stielwand oder zwisclien ihr und der Transversallamellenschiclit sich
Lücken befinden. Die Lamellen sind untereinander durch vielfache
Anastomosen verbunden,
c) Die vier Hauptkanäle reichen bei Veretillum bis an das basale
Ende des Stieles. Nach Kükenthal und Broch ist dies ein Verhalten,
das im allgemeinen den radiär gebauten Pennatulaceen zukommt.
Die Frage, ob die vier Hauptkanäle mit Stielporen versehen sind, ist
vom Verfasser auch bei Veretillum cynomorium an einer lückenlosen
Serie von Längsschnitten durch das untere Stielende untersucht worden.
Es hat sich aber hier nicht die geringste Spur von Poren, wie sie an
Schnitten von Pennatula und Pteroeides mit der größten Deutlichkeit
beobachtet werden konnten, finden lassen. Von Kapp (1) sind zwar
vier derartige Poren bei Veretillum beschrieben worden, jedoch erscheint
diese Angabe sehr zweifelhaft. Rapp gibt auch an, daß durch diese
Poren Wasser ausgespritzt werden könne, was nach unseren Anschau-
ungen (33, 37) schwerlich möglich ist. Es kann nun sehr wohl sein,
daß derartige Stielporen durchaus nicht allen Pennatulaceen zukommen
müssen. Es mag sich hier um ganz spezielle Anpassungen handeln,
über deren biologische Bedeutung wir uns noch nicht ganz klar sind.
Jedenfalls kann den Stielporen, wie Verfasser bei Pteroeides hervor-
gehoben hat, schwerlich eine große Rolle bei der Wasserbewegung
zukommen.
Wenn wir derartige Bildungen bei Veretillum noch nicht vorfinden,
so können wir uns wohl die Frage vorlegen, ob es sich hierbei nicht
auch um ein primitives Verhalten unserer Form handelt, und es ist doch
sehr wohl denkbar, daß dies der Fall ist, und die Stielporen sich erst
später bei den Pennatulaceen entwickelt haben; sie wären demnach
kein primitiver Besitz dieser Ordnung, sondern erst sekundär mit ganz
bestimmten Anpassungen erworben. Dafür spricht auch, daß ich bei
den nächst verwandten Gattungen Cavernularia und Cavernulina auch
keine Stielporen habe finden können; bei den beiden Arten Caver-
nularia obesa und elegans sollen nach Kükenthal allerdings Poren
vorhanden sein, aber nur zwei, den beiden medianen Hauptkanälen
entsprechend.
Die vier Hauptkanäle des Stieles lassen sich ohne weiteres nicht
als dorsal, ventral und lateral erkennen. Die lateralen erkennt man
als solche, wenn man sie bis zum Kiele verfolgt, da sie sich dann von
der Medianlinie entfernen. Für die Unterscheidung des dorsalen vom
ventralen Hauptkanal läßt sich kein Merkmal angeben; ein terminaler
Primärpolyp, der zur Orientierung dienen könnte, ließ sich nicht fest-
Beiträge z. Kenntnis d. liistol. liiuies von Veretilluni cynoniorium (Pall.). 585
stellen, auch histologisch gelingt es nicht, irgendwelche Unterschiede
aufzustellen: Das Epithel zeigte ii\ allen vier Kanälen des Stieles das
gleiche Verhalten, und erwies sich als ein hohes Epithel aus typischen
Eutodernizellen mit Drüsenzellen und einer recht kräftigen Ring-
niuskelschicht. Hier könnte bloß die Entwicklungsschichte einen
Aufschluß geben.
d) Die Septen der vier Hauptkanäle bestehen nach Kölliker
aus »fibrillärein Bindegewebe, dessen Fasern vorwiegend in der Rich-
tung der Dicke verlaufen«, daneben kommen aber sehr viele Längs-
fasern vor. Ferner beschreibt er »bindegewebige Ringfasern dicht
unter dem Epithel der Kanäle«; dagegen war es ihm nicht möglich
»Muskelfasern in den genannten Scheidewänden zu entdecken und
kommt daher die Verdickung derselben an kontrahierten Stöcken
einzig und allein auf Rechnung der Elastizität ihres Gewebes«. Hierin
hat Kölliker Unrecht; es handelt sich bei den genannten Fasern
nicht um Bindegewebs-, sondern um Muskelfasern, die auch als die
einzige Ursache der Kontraktilität anzusehen sind.
Innerhalb der Septen der vier Hauptkanäle finden wir zusammen-
hängende Zellstränge, die oft sehr stark ausgebildet sein können und
zu spaltförmigen Bildungen Anlaß geben, die Kükenthal als »Intra-
septalräume« bezeichnet und die bei einigen Pennatulaceen, nament-
lich bei CaveninJaria- Arten sehr stark ausgebildet sind. Diese »Intra-
septalräume« sollen nach Kükenthal eine besondere Bedeutung haben,
indem man in ihnen möglicherweise Reste des ursprünglichen Gastral-
raumes des Primärpolypen erblicken könne, derart, daß je zwei Septen
des achtkammerigen Gastralraumes sich durch Aneinanderlagerung
zu einem Septum vereinigt hätten und so nur vier Kammern übrig
blieben, und die übrigen als »Intraseptalräume « in den Septen der
Hauptkanäle zu suchen seien. — Diese Annahme muß so lange als
unbewiesen gelten, als sich nicht entwicklungsgeschichtliche Tatsachen
für sie anführen lassen; vorläufig aber steht sie im Widerspruche zu
den Tatsachen, die von Jüngersen (14) über die Entwicklung von
Pennatula phosphorea gefunden worden sind, wonach die Lateral-
kanäle Bildungen eigener Art sind, die mit den medianen Hauptkanälen
nichts zu tun haben. Dieser Anschauung schließen sich ja Kükenthal
und Broch auch sonst durchwegs an.
Die histologische Untersuchung der Zellen der »Intraseptalräume«
ergab nun, daß die Zellen innerhalb der Septen ganz typische Gallert-
zellen sind, wie sie oben ausführlich beschrieben worden sind. Das
Entodermepithel der Hauptkanäle ist deutlich verschieden von den
586 Albert Niedermeyer,
Intraseptalzellen, schon durch seinen polaren Charakter, während die
letzteren apolar, mesenchymatisch sind, viel größer nnd von stark
körnigem, acidophilen Inhalte. Sie bilden oft wenig regelmäßige
Stränge, die bald aufhören, bald doppelt verlaufen und miteinander
anastomosieren können. Sie haben ganz das Aussehen der in Figur 16
abgebildeten Zellstränge. Auch bei Cavernuluna piisiUa war das
gleiche histologische Verhalten festzustellen: Die Intraseptalzellen
waren vom Entoderm völlig verschieden, stimmten aber mit den Zellen
der Stränge in der Mesogloea durchaus überein.
Somit läßt sich die Frage, ob den »Intraseptalräumen << eine tiefere
Bedeutung für die Entwicklungsgeschichte zukommt, auch auf bloßem
histologischem Wege lösen, ohne daß wir gezwungen wären, erst die
Ergebnisse der Entwicklungsgeschichte abzuwarten: Von einem Zu-
sammenhange mit dem Gastralraume des Primärpolypen kann hier
nicht die Rede sein.
Phylogenetische Schlußbemerkungen.
Wie bereits in der Einleitung hervorgehoben worden ist, gibt es
zwei Ansichten über die phylogenetische Stellung von Veretillum
und den Pennatulaceen mit radiärer Anordnung der Polypen, von
denen die eine, vertreten vor allem von Jungersen (22) und Balss (31)
Veretillum als eine abgeleitete Form an das Ende des Systems stellen
will, und die Einfachheit des radiären Baues als sekundären Charakter
ansieht, während die andere, von Hubrecht, Hickson, v. Koch, Wilson
und vor allem von Kölliker vertreten, die Veretilliden an die Wurzel
des Systems gesetzt wissen will. Kölliker nimmt auf Grund der
Bilateralität des inneren Baues allerdings an, daß sie von bilateralen
Urformen abstammen. Kükenthal und Broch haben neuerdings in
außerordentlich überzeugender Weise dargetan, daß tatsächlich Vere-
tillum zu den primitivsten Formen gehört, und darauf ihr phylogene-
tisches System aufgebaut. Nach ihnen ist es nicht einmal nötig, mit
Kölliker auf Grund der inneren Bilateralität eine Abstammung von
noch primitiveren bilateralen Urformen anzunehmen; die radiäre
Symmetrie, die hier in Frage käme, beruhe ja lediglich auf der Fällig-
keit des Primärpolypen, allseitig Knospen zu bilden, und dies müßte
entschieden als primitives Verhalten angesehen werden.
Obgleich Kükenthal und Broch ihre Ansicht sehr wohl stützen,
erkennen sie an, daß der endgültige Beweis für ihre Anschauungen
von der Entwicklungsgeschichte erbracht werden müßte, die bis jetzt
jedoch noch sehr wenig bekannt ist. Bei den vorliegenden histolo-
Beiträge z. Kenntnis d. histol. Baues von Vcretilluin cynoniorium (Pall.). 587
gischen und mikroskopiscli-anatomischen Untersuchungen legte der
Verfasser sich stets die Frage vor, ob die Befunde dieser Untersuchungen
in irgendeiner Weise zur Klärung dieses Problems beizutragen ver-
möchten, sei es nach der einen, sei es nach der anderen Richtung.
Tatsächlich ist es auch möglich gewesen und die gefundenen Tatsachen
waren, wie an den betreffenden Stellen stets hervorgehoben worden ist,
ist, immer Stützen der von Kükenthal und Broch vertretenen An-
schauungen und keine einzige Beobachtung sprach gegen diese. Als
weiteres Ergebnis der vorüegenden Untersuchungen erscheint ferner
dem Verfasser dies, daß ein prinzipieller Unterschied im histologischen
Bau zwischen den Octocorallia und den Hexacorallia gar nicht
besteht und daß die histologischen Charaktere, die bei letzteren ge-
funden worden sind, auch den ersteren nicht fehlen, sondern nur wegen
der größeren Feinheit und der Kleinheit aller Einzelheiten viel schwerer
zu beobachten sind. Es müßte besonders interessant sein, die primi-
tivsten, koloniebildenden Aktinien, die Zoantheen, nach dieser Rich-
tung hin ganz genau auf ihr histologisches Verhalten zu untersuchen.
Es ließe sich sehr wohl denken, daß von Formen, die den Zoantheen
nahe stehen, sich beide Stämme, die Aktinien, wie die Alcyonarien
nach divergenten Richtungen entwickelt haben. Insofern dürften wir
wohl auch deutlichere Anklänge an den Bau der Aktinien bei Alcyo-
narien als primitives Merkmal beurteilen können. Der Wert eingehender
histologischer Untersuchungen für die Lösung derartiger Probleme
scheint dem Verfasser nicht gering anzuschlagen zu sein und vor allem
dort, wo der Mangel an entwicklungsgeschichtlichen Kenntnissen uns
hindert, phylogenetische Spekulationen sicher zu begründen, vermag
auch die Histologie noch einige Beiträge zur Lösung derartiger Fragen
zu liefern.
Breslau, im Oktober 1913.
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erschienen, auf die hier nicht mehr eingegangen werden konnte. Öie sollen in
einer späteren Arbeit Berücksichtigung finden.
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39. 1913. A. Niedermeyer, Über einige histologische Befunde an Veretillum
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Erklärung der Abbildungen.
Tafel XIV und XV.
Fig. 1. Ektodermepithel des Coenenchyms (Übersichtsbild). Krypten-
artige Vertiefungen des Epithels. Leitz, Obj. 5, Oc. 0.
Fig. 2. Teil des Ektodermepithels vom ('oenenchym, stärker vergrößert.
Goldchloridpräparat, Seibert, Obj. V, Oc. 2.
dz, Deckzelle; sz, Sinneszelle; drz, Drüsenzelle; bz, Becherzelle; mf, Muskelfasern;
ns, Nervenschicht; mg, Mesogloea, et, Crusta.
Fig. 3. Einzelne Üeekzellen vom Kktodermepithel. Leitz, Obj. 9, Oc. 2.
Fig. 4. Ektodermepithel von einem Polypententakel. Goldchloridpräparat,
Zeiss, Obj. F, Oc. 2. cn, Nesselkapsel; cn^, Cnidoblast ; ggl, Ganglienzelle; m,
Muskulatur.
590 Albert Niedermeyer, Beiträge zur Kenntnis des histol. Baues usw.
Fig. 5. Ektodermepithel vom Schlundrohr. Goldchloridpräparat. Leitz,
Obj. 9. Oc. 2. mf, Muskelfasern.
Fig. 6. Ektodermepithel vom Stiel; papillenförmige Erhebungen. Gold-
chloridpräparat, Leitz, Obj. 5, Oc. 5. gz, Gallertzellen.
Fig. 7. Entodermepithel vom Schlundrohr. Goldchloridpräparat, Leitz,
Obj. 9, Oc. 1. ns, Nervenschicht; mfs, Muskelfaserschicht.
Fig. 8. Tentakel eines Polypen, ausgestreckt. Nesselwülste. Vergr. 12 : 1.
Fig. 9. Tentakel eines Polypen, etwas kontrahiert. In der Mesogloea
deutüche Falten. Zeiss, Apochromat 16 mm, Compens.-Oc. Nr. 2.
Fig. 10. Längs- und Ringmuskulatur von einem Tentakel. Macerations-
präparat. Zeiss, Apochromat 4 mm, Oc. 4.
Fig. 11. Ganglienzelle aus der. Nervenschicht eines Tentakels. Goldchlorid-
präparat. Zeiss, homog. Immersion 2 mm, Compensationsocular 18.
Fig. 12. Ektoderm und Entoderm vom Mauerblatte eines Polypen, ect,
Ektoderm; ent, Entoderm; mg'^, äußere; mg^, innere Mesogloealamelle.
Fig. 13. Querschnitt durch ein dorsales Mesenterialfilament eines Polypen.
Leitz, Obj. 7, Oc. 5. jz, Flimmerzellen; Wz, WiLSONsche Zellen.
Fig. 14. Querschnitt diu-ch ein ventrales Mesenterialfilament. Leitz,
Obj. 7, Oc. 1.
Fig. 15. Stück eines Flachschnittes durch die Längsmuskulatm* des Stieles.
Nervenplexus. Goldchlorid, Leitz, Obj. 9, Oc. 1. gz, Gallertzellen; ggl, GangUen-
zellen.
Fig. 16. Stück aus dem Innern eines Querschnittes durch den Stiel. Leitz,
Obj. 5, Oo. 5. ep. Epithel des Hauptkanals; ns, Nervenschicht; m.fs, Muskel-
faserschicht; gs, Grenzschicht der Mesogloea; mg, Mesogloea; gz, GaUertzellen.
Fig. 17. Gallertzellen aus der Mesogloea des Stieles, a. mit ausgedehnten
Fortsätzen, b. mit eingezogenen Fortsätzen. Leitz, Obj. 9, Oc. 2.
Fig. 18. Verschiedene Formen von Spicula. Zeiss , Apochromat 4 mm,
Oc. 4.
Fig. 19. Kleine Spicula aus dem Stielinnern. Zeiss, Apochromat 4 mm,
Oc. 4.
Fig. 20. Querschnitt durch das obere Ende der Achse und ihre Umgebung.
Leitz, Obj. 2, Oc. 5.
I
Zur Kenntnis des Nervensystems der Myopsiden.
Von
Boris Schliaflf
aus St. Petersburg.
(Aus dem Zoologischen Institut der Universität Heidelberg.)
Mit Tafel XVI— XVIU.
L Einleitung 591
II. Literatur 593
III. Das Centralnervensystem 594
IV. Nerven des Ganglion cerebrale 600
V. Nerven des Ganglion viscerale 603
VI. Nerven des GangUon pedale 614
VII. Nerven des Ganglion brachiale 618
VIIL Das sympathische Nervensystem 621
Literatm'verzeichnis 627
Erklärung der Abbildungen 628
I. Einleitung.
Von meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Professor Bütschli,
auf die Lückenhaftigkeit imsrer Kenntnisse über das Nervensystem
der Cephalopoden aufmerksam gemacht, beschloß ich im Sommer
1912 das Nervensystem der Familie der Myopsidae einer möglichst
gründlichen Bearbeitung zu unterziehen. Zuerst hatte ich die Absicht,
die Vertreter der Gattungen Sefia, Sepiola und Loligo zu untersuchen ;
als aber im Herbst 1912 die ausgezeichnete Arbeit von R. Hillig über
das Nervensystem von Sefia officinalis L. erschien, beschränkte ich
mich auf die beiden letztgenannten Gattungen. Von den Loligo-
Arten habe ich die Art Loligo marmorae Ver. und von den vielen Arten,
in welche Sepiola rondektti Leach neuerdings ^ aufgelöst worden ist,
1 Naef, Teuthologische Notizen. Zoolog. Anzeiger. Bd. XXIX. Nr. 7
vom 12, März 1912.
592 Boris Schkaff,
Sepietta minor Naef gewählt, da diese beiden Aiten wegen ihrer ge-
rin^^en Größe sich zur mikroskopischen Untersuchung besonders gut
eigneten.
Das Material stammte ausschließlich aus dem Golfe von Neapel
und war von mir selbst fixiert worden. Als Fixierungsmittel wurden
angewandt: Sublimatessigsäure (95 Teile gesättigter Sublimat-See-
wasserlösung und 5 — ^20 Teile Eisessig), Pikrinsalpetersäure, 4%iges
Formol (in Seewasser gelöst), Alkohol-Eisessig (3 T. Alk. absol. und
1 T. Eisessig). Alle diese Flüssigkeiten gaben mehr oder minder brauch-
bare Resultate. Die Untersuchung geschah hauptsächlich an Schnitt-
serien nach allen drei Hauptrichtungen, besonders an Querschnitt-
serien; zum Teil habe ich auch die Methode der anatomischen
Zergliederung angewandt. Die Schnittdicke betrug bei der großen
Mehrzahl der Serien 15 ju, da diese sich als die geeignetste erwies. Vor
der Einbettung wurden den Tieren die Augenlinsen herausgenommen, da
sie sich in Paraffin kaum schneiden lassen und das Messer beschädigen.
Von Färbungen habe ich folgende angewandt:
A. Färbungen in toto mit 1) Boraxcarmin-Chromhämatoxylin
(nach Schubeeg)!; die Objekte kamen dabei successive auf je 24 Stun-
den in Boraxcarmin, in salzsauren Alkohol, in V6% wässerige Lösung
von Hämatoxylin vmd in V2% Lösung von chromsaurem Kali, und
2) mit Borax-Carmin, Osmiumsäure, Holzessig (nach Schuberg ^);
B. Schnittfärbungen mit 3) Eisenhämatoxylin, Säurefuchsin- Pikrin-
säure (nach Weigert-van Gieson) und 4) Säurefuchsin, Anilinblau,
Orange (nach Mallory).
Besonders die erste und die dritte Methode gaben sehr gute Re-
sultate; die erste hat wohl den Vorzug größerer Bequemlichkeit. —
Die Färbung der Schnitte mit Methylenblau nach Bethe versagte
dagegen vollständig.
Um Mißverständnissen vorzubeugen, bemerke ich hier, daß ich
bei der folgenden Beschreibung die physiologische, nicht aber die mor-
phologische Orientierung des Cephalopodenkörpers gelten lassen werde.
Die Trichterseite wird also als Bauch-, die Schulpseite als Rücken be-
zeichnet werden; der Kopf liegt vorn, die Eingeweidesaokspitze hinten.
— Nach dem Vorgang der neueren Autoren (Chun, Hillig, Meyer)
werde ich für die Bezeichnung der Ganglien, Commissuren und Nerven
nur lateinische Namen anwenden.
1 ScHUBERO, Zoologisches Praktikum. Bd. I. 1910.
Zur Kenntnis des Nervensystems der Myopsiden. 593
11. Literatur.
Die Literatur über das Nervensystem der Cephalopoden ist ziem-
lich umfangreich und recht verstreut; ein sehr ausführliches Ver-
zeichnis derselben ist der oben genannten Arbeit von R. Hillig bei-
gefügt, freilich werden darin viele Werke zitiert, die zu dem Gegen-
stand nur eine sehr indirekte Beziehung haben. Indem ich hier auf
dieses Verzeichnis und auf die kurze Literaturübersicht im Anfange
der Arbeit von Hillig verweise, bemerke ich nur, daß über das Nerven-
system der uns hier näher interessierenden Gattungen Sepiola und
Loligo bis jetzt folgende Arbeiten existieren:
A. Über S epiola.
1. Die Arbeit von Dietl (1878); sie behandelt fast ausschließlich
das Centralnervensystem ; die beigefügten Abbildungen sind sehr
schematisch und zum Teil, wie weiter unter gezeigt werden soll
sehr ungenau.
In der Arbeit von Pelseneer (1888) finden wir eine schema-
tische Zeichnung des Gehirns von Sepiola von der Seite. Sonst
geht Pelseneer auf das Nervensystem der Sepiola nicht ein.
B. tJhev Loligo.
1. Die Arbeit von Cheron (1866) enthält unter anderm eine Be-
schreibung des Nervensystems von Loligo vulgaris.
2. Williams (1909) beschreibt das Nervensystem von Loligo pealii,
einer nordamerikanischen Art.
Außerdem finden wir noch einige kurze Bemerkungen über das
Nervensystem von Loligo vulgaris in den Arbeiten von Jhering (1877)
und Brock (1880).
Es existiert also bis heute nur eine Arbeit über das Nervensystem
von Se'piola rondeletti Leach, die dabei nur einen kleinen Teil des Gegen-
standes behandelt; über das Nervensystem von Loligo marmorae Ver.
liegen gar keine Untersuchungen vor; auch die Darstellungen von
Cheron und Williams, die den nahestehenden Arten Loligo vulgaris
und L. pealii gelten, sind ziemlich kurz und entbehren fast der Ab-
bildungen.
Was die übrige Literatur betrifft, so war für mich von großer
Wichtigkeit besonders die schon genannte Arbeit von Hillig (1912),
in welcher das Nervensystem von Sepia officinalis sehr ausführlich
beschrieben ist. Leider hat aber der Verfasser nur die Methode der
594 Boris Schkaff,
makroskopisclien Präparation benutzt, ohne sie durcli die Unter-
suchuno- von Schnittserien zu ergänzen; daher vermochte er über
einige interessante Fragen keinen Aufschluß zu geben ^.
III. Das Centralnervensystem.
Das Centralnervensystem (»Gehirn« der Autoren) ist bei Sefiola
rondeletti und bei Loligo marmorae höchst ähnlich gebaut. Es setzt
sich wie bei allen dibranchiaten Cephalopoden aus vier Ganglien zu-
sammen, die den Ösophagus kurz nach seinem Austritt aus dem Schlund-
kopf umgeben und miteinander teils direkt verwachsen, teils durch
Commissuren verbunden sind. Über dem Oesophagus liegt das Gan-
glion cerebrale, unter dem Oesophagus liegen hintereinander drei
Ganglien, vorn das Ganglion brachiale, in der Mitte das Ganglion
pedale oder, wie es auch bezeichnet wird, das Ganglion infundibulare,
hinten das Ganglion viscerale (Taf. XVII, Taf. XVIII, Fig. la). Jedes
von diesen vier Ganglien ist durch Verwachsung von je ein Paar Gan-
glien entstanden, doch läßt sich die Doppelnatur an den G. cerebrale,
G. pedale und G, viscerale nur undeutlich erkennen; dagegen zeigt sie
das Ganglion brachiale sehr deutlich (Taf. XVIII, Fig. 2«, Fig. 3).
Die drei ventralen Ganglien bestehen aus einer centralen Faser-
masse und einer Rinde von Ganglienzellen verschiedener Größe. Der
Bau des Ganglion cerebrale ist viel komplizierter, worüber unten aus-
führlich die Rede sein wird. Alle Ganglien sind von einer bindegewebi-
gen Membran umhüllt; außerdem wird das Centralnervensystem mit
Ausnahme des Ganglion brachiale vom becherförmigen Kopfknorpel
geschützt (»Schädelkapsel«), welcher das Gehirn dorsal, anal und
zum Teil ventral umfaßt; die Ventralseite des Ganglion pedale ruht
zum Teil auf demselben, zum Teil aber auch auf dem Statocystenknorpel,
welcher ja eigentlich einen Teil des Kopfknorpels bildet; die Ventral-
seite des Ganglion viscerale liegt in ihrer ganzen Ausdehnung dem
Statocystenknorpel auf. Dagegen hat das Ganglion brachiale keine
Beziehungen zum Kopfknorpel: seine Ventralseite ruht auf der starken
ventralen Muskulatur des Kopfes, da der Kopfknorpel nach vorn nur
ungefähr bis zu der Stelle reicht, wo die Commissura brachiopedalis
aus dem G. pedale austritt (vgl. Taf. XVIII, Fig. la).
1 Als diese Arbeit schon abgeschlossen war, erschien im August 1913
eine ausführliche, ebenfalls ausschließlich makroskopische Untersuchung von
K. Richter über das Nervensystem der Oegopsiden. Ich nehme auf diese
Arbeit in Anmerkungen unter dem Text Bezug.
Zur Kenntnis des Nervensystems der Älyopsidcn. 595
Die Veibiudungen zwischen den einzelnen Ganglien des Central-
nervensystems sind folgende:
1) Das Ganglion cerebrale verwächst mit dem Ganglion pedale
in der ganzen Ausdehnung desselben und mit seinem hintersten Ab-
schnitt auch mit dem vordersten Teil des Ganglion viscerale. Ich
hebe diesen Umstand hervor, weil Bütschli (1912, S. 530) bemerkt:
»Infundibular- und Visceralganglion (der Cephalopoden) sind mit dem
Cerebralganglion seitlich in ganzer Ausdehnung verwachsen.« Das
trifft für Sepiola und Loligo (vgl. Taf . XVII) jedenfalls nicht zu, und
auch nicht für Sepia officinalis, wie ich mich an Schnitten überzeugen
konnte und wie man es auch aus der Arbeit Hilligs ersieht (Taf. VIII).
In dieser (aber nicht in seiner ganzen) Ausdehnung, wie es z. B.
Stieda (1874) fälschlich für Sej)ia officinalis behauptet, bildet das
Centralnervensystem einen den Oesophagus, die zwei Arteriae cephalicae
und den Ausführungsgang der hinteren Speicheldrüsen vollkommen
umschließenden Ring.
Die Markmassen der Ganglion cerebrale und Ganglion pedale werden
jederseits durch einen außerordentlich mächtigen Faserstrang ver-
bunden, den wir als Commissura cerebropedalis bezeichnen werden
( »Commissura lateralis« von Hillig, »Commissure posterieure << von
Cheron). Die Fasern dieser Commissur entspringen in den Lobus
basalis anterior und Lobus basalis posterior ^ (s. unten) des Ganglion
cerebrale, steigen an beiden Seiten des Oesophagus hinab und treten
in das Ganglion pedale ein. Diese Commissur steht in enger Beziehung
zu den beiden hochwichtigen Nerven des Ganglion cerebrale, dem
Nervus opticus und dem Nervus staticus, wovon weiter unten die Rede
sein wird. Nahe ihrem Hinterende entspringt aus der Markmasse des
G. cerebrale auf jeder Seite ein kurzer Faserstrang, der schräg nach
unten und nach außen verläuft und sofort in die vorderste seitliche
Ecke des Ganglion viscerale eintritt, da wo es mit dem G. pedale ver-
wächst. Diesen Strang bezeichne ich als Commissura cerebrovisceraUs
(Taf. XVIII, Fig. 2d; cotrim. cer.visc). Es sei hier noch betont, daß
diese beiden Commissuren innerhalb und nicht, wie etwa die später
zu erwähnenden Commissura cerebrobrachialis und Commissura cere-
brobuccalis außerhalb des Gehirns verlaufen, ein Umstand, den die
Autoren nicht ausdrücklich hervorheben.
2) Das Gaughon pedale und das Ganglion viscerale hängen an
ihren Außenseiten zusammen, dagegen sind diese beiden Ganghen
1 Ebenso Richter, S. 297.
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CIX. Bd. 40
596 Boris Schkaff,
in der Mitte durch eine dünne knorpelige Membran, die sich vom
statischen Knorpel an der Grenze zwischen den beiden Ganglien nach
oben erhebt, vollkommen voneinander getrennt. Sagittal schnitte
durch das Centralnervensystem (Taf. XVIII, Fig. la u. b) zeigen diese
Verhältnisse sehr deutlich: an den medianen Sagittalschnitten er-
scheinen die beiden Ganglien durch die erwähnte knorpelige Membran
getrennt, an den seitlichen dagegen zusammenhängend. Ganz ähnlich
liegen die Verhältnisse bei Sepia ofjicinalis (vgl. Owsjannikow und
KowALEVSKY (1866), Taf. III, Fig. 1). Die Markmassen beider
Ganglien werden jederseits durch je einen sehr kurzen lateralen Faser-
strang verbunden [Commissura visceropedalis = >>connectif pleural«
von Pelseneer (1888), Taf. XVIII, Fig. 2d, comm.viscped.].
3) Das Ganglion brachiale ist mit dem Ganglion pedale durch eine
ziemlich lange (bei Sefiola ist sie verhältnismäßig länger als bei Loligo)
und sehr starke, median verlaufende, unpaare Commissur verbunden
(Commissura brachiopedahs ; Taf. XVII, Taf . XVIII, Fig. la; comm.
hr.fed.). Es ist wohl bekannt, daß die Beziehungen dieser beiden
Ganglien zueinander in der Reihe der Dibranchiaten verschieden sind:
während sie bei Octopus vollständig miteinander verschmolzen sind
und bei Sepia dicht aneinanderliegen, sind sie bei Loligo und bei Sepiola
ziemlich weit voneinander getrennt und durch eine lange Commissur
verbunden, ein Verhältnis, das natürhch an Sagittal- und Horizontal-
schnitten besonders klar hervortritt, aber auch an Querschnittserien
deutlich zu erkennen ist. Um so mehr muß es überraschen, daß Dietl
in seiner Fig. 31, welche einen medianen Sagittalschnitt durch das
Centralnervensystem von Sepiola darstellt, beide Ganglien dicht an-
einanderliegend zeichnet (die Beschreibung im Text ist unklar). Da-
gegen bringt die von Pelseneer gegebene Abbildung (1888, Taf.
XXXVII, Fig. 4) das Verhältnis beider Ganglien zueinander richtig
zur Anschauung.
4) Das Ganglion viscerale entsendet von seinem vorderen Teile
zwei Faserstränge nach vorn, welche das GangHon pedale lateroventral
durchziehen und in die Commissura brachiopedahs einmünden, an
der Stelle, wo diese aus dem Ganglion pedale austritt. Die Fasern ver-
laufen dann mit der Commissura brachiopedahs weiter nach vorn und
treten in das Ganglion brachiale ein. Diese Commissur, die wir als
Commissura brachiovisceralis bezeichnen werden, entspricht der Com-
missura longitudinalis, die Haller (1912) bei Eledone gefunden hat;
Haller behauptet aber irrtümlich, sie sei von allen früheren Autoren
übersehen worden. Das ist insofern nicht richtig, als sie schon von
Zur Kennt iiis des Nervensystems der Myopsiden. 597
Pelseneer (1888) bei Octopus unter dem Namen Commissura pleuro-
bracliialis beschrieben und abgebildet worden ist (Pelseneer, Taf.
XXXVIII, Fig. 26. (Vgl. auch Lang [1900]).
5) Endlich ist noch das Ganglion cerebrale mit dem Ganglion
brachiale durch eine paarige Connnissur verbunden (Commissura cere-
brobrachialis;Taf.XVII, comm. cer.hr ach.); dieselbe entspringt im Lobus
frontalis inferior des Ganglion cerebrale, verläuft seitlich vom Oeso-
phagus nach vorn und ventral und tritt in den Hinterrand des Gan-
glion brachiale ein. Kurz vor der Eintrittsstelle dieser Commissur
zweigt sich von ihr die schräg nach oben und nach vorn verlaufende
Commissura brachiobuccalis ab.
Wir wenden uns nun zur Betrachtung der einzelnen Ganglien des
Centralnervensystems .
Das GangHon cerebrale ist mächtig entwickelt und zeigt, dorsal
betrachtet, eine etwa birnförmige Gestalt ; der breitere Teil liegt hinten,
der schmälere vorn; dabei liegt der hintere Teil etwas höher als der
vordere. Auf Schnitten durch das Ganglion cerebrale kann man eine
Anzahl verschiedener Abschnitte (Lobi) unterscheiden, die von ver-
schiedenen Autoren recht verschieden benannt worden sind. Eine
Zusammenstellung aller dieser verschiedenen Bezeichnungen hat Dietl
in seiner Arbeit (1878) gegeben; wir wollen uns hier an die Terminologie
von Dietl halten und teilen mit ihm das Gehirn in fünf Abschnitte
oder Lappen (Lobi) ein. Diese Lobi bestehen aus einer centralen
Nervenfasermasse und einer Rinde von Nervenzellen; ihre Abgrenzung
gegeneinander ist vielfach undeutlich. Am besten läßt sich die An-
ordnung der Lobi und ihre gegenseitigen Beziehungen an Sagittal-
schnitten studieren; wir verweisen auf Taf. XVIII, Fig. \a und h,
Fig. 2& und c.
I. Der untere Frontallappen (Lobus frontalis inferior; Taf . XVIII,
Fig. la u. 6, lob. front. inj. ) liegt vorn und tiefer als der obere
Frontallappen. Aus seiner Vorderseite entspringen zwei wich-
tige Commissuren — nämlich die Commissura cerebrobuccalis
und nach außen von dieser, aber dicht neben ihr die Commissura
cerebrobrachialis. Nach hinten verbindet sich dieser Lappen
durch einen kräftigen, paarigen Faserstrang (s. Taf. XVIII,
Fig. 26, fs) mit dem hinteren Basallappen (Lobus basalis poste-
rior). Außerdem verbindet sich der Lob. front, inf. durch einen
weniger kräftig ausgebildeten und ebenfalls paarigen Faserstrang
mit dem vorderen Basallappen (Lobus basaUs anterior) (s,
Taf. XVIII, Fig. la) ; dieser, von Dietl bei Sepiola übersehene
40*
59ß Boris Schkaff,
Faserstrang zieht nach hinten und nach unten und mündet in
den untersten Teil des Lobus basalis anterior ein.
IL Der obere Frontallappen (Lobus frontalis superior; Taf. XVIII,
Fig. la u. b, Fig. 26, lob.jront.swp.) liegt etwas hinter und ober-
halb des unteren Frontallappens. Seine Markmasse hängt breit
mit der oberen Partie des Lobus basalis posterior zusammen
( = Lobus centralis der Autoren). Dorsal hängt er zusammen
mit dem
III. Scheitellappen (Lobus verticalis; Taf . XVIII, Fig. la u. &, lob.
vert.), welcher hinter und über dem Lobus frontalis superior
liegt und mit dem Lobus basalis posterior breit zusammenhängt.
Auf Querschnitten zeigt die untere Fläche seiner Markmasse
einen deutlich ausgeprägten medianen kielartigen Fortsatz.
IV. Der vordere Basallappen (Lobus basalis anterior; Taf. XVIII,
Fig. la u. b, Fig. 2b, lob.bas.ant.) liegt unter der vom Lobus fron-
talis inferior zum Lobus basalis posterior ziehenden Commissur.
Seine Markmasse ist in drei Blätter gespalten. Die Commissur,
die ihn mit dem Lobus frontalis inferior verbindet, wurde schon
oben erwähnt. Er verbindet sich nach hinten mit
V. dem hinteren Basallappen (Lobus basalis posterior; Taf. XVIII,
Fig. la u. b, Fig. 2c u. d; lob.bas.fost.), welcher den bei weitem
größten Abschnitt des Ganglion cerebrale bildet. Von einigen
Autoren wird er in zwei Lappen zerlegt, in einen hinteren unteren
und in einen centralen. Es wird jedoch allgemein zugegeben, daß
sich eine scharfe Grenze zwischen beiden nicht ziehen läßt.
"Wir wollen sie also nach dem Vorgang von Dietl zusammen-
fassen. Die Markmasse dieses Lappens liefert die große Mehr-
zahl der Nervenfasern, durch welche die breite Commissura
cerebropedalis gebildet wird. In diesem Lappen verläuft auch
die Sehnervencommissur, die von einem Nervus opticus quer
zum andern zieht (Taf. XVIII, Fig. la u. b, Fig. 2c, comm.nerv.opt.).
Vom Ganglion cerebrale gehen vier Commissuren aus:
1) Commissura cerebropedalis,
2) Commissura cerebrovisceralis,
3) Commissura cerebrobrachialis,
4) Commissura cerebrobuccalis — s. unten, im Abschnitte
über das Buccalnervensystem.
Zwei wichtige Nerven nehmen im Ganglion cerebrale ihren
Ursprung. Es sind: 1) der Nervus opticus und 2) der Nervus
staticus.
Zur Kc'tinlnis dos Nervensystems der Myopsiden. 599
Das Ganglion brachiale liegt ventral am Oesophagus kurz nach
seinem Austritt aus dem Schlund, etwas weiter nach hinten als die
beiden Buccalganglien. Es ist vorn ziemlieh hoch und wird nach
hinten zu niedriger (Taf. XVII) i. Auf Querschnitten zeigt es eine
charakteristische zweilappige Gestalt (besonders ausgeprägt bei Sepiola;
Taf. XVIII, Fig. 2a, Fig. 3)2. Seine Ventralseite ruht, wie oben gesagt,
auf der ventralen Kopfnniskulatur, nicht auf dem Kopfknorpel. Durch
die Commissura cerebrobrachialis ist er mit dem Ganglion cerebrale
verbunden, durch die Commissura brachiobuccalis mit dem Ganghon
buccale superius, durch die Commissura brachiopedalis mit dem Gan-
glion pedale und durch die Commissura brachiovisceralis mit dem
Ganglion viscerale. Es entsendet folgende Nerven: Fünf Paar Nervi
brachiales, deren Fasern jedoch hauptsächlich aus dem Ganglion pedale
stammen (s. unten), ferner die Nervi antorbitales superiores und Nervi
antorbitales inferiores.
Bei Octopoden {Eledone, Octopus, O'pisthoteuihis) stehen die beiden,
miteinander halb verwachsenen Hälften des Ganglion brachiale noch
durch eine dünne supraösophageale Commissur in Verbindung (Cheron,
Haller, Meyer). Sepiola und Loligo fehlt eine solche, wie sie denn
überhaupt bei Decapoden noch nicht gefunden worden ist. Nach
Haller befindet sich bei Eledone zwischen den beiden Hälften des
Ganglion brachiale ventralwärts noch eine Querverbindung, die er als
Commissura anterior bezeichnet. Eine solche konnte ich bei Sepiola
und Loligo nicht auffinden.
Das Brachialganglion wird jetzt wohl allgemein als ein abgelöster
Teil des Pedalganglions gedeutet ; zugunsten dieser Auffassung sprechen
die Ontogenie, die vergleichende Anatomie (s. oben, S. 596) und die
Tatsache, daß die Fasern der Brachialuerven größtenteils aus dem
Ganglion pedale kommen, was zuerst Jatta (1889) festgestellt hat. ■ —
Ich möchte noch bemerken, daß die Fig. 31 von Dietl, welche einen
Querschnitt durch Sepiola rondeletti auf der Höhe des Ganglion
brachiale darstellt, nach meiner Überzeugung unmöghch dieser Art
entsprechen kann: das Ganglion brachiale liegt bei Sepiola (und auch
bei Loligo) nicht unter dem Ganglion cerebrale, sondern viel weiter
nach vorn.
1 Vgl. Richter, S. 304: »das Armganglion hat eine von vorn nach hinten
sich verjüngende Gestalt.«
2 Vgl. Richter, S. 304: »die Andeutung einer Zweiteilung, und zwar in
eine linke und rechte Hälfte, in Verbindung mit flach rinnenförmiger Ausbildung
der Dorsalfläche des Ganglion brachiale habe ich stets beobachten können.«
600 Boris Schkaff,
Das Ganglion pedale oder Ganglion infundibulare liegt direkt
unter dem Ganglion cerebrale und ist mit ihm in seiner ganzen Aus-
dehnung verwachsen. Seine untere Fläche ruht auf dem hier sehr
starken Kopfknorpel, zum Teil auch auf dem statischen Organ. Über
die Commissuren, die es mit den benachbarten Ganglien verbinden
(Commissura cerebropedalis, Commissura brachiopedalis und Commis-
sura visceropedalis) wurde schon oben berichtet. Nach Haller soll
das Ganglion pedale bei Eledone eine Quercommissur (Commissura
media) besitzen. Ich habe eine entsprechende Commissur weder bei
Sepiola noch bei Loligo finden können.
Folgende Nerven nehmen ihren Ursprung aus dem Ganglion
pedale: Nervus infundibuli anterior, Nervus infundibuli medianus,
Nervus ophthalmicus inferior posterior, Nervus olfactorius und oculo-
motorius inferior, und zum Teil Nervi brachiales und Nervus tenta-
cularis. Bei Loligo marmorae gesellt sich dazu noch der Nervus oph-
thalmicus inferior anterior.
Das Ganglion viscerale liegt hinter dem Ganglion pedale und
etwas mehr dorsal, da der Oesophagus hier eine Knickung nach oben
macht (Taf. XVIII, Fig. 1«). Seine Ventralseite ruht auf dem statischen
Organ. In der Mitte der dorsalen Seite erscheint es ein wenig einge-
drückt (bei Sepiola deutlicher als bei Loligo; Taf . XVIII, Fig. 2e).
Über seine Verbindungen mit dem Ganglion pedale und dem Ganglion
cerebrale, über die Commissuren cerebrovisceralis, visceropedalis und
brachiovisceralis ist schon oben das Nötige gesagt worden. Aus ihm
entspringt eine große Anzahl wichtiger Nerven und zwar auf jeder
Seite die Nervus visceralis, Nervus pallialis, Nervus collaris, Nervus
retractoris capitis anterior, Nervus infundibuli posterior, Nervus post-
orbitalis, Nervus ophthalmicus und oculomotorius superior.
IV. Nerven des Ganglion cerebrale.
Außer vier Commissuren (Commissura cerebrobrachialis, C. cere-
bropedalis, C. cerebrovisceralis und die später zu beschreibende C.
cerebrobuccalis) wurzeln im Cerebralganglion zwei wichtige Nerven:
1) Nervus opticus und 2) Nervus staticus.
1) Nervus opticus. Der außerordentlich mächtige Sehnerv (der
bei weitem mächtigste Nerv der Cephalopoden ; vgl. Taf. XVII) bezieht
seine Fasern aus dem Lobus basalis anterior, Lobus basalis posterior
und Lobus verticalis des Cerebralganglions, und steigt — zum Teil
durch die Commissura cerebropedalis — nach außen und ventral hinab,
wobei er durch Fasern verstärkt wird, die aus dem Ganglion pedale
Zur Kenntnis des Nervensystems der Myopsiden. 601
kommen und ebenfalls durch die Commissura cerebropedalis hinauf-
steigen. Vor dem Austritt aus dem Gehirn werden die beiderseitigen
Nervi optici durch eine Quercommissur verbunden, die im Lobus
basalis posterior verläuft (Comni. nerv, optic, Taf. XVIII, Fig. au, 16,
Fig. 2c). Bei den beiden untersuchten Arten ist der Nervus opticus
außerordentlich kurz^ (viel kürzer als bei Se^ia officinalis) und tritt
gleich nach seinem Austritt aus dem Centralnervensystem in das große
Ganglion opticum ein, welches bei Sepiola und Loligo (wie auch bei
Chiroteuthis nach Chun, 1910) dem Cerebralganglion dicht anliegt.
Über und hinter dem Sehnerven, dicht neben dem Cerebral- und Pedal-
ganglion, liegt ein kleines Ganghenknötchen, das sogenannte Ganglion
pedunculi (Taf. XVII, G.pedunc), dessen Markmasse mit dem Nervus
opticus durch Nervenfasern verbunden ist. Dies Ganglion galt früher
als das Ganglion olfactorium, weil man aus ihm den Nervus olfactorius
entspringen ließ, was sich später als irrtümlich erwies (vgl. unten den
Abschnitt über den Nervus olfactorius). Physiologische Versuche
(Klemensiewicz, 1878) haben gezeigt, daß das Ganglion pedunculi
der Sitz der Chromatophorentätigkeit ist, Bauer (1909) bezeichnet
es deshalb als das »Kolorationsganglion <<,
Die Ganglia optica sind die größten und entwickeltsten Ganglien
von Sepiolu vmd Loligo, wie der Cephalopoden überhaupt, Sie liegen,
vom Augenknorpel, einer Fortsetzung des Kopfknorpels, geschützt,
rechts und links vom Centralnervensystem und übertreffen es an Masse
bedeutend (vgl. Taf, XVI, Fig, 1 und 2). Freilich erreichen sie bei
Sepiola nicht dieselbe relative Größe, wie bei Sepia; während sie
(nach Hillig) bei Sepia sich vom Hinterrand des Ganglion viscerale
bis zum Vorderrand des Ganglion buccale superius erstrecken, be-
ginnen sie bei Sepiola erst etwa in der Höhe des Hinterrandes des
Ganglion cerebrale und erstrecken sich nach vorn nur etwa bis zum
Hinterrand des Ganghon brachiale,
Loligo hält in dieser Beziehung die Mitte zwischen Sepia und
Sepiola. Die Gestalt der Ganglia optica ist bei den beiden unter-
suchten Arten ungefähr bohnen- oder nierenf örmig ; die Krümmung
ist bei Loligo stärker als bei Sepiola. Beide Ganglien konvergieren
nach vorn und drücken in ihrem vorderen Teile den Oesophagus stark
zusammen, indem sie für seinen Durchtritt nur einen sehr schmalen
Raum übrig lassen. Die ganze Oberfläche des Augenganglions ist von
einer Schicht kräftiger Nervenfasern ( »Stäbchenf aserschicht << von
1 Vgl. Richter, S. 309: »der Sehnerv ist außerordentlich kurz und geht
fast unvermittelt in das Augenganglion über, «
602 Boris Schkaff,
KopscH, 1899), welche die Nervi retinae bilden, überzogen. Die bisto-
logiscbe Struktur des Ganglions scheint im wesentlichen dieselbe zu
sein, wie sie für Sepia, Eledone und Loligo vulgaris beschrieben wurde
(vgl. die Arbeit von Kopsch); man erkennt deutlich die Mark- und
die Rindenzone, welche letztere wieder in vier Schichten zerfällt; von
außen nach innen gerechnet: 1) die äußere Körnerschicht, 2) die reti-
näre Schicht, 3) die innere Körnerschicht, 4) die Palissadenzellen-
schicht.
2) Nervus staticus. Die Fasern, die den Nervus staticus
(früher als Nervus acusticus bezeichnet) bilden, entspringen im Gan-
glion cerebrale und zwar nach meinen Beobachtungen, mit welchen
auch die Angaben von Haller für Eledone (1912) übereinstimmen, im
Lobus basalis anterior. Sie steigen durch die Commissura cerebro-
pedalis nach hinten, ventral und schräg medial hinab, wobei die Fasern
jedes Nervenbündels sich mit denjenigen des andern in der Markmasse
des Ganglion pedale in charakteristischer Weise kreuzen (Chiasma
nerv, static, Taf. XVIII, Fig. la u. b, Fig. 2c). Nach Austritt aus dem
Chiasma wendet sich jedes Faserbündel nach außen und spaltet sich,
an der Grenze des Pedal- und Visceralganglions angelangt, in drei
Äste. Der innere Ast wendet sich direkt ventralwärts, durchbohrt
die obere Knorpelwand der Statocyste und innerviert die Macula
statica, indem er sich in mehrere feine Ästchen zerteilt (Nervus maculae
staticae; Taf. XVIII, w.mac.stoi.). Es ist dabei zu beachten, daß die
beiderseitigen Nervi maculae staticae bei Sepiola, bevor sie den Stato-
cystenknorpel durchsetzen, noch durch einen im Ganglion pedale ver-
laufenden Faserstrang verbunden sind, was schon Dietl erkannt hat
(Taf. XVII, Fig. la; Comm.nerv.mac.stat.). Bei Loligo marmorae habe
ich diese Commissur nicht gefunden, — Die beiden äußeren Äste des
Nervus staticus wenden sich nach außen und nach hinten und treten
in die Seitenwand der Statocyste; der eine innerviert den vorderen
Teil, der andre den Rest der Crista statica (Nervi cristae staticae;
Taf. XVII, n.crisUtaL und Taf. XVIII, Fig. 4).
Ganz ähnlich wird von Williams (1909) der Verlauf des statischen
Nerven bei Loligo pealii geschildert. Er sagt: "Each cristic nerve
arises from the back end of the pedal ganglion and, as it enters the
cartilage of the skull, divides into 2 branches, one of which innervates
the ventral transverse portion of the crista and the other the remainder
of the crista. The fibres pass aloug the surface of the ganglion for
perhaps half its length and then turn in ward and form at least a partial
chiasma. Each macular nerve arises from the back end of the pedal
Zur Kennt iiis des Xcrvciisystcins (liT Myop.sidcn. 603
ganglion somc distaiice iinvard fioin the roots of the preceding nerve.
It passes iminediately into the cartilage and divides into several small
branches, which end in the macula."
In einer kleinen Abhandknig (1911) weist Chun darauf hin, daß
bei den Cephalopoden überhaupt der Nervus staticus nicht, wie man
manchmal angegeben findet, zwei, sondern drei Wurzeln im Ganglion
pedale hat. Damit stimmen meine Befunde an Sepiola und Loligo
vollkommen überein — der Nervus maculae staticae würde die eine
und der zweiästige Nervus cristae staticae die beiden andern Wurzeln
repräsentieren.
V. Nerven des Ganglion viscerale.
1) Nervus visceralis. Der Verlauf und die Verzweigung der
Eingeweidenerven (Nervi viscerales) bietet bei Sefiola und Loligo so
große Verschiedenheiten dar, daß eine gesonderte Schilderung durchaus
notwendig erscheint.
A, Sepiola rondeletti.
DiestarkenEingeweidenerven(Taf.XVI,Fig.l, Taf.XVII, Taf.XVIII,
Fig. la; n.visc.) entspringen aus der hinteren unteren Ecke des Gan-
glion viscerale, ihre Wurzeln sind im Ganglion getrennt, aber beim
Austritt aus dem Ganglion legen sich beide Nerven vollkommen an-
einander, so daß kein Zwischenraum zwischen ihnen bleibt. Bei Sepia
sind sie nach Cheron und Hillig bei ihrem Austritt aus dem Ganglion
noch als zwei deutlich gesonderte, obwohl nur wenig voneinander ent-
fernte Stämme zu erkennen. — Sie steigen bei Sepiola zuerst in der
Mittellinie eine kurze Strecke direkt ventralwärts zwischen den Leber-
lappen hindurch; dann entfernen sie sich etwas voneinander, wenden
sich nach außen, durchsetzen gleich darauf die ventrale Leberkapsel
(das »Diaphragma musculare« von Brock [1880]) und erreichen die
Seiten der Vena cava, an welche jeder von ihnen einen ziemlich kräftigen
Ast abgibt ; diesen Ast bezeichnen wir als Nervus venae cavae (Taf . XVI,
Fig. 1 n.v.cav.). In derselben Höhe geben sie auch einen starken Ast
nach außen ab; derselbe verläuft in der bindegewebigen Membran
zwischen der muskulösen Leberkapsel und der dorsalen AVand des
hintersten Abschnittes des Trichters und tritt dann von der Dorsal-
seite her in die Seitenwand des Trichters ein, da wo diese in den Mus-
culus depressor infundibuli übergeht; er dringt in den Muskel ein und
ist in demselben auf weite Strecke zu verfolgen. Ich bezeichne diesen
Nerven demnach als Nervus depressoris infundibuli (Taf. XVI, Fig. 1
604 Boris Schkaff,
n.defr.infd.). Er ^vllrde von verscliiedenen Autoren für Sefia offici-
nalis^ beschrieben.
Etwas entfernter vom Hauptstamm des Nervus visceralis zweigt
ein Nerv dorso-lateralwärts und nach hinten ab; nach einem sehr
kurzen Verlauf dringt er in den ventralen Teil der Leberkapsel ein,
wo er sich verzweigt. Im Anschluß an die Terminologie von Brock
(1880) bezeichne ich diesen Nerven als Nervus diaphragmatis muscu-
laris (Taf. XVI, Fig. 1 n.dia'phr.musc.).
Bald darauf zieht von jedem Visceraluerv ein kurzer aber ziem-
lich starker Seitenast median- und ventralwärts ; er spaltet sich gleich
wieder in zwei Äste; der äußere tritt bald darauf in den Musculus
retractor pallii medianus ein, nicht weit von dem vordersten Ende
dieses Muskels, da wo sich der bis dahin einheitliche Muskel in zwei
Bündel gabelt. Dieser Nerv wurde bis jetzt für keinen Decapoden
beschrieben, was nicht wunder nehmen darf, da unter den Decapoden
nur die Gattungen Sepiola und Rossia diesen, den Octopoden eigen-
tümlichen Muskel besitzen. Ich bezeichne diesen Nerven als Nervus
retractoris pallii mediani (Taf. XVI, Fig. 1 n.retr.paU.med.). — Der
zweite Ast verläuft etwas mehr nach innen und dringt bald in die Wand
des Enddarmes ein, an der Stelle, wo der Tintengang in ihn mündet;
etwas vor seinem Eintritt in die Wand des Enddarmes sendet er ein
feines Ästchen aus, welches den Tintengang innerviert. Ich bezeichne
diese Nerven als Nervus recti, bzw. Nervus ductus atramenti (Taf. XVI,
Fig. 1 n.rect.mid n.duct.atram.).
Die beiden Hauptstämme der Visceralnerven verlaufen dann weiter
von vorn nach hinten, etwas nach außen divergierend eine lange Strecke
an den Seiten der Vena cava entlang. Sie geben dabei einige sehr
feine kurze Nerven ab, von denen einer nach oben zur Leber zieht
(Nervus hepaticus; Taf. XVI, Fig. 1 n.hep.), ein andrer zum Tinten-
beutel (Nervus atramenti; Taf. XVI, Fig. 1 n.atram.), ein dritter zum
sogenannten Leuchtorgan. Weiter verläuft jeder Visceralnerv in der
Wand des Eingeweidesacks und teilt sich etwas hinter der Stelle, wo
sich die Vena cava in zwei Nierenvenen gabelt, in zwei ungleich starke
Äste. Der innere Ast zieht nach innen und etwas nach hinten und
vereinigt sich mit demjenigen der andern Seite zu der sogenannten
Commissura visceralis (Taf. XVI, Fig. 1 comm.viscer.), welche bei Se-
fiola sehr dünn ist und einen nach hinten convexen Bogen bildet. Es
gelang mir leider trotz aller Mühe nicht festzustellen, ob und welche
1 Und von Richter für die von ihm untersuchten Oegopsidenarten.
Zur Kennt 11 is dos Xorvcnsj'stcnis der Myopsiden. 605
Nerven aus dieser Conimissur entspringen. Solche sind für Sej)ia
ojficinalis beschrieben (sie sollen die Geschlechtsorgane und das Herz
innervieren, doch wird nach v. Jhering bei Sepia das Herz von Seiten-
ästen des Nervus branchialis innerviert, wie ich es auch für Sepiola
gefunden habe). Bei Sepiola ist die Visceralcommissur nur schwach
ausgebildet und die von ihr eventuell entspringenden Nerven dürften
kaum ohne spezielle histologische Methoden sichtbar gemacht werden
können. Auch für Sepia, wo die Commissur viel stärker ausgebildet
ist, bemerken Cheron und Hillig, daß die Nerven, die von ihr
abgehen, schwer zu verfolgen sind.
Der stärkere äußere Stamm des Nervus visceralis (von hier ab
auch Kiemennerv, Nervus branchialis, genannt) wird bald ebenfalls
sehr dünn. Er verläuft in der Wand des Eiugeweidesackes in derselben
Richtung weiter und gibt nach meinen Beobachtungen einen feinen
kurzen Nervenfaden nach innen ab, welcher sofort in die Wand des
Herzens eintritt. Ich bezeichne ihn deshalb als Nervus cordis (Taf . XVI,
Fig. 1 n.cord.). An der Basis der Kieme angelangt, schwillt der Visceral-
nerv etwas an und bildet das kurze und bei Sepiola ziemlich schwach
ausgebildete Kiemenganglion (Ganglion branchiale ; Taf. XVI, Fig. 1
G.branch.). Vor dem Eintritt in das Ganglion sendet der Nerv einen
kurzen Zweig nach innen aus, welcher das venöse oder Kiemenherz
innerviert (Nervus cordis branchialis; Taf. XVT, ¥ig. 1 n.cord. brauch. ).
Nach seinem Austritt aus dem Kiemenganglion wendet sich der Kiemen-
nerv nach vorn und etwas nach außen, tritt in die Kieme selbst ein
und verläuft in ihr von hinten nach vorn bis zu ihrer Spitze zwischen
der Kiemendrüse (unter dem Nerv) und der Kiemenarterie (über ihm)^.
Rechts und links gibt er feine Seitenäste in die Kiemenblätter ab.
Ich möchte noch bemerken, daß ich im Verlaufe des N. visceraHs
von Sepiola nirgends, abgesehen von den Kiemenganglien, Ganglien-
zellen nachweisen konnte, wie sie für einige Cephalopoden an ver-
schiedenen Stellen des Nervs beschrieben worden sind.
B. L 0 li g 0 mar m o r a e.
Der Nervus visceralis (Taf. XVI, Fig. 2, Taf. XVIII, Fig. 4 n.visc.)
entspringt als ein kräftiger unpaarer medianer Nerv aus der hinteren
ventralen Ecke des Ganglion viscerale. Dabei ist aber zu bemerken,
daß er wie bei Sepiola zwei Wurzeln im Ganglion viscerale besitzt.
Die beiden aus diesen Wurzeln entspringenden Nervenstränge ver-
1 Vgl. SchJvfek, Über die Atniungsorgane der tetra- und dibranchiaten
Cephalopoden. Leipzig 1904.
(306 Bori*^ Schkaff,
schmelzen bei ihrem Austritt aus dem Ganglion zu einem unpaaren.
Sie sind dabei nicht nur dicht aneinandergelegt, wie es bei Sepiola der
Fall ist, sondern verschmelzen tatsächlich zu einem unpaaren Nerven-
strang. Ganz dieselben Verhältnisse finden wir nach Williams bei
Loligo fealii ("the two visceral nerves arise separately in the ganglion
viscerale and, uniting as they leave the ganglion, form a median nerve");
von Loligo vulgaris sagt Cheron: «leurs (der Visceralnerven) origines
sont distinctes dans la boite cranienne, mais ils s'accolent aussitot».
Der auf solche Weise gebildete Nervus visceralis verläuft zuerst
über der dorsalen Wand der Statocyste direkt nach hinten, dann steigt
er eine weite Strecke durch die Leber schräg nach hinten und ventral-
wärts hinab. An der ventralen Wand der Leber (dem Diaphragma
musculare) angelangt, gabelt sich der Nerv; beide Aste divergieren
ein wenig voneinander und senden hier zwei Paar Nerven nach außen
aus: jederseits einen dünnen Nerv, welcher sich in dem eben erwähnten
Diaphragma musculare verzweigt und welchen wir deshalb als Nervus
diaphragmatis muscularis anterior bezeichnen (Taf . XVI, Fig. 2 n.
diaphr.musc.ant.), und dann einen starken Nerv, der das Diaphragma
musculare durchsetzt, nach außen und nach hinten verläuft und dann
in die Dorsal wand des Trichters eindringt, wo diese in den Musculus
;depressor infundibuli übergeht (Nervus depressoris infundibuli anterior
Taf. XVI, Fig. 2 n.depr.infd.ant.). Er entspricht wohl dem Nervus
depressoris infundibuli von Sepiola und Sepia.
Die Hauptäste der beiden Eingeweidenerven laufen dorsal vom
Diaphragma musculare noch eine Strecke weiter nach hinten; dann
durchsetzen sie das Diaphragma musculare und geben dabei zwei
Paar feiner Nerven nach außen ab, welche sich im Diaphragma muscu-
lare verzweigen und die wir als Nervi diaphragmatis muscularis medius
et posterior bezeichnen (Taf. XVI, Fig. 2 n.diaphr.musc.med. und n.
diaphr.musc.post.). Nachdem sie das Diaphragma musculare durch-
setzt haben, verlaufen die Visceralnerven an beiden Seiten und etwas
oberhalb der Vena cava eine sehr lange Strecke weiter nach hinten
und nähern sich dabei etwas. Etwa in der Höhe des Hinterraudes der
Stellarganglien zweigt sich von jedem Visceralnerven ein Ast nach
außen ab, welcher nach außen und nach hinten verläuft und den Mus-
culus depressor infundibuli innerviert. Wir bezeichnen ihn als Nervus
depressoris infundibuli posterior — zur Unterscheidung von dem oben
beschriebenen Nervus depressoris infundibuli anterior. Er ist weniger
kräftig ausgebildet als dieser letztere.
In ihrem weiteren Verlaufe zweigt sich von jedem Visceralnerven
Zur Kennt iiiö des Norvensystenia dei" IMyopsiden. 607
je eiu starker Ast ab, der ventralwärts zieht und zuerst au den Seiten'
der V. Cava verläuft, parallel und unterhalb des Hauptastes des Nervus
visceralis. Dann wendet sich dieser Ast mehr nach innen zu und ver-
einigt sich unter der Vena cava mit demjenigen der andern Seite zu
einem uupaaren Nervenstamm. Dieser Stamm zieht direkt nach
hinten und gabelt sich sehr bald in zwei Stränge: der eine ist kurz,
verstreicht nach ventral und hinten und tritt bald in die Wand des
Enddarmes ein, gerade an der Stelle, wo der Tintengang in denselben
mündet (Nervus recti; Taf. XVI, Fig. 2 7i.rect.). Der andre Strang ist
lang und verläuft in der Medianlinie ebenfalls nach unten und nach
hinten in der bindegewebigen Membran zwischen der Vena cava und
dem Tintengang, bzw. dem Tintenbeutel, sich allmählich diesem letz-
teren nähernd. Er spaltet sich in zwei Äste und tritt dann gleich in
die Wand des Tintenbeutels ein, in welcher er sich verzweigt (Nervus
atramenti; Taf. XVI, Fig. 2 n.atram.).
Die beiden Hauptäste der Eingeweidenerven von Loligo verlaufen
dann weiter von vorn nach hinten, immer an den Außenseiten der
Vena cava entlang, und beginnen bald zu divergieren. Etwa da, wo die
Vena cava in die Niere eintritt, werden beide Nerven durch eine Com-
missur verbunden (Commissura visceralis; Taf. XVI, Fig. 2 comm.visc),
die bedeutend kräftiger ausgebildet ist, als bei Sepiola. Diese Com-
missur liegt auf der Ventralseite der Vena cava. Es gelang mir, ebenso-
wenig und aus denselben Gründen wie bei Sepiola, festzustellen, ob
und welche Nerven aus dieser Commissur entspringen. Gleich hinter
der Stelle, wo sich vom Hauptstamm der Visceralnerven die Visceral-
commissur abzweigt, lagern sich an den Nervus visceralis einige Ganglien-
zellen an. Dieselbe Erscheinung beschreibt auch Chebon bei Loligo
vulgaris; er sagt: «l'observation microscopique m'a permis de constater
la presence des elements ganglionnaires au niveau de cette bifurcation
du visceral, ce qui autorise ä considerer ce point du nerf, comme l'ana-
logue du ganglion fusiforme de VEledone et du Poulpe».
Die Hauptäste des N. visceralis, die man von nun an auch als
Nervi branchiales bezeichnet, verlaufen in den Wandungen des Nieren-
sackes schräg nach außen und nach hinten bis zur Kiemenbasis. Hier
angelangt, geben sie je einen Ast an die Kiemenherzen ab (Taf. XVI,
Fig. 2 n.cord.branch.) und schwellen dann zu den Ganglia branchialia an.
Aus letzteren tritt der Kiemennerv in die Kieme selbst ein, und zwar ver-
läuft er dicht unter der Kiemenarterie — ganz analog den Verhältnissen
bei Sepiola. Nach der Kiemenspitze zu nimmt er an Stärke ständig ab.
Der Verlauf des Nervus visceralis von Loligo weicht, wie aus dem
gQ3 Boris Schkaff,
oben Gesagten ersiclitlicli ist, von den Verhältnissen bei Sefia und
Sepiola bedeutend ab; dagegen wird ein sehr ähnlicher Verlauf des
Ein<Te weidenerven für Loligo 'pealii von Williams beschrieben, auf
dessen Arbeit ich verweise. Ich führe nur folgende Stelle an: "Be-
fore entering the cephahc retractor ( = unser diaphragma muscu-
laris) the visceral nerve gives off 2 branches: one passes outward to
the siphonal retractor (entspricht unserm Nervus depressoris infundi-
buli posterior), the other turns down ward around the anterior vena
Cava and joins its mate from the other side. The median trunk thus
formed divides at once: one brauch passes through the niesenterylike
sheet of rnuscles and fascia which fastens the rectum to the visceral
mass and enters the rectum near the distal end of the duct of the mk-
sac, the other brauch passes back and enters the upper surface of the
ink-sac." — Diese Schilderung entspricht, wie wir sehen, vollkommen
den Verhältnissen bei Loligo marmorne. Ebenfalls ähnlich, aber schon
etwas mehr abweichend ist nach Cheron der Verlauf des Visceralis
bei Loligo vulgaris; man vergleiche in seiner Arbeit S. 71 und 72.
2) Nervus pallialis.
A. Bei Sepiola.
Jeder der beiden Mantelnerven (Pallialnerven, Nervi palliales) ent-
springt an der dorsalen seitlichen Ecke des Ganglion viscerale, etwas hinter
und unterhalb des Nervus collaris, als ein außerordentlich kräftig ent-
wickelter Stamm. Er verläuft schräg nach außen und nach hinten, zuerst
eine kurze Strecke zwischen den Leberlappen hindurch, dann zwischen
dem Außenrande der Leber und dem Innenrande des Musculus retractor
capitis. Bald zweigt von ihm ein Ast ab, welcher parallel dem Haupt-
stamm nach hinten und dabei etwas nach unten streicht und den hinteren
Abschnitt des Musculus retractor capitis innerviert. Diesen Ast bezeichne
ich als Nervus retractoris capitis posterior (Taf . XVI, Fig. 1 ; Taf . XVII
n.retr.cap.'post.), zum Unterschied vom Nervus retractoris capitis anterior,
welcher selbständig aus dem Ganglion viscerale entspringt und den vor-
deren Abschnitt des Musculus retractor capitis mit Nervenfäden versorgt
(s. unten), —-Der Nervus pallialis durchsetzt dann den Musculus retrac-
tor capitis durch ein weites Foramen und tritt an die Innenseite des
Musculus retractor pallii lateralis (bekanntlich zeichnet die Anwesenheit
dieses Muskels die Octopoden und unter den Decapoden Sepiola aus, wo
er indessen nur schwach ausgebildet ist ; man vergleiche die Arbeit von
Brock [1880]) i. Zwischen dem Musculus retractor capitis und dem Mus-
1) Vgl. auch die soeben erschienene Arbeit von Fr. Tippmar. Histologische
Zur Kenntnis des Nervensystems der Myopsiden. 609
culus retractor pallii lateralis, an welch letzteren er einige feine Fädchen
abgibt, verläuft der Nervus pallialis eine ziemlich weite Strecke und teilt
sich dann in zwei ungleich starke Äste. Dieselben behalten die frühere
Richtung des Nervus pallialis nach außen bei ; dabei streicht der stärkere
Ast unter dem andern und etwas mehr nach außen; bald tritt er in den
unteren Vorderrand des großen Ganglion stellatum ein (Stern- oder Man-
telganglion). Dieses Ganglion (Taf.XVI, Fig,l, g.stell.) liegt an der seit-
hchen Innenfläche des Mantels und ist bei Sepiola, verglichen mit den
Verhältnissen bei Sepia, nach der Dorsalseite zu verschoben, allerdings
viel weniger als es bei Loligo marniorae der Fall ist. Damit steht in Zu-
sammenhang, daß es, zum Unterschied von Sepia, bei der Eröffnung der
Mantelhöhle von der Ventralseite nicht sofort auffällt, denn es wird hier
von dem mächtigen Musculus depressor infundibuli verdeckt. Um es
sichtbar zu "machen, muß man zuerst diesen Muskel entfernen. Die
Gestalt des Ganglion stellatum ist bei Sepiola etwas länglich-elliptisch.
Von seinen freien Rändern entspringen strahlenförmig etwa 10 — 12 Ner-
ven i. Alle diese Nerven (Nervi stellati; Taf. XVI, Fig. 1 n.stell.) sind
ziemlich stark, haben einen kurzen Verlauf und treten bald in die
mächtige Muskulatur des Mantels ein. Der Name »Mantelganglion«,
welcher dem G. stellatum oft beigelegt wird, ist also ganz zutreffend.
Der andre Ast des Nervus pallialis, welchen wir als Nervus pinnae
(Taf. XVI, Fig. 1 n.pinn.) bezeichnen wollen, da er in der Hauptsache
der Innervierung der Flosse dient, verläuft dorsal und zuerst etwas
mehr nach innen vom Hauptstamm des Nervus pallialis. Er zieht über
dem Ganglion stellatum hin und bekommt von dessen Markmasse
zwei ziemlich kräftige Commissuren. Auf diese AVeise bedeutend ver-
stärkt, durchsetzt er die Muskelschicht des Mantels, gibt einen feinen
Ast an die dorsale Haut des Tieres ab und tritt dann in die Flosse ein,
in welcher er sich reich verzweigt.
Eine Commissur zwischen den beiden Ganglia stellata oder zwi-
schen den beiden Pallialnerven, wie sie vielen Cephalopoden und auch
Loligo marmoiae zukommt, ist bei Sepiola ebensowenig vorhanden,
wie bei Sepia officinalis.
Bei Sepia officinalis zeigen die Mantelnerven und die Mantel-
und vergleichend anatomische Untersuchungen an Cephalopoden. (Zeitschr. f.
wiss. Zool. Bd. CVIL, 3. Heft (1913). Tippmar bezeichnet den betreffenden Mus-
kel als Musculus adductor pallii lateraUs (S. 555 — 556).
1 Vgl. lliciiTER, y. 35G: »die Zahl der von einem jeden Mantelganglion
ausstrahlenden Nerven beträgt bei Illex sieben oder acht, bei Ommatostrephes
und Stenoteuthis meist zwölf oder noch einige mehr. «
610 Boris Schkaff,
ganglien im wesentlichen ähnliche Verhältnisse, wie ich sie für Sepiola
beschrieben habe.
Die Behauptung von Brock (1882), daß der Nervus pallialis bei
Sepiola — im Gegensatz zu andern Decapoden (auch zu der sehr nahe-
stehenden Gattung Rossia) und ähnlich den Octopoden — vor seinem
Eintritt in das Ganglion stellatum keine Spaltung erleide, muß ich
bestreiten. Diese Angabe widerspricht allen meinen Beobachtungen;
ich fand die erwähnte Spaltung des Pallialnerven bei Sepiola stets
deutlich ausgebildet.
B. Bei L oli g 0.
Die sehr starken Pallialnerven entspringen an der dorsalen seit-
lichen Ecke des Visceralganglions, nahe seinem Hinterende und ver-
laufen zuerst direkt von vorn nach hinten und etwas " dorsalwärts
zwischen den Leberlappen (außen) und dem Ausführgang der hinteren
Speicheldrüse, bzw. dieser Drüse selbst (innen), (bei Loligo marmorae
ist die hintere Speicheldrüse durch Verschmelzung unpaar). (Taf. XVIII,
Fig. 4.) Später wendet sich jeder Nerv. pall. nach außen, zieht eine
ziemlich weite Strecke zwischen der Leber und dem Nackenknorpel
hin und sendet einen Zweig nach außen aus, welcher den Musculus
retractor capitis innerviert (Nervus retractoris capitis posterior; Taf.
XVI, Fig. 2 n.retr.cnp.post.). Dann durchsetzt er durch ein Foramen
den Musculus retractor capitis dicht an den Seiten des Nackenknorpels
und teilt sich gleich darauf in zwei Äste; der eine Ast biegt nach
vorn um und tritt nach einem ziemlich kurzen Verlaufe in das Ganglion
stellatum ein und zwar etwa in der Mitte der Ventralseite des letzteren.
Die Ganglia stellata haben bei Loligo marmorae eine etwa eiförmige
bis ovale Gestalt und liegen dorsal an der Innenseite des Mantels dicht
neben dem Schulp. Wegen dieser rein dorsalen Lage fallen, wenn
man einen Loligo m,armorae von der Ventralseite öffnet, die Ganglia
stellata nicht sofort auf, wie es bei Sepia officinalis der Fall ist, sie
werden hier nämlich durch den Eingeweidesack verdeckt. Von den
freien Außenrändern der Ganglien entspringen bei Loligo marmorae
je sechs starke Nerven (Taf. XVI, Fig. 2 n.stell.), welche die Muskulatur
des Mantels innervieren. Beide Stellarganglien sind durch eine ziem-
lich kräftige Quercommissur miteinander verbunden (Commissura inter-
pallialis; Taf. XVT, Vig. 2 comm.interpall.) ; diese Commissur tritt aus
dem Pallialnerven aus, kurz vor seinem Eintritt in das Stellarganglion
und verläuft in einem nach hinten convexen Bogen unter dem Hinter-
ende des Nackenknorpels und an der dorsalen Wand des Eingeweide-
Zur Kenntnis des Xcrvcnsystoins der Mynpsidcn. 611
sacks. Sie verläuft also natiiilit'li üIht dem Dann, wio bei allen Cephalo-
poden, bei welchen sie bis jetzt gefunden wurde. Eine entsprechende
Comniissur wurde auch von AVilliams bei Lolkjo fealii und von v. Jhe-
EiNG bei Loligo vulgaris gefunden.
Der andre Ast des Pallialis (Nervus pinnae ; Taf . XVI, Fig. 2
n.'pinn.) zieht nach hinten und zuerst etwas nach außen, unter dem
Ganglion stellatuni hindurch, mit welchem er durch einen kurzen
Nervenstrang verbunden ist. Nach einem sehr langen Verlaufe in der
Mantelhöhle tritt er in die Muskelschicht des Mantels ein und sendet
hier einen starken Ast aus, welcher sich in der Mantelmuskulatur
verHert und also die hinteren Teile des Mantels mit Nervenfäden ver-
sorgt; der Hauptstamm durchsetzt dann den Mantel und tritt in die
am Hinterende des Körpers gelegene Flosse ein.
3) Nervus collaris. Der Nervus collaris (Taf. XVI, Fig. 1 u. 2,
Taf. XVII, n.coll.) (von einigen Autoren als Nervus accessorius pallialis
bezeichnet) entspringt als ein kräftiger Stamm aus der dorsalen seit-
lichen Ecke des Ganglion viscerale vor dem Nervus pallialis und bei
Sepiola dicht neben letzterem. Er verläuft schräg dorsalwärts, nach
außen und nach hinten, durchsetzt den Musculus retractor capitis,
an den er einen Ast abgibt, und tritt, bei Sepiola sich etwas nach vorn
wendend, in den mächtigen Musculus collaris ein.
4) Nervus infundibuli posterior (Taf, XVI, Fig. 1 u. 2;
Taf. XVII 7i.infd.post.). Der hintere Trichternerv entspringt an der
Außenseite des Ganglion viscerale, hinter dem Nervus retractoris
capitis anterior. Er verläuft bei Sepiola zuerst nach außen, nach hinten
und ventralwärts zwischen der Seitenwand der Statocyste und dem
Musculus retractor capitis (bei Sepia officinalis nach Cheron und
Hillig in der Seitenwand der Statocyste). Bei Loligo marmorae tritt
er gleich beim Austritt aus dem Ganglion in die dorsale Wand der
Statocyste ein, durchsetzt sie und verläuft nun zwischen der Stato-
cyste und dem Musculus retractor capitis in derselben Richtung wie bei
Sepiola. Dann durchsetzt er bei beiden von mir untersuchten Alten
den genannten Muskel und gelangt so in die bindegewebige Membran
oberhalb der Dorsalwand des Trichters. Bei Sepiola biegt er hier
um und verläuft nach vorn und etwas nach außen. Er gibt dabei einen
ziemlich starken Ast ventral ab, welcher die Dorsalwand des Trichters
durchbohrt, sich in zwei Äste spaltet, und dann das sogenannte Trichter-
organ oder die Trichterdrüse iimerviert. Diesen Ast, der noch bei
keinem Cephalopoden beschrieben worden ist, bezeichne ich als Nervus
Zeitachrift f. wissensch. Zoolocrie. CIX. Bd. 41
(512 Boris Schkaff,
glandis iufundibulii (Taf. XVII n.gl.infd.). Der Hauptstamm des
hinteren Trichternerven zieht weiter nach vorn und nach außen zwischen
der dorsalen AVand imd dem Musculus collaris; er spaltet sich dann
in zwei Äste und tritt bald darauf in die seitliche dorsale Ecke des
Trichters ein. — Ähnlich liegen die Verhältnisse bei io%o; nur habe
ich hier nur einen Nervus glandulae infundibuli gefunden, dafür aber
noch einen Ast, der nach innen zur Wand der Vena cava zieht und die-
selbe innerviert. Auch spaltet sich bei Loligo der Hauptstamm vor
seinem Eintritt in den Trichter nicht.
5) Nervus retractoris capitis anterior. Der kräftige Nervus
retractoris capitis anterior (Taf. XVI, Fig. 1 u. 2, Taf. XVII w.reir.
cap.ant.) entspringt an der Außenseite des Ganglion viscerale und teilt
sich sofort in zwei gleich starke Äste. Beide verlaufen schräg nach
hinten und nach außen in dem hier sehr dicken Kopfknorpel. Ein
Ast geht mehr nach oben, der andre wendet sich schräg nach unten.
Nachdem sie den Kopfknorpel durchsetzt haben, dringen beide Äste
in den Musculus retractor capitis ein und verzweigen sich in ihm hirsch-
geweihförmig. Ein entsprechender Nerv wurde beschrieben für Sepia
officinalis von Hillig (Cheron kennt ihn nicht), und für Loligo pealii
von Williams.
6) Nervus nuchalis sive postorbitalis. Dieser kräftige
Nerv (Taf. XVI, Fig. 1 u. 2, Tat XYLl n.nuch.) entspringt an der
dorsalen Fläche des vordersten Teiles des Ganglion viscerale, gleich
hinter dem Ganglion cerebrale. Seine Fasern steigen dorsal wärts und
etwas nach vorn durch das Hinterende des Ganglion cerebrale hin-
durch, durchbohren das hier sehr dicke Schädeldach und zerteilen sich
dann baumförmig im Nackenmuskel, welcher dem Schädeldach dorsal
aufliegt. Einige feine Ästchen innervieren auch die darüber liegende Haut.
Ein entsprechender Nerv ist von Hillig (1912) für Sepia, von
Chun für Chiroteuthis imperator und Spirula australis^ beschrieben
worden unter dem Namen Nervus postorbitalis. Der Name scheint
mir aber das Verbreitungsgebiet dieses Nerven nicht genügend zu
charakterisieren; ich würde vorschlagen denselben als Nervus nuchalis
zu bezeichnen. Nach Hillig und Chun soll er bei Sepia und Chiro-
teuthis aus dem Ganglion cerebrale entspringen, was für Sepiola und
1 Auch nach Richter (S. 365 — 367) wird die Trichterdrüse von einem
Aste des hinteren Trichternerven innerviert.
2 Und von Richter für Omniatostrephes sagittatus, Stenoteuthis Bartrami
und lllex illecebrosus; bei diesen Arten entspringt er nach Richter aus der oberen
Hinterecke des Ganghon pedale.
Zur Kenntnis des Nervensystems der Myoi^sidcn. 613
LoHgo jedoch insofern nicht zutrifft, als seine Fasern, wie bemerkt,
aus dem GangUon viscerale kommen; ich halte es für sehr wahrschein-
lich, daß die iVngaben von Chun und Hillig auch für Sepia und
Chiroteuthis ungenau und wohl auf die ausschließlich makroskopische
Zergliederungsmethode, deren sie sich bedient haben, zurückzuführen
sind (vgl. Tai. XVI, Fig. 1 u. 2, Taf. XVII n.nuch.).
7) Nervus ophthalmicus und oculomotorius superior
(Taf. XVI, Fig. la u. h; TsiL XVII n.ophth.sup. und n.oculomot.sup.).
Etwas vor der Ursprungsstelle des Nervus postorbitalis entspringt ein
Nerv aus der oberen Fläche des Vorderrandes des Ganglion viscerale, da
wo es mit dem Pedal- und dem Cerebralganglion verwachsen ist. Dieser
Nerv steigt schräg nach oben und nach vorn durch das Cerebralganglion
hindurch, gelangt an die Unterseite des Schädeldaches, wendet sich
nach außen und nach vorn und verläuft zwischen dem Augenknorpel
und dem oberen Rande des Ganglion opticum. Dann tritt er in den
oberen äußeren Augenmuskel ein und teilt sich — ein Zweig inner-
viert diesen Muskel (Nervms oculomotorius superior), der andre ver-
läuft mehr nach oben und innerviert die Dorsalfläche des Augenbulbusi.
Diesen letzteren Zweig bezeichnen wir als Nervus ophthalmicus superior,
im Gegensatz zu den Nervi ophthalmicus inferior anterior und inferior
posterior, welche im Pedalganglion wurzeln und die Ventralfläche des
Augenbulbus innervieren.
BeiÄepm beschreibt Cheron einen <<nerf ophthalmique superieur»
und rechnet die Ursprungsstelle, wie wir es getan haben, zur Unter-
schlundmasse. Hillig beschreibt dagegen bei Sepia zwei, Chun bei
Chiroteuthis'^ einen Nervus ophthalmicus superior ; nach beiden Autoren^
sollen diese Nerven aus dem Cerebralganglion entspringen. Auch hier
halte ich es für sehr wahrscheinlich, daß die Angaben von Chun und
Hillig* in letzterer Beziehung nicht zutreffend sein dürften und wohl
nur durch die von ihnen ausschließlich angewandte Methode der ana-
tomischen Präparation bedingt sind.
Einen selbständigen, aus dem Ganglion viscerale entspringenden
Nerv der Vena cava, wie ihn Cheron für Sepia und Loligo und Hillig
für Sepia (und zwar ganz anders als Cheron) beschrieben, habe ich
weder bei Sepiola rondeleiti noch bei Loligo marmorae zu entdecken
vermocht.
1 Ähnlich Richter, S. 314—316.
2 Und Richter bei Ommatostrephes, Stenoteuthis und Illex.
3 Und nach Richter.
* Und RicuTER.
41*
614 Boris Schkaff,
VI. Nerven des Ganglion pedale.
1. Nervus infundibuli anterior.
Der vordere Trichternerv (Taf. XVII, Taf. XVIII, Fig. 16 u. 2 c, n.
inj.ant.) tritt als ein sehr starker Nervenstamm aus der Ventralseite
des Ganglion pedale aus, gleich vor dem Vorderende des statischen
Organs. Er durchsetzt sofort den Kopfknorpel und gibt zwei Nebenäste
ab, welche beide nach außen und ventral ziehen, aber der eine geht
nach vorn, der andre nach hinten. Bei Sepiola innervieren sie die hintere
Muskulatur des Kopfes, welche hier an der ventralen Fläche des Augen-
knorpels inseriert. Ich bezeichne diese Aste des vorderen Trichter-
nerven als Nervus infraorbitalis anterior, bzw. Nervus infraorbitalis
posterior {Tai.X.YII, n.infraorb.ant. und n.infraorh.post.)^. Bei Loligo
liegen die Verhältnisse etwas anders : der Nervus infraorbitalis posterior
gibt hier zwar einige Astchen an die hintere ventrale Kopfmuskulatur
ab, doch innerviert er hier hauptsächlich den Musculus retractor capitis
an der Stelle, wo dieser an der hinteren Seitenecke des Augenknorpels
inseriert. Der Nervus infraorbitalis anterior verläuft zuerst dicht
unter dem Augenknorpel, dann durchsetzt er diesen und verzweigt
sich in der ventralen Muskulatur des Kopfes.
Der Hauptstamm des vorderen Trichternerven verläuft nach
seinem Austritt aus der Schädelkapsel weiter nach unten in der binde-
gewebigen Membran, welche den Kopf vom Trichter scheidet, zuerst
an den Seiten der Vena cava, an die er einige Astchen abgibt. Bei
Sepiola spaltet sich von ihm etwas weiter ein Ast ab, der einige feine
Zweige an die Arteria brachialis abgibt und dann bald in die dorsale
Wand des Trichters eindringt. Der Hauptstamm behält die Eichtung
nach vorn und ventral, spaltet sich in zwei ungefähr gleich starke
Aste und erreicht bald darauf die vordere Dorsalseite des Trichters,
in welcher er sich reich verzweigt. Bei Loligo wendet er sich etwas
nach hinten und tritt nach einem kurzen Verlauf in die Wand des
vorderen Teiles des Trichters ein.
2. Nervus infundibuli medianus (Taf. XVII w.m/.met?.).
Etwas vor dem Nervus infundibuli anterior entspringt aus der
Unterseite des Ganglion pedale und zwar genau in der Mittellinie ein
1 Richter bezeichnet sie als »rami laterales Nervi infundibuli anterioris«.
(S. 323. )
Zur Kenntnis dos Nervensystems der Myopsiden. 615
unpaarer, bei Sepiola sehr feiner und bei Loligo ziemlich kräftig aus-
gebildeter Nerv (er fällt hier schon bei schwacher Vergrößerung auf).
Er durchsetzt den Kopfknorpel und verläuft bei Sepiola in der binde-
gewebigen Membran zwischen dem Kopf und dem Trichter zuerst
gerade ventral, dann nach vorn und nach unten, und zwar immer in
der Medianlinie. Nach einem ziemlich langen Verlauf gabelt er sich
und tritt gleich darauf in die vordere Dorsal wand des Trichters ein. —
Bei Loligo durchbohrt er ebenfalls beim Austritt aus dem Ganglion
pedale den hier sehr starken Kopfknorpel, zieht zwischen den beiden
Ästen, in welche sich die Vena cava an dieser Stelle teilt, durch und
tritt in eine bindegewebige Membran ein, in welcher er eine ziemlich
weite Strecke nach hinten verläuft. Dann dringt er in einen kleinen
ventralen Muskel des Kopfes ein, der zwischen Kopf und Trichter
liegt (dieser Muskel fehlt bei Sepiola) und durchzieht denselben, wobei
er an ihn einige feine Astchen abgibt. Nach dem Austritt aus dem
Muskel biegt er nach vorn um, behält aber die ventrale Richtung.
Er tritt schließlich in der Medianlinie in die Dorsalwand des Trichters
ein, in welcher er sich verzweigt.
Diesen Trichternerven, der meines Wissens noch für keinen Ce-
phalopoden beschrieben worden ist^, bezeichne ich als Nervus infundi-
buli medianus. Zwar beschreibt Williams (1909) bei Loligo pealii einen
aus dem Ganglion pedale entspringenden und vermutlich unserm Nervus
infundibuli medianus entsprechenden Nerv in folgender Weise: "im-
mediately in front of the siphonal nerves there arises a median nerve
w^hich goes through the pedal process and is distributed to the muscles
of the lower side of the head" ; wie man jedoch aus dieser Beschreibung
ersieht, ist es ihm unbekannt, daß dieser mediane Nerv der Inner-
vierung des Trichters dient. Im Gegensatz zu allen andern Nerven
von Sepiola und Jjoligo ist der Nervus infundibuli medianus ein in
seinem ganzen Verlaufe unpaarer Nerv.
S.Nervus ophthalmicus inferior posterior (Taf . XVII w.
ophth.inf.post.) entspringt an der ventralen seitlichen Ecke des Pedal-
ganglions dicht neben und nach außen vom vorderen Trichternerven
mit welchem er eine gemeinsame Wurzel im Ganglion hat. Er durch-
setzt schräg nach außen verlaufend den hier nach innen vorsprin-
1 Einen entsprechenden Nerv beschreibt Richter (1913) bei den von ihm
untersuchten Oegopsiden und bezeichnet ihn ebenfalls als Nervus infundibuli
medianus.
616 Boris Schkaff,
genden Fortsatz der Schädelkapsel, gelangt auf die Ventralseite der
Orbita und verläuft dann parallel und unterhalb des Nervus olfac-
torius, von dem er durch eine dünne Membran getrennt bleibt, auf
der ventralen Seite der Orbita zwischen dem Ganglion opticum und
dem Augenknorpel. Dann entfernt er sich vom Nervus olfactorius,
durchsetzt den Augenknorpel und verläuft auf der Ventralseite des
Auges nach außen. Er innerviert also die Veutralf lache des Augen-
bulbus. Ich bezeichne ihn, im Anschluß an Cheeon und Hillig, als
Nervus ophthalmicus inferior posterior. Nach Hillig i stellt er bei
Sepia officinaUs einen Ast des vorderen Trichternerven vor, von
welchem er sich erst außerhalb der Schädelkapsel abzweigt. Dabei
behauptet Hillig, daß dieser Nerv in der Literatur noch nirgends
beschrieben worden ist. Das ist nicht richtig: Cheron erwähnt bei
Sepia einen »Nerf ophthalmique inferieur« und beschreibt ihn als
einen ganz selbständigen Nerven mit folgenden Worten: <<du milieu
de la face laterale de la masse sous-oesophagienne emane un petit nerf
qui traverse la paroi interne de l'orbite et se porte au-dessous du nerf
optique, du ganglion et du globe oculaire, se distribuant ä ce dernier. >>
Diese Beschreibung stimmt mit meinen Befunden an Sepiola rondeletti
und Loligo marmorae gut überein.
4. Nervus olfactorius und oculomotorius inferior.
Der Nervus olfactorius (Taf. XVII, Taf. XVIII, Fig. 2c, w.oZ/.) ent-
springt aus der Commissura cerebropedalis an der Grenze zwischen
dem Ganglion pedale und dem Ganglion cerebrale, allerdings mehr
nach dem Ganglion pedale zu (vgl. Taf. XVIII, Fig. 2c). Seine Aus-
trittsstelle liegt dicht neben dem Ganglion pedunculi, doch habe ich
ebensowenig wie Miss AVatkinson (1909) je einen Zusammenhang
zwischen der Markmasse des letzteren und den Fasern des Nervus
olfactorius zu finden vermocht. Die Frage über den Ursprung des
Nervus olfactorius bei den Cephalopoden ist eine sehr strittige: die
älteren Autoreu (Hancock, Cheron, Owsjannikow und Kowalewsky,
V. Jhering, Dietl) ließen ihn aus dem Ganglion pedunculi entspringen ;
nach Zernoff (1869) und Chun (1911) entspringt er bei Sepia vor-
und seitwärts von dem Ausgangspunkt des vorderen Trichternerven;
dagegen nach Jatta (1887 b) aus dem Ganglion cerebrale (und zwar
aus dem Lobus frontalis superior), was vom theoretischen Stand-
1 Und nach Richter, der diesen Nerv als »Nervus oi^hthalmicus inferior«
bezeichnet (S. 326—327).
Zur Kenntnis dos Xorvensystenis der Myopsiden. 617
punkte aus am ehesten zu erwarten wäre. Mit Hilfe der von mir ange-
wandten Färbungsmethoden war es mir leider nicht möglich den Ver-
lauf der Fasern des Nervus olfactorius innerhalb des Centralnerven-
systems unzweideutig festzustellen und damit zu entscheiden, ob die
Olfactoriusfasern im Ganglion cerebrale oder im Ganglion pedale oder
in beiden (was die Ansicht von Miss Watkinson ist) ihren Ursprung
nehmen.
Nach seinem Austritt aus dem Ganglion pedale verläuft der an-
fangs sehr dünne Nervus olfactorius zuerst ventralwärts, dann — bei
Sepiola — in einem Bogen auf der Ventralseite der Orbita zwischen
dem Augenknorpel und dem Ganglion opticum nach vorn und nach
außen, parallel und oberhalb des Nervus ophthalmicus inferior posterior,
von dem er durch eine dünne bindegewebige Membran getrennt bleibt.
Dann durchsetzt er den ventralen Augenmuskel, welcher an dem inneren
Rand des Augenknorpels inseriert, und gibt dabei einen feinen Ast ab,
der sich in dem erwähnten Muskel reich verzweigt. Ich bezeichne
diesen Ast als Nervus oculomotorius inferior (Taf. XVII, w.ocw/omof.m/.).
Der Hauptstamm durchbohrt dann den Augenknorpel nicht weit von
seinem äußeren Rande und verläuft nun im Unterhautbindegewebe,
wobei er ganz bedeutend anschwillt. Er macht dann eine kleine Bie-
gung nach dorsal und hinten und tritt bald in das Geruchsorgan ein,
in welchem er sich reich verzweigt. — Ein ganz ähnlicher Verlauf
wird für den Nervus olfactorius von Sepia officinalis von Zernoff
(1869) und Hillig beschrieben. Nur beschreibt Hillig ^ einen selb-
ständigen >>Nervus oculomotorius posterior «, der in der Nähe des Nervus
olfactorius entspringen und dicht neben ihm verlaufen soll. Nach
meinen Beobachtungen ist der untere Augenmuskelnerv, wenigstens
bei Sepiola und auch bei Loligo marmorae (siehe gleich unten), nur ein
Ast des Nervus olfactorius, welcher also sowohl sensible wie motorische
Fasern enthält.
Etwas anders liegen die Verhältnisse bei Loligo marmorae. Hier
teilt sich der Nervus olfactorius bald nach seinem Austritt aus dem
GangUon pedale in zwei Äste — der eine verläuft nach vorn und nach
außen auf der Ventralseite der Orbita und tritt in den ventralen Augen-
muskel ein. Er entspricht wohl dem Nervus oculomotorius posterior
von Hillig, nur soll dieser Nerv nach diesem bei Sepia einen selb-
ständigen Ursprung im Ganglion pedale haben. Der andre Ast (Nervus
olfactorius sensu stricto) geht in einem Bogen nach außen und nach
1 Und ebenso Richter (8.311—313, 31«]— 320).
(318 Boris Schkaff,
hinten zwischen dem Augenknorpel und dem GangHon opticuni. Er
bieo-t dann nach vorn um, durchsetzt den Augenknorpel und tritt gleich
darauf in das Geruchsorgan ein.
5. Nervus ophthalmicus inferior anterior.
Bei Loligo marmorae entspringt an den Außenseiten des vorderen
Teils des Ganglion pedale jederseits ein Nerv, der ventral und nach
außen verläuft. Er innerviert die Ventralfläche des Augenbulbus,
weshalb ich ihn als Nervus ophthalmicus inferior anterior (zum Unter-
schied von dem oben besprochenen Nervus ophthalmicus inferior
posterior) bezeichne. — Bei Sepiola fehlt er. — Entsprechende Nerven
wurden beschrieben von Chun (1910) bei Chiroteuthis imperator (»Nervus
ophthalmicus inferior«) und von Williams bei Loligo 'pealii ("a pair
of nerves arise from the sides of the front end of the ganglion. Each
nerve passes outward and forward above the pedal process and the
capsule of the eye and below the optic ganghon. They supply the
muscles and capside of the eye").
VII. Nerven des Ganglion brachiale.
1. Nervi brachiales und Nervus tentacularis.
Aus dem Vorderrande des Ganglion brachiale treten jederseits
fünf kräftige Nerven aus, von denen vier in die Arme gehen (Nervi
brachiales), während der fünfte den Tentakel (den Fangarm) inner-
viert (Nervus tentacularis). Es ist von vornherein hervorzuheben,
daß die Fasern, welche die erwähnten Nerven bilden, zum größeren
Teile aus dem Ganglion pedale stammen, durch die Commissura brachio-
pedalis in das Ganglion brachiale gelangen und es durchziehen, wobei
sie allerdings aus seiner Markmasse Verstärkungen bekommen (vgl.
Taf. XVIII, Fig. la). Natürlich lassen sich diese Verhältnisse nur an
Sagittal- und Horizontalschnitten feststellen, nicht aber an Quer-
schnitten. Das Verdienst diese für die morphologische Beurteilung
des Ganglion brachiale wichtige Tatsache aufgeklärt zu haben, gebührt
Jatta. Er schreibt (1889): <<Non riusci a constatare rapporto alcuno
fra le fibre della commissura laterale anteriore (= Conim. cerebro-
brachialis) e quelle dei nervi brachiali (wie es Dietl behauptet hatte;
B. S.). Seguendo i nervi brachiali fino alla loro origine si trova che
le fibre di cui sono formati provengono la maggior parte del ganglio
pedale ed altre dal brachiale. Infatti si puö facilmente osservare
(sezioni longitudinali e sagittali) che dal ganglio pedale partono due
fasci di fibre ciascuno dei quali penetrato nel ganglio brachiale si divide
Zur Kt'iinlnis des XiTvc-nsystcms (k-r ^lyopsiclen. 619
in 1 (Octopodi) o 5 (Docapodi) fasci .secüiidarii, i quali attraversano
in tiitta la sua lungliezza il ganglio brachiale e rinforzati da fibre di
questo ganglio vanno a formare i nervi brachiali. >> Meine Beobachtungen
an Sepiola und Loligo stimmen mit diesen Angaben Jattas vollkommen
überein.
Von den vier Armnerven, die jederseits aus dem Vorderrande des
Bracliialganglions ausstrahlen, entspringt einer an der Ventralseite,
der Mittellinie genähert (Taf. XVI, Fig. 1 u. 2, Taf. XYll n.hrach.IV),
zwei an der Außenseite (n.hrach.ll und ///), und einer an der dorso-
lateralen Ecke des Ganglions {n.hrach.l). Sie verlaufen in der Wand
des Schlundkopfes von hinten nach vorn, und zwar nimmt der erste
Aimnerv die dorsale, der vierte die ventrale, der zweite und der dritte
die Außenseite des Schlundkopfes ein. Vom ersten Armnerven zweigen
sich kurz nach seinem Austritt aus dem Ganglion bei Seyiola ein,
bei Loligo zwei Seitenäste ab, welche sich dorsal wenden und bald
in die dorsale Kopfmuskulatur eintreten. Diese Seitenäste des ersten
Armnerven rechnen wir zu den Nervi antorbitales superiores (vgl.
unten). Den vierten Ai'mnerven, welcher die sogenannten fleischigen
Arme innerviert, habe ich bei Sepiola, wenigstens in seinem Anfang,
etwas schwächer gefunden, als die andern Armnerven. Nach langem
Verlauf in der Wand der Buccalmasse treten die Armnerven in die
Muskulatur der Arme ein, wobei sie zu ziemlich großen Ganglien an-
schwellen, indem sie einen mächtigen peripheren Belag von Nerven-
zellen bekommen, was an den mehr dorsal verlaufenden Nerven etwas
später auftritt, als an den mehr ventralen. Jedes dieser Ganglien ist
mit seinen Nachbarn durch eine Commissur (Commissura interbrachialis;
Taf. XVI, Fig. 1 u. 2, Taf. XVII cowm.mier&r.) verbunden, so daß
alle acht Armnerven miteinander in Verbindung stehen.
Es scheint wichtig zu bemerken, daß diese Commissur sich bei den
beiden von mir untersuchten Arten an jedem Armganglion schleif en-
förmig verdoppelt. Dasselbe Verhältnis hat Cuvier (1817) bei Octopus'^
gefunden (<<les huits nerfs sont joints ensemble par une ceinture nerveuse
et cette ceinture se dedouble vis-ä-vis de chaque nerf et y forme une
petite anse. Mem. p. 3G). Hancock (PI. I, Fig. 2, 3) zeichnet die
Armnervencomraissuren bei Ommastrephes todarus nicht einfach, son-
dern mit bogenförmigen Schenkeln, ohne indessen im Texte dieses Ver-
haltens zu gedenken. Dagegen soll sie bei Sepia einfach sein (Hillig,
Cheron).
1 Und Richter (S. 372 — 373) bei den von ihm untersuchton Üegopsidenarten.
(520 Boris Schkaff,
Von nun an werden die Nerven gangliös und durchziehen die
ganze Länge der Arme, begleitet von den Brachialarterien; sie inner-
vieren die Haut und die starke Muskulatur der Arme, sowie die Saug-
näpfe. Je mehr sie sich der Ai-mspitze nähern, um so mehr nehmen
sie an Stärke ab, was ganz allmählich erfolgt. Sie sind also nicht rosen-
kranzförmig eingeschnürt, wie es für die Armnerven der Octopoden
angegeben wird.
Bald nachdem jeder Armnerv zu einem Ganglion schwillt, zweigt
sich von letzterem ein dünner Nervenast nach innen ab. Er durch-
setzt die Muskelmasse der Arme, tritt bald in die den Mund umgebende
Hautfalte (äußere Lippe, Mundhaut) ein und schwillt hier zu einem
kleinen Ganglion an. Dabei vereinigen sich die zwei dorsal verlaufenden
Äste zu einem; es gibt also hier nicht acht, sondern sieben solcher
Ganglien. — Die betreffenden Nerven und Ganglien wurden zuerst
von Chun bei Chiroteutliis (1910) entdeckt, der ihnen den Namen
Nervi pili buccalis (N. des Buccalpfeilers) gegeben hat. Sie wurden
dann auch bei Sefia (Hillig, 1912)1 nachgewiesen. Bei allen diesen
Gattungen findet man wie bei Sepiola und Loligo sieben Ganglien,
da die beiden dorsalen Nerven ebenfalls zu einem verschmelzen. Die
physiologische Bedeutung dieser Nerven und Ganglien ist noch voll-
kommen dunkel. Ich behalte den von Chun gegebenen Namen bei.
Der Nerv für den Fangarm (Nervus tentacularis ; Taf. XVI, Fig. 1
u. 2, Taf. XVIII, Fig. 2 a u. 3, n.tent.) entspringt an der ventralen
seitlichen Ecke des Ganglion brachiale zwischen dem dritten und dem
vierten Armnerven und zwar ganz dicht neben dem letzteren (vgl.
Taf. XVIII, Fig. 2fl.). Bei Sefiola ist er bedeutend dünner als die
Brachialnerven und tritt fast sofort in den Fangarm ein, den er als
von nun an gangliöser Nerv in seiner ganzen Länge durchzieht. Nach
meinen Beobachtungen ist er durch einen dünnen Strang mit dem
vierten Armnerven verbunden (Taf. XVII); dagegen scheint er bei
Sefiola mit der Commissura interbrachialis in keiner Verbindung zu
stehen. — Bei Loligo marmorae ist er bedeutend kräftiger, als bei Sefiola
und tritt erst nach längerem Verlaufe in den Fangarm ein, wobei er
zu einem Ganglion anschwillt. Bei Loligo steht er durch einen Nerven-
strang mit der Commissura interbrachialis in Verbindung, wie es auch
Cheron für Loligo vulgaris^ gefunden hat. Über Loligo pealii sagt
Williams "it is not certain but probable that the ganglia of the fourth
1 Und bei Ommatostrephes, Stenoteidhis und Illex (Richter 1913).
2 Und Richter für Ommatostrephes, Stenoteuthis und Illex.
Zur Kciitituis des Xcrvciisystt'iiis der Myopsiden. 621
piiir üf ariiis (= nervi tentaculares ; B. S.) are connected with the
brachial ring." Dagegen ist nach Hillig der Tentakelnerv bei Se'pia
officinaUs weder in die Ringconiinissur der Armnerven einbezogen,
noch steht er mit ihr in irgendwelcher "Weise in Verbindung.
2. Nervi antorbitales superiores.
Die oberen Antorbitalnerven (Tat". XVII n.antorb.sup.), welche Be-
zeichnung Chun für entsprechende Nerven bei Chiroieuthis eingeführt
hat, entspringen in etwas schw^ankender Zahl (2 — i) aus dem oberen
Rande des G. brachiale, bzw. aus dem ersten Armnerven und ver-
zweigen sich in der vorderen dorsalen Muskulatur des Kopfes. Sie
bilden ein Gegenstück zu den
3. Nervi antorbitales inferiores (Taf. XVII w.an<or6.m/.).
Diese Nerven treten ungefähr in der Dreizahl bei Sejjiola, in der
Vierzahl bei Loligo aus der Ventralfläche des Brachialganglions aus
und innervieren die vordere ventrale Muskulatur des Kopfes. — Bei
Sepia sollen sie nach Hillig in der Vierzahl vorhanden sein und in der
Nähe des Tentakelnerven und vierten Armnerven ihren Ursprung
nehmen.
Bei Sepia beschreibt Hillig einen Nerv, der zwischen dem Ten-
takelnerv und dem vordersten unteren Antorbitalnerv entspringt und
die Ventralfläche der vorderen Wand der Orbita innerviert. Hillig
bezeichnet ihn als Nervus ophthalmicus inferior anterior. Dieser Nerv
ist bei keinem anderen bis jetzt untersuchten Cephalopoden beobachtet
worden; ich konnte ihn weder bei Sepiola, noch bei Loligo nachweisen.
VIII. Das sympathische Nervensystem.
Das sympathische System besteht bei Sepiola und Loligo aus
drei durch Commissuren miteinander und mit dem Centralnerven-
system in Verbindung stehenden Ganghen: dem Ganglion buccale
superius, Ganglion buccale inferius imd GangHon gastricum, sowie
zahlreichen Nerven, welche aus diesen Ganglien entspringen. Diese
Nerven innervieren die verschiedenen Abschnitte des Darmkanals.
I. Das Ganglion buccale superius Hegt dem Oesophagus auf, und
zwar gleich hinter der Stelle, wo derselbe in den Schlundkopf über-
geht. Es ist bei Sepiola breiter als lang, bei Loligo ist es umgekehrt.
Eine mediane Einkerbung auf seiner Ventralfläche, welche auf Quer-
schnitten gut wahrzunehmen ist (Taf . XVIII, Fig. 2a u. 3) deutet seine
622 Boris Schkaff,
Entstehung aus zwei paarigen Ganglien an. Es liegt ungefähr in der
Höhe des Ganglion buccale inferius und des Vorderrandes des Ganglion
brachiale (vgl. Taf. XVII und Taf. XVIII, Fig. 1« u. 2a), doch lag es
bei einigen von mir untersuchten Individuen von Sepiola auch etwas
vor, bei andern dagegen etwas hinter dem Ganglion buccale inferius,
mit welchem es durch die Commissura buccalis superior inferior ver-
bunden ist.
Durch zwei Commissuren steht das Ganglion buccale superius mit dem
Centralnervensystem in Verbindung : es sind dies die Commissura cerebro-
buccalis und Commissura brachiobuccalis. Die Commissura cerebro-
buccalis (Taf. XVI, Fig. 1 u. 2; Taf. XVII, c.cer.hucc.) entspringt vom
Vorderende des Lobus frontalis inferior des Ganglion cerebrale in der
Medianlinie; sie ist bei beiden Arten anfangs unpaar (wie bei Chiro-
teuthis imperator nach Chun)i. Die Behauptung v. Jherings, daß die
Commissura cerebrobuccalis nur bei Ommastreplies todarus in ihrem An-
fangsteile unpaar sei, ist also nicht richtig. Sie verläuft auf dem Oeso-
phagus von hinten nach vorn; etwa in der Höhe des Vorderrandes
des Ganglion opticum (vgl. Taf. XVI, Fig. 1 u. 2), gabelt sie sich in
zwei divergierende Aste, welche nach vorn und nach außen ziehen
und in den Hinterrand des Ganglion buccale superius eintreten, dicht
oberhalb der gleich zu besprechenden Commissura brachiobuccalis. —
Bei Sepia ojficinalis ist die Commissura cerebrobuccalis in ihrem ganzen
Verlauf paarig und soll ganz nahe der Medianlinie ziehen (Hillig).
Die Commissura brachiobuccalis (Taf. XVII comm.hr. hucc.) ist in
ihrem ganzen Verlaufe paarig ; sie zweigt sich dicht oberhalb des Hinter-
randes des Ganglion brachiale von der Commissura cerebrobrachialis
ab, verläuft schräg dorsal und nach vorn, erreicht die Dorsalseite des
Oesophagus und tritt in den Hinterrand des Ganglion buccale superius
ein, etwas ventral und vor der Eintrittsstelle der Commissura cerebro-
buccalis.
Hinsichtlich des Verhaltens des Ganglion buccale superius zum
Centralnervensystem ordnen sich die Dibranchiaten, ähnlich wie im
Verhalten des Ganglion brachiale zum Ganglion pedale, bekanntlich
in eine morphologische Reihe ein : bei den Decapoden ist das Ganglion
superius vom Ganglion cerebrale mehr oder weniger entfernt, am
meisten von den bis jetzt untersuchten Gattungen bei Ommastrephes,
am wenigsten bei Sepia; bei den Octopoden dagegen ist es mit dem
Ganglion cerebrale verschmolzen und bildet einen Lobus desselben.
1 Und bei Onunatostrephes, Stenoteuthis und Illex nach Richter.
Zur Kenntnis dos Nervensystems der Myopsiden. 623
Nach Cheron, Pelseneer und Jhering sollten die Octopoden das
primäre Verhalten repräsentieren und das Ganglion buccale superius
der Decapoden einen abgelösten Teil des Cerebralganglions darstellen.
Dagegen sucht Bütschli (1912, S. 531), wie uns scheint mit Recht,
die Frage im entgegengesetzten Sinne zu lösen, indem er auf die Ver-
hältnisse bei den Tetrabranchiaten hinweist. Die Coniniissvir nämlich,
welche bei Nautilwj das Cerebralband ( = Cerebralganglion der Di-
branchiaten) mit dem Labialganglion ( = Ganglion buccale superius
der Decapoden) vereinigt, entspringt jederseits mit zwei Wurzeln.
Diesen zwei Wurzeln würden wohl die beiden Commissuren der De-
capoden entsprechen: nämlich die Commissura cerebrobuccalis und
Commissura brachiobuccalis, da ja letztere doch nicht direkt vom
Ganglion brachiale, sondern von der Commissura cerebrobrachialis
entspringt, also auch dem Cerebralganglion zugerechnet werden könnte.
Dann wäre das Ganglion buccale superius bei Octopoden mit dem
Vorderende des Ganglion cerebrale unter Einziehung der beiden Wurzeln
vereinigt. Die Tatsache, daß die Octopoden doch sicher phylogenetisch
jünger sind, als die Decapoden spricht zugunsten dieser Auffassung
und gegen die Deutung von Cheron, Jhering und Pelseneer. Es
dürfte kaum anzunehmen sein, daß die in allen sonstigen Verhältnissen
die Endglieder der Cephalopodenreihe darstellenden Octopoden gerade
in bezug auf das Nervensystem ursprünglichere Verhältnisse bewahrt
haben sollten !
Von der vorderen ventralen Ecke des Ganglion buccale superius
entspringt jederseits ein kräftiger Faserstrang; er zieht ventral, um-
greift den Oesophagus und tritt von oben her in das Ganglion buccale
inferius ein. Diesen die beiden Buccalganglien verbindenden Faser-
strang bezeichnen wir nach dem Vorgang von Chun (1910) als die
Commissura buccalis superior inferior (>>nerf buccal« von Cheron;
»nervus buccalis« von Meyer; s. Taf. XVII, comm.hucc.sup.mf.). Bei
Loligo marmorae ist die Commissur sehr kurz, da die Ganglien sehr
nahe aneinander liegen.
Außer diesen drei Commissuren entspringen vom Vorderrande des Gan-
glion buccale superius bei Sepiola etwa sechs bis sieben, bei Loligo etwa
fünf Paar feiner Nerven (Taf. XVI, Fig. 1 u. 2; Taf. XNll, n.siipr.phar.).
Diese Nerven ziehen nach vorn und verlaufen bei Sefiola zunächst
in einer durchsichtigen Membran, dann legen sie sich innig den äußersten
Muskelschichten der Buccalmasse an. Sie werden bald sehr dünn
und verHeren sich allmählich in der oberen Wand der Buccalmasse;
bei Loligo treten sie fast sofort in die obere Muskel wandung der Buccal-
624 Boris Schkaff,
masse ein. Ähnlich verlaufende Nerven wurden bei verschiedenen
Cephalopoden beschrieben, meistens (Cheron, Hillig) unter dem
Namen Nervi labiales, da sie angeblich die Lippen innervieren sollen.
Ich ziehe dagegen den Namen Nervi suprapharyngei vor, den Chun
bei seiner Beschreibung des Nervensystems von Chirotheutis imperator
adoptiert hat; ich habe nämlich, ebenso wie Chun (1910) und Hancock
(1852), diese Nerven nie bis zur inneren Lippe verfolgen können, und
was die äußere Lippe (sogenannte Mundhaut) betrifft, so wird sie nach
meinen Beobachtungen wenigstens bei Sejnola und Loligo nicht von
diesen Nerven, sondern von den Nerven und den Ganglien pili buc-
calis innerviert, welche aus den Armnerven ihren Ursprung nehmen
(s. oben).
Bei Loligo marmorae sah ich aus dem oberen Buccalganglion noch
einen paarigen Nerven entspringen. Derselbe ist sehr fein und tritt
aus der ventralen seitlichen Ecke des Ganglions, etwas vor der Aus-
trittsstelle der Commissura buccalis superior inferior aus. Er zieht
ventrolateral, zuerst dicht an der Seite des Ganglion buccale inferius
und verzweigt sich in der den venösen Sinus umgebenden Membran.
Ich bezeichne ihn als Nervus septi buccalis. — Bei der Beschreibung
des Nervensystems von Loligo vulgaris erwähnt Cheron folgende
Tatsache (S. 70) : <<en arriere des deux angles lateraux (du ganglion
sus-pharyngien = Ganglion buccale superius) quelques petits filets
se portent en dehors et en bas dans la membrane limitante du sinus
nerveux. >> Ich vermute, daß diese Nervenfäden unserm Nervus septi
buccalis entsprechen.
IL Das untere Buccalganglion — Ganglion buccale inferius —
liegt an der Ventralseite des Schlundkopfes, da, wo er in den Oeso-
phagus übergeht, meist etwas vor dem Ganglion buccale superius und
dem GangHon brachiale (Taf . XVII, Taf . XVIII, Fig. 1 a, g.hucc.inf.) ; doch,
wie oben erwähnt, lag es in einigen von mir untersuchten Exemplaren
von Sepiola direkt unter, in andern sogar etwas hinter dem oberen
Buccalganglion. Es zeigt im Querschnitt die Gestalt eines Rechtecks,
dessen größerer Durchmesser senkrecht zur Medianlinie des Tieres
steht. Bei Sepiola ist an ihm keine Andeutung von Paarigkeit wahr-
zunehmen, etwas mehr dagegen bei Loligo.
Durch die oben besprochene Commissura buccalis superior in-
ferior steht es in Verbindung mit dem oberen Buccalganglion und
durch dessen Vermittlung mit dem Centrainer vensystem.
Aus dem Ganglion buccale inferius tritt eine Reihe von Nerven
aus. Es sind:
I
Zur Kenntnis des Nervensystems der Myopsiden. 625
1) Nervi linguales oder Nervi buccales medii. Sie entspringen,
der Medianlinie genähert, in der Zahl von zwei (Sepiola) bis vier (LoJigo)
Paar aus der Ventralseite des Vorderrandes des Ganglion buccale
inferius (Taf. XVII, w.6wcc.we<?.); sie dringen sofort in die unter dem
Ganglion liegende starke Zungemnuskulatur ein und teilen sich bald
in viele feine Fädchen,
2) An den Lateralseiten des Ganglion buccale inferius entspringt
je ein kräftiger Nervenstamm; er zieht nach vorn und ein wenig dorsal
und dringt bald in die obere Seitenwand der Buccalmasse ein, wobei
er sich in zwei bis drei Aste auflöst (Nervus buccahs lateralis superior,
Taf . XVII, n.hucc.lat.sup.). Bei Loligo marmorae gibt er kurz nach seinem
Austritt aus dem Ganglion einen dünnen Ast ab, welcher die vorderen
Speicheldrüsen innerviert. — Ein analoger Nerv ist auch bei Sepia
gefunden worden (Chekon, Hillig: »nervus maxillaris«).
3) Aus der ventralen vorderen Ecke des Ganglion buccale inferius
entspringt jederseits ein Nerv, der sich ventrolateral und nach vorn
wendet und in die ventrale Seitenwand des Schlundkopfes eindringt
(Nervus buccalis lateralis inferior; Tai.X.YLl,n.bucc.lat.inf.). Er ent-
spricht wohl dem »nervus mandibularis << von Hillig i, doch ist zu
bemerken, daß er nach meinen Beobachtungen nicht mit der Com-
missura buccalis superior inferior in Verbindung steht, wie es für Sepia
beschrieben ist^. Ganz analoge Verhältnisse wie bei Sepiola und
Loligo finden wir nach Hancock bei Ommastreplies todarus. Nach
ihm treten aus dem Ganglion buccale inferius dieser Art drei Paar Nerven
aus, von denen das mittlere in die Zunge, das zweite in die Unter-
kiefermuskulatur geht. Außerdem zieht ein Paar Nerven auf dem
Oesophagus entlang, entspricht also dem gleich zu beschreibenden
Nervus sympathicus^.
Von Pelseneer (1899) und Wülker (1910) werden bei einigen
Cephalopoden besondere sogenannte Subradularganglien beschrieben,
welche in der Muskelmasse der hinteren Hälfte der Zunge liegen —
unterhalb der Radula und an beiden Seiten des Ausführungsganges
der hinteren Speicheldrüsen. Diese Ganglien habe ich auch bei Sepiola
und Loligo gefunden; sie sind sehr klein; bei Sepiola sehen sie ganz
1 Und Richter.
2 Vgl. Richter, S. 383: onach Cherons Feststellung beteiligt sich bei Sepia
die Commissiu- der beiden Schlundganglien mit ihren Fasern am Aufbau der
Unterkiefernerven . . . Ich habe Ähnliches nie beobachten können. «
3 Sehr ähnUch Hegen die Verhältnisse auch bei den von Richter unter-
suchten Oegopsiden.
626 Boris Schkaff,
SO aus, wie sie von Wülker (Fig. 50) für Octopus abgebildet sind,
bei Loligo zeigen sie im Querschnitt eine nicht rundhche, sondern mehr
verlängert-elHptische Form. Leider gelang es mir mit Hilfe der von
mir angewandten Färbungsmethoden nicht, den Zusammenhang dieser
Ganglien mit dem Ganglion buccale inferius, mit welchem sie un-
zweifelhaft durch Nervenstränge verbunden sein müssen, genau zu
verfolgen. Ich vermute, daß dieser Zusammenhang durch Äste der
Nervi buccales medii bewerkstelligt wird, doch konnte ich es nicht
unzweideutig nachweisen.
4) Von der Dorsalf lache des unteren Buccalganglions entspringen,
der Mittellinie genähert, die beiden Nervi sympathici (sive oesopha-
geales; Taf. XVI, Fig. 1 u. 2, Taf. XVII, w.s?/mp.). Sie wenden sich
nach hinten, treten sofort an die Wand des Oesophagus heran und
verlaufen als zwei getrennte Stränge an seinen Seiten bis zum Magen.
Sie sind sehr dünn und auf Schnitten oft nur mit großer Mühe zu er-
kennen. An der Stelle, wo der Oesophagus in den Magen übergeht,
schwellen die beiden Nervi sympathici zu dem Magenganglion (Gan-
glion gastricum) an.
III. Das Ganglion gastricum (Taf. XVI, Fig. 1 u. '2,g.Cjastr.; auch
Ganglion sympathicum genannt) ist unpaar und asymmetrisch. Es
liegt auf der Ventralseite des Magens, da, wo er mit dem Oesophagus
und dem Spiralmagen (Blindsack, Pförtnersack) zusammenstößt. Es
entsendet einige sehr feine und recht schwer zu verfolgende Nerven zu
den benachbarten Partien des Eingeweidetractus — dem Magen {n.stom.),
dem Blindsack {n.stom.coeci), dem Enddarm (n.rect.) und den Ausführ-
gängen der Leber (n.duct.hepat.). Man vergleiche die Taf. XVI, Fig. lu. 2.
Am Schlüsse meiner Arbeit stehend, spreche ich allen, bei denen
ich im Laufe derselben Hilfe und Rat gefunden habe, meinen auf-
richtigen Dank aus. Vor allem danke ich meinem hochverehrten Lehrer,
Herrn Geh.-Rat Professor Dr. Bütschli auch an dieser Stelle für sein
stetes Interesse an meiner Arbeit und für die Anregungen, die er mir
zuteil werden ließ. Großen Dank schulde ich außerdem dem Kaiser-
lichen Russischen Ministerium des Unterrichts für die Verleihung
eines Arbeitsplatzes auf der zoologischen Station in Neapel im Herbst
1912 und der Verwaltung der genannten Station für ihr freundliches
Entgegenkommen. Endlich fühle ich mich dem Assistenten am Zoolo-
gischen Institute in Heidelberg, Herrn Dr. von Buddenbrook, zu
großem Danke verpflichtet.
Heidelberg, den 12. JuU 1913.
Zur Kfiiiitnis des Nervensystems der Myopsiden. 027
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Erklärung der Abbildungen.
Buchstabenerklärung:
ch.n.st, Chiasma nervorum staticorum;
comm.br.bucc, Commissura brachiobuccalis;
comm.hr. 'ped., Commissura brachiopedalis;
comm.br.visc, Commissura brachiovisceralis;
comm.bucc.sup.hif., Commissura buccalis superior inferior;
comm.cer. brach., Commissura cerebrobrachialis;
comm.cer.bucc, Commissura cerebrobuccalis ;
comm.cer.ped., Commissura cerebropedaüs;
comm.cer.visc, Commissura cerebrovisceralis;
comm.interbr., Commissura interbrachialis;
comm.interpall., Commissura interpallialis;
C07nm.nerv.opt., Commissura nervorum opticorum;
comm.n.macstat., Commissura nervorum maculae staticae;
comm.visc, Commissura visceralis;
comm.visc.ped., Commissura visceropedalis ;
duct.gl.sal., ductus glandis saUvalis;
fs, Faserstrang zwischen Lobus frontalis inferior und Lobus basaUs posterior;
I
Zur Kenntnis des Nervensystems der Myopsiden. 629
g.brach., Ganglion biaelüale;
g.branch., Ganglion branchiale;
g.bucc.inf., Ganglion buccalc inferius;
g.bucc.sup., Ganglion buccale superius;
g.cer., Ganglion cerebrale;
g.gastr., Ganglion gastrieum;
g.opi., Ganglion optieuiu;
g.ped., Ganglion pedale;
g.pedunc, Ganglion peduneuli;
g.pil.bucc, Ganglion pili bucealis;
g.sttlL, Ganglion stellatuui;
g.visc, Ganglion viscerale;
lob.bas.ant., Lobus basalis anterior;
lob.bas.posL, Lobus basalis posterior;
lob.front.inf., Lobus frontalis inferior;
lob.front.sup., Lobus frontalis superior;
lob.verL, Lobus verticalis;
nmsc.colL, Musculus collaris;
musc.retr.cap., Musculus retractor capitis;
n.antorb.inj.. Nervi antorbitales inferiores;
n.arUorb.sup., Nervi antorbitales superiores;
n.atr., Nervus atramenti;
n.brach.I, II, III, I V, Nervus brachialis I, II, III, IV;
n.branch., Nervus branchialis;
n.bucc.lat.inj., Nervus bucealis lateralis inferior;
n.bucc.lat.post., Nervus bucealis lateralis posterior;
n.bucc.med.. Nervi buccales medii;
n.coll., Nervus collaris;
n.cord., Nervus cordis;
n.cord.branch., Nervus cordis branchialis; ,
n.criät.fitat., Nervus cristae staticae;
n.depr.infd., Nervus depressoris infundibuli;
n.depr.infd.ant., Nervus depressoris infundibuli anterior;
n.depr.infd.post., Nervus depressoris infundibuli posterior;
n.diaphr.musc, Nervus diaphragmatis muscularis;
n.diaphr.musc.ant., Nervus diaphragmatis muscularis anterior;
n.diaphr.musc.med., Nervus diaplu-agmatis muscularis medius;
n.diaphr.musc.post., Nervus diaphragmatis muscularis posterior;
n.duct.atr., Nervus ductus atramenti;
n.duct.hep., Nervus ductus hepatici;
n.gl.inf., Nervus glandis infundibuli;
n.hep., Nervus hepaticus;
n.inf.ant., Nervus infundibuli anterior;
n.inf.med., Nervus infundibuli raedianus;
n.inf.post., Nervus infundibuli posterior
n.infr.ant., Nervus infraorbitalis anterior;
n.infr.posL, Nervus infraorbitalis posterior;
n.mac.stat., Nervus maculae staticae;
42*
630 Boris Schkaff, Zur Kenntnis des Nervensystems der Myopsiden.
n.nuch., Nervus nuohalis (sive postorbitalis) ;
n.oculomot.inf., Nervus oculomotorius inferior;
n.oculomot.sup., Nervus oculomotorius superior;
n.olf., Nervus olfactorius;
n.opMhJnf.ant., Nervus ophthalmicus inferior anterior;
n.ophth.inf.post., Nervus ophthalmicus inferior posterior;
n.ophth.sup., Nervus ophthalmicus superior;
n.opt., Nervus opticus;
n.palL, Nervus pallialis;
n.pil.bucc., Nervus pili buccalis;
n.pinn., Nervus pinnae;
n.rect., Nervus recti;
n.rectrxap.ant., Nervus retractoris capitis anterior;
n.retr.cap.post., Nervus retractoris capitis posterior;
n.supr.phar.. Nervi supraphary ngei ;
n.stell.. Nervi stellati;
n.stom.. Nervi stomachi;
n.stom.coeci. Nervi stomachi coeci;
n.symp., Nervus sympathicus;
n.tent., Nervus tentacularis ;
n.ven.cav., Nervus venae cavae;
n.visc, Nervus visceralis;
oes., Oesophagus;
stat., Statocyste.
Tafel XVI.
Fig. 1. Das Nervensystem von Sejjiola rondeletti von der Dorsalseite.
Rekonstruktion.
Fig. 2. Das Nervensystem von LoUgo marmorae von der Dorsalseite. Re-
konstruktion.
Tafel XVII.
Das Nervensystem von Sepiola rondeletti von der rechten Seite. Re-
konstruktion.
Tafel XVIII.
Fig. 1. Sepiola rondeletti. Sagittalschnitte durch das Centralnervensystem.
Vergr. 11. a, beinahe in der Medianlinie; h, seitlich.
Fig. 2a — e. Sepiola rondeletti. Querschnitte durch das Gehirn auf der
Höhe der Linien a — e der Fig. \a. Vergr. 11.
Fig. 3. LoUgo marmorae. Querschnitt durch den vorderen Teil des Kopfes.
Vergr. 11.
Fig. 4. Lohgo marmorae. Querschnitt durch das ganze Tier, gleich hinter
dem Visceralganglion. Vergr. 11.
Die Anatomie von Protomyzostomum polynephris
Fedotov.
Von
D. Fedotov.
(Aus dem Zootomischen Laboratorium der kaiscrl. Universität zu St. Petersburg.
Mit 2 Figuren im Text und Tafel XIX— XXII.
In der vorliegenden Arbeit beabsiclitige ich eine Beschreibung der
Anatomie und zum Teil auch der Histologie von Protomyzostommn
polynephris gen. nov., sp. nov. zu geben^, eines AVurmes, den ich im
Sommer des Jahres 1911, im Kola-Fjord, in den Geschlechtsorganen
von Gorgonocephalus eucnemis entdeckt habe.
Im Sommer 1912 fuhr ich fort Material über diesen Parasiten zu
sammeln und diesen letzteren auf der Biologischen Murmanstation
der St. Petersburger Naturforschergesellschaft zu studieren; hier stand
ein außerordentlich reichliches Material zu meiner Verfügung, welches
ich dem liebenswürdioen Ento-egeiikommen des Leiters der Station,
Herrn H. A. Kluge, verdanke, dem ich auch hier meinen aufrichtigen
Dank ausspreche. Für manche Katschläge und stetes Interesse für
meine Arbeit bin ich Herrn Professor Wl. M. Schimkewitsch sowie
Herrn Professor V. A. Dogiel, in dessen Laboratorium meine Arbeit
ausgeführt wurde, aufrichtigen Dank schuldig.
Diagnose von Protomyzostomum polynephris Fedotov.
Flacher, planarienförmiger, bis zu 3 cm langer AVurm, fleisch-
orangefarben (seltener rötlich-zimmtfarben), Länge etwa doppelt so
groß wie die Breite, Dicke 2,5 — 3 mm. Die Ränder ohne Girren,
etwas verdickt. Vorder- und Hinterende des Körpers breit, das letztere
mit dem Cloacalkegel. In fünf Ausschnitten der Körperränder sitzen
fünf Paare sehr schwach entwickelter, beinahe rudhnentärer Para-
1 Eine vorläufige Mitteilung über diesen Parasiten habe ich im »Zoolo-
gischen Anzeiger«, Bd. XXXIX, 1912, Nr. 21, 22, veröffentlicht.
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Erklärung nebenstehend S. 633.
Die Anatomie von Protoinyzo.stomum polynephris Fcdotov,
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634 D- Fedotov,
podien. Gegenüber den Parapodien befinden sich auf dem Rücken
oder am Körperrande fünf Paare von Seitenorganen.
Körper mit einer dünnen Cuticula bedeckt; Körperepithel einge-
senkt unter die subcuticulare Muskulatur, ohne Wimpern. Mund
endständig, am Körperrande; Cloacalöffnung am Gipfel eines Cloacal-
kegels, endständig.
Rüssel fehlt. Der muskulöse Pharynx ist kurz. Darm länger, mit
8 — 10 — 13 Paaren seitlicher Hauptäste. Rectum sehr kurz, Cloake
ziemlich lang. Hermaphroditen.
Leibeshöhle oder »Uterus>> stark entwickelt, die Zahl der Seiten-
äste ihres mittleren Abschnittes (über dem Darm) entspricht nicht der
Zahl ihrer Verästelungen und die Anordnung derselben ist nicht sym-
metrisch. Sie mündet an dem äußersten Ende der Cloake in diese
letztere ein.
Die beiden unpaaren, hinter einander angeordneten Ovarien von
diffusem Charakter, liegen an den Grenzen des mittleren Körperdrittels,
oberhalb des Darmes.
Die stark verästelten follikulären Moden liegen über den weiblichen
Geschlechtsorganen und dem Darm angeordnet. Die vorderen und hin-
teren Äste des Vas deferens münden jederseits in die Vesicula seminalis.
Die Geschlechtsöffnungen des cf liegen zwischen dem III. Paare
der Parapodien und demjenigen der Seitenorgane. Penis schwach
entwickelt.
Nervensystem leiterartig segmentiert, mit acht Lateralnerven-
paaren und einem unpaaren hinteren Nerv; das vorderste Nervenpaar
bildet den Schlundring.
Muskulatur schwach entwickelt.
Mehrere Paare von Nephridien, deren Zahl auf beiden Seiten eine
verschiedene sein kann.
Entoparasit in den Genitalschläuchen von Gorgonocephalus eucnemis
Müller und Troschel.
In seiner Eigenschaft als Entoparasit weist Protomyzostomum im
Gegensatz zu den übrigen Vertretern der Familie Myzostomidae,
zu der es gehört, eine Reihe von Merkmalen regressiven Charakters
auf. Gleichzeitig besitzt es Merkmale von außerordentlich primitivem
Charakter. Die Besprechung dieser Merkmale gebe ich weiter unten.
Unter den bis jetzt beschriebenen Vertretern der Gruppe der
Myzostomidae besitzt Protomyzostomum die bedeutendste Größe,
indem es die größten Myzostomum- Alten um mehr als das dreifache
Dio Anatomie von Protoinyzostoiniun polyncphris I'cdotov. 635
Übertrifft. Von großem Interesse ist die Ersclieiiuing seiner entopara-
sitischen Lebensweise in den Geschlechtsorganen von Gorgonocephalus.
Es ist dies der erste Fall eines Entoparasiti.snuis in Ophiuroideen und
der vierte Fall von Entoparasitisnius für die Familie der Myzostomiden
überhaupt. Bis jetzt waren bekannt: M. asteriae Marenz. in den
Darmdivertikeln von Asterias richardi und Stolasterias neglecta E. Per.;
M. fisheri AVheeler in der Leibeshöhle von Tosia {Pentagonaster) lepto-
ceramus Fisher ; M. pulvinar im Darme von Antedon phalawjium (Müller).
Bekannt sind zwei Fälle von Ectoparasitismus auf Ophiuroideen:
M. japonicum Mc.Cl. auf Ophiocreas und Astroceras pergamena Lyman,
Mc.Clendon (1906) und eine unbekannte Art von Myzostomum auf
Ophiocantha vivipara Köhler (1907).
Überhaupt wurde der Ectoparasitismus auf Crinoideen als für die
Myzostomiden charakteristisch angesehen. So sind von 101 Arten
{StelecJiopus, Protomyzostomum, die erwähnte nicht beschriebene Art
und eine subsp. n., sowie eine var. n. mit eingeschlossen) 96 Parasiten
von Crinoideen. Ihr Auffinden in Asteroideen und Ophiuroideen gibt
uns Veranlassung zu erwarten, daß sie auch in andern Ordnungen der
Echinodermen aufgefunden werden können.
Protomyzostomum polynephris parasitiert in den Geschlechtsorganen
von Gorgonocephalus eucnemis Müller et Troschel und zwar in den
weiblichen sowohl, wie auch in den männlichen (Taf. XIX, Fig. 1).
Der Parasit dringt in die Geschlechtsschläuche {g) ein, sowohl auf der
dorsalen, wie auf der ventralen Seite der Scheibe, wird aber häufiger
auf letzterer angetroffen. Indem er sich von den Geschlechtsprodukten
seines Wirtstieres nährt, ruft er eine weitgehende Kastration desselben
hervor. In von dem Parasiten infizierten Teilen der Genitalschläuche
finden wir an deren Wänden nur noch wenige Lappen dieser Produkte
oder gar keine, indem der größte Teil bereits vernichtet ist.
Durch den von dem Paraisten verursachten Reiz werden die Ge-
nitalschläuchewandungen dicker und gröber, wobei sie bis zu einem
so hohen Grade verkalken, daß die Gegenwart von Kalk durch An-
fühlen bemerkt werden kann.
Die Genilalschläuche werden auf diese Weise zu ziemlich dick-
wandigen Cysten (Taf. XIX, Fig. 1**), welche bedeutend heller er-
scheinen, als die nicht infizierten Gonaden und nicht selten an blut-
unterlaufene Stellen erinnernde Flecke aufweisen. Die Cyste ist geöffnet
(Taf. XIX, Fig. 1*), in derselben sind mehrere Protomyzostomum zu
sehen {Pm).
636 D- Fedotov,
Junge Parasiten wurden nicht selten in der Bursalhöhle oder
unterhalb des Bursalepithel angetroffen. Für gewöhnlich sind sie bei
der Präparation des Gorgonoceyhalus durch das Gewebe hindurch be-
merkbar. Sie liegen gewöhnlich nicht tief im Gewebe des Wirtstieres,
oder ragen sehr häufig mit ihrem einen Ende in die Bursalhöhle, während
sie mit dem andern in das Gewebe versenkt sind.
Nachdem die jungen Parasiten unter das Bursalepithel gelangt
sind, dringen sie immer tiefer hinein, bis sie die Gonaden (Genital-
schläuche der Autoren) erreicht haben, in denen sie dann eine Art von
Cysten oder Kapseln bilden. Die Zahl der in einer Kapsel befindlichen
Parasiten ist eine verschiedene : seltener sind es ihrer ein oder fünf, häu-
figer zwei, drei oder vier. In der Cyste befinden sich gewöhnlich Parasiten
von gleichen Dimensionen. Es ist anzunehmen, daß der in die Leibes-
höhle des Wirtstieres gelangte Parasit der im Gewebe hinterlassenen
Spvir seines kürzlich durch dasselbe hindurchgedrungenen Vorgängers
folgt. Nicht selten habe ich unter dem Bursalepithel mehrere junge
Exemplare in einem Häufchen angetroffen. Einer nach dem andern
erreicht die Gonade, wo sie dann gemeinsam eine Kapsel bilden.
Die Infektion von Gorgonocephalus habe ich nicht beobachtet,
vermute indessen, daß wir e^ hier mit einer wohl dicht am Boden frei
schwimmenden Larve zu tun haben, welche durch die Spalten der
Bursa in das Wirtstier eindringt.
Infizierte Gorgotiocephalus-J^xemplave kann man an folgenden
Merkmalen erkennen:
Gewöhnlich wird das Gewebe des Interradius der unteren Scheiben-
fläche unterhalb des betreffenden Parasiten vorgestülpt (Taf. XIX,
Fig. 2), wobei diese Stelle sich von normal gebauten durch größere
Dichtigkeit und andre Farbe auszeichnet. Die Farbe ist hier statt
orange-fleischrot mehr hell, fast weißlich. Bisweilen weist die vorge-
stülpte Wand Flecke von unbestimmter Gestalt auf, welche wie blut-
unterlaufene Stellen aussehen. An der oberen Fläche der Scheibe
von GorgonocepJialus ist die Anwesenheit des Parasiten weniger zu be-
merken. Bisweilen wird die Wand der Kapsel mit dem Parasiten
durch die Bursalspalte nach außen vorgestülpt (Taf. XIX, Fig. 2 Pm.),
wahrscheinlich infolge des von dem Trawl, mit welchem die Gorgono-
cephalus gewöhnlich gefangen werden, ausgeübten Druckes.
Die Infektion des Gorgonocephalus beträgt bis zu 47 — 50% dieser
Tiere. Im Mittel kommen auf ein Wirtstier lOVie % Parasiten. In
einem Wirtstier wurden 119 (Taf. XIX, Fig. 2) Parasiten angetroffen,
wobei wahrscheinlich nicht w^enige kleine Exemplare meiner Aufmerk-
Die Anatomie von Protomvzostomuin |)()lyiu'i)liiis Fcdotov. 637
sanikeit entgangen sind; in einem 05, in einem 33, in 3 — ^8, in 1 — 1,
in 3 — 6, in 4 — 5, in 2 — 3, in lü — 2, in 3 — ■! Parasit usw.
Infiziert sind gewölmlich grol3e Exem|)lare von Gorgonocephalus
mit entwickelten Gesclilechtsorganen, von 87 — 35 mm Scheibendurch-
messer; kleinere Exemplare enthielten keine Parasiten. Von Interesse
ist der Umstand, daß von den beiden Gorgonocephalus- Alten, welche
den Kola-Fjord unter vollständig gleichartigen Bedingungen bewohnen
und meist zusanunen angetroffen werden, nur G. eucnemis infiziert
wird, während ich in G. agassizi niemals Parasiten angetroffen habe.
Dabei sind diese beiden Arten bekanntlich häufi"- sehr schwer von
einander zu unterscheiden, so daß sogar Zweifel an ihrer Selbständig-
keit ausgesprochen w^orden sind. Der von mir angeführte Umstand
spricht gegen eine solche Annahme.
Protomyzostomum wird an vielen Stellen des Kola-Fjordes (in
Tiefen von 40 — 160 m) angetroffen und ist wohl ein steter Begleiter von
Gorgonocephalus eucnemis. Man wird annehmen können, daß dieser
Parasit im Karischen Meere häufig angetroffen wird. Und zwar hat
Levinsen schon im Jahre 1887 bei der Beschreibung der Geschlechts-
organe von Gorgonocephalus eucnemis aus Kara-Havet die Parasiten für
» eggesamlinger << angesehen, wobei die Kapseln, in denen dieselben sich
befanden, hinter dem Peritonealsacke lagen. Die Abbildungen dieser
»eggesamlinger« (Taf. XXXV, Fig. 3 — 6) erinnern sehr an den Körper
von Protomyzostomum. Levinsen gibt an, daß er solche in allen von
ihm untersuchten G^orf/onocep/iaZws-Exeraplaren angetroffen hat.
Untersuchimgsmethoden.
Ich habe das Studium von Protomyzostomum sowohl an lebendem,
wie an fixiertem Material ausgeführt.
Zum Fixieren bediente ich mich folgender Flüssigkeiten: Flemming-
sches Gemisch (von einigen Stunden bis zu 1 Tag) ; MEVESsches Gemisch
(24 Stunden); Alkohol mit Formalin; GiLSONsches Gemisch, von 10 Mi-
nuten bis zu 3 Stunden (gewärmt); LenhossekscIic Flüssigkeit, 3 bis
6 Stunden; Sublimat (gesättigte Lösung in physiologischer Kochsalz-
lösung mit 5 — 20% Essigsäure, von 5 Minuten bis zu IV2 Stunden)
(erwärmt).
Die besten Resultate erhielt ich durch Sublimat (in Seewasser)
mit 20%iger Essigsäure.
Zum Färben verwandte ich nachstehende Färbemethoden: Dela-
FiELDsches Hämatoxylin, Nachfärbung mit Eosin; WEiGERTsches
Hämatoxylin, Nachfärbung mit Pikrofuchsin (nach van Gieson);
638 D- Fedotov,
ÜEiDENHAiNsches Eiseiiliämatoxylin, Nachfärbung mit Orange oder
Eosin; Boraxcarmin, Nachfärbung mit BLOCHMANNscher Flüssigkeit.
Als das beste Färbemittel erwies sich das HEiDENHAiNsche Eisen-
hämatoxylin nach der DßEYERschen Methode, namentlich für die
Differenzierung des Nervensystems. Für das Beizen verwandte ich
eine Lösung von 2,5 g Eisenalaun auf 100 ccm Wasser + 5 ccm
40% Formalin auf 1 Tag, in Eisenhämatoxylin, 1 Tag; Differenzierung
mit der gleichen Mischung.
Für das Studium der Organe von Protomyzostomum bediente ich
mich häufig der Rekonstruktionen nach Zeichnungen von Schnitt-
serien. Die Zeichnungen habe ich mit Hilfe des großen Zeichenapparates
von Zeiss und Mikroskopen von Krauss und Zeiss angefertigt.
Da die Taf. XXI bei der Reproduktion um l,35mal verkleinert
wurde, so muß man die angegebenen Vergrößerungszahlen dement-
sprechend verändert auffassen.
Gestalt des Körpers.
Der Körper ist flach, planarienartig, vorn und hinten abgerundet
(Taf. XIX, Fig. 3a,b; Textfig. 1). Die Ränder sind etwas verdickt
und besitzen fünf Paare von Hauptausschnitten, in denen die Parapo-
dien liegen. Man findet nicht selten, namentlich bei großen Exemplaren,
auch noch sekundäre Ausschnitte, welche in keinen Beziehungen zu
den Parapodien stehen.
An der Dorsalseite treten die Verzweigungen des »Uterus« etwas
hervor (Taf. XIX, Fig. 3 a) und sind die Umrisse der Seitenorgane
mit der Lupe zu erkennen.
An der Ventralseite treten das Nervensystem und die Verästelungen
des Darmes hervor (Taf. XIX, Fig. 3 &).
Die Gestalt des Körpers weist öfters Unregelmäßigkeiten auf,
und dieser ist bei jungen Exemplaren in die Länge gestreckt (Taf. XIX,
Fig. 4). Es kommen Exemplare vor, deren Länge viermal größer ist
als die Breite. Die Länge des Körpers übertrifft gewöhnlich dessen
Breite etwa um das Doppelte. Abweichungen sind in beiden Richtungen
zu bemerken.
Ein aus der Kapsel herausgenommener Parasit von kleinen oder
mittleren Dimensionen, verändert seine Körpergestalt recht energisch
(Taf. XIX, Fig. 5 a — d). Indem er sein Vorderende zu einem Rohr
kontrahiert, streckt er dasselbe in die Länge, dreht es nach den Seiten,
läßt es wieder breiter werden, wölbt bald seinen Rücken, bald seine
Die Anatomie von Protomyzostoinum polynephris Fedotov. 639
Ventralseite blickelartig vor, zieht die Ränder des Körpers zusammen,
welche eine stark wellenförmige Gestalt annehmen, biegt sie nach oben
um u. dergl. m. Die gewöhnliche Größe von Protomyzostomum beträgt
15 — 25 mm, Exemplare von 30 mm sind eine Seltenheit. Kleine Exem-
plare von 1 — 2 nun werden hauptsächlich im Juni angetroffen.
Das Intej^unieiit.
Körperepithel und Hautmuskelschlauch. Die Körperober-
fläche entbehrt der Wimpern, ist aber von einer dünnen, fein gewellten
Cuticula überdeckt (Taf. XIX, Fig. G cu). Unter der Cuticula liegen
langgestreckte Epidermiszellen, welche an ihren distalen Teilen mit-
einander verschmolzen sind und eine subcuticulare plasmatische
(Taf. XIX, Fig. 6 sc.s) Schicht bilden. Hier sind keine Zellgrenzen
zu sehen. In dieser Schicht liegen längsgerichtete und ringförmige
Muskelfasern (Taf. XIX, Fig. 6 sc.r, sei.), von denen weiter unten
noch die Rede sein wird.
Der größte Teil einer jeden Epithelzelle hegt unterhalb dieser
Muskulatur, und stützt sich auf das Parenchym.
Unterhalb der Muskeln sind die Zellgrenzen deutlich zu unter-
scheiden, was auf Querschnitten durch die Epithelzellen am besten
zu erkennen ist (Taf. XXI, Fig. 10 ep). Die Epithelzellen sind von
langgestreckter Gestalt mit etwas erweitertem und abgerundetem
Ende (Taf. XIX, Fig. 6 cp). In diesem erweiterten Teil der Zelle liegt
ein ovaler Kern (Taf. XIX, Fig. 6 k.ej)), mit vielen kleinen Chromatin-
klümpchen.
Das Zellplasma, welches in seinem distalen Teile einen faserigen
Bau aufweist, färbt sich hier intensiver, während es in dem erweiterten
Teil der Zelle eine blassere Färbung hat und sich häufig zusammen-
zieht, offenbar unter der Einwirkung der fixierenden Flüssigkeiten.
Die Dimensionen der Zellen sind sehr mannigfaltig. Die aller-
höchsten Zellen finden wir an der Dorsalfläche (etwa 45 (.i) und zu
beiden Seiten des Körpers, während sie an der Ventralseite kleiner
sind. Eine so regelmäßige Anordnung der Zellen, wie sie auf der Zeich-
nung zu sehen ist, läßt sich auf Präparaten nur selten antreffen. Infolge
des Umstandes, daß die Zellen nicht genau senkrecht zur Körper-
oberfläche, sondern häufig schräg zu derselben gerichtet sind, finden
wir auf Schnitten gewöhnlich nur Teile von Zellen und Kerne, welche
in verschiedener Höhe liegen. Man erhält nicht die Vorstellung von
einzelnen Zellen, sondern den Eindruck einer gemeinsamen plasma-
tischen Masse mit darin zerstreuten Kernen. Ganz besonders stark
640 D- Fedotov,
wird die Anordnung der Zellen in den Fällen beeinträchtigt, wo die
sich entwickelnden Hoden einen Druck auf dieselben ausüben. Für
gewöhnlich ist das Körperepithel an der Ventralseite niedriger. Die
die Zellen bedeckende Cuticula ist dünn und weist kleine und häufige
wellenförmige Krümmungen auf. Sie ist nur schwach differenziert
und hebt sich nur wenig von der subcuticularen Plasmaschicht ab.
Auf stark gefärbten Präparaten ist sie dank ihrer dunkleren Färbung
deutlich zu erkennen. Nur selten löst sie sich allein in ganzer Schicht
von der Epidermis ab; gewöhnlich erfolgt bei der Maceration eine
Ablösung ganzer Schichten der Cuticula und der subcuticularen Schicht
zusammen mit den Muskeln.
Gewöhnlich ist die Körperoberfläche mit einfachen Epithelzellen
bekleidet. Nur am Ende des Cloacalkegels (Taf. XIX, Fig. 8 Mrz)
sehen wir stets, bisweilen außerdem im vorderen Teil des Körpers in
der Nähe der Mundöffnung (Taf. XXI, Fig. 11 hdfz), auch noch Haut-
drüsenzellen (Taf. XIX, Fig. 7 Mrz). Große, birnförmige Zellen
(Taf. XIX, Fig. 9 Mrz) mit schmalem und langem Hals umgeben
die Cloacalöffnung. Sie sind um dieselbe konzentriert, doch kann
man vereinzelte solche Zellen auch weit von derselben entfernt an-
treffen. Eine jede Zelle dringt mit ihrem basalen erweiterten Ende
tief in das Parenchym hinein, während sie mit dem schmalen und
langen distalen Teil, oder dem Hals, zwischen den Epithelzellen ver-
läuft. Da, wo sie auf die Cuticula trifft, wölbt sie dieselbe in Gestalt
eines kleinen Kegels vor (Taf. XIX, Fig. 9, 10 cu.kg). Ein Teil der
Zellen mündet augenscheinlich direkt in das Lumen der Cloacalöffnung.
Das Secret der Zelle erfüllt in Gestalt von kleinen runden Körnchen
das ganze Plasma der Zelle (Taf. XIX, Fig. 7), so daß der Kern
ganz unsichtbar wird. Da ihr Secret mit HEiDENHAiNschem Eisen-
hämatoxylin stark gefärbt wird, so treten diese Zellen auf so behan-
delten Präparaten deutlich hervor. Indem das Secret in dem basalen
Teil der Zelle gebildet wird, läßt es diesen anschwellen und verändert
durch seine allmähliche Verlagerung nach dem distalen Ende die birn-
förmige Gestalt der Zelle (Taf. XIX, Fig. 9 Mrz). Wir finden Zellen
von birnförmiger Gestalt mit langem, schmalem, kaum bemerkbarem
Hals, andre Zellen besitzen einen stark erweiterten, mit Secret er-
füllten mittleren Teil und einen schmalen Halsteil, während ihr basaler
Teil nicht zu sehen ist. Endlich trifft man auch Zellen an, bei denen
der Halsteil stark aufgetrieben ist. Das hierher verlagerte Secret
übt einen Druck auf die Cuticula aus und stülpt dieselbe vor. Der
übrige, tiefer liegende Teil der Zelle ist schmal und kaum bemerkbar.
Dil' Anatoniio von Protoniy/.ostoinum i)()lyiu'])hiis Fcdotov. 641
Öffnungen der Zellen nach außen sind nicht vorhanden, so daß man
annehmen muß, daß die Abschcidung des Secrcts durch Zerreißen der
Cuticula erfolgt.
Die Dimensionen der Zellen sind verschieden, etwa 135 — 'löO /<.
Ihre Kerne liegen im basalen Teil der Zelle (Taf. XIX, Fig. 9 hdrz);
sie sind klein, rund, arm an Chromatin, sie besitzen einen runden Nu-
cleolus und sind schwach färbbar.
Drüsenzellen in dem Cloacalkegel finden sich (Taf. XXII, Fig. 1
hdrz), Avenn auch in verschiedener Anzahl, bei allen Individuen von
Protomyzostonium. Seltener finden wir Hautdrüsenzellen im vorderen
Körperende, namentlich in der Nähe der Mundöffnung (die Dimensionen
der Zellen etwa 80 /^i). Diese Zellen erinnern durch ihre Gestalt und
ihr Secret außerordentlich an die oben beschriebenen Zellen (Taf. XIX,
Fig. 7 hdrz), doch erreichen sie niemals so große Dimensionen wie letz-
tere. Dabei liegen diese Zellen zerstreut angeordnet und nicht zu
Gruppen vereinigt, wie wir dies in dem Cloacalkegel gesehen haben.
Bei einigen Individuen trifft man noch ziendich häufig, und zwar sowohl
an der Ventral- wie auch an der Dorsalseite kleine vorgewölbte Kegel
auf der Cuticula an, gleich den oben beschriebenen. Unter der Cuticula
finden sich an diesen Stellen Keste von Plasma und Kern. Die Be-
deutung dieser Bildungen ist unklar, doch ist es möglich, daß sie
Überreste von degenerierten Drüsenzellen darstellen.
Zu dem Bestand des Hautmuskelschlauches gehören rings- und
längsgerichtete subcuticulare Muskeln und die subepitheliale Musku-
latur. In der subcuticularen (Taf. XIX, Fig. 6 sc.s) Plasmaschicht
liegen, wie bereits weiter oben hervorgehoben wurde, unmittelbar unter
der Cuticula Rings-, (Quer-) und Längsmuskeln {sc.r, sei). Diese
Muskeln bilden nicht etwa zwei einzelne Schichten, sondern sie kreuzen
sich und sind untereinander verflochten, so daß es schwer fällt von
einer äußeren und einer inneren Schicht zu sprechen. Indem diese
Fasern sich kreuzen, bilden sie ein Netzwerk aus ziemlich regelmäßigen
viereckigen Maschen (Taf. XXII, Fig. 17 sc.m), wie dies bei verschie-
denen Cestoden und Trematoden, so z. B. bei Apoblema (Beandes,
1893) beobachtet wurde. Die Kegelmäßigkeit, mit welcher die Fasern
einander kreuzen, ist auf Flächenschnitten besonders deutlich zu sehen.
Etwas tiefer, im Parenchym unter dem Körperepithel, liegt ein
System von schräggerichteten, einander kreuzenden Muskeln (Taf. XIX,
Fig. 6 se.m), welche, wie dies auch bei den subcuticularen Muskeln der
Fall w^ar, ein Netzwerk bilden, das hier indessen um^egelmäßig gestaltet
ist (Taf. XXII, Fig. 18 se.m). Die Fasern verlaufen schräg in bezug
642 !>• Fedotov,
auf die Längsachse des Körpers. In den von ihnen gebildeten Maschen
trifft man nicht selten Eier an.
In dem Bau des Integuments von Protomyzostomum bemerken
wir beträchtliche Unterschiede von den Verhältnissen bei den ecto- und
entoparasitischen Arten von Myzostomum. Bei ersterem ist das Körper-
epithel unregelmäßig bewimpert (Graff 1877, Semper 1858).
Die Cuticula ist wohl entwickelt, so daß Nansen (1885, S. 75) in
derselben zwei Schichten beschrieben hat. Stummer (1903) beschreibt
für M. asteriae (S. 506—507, Taf. XXXV, Fig. 1—3 et), daß die Cuti-
cula von jeder Zelle einzeln abstehen kann, d. h. daß dieselbe keine
ununterbrochene Schicht bildet, wie wir dies bei Protomyzostomum
sehen. Das Integument von Myzostomum (Graff 1877, Nansen 1885,
Stummer 1903) besteht aus dem gewöhnlichen Cylinderepithel, zwischen
dessen Zellen Nansen (S. 71) mit einigem Zweifel, Stummer (S. 504)
dagegen mit voller Bestimmtheit Drüsenzellen beschreiben. Diese
Zellen sind indessen nicht größer als die gewöhnlichen Epithelzellen;
sie sind nach Gestalt und Charakter den oben beschriebenen Drüsen
von Protomyzostomum nicht ähnlich und sind auch nicht unter die
Epidermis in das Parenchym versenkt, wie dies bei der genannten
Gattung beobachtet wird.
Die Kerne der Drüsenzellen sind größer als diejenigen der gewöhn-
lichen Zellen, nicht aber kleiner als dieselben ; ihr Secret besteht aus hyali-
nen, stark färbbaren Tröpfchen (S. 504—506, Taf. XXXV, Fig. 2, 3 Hdrz).
Bei Protomyzostomum sind keine Unterschiede zwischen den Körper-
epithelialzellen zu finden, wie sie Stummer angibt, welcher gewöhnliche
Zellen und Zellen mit schmalem Basalteil und schmäler werdendem
Kern unterscheidet (S. 502—504, Taf. XXXV, Fig. 3 cz). Bei keinem
einzigen Vertreter der Gattung Myzostomum finden wir Anhäufungen
von Drüsen in der Nähe der Cloacalöffnung, wie sie weiter oben für
Protomyzostomum beschrieben wurden. Man wird annehmen müssen,
daß das Auftreten dieser Drüsen eine Folge der parasitischen Lebens-
weise darstellt, obgleich ihre Bedeutung mir nicht bekannt ist. Eine
Basalmembran unterhalb des Epithels, wie sie z. B. Stummer für M.
asteriae beschreibt (S. 507—508, Taf. XXXV, Fig. 1—3 Bm), habe ich
bei Protomyzostomum nicht finden können : hier liegt unter den Epithel-
zellen ein Parenchym, welches man mit der von den Autoren bei Myzosto-
mum beschriebenen Cutis vergleichen kann.
Einen wesentlichen Unterschied bemerken wir auch zwischen Proto-
myzostomum und Myzostomum in bezug auf den Hautmuskelschlauch.
Bei den Arten der letzteren Gattung liegen unter dem Körperepithel
Die Anatoinio von Protoinyzostoinuin polynephris Fedotov. 643
nach Stummer (1903) und Graff (1877) zwei Schichten von Muskeln. »Die
äußere besteht aus radial vom Centrum der Scheibe zum Rande ver-
laufenden und hier auf die andre Seite übertretenden Fasern, während die
innere Lage aus parallel zum Körperrande in Form konzentrischer Ringe
gelegten Fasern zusammengesetzt ist«, d. h. außen eine radiale, innen
dagegen eine ringförmige Schicht (Graff 1877). Nansen dagegen
hat keine Regelmäßigkeit in der Anordnung der Muskeln bei andern
Arten von Myzostomum gefunden (S. 71). Kein einziger Vertreter
der Gattung Myzostomum besitzt eine subcuticulare Muskulatur gleich
der von Protomyzostomum. Was die subepitheliale Muskulatur von
Protomyzostomum betrifft, so habe ich bei derselben, wie oben erwähnt,
keinerlei Regelmäßigkeit in Aqv Anordnung der Fasern bemerken können.
Wir wissen, daß man bei den Cestodes (Bronn, Bd. IV, S. 1231
bis 1247, Taf. XL VII, Fig. 1 — ^6) eine Grenzmembran oder Cuticula,
eine subcuticulare, in typischen Fällen aus einem sich rechtwinklig
kreuzenden, in Längs- und Querrichtung verlaufenden Fasersystem
bestehende Muskulatur und eine Subcuticularschicht aus pallisaden-
artig gestellten Subcuticularzellen unterscheidet. Mit einem Worte,
es sind dies Verhältnisse, welche mit denen außerordentlich überein-
stimmen, die wir bei Protomyzostoinum gefunden haben. Selbst ihrer
Gestalt nach unterscheiden sich die Subcuticularzellen, z. B. bei Triaeno-
phorus nodidosus (Bronn, Taf. XL VII, Fig. 2), fast in keiner Weise
von den Epithelzellen bei Protomyzostomum. Die einzelligen Drüsen
erinnern ebenfalls an diejenigen bei unserer Form. Auch bei den
Trematodes finden wir unterhalb der Cuticula und der Subcuticular-
schicht Ring- und Längsmuskeln, unter welche Drüsenzellen versenkt
liegen.
Maclaren bildet bei der Beschreibung jener Veränderungen,
welche das Integument bei Distommn sp. durchmacht (1903, S. 522)
Vorsprünge der Cuticula ab, in denen Überreste degenerierter Epithel-
zellen enthalten sind. Etwas ähnliches finden wir auch bei Proto-
myzostomum, worüber ich weiter oben gesprochen habe.
Ebenso wie dies bei den Trematoden der Fall war, erleidet das
Integument auch bei Protomyzostomum während der postembryonalen
Entwicklung Veränderungen. Und zwar habe ich bei jungen Exem-
plaren (von etwa 1 mm Länge) eine beträchtliche Anzahl von Drüsen-
zellen unter den Epithelzellen angetroffen. Mit fortschreitendem Alter
verschwinden dieselben. Bei Exemplaren von 4 — 6 mm Länge trifft
man recht häufig kegelförmig vorgewölbte Stellen der Cuticula an,
unter denen Kerne liegen, die ich für Überreste von degenerierten
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CIX. BJ. 43
644 D. Fedotov,
Zellen halte; Drüsenzellen bleiben fast ausschließliGh im Cloacalkegel
erhalten. Bei großen Exemplaren sind solche Kegel für gewöhnlich
nicht vorhanden.
Die Übereinstimmung im Bau des Integuments bei Protomyzo-
stomum einerseits und den Cectodes und Trematodes anderseits
verdient aus dem Grunde Interesse, weil unter der Einwirkung der
entoparasitischen Lebensweise bei außerordentlich weit voneinander
stehenden Gruppen gleiche Bilder entstehen können: die Epithelzellen
sind unter die Muskelschicht versunken, und in der oberflächlichen
Schicht sind die Zellgrenzen verschwunden.
Parapodien.
Die Parapodien, fünf Paare, sind schwach entwickelt, beinahe
rudimentär (Textfig. 1). Sie stellen kleine Kegel dar, welche am Rande
des Körpers in entsprechenden Ausschnitten desselben liegen. Die
I., II., IV., V. Parapodien sind einander genähert, die II., III. und
IV. weiter voneinander entfernt. Mit bloßem Auge sind die Para-
podien wegen ihrer geringen Größe kaum zu erkennen. Bei großen
Individuen sind sie nach der Ventralseite des Körpers verschoben
(Taf. XIX, Fig. 3 b, pr.pd), bei kleinen dagegen (von etwa 1 mm
Länge) befinden sie sich am Rande selbst (Taf. XIX, Fig. 4 / — V),
wo sie nach außen vorspringend, mit der Lupe gut zu bemerken sind.
Ein Ein- und Ausstülpen der Borsten und ein Hin- und Herbewegen
der Parapodien habe ich nur bei jungen Individuen bemerken
können.
In jedem Parapodium finden wir einen Haken und einen Stützstab
(Taf. XX, Fig. 2 hk, st.st), die in aus Sackmembran scm.h und Drüsen-
epithel bestehenden Borstenfollikeln (Taf. XX, Fig. 3, 5 /) eingeschlossen
sind (wie dies von Stummer 1903, S. 512 — 550 auch für Myzostoma be-
schrieben worden ist). Der Haken ist um das anderthalbfache kürzer
(230—280—370 /<) und um das doppelte dünner (Taf. XX, Fig. 3 hk) als
der Stützstab {st.st). Sein verschmälerter Teil endet in Gestalt einer
hakenförmig gekrümmten scharfen Spitze (Taf. XX, Fig. 2 hk). Nach
der gerade abgestumpften Basis zu wird der Haken allmählich und
gleichmäßig dicker. Der Stützstab ist gerade oder leicht gekrümmt (350
bis 410 bis 600<<)- Seine Basis ist abgestutzt und erweitert, während
sein mittlerer Abschnitt dünner wird. Das distale Ende ist erweitert
und endet mit einer gebogenen, ziemlich stumpfen Spitze (Taf. XX,
Fig. 2 st.st.), welche wie gewöhnlich mit einer Verdickung zur
Stütze des Hakens versehen ist.
Die Anatomie von Protoinyzostomuiii polynephris Fedotov. 645
In den iiuteiou Teil des Follikellumens mündet eine ziemlich
kompakte kleine Gruppe von Drüsenzellen (Taf. XX, Fig. 3 pdr), die
Parapodialdrüsen der Autoren, welche bei Mijzostomum meist stark
entwickelt erscheinen. Bei Protomyzostomum sind sie dagegen nur
schwach entw'ickelt, die Zahl der Zellen ist eine nur geringe und sie
können auf Schnitten leicht übersehen werden.
Die Muskulatur der Parapodien habe ich nicht eingehender unter-
sucht, doch dürfte dieselbe sich wohl kaum w^esentlich von derjenigen
der Myzostomum-Avten unterscheiden, unter denen wir auch solche
mit reduzierten Parapodien kennen. Die Unterschiede im Bau der
Parapodien bei Protomyzostomum von den durch die Autoren für Mijzo-
stomum beschriebenen Verhältnissen bestehen in folgendem:
Bei Myzostomum findet sich in den Follikeln außer den beiden
funktionierenden Borsten noch eine unbestimmte Anzahl von Ersatz-
haken. Diese letzteren ersetzen die in Tätigkeit befindlichen Haken
sobald dieselben abgenutzt werden.
Ich habe bei Protomyzostomum drei Stadien in der Entwicklung
der Haken beobachten können. Individuen von 1 — 2 mm Länge be-
sitzen zwei Borsten von fast gleicher Größe (Taf. XIX, Fig. 4), von
denen die Haken beträchtlich weit nach außen hervorragen. Individuen
von 2 bis etwa 15 mm besitzen mehr als zwei Borsten. In einem jeden
Parapodium können deren häufiger drei bis vier, seltener mehr, bis zu
neun bis zehn vorhanden sein. Die Anzahl dieser Borsten ist sow'ohl
in verschiedenen Parapodien, wie auch in den Parapodien eines Paares
eine verschiedene.
Häufig erwiesen sich nicht zwei, sondern mehr Borsten als in
Tätigkeit befindlich. Wenigstens habe ich bisw^eilen in einem Para-
podium mehrere gleich lange Borsten angetroffen, w^elche mit ihren
distalen Enden zusammenstießen. Außerdem habe ich in ein und
demselben Parapodium zu je zwei Stüt^stäben angetroffen (Taf. XXI,
Fig. 9 st.st). So viel mir bekannt ist, wm'de ein solches Verhalten bei
Myzostomum nicht festgestellt, wo die Ersatzhaken meist viel kleiner
als die in Tätigkeit befindlichen sind und nur einer derselben, der zum
Funktionieren bereit ist, diesen letzteren an Größe gleichkommt.
Das dritte Stadium endlich, welches Individuen von 1,5 — 2 cm
Länge und mehr umfaßt, ist mit je zwei Borsten versehen (Taf. XX,
Fig. 2). Individuen dieses Stadiums habe ich denn auch untersucht,
als ich meine vorläufige Mitteilung verfaßte, wo ich für Protomyzostomum
zwei Borsten als ständige Zahl für jedes Parapodium angegeben habe.
Dafür finden wir bei Individuen der letzteren Kategorie in dem Gewebe
43*
(346 D. Fedotov,
der Follikel Körperchen von verschiedener Größe und Gestalt, welche
aus der gleichen Substanz wie die Borsten bestehen (Taf. XX, Fig. 5
cu.hr). Dieselben werden in gleicher Weise gefärbt wie die Borsten
und sind in frischem Zustande ebenso goldfarben-durchsichtig wie
diese letzteren. In den Parapodien mit zwei Borsten finden wir stets
solche Körperchen (Taf. XX, Fig. 2 cu.kr). Sie werden von Zellen
der Follikel gebildet, in deren Wandungen sie in Gestalt kleinster,
allmählich an Größe zunehmender Körnchen im Zellplasma angeordnet
sind (Taf. XX, Fig. G cu.lr). Nachdem sie eine beträchtliche Größe
erreicht haben, welche dem Querdurchmesser der Borsten gleichkommt
oder denselben sogar übertrifft (90 /<), fallen sie in die Höhlung der
Follikel der Borsten (Taf. XX, Fig. 5 cu.kr), wobei sie sich bisweilen
unten in der Nähe des Stützstabes, dicht an denselben gedrängt, an-
häufen. Diese Körperchen sind bisweilen von unregelmäßig abgerun-
deter Gestalt (Taf. XX, Fig. 7 a), häufiger haben sie die Gestalt
lansaestreckter, rosenkranzförmiger Gebilde, aus deren Form man
entnehmen könnte, die Körnchen entstünden aus runden, kleinen
Körperchen, welche miteinander verschmolzen sind (Taf. XX, Fig. 7b,c).
Dimensionen der Cuticularkörper 20, 40, 90 fi Länge.
10, 30, 75 /< Breite.
Das Alter eines Protomyzostomum genau zu bestimmen, wenn das-
selbe in jedem Parapodium nur zwei Borsten mit Körperchen besitzt,
ist nicht möglich ; wahrscheinlich sind hier sehr weitgehende individuelle
Schwankungen möglich.
Wie aus den Beschreibungen des Baues der Borstenfollikel bei
Myzostomum durch Stummer (1903, S. 530 — 544, 1910), bei Sigalion
durch C. Schneider (S. 380 — 381, 1902) und bei Lumbricus durch
G. Sajovic (S. 4 — 14, 1907 — 1909) bekannt geworden ist, unterscheidet
man in dem Drüsenepithel der Borstenfollikel eine Borstenbildungs-
zelle = Basalzelle, aus welcher die Borste hervorgeht, während die
übrigen Zellen an der Bildung der Verbindungsstücke der Borsten mit
der Sackmembran (Taf. XX, Fig. 3 scmb.) beteiligt sind.
Beide sind auch bei Protomyzostomum vorhanden, obgleich ich
Überreste der Borstenbildungszelle hier nur sehr selten finden konnte,
aber nirgends habe ich Hinweise darauf gefunden, daß die Drüsen-
zellen der Follikel Cuticularkörper ausschieden, wie wir sie bei Proto-
myzostomum kennen gelernt haben.
Die Anzahl der Borsten in den Parapodien von Protomyzostomum
kann mit der Lebensweise dieses Parasiten in Zusammenhang gebracht
werden. Individuen von 1 mm Länae fand ich gewöhnlich frei in der
Dir Anatomio von IVotoiny/.ostoimiin polym'[)liris Fedotov. 647
Bur.salhülile von Gorgonocepludua, und zwar bis zu dem Augenblick
ihres Eindringens in die Geschlechtsorgane des AVirtstieres. Hierdurch
wird es verständUch, daß sie einstweilen nur zwei Borsten besitzen,
d. h. wir haben es hier mit einem ersten Anfangsstadium zu tun. Hier-
auf erfolgt das Eindringen des Parasiten in das CTCwebe der Geschlechts-
organe des Wirtstieres, wo er sich einen "Weg bahnt um Nahrung zu
finden und wohl auch auf der Suche nach seinesgleichen zur Vollendung
seines Entwicklungscyclus. Dies macht die Notwendigkeit begreiflich,
Ersatzborsten zu besitzen, durch welche die abgenutzten Haken ersetzt
werden könnten; dieses Alter entspricht dem zweiten Stadium. Schließ-
lich liegt keine Notwendigkeit mehr vor, sich fortzubewegen und der
Parasit hat sich mit andern Individuen in einer aus den Geweben der
Geschlechtsorgane gebildeten Cyste festgesetzt; es liegt nunmehr kein
Bedürfnis mehr vor Ersatzhaken zu bilden, und statt der Borsten
werden nur noch Körperchen gebildet, Avelche gleichsam nur eine
Erinnerung an die frühere bildende Tätigkeit der Zellen bedeuten und
\ielleicht zur Befestigung der beiden Borsten dienen, indem sie sich
anhäufen und an deren Ende ankleben.
Von besonderem Interesse ist ein anormaler Fall, wo bei einem
großen Individuum das eine der Parapodien bis zu 20 Borsten aufwies
(Taf. XX, Fig. i hk). während die übrigen Parapodien deren je zwei
besaßen.
Seitenorgane.
Entsprechend der Parapodienzahl besitzt Protoimjzostonmm fünf
Paare von Seitenorganen (Textfig. 1 so), und zwar liegen das IL, III.
und IV. Paar oberhalb und gegenüber den Parapodien (Taf. XXI,
Fig. 1 so), während das I. und V. Paar dagegen etwas nach außen
verlagert ist. Die Verlagerung des I. und V. Paares der Seitenorgane
steht im Zusammenhang mit der Bildung des Mundes und des Cloacal-
kegels. Die Seitenorgane liegen auf der Dorsalseite oder sind nach
dem Körperrande zu verschoben, was sich hauptsächlich auf das I.
und V. Paar bezieht. Für gewöhnlich erkennen wir bei Lupenver-
größerung auf der Dorsalseite das IL, III. und IV. Paar.
Für Protomyzostomum halte ich die Lage der Seitenorgane ober-
halb und gegenüber den Parapodien für die ursprüngliche. Gegen-
über den Parapodien liegen sie stets bei jungen, am wenigsten ver-
änderten Individuen. Bemerken wir dagegen eine gewisse Verlagerung
der Seitenorgane, so ist dieselbe eine ganz unwesentliche und zwar
auf Grund nachstehender Erwäjiuniien. Diese Verschiebunü in der
G48 D- Fedotov,
Richtung von den Parapodien beträgt nur Bruchteile von Milhmetern
bei einer Entfernung von bis zu 10 mm zwischen den Parapodien.
Eine Verlagerung der Seitenorgane wird bei großen Exemplaren ange-
troffen und wird häufig durch eine ungleichmäßige Entwicklung der
Eier hervorgerufen, deren Masse einen ungleichen Druck auf die ver-
schiedenen Teile des Körpers ausübt. Sie kann auch die Folge einer
Kontraktion des Wurmes bei der Fixierung darstellen. Die Fälle, wo
eine Verlagerung der Seitenorgane auf Schnitten festgestellt wurde,
können durch die Orientierung der Schnittfläche erklärt werden. End-
lich spricht auch der Umstand für eine künstliche Verlagerung des
Seitenorgans, daß dasselbe sowohl etwas vor, wie auch etwas hinter
dem betreffenden Parapodium liegen kann. Äußerlich sind die Seiten-
organe mit unbewaffnetem Auge kaum zu bemerken.
Mit ihrer Längsachse sind die Seitenorgane des ersten Paares nach
vorn gerichtet, diejenigen des V. nach hinten, diejenigen des IL, IIL
und IV. Paares nach den Seiten. Die Organe des I. und V. Paares
sind mit ihrer Längsachse, gleich den entsprechenden Parapodien, mit
der Hauptachse des Tieres parallel gerichtet, oder mit ihren Enden
etwas nach außen — das V., oder nach innen — • das I. Paar. Das
III. Paar der Seitenorgane steht senkrecht zur Längsachse des Tieres,
w^ährend das IL und das III. Paar einen gewissen Winkel mit ihr bilden.
In verticaler Richtung sind die Seitenorgane schief nach oben gerichtet,
ihr innerer Gang verläuft mit seinem blindgeschlossenen Ende nach
oben und seine Umrisse treten bisweilen etwas über die Oberfläche
des Tieres hervor. Dieses Verhalten ist bei dem IL, III, und IV. Paar
schärfer ausgesprochen. Das I. und das V. Paar von Seitenorganen
ist mit seiner Längsachse etwas nach unten geneigt oder liegt fast
horizontal, so daß diese beiden Paare auf Querschnitten durch Proto-
myzostomum nicht selten quergeschnitten erscheinen.
Ein kleines, schräggeneigt liegendes Grübchen führt in das Seiten-
organ. Sein oberer Rand ist leicht aufgeworfen und ragt in Gestalt
eines kleinen Vorsprunges nach oben hervor. Das Grübchen führt in den
äußeren Gang des Seitenorgans (Taf. XXI, Fig. 2 a.h) von etwa 80 bis
240 II Länge, welcher seinerseits in den zwiebeiförmigen mittleren Ab-
schnitt übergeht {m.t) (etwa 80 — ^110 ix Länge bis 240 ^i Durchm.), der
mit einem langen inneren Kanal endet {i.k.) (etwa 150 — 540 /t Länge).
Der äußere, durch eine Einstülpung des Körperepithels gebildete Gang
kommuniziert durch eine weite Öffnung mit dem äußeren Medium
und mündet (Taf. XXI, Fig. 2 o.so) durch eine engere Öffnung in den
mittleren zwiebeiförmigen Abschnitt des Seitenoroans : indem der Gang
Die Anatomie von Protomyzostoinuni ])olynei)hris Fedotov. 049
sich erweitert, bildet er die Wölbung des mittleren Teiles, dessen Boden
unregelmäßige Vorsprünge aufweist (Taf. XXI, Fig. 2 mt.). Durch
diese Vorsprünge wird die untere Hälfte dieser Höhle in mehrere schmale
Lumina zerlegt, welche zwischen ihren Rändern liegen (Taf. XXI,
Fig. 3). Der obere, unterhalb der Wölbung liegende Teil der Höhlung
dagegen ist ziemlich umfangreich (Taf. XXI, Fig. 2 mt.). Indem diese
stark verengerte Höhlung des mittleren Abschnittes der Seitenorgane
in die Höhlung des inneren Kanales übergeht, bildet sie eine Erweiterung
(Taf. XXI, Fig. 2). Auf Tangentialschnitten hat der innere Kanal das
Aussehen eines langen Dreiecks mit sehr spitzem Gipfel, welches mit
seiner Basis nach dem mittleren Abschnitt, mit seiner Spitze dagegen
nach hinten gerichtet ist. Das Lumen des Kanales, welches in seinem
vorderen Abschnitte in dorso-ventraler Richtung komprimiert erscheint,
wird im Querschnitt nach seinem hinteren blindgeschlossenen Ende
zu rund.
Die Wandung des äußeren Kanales wird, wie ich dies schon früher
erwähnt habe, durch die eingestülpte Epidermis des Körpers gebildet.
Wir können an ihr folgende Teile unterscheiden: eine Cuticula, eine
subcutioulare Muskulatur, aus der der Sphinkter der äußeren Öffnung
gebildet wird, und die gewöhnlichen Epidermiszellen. Die Kerne des
äußeren Kanales sind indessen etwas kleiner, als die Kerne der Epidermis.
Die Wölbung des mittleren Teiles besteht aus epidermalen Zellen,
unter deren Cuticula sich ebenfalls Muskeln befinden. Der Boden
des mittleren Teiles wird hauptsächlich von Muskelfasern gebildet
(Taf. XXI, Fig. 3 m.so), von denen ein ganzes System von Muskeln des
Seitenorgans ausgeht. Der Boden trägt einen Belag von Wimper-
zellen (Taf. XXI, Fig. 3 ivz.so; etwa 6—7 u Länge). Die distale, freie
Oberfläche der einzelnen Zellen ragt kappenförmig vor und ist dicht
mit langen Wimpern besetzt (Taf. XXI, Fig. 4 wz.so). Die Zellen sind
von cylindrischer Gestalt, wobei ihre Länge den Querdurchmesser
etwa um das Doppelte übertrifft. Ihre Kerne sind hell, von ovaler
Gestalt {k.u'z), chromatinarm; die Basalkörperchen der Wimpern sind
ziemlich groß (Taf. XXI, Fig. 4). Die Wimperzellen sind auch in der
Erweiterung des mittleren Teiles gut zu sehen, wo derselbe in den
inneren Kanal übergeht.
Zwischen die Wimperzellen dringen Muskel- und wahrscheinlich
auch Nervenzellen herein (Taf. XXI, Fig. 3 m.so). Der mittlere Ab-
schnitt des Seitenorganes ist futteralartig von großen Drüsenzellen
umgeben (Taf. XXI, Fig. 2 dz.so) (etwa 75—160—175 ii Länge). Diese
Zellen liegen dicht aneinandergedrängt, wobei ein Teil derselben mit den
G50 D- Fedotov,
erweiterten basalen Enden nach vorn gerichtet, andre dagegen in
bezug auf das Seitenorgan radiär nach den Seiten und nach hinten
angeordnet sind. Sie sind von beträchtlichen Dimensionen, von un-
regelmäßig kolbenförmiger Gestalt und mit ihrem distalen schmalen
Ende nach dem Boden des mittleren Teiles gerichtet. Ihr Plasma
färbt sich deutlich aber ungleichmäßig mit HEiDENHAiNschem Eisen-
hämatoxylin und ihr erweitertes basales Ende (Taf. XXI, Fig. 5, 6 dz.so)
enthält runde, gleichartige Einschlüsse — ein Secret, welches die Ge-
stalt von Körnchen oder Tröpfchen hat. In dem schmalen distalen
Teil der Zelle befindet sich eine Menge kleinerer, sehr stark färbbarer
Körner (Taf. XXI, Fig. 5), durch welche das Plasma verdeckt wird.
Die Zellen enthalten zwei bis fünf Kerne; diese sind rund mit scharf
ausgesprochenen Umrissen, und reich an Chromatin; die kleineren
Körnchen liegen an der Peripherie des Kernes, in dessen Mitte sich
ein bis zwei größere Klümpchen befinden (Taf. XXI, Fig. 5, 6 k.dz).
Diese Zellen sind sehr zahlreich und sie liegen dicht aneinander
gedrängt. Dank dem Umstände, daß das Seitenorgan nach der Dorsal-
fläche verschoben ist, sind die an der oberen (dorsalen) Wandung des
Organes befindlichen Zellen kleiner als die tiefer liegenden. Der innere
Kanal wird von ebenso großen Zellen gebildet (Taf. XXI, Fig. 2z.so);
seine Zellen (etwa 103 — 160 u Länge) sind von keulenförmiger, birn-
förmiger oder kolbenförmiger Gestalt (Taf. XXI, Fig. 7 z.so), mit ihrem
erweiterten, basalen Ende auseinandergerückt, mit ihren verschmälerten
distalen Enden einander genähert. Dank diesem Verhalten begrenzen
sie das Lumen des Kanales, indem sie dessen Wandung bilden. Die
Wandungen des Kanales bestehen aus einer wellenförmigen Cuticula
(Taf. XXI, Fig. 1 cu.ik), welche diesen Zellen augehört; hierauf folgen
Muskelfasern, welche meist längsgerichtet sind und von den Retractoren
{r.so) des Organes verlaufen; hinter ihnen liegen kleine Kerne {k), welche
zwischen den großen Zellen liegen. Diese Kerne gehören wahrschein-
lich Muskel- und Bindegewebszellen an. Die Zahl der die Wandungen
des Kanales bildenden Zellen ht verhältnismäßig gering; sie sind in
bezug auf die Längsachse des Seitenorganes schief nach hinten gerichtet
(Taf. XXI, Fig. 2 z.so). Das Plasma der Zellen ist homogen, ohne Ein-
schlüsse und weist nur in dem erweiterten Teil der Zelle einen schwach
wabigen Bau auf.
Bisweilen bemerkt man in ihnen, wohl infolge der Fixation, eine
starke Vacuolisierung;. Die Kerne liefen in dem erweiterten Ende
der Zelle oder in deren Mitte (Taf. XXI, Fig. 7, 8 k.z). Sie sind von
ovaler Gestalt, mit blassen Umrissen und schwach färbbar. In der Mitte
Die Anatoiiiio von Protoinvzostoinuin polyncjiluis Fedotov. 651
des Kernes liegt ein großes Chroniatinklümpchen und kleine Körnchen
sind über den ganzen Kern zerstreut. Die größten Zellen sind die,
welche am Ende des Kanales liegen. Aus deutlichsten tritt die Diffe-
renzierung in den Zellen des mittleren Teiles und des inneren Kanales
bei Färbung mit HEiDENHAiNschem Hämatoxylin hervor, wenn die
ersteren ihre Farbe gut beibehalten, die zweiten dagegen schon fast
entfärbt sind.
Die Natur der Zellen des inneren Kanales ist mir unklar geblieben;
doch scheint auf Grund der bestehenden Übergänge in der Färbung
beider, wie auch der Fälle von Teilungen und der hiermit zusammen-
hängenden Verminderung der Dimensionen der Kerne in den Zellen
des inneren Kanales, der Gedanke nicht so unglaubwürdig, daß die
Zellen des inneren Kanales und die Drüsenzellen des mittleren Teiles
den gleichen Charakter besitzen. Ein Unterschied besteht darin, daß
erstere sich im Ruhezustande befinden, letztere dagegen in einem
Stadium intensiver Secretion.
Das Seitenorgan ist mit einer mächtigen IMuskulatur versehen.
Die Muskelfasern sind am Grunde des mittleren Teiles des Seiten-
organes konzentriert, wo sie eine Art von Muskelkörbchen oder -gerüst
bilden (Taf. XXI, Fig. 2, 3), auf dem die Wimperzellen ruhen, und von
wo Systeme von Muskeln auslaufen, durch welche die Bewegungen
des Seitenorganes besorgt werden. Eine beträchtliche Anzahl von
Muskeln verläuft längs der Peripherie des mittleren Abschnittes, indem
sie dessen Sphinkter, den inneren Sphinkter des Seitenorganes, bildet.
Einige kräftige Muskelfasern, w^elche parallel oder schief zum inneren _
Kanal gerichtet sind, verlaufen nach hinten; es sind dies die Retrac-
tores (Taf. XXI, Fig. 2 r.so). Mächtige Bündel, die Dilatatores (dl.so),
verlaufen vom mittleren Abschnitt radiär nach den Seiten. Eine
beträchtliche Anzahl von Muskelbündeln verlaufen von dem mittleren
Abschnitt nach vorn, zur Körperoberfläche des Tieres; diese Bündel
wird man für Protractores ansehen können (Taf. XXI, Fig. 2 p.so).
Allein ihre "Wirkung ist eine kompliziertere, indem man drei Systeme
von Bündeln in ihnen unterscheiden kann. Die längsten Fasern ver-
laufen nach dem Hautmuskelschlauch und bilden durch ihre Kontrak-
tionen die wahren Protractores des mittleren Abschnittes des Seiten-
organes. Die mittleren Bündel verlaufen zur Cuticula der Wandung
des äußeren Kanales in der Nähe seiner Ausmündung; bei der Kon-
traktion verkürzen und erweitern sie den äußeren Kanal. Die aller-
kürzesten Muskelbündel inserieren an der AVölbung und am inneren Ende
des Ausführganiies. weshalb sie als die Dilatatores seiner Ausmündung
(552 D. Fedotov,
angesehen werden können. Auf der Abbildung (Taf. XXI, Fig. 2) sind
die Systeme der Protractores nicht zu erkennen, da der Schnitt durch
die Mitte des Seitenorganes geführt ist. Es fällt natürlich schwer,
für die Richtigkeit dieser Bezeichnungen für die Muskeln einzustehen,
da wir nicht wissen, in welcher Aufeinanderfolge sie tätig sind. Ich
habe eine Erweiterung, Verengerung, Verlängerung, Verkürzung des
äußeren Ganges beobachtet, ferner eine wellenförmige Krümmung
und Streckung des inneren Kanales, endlich eine Vergrößerung und
eine Verringerung des Lumens im mittleren Abschnitt des Seiten-
organes. Das III. linke Seitenorgan besaß bei einem Exemplare zwei
innere Kanäle von 110 bzw. 230 a Länge und gewohntem Bau; das
entsprechende Organ der gegenüberliegenden Seite war durchaus
normal gebaut.
Bekanntlich besitzen die Vertreter der Gattung Myzostomum nicht
fünf, sondern nur vier Paare von Seitenorganen, welche nicht gegen-
über den Parapodien, sondern zwischen denselben, und zwar auf der
Ventralseite des Körpers angeordnet liegen. Die Anzahl von vier Paaren
ist für sie charakteristisch und es sind nur wenige Ausnahmen von
dieser Regel bekannt geworden. Stummer (1903) beschrieb für M.
asteriae vier paarige (im ganzen acht) und ein unpaares neuntes Seiten-
organ. BouLENGER (1911, S. 350 — 351) stellte kürzlich für M. costatum
Leuckart, bei dem man früher vier Paare von Seitenorganen angenom-
men hatte, deren sechs Paare fest, doch kann es sich hier um einen
Fall anormaler Vermehrung der Zahl der Organe handeln. Der Autor
spricht den Gedanken aus, daß auch andre Myzostomum- Arten mehr
als vier Paare von Seitenorganen besitzen dürften. Boulenger er-
wähnt u. a., daßGRAFF (1877) einen Fall beschrieben hat, wo ein Exem-
plar von M. glabrum Leuck. rechts vier Parapodien, dafür aber fünf
Seitenorgane aufwies. Bei 31. moehianum nimmt Boulenger z. B.
auf Grund von Angaben in der Literatur fünf Paare an. Allein in den
beschriebenen Fällen liegen die Seitenorgane an der Ventralseite und
zwischen den Parapodien.
Wenn die Seitenorgane sich bei Myzostomum nicht zwischen den
Parapodien, sondern gegenüber denselben befinden würden, so könnte
man voraussetzen, daß die Arten dieser Gattung mehr als vier Paare
von Seitenorganen, und zwar fünf Paare, besitzen können. Geht man
indessen alle auf Myzostomum bezüglichen Arbeiten von den ältesten
bis zu den neuesten durch, in denen schon die neuen Untersuchungs-
methoden angewandt wurden, so wird man sich davon überzeugen
können, daß für Myzostomum stets vier auf der Ventralseite und
Die Anatoinii' von Protoiiiy/.o.stoinuin polynephris Fedotov. 653
zwischen den Parapodien gelegene Paare von Seitenorganen charakte-
ristisch sind.
Es ist ein Fall bekannt, wo eine Befestigung der Seitenorgane an
den Parapodien beschrieben wurde, und zwar bei M. calycotyle Graff
(1884, S. 42, Taf. III, Fig. 24—26). Ich teile indessen durchaus den
von Wheeler (1896) ausgesprochenen Zweifel bezüglich der Be-
deutung dieser Organe als Seitenorgane, und vermute, daß dieselben
vielmehr den >> ventral cirri« bei M. circinatum Wheeler (1896,
8. 286) homolog sind. Die Anordnung und vor allem die Überein-
stimmung der Zahl von Seitenorganen mit der Zahl der Parapodien
bei Protomyzostomum weist darauf hin, daß sich hier ursprüngliche
Züge des Baues erhalten haben, daß hier die Eigentümlichkeiten des
Baues ihrer polychäten Vorfahren besser fixiert sind, als dies bei Myzo-
stomum der Fall ist.
Das Vorhandensein von fünf Paaren von Seitenorganen bei Proto-
myzostomum bewahrt uns auch vor der gewagten Vermutung, daß der
Penis ein abgeändertes Seitenorgan darstellt (Wheeler 1896, S. 285),
oder daß der Penis sich aus einem Parapodium gebildet habe (Bou-
lenger 1911, S. 350 — 351), eine Annahme, die der Autor selbst nicht
zu verteidigen wagt.
Es ist dies dieses selbe fünfte Paar von Seitenorganen, welches
Stummer (1903, S. 565) bei der Vergleichung von Myzostomum mit den
Polychaeta finden wollte.
Auch in bezug auf ihren Bau unterscheiden sich die Seitenorgane
von Protomyzostomum ebenso beträchtlich von denjenigen bei Myzo-
stomum. Nicht eine einzige Art dieser letzteren Gattung besitzt ein
so kompliziert gebautes Seitenorgan. Wir haben hier einen äußeren
Kanal und eine mehr oder weniger umfangreiche Höhlung des Organes.
Niemals können wir in demselben drei Abschnitte unterscheiden, wie
dies bei Protomyzostomum der Fall ist. Die beste Beschreibung des
histologischen Baues des Seitenorganes verdanken wir Stummer (1903,
S. 553 — 565) für M. asteriae. Hier wird die Wandung des erweiterten
Teiles durch große »drüsenähnliche Zellen« gebildet (Taf. XXXVII,
Fig. 4 Sz), welche wir mit den Zellen des inneren Kanales vergleichen
köimen, den ganzeii Teil selbst dagegen mit dem inneren Kanal bei
Protomyzostomum. Es ist dies die einzige Art der Gattung Myzostomum.,
wo der Bau des Seitenorganes den entsprechenden Verhältnissen bei
Protomyzostomum sehr ähnlich ist. Die Beschreibungen dieser Organe
sind bei den einzelnen Autoren sehr verschieden gehalten und stimmen
nicht miteinander überein. Wimpern sind in den Seitenorganen nicht
654 ^- Fcdotov,
ein einziges Mal mit Sicherlieit beschrieben worden. Wenn auch die
großen Zellen des Seitenorganes bei Myzostomum bezüglich ihrer Natur
Widersprüche hervorgerufen haben, so unterliegt der drüsige Charakter
der Zellen des mittleren Abschnittes bei Protoniyzostomum doch wohl
kaum einem Zweifel. Bei keiner einzigen Art der Gattung Myzostomum
ist eine so komplizierte Muskulatur beschrieben worden, wie bei unserm
Wurm. Gewöhnlich wird nur ein Sphinkter und ein Retractor beschrie-
ben (Stummer 1903, Nansen 1885, Wheeler 1896), oder auch ein Dik-
tator (Nansen 1885, S. 75 — 76). Dabei ist jene bei Myzostomum aus
dorsoventralen Muskeln um das Seitenorgan gebildete Muskelkapsel
(Stummer 1903) bei Protomyzostomum nicht vorhanden.
Bekanntlich treten die Seitenorgane von Myzostomum , welche mit
den Seitenorganen der Capitelliden verglichen werden (Wheeler 1896),
meistens in Gestalt äußerlich deutlich bemerkbarer, runder oder ovaler,
an der Ventralseite des Tieres gelegener Saugnäpfe auf. Es wurde
ihnen die Rolle von Befestigungsorganen zugeschrieben, woher auch
der Ausdruck »Saugnäpfe << stammt (Gräfe 1877). Ihre Ausmündung
führt in eine Höhle, welche durch kleine, schmale Lumina zwischen
den Wandungen des Organes vertreten sein kann. Die Gestalt desselben
kann auf Schnitten birnförmig oder sphärisch sein (Wheeler 1896).
Seltener trifft man solche Organe an (M. platypus), deren Boden konvex
ist, so daß keine Höhlung in demselben vorhanden ist und dann er-
innert ein solches Organ ganz besonders an die Seitenorgane der Poly-
chäten (Wheeler 1896). Der innere Bau des Organes hat in den Be-
schreibungen durch die einzelnen Autoren stets Widersprüche hervor-
gerufen und gibt keine Antwort auf die Frage nach der Bedeutung
dieser Gebilde.
Die bisher beschriebenen Myzostomum-Arten könnten auf Grund
der Eigenschaften ihrer Seitenorgane in zwei Gruppen eingeteilt werden.
Zur ersten Gruppe gehört die Mehrzahl der ectoparasitischen
Arten, sowie etwa ein Drittel der in Cysten lebenden Arten (86 Arten),
welche vier Paare von Seitenorganen besitzen (zwischen den Para-
podien und auf der Ventralseite). Sie haben das Aussehen von runden
oder ovalen Saugnäpfen. Der innere Bau ist bei den einzelnen Arten
ein verschiedener, und weist eine nur geringe histologische Differen-
zierung auf. Diese Organe funktionieren offenbar öfters mechanisch
als Befestigungsorgane. Zugunsten ihrer drüsigen Natur liegen eben-
sowenig Angaben vor, wie für eine sensible.
Die Vertreter der zweiten Gruppe, welche zum Teil von ecto-
parasitischen freilebenden, zum Teil von in Cysten lebenden Formen
Die Anatmnic von l'cotuaiyzo.stonmm pDlyncphris Fcdutüv. 655
gebildet wird, besitzen reduzierte oder gar keine Seitenorgane (16 Arten
besitzen keine Seitenorgane, davon leben sieben in Cysten). Sind die
Seitenorgane Organe der Befestigung, so wird es verständlieh, daß sie
sich bei solchen unbeweglich lebenden Formen auf dem Wege der
Rückbildung befinden oder ganz fehlen, wie z. B. bei den in den Armen
der Crinoideen in Cysten lebenden Arten. Die Bedeutung von drüsigen
oder von Sinnesorganen haben sie bereits eingebüßt.
Die entoparasitische Form Protomijzostomum besitzt fünf Paare
von Seitenorganen von deutlich ausgesprochenem drüsigen Charakter.
Die hochausgebildete anatomische und histologische Differen-
zierung weist auf einen tätigen Zustand des Organes hin. Es ist dies
wahrscheinlich durch die entoparasitische Lebensweise bedingt, was
auch durch M. asteriae bestätigt wird. Letztere Art bildet einen Über-
gang zwischen Protomijzostomum und den übrigen Myzostomum- Arten
auf Grund des Charakters und der Zahl der Seitenorgane. Wie bereits
erwähnt worden ist, besitzt die genannte Art vier paarige und ein
fünftes unpaares Seitenorgan. Der Verfasser hält dieses letztere auf
Grund seiner Innervation für paariger Abstammung.
Der Bau der Seitenorgane des Entoparasiten aus der Leibeshöhle
des Seesternes Tosia leptoceramus (Wheeler 1904) ist uns leider nicht
bekannt. M. pulvinar, welches zw^ar ein Entoparasit ist, gehört auf
Grund des Baues der Seitenorgane, wie auch seiner andern anatomischen
Eigenschaften doch zu der zweiten Gruppe. Allein seine Existenzbe-
dingungen unterscheiden sich dadurch von denen der ersten drei Arten,
daß dieser Parasit in dem vorderen Abschnitte des Darmes von Antedon
phalangium lebt (Prouho, 1892) ; hierzu kommt, daß M. pulvitiar erst
kürzlich zu einem Entoparasiten geworden ist, weshalb seine Organisa-
tion sich noch nichtstark verändern konnte. Wir wissen, daß Graff
(1884, S. 42), welcher diese Art entdeckte, dieselbe auf dem Peristom
von A. phalangium, d. h. als einen Ectoparasiten, gefunden hat.
Die Zahl der Seitenorgane, ilire Anordnung und ihre Lmervation
durch einen Ast des Parapodiumnerven, nicht aber durch einen selbstän-
digen Nerv, wie dies bei Myzostomum der Fall ist (Stummer 1903;
Nansen 1887), tragen demnach bei Protomijzostomum einen ursprüng-
licheren Charakter, als bei Myzostomum. Bei letzterem ist sowohl die
Zahl, wie auch die Anordnung der Seitenorgane sekundär verändert.
Gleichzeitig stehen die Seitenorgane von Myzostomum in Bezug
auf ihren Bau denjenigen der Capitellidae näher (Eisig 1887) als
diejenigen von Protomyzostomum, w^as wahrscheinlich auf die ento-
parasitische Lebensweise dieser letzteren Gattung zurückzuführen ist.
656 D. Fedotov,
Der Diirmkauiil.
Der Darmkanal verläuft median durch die gesamte Länge des
Körpers (Textfig. 1). Der Mund mündet an dem Kande des vorderen
Körperendes nach außen (Taf . XIX, Fig. 3 a, m), die Cloacalöffnung
befindet sich an dem Gipfel des Cloacalkegels (Taf. XIX, Fig. 13 kl.o).
Der Darmkanal besteht aus der Mundhöhle (Taf. XX, Fig. 10 mh),
dem Schlund oder Pharynx, dem mittleren Abschnitt oder Magen mit
lateralen Verästelungen, dem kurzen Kectum und der Cloake (Taf. XX,
Fig. 1; Taf. XIX, Fig. 12, 13). Die am Grunde einer runden Ein-
senkung (Taf. XX, Fig. 10 m.g) am Rande des Körpers ausmündende
Mundöffnung (m.o) führt in eine geräumige Höhle (mJi.). Letztere ist
mit der Epidermis der Körperoberfläche ausgekleidet, während ihr
Boden von dem vorderen Teil des Schlundes gebildet wird. Die Mund-
öffnung (Taf. XXI, Fig. 11 m.o) ist mit einem kräftigen Sphinkter
(sph.m) und radial von demselben auslaufenden Bündeln von Musculi
dilatatores versehen {dl.m). Unter den Epithelzellen der Mundhöhle
und der Einsenkung werden die oben beschriebenen Drüsenzellen
angetroffen (Taf. XXI, Fig. 11 hdrz). Das vordere Ende des Schlundes
ist von einem Ring großer Drüsenzellen (etwa 146 // Länge) (Speichel-
drüsenzellen Stummers) eingeschlossen (Taf. XXI, Fig. 11 sp.dr). Diese
mit ihren erweiterten basalen Enden nach vorn, radial nach den Seiten
sowie nach hinten gerichteten Enden treten mit ihren schmalen distalen
Enden an dem Schlünde zusammen und münden in den erweiter-
ten Teil der Mundhöhle (Taf. XX, Fig. 10). Diese Zellen sind von
langgestreckt birnförmiger Gestalt (Taf. XIX, Fig. 11) und beträcht-
licher Größe; ihr erweitertes Ende enthält einen großen ovalen Kern
mit scharf ausgesprochener Hülle und ein oder zwei Nucleolen und
einer unregelmäßig gelappten Chromatinmasse, welche bei Färbung mit
HEiDENHAiNschem Hämatoxylin und Nachfärbung mit Eosin einen
bräunlichen Ton annimmt. Die Anzahl dieser Drüsenzellen ist bei
verschiedenen Individuen beträchtlichen Schwankungen unterworfen;
bisweilen findet man ihrer über 200 auf einem einzigen Querschnitt
(Taf. XXI, Fig. 11 sp.dr).
Der Schlund stellt eine in der Verticalebene etwas gekrümmte
Röhre dar (Textfig. 2 ph.). Sein vorderes Ende ist erweitert (Taf. XIX,
Fig. 12 ph.), während er nach hinten zu schmäler wird. Sein Lumen
ist, namentlich in den hinteren zwei Dritteln seines Verlaufes, seitlich
stark komprimiert (Taf. XX, Fig. 8).
Die Wand des Schlundes besteht (Taf. XX, Fig. 8 iv.ph.) aus einer
Die Anatoinii' von rrotDinyzostoinum itolynephris Ft-dotov. 657
bindegewebigen (Inindsiibstanz mit ziciulich .starker Muskulatur und
dem sein Lumen auskleidenden Epithel.
Die Epithelzellen .sind in dem vorderen, in die Mundhöhle herein-
rasenden Teil des Schlundes höher als in dem Lumen des Schlundes
(Taf. XX, Fig. 10 cp.pJi.). Sie sind durch eine Membrana basilaris
(Taf. XX, Fig. 8 mb.) von der Schlundwandung geschieden.
Das Epithel des den Boden der Mundhöhle bildenden Teiles des
Schlundes besteht aus hohen Zellen, welche mit verhältnismäßig kurzen
Wimpern besetzt sind; diese Wimpern fehlen in dem verengerten
Lumen des Schlundes. Für gewöhnlich bleiben die Wimpern nicht
erhalten und ich habe dieselben nur auf wenigen Präparaten sehen
können.
Auf dem Epithel des Schlundlumens dagegen habe ich in keinem
einzigen Falle Wimpern finden können (Taf. XIX, Fig. 15, 16 ep.ph.),
wobei die Zellen hier bedeutend niedriger sind als die oben erwähnten.
Die Zellen haben eine unregelmäßig prismatische Gestalt, sie sind stark
zusannnengedrückt und zwischen ihnen verlaufen Muskelfasern (Taf. XIX,
Fig. 16 m.f). wovon weiter unten die Rede sein wird. Infolge der
Kontraktion der Muskeln wird die Gestalt der Zellen beim Fixieren
stark verändert und kann nur dadurch festgestellt werden, daß man
die Quer- und Längsschnitte durch epitheliale Flächenschnitte ergänzt.
Auf diesen ist die prismatische, unregelmäßig vieleckige Gestalt der
Zellen deutlich zu erkennen (Taf. XIX, Fig. 17 ep.ph).
In der Wandung des Schlundes können wir radial verlaufende
Muskeln (Taf. XIX, Fig. 8 rd.m) und eine äußere Ringmuskelschicht
(a.r) unterscheiden, wobei diese Muskeln an einigen Stellen in das Innere
der Wandung eindringen und bis zu dem Epithel des Lumens verlaufen.
Unmittelbar unter dem Epithel liegen die Bündel der inneren
Ringmuskeln (Taf. XX, Fig. 8 i.r), welche indessen keinen ununter-
brochenen Ring bilden.
Der Schlund liegt im Parenchym, von welchem er durch eine
wellenförmige Membrana basilaris (Taf. XX, Fig. 8 mb) getrennt ist.
Mit seinem vorderen Ende stößt er, wie schon oben erwähnt worden ist,
auf den Boden der Mundhöhle, während er sein hinteres Ende in den
Magen, oder richtiger gesagt, in den Mitteldarm vorstülpt (Taf. XXI,
Fig. 15 ph) und in diesen ausmündet (Taf. XIX, Fig. 12 ph.).
Die Muskulatur, welche die Bewegung des Schlundes besorgt,
besteht aus Protractoren und Retractoren (Taf. XX, Fig. 8 r.ph.).
Von dem vorderen Körperende aus verlaufen an dem erweiterten
vorderen Drittel des Schlundes inserierende Muskelbündel, die Musculi
658 D. Fedotov,
protractores. In den das Nervensystem begleitenden mächtigen Längs-
muskeln differenzieren sich Muskelbündel, welche in das Innere der
Schlundwandung bis an das Epithel hineindringen und als Retractoren
fungieren.
Obgleich Protomyzostomum keinen Rüssel besitzt, so gestatten das
Vorhandensein einer geräumigen Mundhöhle, sowie die Fähigkeit des
den Schlund einschließenden Parenchyms sich zu kontrahieren, dem
Schlünde dennoch sich etwas nach vorn zu strecken oder sich nach
hinten in das Lumen des Mitteldarmes vorzustülpen (Taf . XIX, Fig. 12 ph).
In diesem Falle kann es vorkommen, daß letzterer fast die Hälfte des
Schlundrohres wie ein Futteral umfaßt.
Die Schlundmuskulatur steht in sehr naher und unmittelbarer
Beziehung zum Schlundepithel. Dünne Muskelfasern dringen, nament-
lich von den radiär verlaufenden Muskeln und, wie mir scheint, von den
Pro- und Retractores ausgehend, durch die Membrana basilaris zwischen
die Epithelzellen ein und endigen in Gestalt dünner Verzweigungen
an der oberen Grenze der Zellen (Taf. XIX, Fig. 15, 16 ?nf). Diese
Verhältnisse erinnern an die Beziehungen der Muskeln zu den Schalen-
zellen bei Anodonta mutabilis (Schneider 1902, S. 544, Fig. 461).
Dank dem Umstände, daß die Epithelzellen eine unregelmäßig
vieleckige Gestalt besitzen und dicht an einander liegen, erhält man
auf Schnitten oft den Eindruck, als ob das Muskelfäserchen an die Ober-
fläche einer Epithelzelle tritt und dort eine Verdickung bildet. Die
so erhaltenen Bilder erinnern einigermaßen an die von Nansen (1885)
im Schlundepithel von Myzostomum graffi beschriebenen langgestreckten
sensiblen Zellen, welche ich bei Protomyzostomum nicht gefunden habe.
Der mittlere Abschnitt des Darmes ist der längste (Taf. XX,
Fig. 1 mgd) und gibt die Hauptäste ab, deren Zahl 8, 10, 11, 13 beträgt;
am häufigsten trifft man zehn Astepaare an (Taf. XX, Fig. 1 hda;
Taf. XIX, Fig. 12, 13). Offenbar verändert sich die Zahl der Seiten-
äste des Darmes mit dem Alter des Tieres. Die geringste Anzahl von
Asten habe ich bei älteren Individuen angetroffen, bei denen ein großer
Teil des Körpers mit in der Entwicklung begriffenen Eiern angefüllt
ist (Taf. XXI, Fig. 15 ei). In der Reihenfolge der Abzweigung und in
dem Entwicklungsgrad der Hauptäste ist keine Symmetrie zu bemerken
(Taf. XX, Fig. 1 hda). Die Hauptäste geben eine Menge von Neben-
ästen ab, deren feinere Verzweigungen bis an den Rand des Körpers
unter das Epithel seiner Oberfläche herantreten. Bei jüngeren Indivi-
duen nehmen die Verästelungen des Darmes den größten Teil des
Körpers ein (Taf. XX, Fig. 11 da). Seinem Bau nach unterscheidet
Dil' AnatDiiiic von I'rotomyzostomimi i>olynoi)hris Fcdotov. 659
sich das mediane Kohr einigermaßen von den Seitenästen. Sein Epithel
besteht aus hohen schmalen Zellen (TaL XX, Fig. 13 ep.d), deren dista-
les Ende etwas erweitert ist. An dem verschmälerten basalen Ende,
dicht an der Basis der Zelle, liegen kleine ovale Kerne. Die Zellen
liegen auf der Membrana basilaris , an welche sich die Ring- und Längs-
muskeln anlegen, in deren Anordnung keine Regelmäßigkeit zu be-
merken ist. Das mediane Rohr wird, wie dies auch bei Myzostomum
beobachtet wurde, wie mit einem Überzug von Bindegewebe (Taf. XX,
Fig. 12, 13 hd.d) umgeben, in welchem auch Muskelfasern anzutreffen
sind. Dies zum Teil auch auf die Hauptäste des Darmes übergehende
Parenchym, zeigt einige Unterschiede von dem Parenchym des übrigen
Körpers. Bei Färbung mit WEiGERTschem Hämatoxylin (nach van
Gieson) tritt es durch seine bräunlich-gelbliche Färbung hervor; bei
Färbung mit Eisenhämatoxylin und Nachfärbung mit Eosin nimmt
es eine ziemlich stark ausgesprochene rosa Färbung an. Dieses Par-
enchym fehlt auf den Wandungen der Seitenäste des Darmes, welche
von der Leibeshöhle durch flache Zellen mit kleinen Kernen abgegrenzt
und in der Art eines Pseudoepithels (Stummer 1903) bekleidet werden.
Die Seitenastwände bestehen aus einem Epithel mit Grenzmem-
bran und Muskelfasern. Die Epithelzellen der Darmseitenäste sind
beträchtlich niedriger und breiter als diejenigen des medianen Darm-
rohres. Im allgemeinen hängt ihre Breite und Höhe natürlich davon
ab, ob Nahrung in dem Darm enthalten ist, oder nicht. Die Kerne
der Zellen sind von fast regelmäßig runder Gestalt und basal an-
geordnet. Von außen schheßen sich Ring- oder Längsmuskelfasern
an die Grenzmembran an, welche sich längs den Wandungen der Seiten-
äste hinziehen. Sie sind so dünn und so spärlich angeordnet, daß sie
nur bei Färbung mit HEiDENHAiNschem Eisenhämatoxylin sichtbar
werden.
Im Darm fand ich Reste von Eiern und Spermatozoen von Gor-
gonocephalus. Bei der Sektion von Protomyzostomum-Indwiduen, welche
etwa zwei Monate hindurch in 70%igen Alkohol gelegen hatten, traten
aus dem Darme große orangegelb gefärbte Fetttropfen hervor, die
augenscheinlich aus den Eiern des Gorgonocephalus herstammten. In
den hinteren Abschnitt des Mitteldarmes, welcher keine Seitenäste
mehr entsendet, ragt, seine Wandungen noch vorn vorstülpend, das
Rectum in Gestalt eines kurzen Rohres (von 350 — 100 // Länge) herein,
das gleich darauf in die Cloake übergeht (Taf. XIX, Fig. 14 r).
Die Cloake besitzt die Gestalt eines Rohres mit beträchtlich er-
weitertem Vorderende (Taf. XIX, Fig. 13; Taf. XX, Fig.l kl), welches
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CIX. Bd. 44
660 D- Fedotov,
allmählicli schmäler werdend, unterhalb des Uterus nach hinten ver-
läuft und nach der dorsalen Oberfläche ansteigend, vermittels einer
kleinen Öffnung am Gipfel des Cloacalkegels nach außen mündet (Text-
fig. 2 klo.). Nur selten sind die Wandungen der Cloake ganz glatt
(Taf.XXII, ¥ig. 3 kl). Meist entspringen von ihrer unteren und den
lateralen Wandungen eine Reihe von Vorsprüngen, oder aber ihre
Wandungen bilden Falten (Taf. XX, Fig. 9 M). Diese mit ihren
blindgeschlossenen Enden nach vorn oder nach hinten gerichteten
Auswüchse zerfallen nicht selten in eine Reihe kleinerer Höhlungen,
welche sich in dem die Cloake umgebendem Parenchym verlie-
ren. Die Länge und das Lumen der Vorsprünge sind außerordentlich
mannigfaltig. Nicht selten sind sie nur wenig schmäler als das Lumen
der Cloake selbst. Von besonders beträchtlicher Größe sind die Aus-
wüchse, die von den lateralen Cloakenwandungen ausgehen, in welche
die Nephridien einmünden (Taf. XX, Fig. 14 a.kl.). Neben solchen
finden sich auch, wie dies schon weiter oben erwähnt wurde, Exemplare
mit einer Cloake ohne Auswüchse und es gibt allmähliche Übergänge
von einer nur geringen bis zu einer außerordentlich großen Anzahl von
Auswüchsen. Das hintere, schmale Ende der Cloake besitzt gewöhn-
lich keine Auswüchse oder Falten und hat die Gestalt eines runden
Rohres mit glatten Wandungen.
Die Cloakenwandungen bestehen aus Flimmerepithel (Taf. XIX,
Fig. 14 epM.) und Muskelfasern (Taf. XX, Fig. 9 r.M). Die Epithel-
zellen sind lang und sehr schmal. Ihre langgestreckten Kerne sind
basal angeordnet. Das distale Ende der Zelle trägt eine lange Geißel,
welche nicht selten die Zelle selbst an Länge übertrifft und aus mit-
einander verklebten Wimpern besteht. Das Lumen der Zelle ist wegen
der Höhe der Zellen und der Länge ihrer Geißeln nur unbedeutend
(Taf. XX, Fig. 9 M.). Die Geißeln der benachbarten Zellen verkleben
miteinander und bilden gleichsam Zotten, welche in das Lumen der
Cloake hereinragen. Das Protoplasma der Epithelzellen ist stark
vacuolisiert und färbt sich ziemlich schwach; die Geißeln dagegen
werden, besonders von HEiDENHAiNschem Hämatoxylin, sehr intensiv
gefärbt. Die Zellen der Cloake sind meist sehr schlecht erhalten, obgleich
verschiedene Fixierungsmethoden angewendet wurden. Die Cloaken-
wandung wird durch kräftige Ringmuskeln gebildet (Taf. XX, Fig. 9 rM;
Taf. XXI, Fig. 19 r.H), denen sich einige Längsfasern {l.kl) anschließen,
und zwar namentlich am Hinterende der Cloake.
Was den Bau des sogenannten Rectums betrifft, welches genau
genommen einen Teil der bis zu den Nephridien von dem Mitteldarm
Die Aiiatoinic von Protoinv/Dstoiniiin ])()lyiicpliris Fedotov. 661
umgebenen Cloake ausmacht, so entsteht sein Epithel aus dem Epithel
der Cloake (Taf. XIX, Fig. 14 r), wobei die Zellen dieser letzteren
bei ihrem Eintritt in das Rectum immer niedriger werden und ihre
Wimpern nach vorn gerichtet sind. Im Epithel des Rectums sind die
Wimpern nur schwach entwickelt, während die Basalkörper meist
gut zu sehen sind.
Die Cloake ist nebst dem »Uterus << in einen dicken parenchymatösen
Überzug eingeschlossen (Taf. XX, Fig. 9, 14 bd.u), in dem nachstehende
Muskeln unterschieden werden können. Die Hauptmasse des Futterals
bilden Ringmuskelfasern; Längsfasern verlaufen von den ringförmigen
Fasern nach innen und nach außen und zwischen ihnen befindet sich
ein System sich kreuzender Muskeln. Nicht selten bilden die Ringmus-
keln die Grenze des parenchymatösen Überzuges gegen das Parenchym
des Körpers. Bei der Präparation löst sich die Cloake, dank diesem
Futteral, stets zusammen mit dem Uterus ab. Die Färbung des Darm-
kanales des lebenden Wurmes ist folgende: der Schlund ist weißlich, der
mittlere Teil des Darmrohres und die Wurzeln der Hauptäste weiß, die
Verzweigungen orangegelb und die Cloake rötlich-orangegelb gefärbt.
Die Unterschiede, welche zwischen Protomyzostomum und Myzo-
stomum in bezug auf ihren Darmkanal bestehen, sind folgende. Die
für die meisten Myzostomum- Arten charakteristische ventrale Lage
der Mund- und Cloacalöffnung. Es sind nur w^enige Ausnahmen be-
kannt, wo dieselben terminal gelegen sind, und zwar bei M. injlator Graff
(Graff 1883, 1884, 1887), M. murrayi Graff (1883, 1884, 1887), M.
■pentacrini Graff (1884), M. willemoesii, Graff (1887), 31. cysticolum
Graff (1883, 1884, 1887) (Mc.Clendon 1906), M. clarki (Mc.Clendon
1906). Protomyzostomum besitzt weder Papillen des Mundrandes,
noch Rüsselpapillen, wie sie bei den Vertretern der Gattung Myzo-
stomum häufig angetroffen werden. Unsrer Gattung fehlt eine für
Myzostomum charakteristische Bildung, und zwar der Rüssel nebst
Rüsselscheide. Ersterer besteht aus Wimperepithel, Bindegewebe und
Muskelfasern, und dem Bulbus musculosus (Graff 1877, Nansen 1885),
er ist in eine Scheide eingeschlossen und besitzt eine große Beweglich-
keit. Allein schon bei 31. asteriae bemerken wir eine starke Rückbildung
des Rüssels. Protomyzostomum besitzt weder einen Rüssel, noch eine
Rüsselscheide; als Erinnerung an diese Gebilde ist nur die geräumige
Mundhöhle zurückgeblieben, welche als ein Überrest der Scheide an-
gesehen werden könnte.
Der nmskulöse Schlund liegt unmittelbar im Parenchym, ähnlich
wie wir dies bei den Trematoden sehen.
4i*
662 D. Fedotov,
Unter den Myzostomiden besitzt nur M. asteriae (Stummer 1903)
einzellige Drüsen, welche in den hinteren Abschnitt der Rüsseltasche
einmünden und die man mit den oben beschriebenen Drüsen von
Protomyzostomum vergleichen könnte.
Der Bulbus musculosus von Myzostomum besitzt nur eine Ring-
schicht und regelmäßig angeordnete Bündel radialer Fasern; bei Proto-
myzostomum haben wir zwei Schichten von Ringmuskelfasern und die
radiären Fasern ^ind hier nicht so regelmäßig angeordnet, wie Graff
(1877) dies abbildet.
Für Myzostomum ist ein Eindringen von Muskelfasern zwischen
die Epithelzellen nicht vermerkt worden, wie es bei Protomyzostotnum
nachgewiesen worden ist. Dafür habe ich, wie schon oben bemerkt,
unter den Epithelzellen dieser letzteren Gattung die von Nansen (1885)
im Bulbus musculosus von Myzostomum beschriebenen langgestreckten
Sinneszellen nicht antreffen können.
Die bei Myzostomum zwischen dem Bulbus musculosus und dem
Magen vorhandene Klappe sowie ein Oesophagus fehlen bei Proto-
myzostomum. Der Mitteldarm (Magen) ist bei Protomyzostomum stark
in die Länge gestreckt und macht den größten Teil des Darmkanals
aus, während er bei Myzostomum kurz ist.
Die Seitenäste des Darmes sind bei Myzostomum meist in der Zahl
von zwei bis drei Paaren, selten bis zu fünf Paaren M. elegmis (Graff,
1877, 1883, 1884, 1887); M. rotundatum (Graff, 1883, 1884, 1887)
vorhanden.
Der Charakter des Darmkanales von Protomyzostomum erinnert
stark an die Verhältnisse bei Spinther, wie sie von Graff (1888) ab-
gebildet worden sind.
In den Wandungen des medianen Rohres von Myzostomum findet
sich nur Ringmuskulatur (Stummer 1903, Graff 1877,) zu welcher
Nansen (1885) noch eine radiale Muskulatur (Dilatatores) beschrieben
hat. Nur für M. cysticolum Graff hat Stummer kürzlich (1908) eine
äußere ringförmige und eine innere längsgerichtete Muslmlatur be-
schrieben, d. h. solche Verhältnisse, wie wir sie bei Protomyzostomum
kennen gelernt haben.
Die Unterschiede im Charakter der Epithelzellen auf der dorsalen
und ventralen Seite der Seitenäste, wie sie von den meisten Autoren
für Myzostomum vermerkt worden sind, habe ich bei Protomyzostomum
nicht finden können. Ebenso fehlt hier jene Übereinstimmung in der
Abzweigung der Darmäste und der Verästelungen der Leibeshöhle,
wie sie für Myzostomum (z. B. für M. asteriae, Stummer 1903) be-
Die Anatoink' von l'rotoinyzostoimiin [lolyiu'phris J'Vdotov. G03
schrieben worden ist. Für keinen einzigen Vertreter der Gattung
Myzostomum ist die Bildung von Auswüchsen an der Cloake beschrieben
worden, welche au die oben geschilderten erinnern würden. Ebenso
fehlt hier die Anhäufung von Hautdrüsen in der Nähe der Cloacal-
öffnung, wie sie weiter oben erwähnt worden ist.
Leibeshöhle iiud Geschlechtsorgane.
Der mediane Teil der Leibeshöhle oder des »Uterus «, wie er von
den Autoren bei Myzostomum bezeichnet worden ist, erstreckt sich
in Gestalt eines Rohres längs der Dorsalseite des Körpers, in dessen
Mitte, über dem Darmkanal; vermittels seiner seitlichen Fortsätze steht
er in Verbindung mit den geräumigen Bezirken der Leibeshöhle, welche
den Raum zwischen dem Darm und dem Parenchym ausfüllen. Dieser
mediane Teil tritt schon über der hinteren Hälfte des Schlundes auf
(Textfig. 2 ut), während die Verzweigungen der Leibeshöhle sich bis
an das vorderste Körperende des Tieres erstrecken. Diese anfangs
schmale Höhle nimmt nach hinten an Breite und Höhe zu. Von unten
wird sie durch den Darm begrenzt und gibt seitlich unsynunetrisch von
beiden Seiten auslaufende Seitenäste ab.
Deutlich ausgesprochene eigne Wandungen erhält sie annähernd
in den hinteren zwei Dritteln oder der hinteren Hälfte. Hier bestehen
seine Wandungen aus einem ziemlich hohen Epithel (Taf . XXII, Fig. 2
ep.ut), welches häufig an der oberen Seite niedriger ist (Taf. XXII,
Fig. 1 ep.ut), einer Membrana basilaris (Taf. XXII, Fig. 12 m.h) und
kräftigen Muskelfasern (Taf. XX, Fig. 9 m.ut), zwischen welche sich
das Parenchym erstreckt.
Dieser Teil der Leibeshöhle, oder des »Uterus«, steht von dem
Darme ab, welcher bis dahin seine untere Wandung dargestellt hat
(Taf. XX, Fig. 13 ut). Er steigt etwas zur Dorsalseite an und zwischen
ihm und dem Darm liegt eine Parenchymschicht, welche auf der Höhe
der Nephridien ihre größte Mächtigkeit erreicht (Taf. XX, Fig. 14 ut).
Auf der Höhe des vorderen Cloacalabschnittes zw^eigen die Nephridien
nach unten zu von ihm ab (Taf. XXI, Fig. 14 neph.).
Das bisher breite und hohe Lumen des »Uterus« beginnt jetzt
beträchtlich kleiner zu werden und die Wandungen des »Uterus«
werden flach. Der im Querschnitt viereckige (Taf. XXII, Fig. 2 ut)
»Uterus« nimmt oft eine halbmondförmige Gestalt an (Taf. XX,
Fig. 9 ut), indem er die Cloake von oben umfaßt. AVeiter nach hinten
nimmt der halbmondförmige »Uterus« die Gestalt eines engen Rohres
an, welches der Cloake dicht anliegt, so daß seine untere Seiten ein-
064 I>- Fedotov,
gedrückt werden (Taf. XXII, Fig. 1 ut.). Nicht weit von der Cloacal-
öffnung mündet der »Uterus« in die obere Cloakenwandung (Text-
fig. 2 ut.o.). In seinem hinteren Abschnitt hegt der »Uterus« der Cloake
nicht nur dicht an, sondern er erhält von ihr auch seine Ringmuskulatur
(Taf. XXII, Fig. 1 r.M).
GewöhnUch sind die Epithelzellen der oberen Uteruswand weniger
hoch als die Zellen der unteren Wandung. Wimpern habe ich nicht
finden können, allein die basalen Körperchen bleiben nicht selten
erhalten. Die mächtigen muskulösen Wandungen bestehen hauptsächlich
aus Ringmuskeln (Taf. XXI, Fig. 14; Taf. XXII, Fig. 2 rm.ut). Nur an
den Ecken des »Uterus« kann man Muskelfasern antreffen, welche eine
Längsrichtung aufweisen (Taf. XX, Fig. 9 m.ut).
Ein großer Teil der Verzweigungen geht von den vorderen zwei
Dritteln des »Uterus« ab. Hinter den Nephridien bildet der »Uterus«
keine Verzweigungen mehr. Die Zahl der Seitenäste variiert in Ab-
hängigkeit von dem Alter des Tiefes: bei größeren Individuen ist ihre
Zahl eine größere. Ihre Zahl und Anordnung zu beiden Seiten ein
und desselben Individuums weist keine Symmetrie auf, indem sie augen-
scheinlich infolge des Druckes der heranreifenden Eier gebildet werden.
In einigen Fällen begleiten sie die Seitenäste des Darmes (Taf. XXII,
Fig. 11 v.ut.), in andern verlaufen sie unabhängig von diesen. Ihre
Zahl beträgt 8 — 9, 11 — 17, 18 — 17. An lebenden Exemplaren sind
die Umrisse der Leibeshöhle mit ihren Verzweigungen deutlich zu
sehen, und zwar infolge der Menge der in ihren enthaltenen blaß-rosa
gefärbten Eier (Taf. XX, Fig. 13 ei; Taf. XXII, Fig. 3 ei), welche an
der dorsalen Oberfläche durchschimmern. Durch die Eier wird auch
die Felderung der Rückenfläche bei fixierten Exemplaren hervorge-
rufen. Die Umrisse des »Uterus« treten auf dem hinteren Drittel
des Körpers hervor (Taf. XIX, Fig. 3 a).
Die Gestaltung des Lumens und namentlich der Charakter der
Wandungen des hinteren Uterusdrittels sind sehr mannigfaltig. Ich
will hier einige Beispiele anführen, welche beweisen, daß die Entwicklung
des »Uterus« bei verschiedenen Individuen durchaus nicht in gleicher
Weise verläuft. Bei einem Exemplare sehen wir, wie breite, abgeplattete
Fortsätze hinter den Nephridien von den Wandungen des »Uterus«
abzweigen, welche mit ihren blindgeschlossenen Enden nach vorn ge-
richtet sind. Es zweigen auch Auswüchse in Gestalt enger Rohre ab,
welche an beiden Enden mit dem »Uterus « in Verbindung stehen. Stellen-
weise geht von der inneren Wandung des »Uterus« in dessen Höhlung
ein kleiner kompakter Fortsatz aus, welcher walzenförmig in die Uterus-
Dio Aiialomii' vun J'iotomyzostoinum [xilyiK'pln'i.s Fedotov. 665
höhle vorspringt und sodann frei in die Uterushöhle hineinragt, wobei
er sich von dessen Wandung entfernt, und nach der andern Wand des
»Uterus« hinübergehend sich mit dieser verbindet. Hier verläuft er
anfangs wiederum in Gestalt eines "Walles, um dann allmählich zu
verschwinden. Es entsteht auf diese Weise eine Art schmale Zwischen-
wand, welche von dem Uterusepithel, Parenchym und Muskelfasern
gebildet wird. In einigen Fällen ist ein solches walzenförmiges Gebilde
nicht kompakt, sondern hohl und tritt nicht auf die entgegengesetzte
Seite des »Uterus« über; wir haben dann ein dünnwandiges Rohr vor
uns. (Taf. XXII, Fig. 12 a, h, c). Die Bedeutung dieser Bildungen
habe ich mir nicht klar machen können. Bei einem zweiten Exemplar
sind solche walzenförmige Gebilde nicht vorhanden, dafür ist aber die
Uterushöhle an mehreren Stellen, so z. B. auf der Höhe des I. und
II. linken Nephridiums, durch eine breite Zwischenwand, welche Muskel-
fasern enthält, in zwei Teile geschieden (Taf. XXII, Fig. 2 ut). Die
Wandungen des hinteren Uterusabschnittes bilden symmetrische Falten.
Bei einem dritten Exemplar sind die Uteruswandungen nicht
faltig und gewunden, wie dies bei den zwei ersten Exemplaren der Fall
war, sondern glatt. Hinter den Nephridien zweigen bald rechts, bald
hnks, seitUch oder von der unteren Uteruswand, kleine zusammen-
gedrückte Kanälchen ab, welche an ihren beiden Enden mit der Uterus-
höhle in Verbindung stehen.
Am hinteren Ende des »Uterus«, kurz vor dessen Verbindung mit
der Cloake, entspringen zwei Auswüchse, welche in zw^ei runde, regel-
mäßig geformte Kanäle übergehen, von denen der linke sich in Gestalt
eines Siphons in einer Ausdehnung von etwa 360 a längs dem Uterus
hinzieht. Rechts verläuft der Kanal in einer Ausdehnung von 50 {.i,
worauf er mit der Uteruswand verschmilzt, sich auf einer Strecke
von 55« von neuem von ihr trennt und dami in die Uterushöhle ein-
mündet.
Auf Grund des Baues ihrer Wandungen können diese Kanäle
nicht als ein einfacher Abschnitt der Leibeshöhle angesehen werden,
sondern zeigen vielmehr Übereinstimmung mit Nephridialröhren,
wenn auch ihr Epithel nicht mit Wimpern versehen ist. Derartige
Kanälchen habe ich nur bei zwei Exemplaren angetroffen.
Bei einem vierten Exemplar finden sich im Uterus weder Aus-
wüchse, noch walzenförmige Bildungen; seine Höhle ist an einer Stelle
durch eine Zwischenwand in zwei Hälften eingeteilt (Taf. XXII,
Fig. 2 ut), dafür bilden aber seine ventralen und seine lateralen Wan-
dungen hinter den Nephridien starke Falten.
OGG D. Fedotov,
Es gibt auch iiocli andre Unterschiede, welche die Beziehungen
zwischen »Uterus << und Nephridien betreffen und weiter unten be-
sprochen werden sollen.
Unter den von mir untersuchten Protomyzostomum kann man
überhaupt mit Leichtigkeit eine Reihe Übergänge feststellen, von dem
glattwandigen »Uterus« mit einfachem Lumen bis zu einem an von
seinen Wandungen ausgehenden Auswüchsen, Schläuchen und walzen-
förmigen Bildungen reichen »Uterus << mit stark gefältelten Wandungen,
wobei das Lumen dieses letzteren Extrems stellenweise eine Zwei-
teilung erfahren kann. Häufig wird die grobe Faltenbildung der Uterus-
wandungen natürlich auf die Kontraktion des Tieres bei der Fixierung
zurückgeführt werden können.
In der Leibeshöhle (oder dem Uterus) liegen etwa an der vorderen
oder der hinteren Grenze des mittleren Drittels des Körpers an der
unteren Darmwandung die beiden unregelmäßig gestalteten Ovarien
(Textfig. 1, 2 ofi, ov^). Wir unterscheiden ein vorderes {ov'^) und ein
hinteres [ov"^) Ovarium, welche weit voneinander entfernt liegen. Sie
besitzen eine langgestreckte, unregelmäßige, mehr oder weniger gelappte
Gestalt und stellen, wie dies auch bei Myzostomum der Fall ist, eine
Anschwellung des peritonealen Epithels dar. In meiner vorläufigen
Mitteilung habe ich das Ovar irrtümlich als unpaar beschrieben. Diese
Ovarien entstehen nicht als streng lokalisierte Anlage, sondern sie sind
das Ergebnis der Wucherung und Verschmelzung einer unbestimmten
Anzahl von Anschwellungen des Peritoneums , welche sowohl paar-
weise zu beiden Seiten des Darmes (Taf . XXI, Fig. 13 ov.), wie auch
unpaar an dessen oberen Wandung auftreten (Taf. XXI, Fig. 12 ov.).
Mit fortschreitendem Wachstum verschmelzen diese Anschwellungen
untereinander und bilden zwei Ovarien, eine Zahl, welche bei Proto-
myzostomum am häufigsten beobachtet wird. Das Nichtvorhandensein
einer strengen Lokalisierung der Ovarialanlagen geht daraus hervor,
daß bei ein und demselben Individuum das eine Ovar paarig, das
andre unpaar, und zwar auf der Mitte des Darmes liegend, vorhanden
sein kann. Eine Regelmäßigkeit in der Anordnung der Ovarialanlagen
ist nicht zu bemerken.
Neben Individuen mit zwei Ovarien habe ich auch solche ange-
troffen, welche fünf kleine Ovarien besaßen: ein erstes unpaares, me-
dianes, ein zweites links vom Darm, ein paariges drittes und viertes
und ein fünftes unpaares, medianes.
Ein andres großes Exemplar besaß hnks fünf, rechts drei Ovarien
und eine lange mediane Ovarialanlage oder Gruppen von Anschwel-
Dil' Analoiiik' \on l'rotomy/.nstoiuuin |)()lyiu'i)luis l*\'dotov. 667
limgen. Mit eiiieiu Worte, die Ovarien weisen bei Protofm/zostotnum
einen ditfusen Typus au£ und zeigen mehr iUmlichkeit mit denjenigen
der Polychäten.
Wie dies bei Myzostomum der Fall ist, so konnte ich auch hier
Oogonien, größere Zellen und kleinere "accessory cells" (Wheeler
1894, S. 178) nachweisen. Augenscheinlich bilden die Oogonien auch
hier mit den "accessory cells" die für Myzostomum erstmals durch
AVhkklek (1890, 8.233) beschriebenen "triplet cells". Auf den Ab-
bildungen {Tai. XXI, Fig. 12 u. 13) sind diese Details wegen der ge-
ringen Vergrößerung nicht zu sehen.
Diese Zellen reißen sich augenscheinlich ebenfalls von den Ovarien
los, befestigen sich an den Wandungen der Leibeshöhle (Taf. XXI,
Fig. 12 oo) und gelangen hier zur Reife, worauf sie frei in der Leibes-
höhle {Ih.) umherschwimmen (Taf. XX, Fig. 13, 14; Taf. XXII, Fig. 3 ei).
Bei großen Individuen erfüllen die Eier in großer Anzahl die Leibes-
höhle (Taf. XXI, Fig. 15 ei), wobei sie zum Teil den Darm rein mecha-
nisch zurückdrängten, während bei jüngeren Individuen der Darm
einen größeren Raum eimiinnnt und die Leibeshöhle beinahe gar keine
Eier enthält (Taf. XX, Fig. 11 Ih.).
In dieser Beziehung habe ich die Angaben von Stummer (1908,
S. 21 — 22) nicht bestätigen können, wonach bei größeren Individuen
der Gattung Myzostomum der Darm eine stärkere Entwicklung auf-
weist, da die Mengen der in der Entwicklung begriffenen Eier eines
energischeren Stoffwechsels bedürfen.
Die männlichen Geschlechtsorgane liegen beiderseits in Gestalt
stark verästelter Hoden (Textfig. 1 1) an der oberen, dorsalen Körper-
seite, oberhalb der weiblichen Geschlechtsorgane, wobei sie sich (Text-
fig. 2 t; Taf. XXII, Fig. 4 t) auf die Epidermis stützen. Zu beiden
Seiten des Körpers, über dem III. Parapodienpaare und unterhalb
des III. Paares von Seitenorganen, liegen die kleinen spaltförmigeu
Ausmündungen (Taf. XXI, Fig. 1 cf .0) der Geschlechtsorgane. Jede
Spalte führt in einen kurzen Ductus ejaculatorius (Taf; XXII, Fig. 6 d.ej),
welcher durch eine Einstülpung des Körperinteguments gebildet wird.
Der Ductus geht in eine birnförmige Vesicula seminalis über (Taf. XXII,
Fis. 7 V.S.), von der nach vorn und nach hinten ein vorderes und ein
hinteres ziemlich breites Vas deferens ausläuft (Textfig. 1 ; Taf. XXII,
Fig. 7 v.d.). Letztere verzweigen sich stark dendritisch, und bilden
eine Menge von Vasa efferentia (Taf. XXII, Fig. 4 v.ef), welche ihrer-
seits in die Follikel der Testes {t) übergehen. Mit einem Worte, man
wii-d die männlichen Geschlechtsorgane von Protomyzostomum, von
668 D. Fedotov,
deren besonderen Eigenheiten weiter unten die Rede sein wird, auf
den Typus des »verzweigten Hodens« beziehen können, d. h. einen
der drei von Stummer (1908) für die Myzostomum-Aiten aufgestellten
Hodentypen.
Der Penis ist verkümmert und besitzt die Gestalt einer durch das
Körperepithel gebildeten Saugwarze (Taf . XXII, Fig. 6, 7 p); er er-
scheint als eine bloße Andeutung auf einen Penis und ist häufig gar
nicht zu bemerken, was mit dem Zustande der Muskeln beim Fixieren
zusammenhängt.
Die Hodenfollikel bestehen aus Gruppen von Keimepithel oder
Spermatogonien (Taf. XXII, Fig. 5 sp.g) und einer Tunica propria (t.p).
Indem die Zellen sich teilen, ergeben sie Spermatocyten I. und II. Ord-
nung; andre Zellen, als die Keimzellen habe ich in den Follikeln nicht
beobachtet. Schon in den basalen Abschnitten der Vasa efferentia
sind die heranreifenden Spermatozoen zu Gruppen vereinigt, welche
in den Waben liegen, während die Kerne der diese Waben bildenden
Zellen wandständig liegen (Taf. XXII, Fig. 4 v.ef). Wenn wir zu den
Vasa deferentia übergehen, finden wir in ihnen bereits echte epitheliale
Wandungen mit großen hellen Kernen. Bündel von Spermatozoen
liegen in den Maschen des Protoplasmas, in deren Knotenpunkten
Kerne angeordnet sind. Außerdem liegen zwischen ihnen und wand-
ständig Gruppen von kleinen Zellen mit kleinen dunklen Kernen.
Es ist wohl möglich, daß diesen Zellen die Bedeutung von Nährzellen
zukommt.
Ähnliche Zellen finden sich auch bei Myzostomum, allein Stummer
(1903, S. 583) hält sie hier für »degenerierte, unentwickelte Spermato-
yten«. Dies ist indessen wohl kaum der Fall, indem sie sonst nicht
nur vom Vas deferens angefangen, sondern auch in den kleinen Ver-
ästelungen der Vasa efferentia angetroffen werden müßten, was ich
nicht feststellen konnte. Außerdem sind ihre Kerne bedeutend kleiner
als die Kerne der Spermatocyten. Die Hauptäste der Vasa deferentia
besitzen in ihrer Wandung außer dem eignen Epithel auch noch Muskel-
fasern, welche in der Längs- und Querrichtung des Ganges verlaufen.
Ihr Epithel wird in der Nähe der Vesicula seminalis höher und die Zahl
der oben erwähnten Zellen zwischen den Spermatozoengruppen
wächst an.
Es muß hier bemerkt werden, daß in den feineren Verästelungen
des Ganges, so z. B. in den Vasa efferentia, ein eigentliches Lumen
fehlt. Es sind dies eher Teile des Hodens, welche aber funktionell als
ausführende Gänge tätig sind. Man wird sich vorstellen können, daß
Die Auutüinic von rrotoinyzostoimiin iHjlyiiciiliris Fedotov. 669
die Spermatozoeu bei fortschreitender Entwicklung und Teilung der
»Sperniatügonien sich in dichter Masse fortbewegen bis sie das Lumen
der Vasa deferentia erreichen. Die Vesicula seminalis besteht aus
großen P^pithel/^ellen mit großen hellen Kernen, einer Membrana basi-
laris und sich kreuzenden Muskelfasern, welche der Länge nach und
ringförmig verlaufen.
Das Plasma der Zellen der Vesicula seminalis oder deren Aus-
scheidungsprodukte umfassen die 8permatozoengruppen in Gestalt
eines Netzes, indem sie dieselben offenbar zu Klumpen verkleben (wie
dies für Myzostomum von Semper 1858, S. 56 und Graff 1877, S. 61
bis 62 beschrieben worden ist).
Durch den kurzen, von dem eingestülpten Körperepithel gebil-
deten Ductus ejaculatorius (Taf. XXII, Fig. 6 d.ej) mündet die Vesicula
seminalis nach außen. Ein beweglicher einstülpbarer Penis fehlt bei
Protomi/zostomum, und dieser hat die Gestalt einer kleinen Saugwarze.
Das Vorhandensein des Parapodiums und des Seitenorganes mit deren
Muskeln oberhalb und unterhalb der Ausführgänge der männlichen
Geschlechtsorgane erschwert das Auffinden der Muskulatur dieser
GänjTe. Doch gelingt es Muskelbündel, welche wahrscheinlich als
Dilatatores und Retractores dienen, wie auch auf der Peripherie des
Ausführganges verlaufende Bündel, d. h. einen Sphinkter, aufzufinden.
Für gewöhnlich sind die Spermatozoenballen um ein etwas wabiges
Plasma herum angeordnet (Taf. XXII, Fig. 8), in welchem w^ir, indessen
bei weitem nicht immer, kleine Kerne antreffen. Diese Kerne färben
sich intensiv und besitzen häufig ein unregelmäßiges zerkmttertes
Aussehen (Taf. XXII, Fig. 8 k.cy). Mit einem Worte, wir haben es mit
einem Gebilde zu tun, welches einem Cytophor ähnlich sieht. Bei
Färbung mit DELAFiELDschem Hämatoxylin und Nachfärbung mit
Eosin oder bei Färbung nach Giemsa tritt dieses Plasma sehr deutlich
hervor. Seine Bildung verdanlvt es miteinander verschmolzenen Über-
resten des Plasmas von Spermatocyten, wobei man zu Beginn der
Streckung des Kernes und der Verwandlung der Spermatiden in Sperma-
tozoen das Plasma der Zellen erkennen kann, welches sich im Centrum
einer Gruppe zukünftiger Spermatozoen ansammelt. Anfangs sind
auch die Grenzen der Zellen noch zu sehen, welche gegen das Ende der
Spermatozoenbildung verschwinden. Setzt man voraus, daß eine der
Spermatiden sich nicht in ein Spermatozoon verwandelt und in der
Gruppe dieser letzteren zurückbleibt, so haben wir damit eine Er-
klärimg für die Anwesenheit eines Kernes in dem von Spermatozoen
umgebenen Plasma.
ßYQ D. Fedotov,
Die lebenden Spermatozoen sind in Seewasser unbeweglich; sie
besitzen einen langen, fadenförmigen, an seinem vorderen Ende leicht
zuo-espitzten Kopf (etwa 45 /< Jjänge) und einen diesen letzteren an
Länge um das dreifache übertreffenden Schwanzteil (Taf. XXII, Fig. 9).
An gefärbten Spermatozoen kann man in dem Kopfe Chromatin-
körnchen bemerken (Taf. XXII, Fig. 10 ch), welche in zwei Reihen
längs dieses letzteren angeordnet liegen. Ihre Anzahl läßt sich sehr
schwer feststellen; sie ist offenbar nicht beständig und schwankt in
der Nähe von 20 in jeder Reihe. Indem man die Entwicklung der
Spermatozoen verfolgt, kann man bemerken, wie sich das Chromatin
des Spermatidenkernes allmählich in die Länge streckt und in langen
Stäbchen anordnet, deren es anfangs auf dem Querschnitt durch die
Spermatide vier sein können; bei erwachsenen Spermatiden dagegen
zerfallen diese Stäbchen in einzelne Klümpchen, welche in zwei Reihen
längs des Kopfes angeordnet liegen.
Die Entwicklung der Spermatozoen bei Myzostomum ist von
Semper (1858) und Mc.Clendon (1906) beschrieben worden; hiernach
sind bei dem unreifen Spermatozoon von M. ja-ponicum (Taf. XVII,
Fig. 31 — 34) zwei Reihen von Chromatinkörperchen vorhanden, während
das reife Spermatozoon, wie dies schon von Wheeler (1897) nach-
gewiesen worden ist, nur eine Reihe von Chromatinkörperchen besitzt.
Ich habe zwei Reihen von Chromatinkörperchen in Spermatozoen
von Protomyzostomum gesehen, welche sich in der Nähe der Ausmün-
dungsöffnung befanden und wohl kaum unreif waren. Diese beiden
Reihen von Chromatinkörperchen in dem Kopf eines Spermatozoons
habe ich besonders deutlich auf Trockenpräparaten gefunden, die nach
GiEMSA in der für die Malariaparasiten üblichen Weise gefärbt waren
(Taf. XXII, Fig. 10 ch). Auf solchen Präparaten liegen die Spermato-
zoen einzeln und nicht zu Bündeln versammelt, und hier tritt ihr
Bau deutlicher zutage.
Leider ist es mir nicht gelungen mit Hilfe der Färbung nach Biondi
nachzuprüfen, ob diese Klümpchen von Chromatin herstammen, wie
dies die meisten Autoren für Myzostomum annehmen, oder ob sie auf
Kosten des Nebenkernorganes entstehen, wie Retzius (1910, S. 67 — ^69)
dies annimmt.
Nach den Angaben dieses Autors ist das eigentliche Chromatin
im Kopf des Spermatozoons von Myzostomum in Gestalt eines seitlich
in der Ausdehnung eines Drittels der Spermatozoenlänge verlaufenden
Streifens angeordnet. Der letztgenannte Autor hat zu dieser Fest-
stellung die neuesten Methoden angewandt, wie die BiONDische Färbung
Dir Anatomie von Trotonivzostoinuin iinlyncjihris Fedotov. 671
auf Chroniatin. so daß wir mit seinen Angaben zu rechnen haben. Ich
beabsichtige mich späterhin unter Anwendung der modernen Methoden
speziell mit der Spermatogenese von Protomijzostomum zu beschäftigen,
welches ein sehr passendes Objekt für diese Zwecke darstellt.
Die Unterschiede, welche im Bau der Leibeshöhle und der Ge-
schlechtsorgane zwischen Protomyzostomum und Mijzostomiim bestehen,
sind nachstehende.
Die Leibeshöhle ist bei unserem Wurm umfangreicher, als dies bei
verschiedenen Vertretern der letzteren Gattung beobachtet worden ist;
die Zahl der Seitenäste des »Uterus« entspricht nicht der Zahl der
Hauptäste des Darmes, indem ihrer häufig mehrere sind als letztere.
Außerdem fehlt jene Übereinstimmung zwischen der Abzweigung dieser
Aste untereinander, wie dies z. B. für Myzostomum asteriae von Stum-
mer beschrieben wurde, wo je ein Ast der Leibeshöhle einen Ast des
Darmes begleitet. Die Zahl der Hauptäste des »Uterus << beträgt bei
dieser Art z. B. nur zwei.
Das Uterusepithel ist bei Myzostomimi ein Flimmerepithcl (Stum-
mer 1903; Nansen 1885), ein Pseudoepithel aus Bindegewebszellen
befindet sich auf den Seitenästen (Stummer 1903) ; bei Protomyzostomum
besitzt der »Uterus« nur in seiner hinteren Hälfte einen epithelialen
Belag. Für Myzostomum ist von den Autoren eine Bildung von Vor-
sprüngen und Zwischenwänden durch die Uterus wand, wie wir sie bei
Protomyzostomum kennen gelernt haben, nicht signalisiert worden.
Was die Ovarien betrifft, so sind dieselben bei Myzostomum mehr
lokalisiert, und stellen paarige Organe dar. In der Zahl von einem
oder zwei Paaren liegen sie in Gestalt von mehr oder weniger gelappten
Anschwellungen des peritonealen Epithels zu beiden Seiten dorso-
lateral oder latero-ventral vom Darme (Wheeler 1896, Mc.Clendon
1906, Nansen 1885, Maidl 1910). Allein auch hier ist ein Fall bekannt,
wo nur ein einziges, unpaares Ovarium vorhanden ist, und zwar bei
M. fischeri (Wheeler 1904).
Für die Gattung Myzostomum ist die dorsale Lage der weiblichen
Geschlechtsorgane über dem Darm, und die ventrale Lage der männ-
hchen Organe unter dem Darm charakteristisch. Im Gegensatz hierzu
nehmen bei Protomyzostomum, worauf ich auch schon in meiner vor-
läufigen Arbeit hingewiesen habe, die männUchen Geschlechtsorgane
eine dorsale Lage über dem Darm ein. Nur bei M. helU nnd M. cry-
ptopodn (Wheeler 1896, Stummer 1910) liegen die Hoden, wie bei
Protomyzostomum, auf der Dorsalseite, aber die weibHchen Organe
haben eine ventrale Lage unter dem Darm. Es besitzt demnach
672 ^- Fedotov,
kein einziger Vertreter der Gattung Mystozomum eine solche Lage,
wie wir sie bei Protomyzostomum antreffen.
Für gewöhnlich besitzt Myzostomum einen wohlentwickelten, ein-
stülpbaren Penis, welcher bei Protomyzostomum im Zusammenhang
mit der entoparasitischen Lebensweise eine Reduktion erfahren hat.
Ebenso fehlt hier ein zweiter Sphinkter, wie ihn Graff (1877) am
Anfang des Ductus ejaculatorius für Myzostomum beschreibt, allein
ein solcher fehlt auch bei M. asteriae (Stummer 1903).
Die einen Autoren beschreiben für verschiedene Myzostomum-
Axten eine Tunica propria der Hoden (Graff 1877), andre leugnen
eine solche (Stummer 1903 für AI. asteriae). Bei Protomyzostomum ist
diese Tunica propria vorhanden. Nach Stummer (1903) besitzt M.
asteriae in den Wandungen der Vasa deferentiae keine Muskelfasern,
wie sie bei Protomyzostomum wohl entwickelt sind. Meist finden sich
in dem Kopfteil des Spermatozoons der Myzostomum- kxten nicht zwei
Reihen von Chromatinkörperchen, wie dies bei Protomyzostomum der
Fall ist, sondern nur eine Reihe und in dieser sind viel mehr solcher
Körperchen enthalten. Kein einziger der Autoren hat bei Myzostomum
ein Cytophor beschrieben und nur Nansen (1885) spricht, wenn auch
ohne Bestimmtheit die Annahme aus , daß die Kerne der in der Nähe
der Spermatozoen liegenden Zellen (S. 56, Taf. VIII; Fig. ^ A, h, e, s)
Cytophoren angehören könnten; allein aus seinen Abbildungen geht
nicht hervor, daß diese Zellen in der Tat Cytophore darstellen.
Wie bekannt haben zuerst Beard (1884) und nach ihm Stummer
(1903) die Vermutung ausgesprochen, daß der sogenannte Uterus
Cölom ist, welches an der Bildung nicht nur der weiblichen, sondern
auch der männlichen Geschlechtsorgane Anteil nimmt. Späterhin ist
diese Vermutung von Maidl (1910) bestätigt worden, welcher den
Uterus als Eier.-ack bezeichnet. Dieser Autor gibt an, daß bei der
Entwicklung die Vesiculae seminales als ein Cölombezirk mit Epithel
angelegt werden, welcher durch Wucherung auf die Vasa deferentia,
die Vasa efferentia und die Testes übergeht, wobei die beiden ersteren
ein Epithel erhalten, während die Testes nur aus Keimzellen bestehen.
Von der kompakten Anlage der Vesiculae seminales verlaufen Veräste-
lungen in das Parenchym, aus welchen dann die verästelten Testes
des erwachsenen Tieres hervorgehen.
Ich schließe mich der Auffassung vollauf an, wonach die männ-
lichen Geschlechtsorgane von Myzostomum einen Bezirk der Leibes-
höhle darstellen, und halte dieselbe auch für Protomijzostomum für gültig.
Ich habe ebenfalls beobachten können, daß bei jungen Individuen (von
Die Anatomie von l'rotomyzostoinuni |)olyncphris Fedotov. 673
1 mm Länge) /Aierst gerade die Vesiculae seminales zur Bildung ge-
langen, wie dies von Maidl für Mijzostomum beschrieben worden ist.
Nur kann bei Protomyzostomum wegen der dorsalen Lage der Hoden
nicht von einer Entwicklung der männlichen Geschlechtsorgane aus
einem ventralen Bezirk der Leibeshöhle die Rede sein, wie dies für
Myzostomum mitgeteilt wurde (Stummer 1903).
Alle von mir untersuchten Exemplare von Protomyzostomum waren
Hermaphroditen, doch waren die männlichen und weiblichen Geschlechts-
organe bei ihnen in sehr verschieden hohem Grade entwickelt. Bei
Exemplaren von etwa 1 mm Länge fand ich bereits Anlagen von Ova-
rien wie auch von Hoden. Allein die männlichen Geschlechtsorgane be-
ginnen bei ihnen früher zu funktionieren.
Ich schließe mich der Auffassung von Wheeler an (1896), daß
Myzostomum einen protandrischen Hermaphroditen darstellt, wie dem-
nach auch Protomyzostomum, wofür auch spätere Studien sprechen. Es
scheint mir, als bedürfe die Feststellung von >> complemental males<<
Beards (1884) bei den Myzostomum- Alten noch einer Bestätigung,
weshalb es meiner Ansicht nach etwas voreihg erscheint, die von Smith
aufgestellte "Theory of Dwarf Males cirripedia" auf die geschlecht-
lichen Verhältnisse bei Myzoston^um anzuwenden, wie Coventry (1910)
dies getan hat.
In der Leibeshöhle findet man gewöhnlich zwischen den Ovarien
oder etwas hinter denselben Bildungen von unbestimmter Gestalt,
welche aus einer Anhäufung von Zellen mit einer Menge gut färbbarer
Kerne bestehen. Die Zellen sind miteinander verschmolzen, wobei
sie Vacuolen bilden, in denen degenerierte Eier und Spermatozoen
angetroffen werden. Die Bedeutung dieser Gebilde beabsichtige ich
später klar zu stellen. Ich will hier nur hinzufügen, daß auch die
"subectodermal testes" von Nansen (1885, S. 79) schließlich zusammen
mit den in ihnen zur Bildung gelangenden Spermatozoen in dieser
Zellenanhäufung degenerieren und keinen lebensfähigen Samen her-
vorbringen.
Nephridien.
Die Nephridien bestehen bei Protomyzostomum aus einem Kanal
(240—270 /t Länge) mit Wimperzellen (Taf. XXI, Fig. 14 neph.), welcher
durch ein Nephrostom (nephs.) in den »Uterus« mündend, abwärts
nach der Cloake verläuft, in deren vorderem Abschnitt er vermittels
eines Nephroporus (nephp.) einmündet. Diese Kanäle nenne ich Ne-
phridien, indem ich mich an die für Myzostomum angenommene
674 D- Fedotov,
Terminologie halte, obgleich man jedenfalls nur für einen Teil echter
Nephridien ansehen könnte. Erst die Zukunft wird ihre morphologische
Bedeutung aufklären.
Der Nephridialkanal ist meist etwas gewunden, im Querschnitt
fast rund (Taf. XXII, Fig. 11). Seine Wandungen bestehen aus cylindri-
schen Zellen {ep.neph.) (von etwa 15 /t Länge), welche auf einer Membrana
basilaris (m.b.) sitzen und deren lange Wimpern zu einem Plättchen
verklebt sind. Indem die Wimpern benachbarter Zellen längs der
Mitte des Kanals herabhängen, verkleben sie miteinander. Von be-
sonderer Länge sind die in der Höhlung der Cloake hereinragenden
Wimpern des Nephroporus (Taf. XXII, Fig. 16 c).
In dem oberen Schenkel des Nephridialkanales sind die Wimpern
der Zellen nach dem »Uterus« hin gerichtet (Taf. XXII, Fig. 14), in dem
unteren Schenkel dagegen in umgekehrter Richtung, nach der Cloake
zu. Die Kerne der Zellen sind rundlich-oval und enthalten zahlreiche
kleine Chromatinkörnchen.
Auf den Wandungen der Nephridien verlaufen Längs- und Ring-
muskelfasern (Taf. XX, Fig. 15 m.nepli.), deren Verlauf ein etwas
diagonaler ist. Die diagonale Anordnung der Muskelfasern in den
Nephridienwandungen ist an den Enden der Nephridien deutlich zu
sehen (Taf. XX, Fig. 16 7n.neph.). Der Nephridialkanal geht vom
unteren Winkel des »Uterus << aus, verläuft dann nach unten und mündet
nach schwacher Krümmung seitlich oder vom unteren Winkel der
Cloake aus in letztere ein. Nicht selten ist das Nephridium nach vorn
oder nach hinten gebogen; außerdem kann es nicht direkt vertical
nach unten, sondern nach vorn oder hinten geneigt den »Uterus«
verlassen. Auf Querschnitten durch Protoynyzostomwm finden wir
daher nicht selten den ganzen Nephridialkanal nicht im Längs-
schnitt, sondern entweder den Nephroporus und das Nephrostom ohne
Verbindung miteinander (Taf. XX, Fig. 14 neph.), oder nur die obere
oder nur die unteren Schenkel des Nephridiums. Es sind mehrere
Paare von Nephridien vorhanden (Textfig. 2 neph.) (Taf. XIX,
Fig. 14 neph. — • in dem Frontalschnitt), welche aufeinanderfolgen,
wobei eine Symmetrie in ihrer Anordnung auf beiden Seiten meist
nicht zu bemerken ist.
Seltener entspringen zwei Nephridien gleichzeitig auf einer Seite;
dann befindet sich innen ein kürzeres, welches von außen von einem
längeren umbogen wird. Ebenso wie beträchtliche Unterschiede im
Charakter der Wandungen der Cloake und des »Uterus« bestehen,
welche bald glatt, bald stark gefältelt sind, mit einfachem Lumen oder
Die Anatüini<' von Proloiiiyzostoinuiii polyncphris Fedotov. 675
Vorsprängen, chcn^o l'imlcu wir auch verschiedene Verhältnisse zwischen
den NephriditMi und der Cloake und dem »Uterus«.
Typisch ist die uiunittelbare Abzweigung des Nepliridiums von
einer Ecke des »Uterus« und dessen Einmündung in die Cloacalhöhle
(Taf. XXI, Fig. 1-i). Man trifft indessen auch Individuen an, bei
denen der »Uterus« einen in das Parenchym eindringenden Auswuchs
abgibt, von dem dann erst ein oder mehrere Nephridien ausgehen
(Taf. XX, Fig. 14 a.ut.). Bisweilen steht dieser Fortsatz an mehreren
Stellen, entsprechend einem jeden Nephridium, in Verbindung mit dem
»Uterus«, wobei diese Verbindung hinter dem Nephridium verloren geht.
Die "Wandungen des »Uterus«, von wo die Nephridien ausgehen,
sind entweder glatt oder sie bilden eine Menge kleiner Falten. Nicht
selten bildet die Uteruswand vor dem Nephrostom eine in die Uterus-
höhlung hereinragende Verdickung (Taf. XXI, Fig. 14 vd.ut.). Ebenso
kann der Nephroporus des Nephridialkanales entweder direkt in die
untere Cloacalecke einmünden (Taf. XXI, Fig. 14 neph.p), oder aber mit
jenen Vorsprüngen der Cloacalhöhle in Verbindung stehen, welche von
der Cloacalwand ausgehen (Taf. XX, Fig. 14 a.kl). Dabei gehen bei ein
und demselben Individuum die einen Nephridien unmittelbar von der
Uterushöhle aus und verlaufen in die Cloake, andre dagegen entspringen
von ihren Fortsätzen aus und münden wiederum in diese oder in die
Cloaken selbst.
Das für Protomyzostomum typische Verhalten ist ein einfacher
Nephridialkanal. Seltener finden wir eine Verzweigung der unteren
Schenkel des Nephridiums in zwei Aste, d. h. ein Nephrostom und zwei
Nephroporen. Eine Symmetrie in der Anordnung der Nephridien
auf beiden Seiten ist, worauf ich schon hingewiesen habe, nicht vor-
handen: die Nephridien der einen Seite entspringen unabhängig von
denen der anderen Seite. Die Zahl der Nephridien ist bei den einzelnen
Individuen und auf beiden Seiten eine verschiedene, was durch nach-
stehende Beispiele erläutert wird. 1) Protomyzostomum von 1,6 mm
Länge, 0,7 mm Breite — ein Paar Nephridien; 2) 5 mm Länge, 2,5 mm
Breite — rechts 4, links 4; 3) 5,4 mm Länge, 3 mm Breite — rechts 4,
hnks 4; 4) 19 mm Länge, 12 mm Breite — rechts 7 (ein unvollkommenes),
links 4 Nephridien (1 mit zwei Nephroporen); 5) 25 mm Länge, 13 mm
Breite — rechts 3, links 2 Nephridien; 6) 25,1mm Länge, 15,1mm
Breite — rechts 5, hnks 6 Nephridien; 7) 25,9 mm Länge, 16 mm Breite
— rechts 3, hnks 3 Nephridien.
Abgesehen hiervon habe ich bei verschiedenen Individuen neben
vollkommenen Nephridien auch unvollkommene angetroffen. Ein
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CIX. Bd. 45
676 ^- Fedotov,
derartiges Nephridium bestand aus einem blindgeschlossenen Rohre,
welches entweder einen Nephroporus oder ein Nephrostom besitzt.
Sein bhndgeschlossenes Ende verläuft sich im Parenchym, welches die
Cloaken und den »Uterus << umgibt. Es werden Exemplare angetroffen,
bei denen von dem »Uterus« zur Cloake Fortsätze ausgehen, welche
an ein noch nicht ausgebildetes Nephridium erinnern (Taf. XXII,
Fig. 3 a.ut). Wir wissen, daß Wheeler (1896) bei Myzostomum belli
Nephridien mit nur einem Nephroporus angetroffen hat. Derartige
Fälle lassen sich bisweilen durch den Verlust einiger Schnitte aus einer
Serie erklären, in anderen Fällen aber haben wir es augenscheinlich
entweder mit einer Degeneration oder noch eher mit einem noch
nicht ausgebildeten Nephridium zu tun. Mit einem Worte, die Un-
beständigkeit in der Zahl der Nephridien bei Protomyzostomum läßt
sich auf zweierlei Weise erklären: entweder wir haben es mit Alters-
veränderungen zu tun, deren Aufeinanderfolge indessen noch nicht
festgestellt ist, oder aber wir haben Organe von selbständigem Charakter
vor uns und ihre Zahl ist eine unbestimmte.
Ich habe bei kleinen Individuen von etwa 1 mm Länge entweder
ein Paar sehr kleiner, schlecht ausgebildeter, sich von dem umgebenden
Gewebe nur undeutlich abhebender Nephridien, oder aber ein Paar
noch gar nicht ausgebildeter Nephridien angetroffen. In dem Gewebe,
welches augenscheinlich an der Entwicklung des »Uterus« beteihgt
ist, geht eine Differenzierung vor sich: die Zellen begrenzen die Höh-
lung des künftigen Nephridiums, indem sie sich wandständig anordnen.
Dieser Gang wächst in die Länge und nimmt nach und nach seinen
definitiven Charakter an. Bei größeren Individuen können wir bereits
drei Paare von Nephridien antreffen, obgleich dieselben noch nicht
definitiv ausgebildet sind.
Durch diese meine Beobachtungen wird die von Maidl (1910)
ausgesprochene Ansicht bestätigt. Dieser Autor hatte eine Überein-
stimmung in den Anlagen der Leibeshöhle (Uterus) und der Nephridien
bei Myzostomum festgestellt und sprach die Vermutung aus, daß letztere
auf Kosten des Cöloms entstanden seien. Eine solche Annahme scheint
mir auch für Protomyzostomum durchaus bestätigt zu sein. Die Details
in der Bildung der Nephridien habe ich indessen bei diesem Wurm
einstweilen noch nicht verfolgen können. Es ist unbedingt erforderhch
Versuche mit Injektionen anzustellen, um die physiologische Funktion
dieser Organe festzustellen. Meine diesbezüghchen Versuche miß-
langen, indem die mit ammoniakalischem und Indigocarmin injizierten
Würmer rasch zugrunde gingen. Auch für Myzostomum bedürfen die
Die Anatomie von l'i'oloMiy/.ostoniuin polyncjiliris Fedotov'. 077
Nephridieu weiterer Versuche mit Injektionen, da auch ilire Funktion
noch nicht sicher festgestellt worden ist. Es ist sehr wahrscheinlich,
daß sie nur zur Wegschaffung der überflüssigen iSperniatozoen und
Eier dienen. Beides haben verschiedene Autoren denn auch in den
Nephridien von Myzostomum angetroffen. Bekanntlich sind Nephri-
dien bei Myzostomum zuerst von Wheeler und Beard nachgewiesen
worden; die beste histologische Beschreibung derselben finden wir bei
Stummer, und zwar für M. (isteriae. Der mittlere Abschnitt der Nephri-
dien von M. (isteriae Stummer unterscheidet sich in bezug auf den Bau
seiner Wandungen in keiner Weise von den beiden andern Abschnitten,
so daß wir auch hier keinen drüsigen Abschnitt antreffen, der ein not-
wendiges Element für jedes Nephridium darstellt. Erst kürzlich hat
Stummer (1908, S. 20, fig. 8, 10) für eine Myzostomum- kit, M. cysti-
colum, eine Endblase mit deutlichem Drüsenepithel und ohne Wimpern
beschrieben; es muß jedoch bemerkt werden, daß die betreffende Aus-
beute von einer antarktischen Expedition stammt, und daß daher
nicht auf einen guten Erhaltungszustand gerechnet werden kann.
Das wichtigste Merkmal, welches Protomyzostomum von Myzo-
stomum unterscheidet, ist das Vorhandensein mehrerer Paare von Ne-
phridien; es ist dies zweifellos ein ursprüngliches Merkmal. Wir wissen,
daß Myzostomum nur ein Paar von Nephridien besitzt, welches dazu
noch häufig einen gemeinsamen Nephroporus oder ein gemeinsames
Nephrostom besitzen (Wheeler 1896). Die Nephridien treten bei
Myzostomum gew^öhnlich in Gestalt ziemlich langer, schlauchförmiger
Röhren auf, welche horizontal verlaufen, so daß der Nephroporus im
Vergleich mit dem Nephrostom beträchtlich weit nach hinten ver-
schoben ist. Beide heben sich undeutlich von den umgebenden Geweben
ab, weshalb sie auf Schnitten leicht übersehen werden können. Ihre
histologische Differenzierung steht auf einer etwas niedrigeren Stufe,
als bei Protomyzostomum. So befinden sich bei M. asteriae in ihren
Wandungen nur Ringmuskelfasern.
Muskulatur und Bindegewebe.
Die Muskulatur ist bei Protomyzostomum ziemüch schw^ach ent-
wickelt, was mit dem parasitischen Leben dieses Wurmes im Zusannnen-
hang steht. Dorso-ventrale Bündel verlaufen hauptsächhch zu beiden
Seiten des Darmes (Taf. XX, Fig. 11 d.v.m) und zwischen den Längs-
strängen des Nervensystems (Taf. XX, Fig. 12 d.v.m), während sie
von dem Darm nach der Peripherie hin etwas schwächer (Taf. XXI,
Fig. 15 d.v.m) und wenig bemerkbar werden.
45*
678 r)- rtdotov,
Außer den dorso-ventralen Muskeln finden wir noch Muskelbündel
(Textfig. 2 m.7i), welche längs dem Körper des Tieres hinziehen, wobei
sie das Nervensystem begleiten (Taf. XX, Fig. 12 m.n). Ein System
von Muskeln befindet sich unter dem Nervensystem, das andre über
demselben und unter dem Darme. Ein Teil der Muskeln befestigt sich
an der Schlundwand und funktioniert als deren Retractores. Zum
Teil begleiten die Muskeln auch die lateralen Nerven.
Der Unterschied zwischen dem Muskelsystem von Protomyzo-
stomum und demjenigen von Myzostomum besteht darin, daß bei ersterem
keine radiäre Anordnung von Muskeln zu finden ist. Ebenso fehlt die
»bauchständige Muskelmasse«, welche bei Myzostomum radiär aus-
einanderlaufende Muskelsepten bildet.
Bei unserni Tier ist demnach keine Verbindung durch Muskel-
fasern zwischen allen Parapodien vorhanden, wie dies von Graff (1877)
für Myzostomum beschrieben worden ist.
Bekanntlich liegt bei Myzostomum unter dem Nervensystem eine
mächtige bauchständige Muskelmasse, welche bei den frei beweglichen
Arten besonders stark entwickelt ist. Bei den entoparasitischen Arten
ist dieselbe schwächer entwickelt (Stummer 1903). Es ist sehr wohl
möglich, daß die Muskelbündel unter dem Nervensystem von Proto-
myzostomum Überreste eines solchen Systems darstellen, welches sich
unter der Einwirkung der entoparasitischen Lebensweise rückgebildet
hat, und dies um so mehr, als die Musculi retractores des Rüssels bei
Myzostomum ebenfalls von ihm ausgehen. Die Längsmuskeln unter
dem Nervensystem finden sich auch bei Myzostomum-ATten.
Das Parenchym stellt nichts besonderes dar und ist im hinteren
Körperabschnitt, namentlich in der Nähe der Cloake stark entwickelt,
Nervensystem.
Das Nervensystem ist strickleiterförmig gebaut und besteht aus
einem Schlundring und dem Bauchmark (Textfig. 1). Letzteres ist aus
zwei Längsstämmen zusammengesetzt, welche durch zehn Commissuren
miteinander verbunden sind ; von ihnen gehen ein Paar vorderer Nerven,
acht Paare lateraler Nerven und ein hinterer unpaarer Nerv aus.. Die
Stränge liegen tief unter dem Epithel im Parenchym (Taf. XX, Fig. 12 cn).
Von oben und unten werden sie von den schon oben erwähnten Längs-
muskelbündeln begleitet, welche dem Nervensystem gleichsam zur
Stütze dienen (Taf. XX, Fig. 12, 13 m.n).
Wir unterscheiden zwei vordere Nerven (Taf. XIX, Fig. 18, 19 v.n),
welche nach vorn zum Schlünde verlaufen und indem sie ansteigen,
Die Aiiiitoinic von l'rotomyzostorimiii |)(il\ ii(|)liris Fcdotov. G79
sich über diesem letzteren vereinigen und so einen King bilden (Text-
fig. 1 schl.r) In demselben befindet sich eine kleine Anhäufung von
Ganglienzellen (Taf. XXII, Fig. 13 gz). Hier, wie auch bei Myzostomum,
ist die schwache Entwicklung des Gehirns äußerst charakteristisch, ein
Umstand, welcher ]3eaki) (1884) veranlaßte, M yzostomum als kopflos zu
bezeichnen ("has no head").
Acht Paare von Lateralnerven entspringen zwischen dem vorderen
und dem hinteren Nerv von den beiden Sträni-en (Taf. XIX, Fio-. 18,
19, 1 — 8). Unter den Lateralnerven kann man dickere Hauptnerven
1, 2, 4, 6, 8 und dünnere kleinere Nerven unterscheiden 3, 5, 7. Die
mächtigen Hauptnerven zerfallen in zwei Äste (Taf. XIX, Fig. 18, 1, 2,
4, 6, 8), ohne die feineren Verzweigungen zu rechnen; sie innervieren
die Parapodien und Seitenorgane, sowie den Penis. Es sind ihrer
fünf Paare.
Die dünneren kleineren Nerven sind unverzweigt (Taf. XIX,
Fig. 18, 3, 5, 7) und innervieren die Geschlechtsorgane, hauptsächlich
die Hoden. Der Unterschied in der Dicke der Nerven ist bei jungen
Exemplaren gut zu bemerken. Der hintere Teil des Nervensystems
setzt sich in Gestalt eines unpaaren Nervs (Taf. XIX, Fig. 18, 19 h.n.)
nach hinten unter die Cloake fort.
Die Reihenfolge im Abgang der Nerven ist folgende.
Das I. Paar — Hauptnerven — entspringt in der Nähe der vor-
deren Nerven (Taf. XIX, Fig. 18, 1). So viel ich auf Schnitten er-
kennen konnte, innerviert ihr vorderer Ast das I. Paar von Para-
podien und Seitenorganen.
Das IL Paar — Hauptnerven — ■ innerviert das IL Parapodien-
paar (Taf. XIX, Fig. 18, 2).
Das III. Paar — kleinere Nerven — innerviert die Geschlechts-
organe (Taf. XIX, Fig. 18, 3).
Das IV. Paar — dritte Paar von Hauptnerven — ist sehr mächtig
und innerviert das III. Parapodienpaar, die Seitenorgane und den
Ausführgang der männlichen Geschlechtsorgane (Taf. XIX, Fig. 18, 4).
Das V. Paar — zweite Paar kleinerer Nerven — innerviert die
Geschlechtsorgane (Taf. XIX, Fig. 18, 5).
Das VI. Paar — vierte Paar von Hauptnerven; ihr vorderer Ast
innerviert das IV. Parapodienpaar, der hintere Ast das IV. Paar von
Seitenorganen (Taf. XIX, Fig. 18, 6).
Das VII. Paar — • dritte Paar von kleineren Nerven — versorgt
augenscheinlich die Geschlechtsorgane (Taf. XIX, Fig. 18, 7).
680 D. Fedotov,
Das VIII. Paar — fünfte Paar von Hauptnerven; ihr vorderer
Ast innerviert das V. Parapodienpaar, der hintere Ast das V. Paar
von Seitenorganen (Taf. XIX, Fig. 18, 8).
Der hintere unpaare Nerv verläuft unter der Cloake (Taf. XIX,
Fig. 18 h.n).
Es ist außerordenthch schwer, den Verlauf der Nerven auf Schnitten
zu verfolgen. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die kleineren Nerven
(drei Paare) in keinerlei Beziehungen zu den Parapodien und den
Seitenorganen stehen, sondern vielmehr die Geschlechtsorgane und
wahrscheinlich auch die Darmfortsätze innervieren. Was die Haupt-
nerven betrifft, so war es sehr schwer den Verlauf der Verzweigungen
aller Paare zu verfolgen. Augenscheinlich werden aber die Seiten-
organe durch ihren hinteren Ast innerviert, die Parapodien dagegen
nicht nur durch den vorderen, sondern auch durch den hinteren Ast.
Und zwar nähern sich die anfangs weit voneinander entfernten beiden
Äste des Hauptnerven, wie dies bei jungen Exemplaren gut zu sehen
ist, in der Nähe der Parapodien einander ganz beträchtlich.
Die Längsstämme des Nervensystems sind durch Quercommissuren
miteinander verbunden, deren es, die vordere und hintere mitgerechnet,
im ganzen zehn sind (Taf. XIX, Fig. 18 cm^ — cm'^^).
Die Commissuren, welche dem Paare der vorderen Nerven und dem
I. Paar von Lateralnerven entsprechen, sind einander, gleich den
Nerven selbst, stark genähert (Taf. XIX, Fig. 18 cm^, cm^).
Dem II., III, ,V., VI. und VII. Nervenpaar entspricht je eine
Commissur, wobei diese Commissuren entweder gegenüber dem Nerv
liegen, oder aber von seinem Ursprung nach vorn oder nach hinten
verlagert sein können; dem IV. Nervenpaar entsprechen zwei Com-
missuren (Taf. XIX, Fig. 18 cm^, cm^). Das VIII. Paar und der
hintere unpaare Nerv entspringen von der hintersten Commissur. Die
letzte und die vorletzte Commissur sind einander stark genähert
(Taf. XIX, Fig. 18 cm9, cwi»), gleich dem VII. und dem VIII. Ner-
venpaar.
Die genauen Beziehungen zwischen den Commissuren und den
Lateralnerven lassen sich nur nach speziell dazu (so z. B. nach Golgi)
bearbeiteten Präparaten feststellen. Der Umstand, daß dem IV. Paare
mächtiger Nerven, welche nicht nur einPaar von Seitenorganen und
Parapodien, sondern auch noch die männlichen Ausführgänge samt
dem Penis innervieren, zwei Commissuren entsprechen, kann zu-
gunsten der Annahme gedeutet werden, daß dieses Paar durch Ver-
schmelzung zweier Nerven jeder Seite hervorgegangen ist.
Die Anitoinio von Prütomyzostoinuin |u)lyM('j)liris Forlotov. 681
JSoweit ich dies auf mit HEiDENHAiNschem Eisenliüinatoxylin ge-
färbten Präparaten erkennen konnte, ist ein recht deutUcher Über-
gang der Fasern der V. und VI. Commissur in das IV. Nervenpaar
zu sehen. Nichtsdestoweniger ist es nicht unmöglich, daß die Com-
missuren in bezug auf die lateralen Nerven verlagert sind, d. h. daß
die VI. Commissur dem V. Nervenpaar entspricht, und dies um so
mehr, als das gleiche Verhalten auch bei den andern Commissuren
beobachtet wird.
Die Längsstränge verlaufen ziemlich weit voneinander entfernt.
Zwischen ihnen befindet sich Parenchym und verlaufen Bündel dorso-
ventraler Muskeln (Taf. XIX, Fig. 12 d.v.m). Bisweilen schieben sich
zwischen die Stränge des Nervensystems Verästelungen des Darmes
oder Bezirke der Leibeshöhle herein, welche Eier (Taf. XX, Fig. 13),
oder sogar Gruppen von Oogonien enthalten. Die Stränge sind bei
jungen Individuen weiter voneinander entfernt (Taf. XIX, Fig. 18), bei
älteren stehen sie näher voneinander, bisweilen auf größere Strecken
Entfernung hin (Taf. XIX, Fig. 19).
Zwischen den Hauptstämmen zieht sich noch ein unpaarer dünner
Nervenstrang — intermediärer Nerv — (Textfig. 1; Taf. XXII, Fig. 14 in)
hin, welcher von Fasern der auf den Commissuren liegenden Ganglien-
zellen gebildet wird. Auf Totalpräparaten sind dieselben undeutlich
zu sehen; auf der Fig. 18, Taf. XIX, sind sie nicht eingezeichnet.
Sein Verlauf ist ein unregelmäßiger, indem er bald über die Com-
missur hinweggeht, bald an deren Grenze endet. Bei seinem Verlaufe
zwischen den Hauptstämmen berührt er bald den rechten, bald den
linken dieser Stämme.
Ich habe diesen Nerv zwischen dem I. und IL und zwischen dem
VII. und VIII. Paar nicht bemerken können. Ein derartiger Strang
ist von Nansen für Myzostomiim (1885) beschrieben worden und er gehört
wahrscheinlich dem sympathischen System an.
Ganglienzellen Hegen den Commissuren auf der vorderen und
hinteren Grenze avif (Taf. XXI, Fig. 16 cm^, cm^), ebenso an den Wurzeln
der lateralen Nerven und der auf den Längssträngen (Taf. XXII,
Fig. 14 gz) ; sie sind im allgemeinen ziemlich unregelmäßig.
Es ist sehr wohl möglich, daß solcher Anhäufungen zehn vorhanden
sind, entsprechend der Anzahl von Commissuren, doch ist es schwer
zu entscheiden, in wie weit sie in bezug auf die beiden ersten Com-
missuren selbständig sind. Sie sind hier einander so sehr genähert,
daß an dieser Stelle vielleicht nur eine Ganglienanhäufung vorhanden ist.
Abgesonderte paarige Ganglien gibt es hier nicht; die Beziehung
682 ^- Fedotov,
der Ganglienzellen zu den Nerven ist hier die gleiche, wie sie für Mijzo-
stomum beschrieben worden ist.
Die Zahl der Ganglien ist überhaupt nicht groß. Es gibt hier,
ebenso wie bei Myzostomum, große und kleine Ganglienzellen (Taf. XXI,
Fig. 16 gz.g, gz.k.). Die großen Zellen liegen auf der vorderen und
hinteren Grenze der Commissuren, sowie an der inneren Seite der Längs-
stämme (Taf. XXII, Fig. 15 gz) (da wo die Nerven abzweigen). Kleine
Zellen finden wir außerdem längs den Längsstämmen und an den
Wurzeln der lateralen Nerven (Taf. XXI, Fig. 16 gz.k).
Das Nervensystem ist in eine bindegewebige Hülle (Taf. XXII,
Fig. 15 6Ä.n) mit zahlreichen, kleinen schmalen Kernen (k.b.h) ein-
geschlossen; die Zellen dieser Hülle umgeben die Stämme und Com-
missuren und vermehren auf diese Weise die Anzahl von zelligen Ele-
menten des Nervensystems.
Das allerwesentlichste Merkmal, welches das Nervensystem von
Protomyzostomum von demjenigen der Myzostomum- Arten unterscheidet,
besteht darin, daß ersteres nach dem Typus einer segmentierten Leiter
gebaut ist. Seine Hauptstämme stehen ziemlich voneinander entfernt,
ebenso die meisten Commissuren mit ihren Ganglienzellen.
Bei Myzostomum dagegen hat das Nervensystem die Gestalt einer
konzentrierten, kompakten, ovalen Masse, von welcher Seitennerven
ausgehen. In demselben sind (Nansen) zwei Längsstämme und ein
dritter medianer Stamm zu unterscheiden; zwischen den Commissuren
liegen Ganglienzellen angeordnet (Nansen 1887, Taf. XIX, Fig. 1).
Nansen (1887) erblickt eine Segmentierung des Nervensystems in
der Abzweigung der Nerven ; indem er zugibt, daß es sehr schwer fällt in
der Verteilung der Ganglienzellen eine bestimmte Anzahl von Segmenten
festzustellen, fügt er hinzu, daß das Nervensystem von Myzostomum
von einer »früher stärker ausgeprägten Segmentierung hergeleitet
werden« könne; Mit einem Worte, seine Vermutung wird durch die
Befunde bei Protomyzostomum durchaus bestätigt.
Ein Unterschied zwischen beiden Gattungen besteht auch in
der Anzahl der Nerven. Ich stütze mich auf die Angaben von Nansen,
als desjenigen Autors, welcher das Nervensystem von Myzostomum
am gründlichsten erforscht hat. Bei M. giganteum haben wir ein
vorderes Nervenpaar, welches demjenigen von Protomyzostomum und
ein hinteres Paar, welches dem unpaaren Nerv dieser Gattung ent-
spricht. Wir sehen ferner fünf nach den Parapodien verlaufende
Hauptnerven und fünf kleinere Nerven, statt drei, wie dies bei Proto-
myzostomum der Fall ist. Allein diese Nerven sind vielmehr Teile
1
Dil' Anatomie von Protoinj'zostoiiiuiii |)(ilyiu'])hris l'^-dotov. 683
der Hauptnerven, und besitzen nklit jene Selbständigkeit, wie wir sie
bei Protomyzostomum kennen gelernt haben. Entsprechend der Zahl
der Nerven sind auch mehr Connnissuren vorhanden, und zwar elf,
die vordere und die hintere mitgerechnet. M. graffi besitzt deren
nach Nansen (1885) 16.
Das vordere Nervenpaar bildet den Schlundring, wie bei Proto-
myzostomum, allein außerdem ist noch ein Nervensystem des Rüssels
vorhanden. Dasselbe ist von Nansen und Wagner beschrieben worden
und dieses System eben felilt bei Protomyzostomum. Dasselbe ist
übrigens durchaus nicht bei allen Myzostomum-kitQn vorhanden.
Das Nervensystem nimmt bei Protomyzostomum nicht weniger als
die halbe Körperlänge ein, ohne die vorderen und den hinteren Nerv
mitzurechnen, während es bei Myzostomum stark verkürzt ist; so er-
reicht es z. B. bei M. gigas nach meinen Beobachtungen nur etwa
ein Zehntel der Körperlänge. Nansen führt den Fall an, daß es bei
31. graffi so klein sein kann, daß man Mühe hat es zu entdecken.
Bei Protomyzostomum habe ich das äußere Neurilemm nicht auf-
finden können, welches von Nansen und Wagner bei Myzostomum-
Arten beschrieben wurde.
Sowohl Nansen wie auch Wagner leiten das Nervensystem von
Myzostomum von einem Typus ab, auf den auch das Nervensystem
von Protomyzostomum bezogen werden könnte. Ein Unterschied besteht
nur in der Zahl der Segmente; allein der Typus der Myzostomidae
ist hier schon ausgesprochen, indem die Ganglien eines jeden Paares
von Lateralnerven bereits zu einem einzigen Ganglion verschmolzen
sind. Nansen erblickt in dem Nervensystem Spüren von sechs Seg-
menten. Wagner spricht bei der Schilderung eines Schemas der
Phylogenese des Nervensystems von Myzostomum von sechs Ganglien-
paaren, durch deren Verschmelzung das definitive Nervensystem ent-
standen sei.
In dem Nervensystem von Protomyzostomum kann man zehn
Segmente annehmen. Es muß darauf hingewiesen werden, daß das
vierte Nervenpaar Spuren einer Verschmelzung von zwei Nerven-
paaren aufweist, wenn man zwei Commissuren auf desselbe bezieht.
Natürlich ist dies nur eine Voraussetzung und es ist sehr schwer anzu-
geben, wie viele Segmente in Wirklichkeit in seinem Nervensystem
enthalten sind, und dies um so mehr, als sein vorderer und sein hinterer
Teil oft bedeutend verdickt sind. Es ist auch wohl möglich, daß der
kleine Lateralnerv, der zwischen dem L und II. Hauptnervenpaar
fehlt, mit ersterem verschmolzen ist.
684
D. Fedotov,
Schlußbetrachtung.
Für das Verständnis der zwischen Myzostomum und Protomyzo-
stomum bestehenden Beziehungen ist die Gattung Stelechopus außer-
ordenthch wichtig. Es ist sehr zu bedauern, daß ihre Anatomie wegen
Mangels an Material ungenügend erforscht ist.
Größe
Körpergestalt
Cirri:
Parapodien
Seitenorgane
Körperepi-
thel
Muskulatur
Laged.Mund-
und Cloacal-
öffnung
Rüssel
Darm
Myzostomum
von 1 — 9 mm
rund, seltener langgestreckt
meist 20 Cirri am Rande
des Körpers, seltener
mehr als 20 Cirri oder
diese fehlen ganz.
Fünf Paare radial angeord-
neter Parapodien, durch
Muskeln miteinander ver-
bunden, welche sich zu ei-
ner gemeinsamen Muskel-
masse vereinigen (Graff,
1884), 1 Stützstab, 1 Ha-
ken + Ersatzhaken.
Meist 4 Paare von Seiten-
organen auf der Ventral-
seite, zwischen den Para-
podien.
Cy linder epithel, ungleich-
mäßig bewimpert oder
ganz ohne Wimpern.
Hautmuskelschlauch aus
zwei Schichten, welche
unter dem Epithel liegen.
Bauchständige Muskel-
masse mit radiären Mus-
kelschichten, unter dem
Nervensystem.
Mund- und Cloacalöffnung
meist auf der Ventralseite
beweglicher Rüssel mit Rüs-
selscheide.
verkürzt, mit 2 — 3 Paaren
lateraler Hauptäste, sel-
tener mitS Paaren solcher
Protomyzostomum
bis zu 32 mm.
langgestreckt
Ränder des KörjDers ohne
Cirri.
Paare voneinander un-
abhängiger Parapodien.
1 Stützstab und 1 Haken
+ Cuticularkörperchen.
5 Paare von Seitenorganen
auf der Dorsalseite oder
am Körperrande gegen-
über den Parapodien.
»Eingesenktes « Epithel, mit
einer Cuticula bekleidet.
Hautmuskelschlauch aus
subcuticulären Ring- und
Längsschichten und einer
Schicht subepithelialer
schrägverlaufender Mus-
keln. Längsmuskelbün-
del unter dem Nerven-
system, aber ohne radiäre
Septen.
Mund- und Cloacalöffnung
terminal.
Rüssel fehlt.
lang, mit 8 — 10 — 13 Paaren
lateraler Hauptäste.
Stelechopus
3,5 mm
langgestreckt
Ränder des Kör-
pers ohne Cirri.
5 voneinand. un-
abhängige Para-
podienpaare.
Stützstab -f ein
Haken.
Seitenorgane feh-
len.
Epithel mit einer
Cuticula beklei-
det.
Ring- und Längs-
muskelschicht;
keine radiären
Muskelsepten.
Mund- und Cloa-
calöffnung ter-
minal.
Rüssel fehlt.
lang, ohne late-
rale Äste.
Die Anatomie von Protoinyzoslonnnu |)()lyne])hris Feilotov.
685
Nervensy-
stem
Die Leibes-
liöhle oderd
Uterus be-
sorgt die ge
schlechtliche
Funktion.
Hermaphro-
diten.
Weibliche Ge
schlecht sor-
gane
MännlicheGe
schlechtsor-
gane
Nephridien
Myzoslomum
konzentriert in Gestalt einer
kompakten ovalen, aus
Längsfasern und Gan-
glienzellen bestellenden
Masse; um mehrere Male
kürzer als die Körper-
lange.
Ein oder zwei Paare von
Ovarien zu beiden Seiten
des Darmes
Hoden unterhalb des Dar-
mes; zwei Ausmündun-
gen unter d. III. Parapo-
dienpaar; wohlentwickel-
ter Penis
1 Paar
Prolomyzoslomum
langes segmentiertes Ner-
vensystem, leiterförmig;
Länge nicht weniger als
V2 t'^'i' Körperlänge.
zwei unpaare oder, richtiger
gesagt, diffuse Ovarien
Hoden über dem Darme
und den weiblichen Ge-
schlechtsorganen; zwei
Ausmündungen über dem
III. Parapodienpaare ;
Penis rudimentär
mehrere Paare
Stelechopus
Hau unbekant.
unbekannt.
unbekannt.
unbekannt.
Indem wir die Merkmale dieser drei Gattungen einander gegen-
überstellen, erkennen wir, daß die Gattung Protomyzostomum mit grö-
ßerem Rechte als die Gattung Stelechopus in eine besondere Familie
ausgeschieden werden kann, und zwar hauptsächüch auf Grund des
Baues des Nervensystems. Da das Studium von Protomijzostomum
noch nicht abgeschlossen ist, belasse ich diese Gattung innerhalb der
Grenzen der Familie Myzostomidae, aus der sie späterhin immer
noch ausgeschieden werden kann.
In der Anatomie von Protomyzostomum lassen sich Merkmale
primitiven Charakters hervorheben, und solche, welche sekundärer
Natur und durch die entoparasitische Lebensweise hervorgerufen
sind.
Einer dritten Kategorie von Merkmalen endlich kommt eine un-
bestimmte Bedeutung zu, indem dieselben nach individueller Auf-
fassung sowohl als primäre, wie auch als sekundäre Merkmale ge-
deutet werden können. Ihre wahre Bedeutung wird uns die Entwick-
lungsgeschichte aufklären können.
686 D- Fedotov,
A. Merkmale von primitivem Charakter.
1) Ein langgestrecktes, leiterförniig segmentiertes Nervensystem.
Dasselbe erinnert an jenen Ausgangspunkt, von dem Nansen und
Wagnek das Nervensystem von Myzostomum abgeleitet haben.
2) Die Anzahl der Seitenorgane (fünf Paare) und deren Lage. Er-
kennt man ihre Homologie mit den Seitenorganen der Polychäten an,
so wird man ihre Zahl bei Myzostomum als reduziert, ihre Lage als
ursprünglich ansehen müssen.
3) Die Anzahl von Nephridien (mehrere Paare). Die Zahl der
Nephridien erscheint bei Myzostomum im Vergleich zu deren Zahl bei
Protomyzostomum reduziert.
4) Ein langgestreckter Magen mit zahlreichen Hauptästen (oft bis
zu zehn Paaren) (im Vergleich mit dem Darm von Spinther, Aphrodi-
tidae). Bei Myzostomum ist in Abhängigkeit von der Verkürzung
der Körperachse auch der Magen stark verkürzt und die Zahl der
lateralen Fortsätze verringert.
5) Fehlen einer scharfen Lokalisation der Ovarien.
6) Die terminale Lage der Mund- und Cloacalöffnung.
Ln Vergleich mit Stelechopus und den Polychaeten überhaupt, ist
die endständige Lage der Mund- und Cloacalöffnung bei Protomyzo-
stomum als ein primäres Merkmal anzusehen. Bei Myzostomum sind
dieselben auf die Ventralseite verlagert (mehr als 50 Arten); bisweilen
befindet sich die Cloacalöffnung auf der Dorsalseite. Dabei gibt es
aber auch in der Gattung Myzostomum Arten mit terminaler Lage der
Mund- und Cloacalöffnung (15 Arten).
B. Sekundäre Merkmale, welche unter dem Einfluß des
Entoparasitismus entstanden sind.
1) Das Fehlen von Wimpern auf dem Körperepithel ; ein eingesenktes
Körperepithel und im Zusammenhang hiermit das Auftreten einer
subcuticulären Plasmaschicht und einer Muskulatur, worin eine Ähn-
lichkeit mit den Cestoden und Trematoden und einigen Turbellarien
zutage tritt.
2) Die starke Keduktion der Parapodien, welche an großen Exem-
plaren kaum zu sehen sind und die Reduktion der Borstenzahl auf
einer bestimmten Altersstufe bis zu zwei Borsten, wobei statt ihrer
unregelmäßige Körperchen gebildet werden.
3) Die schwache Entwicklung der die Bewegungen des Wurmes
besorgenden Muskulatur.
Die Aiialoiiiir von Protoiny/.ostoiinmi polyncpliris Fcdotov. 687
4) Das [)lanarienartige Aussehen uiul die beträchtlichen Dimen-
sionen können mit der bewegungslosen parasitischen Lebensweise und
dem Überfluß an Nahrung in Verbindung gebracht werden.
C. Merkmale von unbestimmter Bedeutung, welche als primitiv
oder als sekundär aufgefaßt werden können.
1) Das Fehlen der Cirri am Körperrande.
Sieht man die Cirri von Myzostomum als den dorsalen Cirri der
Polychäten homologe Gebilde an (Wheeler 1896) und zieht in Be-
tracht, daß sie bei den entoparasitischen Arten und bei den meisten
der in Cysten lebenden fehlen, so ist dieses Merkmal als ein sekundäres
anzusehen. Allein wir wissen, daß Stelechopus und einige (nicht weniger
als neun) ectoparasitische 3Iyzostomum- Arten keine Cirri besitzen.
Außerdem ist die Homologie der Cirri von Myzostomum mit denen der
Polychaeta nicht bewiesen und zweifelhaft.
Nur zwei Myzostomum- Arten besitzen eine den Parapodien ent-
sprechende Anzahl von Cirri, und zwar fünf Paare; gegen 50 Arten
besitzen deren die doppelte Anzahl, auf jedes Parapodiumzwei, d. h. zehn
Paare. Gegen 20 Arten besitzen ihrer mehr als zehn Paare, und zwar
bis zu 100, wobei die Zahl eine unbestimmte sein kann, ohne dabei
irgendwelche Metamerie und Beziehung zu der Zahl der Parapodien
aufzuweisen.
EndUch kennen wir mehrere Myzostomum- Arten, wie z.B. M.
füicauda Graff (1884), bei denen die hinteren der zehn Cirrenpaare
länger als der Körper sind und die Geschlechtsorgane und den Darm
enthalten. Man wird demnach die Cirri gut als ein von der Gattung
Myzostomum unabhängig erworbenes Merkmal ansehen können, wie
man sie als Tastorgan auffaßt. Dann kann man auch das Fehlen der
Cirri bei Protomyzostomum als ein primäres Merkmal ansehen.
2) Das Fehlen von radiären Muskelsepten.
Ein Merkmal von primärem Charakter im Vergleich mit Stele-
chopus und den übrigen Polychäten. Wir wissen aber, daß durch die
entoparasitische Lebensweise sehr leicht eine Reduktion der bauch-
ständigen Muskelmasse mit ihren radiären Septen hervorgerufen werden
kann, und dies umso mehr, als diese ebenso bei den entoparasitischen
Mijzostomum- Alten eine beträchtliche Rückbildung erleidet.
3) Das Fehlen eines Rüssels. Der Rüssel könnte bei Proto-
myzostomum auch rückgebildet sein, obgleich er ein charakteristisches
und beständiges Merkmal für Myzostomum darstellt; bei M. asteriae ist
er aber zum Beispiel stark reduziert und der Übergang von diesem
688 D. Fedotov,
Verhalten zu Protomyzostomum bietet keine Schwierigkeit, Anderseits
besitzt auch Stelechopus keinen Rüssel, so daß Protomyzostomum den
seinigen vielleicht gar nicht verloren, sondern niemals einen besessen hat.
4) Die schwache Entwicklung des Penis (dessen Fehlen).
Betrachtet man die Myzostomidae als eine Familie der Poly-
chaeta, so wird man das Fehlen eines Penis bei Protomyzostomum als
ein Merkmal ansehen müssen, welches auf eine nahe Verwandtschaft
mit derselben hinweist. Überhaupt ist der Penis ein charakteristisches
Merkmal für den Bau der Myzostomidae und ist bisweilen länger,
als die Parapodien. Anderseits gibt es aber Arten mit beträchtlich
reduziertem Penis, weshalb dieser bei Protomyzostomum eher ein se-
kundäres Merkmal darstellt.
Protomyzostomum erscheint demnach auf Grund einer Keihe von
Merkmalen als eine den Polychaeta näher als die Myzostomidae
stehende Form. Nichtsdestoweniger halte ich es für übereilt, dieselben
direkt in die Gruppe der Nereimorpha zu stellen, wie dies einige
Autoren getan haben (so z. B. Claus-Gkobben 1910), welche sie als den
Familien der Phyllodocidae, Hesionidae, Eunicidae gleichbe-
rechtigt ansehen.
Die Myzostomidae sind immerhin so eigenartig, daß man ihnen
eher die Bedeutung einer Unterordnung, als einer Familie der Poly-
chaeta zusprechen kann. Augenscheinlich hat die parasitische Lebens-
weise einen tiefeingreifenden Einfluß auf ihre Organisation ausgeübt.
St. Petersburg, den 28. Juni 1913.
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Erklärung der Abbildungen,
Allgemeine Bezeichnungen:
a.k, äußerer Kanal des Seitenorganes; cy., Cytophor;
a.kl., Auswuchs der Cloake; d, Darm;
a.r., äußere Ringmuskelschicht des d.a., Darmast;
Pharynx; d.ej, Ductus ejaculatorius;
a.uL, Auswuchs des »Uterus«; dl.m., Dilatatores der Mundöffnung;
bd.d., bindegewebiger Überzug des dl.so, Dilatatores des Seitenorganes;
Darmes; d.v.m, dorsoventrale Muskeln;
hd.u., bindegewebiger Überzug der dz.so, Drüsenzellen des Seitenorgans;
Cloake nebst dem »Uterus«; ei, Ei (Eier);
hh.n., bindegewebige HüUe des Nerven- ep., Körperepithel;
Systems; e'p.d, Darmepithel;
c, Cilien des Nephridialepithels ; ep.kl., Wimperepithel der Cloake;
eh., Chromatinkernchen ; ep.neph.. Epithel des Nephridiums;
cm., Commissur des Nervensystems; ep.ph., Pharynxepithel;
cn, Längsnervenstrang; ep.ut.. Epithel des Uterus;
cu., Cuticula; /., Borstenf ollikel ;
cu.ik, Cuticula des inneren Kanales des g., Gonaden von Gorgonocephalus eucne-
Seitenorganes ; mis ;
cu.kg., Cuticularkegel; gz, Ganglienzelle;
cu.ir, Cuticularkörper des Parapodiura; gz.g, große Ganglienzelle;
Die Anatomio von Protomyzüstoiuum polyncphi-is Pcdotov.
091
(jz.k., kloine Ganglienzelle;
hd.a, Hauptdarniast ;
hdrz, Hautdrüsenzelle;
lik, Haken;
hn, hinterer unpaarer Nerv;
ik, iiuierer Kanal des Seitenorganes;
in, intermediärer Nerv;j
/./•., innerer Muskelring des Pharynx;
k. Kerne;
k.bh.. Kerne der bindegewebigen Hül-
len des Nervensystems;
k.cy.. Kerne des Cytophors;
k.dz. Kerne der Drüsenzellen des Seiten-
organes;
^•.ep., Kerne des Körperepithels;
kf. Kerne des Borstenf ollikels ;
kl, Cloake;
kl.kg (Kl. Kg), Cloacalkegel;
kl.L, Cloacallumen;
kl.u, Cloacalöffnung;
k.pa, Kerne des Parenchyms;
k.icz. Kerne der Wimperzellen des
Seitenorganes;
k.z, Kerne der Zellen des inneren Kanals
des Seitenorganes;
Ih, ventrale Abschnitte der Leibeshöhle ;
l.kl., Längsmuskel der Cloake;
m, Mund;
m.b., Membrana basilaris;
m.f., Muskelfasern;
mg, Mundgrube;
7ngd, Magendarm ;
7n.h, Mundhöhle;
m.n., Nervensystem begleitende Mus-
keln;
m.neph., Muskulatur des Nephridiums;
m.o., Mundöffnung;
m.pd., Muskulatur der Parapodien;
inso., Muskeln des Mittelteiles des
Seitenorganes ;
mt., Mittelteil des Seitenorganes;
jn.ut., Muskulatur des »Uterus«;
neph., Nephridium;
neph.p., Nephroporus;
neph.s., Nephrostom;
00, Oocyten;
O.SO, äußere Offiuing des Seitenorganes;
O.V., Ovarium;
ZeitBchrift f. wissenscli. Zoologie. CIX. Bd.
<5o, männliche Geschleehtsöffnung;
p., Penis;
pa, Parenchjan;
pd., Parapodien;
p.dr, Paraijodialdrüse ;
pd.III, III. Paar Parapodien;
ph, Pharynx;
Fm. , Prutomyzostomum ;
pr.pd., I. Paar Parapodien;
p.so, Protractores des Seitenorganes;
r. Rectum;
rdm, radiale Muskulatur des Pharynx;
rkl, Ringniuskeln der Cloake;
rni.ut, Ringmuskeln des »Uterus«;
r.ph., Retractbres des Pharynx;
r.so., Retractores des Seitenorganes;
s.c.l, subcuticuläre Längsmuskulatur;
scmb., Sackmembran des Borstenf olli-
kels ;
sc.m, subcuticuläre Muskulatur;
sc.r, subcuticuläre Ringmuskulatur;
sc.s, subcuticuläre Plasmaschicht;
se.m., subepitheliale Muskulatur;
s.o., Seitenorgan;
sp., Spermatozoen ;
sp.c, Spermatocyten ;
sp.dr, Speicheldrüse;
sp.g, Spermatogonien ;
sph.m, Sphinkter der Mundöffnung;
st.st, Stützstab;
t, Hoden;
t.p. Tunica propria;
ut, »Uterus«;
vd., Vas deferens;
vd.ut, Verdickung der Uteruswand;
v.ef, Vas efferens;
v.n., vorderes Nervenpaar;
v.s, Vesicula seminalis;
v.ut, Uterusverzweigung;
w.f. Wand des Borstenf ollikels ;
w.ph, Wandung des Pharynx;
ivz.so, Wimperzellen des Seitenorganes;
Z.SO und z., große Zellen des inneren
Kanales des Seitenorganes;
/ — V, Fünf Paar Parapodien;
1, 2, 4, 6, 8, Haupt lateralnervenpaare;
3, 5, 7, kleinere Lateralnervenpaare.
46
692 ^- Fedotov,
Tafel XIX.
Fig. 1. Geöffnete Scheibe von Gorgonocephalus eucnemis mit zahlreichen
Parasiten — Protomyzostomum polynephris — in den Geweben der Geschlechts-
organe. Der größte Teil der Gonaden ist mit Protomyzostomum infiziert. Eine
Cyste ist geöffnet, in derselben sind mehrere Parasiten zu sehen *; **, ungeöffnete
Cysten mit Parasiten. Photographiert, etwa 1/2 der natürlichen Größe.
Fig. 2. Scheibe von Gorgonocephalus eucnemis von unten gesehen (in der-
selben befinden sich 119 Exemplare von Protomyzostomum); die Scheibe ist durch
die Parasiten aufgetrieben; ein Teil derselben ist durch die Bursalspalte vor-
gestülpt {Pm.). (Photographiert, etwas verkleinert).
Fig. 3. Protomyzostomum polynephris. Habitusbild; a, von der Dorsal-
seite; b, von der Ventralseite. Natürliche Größe.
Fig. 4. Protomyzostommn polynephris. Junges Exemplar (etwa 1,6 mm
Länge, 0,7 mm Breite, d, Umriß des Darmes). Alkohol. Oc. 12,5 Kbäuss, Obj. «2
Zeiss. Vergr. 43.
Fig. 5. Protomyzostomum polynephris. a, h, c, d, Veränderungen der Körper-
form während der Bewegung. Natürliche Größe.
Fig. 6. Teil eines Querschnittes durch Prtm. polynphr. Körperepithel (ep).
Sublimat mit Eisessigsäure, HEiDENHAiNsches Eisenhämatoxylin. Eosin. Oc. 12,5,
Obj. 4 mm Krauss. Vergr. 550.
Fig. 7. Eine Hautdrüsenzelle. Suhl. -Eisessig, H.-Häm. Oc. 12,5, Obj.
4 mm Krauss. Vergr. 550.
Fig. 8. Teil eines Frontalschnittes durch das Hinterende von Protomyzosto-
mum polynephris, auf dem die Anordnung der Hautdrüsenzellen des Cloacal-
kegels zu sehen sind. Subl. -Eisessig, H.-Häm., Eosin. Oc. 7,5, Obj. 16 mm
Krauss. Vergr. 80.
Fig. 9. Hautdrüsenzellen des Cloacalkegels. Subl. Eisessig, H.-Häm.,
Eosin. Oc. 12,5; Obj. 8 mm Krauss. Vergr. 250.
Fig. 10. Konische Vorsprünge der Cuticula des Körperepithels, welche
durch die distalen Enden der Hautdrüsenzellen des Cloacalkegels nach außen
vorgestülpt wird. Subl. -Eisessig, H.-Häm., Eosin. Oc. 12,5, Obj. 4 mm Krauss.
Vergr. 550.
Fig. 11. Eine Speicheldrüsenzelle. Lenhossek, H.-Häm., Eosin. Oc. 12.5,
Obj. 4 mm Krauss. Vergr. 550.
Fig. 12. Teil eines Frontalschnittes durch den vorderen Teil des Darmes.
Flemming, H.-Häm., Eosin. Oc. 4, Obj. «2 Zeiss. Vergr. 34.
Fig. 13. Teil eines Frontalschnittes durch den hinteren Teil des Darmes.
Flemming, H.-Häm., Eosin. Oc. 4, Obj. «2 Zeiss. Vergr. 34.
Fig. 14. Teil eines Frontalschnittes durch den Darm auf dem Niveau der
Nephridien, man sieht den Übergang der Cloake durch das Rectum in den Magen-
darm. Subl. -Eisessig, H.-Häm., Eosin. Oc. 4, Obj. AA Zeiss. Vergr. 100.
Fig. 15. Teil eines Querschnittes diu-ch den Pharynx. Lenhossek,
H.-Häm., Eosin. Oc. 7,5, Obj. 8 mm Krauss. Vergr. 150.
Fig. 16. Epithel des Pharynx. Flemming, H.-Häm., Eosin. Oc. 12,5,
Obj. 4 mm Krauss. Vergr. 550.
Fig. 17. Pharynxepithel auf einem Flächenschnitt. Flemming, H.-Häm.
Die Anatomie von Protomyzostonuun ]iolynephris Fedotov. 693
(iil)ge;inclert(> Methode von Dreyer). Comp.-Üe. 12, Imni. 1/12 Zeiss. Ver-
größeiung 1750.
Fig. 18. Frontalsehnitt diucli das Nervensystem eines jungen ExompIcUes
von Protomyzostomnvi polynephris ; der intermediäre Nerv ist nicht eingezeichnet.
Flbmmino, Del.vf. Häm. Oc. 3, obj. «o Zeiss. Vergr. 29.
Fig. \9. Abbildung des Nervensystems eines großen Exeniplares von
Protomyzostonutm. Die Längsstänime sind einander genähert, der intermediäre
Nerv ist nur stellenweise und undeutlich zu sehen. Die Commissuren lassen sich
auf Totalpräi)araten schwer zählen. Das Nervensystem ist durch Maceration
herauspräpariert worden. Vergr. etwa 6 — 7mal.
Tafel XX.
Fig. 1. Herauspräparierter Darm mit zehn Paaren von Hauptseitenästen;
links ist ein Ast nicht sichtbar. Nach einem frischen Präparat; etwa lOmal ver-
größert.
Fig. 2. Stützstab und Haken eines Parapodiums (aus dem Parapodium
eines Protomyzostomum der dritten Altersstufe). Nach einem frischen Präparat
Oc. 7,5, Obj. 16 mm Krauss. Vergr. 80.
Fig. .3. Querschnitt durch die BorstenfoUikel; man erkennt die Beziehung
der Parapodialdrüseu zu dem Follikel. Subl. -Eisessig, H.-Häm. Oc. 7,5, Obj. 8 mm
Krauss. Vergr. 150.
Fig. 1. Querschnitt durch die BorstenfoUikel. Abnorm große Anzahl von
Borsten — gegen 20 Stück. Die Länge dieses Exemplares von Protomyzostomum
beträgt 25 mm, seine übrigen Parapodien sind normal. Lenhossek, H.-Häm.,
Eosin. Oc. 7.5, Obj. 8 mm Krauss. Vergr. 150.
Fig. 5. Längsschnitt durch die BorstenfoUikel (der Schnitt ist etwas schräg
geführt); man sieht eine Menge kleiner und ein großes cuticuläres Körperchen.
Alkohol, Hämatoxylin, Pierofuchsin (nach van Gieson). Oc. 7,5, Obj. 8 mm
Krauss. Vergr. 150.
Fig. 6. Teil der BorstenfoUikelwandung mit cuticulären Körperchen.
Lenhossek, H.-Häm., Eosin. Oc. 12,5, Obj. 4 mm. Krauss. Vergr. 550.
Fig. 7 a, b, c. Verschiedenartige Formen der Cuticulärkörperchen eines
Parapodiums. Oc. 12,5, Obj. 4 mm Krauss. Vergr. 550.
Fig. 8. Querschnitt durch den Pharynx. Lenhossek, H.-Häm., Eosin.
Oc. 1, Obj. AA. Zeiss. Vergr. 45.
Fig. 9. Teil eines Querschnittes durch das hintere Körperende; man sieht
den »Uterus«- (die Leibeshöhle) und die Cloake. Vorzugsweise Ringmuskeln des
»Uterus«, Längsmuskeln sind an den Ecken des »Uterus« zu sehen. Die Cloake
und der »Uterus « sind von Bindegewebsüberzug umgeben ; in letzterem sieht man
Ring-, Längs- und schräge Muskeln. Lenhossek, H.-Häm., Eosin. Oc. 4, Obj. «2
Zeiss. Vergr. 34.
Fig. 10. Teil eines Frontalschnittes durch den vorderen Teil des Pharynx
und die Mundöffnung. Fixierung mit Alkohol, die Wimpern des Epithels sind
nicht erhalten. Alkohol, DELAF.-Häm., Eosin. Oc. 12,5, Obj. Iß mm. Kr.\uss.
Vergr. 130.
Fig. 11. Teil eines Querschnittes durch die Körpermitte eines jungen
Exemplares von Protomyzostomum. Ein Ast des »Uterus« (der Leibeshöhle) {v.ut)
46*
694 D. Fedotov,
stimmt mit einem Ast des Darmes (hda) überein. Flemming, H.-Häm. Oc. 4,
Obj. «2 Zeiss. Vergr. 34.
Fig. 12. Teil eines Querschnittes durch den Magendarm (mit einem Haupt-
ast) und den Bauchatrang. Die Längsnervenstränge sind weit auseinandergerückt
und durch dorso-ventrale Muskelbündel getrennt. Subl. -Eisessig, H.-Häm. (abge-
änderte Methode von Dreyeb). Oc. 3, Obj. AA. Zeiss. Vergr. 90.
Fig. 13. Teil eines Querschnittes durch den Magendarm (mit einem Haupt-
ast) und den Bauchstrang. Die Längsnervenstränge sind weit auseinandergerückt
und durch die Leibeshöhle mit Eiern getrennt; unter dem Bauchstrang liegt ein
Darmast. Alkohol, Häm.-Picrofuchsin (nach van Gieson). Oc, 2, Obj. AA.
Zeiss. Vergr. 20.
Fig. 14. Teil eines Querschnittes des Körpers auf dem Niveau der Ne-
phridien. Auf dem Schnitte sieht man den »Uterus«, die Nephridien und die
Cloake mit Auswuchs, in welchem nur einige Schnitte weiter das Nephridium
von links einmündet. Das Nephridium von links geht von dem (Fortsatz) Aus-
wuchs des »Uterus« aus, rechts unmittelbar von dem »Uterus«. Lenhossek,
H.-Häm., Eosin. Oc. 7,5 Krauss, Obj. «2 Zeiss. Vergr. 27.
Fig. 15. Teil eines Flächenschnittes durch das Nephridium. Man sieht
Längs-, Ring- und schräge Muskeln des Nephridiums. Lenhossek, H.-Häm.,
Eosin. Oc. 12,5, Obj. 8 mm Krauss. Vergr. 250.
Fig. 16. Teil eines Flächenschnittes durch den unteren Teil (Schenkel)
des Nephridiums; die Muskulatur der Wandung besteht hier aus schrägen Muskeln.
Flemming, H.-Häm. Oc. 12,5, Obj. 8 mm Krauss. Vergr. 250.
Tafel XXI.
Fig. 1. Teil eines Querschnittes, am Körperrande sieht man die Anordnung
des Seitenorganes, der Vesicula seminalis (der schwach entwickelte Penis ist nicht
abgebildet) und des Parapodiums (ein junges Exemplar von Protomyzostomum
von 2,9 mm Länge, 1,5 mm Breite). Gilson, H.-Häm., Orange. Oc. 12,5, Obj.
16 mm Krauss. Vergr. 130.
Fig. 2. Längsschnitt durch das Seitenorgan. (Die Abbildung ist nach zwei
Schnitten kombiniert.) Lenhossek, H.-Häm., Eosin. Oc. 7,5, Obj. 16 mm
Krauss. Vergr. 80.
Fig. 3. Querschnitt durch den Mittelteil des Seitenorganes. Lenhossek,
H.-Häm., Eosin. Oc. 7,5, Obj. 16 mm Krauss. Vergr. 80.
Fig. 4. Wimperzellen des Mittelteiles des Seitenorganes. (TeilJ eines
etwas schiefen Querschnittes durch den Mittelteil des Seitenorganes.) Len-
hossek, H.-Häm., Eosin. Oc.-Comp. 12, Hom. Imm. 2 mm Zeiss. Vergr. 1500.
Fig. 5. Schiefer Längsschnitt durch die Drüsenzellen aus dem mittleren
Teil des Seitenorganes (der Schnitt hat nur einen geringen Teil derselben getroffen).
Lenhossek, H.-Häm., Eosin. Oc. 12,5, Obj. 4 mm Krauss. Vergr. 550.
Fig. 6. Querschnitt durch die Drüsenzellen aus dem mittleren Teil des
Seitenorganes. Jede Zelle enthält mehrere Kerne, die Grenzen der Zellen sind
undeutlich. Lenhossek, H.-Häm., Eosin. Oc. 12,5, Obj. 4 mm Krauss. Vergr. 550.
Fig. 7. Teil eines Längsschnittes durch den inneren Kanal des Seiten-
organes. Große Zellen des Seitenorganes mit blassem Plasma und hellen Kernen
(Zellen des inneren Kanales). Lenhossek, H.-Häm., Eosin, Oc, 12,5, Obj. 4 mm
Krauss, Vergr. 550,
Die Anatoniie von Protomyzostoinuiu polynephris Fedotov. 695
Fig. 8. Querschnitt durcli die Zellen des inneren Kanales des Seitenorganes
(z.so). Lenuosskk, H.-Häm., Eosin. Oc. 12,5, übj. 4 nun Krauss. Vergr. 550.
Fig. 9. Zwei Stützstäbe und drei Haken (alle funktionierend) eines Para-
podiums von Protomi/zostomum (17 mm Länge). Nach einem frischen Präparat.
Oc. 12,5, Obj. 10 mm. Krauss. Vergr. 130. #
Fig. 10. Teil eines Flächenschnittes durch den unteren Teil der Körper-
epithelzellen. Lenhossek, H.-Häm., Eosin. Comp.-Üc. 12, hom. Imm. 2 mm
Zeiss. Vergr. 1500.
Fig. 11. Querschnitt durch die Mundöffnung, auf welchem die Anordnung
der Speicheldrüsen zu sehen ist, zwischen letzteren die dunkel gefärbten Haut-
drüsenzellen. Lenhossek, H.-Häm., Eosin. Oc. 7,5, Obj. 16 mm Krauss.
Vergr. 80.
Fig. 12. Teil eines Querschnittes, man sieht den »Uterus« mit dem un-
paaren medianen O varium auf der Wand des Magendarmes. Subl. -Eisessig, H. -Häm.
Eosin. Oc. 7,5, Obj. 16 mm. Krauss. Vergr. 80.
Fig. 13. Teil eines Querschnittes durch das paarige Ovarium. Alkohol,
Häm.-Picrofuchsin (nach van Gieson). Oc. 7,5, Obj. 16 mm Krauss. Vergr. 80.
Fig. 14. Teil eines Querschnittes durch den »Uterus«, das Nephridium unk
die Cloake. Die Wimpern des oberen Schenkels sind dem »Uterus «, die des unteren
der Cloake zugewendet. Alkohol 90°, Häm.-Picrofuchsin (nach van Gieson).
Oc. 7,5, Obj. 16 mm Krauss. Vergr. 80.
Fig. 15. Teil eines Querschnittes auf der Höhe des Pharynx, wo letzterer
in das Lumen des Magendarmes vorgestülpt ist (großes Exemplar von Proto-
mi/zostomum mit einer Menge von Eiern in der Leibeshöhle). Alkohol, Häm.-
Picrofuchsin (nach VAN Gieson). Oc. 7,5 Krauss, Obj. «2 Zeiss. Vergr. 27.
Fig. 16. Teil eines Frontalschnittes durch das vierte Paar der Hauptlateral-
nerven. Man sieht zwei Anhäufungen der Ganglienzellen auf der fünften und
sechsten Commissur. Subl. -Eisessig, H.-Häm. (abgeänderte Methode von Dreyeb).
Oc. 7,5, Obj. 8 mm Krauss. Vergr. 150.
Da die Taf. XXI bei der Reproduktion um l,35mal verkleinert woirde, so
muß man die angegebenen Vergrößerungszahlen dementsprechend verändert
auffassen.
Tafel XXII.
Fig. 1. Querschnitt durch den Cloacalkegel, man sieht den »Uterus« und
die Cloake. Ringmuskeln {r.kl. ) der Cloake, welche teils auch auf den »Uterus « über-
gehen. Lenhossek, H.-Häm., Eosin. Oc. 12,5, Obj. 16 mm Krauss. Vergr. 130.
Fig. 2. Querschnitt durch den »Uterus«. Eine breite Zwischenwand aus
Bindegewebe mit Muskeln teilt jene Höhlung in zwei Abschnitte. Lenhossek,
H.-Häm., Eosin. Oc. 7,5, Obj. 8 mm Krauss. Vergr. 150.
Fig. 3. Teil eines Querschnittes durch den »Uterus« xuid die Cloake; von
dem »Uterus« gehen Auswüchse zur Cloake aus, welche an Nephridien erinnern.
Alkohol, Häm.-Picrofuchsin (nach van Gieson). Oc. 12,5, Kjiauss, Obj. «2 Zeiss.
Vergr. 43.
Fig. 4. Teil eines Querschnittes, man sieht die Hoden und einen Teil der
Leibeshöhle mit Eiern. Subl. -Eisessig, H.-Häm., Eosin (abgeänderte Methode von
Dreyer). Oc. 3, Obj. C. Zeiss. Vergr. 210.
696 D. Fedotov, Die Anat. von Protomyzostomum polynephris Fedotov.
Fig. 5. Querschnitt durch die Hodenfollikel. Lenhossek, ÜELAF.-Häm.,
Eosin. Oc. 12,5, Obj. 4 mm Kraxjss. Vergr. 550.
Fig. 6. Etwas schräger Längsschnitt durch den Penis und die Vesicula semi-
nahs. GiLSON, Häm.-Picrofuchsin (nach van Gieson). Oc. 2, Obj. AA. Zeiss.
Vergr. 60.
Fig. 7. Halbschematische Darstellung (nach mehreren Schnitten) der männ-
lichen Ausführgänge (im Frontalschnitt). Alkohol, Häm.-Picrofuchsin (nach
VAN Gieson). Oc. 1, Obj. AA. Zeiss, Vergr. 45.
Fig. 8. Spermatozoenbündel um ein Cytophor. Lenhossek, DELAJ'.-Häm.,
Eosin. Oc. 12,5, Obj. 4 mm Krauss. Vergr. 550.
Fig. 9. Spermatozoid (nach einem frischen Präparat). Comp.-Oc. 12,
Imm. 1/12. Zeiss. Vergr. 1750.
Fig. 10. Spermatozoidenkopf (nach einem Trockenpräparat, gefärbt nach
Giemsa). Comp.-Oc. 12, Imm. 1/12. Zeiss. Vergr. 1750.
Fig. 11. Querschnitt durch ein Nephridium. Subl. -Eisessig, H.-Häm., Eosin.
Oc. 12,5, Obj. 8 mm. Krauss. Vergr. 250.
Fig. 12. Querschnitt durch die Uteruswand, auf dem der Fortsatz an der-
selben zu sehen ist: a. anfangs erscheint er in Gestalt eines beinahe massiven
Wulstes (110 ^ Länge); h. in einer Ausdehnung von 50 ^ löst er sich von der Wan-
dung ab und enthält Höhlungen; c. in einer Ausdehnung von 110^ in Gestalt
eines hohlen Wulstes. Lenhossek, H.-Häm., Eosin. Oc. 12,5, Obj. 8 mm Krauss>
Vergr. 250.
Fig. 13. Teil eines Querschnittes durch den oberen Teil des Schlundringes.
GiLSON, H.-Häm. (modifizierte Methode von Dreyer). Oc. 12,5, Obj. 8 mm
Krauss. Vergr. 250.
Fig. 14. Teil eines Frontalschnittes durch das Nervensystem. Subl. -Eis-
essig, H.-Häm. (modifizierte Methode von Dreyer). Oc. 2, Obj. AA. Zeiss.
Vergr. 60.
Fig. 15. Querschnitt durch die Commissur des Bauchstranges. Man sieht
nur wenige Ganglienzellen. Flemming, H. -Häm. ( modifizierte Methode von Dre yeb).
Oc. 7,5, Obj. 8 Krauss. Vergr. 120.
Fig. 16. Etwas schiefer Längsschnitt durch den Nephroporus des Nephri-
diums. Alkohol 90°, Häm.-Picrofuchsin (nach van Gieson). Oc. 7,5, Obj. 8 mm
Krauss. Vergr. 120.
Fig. 17. Teil eines Flächenschnittes durch die subcuticulare Muskulatur
des Hautmuskelschlauches. Die Regelmäßigkeit der Längs- und Quermuskel-
anordnung kommt wegen der geringen Dimensionen der Zeichnung nicht zur
Geltung. Subl. -Eisessig, H.-Häm., Eosin. Oc. 12,5, Obj. 16 mm Krauss. Ver-
größerung 130.
Fig. 18. Teil eines Flächenschnittes durch die subepitheUale Muskulatur
des- Hautmuskelschlauchsystems der sich regellos kreuzenden Muskeln. Subl.-
Eisessig, H.-Häm., Eosin. Oc. 12,5, Obj. 16 mm Krauss. Vergr. 130.
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Taf. XIX.
Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig und Berti)
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