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Full text of "Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie"

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ZEITSCHRIFT 

FÜR 

AVISSENSCHAFTLICHE  ZOOLOGIE 

N  BEGRÜNDET  VON 

CARL  THEODOR  V.  SIEBOLD 
UND  ALBERT  V.  KÜLLIKER 

HERAUSGEGEBEN  VON 

ERXST  EHLERS 

PROFESSOR  AX  DER  UNIVERSITÄT  ZU  GÜTTINGEN 

HUXDERTNEUXTER  BAND 

MIT  41  FIGUREN  LM  TEXT  UND  22  TAFELN 


LEIPZIG  UND  BERLIN 
VERLAG  VON  WILHELM  ENGELISL^NN 

1914 


4/^/ 


Inhal i  des  huiulertneimten  Bandes 


Erstes  Heft 

Ausgegeben  den  24.  Februar  1914: 

Seite 
Jakob  Rehs,   Beitrüge   zur   Kenntnis    der   makroskopischen    und    mikros- 
kopischen Anatomie  insbesondere  der  Topographie  des  elastischen 
Gewebes  des  Palatum  durum  der  Mammalia.     Mit  7  Figuren  im  Text 

und  Tafel  I— IV 1 

Walter  Kühn,  Beiträge  zur  Biologie  der  Weinbergschnecke  (Helix  poma- 

tia  L.).    Mit  9  Figuren  im  Text 128 


Zweites  Heft 

Ausgegeben  den  10.  März  19li 

Wilhelm  Haanen,  Anatomische  und  histologisclie  Studien  an  Mesothuria 
intestinalis  (Ascanius  und  Rathke).  Mit  2  Figuren  im  Text  und  Ta- 
fel V  und  VI    185 

Sophie  Krasiiiska,  Beiträge  zur  Histologie  der  Medusen.    Mit  5  Figuren 

im  Text  und  Tafel  VII  und  VIII 256 


Drittes  Heft 

Ausgegeben  den  19.  Mai  lOli- 

Johannes  Fürster,   Über  die  Leuchtorgane  und  das  Nervensystem  von 

Pholas  dactylus.     Mit  15  Figuren  im  Text  und  Tafel  IX 349 

Höh.  Stauffacher,   Zellstudien.     I.   Bemerkungen   zu   den   Methoden    der 

modernen  Zellforschung.     Mit  1  Figur  im  Text  und  Tafel  X  und  XI  393 

Serafino  d'Antona,  Über  die  Entstehung  der  Bindegewebsfasern  bei  den 
atherosklerotischen  Aortaverdickungen.  Beitrag  zur  normalen  Ent- 
wicklung des  Bindegewebes.    Mit  Tafel  XII  und  XIII 485 


Viertes  Heft 

Ausgegeben  den  26.  Mai  1914 

Albert  Nieder raeyer,  Beiträge  zur  Kenntuis  des  histologischen  Baues  von 

Veretillum  cynoraorium    Pall.\     Mit  Tafel  XIV  und  XV 531 

Boris  Schkaff,    Zur   Kenntnis   des  Nervensystems   der   Myopsiden.     Mit 

Tafel  XVI— XVIII 591 

D.  Fedotov,  Die  Anatomie   von  Protomyzostomum   polynephris  Fedotov. 

Mit  2  Figuren  im  Text  und  Tafel  XIX— XXII 631 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  makroskopischen  und  mikros- 
kopischen Anatomie  insbesondere  der  Topographie  des 
elastischen  Gewebes  des  Palatum  durum  der  Mammalia. 


Von 

Jakob  Rehs. 


Mit  7  Figuren  im  Text  und  Tafel  I— IV. 


Einleitung. 

Der  harte  Gaumen  {Palatum  durum)  hat  eine  knöcherne  Grund- 
lage. Der  vorderste  Teil  dieses  knöchernen  Gaumendaches  wird  von 
den  nach  innen  gerichteten,  plattenförmigen  Gaumenfortsätzen  (Pro- 
cessus palatini)  der  Zwischenkieferbeine  (Ossa  incisiva)  gebildet.  Diese 
Gaumenfortsätze  können  stark  reduziert  sein  oder  auch  ganz  fehlen, 
wie  bei  der  Mehrzahl  der  Chiropteren.  Median  sind  die  Gaumen- 
fortsätze durch  die  Sutura  intermaxillaris  verbunden.  Aboral 
stoßen  sie  an  die  Gaumenfortsätze  der  Oberkieferbeine  (Maxillae) 
und  umgrenzen  mit  letzteren  die  Foramina  incisiva,  durch  welche 
die  SxENSONschen  Gänge  (Canales  naso- palatini)  ihren  Weg  in  die 
Mundhöhle  nehmen.  Den  mittleren  Teil  des  knöchernen  Gaunien- 
daches  liefern  die  schon  erwähnten,  nach  innen  gerichteten,  platten- 
förmigen Processus  palatini  der  Maxillae.  Median  sind  diese  Gaumen- 
fortsätze durch  die  Sutura  palatina  mediana  verbunden,  und  an  den 
aboralen  Rand  schließt  sich  mittelst  der  Satura  palatina  transversa 
der  horizontale  Teil  (Pars  horizontalis)  der  Gaumenbeine  (Ossa  pala- 
tina) als  hinterster  Teil  des  knöchernen  Gaumendaches  an.  Nur 
bei  den  Edentaten  und  den  Cetaceen  nimmt  das  Keilbein  (Os 
sphenoidale) ,  das  nach  Schimkewitsch  früher  für  die  Flügelbeine 
(Ossa  pterygoidea)  gehalten  worden  ist,  an  der  Bildung  des  pharyn- 
gealen Teiles  des  knöchernen  Gaumendaches  teil. 

An  dieses  knöcherne  Gaumendach  heftet  sich  mundhöhlenseitig 
—  das  Schleimhautblatt  nasenhöhlenseitig  würd  nicht  zum  harten 
Gaumen  gerechnet  —  durch  Vermittlung  des  Periost  eine  Schleimhaut 

Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.  CIX.  Bd.  1 


2  Jakob  Rehs, 

an,  die  vorn  und  lateral  in  das  Zahnfleisch  übergeht  und  sich,  zum  harten 
Gaumen  gehörend,  aboral  nur  bis  zum  pharyngealen  Rand  des  knöcher- 
nen Gaumendaches  erstreckt  und  hier  in  die  Schleimhaut  des  weichen 
Gaumens  (Palatum  molle)  übergeht.  Diese  Schleimhaut  des  harten 
Gaumens,  die  sich  aus  einer  Submucosa,  einer  Propria  mucosae  mit  der 
Pars  papillaris  und  einer  Epithelschicht  aufbaut,  weist  im  vordersten 
Teil  des  harten  Gaumens  in  der  Medianlinie  eine  Papilla  palatina  auf, 
an  der  bei  der  Mehrzahl  der  Mammalier  die  Canales  naso-palatini  in  die 
Mundhöhle  münden.  In  der  Medianlinie  des  harten  Gaumens  findet 
sich  öfters  eine  Rhaphe  palati  duri,  die  leistenartig  oder  rinnenförmig 
gestaltet  sein  kann.  Beiderseits  von  der  Rhaphe  palati  liegen  die 
Gaumenleisten  (Rugae  palatinae),  die  teilweise  oder  ganz  fehlen  können. 

Was  den  Zweck,  den  die  i^rbeit  verfolgt,  anbelangt,  so  sollen  einige 
der  Lücken  ausgefüllt  werden,  die  in  unserer  Kenntnis  vorhanden  sind 
über  die  makroskopische  und  mikroskopische  Anatomie  des  Palatum 
durum  einiger  Vertreter  der  Unterklassen  der  Mammalia,  wie  der  Ovi- 
jpara  s.  Monotrenmta,  der  Marswpialia  und  der  Placentalia ,  letztere  mit 
den  Ordnungen  der  Edentata,  Cetacea,  Perissodactyla,  Artiodactyla,  Car- 
nivora, Pinnipedia,  Rodentia,  Insectivora  und  Chiroptera.  Vorstehende 
systematische  Einteilung  ist  dem  Lehrbuch  von  Schimkewitsch  ent- 
nommen. Außerdem  soll  das  elastische  Gewebe  hinsichtlich  seiner 
Topographie  besonders  in  den  Gaumenleisten  eingehender  untersucht 
werden.  Auf  Grund  der  sich  ergebenden  Befunde  soll  festgestellt 
werden,  was  die  Bildung  der  Gaumenleisten  bedingt.  Bei  wenigen 
Tieren  wird  auch  die  mikroskopische  Anatomie  des  weichen 
Gaumens  insonderheit  die  Verteilung  des  elastischen  Gewebes  in 
ihm  beschrieben  werden. 

Eine  Arbeit  von  Zimmerl,  die  sich  mit  der  Topographie  des 
elastischen  Gewebes  in  der  Gaumenschleimhaut  von  Equus  cabaUus, 
Bos  taurus,  Canis  familiaris,  Felis  domestica  und  Cavia  cobaya  be- 
schäftigt, ist  mir  erst  dann  zu  Gesicht  gekommen,  als  ich  diese 
einschlägigen  Untersuchungen  schon  abgeschlossen  hatte. 

Die  Anregung  zu  dieser  Arbeit  habe  ich  von  Herrn  Geheirarat 
Ehlers  empfangen.  Hierfür  und  für  die  im  Lauf  der  Ausführung  der 
Untersuchungen  erteilten,  wertvollen  Ratschläge  sage  ich  meinem 
hochverehrten  Lehrer  meinen  herzlichsten  Dank. 

Material  und  Untersuchungstechnik. 
Was   die   Beschaffung   des   zu   den   Untersuchungen  verwandten 
Materials  anbelangt,  so  stellte  mir  Herr  Geheimrat  Ehlers  eine  Reihe 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  niakroskop.  und  mikroskop.  Anatomie  usw.         3 

sehr  wertvoller  Gaumen  aus  einer  reichhaltigen  Sammlung  von  Gaumen- 
schleimhäuten zur  Verfügung.  Diejenigen  der  Haussäugetiere  erhielt 
ich  durch  die  gütige  Vermittlung  des  Direktors  des  hiesigen  Schlacht- 
hofes, Herrn  Dr.  Rieken.  Herrn  Dr.  med.  Schwalb  verdanke  ich 
einige  Gaumen  von  Cavia  cobaya.  Andre  Gaumen  verschaffte  ich  mir 
selbst. 

Zur  Fixierung  der  frischen  Objekte  gebrauchte  ich  anfänglich  aus- 
schließlich die  gut  fixierende  und  leicht  in  die  Gewebe  eindringende 
ZENKERsche  Flüssigkeit.  Gaumen,  die  ich  auf  Exkursionen  gesammelt 
und  in  formolhaltigen  Alkohol  eingelegt  hatte,  und  solche,  die  der 
Sammlung  entnommen  und  die  nur  in  80%igem  Alkohol  aufbcAvahrt 
waren,  zeigten  mir  aber,  daß  sie  hinsichtlich  der  Erhaltung  der  Ge- 
webe und  der  anzuwendenden  Färbung  zufriedenstellende  Resultate 
ergaben.  Dieserhalb  verließ  ich  obige  zeitraubende  Methode  und 
legte  in  Zukunft  in  ein  Gemisch  von  90  ccm  70%igen  Alkohol  und 
10  ccm  Formol  bis  zu  24  Stunden  oder  länger  ein. 

Dünne  kleine  Gaumen  wurden  ganz,  um  das  Rollen  zu  vermeiden, 
mit  der  Epithelseite  auf  eine  Glasplatte  gebunden,  eingelegt,  während 
aus  großen  und  dicken  Gaumen  bestimmte  Stellen  herausgeschnitten 
und  auf  Glaswolle  in  das  Gefäß  mit  der  Fixierungsflüssigkeit  gelegt 
wurden. 

Die  so  fixierten  Präparate  wurden  in  80%igen  Alkohol  überführt 
und  hieraus  bald,  um  einem  allzugroßen  Hartwerden  vorzubeugen,  in 
Paraffin  eingebettet,  da  die  Gaumen,  die  der  Institutssammlung  ent- 
nommen waren,  in  dem  zur  Aufbewahrung  dienenden  80%igen  Alkohol 
sehr  hart  geworden  waren.  Eine  Aufbewahrung  in  dem  von  Flemming 
empfohlenen  Gemisch  von  gleichen  Teilen  Alkohol,  Glycerin  und  Wasser 
erwies  sich  als  sehr  zweckdienlich. 

Um  nun  den  Objekten  eine  derartige  Konsistenz  zu  geben,  die  es 
ermöglichte,  auch  von  Objekten  mit  einem  Durchmesser  von  oft  mehr 
als  einem  Zentimeter  und  einer  oft  stark  verhornten  Epithelschicht 
zusammenhängende  Schnitte  in  einer  Dicke  von  20 — 30  u  in  aufeinander- 
folgender Reihe  zu  erhalten,  was  für  die  Beobachtung  der  körperhchen 
Ausbreitung  des  elastischen  Gewebes  und  auch  andrer  Gewebselemente 
vollkommen  genügte,  mußten  für  die  Einbettung  besondere  Wege  ein- 
geschlagen werden. 

Die  Celloidindurchtränkung  erwies  sich  bei  der  Menge  der  einzu- 
bettenden Präparate  als  recht  umständhch  und  langwierig  und  ergab 
keine  besseren  Resultate,  als  die  noch  anzuführende,  und  \\^rde  daher 
aufgegeben. 

1* 


4  Jakob  Kehs, 

Die  Celloidiu-Paraffindurchtränkung  nach  Field  und  Maetin 
und  nach  Jordan  ergab  recht  schlecht  eingebettete  Objekte, 

Die  Einbettungsmethode  vermittelst  Paraffin,  bei  der  Xylol,  Ben- 
zol, Toloul,  Petroläther,  Chloroform,  Tetrachlorkohlenstoff,  verschie- 
dene ätherische  öle,  wie  Zedernholzöl,  Bergamottöl  und  Origanumöl  als 
Vormedien  verwandt  wurden,  lieferte  auch  unter  allen  Kautelen  ent- 
weder brüchige  oder  schlecht  eingebettete  oder  derart  harte  Objekte, 
daß  das  Messer  oft  ohne  einzudringen  darüber  hinwegglitt. 

Die  von  Fol  angegebene  schnelle  Einbettung  bei  vermindertem 
Luftdruck  zeitigte  ein  vollkommen  zerrissenes  Gewebe,  da  die  großen 
Blutgefäße  schneller  evakuiert  waren,  als  das  Paraffin  eingedrungen  war. 

Erst  die  etwas  modifizierte  HEiDENHAiNsche  Methode,  die  Paraffin- 
einbettung mit  Schwefelkohlenstoff  als  Vormedium,  erbrachte  das  ge- 
wünschte Ergebnis.  Es  steht  in  diesem  Falle  der  Schwefelkohlen- 
stoff über  dem  Benzol  oder  Chloroform  trotz  kleiner  äußerer  Unannehm- 
lichkeiten. 

Die  Abänderung  der  HEiDENHAiNschen  Methode  bestand  nun 
darin,  daß  es  vermieden  wurde,  die  Präparate  in  aufsteigendem  Alkohol 
besonders  in  den  höhergrädigen,  wie  dem  96%igen  und  dem  absoluten 
Alkohol,  von  denen  der  letztere  einen  eminent  härtenden  Einfluß  auf 
die  Gewebe  ausübt,  sehr  lange  zu  belassen.  An  diese  Stelle  habe  ich 
das  Anilin  gesetzt,  dessen  Vorteile  auch  Ciaglimski  und  Sommer  und 
Przewowski  rühmen. 

Ich  brachte  die  Präparate  aus  dem  80%igen  Alkohol  oder  aus  dem 
Gemisch  Alkohol,  Glycerin  und  Wasser  in  90%igen  Alkohol  auf  12  bis 
24  Stunden,  hierauf  in  bei  dicken  Objekten  mindestens  dreimal  zu  wech- 
selndes Anilin  bis  zur  vollständigen  Aufhellung  etwa  24  Stunden  oder 
auch  länger,  da  hieraus  kein  Nachteil  entsteht.  Die  direkte  Über- 
führung in  Schwefelkohlenstoff  hatte  nun  aber  den  Nachteil,  daß  die 
Stücke  darin  sich  schwärzten,  was  aber  bei  bestimmten  Färbungen 
durchaus  nicht  störend  wirkt.  Will  man  diese  Schwärzung  vermeiden, 
so  läßt  sich  das  Anilin  erst  durch  ein  Gemisch  von  absolutem  AUi^ohol 
und  Chloroform  zu  gleichen  Teilen  extrahieren,  welches  nur  ein  Ver- 
weilen von  längstens  drei  Stunden  hierin  beansprucht.  Durch  das  hin- 
zugefügte Chloroform  erreicht  man,  daß  das  Objekt  sofort  im  Schwefel- 
kohlenstoff untersinkt.  Im  Schwefelkohlenstoff  bleibt  das  Objekt  12 
bis  24  Stunden.  Hieraus  kommt  es  in  eine  gesättigte  Lösung  von  Pa- 
raffin vom  Schmelzpunkt  52  °  C  in  Schwefelkohlenstoff  bei  Zimmer- 
temperatur. Nach  12 — 24  Stunden  wird  das  Gefäß  auf  einen  Wärme- 
schrank gebracht,  wo  eine  Temperatur  von  etwa  35 — 40°  C  herrscht 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  inakroskop.  und  niikroskop.  Anatomie  usw.         5 

unter  Hinzufügen  von  Paraffinstücken.  Hier  kann  das  Objekt,  ohne 
eine  Härtung  durch  die  Wärme  zu  erfahren,  bis  24  Stunden  verweilen. 
Ein  öfteres  Umrühren  ist  anzuraten,  um  dem  Entweichen  des  Schwefel- 
kohlenstoffs, dessen  Siedepunkt  bei  46°  C  liegt,  nachzuhelfen,.  SchHeß- 
lich  wird  das  Objekt  für  nur  eine  Stunde  in  ein  Gefäß  mit  Paraffin  vom 
Schmelzpunkt  52°  C  getan,  das  in  einer  2 — 3°  höheren  Temperatur 
steht,  als  der  Schmelzpunkt  des  Paraffins  ist.  Ein  Übertragen  auf 
30  Minuten  in  neues  Paraffin  ist  empfehlenswert,  aber  nicht  unbe- 
dingt nötig. 

Diese  Einbettungsweise  verbürgt  eine  vollkommene,  homogene 
Einbettung,  nicht  brüchige,  speckig  aussehende  Schnitte  in  der  oben 
verlangten  gleichmäßigen  Schnittdicke  in  Serien,  während  dieselben 
Objekte  z.  B.  mit  absolutem  Alkohol  entwässert,  mit  Xylol,  Xylol- 
paraffin  und  schließlich  Paraffin  durchtränkt,  keine  so  vollkommene, 
homogene  Einbettung,  aber  sehr  harte  Präparate  zeitigte,  sodaß  infolge- 
dessen das  Messer  entweder  garnicht  angriff  und  über  das  Präparat 
hinwegglitt,  oder  nur  zerrissene  Fetzen  abschnitt,  oder  bei  einer  Dicke, 
die  um  10 — 15  u  höher  lag,  wie  oben  angegeben,  vollkommen  ungleich- 
mäßige Schnitte  ergab. 

Es  ist  ja  selbstverständlich,  daß  zur  Erreichung  obigen  Zieles  das 
Objekt  so  orientiert  wnrde,  daß  das  verhornte  Epithel  vom  Messer 
abgewandt  war,  und  daß  letzteres  möglichst  schräg  zur  Längsachse  des 
Mikrotomschlittens  gestellt  wurde. 

Die  so  erhaltenen  Schnitte  wurden  auf  mit  Wasser  beschickte 
Objektträger  gebracht,  die  zur  besseren  Ausbreitung  des  Wassers  sehr 
dünn  mit  Eiweißglycerin  bestrichen  waren.  Beim  Erwärmen  streckten 
sich  die  Schnitte  noch  vollkommener  und  lagen  glatt  an.  Objekte,  die  ein 
sehr  dick  verhorntes  Epithel  besaßen,  machten  hinsichtlich  des  glatten 
Auflegens  und  Anhaftens  einige  Schwierigkeiten.  Infolge  verschie- 
dener Spannungsverhältnisse  im  verhornten  Epithel  und  im  Binde- 
gewebe warfen  sich  die  Schnitte  und  lösten  sich  bei  der  nachfolgenden 
Behandlung  teilweise  ab.  Um  diesem  Übelstande  aus  dem  Wege  zu 
gehen,  wurden  die  Objektträger  mit  den  Schnitten  so  lange  erwärmt, 
bis  das  Wasser  ziemlich  verdunstet  war.  Dann  wurden  die  Schnitte 
mit  Fließpapier  bedeckt  und  durch  streichende  Bewegung  des  Fingers 
fest  angedrückt.  Nachdem  die  Schnitte  vollkommen  trocken  waren, 
wurden  sie  auf  etwa  5 — 10  Sekunden  in  eine  wasserdünne  Celloidin- 
lösung  getaucht.  Das  Celloidin  ^\alrde  in  Chloroform  gehärtet  und  be- 
deckte die  Schnitte  als  ganz  feine  Haut,  die  bei  den  folgenden  Anwen- 
dungen nicht  hinderlich  war.    In  dem  Chloroform  wurde  gleichzeitig 


6  Jakob  Rehs, 

das  Paraffin  gelöst.  So  kamen  Verluste  von  Schnitten  aus  Serien 
nicht  vor. 

Eine  außerordentlich  prägnante  Darstellung  der  elastischen  Fa- 
sern, auch  der  feinsten,  erzielte  ich  nur  mit  der  von  Weigert  angege- 
benen Färbung  vermittelst  Resorcinfuchsin.  Die  Färbung  nach  Unna 
mit  Orcein,  auch  die  in  der  Folgezeit  angegebenen  Abänderungen, 
waren  teils  zu  umständlich,  teils  zu  langwierig  und  ergaben  auch  nicht 
eine  so  gut  gelungene  Färbung. 

Die  Schnitte  wurden  in  dem  Resorcinfuchsin  15 — 20  Minuten 
gefärbt  und  solange  in  96%igem  Alkohol  belassen,  bis  sie  keine  Farbe 
mehr  abgaben,  und  die  rotblaue  Farbe  sich  in  eine  dunkelblaue  ver- 
wandelt hatte. 

Das  Bindegewebe  war  nun  mehr  oder  weniger  mitgefärbt,  und  es 
traten  die  elastischen  Fasern  nicht  in  wünschenswerter  Schärfe  her- 
vor. Dieses  wurde  erreicht  durch  eine  Nachfärbung  in  einer  5%igen 
Lösung  von  Pikrinsäure  in  96%igen  Alkohol.  Derart  gefärbte  Prä- 
parate waren  für  die  mikrophotographische  Aufnahme  sehr  geeignet, 
indem  nämhch  bei  Verwendung  des  Grünfilters  diese  gelb  gefärbten 
Stellen  besonders  auf  die  grünempfindliche  Platte  wirkten,  während 
die  schwarzblauen  elastischen  Fasern  keine  Wirkung  hinterließen  und 
sehr  scharf  hervortraten. 

Wenn  eine  Kernfärbung  nötig  war,  so  wurde  zuerst  mit  Böhmers 
Hämatoxyhn  30  Minuten,  dann  mit  Resorcinfuchsin  und  Pikrinsäure 
wie  oben  gefärbt. 

Das  Bindegewebe  wurde  nach  Hansen  (1898)  zur  Darstellung  ge- 
bracht. Erst  wurde  mit  Resorcinfuchsin  20  Minuten  gefärbt  und  nach 
Behandlung  mit  96%igem  Alkohol  zwecks  Kernfärbung  auf  fünf  Mi- 
nuten in  Böhmers  Hämatoxylin  überführt.  Nach  Abspülung  mit 
Wasser  wurde  nach  Hansen  in  der  bekannten  Weise  gefärbt,  eine  Fär- 
bung, die  der  von  van  Giesson  bedeutend  überlegen  ist. 

Fett  wurde  an  Schnitten,  die  mit  dem  Gefriermikrotom  hergestellt 
waren,  mit  Sudan  III  nachgewiesen,  nach  der  von  W.  Rosenthal 
(1900)  empfohlenen  Methode. 

Der  Grad  der  Verhornung  wurde  vermittelst  der  von  Ernst  (1896) 
für  diesen  Zweck  besonders  empfohlenen  GRAMschen  Methode  fest- 
gestellt. 

Eleidin  wurde  nach  Buzzi  (1896)  mit  Kongorot  gefärbt. 

Im  Text  werden  gelegenthch  andere  Färbungen  erwähnt  werden, 
die  hier  nicht  besonders  aufgeführt  sind. 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  inakroskop.  und  mikroskop.  Anatomie  usw.         7 

Nach  der  Färbimg  wurden  die  Schnitte  durch  Xylol  in  Xylol- 
balsani  gebracht.  Bei  den  mit  dem  Celloidinhäutchen  überzogenen 
Schnitten  mußte  der  absohite  Alkohol  umgangen  werden,  und  es  wurde 
eine  Mischung  von  ^/^  Xylol  und  1/3  Anilin  vor  Xylol  eingeschaltet. 
Schnitte,  die  mit  dem  Rasiermesser  zwecks  Schnelldiagnose  gemacht 
woirden,  wurden  in  Glyceringelatine  eingelegt.  Es  bietet  dieses  Vor- 
teile insofern,  als  das  Gemisch  schnell  erstarrt,  das  Präparat  schneller 
gebrauchsfähig  wird,  die  schwache  Aufhellung  oft  zweckdienlich  ist, 
und  auch  das  Präparat  zwecks  einer  Nachfärbung  durch  leichtes  Er- 
wärmen des  Objektträgers  der  Einbettungsmasse  schnell  und  mühelos 
entnommen  werden  kann. 

Die  photographischen  Aufnahmen  wurden  mit  einem  von  Winkel 
konstruierten  sogenannten  Zeichen-  und  Projektionsapparat  nach 
Edinger  gemacht.  Der  Apparat  ist  mit  Mikroluminaren  ausgerüstet, 
die  sich  »durch  hohe  Lichtstärke  (1:  4,5),  großen  Bildwinkel  und  feine, 
gleichmäßig  scharfe  Zeichnung  über  ein  großes  Gesichtsfeld«  auszeich- 
nen. Ein  weiterer  Hauptvorteil  ruht  in  der  zu  jedem  Mikroluminar 
passenden  besonderen  Beleuchtungslinse.  Der  Apparat  wurde  umge- 
kippt, und  das  BiJd  durch  eine  auf  einem  Kasten  befestigte,  mit  einem 
Schlitzverschluß  versehene  Kamera  aufgefangen.  Die  Belichtungszeit 
betrug  vermöge  der  intensiven  Bogenlichtquelle  den  Bruchteil  von 
einer  Sekunde  bis  wenige  Sekunden,  je  nach  Objekt.  Herrn 
Prof.  Dr.  Hoffmann  und  Herrn  Dr.  Dürken  bin  ich  für  die  Unter- 
stützung bei  der  Überwindung  technischer  Schwierigkeiten  zu  Dank 
verpflichtet. 

Historisches  und  eigene  Untersuchungen,  welche  die  makroskopische 
und  mikroskopische  Anatomie  insbesondere  die  Topographie  des  elas- 
tischen Gewebes  des  Palatum  durum  der  Mammalia  betreffen. 

Was  die  Literatur  der  Untersuchungen,  welche  die  makroskopische 
und  mikroskopische  Anatomie  insbesondere  die  Topographie  des  elasti- 
schen Gewebes  betreffen,  anbelangt,  so  werden  die  allgemein  gehaltenen 
Angaben  und  die  kurzen  Hinweise,  die  sich  hier  und  da  in  den  Lehr-  und 
Handbüchern  vorfinden,  selten  herangezogen,  da  sie  sich  meistens  aus  ein- 
gehenderen Arbeiten  herleiten.  Auch  werden  nur  die  Untersuchungen 
gebracht,  welche  die  Tiere  angehen,  die  ich  selbst  einer  Untersuchung 
unterworfen  habe.  Aber  bei  den  eigenen  Untersuchungen  werden  gele- 
gentlich Angaben,  die  im  literarischen  Teil  nicht  besonders  aufgeführt  sind, 
da  sie  nur  in  losem  Zusammenhang  zu  dem  eigenen  Thema  stehen  oder 
andre  Tiere,  als  die  von  mir  untersuchten,  angehen,  zitiert  werden, 


8  Jakob  Rehs, 

meistens  um  meine  eigenen  Untersucliungen  zu  stützen  oder  auch,  um 
etwas  Gegensätzliches  festzustellen. 
Monotremata. 
Echidnidae. 

Echidna  aculeata  Cuv. 
Ornithorhyncliidae. 
OrnithorhyncJms  anatinus  Shaw. 

Historisches.  Home  (1802)  und  Meckel  (1829)  erwähnen  schon  die 
hornartigen  Erhabenheiten  des  harten  Gaumens  von  Echnida.  Wenn  Milne 
Edwards  (1860)  sagt,  daß  «chez  l'Echidne,  ils  (les  sillons)  sont  remplaces  par 
plusieurs  rangees  transversales  d'epines  courtes  et  dures  dont  la  pointe  est  dirigee 
en  arriere«,  so  kann  dieses  sich  nur  auf  den  hinteren  Teil  des  harten  Gaumens 
beziehen.  Auch  Owen  (1868)  erwähnt,  daß  "the  palate",  d.  h.  nur  der  hintere 
Teil,  "is  armed  with  six  or  seven  transverse  rows  of  strong,  sharp,  but  short  re- 
troverted  spines".    Diese  Hornzähne  werden  auch  von  Flower  (1872)  beschrieben. 

Von  dem  vordersten  Teil  des  harten  Gaumens  von  Echidna  bringt  Seydel 
(1899)  eine  Abbildung  und  berichtet  hierüber,  daß  »in  geringem  Abstand  vom 
Kieferrande  sich  die  beiden  Öffnungen  der  Canales  nasopalatini  finden  .  .  .  Dicht 
hinter  den  Öffnungen  findet  sich  jederseits  eine  flache  Erhebung  der  Schleimhaut, 
welche  nach  vorn  und  nach  den  Seiten  allmählich  verstreicht,  nach  hinten  etwas 
scharf  abgesetzt  ist.  Beide  Erhebungen  sind  in  der  Medianebene  durch  eine  Ein- 
senkung  voneinander  getrennt.  Diese  paarige  Erhebung  .  .  .  hat  wohl  die  Be- 
deutung einer  vordersten,  unvollkommen  entwickelten  Gaumenleiste.  .  .  In  dem 
Felde,  welches  zwischen  den  Öffnungen  der  Canales  naso-palatini  und  den  beiden 
vordersten  Gaumenleisten  liegt,  erhebt  sich  eine  kleine,  längs-ovale,  deutlich 
vorspringende  Wulstung,  die  Papilla  palatina«. 

Eine  sehr  gute  Abbildung  (Retzius,  Taf.  XXXV,  Fig.  1)  und  Beschreibung 
des  harten  Gaumens  von  Echidna  aculeata  bringt  Retzius  (1906),  dessen  Arbeit, 
was  auch  die  anderen  Tiere  anbelangt,  die  vollkommenste  Abhandlung  ist,  die 
über  dieses  Gebiet  erschienen  ist.  Retzitjs  sagt:  »In  der  vordersten  Partie  .  .  . 
liegt  die  Region  der  Papilla  palatina  als  ein  schmaler  medianer,  hinten  ein  wenig 
verbreiterter  Höcker,  und  zu  beiden  Seiten  von  ihr  ist  je  eine  Öffnung  der  Canales 
naso-palatini,  .  .  .;  diese  beiden  Öffnungen  sind  außen  sowie  vorn  und  hinten 
von  einem  schmalen,  niedrigen  Wall  umgeben.  .  .  . 

Hinter  dieser  Region  der  Papilla  palatina  und  Foramina  canalium  naso- 
palatin.  folgt  eine  kurze  Region,  die  dadurch  ausgezeichnet  ist,  daß  sich  hier 
über  ihr  zwei  Paar  kurze,  der  Quere  nach  gelegene  Gaumenleisten  befinden, 
welche  in  der  Medianebene  unterbrochen  und  über  ihrer  ganzen  Oberfläche  mit 
kleinen  rundlichen  Höckern  oder  Knöpfchen  versehen  sind.  Sie  gehen  vorn  in 
die  umliegende  Schleimhautfläche  ohne  direkte  Abgrenzung  über;  am  hinteren 
Rande  ragen  sie  über  diese  Fläche  hervor.  Die  vordere  dieser  Leisten  findet  sich 
gleich  hinter  der  Papille  und  den  Kanalöffnungen,  die  hintere  liegt  dicht  hinter 
den  hinteren  Winkeln  der  Mundöffnung. 

Dann  folgt  die  mittlere  Leistenregion,  die  dadurch  ausgezeichnet  ist,  daß 
fünf  bogenförmige,  in  ungefähr  gleichen  Abständen  voneinander  angeordnete, 
vorn  in  die  Gaumenoberfläche  direkt  übergehende,  hinten  scharf  begrenzte  und 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  luakroskop.  und  luikroskop.  Anatomie  usw.         9 

über  diese  Flüche  sogar  überhängende  Leisten  vorhanden  sind,  weklie  mit  ihren 
Bogenschenkehi  an  den  Seiten  des  Gaumens  weit  nach  hinten  verlaufen.  Diese 
Leisten  haben  also  einen  nach  hinten  gerichteten  concaven  Rand.  Bei  genauer 
Untersuchung  sieht  man,  daß  dieser  Rand  gefranst  ist,  indem  er  sich  in  eine  Reihe 
dichtgedräi\gter  kleiner  Knöpfchen  auflöst.  Jede  zwischen  diesen  Leisten  liegende 
Partie  der  Gaumenoberfliiche  ist  etwas  ausgehöhlt  und  senkt  sich  von  der  hinteren 
Leiste  nach  der  vorderen  hin. 

Schließlieh  findet  sich  in  der  hinteren  Hälfte  der  Gaumenoberfläche  eine 
Region,  welche  sich  dadurch  auszeichnet,  daß  hier  neun  andersgestaltete  Leisten 
vorhanden  sind.  Sie  bestehen  nämlich  aus  stachelartig  geformten,  harten  Fort- 
sätzen, welche  sämtlich  nach  hinten  gerichtet  sind  und,  einanderparallel  gestellt, 
mit  ihren  Spitzen  etwas  über  die  Gaumenoberfläche  hervorragen.  Die  vier  vor- 
deren dieser  Leisten  sind  bogenförmig,  ihr  hinterer  Rand  concav;  sie  sind  aber 
kürzer,  mit  nach  hinten  wachsender  Breite.  Die  vier  hintersten  stehen  mehr  der 
Quere  nach,  gerade  oder  gebogen,  angeordnet;  sie  sind  auch  viel  dichter  anein- 
andergestellt. 

Im  ganzen  lassen  sich  also  am  Gaumen  von  Echidna  16  Leisten  zählen.  Hinter 
der  16.  fand  sich  in  der  Medianebene  noch  ein  ganz  vereinzelter  Stachelfortsatz 
derselben  Art,  wie  die  Fortsätze  der  hintersten  Leisten;  ob  er  noch  eine  rudimentäre 
Leiste  angibt,  kann  ich  nicht  entscheiden.  Zwischen  sämtlichen  Leisten  ist  die 
Gaumenfläche  glatt  und  hart,  ohne  Fortsätze  oder  papilläre  Erhabenheiten«. 

Retzitjs  kommt  zu  dem  Resultat,  daß  bei  den  Monotremen  die  Gaumen- 
leisten »so  eigentümlich  differenziert  und  spezialisiert  sind,  daß  man  aus  der 
Beschaffenheit  derselben  keine  Schlüsse  auf  den  ursprünglichen,  phylogenetisch 
niedrigsten  Typus  und  somit  auch  nicht  auf  den  L^rsprung  dieser  Leisten  zu  ziehen 
vermag  «. 

Was  die  Funktion  der  im  hinteren  Teil  des  Gaumens  von  Echidna  befindlichen 
»Dornen«  und  die  Bedeutung  der  vorderen  Gaumenleisten  anbetrifft,  so  sagt 
darüber  Gegenbaur  (1892):  »Diese  .  .  .  Gauraenleisten  stehen  bei  Echidna  am 
hinteren  Abschnitte  in  einer  wichtigen  Funktion,  indem  sie  mit  Zähnchen  besetzte 
derbe  Platten  tragen,  wie  schon  erwähnt,  mit  der  Reibplatte  der  Zunge  zusammen- 
wirkende Gebilde.  Mit  diesen  verglichen  sind  die  am  vorderen  Abschnitte  des  Gau- 
mens befindlichen  schwachen  Leisten  rudimentäre  Gebilde,  .  .  . « 

Oppel  (1900)  hat  die  Gaumenleisten  vom  Eichhörnchen  und  von  der  Fleder- 
maus untersucht,  und  er  stellte  hier  fest,  daß  sich  »die  Gaumenleisten  in  ihrem 
Bau  nicht  wesentlich  von  der  übrigen  Schleimhaut  des  harten  Gaumens  unter- 
scheiden. Die  Gaumenleisten  sind  nicht  etwa  als  aus  zu  Reihen  verschmolzenen 
Papillen  entstanden  zu  denken,  vielmehr  geht  die  ganze  papillentragende  Sehleim- 
haut in  ihre  Bildung  ein«.  Diese  Befunde  überträgt  er  auf  den  harten  Gaumen 
von  Echidna  und  sagt,  »daß  auch  die  bei  Echidna  sich  findenden  Platten  mit 
Zähnchen  .  .  ,  Bildungen  der  ganzen  Schleimhaut  sind,  also  nicht  papilläre 
Bildungen,  und  sich  mit  verhornten  Papillen  der  Zunge  nicht  ohne  weiteres  ver- 
gleichen lassen«. 

Eigene  Untersuchungen.  Zweifelsohne  sind  die  von  Retzius 
geschilderten  zwei  ersten,  transversal  gelegenen  und  die  fünf  folgenden, 
bogenförmigen  mit  den  Bogenschenkeln  pharyngealwärts  gerichteten 


10  Jakob  Rehs, 

Gebilde  Gaumenleisten,  wenn  sie  auch  nicht,  wie  die  mikroskopische 
Untersuchung  zeigen  wird,  so  vollkommen  ausgebildet  sind,  wie  bei 
andern  Tieren.  Alle  übrigen  Gebilde  des  hinteren  Teiles  des  harten 
Gaumens  im  Bereich  der  starken  Epithel  verdickung  können,  rein  mor- 
phologisch betrachtet,  nicht  den  Namen  Gaumenleisten  tragen,  da  sie 
aus  zu  bogigen  oder  geraden  Papillenquerreihen  angeordneten,  stachel- 
artigen, pharyngeal  gerichteten  Fortsätzen,  den  »Hornzähnen  <<  be- 
stehen, die  als  »Papulae  operariae«  zu  bezeichnen  sind,  wie  Immisch 
(1908)  derartige  Gebilde  treffend  nennt  >>in  Anbetracht  ihrer  physio- 
logischen Aufgabe,  bei  der  Nahrungsaufnahme,  dem  Kauakt,  der  Ein- 
speichelung  und  dem  Mundschlingakt  die  Tätigkeit  der  Lippen,  der 
Zähne  und  der  Zunge  zu  unterstützen,  diesen  Organen  zu  helfen,  ihnen 
gleichsam  Handlangerdienste  zu  leisten.« 

Es  sei  vorweg  bemerkt,  daß  das  Epithel  des  untersuchten  Gau- 
mens oberflächlich  teilweise  maceriert  und  infolgedessen  bei  den  Prä- 
paraten stellenweise  nicht  mehr  vorhanden  war. 

Der  vorderste  Teil  der  Gaumenschleimhaut  vor  den  Canales  naso- 
palatini,  den  Ausmündungen  des  jACOBSONschen  Organs  in  die  Mund- 
höhle, ist  oberflächenwärts  vollkommen  glatt  und  setzt  sich  zusammen 
aus  dem  vielschichtigen  Epithel,  der  Propria  mucosae  mit  der  Pars 
papillaris  und  der  Submucosa,  an  die  sich  teilweise  das  knorpelige 
Gaumendach  anschließt. 

Das  130 1^1  dicke  Stratum  corneum  des  geschichteten  Epithels 
zerfällt  in  eine  oberflächliche  90  /<  und  eine  dar  überliegende,  40  /<  dicke 
Schicht. 

Die  erstere  Zone  besteht  aus  stark  abgeplatteten,  schüppchen- 
artigen  Zellen,  deren  kürzester  Durchmesser  von,  2,6  /<  senkrecht  zur 
Oberfläche  der  Schleimhaut  steht.  Es  sind  nur  Kernreste  zu  erkennen. 
Diese  Schicht  färbt  sich  an  Schnitten,  die  aus  der  Region  der  Gaumen- 
leisten stammen,  nach  der  GKAMschen  Methode  intensiv  violettblau. 
Nach  den  Untersuchungen  von  Ernst  (1896)  läßt  diese  tinktorielle 
Reaktion  auf  einen  sehr  »jungen  Grad«  der  Verhornung  schließen, 
Rabl  (1897)  ist  zwar  der  Meinung,  daß  diese  spezifische  Färbung  keinen 
Rückschluß  auf  den  Grad  der  Verhornung  zulasse,  da  dann  auch  die 
Übergangszone  zwischen  dem  Stratum  germinativum  und  Stratum 
corneum  durch  sie  sich  darstellen  lassen  müsse.  Auf  jeden  Fall  ist  eine 
verschiedene  Beschaffenheit  des  Epithels  in  chemischer  oder  physi- 
kaüscher  Beziehung  vorhanden,  und  sie  tritt  im  Bereiche  der  Papulae 
operariae  am  hinteren  Teil  des  harten  Gaumens  sehr  auffällig  hervor. 
Möglicherweise  läßt  sich  durch  Verdauung  des  Epithels  und  einer  nach- 


Beiträge  zur  Kcuutnis  der  makroskop.  und  niikroskop.  Anatomie  usw.       11 

träglichen  Färbung  nach  dem  Vorgange  Unnas  diese  Frage  lösen. 
Leider  stand  mir  hierzu  kein  Material  zur  Verfügung. 

Die  darüberliegende  40  /<  dicke  Zone  scheidet  sich  infolge  der  Be- 
schaffenheit der  Kerne  scharf  ab  von  der  eben  geschilderten  Schicht 
und  der  »Schicht  ,die  zwischen  ihr  und  dem  Bindegewebe  liegt.  Die 
Kerne  sind  lang  ellipsoidisch,  und  das  Chromatin  liegt  in  Körperchen 
eng  zusammen  und  verleiht  dem  gefärbten  Kern  ein  kompaktes  Aus- 
sehen. Ähnliche  Veränderungen  der  Kerne  im  »Stratum  corneum  be- 
schreibt Rabl  (1897).  Das  Protoplasma  ist  granuhert.  Der  kürzeste 
Zelldurchmesser,  der  ebenso,  wie  oben  geschildert,  gerichtet  ist,  be- 
trägt 5,2«.     Es  sind  also  die  Zellen  auch  abgeplattet. 

Die  sich  anschließende  Schicht  ist  etwa  180  fi  dick.  Die  Zellen  der 
oberflächUchsten  Lage  sind  auch  noch  abgeplattet.  Der  Kern  ist  aber 
kurz  ellipsoidisch,  und  das  Chromatin  liegt  in  Körperchen  weit  aus- 
einander. Um  den  Kern  liegen  durch  Delafields  Hämatoxylin  ebenso 
gefärbte  Körperchen  —  wohl  Keratohyalin  — ,  und  so  ist  diese  Schicht 
möghcherweise  ein  Stratum  granulosum.  Es  folgen  polyedrische  Zellen, 
sogenannte  Stachelzellen,  mit  rundlichem  Kern  und  feingranuliertem 
Protoplasmaleib  als  ein  Stratum  spinosum.  Gegen  das  Bindegewebe 
grenzt  ein  Stratum  cylindricum  ab  mit  keulenförmigen,  kernhaltigen 
Zellen,  die  mit  dem  keulenförmigen  Ende  vom  Bindegewebe  weggewandt 
sind.    Eine  sehr  dünne,  strukturlose  Basalmembran  ist  vorhanden. 

Die  130  //  dicke  Propria  mucosae  baut  sich  aus  einem  dicht  ver- 
filzten Bindegewebe  mit  einem  dichten  Geflecht  von  0,6  /t  dicken  ela- 
stischen Fasern  auf,  die  nach  allen  Richtungen,  besonders  aber  nach 
der  transversalen  und  paramedianen  ziehen. 

Die  Pars  papillaris  der  Propria  mucosae,  der  infrapapillar  und  inter- 
papillar  das  eben  geschilderte  Epithel  angelagert  ist,  entsteht  dadurch, 
daß  zwischen  je  2  bis  zu  60  u  breite,  paramedian  verlaufende  und  durch 
Anastomosen  verbundene  Epithelwülste  30  /<  breite  Bindegewebsleisten 
eingeschlossen  sind,  denen  130  /<  lange  und  an  der  Basis  30  /<  im  Durch- 
messer messende,  hintereinander  stehende  Bindegewebspapillen,  so- 
genannte Primärpapillen,  aufgesetzt  sind.  Die  Bindegewebsleisten  sind, 
wie  später  gezeigt  wird,  das  Resultat  der  verschmolzenen  Basis  der 
Papillen.  Diese  Zusammensetzung  des  Papillarkörpers  kehrt  mehr 
oder  weniger  modifiziert  im  ganzen  übrigen  Gaumen  wieder.  Die  Primär- 
papillen bestehen  aus  dünnen,  sich  durchflechtenden,  von  der  Propria 
mucosae  kommenden  und  von  der  Basis  zur  Spitze  steigenden  Binde- 
gewebsfasern. Der  äußere  Mantel  der  Primärpapillen  ist  mit  elastischen 
Fasern  versehen,  die  sich  aus  dem  Geflecht  der  Propria  mucosae  ab- 


12  Jakob  Rehs, 

zweit^en  und  im  straffen  Verlauf  zur  Spitze  steigen.  Ein  Netz  von 
feinen  Kapillaren  und  Nerven  nimmt  den  zentralen  Raum  ein. 

Dem  lockeren  Bindegewebe  der  Submucosa,  die  345  /t  dick  ist, 
sind  zwischen  den  paramedian  verlaufenden  Nervensträngen  und  Blut- 
gefäßen relativ  wenige  ebenso  verlaufende  etwa  0,6  /.i  dicke  elastische 
Fasern  zugesellt,  die  straff  hinziehen,  sich  untereinander  stellenweise 
körperlich  vereinigen  oder  durch  Anastomosen  verbunden  sind.  Es 
sind  dieses  Eigenschaften  der  elastischen  Fasern,  die  in  allen  Teilen  des 
Gaumens  wiederkehren. 

Das  folgende  knorpelige  Gaumendach  ist  ein  Hyalinknorpel,  der 
an  die  mediane  Vereinigung  der  beiden  Ossa  incisiva  ansetzt  und  an 
das  Septum  nasale  anlehnend  lateral  von  ihm  zwei  schmale  Platten 
bildet,  die  nur  zum  geringsten  Teil  eine  festere  Scheidewand  zwischen 
Mund-  und  Nasenhöhle  abgeben. 

Die  dem  vordersten  Teil  der  Gaumenschleimhaut  folgende  Region 
der  Papilla  palatina  steht  bezüglich  der  Verteilung  des  elastischen  Ge- 
webes etwas  unter  dem  Einfluß  der  Ausmündungen  der  Canales  naso- 
palatini.  Diese  Ausmündungen  sind  nicht  nur,  wie  Retzius  (1906) 
angibt,  »außen  sowie  vorn  und  hinten  von  einem  schmalen,  niedrigen 
Wall  umgeben«,  sondern  auch  auf  der  Innenseite,  und  beide  sind  sie 
durch  Furchen  von  einem  in  der  Medianen  liegenden  Wall  getrennt 
(Textfig.  1). 

Meine  Befunde  über  den  Verlauf  der  Canales  naso-palatini  durch 
das  auch  an  dieser  Stelle  knorpelige  Gaumendach  decken  sich  mit 
denen  von  Beoom  (1896),  die  -ich  im  Folgenden  wiedergebe.  >>In  the 
next  stage  backwards  we  find  the  palatal  cartilages  each  divided  by 
the  upward  extension  of  the  naso-palatine  canal.«  (Textfig.  1  Ä'gr.) 
»The  inner  moiety  is  roughly  cubical  in  shape,  with  the  outer  side  con- 
cave ;  in  which  concavity  lies  the  anterior  end  of  Jacobsons  organ,  as 
it  opens  into  the  naso  -palatine  canal<<  (Textfig.  1  io,  cnp).  »The 
outer  moiety  is  found  as  a  small  plate  of  cartilage  in  the  nasal  floor 
just  outside  the  canal<<  (Textfig.  1  kg). 

Nachdem  die  Canales  naso-palatini  nach  ihrer  Abzweigung  von 
der  Außenseite  des  JACOBSONschen  Organs  das  knorpelige  Gaumen  dach 
durchsetzt  und  eine  senkrechte  Richtung  nach  der  Oberfläche  des 
Gaumens  angenommen  haben,  ist  der  Durchmesser  in  der  Transver- 
salen etwa  50/t,  aber  in  der  Paramedianen  bedeutend  größer.  Die 
betreffenden  Maße  ihrer  Ausmündungsstellen  sind  200  fi,  bzw.  700  ^u. 

Das  Epithel  im  Bereich  der  Canales  naso-palatini  weist  alle  die 
oben  geschilderten  Verhältnisse  auf  (Textfig.  1  sc,  sg).     Das  Stratum 


Beiträge  zur  Koimtuis  der  niakroskop.  und  mikroskop.  Anatomie  usw.       13 


corneuni  kleidet  auch  sich  aUniählich  verdünnend  die  Canales  naso- 
palatini  bis  zu  ihrer  Abzweigung  von  dem  jACOBSONschen  Organ  aus. 
Von  der  Innenwand  der  Canales  naso-palatini  springen  in  das  Lumen, 
mit  ihrer  Spitze  nach  den  Ausmündungen  zu  gerichtet,  Epithelpapillen 
vor,  die  eine  bindegewebige  Grundlage  haben  (Textfig.  1  2?).  Sie  dienen 
wohl  dazu,  Nahrungsteilchen,  die  in  die  Ausführungsgänge  eindringen, 
festzuhalten. 

Die  vom  Papillarkörper  und  der  Submucosa  im  davorhegenden 
Teil  geschilderten  Verhältnisse  bleiben  auch  hier  bestehen  (Textfig.  1 
sm),  nur  daß  in  der  letzteren  reich- 
lichere, paramediane  elastische  Fasern 
auftreten.  Was  aber  die  Verteilung 
des  elastischen  Gewebes  in  der  Pro- 
pria  mucosae  anbelangt,  so  ist  eine 
Änderung  insofern  eingetreten,  als 
aus  dem  Geflecht  elastischer  Fasern 
zu  den  durchschnittlich  100  /t  dicken 
Epithelwänden  der  Canales  naso-pala- 
tini stark  divergierende  elastische 
Fasern  streben,  vor  diesen  Wänden 
enden  und  so  diese  in  ihrer  Stellung 
fixieren  (Textfig.  1  pm).  Auch  zwi- 
schen dem  Oberflächenepithel  der 
Seitenteile  der  Region  der  Papilla 
palatina  und  den  Außenwänden  der 
Canales    naso-palatini    spannen    sich 

transversale  elastische  Fasern,   denen    sches   Organ;    kg,  knorpeliges    Gaumenclacli; 

.   ,  -..  ■.,  nk,  Nasenhöhle;  ns,  Nasenseptum;  7),  ^'erv; 

SICÜ   paramediane  zugesellen.  ^^  ^^  ^^^^  I.umen  der   Canales   naso-palatini 

ragende  Epithelpapillen  mit  bindegewebiger 
Grundlage;  pni,  Propria  mucosae;  sc,  Stratum 
corneum ;  sg,  Stratum  germinativum ;  sm,  Sub- 
mucosa; V,  Vene. 


Textfig.  1. 
Echidna  acideata.  Transversalschnitt  durch 
die  Rpgion  der  Papilla  palatina  im  Bereich 
der  Canales  naso-palatini.  Schematisiert. 
Vergr.  17.  Die  Medianebene  ist  durch  eine 
Strichlinie  gekennzeichnet,  a,  Arterie;  cnp, 
einer  der  Canales  naso-palatini;  io,  J.4.COBSON- 


die    das    jACOBSONsche    Organ 


Sobald  sich  hinter  den  Canales 
naso-palatini  die  beiden  durch  sie 
abgetrennten  'Seitenstücke  des  knor- 
peligen, 130  /<  dicken  Gaumendaches 
wieder  an  die  knorpeligen  Röhren 
umscheiden,  angeschlossen  und  sich  nach  hinten  immer  mehr  ver- 
breitert haben,  gewinnt  die  Schleimhaut  wieder  den  Aufbau,  wie  er 
von  der  vor  den  Canales  naso-palatini  beschrieben  wurde,  nur  hat  die 
Gaumenschleimhaut  an  Breite  zugenommen,  liegen  die  Blutgefäße  und 
Nerven  weiter  auseinander  und  haben  Propria  mucosae  und  Submucosa 
je  die  Dicke  von  200  _u. 

Etwa  600  ,u  von  der  hinteren  Epithelwand  der  Canales  naso-palatini 


14  Jakob  Rehs, 

entfernt,  im  Bereich  der  ersten  Gaumenleiste  findet  sich  in  das  Binde- 
crewebe  der  Submueosa  ein  Drüsengewebe  eingebettet,  das  sich  neben 
der  Medianebene  rechts  und  links  1300  /<  weit  ausbreitet,  in  der  Länge 
600  /t  mißt  und  durchschnittlich  150  /f  dick  ist.  Da  dieses  Drüsen- 
t^ewebe  je  im  Bereich  der  Submueosa  der  ersten  sieben  Gaumenleisten 
vorhanden  ist,  so  trägt  die  Submueosa,  wenn  auch  nur  indirekt  zum 
Aufbau  der  Leisten  bei,  und  es  bildet  das  Drüsengewebe  eine  Ergän- 
zung zu  den  im  pharyngealen  Abschnitt  der  Zunge  befindlichen  Drüsen. 
Einen  Paramedianschnitt  durch  das  Drüsengewebe  der  zweiten  Gaumen- 
leite gibt  Fig.  1  dr,  Taf .  I  wieder.  Die  kugeligen  oder  ellipsoidischen 
Kerne  der  Drüsenzellen,  deren  Entfernung  von  der  Außenwand  ein 
Drittel  der  von  der  Innenwand  ist,  haben  einen  Durchmesser  von  4,5  bis 
7,5^«.  Ihr  Chromatin  ist  zu  einzelnen  Körperchen  angehäuft.  Der 
sonstige  Inhalt  der  Zelle  hat  eine  körnige  Struktur,  aber  sehr  oft  liegt 
der  Kern  in  einer  hellen  Zone,  die  von  einer  gekörnten  umgeben  ist. 
Zwischen  den  Drüsenläppchen  finden  sich  Sammelröhren  mit  Cylinder- 
zellen  und  solche  mit  geschichtetem  Epithel.  Erstere  Sammelröhren 
schließen  direkt  an  die  Drüsenläppchen  an  und  gehen  in  die  mit  ge- 
schichtetem Epithel  über,  die  ihrerseits  wieder  anschließen  an  die  Haupt- 
ausführungsgänge mit  erweitertem  Lumen  und  geschichtetem  Epithel 
in  mehreren  Zellagen.  Diese  schließen  sich  an  Epithelwülste  an  und 
münden  auf  der  höchsten  Erhebung  der  Leiste  nach  außen,  eine  Lage, 
die  für  eine  sichere  Berührung  der  Nahrung  mit  dem  Sekret  sehr  gün- 
stig ist.  Eine  Färbung  mit  Mucicarmin  ergab  keine  typische  Schleim- 
färbung. Mit  Sicherheit  konnte  auf  diesem  Wege  der  mikrochemischen 
Färbung  nicht  festgestellt  werden,  ob  Schleimdrüsen  vorliegen  oder 
nicht.  Zu  diesem  Zwecke  müßten  die  Untersuchungen  an  frischerem 
Material,  als  mir  zur  Verfügung  stand,  gemacht  werden.  Ich  möchte 
noch  hinzufügen,  daß  sich  diese  Drüsen  von  typischen  Schleimdrüsen, 
wie  ich  sie  im  weichen  Gaumen  anderer  Tiere  sah,  durchaus  unterschei- 
den. Ob  sie  aber  dem  serösen  Typus  zuzurechnen  sind,  da  ihr  Bau 
den  serösen  Drüsen  ähnelt,  die  Oppel  (1900)  vom  hinteren  Teil  der 
Zunge  von  Echidna  beschreibt,  möchte  ich  dahingestellt  sein  lassen. 

Dieses  Drüsengewebe  ist  vollkommen  von  dem  Geflecht  aus  ela- 
stischen Fasern  umsponnen.  Mit  dem  interstitiellen  Bindegewebe  sind 
elastische  Fasern  vergesellschaftet,  welche  die  Propria  der  Drüsen 
durchsetzen  (Taf.  I,  Fig.  1  dr).  Auch  die  Ausführungsgänge  sind  voll- 
kommen von  elastischen  Fasern,  die  den  Gängen  parallel  laufen,  ein- 
gescheidet.  Diese  Beziehung  des  elastischen  Gewebes  zu  den  Drüsen 
ist  von  Wichtigkeit  für  die  Austreibung  des  Sekretes. 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  makroskop.  und  mikroskop.  Anatomie  usw.       15 

Die  Submucosa  über  der  First  der  ersten  Leiste,  also  hinter  dem 
Drüsengewebe,  ist  von  einem  System  von  Lakunen  durchsetzt,  die  in 
der  Transversalen  oft  375  u  und  in  der  Dicke  40  /<  messen  und  teilweise 
mit  einer  körnigen  Masse  ausgefüllt  sind.  Möglicherweise  hat  man  es 
hier  mit  einem  Venensystem  zu  tun,  wie  es  Jaenicke  (1908)  besonders 
ausgebildet,  hinter  den  Schneidezähnen  bei  andern  Tieren  feststellte. 
Ich  konnte  wohl  eine  feine  Endothelschicht  aber  keine  elastischen  Fa- 
sern nachweisen,  wie  es  bei  der  vorn  in  der  Gaumenschleimhaut  median 
gelegenen  Vene  der  Fall  ist.  Überhaupt  ist  hier  die  Submucosa  relativ 
arm  an  elastischen  Fasern. 

Sehr  reich  dagegen  ist  die  Propria  mucosae  damit  ausgestattet. 
Es  ist  ein  Geflecht  hauptsächlich  aus  transversalen  mit  wenigen  para- 
medianen Fasern  nicht  zu  verkennen.  Dieses  reichliche  Auftreten  von 
transversalen,  elastischen  Fasern  wird  uns  deutlicher  bei  der  folgenden 
Leiste  entgegentreten. 

Über  den  Aufbau  des  bindegewebigen  Innern  der  ersten  Leiste 
konnte  ich,  da  mir  nur  Transversalschnitte  zur  Verfügung  standen, 
keinen  genauen  Aufschluß  erlangen,  aber  ich  glaube,  daß  er  sich  an 
den  anschließt,  wie  er  von  der  zweiten  Leiste  geschildert  werden  wird. 
Es  ist  hier  wohl,  wie  die  Schnitte  andeuten,  der  bei  jenen  angegebene 
Prozeß  noch  weiter  fortgeschritten.  Auf  jeden  Fall  ist  sie  eine  fast  voll- 
kommen entwickelte  Gaumenleiste  und  keine  unvollkommen  ent- 
wickelte, für  welche  sie  Seydel  (1899)  hält. 

In  dem  Gebiet  des  Tales  zwischen  der  ersten  und  zweiten  Gaumen- 
leiste liegt  die  Schleimhaut  nicht  mehr  einem  knorpeligen  sondern  nun- 
mehr, wie  auch  im  ganzen  übrigen  Teil  des  harten  Gaumens,  dem  knö- 
chernen Gaumendach,  einer  festeren  Grundlage,  an.  Es  ist  festzustellen, 
daß  nunmehr  das  elastische  Gewebe  nicht  mehr  ein  Geflecht  nach  allen 
Richtungen  verlaufender  elastischen  Fasern  ist,  bei  denen  sich  zwar 
eine  transversale  und  paramediane  Richtung  hervorhebt,  sondern  eine 
sehr  regelmäßige  Schichtenfolge  aufweist,  wie  im  Folgenden  gezeigt 
werden  wird. 

Dem  knöchernen  Gaumendach  schließt  sich  eine  100  fi  dicke  Schicht 
ungeformten  Bindegewebes  aus  feinen  Bindegewebsfasern  mit  größe- 
ren Zellen  an,  die  ein  Periost  ist.  Auffälligerweise  ist  in  dieser  Schicht 
auch  nicht  eine  Spur  von  elastischen  Fasern  zu  konstatieren  (Taf.  I, 
Fig.  1  pe). 

Es  folgt  eine  ebenso  dicke  Schicht,  die  aus  dicken  Bindegewebs- 
fibrillen  in  transversaler  Richtung,  von  paramedianen  durchflochten, 
aufgebaut  ist.    Hier  treten  ausschließlich  paramediane,   2,5  /.i  dicke. 


16  Jakob  Rehs, 

elastische  Fasern  auf,  die  nebeneinander  in  Ebenen  angeordnet  sind, 
die  parallel  der  Schicht  in  der  Schicht  liegen. 

Eine  dicht  verfilzte,  150  ^i  dicke  Bindegewebsschicht  aus  sehr 
dünnen  Fibrillen  reiht  sich  an.  In  dieser  Schicht  verlaufen  Arterien, 
Venen  und  Nerven  über  die  ganze  Gaumenbreite  verteilt,  zwischen 
denen  paraniediane ,  elastische  Fasern  liegen  (Taf .  I,  Fig.  l  v,n). 
Diese  und  jene  Schicht  sind  die  Submucosa  (Taf,  I,  Fig.  1  sm). 

Reichlicherwerden  diese  paramedianen,  elastischen  Fasern  beim  Über- 
gang zu  der  100 /<  dicken  Propria  mucosae,  die  ein  dichtes  Geflecht  relativ 
starker  Bindegewebsfibrillen  darstellt.  Mit  vielen  paramedianen,  elasti- 
schen Fasern  verflechten  sich  wenige  transversale,  die  nach  der  Mitte  der 
Propria  mucosae  zu  an  Zahl  zu,  aber  nach  dem  Papillarkörper  an  Dichte 
abnehmen  (Taf.  I,  Fig.  1  pm).  Hier  gewinnen  die  paramedianen,  elasti- 
schen Fasern  wieder  die  Oberhand  und  ziehen  den  Epithelwülsten  entlang 
und  liegen  insgesamt  rinnenförmig  ihnen  an  (Taf.  I,  Fig.  1  und  2  opm). 

Von  diesen  und  aus  dem  Geflecht  der  Propria  mucosae  biegen 
elastische  Fasern  ab,  Aufspaltungen  dicker  Fasern,  und  heften  sich 
an  die  Epithelwülste  an  oder  füllen  den  äußeren  Mantel  der  Binde- 
gewebspapillen  aus  (Taf.  I,  Fig.  2  jjr).  Es  ist  ja  selbstverständlich, 
daß  die  elastischen  Fasern  der  einzelnen  Schichten  Fortsetzungen  der- 
jenigen sind  in  den  entsprechenden,  da  vorliegenden  Schichten  und 
auch  in  die  entsprechenden  dahinterliegenden  Schichten  weiterziehen, 
daß  auch  ein  Zusammenhang  der  elastischen  Fasern  zwischen  den  ein- 
zelnen, parallelen  Schichten  besteht. 

Innerhalb  der  zweiten  Leiste  hat  mit  der  allgemeinen  Verdickung 
der  Schleimhaut  hauptsächlich  die  Submucosa  an  Dicke  zugenommen. 
Eine  Zunahme  an  elastischen  Fasern  ist  in  allen  Schichten  zu  ver- 
zeichnen. In  der  Submucosa  sind  paramediane,  elastische  Fasern 
massenhaft  anzutreffen,  besonders  dem  Drüsengewebe  angelagert 
(Taf.  I,  Fig.  1  pef).  In  der  Propria  mucosae  haben  sich  die  para- 
medianen, elastischen  Fasern  etwas  vermehrt,  aber  die  transversalen 
haben  an  Menge  und  Dichte  stark  zugenommen.'  In  dieses  Geflecht 
ist,  wie  schon  erwähnt,  im  Gebiet  der  Submucosa,  ähnlich  wie  bei  der 
ersten  Leiste,  ein  Drüsengewebe  eingelagert,  das  auch  im  Bau  voll- 
kommen mit  jenem  übereinstimmt  (Taf.  I,  Fig.  1  dr).  Ein  Transversal- 
schnitt durch  die  First  dieser  Leiste  und  das  zwischen  ihr  und  dem 
knöchernen  Gaumendach  gelegene  Bindegewebe  demonstriert  deutHch 
diese  eben  geschilderten  Verhältnisse.  Dem  Periost  ohne  elastische 
Fasern  (Taf.  I,  Fig.  2  pe)  schließt  sich  die  Schicht  mit  paramedia- 
nen an,  welcher  Verlauf  auch  in  der  Schicht  mit  den  Blutgefäßen  und. 


Beiträge  zur  KcMintuis  der  tnakroskop.  und  inikroskop.  Anatomie  usw.       17 

und  den  Nerven  wiederkehrt  (Taf.  I,  Fig.  2  sm).  Die  elastische  Innen- 
haiit  der  Intima  der  Arterien  ist  nur  0,5  /<  dick.  Der  Media  sind  wenige 
elastische  Fasern  eingelagert,  und  die  elastische  Haut  der  Externa  ist 
0,2  n  dick.  Aber  in  das  au  die  Arterien  anschließende  Bindegewebe  sind 
dem  Verlauf  der  Arterien  gleichgerichtet  ringsum  elastische  Fasern 
eingelagert.  Ähnlich  verhält  es  sich  bei  den  Venen,  nur  daß  die  Media 
und  Externa  reichlicher  elastische  Fasern  bergen  (Taf.  I,  Fig.  2  a,  v). 
Auch  das  Epineurium  weist  rings  um  die  Nerven  mit  ihnen  gleich- 
gerichtete elastische  Fasern  auf  (Taf.  I,  Fig.  2  n).  Im  Übergang  zur 
nächsten  Schicht  gruppieren  sich  die  paramedianen  elastischen  Fasern 
zu  Platten  parallel  dem  knöchernen  Gaumendach  (Taf.  I,  Fig.  2  sp). 
Auffallend  hebt  sich  die  Propria  mucosae  mit  den  gedrängten,  trans- 
versalen, elastischen  Fasern  heraus,  denen  paramediane  zugesellt  sind 
(Taf.  I,  Fig.  2  pm). 

Rechts  auf  der  Abbildung,  also  nach  der  Medianeu  zu,  wo  makro- 
skopisch eine  1100 /<  breite  Furche,  dieRhaphe  palati,  die  Leiste  in  zwei 
Hälften  trennt,  schließt  sich  an  die  Propria  mucosae  direkt  der  Papillar- 
körper  an,  bestehend  aus  paramedianen  Bindegewebsleisten  (Taf.  I, 
Fig.  2'bl)  mit  schmalen  hohen  Bindegewebspapillen  und  peripheren 
elastischen  Fasern  (Taf.  I,  Fig.  2  pr)  zwischen  je  zwei  Epithelwülsten 
(Taf.  I,  Fig.  2  eiv).  Die  paramedianen  elastischen  Fasern  sind  auf 
diesem  Schnitt  infolge  ihres  Verlaufs  in  Guirlandenform  angeordnet 
(Taf.  I,  Fig.  2  opm). 

In  den  beiden  Teilen  der  Leiste  neben  der  Medianfurche  schiebt 
sich  zwischen  Propria  mucosae  und  Papillarkörper  eine  250  f^i  hohe 
und  in  der  Basis,  in  der  Paramedianen  gemessen,  650  ^t  breite,  trans- 
versal gelagerte,  ie2,7mmlangeBindegewebsleisteein,  die  bindegewebige 
Grundlage  der  Leiste,  die  das  Oberflächenniveau  des  vor  und  hinter 
der  Leiste  gelegenen  Epithels  nicht  überragt.  Die  Submucosa  hat  keinen 
direkten  Anteil  an  der  Bildung  dieser  Leiste.  Die  vordere  Oberfläche 
dieser  Bindegewebsleiste  steht  in  einem  sehr  stumpfen  Winkel  zu 
der  des  Bindegewebes  vor  der  Gaumenleiste,  während  diejenige  der 
hinteren  Oberfläche  mit  der  Oberfläche  des  Bindegewebes  hinter  der 
Leiste  etwas  weniger  als  einen  rechten  Winkel  bildet.  Es  ist  die  Leiste 
also  pharyngealwärts  gerichtet  (Taf.  I,  Fig.  1  u.  2  bi). 

Die  elastischen  Fasern  dieser  Bindegewebsleiste  sind  Fortsetzungen 
der  in  der  Propria  mucosae  und  den  Epithelwülsten  paramedian  ver- 
laufenden Fasern,  die  sich  aufgefasert  haben,  den  bindegewebigen 
Innenraum  der  Leiste  durchströmen,  um  teilweise  vor  dem  Epithel  der 
Rückwand  der  Leiste  zu  endigen,  besonders  an  der  in  das  Bindegewebe 

Zeitschrift  f.  wissenscii.  Zoologie.   CIX.  Bd.  2 


18  Jakob  Rehs, 

vorspringenden  transversalen  Kante,  diese  gleichsam  in  ihrer  Lage 
fixierend  (Taf.  I,  Fig.  1  el).  Teilweise  biegen  die  elastischen  Fasern 
um  und  ziehen  nach  der  First  zu.  Auch  gehen  wenige  elastische  Fasern 
von  der  Epithelrückwand  zur  Vorderwand.  Durchflochten  werden 
diese  elastischen  Fasern  von  wenigen,  dünnen  transversalen  Fasern. 
So  bildet  diese  Anordnung  der  elastischen  Fasern  in  paramedianer 
Richtung  einen  Übergang  zu  der  in  den  Leisten  andrer  Tiere,  wo  ein 
Zusammenhang  zwischen  den  elastischen  Fasern,  die  von  der  Epithel- 
vorderwand zur  Eückwand  ziehen  und  den  in  den  Tälern  vor  und 
hinter  der  Leiste  befindlichen,  kaum  noch  wahrzunehmen  ist. 

Der  basalste  Teil  der  Vorder  wand  der  Bindegewebsleiste  besitzt 
im  Übergang  zum  Papillarkörper  des  davor  liegenden  Tales  190 /<  lange, 
40  fi  im  Basisdurchmesser  messende,  das  Stratum  germinativum  nicht 
ganz  durchsetzende  Primärpapillen  mit  elastischen  Fasern  im  peripheren 
Teil  aus  dem  bindegewebigen  Grundstock,  der  Leiste.  Die  Rückwand 
zeigt  nur  vereinzelt  Pirmärpapillen  an  der  äußersten  Basis.  Der  schmäl- 
sten, lingualwärts  gelegenen  Fläche  des  bindegewebigen  Grundstockes 
sind  nach  der  First  zu  gerichtete,  spitzkegelige  und  bindegewebige 
Papillen  derart  aufgesetzt,  daß  ihre  Epithelrückwand  direkt  in  die 
Epithelrückwand  der  bindegewebigen  Transversalleiste  übergeht,  wäh- 
rend die  Epithelvorderwand  der  Papille  auf  die  schmälste  Fläche  der 
bindegewebigen  Transversalleiste  aufstößt.  Diese  Bindegewebspapillen 
sind  nur  130 /i  lang.  Ihr  basaler  Durchmesser  ist  aber  80  |tt  (Taf.  I, 
Fig.  2  prvs).  Sie  sitzen  auf  beiden  Seiten  der  Medianfurche,  auf  eine 
Strecke  von  1,6  mm  verteilt,  der  bindegewebigen  Transversalleiste  auf 
zu  sechs  transversal  in  einer  Reihe  nebeneinander,  seltener  zu  zweien 
paramedian  hintereinander.  In  den  Papillen,  deren  kollagene  Fasern 
parallel  zur  Oberfläche  in  der  Richtung  der  Papille  liegen,  finden  sich 
ebenso  verlaufende  elastische  Fasern,  die  Fortsetzungen  der  elastischen 
Fasern  sind,  die  den  bindegewebigen  Innenraum  durchsetzt  haben 
und  nach  der  First  zu  abgebogen  sind  (Taf.  I,  Fig.  2  prvs).  Blut- 
kapillaren und  Nerven  sind  reichlich  vorhanden. 

Jede  Bindegewebspapille  ist  von  einem  Mantel  von  spindelförmigen 
Zellen  des  Stratum  cylindricum  umgeben,  die  schindeiförmig  gelagert 
sind.  Auf  ihn  folgt  ein  sich  distal wärts  verdünnender  Mantel  aus  kern- 
haltigen und  granulierten  Epithelzellen,  deren  kürzester  Durchmesser 
senkrecht  zur  Oberfläche  der  bindegewebigen  Papillen  steht  (Taf.  I, 
Fig.  2  sg).  Beide  Mäntel  gehören  dem  Stratum  germinativum  an.  Über 
den  distalen  Teil  dieses  Mantels  stülpt  sich  ein  Gebilde  mit  sehr  stark 
granulierten,  pigment-  und  kernhaltigen  Zellen,  die  mit  ihrem  kürzesten 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  niakroskop.  und  mikroskop.  Anatomie  usw.       19 

Diuchniesser  senkrecht  zur  Papillenriclitiing  eingestellt  sind  (Taf.  I, 
Fig.  2  II).  Im  basalen  Teil  gehen  diese  Gebilde  aller  Papillen  ineinander 
über.  Distahvärts  platten  sich  die  Zellen  stark  ab ,  werden  kernlos 
und  legen  sich  zu  einer  echt  verhornten  Epithelpapille  zusammen.  Diese 
färbt  sich  mit  Pikrinsäure  intensiv  (Taf.  I,  Fig.  2  III).  In  die  inter- 
papillaron  Käume,  also  zwischen  die  Epithelpapillen,  ist  das  Stratum 
cornoum,  das  sich  durch  den  ganzen  Grad  der  Verhornung  scharf  von 
den  Epitholpapillen  unterscheidet,  im  Gegensatz  zu  den  gewöhnlichen 
Primärpapillen,  die  das  Stratum  germinativum  nicht  durchdringen, 
tief  eingesenkt  (Taf.  I,  Fig.  2  sc).  Es  besteht  aus  platten,  jungver- 
hornten Zellen.  Der  kürzeste  Durchmesser  der  Zellen,  die  jenem  Mantel 
direkt  angelagert  sind,  steht  ebenso  wie  der  jener  Zellen,  sonst  aber 
senkrecht  zur  Epitheloberfläche.  Sie  füllen  aber  die  interpapillaren 
Räume  nicht  ganz  aus,  sondern  auf  der  Oberfläche  der  First  sind  Sättel 
zu  beobachten,  die  von  den  distalen  Enden  der  verhornten  Epithel- 
papillen überragt  werden.  Diese  sind  die  schon  eingangs  erwähnten 
Höckerchen. 

Die  vordere  und  die  hintere  Oberfläche  der  bindegewebigen  Leiste 
sind  von  den  Schichten  des  Stratum  germinativum  und  Stratum  cor- 
neum  bedeckt,  die  nach  der  First  zu  in  die  die  Bindegewebspapillen 
umgebenden  Mäntel  übergehen  und  deren  kürzester  Zelldurchmesser 
auch  zur  Oberfläche  der  Bindegewebsleiste  senkrecht  steht  (Taf.  I, 
Fig.  1  sc,  sg).  Alle  Epithelzellen  der  Vorderwand  gehen  in  die  Epithel- 
zellen des  Tales  zwischen  der  zweiten  und  ersten  Leiste  allmählich  im 
sanften  Bogen  über,  indem  ihr  kürzester  Durchmesser  sich  senkrecht 
zur  Oberfläche  des  Bindegewebes  einstellt.  An  der  pharyngeal  gelegenen 
Wand  hingegen  springen  die  Epithelzellen,  deren  kürzester  Durch- 
messer ebenso  steht  wie  bei  der  Vorderwand,  als  Kante  in  das  Binde- 
gewebe vor  (Taf.  I,  Fig.  1  el).  Der  Übergang  zu  den  Zellen  des  Epi- 
thels des  Tales  zwischen  der  zweiten  und  dritten  Leiste,  deren  kürzester 
Durchmesser  senkrecht  zur  Oberfläche  des  Bindegewebes  steht,  ge- 
schieht daher  in  weniger  als  einem  rechten  Winkel. 

Es  unterscheiden  sich  also  jene  zu  Reihen  transversal  nebeneinander 
liegenden  Bindegewebspapillen  von  den  Primärpapillen  vollkommen, 
auch  von  denen,  die  den  Papillarkörper  der  Vorderwand  der  Binde- 
gewebsleiste bilden.  Jene  Bindegewebspapillen  leiten  sich  aber  nicht 
direkt  von  Primärpapillen  her,  sondern  ich  möchte  sie  als  die  Spitzen 
großer  Bindegewebspapillen  deuten,  wie  sie  vom  hinteren  Teil  des 
harten  Gaumens  noch  beschrieben  werden,  bei  denen  es  zu  einer  late- 
ralen Konkreszenz   der   basalen   bindegewebigen  Hauptteile   der   Pa- 

2* 


20  Jakob  Rehs, 

pilleu  gekomineu  ist,  woraus  ein  Teil  des  bindegewebigen  Innern  der 
Leiste  resultiert.  Die  lateralen  Teile  der  Leiste  werden  wohl  infolge 
von  Zuo'wirkung  entstanden  sein.  Wie  schon  berichtet  hat  die  Sub- 
mucosa  nur  einen  indirekten  Anteil  an  der  Bildung  der  Leiste. 

Diese  Deutung  erhält  eine  Stütze,  wenn  man  Paramedian-  und 
Transversalschnitte  durch  die  zweite  Gaumenleiste  im  Bereich  einer 
solchen  Bindegewebspapille  mit  eben  solchen  durch  die  erste  Papillen- 
querreihe  vergleicht,  die  sich  aus  stachelartigen,  pharyngeal  gerichteten 
Papulae  operariae  zusammensetzt. 

Periost,  Submucosa  und  Propria  mucosae  mit  Pars  papillaris 
zeisen  denselben  Aufbau  wie  es  bei  der  zweiten  Gaumenleiste  geschildert 
wurde.  Der  Grundstock  der  Papulae  operariae  ist  eine  etwa  600  f.i  lange 
Bindegewebspapille,  deren  äußerste  Basis  an  der  Vorderseite  wenige 
250^«  lange  Primärpapillen,  die  wie  auch  alle  Papillen  im  Tal  pharyn- 
geal gerichtet  sind.  Man  kann  diese  großen  Bindegewebspapillen  daher 
kaum  als  Sekundärpapillen  bezeichnen,  sondern  ich  möchte  sie,  wie 
noch  gezeigt  werden  wird,  für  vergrößerte  Primärpapillen  halten. 
Die  vordere  und  hintere  Oberfläche  einer  solchen  großen  Bindegewebs- 
papille steht  zur  Oberfläche  des  Bindegewebes  in  den  Tälern  zwischen 
den  Papillenquerreihen  ebenso,  wie  von  der  Vorder-  und  Rückwand  der 
zweiten  Leiste  angegeben  wurde.  Sie  hat  einen  in  der  Para medianen 
gemessenen  geringeren  Basisdurchmesser  als  der  bindegewebige  Innen- 
raum der  zweiten  Leiste,  aber  sie  ist  um  etwa  200  /<  länger  als  der  vor- 
her genannte  Innenraum  und  die  darauf  sitzenden  Papillen.  Diese 
Verlängerung  der  großen  und  auch  der  Primärpapillen  geht  Hand  in 
Hand  mit  der  Verdickung  des  Epithels.  Die  kollagenen  Fasern  im  ba- 
salen Teil  der  großen  Bindegewebspapillen  zeigen  den  Bau  der  Propria 
mucosae,  und  distalwärts  verlaufen  sie  parallel  zur  Oberfläche  der  Pa- 
pille. Ebenso  wie  bei  der  zweiten  Leiste  liegen  neben  paramedianen 
elastischen  Fasern,  die  von  den  paramedianen  kommen,  die  in  der 
Propria  nmcosae  und  dem  Papillarkörper  vor  der  Papillenquerreihe 
liegen,  transversale  elastische  Fasern,  auf  die  Basis  beschränkt.  In 
der  Spitze  sind  zur  Spitze  ziehende  elastische  Fasern  anzutreffen,  die 
Fortsetzungen  von  bogig  verlaufenden,  paramedianen  elastischen  Fa- 
sern sind.   Das  Papillenstroma  nimmt  Blutgefäße  und  Nerven  auf. 

Die  großen  Bindegewebspapillen  (Taf.I,  Fig.  3  2^rv)  sind  von  einem 
Epithel  umscheidet,  das  sich  sehr  scharf  durch  die  Lage  und  die 
Beschaffenheit  der  Zellen  von  dem  interpapillaren  und  dem  zwischen 
je  zwei  Papillarquerreihen  befindlichen  abgrenzt  und  so  zur  Bildung  der 
die  Gaumenoberfläche  überragenden  Prominenzen,  den  Papulae  opera- 


Beiträge  zur  Ki-nulnis  cUt  makroskop.  und  nükroskop.  Anatomie  usw.       21 

liao,  fühlt.  Auf  einen  Mantel  aus  keulenförmigen  Zellen,  die  wie  Schin- 
deln der  Bindegewebspapillc  anliegen,  folgt  ein  am  basalen  Teil  50  ^a 
dicker,  sich  distalwärts  auf  15 /<  verdünnender  Mantel  aus  granulierten, 
kernhaltigen  Zellen,  die  mit  ihrem  kürzesten  Durchmesser  senkrecht 
zur  Papillenrichtung  stehen.  Beide  bedecken  die  Bindegewebspapillc 
also  vollständig  und  gehen  in  das  Stratum  germinativum  des  vor  und 
hinter  der  Papillenreihe  liegenden  Epithels  über  und  sind  daher  ein 
Stratum  germinativum  (Taf.  I,  Fig.  3  äj/).  Abgeplattete,  sehr  stark 
granulierte,  mit  dem  kürzesten  Durchmesser  von  5/7,  ebenso  gelagert 
wie  die  vorhergehenden  und  mit  deutlichen  Kern  folgen  in  Mantelform 
nach.  Die  Zellmembran  hat  ein  Oberflächenrelief  von  Punkten  und 
Linien.  Es  sind  dies  Zähnchen  und  Leistchen,  die  von  Zelle  zu  Zelle 
ineinander  greifen  und  für  einen  guten  Verband  sorgen.  Bizzozero 
(1885)  beschreibt  auf  der  Oberfläche  der  Mundepithelien  andrer  Tiere 
auch  derartige  Riffzellen.  Am  basalsten  Teil  ist  der  Mantel  50  /<  dick 
und  dringt  hier  bis  zum  Stratum  germinativum  des  vor  und  hinter  der 
Papillenquerreihe  liegenden  Epithels  vor  (Taf.  I,  Fig.  3  II).  Infra- 
papillar  bildet  er  einen  30  u  im  Durchmesser  messenden  Strang,  der 
den  zentralen  Raum  des  Epithelzahnes  einnimmt.  Um  dieses  helm- 
artige Gebilde  legt  sich  ein  Mantel  von  Zellen,  deren  kürzester  Durch- 
messer mit  derselben  Lagerung,  wie  bei  den  vorgenannten  Zellen,  3  i^t 
ist.  Die  Basis  reicht  auch  bis  zum  Stratum  germinativum  und  hat  eine 
Dicke  von  50^«.  Distalwärts  verdickt  der  Mantel  sich  auf  100^«  und 
bildet  die  Umhüllung  des  über  die  Gaumenoberfläche  ragenden  Epithel- 
zahnes. Die  Zellen  sind  auch  verzahnt  (Taf.  I,  Fig.  3  III).  Dieser 
Mantel  färbt  sich  mit  Pikrinsäure  pikringelb,  und  die  verhornten  Epithel- 
papillen der  First  der  zweiten  Gaumenleiste  sind  wohl  Reststücke  dieses 
größeren  Gebildes,  bei  denen,  wie  auch  Oppel  (1899)  an  den  Hornzähnen 
der  Zungenoberfläche  von  Echidna  feststellte,  die  Verhornung  nicht  nur 
im  oberen  Teil  der  Papillen  erfolgt,  sondern  auch  an  den  Seitenteilen 
tief  hinab.  Interpapillar  ist  das  Stratum  corneum,  ein  »junges  Hörn«, 
sehr  tief  in  Lamellenform  eingesenkt,  und  die  Zellen,  die  letzterem  Man- 
tel am  nächsten  liegen,  lagern  ihm  platt  an,  sonst  liegen  sie  parallel 
der  Epitheloberfläche  (Taf.  I,  Fig.  3  sc).  Es  bildet  oberflächemvärts 
Sättel,  die  von  den  makroskopisch  sichtbaren  Epithelzähnen,  den 
Papulae  operariae,  überragt  werden.  An  die  Vorderfläche  wie  an  die 
Hinterfläche  der  verhornten  Epithelmäntel  ist  das  Stratum  corneum 
angelagert,  und  es  sind  die  Übergänge  zwischen  jenen  Zellen  und  den 
vor  und  hinter  der  Papillenquerreihe  gelegenen  ebenso,  wie  bei  der 
zweiten  Leiste  geschildert  wurde. 


22  Jakob  Rehs, 

Das  Stratum  corneum  vor  und  hinter  der  Papillenquerreihe  ist 
bis  auf  700  f^i  verdickt.  Die  Zellen  liegen  parallel  der  Epitheloberfläche, 
Jene  allniähliche  Verdickung  ist  fortschreitend  von  diesem  Teil  des 
Gaumens  zum  hinteren  festzustellen,  und  in  diesem  festen  Gefüge  vor, 
hinter  und  zwischen  den  Papillen  im  Verein  mit  den  tief  eindringenden 
Hornmänteln  ist  wohl  die  Ursache  zu  suchen,  warum  es  hier  nicht  zu 
einer  lateralen  Konkreszenz  der  Basis  der  großen  Bindegewebspapillen 
unter  Zurückdrängung  des  Epithels  gekommen  ist.  Liegen  jedoch  zwei 
Papulae  operariae  sehr  nahe  beieinander,  so  sind  die  peripheren  Teile 
der  verhornten  Mäntel  lateralwärts  verschmolzen  (Taf.  I,  Fig.  3  d), 
und  das  interpapillare  Epithel  des  Stratum  corneum  ist  fast  vollkommen 
verdrängt  und  nur  auf  eine  schmale,  oberflächliche  Lamelle  beschränkt. 
Bei  solchen  Papillen  ist  auch  die  laterale  Basis  der  bindegewebigen 
Grundstücke  verschmolzen,  und  so  ist  hier  tatsächlich  ein  Übergang 
zu  dem  weiter  fortgeschrittenen  Prozeß  in  der  zweiten  Gaumenleiste 
gegeben.  Die  bindegewebige  Transversalleiste  der  zweiten  Gaumen- 
leiste ist  nicht  etwa  für  sich  allein  entstanden,  und  die  aufsitzenden 
Bindegewebspapillen  sind  nicht  nur  vergrößerte  Primärpapillen ;  denn 
die  Primärpapillen  im  Bereich  der  zweiten  Gaumenleiste  haben  einen 
Basisdurchmesser  von  40  li  und  eine  Länge  von  190  ^t«,  während  jene 
aufsitzenden  Bindegewebspapillen  die  Maße  80«,  bezw.  130 /<  haben. 
Der  paramediane  Basisdurchmesser  der  Bindegewebsleiste  ist  etwas 
größer  als  der  der  großen  Bindegewebspapillen.  Letztere  sind  nur  um 
200  u  länger  als  die  bindegewebige  Transversalleiste  und  die  aufsitzende 
Papille  zusammen.  Eine  derartige  Verkürzung  des  Basisdurchmessers 
und  Verlängerung  der  Höhe  läßt  sich  im  Gaumen  fortschreitend  von 
vorn  nach  hinten  feststellen.  Ob  oben  genannter  Verschmelzungsprozeß 
im  Laufe  der  ontogenetischen  Entwicklung  vor  sich  geht,  vermag  ich, 
da  mir  hierzu  das  Material  fehlt,  nicht  zu  entscheiden. 

Es  sei  noch  nachgetragen,  daß  der  Aufbau  der  dritten,  vierten, 
fünften,  sechsten  und  siebenten  Gaumenleiste  im  allgemeinen  Bau  und 
im  besonderen  in  der  Verteilung  des  elastischen  Gewebes  vollkommen 
in  Übereinstimmung  zu  der  zweiten  Leiste  steht.  Auffälligerweise  ist 
in  der  Propria  mucosae  eine  Zunahme  transversaler  elastischer  Fasern 
von  der  transversalen  Mitte  der  Täler  vor  den  Leisten  bis  zur  trans- 
versalen Mitte  der  Leisten  selbst  und  dann  eine  Abnahme  an  Menge 
bis  zur  transversalen  Mitte  der  Täler  hinter  den  Leisten  zu  verzeich- 
nen. Es  ist  ein  Zusammenhang  zwischen  dem  Auftreten  des  Drüseu- 
gewebes  und  den  transversalen  elastischen  Fasern  vorhanden;  denn 
mi  Bereich  der  ersten  transversalen  Reihe  der  Papulae  operariae  ist 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  makroskop.  und  inikroskop.  Anatomie  usw.       23 

kein  Drüsengewebe  eingelagert,  und  es  sind  auch  jene  Fasern  bei  weitem 
nicht  so  reichlich  vertreten. 

Das  Epithel  nimmt  von  der  ersten  Papillenquerreihe  an  pharyn- 
gealwärts  immer  mehr  an  Dicke  zu  und  führt  so  zur  Bildung  der  dicken 
Epithelplatte,  die  von  den  Papulae  operariae  überragt  wird.  Aus  dieser 
Epithelverdickmig  resultiert  eine  Abnahme  des  elastischen  Gewebes 
an  Menge,  das  sich  hier  in  derselben  Schichtenfolge  zeigt,  wie  bei  der 
ersten  Papillenquerreihe  und  der  zweiten  Gaumenleiste  eingehend  ge- 
schildert wurde.  Diese  Beziehung  zwischen  der  Epithelverdickung  und 
der  Abnahme  des  elastischen  Gewebes  au  Menge  wird  eingehender  bei 
Cavia  cobaya,  da  dieses  Tier  vor  Echidna  untersucht  worden  ist,  be- 
sprochen werden.  Eine  weitere  Folge  der  Verdickung  des  Epithels  ist 
die  starke  Entwicklung  des  Papillarkörpers.  Taf.  I,  Fig.  4  gibt  einen 
Teil  des  Oberflächenrehefs  des  600  f.i  dicken  Bindegewebes  nach  Ab- 
lösung des  Epithels  wieder.  Bis  zu  100  a  breite,  durch  Anastomosen 
untereinander  verbundene  Furchen  in  paramedianer  Richtung,  die  durch 
Epithelwülste,  die  schon  früher  geschildert  worden  sind,  hervorgerufen 
werden  (Taf.  I,  Fig.  4:eivr),  schließen  kurze,  paramediane,  in  der  Basis 
bis  zu  60  /t  breite  Bindegewebsleisten  ein,  denen  400  -tt  lange,  25  /<  im 
basalen  Durchmesser  messende  und  pharyngeal  gerichtete  Primär- 
papillen  reihenweise  paramedian  hintereinander  aufgesetzt  sind  (Taf.  I, 
Fig.  4:bl  +  pr).  Die  Leisten  sind  das  Produkt  der  verschmolzenen 
Basis  der  Papillen,  da  sie  öfters  mit  paramedian  verlängerter  Basis 
für  sich  allein  stehen  können.  So  stellt  sich  hier  etwas  gleiches  ein,  wie 
von  den  großen  Papillen  angegeben  worden  ist.  Außerdem  ragen  sehr 
große,  etwa  1600  u  lange  Bindegewebspapillen  hervor,  die  mit  im  Durch- 
messer 350  u  breiter  Basis  aufsitzen,  sich  aber  distalwärts  schnell  ver- 
jüngen, sodaß  der  Durchmesser  noch  25  u  mißt.  Sie  liegen  transversal 
in  gerader  Linie  oder  in  Bogenform  nebeneinander,  aber  nie  konmit  es 
zu  einer  lateralen  Konkreszenz  der  basalen  Teile.  Dem  oralen  Teil  der 
Basis  sitzen  400  u  lange  Primärpapillen  auf  (Taf.  I,  Fig.  4  prv).  Der 
Aufbau  der  großen  wie  der  kleinen  Papillen  ist  so,  wie  er  schon  mehr- 
fach geschildert  wurde,  nur  wird  bei  den  großen  Papillen  der  dem 
Gaumendach  zugewandte  Teil  besonders  von  elastischen  Fasern  ein- 
genommen. Es  laufen  nämlich  die  paramedianen  elastischen  Fasern 
in  der  Pars  papillaris  und  der  Propria  mucosae  vor  einer  Papillenquer- 
reihe bis  zu  der  etwas  ins  Bindegewebe  vorspringenden,  pharyngealen 
Epithelwand  der  Papulae  operariae,  und  hierdurch  werden  sie  getrennt. 
Der  eine  Teil  zieht  seines  "Weges  weiter,  während  der  andre  Teil  im 
Bogen  in  den  oben  genannten  Teil  der  Papille  abgelenkt  wird. 


24 


Jakob  Rehs, 


Das  bis  zu  2500  u  verdickte  Epithel,  das  diesem  Papillarkörper 
angelagert  ist,  differenziert  sich  noch  weitergehend,  sodaß  es  sich 
von  dem  der  ersten  Papillenquerreihen  in  mancher  Hinsicht  unter- 
scheidet. Während  bei  diesen  letzteren  zwischen  die  Hornmäntel  der 
Papillen  der  Querreihen  das  jungverhornte  Stratum  corneum  mehr 
oder  weniger  tief  in  Lamellenforni  eingesenkt  ist,  und  so  einen  Ver- 
band zwischen  dem  Stratum  corneum  vor  und  hinter  der  Papillen- 
querreihe  herstellt,  ist  es  bei  den  ersteren  zu  einer  vollkommenen  la- 
teralen Verschmelzung  des  oralen  Teiles  der  Hornmäntel  gekommen, 


ph  < 


prv  m 

Textfig.  2. 
Echidna  aculeata.     Hoiizontalsclmitt  im  Bereich  einer  Querreihe  von  Papulae  operariae  und  zwar 
durch  zwei  transversal  nebeneinander  liegende  Papulae  operariae,  so  daß  die  Spitzen  der  binde- 
gewebigen  Grundstöcke  getroffen  sind.     Schematisiert.     Vergr.  30.     Erklärung  der   Textfig.  2, 

siehe  unter  Textfig.  3. 

und  nur  von  hinten  dringt  das  jungverhornte  Epithel  in  Lamellenform 
zwischen  die  Papulae  operariae  (Textfig.  2  po,  l). 

Es  schiebt  sich  also  zwischen  zwei  Papillenquerreihen  eine  im 
Durchschnitt  1100  /.i  dicke  in  der  Paramedianen  gemessene,  transver- 
sale Schicht,  die  auf  ihrer  oralen  Fläche  gewellt  ist,  während  die  pha- 
ryngeale vollkommen  eben  ist.  Die  Dicke  der  Schicht  vom  Stratum 
germinativum  zur  Epitheloberfläche  ist  etwa  2200 /<  (Textfig.  2  u.  3  sc). 
Ungefärbt  ist  diese  Schicht  hellgelbhch,  mit  Alkahblau-Pikrokarmin 
färbt  sie  sich  dunkelblau,  durch  Osmiumsäure  olivgrün,  durch  Ehrlichs 
Triacid  grün,  mit  Del.  Hämatoxyhn-Eosin  violettblau,  mit  der  Geam- 
schen  Methode  intensiv  violettblau.  Die  kernlosen  Zellen  dieses  Epi- 
thels sind  sehr  stark  abgeplattet,  sodaß  ihr  kürzester  Zelldurchmesser 


Beitrüge  zur  Kenntnis  der  inakroskop.  und  mikroskop.  Anatomie  usw.       25 

von  3  fi  zur  Oberfläclie  des  Epithels  senkrecht  steht,  während  der 
längste  Durchmesser,  der  parallel  zur  Oberfläche  des  Epithels  in  para- 
medianer Kichtung  liegt,  65  //  ist.    Die  Membran  der  Zellen  ist  nicht 


glatt,  sondern  trägt  ein  Relief.  Bei  ungefärbten  Präparaten  wechseln 
helle  Erhebungen  mit  dunkeln  Vertiefungen  ab.  Ein  solches  Relief 
wurde  von  Rausch  (1897)  und  Wei^enreich  (1900/01)  bei  andern 


26  Jakob  Rehs, 

Hornzellen  beschrieben.  In  die  dunkeln  Vertiefungen  reichen  die  hellen 
Erhebungen  der  Gegenzelle  hinein,  und  so  sind  die  Zellen  schwer  gegen- 
einander verschiebbar.  Die  Vertiefungen  sind  nicht  etwa  Poren,  die 
die  Zellmembran  durchsetzen,  wie  Mekk  (1900)  an  andern  Hornzellen 
beobachtet  haben  will.  Seine  Bilder  stimmen  mit  den  von  mir  in  diesem 
Falle  beobachteten  überein.  Es  sei  noch  erwähnt,  daß  Immisch  (1908) 
an  der  oralen  Seite  der  Papulae  operariae  der  Zungenspitze  vom  Pferd 
einen  Papillenpfeiler  beschreibt,  der  oberflächenwärts  eine  Schicht 
kernloser  Epithelschichten  aufweist,  die  sich  »bei  Hämatoxylin-Eosin- 
färbung  mit  Hämatoxylin,  bei  Anwendung  von  Ehrlichs  Triacid  eben- 
falls in  Übereinstimmung  mit  der  Kernfärbung  grün«  färbte.  Er  fährt 
fort:  »Daß  der  die  Papilla  operaria  darstellende,  verhornte  Epithel- 
aufsatz (Immisch,  Fig.  2  c  u.  3  /)  und  die  oberste  Schicht  dieses  Zell- 
pfeilers (Fig.  2  d  und  3  k)  zwei  verschiedenartige  Gebilde  sind,  geht 
aus  der  verschiedenen  Tinktionsfähigkeit  ihrer  oberfächlichen  Partien 
hervor.  Bei  der  Färbung  mit  Hämatoxylin-Eosin  zeigen  die  eigent- 
lichen Hornpapillen  reine  Eosinfärbung,  während  die  Zellpfeiler  das 
Hämatoxyhn  annehmen,  also  nicht  verhornt  sind<<.  Ich  glaube,  daß 
dieses  Epithel  denselben  Grad  der  Verhornung  aufweist  wie  jenes 
oben  geschilderte  Epithel,  das  als  ein  »junges  Hörn«  anzusprechen  ist. 
Durch  die  GRAMsche  Methode  läßt  sich  feststellen,  daß  jene  jung- 
verhornte Epithelschicht  zwischen  sich  und  dem  Bindegewebe  eine 
ungefärbte,  etwa  250  /<  dicke  Zone  einschließt,  die  ein  Stratum  germi- 
nativum  ist  (Textfig.  3  sg).  Die  400  /i  langen  Primärpapillen  dringen 
also  in  das  jungverhornte  Epithel  ein  (Textfig.  3  2)r).  Der  Übergang 
vom  jungverhornten  Epithel  zum  Stratum  germinativum  ist  ein  all- 
mählicher. Die  Zellen  nehmen  an  Dicke  bis  zu  10  /i  zu  und  werden 
kernhaltig.  Aber  sie  sind  jenen  Zellen  gleichgerichtet.  Nur  die  keulen- 
förmigen Zellen,  die  einschichtig  dem  Bindegewebe  und  auch  den 
Bindegewebspapillen  anlagern,  stehen  mit  der  längsten  Achse  senkrecht 
zur  Oberfläche  des  Bindegewebes.  Diese  Zellen  müssen  in  einem  sehr 
festen  Verband  mit  dem  Bindegewebe  stehen;  denn  w^ährend  das  ganze 
übrige  Epithel  losgelöst  war,  hatten  sie  allein  den  Zusammenhang  mit 
dem  Bindegewebe  bewahrt.  Eine  derartige  Schicht  kommt  auch  in 
den  Barten  von  Balaenoptera  sibbaldii  vor,  und  Tullberg  (1881/83) 
nennt  sie  eine  »Zwischenschicht «.  Er  sagt :  »Obgleich  es  ein  eigentliches 
Stratum  corneum  auf  der  Zwischenschicht  nicht  gibt,  so  kann  man 
doch  eine  innere  Schleimschicht  und  eine  äußere,  mehr  verhornte  unter- 
scheiden. Beide  werden  von  Hämatoxylin  und  Carmin  gefärbt,  die 
erstere  jedoch  stärker  .  .  .  Für  diese  Schicht  möchte  ich  auf  Grund  ihrer 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  luakroskop.  und  mikroskop.  Anatomie  usw.       27 

Konsistenz  wie  des  Aussehens  der  Zellen  den  Namen  , »Stratum  subcor- 
neum'  vorschlagen«.  Ferner  stellte  er  fest,  daß  in  der  Epithelverdickung 
der  Bartenanlage  beim  Embryo  von  3  m  Länge  zwischen  dem  Stratum 
germinativum  und  Stratum  corneum  eine  Übergangsschicht  liegt,  die 
»in  Ansehung  der  Beschaffenheit  der  Zellen  von  der  größten  Ähnlich- 
keit mit  der  äußeren  Schicht  der  Zwischensubstanz  ist  und  dürfte 
darum  gleich  wie  diese  am  geeignetsten  Stratum  subcorneum  ge- 
nannt werden«. 

Zwischen  je  zwei  solcher  transversaler  Epithelschichten  von  jun- 
gem Hörn  ist  eine  Papillenquerreihe  eingeschlossen.  Die  bindegewebige 
Grundlage  der  Papulae  operariae  ist  eine  große  Biudegewebspapille 
(Textfig.  2  u.  3  jyo,  prv).  Umschlossen  wird  sie  von  einem  einschich- 
tigen Mantel  kernhaltiger,  keulenförmiger  Zellen,  die  schindeiförmig  ge- 
lagert sind.  Auf  ihn  folgt  ein  durchschnittlich  10  n  dicker  Mantel  von 
kernhaltigen  Stachelzellen,  die  sich  ebenso  färben,  wie  das  Stratum 
germinativum  und  in  dieses  übergehen.  Beide  Mäntel  gehören  dem 
Stratum  germinativum  an.  Die  Zellen  stehen  mit  dem  kürzesten  Durch- 
messer senkrecht  zur  Papillenrichtung  (Textfig.  2  u.  3sg).  Eine  solche 
Schicht  hat  Tullberg  (1881/83)  auch  bei  den  Hornröhren  der  Barte 
von  Balaenoptera  sibhaldii  festgestellt.  Infrapapillar  erstreckt  sich  eine 
25  i-i  im  Durchmesser  messende  Säule  von  Zellen,  deren  Kern  färbbar 
ist,  von  der  Spitze  bis  zur  Oberfläche  des  Hornzahns.  Es  ist  dieses 
eine  Marksäule,  wie  sie  auch  nach  den  Angaben  Tullbeegs  in  den  Hör- 
nern auf  dem  Nasenbein  der  Rhinocerotidae,  in  der  Kauscheibe  von 
Rhytina  stellen,  in  den  Barten  der  Mystacoceti  und  in  vielen  eminent 
entwickelten  Epidermisbildungen  auftreten  (Textfig.  3  */;).  Über  die 
Entstehung  der  Marksäulen  sagt  Tullberg,  daß  »die  Zellen  um  die 
längsten  Papillen  herum  sich  abplatten,  wodurch  Röhren  gebildet  wer- 
den, die  sich  allmählich  über  die  Papille  vorschieben.  So  wie  sie  sich 
vorschieben,  werden  sie  mit  Epithelzellen  gefüllt,  welche  an  der  Spitze 
der  Papillen  fortwährend  neu  gebildet  werden.  Da  diese  aber  keinem 
Druck  von  den  Leisten  ausgesetzt  sind,  so  werden  sie  natürlich  nicht 
auf  gleiche  Weise  wie  die  die  Röhren  bildenden  Zellen  zusammen- 
gedrückt, sonderi^  sie  bilden  eine  Art  Marksäulen  in  den  Hornröhren«. 

Die  Epithelhülle  des  Stratum  germinativum  und  die  Marksäule 
werden  von  einem  Mantel  von  kernhaltigen  Epithelzellen  umschlossen, 
deren  kürzester  Durchmesser  von  8  /.i  auch  senkrecht  zur  Papillen- 
richtung steht.  Die  Wand  der  Röhre  hat  in  der  Höhe  der  Bindegewebs- 
papillenspitze  eine  Stärke  von  60  u.  Die  Röhre  reicht  bis  zur  Spitze 
des  Epithelzahus  und  senkt  sich  mit  ihrem  basalen  pharyngealen  Teil 


28  Jakob  Rehs, 

tief  in  das  Stratum  germinativum  ein,  während  sie  sich  oralwärts  als 
eine  200  f^i  dicke,  die  Spitzen  der  gewöhnHchen  Bindegewebspapillen 
umfassende  Schicht  über  das  Stratum  germinativum  ausbreitet  (Text- 
fio-.  2  u.  3  I).  Sie  liegt  aber  nicht  zwischen  dem  Stratum  germinativum 
und  dem  jung  verhornten  Epithel.  Bei  Alkaliblau-Pikrokarminfärbung 
wird  sie  dunkelblau,  bei  Del.  Hämatoxylin-Eosinfärbung  eosinfarben, 
bei  Kongorot- Pikrokarmin  kongorotfarben.  Bei  der  GRAMschen  Me- 
thode bleibt  sie  ungefärbt.  Ganz  ungefärbt  sieht  sie  gelbbraun  aus, 
welche  Farbe  durch  ein  Pigment  hervorgerufen  wird.  Dieses  reduziert 
Osmiumsäure  und  wird  schwarz  und  ist  daher  ein  melaninhaltiges 
Pigment.  Außerdem  zeigen  die  Zellen  Linien  und  Punktreihen  auf 
ihrer  Membran  in  der  Richtung  der  Bindegewebspapille.  Es  sind  dies 
Leistchen  und  Zähnchen  mit  punktförmigen  Vertiefungen  dazwischen, 
wodurch  diese  Biffzellen  fest  ineinander  gefügt  werden. 

Diese  Röhre  wiederum  aber  nicht  ihr  basalster  Teil,  der  nur  bis 
zum  Niveau  der  Spitzen  der  gewöhnlichen  Bindegewebspapillen  reicht 
und  hier  scharfkantig  endet,  und  ihr  distaler,  oraler  Teil  ist  von  einem 
Epithelmantel  umgeben.  In  der  Höhe  der  Bindegewebspapillenspitze 
hat  er  eine  Wandstärke  von  etwa  220  ,«.  Ungefärbt  ist  er  hellgelb.  Mit 
Ehrlichs  Triacid  färbt  er  sich  hellorange,  mit  Alkaliblau- Pikrokarmin 
hellgelb,  durch  Osmiumsäure  gelbbraun  und  nach  der  GRAMschen  Methode 
rotgelb.  Bei  der  Del.  Hämatoxyhn-Eosinfärbung  bleibt  er  ungefärbt 
(Textfig.  2  u.  3  II).  Die  Zellen  liegen  ebenso  wie  die  der  vorhergenannten 
Röhre  und  sind  6^u  dick.  Sie  sind  ineinander  verzahnt,  und  diese  Zähne 
sind  an  den  Enden  der  längsten  Durchmesser  der  Zelle  in  einer  Länge 
von  etwa  2  /t  sehr  deutlich  zu  sehen.  Ein  Pigment  ist  nicht  vorhanden, 
und  so  ist  diese  Röhre  ungefärbt  hellgelb,  wie  das  junge  Hörn.  Es  hat 
aber  mit  jenem  infolge  der  verschiedenen  Färbbarkeit  nichts  zu  tun. 
Möglicherweise  ist  es  noch  einer  andern  Stufe  der  Verhornung  unter- 
worfen. 

Der  äußerste,  typisch  verhornte  Mantel  des  Hornzahns  umschließt 
jenen  inneren  Teil  pharyngeal  und  lateral  in  Gestalt  einer  Rinne  (Text- 
fig. 2  u.  3  III),  und  je  zwei  solcher  Rinnen  sind  durch  die  Lamellen 
des  jungen  Horns  getrennt  (Textfig.  2 1).  Oralwärts  verschmelzen 
diese  Rinnen  und  gehen  vor  der  Papillenquerreihe  in  eine  besonders 
differenzierte  Schicht  über  (Textfig.  2  u.  3  III).  Basalwärts  reicht  die 
Rinne  so  weit  wie  der  vorher  beschriebene  Mantel.  Dieses  Epithel 
färbt  sich  mit  Ehrlichs  Triacid  dunkel-orange,  mit  AlkaUblau- Pikro- 
karmin hellblau  mit  blauen  Zellgrenzen,  durch  Osmiumsäure  gelbbraun, 
mit  Del.  Hämatoxylin-Eosin   eosinfarben  und  nach   der   GRAMschen 


Beiträge  zur  Kenntnis  dw  makroskop.  und  tnikrosko]).  Anatomie  usw.       29 

Methode  hellgelb.  Ungefärbt  wird  ein  braungelbes  Pigment  sichtbar, 
aber  es  ist  nicht  in  der  Menge  vorhanden  wie  bei  dem  innersten  Zell- 
mantel. Der  kürzeste  Durchmesser  der  Zelle  ist  6  //  und  ist  zu  der  Pa- 
pillenrichtung  senkrecht  gestellt.  Die  Zellen  des  jungen  Horns,  die  an 
die  Außenwand  angelagert  sind,  biegen  mit  ihrem  oralen  Teil,  nach  der 
Spitze  der  Papille  zugerichtet,  um  und  legen  sich  so  an  den  Horn- 
niantel  an. 

Wie  schon  erwähnt,  kommt  es  zu  einer  weiteren  Differenzierung 
des  Epithels  vor  den  Papillenquerreihen.  Es  ist  dies  eine  Schicht,  die 
nicht  direkt  an  das  Stratum  germinativum  anschließt,  sondern  durch 
die  oben  erwähnte,  stark  pigmentierte  Schicht  davon  getrennt  ist  (Text- 
fig.  31).  Gegen  das  oralwärts  liegende  junge  Hörn  schließt  sie  mit 
glatter  Fläche  ab  und  reicht  bis  zur  Oberfläche  des  Epithels.  In  para- 
medianer Richtimg  im  Niveau  der  großen  Bindegewebspapillenspitze 
ist  sie  durchschnittlich  900  /.i  dick.  Sie  färbt  sich  in  Übereinstimmung 
mit  dem  äußersten  Hornmantel  und  ist  demnach  ebenso  verhornt. 
So  unterscheidet  sie  sich  auch  von  dem  jungen  Hörn.  Von  diesem  ist 
sie  aber  auch  dadurch  unterschieden,  daß  sich  infrapapillar  an  jede  der 
gewöhnlichen  Bindegewebspapillen  eine  Marksäule  von  Zellen  an- 
schließt (Textfig.  2  u.  3  m),  die  ebenso  gebaut  ist,  wie  die  infrapapillar 
einer  großen  Papille.  Jede  Marksäule  ist  von  einer  ein-  oder  mehr- 
schichtigen Scheide  hohlzieglig  anliegender,  kernhaltiger,  stark  pig- 
mentierter Zellen  umgeben.  Der  5  (.i  dicke,  kürzeste  Durchmesser  der 
Zellen  mit  Kernresten,  die  den  Raum  zwischen  den  Marksäulen  aus- 
füllen (Textfig.  2  u.  3  III),  steht  nicht  etwa  senkrecht  zur  Richtung 
der  Marksäulen,  sondern  diese  Zellen  zeigen,  an  die  Schicht  des  jungen 
Horns  anschließend,  eine  Richtung,  die  nach  der  Hornpapillenspitze 
hinzielt,  und  die  dem  Hornzahn  angelagerten  Zellen  liegen  in  der  Rich- 
tung der  Hornpapille. 

Wichtig  ist,  daß  an  die  Stelle  mehrerer  solcher  Primärpapillen 
mit  Marksäulen  eine  große  Bindegewebspapille  mit  einer  Marksäule 
treten  kann,  sodaß  zwei  große  Bindegewebspapillen  paramedian  hinter- 
einander liegen.  Es  bilden  also  die  Primärpapillen  mit  den  infrapapil- 
laren  Marksäulen,  die  nur  im  Bereich  der  oralwärts  von  den  Papillen- 
reihen  gelegenen,  typisch  verhornten  Schicht  auftreten,  den  Übergang 
von  den  gewöhnlichen  Primärpapillen,  die  durch  den  papillären  Bau 
der  Gaumenschleimhaut  bedingt  sind,  zu  den  großen  Bindegewebs- 
papillen, welche  die  Grundstöcke  der  Papillae  operariae  abgeben.  Wäh- 
rend im  Bereich  der  stärksten  Epithelverdickung  die  Papillae  operariae 
zu  einem  festen ,  transversal  gelegenen  Gefüge  verschmolzen  sind  und 


30  Jakob  Rehs, 

das  jungverhornte  Stratum  corneum  in  eine  oral  nnd  pharyngeal  ge- 
legene Transversalschiclit  scheiden,  sind  die  der  ersten  Papillenquer- 
reihe,  die  im  Beginn  der  Epithelverdickung  liegen,  durch  mehr  oder 
weni""er  tief  eingesenkte  Lamellen  des  Stratum  corneum  von  einander 
o-etrennt.  Hier  kommt  es  schon  bei  naheliegenden,  großen  Bindegewebs- 
papillen  zu  einer  lateralen  Konkreszenz  der  basalen  Teile.  Diese  Kon- 
kreszenz führt  im  vorderen  Teil  des  Gaumens,  wo  ein  normal  dickes 
Epithel  vorhanden  ist,  unter  Zurückdrängung  dieses  Epithels  zum  binde- 
o-ewebigen  Innern  der  Gaumenleisten,  an  deren  Bildung  die  Submucosa 
nur  einen  geringen,  indirekten  Anteil  hat.  Die  Spitzen  der  großen  Binde- 
gewebspapillen  und  die  aufsitzenden  reduzierten  Hornpapillen  sind 
noch  deutlich  vorhanden. 

Auf  Grund  obiger  mikroskopischer  Befunde  erleiden  die  Schlüsse, 
die  einige  Autoren  aus  dem  Aufbau  des  harten  Gaumens  von  EcTiidna 
ziehen,  in  ihrer  Wahrscheinlichkeit  eine  Einbuße.  Oppels  (1900)  Mut- 
maßung, »daß  die  bei  Echidna  sich  findenden  Platten  mit  Zähnchen  Bil- 
dungen der  ganzen  Schleimhaut  sind,  also  nicht  papilläre  Bildungen, 
und  sich  mit  verhornten  Papillen  der  Zunge  nicht  ohne  weiteres  ver- 
gleichen lassen  <<,  ist  hinfällig,  da  aus  der  Beschreibung  und  Abbildung 
eines  Hornzahnes  der  Echidna-Zunge  hervorgeht,  daß  ein  solcher  im 
Bau  mit  denen  am  harten  Gaumen  im  wesentlichen  übereinstimmt. 
Ebenso  sind  die  Angaben  von  Retzius  (1906),  daß  die  Gebilde  in  der 
hinteren  Hälfte  des  harten  Gaumens  Gaumenleisten  seien,  nicht  auf- 
recht zu  erhalten,  sondern  diese  zu  bogigen  oder  geraden  Papillen- 
querreihen  angeordneten,  stachelartigen,  pharyngeal  gerichteten  Ge- 
bilde sind,  wie  es  schon  bei  der  makroskopischen  Schilderung  getan 
worden  ist,  als  Papulae  operariae  zu  bezeichnen.  Hiermit  fällt  auch 
die  Angabe,  daß  der  »ganz  vereinzelte  Stachelfortsatz«  hinter  den 
Papillenquerreihen  eine  »rudimentäre  Leiste«  sei. 

Bei  Echidna  leiten  die  Gaumenleisten  im  vorderen  Teil  des  harten 
Gaumens  ihren  Ursprung  von  den  Papulae  operariae  her.  Hieraus  re- 
sultiert, daß  diese  Gaumenleisten,  da  Echidna  in  der  Reihe  der  Haar- 
tiere auf  der  niedrigsten  Entwicklungsstufe  steht,  einen  »ursprünglichen, 
phylogenetisch  niedrigsten  Typus  <<  in  der  Klasse  der  Mammalia  reprä- 
sentieren. Retzius  (1906)  konnte  »weder  in  der  Literatur  noch  an  Prä- 
paraten <<  bei  den  Vorfahren  der  Mammalia  Vorstufen  der  Gaumenleisten 
finden,  aber  an  ein  Vorkommen  von  Papulae  operariae  kann  nicht  ge- 
zweifelt werden.  Da  beim  Menschen  sich  nach  Gegenbaur  (1878)  die 
Gaumenleisten  teilweise  zu  Papillargruppen  auflösen,  so  ist  es  auch 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  niakroskop.  und  mikroskop.  Anatomie  usw.      31 

nichts  ungewöhnliches,  wenn  sie  aus  Papulae  operariae  durch  Ver- 
schmelzung entstehen. 

Nach  diesen  Untersuchungen  ist  es  unverständlich,  wenn  Gegen- 
BAUR  (1892)  sagt,  daß  diese  >>in  allen  Abteilungen  verbreiteten  Gaumen- 
leisten bei  Eckidna  am  hinteren  Abschnitte  in  einer  wichtigen  Funk- 
tion stehen,  indem  sie  mit  Zähnchen  besetzte  derbe  Platten  tragen, 
wie  schon  erwähnt,  mit  der  Reibplatte  der  Zunge  zusammenwirkende 
Gebilde«,  und  daß  >>nilt  diesen  verglichen  die  am  vorderen  Abschnitte 
des  Gaumens  befindlichen  schwachen  Leisten  rudimentäre  Gebilde 
sind<<.  Zweifelsohne  haben  die  Papulae  operariae,  die  ihren  Aufbau 
vollkommen  der  Verdickung  des  Epithels  verdanken,  im  hinteren  Teil 
des  harten  Gaumens  gemeinsam  mit  denen  der  Zunge  die  wichtige 
Funktion,  von  der  Owen  (1868)  sagt,  daß  >>the  insects  are  doubtless 
crushed  between  the  hardpapillaeof  the  tongueand  the  pallatalspines«. 
Es  kann  aber  auch  kein  Zweifel  darüber  bestehen,  daß  die  Gaumenleisten 
im  vordersten  Teil  des  harten  Gaumens  im  Verein  mit  den  Papulae 
operariae  der  Echidna-Ziinge  bei  der  Aufnahme  der  Nahrung  eine  ebenso 
wichtige  Funktion  haben.  Möglicherweise  wird  eine  Höchstleistung  ge- 
währleistet durch  den  Zusammenschluß  der  bindegewebigen  Grund- 
stöcke der  Papulae  operariae  zu  Leisten,  da  die  letzteren  in  diesem 
Teil  des  Gaumens  mit  dem  normal  dicken  Epithel  nie  die  starre  Aus- 
bildung derjenigen  im  hinteren  Teil  des  Gaumens  erreichen  konnten. 
Es  ist  daher  kaum  angängig,  diese  Gaumenleisten  als  »rudimentäre  Ge- 
bilde« im  Gegensatz  zu  den  Papulae  operariae  am  hinteren  Teil  des 
Gaumens  zu  bezeichnen. 

Da  ich  den  Gaumen  von  Or7iithorhynchus  anatinus  nicht  selbst 
untersucht  habe,  werde  ich  die  Literatur  nicht  anführen,  sondern  mich 
nur  auf  einige  Angaben  über  diesen  Gaumen  beschränken.  Von  dieser 
Gaumenschleimhaut  (Retzius,  Taf.  XXXV,  Fig.  2  u.  3)  gibt  Retzius 
(1906)  an,  daß  die  »ausgehöhlte  Gaumenpartie  zwischen  den  Horn- 
zähnen  eine  sehr  eigentümliche  Querrunzelung  zeigt,  nämlich  vorn  eine 
Anzahl  unregelmäßiger  Leistchen  und  weiter  hinten  in  einer  mittleren 
dreieckigen  Partie  dichtgedrängte,  einander  parallele,  sehr  regelmäßige 
schwach  gebogene  Querleistchen,  welche  außen  jederseits  scharf  ab- 
gesetzt enden  (Taf.  XXXV,  Fig.  2).  Bei  stärkerer  Vergrößerung 
(Taf.  XXXV,  Fig.  3)  erkennt  man,  daß  jede  dieser  Leistchen  aus  einer 
Reihe  dichtgedrängter,  perlenbandähnlich  angeordneter,  runder  Knöt- 
chen besteht  <<.  Bei  diesen  Gebilden  hat  man  es  wie  bei  Echidna  mit  zu  Quer- 
reihen angeordneten  Papulae  operariae  zu  tun.  Ob  aber  diese  Gebilde 
im  mikroskopischen  Aufbau  mit  denen  von  Echidna  übereinstimmen. 


32  Jakob  Rehs, 

und  ob  die  im  vorderen  Teil  der  Gaumenschleimhaut  sich  befindlichen 
Leistchen  sich  von  jenen  Gebilden  herleiten,  ist  ohne  eine  eingehende 
Untersuchung,  wozu  mir  kein  Material  zur  Verfügung  stand,  nicht  zu 
entscheiden. 

Marsupialia. 
Polyprotodontia. 
Didelphyidae. 

Didelphys  sp.,  junges  Tier. 

Didelphys  opossum  L. 
Dasyuridae. 

Dasyurus  viveninus,  Shaw,  junges  Tier. 
Peramelidae. 

Perameles  nasuta  Geoffr. 
Diprotodontia. 
Phalangeridae. 

Phalmigista  vuljmia  Desm. 
Macropodidae, 

Halmaturus  rujicollis  Desm. 

Macropus  (Thylogole)  hillardieri  Desm. 

Petrogale  penicillata  Gray. 

OnycJiogole  lunata  Gould. 

Betto7igia  cuniculus  Ogilby. 

Historisches.  Da  der  harte  Gaumen  aller  Mai'supialier  durch  den  ma- 
kroskopischen Bau  einem  gemeinsamen  Typus  angehört,  will  ich  das  anführen, 
was  CuviER,  Owen  und  Retzitts  über  den  harten  Gaumen  dieser  Tiere  schreiben. 

CuviEB  (1845)  sagt,  daß  »dans  le  sarigue  a  oreilles  bicolores,  on  trouve 
neuf  plis  ecartes  dont  le  dernier  depasse  les  arriere-molaires;  entre  les  deux  der- 
niers  se  remarquent  deux  tres  petits  tubercules  arrondis  comme  une  tete  d'epingle. 
Ces  plis  forment  d'un  bord  dentaire  ä  l'autre  un  seul  arc  arrondi  ä  Fexception 
du  troisieme,  qui  est  ogival«. 

OwEX  (1868)  schreibt:  "The  palate  is  sculptured  with  transverse  ridges. 
These  arc  most  numerous  in  the  Bandicoots,  being  fourteen  in  the  Perameles  nasuta 
and  are  slightly  curved  forwards:  the  roughness  thus  produced  must  aid  the 
tongue  in  retaining  small  insects." 

Retzius  (190ü)  l:)eschreibt  und  bildet  die  Gaumen  von  Macwpus  hillardieri, 
Onychogale  lunata,  Petrogale  penicillata,  Bettongia  cuniculus,  Phalangista  vulpina, 
eines  jungen  Didelphys  sp.  und  Dasyurus  viverrinus  und  eines  erwachsenen  Di- 
delphys Opossum  ab.  Von  Wichtigkeit  aus  der  Beschreibung  A^on  Retzius  ist 
folgendes:  »Die  Papillenregion  bildet  eine  zwischen  die  Schneidezähne  eingekeilte, 
dreieckige  Fläche,  an  welcher  vorn  die  etwas  verschieden  gestaltete  Papilla  palatina 
in  der  Medianebene  hervorragt;  sie  ist  bald  ganz  schmal  dreieckig,  mit  nach  vorn 
gerichteter  Spitze,  wie  bei  Betto7igia  (Fig.  9  und  stärker  vergrößert  in  Fig.  10); 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  iiuil<.ro!sko|).  und  niikroskop.  Anatomie  usw.       33 

l)akl  ist  sie  wie  eine  dreieckige,  mit  zwei  naeli  hinten-außen  ragenden  Widerhaken 
versehene  Pfeilspitze  gestaltet,  wie  bei  Macropus  (Fig.  6),  Onijchogale  (Fig.  7), 
Petrogah  (Fig.  8);  bald  bildet  sie  Zwischenstufen  zwischen  diesen  beiden  Formeii 
und  ist  mehr  einfach  dreieckig,  wie  bei  Phalangista  (Fig.  5)  und  Didelplnjs  (Fig.  4). 
Hinter  der  l'apille  findet  sich  in  der  Mitte  noch  ein  Höcker,  der  zuweilen  in  zwei 
geteilt  ist.  und  zu  jeder  Seite  desselben,  in  der  Regel  ein  wenig  w^eiter  nach  hinten, 
ein  paariger  Höcker  (Fig.  G,  7,  8);  diese  drei  Höcker  sind  aber  zuweilen  (bei  Di- 
delphi/s,  Fig.  4)  zu  einer  quergestellten  Leiste  zusammengeflossen,  sodaß  man 
sie  als  die  erste  Gaumenleiste  auffassen  kann.  An  der  zwischen  der  Papille  und 
den  übrigen  genannten  Höckern  gelegenen  Gaumenfläche  finden  sich  übrigens 
mehr  oder  weniger  zahlreiche  kleinere,  knopfförmige  Hervorragungen  (Fig.  6,  7,  8). 

Hinter  der  geschilderten  Papillenregion  befindet  sich  die  eigentliche  Leisten- 
region, welche  bis  an  die  hintere  Grenze  des  harten  Gaumens  reicht.  Man  kann 
an  ihr  zwei  mehr  oder  weniger  scharf  markierte  Partien  unterscheiden,  eine  vordere, 
welche  etwa  drei  bogenförmige,  nach  vorn  konvexe  Leisten  enthält  (Fig.  5,  0,  7, 
8,  0,  10)  und  eine  hintere  zwischen  den  Molaren  gelegene,  von  der  einen  Seite  zur 
andern  konkave,  an  welcher  die  Leisten  in  weit  mehr  gerader  Richtung  der  Quere 
nach  gestellt  sind.  Die  Leisten  der  vorderen  Partie  sind  an  ihrer  freien  Kante 
schärfer  und  an  den  Seiten  verjüngt,  die  der  hinteren  Kante  sind  mehr  abge- 
plattet oder  eigentlich  nach  vorn  gedrückt,  mit  der  Kante  nach  vorn,  und  nach 
den  Seiten  hin  von  etwa  gleicher  Breite.  Zwischen  den  Leisten  der  vorderen 
Partie  sieht  man  in  der  Regel  ein  Menge  kleiner,  rundlicher,  warzenähnlicher 
Höcker,  welche  häufig  zu  den  Rändern  der  Leisten  parallelen  Querreihen  ange- 
ordnet sind  (Fig.  5 — 10);  in  Fig.  10  ist  diese  Einrichtung  bei  Bdtongia  in  stärkerer 
Vergrößerung  dargestellt.  Die  Zwischenräume  der  Leisten  der  hinteren  Partie 
der  Leistenregion  sind  dagegen  glatt  oder  (nach  vorn  hin)  mit  wenigen  kleinen 
Höckern  versehen.  Bei  genauerer  Untersuchung  erkennt  man  aber,  besonders 
bei  Macropus,  Onychogale  und  Petrogah,  ivber  auch  bei  BeUongia  und  Phalangista, 
daß  diese  hinteren  Leisten  in  der  Nähe  ihrer  vorderen  Kante  je  eine  derselben 
parallele  Rinne  zeigt,  und  daß  der  vor  dieser  Rinne  gelegene  Teil  der  Leiste  wie 
ein  aus  dem  zwischen  den  Leisten  befindlichen  Felde  aufsteigender  Wall  erscheint. 
Die  hinterste  Leiste  befindet  sich  am  hinteren  Rande  des  harten  Gaumens,  etwas 
hinter  den  hintersten  Molaren.  .  .  .  Im  allgemeinen  stehen  die  Leisten  in  der 
Mitte  der  Region  am  dichtesten  (s.  bei  BeUongia,  Fig.  9)  und  entfernen  sich  von- 
einander nach  vorn  und  hinten;  besonders  die  vorderen  haben  große  Zwischen- 
felder und  sind  am  stärksten  voneinander  entfernt,  bei  BeUongia  jedoch  weniger 
als  bei  den  andern.  .  .  .  Die  Gesamtzahl  der  Gaumenleisten  ist  bei  den  ver- 
schiedenen hier  berücksichtigten  Tieren  etwas  verschieden.  Im  ganzen  schwankt 
ihre  Anzahl  zwischen  acht  und  zehn«. 

Retzius  kommt  zu  dem  Ergebnis,  daß  »bei  den  ^larsupialiem  sich  in  der 
Anordnung  des  Gaumens  und  der  Gaumenleisten  ein  Typus  findet,  welcher,  oli- 
schon  auch  speziahsiert  und  in  charakteristischer  Weise  differenziert,  doch  einem 
ursprünglichen  und  niedrigen  Typus  recht  nahe  stehen  kann  und  wahrscheinlich 
auch  recht  nahe  steht;  nur  sind  in  dem  vor  den  Backzahnreihen  gelegenen  Teil 
des  Gaumens,  je  nach  der  mehr  oder  weniger  starken  Verlängerung  dieser  Partie, 
die  Leisten  mehr  voneinander  entfernt  und  mit  größeren  Zwischenfeldern  ver- 
sehen als  im  hinteren,  welcher  einer  ursprünglicheren  Anordnung  entsprechen 
dürfte  {Macropus,  Onychogale,  Petrogale);  bei  andern  wahrscheinlich  ursprüng- 
Zeitsclirift  f.  wiäsensch.  Zoologie.  CIX.  ßd.  3 


34  Jakob  Rehs, 

lichcren  Formen  (z.  B.  Bettongia)  ist  aber  auch  in  dieser  Beziehung  eine  geringere 
Veränderung  in  der  Anordnung  der  Leisten  geschehen  <-. 

Eigene  Untersuchuniien.  Der  harte  Gaumen  von  Halmaturus 
ruficollis,  den  ich  meinen  Untersuchungen  zugrunde  gelegt  habe,  ähnelt 
im  makroskopischen  Bau  denen  von  Macropus  biUardien,  OnycJiogale 
lunata  und  Petrogale  penicillata,  wie  überhaupt  die  Marsupialiergaumen 
einem  gemeinsamen  Typus  angehören.  Wie  bei  den  vorher  genannten 
Tieren  bildet  auch  bei  Halmaturus  ruficollis  die  Kegion  der  Papilla 
palatina  eine  zwischen  die  Schneidezähne  eingekeilte,  dreieckige  Fläche, 
an  welcher  vorn  die  Papilla  palatina  in  der  Medianebene  hervorragt. 
Sie  ist  wne  eine  dreieckige,  mit  zwei  nach  hinten-außen  ragenden  Wider- 
haken versehene  Pfeilspitze  gestaltet  (Taf.  I,  Fig.  5).  Hinter  der 
Region  der  Papilla  palatina  finden  sich  mehrere  Höcker.  Es  folgen  nach 
hinten  bis  zu  den  Molaren  zwei  Gaumenleisten,  die  ihre  First  pharyngeal- 
wärts  richten.  Die  erste  Leiste  ist  bogenförmig  nach  vorn  konvex  ge- 
staltet, wiihrend  die  zweite  in  gerader  Richtung  transversal  liegt.  In 
den  weiten  Zwischenfeldern  zwischen  der  Region  der  Papilla  palatina, 
den  Höckern,  der  ersten  und  zweiten  Gaumenleiste  liegen  kleinere  oder 
größere,  oft  zu  Querreihen  angeordnete  Papulae  operariae,  wie  sie  auch 
bei  andern  Marsupialiern  anzutreffen  sind.  Zwischen  den  Molaren  zählt 
man  fünf  quergestellte  Gaumenleisten,  die  leicht  in  der  Mitte  nach  vorn 
gebogen  sind  mit  Ausnahme  der  ersten  dieser  Leiste,  die  überhaupt 
derart  eigentümlich  gebaut  ist,  daß  ich  sie  näher  beschreiben  will.  Sie 
ist  durch  eine  Medianfurche  in  zwei  Hälften  geteilt,  was  möglicher- 
weise eine  pathologische  Erscheinung  ist.  Vor  der  rechten  Hälfte  liegt 
eine  transversale  Reihe  großer,  zottenförmiger  Papulae  operariae 
(Taf.  I,  Fig.  5  po).  An  den  medialen,  oralen  Teil  der  rechten  Gaumen- 
leistenhälfte schließt  sich  nach  transversal  links  ein  längerer  Höcker  an 
(Taf.  I,  Fig.  5  pov),  der  durch  eine  Furche  von  den  vor  der  linken 
Hälfte  der  Gaumenlciste  liegenden  Reihe  von  Papulae  operariae  ge- 
trennt ist  (Taf.  I,  Fig.  5  2^0).  Die  einzelnen  Papillen  der  rechten 
Hälfte  der  Papillenquerreihe  sind  noch  relativ  deutlich  durch  Furchen 
voneinander  getrennt,  während  bei  der  linken  Hälfte  mehrere  solcher 
Papillen  zu  Komplexen  verschmolzen  sind  und  nur  noch  sehr  seichte 
Trennungsfurchen  erkennen  lassen.  Am  deutlichsten  zeigt  dieses  der 
transversal  gestellte,  längere  Höcker.  Nach  der  zweiten  Gaumenleiste 
zu  schließen  sich  an  die  transversale  Papillenreihe  zerstreut  liegende, 
kleinere  Papillae  operariae  an,  wie  sie  auch  vor  der  zweiten  und  ersten 
Gaumenleiste  zum  Teil  noch  kleiner  anzutreffen  sind.  Die  Papillen  der 
rechten  Hälfte  der  Papillenquerreihe  würden  einen  Übergang  bilden 


Bi'itiäge  zur  Ivoiintuis  (.ler  tiuikroskop.  und  iiiikiusko]).  Analuniic  usw.       35 

von  den  zerstreut  liegenden  zu  den  zu  Komplexen  ver.schmolzenen  Pa- 
pillen der  linken  Hälfte  der  Fapillenquerreihe,  und  diese  wiederum  zu 
dem  längeren,  transversalen  Höcker.  Letzterer  führt  zur  wolilausgebil- 
deten  Gaumenleiste  hinüber.  Nach  Abschluß  der  Arbeit  finde  ich  imter 
den  Gaumenschlcimhiluten  der  Institutssammlung  eine  solche  von 
HahnatuiHS  nijicolUs,  die  au  Stelle  der  Papillenquerreihe  vor  der  dritten 
typischen  Gaumenleiste  eine  Gaumenleiste  zeigt,  die  nicht  so  voll- 
kommen ausgebildet  ist  wie  die  dritte  und  durch  eine  Medianfurche 
und  zwei  Paramedianfurchen  in  vier  Stücke  zerlegt  ist  (Taf.  I, 
Fig.  6  pov). 

Eine  Stütze  jener  Anschauung  sehe  ich  in  den  Angaben  von  Ret- 
zius  (1906)  über  das  Verhalten  der  hinter  der  Region  der  Papilla 
palatina  liegenden  Höcker  bei  verschiedenen  Marsupialiern.  Er  sagt 
darüber;  »Hinter  der  Papilla  palatina  findet  sich  in  der  Mitte  noch  ein 
Höcker,  der  zuweilen  in  zwei  geteilt  ist,  und  zu  jeder  Seite  derselben,  in 
der  Regel  ein  wenig  weiter  nach  hinten,  ein  paariger  Höcker;  diese 
Höcker  sind  aber  zuweilen  (bei  Didelphys,  Fig.  4)  zu  einer  quergestellten 
Leiste  zusammengeflossen,  sodaß  man  sie  als  die  erste  Gaumenleiste 
auffassen  kann  <<.  Vergleicht  man  noch  die  Gaumenabbildung  von  einem 
jungen  Didelphys  sp.  (Retziüs,  Taf.  XXXV,  Fig.  4)  mit  der  eines  er- 
wachsenen Didelphys  opossum  (Retzius,  S.  168),  so  bemerkt  man,  daß 
bei  ersterem  Tier  die  letzten  Gaumenleisten  vollkommen  in  transversal 
nebeneinander  liegende  Papulae  operariae  aufgelöst  sind,  während  dies 
bei  dem  letzteren  kaum  noch  zu  beobachten  ist.  Außerdem  wird 
die  mikroskopische  Betrachtung  die  obige  Vermutung  bestätigen. 

Über  den  mikroskopischen  Aufbau  der  Region  der  Papilla  palatina 
und  im  besonderen  über  die  Rolle,  die  das  elastische  Gewebe  in  Be- 
ziehung zu  den  Canales  naso-palatini  spielt,  kann  ich  keinen  Aufschluß 
geben,  da  diese  Region  zwecks  Einbettung  in  mehrere  Stücke  zer- 
legt wurde  und  infolgedessen  die  Orientierung  verloren  gegangen  war. 

Was  das  Gebiet  vor  der  ersten  Gaumenleiste  anbelangt,  so  ist  die 
Gaumenschleimhaut  durch  ein  Periost,  das  frei  von  elastischen  Fasern 
ist,  an  das  knöcherne  Gaumendach  angeheftet  (Taf.  I,  Fig.  7  pe). 
Die  etwa  1200«  dicke  Submucosa  ist  ein  Maschenwerk  aus  dicken,  para- 
iuedian  gerichteten,  sich  gegenseitig  durchflechtenden  Bindegewebsbün- 
deln.  Eingelagert  sind  Nerven,  Arterien  und  ein  klappe nhaltiges  Venen- 
geflecht, das  eine  Art  Schwellkörper  bildet.  Den  Arterien  und  Venen- 
wandungen sind  elastische  Häute  in  auffallender  Stärke  eingelagert 
(Taf.  I,  Fig.  7  v).  Der  Teil  dieser  Bindegewebsschicht ,  der  direkt 
an  das  Periost  anschließt,  ist  relativ  arm  an  bis  zu  0,8  /«  dicken  elasti- 


36  Jakob  Rehs, 

sehen  Fasern,  die  in  paramedianer  Richtung  verlaufen.  Aber  zwischen 
den  Arterien,  Venen  und  Nerven  ziehen  paramediane  elastische  Fasern 
zu  Bündeln  vereinigt.  Untereinander  sind  sie  durch  von  ihnen  ab- 
gehende elastische  Fasern  verbunden  (Taf.  I,  Fig.  7  sni  und  Taf.  II, 
Fig.  10  sm).  In  der  Übergangszone  zwischen  Submucosa  und  Propria 
mucosae  werden  die  paramedianen  elastischen  Fasern  von  transver- 
salen gekreuzt,  und  so  entsteht  ein  regelrechtes  Geflecht  (Taf.  I,  Fig.  7  S]) 
u.  Taf.  II,  Fig.  10  sp). 

In  der  650  ^it  dicken  Propria  mucosae  aus  dicht  verfilzten!  Binde- 
gewebe liegen  nur  bis  zu  0,8//  dicke,  transversale  elastische  Fasern,  die 
sich  untereinander  durchflechten  (Taf .  I,  Fig.  7  pm  u.  Taf.  II,  FiglO  pn). 
Diese  transversalen  elastischen  Fasern  durchqueren  aber  nicht  die  ganze 
Gaumenbreite,  sondern  indem  bindegewebigen  Teil  der  äußersten  rechten 
und  linken  Seitenteile,  der  ungefähr  je  ein  Sechstel  der  ganzen  Gaumen- 
breite ausmacht,  finden  sich  nur  paramediane  elastische  Fasern  in 
dichter  Anordnung.  Eine  oberflächlichste,  200  h  dicke  Schicht  der 
Propria  mucosae,  die  an  das  Epithel  anstößt,  zeigt  letzterem  parallele 
leastische  Fasern,  die  in  einem  sehr  weitmaschigen  Geflecht  aus  0,2  // 
dicken,  paramedianen  elastischen  Fasern  angeordnet  sind  und  solchen, 
die  von  den  transversalen  Fasern  der  Propria  mucosae  abbiegen  und 
zum  Epithel  hinstreben,  um  sich  hier  pinselförmig  aufzuteilen,  an  den 
Epithelwülsten  zu  endigen  (Taf.  II,  Fig.  10  ew)  oder  in  die  periphere 
Schicht  der  300  /t  langen  Bindegewebspapillen  zur  Spitze  aufzusteigen 
(Taf.  I,  Fig.  7  opm  u.  Taf.  II,  Fig.  10  opm). 

Der  Papillarkörper  ist,  wie  bei  Echidna  näher  beschrieben  worden 
ist,  auch  hier  ausgebildet. 

Das  325  fi  dicke  Epithel  hat  in  der  ganzen  Schleimhaut  fast  dieselbe 
Dicke  und  weist  keine  irgendwie  verhornte  Oberflächenschicht  auf, 
da  die  Zellen  stets  kernhaltig  und  abgeflacht  sind  (Taf.  I,  Fig.  7  ep 
u.  Taf.  II,  Fig.  10  ep). 

Im  Bereich  der  ersten  Gaumenleiste  nimmt  die  Submucosa  von 
vorn  nach  der  transversalen  Mitte  der  Leiste  an  Dicke  bis  auf  200  ii 
(Taf.  I,  Fig.  7  rsm  u.  Fig.  8  sm).  —  Fig.  8  u.  9  sind  Schnitte  aus  der 
zweiten  Gaumenleiste;  da  sie  vollkommen  mit  denen  aus  der  ersten 
übereinstimmen  und  die  geschilderten  Verhältnisse  noch  schöner  zeigen, 
w^erden  sie  hier  herangezogen.  —  In  dem  Tale  zwischen  der  ersten  und 
zweiten  Gaumenleiste  schwächt  sich  die  Submucosa  wieder  ab,  um  hier 
die  Dicke  wie  vor  der  Leiste  zu  besitzen.  Hieraus  resultiert  eine  dem 
allgemeinen  Niveau  der  Submucosa  aufsitzende,  transversal  Hegende 
Bindegewebsleiste,  die  zweifelsohne  eine  Submucosa  ist,  da  große  Blut- 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  nuikroskop.  und  niikroskop.  Anatomie  usw.      37 

gefäße  angesclinitten  sind  (Tat.  I,  Fig.  7  ü  u.  Taf.  II,  Fig.  9  v).  Die  vor- 
dere Oberflächemvand  steigt  allmählich  an,  während  die  hintere  steil 
abfällt.  Es  hat  also  bei  Hahnalurujs  ruficolUs  die  Submucosa  im  Gegensatz 
zu  Echidna  einen  direkten,  bedeutenden  Anteil  an  der  Bildung  der 
Gaumenleisten.  Charakteristischerweise  sind  auch  innerhalb  dieser  sub- 
mucüsen  Bindegewebsleiste  paramediane  elastische  Fasern  zu  Bün- 
deln angeordnet,  welche  untereinander  durch  abzweigende  elastische 
Fasern  verbunden  sind  (Taf.  II,  Fig.  9  s»t)und  welche  die  Tendenz  haben, 
Lamellen  in  paramedianen  Ebenen   zu  bilden   (Taf.  I,   Fig.  8  le). 

Diese  submucose  Bindegewebsleiste  ist  von  der  Propria  mucosae 
ungefähr  in  derselben  Schichtdicke  wie  im  Tal  vor  der  Leiste  überwallt. 
Die  elastischen  Fasern  laufen  untereinander  verflochten  in  transver- 
saler Richtung  (Taf.  I,  Fig.  7  pm  u.  Taf.  II,  Fig.  9  pm).  In  der  Propria 
mucosae  der  First  der  Leiste  liegen  neben  transversalen  auch  paramediaue 
elastische  Fasern  (Taf.  I,  Fig.  8  pm).  In  jenem  Geflecht  sind  die  Enden 
der  elastischen  Fasern  der  paramedianen  Faserbündel  der  submucosen 
Bindegewebsleiste  gleichsam  verankert  (Taf,  II,  Fig.  9  sp),  oder  sie 
durchsetzen  jene  Schicht  und  streben  zu  der  vorderen  oder  hinteren 
Epithel  wand  der  Gaumenleiste.  Auf  ihrem  Weg  kreuzen  sie  parame- 
diane elastische  Fasern  in  der  oberflächlichsten  Schicht  der  Propria 
mucosae,  die  an  das  Epithel  anschließt. 

Im  Tal  zwischen  der  ersten  und  zweiten  Gaumenleiste  besteht 
dieselbe  Schichtenfolge  wie  im  Tal  vor  der  ersten  Leiste.  In  jenen 
beiden  Tälern  sind,  wäe  schon  eingangs  erwähnt,  auf  der  Oberfläche  der 
Gaumenschleimhaut  makroskopisch  Papulae  operariae,  die  teils  koni- 
sche Form  haben,  teils  breitere  Höcker  darstellen,  in  allen  Größen  mit 
pharyngealer  Richtung  sichtbar.  Der  bindegewebige  Grundstock  der 
kleinsten  Papulae  operariae  ist  eine  stark  vergrößerte  Primärpapille, 
welche  das  Epithel  emporwölbt  (Taf.  II,  Fig.  10  po,  pr).  Daneben 
liegen  solche  und  dieses  besonders  im  zweiten  Tal,  deren  bindegewe- 
biger Grundstock  eine  Ausbuchtung  der  gesamten  Pars  papillaris  mit 
Einschluß  der  Propria  mucosae  ist  und  so  als  Sekundärpapille  zu  be- 
zeichnen ist,  da  ihm  Primärpapillen  aufgesetzt  sind.  Jene  Sekundär- 
papillen  überragen  das  allgemeine  Niveau  der  Epitheloberfläche,  wölben 
das  Epithel  empor  und  führen  so  zu  den  größeren,  zottenförmigen  Pa- 
pulae operariae  (Taf.  II,  Fig.  11  po,  s).  Die  ersteren  vergrößerten 
Primärpapillen  werden  vollständig  von  zum  Epithel  ziehenden  elasti- 
schen Fasern  eingenommen.  Bei  den  letzteren  hingegen  liegen  neben 
elastischen  Fasern,  die  zum  Epithel  ziehen,  transversale,  wie  sie  in  der 
Propria  mucosae  angetroffen  worden  sind.    Es  hat  also  die  Propria 


3ji  Jakob  Rehs, 

mucosae  an  der  Bildung  dieser  Papulae  operariae  einen  bedeutenden 
Anteil  (Taf.  II,  Fig.  11  pn,  tef).  Aber  nicht  nur  diese,  sondern  auch 
die  Subnnicosa  mit  den  paramedianen  elastischen  Fasern  trägt,  wenn 
auch  nur  indirekt,  zur  Bildung  der  Papulae  operariae  bei  (Taf.  II, 
Fig.  11  sm,  rsm). 

Die  zweite  Gaumenleiste  zeigt  einen  noch  regelmäßigeren  Bau  wie 
die  erste,  da  sie  nicht  bogig,  sondern  gerade  transversal  gestellt  ist  und 
Fig.  8  u.  9,  Taf.  I  bzw.  II  sind  dieserhalb  nach  Präparaten  dieser  Leiste 
wiedergegeben.  Wie  schon  erwähnt,  liegt  vor  der  rechten  Hälfte  der 
dritten  Gaumenleiste  eine  Querreihe  aus  Papulae  operariae,  die  durch 
Furchen  getrennt  sind.  Bei  der  linken  Hälfte  dagegen  ist  es  zu  einer 
Verschmelzung  mehrerer  Papulae  operariae  gekommen,  und  es  ist  ver- 
mutet worden,  daß  eine  Leiste  hierdurch  entstehen  könne.  Die  Pa- 
pulae operariae  der  rechten  Hälfte  der  Papillenquerreihe  haben  einen 
bindegewebigen  Grundstock,  der  auch  eine  Sekundärpapille  mit  Primär- 
papilleu  ist.  Aber  nicht  nur  die  Propria  mucof-ae  sondern  auch  die  »Sub- 
mucosa  hat  einen  direkten  Anteil  an  der  Bildung  der  Papulae  operariae, 
und  es  ist  der  paramediane  Verlauf  der  elastischen  Fasern  sehr  deut- 
lich ausgeprägt  (Taf.  II,  Fig.  12  6-,  sm).  Auch  der  transversale  Ver- 
lauf der  elastischen  Fasern  in  der  Propria  nmcosae  ist  klar  zu  erkennen 
(Taf.  II,  Fig.  12  s,  fm).  Die  Verschmelzung  der  einzelnen  Papillae 
operariae  ist  in  der  Papillenquerreihe  vor  der  linken  Hälfte  der  dritten 
Gaumenleiste  weitergegangen,  und  am  vollkommensten  mit  dem 
Aufbau  einer  eigentlichen  Leiste  stimmt  der  transversale,  längere 
Höcker  überein.  Die  Submucosa,  die  wesentlich  den  Höcker  aufbaut, 
steht  in  einem  engen  Verband  mit  der,  welche  die  Grundlage  für  die 
rechte  Hälfte  der  dritten  Gaumenleistc  abgibt.  Die  Anordnung  der 
elastischen  Fasern  in  paramedianer  Richtung  stimmt  mit  der  Leiste  über- 
ein (Taf.  II,  Fig.  12  {fov,  sm),  [3,  sm]).  Auch  sie  sind  in  den  transver- 
salen Fasern  der  Propria  mucosae  verankert  (Taf.  II,  Fig.  12  fov,  pm,). 
Hiernach  besteht  kein  Zweifel,  daß  der  transversale,  längere  Höcker  das 
Produkt  der  Verschmelzung  der  bindegewebigen  Grundstöcke  mehrerer 
großer  Papillae  operariae  ist.  Da  der  Höcker  mit  den  Leisten  im  Auf- 
bau übereinstimmt,  so  ist  er  der  direkte  Vorläufer  einer  solchen.  Es 
ist  natürlich  möglich,  daß  zwei  oder  mehrere  parallele  Höckerreihen  eine 
Leiste  bilden,  da  Retziüs  (1906)  angibt,  daß  bei  genauer  Untersuchung 
der  Leisten  der  hinteren  Partie  mau  besonders  bei  Macro'pus,  Onycho- 
gale  und  Petrogale,  aber  auch  bei  Bettongia  und  Phalangista  erkennt, 
»daß  diese  hinteren  Leisten  in  der  Nähe  ihrer  vorderen  Kante  je  eine 
derselben  parallele  Rinne  zeigt,  und  daß  der  vor  dieser  Rinne  gelegene 


Beiträge  zur  Kenntnis  cU'r  nriUroskop.  und  mikroskop.  Anatomie  usw.       39 

Teil  der  Leiste  wie  ein  aus  dem  zwischen  den  Leisten  befindlichen  Felde 
aufsteigender  Wall  erscheint« . 

Aus  allen  diesen  Befunden  muß  man  die  Anschauung  gewinnen, 
daß  bei  den  [)riinitiven  Marsupialiern  das  Primäre  die  aus  den  Papillae 
()[)erariae  gebiUleten  Papillentjuerreihen  und  das  Sekundäre  die  wohl- 
ausgehildeten  Leisten  sind.  Nichts  spricht  dafür,  daß  man  nach  Hetzius 
in  den  wohlausgebildeten  Leisten  zwischen  den  Backzahnreihen  die 
»ursprüngliche  Anordnung«  zu  sehen  hat. 

Die  letzten  Gaumenleisten  stimmen  im  Bau  mit  den  schon  be- 
schriebenen überein,  nur  daß  das  elastische  Gewebe  an  Menge  abge- 
nommen hat,  eine  Tatsache,  die  schon  in  der  dritten  Gaumenleiste 
festgestellt  werden  konnte.  Retzius  (1906)  erwähnt  bei  den  Marsu- 
pialiern noch  eine  hinterste  Leiste,  von  der  Cuvier  (1845)  sagt,  daß 
sie  »depasse  les  arriere-molaires«.  Bei  Halmaturus  rujicollis  und  wohl 
auch  bei  den  andern  Marsupialiern  ist  sie  mit  den  typischen  Gaumen- 
leisten nicht  auf  eine  Stufe  zu  stellen,  sondern  sie  verdankt  ihr  Vor- 
handensein einem  transversalen  Knochenwulst,  der  lingualwärts  am 
pharyngealen  Rande  der  Pars  horizontalis  der  Ossa  palatma  liegt  und 
die  Gaumenschleimhaut  in  Gestalt  einer  transversalen  Leiste  empor- 
wölbt. Man  vergleiche  auch  die  Schlußleiste  des  Gaumens  des  jungen 
Didelphjs  sp.  (Retzius,  Taf,  XXXV,  Fig.  4),  und  man  wird  sich  über- 
zeugen können,  daß  sie  auch  hier  ganz  anders  gestaltet  ist  wie  die  da  vor- 
liegenden, letzten  Gaumenleisten.  Dieselbe  Erscheinung  wird  uns  bei 
den  Insektivoren  wieder  begegnen. 

Edentata. 
I.  Nomarthra. 
Manidae. 

Manis  javanica  (Desm.). 
Orycteropidae. 

Oryderopus  capensis  (Gm.). 
IL  Xenarthra. 
Bradypodidae. 

Bradypus  tridacüjlus  L. 
Dasypodidae. 

Dasijpus  villosus  (Desm.). 
Tatusia  peba  (Desm.).       Fötus. 

Historisches.  Von  Manis  javanica  hat  Retzius  (1906)  den  Caumen 
eines  Fötus  und  eines  erwachsenen  Tieres  beschrieben  und  abgebildet  (Retzixts, 
Taf.  XXXV  r,  Fig.  4  u.  5).     Der  Gaumen  des  Fötus  zeigt  fünf  vordere  voUkom- 


40  Jakob  Rehs, 

men  entwickelte  Gaumenleisten,  während  die  sechste  Leiste  aus  einer  Querreihe 
von  Papulae  operariae  besteht,  und  die  andern  nur  Teilstücke  einer  solchen  Quer- 
reihe sind.  Überall  zwischen  den  Querreihen  liegen  zerstreut  Papulae  operariae. 
Der  Gaumen  des  erwachsenen  Tieres  weist  zehn  vollkommen  ausgebildete  Gaumen- 
leisten auf. 

Den  Gaumen  eines  neugeborenen  Jungen  und  erwachsenen  Weibchens  von 
Bradijpus  tridadylns  beschreibt  Retzius,  und  er  bildet  den  Gaumen  des  erwach- 
senen Tieres  auf  Taf.  XXXVI,  Fig.  7,  ab.  Hierüber  sagt  er:  »Die  zwischen  den 
Zahureihen  gelegene,  vordere  und  mittlere  Partie  desselben  ist  mit  zahlreichen 
kleineren  und  größeren,  runden,  ovalen  oder  länglichen  Höckern  und  Erhaben- 
heiten besetzt,  bei  denen  man  kaum  eine  Andeutung  von  regelmäßiger  Anordnung 
erkennt.  Bei  näherer  Betrachtung  lassen  sich  zwar,  besonders  vorn,  einige  Quer- 
reihen unter  diesen  Höckern  nachweisen,  eine  wirkliche  Anordnung  der  Leisten 
wibt  es  aber  nicht«.  Von  dem  Gaumen  des  neugeborenen  Jungen  schreibt  er: 
»Bei  ihm  zeigt  die  Gaumenoberfläche  eine  ähnhche  Beschaffenheit;  nur  waren 
die  Höcker  verhältnismäßig  noch  nicht  so  gut  entwickelt;  der  Typus  war  derselbe«. 

Bei  Dasypus  villosus  (Retzius,  Taf.  XXXVI,  Fig.  1  u.  2)  sind  acht  Leisten 
mit  dazwischen  liegenden  kleinen  Papulae  operariae  zu  verzeichnen.  Von  einem 
fast  reifen  Fötus  von  Tatusia  peha  bringt  Retzius  eine  Gaumenabbildung  (Taf. 
XXXVI,  Fig.  3)  und  er  berichtet  über  ihn:  »Bei  dem  fast  reifen  Fötus  oder  Jungen 
von  Tatusia  peha  zeigte  sich  die  Anordnung  recht  sehr  verschieden  von  der  bei 
dem  nahe  verwandten  erwachsenen  Dasypus  villosus  beschriebenen  ...  In  der 
Papillarregion  sieht  man  ein  Höckerpaar.  Dahinter  folgen  zwei  Paar  eigentüm- 
liche Leisten,  welche  beide  in  der  Medianlinie  durch  je  eine  Spalte  geteilt  sind 
und  ihren  Kamm  nach  hinten  kehren.  Zwischen  ihnen  sieht  man  ein  Paar  Höcker, 
und  hinter  dem  zweiten  Leistenpaar  folgt  ein  Paar  verkümmerter  Leisten.  Dann 
kommen  sechs  kräftiger  ausgebildete  Leisten,  von  denen  die  vier  vorderen  in  der 
Medianhnie  nicht  unterbrochen,  die  zwei  hintersten  aber  geschieden  sind.  Alle 
kehren  ihre  freie  Kante  nach  hinten  und  sind  hier  mit  hervorragenden  Zacken 
versehen.  Einige  dieser  Leisten  sind  gebogen,  mit  der  Konkavität  nach  hinten. 
In  den  zwischen  den  hinteren  sechs  Leisten  befindlichen  Zwischenräumen,  welche 
ungefähr  dieselbe  Breite  haben,  sieht  man  eine  JMenge  rundlicher  kornförmiger 
Erhabenheiten  «. 

Retzius  kommt  durch  diese  Untersuchungen  zu  dem  Ergebnis,  daß  »bei 
den  Edentaten  man  teils  primitive  , teils  schon  stark  differenzierte  Leistentypen 
findet.  So  z.B.  sieWt  Dasypus  einen  primitiven  Typus  dar.  Tatusia,  .  .  .  und 
Manis  zeigen  auch  ursprünglichere  Formen;  bei  Bradypus  liegt  aber  eine  eigen- 
tümliche Differenzierung  vor,  da  sich  die  Leisten  in  eine  Menge  von  größeren 
und  kleineren  Knötchen  aufgelöst  haben,  was  auf  eine  Art  Reduktion  deutet«. 

Eigene  Untersuchungen,  Bei  Manis  javanica  kann  es  gar  kei- 
nem Zweifel  unterliegen,  daß  die  Entstehung  der  Leisten  aus  Papulae 
operariae  im  Laufe  der  ontogenetischen  Entwicklung  angenommen 
werden  muß.  Hiernach  sind  die  Gaumenleisten  des  erwachsenen  Tieres 
iricherlich  keine  ursprünglicheren  Formen,  sondern  sie  sind  sekundär 
aus   der  Verschmelzung  der  primären  Papulae  operariae    entstanden. 


Beiträge  zur  Keimtiiis  der  niakiosko]).  und  niikioskop.  Anatomie  usw.       41 

Der  Gaumen  von  Orycteropus  capensis  (Taf.  II,  Fig.  13)  zeigt  voll- 
kommen entwickelte  Gaumenleisten,  Es  bilden  also  die  Nomarthra  in 
bezug  auf  die  Ausbildung  der  Gaumenleisten  ein  Gegenstück  zu  den 
Xenarthra,  die  auf  Südamerika  beschränkt  sind.  Auffälligerweise  zeigen 
andre  südamerikanische  Tierfornien  (Camelidae,  Rodentia)  auch  mehr 
oder  weniger  gut  ausgebildete  Gaumenleisten. 

Bei  dem  neugeborenen  Jungen  von  Bradypus  tridactylus  sind  die 
Papulae  operariae  noch  nicht  so  gut  entwickelt  als  beim  erwachsenen 
Tier,  bei  letzterem  sind  sogar  Querreihen  von  Papillae  operariae  an- 
zutreffen. An  einem  Gaumen  habe  ich  sogar  beobachten  können,  daß 
die  Papillae  operariae  vollkommen  zu  Leistenstücken  verschmolzen 
sind.  Ich  bin  daher  der  Meinung,  daß  hier  von  keiner  »Reduktion« 
gesprochen  werden  kann,  sondern  daß  hier  auch  primäre  Zustände 
vorliegen. 

Daß  bei  dem  fast  reifen  Fötus  von  Tatusia  peha  die  Leisten,  die  wie 
z.  B.  die  dritte  teilweise  vollkommen  aus  Papillae  operariae  bestehen 
oder  die  an  ihrer  freien  Kante  mit  hervorragenden  »Zacken«  versehen 
sind,  »sehr  verschieden  von  den  bei  dem  nahe  verwandten,  erwachsenen 
Dasypus  villosus  sind,  bei  dem  die  Leisten  fast  vollkommen  ausgebildet 
sind,  spricht  für  die  bei  Manis  javanica  angegebene  Ansicht.  Es  ist 
daher  auch  Dasypus  villosus  durchaus  kein  »primitiver  Typus«,  im 
Sinne  von  Retzius  genommen. 

Cetacea. 
Mystacoceti. 

Balaenopteridae , 

Balaenoptera  physalus  L.,  Fötus. 
Balaenoptera  sihhaldii  (Gray). 
Odontoceti. 
Delphinidae. 

Delphinus  delphis  L. 

Historisches.  Cüvier  (1845)  sagt  über  den  Walfischgaumen:  «Dans  les 
baleines,  eile  est  garnie  d'un  nombre  considerable  de  lames  cornees,  effilees  ä 
leur  extremite  inferieure.  Ces  lames,  .  .  .,  s'allongent  ä  mesure  qu'elles  s'ap- 
prochent  du  bord  externe  de  la  mächoire  au  point  d'acquerir,  dans  quelques  especes, 
une  longueur  de  plus  de  2  metres.  On  pourrait  peut-etre  considerer  ces  organes, 
qui  servent  de  filets  ä  ces  animaux  pour  retenir  leur  proie,  comme  une  exagera- 
tion  des  plis  transverses,  denteles  et  cornes,  du  palais  du  boeuf «. 

TuLLBERG  (1883)  hat  den  Bau  der  Barten  von  Balaenoptera  sibbaldii  von 
zwei  Entwicklungsstadien  und  einem  erwachsenen  Tier  eingehend  mikroskopisch 
untersucht  und  kommt  hinsichtlich  der  Entstehung  und  Entwicklung  der  Barten 
zu  folgenden  Schlußfolgerungen:  »Die  erste  Veränderung,  weiche  in  tler  Schleim- 


42  Jakob  Rehs, 

haut  des  Oberkiefers  zu  bemerken  ist,  ist  die,  daß  innerhalb  der  Ränder  dieses 
Kiefers  das  Epithel  verdickt  wird  und  die  Bindegewebspapillen  verlängert  werden. 
Diese  Veränderung,  welche  beginnen  dürfte,  wenn  der  Embryo  ungefähr  2m 
lang  ist,  geht  wahrsclieinlich  von  den  mittelsten  Teilen  des  Kieferrandes  aus  und 
breitet  sich  von  da  nach  hinten  und  vorn  aus.  Hierbei  wird  die  äußere  Schicht 
der  Schleimhaut  in  eine  dünnere,  ganz  und  gar  verhornte  Schicht  differenziert', 
welche  mehr  und  mehr  an  Dicke  zunimmt.  Die  Schleimschicht  dagegen  verdickt 
sich  langsamer.  Allmählich  erhebt  sich  das  unter  dem  Epithel  liegende  Binde- 
gewebe zu  schräg  längsgehenden  Reihen  kleiner  konischer  Fortsätze  an  schwach 
erhabenen  Leisten.  Dazu  ordnen  sich  diese  Fortsätze  in  den  äußeren  und  vorderen 
Enden  dieser  Reihen  allmählich  zu  Querreihen,  und  da  nun  die  äußersten  Fort- 
sätze in  diesen  Querreihen  sich  durch  Erhebung  des  zwischenliegenden  Binde- 
gewebes miteinander  vereinigen,  entstehen  quergehende  Leisten,  die  die  erste 
Andeutung  zu  den  quergestellten  Bindegewcbsplatten  bilden.  Auf  den  Rändern 
dieser  Platten  wie  auch  auf  den  Spitzen  der  innerhalb  dieser  liegenden  konischen 
Fortsätze  werden  die  Paj^illen  allmählich  länger,  und  da  bei  der  Vermehrung 
der  um  diese  herumliegenden  Zellen  und  dem  Wachstum  der  Papillen  eine  Pressung 
der  außerhalb  dieser  liegenden  Zellen  entsteht,  so  werden  die  letzteren  abgeplattet, 
wodurch  Röhren  entstehen,  welche  anfangs  undeutlich,  je  nach  dem  Wachstum 
der  Papillen  mehr  markiert  werden. 

Diese  Röhren,  welche  um  die  Papillen  herumgebildet  werden,  schieben 
sich  natürlich  beim  Wachstum  der  Epithelmasse  über  diese  auf  dieselbe  Weise, 
wie  die  Epithelmasse  in  gewöhnlichem  Hörn  sich  über  die  Papillen  schiebt;  luid 
so  wie  die  Hormöhren  sich  verschieben,  werden  sie  von  Zellen  gefüllt,  welche 
an  der  Spitze  der  Papille  durch  Teilung  dortliegender  Epithelzellen  gebildet  werden 
müssen.  Diese  Zellen  platten  sich  nicht  ab,  es  entsteht  aber  zwischen  ihnen  eine 
Anzahl  größerer  Lücken,  angefüllt  von  einem  feinkörnigen  Inhalt.  Eine  Pressung, 
ähnlich  der  um  die  Papillen  herum,  findet  auch  rund  um  die  größeren  Bincle- 
gewebsfortsätze  statt,  und  platten  sich  auch  hier  die  Zellen  mehr  und  mehr  ab, 
während  die  mitten  zwischen  den  Fortsätzen  liegenden  Zellen,  wie  auch  die,  welche 
außerhalb  der  von  den  Fortsätzen  gebildeten  Region  liegen,  von  der  Pressung 
beinahe  unberührt  sind.  So  schreitet  die  Entwicklung  weiter  fort,  bis  die  Epithel- 
masse eine  gewisse  Dicke  erreicht  hat,  da  auch  auf  der  Oberfläche  der  Bartenanlage 
sich  eine  Andeutung  zu  Erhöhungen  zu  zeigen  beginnt,  welche  den  Bindegewebs- 
fortsätzen  entsprechen  und  so  wie  diese  geordnet  sind.  Der  erste  Anfang  zu  diesen 
Erhöhungen  wird  jedoch  nicht  auf  die  Weise  gebildet,  daß  die  über  den  Binde- 
gewebsfortsätzen  liegenden  mehr  differenzierten  Teile  des  Epithels  die  übrige 
Masse  durchbrechen,  sondern  nur  so,  daß  diese  Masse  ausgebuchtet  wird,  was 
daraus  ersichtlich  ist,  daß  sie  anfänglich  von  einer  Hornschicht  bekleidet  sind. 
Während  eines  fortgesetzten  stärkeren  Wachstums  der  Papillen  auf  den  Rändern 
der  Bindegewebsfortsätze  und  des  um  diese  herumliegenden  Epithels  erreichen 
die  von  den  Papillen  ausgegangenen  Röhren  so  allmählich  die  Oberfläche  der 
Bartenanlage.  Dies  dürfte  teils  dadurch  geschehen,  daß  die  über  den  Röhren- 
gruppen liegende  Epithelmasse  abgestoßen  wird,  teils  dadurch,  daß  sie  von  den 
vordringenden  festeren  Röhrengruppen  zur  Seite  gedrängt  wird.  Während  dessen 
werden  die  oben  genannten  Papillen  ganz  bedeutend  länger  und  dringen  ein  gut 
Stück  in  die  mittelste  Schicht  ein;  jetzt  fangen  die  um  sie  herumgebildeten  Röhren 
an.  sich  zu  verhornen.  So  wie  nun  diese  Röhrengruppen  unter  der  Form  von  quer- 


Beiträge  /iir  Kenntnis  der  niakrosk(>i).   und   niii<iosko|).   Anatomie  usav.       43 

gestellten  l'latten  oder  koniselieii  Zajjfen  sieh  über  die  Kptilielinasse  erheben, 
so  lösen  sieh  die  Röhren  selbst  allmählich  voneinander  durch  Zerstörung  der 
dazwischenliegenden  Zellen,  und  der  erste  Anfang  zu  Haarfransen  zeigt  sich  auf 
den  neugebildeten  kleinen  Barten.  Die  Bartenanlage  ist  also  zu  dieser  Zeit  in 
mehr  oder  weniger  weit  fortgeschrittene,  von  den  Bindegewebsfortsätzen  aus- 
gehende Röhrengruppen  und  in  eine  sie  \iingebende  Zellenmasse,  die  embryonale 
Zwischensubstanz  eingeteilt   .   .   . 

Sowie  die  Zellenröhren  um  die  Papillen  herum  schon  angefangen  haben  sich 
zu  verhoriuMi,  entsteht  auch  in  den  die  Bindegewebsfortsätze  und  die  Hornröhren- 
grujipen  iungel)inden  schon  etwas  abgeplatteten  Zellen  eine  Verhornung.  Bei 
einem  ungeborenen  aber  beinahe  ausgetragenen  Jungen  von  Balaena  vvjsficetus 
hat  EscHRiCHT  faktisch  einen  dünnen  Hornüberzug  über  die  Hauptbarten  ge- 
funden. Möglieherweise  sind  jedoch  die  von  den  Seiten  der  Bindegewebsfortsätze 
ausgehenden  Papillen  schon  vorher  verschwunden  und  von  den  bei  dem  ent- 
wickelten Tiere  hier  vorkommenden  Leisten  ersetzt,  möglicherweise  hat  aber  die 
\'erhornung  auch  schon  früher  begonnen.  Da  die  Papillen  hier  verschwinden, 
hören  natürlich  die  von  ihnen  ausgehenden,  mehr  oder  weniger  deutlichen  Mark- 
säulen auf  und  die  jetzt  die  Bindegewebsfortsätze  und  die  Hornröhrengruppen 
umschließende  verhornte  Schicht  wird  mehr  homogen  wie  die  Deckschicht  der 
ausgewachsenen  Barte.  Da  nun  je  nach  dem  Wachstum  des  Tieres  die  von  An- 
fang an  mit  ihrer  Basis  beinahe  zusammenstoßenden  Bindegewebsfortsätze  sich 
von  einander  entfernen,  so  wird  der  Raum  zwischen  ihnen  von  Zwischensubstanz 
ausgefüllt;  und  da  es  in  diesem  Raum  fortfahrend  Papillen  gibt,  so  wird  die  sie 
ausfüllende  Zellenmasse  wie  die  embryonale  Zwischensubstanz  von  mehr  oder 
weniger  deutlichen,  von  den  Papillenspitzen  ausgehenden  Marksäulen  durchzogen. 
Während  die  f^ntwicklung  so  fortschreitet,  verlängern  sich  auch  die  in  der  Basis 
der  Hornröhren  eingeschlossenen  Papillen  mehr  und  mehr,  während  die  außer- 
halb der  Epithehnasse  hervorgeschossenen  Teile  dieser  Röhren  sich  mehr  und 
mehr  verhärten.  Hierbei  ist  es  klar,  daß  die  Papille,  wenn  sie  ein  Stück  aus  der 
Zwischensubstanz  herausgekommen  ist,  von  einer  festen  Hornröhre  umgeben 
wird;  und  von  diesem  Augenblicke  an  dürfte  kaum  irgendwelche  Verschiebung 
zwischen  der  Papille  und  der  Hornröhre  in  Frage  kommen,  sondern  muß  nach 
alledem,  was  ich  finden  konnte,  die  Pai)ille  in  ihrer  Entwicklung  alsdann  mit  dem 
Haar  gleichen  Schritt  halten  .  .  . 

Es  ist  klar,  daß  die  Papillen  in  den  Walfischbarten  sehr  lang  sein  und  sich 
weit  in  die  Hornröhren  hinein  erstrecken  müssen,  um  die  langen  und  schweren 
Bartenscheiben  sicher  befestigen  zu  können,  welche  übrigens  nur  durch  die  ver- 
hältnismäßig kurzen  Bindegewebsplatten,  durch  die  Kranzbänder  und  die  Zwischen- 
substanz angeheftet  sind.  .  .  .  Dagegen  dürften  die  Barten  während  des  ganzen 
Lebens  des  Tieres,  wie  EscHRiCHT  annimmt,  zu  wachsen  fortfahren  teils  durch  das 
Bilden  neuer  Teile  an  der  Basis  der  Bartenscheiben,  teils  durch  eine  fortgesetzte 
Bildung  neuer  Xebenbarten  an  dem  inneren  Rande  der  Bartenquerreihe.  Die 
Hauptbarten  nehmen  dabei  an  Breite  dadurch  zu,  daß  sie,  wie  Eschricht  auch 
bewiesen  hat,  neue  Nebenbarten  in  sich  einverleiben,  welche  Erscheinung  ich 
bestätigen  kann.  Dies  geschieht  natürlich  auf  die  gleiche  Weise,  wie  die  kleinen 
Bindegewebsplatten  beim  Embryo  mit  sich  die  konischen  Fortsätze  vereinen, 
nämlich  so,  daß  das  Bindegewebe  zwischen  den  Bindegewebsplatten  einer  Haupt - 
harte  und  ihrer  nächsten  Xebenbarte  sich  zu  einer  Erhöhung  erhebt,  welche  die 


44  Jakob  Rehs, 

beiden  verbindet,  während  sie  gleichzeitig  aneinander  herankommen.  .  .  .  Nach- 
dem die  Barten  dicht  aneinander  gekommen  sind,  wird  keine  Zwischensubstanz 
zwischen  ihnen  mehr  gebildet,  und  wenn  die  die  beiden  Bindegewebsjjlatten  zu- 
sammenbindende Erhöhung  sich  zu  gleicher  Höhe  mit  ihnen  erhoben  hat,  hört 
auch  die  Bildung  von  der  Deckschicht  zwischen  den  Barten  auf;  sie  schmelzen 
auf  diese  Weise  zu  einer  einzigen  Barte  zusammen,  welche  doch  selbstverständlich 
in  dem  distalen  Teil  noch  geteilt  ist,  bis  durch  fortgesetzte  Zerspaltung  der  nicht 
zusammengewachsenen  Teile  die  ganze  ursprüngliche  Nebenbarte  in  Haare  auf- 
gelöst wird.  .  .  . 

In  morphologischer  Hinsicht  sind  die  Barten  den  Schwielen  im  Gaumen 
gewisser  Säugetiere,  z.  B.  der  Wiederkäuer  am  nächsten  verwandt,  trotzdem  sie 
im  ausgebildeten  Zustande  sehr  von  ihnen  abweichen.  In  dem  Stadium,  wo  die 
Erhöhungen  auf  die  Oberfläche  der  Bartenanlage  hervorzutreten  beginnen,  gleichen 
die  Barten  auch  in  auffallender  Weise  oben  genannten  Bildungen,  obgleich  die 
Epithelmasse  bei  den  Bartenanlagen  um  ein  ganz  bedeutendes  dicker  ist.  In 
beiden  Fällen  haben  Avir  erhöhte  Bindegewebsfortsätze  mit  Gruppen  von  ver- 
längerten Papillen  und  in  beiden  Fällen  entsprechen  die  Bindegewebsfortsätze 
auch  den  Erhöhungen  auf  der  Oberfläche  der  Schleimhaut,  während  aber  diese 
Erhöhungen  bei  den  Wiederkäuern  in  diesem  Stadium  verbleiben,  setzt  sich  die 
Entwicklung  der  Barten  auf  die  Weise  fort,  wie  ich  oben  darlegte  «. 

Nach  CuviER  (1845)  ist  «dans  les  dauphins,  la  membrane  du  palais  entiere- 
ment  lisse  et  dure». 

Retzius  (190G)  bildet  den  Gaumen  eines  Delphinfötus  ab  (Taf.  XXXVII, 
Fig.  6)  und  sagt  darüber:  »Man  sieht,  daß  der  Gaumen  ganz  glatt,  ohne  Leisten 
ist;  in  der  Mitte  ist  eine  Längsfurche  und  beiderseits  von  ihr  je  eine  seichtere 
Längsfurche  «. 

Er  nimmt  an,  daß  »bei  den  Cetaceen  wohl  die  höchste  Differenz  in  der  Aus- 
bildung der  Gaumenleisten  vorhanden  ist,  da  dieselben  bald  (bei  den  echten 
WaUischen,  z.B.  Balaenoptera)  bekanntlich  die  kolossale  Entwicklung  der  Barten 
erreicht,  bald  sich  so  reduziert  haben,  daß  man  keine  Spur  von  ihnen  sieht  {Del- 
phini(s)  und  die  Oberfläche  des  Gaumens  ganz  glatt  ist «.  Zwischenstadien  zwischen 
diesen  Extremen  hat  Retzius  nicht  finden  können,  und  er  ist  im  Zweifel,  ob 
solche  Typen  noch  unter  den  lebenden  Tierformen  vorkommen. 

Eigene  Untersucliungen.  Der  Gaumen  eines  115  cm  langen 
Fötus  von  Balaenoptera  fhysalus  ist  vollkommen  glatt,  und  Bartenanlagen 
sind  niclit  vorhanden. 

Zur  mikroskopischen  Untersuchung  haben  mir  nur  kleine  Stücke 
aus  verschiedenen  Teilen  des  Gaumens  zur  Verfügung  gestanden.  Alle 
stimmen  sie  im  Aufbau  des  elastischen  Gewebes  überein.  Das  400;« 
dicke  Periost  ist  frei  von  elastischen  Fasern.  Die  Submucosa  ist  1200  /< 
dick.  Die  dem  Periost  anliegende,  500 ,«  dicke  Schicht  mit  dichtem  Binde- 
gewebe und  keinen  großen  Blutgefäßen  enthält  paramediane  elastische 
Fasern,  Die  folgende,  700  ^t  dicke  Schicht  mit  sehr  lockerem  Binde- 
gewebe und  großen  Blutgefäßen  birgt  spärliche  paramediane  elastische 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  nuikroskoi).  luul  mikroskop.  Anatomie  usw.       45 

Fasern.  Die  Propria  muco.'^ae  ist  500  //  dick  und  hat  einzelne  sehr  dünne, 
trausver.sale  elastische  Fasern,  die  nach  dem  Epithel  zu  noch  spärlicher 
werden. 

Nach  den  Untersuchungen  Tullbergs  zu  urteilen,  besteht  kein 
Zweifel,  daß  sich  sowohl  die  Haupt-  wie  Nebenbarten,  die  zu  Querreihen 
im  Gaumen  angeordnet  sind,  aus  Clruppen  von  Papillae  operariae  zu- 
sammensetzen. Die  bindegewebigen  Grundstöcke  dieser  Papillen  leiten 
sich  von  Primärpapillen  her.  Diese  verlängern  sich,  und  ihre  binde- 
gewebigen, basalen  Teile  verschmelzen  zu  konischen  Gebilden,  sodaß 
die  Primärpapillen  hierauf  zu  sitzen  kommen.  Über  diese  sind  Hornröhren 
mit  Marksäulen  gestülpt.  So  entsteht  ein  Bündel  von  Papillae  operariae. 
Aber  auch  die  konischen,  bindegewebigen  Grundstöcke,  die  in  einer 
Querreihe  stehen,  verschmelzen  mit  ihren  lateralen  basalen  Teilen  zu 
einer  quergehenden  Bindegewebsleiste.  Ferner  verschmelzen  mehrere 
solcher  Bindegewebsleisten  lateralwärts  zu  einer  einzigen.  Tullberg 
sagt  nämlich  ausdrücklich,  daß  >>sie  (die  vergrößerten  Primärpapillen) 
auf  diesen  Bindegewebsscheiben  nicht  in  gewisser  Entfernung  von- 
einander aufgereiht  sitzen,  sondern  mit  der  Basis  aneinanderstoßen. 
Auch  gehen  sie  nicht  von  derselben  Höhe  aus,  sondern  die  Binclegewebs- 
scheibe  teilt  sich  in  breitere  Fortsätze,  welche  sich  in  die  Papillen  spal- 
ten «.  Die  Papillen  sind  von  den  Hornröhren  umschlossen,  die  als  Pa- 
pillae operariae  die  Bartenscheibe  überragen.  Retzius  müßte  diese 
Barten  ebenso  wie  die  Papillae  operariae  andrer  Tiere  für  reduzierte 
Gaumenleisten  halten.  Daß  bei  den  Walen,  von  denen  der  Zwergwal 
ungefähr  10  m  lang  wird,  die  Papillae  operariae  eine  so  enorme  Länge 
haben,  ist  eigentlich  nicht  verwTinderhch.  Ich  möchte  schließlich  noch 
auf  die  auffallende  Übereinstimmung  hinweisen,  die  im  Aufbau  des 
Epithels  des  hinteren  Teiles  des  Gaumens  von  Echidna  aculeata  und 
des  Gaumens  von  Balaenoptera  sihhaldii  sich  kundgibt,  und  ich  habe 
feststellen  können,  daß  die  bindegewebigen  Grundstöcke  der  Papillae 
operariae  ungefähr  im  selben  Längenverhältnis  zueinander  stehen. 

Der  harte  Gaumen  von  dem  erwachsenen  Delphinus  delphis  ist 
nicht  glatt,  wie  Retzius  annimmt,  sondern  er  ist,  wie  auch  Cuvier 
beschreibt,  zerschhtzt.  In  das  durchschnittlich  IV2  mm  dicke  Epi- 
thel senken  sich  bis  zu  1  mm  tiefe  Furchen  ein,  die  in  der  Längs- 
richtung des  Gaumens  verlaufen  und  durch  Querfurchen  verbunden 
sind.  So  entstehen  abgegrenzte  Felder,  die  aber  ihrerseits  wieder 
auf  der  Oberfläche  200  /(  hohe  Papillae  operariae  tragen.  In  die 
abgegrenzten  Felder  dringen  nämlich  vom  Bindegewebe  dicht  bei- 
sammen  liegende   schmale    Primärpapillen   ein,    die    1  mm  lang  sind, 


46  Jakob  Rehs, 

das  »Stratum  gerniinativuin  als  Kappe  emporwölben  und  infolge- 
dessen auch  das  .Stratum  corneum,  dergestalt,  daß  beide  fast  röhren- 
förmio-  die  Spitzen  der  Primärpapillen  umgeben.  So  entstehen  jene 
Papilla e  operariae,  die  an  die  erinnern,  die  im  harten  Gaumen  von 
Cavia  cohmja  noch  beschrieben  werden.  In  dem  Epithel  der  Furchen 
lieo-en  naturgemäß  nur  kleine  Primärpapillen.  Eetzius  nimmt  an, 
daß  bei  diesem  Tier  die  Gaumenleisten  »sich  so  reduziert  haben,  daß 
man  keine  Spur  von  ihnen  sieht«.  Es  wird  schwer  sein,  für  diese  An- 
schauung einen  Beweis  zu  liefern,  und  es  erscheint  mir  daher  wahrschein- 
licher, daß  in  dieser  Gaumenschleimhaut  ein  noch  primitiverer  Typus 
vorliegt  als  in  denen  der  Mystacoceti.  Propria  mucosae  und  Submucosa 
sind  ebenso  dick  wie  das  Epithel,  und  als  Folge  hiervon  ist  das  elasti- 
sche Gewebe,  welches  ein  Geflecht  nach  allen  Eichtungen  verlaufender 
elastischer  Fasern  ist,  außerordentlich  spärlich  entw^ickelt,  wie  es  auch 
bei  andern  Tieren  der  Fall  ist. 

Perissodactyla. 
Equidae. 
Equus  cdballus  L. 

Historisches.  Cuvier  (1845)  sagt  über  den  harten  Gaumen  des  Pferdes, 
daß  »on  trouve  dix-huit  ä  vingt  sillons,  separes  par  des  espaces  plans.  Ils  formcnt 
de  chaque  cote  des  arcs  ou  des  croissants  qui  se  touchent  sur  la  ligne  mediane, 
et  le  dernier  n'atteint  jias  le  niveau  de  hx  derniere  molaire«. 

Retzius  (1906)  bildet  den  Gaumen  von  Equus  cahallus  ab  (Taf.  XXXVIl, 
Fig.  1)  und  gibt  davon  eine  eingehende  Beschreibung.  »Die  vorderste  Partie  ist 
etwas  verbreitert,  bildet  ein  abgerundetes,  vorn  nach  unten  umbiegendes  8tück, 
welches  sich  hinten  verschmälert,  um  dann  allmählich  nach  hinten  immer  etwas 
breiter  zu  werden,  und  endigt  zwischen  den  beiden  hintersten  Molaren  mit  einer 
aus  zwei  paarigen  Wülsten  bestehenden  Erhabenheit,  die  hinter  der  letzten  Quer- 
leiste liegt.  Die  Gaumenplatte  ist  sonst  vom  vordersten  Stück  ab  und  bis  an 
die  eben  erwähnte  Erhabenheit  von  der  einen  Seite  zur  andern  immer  mehr  aus- 
gehöhlt, gewölbt,  und  hat  in  der  Mittellinie  eine  Längsfurche,  welche  besonders 
an  den  Querleisten  deutlich  ausgesprochen  ist,  indem  sie  diese  in  zwei  Seitenarme 
trennt.  Diese  Seitenarme  sind  besonders  vorn,  stellenweise  aber  auch  hinten, 
gegeneinander  verschoben.  An  den  von  mir  untersuchten  Pferden  fand  ich  14 
bis  15  Gaumenleisten  oder  Leistenpaare;  Cuvier  gibt  ihre  Zahl  auf  18 — 20  an, 
Ellenberoee  und  Baum  auf  16 — 18  an.  Die  zwei  vordersten  Leisten  ziehen  nach 
außen  und  ein  wenig  nach  hinten;  die  dahinter  folgenden  biegen  sich  weniger 
nach  hinten.  Diese  sechs  Leisten  oder  Leistenpaare  finden  sich  vor  der  Back- 
zahnregion. Sie  sind  im  ganzen  kräftig  und  stehen  mit  ihren  scharf  ausgeprägten, 
etwas  nach  hinten  gerichteten  Rücken  ziemlich  weit  voneinander  entfernt,  da 
sich  ziemlich  breite  und  tiefe  Furchenpartien  zwischen  ihnen  finden.  In  der 
zwischen  den  Backzahnreihen  gelegenen  Partie  sind  die  Gaumenleisten  etwas 
niedriger  und  dichter  gestellt;  sie  tragen  ihren  Rückenkamm  mehr  vorn,  sind 


iJcilnigc  zui'  Kenntnis  der  niakioskop.   mxl   inikroskop.  Anatoniif  usw.       47 

im  Durchschnitt  dreieckig  und  auch  rcgehniißigcr  als  die  vorderen.  Sie  sind 
bogcnförinig,  in<Ieni  jeder  Seitenarm  mit  seiner  Mittelpartic  nach  vom  liin  ge- 
bogen ist  und  mit  seinem  äußeren  Ende  weiter  nach  hinten  rückt  als  mit  dem 
inneren.  Nach  hinten  vermindert  sich  diese  starke  Biegung  der  »Seitenarme 
immer  mehr,  so  daß  sie  zuletzt  weit  mehr  gerade  nach  außen  und  nur  wenig  nach 
liinten  auslaufen;  die  medialen  Enden  sind  jedoch  stets  etwas  nach  hinten  ge- 
bogen; die  äußeren  Enden  sind  durch  eine  schmale  Furche  begrenzt,  welche  sich 
auch  weit  nach  vorn  fortsetzt.  Die  Oberfläche  der  Leisten  in  dieser  hinteren 
ilegion  zwischen  den  Backenzähnen  ist  glatt  und  eben,  die  der  vorderen  Leisten 
dagegen  mit  unregelmäßigen  Furchen  verschen,  welche  meistens  in  der  Längs- 
richtung des  Gaumens  verlaufen. 

Ich  habe  aber  noch  nicht  die  allervorderste  Ilegion  des  Gaumens  bes])rochen, 
welche  offenl)ar  der  Region  der  Pajiilla  palatina  entspricht.  Diese  Region  ist 
halbmondförmig  und  endigt  hinten  mit  einem  wulstigen  Rande,  welcher  einer 
Leiste  ähnelt.  In  der  Mitte  dieser  Region  sieht  man  eine  schwach  angedeutete, 
nicht  scharf  markierte,  niedrige  schmale  Papille  mit  hinterer  Zuspitzung.  Diese 
Region  zeigt  vorn  eine  wallartige,  von  einer  Furche  begrenzte,  nach  vorn  ge- 
richtete Erhebung,  welche  zwischen  die  Vorderzähne  eindringt.  An  der  Ober- 
fläche der  Papillenregion  sind  übrigens  ein  Paar  Höcker  und  mehrere  Furchen 
vorhanden«.  Jaenicke  (1908)  bringt  in  seiner  Beschreibung  des  harten  Gaumens 
von  Equus  cahallus  nichts  wesentlich  Neues. 

Nach  Kunze  und  Mühlbach  (1885)  und  Jaenicke  (1908)  ist  das  durch- 
schnittlich 0.100  mm  dicke  Stratum  corneum  kernlos  und  stark  verhornt.  Loben- 
HOFFER  (1907)  und  Jaenicke  (1908)  stellen  »in  der  Verlängerung  der  Papillen 
nahezu  senkrecht  zur  Lamina  propria  stehende  Reihen  von  eigenartigen,  noch 
nicht  verhornten  Zellen  fest «,  die  nach  Jaenicke  »Zellen  darstellen,  die  dem 
Vcrhornungsprozeß  deshalb  noch  nicht  verfallen  sind,  weil  sie  ihrer  Matrix,  der 
blutreichen  Papille,  nahehegen«.  Das  Stratum  profundum  ist  nach  Jaenicke 
0,()20  mm  durchschnittlich  dick. 

Letzterer  Autor  findet,  daß  bei  Equus  cahallus  »die  Pars  jiapillaris  der 
Staffeln  nicht  mächtiger  als  die  der  Staffeltäler  ist,  daß  aber  die  Papillen  der 
Staffeln  im  oralen  Drittel  höher  sind  als  die  der  Täler  «.  Die  Papillen  sind  durch- 
schnittlich 0,466  mm  lang.  Nach  ihm  hat  die  Submucosa  einen  Anteil  an  der 
Bildung  der  Leisten,  und  es  birgt  die  Submucosa  Fettgewebe,  sie  ist  aber  drüsen- 
los, was  auch  Hamecher  (1905)  bestätigt. 

Kunze  und  Muehlbach  (1885)  finden  in  der  Mitte  der  Papillen  elastische 
Fasern,  die  bis  zur  Spitze  ziehen,  in  reicher  Menge.  Eine  eingehende  Topographie 
des  elastischen  Gewebes  dieses  Tieres  gibt  Zimjierl  (1905),  und  er  bildet  in  Fig.  3 
einen  Transversalschnitt  ab.  Er  schreibt:  » Dapprima,  immediatamente  al 
disotto  dcU'epitelio,  si  ha  il  solito  intreccio  il  quäle  perö  si  comporta  in  modo 
diverso,  per  abbondanza  e  per  dimensione  delle  fibre,  secondo  le  varie  parti  in 
cui  viene  considerato. 

In  quei  punti,  che  corrispondono  alle  creste  ed  alla  loro  parte  piü  clevata, 
esso  offre  un'altezza  molto  rilevante  ed  inoltre  presentasi  molto  piü  fitto  e  robusto, 
sia  per  la  quantitä  come  pure  per  le  dimensioni  delle  fibre,  di  quanto  si  puö  osser- 
vare  nelle  altre  parti,  cosi  da  aversi  in  questi  punti  la  formazione  di  una  specie 
di  cuscinetto  elastico  destinato  forse  a  reagire  alle  pressioni  alle  (luali  il  palato 
continuamente  ^nene  sottoposto. 


48  Jakob  Rehs, 

In  quanto  poi  alle  variazioni,  ehe  si  riscontrano  iielle  varie  parti,  notasi 
che  questo  priino  strato  e  piü  abbondante  nella  parte  mediana  delle  creste,  mentre 
va  diminuendo  portandosi  ai  lati  e  sopratutto  nella  linea  mediana.  Inoltre  e 
ordinariamente  piü  scrrato  e  robusto  nei  due  terzi  anteriori,  mentre  invece  si 
fa  piü  lasso  nel  terzo  j^osteriore  ed  in  vicinanza  del  velo  del  palato. 

A  questo  primo  strato  ora  accennato,  un  altro  ne  fa  seguito,  in  cui  le  fibre, 
piuttosto  sottili,  si  trovano  dirette  quasi  esclusivamente  in  senso  trasversale; 
hanno  decorso  rettilineo  o  solo  leggermente  ondulato  e  flessuoso  e  raramente 
vcngono  ad  essere  incrociate  da  altre  decorrcnti  in  direzione  diversa. 

Questo  secondo  strato  presenta  una  altezza  rilevante  potendo  occupare 
talora  per  piü  di  un  terzo  lo  spessore  del  derma,  ed  esso  prende  sopratutto  grande 
sviluppo  nelle  parti  corrispondenti  ai  solchi.  Inoltre  nel  maggior  numero  dei 
casi  aumenta  dall'avanti  all'indietro,  dove  perö  sopratutto  in  vicinanza  del  velo 
trovasi  spesso  qua  e  la  interrotto  da  fasci  aventi  direzione  longitudinale. 

A  questi  due  primi  strati,  i  quali  sebbene  non  siano  sempre  nettamente 
divisi  fra  di  loro,  confondendosi  spesso  a  vicenda,  ma  sempre  perö  facilmente 
riconoscibili,  anche  ad  un  esame  superficiale,  altri  due  ne  seguono,  i  quali  pre- 
sentano  numerose  variazioni  da  soggetto  a  soggetto  cosicche  non  sempre  si  riesce 
a  metterli  nettamente  in  evidenza. 

II  terzo  Strato  e  costituito  da  fibre  a  direzione  longitudinale,  le  quali,  come 
le  precedenti,  accompagnano  fasci  conettivi  aventi  la  medesima  direzione,  esso 
poi  trovasi  per  solito  maggiormente  svihippato  nella  parte  corrispondente  al 
solco  mediano. 

Finalmente  da  ultimo  quasi  aderenti  al  tavolato  osseo  si  notano  qua  e  lä 
robuste  fibre  aventi  direzione  trasversale  spesso  riunite  in  grossi  fasci,  per  modo 
che  in  certi  punti  costituiscono  una  vera  e  propria  robusta  lamina  elastica. 

Nelle  papille  il  tessuto  elastico  e  molto  abbondante,  le  fibre  hanno  dimensioni 
abbastanza  notevoli  ed  occupano  ordinariamente  tutto  il  corpo  della  papilla 
stessa,  alla  cui  sommitä  spesso  si  attorcigliano  dando  luogo  alla  formazione  di 
una  specie  di  gomitolo«. 

Durch  meine  eigenen  Untersuchungen  des  Gaumens  von  Equus 
cahallus  habe  ich  obige  Befunde  der  Autoren  bestätigt  gefunden.  Be- 
sonders sei  erwähnt,  daß  die  Submucosa  einen  direkten  Anteil  an  der 
Bildung  der  Gaumenleisten  hat. 

Artiodactyla. 

N  onruminantia . 
Suidae. 

Sus  scrofa  dornest.  L. 

Ruminantia. 
Tylopoda. 
Camelidae. 

Lama  huanacJms  Mol. 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  niakroskop.  und  mikroskop.  Anatomie  usw.      49 

Cavicornia. 
Bovidae. 

Buffelus  hubalus  L. 
Bos  taiirus  L. 

Orthaegoceros  falconeri  Wag. 
Ovis  aries  L. 

Historisches.  Retzius  (1906)  gibt  eine  Abbildung  des  harten  Gaumens 
von  Siis  scrofa  {Tai.  XXXVII,  Fig.  3)  und  schreibt  darüber:  »Die  Gaumen- 
platte des  erwachsenen  Schweines  ist  lang  und  schmal,  vorn  zugespitzt,  hinten 
beim  Übergang  zum  weichen  Gaumen  der  Quere  nach  in  gerader  Linie  abge- 
stutzt. Xur  etwas  hinter  dem  vorderen  Ende,  vor  den  Backenzähnen,  zeigt  sie 
eine  geringe  Verbreiterung  und  verschmälert  sich  dann  in  der  Partie  zwischen 
diesen  Zähnen.  Diese  Partie  ist  ziemlich  stark  ausgehöhlt  oder  gewölbt;  diese 
Wölbung  vermindert  sich  nach  vorn  hin  und  betrifft  hauptsächUch  die  Mittel- 
linie; hier  läuft  eine  seichte  Medianfurche,  welche  die  Gaumcnlcisten  in  je  zwei 
Seitenteile  trennt;  diese  sind  teilweise  gegeneinander  verschoben  und  alternieren, 
l)esonders  vorn,  miteinander. 

i\Ian  unterscheidet  hinter  den  Vorderzähnen  eine  etwa  dreieckige  Region 
der  Papilla  palatina,  welche  aus  zwei  symmetrischen  Seitenhälften  und  der  zwi- 
schen ihnen  gelegenen,  der  Länge  nach  ausgestreckten  Papille  besteht.  Diese 
zeigt  in  der  Medianlinie  sowohl  vorn  als  hinten,  je  eine  schmale,  zipfelartige, 
wulstförmige  Verlängerung,  von  denen  die  vordere  nach  dem  Zwischenraum  der 
beiden  mittleren  Vorderzähne,  die  hintere  sich  als  medianer  Wulst  zwischen  die 
vorderen  Paare  der  Gaumenleisten  ausläuft.  Die  Papille  zeigt  übrigens  eine 
hintere  breitere  und  eine  vordere  schmälere  Partie,  die  sich  winkelig  gegeneinander 
absetzen  und  hier  jederseits  die  zwei  Öffnungen  der  Canales  naso-palatini  haben. 
Die  Papille  ist  wenig  erhaben,  nur  von  einer  Seite  zur  andern  schwach  gewölbt. 
Die  beiden  Seitenpartien  sind  im  ganzen  glatt  und  eben;  hinten  haben  sie  aber 
je  einen  kurzen  queren  Wulst,  der  wie  ein  Anfang  der  Gaumenleistenreihe  aus- 
sieht, obgleich  er  wohl  eher  als  der  Abschluß  der  Papillenregion  zu  betrachten  ist. 

Die  Region  der  Gaumenleisten  fängt  nun  direkt  hinter  diesen  Wülsten  an 
und  reicht  bis  an  das  Ende  des  harten  Gaumens.  Es  finden  sich  nämlich  in  der 
Regel  nicht  weniger  als  23  Leisten,  von  denen,  wie  oben  erwähnt,  jede  in  zwei 
Seitenteile  getrennt  ist.  Alle  Leisten  haben  ungefähr  dieselbe  Breite  und  ziehen 
mehr  oder  weniger  gerade  gestreckt  quer  über  die  Gaumenplatte  nach  den  Außen- 
seiten hin,  wo  sie  abgerundet  endigen.  Zwischen  jedem  Paar  findet  sich  eine 
schmale  Furche.  In  der  vorderen  Partie  sind  sie  jedoch  kräftiger  ausgebildet, 
mit  einem  mittleren  Wulst  an  ihrem  Rücken;  nach  hinten  hin,  zwischen  den 
Backzahnreihen  werden  sie  allmählich  niedriger  und  flachen  sich  schließlich  ab; 
die  hinteren  laufen  auch  nicht  mehr  gerade  nach  außen,  sondern  biegen  sich  in 
verschiedenen  Richtungen  und  werden  auch  hier  und  da  unterbrochen,  nur  kürzere 
Stümpfe  bildend. 

Das  Auffallendste  am  Gaumen  des  Schweines  ist  aber  gerade  der  Umstand, 

daß  die  Leisten,  obwohl  schwächer  und  unregelmäßiger,  sich  nicht  nur  in  der 

ganzen   Partie   zwischen  den  Backzahnreihen,   sondern  noch  hinter  denselben, 

bis  an  die  hintere  Grenze  des  harten  Gaumens  erstrecken,  wie  die  Fig.  3  zeigt« 

Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.   CIX.  Bd.  4 


50  Jakob  Kehs, 

Auch  die  Föten  von  35  und  94  mm  Scheitelsteißlänge  zeigen  schon  Gaumen- 
leisten.    Jaenickes  (1908)  Beschreibung  bringt  auch  bei  Sus  nichts  Neues. 

Nach  Severest  (1885)  ist  das  Stratum  corneum  dieses  Tieres  nicht  so  ver- 
hornt wie  beim  Hund  und  der  Katze,  und  Jaenicke  gibt  seine  Dicke  auf  durch- 
schnittHch  0,029  mm  an.  Nach  ihm  ist  das  Stratum  profundum  0,216  mm  dick, 
und  die  Höhe  der  Papillen  ist  durchschnittlich  0,115  mm.  Die  Papillen  der 
Staffeln  sind  im  oralen  Drittel  höher  als  die  der  Täler. 

Hamecher  (1905)  hat  »mit  bloßem  Auge«  keine  Drüsen  feststellen  können, 
während  sie  Jaenicke  »in  der  Nähe  der  Mündung  der  Ductus  naso-palatinus « 
findet.  Letzterer  Autor  stellte  auch  fest,  daß  die  Submucosa  Fettgewebe  ent- 
hält und  einen  Anteil  an  der  Bildung  der  Leisten  hat.  Nach  Ellenberger  (1887) 
und  Jaenicke  birgt  die  Schleimhaut  des  harten  Gaumens  vereinzelte  Lymphnoduli. 
CüViER  (1845)  sagt  über  den  harten  Gaumen  von  Bos  taurus,  daß  »dans  le 
boeuf,  il  existe  de  chaque  cote,  du  palais  treize  ou  quatorze  plis  denteles  dont 
quelques  uns  se  croisent  par  leur  extremite  sur  la  ligne  mediane;  en  arriere  de  ces 
plis  ä  dentelures  ä  demi  cornees  on  trouve  trois  sillons  lisses«. 

Retzius  (1906)  bringt  eine  Abbildung  des  harten  Gaumens  von  diesem 
Tier  (Taf.  XXXVIII,  Fig.  1)  und  sagt  darüber:  »Die  Fläche  des  harten  Gaumens 
ist  beim  Rind  bisquitförmig,  sowohl  in  ihrer  vorderen  als  in  ihrer  hinteren  Partie 
breit  und  zwar  von  ungefähr  derselben  Breite ;  in  der  mittleren  Partie  ist  sie  nicht 
stark  eingekniffen.  In  der  Medianlinie  ist  sie  ferner  besonders  nach  hinten  rinnen- 
förmig  gesenkt. 

Vorn  findet  sich  eine  halbmondförmige  Region  der  Papilla  palatina  mit  zwei 
paarigen,  von  vielen  kleinen  warzenartigen  Erhabenheiten  übersäten,  durch  eine 
schmale  Medianfurche  geteilten  SeitenhäLften  und  einer  zwischen  sie  hinten  ein- 
geschobenen, viereckigen,  scheibenförmigen,  wenig  erhabenen  Papille;  jederseits 
von  den  Seitenecken  derselben  finden  sich,  obwohl  ziemlich  verborgen,  die  Öff- 
nungen der  Canales  naso-palatini.  In  den  am  hinteren  konkaven  Rande  der 
Papillarregion  gelegenen  Busen  der  Gaumenfläche  schiebt  sich  die  folgende  Region, 
die  Region  der  Gaumenleisten  hervor  und  füllt  ihn  zunächst  mit  einer  Reihe 
kleinerer  Höcker  und  dahinter  mit  kurzen,  gewissermaßen  etwas  verkümmerten 
Querleisten.  Dann  folgt  eine  ziemlich  weit  nach  hinten,  zwischen  die  vorderen 
Backzähne,  reichende  Partie  mit  stark  entwickelten,  die  ganze  Breite  des  Gau- 
mens bedeckenden  Querleisten,  welche  vorn  näher  aneinander,  dann  entfernter 
voneinander  stehen,  um  sich  hinten  einander  wieder  zu  nähern.  Diese  Leisten, 
welche  in  der  Medianlinie  durch  eine  sehr  feine  Furche  in  zwei  Seitenhälften  ge- 
trennt sind,  die  sich  auch  voneinander  trennen  und  alternieren  können,  haben 
einen  gebogenen,  stark  entwickelten  und  gezähnelten,  erhabenen  und  die  Fläche 
überragenden  hinteren  Rand.  Nach  hinten  hin,  zwischen  den  vordersten  Back- 
zähnen, werden  die  Leisten  niedriger;  ihr  Hinterrand  wird  weniger  scharf  und 
hervorragend;  er  verliert  seine  Zähnelung.  Allmählich  senken  sich  also  die 
Leisten  und  werden  rudimentär;  man  erkennt  nur  ihre  Spuren  noch  eine  Strecke 
nach  hinten;  dann  schwinden  sie  ganz;  zwischen  den  hinteren  Backzähnen  ist 
die  Gaumenfläche  glatt  und  von  einer  Seite  zur  andern,  sowie  auch  nach  hinten, 
ausgehöhlt«.  Jaenicke  (1908)  hat  die  Zähnchen  am  freien  Rande  der  Gaumen- 
leisten gemessen  und  solche  »von  1,5—4  mm  Höhe  gefunden;  die  meisten  hatten 
eine  Höhe  von  2,5  mm.  Die  Breite  der  Basis  der  Zähnchen  betrug  0,5—2  mm  «. 
Dieser  Autor  hat  ein  im  Durchschnitt  0,111  mm  dickes  kernloses  Stratum 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  inakroskop.  und  mikroskop.  Anatomie  usw.       51 

cornouni  und  ein  Stratum  lucidum  bei  diesem  Gaumen  festgestellt.    Das  Stratum 
profundum  ist  durchschnittlich  0,831  mm  dick. 

Am  Papillarkörper  der  Zähnchen  der  Staffeln  beim  Rind  hat  er  beobachtet, 
»daß  an  der  Spitze  der  Zähnchen  nicht  nur  eine  Papille,  sondern  bisweilen  zwei 
sitzen,  und  daß  dieselben  nicht  in  gerader  Richtung  nach  der  Spitze  verlaufen, 
sondern  an  ihr  divergieren  «.  Die  durchschnittliche  Länge  der  Papillen  ist  0,583  mm, 
und  die  Papillen  der  Staffeln  sind  im  oralen  Drittel  höher  als  die  der  Täler. 

Kunze  und  Müehlbach  (1885)  stellen  in  der  Submucosa  des  harten  Gau- 
mens acinüse  Drüsen  fest.  Hamecher  (1905)  hat  in  ihm  keine  Drüsen  gefunden, 
während  Jaenicke  (1908)  in  der  Zahnplattc  am  Ductus  naso-palatinus  Paketchen 
von  Drüsen  (Fig.  14),  bei  einem  Rinde  in  der  Höhe  der  13.  Staffel  ein  Paket  von 
Schleimdrüsen  und  im  leistenfreien  Teil  des  harten  Gaumens  submucöse  Drüsen 
feststellen  konnte.  Nach  letzterem  Autor  enthält  die  Submucosa  Fettgewebe 
und  nimmt  an  der  Bildung  der  Leisten  teil. 

Über  die  Topographie  des  elastischen  Gewebes  des  harten  Gaumens  schreibt 
ZniMERL  (1905):  «Nella  mucosa  del  palato  del  bue  il  tessuto  elastico  si  comporta 
in  modo  molto  piü  semplice  di  quanto  si  e  or  ora  osservato  nel  cavallo,  non  si  ha 
nessuna  distinzione  di  strati  e  fatta  astrazione  della  maggior  o  minor  ricchezza 
di  fibre  poche  variazioni  si  possono  notare  nelle  vai'ie  parti  della  mucosa. 

Xel  terzo  anteriore  tiitto  quanto  lo  spessore  del  derma  si  trova  percorso 
da  fibre  non  aventi  alcuna  dcterminata  direzione  ed  incrociantesi  quindi  fra  di 
loro  in  tutti  i  sensi,  cosi  da  costituire  un  intreccio  abbastanza  fitto,  il  quäle  mostrasi 
molto  piü  denso  neUe  creste  e  sopratutto  in  quella  parte  di  esse  posta  subito  al 
disotto  dell'epiteUo  dove  perö  le  fibre  si  presentano  molto  esili  con  decorso  ondulato 
e  tortuoso.  Portandosi  negli  strati  piü  profoncli  del  derma,  l'intreccio,  che  non 
e  se  non  una  continuazione  di  quello  precedentemente  accennato,  si  mostra 
meno  fitto,  ma  in  compenso  perö  le  fibre  vanno  aumentando  di  dimensioni;  in- 
oltre  se  ne  hanno  ancora  molte  aventi  direzione  trasversale,  le  quali  in  certo  quäl 
modo  ricordano,  sebbene  lontanamente,  quelle  fatte  notare  nel  cavallo«. 

Jaenicke  (1908)  sagt  über  die  elastischen  Fasern  der  Primärpapillen :  »Bei 
allen  Tieren  sah  ich  elastische  Fasern  in  der  Mitte  der  Papillen  in  die  Höhe  ziehen, 
dieselben  hatten  beim  Rinde  (Fig.  17)  einen  mehr  geschlängelten  Verlauf«. 

CtrviER  (1845)  gibt  vom  harten  Gaumen  von  Ovis  aries  an,  daß  «il  existe 
de  chaque  c6t6  du  palais  quatorze  plis  transversaux  dont  les  derniers  sont  peu 
prononces,  et  dont  ceux  du  milieu  sont  alternes;  ils  se  terminent  au  niveau  de 
la  deuxieme  molaire;  le  reste  de  l'espace  est  une  membrane  lisse  tres  epaisse  .  .  .». 

Retzius  beschreibt  seine  Abbildung  (Taf.  XXXVIII,  Fig.  3):  »Die  Region 
der  Papilla  palatina  ist  .  .  .  groß  und  stellt  eine  .  .  .  Platte  mit  vorn  und  außen 
konvex  abgerundeten,  hinten  konkaven  Rand,  welch  letzterer  in  der  Mitte  einge- 
schnitten ist  und  zu  der  Papille  führt,  um  mit  zwei  stark  divergierenden  Ästen 
den  hinteren  Umfang  der  etwa  weinblattförmig  gestalteten  Papille  zu  begrenzen; 
vorn  hängt  die  Papille  mit  der  sie  umgebenden  Platte  innig  zusammen.  Die  Quer- 
leisten der  Leisteru'egion  sind  auch  beim  Schafe  dachziegelartig  angeordnet,  ihre 
erhabenen  hinteren  Ränder  sind  gezähnelt,  obwohl  weniger  stark  als  beim  Rind. 
Sie  sind  durch  eine  Medianfurche  in  zwei  Seitenhälften  geteilt.  Hinten,  zwischen 
den  vorderen  Backzähnen,  werden  die  Leisten  niedriger  und  sind  nicht  mehr 
dachziegelartig  angeordnet;  weiter  hinten  werden  sie  immer  undeutlicher  und 
verschwinden  zuletzt,  indem  die  Schleimhaut  der  hinteren,  von  einer  Leiste  zur 

4* 


52  Jakob  Rehs, 

andern  stark  ausgehöhlten  Partie  des  harten  Gaiimens  glatt  und  eben  wird;  in 
der  Mittellinie  findet  sich  eine  Längsrinne«.  Jaenickb  (1908)  bringt  nichts  Neues 
in  bezuf^  auf  die  makroskopische  Anatomie  des  Gaumens.  Er  stellt  die  durch- 
schnittUche  Dicke  des  kernlosen  Stratum  corneum  auf  0,147  mm  fest. 

LOBENHOFFER  (1907)  beschreibt  in  dem  Stratum  corneum  eigentümliche 
Zellenreihen,  von  denen  er  sagt:  »Schon  bei  der  Betrachtung  mit  schwacher  Ver- 
größerung fallen  bei  den  Hämatoxylinfärbungen  Reihen  von  hintereinander 
stehenden  Kernen  auf,  die  oft  die  ganze  Hornschicht  durchsetzen;  imd  zwar 
stehen  nie  zwei  oder  gar  mehrere  Kerne  nebeneinander,  sondern  jedes  Glied  der 
Kette  wird  immer  nur  durch  einen  Kern  gebildet,  was  auch  Flachschnitte  un- 
zweifelhaft beweisen.  Weitere  Untersuchungen  ergaben  ohne  Zweifel  Beziehungen 
dieser  Zellenreihen  zu  den  Papillen.  Diese  Zellenreihen  ließen  sich  nämlich 
überall  da,  wo  der  Schnitt  in  die  entsprechende  Ebene  gefallen  war,  bis  zur  Spitze 
der  Papille  verfolgen«.  Eine  nervöse  Funktion  der  Reihenzellen  hält  er  für  aus- 
geschlossen, und  er  fährt  fort:  »Noch  eher  ließe  die  enge  Beziehung  der  Reihen- 
zellen vermuten,  daß  durch  die  Reihenzellen  hindurch  nach  den  Papillen  hin 
oder  umgekehrt  ein  Sekretions-  oder  Resorptionsstrom  gehe.  Bei  dem  dichten 
Kapillarnetz  der  Papillen  ist  dieser  Gedanke  wohl  naheliegend.  Vielleicht  läßt 
sich  die  erwähnte  Tatsache,  daß  die  Zellen  vieKach  Pigment  enthalten,  noch  für 
die  Anschauung  ins  Feld  führen.  Einen  ausschlaggebenden  Beweis  dafür  ver- 
mag ich  freilich  nicht  anzuführen  «.  Die  Anschauung  Jaenickes  über  diese  Zellen- 
reihen habe  ich  schon  bei  Equus  cahalhis  angeführt.  Nach  letzterem  ist  im  Durch- 
schnitt das  Stratum  profundum  0.374  mm  dick. 

Nach  ihm  sind  die  Papillen  durchschnittlich  0,247  mm  lang.  Die  Pars 
papillaris  der  Staffeln  ist  aber  nicht  mächtiger  als  die  der  Staffeltäler,  aber  im 
oralen  Drittel  sind  die  Papillen  der  Staffeln  höher  als  die  der  Täler. 

Kunze  und  Muehlbach  (1885)  haben  in  der  Submucosa  des  harten 
Gaumens  acinöse  Drüsen  gefunden.  Hamecher  (1905)  und  Jaenicke  (1908) 
konstatieren  im  pharyngealen  Abschnitt  des  harten  Gaumens  Drüsen,  letzterer 
auch  überall  Fettgewebe.  Die  Submucosa  hat  nach  ihm  einen  Anteil  an  der 
Bildung  der  Leisten. 

Kunze  und  Muehlbach  (1885)  berichten  von  den  Canales  naso-palatini 
der  Riiminantia,  daß  sie  von  einer  vollständig  geschlossenen  Knorpelkapsel  um- 
geben sind.  Hier  liegen  Haufen  von  acinösen  Drüsen,  deren  AusEührungsgänge 
in  die  Canales  naso-palatini  münden. 

Retzius  (1906)  kommt  durch  seine  Untersuchungen  an  den  Ungulaten  zu 
dem  Ergebnis,  daß  bei  diesen  Tieren  »wohl,  von  den  WaHischen  abgesehen,  die 
höchste  Ausbildung  der  Gaumenleisten  zu  verzeichnen  ist,  und  zwar  sowohl 
bei  den  Perissodactylen  als  bei  den  Artiodactylen  (den  non-Ruminantien  sowohl 
als  den  Ruminantien).  Unter  ihnen  kennt  man  auch  keine  Form,  bei  denen  eine 
solche  Reduktion  vorkäme,  wie  sie  bei  gewissen  Famihen  von  Nagetieren  und 
Waltieren  zu  finden  ist«. 

Jaenicke  (1908)  sagt  über  den  mikroskopischen  Aufbau,  daß  »aus  den 
vorstehend  geschilderten  Verhältnissen  des  harten  Gaumens,  insbesondere  aus 
der  Dicke  seiner  einzelnen  Schichten  an  den  Staffeln  und  zwischen  diesen  folgt, 
daß  die  Staffeln  nicht  durch  die  größere  Mächtigkeit  einer  bestimmten  Schleim- 
hautschicht, und  nicht  etwa  durch  die  größere  Höhe  der  Papillen,  oder  größere 
Stärke  des  Epithels,  oder  seiner  Hornschicht  und  dergleichen  zustande  kommen, 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  niakroskop.  und  mikroskop.  Anatomie  usw.       53 

und  daß  sie  auch  Iceine  einfaclien  Schleimhautf alten  darstellen.  Sie  können 
durch  Verstärkung  aller  Schleimhautschichten  gebildet  werden.  Es  ist  dies 
jedoch  nach  Tierart,  Individualität  und  auch  regionär  verschieden«. 

Eigene  Untersuchungen.  Sus  scrofa  zeigt  eine  sehr  gute  Aus- 
bildung der  Gaumenleisten,  obgleich  bei  diesem  Tier  im  hinteren  Teil 
des  harten  Gaumens  Papillae  operariae  vorhanden  sind.  Im  Übergang 
zum  weichen  Gaumen  zeigt  die  Gaumenschleimhaut  des  Fötus  von 
94  cm  Scheitelsteißlänge  mehrere  Querreihen  von  Papillae  operariae, 
die  am  Gaumen  des  erwachsenen  Tieres  zusammengeflossen  sind. 

Was  den  mikroskopischen  Bau  anbelangt,  so  kann  ich  die  Befunde 
der  Autoren  nur  bestätigen.  Die  etwa  1800  f.i  dicke  Submucosa  enthält 
viel  Fettgewebe  mit  paramedianen  Bindegewebsbündeln  dazwischen, 
die  sehr  dünne,  ebenso  verlaufende  elastische  Fasern  enthalten.  Im 
Fettgewebe  selbst  habe  ich  kein  elastisches  Gewebe  feststellen  können. 
An  dem  Aufbau  der  Gaumenleisten  hat  die  Submucosa  einen  bedeu- 
tenden, direkten  Anteil. 

In  der  1000  ii  dicken  Propria  mucosae,  die  auch  den  submucosen 
Auteil  der  Leiste  überwellt,  liegen  elastische  Fasern  nach  allen  Rich- 
tungen und  bilden  so  ein  Geflecht.  Aus  diesem  Geflecht  steigen  spär- 
liche Fasern  zum  Epithel  und  in  die  Bindegewebspapillen  auf. 

Der  harte  Gaumen  von  Lama  huanachus  (Taf.  II,  Fig.  14)  weist 
hinter  den  Incisiven  eine  Zahnplatte  auf,  die  an  den  Seitenrändern 
nach  hinten  in  zwei  Zipfel  spitz  ausläuft.  Hierzwischen  liegen  am 
hinteren,  mittleren  Teil  der  Zahnplatte  die  Öffnungen  der  Canales  naso- 
palatini.  Im  darauffolgenden  Teil  des  Gaumens  liegen  Papillae  operariae 
zerstreut.  Die  folgenden  transversal  zum  Gaumen  liegenden  Gebilde 
sind  keine  typischen  Gaumenleisten,  da  die  Firsten  noch  deutlich  den 
Aufbau  aus  Papillae  operariae  andeuten.  Die  Gebilde  stoßen  mit  ihren 
medialen  Enden  an  eine  Rhaphe  palati,  und  die  Hälften  der  Gebilde  schei- 
nen so  gegeneinander  verschoben.  Man  kann  aber  wohl  erkennen,  daß 
an  diese  medialen  Enden  auf  der  andern  Hälfte  des  Gaumens  zu  Reihen 
transversal  nebeneinander  liegende  Papillae  operariae  anschließen. 
Besser  ausgebildete,  fast  typische  Gaumenleisten  liegen  im  hinteren 
Teil  des  harten  Gaumens,  und  es  ist  so  ein  Fortschritt  in  der  Aus- 
bildung der  Gaumenleisten  von  vorn  nach  hinten  festzustellen. 

Retzius  hat  bei  Bos  taurus  hinter  der  Region  der  Papilla  pala- 
tina  »eine  Reihe  kleiner  Höcker«  ,also  Papillae  operariae  feststellen 
können.  Die  »stark  entwickelten  Gaumenleisten  haben  einen  gebo- 
genen, stark  entwickelten  und  gezähnelten,  erhabenen  und  die  Fläche 
überragenden  hinteren  Rand«.    Die  Zähnchen  haben  nach  Jaenicke 


54  Jakob  Rehs, 

eine  Länge  von  1,5 — 4  mm  und  in  der  Basis  einen  Breitendurchmesser 
von  0,5  — 2  mm  und  sind  auch  demnach  transversal  in  einer  Reihe 
nebeneinander  liegende  Papulae  operariae. 

Was  den  mikroskopischen  Aufbau  dieser  Gaumenschleimhaut  an- 
geht, so  kann  ich  die  Angaben  der  Autoren  bestätigen,  nur  einiges  will 
ich  hinzufügen.  Die  Primärpapillen  der  Gaumenschleimhaut  reichen 
bis  zum  Stratum  lucidum.  Erwähnenswert  ist  noch,  daß  zwischen  den 
Canales  naso-palatini  hauptsächlich  elastische  Faserbündel  in  trans- 
versaler Richtung  anzutreffen  sind.  Sonst  ist  hier  das  elastische  Ge- 
webe auch  gelagert,  wie  es  Zimmerl  (1905)  beschrieben  hat.  Zwischen 
den  Stützknorpeln  und  den  Epithelwänden  der  Canales  naso-palatini 
verlaufen  elastische  Fasern.  Sie  dringen  nicht  zwischen  die  Knorpel- 
kapseln ein,  sondern  enden  in  der  äußersten  Schicht  des  Perichondriums. 
Und  es  ist  danach  der  Knorpel  ein  Hyalinknorpel.  In  der  Nähe  des 
Epithels  der  Canales  naso-palatini  bilden  die  elastischen  Fasern  ein 
subepitheliales  Geflecht,  und  von  diesem  ziehen  elastische  Fasern  in 
die  Bindegewebspapillen,  die  zwischen  den  Epithelzapfen  der  Wände 
der  Canales  naso-palatini  liegen. 

Meines  Erachtens  kann  von  »stark  entwickelten  Gaumenleisten« 
oder  gar  von  einer  »höchsten  Ausbildung«  derselben  bei  Bos  taurus 
kaum  gesprochen  werden;  denn  an  einer  Gaumenleiste  ist  der  Dicken- 
durchmesser der  Schleimhaut  im  Bereiche  des  Tales  etwa  6  mm,  während 
er  im  Bereich  der  First  der  Leisten  nur  etwa  2  mm  mehr  beträgt.  Bei 
Halmaturus  rufi^ollis  sind  die  Maße  1mm  bzw.  1^/2^^^  mehr,  bei 
Equus  caballus  und  Sus  scrofa  3,  bzw.  3  mm  mehr.  Die  Submucosa  hat 
einen  sehr  geringen,  indirekten  Anteil  an  dem  Aufbau  der  Gaumenleiste. 
Die  bindegewebige  Grundlage  einer  Leiste  wird  von  der  Propria  mucosae 
mit  dem  Geflecht  aus  elastischen  Fasern  gestellt.  Sie  ist  eine  trans- 
versale Leiste,  deren  hintere,  in  dem  untersuchten  Falle,  etwa  600  fi 
hohe  Oberfläche  fast  senkrecht  zur  Oberfläche  des  Bindegewebes  im 
Tal  hinter  der  Leiste  steht,  während  die  vordere  Oberfläche  sehr  schräg 
liegend  in  die  des  Tales  vor  der  Leiste  übergeht.  Die  First  dieser  Binde- 
gewebsleiste  hat  so  eine  pharyngeale  Richtung,  wie  es  auch  bei  Echidna 
festgestellt  worden  ist.  Dieser  Bindegewebsleiste  sitzen  transversal 
nebeneinander  liegende,  etwa  400  f.t  hohe  Sekundär papillen  mit  Primär- 
papillen auf,  die  auch  eine  pharyngeale  Richtung  haben.  Die  Sekundär- 
papillen  stoßen  an  der  lateralen  Basis  aneinander  und  haben  in  der 
Transversalen  einen  längeren  Durchmesser  als  in  der  Paramedianen. 
Sie  sind  von  aus  dem  Geflecht  der  Bindegewebsleiste  kommenden,  zum 
Epithel  der  Sekundärpapillen  und  in  die  Peripherie  der  Primärpapillen 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  makroskop.  und  mikroskop.  Anatomie  usw.      55 

ziehenden  elastischen  Fasern  in  einem  Geflecht  ausgefüllt  (Taf.  II, 
Fig.  15  po,  s).  Das  Epithel  der  Vorderwand  der  Leiste  ist  etwa  700  ft 
dick,  während  es  an  der  Rückwand  nur  300  /<  mißt.  Außerdem  springt 
es  am  Übergang  von  dieser  Rückwand  zum  Epithel  des  folgenden  Tales 
in  das  Bindegewebe  als  transversale  Leiste  vor.  Das  Epithel  umgibt 
die  Sekundärpapillen  mit  den  Primärpapillen,  schwächt  sich  nach  dem 
distalen  Ende  der  Papillen  ab,  und  so  treten  die  von  einander  getrennten 
Papulae  operariae  hervor.  Ich  kann  nicht  behaupten,  daß  die  Binde- 
gewebsleiste  durch  Verschmelzung  der  Basis  von  Sekundärpapillen  ent- 
standen ist,  aber  obige  Sekundärpapillen  können  ihrerseits  in  der  Basis 
lateral  verschmelzen,  das  Bindegewebe  zurückdrängen,  und  so  kommen 
neben  größeren  Papulae  operariae  kleinere  zu  liegen.  Daß  die  Papillae 
operariae  isoliert  transversal  nebeneinander  stehen  können,  zeigt  der 
vordere  Teil  des  Gaumens  eines  12  Tage  alten  Buffelus  hubalus  ganz 
deutlich  (Taf.  II,  Fig.  16).  Tullberg  (1883)  vergleicht  die  Barten- 
anlagen von  Balaenoptera  sibbaldii  mit  den  Bildungen  bei  den  Rumi- 
nantien,  indem  er  sagt:  »In  beiden  Fällen  haben  wir  erhöhte  Binde- 
gewebsfortsätze  mit  Gruppen  von  verlängerten  Papillen  und  in  beiden 
Fällen  entsprechen  die  Bindegewebsfortsätze  auch  den  Erhöhungen 
auf  der  Oberfläche  der  Schleimhaut,  während  aber  diese  Erhöhungen 
bei  den  Wiederkäuern  in  diesem  Stadium  verbleiben,  setzt  sich  die  Ent- 
wicklung der  Barten  auf  die  Weise  fort,  wie  ich  oben  darlegte«.  Daß 
die  Papillae  operariae  in  der  Basis  mehr  oder  weniger  verschmelzen 
können,  geht  daraus  hervor,  daß  eine  derartige  Verschmelzung  von 
Papillae  operariae  auch  in  andern  Teilen  der  Mundschleimhaut  von 
Ruminantien  vorkommt.  Nach  Schultze  (1912)  hat  die  Wangen- 
schleimhaut der  Wiederkäuer  »meist  deutlich  ausgebildete  Längsreihen 
von  zuweilen  zwei-  oder  mehrspitzigen  Papillen,  deren  Basen  häufig 
zu  einer  Längsfalte  vereinigt  sind  .  .  .  Ja,  bei  manchen  Wiederkäuern 
fehlt  auch  am  Unterkieferrande  ein  einreihiger  Papillenbesatz.  Es  tritt 
dann,  wie  z.  B.  bei  Hirschen,  eine  derbe  scharfkantige  Hornleiste  auf, 
deren  Zusammensetzung  aus  dicht  nebeneinander  stehenden  oder  seitlich 
verschmolzenen,  meißeiförmigen  Papillen  meist  auch  erkennbar  ist ;  oder 
es  hat  sich,  wie  beim  Renntier,  diese  Leiste  zu  einem  abgerundeten  Wall 
verbreitert,  welcher  zum  Abtasten,  Fassen  und  Abzupfen  des  vielzacki- 
gen Renntiermooses  vorzüglich  geeignet  sein  mag«.  Ich  möchte  daher 
die  Gaumenleisten  von  Bos  taurus  auf  dieselbe  Stufe  stellen,  wie  die  von 
Echidna  aculeata,  Tatusia  feba  und  andern  Tieren,  und  treffend  sagt 
daher  Cuvier  (1845),  daß  die  Barten  vom  Walfisch  »une  exageration 
des  plis  transverses,  denteles  et  cornes  du  palais  du  boeuf  <<  sind. 


56  Jakob  Eehs, 

Retzius  (1906)  berichtet,  daß  bei  Ovis  aries  die  hinteren  Ränder 
der  dachziegelartig  angeordneten  Gaumenleisten  »gezähnelt  <<  sind,  »ob- 
wohl weniger  stark  als  beim  Rinde«.  Nach  meinem  Dafürhalten  zeigt 
die  First  der  Hauptteile  der  Leisten  kaum  Andeutungen  von  Papulae 
operariae,  wie  es  Retzius  auch  von  Capm  hircus  angibt.  Nur  die  First 
der  seitlichen  Endstücke  weist  teilweise  Papulae  operariae  auf,  ja  es 
können  hier  sogar  öfters  isolierte  Papulae  operariae  beobachtet  werden. 
Es  besitzt  also  der  harte  Gaumen  von  Ovis  aries  vollkommenere  Gaumen- 
leisten als  der  von  Bos  taurus,  während  der  von  Orthaegoceros  falconeri 
(Taf.  II,  Fig.  17)  noch  vollkommenere  aufweist  als  der  von  Ovis  aries. 
Auch  bei  Ovis  aries  kann  im  Epithel  ein  Stratum  lucidum  fest- 
gestellt werden.  Die  Region  der  Papilla  palatina  ist  wie  bei  Bos  taurus 
aufgebaut,  nur  das  elastische  Gewebe  in  der  Propria  mucosae  ist  etwas 
spärlicher  vorhanden.  In  Beziehung  hierzu  sei  erwähnt,  daß  das  Stra- 
tum corneum  der  Region  der  Papilla  palatina  fast  doppelt  so  dick  ist 
wie  das  von  Bos  taurus. 

Im  Leistenteil  des  Gaumens  haben  im  elastischen  Geflecht  der 
Submucosa  die  elastischen  Faserbündel  hauptsächHch  eine  paramediane 
Richtung.  Diese  kann  auch  in  der  anschließenden  Schicht  der  Propria 
mucosae  und  besonders  ausgeprägt  dorsal wärts  von  den  Gaumenleisten, 
wie  es  später  auch  bei  Phoca  vitulina  beschrieben  werden  wird,  beob- 
achtet werden.  Derartige  paramediane  elastische  Fasern  treten  auch 
in  der  Basis  der  bindegewebigen  Grundlage  der  Leisten  auf.  Nach  der 
First  zu  sind  aufsteigende  elastische  Fasern,  die  sich  durchflechten, 
anzutreffen.  Die  Submucosa  hat  keinen  direkten  Anteil  an  der  Bildung 
der  Leisten. 

Carnivora. 
Ärctoidea. 
Canidae. 

Canis  j amiliar is  L. 
Canis  vulpes  L. 
Mustelidae. 

Mustela  foina  Erxl. 
Putorius  vulgaris  L. 
Herpestoidea. 
FeHdae. 

Cervaria  rufa  Güldenst. 
Felis  domestica  Briss. 
Felis  Serval  Schreb. 
Felis  tigrina  Schreb. 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  niakroskop.  und  mikroskop.  Anatomie  usw.       57 

Historisches.  Da  der  Aufbau  des  harten  Gaumens  des  von  mir  unter- 
suchten Canis  familiaris  mit  denjenigen,  die  Cuvier  (1845),  Retzius  (1906)  und 
Jaenicke  (1908)  besehreiben,  nieht  übereinstimmt,  will  ich  deren  Beschreibungen 
nicht  bringen. 

Die  mikroskopische  Untersueluuig  ergab  Severin  (1885),  daß  das  Stratum 
corneum  des  Huntlegaumens  einen  stärkeren  Grad  der  Verhornung  zeigt  als  das 
des  Gaumens  vom  Schwein  und  Jaenicke  (1908),  daß  beim  Hund  »kein  echtes 
kernfreies  Stratum  corneum«  nachzuweisen  ist.  Die  Befunde  Bizzozeros  (1885) 
an  der  Oberfläche  der  Mundepithehen  wurden  schon  bei  Echidna  erwähnt.  Severin 
(18S5)  und  Jaexicke  (1908)  stellten  im  Epithel  des  harten  Gaumens  ein  Stratum 
granulosum  fest. 

Nach  Jaenicke  sind  beim  Hund  im  oralen  Drittel  die  Papillen  der  Staffeln 
höher  als  die  der  Täler.  Nach  ihm  kommen  beim  Hund  »in  der  Gegend  des 
Ductus  naso-  palatinus  einige  kleine  Schleimdrüsen  mit  größeren  wandständigen 
Kernen  vor«.  Ferner  fanden  Hameoher  (1905)  und  Jaenicke  (1908)  am  Über- 
gang in  den  weichen  Gaumen  und  kurz  vor  demselben  Drüsen.  Letzterer  Autor 
konstatierte  auch  Netze  von  elastischen  Fasern.  Der  Aufbau  dieses  Gewebes  in 
der  ganzen  Gaumenschleimhaut  wird  von  Zimmerl  (1905)  eingehend  beschrieben. 
»  Anche  qui  ,come  nei  ruminanti,  nessuna  distinzione  puö  farsi  fra  i  diversi  piani 
del  corion  essendo  tutto  quanto  oceupato  da  un  intreccio  costituito  da  fibre  non 
aventi  mai  una  direzione  determinata,  fra  le  quali  se  ne  hanno  numerose,  sebbene 
untformemente  sparse,  dirette  orizontalmente,  e  queste  ultime  forse  stanno  a  rap- 
presentare  il  secondo  strato,  che  si  e  notato  nel  cavallo. 

Anche  nel  cane,  come  al  solito,  si  ha  ixn  notevole  aumento  nel  numero  e 
nelle  dimensioni  delle  fibi'e  in  corrispondenza  delle  creste,  e  la  robustezza  del 
i'eticolo    diminuisce  dall'avanti  all'indietro. 

Nelle  papille  si  trovano  numerose  fibre  decorrenti  spesso  rettilinee,  piü 
raramente  ondulate  e  tortuose,  le  quali  si  mantengono  di  solito  sulle  parti 
laterali. 

Se  ne  osservano  ancora  altre  abbastanza  numerose  aventi  una  direzione 
longitudinale,  ed  alcune  anche  aderenti  quasi  al  tavolato  osseo  con  direzione 
trasversale :  queste  sebbene  almeno  per  la  loro  f unzione,  possano  ritenersi  analoghe 
alle  corrispondenti  del  cavallo,  pur  tuttavia  non  danno  luogo  mai,  come  in  quest'ul- 
timo,   alla  formazione   di   strati   distinti«. 

Nach  Ellenberger  (1887)  stellt  eine  Art  Schwellkörper  bildendes  Venen- 
netz die  wesenthche  Grundlage  der  Staffeln  dar. 

Die  Gaumenplatte  von  Canis  vulpes  bildet  Retzius  (1906)  (Taf.  XLII, 
Fig.  1)  ab  und  gibt  folgende  Beschreibung:  »Die  Gaumenplatte  des  Fuchses  ist, 
in  Übereinstimmung  mit  der  Gestalt  der  vorderen  Partie  des  Schädels,  schmal, 
sich  nach  vorn  hin  allmählich  verjüngend.  Dicht  hinter  den  Vorderzähnen  findet 
sich  eine  kleine  Papillenregion  mit  einer  etwas  emporragenden  gelappten  Papille 
in  ihrer  Mitte  und  einer  großen  Anzahl  kleiner  Höcker  an  den  Seitenpartien. 
Dicht  hinter  dieser  Region  sieht  man  die  erste  Gaumenleiste,  welche  in  der  Mittel- 
linie unterbrochen  ist;  die  beiden  Seitenarme  biegen  sich  in  starker  Abrundung 
nach  außen-hinten.  Hinter  ihr  setzt  sich  die  im  ganzen  platte,  nicht  gewölbte 
Region  der  Gaumenleisten  mit  zehn  andern  Leisten  bis  an  die  zwischen  den  beiden 
Molaren  gelegene  Stelle  der  Gaumenplatte  fort.  Von  dieser  Leiste  sind  die  vier 
ersten  nach  vorn  ziemlich  stark  konvex  gebogen  und  haben  breite,  eingesenkte. 


58  Jakob  Rehs, 

in  der  Medianlinie  zusammenhängende  oder  zuweilen  durch  eine  nur  schwache 
Furche  geteilte  Zwischenräume;  in  der  Mitte  der  Leisten  erkennt  man  eine  ge- 
ringe Einknickung  nach  hinten.  Die  dahinter  folgenden  sechs  Leisten  sind  dichter 
aneinander  gestellt  und  weniger  nach  vorn  gebogen;  dagegen  ist  die  Medianpartie 
derselben  etwas  mehr  nach  hinten  gerückt.  Die  hintersten  sind  noch  mehr  gerade 
quer  gestellt,  die  letzte  sogar  in  entgegengesetzter  Richtung  gebogen,  die  Enden 
etwas  nach  vorn  gezogen;  in  der  hintersten  Partie  findet  sich  ein  kleiner  medianer 
Kamm,  in  dessen  Mittellinie  eine  feine  Furche  verläuft.  Die  Leisten  reichen 
vorn  und  in  der  Mitte  der  Gaumenplatte  bis  an  die  Zähne;  hinten,  an  den  Mo- 
laren, lassen  sie  eine  äußere  Winkelpartie  der  Platten  frei  und  endigen  gegen 
dieselbe  abgerundet«. 

Den  harten  Gaumen  von  Felis  domestica  beschreibt  Cuvier  (1845).  »Dans 
le  Chat  domestique,  il  y  a  cinq  lignes  saillantes  de  chaque  cote  qui  vont  se  reunir 
sur  la  ligne  mediane  sous  un  angle  tres  ouvert;  elles  se  composent  d'une  rangee 
moyenne  de  papilles  tuberculeuses  tres  rapprochees  et  de  deux  autres  rangees, 
l'une  en  avant  et  l'autre  en  arriere,  de  tubercules  plus  petits  et  plus  ecartes;  der- 
riöre  ces  cinq  lignes,  il  en  existe  deux  ou  trois  autres  qui  ne  se  prolongent  pas  comme 
les  premieres  jusqu'aux  gencives,  et  qui  ne  consistent  qu'en  filaments  coniques 
et  presque  cornes  qui  representent  des  especes  de  franges«. 

Milne-Edwards  (1860)  sagt:  »Chez  le  chat  ces  bourrelets  palatins  ne  sont 
qu'au  nombre  de  cinq  de  chaque  cote  de  la  ligne  mediane;  mais  ils  portent  chacun 
trois  rangees  de  papilles  tuberculeuses«. 

Retzius  (1906)  bildet  den  Gaumen  einer  erwachsenen  Katze  und  einer 
jungen  Katze  ab  (Taf.  XLII,  Fig.  5  u.  6),  und  er  berichtet  hierüber  wie  folgt: 
»Die  Fläche  des  harten  Gaumens  bildet  ungefähr  ein  gleichseitiges  Dreieck.  Im 
vorderen  Winkel  desselben,  dicht  hinter  den  Vorderzähnen  bemerkt  man  in  der 
Mitte  der  Papillenregion  eine  verhältnismäßig  große,  ovale,  hervorragende  Papilla 
palatina  mit  den  Öffnungen  der  Canales  naso-palatini  an  ihren  beiden  Seiten, 
sowie  mit  einigen  angereihten  Höckern  auf  den  engen  Seitenfeldern.  Dahinter 
findet  sich  eine  in  der  Mittellinie  unterbrochene  Leiste,  welche  die  Grenze  zwischen 
der  Papillenregion  und  der  folgenden,  der  Leistenregion,  bildet.  Wie  beim  Fuchs 
und  Hund  ähnelt  diese  Leiste  den  folgenden  und  kann  als  die  erste  derselben 
aufgefaßt  werden.  Die  dahinter  folgenden  Leisten  belaufen  sich  auf  sechs;  die 
vordersten  sind  kürzer  und  schmäler  und  stehen  gedrängter;  nach  hinten  werden 
die  Leisten  größer  und  weiter  voneinander  entfernt.  Alle  sind  bogenförmig,  die 
Konvexität  nach  vorn;  die  vorderste  ist  die  schmälste,  sie  ist  gerade,  der  Quere 
nach  gestellt,  aber  mit  den  äußeren  Enden  winkehg  nach  hintenaußen  umbiegend. 
An  den  dahinter  folgenden  Leisten  ist  die  mittlere  Partie  zwar  auch  ziemlich 
gerade  der  Quere  nach  angeordnet,  sie  biegt  sich  aber  sanfter  in  die  Leistenteile 
um,  und  diese  verlaufen  dann  eine  weite  Strecke  bis  in  die  Nähe  der  Zahnreihen, 
wo  sie  abgerundet  endigen. 

Die  hinterste  Leiste  ist  in  der  Mitte  unterbrochen.  In  dem  hinter  ihr  ge- 
legenen Felde  erkennt  man  jederseits  eine  ganz  kurze  querliegende  Leiste,  welche 
wohl  die  Rudimente  einer  ferneren  wirklichen  Gaumenleiste  enthält.  Bei  genauerer 
Untersuchung  erkennt  man,  daß  sowohl  diese  rudimentären  als  auch  alle  die 
übrigen,  ausgebildeten  Stücke  an  ihren  Rückenkanten  mit  je  einer  Reihe  von 
kleinen  Zacken  oder  papillären  Erhabenheiten  versehen  sind,  und  sowohl  vor  als 
hinter  den  Leisten  steht  je  eine  Reihe  von   ähnlichen  rundlichen  Knöpf chen; 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  makroskop.  und  mikroskop.  Anatomie  usw.      59 

ferner  sieht  man  in  den  Feldern  zwischen  den  Leisten  eine  Menge  zerstreuter 
derartiger  kleiner  Papillen.  .  .  . 

Am  Gaumen  der  jungen  Katze  erkennt  man  schön  die  Anlage  sowohl  der 
Papille  und  ihre  Region  als  die  der  eigentlichen  Gaumenleisten  mit  ihren  knopf- 
förmigen  kleinen  Auswüchsen«.  In  Hinsicht  auf  diese  eingehende  Schilderung 
bringt  die  von  Jaenicke  (1908)  nichts  wesentlich  Neues. 

Mikroskopisch  stellte  Severin  ( 1885)  fest,  daß  bei  Felis  domestica  der  Grad  der 
Verhornung  ebenso  ist  wie  beim  Hunde. 

Nach  Jaenicke  (1908)  sind  bei  diesem  Tier  »im  pharyngealen  Drittel  die 
Papillen  der  Staffeln  höher  als  die  der  Täler«.  Er  findet  in  der  Gegend  des  Ductus 
naso-palatinus  wie  beim  Hund  Drüsen.  Nach  ihm  und  auch  nach  Hamecuer 
(1905)  »treten  am  letzten  aboralen  Staffeltal  Schleimdrüsen  auf,  die  pharyngeal 
in  das  dicke  Lager  der  Gaumensegeldrüsen  der  Rachenschleimhaut  übergehen«. 
Nach  ZiMMERL  (1905)  ist  das  elastische  Gewebe  hei  Felis  domestica  ebenso  gebaut, 
wie  es  bei  Canis  familiaris  geschildert  wurde. 

Retzifs  (1906)  ist  der  Meinung,  daß  »bei  den  Carnivoren  wieder  ein  primi- 
tiver, im  ganzen  weniger  differenzierter  Typus  der  Gaumenleisten  vorherrscht, 
obwohl  auch  in  dieser  Ordnung  eine  Reihe  von  verschiedenen  Ausbildungsformen 
vorkommen  «. 

Eigene  Untersuchungen.  Der  Hund,  von  dem  ich  die  Gaumen- 
schleimhaut untersucht  habe,  war  nicht  reinrassig,  er  hatte  aber  einen 
deuthchen  Einschlag  von  Schäferhundblut.  Die  Bildung  des  knöcher- 
nen Gaumendaches  ähnelt  der  von  Canis  vulpes,  und  so  hat  die  Gestalt 
der  Gaumschleimhaut  Ähnlichkeit  mit  der  des  Fuchses.  Dicht  hinter 
den  Schneidezähnen  findet  man  eine  fast  rundliche  Papilla  palatina. 
Die  erste  Gaumenleiste  liegt  etwa  2  mm  hinter  dieser  Papilla  palatina 
und  ist  in  der  Medianen  durch  eine  Rhaphe  palati  unterbrochen,  ihre 
lateralen  Enden  biegen  stark  nach  hinten  und  enden  kurz  vor  der  Mitte 
der  zweiten  Gaumenleiste.  Darauf  folgen  noch  acht  Gaumenleisten. 
Die  zweite,  dritte  und  vierte  sind  auch  in  der  Medianen  unterbrochen. 
Bei  der  zweiten  bilden  die  medialen  Enden  nach  vorn  einen  stumpfen 
Winkel.  Die  medialen  Enden  der  dritten  Leiste  dagegen  sind  nach  hin- 
ten umgebogen  und  stoßen  fast  mit  denen  der  vierten  zusammen,  die 
wieder  nach  vorn  zeigen.  Die  fünf  folgenden  sind  in  der  Medianen  nicht 
unterbrochen  und  sind  mehr  oder  weniger  konvex  nach  vorn  gebogen. 
Es  bestehen  also,  wenn  man  die  von  Cuvier,  Retzius  und  Jaenicke 
beschriebenen,  harten  Gaumen  von  Canis  familiaris  mit  diesem  ver- 
gleicht, in  der  morphologischen  Gestaltung  der  Gaumenleisten  der 
Vertreter  einzelner  Hunderassen  Unterschiede,  wenn  sie  auch  nicht 
tiefgreifender  Natur  sind. 

ZiMMERL  (1905)  ist  in  seiner  Schilderung  der  Topographie  des 
elastischen  Gewebes  der  Gaumenschleimhaut  von  Cayiis  familiaris  nicht 


60  Jakob  Rehs, 

näher  auf  die  der  Region  der  P^ipilla  palatina  eingegangen.  Die  dem 
Epithel  anhegende,  dünne  Schicht,  die  der  Propria  mucosae  angehört, 
enthält  nur  dünne,  zum  Epithel  und  in  die  Peripherie  der  Bindegewebs- 
papillen  ziehende  elastische  Fasern.  Sie  nehmen  ihren  Ursprung  von 
stärkeren  elastischen  Fasern  der  folgenden  Schicht,  indem  letztere 
Fasern  sich  pinselförmig  aufteilen.  Diese  Schicht  elastischer  Fasern  ist 
im  Bereich  der  Region  der  Papilla  palatina  und,  wie  auch  gleich  be- 
merkt werden  soll,  im  ganzen  übrigen  Teil  des  harten  Gaumens  auch 
in  den  Leisten  nachzuweisen.  Wie  schon  erwähnt,  entspringen  jene 
elastischen  Fasern  aus  einem  Geflecht  nach  allen  Richtungen  ziehender 
elastischer  Fasern,  die  in  einer  doppelt  so  dicken  Schicht  wie  die  vorige 
liegen,  die  auch  der  Propria  mucosae  angehört.  Hierauf  folgt  eine 
Schicht  elastischer  Fasern,  die  einen  Übergang  zwischen  der  Propria 
mucosae  und  Submucosa  darstellt.  Es  gewinnen  paramediane  elastische 
Fasern  die  Überhand.  Vor  den  Canales  naso-palatini  schließt  sich  die 
Schicht  der  Submucosa  mit  paramedianen  elastischen  Fasern  in  Bün- 
delform an.  Die  Bündel  durchkreuzen  sich  und  bilden  so  ein  weit- 
maschiges Geflecht. 

Aboralwärts  üben  die  Canales  naso-palatini  mit  dem  Stützknorpel 
einen  richtungsändernden  Einfluß  aus.  Diese  Canales  naso-palatini 
senken  sich  weitlumig,  indem  ihre  größten  Durchmesser  in  der  Para- 
medianebene  liegen,  an  den  Seitenabhängen  der  Papilla  palatina  ein 
und  durchqueren  in  pharyngealer  Richtung  divergierend  die  Gaumen- 
schleimhaut. Sie  sind  an  der  Stelle,  an  der  sie  das  knöcherne  Gaumen- 
dach durchsetzen,  an  der  Außen-  und  Innenseite  sowie  dorsalwärts  je 
von  einem  Stützknorpel  umgeben,  der  nach  den  Ausmündungen  der 
Gänge  zu,  diese  nur  auf  der  Außenseite  begleitet  und  spitz  ausläuft. 
In  der  Schicht  der  Submucosa  zwischen  den  Canales  naso-palatini  und 
der  Propria  mucosae  liegen  auch  paramediane  elastische  Fasern  in  sich 
durchkreuzender  Bündelform,  aber  die  Schicht  zwischen  den  beiden 
Canales  naso-palatini  birgt  transversale  elastische  Faserbündel,  die 
zwischen  den  Außenseiten  der  inneren  Epithelwände  der  Canales  naso- 
palatini  sich  erstrecken.  Da  diese  Wände,  wie  schon  oben  bemerkt, 
in  der  Paramedianen  ihre  größte  Ausdehnung  haben,  so  fixieren  die 
elastischen  Fasern,  da  hier  der  Stützknorpel  fehlt,  die  Epithelwände 
in  ihrer  Lage.  In  dem  Bindegewebe  zwischen  dem  Perichondrium  des 
Stützknorpels  und  den  Epithelwänden  der  Canales  naso-palatini  spannen 
sich  elastische  Fasern.  Sie  dringen  zwischen  die  Zellen  des  Perichon- 
driums  und  enden  am  Epithel  der  Kanäle  sich  pinselförmig  aufteilend. 
In  dem  Teil  der  Submucosa,  die  dem  knöchernen  Gaumendach  anhegt 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  inakroskop.  und  niikroskop.  Anatomie  usw.       61 

und  auch  in  der  Submucosa  der  Seitenteile  der  Region  der  Papilla 
palatina  trifft  man  paramodiane  elastische  Fasern. 

Ich  kann  den  Angaben  Zimmerls,  was  die  Topographie  des  elasti- 
schen Gewebes  des  übrigen  Teils  des  harten  Gaumens  anbelangt,,  daß 
man  keinen  Unterschied  zwischen  den  einzelnen  Schichten  des  elasti- 
schen Gewebes  machen  könne,  nicht  zustimmen.  Eine  Teilung  wird 
schon  durch  die  Begriffe  Submucosa  und  Propria  mucosae  gegeben. 
In  der  Submucosa  sowohl  der  Leisten  wie  der  Täler  laufen  die  elastischen 
Fasern  zwar  in  der  transversalen,  paramedianen  oder  zum  knöchernen 
Gaumendach  mehr  oder  weniger  senkrechten  Richtung,  aber  immer 
sind  sie  zu  Bündeln  vereinigt.  Der  Grund  für  diese  Anordnung  des 
elastischen  Gewebes  ist  in  dem  stark  verzweigten  Venensystem  zu  suchen, 
dem  sich  Arterien,  Nerven  und  Fettgewebe  zugesellen,  sodaß  die  ela- 
stischen Fasern  von  ihrer  Bahn  immer  wieder  sozusagen  abgedrängt 

o  o  o 

werden.  Aber  schon  innerhalb  des  bindegewebigen  Innenraums  der 
Leisten,  der  in  der  Basis  von  der  Submucosa  gebildet  wird,  sodaß  diese 
also  einen  direkten  Anteil  an  der  Bildung  der  Leiste  hat,  liegen  die  Blut- 
gefäße nicht  so  eng  zusammen,  und  so  kann  man  oft  elastische  Faser- 
bündel in  paramedianer  Richtung  beobachten.  Diese  Submucosa  ist 
von  der  Propria  mucosae  bedeckt,  und  sie  enthält  auch  in  den  Leisten 
einzelne  elastische  Fasern,  die  sich  nach  allen  Richtungen  durchkreuzen 
und  so  ein  Geflecht  bilden.  Die  Fasern  sind  Fortsetzungen  jener  der 
Submucosa,  die  an  den  Enden  divergieren,  und  so  tritt  wieder  die  me- 
chanische Eigenschaft  des  elastischen  Gewebes  zutage.  Aus  diesem 
Geflecht  ziehen  elastische  Fasern  zum  Epithel,  wie  schon  in  der  Region 
der  Papilla  palatina  beschrieben  worden  ist.  Auch  ich  konnte  fest- 
stellen, daß  das  elastische  Gewebe  nach  hinten  an  Menge  abnimmt. 

Der  makroskopischen  Beschreibung  des  harten  Gaumens  von 
Canis  vulpes  durch  Retzius  (1906)  habe  ich  nichts  hinzuzufügen.  Mi- 
kroskopisch habe  ich  feststellen  können,  daß  hier  wie  bei  Canis  fami- 
liaris  kein  echtes,  kernfreies  Stratum  corneum,  das  etwa  ein  Viertel 
der  ganzen  Dicke  des  Epithels  ausmacht,  vorhanden  ist.  Die  Topo- 
graphie des  elastischen  Gewebes  ist  so,  wie  bei  Canis  familiaris  .  Aboral 
wird  das  elastische  Gewebe  spärhcher.  Die  Submucosa  hat  einen  di- 
rekten Anteil  an  der  Bildung  der  Gaumenleisten, 

Der  harte  Gaumen  von  Mustela  foina  und  von  Putorius  vulgaris 
ähnelt  in  auffallender  Weise  dem  von  Mustela  erminea,  von  dem  Retzius 
zwei  Abbildmigen  (Taf.  XLII,  Fig.  8  u.  9)  bringt.  Dicht  hinter  den 
Schneidezähnen  liegt  die  Papilla  palatina,  die  bei  Mustela  foina  über 
die  Region  der  Papilla  palatina  hervorragt.   Den  Abschluß  der  Region 


Q2  Jakob  Rehs, 

der  Papilla  palatina  bildet  die  erste  Gaumenleiste.  Es  folgen  bei  Mu- 
stela  foina  vier  Gaumenleisten,  die  bogenförmig  die  Konvexität  nach 
vorn  angeordnet  sind.  In  der  Medianlinie  sind  sie  durch  eine  schmale 
First,  dieKhaphe  palati,  verbunden,  während  d,ie  hintersten  vier  Leisten 
durch  sie  in  Gestalt  einer  Furche  getrennt  sind.  Diese  Leisten  sehen 
rudimentär  aus.  Es  scheint,  daß  die  letzten  Molaren  jederseits,  die 
weit  nach  innen  ragen,  auf  die  Ausbildung  einen  Einfluß  haben.  Bei 
Putorius  vulgaris  folgen  auf  die  erste  Leiste  noch  sechs  Stück,  die  auch 
nach  vorn  gebogen  sind.  Die  letzten  sind  durch  eine  Medianfurche 
getrennt. 

Die  Region  der  Papilla  palatina  von  Mustela  foina  ist  aufgebaut 
wie  bei  Canis  jamiliaris.  Die  Teile  des  Stützknorpels,  die  die  Canales 
naso-palatini  auf  der  Außenseite  bekleiden,  sind  sehr  kräftig  ausge- 
bildet und  reichen  fast  bis  an  das  Oberflächenepithel  und  stoßen  vorn 
fast  an  die  Ossa  palatina.  In  auffallender  Deutlichkeit  und  Stärke 
treten  zwischen  den  Canales  naso-palatini  die  transversalen  elastischen 
Fasern  hervor.  Die  Schlußleiste  jener  Region  ist  hier  wie  bei  Putorius 
vulgaris,  da  sie  im  Aufbau  mit  den  folgenden  Leisten  übereinstimmt, 
die  erste  Gaumenleiste.  Im  übrigen  Teil  des  harten  Gaumens  verhält 
es  sich  mit  der  Topographie  des  elastischen  Gewebes  so  wie  bei  Canis 
jamiliaris  und  Canis  vulpes.  Die  Submucosa  hat  einen  direkten  Anteil 
an  der  Bildung  der  Leiste. 

Bei  Putorius  vulgaris  ist  das  Stratum  corneum  sehr  dünn,  denn  es 
beträgt  nur  ein  Zehntel  der  ganzen  Epitheldicke.  Der  Aufbau  der  Re- 
gion der  Papilla  palatina  ist  so  wie  bei  Canis  jamiliaris  und  Qanis 
vulfes.  Überraschend  ist  bei  diesem  Tier  die  außerordentliche  Menge 
der  elastischen  Fasern  und  daher  Dichte  des  Geflechts.  Dieser  Reich- 
tum tritt  auch  im  übrigen  Teil  der  Gaumenschleimhaut  hervor,  und  es 
ist  in  der  Submucosa  im  Gegensatz  zu  Canis  jamiliaris,  Canis  vulpes 
und  Mustela  joina  eine  ausgesprochene  paramediane  Richtung  der 
sich  durchkreuzenden  elastischen  Faserbündel  zu  beobachten.  Die 
Submucosa  hat  nur  einen  indirekten  Anteil  an  der  Bildung  der  Leisten. 
In  der  Leiste  selbst  bis  zu  ihrer  First  haben  die  elastischen  Fasern,  die 
der  Propria  mucosae  angehören,  einen  paramedianen  Verlauf  und  ziehen 
so  von  Epithelvorderwand  zur  -rückwand.  In  den  hintersten  Leisten 
werden  die  elastischen  Fasern  spärlicher,  aber  besonders  hier  tritt  ihre 
paramediane  Richtung  stark  hervor. 

Die  Gaumenleisten  von  Felis  domestica  bieten  das  Auffällige,  daß 
nicht  nur  die  First  der  eigenthchen  Leisten  in  eine  Reihe  kleiner  neben- 
einander liegender  Papulae  operariae  aufgelöst  sind,  sondern  daß  vor 


Beiträge  zur  Ki^imtnis  der  makroskop.  und  inila'oskop.  Anatomie  usw.      63 

und  hinter  je  einer  solchen  Leiste  parallel  dazu  je  eine  Reihe  pharyngeal- 
wärts  gerichteter  Papulae  operariae  sich  finden,  die  nicht  miteinander 
verschmolzen  sind.  Außerdem  Hegen  solche  Papulae  operariae  zerstreut 
zwischen  den  Leisten.  Bei  Felis  serval  (Taf.  III,  Fig.  19)  trifft  man 
da,  wo  bei  Felis  domestiai  die  Leisten  mit  dem  gezähnten  First  liegen, 
nicht  miteinander  verschmolzene  Papulae  operariae,  die  sich  von  den 
davor  und  dahinter  liegenden  parallelen  Querreihen  nur  dadurch  unter- 
scheiden, daß  sie  näher  zusammenliegen  und  kleiner  sind.  Die  Gaumen- 
leisten von  Cervaria  rufa  (Taf.  III,  Fig.  20)  hingegen  sind  besser  aus- 
gebildet als  die  von  Felis  domestica.  Sie  sind  ziemlich  hoch,  aber  auch 
gezähnt.  Felis  tigrina  nimmt  in  dieser  Hinsicht  eine  Mittelstellung 
zwischen  Felis  serval  und  Cervaria  rufa  ein.  Auch  an  dem  Gaumen  der 
jungen  Katze  sieht  man  besonders  an  den  hinteren  Leisten  den  Auf- 
bau aus  einzelnen  Papulae  operariae.  Hiernach  halte  ich  es  für  wahr- 
scheinlich, daß  hier  etwas  Primäres  in  der  Bildung  der  Gaumenleisten 
vorliegt,  und  daß  auch  hier  der  Weg  gezeigt  ist,  wie  die  Bildung  der 
Gaumenleisten  vor  sich  gegangen  sein  mag.  Die  vollkommen  ausge- 
bildeten Gaumenleisten  lassen  sich  bei  Canis  familiaris,  Canis  vulpes, 
Mustela  foina,  Putorius  vulgaris  und  vielen  andern  Carnivoren  nach- 
weisen, aber  ich  bezweifle,  ob  man  mit  Retzius  diese  Gaumenleisten 
für  einen  »primitiven  Typus  der  Gaumenleisten  <<  halten  darf. 

Bei  Felis  domestica  beträgt  die  Dicke  des  Stratum  corneum  ein 
Fünftel  der  ganzen  Epitheldicke.  Der  Aufbau  der  Region  der  Papilla 
palatina  mit  Einschluß  des  elastischen  Gewebes  ist  so  wie  bei  Canis 
familiaris;  aber  das  elastische  Gewebe  ist  in  spärlicherer  Menge  ver- 
treten. Auch  im  übrigen  Teil  des  Gaumens  stimmen  beide  Tiere  über- 
ein, aber  es  hat  die  Submucosa  nur  einen  indirekten  Anteil  an  der  Bil- 
dung der  Leisten.  Die  schon  erwähnten,  den  Leisten  aufsitzenden  Pa- 
pulae operariae  haben  eine  bindegewebige  Grundlage  in  Gestalt  einer 
Sekundärpapille,  der  Primärpapillen  aufsitzen,  wie  es  bei  Bos  taurus 
geschildert  worden  ist.  Die  Sekundärpapillen  sitzen  dicht  nebeneinan- 
der einer  bindegewebigen  Querleiste  auf  (Taf.  III,  Fig.  18  s,  hi),  die  eine 
Propria  mucosae  ist  und  die  Grundlage  für  die  Leiste  abgibt,  aber  ich 
vermag  nicht  zu  sagen,  ob  die  ganze  Querleiste,  wie  bei  Echidna  acu- 
leakiy  aus  einer  Konkreszenz  der  lateralen  Teile  der  Basis  der  Sekundär- 
papillen entstanden  ist.  In  der  Querleiste  haben  die  elastischen  Fasern, 
die  sich  durchflechteu,  einen  paramedianen  Verlauf,  während  in  den 
Sekundärpapillen  elastische  Fasern  aus  dem  Geflecht  der  Propria 
mucosae  von  der  Basis  zur  Spitze  steigen  und  den  ganzen  bindegewebigen 
Innenraum  ausfüllen.  In  den  Primärpapillen  sind  die  elastischen  Fasern 


64  Jakob  Rehs, 

auf  die  Periplierie  beschränkt.  Die  Sekundärpapillen  mit  den  Primär- 
papillen  sind  vom  Epithel,  das  nicht  anders  beschaffen  ist  als  das  der 
Täler,  so  umgeben,  sodaß  dieses  naturgemäß  zwischen  die  Papillen 
eingesenkt  ist,  und  so  die  Papulae  operariae  zutage  treten  (Taf.  III, 
Fig.  18  po).  Vor  und  hinter  je  einer  Leiste  liegen  diesen  parallele  Quer- 
reihen von  Papulae  operariae.  Sie  sind  vollkommen  so  gebaut  wie  die 
eben  geschilderten,  nur  sitzen  sie  auf  keiner  bindegewebigen  Quer- 
leiste. Bei  diesen  Papulae  operariae  ist  wohl  zu  beachten,  daß  sie  relativ 
weit  von  einander  liegen,  sodaß  es  zu  einer  Verschmelzung  der  binde- 
gewebigen Grundstöcke  nicht  kommen  kann   (Taf.  III,  Fig.  18  jw,  s). 

Pinnipedia. 
Otariidae. 

Zalophus  californianus  Lesson. 
Phocidae. 
Phoca  vitulina  L. 
Ogmorhinus  leptonyx  (Blainv.). 

Historisches.  Über  die  Gaumenleisten  der  Pinnipedier  sagt  Eetzitjs 
(1906):  »Bei  keinem  der  von  mir  studierten  Pinnipedier  sind  die  Gaumenleisten 
in  ihrem  bei  den  Fissipediern  vorkommenden  ursprünglicheren  Typus  erhalten, 
sondern  sie  sind  im  Gegenteil  mehr  oder  weniger  unregelmäßig  und  in  verschiedene 
Stücke  aufgelöst;  bei  einigen  Tieren  sind  sie  im  Schwinden  begriffen,  bei  andern 
sogar  ganz  verschwunden«  und  an  andrer  Stelle  »interessant  ist  das  Verhalten 
bei  den  Pinnipediern,  bei  denen  ich  wieder  eine  merkwürdige  Reduktion  der  Leisten 
fand,  und  zwar  in  verschiedenen  Gradationen,  bis  zum  vollständigen  Schwund 
derselben  bei  den  Seeleoparden,  gerade  wie  bei  den  Nagetieren  und  den  Waltieren  «. 

Eigene  Untersuchungen.  Im  Gaumen  von  Zalophus  cali- 
fornianus (Taf.  III,  Fig.  21)  tritt  die  Papilla  palatina  hervor.  Eine 
Rhaphe  palati  ist  als  deutliche  First  in  der  Medianlinie  des  Gaumens  zu 
erkennen.  In  dem  vorderen  Teil  liegen  zerstreut  kleine  warzenähn- 
liche Papulae  operariae,  von  denen  öfters  mehrere  eine  kurze  Querreihe 
bilden.  Im  mittleren  Teil  hingegen  treten  längere  Querreihen  auf,  die 
sich  oft  transversal  über  ein  Drittel  der  Gaumenbreite  erstrecken  und 
eine  gewisse  Gesetzmäßigkeit  in  der  Anordnung  zeigen. 

Von  dem  Gaumen  dieses  Tieres,  aber  von  einem  andern  als  den 
abgebildeten;  haben  mir  zur  mikroskopischen  Untersuchung  nur  kleine 
Stücke  zur  Verfügung  gestanden.  Die  Partie  mit  den  kleinsten  Papulae 
operariae  weist  eine  etwa  600  /^i  dicke  Submucosa  auf.  Die  Arterien 
und  Venen  zeigen  gut  ausgeprägte  elastische  Häute.  Dazwischen  ver- 
laufen relativ  wenige,  2  /«  dicke,  paramediane  elastische  Fasern,  die 
durch  sich  abspaltende  elastische  Fasern  untereinander  zu  einem  sehr 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  niakroskop.  und  niikroskop.  Anatomie  usw.       65 

lockeren  Geflecht  verbunden  sind.  An  die  Submucosa  schließt  sich  eine 
etwa  1000  n  dicke  Propria  nmcosae  an,  die  infolge  des  Aufbaues  des 
elastischen  Gewebes  in  zwei  »Schichten  geschieden  werden  kann.  Auf 
eine  500  fi  dicke  Bindegewebsschicht,  deren  Bündel  in  transversaler 
Richtung  laufen  und  mit  vielen  sich  durchkreuzenden,  1  n  dicken  ela- 
stischen Fasern  in  derselben  Richtung  vergesellschaftet  sind,  folgt  eine 
ebenso  dicke  Schicht,  deren  Bindegewebsbündel  nach  allen  Richtungen 
ziehen,  und  ebenso  sind  die  wenigen  0,2  /<  dicken  elastischen  Fasern  in 
einem  lockeren  Geflecht  angeordnet.  Aus  diesem  Geflecht  biegen 
elastische  Fasern  in  sehr  lockerer  Büudelform  ab  und  füllen  die  Peri- 
pherie der  200  u  im  Basisdurchmesser  messenden,  schlanken  Binde- 
gewebspapillen  aus. 

Die  Zellen  des  Stratum  cylindricum  stehen  mit  ihrem  längsten 
Durchmesser  und  auch  mit  dem  der  ellipsoidischen  Kerne  senkrecht 
zur  Oberfläche  des  Bindegewebes.  Es  folgen  polyedrische  Zellen  mit 
ebensolchen  Kernen,  in  denen  das  Chromatin  in  Körperchen  zerstreut 
liegt.  Nach  dem  Stratum  corneum  zu  platten  sich  die  Zellen  ab  parallel 
zur  Epitheloberfläche.  Im  durchschnittlich  30  /<  dicken  Stratum  cor- 
neum sind  sie  noch  stärker  abgeplattet.  Es  ist  nicht  typisch  verhornt, 
und  der  längste  Durchmesser  der  ellipsoidischen  Kerne  ist  7,5  /<  und 
der  kürzeste  1,2  a,  welch'  letzterer  senkrecht  zur  Epitheloberfläche 
steht. 

Was  nun  die  schon  eingangs  erwähnten  kleinen  Papulae  operariae 
anbelangt,  so  ist  eine  Sekundärpapille  mit  aufsitzender  Primärpapille 
ihre  bindegewebige  Grundlage.  Es  überragt  die  Sekundärpapille  das 
allgemeine  Niveau  der  Epitheloberfläche,  wölbt  das  Epithel  empor,  und 
so  entsteht  die  Papilla  operaria.  Die  Sekundärpapille  ist  von  zum 
Epithel  und  in  die  Peripherie  der  Primärpapillen  ziehenden,  elastischen 
Fasern  ausgefüllt.  Das  Stratum  germinativum  ist  rings  um  die  Sekundär- 
papille wallförmig  in  das  Bindegewebe  eingesenkt.  Dieses  wird  vom 
Stratum  corneum  wiederholt,  sodaß  dieses  etwa  200  in  tief  in  das  Stratum 
germinativum  eindringt.  Bei  sehr  nahe  liegenden  Papillae  operariae 
kommt  es  zu  einer  Vereinigung  der  Sekundärpapillen  unter  Zurück- 
drängung des  Epithels,  wie  es  auch  bei  Halmaturus  rujicollis  beschrieben 
worden  ist.  Die  mikroskopische  Untersuchung  eines  Stückes  aus  dem 
Gebiet  mit  längeren  Höckern,  wie  sie  bei  diesem  Gaumen  zu  beobachten 
waren,  zeigt  eine  kleine  Abweichung  von  der  des  eben  beschriebenen 
Gebietes.  Die  600«  dicke  Submucosa,  die  700«  dicke  Propria  mucosae 
und  der  Papillarkörper  sind  auch  hinsichtlich  des  elastischen  Gewebes 
ebenso  gebaut  wie  oben  berichtet  worden  ist,  nur  ist  das  elastische 

Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.    CIX.  Bd.  5 


QQ  Jakob  Rehs, 

Gewebe  reichliclier  und  haben  in  dem  sehr  lockeren  Geflecht  der  ober- 
flächlichsten Schicht  der  Propria  mucosae  die  1  u  dicken  elastischen 
Fasern,  die  oft  in  Bündeln  zusammenliegen,  neben  transversaler  haupt- 
sächlich paramediane  Kichtung.  Eine  Ausbuchtung  der  Propria  mu- 
cosae mit  dem  Papillarkörper  ist  die  wesentliche  Grundlage  der  Höcker. 
In  der  Propria  mucosae  sind  paramediane  elastische  Fasern  mit  trans- 
versalen zu  einem  Geflecht  vereinigt.  Aus  diesem  Geflecht  gehen  Faser- 
bündel ab,  deren  Fasern  divergierend  zum  Papillarkörper  ziehen.  Die 
Submucosa  hat,  da  sie  hier  nur  400  /^i  dicker  ist  wie  sonst,  an  der  Bil- 
dung des  bindegewebigen  Innern  keinen  direkten  Anteil.  Bei  Schnitten 
aus  dem  mittleren  Teil  des  Gaumens  mit  den  langen  Höckern  ist  ein  von 
elastischen  Fasern  freies  Periost  anzutreffen.  Submucosa  und  Propria 
mucosae  mit  Papillarkörper  bieten  nichts  Neues.  Aber  die  Mitwirkung 
der  Submucosa  mit  paramedianen  elastischen  Faserbündeln  kann  an 
dem  Aufbau  des  bindegewebigen  Innern  dieser  Gebilde  nicht  verkannt 
werden,  und  sie  rufen  so  den  Eindruck  einer  Leistenvorstufe  hervor. 
Dieselbe  Erscheinung  ist  bei  Halmaturus  ruficoUis  beschrieben  worden. 
Es  lassen  sich  also  auch  bei  Zalophus  calijornianus  die  Übergänge  von 
den  kleinsten  Papulae  operariae  zu  der  Leistenvorstufe  feststellen. 

Von  Phoca  vituUna  untersuchte  ich  den  Gaumen  eines  älteren  Tie- 
res (Taf.  III,  Fig.  22).  Er  ähnelt  dem  von  Retzius  beschriebenen 
Gaumen  eines  ausgetragenen  Fötus  (Retzius,  Taf.  XLIII,  Fig.  7).  Die 
Papilla  palatina  hebt  sich  bei  weitem  nicht  s^  deutlich  aus  der  Region 
der  Papilla  palatina  hervor  wie  bei  dem  Fötus.  Der  Abschluß  dieser 
Region  wird  von  einer  bogig  verlaufenden  Leiste  gebildet.  Es  folgen 
durch  weite  Lücken  getrennte  Teilstücke  von  Leisten,  die  gezähnt 
sind  und  nach  der  Medianlinie  zu  in  Papulae  operariae  übergehen.  Im 
ganzen  übrigen  Teil  des  Gaumens  kann  man  bogige  Querreihen  der- 
artiger Papulae  operariae,  die  näher  oder  weiter  voneinander  entfernt 
sein  können  und  nach  hinten  immer  kleiner  werden,  feststellen.  Diese 
Papulae  operariae  sind  konisch  und  richten  ihre  Spitze  pharyngealwärts. 

Was  den  mikroskopischen  Aufbau  der  Papilla  palatina  anbelangt, 
so  sind  die  Canales  naso-palatini  nicht  vorhanden,  eine  Tatsache, 
die  ich  von  Herzfeld  (1889)  bestätigt  finde.  Aber  die  Papilla  palatina 
ist  durch  zwei  Epitheleinsenkungen,  die  500  j.l  tiefe  und  300  /<  breite 
Furchen  bilden,  die  vorn  an  den  Schneidezähnen  ineinander  übergehen 
und  nach  hinten  divergieren,  von  der  übrigen  Region  der  Papilla  pala- 
tina getrennt.  Hierdurch  ist  auch  das  Stratum  germinativum  in  das 
Bindegewebe  eingesenkt.  Dieses  Gebilde  und  Reste  eines  Stützknorpels, 
die  dem  knöchernen  Gaumendach  angelagert  sind,  erweisen  sich  als 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  niakroskop.  und  mikroskop.  Anatomie  usw.       67 

Reste  der  Canales  naso-palatini.  Durch  das  Fehlen  dieser  Gebilde  ist 
die  Topographie  des  elastischen  Gewebes  in  diesem  Teil  wie  im  übrigen 
Teil  des  ganzen  Gaumens  beeinflußt.  Das  Periost  ist  frei  von  elasti- 
.vchen  Fasern.  Die  im  Durchschnitt  500  /<  dicke  Öubmucosa  ist  ein  locke- 
res Bindegewebe,  das  einen  Venenschwellkörper  enthält.  Es  ist  daher 
wie  bei  einigen  Carnivoren  auf  einen  typischen  Aufbau  des  elastischen 
Gewebes  nicht  zu  rechnen,  sondern  wenige  elastische  Faserbündel  durch- 
kreuzen sich  nach  allen  Richtungen.  Dorsalwärts  einer  Papillenquer- 
reihc  hingegen  nehmen  die  sehr  ausgeprägten  elastischen  Faserbündel 
eine  vollkonnnen  paramediane  Richtung  an,  wie  es  auch  bei  Ovis  aries 
festgestellt  werden  konnte.  Auch  in  der  anlagernden  Propria  mucosae 
ist  diese  paramediane  Richtung  noch  vorhanden,  wenn  auch  das  elasti- 
sche Gewebe  spärlicher  gewordeji  ist.  Im  übrigen  ist  die  etwa  250  /t 
dicke  Propria  mucosae  von  einem  Geflecht  elastischer  Fasern  ein- 
genommen, in  dem  hauptsächlich  die  paramediane  Richtung  vorherrscht, 
daneben  aber  auch  transversale  und  von  der  Submucosa  kommende 
elastische  Fasern  vorhanden  sind.  Die  dem  Epithel  anlagernde  Schicht 
birgt  spärliche,  einzelne  paramediane  elastische  Fasern.  Aus  dem  Ge- 
flecht der  Propria  mucosae  ziehen  wenige  elastische  Fasern  in  die 
schmalen  und  200  a  langen  Primärpapillen. 

Das  Stratum  germinativum  ist  im  Bereich  der  Papilla  palatina 
1200  u  dick,  während  es  sonst  nur  zwischen  250 — 400  ^.i  dick  ist.  An  das 
Bindegewebe  schließt  das  Stratum  cylindricum  mit  ellipsoidischen  Ker- 
nen an,  deren  längste  Achse  in  der  Längsrichtung  der  Zellen  liegt.  Polye- 
drische  Zellen  mit  rundlichem  oder  ellipsoidischem  Kern  liegen  jener 
Schicht  in  mehreren  Lagen  an.  Nach  dem  Stratum  corneum  zu  flachen 
sich  die  Zellen  ab,  und  die  Kerne  sind  elHpsoidisch.  Im  50 — 100  ^t 
dicken  Stratum  corneum  sind  die  Zellen  stark  abgeflacht,  und  es  ist 
kein  Anzeichen  eines  Kernes  vorhanden. 

Der  bindegewebige  Grundstock  der  öfters  in  den  Papillenquerreihen 
für  sich  isoliert  stehenden  Papulae  operariae  ist  eine  Sekundärpapille 
mit  aufsitzenden  Primärpapillen.  In  die  Papillen  steigen  wenige  ela- 
stische Fasern  aus  der  Propria  mucosae  auf.  Bei  näher  zusammen- 
liegenden Papillen  ist  die  Basis  der  bindegewebigen  Grundstöcke  lateral 
verschmolzen,  wie  es  bei  Halmaturus  ruficollis  eingehend  geschildert 
worden  ist.  Bei  größeren  Papulae  operariae  ist  die  Verschmelzung  sehr 
weit  gegangen,  und  in  der  Basis  der  bindegewebigen  Grundstöcke  sind 
die  paramedianen  elastischen  Fasern  der  Propria  mucosae  festzustellen. 
Die  Submucosa  hat  keinen  direkten  Anteil  an  der  Bildung  dieser  binde- 
gewebigen   Grundstöcke.     Auffälligerweise   ist    das    Epithel,    das    die 


68  Jakob  Rehs, 

bindegewebigen  Grundstöcke  umgibt,  nach  der  Spitze  der  Papillen  zu 
bis  auf  90  /<  verdünnt.  Bei  Zalophus  californianus  sind  größere  Leisten- 
stücke vorhanden,  die  sich  über  ein  Drittel  der  Gaumenquere  erstrecken, 
aber  bei  Phoca  vitulina  können  weder  beim  Fötus  noch  beim  erwach- 
senen Tier  größere,  typische  Leistenstücke  festgestellt  werden;  denn  die 
größeren  Stücke  haben  immer  noch  papillären  Charakter.  Ebenso  ver- 
hält es  sich  bei  andern  Pinnipediern.  Bei  Phoca  fötida  hingegen  beschreibt 
E.ETZIUS  »echte  Gaumenleisten«,  und  die  Abbildung  dieses  Gaumens 
(Taf.  XLIII,  Fig.  4  u.  5)  zeigt  sie  auch  ganz  deutlich.  Der  Gaumen 
eines  Fötus  von  Ogmorhinus  leptofiyx,  den  Retzius  beschreibt  und  ab- 
bildet (Taf.  XLIII,  Fig.  8),  weist  überhaupt  keine  Gaumenleisten  auf, 
ebenso  wie  die  Gaumen  des  erwachsenen  Seeleopards  und  des  Seelöwen. 
Hieraus  schließt  Retzius,  daß  »bei  keinem  der  studierten  Pinnipedier 
die  Gaumenleisten  sich  in  ihrem  bei  den  Fissipediern  vorkommenden 
ursprünglichen  Typus  erhalten«,  und  er  ist  der  Meinung,  daß  hier  Re- 
duktionszustände  vorliegen.  Um  diese  Reduktion  in  phylogenetischer 
Hinsicht  zu  begründen,  wird  keineswegs  die  angenommene  Abstammung 
der  Pinnipedier  von  den  Fissipediern  genügen.  Anderseits  müßte  sich 
diese  Reduktion  der  Gaumenleisten  in  der  ontogenetischen  Entwick- 
lung von  Phoca  vitulina  auf  irgend  eine  Art  und  Weise  kund  tun,  wie 
es  z.  B.  beim  Menschen  von  Gegenbaue  (1878)  angegeben  wird.  Auch 
ist  das  völlige  Verschwinden  dieser  Gebilde  bei  den  Seeleoparden  und 
Seelöweu  höchst  auffällig.  Man  kann  daher  mit  demselben  Recht  die 
glatten  Gaumen  der  letzteren  Tiere  für  das  Primärste,  die  Papillen- 
querreihen  von  Phoca  vitulina  und  Zalophus  californianus  für  das  fol- 
gende Stadium  und  die  schwach  ausgebildeten  Gaumenleisten  von  Phoca 
fötida  für  eine  höhere  Ausbildung  halten.  Es  ist  sehr  fraglich,  ob  man 
die  Verhältnisse,  wie  sie  bei  den  »tiefer  stehenden  Affen  der  alten  und 
neuen  AVeit  <<,  bei  denen  man  noch  gut  ausgebildete  Gaumenleisten 
wahrnehmen  kann,  und  »höheren  Affen«  bestehen,  bei  denen  man  »und 
zwar  schon  beim  Gibbon«,  »Spuren  einer  Reduktion«  in  phylogeneti- 
scher und  beim  Menschen  in  phylogenetischer  und  ontogenetischer  Hin- 
sicht beobachten  kann,  auf  die  Pinnipedier  ohne  weiteres  übertragen 
kann. 

Rodentia. 

S  implicidentata . 
A.  Hystricognathi. 
1.  ßathyergomorphi. 
l.  Bathyergidae. 

Bathyergus  maritimus  Gu). 


Beiträge  zur  Keimt  iiis  dt  r  makro.skop.  und  inikroskop.  Anatomie  usw.       G9 

II.  Hystricomorphi. 

2.  Caviidae. 

DasijprocUi  fuUxjinosa  AVagl, 
Cavia  cobaya  Schreb. 
Dolichotis  fatagonica  Shaw. 
5.  Echinomyidae. 

Octodon  hridgesi  Waterh. 
B.  Sciurognathi. 
I.  Myomorphi. 

b)  Anonuiluroidei. 

1.  Anomaluridae. 

Anomalurus  heecwfti  Fräs. 

c)  Myoxidei. 

y.  Muriformes. 

3.  Cricetidae. 

Crieetus  cricetus  L. 

5.  Hesperomyidae. 

Hesperomys  longicaudatus  Benn. 

6.  Muridae. 

Nesokia  setifer  Horstf .  ' 

II.  Sciurotnorphi. 
a)   Sciuroidei. 

2.  Sciuridae. 

Sciurus  vulgaris  L. 
Sciurus  indicus. 
Spermophüus  citillus  L. 

Die  systematische  Einteilung  der  Simplicidentaten  ist  nach  Tüll- 
berg (1900)  erfolgt.  Die  Tiere,  deren  harter  Gaumen  zu  den  Unter- 
suchungen herangezogen  worden  ist,  die  aber  hier  nicht  aufgezeichnet 
sind,  finden  sich  auf  S.  92 — 94.  Cavia  cobaya  und  Sciurus  vulgaris  sind 
nochmals  aufgeführt,  da  sie  besonders  genau  untersucht  worden  sind. 

Historisches.  Retzius  (1906)  bildet  den  Gaumen  von  Cavia  cobaya  ab 
(Taf.  XL,  Fig.  4)  und  beschreibt  ihn.  »Bei  Cavia  bildet  der  zwischen  den  Backen- 
zähnen eingeschlossene  harte  Gaumen  ein  Dreieck  mit  nach  vorn  gerichteter 
schmaler  erhabener  Spitze  und  ausgehöhlter  (gewölbter)  hinterer  Partie,  welche 
ohne  scharfe  Grenze  in  die  Fläche  des  weichen  Gaumens  übergeht.  Auf  diesem 
ganzen  Felde  sind  gar  keine  Spuren  von  Leisten  zu  entdecken;  nur  äußerst  kleine 
zarte  Runzeln  sind  an  der  Schleimhautoberfläche,  in  der  Richtung  von  vorn 
nach  hinten,  mit  der  Lupe  zu  erkennen.  Vorn  geht  die  erwähnte  schmale,  enge 
Partie  des  harten  Gaumens  in  eine  ebenfalls  enge,  von  den  an  ihren  beiden  Seiten 
liegenden  Falten  der  behaarten  Lippenhaut  eingerahmte  und  überbrückte  Furche 


70  Jakob  Rehs, 

über;  wenn  man  diese  Falte  auseinander  zieht,  findet  man,  wie  die  Fig.  4  in  dop- 
pelter Größe  zeigt,  diese  eingesenkte  schmale  Partie,  die  Furche,  bis  an  die  Schneide- 
zähne reichend  und  allmählich  nach  vorn  hin  etwas  erweitert;  sie  hat  ungefähr 
dieselbe  Länge  wie  die  zwischen  den  Backzahnreihen  gelegene  dreieckige  Partie 
des  harten  Gaumens.  In  der  Mittellinie  der  vorderen  engen  Partie  (der  Furche) 
erheben  sich  nun  zwei  längliche  schmale  Höcker,  einer  ungefähr  in  der  Mitte 
ihrer  Länge  und  einer  vorn,  dicht  hinter  den  Schneidezähnen.  Beide  könnten 
sie  die  Papilla  palatina  sein;  da  es  nicht  möglich  war,  mit  der  Lupe  die  Öffnungen 
der  Canales  naso-palatini  wahrzunehmen,  hatte  ich  von  ihrer  Lage  keine  Leitung 
hinsichtlich  der  Papille.  Die  entsprechenden  Verhältnisse  bei  Lagostomus  deuten 
eher  daraufhin,  daß  die  hintere,  größere  Erhabenheit  als  die  Papille  aufzufassen 
sei.  In  TuLLBERGs  Darstellung  finde  ich  keine  Stütze  für  die  Entscheidung 
dieser  Frage«. 

Die  mikroskopische  Untersuchung  ergab  Bizzozkro  (1885),  daß  die  Zellen 
der  Oberfläche  der  Mundepithelien  von  diesem  Tier  oberflächlich,  wie  beim  Hund 
und  bei  Echidna  näher  beschrieben,  beschaffen  sind.  Ranvier  (1884)  stellte 
Eleidin  und  Severin  (1885)  ein  Stratum  granulosum  und  Teilungsfiguren  im 
Epithel  dieses  Tieres  fest. 

ZiMMERL  (1905)  gibt  an,  daß  bei  Cavia  cobaija  die  Verteilung  des  elastischen 
Gewebes  gleich  der  bei  andern  Tieren  ist  und  er  fährt  fort:  »Unica  particolaritä 
degna  di  menzione,  che  osservasi  nella  cavia,  e  data  dalla  presenza  di  alcuni 
nuclei  di  cartilagine  elastica  avente  varia  forma  e  dimensione,  ma  sempre  perö 
maggiormente  sviluppati  in  quei  punti,  che  corrispondono  alle  creste,  dove  ordi- 
nariamente  in  compenso  si  ha  un  minor  svihippo  del  reticolo. 

Quäle  sia  l'ufficio  di  queste  produzioni  cartilaginee,  io  non  potrei  con  cer- 
tezza  affermarc  perö,  tenuto  conto  della  posizione  da  essi  occupato  e  della  con- 
temporanea  riduzione  nella  stesse  parti  delle  fibre  costituenti  l'intreccio,  credo, 
che  non  sia  fuori  luogo  pensare,  che  essi  abbiano  un  identico  ufficio  di  quest' ultimo, 
cioe  di  reagire  alle  pressioni  a  cui  il  palato  vienne  sottoposto. 

Questa,  ripeto,  non  e  che  una  semplice  ipotesi  per  la  piena  conferma  della 
quäle  occorrerebbero  piü  numerose  e  rigorose  ricerche  espressamente  istituite«. 

Klein  (1881)  hat  den  mikroskopischen  Aufbau  der  Papilla  palatina  von 
Cavia  cdbaya  beschrieben.  Er  sagt:  "Having  passed  the  bone  and  approaching 
the  oral  cavity,  the  ducts  become  still  smaller,  they  remain  cleft  like,  and  are 
lined  with  stratified  pavement  epithelium,  whose  superficial  cells,  are  as  much 
flattened  as  those  of  the  palatine  mucous  membrane.  The  mucosa  underneath 
the  epithelium  of  the  ducts  is  dense  fibrous  tissue,  and  there  are  indications 
of  minute  papillae.  There  is  now  already  to  be  seen  a  trace  of  the  Stenonian 
cartilage  in  the  peripher^'  of  the  wall  of  the  ducts.  Sill  nearer  towards  in  dia- 
meter,  and  while  their  shape  becomes  more  cylindrical,  the  above  rudiment  of 
the  cartilage  forms  now  for  each  duct  a  curved  plate,  semicircular  in  transverse 
section,  whose  concave  surface  embraces  the  outer  part  of  the  wall  of  the  duct. 
The  two  ducts  being  close  side  by  side,  it  foUows  that  the  two  semi  lunar  cartilages 
meet  at  their  extremities,  and  thus  form  nearly  a  complete  capsule  for  the  two 
ducts  (see  figures  9  and  10).  There  is  a  smaller  or  larger  apparently  isolated 
nodule  of  cartilage  found  between  the  two  ducts. 

Just  before  the  ducts  open  into  the  oral  cavity  the  lumen  becomes  a  little 
smaller,  cylindrical,  and  there  are  here  well  developed  papillae,  such  as  these 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  inakroskop.  und  nükroskop.  Anatomie  usw.       71 

of  the  palatine  niucous  nienibraue.  The  Stenonian  eartilages  liavc  becomc  con- 
fluent  with  their  extreniities,  and  jiresent  thcraselves  now  in  transverse  sectiou 
as  a  beautiful  heart-shaped  capsule,  in  each  of  whose  cavities  lies  one  of  the  ducts 
the  apex  of  the  heart  being  directed  forwards,  the  notch  backwards  (see  fig.  10). 
In  conneetion  with  the  apex  one  or  more  small  pieces  of  cartilage  are  seen  ex- 
tending  into  the  tissue  separating  tlie  two  duets. 

As  regards  its  structure,  the  Stenonian  cartilage  differs  widely  froni  that 
of  the  cartilage  of  the  nasal  septum  and  of  Jacobsons  cartilage  the  Stenonian 
cartilage  being  elastic  cartilage  i.  e.  dense  networks  of  elastic  fibrils,  forming  a 
sort  of  capsule  around  the  individual  cartilage  cells.  These  latter  are  remarkable 
for  being  idontical  in  appearance  with  well-formed  fat-cells.  Of  the  cartilage  of 
the  septum  I  have  mentioned,  in  my  first  paper,  that  in  many  places  the  cartilage- 
cells  are  filled  with  numbers  of  minute  fat  globules,  an  appearance  well  known 
of  some  other  hyaline  eartilages;  but  here,  i.  e.  in  the  Stenonian  eartilages,  we 
find  each  cartilage  cell  filled  with  one  large  oil  globale".  Da  Cavia  cobaya  im 
Englischen  unter  dem  Xamen  "the  Guinea-Pig"  geht,  so  ist  mir  die  Arbeit  nur 
zufällig  bekannt  geworden,  nachdem  ich  die  Untersuchiuigen  über  dieses  Tier 
schon  abgeschlossen  hatte.  Das  Verlangen  Erreras  (1892),  »lateinische  Xamen« 
zu  gebrauchen,  ist  sehr  berechtigt.  Im  übrigen  bringen  meine  Befunde  manches 
anders  und  auch  eingehender. 

TuLLBERG  (1900)  berichtet  über  den  Gaumen  von  Sciuriis  vulgaris,  daß  er 
»vier  vordere  und  fünf  hintere  Falten«  hat;  »die  letzteren  sind  an  der  Mitte 
durchbrochen«.  Eine  Abbildung  dieses  Gaumens  bringt  Retzius  (Taf.  XL, 
Fig.  1),  und  er  beschreibt  ihn  eingehend.  »Unter  dem  mir  zugänglichen  Material 
von  Xagetieren  stellt  der  Gaumen  von  Sciurios  den  primitivsten,  am  wenigsten 
differenzierten  Typus  dar.  Er  ähnelt  in  auffallender  Weise  sowohl  dem  der  Mar- 
supiaUer  als  dem  der  Insectivoren.  Die  Gestalt  des  Gaumens  ist  im  ganzen,  den 
weichen  Gaumen  mit  berechnet,  sjiindelförmig,  indem  die  mittlere,  zwischen 
den  Backzahnreihen  gelegene  Partie  rechteckig  ist  und  die  vordere  und  die  hintere 
Partie  ungefähr  konischen  Umriß  haben.  In  der  mittleren  Partie,  welche  den 
hinteren  Teil  des  harten  Gaumens  bildet,  unterscheidet  man  zwischen  den  Back- 
zahnreihen, sechs  der  Quere  nach  geordnete,  bogenförmige  Leisten,  welche  in 
ihrer  Mitte  nach  hinten  gezogen  sind,  was  besonders  die  zweite,  dritte  und  vierte 
betrifft.  In  der  Medianlinie  sind  sie  durch  eine  feine  Furche  in  zwei  Seitenarme 
geteilt,  und  die  Arme  der  drei  hinteren  sind  sogar  in  der  McdianUnie  wirklich 
voneinander  getrennt.  Die  lateralen  Enden  der  Leisten  erreichen  beinahe  die 
Backzähne  und  endigen  hier  abgerundet;  die  hintersten  biegen  sich  aber  stark 
nach  hinten  und  endigen  mehr  zugespitzt.  Hierbei  umfassen  eben  die  beiden 
Seitenarme  dieser  Leiste  je  ein  Paar  in  der  Mitte  voneinander  getrennter,  schief - 
ovaler  Erhabenheiten,  welche  den  hintersten  Teil  des  harten  Gaumens,  zwischen 
dem  hintersten  Backzahnpaar  einnimmt.  Meiner  Ansicht  nach  stellen  diese 
beiden  Erhabenheiten  auch  eine  aus  zwei  Seitenarmen  bestehende  Leiste,  die 
allerhint erste,  dar.  .  .  ,  Die  nun  beschriebenen  Leisten  sind  an  ihrer  Oberfläche 
glatt,  scharf  begrenzt,  walzenartig,  die  vorderen  derselben  sogar  mit  einer  etwas 
nach  vorn  gedrehten  Rückenkante  versehen. 

In  dem  vor  dieser  »Zwischenzahnpartie «  gelegenen  Teil  des  Gaumens  sind 
zwei  ebenfalls  bogenförmige,  in  der  ]\Iitte  aber  nicht  geteilte  und  nicht  nach  hinten 
gedrehte,  sondern  vielmehr,  besonders  was  die  vorderste  betrifft,  nach  vorn  zu- 


72  Jakob  Rehs, 

gespitzte  breite  und  kräftige  Leisten  vorhanden,  welche  an  ihrem  Rücken  einen 
zugeschärften  Kamm  haben;  eigenthch  scheint  dieser  Kamm  nach  hinten  ge- 
dreht zu  sein,  und  die  Oberfläche  der  zwischen  den  Leisten  befindlichen  Schleim- 
haut biegt  sich  von  hinten  gegen  ihn  empor.  Die  Oberfläche  der  Felder  sowohl 
zwischen  diesen  als  zwischen  den  hinteren  Leisten  ist  mit  einer  Menge  feiner 
Wärzchen  und  Höckerchen  besetzt.  Die  vorderen  stehen  weiter  voneinander 
entfernt  als  die  hinteren,  da  die  Zwischenfelder  nach  hinten  hin  immer  etwas 
kleiner  werden.  Die  zuletzt  beschriebenen  beiden  Leisten  endigen  lateralwärts, 
wo  bekanntlich  keine  Zähne  verbanden  sind,  abgerundet.  Vor  diesen  Leisten 
findet  sich  noch  eine  bogenförmige  Leiste,  welche  vorn  in  der  Mitte  einen  rund- 
lich-ovalen Auswuchs,  eine  scharf  begrenzte  Erhabenheit,  trägt,  die  vielleicht 
als  die  Papilla  palatina  zu  bezeichnen  ist,  obwohl  sie  hier  nicht  dicht  hinter  den 
Schneidezähnen  liegt.  Es  findet  sich  nämlich  zwischen  ihrem  vorderen  Rande 
und  diesen  Zähnen  eine  schmale,  von  den  zusammengebogenen  Lippenrändern 
eingefaßte  Rinne,  welche  beim  Eichhörnchen  nur  kurz  ist,  während  sie  bei  man- 
chen andern  Nagern  recht  lang  sein  kann.  Am  Boden  dieser  Rinne  sieht  man 
noch  eine  längliche,  aber  ziemlich  niedrige  und  schmale  Erhabenheit,  welche 
vielleicht  auch  der  fraglichen  Papille  entsprechen  kann;  zu  ihren  beiden  Seiten 
findet  sich  je  eine  kleine  Falte  der  Schleimhaut.  Die  Anzahl  sämtlicher  Gaumen- 
leisten von  Sciurus  beläuft  sich  also,  wenn  man  die  allerhinterste  und  die  vor- 
derste mitrechnet,  auf  nicht  weniger  als  zehn;  wenn  man  aber  die  vorderste  als  die 
hinterste  wallartige  Abgrenzung  der  Papillarregion  betrachtet,  nur  auf  9«. 

Über  den  mikroskopischen  Aufbau  der  Gaumenleisten  von  Sciurus  vulgaris 
sagt  Oppel  (1900):  »Die  mikroskopische  Untersuchung  .  .  .  beim  Eichhörnchen 
.  .  .  ergab  mir,  daß  sich  die  Gaumenleisten  in  ihrem  Bau  nicht  wesentlich  von 
der  übrigen  Schleimhaut  des  harten  Gaumens  unterscheiden.  Die  Gaumenleisten 
sind  nicht  etwa  als  aus  zu  Reihen  verschmolzenen  Papillen  entstanden  zu  denken, 
vielmehr  geht  die  ganze  paiiillentragende  Schleimhaiit  in  ihre  Bildung  ein.  Epithel 
und  Hornschicht  des  Gaumens  sind  im  Bereich  der  Leisten  bei  den  beiden  unter- 
suchten Tieren  nicht  verdickt«. 

Zusammenfassend  sagt  Tüllberg  (1900)  über  die  Gaumen  der  Simpliciden- 
taten :  »In  der  Regel  finden  sich  bei  den  Simplicidentaten  nur  drei  vordere  Falten, 
deren  erste  einen  dreiseitigen  Höcker  bildet;  nur  bei  den  Sciuridae  nimmt  die 
Zahl  der  vorderen  Falten  in  bemerkenswerterem  Grade  zu.  Mitunter  können 
die  Falten  undeutlich  sein  oder  ganz  fehlen  <'. 

Retzius  (1906)  kommt  zu  folgenden  Ergebnissen.  »Bei  der  weitaus  über- 
wiegenden, in  der  Natur  reichlicher  vertretenen  Unterordnung  der  Simpliciden- 
taten, die  ich  im  ganzen  als  eine  etwas  primitivere,  weniger  differenzierte  Gruppe 
betrachte,  tritt  nun  die  eigentümliche  Spezialisierung  einzelner  Familien  auf, 
daß  bei  ihnen  die  Leisten  eine  rückläufige  Ausbildung  erfahren  haben,  infolge 
deren  sie  bald  in  der  vorderen,  vor  den  Backzahnreihen  gelegenen,  bald  in  der 
hinteren,  zwischen  diesen  Reihen  befindlichen  Region  in  ihrer  Entwicklung  re- 
duziert sind  oder  sogar  fehlen,  ja  zuweilen  {Cavia,  Lagostomus,  Coelogenys)  im 
ganzen  Gaumen  verschwunden  sind«. 

Eigene  Untersuchungen.  Nach  den  Angaben  von  Tüllberg 
(1900)  und  Retzius  (1906)  sind  Cavia  cohaya  (Retzius,  Taf.  XL,  Fig.  4), 


Beitrage  zur  Kcnutnis  der  makroskop.  uiul  mikroskop.  Anatomie  usw.       73 

Cavia  porcellus  (Tullberg,  Taf.  XXXVI,  Fig.  4),  II ijdrochoerus  capy- 
raba  (Tullberg,  Ö.  107),  Mi/opotamiis  coi/pus  (Tullberg,  Taf.  XXXVI, 
Fig.  5),  Ctenomys  vuujeUanicus  (Tullberg,  Taf.  XXXVI,  Fig.  9)  und 
Lagostomus  trichodactylus  (Tullberg,  8.  Vll  und  Retziüs,  Taf.  XL, 
Fig.  5)  Vertreter  der  siinplicidentaten  Rodentien  aus  der  Gruppe  der 
Hystricognathen,  denen  die  Gaumenleisten  vollkommen  abgehen.  Alle 
sind  sie  eng  auf  Südamerika  beschränkt,  und  ist  dieses  Land  nach  Zittel 
(1891/93)  ihre  Urheimat. 

Zu  meinen  Untersuchungen  an  Cavia  cobaya  Avurden  die  Gaumen 
von  jungen,  etwa  6  Monate  alten  Tieren  verwendet.  Der  Beschreibung 
der  äußeren  makroskopischen  Verhältnisse  dieses  Gaumens  von  Retzius 
ist  7A\  entnehmen,  daß  zwischen  den  Schneidezähnen  und  dem  ersten 
Paar  der  Backenzähne  einerseits  und  den  beiden  vorderen  Seitenteilen 
der  Oberlippe  anderseits  eine  Furche  sich  befindet,  in  deren  vorderen 
engen  Partie  zwei  längliche,  schmale  Höcker  auftreten,  einer  vorn, 
dicht  hinter  den  Schneidezähnen  und  der  andre  ungefähr  in  der  Mitte 
der  Furchenlänge.  An  den  von  mir  untersuchten  Gaumen  war  der 
vordere  Höcker  nicht  so  scharf  abgesetzt,  wie  es  in  der  Abbildung  von 
Retzius  zum  Ausdruck  gebracht  ist.  Man  hat  es  hier  mit  einem  von 
Kohlmeyer  (1906)  bei  Mus  decumanus  mit  Längsleiste  bezeichneten 
Gebilde  zu  tun  (Kohlmeyer,  Fig.  1),  das  aber  besser,  wie  es  auch  von 
Röscher  (1909)  bei  Cricetus  frumentarius  angegeben  ist,  Rhaphe  palati 
genannt  wird  (Textfig.  4  Ä,  rp,  S.  74  u.  Taf.  III,  Fig.  23  rp).  Eine  solche 
Rhaphe  palati  in  mannigfacher  Ausbildung  konnte  ich  auch  bei  andern 
simplicidentaten  Rodentien  feststellen,  wie  bei  Dasyprocta  fuligmosa, 
Anomalurus  Beecrofti,  Microtus  arvalis  (hier  sehr  schwach),  Cricetomys 
gambianus,  Sciurus  vulgaris  (Textfig.  6  A,  rp)  und  Sciurus  indicus. 
Retzius  gibt  sie  wieder  bei  Sciurus  vulgaris  (Taf.  XL,  Fig.  1),  Mus 
decunmnus  (Taf.  XL,lFig.  2),  Mijoxus  glis  (Taf.  XL,  Fig.  3),  Cavia 
cobaya  (Taf.  XL,  Fig.  4)  und  aus  Tullbergs  schematischen  Figuren 
der  Gaumen  auf  Taf.  XXXVI  ist  sie  erkenntlich  bei  Cavia  porcellus 
(Fig.  4),  Anomalurus  Beecrofti  (Fig.  12),  Myoxus  glis  (Fig.  14),  Zapus 
hudsonius  (Fig.  16),  Gymnuromys  Roberti  (Fig.  19),  Hesperomys  leu- 
copus  (Fig.  22),  Oxymycterus  rufus  (Fig.  24),  Haplodon  rufus  (Fig.  28), 
und  sicherlich  ist  sie  auch  bei  andern  Vertretern  vorhanden  aber  aus 
den  schematischen  Zeichnungen  nicht  deutlich  erkennbar.  Röscher 
bildet  sie  ab  von  Cricetus  frumentarius  (Röscher,  Taf.  II,  Fig.  3). 

Bei  einem  der  untersuchten  Gaumen  von  Cavia  cobaya  setzt  die 
5  mm  lange  Rhaphe  palati  hinter  den  Schneidezähnen  in  einer  Breite 
von  1  mm  an  und  erhebt  sich  1  mm  über  den  Boden  der  »Furche <<.    Bis 


74 


Jakob  Rehs, 


zur  Mitte  steigt  sie  zu  einer  Höhe  von  1 1/2  mm  an,  während  die  Breite 
nur  noch  V4  ^^^  mißt,  um  nach  hinten  auf  1/2  ''iiii'  Höhe  zu  sinken  und 
sich  auf  eine  ebensolche  Breite  zu  verringern.  Die  Seitenwände  stehen 
so  im  vordem  Vö  ^^^  Hhaphe  palati  senkrecht  zum  Furchenboden  und 
konvergieren  nach  hinten.  Ihr  First  ist  schwach  nach  außen  gewölbt. 
Dieses  ändert  sich  im  letzten  1/5  der  Rhaphe  palati.  Letztere  Seiten- 
wände lehnen  sich  lingualwärts  im  spitzen  Winkel  aneinander  und 
erzeugen  so  einen  scharfen  Kamm.  Dieses  Stück  ist  bezüglich  des 
inneren  Baues  als  Übergangsstück  zum  zweiten  Höcker  anzusehen. 
Ähnlich  liegen  die  Verhältnisse  im  vorderen  Teil  des  zweiten  6  mm 

langen  Höckers,  der,  wie  später  ge- 
zeigt wird,  die  Papilla  palatina  ist, 
nur  daß  allmählich  nach  hinten  der 
Winkel  beider  Flächen  sich  ver- 
größert. Hand  in  Hand  hiermit 
geht  eine  Verbreiterung  der  First 
bis  auf  1  mm,  und  eine  Erhöhung 
ihrer  Entfernung  vom  Furchen- 
boden im  vierten  Millimeter  der 
Papillenlänge    auf    3  mm.     Dieses 


op  m. 


cp 


Textfig.  4. 
Cavia  cöbaya.   A,  Medianschnitt  durch  den  har- 
ten Gaumen.    £,  Aüsicht  der  beiden  nach  vom   Vorderteil   der  Papilla  palatina  ist 

stark  konvergierenden  Backzahnreihen  des  Ober-       •■,         i^-i-ri,  ■u       ^         xri        '  i. 

kiefers  von  Cavia  porcellus.  C,  Ansicht  der  eisbrecileralinlicll  gebaut.  Es  Ist 
Zunge  mit  Zungenabsatz  {za)  von  der  rechten  möo'lich 
Seite.  B  und  C  nach  Tüllberg).  Alle  Figuren 
in  natürhcher  Größe,  a,  zu  den  ersten  Backen- 
zälinen  .absteigender  Teil  der  Gaumenschleim- 
haut;  b,  der  zwischen  den  beiden  Backzahn- 
reihen liegende  Teil  der  Gaumenschleimhaut; 
fi,  Foramina  incisiva;  i  Incisivus;  m,  Maxillae; 
Ol,  Ossa  incisiva;  op,  Ossa  palatina;  pmo,  Pala- 
tum  molle;  pp,  Papilla  palatina;  rp,  Ehaphe 
palati. 


daß  das  Vorderteil  der 
Papilla  palatina  vermöge  dieses 
Baues  auf  eine  Teilung  der  Nahrung 
und  so  auf  eine  Hinleitung  über 
die  Öffnungen  der  Canales  naso- 
palatini,  die  an  den  hinteren  Seiten- 
abhängen der  Papilla  palatina  ihren 
Sitz  haben,  zu  den  Backenzähnen 
hinwirkt,  eine  Wirkung,  die  noch  verstärkt  ^\ird  durch  den  auch  eis- 
brecherähnlich dem  Vorderteil  der  Papilla  palatina  eingelagerten  Stütz- 
knorpel, der  später  eingehend  beschrieben  wird.  An  der  Stelle  der  höch- 
sten Erhebung  der  Papilla  palatina  über  den  Furchenboden  ungefähr  im 
vierten  MiUimeter  ihrer  Länge  fällt  sie  1  mm  nach  dem  knöchernen  Gau- 
mendach  zu  steil  ab,  um  in  den  letzten  2  mm  allmählich  in  den  Furchen- 
boden überzugehen  (Taf .  III,  Fig.  23  pp).  Die  größte  Breite  der  Papilla 
palatina  in  der  Basis  ist  3  mm,  so  konvergieren  ihre  Seiten  wände  nicht 
nur  nach  der  First  zu,  sondern  auch  nach  vorn  und  hinten,  was  im  Auf- 
bau des  Stützknorpels  der  Canales  naso-palatini  eine  gewisse  Wieder- 


Beiträge  zur  Krimtiiis  clor  inakroskoj).  iiiul  niikro.skop.  Anatomie  usw.       75 

holuiig  findet.  Das  letzte  2  nmi  laiij^e,  allmählich  abfallende  Stück  ge- 
hört noch  der  Papilla  palatina  an ;  denn  in  ihm  liegt,  wie  später  genauer 
augegeben  wird,  ein  Knorpelstrang,  der  mit  dem  Stützknorpel  der  Cana- 
les  naso-palatini  verbundeii  ist.  Es  deutet  aber  weder  der  äußere  noch 
der  innere  Bau  auf  eine  Leiste  hin,  die  mit  der  Papilla  palatina  ver- 
schmolzen sein  könnte,  wie  bei  Sciurus  vulgaris,  sondern  die  Papilla  pala- 
tina erhebt  sich  für  sich  allein  über  das  Niveau  des  Gaumens,  nur  nach 
vorn  mit  der  Rhaphe  palati  verbunden  (Textfig.  4  A,  ^yjj  u.  Taf.  III, 
Fig.  23  pp).  Man  kann  daher  die  Papilla  palatina  als  solche  nicht,  wie  es 
KoiiLMEYER  (1906)  bei  3Ius  decumanus  tut,  als  die  erste  Gaumenleiste 
bezeichnen,  sondern  nur  »den  hinteren,  quer  über  die  Gaumenschleim- 
hautfläche  verlaufenden  Teil<<,  der  mit  dem  hinteren  Teil  der  Papilla 
palatina  verschmolzen  ist. 

Solche  nicht  mit  einer  Gaumenleiste  in  Verbindung  stehende  Pa- 
pulae palatinae  sind  auch  bei  andern  simplicidentaten  Rodentien  vor- 
handen, wie  aus  Tullbergs  Beschreibung  und  Abbildung  auf  Taf. 
XXXVI  hervorgeht,  so  bei  Georychus  capensis  (Fig.  1),  wo  nur  ein 
paar  an  der  Basis  zusammenfließende  Verdickungen  in  der  vorderen 
Abteilung  vorhanden  sind,  bei  Cavia  porcellus  (Fig.  4),  dessen  Gaumen 
nur  in  der  vorderen  Abteilung  mit  einer  kleinen  Verdickung  versehen 
ist,  bei  Myopotamus  coypus  (Fig.  5),  dessen  Gaumen  in  der  vorderen 
Abteilung  einen  unbedeutenden  Wulst  zeigt,  bei  Ctenomys  magellanicus 
(Fig.  9),  bei  dem  der  Gaumen  in  der  vorderen  Abteilung  nur  eine  un- 
bedeutende Hervorragung  besitzt,  bei  Chinchilla  lanigera  (Fig.  11), 
das  nur  eine  Verdickung  in  der  vorderen  Abteilung  zeigt,  alles  Tiere, 
die  überhaupt  jegliche  Leisten  zwischen  den  Nagezähnen  und  dem 
ersten  Paar  Backenzähnen  vermissen  lassen.  Aber  auch  andre  Tier- 
ordnungen enthalten  Vertreter,  deren  Gaumen  eine  isolierte  Papilla  pala- 
tina zeigt,  wie  ich  es  bei  Pinnipediern  und  Primaten  feststellen  konnte. 

Retziüs  (1906)  hat  es  in  der  Beschreibung  der  beiden  Höcker  zu 
keinem  endgültigen  Entscheid  gebracht,  welcher  seiner  beiden  Höcker 
die  Papilla  sei.  Er  schreibt  darüber:  »Beide  könnten  sie  die  Papilla 
palatina  sein;  da  es  nicht  möglich  war,  mit  der  Lupe  die  Öffnungen 
der  Canales  naso-palatini  wahrzunehmen,  hatte  ich  von  ihrer  Lage 
keine  Leitung  hinsichtlich  der  Papille.  Die  entsprechenden  Verhält- 
nisse bei  Lagostomus  deuten  eher  darauf  hin,  daß  die  hintere,  größere 
Erhabenheit  als  die  Papille  aufzufassen  sei.  In  Tullbergs  Darstellung 
finde  ich  keine  Stütze  für  die  Entscheidung  dieser  Frage«.  Die  Ver- 
nmtung,  daß  die  Öffnungen  der  Canales  naso-palatini  an  der  hinteren, 
größeren  Papille  zu  suchen  seien,  wird  dadurch  bestätigt,  daß  man  am 


76  Jakob  Rehs, 

abgelösten  Gaumen  diese  Öffnungen  an  den  beiden  Seitenwänden  der 
Papilla  palatina,  2  mm  vom  hinteren  Steil abf all  und  1  mm  von  der 
First  entfernt,  durchschimmern  sieht.  Paramedian-  und  Transversal- 
schnitte bestätigen  diesen  Befund  (Taf .  III,  Fig.  23  pp). 

Der  zwischen  der  Papilla  palatina  und  den  ersten  beiden  Backen- 
zähnen ausgebreitete  Teil  des  Gaumens  liegt  einem  zu  den  Backenzähnen 
absteigenden  Teil  des  knöchernen  Gaumendaches  an,  der  von  den 
beiden  Maxillae  gebildet  wird  und  fast  rechtwinklig  zu  dem  von  den 
Ossa  incisiva  gestellten  Teil  des  knöchernen  Gaumendaches  steht  (Text- 
iig.  4:  A,oi,'m).  Diese  Konfiguration  ist  eine  Folge  der  außergewöhn- 
lichen Verdickung,  der  das  knöcherne  Gaumendach  bildenden  Maxillae, 
die  ihrerseits  wieder  aus  der  starken  Konvergenz  der  beiden  Backen- 
zahnreihen nach  vorn  und  den  tief  eingesenkten  Backenzähnen  resultiert 
(Textfig.  4  B).  Mit  dieser  Gestaltung  des  knöchernen  Gaumendaches 
ist  eigentümlicherweise  ein  Nichtvorhandensein  oder  wenigstens  eine 
kümmerliche  Ausbildung  der  Gaumenleisten  in  diesem  Teil  des  Gaumens 
verknüpft,  und  alle  die  Tiere,  und  zwar  nur  einzelne  Vertreter  aus  dem 
Tribus  der  Hystricognathen  innerhalb  der  Unterordnung  der  Simpli- 
cendentaten,  die  diesem  von  Cavia  cobaya  angegebenen  Bildungsmodus 
des  knöchernen  Gaumendaches  gleichen,  ihn  übertreffen  oder  sich  ihm 
nähern,  besitzen  in  dem  Vorderteil  des  Gaumens  keine  oder  schwach 
ausgebildete  Leisten.  Cavia  porcellus  (Tullberg,  Taf.  IV,  Fig.  1  u.  5) 
verhält  sich  wie  Cavia  cohaya  und  besitzt  keine  Leisten  (Tullbekg, 
Taf.  XXXVI,  Fig.  4).  Hydrochoerus  capyraba,  eine  Cavia  sehr  nahe- 
stehende Form,  hat  nach  Tullberg  keine  Leisten,  und  ich  konnte 
mich  an  einem  Schädel  von  der  mit  Cavia  übereinstimmenden  Bil- 
dung des  knöchernen  Gaumendaches  überzeugen.  Eine  Ansicht  des 
Schädels  von  der  linken  Seite  (v.  Hayek  [1893],  Fig.  3811)  gibt  diese 
Gaumenkonfiguration  treffend  wieder.  Bei  DolicJiotis  patagonica,  auch 
zu  den  Caviiden  gehörig,  stellte  ich  diese  Bildung  ebenfalls  fest  und 
sicherlich  ermangelt  dieses  Tier  auch  der  Gaumenleisten.  Bei  Myopo- 
tamus  coypus  aus  der  Familie  der  Echinomyiden  tritt  die  Bildung  des 
knöchernen  Gaumendaches  sehr  stark  hervor  (Tullberg,  Taf,  VII, 
Fig.  10  u.  11).  Das  Vorderteil  des  Gaumens  dieses  Tieres  hat  keine 
Leisten  (Tullberg,  Taf.  XXXVI,  Fig.  5).  Ctenomys  magellanicus 
aus  derselben  Familie  nähert  sich  etwas  Cavia  (Tullberg,  Taf.  VIII, 
Fig.  10  u.  14).  Die  vordere  Abteilung  ermangelt  der  Leisten  (Tullberg, 
Taf.  XXXVI,  Fig.  9).  Bei  Chinchilla  lanigera  konnte  ich  mich  von 
der  Gaumenbildung,  die  aus  Tullbergs  Figur  nicht  deutlich  zu  erkennen 
ist,  selbst  überzeugen.    Die  starke  Konvergenz  der  Zähne  zeigt  Fig.  5, 


Beitrage  zur  Keimt nis  iler  makroskop.  uiul  niikroskop.  Anatomie  usw.       77 


Textfig.  5. 
Castor  canadensis.  Ansiclit  der  Zunge  mit  Zungenabsatz  {za) 
von  der  rechten  Seite.  (XacliTuLLBERG.)    I^^atiirliclie  Größe. 


Taf.  VI,  und  aus  Tat.  XXXVI,  Fig.  11  ist  das  Fehlen  der  Leisten  er- 
sichtlich. Der  ChinchilUdc  L'ujostomus  trichodacti/lus  gleicht  dem  vorher- 
geheiidoii  in  dieser  Bildung.  Nach  Rktzius,  Tai.  X\j,  Fig.  5  sollen 
von  der  Papilla  palatina  dieses  Tieres  rechts  und  links  zwei  Flügel  aus- 
gehen, die  Avohl  als  die  erste  Gaunienloiste  anznspiechen  sind,  und  dies 
würde  zu  Ododon  degus,  einem  Echinomyidcn  hinüberführen;  denn  an 
einem  Schädel  dieses  Tieres  konnte  ich,  wenn  auch  schwächer  als  bei 
Cavia,  diese  Gaumenbil- 
dung konstatieren,  und  das 
A'orderteil  des  Gaumens 
(TULLBERG,  Taf.  XXXVI, 
Fig.  8)  hat  schwach  ent- 
wickelte Leisten.  Erethizon 
dorsatus ,  der  nordameri- 
kanische Kletterstachler, 
hat  eine  knöcherne  Gau- 
menbildung, die  von  Cavia  cobaya  zu  Hystrix  cristata  (Textfig.  7  Ä,  B) 
oder  weiterhin  zu  Sciunis  vulgaris  (Textfig.  6  A,  B)  hinüberleitet;  denn 
hier  ist  die  Konvergenz  der  Backenzahnreihen  bedeutend  schwächer 
als  bei  Cavia,  und  es  sind  drei  regel- 
lose Leisten  vorhanden  (Tullberg, 
Taf.  XXXVI,  Fig.  10).  Coendu  novae- 
hispatiiae  (Tullberg,  Taf.  VII,  Fig.  1 
u.  4)  und  Chaetomys  suhspinosus  {Tvi.h- 
BERG,  Taf.  VII,  Fig.  7),  die  zu  den 
Erethizontiden  gerechnet  werden,  stim- 
men in  der  Ausbildung  des  knöcher- 
nen Gaumendaches  vollkommen  mit 
Hystrix  cristata  überein,  aber  über  die 
Leisten  konnte  ich  nichts  erfahren. 
Ahnliche  Verhältnisse  bietet  der  in  Südafrika  einheimische  Georychus  ca- 
pensis  (Tullberg,  Taf.  II,  Fig.  1)  bei  vollständigem  Fehlen  der  Gaumen- 
leisten (Tullberg,  Taf.  XXXVI,  Fig.  1),  nur  daß  hier  die  Backenzahn- 
reihen nach  vorn  nicht  konvergieren,  sondern  parallel  sehr  nahe 
beieinander  liegen  (Tullberg,  Taf.  II,  Fig.  6).  Die  Wirkung  auf  die 
Ausbildung  des  knöchernen  Gaumendaches  bleibt  dieselbe.  Wie  mir 
ein  Schädel  von  Bathyergus  marititnus  zeigte,  herrschen  hier  dieselben 
Verhältnisse,  nur  konnte  ich  nichts  in  bezug  auf  die  Ausbildung  der 
Leisten  feststellen,  aber  auch  hierin  wird  dieses  Tier  mit  dem  vorher- 
genannten übereinstimmen. 


Sdurus  vulgaris.  A,  Medianschnitt  durch 
den  harten  Gaumen;  B,  Ansicht  der  beiden 
parallel  gerichteten  Backenzahnreihen  des 
Oberkiefers;  C,  Ansicht  der  Zunge  von  der 
rechten  Seite.  Zeiclienerklärung  sielie 
Textfig.  7. 


78 


Jakob  Rehs, 


Es  mag  im  voraus  erwähnt  sein,  daß  bei  allen  andern  von  Tull- 
BERG  angegebenen  hystricognathen  und  sciurognathen  Simpliciden- 
taten  dieser  Teil  des  Gaumens  nicht  diese  extreme  Ausbildung  zeigt 
und  hier  auch  Gaumenleisten  vorhanden  sind.  Bei  Sciurus  vulgaris 
werde  ich  näher  darauf  zu  sprechen  kommen. 

Bei  Cavia  cohaya  ist  aber  jener  Teil  des  Gaumens  durchaus  nicht 
vollkommen  glatt,  sondern  über  die  ganze  Oberfläche  liegen  kleine 
Höcker  unregelmäßig  zerstreut. 

Der  zwischen  den  Backenzahnreihen  des  Oberkiefers  gelegene  Teil 
der  Gaumenschleimhaut  ist  mit  dem  eben  abgeschlossenen  Teil  durch 
eine  schmale  Brücke  verbunden,  indem  die  ersten  beiden  Backenzähne 


Textfig.  7. 

Hystrix  cristata.  Ä,  Ansidit  des  Oberkiefers  von  der  recliteu  Seite;  B,  Ansicht  der  beiden  parallel 
gerichteten  Backzahnreihen  des  Oberkiefers  und  eines  Teiles  des  knöchernen  Ganmendaches;  C, 
Ansicht  der  Zunge  von  der  rechten  Seite.  Alle  Figuren  außer  6  A  nach  Tuxlberg  und  in  natür- 
licher Größe,  h,  der  zwischen  den  beiden  Backzahnreihen  liegende  Teil  der  Gaumcnschleimhaut. 
Die  Leisten  sind  nicht  getroffen,  da  sie  in  der  Bledianlinie  durch  eine  Rhaphe  palati  in  Gestalt 
einer  Furche  getrennt  sind;  i,  Incisivus;  m,  Maxillae;  oi,  Ossa  incisiva;  op,  Ossa  palatina;  pnio, 
Palatum  molle;   vp,  Papilla  palatina;  rp,  Eliaphe  palati;  / — IV,  erste  bis  vierte  Gaumenleiste. 


der  Backenzahnreihen  nicht  viel  Platz  zwischen  sich  lassen  (Textfig. 
4  B).  Auch  dieser  Teil  des  Gaumens  entbehrt  der  Leisten  vollkommen 
(Textfig.  4.A,h  u.  Taf.  III,  Fig.  24).  Ich  konnte  in  diesem  Falle  und 
auch  in  allen  andern  Fällen,  wo  die  Leisten  fehlen  oder  nicht  vollkommen 
sind,  eine  Beziehung  zur  äußeren  Gestaltung  der  Zunge  nachweisen. 
Aber  ich  vermag  nicht  zu  behaupten,  ob  diese  morphologische  Gestal- 
tung der  Zunge  rückwirkend  auf  die  Ausbildung  der  Gaumenleisten 
war  oder  ist.  Die  Gestaltung  der  Zunge  besteht  darin,  daß  der  pharyn- 
gealwärts  gelegene  Teil  einen  Absatz  besitzt,  der  mehr  oder  weniger 
weit  in  die  Mundhöhle  hineinragt.  Bei  Cavia  porcellus  gibt  dieses  die 
Textfig.  4  C,  za  wieder.  Cavia  cobaya  besitzt  ihn  auch  (Oppel  [1900], 
Fig.  237,  a).  Hydrochoerus  cafyrdba  stimmt  auch  in  bezug  auf  diesen 
Teil  des  Gaumens  mit  Cavia  yorcellus  überein,  und  Oppels  Fig.  242 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  niakroskop.  und  niikroskop.  Anatomie  usw.      79 

zeigt  einen  sehr  starken  Absatz.  Myopotamus  weist  keine  Falten  auf 
(TuLLBERü,  Taf.  XXXVI,  Fig.  5),  aber  einen  Absatz  (Tullberg, 
Taf.  XXXVII,  Fig.  11).  und  ebenso  verhält  es  sich  mit  Ctenomys  ma- 
gellanicus  (Tullberg,  Taf.  XXXVI,  Fig.  9).  Auch  Lagostomus  tricho- 
dactiflus  besitzt  nach  Retzius  keine  Leisten  (Taf.  XL,  Fig.  5),  und  die 
Zunge  zeigt  eine  nicht  unbeträchtliche  hintere  Anschwellung,  ebenso 
wie  die  von  Chinchilla  lanigera  (Tullberg,  Taf.  XXXVII,  Fig.  10). 
Bei  letzterem  Tier  aber  sind  schon  recht  undeutliche  Leisten  in  der  hin- 
teren Abteilung  zwischen  den  vorderen  Backenzähnen  vorhanden.  Bei 
Erethizon  dorsatus  beobachtete  ich  an  einem  Gaumen  zwischen  den 
Backenzähnen  schwache  Leisten,  während  Tullbegr  ein  Vorhanden- 
sein verneint,  und  die  Zunge  dieses  Tieres  besitzt  einen  kräftigen  Wulst 
(Tullberg,  Taf.  XXXVII,  Fig.  9).  In  der  Unterordnung  der  Sciuro- 
gnathen  ist  Castor  canadensis  der  einzige  Vertreter,  von  dem  Tullberg 
angibt,  daß  er  zwischen  den  Backenzähnen  keine  Leisten  besäße 
(Taf.  XXXVI,  Fig.  31),  und  an  die  Zunge  ist  ein  deutlicher  Absatz  an- 
gesetzt (Textfig.  5  za).  Andre  Vertreter,  wie  Ctenodachjlus  gundi  (Tull- 
berg, Taf.  XXXVI,  Fig.  13),  Pedetes  caffer  (Tullberg,  Taf.  XXXVI, 
Fig.  11«),  Sniinthus  subtilis  {Tvi.i,BEi<G  S.  184),  Dipus  aegypticus  {Tvll- 
BERG,  Taf.  XXXVI,  Fig.  15),  Spcdax  typhlus  (Tullberg,  Taf.  XXXVI, 
Fig.  17),  Rhizomys  (Tullb.,  Taf.  XXXVI,  Fig.  18),  Arvicola  amphi- 
hius  (Tullb.,  Taf.  XXXVI,  Fig.  21),  Hydromys  chrysogaster  (Tull- 
berg, Taf.  XXXVI,  Fig.  26),  Psammormjs  ohesus  (Tullb.,  Taf.  XXXVI, 
Fig.  27),  Perodipus  agilis  (Tullb.,  Taf.  XXXVI,  Fig.  32)  haben  nicht 
vollkommen  ausgebildete  Leisten  und  alle  einen  mehr  oder  weniger 
deutlichen  Absatz  (Tullb.,  Taf.  XXXVII,  Fig.  17),  bzw.  13,  S.  184, 
Fig.  21,  24,  26,  Taf.  XXXVIII,  Fig.  4,  10,  S.  282,  Fig.  23).  Im  übrigen 
scheint  dieser  Teil  des  Gaumens,  wenn  das  Verhältnis  seiner  Länge  zur 
Breite  3 :  1  oder  4 :  1  ist,  eine  gute  Ausbildung  der  Gaumenleisten  nicht 
zu  gewährleisten,  wie  es  bei  Georychus  capensis  (Tullb.,  Taf.  XXXVI, 
Fig.  1),  dessen  Zunge  keinen  Absatz  hat  (Tullb.,  Taf.  XXXVII, 
Fig.  2),  bei  Anomalurus  Peli  (Tullb.,  Taf.  XXXVI,  Fig.  12),  dessen 
Zunge  ohne  Absatz  ist  (Tullb.,  Taf.  XXXVII,  Fig.  15),  bei  Otomys 
iinisidcatus  (Tullb.,  S.  127),  dessen  Zunge  einen  sehr  rmdeutlichen 
Absatz  besitzt,  bei  Haplodon  rufus  (Tullb.,  Taf.  XXXVI,  Fig.  28), 
dessen  Zunge  keinen  Absatz  aufweist  (Tullb.,  Taf.  XXXVI,  Fig.  15) 
und  bei  Geomijs  tuza  (Tullb.,  Taf.  XXXVI,  Fig.  33),  bei  dem  auch 
kein  Absatz  an  der  Zunge  vorhanden  ist  (Tullb.,  Taf.  XXXVIII, 
Fig.  25). 

Von  dem  zwischen  den  Backenzähnen  eingeschlossenen  Teil  des 


80  Jakob  Rehs, 

Gaumens  von  Cavia  cohaya  behauptet  Retzius,  daß  >>nur  äußerst  kleine 
zarte  Runzeln  an  der  Schleinihautoberfläche  in  der  Richtung  von 
vorn  nach  hinten  zu  erkennen«  seien.  Derartige  Runzeln  konnte  ich 
nur  an  den  hinteren  Seitenrändern  entdecken,  aber  die  ganze  mittlere 
Fläche  ist  mit  lingualwärts  gerichteten,  stachelförmigen  Gebilden 
bedeckt,  die  bis  zu  400  ^t«  lang  werden.  Ihr  basaler  Durchmesser 
ist  90  /.i  (Taf.  III,  Fig.  24  po).  Eingehender  komme  ich  hierauf 
später  zu  sprechen. 

Es  soll  nun  die  Topographie  des  elastischen  Gewebes  des  Gaumens 
von  Cavia  cohaya  einer  Betrachtung  unterzogen  werden  und  auch 
andre  Gewebselemente,  soweit  sie  zu  einem  besseren  Verstehen  der 
Verteilung  des  elastischen  Gewebes  beitragen,  besprochen  werden. 

ZiMMERL  (1905)  erledigt  die  Beschreibung  der  Verteilung  des  ela- 
stischen Gewebes  von  Cavia  cohaya  mit  der  von  Lepus  cuniculus  mit 
den  Worten:  »Anche  in  questi  due  animali  il  piano  di  distribuzione  del 
tessuto  elastico  si  mantiene  uguale  a  quello  che  giä  si  e  notato  negli 
altri  animali,  onde  sarä  superfluo  insistervi  ulteriormente  <<.  Meine 
Präparate  zeigen  aber  so  abweichende  Verhältnisse,  daß  es  sich  doch 
lohnt,  näher  darauf  einzugehen.  Es  muß  hier  nochmals  betont  werden, 
daß  die  Präparate  von  6  Monate  alten  Tieren  stammen,  daß  aber  sich 
die  Verhältnisse  bei  älteren  Tieren  sich  nicht  derart  geändert  haben 
können. 

Die  Schleimhaut  der  Furche  mit  der  Rhaphe  palati  zwischen  den 
Schneidezähnen  und  der  Papilla  palatina  erhält  ihren  Anschluß  an  das 
knöcherne  Gaumendach  durch  transversale,  quergestreifte  Muskeln,  den 
ebenso  verlaufende,  dicke,  elastische  Fasern  im  Perimysium  externum 
zugesellt  sind,  die  in  dig  Basis  der  Rhaphe  palati  einströmen  (Taf.  III, 
Fig.  23  m,  tef).  Das  elastische  Gewebe  unterstützt  den  Muskel  in  seiner 
Funktion  recht  wesentlich,  wie  es  von  du  Mesnil  de  Rochemont  (1893), 
Smirnow  (1898/99)  und  Kahn  (1903)  an  Muskeln  aus  den  verschie- 
densten Organteilen  des  Wirbeltierkörpers  und  von  Fahr  (1906)  und 
Seipp  (1895)  an  den  Herzmuskeln  nachgewiesen  wurde.  In  den  Teilen 
der  Furche,  die  rechts  und  links  neben  der  Rhaphe  palati  ihren  Platz 
haben,  schiebt  sich  zwischen  Muskeln  und  Epithel  eine  600  f.i  dicke  Binde- 
gewebsschicht  aus  einem  dichten  Geflecht  feiner  Bindegewebsfibrillen 
ein,  denen  dicke,  sich  durchflechtende  elastische  Fasern,  die  nach  dem 
Epithel  zu  allmählich  an  Menge  zunehmen,  in  paramedianen  Verlauf 
eingelagert  sind.  Ein  ebensolches,  dicht  verfilztes  Bindegewebe  birgt 
der  bindegewebige  Innenraum  der  Rhaphe  palati.  Daneben  durchziehen 
einzelne,    6  /t    dicke,    stark   geschlängelte  Bindegewebsfibrillen   dieses 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  niakroskop.  luul  niikroskop.  Anatomie  usw.      81 

Bindegewebe  im  senkrechten  Verlauf  zur  Basis  der  Rhaphe  palati, 
teilen  .sich  in  der  Nähe  des  Epithels  und  laufen  diesem  parallel,  treten 
aber  selten  in  die  Papillen  der  Pars  papillaris  ein.  Letztere  sind  dicht- 
stehende, lange  schmale  Papillen,  die  das  300  u  betragende  Stratum 
germinativum  ganz  durchsetzen,  sodaß  dieses  als  eine  Kappe  empor- 
wewölbt  ist.  ein  Zustand,  der  nicht  auf  die  Oberfläche  des  kernlosen 
Stratum  corneum,  das  50 /<  dick  ist,  übertragen  wird.  Außerdem  macht 
sich  in  der  Rhaphe  palati  ein  durch  Anastomosen  verbundenes  Strang- 
werk eines  Gewebes  breit,  dessen  Hauptstränge  eine  senkrechte  Rich- 
tung zur  Basis  der  Rhaphe  palati  haben  und  bis  zu  100  /t  dick  sind. 
Das  Gewebe  besteht  aus  einer  homogenen,  hellen  Grundsubstanz  mit 
wenigen  Bindegewebsfasern,  deren  Kerne  in  der  Richtung  der  Stränge 
liegen.  Die  oben  beschriebenen  starken  Bindegewebsfasern  sind  nie 
vorhanden.  In  dieses  Gewebe  sind  kleine  Arterien,  die  in  Kapillaren 
übergehen  und  ebensolche  Venen  und  auch  Nerven  eingebettet. 
Elastische  Fasern  treten  nie  auf.  Wenige  typische  Fettzellen  von 
9 — 15  n  Durchmesser  deuten  auf  ein  spezifisches  Fettgewebe  hin 
(Taf.  III,  Fig.  23  fg).  Auf  jeden  Fall  wirkt  es  als  ein  Schutzpolster 
gegen  Druck,  um  diese  eigentümlich  gebaute  Rhaphe  palati  aufrecht 
zu  erhalten.  Dieses  wird  noch  verstärkt  durch  das  elastische  Ge- 
webe, das  sich  in  diesen  komplizierten  Aufbau  nur  netzförmig  ein- 
ordnen kann.  Es  wird  so  das  Bindegewebe  zwischen  dem  Strang- 
gewebe von  dünnen,  untereinander  dicht  verflochtenen  elastischen 
Fasern  ausgefüllt,  doch  ist  eine  transversale  Richtung  dieser  elastischen 
Fasern  nicht  zu  verkennen,  w^olil  hauptsächlich  durch  den  senkrechten 
Verlauf  der  Stränge  bedingt  (Taf.  III,  Fig.  23  tef).  In  dem  Binde- 
gewebe, das  dem  Epithel  anliegt,  bilden  elastische  Fasern  noch  ein 
dichtes  Flechtw^erk,  ein  subepitheliales  Netz,  so  daß  in  diesem  Netz 
die  transversalen  elastischen  Fasern  verankert  sind  und  so  als  trans- 
versale Streben  wirken.  Aus  dem  letzteren  Netz  gehen  elastische 
Fasern  in  schnurgeradem  Verlauf  in  den  äußeren  Mantel  der  Papillen 
mit  dünnfaserigem  Bindegewebe. 

Dem  vordersten  Stück  dieser  Rhaphe  palati  ist  in  der  Medianen 
im  bindegewebigen  Innenraum  ein  langgestreckter,  spindelförmiger 
und  fetthaltiger  Knorpel  eingelagert,  der  in  medianer  Richtung  1400  (.i 
mißt  und  einen  Durchmesser  von  400  u  hat  (Taf.  III,  Fig.  23  hn).  Er 
ist  von  dem  knochenwärts  gelegenen  Muskel  durch  eine  200  {.i  dicke 
Bindegewebsschicht  getrennt,  die  wohl  z.  T.  das  Perimysium  des  Mus- 
kels darstellt,  da  hier  transversale  elastische  Fasern  liegen. 

Mit  dem  hinteren  Ende  des  Knorpels  beginnt  das  Verbindungs- 

Zeitsclirift  f.  wissensch.  ZoolOL'ie.     CIX.  Iki.  6 


82  Jakob  Rehs, 

stück  zwischen  der  Kliaphe  palati  und  der  Papilla  palatina.  Im  Binde- 
gewebe hat  sich  nichts  geändert,  nur  sind  die  dicken  Fibrillen  ver- 
schwunden und  verlaufen  die  elastischen  Fasern,  die  dicker  und  dichter 
geworden  sind,  rein  paramedian.  Sie  nehmen  z.  T.  ihren  Ausgang  von 
dem  elastischen  Knorpel,  zum  andern  Teil  ordnen  sie  sich  aus  den  ela- 
stischen Fasern  der  Rhaphe  palati  um.  Nach  dem  Epithel  zu  liegen 
sie  weniger  dicht  und  entsenden  wenige  Ausläufer  in  die  reichlichen 
Papillen  (Taf.  III,  Fig.  23  fej). 

Daß  das  elastische  Gewebe  in  der  Papilla  palatina  mit  den  Canales 
naso-palatini  und  dem  kompliziert  gebauten  Stützknorpel  unter  die- 
sem Einflüsse  steht,  soll  im  Anschluß  an  die  Beschreibung  der  letzteren 
gewürdigt  werden.  Die  Canales  naso-palatini  durchbrechen,  in  der 
Medianen  durch  eine  Bindegewebsschicht  von  200  /t  getrennt,  den 
Knochen  als  ovale  Gänge,  die  in  der  Paramedianen  800  /<  und  300  (.t 
in  der  Transversalen  messen.  Sie  streben  in  einem  nach  der  Medianen 
zu  gekrümmten  Bogen  nach  dem  Epithel  auseinander  und  münden 
als  sehr  enge,  1000  /t  voneinander  entfernte  Öffnungen,  die  in  der  Para- 
medianen 400  /t  und  in  der  Transversalen  50  /<  messen,  an  den  Seiten- 
abhängen der  Papilla  palatina,  wie  oben  angegeben  ist  (Taf.  III, 
Fig.  23  cnf).  Der  Stützknorpel  setzt  sich  aus  zwei  Knorpelstücken  zu- 
sammen, welche  die  Gänge  vorn  und  hinten  auf  ihrem  Lauf  begleiten 
und  untereinander  verbunden  sind.  Der  Teil  vor  den  Canales  naso- 
palatini  weist  eine  in  der  Medianebene  liegende  3  mm  lange  Knickungs- 
linie auf,  deren  epithelwärts  gelegenes  Ende  weiter  nach  hinten  liegt, 
als  das  knochenwärts  gelegene.  Die  beiden  1300 /<  nach  hinten  sich 
erstreckenden  200 — 100  (.i  dicken  Flügel  sind  epithelwärts  verschmol- 
zen, während  knochenwärts  allmählich  ihr  Flächenwinkel  bis  zu  einem 
rechten  anwächst.  Außerdem  sind  die  Flügel  an  ihrer  Basis  nach  außen 
umgebogen,  so  daß  dieses  eisbrecherähnliche  Gebilde  auf  breiten  Füßen 
steht,  dessen  Bedeutung  oben  schon  gewürdigt  wurde.  An  den  epithel- 
wärts gelegenen  Teil  der  Kante  der  Knickungslinie  setzt  sich  eine  250  (.t 
dicke  und  1000  /<  lange  Knorpellamelle  an,  die  spitz  in  das  vordere 
Ende  der  Papilla  palatina  vorstößt  und  dieses,  das  arm  an  elastischen 
Fasern  ist,  stützt  (Taf.  III,  Fig.  23  skv).  Der  vorhin  beschriebene  Teil 
des  Stützknorpels  ist  mit  dem  hinter  den  Canales  naso-palatini  befind- 
lichen verbunden  sowohl  durch  von  den  beiden,  knochenwärts  gele- 
genen Teilen  der  beiden  hinteren  Flügelkanten  ausgehende,  die  Gänge 
außen  und  hinten  umfassende,  1300  /<  breite  in  der  Richtung  der  Gänge 
gemessene  und  200  f^i  dicke  Knorpelspangen  —  der  knorpelfreie  Teil 
dient  den  Gängen  als  Durchgang  —  als  auch  durch  eine  in  der  Median- 


Beiträge  zur  Kctiiitiiis  der  makroskop.  imd  mikroskop.  Anatomie  usw.       83 

ebene  gelegene,  stark  gefensterte,  400  */  in  der  Transversalen  messende 
Knorpelj)latte,  die  so  die  beiden  Gänge  auf  der  Innenseite  stützend 
begleitet.  Mit  ihr  verbinden  sich  die  die  Gänge  umfassenden  .Spangen, 
Außerdem  spaltet  sie  sich  in  der  Medianen  auf  und  die  Teilstücke  stre- 
l)on  unter  einem  rechten  Winkel  auseinander.  So  kommt  es  zu  einer 
ähnlichen  Anordnung  wie  bei  dem  ersten  Knorpelteil,  nur  daß  die 
Knorpelflügel  um  etwa  200  ti  länger  und  etwas  dünner  sind,  und  in- 
folgedessen einen  größeren  bindegewebigen  Innenraum  einschließen, 
als  im  ersten  Knorpeltcil.  Epithelwärts  sind  die  Flügel  nur  durch 
Knorpelspangen  verbunden.  Von  hier  aus  dringen  Knorpelstücke  in 
den  hervorragenden  hintersten  Teil  der  Papilla  palatina,  diesem,  der 
auch  spärliche  elastische  Fasern  enthält,  zur  Stütze  dienend  (Taf.  III, 
Fig.  23  skh). 

Es  sei  im  voraus  gesagt,  daß  der  ganze  Knorpel  ein  typischer  ela- 
stischer Knorpel  ist.  Die  polygonalen,  20 — 30  f.i  im  Durchmesser  messen- 
den Zellen  liegen  ziemlich  dicht  beieinander,  oft  in  Reihen  die  Dicke 
des  Knorpels  durchsetzend,  so  daß  eine  im  Durchschnitt  10  /<  dicke 
Intercellularsubstanz  übrig  bleibt.  Die  Zellen  sind  fast  vollkommen 
von  Fett  erfüllt,  derart,  daß  das  Cytoplasma  und  der  Kern,  oft  kommen 
zwei  Kerne  vor,  wandständig  geworden  sind.  Nach  dem  Perichondrium 
zu  werden  die  Zellen  kleiner  und  spindelförmig  und  enthalten  weniger 
Fett.  Homogene  Knorpelkapseln  sind  deutlich  sichtbar.  Die  zwischen 
ihnen  liegende  Grundsubstanz  ist  mit  einem  Netz  straffer  elastischer 
Fasern  erfüllt,  die  der  Hauptsache  nach  senkrecht  zur  Oberfläche  des 
Knorpels  angeordnet  sind  und  natürlich,  wie  noch  gezeigt  wird,  in  das 
Bindegewebe  übergehen. 

Die  Seitenteile  rechts  und  links  von  der  Papilla  palatina  gleichen, 
was  die  Muskeln,  das  Bindegewebe  und  das  elastische  Gewebe  anbe- 
trifft, dem  neben  der  Rhaphe  palati. 

Die  paramedianen  elastischen  Fasern  des  Verbindungsstückes  fin- 
den ihr  Ende  an  dem  ersten  Knorpelteil,  der  sich  in  den  Weg  stellt. 
Nur  einzelne  strömen  in  den  Teil  zwischen  Knorpel  und  Epithel  ein. 

Hinter  dem  ersten  vor  den  Canales  naso-palatini  gelegenen  Knorpel- 
teil innerhalb  der  Flügel  trifft  man  ein  lockeres  Bindegewebe  mit  Fett- 
strängen und  transversalen  elastischen  Fasern,  die  also  von  Flügel  zu 
Flügel  ziehen  und  durch  das  Perichondrium  in  das  Innere  des  Knor- 
pels dringen,  so  die  Wände  in  ihrer  Lage  fixierend.  Der  Raum  zwischen 
den  Epithelwänden  der  Canales  naso-palatini  und  den  sie  umfassenden 
Knorpelstücken  ist  von  einem  Netzwerk  feiner  elastischer  Fasern  ein- 
genommen, die  ebenfalls  im  Knorpel  verankert  sind.    Der  transver- 

6* 


g4  Jakob  Rehs, 

sale  Verlauf  der  elastischen  Fasern  wiederholt  sich  zwischen  den  beiden 
Flü<Teln  des  zweiten  Knorpelstückes  natürlich  in  viel  stärkerem  Maße 
als  beim  ersten  Flügelpaar,  da  hier  ein  größerer  bindegewebiger  Innen- 
raum  eingeschlossen  ist.  Hier  treten  Fettstränge  mit  reichlichen  Fett- 
zellen auf,  und  die  elastischen  Fasern  ziehen  zwischen  den  Strängen 
in  einem  ungeordneten,  dicht  verfilzten  Bindegewebe  von  Knorpel  zu 
Knorpel  (Taf.  III,  Fig.  23  tef). 

Hinter  diesen  Knorpelflügeln  ordnen  sich  die  elastischen  Fasern 
in  paramediane  um.  Diese  Richtung  wird  im  hinteren,  sanft  abfallen- 
den Teil  der  Papilla  palatina  beibehalten  (Taf.  III,  Fig.  23  'pej).  Auch 
hier  treten  rechts  und  links  Muskeln  herein,  die  in  den  Seitenteilen 
eine  sehr  dünne  Schicht  Bindegewebe  zwischen  sich  und  dem  Epithel 
übrig  lassen,  vergesellschaftet  mit  paramedianen  elastischen  Fasern, 
die  nach  dem  Epithel  zu  weniger  dicht  liegen.  Zwischen  den  Muskeln 
und  dem  Epithel  des  eigentlichen  Papillenabhanges  zieht  sich  eine 
Schicht  aus  dichtem  Bindegewebe  hin,  das  1000  ^  in  der  Transversalen 
und  1500  //  in  der  Dicke  mißt,  eine  Schicht,  die  sich  nach  hinten  mit 
dem  allmählichen  Abfallen  auf  500  ji/  verdünnt.  In  diese  Schicht  ist  in 
der  Medianen  ein  5^/2  mm  langer  Knorpelstrang  eingebettet,  der  mit 
dem  Stützknorpel  der  Canales  naso-palatini,  der  in  die  hintere  Kappe 
der  Papille  vorstößt,  in  Verbindung  steht  und  an  der  Stelle  in  zwei 
Ausläufer  endet,  an  der  die  Schleimhaut  beginnt  zu  den  Backenzähnen 
abzusteigen.  Der  Stützknorpel  zieht  in  einer  Entfernung  von  400«, 
die  an  seinem  Ende  nur  noch  100  //  beträgt,  vom  Epithel  entfernt  diesem 
entlang.  Seine  Breite  in  der  Transversalen  gemessen  schwankt  zwischen 
700  und  900 /<,  sodaß  im  Vergleich  zur  ganzen  Gaumenbreite,  die  etwa 
5  mm  hier  beträgt,  dieses  kaum  ein  Fünftel  davon  ist.  Die  Dicke  schwankt, 
zwischen  150  und  350 /<,  nach  alledem  ein  recht  unregelmäßiges,  aus- 
gebuchtetes und  gefenstertes  Gebilde,  dem  in  der  Mitte  und  an  den 
Kanten  von  ihm  ausgehend  Spangen  parallel  verlaufen,  sodaß  der 
Transversalschnitt  oft  sechs  Querschnitte  aufweist  (Taf.  III,  Fig.  23  Tis). 
Hierzu  gesellt  sich  fast  am  Ende  des  Knorpels,  von  ihm  150 — 100  /< 
entfernt,  knocken wärts  gelegen  ein  1 Y4  mm  langes,  scharf  in  der  Me- 
dianen liegendes  und  walzenförmiges  Knorpelstückchen  mit  einem 
Durchmesser  von  200  f^i.  Ich  muß  annehmen,  daß  Zimmerl,  der  Knorpel- 
kerne im  Gaumen  von  Cavia  cobaija  erwähnt,  diesen  Knorpelstrang 
gemeint  hat;  denn  im  ganzen  übrigen  Gaumen  habe  ich  keinen  andern 
Knorpel  feststellen  können.  Er  berichtet  hierüber,  wie  im  historischen 
Teil  angeführt  worden  ist. 

Wenn  man  den  Gaumen  rein  äußerlich  betrachtet,  so  kann  man 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  niakroskop.  und  niikroskop.  Anatomie  usw.      85 

da,  wo  der  Knorpel  liegt,  auch  nicht  die  geringste  Andeutung  einer 
Leiste  boobachton,  sondern  diese  Stelle  liegt  vielmehr  im  Vergleich  zu 
der  Papilla  palatina  und  dem  folgenden  zu  den  Backenzähnen  abstei- 
genden Teil  des  Gaumens  beträchtlich  versenkt.  In  diesem  Falle  steht, 
wie  schon  angeführt  wairde,  die  Papilla  palatina  für  sich  allein  und  ist 
nicht  zur  Stütze  des  hinteren  Teiles  mit  einer  Leiste  verschmolzen. 
Da  aber  der  hintere  Teil  frei,  sogar  etwas  überhängend,  nach  hinten 
ragt,  so  dient  ihr  dieser  Knorpelstrang  als  eine  sehr  gute  Stütze.  Ander- 
seits kann  von  einer  Verringerung  des  elastischen  Gewebes  an  dieser 
Stelle  durchaus  nicht  gesprochen  werden,  sondern  dies  ist  gerade  die 
Stelle  im  ganzen  Gaumen,  in  der  das  elastische  Gewebe  in  vollkommen 
paramedianen  Verlauf  in  größter  Menge,  Dichte  und  Dicke  vorkommt, 
und  so  der  Knorpel  sozusagen  eingebettet  ist,  was  selbstverständlich 
eine  Verstärkung  der  Stütze  für  die  Papilla  palatina  herbeiführt  (Taf.III, 
Fig.  23  pef).  Es  haben  daher  Knorpel  und  elastisches  Gewebe  den 
Zweck,  >>cioe  di  reagire  alle  pressioni  a  cui  il  palato«  —  im  engeren 
Sinne  die  Papilla  palatina  —  >>viene  sottoposto  <<. 

Es  mögen  noch  einige  Zahlen  über  die  Dickenverhältnisse  des 
Stratum  germinativum  und  corneum,  in  dem  vorauf  beschriebenen 
Teil  des  Gaumens  angeführt  werden,  da  Hand  in  Hand  mit  der  Zu- 
nahme des  Epithels  an  Dicke  besonders  des  Stratum  corneum  im  fol- 
genden Teil  des  Gaumens  eine  Verringerung  des  elastischen  Gewebes 
zu  konstatieren  ist.  Echidna  aculeata  weist  ähnliche  Beziehungen  auf. 
Die  Dicke  des  Stratum  corneum  der  Rhaphe  palati  und  der  Papilla 
palatina  bewegt  sich  zwischen  40  und  100  j.i,  während  das  Stratum  ger- 
minativum 200 — 400  //  dick  ist.  Da  aber,  wo  man  es  mit  dem  Beginn 
des  Epithels  der  zu  den  ersten  Backenzähnen  absteigenden  Schleim- 
haut zu  tun  hat,  sind  die  Zahlen  für  das  Stratum  corneum  150 — 200  fi 
und  für  das  Stratum  germinativum  200 — 300  f.i.  Nach  hinten  steigen 
erstere  auf  300 — 450  /<  und  letztere  auf  300 — 400  ,«.  Es  ist  so  die 
Dicke  des  Stratum  germinativum  in  der  Rhaphe  palati,  der  Papilla 
palatina  und  der  zu  den  Backenzähnen  absteigenden  Schleimhaut  im 
Durchschnitt  dieselbe,  aber  das  Stratum  corneum  des  letzteren  über- 
trifft das  der  beiden  ersteren  um  etwa  das  Fünffache,  ja  zwischen 
den  ersten  Backenzähnen  mißt  man  600  /t  (Taf .  III,  Fig.  24  sc). 

Das  auf  das  Epithel  folgende,  aus  dicht  verfilzten  Fibrillenbündeln 
bestehende,  kernreiche  Bindegewebe  ist  ungefähr  400  u  dick,  aber  so 
zahlreich  und  dicht  die  elastischen  Fasern  in  der  Schicht  mit  dem 
Knorpelstrang  vorhanden  waren,  so  spärlich  treten  sie  hier  auf.  Nur 
ganz  vereinzelt  sind  sie  aufzufinden.    Diese  starke  Reduktion  des  ela- 


86  Jakob  Rehs, 

stischen  Gewebes  ist  wohl  auf  die  enorme  Verdickung  des  Stratum 
corneum  zurückzuführen,  das  infolge  seiner  physikalisch-mechanischen 
Beschaffenheit  ausgleichend  oder  w^enigstens  schwächend  auf  die  von 
außen  auf  den  Gaumen  einwirkenden  Kräfte  wirkt,  und  auf  diese  Weise 
die  Einwirkung  nicht  auf  das  Bindegewebe  übertragen  wird  und  so 
mit  dem  Ausbleiben  eines  funktionellen  Reizes  auch  ein  Ausbleiben 
des  elastischen  Gewebes  in  Einklang  zu  bringen  ist.  Es  würde  dieses 
der  Anschauung  von  Jores  (1900)  gegenüberstehen,  der  in  mechanischen 
Ursachen  durchaus  kein  förderndes  Moment  für  die  Neubildung  elasti- 
scher Fasern  sehen  will.  Da  nach  andern  Untersuchungen  feststeht, 
daß  die  Organe  in  bezug  auf  die  Menge  des  elastischen  Gewebes  ver- 
schieden sind,  so  muß  auch  der  Ausbildung  des  elastischen  Gewebes  bei 
gleichem  funktionellen  Beiz  in  verschiedenen  Organen  gewisse  Gren- 
zen gesteckt  sein,  deshalb  sind  seine  Beispiele  nicht  ganz  beweiskräftig. 
Die  oben  gegebene  Anschauung  würde  vielmehr  teilweise  ein  Gegen- 
stück sein  zu  den  nachfolgenden  Befunden  über  die  Zu-  oder  Abnahme 
des  elastischen  Gewebes  je  nach  dem  gesetzten  Reiz.  Woltke  (1900) 
stellte  nämlich  fest,  daß  im  Uterus  das  elastische  Gewebe  mit  zunehmen- 
dem Alter  an  Menge  zunimmt  aber  nach  dem  Alter  von  50  Jahren 
bröckelig  zerfällt  und  daß  bei  einer  stattgehabten  Konzeption  auch 
eine  bedeutende  Zunahme  des  elastischen  Gewebes  stattfindet.  Ober- 
MÜLLER  (1900)  beobachtete  eine  starke  Vermehrung  des  elastischen 
Gewebes  der  Vagina  während  der  Gravidität  und  eine  Rückbildung 
nach  dem  Klimakterium.  Fischer  (1900)  untersuchte  Gefäße,  deren 
Wand  nicht  vollkommen  durch  eine  Entzündung  zerstört  war  und  sah 
eine  sehr  reichliche  Regeneration  des  elastischen  Gewebes,  was  funktionell 
von  hoher  Bedeutung  ist.  Melnikow-Raswedenkow  (1899)  kommt 
durch  Untersuchungen  über  das  elastische  Gewebe  in  normalen  und 
pathologisch  veränderten  Organen  zu  derselben  obigen  Anschauung. 
Grohe  (1901),  Fahr  (1906),  Linser  (1900),  Teuffel  (1902)  und  Fischl 
(1903)  schließen  sich  dieser  Anschauung  an.  Nakai  (1905)  und  Schiff- 
mann ziehen  aus  Untersuchungen  an  Embryonen  den  Schluß,  daß  ge- 
wöhnlich elastisches  Gewebe  überall  da  sich  zeigt,  wo  Bewegung  sich 
vorbereitet  oder  auftritt. 

Die  enorme  Verdickung  des  Epithels  zieht  auch  eine  gute  Aus- 
bildung des  Papillarkörpers  nach  sich.  Die  Papillen  des  Bindegewebes 
stehen  sehr  dicht,  haben  an  der  Basis  einen  Durchmesser  von  40  /.i  und 
durchdringen  das  Stratum  germinativum  vollständig,  sodaß  dieses  als 
eine  spitze  Kappe  vorgewölbt  wird  (Taf.  III,  Fig.  24  fr).  Der  binde- 
gewebige Innenraum  der  Papillen  besteht  aus  Bindegewebsfibrillen,  die 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  niakroskop.  und  mikroskop.  Anatomie  usw.      87 

von  der  Basis  straff  zur  Spitze  laufen,  denen  Kapillargefäße  und  Nerven 
aber  keine  elastischen  Fasern  eingelagert  sind.  Die  Papillen  sind  von 
einer  einscliiclitigen  Lage  von  Cylinderzellen  des  Stratum  cylindricum 
umgeben,  an  die  sich  Zellen  des  interpapillaren  Stratum  spinosum  an- 
.schließen,  aber  die  zunächst  lagernden  sind  mit  dem  der  Papille  zuge- 
wandten Teil  an  die  Papillen  schräg  oder  parallel  angelagert.  Das 
interpapillare  Stratum  spinosum  besteht  aus  sehr  großen  polyedrischen 
Zellen,  deren  kürzester  Durchmesser  parallel  zur  Richtung  der  Binde- 
gewebspapille  liegt.  In  das  Protoplasma  der  Zellen  der  unteren  Schicht 
sind  Körnchen  verhältnismäßig  weit  auseinander  eingelagert,  die  sich 
mit  der  GRAMscheu  Methode  violettblau  und  mit  Del.  Hämatoxylin 
dunkelviolett  färben.  Sehr  oft  sind  zwei  runde  oder  ovale  Kerne  in 
einer  Zelle  anzutreffen.  Das  Stratum  spinosum  verstreicht  aber  nicht 
mit  den  Spitzen  der  Papillen,  sondern  es  sind  zwischen  die  Papillen 
Zellen  der  folgenden  Schicht  eingesenkt.  Diese  Schicht  besteht  aus 
polyedrischen  Zellen,  deren  kürzester  Durchmesser  auch  parallel  der 
Papille  liegt.  Die  Zellen  weisen  einen,  oft  auch  zwei  deutliche  Kerne 
auf  und  in  das  Protoplasma  sind  obige  erwähnte  Körnchen  eingelagert. 
Dieses  sind  Keratohyalinkörner,  und  die  Schicht  würde  als  Stratum 
granulosum  anzusprechen  sein,  das  auch  von  Severin  (1885)  gefunden 
worden  ist.  Eine  Schicht,  die  sich  mit  Picrocarmin  pikringelb,  nach 
Gram  gelblich,  mit  Hämatoxylin-Eosin  auch  gelblich,  mit  Wasserblau- 
Alkaliblau  nach  Frickenhaus  wasserhellblau  und  mit  Wasserblau- 
Alkaliblau- Pikrinsäure  blaugrün  färbt  und  in  die  durch  Kongorot  Reste 
von  Körnchen  rötlich  gefärbt  werden,  schließt  sich  an.  Ranvier  (1884) 
stellte  nach  Oppels  Angaben  in  dem  Epithel  der  Gaumenschleimhaut 
von  Cavia  Eleidin  fest,  das  bei  meinen  Präparaten  infolge  der  Vor- 
behandlung bis  auf  spärliche  Reste  gelöst  wurde.  Diese  Schicht  stark 
abgeflachter,  dicht  geschichteter,  glatt  konturierter  und  mit  Kern- 
resten versehener  Zellen  ist  ein  Stratum  lucidum.  Die  nächste  Schicht 
dokumentiert  sich  nach  der  GRAMschen  Methode  als  violettblaue  Zone 
imd  ist  somit  nach  Ernst  (1896)  eine  Schicht  mit  jungverhornten  Zel- 
len. Die  Zellen  der  oberflächlichsten  Schicht  sind  vollkommen  ver- 
hornt. 

Wie  schon  oben  bemerkt,  wird  von  der  Bindegewebspapille  das 
Stratum  granulosum  in  Form  einer  spitzen  Kappe  vorgewölbt.  Dieses 
überträgt  sich  auch  auf  das  Stratum  corneum,  sodaß  dieses  als  kleine 
Afdn  hohe  Höcker  über  das  Niveau  des  Epithels  hervorragen.  Die  infra- 
papillare  Kappe  des  Stratum  granulosum  setzt  sich  aus  sehr  kleinen 
Zellen  zusammen,  und  hieran  schließen  sich  nicht  die  typischen,  jung- 


88  Jakob  Rehs, 

verhornten  und  kernlosen  Zellen  des  Stratum  corneum,  sondern  durch 
dessen  ganze  Dicke  hindurch  liegen  Zellen,  durch  verhornte  Zellen 
unterbrochen,  in  einer  Reihe  öfters  mehrere  nebeneinander,  die  sich 
deutlich  von  den  gewöhnhchen  Zellen  des  Stratum  corneum  als  durch 
Pikrinsäure  intensiv  gefärbte  und  durch  ihr  schwächeres  Lichtbre- 
chungsvermögen hervortretende  unterscheiden.  Der  Kern  ist  deutlich 
sichtbar  aber  nicht  durch  Hämatoxylin  gefärbt,  und  sie  gleichen  in 
dieser  Beziehung  den  Zellen  des  Stratum  corneum,  die  dem  Stratum 
germinativum  anliegen.  Diese  Zellen  sind  wohl  identisch  mit  den  Zellen, 
die  Ellenbergek  (1887)  in  Fig.  236,  S.  392  in  einem  Schnitt  durch 
die  Sohlenpapillen  vom  Hund  wiedergibt  und  als  Markschicht  der 
suprapapillaren  Epidermis  bezeichnet.  Ich  vermute  fast,  daß  die  von 
LoBENHOFFER  (1907)  in  der  Gaumenschleimhaut  des  Schafes  und  von 
Jaenicke  (1908)  auch  bei  der  Ziege  und  dem  Pferde  gefundenen  Zellen 
Vorläufer  dieser  Zellen  sind.  Sie  verdanken  sicher  ihr  Dasein  den  bis 
dicht  an  das  Stratum  corneum  reichenden  Bindegewebspapillen.  Diese 
Zellen  erlangen  noch  dadurch  ein  höheres  Interesse,  daß  sie  auch  in  dem 
Teil  der  Gaumenschleimhaut  auftreten,  der  zwischen  den  Backen- 
zähnen liegt.  Hier  herrscht  dieselbe  Beziehung  zwischen  Epithel  und 
elastischem  Gewebe  wie  im  eben  beschriebenen  Teil.  Aber  die  ganze 
Oberfläche  des  Gaumens  ist,  wie  schon  geschildert,  mit  lingualwärts 
gerichteten,  stachelförmigen  Gebilden  besetzt.  Diese  Gebilde  stehen 
stets  mit  einer  Bindegewebspapille  in  Verbindung.  Der  Zusammen- 
hang beider  wird  noch  dadurch  deutlicher,  daß  die  oben  erwähnten, 
an  die  Spitze  der  Kappe  der  infrapapillaren  Zellen  des  Stratum  granu- 
losum  ansetzenden,  das  Stratum  corneum  durchsetzenden  Zellen  auch 
die  Achse  der  stachelförmigen  Gebilde  ausfüllen  nur  mit  dem  Unter- 
schied, daß  sie  sehr  dicht  zusammenliegen,  mit  dem  kürzesten  Durch- 
messer senkrecht  zur  Richtung  der  Papille  konzentrisch  geschichtet, 
und  so  einen  Markstrang  bilden,  dessen  Zellen  distalwärts  Kennzeichen 
einer  Verhornung  tragen  (Taf.  III,  Fig.  24  sr).  An  diesen  Strang  legen  sich 
parallel  mit  ihm  Zellen  des  Stratum  corneum  an.  An  der  Basis  sind  es 
Zellen  des  Stratum  lucidum.  Es  folgen  als  ein  Mantel  um  den  Mark- 
strang zwei  bis  drei  Lagen  von  Zellen,  die  jungverhornt  sind,  denen 
verhornte  Zellen  anliegen.  Der  Markstrang  reicht  nicht  bis  zur  Spitze 
der  Papillen,  sondern  wird  distalwärts  von  jungverhornten  Zellen  um- 
geben, sodaß  die  eigentliche  Papillenspitze  aus  total  verhornten  Zellen 
besteht.  Es  ist  wohl  nicht  von  der  Hand  zu  weisen,  daß  dieser  zentrale 
Strang,  der  die  Verbindung  herstellt  zwischen  den  der  Teilung  fähigen 
Zellen  des  Stratum  cylindricum,  das  die  Spitze  der  Bindegewebspapille 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  inakrosI<o|).  und  niikroskop.  Anatomie  usw.      89 

bedeckt,  und  zwischen  den  die  Stacheln  bedeckenden,  verhornten  Zellen, 
eine  wichtige  Rolle  beim  Er.satz  der  letzteren,  sich  besonders  stark 
abnutzenden  Zellen  spielt.  Die  mit  den  einfachen  Zellreihen  vor  den 
Backenzähnen  liegenden  Höcker  würden  so  nur  einen  Übergang  be- 
deuten zwischen  den  in  der  Rhaphc  palati  und  der  Papilla  palatina  vor- 
kommenden einfachen  Papillen  des  Papillarkorpers  und  den  Papillen, 
die  eine  Fortsetzung  in  den  stachelförmigen  Gebilden  mit  dem  zentralen 
Strang  finden  (Taf.  III,  Fig.  24  joo). 

Diese  Papulae  operariae  dienen  im  Verein  mit  der  von  Papillen 
bedeckten  Zunge  durch  die  lingualwärts  gerichteten  Spitzen  zur  Bewälti- 
gung der  Nahrung  und  schützen  die  Schleimhaut  vor  mechanischen 
Insulten  durch  die  Nahrung.  Sie  sind  so  zweifelsohne  ein  trefflicher 
Ersatz  für  die  Gaumenleisten.  Daß  diese  Papillae  operariae  aber  im  Laufe 
der  phylogenetischen  Entwicklung  als  Zerfallsprodukte  aus  Leisten 
hervorgegangen  sind,  ist  wohl  a  priori  nicht  anzunehmen,  da  nicht  ein- 
mal eine  irgendwie  gestaltete  transversale  Anordnung  von  Stacheln 
auch  nur  augedeutet  ist. 

Der  weiche  Gaumen  schließt  sich  mit  dem  Ende  des  knöchernen 
Palatinums  (Textf  ig.  4  a,  pmo)  an  den  vorher  beschriebenen  Teil  der 
Gaumenschleimhaut  an.  Oberflächlich  ist  er  an  den  Seiten  mit  sehr 
kleinen  Längsfalten  bedeckt,  wie  es  von  den  hinteren  Seitenteilen  des 
harten  Gaumens  beschrieben  \vurde.  Das  Epithel  setzt  sich  aus  dem 
20  /<  dicken  Stratum  corneum  und  dem  60  u  dicken  Stratum  germina- 
tivum  zusammen,  dessen  Papillarkörper  aus  kleinen  breiten  Papillen 
ohne  elastische  Fasern  besteht.  Das  homogene,  QO  ^i  dicke  Binde- 
gewebe weist  von  vorn  nach  hinten,  nach  den  Seitenrändern  und  dem 
Epithel  zu  an  Menge  zunehmende,  sich  durchkreuzende  elastische 
Fasern  in  paramedianem  Verlauf  auf.  Auf  das  Bindegewebe  folgt  ein 
mächtiges  Drüsenlager,  das  nach  vorn  und  den  Seiten  keilförmig  aus- 
läuft und  durch  interstitielles  Bindegewebe  in  einzelne  Pakete  zer- 
legt wird.  Weite  Schläuche  mit  mehrschichtigem  Epithel,  die  sich  zwi- 
schen die  Drüsen  einsenken  und  sich  verzweigen,  besorgen  die  Kom- 
munikation mit  der  Mundhöhle.  Aber  es  sind  keine  Beziehungen  des 
elastischen  Gewebes  zu  den  Drüsen  selbst  und  zu  den  Ausführungs- 
gängen vorhanden.  Zwischen  dem  Drüsenlager  und  dem  Zylinder- 
epithel der  Rückwand  des  Gaumensegels,  das  nach  hinten  in  ein  mehr- 
schichtiges Plattenepithel  übergeht  und  keinen  Papillarkörper  hat, 
schiebt  sich  eine  250  f.i  dicke  Bindegewebsschicht  aus  gewellten  Binde- 
gewebsbündeln  in  paramedianen  Verlauf  ein.  Hier  tritt  das  elastische 
Gewebe  besonders  in  einer  Schicht  verdichtet  auf,  die  in  einer  Ent- 


90  Jakob  Rehs, 

feruimg  von  40  /t  dem  Epithel  parallel  läuft  und  als  eine  subepitheliale 
Schicht  anzusprechen  ist,  die  aber  im  hinteren  Teil  ausgeprägter  ist 
als  im  vorderen.  Auffallend  viele  und  dicke  elastische  Fasern  enthält 
das  Perimysium  externum  des  Gaumensegelmuskels,  die  dem  Verlauf 
des  Muskels  folgen  und  Abzweigungen  besonders  von  der  Kückwand 
aus  in  das  Perimysium  internum  senden  und  so  den  Tonus  des  Muskels 
wesentlich  unterstützen,  wie  es  Schuetz  von  dem  elastischen  Gewebe 
innerhalb  der  Muskulatur  der  Cardia  des  Magens,  wo  kein  eigener 
Sphincter  vorhanden  ist,  annimmt. 

Sciurus  vulgaris  ist  der  Typus  für  einen  Teil  der  hystricognathen 
und  für  alle  sciurognathen  Simplicidentaten,  deren  zwischen  den  Nage- 
zähnen und  den  ersten  Backenzähnen  gelegener  Teil  der  Gaumenschleim- 
haut  drei  wohlausgebildete  oder  auch  mehrere  Leisten  aufweist.  Bei 
allen  diesen  liegt  eine  vollkommen  normale  Ausbildung  der  das  knö- 
cherne Gaumendach  mit  zusammensetzenden  Maxillae  vor  (Text- 
fig.  6  A,  71%)  und  dementsprechend  eine  mehr  oder  weniger  parallele  Stel- 
lung der  Backenzahnreihen  des  Oberkiefers  (Textfig.  6  B)  oder  eine  nur 
schwache  Konvergenz  derselben.  Diesen  Zusammenhang  stellte  ich  fest 
bei  hystricognathen  Schädeln  yon  Hystrix  cristata  (Textfig.  7  J.,  B),Dasy- 
procta  aguti  (Tullb.,  Taf.  V,  Fig.  5),  Coelogenys  faca,  Echinomys  cayen- 
nensis  (Tullb.,  Taf.  VIII,  Fig.  5),  Cannabateomys  amblyonyx,  dessen 
Schädel  nach  Tullberg  mit  dem  von  Echinomys  übereinstimmt.  Die 
Gaumen  aller  dieser  genannten  Formen  haben  im  vorderen  Abschnitt 
drei  Leisten  (Tullb.,  Taf.  XXXVI,  Fig.  2,  bzw.  3,  S.  94,  Fig.  6,7).  Hier- 
aus ist  ersichtlich,  daß  Dasyprocta  aguti  und  Coelogenys  ]Mca,  die  Tull- 
berg (1900)  zu  den  Caviiden  stellt,  obgleich  sie  auch  in  andrer  Hin- 
sicht den  Hystriciden  nahestehen,  in  bezug  auf  die  Bildung  des  knöcher- 
nen Gaumendaches  und  auf  das  Vorhandensein  von  drei  Leisten  mit 
Hystrix  cristata  übereinstimmen.  Zittel  (1891/93)  hat  auch  beide  zu 
der  Familie  der  Dasyproctidae  vereinigt  und  läßt  sie  der  der  Hystri- 
cidae  folgen.  Trouessart  (1898/99)  schheßt  Dasyprocta  und  Coelo- 
genys in  die  Familie  der  Agoutidae  ein  und  stellt  sie  vor  die  Caviidae. 
Alle  Sciurognathen  stimmen  mit  dem  bei  Sciurus  vulgaris  gekennzeich- 
netem Typus  überein.  Ich  überzeugte  mich  von  der  Bildung  des  knö- 
chernen Gaumendaches  an  Schädeln  von  Anomalurus  Beekrofti,  siehe 
auch  Anomalurus  Peli  (Tullb.,  Taf.  IX,  Fig.  13,  18)  dessen  vorderer 
Teil  des  Gaumens  3  Leisten  besitzt  (siehe  auch  Tullb.,  Taf.  XXXVI, 
Fig.  12),  wenn  auch  nicht  von  der  Hand  zu  weisen  ist,  daß  dieser 
ebenso  wie  Ctenodactylus  gundi  (Tullb.,  Taf.  IX,  Fig.  1  u.  6  und 
Taf.  XXXVI,  Fig.  13)  mehr  einem  Übergangsstadium  angehört.    Sciu- 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  niakroskop.  und  mikroskop.  Anatomie  usw.      91 

rusähnlich  sind  Mijoxus  glis  (siehe  auch  Tullb.,  Taf.  XI,  Fig.  1  u.  6), 
welches  Tier  vorn  drei  Leisten  hat  (Tullb.,  Taf.  XXXVI,  Fig.  14), 
Muscardmus  avellanarius,  das  nach  Tullberg  auch  drei  Leisten 
hat,  Dipus  aegypticus  (siehe  auch  Tullb.,  Taf.  XII,  Fig.  1  u.  6) ,  wo 
drei  Leisten  vorhanden  sind  (Tullb.  Taf.  XXXVI,  Fig.  15),  Fiber 
zibethicus,  bei  dem  nach  Tullberg  drei  Leisten  nachzuweisen  sind, 
Hesperomys  longicaudatus ,  indem  Hesperomys  leucopus  drei  Leisten 
hat  (Tullb.,  Taf.  XXXVI,  Fig.  22),  Mus  decumanus  (siehe  auch 
Tullb.,  Taf.  XVII,  Fig.  1  u.  6),  wo  ebenfalls  drei  Leisten  zu  finden 
sind  (Tullb.,  Taf.  XXXVI,  Fig.  25),  Nesohia  setifer  mit  drei  Leisten 
nach  Tullberg,  Spahx  typJdus  (siehe  auch  Tullb.,  Taf.  XIII,  Fig.  23 
u.  28)  und  Gymnuromys  roberti,  Cynomys  ludovicianus  und  Tamias 
striatus,  bei  denen  die  Zahl  der  Leisten  auf  vier  gestiegen  ist  (Tullb., 
Taf.  XXXVI,  Fig.  17,  19,  S,  302  u.  305),  und  Arctomys  marmotta 
(siehe  auch  Tullb.,  Taf.  XX,  Fig.  15,  17)  nnd  Castor  canadensis  (Tullb., 
Taf.  XXII,  Fig.  1  u.  5),  die  5  Leisten  haben  (Tullb.,  Taf.  XXXVI, 
Fig.  30,  31).  Auch  alle  andern  von  Tullberg  abgebildeten  Gaumen 
mit  drei  oder  mehreren  Leisten  liegen,  wäe  aus  der  Schädelbildung 
hervorgeht,  die  von  seinen  Figuren  wiedergegeben  wird,  einem  nor- 
malen knöchernen  Gaumendach  an. 

Wie  Sciurus  vulgaris  (Retzius,  Taf.  XL,  Fig.  1),  so  besitzen  auch 
die  Mehrzahl  der  eben  aufgeführten  Formen  zwischen  den  Backen- 
zähnen wohlausgebildete  Leisten,  deren  Anzahl  Schwankungen  unter- 
worfen ist  imd  in  Beziehung  hierzu  eine  Zunge  ohne  Absatz,  wie  Text- 
fig.  6  C  es  bei  Sciurus  vulgaris  und  Textfig.  7  C  bei  Hystrix  cristata 
zeigt.  Außerdem  seien  zum  Vergleich  angeführt  die  Gaumen  und  Zun- 
gen von  Coelogenys  paca  mit  vier  hinteren  Leisten  und  einer  Zunge,  die 
der  von  Hystrix  gleicht  (Tullb.,  Taf.  XXXVII,  Fig.  5),  von  Myoxus 
glis  mit  vier  hinteren  Leisten  und  einer  Zunge  ohne  Absatz  (Tullberg, 
Taf.  XXXVII,  Fig.  18  u.  19),  von  Gymnuromys  roberti  mit  fünf  hinteren, 
gut  entwickelten  Leisten  (Tullb.,  Taf.  XXXVII,  Fig.  19)  und  einer 
Zunge,  die  der  von  Sciurus  ähnlich  sieht  (Tullb.,  Taf.  XXXVII, 
Fig.  27),  von  Cricetus  frumentarius  mit  fünf  Leisten  (Tullb.,  Taf. 
XXXVI,  Fig.  20),  und  die  Zunge  ermangelt  eines  Absatzes  (Tullberg, 
Taf.  XXXVIII,  Fig.  2).  Hesperomys  leucopus  mit  vier  hinteren  Falten 
(Tullb.,  Taf.  XXXVI,  Fig.  22),  und  die  Zunge  ist  glatt  (Tullb.,  Taf. 
XXXVIII,  Fig.  6),  von  Mus  decumanus  mit  fünf  hinteren  Leisten,  und 
die  Zunge  gleicht  den  vorhergehenden  (Tullb.,  Taf.  XXXVIII,  Fig.  8). 
Es  scheint  im  allgemeinen  festzustehen,  daß  für  eine  vollkommene  Aus- 
bildung der  Gaumenleisten  ein  nicht  zu  schmaler  Raum  zwischen  den 


92  Jakob  Eehs, 

Backenzähnen  zur  Verfügung  stehen  muß  und  daß  die  Gaumen,  bei 
denen  die  Länge  dieses  Kaumes  zur  Breite  im  Verhältnis  von  2 :  1  steht, 
vollkommene  Leisten  aufweisen. 

Der  besseren  Übersicht  wegen  habe  ich  die  Beziehung,  die  zwischen 
der  Ausbildung  der  Leisten  im  vorderen  Teil  des  Gaumens  und  der  Kon- 
figuration dieses  Teiles  des  knöchernen  Gaumendaches  einerseits  und 
der  Ausbildung  der  Gaumenleisten  im  hinteren  Teil  des  Gaumens  und 
der  Bildung  der  Zunge,  bzw.  Stellung  der  Backenzahnreihen  des  Ober- 
kiefers anderseits  im  Anschluß  an  das  von  Tullberg  aufgestellte 
System  der  Simplicidentaten  zusammengestellt. 

A.  HystricognatJii. 
I.  Bathyergomorphi. 
1.  Bathyergidae. 

Georychus  capensis  Pall Vq  =  Ca.        h-  =  4  :  l,ZoA. 

II.  Hystricomorphi. 

1.  Hystricidae. 

Hystrix  cristata  L v^  =  S.         h^  =  2  :  l,ZoA. 

2.  Caviidae. 

Coelogenys  paca  L v^  =  S.  h^  =  2  :  l,ZoA. 

Dasyprocta  aguti  L v^  =   8.  h^  =  2  :  l,ZoA. 

Cavia  porcellus  L Vq  =  C.  h^  =          ZmA. 

Hydrochoerus  capyraba  Erxl Vq  =  C.  /io  =          ZmA. 

3.  Erethizontidae. 

Erethizon  dorsatus  L v^  —  CuS.  h-  =  ZmW. 

4.  Chinchillidae. 

Chinchilla  laniger  Mol Vq  =  C.        h-  =  ZmA. 

Lagostomus  trichodactylus  Brook ^'i-=  C.        Hq  =  ZmA. 

5.  Echinomyidae. 

Myopotamus  coypus  Mol Vq  =  C.        h^  =  ZmA 

Echinomys  cayennensis  Desm v^  ^  S.        h-  =  3  :  l,ZklA. 

Cannabateomys  amhlyonyx  Wag v^  =  S.        h-  —  3  :  l,ZklA. 

Ododon  degus  Mol «3-=  C.        h-  =  ZklA. 

Ctenomys  magellanicus  Bennet Vq  =  CtiS.  hQ  =  3  :  1,ZMA. 

B.  Sciurognathi. 

I.  Myomorj)hi. 

a.  Ctenodactyloidei. 

1.  Ctenodactylidae. 

Ctenodaciylus  gundi  Pall Vs  =  S.        h-  =  4  :  l,ZmA. 

b.  Aiiomaluroidei. 

1.  Anomaluridae. 

Anomalurus  peli  Temm v^  =  S.        h-  =   4  :  1,  ZoA. 

2.  Pedetidae. 

Pedetes  caffer  Pall v^  =  S.        h-  =  2  :  1,  ZmW. 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  makroskop.  und  mikroskop.  Anatomie  usw.      93 

c.  Älyoxidc'i. 

((.  Myoxiformes. 
1.  Myoxidae. 

Graph iurus  nagtglasi  JtMit v^  =  S.  h^  —  2  :  1,  ZoA. 

Graph iurus  murinnii  Dcsm.      ...  V3  —  S.  h^  =  2  :  1,  ZoA. 

Mi/ortis  glis  L v^  =  S.  h^  =  2  :  1,  ZoA. 

Muscardinus  aveUanarius  L.     ...  ^3  =:  ^.  Ji^  =  2:1,  ZoA. 
ß.  Dipodiformes. 
1.  Dipodidae. 

iSminthiis  subtilis  Pall v^  =  S.  ^4-=  2  :  1,  ZmA. 

Zapus  hudsonius  Zimm v^  =  S.  h^  =  2  :  1,  ZoA. 

Dipus  aegyptkus  Hasselqu ^'4  =  S.  h-  =  2  :  1,  ZmA. 

y.  Muriformes. 

1.  Spakvcidae. 

Spohix  typhlus  Pall V4  =  S.  Ä-  =  2  :  1,  ZmA. 

Rhizomys  sp ^4  =  *S.  h-  =  2  :  1,  ZmA. 

2.  Xesomyidae. 

Gymmiromys  roberti  Major,      ...  v^  =  S.  h^  =  2  :  1,  ZoA. 

3.  Cricetidae. 

Cricetus  frumentarius  Pall v^  —  S.  h^  =  2  :  1,  ZoA. 

4.  Ai'vicolidae. 

Arvicola  amphibiiis  L %  =  >S.  A4-  =  2:1,  ZmA. 

Neofiber  alleni  True v^  =  S.  h^  =  2  :  1. 

Fiber  zibethicus  L v^  =  S.  h^  =  2  :  1. 

Cnniculus  torquatus  Pall V4  =  *S.  h-. 

Myodes  lemnus  L v^  =  S.  A4. 

Myodes  schisticolor  Lillje v^  =  S.  h^. 

5.  Hesperomyidae. 

Hesperomys  leucopus  Rafin.      ...  v^  =  S.  A4  =  2  :  1,  ZoA. 

Neotoma  jloridana  Say  et  Ord.    .    .  V3  =  S.  h^  =  2  :  1,  ZklA. 

Sigmodon  hispidus  Say  et  Ord.      .  v^  =  S.  h^  =  2  :  1. 

Oxymyctenis  rufus  Desm v^  =  S.  h^  =  2  :  1. 

6.  Muridac. 

Mus  decumanus  Pall v^  =  S.  h^  =  2  :  1,  ZoA. 

Nesokia  indica  Gray? v^  =^  S.  h^  =  2  :  1,  ZoA. 

Hapalotis  sp v^  =  S.  Ä5  =             ZmA. 

Ilydromys  chrysogaster  E.  Geoffr.     .  v^  =  S.  h^-=  2  :  1,  ZklA. 

Dendromys  mesomelas  Brants.      .    .  v^  =  S.  h^-. 

Steatomys  edulis  Pet v^  =  8.  h^  =  2  :  1. 

Saccostomus  lapidarius  Pet.     ...  v^  =  8.  h^^  =  2  :  1. 

Otomys  unisulcatus  F.  Cuv v^  =  8.  h^  =  4  :  1,  ZklA. 

1.  Gerbillidae. 

Gerbillus  pyramidum  J.  Geoffr.    .    .  v^  =  8.  7^4  =  2:1,  ZklA. 

Psammomys  obe-sus  Cretschmar    .    .  v^  =  8.  hi-=  2  :  1,  ZklA. 
II.  Sciuromorphi. 
a.  Sciuroidei. 

1.  Haplodontidae. 

Haplodon  ruftis  Rafiu V2  —  8.  h^  =  3  :  1,  ZoA. 


s. 

1h- =  2  :1,  ZklA. 

s. 

I15  =             ZoA. 

s. 

h^  =  3  :  1,  ZoA. 

94.  Jakob  Rehs, 

2.  Sciuridae, 

Sciurus  vulgaris  L v^  =  S.  h^  =  2  :  1,  ZoA. 

Sciuropterus  volucella  Pall v^  =  S.  li^  =  2  -.  1. 

Arctomys  marmotta  L v^  =  S.  /iviel=  2:1. 

Cynomys  ludovicianus  Ord v^  =  S.  Äviel=  2  :  1. 

S petmophiliis  tridecimlineatus  Mitch.   .  v^  =  S.  h^  =  2  :  1. 

Tamias  striatus  L V4^  —  S.  h^  =  2  :  1,  ZoA. 

b.  Castoroidei. 

1.  Castoridae. 

Castor  canadensis  Kühl v^  =  8.        Iiq  =  2  :  1,  ZmA. 

c.  Geomyoidei. 

1.  Geomyidae. 

Perodipus  agilis  Gambel ^3  = 

Heteromys  sp i's  = 

Geomys  tuza  Ord V3  — 

Zeichenerklärung. 

C  —  Bildung  des  vorderen  Teils  des  knöchei'nen  Gaumendaches  wie  bei 
Cavia  cobaya.  Ca  —  Bildung  des  vorderen  Teils  des  knöchernen  Gaumendaches 
ähnlich  wie  bei  Cavia  cobaya.  Cu  8  =  Bildung  des  vorderen  Teils  des  knö- 
chernen Gaumendaches  hegt  zwischen  der  von  Cavia  cobaya  und  Sciurus  vul- 
garis. 8  —  Bildung  des  vorderen  Teils  des  knöchernen  Gaumendaches  wie  bei 
8ciurus  vulgaris.  ZoA  =  Zunge  ohne  Absatz.  ZmA  =  Zmige  mit  Absatz. 
ZmW  =  Zimge  mit  Wulst.  ZklA  =  Zunge  mit  kleinem  Absatz.  Vq,  Vx-,  v^-y 
V2,  Vs,  t'4  und  V5  =  Gaumen  zwischen  den  Nagezähnen  und  den  Backenzähnen 
keine  — ,  eine  undeutHche  — ,  ch-ei  undeutliche  — ,  zwei  — ,  cbei  — ,  vier  — •  und 
fünf  Gaumenleisten,  h^,  h-,  h^-,  h^-,  ho,  h^,  h^,  h^,  hg,  /i-  und  Ziviel  =  Gaumen 
zwischen  den  Backenzahnreihen  keine  — ,  undeutliche  ■ — ,  vier  undeutliche  — , 
fünf  undeutliche  — ,  zwei  — ,  drei  — ,  vier  — ,  fünf  — ,  sechs  — ,  sieben  —  imd 
viele  Gaumenleisten.  2:1,  3:1,  4:  1  =  das  Verhältnis  der  Länge  des  zwischen 
den  Backenzahnreihen  gelegenen  Teiles  des  Gaumens  zu  seiner  Breite. 

Den  äußeren  Bau  des  Gaumens  von  Sciurus  vulgaris  hat  Retzius 
(1906)  beschrieben  und  einen  Gaumen  auf  Taf.  XL,  Fig.  1  abgebildet. 
Aber  es  bleibt  einiges  richtig  zu  stellen  und  nachzutragen.  Er  hat  es 
unentschieden  gelassen,  was  als  die  Papilla  palatina  anzusprechen  ist. 
Er  schreibt  darüber:  »Vor  diesen  Leisten  findet  sich  noch  eine  bogen- 
förmige Leiste,  welche  vorn  in  der  Mitte  einen  rundhchen,  ovalen  Aus- 
wuchs, eine  scharf  begrenzte  Erhabenheit  trägt,  die  vielleicht  als  die 
Papilla  palatina  zu  bezeichnen  ist,  obwohl  sie  hier  nicht  dicht  hinter 
den  Schneidezähnen  liegt.  Es  findet  sich  nämlich  zwischen  ihrem 
vorderen  Eande  und  diesen  Zähnen  eine  schmale,  von  den  zusammen- 
gebogenen Lippenrändern  eingefaßte  Rinne,  welche  beim  Eichhörn- 
chen nur  kurz  ist,  während  sie  bei  manchen  andern  Nagern  recht  lang 
sein  kann.   Am  Boden  dieser  Rinne  sieht  man  noch  eine  längliche,  aber 


Beiträge  zur  K<"niitnis  der  üiakroskop.  iiiul  niikroskop.  Anatomie  usw.      95 

ziemlich  niedrige  uiul  schiiuile  Erhabenheit,  welche  vielleicht  auch 
der  fraglichen  Papille  entsprechen  kann«.  Eine  genaue  Betrachtung 
der  Region  der  Papilla  palatina  zeigt,  daß  der  vorn  in  der  Mitte  der 
Region  der  Papilla  palatina  gelegene,  rundliche,  ovale  Auswuchs  die 
Papilla  palatina  ist,  da  man  ganz  deutUch  die  Ausmündungsstelleu 
der  Canales  naso-palatini  sondieren  kann.  Bei  der  RETZiusschen  Ab- 
bildung sind  sie  ungefähr  in  die  Scheitelpunkte  der  beiden  recht- 
winkligen Figuren  in  der  Region  der  Papilla  palatina  eingezeich- 
net zu  denken,  eine  Stelle,  die  sowohl  durch  Paramedianschnitte  wie 
durch  Transversalschnitte  als  solche  bestätigt  wird.  Man  kann  es 
nicht  als  ein  Kriterium  für  die  Lage  der  Papilla  palatina  hinstellen, 
daß  sie  dicht  hinter  den  Schneidezähnen  liegen  müsse,  da,  wie  schon 
bei  Cavia  näher  besprochen  A\T.irde,  eine  mehr  oder  weniger  länge  Rhaphe 
palati  eingeschobon  sein  kann.  Eine  solche  Verschmelzung  der  Papilla 
palatina  mit  der  ersten  Gaumenleiste  beobachtete  ich  auch  bei  Ano- 
mcdurus  Beecrofti,  bei  welchem  Tier  der  Zusammenschluß  nicht  so 
innig  ist  wie  bei  Sciurus,  bei  Arctomys  marmotta,  Dasyprocta  fuliginosa, 
Microtus  arvalis,  Sciurus  indicus,  Cricetomys  gambianus.  Tullberg 
bildet  sie  ab  auf  Taf.  XXXVI  bei  Hystrix  cristata  (Fig.  2),  Anomalurus 
Beecrofti  (Fig.  12),  Myoxus  glis  (Fig.  14),  Zapus  hudsonius  (Fig.  16), 
Gymnuromys  roherti  (Fig.  19),  Cricetus  frumentarius  (Fig.  20),  Arvicola 
amphibius  (Fig.  21),  Hesperomys  leucopus  (Fig.  22),  Oxymycterus  rufus 
(Fig.  24),  Hydromys  chrysogaster  (Fig.  26),  Sciurus  vulgaris  (Fig.  29), 
Arctomys  tnarniotta  (Fig.  30)  und  Geomys  tuza  (Fig.  33). 

Der  Paramedianschnitt  (Taf.  III,  Fig.  25  pp,  1)  gibt  auch  darüber 
Aufschluß,  ob  man  die  hintere  wallartige  Abgrenzung  der  Region  der 
Papilla  palatina  als  erste  Gaumenleiste  zu  deuten  hat.  Da  sie  im  Bau 
vorzüglich  aber  ihre  äußeren  Flügel  den  andern  Leisten  ähneln,  so  ist 
sie  tatsächlich  die  erste  Gaumenleiste.  Ihr  mittlerer  Abschnitt  ist  mit 
der  eigentlichen  Papilla  palatina  zu  einem  Komplex  verschmolzen,  was 
natürlich  für  die  Festigkeit  der  Papille  nicht  ganz  unwesentlich  ist. 

Die  Rhaphe  palati  setzt  in  einer  Höhe  von  1/2  mm  und  einer  Breite 
von  1  mm  hinter  den  Schneidezähnen  an,  erreicht  mit  einer  Höhe  von 
1  nun  und  einer  Breite  von  1 1/2  ^"^  ^^"^  Ende.  Die  Seitenwände  erheben 
sich  etwas  der  Medianen  zugeneigt  aus  der  Furche.  Die  First  ist  ge- 
wölbt (Taf.  III,  Fig.  25  rp).  An  die  Rhaphe  palati  schließt  sich  1  mm 
steil  abfallend  der  vordere  Teil  der  Papilla  palatina  an  (Taf.  III,  Fig. 
25  pp).  Sie  erhebt  sich  im  Durchschnitt  2  mm  über  die  Furche  und 
nimmt  allmählich,  in  der  Transversalen  gemessen,  bis  3  mm  zu,  um  dann 
in    die    erste    Leiste     überzugehen.      Die    Seitenwände    der    Papilla 


96  Jakob  Rehs, 

palatina  stehen  zur  Talfurche  senkrecht  und  die  First  ist  schwach  ge- 
wölbt. 

Aus  der  RETZiusschen  Figur  könnte  man  ferner  die  Anschauung 
gewinnen,  daß  die  Rückwände  der  ersten,  zweiten,  dritten,  vierten  und 
fünften  Gaumenleiste  sehr  steil  wären,  während  die  Vorderwände  der 
zweiten,  dritten,  vierten  und  fünften  sehr  schräg  zum  Gaumen  ständen. 
Wie  aber  der  Paramedianschnitt  (Taf .  IV,  Fig.  26,  2  u,  3)  durch  die 
zweite  und  dritte  Leiste  bekundet,  ist  gerade  das  Umgekehrte  der  Fall. 

Im  Anschluß  hieran  soll  die  Verteilung  des  elastischen  Gewebes 
und  der  allgemeine  histologische  Aufbau  der  Schleimhaut,  soweit  dieses 
für  die  Einordnung  des  elastischen  Gewebes  von  Wichtigkeit  ist,  einer 
Betrachtung  unterzogen  werden.  Ehe  ich  auf  die  einzelnen  Teile  der 
Gaumenschleimhaut  eingehe,  soll  die  dünne  Schicht  mit  paramedianen 
elastischen  Fasern,  die  dem  Periost  des  knöchernen  Gaumendaches 
anliegt,  aber  nicht  an  allen  Stellen  die  gleiche  Dicke  besitzt,  erwähnt 
werden,  deren  Bedeutung  für  den  Knochen  im  allgemeinen  (Schulz, 
1894/95)  einer  Betrachtung  unterzogen  hat. 

Der  histologische  Aufbau  der  oben  beschriebenen  Rhaphe  palati 
gleicht,  was  das  Epithel,  den  Bau  und  die  Verteilung  des  Bindegewebes 
und  der  Muskeln  anbelangt,  mit  einigen  Abweichungen,  die  besonders 
die  Verteilung  des  elastischen  Gewebes  betreffen,  dem  von  Kohl- 
meyer (1906)  bei  Mus  decumanus  beschriebenen.  Man  kann  daher 
auf  dessen  Textfig.  2,  die  einen  Transversalschnitt  durch  die  Längs- 
leiste darstellt,  verweisen.  Wie  bei  Mus  decumanus,  so  dringen  auch 
hier  links  und  rechts  die  Muskelbündel  der  beiden  oberen  Schneide- 
zahnmuskeln in  transversaler  Richtung,  die  je  von  einem  Perimysium 
externum  eingeschlossen  sind,  deren  lockere  Bindegewebsfasern  und 
vielen  dicken  elastischen  Fasern  denselben  Verlauf  wie  die  Muskel- 
bündel zeigen,  ein.  Aber  auch  zwischen  die  einzelnen  Muskelbündel  in 
das  Perimysium  internum  senken  sich  die  elastischen  Fasern  mit  den 
Muskelbündeln  gleichgerichtet  (Taf.  III,  Fig.  25  u.  Taf.  IV,  Fig.  27  m,  tef). 
Diese  elastischen  Fasern,  sowohl  die,  welche  die  Muskeln  äußerlich  beklei- 
den wie  die  im  Innern,  stehen  also  in  enger  Beziehung  zu  den  Muskeln 
selbst,  sie  setzen  sich  aber  nicht,  wie  bei  Mus  decumanus  in  die  400  i^i 
dicke  Schicht  Bindegewebe  fort,  die  zwischen  den  Muskeln  median- 
wärts  liegt.  Sie  ist  also  in  die  Längsrichtung  der  Rhaphe  palati  ein- 
gestellt, eine  Richtung, «die  mit  den  sehr  reichlich  vorhandenen,  gegen 
die  eben  genannte  Schicht  scharf  abgesetzten  elastischen  Fasern  in 
der  Schicht  mit  dichtverfilztem  Bindegewebe  übereinstimmt,  die  zwi- 
schen der  Mittelschicht  und  dem  250 /<  dicken  Epithel  liegt  und  der 


Beiträge  zur  Ki-imlnis  der  makroskop.  und  niikroskop.  Anatomie  usw.      97 

Propria  mucosae  angehört.  Die  elastischen  Fasern  durchkreuzen  sich 
auf  ihrem  Wog.  und  so  entstellt  ein  Flechtwerk. 

Der  Papillarkürper  dieser  Schicht  setzt  sich  zusammen  aus  para- 
median verlaufenden  Epithelwülsten,  die  durch  kleinere  Wülste  unter- 
einander verbunden  sind,  und  die  Zwischenräume  ausfüllende  Binde- 
gewebswülste  mit  Papillen  auf  breiter  Basis  aus  homogenem  Binde- 
gewebe. Bindegewebe  und  Epithel  sind  durch  eine  zarte  Basalmembran 
getrennt.  An  diese  Basalmembran  oder  nicht  weit  von  ihr  entfernt 
lagern  sich  an  die  Epithel wülste  die  paramedianen  elastischen  Fasern 
dichter  zusammen,  und  auf  einem  Transversalschnitt  macht  es  den 
Eindruck  einer  durch  die  Querschnitte  der  Bindegewebswülste  unter- 
brochenen Guirlande.  Aus  diesen  elastischen  Fasern  wie  aus  der  ganzen 
anliegenden  Schicht  biegen  elastische  Fasern  zum  Epithel  und  in  die 
Papillen  ab. 

Der  Papillarkörper,  der  zwischen  der  Bindegewebsschicht,  die 
den  Muskel  nach  dem  Epithel  zu  begrenzt,  und  dem  letzteren  liegt, 
enthält  schlanke,  hohe  Papillen  und  ist  von  dünnen  Bindegewebsfasern 
mit  viel  Kittsubstanz  dazwischen  ausgefüllt.  Wenige  dünne  elastische 
Fasern  kommen  von  den  elastischen  Fasern  des  Perimysium  externum, 
steigen  zum  Epithel  und  in  die  Papillen  und  werden  auf  ihrem  Weg 
von  paramedianen  elastischen  Fasern  gekreuzt.  Es  fehlt  hier  die  Basal- 
membran und  die  anschließende  dünne  Schicht  mit  paramedianen  ela- 
stischen Fasern. 

An  die  Schicht  zwischen  den  beiden  Muskeln  schließt  sich  eine 
ebensolche  dicke  Schicht  an,  begrenzt  von  dem  knöchernen  Gaumen- 
dach. Sie  besteht  aus  dünnen  Bindegewebsplatten  mit  transversal  und 
median  verlaufenden  Bindegewebsbündeln,  die  vereinzelte  oder  in 
Haufen  zusammenliegende  Fettzellen  umschließen  und  zwischen  diese 
Fettzellen  dickere  oder  dünnere  Bündel  in  netzförmiger  Ausbildung 
schicken.  Das  elastische  Gewebe  ordnet  sich  so  ein,  daß  seine  Haupt- 
masse in  den  äußeren  Schichten  der  Bindegewebsplatten  sich  ausbreitet 
und  in  demselben  Sinne  wie  die  Bindegewebsbündel  gerichtet  ist.  Von 
hier  entsendet  es  elastische  Fasern  als  ein  dichtes  Netzwerk  zwischen 
die  Fettzellen,  diese  umspinnend. 

Hier  treten  noch  paramedian  gestreckte  Stränge  eines  Gewebes  auf 
mit  größerem  oder  kleinerem  Durchmesser,  das  der  Hauptsache  nach 
aus  einer  homogenen  Grundsubstanz,  die  wie  die  Basalmembran  schwach 
oder  garnicht  gefärbt  und  von  sehr  w^enigen  dünnen  Bindegewebs- 
fibrillen  durchzogen  ist.  Die  Stränge  liegen  ebenso  wie  die  Gruppen 
der  Fettzellen  zwischen  den  Bindegewebsplatten  mit  den  elastischen 

Zeitschrift  £.  wissensch.  Zoologie.    CIX.  Bd.  7 


98  Jakob  Rehs, 

Fasern  in  den  äußeren  Schichten,  und  von  diesen  aus  durchziehen  in 
gestrecktem  Verlauf  nach  allen  Richtungen  dicke  elastische  Fasern 
diese  Massen.  Die  Zellen  verleihen  diesem  Gewebe  ein  ganz  besonderes 
Gepräge,  indem  nämlich  die  Kerne  von  spärlichem  Protoplasma  um- 
o-eben,  das  an  den  beiden  Enden  des  länglichen  Kerns  mit  kompaktem 
Chromatin  spindelförmig  ausgezogen  ist,  aber  auch  sonst  Protoplasma- 
stränge ausschickt,  in  einen  Raum  eingeschlossen  sind,  der  eine  spindel- 
förmige Gestalt  hat  und  dessen  kleiner  Durchmesser  die  Dicke  des 
Kerns  um  das  Dreifache  übertrifft.  Der  längere  Durchmesser  über- 
trifft den  des  Kerns  um  ein  Beträchtliches.  Die  blasigen  Zellen  liegen 
zu  Gruppen  zusammen,  können  aber  auch  weit  getrennt  sein.  Der 
Raum  ist  oft  nur  durch  elastische  Fasern  und  Bindegewebsfibrillen 
von  der  umgrenzenden  homogenen  Kittsubstanz  abgesetzt,  aber  es 
hat  oft  den  Anschein,  als  ob  wirkliche  Kapseln  vorhanden  wären 
(Taf.  IV,  Fig.  28  blz).  Ich  vermute,  daß  die  Stränge  mit  denen  iden- 
tisch sind,  die  Röscher  (1909)  bei  Cricetus  frumentarnis  beschreibt. 
»Zwischen  der  Propria  und  dem  Venenlager  verläuft  in  der  Ausdehnung 
von  den  Schneidezähnen  bis  zur  Einmündungsstelle  der  Ductus  naso- 
palatini  median  eine  senkrecht  gestellte  Sehnenplatte,  an  der  Fasern 
des  M.huccinator  und  M.incisivus  ihren  Ursprung  nehmen«.  Die 
blasigen  Zellen  in  Gruppen  repräsentieren  wohl  eine  Art  Knorpel- 
gewebe innerhalb  der  »Sehnenplatten  <<.  Ich  verweise  auf  den  typischen 
Knorpelkern  bei  Cavia. 

Die  oben  genannten  beiden  Muskeln  treten  auch  rechts  und  links 
in  die  Papilla  palatina  ein,  und  es  stimmt  der  vordere  dem  Knochen 
anliegende  Teil  der  Papilla  palatina  im  Bau  des  Bindegewebes  und  in 
der  Anordnung  des  elastischen  Gewebes  im  wesentlichen  mit  der  Rhaphe 
palati  überein.  Eine  Änderung  ist  insofern  eingetreten,  als  die  Fett- 
zellen sich  rechts  und  links  in  die  Nähe  der  Muskeln  und  des  Knochens 
gruppiert  (Taf.  III,  Fig.  27  fg)  und  die  Bindegewebsplatten  und  die 
dazu  gehörigen  elastischen  Fasern  sich  horizontal  angeordnet  haben. 
Auch  die  Gewebsstränge  mit  den  blasigen  Zellen  erstrecken  sich  zwi- 
schen den  Bindegewebsplatten  hier  hinein.  Es  zeigt  sich  ein  solcher 
Strang  von  elastischen  Fasern  umscheidet  und  durchzogen  auch  in  der 
Schicht,  die  zwischen  den  beiden  Muskeln  liegt  (Taf.  IV,  Fig.  27  Sfl)^ 
Je  mehr  man  in  die  Papille  eindringt,  desto  mehr  weichen  die  Muskeln 
rechts  und  (Taf.  IV,  Fig.  27  m  +  tej)  links  zurück,  und  desto  mehr 
wird  die  Mittelschicht  von  dem  Strang  erfüllt,  um  sich  mit  einem  der 
Stränge  zu  vereinigen,  der  in  der  Schicht  hinzieht,  die  zwischen  der 
Mittelschicht  und  dem  Knochen  liegt.    Hiermit  gewinnt  die  Mittel- 


Beiträge  zur  Kennt lüs  der  niakioski)p.  und  mikroskop.  Anatomie  usw.       99 

Schicht  den  Charakter  der  letztgeuaunten  Schicht,  indem  die  Gewebs- 
stränge  mit  paramedianer  Kichtung  zwischen  Bindegewebsplatten  in 
horizontalem  Verlauf  mit  vielen  transversalen  elastischen  Fasern  auf- 
treten (Taf.  IV,  Fig.  27  spl,  tef).  Aber  auch  hier  stehen  die  elastischen 
Fasern  in  keiner  Beziehung  zu  den  elastischen  Fasern,  die  im  selben  Sinne 
die  Muskeln  begleiten,  sondern  sind  von  diesen  durch  Bindegewebsschich- 
ten  getrennt,  in  deren  äußeren  Schichten  die  Fasern  beiderseits  enden. 

Im  vorderen  Teil  der  Papilla  palatina,  der  die  Rhaphe  palati  über- 
ragt, stellen  sich  in  der  Paramedianen  mehr  hohe  als  breite  Stränge 
auf  mit  blasigen  Zellen  (Taf.  IV,  Fig.  28  hlz).  Dieses  Gewebe  nimmt 
schließlich  den  ganzen  Teil  der  Papilla  palatina  bis  zu  den  Canales 
naso-palartini  ein  in  Gestalt  eines  verknüpften  Strangwerkes,  ja  es 
strahlen  einzelne  Stränge  in  die  Bindegewebsschicht  zwischen  den 
Canales  naso-palatini  aus.  In  dieser  Zentralmasse  treten  Nester  von 
typischen  elastischen ,  250  }.l  dicken  Knorpelkernen  auf  (Taf.  IV, 
Fig.  '21  kk),  und  es  ist  wohl  nicht  von  der  Hand  zuweisen,  daß  man  es  mit 
einem  besonderu  Stützgewebe  für  das  Vorderteil  der  Papilla  palatina 
zu  tun  hat.  Dieses  und  der  Befund  eines  größeren  Knorpelstückes  in 
der  Rhaphe  palati  von  Cavia  cobaya  erinnert  an  Verhältnisse,  wie  sie 
bei  dem  unter  dem  Namen  Lyssa  gehenden  Gebilde  in  der  Säugetier- 
zunge von  den  verschiedensten  Autoren  beschrieben  werden. 

Das  elastische  Gewebe  in  dem  eben  beschriebenen  Teil  der  Pa- 
pilla palatina  hat  einen  paramedianen  Verlauf  und  häuft  sich  beson- 
ders in  Lamellen  (Taf.  IV,  Fig.  27  pef)  auf  der  Epithelseite  des  Ge- 
webes mit  den  blasigen  Zellen.  Von  den  Nestern  elastischen  Knorpels 
gehen  die  elastischen  Fasern  in  Wirbeln  ab,  ohne  einen  Einfluß  auf  die 
Hauptrichtung  auszuüben.  Nach  vorne  strebt  das  elastische  Gewebe 
zum  Epithel  des  Vorderteils,  um  in  dessen  Papillarkörper  ein  Ende  zu 
finden. 

Der  übrige  Teil  der  Papilla  palatina  mit  Ausschluß  der  mit  ihr 
verbundenen  ersten  Gaumenleiste  steht  in  bezug  auf  die  Verteilung 
des  elastischen  Gewebes  in  Beziehung  zu  der  Ausmündung  der  Canales- 
naso-palatini  und  dem  sie  begleitenden  Stützknorpel. 

Die  Canales  naso-palatini  senken  sich  rechts  und  links,  wie  schon 
bei  der  Beschreibung  der  äußeren  Verhältnisse  des  Gaumens  angege- 
ben, an  den  Seitenabhängen  der  Papille  in  nach  der  Medianen  zu  kon- 
vergierenden, etwas  gebogenen  Gängen  in  die  Tiefe,  um  den  Knochen 
in  einer  in  der  paramedianen  gestreckten  Öffnung  zu  durchsetzen, 
und  es  sei  vorweg  anücseben,  daß  zwischen  Knochen  und  den  Canales 
naso-palatini  sich  dicke  elastische  Fasern  spannen  (Taf.  III,  Fig.  25  cnf, 

7* 


100  Jakob  Rehs, 

pef).  Der  Stützknorpel  besteht  aus  zwei  Teilen,  die  durch  Knorpel- 
spangen verbunden  sind.  Der  eine  Teil  breitet  sich  als  eine  horizontale, 
am  hinteren  Ende  zum  knöchernen  Gaumendach  geneigte,  250 — ^300  (^i 
dicke  Platte  von  Hyalinknorpel  aus  (Taf.  III,  Fig.  25  sä;)  zwischen  den 
Canales  naso-palatini  ungefähr  in  der  Höhe  ihrer  Ausmündungen.  Sie 
läuft  in  dem  Vorderteil  der  Papilla  palatina  sich  allmählich  verschmä- 
lernd spitz  aus  (Taf.  IV,  Fig.  27  sk),  während  der  hintere  Abschnitt 
breit  in  einzelnen  Fortsätzen  endet,  an  die  sich  der  zweite  Teil  angliedert, 
der  vornehmlich  aus  zwei  zu  jener  Platte  senkrecht  stehenden,  para- 
median bis  in  die  erste  Gaumenleiste  reichenden,  nur  durch  eine  ebenso 
dicken  Schicht  Bindegewebe  mit  zahlreichen  Fettzellen  getrennten,  400  /^i 
dicken  Hyalinknorpelplatten  besteht.  Diese  sind  mit  Stellen  elastischen 
Knorpels  vergesellschaftet.  An  die  Platten  legen  sich  nach  außen 
Kjiorpelspangen  an  (Taf.  III,  Fig.  25  sk).  Durch  diese  Richtung  der 
beiden  Knorpelteile  wird  der  paramediane  Verlauf  des  elastischen  Ge- 
webes nicht  beeinflußt.  Wir  haben  gesehen,  daß  das  elastische  Ge- 
webe in  einer  Schicht  mit  paramedianem  Verlauf  dem  knöchernen 
Gaumendach  anliegt.  Darauf  folgt  eine  Schicht  mit  transversalen  ela- 
stischen Fasern,  und  in  dem  vorderen  Teil  der  Papilla  palatina  wieder 
paramedian  verlaufende  elastische  Fasern.  Der  letztere  Verlauf  wird 
auch  zwischen  den  Canales  naso-palatini  und  durch  die  erste  Gaumen- 
leiste hindurch  beibehalten.  Die  transversalen  elastischen  Fasern  in 
der  folgenden  Schicht  ordnen  sich  zwischen  den  Canales  naso-palatini 
vollständig  um.  Dieses  resultiert  daraus,  daß  die  Canales  naso-palatini 
nach  dem  Knochen  zu  nur  eine  schmale  Schicht  Bindegewebe  von 
250  /<  Dicke  zwischen  sich  übrig  lassen.  Hier  stößt  man  auf  ein  regel- 
rechtes Netzwerk,  das  zum  Teil  Fasern  aus  der  transversalen  Schicht 
erhält,  und  zum  andern  Teil  spannen  sich  nach  allen  Richtungen  zwi- 
schen das  Epithel  der  Canales  naso-palatini  einzelne  Fasern  oder  Bün- 
del, die  meistens  an  vorpringenden  Epithelzapfen  angeheftet  sind. 
Sobald  der  Bereich  der  Canales  naso-palatini  nach  der  ersten  Gaumen- 
leiste zu  verlassen  wird,  treten  nicht  etwa  wieder  elastische  Fasern  mit 
ausgesprochener  transversaler  Richtung  auf,  sondern  von  dem  Netz- 
werk gehen  paramediane  elastische  Fasern  aus,  ordnen  sich  parallel 
den  Knorpelplatten  in  Lamellen  an  und  heften  sich  zuweilen  an  vor- 
springende Knorpelstücke  an.  Es  bleibt  noch  die  Anordnung  des  ela- 
stischen Gewebes  in  den  beiden  Seitenteilen,  die  durch  die  Canales 
naso-palatini  vom  Hauptteil  der  Papilla  palatina  abgetrennt  sind, 
und  in  dem  Teil,  der  zwischen  der  horizontalen  Knorpelplatte  und  dem 
Epithel  der  Papilla  palatina  liegt,  nachzutragen.    In  dem  Abschnitt 


Beiträge  zur  Keimt uid  der  makro.skop.  und  inikroskop.  Anatomie  Ubw.     lOl 

der  Seitenteile,  der  knoehenwärts  liegt,  behalten  die  elastischen  Fasern 
die  transversale  Richtung  der  vor  den  Gängen  liegenden  Schicht  bei 
und  zwar  ziehen  sie  vom  Epithel  der  STENSONschen  Gänge  zu  dem  der 
Papilla  palatina  mit  hohen  schmalen  Papillen,  in  die  wenige  dünne 
elastische  Fasern  einströmen.  Aber  schon  hier  gesellen  sich  paramediane 
elastische  Fasern  zu,  und  diese  nehmen  auch  den  andern  Teil  ein,  in- 
dem sie  sich  hauptsächlich  auf  eine  Schicht  längs  der  Canales  naso- 
palatini  verteilen,  ein  wohl  nicht  unwichtiges  Moment  für  die  Stütze 
der  Gänge,  da  hier  kein  Knorpel  vorhanden  ist.  Selbstverständlich 
stellen  sich  die  elastischen  Fasern  zwischen  Knorpelplatte  und  Epithel 
in  paramedianer  Richtung  ein  und  treten  in  die  erste  Gaumenleiste 
über.  Aber  dem  Knorpel  dicht  angelagert  zwischen  den  Spangen,  die 
an  der  rechten  und  linken  unteren  Kante  des  Knorpels  entlang  laufen, 
breiten  sich  elastische  Fasern  und  Bündel  transversal  aus.  Aus  dem 
paramedianen  Faserwerk  biegen  elastische  Fasern  zu  dem  Epithel  auf, 
durchkreuzen  sich  und  heften  sich  pinselförmig  an  den  breiten  Epithel- 
wülsten an.  Spärliche  Ausläufer  treten  auch  in  den  Außenmantel  der 
wenigen  Papillen  mit  breiter  Basis  ein,  oft  weisen  die  Papillen  gar 
keine  elastischen  Fasern  auf. 

Wie  schon  mehrfach  erwähnt,  tritt  das  elastische  Gewebe  aus 
der  Papilla  palatina  in  die  mit  dieser  verschmolzenen,  ersten  Gaumen- 
leiste in  paramedianer  Richtung  ein  und  durchzieht  ebenso  die  Leiste 
bis  zu  dem  Epithel  der  Rückwand.  Sie  umschließen  hier  die  sich  in 
Unmasse  häufenden  Fettzellen  und  werden  so  oft  von  ihrer  Bahn  ab- 
gelenkt (Taf.  III,  Fig.  25  fef).  Ehe  die  elastischen  Bündel  das  Epithel 
der  Rückwand  der  ersten  Leiste  erreichen,  divergieren  ihre  einzelnen 
Fasern,  durchkreuzen  sich  mit  andern,  teilen  sich  kurz  vor  ihrer  Endi- 
gung pinselförmig  auf,  durchkreuzen  sich  wieder  und  bilden  so  ein  dem 
Epithel  anliegendes  subepitheliales  Netz,  in  dem  die  paramedianen 
elastischen  Faserbündel  einen  festen  Halt  gewinnen.  Der  Papillar- 
körper  ist  fast  gar  nicht  ausgebildet.  Dieselbe  Ausbildung  findet  sich 
auch  zwischen  der  hinteren  Wand  der  ersten  Leiste  und  derjenigen  der 
Canales  naso-palatini,  nur  daß  bei  den  letzteren  die  Hauptendigungen 
der  elastischen  Fasern  in  einer  Bindegewebsschicht  liegen,  die  von  dem 
Epithel  der  Canales  naso-palatini  durch  eine  Schicht  von  gleicher  Dicke 
wie  jene  Epithelwand  getrennt  ist.  In  diese  letztere  Schicht  dringen 
nur  wenige  dünne  elastische  Fasern  oft  bis  zum  Epithel.  In  den  beiden 
freien  Flügeln  der  Leiste  sind  die  elastischen  Fasern  ebenso  angeordnet, 
nur  sind  sie  durch  nichts  in  ihrem  paramedianen  Verlauf  gestört,  und 
dieser  Teil  der  ersten  Leiste  stimmt  daher  mit  den  andern  Gaumenleisten 


102  Jakob  Rehs, 

besonders  überein,  und  man  kann  hieraus  und  aus  dem  äußeren  mor- 
phologischen Auf  bau  den  Schluß  ziehen,  daß  sie  die  erste  Gaumenleiste  ist. 
In  der  Submucosa,  die  zu  beiden  Seiten  der  Medianen  liegt,  wer- 
den durch  dicke  Venenstämme,  die  aus  dem  hinteren  Teil  des  Gaumens 
kommen,  in  den  paramedianen  Verlauf  der  elastischen  Fasern  Stö- 
rungen gebracht  (Taf.  IV,  Fig.  26  sm,  v).  Hier  nehmen  Venen,  deren 
Wände  reichlich  elastische  Fasern  enthalten,  in  Form  eines  Venen- 
netzes fast  den  ganzen  Raum  zwischen  Knochen,  Leisten  und  dem 
Epithel  der  Furchen  zwischen  den  Leisten  ein.  Hierzu  gesellen  sich 
Arterien  und  Nerven.  Es  bleibt  nur  eine  dünne  Schicht  Bindegewebe 
dem  Knochen  anliegend  mit  paramedianen  elastischen  Fasern  übrig, 
an  die  sich  Gruppen  von  FettzelleUj  von  elastischen  Fasern  aus  der 
letztgenannten  Schicht  umsponnen,  anschließen,  die  in  Einbuchtungen 
der  Venen  liegen  (Taf.  IV,  Fig.  26  fg).  Zwischen  den  Venen  und  dem 
Epithel  der  Furchen  schiebt  sich  eine  dünne  Schicht  von  Bindegewebe 
ein.  Nach  den  Seitenrändern  des  Gaumens  treiben  die  Venen  Aus- 
sackungen, zwischen  denen  sich  Bindegewebe  breit  macht.  Die  Sub- 
mucosa hat  keinen  Anteil  an  der  Bildung  des  bindegewebigen  Innern 
der  Leisten.  In  den  Gaumenleisten  selbst,  in  der  zweiten  sowohl  wie 
bis  zur  letzten,  herrscht  der  paramediane  Verlauf  des  elastischen  Ge- 
webes vor,  aber  in  der  Fülle  dieses  Gewebes  ist  die  zweite  und  dritte 
den  folgenden  überlegen  (Taf.  IV,  Fig.  26,  2  u.  3;  Fig.  29,  5).  Die 
Leisten  werden  von  zu  stärkeren  oder  schwächeren  Bündeln  vereinig- 
ten, paramedianen  elastischen  Fasern  durchzogen.  Die  Bündel  teilen 
sich,  und  ihre  Teile  vereinigen  sich  wieder  mit  andern  Bündeln,  und  so 
entstehen  mehr  oder  weniger  große  Maschen,  in  die  die  Nerven  und 
Blutgefäße  eingelagert  sind.  Ehe  die  elastischen  Faserbündel  die  Wände 
des  Epithels  erreichen,  weichen  ihre  einzelnen  Fasern  auseinander, 
durchkreuzen  die  Fasern  andrer  Bündel  und  endigen,  sich  wieder  auf- 
fasernd, vor  dem  Epithel.  Dem  Epithel  parallel  zwischen  den  Endi- 
gungen der  Fasern  ziehen  wenige  elastische  Fasern  hin,  die  sich  aber 
von  den  elastischen  Fasern  der  Bündel  herleiten,  die  kurz  vor  dem 
Epithel  umbiegen  und  diesem  eine  größere  oder  kleinere  Strecke  parallel 
gerichtet  sind.  So  wird  dem  Epithel  ein  dichtes  Flechtwerk  angela- 
gert. Das  elastische  Gewebe  nimmt  nach  den  lateralen  Enden  der  Lei- 
sten an  Menge  und  Dichte  ab,  aber  es  ändert  sich  nicht  in  der  Rich- 
tung. W^enige  elastische  Fasern  von  anderm  als  paramedianen  Ver- 
lauf bringen  kein  wesentlich  andres  Moment  in  die  Anordnung  des 
elastischen  Gewebes  (Taf.  IV,  Fig.  26  u.  29  pef).  Die  elastischen  Faser- 
bündel, die  in  der  Basis  der  Leisten  liegen,  schicken  oft  Bündel  zwischen 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  makroskop.  inid  mikroskop.  Anatomie  usw.    103 

die  Einbuclitungeu  und  seitlichen  Aussackungen  der  Venen,  und  diese 
Fasern  gehen  meistens  einen  Verband  mit  den  elastischen  Fasern  der 
Venenwände  ein,  aber  es  ist  nicht  anzunehmen,  daß  die  letzteren  die  Ur- 
sprungstätte für  jene  sind. 

Ebenso  stammen  auch  die  elastischen  Fasern  in  der  Propria  nni- 
cosae  der  Furchen,  die  in  den  hinteren  Furchen  reichlicher  sind  als  in 
den  vorderen,  von  obigen  Faserbündeln  der  Leistenbasis  und  verlaufen 
ebenso.  Sie  strömen  in  die  Außenmäntel  der  Bindegewebspapillen  ein, 
die  hier  in  größerer  Zahl  vorhanden  sind.  Über  diesen  Papillen  ist  das 
Epithel  als  kleiner  Höcker  auf  der  Außenfläche  der  Furche  emporgewölbt. 
Sind  die  Höcker  breiter  und  höher,  so  ist  ihr  bindegewebiger  Teil  auch 
stark  vergrößert  und  eine  Sekundärpapille  mit  aufsitzenden  Primär- 
papillen.  Nun  gesellen  sich  zu  den  aufsteigenden  Fasern  in  der  Basis  der 
Sekundärpapillen  paramediane  elastische  Fasern.  Der  Paramedianschnitt 
durch  eine  Leiste  und  ein  Medianschnitt  durch  einen  solchen  Höcker  glei- 
chen sich  daher  in  bezug  auf  die  Anordnung  des  elastischen  Gewebes 
(Taf .  IV,  Fig.  29, 5  po).  Die  reihenweise  Anordnung  dieser  Papulae  opera- 
riae  in  den  breiten  Furchen  parallel  den  Leisten,  das  Auftreten  von  10 
und  mehreren  Leisten  bei  andern  Sciuriden  und  der  gleiche  histologische 
Aufbau  der  Papulae  operariae  und  der  Leisten  lassen  die  Vermutung  zu, 
daß  die  Bildung  einer  Leiste  aus  solchen  einzelnen  zu  Reihen  geordneten 
Papulae  operariae  im  Laufe  der  Phylogenese  wahrscheinlich  sein  kann. 
In  den  weichen  Gaumen  setzen  sich  die  Schichten  elastischer  Fa- 
sern, die  den  Knochen  und  dem  Epithel  der  Furchen  augelagert  sind, 
in  gleicher  Weise  nur  an  Dicke  zunehmend,  fort.  Sie  schUeßen  ein 
dickes  Drüsenlager,  dessen  Ausführungsgänge  durch  das  Oberflächen- 
epithel nach  außen  münden  und  das  durch  interstitielles  Bindegewebe 
in  kleinere  Drüsenpakete  gesondert  ist,  ein.  Zwischen  das  interstitielle 
Gewebe  der  Drüsen  mischen  sich  elastische  Fasern,  die  von  den  beiden 
umscheidenden  Schichten  ihren  Ursprung  nehmen.  Aus  dieser  An- 
ordnung resultiert  eine  Einwirkung  auf  die  Austreibung  der  Sekrete. 
Insectivora. 

Talpidae. 

Talpa  europaea  L. 

Soricidae. 

Crocidura  aranea  Wagn. 

Erinaceidae. 

Erinaceus  europaeu=>  L. 

Centetidae. 

Centetes  ecaudatus  ^^'agn. 


104  Jakob  Rehs, 

Historisches.  Von  Talpa  europaea  sagt  Cüvjer  (1845),  daß  »on  trouve 
sept  plis  saillants,  .  .  .,  leur  courbure  est  ä  peine  marquee-*. 

Retzius  (1906)  bildet  die  Gaumenschleimhaut  von  Talpa  europaea  (Taf.  XLI, 
Fig.  1)  ab  und  gibt  eine  eingehende  Beschreibung.  »Der  Gaumen  von  Talpa  ist 
von  kegelförmigem  Umriß  mit  an  den  Vorderzähnen  abgestumpfter  Spitze,  an 
welcher  man  eine  kleine  kurze  Papilleni'egion  bemerkt;  in  der  Mitte  derselben 
erhebt  sich  eine  kleine  Papille  mit  einigen  Höckern  an  ihren  Seiten.  Dahinter 
finden  sich  die  Gaumenleisten,  acht  an  der  Zahl,  von  denen  die  vier  vorderen 
etwas  anders  gestaltet  sind  als  die  vier  hinteren.  Eine  mediane  Furche  ist  hier 
nur  stellenweise  vorhanden,  nämlich  an  den  zwei  vordersten  Leisten,  welche 
dadurch  in  zwei  Seitenarme  geteilt  werden,  und  an  den  vier  hintersten  Leisten, 
wodurch  die  Trennung  in  zwei  Arme  erfolgt;  in  dieser  hinteren  Partie  des  Gau- 
mens setzt  sich  die  Medianfurche  auch  zwischen  die  Leistenrücken  fort.  Die  vier 
vordersten  Leisten  stehen  zwar  der  Quere  nach,  biegen  sich  aber  mit  ihren  äußeren 
Enden  nach  hinten  um  und  kehren  ihren  freien  zugeschärften  Rand  stark  nach 
hinten.  Die  vier  hinteren  Leisten  sind  auch  im  ganzen  der  Quere  nach  gestellt, 
zeigen  aber  einige  kleinere  Biegungen  und  liaben  ihre  Rückenfirste  in  ihrer  Mitte, 
ohne  eigentliche  Drehung  nach  hinten  und  ohne  Dachziegelanordnung.  In  den 
eingesenkten  Feldern  zwischen  den  Leisten  sieht  man  eine  Menge  kleinerer  warzen- 
ähnlicher Höcker.  Hinten  endigt  der  harte  Gaumen  mit  noch  einer  wallartigen 
Leiste. « 

Die  Gaumenschleimhaut  von  Erinaceus  europaeus  hat  Retzius  (1900)  von 
einer  Reihe  von  Exemplaren  abgebildet  (Taf.  XLI,  Fig.  4 — 11).  Er  schreibt 
darüber:  »Arn  vorderen  Ende  steigen  von  der  Nasenspitze  zwei  schmale  Wälle 
zu  ihr  hinab  und  umfassen  mit  ihren  hinteren  Enden  die  länglich  ausgestreckte, 
aus  zwei  Erhabenheiten  zusammengesetzten  Papulae  palatinae,  wie  die  Fig.  10 
deutlich  zeigt.  Dahinter  findet  sich  ein  dreieckiger  Wulst,  in  dessen  Median- 
linie oft  eine  Furche  vorkommt,  welche  ihn  in  zwei  Seitenarme  teilt.  Dieser 
Wulst  ist  entweder  als  ein  hinterer  Randteil  der  Papillarregion  oder  als  die  vor- 
derste Gaumenleiste  zu  bezeichnen;  in  der  Tat  ähnelt  er  den  Gaumenleisten.  Da- 
hinter folgen  die  eigentlichen  ausgebildeten  Leisten,  von  denen  man  konstant 
acht,  und,  wenn  man  die  Schlußleiste  des  harten  Gaumens  auch  mitzählt,  neun 
findet.  Die  vorderste  ist  stets  in  der  Medianlinie  vorn  zugespitzt  und  gebogen, 
die  beiden  folgenden  sind  Aveniger  nach  vorn  gebogen.  Dann  folgen  drei,  welche 
zwar  auch  mit  ihren  Seitenarmen  in  derselben  Richtung,  nach  vorn,  gebogen 
sind;  die  Mittelpartie  ist  aber  nach  hinten  gezogen.  Die  drei  letzten  (die  Schluß- 
leiste mitgerechnet)  stehen  mehr  gerade  der  Quere  nach.  In  der  Medianlinie 
werden  sie  durch  einen  Kamm  vereinigt,  welcher  besonders  bei  den  mittleren 
kräftiger  ausgebildet  ist.  Hierdurch  ist  die  Trennung  der  Leisten  in  zwei  Seiten- 
arme weniger  markiert  als  bei  manchen  andern  Tieren.  In  den  eingesenkten 
Feldern  sieht  man  nur  sehr  niedrige,  schwache,  kleine  Höcker  «■. 

Aus  seinen  Untersuchungen  über  die  Insectivoren  zieht  Retzius  den  Schluß, 
daß  hier  die  »Anordnung  der  Gaumenleisten  derjenigen  der  Marsupialier  im  ganzen 
recht  nahe  steht,  teilweise  sogar  auf  einem  noch  primitiveren  Standpunkt  der 
phylogenetischen  Entwicklung,  wie  z.  B.  bei  Erinaceus',  obwohl  auch  in  dieser 
Ordnung  ausgeprägtere  spezielle  Differenzierungen  (z.  B.  bei  Centetes)  vor- 
kommen «. 


Beitrage  zur  Kountuis  der  makroskop.  und  mikroskop.  Anatomie  usw.    105 

Eigene  Untcrsuchunnen.  Den  mikroskopischen  Aufbau  der 
Region  der  Papilla  palatina  von  Talpa  europaca  kann  ich  aus  Mangel 
an  geeigneten  Schnitten  nicht  beschreiben. 

Das  Stratum  germinativum  ist  durchschnittlich  30  /t  dick,  während 
das  Stratum  corneum  nur  10  u  mißt.  Letzteres  ist  an  der  First  der 
Leisten  sehr  scharf  ausgezogen,  und  diese  ist  pharyngealwärts  gerichtet. 

Im  übrigen  Teil  der  Gaumenschleimhaut  stimmen  die  Submucosa, 
die  Propria  mucosae  und  das  Epithel  in  der  Dicke  überein.  Sie  sind  je 
etwa  40  /(  dick.  Im  Bereich  der  Leisten  ist  die  Submucosa  etwas  dicker, 
aber  sie  hat  nur  einen  indirekten  Anteil  an  der  Bildung  der  Leisten.  In 
ihr  verlaufen  paramediane  elastische  Fasern,  die  besonders  dorsal- 
wärts  der  Leisten  in  dichter  Menge  liegen.  Die  Propria  mucosae  der 
Täler  ist  relativ  arm  an  elastischen  Fasern.  Nur  da,  wo  sie  Ausstülpungen, 
Sekundärpapillen  mit  Primärpapillen  bildet,  die  auf  der  Oberfläche 
des  Epithels  als  »warzenähnliche  Höcker  <<,  Papulae  operariae,  sichtbar 
werden,  sind  reichlichere,  von  der  Propria  mucosae  kommende,  auf- 
steigende elastische  Fasern  vorhanden.  Es  sind  aber  keine  Übergänge 
von  diesen  Papulae  operariae  zu  den  Gaumenleisten  vorhanden.  Die 
Propria  mucosae  innerhalb  der  Leisten  führt  paramediane  elastische 
Fasern  in  großer  Menge  und  Dichte,  die  von  Epithelvorderwand  zur 
Rückwand  ziehen.  Retzius  sagt,  daß  »hinten  der  harte  Gaumen  mit 
noch  einer  wallförmigen  Leiste  endigt«.  Es  ist  dieses  keine  typische 
Gaumenleiste  und  ihre  Entstehung  ist  schon  bei  Halmaturus  ruficollis 
näher  beschrieben  worden. 

Die  Gaumenschleimhaut  von  Crocidura  aranea  ähnelt  im  makros- 
kopischen Aufbau  der  von  Sorex  vulgaris,  die  Retzius  beschrieben  hat. 
Vorn  zwischen  den  beiden  Zahnreihen  liegt  die  in  der  Medianen  1  mm 
lange  Papilla  palatina,  deren  vorderster  Teil  in  der  Medianen  einen 
Kamm  aufweist,  während  der  hintere  Teil  eine  Medianfurche  besitzt. 
Kamm  und  Furche  stellen  die  Rhaphe  palati  dar.  Die  größte  Breite 
der  Papilla  palatina  ist  von  der  linken  zur  rechten  Zahnreihe  300  i.i, 
während  die  größte  Höhe,  vom  knöchernen  Gaumendach  ab  gemessen, 
330»  beträgt  (Taf.  IV,  Fig.  30  ^^p). 

Hinter  der  Region  der  Papilla  palatina  folgen  die  transversal  zum 
Gaumen  gestellten,  durch  eine  Rhaphe  palati  in  Gestalt  einer  Median- 
furche getrennten,  ersten  Gaumenleisten  (Taf.  IV,  Fig.  30,  1  u.  2).  Die 
lateralen  Enden  dieser  Leisten  stoßen  in  die  Lücken  zwischen  den 
zweiten  und  dritten,  bzw.  dritten  und  vierten  Vorderzähnen.  Sie  sind 
eher  papillenähnlich ,  aber  sie  sind  doch  die  ersten  beiden  Gaumen- 
leisten, da  sie  im  inneren  Bau  vollkommen  mit  den  typischen  Leisten 


106  Jakob  Rehs, 

Übereinstimmen.  Sie  sind  nur  wegen  der  Schmalheit  des  Gaumens 
an  dieser  Stelle  und  wegen  der  Rhaphe  palati  etwas  weniger  impo- 
nierend ausgefallen.  Man  könnte  sie  allerdings  auch  als  Vorläufer  der 
Gaumenleisten  auffassen.  Auch  bei  Sorex  vulgaris  beschreibt  Retzius 
derartige  Höcker  und  hält  sie  für  rudimentäre  Gaumenleisten.  Es  reihen 
sich  noch  acht  Gaumenleisten  an,  die  quer  zum  Gaumen  gestellt,  in 
der  Mittellinie  etwas  nach  hinten  eingeknickt  sind  und  von  vorn  nach 
hinten  etwas  schwächer  werden  (Taf.  IV,  Fig.  31,  9 — 10).  In  der  Me- 
dianen verläuft  die  Ehaphe  palati,  welche  die  dritte  Gaumenleiste  in 
zwei  Seitenarme  trennt,  während  sie  bei  den  übrigen  Leisten  in  Ge- 
stalt einer  First  auftritt.  Hinter  den  Molaren  findet  sich  wie  bei  Talpa 
europaea  und  Sorex  vulgaris  »noch  eine  eigentümliche,  abschließende 
Querleiste,  eine  wallartige  Erhebung«, 

Was  den  mikroskopischen  Aufbau  der  Region  der  Papilla  palatina 
von  diesem  Tiere  anbelangt,  so  durchbrechen  die  Canales  naso-pala- 
tini,  etwa  300  /<  von  einander  entfernt,  das  knöcherne  Gaumendach, 
konvergieren  nach  der  Medianen  des  Gaumens  zu  und  nähern  sich  in 
ungefähr  halber  Höhe  der  Papilla  palatina  bis  auf  100 /<.  Hiernach 
divergieren  sie,  um  an  den  Seitenrändern  der  Papilla  palatina  in  der 
Nähe  der  Innenseite  der  beiden  zweiten  Vorderzähne  vor  der  ersten 
Gaumenleiste  also  am  hinteren  Ende  der  Papilla  palatina  nach  außen  zu 
münden.  Der  lichte  Durchmesser  der  Canales  naso-palatini  ist  durch- 
schnittlich 20  1^1  (Taf.  IV,  Fig.  30  cnp).  Nur  auf  der  Außenseite  werden 
sie  von  einem  Stützknorpel,  der  am  knöchernen  Gaumendach  entspringt, 
auf  einer  Strecke  von  250  //  umfaßt  (Taf.  IV,  Fig.  30  sk).  Im  vordersten 
Teil  der  Papilla  palatina  ist  die  Verteilung  des  elastischen  Gewebes  eine 
Folge  der  Beziehung,  die  zwischen  ihm  und  dem  knöchernen  Gaumen- 
dach besteht.  Die  den  vordersten  Teil  des  knöchernen  Gaumendaches 
bildenden  Ossa  incisiva  sind  nicht  wie  z.  B.  bei  andern  Mammaliern  in 
der  Medianen  abgerundet  verbunden  und  verstärkt,  sondern  sie  enden 
nach  vorn  sozusagen  frei.  Diese  geringe  Stabilität  der  Ossa  incisiva 
würde  sicher  die  enorme  Leistungsfähigkeit  der  Vorderzähne  stark 
beeinträchtigen,  und  es  ist  das  elastische  Gewebe  als  Hilfsfaktor  heran- 
gezogen. Es  ist  so  geordnet,  daß  der  vordere  Teil  des  knöchernen 
Gaumendaches  in  seiner  Lage  fixiert  wird  und  trotzdem  infolge  der 
physikalischen  Eigenschaften  des  elastischen  Gewebes  beweglich  genug 
bleibt.  Es  setzt  sich  nämlich  an  das  vordere  Ende  der  dorsalen  Fläche 
des  Gaumendaches  ein  hierzu  transversal  gestelltes  dickes  Band  aus 
dichten  elastischen  Fasern  an  (Taf.  IV,  Fig.  30  k,  de).  Den  andern  An- 
heftungspunkt  kann  ich  an  meinen  Präparaten  nicht  feststellen,  aber 


Bfiträge  zur  Kiuiitiiis  der  inakroskop.  und  niikroskop.  Anatomie  usw.    107 

möglicherweise  sind  es  die  lateralen  Wände  der  Ossa  incisiva.  Au  den 
ventralen,  vorderen  Teil  des  knöchernen  (Jaumendaches  gegenüber  der 
Anheftungsstelle  des  dorsalen  Bandes  heften  sich  auch  elastische  Fasern 
an.  Sie  bilden  aber  kein  kompaktes  Band,  sondern  breiten  sich  diver- 
gierend in  dem  vorderen  Teil  der  Papilla  palatina  aus,  da  hier  kein 
fixer  gegenseitiger  Angriffspunkt  vorhanden  ist  (Taf.  IV,  Fig.  30  k,  ve). 

Da  die  Canales  naso-palatini  und  der  Ötützknorpel  einen  relativ 
einfaclien  Bau  haben,  so  stellen  sie  sich  einer  paramedianen  Ausbreitung 
der  elastischen  Fasern,  die  im  hinteren  Teil  der  Papilla  palatina  ein- 
setzt, nicht  störend  in  den  Weg. 

Was  den  allgemeinen  Aufbau  der  Gaumenschleimhaut,  die  von 
vorn  nach  hinten  an  Dicke  abnimmt,  hinter  der  Papilla  palatina  an- 
betrifft, so  schließt  sich  an  das  knöcherne  Gaumendach  die  aus  lockeren 
Bindegewebsbündeln  bestehende  Submucosa  an.  In  sie  ist  in  die  rechte 
und  linke  vordere  Hälfte  der  Gaumenschleimhaut  je  eine  Vene  einge- 
lagert, die  fast  den  Dickendurchmesser  der  Submucosa  hat  und  die  sich 
bis  in  die  Papilla  palatina,  sich  vereinigend,  erstrecken  (Taf.  IV,  Fig.  30  v). 
Zwischen  den  Blutgefäßen  und  Nerven  liegen  paramediane  elastische 
Fasern,  die  an  Menge  und  Dichte  beim  Übergang  zur  Propria  mucosae 
zunehmen.  Letztere  besteht  aus  einem  dichtverfilzten  Bindegewebe 
mit  paramedianen  elastischen  Fasern,  die  besonders  reichlich  in  Bündel- 
form in  den  Gaumenleisten  auftreten.  Die  Submucosa  hat  aber  keinen 
Anteil  an  der  Bildung  der  Leisten.  Der  Teil  der  Propria  mucosae, 
der  an  das  Epithel  anstößt,  hat  einen  homogenen  Bau,  und  es  sind  nur 
wenige  elastische  Fasern  anzutreffen  und  in  den  Leisten  verlieren  sich 
die  Enden  der  paramedianen  elastischen  Fasern  in  dieser  homogenen 
Schicht. 

Am  hinteren  Ende  des  harten  Gaumens  an  der  Grenze  der  hinteren 
Molarzähne  findet  sich  wie  bei  Talpa  europaea  und  Sorex  vulgaris  noch 
eine  eigentümliche,  abschheßende  Querleiste,  eine  wallartige  Erhebung 
(Taf.  IV,  Fig.  31  w).  Diese  Leiste  verdankt  wie  bei  Halmaturus  rufi- 
collis  und  den  andern  Insectivoren  ihr  Vorhandensein  einer  wallartigen 
Verdickung  des  ventralen,  pharyngealen  Randes  der  Ossa  palatina, 
welchem  knöchernen  Wall  außerdem  noch  eine  knorpelige  Leiste  auf- 
gesetzt ist  (Taf.  IV,  Fig.  31  kw,  kl).  So  wird  die  Schleimhaut  empor- 
gewölbt, ohne  daß  der  typische  Bau  einer  Leiste  nachgewiesen  werden 
kann. 

Dem  weichen  Gaumen  ist  ein  mächtiges  Drüsengewebe  eingela- 
gert, das  durch  interstitielles  Bindegewebe  in  einzelne  Pakete  zerlegt 
wird  (Taf.  IV,  Fig.  31  dr).    Zwischen  das  Drüsengewebe  und  das  mund- 


108  Jakob  Rehs, 

seitige  Epithel  schiebt  sich  eine  Propria  mucosae  ein,  die  fast  voll- 
ständio-  von  elastischen  Fasern  ausgefüllt  ist,  die  in  Gestalt  einer  Decke 
sich  über  das  Drüsengewebe  spannen,  sodaß  sie  vorn  an  die  oben  er- 
wähnte Knorpelleistc  angeheftet  ist,  wenige  elastische  Fasern  zwischen 
die  Drüsenpakete  schickt  und  nach  hinten  sich  allmählich  verliert 
(Taf.  IV,  Fig.  31  vd,  av).  Eine  ebensolche  Decke  breitet  sich  in  der 
Bindegewebsschicht  auf  der  dorsalen  Seite  des  Drüsengewebes  aus. 
Vorn  ist  sie  an  die  Ossa  palatina  angeheftet  und  verliert  sich  nach 
hinten  (Taf.  IV,  Fig.  31  dd,  ad).  Das  Drüsengewebe  ist  so  in  eine  Presse 
eingeschlossen,  und  es  ist  hier  die  auffällige  Beziehung  zwischen  dem 
elastischen  Gewebe  und  der  mechanischen  Austreibung  des  Schleim- 
sekrets gegeben,  wie  sie  deutlicher  bei  keinem  andern  Tier  zu  finden  ist. 

Es  sei  noch  nachgetragen,  daß  das  Epithel  des  harten  Gaumens 
in  ein  40  /t  dickes  Stratum  germinativum  und  ein  30  i.i  dickes,  ver- 
horntes Stratum  corneum  zerfällt. 

Bei  Erinaceus  europaeus  ziehen  »von  der  Nasenspitze  zwei<<  durch 
eine  300  u  tiefe  Furche  getrennte  »schmale  Wälle  <<  bis  zu  der  Innenseite 
der  beiden  ersten  Vorderzähne  und  gehen  hier  in  die  Gaumenschleim- 
haut über.  Diese  beiden  Wälle  schließen  »mit  ihren  hinteren  Enden  << 
die  langgestreckte  Papilla  palatina  ein,  deren  vordere  Spitze  etwas 
vor  den  beiden  ersten  Vorderzähnen  liegt.  Die  Papilla  palatina  ver- 
breitert sich  nach  ihrer  Mitte  zu  und  mißt  hier  in  der  Transversalen 
500  /«.  Nach  hinten  verschmälert  sie  sich  wieder  und  geht  in  die  seichte 
Medianfurche,  Rhaphe  palati,  die  die  erste  Gaumenleiste  in  zwei  Hälften 
teilt,  über. 

Was  den  mikroskopischen  Aufbau  der  Region  der  Papilla  pala- 
tina anbelangt,  so  durchbrechen  die  Canales  naso-palatini  auf  der  Grenze 
zwischen  den  Processus  palatini  der  Ossa  incisiva  und  den  der  Maxillae, 
etwa  1 1/2  i^J^  voneinander  entfernt  das  knöcherne  Gaumendach  und 
sind,  wie  es  Broom  (1897)  ausdrückt  »almost  surrounded  by  carti- 
lage«.  Sie  durchsetzen  die  Gaumenschleimhaut  nicht  in  einer  zum 
knöchernen  Gaumendach  senkrechten  Richtung,  sondern  konvergie- 
rend in  einem  nach  vorn  gerichteten  Verlauf.  Ihre  Ausmündungs- 
stellen liegen  500  j.i  voneinander  entfernt  in  den  Furchen,  die  die  Pa- 
pilla palatina  von  den  beiden  hinteren  Enden  der  oben  genannten 
Wälle  abgrenzen  und  zwar  auf  einer  Linie,  die  zwischen  den  beiden  ersten 
Vorderzähnen  liegt.  Der  Stützkuorpel,  der  die  Canales  naso-palatini 
nur  auf  den  Außenseiten  bis  dicht  an  das  Epithel  der  Schleimhaut- 
oberfläche begleitet,  ist  eine  Fortsetzung  des  oben  erwähnten  Knor- 
pels und  steht  mit  dem  knöchernen  Gaumendach  in  einem  sehr  lockeren 


Beiträge  zur  Koiiutuis  der  iiiakroskop.  und  niikroskop.  Anatomie  usw.     109 

Verband.  Transversalschnitte  durcli  die  beiden  Wälle  dicht  vor  der 
vorderen  Spitze  der  Papilla  palatina  zeigen  dorsalwärts  paramediane 
Muskelbündel,  die  an  dem  ventralen  Teil  der  Ossa  incisiva  ansetzen 
und  von  paramedianen  elastischen  Fasern  begleitet  sind.  An  diese 
Schicht  mit  den  Muskelbündeln  schließt  sich  eine  600  /t  dicke  Submu- 
cosa  aus  einem  lockeren  Flechtwerk  von  Bindegewebsbündeln,  in  das 
paramediangerichtete  Blutgefäße  und  Nervenstränge  eingelagert  sind. 
Sehr  viele  paramediane  elastische  Faserbündel  bilden  ein  dichtes  Flecht- 
werk, das  auch  die  200  /<  dicke  Propria  mucosae,  das  aus  einem  dichten 
Bindegewebe  besteht,  ausfüllt.  Nach  dem  Epithel  zu  bildet  das  elasti- 
sche Gewebe  ein  subepitheliales  Netz,  von  dem  elastische  Fasern  in 
die  100  1.1  hohen  aber  schmalen  Bindegewebspapillen  aufsteigen.  Dieser 
eben  geschilderte  Aufbau  des  elastischen  Gewebes  erhält  sich,  da  die 
Canales  naso-palatini  und  der  Stützknorpel  infolge  ihres  Verlaufs  natur- 
gemäß keinen  richtungsändernden  Einfluß  ausüben,  auch  im  ganzen 
übrigen  Teil  der  Region  der  Papilla  palatina,  nur  daß  die  elastischen 
Fasern  in  geringerer  Menge  auftreten. 

Erwähnt  sei  eine  Anordnung  des  elastischen  Gewebes,  die  auf  eine 
Festigung  des  knöchernen  Gaumendaches  hinausläuft,  das  vorn  von 
den  Ossa  incisiva  gebildet  wird.  Diese  Ossa  incisiva  springen  nämlich 
an  den  lateralen  Teilen  weiter  nach  vorn  als  iu  der  Medianen,  und  diese 
Lücke  ist  von  elastischen  Fasern  ausgefüllt. 

Nachdem  Retzius  die  Region  der  Papilla  palatina  beschrieben 
hat,  fährt  er  fort:  »Dahinter  findet  sich  ein  dreieckiger  Wulst,  in  dessen 
Medianlinie  oft  eine  Furche  vorkommt,  welche  ihn  in  zwei  Seitenarme 
teilt.  Dieser  Wulst  ist  entweder  als  ein  hinterer  Rand  der  Papillar- 
region  oder  als  die  erste  Leiste  zu  bezeichnen ;  in  der  Tat  ähnelt  er  den 
Gaumenleisten«.  Ganz  davon  abgesehen,  daß  rein  äußerlich  eine  ge- 
wisse Abghederung  von  der  Region  der  Papilla  palatina  festzustellen 
ist,  so  läßt  ein  Vergleich  des  mikroskopischen  Baues  dieses  Gebildes 
mit  dem  einer  typischen  Gaumenleiste  keinen  Zweifel  darüber  auf- 
kommen, daß  jenes  Gebilde  die  erste  Gaumenleiste  ist.  In  der  Sub- 
mucosa  dieser  ersten  Gaumenleiste,  die  etwas  stärker  ist  als  diejenige 
vor  und  hinter  der  Gaumenleiste,  also  einen  indirekten  Anteil  an  der 
Bildung  der  Leiste  hat,  sind  auch  elastische  Faserbündel  anzutreffen. 
Ebensolche  erfüllen  sich  durchflechtend  die  Propria  mucosae  inner- 
halb der  Leiste.  Der  Teil  der  Propria  mucosae,  der  direkt  dem  Epithel 
mit  Ausnahme  des  Teiles  vor  der  ersten  Gaumenleiste  und  der  First 
der  Leiste  anschließt,  weist  sehr  spärliche  elastische  Fasern  auf.  Dieses 
prägt  sich  noch  deutlicher  bei  den  folgenden  Leisten  aus  sowohl  in  der 


HO  Jakob  Rehs, 

Propria  mucosae  der  Täler  vor  und  hinter  der  Leiste,  die  die  Dicke 
von  500  u  wie  die  Submucosa  hat,  wie  auch  in  den  Leisten  selbst  mit 
Ausnahme  ihrer  First,  sodaß  man  in  dieser  Schicht  kaum  elastische 
Fasern  antreffen  kann.  Sonst  ist  das  elastische  Gewebe  in  den  der 
ersten  Leiste  folgenden  Leisten  und  den  dazu  gehörigen  Tälern  ebenso 
nur  etwas  ausgeprägter  aufgebaut.  In  den  letzten  Leisten  nimmt  das 
elastische  Gewebe  an  Menge  ab.  Auch  bei  Erinaceus  tritt  wie  bei  den 
andern  Insectivoren  die  wallartige  Schlußleiste  auf. 

Den  harten  Gaumen  von  Centetes  ecaudatus  habe  ich  nicht  unter- 
sucht, aber  Retzius  sagt  hiervon:  »In  den  Zwischenräumen  der  Leisten 
finden  sich  zahlreiche  warzenähnliche  Erhabenheiten  verschiedener 
Größe;  sie  sind  größtenteils  zu  Querreihen  angeordnet,  welche  den 
Leisten  parallel  geordnet  sind.  Besonders  in  den  vordersten  Zwischen- 
räumen und  auf  dem  Felde,  das  hinter  der  letzten  Leiste  liegt,  sind  diese 
Warzen  in  Menge  vorhanden«.  Wenn  man  sich  die  Abbildung  von 
Retzius  (Taf.  XLI,  Fig.  3)  ansieht,  so  kann  man  beobachten,  daß 
hinter  der  letzten  Leiste  diese  Papulae  operariae  ungeordnet  sind.  Hinter 
der  zweit-  und  drittletzten  Leiste  haben  sie  zwar  dieselbe  Größe,  sind 
aber  in  den  Querreihen  parallel  zu  den  Leisten  angeordnet.  Zwischen 
den  weiter  nach  vorn  liegenden  Leisten  werden  diese  zu  Querreihen  an- 
geordneten Papulae  operariae  größer.  In  den  Zwischenfeldern  der 
ersten,  zweiten,  dritten  und  vierten  Leiste  kommt  es  sogar  zu  einer 
seitlichen  Verschmelzung  der  Papulae  operariae,  und  diese  Querreihen 
ähneln  vollkommen  den  Leisten.  Wenn  man  bedenkt,  daß  dieses  Tier 
unter  den  Insectivoren  infolge  des  Gebisses  und  des  Geschlechtsapparates 
eine  niedere  Organisation  verrät,  so  kann  man  zu  der  Auffassung  kom- 
men, daß  hier  derselbe  Bildungsmodus  der  Gaumenleisten  vorliegt  wie 
bei  den  andern  Tieren  geschildert  worden  ist,  und  daß  Talpa  europaea, 
Crocidura  aranea  und  Erinaceus  europaeus  nicht  auf  dem  »primitiven 
Standpunkt  der  phylogenetischen  Entwicklung«  stehen  geblieben  sind 
wie  Centetes  ecaudatus. 
Chiroptera. 
Carpophaga. 

Pteropodidae. 
Pteropus  sp. 
Entomophaga. 

Vespertilionidae. 

Vespertüio  murinus  Schreb. 

Historisches.     Robin  (1881)  berichtet  über  den  Gaumen  von  Vespertilio 
murinus  wie  folgt:  »La  voüte  palatine  du   Vespertilio  murinus  a  la  forme  d'un 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  niakroskop.  und  mikroskop.  Anatomie  usw.    111 

rectanglo  liiniti'  ru  uvant,  ontro  Ics  incisives,  par  un  tubercule  sur  les  cotes  et  en 
arriero  ikiquel  s'ouvrcnt  los  porcs  tlc  Jacobson.  Ceux-ci  sont  bordes  en  arriere 
par  un  pli  transversal  saillant  qui  reunit  les  ineisives  externes  des  deux  cotes. 
Dcux  autres  rides  ininterrompues,  eonvexes,  s'etendent  respectivement  entre 
les  premieres  premolaires  et  les  premieres  luolaires,  et  sont  suivies  de  cinq  paires 
de  rides  interrompues  sur  la  ligne  mediane,  la  derniere  confine  ä  la  lignc  d'in- 
sertion  du  voile  du  palais«. 

Retzius  (IDOG)  beschreibt  den  harten  Gaumen  eines  beinahe  ausgetragenen 
Fötus  von  Vespertilio  murimis.  Er  sagt:  »Man  erkennt  die  zwischen  die  starken 
Zahnwälle  eingeschlossene  Gaumenspalte  mit  ihrer  vorderen  Papillenregion, 
welche  hier  noch  zusammengesetzter  erscheint  als  bei  Vesperugo  pipistrellus, 
und  mit  der  dahinter  gelegenen  Leistenregion,  an  der  die  drei  vordersten  Leisten 
wenig,  die  folgenden  stark  gebogen  sind,  und  zwar  mit  den  medialen  Enden  weit 
nach  hinten  ziehend;  die  äußeren  Enden  sind  auch,  obwohl  weniger,  nach  hinten 
gedreht  und  biegen  sich  dann  nach  vorn  um «.  Er  kommt  durch  die  Unter- 
suchung der  Chiropteren  zu  demselben  Ergebnis  wie  bei  den  Insectivoren. 

Oppel  (1900)  bildet  einen  Sagittalschnitt  durch  zwei  Gaumenleisten  der 
Fledernuius  ab  (Fig.  23),  und  er  berichtet  darüber,  wie  schon  im  historischen  Teil 
der  Insectivoren  zitiert  worden  ist. 

Eigene  Untersuchungen.  Im  vorderen  Abschnitt  des  Gaumens 
von  Vespertilio  murinus  Hegt  die  Region  der  Papilla  palatina,  die  eine 
dreieckige  Gestalt  hat.  Die  Dreiecksbasis  wird  durch  eine  von  einem 
Eckzahn  zum  andern  verlaufende  Querfurche  von  der  ersten  Gaumen- 
leiste getrennt.  Vor  dieser  Querfurche  liegt  ein  breiter  Querwulst,  der 
in  der  Medianen  durch  eine  seichte  Furche  in  eine  rechte  und  linke 
Hälfte  getrennt  ist  und  vorn  eine  Ausbuchtung  enthält,  die  den  hin- 
teren Teil  der  von  vorn  nach  hinten  oval  sich  erstreckenden  Papilla 
palatina  umschließt,  von  ihr  aber  durch  eine  Furche  getrennt  ist,  die 
in  der  Medianen  mit  der  oben  genannten  Medianfurche  zusammen- 
fließt. Die  vordere  Hälfte  der  Papilla  palatina  liegt  »entre  les  inei- 
sives« und  ist  von  der  Oberlippe  durch  eine  Furche  getrennt.  Es  folgen 
sieben  Leisten  mit  den  dazwischen  liegenden  Tälern.  Die  beiden  ersten 
Leisten  verlaufen  quer  zum  Gaumen.  Die  zweite  ist  in  der  Mitte  ein 
wenig  nach  hinten  gebogen,  und  die  äußeren  Enden,  bei  der  zweiten 
ein  längeres  Stück  als  bei  der  ersten,  sind  stumpf winkehg  nach  hinten 
geknickt  und  laufen  spitz  aus.  Die  durch  eine  Medianfurche,  Rhaphe 
palati,  getrennten  folgenden  fünf  Leisten  sind  in  ihrem  äußeren  Bau 
grundverschieden.  Die  beiden  Schenkel  der  dritten  und  vierten  Leiste 
sind  stark  gebogen,  die  Konvexität  nach  vorn  und  die  medialen  Enden 
sind  zugespitzt.  Die  beiden  Hälften  der  fünften  Leiste  sind  ganz  schwach 
nach  vorn  gebogen  und  durch  Raummangel  an  den  Enden  stark  ver- 
kürzt, da  die  Backenzähne  weit  nach  innen  reichen.  Die  sechste  Leiste 


112  Jakob  Rehs, 

gleicht  ganz  genau  der  zweiten  mit  Ausnahme  der  Medianfurche.  Die 
Schenkel  der  letzten  Gaumenleiste  bilden  einen  mit  der  Spitze  nach 
hinten  gerichteten  sehr  spitzen  Winkel.  Sie  liegt  zwischen  den  letzten 
Molaren.  Es  zeigt  sich  also,  daß  der  harte  Gaumen  des  erwachsenen 
Tieres  in  mancher  Hinsicht  von  dem  des  ausgetragenen  Fötus,  wie  ihn 
Retzius  beschreibt,  abweicht.  Alle  Leisten  haben  die  besondere  Eigen- 
schaft, daß  die  vordere  Wand  mehr  oder  weniger  steil  zum  Gaumen- 
dach, während  die  Rückwand  schräg  gestellt  ist,  sodaß  die  First  der 
Leisten  oralwärts  gerichtet  ist. 

Der  frugivore  Pteropus  sp.,  den  Retzius  beschreibt,  nimmt  eine 
Sonderstellung  ein,  da  bei  ihm  besonders  die  hinteren  Leisten  an  der 
First  in  Papulae  operariae  aufgelöst  sind,  eine  Eigenschaft,  die  man 
für  etwas  Primitives  halten  muß. 

Was  den  vorderen  Teil  des  harten  Gaumens  von  Vespertilio  murinus 
anbelangt,  so  liegen  die  Verhältnisse  hier  ähnlich,  wie  sie  Grosser 
(1902)  von  Vesperugo  noctula  geschildert  hat.  »Der  Zwischenkiefer, 
dem  ein  Gaumenfortsatz  fehlt,  beteiligt  sich  an  der  Bildung  des  harten 
Gaumens  nicht;  .  .  .  die  Knorpel  des  Nasenbodens  .  .  bilden  die  Er- 
gänzung des  harten  Gaumens  ,  .  .  Diese  Knorpel  ordnen  sich  so  an, 
daß  der  Processus  lateralis  inferior  und  die  Cartilago  ductus  incisivi 
vor,  die  beiden  Processus  posteriores  hinter  dem  STENSONschen  Gange 
zu  finden  sind;  knapp  vor  demselben  hängen  alle  hier  zusammen  .  .  . 
Die  Cartilago  ductus  incisivi  (Textfig.  1,  2,  3  u.  6)  bildet  eine  ziemlich 
ebene  Platte,  welche  nach  vorn  unten  geneigt  ist.  Die  Knorpel  der 
beiden  Seiten  verbinden  sich  im  ausgewachsenen  Zustand  bei  allen 
untersuchten  Vespertilioniden  unterhalb  des  Septum  und  ragen  in 
die  mächtig  vergrößerte  Papilla  incisiva  (Textfig.  1 — i  u.  6)  hinein  .  .  . 
Seiner  Funktion  nach  ist  der  Knorpel  kaum  mehr  ein  Schutzgebilde 
für  den  Ductus  incisivus,  dessen  Achse  mit  der  Ebene  des  Knorpels 
ungefähr  einen  Winkel  von  45  °  bildet ;  er  tritt  für  den  medianen  Defekt 
des  Alveolarrandes  ein  und  wird  zum  Stützgebilde  der  vorhin  erwähnten 
Papilla  palatina  .  .  .  Die  Cartilago  posterior  lateralis  (Textfig.  4  u.  5, 
Taf.I,  Fig.  4  u.  5,  ca.p.l.)  hat  bei  den  Glattnasen  eine  eigene  Bedeutung 
gewonnen;  sie  bildet  eigentlich  den  Boden  der  Nasenhöhle  im  Bereich 
des  x'\.usschnittes  des  harten  Gaumens.  In  diesem  Bereich  nimmt  der 
Knorpel  in  geringer  Entfernung  kaudal  vom  Ductus  incisivus  eine 
horizontale  Lage  ein  (Textfig.  5)  und  verbreitert  sich  beträchtlich  .  .  . 
Nach  ScHwiNKs  Darstellung  bleibt  diese  horizontale  Platte  auch  in 
bereits  verknorpeltem  Zustande  bei  Embryonen  von  Vespertilio  murinus 
^bis  zur  Größe  von  54  mm  Körperlänge)  von  den  übrigen  nasalen  Kjior- 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  niaUrosk()|i.   und   inikroskop.  Anatomie  usw.     113 

pelii  vollständig  isoliert .  .  .  Der  Ductus  iucisivus  (Textfig.  3  u.  4  und 
Taf.  I,  Fig.  2,  4:,  5)  ist  bei  den  untersuchten  Glattnasen,  wie  schon  er- 
wähnt, weit  offen  .  .  .  Seine  Verlaufsrichtung  ist  ziemlich  genau  ver- 
tikal, seine  untere  Hälfte  leicht  nach  vorn  und  außen  abgeknickt«.  Die 
Lage  der  800  u  dicken  Cartilago  ductus  incisivi  und  der  Canales  naso- 
palatini  in  der  Papilla  palatina  läßt  eine  paramediane  Richtung  der 
spärlichen  elastischen  Fasern  sowohl  in  der  Submucosa  mit  dem  lockeren 
Bindegewebe  wie  in  der  Propria  mucosae  mit  dichterem  Bindegewebe 
zu.  Hauptsächlich  treten  elastische  Fasern  dem  Knorpel  anliegend 
auf.  Hinter  den  Canales  naso-palatini  nehmen  die  50  f^i  dicken  Cartilago 
posterior  lateralis,  die  mit  dem  oralen  Rande  der  Processus  palatini 
der  IMaxillae  durch  starke  elastische  Fasern  verbunden  sind,  eine  hori- 
zontale Lage  ein,  und  hierdurch  ist  der  paramediane  Verlauf  der  elasti- 
schen Fasern,  die  in  größerer  Menge  als  vor  den  Canales  naso-palatini 
auftreten,  gewährleistet.  Die  elastischen  Fasern  heften  sich  an  die  epi- 
thelwärts  liegende  Fläche  dieses  Knorpels  an  und  ziehen  von  hier 
kaudalwärts,  aber  sie  spannen  sich  auch  zwischen  die  nasenhöhlenwärts 
liegende  Fläche  dieses  Knorpels  und  das  Epithel  der  Nasenhöhle  oder 
auch  teilweise  das  knorpelige  Nasenseptum.  So  wird  der  Knorpel  in 
meiner  Lage  fixiert,  und  es  erweist  das  elastische  Gewebe  seine  mecha- 
nische Eigenschaft. 

Hinter  der  Papilla  palatina  liegt  die  erste  Gaumenleiste,  >>qui 
reunit  les  incisives  externes  desdeux  cotes«.  Die  40  (.i  dicke  Submucosa, 
die  keinen  direkten  Einfluß  auf  die  Bildung  der  Leisten  ausübt,  birgt 
hier  wie  im  ganzen  übrigen  harten  Gaumen  dünne,  w^ellige,  parame- 
diane elastische  Fasern,  die  einzeln  verlaufen  oder  zu  Bündeln  ver- 
einigt sind.  Nur  das  Bindegewebe  im  Bereich  der  Rhaphe  palati,  die 
ein  Achtel  bis  ein  Zehntel  der  ganzen  Gaumenbreite  einnimmt,  ist  frei 
von  elastischen  Fasern.  Im  bindegewebigen  Innenraum  der  Leiste 
liegen  die  paramedianen  elastischen  Fasern  nur  in  der  Basis  der  Leiste, 
sodaß  die  Leiste  fast  frei  von  elastischen  Fasern  ist.  Diesen  Aufbau 
haben  alle  übrigen  Leisten,  nur  daß  nach  hinten  allgemein  die  elastischen 
Fasern  spärlicher  werden. 

Im  weichen  Gaumen  werden  die  elastischen  Fasern  wieder  reich- 
licher. Paramediane  elastische  Fasern  liegen  sowohl  zwischen  dem 
Epithel  der  Vorderwand  und  den  Drüsenpaketen  wie  auch  zwischen 
den  letzteren  und  dem  Epithel  der  Rückwand.  Beide  Schichten 
stehen  durch  elastische  Fasern,  die  das  interstitielle  Bindegewebe 
durchsetzen,  in  einem  Verband.  Die  paramedianen  elastischen 
Fasern  heften   sich  an    das    Perichondrium    der    Cartilago    palatina, 

Zeitsclirift  f.  wissensch.  Zoologie.    CIX.  Bd.  8 


114  Jakob  Rehs, 

einem  transversal   im  hinteren  Teil  des  weichen  Gaumens  liegenden 
Gebilde,  an. 

Zusammenfassung. 

Auf  Grund  der  Untersuchungen  der  Autoren  und  meiner  eigenen 
lassen  sich,  was  die  makroskopische  und  mikroskopische  Anatomie  ins- 
besondere die  Topographie  des  elastischen  Gewebes  des  Palatum  durum 
der  Mammalier  anbetrifft,  die  folgenden  hauptsächlichen  Ergebnisse 
zusammenstellen. 

Bei  den  Monotremen  sowohl  bei  Echidna  aculeata  wie  bei  Orni- 
thorhynchus  anatinus  finden  sich  in  der  hinteren  Hälfte  des  harten 
Gaumens  gerade  oder  bogige  Querreihen  von  Papulae  operariae,  deren 
bindegewebiger  Grundstock  bei  Echidna  eine  vergrößerte  Primärpapille 
ist.  Bei  letzterem  Tier  entsteht  durch  Konkreszenz  der  lateralen,  basalen 
Teile  der  bindegewebigen  Grundstöcke  und  durch  Zurückdrängung  des 
Epithels  das  bindegewebige  Innere  der  in  der  vorderen  Hälfte  des  harten 
Gaumens  liegenden  Gaumenleisten,  die  aber  ihrer  Entstehung  zufolge 
keine  typischen  Gaumenleisten  sind.  Der  basale  Teil  der  bindegewebi- 
gen Grundstöcke  der  Papulae  operariae  und  derjenige  des  bindegewe- 
bigen Innern  der  Leisten  weisen  transversale  und  paramediane  elastische 
Fasern  im  Geflecht  auf  wie  in  der  Propria  mucosae,  während  im  übrigen 
Teil  des  bindegewebigen  Innern  der  Leisten  samt  den  aufsitzenden,, 
vergrößerten  Primärpapillen  ebenso  wie  in  dem  der  bindegewebigen 
Grundstöcke  der  Papulae  operariae  zur  Spitze  verlaufende  elastische 
Fasern  im  Geflecht  auftreten.  Die  Submucosa  hat  keinen  direkten 
Anteil  an  der  Bildung  der  nicht  typischen  Gaumenleisten. 

Bei  den  Marsupialiern  sind  zwischen  den  Gaumenleisten  beson- 
ders im  vorderen  Teil  des  harten  Gaumens  kleinere  und  größere  Papillae 
operariae  anzutreffen,  die  oft  zu  den  Gaumenleisten  parallelen  Quer- 
reihen angeordnet  sind.  Bei  Halmaturus  riificollis  ist  der  bindegewebige- 
Grundstock  einer  solchen  Papillae  operariae  entweder  eine  vergrößerte 
Primärpapille  mit  zur  Spitze  ziehenden  elastischen  Fasern  oder  eine 
Sekundär papille  mit  aufsitzenden  Primärpapillen.  An  der  Bildung 
der  Sekundärpapillen  nimmt  die  Propria  mucosae  mit  transversalen 
elastischen  Fasern  teil.  Noch  größere  Papillae  operariae  sind  bei  diesem 
Tier  fast  vollständig  verschmolzen,  und  hier  hat  an  der  Bildung  der 
Sekundärpapillen  auch  die  Submucosa  mit  paramedianen  elastischen 
Fasern  einen  direkten  Anteil.  Die  Verschmelzung  kann  soweit  gehen, 
daß  das  bindegewebige  Innere  mit  dem  einer  typischen  Gaumenleiste, 
bei  welcher  nicht  nur  die  Propria  mucosae  mit  transversalen  elastischen 


I 


Beiträge  zur  Keinitiiis  der  luakroskop.  und  mikroskop.  Analoniie  usw.    115 

Fasern,  sondern  auch  die  Subniucosa  mit  paramedianen  elasti!;:clien 
Fasern  einen  bedeutenden,  direkten  Anteil  an  dem  Aufbau  haben, 
vollkommen  übereinstimmt.  Denselben  Entwicklungsgang  nimmt  die 
erste  Gaumenleiste,  die  bei  Petrogale  penicillaUi,  Macropus  billardieri, 
IlalnuUunis  ruficolUs  und  Onijchogale  lunata  aus  mehreren  HcJckern  be- 
steht, während  sie  bei  Didelphys  sp.  und  Didelphys  opossum  eine  typische 
rraumenleiste  ist.  Bei  dem  ersteren  jungen  Tier  liegen  im  hinteren  Teil 
des  harten  Gaumens  Querreihen  von  Papulae  operariae,  die  bei  dem 
erwachsenen,  letzteren  Tier  zu  Gaumenleisten  verschmolzen  sind,  also 
letztere  sich  im  Laufe  der  ontogenetischen  Entwicklung  bilden  können. 
Bei  den  Marsupialiern  findet  sich  im  Übergang  zum  harten  Gaumen 
eine  Schlußleiste.  Sie  ist  nicht  auf  eine  Stufe  mit  den  typischen  Gaumen- 
leisten zu  stellen ;  denn  sie  verdankt  ihr  Vorhandensein  einem  am  ven- 
tralen, pharyngealen  Rand  der  Ossa  palatina  auftretenden  Knochen- 
wulst, über  den  sich  die  Gaumenschleimhaut  in  Gestalt  einer  Leiste 
spannt.  Diese  Leiste  habe  ich  auch  bei  den  Insectivoren  beobachten 
können,  und  sie  ist  sicherlich  auch  bei  vielen  anderen  Tieren  nach- 
zuweisen. 

Bei  den  Edentaten  stellt  der  harte  Gaumen  von  Bmdijpus  tridac- 
tylus  einen  primitiven  Typus  dar,  denn  beim  jungen  wie  beim  erwach- 
senen Tier  sind  Papulae  operariae,  die  oft  zu  Leistenstückeu  verschmol- 
zen sind,  nachzuweisen.  Beim  erwachsenen  Manis  javmiica  läßt  sich 
eine  Entwicklung  der  letzten  Gaumenleisten  aus  Papulae  operariae  im 
Laufe  der  Ontogenese  feststellen.  Ähnlich  liegen  die  Verhältnisse  beim 
Fötus  von  Tatusia  peba  und  dem  nahe  verwandten,  erw^achsenen  Dasy- 
piis  villosus.  Orycteropus  capensis  hat  vollkommen  ausgebildete  Gaumen- 
leisten. 

Über  den  Cetaceen  ist  der  harte  Gaumen  von  Delphinus  delphis 
ein  primitiver  Zustand,  indem  auf  Feldern,  die  durch  tiefe  Epithel- 
furchen hervorgerufen  werden,  kleine  Papulae  operariae  anzutreffen 
sind,  deren  bindegewebiger  Grundstock  eine  Primärpapille  ist.  Die 
Barten  der  erwachsenen  Mystacoceti  entstehen  dadurch,  daß  ver- 
längerte Primärpapillen  in  der  Basis  zu  konischen  Gebilden  verschmelzen. 
Diese  konischen  Gebilde  verschmelzen  ihrerseits  lateralwärts  zu  trans- 
versal gestellten  Bindegewebsleisten,  von  denen  sich  wiederum  mehrere 
zu  einer  einzigen  Leiste  zusammenschließen,  welche  die  bindegewebige 
Grundlage  einer  Barte  abgeben,  auf  welcher  Grundlage  viele  Primär- 
papillen aufsitzen,  die  von  Hornröhren  umscheidet  sind,  welche  als 
Haare  den  Hauptteil  der  Barten  überragen  und  als  Papulae  operariae 
zu  bezeichnen  sind.     Ähnliche   Verhältnisse  liegen   bei  Echidna  vor. 


IIG  Jakob  Rehs, 

Mehrere  Barten  stehen  in  einer  Querreihe  nebeneinander,  aber  diese  ist 
keine  typische  Gaumenleiste. 

Von  den  Perissodactylen  zeigt  der  harte  Gaumen  von  Equus  ca- 
hallus  typische  Gaumenleisten,  an  deren  Bildung  nicht  nur  die  Propria 
mucosae  mit  dem  Geflecht  elastischer  Fasern  nach  allen  Richtungen, 
sondern  auch  die  Submucosa  mit  paramedianen  elastischen  Fasern 
einen  direkten  Anteil  haben. 

In  der  Ordnung  der  Artiodactylen  und  zwar  bei  den  Non-Rumi-, 
nantien  sind  beim  Fötus  von  Sus  scrofa  dornest,  im  Übergang  zum  wei- 
chen Gaumen  Querreihen  von  Papillae  operariae  zu  beobachten,  die 
beim  erwachsenen  Tier  miteinander  verschmolzen  sind.  Die  Gaumen- 
leisten sind  aber  typische  Leisten,  und  es  hat  neben  der  Propria  mucosae 
mit  dem  Geflecht  elastischer  Fasern  nach  allen  Richtungen  auch  die 
Submucosa  mit  dünnen,  paramedianen  elastischen  Fasern  einen  sehr 
bedeutenden,  direkten  Anteil  an  ihrer  Bildung.  Lama  huanachus  zeigt 
im  harten  Gaumen  zerstreut  liegende  Papillae  operariae,  solche  die 
zu  transversalen  Reihen  angeordnet  sind,  solche  die  teilweise  zu  trans- 
versalen Gebilden  zusammengeschmolzen  sind  und  auch  fast  typische 
Gaumenleisten.  Bei  Buffelus  huhalus  und  Bos  taurus,  welche  Tiere,  wie 
Lama  huanachus  zu  den  Ruminantien  gehören,  sind  Papillae  operariae 
zu  Querreihen  angeordnet  vorhanden  und  ähneln  den  Wangenpapillen. 
Die  Gaumenleisten  sind  bei  Bos  taurus  nicht  vollkommen  ausgebildet, 
da  die  First  aus  nebeneinander  sitzenden  Papilla  operaria  besteht. 
Die  bindegewebige  Grundlage  einer  Papilla  operaria  ist  eine  Sekundär- 
papille  mit  aufsitzenden  Primärpapillen,  welche  Sekundärpapillen  einer 
bindegewebigen  Leiste  aufsitzen  wie  bei  Echidna.  Die  bindegewebige 
Leiste  ist  eine  Propria  mucosae  mit  einem  Geflecht  elastischer  Fasern 
nach  allen  Richtungen,  während  die  elastischen  Fasern  in  den  Sekundär- 
papillen zur  Spitze  steigen.  Bei  Ovis  aries  hingegen  sind  die  Gaumen- 
leisten teilweise  typischer  ausgebildet,  indem  die  First  nur  an  den  Seiten- 
teilen Papillae  operariae  zeigt,  während  Orthaegoceros  falconeri  auch  hier 
kaum  noch  Papillae  operariae  aufweist.  In  der  Basis  des  bindegewe- 
bigen Innern  der  Leiste  liegen  paramedian<5  elastische  Fasern  der  Propria 
mucosae,  während  sie  sonst  so  wie  bei  Bos  gelagert  sind.  Bei  beiden 
Tieren  hat  die  Submucosa  keinen  direkten  Anteil  an  der  Bildung  der 
Leisten. 

Bei  den  Carnivoren  ist  der  harte  Gaumen  von  Felis  serval  primitiv ; 
denn  es  finden  sich  Querreihen  von  Papillae  operariae,  die  dicht  neben- 
einander liegen.  Vor  und  hinter  je  einer  solchen  Querreihe  sind  je  eine 
dieser  parallele  Querreihe  von  Papillae  operariae  anzutreffen,  die  weiter 


Beiträge  ziii'  KcniiUiii?  ck'f  nuikroskoi).    iiiul  mikroskop.  Aiuitoniic'  usw.    117 

auseincinder  liegen.  Bei  Felis  donieslica  fsitzcn  die  dicht  nebeneinander 
liegenden  Papulae  operariae  einer  Leiste  wie  bei  Boa  taurus  auf.  Der 
bindegewebige  Grundstock  einer  solchen  Papilla  operaria  ist  eine 
Sekundärpapille  mit  aufsitzenden  Primärpapillen.  In  dem  binde- 
gewebigen Innern  der  Leiste,  an  deren  Bildung  die  Submucosa  keinen 
direkten  Anteil  hat,  verlaufen  paramediane  elastische  Fasern,  während 
sie  in  den  Sekiindärpapillen  zur  Spitze  ziehen.  Bei  Cervaria  rufa  ist 
die  Leiste,  auf  der  die  Papulae  operariae  aufsitzen,  noch  besser  aus- 
gebildet als  bei  Felis  doniestica.  Typische  Gaumenleisten  besitzen  der 
harte  Gaumen  von  Canis  familiaris,  Canis  vulpes,  Mustela  foina,  Putorius 
vulgaris  und  von  andern  Carnivoren.  Bei  allen  diesen  Tieren  außer  bei 
Putorius  hat  die  Subnmcosa  mit  den  paramedianen  elastischen  Fasern 
einen  direkten  Anteil  an  der  Bildung  der  Gaumenleisten. 

Bei  den  Pinnipediern  hat  der  harte  Gaumen  des  jungen  Ogmorhinus 
lepfonyx  und  des  erwachsenen  Seeleoparden  und  Seelöwen  keine  Leisten, 
und  ist  daher  ein  sehr  primitiver  Typus.  Es  folgt  der  von  Zalophus 
californianus  und  Phoca  vitulina,  bei  denen  Papulae  operariae  für  sich 
allein  stehend  vorkommen.  Die  bindegewebige  Grundlage  einer  solchen 
ist  eine  Sekundärpapille  mit  aufsitzenden  Primärpapillen,  welche 
Sekundärpapillen  zur  Spitze  aufsteigende  elastische  Fasern  besitzen. 
Bei  Phoca  vitulina  kann  die  laterale  Basis  dicht  nebeneinander  liegender 
Papulae  operariae  verschmelzen,  und  bei  größereu  liegt  in  der  Basis 
des  Verschmelzuugsproduktes  die  Propria  mucosae  mit  paramedianen 
elastischen  Fasern,  aber  es  können  keine  größeren  Leistenstücke  wie 
bei  Zalophus  nachgeväesen  werden,  da  die  größeren  Stücke  immer 
noch  papillären  Charakter  haben.  Bei  Zalophus  können  mehrere  Se- 
kundärpapillen verschmelzen,  und  größere  Leistenstücke  zeigen  in  der 
Basis  paramediane  und  transversale  elastische  Fasern  wie  in  der  Pro- 
pria mucosae.  Bei  noch  größeren  Leistenstücken  nimmt  auch  die  Sub- 
mucosa mit  paramedianen  elastischen  Fasern  an  der  Bildung  des  binde- 
gewebigen Innern  teil  wie  bei  Halmaturus  ruficollis.  Phoca  fötida  hin- 
gegen zeigt  schon  schwach  ausgebildete  Gaumenleisten. 

Bei  den  simplicidentaten  Rodentien  gehört  der  harte  Gaumen  von 
Cavia  cohaija,  Cavia  porcellus,  H ydrochoerus  capyhara,  Myopotamus 
coypus,  Ctenomys  magellanicus  und  Lagostomus  irichodactylus  einem 
primitiven  Typus  an,  da  keine  Gaumenleisten  vorhanden  sind;  während 
alle  andern  Rodentien  schwach  oder  vollkommen  entwickelte  Gaumen- 
leisten aufweisen.  Es  ist  eine  Beziehung  zwischen  dem  Nichtvorhanden- 
sein oder  der  kümmerlichen  Ausbildung  der  Gaumenleisten  im  vorderen 
Teil  des  harten  Gaumens  und  der  Gestaltung  des  knöchernen  Gaumen- 


118  Jakob  Rehs, 

claches,  die  ihrerseits  wieder  aus  der  starken  Konvergenz  der  beiden 
Backenzahnreihen  nach  vorn  und  den  tief  eingesenkten  Backenzähnen 
resultiert,  vorhanden,  die  darin  besteht,  daß  die  Maxillae  stark  ver- 
dickt sind.  Eine  Beziehung  läßt  sich  auch  zwischen  dem  Nichtvor- 
handensein oder  der  unvollkommenen  Entwicklung  der  Gaumenleisten 
im  hinteren  Teil  des  harten  Gaumens  und  der  Bildung  der  Zunge  nach- 
weisen, welch  letztere  in  diesem  Falle  einen  mehr  oder  weniger  stark  ent- 
wickelten, pharyngeal  gelegenen  Absatz  hat,  der  in  die  Mundhöhle 
hineinragt.  Bei  einem  Teil  der  hystricognathen  und  bei  vielen  sciu- 
rognathen  Simplicidentaten,  bei  denen  die  Verhältnisse  nicht  so  liegen, 
sind  Gaumenleisten  vorhanden.  Der  harte  Gaumen  von  Cavia  cobaya 
ist  aber  nicht  glatt,  sondern  zerstreut  liegen  Papulae  operariae,  die  eine 
bindegewebige  Grundlage  in  Gestalt  einer  Primärpapille  haben.  Sciurus 
vulgaris  hat  zwischen  den  typischen  Gaumenleisten,  an  deren  Bildung 
die  Submucosa  mit  paramedianen  elastischen  Fasern  einen  direkten 
Anteil  hat,  Querreihen  von  Papulae  operariae,  deren  bindegewebige 
Grundlage  eine  Sekundärpapille  mit  aufsitzenden  Primärpapillen  ist. 
In  der  Basis  der  Sekundärpapille  liegen  paramediane  elastische  Fasern 
der  Propria  mucosae. 

Der  primitive  Insectivore,  Centetes  ecaudatus,  hat  Leisten,  die  teil- 
weise aus  Papulae  operariae  bestehen.  Außerdem  liegen  überall  Papulae 
operariae,  die  oft  zu  Querreihen  angeordnet  sind,  und  dieser  Gaumen 
stellt  einen  primitiven  Typus  dar.  Talpa  europaea,  Crocidura  aranea 
und  Erinaceus  europaeus  haben  typische  Gaumenleisten,  deren  binde- 
gewebiges Innere  paramediane  elastische  Fasern  besitzt,  aber  keine 
Submucosa  ist. 

Unter  den  Chiropteren  hat  Pteropus  sp.  im  hinteren  Teil  des  harten 
Gaumens  Querreihen  von  Papulae  operariae.  Auch  die  vorderen  Leisten 
sind  nicht  typisch  entwickelt.  Vespert üio  murinus  hat  Gaumenleisten, 
an  deren  Bildung  die  Submucosa  keinen  direkten  Anteil  hat. 

Ein  nicht  typisch  verhorntes,  kernfreies  Stratum  corneum  be- 
sitzen die  harten  Gaumen  von  Echidna  aculeatd,  Halmaturus  ruficollis, 
Sus  scrofa,  Canis  familiaris,  Canis  vulpes,  Felis  domestica,  Zalophus 
californianus,  während  es  bei  Equus  cahallus,  Bos  taurus,  Ovis  aries, 
Phoca  vitulina,  Cavia  cobaya,  Talpa  europaea  und  Crocidura  aranea 
verhornt  ist.  Bei  Equus  cahallus,  Ovis  aries  und  Cavia  cohaya  können 
im  Stratum  corneum,  das  100 /<,  bzw.  147//,  bzw.  300 — 450 /<  dick  ist, 
in  der  Verlängerung  der  Primärpapillen  Zelleureihen  beobachtet  wer- 
den, deren  Zellen  nicht  vollkommen  verhornt  sind.  Ein  Stratum  luci- 
dum haben  Bos  taurus,  Ovis  aries  und  Cavia  cohaya.   Ein  Stratum  gra- 


Beiträge  zur  Kiimtiüs  der  makn)sk<)|).  iiiul  mikroskop.  Anatomie  usw.    119 

nulosum  besitzen  Eckidna  aculeata  in  der  vorderen  Hälfte  des  harten 
Gaumens,  Canis  familiaris  uiul  Cavia  cobaya,  bei  welch  letzterem  Tier 
Eieidin  vorkommt.  Bei  Ecliidna  aculeata  in  der  hinteren  Hälfte  des 
harten  Gaumens  und  bei  Balacnoptcra  sibhaldii  ist  das  Epithel  stark  ver- 
dickt, und  hierdurch  kommt  es  zu  besondern  Differenzierungen  dieses 
Ei)ithels  wie  zur  Bildung  einer  Zwischenschicht  und  von  Hornröhren 
mit  Marksäulen.  Eine  Art  von  Hornröhren  läßt  sich  auch  in  eewisser 
Hinsicht  bei  DelpJiiniis  delphis  und  Cavia  cohaya  feststellen. 

Mit  der  Epithelverdickung  bei  Eckidna  aculeata,  Delphinus  delphis 
und  Cavia  cobaya  geht  Hand  in  Hand  eine  spärliche  Ausbildung  des 
elastischen  Gewebes  und  eine  Verlängerung  der  Primärpapillen,  die 
bei  Eckidna  400 /<,  bei  Delpkinus  1000  «,  bei  Cavia  300  u  lang  sind. 

Im  allgemeinen  kann  gesagt  werden,  daß  die  meistens  von  der 
Propria  mucosae  kommenden  elastischen  Fasern  sich  in  der  Peripherie 
der  Primärpapillen  ausbreiten.  Die  Propria  mucosae  ist,  soweit  sie  an 
der  Bildung  der  Gaumenleiste  teil  hat,  schon  besprochen  worden.  Bei 
Eckidna  aculeata,  Halmaturus  ruficoUis,  Bakienoptera  pkysalus  liegen 
in  der  Propria  mucosae  hauptsächlich  transversale  elastische  Fasern 
in  kleinerer  oder  größerer  Menge  im  Geflecht,  während  bei  Ovis  aries, 
Putori US  vulgaris,  Phocavitulina,  Sciurus  vulgaris,  Talpa  europaea,  Cro- 
cidura  aranea,  Erinaceus  europaeus  und  Vespertilio  murinus  es  beson- 
ders paramediane  elastische  Fasern  sind.  Bei  Delphinus  delphis,  Sus 
scrofa,  Bos  taurus,  Canis  familiaris,  Canis  vulpes,  Mustela  foina.  Felis 
dornest ica  und  Zalopkus  californianus  verlaufen  in  dieser  Schicht  die 
elastischen  Fasern  nach  allen  Richtungen  im  Geflecht. 

In  der  Submucosa,  die  ein  mehr  oder  weniger  entwickeltes  Venen- 
netz und  Fettgewebe  enthält,  kommen  Drüsen  bei  Eckidna^  aculeata 
im  Bereich  der  ersten  sieben  Gaumenleisten  vor,  bei  Sus  scrofa,  Bos 
taurus,  Ovis  aries,  Canis  familiaris,  Canis  vulpes  und  Felis  domestica 
in  der  Nähe  der  Canales  naso-palatini,  in  der  Zahnplatte  oder  in  der 
Region  der  Papilla  palatina,  bei  Bos  taurus,  Ovis  aries,  Canis  fami- 
liaris und  Felis  domestica  im  pharyngealen  Abschnitt  des  harten  Gau- 
mens. Die  Submucosa  birgt  paramediane  elastische  Fasern  in  Bündel- 
form in  einem  mehr  oder  weniger  weitmaschigen  Geflecht  bei  Eckidna 
aculeata,  Halmaturus  ruficoUis,  Balaenoptera  pkysalus,  Equus  cahallus,  Sus 
scrofa,  Ovis  aries,  Putorius  vulgaris,  Zalopkus  californianus,  Talpa  euro- 
paea, Crocidura  aranea,  Erinaceus  europaeus  und  Vespertilio  murinus. 
Hauptsächlich  paramediane  elastische  Fasern  aber  auch  solche  mit  an- 
derem Verlauf  haben  Canis  familiaris,  Canis  vulpes,  Mustela  foina, 
Felis  domestica.    Elastische  Fasern  nach  allen  Richtungen  finden  sich 


120  Jakob  Rehs, 

bei  Delphinus  delphis,  Bps  taurus,  Phoca  vitulina  und  Sciurus  vul- 
garis. 

Bei  Echidna  aculeata,  Halmaturus  ruficollis,  Balaeno'ptera  pJiysalus, 
Zalophus  californianus  und  Phoca  vitulina  kann  festgestellt  werden,  daß 
das  Periost  des  harten  Gaumens  frei  von  elastischen  Fasern  ist. 

Eine  Beziehung  zwischen  dem  elastischen  Gewebe  und  den  Canales 
naso-palatini  mit  dem  Stützknorpel  besteht  bei  Echidna  aculeata,  Bos 
taurus,  Ovis  aries,  Canis  familiaris,  Canis  vulpes,  Mustela  foina,  Pu- 
torius  vulgaris,  Felis  domestica,  Cavia  cobaya,  Sciurus  vulgaris  und 
Vespertilio  murinus,  während  eine  solche  kaum  bei  Crocidura  aranea 
und  Erinaceus  europaeus  vorhanden  ist.  Bei  Phoca  vitulina  ist,  da  bei 
diesem  Tier  keine  Canales  naso-palatini  und  nur  Reste  eines  Stütz- 
knorpels dem  knöchernen  Gaumendach  anliegend  vorhanden  sind, 
naturgemäß  keine  Beziehung  nachweisen. 

Das  elastische  Gewebe  tritt  in  Beziehung  zu  den  Muskeln  bei  Cavia 
cohaya,  Sciurus  vulgaris,  zu  den  Drüsen  bei  Echidna  aculeata,  Sciurus 
vulgaris,  Crocidura  aranea  und  Vespertilio  murinus,  zu  dem  vorderen 
Teil  des  knöchernen  Gaumendaches  bei  Crocidura  aranea  und  Erina- 
ceus europaeus. 

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Beitr.  z.  patholog.  Anat.  u.  allgeni.  Patholog.     Bd.  XXVII.     1900. 
.34.     Oppel,  A.,  Lehrbuch    der   vergleichenden   mikroskopischen    Anatomie    der 

Wirbeltiere.     III.  Teil.      IHOO. 
oö.     —  Über  die  Zunge  der  Monotremen,   einiger  IMarsupialicr  und  von  Manis 

javanica.     Semons  zoolog.  Forschungsreisen.     Bd.  IV.     1899. 
öG.     OwEX,  R.,  On  the  Anatomy  of  Vertebrates.     Vol.  III.     18(38. 
.')7.      Rabl,  H.,  Untersuchungen  über  die  menschliche  Oberhaut  und  ihre  Anhangs- 
gebilde mit  besonderer  Rücksicht  auf  die  Verhornung.     Arch.  f.  mikr. 

Anat.     Bd.  XL VIII.     1897. 
.58.     Ranvier,  L.,  De  rexistence  et  la  distribution  de  Teleidinedans  la  muqueuse 

bucco-oesophagienne  des  mammiferes.    Journ.  de  micrographie.  T.  VIII. 

1884. 

59.  Rauber,  A.,  Lehrbuch  der  Anatomie  des  Menschen.     V.  Aufl.     1897. 

t)0.     Rausch,  TinctoricUe  Verschiedenheit  und  Relief  der  Hornzellen.    Monatsh.  f. 

prakt.  Dermatolog.      Bd.  XXIV.     1897. 
Gl.     Retzius,  G.,  Die  Gaumenleisten  des  Menschen  und  der  Tiere.     Biologische 

Untersuchungen.     N.  F.     Bd.  XIII.     1906.       " 
02.     Robin,  H.  A.,  Recherches  anatomiques  sur  les  Mammiferes  de  l'ordre  des 

Chiropteres.      Ann.    des   scienees   natur.      Scr.  VI.     Zoologie.      T.  XII 

1881. 
<).{.     Röscher,  P.,  Der  Kopfdarm   von  Cricetus   frumentarius.     Eine   physiolo- 

gische-anatomische   Studie.      Sitzungsber.    d.    K.  K.    Akad.    zu   Wien. 

Math.-naturw.  Klasse.     IIL  Abt.     Bd.  XVIII.     1909. 
04.     Rosenthal,  W.,  Über  den  Nachweis  von  Fett  durch  Färbung.     Verh.  d. 

deutsch,  patholog.  Ges.  in  Verh.   d.  Ges.   deutsch.   Naturf.   u.   Ärzte. 

LXXI.  Vers.     München  1899. 
Oö.     SchiefferdeckeR,  P.  und  A.  Kossel,  Gewebelehre  mit  besonderer  Berück- 
sichtigung des  menschlichen  Körpers.     I.  Abt.     1891. 

60.  Schiffmann,  J.,  Die  Histogenese  der  elastischen  Fasern  bei  der  Organisation 

des  Aleuronatexsudates.     Centralbl.  f.   allgem.  Patholog.   u.  patholog. 
Anat.     Bd.  XIV. 
07.     ScHiMKEWiTSCH,  W.,  Lchrbuch    der    vergleichenden   Anatomie    der  Wirbel- 
tiere.    1910. 

68.  Schütz,  E.,  Zur  Kenntnis  des  elastischen  Gewebes  des  Magens.     Arch.   f. 

Verdauungskrankheiten.      Bd.  XIII. 

69.  Schulz,  K.,  Das  elastische  Gewebe  des  Periosts  und  des  Knochens.   Inaug.- 

Diss.     Gießen  1894/95. 

70.  Schulze,  F.  E.,  Die  Erhebungen  auf  der  Lippen-  und  Wangenschleimhaut 

der  Säugetiere.     I.  Ruminantia.     Sitzungsber.  d.  K.   Preuß.  Akad.  d. 
Wiss.     Bd.  XXVIII.     1912. 

71.  Secchi,  E.,  Zur  Topographie  des  elastischen  Gewebes  der  normalen  mensch- 

lichen Haut.     Arch.  f.  Dermatolog.  u.  SyiihiHs.     Bd.  XXXIV.     1896. 

72.  Seipp,  L.,  Das  elastische  Gewebe  des  Herzens.    Inaug.-Diss.     Gießen  1895. 

73.  Severix,  Untersuchungen  über  das  Mundepithel  bei  Säugetieren  mit  Bezug 

auf  Verhornung,   Regeneration  und  Art  der  Nervenendigung.     Arch. 
f.  mikroskop.   Anat.     Bd.  XXVI.     1885. 


124  Jakob  Rehs, 

74.  Seydel,  O.,  Über  Entvvicklungsvorgänge  an  der  Nasenhöhle  und  amMund- 

höhlendache  von  Echidna  nebst  Beitr.  z.  Morphologie  des  peripheren 
Geruchsorgans  und  des  Gaumens  der  Wirbeltiere.  Zool.  Forschungs- 
reisen in  Austr.  u.  dem  Malay.  Arch.  v.  R.  Semon.     Bd.  III.     1889. 

75.  Smirnow,  A.  E.,  Über  die  Beziehung  zwischen  dem  Muskel-  und  elastischen 

Gewebe   bei  den  Wirbeltieren.     Anat.   Anz.     Bd.  XV.      1898/99. 

76.  Spalteholz,  W.,  Handatlas    der   Anatomie    des  Menschen.      Bd.  I    u.    III. 

5.  Aufl.     1909. 

77.  Stöiib,  Ph.,  Lehrbuch    der   Histologie   und   der   mikroskopischen  Anatomie 

des  Menschen.     XII.  Aufl.     1906. 

78.  Stricker,  Handbuch  der  Lehre  von  den  Geweben  des  Menschen  und  der 

Tiere.     Bd.  L     1871. 

79.  Teuffel,  E.,  Entwicklung  der  elastischen  Fasern  in  der  Lunge  des  Fötus 

und  des  Neugeborenen.    Arch.  f.  Anat.  u.  physiolog.  Anatomie,     1902. 

80.  ToLDT,  Lehrbuch   der  Gewebelehre   mit   besonderer   Berücksichtigung   des 

menschlichen  Körpers.     1897. 

81.  Triepel,  H.,  Über   gelbes   Bindegewebe.      Anat.    Anz.      Bd.  XV.    1898/99. 

82.  —  Elastisches   Gewebe   und    gelbes   Bindegewebe.      Anat.    Anz.      Bd.  XV. 

1898/99. 

83.  Trouessart,  E.  L.,   Catalogus  Mammalium  tam  viventium   quam  fossilium. 

Berolini  (1898/99).     Suppl.   1904. 

84.  TuLLBERG,  T.,  Bau  und  Entwicklung  der  Barten  bei  Balaenoptera  sibbaldii. 

Acta  societatis  scientiarum  Upsaliensis.    III.  Serie.     Vol.  XL    1881/83. 

85.  —  Über  das   System   der   Nagetiere,    eine   phylogenetische   Studie.     Acta 

societatis  scientiarum  Upsaliensis.     III.  Serie.     Vol.  XVIII.     1900. 

86.  Hayek,  G.  V.,  Handbuch  der  Zoologie.    IV.  Bd.     1893. 

87.  ScoNTAGH,  V.,  Beiträge  zur  feineren  Anatomie  des  menschlichen  Gaumens. 

Sitzungsber.  d.  Math.-naturw.  Klasse  d.  K.  K.  Akad.  d.  Wiss.  Wien. 
Bd.  XX.     1856. 

88.  Weidenreich,  F.,  Über   den   Bau   und    die  Verhornung   der   menschlichen 

Oberhaut.    Arch.  f.  mikroskop.  Anat.    Bd.  LVI.     1900. 

89.  —  Weitere  Mitteilungen  über  den  Bau  der  Hornhaut  usw.    Arch.  f.  mikrosk. 

Anat.     Bd.  LVII.     1901. 

90.  Weigert,  C.,  Über  eine  Methode  zur  Färbung  elastischer  Fasern.    Centralbl. 

f.  allgem.  Patholog.     Bd.  IX.     1898. 

91.  Wiedersheim,  R.,  Vergleichende     Anatomie    der   Wirbeltiere.       VII.  Aufl. 

1909. 

92.  WoLTKE,  W.,  Beitrag  zur  Kenntnis  des  elastischen  Gewebes  in  der  Gebär- 

mutter und  dem  Eierstock.  Beitr.  z.  patholog.  Anat.  u.  allgem.  Patholog. 
Bd.  XXVIL     1900. 

93.  Zenthöfer,  Topographie  des  elastischen  Gewebes  innerhalb  der  Haut  der 

Erwachsenen.     Dermatolog.  Studien.     XIV.  Heft.      1892. 

94.  Zimmerl,  U.,  Sulla    distribuzione   del    tessuto    elastico    nella    mucosa  della 

cavitä  orale  degli  animali  domestici.     Parma  1905. 

95.  ZiTTEL,K.A.,  Handbuch  der  Palaeontologie.     Bd.  IV.     1891—1893. 


Beitrage  zur   Kenntnis  der  niakroskoi).   und  niikroskop.  Anatomie  usw.    125 


Erklärung  der  Abbildungen. 

Zeichenerklärung: 
a,  Arterie;  ad,  Anheftungsstelle  der  dorsalen  elastischen  Decke;  av,  An- 
hcftungsstellc  der  ventralen  elastischen  Decke;  bi,  bindegewebiger  transversaler 
Innenraum  der  Leiste;  hl,  paramediane  Bindegewebsleiste ;  hl-\-  pr,  paramedianc 
Bindegewebsleiste  mit  teilweise  abgerissenen  Priniärpapillen;  hlz,  blasige  Zellen; 
rnp,  einer  der  Canales  naso-palatini;  d,  zwei  lateral  verschmolzene  Epithelmäntel 
aus  verhornten  Zellen;  dd,  dorsale  elastische  Decke;  de,  dorsales  elastisches  Band; 
dl-,  Drüsengewebe;  ef,  elastische  Fasern;  el,  transversale  Epithellciste;  ep.  Epithel; 
ew,  paramedianer  Epithelwulst;  ewr,  eine  von  einem  Epithelwulst  {ew)  gebildete 
Bindegewebsrinne ;  fg,  Fettgewebe;  k,  knöchernes  Gaumendach;  kk,  Knorpel- 
kern; kl,  Knorpelleiste;  km,  elastischer  Knorpel  in  der  Rhaphe  palati;  ks,  elasti- 
scher Knorpelstrang;  kw,  Knochenwulst  derOssa  ])alatina;  le,  paramediane  elasti- 
sche Fasern  in  Bündelform  zu  Lamellen  in  paramedianen  Ebenen  angeordnet; 
m,  Muskel;  n,  Nerv;  opm,  oberflächliche  Schicht  der  Propria  mucosae;  pe,  Periost; 
pef,  paramediane  elastische  Fasern;  pm,  Propria  mucosae;  p7no,  Palatum  moUe; 
po,  Pajiilla  (ae)  operaria  (ae);  pov,  verschmolzene  Papulae  operariae;  pp,  Papilla 
palatina;  pr,  Primärpapille ;  prv,  vergrößerte  Primärpapille;  prvs,  Spitze  einer 
vergrößerten  Primärpapille;  rp,  Rhaphe  palati;  rsm,  Reichweite  der  Submucosa; 
•s,  Sekundärpapille ;  sc,  Stratum  corneum ;  sg,  Stratum  germinativum  oder  Mantel 
aus  Zellen  des  Stratum  germinativum  um  eine  große  Bindegewebspapille ;  sk, 
Stützknorpel  der  Canales  naso-palatini;  skli,  Stützknorpel  hinter  den  Canales 
naso-palatini;  skv,  Stützknorpel  vor  den  Canales  naso-palatini;  sm,  Submucosa; 
sp,  Übergang  zwischen  Submucosa  und  Propria  mucosae;  spl.  Sehnenplatte;  tef, 
transversale  elastische  Fasern;  v,  Vene;  vd,  ventrale  elastische  Decke;  ve,  ventrales 
elastisches  Band;  w,  wallartige  Querleiste;  zr,  Zellreihen,  die  infrapapillar  von 
Primärpapillen  liegen;  1,  2,  3,  4,  5,  6,  7,  8,  9,  10,  erste,  zweite,  dritte,  vierte,  fünfte, 
sechste,  siebente,  achte,  neunte,  zehnte  Gaumenleiste;  //,  Epithelmantel  aus 
Zellen,  die  den  Übergang  zu  den  verhornten  Zellen  des  äußersten  Epithelmantels 
der  Papulae  operariae  bilden;  ///,  Epithelmantel  aus  vollkommen  verhornten 
Zellen  (Taf.  I,  Fig.  2,  ///  =  Epithelpapille);  der  Pfeil  mit  dem  Zeichen  o  bzw.  ph 
kennzeichnet  die  orale  bzw.  pharyngeale  Richtung. 

Tafel  I— IV. 

Ovipara  s.  Monotremata. 
Echidna  aculeata  Cuv. 

Fig.  1.  Paramedianschnitt  durch  die  rechte  Hälfte  der  zweiten  Gaumen- 
leiste mit  Teilen  des  davor  und  dahinter  liegenden  Tales.  Der  Schnitt  geht  zwi- 
schen zwei  Bindegewebspapillenspitzen  (Taf.  I,  Fig.  2  prvs)  hindurch.     Vergr.  60. 

Fig.  2.  Transversalschnitt  durch  die  linke  Hälfte  der  zweiten  Gaumeu- 
leiste  im  Bereiche  der  First.     Vergr.  65. 

Fig.  3.  Transversalschnitt  durch  einige  Papulae  operariae  der  ersten  Pa- 
pillenquerreihe.      Vergr.  55. 

Fig.  4.     Oberflächenansicht  des  Bindegewebes  der  Ganmensclilcimhaut  aus 


126  Jakob  Rehs, 

dem  Gebiet  der  siebenten  Papillenquerreihe  nach  Ablösung  der  Epithelschicht. 
Vergr.  23. 

Marsupialia. 
Halmaturus  ruficollis  Desm. 
Fig.  o.     Gesamtansicht  des  harten  Gaumens.     Vergr.  I1/4. 
Fig.  6.     Gesamtansicht  des  harten  Gaumens.     Vergr. :  natürl.  Größe. 
Fig.  7.     Paramedianschnitt  durch  die  erste  Gaumenleiste  mit  Teilen  des 
davor  und  dahinter  liegenden  Tales.     Vergr.  15. 

Fig.  8.  Transversalschnitt  durch  einen  Teil  der  linken  HäHtc  der  zweiten 
Gaumenleiste,  durch  die  First  gehend.     Vergr.  15. 

Fig.  9.  Horizontalschnitt  durch  einen  Teil  der  rechten  Hälfte  der  zweiten 
Gaumenleiste  im  Bereich  der  Basis  der  Leiste.     Vergr.  15. 

Fig.  10.  Transversalschnitt  durch  zwei  kleine  Papulae  operariae  des  Tales 
vor  der     ersten  Gaumenleiste.     Vergr.  80. 

Fig.  11.  Transversalschnitt  durch  eine  große  Papilla  operaria  des  Tales 
zwischen  der  ersten  und  zweiten  Gaumenleiste.     Vergr.  30. 

Fig.  12.  Horizontalschnitt  durch  den  medial  gelegenen  Teil  der  rechten 
Hälfte  der  dritten  Gaumenleiste,  durch  die  beiden  davor  liegenden  verschmolzenen 
großen  Papulae  operariae  und  durch  den  nach  links  anschließenden,  längeren 
Höcker.     Vergr.  20. 

Placentalia. 
Edentata.     Nomarthra. 
Orycteropus  capensis  Gm. 
Fig.  13.     Gesamtansicht  des  harten  Gaumens.    Vergr.   1/0  der  natürl.  Größe. 

Artiodactyla. 
Lama  huanachus  Mol. 
Fig.  14.     Gesamtansicht  des  harten  Gaumens.    Vergr.   1/2  der  natürl.  Größe. 

Bos  taurus  L. 
Fig.  15.     Horizontalschnitt  durch  die  First  einer  Gaumenleiste  im  Bereiche 
der  Basis  der  Papulae  operariae.     Vergr.  18. 

Buffelus  huhalus  L. 
Fig.  16.     Gesamtansicht  des  vorderen  Teils  des  harten  Gaumens.     Vergr. 
1/2  der  natürlichen  Größe. 

Orthaegoceros  falconeri  Wag. 
Fig.  17.     Gesamtansicht  des  harten  Gaumens.    Vergr.  1/2  der  natüil.  Größe. 

Carnivora. 
Felis  domestica  Briss. 
Fig.  18.     Horizontalschnitt  durch  die  First  der  dritten  Gaumenleiste  im 
Bereich  der  Papulae  operariae  und  durch  die  davor  liegenden  zu  parallelen  Quer- 
reihen angeordneten  Papulae  operariae,      Vergr.  18. 

Felis  Serval  Schreb. 
Fi».  19.     Gesamtansicht  des  harten  Gaumens.     Natürl.  Größe. 


Beitrage  zur  Kenntnis  der  inakroskop.  und  inikroskop.  Anatomie  usw.    127 

Cervaria  rufa. 
Fig.  20.     Cesanitansielit    des   harten   Oanmons.      Natürl.    Größe. 

Pinnipcdia. 
Zalophus  californianus  Lesson. 
Fig.  21.     Gesamtansicht  des  harten  Gaumens.    Vergr.  *  '5  der  natürl.  Größe. 

Phoca  vitulina  L. 
Fig.  22.     Gesamtansicht  des  harten  Gaumens.    Vergr.   1/2  der  natürl.  Größe. 

Rodentia. 
Cavia  cobaya  Schreb. 
Fig.  23.     Paramedianschnitt  durch  die  Rhaphe  palati  und  die  Papilla  pala- 
tina.     Vergr.  15. 

Fig.  24.  Paramedianschnitt  durch  einen  zwischen  den  beiden  Backzahn- 
reihen gelegenen  Teil  der  Gaumenschleimhaut  (das  Bindegewebe  ist  durch  Re- 
sorcin-Fuchsin  stark  diffus  gefärbt).     Vergr.  40. 

Sciurus  vulgaris  L. 

Fig.  25.  Paramedianschnitt  durch  die  Rhaphe  und  j^alati  Papilla  palatina 
und  die  erste  Gaumenleiste.     Vergr.  10. 

Fig.  26.  Paramedianschnitt  durch  die  zweite  und  dritte  Gaumenleiste. 
Vergr.  20. 

Fig.  27.  Transversalschnitt  durch  den  vorderen  Teil  der  Papilla  palatina. 
Vergr.  40. 

Fig.  28.     Teil  aus  dem  Transversalschnitt  Fig.  23.     Vergr,  250. 

Fig.  29.  Paramedianschnitt  durch  die  fünfte  Gaumenleiste,  und  Median- 
schnitt durch  eine  in  dem  Tal  zwischen  der  fünften  und  sechsten  Gaumenleiste 
liegenden  Papilla  operaria.     Vergr.  60. 

Insectivora. 
Crocidura  aranea  Wagn. 
Fig.  30.     Paramedianschnitt  durch  die  Region  der   Papilla  palatina  und 
die  zwei  ersten  Gauraenleisten  mit  den  davor  und  dahinter  liegenden  Tälern. 
Vergr.  60.     Der  Verlauf  des  Stensonschen  Ganges  ist  auf  der  Platte  abgedeckt. 
Fig.  31.     Paramedianschnitt  durch  die  zwei  letzten  Gaumenleisten  mit  den 
davor  und  dahinter  liegenden  Tälern,  durch  die  letzte  wallartige  Querleiste  und 
durch  den  weichen  Gaumen.     Vergr.  60. 


Beiträge  zur  Biologie  der  Weinbergschnecke 
(Helix  pomatia  L). 

Von 

Walter  Kühn. 

(Aus  dem  Zoologischen  Institut  der  Universität  Marburg.) 


Mit  9  Figuren  im  Text. 


Inhalt. 

Seite 

I.  Die  längeren  Ruheperioden 129 

1.  Allgemeine  Vorbemerkungen 129 

2.  Die  Winterruhe 130 

a.  Beginn  der  Winterruhe 130 

b.  Die  Bedeutung  des  Ejiiphragmas 132 

c.  Unterbrechung  und  Verhinderung  der  Winterruhe 137 

d.  Stoffwechsel  und  Gewichtsabnahme 139 

3.  Die  Hunger-  und  Trockenstarre 144 

a.  Allgcnieine  Vorbedingungen      141 

b.  Die  Gewichtsabnahme  während  einer  Hunger-  und  Trockenperiode  144 

c.  Die  Gewichtsabnahme  bei  Nahrungsmangel  und  Wasserzufuhr      .  155 

d.  Die  Gewichtsabnahme  in  trockener  Atmosphäre 158 

4.  Das  Wiederaufleben 161 

a.  Die  Ursache  des  Auskriechens 161 

b.  Die  ersten  Lebensäußerungen  nach    der  Winterruhe  und  die  Ge- 
wichtzunahme        165 

II.  Die  Wasseraufnahme 169 

Ergebnisse 179 

Verzeichnis  der  benutzten  Literatur 181 


Die  folgenden  Ausführungen  sind  Absclinitte  einer  zusammen- 
fassenden Darstellung  der  Biologie  von  Helix  pomatia,  die  ihrerseits 
als  Teil  einer  größeren  Monographie  dieser  Spezies  gedacht  ist.  Gerade 
die  hier  behandelten  Gebiete  waren  seither  noch  nicht  genügend  er- 
forscht, sodaß  sich  Gelegenheit  zu  einer  Reihe  neuer  Untersuchungen 
bot.     Wenn  diese  Untersuchunaen  auch  den  orößten  Teil  des  Raumes 


Beiträge  x.ur  Biologie  der  Weinbergsehneekc  (Helix  pomatia  L.).         129 

in  AiLsprucli  nehiiien,  so  wurde  anderseits  durch  ausführliche  Berück- 
sichtigung der  vorhegenden  Literatur  Vollständigkeit  in  der  Darstellung 
erstrebt. 

Herrn  Geheimrat  Professor  Korschelt,  ebenso  Herrn  Privat- 
dozent Dr.  Harms  spreche  ich  für  die  zahlreichen  Anregungen  und 
Ratschläge,  die  sie  mir  im  Laufe  meiner  Untersuchungen  zu  Teil  werden 
ließen,  meinen  aufrichtigen  Dank  aus. 

I.  Die  längeren  Ruheperioden. 
1.  Allgemeine  Vorbemerkungen. 

Die  Weinbergschnecke  besitzt  die  Fähigkeit,  ihren  Stoffwechsel  für 
lange  Zeiträume  auf  ein  außerordentlich  geringes  Maß  herabzusetzen. 
Derartige  Ruhezustände  kommen  zu  allen  Jahreszeiten  vor.  Sie  er- 
möghchen  das  Überdauern  ungünstiger  äußerer  Lebensbedingungen, 
wie  sie  einerseits  in  der  Winterkälte,  anderseits  in  Trockenperioden 
während  der  übrigen  Jahreszeiten  gegeben  sind. 

Das  Verhalten  der  Weinbergschnecken  in  beiden  Fällen  zeigt  w^eit- 
gehende  Ähnlichkeit.  Zunächst  suchen  sie  einen  mögUchst  geschützten 
Ort  auf;  dann  ziehen  sie  sich  in  die  Schale  zurück  und  verschließen 
deren  Öffnung  mit  einer  oder  mehreren  häutigen  Membranen,  die  aus 
getrocknetem  Schleim  bestehen.  Bei  Eintritt  in  die  Winterruhe  kommt 
hierzu  noch  der  mehr  oder  weniger  dichte  Kalkdeckel. 

In  diesem  Zustande  verharren  sie  bis  zum  Eintreten  günstiger 
Lebensbedingungen.  Herztätigkeit  und  Atmung  werden  schwächer 
und  scheinen  unter  Umständen  ganz  auszusetzen.  Der  Stoffwechsel 
kann  äußerst  geringe  Werte  annehmen,  wie  man  schon  aus  den  Zeit- 
räumen schließen  muß,  die  Helix  pomatia  nach  Angaben  verschiedener 
Autoren  ohne  Nahrung  überdauern  kann.  Schon  im  Jahre  1820  be- 
richtet Johann  Carl  Leuchs  (36)  über  diesbezüghche  Beobachtungen. 
Er  schreibt  S.  35 :  »Die  Schnecken  sind  sehr  gefräßig,  können  aber 
auch  sehr  lange  Zeit  ohne  Nahrung  zubringen.  Ich  habe  die  behausten 
wohl  19  Monate  ohne  Nahrung  erhalten  und  gefunden,  daß  sie  wäeder 
auflebten.«  E.  Yung  (53)  gelang  es  sogar,  ein  Exemplar  von  Helix 
pomatia  vom  Oktober  1884  bis  zum  30.  Juni  1886.  also  21  Monate, 
ohne  Nahrung  zu  halten  und  dann  durch  Untertauchen  zu  neuem 
Leben  zu  erw-ecken.  M.  Krahelska  (27)  berichtet  von  zw'ei  Exemplaren, 
die  etwa  15  Monate  hungerten.  Andre  Beobachtungen,  zum  Teil  bei 
andern  Landschnecken  angestellt,  lieferten  ähnliche  Ergebnisse.  Zu 
erwähnen    sind    hier    die    Mitteilungen    von  Fack  und  Möbius  (15), 

Zeitschrift  f.  wiäsensch.  Zoologie.    CIX.  Bd.  9 


130  Walter  Kühn, 

W.  Hartwig  (23),  W.  Kochs  (26),  Treitel  (52)  und  0.  Goldfuss  (21). 
Bemerkenswert  ist  die  Beobachtung  von  Goldfuss,  daß  bei  einer 
künstlichen  Verlängerung  der  Winterruhe  größere  Zeiträume  ohne 
Nahrung  überdauert  werden  können  als  bei  einer  Unterbrechung  der 
vollen  Lebenstätigkeit  zu  andern  Jahreszeiten.  Am  längsten  ver- 
mögen die  Arten  ohne  Nahrung  zu  existieren,  die  in  besonders  trockenen 
Gegenden  heimisch  sind.  So  berichtet  R.  Taylor  (51)  von  einem 
Exemplar  von  Helix  maculosa  Ferussac,  das  aus  den  Sand  wüsten 
Ägyptens  stammte  und  das  nach  einer  Hunger-  und  Trockenperiode 
von  4  Jahren  wieder  auflebte.  Ähnlich  lautet  eine  Mitteilung  von 
V.  Martens  (38)  über  Helix  caesareana  Mouss.,  die  in  Syrien  heimisch 
ist.  Nach  andern  weniger  genauen  Angaben  von  v.  Marxens  und 
0.  Goldfuss  sind  sogar  Fälle  beobachtet  worden,  wo  Hungerperioden 
von  15  bzw.  8  Jahren  überlebt  wurden. 

Obgleich  die  Weinbergschnecken  in  den  Gegenden,  wo  sie  heimisch 
sind,  nie  so  ausgedehnte  ungünstige  Perioden  zu  bestehen  haben,  wie 
sie  etwa  von  Yung  künstlich  geschaffen  wurden,  fallen  sie  doch  den 
Witterungseinflüssen  unter  Umständen  in  außerordentlich  großer  Zahl 
zum  Opfer.  Sowohl  große  Sommerhitze  und  Trockenheit,  als  auch 
starker  und  insbesondere  plötzlich  eintretender  Frost  können  bedeu- 
tende Verheerungen  anrichten.  Der  Grund  für  das  Absterben  der 
einzelnen  Individuen  besteht  meist  darin,  daß  sie  sich  entweder  an 
einem  besonders  ungünstigen  Ort  befinden,  wo  sie  den  Witterungs- 
einflüssen direkt  ausgesetzt  sind,  oder  daß  ihre  Schutzmembranen 
durch  irgendwelche  Zufälle  beschädigt  worden  sind. 

Wenn  auch  das  Verhalten  der  Weinbergschnecke  während  der 
Winterruhe,  wie  bereits  erwähnt,  große  Ähnlichkeit  mit  dem  während 
einer  Trocken-  und  Hunger periode  besitzt,  so  sind  die  Unterschiede  doch 
erheblich  genug,  um  eine  getrennte  Behandlung  zu  fordern.  Es  handelt 
sich  nicht  nur  um  verschiedene  Grade  des  Ruhezustandes,  sondern  auch 
um  Wesensunterschiede.  In  dieser  Hinsicht  ist  von  besonderer  Be- 
deutung, daß  das  Eintreten  in  die  Winterruhe  als  Folge  eines  festen, 
bis  zu  einem  gewissen  Grade  von  äußeren  Einflüssen  unabhängigen  Instink- 
tes aufgefaßt  werden  muß,  während  Beginn  und  Dauer  jeder  Trocken- 
starre ausschließlich  durch  äußere  Einwirkungen  bestimmt  werden. 

2.  Die  Winterruhe. 
a.  Der  Beginn  der  Winterruhe. 

Über  den  Eintritt  in  die  Winterruhe  finden  sich  Mitteilungen 
bei  H.  C.  L.  Barkow  (4),    S.  Clessin  (11)   und  J.  G.  Allmann  (2). 


Beiträge  zur  Biologie  der  Weinbergschnecke  (Helix  ponialia  L).         131 

Keiner  von  ihnen  eneielit  jedoch  in  bezug  auf  Ausi'ührhchkeit  und 
AiischauUchkeit  die  viel  früher  gegebene  Darstellung  von  B.  Gaspard 
(19,  S.  244),  die  im  Folgenden  wörtlich  wiedergegeben  ist: 

>>In  unsern  gemäßigten  Gegenden  werden  die  Schnecken  mit 
dem  Anfange  des  Oktobers,  um  die  Zeit  der  ersten  Herbstfröste  und 
Reife,  auf  den  Bergen  etwas  früher,  in  der  Ebene  etwas  später  träge, 
kriechen  nicht  mehr  wie  gewöhnlich,  verlieren  die  Eßlust  und  ver- 
>ammeln  sich  in  ziemlich  zahlreichen  Haufen  an  Hügeln,  Gräben, 
kleinen  Erhabenheiten  in  Gesträuchen,  Hecken  usw.  Hier  fasten  sie 
1—2  Tage  lang,  exzernieren  den  letzten  Kot  und  verbergen  sich  dann 
unter  das  Moos,  Gras  oder  trockene  Blätter.  Hierauf  gräbt  sich  jedes 
Tier  mit  dem  vorderen  Teil  seines  Muskelfußes  ein  Loch,  das  weni»- 
stens  seine  Schale  aufnehmen  kann,  vergrößert  und  rundet  es  ab,  indem 
es  sich  mit  dieser  auf  die  Seite  dreht  und  windet  sich  dann  sacht  zurück, 
indem  es  anfangs  längs  der  Seitenwand  der  Grube,  dann  gegen  ihre 
obere,  aus  Moos  und  Blättern  oder  etwas  Rasen  gebildete  Wand  kriecht. 
Wenn  es  sich  mit  der  Öffnung  seiner  Schale  nach  oben  gewendet  hat, 
bleibt  es  liegen,  zieht  dann  bald  seinen  Fuß  nach  innen,  breitet  sein 
Halsband  (Mantelsaum),  das  jetzt  sehr  weiß  ist,  völlig  darüber  aus 
und  läßt  die  Lungenöffnung  eine  Zeitlang  halb  offen,  um  Luft  aufzu- 
nehmen. Dann  schließt  es  diese  und  bildet  mit  seinem  klebrigen  Saft 
eine  seidenartige  Haut  zwischen  dem  Halsbande  und  den  über  dem 
Tiere  befindlichen  schädlichen,  fremden  Körpern.  Sogleich  nachher 
-ondert  das  Halsband  überall  eine  einförmige,  kalkartige,  eine  halbe 
Linie  dicke  Schicht  ab.  Ist  der  Deckel  auf  diese  Art  erhärtet,  so  wird 
das  Halsband  durch  ein  Gespinnst  von  ihm  abgesondert,  das  fester 
als  das  erste  ist.  Nach  einigen  Stunden  atmet  das  Tier  die  vorher  in 
]\Ienge  eingenommene  Luft  aus,  zieht  sich  dadurch  mehr  in  die  Tiefe 
zurück,  bildet  eine  zweite  bloß  häutige  Schicht,  atmet  noch  einmal  aus, 
zieht  sich  weiter  zurück  und  bildet  so  oft  bis  sechs  Scheidewände  mit 
dazwischen  befindlichen  Lufträumen. 

»Diese  Tatsachen  habe  ich  im  Oktober  1818  sehr  genau  und  an 
vielen   Schnecken   beobachtet.  << 

Der  Bau  der  Winterhöhle  ninmit  2 — 3  Tage  in  Anspruch.  Wenn 
Gaspakd  als  Zeitpunkt  für  den  Beginn  der  Winterruhe  Anfang  Oktober 
angibt,  so  ist  das  auch  für  Gegenden  mit  gemäßigtem  Klima  nicht 
unbedingt  richtig.  Der  Eintritt  in  die  Winterruhe,  wie  auch  das 
Aufleben  im  Frühjahr  ist  vielmehr  abhängig  von  den  gerade  herr- 
schenden Witterungsverhältnissen.  An  dem  gleichen  Ort  können  zeit- 
liche  Schwankungen  von   4  und   mehr  Wochen  vorkommen.     Dazu 

9* 


132  M'iiltcv  Kühn, 

kommt,  daß  sich  die  Weinbergschnecken  einer  Gegend  durchaus  nicht 
alle  gleichzeitig  einkapseln.  Jüngere  Exemplare  behalten  ihre  Beweg- 
lichkeit länger  als  ältere.  Die  letzteren  sind  weniger  widerstandsfähig 
gegen  plötzliche  Kälte.  Die  ersten  Herbstfröste  töten  in  der  Regel 
viele  Exemplare,  alle  die,  welche  sich  nicht  rechtzeitig  eingekapselt 
haben. 

Vergleicht  man  Beginn  und  Ende  der  "VVinterruhe  an  Orten  mit 
verschiedenem  Klima,  so  zeigen  sich  erhebliche  Unterschiede.  E.  Yung 
(53)  hat  hierüber  einige  Beobachtungen  veröffentlicht.  Er  stellte  in  4 
bzw.  5  Jahren  die  Zeitpunkte  der  Einkapselung  und  des  Wiederauf- 
lebens fest,  einerseits  für  Genf  (Meereshöhe  375  m),  anderseits  für  das 
nahe  dem  Genfer  See  in  einer  Höhe  von  580  m  gelegene  Dörfchen  Sonzier. 
Die  Ergebnisse  sind  aus  folgender  Tabelle  ersichtlich. 

1.  Verschwinden  im  Herbst. 

Genf  Sonzier 

1882  3.  XI  7.  X. 

1883  18.  XI.  5.  X. 

1884  30.  X.  24.  IX. 

1885  9.  XI.  1.  X. 

2.  Aufwachen  im  Frühjahr. 

Genf  Sonzier 

1882  29.  III.  11.  IV. 

1883  4.  IV.  16.  IV. 

1884  9.  III.  7.  IV. 

1885  16.  III.  2.  IV. 

1886  25.  IV.  6.  V. 

Die  Unterschiede  sind  sehr  groß.  In  dem  205  m  höher  gelegenen 
Sonzier  begann  die  Winterruhe  durchschnittlich  mehr  als  einen  Monat 
früher  und  hörte  etwa  V2  Monat  später  auf  als  in  Genf.  In  einem 
Fall  hatte  sie  eine  mittlere  Dauer  von  etwa  6V2  Monaten,  im  andern 
Fall  von  5  Monaten.  Der  Einfluß  des  KUmas  ist  also  von  wesentlicher 
Bedeutung. 

1).  Die  Bedeutung  des  Epiphragmas. 

Seiner  chemischen  Natur  nach  besteht  das  Epiphragma  aus  Kal- 
ziumkarbonat und  Kalziumphosphat.  In  der  Regel  werden  diese 
Stoffe  in  erheblicher  Menge  nur  in  der  äußersten  Membran,  dem  eigent- 
hchen  Epiphragma  abgeschieden,  während  die  weiter  nach  innen  ge- 
legenen Schutzmembranen  meist  nur  Spuren  davon  enthalten.     Die 


Beiträge  zur  Biologie  «lir  Weinbergschnecke  (Helix  poiiuitia  L.).         133 

Dicke  dei'  Kalk.scliicht  ist  abhün,uig  von  dem  Kalkvoirat,  über  den  die 
Tiere  bei  Eintritt  in  die  Winterruhe  verfügen.  Nicht  selten  findet  man 
Exemplare,  die  sehr  dünne  und  wenig  haltbare  Deckel  gebildet  haben. 
Die  gute  Ausbildung  des  Epiphragmas  steht  in  engster  Beziehung 
zu  der  mehr  oder  weniger  großen  Vollkommenheit,  mit  der  es  seinen 
Zweck  erfüllt.  Dieser  Zweck  besteht  in  der  Vereinigung  eines  guten 
Schutzes  gegen  Kälte  und  "Wasserverdunstung  mit  der  Möglichkeit 
eines  Luftaustausches  durch  den  Kalkdeckel  hindurch. 

1.  Schutz   gegen  Kälte. 

Gaspard  hat  bereits  Versuche  angestellt,  die  die  Unentbehrlich- 
keit  des  Winterdeckels  veranschaulichen.  Er  setzte  eine  Schnecke,  bei 
der  er  die  Bildung  des  Winterdeckels  verhindert  hatte,  einige  Tage 
einer  Temperatur  von  — 1°  bis  — 2°  aus.  Sie  zog  sich  nur  unvoll- 
kommen in  die  Schale  zurück  und  starb  schließlich.  Von  mehreren 
hundert  großen  Schnecken,  die  eine  Kälte  von  einigen  Graden  unter 
»)  ausgestanden  hatten,  fand  er  alle  die  tot,  deren  Deckel  beschädigt 
war,  die  übrigen  lebten.  Die  Bestätigung  dieser  Beobachtungen  kann 
man  sich  leicht  verschaffen,  wenn  man  nach  einem  früh  und  plötzlich 
eingetretenen  Herbstfrost  nach  Schnecken  sucht.  Man  findet  stets 
eine  Anzahl  von  Exemplaren,  die  infolge  ungenügenden  Schutzes  zu- 
•iTunde  gegangen  sind. 

Unrichtig  ist  dagegen  die  weitere  Angabe  Gaspards,  daß  die 
Kälte  auch  von  gut  verschlossenen  Exemplaren  nur  bis  zu  einer  unteren 
Grenze  von  etwa  — 8°  ertragen  werden  könne.  Eine  ähnliche  Ansicht 
äußert  A.  Moquix-Tandox  (41),  ebenso  S.  Clessin  (11).  Im  Gegen- 
-atz  hierzu  stehen  die  Ergebnisse  einer  Reihe  von  Versuchen  von  E. 
YuNG  (53).  Er  benutzte  sowohl  fest  eingekapselte  Exemplare,  als 
auch  solche,  deren  W^interruhe  durch  Entfernung  des  Deckels  und 
Untertauchen  unter  Wasser  unterbrochen  worden  war.  Je  drei  Exem- 
plare wurden  zusammen  mit  zwei  Individuen  von  Arion  empiricorum 
4  Stunden  lang  einer  Kälte  von  — 100°  ausgesetzt.  Dann  erfolgte 
langsames  Erwärmen.  Erst  nach  3  Stunden  war  die  Temperatur  der 
Umgebung  wieder  erreicht.  Zunächst  reagierte  keines  der  Tiere  auf 
mechanische  oder  elektrische  Reize.  Sie  \\airden  nun  alle  in  Wasser 
-ebracht,  die  eingekapselten  nach  Entfernung  des  Epiphragmas.  Nur 
die  letzteren  zeigten  3  Stunden  nach  dem  Eintauchen  Bewegung, 
Eines  von  den  drei  Exemplaren  starb  nachträglich,  die  beiden  andern 
kehrten  wieder  ins  Leben  zurück  und  reagierten  am  folgenden  Tage 
auf  einen  schwachen  Induktionsstrom   mit    sofortigem   Zurückziehen 


134  Walter  Kühn, 

in  die  Schale.  Nach  einem  weiteren  Tag  erfolgte  Nahrungsaufnahme. 
Die  Tiere  schienen  vollkommen  gesund  zu  sein. 

Nach  diesem  günstigen  Ergebnis  ließ  Yung  eine  noch  größere 
Kälte  einwirken.  Außerdem  setzte  er  die  Tiere  längere  Zeit  dieser 
Kälte  aus.  Zunächst  setzte  er  drei  Exemplare  20  Stunden,  dann 
88  Stunden  einer  Temperatur  von  — 70  bis  — 76 °C  aus;  schließlich 
ließ  er  sie  noch  20  Stunden  lang  in  einer  Temperatur  von  — 130°.  Dar- 
auf folgte  wieder  langsames  Erwärmen.  Selbst  in  diesem  Falle  über- 
lebte ein  Exemplar,  Ähnliches  gibt  R.  Pictet  nach  seinen  Versuchen 
für  Temperaturen  von  — 120°  an  (La  vie  et  les  basses  temperatures. 
Rev.  scient.  T.  52,  1893). 

Die  Widerstandsfähigkeit  gegen  Kälte  ist  also  ganz  außerordentlich 
groß;  doch  hängt  sie  vollkommen  von  dem  Vorhandensein  eines  festen  un- 
versehrten Epiphragmas  ab.  Nach  dem  Gesagten  ist  es  nicht  verwunder- 
lich, daß  auch  Einfrieren  in  Eis  gut  verschlossene  Exemplare  nicht  tötet. 

Die  Herabsetzung  der  Wasserabgabe  durch  den  Kalkdeckel  wird 
an  andrer  Stelle  behandelt. 

2.  Luftaustausch  durch  den  Kalkdeckel. 

Der  gute  Schutz,  den  das  Epiphragma  gegen  Kälte  bietet,  legt 
die  Vermutung  nahe,  daß  der  Verschluß  der  Schalenöffnung,  den  es 
bewirkt,  ein  vollkommen  dichter  sei.  Tatsächlich  wurde  diese  Anschau- 
ung vertreten,  unter  andern  von  Gaspard  und  Barkow.  Ersterer 
stützt  sich  auf  die  Beobachtung,  daß  eingekapselte  Exemplare,  die 
er  unter  kaltem  Wasser,  Quecksilber,  öl  und  Fett  hielt,  nicht  erstickten, 
vielmehr  im  Frühjahr  gesund  hervorkrochen.  Aus  diesen  Beobachtun- 
gen folgt  jedoch  nur,  daß  die  Luftzufuhr  während  des  Winters  ohne 
erheblichen  Nachteil  längere  Zeit  entbehrt  werden  kann.  Daß  tat- 
sächlich ein  Luftaustausch  stattfindet,  hätte  Gaspard  aus  dem  Er- 
gebnis eines  andern  Versuches  schließen  können.  In  der  Absicht,  das 
Auskriechen  einiger  Schnecken  im  Frühjahr  hinauszuschieben,  brachte 
er  sie  in  Flaschen,  die  mit  trockenem  Sand  gefüllt  waren  und  versiegelte 
dann  die  Öffnung.  Zu  seinem  Erstaunen  beobachtete  er  jedoch,  »daß 
diese  Vorrichtung  selbst  mitten  im  Winter  das  Auskriechen  sehr  be- 
schleunigte, vorzüglich  wenn  das  versiegelte  Gefäß  klein  ist<<  (S.  260). 

Der  Grund  für  das  vorzeitige  Auskriechen  ist  jedenfalls  der,  daß 
der  normale  Luftaustausch  wegen  des  kleinen  Raumes,  in  dem  die 
Tiere  eingeschlossen  waren,  nicht  stattfinden  konnte  und  diese  nun, 
um  den  unnatürlichen  Zustand  ein  Ende  zu  machen,  den  Deckel  ab- 
stießen.    Diese  Erklärung  wird  gestützt  durch  einige  Beobachtungen 


Beiträge  zur  Biologie  di-r  Weinbergschnecke  (Helix  pomatia  L.).         135 

von  E.  EiiRARD  (11).  Er  hatte,  wie  schon  vor  ihm  Barkow,  fest- 
gestellt, daß  die  gelbliehe  Membran,  die  dem  Kalkdeckel  auf  der  Innen- 
seite fest  anlicjit,  an  einer  Stelle,  und  zwar  gerade  der  Respirations- 
öffnung gegenüber,  eine  Kalkeinlagerung  besitzt.  Auch  bei  den  weiter 
innen  abiresonderten  häutigen  Membranen  sind  derartige  Kalkeinlage- 
rungen  zu  beobachten.  Ebrard  ging  von  der  Vermutung  aus,  daß 
an  dieser  Stelle  in  erster  Linie  ein  Luftaustausch  stattfände.  Während 
einer  warmen  Periode,  wo  die  Atmung  erhöht  w^ar,  ölte  er  die  poröse 
Stelle  ein  und  fand  tatsächlich,  daß  der  Deckel  abgestoßen  wurde. 

Damit  ist  das  Bestehen  eines  Gasaustausches,  das  man  auch  schon 
aus  der  Gewichtsabnahme  während  der  Winterruhe  schließen  muß, 
einwandfrei  bewiesen. 

Ich  habe  im  Winter  1912/13  Versuche  angestellt,  die  die  Ergebnisse 
von  Ebrards  Versuchen  nicht  nur  bestätigen,  sondern  einen  noch  ge- 
naueren Aufschluß  geben  über  die  Beziehungen,  die  zwischen  der  ein- 
gekapselten Schnecke  und  der  Außenwelt  bestehen. 

Am  11.  Dezember  bestrich  ich  das  Epiphragma  von  zwei  Wein- 
bergschnecken mit  Paraffin.  Die  Tiere  wurden  dann  mit  andern  ein- 
gedeckelten  Exemplaren  in  einem  geheizten  Zimmer  aufbewahrt. 
AVährend  von  sechs  andern  Exemplaren  im  Laufe  vieler  Wochen  nur 
eins  seinen  Deckel  abstieß,  fand  ich  bereits  am  19.  Dezember  eins  der 
beiden  Versuchsexemplare  ohne  Epiphragma.  Das  zweite  Exemplar 
hatte  seinen  Deckel  bis  zum  7.  Januar  abgestoßen.  Im  Januar  und 
Februar  wiederholte  ich  den  Versuch  mit  einer  größeren  Anzahl  von 
Individuen.  Am  15.  Januar  wurden  die  Deckel  von  fünf  Exemplaren 
mit  Paraffin  bestrichen,  die  von  fünf  weiteren  Exemplaren  mit  Vaseline. 
Von  den  letzteren  hatten  bereits  am  17.  Januar,  also  2  Tage  später, 
alle  ihren  Deckel  entw^eder  abgestoßen  oder  doch  an  einer  Seite  gelüftet. 
Etwas  anders  verhielten  sich  die  mit  Paraffin  behandelten  Individuen. 
Zwei  von  ihnen  hatten  nach  3  Tagen  ihren  Deckel  abgestoßen,  ein 
drittes  nach  weiteren  6  Tagen  und  die  beiden  übrigen  nach  im  ganzen 
16  bzw.  18  Tagen.  Eine  nochmalige  Wiederholung  des  Versuches, 
die  Anfang  Februar  vorgenommen  wurde,  führte  zu  einem  ähnlichen 
Ergebnis.  Die  vier  mit  Vaseline  bestrichenen  Exemplare  hatten  nach 
11  Tagen,  drei  bereits  nach  7  Tagen,  ihr  Epiphragma  gelüftet  oder  ab- 
gestoßen. Bei  den  andern  mit  Paraffin  verschlossenen  Exemplaren 
erfolgte  wie  bei  dem  vorigen  Versuch  die  Reaktion  etwas  langsamer, 
doch  waren  auch  hier  nach  31/2  Wochen  sämtliche  Deckel  abgestoßen. 

Von  21  Exemplaren,  deren  Epiphragma  im  Laufe  des  Winters 
nnt  einer  undurchlässigen  Masse  bestrichen  worden  war,  hatten  also 


136  Walter  Kühn, 

alle  in  oleicher  Weise  durch  Abstoßen  oder  Lüften  des  Winterdeckels 
reagiert.  Da  von  sechs  andern  Exemplaren,  die  im  übrigen  genau  den 
gleichen  Bedingungen  ausgesetzt  waren,  nur  eins  im  Laufe  dieser  Zeit 
seinen  Deckel  abstieß,  folgt  aus  dem  Versuch,  daß  zu  jeder  Zeit  während 
der  Winterruhe,  im  Dezember,  Januar  und  Februar  ein  Gasaustausch 
durch  das  Epiphragma  hindurch  besteht.  Die  lange  Zeit,  die  "oft  bis 
zum  Abstoßen  des  Deckels  verstrich,  führt  anderseits  zu  der  Ver- 
mutung, daß  der  Gasaustausch  entweder  nicht  sehr  lebhaft  ist,  oder 
aber  auch  auf  anderem  Weg  erfolgt.  Aus  den  verschieden  großen 
Zeiträumen,  die  sich  zwischen  2  Tagen  einerseits  und  nahezu  4  Wochen 
anderseits  bewegen,  muß  man  ferner  auf  große  individuelle  Schwan- 
kungen schließen.  Daß  tatsächlich  die  Unmöglichkeit  einer  genügen- 
den Luftzirkulation  Ursache  für  das  Verhalten  der  Schnecken  war, 
geht  auch  aus  der  Beobachtung  hervor,  daß  ein  großer  Teil  der  Indivi- 
duen lediglich  den  Deckel  lüftete  und  dann  nach  Bildung  häutiger 
Membranen  gleich  die  Winterruhe  fortsetzte. 

Wenn  somit  bewiesen  ist,  daß  ein  Luftaustausch  durch  das  Epi- 
phragma stattfindet,  so  ist  die  weitere,  schon  angedeutete  Frage  von 
Interesse,  ob  diese  Funktion  dem  Epiphragma  allein  zukommt,  oder 
ob  vielleicht  auch  die  Schale  einen  Gasaustausch  durch  sie  hindurch 
gestattet. 

Um  hierüber  Klarheit  zu  erhalten,  habe  ich  am  2L  Januar  bei 
sechs  Weinbergschnecken  die  gesamte  Schale  mit  Vaseline  bestrichen, 
das  Epiphragma  jedoch  frei  gelassen.  Am  26.  Januar  hatte  das  erste 
Exemplar  seinen  Deckel  abgestoßen,  am  2.  Februar  drei  weitere.  Am 
3.  März  besaß  nur  noch  ein  Exemplar  sein  Epiphragma.  Am  6,  Februar 
wTirden  weitere  sechs  Exemplare  in  gleicher  Weise  behandelt.  Bis 
zum  1.  April  hatten  von  den  zwölf  Versuchstieren,  die  im  ganzen  ver- 
wandt worden  waren,  zehn  ihren  Winterdeckel  abgestoßen,  eins  hatte 
ihn  nur  gelüftet  und  ein  Exemplar  war  unverändert.  Daß  das  Ab- 
stoßen nicht  auf  natürliche  Beendigung  der  Winterruhe  zurückzuführen 
ist,  folgt  aus  dem  Verhalten  von  sechs  Koritrollexemplaren,  von  denen 
am  1.  April  erst  zwei  ihr  Epiphragma  verloren  hatten. 

Es  steht  also  fest,  daß  während  der  Winterruhe  ein  Gasaustausch, 
sowohl  durch  das  Epiphragma  als  auch  durch  die  Schale  erfolgt.  Auch 
hier  lassen  die  Versuchsergebnisse  auf  große  individuelle  Verschieden- 
heiten schließen. 

Neben  dem  Kälteschutz  und  der  Vermittlung  eines  Gasaustausches 
kommt  dem  Epiphragma  noch  eine  dritte  sehr  wesenthche  Bedeutung 
zu,  der  Schutz  gegen  eine  große  Zahl  von  Feinden. 


Beiträge  zur  Biologie  der  Weinbergsclnieeke  (Helix  pomatia  L.).         137 

c.  Uuterbrecliuiig  und  Verhinderung  der  Winterruhe. 

Über  die  Ursache,  die  das  Eintreten  in  die  Winterruhe  bewirkt, 
^ind  von  einer  Reihe  von  Forschern  Untersuchungen  angestellt  worden; 
insbesondere  hat  man  sich  mit  der  Frage  beschäftigt,  ob  es  sich  nur 
um  eine  Reaktion  auf  veränderte  äußere  Bedingungen  handelt,  oder 
um  die  Wirkung  eines  angeborenen  Instinktes,  der  bis  zu  einem  ge- 
wissen Grade  unabhängig  von  äußeren  Reizen  tätig  ist.  S.  Clessin  (11) 
l)richt  sich  für  die  erste  Möglichkeit  aus.  Er  schreibt:  »Der  Zeitpunkt 
des  Verkriechens  beginnt  mit  dem  Eintritt  kalter  Nächte,  und  es  ist 
durchaus  kein  eigner,  den  Tieren  innewohnender  Instinkt,  welcher  sie 
antreibt,  sich  zurückzuziehen,  sondern  ganz  allein  die  kalte  Wirklich- 
keit, die  sie  eindringlich  zum  Aufsuchen  schützender  Orte  mahnt.  << 

Richtig  ist  an  dieser  Auffassung,  daß  der  Beginn  der  AVinterruhe 
in  der  Regel  mit  dem  Eintreten  der  Herbstkälte  zusammenfällt  und 
bis  zu  einem  gewissen  Grade  durch  sie  bestimmt  ist.  Wird  die  Ein- 
wirkung der  Kälte  unmöglich  gemacht,  eo  erfolgt  der  Übergang  in  den 
Ruhezustand  in  der  Regel  erst  später,  er  unterbleibt  jedoch  nur  selten. 
Das  hat  bereits  Gaspard  richtig  beobachtet.  Er  brachte  Ende  Sep- 
tember zwei  Weinbergschnecken,  die  sich  in  einem  mit  Erde  ange- 
füllten Kasten  befanden,  in  einen  Keller  von  ungefähr  13°  R.  Trotzdem 
bildeten  sie  ein  Epiphragma,  die  eine  am  15.  Oktober,  die  andre  2  Tage 
später.  Ein  andres  Exemplar  setzte  Gaspard  von  Mitte  September 
an  einer  Temperatur  von  15°  aus.  Es  erhielt  täglich  etwas  Kohl. 
Trotzdem  kapselte  es  sich  am  6.  Oktober  ein.  Am  folgenden  Tag  ent- 
fernte Gaspard  den  Deckel  und  brachte  das  Tier  auf  einen  Kamin, 
wo  die  Temperatur  20°  betrug.  Es  kroch  hervor  und  fraß,  kapselte 
sich  aber  dann  wieder  ein.  Einige  andre  Exemplare,  die  in  ähnlicher 
Weise  behandelt  wurden,  verbrachten  den  Winter  ohne  zu  erstarren. 
Aus  diesen  Versuchen,  wie  aus  der  Beobachtung,  daß  drei  Exemplare, 
die  am  Einkapseln  verhindert  wurden,  stark  abmagerten,  schließt 
Gaspard,  daß  die  Kälte  nicht  die  einzige  Ursache  der  Winterruhe  ist, 
daß  letztere  vielmehr  notwendig  zum  Lebensprozeß  gehört.  Immerhin 
erkennt  auch  Gaspard  die  Kälte  als  wesentlichste  Ursache  des  Eintritts 
in  die  Winterruhe  an.  Vor  einer  Reihe  von  Jahren  hat  K.  Kunkel 
(30,  32)  neue  Beobachtungen  angestellt.  Er  kommt  zu  dem  Ergebnis, 
daß  Wärme,  Feuchtigkeit  und  Futter  die  Weinbergschnecken  bis  Ende 
November  wachhalten  können.  Dann  erfolgt  jedoch  die  Bildung  des 
Epiphragmas. 

Man  muß  wohl  annehmen,  daß   die  äußere  Veranlassung  für  den 


138 


Walter  Kühn, 


Eintritt  in  die  Winterruhe  zwar  in  der  Regel  die  beginnende  Kälte  ist, 
daß  die  eigentliche  Ursache  jedoch  tiefer  liegt  und  in  einem  angeborenen 
Instinkt  zu  suchen  ist,  der  auch  dann  meist  zur  Geltung  kommt,  wenn 
keine  äußeren  Beeinflussungen  hinzutreten. 

Für  diese  Anschauung  spricht  auch  eine  Beobachtung,  die  ich  im 
Herbst  1912  angestellt  habe.  Sieben  "Weinbergschnecken,  die  41/2 
bzw.  5V2  Monate  gehungert  hatten,  erhielten  am  30.  Oktober  Nahrung 
und  Wasser.  Zur  Fütterung  wurden  abwechselnd  verschiedene  Ge- 
müse, auch  Feldsalat,  Karotten  usw.  verwandt.  Nachdem  sie  6  Stun- 
den in  frischem  Gemüse  zugebracht  hatten,  war  noch  kein  einziges 
Exemplar  ausgeschlüpft.  Auch  am  folgenden  Tag  waren  noch  nicht 
alle  ausgekrochen.  Sie  w^urden  nun  mit  etwas  Wasser  besprengt  und 
kamen  infolgedessen  bald  aus  der  Schale.  Die  Gewichte,  die  an  den 
folgenden  Tagen  festgestellt  wurden,  sind  in  Tabelle  1  angegeben. 


Tabelle  1. 


Exemplar 

,Nr. 


^ 

bC  -►^ 

®      s 

:§    « 

30. 

31. 

1. 

2. 

OQ      <U 

X. 

00               Q, 

X. 

XI. 

XI. 

5^ 

Q      S 

5. 
XI. 


XI. 


1 

2 

3 

4 

5 

6 

7 
Durchschnitt 
ders.  in  % 
d.  ursp.  Gew. 


21,7 
19,7 

27,7 
26,5 
28,3 
19,8 
19,0 
23,2 
100 


14,00 
11,90 
13,90 
15,68 
13,17 
13,47 
12,41 
13,50 
58,2 


64,5 
60,4 
50,2 
59,2 
46,2 
68,0 
65,3 
58,2 


15,47 

15,56 

15,73 

16,22 

11,83 

11,99 

12,04 

— 

14,22 

14,29 

14,63 

14,60 

19,34 

19,28 

19,55 

18,23 

15,39 

16,70 

17,30 

16,72 

17,24 

17,85 

16,78 

17,03 

12,34 

17,10 

17,13 

16,23 

15,12 

16,11 

16,17 

— 

65,2 

69,4 

69,7 

" 

16,34 

15,15 

18,08 
17,02 
17,47 

+ 


Bei  einem  Vergleich  mit  dem  Verhalten  von  solchen  Exemplaren, 
die  im  Frühjahr  oder  Sommer  nach  einer  Ruheperiode  auflebten,  fällt 
zunächst  die  außerordentliche  Langsamkeit  und  Trägheit  auf,  mit  der 
die  Tiere  die  Nahrung  angriffen.  Weiter  ist  ein  ganz  auffallender  Unter- 
schied in  bezug  auf  die  Gewichte  zu  beobachten.  Während  fünf  Exem- 
plare, die  im  Juli  nach  einer  Hungerstarre  Nahrung  erhielten,  ihr 
Gewicht  in  einem  (dem  ersten)  Tag  durchschnitthch  um  20,7%  steigerten, 
zeigten  die  vorher  erwähnten  Versuchsexemplare  eine  Zunahme  von  nur 
7%.  In  den  nächsten  2  Tagen  folgte  dann  eine  weitere  Zunahme  um 
4,50/0. 


Beiträgt'  y.wv  Biologie  der  WriiilKTgschiu-tke  (Helix  poiiiatia  L).  139 

Schon  «ehr  bald  schieden  die  Tiere  Membranen  ab.  Wurden  diese 
zerstört,  so  erfolgte  bald  Abscheidung  eines  neuen  Häutchens.  Zum 
Teil  hatten  die  Membranen  Kalkeinlagerungen.  Ein  richtiges  Epi- 
phragma  konnte  nicht  gebildet  werden,  da  die  Schnecken  im  Sommer 
keine  Gelegenheit  zur  Kalkaufnahme  gehabt  hatten.  Jedenfalls  zeigten 
alle  Exemplare  in  der  Folgezeit  das  Bestreben,  ihre  Winterruhe  zu 
beginnen,  obgleich  sie  sich  in  einem  warmen  und  feuchten  Raum  be- 
fanden. Die  häufige  Störung,  die  durch  Abnahme  der  Membranen 
verursacht  wurde,  bewirkte,  daß  der  größere  Teil  der  Exemplare  bis 
Ende  Dezember  zugrunde  gegangen  war.  Aus  dem  Versuch  folgt 
einerseits  die  Richtigkeit  der  Behauptung,  daß  die  Winterruhe  auch 
dann  stattfindet,  wenn  den  Schnecken  Feuchtigkeit,  Wärme  und  Nah- 
rung geboten  wird,  anderseits,  daß  auch  eine  längere  Ruhezeit  im 
Sommer  das  Bedürfnis  nach  der  Winterruhe  nicht  beseitigt. 

Mit  diesen  Ergebnissen  stimmen  die  Beobachtungen  sehr  gut 
überein,  die  bei  künstlicher  Unterbrechung  der  Winterruhe  gemacht 
worden  sind.  In  Betracht  kommen  hier  Versuche  von  Leuchs  (36), 
C.  Pfeiffer  (45).  Berger  (4,  zit.),  Yung  (53),  0.  Buchner  (9)  und 
KüxKEL  (32).  Es  sind  ganz  verschiedene  Mittel  zur  Wiederbelebung 
angewandt  worden.  Am  sichersten  und  schnellsten  kommt  man  zum 
Ziel,  wenn  man  den  Winterdeckel  zunächst  entfernt  und  die  Tiere 
dann  unter  nicht  zu  kaltes  Wasser  taucht.  Wärme  allein  führt  nie 
zum  Ziel. 

Die  ausgekrochenen  Tiere  bewegen  sich,  wie  übereinstimmend  be- 
obachtet wurde,  träge  umher,  nehmen  wenig  oder  gar  keine  Nahrung 
auf  und  kapseln  sich  über  kurz  oder  lang  wieder  ein.  Die  neuen  Mem- 
branen sind  natürlich  sehr  arm  an  Kalkeinlagerung.  Auch  Besprengen 
mit  W^asser  führt  in  der  Regel  kein  intensives  Leben  herbei.  Yung 
weist  besonders  auf  die  große  Sterblichkeit  der  künstlich  belebten 
Schnecken  hin.  Von  100  Individuen,  die  er  im  Januar  durch  Unter- 
tauchen weckte,  lebten  im  April  nur  noch  63. 

d.  Stoflfnechsel  nnd  Ge^vichtsabnahmc. 

Während  der  Winterruhe  finden  im  Innern  der  Weinbergschnecken 
wichtige  Veränderungen  statt.  Es  erfolgt  eine  wesentliche  Vermin- 
derung des  AVassergehaltes  in  den  Muskeln  und  in  der  Leber.  Besonders 
am  Anfang  des  W^interschlafes  wird  der  Gehalt  der  Leber  an  Fett  und 
Glykogen  geringer.  Dagegen  findet  in  der  Leber,  wie  auch  in  den 
Muskeln  und  in  der  Eiweißdrüse  eine  Ansannnlung  von  Lecithin  statt. 
Glukose  sammelt  sich  im  Fußmuskel,  ferner  in  Leber  und  Eiweißdrüse. 


140 


Walter  Kühn, 


Auch  im  Blut,  das  während  des  aktiven  Lebens  vollkommen  frei  von 
Zucker  ist,  tritt  solcher  auf.  In  allen  Geweben  ist  eine  Ansammlung 
von  Kohlensäure  und  eine  Verminderung  des  Sauerstoffgehaltes  zu 
beobachten.  Die  Abgabe  von  Kohlensäure  und  Wasserdampf  nimmt  im 
ersten  Teil  des  Winters  stark  ab.  Der  Wert  des  respiratorischen  Quotien- 
ten sinkt  dauernd  vom  Beginn  des  Winterschlafes  bis  zu  seinem  Ende. 

Nach  Beendigung  des  Ruhezustandes  werden  alle  inzwischen 
eingetretenen  Veränderungen  wieder  ausgeglichen.  Den  Geweben 
wird  Wasser  zugeführt,  der  Kohlensäuregehalt  schwindet  allmählich, 
und  bald  sind  die  normalen  Verhältnisse  wieder  hergestellt. 

Die  Untersuchungen  über  diesen  Gegenstand  stammen  von  M. 
Bellion  (5).  In  den  wesentlichen  Punkten  stimmen  die  Beobachtungen 
ganz  mit  denen  überein,  die  beim  AVinterschlaf  andrer  Tiere  gemacht 
worden  sind. 

Im  folgenden  ist  die  Gewichtsabnahme  näher  zu  betrachten, 
welche  durch  den  eben  erwähnten  Stoffwechsel  verursacht  wird.  Neben 
einigen  kurzen  Mitteilungen  von  Lambotte  (33)  konnnen  hier  die 
Wägungen  von  M.  Krahelska  (27)  in  Betracht.  Sie  bestimmte  den 
Gewichtsverlust  für  Helix  pomatia,  H.  arbustorum,  H.  fruticum  und 
für  die  im  Mittelmeergebiet  heimische  Leucochroa  candidissima.  Die 
AVägungen  für  Helix  pomatia  wurden  etwa  1  Woche  nach  der  Bildung 
des  Epiphragmas  begonnen  und  dann  in  Zwischenräumen  von  je  1  Woche 
ausgeführt.  Die  erste  AVägung  erfolgte  am  6.  November.  Die  Tiere 
wurden  in  einem  trockenen  Keller  aufbewahrt,  dessen  Temperatur 
wenig  über  null  Grad  betrug.  Im  ganzen  kontrollierte  Krahelska 
zehn  Exemplare,  von  denen  fünf  ein  Gewicht  zwischen  20 — 25  g  hatten 
und  fünf  weniger  als  20  g  wogen.  Für  jede  der  beiden  Gruppen  sind 
die  durchschnittlichen  Gewichte  berechnet  worden,  wie  sie  aus  jeder 
Wägung  folgten.     Die  Zahlen  für  die  erste  Gruppe  sind 


1.  Wägung 

2.  Wägung 

3.  Wägung 

4.  Wägung 

5.  Wägung 

6.  Wägung 

24168  g 

24,056  g 

23,970  g 

23,838  g 

23,708  g 

23,570  g 

7,  Wägung 

8.  Wägung 

9.  Wägung 

10.  Wägung 

11.  Wägung 

12.  Wägung 

23,431  g 

23,315  g 

23,216  g 

23,074  g 

22,928  g 

22,724  g 

13.  Wägung 

14.  Wägung 

15.  Wägung 

16.  Wägung 

22,604  g 

22,144  g 

21,944  g 

21,404  g 

Mittlere  Gewichtsabnahme  pro  Woche: 
0,112  —  0,086  —  0,132  —  0,130  —  0,138  —  0,139  —  0,166  —  0,99 
0,142  —  0,146  —  0,204  —  0,120  —  0,460  —  0,200  —  0,510. 


Beiträge  zur  Biologir  tU  r  \Vi'inl)ergsLluu'ckt'  (Helix  pomatia  L).  111 

Im  ganzen  betrug  dio  duri'h.-chnittlieln'  Al)n;iliiue  dieser  Gruppe 
2,764  g  oder  10.6%  (Maxinmni  14,9%,  Miniiniun  7,5%). 

Die  fünf  leichten  Exemplare  hatten  ein  mittleres  Anfangs- 
gewicht von  18,705  g,  ein  mittleres  Endgewicht  von  16,345.  Die 
Abnahme  betrug  bei  ihnen  2,360  g  oder  12.61%  (Maximum  14,1%, 
Mininmm  1,176%).  Aus  den  Zahlen  folgt,  daß  die  Abnahme  des 
Cewichtes  in  gleichen  Zeiträumen  erheblichen  Schwankungen  unter- 
worfen ist,  ferner,  daß  zwischen  den  einzelnen  Individuen  große  Unter- 
schiede vorkommen.  Die  kleineren  Exemplare  nahmen  im  Vergleich 
zu  ihrem  Körpergewicht  stärker  ab  als  die  größeren. 

Von  den  andern  untersuchten  Arten  zeigten  die  an  Trockenperioden 
gewöhnten  Exemplare  von  Leucochroa  die  geringste  Abnahme,  5,88%, 
während  H.  fruticum  um  36,70%  und  //.  arhustorum  um  23,84%  ab- 
nahmen. 

Ich  habe  eine  Reihe  von  Wägungen  angestellt,  die  besonders 
über  die  Abhängigkeit  des  Gewichtsverlustes  von  der  Temperatur  des 
Aufenthaltsraumes  Klarheit  schaffen  sollten.  Versuchsobjekte  waren 
zwölf  Weinbergschnecken,  die  alle  ein  festes  Epiphragma  abgeschieden 
hatten.  Von  diesen  wurden  sechs  (1.  Gruppe)  in  einem  geheizten 
Zimmer  aufbewahrt  und  zwar  in  einem  offenen  Glasgefäß.  Die  durch- 
schnittliche Temperatur  in  dem  Zimmer  betrug  etwa  IS""  C.  Die  andern 
sechs  Exemplare  (2.  Gruppe)  wurden  in  einen  Speicherraum  gebracht, 
in  dem  bei  Berücksichtigung  der  durch  die  Außentemperatur  gegebenen 
Schwankungen  eine  mittlere  Temperatur  von  etwa  7 — 8°  C  herrschte. 
Der  Unterschied  betrug  also  durchschnittlich  10 — 11°.  Gegen  Ende 
des  Winters  nahm  er  naturgemäß  etwas  ab.  Die  Ergebnisse  der  Wä- 
gungen, die  vom  10.  Dezember  1912  bis  zum  1.  April  1913  in  Zwischen- 
räumen von  je  28 Tagen  ausgeführt  wurden,  sind  aus  den  Tabellen  2  und 
3  (S.  142)  zu  ersehen. 

In  den  ersten  vier  Vertikalspalten  beider  Tabellen  sind  die  Ergeb- 
nisse der  Wägungen  von  Dezember  bis  März  angegeben;  dann  folgen 
in  den  drei  nächsten  Spalten  die  Abnahmen  zwischen  je  zwei  aufein- 
anderfolgenden Wägungen.  In  der  achten  Vertikalspalte  ist  der  Ge- 
samtverlust vom  10.  Dezember  bis  4.  März  angegeben,  in  der  folgenden 
Spalte  derselbe  in  Prozenten  des  Anfangsgewichtes.  Schließlich  folgen 
die  Wägungsergebnisse  vom  1.  April  und  zuletzt  die  Abnahme  vom 
4.  März  bis  zum  1.  April.  In  der  letzten  Horizontalspalte  jeder  Tabelle 
finden  sich  die  entsprechenden  Durchschnittszahlen  für  jede  Gruppe. 

Die  Ergebnisse  der  Wägungen  am  1.  April  sind  deshalb  bei  der 
Berechnunj'-  des  Gesamtergebnisses  nicht  berücksichtiüt  worden,  weil 


142 


Walter  Kühn, 


Tabelle  2. 
Gewichte  der  ersten  Gruppe. 


1-^ 

l-H 

■      1-;    1      *-* 

-i  -1^ 

^> 

^  ^"^Z 

10. 
XII. 

7. 
I. 

4. 
IL 

4. 
III. 

IX)    >'*N 
^         ö 

^     OD        •    1    -     03        . 

1       '^ 

^ns 

•<* 

1 

19,91 

19,45 

19,02 

18,34 

0,46 

0,43 

0,68 

1,57 

7,9 

17,94 

0,40 

2 

15,92 

15,32 

15,01 

14,65 

0,60 

0,31 

0,36 

1,27 

8,0 

14,45 

0,20 

3 

21,11 

20,54 

20,13 

19,60 

0,57 

0,41 

0,53 

1,51 

7,2 

17,95 

1,65 

4 

17,58 

16,42 

15,32 

14,65 

1,16 

1,10 

0,67 

2,93 

16,7 

13,35 

1,30 

5 

16,53 

16,17 

15,94 

15,44 

0,36 

0,23 

0,50 

1,09 

6,6 

15,12 

0,32 

6 

19,75 

19,29 

18,94 

18,49 

0,46 

0,35 

0,45 

1,26 

6,4 

18,27 

0,22 

Duri;h- 

18,64 

18,15 

17,81 

17,30 

0,49 

0,34 

0,51 

1,34 

7,2 

— 

— 

schnitt  d 

Expl.-Nr. 

1,  2,  3,  5,  6 

Tabelle  3. 


Gewichte  der  zweiten  Gruppe 

es 
'S,     . 

X 

10. 
XII. 

7. 
I. 

4. 
II. 

4. 
III. 

Gewichts- 
verlust 
10.XII.-7.I. 

Gewichts- 
verlust 
7.I.-4.II. 

Gewichts- 
verlust 
4.  II.-4.  III. 

Gesamt- 
verlust 

Ders.  in  % 
d.urspr.Gew. 

Gewicht 
am  1.  IV. 

Gewichts- 
verlust 
4.  III.-l.  IV 

7 

21,28 

20,00 

20,56 

20,13 

0,38 

0,34 

0,43 

1,15 

5,4 

19,65 

0,48 

8 

15,61 

15,40 

15,23 

14.95 

0,21 

0,17 

0,28 

0,66 

4,2 

14,54 

0,41 

9 

18,37 

18,13 

17,97 

17,75 

0,24 

0,16 

0,22 

0,62 

3,4 

17,44 

0,31 

10 

17,57 

17,27 

17,06 

16,74 

0,30 

0,21 

0,32 

0,83 

4,7 

16,28 

0,46 

11 

19,84 

19,60 

19,46 

19,23 

0,24 

0,14 

0,23 

0,61 

3,1 

18,92 

0,31 

12 

20,44 

20,03 

19,80 

19,52 

0,36 

0,28 

0,28 

0,92 

4,5 

19,17 

0,35 

Durch- 

18,85 

18,56 

18,35 

18,05 

0,29 

0,21 

0,30 

0,80 

4,2 

17,67 

0,38 

schnitt 

die  Außentemperatur  inzwischen  so  hoch  gestiegen  war,  daß  nur  noch 
vorübergehend  erhebliche  Temperaturunterschiede  zwischen  beiden 
Räumen  zu  beobachten  waren.  Bei  starkem  Sonnenbrand  stieg  die 
Temperatur  in  dem  Speicherraum  sogar  mitunter  auf  einen  höheren 
Grad,  als  in  dem  Aufenthaltsraum  der  ersten  Gruppe.  Die  wesentlichen 
Versuchsbedingungen  waren  also  zu  dieser  Zeit  nicht  mehr  gegeben. 
In  der  Tabelle  kommt  das  dadurch  zum  Ausdruck,  daß  die  Zahlen  für 
beide  Gruppen  (abgesehen  von  den  Exemplaren  Nr.  3  und  4,  von  denen 
später  die  Rede  ist)  nur  unbedeutende  Unterschiede  aufweisen. 


Beiträge  zur  Biologie  der  Weinbergschnecke  (Helix  ])omatia  L.).         143 

Mit  aller  Deutlichkeit  ist  aus  den  für  die  Zeit  vom  Dezember  bis 
Anfang  März  gegebenen  Zahlen  die  Abhängigkeit  des  Gewichtsverlustes 
von  der  Temperatur  zu  ersehen.  Die  Abnahme  in  Prozenten  war  für 
jedes  Exemplar  der  ersten  Gruppe  größer  als  für  jedes  Exemplar  der 
zweiten  Gruppe. 

Ein  Temperaturunterschied  von  rund  10°  hatte  bewirkt,  daß  die 
in  dem  wärmeren  Raum  befindlichen  Individuen  in  der  Versuchszeit 
von  12  Wochen  mehr  als  l,7nial  so  viel  an  Gewicht  verloren,  als  die 
der  tieferen  Temperatur  ausgesetzten. 

Der  Unterschied  ist  leicht  zu  erklären.  Die  größere  Wärme  be- 
dingt sowohl  einen  erhöhten  Stoffwechsel,  als  auch  eine  stärkere  Wasser- 
verdunstung. Beides  kommt  in  einer  schnelleren  Abnahme  des  Ge- 
wichtes zum  Ausdruck.  Daß  tatsächlich  der  Temperaturunterschied  von 
ausschlaggebender  Bedeutung  ist,  beweist  die  Abnahme  bis  zum  1.  April, 
bei  der  nur  geringe  Unterschiede  zwischen  beiden  Gruppen  zu  be- 
obachten waren.  Hier  zeigen  bei  wenig  verschiedener  Temperatur 
die  Exemplare  der  zweiten  Gruppe  sogar  eine  etwas  stärkere  Abnahme; 
wahrscheinlich  trägt  der  größere  Wassergehalt,  den  die  zweite  Gruppe 
noch  besaß,  die  Hauptschuld  an  dem  stärkeren  Gewichtsverlust. 

Am  7.  Januar  fand  ich  Exemplar  Nr.  4  ohne  Epiphragma  vor. 
Es  hatte  sich  mit  einer  häutigen  Membran  an  der  Wand  des  Glases 
festgeheftet.  Das  Epiphragma  wog  0,27  g.  Das  Tier  wurde  wie  die 
andern  weiter  beobachtet.  Es  zeigte,  wie  aus  Tabelle  1  hervorgeht, 
eine  bedeutend  stärkere  Gewichtsabnahme.  Das  Vorhandensein  eines 
Epiphragmas  ist  also  von  ganz  wesentlichem  Einfluß  auf  den  Betrag 
des  Gewichtsverlustes.  Bei  der  Berechnung  der  mittleren  Werte  wurden 
die  Zahlen  für  Exemplar  4  natürlich  nicht  berücksichtigt.  Auch  Nr.  3 
stieß  seinen  Winterdeckel  ab,  allerdings  erst  im  März.  Als  Folge  war 
ebenfalls  eine  Steigerung  der  Wasserabgabe  zu  beobachten.  Da  dieses 
Exemplar  bei  der  Berechnung  der  früheren  Mittelwerte  verwandt  wurde, 
mußte  auf  Angabe  der  Durchschnittszahlen  für  die  Wägung  am  1.  April 
verzichtet  werden. 

Aus  den  Tabellen  folgt  schließlich  noch,  worauf  auch  die  Zahlen 
von  M.  Keahelska  hindeuten,  daß  die  Gewichtsabnahme  eines  Exem- 
plars in  gleichen  Zeiträumen  starken  Schwankungen  unterworfen  ist, 
ferner  daß  erhebliche  individuelle  Verschiedenheiten  vorkommen.  Für 
die  Annahme,  daß  eine  direkte  Beziehung  zwischen  dem  Anfangs- 
gewicht und  dem  Betrag  der  Gewichtsabnahme  bestehe,  liefern  meine 
Beobachtungen  dagegen  keine  Bestätigung.  Zur  Begründung  einer 
derartigen  Anschauung  erscheint  mir  das  bis  jetzt  vorgelegte  Material 


144  Walter  Kühn, 

durchaus  unzureichend,  ganz  abgesehen  davon,  daß  auch  theoretische 
Überlegungen  solche  Beziehungen  nicht  vermuten  lassen. 

3.  Die  Hunger-  und  Trockenstarre. 
a.  Allgemeine  Vorbedingungen. 

Die  Weinbergschnecke  kann  ihre  volle  Lebenstätigkeit  nur  dann 
entfalten,  wenn  die  Feuchtigkeit  ihrer  Umgebung  den  Ersatz  des  in 
reichlicher  Menge  von  ihr  abgegebenen  Wassers  gestattet.  Diese  Be- 
dingung ist  nur  zu  gewissen  Zeiten  erfüllt.  Lange  Trockenperioden 
sind  in  den  Gebieten,  wo  Helix  fomatia  heimisch  ist.  nicht  selten. 

Beginnt  eine  solche  Periode,  so  kann  man  sehr  bald  wesentliche 
Änderungen  in  der  Lebensweise  der  Weinbergschnecke  bemerken. 
Schon  wenn  der  Boden  nach  dem  letzten  Regen  auszutrocknen  anfängt, 
zieht  sie  sich  tagsüber  in  die  Schale  zurück  und  ist  nur  von  den  Abend- 
stunden bis  zum  Beginn  des  neuen  Tages  bei  der  Nahrungsaufnahme 
anzutreffen.  Mit  zunehmender  Trockenheit  wird  das  Uniherkriechen 
immer  mehr  eingeschränkt,  bis  es  schließlich  ganz  aufhört.  Die  Tiere 
sitzen  dann  tief  im  Gebüsch  oder  an  sonstigen  geschützten  Stellen 
und  haben  eine  oder  mehrere  häutige  Membranen  abgeschieden,  die 
eine  zu  rasche  Abgabe  der  im  Körper  enthaltenen  Feuchtigkeitsmengen 
verhindern.  Der  große  Einfluß,  den  die  relative  Feuchtigkeit  der 
Luft  auf  die  Lebenstätigkeit  der  Landschnecken  ausübt,  wurde  bereits 
von  Döring   (12)  klar  hervorgehoben. 

Auf  künstliche  Weise  kann  man  eine  Trockenperiode  herstellen, 
indem  man  die  Tiere  in  große  trockene  Behälter  bringt,  die  mit  der 
umgebenden  Luft  in  Verbindung  stehen.  Stellt  man  diese  Behälter 
in  einen  trockenen  Raum  und  vermeidet  man  jede  Zufuhr  von  Nahrung 
und  Feuchtigkeit,  dann  sind  etwa  die  Verhältnisse  hergestellt,  -denen 
die  Weinbergschnecke  auch  im  Freien  ausgesetzt  ist.  Man  darf  al.-o 
annehmen,  daß  viele  Beobachtungen,  die  man  unter  solchen  Umständen 
anstellt,  zu  den  gleichen  Ergebnissen  führen,  wie  das  entsprechende 
BeobachtLino;en  im  Freien  tun  würden. 

b.  Die  Gfcwichtsabnahme  während  einer  Hunger-  und  Trockenperiode. 

Eine  der  wichtigsten  Fragen,  die  bei  der  Hungerstarre  einer  be- 
sonderen Erörterung  bedürfen,  hat  die  Gewichtsabnahme  zum  Gegen- 
stand, speziell  auch  im  Vergleich  mit  der  während  der  Winterruhe  be- 
obachteten. 0.  NüssLiN  (44)  hat  zuerst  eine  größere  Zahl  von  Wä- 
gungen vorgenommen  und  zwar  sowohl  bei  Helix  fomatia  als  auch  bei 
Arion  empircorum.     Er  sammelte   bei  Regenwetter  20  Exemplare  von 


1 


Beiträge  zur  Biologie  der  Weinbergschnecke  (Helix  poraatia  L.)         145 

Helix  fomatia,  wog  sie  gleich  darauf  und  brachte  sie  dann  in  trockene, 
hölzerne,  mit  Drahtnetzen  bedeckte  Kästen.  Die  zweite  AVägung 
erfolgte  nacli  3  Tagen,  die  dritte  nach  weiteren  G  Tagen.  Dann  wurden 
noch  zwei  AVägungen  im  Zwisclienrauni  von  je  G  Tagen  vorgenommen, 
zuletzt  noch  zwei  im  Abstand  von  je  12  Tagen.  Der  Versuch  wurde 
also  im  ganzen  auf  45  Tage  ausgedehnt.  Während  dieser  Zeit  wurde 
das  Gewicht  aller  Tiere  wesentlich  geringer.  Es  betrug  am  Ende  des 
Versuchs  bei  dem  Exemplar,  das  am  stärksten  abgenommen  hatte 
(Nr.  15),  noch  55,1%  des  Anfangsgewichts,  bei  dem  Exemplar,  das  die 
geringste  Gewichtsänderung  erfahren  hatte  (Nr.  9),  dagegen  noch  73,8% 
des  ursprünglichen  Gewichts.  Es  waren  also  recht  erhebliche  indivi- 
duelle Verschiedenheiten  zu  beobachten. 

NüssLiN  schließt  aus  seinen  Wägungen  (S.  25 — 26):  1)  »Die  Wasser- 
verdunstung durch  die  Haut  ist  bei  Helix  pomatia  in  der  ersten  Zeit 
sehr  bedeutend,  nimmt  aber  rasch  ab  und  verläuft  in  der  Folge  ohne 
Regelmäßigkeit;  in  den  ersten  3  Tagen  verloren  die  Tiere  in  der  Mehr- 
zahl der  Fälle  fast  ebensoviel  Wasser,  als  in  den  folgenden  42  Tagen. 

2)  Die  Gewichtsverluste  während  gleicher  Zeiten  scheinen  den 
ursprünglichen  Gewichten  umgekehrt  proportional  zu  sein,  d.  h.  größere 
Schnecken  verdunsten  in  gleicher  Zeit  relativ  weniger  als  kleinere, 

3)  Die  Bildung  eines  häutigen  Deckels  verlangsamt  die  Verdun- 
stung, ohne  sie  jedoch  ganz  aufzuheben.« 

Eine  Anzahl  von  Wägungen  wurde  ferner  von  M.  Krahelska  aus- 
geführt. Ihre  Beobachtungen  erstrecken  sich  auf  fünf  Exemplare  von 
Helix  pomatia,  die  in  Zwischenräumen  von  je  einer  Woche  gewogen 
wurden  und  zwar  20  Wochen,  also  fast  ein  halbes  Jahr  lang.  Kra- 
helska gibt  in  der  Tabelle  nur  die  Durchschnittsgewichte  an,  die  sie 
aus  den  für  die  fünf  Exemplare  gewonnenen  Zahlen  berechnet  hat.  Das 
Durchschnittsgewicht  betrug  am  Anfang  der  Wägungen  20,903  g,  am 
Ende  der  Hungerperiode  14,301g;  das  sind  68,4%  des  ursprünglichen 
Gewichts. 

Die  Gründe,  die  mich  veranlassten,  eine  weitere  Reihe  von  Wä- 
gungen anzustellen,  sind  folgende :  Zunächst  schien  es  mir  von  Interesse, 
die  Gewichtsabnahme  am  Anfang  der  Hungerperiode  etwas  genauer 
zu  verfolgen.  Ich  habe  daher  in  der  ersten  Woche  die  Wägungen 
täglich  vorgenommen.  Außerdem  wollte  ich  feststellen,  ob  die  Schlüsse, 
die  NüssLiN  aus  seinen  AVägungen  zieht,  tatsächlich  von  allgemeiner 
Gültigkeit  sind. 

Bevor  ich  dazu  übergehe,  die  Gewichte  im  Einzelnen  anzugeben, 

Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.  CIX.  Bd.  10 


146  Walter  Kühn, 

muß  ich  noch  auf  eine  Ungenauigkeit  aufmerksam  machen,  die  bei 
einem  derartigen  Versuch  nicht  zu  vermeiden  ist. 

Ein  Teil  der  Exemplare  heftet  sich  stets  mit  einer  feinen  Membran 
an  der  Wand  des  Behälters  fest,  in  dem  man  die  Tiere  aufbewahrt. 
Bei  jeder  Wägung  muß  das  betreffende  Exemplar  natürlich  von  der 
AVand  abgerissen  werden.  Dabei  wird  die  schützende  Membran  zer- 
stört. Nicht  selten  kriecht  die  Schnecke  infolge  der  Reizung  aus  der 
Schale  und  bewegt  sich  umher.  Bis  zur  Bildung  einer  neuen  Membran 
ist  sie  gegen  Verdunstung  schlecht  geschützt  und  nimmt  daher  stärker 
an  Gewicht  ab  als  unter  normalen  Verhältnissen.  Bei  längerer  Ver- 
suchsdauer wird  diese  Störung  immer  geringer,  da  die  Tiere  auf  äußere 
Reize  immer  schwächer  reagieren. 

Die  Wägungen  habe  ich  an  zwei  verschiedenen  Gruppen  von  Tieren 
vorgenommen.  Die  erste  Gruppe  umfaßt  20  Exemplare;  sie  wurden 
am  17.  Mai  1912,  nachdem  es  2V2  Tage  ununterbrochen  geregnet  hatte, 
im  besten  Ernährungszustand  und  in  lebhafter  Bewegung  aufgefunden 
und  unmittelbar  danach  gewogen.  In  den  ersten  Tagen  bewegten  sich 
diese  Exemplare  außerordentlich  lebhaft  umher,  hatten  reichlichen 
Stoffwechsel  und  gaben  große  Mengen  Schleim  ab.  Allmählich  wurden 
dann  die  Bewegungen  träge,  und  nach  14  Tagen  fingen  die  Schnecken 
an,  sich  ganz  in  die  Schale  zurückzuziehen.  Die  meisten  Exemplare 
verschlossen  die  Schalenöffnung  entweder  mit  einer  häutigen  Membran, 
oder  hefteten  sich  an  der  Gefäßwand  fest.  Gelegentlich  wurden  auch 
mehrere  Membranen  übereinander  abgeschieden.  Nur  vereinzelte 
Exemplare  blieben  für  längere  Zeit  ohne  allen  Schutz. 

Die  zweite  Gruppe  umfaßt  zehn  Exemplare,  die  am  14.  Mai  1912 
abends  aufgefunden  wurden.  Es  hatte  länger  als  eine  Woche  nicht 
geregnet.  Infolgedessen  waren  alle  Tiere  ganz  oder  fast  ganz  in  die 
Schale  zurückgezogen  und  hatten  sich  im  Gebüsch  fest  geheftet.  Das 
Loslösen  genügte  bei  den  meisten  Exemplaren,  um  sie  zum  Auskriechen 
zu  veranlassen.  Doch  gaben  sie  nur  sehr  wenig  Schleim  ab.  Die  erste 
Wägung  erfolgte  am  15.  Mai  vormittags.  Das  Verhalten  dieser  Exem- 
plare in  der  Gefangenschaft  war  anders  als  das  der  ersten  Gruppe. 
Von  Anfang  an  war  die  Bewegung  weniger  lebhaft,  die  Schleimab- 
sonderung viel  geringer.  Das  vollkommene  Zurückziehen  in  die  Schale 
erfolgte  bereits  nach  1  Woche. 

Alle  Exemplare  waren  in  großen  Glasbehältern  untergebracht,  die 
oben  mit  einem  sehr  weit  geflochtenen  Drahtnetz  verschlossen  waren. 
Besonders  in  den  ersten  Tagen  machten  sie  vielfach  Versuche,  ins  Freie 
zu  gelangen.     Dabei  kam  es   vor,   daß  einzelne  Exemplare  fast  den 


Beiträge  zur  Biologie  der  Weinbergseluiecke  (Helix  poniatia  L. 


U7 


ganzen  AVeicliköiper  (hiich  eins  dvv  nicht  uanz  1  (jcni  großen  Löcher 
des  Drahtnetzes  huulurclizwängten  und  längere  Zeit  in  dieser  Stelkino; 
verblieben. 

Die  AVägungen  wurden  bei  tlen  meisten  Exemplaren  bis  zum 
26.  August  durchgeführt,  wobei  die  Zwischenräume  zwischen  je  zwei 
Wägungen  allmählich  bis  auf  21  Tage  vergrößert  wurden. 

Die  Individuen  Nr.  15 — 20  der  ersten  Gruppe  wie  auch  Nr.  29 
und  30  der  zweiten  Gruppe  sind  zum  Teil  während  der  Dauer  der  Unter- 
suchungen zugrunde  gegangen  (durch  +  bezeichnet),  zum  Teil  wurden 
sie  vom  14.  Juni  bzw.  vom  5.  Juli  ab  für  andere  Versuche  verwandt. 

Betrachtet  man  das  Verhalten  jeder  der  beiden  Gruppen  für  sich, 
so  findet  man  zunächst,  daß  die  Exemplare  jeder  Gruppe  große  indivi- 
duelle Unterschiede  zeigen  und  zwar  sowohl  in  bezug  auf  die  Gewichts- 
abnahme während  der  ersten  Tage,  als  auch  in  bezug  auf  die  Abnahme 
während  der  ganzen  Dauer  der  Untersuchungen.  Im  Laufe  des  ersten 
Tages  hat  beispielsweise  das  Exemplar  Nr.  19  sein  Gewicht  nur  um  4,5% 
vermindert.  Nr.  15  dagegen  in  derselben  Zeit  um  16,4%,  d.  h.  nahezu 


Tabelle  4. 
Gewichte  der  ersten  Gruppe. 


~  ü 

il7. 

18. 

19. 

20. 

21. 

22. 

23. 

24. 

4. 

14. 

5.  l  26. 

VA 

V. 

V. 

V. 

V. 

V. 

V. 

V. 

V. 

VI. 

VI. 

VII.  Vir. 

1 

32,2 

28,8 

27,3 

26,6 

25,6 

24,6 

24,2 

23,9 

21,8 

20,2 

18,2 

16,9 

2 

31,3 

27,1 

25,9 

25,3 

24,8 

24,2 

23,7 

23,5 

21,3 

20,5 

18,7 

17,8 

3 

33.1 

28,9 

27,0 

26,7 

26,3 

25,7 

24.9 

24,5 

20,2 

19,6 

18,0 

16,9 

4 

27.0 

23,4 

22,5 

22,2 

21,8 

21,4 

20,5 

20,4 

19,3 

17,8 

16,7 

15,8 

5 

30,1 

26,2 

24,8 

24.5 

23,7 

23,0 

22,5 

22,1 

21,5 

19,9 

18,7 

17,7 

6 

29,0 

26,0 

25,2 

25,0 

24,6 

24,3 

23,8 

23,4 

19.7 

19,4 

18,5 

16,1 

7 

25,4 

23,7 

22,3 

21,9 

21,5 

20,9 

20,2 

20,0 

17,9 

17,1 

16,1 

14,8 

8 

23,9 

21,8 

20,5 

20,2 

19,9 

19,4 

18,9 

18,6 

17,1 

16,0 

14,3 

13,1 

9 

27,4 

24,3 

22.6 

22,4 

22,2 

21,5 

21,3 

21,1 

20,9 

19,4 

17,0 

16,2 

10 

33,2 

29.-5 

26,9 

26,6 

26,1 

25,1 

24,7 

24,3 

23,3 

22,4 

20,1 

19,3 

11 

28,9 

26,2 

24,2 

23,9 

23,7 

23,2 

22,6 

22,3 

19,7 

18,5 

16,4 

15,3 

12 

27,4 

25,5 

24,2 

23,7 

23,5 

22,4 

22,1 

21,8 

20,6 

19.3 

17,2 

16,1 

13 

27,2 

23,2 

22,3 

21,8 

21,2 

20,8 

20,6 

20,3 

17,1 

16,2 

13,7 

13,0 

U 

29,8 

26,4 

24,6 

24,0 

23,5 

23,3 

— 

— 

21,4 

19.7 

18,1 

16,9 

15 

22,0 

18,4 

17,7 

17,2 

16,6 

16,2 

16,0 

15,9 

13,9 

12,9 

11,8 

— 

16 

24.6 

22,4 

21,1 

21,0 

20,4 

18,8 

18,5 

18,3 

17,4 

16,4 

14,1 

— 

17 

28,8 

24,1 

22,6 

21,9 

20,5 

19,7 

19,3 

18,9 

18,0 

16,9 

14,6 

+ 

18 

31,9 

27,6 

26,0 

25,0 

24,4 

24,1 

23,0 

22,4 

20,4 

18,6 

17,1 

— 

19 

1  29,1 

27,9 

25,6 

25,3 

25,0 

24,5 

24,1 

23,9 

21,5 

20,5 

18,8 

— 

20 

32,4 

29,6 

28,2 

27,7 

27,4 

27,3 

26,9 

26,5 

24,6 

23,8 

21,8 

— 

10* 


14:8  Walter  Kühn, 

Tabelle  5. 
Gewichte  der  ersten  Gruppe  ausgedrückt  in  Prozenten  des  ursprünglichen  Gewichts. 


17. 

18. 

19. 

20. 

21. 

22. 

23. 

24. 

4. 

14. 

5. 

26. 

V. 

V. 

V. 

V. 

V. 

V. 

V. 

V. 

VI. 

VI. 

VII. 

,VI1. 

1 

100 

89,4 

84,8 

82,6 

79,5 

76,4 

75,2 

74,2 

67,7 

62,7 

56,5 

52,5 

2 

100 

86,6 

82,7 

80,8 

79,2 

77,3 

75,7 

75,1 

68,1 

65,5 

59,7 

56,9 

3 

100 

87,3 

83,1 

80,7 

79,5 

77,6 

75,2 

74,0 

61,0 

59,2 

54,4 

51,1 

4 

100 

86,7 

83,3 

82,2 

80,7 

79,3 

75,9 

75,6 

71,5 

65,9 

61,9 

58,5 

5 

100 

87,0 

82,4 

81,4 

78,7 

76,4 

74,8 

73,4 

71,4 

66,1 

62,1 

58,8 

6 

100 

88,1 

85,4 

84,7 

83,4 

82,4 

80,7 

79,3 

66,8 

65,8 

62,7 

54,6 

7 

100 

93,3 

87,8 

86,2 

84,6 

82,3 

79,5 

78,7 

70,5 

67,3 

63,4 

58,3 

8 

100 

91,2 

85,8 

84,5 

83,3 

81,2 

79,1 

77,8 

71,1 

66,9 

59,8 

54,8 

9 

100 

88,7 

82,5 

81,8 

81,0 

78,5 

77,7 

77,0 

76,3 

70,8 

62,0 

59,1 

10 

100 

88,9 

81,0 

80,1 

78,6 

75,6 

74,4 

73,2 

70,2 

67,5 

60,5 

58,1 

11 

100 

90,6 

83,7 

82,7 

82,0 

80,3 

78,2 

77,2 

68,2 

64,0 

56,7 

52,8 

12 

100 

93,1 

88,3 

86,5 

85,8 

81,8 

80,7 

79,6 

75,2 

70,4 

62,8 

58,8 

13 

100 

85,3 

82,0 

80,1 

77,9 

76,5 

75,7 

74,6 

62,9 

59,6 

50,4 

47,8 

14 

100 

88,6 

82,6 

80,5 

78,9 

78,2 

— 

— 

71,8 

66,1 

60,7 

56,7 

lö 

100 

83,6 

80,5 

78,2 

75,5 

73,6 

72,7 

72,3 

63,2 

58,6 

53,6 

— 

16 

100 

91,1 

85,8 

85,4 

82,9 

76,4 

75,2 

74,4 

70,7 

66,7 

57,3 

17 

100 

83,7 

78,5 

76,1 

71,2 

68,4 

67,0 

65,6 

62,5 

58,7 

50,7 

+ 

18 

100 

86,5 

81,5 

78,4 

76,5 

75,5 

72,1 

70,2 

63,9 

58,3 

53,6 

— 

19 

100 

95,5 

88,0 

86,9 

85.9 

84,2 

82,8 

82,1 

73,9 

70,4 

64,6 

1  — 

20 

100 

91,4 

87,0 

85,5 

84,6 

84,3 

83,0 

81,8 

75,9 

73,5 

67,3 

— 

Tabelle  6. 
Gewichte  der  zweiten  Gruppe. 


Exem- 

plar 

Nr. 

15. 

18. 

21. 

24. 

4. 

14. 

5. 

26. 

V. 

V. 

V. 

V. 

VI. 

VI. 

VII. 

VII. 

21 

18,6 

18,1 

17,2 

16,9 

16,6 

16,4 

15.9 

15,5 

22 

21,7 

21,5 

20,8 

20,0 

19,2 

19,0 

18,0 

17,6 

23 

17,3 

17,3 

17,3 

17,0 

16,6 

16,0 

15,2 

14,9 

24 

24,1 

23,4 

23,1 

22,8 

22,3 

22,0 

21,3 

20,6 

25 

20,8 

20,6 

20,6 

19,9 

19,1 

18,6 

18,0 

17,8 

26 

19,1 

18,8 

18,5 

17,8 

17,3 

17,0 

16,5 

16,0 

27 

17,5 

17,2 

16,7 

16,3 

15,3 

15,0 

14,0 

13,0 

28 

19,7 

19,0 

18,9 

18,4 

17,6 

17,1 

16,0 

15,6 

29 

17,2 

16,2 

15,6 

15,2 

14.5 

14,4 

13,8 

+ 

30 

16,8 

15,5 

15,1 

14,9 

14,6 

14,3 

— 

— 

Beiträge  zur  Biologie  der  Weinbergschnecke  (Helix  poniatia  J^. 


149 


Tabelle  7. 

Gewichte  der  zweiten  Gruppe  ausgedrückt  in  Prozenten   des  ursprünglichen 

Gewichtes. 


Exem- 

plar 
Nr. 

15. 

18. 

21. 

24. 

4. 

14. 

5. 

26. 

V. 

V. 

V. 

V. 

VI. 

VI. 

VII. 

VII. 

21 

100 

97,3 

92,5 

90,9 

89,2 

88,2 

85,5 

83,3 

22 

100 

99,1 

95,9 

92,2 

88,5 

87,6 

82,9 

81,1 

23 

100 

100 

100 

98,3 

96,0 

92,5 

87,9 

86,1 

24 

100 

97.1 

95,9 

94,6 

92,5 

91,3 

88,4 

85,5 

25 

100 

99,0 

99,0 

95,7 

91,3 

89,4 

86,5 

85,6 

26 

100 

98,4 

96,9 

93,2 

90,6 

89,0 

86,4 

83,8 

27 

100 

98,3 

95,4 

93,1 

87,4 

85,7 

80,0 

74,3 

28 

100 

96,4 

95,9 

93,4 

89,3 

86,8 

81,2 

79,2 

"29 

100 

94,2 

90,7 

88,4 

84,3 

83,7 

80,2 

+ 

30 

100 

92,3 

89,9 

88,7 

86,9 

85,1 

— 

— 

um  den  vierfachen  Betrag  in  Prozenten  des  Anfangsgewichtes.  Während 
der  70  Tage,  die  die  erste  Gruppe  im  Hungerzustand  verbrachte,  ver- 
minderte Exemplar  Nr.  9  sein  Gewicht  auf  59,1%  des  anfänglichen 
Betrages,  Nr.  13  dagegen  auf  47,8%  des  ursprünglichen  Gewichtes. 
Ähnliche  Verschiedenheiten  zeigt  die  zweite  Gruppe.  Hier  nahm  Nr.  23 
zunächst  so  wenig  ab,  daß  der  Verlust  bei  den  auf  0,1  g  abgerundeten 
AVänunosergebnissen  nicht  zum  Ausdruck  kommt.  Nr.  30  dageoen 
verlor  in  den  ersten  drei  Tagen  bereits  1,3  g,  d.  h.  7,7%  seines  Anfangs- 
gewichtes. "Während  der  ganzen  Dauer  des  Versuchs  verlor  Nr.  23 
nur  13,9%  seines  ursprünglichen  Gewichtes,  Nr.  27  dagegen  nicht 
weniger  als  25,7%. 

Außer  diesen  individuellen  Verschiedenheiten  bemerkt  man  noch  an- 
dere Unregelmäßigkeiten.  Wenn  man  jedes  einzelne  Individuum  für  sich 
betrachtet,  zeigt  sich,  daß  die  Gewichtsabnahme  in  gleichen  aufein- 
anderfolgenden Zeiträumen  recht  verschieden  sein  kann.  Bei  der 
ersten  Gruppe  gilt  für  alle  Exemplare  mit  Ausnahme  von  Nr.  19  die 
Regel,  daß  die  bei  weitem  stärkste  Abnahme  am  ersten  Tage  erfolgt. 
Abgesehen  von  dieser  einen  Regel  kann  man  wenig  Allgemeingültiges 
über  den  Gewichtsverlust  der  einzelnen  Individuen  sagen.  Nüsslin 
hat  bereits  auf  die  Unregelmäßigkeit  hingewiesen,  mit  der  das  Gewicht 
der  Tiere  abninnnt.  Wie  groß  diese  Unregelmäßigkeit  ist,  kann  man 
an  folgenden  Beispielen  sehen.  Nr.  9  verlor  in  den  11  Tagen  vom 
24.  Mai  bis  zum  4.  Juni  0,7%  seines  Anfangsgewichtes,  in  den  folgenden 
10  Tagen,  bis  zum  14.  Juni  dagegen  nicht  weniger  als  5,5%.     In  den 


150  Walter  Kühn, 

folgenden  21  Tagen  verlor  es  weitere  7,2%  und  in  wieder  21  Tagen 
noch  einmal  2,9%.  Daß  Feuchtigkeits-  und  Temperaturverhältnisse 
in  diesem  Falle  nicht  die  Ursache  für  das  merkwürdige  Verhalten  sein 
konnten,  zeigt  das  direkt  entgegengesetzte  Verhalten  von  Nr.  6  während 
derselben  Zeit.  Nr.  6  hatte  am  24.  Mai  noch  79,3%  seines  Anfangs- 
gewichtes, am  4.  Juni  noch  66,8%  (Verlust:  12,5%),  am  14.  Juni  65,8% 
(Verlust:  1%)  am  5.  Juli  62,7%  (Verlust:  3,1%),  am  26.  Juh  54,6% 
(Verlust:  51%). 

Ganz  ähnliche  Unregelmäßigkeiten  zeigt  die  zweite  Gruppe,  nur 
mit  dem  Unterschiede,  daß  hier  das  Verhalten  auch  schon  bei  Beginn 
des  Versuchs  keine  Gleichförmigkeit  erkennen  läßt.  Die  Unregelmäßig- 
keit tritt  besonders  deutlich  hervor  bei  den  Exemplaren  Nr.  22,  23 
und  25.  Auch  hier  sind  die  Gewichtsverluste,  die  in  gleichen  aufein- 
anderfolgenden Zeiträumen  von  einem  Tier  erlitten  wurden,  zum  Teil 
außerordentlich  verschieden,  wie  eine  genauere  Betrachtung  der  Ta- 
bellen zeigt. 

Die  Unregelmäßigkeiten  sind  sicher  zum  Teil  darauf  zurückzu- 
führen, daß  die  Tiere  nicht  ständig  genau  den  gleichen  äußeren  Be- 
dingungen unterworfen  waren,  haben  jedoch  wahrscheinlich  auch  noch 
andre  Ursachen. 

NüssLiN  behauptet,  wie  schon  früher  erwähnt  wurde,  daß  die  Ge- 
wichtsverluste während  gleicher  Zeiten  den  ursprünglichen  Gewichten 
umgekehrt  proportional  zu  sein  »scheinen«.  Er  fügt  aber  hinzu: 
»Freihch  ist  diese  Regel  nicht  ohne  Ausnahme,  sie  läßt  sich  bei  den 
Nacktschnecken  mit  größerer  Sicherheit  erkennen«  (S.  25 — 26). 

Das  Verhalten  meiner  Versuchstiere  kann  diese  Ergebnisse  nicht 
stützen.  Für  eine  Reihe  von  Exemplaren  trifft  es  zwar  zu,  daß  An- 
fangsgewicht und  Gewichtsverlust  in  umgekehrtem  Verhältnis  zu- 
einanderstehen,  so  etwa  für  die  Exemplare  Nr.  5,  10,  15,  25,  27.  Man 
kann  aber  auch  bei  zahlreichen  Exemplaren  das  Gegenteil  wahrnehmen, 
z.  B.  bei  Nr.  1,  3,  7,  23.  Hier  entspricht  einem  hohen  Anfangsgewicht 
starke  Gewichtsabnahme,  einem  niedrigen  Anfangsgewicht  geringe  Ab- 
nahme. In  der  ersten  Gruppe  hat  Nr.  9  den  geringsten,  Nr.  13  den 
stärksten  Gewichtsverlust  erlitten.  Beide  Exemplare  hatten  sehr 
ähnliche  Anfangsgewichte,  27,4  g  und  27,2  g.  Ihr  Verhalten  spricht 
also  auch  gegen  eine  direkte  Beziehung  zwischen  Körpergewicht  und 
Gemchtsverlust. 

Da  die  Wägungsergebnisse  Nüsslins  auch  nicht  als  beweisend  für  die 
Richtigkeit  seiner  Vermutung  angesehen  werden  können,  liegt  kein  aus- 
reichender Grund  vor,  bei  "leichem  anfänglichem  Feuchtigkeitsgehalt 


Beiträge  zur  Biologie  der  \\'einbergschneckc  (Helix  [)oinatia  L.  )•         151 

einen  Zusainnienliang  zwischen  der  Größe  einer  AVcinbergschnecke  nnd 
dem  Gewichtsverlust,  den  sie  durch  Austrocknen  erleidet,  anzunehmen. 

Anders  liegt  die  Sache  bei  Ario)i  emfiricorum.  Hier  sind  zunächst 
die  AVägungsergebnisse  Nüsslins  viel  überzeugender.  Außerdem  wird 
die  von  Nüsslin  erwähnte  Gesetzmäßigkeit  auch  durch  theoretische 
Erwägungen  wahrscheinlich  gemacht.  Der  AVasserverlust  durch  Ver- 
dunstung an  der  Körperoberfläche  ist  bei  kleinen  Exemplaren  relativ 
größer,  weil  die  Ausdehnung  der  Oberfläche,  die  ja  bei  der  Verdunstung 
die  Hauptrolle  spielt,  bei  kleinen  Tieren  im  Vergleich  zum  Gewicht 
größer  ist  als  bei  großen  Tieren,  Infolgedessen  ist  hier  eine  Abhängig- 
keit des  Gewichtsverlustes  von  dem  Anfangsgewicht  von  vornherein 
sehr  wahrscheinlich.  Bei  Helix  ist  dagegen  durch  das  Vorhandensein 
der  Schale  ein  wesentlicher  Unterschied  gegeben,  der  bei  der  Beurteilung 
der  Frage  nicht  übersehen  w^erden  darf. 

Auch  die  weitere  Erfahrung  Nüsslins,  daß  die  Tiere  in  den  ersten 
3  Tagen  meist  ebensoviel  abnahmen,  wie  in  den  folgenden  42  Tagen, 
besitzt  keine  allgemeine  Gültigkeit.  Es  kommt  ganz  darauf  an,  bei 
welcher  AVitterung  die  Schnecken  gesammelt  w^erden.  Sucht  man  sie 
bei  einioermaßen  trockenem  Wetter,  es  braucht  nur  einen  Tag  nicht 
geregnet  zu  haben,  dann  ist  die  Abnahme  in  der  Regel  sehr  viel  ge- 
ringer. Auch  die  Tiere,  die  man  bei  Regenwetter  sammelt,  zeigen 
vielfach  eine  geringere  Abnahme,  wie  aus  Tabelle  2  hervorgeht.  Dort 
gilt  die  Erfahrung  Nüsslins  mit  ziemlicher  Genauigkeit  für  die  Exem- 
plare Nr.  5,  9,  10,  14,  für  viele  andre  dagegen  nicht. 

Der  Gewichtsverlust  in  den  ersten  Tagen  hängt  fast  ausschließ- 
lich ab  von  dem  Wassergehalt,  den  die  Tiere  zu  Beginn  des  Versuchs 
besitzen,  und  dieser  Wassergehalt  ist  auch  bei  Regen  nicht  bei  allen 
Exemplaren  der  gleiche.  Sehr  viel  geringer  ist  er  aber  bei  trockenem 
Wetter.  Der  Unterschied  im  Verhalten  der  Schnecken  geht  deutlich 
aus  den  Tabellen  für  die  beiden  Gruppen  hervor,  denen  sow'ohl  Exem- 
plare zugrunde  liegen,  die  bei  sehr  nassem  Wetter  gesammelt  wurden 
(erste  Gruppe),  als  auch  solche,  die  bei  großer  Trockenheit  gefunden 
wurden  (zweite  Gruppe). 

Die  Exemplare  beider  Gruppen  hatten  etwa  gleich  große  Gehäuse. 
Trotzdem  war  ihr  Anfangsgewicht  sehr  verschieden.  Der  Vergleich 
wird  durch  Berechnung  der  Durchschnittsgewichte  wesentlich  erleichtert. 
Sie  sind  auf  den  Tabellen  8  und  9  für  beide  Gruppen  angegeben,  und 
zwar  wurden  nur  die  Exemplare  Nr.  1 — 14  und  Nr.  21 — 28  berück- 
sichtigt, w^eil  von  den  übrigen  nicht  alle  Wägungsergebnisse  vor- 
liegen. 


152 


Walter  Kühn, 


Tabelle  8. 
Durchschnittsgewichte  der  ersten  Gruppe. 


i  ^^■ 

18. 

19. 

20. 

21. 

22. 

23. 

24. 

4.      14. 

5. 

26. 

V. 

V. 

V. 

V. 

V. 

V. 

V. 

V. 

VI.     VI. 

VII. 

VII. 

D  urchschnittsge  w. 

29,0 

25,8 

24,3 

23,9 

23,5 

22,8 

22,4 

22,1 

20,1 

19,0 

17,3 

16,1 

Dasselbe  in  %  des 

100 

89,0 

83,8 

82,4 

81,0 

78,6 

77,2 

76,2 

69,8 

65,5 

59,7 

55,5 

urspr.  Gewichtes 

Tabelle  9. 
Durchschnittögewichte  der  zweiten  Gruppe. 


15. 
V. 

18. 
V. 

21. 
V. 

24. 
V. 

4. 
VI. 

14. 
VI. 

5. 
VII. 

26. 
VII. 

Durchschnittsgew. 

Dasselbe  in  %  des 
urspr.  Gewichtes 

19,9 
100 

19,5 

98,0 

19,1 
96,0 

18,6 
93,5 

18,0 
90,5 

17,6 

88,4 

16,9 
84,9 

16,4 
82,4 

Aus  diesen  Tabellen  gehen  die  Unterscbiede  zwischen  beiderlei 
Exemplaren  schon  mit  großer  Deutlichkeit  hervor.  Noch  schärfer 
treten  die  wesentlichen  Punkte  hervor ,  wenn  man  versucht,  die  Ge- 
^vichtsabnahme  graphisch  darzustellen,  wie  es  in  Fig.  1 — 3  geschehen  ist. 
Fig.  1  stellt  den  Verlauf  der  Kurve  dar,  die  man  erhält,  wenn 
man  die  Ergebnisse  der  Wägungen  in  einem  Koordinatensystem  so 
abträgt,  daß  die  Abszisse  jedes  Punktes  durch  das  Datum  der  Wägung 
bestimmt  wird,  die  Ordinate  durch  das  Durchschnittsgewicht  der  ersten 
Gruppe;  schließlich  sind  die  so  erhaltenen  Punkte  zu  verbinden. 

Fig.  2  soll  die  Gewichtsabnahme  der  ersten  Gruppe  in  den  ersten 
Tagen  genauer  veranschaulichen.  Sie  ist  ein  vergrößerter  Ausschnitt 
aus  Fig.  1.  Als  Nullpunkt  des  Koordinatensystems  wurde  der  Punkt 
gewählt,  der  einem  Gewicht  von  20  g  entspricht. 

Fig.  3  entspricht  ganz  der  Fig.  1,  nur  daß  alles  auf  die  zweite 
Gruppe  von  Weinbergschnecken  bezogen  ist. 

Die  Kurven  zeigen,  daß  guter  Ernährungszustand  und  großer 
Wassergehalt,  die  ja  beide  in  einem  hohen  Anfangsgewicht  zum  Aus- 
druck kommen,  von  ausschlaggebender  Bedeutung  für  das  weitere  Ver- 
halten der  Tiere  sind.  Werden  ihnen  Nahrung  und  Wasser  entzogen, 
dann  erfolgt  die  Herabsetzung  der  Wasserabgabe  und  des  Stoffwechsels 


Beiträge  zur  Biologie  cU-r  Weinbergschnecke  (Helix  poraatia  L 


153 


Fig.  1. 


nicht  sogleich,  sondern  erst  dann,  wenn  das  Körpergewicht  auf  einen 
gewissen  Betrag  gesunken  ist.  Die  bedeutenden  Änderungen  im  Ge- 
wicht, welche  durch  Entziehung  oder  Zufuhr  von  Wasser  bereits  im 
Laufe  eines  Tages  hervor- 
traten, hat  schon  R.  Dubois 
(13)  erwähnt. 

Die  Kurve  fällt  bei  Be- 
ginn der  Hungerperiode  sehr 
steil  ab.  nähert  sich  dann 
mehr  und  mehr  einem  hori- 
zontalen Verlauf,  behält  je- 
doch stets  eine  gewisse  Nei- 
gung zur  Abszisse  bei.  Die 
zweite  Gruppe  zeigte,  wie 
aus  Fig.  3  hervorgeht,  von 
Anfang  an  ein  Verhalten, 
das  mit  dem  der  ersten 
Gruppe  im  späteren  Verlauf 
des  Versuchs  große  Ähnlich- 
keit hat.  Man  kann  mit 
Sicherheit  annehmen,  daß 
die  zweite  Gruppe  vor  Be- 
ginn des  Versuchs,  als  sie 
sich  bei  trockenem  Wetter 
im  Freien  befand,  eine 
ähnliche  Abnahme  erfahren 
hatte,  wie  die  erste  Gruppe 
zu  Anfang  des  Versuchs. 

Wenn  die  äußeren  Be- 
dingungen, denen  die  Tiere 
während  der  Dauer  des  Ver- 
suchs unterworfen  waren, 
auch  nicht  bis  in  alle 
Einzelheiten  mit  den  Be- 
dingungen übereinstimmen, 
unter  denen  im  Freien 
Hungerperioden  überdauert 
werden,  so  darf  man  doch  den 
Hauptergebnissen  allge- 
meine Gültigkeit  zusprechen. 


Fir 


154  Walter  Kühn, 

Diese  sind  1)  erhebliche  individuelle  Verschiedenheiten,  2)  besonders 
starke  Gewichtsabnahme  zu  Beginn  einer  Hunger-  und  Trockenperiode, 
insbesondere  am  ersten  Tage,  3)  Unregelmäßigkeit  in  der  Gewichtsab- 
nahme im  späteren  Verlauf  der  Hunger periode. 

Interessant  ist  ein  Vergleich  zwischen  den  Beträgen  der  Gewichts- 
abnahme während  einer  Hungerstarre  und  den  entsprechenden  für  die 
Winterruhe  gewonnenen  Zahlen.  Es  zeigte  sich,  daß  in  gleichen  Zeit- 
räumen der  Verlust  in  den  Sommermonaten  ein  Vielfaches  von  dem  in 
den  Wintermonaten  ausmacht. 

Der  Temperaturunterschied  ist  dabei  offenbar  nicht  ohne  Bedeutung. 
Doch  zeigt  ein  Vergleich  zwischen  den  Tabellen  2  (S.142)  und  8  (S.  152), 
daß  auch  in  dem  Fall,  wo  die  mittlere  Temperatur  etwa  die  gleiche 
war,  sehr  erhebliche  Unterschiede  existieren.  Die  erste  Zeit  der  Hunger- 
periode darf  man  allerdings  wohl  nicht  in  Betracht  ziehen,  da  eine 
ähnlich  starke  Gewichtsabnahme  jedenfalls  auch  vor  Eintritt  in  die 
Winterruhe  stattfindet,  wenn  die  Schnecken,  ehe  sie  sich  einkapseln, 
alle  überflüssigen  Stoffe  abscheiden.  Doch  ist  selbst  gegen  Ende  der 
Trockenstarre,  etwa  in  den  3  Wochen  vom  5.  bis  26.  Juli,  die  durch- 
schnittliche Abnahme  (in  Prozenten  des  Gewichts  am  5.  Juli  aus- 
gedrückt) mehr  als  zweieinhalbmal  so  groß  als  die  mittlere  Abnahme 
der  andern  Exemplare  in  den  4  Wochen  vom  10.  Dezember  bis  zum 
7.  Januar.  Die  Zahlen  sind  6,  9%  und  2,6%.  Eine  Aufklärung  über  die 
Ursache  dieses  Unterschiedes  erhält  man,  wenn  man  zum  Vergleich 
das  Exemplar  Nr.  4  der  Tabelle  2  heranzieht.  Dieses  hatte  bald  nach 
Beginn  der  Wägungen  sein  Epiphragma  abgestoßen  und  nahm  nun 
bedeutend  rascher  ab  als  die  andern  Exemplare  der  gleichen  Versuchs- 
gruppe. Sein  Gewicht  zeigt  ganz  ähnliche  Änderungen  wie  das  andrer 
Exemplare  im  späteren  Verlauf  einer  Hungerstarre  im  Sommer.  Man 
muß  daraus  schließen,  daß  bei  gleichen  äußeren  Verhältnissen  der 
Unterschied  in  der  Gewichtsabnahme  zwischen  Winterruhe  und  Trocken- 
starre hauptsächlich  auf  das  Vorhandensein  des  Kalkdeckels  im  ersten 
Fall  zurückzuführen  ist. 

Einige  Exemplare  wurden  noch  länger  im  Hungerzustand  gehalten. 
Nr.  10  beispielsweise  zeigte  am  26.  Oktober  ein  Gewicht  von  16,9  g, 
am  25.  November  nach  einer  Hungerperiode  von  mehr  als  einem  halben 
Jahr,  16,0  g,  d.  h.  48,8%  des  Anfangsgewichtes.  Es  hatte  sein  Volumen 
so  stark  reduziert,  daß  die  letzte  Schalenwindung  zum  größten  Teil  leer 
war.  Bei  der  Präparation  dieses  Exemplares  zeigte  sich,  daß  alle  inneren 
Organe  stark  abgenommen  hatten;  in  besonders  hohem  Maße  waren 
Speicheldrüsen,  Magen,  Leber  und  Eiweißdrüse  reduziert,  weniger  stark 


Beiträge  zur  Biulogie  cKr  Weinbergschnecke  (Helix  poniatia  L.] 


155 


die  Niere.  Daß  der  A\'a.s.servorrat  iininer  noch  ziemlich  <^roß  war,  ging  aus 
der  sehr  erhebhchen  JSchleiniabsonderung  während  der  Präparation  hervor, 

c.  Die  (<e>viclitsabu:ilime  bei  Xahrungsinau^cl  und  Wasserzufahr. 

Wenn  die  Gewichtsabnahme  auch  zum  allei<>rößten  Teil  auf  lany,- 
sames  Austrocknen  der  Tiere  zurückzuführen  ist,  so  darf  man  doch  nicht 
außer  Acht  lassen,  daß  gleichzeitig  die  Reservestoffe,  die  in  den  Tieren 
aufgespeichert  sind,  verbraucht  werden.  Ihr  Gewicht  nach  Abzug 
ihres  "Wassergehaltes  ist  zwar  relativ  klein;  trotzdem  befähigen  sie 
die  Tiere  in  erster  Linie  zum  Überleben  einer  längeren  Hungerperiode. 

"Wie  wenig  es  der  "Weinbergschnecke  nützt,  wenn  sie  während  einer 
Hungerperiode  Gelegenheit  zur  "Wasseraufnahme  hat,  geht  aus  dem 
"Verhalten  der  sechs  Exemplare  Nr.  31 — 36  hervor  (dritte  Gruppe). 
Sie  wurden  zusammen  mit  den  Individuen  Nr.  37 — 41  (vierte  Gruppe) 
am  18.  Juni  1912  bei  Regenwetter  gefunden. 

Die  dritte  Gruppe  wurde  in  ein  schräg  gestelltes  Gefäß  gebracht, 
dessen  Boden  zum  Teil  mit  Wasser  bedeckt  war.  Außerdem  wurden 
die  Tiere  häufig  mit  Wasser  besprengt.  Merkwürdigerweise  wurden 
sie  nie  am  Wasser,  sondern  stets  an  der  Wand  des  Gefäßes  gefunden. 
»Sie  bewegten  sich  lebhaft  umher,  besonders  kurz  nachdem  sie  mit 
Wasser  besprengt  worden  waren.  Gelegentlich  setzten  sie  sich  auch 
fest  und  schieden  feine  Schutzmembranen  ab,  kamen  aber  bald  wieder 
aus  der  Schale  hervor.     Ihre  Gewichte  sind  in  Tabelle  10  angegeben. 


Tabelle  10. 
Gewichte  der  dritten  Gruppe. 


3 

1  .j,       18.       21.   1   24. 

27. 

30. 

6. 

12. 

18. 

24. 

30. 

1^?     17. 

g  ^       VI. 

VI.     VI. 

VI. 

VI. 

VII. 

VII. 

VII. 

VII 

VII. 

i.flg-  IX. 

;=q 

31 

23,7  1  22,3  1 

22,3 

21,4 

19,4 

21,3 

20,3 

18,7 

17,4 

17,1 

72,2     16.8 

32 

29,3    29,1 

28,9 

28,5 

26,5 

25,1 

26,1 

24,8 

24,2    24,1 

82,3 

22,0 

33 

18,8 

16,5 

17,5 

16.2 

15,8 

16,0 

15,4 

14,1 

13,4    13,2 

70,2 

+ 

34 

22,5 

18,3 

19,4 

17,4 

16,5 

15,5 

15,7 

15,4 

15,0    15,5 

68,9 

+ 

35 

24,7 

23,1 

21.8 

19,8 

19,0 

18.6 

18,7 

17,4 

17,4     17,5 

70,9 

+ 

36 

20,3 

18,2 

17,4 

18,0 

19,3 

20,7 

17,1 

16,6 

16,9    17,1 

84,2 

+ 

Durch- 
schnitt 

23,2 

21,3 

21,2 

20,2 

19,4 

19,7 

18,9 

17,8 

17,4 

17,4 

75,0 

Dasselbe 

100 

91,8 

91,4 

87,1 

83,6 

84,9 

81,5 

76,7 

75,0 

75,0 

in  »/o  des 

Ursprung. 
Gewichts 

i 

156 


Walter  Kühn, 


Die  vierte  Gruppe,  bestehend  aus  fünf  Exemplaren,  wurde  ver- 
gleichsweise ohne  Nahruno;  und  ohne  Wasser  sehalten.    Ihre  Gewichte 


sind  in  Tabelle  11  angegeben. 


Tabelle  11. 
Gewichte  der  vierten  Gruppe. 


18. 
VI. 


21. 
VI. 


24. 
VI. 


27. 
VI. 


30. 
VI. 


6. 
VII. 


12. 

18 

VII. 

VII. 

21,1 

20,8 

20,0 

19,6 

13,6 

13,3 

19,3 

18,7 

19,3 

18,9 

18,7 

18,3 

71,6 

70,1 

24.   j   30. 
VII.  I  VII. 


OQ  ^ 


17. 
IX. 


37 

38 
39 
40 
41 

Durch- 
schnitt 

Dasselbe 
in  o/o  des 
Ursprung. 
Gewichts 


27,7 
26,ö 
20,0 
28,3 
28,0 
26,1 

100 


23,6 

22,9 

21,7 

24,2 

22.6 

21,4 

19,0 

16,7 

15,5 

23,7 

21,7 

20,5 

22,7 

21,5 

20,5 

22,6 

21,1 

19,9 

86,8 

80,8 

76,2 

21,5 
21,1 
14,9 
20,3 
20,1 
19,6 

75,1 


21,4 
20,6 
14,2 
19,8 
19,7 
19,1 

73,2 


20,5 

20.3 

19,4 

19,2 

12,7 

12,5 

17,9 

17,8 

18,5 

18,2 

17,8 

17,6 

68,2 

67,4 

73,3 
72,5 
62,5 
62,9 
65,0 
67,4 


15,5 
15,7 

9,6 
15,1 
14,3 
14,0 

53,6 


Die  vorletzte  Vertikalspalte  beider  Tabellen  gibt  die  Gewichte 
am  30.  Juli  an,  ausgedrückt  in  Prozenten  des  Anfangsgewichts.  In  der 
vorletzten  Horizontalspalte  sind  die  durchschnittlichen  Gewichte  beider 
Gruppen  an  den  betreffenden  Tagen  angegeben,  in  der  letzten  Horizon- 
talspalte dieselben  Gewichte  ausgedrückt  in  Prozenten  der  Anfangs- 
gewichte. 

Die  Gewichtsänderungen  im  Durchschnitt  sind  für  beide  Gruppen 
in  Fig.  4  (dritte  Gruppe)  und  Fig.  5  (vierte  Gruppe)  graphisch  dar- 
gestellt, und  zwar  in  ganz  analoger  Weise  wie  das  auch  für  die  erste 
und  zweite  Gruppe  geschehen  ist. 

Während  Fig.  5,  wie  das  nicht  anders  zu  erwarten  war,  weit- 
gehende Übereinstimmung  mit  Fig.  1  zeigt,  hat  Fig.  4  ein  wesentlich 
verschiedenes  Aussehen.  Im  ganzen  ist  zwar  auch  eine  nicht  unerheb- 
liche Gewichtsabnahme  festzustellen;  doch  betrug  das  durchschnitt- 
liche Gewicht  am  30.  Juli  immerhin  noch  75,0%  des  Anfangsgewichtes, 
während  es  in  der  gleichen  Zeit  bei  der  vierten  Gruppe  auf  67,4  des 
Anfangsbetrages  gesunken  war;  zweitens  fällt  der  unregelmäßige  Ver- 
lauf der  Kurve  in  Fig.  4  auf.  Er  kommt  daher,  daß  die  Tiere  in  ge- 
wissen Zwischenräumen  ihren  Wasservorrat  wieder  ergänzten  und  dann 
einige  Zeit   ohne  Wasseraufnahme  verharrten.     Da   nicht  alle  Exem- 


Beiträge  zur  J5iologic  der  Weinbergschnecke  (Helix  pomatia  L 


157 


plare  gloich7Anti«j;  Wasser  autnalmirn,  koninieii  die  Schwankungen  bei 
Berücksichtigung  der  durchschnitthchen  Gewichte  nicht  scharf  zum 
Ausdruck.  Besser  treten  sie  sclion  hervor,  wenn  man  die  Gewichte 
der  einzehien  Individuen  betrachtet.  Doch  ist  auch  hier  durch  die 
Zeitpunkte  der  Wägungen  eine  gewisse  WillkürUchkeit  in  die  Beob- 
achtungen gebracht  worden.  Der  genaue  Verlauf  der  Gewichtskurve 
eines  Exeniplares  würde  jedenfalls  noch  viel  mehr  und  viel  stärkere 
Schwankungen  aufweisen,  als  man  bei  einer  derartigen  Versuchs- 
anordnung  feststellen  kann. 

Auffallend  ist,  daß  von  den  sechs  Exemplaren  der  dritten  Gruppe 
vier  während  der  Dauer  des  Versuchs  zugrunde  gingen,  während  alle 
Exemplare  der  vierten  Gruppe  am  17.  September  noch  lebten.    Es  ist 


Ficr.  4. 


Fig.  5. 


kaum  denkbar,  daß  das  auf  einem  Zufall  beruht.  Man  darf  infolge- 
dessen schließen,  daß  eine  Hungerperiode  leichter  überstanden  werden 
kann,  wenn  sie  mit  Wassermangel  verbunden  ist,  als  wenn  zwischen- 
durch eine  Wasseraufnahme  möglich  ist.  Zu  demselben  Schluß  kommt 
man  durch  eine  einfache  Überlegung.  Die  Weinbergschnecke  wird  durch 
Feuchtigkeit  zu  intensiven  Lebensäußerungen,  vor  allem  zu  lebhaftem 
Umherkriechen  veranlaßt.  Das  wurde  bei  der  dritten  Gruppe  auch 
noch  im  August  und  September  beobachtet.  Mit  dieser  Bewegung  ist 
natürlich  ein  relativ  starker  Stoffwechsel  verbunden.  Die  Keserve- 
stoffe  werden  viel  schneller  aufgebraucht,  d.  h.  die  Lebensfähigkeit 
schwindet  viel  schneller,  als  wenn  das  Tier  ruhig,  mit  schützenden 
Membranen  verschlossen  in  irgend  einem  Winkel  liegt. 

Bei  dieser  Gelegenheit  sei  auch  erwähnt,  daß  die  Aufnahme  von 
Holzfa.serstoff,  der  in  Form  von  Filtrierpapier  gern  gefressen  wird, 
keine  nachweisbare  Änderung  im  Verhalten  der  Schnecken  bewirkte. 


158  Walter  Kühn, 

Sie  fraßen  zwar  große  Mengen  von  feuchtem  Filtrierpapier,  zeigten 
aber  dieselben  "NVägungsergebnisse  wie  die  Exemplare,  die  nur  AVasser 
erhielten.  Das  stinunt  überein  mit  der  Beobachtung  von  "W.  Biedee- 
MAXX  und  P.  Moritz  (6),  wonach  Filtrierpapier  nicht  von  den  Yer- 
dauungssäften  der  "Weinbergschnecke  angegriffen  ^vird. 

d.  Die  fTeTTiehtsabnahiue  in  trockener  Atmosphäre. 

Über  das  Verhalten  in  trockener  Atmosphäre  macht  AV.  Kochs  (26) 
eine  kurze  Mitteilung.  Er  beobachtete  eine  schnellere  Gewichtsabnahme 
unter  ständiser  Membranbildung  und  einen  früheren  Tod  als  in  ge- 
wöhnUcher  Atmosphäre.  Seine  Versuche  erstrecken  sich  jedoch  nur 
über  zwei  Exemplare,  von  denen  nur  eins  bis  zum  Absterben  beob- 
achtet wurde. 

Ich  habe  zwei  Gruppen  von  je  sechs  ausgewachsenen  Exemplaren 
längere  Zeit  in  trockener  Atmosphäre  beobachtet  und  ihre  Gewichte  in 
bestimmten  Zwischem'äumen  festgestellt.  Die  erste  Gruppe  umfaßt 
solche  Exemplare,  die  seit  Herbst  1912  keine  Nahrung  und  kein  Wasser 
mehr  aufgenommen  hatten.  Ihre  Schalenöffnung  war  bis  zum  Beginn 
des  Versuchs  am  30.  April  1913  durch  das  Epiphragma  verschlossen. 
An  diesem  Tage  wurden  sämtliche  Membranen  entfernt  und  die  Tiere 
in  ein  großes,  dicht  verschließbares  Glasgefäß  gebracht,  in  dem  ein 
kleines  Glas  mit  wasserfreiem  Chlorkalzium  stand.  Die  Tiere  krochen 
zunächst  einige  Tage  umher.  Das  ist  offenbar  darauf  zurückzuführen, 
daß  die  Luft  trotz  des  Chlorkalziums  anfangs  nicht  ganz  trocken  gehalten 
wurde.  Die  Schnecken  gaben  erhebhche  Schleimmengen  ab,  so  daß 
die  Feuchtigkeit  nicht  rasch  genug  absorbiert  werden  konnte.  Auf 
diese  "W'eLse  befanden  sich  die  Tiere  zunächst  in  einer  Atmosphäre, 
deren  Feuchtigkeitsgrad  wohl  nicht  sehr  verschieden  war  von  dem, 
welchen  die  äußere  Luft  an  feuchten  Tagen  hat.  Bald  wurde  die  "Wasser- 
abgabe  jedoch  wesentlich  geringer,  und  die  eingeschlossene  Atmosphäre 
erreichte  die  gewünschte  Trockenheit.  Die  Versuchstiere  hefteten  sich 
mit  häutigen,  vielfach  auch  mit  kalkhaltigen  Membranen  an  der  Grefäß- 
wand  fest  oder  bheben  am  Boden  hegen  und  schieden  Membranen  ab. 
Die  Membranen  wurden  stets  entfernt,  aber  häufig  wieder  neugebildet. 
Exemplar  Xr.  2  bildete  im  Laufe  von  2  Monaten  etwa  elf  Membranen. 
Die  Ergebnisse  der  "Wägungen  sind  auf  Tabelle  12  (S.  159)  an- 
gegeben. 

Beim  Vergleich  dieser  Gewichte  mit  den  auf  Seite  147  angegebenen 
fällt  die  größere  Regelmäßigkeit  auf,  mit  der  die  Gewichtsabnahme  in 
trockener  Atmosphäre  verläuft.     Xicht    nur  die  Durchschnittszahlen 


Beiträge  zur  Biologie  der  Weinbergschnecke  (Helix  ]X)raatia  L. 
Tabelle  12. 


159 


2  ^ 

30. 

2. 

4. 

8. 

16. 

24. 

5. 

17. 

29. 

X 

IV. 

V. 

V. 

V. 

V. 

V. 

VI. 

VI. 

VI. 

1 

23.13 

22,55 

21,93 

21.10 

20.64 

20.27 

+ 

2 

19.96 

19,20 

18.85 

17.94 

17,56 

17.15 

16  53 

15.38 

14.59 

3 

15.53 

15.30 

15.04 

14.69 

14,43 

14.15 

13.53 

13,17 

11,76 

4 

25.25 

2427 

23.70 

22.57 

21.98 

21.56 

20.78 

19.31 

+ 

ö 

22.50 

21,58 

21.35 

21.23 

20,82 

20.20 

19.42 

18.60 

18,2& 

6 

22,03 

21,44 

21,16 

20,92 

20,64 

20.34 

19.18 

17,89 

+ 

Durch- 
schnitt 

21,40 

20,72 

20,34  1 

19,74 

19,35 

18.95 

zeigen  etwa  vom  8.  Tage  an  ein  regelmäßiges  Sinken,  sondern  auch 
für  die  Einzelexemplare  besteht  kein  großer  Unterschied  zwischen  der 
Gewichtsabnahme  vom  8.  bis  18.  Mai  und  der  vom*  16.  bis  24.  Mai. 
Im  weiteren  Verlauf  des  Versuches  werden  die  Verschiedenheiten  %vieder 
größer.  Das  hängt  zum  Teil  damit  zusammen,  daß  kurz  vor  dem  Tode 
eines  Individuums  eine  besonders  starke  Gewichtsabnahme  zu  beob- 
achten ist.  Exemplar  Nr.  3  beispielsweise  war  am  30.  Juni  tot.  Darauf 
i-t  das  auffallend  geringe  Gewicht  am  29.  Juni  jedenfalls  zurückzu- 
führen. Exemplar  Nr.  4,  das  am  17.  Juni  ein  auffallend  geringes  Ge- 
wicht besaß,  ging  bis  zum  20.  Juni  zugrunde.  Bei  Exemplar  Nr.  2 
konnte  ich  die  stärkere  Abnahme  in  den  letzten  Tagen  vor  dem  Tode 
besonders  deutlich  wahrnehmen.  Vom  29.  Juni  ab  wurden  bei  diesem 
Individuum  die  Wägungen  alle  2  Tage  vorgenommen. 
Die  Resultate  waren 


17. 

29. 

1. 

o. 

5. 

( . 

VI. 

VI. 

Vir. 

VII. 

VII. 

VII. 

15.38 


14.49 


14.26 


13.90 


13.52 


+ 


Am  7.  Juli  war  das  Exemplar  tot.  In  den  6  Tagen  vom  29.  Juni 
bis  zimi  -5.  JuU  hatte  es  imi  einen  größeren  Betrag  abgenommen  als 
in  den  12  vorhergehenden  Tagen. 

Die  graphi-che  Darstellung  der  Durchschnittsgewichte  bis  zum 
24.  Mai  zeigt  Fig.  8. 

Die  stärkere  Abnahme  zu  Anfang  des  Versuches  ist  auf  das  Um- 


160 


Walter  Kühn, 


getrockneter  Luftstrom  hindurchgeleitet  wurde 


herkriechen  der  Tiere  zurückzuführen.  Der  Mißstand,  daß  diese  Gruppe 
nicht  von  Anfang  an  einer  trockenen  Atmosphäre  ausgesetzt  war, 
wurde  bei  einer  zweiten  Gruppe  von  Versuchstieren  dadurch  beseitigt, 
daß  diesmal  nicht  nur  ein  mit  Chlorkalzium  gefülltes  Glasgefäß  in 
ihren  Aufenthaltsraum  (wieder  ein  großes  Glasgefäß)  gestellt  wurde, 
sondern  außerdem  ein  ständiger   durch   Atznatron  und  Chlorkalzium 

Erst   nach  9  Tagen 
wurde  der  Luftstrom  unterbrochen  und 
die  Tiere  wie  beim  ersten  Versuch  weiter 
behandelt.     Die   Exemplare   hatten    seit 
der  Winterruhe  Gelegenheit  zur  Nahrungs- 
aufnahme gehabt  und  befanden  sich  etwa 
in    einem   mittleren    Ernährungszustand. 
Ihre    Membranen   wurden  nicht  wie    bei 
der    ersten    Gruppe    jedesmal    entfernt, 
sondern  nur  gelegentlich  bei  den  Wägun- 
gen durch  Abreißen   der  Tiere  von  der 
Gefäßwand   verletzt.      Ursprünglich    war 
die   Zahl    der  Versuchsexemplare    acht.     Von    diesen   wurden   jedoch 
vergleichsweise  zwei  Exemplare  (Nr.  7  und  8)  vom  3.  Tag  ab  in  einem 
mit  Wasserdampf  gesättigten  Kaum  gehalten. 

Von  den  beiden  Exemplaren  hatte  Nr.  7  bis  dahin  eine  relativ 
schwachCj  Nr.  8  eine  relativ  starke  Abnahme  erfahren.  Die  Gewichte 
sind  auf  folgender  Tabelle  angegeben. 


Fig.  G. 


Tabelle  13. 


'^^ 

20. 

22. 

24. 

26. 

28. 

5. 

13. 

25. 

7. 

V. 

V. 

V. 

V. 

V. 

VI. 

VI. 

VI. 

VII. 

1 

26,70 

24,32 

22,88 

21,16 

20,50 

19,65 

18,92 

17,51 

15,45 

2 

25,18 

22,03 

20,73 

19,41 

18,59 

17,85 

17,47 

16,67 

+ 

3 

29,05 

25,40 

24,17 

23,20 

22,31 

21,18 

20,18 

19,67 

18,60 

4 

24,75 

19,86 

18,79 

18,02 

17,87 

+  5.  VI. 

ö 

21,17 

19,16 

18,09 

17,64 

17,17 

15,64 

+  7.  VI. 

6 

24,98 

22,52 

21,19 

20,33 

19,88 

18,09 

17,46 

+  25.  VI. 

7 

25,85 

23,65 

22,78 

22,44 

22,22 

20,79 

19,32 

18,71 

+ 

8 

25,54 

21,51 

20,52 

20,03 

19,50 

18,22 

17,08 

17,59 

+ 

Die    Berechnung    von    Durchschnittswerten     mußte    infolge    des 
frühen  Absterbens    einiger  Exemplare  wegfallen.     Auch    hier  ist  die 


Beiträge  zur  Biologie  der  Weinbergschneeke  (Helix  pomatia  L  ).  IGl 

Gleichmäßigkeit  der  Gewichtsabnahme  viel  größer  als  etwa  auf  der 
auf  S.  147  angegebenen  Tabelle.  Und  zwar  trifft  das  sowohl  für  die 
in  trockener  als  auch  füi-  die  in  feuchter  Luft  gehaltenen  Exemplare  zu. 
Daß  bei  diesem  Versuch  die  Exemplare  im  allgemeinen  rascher  zugrunde 
gingen  als  bei  den  früheren,  obgleich  sie  bereits  Gelegenheit  zur  Nah- 
rungsaufnahme gehabt  hatten,  hängt  wohl  in  erster  Linie  damit  zu- 
sammen, daß  bei  den  Exemplaren,  die  zu  dem  ersten  Versuch  ver- 
wandt wurden,  der  intensive  Stoffwechsel  der  Sommermonate  über- 
haupt noch  nicht  begonnen  hatte  und  es  sich  also  im  wesentlichen  nur 
um  eine  künstliche  Verlängerung  der  Winterruhe  unter  besonders  un- 
günstigen Bedingungen  handelte. 

Im  Vergleich  zu  der  Abnahme  der  beiden  in  feuchter  Atmosphäre 
gehaltenen  Exemplare  erscheint  die  der  übrigen  auffallend  gering. 
Der  scheinbare  "Widerspruch  erklärt  sich  jedoch  von  selbst,  wenn  man 
berücksichtigt,  daß  die  in  feuchter  Luft  befindlichen  Exemplare  be- 
sonders am  Anfang,  aber  auch  später  noch  von  Zeit  zu  Zeit  in  ihrem 
Behälter  umherkrochen  und  dabei  Schleim  abgaben. 

4.  Das  "Wiederaufleben. 
a.  Die  Ursache  des  Auskriechens. 

Das  Auskriechen  einer  im  Ruhezustand,  gleicligültig  ob  Winter- 
ruhe oder  Trockenstarre,  befindlichen  Weinbergschnecke  wird  nur  durch 
äußere  Einflüsse  verursacht  und  kann  daher  jederzeit  hervorgerufen 
werden.  Diese  Behauptung  scheint  mit  dem  auf  Seite  137  — 139 
Gesagten  im  Widerspruch  zu  stehen,  wonach  eine  längere  Unterbrechung 
der  Winterruhe  auch  durch  sehr  günstige  äußere  Bedingungen  kaum 
möglich  ist.  Dennoch  lassen  sich  beide  Aussagen  vereinen.  Das  Ab- 
stossen  der  verschiedenen  Membranen  kann  zwar  leicht  jederzeit  be- 
wirkt werden.  Doch  folgt  darauf  im  Winter  nur  ein  sehr  schwaches 
Leben,  das  bald  wieder  in  vollkommene  Ruhe  übergeht.  Nur  in  der 
günstigen  Jahreszeit  findet  ein  rascher  Übergang  zur  vollen  Lebens- 
tätigkeit statt.  Ein  Unterschied  besteht  also  nicht  in  der  unmittelbaren 
Reaktion  auf  die  veränderten  äußeren  Bedingungen,  sondern  erst  im 
späteren  Verhalten.  Das  Auskriechen  ist  bei  passender  Versuchs- 
anordnung stets  zu  beobachten. 

Um  die  einzelnen  Faktoren  zu  erkennen  und  richtig  zu  bewerten, 
die  das  Verhalten  der  AVeinbergsch necke  bedingen,  ist  es  notwendig 
einen  kurzen  Blick  auf  die  äußeren  Einflüsse  zu  werfen,  unter  denen 
sie  normalerweise  ihre  wichtigen  Lebensfunktionen  vollzieht.  Diese 
Einflilsse  sind  hauptsächlich  Wärme  und  Feuchtigkeit.    Die  intensivste 

Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.    C'IX.  Bd.  11 


162  Walter  Kühn, 

Lebenstätigkeit  kann  man  während  und  kurz  nach  warmen  Regen 
beobachten.  Niedere  Temperatur  und  geringe  Feuchtigkeit  bewirken 
unter  allen  Umständen,  auch  bei  reichlichem  Nahrungsvorrat,  einen 
Übergang  in  den  Ruhezustand. 

Man  kann  infolgedessen  vermuten,  daß  Wärme  und  Feuchtigkeit 
auch  die  Faktoren  sind,  die  das  Auskriechen  verursachen,  eine  Ver- 
mutung, die  durch  zahlreiche  Beobachtungen  vollkommen  bestätigt  ist. 
Zunächst  ist  einiges  über  die  Bedeutung  der  Temperatur  zu  sagen. 
In  der  Jahreszeit,  in  welche  das  intensive  Leben  der  AVeinbergschnecken 
fällt,  beträgt  sie  kaum  weniger  als  8 — 10°.  Man  muß  also  annehmen, 
daß  innerhalb  der  Grenzen  von  10°  und  etwa  20 — 25°  die  günstigsten 
Temperaturverhältnisse  für  die  Weinbergschnecke  herrschen.  Gaspard 
hat  an  einem  Exemplar  nach  Entfernung  des  Epiphragmas  während 
der  Wintermonate  beobachtet,  daß  bei  12 — 15°,  ebenso  bei  8 — 10 °R 
Nahrung  aufgenommen  wurde ,  während  die  Nahrungsaufnahme  bei 
3 — 6°R  unterblieb.  Steigerung  der  Temperatur  bewirkt,  wenn  sie 
sich  in  gewissen  Grenzen  bewegt,  graduelle,  nicht  aber  wesentliche 
Unterschiede  im  Verhalten  der  Weinbergschnecke. 

Die  Wärme  allein  kann  ein  Auskriechen  nicht  bewirken.  Das 
hat  bereits  Gaspard  erkannt.  Seine  Versuche,  die  Winterruhe  dadurch 
zu  unterbrechen,  daß  er  die  Tiere  längere  Zeit  einer  trockenen  Wärme 
von  15 — 30°  aussetzte,  hatten  alle  ein  negatives  Ergebnis.  Dagegen 
fand  er,  daß  andre  Exemplare  im  April  und  Mai  bereits  bei  8°  aus- 
krochen. Auch  wenn  er  Exemplare  zunächst  in  Wasser  tauchte  und 
dann  einer  Temperatur  von  20°  aussetzte,  stießen  sie  ihren  Deckel 
ab.  Ein  Auskriechen  erfolgte  sogar  mitten  im  Winter,  wenn  er  die 
Tiere  bei  12 — 13°  in  eine  feuchte  Atmosphäre  brachte. 

Diese  Versuche  lassen  bereits  vermuten,  daß  innerhalb  gewisser 
Temperaturgrenzen  die  Feuchtigkeit  von  ausschlaggebender  Bedeutung 
für  das  Verhalten  der  Weinbergschnecke  ist.  Mitteilungen,  die  mit 
dem  Gesagten  übereinstimmen,  wurden  von  einer  Reihe  von  Forschern 
gemacht,  von  denen  A.  Moqüin-Tandon  (41),  C.  A.  Recluz  (46)^ 
E.  Ebrard  (14),  S.  Clessin  (11),  Döring  (12),  R.  Dubois  (13),  M. 
Bellion  (5),  0.  Hesse  (24)  und  K.  Kunkel  (32)  genannt  seien. 

Um  die  meist  sehr  kurzen  und  unvollständigen  Angaben  zu  er- 
gänzen und  nachzuprüfen,  habe  ich  eine  Reihe  von  Versuchen  ange- 
stellt, die  sich  mit  der  Einwirkung  der  Feuchtigkeit  auf  winterschlafende 
oder  in  Trockenstarre  befindliche  Weinbergschnecken  beschäftigen. 
Es  wurde  dabei  die  von  früheren  Beobachtern  vielfach  angewandte 
Einwirkung  von  flüssigem  Wasser  ganz  vermieden,   die  Tiere  vielmehr 


Beiträge  zur  Biologie  der  Weinbergschnecke  (Helix  pomatia  L.).         1G3 

lediglirli  in  ciiuMi  mit  "WasscnlMm^)!'  gesättigten  Raum  gebracht.  Sie 
befanden  sich  dabei  in  einem  Behälter  aus  Drahtgeflecht,  der  in  einem 
nicht  ganz  dicht  verschlü.ssenen  Glasgefäß  über  Wasser  aufgehängt  war. 

Die  ersten  Versuche  wurden  Ende  Juni  1912  mit  drei  Exemplaren 
angestellt,  die  vorher  4  Woclien  gehungert  hatten.  Nach  1 — 2  Tagen 
wurden  sie  alle  in  Bewegung  angetroffen.  Das  Auskriechen  erfolgte 
ebenso  rasch,  wenn  die  Individuen  nicht  über  Wasser,  sondern  nur 
in  ein  dicht  verschließbares  Glasgefäß  gebracht  wiirden;  da  sie  bestän- 
dig Wasserdampf  abgeben,  erreicht  die  Luft  in  dem  abgeschlossenen 
Raum  sehr  bald  einen  hohen  Feuchtigkeitsgrad,  der  seine  Wirkuni^ 
ausübt.  Daß  andre  Ursachen  nicht  in  Betracht  kommen,  zeigt  ein 
Kontrollversuch,  bei  dem  die  eingeschlossene  Luft  durch  Chlorkalzium 
trocken  gehalten  Avurde.  In  diesem  Fall  erfolgte  kein  Auskriechen. 
Nach  2  Tagen  AM.irde  das  Chlorkalzium  entfernt.  Einen  weiteren  Tas: 
später  befand  sich  das  Exemplar  in  Bewegung. 

Ganz  entsprechende  Resultate  ergaben  die  zu  verschiedenen  Zeiten 
im  Winter  1912/13  mit  eingedeckelten  Exemplaren  angestellten  Ver- 
suche. 

Bei  einer  Temperatur  von  etwa  18°  C  stießen  alle  Exemplare,  die 
genügend  lange  in  feuchter  Atmosphäre  gehalten  wurden,  ihr  Epi- 
phragma  ab.  während  solche,  die  sich  in  gewöhnlicher  Atmosphäre 
befanden,  keinerlei  Änderung  in  ihrem  Verhalten  zeigten.  Im  allge- 
meinen erfolgte  die  Reaktion  erst  nach  mehreren  Tagen.  Die  individu- 
ellen Verschiedenheiten  w^aren  viel  größer  als  im  Sommer.  Von  16  Exem- 
plaren hatten  nur  zwei  nach  2  Tagen  ihren  Deckel  abgestoßen,  nach 
weiteren  3  Tagen  waren  im  ganzen  sieben  Exemplare  ausgekrochen. 
Von  den  übrigen  neun  hatten  vier  nach  10  Tagen,  zwei  nach  12  Tagen, 
und  je  eins  nach  16,  18  und  19  Tagen  reagiert.  Rascher  erfolgte  die 
Reaktion  vielfach  bei  solchen  Tieren,  die  ein  sehr  dünnes  oder  be- 
schädigtes Epiphragma  besaßen. 

Bei  niederer  Temperatur  (11°  C)  stießen  von  vier  Exemplaren  im 
Laufe  von  9  Tagen  zwei  ihren  Deckel  ab.  Die  beiden  andern  waren  nach 
23  Tagen  noch  unverändert. 

Ein  besonderes  Interesse  verdient  das  weitere  Verhalten  derjenigen 
Exemplare,  die  auch  nach  dem  Auskriechen  noch  längere  Zeit  in  feuchter 
Atmosphäre  gehalten  wurden,  jedoch  ohne  Nahrungszufuhr.  Im  AVinter 
erfolgte  sehr  bald  erneutes  Zurückziehen;  der  Ruhezustand  konnte,  wie 
früher  bereits  erwähnt  wurde,  nur  vorübergehend  unterbrochen  werden. 
Die  im  Sommer  untersuchten  Exemplare  blieben  länger  beweglich. 
Doch  zogen  auch  sie  sich  allmählich  weit  in  die  Schale  zurück,  und 

11* 


164  Walter  Kühn, 

schieden  zum  Teil  Membranen  ab.  Nachdem  drei  Individuen  auf  diese 
Weise  mehr  als  einen  Monat  in  feuchter  Atmosphäre  zugebracht  hatten, 
wurden  sie  am  1.  August  1912  in  feuchten  Salat  gesetzt.  Normaler- 
weise werden  ausgehungerte  Exemplare  in  diesem  Falle  sehr  rasch 
lebendig.  Die  drei  erwähnten  Individuen  waren  jedoch  nach  einem 
Tage  noch  nicht  ausgekrochen.  Der  lange  Aufenthalt  in  feuchter 
Atmosphäre  hatte  sie  offenbar  unempfänglich  für  die  sonst  sehr  rasch 
wirkenden  Reize  gemacht.  Am  2.  August  wurden  die  Tiere  unter 
Wasser  getaucht.  Sie  kamen  nun  bald  aus  der  Schale  und  fraßen 
eifrig  von  dem  Salat,  in  den  sie  wieder  gesetzt  wurden. 

Aus  dem  Verhalten  folgt  erstens,  daß  bei  einem  längeren  Aufenthalt 
in  feuchter  Atmosphäre  die  Wirkung  der  Feuchtigkeit  aufgehoben  wird, 
zweitens,  daß  die  Nahrung,  insbesondere  Salat,  in  erster  Linie  durch 
die  von  ihr  ausströmende  Feuchtigkeit  auf  die  Weinbergschnecke  wirkt. 
Wäre  der  spezifische  Geruch  hauptsächlich  wirksam,  dann  hätten  die 
Exemplare  etwa  ebenso  rasch  auskriechen  müssen ,  wie  das  sonst  bei 
ausgehungerten  Exemplaren  der  Fall  ist. 

Mit  dem  großen  Einfluß,  den  der  Wassergehalt  der  Atmosphäre 
auf  die  Weinbergschnecke  ausübt,  stehen  zwei  Beobachtungen  im 
engen  Zusammenhang.  Es  ist  möglich,  das  Aufwachen  nach  der  Winter- 
ruhe dadurch  beliebig  lang  hinauszuschieben,  daß  man  die  Exemplare 
in  einem  trockenen  Raum  hält.  Man  kann  anderseits  Individuen, 
denen  man  die  Nahrung  entzieht,  sehr  lang  beweglich  halten,  wenn 
man  sie  in  einem  feuchten  Raum  unterbringt.  Am  22.  Mai  1912  brachte 
ich  eine  Anzahl  Weinbergschnecken,  die  bei  regnerischem  Wetter  in 
vollster  Lebenstätigkeit  aufgefunden  waren,  in  einen  feuchten  Souter- 
rainraum, der  eine  ziemlich  gleichmäßige  Temperatur  besaß.  Obgleich 
die  Tiere  keinerlei  Nahrung  erhielten,  krochen  einige  Exemplare  am 
2.  August,  also  nach  mehr  als  10  Wochen,  noch  umher  und  zogen  sich 
erst  dann  allmählich  in  die  Schale  zurück,  als  sie  in  eine  trockene 
Atmosphäre  gebracht  wurden. 

Durch  frühere  Versuche  (S.  135 — 136)  v^ar  festgestellt  worden, 
daß  das  Epiphragma,  wie  auch  die  Schäle,  einen  Gasaustausch  ge- 
statten. Am  Epiphragma  kommt  hauptsächlich,  wenn  nicht  aus- 
schließlich die  Stelle  in  Betracht,  wo  die  innen  dicht  aufliegende  häutige 
Membran  von  einer  Kalkeinlagerung  unterbrochen  ist.  Eine  eben- 
solche Kalkeinlagerung  besitzen  alle  darunter  liegenden  Membranen. 
Nach  den  Ergebnissen  dieses  Abschnittes  ist  auch  die  auf  S.  135 — 136 
erwähnte  Reaktion  auf  Bestreichen  des  Epiphragmas  bzw.  der  Schale 
mit  Paraffin  oder  Vaseline  leicht  zu  erklären.     Offenbar  ist  der  Grund 


J 


Beiträge  zur  Biologie  der  Weinbergschnecke  (Helix  pomatia  L).         1G5 

für  das  Auskrieclien  darin  zu  sehen,  daß  die  von  den  Individuen  ab- 
geschiedene Feuchtiiikeit  nicht  entweichen  konnte  und  einen  immer 
stärkeren  Reiz  auf  die  Tiere  ausübte,  der  schließUch  das  Abstoßen 
des  Deckels  verursachte. 

b.  Die  ersten  Lebensänßoruiigcii  nach  der  Winterruhe  nud  die 
Genicittzuuahme. 

Im  Freien  beginnt  das  Wiederaufleben  nach  der  Winterruhe  ge- 
wöhnlich Ende  März  oder  im  April.  Es  ist  abhängig  von  dem  Ein- 
treten warmer  Friihlingsregen.  In  der  letzten  Zeit  vor  dem  Aus- 
kriechen nimmt  das  Gewacht  der  eingedeckelten  Exemplare  besonders 
stark  ab.  Das  Abstoßen  des  Epiphragmas  beschreibt  Gaspaed  fol- 
gendermaßen (S.  258):  »Das  Tier  zieht  nach  und  nach  die  in  den  ver- 
schiedenen Zellen  abgesetzte  Luft  in  seine  Lungen  und  zerbricht  die 
Scheidewände,  indem  es  den  hinteren  Teil  des  Fußes  vorschiebt.  Zu- 
letzt zerstößt  es  den  Kalkdeckel  an  dem  ausgeschweiften  Punkte  und 
dem  stumpfsten  Winkel,  schiebt  den  scharfen  Rand  des  Fußes  zwischen 
Schale  und  Deckel  und  trennt  dadurch  diesen  ganz  ab.  Darauf  kriecht 
es  hervor  und  frißt  sogleich  mit  Begierde.« 

Die  Sterblichkeit  ist  in  den  ersten  AVochen  nach  Beendigung  der 
Winterruhe  gesteigert. 

Bald  nach  der  Winterruhe  beginnt  die  Weinbergschnecke  das 
Wasser  und  die  Reservestoffe,  die  sie  inzwischen  verbraucht  hat,  durch 
Neuaufnahme  zu  ersetzen. 

Einige  kurze  Mitteilungen  über  die  Gewichtsvergrößerung  nach 
der  Winterruhe  finden  sich  bei  A.  Lang  (34)  und  K.  Kunkel  (30). 
Beide  haben  eine  durchschnittliche  Zunahme  um  etwa  die  Hälfte  des 
ursprünghchen  Gewichtes  beobachtet. 

Ich  habe  die  Zunahme  bei  einer  Reihe  von  ausgewachsenen  Exem- 
plaren während  eines  Monats  festgestellt  und  dabei  die  auf  Tabelle  14 
(S.  166)  angegebenen  Resultate  erhalten. 

Es  handelte  sich  durchweg  um  ausgewachsene  Exemplare,  die 
zwar  vor  Beginn  des  Versuchs  bereits  ihr  Epiphragma  abgestoßen  hatten, 
aber  weder  Nahrung  noch  Wasser  aufgenommen  hatten.  Vom  27. 
bis  28.  April  war  ihnen  nur  Wasser  geboten  worden.  Von  da  ab  auch 
zusagende  Nahrung,  besonders  Salat.  Vor  jeder  Wägung  mit  Aus- 
nahme der  ersten,  wurden  die  Tiere  mit  Wasser  besprengt  und  dann 
sorgfältig  abgetrocknet.  Als  Aufenthaltsraum  diente  ein  großer  Glas- 
behälter, der  oben  mit  einem  weitmaschigen  Drahtnetz  verschlossen 
war. 


166 


Walter  Kühn, 
Tabelle  14. 


Exemplar 

27. 

28. 

29. 

1. 

3. 

5. 

9.         17. 

25. 

Nr. 

IV. 

IV. 

IV. 

V. 

V. 

V. 

V.         V. 

V. 

1 

17,35 

23,73 

25,59 

22,98 

22,24 

22,22 

22,20 

23,33 

25,38 

2 

17,47 

22,36 

22,16 

22,43 

21,46 

21,35 

24,79 

22,76 

24,81 

3 

17,35 

19,09 

22,78 

21,40 

20,76 

20,30 

21,91 

27,50 

25,95 

4 

12,12 

12,62 

15,89 

16,07 

14,72 

14,87 

16,27 

16,60 

16,06 

5 

14,00 

14,60 

15,35 

15,31 

14,97 

15,04 

18,08 

16,83 

16,72 

6 

16,18 

20,58 

21,16 

18,86 

19,05 

18,36 

22,29 

21,95 

22,00 

7 

16,37 

18,33 

18,39 

19,47 

18,82 

18,88 

22,40 

20,17 

20,51 

8 

16.20 

20,73 

24,35 

21,24 

20.87 

20,83 

22,80 

22,82 

22,82 

9 

16,32 

18,53 

20,70 

20,58 

19,59 

19,34 

20,16 

22,08 

20,16 

10 

20,62 

21,49 

23,48 

24,22 

23,78 

23,87 

26,56 

27,13 

26,84 

Durchschnitt 

16,39 

-19,21 

20,99 

20,26 

19,63 

19,51 

21,75 

22,22 

22,13 

Die  Wägungen  zeigen,  daß  besonders  in  den  ersten  Tagen  eine 
bedeutende  Zunahme  stattfindet.  Exemplar  Nr.  1  vergrößerte  sein 
Gewicht  in  den  ersten  beiden  Tagen  um  47%  des  Anfangsgewichtes, 
im  Laufe  des  ersten  Tages    allein  durch  Wasseraufnahme  um   37%. 

Die  andern  Exemplare  zeigten  zwar 
größtenteils  keine  so  erhebliche  Zu- 
nahme, doch  war  auch  hier  gerade  in 
den  ersten  Tagen  eine  auffallende  Ge- 
wichtsvergrößerung zu  beobachten. 
Das  zeigt  sich  sehr  deutlich  bei  der 
Betrachtung  einer  graphischen  D  ar- 
stellung  der  Wägungsergebnisse  (Fig.  7.) 
Ganz  ähnlich  verhielten  i-ich  in 
dieser  Beziehung  fünf  ausgewachsene 
Exemplare,  die  im  Juli  1912,  nachdem 
sie  gerade  2  Monate  gehungert  hatten,  Salat  erhielten.  Sie  hatten  be- 
reits nach  einer  Stunde  sämtlich  die  Schale  verlassen  und  fraßen  nun 
eifrig.  Ihre  Gewichte  vor  Beginn  der  Nahrungsaufnahme  und  an  den 
beiden  folgenden  Tagen  sind  auf  Tabelle  15  angegeben. 

Auch  NüssLiN  (44)  macht  Mitteilungen  über  die  Gewichtzunahme 
der  Weinbergschnecken  nach  einer  Hungerperiode.  Er  gab  seinen 
Versuchstieren  jedoch  nur  Wasser  und  stellte  lediglich  die  Zunahme 
in  den  ersten  24  Stunden  fest.  Seine  Wägungsergebnisse  stehen  mit 
den  meinigen  in  Übereinstimmung. 


Fig-  7. 


Beiträge  zur  Biologie  der  WViiihorgschnockc  (Hclix  poinatia  L.). 
Tnhrllc    IT). 


107 


Nr. 

17. 

18. 

19. 

VII. 

Yll. 

VlI. 

1 

11,55 

14,86 

14,96 

2 

13,70 

18,53 

17,36 

3 

16,90 

22,30 

24,51 

4 

18,46 

25,90 

24,10 

5 

21,50 

29,35 

27,93 

Durchschnitt 

16,42 

22,19 

21,77 

Aul'fallend  ist  bei  Tabelle  l.j,  wie  auch  schon  bei  der  Gewichts- 
kiirve  der  ersten  Versuchsgruppe,  daß  bei  ehiigen  Exemplaren  bereits 
im  Lauf  des  zweiten  Tages  wieder  eine  Abnahme  erfolgte.  Überhaupt 
zeigen  die  Gewichte  in  der  Folgezeit  große  Schwan- 
kungen. Bei  Betrachtung  der  Fig.  7  ist  das  schon 
deutlich  zu  sehen,  obgleich  hier  das  Bild  durch  zweier- 
lei verwischt  ist.  Einmal  sind  die  Schwankungen 
durch  Berechnung  der  Durchschnittsgewichte  zum 
größten  Teil  ausgeglichen,  ferner  sind  die  Wägungen 
in  der  zweiten  Hälfte  der  Versuchszeit  nicht  häufig 
genug  angestellt  worden.  Sehr  viel  klarer  wird  daher 
das  Bild,  wenn  man  die  Wägungsergebnisse  der  Einzel- 
individuen in  der  ersten  Hälfte  der  Versuchszeit  be- 
trachtet. In  Fig.  8  ist  die  Gewichtskurve  von  Exem- 
plar Nr.  6  dargestellt,  die  sich  durch  besonders  ungleichmäßigen 
Verlauf  auszeichnet.      Eine  Erklärung  liegt  wohl   in  der  Angabe  von 


Fig.  8. 


Fig.  9. 

Ebrard  (14),  daß  ausgewachsene  Tiere  im  allgemeinen   nur  alle  2 — 3 
Tage  Nahrung  aufnehmen. 

Fig.  9  zeigt  schließlich  noch  im  Zusammenhang  die  Gewichtskurve 


168  Walter  Kühn, 

eines  Exemplars  (Nr.  5  der  auf  Tabelle  12  augeführten  Gruppe),  das 
direkt  anschließend  an  die  Winterruhe  vom  30.  April  bis  zum  7.  Juli 
in  trockener  Atmosphäre  ohne  Nahrung  gehalten  wurde  und  dann 
reichliche  Nahrung  erhielt.  Der  regelmäßige  Verlauf  während  der 
Hungerperiode  tritt  gut  hervor,  ebenso  die  ständigen  Gewichtsände- 
rungen vom  Augenblick  der  Nahrungszufuhr  an.  Eine  Reihe  andrer 
Exemplare  verhielt  sich  ähnlich.  Daß  der  Aufenthalt  in  dem  Glas- 
behälter, in  dem  die  Tiere  aufbewahrt  wurden,  keine  wesentlichen  Ab- 
weichungen von  dem  normalen  Verhalten  der  Tiere  verursachte,  konnte 
ich  feststellen,  als  ich  die  Schnecken  eine  Woche  in  einem  von  Draht 
eingezäunten  Gärtchen  bei  reichhcher  Nahrung  und  Feuchtigkeit  hielt. 

Im  Anschluß  an  die  Besprechung  der  Gewichtzunahme  nach 
längerem  Nahrungsmangel  ist  noch  von  einigen  Versuchen  zu  be- 
richten, die  über  das  Verhalten  der  Weinbergschnecke  trockener  Nah- 
rung gegenüber  Aufschluß  geben.  Die  große  Vorliebe  für  Feuchtigkeit 
legt  die  Vermutung  nahe,  daß  trockene  Speisen  entweder  verschmäht 
oder  doch  nur  wenig  berührt  werden.  Eine  Reihe  von  Versuchen 
bestätigte  diese  Vermutung.  Als  Speise  setzte  ich  den  Schnecken 
Filtrierpapier  vor,  von  dem  ich  bereits  früher  festgestellt  hatte,  daß 
es  in  feuchtem  Zustande  gern  verzehrt  wird. 

Am  10.  Juli  wurden  acht  Weinbergschnecken  bei  vollkommener 
Wasserentziehung  einzeln  in  Gläser  auf  trockenes  Filtrierpapier  gesetzt. 
Am  ersten  Tage,  als  der  Austrocknungsgrad  der  Schnecken  noch  gering 
war,  wurden  drei  Papierstreifen  angegriffen.  An  den  drei  folgenden 
Tagen,  über  die  der  Versuch  noch  ausgedehnt  wurde,  zeigte  dagegen 
kein  einziger  der  täglich  erneuten  Papierstreifen  irgendwelche  Freß- 
spuren. 

Schon  wesentlich  anders  war  das  Resultat,  als  die  Tiere  einmal 
täglich  mit  Wasser  besprengt  und  dann,  nachdem  sie  sorgfältig  abge- 
trocknet waren,  auf  trockenes  Filtrier papier  gesetzt  w^urden.  Auch 
jetzt  verschmähte  in  der  Regel  noch  die  Mehrzahl  der  Tiere  das  Papier. 
Immerhin  hatten  in  zwei  von  fünf  Fällen  je  fünf  Exemplare  ihr  Papier 
angefressen,  in  einem  Falle  vier,  einmal  zwei  und  einmal  gar  kein 
Exemplar.  Noch  stärker  wurde  das  Papier  angefressen,  wenn  es  feucht 
war.  In  einem  Falle  zeigten  sechs  von  den  Papierstücken  deutliche 
Freßspuren,  in  einem  zweiten  Falle  zwei,  in  weiteren  Fällen  3,  6,  6. 
Bei  der  zweiten  Versuchsanordnung  waren  insgesamt  16  Papierstreifen 
von  40  angefressen  worden,  bei  der  letzten  Versuchsanordnung  dagegen 
23  von  40  Papierstreifen. 

Die  Versuche  zeigen,  daß  trockene  Speisen  vollkommen  verschmäht 


I 


Beiträge  zur  Biologie  der  Weinbergselniecke  (Helix  poinatia  L.).  1G9 

werden,  wenn  die  AVeinberuschnecke  nielit  selbst  einen  hohen  Feuchtig- 
keitsgehalt bet^itzt  und  daß  selbst,  wenn  diese  Bedingung  erfüllt  ist, 
ein  erheblicher  Unterschied  im  Vergleich  zu  dem  Verhalten  feuchter 
Nahrung  gegenüber  zu  beobachten  ist. 


Eine  Zusammenstellung  der  Hauptergebnisse  dieser  Untersuchun- 
gen zeigt  mit  großer  Deutlichkeit,  welch  eine  außerordentlich  wichtige 
Rolle  die  Feuchtigkeit  im  Leben  der  Weinbergschnecke  spielt.  Nur 
in  feuchter  Atmosphäre  bewegt  sie  sich  lebhaft  und  nimmt  Nahrung 
auf.  Die  Nahrung  selbst  wird  meist  nur  dann  angegriffen,  wenn  sie 
Feuchtigkeit  enthält.  Eintretende  Trockenheit  bewirkt  sehr  bald  eine 
Änderung  in  der  Lebenstätigkeit;  die  Tiere  kapseln  sich  ein  und  ver- 
harren im  Ruhezustand,  bis  neue  Feuchtigkeit  sie  wieder  hervorlockt. 
In  der  Zwischenzeit  können  sie  die  Wasserabgabe  von  dem  anfänglich 
sehr  hohen  Betrag  auf  ein  äußerst  geringes  Maß  herabsetzen,  das  auch 
in  vollkommen  trockener  Atmosphäre  nicht  viel  größer  ist.  Die  Er- 
gänzung des  Wassergehaltes  nach  einer  längeren  Ruheperiode  kann 
sehr  rasch  erfolgen.  Von  Wichtigkeit  ist,  daß  die  Weinbergschnecke 
nicht  nur  durch  flüssiges  Wasser,  im  Freien  also  durch  direkte  Berührung 
mit  dem  Regenwasser  zum  Wiederaufleben  veranlaßt  wird,  sondern 
auch  allein  durch  einen  hohen  Feuchtigkeitsgehalt  der  Atmosphäre. 
Sie  wird  also  auch  in  einem  geschützten  Versteck,  wo  sie  den  direkten 
Witterungseinflüssen  nicht  preisgegeben  ist,  eine  Änderung  des  Wetters 
wahrnehmen. 

Unsre  Versuche  geben  einen  neuen  Beweis  von  der  Vollkommen- 
heit, mit  der  die  Weinbergschnecke  ihren  Existenzbedingungen  im 
Freien  angepaßt  ist. 

II.  Die  Wasseraufnahme. 

Je  intensiver  sich  die  Lebenstätigkeit  der  Weinbergschnecke  ge- 
staltet, um  so  größer  wird  ihr  Wasserverbrauch.  Die  Schleimabgabe, 
wie  auch  die  Verdunstung  an  der  Körperoberfläche  können  einen  hohen 
Betrag  erreichen.  Die  Tiere  entfalten  deshalb  nur  dann  ihre  volle 
Lebenstätigkeit,  wenn  sie  die  Möglichkeit  haben,  ihren  Wasservorrat 
häufig  zu  ergänzen. 

Es  fragt  sich,  auf  welchem  Weg  das  Wasser  in  den  Schnecken- 
körper gelangt.  Insbesondere  ist  die  Frage  von  Interesse,  ob  die  Auf- 
nahme des  Wassers  ausschließlich  durch  den  Mund  erfolgt,  oder  ob 
sie  auch  auf  anderm  Wege,  etwa  durch  die  Haut  möglich  ist.  Die 
Untersuchuniren,  welche  diese  Frage    für  die  Landschnecken  zu   be- 


170  Walter  Kühn, 

antworten  suchen,  sind  nicht  sehr  zahh-eich.  Um  so  lebhafter  ist  da- 
gegen die  Frage  nach  der  Wasseraufnahme  bei  Wassermollusken  er- 
örtert worden. 

Obgleich  über  die  spezielleren  Verhältnisse  bei  den  Landpulmonaten 
nur  relativ  wenige  Mitteilungen  vorliegen,  finden  sich  auch  hier  man- 
cherlei Widersprüche.  Übereinstimmung  herrscht  nur  in  bezug  auf 
die  Wasseraufnahme  durch  den  Mund.  Leydig  (37)  beobachtete  das 
Trinken  bei  Limax  arhorum.  Gegenbaur  (20,  S.  544)  schreibt  in  bezug 
auf  die  Pulmonaten:  »Die  Aufnahme  von  Wasser  geschieht  aber  hier 
durch  den  Darmkanal.  Bei  Helicinen  ist  nicht  unschwer  nachzuweisen, 
daß  die  Tiere  dasselbe  durch  den  Mund  einführen.«  Auch  Ebrard  (14). 
SiMROTH  (50),  Nalepa  (42)  und  Kunkel  (28)  beobachteten  die  Wasser- 
aufnahme durch  den  Mund,  teils  bei  Helix,  teils  bei  Limax.  Während 
aber  Gegenbaur  das  Trinken  für  die  einzige  Art  der  Wasseraufnahme 
hielt  und  Nalepa  die  Anschauung  vertrat,  daß  immerhin  die  Haupt- 
masse des  Wassers  durch  den  Mund  in  den  Körper  gelangt,  wies  Sim- 
ROTH  darauf  hin,  daß  das  rasche  Aufquellen  der  Schnecken  in  feuchter 
Umgebung  nicht  durch  Wasseraufnahme  in  den  Mund  und  Darm 
erklärt  werden  könne,  und  daß  man  das  Trinken  als  den  selteneren 
Modus  der  Wasseraufnahme  anzusehen  habe.  E.  Mer  (40)  führt  an, 
man  könne  sich  durch  Eintauchen  einzelner  Körperteile  der  Wein- 
bergschnecke in  Wasser  leicht  von  der  Durchlässigkeit  der  gesamten 
Haut  für  Wasser  überzeugen. 

Genauere  Untersuchungen,  die  auch  über  die  Quantität  des  etwa 
durch  die  Haut  aufgenommenen  Wassers  Sicherheit  geben,  wurden 
von  den  letztgenannten  Forschern  nicht  angestellt.  Erst  in  neuerer 
Zeit  ist  durch  die  Versuche  von  K.  Kunkel  (28)  ein  wesentlicher  Fort- 
schritt erzielt  worden.  Kunkel  beträufelte  ein  Exemplar  von  Limax 
cinereus,  das  zuvor  einige  Tage  ohne  Futter  zugebracht  hatte,  mit 
etwas  angewärmtem  Wasser. 

Um  eine  Wasseraufnahme  durch  den  Mund  unmöglich  zu  machen, 
hielt  er  das  Brettchen,  auf  dem  das  Tier  saß,  schief  und  beträufelte 
die  Schnecke  nur  hinter  dem  Mantel.  Nach  2  Stunden  hatte  sie  ihr  Ge- 
wicht von  3,85  auf  5,43  g,  d.  h.  um  41,03%  erhöht.  Daraus  geht  hervor, 
daß  eine  beträchtliche  Wassermenge  durch  die  Haut  aufgenommen 
werden  kann.  Das  Tier  kroch  nach  der  Beträufelung  lebhaft  umher 
und  nahm,  als  ihm  Wasser  geboten  wurde,  weitere  1,4  g,  diesmal 
aber  durch  den  Mund,  auf.  Von  der  Gewichtzunahme,  die  im  ganzen 
3,05g  oder  79,20%  betragen  hatte,  war  etwas  mehr  als  die  Hälfte 
(41,03%)     durch    Aufnahme    durch    die     Haut    verursacht    worden, 


Beiträge  zur  Biologie  der  W'eiiibeigschiiecke  (Helix  pomatia  L.).         171 

die  übrigen  38,17%  durch  Trinken.  Stark  ausgetrocknete  Nackt- 
.^clinecken  waren  nach  Kunkel  nicht  imstande,  Wasser  zu  trinken. 
Sie  kannten  nur  dadurch  zum  Wiederaufleben  gebracht  werden,  daß 
KüNKEL  ihre  Haut  mit  Wasser  in  Berührung  brachte. 

Es  lag  nahe,  nach  den  Versuchen  von  Kunkel  auch  für  Helix 
pomatia  die  Möglichkeit  einer  Wasseraufnahme  durch  die  Haut  zu 
vermuten. 

Um  Sicherheit  zu  erhalten,  habe  ich  folgenden  Versuch  angestellt: 

Einigen  Exemplaren  wurde,  um  eine  Wasseraufnahme  durch  den 
^huul  unmöglich  zu  machen,  der  Vorderdarm  kurz  hinter  der  Mund- 
öffnung zugebunden.  Die  Operation  ging  so  vor  sich,  daß  einer  um- 
herkriechenden Schnecke  plötzlich  durch  eine  Schlinge  der  aus  der 
Schale  gestreckte  Teil  des  Körpers  abgebunden  wurde.  In  den  leeren 
Raum  der  Schale  wurde  etwas  Watte  gesteckt,  so  daß  dem  Tier  ein 
Zurückziehen  unmöglich  w^ar.  Dann  wurde  mit  einer  Schere  nicht 
weit  hinter  dem  letzten  Tentakelpaar  ein  möglichst  kurzer  Schnitt 
geführt.  Der  Pharynx  war  nun  leicht  zu  erreichen  und  konnte  mit 
einem  feinen  Faden  abgebunden  werden,  w^orauf  die  Wunde  vernäht 
wurde. 

Nur  durch  große  Vorsicht  war  ein  teilweises  Hervortreten  der 
Geschlechtsorgane  zu  verhindern.  Sind  die  Geschlechtsorgane  einmal 
aus  der  Wunde  getreten,  dann  ist  es  kaum  möglich,  sie  ohne  erhebliche 
Verletzungen  wieder  zurückzudrängen.  Es  wurden  nur  solche  Tiere 
weiter  untersucht,  bei  denen  keine  Verletzung  der  Geschlechtsteile 
vorgekommen  war. 

Während  der  Operation  gaben  die  Tiere  auf  der  ganzen  Körper- 
oberfläche Schleim  ab,  besonders  reichlich  in  der  Gegend  des  Mantel- 
randes. 

Wie  wenig  sie  jedoch  durch  die  Operation  in  ihrem  weiteren  Ver- 
halten beeinträchtigt  werden,  kann  man  daran  erkennen,  daß  eine 
gut  operierte  Weinbergschnecke  nach  dem  Vernähen  der  Wunde  nicht 
selten  ebenso  lebhaft  umherkriecht  wie  vor  der  Operation. 

Zwei  Exemplare  wurden  am  Tag  nach  der  Operation  in  ein  schräg 
gestelltes  Gefäß  gebracht,  dessen  Boden  zum  Teil  mit  Wasser  bedeckt 
war.  Sie  lagen  gerade  an  der  Wassergrenze.  Die  Tiere,  die  sich  in- 
zwischen in  die  Schale  zurückgezogen  hatten,  krochen  aus  und  ver- 
ließen  alsbald  das  Wasser.  Sie  wurden  in  bestimmten  Zwischenräumen 
gewogen  und  dann  w^ieder  in  das  Gefäß  zurückgebracht  und  zwar 
stets  so,  daß  sie  gerade  an  der  Wassergrenze  lagen.  Vor  jeder  Wägung 
wurden  sie  mit  Fließpapier  sorgfältig  abgetrocknet. 


172 


Walter  Kühn, 


Die  Ergebnisse  der  Wägiingen  sind  aus  folgender  Tabelle  zu  er- 


sehen : 


Tabelle  16. 


Gewicht  un- 
mittelbar vor 
d.  Operation 

Gewicht  un- 
mittelbar vor 
d.  Wasser- 
aufnahme 

Gewicht 
1  Std. 
später 

Gewicht 
1  Std. 
später 

Gewichtzunahme 

in  g 

in  % 

1 
2 

20,24 

17,81 
9,46 

18,45 
11,12 

19,13 
11,21 

1,32 
1,75 

7,4 
18,0 

Spätere  Wägungen  zeigten  keine  bemerkenswerte  Gewichtzu- 
nahnie  mehr. 

Da  ein  Trinken  unmöglich  gemacht  war,  muß  das  Wasser  durch 
die  Haut  einoedrungen  sein.  Die  Verschiedenheit  in  der  Gewicht- 
zunähme  ist  wohl  zum  Teil  darauf  zurückzuführen,  daß  der  Austrock- 
nungsgrad der  Tiere  verschieden  war.  Vielleicht  waren  sie  auch  in 
ungleicher  Weise  durch  die  Folgen  der  Operation  beeinflußt. 

Ein  weiteres  Exemplar,  Nr.  3,  wurde  vor  und  nach  der  Operation 
längere  Zeit  im  Hungerzustand  gehalten.  Zum  Vergleich  wurden  ganz 
entsprechende  Wägungen  auch  bei  einem  nicht  operierten  Exemplar 
(Nr.  4)  vorgenommen.  Die  Gewichtsabnahme,  die  wegen  der  fehlenden 
Operation  wegfiel,  wurde  durch  Verlängerung  des  Hungerzustandes 
herbeigeführt.  Die  Gewichte  der  Exemplare  3  und  4  sind  auf  Ta- 
belle 17  (S.  173)  angegeben. 

Spätere  Wägungen  zeigten  nur  geringe  Schwankungen  im  Gewicht. 

Bemerkenswert  ist,  daß  die  operierte  Schnecke  ihren  Wasser- 
vorrat im  Vergleich  zur  andern  sehr  langsam  ergänzte,  wie  man  aus 
der  Tabelle  ersehen  kann.  Während  letztere  bereits  2  Stunden  nach 
der  Wasserzufuhr  ihr  Gewicht  kaum  noch  änderte,  erreichte  Exemplar 
Nr.  3  das  Höchstgewicht  erst  nach  40  Stunden. 

Weiter  fällt  bei  Betrachtung  der  Tabelle  auf,  daß  die  Gewicht- 
zunahme in  Prozenten  bei  dem  nicht  operierten  Exemplar  (Nr.  4)  be- 
deutend größer  war,  als  bei  dem  operierten  (Nr.  3).  Möglicherweise 
ist  die  Differenz  auf  die  Beeinträchtigung  in  der  Lebenstätigkeit  zurück- 
zuführen, die  die  Operation  nach  sich  zog.  Vielleicht  hatte  aber  Nr.  4 
neben  der  Wasseraufnahme  durch  die  Haut  auch  erhebliche  Mengen 
durch  den  Mund  zu  sich  genommen. 


Beiträge  zur  Biologie  der  Weinbergsclineclic  (Helix  pomatia  L.).         173 
Ta  helle    17. 


1 

0 

^ 

4 

^ 

G 

1  Ä 

Urspr. 
Gewicht 

Gewicht  un- 
mittelbar vor 
d.  Operation 

Gewicht  un- 
mittelbar 
nach  der 
Operation 

Gewicht  unmittelbar  vor 
der  Wasserzut'ulir 

Gewicht 
1  Std. 

W 

in  g 

in  %  d.  ursp. 
Gewichts 

später 

3 

4 

32,9 

29,1 

26,7 

24,8 

19,97 

17,32 

60,7 

59,2 

20,24 
21.34 

7 

8 

9 

10 

11 

12 

a  ^ 

Gewicht 
1  Std. 
später 

Gewicht 
14  Std. 
später 

Gewicht 
1  Tag 
später 

Gewicht 
2  Tage 
später 

Gewichtzunahme 

W 

in  g 

in  o/j  d.  Gew. 

V.  d.  Wasser- 

znfuhr 

3 

4 

20,49 
23,25 

22,69 
22,73 

23,95 
22,74 

22,97 

3,98 
5,93 

19,9 

34,2 

Das  Hauptergebnis  des  Versuches  ist  der  Beweis,  daß  Helix  pomatia 
imstande  ist,  bedeutende  Wassermengen  durch  die  Körperhaut  auf- 
zunehmen. Es  stimmt  vollkommen  mit  dem  Ergebnis  überein,  das 
KüxKEL  auf  Grund  andrer  Versuchsanordming  bei  einem  andern 
Objekt  erhalten  hatte.  Im  Freien  werden  bei  Regen  jedenfalls  bedeu- 
tende AVassermengen  durch  die  Haut  aufgenommen.  Die  Runzeln  der 
Haut  haben  dabei  wohl,  wie  schon  Simroth  und  Kunkel  ausführten,  den 
Zweck,  ein  zu  schnelles  Abfließen  des  Wassers  zu  verhindern,  die 
Flüssigkeit  vielmehr  auf  der  ganzen  Körperoberfläche  zu  verteilen. 
Bei  den  Versuchen  Künkels  nahmen  die  Individuen  am  wenigsten 
AVasser  auf,  welche  sich  während  des  Beträufelns  kontrahierten.  Mehr 
nahmen  die  Exemplare  auf,  die  in  Fortbewegung  begriffen  waren,  am 
meisten  aber  die,  welche  ruhig  ausgestreckt  liegen  blieben. 

Es  fragt  sich  weiter,  auf  welchem  Wege  das  Wasser  durch  die 
Haut  der  Schnecke  in  das  Innere  gelangt.  Leydig  und  Nalepa  waren 
durch  anatomische  Untersuchungen  und  Injektionsversuche  zu  der 
Überzeugung  gekommen,  daß  das  Wasser  durch  Interzellularräume, 
die  in  direkter  Verbindung  mit  den  Bluträumen  stehen,  eindringe; 
eine  Auffassung,  die  auch  von  Meisenheimer  (39,  S.  7)  geteilt  wird. 
Simroth  (49)  äußerte  dagegen  die  Vermutung,  daß  das  Wasser  seinen 


174  Walter  Kühn, 

Wee;  auch  durch  die  Schleimdrüsen  nehme.  Kunkel  hat  diese  An- 
schauung  durch  einige  Versuche  wahrscheinHch  gemacht.  Er  fand, 
daß  stark  ausgetrocknete  Nacktschnecken  nicht  imstande  waren  sich 
fortzubewegen,  bevor  ihre  Haut  durch  die  Quellung  des  Schleimes 
weich  und  beweglich  geworden  war.  Bei  ausgetrockneten  Exemplaren 
war  der  Schleim  so  zäh,  daß  er  jede  Bewegung  unmöglich  machte. 
Durch  Beträufeln  mit  Wasser,  das  ganz  dem  Regen  im  Freien  ent- 
spricht, wurde  die  Zähigkeit  allmählich  beseitigt.  Dabei  verhinder- 
ten die  Runzeln  und  Rinnen  ein  zu  rasches  Abfließen  des  Was- 
sers und  breiteten  dasselbe  auf  der  Oberfläche  des  Tieres  aus. 

Die  Natur  des  Schneckenschleims  hat  Kunkel  durch  einige  Ver- 
suche näher  erforscht.  Er  verschaffte  sich  den  Schleim  dadurch  in 
größerer  Menge,  daß  er  eine  Schnecke  in  ein  tiefes  Uhrglas  setzte,  das- 
selbe mit  einem  andern  Uhrglas  bedeckte  und  dann  in  den  so  abge- 
schlossenen Raum  ein  mit  Chloroform  getränktes  Stückchen  Filtrier- 
papier brachte.  Darauf  erfolgte  starke  Schleimabgabe.  Zunächst 
stellte  KüNKEL  fest,  daß  der  Schleim  nicht  hygroskopisch  ist.  Er 
brachte  ihn  in  einen  mit  Wasserdampf  gesättigten  Raum  und  fand, 
daß  das  Gewicht  nicht  zunahm.  Die  Quellbarkeit  des  Schleimes  hat 
KüNKEL  durch  folgenden  Versuch  veranschaulicht.  Er  entzog  einem 
Exemplar  von  Helix  'pomatia,  das  ein  Gewicht  von  8,29  g  hatte,  0,38  g 
Schleim  und  übergoß  denselben  mit  Wasser.  Nach  2  Stunden  wog 
er  1,35  g,  hatte  sein  Gewicht  also  um  0,97  g  oder  um  255,26%  ver- 
größert.    Ahnlich  verhält  sich  der  Schleim  andrer  Schneckenarten. 

In  ganz  analoger  Weise  konnte  Künkel  aufgequollenen  Schleim 
durch  Austrocknen  auf  kleine  Bruchteile  seines  ursprünglichen  Gewichts 
reduzieren. 

Es  ist  leicht  begreiflich,  daß  bei  ausgetrockneten  Exemplaren  der 
Schleim  so  zäh  wird,  daß  er  nicht  aus  den  Drüsen  treten  kann.  Dieser 
Fall,  der  bei  Nacktschnecken  nicht  selten  zu  beobachten  ist,  kommt 
bei  Gehäuseschnecken  schwerlich  vor,  da  sie  sich  bei  eintretender 
Trockenheit  bald  in  die  Schale  zurückziehen  und  dann  nur  sehr  lang- 
sam weiter  austrocknen. 

Jedenfalls  machen  die  Versuche  Künkels  eine  Wasseraufnahme 
durch  Quellung  des  Schleimes  sehr  wahrscheinlich. 

Damit  ist  nicht  ohne  weiteres  gesagt,  daß  die  Wasseraufnahme 
durch  die  Haut  allein  durch  Vermittlung  der  Schleimdrüsen  vor  sich 
geht,  besonders  da  man  noch  keine  Sicherheit  hat,  ob  das  in  die  Schleim- 
drüsen aufgenommene  Wasser  auch    in  die   andern  Körperteile   ein- 


Beiträge  zur  Biologie  der  Weinbergschnecke  (Hclix  poniatiu  L.).         175 

dringen  kann.  Simroth  (Bronn,  S.  134.)  ist  allerdings  der  Ansicht, 
daß  die  Interzellularrännie  des  Epithels  für  die  Aufnahme  von  Wasser 
nicht  in  Betracht  konnnen.  Doch  ist  diese  Auffassung  bis  jetzt  nicht 
ausreichend  begründet. 

Beweis  g:e^en  eine  Wasseranfiiahme  aus  feuchter  Atmosphäre. 
Terhalteu  iu  feuchter  Luft. 

Die  Tatsache,  daß  der  Schneckenschleim  nicht  hygroskopisch  ist, 
läßt  von  vornherein  vernmten,  daß  eine  Wasseraufnahme  aus  feuchter 
Atmosphäre  ausgeschlossen  ist.  Auch  sonst  liegt  kein  Grund  zu  einer 
solchen  Annahme  vor.  Trotzdem  behauptet  E.  Mer  (40),  daß  von  der 
ersten  Stunde  an  eine  leichte  Gewichtzunahme  zu  beobachten  sei, 
wenn  man  eine  Helix  in  einen  mit  Wasserdampf  gesättigten  Raum, 
bringt.  Er  erklärt  das  so,  daß  der  Wasserdampf  durch  die  Gewebe 
kondensiert  wird.  Auffallenderweise  soll  diese  Absorption  bald  auf- 
hören und  das  betreffende  Exemplar  nach  kurzem  Aufenthalt  in  ge- 
wöhnlicher Atmosphäre  sein  ursprüngliches  Gewicht  wieder  annehmen. 
Diese  Angaben  klingen  von  vornherein  sehr  unwahrscheinlich.  Doch 
gibt  auch  Fleischmann  (17)  an,  eine  AVasserauf nähme  aus  feuchter 
Atmosphäre  beobachtet  zu  haben.  Er  schreibt  (S.  429):  »Ich  konnte 
sehr  wasserarme  Schnecken  in  starke  Schwellung  geraten  lassen,  wenn 
ich  sie  für  einen  größeren  Zeitabschnitt  in  einen  Raum  brachte,  der 
mit  Wasserdampf  gesättigt  war.« 

KÜNKEL  berichtet  zuerst  über  Versuche,  deren  Resultat  in  direktem 
Widerspruch  zu  den  Angaben  Fleischmanns  steht. 

Das  Verhalten  der  Weinbergschnecke  ist  aus  folgendem  Versuch 
zu  ersehen. 

Drei  Exemplare  wurden,  nachdem  sie  etwa  6  Wochen  ohne  Nah- 
rung zugebracht  und  sich  vollkommen  in  ihre  Schale  zurückgezogen 
hatten,  in  einen  Behälter  aus  Drahtnetz  gebracht  und  dieser  in  einem 
hohen  Gefäß  so  aufgehängt,  daß  die  Schnecken  dicht  über  dem  mit 
AVasser  bedeckten  Boden  des  Gefäßes  schwebten.  Sie  befanden  sich 
also  in  einem  mit  AVasserdampf  gesättigten  Raum.  Ein  Austausch 
der  verbrauchten  Luft  war  dadurch  ermöglicht,  daß  der  Deckel  des 
Gefäßes  nicht  ganz  dicht  aufsaß. 

Bald  nachdem  die  Schnecken  in  das  Gefäß  gebracht  waren,  kamen 
sie  aus  der  Schale  und  krochen  umher.  Im  Laufe  der  ersten  Tage 
hatten  sie  infolge  des  Umherkriechens  einen  erheblichen  Gewichts- 
verlust, der  Größer  war  als  in  einem  gleichen  Zeitraum,  den  die  Schnecken 
in   gewöhnUcher  Atmosphäre    zubrachten.     Um  einen  Vergleich   mit 


17G 


Walter  Kühn, 


dem  Verhalten  in  gewöhnlicher  Atmosphäre  anzustellen,  wurden  die 
Tiere  nämhch  zwischendurch  auf  die  Dauer  von  4  Tagen  (vom  2.  7. 
bis  6.  7.  12)  in  gewöhnlicher  Atmosphäre  gehalten,  dann  verbrachten 
sie  noch  etwa  4  Wochen  in  feuchter  Atmosphäre.  Über  das  Ergebnis 
der  AVägungen  gibt  die  folgende  Tabelle  Aufschluß. 

Tabelle  18. 


s 

X 

15.  V. 
(nach  dem 
Auffinden) 

28.  VI. 
(Beginn  des 

Versuches) 

30. 
VI. 

2. 
VII. 

4. 
VII. 

6. 
VII. 

8. 
VII. 

20. 
VII. 

1. 
VIII. 

1 

2 
3 

20,2 
19,2 

16,8 

17,43 
16,94 
13,66 

17,10 
16,58 
13,35 

17,01 
16,24 
13,30 

16,83 
16,15 
13,22 

16,82 
16,13 
13,17 

16,81 
16,13 
13,17 

16,78 
16,05 
13,11 

16,40 
15,39 
12,73 

Der  Versuch  beweist,  daß  auch  in  feuchter  Atmosphäre  das  Ge- 
wicht der  Weinbergschnecke  ständig  abnimmt,  selbst  dann,  wenn  sie 
sich  bereits  in  einem  stark  ausgetrockneten  Zustand  befindet.  Ganz 
entsprechende  Ergebnisse  wurden  bei  Wiederholung  des  Versuches, 
auch  während  der  Winterruhe,  erzielt. 

Eine  Wasseraufnahme  aus  feuchter  Atmosphäre  ist  also  nicht 
möglich.  Aus  der  kurzen  Bemerkung,  die  Fleischmann  über  den 
Gegenstand  macht,  ist  nicht  festzustellen,  woher  sein  unrichtiges  Er- 
gebnis rührt.  KüNKEL  vermutet,  daß  sich  an  der  Wand  des  Gefäßes, 
das  Flelschmann  benutzte,  Wasser  niedergeschlagen  hatte,  das  dann 
die  Schnecken  auflecken  konnten.  Die  Verouche  ergeben  natürlich 
nur  dann  ein  sicheres  Resultat,  wenn  die  Temperatur  keine  erheblichen 
Schwankungen  aufweist.  Andernfalls,  besonders  bei  rascher  Tem- 
peraturerniedrigung, ist  eine  teilweise  Kondensation  des  Wassers  un- 
vermeidlich. Dieses  flüssige  Wasser  wird  natürlich  gern  aufgenommen 
und  kann  zu  falschen  Kesultaten  führen. 


Aufquellen  in  Wasser. 

Bekanntlich  tötet  man  Weinbergschnecken,  an  denen  anatomische 
Untersuchungen  gemacht  werden  sollen,  am  besten  dadurch,  daß  man 
sie  einige  Zeit  in  einem  festverschlossenen  mit  Wasser  angefüllten 
Gefäß  liegen  läßt.  Dabei  macht  es  keinen  merklichen  Unterschied, 
ob  man  frisches  oder  abgekochtes  Wasser  benutzt.  Die  Tiere  kommen 
bald  aus  der  Schale  hervor,  strecken  sich  aus  und  vergrößern  ihr  Vo- 
lumen außerordentlich  stark.  Offenbar  ist  diese  Volumenvergrößerung 
auf  eindringendes  Wasser   zurückzuführen.     Daß  das  Gesamtvolumen 


Beiträge  zur  Biologie  der  Weinbergschnecke  (Helix  pomatia  L.).         177 

Wasser  plus  AV'eiuborgschnecke  das  Gleiche  bleibt,  kann  man  auf  ein- 
fache "Weise  feststellen.  Man  bringt  ein  Exemplar  in  ein  Cyhnder- 
gefäß,  füllt  dasselbe  bis  an  den  Rand  mit  Wasser  und  verschließt  es 
mit  einem  Stopfen,  der  von  einer  engen  Glasröhre  durchbohrt  ist.  An 
dem  Wasserstand  in  der  dünnen  Glasröhre  kann  man  auch  geringe 
Volumenschwankungen  wahrnehmen.  Wenn  die  Ausdehnung  des 
Sc'hneckonkörpeis  allein  durch  eindringendes  Wasser  verursacht  wird, 
dann  darf  sich  das  Gesamtvolumen  nicht  ändern.  Tatsächlich  blieb 
das  Volumen  bei  dem  mehrfach  wiederholten  Versuch,  abgesehen  von 
ganz  minimalen  Schwankungen,  dasselbe. 

Die  Volumenzunahme  der  Weinbergschnecke  in  Wasser  wird  also 
ausschließlich  durch  eindringendes  Wasser  bewirkt. 

Je  nachdem  die  Tiere  einen  mehr  oder  weniger  großen  Luftvorrat 
in  ihrer  Lungenhöhle  eingeschlossen  haben,  schwimmen  sie  an  der  Ober- 
fläche des  Wassers  oder  sinken  sie  zu  Boden.  Die  iSchale  ist  in  der 
Regel  nach  oben,  der  Fuß  nach  unten  gerichtet.  Eingezogene  Exem- 
plare kommen  gewöhnlich  bald  aus  der  Schale.  Gelingt  es  den  Tieren 
nicht,  irgendeinen  festen  Gegenstand  zu  erreichen  und  an  diesem  ent- 
langkriechend das  Wasser  zu  verlassen,  so  gehen  sie  meist  nach  etwa 
3  Tagen  zugrunde;  doch  sind  erhebliche  Abweichungen  nicht  selten. 
Nimmt  man  ein  Exemplar,  so  lange  es  noch  lebt,  aus  dem  Wasser, 
so  werden  in  kurzer  Zeit  große  Flüssigkeitsmengen  abgegeben.  Hatte 
der  Aufenthalt  unter  Wasser  nicht  zu  lange  gedauert,  so  kann  eine 
vollständige  Erholung  eintreten.  Eine  derartige  Erholung  beobach- 
tete ich  nach  eintägigem  Aufenthalt  der  Tiere  unter  Wasser. 

Die  Wasseraufnahme  beim  Untertauchen  unter  Wasser  erfolgt 
gewöhnlich  sehr  rasch;  ausgestreckte  Exemplare  haben  bereits  nach 
1  Stunde  ein  bedeutendes  Volumen  erreicht.  Langsamer  quellen  ein- 
gezogene Exemplare  auf. 

Regulieruug  der  Wasseraufnahme. 

Man  hat  leicht  den  Eindruck,  als  ob  es  der  Weinbergschnecke 
unmöglich  sei,  das  Aufquellen  zu  verhindern,  wenn  sie  einmal  mit  dem 
Wasser  in  Berührung  ist.  Tatsächlich  ist  sie  jedoch  unter  gewis- 
sen Bedingungen  imstande,  dem  Aufquellen  mit  Erfolg  entgegen- 
zuwirken. Dabei  ist  notwendig,  daß  nicht  die  ganze  Körperoberfläche 
von  Wasser  umgeben  ist.    Insbesondere  muß  die  Atemöffnung  frei  sein. 

Ich  brachte  einige  Exemplare  in  eine  flache,  etwa  4  cm  hohe  Glas- 
schale, die  etwa  31/4  cm  hoch  mit  Wasser  gefüllt  war.  Die  Schale 
wurde  mit  einem  Drahtnetz  zugedeckt.     Bald  krochen  die  Tiere  an  den 

Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.    CIX.  Bd.  12 


178 


Walter  Kühn, 


Rand  des  Gefäßes  und  setzten  sich  dort  fest.  Sie  konnten  das  Atem- 
loch über  Wasser  halten,  doch  befand  sich  der  größere  Teil  ihres  Weich- 
körpers  ständig  unter  Wasser.  Trotzdem  nahm  ihr  Volumen  kaum 
zu.  Das  Wasser  wurde  täglich  erneuert,  da  es  immer  beträchtliche 
Schleimmengen  enthielt.  Die  Schnecken  wurden  15  Tage  in  diesem 
Zustande  gehalten.  Anfangs  krochen  sie  ziemlich  lebhaft  am  Gefäß- 
rand umher;  bald  wurden  ihre  Bewegungen  aber  träge  und  schwer- 
fällig. Zwei  Exemplare,  die  nach  einem  Wasserwechsel  in  die  Mitte 
des  Gefäßes  gelegt  wurden,  waren  nicht  mehr  imstande  den  Rand 
zu  erreichen.  Sie  blieben  liegen  und  quollen  stark  auf.  Das  eine  Exem- 
plar (Nr.  5)  ging  zugrunde,  das  andre  erholte  sich  wieder,  nachdem 
es  aus  dem  Wasser  genommen  worden  war.  Von  fünf  Exemplaren  wur- 
den die  Gewichte  ermittelt.    Sie  sind  in  folgender  Tabelle  angegeben. 


Tabelle  19. 


Exemplar 
Nr. 

10.  VII.  12. 
(Beginn  des 
Versuches) 

15.  VII.  12. 

25.  VII.  12. 

1 

22,00 

25,28 

23,17 

2 

24,63 

25,95 

25,74 

3 

21,22 

20,35 

— 

4 

15,8ö 

15,22 

15,60 

5 

23;82 

24,17 

+  23.  VII. 

Eine  auffallend  große  Gewichtsvermehrung  hatte  bei  keinem  Exem- 
plar stattgefunden. 

Nr,  3  wurde  am  17.  Juli  ganz  unter  Wasser  gebracht  und  quoll 
dann  stark  auf.  Die  Exemplare  Nr,  2  und  4  wurden  am  26.  Juni  ganz 
unter  Wasser  gebracht,  Sie  quollen  auch  auf,  aber  langsamer  und 
schwächer  als  man  gewöhnlich  beobachtet.  Andre  Exemplare  erholten 
sich  bald  nachdem  das  Wasser  abgegossen  war. 

Der  Versuch  zeigt  zunächst,  daß  Helix  fomatia  sehr  wohl  im- 
stande ist,  das  Eindringen  einer  zu  großen  Wassermenge  in  ihren 
Körper  zu  verhindern,  vorausgesetzt  daß  sie  nicht  vollständig  von 
der  äußeren  Luft  abgeschlossen  ist. 

Die  Schleimabgabe  während  des  Versuchs  rührte  offenbar  daher, 
daß  die  Tiere  das  Eindringen  von  Wasser  und  das  Aufquellen  ihres 
Schleimes  nicht  zu  hindern  vermochten  und  sich  nur  durch  reichliche 
Sekretion   vor    zu   starker   Wasseraufnahme   schützen   konnten.     Die 


Beiträge  zur  Biologie  der  Weinbergschnecke  (Hclix  pomatia  L.).         179 

zuneliinciKle   Träüheit    in  der   Bewegung  war  vermutlich  eine   Folge 
der  starken  Schleiniabgabe. 

Eine  Wiederholung  des  Versuchs  mit  fünf  neuen  Exemplaren,  bei 
der  die  Wägungen  in  kürzeren  Zwischenräumen  vorgenommen  wurden, 
zuerst  im  Abstand  von  2,  dann  von  mehr  Stunden,  schließlich  von 
1 — i  Tagen,  führte  zu  dem  Ergebnis,  daß  ein  starkes  Aufquellen  beson- 
ders dann  zu  beobachten  ist,  wenn  die  Atemöffnung  sich  unter  Wasser 
befindet,  d.  h.  wenn  der  normale  Luftaustausch  unmöglich  gemacht 
ist.  Ein  Exemplar  nahm  in  diesem  Zustand  im  Laufe  von  16  Stunden 
etwa  12  g  zu.  Ist  die  Atemöffnung  frei,  so  hängt  der  Betrag  der  Wasser- 
aufnahme wohl  zum  Teil  von  dem  anfänglichen  Feuchtigkeitsgehalt 
der  Versuchstiere  ab.  E.  Mer  (40)  gibt  an,  daß  die  Menge  des  auf- 
genommenen Wassers  um  so  größer  sei,  je  weiter  der  Weichkörper 
in  das  Wasser  eingetaucht  werde.  Ich  habe  eine  derartige  Beziehung 
nicht  wahrgenommen. 

Ergebnisse. 

1)  Während  der  Winterruhe  findet  bei  der  Weinbergschnecke 
ein  ständiger  Gasaustausch  sowohl  durch  das  Epiphragma  als  auch  durch 
die  Schale  statt.  Wird  Schale  oder  Epiphragma  durch  Bestreichen 
mit  Vaseline  oder  Paraffin  dicht  gemacht,  so  erfolgt  Abstoßen  oder 
Lüften  des  Deckels.  Die  Zeit  bis  zum  Eintritt  dieser  Reaktion  schwankte 
zwischen  wenigen  Tagen  und  mehreren  Wochen. 

2)  Der  Eintritt  in  die  Winterruhe  erfolgt  auch  dann,  wenn  die 
Weinbergschnecke  sehr  günstigen  Lebensbedingungen  ausgesetzt  wird. 
Eine  längere  Ruhezeit  im  Sommer  beseitigt  das  Bedürfnis  nach  der 
Winterruhe  nicht. 

3)  Die  Größe  der  Gewichtsverlustes  während  der  Winterruhe 
hängt  wesentlich  von  der  Temperatur  ab,  der  die  Weinbergschnecke 
ausgesetzt  ist.  Im  Laufe  von  12  Wochen  betrug  die  Gewichtsabnahme 
bei  sechs  Exemplaren,  die  einer  mittleren  Temperatur  von  7 — 8  °  C  aus- 
gesetzt waren,  4,2%  des  Anfangsgewichtes;  bei  fünf  andern  Exem- 
plaren, die  in  einem  Raum  von  18°  C  aufbewahrt  wurden,  betrug  sie 
in  der  gleichen  Zeit  7,2%,  das  ist  mehr  als  l,7mal  so  viel. 

4)  Für  Winterruhe  und  Trockenstarre  gilt  in  gleicher  Weise,  daß 
die  Gewichtsabnahme  eines  Exemplares  in  gleichen  aufeinanderfolgen- 
den Zeiträumen  sehr  verschieden  sein  kann.  Ebenso  bestehen  be- 
deutende individuelle  Schwankungen  in  der  Gewichtsabnahme. 

5)  Die  Gewichtsabnahme  während  einer  Hungerperiode  im  Som- 
mer ist  bedeutend  stärker  als  die  während  einer  gleichlangen  Zeit  im 

12* 


180  Walter  Kühn, 

Zustande  der  Winterruhe  bei  gleicher  Temperatur.  Der  Unterschied 
ist  zum  großen  Teil  auf  das  Vorhandensein  des  Epiphragmas  im  einen 
Fall  zurückzuführen. 

6)  Am  Anfang  einer  Hunger-  und  Trockenperiode  im  Sommer, 
besonders  im  Laufe  des  ersten  Tages  nach  der  Wasserentziehung,  ist 
die  Gewichtsabnahme  besonders  stark,  wie  aus  den  Kurven  zu  er- 
sehen ist. 

7)  Wasserzufuhr  während  einer  Hungerperiode  bewirkt  einen  sehr 
unregelmäßigen  Verlauf  der  Gewichtskurve.  Die  so  behandelten  Exem- 
plare bleiben  beweglich,  gehen  aber  schneller  zugrunde  als  die,  welche 
einer  Hunger-  und  Trockenperiode  ausgesetzt  werden. 

8)  Die  Aufnahme  von  Holzfaserstoff,  der  in  Form  von  feuchtem 
Filtrierpapier  gern  gefressen  wird,  beeinflußt  die  Gewichtsabnahme 
im  Vergleich  zu  derjenigen  bei  ausschließlicher  Wasserzufuhr  nicht 
merklich. 

9)  Die  Gewichtsabnahme  in  vollkommen  trockener  Atmosphäre 
zeigt  im  allgemeinen  einen  regelmäßigeren  Verlauf  als  die  in  gewöhn- 
licher Luft.  Die  Weinbergschnecke  ist  auffallend  widerstandsfähig 
gegen  den  Einfluß  trockener  Atmosphäre.  Vor  Eintritt  des  Todes 
wird  die  Gewichtsabnahme  beschleunigt. 

10)  Durch  Einwirkung  von  feuchter  Atmosphäre  kann  man  zu 
jeder  Jahreszeit  ruhende  Weinbergschnecken  zum  Auskriechen  ver- 
anlassen. Im  Sommer  kommen  sie  meist  schon  am  ersten  oder  zweiten 
Tag  aus  der  Schale.  Ln  Winter  schwankte  die  Zeit  zwischen  2  Tagen 
und  19  Tagen.  Temperaturen  unter  11°  verzögern  die  Reaktion  oder 
verhindern  sie  ganz. 

11)  Durch  Aufbewahren  in  einem  feuchten  Raum  kann  man 
hungernde  Weinbergschnecken  sehr  lang  beweglich  halten.  Einige 
Schnecken  krochen  nach  mehr  als  10  Wochen  noch  umher. 

12)  Bei  längerem  Aufenthalt  in  feuchter  Atmosphäre  erfolgt  wieder 
Einkapselung.  Derart  behandelte  Exemplare  krochen  nicht  aus,  als 
ihnen  feuchte  Nahrung  gegeben  wurde.  Daraus  folgt,  daß  der  Geruch 
der  Nahrung  allein  ein  Auskriechen  nicht  bewirkt. 

13)  In  den  ersten  Tagen  nach  Beendigung  der  Winterruhe  nimmt 
das  Gewicht  der  Weinbergschnecke  bei  günstigen  äußeren  Bedin- 
gungen bedeutend  zu.  In  der  Folgezeit  findet  gelegentlich  auch  noch 
erhebliche  Zunahme  statt.  Doch  zeigt  die  Gewichtskurve  sehr  bald 
große  Unregelmäßigkeit.  Das  Höchstgewicht  während  der  ersten 
4  Wochen  nach  der  Winterruhe  betrug  bei  zehn  Exemplaren  im  Maxi- 
mum 159%,  im  Minimum  129%,  im  Durchschnitt  140%  des  Gewichtes 


Beiträge  zur  Biologie  der  Weinbergschnecke  (Helix  pomatia  L.).         181 

vor  der  NahrungszAifuhr.  Es  wurde  von  einem  Exemplar  bereits  nach 
2  Tagen,  von  drei  weiteren  nach  12  Tagen,  von  sechs  Exemplaren 
nach  20  Tagen  und  von  einem  Exemplar  nach  28  Tagen  erreicht. 

14)  Trockene  Speisen  verschmäht  die  Weinbergschnecke  voll- 
kommen, wenn  sie  nicht  selbst  einen  großen  Feuchtigkeitsgehalt  be- 
sitzt. Auch  in  letzterem  Falle  ließ  sie  die  Nahrung  in  der  Mehrzahl 
der  Fälle  unberührt. 

15)  Helix  pomatia  ist  imstande,  erhebliche  Wassermengen  durch 
die  Körperhaut  aufzunehmen. 

16)  Eine  Wasseraiif nähme  aus  feuchter  Atmosphäre  ist  nicht 
möglich.  Das  Gewicht  ninmit  vielmehr  auch  in  feuchter  Atmosphäre 
ständig  ab. 

17)  Beim  Untertauchen  einer  Weinbergschnecke  unter  Wasser 
bleibt  das  Gesamtvolumen  Schnecke  plus  Wasser  konstant.  Die 
Ausdehnung  des  Schneckenkörpers  ist  daher  ausschließlich  auf  ein- 
dringendes Wasser    zurückzuführen. 

18)  Bei  teilweisem  Untertauchen  unter  Wasser  geht  die  Wein- 
bergschnecke nur  dann  bald  zugrunde,  wenn  die  Atemöffnung  dauernd 
von  Wasser  bedeckt  ist.  Andernfalls  zeigt  sie  sich  sehr  widerstandsfähig. 
Die  Gewichtsvergrößerung  durch  Wasseraufnahme  schwankt  innerhalb 
weiter  Grenzen,  ist  jedoch  bedeutend  geringer  als  bei  gänzlichem  Unter- 
tauchen. Anscheinend  hängt  sie  zum  Teil  von  dem  Austrocknungsgrad 
der  Tiere  zu  Anfang  des  Versuches  ab. 

Marburg,  im  November  1913. 


Verzeichnis  der  benutzten  Literatur. 

L.  Agassiz,  Über  das  Wassergefäßsystem  der  Mollusken.  Zeitschr.  f.  wiss. 
Zool.     Bd.  VII.     1856.     S.  176—180. 

G.  J.  Allmann,  Note  on  the  Formation  of  the  Epiphragm  of  Helix  aspersa. 
The  Journal  of  the  Linnean  Society,  Zoology.  Vol.  XXV.  London. 
1896.     p.  517—520. 

Karl  Ernst  von  Baer,  Bemerkungen  über  die  Entwicklungsgeschichte  der 
Muscheln  und  über  ein  System  von  Wassergefäßen  in  diesen  Tieren. 
Froriep,  Notizen  aus  dem  Gebiete  d.  Natur-  und  Heilkunde.  Bd.  XIII. 
Weimar  1826.     S.  1—6. 

H.  C.  L.  Barkow,  Der  Winterschlaf  nach  seinen  Erscheinungen  im  Tier- 
reich.    Berlin  1846. 

Maroüerite  Bellion,  Note  sur  l'hibernation  de  l'escargot  (Helix  poma- 
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182  Walter  Kühn, 

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der  Verdauung.  II.  Über  ein  celluloselösendes  Enzym  im  Lebersekret 
der  Schnecke  (Helix  pomatia).  Archiv  f.  d.  ges.  Physiol.  Bd.  LXXIII. 
1898.     S.  219—287. 

7.  —  Desgl.  III.     Über  die  Funktion   der  sogenannten  Leber  der  Mollusken. 

Ebenda.     Bd.  LXXV.     1899.     S.  1—86. 
S.     H.  G.  Bronn,  Klassen  und  Ordnungen  des  Tierreiches.     Neue  Ausgabe. 

Bd.  III.     Mollusca.     Neu    bearbeitet    von    H.   Simroth.     Pulmonata. 

Lieferung  95—138.     Leipzig  1908—12. 
9.     O.  Buchner,  Nachträge  zur  Revision  der  Varietäten  von  Helix  pomatia  L. 

Jahresheft.  d.  Vereins  f.  vaterl.  Naturkunde  in  Württemberg.    Bd.  LVI. 

1900.     S.  224—237. 

10.  JusTUS    Carriere,    Haben   die   Mollusken    ein   Wassergefäßsystem?      Biol. 

Centralblatt.     Bd.  L     1881/82.     S.  677—683. 

11.  S.  Clessin,  Das  Verhalten  der  Mollusken   im  Winter.     Correspondenzblatt 

des  zoolog.-mineralog.  Vereines  in  Regensburg.  Bd.  XXVI.  1872. 
S.  114—121  und  130—138. 

12.  Adolf  Döring,  Bemerkungen    über    die    Bedeutung    und    Untersuchungen 

über  die  chemische  Zusammensetzung  der  Pulmonatenschale.  Inaugu- 
raldissertation.   Göttingen  1872.    41  S. 

13.  Raphael  Dubois,  Sur  le  Sommeil  Hivernal  chez  les  Invertebres.     Annales 

d.  1.  Societe  Linneenne  de  Lyon.     T.  XLVII.     1900.     p.  99—101. 

14.  E.  Ebrard,  LTn  Escargot.      Physiologie    et    moeurs   de    l'Hehce    pomatia. 

Bibliotheque  universelle  et  Revue  Suisse.  T.  XXIII.  1865.  p.  625 
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Vereins  f.  Schleswig-Holstein.     Bd.  I.     Kiel  1873/75.     S.  21. 
IG.     Paul  Fischer,  De  l'Epiphragme  et  de  sa  formation.    Journal  de  Conchylio 
logie.     T.  IV.     Paris  1853.     p.  397—403. 

17.  A.  Fleischmann,  Die  Bewegung  des  Fußes  der  LamelUbranchiaten.     Zeit 

Schrift  f.  wiss.  Zool.     Bd.  XLIL     1885.     S.  367—431. 

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S.  713—717. 

19.  B.  Gaspard,  Beiträge  zur  Physiologie  der  Garten  Schnecke  (Helix  pomatia) 

Deutsches  Ai'chiv  f.  d.  Physiologie.  Hrsg.  v.  Meckel.  Bd.  VIII 
1823.     S.  243—269. 

20.  Carl  Gegenbaur,    Grundzüge    der     vergleichenden    Anatomie.       2.     Auf! 

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21.  Otto  Goldfuss,  Die   Binnenmollusken  Mitteldeutschlands.     Leipzig    1900, 

22.  Hermann  Griesbach,  Über    das    Gefäßsystem    und    die    Wasseraufnahme 

bei  den  Najaden  und  Mytiliden.  Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.  Bd.  XXXVIII 
1883.     S.  1—44. 

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i 


Bciträgo  zur  Biologio  der  Weinbergschnecke  (Helix  poniatia  L.).         ]83 

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27.  Marie  Krahelska,  Über  den  Einfluß  der  Winterruhc  auf  den  histologischen 

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1910.     S.  363—444. 

28.  Karl  Kunkel,  Die    Wasserauf  nähme    bei    Nacktschnecken,      Zool.    Anz. 

Bd.  XXTE.     1899.     S.  388—396.  und  401—404. 

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30.  —  Zuchtversuche  mit  linksgewundenen  Weinbergschnecken  (Helix  poniatia). 

Zool.  Anz.     Bd.  XXVI.     1903.     S.  656—664. 

31.  —  Zur  Biologie  von  Limax  variegatus.     Zool.   Anz.     Bd.  XXVII.      1904. 

S.  571-578. 

32.  —  Zuchtversuche  mit  Campylaea  cingulata  Studer.     Abhandl.  d.  Sencken- 

bergischen  Naturforsch.  Gesellsch.  Frankfurt.  Bd.  XXXII.  1910. 
S.  253—267. 

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Annales  d.  l.  Societe  Malacologique  de  Belgique.  Tome  I.  BruxeUes 
1863. 

34.  Arnold  Lang,  Kleine  biologische  Beobachtungen  über  die  Weinbergschnecke 

(Helix  pomatia  L.).  Viertel]' ahrsschr.  d.  Naturforsch.  Gesellsch.  Zürich. 
Bd.  XLI.     1896.     Festschr.  IL  Teil.     S.  488—495. 

35.  —  Über  den  Herzschlag  von  Hehx  pomatia  L.  während  des  Winterschlafes. 

Festschrift  z.  60.  Geburtst.  Ricir.  HertwiCxS.  Jena  1910.  Bd.  III. 
S.  1—14. 

36.  Johann   Carl   Leüchs,   Vollständige   Naturgeschichte   der   Ackerschnecke 

nebßt  Anleitung  zur  Anwendung  sicherer  und  erprobter  Mittel  zur 
Verhütung  der  starken  Vermehrung  und  zur  Vertilgung  derselben.  Ge- 
krönte Preisschrift.     Nürnberg  1820.     336  S. 

37.  Franz  Leydig,  Zur  Anatomie  und  Physiologie  der  Lungenschnecken.  Archiv 

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d.  Gesellsch.  Naturforsch.  Freunde  z.  Berlin.     1889.     S.  159. 

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MöBiüS,  siehe  Fack. 

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Moritz,  siehe  Biedermann. 

42.  Alfred  Nalepa,  Beiträge  zur  Anatomie  der  Stylommatophoren.    Sitzgsber. 

d.  Kais.  Akad.  d.  Wissenseh.  Wien.  Math.  Nat.  Klasse.  Bd.  LXXXVIL 
1.  Abt.     1883.     S.  237—302. 

43.  —  Die    Interzellularräume    des    Epithels    und   ihre   physiologische    Bedeu- 

tung bei  den  Pulmonaten.  Ebenda  Bd.  LXXXVIII.  1.  Abt.  1884. 
S.  1180—1188. 


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bei  Helix  und  Arion.     Tübingen  1879. 

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3  Abteilungen.     1821.     1825.     1828. 

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Station  z.  Neapel.    Bd.  V.     Leipzig  1884.    S.  509—543. 

49.  H.SiMROTH,  Die  Tätigkeit  der  willkürlichen  Muskulatur  unserer  Landschnecken. 

Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.     Bd.  XXX.    Suppl.      1878.     S.  166—224. 

50.  —  Die    Fußdrüsen    der    Valvata    piscinahs.       Zoo  .    Anz.     Bd.  IV.  1881. 

S.  527—528. 

51.  R.  Taylor,  Lange  unterbrochene  Lebenstätigkeit  einer  Schnecke.     Froriep. 

Tagsber.  üb.  d.  Fortschritte  d.  Natur-  und  Heilkunde.  Abt.  f,  Zool. 
und  Paläontol.     Bd.  I.     Weimar  1850. 

52.  Treitel,  Über  die  Lebensfähigkeit  der  Gartenschnecke.    Arch.  f.  Anatomie 

und  PhysioL,  Physiol.  Abt.     1893.     S.  192. 

53.  Emile  Yung,  Contributions  ä  l'histoire  physiologique  de  l'escargot  (Helix 

pomatia).  Memoires  couronnes  et  memoires  des  savants  etrangers 
publ.  par  l'Acad.  Royale  des  sciences,  des  lettres,  et  des  Beaux-Arts 
de  Belgique.     Tome  XLIX.     Bruxelles  1888.     119  S. 


1 


i 


Anatomische  und  histologische  Studien  an  Mesothuria 
intestinalis  (Ascanius  und  Rathke). 

Von 

Wilhelm  Haauen. 

(Aus  dem  zooIog.  und  vergleichend-anatom.  Institut  der  Universität  Bonn.) 


Älit  2  Figuren  im  Text  und  Tafel  V  und  VI. 


Mesothuria  intestinalis  ist  ein  in  den  nordischen  Meeren  wie  auch 
im  Mittehneer  häufig  vorkommendes  Tier.  Zuerst  stellte  Ascanius 
und  Rathke  die  Art  im  Jahre  1767  an  der  norwegischen  Küste  fest  und 
reihte  sie  als  Hohthuria  intestinalis  der  Familie  der  Aspidochiroten 
ein.  In  den  nächsten  Jahren  wurde  sie  in  mehreren  faunistischen  Ar- 
beiten von  verschiedenen  nordischen  und  englischen  Forschern  (M.  Sars, 
Cr.  0.  Sars.  Düren  und  Koren,  Lütken,  Forres  und  Goodsir)  kurz  und 
ohne  weitere  Angaben  aufgeführt;  erst  Lampert  (1885),  Theel  (1886) 
und  Marenzeller  (1893)  sind  die  ersten,  die  uns  Näheres  über  die 
Kalkkörper  und  die  gröbere  Anatomie  unsres  Tieres  mitteilen.  Theel 
stellte  im  Jahre  1886  (Blake)  der  echten  Holothuria  intestinalis  eine 
neue,  ihr  sehr  nahestehende  Art  unter  dem  Namen  Holothuria  verillii 
gegenüber  und  Marenzeller  verkündete  als  erster  das  Vorkommen 
beider  Arten  im  Mittelmeer.  Nachdem  Ludwig  (1894)  diejenigen  Gat- 
tungen unter  den  Holothuriiden,  die  der  Fühlerampullen  entbehren, 
als  eine  neue  Subfamilie  der  Synallactinae  von  den  übrigen  getrennt 
hatte,  folgte  Oestergren  (1896)  einer  Andeutung  desselben  Forschers 
und  nimmt  beide  Arten  als  Mesothuria  intestinalis,  bzw.  verillii  in  die 
genannte  Subfamilie  auf.  Dabei  geht  er  auch  auf  anatomische  Ver- 
hältnisse ein  und  macht  auf  die  höchst  eigenartige  Zwittrigkeit  auf- 
merksam. Er  bemerkt  jedoch,  daß  Theel  diese  Eigenschaft  unsres 
Tieres  schon  vor  ihm  beobachtet  habe  und  kündet  ausführlichere  Be- 
richte dieses  Forschers  über  die  Geschlechtsorgane  an,  die  Theel  denn 
auch  im  Jahre  1901  erscheinen  ließ.  Ein  Jahr  vorher  hatte  Ludwig 
in  seiner  Zusammenstellung  der  arktischen  und  subarktischen  Holo- 

Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.   CIX.  Bd.  13 


186  Wilhelm  Haanen, 

thurien  über  die  geographische  Verbreitung  genaue  Auskunft  gegeben 
und  dabei  mit  Koehler  (1896)  die  beiden  Arten  vereinigt.  Demgegen- 
über wollen  Oestergren  (1903),  Perrier  (1902)  und  Herouard  (1902 
und  1906)  an  der  Verschiedenheit  der  beiden  Formen  festhalten  und 
sie,  wenn  auch  nicht  als  gänzlich  verschiedene  Arten,  so  doch  wenig- 
stens als  Subspezies  oder  Varietäten  getrennt  wissen.  Herouard 
glaubt  (1902)  an  seinen  im  Golf  von  Biscaya  gefangenen  Exemplaren 
von  Mesothuria  verillii  Tentakelampullen  entdeckt  zu  haben  und  stellt 
wegen  der  Verschiedenheit  der  radialen  und  interradialen  Ampullen 
eine  ganz  neue  Gattung  Ällantis  auf,  worin  ihm  Oestergren  (1903) 
aufs  entschiedenste  widerspricht.  Der  Letztere  will  aber  nun  (1896, 
S.  357  und  1907,  S.  203)  die  ganze  Subfamilie  der  Synallactinae  als 
vierte  Familie  unter  die  Ordnung  der  Elasipoda  stellen,  nachdem  Lud- 
wig schon  (1894)  die  Mittelstellung  der  Synallactinae  zwischen  den 
Holothuriinae  und  den  Elpidiidae  genügend  hervorgehoben  hatte.  Auf 
die  genaueren  Einzelheiten  kann  ich  an  dieser  Stelle  nicht  eingehen  und 
werde  in  den  betreffenden  Kapiteln  darauf  zurückkommen.  Zum 
Schluß  dieses  historischen  Überblicks  erwähne  ich  noch  einige  kurze 
Untersuchungen,  die  G.  Retzius  1906  und  1910  über  die  Spermien 
und  die  Verteilung  der  Sinnesnervenzellen  bei  unsrer  Art  in  seinen 
biologischen  Untersuchungen  niedergelegt  hat. 

Im  übrigen  sind  keinerlei  Einzelheiten  histologischer  Natur  weder 
bei  Mesothuria  intestinalis  noch  bei  irgend  einem  andern  Vertreter  der 
Synallactinae   bekannt   geworden. 

Synonymik. 

1767  Holothuria  intestinalis    Ascanius  u.  Rathke,  S.  5,  Taf.  XLV. 
1835  Fistularia  mollis  M.  Sars,  S.  40. 

1846  Holothuria  intestinalis    Düben  u.  Koren,  S.  320 — 322,  Taf.  IV^ 

Fig.28. 

FoRBEs  u.  GooDsiR,  S.  309,  Taf. IX,  Fig.  1. 

LüTKEN,  S.  68  u.  104. 

M.  SARS,  S.  113. 

Selenka,  S.  93  u.  280. 

M.  SARS,  S.  3—4. 

Heller,  S.  74. 

G.  0.  SARS,  S.  28.  Anm. 

V.  Marenzeller  (Mittelmeer),  S.  121. 

MöBius  u.  Bütschli,  S.  151. 

Danielssen  u.  Koren,  S.  78,  81. 


1851 

» 

>> 

1857 

>> 

>> 

1861 

» 

» 

1867 

» 

>> 

1868 

Thyonidium 

scabrum 

1868  Holothuria  intestinalis 

1872 

1877 

1875 

1882 

Anat.  u.  histül.  Studien  au  Mosothuria  intestinalis  (Ascanius  u.  Rathkc).   187 


1883 
1885 
1885 
188G 
1880 
1880 
1889 
1890 
1891 
1892 
1892 
1893 
1893 
1893 

1893 
1895 
1895 
1890 
1890 

1890 
1890 
1890 
1897 
1897 
1898 
1898 
1899 
19U0 
1901 
1901 
1902 
1902 
1902 
1903 
1903 
1900 
1900 
1900 


HoJothuria  intestinalis  Ludwig  (Kieler  Museum),  S.  174. 

»       »  Jarzynski,  S.  171. 

»  Lampert,  S.  00—01,  288. 

»  Kükenthal  u.  "Weissenborn,  S.  780. 

»  Theel  (Challenger),  S.  209. 

verillii  Theel  (Blake),  S.  0. 


»  intestinalis    Grieg,  S.  7. 

»  »  HoYLE,  S.  458—470. 

>>  »  Sladen,  S.  702. 

»  »  BELL(Catalogue),S.  48— 49,Taf.VI,Fig.3. 

»  »  Bell  (Fingal),  S.  522. 

>>  »  Nordgaard,  S.  10. 

>>  »  Steindachner,  S.  440. 

>>  verillii  v.  Marenzeller( Atiantique  Nord),  S.  7—9, 

Taf.  I,  Fig.  2  u.  Taf.  II,  Fig.  2. 

>>  intestinalis    v.  Marenzeller  (Mittelmeer),  S.  15. 

>>  »  V.  Marenzeller  (Mittelmeer),  S.  21  u.  24. 

>>  >>  Sluiter,  S.  78. 

>>  »  koehler,  s.  100 — 108. 

Mesothuria         »  Oestergren,    S.  347 — 351,    Taf.  XVIII, 

Fig.  1—20. 
Holothuria  »  Appellöf,  S.  4,  0  u.  11. 

>>  »  Grieg,  S.  4  u.  12. 

»        (var.  verillii)  Herouard,  S.  103. 

>>  intestinalis    Appellöf,  S.  12. 

Mesothuria         >>  Grieg,  S.  30. 

»  »  Grieg,  S.  4,  5,  7, 11,  12,  24. 

>>  >>  Ludwig,  S.  9  u.  10 — 11. 

>>  >>  Aurivillius,  S.  10. 

»  »  Ludwig  (Arkt.  Holoth.),  S.  138—139. 

»  »  Sluiter,  S.  28. 

»  »  Theel,  S.  1—38  u.  2  Tafeln. 

Allantisint.  (var.  ■yenZZ^■) Herouard,  S.  18 — 21,  Taf.  I,  Fig.  3 — 0. 
Mesothuria  intestinalis  R.  Perrier,  S.  304 — 307. 


>>  verillii 

Atlantis      intestinalis 

Mesothuria  >> 

>>  » 

>>  >> 

Holothuria  >> 


R.  Perrier,  S.  307—312. 
Belage  u.  Herouard,  S.  324. 
Oestergren,  S.  0,  7  u.  Appendix. 
Herouard,  S.  5  u.  7. 
Retzius,  S.  113—117,  S.  114. 
Mac  Bride,  S.  570. 

13* 


138  Wilhelm  Haanen, 

1907  Mesothuria  intestinalis  Oestekgren,  S.  203. 

1910  »  »  Retzius,  Taf.  XV,  Fig.  45—50. 

1912  »  »  Grieg,  S.  11. 

I.  Geographische  Verbreitung. 

Die  Durchsicht  der  in  der  obigen  Tabelle  aufgeführten  Literatur 
ergab,  daß  die  geographische  Verbreitung  von  Mesothuria  intestinalis 
sich  lediglich  auf  die  atlantisch-subarktische  Region  beschränkt.  Im 
einzelnen  möchte  ich  hier  auf  die  schon  erwähnte  Abhandlung  Lud- 
wigs verweisen  und  nur  die  seitdem  angegebenen  Fundorte  zusammen- 
stellen. Im  Jahre  1902  wird  Mesothuria  verillii  von  Herouard  an  den 
Azoren  gefunden  und  beide  Arten  wurden  von  Perrier  zum  ersten 
Male  an  der  Nord-  und  Nordwestküste  Afrikas  zwischen  Marokko  und 
den  Kanarischen  Inseln  festgestellt.  Oestergren  (1903)  und  Grieg 
(1912)  verzeichnen  ihren  nochmaligen  Fang  an  Norwegens  Küsten 
und  die  Exemplare,  die  mir  durch  die  Freundlichkeit  des  Herrn  Geheim- 
rat Ludwig  zur  Bearbeitung  überwiesen  wurden,  stamnien  aus  der  Um- 
gebung von  Neapel,  wo  die  Art  auch  im  vorigen  Jahre  wieder  in 
überaus  großer  Zahl  gefangen  wurde.  Die  tiefsten  Fundstellen  gibt 
Perrier  für  Mesothuria  verillii  mit  4255  m  in  der  Nähe  der  Azoren 
an.  Schon  Marenzeller  (1893)  fiel  die  Tatsache  auf,  daß  gerade  dieses 
Tier  fast  stets  in  sehr  großen  Tiefen  vorkommt,  während  die  eigent- 
liche Mesothuria  intestinalis  viel  mehr  an  der  Oberfläche,  bis  18  m 
unter  dem  Meeresspiegel,  lebt. 

II.  Gesamt-Aussehen. 

Die  äußere  Form  unsres  Tieres  ist  durchaus  walzenförmig  cylin- 
drisch,  nach  vorn  und  hinten  ein  wenig  konisch  verjüngt.  Nur  bei  dem 
in  Alkohol  konservierten  Material  findet  man  manchmal  Exemplare,  die 
eine  kleine  Abplattung  ihrer  Bauchseite  zeigen,  eine  Erscheinung,  die 
aber  lediglich  auf  Schrumpfung  durch  das  Konservierungsmittel  zurück- 
zuführen ist.  Denn  eine  ähnliche  Beobachtung  kann  ich  bei  keinem 
der  Tiere  bestätigen,  die  in  Formol  konserviert  waren.  Außerdem  kann 
im  Alkohol  manchmal  der  umgekehrte  Fall  eintreten,  daß  sich  nämlich 
die  Bauchseite  ganz  unnatürlich  vorwölbt  und  die  Rückenseite  flach 
wird.  Infolge  der  großen  Kontraktionsfähigkeit  des  Tieres  erscheint 
die  Haut  mit  kleinen  zarten  Falten  versehen,  ist  sonst  aber  äußerst 
weich  und  läßt  die  Längsmuskulatur  durchschimmern;  von  Farbe  ist 
sie  bei  den  in  Formol  fixierten  Tieren  rein-  bis  grauweiß,  mit  einem 
kleinen  Stich  ins  Gelbliche  und  Violette.   Im  Alkohol  wird  sie  undurch- 


Aiiat.  u.  liistol.  Studien  an  Mesotluiria  intestinalis  (Ascanius  u.  Rathke).    18& 

schimmernd  und  bekommt  ein  mehr  (xler  weniger  gelbes  und  dabei 
oft  stark  gerunzeltes  Aussehen.  Der  Mund  zeigt  eine  ausgesprochen 
subventrale  Stellung  und  ist  mit  einem  Kranze  von  20  kleinen,  schild- 
förmigen Tentakeln  versehen,  wie  wir  sie  typisch  bei  den  Aspidochiroten 
ausgebildet  sehen.  Selten  findet  man  nur  19  oder  gar  18  dieser  Fühler; 
häufiger  kann  es  vorkommen,  daß  ein  beschädigter  Fühler  eine  verloren 
gegangene  Endscheibe  nicht  wieder  regeneriert  und  nun  als  kleiner 
Stumpf  zwischen  den  andern  Fühlern  versteckt  liegt.  Diese  Tentakel 
sind  im  Mittel  5  mm  lang  und  alle  gleich  groß,  sie  können  mitsamt 
dem  Peristom  in  das  Innere  hineingeklappt  werden. 

Über  den  ganzen  Körper  sind  echte  Füßchen,  niemals  Papillen, 
ganz  unregelmäßig  und  ohne  jede  Reihenordnung  verteilt.  Sie  alle 
haben  eine  Endscheibe  mit  Gitterplatte,  sind  aber  in  bezug  auf  die 
Größe  ihrer  Ausbildung  an  den  einzelnen  Körperregionen  verschieden. 
An  den  beiden  seitlichen  Radien  des  Triviums  sind  sie  bedeutend  länger 
als  auf  dem  Rücken  und  Bauch  und  auf  ersterem  besser  als  auf  letzterem 
angedeutet.  Bei  manchen  Exemplaren  muß  man  Stückchen  der  Haut 
aufhellen,  um  unter  dem  Mikroskop  die  gitterförmigen  Endplatten  und 
damit  ein  wirkliches  Vorhandensein  von  Füßchen  an  jenen  Stellen  zu 
erkennen.  Es  ist  das  eine  Tatsache,  die  schon  durch  Oestergren  (1896, 
S.  347),  Perrier  (1902,  S.  305)  und  Herouard  (1906,  S.  6)  genügend 
erläutert  worden  ist  und  zu  einem  Vergleich  mit  einer  angedeuteten 
Kriechsohle,  wie  sie  den  Elpidiiden  (Elasipoda)  in  typischem  Maße 
eigentümlich  ist,  berechtigten  Anlaß  gegeben  hat. 

Nur  wenige  meiner  Exemplare  weisen  eine  Länge  von  mehr  als 
20  cm  auf.  Das  größte  ist  24,5  cm  lang  und  über  4  cm  breit.  Bei  den 
meisten  schwankt  die  Länge  zwischen  9  bis  11  cm  und  die  Breite  zwi- 
schen 2,5  bis  3  cm.  Die  genaue  Längenangabe  hat  keinen  Zweck,  weil 
die  Größe  und  Breite  konservierter  Tiere  nur  allzusehr  von  dem  jewei- 
ligen Kontraktionszustand  abhängig  ist. 

Tiere,  die  sich  dicht  mit  Fremdkörpern  bedeckt  haben,  befinden 
sich  sehr  in  der  Minderzahl.  Die  meisten  sind  frei  oder  nur  mit  sehr 
kleinen  Mengen  von  solchen  Fremdkörpern,  wie  Muschel-  oder  Fora- 
miniferenschalenresten  oder  kleinen  Steinchen  oder  Schlammteilchen 
besetzt.  Perrier  befindet  sich  im  Unrecht,  wenn  er  (1902,  S.  310), 
um  die  Verschiedenheit  von  Mesothuria  intestinalis  und  verillii  zu  er- 
läutern, das  Fehlen  oder  Vorhandensein  eines  solchen  Belages  auf  eine 
Verschiedenheit  der  Drüsenelemente  zurückführt.  Wenigstens  für 
Mesothuria  intestinalis,  die  sich  ja  nach  Perrier  im  Gegensatz  zu  Me- 
sothuria verillii  mit  Fremdkörpern  zu    bedecken   pflegt,  konnte   ich 


190  Wilhelm  Haanen, 

Drüsenzellen  in  der  Haut  nirgendwo  nachweisen,  und  wenn  auf  Quer- 
schnitten durch  die  Haut  die  Cuticula  manchmal  mit  etwas  Meerschlamm 
besetzt  ist,  so  muß  man  das  Anhaften  dieses  Schlammes  dessen  Klebrig- 
keit zuschreiben.  Überall  kann  man  sehr  deutlich  erkennen,  daß  die 
Fremdkörper,  wahrscheinlich  absichthch,  stets  nur  mit  den  Saugfüßchen 
festgehalten  werden.  Dabei  können  dann  diese  starren  Teilchen  als 
Schutz  und  mehr  noch  als  besseres  Fortbewegungsmittel  durch  den 
weichen   Schlamm  dienen. 

III.  Kalkkörper  der  Haut. 

Bei  der  systematischen  Wichtigkeit  der  Kalkkörper  ist  es  nicht 
zu  verwundern,  daß  diese  von  den  in  der  Einleitung  genannten  Autoren 
am  meisten  Beachtung  gefunden  haben.  Der  Vollständigkeit  wegen 
muß  ich  auch  meine  Beobachtungen  über  die  Kalkkörper  hier  an- 
fügen. In  der  äußersten  Bindegewebsschicht  der  Haut  finden  sich 
direkt  unter  der  Epidermis  nur  Stühlchen,  keine  Schnallen.  Wie  bei 
allen  derartigen  stühlchenförmigen  Kalkablagerungen  liegt  die  Scheibe 
stets  nach  innen,  die  Krone  nach  außen  gerichtet.  Dabei  kann  die 
letztere  Epithel  und  Cuticula  zu  kleinen  Vorwölbungen  nach  außen 
vorstülpen.  Die  Scheiben  haben  einen  welligen,  glatten,  niemals  be- 
dornten Rand,  und  rund  um  ein  centrales  Loch  gruppiert  sich  in  der 
Regel  ein  Kreis  von  acht  kleineren  Löchern.  Weniger  häufig  kommen 
auch  mehrere  (2  bis  3)  peripherische  Löcherkreise  vor,  deren  Löcher 
nach  der  Peripherie  zu  immer  kleiner  werden.  Die  meisten  Stühlchen 
sind  vierstäbig,  doch  finden  sich  ab  und  zu  drei-  und  noch  seltener 
f ünfstäbige  vor  (Taf .  V,  Fig.  9,  14  u.  15).  Die  Krone  ist  in  der  Regel 
eine  einfache  Querverbindung  der  vier  Stäbe,  die  sich  nach  innen  und 
außen  ein  wenig  verbreitert  und  von  vier  bis  über  zwanzig  Dornen 
trägt.  Diese  sind  niemals  ganz  spitz,  sondern  an  ihrem  Ende  mehr  oder 
weniger  abgerundet.  Gerade  die  Bildung  der  Krone  bedingt  jene  Va- 
riabilität, die  schon  Theel  (1886)  an  den  Stühlchen  der  Mesothuria 
verillii  aufgefallen  ist.  Seltener  beruht  diese  auf  Abnormitäten  und 
Mißbildungen  des  ganzen  Stühlchens,  wie  das  Fig.  11  auf  Taf.  V  deut- 
lich macht. 

Die  Dichte  in  der  Anordnung  der  Stühlchen  ist  natürlich  je  nach 
dem  Kontraktionszustand  des  Tieres  verschieden.  Bei  ziemlich  aus- 
gestreckten Exemplaren  berühren  sich  die  Ränder  der  Scheiben,  bei 
stark  kontrahierten  überdecken  sie  sich  zum  Teil.  In  den  Füßchen 
gibt  es  ebenfalls  nur  Stühlchen  von  derselben  Bauart  und  Größe  wie 
in  der  Körperhaut.    Bei  allen  Füßchen,  auch  bei  den  rudimentären  der 


Anat.  u.  hi.stol.  Studien  an  Mesothuria  intestinalis  (Ascanius  u.  Rathkc).  191 

Bauchhaut  ist  stets  eine  Gitterplatte  mit  sehr  vielen  kleinen  Löchern 
deutlich  zu  sehen  (Fig.  21). 

In  den  Tentakeln  finden  sich  niemals  Stühlchen,  sondern  stets 
nur  Stützstäbe,  die  bedeutend  größer  als  jene  sind.  Meist  sind  sie  ein- 
fach, gerade  oder  gebogen  und  mit  Dornen  unregelmäßig  besetzt.  Sel- 
tener konnnen  seitliche  Ausstülpungen  vor.  die  sich  verbinden  und  so 
ein  plattenähnliches  Aussehen  bekommen  können  (Fig.  20).  Bis  nahe 
imter  das  Sinnesepithel  liegen  sie  oft  sehr  dicht,  in  der  seitlichen  Wan- 
dung stehen  sie  unregelmäßig  quer  zur  Längsachse  des  Fühlers,  in  dena 
Endschild  sind  sie  strahlenförmig  angeordnet.  In  der  Mundhaut  kommen 
neben  den  Stützstäben  der  Tentakel  auch  dornenlose,  größere  Platten 
in  ziemlicher  Menge  vor  (Fig.  8). 

Die  Afteröffnung  wird  von  einigen  Kränzen  solcher  plattenförmigen 
Kalkkörper  umgeben,  die  viel  größer  und  auch  dicker  als  die  Stühlchen- 
scheiben sind.  Sie  sind  länger  als  breit  und  ihre  Längsrichtung  fällt 
mit  der  des  Körpers  zusammen  (Fig.  19). 

Sehr  dicht  mit  kleinen  Kalkkörperchen  sind  die  Lumina  des  Stein- 
kanals und  der  Madreporenkanälchen  umlagert.  Hier  findet  man  neben 
kleinen  Stäbchen  und  Plättchen  zumeist  äußerst  bizarre  und  kom- 
plizierte, dreidimensionale  Formen,  die  dadurch  entstehen,  daß  sich 
einfache  Stäbchen  nach  allen  möglichen  Richtungen  des  Raumes  ver- 
zweigen. 

In  bezug  auf  die  Größenverhältnisse  der  einzelnen  Kalkkörper 
ergab  sich: 

..      I  Scheibe  0,06  —0,09    mm,  selten  0,11—0,14. 

,  Krone     0.016—0.028     »         »        0,031. 

chen 

J  Höhe       0,06—0,07       »         »        0,088. 

Tentakelstäbe  0,4  —0,58  » 

Afterplatten  0,39—0,49  » 

Gitterplatten  ]  0,34  (seitliche  Radien). 

der  Füßchen  J  0,14—0,16  »      (Bauch  u.  Rücken). 

Die  Meinung  Marenzellers,  daß  die  Stühlchen  zweistöckig  seien, 
ist  schon  1902  durch  Hkroüard  widerlegt  worden.  In  der  Tat  kann 
man  noch  bei  älteren  Tieren  die  einzelnen  Entwicklungsstadien  der 
Stühlchen  deutlich  verfolgen.  Man  sieht,  wie  die  ersten  Verzweigungen 
des  Primärkreuzes  sich  nach  unten  umbiegen,  während  gleichzeitig  an 
der  entgegengesetzten  Seite  dieser  Verzweigungen  die  vier  Stielstäbe 
ansetzen.  Die  ersteren  schließen  sich  zu  einem  centralen  Loch  und 
weitere  Verzweigungen  bilden  die  peripherischen  Löcherkreise,  während 


1^2  Wilhelm  Ilaanen,  .      . 

an  die  Stäbe  die  Krone  ansetzt.  Dadurch  erscheint  das  fertige  Stühl- 
chen zweistöckig,  in  Wirklichkeit  stellt  das  erste  Stockwerk  nur  das  in 
die  Höhe  gehobene  Primärkreuz  dar. 

Verschiedenheiten  in  der  Anordnung  der  Kalkkörper  an  den  ein- 
zelnen Körperregionen  oder  in  der  Ausbildung  bei  jüngeren  und  älteren 
Tieren  konnte  ich  nicht  feststellen.  Jedoch  standen  mir  allzu  große 
Altersunterschiede  nicht  zur  Verfügung.  Die  Geschlechtsbasis,  an  deren 
Ausbildung  man  das  Alter  der  Tiere  (natürlich  nur  vergleichsweise) 
schätzen  kann,  war  bei  allen  meinen  Exemplaren  schon  mehr  oder 
weniger  deutlich  angelegt. 

Der  Kalkring  besteht,  wie  typisch,  aus  fünf  radialen  und  fünf 
interradialen  Stücken.  Die  Interradialia  sind  kleine  Stäbe  mit  einem 
nach  oben  gerichteten  Fortsatz  in  der  Mitte,  Die  Radialia  sind  be- 
deutend größer,  haben  an  der  unteren  Seite  eine  größere  und  an  der 
Oberseite  drei  kleinere  Einbuchtungen,  durch  deren  mittelste,  tiefere, 
das  Wassergefäß  in  die  Haut  umbiegt  (Fig.  3).  Größe  und  Gestalt 
dieser  Einbuchtungen  unterliegt  bei  den  einzelnen  Tieren  geringen 
Schwankungen.  Die  subventrale  Stellung  des  Mundes  hat  eine  ver- 
schiedene Größe  der  dorsalen  und  ventralen  Radialia  zur  Folge.  Diese 
sind  im  Mittel  3,  jene  3,5  mm  hoch.  Auf  die  Beziehung  zwischen  Kalk- 
ring und  Hauptkanälen  werde  ich  bei  der  Besprechung  des  "Wasser- 
gefäßsystems näher  eingehen. 

IV.  Technische  und  Färbemethoden. 

Von  den  28  Tieren,  die  mir  zur  Untersuchung  vorlagen,  waren  16 
in  Alkohol,  die  übrigen  in  Formol  konserviert.  Da  die  ersteren  teil- 
weise schon  seit  1882  in  Alkohol  gelegen  hatten,  waren  die  Gewebe  zum 
Teil  maceriert  und  zu  histologischen  Untersuchungen  völlig  unbrauch- 
bar geworden.  Die  in  Formol  fixierten  Tiere  stammen  aus  dem  vorigen 
Jahr  (1912)  und  waren  so  gut  erhalten,  daß  nicht  einmal  die  Kalk- 
körper, die  sonst  von  Formol  angegriffen  zu  werden  pflegen,  irgendwie 
beschädigt  waren. 

Von  den  Einbettungsmethoden  lieferte  die  einfache  Paraffin- 
einbettung verhältnismäßig  bessere  Resultate,  als  die  komplizierte 
Celloidin-Paraffindurchtränkung.  Harte  Stücke  z.  B.  entkalkte  Haut- 
stücke, müssen  durch  Cedernöl,  Cedernöl-Paraffin  durchgeführt  wer- 
den. Die  bequemste  Entkalkungsmethode  ist  die  tropfenweise  Bei- 
fügung von  konzentrierter  Salpetersäure  in  größere  Mengen  etwa 
80%igen  Alkohols, 

Für  Kernfärbungen  nahm  ich  Thionin,  DELAFiELDsches  Häma- 


Aniit.   u.  histol.  StiKÜcn  an  .Mcsotliuria  intt-stiiialis  (Ascauius  u.  Ratlikc).   193 

toxylin  und  HEiDENHAiNsches  Eisenhäiiiatoxylin;  daneben  benutzte 
ich  Boraxkarniin  zur  Stückfärbung.  Das  letztere  reicht  gewöhnlich 
zur  Färbung  sehr  dünner  8c'hnitte  nicht  aus,  leistet  aber  bei  hinter- 
her aufgehellten  Totalpräparatcn  ausgezeichnete  Dienste.  Thionin  ist 
neben  Eisenhämatoxylin  der  beste  Kernfarbstoff,  hat  aber  die  un- 
angenehme Eigenschaft,  oft  schon  in  ganz  kurzer  Zeit  zu  verblassen. 
DELAFiELDsches  Häniatoxvlin  färbt  auch  das  Bindegewebe  und  eignet 
sich  vorzüghch  zum  Nachweis  feiner,  bindegewebiger  Membranen,  z.  B. 
der  Scheidewand  des  Radialnerven.  Zur  Nachfärbung  nach  Dela- 
FiELDschem  Hämatoxylin  fand  ich  nur  Eosin  oder  Säure fuchsin  ge- 
eignet. Nach  vorhergegangener  Kernfärbung  mit  Eisenhämatoxylin 
konnte  ich  dagegen  fast  alle  mir  zur  Verfügung  stehenden  Plasmafarb- 
stoffe mit  gutem  Erfolg  anwenden,  z.  B.  Eosin,  Wasserblau,  Säure- 
fuchsin, Pikrinsäure,  Dahlia,  Methylgrün  u.  a.  Die  besten  und  schönsten 
Differenzierungen  ergaben  die  Kombinationen:  Eisenhämatoxylin, 
Pikrinsäure-Säurefuchsin  oder  Pikrinsäure-Wasserblau. 

V.  Haut. 

Cuticula,  Epidermis,  Bindegewebsschicht,  Quermuskulatur  und 
Cölomepithel  sind  die  von  außen  nach  innen  aufeinanderfolgenden. 
Schichten  der  Körperhaut  aller  bisher  daraufhin  untersuchter  Holo- 
thurien.  Dieser  älteren  Zusammenfassung  der  einzelnen  Hautschichten 
möchte  ich  mit  Becher  (1907)  den  Vorzug  geben  vor  derjenigen,  die 
Herouard  (1890)  hauptsächlich  nach  Beobachtungen  an  Cucumaria 
und  Colochirus  aufgestellt  hat.  Diese  unterscheidet  Cuticula,  Epider- 
mis und  den  äußeren  Teil  des  Bindegewebes  als  zone  externe,  die 
Muskelschicht  und  Endothel  als  zone  interne  und  als  zone  moyenne 
eine  mittlere,  aus  AVanderzellen  bestehende  Lage.  Neben  dem  Umstand, 
daß  hier  entwicklungsgeschichtlich  zusammengehörige  Schichten  getrennt 
werden  und  umgekehrt,  trifft  bei  unsrer  Art  die  Vermutung  Bechers 
zu,  daß  die  zone  moyenne  sicher  nicht  allen  Holothurien  zukomme. 
Wohl  treten  überall  im  Bindegewebe  der  Haut  beladene  wie  unbeladene 
Wanderzellen  auf,  doch  ordnen  sie  sich  in  keiner  Weise  zu  einer  zu- 
sammenhängenden Schicht,  sondern  finden  sich  in  annähernd  gleicher 
Verbreitung  in  der  ganzen  Breite  der  Cutis.  Eine  Nervenlage,  wie  sie 
Herouaru  in  der  zone  moyenne  findet,  fehlt  bei  Mesothuria  gänzlich. 

a)  Cuticula  und  Epidermis. 
Die  gesamte  Körperoberfläche  ist  von  einer  äußerst  dünnen,  glas- 
hellen Cuticula  überzogen,  die  sich  nicht  färben  läßt  und  darum  an 


lO-l  Wiliielm  Haancn, 

vielen  Stellen  sehr  schlecht  nachzuweisen  ist.  Ihr  Vorhandensein  wird 
dadurch  zur  Gewißheit,  daß  sie  sich  in  vielen  Fällen  von  der  dicht 
darunterliegenden  Epidermis  abhebt.  In  der  Mundhaut  ist  sie  am  stärk- 
fcten  entwickelt  und  geht  direkt  in  die  etwas  dickere  Cuticula  der  Darm- 
wand über. 

Eine  mehr  oder  weniger  allen  Holothurien  zukommende  Eigen- 
tümlichkeit ist  die  undeutliche  Ausbildung  des  Körperepithels.  Bei 
Synafta  sehen  wir  nach  Hamann  (1884)  und  Joukdan  (1883)  noch  cylin- 
drische  Epithelzellen,  die  ein  einigermaßen  zusammenhängendes  Ganzes 
bilden.  Bei  unsrer  Art  besteht  die  Epithelschicht  aus  protoplasma- 
armen Zellen,  die  unter  der  Cuticula  sehr  unregelmäßig  verteilt  liegen. 
Dabei  dringt  das  Bindegewebe  zwischen  den  freien  Zwischenräumen 
hindurch  bis  dicht  unter  die  Cuticula  und  die  Undeutlichkeit  der  Zell- 
grenzen erhöht  die  Unklarheit  des  Bildes.  Kontraktionen  und  Falten- 
bildungen der  Haut  haben  zur  Folge,  daß  die  Epithelzellen  sich  an 
einzelnen  Stellen  der  Schnitte  dicht  anhäufen,  an  andern  gänzlich 
fehlen  können.  Dazwischen  findet  man  Bindegewebszellen  und  die 
verschiedenen  Arten  von  Wanderzellen  eingelagert.  Hautdrüsenzellen 
scheinen  am  deutlichsten  und  häufigsten  bei  fußlosen  Holothurien 
beobachtet  worden  zu  sein  (Danielssen  und  Koren  (1882)  bei  Acan- 
ihotrochus,  Hamann  (1884)  bei  Syna/pta  und  Becher  (1907)  bei  Rhab- 
domolgus).  Unter  den  Pedaten  werden  derartige  Zellen  nur  bei  Kolga 
hyalina  von  Danielssen  und  Koren  beschrieben  und  als  einzige  Art 
unter  den  Aspidochiroten  wird  von  Jourdan  (1883)  Stichopus  regalis 
genannt.  Aber  auch  hier  fehlt  die  nähere  Beschreibung  und  Darstel- 
lung auf  seiner  Abbildung.  Diese  Drüsenzellen  könnten  in  gewisser 
Hinsicht  einen  Ersatz  darstellen  für  die  Ambulakralfüßchen,  indem 
das  ausgeschiedene  Secret  auf  schlüpfriger  Unterlage  besseren  Halt, 
auf  rauher  Unterlage  bessere  Bewegungsmöglichkeit  gewährt.  Da- 
durch wäre  denn  auch  der  völlige  Mangel  dieser  drüsigen  Zellelemente 
bei  unsrer  mit  Saugfüßchen  reich  ausgestatteten  Art  einigermaßen  ver- 
ständlich. Selbst  bei  Färbung  mit  DELAFiELDschem  Hämatoxylin  oder 
Thionin  konnte  ich  auf  Hunderten  von  Schnitten  keinerlei  Drüsen- 
zellen in  der  Haut  wahrnehmen,  obschon  solche  bei  demselben  Exem- 
plar und  derselben  Behandlung  im  Magen  sehr  deutlich  und  scharf 
hervortraten. 

Weniger  leicht  hätte  ich  ohne  Macerationspräparate  das  Nicht- 
vorhandensein von  Sinnesnervenzellen  in  der  Haut  behaupten  können, 
wenn  nicht  die  Arbeit  von  Ketzius  (1906)  meine  Beobachtungen  in 
dieser  Hinsicht  ergänzt  hätte.    Dieser  Forscher  behandelte  die  Haut 


Anat.  u.  histol.  Studik-ii  an  Mc'!?othuiia  intestinalis  (Ascanius  u.  Rathkc).   195 

unsres  Tieres  mit  Silberiütrat  und  küunte  Siiiuesnervenzellen  in  der 
Haut  überhaupt  nicht,  dagegen  in  den  Endscheiben  der  Füßchen  und 
Tentakel  sehr  wohl  nachweisen. 

b)  Cutis. 
Den  größten  Teil  der  Haut  nimmt  auch  bei  unsrer  Art  die  Leder- 
haut ein,  die,  wie  überall  bei  Holothurien,  aus  einer  hyalinen  Grund- 
substanz und  zur  Hauptsache  aus  Fasern  besteht.  Die  Grundsubstanz, 
die  sich  mit  Thionin  oder  DELAFiELDschem  Hämatoxylin  an  einzelnen 
Stellen  nachweisen  läßt,  ist  jedenfalls  beim  lebenden  Tier  gallertig  und 
gerinnt  beim  Fixieren  des  Materials.  Man  findet  sie  nur  selten  ver- 
dichtet und  dann  stets  da,  wo  sie  mit  andern  Gewebsteilen  zusammen- 
stößt, z.  B.  über  dem  Epineuralkanal  und  unter  der  Stühlchenschicht. 
Die  Cutis  ist  deutlich  in  zwei  Schichten  gesondert.  Wegen  der  großen 
Zahl  der  Kalkkörper  enthält  die  äußere  nur  spärliche,  dünne  Faser- 
bündel, die  sich  durch  die  Epithelzellen  hindurch  bis  zur  Cuticula  vor- 
drängen können.  Diese  Lage  hat  ungefähr  die  Höhe  eines  Stühlchens, 
ist  demnach  sehr  dünn  und  beträgt  kaum  ein  Zehntel  der  ganzen  Cutis. 
Die  Faserbündel  werden  in  der  inneren  Schicht,  die  gänzlich  frei  von 
Kalkablagerungen  ist,  zahlreicher  und  nehmen  nach  innen  zu  immer 
an  Dicke  zu.  Ihr  Verlauf  ist  unregelmäßig,  doch  ist  die  zur  Längsachse 
des  Tieres  senkrechte  Richtung  die  weitaus  häufigste.  In  der  Mund- 
haut und  in  den  Tentakelwandungen  bildet  die  Cutis  nur  eine  Schicht, 
die  von  vielen  Maschen  durchbrochen  wird,  in  denen  die  Stützstäbe 
und  Platten  liegen.  Die  Bindegewebszellen  sind  auch  hier  stets  mehr- 
fach verästelt  und  in  sehr  geringer  Anzahl  vorhanden.  Während  das 
Epithel  und  die  äußeren  Lagen  des  Bindegewebes  frei  von  Pigment- 
ablagerungen sind,  finden  wir  an  der  Innenseite,  dicht  über  der  Quer- 
muskulatur, besonders  bei  größeren  und  älteren  Tieren,  zahlreiche  An- 
häufungen von  Pigmentkörnern.  Diese  Pigmentierung  tritt  nach 
öffnen  des  Tieres  in  Gestalt  kleiner,  brauner,  kreisförmiger  Flecke  auf 
und  ist  auf  dem  mittleren  Radius  des  Triviums  am  stärksten  ausgebil- 
det, nimmt  dagegen  nach  dem  Rücken  zu  allmählig  ab.  Am  Grunde 
der  Tentakel  finden  sich  zwischen  den  einzelnen  Fühlern  ebenfalls 
größere  Ansammlungen  solcher  Pigmentkörner,  die  sich  auch  äußer- 
lich als  gelbbraune,  große  Flecken  bemerkbar  machen.  Pigmentzellen 
habe  ich  nicht  nachweisen  können. 

c)  Quermuskulatur. 
Wie  bei  allen  pedaten  Holothurien  ist  auch  bei  Mesothuria  die 
Quermuskulatur  eine  ziemlich  kräftig  entwickelte  Lage  ringförmig  ver- 


19G  Wilhelm  Haaiien, 

laufender  Faserbüüdel ,  die  an  den  Kadien  unterbrochen  sind.  Die 
glatten,  oft  sehr  langen  Fasern  liegen  zuweilen  locker,  so  daß  das  Binde- 
gewebe zwischen  sie  eindringen  kann.  Mitunter  kann  sich  auch  der 
ganze  Strang  etwas  vom  Epithel  entfernen  und  in  das  Bindegewebe 
verlagern,  so  daß  sich  eine  zweite,  außerhalb  der  Muskulatur  gelegene 
Bindegewebsschicht  zeigt.  Diese  Verlagerung,  in  das  Bindegewebe 
wird  dort  vollständig,  wo  die  Quermuskulatur  in  den  Kreismuskel  des 
Schlundkopfs  übergeht.  Diesen  kann  man  am  besten  mit  einem  lan- 
gen, flachen  Band  von  ziemlich  kräftiger  Ausbildung  vergleichen,  das 
unterhalb  der  Tentakelbasis,  aber  außerhalb  des  Fühlerkranzes  ge- 
legen, den  ganzen  Schlundkopf  kreisförmig  umgibt.  (Taf.  V,  Fig.  2,  g-.) 
Durch  seine  Kontraktion  kann  das  Peristom  mitsamt  den  Fühlern 
in  das  Innere  hineingeklappt  werden.  Der  Kreismuskel  ist  in  dem  Binde- 
gewebe vollständig  eingebettet  und  steht  in  keinem  Zusammenhang 
mit  der  Kreismuskulatur,  die  als  direkte  Fortsetzung  derjenigen  des 
Ösophagus  den  Mund  umgibt.  Diese  an  der  Innenseite  der  Fühler 
gelegene  Ringmuskellage  des  Mundes  ist  äußerst  schwach,  setzt  sich 
in  der  Nähe  des  Nervenringes  an  und  geht  ohne  irgendwelche  Ver- 
breiterung in  die  Ringmuskelschicht  des  Darmes  über,  so  daß  man 
von  einem  Muskelsphincter  innerhalb  des  Tentakelkranzes  nicht  gut 
wird  reden  können.  An  der  Afteröffnung  bildet  die  Quermuskulatur 
einen  gutentwickelten  Schließmuskelring  und  steht  durch  ihn  in  di- 
rektem Zusammenhang  mit  der  Eingmuskelschicht  des  Enddarms. 

d)  Längs muskulatur. 
Die  Längsmuskulatur  besteht  aus  den  fünf  sehr  kräftig  ausgebil- 
deten Faserbündeln,  die,  von  Bindegewebe  und  Endothel  rings  um- 
hüllt, sich  innen  an  die  Radiärkanäle  des  Wassergefäßsystems  an- 
legen. Im  Gegensatz  zu  den  meisten  Aspidochiroten  hat  Mesothuria 
intestinalis  einfache  Längsmuskeln  und  gleicht  in  dieser  Eigenschaft 
den  Elasipoden,  Synaptiden  und  Dendrochiroten.  Von  den  letzteren 
unterscheidet  sie  sich  durch  das  gänzliche  Fehlen  der  Rückziehmuskelu. 
In  der  Nähe  des  Schlundkopfs  ist  der  Querschnitt  des  Längsmuskels 
bohnenförmig  rundlich,  wird  aber  nach  der  Körpermitte  zu  ganz  be- 
deutend länger  und  schmäler  und  nimmt  am  After  allmählich  an  Aus- 
dehnung ab.  Durch  den  Besitz  eines  besonders  kräftigen  Längsmuskels 
ist  der  mittlere  Radius  des  Triviums  ausgestattet.  Die  Längsmuskeln 
setzen  sich  ungefähr  in  gleicher  Höhe,  nur  mehr  nach  innen,  wie  die 
Kreismuskelschicht  des  Schlundes,  also  oberhalb  des  Kalkrings,  in  dem 
die  Hauptkanäle  umgebenden  Bindegewebe  an  (Fig.  5  Im).    Sie  stehen 


Anat.  u.  histol.  8tudion  an  Mosothnria  intestinalis  (Ascanius  u.  Rathkc).     197 

weder  dort  noch  auch  an  der  Afterüt'fnung  in  irgend  einer  Verbindung 
mit  den  Läugsmuskehi  des  Darnitractus. 

e)  Endothel. 
Das  Cölomepithel  ist  ein  «äußerst  flaches  Plattenepithel,  dessen 
Zellgrenzen  nicht  mehr  zu  erkennen  sind.  Man  hat  daher  den  Eindruck 
einer  dünnen  Membran,  an  der  sehr  häufig  rundlich-ovale  Kerne  liegen. 
Schon  weiter  oben  bemerkte  ich,  daß  dicht  unter  dem  Endothel  sehr 
häufig  eine  deutliche  Bindegewebsschicht  liegt,  die  auch  bei  einigen 
andern  Holothurien  gefunden  worden  ist  und  die  nach  Becheks  sehr 
einleuchtender  Ansicht  (1907)  lediglich  durch  Verlagerung,  d.  i.  Ent- 
fernung der  Muskulatur  von  ihrem  Entstehungsort.  dem  Cölomepithel, 
entstanden  ist.  Die  gleiche  Bindegewebslage  konnten  bereits  Danielssen 
und  Koren  (1882)  für  Trochostoma  thomsonii  beschreiben.  Auch  bei 
Mesothuria  findet  sich  eine  peritoneale  Auskleidung  der  Leibeshöhle 
(Peritoneum  Ludwigs  1889 — 92),  die  nicht  bei  allen  Holothurien  vor- 
kommt. Becher  hat  (1907)  sie  z.  B.  bei  Rhabdomolgus  nicht  wieder- 
finden können,  vielmehr  hängt  dort  noch  die  Muskulatur  dicht  mit 
dem  Cölomepithel  zusammen. 

VI.  Wanderzellen.^ 

Die  bis  jetzt  bei  Holothurien  gefundenen  Wanderzellen  lassen  sich 
einteilen  in:  1)  Blutzellen  und  unbeladene  Plasma wanderzellen,  2)  sog. 
beladene,  d.  s.  körnchentragende  Plasmawanderzellen,  3)  Exkretions- 
zellen  und  4)  Freßzellen. 

Während  die  unter  1)  angeführten  Zellen  bei  allen  Holothurien 
aufzutreten  scheinen,  wechseln  die  übrigen,  was  Vorkommen  und  Aus- 
sehen anbelangt,  bei  den  einzelnen  Familien  und  Gattungen  beträcht- 
lich. Eine  Übersicht  über  die  verschiedenen  Ansichten  der  einzelnen 
früheren  Forscher  gibt  Bechers  erwähnte  Abhandlung  über  Rliah- 
domolgus  (1907). 

Den  Blutzellen,  sowie  den  unbeladenen  Plasmawanderzellen,  die 
bei  konserviertem  Material  oft  nur  schwer  zu  unterscheiden  sind,  be- 
gegnen wir  in  fast  allen  bindegewebigen  Organteilen  unsres  Tieres, 
besonders  häufig  im  Blut-  und  Wassergefäßsystem. 

Auch  die  großen  beladenen  Plasmawanderzellen,  die  mit  den 
Schleimzellen  Sempers,  den  Plasmawanderzellen  Hamanns  imd  den 
cellules  muriformes  Heroüards  zu  identifizieren  sind,  finden  sich 
bei  Mesothuria  intestitialis  ganz  außerordentUch  häufig.  Sie  sind  im 
Durchschnitt  7 — 10  */  sroß  und  liec[en  frei  zwischen  den  Lücken  aller 


198  Wilhelm  Haanen, 

bindegewebigen  Teile  unsres  Tiers.  »Sehr  auffallend  ist  das  verscbiedene 
Verhalten  der  Einschlußkörner  den  einzelnen  Farbstoffen  gegenüber, 
sodaß  man  zunächst  den  Eindruck  hat,  als  ob  man  es  mit  mehreren, 
ganz  verschiedenen  Arten  von  Zellen  zu  tun  hätte.  Theel  findet  sie 
(1901)  in  den  Bindegewebsteilen  der  Geschlechtsorgane  und  nennt 
sie  »cells  with  spheres«.  Diese  Zellen  mit  Kugeln,  die  man  ungefärbt 
am  besten  untersucht,  indem  man  einfach  ein  Stück  des  Dorsalmesen- 
teriums  von  der  Fläche  unter  starker  Vergrößerung  betrachtet,  zeigen 
in  diesem  ungefärbten  Zustande  genau  das  Aussehen,  das  die  oben 
genannten  Autoren  an  den  großen  beladenen  Plasmawanderzellen  be- 
schrieben und  abgebildet  haben.  Bei  Anwendung  verschiedener  Schnitt- 
färbungen sieht  man  nicht  mehr,  wie  im  ungefärbten  Zustande  stark 
lichtbrechende,  tröpfchenähnliche  Einschlüsse,  sondern  ganz  massive 
Körnchen,  die  oft  bis  zu  50  in  einer  Zelle  sich  vorfinden.  Theel  sagt 
von  ihnen :  »The  typical  cells  are  characterized  by  possessing  a  number 
of  refringent  spheres  easily  brought  to  view  by  dyeing  in  acid-fuchsine 
or  iron-hämatoxyline  <<.  Nun  ist  aber  Säurefuchsin  ein  Plasmafarb- 
stoff,  während  Eisenhämatoxylin  die  Kerne  färbt.  Es  geht  also  aus 
Theels  Worten  hervor,  daß  auch  er  schon  gesehen  hat,  daß  viele  Zellen 
Körner  enthalten,  die  sich  wie  Plasma,  andre,  die  sich  wie  Chromatin 
färben,  ohne  diesem  Umstand  eine  unterscheidende  Wirkung  zuzu- 
schreiben. 

In  bezug  auf  die  Färbbarkeit  der  Einschlüsse  könnte  man  sogar 
drei  verschiedene  Zellarten  unterscheiden,  die  aber  durch  Übergänge 
miteinander  verknüpft  sind  und  meiner  Meinung  nach  als  verschiedene 
Stadien  einer  und  derselben  Zellart  anzusehen  sind.  Man  findet  1)  Zellen, 
deren  Einschlußkörner  sich  wie  Chromatin,  also  schwarz  nach  Eisen- 
hämatoxylin, blau  nach  ÜELAFiELDschem  Hämatoxylin  färben,  2)  Zel- 
len, in  denen  sich  die  genau  so  großen  und  in  derselben  Anzahl  vor- 
kommenden Einschlußkügelchen  wie  Plasma  färben,  z.  B.  mit  Eosin 
hell-,  mit  Säurefuchsin  dunkelrot  oder  mit  Pikrinsäure  gelb,  mit  Pikrin- 
säure-Säurefuchsin braunrötlich,  mit  Pikrinsäure-Wasserblau  grün  und 
3)  Zellen,  die  gar  keine  Einschlußköruer  mehr  enthalten  und  in  ihrem 
unfärbbaren,  wasserhellen  Plasma  kleine,  blasige,  an  die  Körner  er- 
innernde Strukturen  erkennen  lassen.  Die  unter  3)  aufgeführte  Zellart 
gleicht  also  eigentlich  allein  den  ungefärbten  Wanderzellen,  ist  aber 
sowohl  mit  der  ersten,  als  auch  mit  der  zweiten  Art  durch  mannig- 
fache Übergänge  sehr  deutlich  verbunden.  Es  gibt  nämlich  bei  beiden 
Arten  Zellen,  die  nur  wenige,  oft  auch  gar  keine  Körner  mehr 
enthalten,  dann  aber  die  oben  erwähnten  Strukturen  gefärbt  erschei- 


Anat.  u.  histol.  kStudion  an  Mcsothuria  intestinalis  (Ascanius  u.  Ratlike).   199 

neu  lassen.  Das  kann  z.  B.  auf  Präparaten,  die  mit  DELAFiELD-scheni 
Häniatoxyliu  und  Eosin  gefärbt  sind,  den  Anschein  erwecken,  als  ob 
bei  der  unter  2)  genannten  Zellart  der  Kern,  der  sonst  immer  schön 
blau  hervortritt,  in  diesem  Falle  rot  gefärbt  wäre.  Indes  ist  er  nur  durch 
die  rötlich  schimmernde  Membran  verdeckt.  Nur  sehr  selten  findet 
man  jedoch  Zellen,  in  denen,  wie  ich  mich  kurz  ausdrücken  will,  chro- 
matin- und  plasmaähnliche  Kügelchen  mit  einander  gemischt  er- 
scheinen. Ich  habe  das  mit  Deutlichkeit  nur  auf  einem  Präparat  ge- 
sehen, das  mit  DELAFiELDschem  Hämatoxylin  und  mit  Eosin  ziem- 
lich stark  nachgefärbt  war.  Da  fand  ich  in  sehr  vielen  Zellen  der  ersten 
Art  auch  wenige  Kügelchen,  die  sich  wie  Plasma,  also  in  diesem  Falle 
rötlich  gefärbt  hatten  (Fig.  4  d).  Es  dürfte  sich  hier  um  ähnliche 
Vorgänge  handeln,  wie  sie  Becher  (1907)  für  Zellen  beschrieb,  die  de- 
generierte Kerne  fressen  und  in  denen  diese  degenerierenden  Kerne  in 
ihren  verschiedenen  Stadien  der  Resorption  auch  auf  die  verschie- 
denen Farbstoffe  besonders  reagieren.  (Vgl.  Bechers  Taf.  XXXII, 
Fig.  12  u.  13.)  Diese  Zellart  mit  unsrer,  oben  beschriebenen  zu  identi- 
fizieren, ist  indes  nicht  wohl  denkbar,  da  jene  BECHERschen  Zellen 
keine  größere  Anzahl  von  kleineren  Kugeln  und  auch  im  Verhältnis 
zur  Zelle  einen  bedeutend  größeren  Kern  besitzen,  der  überdies  auch 
andre  Chromatinstrukturen  aufweist.  Alle  oben  besprochenen  Zell- 
arten findet  man  in  annähernd  gleicher  Häufigkeit  nicht  nur  in  den 
Geschlechtsorganen,  sondern  auch  in  sämtlichen  andern  Organen 
unsres  Tieres.  Ihre  reichliche  Anwesenheit  besonders  im  Ösophagus 
und  Magen  läßt  mit  Sicherheit  darauf  schließen,  daß  sie  beim  Stoff- 
wechsel eine  wichtige  Rolle  spielen,  daß  also  keinesfalls  davon  die  Rede 
sein  kann,  sie,  wie  Theel  das  tut,  als  eigens  dazu  spezialiserte  Gebilde 
anzusehen,  die  lediglich  unbrauchbar  gewordene  Teile  der  Genital- 
schläuche zu  resorbieren  haben.  Vielmehr  scheint  es  mir,  daß  man  in  ■ 
diesen  Zellen  typische  Exkretionszellen  zu  erbhcken  hat,  die  an  allen 
Stellen  des  Körpers  die  unbrauchbar  gewordenen  Stoffwechselreste 
sammeln,  sie  chemisch  zersetzen  und  dadurch  unschädlich  machen. 
Dieses  Unschädlichmachen  von  Exkretionsstoffen  wird  bei  den  meisten 
andern  Tieren  dadurch  erreicht,  daß  diese  Teile  einfach  aus  dem  Körper 
entfernt  werden;  und  so  hat  man  denn  auch  bei  Holothurien  lange 
danach  gesucht,  irgend  eine  Öffnung  oder  Stelle  zu  finden,  wo  ein  Aus- 
tritt solcher  Exkretionsstoffe  stattfinden  könnte.  Becher  hatte  be- 
reits 1907  bei  Rhahdomolgus  ruber  einen  größeren  Wanderzellenklumpen 
in  dem  hinteren  Teile  der  Leibeshöhle  gefunden  und  als  Ansammlung 
von  Exkretionsstoffen  erkannt;  aber  erst  1912  konnte  er  bei  Lajxido- 


200  Wilhelm  Haanen, 

flax  huskii  allerdings  nur  beim  lebenden  Tier  in  der  Nähe  des  Afters 
einen  Rückenporus  feststellen,  durch  den  der  betreffende  Wander- 
zellklumpen ausgestoßen  werden  kann.  Herouard  (1890)  .findet, 
daß  das  aus  den  Kiemenbäumen  ausgestoßene  Wasser  zellige  Elemente 
enthält  und  schließt  daraus,  daß  durch  die  Wandungen  dieser  Kiemen 
ein  Austritt  von  Exkretionszellen  ermöglicht  wird.  Bei  Mesothuria 
intestinalis  konnte  ich  wegen  Mangels  an  frischem  Material  weder 
Herouards  Wahrnehmung,  noch  auch  das  Vorhandensein  eines  Rücken- 
porus nachprüfen.  Indes  weisen  Quer.-chnitte  durch  die  Kiemen  so- 
wohl im  Bau  des  Innenepithels,  als  auch  in  der  besonders  großen  Häufig- 
keit der  Wanderzellen  keinerlei  Besonderheiten  auf;  auch  existiert  bei 
unsrem  Tiere  niemals  ein  solcher  Wanderzellklumpen,  wie  ihn  Becher 
für  die  beiden  genannten  Paractinopoden  fand. 

Am  ehesten  glaubte  ich  über  die  Exkretionstätigkeit  unserer 
Wanderzellen  Aufklärung  zu  erlangen,  indem  ich  Stellen  untersuchte, 
die  sich  offensichtlich  in  Resorption  befinden.  Das  ist  z.  B.  bei  älteren 
Tieren  stets  der  Fall  an  dem  hinteren,  nackten  Teil  der  Genitalbasis, 
der  sich  nach  dem  Verlust  der  Geschlechtsschläuche  nach  oben  krümmt 
und  dann  eine  bräunliche  Verfärbung  annimmt.  Diese  bräunliche  Ver- 
färbung, die  stets  die  stattfindende  Resorption  auch  äußerlich  an- 
deutet, gleicht  genau  der  Färbung,  die  das  Pigment  der  Körperhaut 
der  Innenseite  unsres  Tieres  verleiht.  Vergleicht  man  auf  Schnitten 
dieses  Pigment  der  Körperhaut  mit  den  Einlagerungen,  die  das  braun- 
gewordene Genitalbasisende  stets  in  großen  Mengen  aufweist,  so  stellt 
sich  die  völlige  Identität  beider  heraus.  Man  findet  nämlich  hier,  wie 
dort  eine  Unzahl  kleiner  Körnchen  oft  zu  dichten  Haufen  zusammen- 
gedrängt, die  sich  Farbstoffen  gegenüber  sehr  verschieden  verhalten. 
Die  kleinen  Körnchen  haben  ungefähr  die  Größe  der  Einlagerungen 
der  Wanderzellen,  färben  sich  jedoch  nie  so  intensiv  wie  diese.  Oft 
nehmen  sie  gar  keine,  oder  doch  nur  sehr  wenig  Farbstoffe  auf,  oft  aber 
auch  übt  DELAFiELDsches  Hämatoxylin  oder  Pikrinsäure-Säurefuchsin 
oder  auch  Pikrinsäure- Wasserblau  u.  a.  die  bekannten  Färb  Wirkungen 
mit  schwacher  Intensität  aus*  Immer  aber  findet  man  in  diesen  Pigment- 
klumpen sehr  viele  Zellkerne,  die  mehr  oder  weniger  degeneriert  sein 
können.  In  diesem  Falle  zeigen  sie  keine  Chromatinstruktur,  sondern 
färben  sich  stets  nach  Eisenhämatoxylin  ganz  schwarz  und  sind  zu- 
meist etwas  eingeschrumpft.  Manchmal  an  Stellen,  wo  die  Pigment- 
körner weniger  dicht  zusammenliegen,  scheinen  sie  zu  kleinen  Häufchen 
vereinigt,  die  in  bezug  auf  ihre  Größe  sehr  an  unsre  Wanderzellen  er- 
innern,  doch  ist  es  unmöglich,   irgendwelche  Zellabgrenzungen  fest- 


Anat.  u.  histol.  Studii'u  an  Mesothuria  intestinalis  (Ascanius  u.  Rathke).  201 

zustellen.  Daß  imsre  Zellen  mit  Kugeln  unter  den  »Maculae«  (vgl. 
S.  233)  der  Genitalbasis,  also  unter  den  Teilen,  die  in  Anfangsstadien 
der  Resorption  stehen,  oft  sehr  häufig  auftreten,  hebt  schon  Theel 
hervor. 

Obschon  wir  noch  sehr  weit  davon  entfernt  sind,  die  Frage  nach 
den  Exkretionsorganen  der  Holothurien  endgültig  gelöst  zu  haben,  so 
dürfte  sich  diese  ebenso  interessante  wie  schwierige  Frage  durch  obige 
Ausführungen  um  einen  Gesichtspunkt  erweitern,  wenn  man  in  den 
Pigmentablagerungen,  sowohl  denjenigen  in  der  Körperhaut,  wie  auch 
in  der  Genitalbasis,  Ansammlungen  von  Stoffwechselresten  erblickt, 
die  von  den  Wanderzellen  gesammelt  und  unschädlich  gemacht  worden 
sind.  Anstatt  also  nach  außen  befördert  zu  werden,  bleiben  diese  Reste 
wenigstens  zum  Teil  als  Pigment  in  den  Lücken  zwischen  den  Binde- 
gewebsfasern der  Körperhaut  liegen.  Dann  macht  auch  die  Lage  des 
Tieres  es  verständlich,  wenn  sich  diese  Pigmenthaufen  in  viel  stärkerem 
Maße  auf  der  Bauchseite  ansammeln,  wie  auf  der  Rückenseite,  Der 
Umstand  ferner,  daß  sich  bei  iungen  Tieren  keinerlei  derartiges  Piff- 
ment,  weder  in  der  Haut  noch  in  der  Geschlechtsbasis  vorfindet,  bei 
älteren  Exemplaren  dagegen  mit  wachsender  Größe  das  Pigment  gleich- 
falls zunimmt,  kann  die  oben  ausgesprochene  Vermutung  nur  be- 
kräftigen. Anderseits  erregt  die  unregelmäßige  Färbbarkeit  Bedenken 
und  wird  durch  komplizierte  chemische  Vorgänge  erklärt  werden 
müssen.  Völlige  Aufklärung  bleibt  späteren  chemischen  und  physio- 
logischen Untersuchungen  vorbehalten. 

Eine  weitere  Art  von  Zellen,  und  zwar  Phagocyten,  hat  schon 
Theel  bei  unserm  Tier  gefunden  und  >)cells  with  vacuoles«  genannt. 
Solche  Zellen  trifft  man  nur  in  Geschlechtsschläuchen  an,  die  schon 
mehr  oder  weniger  ausgewachsene  Eier  enthalten.  Dort  resorbieren 
sie  einen  Teil  der  Eier,  wahrscheinlich  damit  den  übrigen  mehr  Nähr- 
material zukommen  kann.  Sie  sind  große  rundliche  Gebilde,  die  sich 
durch  starke  Vacuolisation  ihres  hellen  Plasmas  auszeichnen  und  in 
der  Größe  und  Zahl  dieser  Vacuolen  sehr  wechselnde  Bilder  bieten 
können.  Wenn  sie  nicht  vereinzelt  im  Bindegewebe  des  Eischlauchs 
liegen,  sondern  sich,  wie  das  im  Deutoplasma  des  zu  zerstörenden  Eies 
zu  geschehen  pflegt,  zu  dichten  Gruppen  vereinigen,  ist  es  unmöglich, 
die  Zellgrenzen  nachzuweisen.  Da  die  meisten  meiner  histologisch 
brauchbaren  Exemplare  in  großer  Überzahl  nur  reife  männliche  Ge- 
schlechtsschläuche besaßen,  habe  ich  diese  Vacuolenzellen  auf  meinen 
Präparaten  selten  angetroffen  und  verweise  auf  Theels  Beschreibung 
und  Abbildung. 

Zeitechrift  f.  wissensch.  Zoologie.    CIX.  Bd.  14 


202  Wilhelm  Haanen, 

Neben  den  bisher  genannten  kommt  als  letzte  Form  von  Wander- 
zellen bei  Mesothuria  noch  eine  besondre  Zellart  vor,  die  ich  fast  nie 
in  den  bindegewebigen  Teilen  des  Körpers,  sondern  stets  dem  Cölom- 
epithel  anhaftend  vorfand,  so  daß  man  sie  als  spezifischen  Bestandteil 
der  Leibeshöhlenflüssigkeit  ansprechen  kann.  Die  runden  Zellen  haben 
ungefähr  die  gleiche  Größe  wie  die  beladenen  Plasmawanderzellen  und 
lassen  sich  am  besten  vergleichen  mit  der  Zellform,  die  Becher  (1907) 
homogene  Wanderzellen  genannt  hat.  Das  Plasma  färbt  sich  nach 
DELAFiELDschem  Hämatoxylin  blau  und  nach  Pikrinsäure-Säure- 
fuchsin hellbraun,  meist  durchaus  homogen.  Nur  selten  erscheint  es 
fein  granuliert.  Eine  wabige  Struktur,  wie  wir  sie  bei  der  dritten 
Art  der  beladenen  Wanderzellen  beobachten  konnten,  fehlt  ebenfalls. 
Der  Kern  ist  meist  länglich,  stets  an  die  Wand  der  Zelle  gedrückt. 
Es  ist  jedoch  nicht  ausgeschlossen,  daß  man  es  auch  hier  nur  mit  einer 
eigentümlich  aussehenden  Form  der  Plasmawanderzellen  zu  tun  hat. 

Die  von  Becher  (1907)  für  Rhahdomolgus  ruber  beschriebenen, 
eigentlichen  Exkretionszellen,  die  sich  durch  ihre  bedeutende  Größe 
wie  auch  durch  kleine,  nicht  färbbare  Inhaltskörnchen  auszeichnen, 
finden  sich  bei  Mesothuria  ebenso  wenig  wieder,  wie  die  von  den  Freß- 
zellen abzuleitenden  Riesenwanderzellen. 

VII.  Wassergefäßsystem. 

a)  Ringkanal. 
Bei  Mesothuria  intestinalis  befindet  sich  der  Gefäßring  5 — 7  mm, 
also  ziemlich  dicht  hinter  dem  Kalkring.  Sein  Durchmesser  ist  jedoch 
bedeutend  kleiner,  als  der  des  Kalkrings  und  wird  mit  5 — 6  mm  kaum 
halb  so  groß  als  dieser.  Bei  mittleren  Tieren  beträgt  sein  Lumen,  das 
übrigens  durch  Kontraktion  sehr  variiert,  an  der  weitesten  Stelle  0,6  bis 
0,8  mm.  Die  histologische  Zusammensetzung  seiner  dünnen  Wandung 
ist  die  allen  Holothurien  eigentümliche.  Eine  bindegewebige  Lage, 
die  frei  von  Kalkkörpern  ist,  wird  an  der  Außenseite  von  einem  sehr 
flachen  Plattenepithel  begrenzt.  Nach  innen  folgt  eine  nicht  sehr 
kräftige  Muskelschicht,  die  parallel  der  Längsrichtung  des  Körpers 
läuft  und  wiederum  ein  äußerst  dünner  Epithelstreifen.  Nur  selten 
kann  man  auf  dem  Innen-  sowohl  wie  auf  dem  Außenepithel  eine  Be- 
wimperung  beobachten,  obschon  das  Bild,  das  eine  solch  dünne  Mem- 
bran mit  ziemlich  weit  auseinanderliegenden  Kernen  darbietet,  eine 
Bewimperung  auf  den  ersten  Blick  nicht  sehr  wahrscheinlich  macht. 
Die  Wimpern  sind  äußerst  zart  und  lang;  auf  stark  mit  DELAFiELD- 
schem Hämatoxylin  gefärbten  Präparaten  werden  sie  sichtbar.    Die 


Anat.  u.  histol.  Studien  an  Mosothuria  intestinalis  (Ascanius  u.  Rathke).  203 

innere   Wandung    des   Riugkanals    hat   stärker    entwickelte   Muskel- 
nnd  Bindegewebslage  und  letztere  beherbergt  den  Blutgefäßring. 

h)  PoLische  Blase. 
Die  schlauchförmige  PoLische  Blase  ist  fast  immer  in  Einzahl 
vorhanden,  liegt  stets  genau  ventral  und  erreicht  mit  höchstens  2  cm 
etwa  ein  Zehntel  der  Körperlänge.  Nur  ein  einzigesmal  fand  ich  drei 
Blasen,  von  denen  die  eine  gewöhnliche  Stellung  und  Größe,  die  beiden 
andern  die  gleiche  Größe  und  etwas  höhere,  linksseitige  Stellung  hatten. 
Als  Ausstülpung  des  Ringkanals  ist  die  histologische  Zusammensetzung 
die  gleiche  wie  dort.  Nur  ist  der  Funktion  als  Regulator  des  Wasser- 
gefäßsystems Rechnung  getragen  durch  die  ungleich  stärkere  Ausbil- 
dung der  Muskeln,  die  als  direkte  Fortsetzung  derjenigen  des  Ring- 
kanals hier  als  Ringmuskeln  auftreten.  Das  Bindegewebe  besteht  aus 
ungemein  feinen  Fasern,  die  sich  leicht  zusammenpressen  lassen.  Bei 
starken  Kontraktionen  der  Blase  erscheint  das  dünne  Außenepithel 
oft  faltig  zusammengelegt.  Dicht  unter  diesem  äußeren  Epithel  fin- 
den sich  sehr  große  Haufen  der  oben  beschriebenen  Wanderzellen  mit 
Kuseln  meist  von  der  chromatinähnlichen  Form.  An  dem  inneren 
Epithel  fand  ich  nie  solche  Anhäufungen,  so  daß  für  Mesothuria  in- 
testimiUs  Cüenots  Ansicht,  daß  dort  Wanderzellen  gebildet  würden, 
keine  Bestätigung  findet  (Fig.  26). 

c)  Haupt-,  Fühler-  und  Radialkanäle. 
Die  dünne  Wandung,  die  den  Ringkanal  bildet,  ist  keineswegs  eine 
Fortsetzung  der  äußeren  Bindegewebsschicht  des  Ösophagus,  sondern 
stets  mit  der  inneren,  weit  mächtiger  entwickelten  Bindegewebslage  in 
Verbindung.  Am  vorderen  Ende  des  Drüsenmagens,  da,  wo  dieser  in 
den  Ösophagus  übergeht,  sieht  man  bindegewebige  Stränge  die  Muskel- 
schichten des  Darmes  durchsetzen  und  sich  zu  einer  Art  den  Schlund 
umhüllender  Lamelle  vereinigen,  die  eine  Strecke  weit  den  Darm  ein- 
fach begleitet,  sich  dann  aber  teilt  und  so  einen  ringförmigen  Kanal 
bildet  (vgl.  Textfig.  1  la).  Die  Epithelüberzüge  dieser  Lamelle  gehen 
einfach  aus  dem  Darmepithel  hervor  und  auch  die  an  der  Innenseite 
ausgebildete  Muskelschicht  steht  mit  derjenigen  des  Darmes  in  Ver- 
bindung. Indem  sich  oberhalb  des  Ringkanals  die  beiden  Lamellen 
an  den  Interradialia  wieder  vereinigen,  bleiben  an  den  Radien  die  fünf 
Hauptkanäle,  die  demnach  wie  bei  allen  Aspidochiroten,  mit  ziemlich 
weiter  Öffnung  in  den  Ringkanal  münden  und  sich  nach  vorn  in  die 
Fühler  und  Radialkanäle  fortsetzen.    In  die  Fühlerkanäle  gehen  die 

14* 


204  Wilhelm  Haanen, 

Hauptkanäle  ebenfalls  mit  weiter  Öffnung  und  ohne  jede  Ventilvor- 
richtung über,  Anzahl  und  Bau  der  Radialkanäle  zeigen  keine  be- 
sondern Eigentümlichkeiten.  Das  ziemlich  lange,  schmale  Lumen 
ist  ausgekleidet  mit  einem  äußerst  flachen  Plattenepithel,  auf  das 
nach  dem  Körperinnern  zu  der  in  Bindegewebe  eingehüllte  Längs- 
muskel der  Haut  folgt.  Aber  auch  an  der  entgegengesetzten  Seite 
befindet  sich  eine  Muskelschicht,  die  aus  sehr  viel  feineren,  regelmäßig 
längsverlaufenden  Fasern  gebildet  wird,  so  daß  das  Radialgefäß  mit 
Ausnahme  der  beiden  Schmalseiten  zum  größten  Teil  von  Längsmuskeln 
eingefaßt  ist.  Das  Vorkommen  dieser,  aus  einer  einzigen  Lage  beste- 
henden Längsmuskelschicht  war  schon  Hamann  (1884)  für  Synapjta 
und  wohl  auch  für  andre,  pedate  Holothurien  bekannt;  sie  soll  vielleicht 
bei  starken  Körperkontraktionen  eine  allzustarke  Faltenbildung  der 
dünnen  Membran  verhindern,  die  das  Wassergefäß  von  dem  Hyponeural- 
kanal  (Pseudohämalkanal  Ludwigs)  trennt. 

d)  Füßchenkanäle. 

Über  den  Verlauf  der  Füßchenkanäle  geben  mit  Boraxkarmin 
gefärbte  und  in  Cedernöl  oder  Xylol  aufgehellte  Totalpräparate  von 
radialen  Hautstücken  die  beste  Auskunft.  Da  die  Füßchen  über  den 
ganzen  Körper  zerstreut  liegen,  müssen  ihre  Kanäle,  die  sie  mit  dem 
Radialgefäß  verbinden,  oft  sehr  lang  sein.  Senkrecht  zu  dem  Radial- 
gefäß treten  sie  seitlich  als  äußerst  dünne  Kanälchen  aus,  die  sich 
dicht  an  der  Quermuskulatur  durch  das  Bindegewebe  bis  zu  der  Stelle 
hinziehen,  wo  das  betreffende  Füßchen  liegt.  Erst  dort  biegen  sie 
wiederum  fast  senkrecht  um,  wobei  sich  das  Lumen  beträchtlich  er- 
weitert. An  dieser  Umbiegungsstelle  werden  bei  unsrer  Art  niemals 
Ampullen,  weder  freie,  noch  verdeckte,  ausgebildet.  Auch  habe  ich 
nie  Verästelungen  dieser  Füßchenkanäle  gesehen,  so  daß  also  jedes 
Füßchen  seinen  eignen  Kanal  zum  Radialgefäß  hinschickt.  In  histo- 
logischer Beziehung  zeigen  sie  dasselbe  dünne  Plattenepithel  und  die- 
selbe Längsmuskulatur  wie  letzteres. 

e)  Fühlerampullen. 

Herouard  glaubt  (1890)  bei  Mesothuria  verillii  Fühlerampullen 
gefunden  zu  haben.  Er  meint  damit  kleine  Vorwölbungen,  die  nach 
Injektion  des  Wassergefäßsystems  »pinces  entre  les  dents  de  la  cou- 
ronne  calcaire«  sichtbar  werden.  Weil  diese  Vorwölbungen  an  den 
Interradialstücken  des  Kalkrings  bedeutend  größer  sind  als  an  den 
Radialia,  stellt  er  für  Mesothuria  verillii  sowohl,  wie  anfangs  auch  für 


Anat.  u.  histol.  Studien  an  Mcsothuria  intestinalis  (Ascanius  u.  Rathke).  205 

Mesothuria  intestinalis  die  neue  Gattung  Allantis  auf.  Diese  wird  jedoch 
von  den  andern  Forschern,  z.  B.  Perrier  und  Oestergren  (1.  c.)  nicht 
anerkannt.  Deshalb  zieht  Herouard  seine  Behauptung  für  Mesothuria 
intestinalis  zurück,  will  sie  jedoch  für  Mesothuria  verillii,  die  er  allein 
daraufhin  untersucht  hatte,  aufrecht  erhalten,  bis  man  gezeigt  habe, 
daß  diese  verschiedene  Größe  der  Fühlerampullen  eine  allen  Synal- 
lactinen  zukommende  Eigentümlichkeit  ist.  Obwohl  mir  kein  Exem- 
plar der  Mesothuria  verillii  und  auch  von  Mesothuria  intestinalis  kein 
frisches  Material  zu  Injektionszwecken  zur  Verfügung  stand,  gelang 
es  mir,  einige  Klärung  zu  erlangen  durch  Beobachtungen  über  die  Be- 
festigungsweise des  Kalkrings.  Schneidet  man  an  einem  mit  Borax- 
karmin vorgefärbten  und  aufgehellten  Schlundkopf  dicht  über  dem 
Kalkring  die  Tentakel  ab,  so  sieht  man,  daß  der  Kalkring  mit  seinem 
unteren  Teile  an  der  äußeren  Wand  der  Hauptkanäle  befestigt  ist. 
In  ihrem  oberen  Teile  aber  lehnen  sich  die  Kadialstücke  des  Kalkrings 
nicht  mehr  vollständig  an  die  äußere  Wandung  an,  sondern  ragen  in 
das  Lumen  der  Kanäle  herein,  das  dadurch  beträchtlich  verengt  wird 
(Fig.  5  k).  Der  Kalkring  selbst  wird  durch  verkalktes  Bindegewebe 
gebildet,  d.  h.  er  besteht  aus  einzelnen,  sehr  kleinen  Kalkkörnchen, 
die  zwischen  den  hier  sehr  lockeren  Fasern  des  Bindegewebes  massen- 
haft eingelagert  sind.  So  kommt  es,  daß  man  auf  Schnitten,  aus  denen 
man  den  Kalk  entfernt  hat,  an  Stelle  des  Kalkrings  spongiöse,  binde- 
gewebige Massen,  aber  keine  Löcher  sieht,  die  der  Gesamtgröße  der 
einzelnen  Kalkstücke  entsprächen.  Da  also  die  äußere  Wand  des  Haupt- 
kanals mit  dem  Radialstück  des  Kalkrings  nur  an  den  beiden  Enden 
in  der  Mitte  in  Verbindung  bleibt,  wo  die  Längsmuskeln  sich  ansetzen, 
so  entstehen  außerhalb  des  Kalkrings  zwischen  diesem  und  der  äußeren 
Kanalwandung  am  unteren  Ende  des  Kalkrings  blindgeschlossene 
Räume,  die  sich  aber  niemals  röhrenförmig  über  den  Rand  des  Kalk- 
rings verlängern.  An  meinen  konservierten  Exemplaren  sind  äußerlich 
gar  keine  Vorwölbungen  sichtbar,  doch  ist  es  leicht  ersichtlich,  daß 
jeder  scharfe  Druck,  wie  er  z.  B.  durch  eine  Injektionsflüssigkeit  hervor- 
gerufen wird,  solche  Vorwölbungen  entstehen  lassen  muß.  Bei  den 
interradialen  Stücken  liegt  die  Sache  noch  klarer.  Denn  hier  besteht 
die  Kalkmasse  aus  dünnen  Stäbchen,  die  in  der  Mitte  einen  nach  oben 
gerichteten  spitzen  Fortsatz  tragen,  der  an  der  Wandimg,  natürlich 
ebenfalls  der  äußeren,  befestigt  ist.  Auch  hier  wird  selbstverständlich 
ein  Druck  auf  die  W^ände  jene  Vorwölbungen  erscheinen  lassen,  die 
Herouard  als  die  größeren  Tentakelampullen  ansieht.  Diese  müssen 
naturgemäß  größer  sein,  als  jene  an  den  Radialstücken,  da  hier  ja  die 


206  Wilhelm  Haanen, 

Kalkmasse  bedeutend  kleiner  ist  und  auch  kein  Längsmuskel  Platz 
wegnehmen  kann.  So  ist  es  klar,  daß  auch  Mesothuria  intestinalis  nach 
Injektion  des  Wassergefäßsystems  jene  von  Herouaed  für  Mesothuria 
verillii  gefundenen  Tentakelampullen  deutlich  zeigen  würde  und  daß  also 
darin  keinerlei  Unterschied  zwischen  den  beiden  Tieren  besteht.  Ebenso 
werden  diese  Vorwölbungen  an  den  InterradiaHa  stets  größer  sein,  als 
an  den  Radialia,  wo  die  Radialstücke  des  Kalkrings  größer  sind  als 
die  Interradialstücke.  Demgemäß  kann  ich  Perrier  und  Oester- 
GREN  nur  zustimmen,  wenn  sie  diese  Tatsache  der  ungleich  großen  Aus- 
bildung der  sogenannten  Fühlerampullen  für  die  Aufstellung  einer 
neuen  selbständigen  Gattung  für  unzureichend  halten. 

Übrigens  hängt  es  allein  von  der  Definition  der  Fühlerampullen 
ab,  ob  wir  die  oben  beschriebenen  Gebilde  als  Fühlerampullen  bezeich- 
nen sollen  oder  nicht.  Jedenfalls  zeigt  Mesothuria  intestinalis  wie  auch 
verillii  einen  bedeutenden  Unterschied  den  übrigen  von  Ludwig  Holo- 
thuriinae  genannten  Aspidochiroten  gegenüber  dadurch,  daß  sich  ihre 
Fühlerampullen  nicht  röhrenförmig  über  den  Rand  des  Kalkrings  ver- 
längern und  frei  in  die  Leibeshöhle  hineinragen.  Vielleicht  wäre  es 
besser,  solche  Gebilde,  die  nicht  durch  direkte  Ausstülpungen  der  Haupt- 
kanäle, sondern  dadurch  entstanden  sind,  daß  der  Kalkring  sich  frei 
in  das  Lumen  dieser  hineinerstreckt,  nicht  als  eigentliche  Fühler- 
ampullen zu  bezeichnen.  Denn  daß  diese  ampullenähnlichen  Gebilde 
keine  direkten  Ausstülpungen  der  Hauptkanäle  sind,  zeigt  Fig.  5 1 
auf  Taf .  V,  die  einen  Querschnitt  durch  ein  Radiale  des  Schlundkopfs 
darstellt  kurz  unterhalb  der  Stelle,  wo  der  Haupt-  in  den  Fühlerkanal 
übergeht.  Es  fehlen  nämlich  sowohl  auf  der  Innenseite  wie  auch  auf 
der  Außenseite  des  Bindegewebes,  das  den  Kalkring  trägt,  die  charak- 
teristischen Längsmuskeln,  die  an  beiden  Stellen  unbedingt  vorhanden 
sein  müßten,  wenn  es  sich  um  eine  echte  Ausstülpung  des  Hauptkanals 
über  den  Kalkring  hinaus  handelte. 

/)  Steinkanal. 
Der  Steinkanal  ist  stets  in  der  Einzahl  vorhanden  und  läuft  in 
einem  sanften,  nach  vorne  etwas  konkaven  Bogen  bis  dicht  unter  die 
Fühlerbasis,  wo  er  mittels  Bindegewebe  an  der  Körperhaut  befestigt 
ist.  Er  legt  sich  dem  von  der  Genitalbasis  kommenden  und  ebenfalls 
nach  vorn  verlaufenden  Ausführgang  der  Genitalien  nach  innen  zu  an, 
öffnet  sich  aber  nicht,  wie  dieser  nach  außen,  sondern  durch  ein  ellip- 
soidales  Madreporenköpfchen  in  die  Leibeshöhle.  Ohne  irgendwelche 
schraubigen  Windungen  durchzieht  er  das  Bindegewebe  des  Dorsal- 


Anat.  u.  liistol.  Stutlicn  au  Mcsothuria  intestinalis  (Ascanius  u.  Rathke).  207 

mesenterlums,  in  das  er  vollständig  eingebettet  ist.  Das  Lumen  ist 
rundlich,  fast  überall  gleich  weit  und  hat  bei  mittleren  Tieren  einen 
Durchmesser  von  0,144  mm.  Seine  Länge  übersteigt  selten  2  cm.  Was 
die  histologische  Zusammensetzung  anbetrifft,  so  entlehnt  er  Außen- 
epithel, Längsmuskeln  und  Bindegewebe  vom  Dorsalmesenterium. 
Seine  innere  Auskleidung  besteht  wie  überall  bei  den  Holothurien  aus 
einem  cylindrischen  Flimmerepithel,  das  stets  an  seiner  dorsalen  Seite 
bedeutend  höher  ist,  als  an  der  gegenüberliegenden.  Es  wird  mit  0,032  mm 
an  der  Dorsalseite  mindestens  viermal  so  hoch  als  ventral,  wo  es  nur 
0,007 — 0,08  mm  Höhe  erreicht.  Die  Kerne  dieses  einschichtigen,  aus 
sehr  Schmalen  cylindrischen  Zellen  bestehenden  Epithels  füllen  fast 
die  ganze  Zelle  aus  und  bekommen  so  an  der  dorsalen  Seite  ein  langes, 
fadenförmiges  Aussehn  (Fig.  24).  Alle,  auch  die  niedrigen  Zellen,  tragen 
je  eine  Wimper,  die  ihrer  Größe  nach  im  gleichen  Verhältnis  zur  Zell- 
größe stehen,  Sie  sind  äußerst  dünn  und  oft  viel  länger  als  die  Zellen. 
Ihre  Bewegung  kann  eine  Strömung  der  Wassergefäßsystemsflüssig- 
keit, die  hier  mit  der  Leibeshöhlenflüssigkeit  identisch  ist,  sehr  wohl 
veranlassen.  Nach  Hamann  (1884)  trägt  bei  Sipiapta  auch  jede  Zelle 
des  Steinkanals  nur  ein  Wimperhaar,  ist  aber  außerdem  noch  von  einer 
feinen  Cuticula  überzogen.  Diese  Cuticula  fehlt  bei  Mesotkuria  ebenso 
wie  bei  Rhahdomcägus.  Aber  auch  die  bei  letzterem  Tier  von  Becher  (1907) 
beschriebene  Basalkörnerreihe,  denen  die  Wimpern  aufsitzen,  habe  ich 
für  unsre  Art  vergeblich  gesucht.  Vielmehr  zeigt  die  Zellreihe,  deren 
einzelne  Zellen  sich  in  je  ein  Wimperhaar  verjüngen,  in  ihrer  Gesamt- 
heit eine  mehr  oder  weniger  unregelmäßige  Begrenzung.  Das  feinfaserige 
Bindegewebe  ist  überall  in  der  näheren  Umgebung  des  Steinkanals  mit 
jenen  schon  beschriebenen  kleinen,  bizarren  Kalkkörperchen  sehr  dicht 
durchsetzt.  Da  das  Dorsalmesenterium  an  seinen  beiden  Außenseiten, 
dicht  unter  dem  Cölomepithel,  feine  senkrecht  zur  Körperachse  ver- 
laufende Muskelfasern  ausgebildet  hat,  kann  man  hier  nicht  sagen, 
daß  der  Steinkanal  den  einzigen,  ganz  muskelfreien  Teil  des  Wasser- 
gefäßsystems darstelle  (vgl.  Ludwig,  1889 — 92). 

g)  Madreporenteil. 
Der  etwa  2  mm  große  Madreporenteil  ist  ein  rundliches,  ellipsoi- 
dales  Köpfchen,  das  mit  seiner  etwas  abgeflachten  Unterseite  dem 
Steinkanal,  an  dessen  Ende,  also  dicht  an  der  Körperwand,  seitlich  auf- 
sitzt. Stets  liegt  er  auf  der  rechten  Seite  des  Mesenteriums  und  ragt 
mit  seinem  oberen  Teile  über  das  Dorsalmesenterium  hinaus,  an  der 
Stelle,   wo  dieses  den  zum   Überströmen  der  Leibeshöhlenflüssigkeit 


208  Wilhelm  Haauen, 

von  einer  zur  andern  Körperhälfte  nötigen  kleinen  Ausschnitt  freiläßt. 
Auf  Querschnitten  sieht  man  ganz  unregelmäßig  verlaufende  Kanäl- 
chen, die  den  Siebteil  nach  allen  Richtungen  durchsetzen.  Rekonstruk- 
tionen von  geeigneten  Querschnittserien  zeigten  mir,  daß  vom  Stein- 
kanal, immer  aber  von  dem  niedrigen  Epithelbelag  mehrere,  doch  nicht 
übermäßig  viele  Kanälchen  ausgehen,  die  sich  ihrerseits  vielfach  ver- 
zweigen und  sich  dann  direkt  in  die  Leibeshöhle  öffnen.  Das  hohe 
Epithel  des  Steinkanals  nimmt  dann  nach  vorne  zu  bald  an  Größe  ab, 
und  dieser  selbst  verzweigt  sich  in  einzelne  kleine  Kanälchen.  Es  exi- 
stiert demnach  kein  eigentlicher  Sammelraum,  wie  man  ihn  bei  Aspido- 
chiroten  sonst  häufig  findet.  Histologisch  finden  sich  hier  dieselben 
Elemente  wie  bei  dem  Kanalabschnitt.  Die  Ausführgänge  besitzen 
alle  einen  sehr  flachen  Epithelbelag,  der  erst  an  der  äußeren  Fläche 
wieder  allmählich  in  ein  Wimperepithel  übergeht.  Dieses  gleicht  dem 
des  Steinkanals,  erreicht  aber  niemals  auch  nur  die  halbe  Höhe,  die 
dessen  Epithel  an  der  Dorsalseite  aufweist  (Fig.  24). 

VIII.  Nervensystem. 

a)  Ringnerv. 
Der  hier  vollkommen  kreisförmige  Ringnerv  liegt  unmittelbar 
an  der  Fühlerbasis  und  an  der  Innenseite  der  Fühler,  wie  überall  ein- 
gebettet in  das  Bindegewebe  der  Mundhaut.  Somit  ein  wenig  mehr 
nach  innen  gelegen  als  der  Kalkring,  befindet  er  sich  höher  als  dieser, 
so  daß  die  von  ihm  zu  den  Radien  ausgehenden  Radialnerven  keine 
Umbiegung  über  den  Kalkring  zu  machen  brauchen,  sondern  direkt  nach 
unten  abgehen.  Zwischen  je  zweien  dieser  Ansatzstellen  nehmen  eben- 
falls an  der  Außenseite  nach  oben  zu  je  vier  Fühlernerven  ihren  Ur- 
sprung. Der  Querschnitt  des  Rings  ist  eine  Ellipse,  deren  große  Achse 
jedoch  quer  zur  Ebene  der  Mundscheibe  steht  und  bei  kleineren  Tieren 
etwa  0,019  mm  mißt.  Die  etwas  abgeflachte  Unterseite  liegt  nicht  wie 
bei  Rhahdomolgus  direkt  dem  Cölomepithel  auf,  sondern  wird  von  die- 
sem durch  eine  Bindegewebsschicht  und  die  Kreismuskelschicht  ge- 
trennt, die  als  Fortsetzung  der  Ringmuskelschicht  des  Ösophagus  dort 
endet.  Es  ist  somit  bei  Mesothuria  kein  Hyponeuralring  vorhanden, 
der  Epineuralring  dagegen  auf  allen  Präparaten  sehr  deutlich  (vgl. 
Fig.  22).  Da  somit  die  Ringnervenfasern  von  den  Bindegewebsfasern 
an  der  Unterseite  des  Rings  nicht  durch  eine  besondre  Membran  ge- 
schieden sind,  sondern  direkt  in  einander  übergehen,  lassen  sich  die 
beiden  Schichten  nur  durch  ihre  verschiedene  Färbbarkeit  deutlich 
sondern.    Die  überall  auftretenden  Stützfasern  setzen  sich  mit  ihrem 


Anat.  u.  histol.  Studien  an  Mesothuria  intestinalis  (Ascanius  u.  Rathke).  209 

unteren,  etwas  verdickten  Ende  direkt  an  das  Bindegewebe  an;  ähn- 
lich wie  sie  sich  auch  im  Radiahierven  an  die  bindegewebige  Scheide- 
wand anlehnen.  Überall  auf  der  größeren  Oberseite  des  Ringnerven 
sitzen  oft  dichtgedrängt  die  Deckzellen,  denen  Hamann  im  Gegensatz 
zu  Semper,  Teuscher,  Jourdan  und  Semon  die  nervöse  Natur  ab- 
spricht. Der  ganze  Bau  und  Verlauf  jener  Fasern,  die,  soweit  ich  fest- 
stellen kann,  einzeln  aus  je  einer  der  Deckzellen  entspringen,  um  sich 
in  unverzweigtem,  doch  mehr  oder  weniger  gekrümmten  Verlaufe  an 
dem  gegenüberliegenden  Bindegewebe  festzusetzen,  spricht  mehr  für 
Hamanns  Ansicht,  daß  sie  lediglich  als  epitheliale  Gebilde  aufzufassen 
sind,  die  Stützfunktionen  dienen.  Damit  soll  nicht  gesagt  sein,  daß 
sich  unter  ihnen,  die  ja  keine  einfache  Lage,  sondern  eine  mehr  unregel- 
mäßige Anhäufung  von  Zellen  darstellen,  nicht  auch  zuweilen  echte 
Ganglienzellen  vorfinden  können.  Was  die  Färbbarkeit  dieser  auf- 
rechten Fasern  angeht,  so  hat  schon  Becher  (1907)  bemerkt,  daß  sie 
darin  eine  gewisse  Ähnlichkeit  mit  feinen  Muskelfasern  besitzen,  indem 
sie  Eosin  und  auch  HEiDENHAiNsches  Eisenhämatoxylin,  letzteres  jedoch 
nur  nach  starker  Färbung,  begierig  aufnehmen.  Ferner  werden  sie  von 
Pikrinsäure  gelb,  von  Säurefuchsin  rot,  von  Pikrinsäure-Säurefuchsin 
braunrötlich  und  von  Pikrinsäure-Wasserblau  grün  gefärbt.  Becher 
konnte  durch  Anwendung  von  Eosin- Wasserblau  die  aufrechten  Fasern 
von  den  echten  nervösen  Längsfasern  unterscheiden,  was  mir  bei  meinen 
Tieren  nicht  glückte.  Nur  in  sehr  seltenen  Fällen  gelang  es,  bei  einer 
ganz  bestimmten,  nur  zufällig  erreichbaren  Differenzierung  des  Eisen- 
hämatoxylins  die  aufrechten  Fasern  ein  wenig  schwärzer  hervortreten 
zu  lassen,  als  die  Längsfasern.  Die  aufrechten  Fasern  sind  meist  etwas 
dicker  als  die  Längsfasern,  doch  kommen  auch  dünnere  in  ziemlicher 
Menge  vor.  Auf  meinen  Schnitten  konnte  ich  nirgendwo  eine  Verbin- 
dung der  aufrechten  Fasern  mit  den  Innenzellen,  die  von  allen  Autoren 
als  Nervenzellen  angesehen  werden,  genau  feststellen,  womit  allerdings 
keinesfalls  die  absolute  Sicherheit  gegeben  ist,  daß  eine  solche  nicht 
doch  besteht.  Die  Innenzellen  sind  wie  bei  den  andern  Holothurien 
auch  hier  im  Ringnerv  bedeutend  häufiger  als  in  den  Radialnerven. 
Sie  besitzen  einen  länglichen,  etwa  7  /t  großen  Kern  und  sehr  wenig 
Plasma,  das  sich  meist  spindelförmig  in  die  Nervenfasern  fortsetzt. 

h)  Radialnerv. 
Der  Radialnerv  besteht  bei  Mesothuria,  wie  typisch,  aus  einem 
breiteren,  äußeren  und  einem  schmäleren,  inneren  Band,  die  durch  eine 
bindegewebige  Scheidewand  deutlich  getrennt  sind  und  im  Innern  alle 


210  Wilhelm  Haanen, 

die  histologischen  Bestandteile  wiederfinden  lassen,  die  man  als  Nerven- 
fasern, aufrechte  Fasern,  Deck-  und  Innenzellen  auch  im  Ringnerv 
unterscheidet.  Das  innere  Nervenband  weist  an  seiner  Innenseite  eine 
flache,  oft  undeutliche  Furche  auf,  die  aber  immer  dadurch  zu  erkennen 
ist,  daß  hier  die  Scheidewand  einen  kleineren  Abstand  vom  Rande  hat 
als  an  den  beiden  Seiten.  Randzellen  befinden  sich  an  den  Außenseiten 
beider  Bänder  äußerst  zahlreich;  ihre  Gruppierung  zu  Zellsäulen  am 
äußeren  Band,  wie  man  sie  bei  vielen  andern  Holothurien  gefunden 
hat,  ist  hier  nicht  überall  sehr  deutlich,  doch  dadurch  nachweisbar, 
daß  in  vielen  Fällen  auf  einer  kleinen  Strecke  in  der  Mitte  des  Nerven 
sehr  wenig  Randzellen,  ja  sogar  manchmal  gar  keine  zu  finden  sind, 
während  sie  nach  den  Seiten  zu  in  oft  unregelmäßiger  Anordnung  dicht 
den  Nerv  bedecken.  Jedenfalls  sind  die  Zellsäulen  lange  nicht  so  hervor- 
stechend, wie  es  die  vielleicht  etwas  zu  schematisierte  Figur  Semons 
(1887)  andeutet.  Da  auch  Innenzellen  und  Stützfasern  in  beiden  Nerven- 
bändern zu  finden  sind,  ist  das  Bild,  das  diese  beiden  getrennten  Nerven- 
schichten geben,  ein  so  gleichartiges,  daß  Hamanns  Ansicht,  nur  das 
äußere  Band  sei  nervöser  Natur,  sicher  nicht  zu  Recht  besteht.  Die 
Stützfasern,  die  bei  unsrer  Art  auch  im  inneren  Nervenband  stets  deut- 
lich hervortreten,  scheinen  nicht  bei  allen  Holothurien  dort  vorzukom- 
men. Becher  konnte  sie  z.  B.  bei  Rhahdomolgus  nicht  im  inneren 
Nervenband  feststellen.  "Wie  schon  erwähnt,  sitzen  die  aufrechten  Stütz- 
fasern beider  Schichten  an  der  bindegewebigen  Scheidewand  fest,  die 
sich  durch  Färbung  mit  DELAFiELDschem  Hämatoxylin  oder  Dahlia 
stets  sehr  deutlich  abhebt.  An  den  beiden  Schmalseiten  des  Nerven  er- 
weitert sich  oft  diese  Bindegewebslamelle  nach  außen  zu  keilförmig, 
daß  ein  Bild  entsteht,  wie  es  schon  Heeouard  (1890)  in  seiner  sche- 
matischen Skizze  (S.  77)  andeutet.  In  diesen  keilförmigen  Erweiterungen 
liegen  häufig  Plasmawanderzellen,  wie  wir  sie  oben  als  Zellen  mit  Ku- 
geln näher  beschrieben  haben.  Auch  innerhalb  des  Nerven  liegen  sie 
oft,  doch  stets  nur  in  der  Scheidewand.  Diese  Scheidewand  hat  meist 
einen  geraden,  nur  bei  kontrahierten  Exemplaren  manchmal  auch 
einen  gewundenen  Verlauf,  setzt  sich  auch  bei  Mesothuria  niemals  in 
den  Ringnerv  fort,  sondern  verschwindet  unterhalb  der  Mündung  des 
äußeren  Bandes  in  den  Ringnerv.  Das  innere  Nervenband  läuft  bis 
zu  diesem  Punkte,  der  gewöhnlich  an  der  vorderen  Seite  des  Kalkrings 
liegt,  spitz  zu  und  geht  ebenfalls  nicht  in  den  Ringnerv.  Mit  der  Be- 
hauptung jedoch,  daß  nun  absolut  keine  Nervenfasern  des  inneren 
Bandes  entweder  direkt  oder  indirekt  eintreten,  indem  sie  die  Scheide- 
wand durchsetzen,  muß  man  bei  der  ungeheuren  Feinheit  der  Nerven- 


Aaat.  u.  histol.  Studien  an  Mcsothuria  intestinalis  (Ascanius  u.  Rathke).  211 

fasern  äußerst  vorsichtig  sein.  Mehrfach  sah  ich  deutlich,  daß  aufrechte 
Fasern  durch  die  Scheidewand  hindurchgingen,  ein  Zeichen,  daß  dies 
für  die  Nervenfasern,  die  zum  Teil  viel  zarter  sein  können,  keine  Un- 
möglichkeit wäre. 

Nach  Herouard  (1890)  und  Gerould  (1896)  soll  sich  das  innere 
Nervenband  an  seinem  vorderen  Ende  bei  Pedaten  und  Molpadiiden 
in  zwei  getrennte  Streifen  gabeln,  eine  Beobachtung,  die  Becher  (1907) 
zu  einem  Vergleich  dieses  inneren  Nervenbandes  der  Holothurien  mit 
dem  tiefer  gelegenen,  ebenfalls  zweigeteilten,  oralen  motorischen  Nerven- 
system der  übrigen  Echinodermen  veranlaßt  hat.  Bei  Mesothuria  habe 
ich  diese  Gabelung  ebensowenig  wiederfinden  können  wie  Becher  bei 
Rhabdomolgus.  Nichtsdestoweniger  erscheint  mir  die  Ansicht  He- 
ROUARDs,  daß  man  es  in  der  inneren  Nervenschicht  hauptsächlich  mit 
motorischen  Nerven  zu  tun  habe,  sehr  einleuchtend.  Denn  bei  unsrer 
Art  gehen  von  der  äußeren  Nervenschicht  lediglich  Füßchennerven, 
niemals  aber  Nerven  zu  den  Muskeln  aus.  Außerdem  konnte  ich  bei 
noch  so  starken  Vergrößerungen  niemals  Verästelungen  oder  Seiten- 
zweige der  Füßchennerven  finden,  die  die  Muskulatur  innervieren 
könnten.  Das  innere  Nervenband  gibt,  soweit  ich  feststellen  konnte, 
fast  gar  keine  Fasern  zu  den  Füßchennerven  ab,  wohl  aber  gehen  von 
dem  inneren  Band  kleinere,  doch  bald  verschwindende  Fäserchen  zu 
den  Muskeln  strahlig  aus. 

c)  Schlundnerv. 
Die  erste  bestimmte  Angabe  der  Innervierung  des  Schlundes  rührt 
von  Semper  (1868)  her,  der  S.  151  seines  großen  Holothurienwerkes  die 
Beobachtung  niederlegt,  daß  »die  Schicht  7i^  sowohl  mit  ihrer  inneren 
Faserlage  wie  äußeren  Zellenlage  in  den  ziemlich  stark  anschwellenden 
Nervenring  übergehe,  welcher  genau  im  Radius  mit  einer  kurz  umge- 
bogenen, stumpfen  Spitze  (Taf .  XXXVIII,  12  b)  endigt,  interradial  aber 
die  Nerven  für  die  Mundscheibe  und  den  Schlund  abgibt«.  Diesen  Aus- 
spruch Sempers  führe  ich  deshalb  hier  an,  weil  das  Bild,  das  Semper 
für  Cucumaria  japonica  vom  Nervenring  in  der  Radialzone  entwirft, 
sich  bei  Mesothuria  intestinalis  nicht  lediglich  an  den  Radien,  sondern 
auf  jedem  unverletzten  Längsschnitt  durch  den  Nervenring  wieder- 
findet. Man  sieht  da  auf  der  Innenseite  des  Rings  von  dessen  Unter- 
seite einen  kurzen,  spitz  zulaufenden  Nervenfortsatz  nach  oben  auf 
die  Mundscheibe  zu  ausgehen  (Fig.  22  s),  der  sich  dicht  an  die  Innen- 
seite der  Mundmuskeln  anlegt,  ohne  daß  man  die  dort  austretenden 
Nervenfasern  weiterhin  genau  verfolgen  könnte;  daß  es  sich  aber  hier 


212  Wilhelm  Haanen, 

tatsächlich  um  solche  Nervenfasern  handelt,  die  sich  zwischen  den 
Bindegewebsfasern  verlieren,  zeigt  auf  sehr  vielen  Schnitten  die  Fär- 
bung, die  in  der  nächstliegenden,  bindegewebigen  Umgebung  stets 
eine  Übergangstönung  zwischen  der  Nerven-  und  Bindegewebsfarbe 
andeutet.  Es  erfolgt  also  bei  unsrer  Art  die  Innervierung  des  Schlun- 
des und  der  Mundscheibe  durch  außerordentlich  zarte  Fasern,  die  von 
der  Innenseite  des  Ringner vs,  und  zwar  von  dessen  ganzem  Umkreise 
strahlig  ausgehen.  Einen  oder  mehrere  dickere,  bandförmige  Nerven- 
stränge, wie  sie  Hamann  (1883),  Vogt  und  Jung  (1887),  Hekouard 
(1890),  CuENOT  (1891),  Gerould  (1896  u.  98)  und  Clark  (1898)  bei 
andern  Holothurien  feststellen,  habe  ich  auf  einer  ganzen  Anzahl  von 
Quer-  und  Längsschnittserien  durch  den  Schlundkopf  stets  vergeblich 
gesucht. 

d)  Fühlernerv. 
Jeder  Fühler  und  jedes  Füßchen  hat  seinen  eigenen  Nerv,  der  bei 
ersterem  direkt  vom  Ringnerv,  bei  letzterem  stets  vom  Radialnerven 
seinen  Ursprung  nimmt.  Während  die  Schlundnervatur  von  der  Innen- 
seite des  Rings  mit  ziemlich  dünnem  Strang  ausläuft,  geht  der  Ring- 
nerv an  seiner  Außenseite  fast  mit  seiner  ganzen  Breite  in  den  Fühler- 
nerv über,  verschmälert  sich  aber  sehr  bald  zu  einem  flachen,  lang- 
gestreckten, etwa  0,038  mm  breiten  Band,  das  an  den  Seiten  sehr  spitz 
zuläuft.  Sobald  der  Fühlerkanal  über  die  Mundscheibe  in  den  Fühler 
übertritt,  umgreift  der  Nerv  den  Fühler  scheidenförmig,  wobei  aber 
der  ursprüngliche  Strang  an  dessen  Innenseite  an  der  viel  deutlicheren 
Ausbildung  immer  erkennbar  bleibt.  Histologisch  enthalten  sowohl 
Fühler-  wie  Füßchennerv  mit  Ausnahme  der  bindegewebigen  Scheide- 
wand alle  charakteristischen  Nervenbestandteile.  Nur  sind  hier  die 
Randzellen  und  aufrechten  Stützfasern  weniger  zahlreich.  Unterhalb 
der  Fühlerscheibe  breitet  sich  der  Nerv  zu  feinen,  faserigen  Ausstrah- 
lungen aus,  die,  ohne  irgend  eine  bandartige  Form  anzunehmen,  durch 
das  Bindegewebe  zu  den  knöpfchenartigen  Vorstülpungen  der  End- 
platte gehen  und  sich  dort  in  die  Sinnesnervenzellen  der  Nervenplatte 
fortsetzen.  Soweit  man  aus  Schnittpräparaten  ersehen  kann,  bestätigen 
sich  hier  die  früheren  Beobachtungen  Hamanns  (1884),  Jourdans 
(1883)  und  Semons  (1883),  daß  sich  die  Sinnesplatte  aus  einer  Epithel- 
platte und  einer  dicht  daruntergelegenen  Platte  von  Sinnesnerven- 
zellen zusammensetzt.  Der  massenhaften  Kernanhäufungen  wegen 
machen  die  knöpfchenartigen  Vorwölbungen,  wie  sie  in  ziemlicher  An- 
zahl  die    Fühlerscheibe   unregelmäßig   bedecken,    den  Eindruck   von 


Anat.  u.  histol.  Stadion  an  Mesothuria  intestinalis  (Ascanius  u.  Rathke).  213 

vielschichtigen  Epithelieu,  lassen  aber  eine  Zusammensetzung  aus  den 
beiden  genannten  Schichten  an  vielen  Stellen  deutlich  erkennen.  Die 
tStützzellen  der  Epithelplatte  sind  cylindrischer  und  protoplasmareicher 
als  die  Epithelzellen  an  den  übrigen  Stellen  des  Fühlers,  doch  eben- 
falls von  der  Cuticula  überzogen.  Ohne  Macerationspräparate  kann 
man  die  unteren  Endigungen  der  Stützzellen  nicht  erkennen.  Sie  ver- 
schwinden zwischen  den  Sinnesnervenzellen,  gehen  aber  nicht  durch 
diese  Schicht  hindurch  in  das  darunter  gelegene  Bindegewebe  (vgl. 
Hamann  1884).  Die  Sinnesnervenzellen  sind  außerordentlich  feine  Ge- 
bilde, eigentlich  nur  Fortsätze  der  Nervenfasern,  die  sich  an  der  einen 
Stelle  des  Kerns  bis  zu  dessen  Dicke  erweitert  haben,  dann  aber  nach 
außen  zu  wieder  spitz  zulaufen  und  mit  diesen  feinen  Fortsätzen  zwischen 
den  Stützzellen  der  Epithelplatte  endigen,  so  daß  man  eine  einschichtige 
Zellage  vor  sich  hat.  Retzius  gelang  es  (1906),  mittels  der  Versilbe- 
rungsmethode eine  sehr  reine  und  vollständige  Färbung  des  Epidermis- 
mosaiks  zu  erhalten.  Seine  Resultate  gipfeln  in  folgenden  Befunden: 
>)Hier  (an  den  Endscheiben  der  Fühler  und  Füßchen)  sieht  man  überall 
zwischen  den  polygonalen  Feldern  (Stützzellen)  kleine  rundliche  oder 
ovale  knopfähnliche  Felder  (Sinneszellen),  welche  teils  an  den  Stellen, 
wo  mehrere  polygonale  Felder  zusammenstoßen,  teils  auch  an  den 
Grenzen,  wo  nur  zwei  polygonale  sich  berühren,  eingefügt  sind.  Sie 
sind  jedoch  von  etwas  verschiedener  Größe  und  ihre  Verteilung  ist  nicht 
ganz  regelmäßig,  da  sie  zuweilen  zu  mehreren  beisammen  liegen.  <<  Hier 
unterscheiden  sich  also  die  Stützzellen  von  den  Sinneszellen  schon  durch 
die  erheblichere  Breite  ihrer  Endigungen,  w^as  z.  B.  bei  Holothuria  foli 
nicht  der  Fall  ist  (vgl.  Hamann  [1884],  Fig.  88).  Die  großen,  rundlichen 
»cellules  basales«,  die  Joürdan  (1883,  S.  25)  direkt  unter  dem  Epithel 
des  »Capitulums <<  bei  Holothuria  tuhulosa  findet,  und  deren  noch  nicht 
ganz  aufgeklärte  Bedeutung  in  einer  Beziehung  zu  einem  subepithe- 
lialeii  Nervenplexus  gesucht  werden  soll,  fehlten  bei  Mesothuria  gänzlich. 

e)  Füßchennerv. 
Der  Querschnitt  des  Füßchennerven  ist  etwa  0,029  mm  breit, 
kleiner  und  auch  rundlicher  als  der  Fühlernerv.  Erst  ganz  nahe  der 
Endplatte  und  auch  da  noch  schwierig  läßt  sich  nachweisen,  daß  er 
das  ganze  Lumen  des  Füßchens  scheidenförmig  umgreift,  eine  Beob- 
achtung, die  wir  beim  Fühler  schon  viel  näher  an  der  Basis  und  be- 
deutend klarer  erkennen  konnten.  Rand-  und  Innenzellen  wie  auch 
aufrechte  Stütz-  und  längsverlaufende  Nervenfasern  sind  überall  deut- 
lich ausgebildet.   Wenn  aus  dem  inneren  Band  des  Radialnerven  über- 


214  Wilhelm  Haanen, 

haupt  Fasern  in  die  Füßcliennerven  gelangen,  dann  können  es  nur  ganz 
wenige,  schwer  nachweisbare,  wahrscheinlich  motorische  Fasern  sein. 
Jedenfalls  stammt  die  bei  weitem  größere  und  auf  den  meisten  Prä- 
paraten allein  deutlich  erkennbare  Nervenmasse  lediglich  aus  der 
äußeren  Schicht  des  Radialnerven.  Ein  gleiches  Verhalten  konnte 
Teuscher  (1876)  für  Holothuria  tuhulosa  nachweisen,  während  nach 
Semper  (1868)  bei  Cucumaria  japonica  beide  Schichten  an  der  Bildung 
des  Füßchennerven  beteiligt  sind.  In  einem  etwas  unregelmäßigen 
Verlaufe  folgt  der  Nerv,  wie  überall,  dem  Füßchenkanal;  solange  er 
im  Bindegewebe  der  Haut  verläuft,  legt  er  sich  durchaus  nicht  immer 
an  dessen  Längsmuskulatur  unmittelbar  an,  tut  dies  aber  stets  nach 
dem  Eintritt  in  das  eigentliche  Füßchen.  Niemals  habe  ich  beobachten 
können,  daß  er  auf  diesem  Verlaufe  irgendwie  Verästelungen  in  die 
Haut  oder  zu  den  Muskeln  abgibt,  vielmehr  wird  er  überall  durch  die 
Randzellschicht  von  dem  umgebenden  Bindegewebe  (auch  in  der  Körper- 
haut) membranartig  deutlich  abgegrenzt, 

/)  Hautnerven. 
Schon  bei  der  Besprechung  der  Körperhaut  sahen  wir,  daß  für 
Mesothuria  intestinalis  Sinneszellen,  wie  auch  eine  subepitheliale  Nerven- 
schicht nicht  nachweisbar  sind.  Auf  Schnitten  konnte  ich  nirgendwo 
derartige  Gebilde  feststellen  und  auch  Retzius  (1906)  konnte  an  den 
kleinen,  warzenförmigen  Erhebungen  der  Rückenseite  unsres  Tieres 
keine  Sinneszellen  zwischen  den  polygonalen  Feldern  des  Epidermis- 
mosaiks  nachweisen.  Nur  an  der  Mundscheibe  sah  er  rings  um  die 
Mundöffnung  eine  Mosaikanordnung,  die  derjenigen  der  Endscheibe 
des  Fühlers,  bzw.  Füßchens  glich.  Die  große  Anzahl  und  regelmäßige 
Verteilung  der  Füßchen  über  die  ganze  Körperoberfläche  machen  die 
zwischen  den  Füßchen  vom  Radialnerven  abgehenden  »Interradial- 
nerven«,  die  Semper  (1868),  Danielssen  und  Koren  (1882),  Geroüld 
(1896),  Herouard  (1890)  und  Cuenot  (1891)  bei  andern  Arten  fanden, 
vollständig  überflüssig.  Niemals  bemerkte  ich  Bilder,  wie  sie  Cuenot 
(1891)  für  Cucumaria  cucumis  (Taf.  XXVII,  Fig.  39)  zeichnet,  wo  man 
peripherische,  sich  verästelnde  Nervenzweige  ausgehen  sieht,  die  sich 
direkt  nach  dem  Austritt  in  zwei  Hauptstämme,  den  peripherischen 
Haut-  und  den  Muskelnerv  gabeln.  Da  die  Quermuskulatur  des  Kör- 
pers sich  bis  dicht  an  das  innere  Band  des  Radialnerven  heranzieht, 
so  sind  längere  Nerven  zu  den  Muskeln  natürlich  nicht  notwendig; 
aber  damit  wächst  auch  die  Schwierigkeit,  Muskelnerven  mit  Bestimmt- 
heit als  solche  zu  erkennen  ganz  erheblich  und  wird  noch  vergrößert 


Anat.  u.  histol.  Studien  an  Mesothuria  intestinalis  (Ascanius  u.  Rathke).  215 

durch  die  schon  hervorgehobene  ähnliche  Farbstoffreaktion  der  Muskeln 
und  Nerven.  Die  kurzen  Ausstrahlungen,  die  ich  öfter  von  der  inneren 
Schicht  des  Radialnerven  ausgehen  sah,  kann  ich  nur  als  solche  Muskel- 
nerven betrachten. 

g)  Neuralkanäle. 
Meine  Untersuchungen  über  das  Vorhandensein  eines  Epineural- 
kanals  bei  Mesothuria  stimmen  mit  den  Beobachtungen  aller  früheren 
Forscher  dahin  überein,  daß  man  auf  manchen  Präparaten  solche 
Hohlräume  sieht,  auf  andern  aber  gänzlich  vermißt.  Herouard  (1890) 
und  Becher  (1907)  geben  eine  genaue  Übersicht  über  die  Ansichten 
der  einzelnen  Forscher,  die  zum  Teil  die  in  Frage  stehenden  Hohlräume 
als  Zerreißungen  (Teuscher  1876)  oder  als  zufällige  Spalten  zwischen 
Bindegewebe  und  Nerv  betrachten  (Jourdan  1883),  zum  größeren  Teil 
aber  als  normale  Bildungen  ansprechen,  deren  Lumen  durch  die  ver- 
schiedene Kontraktion  der  Tiere  entsprechend  geändert  wnrd,  und  die 
allzu  heftige  Quetschungen  des  Radialnerven  bei  solchen  Körperzusam- 
menziehungen verhindern  sollen  (Herouard  [1890],  Ludwig  und 
Bartels  [1891],  Gerould[1896],  Becher [1907],  Reimers  [1912]).  Wäh- 
rend nun  Cuenot  (1891)  hauptsächlich  durch  das  Fehlen  eines  Epineural- 
rings  veranlaßt  wird,  auch  die  Epineuralräume  als  »espaces  schizozoeli- 
ques  developpees  apres  coup<<  anzusehen,  machte  mir  bei  unsrer  Art 
das  Vorhandensein  eines  wohlausgebildeten  Epineuralrings  auch  das 
normale  Vorkommen  der  Epineuralkanäle  sehr  wahrscheinlich.  Denn 
ein  solcher  Epineuralring  ist  auf  allen  Längsschnitten  durch  einen  aus- 
gestreckten Schlundkopf  deutlich  zu  sehen.  Da  der  ellipsoidale  Ring- 
nerv nur  auf  der  Unterseite  befestigt  ist,  geht  der  Epineuralring  um 
dessen  beide,  runde  Seiten  herum  und  weist  also  auf  Längsschnitten 
ein  sichelförmiges  Lumen  auf  (Fig.  22).  Er  setzt  sich  dort  oben  am 
Schlünde  deutlich  in  die  Epineuralkanäle,  wie  auch  eine  kleine  Strecke 
weit  in  den  Fühler  fort,  und  hat  jedenfalls  die  Aufgabe,  den  Ring- 
nerven vor  Quetschungen  zu  bewahren,  wenn  das  Tier  seine  Fühler 
über  die  Mimdscheibe  umlegt  und  sie  mit  dieser  in  das  Innere  hinein- 
klappt. Daß  man  auf  Querschnitten  durch  ein  Hautradiale  mehr 
Schnitte  mit  schwer  nachweisbaren  Epineuralkanälen  antrifft,  liegt 
meist  daran,  daß  man  zu  solchen  Schnitten  Heber  gestreckte  als  stark 
gefaltete  Hautstückchen  auswählt.  Daß  die  Ansicht  Teuschers,  die 
Epineuralkanäle  für  bloße  durch  Schnitt  oder  Konservierung  hervor- 
gerufene Zerreißungen  zu  halten,  nicht  so  fern  lag,  zeigen  auch  bei 
Mesothuria  Bilder,  auf  denen  man  Zerreißungen  des  Bindegewebes 


216  Wilhelm  Haanen, 

beobachten  kann,  die  nicht  direkt  an  den  Radialnerven  anschließen, 
sondern  von  ihm  durch  eine  kleinere  Bindegewebslage  getrennt  ist. 
Mit  absoluter  Gewißheit  eine  Epithelschicht  nachzuweisen,  die  einer 
Bindegewebslage  -dicht  anliegt,  ist  bei  unsrer  Art  wegen  der  Feinheit 
dieser  Bindegewebszellen  wie  auch  der  Epithelmembranen  nicht 
einfach,  zumal  die  Kerne  auch  im  Bindegewebe  häufig  sind  und  sich 
nicht  durch  ihre  Form  von  denen  der  Epithellagen  unterscheiden 
lassen.  So  kommt  es,  daß  nur  ganz  unzureichende  Angaben  über  das 
Vorhandensein  eines  epithelialen  Überzuges  des  Epineuralkanals  ge- 
geben wurden.  Nach  Bechers  Angabe  sind  Herouard  (1890)  und  Ge- 
ROULD  (1896)  die  einzigen,  die  einen  solchen  Epithelbelag  auf  der  Außen- 
seite des  Epineuralkanals  haben  finden  können,  während  Becher 
selbst  (1907)  das  Vorkommen  dieser  Epithelschicht  für  Rhabdomolgus 
entschieden  in  Abrede  stellt.  Für  Mesothuria  intestinalis  möchte  ich 
das  Vorkommen  einer  solchen  Epithelkleidung  höchstens  als  sehr  wahr- 
scheinlich hinstellen,  da  ich  an  einzelnen  Stellen  solche  membranhaft 
dünne  Überzüge  an  der  Außenseite  des  Kanals  wahrzunehmen  glaubte, 
und  zwar  meistens  an  Schnitten,  die  gar  kein  eigentliches  Kanallumen 
aufwiesen,  wo  sich  also  die  dünne  Membran  dicht  an  die  Randzellen- 
schicht des  äußeren  Nervenbandes  anlegt  und  so  etwas  deutlicher  her- 
vortritt. 

Dagegen  ist  die  epitheliale  Bekleidung  des  Hyponeuralkanals  (Pseu- 
dohämalkanal  Ludwigs),  dessen  Lumen  auf  allen  Schnitten  viel  klarer 
und  konstanter  erkannt  werden  kann  wie  das  des  Epineuralkanals, 
stets  sehr  gut  nachzuweisen.  Ein  hyponeurales  Ringsystem  fehlt  jedoch 
vollständig,  vielmehr  liegt  der  Ringnerv,  wie  schon  erwähnt,  mit  seiner 
Unterseite  stets  dicht  dem  Bindegewebe  an.  Bei  einer  Ausbildung  eines 
Epi-  und  Hyponeuralringes  würde  wohl  die  Befestigung  des  Nerven- 
rings in  der  Körperwand  nur  eine  sehr  unsichere  und  mangelhafte  sein 
können.  Der  Hyponeuralkanal  zieht  sich  bis  dicht  an  die  Basis  des 
Ringnervs  heran  und  endet  dort  blind,  während  das  ihn  auf  seiner 
Innenseite  begleitende  radiale  Blutgefäß  dort  über  den  Kalkring  um- 
biegt, um  in  der  innersten  Bindegewebsschicht  der  Hauptkanalwandung 
dem  Blutgefäß  zuzueilen.  Bei  unsrer  Art  bestätigt  sich  Sempers  Mei- 
nung, der  ebenfalls  die  Pseudohämalkanäle  oder,  wie  er  sich  ausdrückt, 
die  radialen  Nervenröhren  dicht  unter  dem  Ringnerv  blindgeschlossen 
endigen  läßt,  während  bei  andern  Arten,  z.  B.  Holothuria  tuhulosa  von 
Teuscher  ein  Hyponeuralring  unzweifelhaft  nachgewiesen  sein  soll. 
Eine  Abzweigung  der  Hyponeuralkanales  in  die  Füßchen,  ist  eine  kurze 
Strecke  zu  verfolgen,  verschwindet  aber  sehr  bald  schon  im  Binde- 


Aiuit.  u.  histol.  .Studien  au  Mosotluiria  intestinalis  (Ascanius  u.  Rathke).  217 

gewebe  der  Haut,  so  daß  man  also  auf  Querschuitteii  durch  ein  eigent- 
liches Füßchen  niemals  einen  solchen  Raum  sieht. 

Die  Zusammenfassung  der  obigen  Erörterungen  ergibt  die  den 
pedaten  Holothurien  eigentümliche,  typische  Topographie  des  Radial- 
schnitts durch  die  Körperhaut.  Ein  solcher  Querschnitt  weist  von 
innen  nach  außen  1)  den  Längsmuskel,  2)  das  radiale  Wassergefäß, 
3)  die  radiale  Blutlakune,  4)  den  Hyponeuralkanal,  5)  das  innere, 
6)  das  durch  die  Scheidewand  von  dem  vorigen  getrennte,  äußere 
Nervenband,  7)  den  Epineuralkanal  und  endlich  Bindegewebe  und 
Epithel  der  Haut  auf. 

IX.  Verdauungssystem. 
a)  Morphologie. 
Die  für  die  meisten  Holothurien  charakteristische  Darmwindung 
findet  sich  auch  bei  Mesothuria  intestinalis  in  ganz  ausgesprochener 
Form  wieder,  sodaß  die  Länge  des  Darmrohres  stets  mindestens  das 
2 — 2 1/2 f^ che  der  Körperlänge  beträgt.  Das  Dorsalmesenterium  be- 
festigt den  Darm  zunächst  am  mittleren  Interradius  des  Biviums,  führt 
ihn  bis  dicht  vor  die  Kloake,  biegt  dann  über  den  Radius  um  und  steigt 
im  linken  Interradius  des  Biviums  wieder  empor  bis  ungefähr  zum  vor- 
dersten Drittel,  manchmal  auch  nur  bis  zur  Hälfte  des  Körpers;  dort 
biegt  der  Darm  wieder  um,  indem  er  über  zwei  Radien  hinweg  nunmehr 
im  rechten  Interradius  des  Triviums  seinen  Weg  zur  Kloake  nimmt. 
Die  vier  Abteilungen  des  Darms:  »Ösophagus,  Drüsenmagen,  Dünndarm 
und  Enddarm«  sind  auch  hier  vorhanden,  äußerlich  aber  weder  durch 
ihre  verschiedene  Färbung  noch  durch  verdickte  Wülste  an  den  Über- 
gangsstellen auseinanderzuhalten.  Durch  die  Einmündung  der  Kiemen- 
bäume ist  die  Grenze  zwischen  Dünn-  und  Enddarm,  auch  äußerlich 
hervorgehoben,  während  ich  nur  in  sehr  seltenen  Fällen  die  Grenze 
zwischen  Magen  und  Dünndarm  angedeutet  fand.  Zwischen  Ösopha- 
gus und  Magen  ist  die  Grenze  leicht  dadurch  zu  erkennen,  daß  sich  hier 
die  Membran  ansetzt,  die  weiter  nach  vorn  in  den  Wassergefäßring  und 
die  Hauptkanäle  übergeht.  Schnittserien  lehren,  daß  die  Zotten  des 
Ösophagus  ohne  Unterbrechung  und  ohne  Bildung  einer  Kjeisfalte 
direkt  in  die  des  Magens  übergehen,  an  der  hinteren  Grenze  des  Ma- 
gens allmählich  abnehmen  und  schließlich  ganz  verschwinden.  Öso- 
phagus und  Magen  haben  gleiche  Länge.  Meist  ist  der  Magen  das  kleinste, 
der  Dünndarm  stets  das  bei  weitem  längste  Stück  des  Traktus.  Der 
Schlund  reicht  bis  dicht  hinter  den  Wassergefäßring,  der  Magen  nicht 
sehr  weit  hinter  die  Genital basis,  während  die  drei  Darmschenkel  zur 

Zeitsclirilt  f.  wigsensch.  Zoologie.  CLX.  Bd.  15 


218  Wilhelm  Haanen, 

Hauptsache  vom  Dünndarm  allein  gebildet  werden.  Das  Lumen  des 
Darmrohrs  hängt  natürlich  sehr  von  der  Kontraktion,  bzw.  dem 
augenblicklichen  Inhalt  ab,  ist  aber  im  allgemeinen  im  Ösophagus 
am  kleinsten  und  nimmt  nach  hinten  stetig  zu.  Die  dünnste  Wan- 
dung besitzt,  wie  schon  der  Name  sagt,  der  Dünndarm,  dann  folgen 
Enddarm,  Magen  und  endlich  der  Ösophagus  mit  der  stärksten  Dicke 
seiner  "Wand.  Alle  Wandungen  sind  nach  der  Cölomhöhle  zu  glatt, 
Dünndarm  und  Enddarm  auch  im  Innern,  während  Schlund  und  Magen 
die  bekannten  Längsfalten,  niemals  aber  Querfalten  besitzen.  Durch 
starke  Kontraktionen  kann  sich  auch  die  Dünndarmwand  in  Falten  le- 
gen; diese  fehlen  aber  stets  an  den  ausgedehnten  Stellen  des  Darmrohrs, 
haben  also  nichts  mit  den  Zotten  des  Schlundes  und  Magens  gemein. 
Außer  den  Kiemen  sind  keinerlei  Ausstülpungen  am  Darm  vorhanden. 
Mund  und  After  sind  beide  kreisrund ;  der  erstere  steht  subventral  und 
hat  keinen  besonders  ausgebildeten  Schließmußkel,  während  der  letztere 
stets  genau  terminal  liegt  und  einen  aus  der  Quermuskulatur  des  Darms 
hervorgegangenen  Sphincter  besitzt. 

b)  Histologie. 
Bei  fast  allen  Holothurien  zeigt  die  histologische  Zusammensetzung 
des  Darmrohres  fünf  Schichten:    »Äußeres  oder  Cölomepithel,  äußere 
Bindegewebslage,  die  zweischichtige,  Längs-  und  Ringmuskellage,  das 
innere  Bindegewebe  und  innere  Epithel. 

1.  Ösophagus. 
Das  innere  Epithel  des  Schlundes  ist  von  einer  gut  ausgebildeten, 
stark  lichtbrechenden  Cuticula  überzogen,  die  eine  direkte  Fortsetzung 
der  Hautcuticula  darstellt.  Die  Zellen  sind  kubisch,  von  etwas  un- 
regelmäßiger Gestalt  und  etwa  8  f.i  breit.  Die  Grenzen  der  einzelnen 
Zellen  untereinander  sind  schwer  zu  erkennen,  ihr  Kern  ist  groß  und 
rundlich.  Von  der  darunterliegenden  Bindegewebsschicht  sind  sie  zwar 
nicht  durch  eine  Basalmembran,  wohl  aber  durch  ihre  verschiedene 
Färbung  deutlich  zu  unterscheiden.  Schlauch-  oder  becherförmige 
Drüsenzellen  sind  von  mir  im  ösophagusepithel  nicht  angetroffen  wor- 
den; dagegen  wimmelt  es  direkt  unterhalb  des  Epithels  als  auch  manch- 
mal zwischen  den  Epithelzellen  selbst  von  den  oben  beschriebenen 
körnchentragenden  Plasma wanderzellen,  die  somit  beim  Stoffwechsel 
irgend  eine  Rolle  spielen  müssen.  Wie  in  allen  Teilen  des  Darms  ist 
auch  im  Ösophagus  das  innere  Bindegewebe  die  am  kräftigsten  ent- 
wickelte Gewebslage.   Mit  dem  Epithel  zusammen  stülpt  sie  sich  nach 


i 


Anat.  u.  liistol.  Studien  au  Mesothuria  intestinalis  (Ascanius  u.  Rathke).  219 

innen  zu  den  längsverlaufondon  Zotten  aus,  die  an  dem  inneren  Ende 
jstets  mehr  oder  weniger  rundlich  aussehen  im  Gegensatz  zu  den  Zotten 
des  Magens,  die  zum  größten  Teil  nur  von  Drüsen-  und  Epithelzellen 
gebildet  werden  und  innen  etwas  abgeflacht  sind.  Eine  eigentliche 
Blutlacunenschicht  gibt  es  bei  Mesothuria  nicht,  wohl  aber  dient  das 
gesamte  innere  Bindegewebe  zur  Verteilung  der  Blut-  und  Wander- 
zellen, die  überall  in  sehr  großer  Zahl  zwischen  den  Lücken  sichtbar 
sind.  Bemerkenswert  ist,  daß  diese  innere  Bindegewebsschicht  Fasern, 
und  zwar  manchmal  in  ganz  beträchtlicher  Anzahl  durch  die  andern 
nach  außen  gelegenen  Schichten,  also  auch  durch  die  beiden  Muskel- 
lagen hindurch  nach  außen  in  die  Aufhängestränge  des  Schlundkopfs 
sendet  (Fig.  23  s),  eine  Eigentümlichkeit,  die  bei  der  ganz  außergewöhn- 
lich schwachen  Ausbildung  der  äußeren  Bindegewebsschicht  nicht  all- 
zusehr überrascht.  Das  innere  Bindegewebe  besteht  im  allgemeinen 
aus  sehr  feinen  Fasern,  die  niemals  die  Dicke  erreichen  wie  die  Binde- 
gewebsfasern der  Körperhaut.  An  der  Außenseite  befindet  sich  stets 
ein  Ring  von  großen,  rundlichen  Hohlräumen,  in  denen  die  sehr  kräf- 
tigen Längsmuskelfasern  verlaufen.  Dann  erst  folgt  nach  außen  die 
ebenfalls  stark  ausgebildete  Ringmuskellage,  so  daß  der  Ösophagus 
die  sogenannte  regelmäßige  Muskelanordnung  aufweist.  Alle  übrigen 
Darmteile  haben  die  entgegengesetzte  Muskellagerung,  indem  dort 
die  meist  sehr  schwache  Längsmuskulatur  außerhalb  der  Ringmuskel- 
schicht liegt.  Eine  derartige  Umlagerung  der  Muskelschichten  im 
Darmverlaufe  stellten  schon  Jourdan  (1885)  und  Hamann  (1884)  bei 
Holothuria  tuhulosa  fest,  bei  der  genau  dieselben  Verhältnisse  auftreten 
wie  bei  unsrer  Art.  Die  beiden  Autoren  widersprechen  sich  zwar,  in- 
dem der  erstere  die  Umlagerung  schon  vor,  der  letztere  erst  hinter  dem 
Magen  erfolgen  läßt.  Vergleicht  man  aber  Hamanns  Tabelle  (1884, 
S.  74)  mit  seiner  Abbildung  46,  so  besteht  kein  Zweifel,  daß  in  der 
Tabelle  ein  Druckfehler  vorliegt,  daß  also  Jourdans  Darstellung  die 
richtige  ist. 

Die  Lageänderung  der  Muskelschichten  kommt  lediglich  durch 
eine  Umlagerung  der  Längsmuskelschichten  zustande.  Die  Ring- 
muskellage des  Schlundes  geht  also  unmittelbar  in  die  des  Magens 
über,  während  die  Längsmuskelschicht  am  Ende  des  Ösophagus  all- 
mählich verschwindet,  um  im  Magen  an  der  Außenseite  der  Ringmuskeln 
in  ganz  erheblich  schwächerer  Ausbildung  wieder  aufzutreten.  Jour- 
dan bringt  diese  Umlagerung  der  Muskellagen  in  Zusammenhang  mit 
der  bekannten  Tatsache,  daß  sehr  viele  Holothurien  bei  starken  Rei- 
zungen den  Darm  hinter  dem  Schlünde  leicht  abreißen  und  ausstoßen. 

lö* 


220  Wilhelm  Haanen, 

Daß  auch  Mesothuria  intestinalis  von  dieser  Gewohnheit  nicht  ab- 
weicht, erkennt  mau  an  meinen  in  Alkohol  konservierten  Exemplaren 
sehr  leicht,  da  sie  fast  alle  keinen  Darm  mehr  besitzen.  Aber  alle  diese 
Tiere  haben  ihre  Geschlechtsteile  unversehrt  bewahrt,  und  da  die 
Genitalbasis  stets  am  Magen,  also  unterhalb  der  Übergangsstelle  liegt, 
so  sieht  man  schon  äußerlich,  daß  die  Abschnürung  des  Darms  niemals 
unmittelbar  an  der  Stelle  stattfindet,  wo  die  oben  geschilderte  Muskel- 
umlagerung  vor  sich  geht,  sondern  stets  mehr  oder  weniger  nahe  der 
hinteren  Magengrenze.  Die  überaus  starke  Entwicklung  der  beiden 
Muskelschichten  im  Ösophagus,  der  hier  die  Rolle  des  sogenannten 
Muskelmagens  der  Dendrochiroten  vertreten  muß,  könnte  wohl  mit 
der  Nahrungszerkleinerung  in  Verbindung  stehen;  denn  da  dem  Tiere 
jegliche  Bewehrung  durch  Zähne  fehlt,  können  nur  die  Muskelkontraktio- 
nen eine  solche  Nahrungszerkleinerung  dadurch  herbeiführen,  daß  sie 
die  stets  mitgeschluckten  körnigen  Schlammteilchen  zu  reibenden  und 
mahlenden  Bewegungen  veranlassen.  Daß  die  Muskulatur  des  ecto- 
dermalen  Schlundes  am  vorderen  Körperende  in  keinem  Zusammen- 
hange mit  der  Hautmuskulatur  des  Körpers  steht,  habe  ich  schon  in 
einem  früheren  Abschnitt  betont. 

Die  äußere  Bindegewebsschicht  ist  bei  unsrem  Tiere  ganz  außer- 
ordentlich schwach  ausgebildet,  und  nur  an  seltenen  Stellen  sind  Fasern 
deutlich  wahrnehmbar.  Ein  Vergleich  der  Literaturangaben  zeigt, 
daß  diese  äußere  Bindegewebslage  im  Darm  nur  bei  den  Dendrochi- 
roten stark,  bei  allen  andern  Holothurien  aber  nur  sehr  schwach  ent- 
wickelt ist.  Becher  vermißt  sie  (1907)  bei  Rhabdomolgus  gänzlich. 
Ohne  Zweifel  hat  der  letztgenannte  Autor  recht,  wenn  er  annimmt, 
daß  »die  beiden  Bindegewebsschichten  des  Darms  keine  scharf  trenn- 
baren morphologischen  Bildungen,  sondern  eine  einzige  Schicht  bilden, 
die  nur  durch  die  Muskulatur  in  zwei  Lagen  gesondert  wird«.  Ent- 
wicklungsgeschichtlich werden  diese  Schichten  einheithch  angelegt 
und  müssen  dadurch  entstehen,  daß  die  sämtlichen,  ursprünglich  epi- 
thelialen Muskelzellen  sich  vom  Cölomepithel  emanzipieren  und  in 
die  Bindegewebsschicht  gelangen«.  Bei  Besprechung  der  Körperhaut 
unsres  Tieres  habe  ich  schon  darauf  aufmerksam  gemacht,  daß  auch 
in  der  Haut  eine  solcheVerlagerung  der  Quermuskulatur  in  das  Binde- 
gewebe sehr  häufig  zu  beobachten  ist,  und  zwar  ist  hier  diese  Umla- 
gerung  stets  sehr  viel  deutlicher  als  im  Darm.  Übrigens  ist  es  nicht 
einfach,  im  Ösophagus  eine  solche  äußere  Bindegewebsschicht  ganz 
einwandfrei  nachzuweisen,  da  die  durch  die  Muskellagen  hindurch- 
gehenden bindegewebigen  Stränge  der  inneren  Schicht  wie  auch  die 


Anat.  u.  histol.  Studien  an  Mesothuria  intestinalis  (Ascanius  u.  ^athke).  221 

unregelmäßige  Aiißenepitlielbildung  die  Klarheit  des  Bildes  sehr  be- 
einträchtigen. Wie  das  Cöloniepithel  der  Haut,  besteht  auch  das  Aiißen- 
epithel  des  Schlundes  aus  protoplasmaarmen  Zellen,  die  alle  einen 
großen,  runden  Kern  tragen.  Nur  treten  sie  hier  bedeutend  häufiger 
auf  und  liegen  sehr  dicht  nebeneinander.  Bei  stark  kontrahiertem 
Schlünde  kommt  es  häufig  zu  Faltenbildungen,  die  ein  ganz  eigenartiges 
wie  zerfetztes  Aussehn  des  Randes  bedingen. 

2.  Magen. 
Wie  alle  Aspidochiroten  besitzt  Mesothuria  einen  Drüsenmagen, 
denn  zu  einem  »Muskelmagen«,  wie  ihn  die  Dendrochiroten  besitzen, 
fehlt  eine  stärkere  Ausbildung  der  Muskulatur,  die  im  Gegensatz  zu 
der  des  Schlundes  sehr  schwach  genannt  werden  muß,  und  außerdem 
ist  das  innere  Epithel  mit  einer  sehr  großen  Masse  kolbiger  Drüsenzellen 
ausgestattet,  die  sich  durch  Dahlia  oder  ÜELAFiELDsches  Hämatoxylin 
außerordentlich  scharf  blau  färben  und  dadurch  immer  sehr  deutlich 
nachzuweisen  sind.  Diese  Zellen  befinden  sich  so  massenhaft  im  Magen- 
epithel, daß  die  eigentlichen  Epithelzellen,  deren  Kerne  an  der  Basis 
der  Drüsenzellenschicht  zusammengehäuft  liegen,  und  die  feine  spitz 
zulaufende  Stützzellen  darstellen,  auf  Schnittpräparaten  nur  selten  zu 
bemerken  sind.  Ja,  die  eignen  Zellgrenzen  dieser  Drüsen  werden  durch 
die  starke  Färbbarkeit  meist  etwas  verwischt,  doch  kann  man  erkennen, 
daß  sie  das  nur  wenig  verdickte  Ende  ihrer  kolbenförmigen  Gestalt 
dem  Lumen  des  Darms  zukehren.  Ihre  Kerne,  von  denen  der  Stütz- 
zellen zu  unterscheiden,  ist  auf  Schnitten  ganz  unmöglich.  Während 
Hamann  (1884),  Jourdan  (1883)  und  Becher  (1907)  das  Magenepithel 
von  einer  gut  ausgebildeten  Cuticula  überzogen  fanden,  die  bei  Rhab- 
domolgus  die  Höhe  des  kubischen  Epithels  manchmal  noch  übertreffen 
soll,  fehlt  eine  derartige  Cuticularbildung  im  Magen  von  Mesothuria 
vollständig.  Vielmehr  erscheint  die  Oberfläche  dieser  etwa  0,019  mm 
breiten  Drüsenzellenschicht  stets  mehr  oder  weniger  wellig,  da  die 
rundHchen  Enden  der  einzelnen  Drüsenzellen  direkt  in  das  Lumen 
des  Magens  hineinragen  (Fig.  30).  Der  Inhalt  dieser  Drüsen  besteht 
aus  ziemlich  engmaschigen  Protoplasmasträngen,  zwischen  denen  ganz 
kleine  Vacuolen  sichtbar  sind.  Epithel-  und  Drüsenzellen  sind  gegen 
das  innere  Bindegewebe  durch  eine  feine,  dünne  Basalmembran  sehr 
scharf  abgegrenzt.  Die  W^anderzellen  im  Bindegewebe  sind  ebenso 
häufig  wie  im  Ösophagus.  Das  innere  Bindegewebe  ist  schwächer  ent- 
wickelt wie  im  Schlund  und  entbehrt  des  Vacuolenringes.  Man  findet 
zuweilen  im  Bindegewebe  feine,  helle,  nicht  färbbare  Körnchen,  die 


222  Wilhelm  Haauen, 

den  Pigmentkörnern  der  Haut  gleichen  und  nur  viel  kleiner  sind,  zu 
kleinen  Häufchen  vereinigt.  Es  sind  das  dieselben  Körnchen,  die  meist 
farblos  in  großen  Massen  in  den  Befestigungssträngen  des  Schlund- 
kopfs zu  finden  sind.  An  der  Übergangsstelle  zwischen  Schlund  und 
Magen  füllen  solche  Körnchen  fast  das  ganze  innere  Bindegewebe. 
Beide  Muskelschichten  sind  auch  im  Magen  immer  deutlich  wahrzu- 
nehmen, die  Ringmuskelschicht  stets  besser  als  die  Längsmuskelschicht. 
Die  äußere  Bindegewebslage  besteht  auch  hier  nur  aus  wenigen  Fasern 
und  das  Außenepithel  ist  deutlich  bewimpert.  Im  hinteren  Teil  des 
Magens  werden  die  Zotten  kleiner  und  tragen  schließlich  wenig  oder 
gar  keine  Drüsenzellen  mehr,  deren  Platz  dann  von  cylindrischen 
Epithelzellen  mit  großem,  länglichen  Kern  eingenommen  wird.  Hier  ist 
dann  die  Basalmembran  zwischen  Epithel  und  Bindegewebe  noch  besser 
zu  erkennen  als  im  eigentlichen  drüsigen  Teil  des  Magens. 

3.  Dünndarm. 
Das  Innenepithel  des  Dünndarms  bildet  keine  Zotten  mehr  und 
besteht  aus  6  /.i  hohen,  kubischen  Epithelzellen  mit  rundlichem  Kern. 
Alle  Schichten  sind  weniger  stark  als  in  den  übrigen  Teilen  des  Traktus 
ausgebildet,  aber  doch  immer  einwandfrei  nachzuweisen.  Am  schwie- 
rigsten überzeugt  man  sich  auch  hier  von  dem  Vorhandensein  der 
äußeren  Bindegewebslage  und  die  Längsmuskelschicht  ist  ebenfalls  sehr 
dünn ;  sie  besteht  aus  einzelnen  feinen  Fasern,  die  oft  durch  Zwischen- 
räume getrennt  sind.  Die  Längsmuskellage  tritt  somit  bei  unsrem  Tier 
in  allen  Teilen  des  Tractus  sehr  gegen  die  Ringmuskelschicht  zurück. 
Das  gleiche  Verhalten  bemerken  Hamann  (1884)  und  Jourdan  (1883) 
für  Holothuria  tubulosa,  während  Becher  für  Rhabdomolgus  über  eine 
stärkere  Ausbildung  der  Längsmuskulatur  berichtet. 

4.  Enddarm. 
Der  Enddarm,  der  wegen  der  Einmündung  der  Kiemenbäume  die 
Bezeichnung  Cloake  verdient,  zeigt  keine  Gliederung  in  Colon  und  Rec- 
tum wie  bei  Rhabdomolgus  (Becher)  oder  in  Dickdarm  und  Cloake 
wie  bei  Caudina  (Gerould  1896).  Sein  Aufbau  gleicht  im  allgemeinen 
dem  des  Dünndarms  am  meisten,  wobei  jedoch  sämtliche  Lagen,  ins- 
besondre das  innere  Bindegewebe  wieder  verbreitert  sind.  Bei  stärkeren 
Kontraktionen  treten  faltige  Einstülpungen  des  Innenepithels  in  das 
Lumen  auf,  die  aber  stets  ein  unregelmäßiges  Aussehn  zeigen  und  nicht 
im  mindesten  mit  Zotten,  wie  sie  im  Schlund  und  Magen  vorkommen, 
vergleichbar  sind.  Wie  im  Magen  und  Dünndarm  zeigt  das  Innen- 
epithel keine   nachweisbare   Cuticula   und   auch   die   Anordnung   der 


Aiuit.  u.  histol.  Studien  an  Mcsotluiria  intestinalis  (Ascanius  u.  Rathkc).   223 

Muskelschichten  ist  die  gleiche  wie  dort.  So  zeigt  also  der  ectodermale 
Enddarm  in  seinem  histologischen  Aufbau  viel  mehr  Anklang  an  die 
entodermalen  Darniteile  wie  an  den  gleichfalls  ectodermalen  Ösophagus, 
und  die  entwicklungsgeschichtliche  Entstehung  dieser  so  verschiedenen 
Bilder  genauer  zu  verfolgen,  wäre  sicherlich  von  Interesse. 

X.  Kiemenbäume. 

Die  Kiemenbäunie  sind  bei  Mesoihuria  sehr  wohl  entwickelt  und 
stellen  längliche  Schläuche  dar,  die  bis  zum  vordersten  Körperende 
reichen  können  und  mit  kleinen,  rundlichen  blasenförmigen  Ausstül- 
pungen unregelmäßig  besetzt  sind.  Die  Länge  der  Schläuche  sowie 
die  Form  und  Zahl  der  Ausstülpungen  hängen  sehr  von  dem  Kon- 
traktionszustand der  Kieme  ab,  so*  daß  diese  Stellen  aufweisen  kann, 
wo  sie  ohne  jede  Ausstülpung  einem  einfachen  Sacke  gleicht,  während 
in  andern  Teilen  die  sonst  beerenförmigen  Aussackungen  selbst  wäeder 
zu  sekundären  Blasen  verästelt  erscheinen.  Beide  Kiemenbäume  zeigen 
sich  nicht  immer  gleich  groß;  da  aber  bald  die  linke,  bald  die  rechte 
Kieme  größer  und  in  vielen  Fällen  überhaupt  kein  Größenunterschied 
wahrzunehmen  ist,  wird  die  Annahme  notwendig,  daß  sie  beide  in  glei- 
chem Kontraktionszustand  gleiche  Größe  haben.  Demgegenüber  hat 
Marenzeller  (1893)  »sekundäre  Arme«  bei  Mesothuria  venllii  niemals 
gesehen  und  meint  auch,  daß  die  rechte  Kieme  ein  »wenig«  länger  als 
die  linke  sei.  Bei  sehr  großen  Exemplaren  werden  die  seitlichen  Bläs- 
chen sehr  dick  und  groß  (bis  zu  1,5  cm),  w^ährend  sie  bei  kleineren  und 
mittleren  Tieren  nur  wenige  Millimeter  erreichen.  Daher  ist  hier  kein 
Unterscheidungsmerkmal  zwischen  Mesothuria  intestinalis  und  verillii 
zu  suchen,  wie  das  jVL4.renzeller  meint,  wenn  er  von  der  letzteren 
sagt:  >>Les  coecums  sont  gros,  plus  petits  toutefois  que  chez  Holothuria 
intestinalis«. 

In  der  Ausbildung  von  zwei  typischen  Kiemen  gleicht  Mesothuria 
intestinalis  den  Holothuriiden  mehr  als  den  Elpidiiden,  von  denen  die 
meisten  gar  keine  und  nur  wenige  einen  einzigen  kleinen  BUndsack  an 
Stelle  der  Kiemen  aufzuweisen  haben.  Die  getrennte  Einmündung  der 
Kiemen,  die  Ludwig  (1889 — 1892)  phylogenetisch  als  sekundäre  Er- 
scheinung von  dem  einzigen  Blindsack  der  Elpidiiden  abzuleiten  ge- 
neigt ist,  begegnet  uns  sonst  nur  noch  bei  den  Dendrochiroten.  Von  den 
beiden  getrennten  Einmündungssteilen,  die  sich  stets  seitlich  an  den 
Enddarm  ansetzen,  gehen  die  Kiemenschläuche  eine  kleine,  etwa  V2 
bis  3/^  cm  lange  Strecke  mit  ziemlich  engem  Durchmesser  ohne  jede 
Ausstülpung  oder  Verzweigung  aus,   entsenden  dann  aber  zuweilen 


224  Wilhelm  Haanen, 

einen  oder  wenige  Nebenäste,  die  bedeutend  größer  als  die  nun  folgen- 
den bläschenförmigen  Aussackungen  sind  und  stets  sekundäre  Ver- 
zweigungen tragen.  Nur  selten  kommt  es  vor,  daß  weiter  nach  der 
Spitze  zu  ein  größerer  Ast  abgegeben  wird,  oder  daß  die  Kieme  dicho- 
tom  in  zwei  Ästen  endigt.  Schon  Teuscher  (1876)  und  nach  ihm 
Heeouard  (1890)  halten  Sempers  Ansicht,  daß  die  Kiemen  durch  feine 
Poren  mit  der  Leibeshöhle  in  Verbindung  stehen,  für  irrig.  Der  erstere 
z.  B.  hat  solche  Poren  niemals  finden  können  und  auch  die  Gewebsteile 
an  jenen  Stellen  deuten  seiner  Ansicht  nach  auf  ein  derartiges  Verhalten 
nicht  hin.  Er  hält  es  überdies  für  unmöglich,  daß  Wasser  durch  fco 
feine  Öffnungen  gegen  weiche  Wände  zurückzufließen  vermöge.  Meine 
Beobachtungen  an  Mesothuria  intestinalis  geben  diesen  Ausführungen 
vollkommen  recht.  Denn  weder  euf  Schnittfolgen,  noch  an  aufge- 
hellten Totalpräparaten  konnte  ich  Öffnungen  an  den  Kiemen  wahr- 
nehmen. Auch  existieren  hier  keine  solchen  sphincterartigen  Gebilde, 
wie  Semper  sie  für  Holothuria  tenuissima  zeichnet,  und  die  auf  ein  Vor- 
handensein von  Poren  hindeuten  könnten.  Vielmehr  sind  alle  diese 
Bläschen,  auf  deren  Endpunkt  eine  Öffnung  liegen  könnte,  bei  unserm 
Tiere  in  ausgespanntem  Zustand  rundliche  Gebilde,  die  überall  die  gleiche 
dünne  Membran  besitzen  und,  da  sie  äußerst  durchschimmernd  sind, 
die  innere  Epithelschicht  als  unklaren  Saum  durchblicken  lassen.  Auch 
histologisch  lassen  sich  in  ihnen  keine  besondern  Muskeln  entdecken, 
die  zur  Schließung  solcher  Poren  dienen  könnten.  Da  ferner  ein  Durch- 
dringen von  Wasser  durch  eine  so  feine  Wandung  auf  osmotischem 
Wege  durchaus  nicht  unmöglich  ist,  kann  ich  mir  von  der  Existenz 
solcher  Öffnungen  keinen  absehbaren  Zweck  oder  Nutzen  versprechen. 
Die  Lage  der  Kiemen  im  Cölomraum  zeigt  im  allgemeinen  die 
gewöhnliche,  bei  vielen  andern  Holothurien  vorkommende  Anordnung 
daß  die  linke  im  ventralen  linken,  die  rechte  im  dorsalen  rechten  Inter- 
radius  liegt,  kann  aber  bei  den  konservierten  Exemplaren  nicht  genau 
festgestellt  werden  und  wird  wohl  auch  beim  lebenden  Tier  innerhalb 
gewisser  Grenzen  schwanken.  Denn  die  Kiemen  sind  in  ihrem  bläschen- 
tragenden Teil  nirgendwo,  weder  an  der  Körper-  noch  an  der  Darm- 
wand, befestigt,  sondern  ragen  frei  in  die  Leibeshöhle  hinein.  Einige 
wenige  Suspensorien  finden  sich  an  dem  untersten,  nicht  mit  Aus- 
stülpungen versehenen  Kiementeil  und  befestigen  diesen  an  der  Körper- 
wand, wie  das  ebenfalls  die  Suspensorien  des  Enddarms  tun.  So  ist 
es  leicht  erklärlich,  daß  man  bei  einem  aufgeschnittenen  Tier  die  links 
ansetzende  Kieme  in  der  rechten  Körperhälfte  und  umgekehrt,  oder 
daß  man  den  Dünndarm  von  einer  Kieme  umschlungen  vorfinden  kann. 


Anat.  u.  liistol.  Stiulicn  an  Mesothuria  intestinalis  (Ascanius  u.  Bathke).  225 

Obwohl  nun  bei  Mesothuria  kein  Gefäßwundernetz  ausgebildet  ist  und 
daher  von  einer  engeren  Verschlingung  der  linken  Darmkieme  mit 
einem  solchen  keine  Rede  sein  kann,  bedingt  die  deutliche  Windung 
des  Darmrohres  doch  in  den  meisten  Fällen  die  natürliche  »Stellung 
der  Kiemen. 

Als  direkte  Ausstülpungen  des  Darmes  zeigen  die  Kiemenbäume 
denselben  histologischen  Aufbau  wie  dort.  Auf  das  wimpernde,  äußere 
Cölomepithel  folgen  die  Längsmuskeln,  die  ebenfalls  spärlich  in  einer 
noch  schwieriger  nachzuweisenden  äußeren  Bindegewebslage  liegen. 
Ringmuskeln  und  inneres  Bindegewebe  sind  durchweg  kräftiger  ent- 
wickelt. Das  Innenepithel  besteht  aus  kubischen  Zellen,  an  denen  ich 
nirgendwo  Wimpern  auch  nur  angedeutet  fand. 

Herouard  schreibt  (1890)  den  Kiemenbäumen  eine  vierfache 
Funktion  zu,  indem  er  sie  als  »Gleichgewichtsorgane«  auffaßt,  die  der 
»Atmung«  und  »Exkretion <<,  wie  wahrscheinlich  auch  der  »Bildung 
von  Wanderzellen«  dienen.  Die  Bedeutung  der  Kiemen  als  Atmungs- 
organe ist  so  oft  bewiesen  und  stets  so  deutlich  betont  worden,  daß  es 
unnütz  wäre,  hier  darauf  zurückkommen  zu  wollen.  Auch  als  Gleich- 
gewichtsorgane können  sie  sehr  wohl  angesehen  werden,  da  sie  durch 
Vergrößerung  ihres  Volumens  das  spezifische  Gewicht  des  Tieres  zu 
ändern  imstande  sind,  obwohl  Kontraktionen  des  ganzen  Körpers  den- 
selben Erfolg  herbeiführen  können.  Die  exkretorische  Funktion  der 
Kiemen  erkennt  Herouard  in  der  Beobachtung,  daß  das  von  dem  After 
ausgestoßene  Wasser  stets  zellige  Elemente  enthält.  Ob  das  auch  für 
Mesothuria  intestinalis  der  Fall  ist,  konnte  ich  wegen  Mangels  an  leben- 
dem Material  nicht  feststellen.  Auf  Quer-  und  Längsschnittserien  sah 
ich  jedoch  niemals  eine  besondre  Ausbildung  des  Inneuepithels  und 
auch  die  Wanderzellen  treten  dort  nicht  häufiger  als  an  den  übrigen 
Teilen  des  Tieres  auf.  Wenn  sich  die  Vermutungen,  die  ich  in  dem  Ab- 
schnitt über  die  Wanderzellen  in  betreff  der  Exkretion  niedergelegt 
habe,  bestätigen  sollten,  so  wird  die  Exkretionstätigkeit  der  Kiemen, 
wenn  auch  nicht  ganz,  so  doch  größtenteils  entbehrlich. 

Ebenso  folgt  aus  meinen  obigen  Angaben,  daß  ich  bei  unsrem  Tier 
keinerlei  beweiskräftige  Stützpunkte  finden  konnte  für  Herouards 
Ansicht,  daß  Wanderzellen  in  der  Kiemenwanduug  gebildet  werden. 

XI.  Aufhängestränge  des  Schlundkopfs  und  Enddarms;  Mesenterien. 

Ganz  unregelmäßig  verlaufende  ziemlich  dicke  Suspensorien  be- 
festigen Hauptkanäle  und  Wassergefäßring  an  der  Speiseröhre  und 
durchziehen  in   überaus  großer  Zahl  senkrecht  zur  Körperachse  den 


226  Wilhelm  Haanen, 

von  Semper  Schlundsinus  genannten  Teil  der  Leibeshöhle.  In  allen 
Teilen  dieses  Schlundsinus,  auch  schon  unterhalb  des  Gefäßringes  treten 
die  bindegewebigen  Stränge  auf,  die  dadurch  in  Gegensatz  zu  den 
meisten  daraufhin  untersuchten  Holothurien  treten,  daß  sie  stets  in 
Zusammenhang  mit  der  inneren  Bindegewebslage  des  Ösophagus  stehen. 
Neuerdings  hat  Becher  (1907)  dieses  Zusammenhängen  des  Binde- 
gewebes der  Suspensorien  und  der  inneren  Lage  des  Darms  auch  bei 
Rhabdomolgus  gesehen,  wo  allerdings  eine  äußere  Bindegewebsschicht 
gänzlich  fehlen  soll.  Das  Bindegewebe  dringt  in  sehr  feinen  Strängen 
durch  die  Muskelschichten  des  Schlundes,  vereinigt  sich  aber  sehr  bald 
zu  den  oben  beschriebenen  dickeren  Suspensorien  (Fig.  23  s).  Zum 
größten  Teil  ist  das  Bindegewebe,  das  die  Hauptmasse  der  Suspensorien 
ausmacht,  mit  dem  Cölomepithel  überkleidet,  doch  kann  man  zu- 
weilen ganz  feine  Faserbündel  auch  ohne  diese  Bekleidung  aus  dem 
Ösophagus  austreten  sehen.  Muskulatur  ist  auf  den  dickeren  Strängen 
stets  sehr  deutlich  nachweisbar  und  ebenso  wie  beim  Gekröse  meist 
auf  beiden  Seiten  des  Stranges  ausgebildet.  Um  als  Antagonisten  der 
Schlundmuskulatur  dienen  zu  können,  verlaufen  diese  Muskelfasern 
fast  durchweg  in  der  Längsrichtung  der  Stränge  und  auch  die  Faser- 
bündel des  Bindegewebes  bevorzugen  diese  Anordnung.  Für  den  Blut- 
kreislauf spielen  die  Aufhängestränge  des  Schlundkopfs  dadurch  eine 
wichtige  Rolle,  daß  sie  Träger  aller  Arten  der  Blut-  und  Wanderzellen 
sind  und  so  die  vom  Blutring  die  innere  Hauptkanalwandung  empor- 
steigenden Blutzellen  in  die  inneren  Darmschichten  gelangen  lassen. 
In  ganz  besonders  großer  Zahl  sammeln  sich  in  diesen  Suspensorien 
die  Wanderzellen,  deren  Einschlußkügelchen  sich  wie  Chromatin  färben 
lassen.  Auch  findet  man  hier  sehr  häufig  Ansammlungen  von  kleinen, 
runden  pigmentähnlichen  Körnchen,  die  sich  bei  den  meisten  Färbungen 
nicht  mitfärben. 

Die  Aufhängestränge  des  Enddarms  zeigen  sich  stets  kräftiger 
entwickelt,  als  die  des  Schlundkopfes,  sind  aber,  was  Zahl,  Bau  und 
Anordnung  anlangt,  den  ersteren  vollkommen  ähnlich.  Sie  sind  stets 
länger  als  die  des  Schlundkopfes,  weil  sie  bis  zur  Körperwand  eine  wei- 
tere Strecke  zurückzulegen  haben  als  jene  bis  zur  Wand  der  Haupt- 
kanäle. Die  Stränge  an  den  Radien  sind  durch  ihre  Größe  vor  denen 
der  Interradien  nicht  bevorzugt  wie  bei  Rhabdomolgus  und  nur  selten 
trifft  man  Suspensorien,  die  sich  an  den  Längsmuskel  der  Haut  an- 
setzen. Den  Zusammenhang  ihres  Bindegewebes  mit  der  inneren 
Bindegewebsschicht  des  Enddarmes  hat  schon  Ludwig  (1889 — 92)  aus 
Hamanns  Angaben  (1883,  2)  erschlossen  und  nach  ihm  Becher  für 


Anat.  u.  histol.  Studii'u  an  Mcsothuria  intestinalis  (Ascanius  u.  Rathke).  227 

Rhabdomolgus  bestätigen  können.  Auch  bei  Mesothuria  ist  dieser  Zu- 
sammenhang außerordentlich  deutlich  und  viel  besser  zu  konstatieren 
als  beim  Ösophagus,  weil  die  Suspensorien  hier  nicht  in  dünneren 
Strängen,  die  sich  später  vereinigen,  sondern  sofort  mit  breiter  Basis 
vom  Darme  auszugehen  pflegen  (Fig.  28  s).  Die  Muskulatur  ist  kräf- 
tiger als  bei  den  Schlundsuspensorien,  ja  meist  auch  stärker  noch  als 
die  des  Enddarmes  selbst.  Die  Wanderzellen  sind  häufig,  jedoch  fehlen 
die  pigmentartigen  Körnchen  der  Schlundsuspensorion. 

Das  Mesenterium  befestigt  den  Darmtractus  an  der  Körperwand 
und  gibt  durch  seinen  ge^^^lndenen  Verlauf  die  gleiche,  weiter  oben 
schon  hervorgehobene,  typische  Drehung  des  Darmes  an.  Den  drei 
Darmschenkeln  entsprechend  nennt  Ludwig  (1889 — ^92)  das  Mesenterium 
des  ersten  Schenkels  das  dorsale,  das  des  zweiten  das  linke  und  das 
des  dritten  das  rechte  Mesenterium  und  hebt  hervor,  daß  die  Ansatz- 
stellen dieser  Mesenterien  durchaus  nicht  immer  genau  in  der  Mittel- 
linie der  betreffenden  Interradien  zu  liegen  brauchen.  Bei  Mesothuria 
intestinalis  läuft  die  Ansatzlinie  des  dorsalen  Mesenteriums  genau  in 
der  Mittellinie  des  mittleren  Interradius  des  Biviums,  das  linke  durch- 
quert den  linken  Interradius  derselben  Körperhälfte  diagonal  in  einer 
etwas  steilen  Richtung,  während  das  rechte  Mesenterium  sich  dem  mitt- 
leren Längsmuskel  des  Triviums,  wenigstens  in  seinem  unteren  Teile, 
sehr  nahe  anlegt.  Die  ziemlich  breiten  Mesenterien  befestigen  sich  an 
der  Haut  durch  kleine  bindegewebige  Stränge,  so  daß  man  dicht  an  der 
Ansatzlinie  eine  Reihe  oft  winzig  kleiner  Löcher  bemerkt.  Sonst  sind 
solche  löcherartigen  Durchbrechungen  der  Wand  selten  und,  wenn  sie 
auftreten,  sehr  klein.  Nur  beim  Übergang  des  dorsalen  Mesenteriums 
in  das  linke  und  des  linken  in  das  rechte  treten  solche  Löcher  konstant 
auf  und  bedingen  dadurch  dort  ein  netzartiges  Aussehen  des  Mesen- 
teriums. An  diesen  Stellen  ist  das  Band  auch  etwas  breiter  als  an  den 
übrigen,  ohne  indes  den  Namen  Mesenterialtaschen  zu  verdienen.  Am 
vorderen  Körperende,  direkt  am  Schlundkopf,  läßt  das  Dorsalmesen- 
terium  stets  einen  kleinen,  rundlichen  Ausschnitt  frei,  durch  den  die 
Leibeshöhlenflüssigkeit  von  einer  Körperhälfte  in  die  andre  übertreten 
kann.  Das  Dorsalmesenterium  umhüllt  nicht  nur  den  Ausführgang  der 
Geschlechtsorgane,  sondern  auch  den  Steinkanal,  der  in  seinem  ganzen 
Verlaufe  nicht  aus  dem  Mesenterium  heraustritt.  Ferner  wird  der  später 
zu  besprechende  Geschlechtssinus  wie  auch  der  Nebenschlundsinus 
vom  Dorsalmesenterium  gebildet.  Die  Ähnlichkeit  dieses  Mesenteriums 
mit  den  Suspensorien  in  histologischer  Beziehung  ist  schon  mehrfach 
auch  für  andre  Holothurien  betont  worden  (Lüdavig  1889 — 92,  Becher 


228  Wilhelm  Haanen, 

1907).  Beiderseits  liegen  unter  den  flachen  Plattenepithelzellen  des 
Cölomepitliels  spärlich  entwickelte  Muskelfasern,  die  fast  stets  quer 
zur  Längsachse  der  Körperwand  verlaufen.  Die  Bindegewebsfasern 
gleichen  in  ihrer  Feinheit  mehr  den  Fasern  der  bindegewebigen  Teile 
des  Wassergefäßsystems  als  denen  der  Haut.  Wanderzellen  trägt  dieses 
Bindegewebe  ebenso  häufig  wie  dort,  Kalkkörper  nur  in  der  Umgebung 
des  Steinkanals,  hier  aber  in  ziemlich  reichhaltigem  Maße. 

XII.  Räume  der  Leibeshöhle. 

Schlundsinus. 
Denjenigen  Teil  der  Leibeshöhle,  der  von  dem  Ösophagus  als  innere, 
den  Wandungen  des  Ringkanals,  der  Haupt-  bzw.  Fühlerkanäle  als 
äußere  Grenze  umschlossen  wird,  pflegt  man  seit  Semper  (1868)  Schlund- 
sinus zu  nennen.  Er  scheint  bei  allen  Holothurien  ziemlich  konstant 
aufzutreten  und  ist  von  den  oben  besprochenen  Aufhängesträngen  des 
Schlundkopfes  dicht  durchsetzt.  In  den  meisten  Fällen  steht  der 
Schlundsinus  (vgl.  die  Zusammenstellung  Ludwigs  1889)  in  offenem 
Zusammenhange  mit  der  Leibeshöhle,  und  zwar  kann  dieser  Zusammen- 
hang dadurch  hervorgerufen  werden,  daß  1)  die  vom  Ringkanal  aus- 
gehenden fünf  Hauptkanäle  einzeln  nach  oben  gehen  und  so  zwischen 
sich  mehr  oder  weniger  weite  Öffnungen  freilassen,  oder  daß  2)  sich  der 
Wassergefäßring  an  seinem  hinteren  Ende  nicht  dicht  an  den  Darm 
anlegt.  Es  wird  dann  an  dieser  Stelle  eine  Ringspalte  entstehen,  die 
durch  die  Aufhängestränge  nur  teilweise  verschlossen  wird.  Die  Löcher 
zwischen  den  fünf  Hauptkanälen  können  sich  verkleinern,  z.  B.  bei 
Synaptiden,  den  meisten  Aspidochiroten  und  wenigen  Dendrochiroten, 
oder  auch  sich  gänzlich  schließen  wie  bei  sehr  vielen  Elasipoden.  In 
diesem  letzteren,  bei  weitem  seltener  vorkommenden  Fall  bildet  dann 
die  Ringspalte  den  einzigen  Zusammenhang  zwischen  Schlundsinus  und 
Cölomraum.  Nur  eine  einzige  Angabe  besitzen  wir  von  Danielssen 
und  Koren  (1882)  für  Kolga  hyalina,  daß  auch  diese  Ringspalte  sich 
schließt  und  so  der  Schlundsinus  von  der  Leibeshöhle  vollständig  ge- 
trennt ist.  Diese  Beobachtung  ist  so  einzig  dastehend,  daß  sie  Ludwig 
(1889 — ^92),  S.  290  zu  der  Bemerkung  veranlaßt:  »Von  dieser  Art 
{Kolga  hyalina)  behaupten  zwar  Danielssen  und  Koren  einen  voll- 
ständigen Abschluß  des  Schlundsinus  von  der  Leibeshöhle.  Da  aber 
ein  solches  Verhalten  bis  jetzt  bei  keiner  einzigen  andern  Seewalze 
bekannt  ist  und  ein  näherer  Nachweis  für  die  Richtigkeit  ihrer  Behaup- 
tung von  den  genannten  Forschern  nicht  erbracht  wird,  so  wird  man 
derselben   wohl  einigen   Zweifel   entgegensetzen  dürfen«.     Betrachtet 


Anat.  n.  histol.  Studioii  an  Mcsotluuia  intestinalis  (Ascanius  u.  Rathke).  229 

man  aufgehellte  und  mit  Boraxkarmin  gefärbte  Totalpräparate  des 
Sclilundkopfes  bei  Mesothuria  intestinalis,  so  scheint  hier  ein  solcher, 
vollständiger  Abschluß  des  Schlundsinus  von  der  Leibeshöhle  zu 
existieren. 

Bei  Besprechung  des  Wassergefäßsystems  wie  auch  des  Darm- 
tractus  habe  ich  darauf  hingewiesen,  daß  genau  an  der  Übergangs- 
stelle zwischen  Ösophagus  und  Magen  eine  ringförmige,  bindegewebige 
Lamelle  aus  der  inneren  Bindegewebsschicht  des  Darmes  austritt,  sich 


Textfig.  1. 

Schematisierter  Längsschaitt  durch  das  hintere   Ende  des   Schlundkopfs.     Ö=  Ösophagus;  »»  = 
Magen;  r  =  Ringkanal;  ss  =  Sclilundsiniis,  la  dessen  Grenzlamelle;  h  =  Hauptkanal;  s  =  Suspen- 
sorien; p=  Öffnung  des  Schlundsinus  in  der  Leibeshöhle.    Vergr.  etwa  35mal. 

dann  nach  oben  fortsetzt  und  schließlich  Ringkanal  und  Hauptkanäle 
bildet  (vgl.  d.  Textfig.  la).  Diese  Lamelle  stellt  nichts  andres  dar,  als 
die  hintere  Grenze  der  zum  Wassergefäßsystem  gehörigen  Teile  des 
Schlundkopfes.  Es  ist  zwar  in  diesem  Falle  nicht  der  Ringkanal,  der  sich 
auf  diese  Weise  an  den  Darm  ansetzt,  sondern  gewissermaßen  seine  Ver- 
längerung, jene  einfache  Lamelle,  die  aus  der  Verwachsung  der  beiden 
Ringkanahvandungen  entstanden  zu  sein  scheint.  Aus  Querschnitt- 
folgen geht  deutlich  hervor,  daß  sich  dort  an  der  Ansatzstelle  nirgend- 
wo größere  Öffnungen  oder  Löcher  befinden.  Hierbei  ist  natürlich  zu 
betonen,  daß  bei  einem  derartigen  Durchbruch  des  Bindegewebes  durch 


230  Wilhelm  Haanen, 

Muskulatur  und  Epithel  ganz  dicht  an  der  Außenseite  des  Darmes  eine 
Entstehung  von  Poren  unvermeidlich  ist.  Denn  andernfalls  müßte 
die  Lamelle  die  Muskulatur  an  dieser  Stelle  vollständig  unterbrechen. 
Das  ist  zwar,  wie  wir  weiter  oben  schon  betont  haben,  der  Fall  für  die 
Längsmuskulatur,  nicht  aber  für  die  Ringmuskeln,  deren  Zusammen- 
hang an  einzelnen  Stellen  deutlich  festzustellen  ist.  Vielmehr  bildet 
sich  die  Lamelle  durch  mehr  oder  weniger  dicke  Stränge,  die  sich  zwar 
nach  dem  Austritt  aus  dem  Darm  sofort  zusammenschließen,  doch  an 
einzelnen  Stellen  Poren  freilassen  (vgl.  Textfig.  1  p).  Diese  Poren  sind 
äußerst  klein  und  nur  auf  Schnitten  zu  erkennen. 

Auch  mehr  vor  dem  Ringkanal  treten  zwischen  den  Hauptkanälen 
niemals  Öffnungen,  auch  keine  derartig  kleinen  Poren  auf,  weder  direkt 
am  Ringkanal  noch  auch  kurz  vor  dem  Kalkring;  vielmehr  erscheinen 
die  Hauptkanäle  stets  so  gebildet,  als  ob  an  den  Interradien  die  bei- 
den Wände  des  Ringkanals  zusammengewachsen  wären. 

Da  demnach  weder  eine  Ringspalte  noch  auch  Öffnungen  zwischen 
den  Hauptkanälen  auftreten,  wird  man  den  Schlundsinus  von  Meso- 
iliuria  intestinalis  als  geschlossen  ansehen  können  gegenüber  den  von 
Ludwig  und  Semper  beschriebenen  Formen.  Anderseits  aber  ward 
man  nicht  imstande  sein  können,  eine  Kommunikation  des  Schlund- 
sinus mit  der  Leibeshöhle  in  Abrede  zu  stellen.  Das  tun  zwar  Danielssen 
und  Koren  (1882,  S.  11),  wenn  sie  sagen:  »And  does  not  correspond 
with  the  perivisceral  cavity<<,  doch  glaube  ich,  daß  man  bei  näherer 
Untersuchung  auch  bei  dieser  Art  ganz  gewiß  ähnliche  kleine  Öffnungen 
wird  nachweisen  können  wie  bei  Mesothuria  intestinalis. 

Nebenschlundsinus. 
Der  ebenfalls  von  Semper  so  genannte  Nebenschlundsinus  stellt 
eine  Verlängerung  des  Schlundsinus  hinter  den  Ringkanal  dar,  der  mit 
dem  Geschlechtssinus  den  Ausführgang  der  Genitalien  mehr  oder  we- 
niger weit  begleitet.  Diese  beiden  Sinus  kommen  in  den  meisten  Fällen 
zusammen  vor  {Stichopus  variegatus ,  Holothuria  tenuissima,  gracilisu.Si.), 
doch  kann  der  Nebenschlundsinus  fehlen,  während  der  Geschlechts- 
sinus wohl  ausgebildet  ist  {Mülleria  lecanora).  Dieser  letzteren  Art 
gleicht  Mesothuria  am  meisten,  indem  sie  einen  gut  entwickelten  Ge- 
schlechtssinus, aber  keinen  sehr  ausgeprägten  Nebenschlundsinus  be- 
sitzt, Wohl  kann  man  manchmal  die  Beobachtung  machen,  daß  eine 
ganz  kleine  Strecke  weit,  d.  h.  nur  wenige  Schnitte  hindurch  das  Dorsal- 
mesenterium  noch  hinter  dem  Schlundkopf  eine  kleine  Höhlung  auf- 
weist, die  aber  sehr  bald  blind  endet  und  niemals  von  zahlreichen, 


1 


Anat.  u.  histol.  Studien  an  Mesothuria  intestinalis  (Ascanius  u.  Rathkc).  231 


radiär  gestellten  Fasern  durchzogen  ist  (vgl.  Semper,  S.  106).  Auch 
treten  hier  keinerlei  Öffnungen  in  die  Leibeshöhle  auf.  Auf  etwas  weiter 
nach  hinten,  vor  der  Genitalbasis  gelegenen  Querschnitten  sieht  man 
stets  nur  mehr  den  ziemlich  weiten  Genitalsinus  den  Ausführgang  der 
Genitalien  begleiten,  so  daß  meiner  Ansicht  nach  die  kurze,  oben  ge- 
schilderte Ausbuchtung  den  Namen  eines  Nebenschlundsinus  wenig 
verdient,  obwohl  ihn  Theel  (1901,  S.  15)  auf  einer  seiner  Textfiguren 
mit  dieser  Bezeichnung  andeutet.  Hierzu  ist  jedoch  zu  bemerken,  daß 
sich  der  eigentliche  Schlundsinus  nicht  nur  bis  zum  Wassergefäßring 
erstreckt,  sondern  noch  etwas  weiter  nach  hinten  sich  bis  zur  Grenze 
zwischen  Magen  und  Schlund  ausdehnt,  so  daß  der 
eigentliche  Nebenschlundsinus  stets  neben  dem  Magen 
herlaufen  muß  und  deshalb  leicht  zur  Verwechslung 
der  beiden  Sinus  Anlaß  geben  kann  (vgl.  Textf  ig.  2  ss). 
Es  hängt  allein  von  der  individuellen  Auffassung  ab, 
ob  man  die  kleine,  höchstens  0,5  mm  große  Ausbuch- 
tung als  Nebenschlundsinus  besonders  hervorheben 
will  oder  nicht.  Auf  jeden  Fall  muß  sie  als  An- 
deutung dieses  Sinus  an  dieser  Stelle  Erwähnung 
finden. 

Geschlechtssinus, 
Der  bisher  nur  für  Aspidochiroten  bekannt  ge- 


wordene Geschlechtssinus  ist  auch  bei  Mesothuria 

intestinalis  stets  sehr  deutlich  w^ahrnehmbar.     Er  „    ^x-     n 

Textfig.  2. 

beginnt    vorn   bereits   am   Wassergefäßring,    dicht  schnitt  durch  das  Dorsai- 
unterhalb  der  Einmündung  des  Steinkanals  in  diesen  mesenterium    unterhalb 

-,,,,,-,  1  1         T>        1     1  j  p    des     Eiugkanals,     aber 

und  stellt  ein  langes,  schmales  Jband  dar,  das  auf  oberhalb  der  Trennungs- 
Querschuitten  oft  bedeutend  länger  erscheint  als  steile  zwischen  Schlund 
der  Ausführgang  selbst.  An  seiner  linken  Wandung  s"tmng;''a  =  Ausführging 
trägt  er  an  der  dem  Magen  zugekehrten  Seite  das  der  Genitalien;  ?  =  Ge- 
mächtige Blutgefäß  der  Geschlechtsteile,  die  »lacu-  taibiutgefaß ;  ««  = 
nar    blood    cord<<    Theels.     Mit    der    Leibeshöhle  Schiundsinus. 

kommuniziert  der  Geschlechtssinus  durch  kleine,  po- 
renartige Öffnungen,  die  zum  allergrößten  Teil  in  der  Höhe  der  Schlund- 
krause und  an  der  linken  Seite  ganz  unregelmäßig  aufzutreten  scheinen. 
Manchmal,  aber  viel  seltener  kommen  auch  an  der  rechten  Seite  der 
Sinuswandung  oder  mehr  nach  der  Genitalbasis  zu  solche  kleine 
Öffnungen  vor.  Nach  hinten  setzt  sich  der  Geschlechtssinus  mit  gleich- 
bleibendem Lumen  bis  an  die  Genitalbasis  fort,  reicht  sogar  öfters  noch 


232  Wilhelm  Haanen, 

etwas  in  diese  hinein,  endet  aber  dort  blind  und  setzt  sich  nicht  in  das 
Lumen  der  Genitalbasis  fort.  Genauere  Angaben,  wie  die  Kommunika- 
tion des  Geschlechtssinus  mit  der  Leibeshöhle  für  andre  Aspidochiroten 
sich  vollzieht,  habe  ich  in  der  Literatur  vergeblich  gesucht.  Semper 
z.  B.  beschränkt  sich  auf  die  Erwähnung  der  Tatsache,  daß  sich  dieser 
Geschlechtssinus  hinter  der  Schlundkrause  in  die  Leibeshöhle  öffnet. 

An  dieser  Stelle  möchte  ich  noch  darauf  hinweisen,  daß  ich  für 
die  Neuralkanäle,  von  denen  man  früher  vermutet  hatte,  daß  sie  in 
irgend  einer  Verbindung  mit  der  Leibeshöhle  stehen  (vgl.  Ludwig  1889, 
S.  234),  bei  Mesothuria  keinen  solchen  Zusammenhang  gefunden  habe. 
Der  Hyponeuralkanal  endet,  wie  schon  erwähnt,  ohne  einen  Pseudo- 
hämalring  zu  bilden,  blindgeschlossen  kurz  vor  dem  Ringnerv  und  der 
Epineuralkanal  setzt  sich  in  den  Epineuralring  fort  und  bleibt  so  eben- 
falls ohne  den  erwähnten  Zusammenhang  mit  dem  Cölomraum. 

Über  die  Auskleidung  der  Leibeshöhle  habe  ich  schon  an  früheren 
Stellen  Genügendes  mitgeteilt. 

XIII.  Geschlechtsorgane. 

Mesothuria  intestinalis  ist  eine  der  wenigen  pedaten  Holothurien, 
die  beiderlei  Geschlechtsprodukte  in  demselben  Individuum  entwickelt. 
Nicht  wie  viele  Synaptiden  erzeugt  dieser  Zwitter  Spermatozoen  und 
Eier  in  demselben  Geschlechtsschlauche,  sondern  für  beiderlei  Pro- 
dukte werden  besondere  Schläuche  ausgebildet,  so  daß  verschiedene 
miteinander  alternierende  Bündel  entstehen,  von  denen  die  einen  nur 
männliche,  die  andern  nur  weibliche  Geschlechtsprodukte  enthalten.  Die- 
ser eigenartige  Hermaphroditismus,  wie  er  vordem  nur  von  Sluiter  für 
Ocnus  javanicus  und  Ananus  Jiolothurioides  beschrieben,  aber  histo- 
logisch noch  nicht  genauer  untersucht  worden  war,  veranlaßte  die 
schon  erwähnte  ausführliche  und  genaue  Untersuchung  Theels  über 
die  Geschlechtsorgane  unsres  Tieres  (1901).  Im  folgenden  Jahre  be- 
schrieb Ackermann  ähnliche  Verhältnisse  bei  Cucumaria  laevigata. 
Hier  finden  sich  ebenso  wie  bei  unsrer  Art  männliche  und  weibliche 
Schläuche  in  demselben  Tier  vereinigt,  doch  pflegen  dieselben  Schläuche 
im  Gegensatz  zu  Mesothuria  intestinalis  nacheinander  weibliche  und 
männliche  Geschlechtsprodukte  hervorzubringen  oder  wenigstens  an- 
zulegen. Stets  werden  zunächst  die  jungen  Eizellen  angelegt,  die  durch 
Phagocyten  beseitigt  werden  und  an  deren  Stelle  Samenzellen  ent- 
stehen. Diese  Samenzellen  werden  zuerst  reif  und  entleert,  darauf  die 
Schläuche  resorbiert  und  andre,  mehr  nach  vorn  gelegene  Schläuche 
entwickeln  dann  auch  reife  Eier.    Ackermann  hat  diese  Tatsachen 


Anat.   u.   liistol.  Studien  an  Mcsotluiria  intestinalis  (Ascanius  u.  Rathke).  233 

entwickluug.sgeschichtlich  und  histologisch  genauer  untersucht  und 
auch  in  genügender  Weise  auf  die  Merkmale  hingewiesen,  die  Cucu- 
maria  laevigata  und  Mesothuria  intestinalis  in  bezug  auf  ihre  Zwittrig- 
keit gemein  haben,  so  daß  ich  an  dieser  Stelle  nicht  näher  darauf 
einzugehen  brauche.  Wenn  es  auch  die  Vollständigkeit  einer  Mono- 
graphie verlangt,  daß  ich  an  dieser  Stelle  auf  diese  schon  untersuchten 
Gegenstände  eingehe,  so  möchte  ich  doch  in  Einzelheiten  auf  die  vor- 
genannte Abhandlung  Theels  verweisen,  zumal  ihr  dieser  eine  Anzahl 
Abbildungen  beigegeben  hat,  die,  soweit  sie  mit  meinen  Beobach- 
tungen übereinstimmen,  nochmals  wiederzugeben  kein  Grund  vorlag. 

a)  Genitalbasis. 
Die  Genitalbasis  stellt  nichts  andres  als  eine  Anschwellung  des 
Dorsalmesenteriums  dar,  die  stets  an  dessen  linker  Seite,  nicht  weit 
hinter  der  Übergangsstelle  zwischen  Magen  und  Schlund  auftritt,  immer 
aber  mit  dem  Magen,  niemals  mit  dem  Ösophagus  in  Verbindung  steht. 
Diese  Verbindung  wird  dadurch  hergestellt,  daß  sich  die  innere  Binde- 
gewebslage  des  Magens  unmittelbar  in  das  Bindegew^ebe  fortsetzt,  das 
die  Genitalbasis  zum  größten  Teile  ausfüllt.  Die  Anschwellung  des 
Mesenteriums  nimmt  mit  steigendem  Alter  des  Tieres  zu,  so  daß  der 
Größenvergleich  der  Genitalbasen  auf  das  Alter  der  betreffenden  Tiere 
schließen  läßt.  Bei  jungen  Tieren  ist  die  ganze  Unterseite,  d.  i.  die  dem 
Körperinnern  zugekehrte  Seite,  überall  dicht  mit  Geschlechtsschläuchen 
besetzt,  während  bei  älteren  Exemplaren  an  dem  hinteren  Ende  ein 
nackter  Teil  (naked  portion  of  the  genital  basis  Theels)  zu  bemerken 
ist,  der  keine  Geschlechtsschläuche  mehr  trägt  und  sich  in  noch  späteren 
Stadien  nach  oben  und  vorne  aufrollt,  so  daß  das  Ganze  etwa  einem 
Schneckengehäuse  ähnlich  sieht.  An  diesem  aufgebogenen,  nackten 
Teil  sieht  man  manchmal  kleine,  cylindrische  Fortsätze,  fast  immer 
aber  bräunliche  Flecken,  die  sich  oft  zu  kleinen  Kreisen  mit  dem  Durch- 
messer ausgewachsener  Geschlechtsschläuche  vereinigen,  so  daß  man 
in  diesen  »Maculae  <<  sicherlich  die  Ansatzstellen  verlorener,  resorbierter 
Genitalschläuche  erblicken  muß.  Das  letzte  Ende  des  umgebogenen 
Teiles  pflegt  sich  ebenfalls  bräunlich  zu  verfärben  und  erweckt,  wenn 
es  sich  bei  älteren  Tieren  in  die  Mitte  der  Windung  legt,  den  Eindruck 
eines  selbständigen  Organs.  Indessen  lehren  Querschnitte,  daß  man 
es  hier  nur  mit  dem  in  Resorption  befindlichen  Genitalbasisende  zu 
tun  hat,  in  das  sich  ebenso  wie  in  den  Maculae  ungeheure  Massen  von 
kleinen,  wenig  färbbaren  Körnchen  eingelagert  haben,  die  genau  den 
in  der  Körperhaut  und  zwischen  den  einzelnen  Tentakeln  vorgefunde- 

Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.  CIX.  Bd.  16 


234  Wilhelm  Haanen, 

nen  Pigmentkörnern  gleichen.  Über  Wesen  und  Bedeutung  dieser 
Körner  habe  ich  in  dem  Kapitel  über  "Wanderzellen  (vgl.  S.200)  einiges 
niedergelegt.  Die  in  der  Entwicklung  am  weitesten  vorgeschrittenen, 
reiferen  Schläuche  sitzen  stets  am  hinteren  Ende  der  Basis,  während 
sich  mehr  nach  vorn  kleinere,  unentwickelte  Schläuche  anlegen.  In- 
dem nun  nach  Entleerung  und  Resorption  der  gereiften  Schläuche  das 
Ende  der  Basis  sich  in  der  oben  geschilderten  Weise  umbiegt,  rückt 
die  Stelle,  wo  die  Geschlechtsschläuche  sich  ansetzen,  allmähhch  mehr 
nach  vorn,  wo  dann  das  Dorsalmesenterium  zur  vollen  Größe  der  Genital- 
basis auswächst. 

Unter  dem  wimpernden  Cölomepithel  zieht  sich  eine  ziemlich 
kräftige  Ringmuskellage  hin,  der  seltener  und  viel  schwächer  entwickelte 
vertikal  verlaufende  Fasern  aufliegen.  Bei  keinem  andern  Organ 
unsres  Tieres  konnte  ich  die  Eigentümlichkeit  feststellen,  die  in  der 
Genitalbasis  dadurch  auftritt,  daß  recht  kräftige  Muskelfasern  in  statt- 
licher Anzahl  regellos  in  das  Bindegewebe  eindringen;  sie  heben  sich 
durch  ihre  bedeutendere  Dicke,  das  stärkere  Lichtbrechungsvermögen 
wie  ganz  besonders  durch  die  Färbemittel  stets  deutlich  hervor  und 
dienen  den  feinen  Bindegewebsfasern,  zwischen  denen  sie  ganz  unregel- 
mäßig verteilt  liegen,  zur  Stütze.  Das  Bindegewebe  ist  von  vielen  Lö- 
chern und  Hohlräumen  durchzogen,  die  sich  einerseits  in  den  Ausführ- 
gang vereinigen  und  anderseits  in  die  Creschlechtsschläuche  führen. 
So  lange  sich  diese  Hohlräume  innerhalb  der  Basis  hinziehen,  sind  sie 
von  dem  eigentümlichen,  stark  wimpernden  Epithel  ausgekleidet,  das 
auch  dem  Ausführgang  der  Geschlechtsprodukte  eigen  ist  und  bei  dessen 
Besprechung  näher  erläutert  werden  soll.  Sobald  aber  ein  solcher 
Hohlraum  in  den  eigentlichen  Geschlechtsschlauch  übergeht,  tritt  ein 
einfaches  Plattenepithel  an  seine  Stelle.  Dabei  pflegt  dann  auch  das 
Bindegewebe  in  einzelnen  Längsfalten  in  das  bis  dahin  runde  Lumen 
vorzudringen,  so  daß  der  Querschnitt  ein  mehr  oder  weniger  sternartiges 
Aussehen  bietet.  Auffallend  ist  die  ungeheure  Anzahl  der  Blut-  und 
Wanderzellen,  die  den  ganzen  bindegewebigen  Teil  der  Genitalbasis 
erfüllen  und  für  die  Ernährung  der  Geschlechtsprodukte  in  reichlichem 
Maße   Sorge   tragen. 

Ausführgang  der  Genitalien. 
Der  Ausführgang  ist  ein  flaches,  gerades  Band,   das  dem  Darm 
parallel  bis  zur  Einmündung  des  Steinkanals  in  den  Ringkanal  ver- 
läuft, dann  aber  etwas  nach  außen  umbiegt,  um  hinter  dem  Steinkanal 
herlaufend  bis  zur  Körperwand  zu  gelangen,  wo  er  sich  genau  in  der 


Anat.  II.  histol.  Studien  an  Mesothuria  intestinalis  (Ascanius  u.  Rathkc).   235 

Dorsalmittellinie,  etwas  hinter  der  Fühlerbasis  nach  außen  öffnet.  Bei 
den  in  Alkohol  fixierten  Exemplaren  und  besonders  bei  großen  Tieren 
bemerkt  man  dort  immer  eine  deutliche,  etwa  1  bis  2  mm  große  Genital- 
papille. Bei  kleineren  und  mittleren  und  vor  allem  auch  bei  den  in  Formol 
konservierten  Tieren  konnte  ich  diese  Erhebung  nicht  annähernd  so 
deutlich  wiederfinden,  so  daß  ich  geneigt  bin,  diese  außerordentliche 
Deutlichkeit  der  Genitalpapille  zum  größten  Teil  auf  Materialschrum- 
pfung zurückzuführen.  Untersucht  man  diese  Papille  auf  eine  Öffnung 
nach  außen,  so  findet  man  auf  aufgehellten  Totalpräparaten  eine  solche 
eigentlich  fast  nie.  Erst  Querschnittserien  zeigen,  daß  sich  der  Genital- 
gaug  bis  dicht  unter  die  Epidermis  hinzieht,  so  daß  dieser  Gang  im  all- 
gemeinen durch  Cuticula,  Epithel  und  ein  kleines  Stück  der  Cutis 
von  der  Außenwelt  abgeschlossen  ist.  Erst  wenn  die  Genitalprodukte 
entleert  werden  sollen,  wird  wahrscheinlich  durch  deren  Druck  dieser 
dünne  Verschluß  durchbrochen,  der  nach  stattgehabter  Ablegung  der 
Eier,  bzw.  der  Samenfäden  jedenfalls  wieder  zuwächst  und  so  vor  Ein- 
dringen von  Schlamm  und  Schmutz  genügenden  Schutz  gewähren  kann. 
Sobald  der  Genitalgang  in  das  Bindegewebe  der  Haut  eingetreten  ist, 
umgibt  ihn  ein  Kranz  kleiner  Löcher,  die  Teile  der  Leibeshöhle  dar- 
stellen und  den  für  ein  Durchtreten  der  Genitalprodukte  nötig  wer- 
denden Spielraum  gewähren. 

Der  Ausführgang  ist  ebenso  wie  der  Steinkanal  gänzlich  im  Dorsal- 
mesenterium  eingebettet  und  auch  wie  dieser,  von  einem  eigentümlichen 
doch  anders  gearteten  Epithelüberzug  ausgekleidet.  Die  ovalen  Kerne 
dieser  Epithelzellen  liegen  ziemlich  dicht  nebeneinander  ungefähr  in 
der  Mitte  von  Zellen,  die  nach  dem  Lumen  zu  in  je  ein  starkes,  geißel- 
artiges Wimperhaar  übergehen  und  sich  nach  dem  Bindegewebe  zu 
ebenfalls  zuspitzen;  die  dünnen  Fortsätze  befestigen  sich  dort  am 
Bindegewebe  vermittels  einer  feinen  Basalmembran.  Durch  diesen 
eigenartigen  Bau  müssen  zwischen  den  einzelnen  Epithelzellen  und 
dem  Bindegewebe  bald  größere,  bald  kleinere  Hohlräume  entstehen, 
und  diese  Hohlräume  fand  schon  Theel  durchsetzt  mit  feinen,  längs- 
verlaufenden Fasern,  die  er  für  peripherische  Nervenfasern  zu  halten 
geneigt  ist.  Auf  Theels  Präparaten  blieben  sie  nach  der  Behandlung 
mit  verschiedenen  Farbstoffen  stets  blaß  und  farblos,  bei  meinen  Unter- 
suchungen dagegen  färbten  sie  sich,  und  zwar  stets  wie  Nerven-,  bzw. 
Muskelfasern.  Trotzdem  traten  diese  feinen  Fasern  bei  meinen  Prä- 
paraten nie  mit  solcher  Deutlichkeit  und  Häufigkeit  auf,  wie  Theels 
Abbildung  andeutet,  und  nur  auf  Längsschnitten  habe  ich  sie  mit  un- 
zweifelhafter Sicherheit  nachweisen  können. 

16* 


236  Wilhelm  Haanen, 

An  dieser  Stelle  möchte  ich  noch  darauf  hinweisen,  daß  ähnliche, 
ich  kann  sagen,  die  gleichen  feinfaserigen  Gebilde  auch  im  Ösophagus 
unsres  Tieres  auftreten.  Dort  liegen  sie  ebenfalls  in  Hohlräumen,  und 
zwar  in  den  Lücken,  die  sich  zwischen  der  Längsmuskulatur  und  der 
inneren  Bindegewebsschicht  des  Schlundes  befinden;  da  sich  aber 
diese  Fasern  in  bezug  auf  ihre  Färbbarkeit  mit  Sicherheit  nicht  von 
den  dicht  anliegenden  Längsmuskeln  unterscheiden  lassen,  und  ferner 
ein  Zusammenhang  dieser  Fasern  mit  andern  Nervenfasern  nirgend- 
wo erkannt  werden  konnte,  habe  ich  in  dem  betreffenden  Abschnitt 
von  einer  besonderen  Betonung  dieser  feinen  Fasern  abgesehen.  Von 
den  typischen  Muskelfasern  unterscheiden  sie  sich  durch  ihre  außer- 
ordentliche Feinheit  und  durch  geringeres  Lichtbrechungsvermögen, 
so  daß  es  nicht  ausgeschlossen  ist,  daß  man  es  hier  mit  peripherischen 
Nerven  zu  tun  hat. 

Keimstrang. 

Unter  dem  Namen  »germinal  cord<<  beschreibt  Theel  (1901)  eine 
eigentümliche,  kanalartige  Bildung,  die  stets  in  der  etwas  verdickten, 
linken  Wandung  des  Ausführganges  der  Genitalien  liegt.  Der  mehr 
oder  weniger  stark  gekrümmte,  meist  sehr  englumige  Kanal  begleitet 
den  Ausführgang  oft  ungefähr  bis  zur  Höhe  des  Ringkanals  und  endet 
dort  blind  im  Bindegewebe  des  Dorsalmesenteriums,  in  das  er  ebenso 
wie  der  Ausführgang  selbst  vollständig  eingebettet  ist  (vgl.  Acker- 
mann, S.  20  imten).  An  seinem  hinteren  Ende  reicht  er  bis  zur  Genital- 
basis und  steht  dort  einerseits  mit  deren  Lumen,  anderseits  mit  klei- 
nen, keulenförmigen  Erhebungen  in  Verbindung,  die  den  vordersten, 
kleinen  Geschlechtsschläuchen  sehr  ähnlich  sehen.  Sie  unterscheiden 
sich  aber  dadurch  von  den  etwas  weiter  rückwärts  gelegenen  Schläuchen, 
daß  sie,  wie  auch  der  Keimstrang  selbst,  an  ihrer  Innenseite  sehr  dicht 
besetzt  sind  mit  Keimzellen,  d.  s.  große  Epithelzellen  mit  ebenfalls 
sehr  großem,  rundem  Kern.  Es  fehlt  also  hier  das  Zwischenstück,  in 
dem  keine  Geschlechtsprodukte  hervorgebracht  werden  und  das  allen 
etwas  größeren  Geschlechtschläuchen  bei  unsrer  Art  eigentümlich  ist. 
Der  ganze  Aufbau  dieser  »germinal  cord  <<  berechtigt  zu  der  Annahme,  daß 
man  es  hier  mit  einer  Bildungsstätte  der  ersten  Anlage  von  Geschlechts- 
produkten zu  tun  hat,  ebenso  wie  man  in  den  oben  erwähnten  kleinen, 
keulenförmigen  Erhebungen  die  erste  Anlage  von  Geschlechtsschläuchen 
erblicken  muß,  die  durch  späteres  interkalares  Wachstum  ein  steriles 
Zwischenstück  einschieben.  Theel  läßt  die  Frage  offen,  ob  der  Keim- 
strang nur  einen  einzigen  Kanal  oder  mehrere  verschiedene  Kanäle  dar- 
stellt, da  man  auf  verschiedenen  Querschnitten  oft  verschieden  viele 


Anat.  u.  histol.  Studien  an  Mcsothuria  intestinalis  (Ascanius  u.  Rathkc).  237 

Lumina  (bei  Theel  bis  zu  acht)  waliruehmen  kann.  Bei  den  Serien, 
die  ich  daraufhin  untersuchte,  schien  meist  nur  ein,  wenn  auch  stark 
gekrümmter  Kanal  vorhanden  zu  sein;  doch  schwankt  die  Ausbiklung 
bei  den  verschiedenen  Tieren  sehr,  so  daß  wohl  auch  mehrere  Kanäle 
vorkommen  können.  Zwischen  den  großkernigen  Keimzellen  findet 
man  oft  Zellen  mit  kleinem  Kern,  die  Theel  als  später  den  Keimzellen 
zur  Nahrung  dienende  FoUikelzellen  ansieht. 

Geschlechtsschläuche. 
An  der  dem  Körperinnern  zugekehrten  Seite  der  Genitalbasis 
sitzen  dichtgedrängt  die  Genitalschläuche,  lange,  schmalcylindrische 
Gebilde,  die  am  hinteren  Ende  der  Basis  am  größten  und  reifsten  sind 
und  mehr  nach  vorn  an  Größe  und  Reife  allmählich  abnehmen.  Eine 
kleine  Strecke  weit  sind  die  Schläuche  einfach,  dann  aber  verzweigen 
sie  sich  mehr  oder  Aveniger  unregelmäßig,  oft  so  stark,  daß  ein  einzelner 
der  Basis  entspringender  Schlauch  10 — 15  Genitalprodukte  erzeugende 
Nebenschläuche  tragen  kann.  In  dem  unverzweigten  Zwischenstück 
werden  niemals  Geschlechtsprodukte  hervorgebracht.  Die  Zahl  der 
Schlauchbündel  wechselt  mit  dem  Alter  des  Tieres  und  auch  mit  der 
Jahreszeit.  Bei  den  bestentwickelten  Tieren  fand  ich  bis  25  und  mehr 
Bündel,  sodaß  ein  ausgewachsenes  Exemplar  200  bis  300  Geschlechts- 
schläuche tragen  kann,  die  oft  eine  beträchtliche  Länge  erreichen  und 
das  vordere  Körperinnere  prall  ausfüllen.  Unreife  männliche  und  weib- 
liche Schläuche  lassen  sich  äußerlich  nicht  unterscheiden,  während  im 
ausgewachsenen  Zustand  die  großen  Eier  schon  mit  bloßem  Auge  deut- 
lich wahrnehmbar  und  an  ihrer  rötlichen  Farbe,  die  sich  in  Formol  gut 
erhält,  in  Alkohol  dagegen  auszieht,  gut  erkennbar  sind.  Mesothuria 
intestinalis  wird  dadurch  zum  Zwitter,  daß  einzelne  dieser  Schläuche 
nur  männliche,  andre  nur  weibliche  Geschlechtszellen  entwickeln,  und 
zwar  geschieht  das  derart,  daß  immer  eine  ganze  Anzahl  solcher  Ge- 
schlechtsbündel dieselben  Geschlechtsprodukte  hervorbringt.  Bei  allen 
daraufhin  untersuchten  Tieren  konnte  ich  mindestens  zwei,  bei  den 
meisten  drei  derartige  Bündelkomplexe  nachweisen,  die  abwechselnd 
Eier  oder  Sperma  enthielten.  Die  Schläuche  dieser  einzelnen  Bündel- 
komplexe stehen  meist  auf  derselben  Entwicklungsstufe,  wenn  aber 
Reifungsunterschiede  vorliegen,  befinden  sich  die  reiferen  Schläuche 
stets  mehr  nach  hinten.  Die  männüchen  und  weiblichen  Geschlechts- 
bündelkomplexe reifen  aber  stets  zu  verschiedenen  Zeiten,  so  daß  auf 
diese  Weise  einer  Selbstbefruchtung  vorgebeugt  wird,  die  sonst  unbe- 
dingt erfolgen  müßte,  da  sämtliche  Produkte  in  dieselben  Hohlräume 


238  Wilhelm  Haanen, 

der  Genitalbasis  entleert  und  durch  denselben  Ausführgang  nacb  außen 
befördert  werden. 

Der  Querschnitt  durch  das  sterile  Zwischenstück  der  Geschlechts- 
schläuche zeigt  bei  beiden  Geschlechtern  dasselbe  Aussehn.  Unter  dem 
wimpernden  Cölomepithel  findet  sich  eine  ziemlich  kräftige  Ring- 
muskelschicht, der  weiter  nach  innen  zu  eine  meist  homogene  Binde- 
gewebslage  und  eine  dünne  membranartige  Epithelschicht  folgt.  Das 
Bindegewebe  ist  zu  Längsfalten  in  das  Innere  vorgewölbt  und  bedingt 
dadurch  ein  sternartiges  Bild.  In  den  Teilen  der  Schläuche,  die  Ge- 
schlechtszellen produzieren,  ist  auch  eine  Ringmuskellage  überall  deut- 
lich wahrnehmbar,  aber  viel  schwächer  ausgebildet  wie  im  Zwischen- 
stück. Hier  fällt  vor  allem  die  Ausbildung  des  Innenepithels  auf,  das 
neben  Follikelzellen  die  charakteristischen  Keimzellen  enthält.  Die 
männlichen  und  weiblichen  Keimzellen  sind  schon  in  sehr  jungen  Stadien 
deutlich  auseinanderzuhalten,  indem  die  weiblichen  stets  viel  größer 
sind  und  neben  dem  Nucleus  schon  sehr  früh  einen  deutlichen  Nu- 
cleolus  besitzen.  Die  männlichen  Keimzellen  sind  größer  und  plasma- 
reicher als  die  Follikelzellen,  haben  einen  großen,  runden  Kern  und 
ebenso  wie  diese  keinen  Nucleolus.  Das  Bindegewebe,  welches  in  den 
jüngsten  Stadien  noch  keine  Falten  aufweist,  wächst  im  Verlauf  der 
weiteren  Entwicklung  enorm  heran  und  stülpt  sich  dann  in  Falten  in 
das  Innere  hinein,  sodaß  die  Sexualzellen  rings  von  diesem  umschlossen 
werden.  In  noch  späteren  Stadien  entwickeln  sich  dann  die  Sexual- 
zellen auf  Kosten  des  Bindegewebes,  das  in  der  Folge  mitsamt  den 
Falten  allmählich  verschwindet.  Diese  Falten  sind  aber  auch  bei 
reiferen  Schläuchen  immer  noch  angedeutet  durch  Epithelmembranen, 
die  bei  weiblichen  Schläuchen  die  Eier  umgeben,  bei  männlichen  dicht 
mit  spermatogenen  Zellen  besetzt  sind. 

In  ausgewachsenen  weiblichen  Schläuchen  findet  man  stets  nur 
unreife  Eier,  die  bis  zu  0,5  mm  groß  werden  können.  Die  netzförmige, 
fein  gekörnelte  Struktur  des  Plasmas,  das  ziemlich  große,  hyaline  Keim- 
bläschen und  der  scharf  abgesonderte,  manchmal  kleine  Fettröpfchen 
enthaltende  Keimfleck  zeigt  das  typische  Bild  des  Echinodermeneies. 
Die  einzigen  Eigentümlichkeiten,  die  hier  zu  erwähnen  wären,  hat 
Theel  schon  in  genügender  Weise  hervorgehoben  und  erklärt.  Seine 
Angaben  vom  Fehlen  eines  wirklichen  Stieles,  sowie  einer  eiweißartigen 
»zona  radiata«  (vgl.  Hamann,  Semper  I.e.)  und  dem  Auftreten  von 
feinen,  pseudopodienartigen  Fortsätzen,  bzw.  Häutchen,  die  das  Ei 
mit  der  umgebenden  Follikelmembran  verbinden,  kann  ich  nach  meinen 
Präparaten  voll  und  ganz  bestätigen.    Auch  den  eigenartigen  Mikropyl- 


Anat.  u.  histol.  Studien  au  Mt'.sotluu'ia  iutostiuali.s  (Ascanius  u.  Rathke).  239 

kanal,  der  das  innere  des  ausgewachsenen  Eies  mit  dem  Lumen  des 
Geschlechtsschlauches  in  Verbindung  setzt,  habe  ich  in  der  von  Theel 
beschriebenen  Form  wiederfinden  können. 

Bei  ausgewachsenen  männlichen  Schläuchen  finden  sich  gleich- 
falls keine  Longitudinalfalten  mehr.  Am  Rande  der  Schläuche,  die  ganz 
mit  Spermatozoen  erfüllt  sind,  und  bei  jüngeren  auch  an  den  dünnen, 
in  das  Lumen  hineinragenden  Falten  sitzen  die  größeren  spermato- 
genen  Zellen,  deren  Kerne  öfters  undeutliche  Teilungsstadien  erkennen 
lassen.  Die  Spermatozoen  sind  von  Retzius  (1910)  an  besser  fixierten 
Tieren,  als  sie  mir  zu  Gebote  standen,  genauer  untersucht  worden. 
Von  seinen  Ausführungen  kann  ich  bestätigen,  daß  das  Kopfstück  der 
Spermien  bei  unsrem  Tiere  eine  von  vorn  und  einer  Seite  etwas  abge- 
flachte Kugel  ist,  die  vorn  an  dieser  abgeflachten  Stelle  ein  kleines 
stärker  lichtbrechendes,  von  Retzius  als  Perforatorium  angesehenes 
Kügelchen  trägt. 

XIV.  Blutgefäßsystem. 

Seit  Hamann  (1884)  sind  sich  alle  Forscher  darüber  einig,  daß  man 
in  den  Blutgefäßen  der  Holothurien  Blutbahnen  zu  erblicken  hat,  die 
eines  inneren  Epithels  entbehren  und  in  einer  bindegewebigen,  geflecht- 
artigen, öfters  lacunenhaltigen  Substanz  große  Mengen  der  oben  geschil- 
derten Blutzellen  nach  allen  Körperregionen  befördern.  Es  mag  wohl 
an  der  Konservierung  und  Fixierung  meiner  Tiere  gelegen  haben,  daß 
ich  diese  Blutbahnen  nur  sehr  selten  mit  geronnener  Blutflüssigkeit 
durchtränkt  fand,  die  sich  von  dem  umgebenden  Bindegewebe  beson- 
ders abgehoben  hätte,  wie  es  z.  B.  Hamann  (1884)  auf  Taf.  III,  36,  39, 
41  und  Becher  (1907)  auf  Taf.  XXXII,  5  und  XXXV,  31  andeuten. 
Vielmehr  sah  ich  als  Grundsubstanz,  die  das  Innere  eines  solchen 
Gefäßes  größtenteils  ausfüllt,  nur  Bindegewebe,  welches  genau  dem 
Bindegewebe  andrer  Körperteile,  z.  B.  des  Tractus  glich  und  in  dessen 
Lücken  oft  ungeheure  Massen  der  kleinen,  homogenen,  plasmaarmen 
Blutzellen  untermischt  mit  allen  möglichen  Arten  von  Wanderzellen  auf- 
treten. Charakterisiert  sind  ferner  alle  diese  Blutbahnen  durch  Musku- 
latur, zumeist  Längsmuskulatur,  die  in  der  Regel  stärker  ausgeprägt 
ist  als  an  unmittelbar  daneben  gelegenen,  mit  den  eigentlichen  Blut- 
bahnen in  offenem  Zusammenhange  stehenden  bindegewebigen  Teilen 
(z.  B.  bei  den  Gefäßen  der  Hauptkanäle).  Nur  das  Radialgefäß  zeigt 
einen  etwas  andern  Anblick.  Hier  sind  die  Muskeln  nicht  stärker  aus- 
gebildet, sondern  ganz  gleichmäßig  an  der  Membran  verteilt,  die  das 
radiale  W'assergefäß  von  dem  Pseudohämalkanal  trennt,  und  statt  des 


240  Wilhelm  Haanen, 

Bindegewebes  findet  man  meist  eine  homogene,  mit  Säurefuchsin  sehr 
stark  färbbare  Grundsubstanz,  die  vielleicht  als  ein  Überrest  geronne- 
ner Blutflüssigkeit  augesehen  werden  könnte.  Schwach  angedeutet 
finden  sich  manchmal  ähnliche  Massen  in  den  Blutbahnen,  die  sich 
vom  Blutring  aus  an  der  Innenseite  der  Hauptkanäle  zum  Radial - 
gefäß  hinziehen  und  so  den  Übergang  zwischen  beiden  Gefäßarten 
darstellen. 

Mesoihuria  intestinalis  besitzt  folgende  Blutgefäße:  1)  den  Blut- 
gefäßring, 2)  die  Radialgefäße,  3)  die  Füßchengefäße,  4)  das  dorsale. 
5)  das  ventrale  Darmgefäß  und  6)  das  Genitalgefäß. 

Es  fehlt  hier  ein  Darmwundernetz  wie  auch  das  Quergefäß,  das  bei 
vielen  Holothurien  eine  große  Anastomose  des  ventralen  Dünndarm- 
gefäßes darstellt,  indem  sich  der  erste  Schenkel  des  genannten  Ge- 
fäßes mit  dem  zweiten  durch  einen  frei  durch  das  Körperinnere  hin- 
durchgehenden Ast  verbindet.  Ferner  sind  keine  besonderen  Gefäße 
ausgebildet,  die  zum  Steinkanal,  zur  PoLischen  Blase  oder  zum  Öso- 
phagus verlaufen. 

Was  bei  allen  diesen  Gefäßen  besonders  betont  werden  muß,  ist 
die  Tatsache,  daß  sich  die  Blut-  und  Wanderzellen  keineswegs  nur  auf 
diese  Gefäße  zu  beschränken  brauchen,  sondern  daß  sie  sich  jederzeit 
frei  hinein  begeben  können  in  das  Bindegewebe  der  umliegenden  Körper- 
teile, mit  dem  sie  stets  in  offener,  durch  keinerlei  Epithelien  oder 
Membranen  getrennter  Verbindung  stehen.  Es  sind  also  die  Gefäße 
Blutbahnen,  in  denen  kontinuierlich  stets  eine  größere  Menge  von 
Blutflüssigkeit  strömt  und  die  durch  ihre  ausgeprägte  Muskulatur  die 
eigentliche  Strömung  in  Gang  zu  halten  imstande  sind,  wenngleich  auch 
viele  Wanderzellen  selbsttätig  amöboid  zu  wandern  pflegen. 

a)  Blutgefäßring. 
Der  Blutgefäßring  ist  das  Centralorgan  des  Blutgefäßsystems; 
denn  von  ihm  gehen  bei  unsrer  Art  alle  andern  Gefäße  aus  und  neben 
dem  Genitalgefäß  ist  er  das  am  deutlichsten  ausgeprägte  Gefäß.  Die 
innere  Wandung  des  Ringkanals  des  Wassergefäßsystems  hat  sich  ent- 
sprechend stärker  als  die  äußere  Wandung  ausgebildet  und  beherbergt 
den  Blutring,  dessen  Innenseite  sich  nach  dem  Ösophagus  zu  in  fal- 
tigen Vorsprüngen  vorwölbt  und  so  die  Bezeichnung  Schlundkrause 
mit  vollem  Recht  verdient.  Mit  dem  inneren  Bindegewebe  des  Öso- 
phagus kann  er  direkt  kommunizieren  durch  die  schon  beschriebenen 
Aufhängestränge  des  Schlundkopfs,  sodaß  die  Ausbildung  eines  be- 
sondern Gefäßes  zum  Schlund  überflüssig  wird.    Im  Vergleich  zu  der 


Anat.  u.  histol.  .Stiuliea  an  Mesothuria  intestinalis  (Ascanius  u.  Rathke).  241 

äußeren  Wandung  des  Ringkanals,  ist  die  Längsmuskellage  am  Blut- 
ring besonders  kräftig,  befindet  sich  aber  stets  nur  auf  einer  Seite, 
und  zwar  auf  der  Außenseite  dieses  Blutrings  oder,  was  dasselbe  sagt, 
auf  der  Innenseite  des  AVassergefäßrings.  Die  dem  Ösophagus  zuge- 
wandten faltenartigen  Vorvvölbungen  tragen  also  keine  Muskeln 
(Fig.  27). 

6)  Radialgefäß. 
Sobald  der  Ringkanal  des  Wassergefäßsystems  nach  vorn  übergeht 
in  die  fünf  Hauptkanäle,  hört  auch  der  Blutring  auf,  und  es  bleiben 
fünf,  anfangs  noch  ziemlich  breite,  dann  aber  allmählich  schmäler 
werdende  Blutbahnen,  die  sich  an  der  Innenseite  dieser  Hauptkanäle 
hinziehen  und  stets  deutlich  zu  verfolgen  sind,  bis  sie  zugleich  mit  dem 
Lumen  der  Hauptkanäle  über  den  Kalkring  umbiegen  und  in  das  Radial- 
gefäß einmünden.  Diesen  Zusammenhang  der  Hauptkanalgefäße  mit 
den  Radialgefäßen  habe  ich  sowohl  auf  Quer-  wie  auf  Längsschnitt- 
serien durch  den  Schlmidkopf  überaus  klar  beobachten  können,  wo- 
durch somit  der  Charakter  dieses  Radialgefäßes  als  Blutlacune  deut- 
lich zutage  tritt.  Wir  haben  es  hier  mit  einem  auf  Querschnitten  bald 
sehr  flach,  bald  mehr  rundlich  aussehenden  Bande  zu  tun,  das  an  der 
Innenseite  des  Hypoueuralkanals  (=  Pseudohämalkanal,  Ludwig)  in 
mehr  oder  weniger  unregelmäßigem,  manchmal  etwas  ge^vundenem 
Verlaufe  hinzieht.  Auf  manchen  Querschnitten  durch  das  Radiale  der 
Haut  bemerkt  man  infolgedessen  unregelmäßige,  homogen  sich  färbende 
Massen,  welche  der  dünnen  Lamelle  angeheftet  zu  sein  scheinen,  durch 
die  sich  der  Pseudohämalkanal  von  dem  Radialkanal  des  Wassergefäß- 
systems trennt.  Auf  andern  Schnitten  ist  das  Gefäß  ganz  flach,  so  daß 
es  oft  undeutlich  und  Schwer  zu  erkennen  ist.  An  vielen  Stellen  kann 
man  auch  beobachten,  daß  dieses  Band  sich  nicht  in  der  Mitte,  sondern 
mehr  seitlich  ansetzt,  und  zwar  ist  das  immer  der  Fall  beim  Eintritt 
von  Füßchen  in  den  Radialkanal.  Eine  kurze  Strecke  weit  kann  man 
den  Ast,  den  das  Radialgefäß  an  solchen  Stellen  zu  dem  Füßchen  ent- 
sendet, verfolgen.  Auf  Querschnitten  durch  einzelne  Füßchen  selbst 
sucht  man  jedoch  vergebüch  nach  irgend  welchen  größeren  Füßchen- 
gefäßen. 

c)  Darmgefäße. 

Das  ventrale   und  dorsale  Darmgefäß  sind  die  einzigen  Gefäße, 

die  sich  ohne  mikroskopische  Untersuchung  auch  äußerlich  darstellen 

als  flache,  den  Darm  (mit  Ausnahme  des  Schlundes)  dicht  begleitende 

Bänder.    Das  dorsale  Darmgefäß  ist  gänzlich  im  Dorsalmesenterium 


242  Wilhelm  Haanen, 

eingebettet  und  besteht  eigentlich  mir  in  einer  Anschwellung  des  letzte- 
ren. Das  ventrale  Gefäß  liegt  wie  überall  an  der  diametral  gegenüber- 
liegenden, ventralen  Seite  des  Darms  und  hängt  als  freie  Lamelle  in 
die  Leibeshöhle  hinein.  Die  Eigentümlichkeit,  daß  sie  kein  Wunder- 
netz oder  Quergefäß  bilden,  ist  eine  allen  Synallactinen  charakteristische 
Eigenschaft.  Beide  Gefäße  setzen  sich  kontinuierlich  über  den  Magen, 
Dünndarm  und  Enddarm  fort,  wo  sie  sich  allmählich  verlieren.  Das 
dorsale  Gefäß  verlängert  sich  nach  vorn,  bis  es  die  Bindesubstanz  der 
Genitalbasis  erreicht,  wo  es  dann  seitlich  mit  dem  mächtigen  Genital- 
blutgefäß in  Verbindung  treten  kann  und  auf  diesem  Wege  zum  Blut- 
ring gelangt.  Ebenso  wie  dieses  dorsale  Gefäß  schon  oberhalb  der 
Geschlechtsbasis,  verläßt  auch  das  ventrale  Darmgefäß  an  der  Über- 
gangsstelle zwischen  Magen  und  Ösophagus  den  Darm  und  verläuft 
an  der  ventralen  Seite  manchmal  etwas  weniger  stark  entwickelt,  immer 
aber  deutlich  erkennbar  in  dem  Bindegewebe  der  Lamelle,  die  den 
Schlundsinus  von  der  Leibeshöhle  abtrennt.  So  kommt  es  denn  bei 
beiden  Gefäßen  zu  einer  Vereinigung  mit  dem  Blutgefäßring.  Die  Darm- 
gefäße stehen  auch  bei  Mesoihuria  in  offenem  Zusammenhange  mit 
der  inneren  Bindegewebsschicht  des  Darmes  und  zwar  ist  die  Ein- 
mündungsbasis meist  genau  so  breit  wie  das  ganze  Gefäß.  Daraus 
folgt,  daß  der  Querschnitt  durch  das  Darmgefäß  keine  kreisrunde,  son- 
dern eine  mehr  längliche  Form  aufweist,  die  beim  Dorsalgefäß  all- 
mählich dünner  wird  und  in  das  Dorsalmesenterium  übergeht,  während 
das  Ventralgefäß  überall  fast  gleich  breit  bleibt  und  sich  nach  der 
Leibeshöhle  zu  ziemlich  flach  abrundet.  Nur  das  Dorsalgefäß  zeigt 
manchmal  in  der  Mitte  eine  etwas  dickere  Anschwellung.  Alle  Schichten 
des  Gefäßes  gehen  in  die  entsprechenden  Lagen  des  Darmes  über;  nur 
die  Kingmuskulatur,  die  ja  im  ganzen  Tractus  die  entschieden  stärkere 
Muskellage  darstellt,  geht  nie  in  die  Gefäße  hinein,  sondern  sie  allein 
ist  es,  die  von  Zeit  zu  Zeit  die  bindegewebigen  Innenschichten  des  Darmes 
und  Gefäßes  von  einander  trennen.  Dafür  aber  ist  in  den  Gefäßen 
eine  sehr  gut  ausgebildete  LängsmuskeUage  zu  bemerken,  die  be- 
deutend kräftiger  ist  als  die  der  begleitenden  Abschnitte  des  Tractus. 

d)  Genitalgefäß. 
Vom  Blutring  geht  an  der  dorsalen  Seite  das  Genitalgefäß  ( =  la- 
cunar  blood  cord  Theels)  als  das  mächtigste  Gefäß  in  ganz  geradem 
Verlaufe  zur  Genitalbasis.  Dabei  legt  es  sich  an  der  linken  und  dem 
Darm  zugekehrten  Seite  an  die  Wandung  des  Genitalsinus  an.  Der 
Querschnitt  ist  stets  fast  kreisrund  und  hat  einen  Durchmesser,  der 


Anat.  u.  histol.  Studien  an  Mesothuria  intestinalis  (Ascanius  u,  Rathkc).  243 

meist  etwa  ein  Viertel  bis  ein  Fünftel  des  Darmdurclimessers  beträgt 
(vgl.  Textfig.  2  &).  Der  ganze  Innenraum  ist  gleichmäßig  ausgefüllt 
von  Bindegewebe  und  durchsetzt  von  vielen  Lücken,  in  denen  die 
Blut-  und  Wanderzellen  oft  so  massenhaft  liegen,  daß  das  ganze  Innere 
des  Gefäßes  einen  einzigen  Klumpen  dicht  zusammengedrängter  Kerne 
darzustellen  scheint.  Unter  dem  wimpernden  Cölomepithel  befindet 
sich  hier  im  Gegensatz  zu  den  andern  Gefäßen  eine  kräftige  Ringmuskel- 
schicht. An  der  Wandung  des  Geschlechtssinus  befestigt  sich  das 
Genitalgefäß  nur  mit  einem  kleinen  Teil  seiner  Peripherie,  sodaß  der 
bei  weitem  größere  Teil  frei  in  den  Genitalsinus  hineinragt  und  so  auch 
auf  den  ersten  Blick  mehr  den  Eindruck  eines  eigentlichen  Gefäßes 
erweckt  wie  das  bei  den  übrigen  Gefäßen  der  Fall  war.  An  seinem  hin- 
teren Ende  löst  sich  das  Genitalgefäß  in  die  Genitalbasis  auf,  indem 
seine  Schichten  direkt  in  deren  entsprechende  Schichten  übergehen. 
Die  Genitalbasis  wird  dadurch  so  reichlich  mit  Blutflüssigkeit  ver- 
sorgt, daß  sie  fast  an  einen  einzigen  großen  Blutzellenbehälter  erinnern 
könnte. 

XV.  Cuviersche  Organe. 
Die  CuviERSchen  Organe  fehlen  vollständig  bei  unsrer  Art. 

XVI.  Stellung  im  System. 

Als  Einleitung  in  eine  Klassifikation  der  Holothurien  schickt 
Mac  Bride  noch  im  Jahre  1906  der  systematischen  Zusammenstellung 
die  bezeichnenden  Worte  voraus :  »The  class  is  in  many  points  of  struc- 
ture  exceedingly  variable,  but  many  striking  variations  in  important 
Organs  occur  in  allied  species  and  even  in  the  same  species,  and  hence 
are  probably  not  of  physiological  importance  <<.  Die  Folge  dieser  Va- 
riabilität der  einzelnen  Eigenschaften  ist  denn  auch  eine  ständige  Um- 
änderung des  Systems  der  Holothurien  gewesen.  Ein  Blick  in  die 
von  Ludwig  (1889 — 92)  aufgestellte  Zusammenstellung  der  einzelnen 
von  den  verschiedenen  Forschern  ausgearbeiteten  Systeme  bestätigt 
dies  und  auch  ein  Durchblättern  der  neueren  und  neuesten  Literatur 
zeigt  die  wenig  erfreuliche  Tatsache,  daß  fast  alle  Autoren,  die  sich 
näher  und  eingehender  mit  Holothurien  beschäftigt  haben,  auch  an 
dem  System  mehr  oder  weniger  zu  ändern  und  zu  bessern  versucht 
haben  (Oestergren  1896,  Slüiter  1901,  Perrier  1902,  Delage  und 
Herouard  1903,  Mac  Bride  1906,  Oestergren  1907).  Es  kann  natür- 
lich nicht  der  Zweck  der  vorliegenden  Arbeit  sein,  alle  diese  Verbesse- 
rungsversuche hier  auseinanderzulegen  und  kritisch  zu  beleuchten,  da 


244  '  Wilhelm  Haanen, 

ja  selbst  eingehende  Untersuchungen  über  eine  einzelne  Art  niemals 
maßgebenden  Einfluß  auf  ein  ganzes  System  ausüben  können.  Immer- 
hin aber  haben  wir  hier  die  engeren  Beziehungen  verwandter  Arten  und 
Gattungen  zu  unsrem  Tier  etwas  näher  ins  Auge  zu  fassen  und  ihre 
Zusammengehörigkeit  im  System  zu  betrachten.  Schon  in  der  Ein- 
leitung habe  ich  vorweggenommen,  daß  Mesothuria  intestinalis  von 
AscANius  und  Rathke  (1767)  als  Holothuria  intestinalis  zu  den  Aspido- 
chiroten  ( =  Holothuriiden)  gestellt  und  1896  von  Oestergeen  in  Lud- 
wigs Subfamilie  der  Synallactinae  überwiesen  worden  ist.  Bis  heute 
sind  14  Arten  in  die  Gattung  Mesothuria  eingeordnet  worden: 
Mesothuria  Ludwig. 

1)  Mesothuria    multipes  Ludwig. 

lactea  Theel)  t^..i  i  ■   •  , 

-,  ..  }  von  Köhler  veremigt. 

thomsonii       >>      ) 

7nurrayi  Theel. 

ititestifialis  (Ascan.  s.  Rathke)  Oestergren. 

verilUi  (Theel)  Oestergren. 

magellani  (Ludwig). 

roulei  (?)  (Koehler)  Oestergren. 

aspera  (?)  (Bell)  Oestergren. 

marginata  Sluiter. 

oktaknema  Sluiter. 

holothurioides  Sluiter. 

marrocana  R..  Perrier. 

expectans  R.  Perrier. 

Auch  hier  sind  wir  von  einer  Einigkeit  unter  den  einzelnen  For- 
schern noch  weit  entfernt.  So  läßt  z.  B.  Peerier  (1902)  die  von  Oester- 
gren aufgenommenen  Holothuria  aspera  und  roulei  weg  und  ver- 
einigt Mesothuria  lactea,  thomsonii  und  marginata  mit  einer  neu  von 
ihm  beschriebenen  Art  Zygothuria  connectens  zu  einer  selbständigen 
Gattung  Zygothuria.  Koehler  vereinigt  (1896)  Mesothuria  thomsonii 
und  lactea  und  Ludwig  (1900)  und  Koehler  (1896)  vereinigen  Me- 
sothuria intestinalis  und  verillii.  Herouard  trennt  (1902)  die  beiden 
letztgenannten  Arten  und  bildet  für  sie  eine  neue  Gattung  Allantis, 
die  er  1906  trotz  des  Einspruchs  Oestergrens  (1903)  für  Mesothuria 
verillii  bestehen  lassen  will.  Es  ist  somit  ganz  unmöglich,  eine  einwand- 
freie Diagnose  der  Gattung  Mesothuria  aufzustellen,  bis  sich  alle  diese 
Gegensätze  geklärt  haben.  Oestergrens  Diagnose  (1896)  scheint  mir, 
soweit  ich  das  hier  beurteilen  kann,  die  treffendste  zu  sein:  »Körper 


2) 

3) 

4) 

5) 

6) 

7) 

8) 

9) 

10) 

11) 

12) 

13) 

14) 

Aiiat.  u.  histol.  Studien  an  Mesothuria  intestinalis  (Ascanius  u.  Rathke).  245 

cylindrisch  oder  mit  schwach  abgeflachtem  Bauche,  ohne  Randsaum. 
Haut  dünn  mit  Kalkkörpern  (gewöhnUch  Stühlchen).  Fühler  12 — 20. 
Füßchen  in  den  Flanken  immer  gut  entwickelt,  auf  dem  Rücken 
und  dem  Bauch  in  der  Regel  kleiner  (bisweilen  papillenähnlich)  oder 
rudimentär  bis  ganz  [?]  fehlend.  Genitalschläuche  in  einem  (linken) 
Büschel.  Längsmuskeln  ungeteilt«. 

Was  die  Aufstellung  der  Gattung  AUantis  anbetrifft,  so  habe  ich 
meine  Ansichten  schon  in  früheren  Kapiteln  klarzustellen  versucht. 
Herouard  begründet  die  Gattung  AUantis  durch  die  Beobachtung, 
daß  Mesothuria  veriUii  kleine,  dem  Kalkring  aufliegende  Tentakel- 
ampullen besitzt,  die  durch  Injektion  sichtbar  werden  und  an  den  In- 
terradialia  größer  sind  als  an  den  Radialia.  Diese  seine  Beobachtung 
ist,  wie  wir  gesehen  haben,  auch  für  Mesothuria  intestinalis  vollkommen 
richtig,  soweit  es  sich  um  die  Existenz  jener  kleinen,  an  der  Außenseite 
des  Kalkrings  gelegenen  Hohlräume  handelt.  Da  aber  meiner  Meinung 
nach  1)  jene  Hohlräume  keine  echten  Fühlerampullen  darstellen,  2)  die 
verschiedene  Größe  durch  den  Größenunterschied  der  Radialia  und 
Interradialia  ganz  natürlich  bedingt  wird  und  3)  die  andern  Arten  der 
Gattung  Mesothuria  auf  ein  derartiges  Verhalten  noch  gar  nicht  ge- 
prüft sind,  so  wird  die  Aufstellung  der  Gattung  AUantis  unberechtigt 
oder  wenigstens  verfrüht. 

Durch  das  Vorhandensein  jener  ampullenähnlichen  Gebilde  bei 
Mesothuria  intestinalis  und  veriUii  verschwindet  wieder  ein  Unterschei- 
dungsmerkmal zwischen  diesen  beiden  Tieren.  Am  entschiedensten 
spricht  sich  gegen  die  Vereinigung  dieser  beiden  Arten  Perrier  (1902) 
aus  (vgl.  die  Einleitung),  der  die  Unterschiede  durch  die  Aufstellung 
einer  besonderen  Tabelle  möglichst  deutlich  hervorheben  will.  Aber 
alle  diese  Unterschiede  sind  so  geringfügig  gegenüber  den  Unterschieden 
beider  Tiere  und  andrer  Mesothuria- Arten  und  die  gemeinsamen  Eigen- 
schaften so  hervorstechend,  daß  ich  eine  vollständige  Trennung  in 
gänzlich  gesonderte  Arten  nicht  befürworten  kann.  Bei  der  Besprechung 
der  Kalkkörper  unsres  Tieres  habe  ich  hauptsächlich  Wert  darauf 
gelegt,  die  beträchtlichen  Variationen  zu  zeigen,  denen  die  Kalkkörper 
hier  unterworfen  sind.  Der  einzige  Unterschied,  der  hier  nach  Perriers 
Ausführungen  besteht,  läuft  darauf  hinaus,  daß  bei  Mesothuria  veriUii 
nur  vier  spitz  zulaufende,  bei  M.  intestinalis  immer  mehrere,  rundliche 
Dornen  die  Krone  des  Stühlchens  bedecken. 

Sodaim  besteht  ein  Unterschied  in  der  Tiefenverbreitung  der  bei- 
den Tiere,  indem  Mesothuria  intestinalis  meist  ziemlich  nahe  an  der 
Oberfläche,  M.  verUlii  in  sehr  großen  Tiefen  vorkommt.    Anderseits 


246  Wilhelm  Haanen, 

bestehen  unverkennbare  Äbnliclikeiten  im  ganzen  Habitus,  im  Bau 
der  Stühlclien,  im  Besitz  jener  ampullenähnlichen  Vorwölbungen  und 
vor  allem  darin,  daß  sie  beide,  wie  Theel  (1901)  gezeigt  hat,  Zwitter 
sind.  Die  bläschenförmigen  Ausstülpungen  der  Kiemenbäume  variieren 
bei  Mesothuria  intestinalis  in  bezug  auf  ihre  Größe  so  sehr,  daß  Perrier 
darin  einen  Unterschied  mit  Unrecht  sucht.  Endlich  ist  Mesothuria 
intestinalis  noch  lange  nicht  immer  mit  Fremdkörpern  bedeckt  und, 
selbst  wenn  das  hier  häufiger  der  Fall  sein  sollte  als  bei  M.  verillii, 
kann  darin  kein  Unterschied  in  der  drüsigen  Beschaffenheit  der  Haut 
zurechtkonstruiert  werden  (vgl,  Perrier  1902,  S,  310),  da  gerade 
Mesothuria  intestinalis  gar  keine  Drüsen  in  der  Haut  besitzt  und  des- 
halb die  Fremdkörper  stets  nur  mit  den  Saugfüßchen  festhält.  So 
möchte  ich  denn  Mesothuria  verillii  höchstens  als  eine  Varietät  von 
Mesothuria  intestinalis  ansehen,  womit  ich  mich  der  »späteren  <<  Ansicht 
Oestergrens  anschließe,  die  er  1903  in  den  Worten  niederlegt:  >>If 
one  wishes  to  characterize  M.  verilli  as  a  subspecies  or  even  only  as  a 
variety  of  M.  intestinalis,  it  may  be  justif iable  <<,  worauf  er  den  nur 
allzu  wahren  Ausspruch  hinzufügt :  >>In  reality  we  know  only  too  little 
of  the  systematical  value  of  different  characters  <<. 

Die  Gattung  Mesothuria  vereinigt  sich  mit  acht  andern  Gattungen 
zur  Subfamilie  der  Synallactinae : 

1)  Pseudostichopus  Theel. 

2)  Paelopatides  Theel, 

3)  Synallactes  Ludwig. 

4)  Mesothuria  Ludwig, 

5)  Meseres  Ludwig, 

6)  Bathyplotes  Oestergren, 

7)  Bathyherpystikes  Sluiter. 

8)  Benthothuria  K.  Perrier. 

9)  Zygothuria  E.  Perrier. 

Als  Ludwig  im  Jahre  1894  die  fünf  ersten  der  oben  aufgeführten 
Gattungen  zur  Subfamilie  der  Synallactinae  von  den  übrigen  Aspido- 
chiroten  abtrennte,  die  er  im  Gegensatz  zu  diesen  Holothuriinae  nannte, 
stützte  er  sich  auf  die  Beobachtung,  daß  alle  jene  Gattungen  im 
Gegensatz  zu  den  Holothuriinae  keine  Tentakelampullen,  kein  Darm- 
wundernetz, einen  einfachen,  an  der  Körperwand  befestigten  Stein- 
kanal, dabei  aber,  wie  diese,  wohlausgebildete  Kiemenbäume  besitzen. 
Vergleicht  man  nun  die  verschiedenen  Gattungsdiagnosen  mit  ein- 
ander, so  zeigt  sich,  daß  die  einzelnen  Gattungen  in  andrer  Hinsicht 


Anat.  u.  histol.  Studien  an  Mesothuria  intestinalis  (Ascanius  u.  Rathke).  247 

manclioilei  Verschiedenheiten  aufweisen  können.  So  kann  z.  B.  die 
Körperforni  rund  {Mesothuria)  oder  abgeflacht  {Synallactes,  Pseudo- 
stichopus)  oder  sogar  mit  Randsauni  ausgestattet  sein  {Paelopatides). 
Die  Kalkkorper  können  ganz  fehlen  {Pseudostichopus,  Meseres)  oder 
in  Form  dreiarmiger  Körperchen  {Paelopatides)  oder  Stühlchen  auf- 
treten {Synallactes,  Mesothuria).  Die  Längsmuskeln  können  geteilt 
{Paelopatides,  Synallactes)  oder  ungeteilt  sein  {Pseudostichopus,  Meso- 
thuria, Meseres).  Es  können  endlich  Füßchen  und  Papillen  {Pseudo- 
stichopus u.  a.)  oder  nur  Füßchen  den  Körper  bedecken  {Mesothuria) 
und  die  Geschlechtsschläuche  in  einem  {Mesothuria)  oder  in  zwei 
Büscheln  {Pseudostichopus,  Paelopatides  u.  a.)  ausgebildet  sein.  Der- 
artige Wahrnehmungen,  die  auf  Verwandtschaften  mit  den  ver- 
schiedenen Holothuria-  und  Stichopus- Alten  hindeuten,  haben  Sluiter 
(1901)  veranlaßt,  die  ganze  Subfamilie  der  Synallactinae  als  künstlich 
hinzustellen  imd  ihre  baldmöglichste  Aufgabe  anzuraten.  Desgleichen 
gibt  ]Mac  Bride  (1906)  weder  die  Subfamilie  der  Synallactinae  noch 
die  Gattung  Mesothuria  an,  sondern  erw^ähnt  unsre  Art  wieder  unter 
dem  alten  Namen  Holothuria  intestinalis.  Meines  Erachtens  ist  ein  der- 
artiges Vorgehen  vom  praktisch-systematischen  Standpunkte  durch- 
aus nicht  zu  empfehlen.  Sluiter  selbst  muß  zugeben,  daß  dadurch 
>>die  Lösung  der  Frage,  wo  diese  Formen  dann  einzureihen  wären,  sehr 
schwierig  sei  und  uns  die  Gewißheit  hierüber  wohl  für  immer  versagt 
bleibe«.  Ebenso  wie  die  Notwendigkeit,  aus  der  unübersehbar  großen 
Anzahl  der  Holothuria- Alten  einzelne  zu  Untergruppen  enger  zusammen- 
zufassen, spricht  für  die  Aufrechterhaltung  der  Subfamilie  der  Synallac- 
tinae die  Tatsache,  daß  Ludwig  in  dieser  solche  Gattungen  vereinigt 
hat,  die  entschiedene  Übergangsformen  zwischen  den  Holothuriiden 
( =  Aspidochiroten)  und  Elpidiiden  ( =  Elasipoda)  aufw^eisen  (vgl.  Lud- 
wig 1894,  Oestergren  189G  u.  1907,  Perrier  1902).  Ja,  diese  Ähnlich- 
keit mit  den  Elpidiiden  geht  so  weit,  daß  Oestergren  (1896  u.  1907 
und  Perrier  (1902)  die  Subfamilie  der  Synallactinae  gänzlich  aus  der 
Familie  der  Holothuriiden  entfernen  und  in  ihr  eine  vierte  Subfamilie 
der  Elpidiiden  erblicken  wollen.  Zur  näheren  Erläuterung  dieser  Frage 
führe  ich  am  besten  Oestergrens  Worte  (1907,  S.  203)  an:  »Diese  Ab- 
teilung (die  Synallactinae)  unterscheidet  sich  von  den  übrigen  Elasipoden 
einzig  und  allein  durch  den  Besitz  von  Wasserlungen,  \vobei  einerseits 
zu  merken  ist,  daß  rudimentäre  Wasserlungen  sich  bei  verschiedenen 
andern  Elasipoden  finden,  und  anderseits,  daß  einige  Synallactinae  diese 
Organe  ziemlich  schwach  entwickelt  haben.  Ferner  kann  man  zwischen 
den  Synallactinae  und  den  echten  Aspidochiroten  keine  nähere  Ver- 


248  Wilhelm  Haanen, 

wandtschaft  entdecken,  während  zwischen  den  Synallactinae  und  ge- 
wissen andern  Elasipoden  eine  auffallende  vorliegt.  So  schließen  sich 
die  Gattungen  Paelopatides  Theel,  Synallactes  Ludw.  und  Bathyplotes 
Oestergren  eng  an  die  Psychoprotiden  an,  während  anderseits  die  Über- 
einstimmung zwischen  Mesothuria  Ludw.  und  gewissen  Gattungen  (be- 
sonders Capheira)  unter  den  Deimatiden  eine  unverkennbare  ist«. 

Bei  jeder  Gruppe,  die  Übergangsformen  enthält,  findet  man  indes 
solche  Formen,  die  nach  der  einen  oder  nach  der  andern  Seite  verwandt- 
schaftlich engere  Beziehungen  zeigen.  Es  soll  hier  durchaus  nicht  ab- 
gestritten werden,  daß  Paelopatides,  Bathyplotes  u.  a.  einzelnen  El- 
pidiiden  mehr  gleichen  als  den  Holothuriiden,  anderseits  aber  mag 
darauf  hingewiesen  werden,  daß  es  ebenso  gut  Formen  gibt,  die  den 
Holothuriiden  bedeutend  näher  stehen  als  den  Elpidiiden.  Ein  Ver- 
gleich ist  zwischen  Capheira  und  Mesothuria  (das  gilt  übrigens  noch 
lange  nicht  für  alle  Mesothuria- Arten)  gar  nicht  stichhaltig,  da  Capheira 
unter  den  Elpidiiden  ganz  gesondert  dasteht  (vgl.  Ludwig  1894),  Und 
Arten  wie  Mesothuria  holothurioides  und  besonders  auch  Mesothuria 
intestinalis  und  var.  verillii  stehen  den  typischen  Aspidochiroten  (ich 
spreche  absichtlich  nicht  von  einzelnen  Arten)  ganz  außerordentlich 
nahe.  Das  gibt  sich  für  Mesothuria  ifitestinalis  außer  in  ihrer  walzen- 
runden Körperform  in  ihren  stühlchenförmigen  Kalkkörpern  zu  er- 
kennen, die,  wie  ich  aus  eigner  Beobachtung  weiß,  den  Stühlchen  von 
Holothuria  albanensis  so  sehr  gleichen,  so  daß  sie  in  der  Aufsicht  gar  nicht 
zu  unterscheiden  sind  und  nur  von  der  Seite  gesehen  etwas  schlanker 
und  höher  als  jene  erscheinen.  Die  Andeutung  der  Tentakelampullen 
vor  allem  aber  auch  die  histologischen  Befunde  sprechen  für  eine  enge 
Beziehung  unsrer  Art  zu  den  Holothuriiden.  So  ist  z.  B.  die  histologische 
Zusammensetzung  des  Darmtractus  mit  dem  äußerst  charakteristischen 
Wechsel  der  Muskellagen  ganz  genau  dieselbe  wie  bei  Holothuria  tuhu- 
losa  und  fällt  umso  mehr  ins  Gewicht,  als  dieser  gleiche  Aufbau  von  ecto- 
und  entodermalen  Teilen  auf  eine  Ähnlichkeit  in  der  Entwicklung 
berechtigte  Schlüsse  ziehen  läßt.  Im  übrigen  ist  es  ja  Geschmacksache, 
das  Fehlen  des  Darmwundernetzes  oder  das  der  Kiemenbäume  für  syste- 
matisch wichtiger  anzusehen.  Meiner  Ansicht  nach  muß  das  Ver- 
schwinden der  Kiemen  im  Organismus  des  Tieres  größere  Veränderungen 
hervorrufen  als  das  Verschwinden  des  Darmwundernetzes ;  denn  im 
ersten  Falle  müssen  andre  Organe  die  wichtigen  Funktionen  der  Atmung 
Excretion  usw.  übernehmen,  während  im  zweiten  das  Blutgefäßsystem 
nur  eine  einfachere  Form  annimmt.  Schließlich  kommt  es  ja  nur  da- 
rauf hinaus,  ob  man  die  Synallactinae  als  werdende  Elpidiiden  oder 


Anat.  u.  histol.  Studien  an  Mcsolluiria  intestinalis  (Ascanius  ii.  Ratlike).  249* 

als  werdolulo  Hülütliuriidon  an.siclit,  d.  h.  ob  man  die  Elpidiiden  oder 
die  Holütliuriiden  für  phylogenetisch  älter  liält.  Nun  wissen  wir  aber 
heute  .sowohl  über  die  Entwicklungsgeschichte  als  auch  überhaupt 
über  die  Histologie  der  Elpidiiden  viel  zu  wenig  Bescheid,  um  eine  auch 
nur  annähernd  sichere  Antwort  auf  diese  Frage  geben  zu  können  und 
deshalb  möge  man  bis  zu  einer  solchen  sicheren  Entscheidung  die 
Synallactinae  nicht  voreilig  von  den  Holothuriiden  zu  trennen  versuchen. 


Es  ist  mir  eine  angenehme  Pflicht,  an  dieser  Stelle  meinem  hoch- 
verehrten Lehrer,  Herrn  Geh.  Regierungsrat  Prof.  Dr.  H.  Ludwig 
für  die  rege  Anteilnahme  und  die  freundliche  Unterstützung,  die  er 
meiner  Arbeit  hat  angedeihen  lassen,  sowie  für  die  liebenswürdige 
Überlassung  des  Materials  und  seiner  überaus  reichhaltigen  Holothurien- 
literatur  meinen  wärmsten  Dank  auszusprechen.  Ferner  bin  ich  Herrn 
Privatdozenten  Dr.  A.  Reichensperger  für  sein  beständiges,  reges 
Interesse,  das  er  meinen  Studien  stets  entgegengebracht  hat,  zu 
großem  Danke  verpflichtet. 

Bonn,  im  Mai  1913. 


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I 


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(1892 — 97).  In:  Resultats  des  campagnes  scientifiques  par  Albert  L 
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1898,  1899,     Antwerpen  1906.     16  Seiten  imd  3  Tafehi. 

34.  1912.     —  Holothuries  nouvelles  de  la  campagne  de  la  Princesse  Alice.     In: 

Bull.  Inst,  oceanographique  de  Monaco.    Xr.  239.  p.  1 — 9.  7  fig. 

35.  1890.     W.  HoYLE,  On  the  Deep-water  Fauna  of  the  Clyde  Sea-area.    In: 

Journal  of  the  Linnean  Society.  Zoology.  Vol.  XX.  London  1890. 
p.  442—472-     Taf.  XXIX. 

36.  1885.     Th.  Jarzynski,    Catalogus   Echinodermatum    inventorum    in    mari 

albo  et  in  mari  glaciali  ad  litus  murmanicum  anno  1869  et  1870.  p.  170 
et  171.  In:  Wagner,  N.,  Die  Wirbellosen  des  weisen  Meeres.  Bd.  I. 
Leipzig  1885,  fol.     171  Seiten  mit  21  Tafehi. 

37.  1883.     Et.  Jourdais",  Recherches    sur    l'liistologie    des    Holothuries.      In: 

Ann.  du  Musee  d'histoire  nat.  de  Marseille.  T.  I.  Mem.  Nr.  6.  64  Seiten 
und  5  Tafehi. 

38.  1896.     R.  KoEHLER,  Resultats  scientifiques  de  la  campagne  du  «Caudan» 

dans  le  golfe  de  Gascogne.     Paris  1896.    8°.    711  Seiten,  40  Tafeln. 

39.  1886.     W.  KÜKENTHAL  und  B.  Weissenborn,  Ergebnisse  eines  zoologischen 

Ausfluges  an  die  Westküste  Norwegens.  In:  Jenaische  Zeitschr.  f. 
Natm-wissensch.     Bd.  XIX.     Jena  1886.     S.  776—789. 

40.  1885.     Kurt  Lajipert,  Die  Seewalzen.      In:  Semper,  Reisen  im  Archipel 

der  PhiUppinen.  2.  Teil.  Bd.  IV.  3.  Abt.  Wiesbaden  1885.  4°. 
310  Seiten  mit  1  Tafel. 

41.  1857.     Franz   Leydig,  Lehrbuch   der   Histologie   des   Menschen   und   der 

Tiere.     Frankfurt  a.  M.     551  Seiten. 

42.  1883.     Hubert  Ludwig,  Verzeichnis  der  Holothurien  des  Kieler  Museums. 

In:  22.  Bericht  der  Oberhessischen  Gesellschaft  f.  Natur-  und  Heil- 
kunde.    Gießen  1883.     S.  155—176. 

43.  1890.     —  Ankyroderma  musculus  (Risso),  eine  Molpadüde  des  Mittelmeeres, 

nebst  Bemerkungen  zur  Phylogenie  und  Systematik  der  Holothurien. 
In:  Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.     Bd.  LL     S.  569—612.     Taf.  XXIX. 

44.  1889 — 92.     —  Echinodernien.     II.  Bd.     3.  Abteilung  von  Bronn,  Klassen 

und  Ordnungen  des  Tierreichs.     I.  Buch:  Die  Seewalzen.     Leipzig. 

17* 


252  Wilhelm  Haanen, 

45.  1894.     Hubert  Ludwig,  Reports  on  an  exploration  of  the  west  coasts  of 

Mexico,  Central-  and  South  America,  and  off  the  Galapagos  Islands  in 
Charge  of  Alexander  Agassiz,  by  the  U.  S.  fish  commission  steamer 
"Albatross"  dm-ing  1891.  XII.  "The  Holothurioidea".  In:  Memoirs 
of  the  Museum  of  Coniparative  zoology,  Harvard  College,  Cambridge; 
Vol.  XVII.     Nr.  3.     183  Seiten  und  19  Tafeln. 

46.  1898.     • —   Holothurien      In:     Hamburger     Magalhaenssche     Sammelreise. 

Hamburg  1898.     98  Seiten  mit  3  Tafeln. 

47.  1900.     —  Arktische  und  subarktische  Holothurien.     Jena   1900.      (Fauna. 

arctica.     Bd.  I.     Lief.  1.)     178  Seiten. 

48.  1892.     K.  Ludwig   und    Ph.  Bartels,  Beiträge   zur   Anatomie   der   Holo- 

thurien. In:  Zeitschr.  f.  wissensch.  Zool.  Bd.  LIV.  4.  S.  631—654 
und  Taf.  XXVIII. 

49.  1857.     Chr.  Lütken,   De    ved    Danmarks    Kyster    levende    Pighude.      In: 

Videnskabelige  Meddelelser  fra  den  natur-hist.  Forening  i  Kjöbnhavn 
1857.     p.  88—110. 

50.  1906.     E.  W.  Mac  Bride,  Echinodermata.       In     the     Cambridge     Natural 

History.     Vol.  I.     p.  427—623.     fig.  185—296.     London. 

51.  1877.     E.  V.  Marenzeller,  Beiträge     zur     Holothurieiifauna     des     Mittel- 

meers. In:  Verhandl.  zool.  botan.  Gesellschaft.  Wien  1877.  S.  117 
bis  122.     Taf.  V. 

52.  1893.     —  Contribution   ä   Tetude   des   Holothuries   de   1' Atiantique   Nord. 

In:  Resultats  des  cami^agnes  scientifiques  accomphes  sur  son  yacht 
par  Albert  I.,  Prince  souverain  de  Monaco.  Fase.  VI.  Monaco  1893. 
22  Seiten  mit  2  Tafeln. 

53.  1893.     —  Echinodermen,  gesammelt  1890,  1891  und  1892.    In:  Berichte  der 

Kommission  für  Erforschung  des  östlichen  Älittelmeers.  V.  Zoolo- 
gische Ergebnisse  I.     Wien  1893.     23  Seiten  mit  4  Tafeln. 

54.  1895.     —  Echinodermen,  gesammelt  1893,   1894.     In:  Berichte  der  Kom- 

mission für  Tiefsee-Forschungen.  XVI.  Zoologische  Ergebnisse.  V. 
Wien  1895.     25  Seiten  und  1  Tafel. 

55.  1875.     K.  MöBius   und   0.  Bütschli,  Echinodermata.      In:    Jahresberichte 

der  Kommission  zur  Untersuchung  der  deutschen  Meere.  Bd.  II  und  III. 
Berlin  1875.     S.  14^—151. 

56.  1893.     O.  Nordgaard,  Enkelte  traek  af  Beitstadfjordens  evertebratfauna. 

In:  Bergens  Museums  Aarbog  for  1892.     Bergen.     Nr.  2.     11  Seiten. 

57.  1896.     Hjalmar  Oestergren,  Zur  Kenntnis  der     Subfamilie     der     Synal- 

lactinae  unter  den  Aspidochiroten.  In:  Festschrift  für  Lilljeborg. 
Upsala  1896.     S.  345—360.     Taf.  XVIIL 

58.  1903.     —  The  Holothurioidea  of  Northern  Norway.     In:  Bergens  Museum 

Aarbog  1902.     Nr.  9.     34  Seiten. 

59.  1907.     ■ —  Zur  Phylogenie  und  Systematik  der  See  walzen.     In:  Särtryck  ur 

Zoologiska  Studier  tillägnade  Prof.  T.  Tullberg.  Upsala  1907.  S.  191 
bis  215. 

60.  1902.     RiMY  Perrier,  Holothuries.       In:     Expeditions    scientifiques    du 

«Travailleur»  et  du  «TaHsman»  pendant  les  annees  1880,  1881,  1882, 
1883.     Paris  1902.     p.  273—554  und  Taf.  XII— XXII. 


Anat.  u.  histol.  Studien  an  Mcsothuria  intestinalis  (Ascanius  u.  Rathke).  253 

61.  190C,  Gustav  Retzius,  Über  die  Verteilung  der  Sinnesnervenzellen  in  der 
Haut  der  Holothurien.  In:  Biologische  Untersuchungen  Retzius. 
Bd.  Xlir.     S.  11:3— 117. 

02.  1910.  —  Zur  Kenntnis  der  Spermien  der  Echinodermen.  Ibid.  Bd.  XV. 
S.  1—54. 

63.  1912.     Karl  Reimers,  Zur  Histogcnese  der  Sjniapta  digitata.     In:  Jenai- 

sche Zeitschr.  f.  Naturwissensch.     Bd.  XLVIII. 

64.  1900.     AcniLLE  Russo,  Sulla    funzione    renale    dell'Organo    Genitale    delle 

Olothurie.  Ricerche  fatte  nel  Laboratorio  di  Anatomia  normale  della 
R.  Universitä  di  Roma  ed  in  altri  Laboratori  biologici.  Vol.  VIII. 
Fase.  1. 

65.  1872.     G.  O.  Sars,  Nye  Echinodermer  fra  den  Norske  Kyst.     In:  Vidensk. 

Selsk.  Forhandlinger  for  1871.     Christiania  1872.     .31  Seiten. 

66.  1835.     M.  Sars,  Beskrivelser  og  Jagttagelser  over  nogle  maerkelige  eller  nye 

i  Havet  ved  den  Bergenske  Kyst  levende  Dyr,  Bergen  1835.  81  Seiten 
und  15  Tafeln. 

67.  1861.     —  Oversigt  af  Xorges  Echinodermer.     Christiania  1861.     160  Seiten 

mit  16  Tafeln. 

68.  1868.     - —  Om    nogle    Echinodermer    og    Coelenterater    fra    Lofoten.      In: 

Vidensk. -Selk.  Forhandlinger  for  1867.     Christiania  1868.     8  Seiten. 

69.  1902.     Karl  Camillo  Schneider,  Lelubuch  der  vergleichenden  Histologie 

der  Tiere.     Jena.     988  Seiten. 

70.  1867.     Emil  Selenka,  Beiträge  zur  Anatomie  und  Systematik  der  Holo- 

thurien.    In:  Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.     Bd.  XVII.     1867.  S.  291—374. 

Taf.  XVII— XX.  Nachtrag  dazu,  ebendort  Bd.  XVIII.  1868.  S.  109 
bis  118  mit  Taf.  VIII. 

71.  1883.     Richard  Semon,  Das  Nervensystem  der  Holothurien.  In:  Jenaische 

Zeitschrift  f.  Naturwissenschaft.     Bd.  XVI.     S.  578—600. 

72.  1884.     —  Berichtigung    einiger    Angaben    und    Behauptungen    des    Herrn 

Dr.  Hamann.  In:  Zool.  Anzeiger.  1884.  Bd.  VII.  Nr.  184.  S.  699 
bis  702. 

73.  1868.     Karl  Semper,  Reisen  im  Archipel  der  PhiUppinen.  II.Teil.    Bd.  I. 

Holothurien.      Wiesbaden    1868.      4°.      288  Seiten  mit  40  Tafeln. 

74.  1891.     W.  P.  Sladen,  Report  on  a  Collection  of  Echinodermata  from  the 

South-West  of  Ireland.  In:  Proceed.  Royal  Irish  Academy  (3.  Ser.) 
Vol.  I.     Dublin   1889—91.     p.  687—704.     Taf.  XXV— XXIX. 

75.  1901.     C.  Ph.  Sluiter,  Die   Holothurien    der  Siboga-Expedition.     Monogr. 

XLIV  aus:  Uitkomsten  op  zoologisch,  botanisch,  oceanographisch  en 
geologisch  Gebied  verzameld  in  Nederlandsch  Oost-Indie  1899 — 1900. 
141  Seiten  und  10  Tafeln. 

76.  1891.     F.  Steindachner,  Veröffentlichungen   der    Kommision    für    Erfor- 

schung des  östhchen  Mittelmeers.  Vorlauf.  Bericht  über  die  zoologischen 
Arbeiten  im  Sommer  1891.     Sitzungsbericht.  Akad.     S.  435 — 444. 

77.  1876.     R.  Teuscher,  Beiträge  zur  Anatomie  der  Echinodermen.  V.  Holo- 

thuriae.     In:  Jenaische  Zeitschr.  f.   Naturwiss.     Bd.  X.     S.  542 — 560. 

78.  1882.     Hj.  Theel,  Report   on   the   Holothurioidea.      Part  I.     In:    Report 

on  the  Scientific  Results  of  the  voyage  of  H.  M.  S.  "Challenger".  Zoology 
Vol.  XIV.    Part.  XITI.    London  1882.    4°.    176  Seiten  mit  46  Taf. 


254  Wilhelm  Haanen, 

79.  188G.     Hj.  Theel,    Part  II.    Ibid.    Vol.  XIV.   Part  XXXIX.  London.  4° 

290  Seiten  xuid  16  Tafeln. 

80.  1886.     —  Report  on  the  Holothurioidea.    (Reports  on  the  Results  of  Dred- 

ging  etc.  by  the  Steamer  "Blake",  Nr.  30.)  In:  Bull.  Mus.  Comp. 
Zool.  Harvard  College,  Cambridge,  Mass.  Vol.  XIII.  Nr.  1.  21  Seiten 
mit  1  Tafel. 

81.  1901.     —  On  a  singular  case  of  hermaphrodism  in  Holothurids.    In:  Bihang 

Till  k.  Svenska  vet.-Akad.  Handlingar.  Bd.  XXVII.  Afd.  IV.  Nr.  6. 
38  Seiten  mit  2  Tafeln. 


Erklärung  der  Abbildungen. 


Alle  Figuren  sind  angefertigt  mit  dem  Zeichenocular  Nr.  135  der  Firma 
E.  Leitz. 

Tafel  V. 

Fig.  1.  Mesothiiria  intestinalis,  Rückenansicht  nach  dem  Leben.  Mercu- 
hano  pinxit.      Natürl.  Größe. 

Fig.  2.  Teil  eines  Längsschnittes  durch  den  Schlundkoj)f.  (Getroffen  ist 
die  interradiale  Zone  des  oberen  Haupt-  bzw.  Fühlerkanals.)  h,  Hauptkanal; 
/,  Fühler kanal;  r,  Ringnerv;  k,  Bindegewebe,  wo  der  Kalkring  gesessen  hat; 
q,  Quermuskulatur  d.  Haut;  km,  Kreismuskel  d.  Mundes;  er,  Epineuralring; 
Im,  Längsmuskulatur  des  Wassergefäßsystems.        Vergr.  24. 

Fig.  3.  Zwei  radiale  und  zwei  interradiale  Stücke  des  Kalkrings.  Links 
das  mittl.  ventrale  Radiale.     Vergr.  5. 

Fig.  4.  Wanderzellen  mit  Kugeln,  a,  Kugeln,  die  sich  wie  Chromatin 
gefärbt  haben;  b,  Kugeln,  die  sich  wie  Plasma  gefärbt  haben;  c,  Zellen  mit  wabigem 
Plasma;  d,  Zellen  mit  gemischten  Kugeln;  e,  Blutzelle.  Färbung:  Links  unten, 
EisenhämatoxyUn- Pikrinsäure  bezw.  Pikrinsäure- Wasserblau;  rechts  oben,  De- 
LAFiELDsches  Hämatoxyhn-Eosin.     Vergr.  850. 

Fig.  5.  Querschnitt  durch  die  Radialzone  des  Hauptkanals,  km-z  unter- 
halb der  Stelle,  wo  der  Hauptkanal  in  den  Radialkanal  umbiegt,  h,  Hauptkanal; 
rk,  Radialkanal;  bl,  Radialblutgefäß;  p,  Pseudohämalkanal;  k,  Bindegewebe,  wo 
der  Kalkring  gesessen  hat;  l,  Längsmuskulatur  des  Hauptkanals;  rn,  Radialnerv;  ep, 
Epineuralkanal ;  fa,  FühleramjDulle ;  Im,  Längsmuskel  d.  Haut.     Vergr.  26. 

Fig.  6.  Das  umgebogene  Ende  der  Genitalbasis,  s,  Schläuche;  m,  Makulae; 
gg.  Genitalgefäß.     Wenig  vergrößert. 

Fig.  7.     Madreporenteil  des  Steinkanals.     Wenig  vergrößert. 

Fig.  8.     Kalkplatten  aus  der  Mundhaut.     Vergr.  etwa  200. 

Fig.  9.     Großes,  dreistäbiges  Stühlchen.     Vergr.  330. 

Fig.  10.  Normales,  vierstäbiges  Stühlchen  mit  einem  Kranz  peripherischer 
Löcher.     Vergr.  330. 

Fig.  11.  Großes,  abnormes  Stühlchen  ohne  centrales  Loch  mit  sechs  Stiel- 
stäben und  dreizinkiger  Krone.     Vergr,  340. 

Fig.  12.  Großes  Stühlchen  mit  typischer  Krone,  aber  ohne  centrales  Loch. 
Vergr.  340. 

Fig.  13.     Entwicklungsstadium  eines  Stühlchens,   von  unten.     Vergr.  350. 


1 


Anat.  u.  histol.  Studien  an  Mesothuria  intestinalis  (Ascanius  u.  Ratbke).  255 

Fig.  14.  Typisches  Stühlchcu  mit  zwei  peripherischen  Löcherkreisen. 
Vergr.  :530. 

Fig.  15.  Fünf  stäbiges  Stühlchen.     Vergr.  330. 

Fig.  16.  Normales  Stühlchen  von  der  Seite.  Verschiedene  Kronenbildung. 
Vergr.  400. 

Fig.  17.  Normales  Stühlchen  von  oben.  Verschiedene  Kronenbildung. 
Vergr.  400. 

Fig.  18.  Normale  und  abnorme  Krone.     Vergr.  360. 

Fig.  19.  Kalkplatten  aus  der  Afterhaut.     Vergr.  140. 

Fig.  20.  Stützstäbe  aus  dem  Fühler.     Vergr.   140. 

Fig.  21.  Gitterplatte  eines  Füßchens.     (Bauchseite).     Vergr.  35. 

Tafel  VI. 

Fig.  22.  Querschnitt  durch  den  Ringnerven  (aus  einem  Längsschnitt  durch 
den  Schlundkopf),  d.  Deck-  oder  Randzellen;  i,  Innenzellen;  a,  aufrechte  Stütz- 
fasern; s,  Schlundnerv;  n,  Nervenfasern;  er,  Epineiu-alring;  hm,  Kreismuskel  d. 
Mundes.     Vergr.  326. 

Fig.  23.  Querschnitt  durch  den  Oesophagus,  ie,  Innenepithel;  ib,  inneres 
Bindegewebe;  Im,  Längsnmskeln;  rm,  Ringmuskeln;  c,  Cuticula;  ah,  äußeres 
Bindegewebe;  ae,  Außenepithel;  s.  Aufhängest  ränge  d.  Schlundkopfes;  xo,  Wander- 
zellen.    Vergr.  320. 

Fig.  24.  Querschnitt  durch  den  Madreporenteil  des  Steinkanals,  s,  Lumen 
d.  Steinkanals;  mk,  Madreporenkanälchen.     Vergr.  80. 

Fig.  25.  Querschnitt  durch  den  äußeren  Teil  der  Haut,  c,  Cuticula;  e,  Epi- 
thel; s,  Stühlchenschicht  der  Cutis;  /,  Faserschicht  der  Cutis;  w,  WanderzeUen. 
Vergr.  330. 

Fig.  26.  Querschnitt  durch  die  Wand  einer  ziemlich  stark  kontrahierten 
PoiLschen  Blase,  ie,  Imienepithel ;  rm.,  Ringmuskeln;  ae,  gefaltetes  Außen- 
epithel mit  WanderzeUhaufen.     Vergr.  320. 

Fig.  27.  Querschnitt  diu:ch  ein  Stück  des  Blutgefäßringes,  ae,  Außen- 
epithel =  Innenepithel  des  Ringkanals;  hi,  Blutzellentragende  Bindegewebslage; 
ie,  Innenepithel  =  Außenepithel  des  Ringkanals,  faltig  nach  dem  Oesophagus 
vorgestüljit.     Vergr.  320. 

Fig.  28.  Querschnitt  durch  die  Wand  des  Enddarms,  ie,  Innenepithel; 
ib,  inneres  Bindegewebe;  rm,  Ringmuskulatur;  Im,  Längsmuskulatur;  ab,  äußeres 
Bindegewebe;  ae,  Außenepithel;  s,  Aufhängestrang  des  Enddarms;  w,  Wander- 
zellen.    Vergr.  320. 

Fig.  29.  Querschnitt  durch  die  Wand  des  Dünndarms;  ie,  Innenepithel; 
ib,  inneres  Bindegewebe;  rm,  Ringmuskulatur;  Im,  Längsmuskulatur;  ab,  äußeres 
Bindegewebe;  ae,  Außenepithel;  jn,  Pigmentkörner.     Vergr.  320. 

Fig.  30.  Querschnitt  durch  die  Wand  des  Drüsenmagens,  ie,  Innenepithel 
u.  Drüsenzellenschicht;  ib,  inneres  Bindegewebe;  rm,  Ringmuskulatiu-;  Im,  Längs- 
muskulatur;  ab,  äußeres  Bindegewebe;  ae,  Außenepithel;  hw,  homogene  Wander- 
zellen.    Vergr.  320. 


Beiträge  zur  Histologie  der  Medusen. 

Von 
Sopbie  Krasiiiskn. 


Mit  ö  Figuren  im  Text  und  Tafel  VII  und  VIK. 


Inhaltsübersicht. 

Seite 

Einleitung      256 

Literatur 260 

Technik      274 

I.  Muskulatur 277 

1.  Circuläre  Muskulatur 277 

2.  Querstreifung 291 

3.  Radiale  Muskulatur 302 

4.  Tentakclmuskulatur 308 

5.  Zusammenfassung 315 

IL  Nesselzcllstiele 324 

III.  Peripheres  Nervensystem 328 

Literaturverzeichnis 343 

Erklärung  der  Abbildungen 345 


Einleitung. 

Die  Grundlage  unsrer  Kenntnis  der  Muskulatur  und  des  peripheren 
Nervensystems  der  Medusen,  bilden  Arbeiten,  die  bereits  in  den  70er 
Jahren  erschienen  sind.  In  erster  Linie  sind  hier  die  Arbeiten  von 
0.  und  R.  Hertwig  (1878,  1880)  zu  nennen,  sowie  die  Arbeiten  von 
C.  Claus  (1878).  Seitdem  findet  man  nur  spärliche  Angaben  über  den 
Gegenstand  in  der  Medusenliteratur  zerstreut  und  sie  haben  wenig 
Neues  ergeben,  so  daß  eine  gründliche  histologische  Untersuchung  der 
Muskulatur  und  des  peripheren  Nervensystems  der  Medusen  bis  heut- 
zutage vollständig  fehlt.  Diese  Lücke  einigermaßen  auszufüllen  und  die 
Muskulatur  der  Medusen  histologisch  zu  untersuchen  ist  die  Aufgabe 
dieser  Arbeit. 


Beiträge  zur  Histologie  der  Medusen.  257 

Wie  aus  deu  Unter;siic'liungeu  von  0,  und  K.  Hertwig  (1878, 
1880)  au  Hydromeduseu  hervorgeht,  hat  die  Muskulatur  der  Medusen, 
dort  wo  sie  primitiv  geblieben  ist,  einen  rein  epithelialen  Charakter 
Dieses  primitive  Verhalten  unterliegt  aber  in  vielen  Fällen  weitgehenden 
Veränderungen,  indem  die  Ötützlanielle  mit  den  ihr  ansitzen- 
den Muskelfasern  sich  in  Falten  legt,  und  die  Muskelzellen 
aus  dem  Epithel  in  die  Tiefe  treten.  Wie  wertvoll  und  sicher 
die  tatsächUchen  Befunde  von  0.  und  R.  Hertwig  auch  sind,  so  folst 
doch  aus  den  von  ihnen  angeführten  Beispielen  keinesfalls  zwingend, 
daß  die  Faltung  der  Stützlamelle  den  Austritt  der  Muskelzellen  aus 
dem  Epithel  verursacht,  wie  sie  es  angenommen  haben.  Hingegen 
fcicheint  die  Annahme,  daß  Faltung  der  Stützlamelle  und  Austritt  der 
Muskelzellen  aus  dem  Epithel  zwei  voneinander  unabhängige  Vorgänge 
sind,  ebenso  berechtigt  zu  sein. 

Vollständig  unaufgeklärt  und  bisher  nur  von  Th.  Eimer  (1878) 
ausführlicher  besprochen,  bleibt  das  Verhältnis  des  Myoblasts 
zur  Muskelfaser.  In  den  muskulösen  Körperbezirken  der  Medusen 
ziehen  sehr  viele  Muskelfasern  unter  jeder  Epithelzelle  durch.  In  den 
allermeisten  Fällen  bleibt  unbekannt,  in  welcher  Beziehung  diese 
Muskelfasern  zu  den  Epithelzellen  stehen.  Es  gibt  hier  mehrere  Mög- 
lichkeiten. Entweder  1)  werden  die  Muskelfasern  der  Medusen  von 
allen  Zellen  unter  welchen  sie  verlaufen  gebildet,  oder  2)  die  Muskulatur 
setzt  sich  aus  individualisierten  Muskelzellen  zusammen.  Im  ersten  Falle 
müßten  die  basalen  Teile  der  Epithelzellen  zu  einer  Art  Syncytium  ver- 
einigt sein,  in  welchem  die  Muskelfasern  zur  Ausbildung  kämen.  Im 
zweiten  Falle  könnte  sich  das  Verhältnis  der  Zellen  zu  den  Muskel- 
fasern verschiedentHch  gestalten ;  es  könnte  eine  einzelne  Zelle  entweder 
nur  eine  Muskelfaser  oder  mehrere  Muskelfasern  bilden;  jede  solche 
von  einer  individualisierten  Zelle  gebildete  Muskelfaser  würde  ent- 
weder zeitlebens  nur  mit  ihrer  Matrixzelle  verbunden  bleiben,  oder  auch 
sekundär  mit  den  andern  Zellen,  unter  welchen  sie  verläuft,  Verbin- 
dungen eingehen.  Diese  Verhältnisse  A\Tirden  bei  einer  Reihe  von 
Medusen  verfolgt,  mit  dem  Ergebnis,  daß  die  meisten  hier  angeführten 
Fälle  auftreten  können. 

Die  Untersuchung  der  Querstreifung  und  des  feineren  Baues  der 
Muskelfasern  schien  schon  deshalb  lohnend,  weil  sie  bei  den  Medusen 
noch  nie  durchgeführt  worden  ist.  Es  hat  sich  gezeigt,  daß  die  Quer- 
streifung der  Medusenmuskulatur  eine  große  Übereinstimmung  mit 
derjenigen  höherer  Metazoen  zeigt. 

Neben  der  Körper-  und  Tentakelmuskulatur  wurden  die  Nessel- 


258  •  Sophie  Krasiriska, 

zellstiele  untersucht,  die  woM  als  den  Cnidariern  eigentümliclie 
muskulöse  Gebilde  angesehen  werden  dürfen.  Sie  treten  in  zwei  Formen 
auf,  —  als  Anhänge  der  Nesselzellen  selbst  und  als  selbständige  Zellen. 

Im  Laufe  der  Untersuchung  über  die  Muskulatur  stellte  sich 
heraus,  daß  das  periphere  Nervensystem  der  Medusen  weit  kom- 
plizierter ist,  als  bisher  angenommen  wurde  und  ebenfalls  ungenügend 
bekannt.  So  ist  eine  Verbindung  von  Muskel  und  Nerv  in  keinem  einzigen 
Fall  mit  Sicherheit  festgestellt  worden,  obwohl  seit  der  Entdeckung  dgs 
subepithelialen  Nervenplexus  alle  Forscher  annehmen,  daß  die  Mus- 
kulatur der  Medusen,  wie  diejenige  aller  höheren  Metazoen  inner- 
viert ist.  Auch  der  Zusammenhang  der  Ganglienzellen  des  subepi- 
thelialen Plexus  untereinander  ist  noch  nicht  definitiv  aufgeklärt,  und 
es  herrschen  über  diesen  Punkt  viele  Meinungsverschiedenheiten.  Die 
Frage  ist  für  die  Lehre  der  Kontinuität  der  Neurofibrillen  von  großem 
Interesse.  Nach  A.  Bethe  (1903)  sollen  bei  Rhizostoma  die  Ausläufer 
verschiedener  Ganglienzellen  ineinander  übergehen  und  ein  echtes 
Nervennetz  bilden. 

Leider  scheiterten  alle  meine  Versuche,  specifische  Nervenfär- 
bungen auf  Medusen  anzuwenden.  Mit  Hilfe  der  gewöhnlichen  Fär- 
bungen konnten  die  eben  erwähnten  Fragen  nicht  definitiv  und  ein- 
wandfrei beantwortet  werden.  Wenn  ich  mich  trotzdem  entschließe, 
die  erhaltenen  Resultate  zu.  publizieren,  so  geschieht  das  aus  zwei 
Gründen:  erstens  bleibt  die  Schilderung  der  Muskulatur  sehr  unvoll- 
ständig, wenn  man  das  zu  ihr  in  so  nahen  Verhältnissen  stehende 
periphere  Nervensystem  nicht  mit  berücksichtigt;  zweitens  glaube  ich, 
daß  einige  neue  von  mir  gefundene  Tatsachen  wenigstens  zeigen 
können,  wieviel  die  Nervenforschung  noch  bei  den  Medusen  zu  er- 
reichen hat. 

Da  aus  der  Arbeit  von  0.  und  R.  Hertwig  ersichtlich  ist,  daß 
die  Medusen  eine  große  Mannigfaltigkeit  in  der  Ausbildung  ihrer  Musku- 
latur zeigen,  schien  eine  vergleichend-anatomische  Behandlung  des 
Gegenstandes  erwünscht.  Es  wurden  Vertreter  der  vier  Hauptgruppen 
der  Medusen  zur  Untersuchung  gewählt,  bei  welchen  man  die  größten 
Unterschiede  in  der  Ausbildung  der  Muskulatur  zu  erwarten  hatte. 

Die  Anthomedusen  sind  in  dieser  Arbeit  duich  Neoturris  pileata, 
die  Leptomedusen  durch  Aequorea  forskalea  vertreten.  Unter  den 
Trachymedusen  wurde  Carmarina  hastata  untersucht,  die  sich  durch 
ihre  Größe  und  durch  die  feste  Beschaffenheit  ihrer  Gewebe  besonders 
zu  histologischen  Studien  eignet.  Als  Vertreter  der  Acalephen  wurde 
Pelagia  noctiluca  gewählt,  da  ihre  Muskulatur  fast  gar  nicht  bekannt  ist. 


Beiträge  zur  Histologie  der  Medusen.  259 

Wegen  der  radiären  Symmetrie  und  des  epithelialen  Charakters 
der  Medusengewebe  war  ich  gezwungen,  bei  der  Beschreibung  der  Prä- 
parate einige  Bezeichnungen  einzuführen,  die  nicht  allgemein  gebraucht 
werden.  So  wird  bei  der  Beschreibung  der  Subumbrella  von  »radialen 
Schnitten«  und  »tangentialen  Schnitten«  gesprochen,  da  die  üblichen 
Ausdrücke  »Querschnitte«  und  »Längsschnitte«  sich  nicht  anwenden 
lassen.  Wenn  man  sich  die  immer  mehr  oder  weniger  concave  Sub- 
umbrella in  einer  Ebene  ausgebreitet  denkt,  so  bestimmen  die  Worte 
»radial«  und  »tangential«  die  Schnittrichtung  eindeutig. 

Der  epitheliale  Charakter  der  Medusengewebe  erlaubt  in  jeder 
Gewebsschicht  eine  freie  Oberfläche  und  eine  dem  Körperinnern  zu- 
gekehrte Basis  zu  unterscheiden.  Ich  orientiere  alle  meine  Figuren 
derart,  daß  die  freie  Oberfläche  des  Ectoderms  nach  oben,  seine  Basis 
nach  unten  liegt.  Dementsprechend  wird  unter  »Höhe  der  Zelle«  die 
Entfernung  ihrer  Basis  von  der  freien  Oberfläche  verstanden,  während 
»Breite«  und  »Länge«  der  Zelle  ihre  Ausdehnung  in  der  Ebene  des 
Epithels  bedeuten. 

Zur  Bezeichnung  der  Lage  der  einzelnen  Teile  des  Medusenkörpers 
zum  Ganzen  werden  die  von  0.  und  R.  Hertwig  (1878)  eingeführte» 
Bezeichnungen  gebraucht.  Die  genannten  Autoren  nennen  alles,  waü 
dem  Mittelpunkt  der  Scheibe  näher  liegt  »proximal«,  alles  der  Peri- 
pherie zu  gelegene  »distal«. 

Einer  Erläuterung  bedarf  ferner  das  Wort  »Muskelfaser«,  wie 
es  hier  gebraucht  wird,  da  dasselbe  wohl  allgemein  als  Synonym  von 
Muskelzelle  gebraucht  wird  und  bei  der  quergestreiften  Muskulatur 
sogar  zur  Benennung  eines  ganzen  Zellkomplexes  dienen  kann.  Bei 
den  Medusen  läßt  sich  ein  »Zellkörper«  oder  »Myoblast«  von  mehr 
oder  weniger  epithelialem  Charakter,  von  einer  anhängenden  »con- 
tractilen  Platte«  oder  »Faser«  immer  deutlich  unterscheiden. 
Unter  »Muskelfaser«  verstehe  ich  im  folgenden  den  contractilen, 
faserigen  Teil  der  Muskelzelle  im  Gegensatz  zum  Zellkörper 
oder  Myoblast. 

0.  und  E.  Heetwig  (1878)  gebrauchen  öfters  das  Wort  »Muskel- 
fibrille«  zur  Bezeichnung  der  Muskelfaser,  auch  nennen  sie  die  Aus- 
läufer der  Ganglienzellen  »Nervenfibrillen«.  Der  modernen  Nomen- 
klatur gemäß,  verstehe  ich  unter  »Nervenfibrille«  (bzw.  Neurofibrille) 
die  feinsten  in  einer  Nervenfaser  wahrnehmbaren  Fibrillen  und  ebenso 
unter  »Muskeif ibrille «  (bzw.  Myofibrille)  die  feinsten  Fibrillen,  welche 
in  einer  Muskelfaser  zu  beobachten  sind. 


260  Soi^hie  Krasinska, 


Literatur. 

Die  erste  Arbeit  von  0.  und  R.  Hertwig  (1878)  enthält  eine  gründ- 
liche  Besprecliung  der  älteren  Medusenliteratur.  Da  die  Ansichten  der 
Oebr.  Hertwig  über  die  Arbeiten  ihrer  Vorgänger  noch  heutzutage 
als  vollständig  richtig  angesehen  werden  können,  ist  es  überflüssig, 
hier  noch  einmal  auf  diese  ältere  Literatur  einzugehen.  Ich  beschränke 
mich  daher  auf  die  Besprechung  der  1878  und  später  erschienenen 
Abhandlungen. 

Im  Jahre  1878  sind  nicht  weniger  als  fünf  große  Arbeiten  über 
Medusenhistologie  erschienen:  C.  Claus:  »Acalephen << ;  C.  Claus:  »Über 
Charyhdea  tnarsupialis<<;  Th.  Eimer:  »Die  Medusen  physiologisch  und 
morphologisch  auf  ihr  Nervensystem  untersucht << ;  0.  und  R.  Hertwig: 
»Das  Nervensystem  und  die  »Sinnesorgane  der  Medusen«;  E.  F.  Schäfer: 
>>Observations  on  the  nervous  System  of  Aurelia  aurita  <<.  Zwei  Jahre 
später  erschien  eine  zweite  Abhandlung  von  0.  und  E.  Hertwig,  die 
eine  wichtige  Ergänzung  der  ersten  bildet.  Durch  diese  Arbeiten 
^^^lrde  die  Medusenhistologie  auf  neue  Bahnen  geleitet. 

Nach  dem  Jahre  1878  ist  ein  Stillstand  auf  diesem  Gebiete  ein- 
getreten. Mit  der  Muskulatur  und  dem  peripheren  Nervensystem 
haben  sich  nur  drei  Forscher:  R.  v.  Lexdenfeld  (1882,  1888),  K.  C. 
Schneider  (1890,  1893)  und  R.  Hesse  (1895)  eingehender  beschäftigt. 
Außerdem  hat  sich  A.  Bethe  (1903)  in  seinem  Buch  über  »Allgemeine 
Anatomie  und  Physiologie  des  Nervensystems  <<  über  den  subepithelialen 
Nervenplexus  von  Rhizostoma  Cuvieri  geäußert,  und  Ida  Hyde  (1902) 
hat  eine  kurze  vorläufige  Mitteilung  über  das  Nervensystem  von  Go- 
nionemus  Murbachii  publiziert. 

Nach  den  übereinstimmenden  Angaben  aller  dieser  Autoren  ist 
die  ectodermale  Muskulatur  der  Medusen  fast  ausschließlich  auf  die 
subumbrellare  Seite  der  Glocke  und  auf  die  Tentakeln  beschränkt. 
Nur  bei  den  Acraspedcn  sollen  spärliche  glatte  Muskelfasern  in  der 
Exumbrella  vorkommen.  Dieselben  wurden  von  Claus  (1878)  bei 
Charyhdea  und  von  Lendenfeld  (1882)  bei  Cijanea  Annaskala  ge- 
funden. Auch  berichtet  Lendenfeld  (1888),  daß  glatte  Muskelfasern 
in  der  Exumbrella  von  Cassiopea  folipoides  (einer  Rhizostomee)  von 
Keller  (1883)  gefunden  worden  sind,  während  sie  andern  Rhizo- 
stomeen  vollständig  fehlen. 

Die  circuläre  Muskulatur  der  Subumbrella  ist  quergestreift, 
während  die  gesamte  radiale  Muskulatur  aus  glatten  Muskelfasern 


Boiträgr  zur  Hi-stologie  der  Medusen.  261 

besteht.  Nur  Eimer  (1878)  will  neben  quergestreiften  aucli  glatte 
Muskelfasern  in  der  circulären  Muskulatur  der  Acalephen  (die  er  Topo- 
neuren  nennt)  gefunden  haben,  und  Lendenfeld  (1882)  hat  quer- 
gestreifte Längsmuskelfasern  in  den  Mundarnien  von  Cyanea  Annaskala 
gefunden.  Diese  beiden  Angaben  bedürfen  jedenfalls  der  Bestätigung. 
Die  Tentakelmuskulatur  besteht  im  allgemeinen  aus  glatten  Muskel- 
fasern. Quergestreifte  Muskelfasern  haben  die  Gebr.  Hertwig  (1878) 
in  den  Tentakehvurzeln  der  Ocellaten  (Anthomedusen)  und  Lenden- 
feld (1882)  in  den  Tentakeln  von  Cyanea  gefunden. 

0.  und  R.  Hertwig  (1878)  haben  festgestellt,  daß  die  circuläre 
Velum-  und  Subumbrellamuskulatur  der  Hydromedusen  nicht  konti- 
nuierlich ineinander  übergehen,  sondern  immer  durch  einen  muskel- 
freien Streifen  voneinander  getrennt  sind,  der  vom  unteren  Nervenring 
eingenommen  wird.  Sie  haben  ferner  gezeigt,  daß  sich  in  der  Sub- 
umbrella  der  Medusen  vier  Schichten  unterscheiden  lassen,  und  zwar 
von  innen  nach  außen:  das  Entoderm,  die  Stützlamelle,  die  Muskel- 
faserschicht und  zu  äußerst  die  Epithelzellen  des  Ectoderms,  w^elche 
die  Matrixzellen  der  Muskelfasern  sind.  Die  epitheliale  Muskulatur 
der  Medusen  erfährt  in  vielen  Fällen  weitgehende  Veränderungen, 
die  ebenfalls  von  den  Gebr.  Hertwig  studiert  wurden.  Die  Stützlamelle 
mit  den  ihr  ansitzenden  Muskelfasern  —  die  Muskellamelle  —  legt  sich 
in  Falten,  die  immer  parallel  der  Eichtung  der  Muskelfasern  verlaufen 
und  eine  Vergrößerung  ihrer  Ansatzfläche  bewirken.  Die  Furchen 
zwischen  diesen  Falten  werden  durch  die  wechselnde  Höhe  der  Epithel- 
muskelzellen ausgeghchen,  so  daß  die  Epitheloberfläche  glatt  über 
sie  hinwegzieht.  Gleichzeitig  und  nach  0.  und  R.  Hertwig  infolge 
der  Faltung  der  Muskellamelle  treten  die  Epithelmuskelzellen  von  der 
Epitheloberfläche  aus  in  die  Tiefe  und  werden  zu  subepithelialen,  ja 
zu   >>  mesodermalen  <<  Muskelzellen. 

In  der  Subumbrella  und  im  Velum  aller  untersuchten  Trachy- 
medusen^  haben  die  Gebr.  Hertwig  eine  glatte  oder  in  ver- 
schiedenem Grade  gefaltete  Muskellamelle  gefunden,  die  von  einer 
Schicht  großer,  flacher  Epithelzellen,  den  Matrixzellen  der  Muskel- 
fasern, bedeckt  ist.  In  den  Tentakeln  und  im  Magenstiel  von  Carma- 
rina  haben  sie  die  stärkste  Faltuno;  der  Muskellamelle  gefunden;  eine 


1  Untersucht  wurden  von  O.  und  R.  Hertwig  (1878)  unter  den  Aeginiden: 
Aeginopsis  yneäiterranea,  Cunina  lativentris  und  Cunina  solmaris;  unter  den  Tra- 
chynemiden:  RJwpalonema  velatum  und  Aglaura  hemistoma;  unter  den  Geryoniden: 
Carmarina  hastrtta  und   Glossocodon  mucroncUum. 


262  Sophie  Krasinska, 

Ausscheidung  der  Muskelzellen  aus  der  Oberfläche  »  ob  vollständig  oder 
teilweise  sei  dahin  gestellt  <<,  war  hier  zu  beobachten.  In  der  Subum- 
brella  von Lizzia  (einer  Ocellate) kommen  echte  Epithelmuskelzellen  vor; 
nur  in  der  Gegend  der  Radiärkanäle  ist  die  Schicht  der  Muskelzellen 
von  einer  zweiten  flachen,  radiärstreifigen  Epithelschicht  bedeckt. 
Unter  den  Vesiculaten  bildet  die  Muskelfaserschicht  der  Subumbrella 
bei  Octorchis  und  Phialidium  eine  platte  ungefaltete  Schicht  und  wird 
nach  außen  von  einer  einzigen  Schicht  von  Epithelzellen  bedeckt;  bei 
Mitrocoma  und  Aequorea  legt  sich  die  Muskellamelle,  wenigstens  in  der 
Nähe  des  Schirmrandes,  in  Falten  und  die  Schicht  der  Epithelmuskel- 
-zellen  wird  nach  außen  von  einer  zweiten,  flachen  Epithelschicht  voll- 
ständig bedeckt.  Die  Epithelschicht  ist  auf  Schnitten  durch  eine 
scharfe  Linie  von  der  unterliegenden  Zellschicht  gesondert,  0.  und 
R.  Hertwig  halten  diese  Linie  für  den  Querschnitt  einer  Membran 
und  deuten  sie  in  ihrer  zweiten  Arbeit  (1880)  als  eine  Stützlamelle,  die 
mitten  im  Ectoderm  ausgeschieden  worden  ist,  »Man  kann  wohl  sagen, 
daß  durch  die  Bildung  dieser  Grenzscheide  die  Muskulatur  von  ihrem 
Mutterboden  dem  Ectoderm  losgelöst  und  zu  einer  besonderen  meso- 
dermalen  Lage  geworden  ist.  <<  Eine  theoretische  Deutung  dieser  Tat- 
sachen versuchen  0.  und  R.  Hertwig  zu  geben,  indem  sie  die  Bildung 
eines  selbständigen  Muskelgewebes  auf  die  Muskeltätigkeit  zurück- 
führen wollen  (1880,  S.  10).  »Die  untersuchten  Medusen  zeigen  dem 
Gesagten  zufolge  in  der  Beschaffenheit  ihrer  Muskulatur  sehr  wesent- 
liche Verschiedenheiten,  die  dadurch  für  ims  von  Interesse  sind,  daß 
sie  verschiedene  Stufen  in  der  Ausbildung  dieses  Gewebes  veranschau- 
lichen. Bei  einem  Teil  sind  die  Muskelzellen  zugleich  Epi- 
thelzellen, bei  einem  anderen  ist  eine  Differenzierung  in 
<iin  gesondertes  ectodermales  Epithel  und  eine  gesonderte 
mesodermale  Muskulatur  eingetreten.  Übergangsformen 
vermitteln  zwischen  beiden  Extremen  und  deuten  uns  den 
Weg  an,  auf  dem  die  Ausscheidung  der  Muskulatur  erfolgt 
sein  mag.  Die  Größenzunahme  der  Muskellamelle  zwingt  dieselbe, 
sich  einzuf alten.  So  scheiden  zuerst  einige  der  Muskelzellen  von  der 
Oberflächenschicht  des  Körpers  aus;  ihnen  folgen  die  übrigen  nach, 
während  eine  Epithellage  über  ihnen  zur  Entwicklung  kommt.  Ist 
diese  Auffassung  richtig,  so  ist  in  der  Volumenzunahme  der  Grund 
zu  suchen,  daß  sich  vom  Ectoderm  eine  besondere  Muskel- 
iamelle  abspaltet;  da  nun  die  Volumenzunahme  in  den 
engsten  Beziehungen  zum  Gebrauch  des  Organs  steht,  so 
ist  in   letzter  Instanz   die  Muskeltätigkeit  als   der  Faktor 


1 


Beiträge,  zur  Histologie  der  Medusen,  263 

ZU  bezeichnen,  der  aus  dem  Epithelmuskelgewebe  ein  selb- 
ständifTes  Muskelgewebe  macht. 

Ich  habe  schon  in  meiner  vorläufigen  Mitteilung  (1912)  bemerkt, 
daß  ich  mit  diesen  Ansichten  nicht  einverstanden  bin.  Ohne  vorzu- 
greifen und  meine  eignen  Befunde  heran  zu  nehmen,  glaube  ich  an  den, 
von  O.  und  R.  Hertwig  (1880)  selbst  gegebenen  Beispielen  beweisen 
zu  können,  wie  wenig  ihre  Schlußfolgerungen,  was  die  Medusen  angeht, 
berechtigt  sind. 

Als  Beispiel  eines  Anfangsstadiums  der  Faltung  wird  das  Velum  von 
Carmarina  angeführt  (1.  c.  Taf.  I,  Fig.  19  und  20),  deren  Muskelzellen 
noch  ganz  epithelial  geblieben  sind;  als  Beispiel  weiterer  Entwicklung, 
die  Muskulatur  der  Tentakel  und  des  Manubriums  von  Carmarina 
(1.  c.  Taf.  I,  Fig.  14  und  16),  Hier  ist  wegen  der  starken  Faltung 
der  Muskellamelle  ein,  wenigstens  teilweiser  Austritt  der  Muskulatur 
aus  dem  Epithel  eingetreten.  Der  Vorgang  des  Austritts  erreicht 
in  der  Subumbrella  von  Aequorea  seinen  Höhepunkt;  hier  ist  die 
Muskulatur  vom  Ectoderm  gleichsam  abgespalt'^n  und  repräsentiert 
ein  gesondertes  Muskelblatt  (1.  c.  Taf.  I,  Fig.  15  und  18). 

Auch  wenn  wir  mit  0.  und  R.  Hertwig  annehmen,  daß  die  Muskel- 
tätigkeit die  Volumenzunahme  der  Muskulatur  und  die  Faltung  der 
Muskellamelle  verursacht,  so  können  wir  in  den  angeführten  Beispielen 
absolut  keine  Proportionalität  zwischen  der  Faltung  der  Muskellamelle 
und  der  Ausscheidung  der  Muskelzellen  aus  dem  Epithel  finden.  Im 
Gegenteil,  wenn  wir  die  gegebenen  Abbildung^en  betrachten,  so  sehen 
wir,  daß  das  Velum  von  Carmarina  (1.  c.  Fig.  20)  mit  rein  epithelialer 
Muskulatur  eine  ebenso  stark,  oder  stärker  gefaltete  Muskellamelle 
hat,  als  die  Subumbrella  von  Aequorea,  (1.  c.  Fig.  18  und  15),  wo  ein 
♦gesondertes  Muskelblatt«  vorkommt.  Im  Vergleich  zeigen  aber  das 
Manubrium  und  die  Tentakel  von  Carmarina,  wo  nach  den  eignen 
Worten  der  Verfasser  der  Austritt  der  Muskelzellen  kein  vollkommener 
ist,  eine  ganz  enorme  Faltung  der  Muskellamelle.  Es  kann  hier  wohl 
weder  der  Austritt  der  Muskelzellen  aus  der  Oberfläche  auf  die  Faltung 
der  Muskellamelle  zurückgeführt,  noch  die  Muskeltätigkeit  als  der 
Faktor  bezeichnet  werden,  welcher  aus  dem  epithelialen  ein  selbst- 
ständiges Muskelgewebe  macht. 

Eimer  (1878)  hat  die  Faltung  der  Muskellamelle  mit  keinem 
Wort  erwähnt,  obwohl  er  sie  bei  Carmarina  angetroffen  haben  maß. 
Auch  Claus  (1878)  bemerkt  in  seiner  Arbeit  über  Discomedusen  nichts 
darüber,  dagegen  hat  er  in  den  Tentakeln  von  Charyhdea  marsupialis 
die  stärkste  überhaupt  bei  den  Medusen  bekannte  Faltung  der  Muskel- 


264  Sophie  Krasinska, 

lamelle,  und  die  vollkommenste  Sonderung  der  Muskulatur  vom  ecto- 
dermalen  Epithel  gefunden.  Es  ist  hier  eine  Abschnürung  der  Falten 
vom  Ectoderm  eingetreten,  so  daß  die  Muskelfasern  in  langgestreckten, 
kanalartigen  Räumen  liegen,  die  allseits  von  der  mächtigen  Gallert- 
schicht der  Tentakeln  umgeben  sind.  Claus  stellt  ferner  fest,  daß 
die  Muskelfasern  den  Wänden  der  Kanäle  anliegen,  während  die  zu- 
gehörigen Zellkörper  und  Kerne  das  Innere  der  Kanäle  ausfüllen. 

Lendenfeld  (1882)  ist  der  einzige  Forscher,  nach  welchem  in 
den  Tentakeln  und  in  der  Subumbrella  von  Cyanea  die  Zwischenräume 
zwischen  den  Falten  der  Muskellamelle  von  den  Muskelzellen  nicht 
ausgefüllt  werden,  so  daß  die  Epitheloberfläche  sich  ebenfalls  in  diese 
Räume  einfaltet  (I.e.  Taf.  XXX,  Fig.  38;  Tai.  XXXIII,  Fig.  74). 
Eigentümliche  Verhältnisse  sollen  ferner  in  der  Subumbrella  von 
RJiizostoma  (1888)  herrschen:  Die  Muskellamelle  ist  hier  gefaltet  und 
die  Muskelzellen  liegen  subepithelial ;  im  Laufe  der  Entwicklung  werden 
die  Falten  von  Gallerte  ausgefüllt  und  das  Epithel  zieht  beim  aus- 
gebildeten Tier  glatt  über  sie  hinweg  (1.  c.  Taf.  XXVI,  Fig.  96  und  97). 
Es  wäre  hier  somit  zwischen  dem  äußeren  Epithel  und  der  darunter 
liegenden  Schicht  von  Muskelzellen  Gallerte  ausgeschieden.  Weiterhin 
bemerkt  Lendenfeld:  >>Bei  andern  Coelenteraten  sind  solche  meso- 
dermal  gelagerte  Muskelrinnen  oder  Röhren  keineswegs  selten.  Sie 
wurden  bei  Charyhdea  von  Claus,  bei  Carmarina  von  Gebr.  Hertwig, 
bei  den  Actinien  von  mir  und  von  den  Gebr.  Hertwig  aufgefunden, 
und  kommen  auch  sonst  nicht  selten  vor.  <<  Es  liegt  hier  ein  schweres 
Mißverständnis  vor,  Lendenfeld  scheint  das  charakteristische  an  der 
Faltung  der  Muskeliamelle  nicht  verstanden  zu  haben.  Überall  näm- 
lich, wo  eine  Faltung  bei  den  Coelenteraten  vorkommt,  bleiben  immer 
die  basalen  Enden  der  Zellen  der  Gallerte  zugewandt,  das  Innere  der 
Muskelrinnen  und  der  Muskelröhren  wird  stets  nur  von  den  Zellen 
selbst  ausgefüllt.  Die  Gallertcylinder,  welche  R.  v.  Lendenfeld  im 
Ectoderm  der  Subumbrella  von  RJiizostoma  beschreibt,  lassen  sich 
somit  mit  keinen  andern  bei  den  Coelenteraten  vorkommenden  Ge- 
bilden vergleichen.  R.  Hesse  (1895)  hat  seitdem  gezeigt,  daß  wenig- 
stens bei  europäischen  Rhizostomiden  keine  solche  Gallertbildung  im 
Ectoderm  vorkommt. 

Ob  die  Lage  der  Muskelzellen  bei  den  Acalephen  epithelial  oder 
subepithelial  ist,  darüber  scheint  keine  Einigkeit  zwischen  den  ver- 
schiedenen Forschern  zu  herrschen.  Aus  den  Angaben  von  Claus 
(1878)  geht  hervor,  daß  er  bei  Discomeduseni  und  bei  Charyhdea 

1  C.  Claus  hat  Aurelia,  Chrysoora,  Discomedusa,  und  Rhizostoma  untersucht. 


Beiträge  zur  Histologie  der  Medusen.  265 

ausschließlich  epitheliale  Muskelzelleu  in  der  Subumbrella  gefunden 
hat.  Eimer  (1878)  behauptet  ebenfalls,  daß  bei  allen  Acalepheni 
(von  ihm  Toponeuren  genannt)  epitheliale  Muskelzellen  in  der  Sub- 
umbrella auftreten,  während  Lendenfeld  (1882,  1888)  in  der  gesamten 
circulären  und  radialen  Muskulatur  der  untersuchten  Acalephen^  nur 
subepitheliale  Zellen  gefunden  hat.  Echte  Epithelmuskelzellen  fand 
er  nur  auf  der  Exumbrella  von  Cyanea  Annaskala.  Es  wird  die  Auf- 
gabe zukünftiger  Forschungen  sein,  in  jedem  einzelnen  Fall  festzustellen, 
wie  die  Verhältnisse  liegen,  denn  es  scheint  von  vornherein  wahrschein- 
lich, daß  bei  den  Acalephen  ebenso  wie  bei  den  Hydromedusen  eine 
große  Mannigfaltigkeit  in  der  Lage  und  in  der  Gestalt  der  Muskelzellen 
herrschen  muß. 

Bisher  wurde  von  R.  Hesse  (1895)  der  mikroskopische  Bau  der 
circulären  Muskulatur  der  Subumbrella  von  Rhizostoma  Cuvieri  auf- 
geklärt. In  der  Subumbrella  dieser  Meduse  wechseln  Stützzellen  mit 
Muskelzellen  ab.  Die  Stützzelleu  liegen  an  der  Epitheloberfläche 
verschmälern  sich  basalwärts  und  reichen  bis  zur  Stützlamelle,  während 
die  zwischen  ihnen  liegenden  Muskelzellen  eine  breite  Basis  haben 
imd  sich  mit  ihren  spitzen  äußeren  Enden  zwischen  die  Stützzellen 
einkeilen 3.  Über  das  Verhältnis  der  Körper  der  Muskelzellen  zu  der 
darunter  liegenden  Muskelfaserschicht  sagt  Hesse  :  »An  ihrem  unteren 
Ende  tragen  sie  quergestreifte  Muskelfasern;  diese  sind  flachgedrückte 
Bänder,  die  mit  ihrer  schmalen  Seite  den  Zellen  ansitzen  und  bei  radiären 
Schnitten  durch  den  Medusenschirm  quergeschnitten  werden;  in  ihrer 
Längserstreckung  reichen  diese  Muskelbänder  über  eine  Zelle  nach 
beiden  Seiten  hinaus  und  verlaufen  unter  den  benachbarten  Zellen 
weiter,  so  daß  nicht  alle  vier  oder  fünf  Muskelquerschnitte,  welche 
man  unter  einer  Zelle  liegen  sieht,  organisch  zu  dieser  Zelle  gehören, 
sondern  auch  von  Nachbarzellen  stammen  können;  es  ist  anzunehmen, 
daß  jeder  Zelle  nur  ein  Muskelband  zukommt  (Eimer).  << 

Dies  ist  eine  der  wenigen  klaren  Angaben  über  das  Verhältnis 


1  Th.  Ei>ier  scheint  vor  allem  die  Muskulatur  von  Cyanea  und  Pelagia 
untersucht  zu  haben. 

2  R.  V.  Lendenfeld  hat  Cyanea  Annaskala  und  die  australischen  Rhizo- 
stomiden:  Pseudorhiza  aurosa,  Phylorhiza  punctata  und  Cramhessa  mosaica 
untersucht. 

3  Ich  habe  diese  Befunde  von  Hesse  an  Schnitten  kontrolliert  und  kann 
sie  mit  aller  Bestimmtheit  bestätigen.  Es  muß  hier  noch  hervorgehoben  werden, 
daß  in  der  Abbildung,  welche  Bethe  (1903)  von  einem  Schnitt  durch  die  Sub- 
umbrella von  Rhizostoma  gibt,  die  ]Muskelverhältnisse  vollständig  falsch  einge- 
zeichnet sind,  wie  aus  einem  Vergleich  mit  der  Abbildung  von  Hesse  hervorgeht. 

Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.  CIX.  Bd.  18 


266  Sophie  Krasinska, 

vom  Zellkörper  zur  Muskelfaser,  welclie  in  der  Medusenliteratur 
vorkommen. 

0.  und  R.  Hertwig  (1878)  geben  nur  zwei  Abbildungen  von 
isolierten  dchten  Epithelmuskelzellen ;  und  diese  beziehen  sich  auf  die 
Muskulatur  der  Tentakeln  und  der  Subumbrella  von  Lizzia,  wo  eine 
unoefaltete  Muskellamelle  vorkommt.  1880  schreiben  sie  über  die 
Muskelzellen  der  Medusen  im  allgemeinen  (1,  c.  S.  8):  »Die  zu  den 
Muskelfibrillen  gehörenden  Zellen  sind  meist  protoplasmareiche  Körper, 
welche  die  Muskellamelle  von  außen  bedecken.  Hierbei  läßt  sich  nicht 
entscheiden,  wieviel  contractile  Substanz  von  dieser,  wieviel  von  jener 
Zelle  gebildet  worden  ist.« 

Einen  klaren  Ausdruck  gibt  demselben  Gedanken  Claus  (1878) 
bei  der  Besprechung  der  Ephyra  von  Aurelia  aurita  (1.  c.  S.  19) :  »Daß 
die  Muskelzellen  dem  Ectoderm  angehören  und  in  der  Tiefe  desselben 
die  Faserstränge  erzeugt  haben,  kann  meines  Erachtens  keinem  Zweifel 
unterliegen.  Mit  Überosmiumsäure  und  Pikrocarmin  behandelte,  in 
Glyzerin  oder  Kanadabalsam  aufgehellte  Präparate  geben  vortreffliche 
Bilder,  an  denen  man  sich  davon  überzeugt,  daß  die  zugehörigen  Zellen 
als  flache,  mit  deutlichem  Kern  versehene  membranlose  Zellen  an  der 
Außenseite  aufliegen  und  ein  fast  kontinuierliches  Epithel  darstellen, 
zwischen  und  über  dem  jedoch  noch  zahlreiche  Nesselkapseln  hervor- 
treten. Freilich  ist  die  Beziehung  der  langen,  dicht  nebeneinander 
verlaufenden  Fasern  zu  den  einzelnen  Elementen  schwer  zu  bestimmen 
und  kaum  zu  entscheiden,  ob  jede  lange  Faser  zu  einer  in  ihrem  Ver- 
laufe anliegenden  Zelle  mit  Kern  gehört,  wofür  besonders  Zerzupfungs- 
präparate  sprechen,  oder  ob  die  tiefere  Protoplasmaschicht  des  Epithels 
in  continuo  die  Muskelfaserlage  ausgebildet  hat.  <<  Die  wenigen  in  den 
Arbeiten  von  C.  Claus  zerstreuten  Abbildungen  isolierter  Epithelmuskel- 
zellen zeigen  immer  eine  Muskelfaser,  welcher  ein  Zellkörper  ansitzt. 

Eingehender  hat  sich  mit  dieser  Frage  Eimee  (1878)  beschäftigt. 
Von  den  untersuchten  Acalephen  berichtet  er,  daß  die  Epithelzellen 
in  gleicher  Weise  mit  den  spindelförmigen  Muskelfäden  in  Verbindung 
stehen,  wie  die  von  Kleinenberg  beschriebenen  Ectodermzellen  von 
Hydra,  nur  sind  hier  die  Muskelfäden  quergestreift.  Er  gibt  dabei 
zwei  Abbildungen  der  hohen  cylinderförmigen  Epithelnmskelzellen  von 
Pelagia.  Während  0.  und  R.  Hertwig  über  die  Muskulatur  der  Sub- 
umbrella von  Carmarina  nur  sagen,  daß  die  Muskelfaserschicht  von 
einer  Lage  flacher  Epithelzellen  bedeckt  ist,  konnte  Eimer  feststellen, 
daß  jede  Epithelzelle  mit  mehreren  quergestreiften  Muskelfasern  in 
Verbindung  steht,  und  bei    der  Maceration  mit  ihnen  isoliert  wird. 


Beiträge  zur  Histologie  der  Medusen.  267 

Dieser  au  sich  so  interessante  Befund  blieb  vollständig  unbeachtet, 
vielleicht  weil  Th.  Eimer  bei  diesem  Anlaß  an  der  Basis  der  Epithel- 
zellen merkwürdige  stabähnliche  Fortsätze  beschreibt,  welche  den 
Zellen  in  großer  Anzahl  —  15  und  mehr  —  ansitzen,  und  die  Ver- 
bindung mit  den  Muskelfasern  vermitteln  sollen,  »so  daß  ein  Bild 
hervorgebracht  wird,  welches  man  ungefähr  mit  einer  Flimmerzelle 
vergleichen  könnte,  die  statt  der  feinen  Wimperhaare  grobe  Stäbe 
tragen  würde  (1.  c.  S.  233).  Das  Vorkommen  solcher  Fortsätze  scheint 
von  vornherein  unwahrscheinlich  und  die  betreffenden  Figuren  sehen 
etwas  phantastisch  aus. 

In  Anschluß  an  die  Entdeckung,  daß  bei  Carmarina  eine  Epithelzelle 
mit  mehreren  Muskelfasern  in  Verbindung  steht,  bespricht  Eimer 
das  Problem  des  Zusammenhangs  von  Zellkörper  und  Muskelfaser 
folgendermaßen  (I.e.  S.  234):  >>Es  fragt  sich  nur,  ist  wirklich  eine 
einzelne  Zelle  mit  zahlreichen  Muskelbändern  organisch  verbunden, 
oder  bildet  sie  nur  mit  einem  einzigen  derselben  eine  Einheit,  während 
die  übrigen  von  benachbarten  Zellen  nur  übergreifen  und  vielleicht 
sekundär  erst  mit  den  Nachbarn  in  Verbindung  treten.  Daß  ein  Über- 
greifen je  eines  Muskelbandes  auf  mehrere  Zellen  statthaben  muß,  ist 
wegen  des  großen  Unterschiedes  im  Breitendurchmesser  der  Bänder 
selbstverständlich,  und  so  möchte  man  zu  der  Auffassung  hinneigen, 
daß  zu  jeder  Zelle  nur  je  ein  Muskelband  ursprünglich  gehöre,  mit  ihr 
ein  ganzes  bilde.  Dem  scheint  aber  die  Verbindung  aller  Bänder  mit 
je  einer  Zelle  direkt  zu  widersprechen.  Auch  wäre  der  dritte  Fall 
möglich,  daß  nicht  alle  über  eine  Zelle  weglaufenden  Muskelbänder, 
aber  doch  mehrere  derselben  zu  dieser  organisch  gehören.  Mag 
dem  sein  wie  es  wolle,  jedenfalls  haben  wir  in  diesen  eigenartig  ge- 
bauten Elementen  nach  Analogie  der  bei  andern  Medusen  beschriebenen 
Verhältnisse  Neuromuskelzellen  vor  uns.« 

Es  scheint  jedenfalls  sicher,  daß  in  manchen  Fällen  (so  z.  B.  bei 
Lizzia  nach  0.  und  R.  Hertwig,  bei  Cyanea  und  Pelagia  nach  Eimer, 
bei  australischen  Rhizostomeen  nach  Lendenfeld,  und  bei  RJiizo- 
stoma  Cuvieri  nach  Hesse),  eine  Zelle  nur  eine  Muskelfaser  bildet, 
und  daß  letztere  mit  keiner  andern  Zelle  in  Verbindung  steht.  Bei 
der  großen  Mehrzahl  der  Medusen  müssen  die  Verhältnisse  aber  erst 
aufgeklärt  werden  i. 


1  K.  C.  Schneider  (1893)  sagt  in  einer  Stelle  seiner  Abhandlung,  daß  das 
Verhältnis  von  Zellkörper  und  Muskelfaser  nicht  zu  ermitteln  ist,  schreibt  aber 
a.  a.  0.:  »Auch  die  contractile  Faser  kann  des  Zusammenhanges  mit  Zellen  ent- 
behren. « 

18* 


268  Sophie  Krasinska, 

Alle  Forscher  (seit  1878)  fanden  bei  den  Medusen,  sowohl  bei  den 
Hydromedusen,  wie  bei  den  Acalephen,  einen  subepithelialen 
Nervenplexus  in  der  Subumbrella,  der  aus  Ganglienzellen  und  ihren 
Ausläufern  zusammengesetzt  ist,  und  zwischen  Epithel  und  Muskel- 
faserschicht liegt.  Die  Medusenliteratur  ist  reich  an  Abbildungen 
dieses  Plexus;  (Schäfer  [1878],  Claus  [1878],  Eimer  [1878],  0.  und 
E.  Hertwig  [1878],  Lendenfeld  [1882,  1888],  Schneider  [1893], 
Hesse  [1895]),  trotzdem  ist  ein  wichtiger  Punkt  noch  nicht  definitiv 
aufgeklärt  worden,  nämlich :  ob  und  wie  die  Ganglienzellen  miteinander 
zusammenhängen. 

Gegen  das  Vorkommen  von  Anastomosen  zwischen  den  Aus- 
läufern verschiedener  Ganglienzellen  des  Plexus  von  Aurelia  aurita, 
spricht  sich  ganz  kategorisch  Schäfer  (1878,  S.  565)  aus:  "If  we  trace 
out  the  course  of  the  individual  nerve-fibres  more  closely  (as  has  been 
done  in  the  fibres  XX  in  fig.  11 — 16),  we  are  Struck  with  certain  re- 
markable  facts.  In  the  first  place,  each  fibre  is  entirely  distinct  from, 
and  nowhere  structurally  continuous  with  any  other  fibre.  Secondly 
each  fibre  is  provided  with  a  bi-polar  nerve-cell  (fig.  13),  which  is 
interpolated  in  or  near  the  centre  of  the  fibre,  each  end  of  the  fibre 
representing  the  Prolongation  of  one  of  the  poles  of  the  nerve-cell. 
Thirdly,  each  nerve-fibre  is  of  limited  length  (seldom  exceeding  4  mm 
from  end  to  end)  and  in  most  cases  tapers  at  either  extremity  to  a 
gradual  termination.  Lastly  it  may  be  mentioned  that  the  fibres  are 
rarely  branched  and  when  they  are  so  (as  in  Eig.  12)  the  branches  do 
not  join  with  other  nerve-fibres,  but  after  a  longer  or  shorter  course 
end  in  a  tapering  extremity  like  the  unbranched  fibres."  Obwohl  die 
Fasern  nach  Schäfer  nie  miteinander  verschmelzen,  kommen  sie  durch 
Verflechtung  in  innige  Berührung  miteinander:  "So  that  though  there 
is  no  anatomical  continuity  abundant  opportunity  is  afforded  for 
inductive  action,  whether  electrical  or  of  some  other  kind." 

Claus  (1878,  1)  äußert  sich  gar  nicht  über  den  Zusammenhang 
der  Ganglienzellen  untereinander  im  subumbrellaren  Plexus  der  Disco- 
medusen. Über  den  Nervenplexus  der  Subumbrella  von  Charybdea 
marswpialis  schreibt  er  auf  Seite  25 :  »Anastomosen  zwischen  Fibrillen 
benachbarter  Ganglienzellen  habe  ich  nicht  mit  Sicherheit  nachgewiesen, 
obwohl  die  Existenz  derselben  kaum  zu  bezweifeln  ist. « 

Etwas  unsicher  sind  die  Aussagen  von  E.  Hesse  (1895)  über  den 
Plexus  von  Rhizostoma,  denn  obwohl  aus  seiner  Beschreibung  klar 
hervorgeht,  daß  er  nie  Anastomosen  gesehen  hat,  konnte  er  auch  eine 
freie   Endigung  von  Nervenfasern    nie  finden,    »obwohl  man  solche 


Beiträge  zur  Histologie  der  Medusen.  269 

sicher  erwarten  mußte«.  Th.  Eimer  (1878)  berichtet,  daß  er  zahl- 
reiche Anastomosen  zwischen  Ausläufern  verschiedener  Ganglienzellen 
in  der  Subumbrella  von  Carmarina  gefunden  hat.  Auch  0.  und  R. 
Hertwig  (1878)  schreiben  vom  subumbrellaren  Nervenplexus  dieser 
Meduse:  >>Zwischen  benachbarten  Ganglienzellen  haben  wir  in  ein- 
zelnen Fällen  Anastomosen  wahrgenommen  (Taf.  IV,  Fig.  13)«.  Da 
sie  bei  keiner  andern  Hydromeduse  Anastomosen  beschreiben,  scheinen 
sie  dieselben  nur  bei  Carmarina  bemerkt  zu  haben. 

Jedenfalls  wurden  bei  Acalephen  von  den  älteren  Forschern 
nirgends  sichere  Anastomosen  gefunden.  Nur  Lendenfeld  (1882, 
1888)  steht  dazu  in  schroffem  Gegensatz.  Er  beschreibt  echte  Nerven- 
netze bei  den  australischen  Rhizostomeen.  Es  ist  mir  unmöglich, 
hier  ausführlich  zu  begründen,  warum  ich  Lendenfelds  Angaben  über 
das  periphere  Nervensystem  der  Medusen  für  unzuverlässig  halte. 
Es  mögen  hier  nur  einige  Punkte  hervorgehoben  werden:  Der  Verlauf 
der  Nervenfasern  in  der  Subumbrella  der  australischen  Rhizostomeen 
soll  nach  seinen  Angaben  ganz  verschieden  von  dem  aller  andern  Aca- 
lephen (auch  der  europäischen  Rhizostomeen)  sein,  es  sollen  nämlich 
die  Nervenfasern  auf  der  äußeren  Kante  der  Stützlamellenleisten  ver- 
laufen; während  alle-  Autoren  ausschließlich  bi-polare  Ganglienzellen 
in  der  Subumbrella  der  Acalephen  fanden,  beschreibt  R.  v.  Lenden- 
feld nur  multipolare;  außer  den  großen  Ganglienzellen  fand  er  noch 
kleine  Kerne  in  den  Verlauf  der  Nervenfasern  eingeschaltet  und  bildet 
die  Nervennetze  als  abwechselnd  aus  großen  und  kleinen  Ganglien- 
zellen zusammengesetzt  ab,  —  während  die  letzteren  wahrscheinlich  nur 
Varicositäten  sind;  usw.^. 

Lendenfeld  beschreibt  Sinneszellen  in  der  Subumbrella  der 
Acalephen.  Auch  Hyde  (1902)  fand  mit  Hilfe  der  vitalen  Me- 
thylenblaufärbung Sinneszellen  in  der  Subumbrella  und  im  Manubrium 
von  Gonionemus  murhachii.    Dies  sind  die  zwei  einzigen  Angaben  über 


1  Merkwürdige  Ganglienzellen  schildert  Lendenfeld  (1888)  bei  Pseudo- 
rhiza  aurosa  (1.  c.  Fig.  83,  84);  sie  sind  mit  mehreren  dickeren  protoplasmatischen 
Ausläiifern  versehen.  »Einem  Ende  der  Zelle  genähert,  liegt  der  ovale  Kern, 
dieser  wird  von  einer  wohlbegrenzten  Lage  körnchenfreien  Protoplas- 
mas umgeben,  welches  gegen  das  körnige  Plasma  hin  durch  eine  feine  Membran 
abgegrenzt  erscheint.  Ob  eine  solche  Membran  wirklich  existiert,  kami  ich  nicht 
entscheiden.  Die  kömchenfreie  Hülle  des  Zellkernes  zieht  sich  in  einen  der  Ober- 
fläche der  Zelle  zustrebenden  Zipfel  aus,  der  sich  über  die  Zelle  hinaus  in  einen 
langen,  varicösen,  weithin  zu  verfolgenden,  stets  unverzweigten  Faden  fortsetzt .  .  . 
Es  dürfte  die  Annahme  erlaubt  sein,  daß  der  varicöse  Faden  als  zuleitender  und 
die  übrigen   als   ableitende  Nerven  anzusehen  sind. « 


270  .  Sophie  Krasinska. 

das  Vorkommen  von  Sinneszellen  in  der  Subiimbrella,  welche  in  der 
Literatur  vorhanden  sind.  An  den  Tentakeln  der  Medusen  wurden 
Sinneszellen  häufiger  gefunden  (0.  und  E,.  Hertwig  [1878],  Claus 
[1878J,  Lendenfeld  [1882]);  auch  ist  das  Vorkommen  von  Ganglien- 
zellen in  demselben  öfters  festgestellt  worden. 

Eine  spezifische  Neurofibrillenmethode  ist  bisher  nur  ein  einziges 
Mal  auf  die  Medusen  angewandt  worden,  und  wie  es  scheint  mit  hervor- 
ragendem Erfolg.  Bethe  (1903)  hat  mit  Salpetersäure  fixierte  Schnitte 
durch  die  Subumbrella  von  Rhizostoma  mit  Toluidinblau  gefärbt,  und 
berichtet  in  seinem  Buch  über  »Anatomie  und  Physiologie  des  Nerven- 
systems <<,  daß  in  den  Ganglienzellen  und  Nervenfasern  des  subumbrel- 
laren  Nervenplexus  dieser  Meduse  zahlreiche  Nervenfibrillen  verlaufen, 
und  die  Ganglienzellen  Gitterbildungen  enthalten,  wie  sie  aus  denen 
höherer  Tiere  bekannt  sind.  Er  sah  ferner  einzelne  Fibrillen  aus  den 
Nervenfasern  in  das  umgebende  Gewebe  austreten,  und  gegen  die 
Muskelfaserschicht  oder  auch  gegen  die  Oberfläche  ziehen,  woraus  er 
auf  das  Vorkommen  freier  Nervenendigungen  im  Epithel  schließt. 
Ferner  behauptet  Bethe,  daß  Anastomosen  zwischen  den  Ganglien- 
zellen mittels  ihrer  Fortsätze  stattfinden  und  der  Plexus  von  Rhizo- 
stoma somit  ein  echtes  Nervennetz  bilde. 

Dem  subumbrellaren  Nervenplexus  wurde  von  allen  Forschern 
eine  motorische  Funktion  zugeschrieben.  Jedoch  fehlt  dieser  Auf- 
fassung so  wahrscheinlich  sie  auch  sein  mag,  ein  tatsächlicher  Beweis; 
denn  die  Verbindung  von  Muskel  und  Nerv  wurde  bei  den  Medusen 
bis  heutzutage  noch  nie  beobachtet.  Die  Gebr.  Hertwig  (1878)  äußern 
sich  folgendermaßen  über  die  Innervierung  der  Muskulatur  (S.  132): 
»Weniger  erfolgreich  sind  unsre  Bemühungen  gewesen,  die  Endigungs- 
weise  der  Nerven  in  der  Muskulatur  durch  direkte  Beobachtung  fest- 
zustellen; da  wir  die  feinen  Fäserchen  zwar  zwischen  die  als  Muskel- 
körperchen  fungierenden  Epithelzellen  und  die  Muskelfibrillen  eintreten 
sahen,  aber  nicht  bis  zu  ihrem  Ende  verfolgen  konnten.  Wer  jedoch 
mit  dem  heutigen  Standpunkt  der  Frage  nach  der  Nervenendigung 
im  Muskel  vertraut  ist,  wird  uns  zugeben  müssen,  daß  auch  bei  höheren 
Tieren  dieselbe  keineswegs  gelöst  ist.« 

Claus  (1878,  1)  sieht  in  dem  physiologischen  Verhalten  der  quer- 
gestreiften Muskulatur  der  Medusen  einen  Beweis  für  die  motorische 
Funktion  der  Nervenfasern  der  Subumbrella  (S,  27):  »Denn  wenn  wir 
auch  für  das  körnige  Plasma  der  Ectodermzelle,  w^elche  genetisch  als 
integrierender  Teil  zu  der  quergestreiften  Muskelplatte  gehört^  eine 
selbständige  Eeizbarkeit,  und  die  Fähigkeit  unabhängig  von  nervösen 


Beiträge  zur  Histologie  der  Medusen.  271 

Elementen  auf  die  Kontraktion  der  Muskelfasern  einzuwirken,  voraus- 
setzen, ähnlich  wie  sie  beim  mangelnden  Nervensystem  der  sogenannten 
Neuromuskelzelle  beizulegen  ist,  so  stimmt  doch  die  Reaktion,  welche 
die  quergestreifte  Ringmuskellage  auf  elektrische  Reize  und  insbe- 
sondere bei  Anwendung  des  Induktionsstromes,  eventuell  von  Strom- 
schlingen desselben  zeigt,  so  auffallend  mit  dem  Verhalten  des  quer- 
gestreiften und  nervenhaltiuen  (nicht  curarisierten)  Muskels  der 
Vertebraten  überein,  daß  wir  schon  aus  diesem  Grunde  das  Vorhanden- 
sein motorischer  Nervenfasern  in  dem  Schirmmuskel  der  Acalephen 
als  ziemlich  sicher  annehmen  dürfen.  << 

Die  Angaben  E.  F.  Schäfers  über  Endigung  von  Nervenfasern 
beziehen  sich  auf  die  Enden  der  dicken,  von  den  Ganglienzellen  ab- 
stehenden Nervenfasern,  deren  Verzweigungen  er  ganz  übersehen  hat. 
Da  die  Innervation  durch  die  dünnsten  Verzweigungen  der  Nerven- 
fasern besorgt  wird,  so  brauchten  wir  auf  die  diesbezüglichen  Befunde 
E.  F.  Schäfers  nicht  einzugehen. 

Seit  dem  Jahre  1878  ist  zur  Frage  über  die  Innervierung  der 
Muskulatur  der  Medusen  nichts  beigetragen  worden,  sie  steht  bis 
heute  auf  dem  Punkt,  auf  den  sie  durch  0.  und  R.  Hertwigs  und 
Claus'  Arbeiten  befördert  wurde. 

Wie  aus  dieser  Zusammenfassung  hervorgeht,  ist  unsre  Kenntnis 
der  Muskulatur  und  des  peripheren  Nervensystems  der  Medusen  eine 
noch  sehr  unvollkommene.  Am  wenigsten  sind  die  Verhältnisse  bei 
den  Acalephen  bekannt.  Die  Angaben  verschiedener  Forscher  über 
die  epitheliale  oder  subepitheliale  Lage  der  Muskelzellen,  die  Faltung 
der  Muskellamelle,  ja  sogar  über  die  Zahl  der  Fortsätze  der  Ganglien- 
zellen, sind  voll  von  Widersprüchen.  Die  Muskulatur  und  das  peri- 
phere Nervensystem  der  Hydromedusen  sind  besser  erforscht  worden, 
jedoch  bleibt  auch  hier  das  Verhältnis  der  Myoblasten  zu  den  Muskel- 
fasern in  den  gefalteten  und  stark  veränderten  Teilen  der  Muskulatur 
so  gut  wie  unbekannt.  Vor  allem  ist  aber  der  Zusammenhang  von 
Muskel  und  Nerv  bei  keiner  Meduse  festgestellt  worden,  und  über  den 
Zusammenhang  der  GangUenzellen  untereinander  wissen  wir  in  den 
allermeisten  Fällen  ebenfalls  gar  nichts. 

Trotzdem  dienten  gerade  die  Muskulatur  und  das  Nervensystem 
der  Medusen  den  Autoren  der  70er  Jahre  als  Ausgangspunkt  für  Hypo- 
thesen, welche  sich  mit  der  phylogenetischen  Entstehung  des  Muskel- 
und  Nervensystems  und  mit  dem  Zusammenhang  von  Muskel-  und 
Nerv  beschäftigten.  Unzweifelhaft  hat  sogar  das  theoretische  Interesse, 
welches  diese  Fragen  zu  jener  Zeit  erweckten,  als  Anregung  zum  Stu- 


272  Sophie  Krasiiiska, 

dium  des  Nerven-  und  Muskelsystems  der  Medusen  gedient.  Man 
glaubte  bei  den  Coelenteraten  der  Lösung  der  Frage  am  nächsten 
kommen  zu  können,  weil  sie  die  niedrigsten  Metazoen  sind,  und  das 
primitivste  Muskel-  und  Nervensystem  besitzen.  Den  klarsten  Aus- 
druck haben  0.  und  R.  Hertwig  (1878,)  diesem  G-edankengang  gege- 
ben: »Wie  bei  der  vergleichend  anatomischen  Stellung  der  Medusen 
nicht  anders  zu  erwarten  war,  haben  sich  im  Bau  ihres  Nervensystems 
und  ihrer  Sinnesorgane  bei  näherer  Untersuchung  so  außerordentlich 
primitive  Verhältnisse  ergeben,  wie  sie  bisher  in  keiner  andern  Tier- 
abteilung beobachtet  worden  sind.  Die  ermittelten  Tatsachen  sind 
daher  geeignet,  auf  die  komplizierten  Einrichtungen  der  höheren  Tier- 
stämme ein  Licht  zu  werfen  und  hier  auch  neue  Gesichtspunkte  zur 
Lösung  der  Frage  nach  der  ersten  Entstehung  des  Nervensystems  im 
Tierreich  zu  bieten.« 

Die  älteste  unter  den  Theorien,  welche,  von  den  bei  Coelenteraten 
herrschenden  Verhältnissen  ausgehend,  die  Entstehung  des  Muskel- 
und  Nervensystems  der  höheren  Tiere  zu  erklären  versuchen,  ist  die 
»Neuro muskeltheorie«  von  Kleinenberg  (1872),  welche  er  in 
seiner  berühmten  Hydra-Monographie  dargelegt  hat.  Als  Ausgangs- 
punlct  für  seine  Hypothese  gebraucht  er  die  von  ihm  entdeckten  Epithel- 
muskelzellen, die  er  »Neuromuskelzellen  <<  nennt.  Kleinenberg  hat 
das  Nervensystem  von  Hydra  übersehen  und  wollte  in  jeder  »Neuro- 
muskelzelle«  nervöse  und  muskulöse  Eigenschaften  vereinigt  sehen. 
Dem  epithelialen  Zellkörper  schrieb  er  die  Fähigkeit  zu,  Reize  zu 
empfangen  und  auf  den  basalen  contractilen  Teil  der  Zelle  zu  über- 
tragen. Er  stellte  ferner  die  Hypothese  auf,  daß  die  Muskulatur  und 
das  Nervensystem  der  höheren  Tiere  auch  aus  einem  einheitlichen 
Neuromuskelsystem  entstehen,  indem  sich  aus  dem  epithelialen  Zell- 
körper Sinneszelle  und  Nerv,  —  aus  der  contractilen  Platte  die  Muskel- 
faser differenziert.  Nach  dieser  Hypothese  würden  somit  Muskel 
und  Nerv  aus  einer  und  derselben  Zelle  entstehen  und  der 
Zusammenhang  zwischen  ihnen  wäre  ein  primärer. 

Unter  den  Coelenteratenforschern  sind  E.  v.  Beneden  (1874) 
und  Eimer  (1878)  Anhänger  der  KLEiNENBERGschen  Neuromuskel- 
theorie.  Eimer  hat  mit  wenig  Erfolg  versucht,  seine  Befunde  an 
Medusen  mit  dieser  Theorie  in  Übereinstimmung  zu  bringen. 

Eine  andre  Hypothese  hat  Claus  (1878)  aufgestellt.  Er  behauptet, 
daß  Muskel  und  Nerv  aus  verschiedenen  Zellen  entstehen  und  erst 
sekundär  miteinander  in  Verbindung  treten.  Aus  den  Neuromuskel- 
zellen,  welche  an  sich  reizbar  sind,  und  als  Ersatz  eines  Nervensystems 


I 


Beiträge  zur  Histologie  der  Medusen.  273 

dienen,  soll  sich  die  Muskulatur  der  höheren  Tiere,  aus  besonderen 
Zellgruppen  des  Ectodernis  die  Sinneszellen  differenzieren,  und  erst 
sekundär  ein  Zusammenhang  zwischen  beiden  Zustandekommen. 

0.  und  R.  Hertwig  (1878)  endlich  wollen  Muskel  und  Nerv  aus 
verschiedenen  Zellen  entstehen  sehen,  wobei  aber  der  Zusammenhang 
zwischen  ihnen  primär  sein  soll.  In  einer  einfachen  Zelllage  treten 
die  Zellen  miteinander  in  Verbindung.  Manche  von  ihnen  differen- 
zieren sich  dann  zu  Muskelzellen,  andre  zu  Sinnenzellen,  noch  andre, 
indem  sie  besonders  zahlreiche  Verbindungen  eingehen  —  zu  Ganglien- 
zellen. Die  nächste  Stufe  der  Entwicklung  besteht  darin,  daß  sich 
die  Sinneszellen  zu  Sinnesorganen  vereinigen,  und  im  Zusammenhang 
damit  sich  nervöse  Bezirke  von  mehr  indifferenten  trennen.  In  der 
dritten  und  höchsten  Ausbildungsstufe  werden  zuerst  die  Muskulatur 
und  das  periphere  Nervensystem,  später  auch  das  centrale  Nerven- 
system vom  Ectoderm  in  die  Tiefe  verlegt. 

Auf  eine  Kritik  dieser  vielfach  besprochenen  und  so  gut  bekannten 
Hypothesen  will  ich  mich  nicht  einlassen,  da  ich  selbst  zur  Frage  über 
die  Entstehung  des  Muskel-  und  Nervensystems,  auch  nicht  den  klein- 
sten Beitrag  bringen  kann.  Das  Studium  der  Medusenhistologie  eignet 
sich  zur  Lösung  dieser  Frage  nicht.  Das  Muskel-  und  Nervensystem 
der  Medusen  ist  zwar  sehr  primitiv,  aber  Ganglien-,  Sinnes-  und  Muskel- 
zellen sind  bei  erwachsenen  Tieren  bereits  differenziert,  und  die  Ver- 
bindung von  Muskel  und  Nerv  hergestellt.  Wie  diese  Differenzierung 
und  diese  Verbindung  entstanden  sind,  darüber  lassen  sich  nur  Ver- 
mutungen aussprechen,  solange  man  beim  Studium  der  geschlechts- 
reif en  Medusen  bleibt.  Das  Studium  von  Entwicklungsstadien  könnte 
für  die  Lösung  der  Frage  sehr  fruchtbar  sein,  wie  es  am  besten  die 
Untersuchungen  von  Th.  Schaeppi  (1904)  an  jungen  Siphonophoren 
beweisen.  Er  fand,  daß  die  Epithelzellen  schon  in  den  frühesten  Ent- 
wicklungsstadien untereinander  durch  Protoplasmafäden  verbunden 
sind,  daß  also  ihr  Zusammenhang  ein  primärer  ist.  Etwas  später 
differenzieren  sich  gleichzeitig  die  Ganglienzellen  und  Muskelfasern. 
Vom  Moment  an,  wo  man  die  Ganglienzellen  von  den  sie  umgebenden 
Zellen  unterscheiden  kann,  stehen  sie  in  kontinuierlichem  Zusammen- 
hange unter  einander.  Die  Verbindung  zwischen  Muskel  und  Nerv 
wird  wegen  der  großen  Dünne  der  Nervenendf äserchen  erst  auf  späteren 
Entwicklungsstadien  sichtbar.  Sobald  aber  die  Nervenendfäserchen 
zu  unterscheiden  sind,  läßt  sich  auch  mit  aller  Deutlichkeit  ihre  Endi- 
gung im  Protoplasma  der  Epithelzellen  konstatieren.  »Nirgends 
konnte  ich  dagegen«  —  schreibt  Th.  Schaeppi  —  »eine  Andeutung 


274  Sophie  Krasinska, 

davon  finden,  daß  die  Endfasern  auswachsen,  daß  sie  also  mit  andern 
Worten  eine  Zeit  lang  frei  endigen,  um  erst  später  mit  den  Epithel- 
zellen in  Verbindung  zu  treten.«  Die  erhaltenen  Resultate  faßt  Th. 
ScHAEPPi  in  folgender  "Weise  zusammen: 

1)  »Die  Ganglienzellen  stehen  sowohl  untereinander  als  auch  mit 
den  Epithelzellen  in  kontinuierlichem  Zusammenhang ;  nirgends 
findet  ein  bloßer  Kontakt  statt.« 

2)  »Alle  unsre  Befunde  deuten  darauf  hin,  daß  dieser  Zusammen- 
hang ein  primärer,  d.  h.  von  Anbeginn  der  Entwicklung  an 
bestehender  ist,  daß  also  mit  andern  Worten  Muskel  und  Nerv 
ab  origine  miteinander  verbunden  sind. 

3)  »Die  Epithelzellen  stehen  von  frühesten  Entwicklungsstadien 
miteinander  in  Zusammenhang.« 

4)  »Nervensystem  und  Muskulatur  gelangen  gleichzeitig  zur  Ent- 
wicklung. « 

Nichts  könnte  klarer  und  mehr  eindeutig  sein,  und  nichts  stärker 
für  die  Richtigkeit  der  ÜERTWiGschen  Theorie  sprechen.  Es  ist  zu 
bedauern,  daß  der  Verfasser  seine  Arbeit  nur  mit  ganz  schematischen 
Abbildungen  versehen  hat,  und  daß  er  gar  nichts  über  die  gebrauchten 
Untersuchungsmethoden  berichtet,  so  daß  man  gezwungen  ist,  seine 
Angaben  kritiklos  anzunehmen,  ohne  über  mögliche  Fehlerquellen 
orientiert  zu  sein. 

Technik. 

Dem  Beispiel  der  älteren  Forscher  folgend,  habe  ich  beim  Studium 
der  Medusenhistologie  neben  der  gewöhnlichen  Schnittmethode  auch 
Maceration  gebraucht. 

Der  Vorteil  der  Macerationspräparate  liegt  im  allgemeinen  darin, 
daß  sie  die  Gestalt  der  einzelnen  Zellen  zu  erkennen  erlauben.  Bei 
den  Medusen,  deren  Gewebe  sich  durch  außerordentlich  dünne  Zell- 
wände und  durch  ein  faseriges,  von  zahlreichen  Vacuolen  durchsetztes 
Plasma  auszeichnen,  hat  die  Maceration  noch  den  großen  Vorteil,  daß 
sie  dies  Vorkommen  von  Zellgrenzen  in  syncytial  aussehenden  Geweben 
festzustellen  erlaubt. 

Ich  habe  die  verschiedensten  Macerationsmethoden  ausprobiert, 
um  schließlich  zu  der  ÜEßTWiGschen  Osmium-Essigsäure  zurückzu- 
kommen, welche  bei  den  Medusen  ganz  entschieden  die  besten  Re- 
sultate gibt. 

»Wir  verfahren«  —  schreiben  0.  und  R.  Hertwig  (1878,  S.  5)  — 
»gewöhnlich  in  der  Weise,  daß  wir  die  zu  behandelnden  Objekte  je 


Beiträge  zur  Histologie  der  Medusen.  275 

nach  ihrer  Größe  2 — 3  Minuten  in  einer  Mischung  von  0,2%  Essig- 
säure und  0,05%  Osmiunisäure  zu  gleichen  Teilen  brachten,  und  mit 
0,1%  Essigsäure  öfters  auswuschen,  bis  die  geringsten  Mengen  freier 
Osniiumsäure  entfernt  wurden.  Die  Präparate  blieben  dann  einen 
Tag  lang  in  einer  0,l%igen  Essigsäurelösung,  wurden  darauf  mit 
reinem  Wasser  ausgewaschen,  mit  BEALEschem  Carmin  gefärbt  und 
in  Glyzerin  aufbewahrt.« 

Die  Anwendung  dieser  Methode  bietet  dem  Techniker  große 
Schwierigkeiten,  denn  erstens  haben  verschiedene  Nebenumstände, 
so  z.  B.  die  Temperatur  den  größten  Einfluß  auf  ihren  Erfolg  und 
zweitens  nmß  für  jede  Medusenart  die  Dauer  der  Fixation  in  Osmium- 
Essigsäure,  sowie  die  Dauer  der  macerierenden  Wirkung  der  Essigsäure 
experimentell  festgestellt  werden. 

Wenn  die  Temperatur  nicht  niedriger  als  15°  C  ist,  muß  z.  B. 
Pelagia  etwa  6 — 8  Stunden,  Carmarina  mindestens  24,  Neoturris  und 
Aequorea  etwa  12 — 18  Stunden  in  0,l%iger  Essigsäure  liegen  bleiben. 
Die  Dauer  der  Maceration  muß  auch  nach  dem  zu  macerierenden  Ge- 
webe geändert  werden:  am  leichtesten  macerieren  die  Nervenringe  und 
das  Nesselgewebe,  am  schwierigsten  die  quergestreifte  Muskulatur. 

0.  und  R.  Hertwig  haben  ihre  Macerationspräparate  mit  BEALE- 
schem Carmin  gefärbt.  Obwohl  ich  verschiedene  Carmingemische 
(auch  das  BEALEsche  Carmin),  ausprobiert  habe,  gebe  ich  entschieden 
den  Hämatoxylinfarbstoffen  den  Vorzug.  Besonders  gute  Dienste  hat 
mir  das  Hämatein  lA  nach  Apathy  geleistet,  denn  es  differenziert  am 
schärfsten  verschiedene  Zellbestandteile  und  blaßt  in  Glyzerin  nicht  ab. 

Das  macerierte  Material  kann  in  Glyzerin  monatelang  ohne  merk- 
liche Veränderung  aufbewahrt  werden.  Die  mit  Paraffin  oder  Schutz- 
leistenkitt eingeschlossenen  Präparate  halten  sich  ebenfalls  recht  gut. 

Die  Präparate  wurden  durch  Zerzupfen  eines  Stückchens  Gewebe 
auf  dem  Okjektträger  und  Zerklopfen  unter  dem  Deckgläschen  ange- 
fertigt. Beim  Zerklopfen  muß  eine  genügende  Menge  Flüssigkeit  unter 
dem  mit  Wachsfüßchen  gestützten  Deckgläschen  vorhanden  sein,  da 
die  Zellen  durch  die  Vibration  der  Flüssigkeit  und  nicht  durch  Zer- 
drücken isoliert  werden  sollen.  Neben  der  Maceration  ist  die  Schnitt- 
methode zum  Studium  der  Medusenhistologie  unentbehrlich,  da  nur 
auf  Schnitten  eine  Übersicht  über  das  Gewebe  als  Ganzes  gewonnen 
und  die  Lage  der  einzelnen  Zellen  im  Gewebe  erkannt  werden  kann. 

Wegen  der  großen  Zartheit  der  Medusengewebe  sind  die  osmium- 
säurehaltigen und  deshalb  härtend  wirkenden  Fixierungsflüssigkeiten 
zu  bevorzugen.     Die  besten  Dienste  hat  mir  die  schwache  Flemming- 


276  Sophie  Krasiriska, 

sehe  Lösung  geleistet.  Außerdem  wurde  für  Carmarina  eine  6%ige 
Sublimatlösung  in  Seewasser,  sowie  eine  in  der  zoologischen  Station 
zu  Villefranche  viel  gebrauchte  Mischung  von  Sublimat-Formol-Eis- 
essig gebraucht  1.  Die  meisten  Medusen  lassen  sich  mit  Sublimat  nicht 
fixieren,  da  sie  im  Jodalkohol  zu  sehr  schrumpfen.  Es  empfiehlt  sich, 
womöglich  ganze  Tiere,  oder  wenigstens  große  Gewebsstücke  zu  fixieren, 
da  die  Gewebe  in  der  Nähe  der  Schnittfläche  unerwünschte  Veränderun- 
gen erleiden.  Das  Auswaschen  des  Materials  nach  Fixierung  mit  Flem- 
MiNGscher  Lösung  bietet  große  Schwierigkeiten,  da  fließendes  Wasser 
die  Epithelien  der  Medusen  ablöst.  Beim  Einbetten  habe  ich  mich 
ausschließlich  der  kombinierten  Celloidin-Paraffin-Methode  nach  Apa- 
THY  bedient.  Sie  hat  gegenüber  der  gewöhnlichen  Paraffinmethode 
den  Vorteil,  daß  die  Gewebsstücke  im  Thermostat  nicht  schrumpfen ;  — 
auch  lassen  sich  die  nesselzellhaltigen  Teile  der  Gewebe  viel  besser  als 
in  Paraffin  schneiden.  Man  kann  bei  Anwendung  dieser  Methode 
5  u  dicke  Schnitte  immer  bequem  herstellen  und  ich  konnte,  wenn 
notwendig,  3  und  2  /.i  dicke  Schnitte  erhalten. 

Aus  dem  absoluten  Alkohol  werden  kleine  Gewebsstücke  für  mehrere 
Stunden  in  eine  Mischung  von  gleichen  Teilen  von  absolutem  Alkohol 
und  Äther  gebracht;  dann  für  24  Stunden  in  eine  Mischung  von  V5 
konz.  Celloidinlösung  und  V5  Alkoholäther  übertragen,  für  weitere 
24  Stunden  in  eine  zweite  Mischung,  die  1/3  konz.  Celloidinlösung  und 
2/3  Alkoholäther  enthielt.  Aus  der  zweiten  Celloidinlösung  wurden  sie 
zum  Härten  direkt  für  24  Stunden  in  Chloroform  gebracht.  Aus  dem 
Chloroform  wurde  in  gewöhnlicher  Weise  durch  Chloroformparaffin  in 
Paraffin  eingebettet.  Es  muß  Paraffin  von  56°  Schmelzpunkt  ge- 
braucht werden.  —  Wichtig  ist  dabei,  daß  so  wenig  wie  möglich  über- 
flüssiges Celloidin  eingebettet  wird.  Es  wurde  mir  freundUchst  von 
Herrn  Dr.  Davidoff  ein  Kunstgriff  gezeigt,  welcher  beim  Übertragen 
aus  der  zweiten  Celloidinlösung  in  Chloroform  sehr  nützlich  ist.  Das 
Gewebestückchen  wird  auf  einem  Deckgläschen,  welches  mit  einer 
dünnen  Paraffinschicht  bedeckt  ist,  ausgebreitet  und  mit  demselben 
ins  Chloroform  geworfen.  Das  flüssige  Celloidin  breitet  sich  auf  dem 
Deckgläschen  aus,  und  kann  nach  der  Erhärtung  geeignet  abgeschnitten 
werden. 

Von  den  verschiedenen  versuchten  Färbungsmethoden  haben  sich 


1  Zusammensetzung:     6%iges  Sublimat  45  ccm 
Eisessig  ....     5    » 
Formaldehyd .    .      2    » 
Wasser    ....    50    >> 


Beiträge  zur  Histologie  der  Medusen.  277 

vor  allem  die  Eisenhämatoxylinmethode  nach  Heidenhain,  und  die 
Fuchsin-Anilinblau-Orange-Methode  nach  Mallory  bewährt.  Zur 
Kontrolle  xNiirde  immer  Hämatoxvlin-Eosin  gebraucht.  Das  Eisen- 
hämatoxylin  bringt  wie  gewöhnlich  die  Kern-  und  Plasmastrukturen, 
die  Querstreifung  der  Muskulatur,  die  Neurofibrillen  in  den  Ganglien- 
zellen und  Nervenfasern,  sehr  schön  zum  Vorschein.  Die  Mallory- 
methode  eignet  sich  zum  Studium  der  Muskulatur  ganz  besonders,  da 
sie  die  Muskeln  und  Nesselzellstiele  rot,  die  Stützlamelle  blau  färbt, 
und  sie  voneinander  zu  unterscheiden  erlaubt. 

Leider  ist  es  mir  nicht  gelungen,  irgendwelche  specifische  Nerven- 
färbungen auf  die  Medusen  anzuwenden,  obwohl  ich  mich  während 
eines  zweiten  Aufenthaltes  in  Villefranche  speziell  mit  diesen  Färbungen 
beschäftigte.  Das  äußerst  ungünstige  Wetter,  welches  ein  Mangel  an 
Material  bedingte,  war  wenigstens  zum  Teil  Schuld  daran,  da  ich  die 
Färbungsversuche  nicht  systematisch  genug  durchführen  konnte. 

I.  Muskulatur. 

1.  Zirkuläre  Muskulatur. 

Pelagia  noctiluca. 

Wie  bekannt,  setzt  sich  die  circuläre  Muskulatur  der  Subumbrella 
bei  allen  Medusen  aus  quergestreiften  Muskelfasern  zusammen. 
Über  die  Anordnung  der  circulären  Muskulatur  der  Subumbrella  von 
Pelagia  sagen  0.  und  K.  Hertwig  (1878,  S.  106) :  »Sie  beschränkt  sich 
auf  ein  breites  Band,  das  etwas  nach  einwärts  von  der  Basis  der  Sinnes- 
lappen liegt  und  sich  von  einer  Tentakelbucht  zur  andern  quer  hinüber- 
zieht. Die  äußere  Begrenzung  des  Bandes  bildet  ein  achtseitiges 
Polygon,  dessen  Ecken  den  Tentakelbuchten  entsprechen,  und  dessen 
Seiten  den  Sinneskörpern  gegenüberliegen  und  durch  einen  geringen 
Abstand  von  ihrer  Basis  getrennt  sind. « 

Die  Subumbrella  von  Pelagia  (Taf .  VII,  Fig.  10)  setzt  sich  aus 
folgenden  Gewebsschichten  zusammen:  außen  liegen  die  hohen  Zellen 
des  Ectoderms  (epmz),  an  ihrer  Basis  die  Muskelfaserschicht  (m/), 
dann  eine  Gallertschicht  (gal),  zu  unterst  liegt  das  Entoderm.  Dieselben 
Schichten  kommen  in  der  Subumbrella  aller  Medusen  vor^.  Der  einzige 
Unterschied  gegenüber  den  Hydromedusen  ist,  daß  bei  jenen  zwischen 
Ecto-  und  Entoderm  nur  eine  Stützlamelle,  bei  Pelagia  aber  eine  ziem- 
lich mächtige  Gallertschicht  liegt,  die  sowohl  gegen  das  Ectoderm,  wie 
gegen  das  Entoderm  durch  ein  dünnes  Häutchen  —  die  Stützlamelle  — 
abgegrenzt  ist.     Da  bei  den  Hydromedusen  die  Stützlamelle  häufig 

1  Vgl.  O.  und  R.  Hertwig,  1878. 


278  Sophie  Krasinska, 

doppelt  konturiert  erscheint  (z.  B.  bei  Carmarina),  so  ist  dieser  Unter- 
schied nicht  tiefgreifend. 

Die  sehr  dünne  Stützlamelle  {stl),  welche  das  Ectoderm  von  der 
Gallertschicht  trennt,  legt  sich  bei  Pelagia  in  hohe  circulär  verlaufende 
Falten,  was  eine  Vergrößerung  der  Ansatzfläche  der  Muskelfasern 
bewirkt.  Auf  Radialschnitten  durch  die  Subumbrella  werden  diese 
Falten  quer  getroffen  (Taf.  VII,  Fig.  10).  — Auf  dieser  Figur  sieht  man, 
daß  das  Ectoderm  aus  sehr  hohen  Epithelzellen  besteht  (epinz),  die  alle 
die  Oberfläche  des  Ectoderms  erreichen  und  zwischen  welchen  einzelne 
Drüsen  (gr.  u.  kl.  drz)  und  Ganglienzellen  {Gz.),  zu  bemerken  sind. 
Da  sonst  gar  keine  Kerne  im  Ectoderm  vorkommen,  müssen  diese 
Zellen  von  vornherein  als  die  Matrixzellen  der  darunter  liegenden 
Muskelfasern  gelten. 

Die  freie  Oberfläche  der  Zellen  wird  von  einer  dünnen  Cuticula 
bedeckt,  welche  die  den  Medusen  eigentümliche  Körnelung  zeigt. 
Bei  Pelagia  liegen  die  sehr  großen  und  deutlichen  länglichen  Körner 
nach  innen  von  der  Cufcicula  und  ragen  frei  ins  Zellplasma  hinein.  Sie 
unterscheiden  sich  von  der  Cuticula  durch  ihre  Färbbarkeit,  so  färben 
sie  sich  z.  B.  mit  Eisenhämatoxylin  intensiv  schwarz,  die  Cuticula  nur 
schwach  grau;  an  mit  Mallory  gefärbten  Schnitten  erscheinen  die 
Körner  intensiv  rot,  die  Cuticula  dagegen  dunkelblau. 

Jede  Epithelzelle  trägt  eine  feine  und  sehr  lange  Geißel,  deren 
Verlängerung  im  Zellplasma  der  meisten  Zellen  bemerkbar  ist.  Letztere 
erscheint  bei  Eisenhämatoxylinfärbung  dicker  als  die  Geißel  selbst  und 
verläuft  in  gerader  Linie,  manchmal  bis  in  die  Kerugegend.  Basal- 
körperchen  —  falls  vorhanden  —  sind  von  den  übrigen  Körnern  der 
Cuticula  nicht  zu  unterscheiden  i.  Die  ovalen  Kerne  haben  eine  fein- 
körnige Struktur,  eine  deutliche  Membran,  und  enthalten  einen  oder 
zwei  Nucleoli.  Mit  Kernfarbstoffen  färben  sie  sich  wenig,  die  Kern- 
körperchen  dagegen  sehr  stark  (so  z.  B.  mit  Hämatoxylin,  Eisenhäma- 
toxylin, Safranin,  Fuchsin  S  und  andern). 

Im  äußeren  Teil  des  Ectoderms  sind  die  Zellgrenzen  deutlich, 
das  Protoplasma  scheint  bei  der  Fixierung  etwas  zu  schrumpfen  und 
von  den  Zellwänden  abzustehen ;  im  basalen  Teil  des  Ectoderms  werden 
die  Zellgrenzen  verwischt  und  die  faserige  Beschaffenheit  des  Plasmas 
ist  ausgeprägter;  zwischen  den  muskeltragenden  Falten  der  Stütz- 
lamelle läßt  sich  nur  noch  ein  mit  Vacuolen  durchsetztes  Gewirr  von 
Plasmasträngen  unterscheiden. 

Die  Muskelfasern  (Taf.  VII,  Fig.  10  m/)  sind  bandförmig,  mit  einer 
1  Dagegen  sind  im  Entoderm  von  Pelagia  Basalkörperchen  immer  vorhanden. 


Beiträge  zur  Histologie  der  Medusen.  279 

ihrer  schmalen  Seiten  der  Ötützlamelle  angewachsen  und  erscheinen 
deshalb  auf  Querschnitten  als  schwarze  Striche,  die  der  Stützlanielle 
senkrecht  oder  unter  einem  spitzen  Winkel  ansitzen.  Man  sieht,  daß 
Plasmastränge  zu  den  Muskelfasern  ziehen,  jedoch  ist  das  gegenseitige 
Verhältnis  zwischen  Zellen,  Plasmasträngen  und  Muskelfasern,  nicht 
zu  ermitteln.  Am  ehesten  wäre  man  geneigt  ein  Verschmelzen  der 
unteren  Teile  aller  Epithelmuskelzellen  anzunehmen. 

Man  wird  deshalb  überrascht,  wenn  man  auf  Macerationspräparaten 
das  Ectoderm  in  einzelne  typische  Epithelmuskelzellen  auseinander- 
fallen sieht  (Taf.  VII,  Fig.  11).  Die  Gewebe  von  Pelagia  macerieren 
sehr  leicht,  was  sich  wahrscheinlich  durch  die  Zartheit  der  Stützlamelle 
erklärt.  Auch  die  quergestreiften  Muskelfasern  lösen  sich  ohne  Schwie- 
rigkeiten von  der  Stützlamelle  ab,  wobei  sie  mit  den  zugehörigen  Zell- 
körpern meist  in  Verbindung  bleiben.  Die  Körper  der  Epithelmuskel- 
zellen (Fig.  11  efmz)  erscheinen  auf  Macerationspräparaten  mehr  oder 
weniger  hoch,  je  nachdem  sie  zu  höher  oder  tiefer  liegenden  Muskeif asern 
gehören.  Kern,  Körnelung  der  Cuticula  und  Flagellum  erscheinen 
im  allgemeinen  ebenso  wie  auf  Schnitten.  Die  faserige  Beschaffenheit 
des  Plasmas  ist  hier  ausgeprägter  wegen  der  starken  Lichtbrechbarkeit 
der  faserigen  Bestandteile  der  Zelle  (Taf.  VII,  Fig.  11).  Basalwärts 
breitet  sich  die  schmale  Zelle  (epmz)  fächerförmig  nach  zwei  Seiten 
aus  und  sitzt  der  Muskelfaser  mit  einer  breiten  Basis  an^.  Von  der 
Zellbasis  sieht  man  einen  ganz  schmalen  wabigen  Plasmasaum  am 
Rande  der  Muskelfaser  bis  zu  ihren  Enden  ziehen.  Dieser  Saum  scheint 
während  der  Maceration  etwas  zu  schrumpfen,  wodurch  die  Enden 
der  Muskelfaser  bogenförmig  nach  oben  gekrümmt  werden  (Taf.  VII, 
Fig.  11).  Die  Muskelfaser  hat  immer  ganz  glatte  und  scharf  konturierte 
Ränder,  sie  ist  viel  stärker  lichtbrechend  als  das  Zellplasma  und  deshalb 
deutlich  von  ihm  abgesetzt.  Die  Querstreifung  der  contractilen  Substanz 
tritt  bei  guter  Fixierung  deutlich  hervor.  In  ihrem  mittleren  Teil  ist 
die  Faser  etwa  2  u  breit,  und  läuft  gegen  beide  Enden  spitz  aus ;  ihre 
Länge  kann  90 — 130  u  betragen 2,  wechselt  also  bei  einem  und  dem- 
selben Tier  beträchtlich. 

Wenn  man  nach  diesen  Ergebnissen  die  Radialschnitte  durch  die 
Subumbrella  zu  verstehen  versucht  (Taf.  VII,  Fig.  10),  so  muß  man 
annehmen,  daß  die  verwirrten  Plasmastränge  zwischen  den  Falten  der 
Muskellamelle  den  Querschnitten  der  basalen  fächerartigen  Teile  der 

1  Mit  den  Epithelmuskelzellen  von  Pelagia  hat  sich  Th.  Eimer  (1878)  be- 
schäftigt und  gibt  mehrere  Abbiklungen  derselben. 

2  Gemessen  \nu:de  mit  Obj.  2  mm,   Oe.  6. 


280  Sophie  Krasinska, 

Epitlielmuskelzellen  entsprechen.  Der  basale  Teil  jeder  Zelle  breitet 
sich  auch  unter  den  benachbarten  Zellen  aus ;  somit  trifft  man  zwischen 
zwei  Falten  der  Muskellamelle  die  Querschnitte  der  basalen  Teile  vieler 
Zellen,  wodurch  das  anscheinende  Gewirr  von  Plasmasträngen  entsteht. 

Es  wäre  interessant,  festzustellen  ob  es  Plasmabrücken  oder  irgend- 
welche Zellverbindungen  zwischen  den  basalen  Teilen  der  einzelnen 
Zellen  gibt.  Leider  läßt  sich  nichts  Sicheres  darüber  sagen.  Bei 
der  Maceration  würden  vorhandene  Verbindungen  selbstverständlich 
zerreißen,  so  daß  ihr  Fehlen  auf  Macerationspräparaten  gar  nichts 
gegen  ihre  Existenz  beweist.  Ebensowenig  kann  aber  das  Aussehen 
•der  Schnitte  für  ihre  Existenz  sprechen,  denn,  wo  nicht  einmal  un- 
zweifelhaft vorhandene  Zellgrenzen  zu  unterscheiden  sind,  kann  man 
selbstverständlich  nicht  von  Zellverbindungen  reden.  Der  basale  Teil 
des  Subumbrellaectoderms  von  Pelagia  ist  ein  Beispiel,  daß  das  auf 
Schnitten  syncytial  aussehende  Gewebe  der  Medusen  doch  kein  Syncy- 
tium  zu  sein  braucht. 

Die  subumbrellare  Ringmuskulatur  von  Pelagia  setzt 
sich  somit  aus  echten  Epithelmuskelzellen  zusammen,  die 
sich  nur  dadurch  von  den  gleichen  Gebilden  bei  Hydroidpolypen  und 
Actinien  unterscheiden,  daß  ihre  Muskelfasern  quergestreift  sind. 
Dies  Verhalten  ist  insofern  von  Interesse,  als  die  Muskellamelle  hier  stark 
gefaltet  ist.  Es  beweist,  daß  trotz  einer  starken  Faltung  der 
Muskellamelle  die  Muskelzellen  vollständig  epithelial  blei- 
ben können,  ja,  nirgends  die  kleinste  Tendenz  zum  Austreten  aus  dem 
Epithel  zu  zeigen  brauchen. 

Die  Ectodermzellen  der  Subumbrella  sind  mannigfaltig  differen- 
ziert. Außer  den  Epithelmuskelzellen  kommen  zunächst  mehrere 
Formen  von  Drüsenzellen  vor  (Taf.  VII,  Fig.  10  drz). 

1)  Die  kleinen  Drüsenzellen  {kl.drz)  haben  die  Gestalt  kleiner 
Becher,  und  sind  dicht  von  kleinen  runden  Körnchen  erfüllt,  die  sich 
mit  Eisenhämatoxylin  intensiv  schwarz  färben,  weshalb  der  Kern 
nicht  zu  sehen  ist.  2)  Die  zweite  Form  der  Drüsenzellen  ist  viel  größer, 
der  Becher  reicht  manchmal  bis  zur  Muskelschicht  hinab  und  ist  mit 
größeren  durch  Eisenhämatoxylin  grau  färbbaren  Secrettropfen  erfüllt. 
3)  Die  dritte  Form  (gr.Drz)  ist  durch  das  homogene  Aussehen  der  sehr 
großen  Secrettropfen  und  durch  die  starke  Vorwölbung  ihrer  freien 
Oberfläche  charakterisiert;  die  Secrettropfen  scheinen  verquollen  zu 
sein,  färben  sich  nur  ganz  blaß  und  sind  voneinander  durch  dünne 
Plasmawände  getrennt.  Die  beiden  letzten  Arten  von  Drüsenzellen 
lassen  manchmal  einen  Kern  wahrnehmen,  der  an  der  Basis  der  Zelle 


Beiträge  zur  Histologie  der  Medusen.  281 

zusammengedrückt  Hegt.  Er  unterscheidet  sich  von  allen  andern 
Kernen  des  Ectoderms  durch  eine  dicke  Kernmembran  und  ein  lockeres 
aber  mit  Eisenhämatoxylin  intensiv  färbbares  Gerüst,  Alle  drei  Arten 
von  Drüsenzellen  schicken  nach  unten  einen  intensiv  färbbaren  Fort- 
satz aus,  der  wahrscheinlich  zu  ihrer  Befestigung  an  der  Stützlamelle 
dient.  Da  ich  diesen  Zellen  keine  besondere  Aufmerksamkeit  gewidmet 
habe,  bin  ich  außerstande  zu  entscheiden,  ob  es  sich  hier  wirklich  um 
drei  verschiedene  Arten  von  Drüsenzellen,  oder  nur  um  drei  verschie- 
dene Tätigkeitsstadien  einer  und  derselben  Zellenart  handelt.  Da  sich 
manche  Übergangsstadien  finden  lassen,  ist  das  letztere  wohl  wahr- 
scheinlicher. 

Fig.  10  zeigt  noch  eine  eigenartige  Zelle  (X),  deren  Natur  mir 
unverständlich  blieb.  Solche,  oder  wenigstens  ähnliche  Zellen  kommen 
auf  Schnitten,  die  mit  Eisenhämatoxylin  gefärbt  sind,  ziemlich  häufig 
vor,  während  sie  bei  Färbung  mit  Hämatoxylin-Eosin  oder  Mallory 
nicht  differenziert  zu  werden  scheinen.  Sie  können  schmäler  oder 
breiter  sein,  ihr  Kern  spindelförmig  oder  mehr  rundlich;  sie  sind  aber 
stets  mit  dicken,  intensiv  färbbaren,  körnig  aussehenden  Fibrillen 
ausgefüllt  und  treten  daher  durch  ihre  dunkle  Färbung  deutlich  hervor. 
Daß  es  sich  nicht  um  Sinneszellen  handelt  geht  aus  der  Beschaffenheit 
der  Fibrillen  hervor,  die  von  den  glatten,  äußerst  dünnen  Neuro- 
fibrillen total  verschieden  sind.  Vielleicht  stehen  sie  in  irgend  einem 
Verhältnis  zu  den  Drüsenzellen.  Ich  notiere  hier  nur  ihr  Vorkommen, 
ohne  über  ihre  Natur  eine  begründete  Vermutung  äußern  zu  können. 

Die  Elemente  des  Nervensystems,  welche  in  der  Subumbrella  von 
Pelagia  vorkommen,  sollen  weiter  unten  besprochen  werden, 

C  ar  mar  i  na  h  a  st  at  a. 
Wie  aus  der  Arbeit  von  0.  und  R.  Hertwig  (1878)  bekannt,  be- 
deckt die  circuläre,  quergestreifte  Muskelfaserlage  die  ganze  Fläche  der 
Subumbrella  von  Carmarma  (Textfig.  1  m  S.  303)  und  wird  nur  durch 
die  dreieckigen  Genitalblätter  (g)  unterbrochen,  an  deren  Rändern 
sie  mit  zickzackförmiger  Linie  abbricht.  Proximal  endet  sie  da,  wo 
die  Genitalblätter  sich  mit  ihren  Ecken  nahezu  berühren;  distal  hört 
sie  plötzlich  in  einer  kleinen  Entfernung  vom  Schirmrand  auf  und  ist 
durch  einen  schmalen  muskelfreien  Streifen  (z)  von  der  Muskelfaser- 
schicht des  Velums  (mi)  getrennt.  Ein  solcher  muskelfreier  Streifen 
zwischen  Subumbrella  (2)  und  Velummuskulatur  kommt  nach  den 
genannten  Forschern  bei  allen  Hydromedusen  vor  und  wird  von  dem 
unteren  Nervenring  eingenommen.     Die  quergestreiften  Muskelfasern 

Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.    CIX.  Bd.  19 


282  Sophie  Krasinska, 

der  Subumbrella  sind  flach  bandförmig,  stehen  mit  ihrer  schmalen 
Kante  senkrecht  auf  der  Stützlamelle  wie  die  Blätter  eines  Buches 
dicht  nebeneinander;  sie  werden  nach  außen  von  einer  Lage  großer 
flacher  Epithelzellen  bedeckt.  Nach  0.  und  K.  Heetwig  (1878)  soll 
sich  die  Stützlamelle  geschlechtsreifer  Tiere  in  seichte,  circulär  ver- 
laufende Falten  legen.  Wie  bei  allen  Medusen  läuft  die  Epithelober- 
fläche glatt  über  diese  Falten  hinweg,  indem  die  Furchen  durch  die 
Höhenunterschiede  der  Zellen  ausgeglichen  werden.  Ich  habe  eine 
gefaltete  Stützlamelle  in  der  Subumbrella  von  Carmarina  nie  beob- 
achtet, vielleicht  deshalb,  weil  ich  unter  den  geschlechtsreif en  Tieren 
stets  die  kleineren  zur  Untersuchung  gebrauchte. 

Was  sich  über  die  histologische  Beschaffenheit  der  Subumbrellar- 
muskulatur  sagen  läßt,  gilt  auch  für  die  Muskulatur  des  Velums.  Wenn 
ich  mich  im  folgenden  auf  die  Muskulatur  der  Subumbrella  beschränke, 
so  geschieht  dies  aus  zwei  Gründen:  erstens  sind  die  Muskelfasern  des 
Velums  viel  fester  mit  der  Stützlamelle  verwachsen,  so  daß  es  unmög- 
lich ist,  ein  gutes  Macerationspräparat  herzustellen;  zweitens  ist  die 
Subumbrella  reich  an  Ganglien-  und  Sinneszellen,  welche  im  Velum 
völlig  zu  fehlen  scheinen,  es  läßt  sich  somit  an  einem  und  demselben 
Schnitt  durch  die  Subumbrella  sowohl  die  Muskulatur  als  das  Nerven- 
system studieren.  Das  für  die  Subumbrella  gewonnene  komplizierte 
Bild,  kann  man  direkt  auf  das  Velum  übertragen,  abgesehen  von  dem 
Fehlen  der  Ganglienzellen. 

Wenn  man  die  Subumbrella  von  Carmarina  bei  starker  Vergröße- 
rung von  der  Fläche  betrachtet,  so  sieht  man,  daß  die  großen  flachen 
Epithelzellen  langgestreckt  sind,  und  zwar  mit  ihrer  Längsachse  quer 
zur  Verlaufsrichtung  der  Muskelfasern  liegen  i.  Die  darunter  liegenden 
Muskelfasern  erblickt  man  auf  Flächenpräparaten  von  der  schmalen 
Seite,  wobei  sehr  viele  Muskeif asern  unter  jeder  Epithelzelle  durchziehen. 

Ein  Verständnis  dieser  Verhältnisse  läßt  sich  nur  an  Macerations- 
präparaten  gewinnen.  Carmarina  ist  sehr  schwer  zu  macerieren;  woran 
die  feste  Verbindung  der  Muskelfasern  mit  der  Stützlamelle  schuld 


1  Die  Gestalt  der  Zellen  wechselt  übrigens  bedeutend  mit  dem  Kontraktions- 
zustande der  Muskeln:  wenn  die  Muskehi  kontrahiert  sind,  sind  die  Zellen  länger 
und  schmäler,  wenn  die  Muskeln  erschlafft  sind,  sind  die  Zellen  mehr  rundlich. 
O.  und  R.  Hbrtwig  (1878,  Taf.  V,  Fig.  3  imd  5)  geben  zwei  Flächenbilder  der 
Subumbrella,  auf  denen  die  Epithelzellen  polygonal  mit  nahezu  gleicher  Quer- 
und  Längsachse  gezeichnet  sind.  Dagegen  sagt  Th.  Eimee  (1878,  S.  233)  über 
ihre  Gestalt:  »Die  Zellen  erscheinen  in  der  Ansicht  von  der  Unterfläche  des  Schir- 
mes her  annähernd  spindelförmig  (Taf.  XII,  Fig.  6,  9,  20)  mit  der  längsten  Aus- 
dehnung der  Spindel  radial  gelagert.« 


Beiträge  zur  Histologie  der  Medusen.  283 

ist.  Das  Gewebe  wird  lueistons  ganz  zerstört  bevor  man  die  Muskel- 
fasern von  der  Stützlanielle  ablösen  kann.  In  Macerationspräparaten 
erhält  man  meist  einerseits  die  Stützlamelle  mit  anhaftender  Muskel- 
faserschicht, anderseits  das  von  ihr  abgelöste  Epithel.  Nur  selten 
findet  man  isolierte  Muskelfasern,  noch  seltener  Epithelzellen  mit 
Muskelfasern  in  Zusammenhang.  Wenn  man  einen  abgepinselten 
Epithelstreifen  von  der  Seite  betrachtet,  so  sieht  man,  daß  die  Zellen 
äußerlich  von  der  derberen  Cuticula  zusammengehalten  werden,  während 
die  etwas  geschrumpften  Zellkörper  voneinander  abstehen  und  durch 
breite  Spalten  getrennt  sind.  Eine  von  der  Muskelfaserschicht  ab- 
gelöste Epithelzelle  von  ihrer  breiten  Seite  gesehen  zeigt  Fig.  6  (Taf .  VII). 
Das  Plasma  erscheint  außerordentlich  faserig,  und  die  faserigen  Bil- 
dungen stark  lichtbrechend.  Der  Kern  ist  linsenförmig  zusammen- 
gedrückt. Basal  sendet  die  Zelle  drei  schmale  längsfaserige  plasmatische 
Stränge  aus  {prfr).  Ich  will  diese  Stränge  »basale  Plasmafortsätze« 
nennen  1.  Außerdem  sieht  man  links  einen  kleinen,  kegelförmigen, 
mehr  homogen  aussehenden  Fortsatz,  der  in  ein  äußerst  feines  Fäser- 
chen  —  vermutlich  ein  Nervenfäserchen  (Nf)  —  übergeht.  In  jedem 
guten  Macerationspräparat  findet  man  große  Mengen  solcher  isolierter 
Epithelzellen.  Basal  sind  sie  immer  in  mehrere  Plasmafortsätze  geteilt, 
deren  Zahl  jedoch  nicht  konstant  ist,  ich  fand  am  häufigsten  Epithel- 
zellen mit  drei  bis  sieben  basalen   Plasmafortsätzen. 

Wenn  man  eine  Epithelzelle  von  der  schmalen  Seite  betrachtet, 
so  sehen  die  Plasmafortsätze  ganz  anders  aus,  denn  sie  breiten  sich 
basal  fächerförmig  aus  (Taf.  VII.  Fig.  5).  Die  Fortsätze  sind  also 
lamellenartig  abgeflacht;  Fig.  6  zeigt  sie  von  der  schmalen,  Fig.  5  von 
der  breiten  Seite.  In  seltenen  Fällen  findet  man  eine  Epithelzelle  noch  in 
Verbindung  mit  der  Muskelfaserschicht  (Taf.  VII,  Fig.  5).  Dann  kann 
man  feststellen,  daß  sich  jeder  basale  Plasmafortsatz  (pr/r)  zu  einer 
Muskelfaser  {mf)  begibt,  der  er  mit  seiner  ausgebreiteten  Basis  ansitzt. 
Demnach  steht  hier  eine  Epithelzelle  mit  mehreren  Muskel- 
fasern in  Verbindung^,  und  zwar  entspricht  die  Anzahl  der  Fasern 
die  zu  einer  Zelle  gehören,  der  Zahl  der  basalen  Plasmafortsätze. 

1  Vermutlich  hat  Emer  (1878)  diese  Plasmafortsätze  beschrieben  als  die 
»stabähnlichen  Bildungen,  meist  annähernd  von  der  Höhe  der  Zelle  selbst,  und 
ziemlich  dick«,  die  der  Zelle  in  größerer  Anzahl  —  bis  15  und  mehr  —  aufsitzen, 
obwohl  seine  Abbildung  derselben  absolut  keine  Ähnlichkeit  mit  meinen  Plasma- 
fortsätzen hat.  Es  bleibt  auch  unverständlich,  wie  er  15  und  mehr  derselben 
sehen  konnte,  da  höchstens  sieben,  meist  aber  drei  oder  vier  vorkommen. 

2  Dieser  Zusammenhang  von  Epithelzelle  und  Muskelfasern,  wurde  zuerst 
durch  Th.  Eimer  (1878)  gefunden.      (Vrgl.  S.  266.) 

19* 


284  Sophie  Krasinska, 

Eine  weitere  Bestätigung  dieser  Befunde  geben  Fläclienbilder. 
Wenn  man  bei  der  Betrachtung  eines  macerierten  und  flach  ausge- 
breiteten Epithelstückchens  das  Objektiv  herunter-  und  herauf  bewegt, 
so  sieht  man  zu  oberst  die  gekörnelte  Cuticula  mit  deutlichen  Zell- 
grenzen (Taf.  VII,  Fig.  9  a),  bei  weiterem  Senken  des  Tubus  kommen 
die  länglich  ovalen  Kerne  mit  umgebendem,  faserigem,  unregelmäßig 
zerteiltem  Zellplasma  zum  Vorschein  (Fig.  9  b),  und  bei  noch  tieferer 
Einstellung  —  die  Plasmafortsätze  (Fig.  9  c).  Dieselben  liegen  zu 
mehreren  (3 — ^7)  unterhalb  jeder  Zelle  und  sind  quer  zur  Längsachse 
der  Zelle  aber  parallel  zur  Verlaufsrichtung  der  Muskelfasern  aus- 
gebreitet (die  Muskelfasern  würden  auf  Fig.  8  von  links  nach  rechts 
ziehen). 

Die  zu  einer  Epithelzelle  gehörenden  Muskelfasern  liegen  nicht 
direkt  nebeneinander,  vielmehr  ziehen  meist  mehrere  fremde  Muskel- 
fasern dazwischen  wie  aus  Fig.  5  und  Fig.  9  klar  hervorgeht.  Diese 
von  andern  Epithelzellen  gebildeten  Muskelfasern  gehen  keine  Ver- 
bindungen mit  den  Zellen,  unter  welchen  sie  verlaufen,  ein.  Jede 
Muskelfaser  steht  nur  mit  ihrer  Matrixzelle  in  Verbindung. 
Man  kann  sich  am  besten  davon  überzeugen,  wenn  man  isolierte  und 
von  den  Epithelzellen  abgerissene  Muskelfasern  betrachtet.  Dem  der 
Zelle  zugekehrten  Kande  dieser  Faser  läuft  ein  schmaler  Plasmasaum 
entlang,  und  an  einer  Stelle,  nahe  ihrer  Mitte,  findet  man  meist  eine 
größere  Anhäufung  von  Plasma.  Dies  ist  der  basale  Teil  des  abgerissenen 
Plasmafortsatzes  der  Epithelzelle.  Derartige  Zellreste  kommen  stets 
nur  an  einer  Stelle  der  Muskelfaser  vor.  Die  Muskelfasern  von  Car- 
marina  sind  breit  bandförmig  (8 — 10  /<),  außerordentlich  dünn  und 
zeichnen  sich  durch  eine  beträchtliche  Länge  aus ;  die  Querstreifung  der 
Muskelfasern  ist  äußerst  deutlich. 

Auf  Radialschnitten  der  Subumbrella  von  Carmarina  lassen 
sich  vier  Schichten  unterscheiden  (Taf.  VII,  Fig.  1) :  zu  äußerst  die 
Ectodermzellen,  darunter  die  quergetroffene  Muskelfaserschicht  (m/), 
dann  die  Stützlameile  {stl),  am  tiefsten  das  Entoderm  (en).  Fig.  1  ist 
nach  einem  mit  FLEMMiNGscher  Lösung  fixiertem  und  mit  Eisen- 
hämatoxylin  (nach  Heidenhain)  gefärbten  Schnitt  gezeichnet.  Der 
Schnitt  führt  hier  durch  einen  Kadialkanal,  von  dessen  sehr  hohen 
außerordentlich  vacuolisierten  Entodermzellen  nur  der  basale  kern- 
freie Teil  eingezeichnet  ist. 

Die  großen,  ziemlich  flachen  Ectodermzellen  sind  in  einfacher 
Schicht  angeordnet  und  ihre  Kerne  liegen  alle  in  einer  Ebene,  was 
die  Tatsache  bestätigt,  daß  die  Matrixzellen  der  Muskelfasern  noch 


Beiträge  zur  Histologie  der  Medusen.  285 

alle  echte  Epithelzellen  geblieben  sind.  Da  die  langgestreckten  Epithel- 
zellen quer  zur  Verlaufsrichtung  der  circulären  Muskelfasern  liegen, 
so  sind  sie  auf  dem  Radialschnitt  längs  getroffen,  ebenso  ihre  ovalen 
Kerne  (Taf.  VII,  Fig.  1).  Die  äußere  Cuticula  zeigt  auf  ihrer  Innen- 
seite eine  kaum  sichtbare  Körnelung,  Geißeln  fehlen.  Während  auf 
Macerationspräparaten  die  einzelnen  Epithelmuskelzellen  sich  leicht 
voneinander  isolieren  lassen  und  bei  Schrumpfung  oft  Spalten  zwischen 
den  Zelhvänden  der  benachbarten  Zellen  entstehen,  ist  auf  Schnitten 
von  Zellgrenzen  meist  fast  nichts  zu  sehen.  Wie  früher  bemerkt,  ist 
es  eine  Eigentümhchkeit  der  Medusengewebe,  daß  die  Zellgrenzen 
wegen  ihrer  Dünne  und  schwachen  Färbbarkeit  auf  Schnitten  so  sehr 
unscheinbar  sind,  bei  Carmarina  stellt  außerdem  die  FLEMMiNGsche 
Lösung  die  Zellmembranen  ganz  besonders  undeutlich  dar.  In  der 
basalen  Hälfte  der  Epithelzellen  teilt  sich  das  Plasma  in  Stränge, 
welche  durch  vacuolenähnliche  Räume  voneinander  getrennt  sind  und 
den  in  Macerationspräparaten  bereits  geschilderten  Protoplasmafort- 
sätzen entsprechen.  Das  Zellplasma  zeigt  eine  faserige  Beschaffenheit. 
Die  Querschnitte  der  bandförmigen  breiten  und  sehr  dünnen  Muskel- 
fasern erscheinen  (Taf.  VII,  Fig.  1  mf)  als  schwarze  Linien,  die  senkrecht 
auf  der  Stützlamelle  dicht  nebeneinander  stehen.  Die  Stützlamelle  {stl) 
wird  von  Eisenhämatoxylin  dunkelgrau  gefärbt,  ist  deutlich  doppelt- 
konturiert  und  sieht  völHg  homogen  aus^.  Es  liegen  30  bis  40  Muskel- 
faserquerschnitte unter  jeder  Zelle.  Die  Bilder,  die  wir  auf  Radial- 
schnitten und  auf  Macerationspräparaten  erhalten,  stimmen  somit 
gut  überein,  nur  sind  auf  radialen  Schnitten  die  Plasmafortsätze  weniger 
scharf  konturiert  und  ihr  Verhältnis  zu  den  zahlreichen  unter  einer 
Zelle  verlaufenden  Muskelfasern  ist  nicht  feststellbar. 

Ein  wesentKch  verschiedenes  Bild  gibt  ein  tangentialer  Schnitt 
durch  die  Subumbrella  (Taf.  VII,  Fig.  2).  Die  Muskelfasern  sind  hier 
längs  getroffen  {mj)  und  ihre  Querstreif uug  ist  sehr  deutlich,  dagegen 
sind  die  Epithelzellen  {efniz)  und  ihre  Kerne  quer  durchschnitten, 
weshalb  die  Zellen  schmäler,  ihre  Kerne  mehr  rundlich  erscheinen. 
Die  Protoplasmafortsätze  sind  hier  von  der  breiten  Seite  zu  sehen, 
und  es  ist  deshalb  keine  Teilung  der  basalen  Teile  der  Zellen  in  Stränge 
zu  bemerken.  Der  Schnitt  auf  Fig.  2  ist  mit  Eisenhämatoxylin  gefärbt 
und  mit  Sublimat  fixiert.  Auf  letzteres  ist  zurückzuführen,  daß  die 
Zllegrenzen  viel  deutlicher  sind  als  auf  Fig.  1  und  daß  das  Plasma 
eine  sehr  verschiedene  Struktur  zeigt,  nämlich  körnig  erscheint.     Die 

JL  0.  und  R.  Hertwig  beschreiben  ebenfalls  eine  doppeltkonturierte  Stütz- 
laraelle bei   Carmarina. 


286  "  Sophie  Krasinska, 

Körnclien  sind  alle  ungefähr  gleich  groß,  färben  sich  dunkel  mit  Eisen- 
hämatoxylin  und  scheinen  manchmal  durch  Plasmafäden  miteinander 
verbunden  und  konzentrisch  um  den  Kern  angeordnet  zu  sein.  Die 
Fixierung  mit  Sublimat  und  FLEMMiNGscher  Lösung  bringen  somit 
sehr  verschiedene  Plasmastrukturen  in  den  Ectodermzellen  zum  Vor- 
schein, was  an  allen  mit  diesen  Lösungen  fixierten  Präparaten  be- 
merkbar ist  (vgl.  Taf.  VIII,  Fig.  36) 

Das  Ectoderm  der  Subumbrella  von  Carmarina  ist  recht  ein- 
förmig gebaut,  indem  in  ihm  außer  den  Epithelmukelzellen  nur  noch 
die  Nervenelemente  vorkommen.  Die  Sinneszellen  (Taf.  VII,  Fig.  1  Sz) 
liegen  an  der  Epitheloberfläche,  die  den  subepithelialen  Nervenplexus 
zusammensetzenden  großen  Ganglienzellen  (Gz)  mit  ihren  Ausläufern 
(Nf)  breiten  sich  zwischen  den  basalen  Plasmafortsätzen  der  Epithel- 
muskelzellen aus. 

Unsre  Befunde  über  die  Muskulatur  der  Subumbrella  lassen  sich 
folgendermaßen  kurz  zusammenfassen:  Die  circuläre,  querge- 
streifte Muskulatur  der  Subumbrella  und  des  Velums  von 
Carmarina  setzt  sich  aus  echten  Epithelmuskelzellen 
zusammen;  zu  jeder  Epithelzelle  gehören  mehrere  Muskel- 
fasern, jede  Muskelfaser  steht  aber  nur  mit  ihrer  Matrix- 
zelle in  Verbindung. 

Neoturris    p  il  eat  a    (ForskaU)  und  A  e  quo  r  ea 
Forskale  a. 

Der  Bau  der  Subumbrella  von  Neoturris  pileata  und  Aequorea 
Forskalea  ist  so  ähnlich,  daß  er  gemeinsam  besprochen  werden  kann. 

Ein  Stück  der  Subumbrella  von  Neoturris  mit  starken  Vergröße- 
rungen von  der  Fläche  betrachtet,  zeigt  außen  eine  Schicht  sehr  großer 
flacher  Epithelzellen  an  denen  man  eine  eigentümliche  Radiärstreifung 
bemerkt.  Dicht  darunter  liegt  eine  zweite  Zellschicht  mit  körnigem 
Plasma  und  runden  Kernen  und  an  deren  Basis  folgt  die  quergestreifte 
Muskulatur ;  erst  unter  derselben  kommen  die  Entodermkerne  zum  Vor- 
schein. So  überzeugt  schon  die  flüchtige  Betrachtung  eines  Totalpräpa- 
rats, daß  dasEctoderm  derSubumbrella  von  Neoturris  aus  zwei 
Zellschichten  zusammengesetzt  ist.     Das  Gleiche  gilt  für  Aequorea. 


^  In  meiner  vorläufigen  Älitteilung  (Zool.  Anz.  1912)  wurde  die  untersuchte 
Tiaride  i  Turris  pileata  (Haeckel) «  genannt.  Herr  Professor  C.  Hartlatjb,  der  das 
von  mir  untersuchte  Material  in  die  Hände  bekam,  machte  mich  freundüchst 
darauf  aufmerksam,  daß  die  Meduse  falsch  bestimmt  war,  und  zu  der  von  ihm 
Neoturris  pileata  genannten  Art  gehöre. 


Beiträge  zur  Histologie  der  Medixsen.  287 

Schnitte  bestätigen  diese  Beobachtung,  da  im  Ectoderm  von  NeO' 
tunk  (Tai.  VII,  Fig.  3  ect)  sowohl  wie  von  Aequorea  (Taf.  VII,  Fig.  4 
ect)  zwei  Zellschichten  übereinander  liegen.  Auf  Macerationspräparaten 
läßt  sich  die  äußere  Epithelschicht  leicht  ablösen.  An  isolierten  Epi- 
thelstückchen ist  festzustellen,  daß  die  eigentümliche  Radialstreifung 
des  Epithels  von  radial  verlaufenden  Fasern  verursacht  wird,  welche 
stark  lichtbrechend  sind,  vollkommen  homogen  erscheinen  und  sich 
mit  Hämatein  lA  (nach  Apathy)  intensiver  als  das  Epithel  färben 
(Taf.  VII,  Fig.  8).  Die  Epithelzellen  scheinen  sehr  groß  zu  sein,  denn 
obwohl  keine  Zellgrenzen  sichtbar  sind,  liegen  die  ovalen  Kerne  ziem- 
lich spärlich  zerstreut.  Die  radialen  Fasern  {nnf)  verlaufen  in  wellen- 
förmigen Linien  und  zwar  derart,  daß  sie  die  zentralen  den  Kern  um- 
gebenden Teile  der  Zellen  frei  lassen,  und  nur  an  ihren  seitlichen  Rän- 
dern einzeln  oder  zu  mehreren  ziehen.  Sie  treffen  sich  unter  spitzen 
Winkeln,  verschmelzen  miteinander  und  bilden  ein  kompliziertes, 
langmaschiges  Netz.  Individualisierte  Fasern  sind  hier  nicht  zu  unter- 
scheiden, da  sie  alle  ineinander  übergehen  und  nie  in  freie  Enden  aus- 
laufen. Außer  den  Epithelzellen  und  den  Radialfasern  sieht  man  noch 
an  abgepinselten  Epithelstückchen  die  Ganglienzellen  ( Gz)  und  Nerven- 
fasern des  subepithelialen  Plexus,  welche  immer  an  der  äußeren  Epithel- 
schicht haften  bleiben.  Bei  Aequorea  läßt  sich  das  Epithel  ebenso 
leicht  abziehen,  wie  bei  Neoturris  und  bietet  dasselbe  Bild,  nur  sind 
hier  die  radialen  Fasern  dünner  und  deshalb  weniger  auffallend. 

Schon  0.  und  R.  Hertwig  (1878)  stellten  bei  Lizzia  (einer  Ocellate) 
das  Vorkommen  eines  zweischichtigen  Ectoderms  fest.  In  der  Um- 
gebung der  Radiärkanäle  findet  sich  bei  Lizzia  eine  feine  radiärstreifige 
Zellage  vor,  welche  die  Ringmuskelschicht  und  die  zu  ihr  gehörigen 
Zellen  nach  außen  bedeckt  und  sich  beim  Zerzupfen  leicht  von  ihr 
abziehen  läßt.  Die  genannten  Autoren  fanden  ferner,  daß  die  Grenzen 
der  sehr  flachen  Epithelzellen  sich  schwer  unterscheiden  lassen,  da- 
gegen die  querovalen  Kerne  gut  sichtbar  sind.  Über  die  radialen 
Fasern  wird  bemerkt  (S.  96):  »Außerdem  verlaufen  in  den  dünnen 
Häutchen  noch  feine,  glänzende,  glatte  Fasern  in  geringen  Abständen 
voneinander.  Die  meisten  sind  einander  parallel  gerichtet,  einige 
treffen  aber  die  andern  unter  spitzen  Winkeln  und  scheinen  mit  ihnen 
zu  verschmelzen.  Ob  diese  glatten  Fasern  nur  lokale  Verdickungen 
des  Zellhäutchens  darstellen  oder  ob  sie  vielleicht  muskulöser  Natur 
sind,  darüber  haben  wir  uns  kein  sicheres  Urteil  bilden  können.  <<  Aus 
dieser  Beschreibung  sowie  der  gegebenen  Abbildung  (1.  c.  Taf.  VIIT, 
Fig.  14)  geht  klar  hervor,  daß  0.  und  R.  Hertwig  bei  Lizzia  dieselbe 


288  Sophie  Krasii'iska, 

äußere  Epithellage  mit  radiären  Fasern  gefunden  haben,  welche  bei 
Neoturris  vorkommt,  nur  ist  sie  bei  Lizzia  auf  die  Gegend  der  Radiär- 
kanäle  beschränkt,  während  sie  bei  Neoturris  die  ganze  Subumbrella 
bedeckt. 

0.  und  R.  Hertwig  (1878)  fanden  auch  bei  Aequorea  ein  zwei- 
schichtiges Ectoderm.  In  Macerationspräparaten  konnten  sie  aber 
an  abgepinselten  Epithelstückchen  keine  Radialstreifung  bemerken. 
Da  ich  leider  nicht  festgestellt  habe,  wie  weit  sich  die  radialen  Muskel- 
fasern proximal  erstrecken  ist  es  möglich,  daß  in  den  centralen  Teilen 
der  Subumbrella  das  Epithel  der  Radialfasern  entbehrt.  Auf  Radial- 
schnitten fanden  0.  und  R.  Hertwig  zwischen  den  zwei  Zellschichten 
des  Ectoderms  eine  scharfe  Grenze  (S.  71):  »Die  Epithelzellen  werden 
von  den  unterliegenden  Zellen,  welche  die  Matrix  der  Muskelfibrillen 
zusammensetzen  durch  eine  scharfe  und  deutliche  Linie  getrennt; 
dieselbe  entspricht  wahrscheinlich  einer  Membran,  die  sich  zwischen 
beide  Lagen  einschiebt.«  In  ihrer  späteren  Arbeit  (1880)  deuten  sie 
diese  Membran  als  eine  Stützlamelle  die  mitten  im  Ectoderm  ausge- 
schieden worden  sei.  Da  bei  Aequorea  (Taf.  VII,  Fig.  4)  ebenso  wie 
bei  Neoturris  (Taf.  VII,  Fig.  3)  nur  die  zarten  Zellwände  die  beiden 
Zellschichten  des  Ectoderms  voneinander  trennen,  so  haben  wahr- 
scheinlich die  Hertwigs  einen  Längsschnitt  durch  die  radialen  Muskel- 
fasern für  den  Querschnitt  einer  Membran  gehalten. 

0.  und  R.  Herwtig  konnten  nicht  feststellen,  ob  die  radialen  im 
äußeren  Epithel  von  Lizzia  vorkommenden  Fasern  »lokale  Verdik- 
kungen  der  Cuticula«,  oder  ob  sie  muskulöser  Natur  sind.  Ich  halte 
diese  Fasern  sowohl  bei  Neoturris,  wie  bei  Aequorea  für  radiale  Mus- 
kelfasern. Sie  haben  das  Aussehen  und  das  starke  Lichtbrechungs- 
vermögen von  Muskelfasern,  auch  färben  sie  sich  intensiv  mit  Eosin, 
Fuchsin  S,  Safranin,  Eisenhämatoxylin,  genau  so  wie  die  übrigen 
Muskeln  der  Medusen.  Ferner  kann  man  auf  Schnitten  sowohl  für 
Neoturris  (Taf.  VII,  Fig.  3  rmf)  wie  für  Aequorea  (Taf,  VII,  Fig.  4  rmf) 
feststellen,  daß  sie  an  der  Basis  der  äußeren  Epithelzellen  liegen,  also 
die  für  alle  Muskelfasern  der  Medusen  so  charakteristische  Lage  ein- 
nehmen. Auch  das  Verhalten  von  Neoturris  beim  Einlegen  in  die 
Fixierungsflüssigkeit  spricht  für  die  muskulöse  Natur  dieser  Fasern. 
Wie  erwähnt,  wird  bei  der  Fixierung  die  circuläre  Subumbrellamusku- 
latur  der  meisten  Medusen  stark  kontrahiert,  wobei  sich  der  Glocken- 
hohlraum verengt  und  seine  Höhe  zunimmt.  Ganz  anders  verhält  sich 
Neoturris:  ihre  hohe  und  schmale  Glocke  wird  stark  abgeflacht,  was 
nur  durch  die  Kontraktion  einer  radialen  Muskulatur  verursacht  werden 


Beiträgt'  zur  Histologie  ck-r  Medubcn.  289 

kann,  deren  AVirkung  in  diesem  Fall  über  die  der  circulären  Mnskel- 
faserschicht  überwiegt. 

Auf  Macerationspräparaten  zerfällt  nach  Entfernung  des  äußeren 
Epithels  die  circuläre  Muskelfaserschicht  von  Neoturris  sehr  leicht 
in  einzelne  Muskelzellen  (Taf.  VII,  Fig.  7  a—b)  die  aus  einer  Muskel- 
faser und  einem  kubischen  ZeDkörper  bestehen.  Die  Muskelfasern  (m/) 
sind  bedeutend  kürzer  als  bei  Pelagia  und  Camiarina  (60  bis  höchstens 
80«  lang).  Ihre  Breite  beträgt  etwas  mehr  wie  2/<  im  mittleren  Teil 
der  Faser  und  nimmt  gegen  beide  Enden  schnell  ab.  Die  Querstreifung 
ist  an  den  Muskelfasern  von  Neoturris  außerordentlich  schön  zu  sehen. 
Der  Zellkörper  liegt  ungefähr  in  der  Mitte  der  Muskelfaser  an  einem 
ihrer  schmalen  Ränder  und  ist  mit  ihr  fest  verwachsen;  von  der  Seite 
gesehen  hat  er  meist  eine  kubische  Gestalt  und  verlängert  sich  basal 
beiderseits  in  einem  Plasmasaum,  der  bis  zu  den  Enden  der  Muskel- 
faser zieht  (Taf.  VII,  Fig.  7  a).  Von  oben  gesehen  erscheint  der 
Zellkörper  rundlich  (Fig.  7  h).  Die  Myoblasten  bilden  eine  zusammen- 
hängende Zellschicht,  welche  die  Muskelfasern  bedeckt. 

Bei  Aequorea  haben  die  isolierten  Muskelzellen  eine  etwas  andre 
Gestalt,  da  hier  die  Zellen  der  breiten  Seite  der  Muskelfasern  ansitzen 
(vgl.  0.  und  R.  Hertwig,  1878). 

Auf  tangentialen  Schnitten  durch  die  Subumbrella  von  Neoturris 
werden  die  radialen  Muskelfasern  quer,  die  circulären  quergestreiften 
Muskelfasern  längs  getroffen  (Taf.  VII,  Fig.  3).  Die  Cuticula  (cw)  des 
äußeren  Epithels  zeigt  eine  unregelmäßige  Körnelung,  das  Plasma 
der  Epithelzellen  ist  stark  vacuolisiert.  An  der  Basis  dieser  Epithel- 
lage sieht  man  eine  Reihe  sehr  großer  schwarzer  Körner  von  unregel- 
mäßiger Gestalt  und  wechselnden  Dimensionen:  es  sind  dies  die  Quer- 
schnitte der  radialen  Muskelfasern  (rmf).  Die  tiefe  Zellenschicht  wird 
von  dicht  nebeneinander  stehenden  Zellen  gebildet  (Taf.  VII,  Fig.  3  mz)y 
an  deren  Basis  die  quergestreiften  Muskelfasern  (m/)  liegen,  welche 
zu  ihnen  gehören.  Die  Zellen  haben  ein  dichtes,  körniges  Plasma  und 
runde  Kerne  mit  großem  Nucleolus.  Sie  sind  sow'ohl  voneinander 
wie  von  den  äußeren  Epithelzellen  durch  dünne  aber  deutliche  Zell- 
membranen abgegrenzt.  Die  Muskelfasern  stehen  senkrecht  auf  der 
dünnen,  schwarz  gefärbten  Stützlamelle  {stl).  Die  darunter  liegende 
Entodermlamelle  {enl)  ist  verhältnismäßig  hoch,  hat  runde  Kerne  und 
ein  stark  vacuolisiertes  Plasma.  Diese  starke  Entwicklung  der  Ento- 
dermlamelle ist  sowohl  für  Neoturris  als  für  Aequorea  charakteristisch 
(vgl.  Fig.  4  enl). 

Einen  Radialschnitt  durch  die  Subumbrella  von  Aequorea  zeigt 


290  Sophie  Krasinska, 

VvK  4  (Taf.  VII).  Die  radialen  Muskelfasern  an  der  Basis  des  äußeren 
Epithels  (rmf)  sind  hier  längs,  die  circulären  quergestreiften  Muskel- 
fasern quer  getroffen.  Die  ersteren  sind  bei  Aequorea  dünner,  — 
sonst  bieten  sie  auf  radialen  und  tangentialen  Schnitten  und  auf  Ma- 
cerationspräparaten  genau  dasselbe  Bild,  wie  bei  Neoturris.  Die  quer- 
gestreiften Muskelfasern  von  Aequorea  stehen  nicht  senkrecht  auf  der 
Stützlamelle,  wie  es  bei  Neoturris  der  Fall  ist,  sondern  liegen  derselben 
mit  ihren  breiten  Seiten  an,  auch  sind  die  darüber  liegenden  Zellkörper 
etwas  flacher. 

Die  Muskellamelle  der  beiden  Medusen  ist  etwas  gefaltet.  Die 
circulär  verlaufenden  Falten  beginnen  am  Schirmrand  und  sind  ziem- 
lich hoch,  proximal  werden  sie  bald  niedriger  und  hören  in  einer  kleinen 
Entfernung  vom  Schirmrand  ganz  auf.  Der  auf  Fig.  3  abgebildete 
tangentiale  Schnitt  durch  die  Subumbrella  von  Neoturris  scheint  durch 
eine  niedrige  Falte  geführt  zu  sein,  da  mehrere  Muskelfasern  überein- 
ander liegen.  Auf  dem  Radialschnitt  durch  die  Subumbrella  von 
Aequorea  (Fig.  4)  ist  die  Stützlamelle  kaum  etwas  gewellt. 

Das  Ectoderm  der  Subumbrella  von  Neoturris  und  Aequorea  ist 
somit  aus  zwei  Zellao-en  zusammengesetzt,  die  äußere  Lae;e 
hat  an  ihrer  Basis  eine  radiale  Muskulatur  gebildet,  die 
innere    eine    circuläre   quergestreifte. 

Die  radiale  Muskulatur  ist  spärlich  entwickelt  und  besteht 
aus  einem  Fasernetz,  in  welchem  man  keine  individualisierten  Muskel- 
fasern unterscheiden  kann;  auch  ist  das  Verhältnis  von  Epithelzellen 
und  Muskelfasern  nicht  zu  ermitteln,  da  die  Fasern  unter  allen  Zellen 
kontinuierlich  durchziehen.  Die  circuläre  quergestreifte  Mus- 
kulatur ist  aus  einzelnen  Muskelzellen  zusammengesetzt,  von  denen 
jede  aus  einem  Zellkörper  und  einer  quergestreiften  Muskelfaser  besteht. 
Diese  Muskelzellen  entbehren  jeder  Verbindung  mit  der  Körper- 
oberfläche, da  sie  von  dem  äußeren  Epithel  nach  außen  bedeckt  sind, 
sie  liegen  vollständig  subepithelial.  Das  äußere  Epithel  mit 
radialen  Muskelfasern  kommt  sowohl  in  der  Nähe  des  Schirmrandes, 
wo  die  Muskellamelle  gefaltet  ist,  wie  auch  da  wo  sie  glatt  verläuft 
vor,  sein  Auftreten  ist  somit  von  der  Faltung  der  Muskel- 
lamelle unabhängig. 

Das  Auftreten  eines  zweischichtigen  Epithels  und  einer  radialen 
Muskulatur  oberhalb  der  circulären  ist  auf  Neoturris  und  Aequorea 
nicht  beschränkt,  da  nach  0.  und  K.  Hertwig  (1878)  nicht  nur  bei 
Lizzia  (einer  Ocellate),  sondern  auch  bei  Mitrocoma  (einer  Vesiculate) 
eine  zweite  Zellaee  im  Ectoderm  vorkommt.     Bei  Mitrocoma  wurde 


Beitiäge  zur  Histologie  der  Medusen.  291 

zwar  von  den  genannten  Forschern  keine  Radiärstrcifung  im  Epithel 
bemerkt,  sie  wurde  aber  wahrscheinhch  ebenso  wie  bei  Aequorea  nur 
übersehen.  Höchst  wahrscheinlich  wird  durch  weitere  Untersuchungen 
die  gleiche  Ausbildung  der  Muskulatur  auch  bei  andern  Ocellaten  und 
Vesiculaten  aufgefunden. 

2.  Querstreifung. 

Über  die  Querstreifung  der  Medusenmuskulatur  liegen  in  der 
Literatur  fast  keine  genaueren  Angaben  vor.  Die  meisten  Autoren 
begnügten  sich  mit  der  bloßen  Feststellung  der  Tatsache,  daß  eine 
Querstreifung  vorkommt,  nur  wenige  widmeten  dem  Gegenstand 
einige  Aufmerksamkeit.  Schon  Eimer  (1878)  hat  bei  Carmarina  hastata 
neben  der  Querstreifung  auch  eine  Spaltung  der  Muskelfasern  in  Fi- 
brillen beobachtet  wie  aus  folgender  Bemerkung  hervorgeht:  »Die 
Muskelbänder  erscheinen  im  frischen  Zustande,  wenn  nicht  überall  so 
doch  an  manchen  Stellen  deutlich  quergestreift  (1.  c.  Taf.  XII,  Fig.  15 
und  18).  An  Chromkalipräparaten  dagegen  zeigen  sie  nicht  nur  überall 
eine  durchaus  schöne  Querstreifung,  sondern  zerfallen  auch  der  Länge 
nach  in  Fibrillen,  welche  aus  abwechselnd  hellen  und  dunklen  Teil- 
chen zusammengesetzt  sind,  verhalten  sich  also  ganz  wie  die  quer- 
gestreiften Muskelfasern  der  höheren  Tiere.« 

0.  Nasse  (1882)  gab  in  seiner  Arbeit  über  die  »Anatomie  und 
Physiologie  der  quergestreiften  Muskelsubstanz«  eine  Abbildung  einer 
quergestreiften  Muskelfaser  von  Carmarina,  wobei  er  die  breiten  dunklen 
»Scheiben  derselben  mit  den  Q-Streifen,  die  schmalen  dunklen  mit  den 
Z-Streifen  der  Muskelfasern  höherer  Tiere  homologisierte.  Er  wies 
auch  auf  die  außerordentliche  Feinheit  der  Querstreifung  hin. 

Lendenfeld  (1888,  S.  292)  bemerkt  über  die  quergestreiften  Muskel- 
fasern von  Rhizostoma :  »Das  Band  besteht  aus  langgestreckt  rechteckigen 
Scheiben,  abwechselnd  einfach  und  doppelt  lichtbrechender  Substanz.  << 

K.  C.  Schneider  (1892)  studierte  die  quergestreiften  Muskel- 
fasern von  Forskalea,  Carmarina  und  Pelagia  an  Macerationspräparaten. 
Seine  Schilderungen  lassen  sich  folgendermaßen  kurz  zusammenfassen: 
eine  echte  Querstreifung  ist  nicht  vorhanden,  die  Muskelfasern  sind 
perlschnurförmig,  sie  bestehen  aus  abwechselnd  dickeren  und  dünneren 
Partien,  die  keine  Strukturunterschiede  aufweisen.  Die  scheinbare 
Querstreifung  ist  auf  Lichtkontraste  zurückzuführen,  was  dadurch 
bestätigt  wird,  daß  beim  Heben  und  Senken  des  Tubus  die  dicken 
in\d  dünnen  Partien  abwechselnd  hell  und  dunkel  erscheinen.  Bei 
Pelagia  sind  die  Endabschnitte  der  Muskelfasern  nicht  quergestreift, 


292  Sophie  Krasinska. 

der  Übergang  in  die  ausgesproclien  gestreiften  Partien  erfolgt  durch 
leise  Anschwellungen  in  bestimmten  Abständen;  bei  Carmarina  tritt 
die  perlschnurförmige  Beschaffenheit  der  Muskelfasern  in  ihren  End- 
abschnitten deutlich  hervor.  Auf  Fig.  42  und  Fig.  61  der  Abhandlung 
von  Schneider  sind  solche  »quergestreifte«  Muskelfasern  von  Car- 
marina und  Pelagia  abgebildet. 

Solch  angeschwollene  Endabschnitte  der  Muskelfasern  habe  ich 
bei  Carmarina  nie  gesehen,  ebensowenig  perlschnurförmige  Muskel- 
fasern bei  Pelagia.  Die  Ränder  der  bandförmigen  Muskelfasern  waren 
von  der  breiten  wie  schmalen  Seite  betrachtet,  stets  gerade,  nirgends 
waren  wellige  Konturen  zu  beobachten.  Meiner  Ansicht  nach  sind 
die  Befunde  von  Schneider  darauf  zurückzuführen,  daß  das  von 
ihm  untersuchte  Material  übermaceriert  oder  schlecht  maceriert  war. 
Die  von  ihm  beobachtete  perlschnurförmige  Beschaffenheit  der  Muskel- 
fasern wäre  somit  durch  Quellung  hervorgerufen.  Diese  Vermutung 
ist  um  so  wahrscheinlicher,  als  auch  andre  Figuren  seiner  Abhandlung 
nach  übermacerierten  Präparaten  ausgeführt  zu  sein  scheinen, 

Aus  diesen  Ausführungen  geht  hervor,  daß  die  Querstreifung  der 
Muskelfasern  noch  wenig  genau  verfolgt  wurde.  Der  Gegenstand 
dürfte  ein  gewisses  allgemeines  Interesse  haben,  da  ja  die  Medusen 
die  primitivsten  Metazoen  sind,  bei  denen  Querstreifung  vorkommt, 
und  da  die  Struktur  ihrer  Muskelfasern  daher  wohl  auch  als  besonders 
primitiv  angesehen  werden  darf.  Ich  möchte  deshalb  hier  einige  von 
mir  beobachtete  Tatsachen  mitteilen,  ohne  auf  Vollständigkeit  An- 
spruch zu  erheben,  um  so  mehr  als  die  Querstreifung  der  Medusen- 
muskeln wegen  ihrer  großen  Feinheit  dem  Studium  große  Schwierig- 
keiten bereitet  und  ich  kein  frisches  Material  studiert  habe.  Untersucht 
wurden  Macerationspräparate  die  mit  Osmium-Essigsäure  hergestellt, 
und  mit  Hämatein  lA  gefärbt  waren,  sowie  sehr  dünne  (2 — 3  (.i)  mit 
Eisenhämatoxylin  nach  Heidenhain  gefärbte  Schnitte.  Das  Schnitt- 
material war  mit  Sublimat  (bei  Carmarina)  oder  mit  schwacher  Flem- 
MiNGscher  Lösung  (bei  Pelagia,  Neoturris  und  Aequorea)  fixiert.  Das 
Eisenhämatoxylin  gibt,  wenn  richtig  differenziert,  ein  äußerst  scharfes 
Bild  der  Querstreifung,  dagegen  nehmen  die  Muskelfasern  in  Macera- 
tionspräparaten  die  Hämateinfarbe  nur  sehr  schwach  auf.  Bei  letzteren 
beruht  daher  das  deutliche  Bild  hauptsächlich  auf  der  verschiedenen 
Lichtbrechung  der  Quer-  und  J-Scheiben.  Wie  bekannt,  wechselt 
jedoch  ein  solches  Bild  je  nach  der  Einstellung  des  Objektivs.  Schon 
Rollet  (1885,  S.  93)  hat  dies  ausdrücklich  betont:  »Alles  stärker 
lichtbrechende  erscheint  am  Muskelfaden  bei  hoher  Einstellung  heller, 


Beiträge  zur  Histologie  der  Medusen.  293 

alles  schwächer  lichtbrechende  dabei  dunkel;  dagegen  alles  stärker 
lichtbrechende  bei  tiefer  Einstellung  dunkel,  alles  schwächer  licht- 
brechende dabei  hell.«  Alle  Bilder,  die  ich  von  macerierten  Muskel- 
fasern gebe,  wurden  bei  tiefer  Einstellung  gezeichnet:  dunkel 
sind  also  die  stärker  lichtbrechenden,  hell  die  schwächer 
lichtbrechenden  Streifen  angegeben.  Zur  Untersuchung  in  po- 
larisiertem Lichte  eignen  sich  die  Muskelfasern  der  Medusen  wegen 
ihrer  großen  Dünne  nicht i.  Daher  kann  ich  die  Querstreifen  der  Me- 
dusenmuskulatur nicht  direkt  mit  den  isotropen  und  anisotropen 
Scheiben  der  Muskulatur  höherer  Tiere  homologisieren.  Um  aber 
ihre  Lage  eindeutig  zu  bestimmen,  bezeichne  ich  sie  mit  den  in  der 
Muskelhistologie  allgemein  gebräuchlichen  Buchstaben.  Die  stärker 
lichtbrechenden,  mit  Hämatoxylin  intensiver  färbbaren  (bei  andern 
Muskeln  anisotropen)  Streifen  bezeichne  ich  mit  Q  (Querscheibe),  — 
die  mit  ihnen  alternierenden ,  schwach  lichtbrechenden  und  schwach 
färbbaren  (bei  andern  Muskeln  isotropen)  Streifen  mit  J,  —  die  zarte 
Linie,  welche  den  /-Streifen  halbiert,  mit-Z  (Zwischenscheibe). 
Mit  Qh  (und  nicht  mit  M)  bezeichne  ich  die  schwach  lichtbrechende 
Linie,  welche  in  der  Mitte  der  Querscheibe  ( Q)  liegt,  da  nach  der  von 
Heidexhain  (1911)  eingeführten  Nomenklatur  die  in  manchen  Mus- 
keln an  gleicher  Stelle  gelegene  Mittelscheibe  (M)  stärker  lichtbrechend 
und  intensiver  färbbar  sein  soll  als  die  Querscheibe  ( Q)  selbst  und  von 
dem  schwach  lichtbrechenden    Q7i-Streifen  scharf  zu  sondern  ist^. 

Die  sich  periodisch  wiederholenden  Abschnitte  der  Faser,  näm- 
lich Q  +  J,  da  Z  in  der  Regel  nicht  wahrnehmbar  ist,  nenne  ich  Quer- 
streifungsperioden^.  Unter  »Höhe  der  Querstreifungsperi- 
ode<<  und  unter  »Höhe«  der  einzelnen  Querstreifen  verstehe  ich  immer 
ihre  Ausdehnung  in  der  Längsachse  der  Faser,  —  unter  ihrer  Breite  — 
ihre  Ausdehnung  in  der  Querachse  der  Faser,  —  so  daß   »Breite  der 


1  B.  V,  Lendenfeld  (1888)  gibt  nicht  an,  wie  er  die  Doppelbrechung  der 
Querstreifen  festgestellt  hat. 

2  M.  Heidenhain  gebraucht  für  die  Zwischenscheibe  (Z)  den  Ausdi-uck 
»Mesophragma «,  iüv  die  Älittelscheibe  (M),  auch  HENSENSche  Scheibe  genannt, 
den  Ausdruck  »Telophragma «  und  hält  beide  für  Quermembranen.  M  konnte 
ich  bei  den  Medusen  nicht  auffinden;  über  die  membranöse  oder  nicht  membranöse 
Natur  von  Z  kann  ich  nichts  aussagen. 

3  Den  von  M.  Heidenhain  eingeführten  Ausdruck  »Inokomma«  will  ich 
nicht  gebrauchen,  da  darunter  (ebenso  wie  unter  den  Ausdrücken  Muskelkästchen, 
Muskelfach,  Muskelsegment  älterer  Autoren)  der  Abschnitt  zwischen  zwei  Z- 
Linien  gemeint  ist,  während  ich  oft  von  Fasern  zu  sprechen  haben  werde,  an  denen 
kein  Z  sichtbar  ist. 


294  Sophie  Krasinska, 

Muskelfaser«  und  »Breite  der  Querstreifen«  eine  Ausdehnung  in 
der  gleichen  Richtung  bedeutet.  Für  die  zwischen  den  »Myo- 
fibrillen« oder  kurzweg  »Fibrillen«  einer  Muskelfaser  gelagerte  Sub- 
stanz gebrauche  ich  das  Wort  »interfibrilläre  Substanz«  oder  »Zwi- 
schensubstanz «. 

Die  Muskelfasern  von  Carmarina  eignen  sich  wegen  ihrer  Breite, 
die  etwa  8 — 10  /.i  beträgt,  am  besten  zum  Studium  der  Struktur.  Auf 
Fig.  25  a  (Taf.  VIII)  ist  diejenige  Form  der  Querstreifung  abgebildet, 
welche  an  Macerationspräparaten  am  häufigsten  vorkommt  und  schon 
von  Nasse  (1882)  gezeichnet  wurde.  In  der  Querrichtung  sehen  wir 
schmale,  dunkle  (stark  lichtbrechende)  Streifen  —  die  Querschei- 
ben (Q)  —  mit  viel  breiteren  hellen  —  den  J-Scheiben  (J)  —  ab- 
wechseln. In  der  Mitte  der  J-Scheibe  tritt  nochmals  eine  schmale 
dunkle  Linie  auf  —  die  Zwischenscheibe  (Z).  An  gewissen  Muskel- 
fasern kann  die  Zwischenscheibe  so  breit  werden,  daß  sie  sich  kaum 
oder  gar  nicht  von  der  Querscheibe  {Q)  unterscheidet,  wodurch  sich 
also  eine  regelmäßige  aber  zweimal  dichtere  Streifung  ergibt.  Z  kann 
jedoch  auch  völlig  fehlen;  dann  alternieren  nur  die  schmäleren  ^- 
Scheiben  mit  den  breiteren  J-Scheiben.  Die  Höhe  der  Querstreif ungs- 
periode  beträgt  bei  Carmarina  etwa  1,4 — 1,6//,  wovon  höchstens  ein 
Drittel,  meist  viel  weniger,  von  der  Querscheibe  eingenommen  wird. 
Die  Quer-  und  Zwischenscheibe  sehen  wie  einheitliche  Linien  aus,  die 
von  einem  Rand  der  Faser  bis  zum  andern  ziehen  und  sich  voneinander 
nur  durch  ihre  Höhe  unterscheiden.  Die  Ränder  der  Muskelfaser  selbst 
sind  auf  Macerationspräparaten  immer  ganz  glatt  und  scharf  kon- 
turiert.  Außer  der  Querstreifung  tritt  an  allen  macerierten  Muskelfasern 
eine  feine  aber  ganz  regelmäßige  Längsstreifung  auf,  die  unzweifelhaft 
auf  eine  Zusammensetzung  der  Muskelfaser  aus  fibrillenartigen  Bil- 
dungen hinweist.  Die  feinen  Längsstreifen  verlaufen  in  der  Regel  durch 
die  Q-  und  J-Scheiben  ohne  merkliche  Verdickungen  hindurch. 

Auf  Schnitten,  die  mit  Eisenhämatoxylin  gefärbt  und  richtig  dif- 
ferenziert sind,  sieht  jedoch  die  Struktur  der  Muskelfasern  von  Car- 
marina  ganz  anders  aus  (Fig.  25  h).  Der  wesentliche  Unterschied 
zwischen  beiden  Bildern  besteht  darin,  daß  die  Zwischensubstanz  auf 
den  Schnitten  vollständig  farblos  bleibt,  so  daß  man  ein  reines  Fibrillen- 
bild  vor  Augen  hat.  Die  Fibrillen  verlaufen  im  J-Streifen  als  zarte, 
blaß  gefärbte  Linien,  im  ^-Streifen  schwellen  sie  zu  großen  intensiv 
färbbaren  körnerartigen  Gebilden  an.  Die  Querscheibe  setzt  sich  also 
aus  aneinander  gereihten  schwarzen  Körnern  zusammen,  während  die 
J-Scheibe   aus  farbloser   Zwischensubstanz  und  zarten,    schwach  ge- 


Boiträgo  zur  Histologie  der  Medusen.  295 

färbten  Fibrilleu  besteht.  Auf  Eiseuhämatoxylinschnitten  ist  die 
Zwischenscheibe  (Z)  nie  zu  sehen. 

"Wie  früher  geschildert  (S.  282),  sind  die  Muskelfasern  von  Corma- 
rina  flach  bandförmig  und  mit  ihrer  schmalen  Seite  der  Stützlamelle  an- 
gewachsen. Auf  tangentialen  Schnitten  durch  die  Subumbrella  erhält  man 
breite  Längsschnitte  durch  die  Muskelfaser  in  der  Bandfläche  (Fig.  25  h) 
auf  Flächenschnitten,  durch  die  Subumbrella  dagegen  schmale  Längs- 
schnitte der  Muskelfaser  senkrecht  zur  Bandfläche  (Fig.  25  c).  Der 
auf  Fig.  25  h  abgebildete  Schnitt  in  der  Bandfläche  der  Muskelfaser 
zeigt,  daß  sie  aus  einer  größeren  Anzahl  von  Fibrillen  zusammengesetzt 
ist;  die  genaue  Zahl  ist  schwer  zu  ermitteln  und  beträgt  im  mittleren 
breitesten  Teil  der  Faser  etwa  12  bis  15.  Auf  dem  Schnitt  senkrecht 
zur  Bandfläche  dagegen  erscheint  die  Muskelfaser  wie  eine  einzige 
Fibrille,  wobei  sie  eine  durch  die  Q- Abschnitte  der  Fibrillen  bedingte, 
ausgesprochen  perlschnurförmige  Gestalt  hat  (Fig.  25  c).  Aus  dem  Ver- 
gleich dieser  beiden  Bilder  geht  klar  hervor,  daß  die  Muskelfasern  von 
Carmarina  aus  einer  einzigen  Schicht  von  Fibrillen  zusammengesetzt 
sind. 

Eine  solche  Anordnung  der  Fibrillen  war  von  vornherein  zu  erwarten 
wegen  der  außerordentlichen  Dünne  der  Muskelfasern,  die  man  am 
besten  an  radialen  Schnitten  durch  die  Subumbrella  (vgl.  Taf.  VII, 
Fig.  1)  feststellen  kann. 

Die  Muskelfasern  von  Pelagia  sind  bedeutend  schmäler  als  die 
von  Carmarina',  ihre  Breite  beträgt  etwa  2  f^i.  In  Macerationspräpa- 
raten  bemerkt  man  an  ihnen  oft  einen  schmalen  homogenen  Rand, 
der  den  Eindruck  eines  Sarcolemmas  macht  (Taf.  VIII,  Fig.  24  a). 
Da  dieser  Rand  dasselbe  Lichtbrechungsvermögen  besitzt  wie  die  «7- 
Scheiben,  machen  die  Querscheiben  ( Q)  den  Eindruck  von  stark  licht- 
brechenden Vierecken  auf  schwächer  lichtbrechendem  Untergrunde. 
Während  die  Querstreif ungsperiode  etwa  1,6 — 2  f.i  hoch  ist,  also  nur 
wenig  größer  als  bei  Carmarina ,  ist  das  Höhenverhältnis  der  Q-  und 
J-Scheiben  untereinander  ein  ganz  verschiedenes.  Bei  Carmarina 
nimmt  die  Querscheibe  (Q)  höchstens  ein  Drittel  der  Querstreif  ungs- 
periode ein.  Bei  Pelagia  ist  die  Querscheibe  {Q)  mindestens  ebenso 
hoch,  meist  aber  bedeutend  höher  als  die  J-Scheibe  (Taf.  VIII,  Fig.  24 
fl,  b,  c,  d).  Ein  weiterer  Unterschied  besteht  darin,  daß  Q  bei  Pelagia 
durch  eine  schmale  schwächer  lichtbrechende  Linie  halbiert  wird,  die 
auf  manchen  Macerationspräparaten  nur  als  eine  Art  mittlerer  Auf- 
hellungszone sichtbar  ist  (Fig.  24  ö).  Diese  schmale  helle  Linie  be- 
zeichne ich,  in  Übereinstimmung  mit  der  Nomenklatur  von  M.  Heiden- 


296  Sophie  Krasinska, 

HAIN  (1911)  als  Qh.  Dagegen  erscheint  die  schmälere  /-Scheibe  auf 
Macerationspräparaten  und  auf  vielen  Schnitten  einheitlich,  so  daß  man 
zunächst  annehmen  möchte,  daß  die  Zwischenscheibe  bei  Pelagia 
fehle.  Indessen  kommt  sie  in  manchen  Eisenhämatoxylinschnitten 
(Fig.  24  b)  deutlich  zum  Vorschein.  Die  Längsfibrillierung  ist  in  Ma- 
cerationspräparaten nur  ganz  schwach  angedeutet. 

Die  Eisenhämatoxylinschnitte  geben  wieder  ein,  wenn  auch  viel 
weniger  deutliches  Fibrillenbild,  als  es  bei  Carmarina  der  Fall  ist. 
Die  J- Abschnitte  der  Fibrillen  bleiben  hier  meist  farblos  und  unsichtbar, 
die  übrigen  Bestandteile  verhalten  sich  in  gleicher  Weise  wie  bei  Car- 
marina, d.  h.  die  Q- Abschnitte  der  Fibrillen  färben  sich  intensiv  schwarz 
und  die  Zwischensubstanz  bleibt  farblos  (Fig.  24  h — d). 

Man  kann  deutlich  drei  Grade  der  Differenzierung  des  Eisen- 
hämatoxylins  unterscheiden:  im  ersten  erscheint  die  Querscheibe  als 
einheitliches  schwarzes  Viereck  (Fig.  24  &),  —  im  zweiten  teilen  sich 
die  Vierecke  in  parallele  Längsstäbchen,  die  den  ^-Abschnitten  der 
Fibrillen  entsprechen  (Fig.  24  c),  —  im  dritten  zerfallen  die  Stäbchen 
in  der  Querrichtung  je  in  zwei  schwarze  Körner  (Fig.  24  d).  Jeder 
Q-Abschnitt  der  Fibrillen  besteht  somit  aus  zwei  Körnern,  der  Raum 
zwischen  ihnen  entspricht  dem  Streifen   Qh. 

Die  Anzahl  der  Fibrillen  würde  sich  an  der  Zahl  der  in  einer  Faser 
quer  nebeneinander  liegenden  (^-Abschnitte  der  Fibrillen  bestimmen 
lassen,  —  jedoch  wird  dies  bei  Pelagia  durch  die  starke  Faltung  der 
Muskellamelle  erschwert.  Es  kommen  auf  jedem  tangentialen  Schnitt 
durch  die  Subumbrella  so  viele  Längsschnitte  von  Muskelfasern  neben- 
einander zu  liegen,  daß  die  gegenseitige  Zugehörigkeit  der  Fibrillen 
und  der  Fasern  sehr  schwer  festgestellt  werden  kann.  Dort  wo  Muskel- 
fasern einzeln  liegen,  sieht  man,  daß  sie  in  der  Breitfläche  aus  zwei 
Fibrillen  bestehen,  denn  jede  Querscheibe  setzt  sich  aus  zwei  neben- 
einander liegenden  Stäbchen  (Fig.  24  c)  oder  aus  vier  Körnern  zusammen 
{Fig.  24  d).  Ein  Längsschnitt  senkrecht  zur  Bandfläche  zeigt  nur  eine 
einzige  Fibrille  i.  Ob  daraus  zu  schließen  ist,  daß  die  Muskelfasern 
von  Pelagia  aus  nur  zwei  Fibrillen  bestehen,  vermag  ich  nicht  zu  ent- 
scheiden; da  sich  die  Muskelfasern  nach  beiden  Enden  zu  stark  ver- 
jüngen, wäre  es  möglich,  daß  die  eben  beschriebenen  Bilder  den  schmä- 
leren Endabschnitten  entsprechen,  und  daß  der  mittlere  Teil  der  Faser 
aus  einer  größeren  Anzahl  von  Fibrillen  zusammengesetzt  ist.  Die 
Schwankungen  in  der  Höhe  der  Querstreif ungsperiode  sind  bei  Pelagia 

1  Ähnliche  Bilder  hat  G.  Schlater  (1905-06)  bei  der  Muskulatur  des  Hühner- 
embryos  gefunden. 


Beiträge  zur  Histologie  der  Medusen.  297 

etwas  größer  als  bei  Carmarina,  am  besten  kann  man  sie  an  Schnitten 
beobachten.  Die  große  Mehrzahl  der  Fasern  hat  eine  Querstreifungs- 
periodo  von  1,6/«,  wobei  die  Querscheibe  immer  bedeutend  höher  ist 
als  die  e/-.Scheibe  (Fig.  24  c — d).  Vereinzelte  Fasern  zeigen  eine  größere 
Querstreifungsperiode  und  an  diesen  hat  J  bedeutend  an  Höhe  zu- 
genommen; an  Fasern,  die  eine  Querstreifungsperiode  von  2 /<  be- 
sitzen, kann  J  ebenso  hoch  erscheinen  wie  Q  (Fig.  24  b).  Wenn  man 
nun  die  Fasern  mit  der  Querstreifungsperiode  von  2  u  an  Schnitten 
studiert,  in  welchen  das  Eisenhämatoxylin  sehr  wenig  differenziert 
ist  und  die  Querscheibe  noch  einheitlich  erscheint,  so  bemerkt  man, 
daß  J  durch  eine  zarte  Zwischenscheibe  halbiert  ist  (Fig.  24  b).  Bei 
weiterer  Differenzierung  des  Eisenhämatoxylins  verschwindet  die  Zwi- 
schenscheibe sehr  schnell,  sie  scheint  also  eine  schwächere  Affinität 
zum  Farbstoff  zu  haben  als  die  Querscheibe.  In  Muskelfasern  mit 
kleinerer  Querstreifungsperiode  bleibt  die  Zwischenscheibe  immer  un- 
sichtbar. 

Somit  ist  die  Querstreifung  bei  Pelagia  komplizierter  als  bei  Car- 
marina,  da  bei  ihr  nicht  nur  eine  Zwischenscheibe  vorkommt,  sondern 
auch  noch  die  Querscheibe  durch  den  Streifen  Qh  halbiert  wird. 

Von  Neoturris  'pileata  (Taf .  VIII,  Fig.  26)  standen  mir  ausgezeich- 
nete Macerationspräparate,  aber  nur  mangelhafte  Schnitte  zur  Ver- 
fügung, weshalb  ich  mich  auf  die  Beschreibung  der  ersteren  beschränken 
will. 

In  den  Macerationspräparaten  haben  die  Muskelfasern  von  Neo- 
turris nahezu  gleich  breite  Q-  und  J-Scheiben  (Fig.  26).  Die  Höhe 
der  Querstreifungsperiode  ist  etwas  kleiner  als  bei  Pelagia  und  zeigt 
größere  Schwankungen  als  bei  Carmarina  (1,2 — 1,6  /<).  In  den  meisten 
Fasern  ist  sowohl  die  Querscheibe  (Q)  durch  die  Qh-hinie,  wie  die 
J-Scheibe  durch  die  Z-Linie  halbiert.  Dies  ist  der  einzige  Fall,  in  dem 
an  einer  und  derselben  Faser  alle  bei  den  Medusen  überhaupt  vorkom- 
menden Querstreifen  (Z,  J,  Q,  Qh,  Q,  J,  Z)  gleichzeitig  auftreten  (Fig.  26) 
Die  Zwischenscheibe  erscheint  als  dunkle,  feine  und  äußerst  scharfe 
Linie,  der  Q/i-Streifen  — •  als  helle  Linie  oder  als  Aufhellungszone  in  der 
Mitte  der  Querscheibe.  Die  Muskelfasern  von  Neoturris  zeichnen  sich 
durch  sehr  große  Lichtbrechungsunterschiede  von  Q  und  J  aus.  Die 
Querscheibe  tritt  deshalb  sehr  stark  hervor. 

Eine  Längsfibrillierung  ist  nur  hier  und  da  angedeutet,  die  Zahl 

der  Fibrillen,  die  jedenfalls  sehr  klein  ist,  ließ  sich  nicht  bestimmen. 

Die  sehr  dünnen  Querschnitte  der  Muskelfasern  auf  Radialschnitten 

der  Subumbrella  zeigen,   daß  die   Muskelfasern  hier  ebenso   wie   bei 

Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.   CIX.  Bd.  20 


298  Sophie  Krasinska, 

Carmarina  und  Pelagia  aus  einer  einzigen  Schicht  von  Fibrillen  be- 
stehen. 

Die  Muskelfasern  von  Äequorea  Forskalea  gleichen  auf  Längs- 
schnitten denen  von  Pelagia  ungemein;  an  Macerationspräparaten 
war  wegen  schlechter  Fixierung  von  Querstreifung  wenig  zu  sehen. 
Die  Zweiteiligkeit  der  Querscheibe  macht  sich  ebenso  wie  bei  Pelagia 
auf  Schnitten  durch  den  Zerfall  der  ^-Abschnitte  der  Fibrillen  in 
zwei  Körner  geltend.  Isolierte  Muskelfasern  schienen  aus  nur  zwei 
Fibrillen  zu  bestehen,  so  daß  die  Gruppen  von  vier  Körnern  auch  hier 
vorkommen.  Die  J- Abschnitte  der  Fibrillen  sind  außerordentlich 
schwach  gefärbt,  die  Zwischensubstanz  bleibt  vollständig  farblos. 

Größer  als  bei  Pelagia  sind  die  Schwankungen  in  der  Höhe  der 
Querstreif ungsperiode,  die  von  1,2 — 2  /<  betragen  kann.  An  verein- 
zelten Fasern  mit  großer  Querstreif  ungsperiode  kann  man  die  Zwischen- 
scheibe schwach  erkennen.  Die  Muskelfasern  bestehen  aus  einer  ein- 
zigen Fibrillenschicht,  was  Längsschnitte  wie  Querschnitte  überein- 
stimmend beweisen. 

Ein  Überblick  der  bei  dieser  Untersuchung  gewonnenen  Resul- 
tate zeigt,  daß  eine  auffallende  Übereinstimmung  in  der  Struktur  der 
quergestreiften  Muskelfasern  der  Medusen  und  der  höheren  Tiere 
herrscht. 

Die  Anordnung  der  Querstreifen  ist  bei  beiden  genau  dieselbe. 
Hier  wie  dort  kommt  eine  Querscheibe  {Q)  vor,  die  durch  den  Qh- 
Streifen  halbiert  wird,  und  eine  J-Scheibe,  in  deren  Mitte  die  Zwi- 
schenscheibe (Z)  liegt.  Von  den  besonders  komplizierten  quer- 
gestreiften Muskelfasern  der  Arthropoden  unterscheiden  sich  die  Mus- 
kelfasern der  Medusen  somit  nur  durch  das  Fehlen  der  Mittelscheibe 
(M)  und  der  beiden  Nebenscheiben  (iV).  Wie  bekannt,  wurde  aber  die 
Mittelscheibe  nicht  bei  allen  quergestreiften  Muskelfasern  höherer  Tiere 
nachgewiesen,  und  nach  Heidenhain  (1911)  sollen  die  Nebenscheiben 
durch  »interkolumnäre  Körner«  vorgetäuscht  sein  und  keinen  wirk- 
lichen Bestandteil  der  Querstreifung  bilden,  so  daß  sie  als  nebensächlich 
betrachtet  werden  können.  Wichtiger  erscheint,  daß  eine  Anisotropie 
wegen  der  großen  Dünne  der  Muskelfasern  bei  den  Medusen  nicht 
nachgewiesen  werden  kann,  und  die  Benennung  und  Homologisierung 
der  Streifen  deshalb  nur  nach  ihrer  Fäi;bbarkeit  und  ihrem  Licht- 
brechungsvermögen durchgeführt  wurde.  Innerhalb  der  Medusen- 
gruppe selbst  ist  in  der  Querstreifung  nur  ein  wichtiger  Unterschied 
vorhanden:  Die  Querscheibe  kann  entweder  einheitlich  sein  (bei  Car- 
marina), oder  durch  den   QA-Streifen  halbiert  (bei  Pelagia,  Neoturris, 


Beiträge  zur  Histologie  der  Medusen.  299 

Aequorea).  Im  ZusaiuuKMilianij,  damit  .steht  das  Höhenverhältiiis  der 
Q-  und  «/-Scheibe;  im  ersten  Fall  (bei  Carmarina,  Taf.  VIII,  Fig.  25) 
beträgt  die  Höhe  der  (^-Scheibe  höchstens  ein  Drittel,  die  Höhe  der 
J-Scheibe  mindestens  zwei  Drittel  der  Querstreifungsperiode ;  im  zweiten 
Fall  (bei  den  drei  übrigen  Medusen)  ist  die  Querscheibe  Q  entweder 
bedeutend  höher  als  die  J-Scheibe,  so  daß  sie  nahezu  zwei  Drittel  der 
Querstreifungsperiode  einnimmt  (Fig.  24  a,  c,  d),  oder  Q-  und  J-Scheibe 
sind  nahezu  gleich  hoch  (Fig.  26,  Fig.  24  b).  Daraus  geht  hervor,  daß 
das  Höhenverhältnis  von  Q-  und  J-Scheibe  sehr  verschieden  sein  kann, 
und  daß  der  Satz  von  W.  Engelmann  (1873),  nach  welchem  die  Höhen- 
ausdehnuug  von  Q  und  /  bei  allen  quergestreiften  Muskeln  nahezu 
gleich  sein  soll,  für  die  Medusen  jedenfalls  nicht  zutrifft.  Kleinere  Schwan- 
kungen im  Höhen  Verhältnis  von  Q  und  J  bei  einer  und  derselben  Me- 
duse, müssen  auf  verschiedene  Kontraktionszustände  der  Muskelfasern 
zurückgeführt  werden.  Für  das  unregelmäßige  Auftreten  oder  Fehlen 
der  Zwischenscheibe  bei  einem  und  demselben  Tier  wären  zunächst 
zwei  Erklärungen  möglich :  entweder  könnte  dies  von  der  verschiedenen 
Behandlung  des  Materials,  oder  vom  verschiedenen  Kontraktionszu- 
stände der  Muskelfasern  abhängen.  Ersteres  scheint  nicht  der  Fall 
zu  sein,  d.  h.  die  Fixierungs-  und  Färbungsweise  dürfte  mit  der  Erschei- 
nung nichts  zu  tun  haben,  da  bei  Carmarina  die  Zwischenscheibe  nur 
auf  Macerationspräparaten,  bei  Pelagia  nur  auf  Schnitten  sichtbar  ist, 
und  außerdem  in  einem  und  demselben  Präparat  an  benachbarten 
Fasern  die  Zwischenscheibe  auftreten  oder  fehlen  kann.  Somit  scheinen 
die  Unterschiede  im  Querstreifungsbild  auf  die  verschiedenen  Kon- 
traktionszustände der  Fasern  zurückzuführen  zu  sein.  Sorgfältige 
Messungen  ergaben  in  der  Tat  wenigstens  für  Pelagia  und  Aequorea, 
daß  zwischen  dem  Querstreifungsbild  und  der  Höhe  der  Querstreifungs- 
periode eine  bestimmte  Beziehung  besteht.  An  Eisenhämatoxyhn- 
schnitten  wurde  festgestellt,  daß  die  Zwischenscheibe  nur  an  Fasern 
mit  großer  Querstreifungsperiode  sichtbar  ist  und  daß  mit  der  Höhe 
der  Querstreifungsperiode  vor  allem  die  J-Scheibe  an  Höhe  zunimmt. 
Daraus  läßt  sich  schließen,  1)  daß  die  Fasern,  an  denen  die  Zwischen- 
scheibe sichtbar  ist,  erschlafft  sind,  und  2)  daß  bei  der  Kontraktion 
die  J-Scheibe  verkürzt  wird,  wie  bei  allen  sonstigen  quergestreiften 
Muskelfasern. 

Das  Messen  der  Querstreifungsperioden  ist  wegen  der  Feinheit 
der  Querstreifung  und  den  unbedeutenden  Schwankungen  in  der  Höhe 
der  Querstreifungsperiode  bei  den  Medusen  äußerst  schwierig.  Es 
wurde  immer  die  Zahl  der  Querscheiben  gezählt,  die  auf  je  zehn,  oder 

20* 


300  Sophie  Krasinska, 

auf  je  fünf  Striche  des  Ocular-Mikrometers  (Imm.  2  mm  Oc.  6) 
kamen,  und  dann  durch  Division  die  angenäherten  Werte  für  die 
Querstreifungsperioden  erhalten.  Bei  Carmarina,  wo  die  Querstreifungs- 
periode  von  1,4 — ^1,6;«  schwankt,  beträgt  die  Verkürzung  ein  Achtel, 
bei  Pelagia  (1,6 — 2 /<)  ein  Fünftel,  bei  Neoturris  (1,2 — 1,6/<)  ein  Viertel 
und  bei  Aequorea  endlich  (1.2 — 2/<)  zwei  Fünftel  des  größten  für  die 
Querstreif ungsperiode  gefundenen  Wertes.  Die  Querstreifung  der  Me- 
dusen gehört  zu  den  feinsten  unter  den  bisher  bekannten,  Carmarina 
und  Neoturris  scheinen  sogar  die  feinste  überhaupt  beobachtete  Quer- 
streifung zu  besitzen,  wie  es  schon  Nasse  (1882)  für  Carmarina  her- 
vorhob i. 

Die  sehr  kleinen  Schwankungen  in  der  Höhe  der  Querstreifungs- 
periode  sind  wohl  nicht  eigentlich  für  die  Medusenmuskeln  als  charak- 
teristisch anzusehen,  sondern  eher  darauf  zurückzuführen,  daß  in  den 
untersuchten  Präparaten  keine  erschlafften  Fasern  vorkommen.  Die 
Medusen  kontrahieren  sich  beim  einlegen  in  die  Fixierungsflüssigkeit 
stark  und  sterben  so  ab.  Infolgedessen  sind  wahrscheinlich  die  Muskel- 
fasern alle  mehr  oder  weniger  kontrahiert,  so  daß  nur  die  Differenzen 
im  Kontraktionsgrade  die  Unterschiede  im  Bild  der  Querstreifung 
bedingen. 

Der  auffallende  Unterschied  im  Aussehen  auf  Macerationspräparaten 
und  auf  Schnitten  scheint  allen  quergestreiften  Muskelfasern  gemein- 
sam zu  sein.  Auf  Macerationspräparaten  tritt  die  Querstreifung  in 
den  Vordergrund  und  der  fibrilläre  Bau  ist  nur  durch  eine  wenig  aus- 
geprägte Längsstreifung  angedeutet;  die  Muskelfaser  scheint  aus  ab- 
wechselnd stärker  und  schwächer  lichtbrechenden  Abschnitten  zu  be- 
stehen, wobei  sich  sowohl  die  Fibrillen  als  die  Zwischensubstanz  am 
Aufbau  der  Querstreifen  zu  beteiligen  scheinen.  Auf  entsprechend 
differenzierten  Eisenhämatoxylinschnitten  bekommt  man  ein  reines 
Fibrillenbild,  —  die  Querstreifung  scheint  nur  durch  die  verdickten 
und  intensiv  gefärbten  Abschnitte  der  Fibrillen  hervorgerufen  zu  sein. 
In  ihrem  fibrillären  Bau  stimmen  die  Muskelfasern  der  Medusen  mit 
denen  der  höheren  Tiere  überein.  Nur  in  der  Zahl  und  Anordnung 
der  Myofibrillen  kommen  wesentliche  Unterschiede  vor.  1)  Die  Fi- 
brillen sind  in  den  flach  bandförmigen  Muskelfasern  der  Medusen  in 
einer  einzigen  Schicht  angeordnet;  2)  die  Zahl  der  Fibrillen  ist  außer- 
ordentlich klein.     Carmarina,  die  die  breitesten  Muskelfasern  besitzt. 


1  M.  Heidenhain  (1911)  fand  die  feinste  Querst  reif  ung  bei  Heli.v  pumatia 
(=  1,8  ^<),  in  den  menschlichen  Herzmuskeln  (=  2 /li)  und  der  2V/ton-Muskulatur 
(=  2/,/). 


Beiträge  zur  Histologie  der  Medusen.  301 

hat  etwa  12  bis  15  Fibrillen,  Pclagia,  Neoturris  und  Aequorea  viel 
weniger,  vielleicht  sogar  nur  zwei  in  einer  Muskelfaser.  Eine  ganze 
Muskelzelle,  z.  B.  von  Pelagia  ließe  sich  somit,  was  die  Zahl  der  Fibrillen 
anseht,  mit  den  feinsten  »IMuskelsäulchen«  der  Muskulatur  höherer 
Tiere  vergleichen. 

Auf  Eisenhämatoxylinschnitten  erscheinen  bei  den  meisten  quer- 
gestreiften Muskelfasern  der  höheren  Tiere  die  intensiv  schwarzen 
(^-Abschnitte  der  Fibrillen  breiter  als  die  «/-Abschnitte.  Es  wird 
aber  allgemein  angenommen  (Heidenhain  1911),  daß  dieses  Bild 
durch  die  Schrumpfung  der  «/-Abschnitte  der  Fibrillen  verursacht 
wird  und  daß  die  Fibrillen  in  Wirklichkeit  parallele  Konturen  besitzen. 
Bei  den  ^ledusen  sind  die  Anschwellungen  der  Fibrillen  ganz  besonders 
ausgeprägt,  die  ^-Abschnitte  der  Fibrillen  sehen  wie  schwarze  Körner 
aus  und  geben  den  Fibrillen  ein  ausgesprochen  perlschnurförmiges 
Aussehen.  In  den  letzten  Jahrzehnten  haben  nur  noch  Schlater 
(1906 — 07)  und  Haycraft  (1891)  den  Myofibrillen  eine  wirklich  perl- 
schnurförmige  Gestalt  zugeschrieben.  Ob  die  Q- Abschnitte  wirklichen 
Anschwellungen  der  Fibrillen  entsprechen,  wie  es  die  genannten  Autoren 
wollen,  oder  nur  durch  Schrumpfung  hervorgerufene  Kunstprodukte 
sind,  bleibt  für  mich  eine  offene  Frage. 

Die  Abhandlung  Schlaters  (1905 — 06)  über  die  Muskulatur  des 
Hühnerembryos  ist  von  Interesse,  da  seine  Abbildungen  außerordent- 
lich an  die  bei  den  Medusen  vorkommenden  Bilder  erinnern.  Die 
»Muskelsäulchen  <<,  oder  richtiger  »Primitivf äserchen <<  (1.  c.  S.  447)  sind 
beim  Hühnerembryo  nur  aus  vier,  oder  (im  Herz)  nur  aus  zwei  Fibrillen 
zusammengesetzt,  die  Q-Abschnitte  der  Fibrillen  bestehen  aus  zwei 
Körnern  und  es  entstehen  infolgedessen  dieselben  typischen  Gruppen 
von  vier  Körnern  wie  in  den  Muskelfasern  von  Pelagia  und  Aequorea 
(Fig.  24  d). 

Wie  schon  oben  bemerkt,  erscheint  die  Zwischensubstanz  auf 
Schnitten  vollständig  farblos,  auf  Macerationspräparaten  ganz  homogen. 
Das  Wort  >>Sarcoplasma  <<  wurde  hier  absichtlich  vermieden.  Während 
nämlich  bei  höheren  Tieren  eine  Sonderung  von  »Sarcoplasma  <<  und 
der  zwischen  den  Fibrillen  liegenden  plasmatischen  Substanz  (»Inter- 
f ibrillärsubstanz  <<)  nicht  möglich  ist,  ist  bei  den  Medusen  die  Abgren- 
zung des  Plasmas  der  Epithelzellen  und  der  Interf ibrillärsubstanz  eine 
äußerst  scharfe.  Ein  schmaler  Plasmasaum  ist  mit  einer  der  schmalen 
Seiten  der  Muskelfaser  in  ihrer  ganzen  Länge  fest  verwachsen  (vgl. 
Taf.  VII,  Fig.  10  und  11)  und  vermittelt  die  Verbindung  von  »Zell- 
körper« (Myoblast)  und  »Muskolfaser«,    Die  Substanz  der  Muskelfaser 


302  Sophie  Krasinska, 

unterscheidet  sich  von  der  de3  Plasmasaums  durch  ihr  homogenes 
Aussehen  und  ihr  starkes  Lichtbrechungs vermögen,  die  Grenzhuie 
zwischen  beiden  ist  immer  ganz  scharf.  Diese  scharfe  Abgrenzung  des 
Sarcoplasmas  von  der  einseitig  gelagerten  contractilen  Substanz,  sowie 
die  einschichtige  Anordnung  der  Fibrillen  in  derselben  sind  allen  quer- 
gestreiften Muskelzellen  der  Medusen  gemeinsam  und  eignen  sich  am 
besten  zu  ihrer  Charakteristik,  im  Gegensatz  zu  den  quergestreiften 
Muskeln  der  höheren  Tiere. 

3.  Radiale  Muskulatur. 

Wie  bekannt,  besteht  die  radiale  Muskulatur  der  Medusen  aus- 
schließlich aus  glatten  Muskelfasern,  im  Gegensatz  zu  der  circulären, 
welche  aus  quergestreiften  Muskelfasern  zusammengesetzt  ist^. 

Ich  habe  die  Längsmuskulatur  der  Mundarme  von  Pelagia 
noctiluca  nur  an  Macerationspräparaten  studiert  und  mich  überzeugt, 
daß  sie  ausschließlich  aus  echten  Epithelmuskelzellen  zusammen- 
gesetzt ist.  Jede  Epithelzelle  hat  an  ihrer  Basis  eine  einzige  glatte 
und  sehr  lange  Muskelfaser  gebildet.  Die  Muskelfasern  sind  dünn 
und  erscheinen  vollständig  homogen.  Die  radiale  Muskulatur  der 
Subumbrella  von  Neoturris  und  Äequorea  wurde  bereits  im  letzten 
Kapitel  beschrieben,  da  sich  ihre  Schilderung  von  derjenigen  der  quer- 
gestreiften Muskulatur  nicht  trennen  ließ.  Die  Muskulatur  des  Magens 
dieser  Medusen  wurde  nicht  untersucht. 

Ein  gründliches  Studium  erfuhr  dagegen  die  radiale  Muskulatur 
von  Carmarina  hastata,  die  wegen  ihrer  mächtigen  Entwicklung  und 
der  außerordentlich  starken  Faltung  ihrer  Muskellamelle  besonderes 
Interesse  erweckte. 

0.  und  R.  Hertwig  (1878)  unterscheiden  im  Ectoderm  der  Sub- 
umbrella von  Carmarina  die  >>unpaaren<<  und  die  »paarigen«  radialen 
Muskelstränge  und  beschreiben  genau  ihren  Verlauf.  Beide  Muskel- 
stränge sind  auf  die  Nähe  der  Radialkanäle  beschränkt  Die  Un- 
paaren  bestehen  nur  aus  wenigen  Muskelfasern,  nehmen  ihren  Ur- 
sprung am  Schirmrand  und  verlaufen  unter  der  Mitte  der  Radiär- 
kanäle  (Textfig.  1  rm'^),  sie  halbieren  die  Genitalblätter  und  setzen 
sich  dann  auf  dem  Manubrium  fort.  0.  und  R.  Hertwig  (1878)  konnten 
ihren  Verlauf  bis  zum  Magen  verfolgen.  Die  breiten  paarigen  Mus- 
kelstränge  (von  E.  Haeckel,   1864 — 66,  auch    »longitudinale  Stiel- 


1  Angaben  über  quergestreifte  radiale  Muskelfasern   sind  bei  Lendenfeld 
(1882)  zu  finden,     (vgl.  S.  261). 


Beiträge  -/ur  Histologie  der  Medusen. 


303 


uiuskeln<.<  gouannt)  begiimeu  proximal  an  den  Licnitalblättern  auf 
beiden  Seiten  jedes  Radialkanals  (Textfig.  1  rm^).  "Wenn  sich  die 
Radialkanäle  am  Manubrium  einander  nähern,  vereinigen  sich  je  zwei 


Textfig.  1. 

Camiarina  hastata  von   der  Subumbrellarseite  gesehen.     Umrisse  des  Gastrovascularsystems  an- 
gegeben, die  von  der  Muskulatur  eingenommenen  Fläclien  gestrichelt,     nii,  circuläre  Velummus- 
kulatur;   »f».  circuläre   SubumbrelLirmuskulatur;    z,  muskelfreier    Streifen    zwischen    denselben; 
Rk.  Radialkanal;  rmi,  unpaare  radiale  Muskelstränge;  rmo.  paarige  radiale  Muskelstränge. 

dieser  Muskelbänder,  welche  benachbarte  Radialkanäle  begleiten  und 
ziehen  als  einheitUches  Muskelband  bis  zum  Magen  hinab ^  (Textfig.  1). 
Unterhalb  der  Radialkanäle  besteht  das  Ectoderm  aus  Drüsenzellen, 


1  Die    Bezeichnung    »paarige   Muskelstränge«    ist   insofern   unpassend,    als 
diese  Muskelstränge  nur  in  ihrem  kürzeren  Anfangsteil  paarig  sind,  am  Manubrium 


304  Sophie  Krasinska, 

zwischen  welchen  sich  die  unansehnhchen  unpaaren  Muskelstränge  nur 
schwer  auffinden  lassen.  Das  Drüsenge  webe  fängt  da  an,  wo  die  Geni- 
talblätter aufhören  und  die  Radialkanäle  sich  plötzlich  verschmälern, 
und  erstreckt  sich  oralwärts  bis  auf  das  Ectoderm  des  Magens.  Am 
Manubrium  wechseln  somit  im  Ectoderm  sechs  Muskelstränge  (Text- 
fig.  1  rm^)  mit  sechs  Streifen  von  Drüsengewebe  ab,  welch  letztere  in 
ihrer  ganzen  Länge  noch  von  den  unpaaren  Muskelsträngen  halbiert 
werden.  Die  Teile  der  Subumbrella,  welche  zwischen  den  proximalen 
Eändern  der  Genitalblätter  und  dem  Anfang  je  zweier,  paariger  Muskel- 
stränge liegen,  tragen  ein  flaches  Plattenepithel. 

Die  schwach  entwickelten  unpaaren  Muskel  stränge  bestehen 
aus  einfachen  Epithelmuskelzellen,  die  schlanker  und  höher  sind  als 

Lntoderm  Gallerte 

Ectoderm    i  I 


die  Myoblasten  der  quergestreiften  Subumbrellamuskulatur,  sich  aber 
ebenfalls  in  mehrere  basale  Plasmafortsätze  teilen  und  mit  mehreren 
Muskelfasern  verbinden.  Ihre  Zellkörper  zeichnen  sich  ferner  durch 
ihren  drüsigen  Charakter  aus,  worauf  schon  die  Brüder  Hertwig 
(1878)  aufmerksam  machten.  Die  Muskelfasern  erscheinen  auf  Ma- 
cerationspräparaten  fadenförmig  und  vollständig  homogen,  sie  sind 
ziemlich  lang,  obwohl  sie  die  große  Länge  der  Muskelfasern  der  radialen 
paarigen  Muskelstränge  nicht  erreichen. 

Die  Muskellamelle  der  paarigen  Muskelstränge  ist  schon  in 
einer  kleinen  Entfernung  von  den  Genitalblättern  stark  gefaltet  und 
diese  Faltung  nimmt  am  Manubrium,  wo  sich  die  Muskelstränge  all- 
mählich verschmälern,  immer  mehr  zu.     Ln  mittleren  Teil  des  Manu- 


sind  sie  in  derselben  Zahl  wie  die  »unpaaren  Muskelstränge«  und  wie  die  Radial- 
kanäle, d.  h.  zu  sechs  vorhanden. 


Beiträge  zur  Histologie  der  Medusen.  305 

briums  eines  verhältnismäßig  kleinen  Tieres,  wo  der  Muskelstrang 
etwa  1,5  mm  breit  war,  betrug  die  Höhe  der  Muskelschicht  ungefähr 
50  u ;  in  der  Nähe  des  Magens  war  der  Muskelstrang  nur  noch  0,8  mm 
breit,  während  die  Muskelschicht  die  enorme  Höhe  von  200  fi  erreichte. 
Der  Querschnitt  (Textfig.  2)  zeigt,  wie  eine  solche  Muskelschicht  an 
den  Rändern  der .  Muskelstränge  (rm2)  gegen  die  Radialkanäle  (RK) 
auskeilt.  Neben  der  starken  Faltung  der  Muskellamelle  ist  für  die 
Muskulatur  des  Manubriums  die  dichte  Anordnung  der  Falten,  das 
flache  Epithel  und  die  sehr  geringe  Zahl  der  Kerne  charakteristisch 
(Taf.MII,  Fig.  27)1. 

Fig.  27  stellt  einen  Querschnitt  durch  den  Muskelstrang  im  oberen 
Teil  des  Manubriums  dar,  wo  die  Faltung  der  Muskellamelle  nur  mäßig 
ist.  Auf  die  gekörnelte  Cuticula  (cw)  folgt  eine  dünne  Protoplasma- 
schicht mit  einigen  Kernen;  im  übrigen  wird  das  ganze  Ectoderm 
durch  die  Falten  der  Stützlamelle  mit  ansitzenden  Muskelfasern  ein- 
genommen. Die  sehr  dünne  Entodermlamelle  (enl)  ist  sowohl  gegen 
die  Muskelschicht  wie  gegen  die  Gallerte  (gal)  durch  eine  ziemlich 
dicke,  von  EisenhämatoxyUn  schwarz  gefärbte  Stützlamelle  {stl)  ab- 
gegrenzt. Die  Falten  der  Muskellamelle  stehen  dicht  nebeneinander 
und  sind  entweder  einfach  oder  sekundär  Y-förmig  verzweigt,  oder 
endlich  distal  umgebogen  (Fig.  27).  Die  Fasern  sind  nicht  drehrund, 
wie  sie  auf  Macerationspräparateu  zu  sein  scheinen,  sondern  nach  einer 
Seite  zu  lamellenartig  abgeflacht,  und  sitzen  mit  dieser  Seite  der  Stütz- 
lamelle an.  Ihre  Querschnitte  erscheinen  deshalb  birnförmig  (Taf .  VIII, 
Fig.  27  rtnf).  Mit  Mallory  färben  sie  sich  intensiv  rot,  die  Stütz- 
lamelle blau,  so  daß  sie  gegeneinander  scharf  abgegrenzt  sind  Die 
außerordentlich  geringe  Zahl  der  zu  den  Fasern  gehörigen  Kerne  fällt 
auf  Querschnitten  sogleich  auf ;  es  kommen  hier  auf  einen  Kern  hunderte 
von  Muskelfaserquerschnitten.  Man  wäre  daher  zunächst  geneigt,  an- 
zunehmen, daß  sehr  viele  Muskelfasern  mit  jeder  Zelle  in  Verbindung 
stehen  müßten,  doch  läßt  sich  dies  Verhalten  zum  Teil  durch  die  außer- 
ordentliche Länge  der  Fasern  erklären.  Ich  konnte  Fasern  aus  dem 
Manubrium  isolieren,  die  mehr  als  500  /<,  also  über  0,5  mm  lang  waren. 
Die  Kerne  kommen  nicht  nur  nahe  unter  der  Oberfläche  des  Epithels, 
sondern  auch  zwischen  den  Falten  der  Muskellamelle,  ja  sogar  ganz 
in  der  Tiefe  des  Ectoderms  vor  (Taf.  VIII,  Fig.  27).  Sie  liegen  in 
strangartigen   Verdichtungen   des    Plasmas,   welche    bis   zur   Cuticula 


^  0.  und  R.  Hertwig  (1880)  geben  eine  etwas  schematische  Abbildung  durch 
den  »interradialen«  Muskel  des  Magenstiels  von  Carrnariim  (1.  c.  Taf.  I,  Fig.  10) 


306  Sophie  Krasinska,  ^ 

aufsteigen  und  sich  dort  kegelartig  ausbreiten.  Auf  Querschnitten  ist 
von  Zellgrenzen  nichts  zu  sehen  wie  auch  die  Fixierungsart  sein  mag; 
jedenfalls  stören  beim  Auffinden  der  Zellgrenzen  die  faserigen  Plasma- 
strukturen, welche  hauptsächlich  von  der  Zelloberfläche  nach  unten, 
also  parallel  den  zarten  Zellwänden  ziehen.  Auf  Flächenschnitten 
lassen  sich  jedoch  im  peripheren  Teil  des  Epithels  deutliche  Zellgrenzen 
erkennen.  Zwischen  den  Falten  der  Muskellamelle  ist  das  Gewebe 
außerordentlich  reich  an  Vacuolen  und  das  Plasma  zerteilt  sich  in 
ein  Gewirr  dünner  Plasmastränge,  welche  zu  den  Muskelfasern  ziehen. 

Die  Erklärung  dieser  Bilder  ergibt  sich  erst  aus  den  Macerations- 
präparaten. 

Nach  Zerzupfen  eines  macerierten  Manubriumstückchens  findet 
man  in  jedem  Präparate  Epithelstreifen,  welche  von  der  Muskelfaser- 
schicht abgerissen  sind  (Taf.  VIII,  Fig.  28).  Die  Epithelzellen  (epmz) 
halten  mittels  der  Cuticula  zusammen,  sind  oberflächlich  stark  ver- 
breitert und  verschmälern  sich  ziemlich  plötzlich  basalwärts,  so  daß 
sie  voneinander  durch  weite  freie  Räume  getrennt  sind.  In  nicht 
zerzupften  Geweben  werden  diese  freien  Räume  durch  die  Falten  der 
Muskellamelle  eingenommen.  Die  Höhe  der  benachbarten  Epithel- 
zellen wechselt  von  10 — 60  /<  und  mehr.  Wenn  man  nun  einerseits 
eine  Reihe  von  Macerationspräparaten  aus  ganz  bestimmten  Teilen 
des  Manubriums  herstellt,  andrerseits  Querschnitte  durch  dieselben 
Teile  des  Manubriums  führt,  so  kann  man  die  Höhe  der  isolierten 
Epithelzellen  mit  der  Höhe  der  ganzen  Muskelschicht  vergleichen. 
Systematische  Messungen  ergeben  nahezu  die  gleichen  Zahlen  für  die 
höchste  Höhe  der  Epithelzelle  und  die  gesamte  Höhe  der  Muskel- 
schicht. Die  Kerne  können  im  peripheren  und  mittleren,  aber  auch 
im  basalen  Teil  der  isoHerten  Epithelzellen  liegen  (Taf.  VIII,  Fig.  28). 

Daraus  folgt,  1)  daß  die  Zellen  von  der  Oberfläche  bis 
in  die  tiefsten  Gegenden  des  Ectoderms  reichen  können, 
uud  2)  daß  die  in  der  Tiefe  liegenden  Kerne  zu  Zellen  ge- 
hören, welche  die  Oberfläche  erreichen.  Die  basalen  Enden 
aller  Zellen  teilen  sich  in  eine  größere  Anzahl  dünner  Plasmafortsätze, 
die  kegelförmig  auseinandertreten  und  den  schmalen  Zellen  ein  pinsel- 
förmiges Aussehen  geben  (Taf.  VIII,  Fig.  28  pr.fr.)'^.   Wo  man  Epithel- 


1  Eine  lange  Beschreibung  der  faserigen  Plasmastrukturen  dieser  » Deck- 
zellen« der  radialen  Muskulatur  gab  Eimer  (1878),  der  jedoch  vermutete,  daß 
die  radialen  Muskeln  nicht  mit  diesen  Epithelzellen  in  Verbindung  stehen,  sondern 
eigne  Kerne  besitzen.  Die  Übergangsformen  zwischen  den  Deckzellen  und 
Ganglienzellen,  welche  er  beschreibt,  sind  nicht  vorhanden. 


Beiträge  zur  Histologie  der  Medusen.  307 

Zellen  in  Verbindung  mit  den  Muskeltasein  findet  —  und  es  bleibt  hier 
die  Verbindung  öfters  als  in  der  Subumbrella  erhalten  —  kann  man 
feststellen,  daß  jeder  dünne  fadenartige  Plasniafortsatz  zu  einer  Muskel- 
faser zieht,  sich  plötzlich  nach  zwei  Seiten  ausbreitet  und  ihr  mit  einer 
verbreiterten  Basis  ansitzt.  Es  hängt  hier  wohl  sicher  jede  Epitliel- 
muskelzelle  mit  mehreren  Muskelfasern  zusammen.  Die  niedrigen 
Epithelzellen  schicken  dabei  ihre  Fortsätze  an  die  oberflächlich  ge- 
legenen Muskelfasern,  die  hohen  Zellen  an  diejenigen,  welche  tief 
zwischen  den  Falten  der  Muskellamelle  liegen.  Auf  Schnitten  ent- 
sprechen die  dünnen  Plasmastränge,  welche  in  allen  Richtungen  die 
Räume  zwischen  den  Falten  der  Muskellamelle  durchziehen,  den  Quer- 
und  Längsschnitten  der  zahlreichen  Plasmafortsätze  der  Zellen. 

Daß  alle  Muskelzellen  die  Oberfläche  des  Epithels  erreichen,  kann 
ich  mit  Sicherheit  nicht  behaupten.  Es  gibt  Stellen  in  Macerations- 
präparaten,  die  darauf  hinweisen,  daß  einzelne  Zellen  in  der  Tiefe 
verbleiben,  sichere  Beweise  dafür  konnte  ich  nicht  finden.  Jeden- 
falls blieb  die  große  Mehrzahl  der  Muskelzellen  trotz  der 
sehr  starken  Faltung  der  Muskellamelle  epithelial^. 

Ebenso  vermag  ich  nicht  zu  entscheiden,  ob  jede  Muskelfaser  nur 
mit  einer  Zelle  in  Verbindung  steht,  da  ich  nur  wenige  Fasern  in  ihrer 
ganzen  Länge  verfolgen  konnte.  Dies  ist  aber  höchst  wahrscheinlich, 
denn  es  spricht  dafür  die  sehr  geringe  Zahl  der  Kerne  ebenso  w^ohl 
als  die  Tatsache,  daß  ich  an  den  glatten  schart  konturierten  Fasern 
immer  nur  an  einer  Stelle  Zellreste  beobachtete.  Auf  Macerations- 
prä paraten  läßt  sich  kein  »Plasmasaum  <<  an  den  Muskelfasern  nach- 
weisen, ich  konnte  aber  einen  solchen  an  besonders  günstigen  Flächen- 
schnitten nachweisen;  jeder  Muskelfaser  läuft  ein  ganz  schmaler,  aus 
nur  einer  Reihe  deutlicher  Waben  zusammengesetzter  Plasmasaum 
entlang.  Die  Art  der  Verbindung  zwischen  Zelle  und  Muskelfaser  ist 
somit  im  Manubrium  von  Carmarina  die  gleiche  wie  in  allen  übrigen 
Epithelmuskelzellen  der  Medusen.  Es  scheint  somit  das  Verhalten 
von  Zellkörper  und  Muskelfaser  im  Manubrium  von  Carmarina  und 
in  ihrer  Subumbrella  das  gleiche  zu  sein:  hier  wie  dort  steht  eine 
Epithelzelle  mit  mehreren  Muskelfasern,  aber  eine  Muskel- 
faser nur  mit  einer  Epithelzelle  in  Verbindung.    Außer  durch 


1  Ich  bin  also  zu  einem  ähnlichen  Resultat  wie  O.  und  R.  Hertwig  (1880) 
gekommen;  nur  scheinen  diese  Forscher  gemeint  zu  haben,  daß  in  der  radialen 
Muskulatur  des  Manubriums  von  Carmarina  nur  wenige  Muskelzellen  epithelial 
geblieben  sind,  während  ich  glaube,  daß  jedenfalls  nur  sehr  wenige  Muskelzellen 
aus  dem  Epithel  ausgetreten  sind. 


308 


Sophie  Krasinska, 


ihre  Länge,  zeichnen  sich  die  Muskelfasern  des  Manubriums  noch  da- 
durch aus,  daß  sie  nicht  die  geringste  Spur  von  Längsfibrillierung 
zeigen;  sowohl  auf  Schnitten  als  auf  Macerationspräparaten  erscheinen 
sie  ganz  homogen. 

Die  Muskelstränge  des  Manubriums  sind  sehr  reich  an  Ganglien- 
zellen und  Nervenfasern,  die  zwischen  der  Muskelschicht  und  der 
Cuticula,  also  dicht  unter  der  Oberfläche  des  Epithels  liegen.  Näheres 
darüber  wird  im  Kapitel  über  das  periphere  Nervensystem  berichtet. 


Entoderm 


4.  Tentakelmuskulatur. 

P  el  a  g  i  a    noctiluca. 

Der  Bau  der  hohlen  Tentakeln  von  Pelagia  ist  sehr  kompliziert. 
Zwischen   Ento-   und   Ectoderm    liegt   eine   mächtige    Gallertschicht, 

welche   die  Hauptmasse    des 
Tentakels  bildet   und  wegen 
Ectoderm  ihrer  Festigkeit  und  feinfase- 

rigen Beschaffenheit  eher  als 
Stützlamelle  bezeichnet  wer- 
den dürfte  (Textfig.  3).  Es 
tritt  hier  ein  Faltungsvor- 
gang auf,  welcher  die  Ver- 
größerung der  Oberfläche  der 
Stützlamelle  und  die  Ver- 
mehrung der  Muskelfasern  be- 
wirkt, aber  nach  einein  ganz 
andern  Typus  wie  gewöhnhch. 
In  der  Subumbrella  der  Me- 
dusen wachsen  dünne  Falten 
der  Stützlamelle  in  das  Ecto- 
derm hinein,  hier  dagegen 
senken  sich  vom  Ectoderm 
in  die  mächtige  Stützlamelle 
einige  wenige  Falten  hinab, 
die  in  tiefen,  der  Tentakel- 
achse parallelen  Furchen  der  Stützlamelle  liegen;  sie  sind  in  geringer 
Zahl  vorhanden  und  sowohl  voneinander  wie  vom  Entoderm  durch 
mächtige  Stützlamellenschichten  getrennt  (Textfig.  3).  An  den  Wän- 
den dieser  Falten  ist  die  Längsmuskulatur  der  Tentakel  angeordnet. 
Es  kann  hier  scharf  zwischen  dem  Tentakelepithel  und  den  in  tiefen 


Textfig.  3. 

Pelagia  nortiluca.     Querschnitt  durch  einen 
Tentakel. 


Beiträge  zur  Histologie  der  Medusen.  309 

Furchen  liegenden,  allseits  von  Gallerte  umgebenen  >>Muskelfalten  << 
des  Ectoderms  unterschieden  werden. 

Der  Tentakelquerschnitt  ist  oval  und  wegen  der  Verteilung  der 
Muskelfalten  ausgesprochen  bilateral  symmetrisch.  Die  Muskelfalten 
sind  symmetrisch  zur  Mittellinie  des  ovalen  Querschnittes  angeordnet; 
in  dieser  Mittellinie  liegt  an  einem  Ende  des  Ovals  eine  einzelne  tiefe 
Falte  (Textfig.  3,  unten).  Die  mediane  Muskelfalte  ist  immer  die 
tiefste,  von  ihr  aus  nimmt  auf  beiden  Seiten  des  Querschnitts  die  Tiefe 
der  Falten  ständig  ab,  so  daß  eine  Falte  um  so  seichter  ist,  je  weiter 
sie  von  der  medianen  absteht  (vgl.  Textfig.  3,  stetige  Abnahme  von 
unten  nach  oben).  Bei  den  von  mir  untersuchten  Tieren  betrug  die 
Zahl  der  Muskelfalten  in  der  Nähe  des  Schirmrandes  etwa  21 — 25. 
Gegen  das  Tentakelende  nimmt  die  Zahl  der  Muskelfalten  immer  mehr 
ab,  bleibt  aber  stets  unpaar,  da  sich  die  seichter  gewordenen  Falten 
je  zu  zweien  auskeilen. 

Die  Verhältnisse  werden  noch  komplizierter,  indem  die  Muskel- 
falten durch  längsverlaufende  Einschnürungen  in  mehrere  Partien 
geteilt  werden.  Wenn  die  Einschnürung  eine  vollkommene  ist,  kommt 
es  zur  Bildung  von  »Muskelröhren«,  die  voneinander  und  vom  Epithel 
vollständig  abgetrennt  sind,  bleibt  die  Einschnürung  unvollkommen, 
so  stehen  die  Röhren  durch  mehr  oder  weniger  breite  Spalten  mit- 
einander in  Verbindung.  Die  tiefste  mediane  Falte  und  die  ihr  am 
nächsten  gelegenen  paarigen  bleiben  einheitlich,  in  den  andern  kommt 
die  Bildung  von  Muskelröhren  und  eine  mehr  oder  weniger  vollständige 
Abschnürung  derselben  voneinander  und  vom  Epithel  zustande.  Die 
Muskelröhren  einer  Falte  sind  in  einer  Reihe  übereinander  angeordnet 
und  nur  durch  dünne  Stützlamellenmassen  voneinander  getrennt. 
Eine  viel  vollständigere  Abschnürung  der  ectodermalen  Muskelröhren 
vom  Epithel  kommt  bei  Charybdea  marsupialis  (nach  S.  Claus  1878) 
vor.  Pelagia  und  Charybdea  sind  die  einzigen  Medusen,  bei  welchen  bis- 
her eine  derartige  Versenkung  der  Muskulatur  in  die  Stützlamelle  gefun- 
den worden  ist.  Bei  andern  Coelenteraten  kommt  eine  solche  indessen 
recht  häufig  vor.  In  trefflicher  Weise  wurde  sie  von  0.  und  R.  Hert- 
wiG  (1879)  bei  den  Actinien  geschildert;  diese  Forscher  bezeichnen  eine 
solche  Lage  der  Muskulatur  in  der  Stützlamelle  als  >>  mesodermal «.  Die 
Stützlamelle  der  Tentakel  hat  einen  sehr  feinfaserigen  Bau.  Die  feinen, 
sich  dunkler  färbenden  und  ganz  homogenen  Fäserchen  verlaufen 
spärlich  in  der  Tiefe  der  Stützlamelle  und  bilden  an  ihrer  Oberfläche 
eine  dichtere  faserige  Schicht;  diese  Schicht  ist  am  stärksten  um  die 
Muskelfalten  ausgebildet  (Taf.  VIII,  Fig.  17). 


310  Sophie  Krasinska, 

Die  Muskelfasern  sind  an  den  Wänden  der  Furchen  der  Stütz- 
lamelle angeordnet  und  fest  mit  ihr  verwachsen.  Die  Querschnitte 
der  Muskelfasern  (Taf .  VIII,  Fig.  17  und  20  mf)  sind  unregelmäßig  oval 
und  besitzen  runde,  mit  Eisenhämatoxylin  schwarz  färbbare,  von  einem 
kleinen  Protoplasmaklümpchen  umgebene  Kerne  (Taf.  VIII,  Fig.  17 
k.d.mz).  Die  wenigen  Muskelzellen,  welche  an  der  Basis  des  Tentakel- 
epithels in  der  Nähe  der  Muskelfalten  liegen  (Taf.  VIII,  Fig.  20)  sind 
ebenfalls  mit  einem  ihnen  dicht  anliegenden  Kern  versehen.  Es  ent- 
behren hier  alle  Muskelzellen  jeglicher  Verbindung  mit  der  Epithel- 
oberfläche. 

Auf  Macerationspräparaten  lassen  sich  die  Muskelfasern  in  Zu- 
sammenhang mit  den  zugehörigen  Zellkörpern  isolieren;  die  Muskel- 
faser (Taf.  VIII,  Fig.  21)  ist  je  nach  dem  Kontraktionszustand  lang 
oder  kurz  spindelförmig  und  der  Zellkörper  —  ein  Protoplasmaklumpen 
mit  Kern  —  sitzt  derselben  auf  einer  Seite  an.  Auffallend  im  Ver- 
gleich mit  den  Epithelmuskelzellen  der  Subumbrella  (Taf.  VII,  Fig.  11) 
ist  die  geringe  Größe  des  Zellkörpers  und  seine  innige  Anschmiegung 
an  die  Muskelfaser.  Der  Zellkörper  hat  jedoch  seine  einseitige  Lage 
an  der  Muskelfaser  beibehalten  und  die  contractile  Substanz  ist  scharf 
vom   Plasma  des  Zellkörpers  gesondert. 

Es  ist  somit  in  den  Tentakeln  von  Pelagia  die  Mus- 
kulatur vollständig  aus  dem  Epithel  ausgetreten,  indem 
die  Muskelfasern  samt  ihren  Myoblasten  in  der  Tiefe  in  »Muskelfalten  << 
oder  in  vom  Epithel  abgeschnürten  »Muskelröhren  <<  liegen,  die  allseits 
von  Stützlamelle  umgeben  sind. 

Claus  (1878)  hat  in  den  ähnlich  gebauten  Tentakeln  von  Charybdea 
marsupialis  ebenfalls  einen  vollständigen  Austritt  der  Muskelzellen 
aus  der  Oberfläche  festgestellt,  indem  er  in  den  abgeschnürten  Muskel- 
röhren zu  den  Muskelfasern  gehörende  Kerne  fand. 

Die  Muskelfasern  der  Tentakeln  von  Pelagia  unterscheiden  sich 
durch  ihre  bedeutende  Dicke  und  geringe  Länge,  sowie  ihre  faserige 
Struktur  von  den  glatten  Muskelfasern  der  Mundarime  aus.  Auf  Quer- 
schnitten färbt  sich  die  Zwischensubstanz  der  Muskelfasern  mit  Eisen- 
hämatoxylin ziemlich  hell;  während  die  Querschnitte  der  Myofibrillen 
als  schwarze  Punkte  auftreten  (Taf.  VIII,  Fig.  17  mf).  Auf  Macera- 
tionspräparaten ist  eine  Längsstreifung  der  Muskelfasern  immer  deut- 
lich sichtbar  (Fig.  21).  Bei  vorgeschrittener  Maceration  tritt  eine 
vorzügliche  Spaltung  in  Fibrillen  auf,  so  daß  die  Muskelfasern  manch- 
mal direkt  pinselförmig  erscheinen.  Aus  den  Spaltungsbildern  scheint 
hervorzugehen,   daß   nur   wenige   Myofibrillen   von   einem   Ende   der 


Beiträge  zur  Histologie  der  Medusen. 


311 


Muskelfaser  bis  in  das  andre  verlaufen,  daß  aber  viele  kürzere  Myo- 
fibrillen nur  durch  den  breiteren  mittleren  Teil  der  spindelförmigen 
Muskelfaser  ziehen. 

AVährend  die  Muskelfasern  an  den  Wänden  der  Furchen  liegen, 
wird  die  Mitte  derselben  von  einem  Gewirr  feinster  Fibrillen  und  Fäd- 
chen  eingenommen  (Fig.  17),  in  welchen  zahlreiche  kleine  {kl.  Gz.)  und 
einige  wenige  große  Ganglienzellen  (</r.  Gz.)  liegen.  Im  Tentakelcpithel 
fehlen  Ganglienzellen  vollständig.  Mit  der  Muskulatur  ist  hier  demnach 
auch  das  periphere  Nervensystem  in  die  Tiefe  gerückt. 

Carmarina    hastata. 

Die  Tentakeln  der  Carmarina  sind  ebenfalls  hohl  und  mit  einer 
mächtigen  Stützlamelle  versehen.  Diese  bildet  um  das  Entoderm 
ein  dickes  Kohr,  von  wel- 
chem  sich  radial  Stütz- 
leistenerheben, die  parallel 
zur  Längsachse  der  Ten- 
takeln verlaufen.  Auf  dem 
Querschnitt  (Textfig.  4) 
bildet  daher  die  Stützla- 
melle um  das  Entoderm 
einen  einheitlichen  Ring, 
von  welchem  nach  allen 
Seiten  die  Leisten  strahlig 
divergieren.  Die  Leisten 
sind  an  ihrem  freien  Ende 
wulstförmig  erweitert  und 
überall  mit  längsverlaufen- 
den Muskelfasern  besetzt. 
Die  Verhältnisse  lassen 
sich  leicht  von  denen  in 
der  Subumbrella  von  Pe- 
lagia  oder  in  der  Muskulatur  des  Manubriums  von  Carmarina  vor- 
kommenden ableiten,  indem  man  sich  die,  dort  sehr  dünnen  Leisten 
der  Stützlamelle  stark  verdickt  denkt.  Es  läßt  sich  aber  auch  eine 
gewisse  Analogie  mit  den  Tentakeln  von  Pelafjia  nicht  leugnen,  wenn 
wir  uns  bei  Pelagia  die  Muskelfalten  ungeteilt  und  viel  zahlreicher, 
die  sie  trennenden  Stützlamellenwände  viel  dünner  denken  (vgl.  Text- 
fig. 3  S.  308). 

Die  Tentakeln  Avurden  von  den  Gebr.  Hertwig  (1880)  beschrieben 


Muskel 
Fasern 


Stutzlamellen  - 
leisten 


Textfig.  4. 
Carmarina  hastata.     Querschnitt  durch  einen  Tentakel. 


312  Sophie  Krasinska, 

und  im  Querschnitt  abgebildet.  Claus  (1878)  bildet  ebenfalls  einen 
Querschnitt  durch  den  Tentakel  von  Carmarina  ab,  und  vergleicht 
seinen  Bau  mit  dem  des  Siphonophorenstammes. 

Die  Stützlamelle  zeigt  eine  feinfaserige  Beschaffenheit;  die  feinen, 
homogenen,  sich  dunkler  als  die  Grundsubstanz  färbenden  Fibrillen, 
verlaufen  in  den  Leisten  radial,  und  bilden  im  Ring,  welcher  das  Ecto- 
derm  vom  Entoderm  trennt,  eine  circuläre  Schicht  (Taf.  VII,  Fig.  15 
stl).  Die  gleiche  fibrilläre  Beschaffenheit  zeigt  die  Stützlamelle  im 
ganzen  Körper  von  Carmarina,  so  z.  B.  zwischen  den  Nervenringen, 
nur  gibt  es  dort  viel  mehr  Fibrillen  und  viel  weniger  Zwischensubstanz, 
wodurch  die  Stützlamelle  auf  dickeren  Schnitten  homogen  aussieht, 
sich  dunkler  färbt  und  wahrscheinlich  auch  viel  resistenter  ist. 

Den  Stützlamellenleisten  sitzen  die  Längsmuskelfasern  auf.  Auf 
Querschnitten  erscheinen  sie  unregelmäßig,  drei-  oder  viereckig  und 
sind  mit  breiter  Basis  der  Stützlamelle  angewachsen  (Taf.  VII,  Fig.  15 
m/).  Die  Mitte  der,  zwischen  den  Stützlamellenleisten  gelegenen  »Mus- 
kelfalten« wird  von  einem  plasmatischen  Strang  eingenommen,  welcher 
vom  Epithel  außerhalb  der  Falte  bis  in  die  Tiefe  derselben  zieht. 
Dieser  plasma tische  Strang  ist  faserig  strukturiert  und  gibt  beiderseits 
äußerst  regelmäßig  feinere  Stränge  ab,  die  zu  den  Muskelfasern  ziehen 
(Taf.  VII,  Fig.  15)  In  diesem  plasmatischen  Strang  liegen  zwei 
oder  drei  ovale  Kerne,  mit  einem  oder  zwei  Nucleolen.  Dieser  Strang 
geht  kontinuierlich  in  das  faserige  Plasma  des  Tentakelepithels  über, 
wo  man  gleich  aussehende  Kerne  findet. 

Den  protoplasmatischen  Strang  müssen  wir  als  Zellkörper  der 
Myoblasten  deuten,  während  die  zu  den  Querschnitten  der  Muskel- 
fasern ziehenden,  feinen  Plasmastränge  nichts  andres  als  die  Quer- 
schnitte der  »Plasmafortsätze«  sind,  welche  bei  Carmarina  überall  die 
Verbindung  der  Myoblasten  mit  den  Muskelfasern  vermitteln.  Aus 
der  Zahl  der  Muskeln  ergibt  sich  ohne  weiteres,  daß  hier  wie  in  der 
gesamten  Muskulatur  von  Carmarina,  auf  einen  Kern  (bzw.  auf 
eine  Zelle,  falls  hier  individualisierte  Zellen  vorkommen)  viele  Mus- 
kelfasern entfallen. 

Wenn  ein  Längsschnitt  durch  den  Tentakel  so  glücklich  geführt 
ist,  daß  er  eine  Muskelfalte  in  ihrer  ganzen  Höhe  trifft,  ohne  dabei 
die  Stützlamellenleisten  anzuschneiden,  so  wird  die  dünne  Zellschicht, 
welche  die  Mitte  der  Muskelfalten  einnimmt,  und  auf  Querschnitten 
als  Plasmastrang  erscheint  (Taf.  VII,  Fig.  15)  in  der  Fläche  ge- 
troffen. Man  kann  sich  überzeugen,  daß  diese  Zellschicht  kontinuierUch 
von  der  Tiefe  der  Falte  bis  zur  Tentakeloberfläche  zieht,  und  daß  sie 


Bfitiäge  zur  Histologie  der  Medusen.  313 

Korne  in  verschiedenen  Höhen  enthält.  Zellgrenzen  sind  zwar  nicht 
zu  unterscheiden,  aber  jeder  Kern  liegt  in  einem  verdichteten  Plasma- 
strang, der  eine  parallelfaserige  Struktur  hat  und  von  außen  nach 
innen  zieht.  Nach  langem  und  sorgfältigem  Studium  dieser  Verhält- 
nisse kam  ich  zur  Ansicht,  daß  die  Muskelzellen  dieser  Tentakel 
noch  Epithelzellen  geblieben  sind,  daß  sie  von  der  Tiefe  der 
Muskelfalten  bis  an  die  Epitheloberfläche  ziehen.  Wir  haben  es  hier 
mit  demselben  Verhalten  der  Epithelzellen  zu  tun,  welches  schon 
im  Manubrium  von  Carmarina  vorkam:  äußerst  hohe  und  schlanke 
Epithelzellen,  welche  Kerne  in  verschiedenen  Höhen  enthalten  können, 
stehen  durch  zahlreiche,  dünne,  lamellenartige  Plasmafortsätze  mit 
vielen  Muskelfasern  in  Verbindung.  Bemerkenswert  erscheint  dabei 
die  außerordentliche  Höhe  der  Epithelmuskelzellen,  welche  200  tt  und 
mehr  messen  können. 

Unentschieden  muß  die  Frage  bleiben,  ob  hier  die  Epithelmuskelzel- 
len in  ihrem  basalen  Teil  miteinander  verschmelzen  oder  nicht.  Daß 
sie  im  Tentakelepithel  deutliche  Zellgrenzen  haben,  läßt  sich  auf  Flächen- 
schnitten ohne  Schwierigkeiten  feststellen.  Es  wurden  schon  oft,  so 
in  der  Subumbrella  von  Pelagia  und  im  Manubrium  von  Carmarina 
Muskelepithelien  gefunden,  in  deren  peripheren  Teilen  Zellgrenzen  zu 
unterscheiden  waren,  während  sie  basal  vollständig  zu  fehlen  schienen. 
Durch  Maceration  konnte  jedoch  immer  festgestellt  werden,  daß  sich 
diese  Epithehen  in  einzelne  gut  abgegrenzte  Zellen  zerlegen  lassen, 
daß  also  Zellgrenzen  auch  da  vorhanden  sind,  wo  sie  auf  Schnitten 
unsichtbar  bleiben.  Im  vorliegenden  Fall  versagte  jedoch  die  Macera- 
tion vollständig;  wegen  der  Höhe  und  Mächtigkeit  der  Stützlamellen- 
leisten gelang  eine  Isolierung  der  Epithelmuskelzellen  nie.  Wir  können 
daher  einstweilen  nichts  mehr  sagen,  als  daß  auf  Schnitten  keine  Zell- 
grenzen sichtbar  sind,  und  manche  Bilder  (Taf.  VII,  Fig.  15)  für 
ein  Verschmelzen  der  Epithelnmskelzellen  zu  sprechen  scheinen.  Trotz- 
dem bin  ich,  nach  Analogie  mit  den  eben  zitierten  Fällen  zu  vermuten 
geneigt,  daß  auch  hier  individualisierte  Zellen  vorkommen  könnten. 

Im  Tentakelepithel  von  Carmarina  kommen  verschiedene  Zell- 
arten vor  (Taf.  VII,  Fig.  15).  In  einer  faserigen  Plasmamasse  sind 
große  Nesselzellen  mit  ihren  mächtigen  Stielen  eingebettet,  ferner 
kleine  Nesselzellen  {kl.nz),  Ganglienzellen  {kl. Gz.)  und  Sinneszellen  {Sz). 
Besondere  Stützzellen  kommen  aber  nicht  vor:  —  alle  diese  Zellen 
liegen  zwischen  den  peripheren  Enden  der  Epithelmuskelzellen,  denen 
das  faserige  Plasma  sowie  die  oben  erwähnten  ovalen,  im  Epithel 
liegenden  Kerne  (k.d.epmz)  gehören. 

Zeitsclirift  f.  wissensch.  Zoologie.   CIX.  Bd.  21 


314 


Sophie  Krasinska, 


Die  Epithelmiiskel Zellen  der  Tentakeln  von  Carmarina  sind  an 
ihrer  freien  Oberfläche  mit  Geißeln  versehen,  während  diese  den  gleichen 
Zellen  des  Manubriums  und  der  Subumbrella  fehlen.  Die  Cuticula  der 
Tentakeln  ist  dick,  eine  Körnelung  ist  auch  vorhanden,  aber  die  runden, 
intensiv  färbbaren  Körner  scheinen  hier  frei  in  der  oberflächlichsten 
Plasmaschicht  zu  liegen  (Taf.  VII,  Fig.  15  cu).  Wie  schon  erwähnt, 
haben  die  Epithelmuskelzellen  eine  stark  faserige  Struktur;  im  Epithel 
und  in  der  Nähe  der  Kerne  durchkreuzen  sich  die  Fasern  in  allen  Eich- 
tungen; in  den  Muskelfalten  nehmen  sie  basalwärts  einen  immer  mehr 
parallelen  Verlauf  an.  Im  tiefsten  Teil  der  Epithelmuskelzellen  kommt 
es  zur  Ausbildung  gut  individualisierter,  dicker  glatter  Fasern,  die 
sich  mit  Eisenhämatoxylin  intensiv  schwärzen  und  stark  lichtbrechend 
sind.  Diese  Fasern  verlaufen  radial  zur  I;ängsachse  der  Tentakeln  und 
sind  sowohl  auf  Längs-  als  auf  Querschnitten  deutHch  (Taf.  VII,  Fig.  15 

—  Cuficula 

_  Große  Nessel- 
kapsel 

Nesselzell- 

-'"'     stiele 

-  -  _  Kern  einer 
Epilhelmuskelzelle 

-—Stätzlamelle 


Carmarina  Mstala. 


Textfig.  5. 
Querschnitt  durch  das  Tentakelepithel. 


r/).  Sie  verlaufen  zunächst  eine  Strecke  lang  im  mittleren  plasmatischen 
Strang,  biegen  dann  aber  um  und  ziehen  zu  den  Längsmuskeln,  mit 
denen  sie  sich  zu  vereinigen  scheinen.  Unzweifelhaft  handelt  es  sich 
hier  um  eine  Einrichtung,  welche  vor  allem  eine  stärkere  Verbindung 
der  Epithelzellen  mit  den  Muskelfasern  bewirken  soll.  Den  radialen 
Fasern  könnte  elastische  oder  muskulöse  Natur  zugeschrieben  werden; 
färberisch  verhalten  sie  sich  wie  Muskelfasern.  Möglicherweise  haben 
wir  es  hier  mit  einem  schwach  entwickelten  System  radialer  Muskel- 
fasern zu  tun. 

Die  Längsmuskelfasern  der  Tentakeln  von  Carmarina  sind 
ebenso  wie  die  von  Pelagia  spindelförmig  und  aus  Myofibrillen  zu- 
sammengesetzt. Auf  Macerationspräparaten  lassen  sie  sich  leicht  in 
Fibrillen  spalten;  auf  Querschnitten  sind  die  Myofibrillen  als  schwarze 


Beiträge  zur  Histologie  der  Medusen.  315 

unregelmäßige  Punkte  sichtbar.  Die  Muskelfasern  der  Tentakeln  sind 
im  Vergleich  mit  den  glatten  Längsmuskelfasern  des  Manubriums  sehr 
dick,  Avie  es  die  Querschnitte  zeigen  (Taf.  VII,  Fig.  15  m/;  Taf.  VIII, 
Fig.  27  rm). 

Als  gemeinsames  Merkmal  der  Tentakelmuskulatur  von  Carma- 
rirui  und  von  Pelagia  ergibt  sich  somit  die  Gestalt  und  Struktur  ihrer 
Muskelfasern,  sowie  die  Anordnung  derselben  an  den  Wänden  der 
Muskelfalten.  Während  aber  bei  Carmarina  die  Muskelzellen  epithelial 
geblieben  sind,  sind  sie  bei  Pelagia  vollständig  aus  dem  Epithel  aus- 
getreten, was  vielleicht  mit  der  Ausbildung  der  Muskelfalten  zusammen- 
hängt. Auch  besteht  bei  Pelagia  in  den  Tentakeln  ebenso,  wie  in  der 
übrigen  Muskulatur  jede  Muskelzelle  aus  einem  Zellkörper  und  einer 
Muskelfaser,  bei  Carmarina  gehören  mehrere  Muskelfasern  zu  jedem 
Myoblast. 

Sehr  interessant  ist  das  Verhalten  der  Tentakel  von  Carmarina 
bei  der  Kontraktion,  die  ja  hier  einen  ganz  enormen  Umfang  erreicht i. 
Wenn  die  Tentakel  ausgestreckt  sind,  kann  man  feststellen,  daß  die 
großen  Nesselzellen  um  die  Tentakelachse  in  Ringen  angeordnet  sind, 
welche  durch  nesselzellfreie  Epithelstreifen  voneinander  getrennt  sind. 
Bei  der  Kontraktion  verkürzt  sich  die  Stützlamellenachse  außerordent- 
lich und  nimmt  an  Umfang  zu.  Das  weniger  elastische  Epithel  legt 
sich  aber  in  Falten  (Textfig.  5)  und  zwar  immer  so,  daß  die  Nessel- 
zellen an  die  Oberfläche  zu  liegen  kommen  und  die  nesselzellfreien 
Teile  des  Epithels  bedecken. 

5.  Zusammenfassung. 

Aus  den  mitgeteilten  Tatsachen  geht  hervor,  daß  die  Muskulatur 
der  Medusen  in  ihrer  Ausbildung  eine  große  Mannigfaltigkeit  zeigt. 
Dieselbe  äußert  sich  in  dem  Grade  und  in  der  Art  der  Faltung  der 
Muskellamelle,  sowie  in  dem  mehr  oder  weniger  vollständigen  Aus- 
treten der  Muskelzellen  aus  dem  Körperepithel,  ferner  im  Verhältnis 


1  Es  ist  sehr  schwer,  die  Tentakel  ausgedehnt  zu  fixieren,  da  Lösungen 
von  Magnesiumchlorid  oder  Magnesiumsulfat,  welche  eine  vollständige  Lähmung 
der  übrigen  Muskulatiu-  von  Carmarina  bewirken,  gar  keinen  Einfluß  auf  die  Ten- 
takelmuskulatur haben.  Nachdem  die  Tentakeln  mehrere  Stunden  in  den  genannten 
Lösungen  verweilten,  blieben  sie  noch  vollständig  kontraktionsfähig.  Dies  wurde 
auch  schon  von  A.  Bethe  (1903)  beobachtet.  Eine  Fixierung  der  gestreckten 
Tentakeln  kami  man  nur  dadurch  erzielen,  daß  man  eine  Carmarina  durch  all- 
mähliches Zugießen  von  Formol  zum  Seewasser  absterben  läßt,  und  nachträghch 
mit  FLEMMiNOscher  Lösung  oder  Subhmat  fixiert. 

21* 


316  Sophie  Krasinska. 

des  Zellkörpers  (Myoblast)  zur  Muskelfaser  und  der  Struktur  der  Muskel- 
fasern selbst. 

Es  lassen  sich  zwei  Typen  der  Faltung  der  Muskellamelle  unter- 
scheiden. Als  Beispiele  des  ersten,  welcher  in  der  Körperniuskulatur 
der  Medusen  allgemein  vorkommt,  können  die  Subumbrella  von  Pe- 
lagia  (Taf.VII,  Fig.  10)  und  das  Manubrium  yon  Carmarina  (Taf.  VIII, 
Fig.  27)  dienen.  Das  Ectoderm  ist  hier  nur  durch  eine  dünne  Stütz- 
lamelle oder  durch  eine  schwach  entwickelte  Gallertschicht  vom  Ento- 
derm  getrennt.  Die  Faltung  kommt  dadurch  zustande,  daß  dünne 
Stützlamellenleisten,  sozusagen  in  das  Ectoderm  emporwachsen.  Dabei 
ist  ein  vollständiger  Austritt  der  Muskelzellen  aus  dem  Epithel  bei  den 
Medusen  noch  nicht  beobachtet  worden,  obwohl  die  Falten  manchmal 
eine  sehr  große  Höhe  erreichen  (Manubrium  von  Carmarina). 

Einen  andern  Typus  der  Faltung  zeigen  die  Tentakeln  von  Pelagia. 
(Textfig.  3,  S.  308).  Hier  senken  sich  vom  Ectoderm  aus  tiefe  Muskelfalten 
in  die  dicke  Stützlamellehinab,  wobei  die  Falten  durch  Einschnürungen 
der  Stützlamelle  in  einzelne  Partien  zerlegt  werden  können.  Ein  Austritt 
der  Muskulatur  aus  dem  Epithel  kann  hier  schon  bei  ganz  schwacher 
Faltung  vorkommen,  indem  sich  ganz  seichte  Falten  vom  Epithel 
vollständig  abschnüren.  Ein  derartiger  Faltungsvorgang  scheint  bei 
den  Coelenteraten  überall  da  vorzukommen,  wo  eine  dicke  Stütz- 
lamelle, oder  ein  mächtiges  Mesenchym  zwischen  Ento-  und  Ectoderm 
liegen  (vgl.  0.  und  R.  Hertwig  (1879),  C.  Claus  (1878,  2). 

Einen  Übergang  zwischen  beiden  Typen  stellen  die  Tentakeln 
von  Carmarina  (Textfig.  4.  S.  311)  vor,  denn  die  Stützlamellenleisten 
sind  hier  sehr  dick  und  ihre  Enden  ^vtdstförmig  verdickt,  wodurch  die 
Muskelfalten  etwas  vom  Epithel  abgetrennt  werden. 

Eine  sehr  eigentümliche  Ausbildung  der  Muskulatur  zeigt  die 
Subumbrella  von  Neoturris  und  .4e5'worea  (Taf.  VII,  Fig.  3  u.  4).  Ober- 
halb der  circulären  Muskelfaserschicht  und  ihrer  Myoblasten  ist  hier  eine 
Epithelschicht  entwickelt  worden,  welche  an  ihrer  Basis  glatte  radiale 
Muskelfasern  gebildet  hat.  Die  circulären  und  radialen  Muskelfasern 
kreuzen  sich  unter  rechten  Winkeln,  und  es  wäre  vielleicht  erlaubt,  in 
dieser  Ausbildung  der  Muskulatur  eine  Art  von  sehr  primitivem  Muskel- 
schlauch za  sehen.  Die  gesamte  circuläre  Muskulatur  liegt  hier  sub- 
epithelial, da  sie  nach  außen  von  der  zweiten  Epithelschicht  bedeckt 
ist;  eine  Faltung  der  Muskellamelle  ist  jedoch  nur  in  der  Nähe  des 
Schirmrandes  vorhanden. 

Aus  dem  eben  Gesagten  geht  klar  hervor,  daß  zwischen  der  Faltung 
der  Muskellamelle  und  dem  Austreten  der  Muskelzellen  aus  dem  Epi- 


Beiträge  zur  Histologie  der  Medusen.  317 

thel  gar  keine  Proportionalität  herrscht.  Echte  Epithel muskel - 
Zeilen  finden  wir  ebensowohl  in  den  Tentakeln  von  Neoturris  und 
Aequorea  und  der  Subumbrella  von  Carmarina  (Taf.  VII,  Fig.  1  und  2), 
wo  die  Muskellamelle  ungefaltet  bleibt,  —  als  in  der  Subumbrella 
von  Pelagia,  (Taf.  VII,  Fig.  10  und  11),  wo  sie  stark  gefaltet  ist.  Auch 
in  dem  Manubrium  und  in  den  Tentakeln  von  Carmarina  (Taf.  VII, 
Fig.  15;  Taf.  VIII,  Fig.  27),  bei  der  stärksten  Faltung  der  Muskel- 
lamelle, sind  die  Muskelzellen  mehr  oder  weniger  vollständig 
epithelial  geblieben. 

Nur  die  Muskelzellen  der  Tentakeln  von  Pelagia  (Tai.  VIII, 
Fig.  17  und  20)  und  der  Subumbrella  von  Neoturris  und  Aequorea 
(Tai.  VII,  Fig.  3  und  4)  sind  vollständig  aus  dem  Epithel  aus- 
getreten. Dabei  ist  im  ersteren  Fall  die  Muskellamelle  stark  ge- 
faltet, in  den  beiden  letzteren  dagegen  kommt  eine  Faltung  nur  in  der 
Nähe  des  Schirmrandes  vor,  der  größte  Teil  der  Subumbrellarfläche 
besitzt  eine  vollständig  glatte  Stiitzlamelle  und  subepithelial  gelegene 
Muskelzellen. 

0.  und  R.  Hertwig  (1880)  haben  ein  Schema  der  Entwicklung 
der  epithelialen  Muskelfaserschicht  zu  selbständigem  Muskelgewebe 
aufgestellt.  Die  Tätigkeit  der  Muskulatur  soll  ihre  Volumzunahme 
verursachen,  die  zur  Faltung  der  Muskellamelle  führe,  letztere  rufe 
schließlich  das  Austreten  der  Muskelzellen  aus  dem  Epithel  hervor. 
>>So  ist  in  letzter  Instanz  die  Muskeltätigkeit  als  der  Faktor  zu  be- 
zeichnen, der  aus  dem  Epithelnmskelgewebe  ein  selbständiges  Muskel- 
gewebe macht  <<  (vgl.  S.  262,  vorn). 

Die  eben  zusammengestellten  Befunde  passen  in  dieses  Schema 
nicht.  Es  herrscht  unzweifelhaft  eine  Proportionalität  zwischen  der 
Muskeltätigkeit  und  der  Faltung  der  Muskellamelle,  da  eine  Ver- 
mehrung der  Zahl  der  Muskelfasern  nur  bei  gleichzeitiger  Faltung  der 
Muskellamelle  zustande  kommen  kann.  Da  aber  zwischen  der  Faltung 
und  dem  Austreten  der  Muskelzellen  aus  dem  Epithel  gar  keine  Pro- 
portionalität herrscht,  und  da  ferner  die  Muskelzellen  auch  da  aus 
dem  Epithel  austreten  können,  wo  gar  keine  Faltung  vorkommt,  läßt 
sich  bei  den  Medusen  die  Muskeltätigkeit  keinesfalls  als  der  Faktor 
bezeichnen,  welcher  zur  Bildung  eines  vom  Epithel  abgelösten  Muskel- 
gewebes führt. 

In  der  Subumbrella  von  Neoturris  und  Aequorea  steht  jedenfalls 
der  Austritt  der  circulären  Muskulatur  aus  der  Körperoberfläche,  mit 
der  Ausbildung  einer  zweiten  radialen  Muskelfaserschicht  außerhalb 
der  circulären  im  Zusammenhange.     In  den  Tentakeln  von  Pelagia, 


318  Sophie  Krasinska, 

ist  es  die  schon  beschriebene  abweichende  Ausbildung  der  Muskelfalten, 
welche  ein  frühzeitiges  Austreten  der  Muskelzellen  aus  dem  Epithel 
bedingt. 

Die  Muskulatur  der  Medusen  setzt  sich  im  allgemeinen 
aus  einzelnen  gut  individualisierten  Muskelzellen  zusam- 
men. So  besteht  die  gesamte  Muskulatur  von  Pelagia,  sowie  die  Ten- 
takelmuskulatur und  die  circuläre  Muskelfaserschicht  der  Subumbrella 
von  Neoturris  und  Äequorea  aus  leicht  isolierbaren  Muskelzellen.  Bei 
Carmarina  konnten  individualisierte  Epithelmukelzellen  in  der  Sub- 
umbrella und  im  Manubrium  nachgewiesen  werden,  in  den  Tentakeln 
wurden  die  Verhältnisse  allerdings  nicht  aufgeklärt  und  es  ist  nicht 
ausgeschlossen,  daß  hier  eine  Verschmelzung  von  Epithelmuskelzellen 
vorkommt.  —  Soweit  sich  feststellen  ließ,  scheint  die  zu  einer  Zelle 
(Myoblast)  gehörende  Muskelfaser  keine  sekundären  Verbindungen  mit 
den  andern  Epithelzellen  unter  welchen  sie  verläuft,  einzugehen,  so 
daß  die  Muskelfasern  nur  mit  ihren  Myoblasten  in  Ver- 
bindung stehen. 

Während  aber  bei  Pelagia,  Neoturris  und  Äequorea 
zu  jedem  Myoblast  eine  einzige  Muskelfaser  gehört,  scheidet 
bei  Carmarina  jeder  Myoblast  mehrere  Muskelfasern  ab. 

Ganz  anders  als  die  besprochene  Muskulatur  der  Me- 
dusen verhält  sich  die  radiale  Subumbrella muskulatur  von 
Neoturris  und  Äequorea.  Hier  haben  sich  an  der  Basis 
eines  flachen  Epithels  ohne  deutliche  Zellgrenzen,  radiale  Muskel- 
fasern gebildet,  die  miteinander  anastomosieren.  Das  langmaschige 
Fasernetz,  welches  dadurch  entsteht,  erstreckt  sich  kontinuierhch 
unter  dem  ganzen  Epithel,  ohne  daß  man  einzelne  Muskelfasern  unter- 
scheiden kann.  Es  läßt  sich  hier  weder  von  individualisier- 
ten Zellen,  noch  von  individualisierten  Muskelfasern  spre- 
chen; das  gegenseitige  Verhältnis  beider  ist  nicht  bestimmt 
festzustellen. 

Die  circuläre  Muskelfaserschicht  der  Subumbrella  und 
des  Velums  besteht  bei  allen  untersuchten  Medusen  aus  quergestreiften, 
die  radiale  aus  glatten  Muskelfasern.  Die  Tentakelmuskulatur  von 
Carmarina  und  Pelagia  ist  ebenfalls  glatt.  Der  Unterschied  zwischen 
den  glatten  Muskelfasern  der  Tentakeln  und  denen  des  Manubriums 
und  der  Mundarme  ist  sehr  bedeutend,  indem  die  ersteren  eine  aus- 
gesprochen fibrilläre  Struktur  besitzen,  die  letzteren  keine  Spur  davon. 

Die  Querstreifung  der  circulären  Muskulatur  ließe  sich  vielleicht 
mit  der  Rhythmik  der  Schirmkontraktionen,  oder  mit  der  intensiven 


Beiträge  zur  Histologie  der  Medusen.  319 

Arbeit,  welche  sie  zu  leisten  hat,  in  Zusannnenhang  bringen, — die 
fibrilläre  Struktur  der  Tentakelmuskeln  mit  ihrer  außerordentlich 
großen  Kontraktionsfähigkeit. 

Auf  Grund  der  eben  zusammengestellten  Tatsachen  und  der  Be- 
funde andrer  Forscher  kann  man  die  Muskulatur  der  vier  Haupt- 
gruppen der  Medusen  etwa  folgendermaßen  charakterisieren. 

Die  Antho-  und  Leptomedusen,  soweit  dieselben  von  den 
Hertwigs  (1878)  und  mir  untersucht  wurden,  haben  immer  eine  glatte 
Stützlamelle  und  echte  Epithelmuskelzellen  in  den  Tentakeln.  In 
der  quergestreiften  Muskulatur  der  Subumbrella  sind  die  Myoblast- 
zellen  immer  sehr  klein  und  niedrig  (vgl.  Taf.  VII,  Fig.  10,  Neoturris), 
unabhängig  davon,  ob  sie  subepithelial  {Aequorea,  Neoturris)  oder  epi- 
thelial liegen  {Lizzia,  Mitrocoma,  nach  0.  und  R.  Hertwig).  Bei 
Neoturris  und  Aequorea  kommt  in  der  Subumbrella  eine  spärliche 
radiale  Muskelfaserschicht  oberhalb  der  circulären  zur  Ausbildung 
(Taf.  VII,  Fig.  7).  Eine  ähnhche  radiale  Muskulatur  wurde  in  der 
Subumbrella  von  Lizzia  beobachtet  (0.  und  R.  Hertwig  [1878]),  ist 
aber  auf  die  Gegend  der  Radialkanäle  beschränkt.  Durch  ihren  syn- 
cytialen  Charakter  unterscheidet  sich  diese  radiale  Muskulatur  von 
der  gesamten  übrigen  Muskulatur  der  Medusen;  sie  wurde  bisher  bei 
Trachymedusen  und  Acraspeden  nie  angetroffen. 

Die  Ausbildung  der  Muskulatur  von  Pelagia  darf  nicht  als  für 
die  ganze  Gruppe  der  Acalephen  charakteristisch  angesehen  werden. 
Die  Muskulatur  von  Rhizostoma,  welche  von  Hesse  (1895)  untersucht 
wurde,  ist  jedenfalls  von  derjenigen  der  Pelagia  sehr  verschieden.  Bei 
Pelagia  fällt  der  Unterschied  zwischen  den  sehr  hohen  Epithelmuskel- 
zellen der  Subumbrella  (Taf.  VII,  Fig.  11)  und  den  sehr  kleinen  Zell- 
körpern der  ganz  subepithelial  gelegenen  Muskelzellen  der  Tentakeln 
auf  (Taf.  VIII,  Fig.  21).  Wir  begegnen  bei  dieser  Meduse  einer  ganz 
epithelialen  Muskulatur  in  der  Subumbrella,  in  den  Tentakeln  dagegen 
der  vollkommensten  Verlagerung  der  Muskulatur  unter  das  Epithel, 
und  zwar  in  eigentümlich  typischer  Weise,  wie  sie  nur  noch  bei  Cha- 
ryhdea  gefunden  wurde. 

Die  gesamte  Muskulatur  von  Carmarina  hastata  wird  durch  das 
Verhalten  der  Myoblasten  charakterisiert,  von  denen  jeder  mehrere 
Muskelfasern  bildet.  Es  ist  nicht  aufgeschlossen,  daß  diese  Eigentüm- 
lichkeit nicht  nur  bei  den  Geryoniden,  sondern  in  der  ganzen  Gruppe 
der  Trachymedusen  weiter  verbreitet  ist.  Aus  der  Arbeit  der  Gebr. 
Hertwig  (1878)  geht  hervor,  daß  bei  den  Aeginiden,  Trachyne- 
miden  und  Gervoniden  die  circuläre  subumbrellare  Muskelschicht 


320  Sophie  Krasiuska, 

von  großen  flachen  Epithelzellen,  ebenso  wie  bei  Carmanna  überdeckt 
ist;  es  scheint  deshalb  möglich,  daß  diese  Epithelzellen  wie  bei  Carma- 
rina  mit  mehreren  Muskelfasern  zusammenhängen.  Meine  eignen  Be- 
obachtungen an  Macerationspräparaten  und  Schnitten  von  Aeginiden 
ergaben,  daß  in  ihrer  Subumbrella  das  Verhältnis  der  Myoblasten  zu 
den  Muskelfasern  das  gleiche  sein  muß  wie  bei  Carmanna. 

Die  Tatsache,  daß  bei  Carmanna  eine  Zelle  mehrere  Muskelfasern 
bildet,  steht  nicht  vereinzelt  da.  So  haben  z.  B.  Blochmann  und  B. 
Bettendorf  für  die  Muskulatur  der  Trematoden  und  Cestoden  fest- 
gestellt, daß  mehrere  Muskelfasern  mit  einem  Myoblast  zusammen- 
hängen. Für  die  Siphonophoren  wurde  das  gleiche  von  Th.  Schaeppi 
(1903)  gefunden.  Allerdings  behauptet  letzterer,  daß  nicht  nur  jede 
Zelle  mit  mehreren  Muskelfasern  zusammenhängt,  sondern  jede  Muskel- 
faser auch  secundär  mit  mehreren  Zellen  in  Verbindung  trete.  Ist  das 
wirklich  der  Fall,  so  hat  die  Muskulatur  der  Siphonophoren  einen 
andern  Charakter  als  die  von  Carmarina. 

II.  Nesselzellstiele. 

Ich  reihe  hier  die  Besprechung  der  Nesselzellstiele  an,  obwohl  ihre 
muskulöse  Natur  noch  keinesfalls  als  sicher  bewiesen  gelten  kann. 
Über  die  Natur  der  Nesselzellstiele  werden  die  verschiedensten  Meinun- 
gen geäußert.  Manche  Autoren,  z.  B.  Hamann  (1882),  Lendenfeld 
(1897),  IwANZOFF  (1896),  K.  C.  Schneider  (1890,  bei  Fcnnaria)  halten 
sie  für  Stützgebilde.  Andre,  so  z.  B.  Chun  (1891,  1892),  Will  (1909), 
Murbach  (1893,  1894),  K.  C.  Schneider  (bei  Hydra  und  Carmarina) 
(1890,  1892),  Toppe  (1910)  erklären  sie  für  muskulös.  Eine  dritte 
Ansicht  vertritt  J.  Hadzi  (1909),  der  sie  für  Bildungen  eigner  Art 
hält,  die  elastische  und  muskulöse  Eigenschaften  in  sich  vereinigen. 

Von  den  genannten  Autoren  wurden  die  verschiedensten  Coelen- 
teraten  untersucht :  craspedote  und  acraspede  Medusen,  Siphonophoren 
und  Actinien.  Es  hat  sich  herausgestellt,  daß  die  Nesselzellstiele  recht 
verschieden  sein  können,  daß  sie  z.  B.  in  manchen  Fällen  mit  musku- 
lösen Differenzierungen  der  Nesselzelle  in  Verbindung  stehen,  während 
solche  Differenzierungen  bei  andern  Nesselzellen  vollständig  fehlen. 
Ich  halte  es  für  verfehlt,  von  den  »Nesselzellstielen«  im  allgemeinen 
zu  reden,  und  auf  Grund  der  bei  einzelnen  Coelenteraten  gefundenen 
Verhältnisse  diejenigen  bestreiten  zu  wollen,  welche  bei  andern  Formen 
gefunden  wurden.  Ich  beschränke  mich  daher  auf  die  Besprechung 
der  Befunde  solcher  Forscher,  die  ebenso  wi«  ich  die  Nesselzellstiele 
von   Carmarina  hastata  und  Pelagia  noctiluca  untersuchten. 


Beiträge  zur  Histologie  der  Medusen.  321 

Unter  den  Forscliern,  welche  die  Nesselzellstiele  von  Carmarina 
untersuchten,  erklärten  sie  Hamann  (1882)  und  Iwanzoff  (1896)  für 
8tützgebilde,  K.  C.  Schneider  (1893)  und  Toppe  (1910)  dagegen  für 
Muskeln.  Während  Iwanzoff  nur  bemerkte,  daß  er  keine  Beweise 
für  ihre  muskulöse  Natur  finden  konnte,  begründete  Hamann  seine 
Ansichten  damit,  daß  die  Stiele  mit  der  Stützlamelle  verwachsen  seien, 
und  sie  sich  wie  letztere  mit  Pikrocarmin  rosa  färben. 

Das  färberische  Verhalten  der  Nesselzellstiele  und  der  Stütz- 
lamelle ist  indessen  andern  Farbstoffen  gegenüber  ein  grundverschie- 
denes: Die  Stiele  färben  sich,  wie  die  Muskelfasern  sehr  intensiv  mit 
Eosin,  Fuchsin  S,  und  Safranin,  —  während  die  Stützlamelle  diese 
Farbstoffe  nicht  annimmt.  Auf  Schnitten,  die  nach  der  Mallory- 
Methode  behandelt  wurden,  sind  die  Stiele  intensiv  rot,  die  Stützlamelle 
intensiv  blau,  und  man  kann  deutlichst  feststellen,  wie  die  zer- 
faserten Stielenden  und  die  faserigen  Auswüchse  der  Stützlamelle  inein- 
andergreifen i.  (Textfig.ö,  S.  314).  An  den  Tentakeln  differenziert  das 
Eisenhämatoxylin  ebenfalls  sehr  scharf  die  Stiele,  welche  sich  intensiv 
schwarz  färben  {st.d.nz.)  von  der  Stützlamelle  {stl),  die  hier  nur  schwach 
grau  erscheint  (Taf.  VII,  Fig.  15,  Carmarina,  Taf.  VIII,  Fig.  22,  Pehgia). 
Das  starke  Lichtbrechungsvermögen  der  Stiele  und  ihre  Längsstreifung 
machen  sie  den  Muskelfasern  außerordentlich  ähnlich.  Deshalb  gleichen 
die  Stiele  von  Carmarina  und  Pelagia  viel  mehr  Muskel-  als  Stütz- 
gebilden. Ihre  vermutHche  Funktion  bei  der  Entladung  der  Nessel- 
kapseln ziehe  ich  als  Beweis  ihrer  muskulösen  Natur  nicht  heran,  da 
ja  diese  Wirksamkeit  noch  nicht  als  sicher  bewiesen  gelten  kann. 

Daß  die  Stiele  neben  muskulösen  Eigenschaften  auch  elastische 
haben  können,  ist  sehr  wahrscheinlich,  denn  wie  es  Hadzt  hervor- 
gehoben hat,  wird  bei  der  Kontraktion  der  Tentakeln  das  Tentakel- 
epithel ungemein  höher,  die  Nesselkapseln  bleiben  aber  immer  an 
seiner  Oberfläche,  so  daß  sich  die  Stiele  bedeutend  verlängern  müssen, 
Hadzi  (1909)  hat  die  Dehnung  der  Nesselzellstiele  von  Tubularien  und 
Campanularien  direkt  beobachtet,  dasselbe  ließe  sich  wohl  auch  bei 
Pelagia  und  Carmarina  unschwer  feststellen. 

Carmarina. 
Wie  BouLENGER  (1910)  und  Hadzi  (1911)  bewiesen  haben,  wan- 
dern die  Nesselzellen  bei  Carmarina  vom  Schirmrand  aus  in  die  Ten- 
takeln hinein.     Boulenger  bildet  einen  Längsschnitt  durch  die  Ten- 


1  0.  Toppe  (1910)  gibt  ausgezeichnete  Abbildungen  der  Verwachsung  der 
Nesselzellstiele  von  Pelagia  und  Carmarina  mit  der  Stützlamelle. 


322  Sophie  Krasiiiska, 

takel Wurzel  ab,  auf  dem  man  die  Einwanderung  der  Nesselzellen  in 
die  Muskelfalten  sehen  kann.  Auch  meine  Präparate  beweisen,  daß 
eine  solche  Einwanderung  tatsächlich  stattfindet.  Denn  erstens  findet 
man  frühe  Entwicklungsstadien  der  Nesselkapseln  ausschließlich  am 
Schirmrand,  wo  nie  explosionsfähige  aufgestellte  Kapseln  vorkommen, 
zweitens  sind  in  den  Tentakeln  reife,  an  der  Epitheloberfläche  auf- 
gestellte Kapseln  massenhaft  vorhanden,  aber  frühe  Entwicklungs- 
stadien kommen  in  den  Tentakeln  nie  vor,  drittens  findet  man  parallel 
zur  Tentakelachse  wandernde  Nesselzellen  in  der  Tiefe  der  Muskelfalten, 
Unterhalb  des  Nesselwulstes  des  Schirmrandes  liegt  ein  Strang  embryona- 
ler Zellen,  der  unzweifelhaft  die  Bildungszellen  der  Nesselkapseln  liefert. 

In  den  Nesselzellen,  welche  man  in  den  Muskelfalten  wandernd 
antrifft,  ist  die  Nesselkapsel  immer  schon  angelegt,  ich  ver- 
mute jedoch,  daß  ganz  reife  Nesselzellen  nicht  mehr  wandern. 
Ein  letzter  chemischer  Reifungsprozeß  läßt  sich  im  Moment  der  Auf- 
stellung der  Nesselkapseln  durch  geeignete  Färbungsmethoden  nach- 
weisen. Mit  der  MALLORY-Methode  färben  sich  die  in  der  Tiefe  der 
Muskelfalten  liegenden  Nesselkapseln  blau  und  nur  der  Achsenteil 
ihres  Fadens  wird  rot,  die  aufgestellten  Nesselkapseln  dagegen  orange ; 
blau  bleibt  nur  die  Kapselmembrau.  Der  Umschlag  in  der  Färbung 
kommt  zustande  während  die  Nesselzellen  aus  der  Tiefe  der  Muskel- 
falten gegen  die  Oberfläche  rücken.  Man  kann  alle  Übergänge  zwischen 
rein  blauen  und  orangen  Kapseln  beobachten.  Der  Reifungsprozeß 
scheint  aber  nicht  immer  im  gleichen  Moment  stattzufinden,  denn 
man  findet  Nesselkapseln,  die  schon  orange  gefärbt  sind,  wenn  sie 
ihre  Stiele  zu  bilden  anfangen,  und  bläulich  gefärbte  aufgestellte  Kapseln. 
Eisenhämatoxylin  differenziert  die  unreifen  und  reifen  Nesselkapseln 
gleichfalls  recht  scharf.  Die  unreifen  Kapseln  werden  ganz  schwarz 
gefärbt,  dann  werden  sie  allmählich  heller,  bis  nur  der  Nesselfaden 
dunkel  bleibt,  die  meisten  aufgestellten  Kapseln  sind  ganz  farblos 
(Taf.  VII,  Fig.  15  gr.nz).  Wegen  dieser  Färbungsunterschiede  vermute 
ich,  daß  die  wandernden  Nesselkapseln  noch  nicht  explosionsfähig  sind. 
Eine  andre  Ansicht  vertritt  J.  Hadzi  (1909),  der  bei  Campanularia 
und  Tuhularia  ebenfalls  Färbungsunterschiede  zwischen  den  wandern- 
den und  aufgestellten  Kapseln  beobachtete,  aber  doch  die  Explosions- 
fähikeit  der  wandernden  Cniden  behauptet. 

Auf  Schnitten  bemerkt  man  in  den  meisten  Muskelfalten  nur 
wenige  wandernde  Nesselzellen  (Taf.  VII,  Fig.  15  grr.nz.);  manchmal 
ist  jedoch  die  Falte  von  Nesselzellen  ganz  erfüllt,  in  solchen  Fällen 
fand  ich  zuweilen  sogar  eine  teilweise  bis  vollständige  Degeneration 


Beiträge  zur  Histologie  der  Medusen.  323 

der  Muskeln.  In  der  Basalregion  des  äußeren  Epithels  angelangt,  legen 
sich  die  Kapseln  mit  einer  Seite  dem  distalen  Wulste  der  Stützlamellen- 
leiste an  {stl.ls.),  wobei  der  Kern  der  Nesselzelle  immer  basal  liegt. 
Nun  beginnt  die  Bildung  der  Stiele.  "Wie  Hadzi  (1909)  hervorhebt, 
erreichen  die  Nesselzellen  die  Tentakeloberfläche  nicht  durch  Hinauf- 
wandern, um  dann  erst  die  Stiele  zu  bilden,  sondern  durch  die  Stiel- 
bildung selbst.  Da  die  Stielbildung  bei  Carmarina  von  einer  Seite 
der  Zelle  ausgeht,  (Taf.  VII,  Fig.  15),  so  entspringen  auch  bei  den 
aufgestellten  Zellen  die  Stiele  von  der  den  Kern  enthaltenden  Seite 
der  Zelle.  Dieses  hat  schon  Iwanzoff  (1896)  bemerkt  und  richtig 
gedeutet.  Das  Aufrichten  der  Kapsel  geschieht  derart,  daß  die  dem 
späteren  distalen  Ende  der  Kapsel  näher  liegenden  Stiele  stärker 
wachsen  als  die  andern.  Die  in  einem  Anfangsstadium  der  Stielbil- 
dung begriffene  Nesselzelle  auf  Fig.  15  (Taf.  Vll)  und  die  nach  einem 
Macerationspräparat  gezeichnete  (Fig.  16),  mit  etwas  längeren  Stielen 
versehene,  jedoch  cnidocillose  und  noch  nicht  aufgerichtete  Zelle, 
stellen  zwei  Stadien  der  Stielbildung  vor.  Iwanzoff  (1896)  sah  schon, 
daß  die  Nesselzellen  immer  mehrere  Stiele,  und  zwar  meist  sieben  be- 
sitzen, und  daß  die  Stiele  bandförmig  sind.  Ich  kann  diese  Angaben 
bestätigen.  Die  bandförmige  Gestalt  läßt  sich  auf  Macerationspräpa- 
raten  feststellen,  und  folgt  aus  dem  Vergleich  von  Quer-  und  Längs- 
schnitten durch  die  Tentakeln.  Auf  Querschnitten  wird  die  breite 
Seite  (Taf.  VII,  Fig.  15),  auf  Längsschnitten  die  schmale  Seite  der 
Nesselzellstiele  getroffen  (Textfig.  5,  S.314). 

Schneider  (1893)  fand  nur  einen  Stiel  an  den  Nesselzellen  von 
Carmarina,  was  sich  nur  so  erklären  läßt,  daß  er  durch  Übermacerieren 
die  andern  zum  Abfallen  brachte.  Auch  beschreibt  er  die  Stiele  als 
schlauchförmig.  Wenn  Iwanzoff  neben  den  gestielten  auch  stiellose 
Nesselzellen  beschrieb,  so  bezog  sich  dies  unzweifelhaft  auf  noch  wan- 
dernde Cniden. 

Die  Nesselzellen  von  Carmarina  lassen  sich  sehr  leicht  isolieren 
(Taf.  VII,  Fig.  16).  Iwanzoff  (1896)  gab  ausgezeichnete  Abbildungen 
isolierter  Nesselzellen.  Die  Kapsel  ist  lang  und  schmal,  ihre  Gestalt 
läßt  sich  wohl  am  besten  als  schwertförmig  bezeichnen ;  der  Kern  liegt 
einer  Seite  der  Kapsel  an;  das  Cnidocil  ist  ziemlich  kurz.  Die  band- 
förmigen Nesselzellstiele  zeigen  eine  feine  Längsstreifung,  sind  sehr 
stark  lichtbrechend,  färben  sich  intensiv  mit  Hämatein  lA,  und  sehen 
überhaupt  wie  Muskeln  aus.  Auf  Macerationspräparaten  scheinen  sie  all- 
mählich in  das  Plasma  der  Nesselzelle  überzugehen.  Ihre  basalen 
Enden  sind  oft  zerfasert. 


324  Sophie  Krasiriska, 

Auf  Schnitten,  wo  die  Stiele  mit  Eisenhämatoxylin  intensiv  schwarz 
gefärbt  sind,  kann  man  jedoch  feststellen,  daß  die  Stiele  nicht  allmählich 
in  das  Zellplasma  übergehen,  wie  es  auf  Macerationspräparaten  zu 
sein  scheint,  sondern  sich  in  eine  Membran  fortsetzen,  welche  die  ganze 
Nesselzelle  mit  Kern  und  Plasma  wie  ein  Mantel  umschließt.  Diese 
Membran  scheint  kontinuierlich  in  das  Cnidocil  überzugehen  (Taf.  VII, 
Fig.  15  gr.nz).  Wenn  man  die  Stiele  der  Nesselzellen  als  muskulös  deutet, 
so  ist  man  wohl  gezwungen,  auch  dieser  Membran  muskulöse  Natur 
zuzuschreiben.  Auf  Querschnitten  durch  die  Nesselzellen  umgibt  die 
Membran  in  zickzackförmiger  Linie  allseits  den  runden  Querschnitt 
der  Kapsel.  Sie  ist  nicht  überall  gleich  dick,  vielmehr  lassen  sich  in 
ihr  Verdickungen  bemerken,  die  eine  Verlängerung  der  Nesselzellstiele 
bilden.  Die  großen  Nesselzellen  von  Carmarina  entbehren  der  feinen 
protoplasmatischen  Stiele,  welche  vielen  Nesselzellen  zukommen;  außer 
den  eben  beschriebenen  mächtigen  Stielen  tragen  sie  keine  proximalen 
Anhänge. 

Außer  den  großen  Nesselzellen  kommen  in  den  Tentakeln  von 
Carmarina  noch  kleine  vor  (Taf.  VII,  Fig.  12  und  Fig.  15  kl.nz). 
Diese  Kapseln  sind  oval,  färben  sich  mit  Eisenhämatoxylin  schwarz, 
mit  Mallory  orange,  und  erscheinen  auf  Schnitten  völlig  homdgen. 
Auf  Macerationspräparaten  (Taf.  VII,  Fig.  12  a — h)  nimmt  die  Kapsel 
einen  stahlgrauen  Ton  an,  und  man  kann  im  Innern  derselben  einen 
feinen  Faden  bemerken,  der  vom  Distalpol  ausgeht  und  wahrscheinlich 
der  Anfangsteil  des  Nesselfadens  ist.  Da  dieser  Faden  sehr  dünn  ist, 
handelt  es  sich  möglicherweise  um  die  von  Bedot  (1890)  als  Spiro - 
cyten  bezeichneten  Nesselzellen,  die  einen  nicht  umstülpbaren  Faden 
enthalten  sollen.  Ich  habe  diese  kleinen  Nesselkapseln  nie  explodiert 
gesehen. 

Die  kleinen  Kapseln  sind  wie  die  großen  schief  zur  Oberfläche 
des  Epithels  gerichtet ;  ihr  Cnicocil  ist  länger  als  der  der  großen  (Taf.  VII, 
Fig.  12).  Der  rundliche  Kern  liegt  der  Kapsel  basal  an,  und  enthält 
viele  intensiv  färbbare  Körner.  Die  Nesselzelle  ist  sehr  plasmaarm 
und  läuft  basal  in  eine  feine  Faser  aus,  die  einer  Nervenfibrille  gleicht. 
Auf  Schnitten  bemerkt  man  manchmal  eigentümliche  Zellen  im  Epithel, 
die  vielleicht  als  Bildungszellen  kleiner  Nesselkapseln  gelten  könnten; 
deshalb  bin  ich  geneigt  anzunehmen,  daß  die  kleinen  Nesselzellen  in 
den  Tentakeln  selbst  entstehen. 

Außer  den  Nesselzellen  kommen  im  Tentakelepithel  noch  zahl- 
reiche kleine  Zellen  mit  runden  Kernen  vor,  die  ich  für  kleine  Gan- 
glienzellen halte,    sie    laufen   in   feine  Fasern   aus   (Taf.  VII,   Fig.  14 


I 


Beiträge  zur  Histologie  der  Medusen.  325 

und  15  kl.  Gz).  An  der  Epitheloberfläche  liegen  ferner  ähnliche,  gleich- 
falls in  feine  Fasern  auslaufende  Zellen,  die  an  ihrem  Distalende  lange 
über  die  Oberfläche  hervorragende  Borsten  tragen,  weshalb  ich  sie 
als  Sinneszellen  deute  (Taf .  VII,  Fig.  13  und  15  Sz).  Alle  beschriebenen 
Zellen  sind  in  eine  faserige  Plasmamasse  eingebettet,  die  den  Distal- 
enden  der  Epithelmuskelzellen  angehört.  Stützzellen  habe  ich  bei 
Carmarina  nie  gesehen.  Es  ist  zu  vermuten,  daß  hier  wie  überall 
die  Nessel-,  Ganglien-  und  Sinneszellen  zwischen  den  Epithelzellen 
und  nicht  in  ihnen  liegen.  Man  kann  dies  aber  hier  nur  aus  der  Analogie 
mit  andern  Medusen  erschließen,  die  gefundenen  Bilder  geben  keinen 
Aufschluß  darüber. 

Wie  erwähnt,  sind  die  großen  Nesselzellen  von  Carmarina  an  den 
Tentakeln  in  Wirtein  angeordnet.  Bei  der  Maceration  haften  die  neben- 
einander angeordneten  Nesselzellen  zusammen,  und  man  erhält  Epithel- 
streifen, die  aus  einer  einzigen  Reihe  von  Nesselzellen  bestehen.  In 
diesen  Streifen  kann  man  sich  am  besten  über  die  gegenseitige  Lage 
der  Nessel-,  Ganglien-  und  Sinneszellen  orientieren.  Zahlreiche  Sinnes- 
und Ganglienzellen  liegen  im  distalen  Teil  des  Epithels  zwischen  den 
Nesselzellen,  aber  sehr  viele  Ganglienzellen  finden  sich  auch  tiefer 
zwischen  den  Stielen.  Bei  weiterer  Maceration  lassen  sich  die  scharf 
konturierten  Nessel-,  Ganglien-  und  Sinneszellen  außerordentlich  leicht 
aus  der  faserigen  Plasmamasse  ausschälen,  und  finden  sich  zahlreich 
und  gut  isoliert  vor. 

Da  ich  bei  Pelagia  zu  den  Nesselzellstielen  gehörende  Kerne  fand, 
vermutete  ich  vorübergehend,  daß  die  zahlreichen,  bei  Carmarina 
zwischen  den  Nesselzellstielen  vorkommenden  Kerne  der  Ganghen- 
zellen,  zu  den  Nesselzellstielen  gehören  könnten^.  Bessere  Macerations- 
präparate,  in  denen  sich  die  kleinen  Ganglienzellen  vollständig  isolieren 
ließen,  sowie  die  auf  Schnitten  und  in  Macerationspräparaten  vor- 
kommenden Bilder  der  Stielbildung  überzeugten  mich  jedoch,  daß 
die  Stiele  von  den  großen  Nesselzellen  selbst  gebildet 
werden. 

P  ela  g  i  a. 
Das  Tentakelepithel  von  Pelagia  (Taf.  VIII,  Fig.  20  und  Fig.  22) 
ist  wesentlich  anders  beschaffen  als  bei  Carmarina:  Die  wenigen  sub- 
epithelialen Muskelzellen  haben  kleine  und  scharf  begrenzte  Zell- 
körper; es  kommen  keine  Ganglienzellen  vor,  und  SinneszeDen  konnten 
auch  nicht  aufgefunden  werden,  so  daß  das  Epithel  hier  im  wesent- 

1  Vgl.  S.  Krasinska  (1912). 


326  Sophie  Krasinska, 

liehen  aus  Stützzellen  {stz)  großen  {nz)  und  kleinen  Nesselzellen 
und  aus  Nesselkapselbildungszellen  (62;)  besteht. 

Die  großen  und  kleinen  Nesselzellen  scheinen  sich  nur  durch  ihre 
Dimensionen  voneinander  zu  unterscheiden.  Kleine  Nesselzellen  finden 
sich  sehr  selten;  sie  haben  keine  muskulösen  Stiege,  laufen  aber  basal 
in  einen  dünnen  protoplasmatischen  Stiel  aus. 

Die  großen  Nesselzellen  sind  immer  ganz  senkrecht  aufgestellt 
und  vollständig  symmetrisch  gebaut.  Der  Deckel  liegt  am  peripheren 
Ende  der  Kapsel;  das  Cnidocil  steht  senkrecht  auf  der  Epitheloberfläche, 
genau  oberhalb  der  Nesselkapsel ;  der  Kern  liegt  basal  unter  der  Kapsel 
(Taf.  VIII,  Fig.  22  nz).  Der  Kern  ist  klein,  etwas  flachgedrückt  und 
färbt  sich  mit  allen  Kernfarbstoffen  sehr  intensiv.  Von  der  Nessel- 
zelle ziehen  mehrere,  allem  Anschein  nach  muskulöse  Stiele  zur  Stütz- 
lamelle.  Sie  sind  schmäler  wie  die  von  Carmarina  und  nicht  band- 
förmig. Mit  Eisenhämatoxylin  färben  sie  sich  intensiv  schwarz 
(Taf  VIII,  Fig  22  st.d.nz)  und  sind  mit  ihren  zerfaserten  Enden  der 
Stützlamelle  aufgewachsen.  Schon  auf  Schnitten  bemerkt  man  kleine 
runde  Kerne,  die  den  Stielen  dicht  anliegen  1.  In  nicht  zu  stark  ma- 
cerierten  Präparaten  kann  man  die  Nesselzellen  im  Zusammenhang 
mit  ihren  Stielen  isolieren  (Taf.  VIII,  Fig.  18),  wobei  sich  deuthch 
zeigt,  daß  jedem  Stiel  ein  Protoplasmaklümpchen  mit  Kern  anhaftet 
(k.d.st.).  Die  Nesselzellstiele  trennen  sich  leicht  von  der  Nesselzelle, 
Jeder  Stiel  mit  Kern  und  Plasma  repräsentiert  eine  selbständige  Muskel- 
zelle, —  die  mit  Stielen  versehene  Nesselzelle  der  Pelagia  —  also  einen 
mehrzelligen  Apparat. 

An  Nesselzellen,  deren  Stiele  sich  abgelöst  haben,  kann  man  sehen, 
daß  die  Zelle  außer  den  dicken  Stielen  noch  einen  dünnen,  basalen, 
protoplasmatischen  Fortsatz  besitzen  (Taf.  VIII,  Fig.  19  pr.st),  der  bis 
zur  Stützlamelle  zieht.  Solche  protoplasmatischen  Stiele  wurden  von 
vielen  Forschern,  so  z.  B.  von  Lendenfeld,  als  nervöse  Fortsätze 
gedeutet. 

Die  Stützzellen  des  Tentakelepithels  haben  einen  ausgesprochen 
drüsigen  Charakter  und  tragen  an  ihrem  freien  Ende  ein  langes  Wimper- 
haar (Taf.  VIII,  Fig.  23).  Der  runde  Kern  liegt  basal  und  ist  viel 
heller  als  die  Kerne  der  Nesselzellen,  und  die  im  tiefen  Teil  des  Ecto- 
derms  liegenden  Kerne  gefärbt.  Basalwärts  verschmälern  sich  die 
Zellen  zu  einem  Fortsatz,  der  zur  Stützlamelle  zieht,  und  dem  musku- 
lösen Stiele  der  Nesselzellen  gleicht. 

1  0.  Toppe  (1910)  hat  die  Kerne  der  Nesselzellstiele  bei  Pelagia  gesehen, 
und  vermutet,  daß  die  Stiele  selbständige  Muskelzellen  sind. 


Beiträge  zur  Histologie  der  Medusen.  327 

Im  basalen  Teil  des  Epithels,  zwischen  den  Stielen  der  Nessel- 
und  Stützzellen,  liegen  die  Nesselkapselbildunuszellen  (Taf.  VIII, 
Fig.  22  bz),  —  außerdem  verläuft  dicht  auf  der  Stützlamelle  ein  Gewirr 
feinster  Nervenfibrillen  (Nfl).  Die  Bildungszellen  {62)  erscheinen  sehr 
verschieden  in  ihren  verschiedenen  Entwicklungsstadien.  Die  hier  in 
allen  Stufen  der  Entwicklung  vorkommenden  Bildungszellen  werden 
frühzeitig  oval,  und  stehen  mit  ihrer  Längsachse  immer  senkrecht  zur 
Stützlamelle.  Parallel  zur  Längsachse  der  Tentakel  liegende  Nessel- 
zellen fand  ich  bei  Pelagia  nie.  Daraus  schließe  ich,  daß  bei  Pelagia  — 
im  Gegensatz  zu  Carmarina  —  die  Nesselzellen  in  den  Tentakeln  selbst 
entstehen,  daß  hier  also  keine  Nesselzellwanderung  stattfindet. 

Außer  den  beiden  beschriebenen  Nesselzellarten  kommt  bei  Pe- 
lagia noch  eine  dritte,  viel  größere  vor,  die  sich  durch  vollkommen 
runde  Gestalt  und  eine  außerordentlich  dicke  Kapselmembran  aus- 
zeichnet 1.  Man  trifft  sie  in  den  Mundarmen  und  den  Nesselwarzen 
der  Exumbrella.  Überall,  wo  sich  diese  großen  Nesselzellen  finden, 
treten  auch  ihre  Bildungszellen  auf.  Somit  scheint  eine  Nessel- 
ze  11  Wanderung  hei  P  elag  ia  überhaupt  nicht  vorzukommen. 

Einen  erheblichen  Unterschied  zeigen  die  Nesselkapselbildungs- 
zellen  bei  Carmarina  und  Pelagia.  Im  Nesselwulst  des  Schirmrandes 
der  ersteren  kann  man  öfters  die  charakteristischen  Bilder  sehen, 
welche  von  vielen  Forschern  als  Beweis  für  die  Bildung  des  Nessel- 
fadens außerhalb  der  Kapsel  gedeutet  werden.  Dagegen  zeigen 
die  Bildungszellen  der  PeZa^m-Tentakeln  sehr  deutlich,  daß  der  Faden 
hier  in  der  Kapsel  entsteht. 

Ich  hebe  diesen  Punkt  hervor,  da  die  Entwicklung  der  Nessel- 
kapseln noch  immer  ungenügend  bekannt  ist.  Es  könnten  viele  zweck- 
lose Diskussionen  vermieden  werden,  wenn  man  zugeben  würde,  daß 
die  Nesselkapseln  verschiedener  Coelenteraten  sich  nicht  nur  in  ihrer 
Form  und  Größe,  sondern  auch  in  ihrer  Entstehungsweise  voneinander 
imterscheiden  können. 

Das  Schicksal  der  Nesselzellen  nach  der  Explosion  der  Kapsel 
blieb  bisher  beinahe  unberücksichtigt.  Die  Kapsel  wird  unzweifelhaft 
kurz  nach  der  Explosion  aus  dem  Gewebe  ausgestoßen.  In  jedem 
Präparat  liegen  zahlreiche  explodierte  Nesselkapseln  in  der  Nähe  der 
Tentakel,  bei  Carmarina  z.  B.  habe  ich  nie  explodierte  Kapseln  im 
Epithel  gefunden      Es  wäre  möglich,  daß  auch  die  Nesselzelle  nach- 


1  In  ToppEs  Abhandlung  (1910)  findet  sich  eme  treffliche  Abbildung  dieser 
Nesselkapseln. 


328  Sophie  Krasiuska, 

träolich  ausgestoßen  wird,  doch  sah  ich  nie  Bilder,  die  auf  ein  Aus- 
stoßen der  Zellen  hingewiesen  hätten. 

Bei  Carmarina,  deren  Nesselzellstiele  so  ansehnlich  und  mit  der 
Stützlamelle  so  fest  verwachsen  sind,  ist  ein  Ausstoßen  der  Zellen 
samt  den  Stielen  schwer  denkbar.  Die  etwaige  Annahme,  daß  die 
Nesselzellen  samt  ihren  Stielen  im  Gewebe  bleiben  und  als  Stützzellen 
weiter  funktionieren,  scheint  jedoch  ausgeschlossen,  da,  wie  oben  her- 
vorgehoben wurde,  gar  keine  Stützzellen  im  Tentakelepithel  von 
Carmarina  vorkommen,  und  da  Stiele  ausschließlich  in  der  Nähe  der 
Nesselkapseln  vorhanden  zu  sein  scheinen.  Bei  dem  steten  Verbrauch 
von  Nesselkapseln  müßte  aber  die  Anhäufung  von  Stielen  im  Ten- 
takelepithel eine  ganz  ungeheure  sein.  Es  scheint  daher  die  Annahme 
möglich,  daß  die  Stiele  allmählich  resorbiert  werden,  wobei  allerdings 
dieser  Prozeß  im  Tentakelepithel  andauernd  stattfinden  müßte  Die 
Entscheidung  dieser  Frage  wird  wohl  recht  schwierig  sein. 

Bei  Carmarina  kommen  manchmal  im  Tentakelepithe]  verein- 
zelte Stiele  vor,  die  mit  keiner  Nesselzelle  zusammenhängen  und  sich  an 
einem  der  beiden  Enden  kolbenförmig  verdicken;  welchem  Ende  ein 
großer  Kern  ansitzt.  Da  von  Anfang  an  die  Stiele  am  äußeren  Ende 
mit  der  Nesselzelle,  am  basalen  mit  der  Stützlamelle  verwachsen  sind, 
so  ist  die  Bedeutung  solcher  Bilder  höchst  rätselhaft.  Es  wäre  möglich, 
daß  hier  eine  Art  Phagocytose  vorliegt,  wobei  der  Nesselzellstiel  durch 
den  Kern  an  seinem  Ende  resorbiert  würde. 

Bei  Pelagia  liegen  die  Verhältnisse  anders;  möglicherweise  werden 
die  Nesselzellen  hier  sogar  ausgestoßen.  Die  Hauptfrage  ist,  ob  die 
eigentümlichen  Muskelzellen,  welche  als  Nesselzellstiele  funktionieren, 
zugrunde  gehen,  oder  sich  mit  neuen,  aus  der  Basis  des  Epithels  nach- 
rückenden Nesselzellen  verbinden.  Meine  Beobachtungen  gaben  leider 
keinen  Hinweis  darauf,  wie  diese  Verhältnisse  liegen  mögen. 

III.  Peripheres  Nervensystem. 

Pelagia    noctiluca 

Obwohl  der  subepitheliale  Nervenplexus  der  Acalephen  mit 
besonderer  Vorliebe  untersucht  wurde  [Schäfer  (1878),  Claus  (1878), 
Lendenfeld  (1882,  1888),  Hesse  (1895)],  so  fehlen  meines  Wissens 
über  den  Nervenplexus  von  Pelagia  nähere  Angaben. 

Ein  Nervenplexus  kommt  natürlich  auch  bei  Pelagia  vor,  und 
seine  Elemente  sind  sowohl  auf  Macerationspräparaten,  als  auf  Schnitten 
leicht  aufzufinden.  Die  Verteilung  der  Ganglienzellen  in  der  Sub- 
umbrella  konnte  ich  nicht  feststellen,  da  mir  Totalpräparate  fehlen. 


Beiträge  zur  Histologie  der  Medusen.  329 

Soweit  mau  nach  Maceratiouspräparaten  und  Schnitten  urteilen 
kann,  sind  die  Nervenelemente  ziemlich  gleichmäßig  im  Bereich 
der  circulären  Muskelfaserschicht  verteilt.  Auf  radialen  und  tan- 
gentialen Schnitten  der  Subumbrella  liegen  die  großen  Ganglien- 
zellen stets  subepithelial,  etwas  nach  außen  von  der  Muskelschicht. 
Sie  treten  meist  vereinzelt  auf,  manchmal  aber  zu  je  zweien  dicht 
nebeneinander  angeordnet  (Taf.  VII,  Fig.  10  Gz.).  Der  große  runde 
Kern  färbt  sich  schwach  mit  Eisenhämatoxylin  und  enthält  einen 
großen  schwarzen  Nucleolus.  Im  feinkörnigen  Zellplasma  sind  kleine 
runde,  intensiv  färbbare  Körnchen  unregelmäßig  zerstreut.  Von 
diesen  Ganglienzellen  gehen  dicke  Nervenfasern  aus ,  die  sich  in 
einer  Ebene  parallel  zur  Epitheloberfläche  ausbreiten.  Eisenhäma- 
toxylin differenziert  in  den  Nervenfasern  fast  ausschließlich  Nerven- 
fibrillen, so  daß  die  Fasern  wie  Fibrillenbündel  erscheinen  (Taf.  VII, 
Fig  10  A7)  In  den  Ganglienzellen  dagegen  sind  nur  wenige  Fibrillen 
gefärbt,  so  daß  man  selten  eine  Fibrille  von  einem  Fortsatz  durch  die 
Ganglienzelle  bis  in  den  andern  verfolgen  kann.  Während  die  meisten 
großen  Ganglienzellen  spindelförmig  sind,  verlängern  sich  einzelne 
kegelförmig  nach  oben,  und  gehen  in  einen  zarten  Fortsatz  über,  der 
die  Epitheloberfläche  erreicht  und  dort  mit  einer  kleinen  Platte  endigt 
(Taf.  VII,  Fig.  10  Gz).  Manchmal  treten  Neurofibrillen  aus  dem  Zell- 
plasma in  diesen  Fortsatz  ein.  Nach  Schnitten  läßt  sich  schwer  be- 
urteilen, ob  alle  oder  nur  einzelne  Ganglienzellen  derart  mit  der  Epithel- 
oberfläche in  Verbindung  stehen,  da  es  ja  stets  ein  glücklicher  Zufall 
ist,  wenn  der  Schnitt  den  peripheren  Fortsatz  trifft.  Aufschluß  darüber 
geben  Macerationspräparate,  in  welchen  die  meisten  großen  Ganglien- 
zellen spindelförmig  erscheinen  (Taf.  VIII,  Fig.  31  b),  manche  aber  auf 
einer  Seite  abgeflacht  sind,  während  bei  andren  ihre,  der  Epithelober- 
fläche zugekehrte  Seite  stark  vorgewölbt  ist  (Fig.  31  a).  Daraus  läßt  sich 
schließen,  daß  die  spindelförmigen  Ganglienzellen  in  der  Tiefe  des 
Epithels  liegen,  und  nur  die  seltener  vorkommenden  vorgewölbten 
die  Epitheloberfläche  erreichen. 

Die  großen  Ganglienzellen  sind  ungefähr  16  /<  lang.  Im  Gegen- 
satz zu  den  Bildern,  welche  man  auf  Schnitten  bekommt,  erscheint 
auf  Maceratiouspräparaten  das  Zellplasma  stark  fibrillär,  was  durch 
die  stärkere  Lichtbrechung  der  Nervenfibrillen  verursacht  wird,  wo- 
gegen die  Nervenfasern  nur  eine  Andeutung  von  Längsstreifung  zeigen 
(Taf.  VIII,  Fig.  31  a  und  6).  Sowohl  Ganglienzellen,  wie  Nervenfasern 
besitzen  eine  deutliche  Membran.  Außer  den  großen  Ganglienzellen 
kommen  auf  Macerationspräparaten  noch  viel  kleinere  Zellen  vor,  die 

Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.    CIX.  Bd.  22 


330  Sophie  Krasinska, 

nach  ihrem  Bau  ebenfalls  Ganglienzellen  sein  müssen.  Sie  sind  8  bis 
höchstens  11  j«  lang,  bei  einer  Breite  von  5 — 7  ^i,  und  können  uni- 
oder  bipolar  sein  (Taf.  VIII,  Fig.  34  und  35).  Das  körnige  Plasma 
enthält  einen  runden  Kern  mit  kleinem  Nucleolus.  Diese  kleinen 
Gano-lienzellen  verlängern  sich  in  feine  variköse  Nervenfortsätze,  die 
sich  bei  den  unipolaren  Ganglienzellen  stark  verzweigen,  bei  den  bi- 
polaren dagegen  meist  nur  feinste  Fibrillen  abgeben  und  eine  bedeu- 
tende Länge  erreichen  können. 

Die  Macerationspräparate  zeigen  auch  Sinneszellen,  deren  Kern 
und  Plasma  sich  wie  bei  den  kleinen  Ganglienzellen  verhalten  (Taf.  VIII, 
Fig.  32  und  33).  Sie  liegen  zwischen  den  Epithelmuskelzellen,  ihre 
freie  Oberfläche  ist  ziemlich  breit  und  mit  sehr  kurzen,  steifen  Borsten 
besetzt;  außerdem  tragen  sie  noch  eine  lange  und  feine  Geißel,  die 
man  bis  in  die  Kerngegend  verfolgen  kann.  Basalwärts  verjüngen 
sie  sich  allmählich,  weshalb  sie  becherförmig  aussehen  und  gehen  in 
einen  feinen  Fortsatz  über.  Meist  gabelt  sich  dieser  Fortsatz  in  kurzer 
Entfernung  von  der  Zelle  in  zw^ei  Äste,  die  unter  rechten  AVinkeln 
abgehen  und  parallel  zur  Epitheloberfläche  verlaufen  (Fig.  32).  Diese 
Fortsätze  sind  oft  varikös  und  geben  feinste  Fäserchen  ab.  Einmal 
gelang  es  mir,  die  Verbindung  einer  solchen  Zelle  mit  einer  kleinen 
Ganglienzelle  zu  finden  (Fig.  33),  wodurch  bewiesen  ist,  daß  es  sich 
hier  wirklich  um  Sinneszellen  handelt. 

Auf  Schnitten  sind  die  kleinen  Ganglien-  und  Sinneszellen  schwer 
aufzufinden.  Sie  liegen  wie  die  großen  Ganglienzellen  etwas  nach  außen 
von  der  Muskelfaserschicht.  Ihre  feinen  Nervenfortsätze  verlaufen  in 
der  Nähe  der  dicken  Nervenfasern  (Taf.  VII,  Fig.  10  kl.  Gz).  Die  Sinnes- 
zellen findet  man  an  der  Epitheloberfläche ;  die  Nervenfasern,  in  welche 
sich  ihr  Basalfortsatz  gabelt,  verlaufen  in  derselben  Ebene  wie  die 
übrigen  Nervenfasern  des  subepithelialen  Plexus. 

In  der  Subumbrella  von  Pelagia  gibt  es  somit  große  und  kleine 
Ganglienzellen,  die  in  Verbindung  mit  Sinneszellen  stehen. 
Die  großen  Ganglienzellen  bilden  den  bei  allen  Medusen  bekannten 
subepithelialen  Nervenplexus;  es  wird  ihnen  allgemein  eine  motorische 
Funktion  zugeschrieben.  Das  Vorkommen  kleiner  Ganghenzellen  und 
ihre  Verbindung  mit  Sinneszellen  läßt  vermuten,  daß  neben  einem 
motorischen  Plexus  noch  ein  zweiter,  vielleicht  sensorischer  vorkommt. 
Es  konnten  keine  Verbindungen  zwischen  den  beiderlei  Ganglienzellen 
festgestellt  werden,  weshalb  das  gegenseitige  Verhältnis  beider  Nerven- 
plexus unbekannt  bleibt. 

Es   verlaufen   viele   Nervenfasern   verschiedener   Dicke   zwischen 


Beiträge  zur  Histologie  der  Medusen.  33-1 

eleu  Epithelmuskelzellen,  Auf  Maceratiouspräparateu  sah  ich  manch- 
uial  feiuste  variköse  Nervenfäserchen  zwischen  den  Epithelmuskel- 
zellen bis  zur  Oberfläche  aufsteigen. 

Somit  wäre  eine  dreifache  Verbindung  zwischen  dem  sub- 
epithelialen Nervenplexus  und  der  Epitholoberfläche  vorhanden,  — 
und  zwar:  1)  durch  die  peripheren  Fortsätze  der  großen 
Ganglienzellen,  2)  durch  die  Sinneszellen  und  3)  durch  freie 
Nervenendigungen. 

Leider  kann  ich  nichts  Bestimmtes  über  die  Innervierung  der 
Muskulatur  sagen.  Auf  Schnitten  ist  davon  nichts  zu  sehen.  In 
Macerationspräparaten  sah  ich  zuweilen  feinste  Fibrillen  an  die  Epi- 
thelmuskolzelleu  herantreten,  und  zwar  immer  an  ihren  mittleren  Teil; 
sie  schienen  mit  einer  kleinen  Anschwellung  der  Zelloberfläche  in 
Verbindung  zu  treten.  Auf  Taf.  VII,  Fig.  11,  ist  die  Stelle  mit  in 
bezeichnet.  Da  ich  jedoch  solche  Bilder  nur  selten  fand  und  man 
bei  der  Beurteilung  der  Bilder  in  Macerationspräparaten  nie  vorsichtig 
genug  sein  kann,  so  kann  ich  diese  Befunde  nicht  als  völlig  beweisend 
ansehen.  Es  ist  aber  wahrscheinlich,  daß  hier,  ebenso  wie  bei  Carma- 
rina  (s.  weiter  unten),  nicht  die  Muskelfaser  selbst,  sondern  der  Myoblast 
innerviert  wird. 

In  den  Tentakeln  von  Pelagia  kommen  große  und 
kleine  Ganglienzellen  vor.  Alle  Ganglienzellen  liegen  in  der  Tiefe 
der  Muskeif  alten  Taf,  VIII,  Fig.  17  gz.Gz.M.Gz;  im  äußeren  Epithel  findet 
man  nur  ein  Gewirr  feinster  Nervenfäserchen,  einen  >>Nervenf ilz  «,  wie 
solche  Bildungen  von  0.  und  K.  Hertwig  und  andern  genannt  werden. 
Der  Nervenfilz  liegt  zwischen  den  basalen  Enden  der  Stütz-  und  Nessel- 
zellen (Taf.  VIII,  Fig.  22  Nflz).  Die  Tentakeln  können  somit  als  klassi- 
sches Beispiel  für  die  von  0.  und  R.  Hertwig  (1878)  aufgestellte  Regel 
dienen,  nach  welcher  die  Verlagerung  der  Muskulatur  in  die  Tiefe  auch 
einen  vollständigen  Austritt  des  peripheren  Nervensystems  unter  das 
Epithel  zur  Folge  hat. 

Während  die  Muskelfasern  mit  ihren  Kernen  an  den  Wänden  der 
Muskelfalten  angeordnet  sind,  finden  sich  die  Ganglienzellen  und  ihre 
Ausläufer  in  der  Mitte  der  Muskelfalten  (Taf.  VIII,  Fig.  17  und  20 
kl.  Gz.gr.  Gz).  Man  trifft  meist  mehrere  kleine  Ganghenzellen  auf  dem 
Querschnitt  einer  Muskelfalte.  Obgleich  sie  auf  Schnitten  meist  uni- 
polar erscheinen  (Taf.  VIII,  Fig.  27  kl.  Gz),  wäre  es  doch  möglich,  daß 
sie  zwei,  nicht  in  einer  Ebene  liegende  Fortsätze  haben.  Die  großen 
Ganglienzellen  (Taf.  VIII,  Fig.  17)  sind  seltener  und  kommen  fast 
ausschheßhch  in  der  unpaaren  medianen  Muskelfalte  vor  (vgl.  Text- 

22* 


332  Sophie  Krasinska, 

fig.  3,S.308),  welche  überhaupt  die  meisten  Nervenelemente  zu  enthalten 
scheint.  Die  Ganglienzellen  sind  in  einer  Masse  faserigen  Plasmas 
eingebettet.  Da  außer  den  Muskelzellen,  welche  kleine  und  gut  be- 
grenzte Zellkörper  haben,  nur  noch  Ganglienzellen  in  den  Muskel- 
falten vorkommen,  so  scheint  die  Herkunft  dieser  faserigen  Plasma- 
masse unsicher.  Möglicherweise  handelt  es  sich  um  ein  Gewirr  feinster 
Nervenf äserchen,  welches  durch  Aufsplitterung  der  Ganglienzellenfort- 
sätze selbst  zustande  kommt,  also  ebenso  wie  im  Tentakelepithel,  um 
eine  Art  von  Nervenfilz. 

Ein  solcher  Nervenfilz  wurde  bisher  im  centralen  Nervensystem 
der  Medusen  beschrieben,  also  bei  den  Hydromedusen  in  den  beiden 
Nervenringen,  bei  den  Acalephen  in  den  Sinnesgruben  und  an  de^  Basis 
der  Sinneskörper.  Er  kann  dort  eine  sehr  starke  Entwicklung  erreichen. 
Vielleicht  ließe  sich  der  Nervenfilz  der  Medusen  mit  dem  aus  dem 
Nervensystem  andrer  Wirbellosen  bekannten  >>Neuropil<<  vergleichen. 

Von  der  faserigen  Plasmamasse,  in  welcher  die  Ganglienzellen 
liegen,  sieht  man  auf  Schnitten  (Taf.  VIII,  Fig.  17)  zahlreiche  Fibrillen- 
bündel  zu  den  Muskelfasern  ziehen;  auf  Macerationspräparaten  findet 
man  die  Muskelfasern  oft  von  feinsten  Nervenf  äserchen  umsponnen, 
so  daß  eine  Innervierung  der  Tentakelmuskulatur  sicher  vor- 
kommt. Wie  bei  der  Besprechung  der  Nesselzellstiele  schon  erwähnt 
wurde  (S.  326),  laufen  sowohl  die  großen,  als  die  kleinen  Nesselzellen  der 
Pelagia-Tentaikel  in  feine  protoplasmatische  Stiele  aus  (Taf.  VIII, 
Fig.  19).  Lendenfeld  (1897)  und  andre  Forscher  nehmen  an,  daß  es  ner- 
vöse Fortsätze  sind,  welche  die  Innervierung  der  Nesselzellen  besorgen. 
Diese  Annahme  scheint  viel  für  sich  zu  haben.  Wenn  die  Nesselzellen 
überhaupt  innerviert  sind,  geschieht  dies  jedenfalls  mittels  dieser 
Basalfortsätze,  denn  andre  Nervenfasern  scheinen  nie  an  die  Nessel- 
zellen heranzutreten. 

Sinneszellen  wurden  in  den  Tentakeln  von  Pelagia  nicht  gefunden, 
obgleich  ihr  Vorkommen  wegen  der  Schnelligkeit,  mit  welcher  die 
Tentakel  auf  Reize  reagieren,  höchstwahrscheinlich  ist.  • 

C  a  r  mar  i  na  h  a  st  ata. 
Die  Verteilung  der  Nervenelemente  in  der  Subumbrella  von  Car- 
marina  hastata  wurde  von  0.  und  R.  Hertwig  (1878,  S.  62)  beschrieben. 
Stärkere  Faserzüge  mit  zahlreichen  Ganglienzellen  begleiten  die  Ränder 
der  Radialkanäle,  sowie  die  paarigen  und  unpaaren  radialen  Muskel- 
stränge; sie  gehen  mit  denselben  auf  den  Magenstiel  über  und  bilden 
dort  einen  ziemlich  dichten  »gangliösen  Endplexus<<.    In  den  Muskel- 


Beiträge  zur  Histologie  der  Medusen.  333 

feldern  der  Subumbrella  sind  die  Ganglienzellen  spärlicher  verteilt. 
»Sie  liegen  meist  einzeln,  nianchnial  aber  zu  zweien  dicht  nebeneinander; 
die  Nervenfasern  bilden  oft  kleine  Züge  von  drei  bis  fünf  Fasern  neben- 
einander. Die  Ganghenzellen  liegen  zwischen  der  Muskelschicht  und 
den  Epithelzellen;  sie  sind  meist  multipolar  mit  gewöhnlich  drei  bis 
fünf  Fortsätzen.  Bipolare  Zellen  sind  selten  und  kommen  meist  in  den 
Nervenzügeu  vor,  die  am  Rande  der  Genitalblätter  und  in  den  unpaaren 
Muskelsträngen  verlaufen.  Meine  Beobachtungen  bestätigen  diese 
Beschreibung  von  0.  und  R.  Hertwig  vollständig.  Nur  über  die  Aus- 
läufer der  Ganglienzellen  sagen  die  genannten  Autoren,  daß  sie  »in 
kurzer  Entfernung  von  der  Zelle  die  Stärke  zarter  Fibrillen  annehmen  <<, 
während  ich  fand,  daß  die  Ausläufer  sehr  dick  sind  (meist  mehr  als 
zwei  H  Durchmesser)  und  auf  lange  Strecken  ihre  ursprüngliche  Dicke 
beibehalten  (Taf.  VIII,  Fig.  37). 

Auf  Macerationspräparaten  lassen  sich  die  Ganglienzellen  leicht 
isolieren  (Taf.  VIII,  Fig.  37).  Wie  schon  0.  und  R.  Hertwig  (1878) 
fanden,  enthalten  sie  einen  oder  zwei  Kerne  (Taf.  VII,  Fig  2;  Taf.  VIII, 
Fig.  29  und  37  gr.  Gz).  Ich  habe  manchmal  vermutet,  daß  die  scheinbar 
zweikernigen  Zellen  nur  einen  hanteiförmigen  Kern  enthielten,  dessen 
verdickte  Enden  aneinander  gepreßt  seien,  und  je  einen  Nucleolus 
enthielten.  Volle  Sicherheit  über  diesen  Punkt  konnte  ich  nicht  er- 
reichen. In  der  Kernsubstanz  liegen  außer  den  deutlichen  Nucleolen 
kleine  intensiv  färbbare  Körner  —  vermutlich  Chromatinbröckchen  — 
die  auf  Eisenhämatoxylinschnitten  (Taf.  VII,  Fig.  2  Gz)  besonders 
deutlich  sind.  In  Macerationspräparaten  bemerkt  man,  daß  die  Gan- 
glienzellen und  alle  dickeren  Fasern  eine  deutliche  Zellmembran  haben. 
Die  Neurofibrillen  scheinen  sich  hier  ebenso  wie  bei  Pelagia  mit  Hä- 
matein  lA  fast  gar  nicht  zu  färben  und  ihr  Verlauf  ist  durch  eine  kaum 
merkliche  Streifung  im  Zellkörper  und  Nervenfasern  angedeutet.  Die 
Ganglienzellen  unterscheiden  sich  somit  auf  Macerationspräparaten 
durch  ihr  homogenes  Aussehen  von  den  Epithelmuskelzellen,  deren 
Plasma  eine  ausgesprochene  fibrilläre  Struktur  besitzt  i  (vgl.  Fig.  37, 
Taf.  VIII  mit  Fig.  5  und  Fig.  6,  Taf.  VII). 


1  Den  Gegensatz  zwischen  dem  homogenen  Aussehen  der  Ganglienzellen 
und  der  fibrillären  Struktur  der  Epithelmuskelzellen  hat  schon  Eimer  (1878) 
bemerkt  und  äußert  sich  folgendermaßen  darüber  (Seite  239):  »Histologisch  be- 
merkenswert ist,  daß  die  Faserung  des  neuroplasmatischcn  Inhaltes  der  Deck- 
epithelien,  eine  gröbere,  deutlichere  ist,  als  diejenige  der  Ganglienzellen  von  typi- 
scher Ausbildung.  Der  letztere  macht  zugleich  einen  viel  kompakteren  Eindruck 
als  der  erstere.    Es  seheint  mir  nicht  zu  bezweifeln  zu  sein,  daß  diese  Unterschiede 


334  Sophie  Krasinska, 

Auf  Eisenhämatoxylinsclinitteii  dagegen  sind  die  Neurofibrillen  meist 
differenziert  und  dunkler  gefärbt,  als  die  fibrillären  Strukturen  der 
Epithehnuskelzellen.  Die  Nervenfasern  erscheinen  an  manchen  Stellen 
wie  Bündel  schwarz  gefärbter  Fibrillen  (Taf.  VII,  Fig.  1  und  Fig.  2  Nf), 
manchmal  läßt  sich  auch  der  Verlauf  der  Neurofibrillen  in  den  Zellen 
gut  verfolgen  (Taf.  VIII,  Fig.  29).  Auf  Quer-  und  Längsschnitten  des 
Manubriums  und  der  Subumbrella  können  höchstens  zwei  Ausläufer 
der  Ganglienzellen  getroffen  werden,  und  die  Ganglienzellen  erscheinen 
daher  spindelförmig  (Fig.  29).  Die  Neurofibrillen  weichen  beim  Ein- 
tritt in  die  Zelle  auseinander,  gehen  am  Kern  vorbei  und  ziehen  im 
zweiten  Fortsatz  wieder  als  schmales  Bündel  weiter.  Auf  Flächen- 
schnitten, wo  alle  Ausläufer  einer  Ganglienzelle  zugleich  gesehen 
werden,  läßt  sich  an  Ganglienzellen  beobachten,  wie  die  Neuro- 
fibrillen, die  durch  einen  Fortsatz  in  die  Zelle  eintreten,  sich  an  alle 
andern  Fortsätze  derselben  verteilen.  Sowohl  aus  den  Nervenfasern 
als  gelegentlich  aus  den  Ganglienzellen  selbst,  treten  feinste  Fibrillen 
in  das  umgebende  Gewebe  aus.  Manche  ziehen  nach  außen  gegen 
die  freie  Epitheloberfläche,  die  meisten  aber  parallel  zu  derselben; 
am  Manubrium  können  manche  von  ihnen  auch  basalwärts  gegen  die 
Muskelfaserschicht  ziehen.  Es  ist  höchstwahrscheinlich,  daß  hier 
ebenso  wie  bei  Pelagia  die  nach  oben  aufsteigenden  Neurofibrillen  an 
der  Epitheloberfläche  frei  endigen  und  auf  diese  Weise  eine  Verbindung 
zwischen  dem  Nervenplexus  und  der  Außenwelt  herstellen. 

In  der  Subumbrella  und  am  Manubrium  von  Carmarma  treten 
auch  Sinneszellen  aufi.  Sie  finden  sich  am  zahlreichsten  am  Hände 
der  Genitalblätter  und  an  den  radialen  Muskelsträngen,  also  da,  wo 
der  Nervenplexus  am  dichtesten  ist,  sind  jedoch  auch  in  der  ganzen 
Subumbrella  zerstreut.  Sie  sind  bedeutend  kleiner  als  die  großen 
Ganglienzellen  (Durchmesser  etwa  8//)  mit  rundem  Kern  und  deut- 
lichem Nucleolus,  nebst  spärlichem  Plasma.  Basal  geht  von  ihnen 
eine,  häufiger  zwei,  feine  Nervenfasern  aus  (Taf.  VII,  Fig.  1,  Taf.  VIII 
Fig.  28  Sz) ;  ihr  dickes  Sinneshaar  ragt  etwas  schief  über  die  Epithel- 
oberfläche empor.  Auf  Eisenhämatoxylinschnitten  läßt  sich  mit 
stärksten  Vergrößerungen  die  feinere  Struktur  der  Sinneszellen  gut 
studieren  (Taf.  VIII,  Fig.  30).     Das  dicke,  steife  Sinneshaar  (Sh)  er- 


nur  herrühren  von  einer  feineren  Ausbildung  und  Verfilzung,  und  von  einer  dich- 
teren Zusammenlagerung  des  Fadensystems  in  den  vollkommeneren  GangUen- 
zellen. « 

1  Ida  Hyde    (1902)    hat    Sinneszellen   am   Manubrium    von    Gonionemus 
Murbachii  gefunden. 


Beiträge  zur  Histologie  der  Medusen.  335 

scheint  wie  aus  mehrereu  Haaren  zusammengeklebt,  welche  an  seiner 
Basis  kegelförmig  auseinander  treten  und  an  der  Zelloberfläche  mit 
stäbchenähnlichen  Basalkörperchen  (bk)  endigen.  Von  jedem  dieser 
Basalkörperchen  zieht  eine  feine  Nervenfibrille  ins  Zellplasma  hinab. 
Am  Äquator  der  Zelle  ist  eine  Reihe  kleiner,  intensiv  färbbarer  Körner 
angeordnet;  es  scheint  als  ob  die  Fibrillen  durch  diese  Körner  hindurch- 
zögen. Auf  Flächenschnitten  der  Subumbrella  oder  des  Manubriums 
(Taf.  VIII,  Fig.  36  Sz)  bemerkt  man,  daß  sich  in  jeder  Sinneszelle 
acht  Basalkörperchen  finden  und  somit  ein  Sinneshaar  aus  acht  Haaren 
zusammengesetzt  ist;  außerdem  scheint  noch  eine  feine  Fibrille  in  der 
Achse  des  Kegels  emporzusteigen. 

Diese  hochdifferenzierten  Sinneszellen  wurden  bisher  im  peripheren 
Nervensystem  von  Carmarina  übersehen.  Im  unteren  Nervenringe 
hat  sie  dagegen  M.  Davidoff  (1905 — 06)  aufgefunden  und  in  seiner 
Abhandlung  über  das  centrale  Nervensystem  dieser  Meduse  abge- 
bildet (1.  c,  Fig.  5).  Ich  kann  diesen  Befund  bestätigen,  da  diese 
Sinneszellen  auch  in  meinen  Präparaten  im  unteren  Nervenring  vor- 
kommen, während  sie  —  übereinstimmend  mit  den  Angaben  Davi- 
doffs —  im  oberen  Nervenring  vollständig  fehlen. 

Bei  Carmarina  habe  ich  vergeblich  nach  einer  zweiten  kleineren 
Art  von  Ganglienzellen  gesucht,  wie  sie  in  der  Subumbrella  von  Pelagia 
vorkommen.  Die  Größenunterschiede  zwischen  den  einzelnen  Ganglien- 
zellen sind  zwar  bedeutend,  doch  kommen  zahlreiche  Übergangsformen 
vor,  ferner  ist  der  Bau  aller  Ganglienzellen  derselbe.  Es  scheint  somit 
ein  zweiter  sensorischer  Nervenplexus  (wie  man  ihn  bei  Pelagia  wohl 
deuten  darf)  bei  Carmarina  zu  fehlen;  —  das  periphere  Nerven- 
system der  Subumbrella  besteht  nur  aus  großen  Ganglien- 
zellen und  ihren  Ausläufern,  und  aus  Sinneszellen. 

Die  GangUenzellen  der  Subumbrella  und  des  Manubriums  liegen 
alle  subepithelial  (Taf.  VII,  Fig.  2).  Sie  sind  vollständig  aus  der  Epithel- 
oberfläche ausgetreten;  auch  im  Manubrium,  wo  sie  nahe  an  der  Ober- 
fläche liegen,  habe  ich  nie  eine  Andeutung  peripherer  Fortsätze  an 
ihnen  gesehen  (Taf.  VIII,  Fig.  29  Gz).  Meine  Befunde  widersprechen 
also  dem,  was  A.  Bethe  (1903,  S.  86)  über  die  Ganglienzellen  der 
Hydromedusen  und  Acalephen  auf  Grund  seiner  Untersuchungen  an 
Rhizostomeen  behauptet,  nämlich,  daß  sowohl  Ganglien-  als  Muskel- 
zellen der  Hydromedusen  noch  einen  epithelialen  Charakter  haben, 
während  bei  Acalephen  die  Muskelzellen  eine  tiefere  Lage  im  Epithel 
einnehmen  und  die  Ganglienzellen  zwischen  dem  Epithel  und  den  Muskel- 
zellen gelagert  sind.    Im  peripheren  Nervensystem  schicken  gerade  die 


336  Sophie  Krasinska, 

Ganglienzellen  von  Pelagia  Fortsätze  zur  Oberfläche,  während  die  von 
Carmamia  keine  Verbindung  mit  der  Epitheloberfläche  besitzen.  Was 
die  Muskelzellen  angeht,  so  können  sie,  wie  wir  fanden,  sowohl  bei  Aca- 
lephen  als  Hydromedusen,  in  dem  oder  unter  dem  Epithel  liegen. 
Die  bei  Rhizostoma  herrschenden  Verhältnisse  lassen  sich  also  keinenfalls 
ohne  weiteres  auf  alle  Acalephen,  im  Gegensatz  zu  den  Hydromedusen, 
übertragen. 

Auf  Schnitten  scheinen  Nervenelemente  manchmal  mitten  im 
Protoplasma  der  Epithelmuskelzellen  zu  liegen  (Taf.  VII,  Fig.  1  und  2). 
Wie  schon  mehrere  Autoren  hervorhoben,  beruht  dies  auf  einer  Täu- 
schung, denn  die  Nervenelemente  liegen  immer  zwischen  den  Epithel- 
muskelzellen, nur  schmiegen  sich  letztere  den  Ganglienzellen  so  dicht 
an,  daß  die  zarten  Zellgrenzen  nicht  unterscheidbar  sind.  Wo  aber 
eine  Schrumpfung  im  Gewebe  eintritt,  treten  die  Zellen  auseinander, 
die  doppelten  Zellgrenzen  sind  deutlich  zu  sehen,  und  die  Ganglien- 
zellen scheinen  in  einem  Hohlraum  zu  liegen  (Taf.  VII,  Fig.  2). 

Einen  guten  Überblick  über  den  Nervenplexus  gewinnt  man  auf 
Totalpräparaten,  jedoch  sind  auf  denselben  nur  die  Ganglien-  und 
Sinneszellen  und  die  dickeren  Nervenfasern  sichtbar.  Die  Ausläufer 
der  Ganglienzellen  geben  viele  feinere  Seitenäste  ab,  verlaufen  aber 
große  Strecken  geradlinig,  und  verjüngen  sich  sehr  allmählich;  erst 
in  großer  Entfernung  von  der  Zelle  lösen  sie  sich  in  mehrere  feinere 
Fasern  auf.  Die  Nervenfasern  durchkreuzen  sich  vielfach,  ziehen  oft 
nebeneinander,  anastomosieren  aber  höchst  selten.  In  allen  meinen 
Präparaten  habe  ich  nur  ein-  oder  zweimal  eine  Anastomose  gefunden, 
worin  meine  Beobachtungen  mit  denen  von  0.  und  R.  Hertwig  (1878) 
übereinstimmen.  Die  feineren  Verzweigungen  der  Nervenfasern,  wenn 
überhaupt  sichtbar,  lassen  sich  nur  kurze  Strecken  verfolgen,  so  daß 
man  nicht  feststellen  kann,  ob  sie  Verbindungen  zwischen  den  Zellen 
herstellen.  Ihr  Verlauf  läßt  sich  am  besten  an  Flächenschnitten  bei 
Eisenhämatoxylinfärbung  studieren.  Die  als  Bündel  von  Nerven- 
fibrillen erscheinenden  Nervenfasern  geben  viele  kleinere  Fibrillen- 
bündel  ab,  die  sich  weiter  spalten,  zwischen  den  Epithelzellen  ver- 
laufen und  das  Gewebe  in  allen  Richtungen  durchkreuzen.  Der  Nerven- 
plexus erscheint  bei  Carmarina  außerordentlich  dicht,  höchst  wahr- 
scheinlich ist  sogar  jede  Epithelzelle  von  Nervenfibrillen  umflochten. 
Trotzdem  konnte  ich  einen  sicheren  Beweis  für  das  Vorkommen  von 
Anastomosen  zwischen  den  Ausläufern  verschiedener  Ganglienzellen 
nicht  finden.  Das  Bild,  welches  man  erhält,  ist  so  kompliziert  und 
verworren,    daß    man    vielen    Täuschungen    ausgesetzt    ist.      Einen 


Beiträge  zur  Histologie  der  Medusen.  337 

einwandfreien  Beweis  würde  das  Verfolgen  einer  Fibrille  von  einer 
Ganglieuzelle  bis  in  die  andre  liefern,  auf  Eisenhämatoxylinschnitten 
ist  dies  jedoch  unmöglich,  da  die  Differenzierung  der  Fibrillen  nicht 
bestimmt  genug  ist.  Die  Frage,  ob  bei  Carmarina  in  der  Subumbrella 
echte  Nervennetze  vorkommen,  bleibt  daher  offen;  eine  endgültige 
Entscheidung  ist  nur  von  einer  geeigneten  Färbungsmethode  zu  er- 
warten. 

Die  Tatsache,  daß  so  sehr  viel  feinste  Nervenfibrillen  zwischen 
den  Epithelzellen  verlaufen,  weist  darauf  hin,  daß  jede  Epithelmuskel- 
zelle für  sich  innerviert  werden  muß.  An  Schnitten  läßt  sich  jedoch 
von  der  Innervierung  nichts  bemerken.  Günstiger  sind  Macerations- 
präparate,  auf  denen  man  an  vielen  Epithelzellen  (Taf.  VII,  Fig.  6) 
neben  den  dicken  Plasmaforts  ätzen,  die  zu  den  Muskelfasern  ziehen, 
einen  kleinen,  kegelförmigen,  mehr  homogenen  Fortsatz  bemerkt,  der 
nahe  am  Zellrand  liegt  und  an  den  eine  zarte  Faser  tritt,  die  unzweifel- 
haft ein  Nervenfäserchen  ist  (Fig.  6  nf). 

Die  Nervenfaser  und  die  Epithelzelle  gehen  also  mit- 
tels einer  kegelförmigen  Anschwellung  ineinander  über. 
Allerdings  habe  ich  dies  Nervenfäserchen  nur  auf  kurze  Strecken  ver- 
folgen und  ihre  Verbindung  mit  einer  dickeren  Nervenfaser  nicht  fest- 
stellen können.  Eine  Nachprüfung  dieses  Befundes  mit  specifischen 
Nervenfärbungen  wäre  deshalb  erwünscht.  Wenn  wir  jedoch  meine 
Deutung  als  richtig  annehmen,  so  erscheint  die  Sachlage  insofern  be- 
deutungsvoll, als  der  Myoblast  und  nicht  die  Muskelfaser 
innerviert  wird.  Die  Tatsache,  daß  die  zahllosen  Nervenfibrillen, 
welche  man  auf  Macerationspräparaten  findet,  fast  ausschließlich  zwi- 
schen den  Muskelfasern  selbst  verlaufen,  scheint  gleichfalls  für  die 
Innervierung  des  Zellkörpers  der  Epithelmuskelzelle  zu  sprechen.  Für 
Pelagia  wurde  schon  oben  die  Innervierung  des  Myoblasts  wahrschein- 
lich gemacht.  Auch  Schaeppi  (1904)  hat  das  gleiche  bei  Physophora 
hijdrostatica  gefunden.  In  der  glatten  Radiärmuskulatur  von  Carma- 
rina konnte  ich  die  Innervierung  nicht  beobachten,  obwohl  der  sub- 
epitheUale  Nervenplexus  gerade  im  Bereiche  der  radialen  Muskulatur 
am  dichtesten  ist  und  die  Muskeln  daher  unzweifelhaft  innerviert  sein 
müssen. 

Die  große  Mehrzahl  der  Nervenfäserchen,  welche  zwischen  den 
Epithelmuskelzellen  verlaufen,  stammen  von  den  dicken  Nervenfasern 
des  subepithelialen  Nervenplexus,  was  auf  Flächenschnitten  leicht 
festzustellen  ist.  Es  muß  deshalb  angenommen  werden,  daß  die  Inner- 
vierung der  Muskulatur  vom  Nervenplexus  besorgt  wird,  und  daß 


338  Sophie  Krasiriska, 

demselben  wirklich  die  motorische  Funktion  zukommt,  welche  ihm 
immer  zugeschrieben  wurde.  Wenn  wir  somit  die  großen  Ganglien- 
zellen für  motorisch  halten,  so  fällt  auf,  daß  diese  nur  im  Bereiche  der 
circulären  und  radialen  Muskulatur  der  Subumbrella  und  des  Manu- 
briums  vorkommen  und  in  den  andern  muskulösen  Bezirken  des  Körpers, 
also  im  Velum  und  in  den  Tentakeln  vollständig  fehlen. 

Schon  0.  und  R.  Hertwig  vermißten  Ganglienzellen  im  Velum 
und  vermuteten  deshalb,  daß  seine  Muskeln  vom  unteren  Nervenring 
innerviert  werden.  Ich  schließe  mich  dieser  Anschauung  auch  an, 
denn  es  ist  nicht  anzunehmen,  daß  die  Muskulatur  des  Velums  der 
Innervierung  entbehre.  Nach  sorgfältigster  Untersuchung  kam  ich 
zur  Überzeugung,  daß  im  Velum  nicht  nur  Ganglienzellen,  sondern 
auch  dickere  Nervenfasern  fehlen,  es  kommen  hier  nur  feinste  Nerven- 
fäserchen  vor.  Diese  Nervenfäserchen  müssen  vermutlich  sehr  lang 
sein,  da  sie  vom  unteren  Nervenring  bis  zum  Rand  des  manchmal  mehr 
wie  1  cm  breiten  Velums  ziehen  müssen. 

Wie  bemerkt,  fehlen  auch  in  den  Tentakeln  von  Carmarina  die 
großen  Ganglienzellen  vollständig,  auch  kommen  gar  keine  dickeren 
Nervenfasern  vor.  Auf  Macerationspräparaten  bemerkt  man  aber 
zahlreiche  Zellen  mit  rundlich  ovalen  Kernen,  die  in  feinste  Fäserchen 
auslaufen  und  unzweifelhaft  kleine  Ganglienzellen  sind  (Taf.  VII, 
Fig.  15).  Sie  lassen  sich  leicht  isoHeren  (vgl.  vorn  S.  324).  Auf  Schnit- 
ten kann  man  feststellen,  daß  sie  nie  in  den  Muskelfalten  vorkommen, 
sondern  im  Tentakelepithel  liegen.  Man  findet  sie  sowohl  in  der  Tiefe 
des  Epithels  als  nahe  seiner  Oberfläche,  zwischen  den  Nesselzellen 
wie  in  den  nesselzellfreien  Epithelstreifen  (Taf.  VII,  Fig.  l^hl.Gz.). 
Ihrem  Kern  fehlt  der  Nucleolus,  er  enthält  aber  zahlreiche  kleine  mit 
Eisenhämatoxylin  intensiv  färbbare  Körnchen.  Das  homogene  Plasma 
bedeckt  den  Kern  nur  als  dünne  Schicht,  es  ist  stark  lichtbrechend 
und  geht  kontinuierlich  in  die  gleichfalls  stark  lichtbrechenden  Nerven- 
fäserchen über.  Die  letzteren  entspringen  in  Zwei-  bis  Vierzahl  meist 
direkt  vom  Zellkörper;  manchmal  bildet  aber  das  Zellplasma  einen 
breiten  Fortsatz,  welcher  sich  in  feine  Nervenfäserchen  spaltet  (Taf.  VII, 
Fig.  14).  Auf  Eisenhämatoxylinschnitten  (Fig.  15  Ä'^.  6^2.)  kann  man 
einige  schwarze  feine  Fibrillen  im  Ursprungsteil  der  Nervenfäserchen 
unterscheiden. 

Die  Sinneszellen  des  Tentakelepithels  gleichen  den  kleinen 
Ganglienzellen  vollständig  (Taf.  VII,  Fig.  13  und  Fig.  Ib  Sz).  Sie 
erreichen  die  Oberfläche  mit  einem  konischen  Fortsatz,  der  mehrere 
steife  Sinneshaare  trägt.    Ein  sehr  langes  mittleres  Sinneshaar  ist  von 


Beiträge  zur  Histologie  der  Medusen.  339 

einem  Kranz  kürzerer  umgeben.  Auf  Eisenhämatoxylinsclmitten  kann 
man  feststellen,  daß  feine  Fibrillen  von  den  Sinneshaaren  in  die  Zelle 
hinabziehen  (Fig.  15).  Basal  gehen  von  den  Sinneszellen  zwei  bis  drei 
feine  Nervenfäserchen  aus. 

Die  Sinneszellen  der  Tentakeln  stimmen  mit  denen  der  Subumbrella 
darin  überein,  daß  sie  mehrere  Sinneshaare  tragen.  Während  letztere 
jedoch  in  der  Subumbrella  zu  einem  gemeinsamen  Sinneshaar  ver- 
klebt sind  (Taf.  VIII,  Fig.  30),  sind  sie  in  den  Tentakeln  unverbunden. 
Auch  die  Kerne  und  das  Plasma  der  Sinneszellen  der  Tentakeln  unter- 
scheiden sich  von  denen  der  Subumbrella  erheblich.  Auffallend  ist 
der  Unterschied  zwischen  den  kleinen  Ganglienzellen  der  Tentakeln 
(Taf.  VII,  Fig.  14)  und  den  sehr  großen,  mit  mächtigen  Fortsätzen 
versehenen  Ganglienzellen  der  Subumbrella  (Taf.  VIII,  Fig.  37).  Die 
Ganglienzellen  der  Tentakeln  müssen  jedoch,  ebenso  wie  die  der  Sub- 
umbrella eine  motorische  Funktion  besitzen.  Es  gibt  keinen  stichhaltigen 
Grund  für  die  Annahme,  daß  die  Tentakelmuskulatur  der  Innervation 
entbehren  sollte,  und  sie  sind  die  einzigen  Ganglienzellen,  welche  in 
den  Tentakeln  vorkommen.  Die  Schnittbilder  sind  jedoch  zu  kompli- 
ziert, das  Plasma  der  Epithelmuskelzellen  zu  faserig,  als  daß  man 
die  freien  Ausläufer  der  Ganglienzellen  zwischen  den  faserigen  Plasma- 
strukturen verfolgen  könnte. 

Auf  Macerationspräparaten  sah  ich  gelegentlich  zwei  bis  drei  feine 
Fibrillen  von  den  großen  Nesselzellen  abgehen,  auch  von  den  Nessel- 
zellstielen spaltete  sich  manchmal  ein  feiner  Seitenast  ab,  welcher 
ebenfalls  in  eine  feine  Fibrille  übergingt.  Dies  macht  die  Innervie- 
rung der  großen  Nessel  Zellen  von  Carmarina  wahrscheinlich.  Die 
Feststellung  der  Innervierung  der  großen  Nesselzellen  würde  eine  große 
theoretische  Bedeutung  haben.  Wie  hervorgehoben,  wandern  die 
Nesselzellen  vom  Schirmrand  in  die  Tentakel,  falls  es  sich  nun  ein- 
wandfrei beweisen  ließe,  daß  sie  von  den  Ganglienzellen  der  Tentakeln 
innerviert  werden,  so  bildete  dies  wohl  einen  schlagenden  Beweis  für 
eine  sekundäre  Verbindung  von  Nerv  und  innervierter  Zelle. 

Die  kleinen  Nesselzellen  scheinen  wirklich  innerviert  zu  sein,  da 
sie  alle  basal  in  eine  feine  Faser  übergehen,  die  den  Ausläufern  der 
kleinen  Ganglien-  und  Sinneszellen  vollständig  gleicht  (Taf.  VII, 
Fig.  12).  Dieser  Befund  hat  aber  weniger  theoretisches  Interesse,  da 
sich  die  kleinen  Nesselzellen  im  Tentakelepithel  zu  entwickeln  scheinen. 

1  N.  IWANZOFF  (1896)  hat  auch  an  den  Xcsselzellstielcn  die  Abspaltung 
eines  feinen  Astes  bemerkt,  stellt  aber  solche  Bildungen  in  keine  Beziehung  zur 
Innervierung. 


340  Sophie  Krasiüska, 

Es  oelano  mir,  auch  im  Entoderm  des  Manubriums  und  Magens 
von  Carmarina  einen  subepithelialen  Nervenplexus  aufzufinden. 
Die  Gano^lienzellen  sind  hier  sehr  zahlreich  und  denen  des  subumbrellaren 
Plexus  sehr  ähnlich.  Sie  liegen  zwischen  den  Entodermzellen ;  ihre 
Ausläufer  verzweigen  sich  vielfach  und  gehen  endlich  in  feinste  Nerven- 
fasern über.  In  Macerationspräparaten,  in  i\' eichen  die  Entodermzellen 
etwas  geschrumpft  sind  und  daher  voneinander  abstehen,  kann  man 
out  verfolgen,  wie  die  Nervenfasern  zwischen  allen  Entodermzellen 
verlaufen  und  sie  umflechten.  Das  Entoderm  des  Manubriums  und 
des  Magens  besteht  aus  drüsigen  Zellen,  die  an  ihrer  Basis  kurze  glatte 
Muskelfasern  gebildet  haben.  Der  Nervenplexus  hat  also  w^ohl  vor- 
wiegend eine  motorische  Funktion  und  innerviert  die  Entodermzellen. 

Mit  dem  Nervensystem  von  Neoiurris  füeata  und  Aequorea  Fors- 
kalea  habe  ich  mich  nicht  näher  beschäftigt.  "Wie  aus  der  Arbeit  der 
Gebrüder  Hertwig  (1878)  bekannt,  kommt  bei  Antho-  und  Lepto- 
medusen  ein  subumbrellarer  Nervenplexus  ebenfalls  vor.  Die  genann- 
ten Autoren  bemerkten,  daß  die  Ganglienzellen  bei  der  Maceration 
immer  an  der  äußeren  Epithelschicht  haften  bleiben;  ich  beobachtete 
dasselbe.  Die  Ganglienzellen  lassen  sich  mit  der  radialen  Muskelfaser- 
schicht von  der  darunter  liegenden  circulären  Muskelschicht  abziehen 
(Taf.  VII,  Fig.  8).  Auf  Schnitten  durch  die  Subumbrella  von  Aequorea 
gelang  es,  festzustellen,  daß  die  Ganglienzellen  über  den  radialen  Mus- 
keln, also  vermutlich  zwischen  den  Zellen  des  Epithels  liegen,  was 
ihr  Verhalten  bei  der  Maceration  erklärt  (Taf,  VII,  Fig.  4). 

Zusammenfassung. 

Diese  Untersuchung,  so  unvollkommen  sie  auch  ist,  hat  jedenfalls 
ergeben,  daß  es  weitgehende  Unterschiede  zwischen  dem  peripheren 
Nervensystem  von  Carmarina  und  Pelagia  gibt,  und  daß  das  periphere 
Nervensystem  dieser  Medusen  weit  komplizierter  ist,  als  bisher  an- 
genommen wurde. 

Bei  beiden  Medusen  lassen  sich  im  peripheren  Nervensystem 
große  und  kleine  Ganglienzellen  unterscheiden;  bei  Pelagia 
kommt  nur  eine  Art  von  Sinneszellen  vor,  Avährend  bei  Carmarina 
zwei  Sinneszellarten  zu  unterscheiden  sind. 

Die  großen  Ganglienzellen  von  Pelagia  sind  bipolar  und 
häufig  durch  einen  distalen  Fortsatz  noch  mit  der  Epitheloberfläche 
verbunden.  Diejenigen  von  Carmarina  sind  meist  multipolar  und 
völlig  subepithehal  gelegen.  Auch  ist  die  Kern-  und  Plasmastruktur 
der  großen  Ganglienzellen  beider  Medusen  recht  verschieden,  wie  aus 


Beiträge  zur  Histologie  der  Medusen.  341 

den  entsprechenden  Figuren  hervorgeht  (Tai.  VII,  Fig.  10;  Taf.  VIII, 
Fig.  34,  Pelagia;  Taf.VIL  Fig.  2;  Taf.  VIII,  Fig.  29  und  37,  Car- 
marina). 

Einen  bedeutenden  Unterschied  zeigen  die  subumbrellaren  Sinnes- 
zellen. Die  mit  einem  zusammengesetzten  Sinneshaar  und  mit  Basal- 
körperchen  versehenen  Sinneszellen  von  Carmarina  sind  morphologisch 
hoch  differenziert  und  erinnern  an  die  Sinneszellen  höherer  Metazoen 
(Taf.  VIII,  Fig.  30).  Die  Sinneszellen  von  Pelagia  sind  sehr  eigentüm- 
lich gebaut,  da  sie  zahlreiche  kurze  und  steife  Borsten  und  ein  langes 
Flagellum  tragen;  nur  wegen  ihrer  nervösen  Fortsätze  und  ihrer  Ver- 
bindung mit  Ganglienzellen  konnten  sie  als  Sinneszellen  erkannt  wer- 
den (Taf.  VIII,  Fig.  32  und  33).  Die  Tentakeln  von  Carmarina  ent- 
halten Sinneszellen  mit  eigenartigen  Sinneshaaren,  wogegen  in  den 
Tentakeln  von  Pelagia  keine  Sinneszellen  aufgefunden  werden  konnten. 

Der  wichtigste  Unterschied  im  peripheren  Nervensystem  der  beiden 
Medusen  liegt  aber  in  der  Verteilung  der  Nervenelemente  auf  die  Sub- 
umbrella  und  die  Tentakel.  Während  bei  Pelagia  kleine  und  große 
Ganglienzellen  sowohl  in  der  Subumbrella  als  in  den  Tentakeln  vor- 
kommen, sind  die  großen  Ganglienzellen  bei  Carmarina  auf  die  Sub- 
umbrella, die  kleinen  auf  die  Tentakeln  beschränkt.  Der  Nerven- 
plexus der  Subumbrella  und  derjenige  der  Tentakel  sind  somit  bei 
Carmarina  aus  verschiedenen  Zellen  zusammengesetzt,  während  bei 
Pelagia  im  peripheren  Nervensystem  überall  die  gleichen  Zellen  vor- 
kommen. 

Eine  solche  Differenzierung  der  zelligen  Bestandteile  des  peri- 
pheren Nervensystems  setzt  die  Existenz  zahlreicher  Leitungsbahnen 
voraus,  welche  die  einzelnen  Teile  des  Nervenplexus  miteinander  ver- 
binden. Bei  Carmarina  müssen  z.  B.  alle  Reize,  welche  rhythmische 
Kontraktionen  verursachen,  zu  den  Nervenringen  geleitet  werden, 
da  das  Velum  vom  unteren  Nervenring  aus  innerviert  wird.  Physiolo- 
gische Experimente  werfen  ein  interessantes  Licht  auf  diese  Frage. 
So  berichtet  Bethe  (1903),  daß  bei  schwacher  Reizung  eines  Tentakels 
zunächst  dieser  und  die  beiden  benachbarten  durch  Kontraktion  re- 
agieren; auf  einen  etwas  stärkeren  Reiz  auch  die  übrigen  Tentakel; 
gleichzeitig  wird  das  Manubrium  gegen  den  gereizten  Tentakel  ge- 
krümmt. Erst  bei  viel  stärkeren  Reizen  reagiert  die  subumbrellare 
und  Velare  Muskulatur  durch  rhythmische  Kontraktionen.  Es  müssen 
somit  Leitungsbahnen  einerseits  die  Tentakel  untereinander,  anderseits 
aber  mit  der  Subumbrella  und  dem  Manubrium  verbinden.  Da  letzteres 
früher  als  die  Subumbrella  reagiert,  so  muß  man  entweder  annehmen, 


342  Sophie  Krasiiiska, 

daß  die  Tentakel  direkt  mit  dem  Manubrium  durch  Nervenfasern  ver- 
bunden sind,  oder  —  falls  der  Keiz  den  Nervenplexus  der  Subumbrella 
passiert  —  daß  die  Innervierungseinrichtungen  in  der  cireulären  und 
radialen  Muskulatur  verschieden  sind. 

Verbindungen  konnten  indessen  weder  zwischen  den  einzelnen 
Ganglienzellen,  noch  zwischen  den  verschiedenen  Teilen  des  Nerven- 
systems festgestellt  werden,  und  die  Leitungsbahnen  sowie  die  Funk- 
tion der  verschiedenen  Bestandteile  des  Nervensystems  bleiben 
vollständig  unbekannt.  Es  bleibt  auch  die  Frage  offen,  ob  der  sub- 
epitheliale Nervenplexus  der  Medusen  ein  echtes  Nervennetz  bildet 
oder  nicht.  Im  Gegensatz  zu  den  Befunden  von  A.  Behte  (1903) 
an  Rhizostoma ,  kann  ich  nur  behaupten,  daß  bei  allen  von  mir 
untersuchten  Medusen  Anastomosen  mittels  der  dickeren  Nerven- 
fasern gar  nicht,  oder  nur  äußerst  selten  (bei  Carmarina)  vorkommen. 

Die  großen  Ganglienzellen  des  subepithelialen  Nervenplexus  der 
Subumbrella  wurden  bisher  immer  als  motorisch  gedeutet.  Bei  Pe- 
lagia  scheint  die  motorische  Funktion  der  großen  Ganglienzellen  durch 
das  Auffinden  der  kleinen  bestätigt,  da  letztere  mit  den  Sinneszellen 
in  Verbindung  stehen  und  deshalb  als  Bestandteile  eines  zweiten  sen- 
sorischen Nervenplexus  gedeutet  werden  können.  Indessen  muß  die 
Verteilung  der  Ganglienzellen  in  den  Tentakeln  von  Pelagia  gewisse 
Bedenken  über  die  Richtigkeit  dieser  Deutung  erwecken.  Wie  oben 
gesagt,  kommen  in  den  Tentakeln  viele  kleine  Ganglienzellen  vor,  und 
sie  sind  in  allen  Muskelfalten  verteilt;  die  großen  Ganglienzellen  sind 
selten  und  fast  ausschließlich  auf  die  tiefe  mediane  Falte  beschränkt. 
Es  ist  einerseits  schwer  anzunehmen,  daß  morphologisch  gleich  aus- 
gebildete Ganghenzellen  in  den  Tentakeln  und  der  Subumbrella  ver- 
schiedene Funktionen  besitzen  sollten,  anderseits  aber  unwahrscheinlich, 
daß  die  wenigen  großen  Ganglienzellen  die  Innervierung  der  gesamten 
Tentakelmuskulatur  besorgen. 

Bei  Carmarina  müssen  die  großen  Ganglienzellen  des  subepitheli- 
alen Nervenplexus  als  motorische  gelten,  da  sich  sonst  keine  in  der 
Subumbrella  finden.  Wir  müssen  jedoch  annehmen,  daß  es  bei  Car- 
marina zwei  Arten  von  motorischen  Ganglienzellen  gibt,  da  in  den 
Tentakeln  ausschließhch  kleine  Ganglienzellen  vorkommen  und  die 
Tentakelmuskulatur  doch  ebenso  wie  die  subumbrellare  und  velare 
innerviert  sein  muß. 

Verbindungen  von  Muskel  und  Nerv  wurden  mit  einiger  Sicherheit 
nur  in  der  Subumbrella  von  Carmarina  festgestellt.  Dabei  ergab  sich, 
daß  die  Myoblasten,  und  nicht  die  Muskelfasern  innerviert  werden. 


Beiträge  zur  Histologie  der  Medusen,  343 

Daß  die  gesamte  Muskulatur  der  Medusen  innerviert  wird,  dafür  spricht 
vor  allem  die  außerordentliche  Menge  von  Ganglienzellen  und  Nerven- 
fasern, die  im  Bereich  der  Muskulatur  auftreten.  Die  mangelhaften 
Färbuugsmethoden  verschulden  es,  daß  die  Innervierung  nicht  überall 
aufgefunden  wurde. 

Der  Nervenplexus  steht  somit  einerseits  mit  der  Muskulatur  in 
Verbindung,  anderseits  mit  Sinneszellen  an  der  Oberfläche.  Es  kommen 
auch  freie  Nervenendigungen  vor,  und  außerdem  stehen  bei  Pelagia 
die  großen  Ganglienzellen  noch  durch  distale  Fortsätze  mit  der  Epithel- 
oberfläche in  Verbindung, 

Da  die  Innervierung  der  Muskulatur  als  gesichert  angesehen 
werden  darf,  und  da  das  periphere  Nervensystem  befähigt  ist,  äußere 
Keize  auf  die  Muskulatur  zu  übertragen,  so  glaube  ich  die  zuerst  von 
Kleinenberg  (1872)  postulierte,  direkte  Reizbarkeit  der  Epithel- 
nmskeln  (Myoblasten)  und  ihre  Fähigkeit  Reize  auf  die  Muskelfasern 
zu  übertragen,  bezweifeln  zu  dürfen. 

Nachdem  ein  Nervensystem  bei  den  Coelenteraten  gefunden 
wurde,  hielten  sowohl  Claus  (1878)  wie  0.  und  R.  Hertwig  (1878) 
eine  direkte  Reizbarkeit  der  Epithelmuskelzellen  aufrecht.  Daß  die 
Existenz  eines  mit  Sinneszellen  verbundenen  Nervenplexus,  und  das 
mehr  oder  weniger  sicher  festgestellte  Vorkommen  einer  Innervierung 
der  Muskulatur  vollkommen  genügen,  um  die  Funktion  der  Muskulatur 
bei  den  Medusen  zu  erklären,  unterliegt  wohl  keinem  Zweifel.  Eine 
direkte  Reizung  der  Epithelmuskelzellen  dürfte  daher  bei  den  Coelen- 
teraten in  nicht  größerem  Maße  vorhanden  sein,  als  bei  den  höheren 
Metazoen. 


Meinem  hochverehrten  Lehrer,  Herrn  Professor  Dr.  0.  Bütschli 
in  Heidelberg,  bin  ich  für  die  Anregung  zu  dieser  Arbeit,  sowie  für 
seine  freundliche  Hilfe  zum  verbindlichsten  Dank  verpflichtet.  Auch 
der  Leitung  der  zoologischen  Station  zu  Villefranche,  Herrn  Professor 
Dr.  M.  Davidoff  und  den  Assistenten  Herren  Spitschakoff  und 
TiMOFEEFF  möchte  ich  für  ihr  freundliches  Entgegenkommen  herzlich 
danken. 

Heidelberg,  im  April  1913. 


344  Sophie  Krasinska, 


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Zeitschrift  f.  wissenscli.  Zoologie.  C'IX.  Bd.  23 


346 


Sophie  Krasinska, 


Erklärung  der  Abbildungen. 


Gebrauchte  B 

hk,  Basalkörner ; 

hz,  Bildungszellen    der   Nesselkapseln; 

cnid,  Cnidocil; 

cut,  Cuticula; 

gr.drz.,  große  Drüsenzellen; 

kl.drz,  kleine  Drüsenzellen; 

ect,  Ectoderm; 

en,  Entoderm; 

nel,  Entodermlamelle; 

ep,  Epithel; 

epmz,  Epithelmuskelzelle ; 

gal,  Gallerte; 

gr.Oz,  große  Ganglienzelle; 

kl. Gz,  kleine  Ganglienzelle; 

in,  Stelle  wo  die  Epithelmuskelzelle 
innerviert  wird; 

k.d.enl.  Kerne   der   Entodermlamelle; 

k.d.epmz,  Kerne  der  Epithelmuskel- 
zellen ; 

k.d.mz.  Kern  der  Muskelzelle; 

k.d.nz.  Kern  der  Nesselzelle; 


ezeichnungen: 

k.d.st,  Kern  des  Nesselzellstieles; 

m/,  Muskelfaser; 

Mr,  Muskelröhre; 

mz,  Muskelzelle; 

Nf,  Nervenfaser; 

Nßz,  Nervenfilz; 

nz,  Nesselzelle; 

gr.nz,  große  Nesselzelle; 

kl.nz,  kleine  Nessejzelle; 

pr.fr,  Protoplasmafortsätzeder Epithel- 
muskelzellen ; 

pr.st,  protoplasmatischer  Stiel  der  Nes- 
selzelle ; 

rmf,  radiale  Muskelfasern; 

)•/,  radiale  Easern    in    den    Tentakeln; 

Sh,  Sinneshaar; 

st.d.nz,  Nesselzellstiele; 

stl,  Stützlamelle; 

stl.ls,  Stützlamellenleisten : 

stz,  Stützzellen; 

8z,  Sinneszelle. 


Tafel  VII. 

Die  Fig.  1 — 7,  9 — 16  sind  um  ein  Drittel,  Fig.  8  a,b,  c  um  die  Hälfte  der 
Originale  verkleinert.    Die  angegebenen  Vergr.  beziehen   sich  auf  die  Originale. 

Fig.  1.  Garmarina  hastata.  Radialschnitt  durch  die  Subumbrella.  Flbm- 
MiNG,  Eisenhämatoxylin.     Vergr.  1000  (vgl.  S.  284). 

Fig.  2.  Garmarina  hastata.  Tangentialer  Schnitt  durch  die  Subumbrella. 
Sublimat-Eisenhämatoxylin.     Vergr.   1000  (vgl.  S.  285). 

Fig.  3.  Neoturris  pileata.  Tangentialschnitt  durch  die  Subumbrella.  Flem- 
MiNG,  Eisenhämatoxlyin.      Vergr.  1000  (vgl.  S.  289). 

Fig.  4.  Aequorea  forskalea.  Radialschnitt  durch  die  Subumbrella.  Flem- 
MiNG,  Eisenhämatoxylin.     Vergr.  1000  (vgl.  S.  290). 

Fig.  5.  Garmarina  hastata.  Epithelmuskelzelle  aus  der  Subumbrella,  der 
Muskelfaserschicht  ansitzend.  Nach  einem  Macerationspräparat,  etwas  schema- 
tisiert.    Hämatein  lA  (nach  Apathy).     Vergr.  1000  (vgl.  S.  283). 

Fig.  6.  Garmarina  hastata.  Isolierte  Epithelmuskelzelle  aus  der  Subum- 
brella, von  der  Muskelfaserschicht  abgerissen  und  von  der  breiten  Seite  gesehen. 
Nach  einem  Macerationspräparat.     Hämatein  I  A.     Vergi\  1000  (vgl.  S.  283). 

Fig.  7  {a — 6).  Neoturris  pileata.  Isolierte  Muskelzellen  aus  der  querge- 
streiften, circulären  Muskulatur  der  Subumbrella.  a.  von  der  Seite,  b.  von  oben 
gesehen.  Nach  einem  Macerationspräparat.  Hämatein  I A.  Vergr.  1000  (vgl. 
S.  289). 


Beitrage  7au-  Histologie  der  Medusen.  347 

Fig.  8.  Xeofinri.s  piknta.  Abgepinseltes  Epithelstück  von  der  Öubumbrella 
mit  radialen  Muskelfasern.  Xaeh  einem  Macerationspräparat.  Häniatein  I A. 
Vergr.  1000  (v.  S.  287). 

Fig.  9.  Carmarina  hastata.  Epithelmuskelzellen  aus  der  Subumbrella  von 
der  Fläche  gesehen,  bei  drei  verschiedenen  Einstellungen  des  Objektivs:  a.  Ein- 
stellung auf  die  Cuticula  mit  den  Zellgrenzen;  b.  Einstellung  auf  die  Zellkörpcr 
und  Kerne;  e.  Einstellung  auf  die  Protoplasniafortsätze.  Nach  einem  Macera- 
tionspräparat.    Häinatein  I  A.     Vergr.  öOO  (vgl.   S.  284). 

Fig.  10.  Pelagia  noctiluca.  Radialschnitt  durch  das  Ectoderm  der  Sub- 
umbrella.    Flemmino,  EisenhämatoxyUn.     Vergr.  1000  (vgl.  S.  277). 

Fig.  11.  Pelagia  noctiluca.  Isoherte  quergestreifte  Epithelmuskelzelle  aus 
der  Subumbrella.  Nach  einem  Macerationspräparat.  Hämatein  I  A.  Vergr.  1000 
(vgl.  S.  279). 

Fig.  12.  Carmarina  hastata.  Zwei  kleine  Nesselzellen  aus  dem  Ectoderm 
der  Tentakel,  isoliert.  Nach  einem  Macerationspräparat.  Hämatein  I  A.  Ver- 
größerung 1000  (vgl.  S.  324). 

Fig.  13.  Carmarina  hastata.  Isolierte  Sinneszelle  aus  dem  Ectoderm  der 
Tentakel.  Nach  einem  IMaccrationspräparat.  Hämatein  I  A.  Vergr.  1000  (vgl. 
S.  338). 

Fig.  14.  Carmarina  hastata.  Kleine  Ganglienzellen  aus  dem  Ectoderm  der 
Tentakel.  Nach  einem  Macerationspräparat.  Hämatein  I  A.  Vergr.  1000  (vgl. 
S.  338). 

Fig.  15.  Carmarina  hastata.  Teil  eines  Querschnittes  dui'ch  einen  Ten- 
takel, Entoderm  unvollständig  eingezeichnet.  Flemmeng,  Eisenhämatoxylin. 
Vergr.  1000  (vgl.  S.  311  und  S.  321). 

Fig.  16.  Carmarina  hastata.  Große  Nesselzelle  aus  dem  Ectoderm  der 
Tentakel.  Nach  einem  Macerationspräparat.  Hämatein  I  A.  Vergr.  1000  (vgl. 
S.  323.) 

Tafel  VIII. 

Die  Fig.  17 — 23.,  25 — 30,  36  und  37  sind  um  ein  Drittel  der  Vorlagen 
verkleinert. 

Fig.  17.  Pelagia  noctiluca.  Querschnitt  durch  einen  Teil  einer  MuskeLfalte 
des  Tentakels.     Flemming,  Eisenhämatoxylin.     Vergr.  1000  (vgl.  S.  308). 

Fig.  18.  Pelagia  noctiluca.  Isolierte  Nesselzelle  aus  den  Tentakeln  mit 
kernhaltigen  muskulösen  Stielen.  Nach  einem  Macerationspräparat.  Hämatein 
I  A.     Vergr.  1000  (vgl.   S.  326). 

Fig.  19.  Pelagia  noctiluca.  Isolierte  Nesselzelle  aus  den  Tentakeln,  ohne 
muskulöse  Stiele.    Nach  einem  Macerationspräparat.    Hämatein  I  A.    Vergr.  1000. 

Fig.  20.  Pelagia  noctiluca.  Querschnitt  durch  einen  Teil  des  Ectoderms  und 
eine  in  Muskelröhren  geteilte  Muskelfalte.  Flemming,  Eisenhämatoxylin.  Ver- 
größerung 333  (vgl.   S.  308). 

Fig.  21.  Pelagia  noctiluca.  Isolierte  glatte  Muskelzelle  aus  einem  Tentakel. 
Macerationspräparat.     Hämatein  I  A.     Vergr.  1000  (vgl.  S.  310). 

Fig.  22.  Pelagia  noctiluca.  Querschnitt  durch  das  Epithel  eines  Ten- 
takels.     Flemming,   Eisenhämatoxylin.      Vergr.  1000  (vgl.  S.  325). 

Fig.  23.  Pelagia  noctiluca.  Stützzellen  mit  Geißeln  aus  dem  Tentakel- 
epithel, isoliert.    Nach  einem  Macerationspräparat.     Hämatein  I  A.    Vergr.  1000. 

23* 


348  Sophie  Krasinska,  Beiträge  ^r  Histologie  der  Medusen. 

Fig.  24  (a — d).  Pelagia  noctiluca.  Quergestreifte  Muskelfasern  aus  der 
Subumbrella  von  der  breiten  Seite;  Vergr.  etwa  2000.  a.  nach  einem  Macerations- 
präparat;  h,  c,  d,  nach  tangentialen  Schnitten.  Flemming,  Eisenhämatoxylin. 
b.  nur  schwach  differenziert,  ausgestreckte  Faser;  c.  stärker  differenziert;  d.  bei 
sehr  starker  Differenzierung  des  Eisenhämatoxylins.  Vergr.  etwa  2000  (vgl. 
S.  295). 

Fig.  25  (a — c).  Carmarina  hastata.  Quergestreifte  Muskelfasern  aus  der 
Subumbrella;  Ansicht  von  a  und  h  von  der  breiten  Seite,  von  c  von  der  schmalen 
Seite   (vgl.   S.  294). 

a.  Nach  einem  Macerationspräparat ;  h.  nach  einem  Tangentialschnitt  durch 
die  Subumbrella.  Sublimat,  Eisenhämatoxylin.  c.  nach  einem  Flächenschnitt 
durch  die  Subumbrella.     Sublinaat  Eisenhämatoxylin. 

Fig.  26.  Neoturris  pileata.  Quergestreifte  Muskelfaser  von  der  breiten 
Seite  gesehen.    Nach  einem  Macerationspräparat.    Vergr.  etwa  2000  (vgl.  S.  297). 

Fig.  27.  Carmarina  hastata.  Querschnitt  durch  das  Ectoderm  des  Manu- 
briums.    Flemming,  Eisenhämatoxylin.    Vergr.  1000  (vgl.  S.  305). 

Fig.  28.  Garmarina  hastata.  Abgepinselter  Epithelstreifen  aus  dem  Ecto- 
derm des  Manubriums  von  der  Seite  gesehen.  Nach  einem  Macerationspräparat. 
Hämatein  I  A.     Vergr.  1000  (vgl.  S.  306). 

Fig.  29.  Carmarina  hastata.  Querschnitt  durcli  das  Ectoderm  des  IManu- 
briums  mit  einer  Ganglienzelle.  Sublimat-Eisenhämatoxylin.  Vergr.  1000  (vgl. 
S.  334). 

Fig.  30.  Carmarina  hastata.  Querschnitt  durch  das  Ectoderm  des  Älanu- 
briums  mit  einer  Sinneszelle.  Sublimat-Eisenhämatoxylin.  Vergr.  etwa  2000 
(vgl.  S.  334). 

Fig.  31  {a — b).  Pelagia  noctiluca.  Große  Ganglienzellen  aus  der  Subum- 
brella.   Macerationspräparat.     Hämatein  I  A.     Vergr.  1000  (vgl.   S.  329). 

Fig.  32.  Pelagia  noctiluca.  Isolierte  Sinneszelle  aus  der  Subumbrella. 
Nach  einem  Macerationspräparat.     Hämatein  I  A.     Vergr.  1000  (vgl.  S.  330). 

Fig.  33.  Pelagia  noctiluca.  Isolierte  Sinneszelle  aus  dem  Ectoderm  der 
Subumbrella,  die  in  Verbindung  mit  einer  kleinen  Gauglienzelle  steht.  Macera- 
tionspräparat.     Hämatein  I  A.     Vergr.  1000   (vgl.  S.  330). 

Fig.  34.  Pelagia  noctiluca.  Isolierte,  kleine  bipolare  Ganglienzelle  aus  dem 
Ectoderm  der  Subumbrella.  Nach  einem  Macerationspräparat.  Hämatein  I  A. 
Vergr.  1000  (vgl.   S.  329). 

Fig.  35.  Pelagia  noctiluca.  Isolierte  kleine  unipolare  Ganglienzelle  aus 
dem  Ectoderm  der  Subumbrella.  Macerationspräparat.  Hämatein  I A.  Ver- 
grösserung  1000  (vgl.  S.  329). 

Fig.  36.  Carmarina  hastata.  Flächenschnitt  durch  die  Subumbrella  mit 
einer  Sinneszelle.     SubHmat,  Eisenhämatoxylin.     Vergr.  1000  (vgl.  S.  334). 

Fig.  37.  Carmarina  hastata.  Große  Ganglienzelle  aus  dem  Ectoderm  der 
Subumbrella  isoliert.  Nach  einem  Macerationspräparat.  Hämatein  I A.  Ver- 
größerung 1000  (vgl.  S.  333). 


über  die  Leuchtorgane  und  das  Nervensystem  von 
Pholas  dactylus. 

Von 
Johannes  Förster. 

Mit  lö  Figuren  im  Text  und  Tafel  IX. 


Bereits  mehrfach  ist  Pholas  dactylus  Gegenstand  anatomischer  und 
histologischer  Unter.^uchungen  gewesen,  da  das  Leuchten  dieser  Muschel 
schon  frühzeitig  die  besondre  Aufmerksamkeit  der  Forscher  erregte. 
Die  erste  Aufzeichnung  über  das  Leuchtvermögen  von  Pholas  ist  sehr 
alt.  und  zwar  müssen  wir  bis  auf  Plinius  zurückgehen. 

Eingehender  beschäftigte  sich  Poli  (1791)  mit  diesem  Lamelli- 
branchier,  der  in  den  »Testacea  utriusque  Siciliae«  Tom.  I,  Taf.  VIII, 
Fig.  1  u.  G  eine  Abbildung  der  im  Mantel  und  Sipho  gelegenen  Leucht- 
organe gibt,  ohne  freilich  in  der  Tafelerklärung  oder  im  Text  über  ihre 
Bedeutung  eine  Meinung  zu  äußern.  Die  nächsten  Mitteilungen  über 
das  Leuchten  von  Pholas  verdanken  wir  Panceki,  der  in  einer  bekann- 
ten Untersuchung  (1872)  sowohl  die  Physiologie  wie  auch  den  anato- 
mischen Bau  der  Leuchtorgane  zu  erklären  versuchte.  Er  erkannte, 
daß  gewisse  Körperstellen  ein  Secret  liefern,  das  körniger  Natur  ist, 
sich  in  Alkohol  und  Äther  löst  und  mit  Wasser  in  Berührung  ge- 
bracht, aufleuchtet.  Seiner  Ansicht  nach  wird  die  leuchtende  Materie 
von  den  Epithelzellen  ausgeschieden,  die  die  Leuchtorgane  bedecken. 

In  den  SOiger  Jahren  veröffentlichte  Raphael  Dubois  einige 
Abhandlungen,  die  in  der  Hauptsache  physiologisch-chemischer  Natur 
sind.  Neben  den  PANCERischen  Versuchen,  die  er  nachprüfte,  stellte 
er  eigene  über  die  Phosphoreszenz  dieses  Lamellibranchiers  an  und 
analysierte  als  erster  das  Secret  der  Leuchtorgane,  das  er  in  zwei 
Komponenten  zu  spalten  vermochte,  die  er  als  Luciferine  und  Luci- 
ferase  bezeichnete.  Seine  anatomischen  Resultate,  die  oft  wenig  zu- 
verlässig sind,  scheint  der  Autor  zumeist  spekulativ,  nicht  empirisch, 

Zeitschrift  f.  wissinscli.  Zoologie.   CIX.  B'l.  24 


350  Johannes  Förster, 

durch  mikroskopische  Untersuchungen  von  Schnittpräparaten,  ge- 
wonnen zu  haben.  Einige  seiner  Darstellungen  leiden  an  Unklarheit, 
da  ihnen  keine  Zeichnungen  beigegeben  wurden. 

Anfang  der  90iger  Jahre  erschien  dann  die  Arbeit  von  Rawitz, 
die  ein  Kapitel  in  der  großen  Abhandlung  »Der  Mantelrand  der  Ace- 
phalen«  bildet.  Der  Verfasser  gibt  im  wesentlichen  eine  Darstellung 
der  anatomischen  und  histologischen  Verhältnisse  des  Sipho  mit  seinen 
Leuchtorganen  und  geht  gleichzeitig  näher  auf  die  früheren  Arbeiten 
ein,  deren  Irrtümer  er  zum  Teil  richtig  stellt.  Es  ist  bis  heute  die  letzte 
Abhandlung  über  die  Leuchtorgane  von  Pholas  dactylus. 

Wenn  auch  die  Resultate  von  Rawitz  noch  nicht  einwandfrei  und 
erschöpfend  sind,  so  brachten  sie  doch  gewisse  Probleme  ihrer  Lösung 
einen  Schritt  näher.  Seine  Arbeit,  auf  die  ich  später  genauer  eingehen 
werde,  hat  mir  in  erster  Linie  als  Grundlage  gedient  i. 

Aber  trotz  dieser  mannigfachen  Untersuchungen  sind  wichtige 
Fragen  bis  jetzt  noch  ungelöst  geblieben;  ja  selbst  über  ganz  augen- 
fällige Dinge,  wie  die  Lage  und  Zahl  der  Leuchtorgane  bestehen  nach 
meinem  Dafürhalten  sogar  in  der  letzten  Arbeit  noch  falsche  Anschau- 
ungen. 

Durch  Herrn  Prof.  Chun  wurde  ich  auf  die  verschiedenen  Lücken 
und  Widersprüche  in  den  bisherigen  Untersuchungen  aufmerksam  ge- 
macht und  zu  einem  eingehenden  Studium  der  Organe  angeregt. 

Material  und  Technik. 

Die  Muscheln,  die  ich  zu  meinen  Untersuchungen  verwandte, 
waren  ausgewachsene  Tiere,  die  nach  meinen  besonderen  Angaben  in 
der  Zoologischen  Station  zu  Neapel  auf  die  verschiedenste  Weise  kon- 
serviert worden  waren. 

Am  vorteilhaftesten  für  die  histologischen  Untersuchungen  der 
Leuchtorgane  erwies  sich  die  bekannte  Konservierung  mit  Sublimat- 
Alkohol-Eisessig  (1  Teil  konz.  Sublimat  in  dest.  W^asser,  1  Teil  96%iger 
Alkohol,  0,2  Teile  Eisessig,  dazu  einige  Tropfen  Formol),  die  kalt  ange- 
wendet wurde.  In  dieser  Flüssigkeit  bheben  die  Tiere  etwa  10 — 12 
Stunden  liegen,  wurden  nachher  in  70%igen  Alkohol  gebracht  und  mit 
Jodtinktur  behandelt. 

Annähernd  gleich  gute  Resultate  lieferten  Objekte,  die  mit  einem 


1  Nicht  erwähnt  habe  ich  hier  die  Arbeiten,  die  sicli  ausschließlich  mit 
dem  Nervensysteme  oder  einzelnen  Teilen  desselben  befassen;  sie  sollen  erst  in 
einem  zweiten  Teile  der  vorliegenden  Darstellung  besprochen  werden. 


i'ljer  die  Jji'uchtorguiu'  und  das  Xcrvensystein  von  Pholu.s  daclylu.s.     351 

Formol-Alkohol-Eiscssi<>;-Gemisch  konserviert  waren,  das  in  folgender 
Weise  zusammengesetzt  war:  15  Teile  9ü%iger  Alkohol,  30  Teile 
destilliertes  Wasser,  6  Teile  konzentriertes  (40%iges)  Formol  und  7  Teile 
Eisessig.  Läßt  man  die  Tiere  1 — 2  Tage  in  diesem  Gemisch  liegen, 
so  treten  Kerne  und  Nervenfibrillen  besonders  deutlich  hervor. 

Nicht  empfehlen  kann  ich  die  Anwendung  der  Osmiumkonservie- 
rung nach  Flemming.  Zwar  sind  Epithel  und  Drüsenzellen  vorzüg- 
lich erhalten,  doch  wird  die  Muskulatur,  die  sehr  reichlich  unter  den 
Leuchtorganen  liegt,  hart  und  spröde,  so  daß  man  nur  selten  gute  und 
völlig  intakte  Schnitte  erhält,  wie  sie  für  genaue  histologische  Unter- 
suchungen erforderlich  sind. 

Ebenso  ungünstig  ist  eine  Fixierung  mit  einem  hochprozentigen 
Alkohol,  und  zwar  aus  zwei  Gründen:  Wie  schon  früher  erwähnt,  löst 
sich  das  Leuchtsecret  in  Alkohol  und  verschwindet  bis  auf  wenige  Rudi- 
mente aus  den  Leuchtdrüsen.  Unter  solch  veränderten  Bedingungen 
lassen  sich  dann  nur  schwer  die  wirklichen  Verhältnisse  erkennen. 
Anderseits  aber  wird  der  Inhalt  der  unter  dem  Epithel  der  Leucht- 
organe liegenden  Muzindrüsen  verändert  und  erstarrt  zu  einer  harten 
Masse,  die  unter  dem  Messer  splittert  und  die  Zellverbände  zerreißt. 

Ich  möchte  nicht  verfehlen,  bei  dieser  Gelegenheit  über  das  Frei- 
legen der  Leuchtorgane  eine  Bemerkung  zu  machen.  Bekanntlich  sind 
bei  Pholas  dact.  beide  Mantelränder  auf  der  ventralen  Seite  des  Tieres 
mit  Ausnahme  der  Stelle,  wo  der  keilförmige  Fuß  hindurchtritt,  zu 
einer  Membran  verwachsen,  was  eine  nur  ganz  geringe  öffnungsmöghch- 
keit  der  Schalen  zur  Folge  hat.  Die  Quermembran  setzt  sich  nach  hin- 
ten in  die  Wand  des  Branchialsipho  fort,  der  kürzer  als  der  darüber- 
liegende  Analsipho  ist  und  ein  weiteres  Lumen  besitzt. 

Um  nun  die  von  außen  nicht  sichtbaren  Leuchtorgane  freizu- 
legen, trennten  die  bisherigen  Beobachter  den  Branchialsipho  sowie  die 
beide  Mantelhälften  verbindende  Quermembran  der  Länge  nach  auf 
und  klappten  die  Schalen  nach  außen  um.  Daß  sie  dabei  ein  Leucht- 
organ halbierten,  dessen  ist  sich  keiner  bewußt  geworden.  Diesen 
Fehler  mußte  ich  zu  vermeiden  suchen  und  erreichte  dies  durch  fol- 
gende, zwar  umständlichere,  aber  günstigere  Sektions  weise. 

Einem  Tiere,  dessen  Schalen  mit  verdünnter  Essigsäure  weg- 
gelöst waren,  wurde  der  Branchialsipho  bis  etwa  1  cm  vor  dem  Über- 
gang in  den  Mantel  geöffnet;  dann  schnitt  ich  rechtwinklig  hinauf 
nach  der  Rückenlinie  und  an  dieser  entlang  bis  zur  Mundöffnung.  Den 
Mantel,  der  in  seinen  ventralen  Partien  völlig  intakt  geblieben  war, 
klappte  ich  auf  die  eine  Seite  und  steckte  ihn  fest  (Taf.  IX,  Fig.  8). 

24* 


352  Joliaimes  Förster, 

Um  ganz  sicher  zu  gehen  bei  der  Angabe  der  Zahl  der  Leuchtorgane, 
machte  ich  nachstehenden  Kontrollversuch,  der  mir  die  Frage  unzwei- 
deutig löste.  Beim  Färben  von  Schnittserien  war  mir  immer  aufge- 
fallen, daß  die  subepitheliale  Schicht  der  Leuchtorgane  Muzindrüsen 
von  bedeutender  Größe  und  in  viel  reicherer  Zahl  als  die  umliegen- 
den Körperteile  enthält.  Da  diese  Drüsen  eine  ausgesprochene  Affinität 
zu  Hämalaun  haben,  brachte  ich  meine  in  der  erwähnten  Weise  prä- 
parierten Objekte  in  toto  etwa  zwei  Tage  in  eine  Hämalaunlösung 
und  differenzierte  sie  darauf  mit  70%igem  Alkohol  und  Salzsäure. 
Die  großen  Muzindrüsen  hielten  den  Farbstoff  fest  und  gaben  so  den 
Leuchtorganen  ein  tief  veilchenblaues  Kolorit,  das  sich  scharf  vom  Mantel 
und  den  übrigen  Organen  abhob,  die  längst  wieder  entfärbt  waren. 

Einige  Angaben  möchte  ich  noch  über  das  Einbetten  der  Objekte 
beifügen,  hängt  doch  zumeist  das  gute  Gelingen  der  Schnittpräparate 
von  der  richtigen  Wahl  der  bei  der  Überführung  vom  absoluten  Alkohol 
zum  Paraffin  verwendeten  Flüssigkeit  ab.  Nicht  minder  ist  die  Zeit 
von  Bedeutung,  während  der  die  Objekte  darin  verbleiben.  Oft  ist  zu 
langes  Verweilen  schuld  daran,  daß  sie  eine  unerwünschte  Härte  an- 
nehmen. Nach  vielen  Versuchen  gelang  es  mir,  eine  Methode  aus- 
findig zu  machen,  durch  die  man  das  Secret  der  Mucindrüsen  weich 
erhält. 

Aus  dem  70%igen  Alkohol  werden  die  betreffenden  Objekte  direkt 
in  100%igen  gebracht,  in  dem  sie  je  nach  ihrer  Größe  1 — 3  Stunden 
verbleiben.  Hat  man  den  Alkohol  einige  Male  gewechselt,  so  setzt 
man  allmählich  Cedernholzöl  zu,  bis  das  Verhältnis  von  absolutem  Alkohol 
und  Cedernholzöl  1 :  1  beträgt.  Die  Präparate  werden  nach  6 — 8  Stun- 
den sofort  in  reines  Cedernholzöl,  das  vorher  angewärmt  wird,  über- 
geführt und  auf  einen  50° igen  Thermostaten  gestellt  (4 — 5  Stunden). 
Darauf  bringt  man  das  Material  in  ein  Schälchen,  in  dem  40°  Paraffin 
in  Cedernholzöl  gelöst  ist  (1:  1),  wo  es  3 — 4  Stunden  verbleibt,  um  als- 
dann in  ein  zweites  Schälchen  übergeführt  zu  werden,  in  dem  sich  ein 
Gemisch  von  58°  Paraffin,  wiederum  in  Cedernholzöl  gelöst  (2:1)  be- 
findet. Nach  einem  Verweilen  von  5 — 6  Stunden  in  diesem  Gemisch 
kommt  es  in  geschmolzenes  60°iges  Paraffin  und  wird  nach  2 — 3 
Stunden  eingebettet.  Ein  derart  schnelles  Überführen  des  Materials 
durch  Cedernholzöl  und  durch  die  verschiedengradigen  Paraffine,  sowie 
der  kurze  Aufenthalt  in  hoher  Temperatur  erwiesen  sich  als  äußerst 
günstig,  und  so  behandelte  Objekte  ließen  sich  ohne  große  Schwierig- 
keiten in  lückenlose  Serien  zerlegen. 

Zur  Färbung  der  Schnittserien,  die  als   Übersichtsbilder  dienen 


über  die  LLUcIitoigane  und  das  Nervensystem  von  Pholas  dactyluss.     353 

.■füllten,  fandon  meist  Häiiuilauu  und  ÜELAFiELDsches  Hämatoxylin  An- 
wendung. Da  es  sich  in  der  Hauptsache  um  Drüsen  oder  drüsenähn- 
liche Gebilde  handelte,  diente  Thionin  und  Mucikarmin,  beide  nach 
Paul  Mayer  spezifische  Schleimfarbstoffe,  zur  Identifizierung  und 
zum  Nachweis  der  Mucindrüsen.  Oft  erwies  sich  noch  ein  Nachfärben 
des  Plasmas  und  der  Granula  des  Leuchtsecrets  mit  Fuchsin  oder  Bor- 
deauxrot, die  dem  Eosin  auf  jeden  Fall  vorzuziehen  sind,  als  sehr  gün- 
stig und  erhöhte  durch  den  scharfen  Kontrast  zu  den  blaugefärbteu 
Mucindrüsen  den  Gesamteindruck.  Bei  dem  nicht  immer  einfachen 
Nachweis  der  Kerne  in  den  Mucin-  und  Leuchtdrüsen,  sowie  der  Nerven- 
zellen und  ihrer  Kerne  lieferte  Eisenhämatoxylin  nach  Heidenhain 
gute  und  sichere  Resultate.  Besonders  schöne  Bilder  ergaben  sich 
dann,  wenn  beim  endgültigen  Heraufführen  die  Schnitte  im  70%igen 
Alkohol,  dem  einige  Tropfen  konz.  Ammoniaks  beigesetzt  waren,  nach- 
gebläut wurden.  Auf  diese  Weise  ist  es  mir  gelungen,  Ganglienzellen 
unter  den  Leuchtorganen  und  die  .Struktur  der  Secretkörner  einwand- 
frei nachzuweisen. 

Die  Leuchtorgane. 
1.  Lage,  Gestalt,  Aussehen. 
An  den  in  toto  gefärbten  Tieren  konnte  ich  fünf  Leuchtorgaue 
feststellen,  die  sich  wie  folgt  verteilen: 

1)  Zwei  Streifen  im  Branchialsipho  auf  dem  Septum. 

2)  Zwei  annähernd  dreieckige  Flecke  auf  den  Retrak- 
toren,  da,  wo  der  Sipho  in  den  Mantel  übergeht. 

3)  Ein  parabolisch  geschwungenes  Band,  das  von  hinten 
her  das  Fußloeh  umgreift  und  die  inneren  Mantellippen 
deckt. 

Da  Gestalt  und  Lage  der  Siphonal-  und  Mantelorgane  von  Rawitz 
schon  eingehend  beschrieben  sind,  ich  aber  seinen  Angaben  nichts 
wesenthch  Neues  hinzufügen  kann,  so  gebe  ich  seine  Darstellung  wört- 
lich wieder: 

>>Vom  Ursprung  des  ventralen  Sipho  bis  zur  Papillarregion,  i.  e. 
derjenigen  Partie,  von  welcher  die  Pigmentierung  der  Innenfläche  des 
Sipho  anfängt,  trifft  man  zu  beiden  Seiten  der  Kiemen  auf  dem  Sep- 
tum aufliegend  zwei  Streifen,  die  als  ganz  schmale  Striche  beginnend, 
allmählich  eine  Breite  von  mehreren  Millimetern  erlangen,  sich  an  ihrem 
distalen  Ende  wieder  verjüngen,  um  an  der  Pigmentgrenze  als  ganz 
feine,  schwer  wahrnehmbare  Linien  zu  verschwinden.  Sie  haben  am 
lebenden  (das  gleiche  gilt  auch  vom  konservierten)  Tiere  ein  milchweißes 


354 


Johannes  Förster, 


-Fl. 


Aussehen  und  prominieren  über  die  Oberfläche  nicht  unbedeutend. 
Im  dorsalen  Siplio  fehlen  diese  Streifen  vollkommen.  Die  seitlichen 
Flecke  haben  nicht  immer  dreieckige  Gestalt,  wie  Panceri  angibt, 
manchmal  sind  sie  viereckig,  manchmal  ganz  unregelmäßig  gestaltet.  << 
Bei  zwei  Tieren  beobachtete  ich  sogar,  daß  noch  jeder  Mantel- 
fleck durch  eine  breite,  bis  auf  den  Eetraktormuskel  einschneidende 
Furche  in  zwei  verschieden  große  Teile  zerlegt  wurde. 

Nicht  wenig  überrascht  das  Lippenorgan  durch  seine  Lage,  die 
vollständig  abweicht  von  den  Zeichnungen  früherer  Autoren.  Da.  wo 
es  Panceri  und  Rawitz  gesehen  haben  wollen,  liegt  es  sicher  nicht; 

ebensowenig  kann  von  einem  Organpaar 
(Rawitz,  S.  154,  160,  181)  zu  beiden  Seiten 
des  Fußes  die  Rede  sein,  das  »an  der  Mund- 
gegend beginnend  nach  der  Schalenmitte  ver- 
läuft und  sich  dort  in  Spitzen  auszieht«. 
Vielmehr  erkennt  man,  daß  es  sich  im  Gegen- 
satze zu  den  übrigen  paarigen  Orgauen  um  ein 
unpaares  von  hufeisenförmiger  Gestalt  han- 
delt, das  im  ventralen  Teile  des  Mantels  ge- 
legen ist  und  dessen  Schenkel,  das  Fußloch 
von  hinten  her  umgreifend,  oralwärts  in  zwei 
Spitzen  auslaufen.  Wie  die  übrigen,  erhebt 
sich  das  an  seiner  konvexen  Seite  wulstförmig 
verbreiterte  Leuchtorgan  über  die  Mantel- 
fläche und  grenzt  sich  dadurch  scharf  gegen 
seine  Umgebung  ab. 

Die  Oberfläche  aller  Leuchtorgane  ist  be- 
deckt mit  einem  noch  später  zu  behandelnden 
Wimperepithel  und  wird  zuweilen  von  mehr 
oder  minder  tiefen  Furchen  durchzogen.  Auf  den  Mantelorganen  ziehen 
sie  parallellaufend  vom  inneren  zum  äußeren  Rande  und  zerlegen  den 
ganzen  Drüsenkomplex  in  bandförmige  Streifen.  Gefurcht  sind  auch 
die  Leuchtorgane  im  Sipho  und  zwar  senkrecht  zu  ihrer  Längsausdeh- 
nung. Die  Zahl  der  Riefen  ist  größer,  wenn  das  Tier  sich  im  kontrahierten 
Zustande  befindet,  während  die  Oberfläche  der  Leuchtorgane  glatt  er- 
scheint, wenn  es  ausgestreckt  ist. 

Verhältnismäßig  selten  lassen  sich  Furchen  auf  dem  Lippenorgan 
nachweisen,  was  mit  dem  geringen  Kontraktions  vermögen  dieser  durch 
die  Schalen  so  gut  geschützten  Mantelteile  zusammenhängt.  (Die 
Falten  im  Lippenorgan  unsres  Übersichtsbildes  rühren  einesteils  von 


Mantelränder  mit  Lippenleucht- 
oigau.  Fl,  Fußlocli;  L,  Leucht- 
organ;  ilfar,  verwachsene  Man- 
telränder ;  R,  Retraktormuskeln ; 
K,  KonstriktoiTnuskeln  (quer- 
laufend). 


über  die  Leiuhtorgaiu-  und  das  Xorvi'usystrin  von  Pholas  dactylus.     355 

der  unnatürlichen  Lage  her,  in  die  diese  Partien  durch  das  Ausbreiten 
und  Aufstecken  gebracht  sind,  andernteils  sind  viele  der  Runzeln  ein 
Produkt  der  Konservierung,  d.  h.  Schruniptungsorscheinungen.) 

Da  Panceri  und  Rawitz  bei  ihren  Untersuchungen  über  das 
Lippenorgan  übereinstimmende  Resultate  erzielten,  die  sich  aber  mit 
meinen  Befunden  nicht  decken,  so  nmü  ich  noch  kurz  auf  die  Zeichnungen 
und  Angaben  beider  eingehen. 

Die  falsche  Vorstellung  von  dem  Lippenorgan  bei  Panceri,  die 
unzweideutig  aus  den  Zeichnungen,  weniger  aus  der  unklaren  Be- 
schreibung (sie  beschränkt  sich  auf  den  Satz:  >>I1  bordo  superiore  del 
mantello  fiuo  alla  metä  di  ciascuna  delle  valve«)  hervorgeht,  ist  mei- 
ner Ansicht  nach  auf  zwei  Fehler  zurückzuführen. 

Bei  seinen  Versuchen  hat  er,  um  die  Tiere  nicht  unnötig  zu  reizen 
und  dadurch  imgewünschte  Secretionen  zu  veranlassen,  die  Schalen 
nicht  entfernt.  Wollte  er  möglichst  schnell  das  Tier  geöffnet  vor  sich 
haben,  um  ungestört  den  Entleerungsprozeß  der  Organe  verfolgen  zu 
können,  so  mußte  er  die  Mantelmembran  als  Schnittbahn  benutzen 
und  dabei  trennte  er  das  Lippenleuchtorgan  in  zwei  Teile.  Da  er  ander- 
seits seine  Versuche  in  der  Dünkelkammer  anstellte,  mag  ihm  die  eigen- 
artige Gestalt  der  inneren  Lippen  entgangen  sein,  deren  freie  Ränder, 
nach  dem  Innern  des  Tieres  aufgebogen,  eine  flache  Rinne  bilden, 
die  um  das  ganze  Fußloch  herumläuft.  Reizte  Panceri  das  Versuchs- 
tier, so  trat  aus  dem  Lippenorgane  das  leuchtende  Secret  heraus  und 
ergoß  sich  nach  allen  Seiten  über  den  Mantel,  wobei  es  natürlich  auch 
diese  dachrinnenähnliche  Aufbiegung  der  Lippen  erfüllte.  Während 
sich  das  Secret  vom  glatten  Mantel  mit  Wasser  leicht  abspülen  ließ; 
blieb  es  in  der  Vertiefung,  gegen  äußere  Angriffe  gut  geschützt,  liegen 
und  verleitete  Panceri  zu  der  Annahme,  an  diesen  Stellen  seien  eben- 
falls Leuchtdrüsen  ausgebildet. 

Daß  die  fraglichen  Stellen  völlig  frei  sind  von  den  großen,  cha- 
racteristischen  Leuchtdrüsen,  bewiesen  mir  Schnitte,  die  ich  zur  Kon- 
trolle durch  jene  Lippenregionen  legte. 

Rawitz,  der  die  Versuche  Panceris  nachprüfte,  kam  zu  folgen- 
dem Ergebnis:  »Bezüglich  der  Organe,  welche  am  vorderen  Mantel- 
rande sich  finden,  ist  zu  bemerken,  daß  dieselben  breit  beginnen,  sie 
folgen  dann  der  Biegung  des  Mantels  und  laufen  gegen  die  Mitte  der 
Schale  spitz  aus.  Alle  drei  Organpaare...«  Dabei  verweist  er  auf 
Fig.  54,  Taf.  VI  (Jenaische  Zeitschr.  f.  Nat.  Bd.  27),  auf  der  eine  der 
oben  erwähnten  fehlerhaften  Zeichnungen  Panceris  reproduziert  ist. 
Klar  und  deutlich  ist  darin  an  der  betreffenden  Stelle  ein  mit  a  bezcich- 


356 


Johannes  Förster, 


netes  >>unpaares<<  Leuchtorgan  eingetragen.  Im  Text  dagegen  spriclit 
er  immer  von  einem  Organpaar.  Wo  der  Fehler  hier  liegt,  will  ich  nicht 
untersuchen;  jedenfalls  aber  muß  auch  ich  seine  Angaben  über  dieses 
Leuchtorgan  als  unzutreffend  zurückweisen. 

2.  Das  Leuchtorgan  im  engeren  Sinne. 

Der  Leuchtkörperi. 

Seine  Form  wechselt  bei  den  einzelnen  Organen.    So  stellen  sich 

die  siphonalen  Streifen  im  Querschnitt  als  zwei  unregelmäßig  gewölbte 

Kalotten  auf  dem  Septuni  dar,   die   ihre  konvexe  Seite   dem  Bran- 


Textfig.  2. 
Schnitt  durch  ein  etwas  entleertes  Siplio-Leuchtorgan.     Das  Bindegewebe  zwischen  den  Drüsen 
ist  nicht  gezeichnet.     S,  Schleimdrüsen;  L,  Leuchtdrüsen;    bl,  Blutgefcäß;  n,  Nerv;  se,  Septum. 

chialsipho  zukehren,  während  sie  mit  ebener  Basis  auf  den  Kon- 
striktorb ündeln  aufsitzen.  Die  übrigen  Organe,  die  Mantelflecken  und 
das  Lippenorgan  dagegen  haben  eine  ebene  Oberfläche.  (Diese  Angaben 
beziehen  sich  auf  Objekte,  die  sich  nicht  kontrahiert  haben). 

Die  im  Vergleich  zu  andern  Mollusken,  z.  B.  den  Cephalopoden,  sehr 
primitiven  Leuchtorgane  zeigen  in  allen  Fällen  eine  übereinstimmende 
Bauart.  Mikroskopisch  betrachtet  erkennen  wir  eine  große  Menge 
Drüsen,  deren  Ausführgänge  der  Außenfläche  zustreben  und  senkrecht 

1  Unter  dem  Leuchtkörper  verstehe  ich  den  ganzen  Raum,  soweit  er  von 
den  Schleim-  und  Leuchtdrüsen  eineenoinmen  wird. 


über  die  Leuehtürganc  und  (l;is  Xcivciisystciii   von    Pliolas  daetylus.     357 

ZU  dieser  stehen,  mit  Ausnaliinc  dci'  in  den  äußersten  Randpartien 
gelegenen.  An  den  Rändern  der  Organe  sind  die  Drüsen  nur  klein; 
sie  nehmen  aber  gegen  die  Mitte  hin  an  Größe  beträchtlich  zu.  Nach 
ihrem  verschiedenen  Verhalten  ";e<>;en  Farbstoffe  —  die  einen  haben 
eine  große  Affinität  zu  den  Schleimfarbstoffen  Thionin  und  Muci- 
karmin,  die  anderen  zu  Eiscnhämatoxylin  —  müssen  wir  sie  in  zwei 
Gruppen  scheiden:  Schleim-  und  Leuchtdrüsen. 

Beide  sind  einzellige  Gebilde ;  mehrzeUige  habe  ich  nie  wahrgenom- 
men.  Jede  Drüse  hat  ihren  besondern  Ausführgang,  durch  den  sie  ihr 


Textfig.  3. 

Schnitt  durch  das  Lippenorgan  und  den  freien  aufgebogenen  Lippenrand  {Li).     Das  Bindegewebe 
ist  niciit  gezeichnet.     S,  Sclileimdrüse ;  L,   Leuchtdrüse,   n',  Hauptnerv;  n,  Xebenäste;  a,  Arte- 
rien; mu.  Konstriktormuäkeln. 

Secret  in  den  Branchialsipho  entleert.  An  Größe  übertreffen  die  Leucht- 
drüsen die  Schleimzellen  mitunter  um  das  zwei-  bis  dreifache.  Beide 
Drüsenarten  liegen  niemals  wirr  durcheinander,  sondern  jede  ist  auf 
eine  bestimmte  Region  beschränkt,  die  ihre  Lage  nicht  verändert, 
was  deuthch  aus  den  verschiedenen  Abbildungen  hervorgeht 

Auf  diese  Weise  ergibt  sich  eine  einfache  Dreiteilung  in  allen  Leucht- 
organen, insofern  als  wir  eine  Epithelschicht,  die  Region  der  Mucin- 
driisen  und  unter  ihr  die  große  Masse  der  Leuchtdiüsen  zu  unter- 
scheiden vermögen.    Die  Lücken  zwischen  den  Leuchtdrüsen  und  der 


358  Johannes   Förster, 

oberen  Konstriktorschicht  erfüllt  lockeres  Bindegewebe,  das  auch  die 
Drüsen  umscheidet  (Taf.  IX,  Fig.  1). 

Die  relativen  Größenverhältnisse  dieser  drei  Schichten  sind  in  den 
einzelnen  Organen  Schwankungen  unterworfen.  Aus  diesem  Grunde 
läßt  sich  auch  meiner  Ansicht  nach  die  Allgemeingültigkeit  der  von 
Rawitz  aufgestellten  Proportion  (1:4:6)  nicht  aufrecht  erhalten. 

Ich  wende  mich  nunmehr  dem  feineren  Baue  jeder  einzelnen  Re- 
gion zu. 

a)  Epithel.  Nach  außen  sind  die  Drüsenpolster  durch  eine  Schicht 
von  schmalen  Cylinderzellen  mit  kleinen  rundlichen  Kernen  abge- 
schlossen, zwischen  denen  sich  die  Ausführgänge  der  darunter  liegen- 
den Drüsen  hindurchdrängen.  Auf  ihrem  freien,  sich  deutlich  abheben- 
den Rande  tragen  sie  einen  Besatz  von  weichen  Härchen,  die  von  ganz 
bedeutender  Länge  sind,  oft  zweimal  so  groß,  als  wir  sie  auf  den  Wimper- 
zellen im  Mantel  zu  finden  gewohnt  sind.  Jede  dieser  Cilien  inseriert 
an  einem  Basalkorn,  das  dicht  unter  der  Cuticula  gelegen  ist;  von 
ihm  gehen  fibrillenartige  Plasmastränge  aus,  die  die  ganze  Zelle  durch- 
setzen, so  daß  diese  in  ihrer  Längsrichtung  gestreift  erscheint. 

Die  Bedeutung  dieser  kräftigen  Wimperzellen  liegt  jedenfalls  in 
der  Erzeugung  starker  Wasserströmungen  im  Mantelraume,  die  die 
erste  Bedingung  für  eine  weitere  Ausbreitung  der  Leuchtmaterie  im 
umgebenden  Medium  sind. 

b)  Schleimdrüsenschicht.  Dieser  Abschnitt  setzt  sich  aus 
einzelligen  Drüsen  von  recht  stattlichem  Durchmesser  zusammen, 
deren  Inhalt,  wie  aus  der  intensiven  Färbbarkeit  mit  Thionin  und 
Mucikarmin  hervorgeht,  schleimiger  Natur  ist.  Bei  Tieren,  die  man 
durch  anhaltenden  Reiz  zur  völligen  Entleerung  ihrer  Organe  gezwungen 
hat,  sind  sie  ganz  zusammengefallen  und  enthalten  außer  dem  Kerne  nur 
noch  geringe  Schleimreste.  Jede  Drüse  (Taf.  IX,  Fig.  7)  hat  ihren  be- 
sondern kurzen  Ausführgang,  der  sich,  wie  stark  überfärbte  Hämalaun- 
präparate  lehren,  zwischen  den  Epithelzellen  kelchförmig  erweitert. 
Der  Zellinhalt  ist  eine  zarte  Masse  mit  wabig-blasiger  Struktur,  die 
sich  gegen  den  Drüsenhals  verliert  und  besonders  schön  in  Eisenhäma- 
toxylinpräparaten  zur  Geltung  kommt.  Das  Secret  ist  zumeist  aus 
der  Mündung  etwas  herausgedrängt  und  sitzt  auf  dieser  wie  ein  Pfropfen 
auf  einer  Flasche.  Der  Zellkern,  dessen  Größe  zwischen  4,5  und  5  /i 
schwankt,  liegt  basal,  nicht  selten  in  eine  kleine  Aussackung  hinein- 
gedrückt. Ihn  färberisch  gut  hervorzuheben,  ist  nicht  immer  leicht. 
In  dunkelgefärbten  Zellen  ist  er  vielfach  gar  nicht  zu  erkennen,  da  er 
völlig  von  den  Muciumassen  verdeckt  wird,  ein  Umstand,  der  Rawitz 


i'licr  die  Ivcuclitorgaue  und  das  Ncrvensystcni   von   Pliolas  dactylus.    359 

veranlaßte,  die  nach  seiner  Ansicht  kernlosen  Schleimmassen  als  das 
Produkt  der  Leuchtdrii.sen  anzusehen. 

Die  Mucindrüsen  sind  in  allen  Organen  bis  auf  die  Randpartien, 
in  denen  sie  etwas  spärlicher  vorkommen,  regelmäßig  verteilt.  Sie  lie- 
gen dichtgedrängt  nebeneinander  —  nicht  wie  auf  der  äußern  Fläche 
des  Sipho  zu  Gruppen  von  acht  bis  zehn  vereinigt  —  und  durchziehen 
auf  gefärbten  Schnitten  die  Leuchtorgane  subepithelial  wie  ein  blaues 
Band  (Textfig.  1  u.  2  S). 

Was  ihre  Entstehung  anlangt,  so  sind  sie  herzuleiten  von  den  im 
ganzen  inneren  Mantel  zerstreut  liegenden  mukösen  Becherzelleu. 

c)  Leuchtdrüsenschicht.  Man  studiert  sie  am  besten  an  Schnit- 
ten durch  ein  stark  entleertes  Leuchtorgan,  da  dort  die  Drüsen,  weil 
weniger  mit  Secret  erfüllt,  einander  nicht  verdecken  und  deshalb  sich 
weit  besser  für  die  Beobachtungen  eignen. 

Wir  haben  es  auch  hier  mit  einzelligen,  birnenförmigen  Drüsen 
zu  tun,  deren  Ausführgänge  sehr  lang  sind  (Taf.  IX,  Fig.  1  Ld).  Jede 
enthält  nur  einen  Kern  von  kurzelliptischer  Gestalt,  den  man  im 
untern  Teile  der  Zelle  in  verschiedener  Lage  antreffen  kann.  Da  er 
groß  ist  —  im  Durchschnitt  4,7  u  —  und  einen  deutlich  hervortreten- 
den Nucleolus  in  sich  schließt,  so  unterscheidet  er  sich  sofort  von 
den  umliegenden  Bindegewebskernen,  die  bedeutend  kleiner  und  lang- 
elliptisch sind.  In  prallgefüllten  Leuchtorganen  haben  diese  Zellen 
infolge  rein  mechanischer  Zusammendrängung  oft  polyedrische  Form 
angenommen;  dies  beobachtet  man  durchgängig  bei  solchen,  deren 
Secret  noch  nicht  die  völhge  Reife  erlangt  hat  (Taf.  IX,  Fig.  2), 

Die  eben  charakterisierten  Drüsen  liefern  die  leuchtende  Materie 
und  sind  zu  gewissen  Zeiten  völlig  erfüllt  von  feinen  Körnchen,  die  im 
ungefärbten  Präparat  durchsichtig  erscheinen  und  stark  lichtbrechend 
sind.  In  ihrer  Anordnung  habe  ich  eine  Gesetzmäßigkeit  nicht  fest- 
stellen können. 

Mit  ein  paar  Worten  möchte  ich  den  Prozeß  der  Secretbildung 
und  die  mit  ihm  Hand  in  Hand  gehenden,  auffallenden  Veränderungen 
in  den  Leuchtzellen  behandeln,  die  bisher  noch  niemand  beachtet  hat. 
Drei  aufeinanderfolgende  Stadien  lassen  sich  dabei  unterscheiden. 

Das  erste  wird  repräsentiert  durch  eine  Zelle,  die  vor  einiger  Zeit 
entleert  wurde  und  nun  im  Begriff  ist,  ihr  Secret  zu  regenerieren 
(Taf.  IX,  Fig.  5  a).  Ihren  alten  Größenumfang  hat  sie  noch  nicht  wieder 
erreicht.  Das  intensiv,  aber  gleichmäßig  gefärbte  Zellplasma,  von  dem 
sich  der  große  Kern  scharf  abhebt,  erscheint  auf  den  ersten  Blick 
homogen.    Untersucht  man  es  genauer,  so  kann  man  darin  die  ersten 


360  Johannes  Förster, 

Spuren  eines  sich  bildenden  feinen  Maschenwerkes  entdecken.  Da  die 
Wandungen  des  Ausführganges,  der  meist  nur  gegen  sein  oberes  Ende 
hin  noch  einige  zurückgebhebene  Granula  enthält,  an  den  secretleeren 
Stellen  durch  den  Druck  der  umliegenden  Zellen  eng  aufeinandergepreßt 
werden,  so  ist  der  Drüsenhals  schwer  zu  finden.  Mit  zunehmendem 
Alter  werden  die  Wandungen  des  Maschen  Werkes  dicker,  färben  sich 
viel  dunkler  als  das  von  ihnen  eingeschlossene  Plasma  und  treten 
deshalb  deutlicher  hervor.  Die  Zelle  ist  jetzt  in  eine  große  Menge 
scharf  abgegrenzter,  polygonaler  Bezirke  eingeteilt  (Taf.  IX,  Fig.  5  h). 

Damit  sind  wir  am  wichtigsten  und  interessantesten  Punkte 
in  der  Entwicklung  des  Leuchtsecretes  angelangt.  Bekannt  sind  uns 
seine  zwei  Erscheinungsformen:  nämlich  der  homogene  Zustand,  wie 
wir  ihn  in  den  regenerierenden  Zellen  finden  (Taf.  IX,  Fig.  5a  u.  b), 
und  die  Granula,  das  ausgereifte  Secret,  in  den  sezernierenden  Zellen 
(Taf.  IX,  Fig.  bd).  Es  drängt  sich  die  Frage  auf:  Wie  gestaltet 
sich  der  Übergang  aus  der  einen  Form  in  die  andre  und  welche 
sichtbaren  Veränderungen  sind  dabei  an  der  Zelle  zu  kon- 
statieren? 

Erst  nach  längerem  Suchen  auf  einer  großen  Menge  von  Schnitten 
gelang  es  mir,  einige  Zellen  herauszufinden,  die  günstig  getroffen  waren 
und  darum  sichere  Aufschlüsse  über  diesen  Punkt  liefern  konnten. 

Der  homogene  Inhalt  einiger  dieser  kleinen,  polyedrischen  Bezirke 
hatte  sich  in  rundlich  ovale  Secretkörnchen  umgewandelt.  Da  sie  nur 
noch  etwa  zwei  Drittel  des  früheren  Raumes  einnahmen,  so  mußte  es 
unter  Volumenverringerung,  die  eine  entsprechende  Zunahme  der 
Dichte  zur  Folge  hatte,  vor  sich  gegangen  sein  (Ausscheidung  von  Kon- 
kretionen in  jedem  Granulum  siehe  später).  Dieser  Koeffizient  läßt  sich 
ziemlich  genau  angeben,  da  die  abgrenzenden  Maschenwandungen  noch 
eine  kurze  Zeit  nach  der  Verwandlung  bestehen  bleiben.  Bemerkens- 
wert ist,  daß  der  Inhalt  jeder  Masche  nur  ein  Granulum  liefert,  nie 
mehr  (Taf.  IX,  Fig.  5  c). 

Der  Übergang  aus  dem  plasmatischen  Zustande  in  den  körnigen 
ist  erst  eine  Folge  von  durchgreifenden  chemischen  Umwandlungen 
innerhalb  der  Drüsenmasse,  was  einerseits  aus  der  veränderten  Gestalt 
des  Plasmas,  anderseits  aus  der  neuauftretenden  Affinität  zu  gewissen 
Farbstoffen  hervorgeht.  So  nehmen  die  Granula  z.  B,  Eisenhämatoxylin 
sehr  stark  auf,  während  es  niemals  gelingt,  den  plasmatischen  Inhalt 
der  Maschen  damit  zu  färben. 

Es  ist  wahrscheinlich,  daß  die  Ursache  für  den  Beginn  der  Secret- 
umwandlung  in  vorangegangenen  chemischen  Prozessen  im  Kern  zu 


L'Ikt  (1r>  LfUclitomaiU'  luul  das  XcrvcMisystem  von   l'liolas  dactvhis.    ."JGJ 


MirluMi  i.st ;  (ItMiii  wiederholt  konnte  ich  beobaehten,  daß  Maschen  um 
den  Kern  herum  CJraiuda  enthielten,  während  jenseits  dieser  Zone 
noch  keine  Uniwandkmgen  in  der  Zelle  stattgefunden  hatten.  Am  Kern 
selbst  habe  ich  nie  nachweisbare  Veränderungen  in  bezug  auf  Größe, 
Gestalt  oder  Chromatingehalt  feststellen  können. 

Da  Drüsen  mit  derartigen  Umwandlungsstadien  nicht  sehr  häufig 
sind,   kann  man  daraus  schließen,   daß  der   Übergang  aus   doi'  tiiuii 
Secretform   in  die  andre  nur  kurze  Zeit  in 
Anspruch  nimmt. 

Damit  ist  die  Drüse  im  letzten  Stadium 
angelangt.  Ihr  gesamter  Inhalt  ist  in  feine 
Körnchen  umgewandelt,  die  enggedrängt 
Roll  ha  um  und  Ausführgang  erfüllen,  wäh- 
rend vom  Maschenwerk  keine  Spur  mehr 
zu  sehen  ist.  Wahrscheinlich  wird  es  wieder 
in  flüssige  Form  umgewandelt  und  erfüllt 
die  Lücken  zwischen  den  Secretkörnern,  um 
die  Reibung  der  Granula  untereinander  wie 
auch  an  den  Wandungen  der  engen  Hälse 
herabzumindern.  Das  flüssige  Secret  läßt 
sich  deutlich  in  solchen  Drüsen  erkennen, 
deren  Granula  sich  zu  mehreren  großen 
Klumpen  zusammengeballt  haben  (Textf  ig.  4). 

Es  bleibt  mir  noch  übrig,  auf  die  Struk- 
tur der  Leuchtmaterie,  d.  h.  der  Granula 
einzugehen.  Besser  als  alle  weitläufige  Be- 
schreibung gibt  ein  Bhck  auf  Taf.  IX,  Fig.  6 
Aufschluß.  Ein  solches  Granulum  stellt  sich 
als  ein  gewölbtes,  linsenförmiges  Körper- 
chen von  etw^a  2,8  u  Durchmesser  dar,  das 
in  der  Regel  eine  strenge  Scheidung  in  eine 

.  .  Leuciitdiüsc  mit  zusammengeball- 

äußere  HüUschicht  und  eine  zentrale  Masse   tem  körnigen  Secret.  fi.s,  flüssiges 


Textfig.  4. 


Secret. 


Komp.-Oc.    12,     Apoclir. 
2  mm. 


zeigt.  Diese  letztere,  die  sich  selbst  bei  lan- 
gem Verweilen  in  Eisenhämatoxylin  nur 
äußerst  schwach  färbt,  ist  elliptisch  und  durchaus  homogen.  In 
Secretkörnern,  die  eben  erst  umgewandelt  sind,  ist  der  Zentralkörper 
noch  nicht  vorhanden;  wohl  aber  lassen  sich  in  der  dunklen  Secret- 
masse  Vacuolen  nachweisen,  deren  Inhalt  ebenfalls  auf  Eisenhäma- 
toxylin nur  schwach  reagiert.  Diese  wandern  allmählich  nach  der 
Mitte,  vereinigen  sich  und  bilden  die  zentrale  Masse.    Um  diese  herum 


362 


Johannes  Förster, 


lieüt  der  dicke,  leicht  färbbare  Mantel,  der  stets  eine  beschränkte 
Menge  in  Gestalt  und  Größe  variierender  Einschlüsse  biro;t.  Mit  Eisen- 
hämatoxylin  färben  sich  diese  regellos  eingestreuten  Konkretionen 
blauschwarz.  Bei  Secretkörnern,  die  diese  Scheidung  in  zwei  Zonen 
nicht  aufweisen,  was  ich  auch  beobachtet  habe,  liegen  die  Einschlüsse 
entweder  in  der  ganzen  Masse  zerstreut  oder  sind  in  der  Mitte  zu  einem 
einzigen  Klumpen  zusammengeballt. 

Durch  die  Ausscheidung  dieser  Konkretionen  im  Secretkorn  würde 
die  beobachtete  Volumen  Verringerung  eine  Erklärung  finden. 

Am    lebenden    Tiere    besitzen    die    Öecretkörnchen    nach    Rawitz 

einen  ungemein  hohen  Grad 
der  Viscosität,  sind  farblos 
und  haben  einen  matten 
Glanz. 

Direkte  Schlüsse  über 
die  chemische  Natur  der 
Stoffe,  auf  deren  Umsetzun- 
gen die  Chemoluminiszenz 
beruht,  lassen  sich  aus 
meinen  Befunden  nicht  zie- 
hen. Darum  wäre  es  wün- 
schenswert, wenn  sich  ein- 
mal exakte  Chemiker  inten- 
siver mit  diesem  Photogen 


Ld 


--Sd 


Textfig.  5. 

Aufsicht  auf  die  Oberfläche  eines  Leuchtorganes.  Ld,  Mün 

düngen   der    Leuchtdrüsen;    Sd,  Mündungen   der  Schleim 

drüsen;  m,  subepitheliale  Muskellage. 


beschäftigen  würden;  denn 


Pholas  dact.  mit  seiner  star- 
ken Secretentwicklung  lie- 
fert sehr  günstiges  Material,  um  unter  Ausschluß  aller  vitalen  Einflüsse 
die  rein  chemischen  Eigenschaften  zu  studieren.  Vielleicht  gelingt  es 
auch,  die  chemisch-physikalischen  Bedingungen  für  die  Umwandlung 
der  leuchtfähigen  Substanz  in  leuchtende  klarzulegen,  d.  h.  die  Frage 
zu  lösen,  ob  der  Sauerstoff  für  die  Luminiszenz  eine  conditio  sine  qua 
non  ist,  wie  es  die  Oxydationshypothese  verlangt,  oder  ob  auch  andre 
als  Oxydationsvorgänge  ein  Leuchten  des  Photogenes  hervorrufen 
können. 

Bisher  habe  ich  stets  die  mit  körniger  Materie  erfüllten  Gebilde 
als  Leuchtdrüsen  angesehen,  habe  aber  noch  nicht  die  Gründe  ange- 
führt, die  mich  zu  dieser  Annahme  zwingen. 

Die  Schleimdrüsen  sind  bekanntermaßen  nicht  nur  auf  die  Leucht- 
organe beschränkt,  sondern  über  den  ganzen  Mantel  und  die  Außen- 


über  die  Leiulitoigaiu'  und  das  Xeivonsystem  von  Pholas  dactylus.    363 

fläche  des  Sipho  zerstreut.  Danuuh  müssen  die  Erselieiuungen  der 
Luininiszenz  an  die  Anwesenheit  und  Tätigkeit  der  Drüsen  geknüpft 
sein,  die  den  dritten  Absclmitt  des  Leuchtkörpers  einnehmen.  Dies 
wird  bestätigt  durch  die  Tatsache,  cUiß  die  Drüsen  mit  dem  körnigen 
Secret  stets  nur  an  den  Stellen  vorkonnnen,  wo  bei  Pholas  dact.  nach 
den  Angaben  der  Beobachter  ein  Leuchten  auftritt,  und  zwar  dort  in 
erstaunlich  reicher  Zahl. 

3.  Blutgefäße. 

Die  reiche  Versorgung  mit  Nährstolten  spielt  bei  Drüsen,  die  be- 
sonders stark  in  Anspruch  genommen  werden,  immer  eine  bedeutende 
Rolle.  Darum  überrascht  es  auch  nicht,  wenn  wir  neben  oder  unter  den 
Leuchtorganen  auf  starke  Blutgefäße  stoßen. 

Die  beiden  zuführenden  Arterien  im  Lippenorgan  gehören  in  das 
Bereich  der  Aorta  anterior,  die  vom  Herzen  kommend  im  Bogen  über 
den  Magen  hinwegsetzt,  um  kurz  darauf  nach  abwärts  in  den  Einge- 
weidesack scharf  umzubiegen.  An  dieser  Krümmung  zweigt  sich  ein 
starker  Ast  ab,  der  ein  Stück  nach  vorn  läuft  und  sich  dann  in  eine 
rechte  und  linke  vordere  Mantelarterie  gabelt.  Jedes  dieser  beiden  Ge- 
fäße zieht  parallel  dem  Mantelnerven  unter  einem  Schenkel  des 
Leuchtorganes  entlang  und  gibt  auf  diesem  Wege  eine  Menge  von  Seiten- 
ästen ab. 

Die  Blutbahnen,  die  unter  die  Mantelflecke  und  die  Siphonal- 
streifen  treten,  gehören  zum  System  der  Aorta  posterior.  Diese  läuft 
am  Enddarm  entlang  über  den  hinteren  Schließmuskel  hinweg,  an 
dessen  Ende  sie  sich  in  die  beiden  Siphonalarterien  gabelt,  die  parallel 
den  Septalnerven  den  Sipho  in  seiner  ganzen  Länge  durchziehen,  und 
dabei  neben  vielen  andern  in  kurzen  Abständen  schwächere  Gefäße 
nach  den  Leuchtorganen  entsenden. 

Die  Blutzufuhr  zu  jedem  Mantelfleck  versorgt  eine  Arterie,  die  in 
der  Nähe  des  Siphonalganglions  jederseits  rechtwinklig  von  der  Sipho- 
arterie  abzweigt. 

Verfolgen  wir  die  kleineren  Blutgefäße  in  einem  der  Leuchtorgane, 
so  sehen  wir,  daß  sie  sich  schon  nach  kurzem  Verlauf  in  ein  Lacunen- 
system  ergießen,  das  sich  unter  dem  Drüsenpolster  ausbreitet.  Das 
arterielle  Blut  kann  auf  diese  Weise  direkt  an  die  Drüsenzellen  heran- 
treten und  seinen  Sauerstoff  abgeben.  Venös  geworden,  sammelt  es 
sich  dann  in  andern  wandungslosen  Räumen  des  Gewebes  und  fließt 
in  Kanälen  einem  venösen  Läugssinus  zu,  der  unter  dem  Pericard  ge- 
legen ist.  Von  da  gelangt  es  teils  in  die  Niere  und  zu  den  Kiemen,  teils 


364 


Johannes  Förster, 


direkt  in  die  Kiemen.  Die  Venen  selbst  kann  man  als  in  die  Länge  ge- 


zogene Lacunen  betrachten. 


4.  Muskulatur. 
Betrachtet  man  den   Querschnitt  eines  Leuchtorganes  aus  dem 
Sipho,  so  findet  man  eine  Anordnung  der  Muskelfasern  nach  den  drei 
Dimensionen  des  Raumes.    Die  Hauptmasse  der  Muskulatur  wird  von 


Textfig.  6. 
Schema  für  die  Anordnung  der  Muskeln  in  den  Leuchtorganen  (speziell  Siphonalstreifeu).  Re.  Re- 
tractorbündel;    K,   Konstriktormuskeln ;    Ko,    Kompressormuskeln:    Su,   subepitheliale    Muskel- 
schicht. 


mächtigen,  oval  gestalteten  Bündeln  des  Retraktors  gebildet,  der  unter 
dem  Drüsenpolster  entlang  läuft.  Geschieden  werden  sie  von  einander 
durch  schmale  Septen,  die  aus  den  Muskelfasern  des  Kompressors  be- 
stehen und  nach  der  Oberfläche  des  Leuchtorganes  laufen,  wo  sie  sich 
fächerförmig  auflösen.  Die  Retraktorbündel  werden  von  schwächeren, 
querlaufenden  Muskelzügen  des  inneren  Siphonalkonstriktors  allseitig 
umgeben.  Auf  die  obere  Konstriktorschicht  folgt  eine  breite  Zone,  die 
von  den  Leucht-  und  Schleimdrüsen  eingenommen  wird.  Darin  stoßen 
wir  nur  auf  die  schon  erwähnten,  vertikalen  Fasern  des  Kompressors. 
Erst  dicht  unter  dem  Epithel  können  wir  noch  einige  spärlich  ent- 
wickelte Muskeln  nachweisen,  die  sich  aus  Konstriktor  und  Retraktor- 
fasern  zusammensetzen,  wobei  die  Quermuskeln  zu  oberst  laufen. 
Da  ein  entsprechend  gelegter  Schnitt  durch  ein  Mantelorgan  in 


IMjor  die   l^ciuhtorganc  uiul  das  Xcrvensy.stom  von  Pholas  dactylus.    365 

bezug  auf  Anordmiiiu  und  Stärke  <l<'r  einzelnen  Muskelschichten  das 
gleiche  Bild  gibt,  erübrigt  es  sich,  weiter  darauf  einzugehen. 

Derart  stark  entwickelte  Muskeln  fehlen  unter  dem  Lippenorgan 
völlig;  dort  lassen  sich  nur  einige  kleinere  nachweisen,  die  dem  Re- 
traktor  des  Sipho  entstammen.  Sie  laufen  auf  der  beide  Mantelhälften 
verbindenden  Quermembran  nach  vorn,  teilen  sich  am  hinteren  Ende 
des  Fulilociies  und  ziehen  unter  den  Schenkeln  des  Leuchtorganes  hin, 
um  sich  in  der  Mundgegend  wieder  zu  vereinigen.  Dazu  kommen  noch 
^luskelfasern  des  äußeren  Siphonalkonstriktors,  die  die  inneren  Lippen 
und  die  Mantelmembran  quer  durchsetzen.  Die  einzelnen  Fasern  liegen 
nicht  eng  nebeneinander,  sondern  sind  mehr  gelockert,  da  die  Bindesub- 
stanz zwischen  ihnen  ziemlich  reichlich  entwickelt  ist.  Muskelbündel, 
die  das  Drüsenpolster  quer  durchziehen,  treten  nur  ganz  vereinzelt  auf. 

Die  Frage  nach  einem  direkten  Zusammenhange  von  Epithel- 
zellen und  Muskelfaser  wurde  schon  von  verschiedenen  Forschern  auf- 
geworfen. DuBOis  will  ihn  gesehen  haben,  doch  wird  die  Richtigkeit 
der  Angaben  von  Rawitz  angezweifelt.  Meine  Resultate  entscheiden 
zugunsten  von  Dubois,  insofern  als  ich  einen  direkten  Zusammen- 
hang zwischen  beiden  erkannte,  der  auch  gar  nicht  schwer  nachzu- 
weisen ist,  wenn  man  geeignete  Stellen  svicht  und  die  Präparate  speziell 
für  derartige  Untersuchungen  färbt.  Günstig  sind  z.  B.  die  beiden 
Enden  jedes  Siphonalstreifens,  da  dort  die  Leucht-  und  Schleimdrüsen 
überhaupt  noch  völlig  fehlen  oder  nur  erst  vereinzelt  auftreten.  Auf 
den  Schnitten  durch  diese  Regionen  sieht  man  die  radiär  gestellten 
Kompressormuskeln,  wie  ich  schon  früher  angab,  gegen  die  Oberfläche 
sich  in  mehrere  Fasern  fächerförmig  auflösen.  Verfolgt  man  eine  dieser 
Fasern  weiter,  so  zerfällt  sie  kurz  vor  dem  Epithel  in  eine  Menge  zarter 
Fibrillen,  die  besenartig  auseinanderlaufen  und  an  die  unteren  Enden 
der  Epithelzellen  herantreten,  mit  deren  Zellmembran  sie  in  engstem 
Kontakt  stehen.  Wir  hätten  also  hier  einen  weiteren  Fall  der  sekun- 
dären Verbindung  von  Epithelzellen  mit  Derivaten  des  mittleren  Keim- 
blattes, wie  sie  in  unsrer  Zeit  von  Schuberg,  Heidenhain  u.  a.  nach- 
gewiesen sind. 

Solche  Verbindungen  bestehen  auch  zwischen  den  Leuchtdrüsen 
und  den  Kompressornmskeln,  insofern  die  letzteren  an  die  Zellen  heran- 
treten und  den  untersten  Teil  umfassen. 

Im  Anschluß  hieran  möchte  ich  noch  die  Frage  erörtern,  wie  diese 
verschiedenen  Muskelgruppen  im  Leuchtorgan  bei  einer  Kontraktion 
auf  die  Drüsen  wirken. 

Durch   die   Retraktorbündel   werden   die   Drüsenpolster   in   ihrer 

Zeitsdirift  f.  wissenscli.  Zoologie.    CIX.  IJd.  25 


366  Johannes  Förster, 

Längsausdehnung  stark  verkürzt,  während  die  Konstriktormuskeln 
den  Qiierdurchmesser  zu  verringern  und  die  Kompressorfasern  das 
Leuchtorgan  von  oben  nach  unten  zusammenzuziehen  suchen.  So  wird 
auf  die  Drüsen  ein  allseitiger  Druck  ausgeübt,  dem  das  Secret  dadurch 
auszuweichen  sucht,  daß  es  sich  in  die  leeren  Ausführgänge  der  Drüsen 
hineinschiebt,  sie  erfüllt  und  zuletzt  aus  den  Mündungen  an  der  Ober- 
fläche des  Leuchtorganes  heraustritt.  Es  findet  also  ein  rein  mecha- 
nisches Auspressen  der  in  den  Drüsen  enthaltenen  Secretmassen  statt. 
Bei  völliger  Kontraktion  der  Muskeln  kann  z,  B.  ein  Siphonal- 
streifen,  wie  ich  an  mehreren  Exemplaren  gemessen  habe,  fast  auf 
die  Hälfte  seiner  früheren  Länge  zusammengeschoben  werden. 

5.  Nerven. 

Alle  Leuchtorgane  werden  reichlich  von  Nerven  versorgt,  die  den 
verschiedenen  Hauptgruppen  entstammen.  Ich  beginne  mit  der  Schil- 
derung der  Innervation  der  Siphonalstreifen,  wobei  ich  mich,  wie  auch 
später  bei  den  Mantelorganen,  nur  auf  die  eine  Seite  des  Tieres  be- 
schränken werde. 

Als  Wurzel  aller  nervösen  Elemente,  die  sich  in  und  unter  den 
Drüsenpolstern  nachweisen  lassen,  ist  der  Septalnerv  anzusehen,  der, 

npe 
nM 


a  b 

Textfig.  7. 
Schema  füi-  die  Inneivierung  der  Mantelflecken,     a,  Leuclitorgan,  liegt  neben  der  Xerventeilung; 
b,  Leuchtorgan,  liegt  über  der  Teilungsstelle.     nM,  Xerv  vom  inneren  Mantelbogen;  npe,  äußerer 

Mantelbogen, 

zwischen  den  Retraktormuskeln  laufend,  das  Leuchtorgan  in  seiner 
ganzen  Länge  begleitet.  Er  gibt,  sobald  er  darunter  tritt,  einen  starken 
Nerv  ab,  der  aufwärts  steigt,  umbiegt  und  unter  den  Leuchtdrüsen 
sich  verschiedentlich  gabelt.  Seine  Verzweigungen  durchziehen  das 
Leuchtorgan  und  lösen  sich  in  ihm  fibrillär  auf.  Ab  und  zu  treten  auch 
noch  feine  Nervenfasern  an  das  Drüsengewebe  heran,  die  direkt  vom 
Septalnerv  kommen. 


('l)cr  die  Loiulitoigano  und  das  Xervousystein  von  Pholas  dactjius.    367 


Die  liinei'viciun^  dor  Manteloigaue  geschieht  iu  der  Hauptsache 
durch  den  äußeren  Mantelbogen,  wobei  zwei  Fälle  zu  unterscheiden 
sind  (Textfg.  7  n  u.  h). 

Nicht  innner  haben  diese  leuchtenden  Flecke  zur  Gabelungsstelle 
des  dritten  und  vierten  Siphonerven  die  gleiche  Lage,  insofern  sie 
bald  seitlich  von  ihr  liegen  {a),  bald  sie  völlig  verdecken  (6).  Die  Art 
der  Innervierung  dieser  Mantelpartien  hängt  von  der  jeweiligen  Lage  ab. 

Entspricht  nämlich  die  Lage  des  Leuchtorganes  der  Abbildung  a, 
so  führt  nur  ein  einziger  Nerv  unter  das  Drüsenpolster,  der  sich  vom 
äußeren  Mantelbogen  abzweigt  und  von  Panceri  in  seiner  Nerven- 
zeichnung bereits   vermerkt   wurde. 

Liegt  dagegen  das  Leuchtorgan  über  der  Gabelung  ausgebreitet, 
so  beteiligen  sich  an  der  Innervie- 
rung neben  dem  äußeren  Mantel- 
bogen auch  noch  Fasern  des  vierten 
Branchialsiphonerven.  Zwischen  den 
beiden  treten  Anastomosen  auf,  von 
denen  feine  Fasern  zwischen  die 
Drüsen  abgehen. 

Schließlich  kommt  noch  für  das 
Mantelorgan  ein  Nerv  in  Betracht, 
der  vom  inneren  Mantelbogen  her- 
überkommt und  in  der  Hauptsache 
die  eine  Randpartie  innerviert. 

Zu  jeder  Spitze  des  Lippenor- 
ganes  zieht  ein  starker  Nerv,  den 
man  schon  mit  bloßem  Auge  durch 
die  zarte  Haut  hindurchschimmern 
sieht,  und  verstreicht  in  dem  Binde- 
gewebe, zuweilen  auch  sogar  zwi- 
schen   den    Leuchtdrüsen,    parallel 

dem  äußeren  Rande.  Am  konvexen  Ende  des  Leuchtorganes  nähern 
sich  die  beiden  Nerven  und  ziehen  in  den  verwachsenen  Lippen  abo- 
ral wärts,  indem  sie  in  Abständen  Äste  nach  dem  Innern  abgeben.  Ob 
in  dem  hintern  Teile  des  Leuchtorganes  die  von  dem  einen  (Textfig.  8) 
Nerv  nach  innen  abgegebenen  Fasern  mit  den  von  der  andern  Seite 
kommenden  iu  Konnex  stehen  und  Verbindungsbrücken  zwischen  den 
Hauptstämmeu  schaffen,  habe  ich  nicht  mit  Sicherheit  feststellen 
können,  halte  es  aber  für  sehr  wahrscheinlich. 

Genauere  Angaben  über  den  feineren  Bau  der  Nerven  unter  den 

25* 


Textfig.  8. 
])arste]lung  des  Verlaufes  der  Xerven  und  Ülut- 
gefäße  im  Lippenorgan.   äu.M,  äußerer  Mantel- 
bogen; a,  Arterie. 


368  Johannes  Förster, 

Leuchtorganen  und  über  das  Auftreten  von  Ganglienzellen  in  den 
Geweben  der  Leucbtorgane  sind  bisher  noch  nicht  gemacht  worden. 
Deshalb  möchte  ich  hier  noch  einige  interessante  Befunde  kurz  er- 
läutern, die  mir  durch  genaue  Orientierung  der  Objekte  und  durch 
gute  Längsschnitte  der  stärkeren  Nerven,  die  sich  am  Grunde  der 
Leuchtorgane  hinziehen,  ermöglicht  wurden.  Auf  derartigen  Schnitten 
(Taf  IX,  Fig.  3)  bemerkt  man  einen  blassen,  centralen,  auf  den  ersten 
Blick  homogen  erscheinenden  Streifen,  in  dem  sich  erst  bei  Anwendung 
starker  Tauchsysteme  eine  Anzahl  ganz  zarter,  parallellaufender  Fibril- 
len erkennen  lassen,  die  in  unserm  Falle  durch  das  Säurefuchsin  kaum 
gefärbt  sind.  Um  diesen  in  Wirklichkeit  cylindrischen  Kern  legt  sich 
ein  dicker,  gegen  das  umgebende  Bindegewebe  scharf  abgegrenzter 
Mantel,  in  dem  zwischen  stärkeren  Fibrillen,  die  sich  mit  Säurefuchsin 
viel  intensiver  färben  als  die  obigen  und  im  allgemeinen  ebenfalls  pa- 
rallel laufen,  große  Ganglienzellen  unregelmäßig  zerstreut  liegen.  Außer- 
dem lassen  sich  in  der  Mantelschicht  eine  Menge  kleiner  Kerne  nach- 
weisen. 

Solche  Bilder  gewähren  alle  Nerven  unter  den  Leuchtorganen. 
Einige  Typen  dieser  feingranulierten  Ganglienzellen,  nämlich  uni-,  bi- 
und  multipolare,  habe  ich  zur  Darstellung  gebracht  (Taf.  IX,  Fig.  4). 
Von  diesen  treten  die  multipolaren  in  vorwiegender  Zahl  auf,  während 
mir  nur  selten  uni-  und  bipolare  zu  Gesicht  gekommen  sind.  Ihre 
Größe  ist  bedeutend,  insofer  der  mittlere  Durchmesser  etwa  26  fi  be- 
trägt. Fast  durchgängig  sind  diese  Ganglienzellen  einkernig ;  doch  lassen 
sich  auch  hin  und  wieder  solche  mit  einem  zweiten  Kern  (gs)  nach- 
weisen, der  dann  in  einer  kleineren,  abgeschnürten  Plasmamasse  liegt, 
die  mit  der  Hauptmasse  durch  eine  starke  Brücke  verbunden  ist.  Solche 
Zellen  lassen  sich  verschieden  deuten.  Entweder  handelt  es  sich  um 
doppelkernige,  wie  sie  bei  Mollusken  vorkommen  und  von  Rawitz  für 
einige  Lamellibranchier  nachgewiesen  sind,  oder  wir  haben  es  mit 
amitotischen  Teilungen  zu  tun,  die  für  Ganglienzellen  charakteristisch 
sind. 

Die  Kerne  sind  groß,  färben  sich  nur  ganz  wenig  und  sind 
deshalb  ziemlich  durchsichtig.  Eine  deutlich  sichtbare  Kernmembran, 
strukturlos  und  von  sehr  zarter  Beschaffenheit,  umgibt  sie.  Zumeist  noch 
recht  gut  erhalten  ist  das  Kerngerüst,  in  dem  sich  das  Kernkörperchen 
scharf  abhebt. 

Die  breiten,  langen  Fortsätze  der  Ganglienzellen  lassen  deutlich 
fibrilläre  Struktur  erkennen. 

Derartige  auffällige  Ganglienzellen  habe  ich  niemals  zwischen  den 


über  die  LeuehtorgaiU'  und  das  Nervensystem  von    Pliolas  dactylus.     369 

Leufhtdrü.veii  uiul  im  subt'pitlu'lialen  Teile  der  Leuchtorgane  luicli- 
weisen  ktiniuMi.  Aueli  ei'imitMc  ich  inicli,  i\ur  höchst  selten  solche  isoliert 
im  Bindegewebe  unter  den  Drüsen  gefunden  zu  haben.  Dagegen  sind 
.sie  im  Bereiche  der  Nerven  stets  nachweisbar. 

Leider  kann  ich  auf  die  Frage,  wo  und  wie  die  feinsten  nervösen 
Elemente  im  Leuchtorgane  enden,  kein  abschließendes  Urteil  abgeben. 
Denn  trotz  eifrigen  Bemühens  ist  es  mir  nicht  gelungen,  diese  färberisch 
so  deutlich  hervorzuheben,  daß  sie  sicher  zu  erkennen  gewesen  wären. 
Gerade  bei  Mollusken  macht  ja  die  Unterscheidung  von  bindegewe- 
bigen Elementen  und  Nervenfibrillen  große  Schwierigkeiten.  Sicher- 
lich aber  werden  sie  mit  den  Bindegewebszügen  zwischen  die  einzelnen 
Drüsen  gelangen  und  mit  ihnen  in  Konnex  treten. 

Rawitz  kennt  überhaupt  keine  Nerven,  die  an  die  Leuchtorgane 
herantreten;  so  lehnt  er  jede  Innervierung  von  seiten  der  Septalnerven 
für  die  beiden  Streifen  im  Sipho  ab.  Über  das  Lippenorgan  macht 
er  keine  Angaben,  während  er  den  vom  äußeren  Mantelbogen  zum  Mantel- 
organ führenden  Ast  nicht  gefunden  hat,  als  er  die  PANCERischen 
Untersuchungen  nachprüfte.  Hinfällig  durch  meine  Ausführungen 
wird  auch  seine  Behauptung,  daß  »nirgends  im  ganzen  Organe,  so 
wenig  wie  unter  ihm  sich  Nervenzellen,  d.  h.  Ganglienzellen  finden«. 

Die  Angaben  von  Dubois  kann  ich  nur  insofern  bestätigen,  als  ich 
nachzuweisen  vermag,  daß  Ganglienzellen  unter  den  Leuchtorganen 
vorhanden  sind.  Hingegen  habe  ich  sie  nicht  in  andern  Teilen  des 
Sipho  gefunden,  obgleich  isolierte,  periphere  Ganglienzellen  bei  Mol- 
lusken zuweilen  beobachtet  wurden.  Von  einem  »segment  neural,  qui 
est  constitue  par  des  cellules  ganglionnaires  ordinairement  ovoides, 
bipolaires  ou  nmltipolaires,  qui  a  leur  tour  envoient  des  prolongements 
dans  la  profondeur  du  siphon  ou  vers  les  segments  semblables  situes 
dans  les  zones  superficielles«,  wie  er  es  sich  für  seine  »photodermatische 
Theorie«  konstruiert  hat,  kann  nicht  die  Rede  sein. 

Eine  kurze  Zusammenfassung  der  morphologischen  Daten  ergibt 
folgendes : 

Pholas  dactylus  besitzt  fünf  Leuchtorgane:  ein  Paar  schmale, 
parallellaufende  Streifen  auf  dem  Septum,  im  Branchialsipho,  zwei 
unregelmäßige  Flecke  im  Mantel  und  ein  hufeisenförmiges  Organ,  um 
den  hinteren  Teil  des  Fußloches.  Alle  liegen  auf  der  inneren  Mantel- 
fläche, über  die  sie  sich  nicht  unbedeutend  erheben. 

Jedes  Leuchtorgau  setzt  sich  zusammen  aus  einer  großen  Zahl  von 
Einzeldrüsen,  die  in  lockeres  Bindegewebe  eingebettet  sind  und  durch 
enge  Ausfuhr üänge  ihren  Inhalt  in  den  Mantelraum  entleeren.    Nach 


370  Johannes  Förster, 

der  Art  des  ausgeschiedenen  Secretes  teilen  wir  die  einzelnen  Drüsen 
in  Mucin-  und  Leuchtdrüsen  ein.  Für  die  erstgenannten  ist  ein  homo- 
gener Schleim  charakteristisch,  während  der  Inhalt  der  Leuchtdrüsen 
aus  einem  flüssigen  Secret  und  einer  körnigen  Masse  besteht.  Bei  der 
Bereitung  des  Secretes  werden  die  Zellen  nicht  verbraucht,  sondern 
regenerieren  während  eines  der  Entleerung  folgenden  Ruhestadiums 
ihren  Inhalt.  Das  Leuchtsecret  entsteht  durch  Umwandlung  des  homo- 
genen Inhaltes  grober  Maschenräume  in  Granula. 

Während  Mantelflecke  und  Siphonalstreifen  durch  Gefäße  der 
Aorta  posterior  versorgt  werden,  zieht  unter  jedem  Schenkel  des  Lippen- 
organes  eine  der  beiden  vorderen  Mantelarterien  entlang.  Zwischen 
den  Drüsen  ist  ein  reichverzweigtes  Lacunensystem  ausgebildet,  aus 
dem  dann  das  sauerstoffarme  Blut  durch  Venen  2;esammelt  und  weg- 
geführt   wird. 

Unter  den  Drüsenpolstern  verstreichen  starke  Längs-  und  Quer- 
muskeln, während  schwächere  sie  septenartig  von  oben  nach  unten 
durchziehen. 

In  die  Innervierung  des  Lippenorganes  teilen  sich  die  beiden  äuße- 
ren Mantelbögen,  während  ein  starker  Ast  des  Septalnerven  jeden  Si- 
phonalstreifen durchzieht.  Das  Mantelorgan  wird  außer  von  dem  schwa- 
chen Astchen,  das  vom  inneren  Mantelbogen  herüberkommt,  in  der 
Hauptsache  vom  äußeren  Mantelbogen  versorgt,  dem  sich  der  vierte 
Branchialsiphonerv  in  besonderen  Fällen  anschließt.  Die  letzten  Ver- 
zweigungen der  Nerven  nachzuweisen,  war  nicht  möglich. 


Den  morphologischen  Erörterungen  lasse  ich  noch  einige  kurze 
physiologische  Betrachtungen  folgen : 

Der  Mechanismus  des  Leuchtens  ist  bei  Pholas  dact.  nicht  weiter 
verwickelt.  Große  Drüsenzellen  bilden  ein  körniges  Secret,  das  durch 
die  Kontraktion  von  Muskeln,  die  auf  äußere  Reize  hin  erfolgt,  aus  den 
Drüsen  herausgepreßt  wird  und  aufleuchtet,  sobald  es  mit  Wasser  in 
Berührung  kommt.  Wir  haben  damit  ein  typisches  Beispiel  für  extra- 
celluläre  Luminiszenz  vor  uns,  wäe  sie  auch  bei  Copepoden  und  Ostra- 
koden  vorkommt. 

Das  Leuchten  ist  nicht  kontinuierlich;  denn  bei  fortgesetzter  Rei- 
zung tritt  bald  ein  Versagen  der  Leuchtfähigkeit  ein.  Erst  nach  einer 
Zeit  der  Ruhe  kehrt  sie  wieder.  Daraus  folgt,  daß  die  Assimilation  der 
leuchtfähigen  Stoffe  weit  hinter  der  von  Luminiszenz  begleiteten  Dissi- 
milation zurücksteht. 

Gebildet  wird  die  leuchtende  Materie  stets  von  lebenden  Zellen. 


über  dif   Lciiclitorgaiie  iiiul  das  Xervcnsystcin  von   Pliolas  dactylus.    371 

Doch  wäre  es  falsch,  daiuus  zu  schlicßou,  daß  die  Luiuiniszenz  an  die 
Bedingungen  des  Lebens  gebunden  ist,  d.  li.  im  lebenden  Protoplasma 
vor  sich  geht.  Pflüger  vertrat  lange  diese  Ansicht.  Man  ist  jetzt  im 
allgemeinen  davon  abgekommen  und  neigt  mehr  der  Auffassung  Gies- 
BRECHTs  zu,  der  meint,  daß  bei  vielen  Tieren  mit  extracellulärer  Lumi- 
niszenz  »das  Leuchten  nicht  an  dem  lebenden  Protoplasma  der  Drüsen- 
zellen, sondern  an  dem  von  ihm  produzierten  toten  Secret  auftritt«. 
Das  gilt  auch  für  die  Leuchtmaterie  von  PJiolas  dact.  Eine  Bestäti- 
gung dafür  sind  die  von  Panceri,  Dubois  und  Rawitz  angestellten 
folgenden  Versuche,  bei  denen  alle  drei  Forscher  zu  übereinstimmenden 
Resultaten  kamen.  —  Unter  einer  Glasglocke  ließen  sie  eine  Anzahl  ge- 
öffneter Tiere  stehen.  Noch  nach  Tagen,  als  schon  Fäulnis  eingetreten 
war,  konnton  sie  durch  erneute  mechanische  Reizung  das  Phänomen 
des  Leuchtens  hervorrufen,  doch  waren  die  Lichterscheinungen  weniger 
intensiv  und  nicht  mehr  so  schön  wie  am  frischen  Material.  Ebenso 
gelang  es  ihnen,  aus  dem  lebenden  Tier  herausgeschnittene  Organe, 
die  möglichst  schnell  getrocknet  waren,  nach  längerer  Zeit  durch  Ein- 
tauchen in  Süßwasser  wieder  zum  Leuchten  zu  bringen. 

Noch  nicht  erörtert  ist  die  Verwendung  der  reichen  Schleimmassen, 
die  in  den  Leuchtorganen  gebildet  werden. 

Unter  normalen  Bedingungen  tritt  die  leuchtende  Materie  in  Wolken 
aus  den  Öffnungen  der  Siphonen  heraus  und  verteilt  sich  gleichmäßig 
im  Wasser.  Dabei  hat  man  bei  schwacher  Vergrößerung  den  Eindruck, 
als  ob  um  das  Tier  tausende  von  kleinen  leuchtenden  Sternchen  schweb- 
ten. Bringt  man  eine  Wasserprobe  auf  einen  Objektträger  und  unter- 
sucht sie  unter  dem  Mikroskope,  so  sieht  man  einzelne  rundliche  Gebilde, 
die  in  eine  homogene,  aus  dem  Secret  der  Schleimdrüsen  bestehende 
Masse  eingebettet  sind.  Da  die  einzelnen  Granula,  sobald  sie  an  die 
Oberfläche  treten,  in  einen  Schleimmantel  eingehüllt  werden,  so  wird 
ein  gegenseitiges  Verkleben  oder  Klebenbleiben  an  den  Siphowänden 
verhindert,  was  bei  der  Zähigkeit  des  Leuchtsecretes  unfehlbar  eintreten 
würde.  Die  Mucinmassen  sind  also  dazu  da,  die  Granula  des  Leucht- 
secretes nach  Möglichkeit  zu  isolieren ;  auf  den  Verlauf  des  eigentlichen 
Leuchtprozesses,  d.  h.  auf  die  chemischen  Vorgänge,  die  sich  dabei  ab- 
spielen, haben  sie  gar  keinen  Einfluß. 

Daß  sich  Blindheit  und  Leuchtorgane  nicht  ausschließen,  dafür 
ist  auch  Pholas  dact.  ein  Beispiel. 


Da  nur  wenige  und  zumeist  aphoristische  Angaben  über  den  fei- 
neren Bau  der  Leuchtoroane  von  älteren  Forschern  gemacht  worden 


372  Johannes  Förster, 

sind,  dürfte  es  sich  empfehlen,  auf  die  einzige  genauere  histologische 
Untersuchung,  nämlich  auf  die  Arbeit  von  Eawitz,  einzugehen  —  dies 
umso  mehr,  als  ich  in  wichtigen  Punkten  zu  andern  Befunden  und  An- 
sichten gelangte. 

Jedes  Leuchtorgan  gliedert  er  in  die  drei  Abschnitte :  Epithel  —  Um- 
wandlungszone des  Leuchtsecretes  —  Leuchtdrüsen.  Diese  Einteilung 
stützt  sich  auf  die  verschiedene  Färbbarkeit  der  Partien. 

Von  den  einzelnen  Abschnitten  entwirft  er  dann  folgende  Schil- 
derung: >>An  den  meisten  Stellen  sind  die  Epithelzellen  durch  becher- 
förmige Gebilde  so  auseinandergepreßt,  daß  sie  meist  konisch  erscheinen. 
Diese  becherförmigen  Gebilde  sind  epitheliale  Lücken  von  sehr  großer 
Ausdehnung,  aber  keine  Becherzellen.  Das  zur  Bezeichnung  , Zelle' 
unbedingt  notwendige  Kriterium,  das  Vorhandensein  eines  Kernes, 
geht  den  Gebilden  vollständig  ab.  Man  trifft  diese  Lücken  in  allen 
Stadien  der  Füllung,  bald  ganz  prall  gefüllt,  bald  nur  im  basalen,  bald 
nur  im  distalen  Teile  Secret  enthaltend.  Je  weniger  Secret  in  den  Lücken 
ist,  desto  breiter  sind  die  die  Lücken  begrenzenden  Epithelzellen. « 

»Der  dritte,  d.  h.  der  der  Substanz  des  Septum  direkt  aufliegende 
Abschnitt .  .  .  besteht  aus  einzelnen  Zellen,  welche  meist  von  oblonger 
Gestalt  sind,  manchmal  infolge  gegenseitigen  Druckes  eine  polyedrische 
oder  ganz  unregelmäßige  Form  angenommen  haben.  Die  Zellen  sind 
gegeneinander  scharf  abgegrenzt,  eine  besondre  Membran  um  dieselben 
habe  ich  nicht  wahrnehmen  können.  Die  Kerne  sind  klein  und  kreis- 
rund und  unterscheiden  sich  dadurch  ganz  scharf  von  den  stets  ovalen 
Kernen  des  vorhandenen  Bindegewebes.  Die  Zellen  des  basalen  Organ- 
abschnittes gehen  über  in  die  Massen,  welche  die  mittlere  Partie  bilden. 
In  den  allermeisten  Fällen  ist  die  Differenz,  welche  die  bereits  erwähnte 
Färbung  beider  Partien  darbietet,  eine  ganz  scharfe,  unvermittelte.  An 
einigen,  wenn  auch  nur  wenigen  Stellen  findet  man  indessen,  daß  beide 
Farbennüancen  kontinuierlich  in  einander  übergehen.  Das  Plasma  der 
den  basalen  Abschnitt  bildenden  Zellen  erscheint  sehr  stark  granu- 
liert, fast  wie  aus  einzelnen  Tropfen  bestehend.  Allmählich  beim  Über- 
gang zum  mittleren  Abschnitte  wird  das  Plasma  homogener  und  nimmt 
beispielsweise  in  Orange-Hämatoxylinpräparaten  eine  andre  Färbung 
an,  indem  das  Hellgelb  einem  violetten  Tone  zu  weichen  beginnt.  Dieser 
violette  Ton  wird  nach  und  nach  intensiver  bis  wir  im  mittleren  Drittel, 
intensiv  gefärbte,  in  der  erwähnten  Doppelfärbung  tief  veilchenblaue 
Massen  antreffen.  Die  Massen,  welche  den  mittleren  Abschnitt  bilden, 
setzen  sich  unmittelbar  fort  in  die  interepithelialen  Lücken,  durch 
welche  hindurch  sie  sich  entleeren;  sie  entbehren  der  Zellkerne  voll- 


über  die  Leuchtoigaiu'  und  das  Norvcnsystcni  von  Pholas  dactylus.    373 

ständig.  Die  einzigen  keinlialtigen,  also  zelligen  Elemente  der  Leucht- 
organe sind  daher  nur  im  basalen,  großen  Abschnitte  vorhanden.« 

Aus  diesem  Passus  geht  hervor,  daß  Kawitz  den  Bau  des  eigent- 
lichen Leuchtkörpers  verkannt  hat;  denn  es  ist  falsch,  die  Schleim- 
massen zwischen  den  Epithelzellen  und  im  mittleren  Abschnitte  des 
Organes  als  das  Produkt  der  in  der  Tiefe  liegenden  Leuchtdrüsen  an- 
zusehen. Die  violettgefärbten  Mucinmassen  enthalten,  wie  ich  nach- 
gewiesen habe,  Kerne  und  sind  aus  diesem  Grunde  als  echte,  selbstän- 
dige Drüsen  anzusehen.  Mit  den  Leuchtdrüsen  stehen  sie  in  keiner 
Weise  in  Verbindung.  Übergangsformen,  wie  sie  Rawitz  an  einigen 
Stellen  zwischen  den  gelb  gefärbten  Leuchtdrüsen  und  den  violetten 
Schleimmassen  gesehen  haben  will,  sind  auf  ungenaue  Beobachtungen 
zurückzuführen. 

Ich  betone  also  nochmals,  daß  nicht  die  Leuchtdrüsen  die  ein- 
zigen kernhaltigen  Elemente  im  Leuchtorgane  sind,  sondern  daß  neben 
diesen  Schleimdrüsen  in  großer  Menge  ausgebildet  sind. 

Wenn  Rawitz  weiterhin  behauptet,  daß  die  Kerne  der  Leucht- 
drüsen klein  sind,  so  kann  ich  dem  nicht  beipflichten.  Im  Gegenteil 
fallen  sie  infolge  ihrer  ansehnlichen  Größe  sofort  auf  und  unterscheiden 
sich  scharf  von  denen  des  Bindegewebes. 

Widersprechen  muß  ich  ihm  auch  in  einem  andern  Punkte.  Ra- 
witz schreibt  auf  S.  183:  >>Es  sei  noch  erwähnt,  daß  man  an  einigen 
Stellen  die  Zellen  des  basalen  Abschnittes  bis  an  das  Epithel  heran- 
reichen sieht.  Es  fehlen  hier  also  im  mittleren  Abschnitte  die  intensiv 
gefärbten  Massen,  d.  h.  mit  andern  Worten:  es  befindet  sich  das  Organ 
an  dieser  Stelle  in  Ruhe,  es  ist  secretleer;  eine  Umwandlung  des  Plasmas 
dieser  Zellen  hat  noch  nicht  stattgefunden.  Sehr  beachtenswert  ist 
dabei,  daß  an  solchen  Punkten,  die  eine  Secretionspause  zeigen,  Lücken 
nicht  vorhanden  sind,  die  Epitheldecke  vielmehr  in  ununterbrochener 
Kontinuität  diese  Stellen  überzieht.  Das  zeigt  meines  Erachtens  deut- 
lich, daß  jene  becherförmigen  Lücken  in  der  Tat  nur  Lücken  sind,  die 
entstehen,  wenn  das  in  der  Tiefe  bereitete  Secret  epithelwärts  rückt, 
und  die  verschwinden,  wenn  das  Secret  ausgestoßen  ist,  indem  nun- 
mehr die  vorher  auseinandergepreßten  Wimperzellen  wieder  ihre  nor- 
male Gestalt  annehmen  und  folglich  sich  eng  aneinander  lagern.« 

Dieser  Auffassung  kann  ich  mich  nicht  anschließen,  denn  bei 
Drüsen,  die  ihr  Secret  regenerieren,  sich  also  in  einem  Ruhestadium 
befinden,  lassen  sich  die  Ausführgänge  aus  früher  angegebenen  Grün- 
den nur  selten  bis  zur  Oberfläche  verfolgen.  Rawitz  hebt  aber  beson- 
ders hervor,  daß  man  »die  Zellen  des  basalen  Abschnittes  bis  an  das 


374  Johannes  Förster, 

Epithel  heranreichen  sieht«.  Diese  Bemerkung  deutet  im  Gegenteil 
darauf  hin,  daß  es  sich  nicht  um  regenerierende  Zellen  handelt,  sondern 
um  Leuchtdrüsen,  die  mit  reifem  Secret  vollkommen  erfüllt  sind.  Liegen 
nun  zufällig  die  Ausführgänge  mehrerer  Leuchtdrüsen  dicht  nebenein- 
ander, so  werden  die  Mucindrüsen  beim  Aufsteigen  des  Leuchtsecretes 
zur  Seite  gedrängt,  wodurch  es  den  Anschein  gewinnt,  als  fehlten 
hier  die  blaugefärbten  Schleimmassen. 

Auch  bei  der  Untersuchung  des  Epithelbelages  der  Leuchtorgane 
gelangte  ich  zu  anderen  Resultaten.  Nach  Rawitz  besteht  er  aus 
Zellen,  die  sich  nach  der  Art  ihrer  Bewimperung  in  zwei  Gruppen  schei- 
den lassen.  S.  179  beschreibt  er  beide  mit  folgenden  Worten:  »Bei 
der  Untersuchung  der  das  Leuchten  bewirkenden  Partien  im  frischen 
Zustande  erkennt  man,  daß  das  Epithel,  welches  diese  Stellen  bedeckt, 
ein  Wimperepithel  ganz  eigener  Art  ist.  Es  sind  nämlich  Zellen  von 
zweierlei  Formen  vorhanden,  einmal  gewöhnliche  Wimperzellen,  d.  h. 
relativ  niedrige,  cylindrische  Gebilde,  die  auf  schmalem  cuticularem 
Saume  zahlreiche,  sehr  schnell  schlagende,  weiche  Haare  tragen  und 
dann  Zellen,  auf  deren  cuticularem  Saume  bei  dieser  Art  der  Betrach- 
tung nur  eine  Wimper  zu  sitzen  scheint.  Diese  Wimper  ist  sehr  lang, 
12,6  u,  ist  tief  in  die  Zellen  hinein  zu  verfolgen  und  gleicht  einem  Dorne, 
der  mit  etwa  0,9  /t  breitem  Fuße  auf  dem  freien  Bande  der  Zelle  auf- 
sitzt. Diese  Form  der  anscheinend  einheitlichen  Wimper  erinnert  leb- 
haft an  die  langen  Sinneshaare  auf  den  Pinselzellen  von  Lithodonius 
dactylus;  nur  unterscheiden  sich  die  Bildungen  hier  bei  Pholas  von 
denen  bei  Lithodomus  dadurch,  daß  sie  schnell  im  Sinne  der  übrigen 
Wimperbewegung  hin  und  her  schlagen,  und  zwar  so  schnell,  daß  diese 
Bewegung  ihnen  nicht  von  andern  Wimpern  mitgeteilt  sein  kann, 
sondern  auf  eigener  Fähigkeit  dazu  beruhen  muß.  Diese  Eigenbewe- 
gung der  langen  Wimpern  deutet  aber  darauf  hin,  daß  die  zu  den  Wim- 
pern gehörigen  Zellen  keine  Sinneszellen,  sondern  gewöhnliche  in- 
differente sind;  denn  der  Haarbesatz  der  FLEMMiNGschen  Pinselzelleu 
entbehrt  der  Eigenbewegung.« 

Bei  den  Untersuchungen  des  Epithelbelages  war  ich  Bawitz  gegen- 
über in  sofern  etwas  im  Nachteile,  als  mir  lebendes  Material  nicht  zur 
Verfügung  stand.  Doch  glaube  ich  immerhin  darauf  hinweisen  zu 
dürfen,  daß  verschiedene  konservierte  Tiere  stets  übereinstimmende 
Resultate  lieferten. 

Seine  Angaben  über  das  Vorkommen  von  Zellen  mit  nur  einer 
großen  einheitlichen  Wimper,  kann  ich  nicht  bestätigen.  Ich  habe  eine 
ansehnliche  Zahl  von  Schnitten  durch  die  verschiedenen  Organe  auf 


über  die  Leuehturgaue  iiiul  das  Xervensysteiu  von  Pliolas  dactyhis.    375 

solche  Gebildt'  hin  (hi ichgesehen,  docli  stets  mit  negativem  Resultat. 
Da  auf  luciiu'ii  Präparaten  übeiall  die  Cilicii  der  AViiii[)erzellen  sehr 
gut  erhalten  sind  und  infolge  ihrer  Län^e  scharf  herv(U'treten,  so  hätten 
mir  einfache  Wimpern  von  0,\)  u  Fußbreite  und  12,6  {^i  Länge  nicht  ent- 
gehen können.  Ebensowenig  fand  ich  sie  auf  Total  -oder  Macerations- 
präparaten.  Nachträglich  fügt  Rawitz  nun  noch  hinzu,  daß  »eine 
Differenzierung  beider  Arten  von  Wimperzellen  im  Schnitt  nicht  mehr 
zu  erkennen  ist«.  Dies  dürfte  nicht  der  Fall  sein,  wenn  seine  ersten  Be- 
obachtungen richtig  waren.  Auch  aus  gewissen  Worten  seiner  Be- 
schreibung geht  deutlich  hervor,  daß  er  selbst  von  der  Einheitlichkeit 
der  Wimper  nicht  so  fest  überzeugt  ist.  Deshalb  hat  er  es  vielleicht 
auch  vermieden,  in  seine  Zeichnung,  die  ein  Stück  aus  einem  Leucht- 
organe darstellt,  derartige  Wimpern  einzutragen.  (Vgl.  Fig.  57,  Taf .  VI, 
Jenaische  Zeitschr.  f.  Nat.,  Bd.  27).  Ich  glaube  bestimmt,  daß  es 
sich  hier  um  einen  Beobachtungsfehler  handelt.  Denn  auf  den  Leucht- 
organen kommen  mancherlei  Gebilde  vor,  die  bei  eiUger  Betrachtung 
mit  Geißeln  verwechselt  werden  können.  Hin  und  wieder  tragen  näm- 
lich Zellen  dicke,  anscheinend  einheitliche  Wimpern,  die  mit  breitem 
Fuße  aufsitzen,  während  ihre  freien  Enden  starr  wie  Dornen  aufragen. 
Sie  erscheinen  bedeutend  größer  als  die  Cilien  der  Wimperzellen,  die 
bei  ihrer  Länge  und  dem  geringen  inneren  Halte  zumeist  ein  wenig  nach 
der  Seite  umgelegt  sind.  Trotzdem  ergeben  sich  für  beide  bei  Messungen 
die  gleichen  Werte,  Vergrößert  man  eine  solche  Geißel  stark,  so  löst  sie 
sich  in  viele  zarte  Fasern  auf,  deren  jede  an  einem  Basalkorne  unter  dem 
oberen  Rande  der  Zelle  inseriert.  Von  da  ziehen  plasmatische  Fibrillen 
nach  dem  Zellgrunde.  W^ir  haben  eine  reguläre  Wimperzelle  vor  uns, 
die  sich  von  den  umstehenden  morphologisch  nur  dadurch  unter- 
scheidet, daß  ihre  sämtlichen  Härchen  wie  ein  Strick  zusammenge- 
dreht und  vielleicht  verklebt  sind.  Nach  Panceri  bewegen  sich  diese 
Geißeln  in  »langsamem  Rhythmus«.  Das  ist  erklärlich.  Durch  das 
Zusammendrehen  der  Cilien  zu  einem  Bündel  haben  sie  eben  einen 
großen  Teil  ihrer  Beweglichkeit  eingebüßt. 

Seine  Betrachtungen  über  den  Leuchtkörper  schheßt  Rawitz  mit 
den  Worten :  »Alle  drei  Abschnitte  bilden  mithin  eine  histologische  und 
physiologische  Einheit;  sie  sind  als  eine  einzige,  in  den  Siphonen  außer- 
ordenthch  lang  ausgedehnte,  vielzellige  Drüse  zu  betrachten,  deren 
Zellen  für  sich  ohne  einen  besonders  differenzierten,  gemeinsamen  Aus- 
fuhrgang zu  besitzen,  das  von  ihnen  bereitete  Secret  nach  außen  führen. 
Die  tinktionellc  Eigentümlichkeit,  welche  im  Schnittpräparate  des 
Secretes  dieser  Organe,  also  die  leuchtende  Materie  darbietet,  die  un- 


376  Johannes  Förster, 

gemeine  Affinität  zu  basischen  Anilinen  und  zum  Hämatoxylin  charak- 
terisiert die  Massen  als  Mucinmassen.  Worin  die  Differenz  vom  ge- 
wöhnHchen  Mucin  beruht,  welche  Momente  es  sind,  die  das  Leuchten 
bedingen,  das  kann  ich  nicht  sagen.« 

Diese  Auffassung  von  den  drüsigen  Elementen  im  Leuchtorgane,  wie 
sie  von  Kawitz  hier  vertreten  wird,  läßt  sich  nach  der  Erkenntnis,  daß 
Schleim-  und  Leuchtdrüsen  den  Leuchtkörper  zusammensetzen,  nicht 
länger  aufrecht  erhalten.  Wenn  er  anderseits  dem  Leuchtsecret  mu- 
kösen Charakter  zuschreibt,  so  hängt  das  mit  seiner  falschen  Vor- 
stellung über  die  Herkunft  der  Schleimmassen  zusammen.  Demgegen- 
über habe  ich  sicher  feststellen  können,  daß  die  Granula  durchaus  keine 
Mucinreaktion  zeigen. 

Das  Nervensystem. 

Zunächst  möchte  ich  nicht  versäumen,  einige  Bemerkungen  über 
die  Arbeiten  jener  Forscher  zu  geben,  welche  speziell  das  Nervensystem 
von  Pholas  untersucht  haben.  Duvernoy  (1854)  gibt  zum  ersten  Male 
in  seinen  »Memoires  sur  le  Systeme  nerveux  des  Mollusques  acephales<< 
unter  andern  einen  Überblick  über  das  gesamte  Nervensystem  von 
Pholas   und  fügt  dem  eine  vollständige  Zeichnung  bei. 

Panceri  (1872)  beschreibt  in  einer  Arbeit  eingehend  die  Sipho- 
nerven und  ihre  Abzweigungen  nach  den  verschiedenen  Leuchtorganen. 

Über  den  Bau  des  Visceralganglions  finden  sich  Angaben  bei 
Eggee  (1887)  und  Pelseneer  (1891),  die  mir  bei  meinen  Untersuchungen 
gute  Dienste  leisteten. 

Von  Kawitz  kommen  hier  zwei  Arbeiten  in  Frage.  In  seinem 
centralen  Nervensystem  der  Acephalen  (1889)  gibt  er  eine  recht  an- 
sprechende allgemeine  Schilderung  des  centralen  Nervensystems  der 
Siphonier  und  Asiphonier  und  geht  dann  zur  Beschreibung  der  feineren 
Struktur  der  Cerebral-,  Visceral-  und  Pedalganglien  über.  Bei  dieser 
Gelegenheit  kündigt  er  auch  für  später  eine  ausführliche  Darstellung  des 
ganzen  Nervensystemes  von  Pholas  an,  die  bis  jetzt  jedoch  nicht  er- 
schienen ist;  denn  in  der  Abhandlung  über  den  Mantelrand  der  Ace- 
phalen von  1892  beschränkt  er  sich  auf  eine  knappe  Beschreibung 
und  schematische  Abbildung  der  centralen  Partien.  Auf  den  Verlauf  der 
größeren  peripheren  Nerven  weist  er  nur  andeutend  hin.  In  einigen 
wesentlichen  Punkten  muß  ich  seine  Angaben  berichtigen  und  kann 
denselben  manches  Neue  hinzufügen. 

Da  die  den  meisten  Arbeiten  beigegebenen  Zeichnungen  mangel- 


über  dk'   Lcuclitorgano  und  das  Xi-rvonsystoni  von  Pliolas  daotylus.    377 

haft  sind,  habe  ich  auf  eine  genaue  bildliche  Darstellung  besondern  Wert 
geleot. 

An  Material  standen  mir  nur  fast  ausoewachsene  Tiere  zur  Ver- 
fügung, weshalb  ein  Zerlegen  in  Schnittserien  wegen  der  Größe  der 
Objekte  nicht  möglich  war.  Angewandt  wurde  das  Schnittverfahren 
nur  beim  Nachweis  des  in  Muskeln  eingebetteten  J^uccalganglions  und 
der  sehr  zarten  Buccalkommissur. 

Zum  Einarbeiten  verwandte  ich  altes  Alkoholmaterial.  Später 
lieferte  mir  die  Zoologische  Station  in  Neapel  Tiere,  die  mit  Chromessig- 
säure nach  dem  Rezept  von  Dr.  Naef,  Neapel,  behandelt  waren.  Da 
diese  Konservierung  die  Nerven  recht  widerstandsfähig  macht  und 
dadurch  das  Präparieren  erheblich  erleichtert,  gebe  ich  sie  hier  kurz 
wieder. 

Die  frischgefangenen  Tiere  werden  in  Seewasser  mit  Alkohol  be- 
täubt  (Ausstrecken  des  Sipho.)  und  diesem  dann  4%  Formol  zugegeben. 
Nachdem  eine  mäßige  Härtung  eingetreten  ist  (1  Stunde),  werden  sie 
mit  Süßwasser  gut  abgewaschen  und  etwa  24  Stunden  in  verdünnte 
Ohromsäurelösung  gebracht.  (Auf  9  Teile  Wasser  1  Teil  Lösung.)  Die 
Zusammensetzung  der  Chromsäurelösung  ist  folgende:  50  Teile  Eis- 
essig, 10  Teile  kristalline  Chromsäure,  40  Teile  dest.  Wasser.  Auf  diese 
Fixieruno;  folsit  1 — 2  tägiges  Wässern  in  Süßwasser  und  dann  ein  Über- 
führen  in  Alkohol, 

So  behandelte  Objekte  eignen  sich  sehr  gut  zum  Präparieren  des 
peripheren  Nervensystemes.  Dagegen  tritt  leicht  ein  Verfall  in  den 
Ganglien  ein,  die  man  am  besten  an  Alkohol-  oder  Formolmaterial 
präpariert. 

Zentrales  Nervensystem. 

Alle  nervösen  Hauptcentren,  die  wir  bei  den  Lamellibranchiern 
zu  finden  gewohnt  sind,  die  Cerebral-,  Visceral-  und  Pedalganglien 
kommen  auch  unsrer  Muschel  zu,  und  zwar  in  derselben  Anordnung, 
wie  sie  allen  Gliedern  der  Pholadideufamilie,  mit  Ausnahme  der  Tere- 
dinen,  gemeinsam  ist.  Dazu  gesellen  sich  noch  die  Buccalganglien,  die 
infolge  ihrer  geringen  Größe  und  der  versteckten  Lage  bisher  den  For- 
schern vollkommen  entgangen  waren.  Schließlich  sind  noch  zwei  gan- 
glionäre  Anschwellungen  zu  erwähnen,  eine  paarige  und  eine  unpaare. 
Kurz  hinter  der  Abzweigung  des  Septalnerven  können  wir  an  jedem 
äußeren  Mantelbogen  eine  mäßige  Verdickung  feststellen,  die  man  als 
Siphonalganglion  bezeichnet.  Bevor  die  Cerebrovisceralcommissur  in 
das    Eingeweideganglion    eintritt,    zweigt    sich    sekundär    eine    kurze 


378  Johannes  Förster, 

aber  starke  Kommissur  nach  innen  ab,  die  zu  einem  völlig  kugligen, 
medianen  Ganglienknoten  führt,  den  Pelseneer  zuerst  bei  mehreren 
Pholaden  nachgewiesen  hat,  und  den  er  Medianganglion  nennt.  Mir 
scheint  die  Bezeichnung  »Prävisceralganglion «  treffender,  weil  damit 
eine  genaue  Bestimmung  seiner  Lage  verbunden  ist. 

Über  den  Verlauf  der  Kommissuren,  durch  die  diese  Ganglien  zu- 
sammenhängen, ist  folgendes  zu  bemerken. 

Der  Schlund  wird  völlig  umschlossen,  da  einerseits  von  Buccal- 
ganglion  zu  Buccalganglion  sich  auf  seiner  ventralen  Seite  ein  Nerven- 
strang, die  Buccalcommissur,  hinzieht,  anderseits  die  Cerebralganglien 
untereinander  durch  die  supraösophageale  Cerebralcommissur  ver- 
bunden sind.  Außerdem  stehen  die  letzteren  durch  Schlundcommissuren 
mit  dem  infraösophagealen  Pedalganglion  und  durch  die  Cerebrovis- 
ceralcommissuren  mit  dem  Visceralganglion  in  Zusammenhang.  Kurz 
vor  ihrem  Eintritt  in  das  Eingeweideganglion  sind  die  beiden  Cerebro- 
visceralkonnektive  noch  untereinander  durch  eine  Commissur,  die 
Prävisceralcommissur,  verbunden.  Durch  ein  Connectiv  werden  Fa- 
sern jedes  hinteren  Mantelnerven  direkt  nach  dem  entsprechenden 
Branchialnerven  unter  Umgehung  des  Visceralganglions  geleitet.  Zwi- 
schen Cerebral-  und  Buccalganglien  sind  infolge  des  engen  Aneinander- 
legens  die  Commissuren  stark  verkürzt. 

Bemerkt  sei  nur  noch,  daß  im  Aufbau  des  centralen,  wie  peripheren 
Nervensystems  vollkommene  Symmetrie  herrscht. 

Ganglion  cerebrale.  Das  Cerbralgangiion,  ein  paarig  ange- 
legtes Gebilde,  ist  zu  beiden  Seiten  des  Schlundes  an  der  hinteren, 
ventralen  Fläche  des  vorderen  Schließmuskels  anzutreffen,  wo  es  in 
lockeres  Bindegewebe  eingebettet  liegt.  Von  oben  betrachtet  zeigt  es 
birnenförmige  Gestalt,  was  ich  besonders  hervorheben  möchte.  Rawitz 
behauptet  nämlich:  »Bei  den  Siphoniata  ist  ihre  Gestalt  eine  kugelige 
oder  richtiger,  da  die  abgehenden  Nervenstämme  das  Äußere  modi- 
fizieren, eine  morgensternartige«  und  stellt  sie  einer  »kegelförmigen 
Gestalt  <<  bei  Asiphoniern  gegenüber.  Für  Pholas  dact.  trifft  dies  nicht 
zu.  Sowohl  auf  Schnittserien  wie  auch  auf  Totalpräparaten  erkennt 
man  deutlich  eine  gestreckte  Kegelform  mit  nach  hinten  gerichteter 
Spitze  des  Kegels.  Die  äußere  und  obere  Fläche  ist  konvex,  mäßig 
konkav  die  innere  und  flach  die  untere. 

Von  jedem  Cerebralganglion  gehen  vier  Commissuren  ab;  aus 
der  Kegelspitze  tritt  die  Commissur  zum  Visceralganglion  aus;  die 
Cerebralcommissur  entspringt  am  inneren  oberen  Rande,  während  die 
Fasern  der  Cerebropedalcommissur  an  einer  darunterliegenden  Stelle 


über  die  Linu'litorg;uic  und  das  Xcrvensyslciii  von  Pliolas  dactylus.    379 

abzweigen;  auf  clor  ventiaK'ii  Seite  verläßt  die  Cerebrobuccalcommissur 
das  Ganglion. 

Außerdem  entsendet  jedes  der  beiden  Nervencentren  noch  folgende, 
später  zu  behandelnde  Nerven:  den  vorderen  Mantelnerv,  mit  dem 
die  Fasern  für  den  vorderen  Schließmuskel  vereinigt  sind  und  den 
Nerv  für  die  Muskulatur  des  Ösophagus. 

Ganglion  buccale.  Dieses  winzig  kleine,  kuglige  Gebilde  schmiegt 
sich  der  Unterseite  des  Cerebralganglions  eng  an,  mit  dem  es  durch 
eine  ganz  kurze  Commissur  verbunden  ist.  Mit  der  Gegenseite  hängt 
es  durch  die  ventralwärts  vom  Ösophagus  liegende,  langgestreckte 
Buccalcommissur  zusammen. 


Textfig.  9. 

Schnitt  durcli  das  rechte   Cerebral-   und   Buccalganglion.     cg,  Cerebralganglion ;  bg,  Buccalgan- 

glion;   ck,  Cerebralcommissur;   cbk,  Cerebrobuccalcommissur;   bgJk,    Buccalcommissur;  nös,   Xerv 

für  die  Oesophagusmuskulatur.     Vergr.  Oc.  1,  Obj.  8. 


Vom  Buccalganglion  aus  werden  durch  feine  Nerven  die  Mund- 
lappen innerviert. 

Ganglion  viscerale.  Das  Visceralganglion  stellt  den  größten 
Nervenknoten  dar,  den  PJiolas  dact.  besitzt.  Hat  man  die  Kiemen  vor- 
sichtig wegpräpariert,  so  sieht  man  das  Ganglion,  das  mit  seiner  Dorsal- 
seite der  ventralen  Fläche  des  hinteren  Schließnmskels  anliegt,  nur 
wenig  oberhalb  des  Afters  durch  die  zarte  Haut  hindurchschimmern. 
Es  zeigt  ungefähr  die  Form  eines  Quadrates,  dessen  vordere  Partie  in 
zwei  konische  Fortsätze  ausgezogen  ist,  und  das  eine  Länge  von  etwa 
V4  mm  hat.  Um  den  feineren  makroskopischen  Bau  studieren  zu  können, 
heben  wir  die  zarte  Hülle,  die  es  auf  der  ventralen  Seite  deckt,  behut- 
sam ab.  Durch  eine  Längsfurche  wird  es  in  zwei  symmetrische  Hälften 
zerlegt,  während  eine  Querfurche,  die  senkrecht  zur  Längsfurche  steht, 
eine  größere  Vorderhälfte  von  einer  kleineren  scheidet.   Beide  Furchen 


380 


osphr 
nag 


Textfig.  10. 
Visceralganglion  (Dorsalansicht)  mit  da  vorliegenden  Prävisceralganglien.  cvc,  Cerobrovisceral- 
commissur;  brnic,  Branchial-Mantelnervcommissur;  prc,  Prävisceralconimissur  mit  Ganglion;  nbr, 
Branchialnerv;  npp,  hinterer  Mantelnerv;  nr,  jS'erv  zur  Niere;  na,  Nerv  zum  After;  nag,  Nerv 
zu  den  Ausführgängen  der  Geschlechtsorgane;  osphr,  Osphradium:  nadp,  hintere  Schließmuskel- 
nerven.    Vergr.  Oc.  1,   Obj.  5. 


Textfig.  11. 
Visceralganglion  (Ventralansicht)  mit  davorliegendem  Prävisceralganglion.   Erklärung  s.Te.xtfig.lO. 


ÜluT  die   Linulitorgaur  und  das  Xi'ivi'iisystcin   von   l'holas  dactylus.    381 

sind  nicht  sehr  tief,  doch  bei  genauer  Beobachtung  gut  sichtbar.  Das 
VisceralgangUon  zerfällt  also  in  vier  flach  gewölbte  Felder,  von  denen 
das  vordere  Paar  sich  ein  wenig  über  die  beiden  hinteren  Abschnitte 
hiuwegschiebt.  Auf  der  Dorsalseite  ist  diese  Vierteilung  ebenfalls  zu 
erkennen,  nur  weniger  deutlich. 

Hinweisen  möchte  ich  auf  die  Sipho-  und  Kiemennerv  verbindende 
Commissur,  die  in  geringem  Abstände  zu  beiden  Seiten  des  Eingeweide- 
ganglions hinzieht  und  bisher  den  Beobachtern  stets  entgangen  zu 
sein  scheint;  denn  in  der  Pholadenliteratur  ist  sie  nirgends  erwähnt. 
Meiner  Ansicht  nach  handelt  es  sich  hier  um  eine  Brücke,  die  durch 
sekundäre  Trennung  gewisser  Fasern  vom  Ganglion  entstanden  ist. 

Die  ältere  Literatur  weiß  von  all  diesen  feineren  Bauverhältnissen 
des  Visceralganglions  noch  nichts. 


c=d\ 


\ 


Prävisceralcommissur  mit  Ganglion. 


Textfig.  12. 

Verschiedeil  stark  entwickelt. 


Vergr.  Oc.  1,  Obj.  5. 


Egger  zeichnet  die  Längsfurche  viel  zu  tief  und  erweckt  damit 
beim  Leser  die  Vorstellung,  als  ob  das  Visceralganglion  noch  paarig 
angelegt  sei,  was  in  Wirklicheit  nicht  der  Fall  ist. 

Die  Abbildungen  von  Duvernoy,  Panceri  und  Pelseneer  sind 
sehr  schematisch  gehalten  und  lassen  keine  Details  erkennen. 

Im  Eingeweideganglion  wurzeln  eine  ganze  Reihe  wichtiger  Nerven, 
nämlich  der  hintere  Mantelnerv,  der  Kiemennerv,  ein  Nerv  zur  Niere 
und  Nerven  für  den  hinteren  Schließmuskel.  Ihre  genaue  Beschreibung 
folgt  später. 

Ganglion  prae viscerale.  Das  Prävisceralganglion  liegt  bei 
Pholas  dact.  als  ein  kleines  Knötchen  zwischen  den  Connectiven,  das 
merkwüdigerweise  in  seiner  Größe  recht  variieren  kann.  So  hatte  es 
bei  zwölf  der  von  mir  untersuchten  Tiere  ausgesprochen  kugelige  Gestalt 
(Textfig.  12  ö),  während  ich  bei  zwei  Individuen  kein  echtes  Ganglion 
finden  konnte.  Bei  ihnen  war  die  starke  Prävisceralcommissur  an  der 
Stelle,  wo  sonst  der  Nervenknoten  zu  liegen  pflegt,  nur  schwach  ver- 
dickt (Textfig.  12  b).    Die  mikroskopische  Untersuchung  ergab,  daß  nur 

Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.  CIX.  Bd.  2l) 


382 


Joharmes   Förster, 


P^/3 


wenige  Ganglienzellen  angelagert  waren.  Schließlich  kann  ich  noch  einen 
recht  extremen  Fall  mitteilen,  wo  die  Commissur  nur  ein  zarter  Faden 
war,  so  fein,  daß  ich  ihn  erst  gar  nicht  bemerkte  und  an  ein  Fehlen 
glaubte  (Textfig.  12  c).  Ein  Prävisceralganglion  war  nicht  angedeutet 
und  Ganglienzellen  waren  nur  in  den  verbreiterten  Ansatzstellen  an 
den  Connectiven  nachweisbar. 

Zwei  feine  Nerven  zu  den  Ausführgängen  der  Geschlechtsorgane 
konnte  ich  nur  dann  feststellen,  wenn  ein  wirkliches  Ganglion  ausge- 
bildet war  (Textfig.  12  «). 

Interessant  ist,  daß  in  dem  Prävisceralganglion  eine  Kreuzung 

gewisser,  von  den  Hirnganglien  kom- 
menden Nervenfasern  stattfindet.  Hellt 
man  z.  B.  ein  Totalpräparat,  in  dem 
die  Ganglienzellen  mit  Eosin  gefärbt 
sind,  mit  Nelkenöl  auf,  so  konstatiert 
man  daran  folgendes:  An  der  inneren 
Seite  der  von  den  Hirnganglien  kom- 
menden Cerebrovisceralconnective  las- 
sen sich  gewisse  Nervenfasern  wahr- 
nehmen, die  von  den  übrigen  Fibrillen 
geschieden  sind.  Sie  biegen  scharf  in 
die  Prävisceralcommissur  ein,  laufen 
schräg  durch  das  Ganglion  hindurch 
und  verschwinden  auf  der  gegenüber- 
liegenden Seite  im  Visceralganglion. 
Der  bei  weitem  größte  Teil,  der  im 
Connectiv  enthaltenen  Nervenelemente  tritt,  ohne  sich  gekreuzt  zu 
haben,  geradeswegs  in  das  Visceralganglion  ein  (Textfig.  13). 

Den  Verlauf  und  die  Kreuzung  der  einzelnen  Nervenfasern  im 
Prävisceralganglion  genau  zu  verfolgen,  ist  nur  auf  Schnitten  möglich. 
Nie  habe  ich  ein  Aneinanderstoßen  oder  Verwachsen  von  Prävis- 
ceral- und  Visceralganglion  beobachtet,  wie  es  Egger  in  seiner  Zeich- 
nung darstellt.  Beide  Ganglienmassen  sind  stets  durch  ein  bohnen- 
förmiges  Foramen  geschieden,  das  je  nach  der  Ausbildung  des  Prävis- 
ceralganglions  kleiner  oder  größer  ist.  Davon  ist  auch  Pelseneer  über- 
zeugt, der  die  Partien  bei  Pholas  dact.,  Pholas  Candida  und  Pholas  cris- 
pata  genau  untersuchte.  Nicht  bekannt  sind  ihm  die  Nerven  zu  den 
Ausführgängen  der  Geschlechtsorgane,  wie  auch  die  verschiedene  Größe 
des  Prävisceralganglions.  Egger  verneint  ebenfalls  den  Austritt  von 
Nerven  aus  der  ganglionären  Querbrücke;  so  viel  ich  aber  aus  seiner 


^.9 


Textfig.  13. 
Längsschnitt  durch  das  Prävisceralganghon 
und  die  Cerebrovisceralcommissuren ;  zur 
Demonstration  des  Faserverlaufes,  vg,  Vis- 
ceralganglion; prvg,  Prävisceralganglion; 
di,  direkte  Fasern;  hr,  sich  kreuzende 
Fasern:  cvc,  Cerebrovisceralcommissur. 


Vbvv  die  Leuclitoigaiie  luul  das  Nervciisystein  von  Fliolas  dactylus.    383 

Zeicliiiung  entnehnion  kann,  hat  das  von  ihm  untersuchte  Tier  ein  auti- 
gebildetes  Prävisceralganglion  garnicht  besessen  und  entbehrte  dem- 
gemäß der  Nerven. 

Eine  irrige  Vorstellung  von  diesem  Nervenknoten  hat  Rawitz. 
iSeiner  Meinung  nach  »entspringen  von  den  vorderen  Ecken  des  Visceral- 
ganglions  zwei  zarte  Nervenstämmchen,  die  nach  vorn  konvergierend 
sich  zu  einem  kleinen  Ganglion  vereinigen  und  sich  vielleicht  in  dem- 
selben kreuzen.  Erst  aus  diesem  Ganglion  kommen  die  Cerebrovisceral- 
connective  heraus«.  Diese  Angabe  stimmt  insofern  nicht,  als  die  Com- 
missuren  schon  aus  dem  Eingeweideganglion  entspringen  und  sich 
niemals  kreuzen. 

Über  die  Bedeutung  solcher  Prävisceralganglien  bei  Muscheln  hat 
Stempell  in  einer  neueren  Arbeit  Betrachtungen  angestellt,  in  denen 
er  folgender  Ansicht  zuneigt:  >>Die  meisten  derartigen  Medianganglien 
versorgen  vornehmlich  die  Geschlechtsorgane.  Wenn  man  alle  diese 
in  den  Verlauf  der  Visceralconnective  eingeschalteten  Ganglien  nicht  als 
Bildnungen  sui  generis  auffassen  will,  so  kann  man  in  ihnen  eigentlich 
nur  nach  hinten  verlagerte  Sondercentren  des  sympathischen  Nerven- 
systemes  erblicken,  die  sich  vielleicht  deswegen  bei  Muscheln  ausge- 
bildet haben,  weil  die  meist  langgestreckte  Gestalt  des  Körpers  der- 
selben die  Schaffung  besondrer  Centren  im  hinteren  Körperabschnitte 
forderte«  (vgl.  Chanui,  Dreissensia,  louannetia  usw.), 

Ganglion  pedale.  Die  ventral  vom  Schlundrohr  gelegenen  Fuß- 
ganglien sind  so  eng  aneinandergerückt,  daß  sie  zu  einem  Nervenknoten 
verschmolzen  sind.  Eine  vertikale  Eurche,  wie  sie  bei  den  Unioniden 
noch  nachweisbar  ist  imd  die  als  ein  letztes  Dokument  für  die  frühere 
paarige  Anordnung  angesehen  werden  kann,  fehlt  hier  völlig.  In  seiner 
Gestalt  gleicht  es  einem  Rechtecke,  dessen  untere  Ecken  abgerundet 
sind  und  aus  dessen  oberen  die  starken  Commissuren  zu  den  Hirn- 
gangUeu  ausstrahlen. 

Zwei  Nervenpaare  entspringen  aus  ihm  und  versorgen  die  Fuß- 
muskulatur und  die  Eingeweide. 

Ganglion  siphonale.  Hinter  der  Abzweigungsstelle  des  Septal- 
nerven  stößt  man  auf  ein  unscheinbares,  länghches  Nervenknötchen, 
das  Siphonalganglion,  das  zugleich  die  Ursprungsstelle  für  den  ersten 
Branchialsiphonerv  bildet. 

Einen  sehr  ansehnlichen  Eindruck  macht  das  Siphonalganglion 
auf  der  Zeichnung  (Taf.  III,  Fig.  3)  Panceris,  wo  es  ungefähr  halb  so 
groß  wie  das  Visceralganglion  gezeichnet  ist,  eine  Größe,  die  es  sicher 
nie    erreichen    dürfte.     Kawitz    dagegen    schreibt   richtig,    daß    »die 

2l>* 


384 


Johannes  Förster, 


Ursprungsstelle  des  ersten  Astes  (für  den  Branchialsipho)  durch  eine 
kleine  gangliöse  Anschwellung  ausgezeichnet  ist«. 

Commissuren.  Von  den  Nervenbahnen,  diedie  einzelnen  Ganglien- 
knoten dieser  Muschel  zu  einem  centralen  Nervensystem  verbinden, 
ist  in  erster  Linie  die  lange  Cerebrovisceralcommissur  hervorzuheben. 

Vom  Cerebralganglion  geht  sie  zuerst  stark 
nach  auswärts,  bis  sie  unter  der  Anheftungs- 
linie  der  inneren  Kiemenlamelle  an  der  Grenze 
des  Eingeweidesackes  angelangt  ist  und  nun- 
mehr in  diesen  eintritt.  Parallel  der  Kieme, 
aber  stets  nach  außen  von  der  Körperhülle 
überdeckt  zieht  sie  stark  konvergierend  nach 
hinten.  Vom  Eingeweidesacke  setzt  sie  zum 
Nierenbeutel  über,  verläuft  medianwärts  von 
der  Nierenspritze,  um  endlich  hinter  der  Niere 
in  das  Visceralganglion  einzutreten. 

Die  Cerebropedal-  und  die  Cerebralcom- 
missuren  sind  kurze  Stränge,  die  durchaus 
normal  verlaufen;  weshalb  ich  auf  eine  ein- 
gehende Beschreibung  verzichten  kann. 

Endlich  ist  noch  die  Commissur  zu  er- 
wähnen, die  beide  Buccalgangiien  verbindet 
und  fast  in  ihrer  ganzen  Länge  in  die  Musku- 
latur des  Ösophagus  eingebettet  liegt. 

Wenn  ich  au  dieser  Stelle  nochmals  auf  die 
Commissur  zwischen  dem  Sipho-  und  Kiemen- 
nerv zurückkomme,  so  geschieht  es,  um  über 
den  Verlauf  der  Fibrillen  einiges  nachzutragen. 
Ehe   sie    vom    Siphonerv   abzweigt,    be- 
merkt man,  daß  sich   von  den  Fibrillen,  die 
aus    Sipho    und   Mantel    kommen,    eine    Anzahl    absondert,    in    die 
Kommissur  eintritt  und  auf  diesem  Wege  direkt  zum  Branchialnerven 


Textfig.  14. 
Zur  Demonstration  des  Faserver- 
laufes in  der  Branchial -Mantel- 
nervencommissur.  Längsschnitt. 
npp,  hinterer  Mantelnerv:  nbr, 
Branchialnerv :  osphr,  Osplna- 
dium;    brsc,    Branchial -Mantel - 

nervcommissur. 


Textfig.  15.  T^ewensysiemvon  Pholasdactylus  (Dorsalansiclit).  Übersichtzeichnung,  cs',  t'erebralgau- 
ghon ;  bg,  Buccalganglion ;  vg,  Visceralganglion ;  prg,  Prä  visceralganglion ;  pg,  Pedalganglion ;  sg,  Sipho- 
nalganglion:  cc,  Cerebralconimissur;  bc,  Buccalcomniissur;  cpc,  Cerebropedalcommissur:  cvc,  Cere- 
brovisceralcommissur; brtnc,  Brancliial-Mantelnervcommissiir;  na,  Analnerv:  nab,  Mundlappennerv; 
nada,  vorderer  Schließmuskelnerv;  tiadp,  hinterer  Schließmuskelnerv:  nag,  i^erv  zu  den  Ausfiihr- 
gängen  der  Geschlechtsorgane;  nas,  Analsiphonerv;  nat,  Herznerv;  nb^-^,  Branchialsiphonerveu: 
nbr,  Kiemennerv;  ne,  Nerv  für  den  hinteren  Teil  des  Eingeweidesackes:  nf,  Nerv  für  die  vor- 
deren Partien  um  das  Fußloch;  ng,  Nerv  zu  den  Geschlechtsorganen;  nmai-2,  Nerven  zu  dem 
Mantelleuchtorgan;  npi,  innerer  Mantelbogen;  npe,  äußerer  Mantelbogen;  npa,  vorderer  Mantel- 
nerv; npp,  liinterer  Mautelnerv:  nre,  Nerven  zum  Ketractormuskel:  nse,  Septalnerv;  «,  /<,  r.  *>, 
Commissuren  zwischen  den  beiden  äußeren  Mantelbögen. 


385 


Textfig.  15.    Erkläruncr  s.  S.  384  unten. 


386  Johannes  Förster, 

geleitet  wird.  Sie  vermisclien  sich  nicht  mit  den  Fasern,  die  aus 
dem  Visceralganglion  kommen,  sondern  laufen  geschlossen  zum  Os- 
phradium  und  treten  mit  den  Ganglienzellen  in  Konnex,  die  dort 
in  großer  Zahl  liegen.  Vom  Branchialnerven  wenden  sich  nur  einzelne 
Fibrillen  zu  den  Sinneszellen  des  Osphradiums;  die  Hauptmasse  zieht 
geradeswegs  nach  den  Kiemen. 

Ob  durch  diese  Commissur  ein  spezieller  und  direkter  Zusammen- 
hang zwischen  dem  Osphradium  und  dem  Siphonalganglion  geschaffen 
wird  und  welche  Bedeutung  ihm  zuzuschreiben  wäre,  vermag  ich  nicht 
zu  entscheiden. 

Wenn  auch  die  Mantelbögen  als  echte  Commissuren  nicht  ange- 
sehen werden  können,  so  haben  sie  doch  mit  ihnen  so  viel  Ähnlich- 
keit, daß  man  sie  in  dem  Zusammenhange  anführen  kann. 

Die  Feststellung  des  geschlossenen  Mantelbogens  verdanken  wir 
DuvEKNOY,  der  ihn  bei  zahlreichen  Lamellibranchiern  nachwies.  Er 
unterscheidet  dabei  zwei  besondre  Typen  des  Nervensystemes,  einen 
»type  palleal  mouocirculaire  <<  und  einen  »type  palleal  bicirculaire  << 
(S.  33).  Da  der  erste  Typus  nach  seinen  Beobachtungen  nur  den  Mono- 
myariern  und  Pinna  zukommt,  brauche  ich  nicht  näher  auf  ihn  ein- 
zugehen. Dagegen  soll  der  zweite  sich  besonders  bei  den  Siphonaten 
finden,  also  auch  bei  Pholas.  Dieser  letztgenannte  ist  nun  dadurch 
charakterisiert,  daß  vom  Hirnganglion  ein  vorderer  und  vom  Ein- 
geweideganglion ein  hinterer  Mantelnerv  ausgeht,  die  von  beiden  Seiten 
her  gegeneinander  laufen,  zusammentreffen  und  verschmelzen.  Bicir- 
culaire, d.  h.  zweikreisig  hat  er  diesen  Typus  bezeichnet,  weil  durch  den 
Mantelbogen  und  die  entsprechende  Cerebrovisceralcommissur  in  jeder 
Mantelhälfte  ein  vollkommen  geschlossener  Nervenring  geschaffen  wird. 
Nach  Angabe  Duvernoys  soll  indessen  auch  ein  doppelter  Mantel- 
bogen vorkommen,  und  zwar  dann,  wenn  der  vordere  wie  der  hintere 
Mantelnerv  Gabeläste  bilden,  die  sich  vereinigen.  Er  selbst  hat  ihn 
jedoch  bei  keinem  Siphonaten  vollständig  abgebildet.  Bei  Phohs  ist 
er  nun  entschieden  vorhanden,  und  zwar  liegen  die  Verhältnisse  da 
folgendermaßen : 

Aus  dem  'Cerebralganglion  tritt  der  vordere  Mantelnerv  aus,  zieht 
über  den  Schließmuskel  hinweg  und  wendet  sich  in  steilem  Bogen  nach 
rückwärts.  Vor  der  Spitze  des  Lippenleuchtorgancs  teilt  er  sich  in  zwei 
Zweige.  Der  äußere,  bedeutend  stärkere  verschwindet  unter  dem  Drüsen- 
polster und  läuft  in  der  Verwachsungsmembran  der  Mantelränder  nach 
hinten.  Der  andre  geht  erst  ein  Stück  nach  innen,  zieht  aber  dann  in 
der  zarten  Haut  an  der  Grenze  zwischen  Rand  und  Mantel  ebenfalls 


über  die  Leuchtorgano  und  das  Xcrvonsystt'in  von  Pholas  dactylus.    387 

aboralwärts.  Beiden  Ästen  kommt  der  hintere  Mantelnerv  entgegen, 
der  auch  zwiegespalten  ist.  Durch  eine  Vereinigung  der  vier  Nerven 
entsteht  ein  doppelter  Mantelbogen,  der  sich  aus  einem  äußeren  und  einen 
inneren  Bogen  zusammensetzt.  Zwischen  den  beiden  äußeren  Bogen 
vermochte  ich  mehrere  Commissuren  nachzuweisen,  während  ich  zwi^ 
sehen  dem  inneren  und  dem  äußeren  Mantelbogen  nur  eine  einzige  Ver- 
binduugsbrücke  entdecken  konnte,  die  dann  stets  an  der  Stelle  der 
grüßten  gegenseitigen  Annäherung  lag.  Die  Ausbildung  eines  solch 
völlig  geschlossenen  Nervensystems,  wie  es  Lamellibranchier  mit  freien 
Mantelrändern  niemals  besitzen  können,  dürfte  für  alle  Pholaden  cha- 
rakteristisch sein  (vgl,  Textfig.  15). 

Peripheres  Nervensystem. 

Nerven  des  CTanglion  cerebrale.  Außer  dem  Mantelnerven 
und  den  Commissuren  entsendet  jedes  Ganglion  noch  einen  kleineren 
Nerv,  der  an  der  Basis,  unmittelbar  neben  dem  Buccalganglion  entspringt 
und  die  ösophagusmuskulatur  versorgt. 

Nerven  des  Ganglion  pedale.  Der  muskulöse  Fuß  wird  von 
zwei  Nerven  des  Pedalganglions  versorgt,  die  an  seiner  Vorderseite 
hinabziehen  bis  zur  Sohle,  in  der  sie  sich  auflösen.  Zwei  andre  Aste 
wenden  sich  nach  hinten  und  innervieren  die  Organe  des  Eingeweide- 
sackes (Darm,  Leber,  Kristallstielsack). 

Nerven  des  Ganglion  viscerale.  Auf  der  Dorsalseite  des 
Eingeweideganglions  gehen  neben  drei  schwachen  Nerven  für  den  Schließ- 
muskel noch  zwei  zur  Niere  ab,  welche  vorn  neben  den  Cerebrovisceral- 
commissuren  entspringen.  Aus  den  beiden  vorderen  Feldern  treten  auf 
der  ventralen  Fläche  des  Ganglions  die  starken  Kiemennerven  hervor. 
Zunächst  laufen  sie  eine  größere  Strecke  schräg*  nach  vorn  und  außen, 
mit  den  Cerebrovisceralcommissuren  einen  spitzen  Winkel  bildend ;  später 
wenden  sie  sich  im  Bogen  zu  den  Kiemen  und  treten  an  der  Stelle  ein, 
wo  diese  mit  dem  Nierenbeutel  verwachsen  sind.  An  der  dem  Sipho 
zugekehrten  Seite  sind  die  Branchialnerven  mit  Sinneszellen  bedeckt, 
welche  das  Osphradium  bilden.  Nach  hinten  setzt  sich  das  Visceral- 
ganglion  in  zwei  breite,  divergierende  Nerven  fort,  die  Mantel  und  Si- 
phonen  versorgen.  Dicht  hinter  dem  hinteren  Ende  des  Schließmuskels 
zweigt  sich  von  der  Innenseite  jedes  Stannnes  ein  feiner  Nervenstrang 
nach  der  Afterpapille  ab  und  bald  darauf  auf  derselben  Seite  ein  starker 
Nerv,  der  sich  im  Analsipho  aufteilt.  Weiter  distalwärts  entspringt 
dann,  ebenfalls  von  der  Innenseite,  der  Septalnerv,  der  das  siphonale 
Leuchtoruan  innerviert. 


388  Johannes  Förster, 

Aus  dem  darauffolgenden,  früher  beschriebenen  Siphonalganghon 
geht  der  erste  Branchialsiphonnerv  hervor,  dem  unter  spitzem  Winkel 
noch  vier  weitere  Nerven  für  den  Branchialsipho  folgen.  Mit  Ausnahme 
des  Septalnerven  verzweigen  sich  alle  Siphonnerven  dichotomisch  und 
treten  mit  ihren  letzten  Ausläufern  an  die  Sinneszellen  auf  den  Papillen 
heran,  die  um  die  Öffnungen  der  Siphonen  in  reicher  Zahl  ausgebildet 
sind.  Ihre  einzelnen  Verzweigungen  genauer  zu  beschreiben,  halte  ich  für 
überflüssig,  da  weder  eine  Gesetzmäßigkeit  in  ihrer  Anordnung  herrscht, 
noch  eine  völlige  Symmetrie  zwischen  beiden  Seiten  besteht.  Die  benach- 
barten Siphonerven  sind  durch  feine  Anastomosen  verbunden  und  so 
bilden  die  nervösen  Bahnen  dieses  Mantelteiles  ein  geschlossenes  Netz. 

Somit  werden  an  die  Siphonen  von  jedem  Mantelbogen  sieben 
Nerven  abgegeben,  und  zwar:  einer  zum  Analsipho,  einer  zum  Septum 
und  fünf  zum  Branchialsipho. 

Zwischen  dem  Nerv  für  den  Analsipho  und  dem  für  das  Septum 
zweigt  sich  auf  der  Außenseite  des  Hauptstammes  der  innere  Mantel- 
bogen ab,  dessen  Ursprungsstelle  von  den  Autoren  verschieden  an- 
gegeben wird.  Panceri,  der  noch  keinen  geschlossenen  Mantelbogen 
kennt,  läßt  einen  Mantelnerv  direkt  aus  dem  Siphonalganghon  her- 
vorgehen. Er  ist  seinem  Verlauf  nach  identisch  mit  dem  von  mir 
festgestellten  inneren  Mantelbogen;  der  äußere  Mantelbogen  scheint 
Pakceri  völhg  entgangen  zu  sein. 

Nerven  der  Cerebrovisceralcommissur.  Zu  einem  nicht  ge- 
ringen Teile  werden  die  Eingeweide  von  dieser  Commissur  aus  inner- 
viert. Da  sie  doppelt  angelegt  ist,  treten  alle  Nerven  paarig  auf. 
Der  erste  entspringt  auf  der  Innenseite,  läuft  nach  vorn  und  endigt 
auf  dem  Herzen.  Dann  zweigt  ein  Ast  auf  der  Außenseite  ab  und  steigt 
nach  unten,  um  sich  im  hinteren  Teile  des  Eingeweidesackes  aufzufasern. 
Schließlich  fand  ich  weiter  vorn  noch  einen  Nerv,  der  bei  männlichen 
Tieren,  wo  ich  ihn  beobachtete,  zu  den  Geschlechtsorganen  führte,  die 
in  Gestalt  dendritischer  Schläuche  den  Eingeweidesack  gleichmäßig 
durchsetzen.  Aus  der  Richtung,  in  der  er  die  Commissur  verläßt, 
erkennt  man,  daß  seine  Fasern  dem  Cerebralganglion  entstammen. 

Die  Nerven,  die  vom  vorderen  Mantelnerven  und  vom  inneren 
Bogen  abgegeben  werden,  sind  sehr  zahlreich,  aber  weniger  wichtig. 
Ich  habe  nur  die  hauptsächlichsten  gezeichnet.  Außer  zwei,  die  sich 
zwischen  den  Fasern  des  Retraktormuskels  aufteilen  {nre),  innervieren 
die  übrigen  die  große  Fläche  des  Mantels.  Hervorzuheben  ist  dagegen 
noch  der  auf  der  Außenseite  des  inneren  Mantelbogens  entspringende 
Ast  zum   Mantelleuchtorgan.     Die    Partien  um  das  Fußloch  werden 


Vbvv  die  Lciulitorgauc  und  das  XcrviMisy.stcin  von  IMiolas  dactylu«.    389 

durch  eiiu'ii  A.st  des  vordoicu  Manteluerven  verborgt,  der  auf  der 
Außenseite  abücht  (;(/). 

Fassen  wir  die  Ergebnisse  der  Untersuchungen  über  das  Nerven- 
system zusammen,  so  ergibt  sich  folgendes: 

Das  centrale  Nervensystem  von  Pholas  dactylus  setzt  sich  zusam- 
men aus  dem  Ganglion  cerebrale  (paarig),  Ganghon  buccale  (paarig), 
Ganglion  pedale,  Ganglion  praeviscerale,  Ganglion  siphonale  (paarig), 
die  alle  untereinander  durch  Commissuren  zusammenhängen. 

Aus  dem  Ganglion  cerebrale  entspringen: 

1.  Der  vordere  Mantelnerv  und  mit  ihm  vereint  der  Schließ- 
muskelnerv. 

2.  Ein  Nerv  für  die  ösophagusmuskulatur. 
Aus  dem  Ganglion  buccale  entspringen: 

Nerven  zum  Mundlappen. 
Aus  dem  Ganglion  viscerale  entspringen: 

1.  Die  hinteren  Mantelnerven. 

2.  Nerven  für  den  hinteren  Schließmuskel. 

3.  Nerven  zur  Niere. 

4.  Die  Kiemennerven. 

Aus  dem  Ganglion  praeviscerale  entspringen: 

Nerven  zu  den  Ausführgängen  der  Geschlechtsorgane. 
Aus  dem  Ganglion  pedale  entspringen: 

1.  Nerven  für  die  Fußmuskulatur. 

2.  Nerven  für  die  Eingeweide. 

Aus  dem  Ganglion  siphonale  entspringt: 

Der  1.  Branchialsiphonerv. 
Aus  der  Commissura  cerebrovisceralis  entspringen: 

1.  Ein  Nerv  zum  Herzen. 

2.  Ein  Nerv  für  den  hinteren  Teil  des  Eingeweidesackes. 

3.  Ein  Nerv  zu  den  Geschlechtsorganen. 
Aus  dem  äußeren  Mantelbogen  entspringen: 

1.  Nerven  für  das  Lippenleuchtorgan, 

2.  Ein  Nerv  zum  Mantelleuchtorgan. 
Aus  dem  inneren  Mantelbogen  entspringen: 

1.  Mehrere  Mantelnerven. 

2.  Nerven  zum  Retraktormuskel. 

3.  Ein  Nerv  zum  Mantelleuchtorgan. 
Aus  dem  vorderen  Mantelnerv  entspringt: 

Ein  Nerv  für  die  freien  Lippen  (vorn). 
Leipzig,  im  September  1913. 


390  Johannes  Förster, 


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Erklärung  der  Abbildungen. 

Tafel  IX. 

Fig.  1.  Querschnitt  durch  den  Leuchtkörper  eines  Mantelflecken.  Die 
Leuchtdrüson  sind  stark  entleert,  wiz,  Wimperzellen;  md,  Mucindrüscn  mit  wa- 
biger Struktur.  ÄTj,  Zellkern  der  Mucindrüse;  Ld,  Leuchtdrüse  mit  körnigem 
Secret  erfüllt;  k2,  Zellkern  der  Leuchtdrüse;  hi,  Bindegewebe;  pf,  Leuchtsecret- 
pfropfen;  hl,  Blutgefäß.     Vergröß.  C.-Oc.  12.    Imm.  1/12. 

Fig.  2.  Flächenschnitt  durch  die  untere  Region  des  Leuchtkörpers  (Lippen- 
organ), 2)1,  Leuchtdrüsen,  deren  Secret  noch  homogen  ist.  gr,  Leuchtdrüsen  mit 
körnigem  Secret;  hi,  Bindegewebe.     Vergr.  C.-Oc.  12,  Imm.  1/12. 

Fig.  3.  Nervenlängsschnitt  (Siphonalorgan).  Fix,  innere  Fibrillen;  Fi-i, 
außenliegende   Fibrillen;   gz,   Ganglienzellen.      Vergr.    C.-Oc.  18.  Apo.  2  mm. 


392  Johannes  Förster,  Über  die  Leuchtorg.  u.  d.  Nervensystem  v.  Pholas  dactylus. 

Fig.  4.  Verschiedene  Nervenzellen  aus  den  Lenchtorganen.  gi,  unipolare, 
9'2>  3»  4»  6'  miiltipolare  Zellen.     Vergr.  C.-Oc.  18,  Apo.  2  mm. 

Fig.  5.  Typische  Stadien  aus  dem  Entwicklungsgange  des  Leuchtsecretes. 
5a.  Zelle  mit  kaum  sichtbarem  Maschenwerke.  5b.  Maschenwerk  deutlich.  5c.  Zelle 
im  Umwandlungsstadium.  5d.  Leuchtzelle  mit  körnigem  Secret  erfüllt,  s,  homo- 
genes Secret;  w,  Maschenwandungen;  k.  Kern;  gr,  Granulum;  au,  Drüsenausfuhr- 
gang;  e.  Epithel  des  Leuchtorganes ;  au{a,b,c),  Ausfuhrgang  secretleer.  Vergr. 
C.-Oc.  18,  Apo.  2  mm. 

Fig.  6.  Secretkörner  aus  den  Leuchtdrüsen.  Vergr.  C.-Oc.  12.  Apo.  2  mm. 
k,  Concretionen ;  a,  äußerer  Mantel;  h,  hoiuogene  innere  Masse. 

Fig.  7.  Schleimdrüse:  iva,  wabige  Struktur;  k.  Kern;  ke,  kelchförmige 
Erweiterung  zwischen  den  Epithelzellen  (e).     Vergr.  C.-Oc.  8.    Immer.  1/12. 

Fig.  8.  Pholas  dactißas,  geöffnet.  Li,  Lippenleuchtorgan;  Ma,  Mantel- 
leuchtorgan; 8i,  leuchtende  Streifen  mit  Sipho.     2/^  nat.  Größe. 


Zellstudien. 

I. 

Bemerkungen  zu  den  Methoden  der  modernen  Zellforschung. 

Von 

Dr.  Hch.  Stauifacher. 

Mit  1  Figur  im  Text  und  Tafel  X  und  XI. 

Demjenigen,  der  in  der  Zellforschiing  sich  umschaut,  wird  auf- 
fallen, daß  von  Schwann  an  bis  heute  die  rein  morphologische  Rich- 
tung die  unbedingt  vorherrschende  war.  Aber  auch  darüber  wird  er 
sich  bald  klar  werden,  daß  uns  diese  Richtung  allein  nicht  mehr  be- 
friedigen kann.  Man  darf  ihr  sogar  vorwerfen,  daß  sie  eine  ganze  Reihe 
von  Problemen  komplizierte,  statt  sie  ihrer  Lösung  entgegenzuführen 
und  daß  sie  den  ursächlichen  Zusammenhang  verschiedener  Vorgänge 
im  Zellenleben  verschleierte. 

Nach  mehreren  Richtungen  hin  geriet  so  die  Cytologie  allmählich 
in  Sackgassen,  aus  denen  sie  vermutlich  nur  schwer  wieder  zu  befreien 
sein  wird.  Ein  solches  Schicksal  erlitt  die  Zellforschung  z.  B.  durch 
die  Lehre  von  dem  Centrosom.  Man  braucht  nur  die  Literatur 
über  dieses  Gebilde  zu  studieren,  um  sofort  die  Unsicherheit  und  den 
Wirrwar  zu  bemerken,  welche  hier  herrschen.  Und  je  zahlreicher  die 
Meldungen  über  dieses  »Zellorgan«  einlaufen,  desto  verworrener  wird 
die  Situation,  desto  beladener  die  Terminologie  und  desto  weiter  ent- 
fernen wir  uns  vom  Ziel:  Dem  Verständnis  der  mechanischen  Funk- 
tionen des  Centrosoms.  Da  gibt  es  doch,  wie  mir  scheinen  will,  nur 
eine  Rettung.  Der  Bergsteiger,  der  seinen  Gipfel  auf  der  von  ihm 
eingeschlagenen  Route  nicht  zu  erklimmen  vermag,  wird  nicht  im 
Gefelse  hängen  bleiben  wollen,  bis  ihn  seine  Kräfte  verlassen;  er  wird 
vielmehr  —  falls  er  von  seinem  »Problem«  nicht  abstehen  will  —  um- 
kehren und  den  Angriff  von  einer  andern  Seite  versuchen. 

Zu  einem  ähnlichen  Schritt  müssen  wir  uns  dem  Centrosom  gegen- 


39J:  Hch.  Stauffacher, 

über  aufraffen.  "Wir  vergeuden  unsere  Kraft  und  Zeit  nicht  mehr 
wie  bis  anhin  im  aussichtslosen  Eingen  mit  diesem  Organ,  sondern 
fassen  das  Problem  von  einer  andern  Seite  an.  Wir  ändern  die  Methode 
und  zwar  selbst  auf  die  Gefahr  hin .  am  Ende  unserer  Exkursion  nicht 
mehr  von  seiner  Majestät,  dem  Centrosom,  sondern  von  Wesen  niedri- 
geren Ranges  empfangen  zu  werden. 

Dem  kritischen  Beobachter  entgeht  nämhch  nicht,  daß  die  Me- 
thoden, mit  denen  wir  die  Centrosomen  bisher  sichtbar  machten,  ein- 
ander auffallend  nahe  stehen  und  daß  besonders  zur  Tinktion  dieser 
Grebilde  fast  gar  nur  Heidenhaixs  Eisen-Hämatoxylin  in  Anwendung 
kommt,  ein  Reagens,  von  dem  Meves^  und  Bexda^  sagen,  »daß  es 
eben  alles  färbe«. 

Auch  Meves  (loc.  cit.)  bekennt,  »daß  er  zur  Färbung  vorwiegend 
Eisenhämatoxylin  nach  der  Vorschrift  von  M.  Heidexhaix  (Zeitschr. 
f.  wiss.  Mikrosk.    Bd.  XIII)  benutzt  habe«. 

Aber  »für  die  Darstellung  der  Centriolen  (wie  für  diejenige  der 
Mitochondrien)  —  fährt  der  Autor  fort  —  kommt  bekanntlich  alles 
darauf  an,  den  richtigen  Ausziehungsgrad  bei  der  Differenzierung  zu 
treffen.  Ich  verfahre  daher  folgendermaßen:  Ich  nehme  stets  etwa 
zwölf  Objektträger,  von  denen  jeder  mit  zwei  bis  drei  Reihen  von 
Schnitten  beklebt  ist,  gleichzeitig  in  Behandlung.  Die  Objektträger 
werden  zunächst  für  24  Stunden  in  einer  2 — 2Y2%igen  Lösung  von 
schwefelsaurem  Eisenoxydammon,  dann  (nach  kurzem  Abspülen  mit 
destilliertem  Wasser)  für  ebenso  lange  Zeit  in  einer  l%igen  Häma- 
toxyhnlösung  aufgestellt.  Sie  werden  dann,  nachdem  sie  mit  Leitungs- 
wasser abgespült  sind,  mögHchst  gleichzeitig  zur  Differenzierung  in 
die  Beizflüssigkeit  zurückgebracht.  Aus  dieser  werden  sie  in  kleinen 
Intervallen  nacheinander  wieder  herausgenommen;  die  einzelnen  bisher 
gleich  behandelten  Objektträger  werden  demnach  verschieden  lange 
extrahiert.  Sie  werden  dann  weiter  mit  fließendem  Wasser  etwa 
V4  Stunde  lang  ausgewaschen  und  in  Kanadabalsam  eingeschlossen. 

Bei  einem  derartigen  Vorgehen  hat  man  offenbar  Aussicht, 
wenigstens  in  einigen  Fällen,  den  richtigenDifferenzierungs- 
grad  zu  treffen.  Jedoch  kann  man  auch  dann  niemals  mit 
Sicherheit  auf  einen  Erfolg  rechnen.   Ist  er  ausgeblieben,  so 


1  ilEVEs,  F.,  Die  Spermatocytenteilungen  bei  der  Honigbiene  (Apis  mellifica 
L.)  nebst  Bemerlomgen  über  Chromatinreduktion.  Schultze,  ]\likrosk.  Anat. 
1907.     Bd.  LXX. 

2  Bexda,  C,  Die  Mitochondria.  Ergebn.  d.  Anat.  u.  Entwicklungsgesch. 
1902.     Bd.  XII. 


Zcllstudion.   I.  395 

muß  inau  weiter  färben,  wobei  dieselben  Lösungen,  speziell  die 
Hämutoxylinlösung,  immer  wieder  benutzt  werden  können.  AVirklich 
schöne  Färbungen  der  Centriolen  ergeben  sich  häutig  erst 
nach  monatelangem  Arbeiten« i. 

Mit  andern  Worten:  Mau  l)ehaudelt  die  Zellen  genau  so  lange,  bis 
sie  das  zeigen,  was  man  sich  wünscht  und  sollte  dies  Monate  dauern.  Daß 
auf  diese  Weise  aus  dem  maltraitierten  Protoplasten  alle  möglichen  Zuge- 
ständnisse an  den  Peiniger  herauszupressen  sind,  gerade  so,  wie  vom  De- 
linquenten in  der  mittelalterlichen  Folterkanmier,  ist  einleuchtend.  Hat 
man  zwölf  Objektträger  mit  je  zwei  bis  drei  Reihen,  also  im  ganzen  viel- 
leicht 250 — 300  Schnitte,  dann  besteht  Aussicht,  »daß  wenigstens  in  eini- 
gen Fällen  der  richtige  Differenzierungsgrad  getroffen  werde.  <<  Wer  ent- 
scheidet denn  nun  aber  hier,  welches  der  »richtige  <<  Differenzierungs- 
grad ist?  Unter  diesem  »richtigen  Differenzierungsgrad«  kann  ich  mir 
persönlich  nichts  anderes  vorstellen,  als  diejenige  Differenzierung,  die 
dem  Autor  das  zeigt,  was  zu  seinen  Erwartungen  und  Voraussetzungen 
paßt.  Nehmen  wir  an,  dieser  sogenannte  richtige  Differenzierungsgrad 
betrage  einen  Prozent  aller  vorliegenden  Fälle.  Was  fangen  wir  nun 
mit  den  übrigen  99  Prozenten  an?  Wo  ist  der  Maßstab,  mit  dem  wir 
messen,  mit  dem  wir  vergleichen  und  der  uns  erlaubt,  den  einen  Prozent 
als  »normal«  zu  taxieren;  und  warum  ist  die  weitaus  größte  Zahl  der 
Objekte  nicht  »richtig«  differenziert?  Wo  liegt  hier  der  Fehler,  an 
der  Methode  oder  am  Gewebe?  Und  wenn  die  Methode  nicht  zuver- 
lässig ist,  warum  will  der  Forscher  nicht  von  ihr  lassen? 

Es  ist  in  der  Tat  ein  Maßstab  vorhanden,  dem  man  vielorts  felsen- 
fest vertraut:  Es  ist  eine  Theorie  —  die  Centrosomentheorie  —  mit 
der  man  mißt,  eine  vorgefaßte  Meinung  über  das  zu  erwartende  Re- 
sultat. Was  zu  dieser  Voraussetzung  paßt,  ist  normal,  was  ihr  wider- 
spricht, wird  unbarmherzig  ignoriert.  —  Aber  dieser  Maßstab  ist  nicht 
zuverlässig;  die  Methode  jedoch  ist  so  gefügig,  daß  sie  bei  genügend 
langer  Einwirkung  der  Agentien  auf  die  Zelle  immer  wieder  Fälle  de- 
monstrieren läßt,  die  jene  Theorie  zu  stützen  scheinen.  Gerade  aus 
diesem  Grunde  scheint  mir  das  Eisenhämatoxylin- Verfahren  vielen 
Forschern  so  unentbehrlich  auf  dem  Gebiete  der  Centrosomenforschung 
zu  sein. 

Bleibt  nach  einer  wochen-  oder  monatelangen  Kur  irgendwo  im 

Zelleib  —  unter  Dutzenden  von  Fällen  vielleicht  ein  einziges  Mal  — 

ein  größeres  Körnchen  sichtbar,  so  ist  das  natürlich  ein  Centrosom 

und  kommt  zufällig  ein  anderes,  ähnliches  Körnchen  in  dessen  Nähe, 

1  Die  Sperrschrift  rührt  von  mir.     Stauffachek. 


396  Hell.  Stauffacher, 

SO  liegt  der  Schluß  nahe,  daß  sich  hier  eine  Teilung  vollzogen.  —  Anders 
hätte  auch  die  berühmte  Dälle  des  Kernes  als  Bettung  der  Sphäre 
nicht  zustande  kommen  können. 

Besser  hätte  das  Subjektive,  Willkürliche,  das  der  Centrosomen- 
forschung anhaftet,  nicht  zum  Ausdruck  gebracht  werden  können, 
wie  dies  durch  Meves  anläßlich  der  Beschreibung  seiner  Fangmethode 
für  Centriolen  geschah  und  der  Fall  dürfte  in  unserer  Wissenschaft 
selten  sein,  wo  eine  auf  so  schwanken  Füßen  stehende  Theorie  eine  so 
allgemeine  Anerkennung  gefunden  hat,  wie  die  Lehre  vom  Centrosom. 
Mir  wenigstens  will  es  scheinen,  als  ob  dies  seit  den  Tagen  des  Plilo- 
gistons  nicht  mehr  vorgekommen  sei. 

Wir  vermissen  in  der  Zellenlehre  bis  jetzt  überhaupt  die  Kon- 
stanten, die  biologischen  Konstanten,  wenn  dieser  Ausdruck  gestattet 
ist,  und  während  in  den  sogenannten  »exakten«  Naturwissenschaften 
erst  aus  der  Konstanz  auf  eine  hinter  der  sichtbaren  Erscheinung 
sich  verbergende  Ursache,  — •  dann  aber  mit  Naturnotwendigkeit  — ■ 
oeschlossen  wird,  kommen  wir  in  der  Biologie  der  Zelle  vielfach  über 
Willkürlichkeiten  nicht  hinaus.  Daß  übrigens  bei  einem  solchen  Stand 
der  Dinge  auch  der  Autoritätenglauben,  den  man  mit  dem  letzten 
Scholastiker  glaubte  zu  Grabe  getragen  zu  haben,  wieder  aufzublühen 
begann,  dürfte  nicht  verwunderlich  sein. 

Die  geforderten  Konstanten  aber  werden  sich  nicht  finden  lassen, 
so  lange  wir  nicht  die  bis  jetzt  vornehmlich  in  der  Zellforschung  an- 
gewendeten Methoden  verbessern,  unser  Rüstzeug  also  zuverlässiger 
machen;  von  Konstanz  im  Zellgeschehen  wird  wenig  zu  spüren  sein, 
wenn  es  uns  nicht  gelingt,  an  die  Stelle  solcher  gefügigen  Mittel,  wie 
wir  sie  soeben  kennen  gelernt  haben  und  deren  Resultate  der  willkür- 
lichen Deutung  Tür  und  Tor  öffnen,  andere  Reagentien  zu  setzen,  die 
dem  Objekt  selbst  erlauben,  eine  deutliche  und  klare  Sprache  zu  spre- 
chen. Das  ist  —  meiner  Überzeugung  nach  —  nur  unter  Erfüllnug 
der  nachfolgenden  vier  Bedingungen  möglich: 

1)  Wir  beeinflussen  die  chemische  Eigenart  der  verschiedenen 
Eiweißkörper  bei  der  Fixierung  des  Zellinhaltes  so  wenig  als  möglich. 

2)  Wir  lassen  den  Protoplasten  und  seine  Derivate  diejenigen 
Farbstoffe  freiwillig  auslesen,  zu  denen  sie  wirklich  Affinität  haben. 

3)  Wir  üben  stete  Kontrolle  am  lebenden  Objekt,  soweit  dies 
überhaupt  möglich  ist  und 

4)  wenden  wir  die  Ergebnisse  makrochemischer  Forschung  konse- 
quent auf  die  mikrochemische  Erforschung  der  Zelle  an. 

Gerade  im  cellulären  Chemismus  stoßen  wir  —  und  zwar  bei 


Zrllstudi.n.    I.  397 

Fundamentalfunktionen  —  aul;  gewisse  konstante  Erscheinungen, 
deren  konsequente  Verfolgung  uns  die  wunderbarsten  und  versteckte- 
sten Beziehungen  und  Zusammenhänge  in  den  Äußerungen  des  Zell- 
lebens aufzudecken  verspricht  und  es  kann  nicht  mehr  bestritten  werden, 
»daß  die  folgerichtige  Anwendung  der  chemischen  Grundgesetze  auch 
die  heterogensten  Gebiete  der  Lehre  von  den  Lebensvorgängen  mit- 
einander verknüpfen  und  befruchten  kann<<i.  Es  ist  nicht  mehr  daran 
zu  zweifeln,  daß  Tieren  und  Pflanzen  gewisse  chemische  Lebensprozesse 
gemeinsam  sind,  daß  es,  wie  sich  Kossel  ausdrückt,  einen  »chemischen 
Mechanismus  <<  gibt,  der  nach  gemeinsamem  Prinzip  in  den  verschieden- 
artigen lebenden  Teilen  arbeitet. 

Um  nicht  mißverstanden  zu  werden,  will  ich  aber  gleich  beifügen, 
daß  ich  nicht  etwa  der  Meinung  bin,  es  werden  sich  alle  Zellprobleme 
auf  rein  chemische  Art  lösen  lassen:  Das  Protoplasma,  der  Sitz  der 
physiologischen  Grundprozesse,  wird  uns  durch  eine  noch  so  genaue 
Kenntnis  seiner  chemischen  Zusammensetzung  —  selbst  in  seinen  ein- 
fachsten Reaktionen  —  kaum  je  verständlich,  wenn  wir  neben  der 
chemischen  Erforschung  dieser  Substanz  nicht  auch  zu  einem  Ver- 
ständnis seiner  Struktur  gelangen.  Diese  innere  Organisation  des 
Protoplasmas  braucht  nicht  notwendigerweise  eine  mikroskopisch 
sichtbare  zu  sein  und  alle  Anzeichen  deuten  darauf  hin,  daß  sie  sich 
in  der  Tat  in  ultramikroskopischen  Grenzen  hält;  auf  alle  Fälle  aber 
ist  sie  eine  andere,  als  eine  rein  chemische.  Die  physiologische  Chemie 
bedarf  also  in  solchen  Fragen  der  Unterstützung  durch  die  physiolo- 
gische Physik. 

Aber  es  gibt  in  der  Cytologie  näher  liegende  und  einfachere  Pro- 
bleme, wie  die  Erforschung  der  Strukturverhältnisse  des  Protoplasmas, 
Probleme,  die  der  Untersuchung  jetzt  schon  direkt  zugänglich  und 
damit  der  Spekulation  entrückt  sind;  Probleme,  deren  Lösung  auf 
rein  chemische  Art  erfolgen  kann  und  zu  deren  Bearbeitung  uns 
die  makrochemische  Forschung  die  Wege  geebnet  hat.  Zu  diesen  Pro- 
blemen rechne  ich  neben  andern  ganz  besonders  das  Studium  der 
Nucleine^,  ihre  Entstehimg  und  ihr  Verhalten  im  Nucleus,  ihre  Ver- 
teilung im  Cytoplasma  und  ihre  physiologische  Bedeutung  im  Zellen- 
leben. Es  ist  zwar  nicht  protoplasmatisches,  also  nicht 
lebendes  Material,  was  wir  hier  unter  den  Händen  haben;  es  wächst 


1  F.  Ehrlich,  L^ber  die  Bedeutung  des  Eiweißstoffwechsels  für  die  Lebens- 
vorgänge in  der  Pflanzenwelt.  Sammlung  chemischer  u.  chemisch-techn.  Vor- 
träge.    1911.     Bd.  XVir.     Heft.  9. 

2  Im  weiteren  Sinne;   also:  Nucleoproteide,  Xucleine  und  Xudeinsäuren. 
Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.  CIX.  Bd.  27 


398  Hell.  Stauffacher, 

nicht  selbst,  es  ist  leblos,  ein  Absonderungsprodukt  bloß  — ■  quasi 
ein  Sekret  —  des  Protoplasmas;  dafür  haben  wir  aber  bereits  einen 
recht  tiefen  Einblick  tun  können  in  seinen  molekularen  Bau  und  wir 
kenneu  seine  charakteristischen,  chemischen  Reaktionen,  die  es  uns 
immer  wieder  ermöglichen,  selbst  Spuren  dieser  Substanz  mit  be- 
deutender Sicherheit  analytisch  nachzuweisen. 

Eine  Reihe  klassischer  Untersuchungen  von  Hoppe-Seyler  an 
bis  zu  KossEL  und  seiner  Schule  haben  gezeigt,  daß  die  Nucleine  dem 
Zellkern  eigentümlich  sind.  —  Diese  Nucleinstoffe  enthalten  zwei  Kom- 
ponenten, von  denen  die  eine  die  Eigenschaften  eines  Proteins  oder 
Eiweißkörpers  trägt;  die  Atomgruppen,  welche  dieser  Bestandteil 
birgt,  kommen  auch  den  gewöhnlichen  Eiweißsubstanzen  zu.  Die 
andere  Komponente  heißt  jetzt  Nucleinsäure.  In  ihr  existieren  zu- 
nächst vier  stickstoffhaltige  Atomgruppen:  das  Cytosin  und  Thymin 
als  Pyrimidinderivate,  dann  das  Adenin  und  Guanin  als  Abkömmlinge 
des  Purins.  Der  Rest  der  Nucleinsäure-Molekel  besteht  aus  zwei  ver- 
schiedenartigen Bestandteilen.  Der  eine  enthält  sechs  Atome  Kohlen- 
stoff und  gehört  den  Kohlehydraten  an,  der  andere  ist  frei  von  Kohlen- 
stoff; es  ist  Phosphorsäure.  —  Nach  den  Analysen  von  H.Steudel 
hätten  wir  für  jede  der  vier  stickstoffhaltigen  Atomgruppen  eine  Molekel 
des  Kohlehydrates  und  eine  Molekel  Phosphorsäure  anzunehmen,  so 
daß  die  Molekel  der  Nucleinsäure  aus  mindestens  zwölf  Bausteinen 
bestehen  müßte. 

Die  mit  diesen  komplexen  Nucleinsäuren  verbundenen  Protein- 
oder Eiweißstoffe  tragen,  so  weit  die  Beobachtung  bis  jetzt  reicht, 
den  Charakter  von  organischen  Basen;  in  ihnen  herrschen  also  freie 
basische  Gruppen  vor. 

Ihre  Kombination  mit  der  Nucleinsäure  wird  —  je  nach  der  Menge 
des  an  die  Säure  gebundenen  Eiweißes  —  als  Nucleoproteid  oder  als 
Nuclein  bezeichnet.  Die  gesamtchemische  Reaktion  ist  aber  auch 
bei  diesen  Körpern  sauer:  die  saure  Reaktion  der  Phosphorsäure  über- 
tönt die  basische  der  vorhandenen  Amidogruppeni.  Daher  zeigen 
die  Nucleinstoffe  Affinität  zu  basischen  Farbstoff lösungen ;  sie  sind 
basophil,  genauer:  ampho-basophil.  Man  bezeichnet  sie  als  Basi- 
chromatin,  kurz  auch  etwa  als  Chromatin,  wobei  aber  darauf  zu  achten 
ist,  daß  sich  der  moderne,  chemisch  geläuterte  und  präzisierte  Chro- 


1  Ähnlich  verhält  sich  die  Sache  oiJtisch:  Nach  Gamgee  u.  Jones  (Hof- 
meisters Beiträge  4,  1903)  sind  die  Nucleinsäuren  und  ihre  Derivate,  die  Nucleine 
und  Nucleoproteide,  rechts  drehend.  Die  Eiweißkomponente  ist  zwar  linksdi-ehend, 
doch  überwiegt  die  Drehung  der  Nucleinsäure. 


Zellstudien.  I.  399 

matinbegriff  nicht  notwendigerweise  und  überall  mit  dem  alten  Begriff 
Chromatin,  der  ein  rein  morphologischer  ist,  zu  decken  braucht. 

)>Das  Chromatin  (genauer  Basichromatin)  des  Zellkernes  besteht 
also  aus  zwei  Teilen,  deren  einer  reich  an  gebundener  Phosphorsäure 
ist  und  saure  Eigenschaften  zeigt,  deren  zweiter  dagegen  einen  Eiweiß- 
körper mit  basischen  Eigenschaften  (Histon)  repräsentiert.  Beide 
Bestandteile  zeigen  in  ihrem  Bau  eine  bemerkenswer-te  Ähnlichkeit, 
welche  auf  der  eigentümlichen  Anhäufung  von  Stickstoffatomen  beruht. 
Durch  diese  chemische  Struktur  werden  die  Chromatingebilde  von 
den  übrigen  Bestandteilen  der  Zelle  scharf  unterschieden  und 
diese  Beschaffenheit  muß  offenbar  mit  der  Funktion  der  Chromatine 
in  Zusammenhang  gebracht  werden.  Diese  Stickstoff  reichen  und 
phosphorhaltigen  Atomgruppen  sind  es,  die  in  den  Kernen  vegetativer 
Zellen  so  konstant  und  in  großer  Menge  vorkommen,  deren  Ab- 
lagerungsstätten in  den  Chromosomen  bei  der  Zellteilung  in  Bewegung 
gesetzt  werden  und  deren  Übertragung  auf  andere  Zellen  einen  wesent- 
lichen ^    Teil   des    Befruchtungsvorganges   ausmacht«   (Kossel). 

Ich  möchte  aber  nicht  versäumen,  noch  einmal  darauf  aufmerk- 
sam zu  machen,  daß  die  Bezeichnung  Basichromatin  ein  Sammelname 
ist  und  eine  Reihe  verschiedener  Körper  umfaßt;  ob  dies  jedoch  Nu- 
cleoproteide  oder  Nucleine  (im  engeren  Sinne)  oder  gar  freie  Nuclein- 
säuren  sind,  läßt  sich  vorläufig  mit  Sicherheit  weder  mikroskopisch 
noch  chemisch  entscheiden.  Dagegen  ist  diese  Gruppe  von  Chroma- 
tinen  sehr  viel  einheitlicher  und  der  chemischen  Deutung,  wie  wir  ge- 
sehen, sehr  viel  zugänglicher,  als  das,  was  wir  bis  jetzt  als  Chromatin 
zu  bezeichnen  pflegten. 

Ein  diesen  Basichromatinen  specifischer  Farbstoff  ist  das  Me  - 
thylgrün.  Pappenheim 2  kommt  zu  demselben  Schluß:  >>Alle  andern 
Zellbestandteile  (Parachromatin,  Spongioplasma,  Paraplasma)  sind 
vom  Chromatin  prinzipiell  dadurch  different,  daß  sie  niemals  Methyl- 
grün aufnehmen.  Wir  fassen  diese  andern  als  Plastinsubstanzen  zu- 
sammen.« (S.  573).  »Der  basische  Farbstoff,  das  Methylgrün,  färbt 
nur  Chromatin,  keine  Plastinsubstanz,  auch  nicht  basophile  «3  (S.  587). 
Und  S.  592 :   »Der  Schlüssel  des  Verständnisses  für  das  Ergebnis  der 


1  Hier  bin  ich  mit  Kossel  nicht  ganz  einverstanden.     Wir  werden  weiter 
hinten  auf  diesen  Punkt  noch  zurückzukommen  haben. 

2  A.  Pappenheim,    Neue    cytomorphologische    Studien   an    Blutzellen    mit 
farbenanalytischen  Methoden.     Folia  hacniatologica.     Bd.  IX.      1910. 

3  Ist  die  Base  des  Methylgrüns  vorher  befreit  worden  (z.  B.  durch  Borax- 
zusatz), so  würde  selbstredend  alle  basophile  Substanz  gefärbt. 

27* 


400  Hell.  Stauffacher, 

Methylgrün  +  Pyroninfärbuug  liegt  in  einer  Specifität  des  Methyl- 
grüns,  das.  ganz  unabhängig  von  seinem  Basizitätsgrad  und  seiner 
oeringen  tinktoriellen  Energie  und  Echtheit,  von  allen  färbbaren  Sub- 
straten eben  einzig  und  allein  nur  Chromatin  zu  färben  imstande  ist, 
keine  oxyphile  Substanz  und  auch  sonst  keine  basophile  Substanz, 
weder  Bakterien,  noch  Lymphoplasmen  noch  basophile  Mastkör- 
ner färbt  .  .  .  Diese  Spezifität  des  Methylgrüns  ist  also  tat- 
sächHch  eine  gewisse  Schwäche  oder  Impotenz,  die  aber  weder 
eine  Schwäche  des  chemischen  Charakters  noch  der  physikalischen 
Tinktorialkraft  ist,  sondern  in  einer  besonderen  Stabilität  des  Farb- 
salzes beruht.  Sie  beruht  vermutlich  darin,  daß  das  Molekül  seines 
Farbsalzes,  dieses  Chlormethyl-  oder  Jodäthyl-Chlorzink-Doppelsalzes, 
so  fest  in  sich  gebunden  ist,  daß  allein  die  Nucleinsäure  des  Chromatins 
(nicht  einmal  die  viel  stärker  basophile  Substanz  der  sogar  in  saurer 
Lösung  farbecht  färbbaren  Mastzellkörper)  von  allen  basophilen  Sub- 
stanzen imstande  ist,  dieses  Farbsalz  in  seine  Jonen  zu  dissoziieren  und 
seine  Karbinolbase  ^  zu  isolieren,  welcher  Prozeß  einer  chemischen 
Färbung  vorangehen  muß.  Diese  feste  Bindung  ist  also  eine  ganz 
andere  Art  von  >>  Schwäche  <<  als  die  Mattheit  und  wenig  distinkte  Hellig- 
keit seiner  Färbungen  sowie  die  große  tinktorielle  Schwäche  und  Un- 
echtheit  seines  Haftens.  Sie  ist  weder  eine  schwache  Basizität, 
noch  eine  schwache  physikalische  Echtheit,  noch  eine  schwache 
Färbekraft  und  Intensität,  sondern  die  »Schwäche«  liegt  einzig  und 
allein  in  der  spezifisch  zirkumskripten  Beschränkung  der  Extensität 
des  Wirkungsbereiches  dieses  Farbstoffes.  Er  ist  spezifisch  nur 
Chromatinfärber.  << 

In  diesem  Falle  würde  ich  —  so  sehr  ich  sonst  mit  Pappen  heim 
übereinstimme  —  überhaupt   nicht  von   »Schwäche«  sprechen;  diese 

1  Als  Carbinol  bezeichnet  man  eigentlich  den  Methylalkohol  CH3OH. 
Methylgrün  ist  nun  ein  Derivat  des  Rosanilins  und  dieses  gehört  zu  den  sogenannten 
Triphenylmethanfarbstoffen,  die  ihrerseits  auf  das  Triphenylmethan  CH(C6H6)3 
zurückgeführt  werden  können.     Die  dem  Methylgrün 

C6H4N(CH3)2 

C-C6H4N(CH3)2 
^C6H4N(CH3)2C1.CH3C1 
zugrunde  liegende  Base 

CeH4N(CH3)2 

\>CeH4N(CH3)2 
OH 
ist  also  quasi  Carbinol,  in  dem  3H-Atome  durch  den  einwertigen  Rest  C6H4N 
(0113)2  des  Dimethylanilins  ersetzt  sind.     Stauffacher. 


Zellstuclicn.  I.  401 

Bezeichnung  scheint  mir  hier  gar  keine  Berechtigung  zu  haben.  Man 
könnte  sonst  jedem  Reagens  auf  chemisch-analytischem  Gebiete  mehr 
oder  weniger  »Schwäche <<  vorwerfen,  so  —  um  nur  eins  von  vielen 
zu  erwähnen  —  dem  NfiSSLERschen  Reagens  zur  Nachweisung  von 
in  Wasser  gelöstem  Ammoniak.  Die  alkalische  Lösung  des  Queck- 
silberchlorids in  überschüssigem  Jodkalium  (besser:  die  alkahsche 
Lösung  des  komplexen  Salzes  KgllgJ^)  ist  bekanntlich  ein  Nach- 
weisungsmittel für  NHg  in  Trinkwässern.  Um  ihren  Zweck  erfüllen 
zu  können,  muß  aber  die  NESSLERsche  Lösung  vor  allem  eine  Eigen- 
schaft haben:  Ihre  Reaktion  muß  charakteristisch,  auf  NHg  specifisch 
sein,  d.  h.  sie  darf  nur  mit  NHg,  nicht  auch  mit  einer  andern  Substanz 
erfolgen,  sonst  weiß  man  ja  gegebenenfalls  nicht,  welche  von  den  mög- 
lichen Verbindungen  vorliegt.  Man  weist  z.  B.  analytisch  die  salpetrige 
Säure  sehr  häufig  durch  Jodkalium  nach,  aus  dem  HNOg  durch  Oxy- 
dation Jod  auszuscheiden  vermag.  Das  ist  aber  keine  für  HNO2 
charakteristische  Reaktion,  weil  sie  auf  diese  Verbindung  nur  dann 
sicher  hinweist,  wenn  Chlor  oder  Brom,  H2O2  und  Ferrisalze  abwesend 
sind;  denn  alle  diese  Substanzen  machen  aus  Jodkalium  ebenfalls 
Jod  frei.  Ein  charakteristischer  und  daher  einwandfreier  Nachweis 
der  salpetrigen  Säure  findet  dagegen  statt  mit  dem  Reagens  von  Peter 
Griess  oder  von  Ilosway  v.  Ilosva  (Lunge).  —  Erst  diese  Mittel 
bewahren  uns  vor  Irrtümern  und  daher  ist  vom  chemisch-analytischen 
Gesichtspunkte  aus  diese  Einseitigkeit  der  NESSLERschen  oder  Lunge- 
schen  Lösung  gerade  das  Gegenteil  von  »Schwäche  <<,  trotzdem  auch 
ihnen  eine  »spezifisch  zirkumskripte  Beschränkung  der  Extensität 
des  Wirkungsbereiches«  zukommt. 

Wollen  wir  die  Resultate  makrochemischer  Untersuchungen  auf 
die  Erforschung  der  Zellbestandteile  anwenden,  so  werden  wir  auch 
die  Methoden,  die  sich  dort  so  vorzüglich  bewährt,  in  den  Bereich 
der  mikrochemischen  Analyse  ziehen. ;  wir  werden  darnach  trachten, 
die  verschiedenen  chemischen  Substanzen  des  Zellinnern  zu  indivi- 
dualisieren und  zu  charakterisieren  und  hierfür  Reagentien  zu  be- 
schaffen suchen,  Reagentien  die  vorläufig  vielleicht  bloß  auf  den  chemi- 
schen Eigenschaften  allgemeiner  Natur  —  der  überwiegenden 
Säure-  oder  Basekapazität  —  der  Masse  beruhen.  Das  Methyl- 
grün geht  aber,  wie  wir  gesehen,  bereits  über  das  hinaus,  was  wir 
Gruppenreagens  in  dem  angedeuteten  Sinne  nennen  würden;  denn  es 
charakterisiert  bereits  eine  spezielle  basophile  Gruppe,  die  Klasse 
der  Nucleinkörper  und  dadurch  wird  uns  die  Spezifität  des  Methyl- 
grüns sehr  wertvoll.     Ich  bin  mir  der  Schwierigkeiten,  die  sich  hier 


402  Hch.  Stauffacher, 

dem  Bio-Chemiker  entgegenstellen  werden,  vollauf  bewußt  und  ich 
bin  mit  Heidenhain  durchaus  einverstanden,  wenn  er  das,  was  wir 
bis  jetzt  durch  Methylgrün,  BiONDische  Lösung  und  andere  heterogene 
Farbstoffgemische  erreicht,  nur  als  Anfang  einer  mikrochemischen 
Analyse  durch  Farbenreaktionen  gelten  lassen  wilU.  Der  Anfang  ist 
sogar  ein  recht  bescheidener;  aber  das  ist  nicht  ausschlaggebend  und 
wirkt  auf  mich  persönlich  weder  entmutigend  noch  abschreckend; 
denn  die  Anfänge  sind  immer  bescheiden.  Entscheidend  wird  die 
Frage  sein,  ob  die  Gesichtspunkte  und  Prinzipien,  die  wir  auf  die  Er- 
forschung der  Zelle  anwenden  wollen,  einwandfrei  seien;  und  wenn 
wir  die  mit  unsern  schwachen  Mitteln  bis  jetzt  gewonnenen  Kesultate 
—  ganz  besonders  die  Konstanz  der  beobachteten  Erscheinungen  — 
überblicken,  so  könnten  war  in  der  Tat  glauben,  wir  befänden  uns  auf 
guter  Fährte.  —  Und  in  der  Ferne  sehen  wir  den  Schwärm  der  Fer- 
mente als  feinste  Indikatoren  (sehr  charakteristisch  in  ihren  Keak- 
tionen  und  im  höchsten  Grad  empfindlich)  dem  Zellforscher  zu  Hilfe 
eilen,  mit  deren  Unterstützung  er  Probleme  lösen  wird,  an  die  wir 
uns  jetzt  noch  nicht  heranwagen  dürfen.  Auch  in  dieser  Beziehung 
ist  ja  erst  ein  ganz  bescheidener  Versuch  gemacht. 

Eine  auffallende  und  für  unsere  mikrochemischen  Bedürfnisse 
äußerst  wichtige  Eigenschaft  der  Nucleine  hat  Miescher^  festgestellt. 
Er  fand  nämlich,  daß  sie  in  künstlichem  Magensaft,  also  in  Pepsin- 
Salzsäure  unverdaulich  seien,  bzw.  daß  von  jener  Molekularkombina- 
tion nur  der  Eiweißpaarling  gelöst  werde.  Diese  Eigenschaft  ist  neben 
dem  Gehalt  an  Phosphorsäure  und  an  Purin-  bzw.  Pyrimidinbasen 
charakteristisch  für  die  Nucleoproteide. 

Nach  Milroy  und  Umber^  soll  zwar  in  guter  Pepsinsalzsäure 
auch  ein  beträchtlicher  Teil  der  Nucleinsäure  gelöst  werden.  Ich 
weiß  nicht,  was  die  genannten  Autoren  unter  »guter«  Pepsinsalzsäure 
verstehen;  die  Pepsinsalzsäure,  deren  ich  mich  bediene,  stammt  von 
Dr.  GRÜBLER-Leipzig,  wird  mit  dem  dreifachen  Volumen  0,2%iger 
HCl  versetzt  und  jeweils  möglichst  frischer  Sendung  entnommen. 
Die  zahlreichen  Beobachtungen,  die  ich  mit  diesem  Präparat  machen 
konnte,  haben  mich  hinreichend  darüber  belehrt,  daß  seine  verdauende 
Wirkung  eine  sehr  gute  ist.  Nichtsdestoweniger  blieben  in  ihm  die 
winzigsten    Nucleinkörnchen,    die    ich    bei    lOOOf acher    Vergrößerung 


1  M.  Heidenhain  Plasma  und  Zelle.     Bd.  I.     S.  119.| 

2  F.  MiESCHER,  Hoppe-Seylers  Medizin. -chem.  Unters.     1871.     S.  441. 

3  Zitiert  nach  Cohnheim,   0.,   Chemie    der  Eiweißkörper.      Braunschweig. 
Vieweg.     II.  Aufl.  1904.     S.  222. 


Zellstudien.  I.  403 

noch  nachzuweisen  vermochte,  selbst  bei  15stündiger  Einwirkung  der 
Verdauungsflüssigkeit  erhalten.  "Wenn  also  durch  Pepsinsalzsäure 
neben  dem  Eiweißpaarling  der  Nucleine  auch  die  Nucleinsäure  ange- 
griffen wird,  so  kann  das  kaum  in  erheblichem  Maße  der  Fall  sein. 

In  Alkalien  oder  in  durch  Hydrolyse  alkalisch  reagierenden  Lö- 
sungen von  Salzen  (Soda,  Pottasche)  lösen  sich  die  Nucleinkörper  — • 
wie  vorauszusehen  war  —  auf;  ebenso  begreiflich  ist  ihre  Verdauung 
in  Trypsin. 

Mit  Hilfe  der  Pepsin-  und  Trypsinvcrdauung  machte  ich  einen 
lehrreichen  Versuch  an  Eiern  von  Anodonta.  In  einer  Arbeit ^  wies 
ich  darauf  hin,  daß  die  doppelten  Nucleolen  der  Teichmuschel  aus 
zwei  chemisch  ganz  verschiedenen  Teilen  bestehen,  indem  der  (später) 
kleinere  Abschnitt  nucleinhaltig,  der  (später)  größere  dagegen  frei  von 
Nuclein  sei.  Ich  unterwarf  nun  die  Eizellen  der  Verdauung  und  zwar 
einerseits  der  Pepsinsalzsäure  —  anderseits  der  basischen  Trypsin- 
vcrdauung. Der  Prozeß  dauerte  in  beiden  Fällen  9  Stunden;  gefärbt 
wurde  nachher  ebenfalls  in  beiden  Fällen  mit  Fuchsin-Methylenblau. 
Die  Fig.  1  und  2,  Taf.  X,  zeigen  den  Effekt.  In  Fig.  1  (Pepsin Verdau- 
ung) ist  der  ganze  Kern  leer;  nur  der  kleinere  Teil  des  Nucleolus 
blieb  erhalten  und  nahm  intensiv  Methylenblau  auf,  genau  wie  vor 
der  Verdauung  (loc.  cit.  Taf.  XXIII,  Fig.  11  u.  12).  Die  Konturen 
des  größeren  Nucleolarabschnittes  Avaren  noch  etwas  sichtbar.  —  In 
der  fast  gleichmäßig  blau  gefärbten  Fläche  der  kleineren  Nucleolar- 
partie  erkennt  man  sehr  gut  einzelne  schwarzblau  gefärbte  Körnchen, 
von  denen  sich  die  größten  vornehmlich  in  der  Nähe  des  Randes  auf- 
halten. Die  hier  dunkelblau  tingierten  Elemente  würden  sich  in  Ehk- 
LiCH-BiONDis  Lösung  dunkelgrün  gefärbt  haben,  intensiver  also, 
wie  die  ül)rige  Fläche  dieses  Abschnittes  (loc.  cit.  Taf.  XXIII).  — • 
Tatsächlich  ist  zwar  auch  der  in  Fig.  1  gezeichnete  Kern  • — ■  obschon 
er  hier  leer  erscheint  —  nicht  ganz  frei  von  Nuclein ;  denn  in  der  oben 
zitierten  Abhandlung  wurde  gezeigt,  daß  der  Nucleus  des  reifenden 
Anodonta-^ies  immer  geringe  Mengen  jener  Substanz  enthält.  Die 
kleinen  Nucleinportionen  sind  jedoch  nicht  etwa  verdaut  worden,  wie 
man  das  nach  Milroy  und  Umber  annehmen  könnte,  sondern  aus 
der  Schnittfläche  herausgefallen,  weil  sie  ihrer  Grundlage  —  die  ver- 
daulich ist  —  beraubt  worden  sind.  Genaue  vergleichende  Unter- 
suchungen berechtigen  durchaus  zu  dieser  Annahme. 

Ganz  anders  nun  sieht  der  Schnitt  (Fig.  2)  durch  ein  Anodonta-Ki 

1  HcH.  Stauffacher,  Neua  Beobachtungen  auf  dem  Gebiete  der  Zelle. 
Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.     Bd.  XCVIII. 


404  Hch.  Stauffacher, 

nach  der  Trypsin Verdauung i  aus,  trotzdem  die  beiden  Objekte  der  Fig.  1 
und  2  in  allen  Punkten  sonst  völlig  gleich  behandelt  wurden. 

In  erster  Linie  fällt  der  Kern  auf.  Man  bemerkt  auch  hier  wieder 
den  doppelten  Nucleolus.  Nun  ist  aber  der  kleinere  Abschnitt  des- 
selben leer  (derjenige  Teil  also,  der  in  Fig.  1  erhalten  blieb),  während 
der  größere  Nucleolarteil  persistiert  und  intensiv  den  Fuchsinfarbstoff 
aufnimmt.  In  ihm  bemerkt  man  ferner  ein  feines  weitmaschiges  Netz- 
werk, offenbar  dasselbe,  das  in  den  Fig.  11  und  12  der  Taf.  XXIII 
der  oben  erwähnten  Untersuchung  eingezeichnet  ist.  Während  aber 
dort  die  Ecken  der  Maschen  mit  kleinen  Körnchen  besetzt  sind,  die 
besonders  in  der  Mitte  der  Scheibe  zahlreich  auftreten,  erkenne  ich 
solche  Verdickungen  hier  nicht  mehr;  sie  sind  ohne  Zweifel  auch  ver- 
daut. Wenigstens  sehe  ich  keine  andere  Ursache,  die  sie  aus  dem  orga- 
nischen Zusammenhang  mit  der  sonst  völlig  intakt  gebliebenen  Schnitt- 
fläche hätte  lösen  können.  —  Die  Berandung  dieses  Teils  des  Nucleolus 
erscheint  hier  außerordentlich  scharf. 

Die  Umrisse  des  kleineren  Nucleolarabschnittes  sind  deutlich  zu 
sehen,  ebenso  einige  Brücken,  die  von  hier  in  den  Kernraum  führen 
und  an  ihrer  Basis  die  Stellen  zeigen,  die  vorher  von  den  Kügelchen 
eingenommen  wurden,  die  uns  in  Fig.  1  durch  ihre  dunkelblaue  Färbung 
auffielen.  Tingiert  ist,  wie  gesagt,  nichts  in  dieser  Partie  —  sie  ist 
durchaus  hell;  doch  beobachtet  man  in  ihr  bei  sehr  genauer  Visitation 
ein  feines  Netzwerk  ungefärbter  Substanz:  Es  ist  die  oxychroma- 
tische  Grundmasse  des  Nucleins.  Diese  Grundsubstanz  ist  also  nicht 
verdaut,  wie  man  aus  der  Fig.  2  schließen  möchte;  dagegen  ist  sie 
nicht  gefärbt.  Hätten  wir  nämlich  den  Schnitt  der  Fig.  2  nicht 
mit  Fuchsin-Methylenblau,  sondern  mit  Ehrlich-Biondis  Lösung, 
bzw.  mit  Säurefuchsin  gefärbt,  so  würde  nicht  nur  der  größere,  sondern 
auch  der  kleinere  Nucleolarteil  eine  rote  Färbung  angenommen  haben. 
Derjenige,  der  in  der  Mikroanalyse  schon  einigermaßen  bewandert  ist, 
wird  dieses  Kesultat  mit  Sicherheit  erwarten.  W^ir  wissen  nämlich, 
daß  dem  Nuclein  überall  oxy chromatisches  Material  zugrunde  liegt; 
diese  oxyphile  Grundsubstanz  ist  in  Trypsin  nicht  verdaulich^,  sie  färbt 
sich  aber  nicht  mit  neutralem  Fuchsin,  sondern  —  kraft  ihrer 
ausgesprochenen  Oxyphilie  —  nur  mit  Säure  fuchsin,  das  bekannt- 
lich eine  Komponente    des  EHRLiCH-BiONDischen  Farbstoffgemisches 


1  0,1  g  Tryjjsin  sicc.  gelöst  in  etwa  30  com  alkal.  Wasser. 

2  RuziCKA  hat  vor  mir  die  gleiche  Beobachtung  gemacht.  Vgl.  Ruzicka, 
Vlad.,  »Das  Chromatin  und  Plastin  in  ihren  Beziehungen  zur  Regsamkeit  des 
Stoffwechsels.«    Festschr.  z.  60.  Geburtstage  R.  Hertwigs.     1910.     Bd.  I. 


ZcUstudien.  T.  405 

ist.  Wir  werden  übrigens  bald  einen  andern  Fall  antreffen,  wo  die 
Affinität  der  oxychromatischen  Substanz  zu  sauren  Farbstoffen  ebenso 
ausgeprägt  ist,  wie  hier. 

In  Fig.  2«!,  Taf.  X,  ist  nun  eine  Eizelle  von  Anodonta  —  genau 
so  vorbehandelt  wie  Fig.  2,  —  nach  der  Trypsinverdauung  in  Ehr- 
LiCH-BiONDis  Lösung  gefärbt.  Wir  beobachten  in  der  Tat  Rotfärbung 
des  gesamten  Nucleolus;  auch  der  kleinere  Abschnitt  ist  nun  deut- 
lich rot  tingiert,  wenn  er  auch  an  Intensität  der  Färbung  seinen 
größeren  Begleiter  nicht  erreicht.  Damit  ist  auch  der  Beweis,  daß  die 
Grundsubstanz  des  kleineren  Nucleolarteiles  in  Trypsin  nicht  verdaut 
wurde,  erbracht. 

Wir  haben  soeben  erfahren,  daß  die  beiden  Nucleolarabschnitte 
in  Ehrlich -BiONDi  verschieden  starke  Rotfärbung  annehmen,  selbst 
nachdem  das  Nuclein  aus  dem  kleineren  Teil  des  Kernkörperchens 
entfernt  ist.  Daraus  könnte  man  auf  eine  Verschiedenheit  in  der 
Grundsubstanz  der  beiden  Abschnitte  schließen.  Aber  auf  graduelle 
Differenzen  und  Farbennuancen  läßt  sich  nicht  sicher  bauen,  und  ihre 
Verwertung  würde  ein  viel  zu  subjektives,  willkürliches  Moment  in 
unsere  Zellforschung  tragen.  Zum  Aufsehen  mahnen  ja  solche  Er- 
scheinungen zweifellos  und  sie  geben  —  als  Fingerzeig  —  wenigstens 
den  ersten  Anstoß  zu  einer  genaueren  Erforschung  der  eventuell  vor- 
liegenden-Differenzen.  —  Nun  haben  wir  zwar  gesehen,  daß  in  Trypsin 
die  Grundsubstanz  beider  Nucleolarabschnitte  unverdaulich  ist,  was 
uns  dazu  verleiten  könnte,  an  der  soeben  ausgesprochenen  Vermutung, 
die  beiden  Teile  könnten  different  sein,  wieder  zu  zweifeln.  Aber 
in  neutralem  Fuchsin  ist  die  Grundsubstanz  des  kleineren 
Nucleolarteils  nicht  färbbar,  tingierbar  dagegen  ist  der  größere 
Abschnitt  des  Nucleolus.  Der  kleinere  Teil  des  Kernkörperchens  ist 
also  nur  färbbar  in  Säurefuchsin;  seine  Gundsubstanz  ist  ausgespro- 
chen oxyphil.  Der  größere  Abschnitt  dagegen  ist  tingierbar  sowohl 
in  Säurefuchsin  wie  in  gewöhnlichem  Fuchsin.  Der  kleinere  Nu- 
cleolarabschnitt  des  reifenden  Anodonta-^ies  unterscheidet  sich  also 
nicht  nur  dadurch  von  seinem  größeren  Begleiter,  daß  er  Nuclein 
enthält:  Auch  seine  Grundsubstanz  verhält  sich  anders  wie  die- 
jenige des  größeren  Abschnittes,  — •  Es  bliebe  nun  noch  die  Frage 
zu  erledigen,  ob  die  Materie  des  letzteren  etwas  von  der  Grundsubstanz 
des  ersteren  enthalte.  Das  läßt  sich  mit  den  mir  momentan  bekannten 
^Mitteln  nicht  sicher  entscheiden,  ist  aber  aus  dem  Grunde  wohl  zu 
verneinen,  weil  die  Grundmasse  des  kleineren  Nucleolarteiles  Nuclein 

1  Jn  die  Abbildung  aufgonoinrncii  wurde  l)loß  der  Xueleolus. 


406  Hch.  Staiiffacher, 

ZU  erzeugen  imstande  ist,  während  diese  Eigenschaft  dem  größeren 
Nucleolarabschnitt  durchaus  abgeht. 

Der  kleinere  (cyanophile)  Nucleolarabschnitt  in  den  Eiern  von 
Anodonta,  TJnio,  Cyclas  usw.  entspricht  den  Nucleolen  vegetativer 
Zellen.  Bei  der  Reifung  des  Eies  nimmt  er  allmählich  ab  und  ver- 
schwindet schließlich  ganz,  während  der  erythrophile  nunmehr  sein 
Maximum  erreicht.  Nur  der  letztere  bleibt  in  der  Eizelle  zurück; 
über  seine  Bedeutung  weiß  ich  auch  jetzt  noch  nichts  Bestimmtes 
anzugehen,  doch  werden  weitere  Untersuchungen  seine  Rolle  in  der 
befruchtungsbedürftigen  Eizelle  sicher  festzustellen  vermögen.  Man 
könnte  zunächst  annehmen,  daß  es  Abbauprodukte  der  Kerntätigkeit 
seien,  die  sich  im  größeren  Teil  des  Kernkörperchens  gesammelt;  aber 
die  netzigen  Strukturen  und  ihre  Verdickungen,  die  man  im  Innern 
des  Körperchens  nachweisen  kann,  scheinen  mir  jene  Annahme  nicht 
sonderlich  zu  stützen.  Möglicherweise  erwacht  das  sonderbare  Ge- 
bilde erst  nach  erfolgter  Befruchtung  zu  neuem  Leben.  —  Jeden- 
falls aber  haben  wir  zwei  Arten  von  Nucleolen  scharf  von 
einander  zu  unterscheiden:  Solche,  die  Basichromatin 
erzeugen  und  solche,  die  dies  nicht  zu  tun  imstande  sind 
und  vielleicht  Abbaustoffe  aufspeichern. 

Der  Kern  der  Fig.  2  ist  noch  in  einer  andern  Richtung  interessant. 
Die  Gesamtfläche  des  Nucleus  hebt  sich  nämlich  sehr  deutlich  von 
dem  Cytoplasma  ab  und  zwar  dadurch,  daß  nicht  nur  das  im  Mikroskop 
sichtbare  Netzwerk  gefärbt  ist,  sondern  auch  der  Raum  zwischen 
den  Maschen.  Das  ist  im  Cytoplasma  nicht  der  Fall;  hier  sind  die 
Räume  zwischen  den  mehr  oder  weniger  engen  Maschen  nicht  tingiert. 
Die  sehr  deutliche  und  gleichmäßige  Rotfärbung  der  ganzen  Kern- 
fläche ist  wohl  dadurch  zu  erklären,  daß  die  Struktur  der  oxychroma- 
tischen  Grundsubstanz  des  Kernes  eine  sehr  dichte  ist,  viel  dichter 
als  im  Cytoplasma,  und  daß  ein  großer  Teil  dieser  Strukturen  vor- 
läufig jenseits  der  Leistungsfähigkeit  unsrer  Mikroskope  liegt.  Ich 
werde  nächstens  referieren  über  die  parthenogenetischen  Eier  von 
Phylloxera  vastatrix  und  wir  werden  sehen,  daß  dort  in  dem  soeben 
geschilderten  Punkte  ganz  dieselben  Verhältnisse  vorliegen  wie  bei 
Anodonta:  Die  Kernfläche  ist  als  Ganzes  tingiert  und  hebt  sich  sehr 
scharf  gegen  das  viel  hellere  Cytoplasma  ab. 

Im  Kern  der  Fig.  2  erkennen  wir  endlich  eine  Anzahl  größerer 
und  kleinerer  Kugeln  von  intensiv  roter  Färbung,  die  mir  bis  jetzt 
noch  nicht  aufgefallen  waren,  aber  in  den  Präparaten  der  Trypsin- 
verdauung  regelmäßig  vorkommen. 


ZelUtudieii.  I.  407 

Neben  den  basophilen  Nucleinen  finden  wir  nun  aber  in  der  pflanz- 
lichen und  tierischen  Zelle  noch  eine  andere  Substanz  mit  ebenfalls 
ausgesprochener  Affinität  zu.  Farbstoffen.  Es  ist  soeben  darauf  auf- 
merksam gemacht  worden,  daß  sich  die  Grundsubstanz  des  kleineren 
Nucleolarteiles  vom  Anodonta-Ki  nicht  in  Fuchsin,  dagegen  in  Säure - 
fuchsin  färbe.  Etwas  ganz  ähnliches  beobachten  wir  z.  B.  bei  der  Tink- 
tion  eines  Pollenkornes  mit  Fuchsin-Methylenblau.  Es  ist  früher 
einmal  1  darauf  aufmerksam  gemacht  worden,  daß  der  generative 
Kern  der  Pollenkörner  wenig  Basichromatin  enthalte,  während  der 
vegetative  damit  förmlich  erfüllt  sei.  Färben  wir  nun  den  Schnitt 
durch  ein  Pollenkorn  —  vielleicht  von  Fritülaria  imperialis  —  (siehe 
Fig.  26)  mit  Fuchsin-Methylenblau,  so  wird  kein  Fuchsin  aufgenom- 
men. Das  Cytoplasma  bleibt  also,  sofern  es  selbst  keine  basichroma- 
tischen  Elemente  enthält,  ungefärbt,  ebenso  der  generative  Kern^, 
mit  Ausnahme  seines  Nucleolus  und  der  auf  der  Kernfläche  etwa  vor- 
handenen Nucleinkörnchen.  Ersetzen  wir  dagegen  das  Fuchsin-Me- 
thylenblau durch  die  EHRLiCH-BiONDische  Lösung,  d.  h.  das  gew^öhn- 
liche  neutrale  Fuchsin  durch  das  saure  Fuchsin,  so  färben  sich  sofort 
die  vorhin  farblosen  Partien  leuchtend  rot,  ein  Beweis  für  die  ausge- 
sprochene Oxyphilie  dieser  Substanzen  (Fig.  2c). 

Die  Grundsubstanz  der  Zelle  ist  durchaus  oxyphil,  d.  h.  die  che- 
mischen Verbindungen,  welche  diese  Substanz  zusammensetzen,  zeigen 
deutliche  und  konstante  Affinität  zu  sauren  Farbstoffen ;  wir  fassen  sie 
deshalb  unter  der  Bezeichnung  Oxy chromatin  zusammen,  w^ährend 
bis  jetzt  für  diesen  Zellbestandteil  die  Bezeichnung  Plastin  oder  Linin 
üblich  war.  Aus  dem  Gesagten  geht  ohne  weiteres  hervor,  daß  der 
Ausdruck  Oxychromatin  ein  Sammelname  ist,  wie  das  ja  auch  von 
der  Bezeichnung  Basichromatin  gesagt  werden  mußte.  Aber  diesem 
Oxychromatin  haben  wir  uns  bis  jetzt  chemisch  noch  weniger  zu  nähern 
vermocht,  wie  dem  Basichromatin  und  vermutlich  wird  uns  die  Ent- 
wirrung der  oxyphilen  Zellsubstanzen  noch  größere  Schwierigkeiten 
bereiten,  wie  diejenige  der  basophilen  Verbindungen. 

Das  Basichromatin  sitzt,  wie  ich  schon  früher  betont^,  immer 
auf  konformer  oxychromatischer  organisierter  Unterlage, 
aus  der  es  ja  auch  —  und  zwar  in  den  Nucleolen  —  hervorgeht. 

Diese  oxychromatische  Grundsubstanz,  das  Plastin  oder  Linin,  auch 


1  Stalffacher,  Hch.  Beiträge  zur  Kenntnis  d.  Kernstrukturen.     Zeitschr. 
f.  wiss.  Zool.     1910.     Bd.  XCV.     Hft.  1. 

2  Der  generative  Kern  zeigt  mitunter  eine  Spur  von  Rötlichfärbung. 

3  loe.  cit. 


408  Hell.  Stauffachor, 

Achromatill  geiianiit,  wurde  früher  beim  Studium  der  Zelle  fast  ganz 
und  wird  auch  jetzt  noch  zu  sehr  vernachlässigt,  beim  Chromatin-, 
Vererbungs-  und  Centrosomenproblem  so  gut,  wie  beim  Vorgang  der 
Kernteilung,  in  der  Lehre  von  einer  Kernmembran  ebenso,  wie  bei  der 
Beschreibung  der  Chondriosomen ,  und  der  Entstehung  der  Chloro- 
phyllkörner. Es  ist  das  protoplasmatische  Material  der  Zelle,  das 
formgebende  Prinzip  derselben,  der  Sitz  der  Kontraktilität,  der  Irri- 
tabilität und  der  Heizleitung:  Kot  färbt  sich  in  Ehrlich-Biondis 
Lösung  der  Leib  des  Paramaeciums,  rot  die  Cilie  und  die  Geißel,  der 
Schwanz  des  Spermatozoids  und  die  Muskelfaser,  rot  die  Ganglienzelle 
samt  Kern  und  Nervenfaser. 

Auch  Heidenhain  sagt  (loc.  cit.  S.  165):  »Der  Liningrundlage 
des  Kernes  hat  man  offenbar  in  morphologischer  und  physiologischer 
Beziehung  viel  zu  wenig  Beachtung  geschenkt,  denn  das  Linin  ist  offen- 
bar die  formgebende,  sich  gestaltende  Substanz  der  Kernstruktur. 
Das  muß  richtig  dahin  verstanden  werden,  daß  die  Chromiolen  inner- 
halb des  Linins  frei  suspendiert  sind,  weswegen  die  Formen  der  Kern- 
struktur und  die  Form  der  Chromosomen  Formen  des  Linins  in  mor- 
phologischem Sinne  sind.« 

Aus  der  Beobachtung,  daß  das  Basichromatin  konstant  auf  kon- 
former oxychromatischer  Unterlage  sitzt,  die  es  nie  verläßt,  ziehe  ich 
den  Schluß,  daß  wir  im  organisierten  Plastin  eine  Substanz 
vor  uns  haben,  die  zu  den  Nucleinen  besondere  Affinität 
hat.  Das  erinnert  uns  sofort  an  eine  Idee  Paul  Ehrlichs,  die  er 
anläßlich  seiner  Untersuchungen  über  Immunisierung  gegen  die  Try- 
panosomeninfektion  ausspricht  i.  Indem  Ehrlich  die  Möglichkeit 
ins  Auge  faßt,  Trypanosomenstämme  zu  züchten,  die  gegen  bestimmte 
Stoffe,  z.  B.  Arsen,  giftfest  sind  und  die  Immunität  auch  bei  "Weiter- 
züchtung in  normalen  Wirtstieren  behalten,  sagt  er:  >>.  .  .  durch 
weitere  Untersuchungen  ist  es  gelungen,  den  Mechanismus  der  Arzenei- 
festigkeit  (hier  Arsen)  aufzuklären.  Derselbe  beruht  darauf,  daß  in 
den  Trypanosomen,  wie  wohl  überhaupt  in  allen  Zellen,  bestimmte 
chemische  Gruppierungen,  Chemoreceptoren,  vorhanden  sind,  welche 
zu  bestimmten  Arzneistoffen  eine  gewisse  specifische  Verwandtschaft 
haben,  welche  die  Ursache  der  Verankerung  (der  Arsengruppe)  und 
dadurch  auch  der  arzneilichen  AVirkung  darstellt.  So  nehme  ich  be- 
stimmte Keceptoren  an,  die  zu  dem  Radikal   des  dreiwertigen  Arsens 

1  P.  Ehrlich,  Über  die  neuesten  Ergebnisse  auf  dem  Gebiet  der  Trypano- 
somenforschung.  Archiv  f.  Schiff s- u.  Troijenhygiene.  Bd.  XIII.  1909.  Beiheft  C. 
J.  A.  Barth,  Leipzig. 


Zcllstiidion.  T.  409 

Verwandtschaft  haben,  wieder  andere,  die  charakteristische  Grup- 
pierungen, welche  dei\  basischen  Triphenyhnethanstoffen  eigen  sind, 
oder  aber  die  Gruppe  der  Trypanrotfarbstoffe  an  sich  reißen.« 

Eine  solche  Art  von  Chemoreeeptoren,  eine  solche 
haptophore  Gruppe  müssen  wir  in  dem  organisierten  Plastin 
auch  für  die  Verbindungen  der  Nucleinsäure  annehmen. 
Mit  andern  Worten:  Wir  müssen  annehmen,  daß  in  der  Zelle  schon 
unter  normalen  Bedingungen  Chemoreceptoren  existieren,  die  mit  den 
normalen  Stoff  Wechselprodukten  (hier  also  mit  den  Nucleinen)  chemi- 
sche Bindung  eingehen,  daß  also  diese  Chemoreceptoren  nicht  von  An- 
fang an  die  Rolle  der  Giftfänger  spielen,  um  Stoffe  zu  verankern,  mit 
denen  sie  vielleicht  nie  in  Berührung  geraten  i.  Dadurch  würde  uns 
auch  verständlich,  weshalb  die  oxychromatische  Grundsubstanz  durch 
die  Bildung  von  Basichroniatin  im  wesentlichen  nicht  affiziert  wird. 
AVir  brauchen  bloß  anzunehmen,  daß  die  nucleinaffine  Gruppe,  welche 
die  nucleinsauren  Bestandteile  verankert,  eine  Seitenkette  ist,  durch 
deren  Tätigkeit  der  für  die  Eigenschaften  des  organisierten  Plastins 
ausschlaggebende  Kern  nicht  in  Mitleidenschaft  gezogen  wird.  Jeden- 
falls ist  die  Menge  des  organisierten  Plastins  für  eine  Zellenart  nicht 
den  ungeheuren  Schwankungen  unterworfen,  denen  der  Basichromatin- 
bestand  dauernd  unterliegt.  — •  Ich  glaube  mich  nicht  zu  täuschen, 
wenn  ich  annehme,  daß  hier  die  der  Serumtherapie  zugrunde- 
liegende  morphologische  Ursache  zu  suchen  ist. 

Die  chemische  Konstitution  des  betreffenden  Receptors  bestimmt 
wohl  auch  die  Beschaffenheit  des  dort  verankerten  Basichromatins, 
wie  ja  auch  Ehrlich  verschiedene  Arten  von  Receptoren  annimmt, 
Avonach  sich  auch  die  recipierteu  Stoffe  unterscheiden. 

Hier  mochte  ich  noch  auf  einen  Versuch  Malfattis  zu  sprechen 
kommen.  Dieser  Autor  verwandte 2  »Eiweiß  mit  Nucleinsäure  und  erhielt 
daraus  die  seit  Altmann  bekannten  nucleinhaltigen  Körper,  welche, 
je  nachdem,  von  verschiedenem  Eiweißgehalte  waren.  Eine  alko- 
holische Lösung  von  Säurefuchsin  und  Methylgrün  färbte  nun  reine 
Nucleinsäure  rein  grün,  phosphorärmere  Nucleine  bläulichviolett,  bei 
großer  Phosphorarmut  selbst  rein  rot.« 

Heidenhain  bemerkt  dazu  (S.  162)  Folgendes:  >>.  .  .  so  hätten 
wir  demnach  in  dem  Basichromatin  oder  dem  Chromatin  der  Autoren 


1  Diese  Annahme  stellt  in  vülligem  Einklang  mit  der  Lehre  P.  Ehrlichs. 
Siehe:  Ehrlich,  P,,  »Beiträge  zur  experiment.  Pathologie  und  Chemotherapie«. 
Leipzig,  Akad.  Verlagsges.  1909.    S.  213. 

2  M.  Heidenhain,  loc.  cit.  8.  102. 


410  Hch.  Stauffacher, 

phosphorreiche,  in  dem  Oxy chromatin  .  .  .  phosphorarme  Nucleine 
vor  uns.  Danach  sind  ferner  die  Basi-  und  Oxychromatine  durchaus 
nicht  als  für  die  Dauer  unveränderhche  Körper  aufzufassen,  sondern 
durch  Aufnahme  und  Abgabe  von  Phosphor  (Nucleinsäure,  saure 
Gruppen)  könnte  eventuell  auch  die  Färbbarkeit  sich  ändern.  Meine 
heutige  Meinung  geht  also  dahin,  daß  die  Affinitäten  der  chromato- 
philen  Mikrosomen  der  Kerngerüste  gegenüber  den  basischen  und 
sauren  Anilinfarbstoffen  sich  nach  gewissen  physiologischen  Zuständen 
des  Kernes  oder  der  Zelle  regulieren,  inbetreff  deren  wir  bisher  eine 
genauere  Einsicht  noch  nicht  haben  .  .  .<< 

»Indessen  — •  so  fährt  der  Autor  fort  —  ist  doch  eine  Differenz 
zwischen  den  Färbungen  des  chemischen  Präparates  (Lilienfeld  und 
Malfatti)  und  des  (sauer  gefärbten)  histologischen  Objektes  erkennbar, 
denn  in  ersterem  Falle  entsprechen  derEeihe  der  Kernstoffe,  von  eiweiß- 
freien bis  zu  eiweißreichen,  eine  Reihe  von  Mischfarben,  welche  bei 
Malfatti  allerdings  von  rein  Grün  anfangend  Übergänge  bis  zu  rein 
Rot  liefern,  während  beim  histologischen  Objekt  grüne  und  grün- 
blaue Färbungen  einerseits  den  rein  roten  anderseits  gegenüberstehen, 
ein  Resultat,  welches  schwer  erklärlich  ist,  denn  es  muß  die  Frage 
auftauchen,  ob  nicht  etwa  doch  zwischen  der  Substanz  der  Basichro- 
miolen  und  der  Oxychromiolen  ein  tiefgreifender,  chemischer  Unter- 
schied besteht.  Makrochemisch  wird  aus  den  Kernen,  soweit  mir  be- 
kannt, jedesmal  nur  ein  einheitliches  Nucleoproteid  isoliert,  also  z.  B. 
bei  der  Darstellung  aus  Leucocyten;  mikroskopisch  indessen  zeigen 
sich  mindestens  zwei  chemisch  differente  Körper,  welche  durch  eine 
typisch  verschiedene  Chromatophilie  ausgezeichnet  sind  und  sich 
biologisch  verschieden  verhalten.  Es  ist  ja  (S.  162)  allerdings  etwas 
ganz  GewöhnUches,  daß  das  Basichromatin  in  verschiedenen  Nuancen, 
bald  mehr  grün  (besonders  Chromosomen  und  chromatolytische  Figuren), 
bald  mehr  bläulich  sich  färbt.  Indessen  ist  die  histologische  Haupt- 
erscheinung dennoch  die,  daß  bei  einer  rite  ausgeführten  Färbung  die 
chromatophilen  Substanzen  des  Kernes  in  zwei  Reihen,  eine  grüne 
und  eine  rote,  vollkommen  ohne  Zwischenglieder  auseinanderfallen.« 

In  diesem  Punkt  stimme  ich  mit  Heidenhain  —  sofern  vorläufig 
bloß  vegetative  Zellen  oder  Spermatozoiden  in  Betracht  fallen  — •  voll- 
ständig überein:  In  allen  diesen  Fällen  ist  der  Kontrast  zwischen 
Rot  und  Grün  ein  konstanter,  scharf  ausgeprägter  und  Mischfarben, 
die  zwischen  ihnen  vermitteln  würden,  gibt  es  nicht.  Fast  noch  ver- 
blüffender ist  die  Sachlage  da,  wo  generative  und  reproduktive  Kerne 
in  einer  Zelle  nebeneinander  liegen,  wie  wir  dies  bei  ciliaten  Infusorien 


Zi'll.studien.  J.  4H 

oder  in  den  Pollenkörnern  antreffen.  ^\^'I•  je  einen  Schnitt  durch 
ein  Pollenkorn,  z.  B.  von  FritiUaria  in  Ehklich-Biondis  Lösung  gefärbt 
gesehen,  wird  den  wundervollen  xhibück  nicht  mehr  vergessen :  Leuch- 
tend rot  präsentiert  sich  der  eine,  leuchtend  grün  der  andere  Kern. 
Und  in  der  roten  Fläche  des  generativen  Nucleus  erblicken  wir  — ■ 
wiederum  scharf  sich  aus  der  Umgebung  abhebend  —  intensiv  grün 
gefärbte  Körnchen  von  Basichromatin.  —  In  solchen  Fällen  allerdings, 
wo  wenig  Nuclein  vorhanden  ist  und  Oxychromatin  daher  vorherrscht, 
wie  das  in  tierischen  und  pflanzlichen  Eizellen,  übrigens  auch  in  den 
vorhin  genannten  generativen  Kernen  von  Pollenkörnern,  konstatiert 
werden  kann,  dunkelt  die  hell-  oder  bläulich-grüne  Farbe  kleiner  basi- 
chromatischer  Elemente  wegen  des  hellen  Rot  des  unterliegenden 
Oxychromatins  oft  sehr  stark,  so  daß  man  in  vielen  Fällen  nicht  direkt 
zu  entscheiden  vermag,  ob  die  beinahe  schwarz  erscheinenden  Körn- 
chen in  WirkKchkeit  dunkelgrün  oder  anders  gefärbt  sind.  In  solchen 
Fällen  aber  kommt  uns  der  Umstand  zu  Hilfe,  daß  das  Basichromatin 
in  Pepsinsalzsäure  unverdaulich  ist.  Machen  wir  also  mit  unserm 
Präparat  Verdauungsversuche,  d.  h.  lösen  wir  das  Oxychromatin  weg, 
so  läßt  sich  bei  nachträglicher  Färbung  in  Ehrlich-Biondi  die  Grün- 
färbung der  vorher  dunkel  erscheinenden  Körnchen  mit  jeder  wünsch- 
baren Deutlichkeit  demonstrieren.  Solche  Versuche  habe  ich  bis  jetzt 
sehr  viele  gemacht  und  auf  den  verschiedensten  Gebieten  Erfahrungen 
gesammelt.  Auch  im  Cytoplasma  kommen  häufig  und  oft  in  sehr  großer 
Menge  Elemente  vor,  die  sich  in  Ehrlich-Biondi  entweder  heller  oder 
dunkler  grün  bis  schw^ärzlich  färben.  Wir  werden  auf  diese  basi- 
chromatischen  Bestandteile  des  Cytoplasmas  weiter  hinten  zu  sprechen 
kommen.  —  Die  dunkeln  Nuancen,  von  denen  ich  soeben  gesprochen, 
sind  nun  aber  keine  Mischfarben,  im  Sinne  der  Untersuchungen  Mal- 
FATTis;  es  liegt  hier  keine  Tinktion  vor,  die  alle  möglichen  Übergänge 
zwischen  Rot  und  Grün  repräsentiert:  Es  lagert  vielmehr  wirklich 
grün  gefärbte  Substanz  in  bescheidenen  Portionen  auf  ebenso  aus- 
gesprochen rot  tingierter  Unterlage,  und  diese  Überlagerung  ist  durch 
geeignete  chemische  Eingriffe  —  wie  gesagt  —  leicht  zu  bew^eisen. 

Bei  Anwesenheit  sehr  geringer  Nucleinmengen  kann  —  wie  ich 
bereits  früher  betont  — •  der  Schnitt  durch  eine  Zelle  bzw.  ihren  Kern 
nach  Färbung  in  Ehrlich-Biondi  eventuell  auf  den  ersten  Blick  ganz 
rot  erscheinen.  Bei  genauer  Besichtigung  erkennt  man  dann  vielleicht 
hier  und  da  in  der  roten  Fläche  dunklere  Körnchen,  die  wiederum 
deshalb  dunkel  pigmentiert  sind,  weil  hier  winzige  Mengen  von  Basi- 
chromatin auf  stark  oxy chromatischer  Unterlage  ruhen.     Seit  meiner 


412  Hch.  Stauff acher, 

Arbeit  über  Anodonta  habe  ich  auch  die  Eier  verschiedener  Pflanzen, 
ferner  von  Insekten,  vom  Hausschwein,  von  der  Katze,  vom  Rind 
und  vom  Menschen  in  die  Untersuchung  einbezogen  und  die  bei  Mu- 
scheln gemachten  Beobachtungen  bestätigen  können:  Das  befruch- 
tungsbedürftige Ei  enthält  von  Anfang  an  recht  bescheidene  Mengen 
von  Nuclein  und  verliert  auch  diesen  Rest  bis  zu  seiner  vollkommenen 
Reife,  falls  die  Zelle  absolut  auf  ein  Spermatozoid  angewiesen  ist. 

Wenn  dagegen  Heidenhain  meint,  daß  die  >>Basi-  und  Oxychroma- 
tine  durchaus  nicht  als  für  die  Dauer  unveränderliche  Körper  auf- 
zufassen seien,  daß  sich  durch  Aufnahme  und  Abgabe  von  Phosphor 
(Nucleinsäure,  saure  Gruppen)  eventuell  auch  die  Färbbarkeit  ändern 
könnte«,  so  kann  ich  mich  nur  teilweise  mit  ihm  einverstanden  er- 
klären. Sicher  ist  jedenfalls,  daß  das  Basichromatin  aus  Oxychromatin 
entsteht.  Das  ist  der  Fall  in  den  Nucleolen.  Mit  Leichtigkeit  erkennt 
man  in  der  oxychromatischen  Grundmasse  der  Kernkörperchen  (be- 
sonders vegetativer  Zellen)  grün  gefärbte  Körnchen  von  verschiedenen 
Dimensionen.  Meine  früher  ausgesprochene  Überzeugung,  daß  diese 
basichromatischen  Elemente  hier  entstanden  und  nicht  etwa  aus  dem 
Kern  eingewandert  seien,  daß  also  der  Nucleolus  der  Ort  der  Nuclein- 
synthese  ist,  halte  ich  fest  und  zwar  je  länger  je  mehr.  Ich  werde 
in  einer  monographischen  Behandlung  der  Nucleolen  übrigens  noch 
einmal  auf  diesen  Punkt  zu  sprechen  kommen i.  —  Es  kann  ja  aller- 


1  Es  ist  mir  übrigens  unverständlich,  weshalb  diejenigen  Forscher,  welche 
meiner  Zelltheorie  skeptisch  oder  gar  feindlich  gegenüberstehen,  sich  nicht  dazu 
entschließen  können,  wenigstens  diese  eine  Meldung  von  der  Anwesenheit  basi- 
chromatischer  Elemente  in  der  oxychromatischen  Grundmasse  der  Nucleolen 
zu  prüfen,  trotzdem  die  bisherigen  Forschungen  die  Rolle  der  Kernkörperchen 
und  ihr  sonderbares  färberisches  Verhalten  nicht  im  entferntesten  aufzudecken 
und  den  Zellvorgängen  dienstbar  zu  machen  vermochten. 

ScHAXEL  scheint  zwar  mit  meiner  Auffassung  von  der  Bedeutung  des  Nucleolus 
einverstanden  zu  sein  (Sciiaxel,  J.,  Das  Zusammenwirken  der  Zellbestandteile  usw. 
Arch.  f .  mikr.  Anat.  Bd.  LXXVI.  1911),  wenn  er  (S.  557)  schreibt:  »Während  der 
Emission  spielen  sich  in  ihm  (im  Nucleolus)  die  Assimilationsvorgänge  des  Chroma- 
tins  ab,  wie  aus  der  Vermehrung  und  dem  Abströmen  des  Chromatins  zu  erkennen 
ist.  Gegen  das  Ende  dieser  Prozesse  und  vor  allem  bald  danach,  während  das 
Chromatin  den  Nucleolus  verläßt,  erscheinen  in  ihm  Stellen  von  nur  geringer 
Färbbarkeit  .  .  . «  oder  S.  566:  »der  Nucleolus  ist  Assimilations-  und  Emissionscen- 
trum des  Chromatins . . .  das  im  Kern  verbleibende  Chromatin  strömt  vom  Nucleolus 
ab,  der  als  achromatischer  Körper  deformierender  Vacuolisation  verfällt«  .  .  . 

Aber  Schaxel  will  dieses  Resultat  —  wie  es  scheint  —  nicht  als  bloße  Be- 
stätigung meiner  Untersuchungen  angesehen  wissen,  obschon  letztere  bereits 
im  Jahre  1910  publiziert  wurden  und  trotzdem  seine  Methode  niemals  dazu  ge- 


Zellstudicn.  I.  413 

(lii\«;s  auch  in  diesem  Falle  vorkommen,  daß  diese  basichromatischen 
Körnchen  da  und  dort  dunkeliiiün  bis  schwarz  erscheinen  — •  das  ist 
hier  vermöge  der  Kleinheit  der  in  Betracht  fallenden  Körperchen 
sogar  häufig  zu  beobachten  — ,  so  daß  erst  durch  die  Hilfsreaktion  der 
Magensaftverdauung  einwandfrei  bewiesen  werden  kann,  daß  hier  basi- 
chromatisches  Material  auf  oxychromatischer  Unterlage  sitzt;  aber 
inuner  —  ob  sich  die  Körnchen  primär  grün  oder  dunkel  färben  mögen  — 
immer  hebt  sich  ihre  Substanz  scharf  von  der  Umgebung  ab  und  nie 
habe  ich  in  den  zahllosen  Fällen,  in  denen  ich  Nucleolen  untersuchte 
ein  Verschwimmen  der  basichromatischen  Elemente  mit  der  Grund- 
niasse  der  Kernkörperchen,  bzw.  einen  allmählichen  Übergang  der 
ersteren  in  die  letzteren,  wahrgenommen.  Gerade  hier,  wo  Basichro- 
matin  aus  Oxychromatin  entsteht,  sollten  am  ehesten  die  Mischfarben 
der  Versuche  ]\Ialfattis  deutlich  und  häufig  nachgewiesen  werden. 
Aber  das  ist  keineswegs  der  Fall:  Wo  Rot  und  Grün  nicht  rein  er- 
scheinen, da  findet  überall  Deckung  (unter  Umständen  sogar  auf  der 
ganzen  Fläche  des  Nucleolus)  der  einen  Substanz  durch  die  andere 
statt;  die  eigentlichen  Träger  der  acidophilen  und  basophilen  Eigen- 
schaften aber  sind  in  der  ganzen  Zelle  scharf  voneinander  getrennt 
und  durch  keine  nachweisbaren  Zwischenglieder  miteinander  verbunden. 
Es  kann  ja  bei  der  Verwandlung  oxychromatischer  Substanzen  in 
basichromatische  in  der  Zelle  immerhin  etwas  Ähnliches  sich  abspielen, 
wie  es  uns  Malfatti  in  seinen  Versuchsreihen  demonstrierte:  Ein 
durch  intermediäre  Produkte  vermittelter  stufenweiser  Übersans;  von 
oxyphilem  Material  in  basophiles.  Der  Unterschied  zwischen  den  beiden 
Fällen  dürfte  alsdann  aber  in  der  Reaktionsgeschwindigkeit  zu  suchen 
sein:  Während  Malfatti  die  einzelnen  Zwischenstufen  durch  will- 
kürliche Änderung  des  Mischungsverhältnisses  der  Paarlinge  isoliert, 
spielt  sich  der  Prozeß  der  Umwandlung  in  der  Zelle  offenbar  so  schnell 
ab,  daß  wir  die  Zwischenglieder  der  Reaktion  nicht  zu  fassen  ver- 
mögen, sondern  bloß  Ausgangs-  und  Endsubstanzen  kennen.  Das 
ist  ja  durchaus  nichts  Besonderes,  es  ist  vielmehr  das  Normale  auf 
chemischem  Gebiet.  Nehmen  wir  nur  ein  Beispiel  unter  vielen  heraus: 
Die  berühmte  LANDOLTsche  Reaktion  zwischen  Schwefeldioxyd  (SO2)  und 
Jodsäure  (HJO3).  Lassen  wir  SO2  und  HJO3  in  ziemlich  konzentrierten 
Lösungen  (bei  nicht  zu  großem  Überschuß  an  SO2)  aufeinander  ein- 
wirken, so  scheidet  sich  augenblicklich  Jod  aus  nach  der  Gleichung : 
5SO2  +  2HJO3  +  4H2O  =  5H2SO4  +  Jg 

eignet   sein  kann,    überzeugend   nachzuweisen,    daß   der   Nuclcohis   der   Oit    der 
Chromatin-(Nuclein-)Synthese  ist. 

Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.  CIX.  Bd.  28 


414  Hell.  Stauffacher, 

und  kein  Beobachter  dieser  Umsetzung  hätte  auch  nur  den  leisesten 
Anhaltspunkt,  anzunehmen,  daß  sich  hier  zwischen  Ausgangs-  und 
Endsubstanz  eine  Reihe  von  ganz  differenten  Zwischengliedern  ein- 
schalte. Verdünnen  wir  dagegen  beide  Lösungen,  so  vergeht  eine 
gewisse  — •  meßbare  — -  Zeit,  bis  sich  das  Jod  schließlich  blitzschnell 
abscheidet.  Die  anscheinend  so  einfache  Reaktion  besteht  nun  nach 
Landolt  aus  drei  nacheinander  sich  abspielenden  Phasen; 

I.     3SO2  +  HJO3      =  3SO3    +  HJ, 
II.     5HJ    +  HJO3      =  3H2O  +  6  J, 
III.     J2  +  SO2  +  H2O  =  SO3      +  2HJ, 

und  das  Jod  kann  daher  erst  dann  definitiv  frei  werden,  wenn  sich  nach 
Phase  I  und  III  sämtliches  SO2  in  SO3  bzw.  H2SO4  verwandelt  hat. 

Auch  bei  der  Assimilation  des  Kohlenstoffs,  d.  h.  bei  der  Be- 
reitung von  Kohlehydraten  aus  CO2  und  HgO  in  der  chlorophyllhaltigen 
Zelle  treten  ohne  Zweifel  Zwischenprodukte  anf ,  möglicherweise  Formal- 
dehyd oder  seine  Derivate  (Hypothese  von  Baeyer),  aber  es  ist  uns 
bis  jetzt,  trotz  der  größten  darauf  verwendeten  Mühe,  noch  nicht  ge- 
lungen, dieser  intermediären  Substanzen  habhaft  zu  werden. 

Ebensowenig,  wie  die  Synthese  findet  die  Zerlegung  eines  Stoffes 
in  seine  Endprodukte  durch  die  Zellen  auf  einen  Schlag  statt.  Ver- 
abreichen wir  einem  Menschen  z.  B.  die  aromatische  Aminosäure  Ty ro- 
sin ^   {—  p-Oxyphenyl-a-aminopropionsäure, 

OH 


CH2  .  CH(NH2) .  COOH), 

so  kommt  der  Stickstoff  dieses  Bausteins  der  Eiweißstoffe  als  Harnstoff 

/NH2 

C0\  zum  Vorschein  und  zwar  im  Harn, 

\NH2 

Ein  direkter  Übergang  von  der  einen  zur  andern  Verbindung  kann 
unmöglich  stattgefunden  haben,  aber  wir  kennen  die  Zwischenglieder 
nicht,  wissen,  mit  andern  Worten,  noch  nicht  sicher  anzugeben,  wie 
die  NH2-Gruppe  der  Ausgangssubstanz  in  das  Endprodukt,  den  Harn- 
stoff, überging  usf. 2. 


1  Abderhalden,   E.  Die   Bedeutung    der  Verdauung    für    den    Zellstoff- 
wechsel.    Vortrag.     Urban  u.  Schwarzenberg.     1911. 

2  Auch  beim  Übergang  des  Krystallinen  ins  Amorphe    ändern  sich  alle 
Eigenschaften  discontinuierlich  (Volumen,  Lichtgeschwindigkeit  usw.). 


Zfllstiulicii.  I.  415 

Es  wäre  noch  die  Frage  zu  prüfen,  ob  nur  das  Oxy chromatin 
der  Nucleolen  Basichromatin  zu  erzeugen  vermöge,  oder  ob  Nucleine 
auch  sonstwo  aus  oxychromatischer  Unterlage  entstehen  könnten. 
Meine  Untersuchungen  sind  in  diesem  Punkte  noch  nicht  abgeschlossen; 
aber  nach  meinen  bisherigen  Erfahrungen  muß  ich  die  Ansicht  vertreten, 
daß  die  Nucleinsynthese  nur  in  den  Kernkörperchen,  bzw.  da  statt- 
findet, wo  das  oxychromatische  Material  direkt  nucleolarer  Abstam- 
mung ist:  Die  intimen  Beziehungen  vieler  Nucleolen  zum  Chromatin 
des  Kernes,  die  Entleerung  des  (Ei-)Kernes  an  Nuclein  in  dem  Moment, 
wo  das  Basichromatin  des  Nucleolus  erschöpft  ist  und  die  Verteilung 
nucleolarer  Substanz  auf  die  Tochterzellen  anläßlich  der  Mitose  unter- 
stützen meine  Behauptung. 

Aber  aus  dem  oben  zitierten  Passus  Heidenhains,  »daß  sich 
durch  Aufnahme  und  Abgabe  von  Phosphor  eventuell  auch  die 
Färbbarkeit  ändern  konnte  <<,  scheint  hervorzugehen,  daß  dieser  Forscher 
auch  eine  Verwandlung  von  Basichromatin  in  Oxychromatin  anzu- 
nehmen geneigt  ist.  —  Da  kommt  es  aber  doch  in  erster  Linie  darauf 
an,  zu  untersuchen,  was  für  ein  Oxychromatin  gemeint  sein  kann. 

Ich  habe  bereits  darauf  hingewiesen,  daß  die  organisierte  Grund  - 
Substanz  der  Zelle,  sagen  wir  das  organisierte  Plastin,  der 
Sitz  der  Bewegung,  der  Kontraktilität,  Reizbarkeit  usw.,  ausgesprochen 
oxyphil  sei.  Nie  finden  wir  irgendein  kontraktiles  Element  in  Ehr- 
LiCH-BiONDi  anders  wie  rot  gefärbt,  vom  Stiel  der  Vorticelle  an  bis  zur 
Muskelfaser  des  Menschen  hinauf;  nie  ist  ein  Organ,  mit  Bewegung 
begabt,  anders  wie  oxy  chromatisch,  von  der  Wimper  und  Geißel  des 
Infusors  an  bis  zum  Schwanz  des  Spermatozoids  und  oxyphil  ist  kon- 
stant auch  die  reizleitende  Bahn.  Dieses  Oxychromatin  kann  daher 
nichts  andres  sein,  als  das  lebende  Substrat,  das  wir  seit  Mohl  mit 
dem  Namen  Protoplasma  belegen. 

Das  Basichromatin  dagegen  finden  wir  konstant  und  überall  da, 
wo  Stoffwechsel-  und  Wachstumsprozesse  stattfinden.  AVir  brauchen 
ja  nur  einmal  ein  tierisches  Ei  in  seiner  Wachstumsperiode  zu  ver- 
folgen, um  sofort  von  der  großen  Rolle  überzeugt  zu  werden,  die  das 
Basichromatin  bei  der  Füllung  der  Zelle  mit  Nährmaterial  spielt;  der 
Pollenschlauch  verbraucht  bei  seinem  Wachstum  das  Nuclein  seines 
vegetativen  Kernes  und  es  ist  nicht  ausgeschlossen,  daß  in  analoger 
Weise  auch  die  Gauglienzelle,  die  ursprünglich  ebenfalls  Basichromatin 
enthält,  diese  Substanz  verbraucht  bei  der  Bildung  der  Nerven- 
faser, die  —  nach  Carrels  Versuchen  —  von  der  Nervenzelle  erzeugt 
wird. 

28* 


41G  Hell.  .Stauffachc'i', 

Der  Stoffwechselkern  ciliater  Infusorien  ist  prall  gefüllt  mit  Basi- 
chromatin  ebenso,  wie  die  Nuclei  sämtlicher  vegetativer  Zellen. 

Ein  parthenogenetisch  sich  entwickelndes  Ei  unterscheidet  sich 
prinzipiell  von  einem  befruchtungsbedürftigen.  Man  braucht  nur  das 
Ei  einer  Wurzellaus  von  Phylloxera  vastairix,  das  niemals  befruchtet 
wird,  zu  vergleichen  z.  B.  mit  dem  Ei  einer  Zygaena'^,  um  sofort  die 
fundamentale  Differenz  in  diesen  Eitypen  zu  erkennen.  —  Eine  Zelle 
ist  weder  Wachstums-  noch  teilungsfähig,  wenn  ihr  das  Nuclein  mangelt : 
Eine  Eizelle,  die  ihr  Basichromatin  verloren,  ist  nur  noch  bedingt 
existenzfähig;  eine  Ganglienzelle  tritt    normal  nicht  mehr  in  Mitose. 

Heidenhain,  mit  dessen  Beobachtungen  die  meinigen  außer- 
ordentlich häufig  übereinstimmen,  machte  schon  früher  auf  das  zu- 
letzt Gesagte  aufmerksam,  Loc.  cit.  S.  163  sagt  er:  »Eine  andere  be- 
langreiche Beziehung  der  beiden  Chromatine  zur  Biologie  der  Zellen 
scheint  mir  in  dem  Umstand  enthalten  zu  sein,  daß  Kerne,  welche 
der  Regel  nach  nicht  mehr  in  Mitose  eintreten,  häufig  arm  an  Basi- 
chromatin, reich  an  Oxychromatin  sind.  Diese  meine  Wahrnehmung 
ist  oftmals  bestätigt  worden.  Sie  betrifft  in  erster  Linie  die  Kerne 
der  Nervenzellen.  Ferner  läßt  sich  diese  Tatsache  besonders  gut  beim 
Darmepithel  der  urodelen  Amphibien  an  dem  gegensätzlichen  Ver- 
hältnis der  Kerne  des  Oberflächenepithels  einerseits  und  der  Kerne 
in  den  Keimlagern  anderseits  erkennen.  Jene  treten  fast  nie  in  Teilung 
ein  und  sind  fast  ganz  und  gar  oxychromatischer  Natur,  diese  sind 
in  fortwährender  Teilung  begriffen  und  enthalten  Basichromatin  in 
reichlicher  Menge.  Ereignet  es  sich  aber  ausnahmsw^eise,  was  zu  den 
größten  Seltenheiten  gehört,  daß  die  Darmepithelzelle  (des  Salamanders) 
dennoch  einmal  in  Teilung  eintritt,  so  entwickelt  sie  sehr  schöne  große 
Teilungsfiguren  mit  sehr  langen  und  schlanken,  basichromatischen 
Chromosomen.  Es  liegt  also  bei  diesen  Kernen  die  Fähigkeit  vor, 
Basichromatin  in  größerer  Menge  zu  regenerieren.« 

Das  Basichromatin  dient  ohne  Zweifel  trophi sehen  Funk- 
tionen. Zum  Wachstum  und  Stoffw^echsel  aber  ist  die  Anwesenheit 
einer  lebenden  Substanz  direkt  nicht  nötig.  Es  sind  das  Vorgänge 
rein  chemischer  Natur  oder  doch  Umsetzungen  von  chemischer  Energie 
in  andere  Energieformen  und  umgekehrt.  Ein  Kristall  wächst  genau 
so  gesetzmäßig,  wie  eine  pflanzliche  oder  tierische  Zelle  und  Oxy- 
dation, Reduktion,  Hydrolyse,  Condensation,  Polymerisation  und  wie 
die  Prozesse  noch  heißen  mögen,  die  sich  in  der  Zelle  abspielen  — 
sie  erfordern  bloß  die  Anwesenheit  eines  mit  der  nötigen  Energie  aus- 

^  Über  diesen  Fall  wird  nächstens  in  dieser  Zeitschrift  referiert  werden. 


Zollsiudi.Mi.  I.  417 

iiestatteten  chemischen  Stoffes,  zum  mindesten  eines  Katalysators 
und  höchst  wahrscheinlich  sind  die  Träger  der  chemischen  Umsetzung 
in  der  Zelle  Katalysatoren  von  kolloidaler  Beschaffenheit.  —  Der 
natürliche  Vorgang  der  Gärung  ist  nur  insofern  an  die  lebende  Hefe- 
zelle geknüpft,  als  letztere  das  zu  jenem  Prozeß  notwendige  Ferment 
erzeugt  und  E.  Buchner  hat  bekanntlich  bewiesen,  daß  letzteres  j^anz 
unabhängig  von  der  Zelle,  losgelöst  von  seinem  Erzeuger,  Zucker 
dennoch  in  Alkohol  und  Kohlensäure  zu  spalten  vermag. 

Ein  solches  Ferment  oder  doch  der  Träger  eines  solchen,  ist  auch 
das  Basichromatin,  dessen  die  Entwicklung  einer  Zelle  auslösenden 
Reiz  wir  bekanntlich  durch  andere  Reize  zu  ersetzen  imstande  sind. 
Nichts  vermögen  wir  zu  beobachten,  was  uns  zur  Annahme  brächte, 
daß  wir  im  Nuclein  ein  wirklich  lebendes  Substrat  vor  uns  hätten. 
Nirgends  bemerken  wir  Selbstbewegung  oder  ein  anderes  Kriterium 
des  lebenden  Zustandes  dieses  Materials  und  wo  immer  Dislokation 
von  basichromatischen  Elementen  vorkommt,  da  liegt  die  Ursache 
bei  der  oxychromatischen  Grundsubstanz,  deren  Bewegungen  und 
Kontraktionen  das  Basichromatin  passiv  folgt.  Nichts  berechtigt 
uns  vorläufig,  diesen  basichromatischen  Tröpfchen  eine  andere  als 
eine  bloß  chemische  Struktur  zuzuschreiben,  während  untrügliche 
Zeichen  dafür  vorliegen,  daß  ihre  oxychromatische  Unterlage  noch 
eine  andere,  als  eine  bloß  chemische  Struktur  aufzuweisen  hat.  Das 
Basichromatin  ist  —  wie  ich  eingangs  betonte  —  lediglich  ein  Derivat 
—  ein  Produkt  innerer  Secretion  —  des  Protoplasmas  i. 

Und  eine  Rückverwandlung  von  Basichromatin  in  organisiertes 
Plastin,  in  Plasmaeiweiß  hätte  ja  gar  keinen  Sinn.  Die  Nucleine 
sind  vom  organisierten  Plastin  erzeugt  und  haben  eine  ganz  bestimmte 
physiologische  Rolle  zu  spielen,  die  von  derjenigen  ihres  Erzeugers 
total  verschieden  ist.  Das  Basichromatin  reguliert  den  Stoffwechsel 
der  Zelle;  es  ist  der  Träger  chemischer  Energie,  relativ  labil  und  — 
als  Säure  —  wahrscheinlich  bis  zu  einem  gewissen  Grade  dissoziiert, 
während  das  organisierte  Plastin  —  wenigstens  so  weit  meine  per- 
>önüchen  Erfahrungen  reichen  —  ein  chemisch  ziemlich  inertes  Material 
sein   dürfte.     Daß    das   organisierte    Plastin   seinen  hochmolekularen 


1  Ich  komme  also  in  diesem  Punkt  zu  einem  Resultat,  das  demjenigen  von 
Mathews  direkt  entgegengesetzt  ist.  » .  .  .  .  Wenn  dies  Bild  des  Zelllebens  rich- 
tig ist,  meint  nämlich  Mathews,  so  ist  das  einzige  als  lebend  zu  betrachtende 
Element  der  Pankreaszelle  das  Chromatin,  da  dies  allein  die  Eigenschaft  besitzt, 
andere  Substanzen  wie  es  selbst  zu  bilden«.  (Citiert  nach  R.  W.  Hoffmann, 
Über  die  Ernährung  der  Embryonen  von  Nass^i  mutahilis  Lam.  Zeitsch.  f.  wiss. 
Zool.   Bd.  LXXIl,  S.  707.) 


418  Hell.  Stauffacher, 

Bau  dauernd  zu  erhalten  verstellt,  erhellt  auch  aus  den  Experimenten 
Ehrlichs  (loc.  cit.).  Ehrlich  gelang  es,  einen  Trypanosomenstamm 
arsenfest  zu  machen,  d.  h.  durch  konsequente  Anwendung  von  Arsen 
den  auf  Arsen  reagierenden  Receptor  zu  vernichten  oder  wenigstens 
aufs  äußerste  zu  schwächen.  Und  diese  Eigenschaft  behielt  das  Plasma 
bei  einer  Kultur  durch  3  Jahre  hindurch  und  während  dieser  Zeit 
durch  mehr  als  400  Mäuse.  Wenn  das,  wie  Ehrlich  meint,  bei  einer 
Seitenkette  der  Fall  ist,  wie  viel  mehr  muß  der  Kern  der  betreffenden 
Eiweißverbindung  einmal  erworbene  Eigenschaften  festhalten. 

Das  chemisch  ungleich  labilere  Basichromatin  dagegen  sieht  man 
aus  dem  Nucleus  in  das  Cytoplasma  übertreten  und  hier  mehr  oder 
weniser  rasch  verschwinden  oder  es  eilt  von  Zelle  zu  Zelle  und  erleidet 
bei  diesem  Transport  das  gleiche  Schicksal.  Verfolgen  wir  die  Ernäh- 
rung eines  reifenden  Insekteneies,  z.  B.  von  Zygaena,  so  fällt  die  Be- 
teiliguno-  der  Nähr-  und  Follikelzellen  am  Wachstum  der  Eizelle  mi- 
kroskopisch  besonders  in  einem  Punkte  auf:  Basichromatische  Tröpf- 
chen ergießen  sich  in  Scharen  in  den  Leib  des  Eies,  das  sich  dafür  mehr 
und  mehr  mit  Nahrungsdotter,  der  nun  allerdings  oxyphil  ist,  füllt. 
Im  Ei  angelangt  verschwinden  die  Nucleinelemente  spurlos;  sie  blieben 
unauffindbar  trotz  der  größten  Mühe,  die  ich  mir  gab,  Basichromatin 
zu  entdecken:  Pepsinsalzsäure  verdaute  den  Eiinhalt  restlos.  Die 
basichromatischen  Körnchen  bzw.  Tröpfchen  sind  mit  größter  Deut- 
lichkeit nachzuweisen  und  zu  verfolgen  bis  sie  aus  den  Follikelzellen 
in  das  Ei  übertreten;  sie  verschwinden,  kaum  daß  sie  die  Schwelle 
des  Eies  überschritten. 

W^ir  werden  uns,  wie  gesagt,  diesen  Fall  andernorts  noch  etwas 
genauer  zu  besehen  haben;  aber  ich  bin  jetzt  schon  gezwungen  anzu- 
nehmen, daß  sich  die  Nucleine  in  hervorragender  W^eise  beteiligen 
an  der  Bildung  des  Nährmaterials  für  das  reifende  Ei,  also  auch  be- 
sonders der  Eiweißkörper,  die  hier  aufgestapelt  werden  i. 


1  Schon  in  meiner  Dissertation  (Eibildung  und  Furchung  bei  Cyclas  Cornea  L. 
Jen.  Zeitschr.  f.  Naturw.  1893.  Bd.  XXVIII.  N.  F.  21)  beschäftigte  ich  mich 
mit  der  Eibildung  und  zwar  von  Cyclas  cornea  L.  Schaue  ich  mir  jetzt  z.  B.  die 
Fig.  4  und  8  der  Taf.  XI  an,  so  liegt  der  Schluß  nahe,  daß  die  in  Hämalaun  schwärz- 
lich gefärbten  Elemente,  die  sich  aus  den  Follikelzellen  in  das  Ei  ergießen,  nichts 
anderes  sind  als  basichromatische  Tröpfchen,  an  denen  sich  —  wie  ein  Vergleich 
zwischen  Fig.  4  und  8  zeigt  —  die  ernährende  Zelle  allmählich  erschöpft.  Die 
Abbildungen  dürften  ziemlich  getreu  sein.  Aber  aus  meinen  Abbildungen  geht 
der  gewaltige  Unterschied  zwischen  dem  Material,  das  sich  in  die  Eizelle  ergießt 
und  demjenigen,  mit  dem  sie  sich  füllt,  keineswegs  hervor;  denn  letzteres  ist 
ohne  Zweifel  auch  hier  Eiweiß,  Fett  usw.,  also  Material  oxychromatischer  Natur, 


ZcUstiulicn.  L  419 

R.  W.  Hoffmann  1  wies  bereits  im  Jahre  1902  auf  die  Rolle  hin, 
welche  das  Chromatin  des  Kernes  bei  der  Verarbeitung  des  Nahrungs- 
dotters zu  einem  für  die  Zellsubstanz  assimilierbaren  Körper  (bei 
Nassa)  spielt,  indem  er  sagt  (S.  713):  »Das  in  äußerster  Feinheit  im 
Kern  verteilte  Chromatin  besorgt  die  Verarbeitung  des  in  ersterem 
aufgespeicherten  Dotters  zu  einem  für  die  lebende  Substanz  assimilier- 
baren Körper.  Auch  das  vom  Nucleolus  gelieferte  Secret  mag  bei 
diesen  Umsetzungsprozessen  aktiv  beteiligt  sein.« 

Aber  auch  hier  wird  vermutlich  die  Assimilation  kaum  via  Kern 
sich  abspielen,  sondern  besorgt  werden  von  dem  massenhaft  aus  dem 
Nucleolus   und   Kern   ins   Cy.toplasma   ausgewanderten    >>  Chromatin  <<. 

Oxychromatisches  Material,  das  sich  nicht  am  aktiven  Leben 
der  Zelle  beteiligt,  kann  also  tatsächlich  als  eine  Folge  gleich- 
zeitigen Schwindens  von  Basichromatin  entstehen.  Das  ist  aber  ohne 
Zweifel  etwas  anderes  als  das,  was  Heidenhain  vermutet,  daß  näm- 
lich eine  Substanz  bald  als  Oxychromatin,  bald  wieder  als  Basichromatin 
und  umgekehrt  auftreten  und  demnach  auch  das  tinktorielle  Verhalten 
dieser  Körper  zu  einem  unstäten  Hin-  und  Herschwanken  zwischen 
Rot  und  Grün  gestalten  könnte.  Ein  umkehrbarer  Prozeß  kann 
also  hier  unmöglich  vorliegen.  Heidenhatn  weist  nun  allerdings 
(loc.  cit.  S.  125)  auf  eine  wirklich  verblüffende  Differenz  einiger  Nu.cleo- 
proteide  an  Phosphor  hin: 

Nucleoproteid  der  Schilddrüse  (Osswald^)  0,16%, 
»  »    Hefe  (Kossel)  6,19% 

und  meint,  daß  so  stark  ausgesprochene  Unterschiede  der  Zusammen- 
setzung mit  tiefgreifenden  Unterschieden  der  färberischen  Reaktion 
fixierter  Präparate  zusammengehen  müssen. 

Gegen  diese  Schlußfolgerung  ist  wohl  nicht  viel  einzuwenden; 
doch  glaube  ich,  daß  wir  durch  derartige  Kalkulationen  über  das  nächst- 
liegende Ziel  unserer  Bestrebungen  hinausgreifen.  Es  gelingt  ja  mit  den 
uns  bis  jetzt  zur  Verfügung  stehenden  Mitteln  nicht  einmal  sicher 
zu  entscheiden,  ob  freie  Nucleinsäuren  oder  Nucleoproteide  vorliegen ; 

Und  wenn  unter  dem  Titel  »Methode  der  Untersuchung«  (S.  196)  der  Satz  steht: 
»Dieses  Verfahren  ergab  mir  sehr  günstige  Präparate,  die  an  und  für  sich 
schon  genügt  hätten,  mich  über  die  hauptsächlichsten  Fragen  ins 
Klare  zu  setzen«,  so  bewundere  ich  offen  gestanden  jetzt  die  Genügsamkeit 
des  Dr.  in  spe. 

1  R.  W.  HoFFMÄNX,  Über  die  Ernährung  der  Embryonen  von  Nassa  muta- 
hilia  Lam.     Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.     1902.     Bd.  LXXII  Heft  4. 

2  vermutlich  Oswald,  statt  Osswald? 


420  Hch.  Stauffacher, 

wie  sollten  wir  mikroskopisch  gar  eine  Untersclieidung  zwischen  Nu- 
cleoproteiden  wagen.  —  Ich  habe  schon  früher  ^  (S.  15)  darauf  auf- 
merksam gemacht,  daß  der  Nucleingehalt  pflanzlicher  (vegetativer) 
Zellen  gewöhnlich  deshalb  mehr  auffalle,  weil  im  allgemeinen  die  Kerne 
tierischer  Zellen  kleiner  und  das  Oxychromatin  hier  stärker  vertreten 
sei  wie  dort,  und  daß  (S.  13)  wir  in  tierischen  Geweben  recht  häufig 
eine  Färbung  der  Kerne  durch  Methylgrün  vermissen,  trotzdem  Nu- 
cleine  vorhanden  seien.  Das  mag  zum  Teil  Fälle  betreffen,  wie  wir  sie 
oben  registrierten,  Fälle  also,  wo  Zellkerne  in  Ehklich-Biondi  nicht 
grün,  sondern  rot  gefärbt  werden  und  auf  deren  Schnittfläche  höch- 
stens dunkelrote  Körnchen  den  Verdacht  erwecken  könnten,  daß  sich 
hier  Basichromatin  verberge.  Mit  Hilfe  der  Pepsinsalzsäure  Verdauung 
aber  gelang  es  in  allen  meinen  Präparaten  leicht,  den  Nucleingehalt 
nachzuweisen  und  ich  bin  fest  davon  überzeugt,  daß  dies  auch  in  den 
Kernen  der  Schilddrüse  der  Fall  sein  wird.  Und  mehr  als  eine  unge- 
fähre Schätzung  zwischen  dem  Basi-  und  Oxychromatinreichtum  ver- 
schiedener Zellen  bzw.  Gewebe  können  wir  uns  ja  vorläufig  mikrosko- 
pisch noch  nicht  gestatten. 

Bis  jetzt  kenne  ich  nur  die  Schilddrüse  des  Rindes.  Hier  ist  aber 
bei  einer  Färbung  der  Schnitte  in  Ehrlich-Biondi  (oder  in  Fuchsin- 
Methylenblau)  nichts  davon  zu  merken,  daß  die  Kerne  arm  an  Nu- 
cleinsäure  wären:  Sie  färben  sich  sehr  schön  grün,  so  deutlich,  wie 
man  es  sich  nur  wünschen  kann  und  zwar  direkt,  ohne  Zuhilfenahme 
von  Pepsinsalzsäure.  —  Was  für  Schilddrüsen  der  Untersuchung 
Oswalds  zugrunde  gelegt  wurden,  habe  ich  bis  jetzt  nicht  in  Erfahrung 
bringen  können. 

Es  ist  oben  darauf  aufmerksam  gemacht  woi'den,  daß  die  Labilität 
des  Basichromatins  eine  relativ  bedeutende  sei.  Das  ist  natürlich  von 
größter  Bedeutung  bei  der  Fixierung  der  Zelle,  d.h.  bei  der  Wahl 
der  zum  Töten  der  Zelle  anzuwendenden  chemischen  Mittel.  Nach 
der  Einwirkung  sehr  vieler  Substanzen  reagieren  die  Nucleine  nicht 
mehr,  oder  nicht  mehr  normal,  d.  h.  geben  mit  ihrem  Reagens,  dem 
Methylgrün,  die  charakteristische  Färbung  nicht  mehr.  Mineralsäuren 
sprengen  die  Nucleoproteide,  fällen  die  Nucleinsäuren  und  lösen  sie 
im  Überschuß  auf,  zersetzen  sie  wohl  auch  mehr  oder  weniger  stark. 
Es  kann  also  nicht  Wunder  nehmen,  wenn  Zellkerne,  nach  der  Be- 
handlung in  Salzsäure,  Salpetersäure  oder  gar  Königswasser  ihre  Färb- 
barkeit  ganz  und  gar  verloren  haben.  —  Mit  den  meisten  Schwermetallen 

1  Stauffacher,  Hch.  Die  Rolle  des  Nuoleins  in  der  Fortpflanzung.  Ver- 
handig.  d.   Schweiz,   natui-f.   Ges.     Bd.  I.     Solothurn  1911. 


Zrllstu.licn.    r.  -421 

geben  die  Nucleinsäuren  unlösliche  Salze,  werden  also  in  dieser  Form 
gefällt  von  Eisen-,  Zink-,  Blei-,  Kupfer-,  Silberverbindungen  usw.  Da- 
mit hört  natürlich  auch  die  Fähigkeit  der  Nucleinsäure,  spaltend  auf 
das  Farbsalz  der  EHRLiCH-BioNDischen  Lösung  einzuwirken  auf  und 
die  Methylgrünreaktion  bleibt  ebenfalls  aus.  Ebenso  versagt  Forma- 
linfixation^,  während  Osmiunisäure  (Lösung  von  OSO4)  nach  gutem 
Auswaschen  der  Objekte  in  H2O2  leidliche  Resultate  gibt.  Da  jedoch 
das  käufliche  H2O2  Säuren  enthält  (z.  B.  Salzsäure),  so  können  die 
basischen  Eiweißkörper  beim  Verweilen  der  Objekte  in  der  Wasser- 
stoffperoxydlösung in  Salze  verwandelt,  eventuell  auch  gelöst  werden, 
so  daß  die  normal  mit  Ehrlich-Biondi  auftretende  Reaktion  des 
Oxychromatins  entweder  ausfällt  oder  doch  geschwächt  wird.  Auch 
nach  Sublimatfixierung  ist  die  Färbung  mit  Ehrlich-Biondis  Lösung 
sehr  unsicher  und  die  Methylgrünreaktion  bleibt  oft  gänzUch  aus, 
trotzdem  nachweislich  Nucleine  vorhanden  sind.  Die  Ursache  dürfte 
dieselbe  sein ,  wie  bei  Fixation  der  Gewebe  in  Blei-  und  Kupferver- 
bindungen. Denn  die  Mercurisalze,  also  auch  HgCl2,  haben  die  Eigen- 
schaft, durch  Wasser  leicht  in  basische  Salze  überzugehen,  die  durch 
Säuren  wieder  in  neutrale  Salze  verwandelt  werden.  Im  vorliegenden 
Falle  würden  daher  die  Nucleinsäuren  ebenfalls  an  ein  Schwermetall- 
salz gebunden  und  demzufolge  in  ihren  Wirkungen  auf  das  Farbsalz 
gehindert  sein.  Bei  botanischen  Präparaten  hatte  ich  indes  gelegent- 
lich doch  teilweise  Erfolg,  bei  tierischen  dagegen  nie  (vgl.  Stauffacher, 
HcH.,  Beiträge  z.  Kenntnis  der  Kernstrukturen.  Zeitschr.  f.  wiss.  Zool. 
Bd.  XCV.    S.  37  und  43—44.    Anmerkung). 

Da  nämhch  die  Präparate  vor  der  Färbung  in  Ehrlich-Biondi 
jodiert  werden,  so  modifiziert  wahrscheinlich  das  Jod,  durch  Zurück- 
nahme des  Quecksilbers  aus  seiner  Verbindung,  mehr  oder  weniger 
die  störenden  Einflüsse  des  Sublimats;  denn  die  Affinität  des  Queck- 
silbers zu  den  Halogenen  wächst  bekanntlich  mit  zunehmendem  Atom- 
gewicht der  letzteren. 

Wenn  nun  Heidenhain  mit  Sublimat  fixierte  tierische  Gewebe 
in  Ehrlich-Biondi  färbt,  so  ist  diese  Tinktion  nicht  einwandfrei. 
Höchst  wahrscheinlich  sind  z.  B.  die  Beckendrüsengranula  (Heiden- 
hain, loc.  cit.  S.  373 ff.)  nicht  rein  oxychromatischer,  sondern  vor- 
wiegend basichromatischer  Natur.  Ich  habe  zwar  —  aus  Mangel 
an  Zeit  —  die  Beckendrüsen  der  Tritonen  bis  jetzt  noch  nicht  unter- 


1  Sjöbring  (Anat.  Anzeiger,  Bd.  XVII,  1900,  S.  274)  vermutet  eine  Oxy- 
dation der  Gewebe  durch  Formaldehjd,  während  Blum  (Anat.  Anz.  Bd.  XI.  1896. 
8.  720)  das  Fornialdehyd  ^MethAlen Verbindungen  mit  dem  Eiweiß  eingehen  läßt. 


422  Hch.  Stauffacher, 

suchen  können,  aber  in  pflanzlichen  Präparaten  offenbar  analoge 
Bildungen  angetroffen,  wie  sie  in  den  genannten  Beckendrüsenzellen 
vorkommen.  Wir  werden  weiter  hinten  auf  den  Fall  zurückkommen. 
Heidenhain  zeichnet  denn  auch  in  der  Tat  die  Kappe  der  Halbmond- 
körperchen  (loc.  cit.  S.  373,  Fig.  220^1  u.  B)  da  und  dort  blau  und 
das  bestärkt  mich  sehr  in  der  Annahme,  daß  sich  diese  Gebilde  bei 
Alkoholfixation  als  zweifellos  basichromatisch  entpuppt  hätten.  Die 
Sublimatfixation  ist  ferner  schuld,  wenn  Heidenhain  in  seiner  Arbeit: 
Über  Kern  und  Protoplasma  1891,  Taf.  X,  die  Centrosomen  nach 
Färbung   in   Ehrlich-Biondis   Lösung   rot   zeichnet. 

Auf  solche  Reaktionen  zwischen  den  fixierenden  Medien  und  den 
Zellinhaltsbestandteilen,  durch  welche  die  letzteren  zerstört  oder  doch 
mehr  oder  weniger  stark  verändert  werden,  hat  man  in  der  Cytologie 
bis  jetzt  im  allgemeinen  zu  wenig  Rücksicht  genommen  und  dieser 
Umstand  war  zum  größten  Teile  Schuld  an  den  Mißerfolgen,  die  der 
Zellforscher  mit  den  elektiven  Methoden  vielfach  zu  verzeichnen  hatte. 
Merkwürdigerweise  gab  man  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  dem  Farbstoffe 
Schuld,  bezeichnete  z.  B.  die  Tinktion  mit  Ehrlich-Biondi  als  schwierig, 
unzuverlässig  usw.,  während  es  doch  sehr  nahe  gelegen  hätte,  in  erster 
Linie  dem  Gift,  mit  dem  man  die  Zelle  tötete,  und  dessen  Wirkung 
auf  die  Proteine  etwas  genauer  nachzuspüren. 

Die  Beobachtung,  daß  oft  selbst  die  gebräuchlichsten  Farbstoffe 
in  ihrer  färbenden  Wirkung  versagten,  hätte  mehr  zum  Aufsehen 
mahnen  sollen.  Anstatt  aber  die  Ursache  dieses  Mißerfolges  zu  er- 
gründen, färbt  der  Cytologe  hartnäckig  darauf  los,  versenkt  die  Zellen 
vielleicht  sukzessive  in  drei  bis  vier  verschiedene,  konzentrierte  Farb- 
stofflösungen oder  behandelt  den  renitenten  Protoplasten  wochen- 
oder  monatelang  mit  Agentien,  bis  schließlich  in  einigen  Fällen  wenig- 
stens ein  Effekt  erreicht  ist,  der  zur  theoretischen  Voraussetzung  des 
Forschers  paßt. — Was  da  durch  die  fixierenden  und  färbenden  Medien 
mit  dem  Zellinhalt  alles  passiert  sein  mag,  ist  nicht  zu  sagen  und  des- 
halb können  wür  dem  alten  Begriff  »Chromatin  <<  kein  Vertrauen  mehr 
entgegenbringen.  Daß  wir  übrigens  unter  seiner  Flagge  über  den 
kausalen  Zusammenhang  der  verschiedenen  morphologischen  Erschei- 
nungen mit  den  ihnen  zugrunde  liegenden  Stoffwechselvorgängen  recht 
ungenügenden  Aufschluß  erhielten,  braucht  demjenigen  nicht  mehr 
gesagt  zu  werden,  der  über  der  Freude,  in  dem  Wunderbau  der  Zelle 
überhaupt  etwas  optisch  differenziert  zu  haben,  nicht  vergißt,  daß 
der  größere  Genuß  darin  besteht,  die  hinter  der  Erscheinung  sich  ver- 
bergende, gesetzlich  geregelte  Ursache  entdeckt  zu  haben. 


Zriistii(iici).  r.  423 

Seit  vielen  Jahren  wende  ich  daher  —  besonders  in  Fällen,  wo 
es  sich  lim  Befriedigung  chemisch-analytischer  Bedürfnisse  handelt  — 
den  Alkohol,  und  zwar  absolut  oder  in  seinen  verschiedenen  Ver- 
dünnungen, als  Fixiermittel  an^  und  zwar  deshalb,  weil  der  neutrale 
Alkohol  indifferent  fällt  und  die  chemische  Konstitution  der 
Proteide  nach  meinen  bisherigen  Erfahrungen  am  wenigsten 
störend  beeinflußt,  ■ — •  Unter  Umständen  wurden  auch  verdünnte 
Essigsäure  —  die  ebenso  harmlos  ist,  wie  Alkohol  —  und  Mischungen 
von  Alkohol  mit  Essigsäure,  wie  sie  in  der  Lösung  von  Carnoy  (Alkoh.- 
Chloroform-Essigs.)  vorkommen,  in  Gebrauch  genonmaen. 

Über  diesen  Punkt  bemerkt  Heidenhain  (loc.  cit.  S.  129)  Fol- 
gendes: »Werden  Fällungsmittel  eingreifender  Art  verwendet,  wie 
dies  in  der  Histologie  üblich  ist  (Sublimat,  Chromsäure,  Pikrinsäure, 
Salpetersäure),  so  kann  nicht  ausbleiben,  daß  die  Nucleoproteide  in 
mannigfacher  und  sehr  verschiedener  Weise  zersetzt  und  verändert 
werden,  besonders  durch  Denaturierung  der  Eiweißpaarlinge,  aber 
auch  durch  mehr  oder  minder  weit  fortschreitende  Veränderung  und 
Zersetzung  der  Nucleinsäuregruppe.  Deswegen  ist  die  Färbbarkeit 
verschieden  konservierter  Kerne  so  sehr  verschieden,  deswegen  ver- 
lieren nach  meiner  Erfahrung  bei  längerer  Wirkung  von  Salz-  oder 
Salpetersäure  oder  von  Königswasser  (5%)  die  Kerne  ihre  Färbbarkeit 
ganz  und  gar.  Bleiben  nun  nach  Anwendung  eingreifender  Fixierungs- 
mittel im  Kern  irgendwelche  Körper  zurück,  die  sich  mit  basischen 
Anilinfarben  (Safranin  usw.)  scharf  darstellen  lassen,  so  nennen  wir 
die  färbbare  Masse  immer  gleicherweise  »Chromatin«  (eventuell  Basi- 
chromatin),  obwohl  das  chemische  Substrat  je  nach  der  Vorbehand- 
lung (Sublimat,  Pikrinsäure  usw.)  sehr  verschiedener  Natur  sein  mag  .  .  . 
Der  Begriff  der  Chromatine  ist  daher  zunächst  geweblicher  oder  bio- 
logischer Natur  .  .  .  Die  färbbaren  Nucleoproteide  der  Chemiker, 
sowie  die  Chromatine  der  Histologen  entstehen  aus  dem  lebenden 
Kernplasma  erst  dann,  wenn  letzteres  unter  der  Einwirkung  unserer 
Fällungsmittel  einer  bestimmt  gerichteten  Zersetzung  anheimfällt. 
Man  kann  aber  dem  Begriff  des  Chromatins  sekundär  eine  Wendung 
nach  der  Chemie  hin  geben,  wenn  man  darunter  diejenigen  färbbaren 
Körper  versteht,  welche  bei  Gelegenheit  einer  vorsichtigen  indiffe - 
renten  Fällung  oder  Fixierung  im  Kerne  erhalten  werden  (Alkohol, 
schwache  Essigsäure);  unter  diesen  werden  dann  die  Nucleoproteide 
der  Chemiker  in  unverändertem  Zustande  enthalten  sein  .,,« 


1  Allzu  verdünnt  darf  der  Alkohol  deshalb  nicht  A-erwendet  werden,  weil 
die  Xucleoproteide  in  Wasser  löslich  sind. 


424  Hch.  Stauffacher, 

Oder  hören  wir,  was  Robertson  in  seiner  physikalischen  Chemie 
der  Proteide!  (S.  47)  sagt:  »Die  direkte  Beweismethode  (die  häufigst 
angewandte)  des  Vorhandenseins  von  Proteinverbindungen  besteht 
gewöhnlich  in  der  Fällung  des  Proteinsalzes  durch  den  Zusatz  passender 
Reagentien;  das  gewöhnlich  angewandte  Reagens  ist  der 
Alkohol.« 

Ich  möchte,  um  ja  nicht  mißverstanden  zu  werden,  noch  einmal 
in  aller  Schärfe  Folgendes  hervorheben.  Es  handelt  sich  weder  darum, 
Ehrlich-Biondis  Lösung  als  Universal-Färbe  mittel,  noch  den 
Alkohol  als  Universal-Fixier mittel  anzupreisen.  Es  kommt  viel- 
mehr in  erster  Linie  auf  die  Bedürfnisse  des  Forschers  an,  welche 
Farbstoffe  und  welche  zeiltötenden  ]\Iittel  er  wählen  soll.  Neben  den 
rein  morphologischen  Standpunkt,  der  bis  anhin  in  der  Biologie  der 
Zelle  dominierte  und  dessen  Bedeutung  für  die  Erforschung  des  Zell- 
geschehens zweifellos  überschätzt  worden  ist,  habe  ich  den  rein  che- 
mischen, den  analytischen  zu  stellen  versucht.  Nicht  deshalb, 
weil  ich  nun  alles  Heil  ausschließlich  von  ihm  erwarte,  sondern  des- 
halb, weil  die  Zell  Vorgänge  zu  einem  guten  Teil  chemische 
Prozesse  sind  und  daher  auch  nur  vom  chemischen  Stand- 
punkt aus  verstanden  und  mit  chemischen  Mitteln  und  Me- 
thoden zu  ergründen  sind.  Es  ist  mir  nie  eingefallen,  die  morpho- 
logische Seite  der  Zellforschung  zu  eliminieren  oder  gar  zu  diskreditieren ; 
aber  wenn  zur  Evidenz  klar  ist,  daß  sie  allein  nicht  ausreicht,  sollte 
man  sich  der  andern  Richtung  nicht  mehr  länger  verschließen. 

Es  mag  der  Forscher  nach  wie  vor  zu  FLEMMiNGschen  und  Her- 
MANNschen  Gemischen,  zu  Pikrinsäure,  Chromsäure,  Sublimat  und 
Formaldehyd  usw.  greifen  und  er  mag  weiterhin  mit  Gentiana,  Safranin, 
Boraxcarmin,  Hämalaun,  Eisenhämatoxylin  usw.  usw.  färben,  wenn  es 
sich  bloß  um  optische  Differenzierung  handelt;  verfolgt  er  aber 
chemisch-analytische  Zwecke,  dann  wird  der  Alkohol  als  Fällungs- 
mittel  —  vorläufig  wenigstens  —  geradezu  universell,  weil  er,  wie 
oben  betont,  die  verschiedenen  Proteide  indifferent,  unter  möglichster 
Schonung  ihrer  chemischen  Konstitution  fällt.  Zur  Sichtbarmachung 
und  Unterscheidung  der  gefällten  Eiweißkörper  —  sei  das  nun  erst 
gruppenweise  oder  später  individualisiert  der  Fall  —  bedienen  wir 
uns  nunmehr  der  verschiedenen  Indikatoren,  zu  denen  auch  die  Kom- 
ponenten der  EHRLiCH-BiONDischen  Lösung  und  andrer  heterogener 
Farbstoff gemische  zu  zählen   sind.     Den  Wert  der  dadurch  erzielten 

1  Robertson,  T.  B.  Die  iihysikalische  Chemie  der  Proteine.  Dresden  1912. 
Th.  Steinkopff. 


Zrllstlldicn.    I.  425 

Doppelfärbungen  (wenigstens  für  den  Kern)  würdigt  Heidenhain 
(loc.  cit.  S.  163)  mit  folgenden  Worten:  »In  Rücksicht  auf  die  Biologie 
des  Kernes  können  die  reinen  Doppelfärbungen  der  Chromatine  unsrer 
Ansicht  nach  gar  nicht  hoch  genug  geschätzt  werden,  denn  sie  sind 
zweifellos  der  Ausdruck,  das  Symbol  wichtiger  Stoffwechselvorgänge 
im  Kern.  Hierauf  deuten  die  konstanten  Variationen  der  relativen 
Mengenverhältnisse  der  beiden  Chromatine  in  verschiedenen  Kern- 
arten hin.<< 

Aber  noch  eins  geht  aus  meinen  langjährigen  Beobachtungen 
hervor:  Alkohol  ist  auch  ein  gutes  Erhaltungsmittel  für  die  Struk- 
turen, sofern  man  ihn  nur  in  einer  dem  betreffenden  Gewebe  an- 
gepaßten Konzentration  anwendet.  Er  ist  also,  mit  andern  Worten, 
nicht  nur  das  Fällungsmittel  par  excellence,  sondern  auch  ein 
gutes  Fixier  mittel.  Ob  er  hierbei  absolut  oder  in  einer  Verdünnung 
angewendet  werden  soll,  das  entscheidet  das  zu  fixierende  Gewebe. 

In  erster  Linie  ist  an  dem  Alkohol  als  Fixiermittel  wertvoll,  daß 
er  sehr  schnell  in  die  Gewebe  eindringt  und  dadurch  den  Zellen  nicht 
Zeit  läßt,  ihre  Strukturen  zu  transformieren.  Deswegen  fällt  auch 
allen  denjenigen,  die  sich  dieses  Fixiermittels  bedienen,  die  vorzüg- 
liche Erhaltung  des  Kernzustandes  der  Zelle  auf.  Ich  habe  seinerzeit ^ 
nachdrücklich  auf  diesen  Punkt  aufmerksam  gemacht  und  von  Der- 
SCHAU  stimmt  mir  bei.  Auch  Vonwiller^  betont  (S.  397),  daß  die 
besten  (Kern-)Bilder  bei  den  von  ihm  untersuchten  Amöben  durch 
Behandlung  derselben  mit  (abs.)  Alkohol  geliefert  wurden. 

Es  ist  nämlich  ganz  besonders  der  Plasmabezirk  des  Kernes, 
der  —  vermöge  seiner  dichteren  Struktur  oder  größeren  Sensibilität  — 
auf  das  anrückende  Gift  reagiert  und  Kontraktionserscheinungen  zeigt, 
sofern   ihm   dazu   Zeit    gelassen   wird^.     Der   Erhaltungszustand   des 

1  STArFFACHER,  HcH.  Xcue  Beobachtungen  auf  d.  Gebiete  d.  Zelle.  Zeit- 
schrift f.  wiss.  Zool.     Bd.  XCVIII. 

2  VoxwiLLER,  P.  Über  den  Bau  der  Amöben.  Archiv  f.  Protistenkunde. 
Bd.  XXVIII.     19i:3. 

3  Hierauf  ist  ohne  Zweifel  —  wie  ich  bereits  früher  betont  —  die  Entstehung 
nienibranartiger  Bildungen  an  der  Kernperipheric  fixierter  Zellen  zurückzuführen. 
Ullmaxx  sagt  (Über  physiologische  und  Reizbewegungserscheinungen  an  Leuco- 
cyten.  Virciiows  Archiv.  Bd.  CCV.  1911):  ».  .  .  bei  einem  ungereizten  lebens- 
frischen Leucocyt  ist  ein  Kern  von  der  übrigen  Leibessubstanz  nicht  geschie- 
den, das  Kernplasma  ist  vielmehr  gleichmäßig  zwischen  den  übrigen  Zellschichten 
verteilt  .  .  .  Den  Kern  sichtbar  machen  heißt,  einen  Reiz  anwenden,  der  das 
Kernplasma    zu    einer    bestimmten  Kontraktian    veranlaßt.« 

In  einer  mir  unverständlichen  Art  äußert  sich  Sch.^jcel  über  die  Kern- 
membran (ScHAXEL,  J.,  Das  Zusanniienwirken  d.   Zellbestandteile  usw.     Älikr. 


426  Hch.  Stauffacher, 

Kernes  und  seines  Kandes  kann  daher  geradezu  als  Kriterium  für 
den  Erhaltungszustand  der  Zelle  überhaupt  angesehen  werden 
und  hier  finde  ich  mich  wiederum  in  Übereinstimmung  mit  Heiden- 
hain, wenn  er  (loc.  cit.  S.  116)  sagt:  ».  .  .  Welche  Bilder  nun  für 
normal,  welche  für  unverändert  anzusehen  sind,  das  kann  ja  in  den 
allermeisten  Fällen  aus  begreiflichen  Gründen  nicht  durch  einen  Ver- 
gleich mit  dem  lebenden  Objekt  ausgemacht  werden,  sondern  die 
Kritik  muß  an  dem  gefärbten  Objekt  selbst  einsetzen  und 
sozusagen  aus  dem  Sinne  des  Dinges  heraus  geführt  werden,  wie  bei 
Entzifferung  und  Kritik  eines  Textes  in  toter  und  womöglich  unbe- 


Anat.  Bd.  LXXVI.  1911).  Er  sagt  nämlich  (S.  558):  »Im  fixier teni  Präparat 
tritt  die  Kernmembran  deutlich  hervor,  sobald  der  »Ruhekern  «  nach  der  Teilung 
vom  umgebenden  Plasma  sich  überhaupt  abgrenzt  .  .  .  Während  der  Chromatin- 
emission  fällt  sie  auf  durch  ihre  chromatische  Tönung,  die  hervorgerufen  wird 
durch  die  hier  offenbar  langsamer  passierenden  Chromatinpartikel  und  die  aller- 
dings nur  minimalen  Chromatinstauungen  .  .  .  Ihr  Spannungszustand  ist  bis 
über  die  Emission  hinaus  straff  und  der  von  Kernsaft  erfüllte  Kern  daher  kugelig. 
Gegen  Abschluß  der  Reifung  weist  die  Membran  kleine  Eältelungen  auf  .  .  . 
Die  Auflösung  beim  Abschluß  der  Reifung  muß  wirklich  eine  Lösung,  kein  Zer- 
reißen sein;  denn  sie  geschieht  zwar  äußerst  rasch,  doch  ohne  irgendwelche  Spuren 
zu  hinterlassen. 

Im  Lebeni  ist,  sobald  überhaujDt  ein  Kern  wahrzunehmen  ist,  eben  die 
Begrenzungslinie  des  als  Kern  erscheinenden  helleren  Raumes  als  Membran  an- 
zusehen. Sie  scheint  eine  dichtere  Lagerung  desjenigen  Protoplasmas 
zu  sein,  das  die  Grundstruktur  von  Kern  und  Zellleib  gleichermaßen 
bildeti.« 

Ich  bin  ja  damit  einverstanden,  daß  die  Amputation  der  Kernmembran 
schmerzlos  vor  sich  gehe  und  daß  der  Zellforscher  sich  ganz  allmählich  an  das 
Fehlen  einer  solchen  Hülle  gewöhne;  aber  die  Art,  wie  Schaxel  den  Übergang 
bewerkstelligen  will,  dürfte  denn  doch  als  verfehlt  zu  bezeichnen  sein.  Im 
fixierten  Zustande  ist  also  —  nach  Schaxel  —  die  Kernmembran  eine  wirkliche 
Haut  mit  einer  gewissen  Spannung,  mit  der  Eigenschaft  sich  fälteln  und  schheß- 
lich  auflösen  (eventuell  auch  zerreißen)  zu  können,  also  ein  Umwandlungs-  oder 
Ausscheidungsprodukt  des  Protojilasmas,  das  den  Kern  rings  einschUeßt  und 
absperrt,  das  aber  die  Chromatintröpfchen  trotzdem  —  wenn  auch  zögernd  — 
passieren  läßt;  und  im  Leben  ist  es  nichts  anderes  wie  eine  dichtere  Lagerung 
der  protoplasmatischen  Grundsubstanz.  Wenn  nun  im  Leben  der  Zelle  keine 
wirkliche  Kernmembran  existiert,  so  kann  sie  auch  im  fixierten  Zustand  nicht 
vorkommen;  ist  sie  im  letzteren  Fall  aber  trotzdem  sichtbar,  so  ist  das  eben 
lediglich  optische  Täuschung  oder  Artefakt.  Es  nimmt  wohl  die  wenigsten  Cyto- 
logen  Wunder,  wenn  ich  mich  weiter  »bemühe«  (Schaxel  a.  a.  O.,  S.  595),  gegen 
ein  solches  undefinierbares  Wesen  im  Zellorganismus,  wie  es  uns  Schaxel  schildert, 
Front  zu  machen  und  den  in  der  Kernmembran  eingekeilten  Chromatinpartikel- 
chen  glückhch  ins  Cytoplasma  hinüber  zu  verhelfen. 

1  Von  mir  gesperrt.     Stauffacher. 


z.'iistiidi.ii.  I.  427 

kannter  Sprache.  Auweiulunji;  verschiedener  Fixiermittel  einerseits 
und  auch  der  sorgfältigste  Vergleich  der  Kerne  desselben 
Präparates  und  derselben  Gewebeform  anderseits  lehren  die 
überaus  mannigfachen,  sozusagen  um  eine  natürliche  Gleichgewichts- 
lage herum  sich  bewegenden  Abweichungen  von  der  Norm  allmählich 
kennen  .   .  . « 

Daß  der  Alkohol  (besonders  der  absolute)  unter  Umständen  auch 
schrumpfend  wirken  kann,  soll  nicht  geleugnet  werden;  darin  macht 
er  aber  keine  Ausnahme:  Jedes  der  vielen,  jetzt  gebräuchlichen, 
Fixiermittel  wirkt  in  diesem  Sinne,  wenn  ihre  Anwendung  auf  die  Ge- 
webe die  besonderen  Verhältnisse  derselben  nicht  sorgfältig  ins  Auge 
faßt.  Ich  glaube  aber  behaupten  zu  dürfen,  daß  die  eventuell  schrump- 
fende Wirkung  des  Alkohols  durch  einfache  Konzentrationsänderung 
desselben  und  tuulichste  Verkleinerung  der  Objekte  viel  leichter  zu 
reguUeren  ist,  wie  diejenige  irgendeines  anderen  Fixiermittels,  von 
denen  einige  —  infolge  ihres  schwachen  Diffusionsvermögens  —  über- 
haupt nie  andre  als  Schrumpfungsbilder  geben  (vgl.  hierzu  die  Sublimat- 
präparate in  Heidenhaix  (loc.  cit.)  S.  373,  Fig.  219  und  220-^^1  u.  B). 
Sollte  übrigens  der  Alkohol  bei  irgendeinem  Gewebe  als  Fixierflüssig- 
keit wirklich  versagen,  so  fiele  das,  meiner  Meinung  nach,  nicht  allzu- 
schwer ins  Gewicht.  Die  Bedürfnisse,  chemisch  und  optisch  zu  diffe- 
renzieren, brauchen  ja  nicht  notwendigerweise  kombiniert  zu  werden. 
Wir  würden  in  einem  solchen  Falle  den  Alkohol  lediglich  als  Fällungs- 
mittel verwenden  und  die  so  gewonnenen  Präparate  ausschließlich 
zum  Studium  chemisch-analytischer  Fragen  benutzen,  während  wir 
die  Strukturen  an  solchen  Objekten  verfolgen  müßten,  die  mit  den 
geeignetsten  Mttel  fixiert  worden  sind. 

Der  Alkohol  unterscheidet  sich  auch  dadurch  sehr  vorteilhaft  vor 
vielen  andern  Fixiermitteln,  daß  die  durch  Wasser  aufgeklebten 
Schnitte  der  Alkoholpräparate  ausnahmslos  und  sicher  auf  dem 
Objektträger  kleben.  Nicht  ein  einziger  Schnitt  schwimmt  ab,  während 
gerade  in  diesem  Punkte  andere  Präparate,  besonders  die  mit  Osniium- 
säure  behandelten,  sich  sehr  unangenehm  bemerkbar  machen. 

Leider  werden  gewisse  Objekte  bei  Alkoholbehandlung  zu  hart, 
so  daß  sie  sich  schlecht  schneiden  und  zur  Erzielung  von  Serien  gänz- 
lich unbrauchbar  sind.  Darauf  habe  ich  übrigens  schon  früher  einmal 
aufmerksam  gemacht  i. 

Einen  solchen  Vergleich,   wie  wir  ihn  oben  zur  Taxierung  eines 

1  Daß  man  sich  zum  Studium  der  Fette,  fetten  Öle  u.  dergl.  nicht  der 
Alkoholpräparate  bedienen  kann,   braucht  wohl  nicht  extra  betont   zu  werden. 


428  Hfh.  Stauffacher, 

Fixiermittels  auf  seine  Brauchbarkeit  forderten,  können  wir  in  einem 
Beispiel  gleich  folgen  lassen. 

Die  Fig.  3,  4,  5,  6,  7  und  8,  Taf.  X,  zeigen  Eizellen  von  Ascaris 
megalocefhala,  fixiert  in  70%  Alkohol  i.  Alle  sechs  Abbildungen  de- 
monstrieren dasjenige  Stadium,  wo  das  Sperma  eingedrungen  ist  und 
einen  großen  Teil  seines  Inhaltes,  gleich  einer  Wolke,  in  den  Eiinhalt 
entleert.  In  den  Fig.  3,  4  und  8  sehen  wir  randständig  auch  den  weib- 
lichen Kern,  in  der  »Richtungskörper «-Bildung  begriffen.  >> 

Mit  genau  denselben  Stadien  der  Eizellen  von  Ascaris  beschäftigt 
sich  nun  auch  eine  Abhandlung  von  Meves  Ȇber  die  Beteiligung 
der  Plastochondrien  an  der  Befruchtung  des  Eies  von  Ascaris  megalo- 
cephala«  (Mikrosk.  Anatomie  Bd.  LXXVI.  1910/11),  welcher  die 
Taf.  XXVII — ^XXIX  beigegeben  sind.  Meves  fixierte  seine  Objekte 
im  ALTMANNschen  Gemisch  (2%ige  Osmiumsäure  und  5%ig.e  Kali- 
bichromatlösung  zu  gleichen  Teilen).  —  Auf  S.  689  sagt  der  Autor: 
»Es  (das  Ei)  enthält  einen  central  gelegenen  Kern,  welcher  infolge  der 
starken  Osmierung  völlig  homogen  aussieht;  eine  meistens  vorhan- 
dene Unregelmäßigkeit  des  Konturs  ist  wahrscheinlich  auf  Schrumpfung 
zurückzuführen. 

Ich  habe  meine  Präparate  absichtlich  nicht  gezeichnet,  sondern 
photographiert,  um  selbst  völlig  objektiv  bleiben  zu  können;  aber 
auch  bei  genauester  Besichtigung  der  Bilder  beobachtet  man  nichts, 
was  als  Schrumpfung  zu  deuten  wäre:  Nirgends  tritt  der  Eiinhalt 
von  der  Membran  zurück  und  die  Konturen  sind  überall  vollkommen 
glatt2. 

Wie  mir  scheint,  will  Meves  für  die  Schrumpfung  seiner  Präparate 
den  Übergang  aus  dem  absoluten  Alkohol  ins  Paraffinbad  verant- 
wortlich machen.  Er  sagt  nämlich  (loc.  cit.  S.  687):  »darauf  werden  die 
Eier  in  Alkohol  von  steigender  Konzentration  übertragen  (wobei  sie 
in  jedem  Konzentrationsgrad  24  Stunden  belassen  werden)  und  dann 
in  Paraffin  eingebettet.  Hierbei  muß  man,  wenn  man  Schrumpfungen 
vermeiden  will,  mit  äußerster  Vorsicht  zu  Werke  gehen  .  .  .« 

Es  ist  eine  alte,  bekannte  Forderung  der  Mikrotechnik,  daß  ein 
Objekt  nie  aus  einem  Bad  direkt  in  ein  anderes  übergeführt  werden  darf, 
selbst  dann  nicht,  wenn  die  Härtung  bereits  erfolgt  ist.     Übrigens  ist 


1  Gefärbt  in  Eisenhämatoxylin. 

2  Auch  Van  Beneden  sagt:  «On  peut  employer  avec  grand  avantage  l'al- 
cool  au  tiers,  puls  l'alcool  a  70,  au  lieu  de  Tacide  nitrique,  pour  durch"  les  oeufs. 
(Van  Beneden,  E.,  Eecherches  sur  la  maturation  de  Toeuf  et  la  fecondation 
[Ascaris  megalocepJiala'].      Archives  de  Biologie.     T.  IV.     1883.     p.  281.) 


z.'iistiKiicii.  T.  429 

ein  Intermediuni  zwisrluMi  Alkdhol  und  Paraffin  schon  aus  dem  Grunde 
nötig,  weil  die  Präparate  aufgehellt  werden  müssen.  Der  ganze  Unter- 
schied zwischen  Meves  und  mir  besteht  nun  darin,  daß  er  hierzu  Äther- 
Chloroform  verwendet,  während  ich  Xylol  vorziehe.  Hier  also  treten 
die  Differenzen  in  unsern  Schnitten  schwerlich  erst  ein,  besonders 
w<>nn  man  sieht,  mit  welcher  großen  Sorgfalt  Meves  seine  Objekte 
allmählich  in  Paraffin  bettet.  Die  Schrumpfung  ist  ohne  Zweifel 
vorher  schon  erfolgt  und  muß  auf  die  Fixierflüssigkeit  zurückgeführt 
werden.  Nun  wäre  ja  allerdings  eine  Schrumpfung  der  Kontur  allein 
an  und  für  sich  nichts  Schreckliches ;  aber  wir  kennen  eben  in  der  Zelle 
empfindliche  Partien,  die  der  Schrumpfung  erst  recht  nicht  entgehen, 
wenn  eine  solche  tatsächlich  möglich  ist.  Ich  möchte  noch  einmal 
besonders  auf  den  Kernrand  verweisen,  wo  die  geringsten  Schädigungen 
infolge  der  dort  dicht  stehenden  Elemente  (und  zwar  oxy-  und  basi- 
chromatischer  Natur)  leicht  zu  Täuschungen  führen  können. 


In  der  Fig.  11  der  Taf.  X  ist  die  befruchtete  Eizelle  von  Ascaris 
megalocephala  in  der  ersten  Furchungsteilung  begriffen;  in  Fig.  12  ist 
diese  Teilung  vollständig  durchgeführt.  Beide  Abbildungen  zeigen 
mit  größter  Deutlichkeit  die  Körper  chen,  die  man—  und  damit  kommen 
wir  auf  unser  Ausgangsthema  zurück  —  als  Centrosomen  bezeichnet 
und  man  würde  im  Hinblick  auf  diese  Figuren  allein  in  der  Tat  zur 
Überzeugung  kommen  können,  daß  wir  es  hier  mit  Zellorganen  zu 
tun  haben,  die  mindestens  im  Stadium  der  Mitose  eine  wichtige  Mission 
zu  erfüllen  haben.  Die  Centrosomen  sollen  aber  bereits  in  der  »ruhen- 
den« Zelle  präformiert  und  dort  mit  ihrer  Sphäre  in  einer  Dälle  des 
Kernes  gebettet  sein.  Ich  habe  bereits  früher i  darauf  hingewiesen, 
daß  eine  solche  Dälle  normal  nicht  existiere  und  daß  man  den  Ver- 
hältnissen Zwang  antun  müsste,  wollte  man  eines  der  vielen  Körnchen, 
die  gewöhnlich  im  Zelleib,  und  besonders  häufig  in  der  Nähe  des  Kernes, 
auftreten,  speziell  als  Centrosom  ansprechen.  Seit  1910  habe  ich 
wiederum  ungezählte  tausende  von  Zellkernen  der  verschiedensten 
Provenienz  im  mikroskopischen  Felde  geprüft  und  ich  bin  zu  keinem 
andern  Resultat  gekommen:  Für  mich  persönlich  ist  das  Centrosom 
in  der  »ruhenden«  Zelle  erledigt. 

Über  die  wahre  Natur  und  die  Bedeutung  der  bei  der  indirekten 
Zellteilung  an  den  Polen  der  Tonnenfigur  mehr  oder  weniger  leicht 
konstatierbaren    Centrosomen   haben    uns    die    bisher   gebräuchlichen 

1  HcH.  St.vuffacher,  Beiträge   zur   Kenntnis   der  Kernstrukturen.      Zeit- 
.schrift  f.  wiss.  Zool.     Bd.  XCV. 

Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.     CIX.  Bd.  29 


430  Hch.  Stauffacher, 

Methoden  keinen  Aufschluß  gebracht;  sie  haben  ihn  nicht  bringen 
können,  weil  sie  —  wie  ich  schon  betonte  —  die  Hauptsache  bei  der 
Erscheinung  unberücksichtigt  ließen  und  das  ist  die  oxychromatische 
Grundsubstanz,  das  organisierte  Plastin. 

In  Fig.  IIa,  Taf.  X,  ist  eine  Eizelle  von  Ascaris  megalocephala 
gezeichnet,  die  derselben  Serie  entstammt,  wie  Fig.  11.  Der  Alkohol- 
fixation  folgte  aber  hier  Färbung  in  Ehrlich-Biündi.  Und  das,  was 
wir  jetzt  sehen,  ist  einer  klaren  Interpretation  sehr  viel  leichter  zu- 
gänglich, wie  das,  was  uns  Fig.  11  zeigen  kann.  —  Wenn  wir  von  den 
Chromosomen  vorläufig  absehen,  so  ziehen  auch  in  Fig.  11«  die  beiden 
Pole  der  Kernspindel  in  erster  Linie  unsere  Aufmerksamkeit  auf  sich. 
Aber  da  sieht  es  jetzt  ganz  anders  aus,  wie  in  dem  sonst  ja  völlig  kon- 
gruenten Fall  der  Fig.  11.  Diese  Pole  heißen  zu  Unrecht  Attraktions- 
sphären; es  sind  vielmehr  Kontraktionssphären,  denn  es  ist  doch 
über  jeden  Zweifel  erhaben,  daß  sich  hier  die  Erscheinung  der  Kontrak- 
tion abspielt.  Und  zwar  ist  es  die  oxychromatische  Grundsubstanz, 
das  strukturierte  Plastin,  bekanntlich  der  Sitz  der  Kontraktilität, 
das  an  zwei  oder  mehr  Stellen  des  Cytoplasmas  gleichzeitig  in  diesen 
Reizzustand  tritt.  Schon  früher  i  habe  ich  demonstriert,  wie  aus  den 
Wandungen  der  zwischen  den  beiden  Kontraktionspunkten  gelegenen 
Waben  des  Cytoplasmas  und  des  Kernes  die  filaren  Strukturen  der 
»Tonne  <<  entstehen,  die  nicht  erst  nachträglich  mit  den'  Chromosomen 
in  Konnex  geraten  —  >>in  den  Kern  hineinwachsen«  — ,  sondern  von 
allem  Anfang  an  im  organischen  Zusammenhange  mit  ihnen  gewesen 
sind. 

Völlig  passiv  machen  nun  die  basichromatischen  Tröpfchen  des 
an  diesem  Prozeß  beteiligten  Cytoplasmas  die  Bewegung  der  oxy- 
chromatischen  Grundmasse  mit.  Nirgends  finden  wir  die  leiseste 
Spur  einer  Selbstbewegung  bei  diesen  Nucleinelementen,  nirgends 
zackige  Ränder,  die  man  doch  sehen  müßte  und  auch  sehen  könnte, 
falls  diese  Tröpfchen  Eigenbewegung  besäßen  und  aktiven  Anteil 
nähmen  an  den  Dislokationen  und  strukturellen  Änderungen,  die  sich 
hier  vollziehen:  Sie  bleiben  rund,  wie  sie  es  vorher  waren  und  wie 
alle  die  entfernteren  und  nicht  in  den  Strudel  der  Mitose  hineinge- 
zogenen basichromatischen  Portionen  des  Cytoplasmas  es  immer  sind 
(Fig.  IIa). 

Infolge  der  mehr  oder  weniger  energischen  Kontraktion  des  Plastins 
werden  naturgemäß  an  den  Polen  eine  größere  Anzahl  der  auf  dem 


1  Hch.  Stauffacher,  Zeitschrift  f.  wiss.  Zool.     Bd.  XCV. 


Zellstudicn.  I.  431 

Oxychromatin  reitenden  basichiomatischen  Elemente,  die  vorher  auf 
den  Wabenwandungen  relativ  zerstreut  waren,  einander  genähert, 
so  daß  sie  schließlich  konfluieren  und  größere  Kügelchen  formen. 

An  den  Polen  der  Tonnenfigur  sind  denn  auch  wohl  in  den  meisten 
Fällen  mehr  oder  weniger  dickt  stehende  Gruppen  kleiner  Körnchen 
oder  dann  einzelne  größere  solcher  Elemente  anzutreffen  i,  die  durch 
Zusammenfließen  aus  jenen  entstanden  sind.  Und  zwar  sind  es  — 
wie  ich  immer  wieder  betonen  muß  —  Tröpfchen  basichromatischen 
Materials. 

Die  Fig.  IIa  wirft  nun  auch  Licht  auf  die  Fig.  11  und  12.  Hier 
verhält  sich  die  Sache  genau  so,  wie  bei  Fig.  IIa;  wir  glauben  zwar 
ein  einheitliches  Gebilde  —  eben  das  Centrosom  —  vor  uns  zu  sehen; 
tatsächlich  ist  das  sicher  nicht  der  Fall.  Auch  hier  stehen  lediglich 
mehrere  Körnchen  dicht  nebeneinander  und  am  unteren  Pol  der  Fig.  11 
können  wir  das  bei  einiger  Aufmerksamkeit  direkt  sehen.  Die  Häma- 
toxylinmethode  ist  eben  nicht  fähig,  hier  den  diskontinuierlichen 
Charakter  dieser  Gebilde  zu  demonstrieren. 

Tingiert  man  nun  einseitig,  also  bloß  mit  basischen  Farbstoffen, 
so  kann  nicht  ausbleiben,  daß  um  diese  »Centrosomen  <<  herum  ein  mehr 
oder  weniger  ausgeprägter  heller  Hof  bemerkbar  wird;  denn  durch 
das  Strecken  der  oxychromatischen  Fasern  und  das  dadurch  bedingte 
Konfluieren  der  basichromatischen  Tröpfchen  an  den  Orten  stärkster 
Kontraktion  ward  die  nächste  Umgebung  dieser  Pole  auf  größere  oder 
kleinere  Distanz  an  Basichromatin  entblößt  und  diese  Zone  bleibt 
alsdann  ungefärbt. 

In  Fig.  13,  Taf.  XI,  haben  wir  ein  ähnliches  Stadium  der  Eizelle 
von  Ascaris  megalocephaln  vor  uns,  wie  in  den  Fig.  4,  5,  6  und  8;  es 
entstammt  derselben  Serie,  wäe  diese,  ist  jedoch  in  Ehklich-Biondi 
gefärbt.  Die  anfänglich  kegelförmige  Spermazelle  ist  in  das  Ei  einge- 
drungen und  fängt  eben  an,  den  größten  Teil  ihres  Inhaltes  in  Form 
schwarzrot  tingierter  Kügelchen  über  die  Kernbrücken  ins  Ei  zu  ent- 
leeren^.  Annähernd  im  Centrum  des  allmählich  kugelig  gewordenen 
Spermas  aber  sehen  wir  ein  äußerst  scharf  grün  gefärbtes  Körper- 
chen (den  »Spermakern^«),  das  aus  vier  einzelnen,  rundlichen,  basi- 
chromatischen Bestandteilen  besteht,  die  in  der  folgenden  Weise  zum 
Quartett  geordnet  sind:  JJ  oder  •*•,  und  die  schließlich  mit  den  Chro- 


1  Siehe  z.  B.  Th.  Boveri,  Zellstudien.  Hft.  4.    Über  die  Natur  der  Centro- 
soineii.     1901.     Jena,  G.  Fischer. 

2  Centrosom  u.  Spermastrahlung  sind  in  meinen  Präparaten  unauffindbar. 

3  Dieser  >>Spermakern «  scheint  mir  zwar  viel  eher  ein  Xucleolus  zu  sein. 

29* 


4:32  Heb.  Stauffacher, 

mosoineu  des  Eikerns  kopulieren i.  Ich  betone:  Jene  vier  Elemente 
sind  in  der  EHRLiCH-BiONDi-Lösung  leuchtend  grün  gefärbt  und  sehr 
deutlich  unterscheidbar.  Schauen  wir  uns  darauf  hin  noch  einmal 
die  Fig.  4 — 8,  Taf .  X,  an,  so  erkennen  wir  hier  die  genannte  Partie 
unschwer  ebenfalls;  aber  niemand  wäre  imstande,  selbst  bei  Anwendung 
schärfster  Linsen,  anzugeben,  ob  der  tiefschwarze  rundliche  Klex  im 
Innern  der  Spermazelle  ein  einheitliches  Gebilde,  oder  ob  er  aus  mehreren 
Bestandteilen  zusammengesetzt  sei.  Würden  wir  bloß  die  Fig.  4,  5, 
6,  7,  und  8,  bzw.  nur  Hämatoxyhnpräparate  zur  Verfügung  haben, 
so  müßten  wir  unbedingt  ersteres  annehmen  und  würden  uns  hierbei 
täuschen ;  denn  die  Färbung  in  Ehrlich-Biondi  löst  den  »Spermakern  « 
mit  größter  Leichtigkeit  in  seine  vier  Komponenten  auf.  Ahnlich  wür- 
den sich  wohl  auch  andere  heterogene  Farbstoffgemische  verhalten.  — 
Auch  Meves  (loc.  cit.)  ist  mit  seiner  Methode  die  Auflösung  nicht  ge- 
lungen; man  sieht  zwar  in  Fig.  16  seiner  Taf.  XXIX  etwas  von  einer 
Differenzierung  dieser  Partie,  aber  der  Fall  ist  weit  davon  entfernt, 
uns  Klarheit  über  die  tatsächlichen  Verhältnisse  zu  schaffen,  ganz 
abgesehen  davon,  daß  der  »Spermakern«  in  andern  Zellen  »bloß  als 
helle,  von  Plastochondrien  freie  Stelle  erscheint«  (loc.  cit.  S.  695 
u.  712). 

Meves  verfolgt  zwar  in  erster  Linie  andere  Ziele  als  das  Sichtbar- 
machen des  »Spermakerns  «,  sonst  hätte  er  wohl  kaum  mit  Säurefuchsin 
gefärbt;  aber  er  würde  zum  Studium  des  »Spermakerns«  höchst  wahr- 
scheinlich nur  den  Farbstoff,  nicht  aber  auch  die  Fixierflüssigkeit 
ersetzt  haben  und  dann  wäre  Meves  —  und  das  geht  schon  aus  seinen 
Zeichnungen  mit  Sicherheit  hervor  —  selbst  dann  die  Zusammensetzung 
des  »Spermakerns«  entgangen,  wenn  er  sich  der  basischen  Farbstoffe 
bedient  hätte.  Es  liegt  also  hier  ein  ganz  ähnlicher  Fall  vor,  wie  wir 
ihn  oben  bei  den  Centrosomen  kennen  gelernt  haben. 

Wenn  nun  Meves  mit  seiner  Methode  die  Differenzierung  des  »Sper- 
makerns« nicht  gelingt;  so  liegt  der  Verdacht  nahe,  daß  sich  unter 
solchen  Verhältnissen  auch  andernorts  in  der  Zelle  Aggregate  in  der 
Verkleidung  des  Zusammenhängenden,  Kontinuierlichen,  präsentieren 
könnten.    Das  ist  z.  B.  möglich  beim  sogenannten   »Glanzkörper«,  in 


1  Der  Raum  zwischen  den  vier  dunkelgrün  gefärbten  Kügelchen  ist  zwar 
auch  grün,  aber  viel  heller,  wie  jene,  so  daß  sich  das  Quartett  scharf  abhebt.  — 
Auch  VAN  Beneden  sieht  bei  Alkoholfixation  und  Färbung  mit  Boraxcarmin 
die  vier  Chromatinkügelchen.  (Vax  Beneden,  E.,  Recherches  sur  la  maturation 
de  l'oeuf  et  la  fecondation.  Ascaris  megalocephala.  Archives  de  Biolog.  T.  IV. 
1883.     Platte  XIV.     Fig.  16.) 


Zt'llstiKlicn.  I.  433 

den  Abbildungen  von  Meves  (loc.  cit.)  als  einheitliches,  rot  gefärbtes 
Organ  im  zugespitzten  Ende  der  Spermazelle  sichtbar^. 

In  derselben  Fig.  13  sehen  wir  den  Eikern  in  Teilung  und  zwar 
i-<t  die  Kernspindel  vielpolig  angelegt.  Auch  Meves  (loc.  cit.  S.  695) 
macht  darauf  aufmerksam,  daß  sich  in  seiner  Fig.  2  die  achromatische 
Spindel  w-ahrscheinlich  mehrpolig  angelegt  habe. 

Zunächst  beobachten  wir  an  der  genannten  Stelle  unserer  Fig.  13 
den  Effekt  einer  dort  erfolgten  Kontraktion:  Nur  der  unmittelbar  im 
Bereich  des  einen  Pols  der  Kernspindel  gelegene  Oberflächenteil  des 
Eies  ist  von  der  Membran  losgelöst,  während  der  Ei  Inhalt  sonst  im 
ganzen  Umfang  des  Schnittes  der  Membran  lückenlos  anliegt. 

Sodann  fehlt  - —  und  das  interessiert  uns  hier  am  meisten  —  jeg- 
liche Andeutung  eines  Centrosoms.  An  den  Polen  sehen  wir  dagegen 
Gruppen,  ja  mitunter  Scharen  basichromatischer  Elemente,  die  —  wie 
besonders  der  obere  Pol  der  Teilungsfigur  in  Fig.  13  mit  größter  Deut- 
lichkeit zeigt  —  erst  sekundär,  durch  die  im  strukturierten  Oxychro- 
matin  erfolgte  Kontraktion  in  engere  Beziehung  zueinander  geraten 
sind.  —  Und  zwar  ist  diese  gegenseitige  Annäherung  an  zw^ei  Polen 
(links  und  rechts  in  Fig.  13)  stärker,  wie  am  dritten  (oberen)  Pol,  wo 
die  Kontraktion  auf  eine  relativ  so  große  Fläche  des  Eies  sich  erstreckt, 
•>o  wenig  auf  einen  Punkt  konzentriert,  also  so  w^enig  lokalisiert  ist, 
daß  selbst  von  einer  Strahlenbildung  im  Cytoplasma  nicht  die  Rede 
sein  kann. 

Auch  die  Fig.  6,  10,  11,  12,  13  und  14  der  Abhandlung  von  Meves 
(loc.  cit.)  stimmen  vollkommen  mit  meiner  Darstellung  überein:  Von 
einem  Centrosom  ist  nirgends  eine  Spur  vorhanden,  trotzdem  gerade 
hier  die  Bedingung  erfüllt  ist,  die  das  Körperchen  sichtbar  machen 
müßte,  falls  es  oxychromatischer  Natur  ist,  wie  Heidenhaim^  meint: 
Sind  doch  die  Präparate  von  Meves  mit  Säurefuchsin  gefärbt. 

Von  einer  Teilung  eines  ursprünglich  etwa  vorhandenen  Centro- 
soms in  die  Körnchenhaufen  der  Fig.  13  kann  doch  im  Ernste  auch 
nicht  die  Rede  sein,  ebensowenig  von  einer  Bildung  der  Kernspindel 
durch  Auseinanderrücken  der  Centrosomen,    Ausgeschlossen  ist  ferner 


1  Wahrscheinlich  ist  das  in  Fig.  26c'  (Taf.  XI)  gezeichnete  Spermium  ein 
solches  mit  »Glanzköiper«.  Sollte  sich  dies  bestätigen,  so  würde  meine  soeben 
ausgesprochene  Vermutung  richtig  sein:  denn  der  große  cylindrische  Körper 
liinter  dem  »Spermakern«  zeigt  nach  Alkoholfixation  und  Färbung  in  Ehblich- 
BiONDis  Lösung  ganz  deutlich  eine  netzartige  Struktur.  Das  Netz  selbst  ist 
bläulich,  die  Räume  dazwischen  dagegen  röthch  gefärbt. 

2  Heidenhaix,  M.  Über  Kern  und  Protoplasma.  (Festschr.  f.  A.  V.  KoL- 
LICKER.)      1891. 


434  Hell.  Stauffacher, 

eine  nachträgliche  Bildung  eines  Centrosoms  an  den  Polen  der 
Fig.  13  und  aller  ähnlichen  Fälle,  und  sie  würde  uns  auch  gar  nicht 
aus  der  Verlegenheit  helfen;  denn  wenn  das  Centrosom  ein  persistieren- 
des Gebilde  der  Zelle  sein  soll,  so  müßte  es  ja  auch  in  den  Prophasen 
der  Teilung  irgendwo  vorhanden  sein. 

Der  in  Fig.  13  gezeichnete  Fall  ist  .sozusagen  normal  für  die  Teilung 
des  Eikerns  bei  der  Richtungskörperbildung  von  Ascaris  megalocephakt, 
wie  auch  aus  den  Abbildungen  von  Meves  hervorgeht;  und  er  wieder- 
holt sich  tausendfach,  bei  Tieren  sowohl  wie  (und  ganz  besonders) 
bei  Pflanzen,  widerspricht  aber  der  modernen  Centrosomenlehre  des 
Entschiedensten . 

Angesichts  dieser  Sachlage  ist  es  im  höchsten  Grade  interessant 
zu  sehen,  mit  welcher  Hartnäckigkeit  viele  Cytologen  an  ihrem  Cen- 
trosom festhalten,  die  gefügigsten  Mittel  anwenden  und  wochen-  ja 
selbst  monatelang  den  Protoplasten  den  verschiedensten  Prozeduren 
unterwerfen,  um  schließlich  in  ein  paar  Fällen  wenigstens  scheinbar 
Bestätigung  ihrer  Anschauung  zu  gewinnen,  während  eine  von  jeder 
Voreingenommenheit  freie  Besichtigung  der  Präparate  und  besonders 
eine  objektive  Vergleichung  derselben  mit  größter  Deutlichkeit  zeigt, 
daß  das  Centrosom  kein  individualisiertes  Gebilde  der  Zelle,  kein 
Zellorgan  sein  kann. 

In  ähnlicher  Weise,  wie  unsere  Zellforschung  bei  den  Centrosomen 
ins  Stocken  geriet,  fand  sie  unübersteigliche  Hindernisse  für  das  Ver- 
ständnis der  Vorgänge  bei  der  als  »Kernteilung  <<  bezeichneten  Bildung 
und  Locomotion  der  Chromosomen.  Und  auch  die  Ursache  ist  hier 
die  gleiche,  wie  dort:  Auch  bei  der  Formierung  und  Teilung  der  Chro- 
mosomen hat  man  den  eigentlichen  Träger,  die  organisierte  Grund- 
substanz, die  oxychromatische  Unterlage  des  »Chromatins  <<  über- 
sehen oder  vernachlässigt;  denn  das  wirklich  Formgebende  und  sich 
Bewegende,  das  Treibende  bei  der  ganzen  interessanten  Umwälzung, 
die  sich  während  einer  Mitose  vollzieht,  ist  auch  hier  wieder  das  kon- 
traktile Plastin,  während  das  »Chromatin <<  (Basichromatin)  völlig 
passiv  den  Verschiebungen,  die  das  Oxychromatin  vornimmt,  folgt. 
Heidenhain  hat  hierauf  schon  mit  allem  Nachdruck  hingewiesen, 
indem  er  sagt  (loc.  cit.  S.  166):  ».  .  .  so  wird  ohne  weiteres  sinnen- 
fällig, daß  die  Struktur  des  ruhenden  und  in  Teilung  befindlichen 
Kernes  auf  der  Gestaltung  des  Linins  beruht.«  Und  weiter  unten 
(S.  166)  lesen  wir:  »Man  findet  nämlich  (bei  Salamandra),  daß  die 
Chromosomen  vom  ersten  Moment  ihrer  Entstehung  an  bis  zum  Schluß 
der  Mitose  sich  fortwährend  verkürzen,  wobei  sie  immer  dicker  werden. 


Zollstudion.  I.  .  435 

Diese  Erscheinun<>:  ist  naturgemäß  an  den  geformten  Träger 
der  Chromiolen^  an  das  Linin  gebunden  und  bedeutet  eine 
wirkliche  Zusammenziehung  oder  Kontraktion  desselben  .  .  .<< 

Die  Konsequenz,  die  sich  aus  dem  Gesagten  ergibt,  ist  nicht  zu 
übersehen:  Die  Zelle  hat  nicht  bloß,  vielleicht  nicht  einmal  so  sehr 
das  Bedürfnis,  das  »Chromatin«,  exakt  auf  die  Tochterzellen  zu  ver- 
teilen, da  ja  eine  Ergänzung  desselben  relativ  leicht  möglich  wäre. 
Wichtiger  ist  wohl  die  säuberliche  Halbierung  der  organisierten  Grund- 
substanz des  Kernes  (natürlich  einschließlich  Nucleolus),  für  die  Tochter- 
kerne. Der  Kern  teilt  sich  vermutlich  nicht  deshalb,  damit 
das  »Chromatin«  halbiert  werde,  sondern  letzteres  wird  hal- 
biert, weil  das  ihm  zugrunde  liegende  Oxychromatin,  sein 
Erzeuger  und  Receptor,  halbiert  werden  mußi. 

Wollen  wir  daher  über  den  Mechanismus  der  Kernteilung  Aus- 
kunft haben,  so  werden  wir  wiederum  beim  Oxychromatin  anfragen 
müssen,  bei  der  organisierten  Grundsubstanz  der  Chromosomen,  die 
aktiv  an  dem  Vorgang  beteiligt  ist,  während  das  Basichromatin,  weit 
davon  entfernt,  uns  den  Teilungsprozeß  aufzuklären,  denselben  eher 
verdeckt. 


Auf  ein  »totes  Geleise«  droht  neuerdings  unsere  Zellforschung  zu 
geraten  durch  die  Lehre  von  den  Piastosomen  (Plastokonten  oder 
Plastochondrien)  bzw.  Chondriosomen.  Die  Lehre  von  den  »Chon- 
driosomen«  bildet  in  ihren  Schwächen  und  dementsprechend  auch  in 
ihren  Resultaten  eine  vollständige  Parallele  zur  Centrosomenlehre. 

Zunächst  ist  festzustellen,  daß  zur  Demonstration  der  Chondrio- 
somen im  wesentlichen  dieselben  Methoden  und  Mittel  in  Anw"endung 
kommen,  die  zur  Sichtbarmachung  der  Centrosomen  im  Gebrauche 
waren  und  noch  sind.  Und  von  diesen  Methoden  und  Mitteln  gilt  hier 
genau  das,  was  wir  schon  einmal  betonten :  Sie  sind  zu  einseitig,  weil 
sie  das  Oxychromatin  nicht  berücksichtigen,  sie  sind  zu  gefügig,  und 
ihre  Präparate  daher  der  subjektiven  Deutung  im  höchsten  Grade 
zugänglich.  Das  führt  auch  hier  wiederum,  wie  dort,  zu  einer  un- 
nötigen und  daher  bedauerlichen  Bereicherung  der  Terminologie: 
Piastosomen,  Plastochondrien,  Plasmosomen,  Mitochondrien,  Plasto- 
konten, Plastidulen,  Chondriosomen,  Chondriokonten,  Chondriomiten, 
Kinetochromidien  sind  Namen  für  Dinge,  die  im  Grunde  genommen 
identisch  sind  und  deren  verschiedene  Erscheinungsformen  lediglich 
auf  die  Wirkung  der  Reagenzien  zurückgeführt  werden  können. 


Man  berücksichtige  hier  auch  das  auf  S.  453,  Anmerkung,  Gesagte. 


436  .  Hell.  Staiiff acher, 

Auch  hier  herrscht  Willkür,  wie  auf  dem  Gebiete  der  Centrosomen- 
forschuno'  und  zwar  nicht  nur  in  der  Wahl  der  Mittel  zur  Fixierung 
und  Färbung  der  »Chondriosomen  <<,  sondern  auch  in  der  Interpre- 
tation der  mikroskopischen  Objekte.  Wir  werden  zwar  auf  diesen 
Punkt  später  zu  sprechen  kommen ;  einen  Fall  aber  zur  Demonstration 
des  Gesagten  und  brauchbar  zur  Reduktion  der  im  folgenden  nötigen 
Termini  wollen  wir  vorwegnehmen. 

Meves  sagt  (loc.  cit.  S.  685):  ».  .  .  Weiterhin  fand  ich  selbst, 
daß  Chondriosomen  oder,  wie  ich  sie  von  nun  an  ausschließ- 
lich nennen  werde^  Piastosomen  (d.  h.  Plastokonten  oder  Plasto- 
chondrien),  in  allen  embryonalen  Zellen  gegenwärtig  sind  .  .  .<<  Bei 
pflanzlichen  Zellen  spricht  Meves  ebenfalls  von  Chondriosomen  (Ber. 
d.  Deutsch,  bot.  Ges.  1904)  und  Lewitsky^  sagt  S.  540:  »In  allen 
Fällen  habe  ich  denen  von  Meves  und  andern,  als  Chondriosomen 
bezeichneten,  ganz  analoge  Strukturen  gefunden  .  .  .<< 

Sie  entsprechen  also  einander  vollkommen,  sie  sind  »ganz  analog << 
die  Strukturen,  welche  Meves  und  Lewitsky  beschrieben  und  als 
Piastosomen  oder  Chondriosomen  bezeichnen,  trotzdem  sie  Meves 
mit  Säurefuchsin,  Lewitzky  aber  mit  Hämatoxylin  färbt,  bei 
prinzipiell   gleicher   Vorbehandlung    (Fixierung)   der    Präparate. 

(Meves:   ÄLTMANNsches   Gemisch     2%  Osmiumsäure    |    ,  .  ,      „,  ., 

^X;   T^  1-1  •  1  \  gleiche   Teile, 

0%  Kalibichromat  J 

Lewitsky:  >>BENDAsche<< Flüssigkeit  2%  Osmiumsäure    4  ccni 

1%  Chromsäure     15  ccm 
Eisessig  3 — 5  Tropfen). 

Mehr  Freiheit  kann  mau  sich  auf  dem  Felde  der  Zellforschung 
wahrhaftig  nicht  mehr  gestatten. 

Wir  wollen  uns  nun  die  Fälle  einzeln  genauer  ansehen. 

a.  Die  Piastosomen  (Chondriosomen)  von  Ascaris  meyalo- 
cephala  (Meves,  loc.  cit.). 

Über  die  Spermien  sagt  Meves  unter  anderni  Folgendes:  »Der 
Kopf  teil  besteht  aus  Protoplasma  und  enthält  einen  rundlichen,  stark 
färbbaren  Kern,  während  der  Schwanzteil  durch  einen  kegelförmigen, 
im  lebenden  Zustand  stark  lichtbrechenden  Körper,  den  sogenannten 
Glanzkörper,  gebildet  wird,  der  nur  von  einer  dünnen  Protoplasma- 
hülle bekleidet  ist. 


1  Von  mir  gesjaerrt.     Stauffacher. 

2  G.  Lewitsky,  Über  die  Chondriosomen  in  ^pflanzlichen  Zellen.     Ber.  d. 
Deutsch,  bot.  Ges.     Bd.  XXVIII.     Hft.  10. 


Zcllstu(ii(>ii.  1.  437 

Das  Protoplasma  des  Kopfteils  ist  von  zahlreichen  Körnern  erfüllt, 
welche  sich  bei  Anwendung  der  ÄLTMANNschen  und  BENDAschen  Me- 
thode ebenso  wie  Plastochondrien  färben  und  zweifellos 
mit  solchen  identisch  sindi.  Als  ALTMANNsche  Körner  oder 
Plastidulen  sind  sie  bereits  von  L.  und  R.  Zoja,  als  Mitochondrien 
von  Tretjakoff  und  Alfred  Mayer  angesprochen  worden.  Mehr 
vereinzelt  finden  sich  Pastochondrien  auch  im  Schwanzteil  in  der 
den  Glanzkörper  umgebenden  Plasmahülle  .  .  .<< 

Es  erhöht  den  Effekt  nicht  im  geringsten,  wenn  Meves  sich  darauf 
beruft,  daß  sich  die  Körner  des  Spermakopfes  nach  der  ALTMANNscheu 
sowohl  wie  nach  der  BENDAschen  Methode  gleich  — •  und  zwar  wie 
Plastochondrien  färben;  denn  diese  Methoden  sind  im  Grunde  ge- 
nommen  gar   nicht  different. 

Wie  gestaltet  sich  nun  aber  die  Situation,  wenn  wir  das  Objekt 
nach  ganz  andern  und  zwar  —  wie  wir  gesehen  —  zuverlässigeren 
Methoden  behandeln,  es  in  Alkohol  fixieren  und  z.  B.  in  Ehrlich- 
BioxDi  färben?  —  >>Dann  werden  überhaupt  keine  Chondriosomen 
mehr  sichtbar  sein,<<  wird  Lewitsky  sofort  einwenden,  denn  nach 
ihm  soll  der  Alkohol  diese  Gebilde  zerstören^. 

Sie  sind  aber  trotzdem  nicht  verschwunden,  die  zahl- 
reichen Körnchen,  die  Meves  und  vor  ihm  andere  im  Spermakopf  und 
-schwänz  von  Ascaris  megaloce'phala  gesehen  und  die  von  Meves  als 
Piastosomen  oder  Chondriosomen  bezeichnet  worden  sind.  Sie  sind 
sogar  sehr  schön  erhalten,  wenn  auch  nicht  in  der  brutalen  Aufdring- 
lichkeit, wie  nach  dem  Osmiumsäure-Hämatoxylinverfahren. 

Und  auch  vom  chemischen  Standpunkte  aus  ist  es  im  höchsten 
Grade  unwahrscheinlich,  daß  die  genannten  Elemente  durch  Alkohol 
vernichtet  worden  sein  sollen,  wenn  wir  bedenken,  wie  dieses  Fixier- 
mittel auf  die  Proteine  wirkt.  Wenn  jene  Körnchen  nach  Alkohol- 
behandliing  nicht  mehr  bestehen,  dann  müssen  sie  eben  aufgelöst 
worden  sein;  ich  wenigstens  kann  mir  nicht  vorstellen,  was  denn  sonst 
mit  ihnen  passiert  sein  soll.  Anderseits  aber  liegen  in  ihnen  ohne  Zweifel 
Eiweißverbindungen  vor  —  die  Chondriosomen  kriechen  ja  nach  Le- 
witsky in  der  Zelle  herum  — -  und  daher  muß  die  Behauptung  dieses 
Autors,  die  Chondriosomen  werden  durch  Alkohol  vernichtet,  dem 
Chemiker  absolut  unfaßbar  erscheinen.    In  der  Tat  stimmt  der  mikro- 


1  Von  mir  gesperrt.     Stauffacher. 

2  G.  Lewitsky,  Vergleichende  Untersuchungen  über  die  Chondriosomen 
in  lebenden  und  fixierten  Pflanzenzellen.  (Vorl.  Mitt.)  Ber.  d.  Deutsch,  bot. 
Ges.     Bd.  XXIX.      1912. 


438  Hch.  Stauffacher, 

skopische  Befund  mit  dieser  Angabe  Lewitskys  weder  hier  noch  an 
andern  Orten. 

Ich  habe  in  Fig.  26a,  Taf.  XI,  ein  kegelförmiges  Spermium  von 
Ascaris  megalocephala  nach  einem  in  70%  Alkohol  fixierten  und  mit 
Ehrlich-Biondis  Lösung  gefärbten  Präparat  möglichst  genau  ab- 
gebildet. Leuchtend  grün  hebt  sich  der  >:>Spermakern  <<  aus  der  Schnitt- 
fläche hervor  und  ist  umgeben  von  einer  großen  Zahl  scharf  markierter 
Körnchen,  welche  dunkelgrün  bis  schwärzlich  erscheinen  und 
auch  im  Schwanz  in  erheblicher  Menge  vorkommen.  Setzt  man  die 
Präparate  Verdauungsversuchen  mit  Pepsin-HCl  aus  und  färbt  nachher 
wieder  mit  Ehrlich-Biondi,  so  kann  man  die  grüne  Färbung  jener 
Körnchen  sehr  schön  sehend:  Sie  enthalten  also  Basichromatin.  Die 
schwärzliche  Tinktion  dieser  Elemente  deutet  wiederum  auf  ihre  oxy- 
chromatische  Unterlage  hin,  die  man  in  der  Tat  demonstrieren  kann, 
wenn  man  die  basichromatische  Deckung  durch  Alkalien  löst  und 
wieder  mit  Ehrlich-Biondi  färbt:  Jetzt  erscheinen  die  Körnchen 
rot.  Den  gleichen  Effekt  würden  wir  bekommen,  wenn  wir  von  vorn- 
herein (ohne  Lösung  des  Nucleins)  mit  Säurefuchsin  tingieren  würden, 
weil  alsdann  das  Basichromatin  ungefärbt  bliebe. 

Sollte  jemand  daran  zweifeln,  daß  die  Körnchen,  von  denen  ich 
gesprochen,  den  Piastosomen  von  Meves  entsprechen,  dann  mag  er 
sich  eines  der  in  Alkohol  fixierten  Präparate  zum  Vergleich  auch  noch 
in  Eisenhämatoxylin  färben.  Er  wird  dann  sehen,  daß  die  (jetzt 
schwarz  gefärbten)  Körnchen  meist  so  dicht  stehen,  daß  zwischen 
ihnen  gar  keine  andern  mehr  Platz  fänden  (Fig.  266,  Taf.  XI).  Übrigens 
werden  wir  bald  das  Schicksal  dieser  Körnchen  in  der  Eizelle  ver- 
folgen können  und  alsdann  Gelegenheit  haben,  dieselben  wiederum 
den   Piastosomen  von  Meves  gegenüberzustellen. 

Die  Körnchen  in  den  Spermien  von  Ascaris  megaloce'phala  —  nach 
Meves  zweifellos  mit  Plastochondrien  identisch«  —  sind  basichro- 
matische Elemente^  deren  Nuclein,  wie  überall^  auf  oxy- 
chromatischer  Unterlage  sitzt. 

Van  Beneden  2  beschreibt,  daß  der  Kern  (des  Spermiums)  von 
einer  helleren,  fein  punktierten  (sogenannten  perinucleären)  Zone, 
welche  aber  auch  undeutlich  sein  oder  fehlen  kann,  und  einer  dunkleren 
Rindenzone  umgeben  sei.     Die   Rindenzone    enthält  Körner,   welche 


1  Läßt  man  das  Oxychromatin  durch  längeres  Liegenlassen  der  Präj^arate 
etwas  abblassen,  so  kann  man  die  grüne  Färbung  jedes  einzelnen  Körnchens 
ohne  weiteres  und  völlig  einwandfrei  sehen  (Fig.  2G  a). 

2  Zitiert  nach  Meves  (loc.  cit.  S.  G93— 094). 


Zellstudien.  T.  439 

nach  Van  Beneden  konzentrisch  um  den  Kern  herum  angeordnet 
sind,  in  der  Weise,  daß  sie  zugleicli  radiäre  Reihen  bilden.  Sie  sind 
untereinander  durch  Fäden  verbunden,  so  daß  Systeme  von  Linien 
entstehen,  von  denen  die  einen  radiär,  die  andern  konzentrisch  sind.  .  .  . 
Dazu  bemerkt  Meves:  »Ich  habe  weder  eine  derart  regelmäßige  An- 
ordnung der  Körner  beobachtet,  noch  auch  Fäden  wahrgenommen, 
welche   die   Körner   untereinander   verbinden.« 

V.  Erlanger  1  schreibt  dem  Protoplasma  des  ^sc«m-Spermiums 
einen  wabigen  Bau  zu;  die  Körner  (nach  v.  Erlanger  »Deutoplasma- 
körner«)  sollen  in  den  Knotenpunkten  des  Waben werks    liegen  .  .  . 

Die  Beobachtungen  von  Van  Beneden  und  von  v.  Erlanger 
beziehen  sich  ohne  Zweifel  auf  dieselben  Strukturen  des  Protoplasma 
und  nur  in  der  Interpretation  des  Gesehenen  weichen  die  beiden  For- 
scher voneinander  ab.  In  der  Tat  sieht  man  in  den  Spermien  von 
Ascaris  unschwer  ein  Netzwerk  (Fig.  26a)  und  ich  neige  sehr  zur  An- 
sicht, daß  die  im  Mikroskop  sichtbaren  Fäden  tatsächlich  Waben- 
wandungen entsprechen,  welche  auf  die  Bildebene  projiziert  werden. 
Daß  Meves  diese  netzigen  Strukturen  nicht  gesehen,  dürfte  nicht  sehr 
ver\\-undern,  wenn  er  bekennt  (loc.  cit.  S.  689  u.  695),  >>daß  der  Kern 
der  Eizelle  infolge  der  starken  Osmierung  völlig  homogen  aussehe«. 
Ich  denke,  die  »starke  Osmierung«  wird  auch  am  Spermium  nicht 
spurlos  vorübergegangen  sein. 

Viele  Körnchen  liegen  nun  in  der  Tat  in  den  Knotenpunkten 
dieses  Netzes  und  höchst  wahrscheinlich  ist  dies  bei  allen  der  Fall, 
wenigstens  sprechen  meine  Präparate  sehr  zugunsten  dieser  Annahme. 
Auch  darin  stimme  ich  mit  Van  Beneden  durchaus  überein,  daß  die 
Körnchen  eine  bestimmte  Anordnung  besitzen  und  in  Reihen  auf  den 
»Spermakern <<  zustreben,  oder  ihn  konzentrisch  umstellen.  Die  Ur- 
sache dieser  Erscheinung  wird  uns  weiter  hinten  beschäftigen.  Es 
muß  jedoch  zugestanden  werden,  daß  z.  B.  die  Fig.  64  (Taf.  XII) 
der  Arbeit  Van  Benedens  ein  etwas  stilisiertes  Aussehen  hat. 

Meves  sagt  ferner  (loc.  cit.  S.  694),  »daß  man  nach  L.  und  R. 
Züja2  beim  Vergleich  derjenigen  Bilder,  welche  man  mit  der  Altmann- 
schen  Methode  erhält,  mit  den  Spermatozoenabbildungen  Van  Be- 
nedens auf  den  Gedanken  komme,  daß  die  von  diesem  Autor  geschil- 
derten Granula  nicht  den  Plastochondrien,  sondern  der  Substanz 
zwischen  ihnen  entsprechen,   daß  sie  also  gleichsam  das  Negativbild 


1  Zitiert  nach  Meves  (loc.  cit.  8.  693— G94. 

2  L.  u.  R.  ZojA,  Intorno  ai  plastiduli  fucsinofili  (bioblatsti  dell' Altmank). 
Mcni.  Ist.  Lomb.  Sc.  Lett.     Milano  1891.     Vol.  XVI. 


440  Hch.  Stauffacher, 

der  Plastochondrien  darstellen«.  Es  scheint  L.  und  R.  Zoja  sowohl 
wie  Meves  entgangen  zu  sein,  daß  Van  Beneden  seine  Objekte  zum 
Teil  mit  Osmiumsäure  fixierte.  Gerade  die  Spermatozoenpräparate 
der  Fig.  45 — 56  und  62  (Taf.  XII)  der  Arbeit  Van  Benedens  sind 
mit  »Acide  osmique<<  behandelt  worden.  Und  was  für  ein  Unter- 
schied besteht  denn  nun  eigentlich  zwischen  der  Fixierung  nach  Alt- 
mann und  derjenigen,  die  hier  Van  Beneden  benutzte?  Beide  Lö- 
sungen enthalten  —  und  das  ist  wohl  die  Hauptsache  —  Osmium- 
säure, diejenige  Altmanns  dagegen  noch  Kalibichromat.  Ist  nicht 
die  Phantasie  zu  bewomdern,  welche  die  Vorstellung  fertig  bringt, 
daß  sich  dieselben  Objekte  wie  Positiv  und  Negativ  zueinander  ver- 
halten, ob  man  sie  mit  Osmiumsäure  allein,  oder  aber  mit  Osmium- 
säure +  Kalibichromat  behandelt?  Meves  gibt  denn  auch  zu,  daß 
die  Annahme  der  Gebrüder  Zoja  unwahrscheinlich  sei. 

Auf  derselben  Tafel  XII  der  Abhandlung  Van  Benedens  exi- 
stieren dann  noch  die  Fig.  64,  65  und  66,  deren  Präparate  mit  Alkohol 
fixiert  wurden  und  unschwer  erkennt  man  die  völlige  Übereinstimmung 
der  Körnelung  der  Spermatozoen  dieser  drei  Abbildungen  mit  der- 
jenigen der  oben  genannten  Figuren,  genau  so,  wie  es  auch  in  meinen 
Präparaten  der  Fall  ist.  Nur  zeigt  die  Fig.  64  dazu  noch  das  Netz- 
werk, das  ich  bei  Alkoholfixation  immer  wahrnehmen  kann  und  das 
in  den  osmierten  Präparaten  (auch  denjenigen  Van  Benedens)  der 
Osmiumsäure  zum  Opfer  fällt,  geradeso,  wie  die  entsprechenden  oxy- 
chromatischen  Strukturen  im  Kern  der  Eizelle   (s.   oben). 

Auch  die  Abbildungen  Van  Benedens  sprechen  also  keineswegs 
für  eine  Vernichtung  der  Plastochondrien  durch  Alkohol. 

Aus  dem  winzigen  >>Spermakern  <<  habe  ich  oft  Kernbrücken  in 
großer  Deutlichkeit  abgehen  sehen   (Fig.  26a). 

In  den  Fig.  4 — 8,  Taf.  X,  folgen  Stadien,  von  denen  wir  bereits 
einmal  kurz  gesprochen,  wo  das  Spermium  in  das  Ei  eingedrungen  ist. 
Meves  sagt  über  diesen  Abschnitt  der  Befruchtung  von  Ascaris  me- 
(/aZocejsÄaZa  Folgendes  1    (S.  695): 

»Van  BeneüExX  (1883,  S.  179)  hat  beschrieben,  daß  die  Kerne 
sich  an  den  eingedrungenen  Spermien  viel  weniger  intensiv  als  an  den 
freien  färben.  In  Übereinstimmung  damit  finde  ich  an  Präparaten, 
welche  nach  der  ALTMANNschen  Methode  behandelt  sind,  daß  der 
Spermienkern  bald  nach  Eintritt  der  Copulation  den  Farbstoff  sehr 
leicht  abgibt,  während  er  ihn  vorher  zähe  festhielt;  er  erscheint  daher 


Wir  heben  nur  das  für  die  vorliegende  Arbeit  Wiehtige  hervor. 


Zellstiidiiii.    r.  441 

in  Fijj;.  1  und  ol)ens()  in  ileii  iol^endou  Figuren  als  liellcr  Fleck  zwischen 
den  ihn  umgebenden  Plastochondrien.<* 

Unser  Interesse  richtet  sich  aber  wohl  nicht  in  erster  Linie  dai- 
nach,  zu  erfahren,  was  nach  ALXMANNscher  Methode  gefärbt  wird  und 
was  nicht.  Die  Frage  ist  viehnehr  die:  Ist  die  gemachte  Beobachtung 
wirklich  im  Wesen  des  Spermiums  begründet,  oder  ist  sie  eine  Folge 
chemischer  Eingriffe  des  Fixiermittel.s  auf  das  Objekt,  eine  Laune 
des  Farbstoffes,  oder  in  andern  Zufälligkeiten  der  ganz  und  gar  will- 
kürlichen Behandlung  zu  suchen.  Ist  die  Erscheinung  nicht  zufällig, 
sondern  wesentlich,  dann  muß  sie  auch  mit  andern  Mitteln  demon- 
.strierbar  sein,  ganz  besonders  nach  der  Fixierung  der  Präparate  in 
Alkohol.  Hier  ist  aber  keine  Differenz  in  der  Färbbarkeit  zu  sehen 
zwischen  den  vier  Chromatinkügelchen  des  ins  Ei  eingedrungenen  und 
dem  >>Kern<<  des  freien  Spermiums:  Leuchtend  grün  färbt  sich  in 
Ehrlich-Bioxdis  Lösung  beides. 

Meves  fährt  dann  fort  (S.  696):  »Sobald  das  Spermium  von  der 
Eizelle  aufgenommen  ist,  treten  Plastochondrien  zuerst  vereinzelt, 
später  in  immer  größerer  Zahl,  aus  dem  Innern  des  Spermiums  an  die 
Oberfläche  desselben  heraus,  so  daß  diese  schließlich  vollständig  von 
ihnen  bedeckt  ist.  Die  an  die  Oberfläche  getretenen  Plastochondrien 
erscheinen  auf  einem  optischen  Schnitt  durch  das  Spermium  wie  ein 
Saum,  welcher  von  den  im  Innern  zurückgebliebenen,  die  hauptsäch- 
lich um  den  Kern  gruppiert  liegen,  durch  einen  größeren  Zwischen- 
raum getrennt  ist.  Gleichzeitig  erfahren  ein  Teil  der  herausgetretenen 
Plastochondrien,  besonders  alle  diejenigen,  welche  an  der  Oberfläche 
des  Schwanzteils  liegen,  eine  Zerlegung  in  kleinere  Körner,  welche 
nicht  größer  sind  als  diejenigen  der  Eizelle.  Ebenso  zerlegen  sich 
die  Plastochondrien,  welche  im  Innern  des  Schwanzteiles  zurück- 
geblieben sind.  Im  ganzen  Bereich  des  Kopf  teils  dagegen  bleiben  sie 
durchweg  mehr  groß.  Dieser  Umstand  ermöglicht  es,  Kopf-  und 
Schwanzteil  des  Spermiums  noch  mit  Sicherheit  zu  unterscheiden, 
nachdem  die  Gestalt  des  Spermiums  sich  bereits  stark  der  Kugelform 
genähert  hat.  Auf  einem  weiteren  Stadium  zerlegen  sich  die  großen 
Plastochondrien  im  Innern  des  Spermiums,  welche  hauptsächlich  um 
den  Kern  angehäuft  liegen,  ebenfalls.  Das  Spermium  ist  nun  von  kleinen 
Plastochondrien  (von  der  Größe  derjenigen  der  Eizelle)  dicht  durchsetzt. 

Während  diese  Vorgänge  sich  am  Spermium  abspielen,  beginnen 
die  Plastochondrien  der  Eizelle  Lage  Veränderungen  zu  zeigen,  wesent- 
liche aber  erst  dann,  wenn  die  Richtungsspindel  die  Eimitte  verläßt, 
imi  dem  Spermium  Platz  zu  machen. 


442  Hch.  Stauffacher, 

Das  Spermium  dreht,  indem  es  sich  dem  Eizentrum  nähert,  seine 
Schwanzspitze  regelmäßig  gegen  dieses.  Um  diese  Schwanzspitze  als 
Mittelpunkt  beginnen  nun  die  Plastochondrien  der  Eizelle  sich  anzu- 
sammeln. Die  Ansammlung  wird  immer  stärker.  Nachdem  das 
Spermium  den  Mittelpunkt  des  Eies  eingenommen  hat,  häufen  sich 
die  Plastochondrien  auf  allen  Seiten  um  das  Spermium  an,  so  daß 
sie  eine  vollständige  Umhüllung  desselben  bilden,  während  sie  sich 
aus  den  peripheren  Teilen  der  Eizelle  mehr  und  mehr  zurückziehen 
(Fig.  8 — 12).  Es  ist  übrigens  möglich,  wenn  es  sich  auch  nicht  kon- 
statieren läßt,  daß  männliche  Plastochondrien  sich  schon  auf  diesen 
Stadien  von  der  Spermienoberfläche  ablösen  und  sich  unter  die  Plasto- 
chondrien der  Eizelle  mischen. 

Nachdem  die  Plastochondrienansammlung  um  das  Spermium 
vollständig  geworden  ist,  weist  sie  in  der  Regel  gegenüber  dem  central- 
wärts  gekehrten  Ende  der  ersten  Richtungsspindel  eine  Einbuchtung 
auf.  Sie  wird  von  zahlreichen  anscheinend  leeren  Bläschen  durch- 
setzt, welche  wahrscheinlich  aufgehellten  Corpuscules  refringents  ent- 
sprechen. Die  »hyalinen  Kugeln <<  Van  Benedens,  unter  denen  solche 
mit  gleichartigem  Inhalt  (Gouttelettes  homogenes)  zahlreicher  ge- 
worden sind,  finden  sich  nunmehr  auf  eine  periphere  Zone  der  Eizelle 
beschränkt,  in  welcher  man  nur  noch  vereinzelte  Plastochondrien 
wahrnimmt. 

Auf  einem  weiteren  Stadium  (Fig.  13)  zieht  die  Kugel  der  Ei- 
Plastochondrien  sich  enger  um  das  Spermium  zusammen.  Gleich- 
zeitig beginnen  die  Plastochondrien,  welche  das  Spermium  durchsetzen, 
offensichtlich  in  das  Eiprotoplasma  überzutreten.  Zunächst  wird 
die  Mitte  des  Spermiums  von  Körnern  frei;  dagegen  häufen  sie  sich 
in  der  Peripherie  des  Spermiums  und  in  der  Umgebung  desselben  im 
Eiprotoplasma  an.  Auf  diese  Weise  entsteht  folgendes  Bild:  Die 
körnerfreie  Mitte  des  Spermiums  wird  von  einer  sehr  körnerreichen  Zone 
eingefaßt,  welche  über  den  Rand  des  Spermiums  in  das  Eiprotoplasma 
hinübergreift  und  den  Kontur  des  Spermiums  verdeckt.  Nach  außen 
grenzt  sie  sich  mit  unregelmäßig  zackigem  Kontur  gegen  eine  weniger 
körnerreiche  Zone  ab,  in  welche  wahrscheinlich  erst  wenige  oder  gar 
keine  männhche  Plastochondrien  gedrungen  sind  (Fig.  13,  14).  Der 
Spermienkern,  welcher  auf  den  bisherigen  Stadien  nur  als  ein  von 
Plastochondrien  freier  heller  Fleck  wahrnehmbar  war,  tritt  nunmehr 
(bei  Anwendung  der  ALTMANNschen  Methode)  als  bräunlicher  Körper 
in  der  Mitte  des  Spermiums  hervor  (Fig.  14). 

Während  nun  die  erste  Reifungsteilung  ihrem  Ende  entgegengeht 


Zellstudien.  I.  443 

.  .  .  wandern  immer  mehr  Plastocliondrien  aus  dem  Spermium  in 
das  Eiprotoplasma  aus,  so  daß  der  körnerfreie  Teil  des  Spermiums 
immer  größer  wird  (Fig.  15,  IG).  Allmählich  tritt  der  Kontur  des 
Spermiums  wieder  deutlich  hervor  (Fig.  IG).  Bald  (Fig.  17)  sind  im 
Innern  nur  noch  vereinzelte  Körner  zurückgeblieben,  welche  aber 
gleichfalls  noch  ihren  Weg  in  das  Eiprotoplasma  nehmen.  Andere 
zahlreichere  und  zum  Teil  größere  Körner,  w^elche  noch  die  Ober- 
fläche des  Spermiums  besetzen,  lösen  sich  von  dieser  ebenfalls  ab. 
Schließlich  hat  das  Spermium  seine  sämtlichen  Plastochondrien  an  das 
Eiprotoplasma  abgegeben  (Fig.  18)  .  .  . 

Schon  vor  diesem  Zeitpunkt  ist  der  Unterschied  zwischen  den 
vorhin  erwähnten  beiden  Körnerzonen  vollständig  geschwunden,  was 
als  ein  Zeichen  dafür  gelten  kann,  daß  die  männlichen  Plastochondrien 
sich  gleichmäßig  überallhin  verbreitet  haben. 

Aus  theoretischen  Gründen  muß  angenommen  w^erden,  daß,  nach- 
dem die  männlichen  und  w-eiblichen  Plastochondrien  sich  gemischt 
haben,  früher  oder  später  je  ein  männliches  und  weibliches  Korn  mit- 
einander verschmelzen.  Es  ist  nun  in  der  Tat  vielfach  unverkennbar, 
daß  die  Plastochondrien,  welche  nach  Beendigung  der  ersten  Rich- 
tungsteilung das  Spermium  umgeben,  im  Vergleich  mit  denjenigen 
früherer  Stadien  nicht  unerheblich  größer  sind.  Ferner  scheint  mir, 
daß  gleichzeitig  eine  Abnahme  ihrer  Zahl  stattgefunden  hat.  Immer- 
hin muß  man  wohl  die  Möglichkeit  im  Auge  behalten,  daß  diese  Er- 
scheinungen auf  Rechnung  einer  Quellung  zu  setzen  sind,  welche  ein- 
getreten sein  könnte,  weil  das  fixierende  Reagens  die  auf  diesen  Stadien 
bereits  stark  verdickte  Dotterhaut  erst  nach  Ablauf  einiger  Zeit  zu 
durchdringen  vermag  .  .  .<< 

In  den  Fig.  4 — 8  der  Taf.  X  zeige  ich  nun  photographische  Re- 
produktionen solcher  Eistadien  von  Ascaris  megalocephala,  die  den 
von  Meves  (loc.  cit.)  beschriebenen  entsprechen:  Das  Sperma  ist 
ins  Ei  eingedrungen  und  nähert  sich  allmählich  dessen  Mitte.  Die 
Figuren  sind  direkt  nach  meinen  Präparaten  bei  lOOOfacher  Vergröße- 
rung des  Mikroskops  photographiert ;  fixiert  W'Urden  die  Objekte  in 
70%igem  Alkohol  und  gefärbt  mit  Hämatoxylin  nach  Heidenhains 
Vorschrift.  Mit  Sicherheit  sieht  man,  besonders  in  den  Fig.  4,  5,  6 
und  8  wie  Spermainhalt  in  das  Cytoplasma  des  Eies  sich  ergießt:  Eine 
Wolke  von  Körnchen  tritt  mehr  oder  weniger  einseitig  (Fig.  4,  5  u.  6) 
oder  allseitig  (Fig.  8)  aus  dem  Spermium  aus  und  verteilt  sich  in  der 
Eizelle.  Ich  sehe  also  im  Prinzip  genau  das,  was  Meves  beobachtet 
und  beschrieben  hat. 


444  Hch.  Stauffacher, 

Daraus  ziehe  ich  folgerichtig  den  Schkiß.  daß  die  Körnchen  oder 
Tröpfchen,  die  in  meinen  Präparaten  das  Spermium  ins  Cytoplasma 
des  Eies  aussät,  nichts  anderes  sein  können,  wie  die  von  Meves  soge- 
nannten Plastochondrien. 

Gegen  diese  Identifizierung  scheint  allerdings  die  Tinktion  der 
Gebilde  Protest  zu  erheben:  Meves  färbt  mit  Säurefuchsin,  während 
meine  Präparate  mit  Hämatoxylin  tingiert  sind.  Es  wird  also  zu 
zeigen  sein,  daß  sich  die  aus  dem  Spermium  austretenden  Tröpfchen 
meiner  Präparate  mit  Säurefuchsin  ebenfalls  färben.  Das  ist  in  der 
Tat  der  Fall:  Fig.  3i,  Taf.  X,  zeigt  eine  Zelle  aus  einer  Serie,  welcher 
die  Fig.  4  entstammt,  gefärbt  in  Säurefuchsin  und  die  Elemente,  die 
in  den  Fig.  4,  5,  6  und  8  schwarz  erscheinen,  sind  hier  tatsächlich  rot. 
Diese  auf  den  ersten  Blick  etwas  sonderbare  Erscheinung  ist  indes, 
wie  wir  noch  sehen  werden,  leicht  zu  erklären;  allerdings  nicht  durch 
die  Janusnatur  der  gefärbten  Eiweißkörper chen,  sondern  dadurch, 
daß  wir  auch  hier  das  eine  Mal  (mit  Hämatoxylin)  das  Basi chromatin, 
das  andere  Mal  (mit  Säurefuchsin)  seine  konforme  oxy chromatische 
Unterlage  färben. 

Ist  die  "Wahrscheinlichkeit  von  vornherein  schon  sehr  groß,  daß 
in  den  Präparaten  von  Meves  dieselbe  Körnelung  vorliege,  wie  in  den 
meinigen,  so  wird  dies  jetzt  zur  Gewißheit.  Damit  ist  aber  auch  be- 
wiesen, daß  die  Plastochondrien  durch  Alkohol  nicht  »zerstört« 
werden,  eine  Erfahrung,  die  übrigens,  wie  ich  schon  früher  betont, 
mit  unsern  chemischen  Kenntnissen  und  Voraussetzungen  durchaus 
zusammentrifft. 

Wir  färben  unsere  Schnitte  nunmehr  in  Ehrlich-Biondis  Lösung, 
weil  wir  hier  im  Verein  mit  alkoholischer  Fällung  der  Eiweißkörper 
am  ehesten  über  die  wirkliche  Natur  der  »Plastochondrien«  des  Ascaris- 
Spermas  Auskunft  erhalten.  Fig.  13,  Taf.  XI,  repräsentiert  einen 
solchen  Fall.  Es  ist  von  dieser  Zelle  früher  schon  einmal  die  Rede 
gewesen.  Hier  interessieren  uns  nun  besonders  die  Körnchen  oder 
Tröpfchen  (»Plastochondrien«),  die  wiederum  vom  Spermium  aus- 
gehen und  ins  Cytoplasma  des  Eies  übertreten.  Diese  Elemente  färben 
sich  nunmehr  dunkelrot  bis  schwarzrot.  Das  ist,  wie  ich  bereits 
betont,   eine   allbekannte   Erscheinung   bei   EHRLiCH-BiONDi-Färbung 


1  Auch  diese  Figur  ist  nicht  gezeichnet  worden,  sondern  auf  rein  photo- 
graphischem Wege  hergestellt.  Zuerst  wurde  eine  mikrophotographische  Auf- 
nahme auf  LuMiÄREs  Autochromplatten  gemacht  und  von  diesen  ein  Abzug  auf 
Papier  nach  dem  Verfahren  von  Dr.  Smith,  Paris,  hergestellt.  Dieser  Abzug 
ist  die  vorliegende  Fig.  3. 


ZclLstudirii.    1.  445 

und  eine  Überlagerung  von  grün  (ßa.sichromatin)  auf  rot  (Oxychro- 
niatin)  erkannt  worden.     Wir  wollen  auch  hier  den  Beweis  antreten. 

Färben  wir,  wie  oben  bemerkt,  die  Schnitte  mit  Säurefuchsin, 
so  werden  die  Körnchen  rot;  legen  wir  die  Präparate  in  Pepsin-HCl 
und  färben  mit  Ehrlich-Biondi,  so  nehmen  die  Elemente  deutliche 
Orünfärbung  an  (Fig.  8,  Taf.  X),  während  sie  in  Hämatoxylin  (nach 
Heidenhain)  auch  jetzt  wieder  schwarz  werden,  genau  so  wie  in  den 
Fig.  4 — 8.  Stellen  wir  die  Objektträger  in  alkalisch  reagierende  Flüssig- 
keiten und  färben  wieder  mit  Ehrlich-Biondi,  so  tingieren  sich  die 
Körnchen  nunmehr  rot^  genau  so,  wie  wenn  sie  von  vornherein  mit 
Säurefuchsin  gefärbt  worden  wären.  Färben  wir  aber  nach  der  Be- 
handlung mit  verdünnter  Natronlauge  mit  Säurefuchsin,  so  ist  der 
Effekt  genau  derselbe,  wie  wenn  wir  kein  NaOH  angewendet  hätten. 

Erklärung.  Die  schwarzrote  Färbung  in  Ehrlich-Biondi  deutet 
darauf  hin,  daß  auch  hier  grün  auf  rot  liegt,  daß  also  Basichromatin 
auf  oxychromatischer  Unterlage  ruht.  In  Pepsin-HCl  wird  nun  die 
letztere  verdaut  und  zurück  bleibt  nur  das  Basichromatin;  ist  das  bei 
unsern  Körnchen  der  Fall,  so  müssen  sie  sich  jetzt  grün  färben,  was 
ja  auch  zutrifft.  —  In  NaOH  usw.  löst  sich  dagegen  die  Nucleinsäure, 
während  das  Oxychromatin  erhalten  bleibt.  Gefärbt  wird  also  in 
Ehrlich-Biondi  nur  noch  das  letztere;  da  aber  die  oxychromatische 
Grundlage  dem  Basichromatin  konform  ist,  bleibt  das  Bild  im  Prinzip 
dasselbe;  nur  sind  die  Körnchen  jetzt  rot,  nicht  mehr  grün.  Das  trifft 
für  unsere  Präparate  wiederum  zu.  —  Färben  wir  dagegen  von  vorn- 
herein nur  mit  basischen  Farbstoffen  (Hämatoxylin)  so  tingiert  sich 
nur  das  Basichromatin;  färben  wir  aber  mit  Säurefuchsin,  so  nimmt 
einzig  das  konforme  Oxychromatin  den  Farbstoff  auf:  Auch  hier 
scheinbar  in  beiden  Fällen  dasselbe  Bild,  nur  das  eine  Mal  die  Körn- 
chen schwarz,  das  andere  Mal  rot  gefärbt,  weil  im  ersten  Fall  das  Basi- 
chromatin, im  andern  Fall  hingegen  das  konforme  Oxychromatin 
gefärbt  ist.  Da  NaOH  nur  das  Basichromatin  löst,  Säurefuchsin 
jedoch  bloß  das  Oxychromatin  färbt,  ist  der  Effekt  offenbar  der- 
selbe, ob  vor  der  Färbung  mit  Säurefuchsin  die  Präparate  mit  NaOH 
behandelt  worden  sind  oder  nicht.    Die  Objekte  bestätigen  dies. 

Wenn  also  Lewitsky  behauptet,  seine  Chondriosomen  entsprechen 
den  Plastochondrien  von  Meves,  trotzdem  er  mit  Hämatoxylin,  Meves 
aber  mit  Säurefuchsin  färbt,  so  ist  daran  so  viel  richtig,  daß  die  Bilder 
übereinstimmen  und  zwar  deshalb,  weil  beide  Forscher  konformes 
Material  färben;  tatsächlich  wird  aber  in  den  beiden  Fällen  chemisch 
total  Verschiedenes  gezeigt:  das  eine  Mal  (Lewitsky)   das  Basi- 

Zeitsclirift  f.  wissensch.  Zoologie.  CIX.  BJ.  30 


44G  Hch.  Stauffacher, 

chromatin  der  Plastochondrien  (bzw.  Chondriosomen),  das  andere  Mal 
(Meves)  die  oxychromatische  Grundlage  derselben. 

Lewitsky  ist  der  Widerspruch,  in  den  er  mit  seiner  Behauptung 
geriet,  wie  es  scheint  nicht  aufgefallen;  an  Hand  seiner  Methode  hätte 
er  ihn  aber  auch  nicht  zu  lösen  vermocht. 

Die  >>Plastochondrien<<,  welche  das  yl  s  c  a  r  *  s-Sperma 
gleich  einer  Wolke  ins  Ei  übertreten  läßt,  sind  also  mikro- 
somale  Portionen  basichromatischen  Materials,  die  auf 
entsprechender    oxychromatischer    Grundlage    sitzen. 

Das  erinnert  uns  sofort  an  einen  ganz  ähnlichen  Vorgang.  Ich 
habe  seinerzeit  zu  beweisen  versucht  i,  daß  der  Eikern  während  der 
Eientwicklung  ununterbrochen  basichromatisches  Material  ins  Cyto- 
plasma  hinaus  verfrachte  und  zwar  bis  zur  völligen  oder  annähernden 
Erschöpfung  des  Nucleus  an  dieser  Substanz.  Die  Entwicklung  des 
Eies  von  Äscaris  megaloce/phala  wurde  nun  allerdings  von  mir  bis  jetzt 
noch  nicht  untersucht,  dazu  fehlte  mir  die  Zeit;  aber  es  ist  wohl  ziem- 
lich sicher,  daß  dieser  Vorgang,  der  bei  Insekten  und  Mollusken  bis 
hinauf  zum  Säugetier  (einschließlich)  sich  abspielt,  auch  beim  Ascaris-Ki 
nicht  fehlt.  Und  nun  haben  wir  erfahren,  daß  nicht  nur  der  Eikern, 
sondern  auch  der  Spermakern  seinen  Beitrag  an  die  basichromatischen 
Elemente  des  Eicytoplasmas  liefert  und  zwar  setzt  die  Lieferung  des 
Spermakerns  da  ein,  wo  der  Eikern  die  seinige  sistieren  muß.  ■ — •  Wir 
haben  es  ferner  bei  jener  Gelegenheit  als  höchst  wahrscheinlich  hin- 
gestellt, daß  die  aus  dem  Eikern  stammenden  mikrosomalen  Basi- 
chromatinportionen  im  Cytoplasma  der  Zelle  eine  ernährungsphysiolo- 
gische Rolle  spielen:  Höchst  wahrscheinlich  ist  das  nun  auch  mit 
den  vom  Spermakern  gelieferten  Elementen  der  Fall.  Wir  kommen 
noch  auf  diesen  Punkt  zu  sprechen.  In  einer  Eigenschaft  allerdings 
stimmen  die  »Plastochondrien  <<,  welche  Meves  zeichnet,  nicht  über- 
ein mit  den  Körnchen  meiner  Präparate:  Jene  sind  —  wenigstens 
in  den  Stadien  bevor  ihre  Teilung  erfolgt  sein  soll  —  bedeutend  größer. 
Körnchen  von  solchen  relativen  Dimensionen,  wie  wir  sie  in  den  Ab- 
bildungen 1—11,  Taf.  XXVII  und  XXVIII,  der  MEVESschen  Arbeit 
zum  Teil  finden,  suche  ich  in  meinen  Schnitten  umsonst.  Wo  etwa 
größere  solcher  Körperchen  auftauchen,  so  sind  sie  dadurch  entstanden, 
daß  zwei  oder  mehr  einzelne  Körnchen  (Tröpfchen)  in  große  Nähe  zu- 
einander geraten,  was  sich  bei  genauer  mikroskopischer  Besichtigung 


1  Hch.  Stauffacher,  Neue   Beobachtungen   auf   dem  Gebiete   der   Zelle. 
Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.     Bd.  XCVIII. 


Zrllstudieii.   1.  447 

meist  direkt  nachweisen  läßt;  auch  in  den  photographischen  Repro- 
duktionen kann  man  unschwer  solche  Stellen  entdecken. 

Die  Ursache  jener  Größendifferenz  liegt  wohl  sicher  in  der  Ver- 
schiedenheit der  fixierenden  Agentien.  Die  Osmiumsäure  ist  schon 
längst  als  quellendes  Mittel  bekannt  und  auch  Meves  gibt  ja  selbst 
die   Möglichkeit   einer   erfolgten    Quellung   zu. 

Auch  in  einer  ganzen  Reihe  weiterer  Beobachtungen  kann  ich 
Meves  nicht  beipflichten. 

1)  Meves  sagt,  daß  das  Spermium  seine  Schwanzspitze,  indem 
es  sich  dem  Eicentrum  nähere,  regelmäßig  gegen  dieses  kehre.  In  meinen 
zahlreichen  Präparaten  rundet  sich  das  Spermium  fast  regelmäßig  sofort 
ab,  sobald  es  ins  Ei  eingedrungen  ist  und  nur  ganz  vereinzelte  Fälle 
sind  mir  zu  Gesicht  gekommen,  in  denen  das  Sperma,  so  lange  es  wenig- 
stens noch  in  der  Nähe  der  Eiperipherie  lag,  eine  längliche  Form  zeigte. 
Im  Eiinnern  dagegen  nahmen  sämtliche  Spermien  —  wie  gesagt  — 
mehr  oder  weniger  Kugel  form  an.  Ich  konnte  dementsprechend  auch 
von  einem  richtenden  Einfluß  der  Eimitte  auf  den  Schwanz  des  Sper- 
miums nichts  bemerken.  —  Es  ist  das  übrigens  ein  Punkt,  der  für  die 
uns  hier  interessierenden  Fragen  nicht  ins  Gewicht  fällt, 

2)  Meves  betont,  daß  der  »Spermienkern «  erst  nachträglich  als 
bräunlicher  Körper  in  der  Mitte  des  Spermiums  hervortrete  (Fig.  14 
seiner  Abhandlung),  während  er  auf  den  vorhergehenden  Stadien  nur 
als  ein  von  >>Plastochondrien<<  freier  heller  Fleck  wahrnehmbar  ge- 
wesen sei.  In  meinen  Präparaten  ist  dieser  »Spermienkern <<  (Nucleolus) 
kontinuierlich  und  zwar  mit  größter  Leichtigkeit  sichtbar,  vom  freien 
Spermium  außerhalb  der  Eizelle  an  bis  zum  Quartett  von  Chromatin- 
kügelchen,  das  von  ihm  schließlich  noch  übrig  bleibt.  Seine  Färbung 
in  Ehklich-Biondi  ist  konstant  eine  leuchtend  grüne. 

Ich  zweifle  nicht  daran,  daß  Meves  richtig  beobachtet  hat ;  aber 
es  ist  nach  den  Präparaten  der  Alkoholfixation  ausgeschlossen,  daß 
seiner  Wahrnehmung  eine  Ursache  zugrunde  liegt,  die  in  der  Natur 
des  »Spermienkernes  <<  selbst  zu  suchen  wäre,  es  hätten  mir  sonst 
Schwankungen  in  der  Färbbarkeit  sicher  auch  auffallen  müssen.  Es 
ist  übrigens  auch  gar  nicht  einzusehen,  was  solche  zeithche  oder  ört- 
liche Differenzen  in  der  Farbstoffspeicherung  für  den  »Spermakern  << 
und  die  Befruchtung  für  eine  Bedeutung  haben  sollten.  Die  Erschei- 
nung ist  ohne  Zweifel  nichts  andres  als  eine  durch  die  fixierenden 
Agentien  bedingte  Unregelmäßigkeit.  — Ich  gebe  zu,  daß  Veränderungen 
am  »Spermakern«  vor  sich  gehen;  sie  betreffen  aber  keineswegs  sein 

30* 


448  Hch.  Stauffacher, 

tinktionelles  Verhalten.  Wir  werden  gleich  auf  diesen  Punkt  zurück- 
kommen. 

3)  Meves  behauptet  ferner,  daß  ein  Teil  der  (ins  Ei)  ausgetretenen 
»Plastochondrien<<,  besonders  alle  diejenigen,  welche  an  der  Oberfläche 
des  Schwanzteiles  (des  Spermiums)  liegen,  eine  Zerlegung  in  kleinere 
Körner  erfahren,  welche  nicht  größer  sind,  als  diejenigen  der  Eizelle. 
Ebenso  sollen  sich  die  »Plastochondrien  <<  zerlegen,  welche  im  Innern 
des  Schwanzteiles  zurückgeblieben  sind,  während  sie  im  ganzen  Bereich 
des  Kopf  teils  durchweg  mehr  groß  bleiben.  Erst  auf  einem  weiteren 
Stadium  zerlegen  sich  nach  Meves  die  großen  »Plastochondrien«  im 
Innern  des  Spermiums,  welche  hauptsächlich  um  den  Kern  angehäuft 
liegen,  ebenfalls,  so  daß  das  Spermium  nunmehr  von  kleinen  »Plasto- 
chondrien« (von  der  Größe  derjenigen  der  Eizelle)  dicht  durchsetzt  wäre. 

Mir  persönlich  erscheint  es  vorläufig  noch  sehr  gewagt,  aus  Größen- 
differenzen im  Bereiche  mikrosomaler  Portionen  der  Zelle  bestimmte 
Gesetzmäßigkeiten  ableiten  zu  wollen  und  diese  zum  Ausgangspunkt 
von  Spekulation  zu  machen,  ganz  besonders  dann,  wenn  die  fixierenden 
Mittel  keineswegs  zuverlässig  sind,  wie  das  —  und  besonders  im  vor- 
liegenden Fall  —  von  der  Osmiumsäure  gilt.  Tatsächlich  sehe  ich 
denn  auch  keine  Größendifferenzen  zwischen  den  Körnchen,  die  etwa 
eine  hinter  der  Erscheinung  steckende  Gesetzmäßigkeit  ahnen  ließen, 
so  wenig,  wie  dies  van  Beneden  möglich  war.  Man  vergleiche 
hiermit  die  Fig.  4—8,  Taf.  X. 

Etwas  anderes  dagegen  fällt  sicher  auf,  eine  Erscheinung,  welche 
nicht  die  Größe,  w^ohl  aber  die  Zahl  der  aus  dem  Spermium  aus- 
tretenden basichromatischen  Elemente  (»Plastochondrien«)  betrifft: 
die  Zahl  dieser  Tröpfchen,  die  das  Spermium  ins  Ei  aussät,  übersteigt 
die  Zahl  derjenigen,  die  im  Spermium  präformiert  sind,  außerordent- 
lich. Diese  Beobachtung  finden  wir  bei  Meves  nicht  klar  hervor- 
gehoben und  doch  würde  die  Kegistrierung  dieser  Tatsache  die  Meves- 
sche  Annahme  einer  erfolgten  Teilung  der  »  Plastochondrien  <<  sehr  viel 
plausibler  und  notwendiger  erscheinen  lassen,  wie  wenn  der  Autor 
der  Wirkung  die  vermeintliche  Ursache  voranstellt.  Aber  Meves  ist 
es  —  wie  mir  scheint  —  nicht  in  erster  Linie  darum  zu  tun,  die  Teilung 
zur  Erklärung  einer  wirklichen  Beobachtung  —  der  Vermehrung 
der  »Plastochondrien«  heranziehen;  vielmehr  soll  damit  lediglich  eine 
Verkleinerung  dieser  Elemente  erreicht  werden,  wie  sie  für  die 
Theorie  einer  Verschmelzung  »männlicher  und  weiblicher  Plasto- 
chondrien« nötig  erscheint. 

Diese  Vermehrung  der  basichromatischen  Körnchen   oder  Tropf- 


Z."lls(iuli.'ii.  I.  449 

eben  ( »Plastochondrien «)  des  Spermiums  ist  jedoch  nicht  aul'  eine 
Teilung  dieser  Elemente  zurückzuführen:  es  findet  vielmehr  eine 
fortwährende  Erzeuguno;  derselben  durch  den  >>Kern<<  des  Spermiums 
statt,  nachdem  letzteres  ins  Ei  eingedrungen  ist.  —  An  diesem  >>Sper- 
niienkern«  fällt  ganz  besonders  auf,  daß  er  eine  große  Zahl  von  Kern- 
brücken aufweist,  welche  die  Kommunikation  mit  seiner  Umgebung 
anstreben.  Schon  in  den  Fig.  4,  5  und  6  beobachten  wir  diese  Er- 
.^cheinung,  obschon  hier  nicht  extra  auf  diese  Strukturen  eingestellt 
war;  besser  noch  erkennen  wir  sie  in  den  Fig.  7  und  8.  In  Fig.  7  z.  B. 
sind  zwei  dieser  doppelt  konturierten,  nach  außen  verjüngten  Bahnen 
ganz  deutlich  sichtbar.  Und  ich  kann  mir  jetzt  ebenso  wenig  wie 
früher  1  eine  andere  Bedeutung  dieser  Strukturen  vorstellen  als  die, 
daß  auf  ihnen  basichromatisches  Material  in  centrifugaler  Richtung 
abfließt.  —  Ich  gehe  momentan  auf  diese  Frage  nicht  weiter  ein,  weil  ich 
sie  in  der  genannten  früheren  Arbeit  ausführlich  erörtert  habe ;  betonen 
möchte  ich  aber  doch,  daß  die  dort  beschriebenen  Verhältnisse  auch 
für  den  vorliegenden  Fall  in  allen  Details  zutreffen.  Und  Van  Beneden 
hat  diese  Striikturen  zweifellos  auch  gesehen.  Schauen  wir  uns  die 
Fig.  15  und  16  seiner  Taf.  XIV,  oder  die  Fig.  5,  7  und  17  der  Taf.  XV, 
endlich  die  Fig.  4,  5  und  6  der  Taf.  XVI  an,  so  erscheint  eine  andere 
Annahme  als  ausgeschlossen :  Genau  so,  wie  in  meinen  Fig.  4 — 8  (be- 
sonders Fig.  8)  gehen  vom  Spermakern  mehrere  Strukturen  in  radiärer 
Richtung  nach  außen  ab  und  wenn  sie  Van  Beneden  auch  nur  durch 
dünne  Striche  andeutet,  so  können  sie  doch  wohl  kaum  etwas  anderes 
repräsentieren,  als  das,  was  ich  mit  dem  Namen  Kern  brücken  belegt 
habe.  In  den  Fig.  5  und  17  (Taf.  XV)  und  6  (Taf.  XVI)  der  Arbeit 
Van  Benedens  kommt  übrigens  noch  eine  andere  Beobachtung,  die 
diese  meine  Überzeugung  stützt,  zum  Ausdruck:  die  Strukturen, 
welche  vom  »Spermakern «  ausgehen,  münden  außen  fast  sämtlich 
in  kleinen  Körnchen.  Das  ist  ja  in  der  Tat  für  die  Kernbrücken  (innere 
sowohl  wie  äußere)  höchst  charakteristisch  und  war  seinerzeit  mit 
ein  Punkt,  der  mich  veranlaßte,  diese  Strukturen  für  einen  Transport 
basichromatischer  Elemente  von  innen  nach  außen  anzusprechen. 

Aber  noch  etwas  anderes  zieht  unsere  Aufmerksamkeit  auf  sich. 
Es  ist  oben  zugegeben  worden,  daß  sich  am  Spermienkern  nach  dem 
Eintritt  des  Spermas  ins  Ei  gewisse  Veränderungen  abspielen,  jedoch 
nicht  solche,  welche  seine  Färbbarkeit  betreffen. 

Es  ist  schon   einmal  darauf  hingewiesen  worden,   daß   man  im 

1  HcH.  Stauffacher,  Beiträge  z.  Kenntnis  d.  Keinstrukturen.     Zcitschr. 
f.  wiss.  Zool.     Bd.  XCV.     1910. 


450  Hch.  Stauffacher, 

Spermienkern  genau  vier  Chromatinelemente  —  und  zwar  mit  größter 
Leichtiokeit  —  nachzuweisen  imstande  sei,  eine  Ersclieinung,  die 
schon  Van  Beneden,  wie  sich  aus  seinen  Figuren  ohne  weiteres  ergibt, 
wohl  bekannt  war.  Das  ist  indes  erst  von  einem  ganz  bestimmten 
Momente  an  möglich:  Tatsächlich  kann  das  Quartett  von  Chromatin- 
kügelchen  im  Spermakern  erst  nach  der  Aussaat  der  zahlreichen  basi- 
chromatischen  Elemente  ins  Ei  gesehen  werden;  vorher  war  es  mir 
nie  und  nirgends  möglich,  diese  einfache  Gruppierung  klar  zu  erkennen, 
gleichgültig,  welche  Methode  ich  in  Anwendung  brachte.  In  der  durch 
Ehklich-Biondi  leuchtend  grün  gefärbten  Fläche  des  »Spermakernes« 
nimmt  man  allerdings  auch  beim  freien  Spermium  deutlich  dunkler 
gefärbte  Körnchen  wahr  und  gelegentlich  konnte  ich  auch  deren  Vier- 
zahl beobachten.  Da  aber  Schnitte  vorlagen,  kann  ich  nicht  wissen, 
ob  nicht  doch  einige  dieser  Elemente  tiefer  und  hoher  lagen  und  daher 
in  andre  Schnitte  zu  liegen  kamen.  In  der  Kegel  birgt  der  »Sperma- 
kern«, wie  gesagt,  eine  größere  Zahl  solcher  Körnchen  oder  Tröpfchen. 
—  Van  Beneden  deutet  zwar  diese  Vierergruppe  gelegenthch  vorher 
schon  an,  so  in  den  Fig.  9  und  15  (Taf.  XIV);  aber  ich  glaube,  an  Hand 
meiner  Präparate  zu  der  Annahme  berechtigt  zu  sein,  daß  hier  Van 
Benedens  Zeichnungen  den  vorherrschenden  Verhältnissen  nicht  ganz 
entsprechen,  um  so  mehr,  als  er  in  den  andern  Abbildungen  ähnlicher 
Stadien  (Fig.  14,  Taf.  XIV;  Fig.  8— 15,  17  und  19,  Taf .  XV,  Fig.  1, 
Taf.  XVI)  mehr  solcher  Körnchen  verzeichnet.  Wohin  gerät  nun  diese 
Überzahl  von  Chromatinelementen? 

In  meinen  Präparaten  ist  ganz  deutlich  zu  sehen,  wie  das  Volumen 
des  »Spermienkernes  <<  nach  dem  Eintritt  des  Spermas  ins  Ei  um  ein 
Bedeutendes  zunimmt.  Hierbei  ist  der  »Kern«  prall  gefüllt  mit  Basi- 
chromatin  und  tritt  alsbald  in  intensivste  Tätigkeit :  Zahlreiche  pracht- 
volle Kernbrücken  gehen  von  ihm  ab  und  ganze  Körnchenreihen  basi- 
chromatischen  Materials  entquellen  diesen  Strukturen,  um  in  radiärer 
Eichtung  nach  außen  zu  gelangen:  Es  sind  dieselben  Körnchen  oder 
Tröpfchen,  die  wir  schheßhch  im  Cytoplasma  der  Eizelle  antreffen. 
Nach  und  nach  wird  der  »Spermakern«  kleiner,  das  Basichromatin 
wird  spärlicher,  bis  man  das  bekannte  Quartett  der  Chromatinkügel- 
chen  erkennt.  —  Der  »Spermakern«  ist  also  —  da  er  Basichromatin 
erzeugt  — ,  kein  Kern^  sondern  ein  Nucleolus. 

Auch  die  basichromatischen  Körnchen,  die  wir  bereits  im  freien 
Spermium  angetroffen  haben,  entstammen  ursprünglich  zweifellos 
diesem  Nucleolus;  daher  ihre  eigenartige  gesetzmäßige  Anordnung 
um  das  Kernkörperchen,  wie  sie  bereits  Van  Beneden  in  seinen  Fig.  1 


I 


Zcllstudien.  I.  451 

bis  17  USW.  der  Taf.  XI  gezeichnet  hat  und  wie  sie  ganz  ähnlich  auch 
in  meinei\  Präparaten  zu  sehen  ist.  —  Das  aber,  was  in  den  Fig.  3 — 8^* 
unserer  Taf.  X  diese  basichromatischen  Elemente  direkt  ins  Cytoplasma 
des  Eies  entläßt,  ist  der  eigentliche  Kern  der  Spermazelle. 

Wir  konstatieren  also  im  Verhalten  des  Spermiums  von  Ascaris 
»legalocephala  eine  vollständige  Parallele  zu  dem  Verhalten,  das  wir 
beim  reifenden  Ei  nachweisen  konnten:  Wie  der  Kern  der  Eizelle 
basichromatische  Elemente  ins  Cytoplasma  aussät,  so 
liefert  auch  der  Kern  der  Spermazelle  einen  Schwärm  sol- 
cher Körnchen  bzw.  Tröpfchen  an  das  Cytoplasma  des  Eies 
ab.  Der  Unterschied  besteht  nur  darin,  daß  die  Lieferung 
durch  den  Eikern  nach  und  nach,  während  der  ganzen  Ent- 
Avicklung  der  Eizelle  erfolgt,  während  das  Sperma  seinen 
Beitrag  an  Nuclein  auf  einmal,  während  seines  Eindringens 
ins  Ei  abgibt. 

Die  »Plastochondrien<<  des  ^  s  c  a  rt  s-Spermas  sind  da- 
her nichts  anderes  als  mikrosomale  Portionen  basichroma- 
tischen Materials    nucleolarer  Herkunft. 

Das  soeben  Gesagte  wirft,  meines  Erachtens,  auch  wieder  einiges 
Licht  auf  die  Vererbungssubstanz.  Bis  jetzt  wurde  fast  allgemein 
das  »Chromatin  <<  als  Träger  der  Vererbungstendenzen  angesprochen. 
Von  unsern  beiden  Chromatinen  wäre  es  also  das  Basi -Chromatin, 
welches  die  Eigenschaft  der  Erbübertragung  besitzen  müßte  und  das 
würde  selbstredend  auch  die  ins  Cytoplasma  hinüber  beförderten 
Xucleinportionen  betreffen.  Aber  dann  müßten  diese  letzteren  in  ihrem 
extra-nucleären  Dasein  auch  erhalten  bleiben,  sie  dürften  im  Verlaufe 
des  Stoffwechsels  nicht  verändert  oder  gar  aufgebraucht  werden.  Ich 
muß  aber  immer  wieder  betonen,  daß  dies  nicht  zutrifft.  Die  mikro- 
somalen  Teilchen  des  Basichromatins  verschwinden  mit  der  Zeit  im 
Cytoplasma  spurlos  und  müssen  —  falls  das  Wachstum  der  Zelle  nicht 
sistiert  werden  soll  —  aus  leistungsfähigen  Kernen  ergänzt  werden. 
Auch  das  Basichromatin  des  Kernes  ist  in  der  lebenden  Zelle  in  be- 
ständigem Kommen  und  Gehen  begriffen  und  es  ist  aus  diesem  Grunde 
schon  im  höchsten  Grade  unwahrscheinlich,  daß  diese  beständig  im 
Fluß  sich  befindhche  Substanz  die  Trägerin  der  Arteigenschaften  sein 
soll,  deren  auffallende  Konstanz  in  direktem  Widerspruch  steht  zu 
der  labilen  und  wenig  seßhaften,  ephemeren  Natur  des  Basichromatins. 

Ich  komme  deshalb  auch  hier  wieder,  wie  früher  schon,  zum 
Schluß,  daß  das  Oxychromatin  und  zwar  das  organisierte  Pla- 
stin,  die  lebende  Substanz,  der  Träger  der  Vererbungsmerkmale 


452  Hch.  Stauffcacher, 

sei.  Man  wird  mir  jedoch  zweifellos  entgegnen,  daß  ja  das  Basichro- 
matin  konstant  auf  oxychromatischer  Unterlage  sitze  und  daß  mit 
den  in  das  Cytoplasma  auswandernden  Nucleinpartikelchen  auch  oxy- 
chromatisches  Material  dorthin  abgeliefert  werde,  daß  sich  also  die 
Dislokation  der  beiden  Substanzen  in  genau  gleicher  Weise  vollziehe. 
Es  ist  jedoch  darauf  aufmerksam  zu  machen,  daß  das  Oxy chromatin 
(auch  im  Cytoplasma  der  Zelle)  lange  nicht  den  großen  Schwan- 
kungen unterliegt,  wie  das  Basichromatin.  Wäre  letzteres  der  Träger 
der  Vererbungsmerkmale,  so  müßte  z.  B.  bei  Ascaris  7negalocej)hala 
die  Übertragung  väterlicher  Merkmale  stark  überstiegen;  denn  das 
reife  Ei  bietet  —  wenigstens  in  seinem  Cytoplasma  —  den  vom  Sper- 
mium ausgesäten  Elementen,  wie  wir  gesehen,  kein  Äquivalent.  Die 
während  der  Eientwicklung  ins  Cytoplasma  ausgewanderten  Nuclein- 
portionen  sind  größtenteils  verbraucht  und  diese  Armut  an  entwick- 
iungserregender  Substanz  wird  ja  —  wie  mir  scheint  —  sehr  gut  illu- 
striert durch  das  Stadium  der  Hilflosigkeit  und  Abhängigkeit,  in  das 
die  Eizelle  nunmehr  gerät.  Das  zeitliche  Zusammentreffen  von  Basi- 
chromatinarmut  und  Stillstand  der  Eientwicklung  kann  doch  un- 
möglich rein  zufällig  sein,  wenn  man  bedenkt,  mit  welcher  Kon- 
stanz diese  beiden  Erscheinungen  überall  gleichzeitig  auftreten  und 
anderseits  beobachtet,  wie  das  parthenogenetische  Ei  reich  ist  an 
Nuclein. 

Halten  wir  aber  nach  wie  vor  daran  fest,  daß  das  >>Chromatin« 
(Basichromatin)  der  Sitz  der  Vererbungstendenzen  sei,  so  würde  auch 
die  Annahme  unvermeidlich,  daß  das  parthenogenetische  Ei  mit  Ver- 
erbungsmerkmalen weit  besser  ausgestattet  sei,  als  das  zu  befruchtende 
und  die  befruchtungsbedürftige  Eizelle  während  ihrer  Entwicklung 
eine  geradezu  ungeheuerliche  Einbuße  an  solchen  erlitten  hätte.  Es 
spielen  sich  eben  während  der  Befruchtung  nicht  nur  gewisse  Vor- 
gänge im  Zellkern  ab:  Wichtige  Ereignisse  finden  auch  im  Cytoplasma 
statt,  Ereignisse,  die  bis  jetzt  noch  nicht  genügend  eingeschätzt  werden 
konnten,  die  meine  Überzeugung,  daß  das  >>Chromatin  <<  nicht  der 
Träger  der  Vererbung  sein  kann,  ganz  bedeutend  stützen.  Ich  be- 
absichtige nicht,  hier  auf  dieses  Thema  weiter  einzutreten;  es  ließe 
sich  aber  zeigen,  daß  eine  ganze  Reihe  der  wichtigsten  Forderungen, 
die  wir  an  den  Träger  von  Vererbungsmerkmalen  stellen,  vom  Oxy- 
chromatin   besser   erfüllt   werden,    wie   vom  Basichromatin. 

Die  entwicklungserregende  und  die  vererbende  Wirkung  des 
Spermas  wäre  also  nach  dem  Gesagten  an  verschiedene  Stoffe  ge- 
bunden:   Das  Basichromatin  ist  entwicklungserregend,   während  das 


I 


Zriistudicil.  I.  453 

Oxychiüiiiatin  (oiganisiertes  Plast  in)  der  Sitz  der  Vererbungsmerk- 
niale  ist^. 

Meves  nimmt  mm  aii.s  »theoretischen  Gründen«  an,  daß,  nach- 
dem sich  die  weiblichen  mid  männlich(Mi  »Plastochondrien  <<  gemischt 
haben,  früher  oder  später  je  ein  männliches  und  weibliches  Korn  )nit- 
einander  verschmelzen  und  zwar  stützt  er  sich  darauf,  daß  vielfach 
die  >>Plastochondrien«,  welche  nach  Beendigung  der  ersten  Richtungs- 
teilung das  Spermium  umgeben,  im  Vergleich  mit  denjenigen  früherer 
Stadien  nicht  unerheblich  größer  seien.  Auch  eine  Abnahme  ihrer 
Zahl  sei  möglicherweise  eingetreten.  Meves  gibt  jedoch  zu,  daß  diese 
Erscheinungen  auch  auf  Rechnung  einer  Quellung  durch  das  fixierende 
Agens  gesetzt  werden  könnten. 

Meves  verschweigt  uns  zwar  die  »theoretischen  Gründe«,  die 
zu  der  Annahme  drängen  sollen,  an  eine  Verschmelzung  der  basi- 
chromatischen  Körnchen  männlicher  und  weibhcher  Provenienz  zu 
glauben;  aber  ich  glaube  nicht,  daß  diese  theoretischen  Gründe  einen 
besonderen  Eindruck  auf  uns  hervorrufen  würden,  denn  ich  kann  mir 
persönlich  nicht  recht  vorstellen,  wie  eine  Idee  bestimmenden  Einfluß 
gewinnen  soll,  so  lange  sie  sich  nicht  auf  sichere  Beobachtungen  be- 
rufen kann.  Und  das,  was  Meves  zur  Stütze  seiner  Annahme  au 
empirischem  Material  beibringt,  ist  weit  davon  entfernt,  Vertrauen 
einzuflößen,  ganz  abgesehen  davon,  daß  Meves  ihm  selbst  nicht  traut. 

Selbst  dann,  wenn  die  Osmiumsäure  eine  Vergleichung  der  mikro- 
somalen  Portionen  basichromatischen  Materials  nicht  von  vornherein 
illusorisch  machen  würde,  wäre  ein  derartiges  Unterfangen  auch  aus 
dem  Grunde  gänzlich  aussichtslos,  weil  allzuhäufig  Fälle  beobachtet 
werden  können,  wo  rein  zufällig  basichromatische  Tröpfchen  zusammen- 
fließen oder  doch  in  derartige  Nähe  zu  einander  geraten,  daß  die  ge- 
bräuchlichen  Fixier  -und  Färbemittel  die  Intervalle  zwischen  ihnen 
nicht  mehr  aufzuzeigen  vermögen.  Darauf  habe  ich  ja  schon  früher 
aufmerksam  gemacht  und  wir  werden  auch  im  folgenden  Fälle  genug 
antreffen,  die  das  Gesagte  bestätigen. 

AVenn  also  in  den  MsvESschen  Präparaten  tatsächlich  Differenzen 
in  der  Größe  der  einzelnen    »Plastochondrieu «  auftreten,  so   ist  das 


1  Während  der  Drucklegung  dieser  Arbeit  gelang  es  nur  endlicli  nach  lan- 
gen vergeblichen  Bemühungen,  Schnitte  durch  ein  befruehtungsbedürftiges 
Insektenei  {Zygaena)  im  Stadium  der  Richtungskörperchenbildung  zu  erhalten. 
Im  höchsten  Grade  interessant  war  mir  nun  die  Beobachtung,  daß  die  sehr 
schön  entwickelten  Kernspindeln  keine  Spur  von  Basichromatin  mehr 
enthielten.  Ich  werde  auf  diesen  Fnll  in  ciiicr  besonderen  Abhandlung  zurück- 
kommen. 


454  Hell.  Stauffacher, 

absolut  kein  Grund  dafür,  anzunehmen,  daß  sich  hier  eine  Copulation 
männlicher  und  weiblicher  »Plastochondrien  <<  abgespielt,  weil  solche 
Unterschiede  —  wie  gesagt  —  in  allerlei  Zufälligkeiten  ihre  Ursache 
haben  köimen.  Die  Zelle  Fig.  25,  Taf.  XI,  z.  B.  repräsentiert  das  Sta- 
dium der  ersten  Furchungsteilung  (da  nicht  auf  die  Chromosomen  und 
Centrosomen  eingestellt  ist,  sind  diese  nicht  sehr  deutlich),  also  ein 
Stadium,  auf  dem  die  Copulation  männlicher  und  weiblicher  »Plasto- 
chondrien« wohl  als  abgeschlossen  betrachtet  werden  dürfte.  Es  hätte 
daher  bereits  ein  Ausgleich  in  den  Größenverhältnissen  der  »Plasto- 
chondrien« eintreten  müssen.  Statt  dessen  sieht  man  aber  große 
und  kleine  »Plastochondrien«  jetzt  noch  kunterbunt  durch  einander 
liegen,  wie  dies  bereits  auf  früheren  Stadien  konstatiert  werden  kann 
und  wie  man  das  überall  beobachtet,  wo  das  Mikroskop  auf  diese 
Bestandteile  des  Cytoplasmas  gerichtet  wird. 

Aber  noch  andere  Bedenken  sind  hier  geltend  zu  machen. 

a.  Der  Kern  (bzw.  Nucleolus)  des  Eies  entläßt  seine  »Plasto- 
chondrien«, d.  h.  seine  basichromatischen  Tröpfchen  nicht  erst  in  dem 
Moment,  wo  das  Sperma  sich  zur  Aussaat  der  seinigen  anschickt. 
Basichromatische  Elemente  werden  vielmehr  —  und  das  ist  bei  Ascaris 
megalocejyhala  sicherlich  auch  der  Fall  —  in  das  Eicytoplasma  von 
den  allerersten  Stadien  der  Eientwicklung  an  hinausbefördert  und 
zwar  in  den  frühen  Phasen  mehr  wie  später ;  es  flaut  diese  Emission  — 
so  möchte  man  sagen  — •  gegen  das  Ende  der  Reifungsperiode  allmähHch 
ab,  bis  der  Nucleolus  erschöpft  ist.  Weshalb  entleert  nun  der  Kern 
der  Eizelle  sein  Nuclein  nicht  erst  in  dem  Moment,  wo  das  Spermium 
eintritt  oder  doch  unmittelbar  vor  diesem  Ereignis,  wenn  es  sich  schließ- 
lich doch  nur  um  eine  Vereinigung  dieser  Elemente  väterhcher  und 
mütterlicher  Provenienz  handelt?     Und 

b.  wo  stecken  denn  alle  diese  in  der  langen  Periode  der  Eireifung 
haufenweise  in  die  Eizelle  gewanderten  basichromatischen  Körnchen 
des  Eikernes? 

In  den  Fig.  9  und  10  (Taf.  X)  habe  ich  zwei  Eizellen  von  Ascaris 
megalocephala  photographiert,  in  die  das  Spermium  noch  nicht  ein- 
gedrungen ist.  Die  Präparate  sind  genau  so  behandelt,  wie  diejenigen 
der  Fig.  4—9. 

Auf  den  ersten  Blick  fällt  in  diesen  Schnitten  die  Armut  an  »Plasto- 
chondrien« auf.  Graduelle  Unterschiede  sind  ja  immerhin  vorhanden; 
im  allgemeinen  aber  sind  diese  Elemente  recht  spärlich  vertreten  und 
sehr  klein.  In  Fig.  10  ist  ihre  Zahl  und  Größe  auf  das  bescheidenste 
Maß  reduziert,  während  sie  in  Fig.  9  noch  etwas  besser  sichtbar  sind. 


Zoll-studien.  I.  455 

Ganz  entsprechend  der  Fig.  10  sieht  es  auch  in  der  Fig.  7  aus,  wo  das 
Spermium  offenbar  mit  der  Aussaat  gezögert  hat.  —  Aber  auch  die 
Fig.  4 — 8  sprechen  jetzt  eine  klare  Sprache.  Wir  konnten  früher  diese 
Präparate  deshalb  nicht  als  Belege  für  die  Armut  der  Eizelle  an  »Plasto- 
chondrien«  verwenden,  weil  Meves  behauptet  (loc.  cit.  S.  697),  daß 
die  weiblichen  >> Plastochondrien <<  Lageveränderungen  zeigen,  indem 
sie  sich  aus  den  peripheren  Teilen  der  Eizelle  mehr  und  mehr  zurück- 
ziehen und  sich  auf  allen  Seiten  um  das  Spermium  häufen.  Das  trifft 
indes  für  unsere  Fig.  4 — 8  nicht  zu.  Die  peripheren  Teile  dieser  Eier 
sind  nicht  deshalb  frei  an  eigenen  »Plastochondrien  <<,  weil  sich  letztere 
um  das  Spermium  herum  gesammelt  haben,  sondern  deshalb,  weil 
die  Eizellen  überhaupt  keine  oder  nur  wenige  solcher  Elemente  mehr 
enthalten,  wie  wir  das  auch  in  den  Fig.  9  und  10  gesehen.  Aber  auch 
die  Fig.  7  ist  in  dieser  Beziehung  sehr  lehrreich.  Das  Spermium  hat 
seine  »Plastochondrien«  offensichtlich  noch  nicht  entleert,  so  daß  uns 
der  Schwärm  dieser  Elemente  nicht  daran  hindert,  seine  Umgebung 
auf  eventuelle  Anwesenheit  weiblicher  »Plastochondrien«  abzusuchen. 
Aber  es  geht  uns  hier,  wie  in  den  Fällen  der  Fig.  9  und  10 :  Es  fällt 
wiederum  die  geringe  Zahl  der  »Plastochondrien«  auf  und  zwar  auf 
der  ganzen  Schnittfläche  durch  das  Ei,  nicht  bloß  in  seinen  peripheren 
Partien;  die  Reduktion  der  basichromatischen  Elemente  hat  hier 
sozusagen  mit  einem  völligen  Schwund  der  letzteren  geendet. 

Die  Wolke  von  »Plastochondrien«,  die  wir  in  den  Fig.  4,  5,  6  und  8 
um  das  Spermium  herum  wahrnehmen,  entstammt  also  dem  letzteren 
nicht  nur  teilweise,  sondern  vollständig  und  die  Bilder  sprechen 
denn  auch  —  meiner  Meinung  nach  —  von  vornherein  eine  deutliche 
Sprache  zugunsten  dieser  Herkunft  der  »Plastochondrien«,  vor  allem 
die  Fig.  5  und  6. 

Angesichts  dieser  gewaltigen  Überzahl  von  »Plastochondrien«, 
die  dem  Sperma  entstammen,  gegenüber  denjenigen,  die  der  Eizelle 
eigen  sind,  ist  an  eine  Copulation  männlicher  und  weiblicher  »Plasto- 
chondrien «  nicht  mehr  zu  denken ;  die  Präparate  und  auch  unsere  Bilder 
zeigen  zu  deutlich,  daß  den  männUchen  »Plastochondrien  « in  der  Eizelle 
kein  Äquivalent  gegenübersteht. 

Dagegen  wird  die  Situation  von  einem  andern  Standpunkt  aus 
verständlich.  Ich  habe  oben  wiederum  darauf  aufmerksam  gemacht, 
daß  von  den  ersten  Stadien  der  wachsenden  Eizelle  an  basichromatische 
Elemente  vom  Kern  aus  ins  Cytoplasma  abgeliefert  werden  und  daß 
dieser  Vorgang  in  immer  schwächer  werdendem  Maße  sich  bis  ans 
Ende  der  Reifeperiode  abspiele.     Diese  Körnchen  sind  nun,  wie  wir 


456  Hell.  Stauffaclier, 

gesehen,  im  reifen  Ei  ganz,  oder  fast  ganz  verscli wunden  und  es  bestellt 
die  größte  Wahrscheinlichkeit,  daß  sie  beim  Wachstum  des  Eies,  d.  h. 
in  den  für  diesen  Prozeß  nötigen  Stoffwechselvorgängen  verbraucht 
worden  sind,  gerade  so,  wie  das  Nuclein  des  vegetativen  Pollenkerns 
beim  Wachstum  des  Pollenschlauches  allmählich  verbraucht  wird. 

Wir  dürfen  sogar  behaupten,  daß  die  Intensität  des  Stoffwechsels 
und  damit  auch  des  Wachstums  geradezu  direkt  proportional  sei  der 
Menge  des  vom  Kern  zur  Verfügung  gestellten  Basichromatins ;  denn 

—  wie  ich  anderwärts  schon  betont  —  steht  das  Wachstum  der  Eizelle 
in  dem  Momente  still,  wo  das  Nuclein  des  Kernes  (bzw.  des  Nucleolus) 
erschöpft  ist.  —  Fast  gleichzeitig  ist  aber  auch  —  wie  wir  gesehen  — 
das  Basichromatin  des  Cytoplasmas  verbraucht  und  wir  würden  daraus 
den  Schluß  zu  ziehen  haben,  daß  die  ins  Cytoplasma  der  Eizelle  emit- 
tierten Nucleinelemente  hier  relativ  rasch  verschwinden,  was  uns 
anderseits  wieder  die  fortwährende  Eile  erklären  würde,  mit  welcher 
Basichromatin  während  des  Reifeprozesses  aus  dem  Kern  in  die  Zelle 
hinüber  transportiert  wird. 

Das  von  Basichromatin  sozusagen  entblößte  Cytoplasma  des  Eies 
hat  also  vorläufig  keinen  Ersatz  jenes  Stoffes  (und.  der  ihn  begleitenden 
Energie)  von  innen  mehr  zu  erwarten ;  das  wird  erst  möglich  sein,  wenn 
wieder  ein  Nuclein  erzeugendes  Kernkörperchen  formiert  ist.  Und 
doch  verbraucht  die  Eizelle  für  die  nun  folgenden  Vorgänge  der  Copu- 
lation  und  Teilung  ohne  Zweifel  Energie.     In  diesem  Falle  der  Not 

—  um  mich  so  auszudrücken  —  tritt  das  Sperma  in  die  Lücke:  Es 
überschüttet  die  Eizelle  mit  einer  Wolke  von  basichromatischen  Tröpf- 
chen, welche  wohl  ausreichen,  bis  ein  leistungsfähiger  Nucleolus  in 
Funktion  treten  kann.  —  Daß  diese  Voraussetzung  zutrifft,  erkennt 
man  meines  Erachtens  gut  aus  den  Fig.  11,  IIa,  IIb  und  12.  In  Fig.  11 
ist  zv/ar  eingestellt  auf  die  >>  Centrosomen  <<,  die  jedoch  nicht  präzise 
in  der  Schnittebene  liegen;  daher  treten  auch  die  basichromatischen 
Microsomen  nicht  so  scharf  hervor,  wie  wir  es  wünschen  möchten. 
Immerhin  sieht  man  deutlich,  daß  eine  Menge  solcher  vorhanden  sind. 
Besser  erkennt  man  sie  in  Fig.  11&  und  ebenfalls  sehr  deutlich  in  Fig.  12. 
Und  doch  hat  unterdessen  kein  Kern  existiert,  der  diese  Elemente  hätte 
liefern  können.  Es  bleibt  also  keine  andere  Annahme  übrig  als  die,  daß 
die  basichromatischen  Tröpfchen  der  Fig.  11,  11«  und  b  und  12  der  Aus- 
saat durch  das  Spermium  entstammen;  daß  sie  der  Eizelle  selbst  ange- 
hörten, dürfte  nach  der  Besichtigung  der  Fig.  3 — 10  ausgeschlossen  sein. 

In  meiner  Arbeit:  »Neue  Beobachtungen  auf  dem  Gebiete  der 
Zelle«  (Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.  Bd.  XCVIII)  steht  auf  S.  522  folgender 


Zfllstiuiirii.   I.  457 

Passus:  »Wir  haben  der  Überzeugung  Ausdruck  verschafft,  daß  das 
Ei  von  Anodonki  deshalb  in  einen  latenten  Zustand  gerate,  weil  ihm 
das  für  seine  Weiterentwicklung  notwendige  Nuclein  fehle.  Die  Ent- 
wicklung des  Eies  setzt  aber  bekanntlich  sofort  ein,  sobald  das  Sperma 
in  die  weibliche  Zelle  eingedrungen  ist  und  diese  »befruchtet«  hat. 
Da  sich  das  Sperma  —  wenigstens  der  für  die  Befruchtung  besonders 
wichtige  Spermakopf  —  durch  seinen  Gehalt  an  Nuclein  auszeichnet 
und  vom  Eikern  unterscheidet,  so  liegt  der  Schluß  nahe,  das  Sperma 
ersetze  dem  Ei  die  für  vegetative  Vorgänge  unumgänglich  notwendige 
Substanz,  das  Nuclein,  dessen  Eintritt  in  die  Eizelle  dieser  die  Fähig- 
keit und  den  Anstoß  zum  Wachstum,  bzw.  zur  Entwicklung  erteilt.« 

Ich  stehe  nicht  an,  die  Beobachtungen,  die  wir  am  Spermium  von 
Ascaris  megalocefhala  gemacht,  als  ein  weiteres  Beweismoment  für 
jene  Behauptung  anzusprechen. 

Von  dem  soeben  gewonnenen  Standpunkt  aus  wird  uns  nun  noch 
ein  anderes  Moment  verständlich.  Es  gibt  nämlich  Tiere  (Anneliden), 
welche  die  Eier  im  Oocytenstadium  ablegen,  wobei  also  das  Sperma 
ins  unreife  Ei  eindringt.  (Loeb,  J.,  Die  chemische  Entwicklungserregung 
des  tierischen  Eies,  1909,  Berlin,  Springer).  In  diesen  Fällen  würde 
also  das  Sperma  mit  seinem  Basichromatin  der  Eizelle  früher  zu  Hilfe 
eilen  und  dadurch  nicht  bloß  Ursache  der  Entwicklung,  sondern 
bereits  Ursache  der  Reifung  des  Eies  werden. 

Die  Fähigkeit  des  Spermiums,  bei  seinem  Eintritt  in  das  Ei  basi- 
chromatische  Elemente  in  großer  Menge  liefern  zu  können,  dürfte 
unserm  Verständnis  keine  Schwierigkeiten  bereiten.  Da  die  Sperma- 
zelle klein  bleibt,  wird  hier  das  Basichromatin  nur  zu  einem  unwesent- 
lichen Teil  in  Anspruch  genommen  und  verbraucht  und  der  Nucleolus, 
der  bereits  im  freien  Spermium  basichromatische  Körnchen  an  seine 
Umgebung  abgab,  setzt  mit  seiner  Nucleinsynthese  und  -emission 
erst  dann  kraftvoll  ein,  wenn  das  Sperma  den  Bedarf  der  Eizelle  au 
solchem  Material  zu  decken  hat.  Im  Grunde  genommen  ist  daher  — 
wie  oben  schon  gesagt  —  die  Bolle,  welche  die  vom  Nucleolus  emit- 
tierten  basichromatischen  Elemente  spielen,  in  beiden  Fällen,  bei  Ei 
und  Sperma,  dieselbe;  ihre  Bedeutung  liegt  lediglich  auf  ernährungs- 
physiologischem Gebiete. 

Hätte  Meves  die  Eier  von  Ascaris  megalocephula  nicht  isoliert 
(loc,  cit.  S.  687),  also  die  Uterusschläuche  nicht  zerzupft,  sondern 
hätte  er  diese  Schläuche  mitsamt  den  Eiern  geschnitten,  so  würde  er 
wohl  kaum  auf  den  Gedanken  einer  Copulation  zwischen  den  »Plasto- 
chondrien«  gekommen  sein  und  die  wahre  Bedeutung  dieser  Dinge 


458  Hch.  Stauffacher, 

ohne  Zweifel  klarer  eingesehen  haben ;  denn  ein  Blick  auf  die  ins  Lumen 
des  Uterus  ragenden  Zellen  der  Uteruswand  belehrt  uns  sofort  darüber, 
daß  hier  ebenfalls  »Plastochondrien  <<  vorkommen  und  zwar  in  großer 
Zahl.  Die  Fig.  14 — 24:  zeigen  photographische  Keproduktionen  solcher 
Zellen.  Die  Behandlung  —  Fixation,  Färbung  usw.  —  ist  genau  die 
gleiche,  wie  bei  den  Präparaten  der  Fig.  4 — 12.  Sämtliche  Figuren  von 
3 — 24  sind  ferner   bei  derselben  Vergrößerung  aufgenommen  worden. 

Betrachten  wir  zunächst  bloß  Fig.  14.  Auf  den  ersten  Augenblick 
fällt  —  in  Form  sowohl  wie  in  Größe  —  die  Übereinstimmung  auf 
zwischen  den  Körnchen  im  Cytoplasma  der  Fig.  14  und  diejenigen, 
die  das  Sperma  in  den  Fig.  4,  5,  6  und  8  ins  Ei  aussät.  Diese  Über- 
einstimmung beschränkt  sich  nicht  bloß  auf  die  genannten  Merkmale: 
Auch  in  bezug  auf  Färbbarkeit  und  chemisches  Verhalten  besteht 
Gleichheit  zwischen  diesen  Elementen. 

Die  Körnchen  oder  Tröpfchen  im  Cytoplasma  der  Fig.  14  färben 
sich  in  Hämatoxylin  (nach  Heidenhains  Methode)  schwarz,  in  Säure- 
fuchsin dagegen  rot;  in  Ehrlich-Biondis  Lösung  erscheinen  sie  in  der 
bekannten  dunkel-  oder  schwarzroten  Nuance.  In  Pepsinsalzsäure  sind 
sie  unverdauhch  und  färben  sich  nunmehr  in  Ehrlich-Biondi  grün. 
Die  grüne  Tinktion  kann  man  auch  sehr  gut — wie  bei  den  Objekten 
der  Fig.  4 — 8  —  bei  direkter  Färbung  in  Ehrlich-Biondi  (also  ohne  vor- 
gängige Verdauung)  nachweisen,  wenn  man  die  rote  Farbe  des  Oxychro- 
matins  durch  längeres  Liegenlassen  der  Objekte   etwas  verblassen  läßt. 

Daß  die  Körnchen  im  Cytoplasma  der  Zelle  Fig.  14  in  Pepsin-HCl 
nicht  verdaut  sind,  erkennen  wir  aus  den  Fig.  23  und  24  (Taf.  XI). 
Beide  Objekte  sind  in  der  Verdauungsflüssigkeit  gelegen  und  nachher 
in  Heidenhains  Hämatoxylin  gefärbt  worden.  Ich  zog  letztere  Tinktion 
hier  deshalb  der  EHRLiCH-BiONDischen  vor,  weil  sie  sich  für  scharfe 
photographische  Reproduktion  besser  eignet,  wie  diese.  Es  ist,  wie  man 
sieht,  kein  Unterschied  vorhanden  zwischen  den  Fig.  23  u.  24  einerseits 
und  der  Fig.  14  anderseits :  Die  Elemente  im  Cytoplasma  der  Fig.  23  und 
24,  die  denjenigen  der  Fig.  14  entsprechen  sind  immer  noch  vorhanden. 

Sämtliche  Reaktionen,  die  wir  mit  diesen  Gebilden  anstellen  können, 
beweisen  uns  also,  daß  es  lediglich  basichromatische  Tröpfchen  sind, 
die  auf  oxychromatischer  Unterlage  sitzen,  ganz  so,  wie  die  oben  be- 
schriebenen, dem  Spermium  entstammenden  Elemente  des  Eies  von 
Ascaris  megalocephala. 

Und  daher  stimmen  alle  diese  Elemente,  sowohl  diejenigen  der 
Fig.  4 — 8,  wie  diejenigen  der  Fig.  14 — 24  vollkommen  überein  mit  den 
von    mir    längst    beschriebenen    basichromatischen    Mikrosomen    des 


Zcllstiidk-n.   I.  459 

Cytoplasnias,  die,  in  letzter  Linie  dem  Nucleolus  entstammend,  über 
den  Kern  in  den  Zelleib  hinübergelangen.  Auch  in  den  Kernen  der 
hier  vorliegenden  Zellen  (Fig.  14 — 24)  sieht  man  die  Kernbrücken, 
welche  diesem  Transport  dienen,  leicht.  Der  Nucleolus  ist  zwar  nur 
in  Fig.  14  getroffen,  und  trotzdem  bei  der  mikrophotographischen 
Aufnahme  dieses  Bildes  lediglich  auf  die  Körnchen  des  Cytoplasmas 
und  keineswegs  auf  den  Kern  oder  einzelne  seiner  Teile  eingestellt 
wurde,  erkennt  man  in  letzterem  ganz  deutlich  innere  und  äußere 
Kernbrücken;  von  den  äußeren  wenigstens  eine  und  zwar  in  der  linken, 
oberen  Ecke  des  Kernes. 

Verbleiben  wir  noch  einen  Moment  bei  den  Fig.  14,  23  und  24, 
so  ist  zu  bemerken,  daß  auch  in  diesen  Präparaten  größere  und  kleinere 
Körnchen  vorhanden  sind.  Während  jedoch  in  den  Fig.  14  und  23 
die  Größenunterschiede  wenig  auffallen,  finden  wir  in  der  Fig.  24  im 
Innern  des  Schnittes  auch  Elemente  von  relativ  bedeutenden  Dimen- 
sionen. Aber  auch  hier  haben  wir  keineswegs  das  Gefühl,  als  ob  die 
peripheren,  kleineren  Körnchen  durch  Teilung  aus  den  centralen, 
größeren  hervorgegangen  seien.  Im  Gegenteil:  Schauen  wir  uns  das 
Bild  genau  an,  so  erkennt  man  ganz  deutlich,  daß  bei  den  im  Innern 
gelegenen  Körnchen  Gruppierungen  zu  Häufchen  nicht  selten  sind; 
zwei,  drei,  vier  und  auch  mehr  Tröpfchen  geraten  mitunter  nahe  zu- 
sammen, so  daß  ihre  Abstände  dem  bewaffneten  Auge  eben  noch  zu- 
gänglich sind,  während  in  andern  Fällen  die  Distanz  zwischen  ihnen 
unmerklich  geworden,  eventuell  auch  ein  wirkliches  Ineinanderfließen 
vorgekommen  ist. 

Am  Rande  der  Fig.  24  dagegen  sehen  wir  die  basichromatischen 
Elemente  in  einer  etwas  andern  Anordnung:  An  Stelle  der  Häufchen 
die  Reihung  hintereinander,  zu  rosenkranzförmigen  Gebilden.  Ohne 
Zweifel  hängt  diese  verschiedene  Anordnung  der  basichromatischen 
Körnchen  mit  der  Strömung  der  oxychromatischen  Grundsubstanz 
zusammen. 

In  den  Zellen  der  Fig.  15 — 22  sehen  wnr  im  Prinzip  dasselbe,  was 
in  den  geschilderten  Fällen  der  Fig.  14,  23  und  24.  Überall  finden  wir 
im  Cytoplasma  kleinere  und  größere  basichromatische  Körnchen  oder 
Tröpfchen  in  sehr  großer  Zahl,  die  in  allen  Reaktionen  mit  denjenigen 
der  Fig.  3 — 10  übereinstimmen.  Sehr  schön  sehen  wir  auch  da  und 
dort  Aggregate  dieser  Elemente  und  zwar  ebenfalls  meist  in  der  inneren 
Partie  des  Zelleibes,  so  in  Fig.  15,  16,  17,  18,  19  und  21.  Überall  läßt 
sich  nachweisen,  daß  größere  Portionen  des  basichromatischen  Materials 
lediglich  dadurch  zustande  koumien,  daß  sich  gewöhnliche  mikrosomale 


460  Hch.  Stauffaclier, 

Einheiten  zu  Grüppclien  häufen,  z.  B.  in  den  Fig.  15,  18  und  besonders 
in  Fig.  21.  In  der  Fig.  21  können  zwar  im  Innern  der  großen  basi- 
chromatischen  Brocken  keine  Brücken  mehr  wahrgenommen  werden; 
aber  der  Rand  dieser  Bildungen,  über  den  ja  die  einzehien  Elemente 
deutlich  hinausragen,  beweist  hinlänglich  ihre  Entstehung. 

Einige  Zellen  der  Fig.  15 — 22  zeigen  besser  noch  wie  die  Fig.  23 
und  24  die  kettenförmige  Anordnung  der  basichromatischen  Ele- 
mente. Die  rosenkranzförmigen  Bildungen  sind  oft  kurz,  oft  aber  er- 
reichen sie  eine  beträchtliche  Länge  (Fig.  15,  19).  Obschon  gelegent- 
lich auch  im  Innern  des  Cytoplasmas  solche  Ketten  auftreten  (Fig.  19, 
22,  23)  finden  wir  sie  doch  meistens  in  der  Nähe  des  Randes  (Fig.  15, 
16,  17,  18  und  21)  und  zwar  entweder  zu  diesem  parallel  (Fig.  19,  21,  22) 
oder  auf  ihn  zugerichtet  (Fig.  15,  16,  17,  18).  Man  möchte  fast  ver- 
sucht sein,  die  Stellung  dieser  Ketten  zum  Zellenrand  mit  den  Rand- 
spalten einer  Gletscherzunge  zu  vergleichen  (s.  Fig.  15,  16,  18). 

Es  kann  auch  etwa  vorkommen,  daß  diese  Reihen  basichromatischer 
Elemente  einheitlich  zu  sein  scheinen  und  dann  oft  den  Eindruck  von 
gew^undenen  oder  geknickten  Fäden  oder  Spindeln  erwecken;  aber  in 
allen  diesen  Fällen  ist  eine  mehr  oder  weniger  gründliche  Verschmel- 
zung der  hintereinander  gereihten  Körnchen  vor  sich  gegangen,  sei 
diese  nun  dadurch  erfolgt,  daß  sich  die  oxy chromatische  Grundsubstanz 
kontrahiert  oder  dadurch,  daß  sich  die  basichromatischen  Tröpfchen 
durch  die  quellende  Wirkung  gewisser  Reagentien  (besonders  Osmium- 
säure) einander  so  genähert,  daß  die  Distanzen  zwischen  ihnen  nicht 
mehr  aufzeigbar  sind. 

Daß  eine  bestimmte  Strömung  in  diesen  Zellen  stattgefunden 
haben  muß,  geht  eigentlich  aus  sämtlichen  Figuren  von  15 — 24  hervor; 
ganz  besonders  verraten  sie  die  Zellen  der  Fig.  19  und  20.  Von  der 
Wand  der  Uterusschläuche  aus,  wo  auch  der  Zellkern  gewöhnlich  sein 
Domizil  aufgeschlagen  hat,  also  von  der  Zellbasis  aus,  ist  die  Bewegung 
gegen  die  ins  Lumen  des  Uterusschlauches  reichende  Zellspitze  gerichtet. 
Da  und  dort  ist  diese  Bewegung  stark,  wie  in  Fig.  19  oben  und  in 
Fig.  20  links,  während  an  andern  Orten  wieder  Stauungen  vorkommen, 
gerade  so,  wie  man  dies  in  den  Staubfadenhaaren  von  Tradesccmtia 
unter  dem  Mikroskop  direkt  verfolgen  kann.  Da  nun,  wo  die  Strömung 
der  oxychromatischen  Grundsubstanz  eine  starke  ist,  wie  z.  B.  in 
Fig.  19  links,  da  überwiegt  die  kettenförmige  Anordnung  der  basi- 
chromatischen Tröpfchen;  wo  aber  Stauungen  eintreten,  gruppieren 
sich  die  letzteren  zu  Häufchen. 

Auf  ein  tröpfchenförmiges  Abfließen  des  basichromatischen  Ma~ 


Zellstudicil.    i.  461 

terials  aus  dem  Kern  in  das  t'ytoplasma  habe  ich  wiederholt  aufmerk- 
sam gemacht^,  ist  das  doch  einer  der  Hauptpunkte  meiner  Zelltheorie. 
Diese  Strömung  ist  aber  nur  die  AViederholung  dessen,  was  bereits 
zwischen  Nucleolus  und  Kern  passiert:  Auch  vom  Kernkörperchen 
aus  (sofern  dieses  noch  Nuclein  liefert)  geht  das  Basichromatin  in 
kettenförmiger  Anordnung  seiner  Elemente  in  den  Kern  ab.  Man  ver- 
gleiche hierzu  die  Fig.  8,  9.  und  11  meiner  Arbeit  »Neue  Beobach- 
tungen auf  dem  Gebiete  der  Zelle«  und  lese  auf  S.  506  nach,  wo  es 
heißt:  >>Im  höchsten  Grade  auffallend  ist  aber  die  Erscheinung,  daß 
sich  an  das  schwarzrote  Trcipfchen  am  äußeren  Ende  der  Nucleolar- 
fortsätze  schwarzrote  Körnchen  reihen  anschließen,  die  einfach  oder 
doppelt  sich  in  den  Kern  hinein  fortsetzen  ...  Es  macht  ganz  den 
Eindruck,  als  ob  vom  kleineren  Nucleolarteil  aus  ein  Materialtransport 
besonders  in  Form  von  Tröpfchen  in  den  Kern  hinein  stattfände; 
kleine  »Ströme  <<  scheinen  langsam  von  diesem  Abschnitt  des  Nucleolus 
auszugehen,  die  Tröpfchen  vim  Tröpfchen  jener  Substanz  entführen 
lind  im  Kern  anhäufen.« 

Ich  wiederhole  zum  Schluß  dieses  Abschnittes:  Die  in  den  Fig.  14 
bis  24  durch  Hämatoxylin  gefärbten  Körnchen,  seien  sie  nun  in  Häuf- 
chen oder  Ketten  gruppiert,  sind  basiehromatische  Elemente  auf 
oxy chromatischer  Unterlage,  die  dem  Kern,  bzw.  dem  Nucleolus  ent- 
stammen; sie  stimmen  in  allen  Einzelheiten  mit  den  in  den  Fig.  4 — 10 
beschriebenen  Elementen  überein.  Die  Bedeutung  jener  Körnchen 
oder  Tröpfchen  in  den  Fig.  14 — 24  kann  nur  eine  vegetative,  eine 
ernährungsphysiologische  sein  und  damit  wird  auch  die  Rolle  der 
von  Meves  im  Spermium  und  Ei  von  Ascaris  beschriebenen,  »Plasto- 
chondrien«  festgelegt:  Sie  spielen  mit  größter  Wahrscheinlichkeit 
ebenfalls  eine  ernährungsphysiologische  Rolle;  sie  stehen,  als  Nuclein- 
portionen  im  Dienste  des  Wachstums  und  der  Ernährung  der  Zelle 
und    sind  keine  selbständigen  Zellorgane. 

Solche  basichromatischen  Microsomen,  wie  wir  sie  in  den  Wand- 
zellen der  Uterusschläuche  und  in  der  copulierenden  Eizelle  von  Ascaris 
meyalocephala  angetroffen  haben,  finden  wir  nun  überall  in  den- 
jenigen Zellen,  die  sich  lebhaft  vegetativ  betätigen,  also 
im  lebhaften  Wachstum  und  Stoffwechsel  begriffen  sind 
und  zwar  in  pflanzlichen  sowohl  wie  in  tierischen  Geweben. 


1  HcH.  St.vuffacher,  a.  Beiträge  z.  Kenntnis  d.  Kernstrukturen.  —  b.  Neue 
Beobachtungen  auf  de  n  Gebiete  der  Zelle.  —  e.  Die  Rolle  des  Nueleins  in  der 
Fortpflanzung. 

Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.  CIX.  Bd.  31 


462  Hch.  Stauffacher, 

Damit  kommen  wir  auf  unsern  zweiten  Punkt,  die  pflanzlichen  Chon- 
driosomen,  zu  sprechen. 

b.  Die   »Chondriosomen«  Lewitskys, 

Da,  wie  wir  gehört,  die  pflanzlichen  >>Chondriosomen  <<  den  tieri- 
schen »Plastochondrien  <<  homolog  sein  sollen  ^  —  man  belegt  auch 
etwa  alle  diese  Dinge  mit  demselben  Namen  —  wäre  es  eigentlich 
nicht  mehr  nötig,  auf  die  pflanzlichen  Chondriosomen  spezieller  ein- 
zutreten: (Sie  teilen  eben  das  Schicksal  der  »Plastochondrien«.  Trotz- 
dem möchte  ich  aus  der  umfangreichen  Literatur  über  die  »Chondrio- 
somen« einige  Punkte  hervorheben.  Ich  halte  mich  hier  vornehmlich 
an  die  Publikationen  Lewitskys  und  verweise  auf  die  Literatur  bei 
Forenbacher  und  Rudolf  (Ber.  d.  Deutsch,  bot.  Ges.  Bd.  XXIX 
und  XXX,  1911  und  1912)  und  E.  W.  Schmidt  (Zeitschr  f.  Bot.  Bd.  IV, 
1912).  —  Genau  untersucht  habe  ich  ein  Objekt,  das  auch  Lewitsky" 
studierte:    Das  Würzelchen  des  Keimlings  von  Pisum  sativum. 

In  seiner  Arbeit^  »Über  die  Chondriosomen  in  pflanzlichen  Zellen« 
bemerkt  Lewitsky  Folgendes: 

»Von  den  späteren  sehr  zahlreichen  Untersuchungen  über  die 
Chondriosomen  in  den  tierischen  Zellen  ist  für  unsere  Zwecke  die  Arbeit 
von  Meves  ,,Die  Chondriosomen  als  Träger  erblicher  Anlagen"  aus  dem 
Jahre  1908  die  wichtigste.  In  dieser  Arbeit  zeigte  er  in  prägnanter 
Weise,  daß  die  sämtlichen  Zellen  des  jungen  Hühnerembryos  von 
Chondriosomen  gefüllt  seien.  Die  letzteren  treten  hier  meist  in  Form 
von  ,Chondrioconten',  d.  h.  homogenen  Fäden  auf.  Diese  Fäden  ver- 
laufen ganz  isoliert  im  Cytoplasma,  sind  meistens  unregelmäßig  ge- 
wunden oder  geknickt  und  treten  ungemein  scharf  bei  Eisenhämatoxy- 
linfärbung  hervor  .  .  . 

Was  die  Chondriosomen  in  den  pflanzlichen  Zellen  anbetrifft, 
so  gehören  die  ersten  Angaben  darüber  auch  Meves.  Im  Plasma 
der  Tapetenzellen  von  Nymphaea  hat  er  lange,  unregelmäßig  gewTindene, 
ziemlich    dicke    Fäden,    welche    sich    mit    Eisenhämatoxylin   intensiv 

1  So  sagt  Lewitsky,  indem  er  die  Hauptresultate  seiner  Arbeit  Ȇber  die 
Chondriosomen  in  pflanzlichen  Zellen«  zusammenfaßt: 

»Die  früheren  Angaben,  daß  die  im  Cytoplasma  der  tierischen  Zellen  vor- 
handenen spezifischen  Zellorganula,  die  sogenannten  Chondriosomen,  auch  dem 
pflanzlichen  Cytoplasma  eigen  sind,  finden  durch  meine  Unter- 
suchung völlige  Bestätigung.  Die  Chondriosomen  dürfen  daher  als  ein 
wesentlicher  Teil  des  Cytoplasmas  im  allgemeinen  gelten. « 

2  G.  Lewitsky,  Über  die  Chondriosomen  in  pflanzlichen  Zellen.  Ber.  d. 
Deutsch,  bot.  Ges.     Bd.  XXVIIL     lOIL 


ZfiistudiL'ii.  I.  463 

schwarz  gefärbt  haben,  gefunden  und  abgebildet:  dieselben  stellen 
nach  ihm  nichts  andres,  als  die  von  tierischen  Zellen  be- 
kannten Chondriomiten  dar.  Etwas  Ähnliches  hat  Tischler 
ebenfalls  in  den  Tapetenzellen  bei  Ribes  gesehen  und  als  »Chromi- 
dialsubstanz  in  Strängen  und  Fäden  im  Plasma«^  bezeich- 
net; er  läßt  dieselben  von  dem  aus  dem  Kerne  heraus- 
tretenden  ,Chromidialpartikelchen'    stammen^  .  .  . 

Vor  einigen  Monaten  untersuchte  ich  verschiedene  Pflanzenteile, 
die  mit  ,BENDAscher  Flüssigkeit'  (15  ccm  l%ige  Chromsäure,  4  ccm 
2%ige  Osmiunif^äure,  3 — 5  Tropfen  Eisessig)  fixiert  und  nach  Meves- 
schem  Eisenhämatoxylinverfahren^  gefärbt  wurden.  In  allen  Fällen 
habe  ich  denen  von  Meves  and  andern  als  ,Chondriosomen'  bezeich- 
neten ganz  analoge  Strukturen  gefunden  .  .  .  Außer  BENDAscher 
Flüssigkeit  bediente  ich  mich  noch  des  Gemisches  von  10%igem  For- 
malin  (85  T.)  und  l%iger  Chromsäure  (15  T.)  mit  nachfolgender  Be- 
handlung mit  starkem  Flemming  ohne  Eisessig  (5  Tage).  Die  Resultate 
waren  dieselben. 

Nach  dieser  letzten  Methode  \vurden  unter  andern  Objekten  auch 
die  "Wurzeln  der  Keimlinge  von  Pisum  sativum  fixiert.  Von  diesen 
sind  zwei  Zellen  auf  Fig.  1  abgebildet.  Die  intensiv  schwarz  gefärbten, 
scharf  abgegrenzten  Fäden,  welche  in  der  Zeichnung  sofort  auffallen, 
entsprechen  vollkommen  ihrem  Aussehen  nach  den  ,Chondriokonten' 
der  tierischen  Zellen.  Beziehungen  zum  Kern,  wie  solche  Gold- 
schmidt* für  seinen  Chromidialapparat  lebhaft  funktionierender  Zellen 
angibt,  konnte  ich  für  die  eben  besprochenen  Gebilde  in  keinem  Falle 
nachweisen.  Im  Gegenteil,  ein  abweichendes  Färbungsverhalten, 
das  die  Chondriosomen  einerseits  und  das  Chromatin  ander- 
seits zeigen,  läßt  sich  in  manchen  Fällen  ganz  deutlich  be- 
obachten. Ein  solcher  Fall  ist  gerade  auf  Fig.  1  ersichtlich.  Während 
die  Chondriosomen  hier  ungemein  scharf  hervortreten,  ist  das  Chromatin 
der  sich  teilenden  Kerne  fast  ungefärbt  geblieben  und  sieht  wie  gequollen 
aus.  Ganz  analoge  Verhältnisse  sind  nach  Meves'  Zeichnungen  in  den 
Zellen  des  Hühnerembryos  zu  beobachten  .  .  .  Fig.  2  zeigt  die  Chon- 
driosomen im  Plasma  einer  Pollenmutterzelle  in  Diakinese.  Man  sieht 
da  unregelmäßig  gebogene,  ziemlich  zarte,  etwas  variköse  und  ver- 


1  Jahrb.  f.  wiss.  Bot.     Bd.  XLII.     1906. 

~  Von  mir  gesperrt.     Stauffacher. 

3  Archiv  f.  mikr.  Anat.     Bd.  LXX. 

■*  Zool.  Jahrb.,  Abt.  f.  Anat.  u.  Ontog.     Bd.  XXI.     1905. 

31  = 


464  Hch.  Stauffacher, 

schieden  stark  gefärbte  Fädeni.  Auch  einige  Körner  sind  da. 
An  manchen  Fäden  bemerkt  man  ihre  Zusammensetzung 
aus  Körnchen,  welche  in  einem  weniger  färbbaren  Stroma 
eingelagert  sind^    .  .  .<< 

In  seinen  »Vergleichenden  Untersuchungen  über  die  Chondrio- 
.somen  in  lebenden  und  fixierten  Pflanzenzellen  (Ber.  d.  D.  bot.  Ges. 
Bd.  XXIX.  1912)  untersucht  sodann  Lewitsky  die  verschiedenen 
Fixierungsflüssigkeiten  auf  ihre  Brauchbarkeit.  Er  unterscheidet 
dabei  brauchbare,  »die  wahre  Struktur  des  Cytoplasmas  konservierende  <<, 
oder  wie  er  sich  ausdrückt,  >>chondriosomenerhaltende<<  Flüssigkeiten 
von  »chondriosomenzerstörenden«.  Zu  den  ersten  gehören  die  Benda- 
sche  Mischung  mit  oder  ohne  Essigsäure,  das  ALTMANNsche  Gemisch, 
Y2%^ge  Osmiumsäure,  10%iges  Formalin  und  das  schwache  Flem- 
MiNGsche  Gemisch.  Chondriosomenzerstörend  sind  vor  allem  die  Alko- 
hol führenden  Fixierungsmittel.  Aber  außer  der  Zerstörung  der  Chon- 
driosomen  haben  diese  Flüssigkeiten  noch  andere  schädliche  Wirkungen, 
die  sich  vor  allem  in  der  Bildung  von  Gerinnseln  in  der  Grundsubstanz 
äußern. 

Zu  diesen  Äußerungen  Lew^tskys  möchte  ich  formell  zunächst 
Stellung  nehmen. 

In  erster  Linie  ist  darauf  hinzuweisen,  daß  der  Ausdruck  »Benda- 
sche  Lösung«  nicht  gerechtfertigt  ist;  es  ist  dies  vielmehr  Flemmings 
starkes  Gemisch,  wie  aus  folgender  Gegenüberstellung  ohne  weiteres 
ersichtlich  ist: 

(15  ccm  l%ige  Chromsäure, 
4  ccm  2%ige  Osmiumsäure, 
3 — 5  Tropfen  Eisessig. 

15  Maßteile  l%ige  Chromsäure, 


Flemmings  starkes  Gemisch 
(s.  Zeitschr.  f.  wiss.  Mikr. 
Bd.  I.  1884.  S.  349). 


4         »  2%ige  Osmiumsäure 

1         >>  oder  weniger,  Eisessig. 


Einem  objektiven  Zuschauer  muß  es  daher  unbegreiflich  erscheinen, 
wie  man  hier  die  Zusammenstellung  eines  Fixiermittels  Benda  zu^ 
schreiben  kann,  während  Flemming  lange  vorher  genau  dasselbe  Ge- 
misch in  die  Cytologie  einführte. 

Eine  solche  Usurpation  ruft  aber  unter  Umständen  nicht  bloß 
einen  Prioritätsstreit  hervor ;  sie  kann  vielmehr  schlimmere  Folgen  haben 
und  dazu  führen,  daß  die  klare  Situation  verdeckt  wird  und  Wirrwar 


1  Von  mir  gesperrt.     Stauffacher. 


Zfllstudicn.   1.  405 

an  ihre  Stelle  tritt.  Und  das  ist  hier  tatsiichUch  der  Fall.  Oben  haben 
wir  gehört,  daß  Lewitsky  nur  das  schwache  FLEMMiNGsche  Gemisch 
als  »Chondriosomenerhaltend <<  bezeichnete;  sofort  wird  der  nicht 
absolut  kritikfähige  Leser  die  Frage  stellen:  Warum  ist  nicht  auch 
das  starke  FLEMMiNGsche  Gemisch  >>chondriosomenerhaltend<<?  Weiß 
er  nicht,  daß  >>Benda<<  (.>  chondriosomenerhaltend «)  nichts  andres  ist 
als  Flemmings  starkes  Gemisch  und  fehlt  ihm  die  Gelegenheit  der  Nach- 
frage oder  Nachprüfung,  so  bleibt  für  ihn  nichts  übrig,  als  die  Annahme, 
daß  die  Chondriosomen  nur  unter  ganz  bestimmten  Bedingungen  auf- 
zeigbar seien  und  daß  die  geringfügigsten  Variationen  der  letzteren 
bereits  vernichtend  auf  jene  Gebilde  einwirken  müssen.  Sollte  dies 
bewiesen  werden  können,  dann  wäre  allerdings  die  Möglichkeit,  daß 
wir  es  in  den  »Chondriosomen <<  mit  Zellorganen  zu  tun  haben,  die 
lange  Zeit  übersehen  wurden,  ernsthaft  ins  Auge  zu  fassen.  Um  diesen 
Beweis  handelt  es  sich  denn  auch  ohne  Zweifel  bei  Lewitsky;  aber 
gleich  sein  erster  Versuch  endet  in  einer  Täuschung,  die  dadurch  mög- 
lich wurde,  daß  willkürlich,  ohne  jegliche  Veranlassung  und  ohne 
Kompromiß,  die  Terminologie  abgeändert  wurde.  Und  mit  den  weiteren 
Beweisen,  die  Lewitsky  zu  erbringen  versucht,  ist  es  —  wie  wir  bald 
sehen   werden  —  nicht  besser  bestellt. 

Lewitsky  macht  2)  auf  das  »MEVESsche  Eisenhämatoxylinverfah- 
ren<<  aufmerksam.  Unwillkürlich  greift  man  zu  Band  LXX  des  Arch. 
f.  mikr.  Anat.  um  die  Methode  kennen  zu  lernen  und  ist  im  höchsten 
Grade  erstaimt,  an  ihrer  Stelle  Heidenhains  Vorschriften  und  zwar 
bis  ins  Detail  vorzufinden,  wie  ja  auch  aus  der  Darstellung  auf  S.  2 
der  vorliegenden  Abhandlung  klar  hervorgeht.  Die  Änderung,  die 
Meves  anbringt,  besteht  lediglich  darin,  daß  er  >>  zwölf  Objekt- 
träger .  .  .  gleichzeitig  in  Behandlung  nimmt  .  .  .  und  diese  aus 
der  Beizflüssigkeit  in  kleinen  Intervallen  nacheinander  wieder 
herausnimmt«  (s.  S.  394  dieser  Abhandlung)  und  so  etwas  genügt, 
um  das  altbekannte  HEiDENHAiNsche  Verfahren  durch  Lewitsky 
plötzlich  in  eine  MEVESsche  Methode  umzustempeln,  während  Meves 
selbst  bekennt,  daß  er  zur  Färbung  »Eisenhämatoxylin  nach 
der  Vorschrift  von  M.  Heidenhain  benutzt  habe«.  —  Auch 
dieser  willkürlichen  Handlungsweise  Lewitskys  stehe  ich  persönlich 
absolut  verständnislos  gegenüber. 

Wenn  wir  uns  weiter  in  den  Methoden  umschauen,  die  Lewitsky 
anwendet,  um  die  »Chondriosomen«  sichtbar  zu  machen,  so  fällt  be- 
sonders seine  Behandlung  der  Gewebe  mit  Formalin  auf:  »Ich  be- 
diente mich  des  Gemisches   von   lÜ%igeni  Formalin   (85  Teile)    und 


466  Hch.  Stauffacher, 

l%iger  Chromsäure  (15  Teile)  mit  nachfolgender  Behandlung  mit 
starkem  Flemming  ohne  Eisessig  (5  Tage).« 

Wie  kommt  Lewitsky  nun  plötzlich  auf  die  starke  FLEMMiNGsche 
Lösung?  Warum  verwendet  er  jetzt  nicht  auch  den  »schwachen 
Flemming«,  den  er  doch  unmittelbar  vorher  als  »chondriosomenerhal- 
tend«  bezeichnet,  während  der  »starke  Flemming«  mit  keiner  Silbe 
erwähnt  wurde?  Und  wenn  Lewitsky  doch  einmal  den  »starken 
Flemming«  nach  dem  Gemisch  aus  Formalin  +  Chromsäure  anwenden 
will,  weshalb  läßt  er  nicht  probeweise  auch  die  schwache  FLEMMiNG- 
sche Lösung  einwirken?  Das  läge,  meiner  Meinung  nach,  doch  sehr 
nahe.  Oder  befürchtet  Lewitsky  vielleicht,  daß  ihm  das  »chondrio- 
somenerhaltende «  schwache  FLEMMiNGsche  Gemisch  nunmehr  nicht 
diejenigen  Resultate  liefert,  die  er  erwartet? 

Und  weshalb  läßt  Lewitsky  starken  Flemming  ohne  Eisessig 
einwirken?  Kein  Mensch  sieht  den  Grund  ein,  warum  auf  einmal  die 
Essigsäure  verpönt  sein  soll,  während  doch  sonst  ihr  Zusatz  zur  Osmium- 
säure vorteilhaft  wirkt  und  Lewitsky  (loc.  cit.  S.  544)  selbst  betont, 
»daß  auf  dem  minimalen  Gehalt  an  Essigsäure  in  Bendas  Flüssigkeit 
(also  starkem  Flemming!)  das  Erhaltenbleiben  von  Chondrio- 
somen  bei  der  Fixierung  beruhe«.  —  Überhaupt  ist  die  Idee 
im  höchsten  Grade  befremdend,  nach  dem  Gemisch  von  Formalin  und 
Chromsäure  den  Geweben  noch  eine  5tägige  Nachkur  in  »starkem 
Flemming  ohne  Eisessig«  zu  verschreiben.  Verständlicher  wäre  die 
Umkehrung  dieses  Verfahrens,  dann  könnte  man  sich  das  'Formalin 
wenigstens  als  Mittel  zur  Härtung  der  Gewebe  vorstellen. 

Die  Reihenfolge,  in  der  Lewitsky  die  Chemikalien  zur  Anwendung 
bringt,  könnte  zunächst  den  Verdacht  erwecken,  daß  das  10%ige 
Formalin  trotz  der  Unterstützung  durch  die  Chromsäure  als  Fixierungs- 
mittel nicht  genüge.  Aber  warum  wendet  Lewitsky  es  dennoch  an? 
Ein  verpfuschtes  Präparat  wird  durch  noch  so  lange  Behandlung  mit 
»starkem  Flemming«  kaum  mehr  brauchbar.  Oder  tritt  endlich  auch 
hier  der  gewünschte  Effekt  erst  ein,  wenn  jene  Nachbehandlung  wirk- 
lich erfolgt?  Wozu  dann  die  Vorbehandlung  mit  Formalin?  Und 
warum  muß  es  gerade  10%iges  Formalin  sein?  Bietet  eine  9-  oder 
8%ige  Lösung  kein  Äquivalent  für  eine  10%ige? 

Nun  aber  kommt  das  Interessanteste  in  dem  Wirrwar,  den  Le- 
witsky in  wenigen  Sätzen  angerichtet  hat:  Unter  den  »chondriosomen- 
erhaltenden«  Mitteln  figuriert  in  der  zweiten  Abhandlung  dieses  Autors 
nun  plötzlich  das  10%ige  Formalin  !  —  Das  10%ige  Formalin  ganz 
allein.     Wo  bleibt  denn  wieder  die   »starke  FLEMMiNGsche  Lösung«? 


Zcllsliulicn.    T.  467 

Lewitsky  hat  ja  gar  incht  mit  10%igem  Formalin  allein  experimen- 
tiert. Ist  es  nun  erlaubt,  mit  10%igem  Formalin  unter  nachträglicher 
ötägiger  Behandlung  mit  »starkem  Flemming<<  seine  Resultate  fest- 
zustellen, um  diese  alsdann  auf  Konto  des  10%igen  Formalins  zu 
setzen?  Dagegen  möchte  ich  allerdings  energische  Verwahrung  ein- 
legen; lassen  wir  derartige  "Willkürliclikeiten  passieren,  so  verlieren 
wir  gar  bald  den  Kompaß  in  unserm  wissenschaftlichen  Betrieb. 

Hätte  Lewitsky  auch  nur  ein  einziges  Präparat  mit  Formalin 
allein  (d.  li.  mit  10%igem  Formalin  +  l%iger  Chromsäure)  fixiert,  so 
würde  er  zur  Überzeugung  gekommen  sein,  daß  der  Anblick  des  mit 
Hämatoxylin  gefärbten  Schnittes  ein  anderer  ist,  wie  wenn  er  das  Objekt 
der  Nachbehandlung  mit  »starkem  Flemming«  unterwirft;  er  hätte 
alsdann  erfahren,  daß  die  starke  FlemmingscIic  Lösung  (mit  oder 
ohne  Eisessig)  erst  den  Effekt  erzeugt,  der  dem  Autor  das  Formalin 
unter  die  >> chondriosomenerhaltenden <<  Mittel  einzureihen  erlaubt: 
Lewitsky  hätte  erfahren,  daß  das  10%ige  Formalin  (+l%Cr03) 
nicht  mehr  und  nicht  weniger  » chondriosomenerhaltend  <<  ist,  wie 
Alkohol. 

Wir  stehen  hier  also  vor  einer  ganz  ähnlichen  Täuschung,  wie  sie 
uns  schon  einmal  begegnet  ist.  Dort  glaubten  wir  annehmen  zu  müssen, 
die  starke  FLEMMiNGsche  Lösung  sei  nicht  »chondriosomenerhaltend«, 
weil  sie  unter  der  Bezeichnung  »Bendas«  Gemisch  versteckt  war; 
und  hier  werden  wir  zur  Überzeugung  gedrängt,  das  10%ige  Formalin 
erzeuge  dieselben  Bilder  wie  »Benda«,  V2%ig®  Osmiumsäure,  Alt- 
MANNsches  Gemisch  und  schwache  FLEMMiNGsche  Lösung,  weil  ver- 
schwiegen wird,  daß  der  Fixierung  mit  Formalin  eine  (mehrtägige) 
Nachbehandlung  mit  Flemmings  starker  Mischung  folgte. 

Die  Behauptung  Lewitskys,  das  Formalin  rangiere  als  »chondrio- 
somenerhaltendes  <<  Mittel  inmitten  der  ALTMANNschen  und  Flemming- 
schen  Gemische  hätte  —  ihre  Richtigkeit  vorausgesetzt  —  in  der  Tat 
zum  Aufsehen  mahnen  müssen ;  der  Beweis  ist  aber  nicht  zu  erbringen, 
weil  die  Angabe  Lewitskys  eine  wichtige  Bedingung,  unter  der  das 
Experiment  vorgenommen  wurde,  verschweigt.  —  Ziehen  wir  die 
Korrekturen  in  Betracht,  die  wir  im  Interesse  der  Sache  durchaus  vor- 
nehmen nuißten  und  die  auch  Lewitsky  leicht  selbst  hätte  besorgen 
können,  so  verbleiben  als  >>chondriosomenerhaltende<<  Mittel  im  Sinne 
Lewitskys  : 

ALTMANNsches  Gemisch ; 

V2%ige  Osraiumsäure  (oder  andere  Konzentrationen), 

Flemmixgs  starkes  Gemisch, 


468  ,H.ch.  Stauff acher, 

Flemmings  schwaches  Gemisch;  alle  andern  fixierenden  Medien 
wären  »chondriosomenzerstörend  <<. 

Diese  Zusammenstellung  bringt  nun  sehr  viel  mehr  Klarheit  in 
die  Situation,  wie  wenn  das  schwache  FLEMMiNGsche  Gemisch  >>  chon- 
driosomenerhaltend  <<,  das  starke  dagegen  zerstörend,  vveim  10%iges 
Formalin  »chondriosomenerhaltend  <<,  Alkohol  dagegen  wieder  ver- 
nichtend auf  die  »Chondriosomen <<  einwirken  würde. 

Bei  den  vorhin  genannten  >>chondriosomenerhaltenden«  Mitteln 
fällt  nämlich  ohne  weiteres  auf,  daß  sie  alle  Osmiumsäure  ent- 
halten. Diesem  gemeinsamen  Bestandteil  verdanken  nun  ohne 
Zweifel  jene  Substanzen  den  Vorzug,  den  man  ihnen  von  einer  Reihe 
von  Forschern  vor  andern  fixierenden  Flüssigkeiten  einzuräumen  be- 
strebt ist.  Lewitsky  nennt  sie  geradezu  >>  die  wahre  Struktur  des 
Cytoplasmas  erhaltende  <<.  Aber  selbst  Meves  muß  zugeben  (s.  S.  428 
dieser  Abhandlung),  »daß  der  Kern  infolge  der  starken  Os- 
mierung  völlig  homogen  aussehe«;  von  allen  Seiten  wird  darauf 
aufmerksam  gemacht,  wie  unzuverlässig  die  Osmiumsäure  sei  und 
wie  leicht  Überfixierung  eintrete,  in  welchem  Falle  dann  die  Zellen 
»eigentümlich  homogen  oder  glasig  aussehen,  weil  alle  ihre  Bestand- 
teile infolge  der  Koagulation  das  Licht  so  stark,  brechen,  daß  man 
wenig  oder  gar  keine  Einzelheiten  darin  wahrnehmen  könne«,  (Lee 
und  Mayer,  Grundzüge  d.  mikrosk.  Technik,  1901,  S.  30)  und  auch 
Lewitsky  muß  bekennen  (S.  464  dieser  Abhandlung),  daß  man  in 
manchen  Fällen  eine  Zusammensetzung  der  Fäden  (»Chondriosomen«) 
aus  Körnchen  bemerke,  »welche  in  einem  weniger  färbbaren  Stroma 
eingelagert  sind«.  Ein  solches  »Stroma«  ist  in  der  Tat  vorhanden, 
aber  nicht  nur  in  »manchen  Fällen«,  sondern  immer:  Es  ist  gar  nichts 
anderes  als  die  oxychromatische  Grundsubstanz,  das  eigentUch  struk- 
turierte Plastin.  Und  diese  Struktur  leidet  bei  Überosmierung  zuerst; 
diese  oxyphile  Grundsubstanz  ist  es,  die  alsdann  leicht  »ein  homo- 
genes Aussehen«  annimmt,  so  daß  man  von  ihr  nichts  mehr  Genaues 
wahrnehmen  kann.  Erhalten  bleiben  unter  Quellungserscheinungen 
bis  auf  weiteres  bloß  die  Nucleoproteide  bzw.  die  Nucleinsäuren 
also  das  Basichroma tin ,  das  sich  bei  der  Färbung  in  Hämatoxylin 
um  so  schärfer  und  unvermittelter  vom  Untergrund  abhebt,  je  homo- 
gener letzterer  selbst  ist.  Das  ist  ja  auch  der  Grund,  weshalb  Lewitsky 
seine  Formalinpräparate  noch  der  Einwirkung  von  »starkem  Flem- 
MiNG«  aussetzt  imd  zwar  nicht  weniger  als  5  Tage,  weil  erst  nach  un- 
gefähr dieser  Zeit  die  Silhouette  des  Basichromatins  in  der  Schärfe 
auftaucht,  wie  sie  nötig  ist,  um  die  Meinung  zu  erwecken,  der  Forscher 


Zcllstudicn.    f.  4G9 

stehe  hier  vor  ganz  neuen  Bildungen.  Dieses  Basichromatin  repräsen- 
tiert keineswegs  die  Struktur  des  Cytoplasmas;  es  hat  überhaupt 
keine  Struktur,  es  sei  denn  eine  chemische,  die,  im  Mikroskop  nach- 
zuweisen uns  wohl  nie  beschieden  sein  wird. 

Bei  der  Überosniierung  färben  sich  die  Präparate  schlecht  oder 
gar  nicht  mehr  (Lee  und  Mayer,  loc.  cit.  S.  30);  d.  h.  auch  das  Basi- 
chromatin leidet  nach  und  nach  unter  der  Wirkung  dieser  Substanz. 

Nun  polemisiert  aber  Meves  gegen  Goldschmidt  und  Popoff 
wie  folgt:  .  .  .  >>Auch  davon  kann  keine  Rede  sein,  daß  die  ,Mitochon- 
drien'  sich  in  derselben  Weise  wie  Chromatin  färben;  das  tun  sie  aller- 
dings bei  Anwendung  der  Eisenhämatoxylinmethode ;  aber  dieses  färbt 
eben  alles  und  täuscht  so,  wie  Benda  sagt,  die  wunderbarsten  Ver- 
wandtschaften der  verschiedenartigsten  Gewebsteile  vor«  (F.  Meves, 
Die  Spermatocytenteilungen  bei  der  Honigbiene.  Archiv  f.  mikrosk. 
Anat.    Bd.  LXX.    1907). 

Es  berührt  zunächst  sonderbar,  daß  nach  diesem  Urteil  über  das 
Eisenhämatoxylin verfahren  Meves  dennoch  »zur  Färbung  vorwiegend 
Eisenhämatoxylin  nach  der  Vorschrift  von  M.  Heidenhain  benutzt«. 

Indes  spricht  auch  Lewitsky  —  wie  Meves  —  von  der  färberischen 
Differenz  zwischen  Chromatin  und  den  »Chondriosomen«.  Er  sagt: 
»Beziehungen  zum  Kern,  wie  solche  Goldschmidt  für  seinen  ,,Chromi- 
dialapparat  lebhaft  funktionierender  Zellen"  angibt,  konnte  ich  für  die 
eben  besprochenen  Gebilde  in  keinem  Falle  nachweisen.  Im  Gegen- 
teil, ein  abweichendes  Färbungsverhalten,  das  die  ,Chondriosomen' 
einerseits  und  das  Chromatin  anderseits  zeigen,  läßt  sich  in  manchen 
Fällen!  ganz  deutUch  beobachten.  Ein  solcher  Fall  ist  gerade  auf 
Fig.  1  ersichthch.  Während  die  Chondriosomen  hier  ungemein  scharf 
hervortreten,  ist  das  Chromatin  der  sich  teilenden  Kerne  fast  unge- 
färbt geblieben  und  sieht  wie  gequollen 2  aus.«  (G.  Lewitsky,  Über 
die  Chondriosomen  in  pflanzlichen  Zellen.  Ber.  d.  Deutsch,  bot.  Ges. 
Bd.  XXVIII.  191L  S.  540).  Und  was  beobachtet  denn  Lewitsky  in  den 
vielen  andern  Fällen?  Solch  ein  »anderer  Fall«  liegt  dicht  neben 
seiner  Fig.  1  in  Fig.  2  und  unmittelbar  daneben  in  Fig.  3  und  wiederum 
in  Fig.  6  und  in  Fig.  10  und  wahrscheinlich  auch  in  Fig.  12.  Der  Fall, 
aus  dem  Lewitsky  seine  Konsequenzen  zieht,  ist  also  in  seiner  Taf .  XVII 
umrahmt  von  nicht  weniger  als  vier  Fällen,  die  genau  das  Gegenteil 
von  dem  beweisen,  was  Lewitsky  behauptet.  Ich  bitte  jeden  Zellen- 
forscher,  sich  die  Fig.  2,  3,   6  und   10  genau  anzusehen  und  mir  zu 

1  Von  mir  gesi^errt.     Stauffacher. 

2  Von  mir  gesperrt.     Stauffacher. 


470  Hch.  Stauffacher, 

sawen,  worin  denn  eigentlicli  hier  die  färberische  Differenz  zwischen 
dem  Chromatin  und  den  »Chondriosomen  <<  bestehen  soll.  Derartige 
Vorkommnisse  sind  ja  der  eklatanteste  Beweis  dafür,  daß  die  Tinktion 
nach  der  Osmiumsäurebehandlung  gänzlich  unzuverlässig  ist^.  — 
Daraus  können  wir  wieder  den  Schluß  ziehen,  daß  auch  die  von  Meves 
aus  seinen  mit  Osmiumsäure  fixierten  Präparaten  gezogenen  Konse- 
quenzen nicht  stichhaltig  sind.  Zu  diesem  Resultate  sind  wir  übrigens 
auf  einem  andern  Wege  früher  schon  gekommen,  nämlich  durch  direkte 
Vergleichung  seiner  Objekte  mit  den  durch  Alkohol  fixierten. 

Auf  S.  394  dieser  Abhandlung  haben  war  gesehen,  daß  sich  Meves 
damit  begnügt,  seine  Schlußfolgerungen  auf  »einige  Fälle«,  von  denen 
er  annimmt,  sie  repräsentieren  den  richtigen  Differenzierungsgrad, 
zu  stützen.  Genau  die  gleiche  Erfahrung  machen  wir  bei  Lewitsky: 
»Manche  Fälle«,  in  denen  Chromatin  und  »Chondriosomen«  in  ihrer 
Tinktion  nicht  übereinzustimmen  scheinen,  genügen  ihm,  um  eine 
färberische  Differenz  zwischen  Chromatin  und  »Chondriosomen«  zu 
proklamieren.  Alle  andern  Fälle,  die  den  Erwartungen  nicht  ent- 
sprechen, bleiben  unberücksichtigt  und  der  Verdacht,  die  mangelnde 
Übereinstimmung  zwischen  den  tingierten  Präparaten  könnte  auf  die 
Einwirkung  des  fixierenden  Mediums  zurückzuführen  sein,  regt  sich 
nirgends.  Ich  wiederhole  daher,  was  ich  schon  früher  betont:  In  der 
Chondriosomenforschung  und  in  der  Centrosomenlehre  finden  wir  genau 
dieselben  Schwächen:  Einseitige  Methode  und  willkürliche 
Interpretation  der  durch  sie  gewonnenen  Resultate. 

Angesichts  dieses  Ergebnisses  fällt  die  Behauptung  Lewitskys, 
daß  der  Alkohol  »außer  der  Zerstörung  der  Chondriosomen  noch  andere 
schädliche  Wirkungen  habe,  die  sich  vor  allem  in  der  Bildung  von 
Gerinnseln  in  der  Grundsubstanz  äußern«,  nicht  mehr  schwer  ins 
Gewicht.  Unfehlbar  ist  ja  zugestandenermaßen  auch  der  Alkohol  nicht; 
aber  die  Osmiumsäure  und  ihre  Gemische  sind  erst  recht  geeignet, 
Artefakte  zu  erzeugen  (s.  auch  Fischer,  Fixierung  usw.  S.  28)  und 
eine  unreinlichere  Methode,  wie  die  Osmiumsäure-,  Eisenammonalaun-, 
Hämatoxyhn-,  Eiweiß-,  Glycerinbehandlung  gibt  es  meines  Wissens 
nicht. 

Färbt  man  Schnitte  durch  die  Wurzelspitze  des  Keimlings  von 
Pisum  sativum  mit  Ehrlich-Biondis  Lösung,  so  ergeben  sich  Bilder, 
wie  wir  sie  in  Fig.  27  gezeichnet  finden.    In  erster  Linie  fällt  der  relativ 

1  Heideis^häin  sagt  (loc.  cit.  S.  117):  ».  .  .  osniierte  Präparate  sind  schwierig 
färbbar  und  die  positiven  Resultate  der  Untersuchung  sind  daher  meist  so  gering, 
daß  der  ganze  Erhaltungszustand  nur  schwer  zu  beurteilen  ist. « 


i 


Zoiistudicn.  r.  471 

gewaltige  Nucleolus  auf;  seine  Grundmasse  besteht  —  wie  überall  — 
aus  Oxychromatin.  In  dieser  oxychromatischen  Grundsubstanz  nimmt 
man  wiederum  mit  Leichtigkeit  basichromatische  Elemente  wahr,  wie 
dies  von  mir  nun  öfters  hervorgehoben  wurde.  Mit  großer  Deutlichkeit 
kann  man  auch  die  inneren  Kernbrücken  verfolgen,  die,  vom  Nucleolus 
ausgehend,  in  den  Kern  münden  und  dort  in  basichromatischen  Körn- 
chen oder  Tröpfchen  endigen. 

Einige  dieser  inneren  Kernbrücken  sind  rot,  andere  hingegen 
grün  gefärbt.  Die  Grundsubstanz  ist  aber  in  allen  Fällen  oxychro-' 
matischer  Natur.  Die  gelegentliche  grüne  Deckung  dieser  Strukturen 
kann  ich  niir  auch  hier  nicht  anders  erklären,  als  durch  einen  im 
Momente  des  Zelltodes  erfolgten  Transport  basichromatischen  Materials 
aus  dem  Nucleolus  in  den  Kern.  —  Eine  Membran  ist  auch  bei  diesen 
Nuclei  absolut  unauffindbar.  Dagegen  erkennt  man  äußere  Kern- 
brücken, die  ins  Cytoplasma  hinüberreichen.  Auch  diese  Strukturen 
sind  teils  rot,  teils  grün  tingiert.  Diese  äußeren  Kernbrücken  münden 
ebenfalls  regelmäßig  in  Tröpfchen  oder  Körnchen,  d.  h.  ihr  distales 
Ende  ist  mit  mikrosomalen  Portionen  einer  Substanz  besetzt,  deren 
Grünfärbung  oft  recht  deutlich  ist,  während  anderswo  eine  dunkelrote 
Nuance  an  ihre  Stelle  tritt,  in  welchen  Fällen  die  oxy chromatische 
Unterlage  der  basichromatischen  Elemente  an  dem  färberischen  Effekt 
stark  partizipiert.  —  An  diese  endständigen  Tröpfchen  der  äußeren 
Kernbrücken  reihen  sich  nun  ähnliche  Tröpfchen  perlschnurartig  an 
und  solche  Ketten  oder  Reihen  basichromatischer  Elemente  erstrecken 
sich  in  mehr  oder  weniger  gewundenem  Verlauf  oft  weit  ins  Cyto- 
plasma hinein.  Das  Bild  ist  nicht  anders  zu  erklären  als  durch  die 
Annahme,  daß  Tröpfchen  um  Tröpfchen  des  basichromatischen  Ma- 
terials aus  dem  Kern  ins  Cytoplasma  hinüberfließt  und  zwar  auf  oxy- 
chromatischer  Unterlage,  die  allein  in  Bewegung  ist  und  an  deren 
Strömung  die  basichromatischen  Elemente  passiv  teilnehmen;  denn 
auch  hier  ist  nicht  die  leiseste  Andeutuno;  von  einer  aktiven  Bewegung 
der  letzteren  zu  finden.  —  Solche  ketten-  oder  rosenkranzförmigen 
Gebilde,  die  kürzer  oder  länger,  gestreckt  oder  mehr  oder  weniger 
gewunden  sein  können,  trifft  man  nun  auch  in  größerer  Entfernung 
vom  Kern  und  zwar  sowohl  im  Innern  der  Zelle,  wie  am  Rande  der- 
selben an,  wenn  auch  ihre  randständige  Lage  —  offenbar  infolge  der 
an  der  Zellperipherie  erfolgenden  intensiveren  Strömung  der  oxy- 
chromatischen Grundsubstanz  —  eine  häufigere  ist.  Neben  diesen 
Bildungen  finden  wir  im  Cytoplasma  häufig  einzelne  solcher  Körnchen, 
wie  wir  sie  soeben  in  Verbänden  kennen  gelernt  haben  oder  es  tritt  der 


472  Hch.  Stauffacher, 

Fall  ein,  daß  die  isolierten  Körnchen  überwiegen  oder  gepaart,  »hantel- 
förmig<<  usw.  auftreten.  Immer  aber  sind  es  basichromatiscbe  Ele- 
mente auf  oxycliromatisclier  Unterlage,  die  samt  und  sonders  dem 
Kern  und  damit  in  letzter  Linie  dem  Nucleolus  entstammen.  Ihre 
basichromatisehe  Natur  ist  —  soweit  die  Grünfärbung  in  Ehrlich- 
BiONDi  nicht  ohne  Weiteres  hervortritt  —  auf  die  weiter  vorn  ange- 
gebene Art  leicht  festzustellen. 

Die  basichromatischen  Elemente  des  Cytoplasmas  werden  um  so 
spärlicher,  je  weiter  die  Zellen  von  der  fort  wachsenden  Wurzelspitze 
entfernt  sind.  Jene  nucleinhaltigen  Portionen  dominieren  also  auch 
im  vorliegenden  Falle  wiederum  da,  wo  der  Vorgang  des  Wachstums 
und  des  Stoffwechsels  sich  in  intensiver  Weise  abspielt:  Diese  vege- 
tativen Prozesse  sind  —  wir  mögen  hinblicken  wohin  wir  wollen  — • 
abhängig  von  reichlichen  Mengen  von  Nucleinstoffen,  die  aus  dem 
Kern  ins  Cytoplasma  hinüber  befördert  werden. 

In  der  Basis  des  Fruchtknotens  von  Chrysanthemum  Leucanthemum 
habe  ich  übrigens  Zellen  angetroffen,  in  denen  die  oben  besprochenen 
Körnchen  und  Fäden  des  Cytoplasmas  in  Ehrlich-Biondi  ohne  weiteres 
prachtvoll  grün  erscheinen,  ohne  daß  etwa  eine  Verdauung  oder  Ab- 
blassung des  Oxychromatins  notwendig  gewesen  wäre.  Die  Fäden  sind 
deutlich  rosenkranzförmig,  aus  hintereinander  gereihten  basichromati- 
schen Kügelchen  bestehend  und  eines  dieser  Gebilde  sieht  man  eben 
einer  äußeren  Kernbrücke  entquellen  (Fig.  28,  Taf.  XI).  —  Auch  im 
Nucleolus  kann  man  basichromatisehe  Elemente  mit  der  größten 
Deutlichkeit  nachweisen.  Hätten  war  diese  Zelle  mit  Osmiumsäure- 
gemischen fixiert  und  mit  Hämatoxylin  gefärbt,  so  würde  sich  — 
besonders  bei  »Überosmierung«  und  damit  Hand  in  Hand  gehendem 
Homogenwerden  der  Grundsubstanz  —  ein  Bild  ergeben  haben,  wie 
wir  es  in  Fig.  30,  Taf.  XX,  gezeichnet. 

Ein  Teil  der  in  Alkohol  fixierten  Zellen  aus  der  Wurzel  des  Keim- 
lings von  Pisum  sativum  wurde  ferner  mit  Hämatoxylin  (nach  der 
Vorschrift  Heidenhains)  gefärbt.  Fig.  29,  Taf.  XI,  zeigt  die  bei 
lOOOfacher  Vergrößerung  des  Mikroskops  aufgenommene  Photographie 
einer  Partie  dieser  Präparate.  Es  ist  klar,  daß  ein  durch  Mikrophoto- 
graphie hergestelltes  Bild  in  verschiedenen  Beziehungen  in  Nachteil 
ist  gegen  eine  durch  Handzeichnung  erhaltene  Keproduktion.  1)  kon- 
zentriert sich  der  Zeichnende  auf  das  Hauptsächliche;  er  läßt  alles 
was  nicht  notwendig  zum  Thema  gehört,  weg.  2)  Er  hebt  das  zu  De- 
monstrierende unwillkürlich  hervor,  schärfer  und  größer  vielleicht,  als  es 
das  mikroskopische  Bild  tatsächlich  zeigt.    3)  Er  wird  nicht  nur  eine 


Zellstudien.  I.  473 

optische  Ebene  möglichst  genau  absuchen,  sondern  auch  die  tieferen 
lind  höheren  Lagen  des  Schnittes ;  er  wird  also  eventuell  im  vorliegen- 
den Fall  nicht  nur  die  »Chondriosomen «  einer  Ebene,  sondern  — um 
ein  möglichst  sprechendes  Bild  zu  erzeugen  —  auch  diejenigen  der 
tieferen  und  höheren  Lagen  in  seiner  Zeichnung  aufnehmen.  Das  ist 
ja  ohne  Zweifel  alles  erlaubt,  sofern  der  Forscher  nicht  notiert,  was  er 
in  seinen  Objekten  nicht  einwandfrei  zu  sehen  imstande  ist. 

Bei  osmierten  Präparaten  tritt  alsdann  4)  noch  eine  Erscheinung 
auf,  die  auch  Meves  hervorhebt  und  die  bei  der  Untersuchung  des 
Chromatins  unter  Umständen  gewisse  Vorteile  aufweisen  kann.  Die 
oxychromatische  Grundmasse  wird  homogen  und  es  hebt  sich  davon 
das  durch  Hämatoxylin  schwarz  gefärbte  Chromatin  in  höchster 
Schärfe  ab. 

Trotz  der  genannten  unleugbaren  Vorteile  der  zeichnerischen 
Wiedergabe  osmierter  Präparate  über  die  photographische  nicht  os- 
mierter  Objekte  —  welche  Vorteile  selbstredend  schon  den  besprochenen 
MEVESschen  Figuren  zugute  kommen  —  läßt  sich  die  Fig.  29,  Taf.  XI, 
doch  ohne  weiteres  mit  den  LEWiTSKYscheu  Bildern  der  Taf.  X\T^I 
(Bei.  d.  D,  bot.  Ges.  Bd.  XXVIII)  vergleichen,  sofern  wir  einstweilen 
die  Fig.  7,  8,  14  und  19  unberücksichtigt  lassen,  weil  wir  sie  später 
an  die  Reihe  zu  nehmen  gedenken.  Legen  wir  einer  der  Zellen  unsrer 
Fig.  29  die  LEWixsKYsche  Zeichnungsart  der  Taf.  XVII  zugrunde,  so 
erhalten  wir  die  Fig.  31,  die  an  Vergleichsfähigkeit  mit  Lewitskys 
Bildern  —  etwa  mit  Fig.  17  —  gewiß  so  wenig  zu  wünschen  übrig 
läßt,  daß  wir  uns  allen  Ernstes  fragen  müssen,  ob  diesem  Forscher 
wirklich  gute  mit  Alkohol  fixierte  Präparate  zur  Verfügung  standen. 

Über  seine  Alkoholpräparate  äußert  sich  Lewitsky  —  ohne  eine 
Abbildung  beizubringen  —  wie  folgt  (loc.  cit.  S.  544):  »Einige  Keim- 
linge von  Asparagus  officinalis  wnirden  auch  mit  Alkohol  (3  Tage)  und 
Eisessig  (1  Tag)  fixiert.  Von  diesen  wurden  die  Stengelspitzen  mit 
Eisenhämatoxylin  und  Lichtgrün  gefärbt.  In  den  dritten  und  vierten 
Zellenschichten  von  oben,  wo  man  in  den  nach  Benda  fixierten 
Präparaten  die  schon  ausgebildeten,  ziemlich  großen  »Chromato- 
phorenhanteln«  findet  (Fig.  6),  war  nichts  davon  zu  sehen:  nur  das 
gewöhnliche  netz  wabige  »Plasmagerüst  <<  war  da.  Ob  die  hier  stellen- 
weise hervortretenden  etwas  dichteren  und  stärker  gefärbten  Ver- 
dickungen des  Gerüstes  den  Chondriosomen  entsprächen,  war  schwie- 
rig zu  entscheiden^.     Erst  etwas  weiter  von  der  Stengelspitze  in 


1   Von  mir  gesperrt.     Stauff ACHER. 


474  Hch.  Stauffacher, 

dem  jungen  Assimilationsparenchym  ließen  sicli  verschwommene 
lockere  Gebilde  wahrnehmen,  die  ihrem  Aussehen  nach  bald  den  jungen 
Chloroplasten  (wie  in  Fig.  8),  bald  stäbchenförmigen  Chondriokonten 
ähnelten.  Die  fertigen  Chromatophoren  dagegen  waren  auch  in  diesem 
Fall  wohl  erhalten ;  sie  glichen  den  in  Fig.  9  abgebildeten.  << 

Lewitsky  wagt  also  an  Hand  seiner  Objekte  nicht  zu  entscheiden, 
ob  nicht  gewisse  Erscheinungen  in  den  Alkoholpräparaten  doch  den 
Chondriosomen  entsprechen.  Weshalb  stellt  er  nun  kurzerhand  den 
Alkohol  zu  den  »Chondriosomen «zerstörenden  Mitteln?  Und  wenn  die 
Mischung  aus  3  Teilen  (absol.?)  Alkohol  und  1  Teil  Eisessig  die  schwe- 
bende Frage  ungelöst  läßt,  weshalb  wendet  Lewitsky  alsdann  nicht 
auch  andere  Konzentrationen  des  Fixiermittels  an  ?  Er  liest  doch  auch 
eine  ganz  bestimmte  Formalinlösung,  nämlich  die  10%ige  aus.     Und 

—  sollten  die  Resultate  immer  noch  nicht  entscheidend  sein  —  weshalb 
läßt  schließlich  Lewitsky  nicht  auch  auf  die  Alkoholfixation  »starken 
Flemming  ohne  Eisessig«  folgen,  wie  dies  nach  der  Fixierung  mit 
Formalin  geschah,  die  ja  an  und  für  sich  scheints  auch  nicht  genügte?  — 
Was  endlich  Lichtgrün  hier  zur  Entscheidung  beitragen  soll,  ist  mir 
persönlich  unerfindlich. 

Die  »Chondriosomen«  Lewitskys  sind  nichts  anderes,  als  basi- 
chromatische  Elemente,  die  den  Kern  entstammen.  Diese  Beziehung 
zwischen  Kern  und  »Chondriosomen«  bzw.  »Chondriokonten«  ist 
bereits   von   Goldschmidt  i   und   Tischler^   hervorgehoben   worden. 

Die  Bemerkung  Lewitskys  (loc.  cit.  S.  65),  daß  die  Fäden  ganz 
isoliert  im  Cytoplasma  verlaufen,  widerspricht  der  basichromatischen 
Natur  dieser  Elemente  durchaus  nicht;  denn  bei  der  Osmierung  wird 

—  wie  wir  bereits  gehört  —  die  Grundsubstanz  mehr  oder  weniger 
homogen  und  durch  Hämatoxylin  ist  sie  nicht  färbbar,  so  daß  in  diesem 
Fall  in  der  Tat  die  basichromatischen  Portionen  des  Cytoplasmas, 
gleichgültig  ob  Körnchen  oder  ihre  perlschnurartigen  Aufreihungen 
zu  fadenförmigen  Gebilden,  den  Eindruck  erwecken,  als  schwebten 
sie  isoliert  in  der  Zelle.  Hätte  Lewitsky  nicht  einseitig  auf  seine 
Osmiumpräparate  aufgebaut,  so  würde  er  wohl  zu  einem  andern  Schluß 
gekommen  sein. 

Auch  die  Behauptung,  daß  man  die  »Chondriosomen«  in  lebenden 
Zellen  etwa  herumkriechen  sehe,  erschüttert  meinen  Standpunkt,  daß 
jene  Gebilde  lediglich  dem  Kern  entstammende  Basichromatinportioneu 


1  Zool.  Jalirb.,  Abt.  f.  Anat.  u.  Ontog.     Bd.  XXT.     1905. 

2  Jahrb.  f.  wiss.  Bot.     Bd.  XLII.     1906. 


Zellstudicn.   T.  '  475 

seien,  nicht  im  Geringsten.  Denn  letztere,  wenn  sie  aus  dem  Nucleolus 
(bzw.  Nucleolus)  ins  Cytoplasma  hinausgelangen  wollen,  müssen  sich 
ja  auch  bewegen  und  diese  Dislokation  basichromatischer  Tröpfchen 
habe  ich  in  den  Zellen  der  Froschlaichalge  {Batrachospermum)  oft 
genug  beobachtet. 

Dasselbe  hat  ohne  Zweifel  Gaidukov  gesehen,  wenn  er  sagt^ 
(S.  50) :  »Er  (der  Kern  der  Blumenstaubhaare  von  Tradescantia)  ist 
amöbenartig,  verändert  ständig  seine  Form  und  enthält  ebenfalls 
bewegliche  Teilchen^,  die  aber  größer  sind,  als  die  vom  Proto- 
plasma und  sehr  nahe  aneinander  liegen.  Leider  konnte  ich  die  Kern- 
teilung bis  jetzt  nicht  beobachten.  Es  scheint,  daß  dieses  feine  Objekt 
durch  die  starke  Beleuchtung  sehr  leidet.  Ich  konnte  nur  die  Stadien 
beobachten,  in  denen  der  Zellkern  sehr  unruhig  war.  Dabei^  traten 
einige  Zellkernteilchen  (Chromidien  ?)  aus  dem  Zellkern  ins 
Protoplasma  und  bewegten  sich  dort  weiter.« 

Opponieren  muß  ich  bloß  gegen  die  Bezeichnung  »herumkriechen«. 
Tatsächhch  ist  nämlich  die  Bewegung  keine  Kriechbewegung,  also 
keine  Eigenbewegung  jener  Elemente;  sie  fließen  vielmehr  in  der 
Zelle  herum  und  zwar  passiv,  im  Strom  der  oxychromatischen  Grund- 
substanz. 

Nach  dieser  Identifizierung  der  Chondriosomen  mit  den  dem  Kern 
entstammenden  basichromatischen  Elementen,  würde  die  Lehre  Le- 
wiTSKYs  und  andrer  Forscher  über  die  Bildung  der  Chlorophyllkörner 
mit  meinen  eigenen  Beobachtungen  und  Anschauungen  über  die 
Entstehung  dieser  Gebilde  eine  gewisse  Übereinstimmung  zeigen, 
wobei  allerdings  zu  bedenken  ist,  daß  Lewitsky  das  Oxychromatin 
vernachlässigt,  das  auch  die  Grundsubstanz  der  Chlorophyllkörner 
bildet. 

AnläßUch  der  Tagung  der  schweizerischen  naturforschenden  Ge- 
sellschaft in  Basel  im  Jahre  1910  hielt  ich  dort  einen  Vortrag  3,  in  welchem 
ich  die  Anteilnahme  von  Basi-  und  Oxychromatin  des  Kernes  an  der 
Bildung  der  Chlorophyllkörner  hervorhob  und  mit  zahlreichen  Ab- 
bildungen und  Präparaten  belegte.  Aus  dem  kurzen  Resümee  über 
meine  Ausführungen  möchte  ich  hier  das  Folgende  herausgreifen: 

»Bei  meinen  fortgesetzten  Studien  am  Kernrande  pflanzlicher  und 


1  X.  Gaidukov,    Dunkflfoldbelcuclitung     und   ültraniikroskopie     in     der 
Biologie  und  in  der  Medizin.      1910.     Jena,  G.  Fischer. 

2  Von  mir  gesperrt.     Stauffacher. 

3  Verhandlungen  der  Schweiz.  Naturforschcnden  Gesellschaft.     03.  Jahres- 
versammlung.    Basel  1910.     Bd.  I. 


476  Hch.  Stauffaclier, 

tierischer  Zellen  fiel  mir  schon  längst  die  eigenartige  und  ohne  Zweifel 
innige  Beziehung  zwischen  dem  Kern  pflanzlicher  Zellen  und  den 
Chlorophyllkörnern  auf.  Die  Abhängigkeit  der  Chlorophyllkörner  vom 
Zellkern  ist  besonders  da  sehr  deutlich,  wo  die  ersteren  noch  jung,  also  im 
Entstehen  begriffen  sind.  Es  zeigt  sich  z.  B.  in  solchen  Fällen i,  da 
die  Chlorophyllkörner  den  Nucleus  nicht  nur  dicht  umstellen,  sondern 
(geradezu  in  die  Substanz  des  Kernes  eingebettet  sind,  derart,  daß  dem 
vollkommen  runden  Chlorophyllkorn  eine  ebensolche  Einbuchtung 
im  Kern  entspricht,  die  jenes  genau  faßt.  Zu  beachten  ist,  daß  es  sich 
hier  nicht  etwa  um  eine  Projektion  der  Chlorophyllkörner  auf  den 
Nucleus,  sondern  um  Schnitte  von  2 — 4  f^i  handelt,  welche  die  genannte 
Erscheinung  leicht  und  in  beliebiger  Zahl  zeigen. 

Die  Situation  ist  nur  dadurch  zu  erklären,  daß  wir  annehmen, 
die  Chlorophyllkörner  seien  da,  wo  sie  jetzt  liegen,  entstanden  und 
zwar  aus  dem  Kern.  In  der  Tat  sieht  man  denn  auch  den  Zellkern 
m  dem  Maße  kleiner  werden,  wie  die  Zahl  der  ihn  umlagernden  Chloro- 
phyllkörner sich  vergrößert  und  es  gibt  sehr  viele  Fälle,  wo  nur  noch 
ganz  geringe  Reste  des  Nucleus  zwischen  dem  Kranz  der  Chlorophyll- 
körner übrig  geblieben  sind.  In  andern  Fällen  sind  auch  diese  letzten 
Spuren  des  Kernes  verschwunden;  letzterer  wäre  also  ganz  in  den 
Chlorophyllkörnern  aufgegangen. 

Bei  genauerer  Untersuchung  dieser  Verhältnisse  ergab  es  sich 
ferner,  daß  die  Kernbrücken,  die  ich  früher  beschrieben,  auch  bei  der 
Bildung  der  Chlorophyllkörner  eine  Rolle  spielen  und  den  Stofftrans- 
port zwischen  diesen  und  dem  Kern  besorgen.  Das  vermittelst  dieser 
Kommunikation  am  Nucleus  hängende  Chlorophyllkorn  ähnelt  der 
Seifenblase,  die  man  aus  einem  Röhrchen  bläst. 

>> .  .  .  bei  tausendfacher  Vergrößerung  beobachtet  man  im  Chloro- 
phyllkorn bei  Färbung  in  Ehrlich-Biondi  noch  ein  feines  grünes 
Netz  .  .  .  Die  Fäden  dieses  Netzes  (es  könnten  auch  Wandungen 
eines  Waben  Werkes  sein)  sind  deutlich  grün  gefärbt;  ihre  Durch- 
kreuzungspunkte sind  verdickt  und  diese  Verdickungen  sind  eben- 
falls grün  tingiert.  Das  Netz  besteht  also  mit  samt  seinen  Knoten- 
punkten aus  Basichromatin  .  .  .<<  —  Zwei  Abbildungen,  wie  ich  sie 
meinen  Präparaten  von  Chrysanthemum  Leucanthemum  entnahm  und 
die  denjenigen  in  Basel  demonstrierten  vollständig  entsprechen,  zeigen 
die  Fig.  32  und  33  der  Taf.  XI,  wo  n  der  Kern  und  ch  ein  Chloro- 
phyllkorn ist. 


1  Besonders  eingehend  untersucht  wurde  Fritillaria  imperialis. 


Zrllwtiulion.  1.  477 

c.  Die   kugelf(")riniji,en  Mitochondricn. 

Auf  S.  95  der  »Study  of  tlie  Male  Germ  Cells  in  Notonecta<<^  sagt 
E.N.Browne:  (übersetzt)  >>.  .  ,  Es  ist  also  klar,  daß  die  Mitochon- 
drien  zweierlei  Art  sind:  Fäden  und  Kugeln.  Die  Kugeln  kom- 
men hauptsächlich  um  die  Kernperipherie  herum  vor^  und 
bilden  häufig  einen  vollständigen  Kreis  darum  herum;  die  Fäden  er- 
scheinen gewöhnlich  weiter  draußen  im  Cytoplasma  und  neigen  dazu, 
sich  in  mehreren,  dichten  Klumpen  zu  sammeln. 

Die  Beziehung  zwischen  Fäden  und  Kugeln  s.  Fig.  113. 

Die  Kugeln  zeigen  eine  gekrümmte  Rute  (Faser),  die  sich  am 
Rande  ungefähr  halb  um  den  Umfang  erstreckt;  der  Rest  der  Kugel 
ist  weniger  tief  färbend^.  Durch  ein  allmähliches  Verschwinden 
dieser  weniger  dichten  Substanz  verwandelt  sich  die  Kugel  in  eine 
Faser  oder  vielmehr:  Die  Faser,  welche  schon  in  der  Kugel  war,  wird 
frei.  Ob  die  Fasern  immer  in  dieser  Form  entstehen,  ist  unmöglich 
zu  sagen  .  .  .  Wenn  die  Zelle  sich  teilt,  teilen  sich  auch  die  Mito- 
chondricn massenhaft,  so  daß  jede  Tochterzelle  annähernd  den  gleichen 
Betrag  erhält  .  .  .  << 

Nach  dem,  was  wir  bis  jetzt  erfahren,  müssen  wir  —  E.  N.  Browne 
ergänzend  — beifügen,  daß  man  auch  von  körnchenf  ör  migen  >>Mito<<- 
chondrien  spricht.  Dieser  Ansicht  ist  übrigens  auch  Lewitsky,  wenn 
er  sagt  (Über  d.  Chondriosomen  in  pflanzlichen  Zellen,  S.  544)  :>>....  In- 
teressant ist  es,  daran  zu  erinnern,  daß  die  »auflösende«  Wirkung  von 
Essigsäure  von  Brunn  für  »Körner«  (d.h.  Mitochondria)^  in  den 
Spermatidenkörper  verschiedener  Tiere  bereits  im  Jahre  1884  beob- 
achtet wurde.  <<  Oder  S.  539:  »Nach  Meves  lassen  sich  also  die  Mito- 
chondria,  welche  das  Spermatozoon  (von  Ascaris)  ins  Eiplasma  bei 
der  Befruchtung  mitbringt,  als  »Träger  erblicher  Anlagen«  ebensogut 
wie  der  Spermakern  betrachten  .  .  .  <<  Oder  S.  543 :  »An  den  Zellen 
der  Wurzelhaube  ...  ist  sehr  schön  die  Umwandlung  von  homo- 
genen Fäden  (,Chondriokonten')  der  Initialzellen  in  Körnerfäden 
(,Chondriomiten')  der  Zellen  in  der  Mitte  der  Wurzelhaube  .  .  .  und 
dann  in  Körner  (,Mitochondria')  der  Zellen  aus  der  Spitze  der  Wurzel- 
haube ...  zu  beobachten.« 

Sodann  ist  darauf  aufmerksam  zu  machen,  daß  nicht  nur  die 
kugelförmigen,  sondern  auch  die  faden-  und  körnchenförmigen  »Mito- 
chondricn« sich  unter  Umständen  in  sehr  verdächtiger  Nähe  des  Zell- 

1  Journ.  of  Experim.  Zool.     1913.     Vol.  XIV. 

2  Von  mir  gesperrt.     Stauffacher. 

Zeitsclirift  f.  wissensch.  Zoologie.  CIX.  Bd.  32 


478  Hch.  Stauffacher, 

keines  aufhalten.  So  sagt  z.  B.  Meves  in  seiner  oben  zitierten  Arbeit 
Ȇber  die  Beteiligung  der  Plastochondrien  an  der  Befruchtung  des 
Eies  von  Ascaris  megaloce'phala<<:  ».  .  .  Mit  Hilfe  dieser  Methode  sind 
sie  (die  »Mikrosomen«  Van  Benedens)  schon  von  den  Gebrüdern 
ZoJA  .  .  .  dargestellt  worden,  welche  sie  als  Plastidulen  bezeichnet 
haben.  Ich  nenne  sie  Plastochondrien.  Sie  finden  sich  durch  den 
ganzen  Zelleib  zerstreut.  Stellenweise  bilden  sie  Gruppen.  Außerdem 
sind  sie  .  .  .  unter  der  Zelloberfläche  (an  Eiern,  die  sich  erst  kürzlich 
von  der  Rhachis  gelöst  haben,  besonders  in  der  Gegend  des  sogenannten 
disque  polaire  von  Van  Beneden)  und  an  der  Membran  des  Kernes 
stärker  angehäuft  .  .  .<< 

Die  kurze  Beschreibung,  die  E.  N.  Browne  von  den  kugelförmigen 
»Mitochondrien  <<  in  den  männlichen  Geschlechtszellen  von  Notonecta 
gibt,  erinnert  uns  nun  vollständig  an  die  Drüsengranula  die  M.  Heiden- 
hain auf  S.  372 — -380  seines  Werkes  »Plasma  und  Zelle«  aus  der  Becken- 
drüse von  Triton  Jielveticus  und  aus  der  Tränendrüse  des  Kalbes  be- 
schreibt. Auch  die  Abbildungen  111 — 117  von  E.  N.  Browne  stim- 
men —  wie  unschwer  zu  erkennen  ist  —  mit  den  HEiDENHAiNschen 
Figuren  (z.  B.  Fig.  223  c,  (?,  e  und  223)  i,  besonders  mit  der  »zweiten 
Entwicklungsstufe«  der  Drüsengranula  überein.  Heidenhain  sagt 
nämlich  über  dieses  Stadium  Folgendes:  »Die  Granula  nehmen  au 
Größe  zu  und  bekommen  eine  besondere  Struktur:  sie  werden  zu 
Halb  mondkör  per  che  n.  Sobald  nämlich  die  Granula  etwa  1  /i  im 
Durchmesser  halten,  erscheint  an  ihnen  einseitig  angelagert  eine  dunk- 
lere Zone,  so  daß  die  Körperchen  jetzt  eine  bestimmte  morphologische 
Zusammensetzung  aufweisen.  Daß  es  sich  hier  um  eine  besondere 
Binnenstruktur  handelt,  läßt  sich  leicht  erkennen,  wenn  die  Körper- 
chen weiterhin  an  Größe  zugenommen  haben.  Man  gewahrt  ein  solides 
sphärisches  Gebilde,  bestehend  aus  zwei  scharf  gesonderten  Teilen. 
Ein  meist  kugeliges,  blaß  gefärbtes  Körperchen,  der  von  mir  soge- 
nannte »Träger«,  wird  auf  der  einen  Seite  von  einer  dunkleren  schalen- 
förmigen Kapuze  bedeckt,  deren  optischer  Querschnitt  mithin  sich 
unter  der  Form  einer  Sichel  präsentiert.  Die  Trennungsebene  zwischen 
der  helleren  und  dunkleren  Masse  ist  gewölbt,  gleich  dem  Teil  einer 
Kugeloberfläche,  doch  kann  sich  dieselbe  so  stark  abplatten, 
daß  eine  Krümmunsi;  nicht  mehr  wahrnehmbar  ist^  ,  .  .    Dies 


1  Die  Fig.  225  und  226  in  Heidenhains  Werk  stammen  aus :  B.  Fleischer, 
»Beiträge  z.  Histologie  d.  Tränendrüse  und  zur  Lehre  von  den  Secretgranula «. 
Anat.  Hefte  1904. 

2  Von  mir  gesperrt.     Stauffachee. 


ZcllstudicMi.  I.  479 

sind  also  die  Halbmondkörpcrchen  .  .  .  Ihre  BetraclituDg  ruft 
direkt  den  Eiudmck  hervor,  als  ob  diese  Gebilde  aus  eigener  Kraft 
wachsen  und  sich  selbständig  differenzieren.  Die  Regelmäßigkeit  und 
Schönheit  der  Bilder,  welche  in  voller  Gesetzmäßigkeit  und  größter 
Deutlichkeit  sich  über  weite  Strecken  der  Präparate  hin  wiederholen, 
läßt  keinen  Zweifel  darüber  aufkommen,  daß  wir  es  hier  mit  einem 
der  bemerkenswertesten  Objekte  der  gesamten  Granula- 
lehre zu  tun  haben  .  .  .<< 

Aus  der  mir  bekannten  und  zugänglichen  botanischen  Literatur 
zu  schließen,  wären  die  »Halbmondkörperchen  <<,  wie  wir  sie  vorläufig, 
nach   dem   Vorschlage   Heid:enhains,   nennen   können,   bei    Pflanzen 
noch  nicht  beschrieben  i. 
Und  doch  existieren  sie 
auch    hier,    genau    der 
oben  notierten  Ausfüh- 
rung Heidenhains  ent- 
sprechend  und    präzise 
übereinstimmend       mit 
den     HEiDENHAiNschen 
und  FLEiscHERschen  Bil- 
dern, sofern  momentan 
die  Tinktion  dieser  Ele- 
mente nicht  in  Betracht 

gezogen  wird.  Diese  Drüsengranula  Heidenhains  oder  >>  kugeligen 
Mitochondrien «  von  E.  N.  Browne  zeigen  also  eine  noch  allgemeinere 
Verbreitung  wie  dies  bisher  angenommen  wurde.  Bis  jetzt  habe  ich 
sie  sehr  schön  angetroffen  bei  Compositen,  z.  B.  bei  Chrysanthemum 
Leucanthemum  imd  zwar  in  den  großen  Zellen,  welche  die  Basis  des 
Griffels  bilden  (s.  obenstehende  Textfigur).  Höchst  wahrscheinlich 
kommen  sie  auch  bei  andern  Pflanzen  vor.  Ich  muß  jedoch  betonen, 
daß  man  die  '>Halbmondkörperchen <<  nicht  in  jeder  Blüte  eines  und 
desselben  Köpfchens  von  Chrysanthemum  antrifft.  In  den  von  mir 
bis  jetzt  untersuchten  Blutenständen  waren  es  besonders  die  peripheren 
Blüten,  welche  diese  Elemente  sehr  deutlich  zeigten.  Es  wäre  aber 
möglich,  daß  das  Erscheinen  der  Halbmondkörperchen  an  ein  ganz 
bestimmtes  Entwicklungsstadiuni  des  Griffels  geknüpft  wäre,  und  daß 
—  da  der  Blütenstand  von  Chrysanthemum  centripetal  aufblüht  —  die 

1  Auch  Heidenhain  hätte  ohue  Zwcift-l  in  seinem  Werke  Notiz  davon 
genommen,  wenn  diese  Gebilde  (vor  1907)  auf  botanischem  Gebiete  bekannt 
gewesen  wären. 

32* 


480  Hch.  Stauffacher, 

inneren  Blüten  meiner  Präparate  später  ebenfalls  zur  Erzeugung  solcher 
Gebilde  gekommen  wären ;  denn  bei  den  von  mir  gesammelten  Pflanzen 
war  erst  der  äußerste  Kranz  der  Röbrenblüten  geöffnet. 

Ich  werde  später  auf  diese  »Halbmondkörperchen  <<  genauer  zu 
sprechen  kommen;  hier  wollen  wir  sie  nur  so  weit  berücksichtigen, 
als  es  unser  Thema  erfordert.  In  Fig.  34,  Taf.  XI,  ist  eine  Gruppe 
von  Zellen  aus  der  Griffelbasis  von  Chrysanthemum  Leucanthemimi 
mit  »Halbmondkörperchen«  gefüllt,  gefärbt  in  Ehrlich-Biondis 
Lösung,  möglichst  genau  gezeichnet  und  in  den  Fig.  35a — d,  Taf.  XI, 
eine  Anzahl  dieser  Gebilde  stärker  vergrößert  dargestellt. 

Die  »dunklere  schalenförmige  Kapuze«,  die  sich  nach  Heiden- 
hain (loc.  cit.  S.  373,  Fig.  220A  u.  B)  nach  Sublimatfixation  in  Biondis 
Lösung  ganz  oder  doch  überwiegend  rot  färben  soll,  tingiert  sich  jetzt, 
nach  Alkoholfixation  leuchtend  grün^  mit  Hämatoxylin  (nach 
Heidenhains  Verfahren)  natürlich  schwarz  (s.  auch  E.  N.  Browne, 
loc.  cit.  Fig.  112 — 117).  Meine  Vermutung,  die  ich  auf  S.  421  dieser 
Abhandlung  aussprach,  bestätigt  sich  also  vollkommen:  Die  charak- 
teristische Reaktion  des  Methylgrüns  auf  Nucleine  versagt  oder 
wird  zum  Mindesten  sehr  unzuverlässig  nach  Fixation  mit  Sublimat; 
die  Ursache  dieser  Erscheinung  ist  vorn  erörtert  worden.  —  Zerstört 
aber  werden  die  »kugelförmigen  Mitochondrien«  durch 
Alkohol  ebensowenig  wie  die  Plastochondrien  von  Meves 
und   die  Chondriosomen   von  Lewitsky. 

Die  Sichel  dieser  Halbmondkörperchen  (die  übrigens  auch  ge- 
schlossen sein  kann)  besteht  also  aus  Basichromatin,  enthält  sogar 
sehr  viel  von  diesem  Material,  was  mit  größter  Leichtigkeit  nachzu- 
weisen ist.  Der  Binnenraum  des  Körperchens  färbt  sich  —  falls  er 
nicht  selbst  mit  Basichromatin  ganz  oder  beinahe  gefüllt  ist  —  in 
Ehrlich-Biondis  Lösung  schwach  rot ;  hier  und  da  scheint  er  mir  auch 
ganz  hell,  also  ohne  rote  Tönung  zu  sein.  Diesem  Raum  nun  entsteigt, 
wie  ich  in  einer  großen  Zahl  sehr  guter  Schnitte  haben  sehen  können, 
ein  Stielchen,  das  oft  von  relativ  bedeutender  Länge  sein  kann;  es  ist 
in  den  Fig.  34a  und  h  an  einigen  Orten  angedeutet  und  in  Fig.  35& 
vergrößert  abgebildet  i.  Die  Basis  dieser  Struktur  ist  blasser  gefärbt 
wie  ihr  äußeres  Ende,  das  nicht  selten  in  einem  basichroma tischen 
Tröpfchen  abschließt  (Fig.  356).  Diese  Beobachtung  macht  uns  das 
kleine  Kreischen  im  Innern  des  hellen  Binnenraumes  verständlich  (3), 
wie  es  bereits  von  Fleischer  in  seinen  Figuren  (Heidenhain,  Plasma 
und  Zelle,  S.  378,  Fig.  225)  gezeichnet  wurde  und  wie  es  in  meinen 

1  Dieses  »Stielchen«  erinnert  lebhaft  an  die  Kernbrücken. 


Zcllsfudicn.  I.  481 

Präparaten  ebenfalls  sein-  liäulig  gesehen  werden  kann  (Fig.  34c  und 
Fig.  35(/)  untl  hier  meistens  scharf  rot  tingiert  erscheint:  Es  ist  nichts 
anderes  als  die  Projektion  des  senkrecht  zum  Gesichtsfeld  stehenden 
tStielchens  auf  die  Bildebene. 

Die  Entwicklung  und  die  physiologische  Rolle  dieser  Halbmond- 
körperchen  sind  von  mir  bis  jetzt  noch  nicht  genauer  verfolgt  worden, 
so  daß  ich  in  dieser  Beziehung  den  Ausführungen  Heidenhains  vor- 
läufig nichts  Definitives  beifügen  kann.  Doch  dürfte  ihre  Entstehung 
aus  Granula  des  Cytoplasmas,  wie  sie  Heidenhain  annimmt,  sehr 
fraglich  sein;  wahrscheinlicher  ist  ihre  Bildung  durch  den  Kern.  Nicht 
nur  liegen  sie  oft  in  verdächtiger  Nähe  der  Kernperipherie,  was  bereits 
E.N.Browne  bemerkt  hat:  Auch  die  Stielchen  dieser  Bestandteile 
des  Cytoplasmas  passen  wenig  zu  einer  Theorie  des  Wachstums  aus 
Granula  oder  einer  Verschmelzung  der  letzteren  untereinander.  Auf- 
fallen nuiß  ferner,  daß  die  Kerne  derjenigen  Zellen,  welche  Halbmond- 
körper enthalten,  keine  Nucleolen  mehr  besitzen  und  es  ist  daher  nicht 
ausgeschlossen,  daß  in  diesen  Bildungen  direkt  ins  Cytoplasma  aus- 
gewanderte nucleolare  Substanz  vorliegt.  Ich  hoffe,  über  diese  Ver- 
hältnisse bald  genauere  Auskunft  geben  zu  können. 

Einverstanden  erkläre  ich  mich  mit  Heidenhain,  wenn  er  die- 
sen Elementen  eine  ganz  spezielle  Funktion  zuschreibt.  Die  An- 
hänger der  »Chondriosomeulehre  <<  dagegen  identifizieren  ^  diese 
»Halbmondkörperchen «  ohne  weiteres  mit  den  »Plastochondrien « 
und  »Chondriosomen<<.  Das  geht  klar  daraus  hervor,  daß  sie  als  »Mito- 
chondrien«  bezeichnet  werden.  Wir  finden  also  hier  einen  neuen  Beleg 
für  die  Behauptung,  daß  die  Theorie  der  »Chondriosomen  <<  auf  durch- 
aus ungenügenden  Beobachtungen  aufbaut  und  nicht  nur  die  wahre 
Natur  der  Dinge  verkennt,  sondern  auch  Erscheinungen  zueinander 
in  Beziehung  bringt,  deren  Zusammengehörigkeit  ausgeschlossen  oder 
doch  als  sehr  unwahrscheinlich  zu  betrachten  ist.  —  Die  Anwendung 
einseitiger  Methoden  und  gefügiger  Mittel,  verbunden  mit  einer  will- 
kürlichen Interpretation  der  durch  sie  gewonnenen  unzuverlässigen 
Resultate  werden  eben  immer  zu  Irrtümern  führen,  das  hat  in  der  Bio- 
logie der  Zelle  nicht  nur  die  Theorie  der  »Centrosomen  <<  bewiesen, 
es  wird  auch  bestätigt  durch  die  moderne  »Chondriosomeulehre«. 

Frauenfeld    (Schweiz),    September    1913. 


1  Möglicherweise  liegen  auch  in  den  Fig.  7,  8  und  14  (lUV),  Tuf.  XVII, 
dei"  Abhandhing  Le\\7Tskys  (loc.  cit.)  solche  »Halbmondkörperchen«  vor.  Letztere 
dürften  aber  —  aus  ihrer  Verbreitung  im  Tierreich  zu  schließen  —  schwerlich 
etwas  mit  der  Chlorophyllkörnerbikiung  zu  tun  haben. 


482  Hell.  Stauffacher, 

Erklärung  der  Abbildungen. 

Tafel  X. 

Fig.  1.  Anodonta  piscinalis.  Ei.  Alkoholfixation.  Verdauung  in  Pepsin- 
HCl:  9  Stunden.  Färbung  in  Fuchsin-Methylenblau,  n,  Kern.  Vom  Nucleolus 
ist  nur  der  (später)  kleinere  ( »  cyanophile  «)  Teil  erhalten.  Nach  mikroskopischen 
Präparaten  gezeichnet.     Die  Figur  sollte  blau  gefärbt  sein. 

Fig.  2.  Anodonta  piscinalis.  Ei.  Alkoholfixation.  Trypsinverdauung : 
9  Stunden.  Färbung  in  Fuchsin-Methylenblau,  n.  Kern.  Vom  Nucleolus  ist 
nur  der  (später)  größere  ( » ery throphile  «)  Teil  gefärbt.  Das  Nuclein  des  cyano- 
philen  Teils  ist  gelöst.  Die  Grundsubstanz  dieser  Partie  ist  zwar  noch  vorhanden; 
sie  nimmt  aber  kein  neutrales  Fuchsin  auf.  Nach  mikroskopischen  Präparaten 
gezeichnet. 

Fig.  2a.  Anodonta  piscinalis.  Ei.  Nucleolus.  Alkoholfixation.  Trypsin- 
verdauung: 12  Stunden.  Färbung  in  Ehrlich-Biondis  Lösung.  Die  saure  Kom- 
ponente dieses  Farbstoff gemisches  wird  von  der  Grundsubstanz  beider  Nucleolar- 
teile  aufgenommen.     Nach  mikroskopischen  Präparaten  gezeichnet. 

Fig.  2b  u.  c.  Fritillaria  imperialis.  Pollenkörner.  Fixation:  abs.  Alkoli. 
Fig.  2h  gefärbt  in  Fuchsin-Methylenblau.  Die  Grundsubstanz  der  Zelle  nimmt 
kein  Fuchsin  auf  (hier  und  da  ist  eine  Spur  von  Rotfärbung  zu  sehen).  Fig.  2  c  ge- 
färbt in  Ehrlich-Biondis  Lösung.  Die  Grundsubstanz  der  Zelle  hat  die  saure 
KomjDonente  des  Farbstoffgemisches  intensiv  aufgenommen.  Fig.  2b.  Farben- 
photographie  nach  Ltjmiere.  Fig.  2  c.  Nach  mikroskopischen  Präjjaraten  ge- 
zeichnet.    Fig.  2&  sollte  blau  gefärbt  sein. 

Fig.  3 — 8o.  Ascaris  megalocephala.  Eier  in  die  das  Spermium  eingedrungen 
ist.  Fixation:  70%Alkoh.  Mikrophotographien  nach  lOOOfacher  Vergrößerung 
des    Miki'oskops. 

Fig.  3.  Das  Sperma  entleert  eine  große  Zahl  basichromatischer  Körnchen 
oder  Tröpfchen  in  das  Cytoplasma  des  Eies.  Der  Eikern  auf  dem  Stadium  der 
Richtungskörperbildung.  Färbung  in  Säurefuchsin.  Gefärbt  ist  nur  die  kon- 
forme oxychromatische  Grundlage  der  basichromatischen  Elemente.  Autochrom - 
aufnähme  nach  Ltjmiere   und   Dr.    Smith. 

Fig.  4.  Ebenso  wie  in  Fig.  3.  Aber  Färbung  in  Hämatoxylin  (nach  Hei- 
denhain). Nun  färbt  sich  die  basichromatische  Deckung  der  Elemente,  die  sich 
in  Fig.  3  mit  Säurefuchsin  gefärbt. 

Fig.  .5.  Wie  Fig.  3  und  4.  Eikern  durch  den  Schnitt  nicht  getroffen.  Fär- 
bung in  Hämatoxylin  (nach  Heidenhain). 

Fig.  6.  Wie  Fig.  3,  4  und  5.  Kernbrücken  am  Spermium  deutlich  sichtbar. 
Färbung  in  Hämatoxylin  (nach  Heidenhain). 

Fig.  7.  Wie  in  den  Fig.  3,  4,  5  und  6.  Das  Spermium  hat  mit  der  Aussaat 
der  basichromatischen  Elemente  noch  nicht  begonnen.  Das  Körperchen  unge- 
fähr in  der  Mitte,  links  vom  Spermium  ist  Verunreinigung.  Färbung  in  Häma- 
toxylin (nach  Heidenhäin). 

Fig.  8.  Wie  in  den  Fig.  3 — 7.  Eikern  in  der  Richtungskörperbildung. 
»Spermakern«  mit  vielen  Kernbrücken.  Lebhafte  Aussaat  von  Nuclein  durch 
das  Spermium.     Färbung  in  Hämatoxvlin  (nach  Heidenhain). 


Zfllstudirn.    I.  483 

Fig.  8«.  Ei  aus  der  Xälie  des  Priiparates  der  Fig.  8.  Stadium  wie  Fig.  8. 
Eikeru  im  Schnitt  nicht  getroffen.  Pepsin-HCi- Verdauung.  Färbung  in  Ehr- 
LiCH-BiONDis  Lösung.  Die  vom  Spermium  ausgesäten  Elemente  sind  nicht  ver- 
daut (d.  h.  ihre  oxychromatische  Gruiidsubstanz  bloß  ist  verschwunden)  und 
nehmen  die  basische  Komponente  des  EiiRLicii-BiONDischen  Farbstoffgemisches 
auf.     (Basiehromatin).     Man  vergleiche  diese  Fig.  8a  mit  Fig.  3  ! 

Fig.  9  u.  10.  Ascaris  megalocephala.  Eier,  in  die  das  Spermium  noch  nicht 
eingedrungen  ist.  Kern  im  Stadium  der  Richtungskörperbildung.  —  Cytoplasma 
dieser  Zellen  beinahe  frei  von  basichromatischen  Elementen.  Fixation:  70%  Alkoh. 
Färbung:  Hämatoxylin  (nach  Heidenhain).  Photographie  nach  lOOOfacher 
mikroskopischer  Vergrößerung. 

Fig.  11  u.  12.  Ascaris  megalocephala.  Befruchtete  Eier  im  Stadium  der 
ersten  Furchung.  Fixation:  70"^  Alkohol.  Fig.  11,  116  und  12.  PhotOgr.  nach 
lOOOfacher  mikrosk.   Vergr.     Fig.  IIa.   Zeichnung  nach   mikrosk.  Präparaten. 

Fig.  11.  Chromosomen  und  Centrosomen.  Im  Cytoplasma  zahlreiche  basi- 
chromatische,  dem  Spermium  entstammende  Elemente.  Färbung:  Hämatoxylin 
(nach  Heidenhain). 

Fig.  IIa.     Wie  Fig.  11.     Färbung  in  EuRLicii-BiONDischer  Lösung. 

Fig.  116.  Wie  Fig.  11  und  IIa.  Basichromatische  Elemente  im  Cytoplasma 
(dem  Spermium  entstammend)  sehr  gut  zu  sehen  und  zaliheich.  Färbung: 
Hämatoxylin  (nach  Heidenhain). 

Fig.  12.  Erste  Fm-chung  beendigt,  Basichromatische  Elemente  im  Cyto- 
plasma immer  noch  sichtbar,  aber  weniger  zahlreich  wie  in  Fig.  116.  Färbung: 
Hämatoxylin  (nach  Heidenhain). 

Fig.  14 — 19.  Ascaris  megalocephala.  Zellen,  welche  von  der  Uteruswand 
in  das  Lumen  des  üterusschlauches  ragen.  Fixation:  70^^  Alkohol.  Färbung: 
Hämatoxylin  (nach  Heidenhain).  Mikrophotographien  nach  lOOOfacher  Vergr. 
des  Mikroskopes.  Alle  Zellen  enthalten  im  Cytojiksma  reichlfch  basichromatische 
Elemente,  die  denjenigen  der  Fig.  3 — 8a  vollständig  entsprechen.  Das  Basi- 
ehromatin tritt  in  Form  größerer  oder  kleinerer  Körnchen  (Tröpfchen)  oder  Fäden 
auf;  letztere  bestehen  aus  perlschnurartig  hintereinander  gei-eihten  Körnchen. 

Fig.  26a,  b,  c.  Spermien  von  Ascaris  megalocephala.  Fig.  26a  u.  6.  kegel- 
förmige (reife)  Spermien.  Fig.  26c  Spermium  mit  »Glanzkörper«.  In  allen  drei 
Spermien  sieht  man  den  »Spermienkern  «  mit  z.  Teil  sehr  deutlichen  Kernbrücken. 
Um  den  »Spermienkern «  sind  zahlreiche  basichromatische  Körnchen  gesetzmäßig 
angeordnet.  Im  »Glanzkörper«  bemerkt  man  netzartige  Strukturen.  Fixation: 
70%  Alkohol.  Färbung:  Fig.  26a  u.  c  EHRLiCH-BiONDische  Lösung.  Fig.  266 
Hämatoxj-hn  (nach  Heidenhain). 

Tafel  XI. 

Fig.  13.  Ascaris  megalocephala.  Ei.  Wie  die  Fig.  3 — 8a.  Sperma  einge- 
drungen imd  mit  der  Aussaat  basichromatischer  Elemente  beginnend.  Eikern  in 
der  Richtungskörperbildung.  Im  »Spermakern«  ein  Quartett  von  basichroma- 
tischen Kügelchen  sichtbar.  Fixation:  70%  Alkohol.  Färbung:  Ehrlich-Bi- 
ONDische  Lösung.     Nach  mikroskop.  Präparat  gezeichnet. 

Fig.  21 — 24.  Ascaris  megalocephala.  Zellen,  welche  von  der  Uteruswand 
in  das  Lumen  des  Uterusschlauches  ragen.     Wie  die  Fig.  14 — 19.    Fixation:  70% 


484  Hch.  Stauff acher,  Zellstudicn.  I. 

Alkohol.  Färbung:  Hämatoxyhn  (nach  Heidenhain),  Mikrophotogr.  nach  1000- 
facher  Vergr.  d.  Miki'oskops. 

Fig.  23  u.  24.     Verdauung  vor  der  Färbung  in  Pepsin-HCl. 

Fig.  25.  Ascaris  megalocephala.  Ei.  WiedieFig.il — 11&.  Erste  Furchung 
Im  Cytoplasma  kleinere  und  größere  basichromatische  Elemente.  Fixation: 
70%  Alkohol.  Färbung:  Hämatoxyhn  (nach  Heidenhain).  Photographie  nach 
lOOOf acher  Vergr.  des  Mikroskops. 

Fig.  27.  Pisum  sativum.  Zelle  aus  der  Wurzelspitze  des  Keimlings.  Großer 
Nucleolus  mit  basichromatischen  Einschlüssen.  Innere  und  äußere  Kernbrücken. 
Dem  Kern  entströmen  reihenweise  basichromatische  Tröpfchen.  Fixation:  50% 
Alkohol.  Färbung:  EnnLiCH-BiONDische  Lösung.  Nach  mikroskrosk.  Präparat 
gezeichnet. 

Fig.  28.  Chrysanthemum  Leucanthemum.  Zelle  aus  der  Basis  des  Griffels. 
Relativ  großer  Nucleolus  mit  basichrom.  Einschlüssen.  Kernbrücken.  Basi- 
chromatische Elemente  werden  in  zum  Teil  langen  Körnchenreihen  an  das  Cyto- 
plasma abgegeben.  Fixation:  70%  Alkohol.  Färbung:  EHBLiCH-BiONDische 
Lösung.     Nach  mikroskop.  Präparat  gezeichnet. 

Fig.  29.  Pisum  sativum.  Zellengruppe  aus  der  Wurzelspitze  des  Keimlings. 
Im  Cytoplasma  zahlreiche  basichromatische  Elemente  ( »Chondriosomen  «).  Fixa- 
tion: 70%  Alkohol.  Färbung:  Hämatoxyhn  (nach  Heidenhain).  Mikrophotogr. 
nach  lOOOfacher  Vergr.  d.  Mikroskops. 

Fig.  30.  Die  Fig.  27  nach  Fixierung  mit  Osmiumsäure  und  Färbung  in 
Hämatoxyhn  (nach  Heidenhain)  gedacht. 

Fig.  31.  Eine  Zelle  der  Fig.  29  nach  Fixierung  mit  Osmiumsäure  und 
Färbung  in  Hämatoxyhn  (nach  Heidenhain)  gedacht. 

Fig.  32  u.  33.  Chrysanthemum,  Leucanthemiim.  Kerne  aus  den  Zellen  des 
Griffels  in  der  Chlorophyllkörner bildung  begriffen,  n,  Kern;  ch,  Chloroijhyll- 
korn  mit  oxychromatischer  Grundsubstanz  und  darin  eingelagerten  basichroma- 
tischen Elementen.  Fixation:  70%  Alkohol.  Färbung:  EHBLiCH-BiONDische 
Lösung.     Nach  mikroskoj).  Präparat  gezeichnet. 

Fig.  34.  Chrysanthemum  Leucanthemum.  Dx-ci  Zellen  aus  der  Griffelbasis 
mit  »Halbmondkörperchen «.  Fixation:  70%  Alkohol.  Färbung:  Ehrlich- 
BiONDische  Lösung.     Nach  mikroskop.    Präparat  gezeichnet. 

Fig.  35a — d.     Einige  »Halbmondkörperchen«  der  Fig.  34  stärker  vergrößert. 


über  die  Entstehung  der  Bindegewebsfasern  bei  den 
atherosklerotischen  Aortaverdickungen. 

Beitrag  zur  normalen  Entwicklung  des  Bindegewebes. 

Von 

Dr.  Serafino  d'Antona 

(Siena). 

(Aus  dem  Institut  für  pathologische  Anatomie  der  Kgl.  Universität  Siena. 
Leiter:  Prof.  O.  Barbacci.) 


Mit  Tafel  XII  und  XIII. 


I.  Einleitung. 

Die  Entstehung  der  collagenen  und  elastischen  Fasern  ist  trotz 
umfangreicher  auf  diesem  Gebiete  vorgenommener  Nachforschungen 
immer  noch  einer  der  dunkelsten  und  umstrittensten  Punkte  der  allse- 
meinen  Histologie. 

Ich  verzichte  auf  eine  genaue  Beschreibung  des  historischen  Teils 
der  Frage  und  verweise  dafür  auf  die  Arbeiten  von  Flemming  (1902), 
VON  KoRFF  und  RöTHiG  (1907),  Bruni  (1909),  und  Meves  (1910). 
Zieht  man  auch  nur  die  neueren  Forscher  in  Betracht,  so  lassen  sie 
sich  auch  heute  noch  den  von  ihnen  vertretenen  Ansichten  nach  in 
zwei  Gruppen  teilen:  Avd  der  einen  Seite  stehen  Flemming,  Reinke, 
Walüeyer,  Hansen,  jVIall,  Studnicka,  Spalteholz,  Zachariades, 
VON  KoRFF,  GoLOWiNSKi,  LiviNi,  Meves  und  andre,  die,  der  Denk- 
weise Schwanns,  Schultzes,  Bolls  und  andrer  folgend,  der  Ansicht 
huldigen,  daß  die  Fasern  unmittelbar  vom  Zellprotoplasma  abstam- 
men, —  auf  der  andern  Seite  Merkel,  von  Ebner,  Laguesse,  Renaut, 
Bruni,  die  an  die  alten  Anschauungen  Henles,  Köllikers  und 
Ranviers  anknüpfend,  der  Meinung  sind,  daß  die  Fasern  aus  einer 
amorphen  Grundsubstanz  zustande  kommen  ohne  irgend  welche  direkte 
Beziehung  zu  den  Zellen. 

Ein  versöhnender  jMittelweg  zwischen  den  beiden  entgegengesetzten 
Anschauungen  ist  von  mehreren  Forschern   (Hansen,  Mall,  Stüd- 


486  Serafino  d'Antona, 

NICKA)  mit  der  Einführung  des  neuen  Begriffs  eines  »Ectoplasmas  << 
eingeschlagen  worden.  Unter  diesem  Namen  verstehen,  wie  wir  noch 
sehen  werden,  die  genannten  Autoren  einen  mehr  oder  weniger  ver- 
änderten Teil  des  Zellprotoplasmas,  in  dem  sie  die  Fibrillen  ihren  Ur- 
sprung nehmen  lassen.  Die  Unterscheidung  zwischen  Ectoplasma  und 
Endoplasma  ist  jedoch  nicht  allseits  anerkannt  worden;  diejenigen 
Autoren,  die  diese  Bezeichnung  wirklich  angenommen,  haben  sich 
niemals  darüber  zu  einigen  vermocht,  welche  Bedeutung  und  welche 
Grenzen  dem  Ausdruck  »Ectoplasma«  zu  geben  sind.  Andre  Forscher 
haben  den  Begriff  eines  »Ectoplasmas«  geradezu  zurückgewiesen,  da 
sie  ihn  für  ein  verfehltes  Beobachtungs-  imd  Deutungsprodukt  hielten. 

Angesichts  der  Ungewißheiten,  die  heute  noch  die  Frage  um- 
schweben, kann  die  Bekanntgabe  einiger  Ergebnisse,  zu  denen  ich 
auf  einem  Gebiete  gelaugt  bin,  das  etwas  abliegt  von  dem  allgemein 
bei  solchen  Studien  betretenen,  meiner  Ansicht  nach  nicht  uner- 
wünscht sein. 

Meine  Beobachtungen  sind  im  Laufe  von  Untersuchungen  über 
die  Histogenese  der  atherosklerotischen  x4.ortaveränderungen  gemacht 
worden  und  betreffen  hauptsächlich  die  Neubildung  der  Bindegewebs- 
fasern bei  der  Verdickung  der  Intima. 

Bevor  ich  auf  die  Frage  näher  eingehe,  halte  ich  es  der  besseren 
Verständlichkeit  der  nachfolgenden  Auseinandersetzungen  wegen  für 
angebracht,  einige  meinen  früheren  Untersuchungen  entsprungene 
Tatsachen  vorauszuschicken.  Wie  bekannt  bilden  die  kennzeichnenden 
Zellelemente  der  Aortaintima  die  sogenannten  LANGHANSschen  Zellen, 
deren  morphologischer  Wert  und  Wesen  aber  immer  noch  und  insofern 
umstritten  sind,  als  die  meisten  sie  für  Bindegewebszellen  halten, 
andre  jedoch  glauben,  daß  es  sich  da  um  eine  besondere  Art  von  Muskel- 
faserzellen handle. 

Aus  dem  Studium  der  normalen  Intima  und  mehr  noch  aus  dem 
des  Verhaltens  dieser  Elemente  bei  den  pathologischen  Vorgängen  bin 
ich,  w;as  sie  betrifft,  zu  folgendem  Schluß  gelangt:  »Die  LANGHANS- 
schen Zellen,  die  beständigen  und  typischen  Bestandteile  der  Aorta- 
intima, stellen  große  Elemente  dar,  deren  morphologische  Eigentüm- 
lichkeiten je  nach  den  verschiedenen  Entwicklungsabschnitten,  die  sie 
durchziehen,  verschieden  sind.  Im  Anfange  treten  sie  uns  als  große 
Elemente  mit  körnigem,  basophilem  Protoplasma  und  langen,  dünnen, 
zahlreichen  Ausläufern  gegenüber;  später  unterscheidet  man  an  ihrer 
Peripherie  eine  lichtbrechende,  feste,  unbestimmt  fibrilläre  Zone,  die 
nach  dem  v,  GiESONschen  Verfahren  orangegelb  wurde,  während  zu 


über  die   l-;iitst(huiig  der   Uiiulcgewebsfaserii  usw.  487 

gleicher  Zeit  der  mittlere,  körnige,  basophile  Teil  an  Volumen  und 
Ausdehnung  sich  verringert,  und  die  Anzahl  der  Ausläufer  abnimmt. 
In  einem  weiteren  Stadium  ist  die  mittlere,  körnige  Substanz  fast  ganz 
oder  ganz  aus  den  Ausläufern  und  dem  Körper  der  Zellen  verschwunden, 
welch  letztere  nun  fast  ausschließlich  aus  jener  lichtbrechenden  festen, 
mit  der  v.  GiESONschen  Methode  orange  gelb  gefärbten  Substanz  be- 
stehen, die  primär  an  der  Peripherie  des  Zellelements  zum  Vorschein 
kommt.  In  diesem  Stadium  ähneln  solche  Elemente  stark  den  Muskel- 
faserzellen, von  denen  sie  sich  durch  morphologische  Kennzeichen  nicht 
unterscheiden  lassen. «  Da  die  Umwandlungen,  die  wir  bei  den  Lang- 
HANSschen  Zellen  verfolgt  haben,  Schritt  für  Schritt  den  von  Hansen 
bei  den  Zellen  der  Zwischenwirbelscheibe  von  Kalbsfoeten  entsprechen, 
haben  wir  für  sie  vom  rein  morphologischen  Standpunkt  aus  die  von 
diesem  Verfasser  gegebene  Unterscheidung  zwischen  Endoplasma  (dem 
mittleren,  basophilen  Teil)  und  Ectoplasma  (dem  peripheren,  acido- 
philen  Teil)  angenommen.  Ebenso  haben  wir  es  für  möglich  gehalten, 
daß  die  LANGHANSschen  Zellen  von  den  Endothelzellen  herrühren. 

Ferner  muß  ich  hier  noch  auf  die  Art  und  Weise  aufmerksam 
machen,  in  der  sich  die  Verdickung  der  Intima  vollzieht.  Aus  meinen 
Untersuchungen  geht  hervor,  daß  die  atherosklerotische  Verdickung 
in  zwei  Zeitabschnitten  geschieht.  In  dem  ersten  Zeitabschnitt  stellt 
sich  Hypertrophie  und  Hyperplasie  der  zuvor  bestehenden  Intima- 
schichten  ein,  in  dem  zweiten  findet  eine  wahre  und  eigentliche  binde- 
gewebig-elastische  Neubildung  statt,  der  eine  kräftige  Wucherung  der 
LANGHANSschen  Zellen  vorhergeht. 

Meine  Beobachtungen  beziehen  sich  ausschließlich  auf  die  Ent- 
stehung der  Fasern  in  diesem  zweiten  Zeitabschnitt. 

II.  Material  und  Methoden. 

Als  Untersuchungsmaterial  dienten  atherosklerotische  Aorten,  mit 
nicht  stark  ausgesprochenen  Entartungserscheinungen. 

Fixiert  wurden  die  Stücke  in  Formol,  Zenker,  Subhmat,  Alkohol, 
und  in  der  nach  Meves  abgeänderten  FLEMMiNGschen  Flüssigkeit 
(Chromsäure  V2%  mit  NaCl  l%ccm.  15;  Osmiumsäure  2%,  ccm4; 
Essigsäure  4 — 3  Tropfen). 

Mehrere  Stücke  wurden  mit  dem  Gefriermikrotom  geschnitten, 
andre  in  Paraffin  und  Zelloidin  eingebettet.  Neben  den  durch  die 
ganze  Dicke  der  Aortawand  geführten  Schnitten  wurden  auch  viele 
Oberflächenschnitte  vorgenommen,  die  sich  zum  Studium  des  Gesamt- 
bildes und  der  Einzelheiten  am  besten  eignen. 


488  Serafino  d'Antona, 

Zur  Färbung  der  collagenen  Fasern  kam  das  v,  GiESONsche,  Mal- 
LORische  und  BiELSCHOWSKYsche  Verfahren  zur  Verwendung.  Das 
MALLORYsche  Verfahren  wurde  in  der  vom  Verfasser  vorgeschlagenen, 
veränderten  Form  angewandt,  nach  der  die  Schnitte  nach  5  oder  mehr- 
minutigem  Verbleib  in  einer  0,l%igen  säuren  Fuchsinlösung  20  Minuten 
oder  länger  in  einer  aus  0,5  g  Anilinblau,  2  g  Orangegelb  und  100  cc  einer 
l%igen  Phosphormolybdänsäurelösung  bestehenden  Färbemischung 
belassen  werden.  Die  BiELSCHOWSKYsche  Methode  kam  in  der  von 
Levi  vorgeschlagenen,  abgeänderten  Form  zur  Anwendung.  Außerdem 
wurden  auch  Präparate  in  HEiDENHAiNschem  Eisenhämatoxylin  mit 
und  ohne  Kontrastfärbung  in  Fuchsin  angefertigt. 

Die  in  der  abgeänderten  FLEMMiNGschen  Flüssigkeit  fixierten 
Stücke  dienten  zu  der  nach  Meves  mit  Eisenhämatoxylin  vorgenom- 
menen Untersuchung  auf  Mitochondren. 

Bei  den  elastischen  Fasern  kamen  Fuchselin  und  Kontrastfärbung 
mit  Carmin  oder  nach  Jores  mit  Pyronin,  sowie  Saffranelin-Hämatein 
und  Orzein-Hämatein  zur  Verwendung. 

III.  Entstehung  der  collagenen  Fasern, 
a.   Gegenwärtiger  Stand  der  Frage. 

Wie  wir  schon  zu  Anfang  angedeutet  haben,  besteht  der  Streit 
zwischen  den  Anhängern  der  intracellulären  Ursprungstheorie  und 
denen  der  intercellulären  Ursprungstheorie  der  collagenen  Fasern 
auch  heute  noch  weiter. 

Die  intercelluläre  Theorie  war  den  Forschungen  Henles,  Kölli- 
KERs  und  Ranviers  zufolge  vorherrschend  geworden,  begann  jedoch 
an  Boden  zu  verlieren,  als  Flemming  seine  Beobachtungen  über  die 
Zellen  des  parietalen  Peritonäums  der  Salamanderlarven  veröffentlicht 
hatte.  Flemming  beschrieb  in  diesen  Zellen  eine  feine  fibrilläre  Struktur 
»die  ohne  Zweifel  der  Anlage  von  collagenen  Fibrillen  entspricht«. 
Diese  Fibrillen  finden  sich  nicht  etwa  nur  an  der  Oberfläche  der  Zellen, 
wie  dies  Lwof  glaubte,  sondern  überall  in  ihrem  Körper,  was  sich 
nach  Flemming  aus  ihrem  Verhalten  bei  der  Kernteilung  mit  unver- 
kennbarer Deutlichkeit  feststellen  läßt.  In  seiner  ersten  Arbeit  ließ  es 
Flemming  unentschieden,  ob  die  intracellulären  Fibrillen  von  der 
Filarmasse  herrühren,  oder  vielmehr  von  der  Interfilarmasse  geprägt 
sind.  In  einer  späteren  Arbeit  nahm  er  ausdrücklich  an,  daß  die  Fi- 
brillen von  einer  »Umprägung  der  Fadenstruktur«  des  Protoplasmas 
herrühren. 

Die  Forschungen  Reinkes,  Waldeyers,  Spulers,  Golowinskis, 


über  die   l-]iitstrlniiig  dvv  Bindcgewcbsfasorii  usw.  489 

Spalteholz'  und  andrer  haben  im  wesentlichen  die  Ansichten  Flem- 
MiNGs  insofern  bestätigt,  als  auch  sie  in  den  Bindegewebszellen  Struk- 
turen beschrieben  haben,  die  sie  als  Umrisse  von  coUagenen  Fasern 
betrachteten. 

Eine  ganz  besondere  AN'ürdiguug  verdienen  die  Untersuchungen 
GoLOWiNSKis,  der  in  den  Zellen  des  Nabelstrangs  von  Menschen-  und 
Schweineembryonen,  sowie  in  den  Fibroblasten,  die  in  dem  Unter- 
hautgewebc  der  Inokulation  von  Fremdkörpern  zufolge  zustande 
kommen,  die  collagenen  Fasern  aus  den  »präcollagenen  Fasern«  ent- 
stehen sah,  die  an  der  Oberfläche  der  Zellen  erscheinen  und  von  Eisen- 
hämatoxylin  schwarz  gefärbt  werden.  »Bevor  die  präcollagenen  Fasern 
sichtbar  werden,  sind  die  Zellen  mit  zahlreichen,  unzweifelhaft  epi- 
cellulär  liegenden  Körnchen  bedeckt,  welche  in  Eisenhämatoxylin 
dieselbe  Farbe  annehmen,  wie  die  präcollagenen  Fasern  selbst.  Diese 
Körnchen  sind  zuerst  unregelmäßig  auf  der  Oberfläche  der  Zellen 
zerstreut;  in  der  Folge  aber  stellen  sie  sich,  vermutlich  unter  dem 
Einfluß  der  Zelle  selbst,  reihenweise  ein,  wobei  sie  wie  die  präcollagenen 
Fibrillen  von  einer  Zelle  auf  die  andre  übergehen.  Diese  Körnchen- 
reihen fließen  endlich  zu  den  präcollagenen  Fasern  zusammen.  SchHeß- 
lich  werden  sie  von  den  Zellen  frei  und  wandeln  sich  in  collagene  Fasern 
um.  Daß  diese  Metamorphose  tatsächlich  in  dieser  Eeihenfolge  vor 
sich  geht,  scheint  mir  dadurch  bewiesen  zu  sein,  daß  ich  neben  den 
Zellen  außer  collagenen  Fasern  auch  präcollagene  gesehen  habe.« 
Daraus  geht  also  hervor,  daß  Golowinski,  der  Meinung  Flemmings 
entgegen,  die  Fibrillen  nicht  aus  dem  ganzen  Zellprotoplasma  hervor- 
gehen läßt,  sondern  nur  aus  dessen  peripherem  Teil. 

In  diesen  letzten  Jahren  sind  mit  den  Studien  über  die  Mitochondren 
der  cellulären  Theorie  neue  Stützen  erstanden,  denn  seit  den  For- 
schungen Meves',  die  dann  von  v.  Korff  bestätigt  worden  sind,  hat 
man  in  den  Mitochondren  das  Bildungsmaterial  für  die  collagenen 
Fasern  erkennen  zu  dürfen  geglaubt.  Davon  soll  später  ausführlicher 
die  Rede  sein. 

Doch  auch  der  intercellulären  Theorie  hat  es  nicht  an  tapferen 
Verteidifrern  gefehlt.  Merkel  hat  die  Fibrillen  in  den  TnYow-Larven 
und  in  dem  Nabelstrang  der  Säugetiere,  von  Ebner  in  der  Chorda 
dorsalis  der  unteren  Fische  und  im  Zahnbeingewebe,  Renaut  im 
Unterhautgewebe  und  im  Netz  verschiedener  Säugetiere,  Lagüesse 
in  der  Milzkapsel  der  Selachien  und  dem  Unterhautbindegewebe  der 
Säugetiere  in  der  amorphen  Substanz  ohne  jede  direkte  Beziehung 
zu  den  Zellen  sich  bilden  sehen.     Den  Zellen  fiele  dabei  einzig  und 


490  Serafino  d'Antona, 

allein  die  Aufgabe  zu,  besagte  amorplie  Grundsubstanz  zu  erzeugen, 
während  die  Fibrillen  dann  ganz  unabhängig  und  besonders  unter 
dem  Einfluß  mechanischer  Wirkungen  zustande  kämen. 

Zwischen  diesen  entgegengesetzten  Strömungen  liegt  eine  dritte, 
die  eine  Art  Bindeglied  bildet  zwischen  eben  diesen  und  in  der  Ein- 
führung des  neuen  Begriffs  eines  »Ectoplasmas  <<  besteht,  das  jedoch 
leider  von  den  Verfassern,  die  es  angenommen  haben,  in  ganz  ver- 
schiedener Weise  gedeutet  wird.  Hansen  unterscheidet  in  den  Zellen 
der  Zwischenwirbelscheibe  der  40 — ^60  cm  messenden  Kalbsföten  ein 
Endoplasma  und  ein  Ectoplasma,  das  sich  unmittelbar  mit  der  Grund- 
substanz fortsetzt.  Die  Zellen  bestehen  ursprünglich  aus  einem  Endo- 
plasma oder  »Protoplasma  im  engen  Sinne«;  das  Ectoplasma  ent- 
wickelt sich,  nachdem  das  Endoplasma  die  ersten  Fibrillen  erzeugt 
hat.  »Dieselben  ragen  teilweise  frei  in  die  umgebende  Grundsubstanz 
hinaus,  teils  stehen  sie  mit  den  Fibrillen  aus  der  Nachbarschaft  in 
Verbindung,  teils  setzen  sie  sich  durch  die  Zellenanastomosen  in  die 
Fibrillen  der  Nachbarschaft  fort.  In  älteren  Stadien  umgeben  sich 
die  Bindegewebszellen  mit  einem  stark  lichtbrechenden  Ectoplasma, 
welches  durch  Umwandlung  aus  dem  Endoplasma  hervorgehen  soll. 
Das  Ectoplasma  bildet  nun  auch  Bindegewebsfibrillen,  und  eine  Weile 
findet  man  gleichzeitig  das  Endo-  und  Ectoplasma  an  der  Bindegewebs- 
fibrillenbildung  beteiligt;  aber  relativ  schnell  wird  diese  Funktion, 
die  Bildung  von  coUagenen  Fasern,  von  der  peripheren  Schicht,  dem 
Ectoplasma  allein  übernommen.  << 

Anders  denkt  sich  Mall  das  Ectoplasma.  Nach  Mall  stammen 
die  Bindegewebe  von  einem  Syncytium  her,  das  durch  das  Zusammen- 
fließen der  ursprünglich  isolierten  Zellen  des  Mesenchyms  zustande 
gekommen  ist.  In  diesem  Syncytium  differenziert  sich  nachher  ein 
Endoplasma,  das  körniges  Aussehen  annimmt  und  den  Kern  umgibt, 
und  ein  Ectoplasma,  das  den  größten  Teil  des  Syncytiums  ausmacht, 
und  in  dem  sich  dann  die  Bindegewebsfasern  entwickeln. 

Studnicka  bekannte  sich  zuerst  zu  einer  mit  der  ÜANSENschen 
verwandten  Anschauung,  indem  auch  er  als  Ectoplasma  den  peripheren 
Teil  der  Zelle  auffaßte,  in  dem  sich  dann  die  ursprünglich  in  dem  ganzen 
Zellkörper  entstandenen  Fibrillen  ansammeln.  In  einer  neueren  Arbeit 
scheint  seine  Auffassung  sich  aber  mehr  an  die  Malls  anzulehnen, 
insofern  als  auch  er  unter  Endoplasma  das  die  Zellen  bildende  Plasma 
versteht,  und  unter  Ectoplasma  das  zwischen  den  Zellen  liegende. 
Es  ist  somit  nach  Studnioka  Endoplasma  =  Zellen,  Ectoplasma  = 
Grundsubstanz. 


llbcr  die  Kiitstcliuiiu;  der   Biiuk'gewebsfast'in   u.sw.  491 

Wesentlich  nicht  verschieden  ist  die  Ansicht  Retterers,  wonach 
das  erste  Stadium  der  Bindegewebe  das  Plasmodium  darstellt.  Darauf- 
hin wird  in  dieser  Protoplasmamasse  ein  »chromophiles  Netz«  diffe- 
renziert, das  den  Kern  umgibt,  in  dessen  Maschen  sich  das  »homogene 
Protoplasma«  oder  »Hyaloplasma«  vorfindet.  Die  Fasern  nehmen 
ihren  Ursprung  sowohl  vom  Hyaloplasma,  wie  auch  vom  chronio- 
philen  Netz. 

Nach  Bruni  findet  die  Bildung  der  Bindegewebsfasern  in  der 
Zwischenwirbelscheibe  der  Rinderföten  in  zwei  Zeitabschnitten  statt. 
In  einer  ersten  Zeit  bilden  sie  sich  ausschließlich  in  einer  amorphen 
Grundsul)stanz,  die  er  für  ein  verändertes  Protoplasma  hält  (Meta- 
plasma) ;  in  einer  zweiten  Zeit  bilden  sie  sich  ebensowohl  in  dem  Meta- 
plasma,  wie  auch  im  Zellkörper. 

Die  heute  vorherrschende  Anschauung  ist  diejenige,  daß  die 
collagenen  Fasern  aus  der  Differenzierung  des  peripheren  Teils  des 
Zellplasmas  herstammen. 

b.  Eigne  Beobachtungen. 

Die  Neubildung  ist  bei  den  Verdickungen  der  Intima  gekenn- 
zeichnet durch  zwei  anfängliche  Erscheinungen:  die  Wucherung  der 
LANGHANSschen  Zellen  und  das  Auftreten  einer  amorphen  Intercellular- 
substanzi.  Die  Zellen  stellen  in  dieser  ersten  Periode  große  Ele- 
mente dar  (Fig.  1  u.  2)  mit  hellem,  eiförmigem  oder  rundlichem  Kern, 
abgeplattetem,  von  zahlreichen  Körnchen  und  langen,  feinen  Aus- 
läufern besetztem  Protoplasmakörper,  welche  sich  bald  mit  denen 
der  benachbarten  Zellen  anastomisieren,  bald'  aber  auch  sich  nach 
und  nach  in  der  intercellulären  Substanz  verlieren.  Die  Protoplasma- 
körnchen, die  sich  mit  der  BiELSCHOWSKYschen  Methode  ganz  außer- 
ordenthch  deutlich  erkennen  lassen,  liegen  meist  ohne  offenbare  Ord- 
nung im  Zellkörper  zerstreut;  nur  in  einigen  Fällen  treten  sie  uns  zu 
mehr  oder  weniger  regelmäßigen  Reihen  angeordnet  entgegen,  wodurch 
sie  dem  Zellplasma  zu  einer  Art  Streif ung  verhelfen.  Die  Neigung 
der  Körnchen  zur  reihenweisen  Anordnung  tritt  ganz  besonders  deut- 
lich an  der  Wurzel  der  Ausläufer  hervor,  die  von  den  Zellen  ausgehen, 
sowie  längs  ihres  Verlaufs.  Das  Volumen  der  Körnchen  ist  in  ein  und 
derselben  Zelle  verschieden;  die  einen  sind  ziemlich  groß  und  deutlich, 
die  meisten  jedoch  sind  ziemlich  klein. 

1  Es  ist  ganz  selbstverständlich,  daß  diese  »amorphe  Substanz«  nichts  zu 
tun  hat  mit  den  Mengen  geronnenen  Plasmas,  denen  man  besonders  in  den  alten 
Verdickungen  zuweilen  begegnet. 


492  Serafino  d'Antona, 

Die  intercelluläre  Substanz  läßt  sich  in  den  nach  v.  Gieson  her- 
gestellten Präparaten  als  eine  feste,  gelbliche  Masse  ohne  bestimmte 
Struktur,  von  bald  körnigem,  bald  unbestimmt  fibrillärem  Aussehen 
erkennen.  Auch  die  MALLORYsche  Methode  verleiht  einer  amorphen, 
körnigen  Masse  ganz  je  nach  der  Menge  der  Substanz  und  der  Dicke 
des  Schnittes  eine  mehr  oder  weniger  starke  orangerote  oder  rosarote 
Farbe.  In  den  nach  dem  BiELSCHOWSKYschen  Verfahren  hergestellten 
Präparaten  (Fig.  10)  weist  diese  Substanz  eine  körnige  Beschaffenheit 
auf;  die  Körnchen  sind  sehr  klein  und  erreichen  nicht  die  Größe  der 
größeren  Protoplasmakörnchen.  Die  extracellulären  Körnchen  lassen 
sich  inmitten  einer  hellen,  vollständig  gleichartigen,  bald  mehr  bald 
weniger  reichlichen  Substanz  nachweisen.  Herrscht  das  körnige  Ele- 
ment vor,  wie  das  gewöhnlich  in  dem  Oberflächenteil  der  Verdickung 
der  Fall  ist,  so  sind  die  Zellumrisse  der  dazwischenliegenden  Substanz 
gegenüber  schlecht  differenziert.  Auf  diese  Weise  kommt  es  zu  einer  Art 
syncytialen  Gebildes,  inmitten  dessen  die  Zellen  und  ihre  Ausläufer 
wie  ausgehauen  erscheinen. 

Im  Anfang  läßt  sich  in  dieser  Substanz  mit  der  BiELSCHOWSKYschen 
Methode  auch  nicht  ein  Schein  fibrillärer  Struktur  wahrnehmen;  nur 
hin  und  wieder  läßt  sich  besonders  in  den  schiefen  Schnitten  ihre  Nei- 
gung zur  Lamellenbildung  erkennen.  Früher  oder  später  jedoch  treten 
in  dem  so  angehäuften  Material  Veränderungen  auf,  die  zur  Differen- 
zierung der  Bindegewebsfibrillen  führen  dürften.  Das  Wesen  und  der 
innere  Mechanismus  dieser  Veränderungen  lassen  sich  mit  den  uns 
zu  Gebote  stehenden  technischen  Mitteln  nur  unvollständig  enthüllen. 
Mit  der  v.  GiESONschen  und  MALLOTiYschen  Methode  erscheinen  hier 
und  da,  besonders  aber  in  nächster  Nähe  der  Zellen,  rosarot,  bzw. 
bläulich  schwach  gefärbte  Zonen.  Zu  gleicher  Zeit  läßt  die  ursprüng- 
lich amorphe  Substanz  leichte  Fibrillenformen  wahrnehmen,  die  nicht 
so  sehr  durch  die  Einwirkung  der  Farbstoffe  hervortreten,  als  viel- 
mehr der  Lichtbrechung  wegen. 

Etwas  deutlichere  Einzelheiten  liefert  uns  die  BiELSCHOWSKYsche 
Methode  (Fig.  10).  Mit  ihr  lassen  sich  inmitten  der  intercellulären 
Substanz  nach  und  nach  kurze,  dünne  Fäden  unterscheiden,  die  von 
dem  Aneinanderdrängen  des  körnigen  Materials  längs  bestimmter 
Linien  herrühren  und  infolge  von  Verschlingung  und  Anastomisierung 
die  ersten  Spuren  eines  äußerst  feinen  Netzes  bilden.  Die  Maschen 
des  Netzes  lagern  sich  schichtweise  übereinander  und  konzentrisch  zur 
Lichtung  des  Gefäßes,  wodurch  die  Masse  der  Intercellularsubstanz 
eine    immer   deutlichere    Lamellenstruktur   erhält.      Nach   und   nach 


über  die  Entstehung  der  Bindegewebsfasern  usw.  493 

nehmen  dann  die  feinen  Fäden,  die  eine  jede  der  Lamellen  bilden, 
größere  Dimensionen  an  und  bekommen  deutlichere  Umrisse,  bleiben 
dabei  aber  immer  körnig.  Noch  deutlicher  treten  sie  dann  dadurch 
hervor,  daß  der  körnige  Teil  der  Grundsubstanz  nach  und  nach  ab- 
nimmt; es  bleibt  der  klare,  homogene  Teil,  der  sich  wie  Kitt  zwi- 
schen den  Maschen  des  Fibrillengeflechtes  hindurchzieht.  Läßt  sich 
nun  auch  diese  Substanz  mit  den  angewandten  Mitteln  nicht  erkennen, 
so  müssen  wir  doch  annehmen,  daß  sie  wirklich  vorhanden  ist  und 
einen  gewissen  Dichtigkeitsgrad  besitzt. 

Prüfen  wir  nämlich  kleine  Fetzen  der  Lamellen,  so  sehen  wir, 
daß  die  von  den  Fäden  des  Netzes  umschriebenen  Räume  oft  von 
Körnchen  beschickt  sind,  deren  Verbleiben  in  derselben  Lamellen- 
schicht doch  nur  verständlich  ist,  wenn  wir  annehmen,  daß  sie  von 
einer  zwischen  den  gebildeten  Elementen  liegenden  Substanz  fest- 
gehalten werden. 

Bevor  wir  zu  weiterem  übergehen,  ist  es  jedoch  angebracht,  zuerst 
etwas  näher  auf  das  Wesen  und  die  Bedeutung  dieser  Substanz  ein- 
zugehen. 

Wir  könnten  da  vor  allem  die  Frage  aufwerfen,  ob  die  in  ihr  nach- 
gewiesene Körncheunatur  ein  technisches  Kunstgebilde  ist,  oder  ob 
sie  einem  wirklichen  Zustand  dieser  Substanz  entspricht.  Es  scheint 
mir  ausgeschlossen  werden  zu  können,  daß  die  Körnung  durch  Re- 
agentien  hervorgerufenen  Gerinnungserscheinungen  zugeschrieben  wer- 
den kann,  einmal,  da  sie  beim  Wechsel  dieser  nicht  auch  wechselt, 
dann  außerdem,  weil  auch  bei  Prüfung  frischer,  in  physiologischer 
Lösung  zerfeztter  Intimalamellen  das  körnige  Aussehen  besitzen,  das 
in  den  fixierten  und  gefärbten  Präparaten  beobachtet  wird.  Ferner 
erleidet  die  Körnung  dieser  Substanz  ganz  je  nach  dem  Fibrillierungs- 
vorgang,  dem  diese  Substanz  unterliegt,  eine  Veränderung  im  Aus- 
sehen, denn  je  mehr  sich  inmitten  derselben  die  körnigen  Fäden  des 
ursprünglichen  Netzes  differenzieren,  desto  mehr  nimmt  die  Menge 
der  zerstreut  liegenden  Körnchen  ab  (Fig.  10).  All  dies  führt  uns  zur 
Anschauung,  daß  die  Körnchen  Bestandteile  schon  vorher  gebildeter 
Elemente  dieser  Substanz  darstellen,  die  zum  Aufbau  der  Fibrillen 
verwandt  werden. 

Das  körnige  Element  ist  aber  nicht  der  einzige  Bestandteil  dieser 
Substanz,  denn  wir  haben  bereits  darauf  hingewiesen,  daß  wir  an- 
nehmen müssen,  daß  zwischen  den  Körnchen  eine  helle,  gleichartige 
Substanz  gallertiger  Dichtigkeit  vorhanden  ist.  Von  diesen  beiden 
Bestandteilen  ist  bald  der  eine  bald  der  andre  vorherrschend.    Im  allge- 

Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.  C'IX.  Bd.  33 


494  Serafino  cFAntona, 

meinen  ist  der  körnige  Teil  der  am  reichsten  vertretene,  und  es  er- 
scheint also  die  Intercellularsubstanz  dicht;  in  andern  Fällen  dagegen 
ist  der  helle,  gleichartige  Teil  vorherrschend.  Und  wenn  wir  dann, 
was  logisch  ist,  annehmen,  daß  zwischen  den  Zellen  das  Plasma  kreist, 
das  die  Nahrung  zu  allen  Elementen  des  Organismus  hinführt,  so 
ergibt  sich  uns  daraus  ein  dritter  Bestandteil  der  intercellulären  Sub- 
stanz, die  somit  in  ihrer  Gesamtheit  aus  drei  Teilen  besteht:  einem 
flüssigen  Teil  (Plasma),  einem  gallertigen,  gleichartigen  Teil,  und 
einem  körnigen  Teil.  Je  nachdem  der  eine  oder  andre  dieser  Bestand- 
teile reichlicher  vorhanden  ist,  bietet  sich  die  amorphe  Substanz  mejir 
oder  weniger  dicht  dar.  Im  allgemeinen  ist  der  körnige  Teil  sehr  reich- 
lich bemessen,  und  es  sind  deshalb  die  Oberflächenzellen  der  Verdickung 
zu  einer  festen,  zähen  Masse  verbunden.  In  andern  Fällen  dagegen, 
bei  denen  der  flüssige  oder  gallertige  Teil  vorherrscht,  lassen  sich  die 
Zellen  durch  helle  Räume  getrennt  wahrnehmen,  in  die  sich  ihre  Aus- 
läufer erstrecken;  die  Körnchen  sind  äußerst  spärlich  und  lagern  in 
Form  von  mehr  oder  weniger  regelmäßigen  Reihen  in  nächster  Nähe 
der  Zellkörper.  In  diesen  Fällen  hat  das  Gewebe  eine  große  Ähn- 
lichkeit mit  dem  schleimigen  Gewebe. 

Ihren  Merkmalen  nach  scheint  die  von  mir  beschriebene  Substanz 
unter  die  Gruppe  der  amorphen  Substanzen  eingereiht  werden  zu 
müssen,  denen  eine  schon  stattliche  Schar  von  Forschern  eine  große 
Bedeutung  für  das  Zustandekommen  der  Fibrillen  beigelegt  hat.  Mag 
es  sich  dabei  nun  um  die  MEEKELsche  »Gallerte  <<,  um  die  LAGUESSEsche 
»substance  precollagene <<,  um  das  RETTERERsche  »Hyaloplasma«  oder 
um  das  BRUNische  »Metaplasma  <<  handeln,  so  ist  doch  das  allgemeine 
Merkmal  dieser  Substanzen  ihr  ursprüngliches  amorphes  Wesen,  sowie 
ihre  darauffolgende  mehrfache  Umwandlung,  die  in  ihr  zur  Differen- 
zierung eines  fibrillären  Netzes  führt,  und  zwar  bei  Fehlen  jeder  direkten 
Beziehung  zum  Zellkörper, 

Der  Besitz  eines  homogenen  oder  körnigen  Aussehens,  sowie  die 
mehr  oder  weniger  spät  eintretende  Annahme  der  collagenen  Reak- 
tion sind  Merkmale,  die  für  diese  Substanzen  keine  beträchtlichen 
Unterschiede  bedeuten.  Aller  Wahrscheinlichkeit  nach  handelt  es 
sich  da  um  eine  einzige  Substanz,  die  je  nach  den  verschiedenen 
Stellen  des  Organismus  und  dem  Entwicklungsstadium,  in  dem  sie  zur 
Untersuchung  gelangt,  verschiedene  Merkmale  aufzuweisen  vermag. 
Vergegenwärtigen  wir  uns  die  verschiedenen  Elemente,  aus  denen  sie 
unsrer  Anischt  nach  besteht,  so  kann  es  nicht  schwer  fallen,  den  Grund 
des  verschiedenartigen  Aussehens  zu  begreifen,  das  sie  zu  bieten  vermag. 


über  die  Entstehung  der  Bindegewebsfasern  usw.  495 

Vüu  den  Anhängern  der  Theorie  des  cellulären  Ursprungs  der 
Fibrillen  wird  das  Vorhandensein  dieser  Substanz  entweder  ganz  ge- 
leugnet, oder  in  andrer  Weise  ausgelegt,  als  von  den  Anhängern  der 
Theorie  des  extracellulären  Ursprungs  der  Fibrillen.  Im  allgemeinen 
zeigt  sich  bei  ihnen  das  Bestreben,  sie  mit  der  gewöhnlichen,  amorphen 
intercellulären  Substanz,  der  »homogenen  Grundsubstanz«  Schiffer- 
deckers,  der  »Kittsubstanz«  Schaffers,  zu  identifizieren.  Unsrer 
Ansicht  nach  kann  diese  Deutung  für  die  von  uns  beschriebene  Sub- 
stanz insofern  nicht  angenommen  werden,  als  sie  ganz  andre  strukturelle 
und  chemische  Eigenschaften  darbietet,  als  die  Kittsubstanz.  Wie  wir 
weiter  unten  ausführen  werden,  umfaßt  die  Kittsubstanz  nicht  unsre 
ganze  Substanz,  sondern  stellt  nur  einen  Teil  derselben  dar,  oder  besser, 
eines  ihrer  Derivate. 

Aber  selbst  unter  den  Verfassern,  die  das  Bestehen  einer  Mutter- 
bodensubstanz der  Fibrillen  annehmen,  sind  die  Ansichten  über  ihren 
Ursprung  und  über  ihre  wirkliche  Bedeutung  noch  geteilt.  Einige 
Forscher  (Merkel,  Laguesse,  Renaut,  von  Ebner)  halten  sie  für 
ein  Ausscheidungsprodukt  der  Zelle,  andre  (Retterer,  Bruni  und 
auch  Mall  und  Studnicka)  für  das  Derivat  einer  Umbildung  des  Zell- 
protoplasmas. Im  Grunde  genommen  liegt  aber  der  Zwiespalt  zwischen 
diesen  beiden  Anschauungen  mehr  in  der  Form  als  in  der  Wesenheit, 
denn  auch  die  modernen  Anhänger  der  Ausscheidungstheorie  gehen 
hierin  etwas  von  dem  alten  Begriff  Henles,  Köllikers  und  Ranviers 
ab  und  erkennen  an,  daß  diese  Substanz  der  Sitz  von  Lebensvorgängen 
ist  und  ähnliche  Eigenschaften  besitzt,  wie  das  Protoplasma. 

Kann  ich  nun  auch  die  Möglichkeit  eines  Ausscheidungsvorgangs 
(besonders  des  gallertigen  Teiles  wegen)  nicht  ausschließen,  so  neige 
ich  doch  zur  Annahme  hin,  daß  die  von  uns  beschriebene  Substanz 
nicht  so  sehr  ein  Ausscheidungsprodukt,  als  vielmehr  ein  verändertes 
Protoplasma  darstelle.  In  der  Tat  stehen  die  chemischen  Eigenschaften 
dieser  Substanz  denen  der  Protoplasmen  sehr  nahe,  denn  sie  läßt  eine 
Verwandtschaft  mit  denselben  Farben  erkennen  (bevor  sie  die  collagene 
Reaktion  erwirbt),  die  auch  die  Protoplasmen  färben  (gelbliche  Fär- 
bung nach  V.  Gieson,  rötliche  Färbung  nach  Mallory).  Anderseits 
habe  ich  beobachtet,  daß  die  LANGHANSschen  Zellen  schon  vor  Beginn 
der  Entwicklung  des  Ectoplasmas  den  größten  Teil  ihrer  Ausläufer 
verlieren,  was  meines  Erachtens  nicht  anders  ausgelegt  werden  kann, 
als  indem  wir  annehmen,  daß  sie  in  die  intercelluläre  Substanz  über- 
gehen. 

Auf  der  Suche  nach  einem  Ausdruck,  der  sie  kurz  zu  bezeichnen 

33* 


496  Serafino  d'Antona, 

imstande  ist,  will  mir  der  Name  Metaplasma  am  angebrachtesten  er- 
scheinen, der  von  Heidenhain  vorgeschlagen  und  von  Bruni  an- 
genommen worden  ist.  Wir  können  sie  nicht,  wie  Laguesse,  »prä- 
coUagene  Substanz«  nennen,  weil,  worauf  wir  noch  eingehen  werden, 
in  ihrem  Innern  sich  nicht  nur  collagene  Fasern,  sondern  auch  elastische 
Fasern  differenzieren,  was  an  das  »Albuminoid  <<  Hansens  erinnert. 
Das  »Hyaloplasma«  Retterers  ist  ein  Ausdruck,  der  schon  in  anderm 
Sinne  verwandt  wird;  überdies  ließe  er  sich  unsrer  Substanz  nicht  in 
allen  Fällen  beilegen,  denn  sie  sieht  nur  hyalin  aus,  wenn  die  Körn- 
chen fehlen.  Ebensowenig  können  wir  den  von  Mall,  Studnicka 
und  auch  von  Laguesse  gebrauchten  Namen  »Ectoplasma  <<  annehmen, 
denn  damit  zeigen  wir  ein  Gebilde  an,  das  sehr  verschieden  ist  von 
dem,  auf  das  sich  diese  Verfasser  beziehen. 

Die  fibrillären  Blättchen,  die  sich  bei  den  atherosklerotischen  Ver- 
dickungen auf  Kosten  des  Metaplasmas  bilden,  haben  eine  sehr 
große  Ähnlichkeit  mit  den  von  Renaut,  Laguesse  und  Merkel  in 
verschiedenen  Bindegeweben  und  besonders  bei  dem  Unterhautbinde- 
gewebe beschriebenen  Blättchengebilden.  Das  Netz,  dessen  Differen- 
zierung wir  im  Metaplasma  beobachten  konnten,  ähnelt  den  von  E,e- 
naut  im  Netz  von  Kaninchen-  und  Katzenföten  beschriebenen  äußerst 
feinen  fibrillären  Geflecht.  Auch  Bruni  hat  in  der  Zwischenwirbel- 
scheibe von  Rinderföten  in  einer  ersten  histogenetischen  Periode  in- 
mitten einer  amorphen  Substanz  ein  Geflecht  elementarer  Fibrillen 
entstehen  sehen,  die  sich  nacheinander  zu  Lamellen  und  Fasern  aus- 
bilden. Der  Unterschied  besteht  nun  einfach  darin,  als  was  man  sich 
die  Substanz  denkt,  aus  der  sie  hervorgehen.  So  ist  sie  für  Renaut 
einfach  die  primitive  schleimige  Substanz,  nach  Bruni  dagegen  handelt 
es  sich,  wie  bereits  erwähnt,  um  einen  differenzierten  Teil  des  primi- 
tiven, syncytialen  Protoplasmas. 

Die  lamellöse  Struktur  des  Gewebes  tritt  mit  besonderer  Deutlich- 
keit in  den  etwas  schief  durch  die  Dicke  der  Aorta  geführten  Schnitten 
zutage,  bei  denen  die  Schnittlinien  der  Lamellen  dachziegelartig  ge- 
lagert erscheinen.  Dreht  man  die  Mikrometerschraube  etwas,  so  ver- 
mag man  in  diesen  Fällen  die  Netzstruktur  einer  jeden  Lamelle  zu 
erblicken.  In  den  senkrecht  zur  Wand  hergestellten  Schnitten  da- 
gegen nimmt  man  nichts  andres  wahr,  als  fortlaufende  körnige  Linien, 
und  da  die  Fäden  des  Netzes  sehr  kurz  und  zusammengedrängt  sind, 
so  läßt  sich  zumeist  auch  bei  Drehung  der  Schraube  nicht  feststellen, 
ob  es  sich  um  vereinzelte  Körnchen  oder  Schnitte  kurzer  Fibrillen 
handelt;  jeder  Zweifel  darüber  verschwindet  jedoch  bei  Prüfung  der 


Übel-  die   Hiitsteluiiig  der  Bindegewebsfasern  usw.  497 

schief  oder  oberflächlich  geführten  Schnitte.  Im  Anfang  sind  die 
netzartigen  Lamellen  nur  wenig  zahlreich,  und  zwischenhindurch  zieht 
«ich  eine  bedeutende  Menge  nicht  differenzierter  Substanz;  je  mehr 
jedoch  die  Lamellen  an  Zahl  zunehmen,  desto  mehr  nimmt  die  Masse 
allmählich  an  Volumen  ab,  bis  sie  schließlich  fast  ganz  verschwun- 
den ist  und  die  Lamellen  nur  von  dünnen  Spalträumen  getrennt  sind. 
In  diesem  Stadium  angelangt,  können  die  neugebildeten  Fasern,  trotz- 
dem sie  ihre  netzartige  Lagerung  beibehalten  haben,  auf  ziemlich 
langen  Strecken  verfolgt  werden;  sie  sind  ferner  im  Vergleich  zu  den 
dünnen  Fäden  des  primitiven  Netzes  etwas  dicker,  besitzen  aber  doch 
noch  ein  leicht  körniges  Aussehen.  Nach  dem  BiELSCHOWSKYschen 
Verfahren  nehmen  sie  eine  starke  schwarze  Farbe  an,  mit  der  v.  Gie- 
soNschen  und  MALLORYschen  Methode  werden  sie  nur  schwach  gefärbt, 
sie  haben  also  die  Eigenschaften  der  Gitterfasern. 

Die  Netzstruktur  der  neugebildeten  Lamellen  kann  auf  lange  Zeit 
hinaus  bestehen  bleiben,  zuweilen  haben  wir  sie  sogar  in  vollkommen 
entwickelten  Verdickungen  angetroffen.  Der  einzige  Unterschied 
besteht  dabei  in  einer  größeren  AVeite  der  Maschen  und  einer  leichteren 
Färbbarkeit  der  sie  bildenden  Fibrillen,  die  ihr  körniges  Aussehen 
verloren  hatten,  die  Reaktionen  des  gewöhnlichen  CoUagens  aufwiesen, 
und  sich  nicht  nur  nach  Bielschowsky,  sondern  auch  ziemlich  gut 
nach  V.  Gieson  und  Mallory  färben  ließen. 

Bei  den  meisten  vollentwickelten  Verdickungen  haben  die  La- 
mellen eine  ganz  andre  Zusammensetzung  als  zu  Anfang  ergeben, 
Sie  bestehen  nun  nicht  mehr  aus  einem  unregelmäßigen  Geflecht  von 
dünnen  Fäden,  sondern  aus  langen,  untereinander  parallel  angeord- 
neten, teils  circulär,  teils  transversal  laufenden  Fibrillen.  In  andern 
Fällen  zeigten  die  Fibrillen  nicht  so  sehr  das  Bestreben,  sich  zu  La- 
mellen zu  vereinigen,  als  vielmehr  zu  Bündeln.  Bei  der  Art  des  von 
mir  studierten  Untersuchungsmaterials,  die  es  nicht  gestattete,  mit 
Beständigkeit  und  Sicherheit  über  die  nachfolgenden  Stadien  des 
Krankheitsvorgangs  zu  verfügen  (was  der  Fall  ist,  wenn  man  mit 
embryologischem  oder  experimentellem  Material  arbeitet),  konnte  ich 
unmöglich  Schritt  für  Schritt  die  Veränderungen  verfolgen,  denen  das 
primitive  Netz  bei  seiner  weiteren  Entwicklung  unterworfen  ist,  doch 
ist  es  mir  so  vorgekommen,  als  ob  auch  hier,  wie  bei  ähnlichen  Bil- 
dungen beschrieben  worden  ist,  der  Übergang  von  der  Netzstruktur 
zu  dem  Gefüge  von  parallelen  Fibrillen  durch  das,  allmähliche  Ver- 
schwinden anastomotischer  Fäden   vermittelt   würde. 

Die  collagenen  Fasern  bei  der  Intimaverdickung  können  jedoch 


498  Serafino  cFAntona, 

auch  noch  auf  eine  andre  als  auf  die  beschriebene  Art  und  Weise  zu- 
stande kommen. 

Wie  aus  dem  Vorstehenden  hervorgeht,  nehmen,  soweit  uns  be- 
kannt ist,  die  Zellen  an  der  Fibrillenbildung  nicht  unmittelbar  teil. 
Der  erste  Umriß  des  Netzes,  die  ersten  chromatischen,  collagenen  Re- 
aktionen treten  zwar  vorwiegend  in  nächster  Nähe  der  Zellen  auf, 
aber  die  Fäden  des  Netzes  differenzieren  sich  ganz  unabhänsiff  vom 
Zellkörper  und  seinen  Ausläufern. 

Nun  unterliegen  jedoch  die  LANGHANSschen  Zellen,  wie  bereits 
angeführt,  im  Laufe  ihres  Lebens  einer  Reihe  von  Umwandlungen, 
die  ihre  primitiven  morphologischen  Merkmale  bedeutend  verändern. 
Und  diesen  morphologischen  Veränderungen  der  Zellen  entspricht 
dann  auch  ein  verschiedenes  Verhalten  in  der  Bildung  der  Fibrillen. 

Die  Zellverwandlungen  und  die  entsprechenden  Veränderungen 
in  der  Entstehung  der  Fibrillen  können  äußerst  deutlich  in  den  knotigen 
Verdickungen  verfolgt  werden,  in  denen  die  Wucherungsvorgänge  viel 
kräftiger  sind,  als  in  den  diffusen.  In  ihnen  gehen  die  Zellen  einen 
viel  rascheren  Entwicklungsgang,  deren  einzelne  Strecken  wir  verfolgen 
können,  bevor  es  noch  zu  Entartungserscheinungen  gekommen  ist. 

In  der  Einleitung  haben  wir  kurz  auf  die  Entwicklung  hingewiesen, 
die  die  LANGHANSschen  Zellen  durchmachen.  An  dieser  Stelle  ist  es 
geboten,  den  Vorgang  näher  ins  Auge  zu  fassen  und  ihn  in  Verbindung 
zu  bringen  mit  der  Neubildung  der  Fibrillen. 

Prüfen  wir  die  verschiedenen  Typen  der  LANGHANSschen  Zellen 
im  Stadium  des  nackten  Protoplasmas  neben  denjenigen  mit  stark 
körnigem  Protoplasma  und  zählreichen,  äußerst  dünnen  Ausläufern, 
so  treffen  wir  auch  andre  an,  bei  denen  die  dünnen  Ausläufer  fehlen 
und  die  Körnchen  weniger  zahlreich  sind  (Fig.  4).  Beobachten  wir 
diese  letzten  Elemente  genau,  so  sehen  wir,  daß  an  ihrer  Peripherie 
ein  kleiner,  stark  lichtbrechender  Rand  sich  bemerkbar  macht,  etwas 
wie  ein  unbestimmt  fibrilläres  Häutchen.  In  denjenigen  Zellen,  in 
denen  dieser  etwas  stärker  entwickelt  ist,  nimmt  er  nach  v.  Gieson 
gefärbt  eine  gelbliche  Farbe  an  (Fig.  5  u.  9),  die  dann  immer  mehr  in 
Orange  übergeht  (Fig.  6),  während  zu  gleicher  Zeit  seine  fibrilläre 
Struktur  immer  deutlicher  zutage  tritt.  Je  weiter  nun  diese  periphere 
Schicht  (Ectoplasma)  in  der  Entwicklung  fortschreitet,  erfährt  der 
mittlere  körnige  Teil  der  Zelle  (Endoplasma)  eine  allmähliche  Ver- 
minderung seines  Volumens,  wobei  er  zuerst  von  den  Zellausläufern 
verschwindet,  von  denen  nur  die  dicksten  eine  Spur  desselben  in  ihrem 
axialen  Teil  aufweisen. 


über  die  Entstehung  der  Bindegewebsfasern  usw.  499 

Zur  gleichen  Zeit  erscheinen  die  Körnchen  des  Endoplasmas 
weniger  zahlreich,  aber  größer  und  deutlicher.  Zuweilen,  besonders 
in  der  dem  Ectoplasma  benachbarten  Zone,  sind  diese  Körnchen  zu 
mehr  oder  weniger  langen,  bald  geraden,  bald  verschieden  gekrümmten 
Reihen  ausgebildet;  man  erhält  fast  den  Eindruck,  als  ob  aus  dem 
nach  und  nach  verschwindenden  feinst  gekörnten  Teil  des  Proto- 
plasmas das   Gerüstwerk  des  Spongioplasmas  entstehe  i. 

Der  BiELSCHOWSKYschen  Methode  gegenüber  verhält  sich  das 
Ectoplasma  durchaus  negativ  und  tritt  uns  (Fig.  11)  wie  ein  zumeist 
vollständig  heller,  zuweilen  leicht  veilchenblauer  Rand  mit  glänzender 
Lichtbrechung  entgegen,  in  dem  ich  nur  sehr  selten  Körnchen  ange- 
troffen habe.  Der  fibrilläre  Bau  des  Ectoplasmas,  der,  nach  Bielschows- 
KY  behandelt,  lange  nicht  so  deutlich  hervortritt,  als  mit  dem  v.  Gieson- 
schen  Verfahren,  läßt  sich  in  den  mit  Sublimat  fixierten  und  mit  Eisen- 
hämatoxylin  gefärbten  Präparaten  sehr  deutlich  erkennen.  In  diesen 
Präparaten  (Fig.  3,  4,  7)  sieht  das  Ectoplasma  wie  ein  mehr  oder  we- 
niger dickes  Häutchen  aus,  das  sich  über  den  Zellkörper  hinzieht  und 
von  durch  das  Hämatoxylin  schwarz  oder  tiefblau  gefärbten  Fibrillen 
durchsetzt  ist. 

Die  Fibrillen  haben  eine  etwas  größere  Dicke  als  die  collagenen 
Fibrillen,  sehen  steif  oder  leicht  gewellt  aus  und  verlaufen  unterein- 
ander meist  parallel,  zuweilen  auch  stoßen  zwei  benachbarte  Fibrillen 
in  einem  spitzen  Winkel  zusammen  oder  erscheinen  mit  kurzen,  dünnen, 
anastomotischen  Stücken  verbunden.  Sieht  man  da  genau  zu,  so 
wird  man  gewahr,  daß  die  Fibrillen  kein  gleichmäßiges  Kaliber  haben, 


1  In  einer  LANGHANsschen  Zelle,  die  aus  einem  in  Sublimat  fixierten  und 
mit  HEiDENHAiNschem  Eisenhämatoxylin  gefärbten  Stück  herrührte,  und  in  dem 
die  Differenzierung  ziemlich  stark  ausgefallen  war,  habe  ich  ein  elegantes  und 
regelmäßiges,  aus  kurzen,  dicken  Stäbchen  von  äußerst  regelmäßigen  Dimen- 
sionen gebildetes  Bälkchensystem  wahrgenommen,  bei  dem  die  Stäbchen,  sich 
an  ihren  Enden  verbindend  oder  sich  T-weise  irmestierend,  eine  Art  Netz  bildeten. 
Obgleich  ich  eine  große  Menge  Präparate  sowohl  von  demselben  wie  auch  von 
andern  Stücken  hergestellt  und  die  Differenzierung  verschieden  stark  durch- 
geführt habe,  hat  sich  doch  kein  zweiter  derartiger  Befund  erheben  lassen.  Ich 
halte  es  für  ausgeschlossen,  daß  es  sich  da  um  ein  Kunsterzeugnis  handelt.  Da 
sich  mir  überdies  nicht  die  Gelegenheit  geboten  hat,  zur  Bestimmung  dieses  Ge- 
bildes auch  andre  Methoden  heranzuziehen,  kann  ich  mich  augenblicklich  nicht 
darüber  aussprechen,  zu  welchen  der  ähnlichen,  von  andern  Forschern  beschrie- 
benen Strukturen  dieses  Gebilde  zugezählt  werden  muß.  Ebensowenig  könnte 
ich  darüber  Auskunft  geben,  ob  die  Körnchen  und  die  Fibrillen,  über  die  nach- 
stehend noch  gesprochen  werden  soll,  mit  dem  Zerfall  dieses  Apparates  in  Be- 
ziehung stehen. 


500  Serafino  d'Antona, 

sondern  hier  und  da  varixartige,  streckenweise  mehr  und  weniger 
stark  gefärbte  Anschwellungen  aufweisen,  wie  wenn  sie  von  der  Ver- 
schmelzung einer  Anzahl  abgetrennter  Stückchen  herrührten. 

Tatsächlich  können  in  den  Zellen  mit  kaum  begonnener  Ecto- 
plasmaentwicklung  (Fig.  3  u.  4)  an  ihrer  Oberfläche  meist  kugelige, 
zuweilen  auch  länglichrunde  Körnchen  wahrgenommen  werden,  die 
das  Bestreben  zeigen,  sich  reihenweise  zu  lagern  und  so  die  Fibrillen 
erstehen  zu  lassen,  die  in  den  Zellen  mit  stark  entwickeltem  Ecto- 
plasma  gleichmäßiger  und  länger  erscheinen  (Fig.  7). 

Auch  dann,  wenn  die  Fibrillen  in  ihrem  Verlauf  von  der  Schnitt- 
linie verschont  geblieben  sind,  läßt  sich  keineswegs  feststellen,  wie  sie 
endigen,  da  sie  sich  bald  unmerklich  in  der  intercellulären  Substanz 
verlieren,  bald  von  einer  Zelle  ohne  sichtbare  Unterbrechung  zur  andern 
ziehen.  Zu  denselben  Einzelheiten  gelangt  man  mit  den  nach  Mallory 
hergestellten  Präparaten,  in  denen  das  sich  hell  oder  leicht  rosarot 
färbende  Ectoplasma  von  stark  rot  gefärbten  Fibrillen  durchsetzt  er- 
scheint (Fig.  8),  die  dieselben  Eigentümlichkeiten  aufweisen,  wie  die 
mit  Hämatoxyhn  kennthch  gemachten.  In  den  quer  geschnittenen 
Zellen  und  Ausläufern  läßt  sich  sehr  deutUch  nachweisen,  daß  die 
Fibrillen  den  peripheren  Teil  des  ectoplasmatischen  Eandes  besetzt 
halten.  Zuweilen  aber,  und  ganz  besonders,  wenn  das  Ectoplasma 
stark  entwickelt  ist,  lassen  sich  wenige  blassere  und  dünnere  Fibrillen 
auch  in  seinem  Innern  wahrnehmen. 

Der  diesem  fibrillären,  lichtbrechenden  Rand  von  uns  gegebene 
Name  »Ectoplasma«  scheint  mir  von  den  einschlägigen  Tatsachen 
selbst  aufgezwungen  zu  sein;  ein  rascher  Blick  auf  unsre  Abbildungen 
genügt,  um  uns  den  Unterschied  zwischen  äußerem  und  innerem  Teil 
des  Zellkörpers  überzeugend  vor  Augen  zu  führen. 

Wir  gebrauchen  also  den  Ausdruck  »Ectoplasma«  in  derselben 
morphologischen  Bedeutung,  in  der  ihn  schon  Hansen  gebraucht  hat, 
indem  auch  wir  darunter  einen  veränderten  peripheren  Teil  des  Zell- 
körpers mit  fibrillärer  Struktur  verstehen. 

Das  »Ectoplasma«  Malls  und  Studnickas  unterscheidet  sich  in 
nichts  von  dem,  was  wir  unter  Annahme  der  Anschauungen  Heiden- 
halns  »Metaplasma«  genannt  haben. 

Anderseits  ist  der  lichtbrechende  Rand,  den  wir  an  der  Peripherie 
der  LANGHANSschen  Zellen  haben  hervortreten  sehen,  ebenso  ver- 
schieden von  dem  körnigen  Protoplasma  (Endoplasma)  der  Zellen, 
wie  von  der  intercellulären  Substanz.  Die  Notwendigkeit  eines  Namens, 
der  ihn  zu  bezeichnen  vermag,  ist  also  damit  vollauf  erwiesen.     Der 


über  dio  Entstfhung  der  Uiiulcgowebsfasern  usw.  501 

in  dem  Ausdruck  >>Ectoplasina «  enthaltene  topographische  Begriff 
paßt  nun  aber  zu  diesem  pericellulären  Gebilde  viel  besser  als  zur 
intercellulären  Substanz  Malls  und  Studnickas. 

Die  ectoplasmatischen  Fibrillen  der  LANGHANSschen  Zellen  er- 
innern in  bezug  auf  ihre  Merkmale  und  Bildungsweise  sehr  stark  an 
an  die  von  Golowinski  beschriebenen  und  von  uns  oben  erwähnten 
Befunde. 

Unser  Befund  unterscheidet  sich  von  dem  Golowinskis  dadurch, 
daß  nach  Golowinski  die  Körnchen  und  Fibrillen  sich  an  der  Ober- 
fläche der  Zelle  vorfinden,  während  wir  festgestellt  haben,  daß  die 
Körnchen  im  Zellprotoplasma  zerstreut  sind,  und  auch  die  Fibrillen 
sich  im  Innern  des  Ectoplasmas  vorfinden  können,  wenn  dieses  stark 
entwickelt  ist,  während  die  deutlichsten  sich  immer  in  seinem  peri- 
phersten  Teil  nachweisen   lassen. 

Die  Richtigkeit  der  GoLOwmsKischen  Befunde  ist  auch  von  den 
Anhängern  der  Theorie  vom  extracellulären  Ursprung  der  Fibrillen 
anerkannt  worden.  Da  diese  sie  nicht  zu  leugnen  vermochten,  haben 
sie  nach  einer  andern  Auslegung  derselben  gesucht. 

So  hat  zwar  Mekkel,  unter  dessen  Augen  Golowinskis  Unter- 
suchungen sich  abwickelten,  die  Richtigkeit  der  Beschreibung  dieses 
Verfassers  wohl  anerkannt,  will  aber  dessen  Ansicht,  daß  das  Schicksal 
der  epicellulären  Fasern  das  ist,  sich  in  collagene  Fasern  zu  verwandeln, 
nicht  annehmen.  Nach  Merkel  gehören  sie  zur  inneren  Struktur 
des  Protoplasmas.  Zur  Stütze  seiner  Behauptung  zieht  Merkel  die 
Tatsache  heran,  daß  die  von  Golowinski  angeführten  vom  Zellkörper 
sich  trennenden  Fibrillen  nur  selten  angetroffen  werden,  und  ander- 
seits die  epicellulären  Strukturen  Golowinskis  in  Zellen  vorge- 
funden werden,  die  in  keinerlei  Beziehung  stehen  zur  Fibrillenbildung 
(z.  B.  MuskeKaserzellen  des  Darms  der  Salamanderlarven  und  in  einigen 
Epithelien),  dagegen  in  andern  Zellen  fehlen,  die  in  engem  Zusammen- 
hang stehen  mit  der  Entstehung  der  collagenen  Fibrillen  (z.  B.  in  dem 
in  Entwicklung  befindüchen  Bindegewebe  des  Kopfes  und  des  Schwanzes 
der  Salamander). 

Nun  scheint  mir  aber  der  erste  dieser  Einwände  gegen  die  Aus- 
legung Golowinskis  nicht  stichhaltig  zu  sein,  denn  die  Tatsache,  daß 
wir  eine  Erscheinung  nur  selten  feststellen  können,  reicht  noch  lange 
nicht  zur  Behauptung  hin,  daß  eine  gegebene  Erscheinung  überhaupt 
nicht  eintritt.  AVir  müssen  da  eher  annehmen,  daß  die  Unzulänglichkeit 
unsrer  Untersuchungsmittel  es  uns  nicht  gestattet,  die  verschiedenen 
Momente   ihres  Werdeganges  zu  fassen. 


502  Serafino  d'Antona, 

Dem  zweiten  Einwand  kann  man  entgegenhalten,  daß  die  Zell- 
strukturen  ganz  je  nach  der  Arbeitsleistung  einer  Zelle  eine  verschiedene 
Bedeutung  haben.  Sowohl  eine  Muskelfaserzelle  wie  auch  eine  Nerven- 
zelle und  eine  Epithelzelle  können  eine  fibrilläre  Struktur  aufweisen 
und  weisen  sie  auf,  wie  die  Bindegewebszelle,  doch  dürften  die  Fibrillen 
eben  in  jedem  dieser  Elemente  eine  verschiedene  Bedeutung  haben. 
Daß  dann  die  GoLOWiNSKischen  Strukturen  in  Zellen  fehlen,  die  un- 
leugbar in  Beziehung  stehen  zur  Genesis  der  coUagenen  Fasern,  hat 
für  uns  insofern  keinen  Wert,  als  wir  zugeben,  daß  diese  Strukturen 
nicht  feststehend  noch  beständig  sind  für  jede  Zelle,  sondern  daß  sie 
auftreten  und  sich  dann  ganz  je  nach  dem  Alter  des  Gewebes  und  den 
Einflüssen,  die  ihre  Entwicklung  bedingen,  verändern. 

Zuletzt  sei  noch  darauf  hingewiesen,  daß  die  Bemerkung,  diese 
Gebilde  gehörten  »der  inneren  Protoplasmastruktur  <<  an,  die  Frage 
nicht  löst,  sondern  einfach  abbricht. 

Zu  denselben  Schlüssen  gelangt,  obgleich  von  ganz  andern  Gesichts- 
punkten ausgehend,  Meves  in  seiner  kürzlichen  Arbeit.  Nach  Meves 
sind  die  präcollagenen  Fibrillen  Golowinskis  identisch  mit  den  von 
Malloky  beschriebenen  Fasern  der  »Fibroglia  <<.  Wenngleich  ihre 
Bedeutung  sich  ihm  nicht  recht  klar  ergibt,  so  ist  er  doch  der  Ansicht, 
daß  sie  »ein  Bestandteil  der  Protoplasmastruktur <<  sind,  und  hält  sie 
»nicht  für  vergleichbar«,  wie  Merkel  sich  ausgedrückt  hatte,  sondern 
für  identisch  mit  den  von  Heidenhain  und  Benda  in  den  Muskelfaser- 
zellen beschriebenen  Fibrillen  (Grenzfibrillen  Heidenhains,  MyogUa- 
fibrillen  Bendas).  Was  nun  aber  Meves  zur  Stütze  seiner  Anschauungs- 
weise anführt,  ist  weder  reiche  noch  überzeugende  Beweisführung. 
Im  wesentlichen  stützt  er  sich  dabei  auf  die  angeführten  MERKELschen 
Folgerungen  und,  was  die  Wesensgleichheit  zwischen  den  präcollagenen 
Fasern  Golowinskis,  der  Fibroglia  Mallorys,  der  Myoglia  Bendas, 
und  den  Grenzfibrillen  Heidenhains  anbetrifft,  auf  ihre  äußere  Iden- 
tität. Unbegreiflich  ist  es,  wie  man  in  bezug  auf  die  Fibroglia  immer 
noch  von  einer  Komponente  der  Protoplasmastrukturen 
reden  kann,  von  dem  Augenblick  an  als  ihre  Fasern,  wie  von  Mallory 
und  CocA  beschrieben  worden  ist,  frei  sind  und  mcht  mehr  mit  dem 
Zellprotoplasma  in  Beziehung  stehen. 

Merkel  stellt  absolut  in  Abredö,  daß  die  fibrillären-cellulären 
Strukturen  irgendwelche  Beziehung  zur  Entstehung  der  Fibrillen  haben, 
Meves  dagegen  spricht  sich  einerseits  in  negativem  Sinne  aus  hin- 
sichtlich des  Bestehens  einer  solchen  Beziehung  zu  den  von  Golo- 
wiNSKi  beschriebenen  Gebilden,   nimmt  sie  aber  bezüglich  der  von 


über  dio  Entstehung  der  Bindegewebsfasern  usw.  503 

Flemming  in  den  Bindegewebszellen  der  Salamanderlarven  erkannten 
Fibrillenbildungen  an,  die  von  ihm  (Meves)  mit  den  Chondriokonteu 
identifiziert  worden  sind. 

Es  ist  hier  angebracht,  auseinanderzusetzen,  wie  sich  Meves  die 
Bildung  der  collagenen  Fasern  denkt.  Nach  Meves  stellen  die  von 
ihm  Chondriokonteu  genannten  Cytoplasmafäden  die  erste  Anlage  der 
Bindegewebsfibrillen  dar.  Erstere  liegen  zuerst  unregelmäßig  im 
Zellkörper  zerstreut,  wandern  dann  aber  nach  und  nach  an  dessen 
Oberfläche,  Auf  diese  Weise  epicellulär  geworden,  »ändern  sie  dann 
ihre  chemische  Beschaffenheit,  indem  sich  ihre  Substanz  in  eine  solche 
umwandelt,  welche  weder  durch  Eisenhämatoxylin  noch  durch  Fuchsin 
färbbar  ist.  Auf  diesem  Stadium  (d.h.  während  sie  nicht  sicht- 
bar sind)  treten  diejenigen  von  ihnen,  welche  in  einer  Keihe  liegen, 
untereinander  mit  ihren  Enden  in  Verbindung.  An  der  Bildung  einer 
Fibrille  beteiligen  sich  zahlreiche  Zellen  (alle  diejenigen,  denen  ihr 
Verlauf  fest  anliegt),  indem  jede  einen  Fibrillenabschnitt  liefert.  Die 
Fibrillen  ändern  dann  zum  zweitenmal  ihre  chemische  Beschaffenheit, 
indem  sie  eine  intensive  Färbbarkeit  für  die  Collagenfarbstoffe  ge- 
winnen. Schließlich  werden  sie  von  den  Zellen  frei  und  kommen  in 
den  Spalträumen  zwischen  ihnen  zu  hegen.« 

Bemerkensw^ert  ist,  daß  in  einer  früheren  Arbeit  Meves  ange- 
nommen hatte,  daß  die  Körnchen  und  Fasern  Golowinskis  identisch 
seien  mit  seinen  Mitochondren  und  Chondriokonten.  In  seiner  neuesten 
Arbeit,  auf  die  wir  uns  hier  beziehen,  sagt  er  dagegen,  daß  er  diese 
Gleichheit  insofern  nicht  mehr  zugeben  kann,  als  die  GoLOWiNSKischen 
Fasern  sich  von  den  Chondriokonten  sowohl  chemisch  wie  auch  morpho- 
logisch differenzieren:  chemisch  insofern,  als  sie  von  der  ZENKERschen 
Flüssigkeit,  die  die  Chondriokonten  auflöst,  nicht  angegriffen  werden; 
morphologisch  insofern,  als  die  Chondriokonten  Fadenstücke  sind, 
und  auch  dann,  wenn  sie  sich  an  der  Zelloberfläche  befinden,  sich  nie- 
mals auf  der  Zelle  und  längs  ihrer  Ausläufer  so  weit  erstrecken. 

Mir  macht  es  dagegen  den  Eindruck,  daß  sowohl  die  chemischen, 
wie  auch  die  morphologischen  Eigenschaften  kein  unüberwindbares 
Hindernis  für  die  Annahme  der  Gleichheit  der  GoLOWiNSKischen  Körn- 
chen und  Fasern  und  der  MEVESschen  Mitochondren  und  Chondrio- 
konten sind.  Wir  müssen  dabei  in  Betracht  ziehen,  daß  diese  Teile 
lebende  Elemente  sind,  deren  Eigenschaften,  wie  auch  Meves  zugibt, 
Veränderungen  unterworfen  sind,  weshalb  sie  sich  den  chemischen 
Agentien  gegenüber  ganz  verschiedenartig  verhalten  können,  ganz  je 
nachdem  diese  sie  in  einem  oder  dem  andern  Stadium  ihres  Daseins 


504  Serafino  d'Antona, 

treffen.  Ebenso  lassen  sich  auch  die  morphologischen  Unterschiede 
erklären,  indem  man  in  Betracht  zieht,  daß  die  zwischen  Körnchen 
und  Fäden  zur  Bildung  der  Fibrillen  vor  sich  gehende  Vereinigung 
mehr  oder  weniger  vorgeschritten,  und  also  das  gebildete  Fibrille n- 
segment  mehr  oder  weniger  lang  sein  kann. 

Eines  andern  Unistandes  verdient  dann  überdies  gedacht  zu 
werden,  daß  nämlich  einer  der  hauptsächlichsten  (wenn  nicht  geradezu 
der  hauptsächlichste)  von  Meves  zugunsten  der  Abhängigkeit  der 
Entstehung  zwischen  Chondriokonten  und  collagenen  Fasern  vorge- 
brachten Beweisgründe  in  gewissem  Sinne  dazu  geeignet  ist,  die  Deutung 
GoLOWiNSKis  zu  stützen.  So  sagt  Meves  tatsächlich:  Ständen  die 
Chondriokonten  in  keinerlei  Beziehung  zur  Bildung  der  Fibrillen, 
weshalb  würden  sie  denn  dann  epicellulär  werden?  Nun  ordnen  sich 
auch  die  zuerst  an  der  Oberfläche  des  Zellkörpers  unregelmäßig  zer- 
streut liegenden  GoLOWiNSKischen  Körnchen  nach  und  nach  zu  regel- 
mäßigen Reihen  an,  um  dann  zu  Streifen  und  Fibrillen  zu  werden. 
Wir  könnten  uns  also  auch  ihretwegen  fragen:  Wenn  sie  wirklich 
nichts  mit  der  Fibrillenbildung  zu  tun  hätten,  warum  würden  sie  sich 
dann  reihenweise  lagern? 

Ich  habe  in  den  LANGHANSschen  Zellen  mittels  des  MEVESschen 
Verfahrens  nach  Mitochondren  gesucht,  aber  ohne  sicheren  Erfolg, 
denn  es  haben  sich  mir  keine  wesentlichen  Unterschiede  zwischen  den 
zu  diesem  Zweck  hergestellten  Präparaten  und  den  von  in  Sublimat 
oder  Zenker  fixierten  Stücken  herrührenden  Präparaten  ergeben. 
Sowohl  in  diesen,  wie  auch  in  den  in  FLEMMiNGscher  Flüssigkeit  fixierten 
Präparaten^  kamen  dieselben  körnigen  und  fibrillären  Strukturen  mit 
den  beschriebenen  Merkmalen  zum  Vorschein. 

Da  wir  nun  einmal  zugegeben  haben,  daß  diese  Strukturen  den 
von  GoLOWiNSKi  beschriebenen  entsprechen,  entscheidet  sich  so  die 
Frage  ihrer  vorhandenen  oder  nicht  vorhandenen  Wesensgleichheit 
mit  Mitochondrengebilden,  je  nachdem  wir  diese  Wesensgleichheit  für 
die  GoLOWiNSKischen  Gebilde  zugeben  oder  nicht.  Die  von  Golowinski 
geschilderten  Fibrillen  haben  von  ihm  den  Namen  »Präcollagene  Fasern  << 
erhalten;  diese  Benennung  können  wir  aber  aus  demselben  Grunde 
nicht  annehmen,  aus  dem  wir  schon  die  von  Laguesse  für  die  amorphe 
Substanz  vorgeschlagene  Benennung  >>Präcollagene  Substanz«  zurück- 


1  In  den  von  in  FLEMMiNOscher  Flüssigkeit  fixierten  Stücken  herrührenden 
Hämatoxylinpräparaten  beobachtet  man  zuweilen  die  Schwärzung  von  Körnchen, 
die  nichts  mit  den  beschriebenen  Gebilden  zu  tun  haben  (es  handelt  sich  da  wahr- 
scheinlich um  Entartungsprodukte). 


i'ber  dio  Entstellung  der  Bindegewebsfasern  usw.  505 

weisen  mußten,  nämlich  weil,  worauf  wir  noch  näher  eingehen  werden, 
diese  Fibrillen  unsrer  Ansicht  nach  sich  nicht  nur  in  collagene,  sondern 
auch  in  elastische  Fasern  verwandeln;  ebendeshalb  wollen  wir  sie 
»Ectoplasmaf ibrillen  <<  nennen,  und  unter  dem  Namen  »Primitive 
Fibrillenstrukturen«  sowohl  die  Ectoplasmafibrillen  wie  auch  die  ersten 
körnigen  Fäden  verstehen,  die  sich  inmitten  des  Metaplasmas  differen- 
zieren. 

Gehen  wir  dann  auf  die  Frage  ein,  welches  Verhalten  die  Neu- 
bildung der  Fibrillen  den  Zellveränderungen  gegenüber  an  den  Tag 
legt,  so  können  wir  da  feststellen,  daß  je  mehr  die  Entwicklung  des 
Zeilectoplasmas  fortschreitet,  das  Metaplasma  desto  mehr  an  Volumen 
verliert;  es  erscheint  nicht  mehr  als  eine  gleichmäßig  zwischen  die 
Zellelemente  verteilte  Masse,  sondern  tritt  uns  in  Form  fleckenartiger 
Ansammlungen  in  ihrer  Nähe  entgegen,  und  umgibt  sie  zuweilen  auch 
hofartig  (Fig.  9). 

In  diesem  Zeitabschnitt  erwirbt  das  Metaplasma  die  chromatischen 
Reaktionen  der  collagenen  Substanz,  noch  bevor  in  ihm  Fibrillen- 
strukturen deutlich  zu  erkennen  sind.  Mit  der  van  GiESONschen  und 
MALLORYschen  Methode  nimmt  es  eine  schwache,  diffuse  rote  oder 
blaue  Farbe  an;  nur  das  BiELSCHOWSKYsche  Verfahren  läßt  uns  er- 
kennen, daß  in  dem  Metaplasma  sich  noch  äußerst  feine,  körnige  Fi- 
brillen differenzieren. 

Sobald  jedoch  die  ectoplasmatische  Umwandlung  der  Zellen  be- 
ginnt, werden  die  ganz  unabhängig  von  den  Zellen  inmitten  des  Meta- 
plasmas zustande  kommenden  Fibrillen  immer  seltener;  nun  erscheinen 
die  meisten  Fibrillen  an  den  Umrissen  der  Zellen  selbst,  deren  Ver- 
teilung sie  folgen  (Fig.  9  u.  11).  Diese  pericellulären  Fibrillen  sind 
lang,  dünn  und  leicht  gewellt;  sowohl  sie,  wie  auch  die  gleichzeitig  im 
Metaplasma  zur  Bildung  gelangenden  Fibrillen  verlaufen  unterein- 
ander parallel,  sind  isoliert  oder  zu  kleinen  Bündeln  vereinigt;  Ana- 
stomosen werden  nicht  beobachtet.  Die  Fibrillen  bilden  um  die  Zellen 
herum  sozusagen  Manschetten,  die  mit  den  das  Collagen  kolorierenden 
Farbstoffen  eine  kräftige  Farbe  annehmen;  doch  wird,  wie  ich  bereits 
in  bezug  auf  die  Fibrillen  metaplasraatischen  Ursprungs  hervorgehoben 
habe,  die  collagene  Reaktion  im  Anfang  nicht  so  sehr  von  den  Fibrillen, 
als  vielmehr  von  der  zwischen  ihnen  verteilt  liegenden  Substanz  ab- 
gegeben. Besonders  bei  den  nach  van  Gieson  hergestellten  Präparaten 
tritt  die  collagene  Färbung  diffus  hervor,  und  die  Fibrillen  lassen  sich 
mehr  ihrer .  Lichtbrechung  als  der  Farbewirkung  wegen  erkennen. 
Dasselbe  ist  bei  den  nach  Mallory  hergestellten  Präparaten  der  Fall. 


506  Serafino  d'Antona, 

Nur  mit  Hilfe  der  Silbertränkung  lassen  sich  feinste,  körnige  Fibrillen 
aufs  deutlichste  wahrnehmen. 

Daß  diese  pericellulären  Fibrillen  nach  dem,  was  wir  über  sie 
gesagt  haben,  aus  den  im  Ectoplasma  beschriebenen  Strukturen  her- 
rühren (mögen  diese  Strukturen  als  Mitochondrengebilde  aufgefaßt 
werden  oder  nicht)  scheint  mir  über  jeden  Zweifel  erhaben  zu  sein. 
Bringen  wir  die  mit  den  verschiedenen  Verfahren  erhaltenen  Befunde 
nebeneinander,  so  können  wir  die  Veränderungen,  die  das  Zellproto- 
plasma erfährt,  bevor  es  die  Fibrillen  schafft.  Schritt  für  Schritt  ver- 
folgen. Ganz  besonders  die  BiELSCHOWSKYsche  Methode  setzt  uns  in 
den  Stand,  die  Fibrillen  in  einer  Zeit  vor  Augen  zu  bekommen,  in  der 
sie  noch  mit  dem  Zellkörper  zusammenhängen,  und  mit  den  gewöhn- 
lichen Verfahren  noch  keine  Färbung  zu  erhalten  ist.  Leider  läßt 
diese  Methode  die  Ectoplasmagebildei,  besonders  wenn  das  Ecto- 
plasma stark  entwickelt  ist,  nicht  erkennen;  ihre  Lücken  werden  aber 
durch  die  Eisenhämatoxylinpräparate  ausgefüllt. 

Die  Verteidiger  des  intercellulären  Ursprungs  der  Fasern,  darunter 
besonders  Merkel,  stehen  derart  im  Banne  ihres  Vorurteils,  daß  die 
Bildung  der  Fasern  nur  auf  eine  einzige  Art  und  Weise  stattfinden 
könne,  daß  sie  selbst  klar  vor  uns  liegende  Tatsachen  leugnen. 

Wenn  diese  Gebilde  wirklich  nichts  zu  tun  hätten  mit  der  Bildung 
der  Fasern,  welche  Bedeutung  müßte  man  ihnen  dann  beilegen?  Warum 
würden  sie  dann  hervortreten,  wenn  gerade  die  Erscheinungsweise  der 
neugebildeten  Fasern  die  Vermutung  bekräftigt,  daß  die  Fasern  direkt 
von  den  Zellen  abstammen? 

Merkel  hat  nun  zwar  die  Tatsache,  daß  oft  die  Fasern  und  Aus- 
läufer der  Zellen  in  derselben  Richtung  verlaufen,  damit  zu  erklären 
versucht,  daß  er  annahm,  daß  diese  Erscheinung  einer  in  derselben 
Weise  auf  Zellen  und  Fasern  einwirkenden  Kraft  zuzuschreiben  sei. 
Aber  dann  müssen  wir  uns  doch  in  unserm  Fall  ohne  weiteres  fragen: 
Warum  haben  die  Fasern,  deren  Bildung  inmitten  des  Metaplasmas 
wir  feststellen  konnten  einen  von  den  Zellausläufern  unabhängigen 
Verlauf,  während  die  an  der  Peripherie  des  Ectoplasmas  auftretenden 
Fasern  den   Zellausläufern  getreulich  folgen? 

1  Höchstwahrscheinlich  ist  das  dem  Umstand  zuzuschreiben,  daß  die  Körn- 
chen ins  Ectoplasma  eingeschlossen  sind  und  da  von  einer  homogenen,  zähen 
Substanz  festgehalten  werden,  die  sie  der  Silbertränkung  entzieht;  tatsächlich 
werden  die  körnigen  Strukturen  wieder  sichtbar,  wenn  sie  die  Oberfläche  des 
Ectoplasmas  erreichen.  Es  sei  hier  gleich  darauf  hingewiesen,  daß  das  eigentüm- 
liche von  Langhans  beschriebene  Kanalsystem  gerade  den  von  der  Silberträn- 
kung weiß  gelassenen  Ectoplasmen  zuzuschreiben  ist. 


t'l)ci-  die  Entstc'lniiip;  der  BiiKli'gowcltsfasorn  usw.  507 

In  unserin  Fall  kann  dann  auch  keine  Verschiedenheit  der  mecha- 
nischen Verhältnisse  untorpjeschoben  werden,  denn  wir  haben  in  ein 
und  derselben  knotii;en  oder  diffusen  Intinuiverdickung  von  der  Ober- 
fläche der  Tiefe  zu  vorgehend  nacheinander  die  beiden  Bildungsarten 
angetroffen. 

Nun  könnte  aber  doch  zur  Leugnung  der  zwischen  den  Ectoplasma- 
strukturen  und  den  pericellulären  Fasern  bestehenden  genetischen  Ab- 
hängigkeit das  herangezogen  werden,  was  wir  bereits  festgestellt  haben, 
daß  nämlich  sehr  oft  der  Durchmesser  der  Körnchen  und  der  Ecto- 
plasmafibrillen  größer  ist,  als  der  der  gebildeten  collagenen  Fibrillen. 
Auch  Meves  hat  ebendiese  Erscheinung  bezüglich  der  Chondriokonten 
beobachtet  und  sie  den  technischen  Verfahren  zuschreiben  zu  müssen 
geglaubt.  Kann  zu  dieser  Erklärung  gegriffen  werden,  wo  es  darauf 
ankommt,  einen  Vergleich  anzustellen  zwischen  Fibrillen,  von  denen 
die  einen  mit  Hämatoxylin,  die  andern  mit  Fuchsin  gefärbt  worden 
sind,  wie  dies  bei  dem  von  Meves  verwandten  Verfahren  der  Fall  ist, 
so  will  sie  mir  doch  unannehmbar  vorkommen,  wenn  die  intracellu- 
lären  wie  auch  die  extracellulären  Gebilde  unter  der  Einwirkung 
ein  und  derselben  Substanz  stehen,  wie  dies  bei  der  Silbertränkung  der 
Fall  ist. 

Meiner  Meinung  nach  kann  diese  Erscheinung  ihre  Erklärung 
finden,  indem  man  annimmt,  daß  jede  der  ectoplasmatischen  Fibrillen 
nicht  eine  einzige,  sondern  mehrere  collagene  Fibrillen  hervorruft, 
daß  also  die  größten  Fibrillen  im  Augenblick  ihrer  Trennung  von  der 
Zelle  sich  der  Länge  nach  spaltend  zu  dünneren  Fibrillen  umwandeln. 
Diese  Vermutung  steht  mit  keiner  der  von  uns  erworbenen  Kenntnisse 
in  Widerspruch  und  ist  auch  insofern  gar  nicht  neu,  als  dieselbe  Ver- 
vielfältigungsart von  V.  Ebner,  Flemmtng  und  Heidenhain  für  die 
vollentwickelten  Fasern  angenommen  worden  ist. 

Übrigens  ist  die  Vermutung,  daß  die  pericellulären  Fibrillen  im 
Metaplasma  entstandene  und  dann  an  den  Zellkörper  sich  anlegende 
Fibrillen  seien,  auch  schon  durch  das  bei  ihrer  weiteren  Entwicklung 
an  den  Tag  gelegte  Verhalten  hinfällig  geworden.  Tatsächlich  ent- 
fernen sie,  die  zuerst  eine  Art  Muff  oder  Mantel  um  die  Zelle  bilden, 
sich  nach  und  nach  von  ihr  und  werden  immer  weiter  zurückgedrängt, 
bis  sie  die  hellen,  zwischen  Zelle  und  Zelle  bestehenden  Zwischen- 
räume ausfüllen.  Bei  ihrem  Zurücktreten  von  der  Zelle  lagern  sie  sich 
dann  in  ein  und  derselben  Schicht  und  bilden  so  eine  Lamelle,  genau 
dem  entsprechend,  was  wir  bei  den  Fibrillen  haben  eintreten  sehen,  die 
sich  inmitten  des  Metaplasmas  differenzieren.    Der  Unterschied  in  der 


508  Serafino  d'Antona, 

Entstehung  der  beiden  Lamellengebilde  liegt  darin,  daß  im  ersten 
Fall  die  das  Blatteten  ausmachenden  Fibrillen  zuerst  netzartig  an- 
geordnet sind  und  erst  später  untereinander  parallel  laufen,  hier  da- 
gegen die  Fibrillen  von  Anfang  an  isoliert  und  parallel  erscheinen. 
Es  verlaufen  jedoch  nicht  alle  eine  Lamelle  bildenden  Fibrillen  in 
derselben  Kichtung,  sondern  es  besteht  ein  jedes  Blättchen  aus  zwei 
oder  drei  Fibrillensystemen,  die  sich  verschiedene  Winkel  bildend  kreu- 
zen. Nach  der  am  meisten  von  mir  angetroffenen  Lagerung  zu  urteilen, 
besteht  jedes  Blättchen  aus  einem  System  circulärer  und  einem  System 
länglicher  Fibrillen,  in  bezug  auf  die  Achse  des  Gefäßes.  Zwischen 
diesen  beiden  grundlegenden  Systemen  verlaufen  wenig  zahlreiche, 
mehr  oder  weniger  schiefe  Fibrillen.  Die  Hauptsache  bleibt  also, 
mögen  die  Fibrillen  nun  von  dem  Metaplasma  oder  dem  Ectoplasma 
abstammen,  daß  sie  schließlich  zu  einem  Gewebe  führen,  das  dieselben 
Eigenschaften    besitzt. 

IV.  Entstehung  der  elastischen  Fasern. 
A.   Gegenwärtiger  Stand  der  Frage. 

Die  Entstehung  der  elastischen  Fasern  liegt  noch  mehr  im  Dun- 
keln als  die  der  collagenen  Fasern.  Ich  verzichte  darauf,  hier  auch 
nur  in  großen  Zügen  die  reiche  darüber  bestehende  Literatur  wieder- 
zugeben, die  ziemlich  ausführlich  vor  nicht  langer  Zeit  von  Röthig 
zusammengestellt  worden  ist.  Ich  will  hier  nur  anführen,  daß  für  die 
elastischen  Fasern  die  verschiedensten,  celluläre  und  extracelluläre. 
Bildungsweisen  beschrieben  worden  sind. 

So  haben  sie  einige  Forscher  an  der  Peripherie  der  Zellen  ent- 
stehen (ViRCHow,  Hertwig,  Spuler,  Loisel,  Hansen,  Acquisto) 
und  andre  aus  dem  ganzen  Zellprotoplasma  ihren  Ursprung  nehmen 
sehen  (Deutschmann,  Gerlach,  Ageno,  Spuler,  Loisel,  Gard- 
ner, Retterer,  Taddei,  Teufel,  Spalteholz).  Die  Bildung  auf 
Kosten  der  Zellausläufer  ist  von  de  Lieto-Vollaro,  Spuler,  Loisel, 
Hansen,  Nakai,  Stoss,  Jores  beschrieben  worden;  die  Umwand- 
lung ganzer  Zellen  in  elastische  Fasern  und  die  Teilnahme  des  Kernes 
an  ihrer  Bildung  haben  Sondakewitsch,  Heller,  Kuskow,  Panzini, 
Retterer,  Loisel,  Spuler,  de  Kervily,  Livini  angenommen. 

Sowohl  der  unmittelbare  intercelluläre  Ursprung  aus  der  Grund- 
substanz wie  auch  der  mittelbare  durch  Umprägung  der  collagenen 
Fasern  ist  unter  andern  von  Ranvier,  Heller,  Passarge  und  Krö- 
siNG,  Meissner,  von  Ebner,  Hansen,  Geipel,  Schiffmann,  Fuss, 
Matsuoka,  Henneguy  wahrgenommen  worden. 


t'bfr  dii'  Eiitstcluiiig  der   Biiulogcwobsfa.scrn  usw.  509 

Am  verbreitetsten  ist  heute  die  Meinung,  daß  die  elastische  Sub- 
stanz in  dem  Körper  der  Zelle  und  ihren  Ausläufern  vornehmUch  in 
Form  von  Körnchen  auftrete,  und  daß  die  Fasern  durch  Vereinigung 
dieser  Körnchen  an  der  Oborfliiche  der  Zellen  zustande  kommen. 

B.  Eigne  Beobachtungen. 

Nach  dem,  was  bereits  über  die  Entstehuno;  der  coUaüenen  Fasern 
gesagt  worden  ist,  kann  sich  das  über  die  Bildung  der  elastischen 
Fasern  zu  Sagende  deshalb  auf  wenige  Worte  beschränken,  weil  ich 
in  der  Bildungsweise  dieser  beiden  Faserarten  keine  wesentlichen 
Unterschiede  gefunden  habe.  Genau  wie  die  collagenen  Fasern  können 
auch  die  elastischen  Fasern  in  zweierlei  Form  auftreten,  in  Form  eines 
Netzes,  inmitten  des  Metaplasmas  (Fig.  12)  oder  in  Form  von  anfäng- 
lich vereinzelten  Fasern  (Fig.  13  u.  14)  an  den  Umrissen  der  Zelle. 
Was  die  Fasern  ectoplasmatischen  Ursprungs  anbelangt,  möchte  ich 
hier  bemerken,  daß  ich  elastische  Fasern  niemals  im  Zellkörper,  sondern 
immer  an  seiner  Peripherie  angetroffen  habe.  Um  zwecklose  Wieder- 
holungen zu  vermeiden,  verzichte  ich  darauf,  Aviederum  den  ganzen 
Vorgang  zu  verfolgen,  denn  auch  hier  vereinigen  sich  die  neugebil- 
deten Fasern  und  bringen  so  die  schon  bei  den  collagenen  Fasern  be- 
schriebenen Lamellengebilde  zustande,  mit  dem  Unterschied  jedoch, 
daß  hier  natürlich  die  netzartige  Anordnung  der  elastischen  Fasern 
nicht  verschwindet,  wie  wir  es  bei  den  collagenen  Fasern  gesehen  haben, 
sondern  die  Zweiteilungen  und  Anastomosen  der  Fasern  das  ganze 
Leben  hindurch  bleiben,  was  eine  besondere  Eigenschaft  des  elastischen 
Gewebes  ist. 

Was  jedoch  hervorgehoben  zu  werden  verdient,  ist,  daß  ich  bei 
der  Bildung  der  elastischen  Fasern  kein  körniges  Stadium  habe  wahr- 
nehmen können.  Das  weniger  oder  mehr  vorgeschrittene  Alter  der 
elastischen  Fasern  wurde  mir  durch  die  mehr  oder  wenio;er  starke 
Fixierung  der  Farbstoffe  verraten.  Prüfte  man  diese  Präparate,  so 
machte  es  fast  den  Eindruck,  als  ob  sie  unvollständig  differenziert 
■wären,  denn  neben  den  deutlich  gefärbten  Fasern  ließen  sich  auch 
andre  wahrnehmen,  die  verschiedene  Farbentöne  aufwiesen  (Fig.  12). 
Das  gilt  ganz  besonders  von  den  Fasern,  die  sich  in  Form  eines  Netzes 
inmitten  des  Metaplasmas  differenzieren,  während  die  an  der  Peri- 
pherie des  Ectoplasmas  entspringenden  Fasern  von  Anfang  an  deutlich 
gefärbt,  aber  glatt  und  homogen  erscheinen. 

Das  steht  nun  aber  in  Widerspruch  mit  dem,  was  Jores  und 
andre  beobachtet  haben,  daß  nämlich  die  elastischen  Fasern  der  Intima- 

Zeitschrift  f.  wisienscli.  Zoologie.  (IX.  I'.il.  34 


510  Serafino  d'Antona, 

Verdickungen  einen  körnigen  Ursprung  hätten;  doch  habe  ich  bereits 
an  andrer  Stelle  darauf  hingewiesen,  wie  leicht  es  ist,  das  als  Körnchen 
zu  deuten,  was  weiter  nichts  ist,  als  ein  Fibrillendurchschnitt  (Fig.  13 
und  14). 

Übrigens  leugnet  auch  Mall,  der  die  Entstehung  der  elastischen 
Fasern  der  Aorta  und  andrer  Organe  vom  embryologischen  Stand- 
punkt aus  gründlich  studiert  hat,  für  die  Gefäße  den  körnigen  Ursprung 
dieser  Fasern. 

Nun  habe  ich  zwar  zuweilen  sowohl  im  Metaplasma,  wie  auch 
(aber  seltener)  im  Protoplasma  der  Zelle  mit  den  für  das  Elastin  für 
elektiv  gehaltenen  Farbstoffen  gefärbte  Körnchen  angetroffen,  doch 
schien  mir  dieser  Befund  keine  besondere  Bedeutung  für  die  Bildung 
der  Fasern  zu  besitzen,  vor  allem  weil  er  unbeständig  war  und  dann 
auch,  weil  diese  Körnchen  im  Verhältnis  zu  der  bedeutenden  Menge 
Fasern,  die  sich  differenzieren,  sehr  spärlich  sind.  Anderseits  ist  es 
eine  wohlbekannte  Tatsache,  daß  diese  Farbstoffe  viele  andre  Gebilde 
färben,  die  mit  Elastin  nichts  zu  tun  haben.  Wahrscheinlich  können 
wir  gerade  hierin  den  Hauptgrund  finden  für  die  Fülle  der  für  die 
elastischen  Fasern  beschriebenen  Bildungsweisen. 

Damit  soll  nun  aber  natürlich  noch  gar  nicht  gesagt  sein,  daß  die 
elastischen  Fasern  niemals  und  in  keinem  Organ  in  Körnchenform 
auftreten  können,  denn  ich  stehe  gar  nicht  an,  zuzugeben,  daß  unter 
bestimmten  Verhältnissen  und  in  bestimmten  Geweben  die  elastische 
Substanz  auch  unter  Form  von  Körnchen  sich  zeigen  kann.  Auch 
Mall  leugnet,  wie  gesagt,  den  körnigen  Ursprung  der  elastischen 
Fasern  für  die  Gefäße,  nimmt  ihn  dagegen  aber  für  den  Arytenoid- 
knorpel  an.  Bei  alledem  scheint  mir  jedoch  behauptet  werden  zu 
können,  daß  bei  der  Neubildung  der  elastischen  Fasern  bei  den  athero- 
sklerotischen  Aortaverdickungen  von  dem  Bestehen  eines  körnigen 
Stadiums  nicht  geredet  werden  kann.  Dem  Zeitpunkte  nach  erscheinen 
die  elastischen  Fasern  in  den  Verdickungen  sehr  früh;  wir  finden  sie 
oft  schon  reichlich  entwickelt,  wenn  die  rein  collagenen  Fibrillen  als 
solche  noch  nicht  erkennbar  sind. 

V.  Bedeutung  der  erhaltenen  Ergebnisse. 

Aus  dem  bisher  Ausgeführten  geht  hervor,  daß  die  Fasern  bei 
den  atherosklerotischen  Aortaverdickungen  auf  zwei  verschiedene 
Weisen  zustande  kommen.  Bei  der  ersten  Bildungsart  differenzieren 
sich  die  fibrillären  Gebilde  inmitten  einer  intercellulären,  amorphen 
Substanz  (Metaplasma),  ohne  daß,  wenigstens  allem  Anschein  nach, 


Vhcv  clio   Kn(«t(Imiig  der  Bindegewebsfasern  usw.  511 

die  Zellen  an  dem  Fortschreiten  des  Vorgangs  direkt  teilnehmen.  Bei 
der  zweiten  Bildungsweise  differenzieren  sich  die  fibrillären  Gebilde 
in  einem  veränderten  peripheren  Teil  des  Zellprotoplasmas  (Ecto- 
plasnia),  aus  dem  sie  dann  heraustreten  und  sich  in  intercelluläre 
Fasern  verwandeln.  Der  Zeit  nach  geht  die  erste  Bildungsweise  der 
zweiten  vorher.  In  Wirklichkeit  aber  werden  beide  in  demselben 
Stück  und  in  demselben   Präparat  gleichzeitig  beobachtet. 

Die  erste  der  zwei  Entstehungsarten  entspricht  der  intercellulären 
Bildungsweise  der  Bindegewebsfasern,  wie  solche  von  Merkel,  von 
Ebner,  Laguesse,  Kenaut  und  andern  aufgestellt  worden  ist,  die 
zweite  dagegen  der  epicellulären  Bildungsweise,  die,  nur  der  neuesten 
Forscher  gedenkend,  von  Hansen,  Golowinski,  Meves  und  andern 
vertreten  wird.  Aus  dem  vorher  Auseinandergesetzten  geht  aber 
deutUch  hervor,  daß  der  Kontrast  und  die  Unvereinbarkeit,  die  man 
zwischen  diesen  beiden  Bildungsweisen  hat  erblicken  wollen,  in  Wirk- 
lichkeit überhaupt  nicht  besteht. 

Die  fibrillären  Gebilde  können  sowohl  intercellulär  wie  auch  epi- 
cellulär  erscheinen,  wobei  sie  ein  und  demselben  Mechanismus  folgen, 
der  nur  dem  Schein  nach  verschieden  ist. 

In  Wirklichkeit  rühren  die  Fibrillen  von  einem  Protoplasma- 
material körniger  Natur  her.  Dieses  Material  kann  uns  als  anfänglich 
amorphe  intercelluläre  Substanz  (Metaplasma)  entgegentreten,  in  der 
später  die  fibrillären  Gebilde  erscheinen  (intercellulärer  Ursprung); 
oder  aber  das  Protoplasmamaterial  ordnet  sich  zu  Fibrillen  an,  und 
zwar  in  dem  peripheren  veränderten  Teil  des  Zellkörpers  (Ectoplasma), 
aus  dem  es  unter  der  Form  eines  fibrillären  Gebildes  hervortritt  (epi- 
cellulärer  Ursprung). 

Die  von  uns  den  primitiven  fibrillären  Gebilden  zugeschriebene 
körnige  Beschaffenheit  stimmt  mit  der  sowohl  in  der  alten,  wie  auch 
in  der  neuen  Literatur  am  meisten  verbreiteten  Ansicht  überein,  daß 
die  Fibrillen  in  Form  von  reihenweise  angeordneten  Körnchen  er- 
scheinen, wobei  ich  daran  erinnere,  daß  auch  Merkel  mehrmals  von 
dem  körnigen  Aussehen  der  jungen  der  Gallerte  entsprungenen  Fi- 
brillen spricht. 

Die  Anschauung,  daß  die  Fibrillen  von  reihenweise  angeordneten 
Körnchen  stammen,  wird  übrigens  in  überzeugender  Weise  durch  die 
kürzlich  von  FooT  gemachten  Beobachtungen  über  das  Wachstum 
des  Knochenmarks  in  vitro  bestätigt.  Bei  Erforschung  der  von  FooT 
X-Zellen  genannten  Gebilde  hat  auch  dieser  Forscher  an  ihrer  Peri- 
pherie ein  Ectoplasma  sich  differenzieren  sehen,  in  dem  sich  Körnchen 

34* 


512  Serafino  d'Antona, 

einstellen,  die  vorher  um  den  Kern  herum  angehäuft  waren.  Diese 
Körnchen  lagern  sich  in  den  Bälkchen  des  Ectoplasmas  reihenweise 
und  bilden  so  kurze  Ketten.  Die  Ketten  werden  nach  und  nach  immer 
zahlreicher  und  deutlicher,  weniger  körnig  und  mehr  fibrillär.  Bei 
der  Ausdehnung  des  Zellkörpers  dehnen  auch  sie  sich  aus,  werden 
länger,  bis  sie  schließlich  in  Form  von  Fibrillen  die  Zelle  verlassen. 

Aber,  die  ersten  intercellulären  wie  epicellulären  Fibrille ngebilde, 
und  heute  kann  die  Übereinstimmung  der  Forscher  in  diesem  Punkt 
für  vollständig  gelten,  sind  noch  keine  collagenen  Fasern  und  ebenso- 
wenig elastische  Fasern.  Wir  haben  sie  »primitive  Fibrillenstrukturen« 
genannt,  weil  sie  in  Wirklichkeit  nichts  andres  darstellen,  als  eine 
einfache  Struktur,  auf  der  dann  die  künftigen  collagenen  und  elastischen 
Fasern  zustande  kommen.  Die  Ausbildung  dieser  undifferenzierten 
fibrillären  Gebilde  zu  den  vollentwickelten,  morphologisch  und  funk- 
tionell differenzierten  Fasern,  geschieht  durch  eine  Reihe  von  Lebens- 
vorgängen hindurch,  die  sich  inmitten  der  Intercellularsubstanz  ab- 
wickeln, denn  diese  ist,  wie  sich  aus  den  Nachforschungen  Flemmings, 
VON  Ebners,  Grönroos',  Hansens,  Studnickas,  Heidenhains  und 
vieler  andern  ergeben  hat,  wirklich  eine  lebende  Substanz. 

Die  verschiedenen  uns  bekannten  Bindegewebsfasern  (Fibroglia 
Mallorys,  Reticulum  fibrils  Malls  und  die  Gitterfasern  Kupfers, 
die  collagenen  Fasern,  die  elastischen  Fasern)  sind  weiter  nichts  als 
ebensoviele  Stadien  oder  Formen  von  Entwicklungsvorgängen  der 
primitiven  Fibrillenstrukturen. 

Was  die  Fibroglia  anbetrifft,  vermag  ich  nicht  mit  Sicherheit  zu 
behaupten,  ob  die  von  uns  im  Ectoplasma  der  LANGHANSschen  Zellen 
beschriebenen  Fasern,  die,  nach  dem  MALLORYschen  Verfahren  mit 
Fuchsin  gefärbt,  rot  wurden,  wirkliche  Fibrogliafasern  sind.  Ihr 
Aussehen  und  Verhalten  entspricht  zwar  dem  der  von  Mallory  be- 
schriebenen Fasern,  über  die  besonderen  Eigenschaften  und  die  wahre 
Natur  dieser  Fasern  bestehen  aber  noch  zu  viele  Unsicherheiten,  als 
daß  wir  über  dieselben  ein  positives  Urteil  abzugeben  vermögen.  Sind 
die  von  uns  im  Ectoplasma  der  LANGHANSschen  Zellen  wahrgenommenen 
Gebilde  fibrogliaischer  Natur,  so  müßten  wir  zum  Schlüsse  kommen, 
daß  die  Fibrillen  der  Fibroglia  den  präcollagenen  Fibrillen  Golo- 
wiNSKis  entsprechen  und  dieselbe  Bedeutung  haben  wie  diese,  d.  h. 
entgegen  der  von  Merkel  und  Meves  vorgebrachten  Anschauung, 
die  ersten  Züge  oder  Umrisse  der  künftigen  Bindegewebsfasern  sind. 
Auch  CocA  ist  auf  Grund  seiner  Untersuchungen  an  Hühnerembryonen 
zum  Schlüsse  gekommen  ,  daß  die  Fibroglia  das  embryonale  Vorstadium 


über  die  Entstehung  der  Bindegewebsfasern  usw.  513 

der  collagenen  Fasern  des  vollentwiekelten  Bindegewebes  darstellt. 
Mc.GiLL  dagegen  hat  bei  der  Untersuchung  des  Verhaltens  dieser 
Fibrillen  in  der  Darinwaiul  des  A^ecturus  gefolgert,  daß  sie  eine  Art 
Myofibrillen  darstellen.  Daraus  läßt  sich  also  ersehen,  daß  die  Klärung 
dieser  Frage  noch  weitere  Nachforschungen  erheischt. 

Gehen  wir  dann  auf  die  andern  in  den  Aortaverdickungen  ange- 
troffenen Faserarten  ein,  d.  h.  auf  die  Gitterfasern,  die  collagenen  und 
elastischen  Fasern,  so  sehen  wir,  daß  die  Gitterfasern  in  der  Entwick- 
lung der  primitiven  fibrillären  Gebilde  weniger  fortgeschrittene  Fasern 
darstellen.  In  der  Tat  sehen  sie  bei  Verwendung  der  Bielschowsky- 
schen  Methode  mehr  körnig  als  homogen  aus.  Mit  den  Substanzen, 
die  die  collagenen  Fasern  färben,  nehmen  sie  nur  eine  schwache  Farbe 
an,  besitzen  dagegen  eine  gewisse  Anziehungskraft  auch  für  die  Farb- 
stoffe, die  dem  Elastin  gegenüber  für  spezifisch  gehalten  werden,  so 
daß  also  in  den  Orzein-  und  Fuchselinpräparaten,  wenn  die  Differen- 
zierung nicht  weit  getrieben  wird,  auch  die  Gitterfasern  gefärbt  erhalten 
werden.  Wenngleich  nun  also  die  Gitterfasern  den  primitiven  fibril- 
lären Strukturen  gegenüber  ein  vorgeschritteneres  Stadium  darstellen, 
bilden  sie  doch  noch  ein  indifferentes  Stadium,  da  man  sie  ihrer  Eigen- 
tümlichkeiten wegen  weder  zu  den  collagenen  Fasern  noch  zu  den 
elastischen  Fasern  zählen  kann. 

Im  Hinbhck  auf  ihre  morphologischen  und  chemischen  Eigenschaf- 
ten entsprechen  die  Gitterfasern  vollständig  den  zuerst  von  Mall  und 
dann  von  Flint  unter  dem  Namen  Reticulum  fibrils  beschriebenen 
Fasern,  denn  sowohl  die  einen  wie  die  andern  bilden  anastomotische 
Netze,  geben  beim  Kochen  keinen  Leim  ab,  schwellen  in  den  Säuren 
wenig  an,  werden  aber  wohl  von  dem  Trypsin  und  dem  Pepsin  an- 
o;eorriffen.  Die  Gitterfasern  können  in  diesem  Zustand  in  bestimmten 
Organen,  ganz  besonders  in  den  parenchymaleu,  kürzere  oder  längere 
Zeit  und  selbst  das  ganze  Leben  hindurch  verharren,  können  sich  aber 
auch,  wie  dies  von  uns  angenommen  und  auf  andern  Gebieten  auch 
von  RössLE,  YosHiDA,  RoussAKOFF,  Barbacci,  Lunghetti,  und  andern 
bestätigt  worden  ist,  in  coUagene  Fasern  verwandeln.  Nach  Rössle 
und  YosHiDA  wird  die  schon  normalerweise  vor  sich  gehende  Meta- 
plasie durch  die  Entzündungsprozesse  vermehrt.  Ich  möchte  darauf 
hinweisen,  daß  sehr  oft  die  Gitterfasern  dicker  sind,  als  die  collagenen 
Fasern.  Wir  müssen  daher  annehmen,  daß  nicht  immer  jede  Gitter- 
faser eine  collagene  Faser  erzeugt,  sondern  daß  die  umfangreicheren 
sich  zu  Bündeln  verwandeln.  Tatsächlich  lassen  sich  sehr  oft  Gitter- 
fasern wahrnehmen,  die  sich  in  ein  Büschel  dünner  Fibrillen  zerflockeu. 


514  Serafino  d'Antona, 

Die  collagenen  Fasern  rühren  aber  nicht  alle  durch  Metaplasie 
von  den  Gitterfasern  her.  Es  können  diese  letzteren  spärlich  sein, 
zahlreich  dagegen  sind  die  Fasern  mit  coUagener  Reaktion,  wie  dies 
zum  Beispiel  in  den  umschriebenen  Verdickungen  der  Fall  ist,  wo  die 
neugebildeten  Fasern  äußerst  frühzeitig  die  Eigentümlichkeiten  der 
collagenen  Fasern  erwerben.  In  diesen  Fällen  fehlt  das  Vorstadium 
»Gitterfasern«;  die  primitiven  fibrillären  Gebilde  werden  unmittelbar 
zu  collagenen  Fasern. 

Leider  vermögen  wir  bei  dem  heutigen  Stand  unsrer  Kenntnisse 
noch  nicht  zu  sagen,  worin  wirklich  der  Vorgang  besteht,  demzufolge 
sich  die  collagenen  und  die  elastischen  Fasern  differenzieren.  Ich 
verweise  in  dieser  Hinsicht  auf  die  interessanten  Untersuchungen 
Zachariades'  ,  der  nachgewiesen  hat ,  daß  die  vollentwickelten 
Bindegewebsfibrillen  keinen  so  einfachen  Bau  darstellen,  wie  dies 
allgemein  geglaubt  wird.  Unterwarf  er  die  Fibrillen  der  Einwirkung 
von  Säurelösungen,  so  hat  er  nur  den  peripheren  Teil  anschwellen 
sehen,  während  das  Centrum  dabei  ein  »filament  axile<<  blieb,  das  auch 
der  fortgesetzten  Einwirkung  der  Säuren  Widerstand  leistet  und  sich 
mit  Methylenblau  färbt.  Das  collagene  Wesen  der  Fibrille  liegt  in  der 
den  Achsenfaden  wie  eine  Scheide  umgebenden  Substanz. 

Diese  von  Zachariades  vorgebrachten  Tatsachen  stimmen  mit 
der  Vorstellung  überein,  die  wir  uns  von  der  Histogenese  der  Binde- 
gewebsfibrillen gemacht  haben.  Wir  bemerken  dazu  nur,  daß  der 
»Filament  axile<<,  der  Anschauung  Zachariades'  entgegen,  nicht 
einen  Rest  des  Zellfortsatzes  darstellt,  aus  dem  die  Fibrille  entsprungen 
ist,  sondern  unsrer  Meinung  nach  die  primitive  Fibrille,  das  körnige 
Gerüst,  auf  dem  die  collagene  Faser  ihre  Form  angenommen  hat. 
Die  Vermutung  Zachariades',  daß  nämlich  jede  Faser  von  einem 
Zellfortsatz  herrühre,  wird  in  den  Fällen  un verwendbar  und  unhaltbar, 
in  denen  die  Fasern  sich  im  Metaplasma  differenzieren,  während  unsre. 
Auffassung  von  der  ersten  Anlage  der  fibrillären  Gebilde  als  auf  alle 
Fälle  anwendbar  gelten  kann. 

Etwas  Ähnliches  geht  wahrscheinlich  auch  in  bezug  auf  die  Diffe- 
renzierung der  elastischen  Fasern  vor  sich,  daß  nämlich  in  einem  Fall 
die  collagene  Substanz  und  im  andern  die  elastische  Substanz  die 
primitiven  Fibrillengebilde  vervollständigt.  Auf  diese  Weise  ließe  es 
sich  in  unserm  Falle  erklären,  weshalb  die  elastischen  Fasern  die  eigen- 
tümliche Reaktion  stufenweise  erwerben  und  von  Anfang  an  homogen 
erscheinen.  Was  diesen  Punkt  anbetrifft,  muß  ich  daran  erinnern, 
daß   nach  den  Forschungen  Malls    das  Elastin  bei  den  elastischen 


über  die  Entstehung  der  Bindegewebsfasern  usw.  515 

Fasern  nicht  den  peripheren,  sondern  den  centralen  Teil  einnimmt, 
das  Gegenteil  also  von  dem,  was  Zachariades  in  bezug  auf  die  col- 
lagene  Substanz  beobachtet  hat. 

Was  die  wechselseitigen  genetischen,  zwischen  diesen  verschiedenen 
Faserarten,  den  Gitterfasern,  collagenen  Fasern,  elastischen  Fasern 
bestehenden  Beziehungen  anbelangt,  haben  wir  bereits  eine  Meta- 
plasie der  Gitterfasern  in  collagene  Fasern  als  bewiesen  angenommen. 
Nicht  ausreichend  haltbar  scheint  mir  die  von  Passarge  und  Krösing, 
LoiSEL,  Linser,  Fuss  und  einigen  andern  Forschern  vorgebrachte 
Ansicht  zu  sein,  daß  die  collagenen  Fasern  sich  in  elastische  umwandeln 
können.  Diese  beiden  Faserarten  haben  einen  zu  hohen  und  zu  ver- 
schiedenen Differenzierungsgrad  erreicht,  als  daß  da  ein  direkter  Über- 
gang von  der  einen  zur  andern  einzutreten  vermöchte.  Ich  wenigstens 
habe  in  der  Aorta  niemals  etwas  wahrgenommen,  was  diese  Möglich- 
keit auch  nur  im  entferntesten  in  Aussicht  stellte. 

Einen  festeren  Boden  hat  schon  die  Annahme  einer  Umwand- 
lung der  Gitterfasern  in  elastische  Fasern.  Die  Gitterfasern  besitzen 
nämlich  Eigentümlichkeiten,  die  sie  sowohl  den  collagenen,  wie  auch 
den  elastischen  Fasern  nahe  bringen,  mit  den  letzteren  stehen  sie  über- 
dies in  größter  chemischer  Verwandtschaft.  Genau  so  wie  die  elasti- 
schen Fasern  werden  nämlich  auch  die  Gitterfasern  weder  von  den 
Säuren  noch  von  den  Alkalien  angegriffen,  geben  beim  Kochen  keinen 
Leim,  werden  aber  vom  Trypsin  und  vom  Pepsin  zerstört.  Die  engen 
Beziehungen  zwischen  den  elastischen  Fasern  und  den  Reticulum 
fibrils  wurden  von  Mall  eingehend  untersucht,  der  zum  Schlüsse  kommt, 
daß  "an  elastic  fibril  is  a  reticulum  fibril  filled  with  a  tenacious  highly 
refractive  substance  viz.  elastin". 

Es  besteht  somit  die  Wahrscheinlichkeit,  daß  die  Gitterfasern 
aus  ihrem  indifferenten  Stadium  ebensowohl  zu  den  collagenen  Fasern, 
wie  auch  zu  den  elastischen  Fasern  übergehen  können,  ganz  je  nachdem 
die  Substanz,  die  sich  ihnen  einverleibt,  die  collagene  oder  die  elastische 
Substanz  ist. 

Die  Wahrscheinlichkeit  dieser  Vermutung  erhält  eine  Stütze  durch 
das  Verhalten  der  Gitterfasern  in  den  Aortaverdickungen,  Wir  haben 
nämlich  beobachten  können,  daß  bei  den  jungen  Verdickungen  die 
Gitterfasern  sehr  zahlreich,  die  collagenen  und  elastischen  Fasern 
dagegen  spärlicher  vorhanden  sind;  mit  dem  Altern  der  Verdickung 
wird  dann  im  Gegenteil  die  Zahl  der  Gitterfasern  immer  geringer, 
und  die  der  collagenen  und  elastischen  Fasern  immer  größer.  Wahr-, 
scheinüch  handelte  es  sich  bei  der  von  mehreren  Verfassern  beschrie- 


516 


Serafino  d'Antona, 


benen  Umwandlung  coUagener  Fasern  in  elastische  Fasern  nicht  um 
wahre,  eigentliche  collagene  Fasern,  sondern  um   Gitterfasern. 

Die  Bildung  der  Bindegewebsfasern  kann  an  der  Hand  der  unsern 
Untersuchungen  entspringenden  Ergebnisse  wie  auf  nachfolgendem 
Schema  zusammengefaßt  werden: 


Syncytiales  Gebild. 
(Zellen  mit  nacktem  Protoplasma  =  Endoplasma) 


Metaplasma 


Primitive  Fibrillenstrukturen 


Ectoplasma 

I 

Primitive  Fibrillenstrukturen 


Fibroglia?     Gitterfasern 


Collagene      Gitterfasern 
Fasern 


Elastische 
Fasern? 


Collagene 
Fasern 


Elastische 
Fasern 


Aus  vorstehendem  zusammenfassendem  Schema  lassen  sich  also 
die  zwei  Bildungsarten  der  Fasern  entnehmen:  die  intercelluläre  oder 
metaplasmatische  und  die  epicelluläre  oder  ectoplasmatische  Bildungs- 
weise. Den  Ausgangspunkt  des  ganzen  Vorgangs  stellt  der  aus  den 
LANGHANSschen  Zellen  mit  nacktem  Protoplasma  (das  dann  zu  Endo- 
plasma wird)  gebildete  Syncytium  dar.  Zwischen  den  Maschen  dieses 
Syncytiums  befindet  sich  das  Metaplasma  (modifiziertes  Syncytiums- 
protoplasma)  in  dessen  Mitte  die  primitiven  Fibrillenstrukturen  er- 
scheinen. In  einem  weiter  vorgeschrittenen  Stadium  der  Gewebs- 
entwicklung  unterliegt  das  Zellprotoplasma  selbst  einer  Veränderung 
und  führt  zur  Entstehung  der  Fibrillen.  Es  tritt  das  Ectoplasma 
auf,  von  dem  Fibrillengebilde  ausgehen,  die  den  vom  Metaplasma 
gebildeten  entsprechen. 


i'lxi-  die  Kiitstfliuiig  der  Bindegewebsfasern  usw.  517 

Aus  diesen  primitiven  fibrillären  Strukturen,  sowohl  des  Meta- 
plasmas  wie  auch  des  Ectoplasmas,  differenzieren  sich  also  die  ver- 
schiedenen Arten  von  Bindegewebsfasern, 

In  dem  Schema  habe  ich  mich  damit  begnügt,  die  Fibroglia  nur 
liypothetisc'h  hinzustellen,  da  ja  über  ihre  Bedeutung  noch  viele  Zweifel 
herrschen.  Ebenfalls  hypothetisch  steht  die  Abstammung  der  elastischen 
Fasern  von  den  Gitterfasern  da. 

Es  liegt  keineswegs  in  meiner  Absicht,  die  Frage  der  Entstehung 
der  Fasern  einer  allgemeinen  Revision  zu  unterziehen,  um  daraus  zu 
ersehen,  ob  dieses  Schema  bei  der  einen  oder  andern  oder  bei  beiden 
]\Iöglichkeiten  auf  alle  Fälle  angewandt  werden  kann. 

Diese  Aufgabe  liegt  außerhalb  der  Grenzen  uiisrer  Nachforschun- 
gen, bei  denen  wir  hauptsächlich  die  Klärung  eines  Punktes  der  Histo- 
genese  der  atherosklerotischen  Schädigungen  der  Aorta  im  Auge 
hatten;  wenn  wir  dann  doch  weitere  Umschau  gehalten  haben,  und  tiefer 
in  die  Betrachtung  des  allgemeinen  Problems  der  Faserbildung  ein- 
gedrungen sind,  als  wir  das  zuerst  beabsichtigt  hatten,  so  ist  dies  nur 
deshalb  geschehen,  weil  die  erhaltenen  Ergebnisse  uns  die  Möglichkeit 
einer  Beilegung  des  fast  säkularen  Zwiespalts  durchblicken  ließ,  der 
zwischen  den  Anhängern  des  intra-  und  extra cellulären  Ursprungs 
der  Fibrillen  herrscht. 

Aber  auch  ohne  die  Analyse  zu  weit  zu  vertiefen,  will  es  uns  so 
vorkommen,  als  ob  das  gegebene  Schema,  weitzügig  ausgelegt,  als 
Führer  dienen  kann  zur  endgültigen  Beilegung  des  diese  Frage  um- 
schwebenden Streits.  Was  verschieden  sein  kann  und  sicherlich  ver- 
schieden ist,  das  ist  die  Art  und  Weise,  in  der  die  Tatsachen  uns  vor 
Augen  treten,  ihre  AVesenheit  ist  vermutlich  aber  ganz  dieselbe  in  allen 
Fällen. 

Das  Bestehen  einer  amorphen  Stammsubstanz  der  Fibrillen  scheint 
mir,  wie  die  Verhältnisse  heute  liegen,  nicht  mehr  fraglich  zu  sein, 
mag  es  sich  nun  dabei  um  das  ÜEiDENHAiNsche  Metaplasma,  das 
RETTEKERsche  Hyaloplasma,  die  präcoUagene  Substanz  Laguesses, 
das  Ectoplasma  Malls,  die  Gallerte  Merkels  handeln,  oder  man  sie 
für  ein  AiLsscheidungsprodukt  der  Zellen  halten  oder  für  ein  ver- 
ändertes Protoplasma.  Diese  Stammsubstanz  mag  mehr  oder  weniger 
reichUch  vorhanden  und  mehr  oder  weniger  dicht  sein,  sie  mag  unsern 
Mitteln  gegenüber  sichtbar  oder  unsichtbar  sein,  sie  mag  bald  die 
einen,  bald  die  andern  chromatischen  Reaktionen  bieten,  das  eine  aber 
steht  fest,  nämlich,  daß  sie  wirklich  vorhanden  ist  und  sich  in  ihr  fibril- 


518  Serafino  d'Antona, 

läre  Gebilde  zu  differenzieren  vermögen  ohne  ersichtlichen  Einfluß 
von  Seiten   der  Zellen 

Am  meisten  umstritten  war  das  Bestehen  des  Ectoplasmas  oder 
besser  die  Art  und  Weise  seiner  Begriffsbestimmung.  Das  kommt 
großenteils,  wie  wir  gesehen  haben,  von  der  verschiedenen  Bedeutung 
her,  in  welcher  die  einzelnen  Forscher  das  Wort  gebraucht  haben, 
teils  auch  von  den  technischen  Schwierigkeiten,  die  seiner  Beobachtung 
in  den  Weg  treten.  In  dieser  Hinsicht  sind  wir  insofern  vom  Glück 
begünstigt  gewesen,  als  wir  auf  Elemente  gestoßen  sind^,  bei  denen 
die  ectoplasmatische  Umwandlung  des  Zellprotoplasmas  in  so  aus- 
gedehntem Maße  stattfindet.  Wahrscheinlich  jedoch  bildet  das  Ecto- 
plasma  bei  den  meisten  Bindegewebselementen  nur  eine  ganz  dünne 
Schicht,  eine  Art  Häutchen,  das  sich  der  Beobachtung  leicht  entzieht. 
Wenn  wir  uns  aber  zum  Beispiel  das  Aussehen  der  jungen  Fibroblasten 
mit  ihrem  umfangreichen  Körper  voller  Körnchen  vergegenwärtigen, 
und  dann  auch  das  feste,  gestreifte  Aussehen  der  vollentwickelten 
Bindegewebszellen  mit  ihrem  äußerst  spärlichen,  körnigen,  perinucleären 
Protoplasma,  kann  uns  die  Vermutung  nicht  so  ganz  unwahrscheinlich 
vorkommen,  daß  bei  der  Entwicklung  dieser  Elemente  sich  ähnliche 
Vorgänge  abspielen,  wie  solche  von  Hansen  für  die  Zwischenwirbel- 
scheibenzellen  und  von  uns  für  die  LANGHANSschen  Zellen  beschrieben 
worden  sind. 

Tatsächlich  hat  auch  Ziegler  in  den  entzündeten  Bindegeweben 
die  Fibrillenbildung  in  einem  hellen,  homogenen  Oberflächenteil  des 
Zellkörpers  beschrieben,  der  vollständig  dem  Ectoplasma  entspricht. 

Ebenso  stellt  auch  die  »Grenzschicht«  Golowinskis,  die  seine 
präcollagenen  Fasern  enthält,  nichts  andres  vor,  als  ein  Ectoplasma- 
häutchen. 

Ich  weise  ferner  noch  darauf  hin,  daß  auch  Bruni,  bei  Erforschung 
der  Histogenese  der  Bindegewebsfasern  der  Zwischenwirbelscheibe 
beim  Rind  wahrgenommen  hat,  daß  die  Bildung  der  Fasern  in  einer 


1  Einen  Punkt  wäre  ich  jedoch  nicht  in  der  Lage  mit  hinreichender  Ge- 
nauigkeit zu  klären,  nämhch  das  fernere  Schicksal  der  LANGHANsschen  Zellen, 
d.  h.  ob  ihr  Ectoplasma,  nachdem  sein  Faserbildungsvermögen  erschöpft  ist, 
kontraktionsfähig  wird.  Es  ist  eine  feststehende  Tatsache,  daß  die  vollständig 
entwickelten  LANGHANsschen  Zellen,  wie  ich  bereits  in  meinem  ersten  Bericht 
hervorgehoben  habe,  die  größten  morphologischen  Analogien  besitzen  mit  den 
Muskelfaserzellen.  Ebensowahr  ist  es  aber  auch,  daß  ich  auch  aus  derart  ver- 
änderten Elementen,  wie  solche  auf  Fig.  6  stehen,  die  Faserbildung  habe  fort- 
dauern sehen.  Entsprechen  die  vollentwickelten  LANGHANsschen  Zellen  viel- 
leicht den  «cellules  myo-conjonctives»  Renaxjts? 


i'bci-  die  Eiilsti'luing  der   Biiuk'gc'wcb.sfasoru  usw.  519 

ersten  Periode  sich  nur  im  Metaplasma  abwickelt,  in  einer  zweiten 
Periode  dagegen  auch  auf  den  Zellkörper  übergreift.  Aus  der  Be- 
schreibung des  Verfassers  hat  sich  mir  aber  diese  zweite  Bildungsweise 
nicht  ganz  klar  ergeben.  Allem  Anschein  nach  ist  Bruni  der  Wert 
des  von  Hansen  in  denselben  Zellen  beschriebenen  Ectoplasmas  ent- 
gangen. Anderseits  hat  Hansen  bei  dem  zu  weit  vorgeschrittenen 
Stadium  der  von  ihm  untersuchten  Embryonen  ^  die  erste  histogene- 
tische  Periode  nur  sehr  unvollständig  beobachtet,  die  Bruni  in  den 
früheren  Stadien  beschrieben  hat,  in  denen  die  Fasern  inmitten  des 
Metaplasmas  erscheinen.  Meine  an  der  Aortaintima  vorgenommenen 
Beobachtungen  ergänzen  die  Hansens  und  Brunis.  Wie  aus  dem 
Schema  hervorgeht,  haben  das  Metaplasma  und  das  Ectoplasma  in 
bezug  auf  das  Zustandekommen  der  Fibrillen  denselben  Wert,  denn 
sowohl  durch  das  eine,  wie  durch  das  andre  hindurch  gelangt  man 
zur  Bildung  der  primitiven  Fibrillenstrukturen,  die  den  Ausgangs- 
punkt bilden  für  die  weitere  Differenzierung  der  verschiedenen  Faser- 
arten. 

Die  mehr  oder  w^eniger  rasch  eintretende  ectoplasmatische  Meta- 
morphose der  Mutterzelle  oder  das  lebenslängliche  Verbleiben  der- 
selben im  Stadium  des  nackten  Protoplasmas,  das  mehr  oder  weniger 
enge  Anliegen  der  neugebildeten  Fasern  an  die  Zellen,  ihr  geflecht-,  bün- 
del-,  oder  lamellenartiges  Auftreten,  sow^ie  die  mehr  oder  weniger  rasche 
Annahme  der  specifischen  Reaktionen  sind  ebensoviele  Modalitäten, 
die  in  unser  Schema  hineinpassen  und  Fall  für  Fall  je  nach  der  Natur 
des  Gewebes,  auf  das  sie  sich  beziehen,  erklärt  werden  können. 

Vi.  Grundsubstanz.    Intercellularsubstanz.    Kittsubstanz. 

Bevor  wir  mit  diesen  kurzen  Betrachtungen  zum  Abschluß  kom- 
men, erübrigen  sich  uns  notwendigerweise  noch  einige  Worte  über  die 
sogenannten  »Intercellularsubstanzen«  und  »Grundsubstanzen«.  Das 
Unbestimmte,  was  sich  unter  diesen  Benennungen  verbirgt,  hat  wahr- 
scheinlich hauptsächlich  dazu  beigetragen,  daß  die  Forscher  bis  heute 
nicht  dazu  gekommen  sind  die  Entwicklung  der  Bindegewebe  überein- 
stimmend  zu   erklären. 

Mehrere  Autoren  haben  da  Abhilfe  zu  schaffen  gesucht,  aber  ihr 
Bemühen  hat  noch  keine  endgültige  Übereinstimmung  herbeizu- 
führen vermocht. 

Waldeyer  unterscheidet  bei  den  Grundsubstanzgeweben  1)  die 

1  Haxsex  untersuchto  40 — 00  cm  großo  Früchte,  Bruni  Früchte  von 
25  cm  an. 


520  Serafino  d'Antona, 

Grundsubstanzzellen,  2)  die  Intercellularsubstanz,  3)  die  Intercellular- 
fasern.  Die  Intercellularsubstanz  besteht  ihrerseits  dann  aus  der 
Grundsubstanz  und  den  in  ihr  verborgenen  Grundsubstanzfibrillen, 
Er  findet  die  Benennung  Kittsubstanz  überflüssig,  insofern  als  sie 
weiter  nichts  ist,  als  die  Grundsubstanz,  in  der  die  Fasern  lagern. 

Schaffer  hat  zwar  im  allgemeinen  diese  Benennungsweise  ange- 
nommen, hält  es  jedoch  nicht  für  richtig,  den  Ausdruck  Grundsubstanz 
durch  Intercellularsubstanz  ersetzen  zu  wollen.  Die  Grundsubstanz 
kann  nur  dann  auch  Intercellularsubstanz  genannt  werden,  wenn  die 
2]ellen,  die  sie  erzeugen,  im  Verlauf  der  sich  da  abspielenden  Prozesse 
in  sie  eingeschlossen  bleiben,  so  daß  also  die  Grundsubstanz  in  Wirk- 
lichkeit zwischen  den  Zellen  lagert.  Verschwinden  dagegen  die  Zellen 
(Rückenstranghülle  einiger  Fische,  Zahnbein),  so  kann  man  nicht 
von  Intercellularsubstanz,  sondern  nur  von  Grundsubstanz  reden. 
Ebenso  findet  er,  daß  der  Name  Kittsubstanz  beibehalten  werden 
nmß  zur  Bezeichnung  der  amorphen  Substanz,  welche  die  von  der  Grund- 
substanz oder  Intercellularsubstanz  gebildeten  Elemente  verbindet. 

VON  KoRFF  dagegen  unterscheidet  bei  den  Bindegeweben  1)  die 
Grundsubstanz-  oder  Bindegewebszellen,  2)  die  Grundsubstanz.  Diese 
Substanz  besteht  aus  Grund-  oder  Bindegewebsfibrillen  und  Inter- 
f  ibrillarsubstanz . 

Die  vorstehend  angeführten  Nachforschungen  setzen  uns  instand, 
unsre  Ansicht  darüber  preiszugeben,  welche  Deutung  man  diesen  ver- 
schiedenen Ausdrücken  am  besten  geben  kann. 

Wir  wollen  da  vor  allem  darauf  hinweisen,  daß  der  in  dem  Aus- 
druck »Interzellularsubstanz«  enthaltene  Begriff  stark  topographisch 
klingt,  und  sich  nur  schlecht  dazu  eignet,  eine  bestimmte  Substanz 
auszudrücken.  Die  zwischen  den  Zellen  lagernde  Substanz  ist  je  nach 
der  Art  des  Gewebes  und  besonders  je  nach  seiner  Entwicklungszeit 
verschieden.  In  unserm  Fall,  zum  Beispiel,  besteht  die  Intercellular- 
substanz anfänglich  ausschließlich  aus  Metaplasma,  später  aus  Meta- 
plasma  und  Fasern;  nach  vollständiger  Entwicklung  ist  dann  das 
Metaplasma  als  solches  ganz  verschwunden,  während  die  Fasern  er- 
halten geblieben  sind.  Daraus  erhellt,  daß  in  diesem  Fall  der  Ausdruck 
»Intercellularsubstanz«  ganz  nach  dem  Stadium,  auf  das  wir  uns  be- 
ziehen, etwas  Verschiedenes  anzeigt. 

Demnach  scheint  es  uns,  daß  der  Ausdruck  »Intercellularsubstanz« 
nur  in  rein  topographischem  Sinne  angewandt  werden  darf,  und  die 
Gesamtheit  der  Substanzen  anzuzeigen  hat,  die  sich  zwi- 
schen  den  Zellen    vorfinden   oder   sich   da    zu   irgend   einer 


über  die  Entstehung  der  Bindegewebsfasern  usw.  521 

Zeit    ihrer   Entwicklunu    vorgefuiulen    haben,    ohne    Rück- 
sicht  auf   ihre   Natur   und  Gestalt. 

Die  »Grundsubstanz <<  ist  für  uns  die  amorphe  Muttersub- 
stanz der  Fasern.  Sie  entspricht  also  der  Substanz,  die  wir  Meta- 
plasma  genannt  haben,  und  die  von  andern  Forschern  verschieden 
benannt  worden  ist  (Ectoplasnia  von  Mall  und  Studnicka,  Hyaloplas- 
plasma  von  Retterek  usw.).  Diese  Substanz  wird  dann  endgültig 
getauft  werden  können,  wenn  über  Dir  eigentliches  AVesen  volle  Klar- 
heit geschaffen  sein  wird.  Wir  haben  bereits  darauf  hingewiesen,  daß 
der  von  Heidenhain  vorgeschlagene  Name  »Metaplasma«  sich  der 
Eigentümlichkeit  dieser  Substanz  wohl  anpaßt.  Ferner  haben  wir 
erwähnt,  daß  der  Ausdruck  »Ectoplasnia«  den,  Studnicka  dieser 
Substanz  geben  möchte,  besser  im  Sinne  Hansens  verwendet  wird, 
um  einen  peripherischen,  veränderten  Teil  des  Zellkörpers  zu  be- 
zeichnen. 

Die  »Kittsubstanz <<  ist  der  Teil  der  Grundsubstanz,  der 
nicht  zur  Bildung  von  Fasern  verwandt  wird,  sondern  im 
amorphen  Zustand  verbleibt,  die  Fasern  zusammenhält 
und  das  Substrat  für  die  Lamellengebilde  abgibt.  Die 
Kittsubstanz  kann  jedoch  ihrer  chemischen  Zusammensetzung  nach 
nicht  für  identisch  gehalten  werden  mit  der  Grundsubstanz,  denn 
diese  gibt  Färbereaktionen,  die  sich  bei  der  Kittsubstanz  als  solcher 
nicht  einstellen.  Wenn  die  von  uns  dem  Metaplasma  zugeschriebene 
Zusammensetzung  (nach  der  es  aus  einem  körnigen  Teil  und  einem 
homogenen,  gallertigen  Teil  besteht)  sich  als  nachgewiesen  heraus- 
stellte, könnte  man  wohl  daran  denken,  daß  die  Kittsubstanz  gerade 
von  diesem  gallertigen  Teil  herstammt.  In  der  Kittsubstanz  können 
Fibrillengebilde  verborgen  bleiben,  die  dann  unter  dem  Einfluß  be- 
stimmter Einwirkungen  zutage  treten  können.  In  der  Kittsubstanz 
können  sich  bestimmte  Stoffe  ablagern,  die  dem  Gewebe  eine  besondere 
Beschaffenheit   verleihen   (z.  B.    Knochengewebe). 

Die  Grundsubstanz  und  die  Kittsubstanz  stellen  die  amorphen 
Elemente  des  Bindegewebes  dar;  die  Zellen  und  die  Fasern  dagegen 
die  geformten  Elemente;  zwischen  diesen  Elementen  kreist  das  Plasma, 
das  ihnen  das  Nahrungsmaterial  zuführt. 

In  der  Gesamtheit  der  Bindegewebe  unterscheiden  wir  also: 
a.  Geformte  Bestandteile 

1.  Zellen, 

2.  Fasern. 


522  Serafino  crAntona, 

b.  Amorphe  Bestandteile 

1.  Grundsubstanz, 

2.  Kittsubstanz. 

Alles  zusammen  vom  Nährplasma  umkreist. 

Die  Grundsubstanz,  die  Fasern  und  die  Kittsubstanz  können  in 
den  verschiedenen  Arten  ihres  Auftretens  mit  dem  Namen  »Inter- 
cellularsubstanz  <<  belegt  werden,  wobei  wir  diesem  Ausdruck  die  be- 
reits erwähnte  topographische  Bedeutung  geben. 

Zusammenfassende  Betrachtungen. 

Unsre  Untersuchungen  sind  unter  ganz  andern  Verhältnissen 
abgelaufen,  als  dies  bei  ähnlichen  Untersuchungen  der  Fall  zu  sein 
pflege.  Das  unsern  Nachforschungen  zugrunde  liegende  Gewebe  besitzt 
eine  nur  schwache  Lebensfähigkeit,  w^eshalb  sich  in  ihm  rasch  Ent- 
artungserscheinungen einstellen.  Dieser  Umstand  hat  in  gewissem 
Sinne  unsre  Aufgabe  noch  mehr  erschwert. 

Anderseits  ist  der  größte  Teil  der  von  uns  erhaltenen  Ergebnisse 
der  besonderen  Natur  des  von  uns  studierten  Gewebes  zuzuschreiben. 
Seine  Zellelemente  erreichen  einen  Umfang,  wie  solcher  sich  in  keiner 
andern  Art  Bindegewebszellen  des  menschlichen  Organismus  fest- 
stellen läßt,  wodurch  ihre  Erforschung  bedeutend  erleichtert  wurde. 
Außerdem  laufen  in  ihm  die  da  auftretenden  Wucherungsvorgänge 
unter  bestimmten  Verhältnissen  derart  rasch  ab,  daß  wir  ihnen  zu- 
weilen durch  einfaches  Verschieben  des  Präparats  durch  ihre  ver- 
schiedenen   Phasen  hindurch  folgen  können. 

Angesichts  der  vielfachen  Ursachen,  die  den  Verlauf  dieser  Vor- 
gänge zu  verändern  vermögen,  wollen  wir  uns  nicht  weiter  bei  den 
Einzelheiten  unsrer  Beschreibung  aufhalten,  sondern  uns  darauf  be- 
schränken, die  hauptsächlichsten  unsrer  Forschungen  entspringenden 
Tatsachen  zusammenzufassen. 

Das  Bedeutendste,  was  wir  glauben  klar  und  deutlich  nachge- 
wiesen zu  haben,  ist,  daß  bei  den  Aorta  verdickungen  die  Faserbildung 
zweierlei  Vorgängen  entspringt.  Bei  dem  einen  Vorgang  treten  diese 
in  einer  primitiv  amorphen  Substanz  (Metaplasma)  unabhängig  von 
jeder  direkten  Beziehung  zum  Zellkörper  auf;  bei  dem  andern  Vorgang 
stammen  sie  unmittelbar  von  einem  veränderten  peripheren  Teil  (Ecto- 
plasma)  des  Zellkörpers  her.  Der  Zeit  nach  geht  die  erste  dieser  beiden 
Bildungsarten  der  zweiten  voran,  in  Wirklichkeit  aber  lassen  sich  die 
beiden  Vorgänge  zu  gleicher  Zeit  miteinander  kombiniert  beobachten. 
Da  die  erste  dieser  beiden  der  intercellulären  Entstehung  der  Fasern 


über  die  Kiitstcluiii}];  der  Bindegewebsfasern  usw.  523 

entspricht,  und  die  zweite  der  cellulären  Bildungsweise,  so  erhellt 
daraus,  daß  die  beiden  ßildungsarten  nebeneinander  wahrgenommen 
werden  können,  und  der  Kontrast,  die  geglaubte  Unvereinbarkeit 
beider  in  Wirklichkeit  nicht  besteht. 

Recht  haben  weder  diejenigen,  die  behaupten,  daß  die  Fasern 
ausschließlich  von  der  Grundsubstanz  herrühren,  noch  diejenigen,  die 
dafür  eintreten,  daß  sie  ausschließlich  von  der  Zelle  abstammen,  sondern 
es  haben  teilweise  die  einen  recht  und  auch  die  andern. 

Wahrscheinlich  liegt  der  Hauptgrund  für  diese  bestehende  Mei- 
nungsverschiedenheit, wie  schon  Loisel  und  Bruni  bemerkt  haben, 
darin,  daß  die  verschiedenen  Forscher  den  Vorgang  nicht  in  seiner 
ganzen  Entwicklung  verfolgt,  sondern  sich  mit  der  Beobachtung  einer 
oder  weniger  Stadien  beonüo;t  haben. 

Darüber,  ob  die  Muttergrundsubstanz  der  Fibrillen  ein  verändertes 
Protoplasma  darstellt,  oder  ein  Ausscheidungsprodukt  der  Zellen  ist, 
kann  noch  gestritten  werden,  wenngleich  dieser  Streit  für  das  Wesen 
der  Tatsachen  keinen  besonderen  Wert  hat.  Unsrer  Ansicht  nach 
besteht  alle  Wahrscheinlichkeit  dafür,  daß  sie  ihrer  biologischen  Eigen- 
tümUchkeiten  wegen  für  ein  verändertes  Protoplasma,  ein  Meta- 
plasma  zu  halten  ist.  Für  ausgeschlossen  halten  wir  es  jedoch  nicht, 
daß  an  ihrem  Zustandekommen  auch  Ausscheidungsprodukte  der 
Zellen  teilnehmen  können. 

Dadurch,  daß  wir  die  Grundsubstanz  als  ein  verändertes  Proto- 
plasma betrachteten,  schien  uns  der  Bildungsvorgang  der  Fibrillen 
leichter  verständlich  zu  werden:  Zuerst  wird  dieses  morphologisch 
weniger  differenzierte  Material  zum  Aufbau  der  Fibrillen  verwandt, 
und  dann  verändert  sich  das  Zellprotoplasma  selbst  und  bildet  sich 
in  Fibrillen  um. 

Dieser  zweite  Abschnitt  des  Vorgangs  fällt  mit  der  Bildung  des 
>>Ectoplasmas<<  zusammen,  einem  Ausdruck,  dem  wir  dieselbe  mor- 
phologische Bedeutung  beilegen  wie  Hansen. 

VON  Ebner  und  Meves  fassen  das  Ectoplasma  Hansens  falsch 
auf,  wenn  sie  annehmen,  daß  das  Ectoplasma  die  fibrillär  gewordene 
Grundsubstanz  darstelle,  denn  das  Ectoplasma  ist  nicht  die  fibrilläre 
Grundsubstanz,  sondern  das  Zellprotoplasma,  das  in  Veränderung  be- 
griffen ist  zur  Erzeugung  der  Fibrillen. 

Auch  der  andre  von  v.  Ebner,  v.  Korfp,  Merkel  und  Meves 
erhobene  Einwand,  daß  nämlich  in  den  gut  o;efärbten  Geweben  immer 
eine  Grenze  zwischen  Zelle  und  Interzellularsubstanz  erkennbar  sei, 
hat  keinen  praktischen  AVert,  denn  die  Grenze  zwischen  Zelle  und 


524  Serafino  d'Antona, 

Intercellularsubstanz  erscheint  nur  dann  relativ  deutlich,  wenn  der 
Fibrillenbildungs Vorgang  ganz  oder  fast  erloschen  ist,  während  man, 
solange  er  noch  andauert,  wie  unsre  Abbildungen  zeigen,  unmerklich 
vom  Zellkörper  zur  Intercellularsubstanz  gelangt.  Wir  haben  gesagt 
»relativ  deutlich«,  denn  auch  in  den  Zellen,  in  denen  die  Fibrillenbildung 
fast  erloschen  ist,  kann  bei  aufmerksamer  Beobachtung  in  vielen  Fällen 
wahrgenommen  werden,  wie  das  Protoplasma  sich  mit  der  umstehenden 
Substanz  fortsetzt. 

»Eine  scharfe  Sonderung  in  , Protoplasma',  ,Zellkörper'  und  ,Grund- 
substanzen'  läßt  sich  in  vielen  Fällen  unmöglich  aufrecht  erhalten 
oder  nachweisen.  Ob  man  sagt,  die  Zelle  ,scheide'  an  ihrer  Oberfläche 
Grundsubstanz  ,aus',  oder  ,bilde'  solche,  oder  ob  man  sagt,  die  peri- 
pheren Protoplasmaschichten  ,verwandelten  sich'  in  Grundsubstanz 
oder  in  ein  Vorstadium  derselben,  so  bleibt  die  Tatsache  doch  die, 
daß  in  einer  großen  Menge  von  Fällen  irgendwo  ein  mehr  oder  weniger 
umfangreicher,  oft  direkt  nachweisbarer  Übergang  aus  ,  Protoplasma' 
in  Grundsubstanz  angetroffen  wird«  (Hansen). 

Ob  die  von  uns  in  den  LANGHANSschen  Zellen  beschriebenen  Körn- 
chen und  Fasern  Mitochondrenbildungen  vorstellen,  das  erlaubt  uns 
der  gegenwärtige  Stand  unsrer  Kenntnisse  weder  zu  behaupten  noch 
in  Abrede  zu  stellen,  denn  die  Unterscheidungsmerkmale  dieser  Ge- 
bilde sind  noch  zu  unsicher,  und  noch  zu  unbestimmt  ist  die  Vorstellung, 
die  sich  auf  sie  bezieht,  als  daß  man  in  ihrer  Hinsicht  ein  sicheres  Urteil 
abzugeben  vermöchte. 

Nehmen  wir  aber  auch  selbst  an,  daß  diese  Körnchen  und  Fibrillen 
Mitochondren  sind,  so  können  wir  doch  der  Anschauung  Meves'  und 
VON  KoEFFs  nicht  beistimmen  und  also  nicht  annehmen,  daß  die  Mito- 
chondren das  einzige  Bildungsmaterial  der  Fasern  darstellen,  die  immer 
von  der  Umbildung  der  cytoplasmatischen  Strukturen  herrührten, 
eben  weil  wir  Zeuge  waren,  daß  die  Fasern  auch  unabhängig  von  der 
Umbildung  der  cytoplasmatischen  Strukturen  zustande  kommen,  die 
sich  nur  in  einem  bestimmten  Zeitabschnitt  verändern  und  in  Fibrillen 
verwandeln. 

Mögen  die  ersten  Fibrillen  vom  Metaplasma  oder  vom  Ectoplasma 
abstammen,  so  sind  sie  doch  weder  collagene  noch  elastische  Fasern. 
"Wir  haben  ihnen  den  Namen  »Primitive  Fibrillenstrukturen«  beigelegt, 
weil  sie  in  Wirklichkeit  nichts  andres  darstellen,  als  einfache  Struk- 
turen, an  denen  sich  dann  die  differenzierten  Fasern  des  vollentwickelten 
Bindegewebes  modellieren,  gleichviel  ob  man  dabei  die  collagene  Sub- 
stanz und  die  elastische  Substanz  als  unmittelbare  Erzeugnisse  der 


über  die  Entstehung  der  Bindegewebsfasern  usw.  525 

Zelltätigkeit  betrachten  will,  oder  als  durch  die  im  Metaplasnia  ab- 
laufenden Lebensvorgänge  zustande  gekommene  Substanzen. 

Soweit  wir  nachweisen  konnten,  stellen  die  Gitterfasern,  die  colla- 
genen  Fasern,  die  elastischen  Fasern  nichts  andres  dar,  als  ebensoviele 
Stadien  der  Entwicklungsvorgäuge,  deren  gemeinsamer  Ausgangspunkt 
in  den  »Primitiven  Fibrillcnstrukturen«  liegt. 

Wie  schon  Merkel  bemerkt  hat,  ist  kein  scharfer  Unterschied 
zulässig  zwischen  Collagen  und  elastisch,  »dies  sind  nur  die  beiden 
Endpunkte  einer  Reihe,  in  welcher  je  nach  Lokalität  und  Bedürfnis 
des  ausgebildeten  Körpers  Z\vischenstufen  vorkommen,  welche  jedoch 
sämtlich  auf  einen  gemeinsamen  Ausgangspunkt  zurückgehen«. 

Siena,  Juli  1913. 


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über  clif  Eutsti-hung  der  Bindegewebsfasern  usw.  529 


Erklärung  der  Abbildungen. 

Die  Fig.  1,  2,  5  und  (i  wurden  mit  dem  AuuEschen  Zeichenapparat  ge- 
zeiehnet  und  um  die  Hälfte  verkleinert;  andre  Figuren  wurden  mit  der  Camera 
chiara  von  Scakpini  (Anat.  Anz.    Bd.  XXXV.   Hft.  15  und  10.     1909)  gezeichnet. 

Tafel  XII. 

Fig.  1  u.  2.  LANGHANSsche  Zellen  im  Stadium  des  »nackten  Protoplasmas«. 
Formol.  Gefrierschnitte.  WEiGERTsche  Eisenhämatoxylin-VAN  Gieson.  Ko- 
RISTKA,  Hom.  Immers.  1  15,  Comp.-Oc.  4. 

Fig.  3.  Schrägschnitt  durch  eine  LanghansscIic  Zelle.  Die  Zelle  zeigt  eine 
ectoplasmatische  Cuticula  mit  Körnchen  und  Fibrillen.  Weniger  zahlreiche 
Körnchen  smd  im  Endoplasma  zerstreut.  Sublimat.  Eisenhämatoxylin  nach 
Heidenhaes^.     Koristicv,  Hom.  Immers.  1/15,  Comp.-Oc.  8. 

Fig.  4.  LAiSTGHANSSche  Zelle  mit  neben  dem  Kerne  herausgeschnittener 
Cuticula,  Körnchen  und  Fibrillen.    Fixierung,  Färbung  und  Vergrößerung  wie  bei  3. 

Fig.  5.  LANGHANssche  Zelle  mit  ziemlich  gut  entwickeltem  Ectoplasma. 
In  den  Ausläufern  ist  die  ectoplasmatische  Umbildung  fast  vollkommen,  nur  in 
dem  centralen  Teile  derselben  bleiben  Spuren  von  Endoplasma  zurück.  Der 
ZeUkörper  besteht  noch  fast  ausschließlich  aus  Endoplasma.  Fixierung,  Färbung 
und  Vergrößerung  wie  bei  Fig.  1   und  2. 

Fig.  6.  LANGHAJsrssche  Zelle.  Der  ZelLkörper  besteht  fast  ausschüeßhch 
aus  Ectoplasma;  unverändertes  Endoplasma  bleibt  nur  an  den  Kernpolen  zurück. 
Fixierung,  Färbung  und  Vergrößerung  wie  bei  Fig.  1  und  2. 

Fig.  7.  LANGHANssche  Zelle  mit  stark  entwickeltem,  fibrillenenthaltendem 
Ectoplasma.  An  dem  einem  der  Kernpole  unverändertes  Endoplasma.  Fixie- 
rung, Färbung  und  Vergrößerung  wie  bei  Fig.  3. 

Fig.  8.  LANGHANssche  Zelle  mit  stark  entwickeltem,  fibrillenenthaltendem 
Ectoplasma  und  Spuren  von  Endoplasma  um  den  Kern.  Fixierung  und  Ver- 
größerung wie  bei  Fig  3.    Färbung  mit  Anilinblau-Fuchsin-Orange  nach  jVIallory. 

Fig.  9.  Flächenschnitt  durch  eine  Gallerte- Plaque:  LANGHANssche  Zellen 
mit  beginnender  ectoplasmatischer  Umwandlung.  Das  Zmschengewebe  ist  leicht 
rosa  gefärbt  und  läßt  Zeichen  einer  fibrillären  Struktur  nur  in  der  Nähe  der  Zellen- 
körper erkennen. 

Fixierung,  Färbung  und  Vergrößerung  wie  bei  Fig.  1  und  2. 

Tafel  XIII. 

Fig.  10.  Schrägschnitt  dm-ch  eine  diffuse  Intimaverdickung.  Die  ober- 
flächlichste Lamelle  ist  amorph,  körnig;  die  tief  erliegenden  Lamellen  zeigen 
immer  deutlichere  körnige  Fibrillen.  Eine  Lamelle  enthält  eine  stärker  gefärbte, 
durchschnittene  LANGHANssche  Zelle:  die  Fibrillen  stehen  in  keinem  nachweis- 
baren Verhältnis  mit  der  Zelle.  Hier  und  da  sind  LANGHANssche  Kerne,  deren 
Protoplasma  nicht  sichtbar  ist.  Formol.  Gefrierschnitt.  Bielschowsky.  Ko- 
RISTKA,  Hom.  Immers.  1/15,  Comp.-Oc.  8. 

Fig.  11.  Der  Schnitt  wurde  aus  demselben  Stücke  angefertigt,  aus  dem 
das  Präparat  der  Fig.  9  herkommt :  nur  die  Färbung  ist  verschieden.    Ectoplasma 


530    Serafino  d'Antona,  Über  die  Entstehung  der  Bindegewebsfasern  usw. 

hell,  Endoplasma  körnig.  An  der  Peripherie  des  Ectoplasmas,  Fibrillenbündel, 
die  die  Zellfortsätze  in  ihrem  Verlaufe  begleiten.  Auch  das  mit  der  van  Gieson- 
schen  Färbung  anscheinend  strukturlose  Zwischengewebe  zeigt  hier  eine  zarte 
fibrilläre  Struktur.     Fixierung,  Färbung  und  Vergrößerung  wie  bei  Fig.  10. 

Fig.  12.  Intimale  Lamelle  einer  atherosklerotischen  Verdickung  mit  neu- 
gebildeten elastischen  Fasern.  Die  Fasern  stehen  in  keinem  Verhältnis  mit  den 
Zellen,  haben  einen  unregelmäßigen  Verlauf  und  bilden  ein  Netz.  Formol.  Ge- 
frierschnitt.    Safranelin-Hämatein.     Koristka,  Hom.  Immers.  1/15,  Comp.-Oc.  8. 

Fig.  13.  Querschnitt  durch  eine  LANGHANSsche  Zelle.  Das  stärker  gefärbte 
Endoplasma  ist  geschrumpft  und  daher  hat  es  sich  vom  Ectoplasma  etwas  ab- 
gelöst. An  der  Peripherie  des  Ectoplasmas  sind  kleine,  ihm  eng  aufliegende 
Pünktchen  zu  sehen.  Sublimat.  WEiGERTsche  Flüssigkeit  für  die  elastischen 
Fasern.     PjTonin.     Koristka,  Hom.  Immers.  1/15,  Comp.-Oc.  8. 

Fig.  14.  Schrägschnitt  durch  eine  LANGHANSsche  Zelle.  Zeigt,  daß  die 
in  der  obigen  Figur  sichtbaren  Pünktchen  der  Sektion  von  neugebildeten  elasti- 
schen Fasern  entsprechen.    Fixierung,  Färbung  und  Vergrößerung  wie  bei  Fig.  13. 


Beiträge  zur  Kenntnis  des  histologischen  Baues 
von  Veretillum  cynomorium  (Pall.). 

Von 

Dr.  phil.  Albert  Niedermeyer, 
(Aus  dem  kgl.  zoologischen  Institut  der  Universität  Breslau.) 


Mit  Tafel  XIV  und  XV. 


Inhalt. 

Seite 

Einleitung 532 

Historischer  Überblick 532 

Material  und  Technik 534 

Äußere  Morphologie 535 

Histologie 539 

A.  Allgemeiner  Teil 539 

1.  Das  Ektoderm =    .  539 

2.  Das  Entoderm 543 

3.  Drüsenzellen 545 

B.  Spezieller  Teil 551 

1.  Die  Polypen 551 

a)  Tentakel 551 

b)  Mundscheibe 556 

c)  Schlundrohr 557 

d)  Mauerblatt 558 

e)  Septen 559 

f)  Mesenterialfilamente 559 

g)  Geschlechtsprodukte 561 

2.  Zooide  und  Dimorphismus 562 

3.  Muskulatur *. 566 

4.  Nervensystem 567 

5.  Mesogloea 571 

6.  Achse 578 

7.  Kanalsystem 583 

Phylogenetische  Schlußbemerkungen 586 


i^itscbrift  t.  wisseasch.  'Loo\o>iie   CIX.  Bd.  36 


532  Albert  Niedermeyer, 


Einleitung. 


Die  Familie  der  Veretilliden  stellt  in  vielen  Beziehungen  einen 
recht  interessanten  Zweig  des  Pennatulaceenstammes  dar  und  weicht 
in  manchen  Punkten  von  den  typischen  Vertretern  der  Ordnung,  den 
Gattungen  Pteroeides  und  Pennatula,  die  echte  »Seefedern«,  mit  wirk- 
lich federförmigem  Bau  darstellen,  so  weit  ab,  daß  es  dem  Verfasser 
als  eine  lohnende  Aufgabe  erschien,  einen  Vertreter  dieser  Familie 
zum  Gegenstande  einer  ähnlichen  Untersuchung  zu  machen,  wie  sie 
seinerzeit  über  Pteroeides  griseum  (33.)  unternommen  worden  war. 

Diese  Untersuchungen  gewannen  für  den  Verfasser  um  so  mehr 
an  Interesse,  als  nach  den  Ergebnissen  der  grundlegenden  Forschungen 
von  Kükenthal  und  Broch  (34.)  die  radiär  gebauten  Pennatuliden 
auf  Grund  systematischer  Erwägungen  als  primitivste  Gruppe  an  die 
Wurzel  des  ganzen  Stammes  der  Pennatuliden  gestellt  wurden  —  eine 
Auffassung,  die  ja  bekanntlich  der  vieler  Autoren  direkt  widerspricht, 
die  die  radiären  Formen  als  abgeleitete  ansehen  und  die  Einfachheit 
ihres  Baues  als  sekundäre  Rückbildung  auffassen. 

Es  lag  daher  nahe,  zu  fragen,  ob  denn  nicht  das  Studium  des 
reineren  Baues  beitragen  könnte,  um  die  eine  oder  die  andere  Auf- 
fassung mit  neuem  Tatsachenmaterial  zu  stützen.  Wie  immer  man 
aber  das  System  der  Pennatuliden  auffassen  will,  ob  man  nun  die 
radiär  gebauten  Veretilliden  an  die  Wurzel  stellen  oder  sie  als  abge- 
leitete Formen  ansehen  will,  —  soviel  ist  sicher,  daß  sie  in  erheblichem 
Gegensatze  zu  der  hoch  komplizierten  bilateral-symmetrischen  Fa- 
milie der  Pteroeididen  stehen.  Aus  diesem  Grunde  lag  dem  Verfasser 
daran,  auch  Veretillum  etwas  eingehender  zu  untersuchen,  um  so  einen 
Beitrag  zur  Kenntnis  und  zum  Vergleich  der  beiden  entgegengesetzten 
Endglieder  der  Pennatulidenreihe  liefern  zu  können. 

An  dieser  Stelle  sei  es  dem  Verfasser  auch  gestattet,  Herrn  Prof. 
Kükenthal  für  die  Erlaubnis  zur  Benutzung  von  Präparaten  und 
von  Material  des  Breslauer  Museums  auf  das  wärmste  zu  danken ;  ferner 
sage  ich  Herrn  Geheimrat  Prof.  Müller  in  Greifswald  für  die  Über- 
lassung eines  Arbeitsplatzes  und  für  verschiedentliche  Unterstützung 
meinen  besten  Dank.  —  Eine  vorläufige  Mitteilung  über  die  Ergebnisse 
vorliegender  Arbeit  ist  im   »Zoologischen  Anzeiger«  (39.)  erschienen. 

Historische  Übersicht. 

Da  Veretillum  cynomorium  (Pall.)  eine  sehr  weit  verbreitete  See- 
federnart ist  und  auch  an  den  europäischen  Küsten  (Golf  von  Biscaya 


Beiträge  z.   Könnt n.   d.   liistol.    Baues  von  Vorotilluni  cj'noinoriuin  (Pall.).     533 

und  Mittelmeer)  liäufig  voikoninit,  so  ist  sie  schon  lange  bekannt  und 
bereits  melufatli  zum  Gegenstande  nnkroskopiscb-anatomischer  und 
histolouisclier  Untersuchungen  gemacht  worden.  1829  hat  Rapp  (1.) 
unsere  Art  genauer  beschrieben  und  einige  anatomische  Beobachtungen 
gemacht,  von  denen  später  noch  die  Rede  sein  wird.  Da  er  im  Gegen- 
satze zu  den  meisten  anderen  Korallenforschern  seinerzeit  die  Tiere 
lebend  beobachtet  hatte,  so  war  er  auch  in  der  Lage,  einige  wertvolle 
Aniraben  über  ihre  Lebensweise  zu  machen. 

Erdl  (2)  hat  1842  die  Tentakel  der  Polypen  von  Veretillum  cyno- 
morium  auf  ihren  feineren  Bau  hin  untersucht  und  vieles  richtig  beob- 
achtet, doch  wußte  er  seinen  Beobachtungen  nicht  die  immer  richtige 
Deutung  zu  geben;  darum  sind  seine  Angaben  nur  mit  vorsichtiger 
Kritik  zu  verwenden. 

KÖLLiKER  (4)  hat  1872  über  den  feineren  Bau  von  Veretillum 
eigentlich  nicht  viel  berichtet,  was  ein  wenig  Wunder  nehmen  muß, 
da  er  Pennatula  und  Pteroeides  sehr  eingehend  untersucht  hat.  Seine 
Angaben  sind  jedoch  alle  mit  großer  Sorgfalt  und  Exaktheit  gemacht 
und  wo  in  unwesentlichen  Dingen  eine  Unrichtigkeit  zu  finden  ist, 
erklärt  sich  diese  ohne  weiteres  aus  der  Unzulänglichkeit  des  Materiales 
für  histologische  Untersuchungen. 

Von  späteren  Arbeiten,  die  sich  mit  dem  feineren  Bau  von  Veretillum 
beschäftigten,  sind  zu  nennen  die  von  Korotneff  (10)  (1887), 
von  BujOR  (19)  (1901)  und  von  Kassianow  (27)  (1908).  Die  zuerst 
genannte  Abhandlung  von  Korotneff  ist  eine  sehr  oberflächliche 
und  wenig  wertvolle  Schilderung,  die  zum  Teil  auf  ganz  unrichtige 
Beobachtungen  gegründet  ist  und  eine  sehr  unklare  Terminologie  ent- 
hält, so  daß  man  oft  Mühe  hat,  herauszufinden,  was  der  Verfasser  mit 
seinen  Bezeichnungen  eigentlich  meint.  —  Die  Arbeit  Bujors  enthält 
eine  Anzahl  genauer  und  guter  Beobachtungen  über  die  mikroskopische 
Struktur  von  Veretillum  cynomorium,  ist  aber  lückenhaft  und  nicht 
frei  von  irrigen  Auffassungen.  Kassianow  endlich  erbrachte  manche 
histologische  Detailangaben  über  unsere  Pennatulide,  besonders  über 
den  Bau  der  Epithehen,  und  über  die  Muskulatur,  doch  waren  seine 
Untersuchungen  hauptsächhch  speziell  auf  das  Nervensystem  ge- 
richtet. 

Das  letzte  große  Werk  über  Pennatulaceen,  von  Kükenthal  und 
Broch  (34),  1911  erschienen,  enthält  einen  eigenen  größeren  Abschnitt 
über  die  Anatomie  der  Seefedern,  die  hier  mehr  Berücksichtigung  als 
in  den  früheren  Bearbeitungen  findet.  Auf  ein  Eingehen  auf  die  fei- 
nere Histologie  ist  jedoch  hier  mit  Absicht  verzichtet  worden. 

36* 


534  Albert  Niedermeyer, 

Material  und  Technik. 

Das  Material,  das  dem  Verfasser  zur  Verfügung  stand,  stammte 
zum  Teil  von  der  deutschen  Tiefsee-Expedition,  Station  76,  (Große 
Fischbucht).  Es  waren  dies  drei  in  Formol- Alkohol  konservierte 
Exemplare  mit  schön  ausgestreckten  Polypen,  von  denen  das  eine 
durch  eine  intensiv  schokoladenbraune  Färbung  ausgezeichnet  war. 
Ferner  stammten  vier  Exemplare  aus  den  alten  Beständen  des  Bres- 
lauer zoologischen  Museums,  teils  ohne  Angabe  des  Fundortes,  teils 
mit  der  Fundortsnotiz  »Mittelmeer«.  Zwei  dieser  Exemplare  besaßen 
sehr  schön  ausgedehnte  Polypen.  Endlich  waren  noch  einige  Exem- 
plare des  Breslauer  Museums  vorhanden,  die  aus  Arcachon  stammten; 
sie  waren  jedoch  stark  kontrahiert  und  infolge  ihrer  mangelhaften 
Konservierung  für  histologische  Untersuchungen  nicht  recht  geeignet. 

Für  die  Schnittserien  war  vom  Verfasser  zum  größten  Teile  ein 
vorzüglich  konserviertes  Exemplar  der  deutschen  Tiefsee-Expedition 
verwendet  worden;  diese  Serien  sind  auch  bei  der  Bearbeitung  der 
PennatuHden  der  Tiefsee-Expedition  durch  Kükenthal  und  Broch 
verwendet  worden. 

Über  die  Technik  sei  kurz  folgendes  berichtet:  Zum  Entkalken 
eignete  sich  am  besten  die  Entkalkungsflüssigkeit  nach  Haug  in  fol- 
gender Zusammensetzung : 

Alkohol  70% 100,0 

Salpetersäure  conc 5,0 

Phloroglucin 1,0. 

Beim  Schneiden  harter  Gebilde,  wie  z.  B.  der  Achse,  erwies  es 
sich  als  vorteilhaft,  sie  vor  dem  Einbetten,  und  zwar  nach  der  Ent- 
kalkung, mit  Seifenspiritus  zu  behandeln,  wodurch  die  Objekte  ge- 
schmeidiger werden. 

Das  Einbetten  muß  stets  sehr  vorsichtig  geschehen,  insbesondere 
ist  Xylol  als  Intermedium  immer  zu  vermeiden,  und  statt  dessen  Chloro- 
form oder  noch  besser  Zedernöl  zu  verwenden. 

Von  Färbungsmethoden  wurde  eine  große  Zahl  verwendet,  je 
nach  den  Strukturelementen,  auf  die  gerade  die  Untersuchung  gerichtet 
war.  Im  allgemeinen  eignet  sich  sehr  gut  zur  Färbung  das  Delafield- 
sche  Hämatoxylin  in  Verbindung  mit  Eosin,  Van-Gieson,  Orange-G, 
oder  mit  Safranin  und  Pikrinsäure  (Dreifachfärbung  nach  Stöhr). 
Auch  Heidenhainsches  Eisenhämatoxylin  lieferte  gute  Resultate.  Für 
die  drüsigen  Elemente  wurden  vor  allem  verwendet:  Mucikarmin,  Thio- 


Beiträge  z.  Kenntnis  d.  histol.  Bauca  von  Veretillum  cynomoriuni  (Pall.).    535 

nin,  und  Orceiii;  für  die  Bindesubstanz  Pikronigrosin,  bei  dem  sich 
aber,  wenn  mau  es  allein  verwendet,  der  Mangel  einer  Kernfärbung 
oft  störend  bemerkbar  macht.  Ich  suchte  daher  diese  Färbung  mit 
einer  Kernfärbung  zu  kombinieren  und  fand  als  besonders  geeignet 
zu  diesem  Zwecke  die  Vorfärbung  der  Kerne  mit  Bismarckbraun,  wo- 
nach die  Färbung  mit  Pikronigrosin  nach  Freebokn  erfolgte.  Für  die 
Elemente  des  Nervensystems  verwandte  ich  mit  Erfolg  die  Methode 
der  »Nach Vergoldung  <<  nach  Apathy  und  die  Behandlung  der  Schnitte 
mit  Osmiumsäure  und  darauffolgender  Reduktion  durch  Holzessig; 
die  Vergoldungsmethode  lieferte  Bilder  von  ganz  besonderer  Schön- 
heit und  Klarheit  der  mikroskopischen  Strukturen. 

Es  sei  kurz  erwähnt,  daß  nicht  nur  Schnittserien  untersucht  wurden, 
sondern  es  wurde  auch  des  öfteren  Gebrauch  von  der  Macerations- 
methode  und  von  Toto- Präparaten  gemacht. 

Äußere  Morphologie. 

Veretillum  cynomorium  gehört,  wie  bereits  erwähnt  wurde,  zu  den 
radiär  gebauten  PennatuUden  und  kann  als  deren  typischer  Vertreter 
gelten;  die  Bezeichnung  »Seefedern <<  ist  für  diese  Formen  eigentlich 
gar  nicht  recht  am  Platze,  da  sie  ja  nichts  federartiges  mehr  an  sich 
haben.  Eine  Beschreibung  der  äußeren  Körperform  ist  hier  wohl 
nicht  weiter  nötig,  da  diese  oft  genug  geschildert  worden  ist;  es  ge- 
nügt wohl,  auf  die  letzte  genaue  Beschreibung  bei  Kükenthal  und 
Broch  zu  verweisen.  Ich  werde  mich  für  die  einzelnen  Teile  der  Ko- 
lonie auch  der  Terminologie  der  genannten  Autoren  bedienen  und  mit 
ihnen  die  Bezeichnungen  Kiel  oder  Rhachis,  und  Stiel,  Polypen  und 
Zooide,  Ventral  und  Dorsalseite  im  Sinne  Jungersens  (14,  22)  ver- 
wenden. 

Am  Stiele  unterscheiden  Kükenthal  imd  Broch  zwei  Anschwel- 
lungen, den  sogenannten  »Bulbus«  und  die  »Endblase«.  Diese  lassen 
sich  bei  vielen  Pennatuliden  deutlich  erkennen;  bei  Veretillum  war 
der  Bulbus  zwar  auch  deutlich  am  Übergange  des  Stieles  in  den  Kiel 
sichtbar,  doch  ließ  eine  Endblase  am  basalen  Ende  des  Stieles  sich 
nicht  feststellen;  sie  fehlte  bei  allen  Exemplaren,  die  mir  zu  Gesicht 
gekommen  waren. 

Eine  Frage,  die  beim  Studium  der  äußeren  Form  Verhältnisse  noch 
zu  lösen  wäre,  ist  die,  ob  sich  irgendwelche  Andeutungen  von  Bila- 
teraütät  entdecken  lassen  und  ob  wir  gewisse  Unterschiede  der  Ventral- 
seite gegenüber  der  Dorsalseite  feststellen  können.  AVie  Kükenthal 
und  Broch  hervorheben,  ist  der  radiäre  Bau  ja  nur  ein  äußerer;  im 


536  Albert  Niedermeyer, 

Inneren  ist  die  Kolonie  bilateralsymmetrisch  gebaut,  wie  es  ja  selbst- 
verständlich erscheint,  wenn  man  daran  denkt,  daß  sie  von  einem 
symmetrischen  Primärpolypen  abstammt.  Die  beiden  medianen 
Hauptkanäle  (der  dorsale  und  der  ventrale)  lassen  sich,  wenigstens 
im  Kiele,  deutlich  von  den  lateralen  unterscheiden;  der  radiäre  Bau 
der  Kolonie  besteht  nur  darin,  wie  Kükenthal  und  Broch  treffend 
bemerken,  daß  sie  befähigt  ist,  nach  allen  Richtungen  gleichmäßig 
Polypen  knospen  zu  lassen. 

Läßt  sich  nun  eine  Andeutung  von  Bilateralität  in  der  Anordnung 
der  Polypen  am  Kiele  bemerken  —  etwa  in  ähnlicher  Weise  wie  dies 
bei  Echinoptilum  der  Fall  ist?  Es  ist  dem  Verfasser  nicht  gelungen, 
nur  eine  Spur  eines  solchen  Verhaltens  der  Polypen  und  Zooide  am 
Kiele  zu  finden.  Eine  gewisse  Regelmäßigkeit  der  Anordnung  in 
Längsreihen,  wie  sie  bereits  Kölliker  gesehen  hat,  läßt  sich  nicht 
verkennen,  von  Andeutungen  bilateraler  Symmetrie  ist  aber  nichts 
zu  entdecken.  Diese  Tatsache  erscheint  mir  als  eine  Stütze  der  von 
Kükenthal  und  Broch  vertretenen  Ansicht,  daß  Veretillum  als  pri- 
mitive Form  anzusehen  sei,  wie  am  Schlüsse  im  Kapitel  über  die  Phylo- 
genie  noch  des  näheren  erörtert  werden  soll. 

Es  ist  auf  Grund  des  oben  Gesagten  auch  nicht  möglich,  zu  sagen, 
wo  wir  an  der  erwachsenen  Kolonie  die  Dorsal-  und  wo  die  Ventral- 
seite zu  suchen  haben,  wie  wir  dies  z.  B.  bei  Echinoptilum  wohl  können. 
Gewiß  können  wir  auf  Querschnitten  wenigstens  in  der  Kielregion 
deutlich  die  medianen  Hauptkanäle  von  den  lateralen  unterscheiden, 
doch  sind  wir  nicht  ohne  weiteres  in  der  Lage,  zu  sagen,  welches  der 
ventrale  und  welches  der  dorsale  ist. 

Betreffend  die  Anordnung  der  Polypen  und  Zooide  an  der  Kolonie 
ist  noch  zu  bemerken,  daß  sie  durchweg  eine  derartige  ist,  daß  stets 
die  dorsale  Seite  der  Individuen  apikalwärts  gerichtet  ist,  wie  ich  dies 
schon  bei  Pteroeides  festgestellt  habe  und  auch  bei  allen  übrigen  beob- 
achteten Pennatuliden  fand. 

Es  ist  also  stets  die  dorsale  Seite  die  »axiale  <<,  um  eine  Bezeichnung 
von  M.  Marshall  (11)  zu  gebrauchen.  Das  gleiche  Verhalten  zeigen 
nicht  nur  die  Polypen  von  Pennatuliden;  Reinhardt  (26)  erwähnt 
es  zum  Beispiel  auch  von  Nephthyiden.  Es  scheint  sich  bei  dieser 
Anordnung  der  Individuen  an  der  Kolonie  um  ein  ganz  allgemeines 
Wachstumsgesetz  der  Pennatuliden,  vielleicht  sogar  aller  kolonie- 
bildenden Alcyonarien  zu  handeln;  ein  zweites  derartiges  Gesetz  für 
das  Wachstum  der  Seefedern  läßt  sich  darin  finden,  daß  die  Wachs- 


Beiträge  z.  Kenntnis  d.  histol.  Baues  von  Veretillum  cynomorium  (Fall.).    537 

tumszone  stets  basal  gelegen  ist,  sowohl  beim  Einzeltier,  wie  auch 
bei  der  ganzen  Kolonie. 

Die  Anzahl  der  Individuen  einigermaßen  genau  zu  schätzen 
war  nicht  möglich,  nur  so  viel  läßt  sich  behaupten,  daß  trotz  des  all- 
seitigen Wachstumes  von  Polypen  und  Zooiden  die  Zahl  der  die  Kolonie 
zusammensetzenden  Tiere  bedeutend  geringer  ist  als  bei  Pleroeides; 
die  primitive  Anordnung  der  Individuen  von  Veretillum  läßt  keine 
derartig  vollkommene  Raumökonomie  erkennen  wie  wir  sie  in  der 
komplizierten  Gruppierung  der  Polypen  und  Zooide  von  Pteroeides 
finden. 

Über  die  Größen  Verhältnisse  kann  das  von  Pteroeides  und 
anderen  achsentragenden  Formen  Gesagte  in  noch  erhöhtem  Maße 
gelten,  daß  ihnen  nämlich  infolge  der  außerordentlich  großen  Kon- 
traktilität  keinerlei  Konstanz  und  irgendwelche  Bedeutung  zukommt. 
Es  möge  daher  unterbleiben,  hier  eine  Tabelle  mit  den  Maßen  der 
untersuchten  Exemplare  zu  geben,  zumal  da  bereits  oft  genug  der- 
artige Messungen  angestellt  worden  sind. 

Auch  KöLLiKEÄ  steht,  wenigstens  soweit  es  Veretillum  betrifft, 
auf  diesem  Standpunkte.    Es  heißt  da  auf  S.  333: 

»Über  die  Größenverhältnisse  der  Stöcke  und  ihrer  einzelnen 
Teile  geben  Spiritusexemplare  gar  keinen  näheren  Aufschluß  und 
übergehe  ich  daher  alle  in  dieser  Beziehung  gefundenen  Unterschiede«. 

KüKENTHAL  uud  Broch,  die  im  Gegensatze  zu  Jungersen  (22) 
und  Balss  (31)  größeren  Wert  auf  die  Größenverhältnisse  und  auf 
genaue  Messungen  legen,  gestehen  zu,  daß  bei  achsenlosen  Formen 
die  Schwankungen  größer  und  Messungen  leicht  irreführend  sind.  Ich 
konnte  beobachten,  daß  bei  Veretillum  nicht  einmal  das  Verhältnis 
der  Länge  des  Stieles  zu  der  des  Kieles  annähernd  konstant  ist. 

Färbung. 
Die  lebenden  Kolonien  von  Veretillum  cynomorium  sind  intensiv 
orangerot  gefärbt.  Entsprechend  den  Befunden  über  die  Farben  von 
Pteroeides  griseum  liegt  es  nahe,  anzunehmen,  daß  diese  intensive 
Färbung  in  einem  gewissen  Zusammenhange  mit  dem  Reichtum  an 
Drüsenzellen  im  Ektoderm  steht.  Man  findet  keine  geformten  farbigen 
Elemente,  sondern  der  Farbstoff  ist  diffus  verteilt.  Ein  in  Formol 
konserviertes  Exemplar  der  deutschen  Tiefsee-Expedition  war,  wie 
bereits  erwähnt,  auf  der  ganzen  Oberfläche,  wie  auch  im  ganzen  In- 
neren dunkelbraun  gefärbt.  Bei  der  mikroskopischen  Untersuchung 
ließen  sich  auch  hier  keine  geformten  Pigmente  nachweisen,  sondern 


538  Albert  Niedermeyer, 

der  Farbstoff  war  gleichmäßig  diffus  durch  alle  Gewebe  verteilt.  Wohl 
fanden  sich  in  der  Mundscheibe  der  Polypen  auch  reichlich  dunklere 
Drüsenzellen,  aber  die  braune  Färbung  war  nicht  an  deren  Verteilung 
gebunden.  Nach  dem  Entkalken  ging  sie  stets  verloren,  so  daß  auf 
Schnitten  nichts  mehr  von  ihr  zu  erkennen  war.  Die  Färbung  be- 
ruhte aber  nicht,  wie  dies  bei  vielen  Pennatuliden,  z.  B,  bei  Pennatula 
phosphorea,  Renilla  amethystina  usw.  der  Fall  ist,  auf  dem  Besitze 
gefärbter  Spicula,  denn  diese  waren  auch  bei  dem  vorliegenden  Exem- 
plare ungefärbt,  sondern  wir  haben  es  hier  mit  einem  Falle  zu  tun, 
wo  sich  bei  einer  Pennatulide  ein  durch  die  ganze  Kolonie  gleichmäßig 
verteilter,  in  Alkohol  unlöslicher  Farbstoff  vorfindet,  der  nicht  an 
Drüsenzellen  oder  gefärbte  Kalkkörperchen  gebunden  ist. 

Die  orangerote  Färbung  der  Wandungen  der  Kolonie,  die  am 
Stiele  besonders  stark  ausgeprägt  ist,  und  durch  ihre  geringe  Wider- 
standsfähigkeit gegen  Formol  und  Alkohol  ausgezeichnet  ist,  ist  da- 
gegen meines  Erachtens  in  Beziehung  zu  den  ektodermalen  Drüsen- 
zellen zu  bringen,  die  am  Stiele,  gerade  im  Bereiche  der  intensivsten 
Färbung  sich  so  zahlreich  vorfinden.     (S.  Fig.  6.) 

In  einem  Falle  konnte  ich  nachweisen,  daß  die  Färbung  gewisser 
Stellen  direkt  von  geformten  drüsigen  Sekreten  herrührte.  Einige 
Exemplare  waren  nämlich  durch  eine  dunkle  Färbung  der  Polypen 
unterhalb  der  Krone,  nur  im  Bereiche  des  Schlundrohres  ausgezeichnet. 
Die  mikroskopische  Untersuchung  ergab  hier  das  Vorhandensein 
brauner  Zellen  mit  körnigem  Inhalt  im  dunkel  gefärbten  Bezirke  des 
Polypen;  diese  Zellen  waren  etwas  kleiner  als  die  braun  gefärbten 
körnigen  Drüsenzellen,  die  ich  bei  Pteroeides  beschrieben  habe.  Auch 
lagen  sie  nicht  wie  bei  Pteroeides  im  Entoderm  sondern  im  ekto- 
dermalen Schlundrohrepithel.  Es  kommen  aber  auch  Zellen  dieser 
Art  in  den  ventralen  (entodermalen)  Mesenterialfilamenten  vor. 
Auch  im  Epithel  des  inneren  Mauerblattbelages  waren  diese  Zellen 
vorhanden,  aber  auch  hier  vorwiegend  im  Bereiche  des  Schlund- 
rohres. 

Stellenweise  finden  sich  Gruppen  von  Sekretkörnchen,  die  unter- 
einander in  Zusammenhang  treten  oder  die  Form  von  kleinen  Klum- 
pen mit  feinen  Ausläufern  haben,  so  daß  das  Aussehen  von  Pigment- 
zellen  und  freien  Pigmentanhäufungen  oft  täuschend  nachgeahmt 
wird.  Wir  werden  aber  immerhin  diese  Gebilde  trotz  der  gelegent- 
lichen Ähnlichkeit  mit  Pigmentzellen  von  höheren  Tieren  als  etwas 
morphologisch  durchaus  verschiedenes  betrachten  müssen,  da  ja  ein 
drüsiges  Sekret  der  Träger  der  Färbung  ist,  während  die  Pigment- 


I 

I 


Beiträge  z.  Kenntnis  d.  histol.  Baues  von  Voretilluin  cynomoriuin  (Pall.).     539 

zelle  eine  Bindegewebszelle  ist.  Physiologisch  dagegen  dürften  sie 
jedoch  mit  den  Pigmentzellen  höherer  Tiere  vieles  gemeinsam  haben. 
Man  kann  ja,  wenn  man  will,  sagen,  daß  die  Drüsenzelle  gleichzeitig  als 
Pigment  Zelle  funktioniert  und  sie  wegen  dieser  doppelten  Funktion 
als  Piirmentdrüsenzelle  bezeichnen. 


Histologie. 

A.  Allgemeiner  Teil. 

Bevor  auf  den  feineren  Bau  der  einzelnen  Teile  der  Kolonie  ein- 
gegangen werden  soll,  erscheint  es  zweckmäßig,  eine  kurze  Charak- 
teristik der  beiden  primären  Epithelien,  die  am  Aufbau  aller  Organe 
beteiligt  sind,  des  Ektoderms  und  des  Entoderras  vorauszuschicken. 
Da  die  Epithelien  der  Coelenteraten  nur  von  den  primären  Keimblättern 
stammen,  sind  wir  ja  wohl  berechtigt,  die  Namen  Ektoderm  und  Ento- 
derm,  die  ja  eigentlich  nur  in  die  Entwicklungsgeschichte  gehören, 
auch  für  die  erwachsenen  Tiere  anzuwenden  und  verstehen  daiiinter 
die  fertigen,  zum  Teil  hochdifferenzierten  Gewebe,  die  histologisch 
wohl  charakterisiert  sind  und  sich  untereinander  leicht  unterschei- 
den lassen. 

1.  Das  Ektoderm. 

Das  ektodermale  Epithel  erweist  sich  als  sehr  verschieden  gebaut 
je  nach  der  Region,  von  der  wir  es  untersuchen  und  diese  Verschieden- 
heiten im  einzelnen  zu  beschreiben  wird  erst  bei  der  Beschreibung  der 
einzelnen  Teile  der  Kolonie  möglich  sein.  Hier  soll  vor  allem  das 
Ektodermepithel  der  gemeinsamen  äußeren  Körperbedeckung,  das 
Ektoderm  des  Coenenchyms  kurz  charakterisiert  werden. 

Das  Ektoderm  des  Coenenchyms  läßt  zwei  deutlich  voneinander 
verschiedene  Formen  erkennen:  die  eine  findet  sich  in  der  Rhachis, 
die  andere  im  Stiel. 

Das  Epithel  der  Rhachis  ist  ein  Zylinderepithel,  das  der  Haupt- 
masse nach  aus  sehr  schmalen  und  ziemlich  hohen  Zellen  besteht.  Dieses 
Epithel  besitzt  im  Mittel  eine  Höhe  von  0,035  mm.  Die  Zellkerne 
liegen  in  sehr  verschiedenen  Höhen,  doch  meist  der  Basalfläche  des 
Epithels  genähert,  so  daß  das  bekannte  Bild  eines  mehrschichtigen 
Epithels  entsteht;  in  Wirklichkeit  ist  das  Epithel  bloß  mehrreihig. 
Die  Zellkerne  sind  stets  elliptisch,  in  der  Längsachse  0,0045  mm, 
in  der  Querachse  0,0025— 0,0035  mm  groß.  Im  Plasma  der  Zellen 
lassen  sich  sehr  zarte  und  dichte  Körnerstrukturen  wahrnehmen. 


540  Albert  Niedermeyer, 

Interstitielle  Zellen,  die  nicht  die  freie  Fläche  des  Epithels  erreichen, 
werden  an  der  Basalfläche  vorgefunden, 

Deckzellen  von  der  Form,  wie  sie  Kassianow  (27)  beschreibt, 
konnte  ich  ebenfalls  wahrnehmen.  Am  häufigsten  waren  sie  im  oberen 
Teile  der  Khachis,  wo  das  Epithel  oft  tiefe,  geradezu  kryptenartige 
Falten  bildet.     (Fig.  1.) 

Sie  sind  sehr  schmal  und  verbreitern  sich  gegen  die  freie  Epithel- 
fläche hin  ein  wenig  und  tragen  außen  einen  tischplattenförmigen  Auf- 
satz, der  mehrere  Zellen  überdeckt.  An  ihrer  Basis  besitzen  diese 
Zellen  feine  Fortsätze,  die  man  besonders  dort,  wo  sie  sich  von  der 
darunter  liegenden  Mesogloea  abgehoben  haben,  deutlich  wahrnehmen 
kann.     (Fig.  3.) 

Ob  diese  feinen  Fortsätze  nur  zur  Verankerung  der  Zelle  dienen, 
oder  mit  der  subepithelialen  Nervenschicht  im  Zusammenhange  stehen, 
ist  schwer  zu  sagen,  doch  scheint  mir  eher  das  erstere  zuzutreffen,  da 
eine  Verbindung  von  Deckzellen  mit  nervösen  Elementen  sich  physio- 
logisch kaum  recht  erklären  ließe. 

Von  polaren  Differenzierungen  der  Zellen  des  Ektodermepithels 
ist  zu  erwähnen,  daß  sich  an  der  freien  Fläche  Cuticularbildungen 
deutlich  beobachten  lassen.  Am  schönsten  waren  solche  an  Schnitten 
durch  Tentakel  und  durch  das  Mauerblatt  zu  sehen,  wo  das  Epithel  meist 
in  feine  Falten  gelegt  ist  (Fig.  4  und  12),  aber  auch  im  Ektoderm  des 
Coenenchyms.  (Fig.  2.)  Es  ist  hier  ein  äußerst  feiner  Cuticularsaum 
vorhanden,  der  auch  die  verbreiterten  Enden  der  Deckzellen  über- 
zieht; es  hat  den  Anschein,  als  ob  er  von  außerordentlich  feinen  Poren 
durchbohrt  wäre,  die  darauf  hindeuten,  daß  hier  beim  lebenden  Tiere 
eine,  wenn  auch  sehr  zarte  Bewimperung  verhanden  gewesen  sein 
mußte.  Wir  haben  es  hier  mit  einer  »crusta«  im  Sinne  Pütters  (23) 
zu  tun,  da  sie  im  Gegensatze  zu  einer  echten  Cuticula  gegen  das  Innere 
der  Zellen  nicht  scharf  abgegrenzt  erscheint.  Eine  derartige  »crusta« 
besitzt  das  Epithel  der  Aktinien  regelmäßig.  Bei  Alcyonarien  sind 
solche  Strukturen  noch  nicht  genau  beobachtet  worden,  doch  beruht 
dies  lediglich  darauf,  daß  sie  hier  nur  viel  subtiler  und  daher  schwieriger 
zu  beobachten  sind;  vorhanden  sind  sie  aber  ebenso  wie  bei  den  Ak- 
tinien. Wir  werden  im  folgenden  noch  öfters  Gelegenheit  haben,  zu 
sehen,  daß  bei  genügend  genauer  Beobachtung  hinlänglich  fein  kon- 
servierter Schnitte  die  histologischen  Unterschiede  zwischen  den  beiden 
Hauptgruppen  der  Anthozoen  sich  bedeutend  reduzieren  lassen  und 
im  feineren  Bau  sonderlich  tiefgreifende  Unterschiede  zwischen  beiden 
gar  nicht  bestehen. 


Beiträge  z.  Kenntnis  d.  liistol.  Baues  von  Veretillum  cynomorium  (Fall.),    541 

Wenn  mau  in  Toto- Präparaten  das  Epithel  bei  starken  Vergröße- 
rungen von  der  Fläche  her  betrachtet,  so  beobachtet  man  eine  außer- 
ordentlich fein  granulierte  Struktur,  die  wahrscheinlich  mit  der  eben 
beschriebenen,  an  Schnitten  beobachteten  Cuticularstruktur  identisch  ist. 

Was  die  Frage  der  Bewimperung  des  Epithels  betrifft,  so  habe 
ich  Flimmerung  wohl  direkt  nicht  feststellen  können,  und  Unter- 
suchungen an  frischem  Material  zu  machen,  die  darüber  hätten  Auf- 
schluß geben  können,  war  leider  nicht  möglich.  Bei  Pteroeides  habe 
ich  keine  Spur  von  Bewimperung  finden  können.  Hickson  (16)  hat 
bei  Alcißmium  diijitatum  ebenfalls  keine  gefunden,  auch  Kölliker 
spricht  sich  gegen  ihr  Vorhandensein  aus,  gibt  aber  zu,  daß  die  Ekto- 
dermzellen  auch  »Flimmerung  zeigen  können«  (S.  424).  Die  bei  Vere- 
tillum vorgefundene  Struktur  der  Crusta  läßt  es  aber  immerhin  als 
glaubhch  erscheinen,  daß  beim  lebenden  Tiere  das  Ektoderm  eine 
Flimmerung  besitzt,  mag  sie  vielleicht  auch  schwach  sein,  und  dies 
körmte  wohl  mit  Recht  als  ein  primitiver  Charakter  angesehen  werden, 
aus  Gründen,  die  noch  erörtert  werden  sollen. 

Um  derartige  Strukturen  des  Epithels  mit  einiger  Deutlichkeit 
sehen  zu  können,  ist  es  am  besten,  die  Schnitte  mit  der  Goldchlorid- 
Imprägnationsmethode  nach  Apathy  zu  behandeln. 

Man  kann  dann  an  solchen  Stellen,  an  denen  das  Epithel  schräg 
getroffen  ist,  daß  seine  freie  Fläche  sich  zum  Teil  in  Oberflächenansicht 
darbietet,  auch  das  Schlußleistennetz  deutlich  sehen.  Es  gelingt 
auch  Basalkörner  zu  finden,  die  ja  offenbar  auf  eine  Bewimperung 
hindeuten.  Solche  Basalkörner  findet  man  natürlich  in  der  schönsten 
Ausbildung  im  Epithel  des  Schlundrohres  der  Polypen,  wo  ja  Flim- 
merung allseitig  vorhanden  ist.  (Fig.  5.)  Die  Basalkörner  sind  hier 
in  doppelter  Reihe  gelegen  (Diplochondren)  und  im  Inneren  der  Zellen 
sieht  man  die  Wurzelfasern  der  Flimmerhaare  als  deutlich  ausgebildete 
Chondriomiten,  die  zu  den  Basalkörnern  hinführen  und  mit  ihnen  den 
kinetischen  Apparat  der  Flimmerhaare  bilden.  (Wie  die  Basalkörner 
physiologisch  funktionieren,  ob  sie  für  die  Flimmerbewegung  ein  kine- 
tisches Zentrum  darstellen  oder  nicht,  darauf  kann  hier  nicht  ein- 
gegangen werden;  bei  Pütter  (23)  findet  sich  über  diesen  Gegenstand 
alles  sehr  schön  zusammengestellt.) 

Die  letztgenannten  feinen  Strukturen  im  Inneren  der  Zellen  ließen 
sich  in  den  Epithelzellen  des  Coenenchyms  nicht  nachweisen. 

In  den  Zellen  des  ektodermalen  Epithels  findet  man  oft  allerhand 
Einschlüsse,  Vakuolen,  Sekrettröpfchen  und  Fettkügelchen,  die  meist 
in  Gruppen  zusammenliegen,  gewöhnlich  nahe  der  freien  Epithelfläche. 


542  Albert  Niedermeyer, 

Von  polaren  Differenzierungsprodukten  des  Epithels  finden  wir 
im  Ektoderm  des  Coeno'arks  auch  Muskelfasern  an  der  Basalseite 
der  Zellen,  allerdings  nicht  häufig  und  nur  sehr  schwach  ausgebildet, 
so  daß  sie  der  Beobachtung  leicht  entgehen  können.     (Fig.  2.) 

Daß  das  Epithel  der  allgemeinen  Körperbedeckung  auch  eine 
Muskelschicht  besitzt,  ist  bei  Pennatuliden  durchaus  ungewöhnlich. 
(Vgl.  KÖLLIKER,  S.  424.)  Ektodermale  Epithelmuskeln  kommen  sonst 
nur  in  den  Polypententakeln,  der  Mundscheibe  und  allenfalls  im  oberen 
Teile  des  Mauerblattes  vor.  Wir  finden  also  in  dieser  Ausbildung  des 
Epithels  von  Veretillum  einen  Charakter,  in  dem  es  sich  von  anderen 
Pennatuliden  unterscheidet. 

Von  den  übrigen  histologischen  Elementen  des  Ektoderms  des 
Coenenchyms  sind  folgende  zu  erwähnen: 

1.  Drüsenzellen,  unter  denen  sich  verschiedene  Typen  unter- 
scheiden lassen,  die  noch  ausführlicher « beschrieben  werden  sollen. 
Teils  sind  es  schmale  längliche  mit  netzförmiger  oder  körniger  Struktur 
des  Inhalts,  teils  sind  es  große,  rundlich-ovale  vom  Typus  der  Becher- 
zellen, die  sehr  hell  erscheinen  und  ein  sehr  feines,  schwach  färbbares, 
weitmaschiges  Plasmanetz  enthalten.  Die  Größe  der  Becherzellen 
beträgt  15 — 20 /<  in  der  Länge,  9 — 11  i^i  in  der  Breite;  die  der  läng- 
lichen Drüsenzellen  30 — ^35  f^i  in  der  Länge,  5  f.i  in  der  Breite.  Die 
Becherzellen  verleihen  durch  ihren  Reichtum  dem  coenenchymalen 
Epithel  der  Rhachis  zum  größten  Teil  sein  charakteristisches  Aus- 
sehen, denn  im  Epithel  des  Stieles  kommen  sie  nicht  vor,  sondern 
andere  Formen  von  Drüsenzellen.    (Fig.  1.) 

2.  Sinneszellen  sind  sehr  spärlich  vorhanden,  was  ja  nicht 
Wunder  nehmen  kann,  da  das  Epithel  des  Coenosarks  mit  der  Außen- 
welt nicht  so  in  Berührung  kommt,  wie  das  der  Polypen.  Als  Sinnes- 
zellen spreche  ich  sehr  schmale,  mit  einem  feinen  Fortsatze  an  der 
freien  Seite  versehene  Zellen  an,  die  sich  am  häufigsten  in  der  Um- 
gebung der  Becherzellen  finden,  welche  letztere  oft  von  einer  Anzahl 
schmaler  Epithelzellen  gewissermaßen  knospenartig  umgeben  sind; 
zwischen  diesen  Stützzellen  sind  vereinzelt  die  eben  beschriebenen 
Zellen  vorhanden,  die  sich  auch  mit  Goldchlorid  dunkler  färben  als 
ihre  Umgebung  und  nach  ihrem  ganzen  Verhalten  für  nichts  anderes 
als  für  Sinneszellen  angesehen  werden  können.    (Fig.  1,  2  und  4.) 

3.  Nervenzellen  und  -fasern.  Auch  deren  Vorhandensein  war 
nur  an  Goldchloridpräparaten  mit  einiger  Sicherheit  zu  erweisen  und 
zwar  liegen  sie  zwischen  den  Epithelzellen  und  der  Muskelschicht, 
doch  kommt  es  nicht  zur  Ausbildung  einer  sehr  distinkten  Nerven- 


Beiträge  z.  Kenntnis  d.  hiatol.  Baues  von  Veretillum  cynomorium  (Pall.).    543 

Schicht,  sondern  nur  zu  der  eines  feinen  und  lockeren  Plexus.  (Fig.  2.) 
Daß  Nervenelemente  im  Ektoderm  des  Coenenchyms  vorkommen, 
wird  aucli  nicht  weiter  "Wunder  nehmen,  da  ja,  wie  bereits  erwähnt 
wurde,  auch  Muskulatur  hier  angetroffen  wird. 

Das  Ektodermepithel  des  Stieles  unterscheidet  sich  von 
dem  der  Rhachis  in  folgenden  Punkten:  Die  Becherzellen  fehlen  hier, 
dafür  sind  Drüsenzellen  in  großer  Zahl  vorhanden,  die  denen  der  ersten 
Form  von  der  Rhachis  sehr  ähneln.  Das  Epithel  bildet  hier  ferner 
zahlreiche  papillenförmige  Erhebungen,  während  es  an  der  Rhachis 
kryptenartige  Vertiefungen  aufweist.  (Fig.  6.)  Die  Höhe  des  Epi- 
thels beträgt  durchschnittlich  50  ^i,  die  der  Papillen  80 — 100  /<.  Die 
Struktur  der  Crusta  läßt  sich  hier  nicht  mit  Deutlichkeit  erkennen: 
Goldchloridpräparate  zeigen  zwar,  daß  sie  auch  hier  vorhanden  ist, 
aber  lange  nicht  so  deutlich  wie  in  der  Rhachis.  Es  erscheint  wohl  die 
Annahme  gerechtfertigt,  daß  die  Epithelzellen  des  Stieles  keine  Flimme- 
rung besitzen.  Mit  Sicherheit  ließe  sich  dies  natürlich  nur  an  lebenden 
Tieren  feststellen,  deren  mir  ja  leider  keine  zur  Verfügung  standen. 

Ein  weiterer  Unterschied  ist  der,  daß  die  ektodermale  Muskulatur 
hier  vollständig  fehlt.  Das  Verhalten  der  Nervenschicht  ließ  sich  nicht 
mit  voller  Sicherheit  feststellen.  Bei  Goldimprägnation  findet  man 
ja  zahlreiche  sehr  feine  dunkel  gefärbte  Fasern,  die  sich  auch  verzweigen, 
sich  aber  nicht  parallel  der  Oberfläche  ausbreiten,  sondern  zwischen 
den  einzelnen  Zellen  aufsteigen,  oft  die  Drüsenzellen  umspinnend. 
(Fig.  6.)  Wenn  diese  Fasern  Nervenfibrillen  sind,  so  kann  es  sich  beim 
Fehlen  der  Muskelschicht  hier  nicht  um  motorische  sondern  höchstens 
um  sekretorische  Fasern  handeln.  —  Endlich  ist  zu  bemerken,  daß 
Sinneszellen  in  diesem  Anteil  des  Ektoderms  nicht  gefunden  worden  sind. 

2.  Das  Entoderm. 

Während  das  Ektoderm  an  den  verschiedenen  Stellen  der  Kolonie 
ein  sehr  verschiedenes  Aussehen  hat,  so  ist  das  Entoderm  in  allen 
inneren  Hohlräumen  ziemlich  gleichmäßig  ausgebildet  und  weist  in 
seinen  Elementen  eine  recht  gleichartige  Zusammensetzung  auf;  Unter- 
schiede lassen  sich  fast  nur  in  der  Stärke  und  Höhe  des  Epithels  fest- 
stellen, dermaßen,  daß  in  den  stärksten  Kanälen,  den  vier  Haupt- 
kanälen, das  Epithel  am  höchsten  ist  und  eine  Stärke  von  50  ^i  erreicht, 
und  hier  sogar  mehrere  Zellagen  übereinander  liegen  können,  wodurch 
es  den  Charakter  eines  mehrschichtigen,  nicht  eines  mehrreihigen 
Epithels  gewinnt;  in  den  kleineren  Kanälen  nimmt  es  an  Höhe  ab  und 
erscheint  als  einschichtiges  zylindrisches  oder  kubisches  Epithel,  wie 


544  Albert  Niedermeyer, 

in  den  Hohlräumen  der  Polypen  und  Zooide,  und  endlich  in  den  klein- 
sten Gefäßen  kann  es  den  Charakter  eines  flachen  Endothels  annehmen. 
Die  Entodermzellen  besitzen  eine  Höhe  von  durchschnittlich  8,5  /<, 
und  ihr' Kern  einen  Durchmesser  von  3,5//.  Durch  einigermaßen 
komplizierteren  Bau  sind  nur  die  entodermalen  (ventralen)  Mesen- 
terialfilamente ausgezeichnet. 

Die  Elemente  des  Entoderms  besitzen  ein  charakteristisches 
Aussehen  und  dem  einigermaßen  geübten  Auge  fällt  es  nicht  schwer, 
sie  sofort  von  den  Elementen  des  Ektoderms  zu  unterscheiden.  Der 
Hauptmasse  nach  sind  es  kleine  rundliche  Zellen  mit  kreisrundem 
Kerne.  Wie  wir  bei  den  Ektodermzellen  stets  ovale  oder  elliptische 
Kerne  finden,  so  kehren  hier  immer  Kerne  von  der  genannten  Form 
wieder,  so  daß  wir  in  den  Kernen  schon  geradezu  ein  charakteristisches 
Merkmal  für  die  primären  Epithelien  besitzen.  (Fig.  7.)  Auch  die 
Konsistenz  des  Plasmas  muß  bei  den  Zellen  eine  verschiedene  sein, 
da  die  Entodermzellen  eine  ausgesprochene  Affinität  zu  sauren  Plasma- 
farbstoffen besitzen;  auf  den  Schnitten  erscheinen  sie  meist  heller  und 
das  Zellplasma  scheint  ein  weniger  dichtes  Gefüge  zu  besitzen  als  das 
der  Ektodermzellen. 

KÖLLiKEE  (4)  schreibt  über  das  Entoderm  folgendes:  (S.  424) 
»Beim  Entoderma  scheint  da,  wo  dasselbe  größere  Höhlen  auskleidet, 
Flimmerung  Regel  zu  sein,  ebenso  können  auch  Nesselorgane  in  dem- 
selben vorkommen  {Kofhohelemnon),  deren  Verteilung  jedoch  noch 
genauer  zu  prüfen  ist.  Sehr  häufig  sind  die  Entodermzellen  Sitz  von 
Pigment-  und  Fettkörnchen,  auch  können  dieselben  Kalkkörperchen  von 
Otolithenform  in  sich  erzeugen.   [Virgularia,  Renillaceae,  Veretillidae.)<< 

Die  angeführten  Angaben  Köllikers  scheinen  nicht  in  allem 
zuzutreffen.  Von  Nesselorganen  hat  sich  im  Entoderm  nichts  nach- 
weisen lassen,  doch  bezieht  sich  die  zitierte  Angabe  freilich  auf  Kopho- 
belemnon.  Die  Pigmentkörnchen  stammen  jedenfalls  vom  körnigen 
Sekrete  der  Drüsen  her,  an  denen  das  Entoderm  auch  hier  recht  reich 
ist;  Fettröpfchen  sind  des  öfteren  anzutreffen. 

Das  Vorkommen  von  Kalkkörperchen  im  Inneren  von  Entoderm- 
zellen halte  ich  nach  allem,  was  ich  bisher  an  Pennatuliden  zu  beobachten 
Gelegenheit  hatte,  für  sehr  unwahrscheinlich.  Es  kommen  wohl  kleine 
»Otolithen  «förmige  Kalkkörperchen  in  der  dem  Entoderm  unmittelbar 
angrenzenden  Mesogloeaschicht  vor,  doch  stammen  diese  offenbar  aus  Zel- 
len der  Mesogloea  und  nicht  aus  solchen  der  epithelialen  Auskleidung. 

Es  ist  nun  die  Frage,  ob  den  Entodermzellen  eine  Flimmerung 
zukommt,  wie  Kölliker  annimmt.    Wie  schon  mehrfach  betont  wurde, 


Beiträge  z.  Kenntnis  d.  histol.  Baues  von  Veretillum  cynomorium  (Pall.).    545 

ist  es  schwer,  an  der  Hand  konservierten  Materiales  diese  Frage  zu 
entscheiden;  Macerations-  und  Totopräparate  geben  hierüber  keine 
Auskunft,  doch  müssen  sich,  wenn  Flimmerung  beim  lebenden  Tiere 
vorhanden  war,  an  guten  Schnitten  gewisse  Strukturen  des  Epithel- 
saumes noch  wiederfinden  lassen;  am  ehesten  wohl  in  den  Hohlräumen 
der  Polypen.  Tatsächlich  finden  wir  derartige  Strukturen,  wie  feine 
Basalkörnchen  (Fig.  7),  die  darauf  hinweisen,  daß  auch  das  Ento- 
derm  im  lebenden  Zustande  Bewimperung  besitzt.  Auch  Bujor  (19) 
bildet  die  Entodermzellen  als  bewimperte  Zellen  ab. 

Zoochlorellen,  die  bei  Alcyonarien  sehr  häufig  im  Entoderm 
auftreten  und  es  in  großen  Massen  erfüllen,  habe  ich  bei  Veretillum 
nicht  finden  können.  Die  untersuchten  Exemplare  stammten  zum 
Teil  von  der  afrikanischen  Küste  (Große  Fischbucht),  und  es  wäre 
nach  Pratt  (25)  bei  einer  tropischen  Form  eigentlich  das  Vorhanden- 
sein von  Zoochlorellen  zu  erwarten  gewesen,  aber  auch  diese  Exem- 
plare waren  völlig  algenfrei. 

Das  Entoderm  bildet  auch  in  ausgedehntem  Maße  Muskulatur, 
und  zwar  überall,  wo  die  Muskulatur  direkt  subepithelial  ist,  King- 
oder transversale  Fasern,  was  besonders  dort  auffällt,  wo  nach  außen 
das  Ektoderm  Epithelmuskelfasern  bildet,  die  dann  longitudinal  ver- 
laufen. Schon  KöLLiKER  hat  auf  diese  Tatsache  kurz  hingewiesen, 
und  auch  Ashworth  (17)  machte  eine  ähnliche  Beobachtung  an  Xenia 
HicJcsoni,  ohne  aber  näher  darauf  einzugehen.  Bei  der  Regelmäßig- 
keit dieses  Verhaltens  der  Epithelien  erscheint  es  mir  aber  nicht  un- 
wichtig, darauf  besonders  hinzuweisen;  es  wäre  doch  immerhin 
möglich,  daß  es  in  der  Entwicklungsgeschichte  tiefer  begründet  ist, 
daß  die  Entodermzellen  die  Tendenz  zur  Bildung  von  Ringmuskel- 
fasern, und  die  Ektodermzellen  die  zur  Bildung  von  Längsmuskel- 
fasern besitzen;  es  wäre  interessant,  wenn  auf  diesen  Punkt  sich  die 
Aufmerksamkeit  der  Beobachter  richten  wollte,  um  vielleicht  diese 
eigentümliche  Erscheinung  noch  aufzuklären.  Eine  scheinbare  Ausnahme 
ist  vorhanden,  indem  die  großen  Längsmuskelzüge  der  Kolonie  und 
die  Muskelfahnen  in  den  Septen  der  Polypen  auch  vom  Entoderm  her- 
stammen, aber  wir  finden,  daß  in  solchen  Fällen  stets  die  Muskulatur 
in  die  Tiefe  der  Mesogloeafalten  versenkt  ist  und  epitheloiden  Charakter 
angenommen  hat. 

3.  Drüsenzellen. 

Unter  den  Drüsenzellen  können  wir  nach  dem  Charakter  ihres 
Sekretes  Schleimzellen  und  Eiweißzellen    unterscheiden.     Auch 


546  Albert  Niedermeyer, 

im  Vorkommen  dieser  beiden  Typen  von  Drüsen  zeigt  sich  eine  tTber- 
einstimmung  mit  dem  histologischen  Bau  der  Aktinien.  Die  beiden 
genannten  Formen  lassen  sich  im  allgemeinen  ganz  leicht  durch  ihr 
Verhalten  den  Farbstoffen  gegenüber  unterscheiden,  doch  ähneln  sie 
in  ihrer  Form  einander  oft  sehr.  Es  ist  wohl  möglich,  daß  Übergangs- 
formen zwischen  diesen  beiden  Typen  auch  in  physiologischer  Beziehung 
vorkommen,  so  wie  sie  ja  morphologisch  nicht  so  ganz  streng  zu  scheiden 
sind.  Im  großen  und  ganzen  kann  man  wohl  sagen,  daß  die  Schleim- 
drüsen vorwiegend  basophil,  die  Eiweißdrüsen  hingegen  acidophil 
sind.  Als  charakteristische  Reaktionen  auf  Schleimzellen  haben  sich 
die  Färbung  mit  Mucikarmin  nach  Mayer  und  die  metachromatische 
Färbung  mit  Thionin  bewährt,  welch  letztere  leider  nicht  haltbar  ist; 
auch  das  Delafieldsche  Hämatoxylin  gibt  eine  gute  brauchbare  Reaktion. 

Über  das  Verhalten  von  Drüsenzellen  bei  Nephthya  gegenüber 
Farbstoffen  macht  Reinhardt  (26)  einige  Angaben,  die  aber  so  irre- 
führend sind  und  falsche  Vorstellungen  erwecken,  daß  ich  sie  hier 
anführen  möchte,  weil  sie  nicht  unwidersprochen  bleiben  sollen.  Da 
Reinhardt  mit  Orcein  bei  einigen  Drüsen  eine  blaue,  bei  anderen  eine 
rote  Färbung  des  Inhaltes  erzielte,  und  da  das  Orcein  den  gleichen 
Farbenwechsel  im  Reagensglase  als  Indikator  für  Säuren  und  Alkalien 
zeigt,  glaubt  Reinhardt,  daß  man  von  basischen  und  sauer  reagieren- 
den Drüsen  reden  dürfe.  So  einfach  ist  denn  doch  das  histologische 
Verhalten  der  Drüsen  nicht,  daß  sich  derartige  Reaktionen  wie  im 
Reagensglase  vollziehen  sollten;  und  wenn  die  Schnitte  durch  eine 
Reihe  von  Flüssigkeiten  hindurchgeführt  worden  sind,  die  teils  sauer, 
teils  alkalisch  reagieren,  so  muß  doch  die  ursprüngliche  chemische 
Reaktion  der  Zellen  längst  verändert  worden  sein.  Jedenfalls  sind  die 
Vorgänge,  die  sich  bei  der  Färbung  der  Zellen  abspielen,  viel  kompli- 
zierterer Art,  als  die,  die  beim  Farbenwechsel  eines  chemischen 
Indikators  eintreten!  —  Im  übrigen  habe  ich  versucht,  ob  sich  die 
basophilen  und  acidophilen  Zellen  dem  Orcein  gegenüber  verschieden 
verhalten,  doch  fand  ich,  daß  sich  sämtliche  Drüsenzellen  mit  diesem 
Farbstoffe  in  gleicher  Weise  rot  oder  rotbraun  färbten. 

Nach  ihrer  ontogenetischen  Herkunft  haben  wir  noch  die  ekto- 
dermalen  Drüsen  den  entodermalen  gegenüberzustellen. 

Auf  Grund  ihrer  charakteristischen  morphologischen  und  färbe- 
rischen Merkmale  lassen  sich  eine  Reihe  verschiedener  Typen  von 
Drüsenzellen  gegeneinander  abgrenzen: 

1.  Die  Drüsenzellen  des  kolonialen  ^  Ektoderms  der  Rhachis. 
1  D^r  Ausdruck  »koloniales  Ektoderm«  erscheint  mir  für  das  Ektoderm 


Beiträge  z.   Kenntnis  d.   liistol.   Baues  von  Veretillum  cynomoriiim  (Pall.).    547 

2.  Die  des  Tentakel-Ektoderms. 

3.  Die  des  Mauerblatt-Ektoderms, 

4.  Drüsen  der  Mundscheibe  und  des  Schlundrolires;  unter  ihnen 

sind  wiederum  mehrere  Formen  zu  unterscheiden. 

5.  Drüsen  des  Stieles. 

6.  Der  dorsalen  Mesenterialfilamente. 

7.  Der  ventralen  Mesenterialfilamente. 

8.  Der  allgemeinen  Entodermauskleidung. 

Die  Drüsen  des  kolonialen  Ektoderms  (Fig.  1  und  2),  die  in  außer- 
ordentlicher Menge  vorhanden  sind,  sind  Becherzellen,  und  wie  ihre 
Färbbarkeit  mit  Mucikarmin  beweist,  Schleimzellen,  doch  jedenfalls 
solche  ganz  besonderer  Art.  Mit  Delafieldschem  Hämatoxylin  färben 
sie  sich  im  allgemeinen  nicht,  nur  bei  einigen  ließ  sich  ein  schwach 
blau  gefärbtes,  weitmaschiges  Netz  erkennen,  zwischen  dessen  Maschen 
sich  zweifellos  noch  eine  ungefärbte,  wahrscheinlich  kolloide  Substanz 
befinden  mußte,  da  die  Zellen  prall  gefüllt  aussahen.  Thionin  färbt 
sie  so  gut  wie  garnicht,  dafür  nehmen  sie  Bleu  de  Lyon  an.  Da  dieses 
ein  saurer  Farbstoff  ist,  müssen  sie  auch  acidophile  Bestandteile  ent- 
halten. Ganz  ungefärbt  bleiben  sie  bei  folgenden  Färbungen:  Heiden- 
hainsches  Eisenhämatoxylin,  Biondi  und  Gold-Imprägnation.  Wir 
werden  diesen  Drüsen  wohl  eine  spezielle  Funktion  zuschreiben  müssen, 
die  sich  nur  durch  physiologische  Experimente  wird  erweisen  lassen; 
doch  möge  es  gestattet  sein,  im  Folgenden  wenigstens  eine  Vermutung 
darüber  auszusprechen. 

Im  Tentakel-Ektoderm  sind  Drüsen  nicht  gerade  häufig,  doch 
lassen  sie  sich  durch  Mucikarmin  nachweisen,  es  sind  also  Schleim- 
drüsen. Sie  ähneln  sehr  den  oben  beschriebenen,  sind  aber  kleiner 
und  mehr  rundlich. 

Hierher  gehören  auch  die  Drüsenzellen  des  Mauerblattes  der 
Polypen,  die  meist  im  äußeren  Teile  der  Ektodermf alten  sitzen;  auch 
sie  sind  nicht  sehr  zahlreich. 

Im  Schlundrohre  und  in  der  Mundscheibe  kommen  zahlreiche 
Drüsen  vor,  die  in  beiden  Regionen  gleich  sind,  jedoch  mehrere  Typen 
unterscheiden  lassen : 

a)  schmale  Zellen  mit  körnigem  Sekret,  ohne  Schleim.  Muci- 
karmin färbt  sie  nicht,  mit  Goldchlorid  imprägnieren  sie  sich  tief  dunkel. 
Gegenüber  der  Färbung  mit  Delafield-van  Gieson  verhalten  sie  sich 


des  Coenosarks  ganz  passend  im  Gegensatz  zu  dein  der  Polypen-  und  Zooidindi- 

viduen,  da  wir  ja  aiieh  z.  B.  individuelles  und  koloniales  Nervensystem  unter- 
scheiden. 

Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.    CIX.  Bd.  37 


548  Albert  Niedermeyer, 

nicht  gleich,  bald  färben  sich  die  Sekretkörner  hellgelb,  bald  heller 
oder  dunkler  braun.  Mit  Thionin  werden  sie  sehr  dunkel.  Diese 
Drüsen  bilden  die  Hauptmasse  der  Drüsenzellen  des  Schluudrohres. 
Die  mit  Delafield  dunkel  gefärbten  sind  mehr  rundlich  und  tiefer  ge- 
legen und  bilden  wohl  einen  Übergang  zur  nächsten  Form. 

b)  rundliche  Schleimzellen,  die  die  Reaktionen  mit  Thionin  und 
Mucikarmin  geben.     Sie  sind  in  geringerer  Anzahl  vorhanden. 

c)  ziemlich  kleine  Drüsenzellen  mit  homogen  erscheinendem 
Inhalt,  die  sich  mit  Thionin  blau,  mit  Delafield- van  Gieson  braun 
färben.  Goldchlorid  imprägniert  sie  sehr  kräftig.  Diese  Zellen  kommen 
vorwiegend  im  unteren  Teile  des  Schlundrohres  vor  und  sind  anschei- 
nend identisch  mit  gleich  aussehenden  Drüsen  der  Mesenterialfila- 
mente. Da  sie  durch  Mucikarmin  gefärbt  werden,  so  dürfte  ihr  Sekret 
auch  schleimartig  sein,  jedenfalls  nehmen  sie  eine  Mittelstellung  zwischen 
basophilen  und  acidophilen  Zellen  ein. 

Kassianow  (27)  beschreibt  noch  in  der  Tiefe  des  Epithels  »un- 
entwickelte Drüsen«,  nach  seiner  Beschreibung  ist  es  aber  nicht  aus- 
geschlossen, daß  er  nur  teilweise  getroffene  Drüsenzellen  dafür  an- 
gesehen hat. 

Im  Stiele  finden  sich  auch  mehrere  Formen  von  Drüsenzellen 
vor,  die  den  bei  Pteroeides  beschriebenen  sehr  ähneln  und  die 
jedenfalls  nur  verschiedene  Phasen  des  Sekretionszustandes  darstel- 
len. Deutlich  lassen  sich  nur  zwei  Typen  sondern,  größere  läng- 
liche, sehr  schmale  und  kleine  rundliche  Zellen.  Ihr  Sekret  ist 
schleimig,  und  wird  von  Mucikarmin  gefärbt  und  verhält  sich  anderen 
Farbstoffen  gegenüber  basophil;  das  Aussehen  der  Drüsenzellen  ist 
ein  stark  granuliertes.  Sie  finden  sich  auf  Epithelpapillen  vor,  die  über 
den  ganzen  Stiel  verteilt  sind.  (Fig.  6.)  Die  Anordnung  dieser  Drüse n- 
papillen  des  Stieles  ist  die  gleiche  wie  bei  Pteroeides:  Im  basalen  Teile 
des  Stieles  sind  sie  rundlich  oder  polygonal  geformt,  im  oberen,  der 
Rhachis  angrenzenden  Teile  des  Stieles  sind  sie  mehr  länglich,  wulst- 
artig, in  der  Richtung  senkrecht  zur  Längsachse  der  Kolonie  gestreckt. 

In  den  dorsalen  Mesenterialfilamenten  wurden  basophile  Becher- 
zellen (Schleimzellen)  beobachtet,  die  alle  Schleimreaktionen  gaben. 

In  den  ventralen  Mesenterialfilamenten  treten,  obgleich  sie  ento- 
dermal  sind,  die  drei  gleichen  Typen  von  Drüsenzellen  auf  wie  im 
Schlundrohre:  a)  basophile,  mit  Körner-  oder  Netzstruktur,  wohl  je 
nach  der  verschiedenen  Sekretionsphase,  b)  acidophile  mit  körnigem, 
c)  neutrale  mit  homogenem  Inhalte. 

Das  allgemeine  Entoderm  enthält   im  Gegensatze  zu  Pteroeides 


Beiträge  z.    Kenntnis  <1.   histol.  Baues  von  Veretilhun  cynoniüiiuni  (Pall.).    549 

nur  sehr  wenige  Drüsenzellen  und  die  vorhandenen  sind  typische 
Schleimzellen  und  gleichen  nicht  im  geringsten  den  braun  gefärbten 
Pionientdrüsenzellen  von  Pteroeides.  Pigmentierte  Drüsenzellen  finden 
sich  bei  Veretillum  im  Ektoderm  und  es  scheint,  daß  gewissen  Zuständen 
der  Sekretion  der  ektodermalen  Drüsen  eine  dunklere  Pigmentierung 
entspricht. 

Außer  dem  Schleim,  der  als  intracytäre  Differenzierung  in  den 
Drüsenzellen  auftritt,  finden  wir  an  bestimmten  Stellen  des  Körpers 
regelmäßig  extracytäre  Schleimüberzüge  vor,  die  in  dünner  Schicht 
das  Epithel  bedecken.  So  finden  sie  sich  z.  B.  im  Schlundrohr  der 
Autozooide  und  der  Siphonozüoide,  bei  letzteren  jedoch  nur  an  der 
Dorsalseite,  da  die  Ventralseite  von  der  Siphonoglyphe  eingenommen 
wird. 

An  dieser  Stelle  möge  auch  die  Frage  erörtert  werden,  was  die 
»globules  spheriques«  sein  mögen,  die  Bujor  (19)  bei  Veretillum  be- 
schreibt.   BuJOR  schreibt  über  diese  Gebilde : 

>>0n  sait,  que  les  Veretilles  sont  phosphorescentes.  Une  parti- 
cularite  caracteristique  de  tous  les  elements  cellulaires  de  ces  animaux 
c'est"  leur  richesse  en  petites  gouttelettes  spheriques  de  differentes 
■grandeurs,  qui  ont  seulement  l'apparence  de  la  graisse  et  qui  doivent 
contribuer  ä  la  phosphorescence.  << 

>>En  outre  dans  toute  la  colonie  on  trouve  en  grande  abondance 
des  gros  globules  spheriques,  lesquels  renferment  les  memes  goutte- 
lettes et  doivent  contribuer  aussi  ä  la  phosphorescence.  Lorsque  ces 
gouttelettes  s'echappent  des  cellules  et  des  vesicules,  qui  les  renfer- 
ment, elles  presentent  des  mouvements  browniens  plus  ou  moins 
rapides.  << 

Die  Tröpfchen  von  Fett,  die  in  den  Geweben  vorkommen,  kann 
BüJOR  nicht  gemeint  haben,  dagegen  spricht  sowohl  die  ganze  Schil- 
derung wie  insbesondere  die  Abbildung,  die  er  von  den  »globules  spheri- 
ques« gibt.  Es  wäre  nun  meines  Erachtens  nicht  unmöglich,  daß  die 
fraglichen  Gebilde  rundliche  Drüsenzellen  sind,  wie  wir  sie  im  Ekto- 
derm der  Tentakel  und  des  Mauerblattes  gefunden  haben  (Typus  2  u.  3) 
die  »gouttelettes«,  die  in  ihnen  vorkommen,  wären  sonach  Körnchen 
eines  Sekretes,  das  die  Fähigkeit  zu  leuchten  besitzt.  Solche  Körnchen 
finden  wir,  wie  schon  erwähnt,  auch  mehrfach  außerhalb  der  Zellen 
vor,  auch  finden  sie  sich  noch  in  verschiedenen  anderen  Drüsenzellen. 

Andere  Gebilde,  die  mit  den  »globules  spheriques«  identisch  sein 
könnten,  habe  ich  weder  auf  Schnitten  noch  in  Macerations-  oder  Toto- 
präparaten finden  können,  wohl  aber  fand  ich  in  letzteren,  besonders 

37* 


550  Albert  Niedermeyer, 

im  Tentakelektoderm  rundliche  leicht  gelblich  oder  bräunlich  gefärbte 
Zellen,  die  ganz  den  von  Bujor  geschilderten  Gebilden  entsprachen 
und  sich  als  Drüsenzellen  vom  Typus  2  und  3  erwiesen. 

Auch  Panceri  (5)  hält  fettartige  Kügelchen  für  die  Ursache  des 
Leuchtens,  die  in  acht  »cordoni  luminosi«  (damit  sind  die  Ansätze 
der  Septen  am  Schlundrohr  und  der  Mundscheibe  gemeint)  angeordnet 
seien,  ferner  fand  er  Zellen  mit  »granulazioni  albuminoidi  <<,  die  eben- 
falls am  Leuchten  beteiligt  sein  sollen.  Einige  Abbildungen,  die  er 
von  den  beiden  genannten  Zellformen  gibt,  weisen  eine  ganz  über- 
raschende Ähnlichkeit  mit  unseren  Drüsenzellen  auf.  Panceri  will 
von  einer  Beteiligung  von  Drüsen  am  Leuchten  nichts  wissen,  doch 
lassen  seine  Abbildungen  wirklich  kaum  einen  Zweifel  darüber  aufkom- 
men, daß  es  sich  auch  hier  um  drüsige  Organe  handelt. 

Nur  eine  Angabe  Panceris  läßt  sich  mit  dieser  Annahme  nicht 
ganz  leicht  in  Übereinstimmung  bringen,  nämlich  die,  daß  die  »materia 
grassa«  beim  Konservieren  in  Alkohol  aus  den  Geweben  verschwindet. 
Die  Frage,  ob  in  den  lebenden  Drüsenzellen  sich  etwa  noch  Elemente 
befinden,  die  durch  Alkohol  aufgelöst  werden,  aufzuklären,  ist  mir 
infolge  des  Mangels  lebenden  Materials  nicht  möglich  gewesen.  Immer- 
hin glaube  ich  die  leuchtenden  Elemente,  die  Panceri  abbildet  und 
die  »globules  spheriques«  Bujors  für  Drüsenzellen  ansehen  zu  dürfen, 
in  Übereinstimmung  mit  den  Ansichten,  die  vom  Verfasser  bei  Ptero- 
eides  über  die  Drüsenzellen  und  ihren  Zusammenhang  mit  der  Phos- 
phoreszenz geäußert  worden  sind.  Auch  die  »großen  saftreichen  und 
körnigen  Leuchtzellen«,  die  Korotneff  (10)  bei  Veretillum  beschreibt, 
sind  allen  Anscheines  Drüsenzellen. 

Veretillum  cynomorium  ist,  wie  wir  gesehen  haben,  an  Drüsen 
im  ektodermalen  Epithel  ganz  außerordentlich  reich;  es  wird  auch  an- 
gegeben, daß  dieses  Tier  ein  sehr  starkes  Leuchtvermögen  besitzt. 
Diese  beiden  Tatsachen  stehen  wohl  in  einem  gewissen  ursächlichen 
Zusammenhange,  und  wir  werden  wohl  in  den  Drüsenzellen  der  Ten- 
takel und  des  Mauerblattes,  und  wohl  auch  in  den  so  zahlreichen  Drüsen 
des  kolonialen  Ektoderms,  die  ja  den  erstgenannten  Formen  sehr 
ähnlich  sind,  die  Hauptursache  des  Leuchtens  zu  erblicken  haben.  Darin 
dürfte  wohl  auch  die  »spezielle  Funktion«  bestehen,  von  der  oben  die 
Rede  war;  natürlich  muß  diese  Funktion  nicht  auf  die  drei  ersten 
Drüsenformen  beschränkt  sein,  sondern  kann  vielleicht  mehr  oder 
weniger  auch  den  anderen  zukommen. 

Für  die  Annahme,  daß  die  geschilderten  Drüsen  die  hauptsächlichen 
leuchtenden   Organe   sind,   spricht  ihr  histologisches  Verhalten  auch 


Beiträge  z.   Kcimtnis  d.  liistt)!.    Baiu-s  von  Veretilluiu  cynoinoriuin  (l'all.)-     551 

insoferne,  als  die  Hauptmasse  ihres  Inhaltes  keine  Färbungen  an- 
ninimt,  also  eine  ganz  spezifische  chemische  Substanz  darstellt.  Dies 
erinnert  au  die  »negative  Färbung«  von  Leuchtzellen,  wie  sie  Kut- 
SCHERA  (29)  bei  Ächoloe  astericoln  beschreibt.  (Vergl.  die  angeführte 
Arbeit  über  Pteroeides.) 

B.  Spezieller  Teil. 

Im  folgenden  Abschnitte  sollen  nun,  nachdem  die  Epithelien  und 
ihre  Elemente  beschrieben  sind,  die  einzelnen  Teile  der  Kolonie  im 
Speziellen  auf  ihren  histologischen  Aufbau  untersucht  werden,  und 
zwar  zunächst  die  Individuen,  die  Polypen  und  Zooide,  und  dann  die 
Organe  des  Coenenchyms. 

1.  Die  Polypen. 

An  den  Polypen  unterscheiden  wir  Tentakel,  Mundscheibe,  Schlund- 
rohr,  Mauerblatt,  Septen  und  Mesenterialfilamente.  Die  Terminologie 
wird  noch  immer  nicht  von  allen  Autoren  einheitlich  gehandhabt,  und 
es  herrscht  bei  einigen,  z.  B,  Koeotneff  (10)  eine  ziemliche  Verwirrung 
in  der  Bezeichnungsweise.  Korotneff  spricht  bei  Veretillum  von 
»Kelchen«  der  Polypen,  und  meint  damit  offenbar  die  Mundscheibe, 
Was  wir  unter  einem  >>Kelch  <<  verstehen,  in  dem  Sinne,  wie  nach  Küken- 
thal und  Broch  die  Terminologie  der  Pennatuliden  anzuwenden  ist, 
gibt  es  bei  Veretillum  nicht.  —  Die  Beschreibung  des  feineren  Baues 
der  Polypen  von  Veretillum  cynomorium,  die  Korotneff  gegeben  hat, 
ist  im  Ganzen  sehr  unklar  und  verworren  und  entspricht  auch  in  Einzel- 
heiten, auf  die  wir  später  noch  zurückkommen,  nicht  den  Tatsachen. 

a)  Die  Tentakel  der  Polypen  eignen  sich  ihrer  Durchsichtigkeit 
wegen  sehr  gut  zum  Studium  des  histologischen  Aufbaues  an  Toto- 
Präparaten  in  Glycerin.  Infolge  ihrer  Funktion  als  Sinnes-  und  Be- 
wegungsorgane ist  ihr  Aufbau  besonders  kompliziert  und  bietet  recht 
interessante  Verhältnisse  dar,  die  schon  des  öfteren  zum  Gegenstande 
des  Studiums  gemacht  worden  sind.  Die  Tentakel  von  Veretillum  hat 
Erdl  (2)  schon  1841  histologisch  untersucht,  doch  war  er  wegen  der 
Un Vollkommenheit  der  damaligen  histologischen  Methoden  noch  nicht 
in  der  Lage,  alle  seine  Beobachtungen  richtig  zu  erklären,  immerhin 
hat  er  aber  bereite  manche  Einzelheiten  richtig  gesehen  und  abgebildet. 

Die  äußere  Form  der  Tentakel  unterscheidet  sich  in  manchen 
Punkten  von  der  bei  Pteroeides  beobachteten.  Es  finden  sich  beim 
erwachsenen  Polypen  14 — 15  Pinnulae  zu  jeder  Seite  des  Tentakels 
und  es  scheint  diese  Anzahl  eine  gewisse  Konstanz  zu  besitzen.    Von 


552  Albert  Niedermeyer, 

diesen  Pinnulae  sind  die  distalen  sehr  lang  und  nicht  mehr  ganz  regel- 
mäßig angeordnet,  wie  dies  bei  den  proximalen  der  Fall  ist.  So  kom- 
men hier  in  der  Tat  Formen  zustande,  die  es  verstehen  lassen,  daß 
Vogt  und  Young  (13)  von  »hirschgeweihartigen  Verzweigungen  der 
Tentakel«  sprechen  können,  wiewohl  auch  hier  eine  mehrfache  Ver- 
zweigung nie  gesehen  wird.  (S.  Fig.  8.)  Die  Wachstumszone  der 
Pinnulae  liegt  auch  hier  wieder,  wie  die  der  ganzen  Kolonie,  basal. 

An  den  Tentakeln,  vor  allem  an  den  Fiederchen,  kann  man  an 
Totopräparaten  Epidermiswülste  beobachten,  die  eine  ganz  bestimmte 
Anordnung  besitzen,  wie  sie  in  der  Fig.  8  wiedergegeben  ist,  und  die 
dem  Tentakel  sein  charakteristisches  Aussehen  verleiht.  Wenn  man 
diese  Epidermiswülste  an  kontrahierten  Tentakeln  betrachtet,  so  ver- 
mögen sie  den  Eindruck  hervorzurufen,  als  wären  die  Pinnulae  noch- 
mals gefiedert.  An  ausgedehnten  Tentakeln  dagegen,  wo  sie  mehr 
zerstreut  liegen,  erkennt  man  deutlich,  daß  man  es  mit  Nesselwülsten 
zu  tun  hat.  Diese  Nesselwülste  sind  derart  angeordnet,  daß  sie  im 
proximalen  Teile  der  Tentakel  rundliche  Flecke  bilden,  distalwärts 
und  an  den  Pinnulae  dagegen  ringförmig  den  Tentakel,  bzw.  die  Pin- 
nulae zu  umgreifen  scheinen.  Die  äußersten  Enden  der  Tentakel, 
sowie  die  letzten  Pinnulae  sind  frei  von  diesen  Wülsten;  die  Nessel- 
kapseln sind  hier  gleichmäßig  und  spärlich  verteilt. 

Vom  Ektoderm  der  Tentakel  ist  folgendes  zu  berichten:  Das 
Epithel  besitzt  eine  nicht  unbeträchtliche  Höhe,  von  25 — 60  ^i  und 
es  finden  sich  eine  ganze  Anzahl  I^agen  von  Zellkernen  übereinander. 

Nach  den  Abbildungen  Kassianows  dagegen  erscheint  es  niedrig, 
mit  größeren  Zwischenräumen  zwischen  den  Zellen.  Es  scheint  nach 
dieser  Abbildung,  als  ob  sie  von  schlecht  konserviertem  Material  ge- 
wonnen wäre.  —  Wenn  man  die  Tentakel  an  durchsichtigen  Stellen 
bei  starken  Vergrößerungen  von  der  Fläche  her  betrachtet,  so  beob- 
achtet man  an  ihnen  eine  außerordentlich  feine  körnige  Struktur  der 
Oberfläche  des  Epithels.  Diese  Struktur  ist  meines  Erachtens  nichts 
anderes  als  die  Cuticularstruktur,  die  man  auf  Schnitten  beobachten 
kann,  und  an  der  man  sowohl  feinste  Poren,  wie  Basalkörner  unter- 
scheiden kann.  Deren  Vorhandensein  ist  wohl  beweisend  für  eine  im 
Leben  vorhandene  Bewimperung,  und  tatsächlich  ist  eine  solche  nach 
Erdls  Beobachtungen  an  den  Tentakeln  lebender  Tiere  in  sehr  reichem 
Maße  vorhanden.  — •  Die  Form  der  Deckzellen  des  Tentakelepithels 
fand  ich  so,  wie  Kassianow  sie  beschreibt.  Sinneszellen  sind  sehr 
reichlich  vorhanden  (Fig.  4),  besonders  an  den  Enden  der  Pinnulae. 
Das  Vorkommen  von  Drüsenzellen  bestimmter  Form  wurde  bereits 


Beiträge  z.  Kenntnis  d.  liistol.   Baues  von  Veietillum  cynomorium  (Pall.).    553 

festgestellt.  Die  Drüsenzellen  kommen  auch  in  den  Nesselwülsten 
vor.  In  Totopräparaten  finden  wir  große  körnige  Zellen,  offenbar 
Drüsenzellen,  die  ganz  den  »saftreichen  Leuclitzellen «  Korotneffs 
entsprechen;  ihr  Durchmesser  ist  12 — 15//,  ihre  Form  rundlich;  häu- 
figer finden  sie  sich  im  distalen  Teile  der  Tentakel.  Bei  kontrahierten 
Exemplaren  erscheinen  sie  viel  kleiner  und  von  sphärischer  Gestalt. 
Ihr  Inhalt  ist  gelblich  gefärbt,  ihre  Größe  hier  nur  6,5 — 8 ,«  im  Durch- 
messer. Ich  glaube,  annehmen  zu  können,  daß  sie  mit  den  erwähnten 
»globules  spheriques«  identisch  sind. 

Die  Nesselzellen  sind  hier  größer  als  bei  Pteroeides  und  lassen  die 
Ein^ielheiten  ihres  Baues  deutlicher  wahrnehmen.  Sie  sind  6 — 8  fi  lang 
und  3 — 4  n  breit,  erscheinen  dem  Auge  des  Beobachters  gewöhnlich 
sehr  hell,  und  besitzen,  wie  man  mit  Immersion  feststellen  kann,  Cnido- 
cile.  Deren  Vorhandensein  wird  von  Kassianow  bestritten.  Cnido- 
blasten  finden  sich  überall  vor,  mit  einem  halbmondförmigen,  der 
Nesselkapsel  anliegenden  Kerne  versehen.  Am  untersten  Teile  der 
Tentakelbasis  erscheinen  die  Cnidoblasten  überwiegend,  die  Nessel- 
kapseln gleichmäßiger  und  weniger  zahlreich  über  die  Oberfläche 
verteilt.  —  Die  bessere  Ausbildung  der  Nesselkapseln  bei  Veretillum 
im  Vergleich  zu  Pteroeides  scheint  mir  dafür  zu  sprechen,  daß  bei  der 
letzteren  Form  eine  starke  Rückbildung  der  Cniden  stattgefunden  hat, 
die  doch  sonst  bei  primitiven  Cnidariern,  z.  B.  Hydra  sehr  wohl  ent- 
wickelt sind. 

Die  Nesselorgane  finden  sich,  wie  bereits  erwähnt  wurde,  in  eigen- 
tümlichen Nesselwülsten  gehäuft  vor,  die  einen  komplizierten  Bau 
besitzen.  An  ihren  Enden  finden  sich  Sinneszellen  häufig  und  es  läßt 
sich  eine,  wenn  auch  nur  äußerUche  Ahnhchkeit  mancher  Nesselwülste 
mit  Hautsinnesknospen  gewisser  wasserlebender  Tiere  nicht  leugnen. 
Auch  Drüsenzellen  finden  sich  hier  vor,  ferner  feine  Fibrillen,  die  gegen 
die  Basis  des  Epithels  zu  verlaufen.  Diese  Faserbündel  divergieren 
nach  außen,  sind  mitunter  verzweigt,  und  stehen  in  Beziehung  zu 
den  Nesselkapseln,  wie  auch  zu  den  Sinneszellen  und  Drüsenzellen, 
wenn  auch  ein  direkter  Zusammenhang  sich  nicht  hat  erweisen  lassen. 
Es  erscheint  aber  trotzdem  als  sehr  glaublich,  daß  wir  es  hier  mit  Nerven- 
fasern zu  tun  haben,  und  wir  finden  auch  spindelförmige  und  poly- 
gonale Zellen  darunter,  die  wir  als  Ganglienzellen  zu  deuten  haben  werden. 
Manche  der  Fasern  führen  zu  der  subepithelialen  Muskulatur  hin,  was 
unsere  Annahme  bekräftigt,     (Siehe  Fig.  4.) 

Es  ist  hier  also  ein  Nervensystem  vorhanden,  von  dem  die  Muskeln 
Sinnes-  und  Nesselzellen,  und  wahrscheinUch   auch  die  Drüsenzellen 


554  Albert  Niedermeyer, 

innerviert  werden.  Auch  über  die  ganze  Fläche  (Oralseite)  der  Ten- 
takel verbreitet  sich  ein  deutlich  entwickelter  Nervenplexus,  der  dem 
Ektoderm  angehört.  Dieser  reiche  Plexus  ist  besonders  unter  den 
Nesselanhäufungen  entwickelt,  die  von  seinen  Fasern  dicht  umsponnen 
werden.  An  einer  Stelle,  an  der  das  Präparat  zerrissen  war,  fand  ich 
schön  isolierte  Ganglienzellen  und  Nervenfasern.     (Fig.  11.) 

Es  ist  also  ein  wohl  ausgebildetes  individuales  Nervensystem 
vorhanden,  das  sich  in  den  Tentakeln  besonders  schön  studieren  läßt. 

Vom  Entoderm  der  Tentakel  ist  Besonderes  nicht  zu  erwähnen. 
Eedl  gibt  an,  daß  es  ebenfalls  lebhaft  flimmern  soll,  und  dem  würden 
ja  auch  die  bei  der  allgemeinen  Beschreibung  des  Entoderms  von  mir 
angeführten  Tatsachen  entsprechen. 

Eine  besondere  Betrachtung  erfordert  bei  den  Tentakeln  die  Mus- 
kulatur. Diese  ist  nämlich  bei  Veretillum  sehr  wohl  ausgebildet  und 
eignet  sich  besonders  gut  zum  Studium.  An  Totopräparaten  erkennt 
man  deutlich  die  Längsmuskulatur.  Die  Fasern  nehmen  oft  keinen 
geraden  Verlauf,  sondern  sind  mehr  oder  weniger  gewunden.  Nach 
Reinhardt  (26)  scheiden  die  Ektodermzellen  der  Nephthyiden  an 
ihrer  Basis  Längsmuskelfasern  aus,  die  in  zwei  Längsstreifen  ange- 
ordnet sind,  die  die  Mittellinie  freilassen.  Ein  derartiges  Verhalten 
habe  ich  bei  Veretillum  nicht  beobachten  können.  —  Außer  den  Längs- 
fasern findet  sich  in  den  Tentakeln  eine  deutlich  entwickelte  Ring- 
muskulatur. Diese  ist  allerdings  viel  schwächer  als  die  Längsmusku- 
latur und  daher  meist  übersehen  worden.  Erdl  (2)  hat  sie  richtig  ge- 
sehen und  abgebildet,  stellte  sie  sich  aber  als  spiraligen  Faden  vor, 
der  den  Tentakel  durchläuft.  Man  erkennt  an  sehr  durchsichtigen 
Stellen,  daß  die  etwas  länglichen  Kerne  der  Ringmuskelfasern  mit 
ihrer  Längsachse  senkrecht  zu  denen  der  Längsmuskelfasern  stehen 
(Fig.  10);  ferner  sieht  man  die  Ringfasern  bei  tieferer  Einstellung 
deuthcher  als  die  Längsfasern.  Daher  erscheint  es  von  vornherein  wahr- 
scheinlich, daß  die  ersteren  dem  Entoderm,  die  letzteren  dem  Ekto- 
derm angehören. 

Eine  entodermale  Ringmuskulatur  der  Tentakel  wurde  aber 
bisher  an  Alcyonarien  nur  bei  Kenia  von  Ashworth  (17)  beschrieben. 
Nach  HiCKSON  (16)  und  KL^ssianow  fehlt  sie.  An  Schnitten  kann 
man  nun  ganz  einwandfrei  feststellen,  daß  die  Längsmuskulatur  ekto- 
dermal  ist,  wie  dies  ja  auch  Kassianow  angibt,  die  Ringmuskulatur 
dagegen  entodermal.  Seine  Angabe,  daß  das  Entoderm  der  Tentakel 
von  Veretillum  muskellos  sei,  ist  daher  unrichtig.  Auch  hierin  stimmt 
Veretillum^  wie  vielleicht  überhaupt  alle  Alcyonarien,  mit  den  Aktinien 


Beiträge  /.  Kenntnis  d.   Iiistol.    Baues  von  V'crctilliun  cyiionioriiun  (Pall.).     555 

Überein,  in  deren  Tentakeln  die  Muskulatur  das  gleiche  Verhalten  be- 
sitzt. Interessant  wäre  es  entschieden,  zu  untersuchen,  ob  sich  bei 
allen  Alcyonarien  diese  Feststellung  machen  läßt,  oder  ob  sich  das  ge- 
nannte Verhalten  nur  bei  den  primitiveren  Formen  findet  und  die 
abgeleiteten  die  entodermale  Ringmuskulatur  verloren  haben. 

Auch  in  den  Pinnulae  ist  die  Muskulatur  deutlich  zu  erkennen 
und  zeigt  die  gleiche  Ausbildung,  wie  im  Stamme  der  Tentakel.  Die 
Eiugnmskulatur  ist  allerdings  im  basalen  Teile  der  Tentakel  deut- 
licher und  scheint  im  distalen  Ende  und  in  den  Pinnulae  zu  verschwin- 
den, doch  läßt  sie  sich  bei  hinreichend  genauer  Untersuchung  von 
Totopräparaten,  wie  auch  an  Schnitten,  auch  noch  hier  nachweisen. 

"Wir  können  also  die  Tatsache  feststellen,  daß  die  Tentakel  von 
Veretillum  eine  kräftig  entwickelte  Muskulatur  besitzen,  und  daß 
deren  Ausbildung  mit  einer  starken  Entwickelung  des  Nervensystems 
Hand  in  Hand  geht. 

In  der  Mesogloea  der  Tentakel  wurden  des  öfteren  eigenartige 
ringförmige  Versteifungen  der  Tentakelwandung  gefunden,  wie  sie 
bisher  noch  nicht  beschrieben  worden  sind.  Es  sind  Falten  in  der 
Mesogloea,  die  bei  der  Färbung  des  Präparates  mit  Bleu  de  Lyon  sehr 
stark  hervortraten  (Fig.  9).  Es  lag  nahe,  sie  für  bloße  Kontraktions- 
falten anzusehen,  doch  findet  man  sie  auch  in  unkontrahierten  Ten- 
takeln. Auch  an  ungefärbten  Präparaten  sind  sie  deutlich  zu  erkennen. 
Ihre  Anordnung  ist  eine  ziemlich  regelmäßige.  Wenn  man  Schnitte 
durch  die  Tentakel  untersucht,  dann  erkennt  man,  daß  es  sich  nicht 
um  bloße  Kontraktionsfalten  handeln  kann,  sondern  um  wirkliche 
innere  Vorsprungsbildungen,  die  eine  ständige  Erscheinung  bilden 
und  offenbar  zur  Versteifung  der  Tentakel  dienen. 

In  den  Tentakeln,  wie  auch  in  den  Fiederchen,  kommen  auch 
ganz  kleine  Spicula  vor,  von  sphärischer  oder  ovaler,  bzw.  ellipsoidischei 
Form.  Erdl  (2)  hat  sie  auch  gesehen  und  abgebildet,  bezeichnet  sie 
aber  als  »kleine  Bläschen«,  doch  geht  aus  der  Abbildung  und  seiner 
Beschreibung  hervor,  daß  er  die  Spicula  gesehen  hat. 

Von  Kassianow  ist  die  Frage  aufgeworfen  worden,  ob  die  »orale « 
Seite  der  Tentakel  sich  in  ihrem  histologischen  Bau  von  der  »aboralen  << 
Seite  unterscheidet.  Schon  Kölliker  fand,  daß  die  »konkave  <<  ( =  orale) 
Seite  ein  stärker  entwickeltes  Epithel  und  reichhchere  Muskulatur 
besitzt  als  die  »konvexe«  (=  aborale)  Seite.  Diese  Unterschiede  habe 
ich  auch  wiedei gefunden,  das  Ektodermepithel  der  oralen  Seite  ist 
höher  (75 — SO  fi  an  der  höchsten  Erhebungen),  als  das  der  aboralen 
Seite  (50 — 56 /t  an  den  höchsten  Papillen).    Auch  die  Muskulatur  ist 


556  Albert  Niedermeyer, 

stärker  entmckelt,  ebenso  das  Nervensystem  und  die  Sinneszellen, 
die  sich  aboral  nur  äußerst  spärlich  finden. 

Die  Pinnulae  (von  Erdl  »Tastläppchen  <<  genannt)  unterscheiden 
sich  in  ihrem  histologischen  Aufbau  nicht  von  Stamme  der  Tentakel. 
Eine  merkwürdige  Erscheinung  konnte  ich  aber  an  den  letzten  Fieder- 
chen  des  distalen  Endes  beobachten,  die  sich  schon  durch  ihre  äußere 
Form  von  den  übrigen  unterscheiden.  Hier  war  das  ganze  Gewebe 
viel  lockerer,  die  Zellgrenzen  undeutlich  geworden,  histologische  Ein- 
zelheiten ließen  sich  viel  schwerer  beobachten  und  die  ganze  geweb- 
liche  Differenzierung  erschien  herabgesetzt.  Wie  man  auf  Fig.  8  sehen 
kann,  fehlen  hier  auch  die  Nesselwülste,  wenn  auch  Nesselkapseln 
noch  spärlich  verteilt  vorkommen;  es  können  manchmal  auch  ganz 
unvermittelt  wulstartige  Verdickungen  auftreten.  Das  Ganze  macht 
den  Eindruck,  als  hätten  wir  es  mit  Anzeichen  einer  gewissen  Degene- 
ration des  äußersten  Endes  zu  tun ;  da  die  Wachstumszone  der  Pinnulae 
an  der  Basis  der  Tentakel  liegt,  so  ist  diese  Erklärung  nicht  von  der 
Hand  zu  weisen,  denn  die  distalen  Pinnulae  sind  ja  auch  die  ältesten. 
Es  wäre  aber  immerhin  möglich,  daß  diese  Erscheinung  nur  eine  ge- 
wisse Arbeitsteilung  der  Fiederchen  darstellt,  und  daß  die  distalen 
Pinnulae  eine  andere  Funktion  besitzen  als  die  proximalen.  Darüber 
könnten  bloß  experimentelle  Untersuchungen  am  lebenden  Tier  Klar- 
heit verschaffen. 

So  viel  über  die  Tentakel  der  Polypen. 

b)  Die  Mundscheibe.  In  der  Mundscheibe  geht  das  Epithel 
langsam  in  das  des  Schlundrohres  über.  Da  nach  Kassianows  Unter- 
suchungen hier  das  Zentrum  des  individualen  Nervensystems  der 
Alcyonarien  zu  suchen  ist,  so  hat  er  dieser  Region  seine  besondere 
Aufmerksamkeit  zugewendet.  Ich  kann  mich  daher  auf  die  eingehen- 
den und  ausgezeichneten  Untersuchungen  von  Kassianow  berufen, 
gegen  die  ich  keine  widersprechenden  Befunde  anzuführen  habe.  Nur 
die  Form  der  Epithelelemente  war  auf  meinen  Schnitten  nicht  ganz 
die  gleiche,  wie  auf  Kassianows  Abbildung,  sondern  das  Gefüge  war 
dichter  und  stets  ließen  sich  mehrere  Lagen  von  Zellkernen  erkennen, 
das  Epithel  ist  auch  hier  mehrreihig,  nicht  einschichtig.  Von  der 
Abbildung,  die  Kassianow  von  der  Mundscheibe  gibt,  kann  wohl 
das  Gleiche  wie  von  der  der  Tentakel  gelten.  —  Bei  Pteroeides  fand  ich 
die  Mundscheibe  reich  an  braun  gefärbten  Drüsenzellen,  die  eine  cha- 
rakteristische Anordnung  besaßen.  Solche  Drüsen  kommen  auch 
hier  vor,  allerdings  nicht  so  zahlreich  und  ohne  die  charakteristische 
Anordnung  wie  bei  Pteroeides.    Wir  haben  diese  Drüsenzellen  oben  als 


Beiträge  z.  Kcniitiiis  d.  liistol.    Baues  von  Veretillum  eynonioriuiii  (Fall.).    557 

>>Pigineiitdiüsenzellen<<  «rekennzoiclinet.  Deren  Vorkommen  in  der 
Miindscheibo,  dein  nervösen  nnd  sensiblen  Zentralorgan  der  Polypen, 
dürfte  vielleiclit  mit  einer  neuerdings  vom  Physiologen  R.  F.  Fuchs  (38) 
geäußerten  Hypothese  ihre  Erklärung  finden,  wonach  die  Pigmente 
eine  Rolle  als  Sensibilisatoren  für  gewisse  Formen  strahlender  Energie 
spielen. 

c)  Das  Schlund  röhr  ist  im  wesentlichen  recht  gut  bekannt. 
Die  Epithelzellen,  ektodermalen  Ursprunges,  sind  hier  sehr  schmal 
und  hoch  (bis  90//),  die  Zellkerne  sehr  dicht  gedrängt.  Auch  dieses 
Epithel  ist  bloß  ein  mehrreihiges,  nicht  ein  mehrschichtiges  Zylinder- 
epithel. Man  findet  es  von  einer  dünnen,  distinkten  Schleimschicht 
überzogen,  deren  Nachweis  durch  die  bekannten  Mucinreagentien  er- 
bracht wird.  Die  Schnitte  lassen  hier  deutlich  Reste  einer  im  Leben 
vorhandenen  allseitigen  Flimmerung  erkennen.  (Fig.  5.)  Es  ist  ein 
Cuticularsaum  vorhanden,  in  dem  man  eine  doppelte  Reihe  von  Basal- 
körnern,  Diplochondren,  unterscheiden  kann,  zu  denen  aus  dem  In- 
neren der  Zelle  heraus  feine  Fäden,  Mitochondrien,  ziehen,  der  kine- 
tische Apparat  der  Flimmerhaare.  —  Spuren  einer  Siphon oglyphe 
sind  auch  bei  den  Autozooiden  nachzuweisen,  indem  die  Bewimperung 
an  der  Ventralseite  des  Schlundrohres  viel  deutlicher  ist  als  an  den 
übrigen  Seiten;  auch  besteht  hier  das  Epithel  nur  aus  langen  Zylinder- 
zellen. Eine  Siphonoglyphe  scheint  auch,  allerdings  viel  schwächer, 
in  der  dorsalen  Rinne  des  Schlundrohres  ausgebildet  zu  sein,  wie  es 
bei  den  Aktinien  regelmäßig  der  Fall  ist. 

Das  Schlundrohr  besitzt  eine  kräftige  Muskulatur  im  Entoderm, 
und  auch  Muskelzüge  unter  dem  Ektodermepithel,  die  freilich  sehr 
schwach  sind  und  sich  nicht  an  allen  Stellen  finden  lassen.  Eine  Nerven- 
schicht ist  vorhanden.  Basale  Fortsätze  und  Fäden  zur  Verankerung 
kommen  den  Epithelzellen  zu. 

Weiterhin  ist  das  Schlundrohr  charakterisiert  diirch  eine  große 
Anzahl  körniger,  schlanker  Drüsenzellen.  Es  lassen  sich  von  diesen 
verschiedene  Typen,  wie  sie  bereits  oben  geschildert  wurden,  unter- 
scheiden. Mit  K.  C.  Schneider  (20)  kann  man  wohl  die  basophilen 
für  Schleimdrüsen,  die  acidophilen  für  seröse  Drüsen  halten.  Asn- 
WORTH  (17)  nimmt  an,  daß  das  Auftreten  von  Drüsen  am  Stomodaeum 
von  Xenia  als  Korrelation  zum  Fehlen  der  ventralen  Mcsenterial- 
filamente  aufzufassen  sei.  Doch  muß  dieser  Annahme  auf  Grund 
der  vorliegenden  Beobachtungen  widersprochen  werden.  Schon  bei 
Pteroeides  habe  ich  bei  vollkommener  Ausbildung  der  Mesenterial- 
filamente Drüsen  im  Schlundrohrc  gefunden,  wenngleich  viel  kleinere 


558  Albert  Niedermeyer, 

und  spärlichere  als  bei  Veretillum.  Das  Vorkommen  von  Drüsen- 
zellen im  Schlundrohre  ist  also  weit  verbreitet  und  vom  Vorhandensein 
oder  Fehlen  der  Mesenterialfilamente  unabhängig.  Daß  im  Epithel 
der  Siphonoglyphe  Drüsenzellen  fehlen,  braucht  wohl  nicht  besonders 
hervorgehoben  zu  werden. 

d)  Das  Mauerblatt.  Das  Epithel  des  Mauerblattes  ähnelt  im 
Aufbau  dem  der  Aboralseite  der  Tentakel,  nur  ist  es  niedriger,  und 
nimmt  gegen  die  Basis  zu  an  Höhe  ab.  Das  Epithel  weist  auch  hier 
zahlreiche  feine  Fältelungen  auf.  Die  bei  den  Tentakeln  erwähnte  feine 
»granulöse  Struktur«  der  Epitheloberfläehe  ist  auch  hier  vorhanden. 
Die  Drüsen  des  Mauerblattes  sind  bereits  beschrieben  und  ähneln  auch 
sehr  denen  der  Tentakel.  Es  findet  sich  im  Mauerblatte  subepitheliale 
ektodermale  Längsmuskulatur  und  eine  sehr  deutlich  ausgebildete 
entodermale  Ringmuskulatur.  Die  Mesogloealamelle  zwischen  den 
beiden  Epithelien  läßt  manchmal  deutlich  eine  Zusammensetzung  aus 
zwei  getrennten  Lamellen  erkennen.  (Fig.  12).  Es  ist  wahrscheinlich, 
-daß  die  Stützlamelle  wohl  überall  sich  als  zusammengesetzt  erweisen 
lassen  wird;  Reinhaedt  (26)  gibt  an,  daß  bei  Lithophytum  die  dem 
Entoderm  angrenzende  Schicht  sich  durch  dunklere  Färbung  von  der 
äußeren  abhebt. 

Nach  Kassianow  soll  im  Mauerblatt  die  Nervenschicht  fehlen. 
Er  beschreibt  nervenähnliche  Zellen  mit  Fortsätzen,  die  aber  sicher 
keine  Ganglienzellen  sein  sollen.  Der  Mangel  der  Nervenschicht  soll 
mit  dem  Fehlen  ektodermaler  Muskulatur  zusammenhängen.  Nun 
besitzt  aber  Veretillum  auch  hier  eine,  wenn  auch  schwache  ektodermale 
Längsmuskulatur  (Fig.  12  mfs),  und  wenn  sich  eine  Nervenschicht 
nach  Kassianow  noch  nicht  mit  Sicherheit  hat  erweisen  lassen,  so 
spricht  nach  seinen  Befunden  wenigstens  nichts  dagegen,  daß  sie  doch 
auch  hier  zu  finden  sein  würde. 

Leider  war  auf  meinen  Schnitten  das  Mauerblatt  nirgends  so  kon- 
serviert wie  es  wünschenswert  gewesen  wäre,  um  diese  Frage  mit  voller 
Sicherheit  zu  entscheiden,  die,  wie  Kassianow  sehr  richtig  betont, 
von  Bedeutung  ist  für  die  Frage  des  Zusammenhanges  des  individualen 
mit  dem  kolonialen  Nervensystem.  Feine  Fibrillen,  die  zwischen  den 
Zellen  gegen  die  Oberfläche  des  Epithels  zu  aufsteigen,  habe  ich  auch 
gefunden.  Diese  Fasern  hat  Kassianow  ganz  richtig  beobachtet; 
es  erscheint  mir  aber  noch  gar  nicht  ausgemacht,  daß  sie  nicht  ner- 
vöser Natur  sein  müssen.  Kassianow  führt  dagegen  nur  die  Größe 
der  zu  den  Fasern  gehörigen  Zellen  an.  Mit  Goldchlorid  imprägnieren 
sie  sich  dunkel,  und  man  erkennt  auch  unterhalb  des  Epithels  plexus- 


Beiträge  z.  Kciinlnis  d.   histol.   Baues  von  Vcretilluiii  cynoinorium  (l'all.).    559 

artige  Verbindungen  solcher  Fasern.  Ich  weiß  nun  freiUch  nicht,  ob 
die  sternförmigen  Zellen  Kassianows  mit  denen,  die  ich  gesehen  habe, 
identisch  sind;  es  scheint  kaum  der  Fall  zu  sein,  da  die  von  mir  gesehe- 
nen sehr  klein  sind;  jedenfalls  aber  möchte  ich  diese  Zellen  für  ner- 
vöse Elemente  halten,  da  sie  in  ihrem  histologischen  Verhalten  mit  den 
Nervenzellen  der  Tentakel  und  anderer  Körperregionen  übereinstimmen. 
Es  wäre  empfehlenswert,  die  Frage  der  Nervenschicht  des  Mauerblattes 
noch  zum  Gegenstande  spezieller  Untersuchungen  zu  machen;  nach 
meinen  Befunden  spricht  alles  dafür,  sie  in  positivem  Sinne  zu  ent- 
scheiden. 

e)  Die  Septen  von  Veretillum  cijnomorium  hat  Kassianow  auch 
einer  eingehenden  Untersuchung  unterzogen  und  den  Verlauf  der 
Muskulatur  genau  klargestellt.  Kassianow  nimmt  an,  daß  die  Septen- 
muskulatur  der  Polypen  vom  Ektodcrm  aus  innerviert  wird,  da  er  keine 
entodermale  Nervenschicht  feststellen  konnte.  Es  ist  aber,  wie  die 
Goldchlorid- Präparate  erweisen,  auch  hier  eine  Nervenschicht  im 
entodermalen  Epithelüberzug  der  Septen  vorhanden.  Die  Muskulatur 
der  Septen  ist  sehr  kräftig  entwickelt,  nicht  nur  die  longitudinale, 
sondern  auch  die  transversale  auf  der  Dorsalseite.  Ein  Vergleich  mit 
Pteroeides  ergibt,  daß  die  Muskelfahnen  bei  Veretillum  eine  größere 
Anzahl  von  Mesogloealamellen,  daher  auch  mehr  Muskelfasern  be- 
sitzen als  bei  Pteroeides.  —  Die  Septen  werden,  wie  bekannt,  nach 
dem  Inneren  der  Polypenkanäle  zu  immer  kleiner  und  verlaufen  in 
den  Fortsetzungen  der  Kanäle  nur  als  niedrige  Leistchen,  für  die  KöL- 
LiKER  den  Terminus  »Septula<<  eingeführt  hat.  Nach  der  Ansicht 
des  Verfassers  würde  es  sich  aber  empfehlen,  diesen  Terminus  auf- 
zugeben, da  ein  tatsächlicher  Unterschied  zwischen  »Septen  <<  und  >>Sep- 
tula<<  nicht  besteht;  »Septula<<  sind  eben  nichts  weiter  als  der  schmale 
basale  Teil  der  Septen. 

f)  Die  Mesenterialfilamente,  a)  Die  dorsalen  Mesenterial- 
filamente stammen,  wie  bekannt,  vom  ektodermalen  Epithel  des  Schlund- 
rohres, mit  dem  sie  auch  in  ihrem  mikroskopischen  Bau  vollkommen 
übereinstimmen,  nur  ist  die  histologische  Differenzierung  keine  so 
reiche.  Drüsenzellen  habe  ich  hier  nur  spärlich  beobachtet;  es  waren 
basophile  Becherzellen,  die  die  Schleimreaktionen  gaben.  Die  Epithel- 
zellen besitzen  lebhafte  Flimmerung  und  lassen  einen  deutlichen  Cuti- 
cularsaum  mit  Basalkörnern  und  kinetischem  Apparat  erkennen. 
(Fig.  13.)  Kassianow  gibt  an,  daß  er  eine  Nervenschicht  nicht  habe 
finden  können,  doch  könne  man  kaum  annehmen,  daß  sie  vollkommen 
fehle.     Diese  Annahme  kann  ich  auf  Grund  meiner  Beobachtungen 


560  Albert  Niedermeyer, 

nur  bestätigen;  eine  Nervenschicht  ist  tatsächlich  vorhanden,  nur 
für  gewöhnUch  schwach  entwickelt,  an  vergoldeten  Schnitten  jedoch 
mit  Deutlichkeit  zu  erkennen. 

In  seiner  Beschreibung  des  Baues  der  Filamente  gibt  Wilson  (9) 
an,  daß  sie  auf  dem  Querschnitte  V-  oder  Y-förmig  aussehen  und 
daß  die  Kerne  der  Zylinderzellen  ( »columnar-cells  <<)  zwei  Reihen  bilden : 

'The  nuclei  of  the  band  are  arranged  in  two  lateral  groups  to 
correspond  with  the  two  external  lobes.  Between  these  two  groups 
is  a  clearer  obscurely  triangulär  mass,  the  structure  of  which  I  have 
been  able  clearly  to  make  out  but  which  would  well  repay  investi- 
gation.  In  Gorgonia  a  few  pale  rounded  bodies  may  be  seen  in  it, 
which  are  apparently  nuclei.  In  Paralcyonium  very  similar  nuclei 
occur,  and  in  addition  a  number  of  bodies  which  have  the  appearance 
of  columnar  cells.  It  is  possible,  that  these  structures  may  be  some 
kind  of  a  nervous  apparatus.". 

Die  Beschreibung  Wilsons  ist  vollkommen  richtig,  und  ich  habe 
auch  diese  Zellkerne  —  denn  solche  sind  die  »pale  rounded  bodies« 
in  der  Tat  —  beobachten  können.  Die  genannten  Kerne  unterschieden 
sich  wesentlich  von  denen  der  Zylinderzellen,  denn  diese  sind  elliptisch, 
kleiner  und  färben  sich  sehr  dunkel,  während  jene  kreisrund,  größer 
und  blaß  gefärbt  sind.  Es  erscheint  mir  aber  ausgeschlossen,  daß  sie 
zum  nervösen  Apparat  gehören;  ihr  ganzes  histologisches  Verhalten 
spricht  so  absolut  dagegen.  (Fig.  13.)  Dagegen  stimmen  sie  voll- 
kommen ihrem  histologischen  Charakter  nach  mit  den  Entoderm- 
zellen  überein,  die  den  äußeren  Epithelbelag  der  Filamente  bilden. 
(Fig.  13  ent.)  Ich  bin  der  Überzeugung,  daß  diese  »Wilsonschen  Zellen« 
{Wz)  in  der  Tat  Entodermzellen  sind,  die  von  den  beiden  vom  Schlund- 
rohr herab  wachsenden  Ektodermleisten  eingeschlossen  worden  sind 
und  nun  einen  inneren  entodermalen  Strang  zwischen  den  beiden 
Strängen  der  Zylinderzellen  bilden.  Ob  diesen  »Wilsonschen  Zellen« 
eine  physiologische  Bedeutung  zukommt  oder  ob  sie  nur  eine  gene- 
tische Bedeutung  besitzen,  läßt  sich  auf  histologischem  Wege  natür- 
lich nicht  ermitteln. 

ß)  Die  ventralen  (entodermalen)  Mesenterial  filamente  sind  ihrem 
Baue  nach  wohl  studiert  und  durch  Wilsons  schöne  Untersuchungen 
gut  bekannt.  Das  Epithel  ist  bewimpert  und  enthält  Nesselkapseln 
und  verschiedene  Formen  von  Drüsenzellen,  die  bereits  beschrieben 
sind.  Daß  diese  Drüsenzellen  alle  gleichartig  sind,  und  nur  verschiedene 
Sekretionsphasen  darstellen,  glaube  ich  nicht  auf  Grund  ihres  färbe- 
rischen Verhaltens,   da   die  einen  acidophil,  die  anderen  basophil  sind. 


Beiträge  z.  Kenntnis  d.   lii.stol.   Baiu-s  von  Vt'irtilluiu  cynonioriuni  (L'all.).     561 

Eine  Nervenschicht  habe  ich  auch  hier  deutlich  beobachtet.  Kas- 
SIANOW  hat  sie  zwar  nicht  gesehen,  nimmt  aber  auch  an,  daß  sie  vor- 
handen sein  müsse. 

Auf  Querschnitten  durch  die  ventralen  Gastralfilaniente  kann 
man  erkennen,  daß  sie  hier  nicht  einfache,  runde  Verdickungen  der 
freien  Septentoile  sind,  wie  bei  den  von  AVilson  untersuchten  Formen, 
sondern  deutlich  bemerkt  man  eine  Dreilappigkeit  und  die  Bilder 
erinnern  an  die  Querschnittsbilder,  die  K.  C.  Schneider  (20)  von  den 
Gastralwülsteu  der  Aktinien  gibt.  Im  mittleren  Lappen  sind  die 
Drüsen  häufiger  als  in  den  seitlichen  Lappen  (Fig.  14),  daher  kann 
man  wohl  mit  Kecht  auch  hier  eine  Unterscheidung  in  »Flimmer- << 
und  >>Drüsenstreif en <<  vornehmen,  wie  dies  Schneider  tut.  Auch  hier 
befindet  sich  die  Keimschicht  der  Urgenitalzellen  im  Winkel  zwischen 
dem  mittleren  und  den  seitlichen  Wülsten.  Auch  im  Bau  der  Mesen- 
terialfilamente offenbart  sich  die  histologische  Übereinstimmung  mit 
den  Aktinien. 

g)  Geschlechtsprodukte.  In  geschlechtsreifen  Kolonien  findet 
man  alle  Hohlräume  dicht  erfüllt  mit  Geschlechtspicdukten,  und  zwar, 
wie  bei  den  meisten  Alcyonarien,  stets  mir  mit  solchen  einer  Art  in 
einer  Kolonie.  Hermaphroditismus  wurde  bisher  nur  bei  wenigen 
Formen  gefunden,  so  von  Keinhardt  (26)  bei  Dendronephthya  maxima, 
und  von  Ashworth  bei  Xenia  viridis.  —  Die  männlichen  Kolonien 
sind  bei  weitem  seltener  als  die  weiblichen;  doch  vermag  eine  männ- 
liche durch  die  ungeheuere  Zahl  der  produzierten  Spermien  eine  große 
Anzahl  weiblicher  befruchten.  —  Über  den  Bau  der  Geschlechtspro- 
dukte sei  folgendes  erwähnt:  Hoden,  wie  Eier,  sind  umgeben  von  einem 
einschichtigen  flimmernden  Epithel  von  10 — 15  (.i  Höhe,  das  durch 
eine  Basalmembran,  die  Ashworth  für  eine  dünne  Mesogloealamelle 
erklärt,  gegen  die  Eizelle  bzw.  gegen  die  Hodenkapsel  abgegrenzt  ist. 
Mir  erscheint  es  richtiger,  daß  diese  Membran  erst  von  den  Follikel- 
epithelzellen  gegen  die  Geschlechtszelle  abgeschieden  wird,  also  eine 
Basalmembran  ist,  und  nicht  von  der  Mesogloealamelle  des  Septums 
abstammt.  Im  übrigen  ist  die  große  Ähnlichkeit  der  Membran  mit 
Mesogloea  nur  ein  Beweis  für  die  Anschauung  des  Verfassers,  daß  die 
Mesogloea  als  eine  Art  von  Basalmembran  aufzufassen  sei.  —  Das 
Follikelepithel  ist  entodermaler  Herkunft.  Nach  Reinhardt  hängt 
es  direkt  mit  dem  Entoderm  der  Septen  zusammen,  und  die  darunter- 
liegende Membran  mit  dem  >>Mesenchymstrang<<  des  Stieles,  der  den 
Genitalfollikel  mit  dem  Septum  verbindet.  Danach  scheint  die  Basal- 
membran doch  von  der  Mesogloea  des  Septums  herzustammen,  doch 


562  Albert  Niedermeyer, 

erscheint  der  von  Reinhardt  beobachtete  Zusammenhang  der  Follikel- 
membran  mit  der  Mesogloea  noch  nicht  ganz  überzeugend.  Wie  käme 
denn  das  Ei,  das  vom  Entoderm  stammt,  in  die  Mesogloea  hinein? 
Die  Hoden  sind  kugeüg,  oder  dort,  wo  sie  in  engen  Kanälen  dicht- 
gedrängt beieinander  Hegen,  flachgedrückt;  birnförmige  wie  sie  Köl- 
LiKER  bei  seinem  einzigen  männlichen  Exemplar  beschrieb,  habe  ich 
nicht  finden  können.  Die  Samenzellen  sind  derartig  angeordnet,  daß 
in  der  Mitte  der  Hodenkapsel  ein  freier  Raum  bleibt,  der  wohl  von 
Flüssigkeit  —  nach  Hickson  (16)  von  einem  >>coagulum<<  erfüllt  ist. 
Das  >>coagulum«  soll  nach  Reinhardt  da  entstehen,  wo  bei  nicht 
sehr  guter  Konservierung  die  Schwänze  der  Spermien  zusammen- 
gebacken sind.  An  den  Hoden  läßt  sich  ferner  beobachten,  daß  die 
Samenzellen  in  strahligen  Zügen  angeordnet  liegen. 

Über  den  Bau  der  Eizellen  ist  Besonderes  nicht  zu  vermerken. 
An  einem  weiblichen  Exemplar  beobachtete  ich  zuerst  was  ich  dann 
an  männlichen  wiederfand,  daß  nämlich  junge  Geschlechtszellen  nicht 
nur  in  den  Mesenterialfilamenten,  sondern  auch  in  dem  Epithelbelag 
der  Wand  des  Septums  angetroffen  werden,  wie  wir  dies  auch  bei  den 
Aktinien  finden,  während  sonst  für  Alcyonarien  das  erst  geschilderte 
Verhalten  als  die  Regel  angesehen  wird.  Auch  hierin  finden  wir  wieder 
eine  Übereinstimmung  im  histologischen  Verhalten  mit  den  Aktinien. 

2.  Zooide  und  Dimorphismus  der  Individuen. 

Zwischen  den  Polypen  befinden  sich  über  die  ganze  Rhachis  ver- 
teilt die  rudimentären  Individuen,  die  Zooide,  angeordnet  in  mehr 
oder  weniger  deutlichen  Längsreihen;  stets  sind  sie  derartig  situiert, 
daß  sie  mit  ihrer  Dorsalseite  gegen  die  Spitze  der  Kolonie  gerichtet  sind, 
wie  es  auch  bei  Pteroeides  und  allen  anderen  beobachteten  Penna- 
tuliden  zu  finden  war.  Der  Dimorphismus  der  Individuen  ist  schon 
seit  langem  bekannt,  und  die  Unterschiede  zwischen  beiden  Formen 
von  Einzeltieren  sind  bei  Kölliker  und  bei  Kükenthal  und  Broch 
genau  charakterisiert.  Eine  zusammenfassende  Arbeit  über  den  Di- 
morphismus bei  den  Alcyonarien  hat  B.  Cylkowski  (35)  verfaßt;  über 
Pennatuliden  hat  er  jedoch  keine  eigenen  Untersuchungen  angestellt. 
Cylkowski  stellte  fest,  daß  bei  manchen  Alcyonarien  der  Dimorphismus 
innerhalb  einer  und  derselben  Art  vorkommen  und  fehlen  kann;  jeden- 
falls ist  er  ziemlichen  Variationen  unterworfen.  Es  ist  nun  ganz  inter- 
essant, wie  sich  die  Erscheinung  des  Dimorphismus  innerhalb  der 
Reihe  der  Pennatulaceen  verhält,  bei  denen  wir  eigentlich  von  einem 
Trimorphismus  der  Individuen  reden  müßten.     Bei  Pteroeides  hatten 


Beiträge  z.  Kenntn.  d.   hislol.   Baues  von  Verotillum  cynomorlum  (PalL).    563 

wir  einen  sehr  stark  ausgeprägten  Trimorphismus  und  die  Unterschiede 
der  einzelnen  Individuen  ließen  sich  scharf  präzisieren.  Bei  Vere- 
tillum  finden  wir  nun  diese  Verhältnisse  etwas  anders. 

Die  Zooide  besitzen  auch  bei  VeretiUum  ein  kurzes,  dickes  und 
leicht  dorsalwärts  gebogenes  Schlundrohr,  dessen  Epithel  dem  des 
Schlundrohres  der  Polypen  sehr  ähnelt;  es  ist  aber  einfacher  gebaut, 
es  fehlt  hier  die  Muskelschicht,  auch  habe  ich  keine  Nervenschicht 
wahrnehmen  können;  ferner  sind  die  Elemente  des  Epithels  viel  gleich- 
artiger und  sind  fast  ausschließlich  lange,  schmale  Zylinderzellen. 
Es  ist  sehr  arm  an  Drüsenzellen,  die  nur  spärlich  an  der  Dorsalseite 
vorhanden  sind,  was  ja  verständlich  ist,  wenn  man  bedenkt,  daß  das 
Schlundrohr  zum  größten  Teil  von  der  starken  Siphonoglyphe  ein- 
genommen wird.  Das  Epithel  der  Siphonoglyphe  ist  nicht,  wie  vom 
Verfasser  in  der  früheren  Arbeit  über  Pteroeides  angegeben  wurde, 
von  einer  Stäbchencuticula  bedeckt,  —  was  auch  andere  Autoren 
annehmen,  und  zum  Teil  auch  aus  ihren  Abbildungen  hervorzugehen 
scheint,  sondern  die  Cuticularstruktur  besitzt  den  schon  mehrmals 
geschilderten  komplizierten  Charakter.  Eine  doppelte  Reihe  von 
Basalkörnern  am  Grunde  der  langen  Cilien  wüd  auch  hier  immer  ge- 
funden. Die  Zellkerne  im  Schlundrohre  sind  elhptisch  und  wegen  der 
Schmalheit  der  Zellen  dicht  gedrängt. 

Vom  Schlundrohre  aus  ragen  sehr  lange  dorsale  Mesenterial- 
filamente in  den  Gastralraum  und  noch  weit  in  die  angrenzenden  Er- 
nährungskanäle hinein.  Die  Septen  sind  wohl  entwickelt  und  nicht 
rudimentär,  wie  bei  den  Blattzooiden  von  Pteroeides. 

KoROTNEFF  (10)  gibt  eine  Beschreibung  der  Zooide  von  Vere^ 
tillum,  die  in  manchen  Punkten  nicht  zutrifft.  Ein  eigentliches  Mauer- 
blatt ist  nach  ihm  nicht  vorhanden.  Man  kann  dies  jedoch  nicht  sagen, 
das  Mauerblatt  geht  nur  direkt  in  das  Mundfeld  über,  da  ja  die  Ten- 
takel fehlen.  Im  Schlundrohre  sollen  sehr  zahlreiche  kleine  Nemato- 
cysten  vorhanden  sein,  und  das  veranlaßt  Korotneff,  die  Zooide 
als  »Nesselpolypen  <<  zu  bezeichnen.  Es  kommt  ja  bei  einigen  Alcyo- 
narien  vor,  daß  die  Zooide  an  Nesselorganen  sehr  reich  sind,  so  daß 
man  sie  z.  B.  bei  den  Chrysogorgiiden  geradezu  als  Nematozooide  be- 
zeichnet hat;  für  VeretiUum  trifft  diese  Auffassung  aber  ganz  gewiß 
nicht  zu.  Ich  habe  nicht  finden  können,  daß  die  Zooide  reichlicher 
mit  Nesselkapseln  versehen  sind  als  die  Polypen,  eher  das  Gegenteil. 

Die  Mesenterialfilamente  bezeichnet  Korotneff  nicht  als  solche, 
sondern  bloß  als  »schnurförmige  Wülste«,  ohne  etwas  weiteres  über 
sie  auszusagen.    Insofern  macht  er  sich  über  die  Funktion  der  Zooide 

Zeitsclirit't  f.  wisseuBch.  Zuulutjie.    CIX.  Bd.  38 


564  Albert  Niedermeyer, 

eine  richtige  Vorstellung,  als  er  ihnen  die  Aufgabe  der  "Wasseraufnahme 
und  -abgäbe  zuschreibt,  gleich  darauf  bringt  er  aber  ganz  irreführende 
und  unklare  Angaben  über  die  Bedeutung  des  Dimorphismus  bei  Vere- 
tillum:  Die  Geschlechtspolypen  sollen  alle  männlich  sein,  die  Eier 
dagegen  sich  im  Stamme  selbst  bilden,  und  in  Form  von  vier  Längs- 
strängen vorkommen,  die  äußerlich  an  vier  Seiten  des  inneren  Achsen- 
kanales  angebracht  sind.  (Was  Korotneff  damit  meint,  ist  ganz  unklar.) 

>>Da  die  Eier  näher  zu  den  ungeschlechtlichen  Polypen  stehen, 
so  kann  man  vielleicht  annehmen,  daß  ursprünglich  alle  Polypen  ge- 
schlechtlich waren,  mit  der  Zeit  aber  reduzierte  und  veränderte  sich 
die  frühere  Funktion,  die  weiblichen  Geschlechtsprodukte  rückten 
ins  Innere  der  Kolonie,  was  endlich  eine  Entstehung  von  geschlechts- 
losen Polypen  hervorrief«. 

Eine  Kritik  dieser  eigenartigen  Vorstellungen  von  der  Entstehung 
des  Dimorphismus  erübrigt  sich  wohl. 

Trotz  der  äußeren  Gleichförmigkeit  der  Zooide  von  Veretillum, 
die  nicht  einen  so  auffallenden  Dimorphismus  beistzen,  wie  die  Pin- 
nular-  und  Rhachidozooide  von  Pteroeides,  ist  es  dem  Verfasser  doch 
gelungen,  zwei  verschiedene  Formen  von  Zooiden  festzustellen.  Die 
beiden  Formen  zeigen  keine  auffälligen  Unterschiede,  immerhin  aber 
sind  die  einen  deutlich  kleiner  und  besitzen  weder  an  den  Septen,  noch 
sonst  im  Entoderm  eine  Spur  von  Muskulatur;  die  anderen  dagegen 
sind  mit  einer  ganz  wohl  entwickelten  Septenmuskulatur  versehen 
und  besitzen  außerdem  eine  Ringmuskulatur,  die  entodermalen  Ur- 
sprunges ist.  Was  nun  die  Lage  der  genannten  Formen  betrifft,  so  be- 
finden sich  die  ersteren  an  der  Basis  des  Polypars  und  zwischen  den 
Polypen  verstreut,  die  letzteren  nur  an  der  Spitze  der  Rhachis.  Auf- 
fallend dicht  waren  bei  den  letzteren  die  zwischen  den  Septen  gelegenen 
Gastralkammern  mit  Entodermzellen  erfüllt,  zwischen  denen  oft  eigen- 
artige Zellen  mit  blasigem  Inhalte  gesehen  wurden. 

Der  Dimorphismus  der  Individuen  von  Veretillum  und  anderen 
Formen  ist  bekanntlich  von  einigen  Autoren  geleugnet  worden,  die, 
wie  BujOR  (19)  die  Zooide  bloß  für  junge  Polypen  ansehen  wollen. 
Es  gäbe  also  keine  Zooide,  bloß  Polypenknospen.  ( »bourgeons «, 
BujOR.)  Es  könnte  aber  auch  folgendes  der  Fall  sein,  daß  Polypen- 
knospen und  Zooide  nebeneinander  vorkommen  und  zwar  gleich- 
mäßig untereinander  verteilt,  oder  so,  daß  Knospen  nur  in  der  basalen 
Bildungszone  auftreten.  Dieser  letztere  Fall  scheint  mir  nach  meinen 
Beobachtungen  für  Veretillum  zuzutreffen.  Gewiß  sind  einige  der 
zooidartigen  Gebilde  nur  Knospen,  die  sich  noch  zu  vollkommenen 


Beiträge  z.  Kenntnis  d.  histol.  Baues  von  Veretillum  cynomorium  (Pall.).    5G5 

Polypen  entwickeln,  aber  nur  an  der  Basis  des  Kieles;  die  übrigen 
sind  dagegen  echte  Zooide,  aus  denen  sich  keine  Polypen  mehr  ent- 
wickeln und  besitzen  eine  spezielle  Funktion  im  Dienste  der  gesamten 
Kolonie.  Daß  bei  Veretillum  die  Frage,  ob  die  Zooide  bloß  Knospen 
seien,  überhaupt  aufgeworfen  werden  konnte,  hat  meines  Erachtens 
folgende  Ursache:  Bei  Pteroeides  und  überhaupt  allen  Penniformes  ist 
infolge  der  Ausbildung  der  Blätter  kein  Zweifel  möglich,  daß  die  am 
Rande  der  jüngsten  Blätter  stehenden  Knospen  zu  Polypen,  die  an 
der  Basis  stehenden  zu  Zooiden  werden.  Durch  ihre  verschiedene 
Lage  sind  sie  eindeutig  charakterisiert.  Bei  Veretillum  und  den  radiär 
gebauten  Pennatuliden  besteht  diese  Differenzierung  eben  nicht  und 
daher  ist  es  bei  rein  äußerer  morphologischer  Betrachtung  ohne  wei- 
teres nicht  möglich,  zu  sagen,  wo  man  Knospen  und  wo  Zooide  vor  sich 
hat,  denn  durch  ihre  Lage  sind  sie  ja  nicht  charakterisiert. 

Eigenartig  ist  nun  aber  die  Tatsache,  daß  wir  auch  bei  Veretillum 
zwei  verschiedene  Arten  von  Zooiden  vorfinden,  wenngleich  sie  nicht 
so  auffallende  Unterschiede  aufweisen,  wie  die  von  Pteroeides.  Im 
wesentlichen  ist  aber  genau  das  gleiche  Verhalten  zu  konstatieren, 
wie  bei  den  Zooiden,  die  ich  dort  Pinnular-  und  Rhachidozooide 
genannt  habe.  Offenbar  sind  die  einen  auch  hier  die  primären,  direkt 
aus  den  Knospen  hervorgegangenen  Zooide,  die  anderen  die  sekun- 
dären, aus  sich  rückbildenden  Polypen  an  der  Spitze  der  Kolonie  ent- 
standenen. Wir  können  daher  allgemein  die  ersteren  als  Protozooide, 
den  letzteren  als  Meta zooiden  gegenüberstellen,  wobei  dann  natür- 
lich die  vom  Verfasser  seinerzeit  vorgeschlagenen  Termini  »Pinnular- 
und  Rhachidozooide«  als  nicht  allgemein  zutreffend  fallen  zu  lassen 
wären,  denn  Pinnulae  gibt  es  bei  den  radiären  Formen  nicht  und  die 
Protozooide  sind  bei  ihnen  genau  so  wie  die  Metazooide  an  der  Rhachis 
gelegen. 

Wenn  wir  nun  versuchen  wollen,  den  »Dimorphismus «  —  genauer 
ausgedrückt,  den  Polymorphismus,  denn  wir  haben  Polypen,  Knospen 
und  zwei  Formen  von  Zooiden  —  bei  Veretillum  vom  vergleichend- 
anatomischen Standpunlct  zu  beurteilen,  so  müssen  wir  zunächst  die 
Tatsache  konstatieren,  daß  der  Gegensatz  zwischen  Polypen  und 
Zooiden  kein  so  scharfer  ist  wie  bei  Pteroeides,  wie  auch  desgleichen 
der  Unterschied  zwischen  den  beiden  Zooidformen.  Die  Septen  der 
Protozooide  sind  wohl  entwickelt,  desgleichen  die  dorsalen  Mesen- 
terialfilamente, die  ja  bei  Veretillum  ganz  auffallend  weit  ins  Innere 
der  Kolonie  hinabreichen;  die  Polypen  besitzen  eine,  wenn  auch  nicht 
so  starke,  so  doch  ganz  deutlich  entwickelte  Siphonoglyphe,  dio  bei 

38* 


566  Albert  Niedermeyer, 

Pteroeides  vollständig  fehlt;  und  so  ließen  sich  noch  mehrere  derartige 
Unterschiede  feststellen.  Da  ein  Beweis  dafür,  daß  die  angeführten 
Verhältnisse  durch  ganz  spezielle  Anpassungen  hervorgebracht  worden 
wären,  nicht  erbracht  werden  kann,  so  bleibt  nur  die  Annahme  übrig, 
daß  die  Zooide  nicht  so  weit  reduziert  sind,  wie  bei  Formen  mit  hoch- 
gradig entwickeltem  Polymorphismus,  daß  der  Polymorphismus  hier 
somit  noch  auf  einer  viel  geringeren  Höhe  der  Ausbildung  steht  und 
auch  dies  spricht  wieder  mit  für  die  Auffassung  von  Veretillum  als 
einer  primitiven  Pennatulidenform. 

3.  Die  Muskulatur. 

Veretillum  cynomorium  ist  ausgezeichnet  durch  eine  reiche  Ent- 
wicklung des  Muskelgewebes.  Es  wurde  bereits  bei  der  Beschreibung 
einzelner  Teile  der  Kolonie  darauf  hingewiesen,  daß  wir  bei  Veretillum 
auch  an  solchen  Stellen  Muskelfasern  finden,  an  denen  sie  bei  Alcyo- 
narien  sonst  meist  nicht  gefunden  worden  sind ;  auch  sind  sie  an  anderen 
Stellen,  wo  sie  sonst  sehr  schwach  entwickelt  sind,  gut  ausgebildet. 
Solche  Stellen  sind: 

a)  Das  Schwaimngewebe  der  Khachis.  Hier  ist  eine  ganz  deut- 
liche entodermale  Bpithelmuskulatur  vorhanden. 

b)  Das  Epithel  der  Hauptkanäle.  Ringmuskelfasern  kommen 
hier  für  gewöhnlich  vor,  sind  aber  bei  Veretillum  besonders  stark  ent- 
wickelt, während  sie  bei  Pteroeides  nur  sehr  schwach  sind. 

c)  Das  Entoderm  der  Tentakel;  es  bildet  epitheliale  Eingmusku- 
latur. 

d)  Das  Mauerblatt  der  Polypen;  besitzt  entodermale  Ringmuskeln 
und  ektodermale  Längsmuskulatur. 

e)  Das  Schlundrohr  der  Polypen,  ist  mit  kräftigen  entodermalen 
und  mit  schwachen  ektodermalen  Muskelfasern  versehen. 

f)  Das  Ektodermepithel  des  Coenenchyms  besitzt  im  Bereiche 
der  Rhachis  schwache  epitheliale  Muskulatur;  im  Stiele  fehlt  sie.  — 
Veretillum  ist  nach  Kölliker  die  einzige  Pennatulide,  bei  der  er  direkt 
unter  der  »Epidermis«  Muskulatur  gefunden  hat. 

Sehr  stark  ist  die  Septenmuskulatur  entwickelt;  die  Muskel- 
fasern sitzen  auf  sehr  zahlreichen  Mesogloealamellen. 

Auf  den  anatomischen  Bau  der  großen  Muskelzüge  des  Stieles 
und  der  Rhachis  will  ich  hier  nicht  näher  eingehen.  Er  ist  gut  be- 
kannt, vor  allem  wohl  deshalb,  weil  die  Anordnung  der  Muskellamellen 
in  engen  Beziehungen  steht  zum  Kanalsystem,  dessen  Negativ  sie 
gewissermaßen  darstellen.     Die  Muskellamellen  sind  stark  verzweigt 


Beiträge  z.  Kenntnis  d.  histol.  Bauca  von  Veretillum  cynomorium  (Pall.).    567 

und  geben  auf  dem  Querschnitte  schöne  baumförmige  Bilder,  wie  ich 
sie  auch  bei  Pteroeides  gesehen  habe.  HauptsächHch  sind  es  Längs- 
fasern im  Stiele,  die  großen  Retraktoren  der  Kolonie;  im  Sphinkter, 
am  Übergange  des  Stieles  in  den  Kiel,  überwiegen  die  Ringfasern. 
Die  Längsfasern  stammen  vom  Entoderm,  stellen  aber  nicht  Epithel- 
muskelfasern, sondern  in  die  Tiefe  gerückte  epitheloide  Muskulatur 
dar.  —  Balss  (31)  will  in  der  Anordnung  der  Muskelzüge  in  der  Kolonie 
ein  Merkmal  erblicken,  das  für  bestimmte  Arten  charakteristisch  sein 
soll,  doch  kann  ich  dem  nicht  zustimmen.  Gerade  die  Muskulatur  ist 
so  abhängig  von  speziellen  Anpassungen  und  wir  werden  bei  Formen 
mit  ähnlicher  Lebensweise  auch  ähnliche  Ausbildung  derselben  finden; 
für  systematische  Zwecke  ist  dieses  Merkmal  schon  aus  diesem  Grunde 
nicht  gut  verwertbar. 

Auch  in  den  feineren  Ernährungskanälen  der  Kolonie  finden  wir 
noch  Muskelfasern.  Mit  dieser  reichen  Ausbildung  steht  die  starke 
Kontraktions-fähigkeit  im  engsten  Zusammenhange. 

Muskuläre  Verschlußeinrichtungen  im  Kanalsystem,  wie  sie  von 
Kükenthal  und  Broch  bei  Echinoptilum,  ferner  von  mir  (37)  bei 
Pemuitula  und  Pteroeides  beschrieben  worden  sind,  habe  ich  hier  nicht 
finden  können.  Doch  spricht  die  Anordnung  der  Muskelzüge  um  die 
Gastralhöhlen  der  Zooide  dafür,  daß  hier  ein  rascher  Verschluß  gegen 
die  tieferen  Kanäle  möglich  ist;  bei  den  Polypen  mag  er  wohl  durch 
die  Ringmuskulatur  des  Schlundrohres  und  durch  die  Fasern  der  Mund- 
scheibe gegen  außen  hin  ermöglicht  werden,  so  daß  im  Inneren  der 
Kolonie  ein  beträchtlicher  Überdruck  herrschen  kann  ohne  daß  das 
Wasser  durch  die  Polypen-  und  Zooidmündungen  zu  entweichen 
braucht. 

Veretillum  besitzt  also,  wie  wir  gesehen  haben,  eine  kräftige  indi- 
viduale  Muskulatur.  Es  besitzt  aber  auch  eine  reich  entwickelte  kolo- 
niale Muskulatur,  die  nächst  verwandten  Formen,  wie  Cavernularia, 
im  Bereiche  der  Rhachis  völlig  fehlt.  In  innigem  Zusammenhange 
mit  der  Entwicklung  der  kolonialen  Muskulatur  steht  die  von  Kas- 
SIANOW  aufgeworfene  Frage  nach  dem  Vorhandensein  des  kolonialen 
Nervensystems. 

4.  Nervensystem. 

Bereits  bei  der  Beschreibung  der  Epithelien  im  allgemeinen,  wie 
der  Polypen,  ist  gezeigt  worden,  daß  wir  bei  Veretillum  cynomorium 
ein  ganz  wohl  ausgebildetes  Nervensystem  vorfinden,  wie  wir  es  ja 
von  vornherein  bei  der  starken  Entwickelung  der  individualen  und 


568  Albert  Niedermeyer, 

kolonialen  Muskulatur  erwarten  konnten.  Eine  ganz  eingehende 
Detailuntersuchung  des  Nervensystems  war  dem  Verfasser  allerdings 
nicht  möglicli,  da  er  ja  auf  zwei  wichtige  Methoden  verzichten  mußte: 
Die  vitale  Färbung  mit  Methylenblau  nach  Bethe  und  die  Maceration 
frischer  Objekte.  Dafür  gelang  es,  mit  Hilfe  der  Methode  der  »Nach- 
vergoldung« nach  Apathy  wenigstens  festzustellen,  wo  wir  nervöse 
Elemente  zu  finden  haben,  wenngleich  die  feineren  Einzelheiten  des 
histologischen  Aufbaues  nicht  zu  ergründen  waren,  da  hierzu  das 
Material  doch  nicht  geeignet  war.  Die  Untersuchung  konnte  nur 
mit  der  ölimmersion  von  Zeiss  (Apochromat  2  mm)  geschehen,  da 
die  Strukturen  äußerst  subtil  waren.  —  An  einzelnen  Stellen  gelang 
es  immerhin,  Ganglienzellen  mit  voller  Deutlichkeit  zu  erkennen,  wie 
eine  solche  in  der  Figur  11  abgebildet  ist.  Die  Größe  der  Ganglien- 
zellen betrug  durchschnittlich  6 — 7  (.i.  Wo  Ganglienzellen  auch  nicht 
ganz  deutlich  zu  erkennen  waren,  fand  sich  immerhin  ein  feines  Faser- 
werk von  Neurofibrillen  vor,  das  durch  seine  dunkle  Imprägnation 
charakterisiert  war.  Diese  Fibrillen  waren  meist  als  subepithehale 
Nervenschicht  zwischen  dem  Epithel  und  der  Epithelmuskulatur 
entwickelt. 

Die  Nervenschicht  wurde  im  Besonderen  an  folgenden  Stellen 
gefunden : 

a)  Im  Ektoderm  der  Polypententakel.  Hier  wurden  Ganglien- 
zellen mit  besonderer  Deutlichkeit  beobachtet.  (Fig.  4.)  Im  übrigen 
verweise  ich  auf  die  genauere  Beschreibung  bei  den  Tentakeln. 

b)  In  der  Mundscheibe;  hier  ist  sie  auch  sehr  deutlich  entwickelt, 
und  ich  kann  mich  wohl  der  Ansicht  Kassianows  anschließen,  daß 
in  ihr  das  Zentrum  des  individualen  Nervensystems  zu  erblicken  ist. 

c)  Im  ektodermalen  Schlundrohrepithel  der  Polypen  (Fig.  5); 
in  dem  der  Zooide  habe  ich  sie  nicht  finden  können,  doch  ist  es  wohl 
möglich,  daß  sie  auch  hier  vorhanden  ist. 

d)  In  den  dorsalen  Mesenterialfilamenten  der  Polypen. 

e)  Im  Ektoderm  des  Mauerblattes  der  Polypen  (Fig.  12). 

f)  Im  Ektoderm  des  Coenosarks  der  Ehachis  (Fig.  2);  im  Stiel 
waren  wohl  auch  feine  Fibrillen  zu  finden,  deren  Verlauf  jedoch  ein 
anderer  war:  nicht  parallel  der  Epitheloberfläche,  sondern  zwischen 
den  Zellen  emporsteigend.  Wenn  diese  Fasern  Neurofibrillen  sind 
und  nicht  Stützfibrillen  irgendwelcher  Art  (Fig.  6),  so  sind  sie  keines- 
falls als  motorische  Fasern  anzusehen,  sondern  als  sekretorische,  da 
sie  zu  den  Drüsenzellen  hinführen,  die  hier  in  den  Papillen  des  Stieles 
besonders  zahlreich  vorhanden  sind. 


Beiträge  z.  Kenntnis  d.   liistol.   Baues  von  Verelilluni  eynoiuorium  (Pall.).    569 

Soweit  waren  ektodermale  nervöse  Elemente  festzustellen.  Aus 
dem  Entoderm  stammten  sie  an  folgenden  Stellen: 

g)  Im  Entodermepithel  des  Schlu ndrobres  (Fig.  7). 

li)  Im  Entoderm  der  Septeu  der  Polypen. 

i)  In  den  ventralen  Mesenterialfilamenten. 

k)  Im  Entoderm  der  Polypenliolilräume  fand  ich  zwar  auch 
nervöse  Elemente,  doch  kommt  es  hier  nicht  zur  Ausbildung  einer 
distinkten  Nervenschicht  und  es  ist  anzunehmen,  daß  hier  nur  lockere 
plexusartige  Verbindungen  vorkommen. 

1)  Im  Entoderm  der  Hohlräume  der  Rhachis  finden  wir,  besonders 
an  den  Längsmuskelzügen  lose  plexusartige  Verbindungen.  Die  gleichen 
Plexus  finden  wir  auch  in  den  Hohlräumen  des  Stieles,  besonders  in 
den  Muskellamellen  entwickelt  (Fig.  15). 

m)  Im  Entodermepithel  der  Hauptkanäle.  Hier  finden  wir  wieder 
die  nervösen  Elemente  mehr  als  distinkte  Nervenschicht  entwickelt 
zwischen  Epithel  und  epithelialer  Ringmuskulatur  (Fig.  16). 

An  folgenden  Stellen,  an  denen  ich  nervöse  Elemente  beobachtet 
habe,  sind  sie  von  Kassianow  nicht  gesehen  worden:  In  den  Mesen- 
terialfilamenten,  im  Mauerblatt  der  Polypen,  im  Coenosark.  Im  Ento- 
derm der  Septen  fand  er  nur  vereinzelte  Ganghenzellen. 

Wenn  mr  nach  den  Ergebnissen  der  vorliegenden  Beobachtungen 
die  Resultate  der  Arbeit  Kassianows  nachprüfen,  können  wir  sagen, 
daß  er  größtenteils  richtige  Angaben  gemacht  hat.  Überall,  wo  er 
Nervensubstanz  beschrieben  hat,  war  sie  auch  bei  den  vorliegenden 
Untersuchungen  wiederzufinden;  dort,  wo  er  sie  nicht  beschrieben 
hat,  fehlt  sie  allerdings  auch  nicht,  doch  ist  dies  insofern  kein  Wider- 
spruch gegen  ELassianow,  als  er  ja  nicht  behauptete,  daß  sie  fehle, 
sondern  nur,  daß  er  sie  nicht  beobachten  konnte.  —  Die  Verteilung 
des  Nervensystems,  wie  Kassianow  sie  beschreibt,  konnte  ich  aller- 
dings nicht  nachprüfen,  da  mir  nur  Schnitte  zur  Verfügung  standen. 
Nach  ihm  soll  um  das  Schlundrohr  herum  ein  Ring  von  Nervenfasern 
entwickelt  sein,  von  dem  aus  radiär,  entsprechend  dem  Ansätze  der 
Septen,  stärkere  Züge  ausgehen  sollen;  ferner  sind  nach  ihm  stärkere 
Züge  im  Schlundrohre  längs  der  Ansatzlinien  der  Septen  vorhanden. 
Diese  Befunde  scheinen  wohl  den  Tatsachen  vollkommen  zu  entsprechen. 

Nur  in  einem  Punkte  möchte  ich  Kassianow  entschieden  wider- 
sprechen: Er  nimmt  an,  daß  die  entodermale  Muskulatur  der  Polypen 
von  den  ektodermalen  Nerven  her  innerviert  werden  soll,  und  zwar 
durch  die  »Gallerte«  (die  Mesogloea)  hindurch.  Eine  Beobachtung, 
die  dafür  sprechen  könnte,  vermag  er  nicht  anzuführen  und  gründet 


570  Albert  Niedermeyer, 

seine  Ansiclit  lediglicli  darauf,  daß  er  im  Entoderm  keine  Nerven- 
elemente gefunden  hat.  Es  sind  aber  solche  vorhanden  und  dienen 
natürlich  in  erster  Linie  zur  Innervation  der  entodermalen  Muskel- 
fasern, wie  die  ektodermalen  auch  von  ihrer  eigenen  subepithelialen 
Nervenschicht  her  innerviert  werden.  In  der  Gallerte  finden  wir  kei- 
nerlei nervöse  Elemente.  Es  wäre  auch  sehr  merkwürdig,  wenn  die 
starken  entodermalen  Muskelzüge  keine  direkte  Innervation  besäßen; 
der  KASSiANOWsche  Erklärungsversuch  der  Innervation  durch  die 
Gallerte  erscheint  gesucht  und  gekünstelt  und  konnte  auch  ohne  daß 
positive  Tatsachen  gegen  ihn  gefunden  worden  wären,  nicht  befriedigen. 

Die  Frage  nach  dem  »kolonialen  Nervensystem«,  die  Kassi- 
ANOW  für  Alcyonium  negativ  beantwortet,  während  er  bei  Verctillum 
eine  positive  Lösung  nicht  für  ausgeschlossen  hält,  werden  wir  auf 
Grund  des  vorhegenden  Beobachtungsmateriales  unbedingt  positiv  zu 
entscheiden  haben.  Die  Polypen  stehen  untereinander  in  nervösem 
Zusammenhange  vermittels  der  Nervenschicht  des  Mauerblattes  und 
des  Coenenchyms ;  die  inneren  Teile  der  ganzen  Kolonie  besitzen  ento- 
dermale  Nervenplexus  und  so  stehen  alle  Teile  des  Ganzen  unterein- 
ander in  engster  Verbindung. 

In  einer  zweiten  Abhandlung  wurde  von  Kassianow  (28)  die  Frage 
aufgeworfen,  ob  das  Nervensystem  der  Alcyonarien  sich  mit  dem  der 
Aktinien  vergleichen  lasse.  Dies  ist  nach  ihm  in  weitgehender  Weise 
der  Fall  und  ich  kann  mich  dieser  Anschauung  um  so  mehr  anschließen, 
als  sich  ja  auch  in  so  vielen  anderen  histologischen  Einzelheiten,  wie 
z.  B.  im  Bau  der  Mesenterialfilamente  usw.  Übereinstimmungen  finden, 
und  da  sich  Nervensubstanz  an  verschiedenen  Stellen  hat  nachweisen 
lassen,  von  denen  man  bisher  angenommen  hatte,  daß  sie  nur  bei  den 
Aktinien,  nicht  aber  bei  Alcyonarien  Nervenelemente  enthielten,  wie 
z.  B.  im  Entoderm  der  Polypen,  im  Mauerblatte,  in  den  Mesenterial- 
filamenten u.  a.  m.  Es  ist  wahrscheinlich,  daß  die  bestehenden  Unter- 
schiede bei  fortgesetzter  Untersuchung  der  feineren  Struktur  der  Alcyo- 
narien sich  immer  mehr  werden  reduzieren  lassen. 

Auf  die  neueren  Arbeiten  von  Havet,  Wolpf  und  Heider  über 
das  Nervensystem  der  Aktinien,  die  Kassianow  in  seiner  letztge- 
nannten Abhandlung  zitiert,  näher  einzugehen,  ist  dem  Verfasser 
unmöglich  gewesen  und  er  konnte  ihre  Ergebnisse  nur  so  weit  in  Be- 
tracht ziehen,  als  er  sie  bei  Kassianow  angeführt  fand.  Es  wäre  jedoch 
eine  dankenswerte  Aufgabe,  das  Nervensystem  der  Alcyonarien  und  der 
Aktinien  zum  Gegenstande  einer  gründUchen  vergleichenden  Spezial- 
untersuchung  zu   machen.     Das   Gebiet  ist  freilich   so   umfangreich 


Beiträge  z.  Kenntnis  d.  histol.  Baues  von  Veretilluni  cynomoriuin  (Fall.).    571 

und  schwierig,  daß  es  im  Kahmen  dieser  Arbeit  nicht  möglich  war, 
die  Frage  weiter  zu  verfolgen  und  mehr  beizubringen,  als  einige  Bruch- 
stücke. 

5.  Die  Mesogloea. 

Die  Mesogloea  soll  nach  der  Auffassung  der  meisten  Autoren  aus 
einer  homogenen,  strukturlosen  Grundsubstanz  bestehen  und  überall 
die  gleiche  Beschaffenheit  besitzen.  So  charakterisiert  sie  auch  Kassi- 
ANOW,  Reinhardt  (26)  bezeichnet  sie  als  vollkommen  strukturlos, 
zuweilen  aber  etwas  faserig.  —  Homogen  erscheint  die  Mesogloea 
jedoch  nur  bei  flüchtiger  Beobachtung  in  ganz  dünnen  Schichten,  be- 
sonders bei  Anwendung  von  Hämatoxylingemischen.  In  dickerer 
Schicht  weist  sie  deutliche  Strukturen  auf,  die  Bourne  (18)  zwar  für 
Kunstprodukte  erklärt,  die  aber  meines  Erachtens  in  der  Natur  der 
Mesogloea  begründet  liegen  (Fig.  16).  Diese  Strukturen  sind  nicht 
überall  gleich  sondern  sogar  sehr  verschieden  in  den  verschiedenen 
Regionen  der  Mesogloea  und  geben  ihr  ein  charakteristisches  Aus- 
sehen. Es  sind  feinste  Fibrillen,  die  bald  wellenförmig,  bald  netz- 
artig verbunden  verlaufen;  bald  sind  sie  dicht,  bald  wieder  lockerer, 
und  so  gewinnt  die  Mesogloea  ein  sehr  verschiedenartiges  Aussehen. 
Die  genannten  Strukturen  sind  nicht  mit  allen  Farbstoffen  gleich  gut 
zu  erkennen.  Deutlich  zu  sehen  sind  sie  an  Präparaten,  die  mit  Pikroni- 
grosin  nach  Freeborn  gefärbt  sind,  besonders  schön  aber  bei  Gold- 
Imprägnation. 

Die  Grundsubstanz  der  Mesogloea  besteht  also  vorwiegend  aus 
fibrillären  Elementen.  Bei  sehr  starken  Vergrößerungen  erscheint 
die  Mesogloea  auch  in  ganz  dünnen  Lagen  nicht  mehr  als  homogene 
Lamelle,  sondern  ist  auch  hier  aus  Fibrillen  zusammengesetzt.  "Wo 
die  Mesogloea  zwischen  zwei  nahe  benachbarten  Epithelien,  wie  z.  B. 
zwischen  Ektoderm  und  Entoderm  des  Mauerblattes  oder  der  Tentakel 
nur  sehr  dünne  Schichten  bildet,  läßt  sich  nachweisen  daß  sie  aus 
zwei  Lamellen  besteht,  deren  eine  offenbar  vom  Ektoderm,  die  an- 
dere vom  Entoderm  abgeschieden  ist.  (Fig.  12).  Dort,  wo  die  Mesogloea 
dick  ist,  finden  wir  auch  direkt  unter  den  Epithelien  eine  dichtere  Struk- 
tur, die  Schneider  (20)  als  »Grenzlamelle  <<  beschreibt.  (S.  auch  Fig.  16.) 
Reinhardt  gibt  an:  »Mit  Säurefuchsin  färbt  sie  sich  rosa,  wobei  die 
an  das  Entoderm  angrenzende  Schicht  durch  dunklere  Färbung  her- 
vortritt <<. 

Auf  Grund  der  beobachteten  Tatsachen  erscheint  es  gerecht- 
fertigt,   die   Grundsubstanz   der   Mesogloea   als   eine    Art  von  Basal- 


572  Albert  Niedermeyer, 

membran  oder  bindegewebiger  Propria  auffassen  zu  wollen,  die 
vom  Ektoderm-  wie  vom  Entodermepithel  ausgeschieden  ist  und 
zwischen  beidf/^n  Epithelien  allerdings  an  manchen  Stellen  große  Mäch- 
tigkeit erlangen  k^inn.  An  gewissen  Stellen  (Tentakel,  Schlundrohr) 
ähnelt  die  Mesogloea  sehr  einer  dünnen  Propria,  und  andrerseits  ist 
die  dünne  Membran,  die  zwischen  Ei  und  Follikelepithel  sich  befindet, 
eine  typische  Basalmembran,  und  zeigt  genau  den  gleichen  Bau,  wie 
die  Mesogloea  in  sehr  dünner  Schicht. 

In  die  Grundsubstanz  der  Mesogloea  sind  mannigfache  zellige 
Elemente  eingelagert,  die  aus  den  Epithelien  stammen  und  als  Wander- 
zellen den  epithelialen  Charakter  verloren  haben  und  nach  Aufgabe 
ihrer  polaren  Differenzierung  zu  mesenchymatischen  Zellen  geworden 
sind.  Dazu  gehören  die  Bildungszellen  der  Spicula,  die  hauptsächlich 
aus  dem  Ektoderm  stammen  und  die  »Gallertzellen <<  (Kassianow), 
die  vorwiegend  entodermalen  Ursprunges  sind.  Die  »Gallertzellen« 
sind  diejenigen,  die  den  »mesogloeal  cell-plexus  <<  (Peatt,  25)  bilden. 
Nach  KÖLLIKER  (3)  sind  sie  Bindegewebszellen.  Pratt  schreibt  ihnen 
wegen  einer  äußerlichen  Ähnlichkeit  mit  Ganglienzellen  auch  ge- 
wisse nervöse  Funktionen  zu,  als  »Neurophagocyten <<,  wogegen  Kas- 
SIANOW  mit  Recht  polemisiert.  Als  Derivate  des  Entoderms  sind  sie 
ihrer  Funktion  nach  hauptsächlich  Ernährungszellen;  nach  ihrer 
Lage  in  der  Mesogloea  sind  sie  Bindegewebszellen.  Histologisch  bieten 
sie  ein  wohl  charakterisiertes  Aussehen  dar  und  sind  nicht  mit  anderen 
Zellen,  wie  z.  B,  Nervenzellen  oder  Entoderm-Epithelzellen  zu  ver- 
wechseln. Ich  glaube  sie  folgendermaßen  am  besten  charakterisieren 
zu  können: 

Gallertzellen  sind  die  mesenchymatischen  Zellen  der  Mesogloea, 
die  bald  einzeln,  bald  in  Gruppen  oder  zum  »mesogloeal  cell-plexus« 
vereinigt  liegen;  sie  besitzen  einen  stark  körnigen  Zellinhalt  und  acido- 
philen  Charakter.  Ihre  Größe  ist  15 — 20/«  im  Durchmesser;  sie  be- 
sitzen einen  sehr  deutlichen  Kern,  der  3 — 4  j.i  im  Durchmesser  mißt. 
Ihre  Form  ist  sehr  veränderlich,  sie  sind  amöboid  und  erscheinen 
bald  geballt,  bald  rundlich,  spindelförmig  oder  polygonal.  (Fig.  17.) 
Sie  sind  besonders  in  der  Mesogloea  des  Stieles  entwickelt,  aber 
auch  in  der  Bhachis.  In  der  Gallerte  finden  sich  oft  Nester  oder 
dichte  Zellhaufen,  oder  solide  Zellstränge  ohne  Lumen,  die  netzartig 
miteinander  zusammenhängen,  bald  feine  Kanäle,  in  denen  sie  nach 
und  nach  in  typische  Entodermzellen  übergehen,  die  die  Wandungen 
der  größeren  Kanäle  auskleiden.  Die  Kanäle  stehen  untereinander 
auch  wie  die  Zellstränge  in  vielfacher  Verbindung.     (Fig.  16.) 


Beiträge  z.  Kenntnis  d.  histol.  Buuos  von  Voretillum  cynomorium  (Fall.).    573 

Reinhardt  sagt  von  den  Zellen  der  Mesogloea  aus,  ihr  Inhalt 
gleiche  dem  der  Ektodermzellen,  >>da  außer  dem  runden  Kern  noch 
viele  kleine,  sich  ebenfalls  dunkel  färbende  Körnchen  vorhanden  sind«. 
Die  Granula  der  Gallertzellen  sind  jedoch  von  denen  der  Ektoderm- 
zellen wesentlich  verschieden,  viel  größer  und  außerdem  stark  acido- 
phil.  Ferner  gibt  Reinhardt  an,  daß  diese  Zellen  »Muskelfasern  ab- 
scheiden können,  die  leicht  zu  erkennen  sind,  da  sie  durch  Eisenhäma- 
toxylin  stark  gefärbt  werden  können«.  Muskelfasern  können  sie  ganz 
sicher  nicht  abscheiden;  die  Beobachtung  Reinhardts  beruht  auf 
einem  Irrtum  und  wenn  er  sich  auf  andere  Färbungen  als  bloß  die 
Heidenhainsche  gestützt  hätte,  hätte  er  jedenfalls  auch  gesehen,  daß 
diese  Fasern  keine  Muskelfasern  sind;  die  Untersuchung  von  Präpa- 
raten, die  nach  van  Gieson  gefärbt  sind,  zeigt  dies  mit  Deutlichkeit. 
Es  sind  bloß  Bindegewebsfasern  der  Mesogloea,  die  in  der  Umgebung 
der  Zellen  liegen. 

Spicula.  Da  nach  Kükenthal  und  Broch  die  Spicula  ein  be- 
sonders wichtiges  Unterscheidungsmerkmal  für  die  Systematik  sind, 
so  ist  es  von  einigem  Interesse,  auch  ihren  feineren  Bau  zu  studieren, 
der  bei  den  Kalkkörperchen  der  Seefedern  noch  sehr  wenig  bekannt 
ist ;  denn  gewöhnlich  wird  den  Spiculis  nicht  mehr  Beachtung  geschenkt, 
als  für  systematische  Zwecke  erforderlich  ist.  —  Was  zunächst  die 
äußere  Form  der  Spicula  betrifft,  so  fällt  auf,  daß  trotz  einer  gewissen 
Übereinstimmung  in  der  allgemeinen  Erscheinung  sich  kaum  zwei  gleich 
geformte  vorfinden.  Im  allgemeinen  ist  die  Form  einfach  elliptisch 
oder  biscuitf örmig ;  auch  gabelförmige  kommen  bisweilen  vor,  worauf 
besonders  hingewiesen  sein  möge,  da  Kükenthal  und  Broch  das  Vor- 
kommen solcher  Spicula  bei  Lituaria  zum  Anlaß  nehmen,  um  diese 
Form  im  System  vor  VeretiUum  zu  stellen.  Ferner  finden  sich  Zwil- 
linge, auch  Drillinge  vor,  in  allen  möglichen  Graden  der  Ausbildung, 
manchmal  innig  miteinander  verbunden,  manchmal  nur  lose  zusammen- 
hängend. Es  erschien  angezeigt,  zu  untersuchen,  ob  wir  es  wirklich 
mit  echten  Zwillingen  im  mineralogischen  Sinne  zu  tun  haben,  oder  ob 
es  bloß  Aggregate  mehrerer  Spicula  sind,  die  durch  Teilung  oder  An- 
einanderlagerung  entstanden  sind. 

Einige  Formen  von  größeren  Spiculis  dieser  Art  sind  in  Figur  18 
abgebildet;  die  Zwillinge  haben  meist  die  Form  von  Semmeln.  —  Außer 
diesen  größeren  Formen  finden  wir  noch  kleinere  von  ovaler  oder  ellip- 
tischer bis  sphärischer  Gestalt. 

Verteilung  der  Spicula:  Wie  Kükenthal  und  Broch  gefunden 
haben,  ist  jede  bestimmte  Körperregion  durch  eine  für  sie  charakte- 


574  Albert  Niedermeyer, 

ristisclie  Spiculation  ausgezeichnet.     Über  die  Verteilung  der  Spicula- 
formen  bei  Veretillum  machen  sie  folgende  Angaben: 

»Die  Spicula  des  Stielin nern  sind  sehr  kleine  schmale,  längs- 
ovale Körperchen,  die  in  kleinen  Gruppen  angeordnet  sind. 

Die  Spicula  der  Stiel  rinde  sind  breite  ovale  Platten  von  durch- 
schnittlich 0,06  mm  Länge,  die  häufig  Biscuitform  annehmen,  und 
bei  denen  auch  sehr  häufig  Spaltungen  vom  Zentrum  aus  sichtbar 
werden,  die  das  Spiculum  in  meist  vier,  aber  auch  5 — 6  radial  ange- 
ordnete Abteilungen  trennen.  Diese  dicht  gelegenen  Spicula  erfüllen 
nicht  nur  die  Rinde,  sondern  ziehen  auch  in  dicht  angeordneten  Zügen 
ventralwärts  ins  Stielinnere,  sich  schließlich  in  kleine  Nester  auflösend, 
die  zwischen  den  Gruppen  der  eigentlichen  kleinen  Spicula  des  Stiel- 
inneren liegen. 

In  der  Binde  des  Polypars  finden  sich  ähnliche  aber  in  allen 
Dimensionen  kleinere  und  noch  mehr  abgeplattete  Spicula  als  in  der 
Stielrinde.  Diese  Spicula  können  in  den  basalen  Teil  des  Polypen 
übergehen  und  kommen  auch  in  den  Tentakeln  vor.« 

Meine  eigenen  Beobachtungen  stimmen  mit  diesen  Angaben  über- 
ein. Die  Spicula  des  Stielinneren  sind  vorwiegend  rundliche  oder 
ovale  Körperchen  von  ungefähr  15  /.i  Länge  und  4,6 — 8  fi  Breite.  Diese 
Spicula  finden  sich  in  etwas  größeren  Formen,  sehr  dicht  gehäuft  in 
den  Radiallamellen  des  Stieles,  und  zwar  im  oberen  Teile  größere  als 
im  basalen.  Es  kommen  aber  auch  im  Stielinneren  Spicula  von  der 
Form  der  Rindenspicula  vor:  ovale  oder  biscuitförmige  Platten  oder 
auch  zusammengesetzte  Formen.  (Fig.  18  u.  19.)  Einige  gemessene 
Längen  und  Breiten  von  Spiculis  betrugen: 

Länge  in  /<:     74      90      63      50      50 
Breite  in  ^i :     37      45      50      25      45. 

Das  Verhältnis  von  Länge  zu  Breite  betrug  in  der  Mehrzahl  un- 
gefähr 2:1,  näherte  sich  aber  bei  einigen  dem  Werte  1:1. 

In  der  Stielrinde  finden  wir  besonders  entlang  der  Ansatzstellen  der 
Radiallamellen  dichte  Längszüge  von  ovalen,  mittelgroßen  Spiculis 
von  etwa  40  ^u  Länge,  Die  größeren  Formen,  die  auch  eine  größere 
Mannigfaltigkeit  aufweisen,  finden  wir  wieder  in  peripherer  Lage,  im 
oberen  Teile  des  Stieles  sehr  zahlreich.  Doch  kommen  auch  unter  ihnen 
viele  sehr  kleine  vor. 

Im  Kiele  ist  die  Spiculation  viel  schwächer:  Die  Kalkplättchen 
sind  viel  kleiner  und  spärlicher  als  im  Stiele  und  es  sind  nur  runde 
kleine  Spicula  in  größerer  Anzahl  vorhanden.     Das  gleiche  gilt  vom 


Beiträge  z.  Kenntnis  d.  histol.  Baues  von  Veretilluni  cynomorium  (Pall.).    575 

Kielinneren  wie  von  der  Kielrinde.  In  den  Polypen  sind  spärliche 
und  kleine  Spicula  von  ovaler  Form  vorhanden.  In  den  Tentakeln 
kommen  ganz  kleine  spindelförmige  Spicula  vor,  die  nicht  sehr  dicht 
gehäuft  sind,  Ihre  Enden  sind  abgestumpft.  Folgende  Größen  wurden 
bei  ihnen  gemessen: 

(in  «0     4,7       6,2      10,9      15,6      17       18,7      23,4. 

Es  kommen  endlich  ganz  kleine  Körperchen  im  Kiele  und  im  Stiele 
vor,  die  wie  korrodiert  aussehen  und  vielleicht  die  Trümmer  von  größeren, 
vielleicht  aber  auch  erst  im  Entstehen  begriffen  sind,  zum  Teile  aber 
auch  sicher  eigene  Formen  darstellen.  Ihre  Größe  betrug  3,5 — 6,2  (.i. 
Von  Kükenthal  und  Broch  wurden  sie  nicht  beschrieben,  Sie  sind 
ungemein  zahlreich,  von  Gestalt  mehr  oder  weniger  um'egelmäßig. 
Sie  liegen  manchmal  zu  zweien  oder  dreien  hintereinander  oder  bilden 
traubige  und  klumpige  Aggregate.  Auch  bei  diesen  kleinsten  Formen 
kommen  noch  Durchkreuzungszwillinge  vor,  und  auch  die .  kleinsten 
lassen  bereits  die  Strukturen  erkennen,  die  deutlicher  bei  den  größeren 
Formen  beobachtet  werden  konnten.  In  ihrem  Inneren  ist  ein  zen- 
traler Hohlraum,  der  die  organische  Grundsubstauz  enthalten  hat, 

Struktur  der  Spicula,  Bei  genauerer  Betrachtung  erscheinen 
die  Spicula  durchaus  nicht  homogen,  sondern  selbst  die  kleinsten  lassen 
noch  ganz  deutliche  Strukturen  erkennen.  Im  Inneren  hebt  sich  deutlich 
eine  zentrale  Masse  ab,  die  die  Umrißform  des  Spiculums  wiedergibt. 
Sie  ist  oft  durch  dunklere  Färbung  unterschieden  und  wir  werden 
wohl  nicht  fehlgehen,  w^nn  wir  hier  eine  stärkere  Anhäufung  orga- 
nischer Substanz  annehmen.  Ferner  findet  sich  eine  Marksubstanz 
vor,  die  sich  durch  etwas  gelbliche  Färbung  von  der  hellen  Rinden- 
substanz abhebt.  Außerdem  finden  wir  ziemlich  regelmäßige  konzen- 
trische Strukturen;  an  den  Polen  der  Spicula  sind  die  Ringe  dieser 
konzentrischen  Strukturen  voneinander  weiter  entfernt  als  in  der  Mitte. 
Von  der  Zentralsubstanz  aus  strahlen  radiale  Strukturen,  bald  feiner, 
bald  gröber  gegen  die  Peripherie  aus,  in  letzterem  Falle  wie  Risse  aus- 
sehend. Sie  fallen  auch  oft  durch  dunklere  Färbung  auf,  mitunter 
besonders  an  den  Stellen,  wo  die  radialen  Strukturen  sich  mit  den 
konzentrischen  durchkreuzen,  —  Die  radialen  und  konzentrischen 
Strukturen  der  Spicula  treten  nach  Kochen  in  Eau  de  Javelle  sehr 
deuthch  hervor,  doch  erscheint  die  organische  Grundsubstanz  ver- 
schwunden. An  ihrer  Stelle  findet  man  dann  oft  größere  Sprünge  im 
Inneren  des  Spiculums, 

Wenn  man  die  Spicula  mit  einer  Säure   behandelt,  sie  jedoch  nicht 


576  Albert  Niedermeyer, 

ganz  auflöst,  so  findet  man,  daß  die  konzentrisclien  Strukturen  ver- 
schwinden, die  radialen  dagegen  in  Form  von  Rissen  und  Sprüngen 
sehr  auffällig  hervortreten.  In  deren  Richtung  zerfallen  sie  denn  auch 
bei  weiterer  Fortsetzung  des  Auflösungsprozesses.  Demnach  scheinen 
die  radialen  Strukturen  die  Richtungen  der  geringsten  Kohäsion  der 
Moleküle  zu  bezeichnen.  Ferner  geht  aus  der  genauen  Betrachtung 
der  Strukturen  und  ihres  Verhaltens  hervor,  daß  sie  nicht  der  Ober- 
fläche angehören,  sondern  ein  Produkt  des  Wachstumes  und  der  inneren 
Organisation  der  Spicula  sind.  —  Außer  den  genannten  Strukturen 
finden  sich  noch  ganz  feine  Riefungen,  die  in  diagonaler  Richtung  ver- 
laufen und  der  Oberfläche  anzugehören  scheinen. 

Die  Untersuchung  der  Spicula  mit  dem  Polarisationsmikroskop 
ergab  folgendes:  Sie  sind,  wie  dies  ja  zu  erwarten  war,  anisotrop, 
hellen  das  dunkle  Gesichtsfeld  zwischen  den  gekreuzten  Nicoischen 
Prismen  auf.  Dabei  treten  bei  den  dünneren  die  Newtonschen  Inter- 
ferenzfarben auf,  deren  Aufeinanderfolge  jedoch  nicht  den  Schichten 
der  konzentrischen  Strukturen  entspricht,  soweit  man  dies  bei  den 
kleinen  Objekten  mit  Sicherheit  behaupten  kann.  Weder  die  radialen 
noch  die  konzentrischen  Strukturen  weisen  ein  verschiedenes  optisches 
Verhalten  auf,  woraus  sich  ergibt,  daß  die  Substanz  der  Spicula  durcTi- 
weg  gleichartig  ist  und  ihre  Schichtungen  nur  auf  Wachstumsver- 
schiedenheiten beruhen.  Das  optische  Verhalten  der  organischen  Grund- 
substanz aus  der  Mitte  des  Spiculums  ließ  sich  nicht  mit  Genauigkeit 
feststellen.  Die  Auslöschungsrichtung  ist  bei  den  länglichen  Formen 
parallel  zur  Längsachse:  es  ist  also  gerade  Auslöschung  vorhanden. 
Bei  den  zusammengesetzten  Formen  ließ  sich  feststellen,  daß  die 
Auslöschungsrichtungen  nahezu  vollkommen  symmetrisch  zur  Mittel- 
ebene liegen,  und  sie  sich  somit  optisch  genau  so  wie  echte  Zwillings- 
bildungen verhalten. 

Auch  bei  scheinbar  einfachen  Spiculis  wurde  des  öfteren  ein  der- 
artiges Verhalten  gefunden,  das  darauf  schließen  ließ,  daß  in  Wirk- 
lichkeit zusammengesetzte  Formen  vorlagen.  Insbesondere  war  dies 
bei  den  biscuitförmigen  oft  der  Fall. 

Ob  die  Spicula  optisch  ein-  oder  zweiachsig  sind  und  es  sich  dem- 
nach um  Calcit  oder  Arragonit  handelt,  ließ  sich  wegen  ihrer  Klein- 
heit und  der  sich  daraus  ergebenden  Unmöglichkeit,  Schnitte  senk- 
recht zur  optischen  Achse  zu  erhalten,  auf  dem  Wege  der  Untersuchung 
im  convergenten  polarisierten  Licht  nicht  feststellen.  Ebensowenig 
ließ  sich  über  den  Charakter  der  Doppelbrechung,  ob  positiv  oder 
negativ  etwas  aussagen.  —  Die  MEiGENsche  Reaktion  (Kochen  mit 


Beiträge  z.  Koimtnis  d.  histol.  Baues  von  Vorotillum  cynomorium  (Pall.).     577 

Kobaltnitrat)  ergab,  daß  die  anorganische  Substanz  der  Spicula  aus 
Calcit  besteht:  Die  Spicula  färbten  sich  auch  nach  langem  Kochen 
nur  ganz  schwach  hellblau ;  auch  mikroskopisch  war  keine  Veränderung 
der  so  behandelten  Spicula  zu  beobachten. 

Eine  Frage,  die  noch  zu  entscheiden  wäre,  ist  die,  ob  die  zusammen- 
gesetzten Kalkkörper  durch  Teilung  oder  durch  Aneinanderlagerung 
ursprünglich  getrennter  Teile  entstehen. 

Für  die  letztere  Annahme  sprechen  folgende  Tatsachen: 

1.  Kommen  tatsächlich  Zwillingsbildungen  im  mineralogischen 
Sinne  vor,  als  Berührungs  -und  Durchkreuzungszwillinge. 

2.  Finden  wir  manchmal  in  jedem  Teile  eine  eigene  Zentralpartie 
organischer  Grundsubstanz. 

3.  Oft  sind  schon  ganz  kleine  Spicula  aus  mehreren  zusammen- 
gesetzt. 

4.  Entstehen  die  jüngsten  Spicula  stets  in  dichten  Haufen  oder 
Nestern. 

Dagegen  und  für  die  Entstehung  durch  Teilung  sprechen  jedoch 
folgende  Punkte: 

1.  Man  kann  ganze  Reihen  verschiedener  Übergänge  beobachten, 
wie  aus  einem  einfachen  Spiculum  durch  Stärkerwerden  eines  radialen 
Risses  zwei,  aus  einem  Doppelindividuum  ebenso  vier,  sechs,  usw. 
werden. 

2.  Nicht  alle  verhalten  sich  wie  Zwillinge:  Es  kommen  auch  An- 
häufungen von  5  und  7  Individuen  vor,  deren  gemeinsamer  Umriß 
oft  noch  die  frühere  Zusammengehörigkeit  erkennen  läßt. 

3.  Die  Strahlen  scheinen  dann  von  einem  gemeinsamen  Zentrum 
organischer  Grundsubstanz  zu  entspringen. 

Wir  werden  daher  wohl  annehmen  dürfen,  daß  beide  Arten  der 
Bildung  zusammengesetzter  Spicula  nebeneinander  vorkommen  können. 

Entstehung  der  Spicula :  Die  Art  der  Entstehung  der  Kalkkörper- 
chen  als  intracelluläre  Differenzierungen  innerhalb  einer  vom 
Ektoderm  stammenden  Zelle,  eines  »Skleroblasten  <<,  läßt  sich  deutlich 
an  einigen  Schnitten  studieren.  An  der  Stelle  des  Spiculums  befindet 
sich  eine  Lücke  in  der  Mesogloea,  durch  die  Entkalkungsflüssigkeit 
hervorgerufen;  am  Rande  dieser  Lücke  ist  der  Rest  der  Bildungszelle 
mit  ihrem  Kerne  zu  sehen.  —  Das  Wachstum  der  Spicula  geschieht 
durch  Apposition. 

Organische  Grundsubstanz:  In  der  Mitte  solcher  Lücken,  wie  wir 
sie  eben  beschrieben  haben,  finden  wir  einen  Rest  organischer  Grund- 
substanz, der  bei  jungen  Spiculis  noch  genau  die  ovale  oder  biscuit- 


578  Albert  Niedermeyer, 

förmige  Gestalt  erkennen  läßt,  ebenso  die  konzentrische  Faserrichtung. 
Dieser  Best  liegt  bei  größeren  Spiculis  genau  an  derselben  Stelle,  wie 
im  uuentkalkten  Zustande  die  dunkle  Zentralsubstanz. 

KöLLiKER  wirft  die  von  ihm  nicht  entschiedene  Frage  auf,  ob  der 
Rückstand  nur  eine  Cuticula  ist,  wie  bei  anderen  Alcyonarien,  oder 
ob  er  den  ganzen  Kalkkörpern  entspricht.  Nach  allen  meinen  Be- 
obachtungen bin  ich  der  Ansicht,  daß  er  keine  cuticulare  Bildung  ist, 
sondern  bindegewebige  Grundsubstanz,  wofür  auch  der  fibrilläre  Auf- 
bau des  Rückstandes  spricht.  Auch  histologisch  gibt  der  Rückstand  alle 
Reaktionen  des  Bindegewebes,  besonders  deutlich  mit  Pikronigrosin. 

6.  Das  Achsenskelett. 

Bekanntlich  unterscheidet  man  nach  Kölliker  bei  Veretillum 
cynomorium  zwei  Varietäten,  die  var.  astyla,  der  ein  Achsenskelett 
fehlt,  und  die  var.  stylifera,  die  ein  solches  besitzt ;  außer  diesem  variab- 
len Verhalten  besitzt  die  Achse  von  Veretillum  noch  einige  Merkwürdig- 
keiten. Sie  ist  in  jedem  Falle  sehr  klein  und  kümmerlich  entwickelt. 
Balss  (31)  sieht  darin  eine  Anpassung  an  das  Leben  im  bewegten 
Wasser;  demnach  wäre  die  Achse  sekundär  rückgebildet,  doch  könnte 
ihre  mangelhafte  Ausbildung  auch  ein  primitives  Verhalten  darstellen. 
Freilich  ist  es  auch  oft  festgestellt  worden,  daß  Variabilität  gerade 
bei  reduzierten  Organen  auftritt,  doch  kann  man  allein  aus  ihrem 
Auftreten  noch  keinen  Rückschluß  auf  sekundäre  Reduktion  ziehen. 
Jedenfalls  erlaubt  uns  das  Verhalten  der  Achse  weder  nach  der  einen 
noch  nach  der  anderen  Richtung  etwas  Bestimmtes  auszusagen. 

Die  histologische  Struktur  der  Achse  ist  folgendermaßen 
beschaffen:  Es  lassen  sich  an  ihr  drei  Schichten  unterscheiden  (Fig.  20), 
eine  innerste,  der  »Zentralstrang«,  eine  mittlere,  und  eine  äußere. 
Der  Zentralstrang  ist  nicht,  wie  bei  anderen  Korallentieren,  deutlich 
abgegrenzt,  sondern  geht  allmählich  in  die  Mittelsubstanz  über.  Er 
zeichnet  sich  nur  durch  größere  Kompaktheit  aus.  Die  Hornfasern 
sind  hier  sämtlich  longitudinal  angeordnet.  Bei  Pteroeides  habe  ich 
sie  in  konzentrischer  Anordnung  gefunden. 

Die  drei  genannten  Schichten  sind  auf  Querschnitten,  die  in  ver- 
schiedener Höhe  durch  die  Achse  gelegt  werden,  in  sehr  verschiedener 
Ausbildung  wahrzunehmen  und  haben  nicht  überall  gleichmäßig  Anteil 
an  der  Achsensubstanz.  — ■  Auch  bei  der  Achse  von  Veretillum  ist  eine 
Umbiegung  des  oberen  Endes  festzustellen.  Diese  Umbiegung  tritt 
nicht  so  deutlich  in  die  Erscheinung  wie  bei  Formen  mit  wohl  aus- 
gebildetem Achsenskelett,  doch  ist  sie  auf  Querschnitten  durch  das 


Beiträge  z.  Kenntnis  d.  histol.  Baues  von  Veretillum  cynomoriuni  (Fall.).    579 

obere  Ende  der  Achse  schon  bei  schwacher  Vergrößerung  zu  erkennen: 
Man  findet  im  Bindegewebe  die  Achse  doppelt  getroffen,  einmal  mit 
dickem,  einmal  mit  dünnem  Querschnitte. 

Auf  einem  Querschnitte  durch  das  oberste  Achsenende  ist  es 
schwer,  die  einzelnen  Schichten,  die  in  der  mittleren  Höhe  der  Achse 
deutlich  voneinander  unterscheidbar  sind,  gegeneinander  scharf  ab- 
zugrenzen und  richtig  auszudeuten.  Das  liegt  einmal  daran,  daß  die 
beiden  inneren  Schichten  ineinander  übergehen  und  eine  gemeinsame 
Mittelschicht  bilden,  andrerseits  daran,  daß  die  äußere  Schicht,  die 
weiter  unten,  gegen  die  Mittelhöhe  der  Achse  zu,  ausgesprochen  ver- 
hornt ist,  hier  rein  bindegewebigen  Charakter  besitzt  und  durch  zell- 
ähuHche  Elemente  von  der  Mittelschicht  getrennt  ist.  Dadurch  ge- 
winnt die  äußere  Schicht  ein  derartiges  Aussehen,  daß  man  sie  für  eine 
bindegewebige  »Achsenscheide <<  halten  kann,  wie  wir  eine  solche  bei 
Pteroeides  vorfinden,  und  als  ob  die  zellähnlichen  Elemente  dem  dort 
gefundenen  »Achsenepithel  <<  homolog  wären.  Diese  Verhältnisse  lassen 
sich  am  besten  durch  die  Abbildung  auf  Figur  20  erläutern.  Wir  können 
uns  von  ihnen  zwei  Auffassungen  möglich  denken. 

Nach  der  ersteren  wäre  die  mit  c  bezeichnete  Schicht  ein  Teil  des 
Schwammgewebes  der  Rhachis,  a  und  h  das  entodermale  Epithel  der 
zentralen  Hohlräume  des  Kanalsystems;  d  wäre  demnach  die  binde- 
gewebige Achsenscheide,  /  die  Reste  des  Achsenepithels  und  e  die 
Achse  selbst. 

Diese  Auffassung  ist  jedoch,  wie  die  genaue  Verfolgung  der  Schnitt- 
serie  und  die  histologische  Untersuchung  ergibt,  nicht  die  richtige, 
sondern  eine  andere.  Nach  dieser  wäre  c  die  bindegewebige  Achsen- 
scheide, a  und  h  Teile  des  Achsenepithels,  d  die  periphere  Schicht  der 
Achse,  die  hier  zwar  noch  fast  ganz  aus  reinem  Bindegewebe  besteht, 
jedoch  bereits  Spuren  beginnender  Verhornung  aufweist,  wie  die  In- 
tensität der  Färbung  schließen  läßt;  demnach  ist  e  die  Mittelschicht 
der  Achse  mit  dem  Zentralstrauge,  ferner  haben  wir  bei  /  bloß  Spuren 
oder  Reste  von  Zellen  vor  uns,  die  mit  dem  Achsenepithel  nichts  zu 
tun  haben,  sondern  es  handelt  sich  hier  offenbar  um  solche  zellige 
Elemente,  wie  sie  Schneider  (24)  als  >>Spongioblasten<<  bezeichnet 
hat,  von  denen  die  Umwandlung  der  Bindesubstanz  in  Hornsubstanz 
ihren  Ausgang  nimmt.  Eine  Tatsache  von  einer  gewissen  Bedeutung 
ist  das  Vorkommen  von  Spiculis  in  der  peripheren  Schicht  der  Achse 
bei  g.  Ganz  im  Inneren  der  Schicht  e  kann  man  auch  schon  eine  An- 
deutung der  Differenzierung  des  Zentralstranges  erkennen. 

Dafür,  daß  diese  Auffassung    die  richtige  ist,  spricht,  daß  das 

Zeitgclirift  f.  wisseuscli.  Zoologie.    C'iX.  üd.  39 


580  Albert  Niedermeyer, 

Achsenepithel,  wie  die  Untersuchungen  bei  Pteroeides  ergeben  haben, 
den  Charakter  des  Entodermepithels  besitzt,  was  vom  Epithel  bei 
a  und  b  wohl  zutrifft,  aber  keinesfalls  von  den  Zellen  bei  /,  die  aus- 
gesprochen mesenchymatischen  Charakter  besitzt;  ferner  der  Um- 
stand, daß  im  Bindegewebe  der  Mesogloea  im  obersten  Teile  der  Achse 
eine  allmähliche  hornige  Umwandlung  des  Bindegewebes  gegen  die 
Achse  zu  stattfindet,  und  man  kann  beobachten,  daß  diese  umge- 
wandelte Bindesubstanz  sich  direkt  in  die  peripheren  Schichten  der 
Achse  fortsetzt. 

Die  Schichten,  die  wir  am  oberen  Teile  der  Achse  unterscheiden 
können,  haben  also  folgenden  Bau:  Die  äußerste  ist  in  Umwandlung 
begriffene  Bindesubstanz,  in  der  man  konzentrische  Struktur,  Reste 
von  Zellen  und  Spicula  vorfindet.  Die  mittlere  besteht  aus  Fasern, 
die  vorwiegend  in  der  Längsrichtung  verlaufen.  Spicula  kommen 
auch  in  dieser  Mittelschicht  vor.  Ganz  im  Inneren  bemerkt  man  noch 
einen  dünnen  Strang,  in  den  die  Mittelschicht  ohne  scharfe  Grenze 
übergeht. 

Wenn  wir  das  äußerste  umgebogene  Ende  der  Achse  auf  diesen 
Schnitten  untersuchen,  so  bemerken  wir,  daß  die  bindegewebige  Schicht 
fast  den  ganzen  Raum  einnimmt;  in  ihr  finden  wir  deutlich  Spicula, 
und  im  Inneren  einen  dünnen,  seitlich  zusammengedrückten  Strang, 
der  eine  blasig-maschige  Struktur  besitzt.  Auch  in  diesem  Strange 
finden  wir  Zellen  vor;  er  entspricht  der  mit  dem  Zentrais brange  ver- 
einigten Mittelschicht. 

Wenn  wir  die  Schnittserie  nach  abwärts,  gegen  die  Mittelhöhe 
der  Achse  zu  verfolgen,  so  finden  wir,  daß  die  periphere  Schicht  (d)  an 
Ausdehnung  immer  mehr  abnimmt,  je  mehr  wir  uns  der  Mitte  nähern; 
wo  die  Achse  am  stärksten  ist,  ist  die  periphere  Schicht  am  schwächsten. 
Sie  behält  ihre  konzentrische  Struktur  bei,  verhornt  jedoch  mehr  und 
mehr,  und  erscheint  mehr  und  mehr  homogen.  —  In  dem  gleichen 
Maße,  wie  bei  dem  Dicken  Wachstum  der  Achse  der  Anteil  der  peri- 
pheren Schicht  zurücktritt,  wächst  der  der  inneren,  die  sich  deutlich 
in  Mittelschicht  und  Zentralstrang  differenziert.  Diese  beiden  Schich- 
ten sind  also  aus  der  gleichen  Grundlage  hervorgegangen.  Die  Mittel- 
schicht nimmt  in  der  Mittelhöhe  der  Achse  den  größten  Raum  ein. 
Die  Längsfasern,  aus  denen  sie  besteht,  erscheinen  hier  in  radiär  an- 
geordneten Zügen  gruppiert,  die  auch  stellenweise  zwischen  die  kon- 
zentrischen Fasern  der  äußeren  Schicht  treten.  Die  innerste  Schicht, 
der  Zentralstrang,  ist  von  der  Mittelschicht  auch  hier  nicht  mit  scharfer 
Grenze  gesondert,  sondern  der  Übergang  ist  noch  immer  ein  allmäh- 


Beiträge  z.  Kenntnis  d.  histol.  Baues  v-^on  Vcretillum  cynomorium  (Pall.)-    581 

lieber.  Im  Zentralstrange  erscheinen  die  Fasern  etwas  mehr  regellos 
durcheinandergeflochten.  Reste  von  Zellen  sind  im  peripheren  Teile 
der  Mittelschicht  zu  finden.  Ferner  finden  wir  darin  radiäre  Faser- 
züge von  Bindegewebe,  die  offenbar  aus  der  peripheren  Schicht  stammen. 
Die  Achsenscheide  besteht  aus  Mesogloea,  die  hier  den  typi- 
schen welligen  Verlauf  ihrer  Fibrillen  besitzt.  Sie  ist  von  zahlreichen 
Kanälen  durchsetzt,  so  daß  sie  netzartig  aufgelockert  erscheint.  Diese 
Kanäle  sind  ausgekleidet  von  einem  Epithel,  das  durch  die  fast  kubi- 
schen, oft  etwas  blasigen  Zellen  mit  ihren  kreisrunden  Kernen  hin- 
reichend deutüch  als  entodermales  Epithel  zu  erkennen  ist.  In  der 
Mesogloea  finden  sich  die  großen,  oft  polygonalen,  stark  körnigen 
Gallertzellen. 

Das  Achsenepithel  ist  nur  sehr  unvollkommen  erhalten,  doch 
kann  man  nach  allem,  was  sich  beobachten  läßt,  auch  sagen,  daß  seine 
Zellen  den  Charakter  der  entodermalen  Zellen  der  Kanalepithelien 
besitzen.  Seine  Höhe  beträgt  25 — 30  f.i.  Für  die  Beurteilung  der 
morphologischen  Bedeutung  des  Achsenepithels  scheint  mir  folgende 
Tatsache  von  Bedeutung  zu  sein:  Die  periphere  Schicht  der  Achse 
ist  ganz  außen  begrenzt  von  einem  sehr  feinen  Saum,  den  ich  auf  Grund 
der  Untersuchung  mit  der  stärksten  Vergrößerung  nur  als  Basal- 
membran des  Achsenepithels  ansprechen  möchte.  Demnach  wäre 
die  der  Achse  zugewendete  Seite  des  Achsenepithels  als  dessen  basale 
anzusehen  und  somit  die  Anschauung  von  v.  Koch  (6),  daß  die  Achse 
eine  kutikulare  Ausscheidung  des  Achsenepithels  sei,  unhaltbar, 
da  eine  solche  doch  nur  an  der  freien  Epithelseite  entstehen  könnte. 
Daß  es  sich  tatsächlich  so  verhält,  dafür  scheint  mir  der  Umstand  zu 
sprechen,  daß  sich  im  Achsenepithel  zwei  getrennte  Lamellen  nach- 
weisen lassen.  (Fig.  20,  a,  b.)  Somit  fasse  ich  das  Achsenepithel  auf 
als  die  entodermale  Auskleidung  des  Hohlraumes,  in  den  hinein  sich 
aus  der  Bindesubstanz  durch  hornige  Umwandlung  und  nachfolgende 
Kalkeinlagerung  die  Achse  entwickelt;  hierbei  wird  das  Lumen  dieses 
Raumes  ausgefüllt,  und  die  beiden  Entodermlamellen  werden  anein- 
andergedrängt.  Wenn  bei  starker  Entwicklung  der  Achse  das  Epithel 
verschwindet,  so  haben  wir  dann  die  Verhältnisse  vor  uns,  wie  wir  sie 
bei  Funiculina  finden.  Sonach  gäbe  es  keinen  prinzipiellen  Unter- 
schied zwischen  Formen  mit  und  ohne  Achsenepithel. 

Bemerkungen  zu  den  Theorien  über  die  Achsenentstehung. 
Über  die  Theorien  von  v.  Koch  (6)  und  Studer  (12)  ist  in  letzter 
Zeit  so  viel  geschrieben  worden,    daß  es  wohl  nicht  nötig  erscheint, 

39 


682  Albert  Niedermeyer, 

auf  die  bisher  bekannt  gewordenen  Tatsachen  nochmals  einzugehen. 
Hier  möge  diese  Frage  nur  soweit  berührt  werden,  als  es  nötig  ist,  um 
das  Verhalten  von  Veretillum  in  dieser  Hinsicht  klarzustellen.  Ich 
verweise  auf  die  Arbeiten  von  Schneider  (24)  und  Neumann  (36), 
die  sich  mit  der  Achsenfrage  bei  den  Gorgoniden  in  neuerer  Zeit  be- 
schäftigt haben.  Beide  Autoren  sprechen  sich  unbedingt  zu  Gunsten 
der  SxuDERschen  Theorie  aus.  Ob  die  Achsen  der  übrigen  Alcyonarien 
wirklich  den  einheitlichen  Entstehungstypus,  den  die  STUDERsche 
Theorie  fordert,  besitzen,  vermag  ich  nicht  zu  entscheiden,  jedenfalls 
bringt  Neumann  viel  überzeugendes  Beweismaterial  bei ;  für  die  Penna- 
tulaceen  scheint  mir  nach  meinen  bisherigen  Untersuchungen  eine 
derartige  einheitliche  Form  der  Achsenentstehung  festzu- 
stehen. Für  die  Theorie  von  v.  Koch  scheint  ja  freilich  auch  hier 
zunächst  das  Vorhandensein  des  Achsenepithels  zu  sprechen,  aber 
gerade  dessen  genauere  histologische  Untersuchung  zeigt,  wie  bereits 
erwähnt,  daß  es  identisch  ist  mit  dem  Epithel  entodermaler  Kanäle, 
während  es  nach  v.  Koch  ektodermales  Epithel,  das  von  der  Fuß- 
scheibe des  Primärpolypen  aus  ins  Innere  vorgestülpt  ist,  sein  müßte. 
Ferner  sprechen  meines  Erachtens  unbedingt  für  die  Gültigkeit  der 
SxuDERschen  Theorie  für  die  Pennatulaceen  folgende  Punkte: 

1.  Das  variable  Verhalten  der  Achse  von  Veretillmn. 

2.  Das  Vorkommen  von  zwei  Achsen  bei  Veretillum,  das  zuerst 
von  BujOR  (19)  festgestellt  und  von  mir  gleichfalls  mehrmals  beob- 
achtet worden  ist. 

3.  Der  bindegewebige  Charakter  der  peripheren  Schicht,  die  ge- 
wissermaßen die  Grundlage  der  ganzen  Achse  bildet  und  sich  erst 
nach  und  nach  unter  Mitwirkung  zelliger  Elemente  in  Hornsubstanz 
umwandelt. 

4.  Das  Vorkommen  von  Spiculis  in  der  Substanz  der  Achse. 

5.  Das  Verhalten  des  Achsenepithels  und  seiner  Basalmembran. 
So  scheinen  mithin  die  Achsen  der  Pennatulaceen  in  einheitlicher 
Weise  aus  der  Bindesubstanz  zu  entstehen,  und  es  ist  wohl  möglich, 
daß  eine  derartige  Einheitlichkeit  für  die  ganzen  Oktokorallia  gilt. 
R.  Müller  (32)  hat  für  Gorgonac.een  allerdings  vor  kurzem  einige 
entwicklungsgeschichtliche  Tatsachen  beigebracht,  die  für  die  v.  Koch- 
sche  Ansicht  sprechen.  In  Ermangelung  von  entwicklungsgeschicht- 
lichen Beweisen  liefert  aber  für  die  Pennatulaceen  die  histologische 
Untersuchung  ausreichende  Beweise  für  die  Theorie  der  einheitlichen 
mesodermale  n  Achsenentstehung. 


1 


Beiträge  z.  K(>iHi(nis  d.   liistol.  Baues  von  Veretillum  cynomorium  (Fall.).    583 

7.  Das  Kanalsystem. 

Das  Kanalsystem  von  Veretilhim  ist  gut  bekannt  und  von  mehre- 
ren Forschern  beschrieben  worden.  Wir  können  daher  hier  auf  eine 
ausführlichere  Beschreibung  verzichten,  indem  wir  uns  den  Angaben 
von  Kükenthal  und  Broch  anschließen  und  wollen  nur  einige  be- 
sondere Punkte  hervorheben. 

a)  Das  Schwammgewebe  ist  hier  sehr  schwach  entwickelt,  im 
Gegensatze  zu  Pteroeides  griseum;  die  Hohlräume  des  Kieles  sind  ihrer 
Hauptmasse  nach  direkte  Fortsetzungen  der  Gastralräume  von  Po- 
lypen und  Zooiden,  von  denen  die  letzteren  bedeutend  länger  sind 
als  bei  anderen  Pennatuliden ,  was  wir  der  geringv?.ren  Ausbildung  des 
Polymorphismus  zuschreiben.  E.  Musgrave  (30)  spricht  von  einer 
Verschiedenheit  des  Epithels  des  Schwammgewebes  von  dem  der  übrigen 
Kanäle,  indem  die  Zellen  niedriger  sein  und  Drüsenzellen  fehlen  sollen. 
Es  seien  daher  die  Kanäle  des  Schwammgewebes  nicht  als  Ernährungs- 
gefäße  im  Sinne  Köllikers,  sondern  als  »erektile  Gefäße«  anzusehen. 
Die  eine  Beobachtung,  daß  das  Epithel  niedriger  ist,  ist  entschieden 
richtig;  wir  haben  auch  bereits  auf  die  Erscheinung  hingewiesen,  daß 
es  mit  fortschreitender  Kleinheit  der  Kanäle  an  Höhe  abnimmt.  Ich 
vermag  jedoch  nicht  zu  bestätigen,  daß  Drüsenzellen  fehlen  sollen. 
Immerhin  mag  es  möglich  sein,  daß  bei  höher  differenzierten  Formen 
auch  eine  funktionelle  und  histologische  Verschiedenheit  der  Kanäle 
sich  bemerkbar  macht.  Auch  Muskelfasern  fehlen  dem  Epithel  des 
Schwammgewebes  nicht. 

b)  Im  Stiele  sind  die  Kanäle  bekanntlich  dem  Verlaufe  der  muskel- 
tragenden Bindegewebslamellen  entsprechend  angeordnet.  Wir  haben 
hier  mehrere  Lamellensysteme,  radiale  und  transversale,  mit  Längs- 
bzw. Ringmuskulatur.  Bei  den  Radiallamellen  nun  unterscheiden 
KÜKENTHAL  und  Broch  zentrifugale  und  zentripetale  Radiallamellen. 
Diese  Unterscheidung  ist  aber  nicht  völlig  begründet.  Es  lassen  sich 
nämUch  zentrifugale  und  zentripetale  Radiallamellen  nur  unterscheiden, 
wenn  man  einen  einzelnen  Schnitt  untersucht;  dann  erscheinen  die 
zentripetalen  von  der  äußeren  Stielwand  gegen  innen  gerichtet,  und 
erreichen  nicht  die  Ringmuskellage,  und  umgekehrt  die  zentrifugalen 
von  der  Transversallamellenschicht  nach  außen  gerichtet  und  erreichen 
die  Stielwand  nicht  ganz.  Wenn  man  aber  die  Schnittreüie  verfolgt, 
und  sich  einen  Aufriß  der  Lamellen  rekonstruiert,  findet  man,  daß 
eine  und  dieselbe  Lamelle  in  verschiedener  Höhe  bald  als  zentripetale, 
bald  als  zentrifugale  erscheint,  je  nachdem  zwischen  ihr  und  der  äußeren 


584  Albert  Niedermeyer, 

Stielwand  oder  zwisclien  ihr  und  der  Transversallamellenschiclit  sich 
Lücken  befinden.  Die  Lamellen  sind  untereinander  durch  vielfache 
Anastomosen  verbunden, 

c)  Die  vier  Hauptkanäle  reichen  bei  Veretillum  bis  an  das  basale 
Ende  des  Stieles.  Nach  Kükenthal  und  Broch  ist  dies  ein  Verhalten, 
das  im  allgemeinen  den  radiär  gebauten  Pennatulaceen  zukommt. 
Die  Frage,  ob  die  vier  Hauptkanäle  mit  Stielporen  versehen  sind,  ist 
vom  Verfasser  auch  bei  Veretillum  cynomorium  an  einer  lückenlosen 
Serie  von  Längsschnitten  durch  das  untere  Stielende  untersucht  worden. 
Es  hat  sich  aber  hier  nicht  die  geringste  Spur  von  Poren,  wie  sie  an 
Schnitten  von  Pennatula  und  Pteroeides  mit  der  größten  Deutlichkeit 
beobachtet  werden  konnten,  finden  lassen.  Von  Kapp  (1)  sind  zwar 
vier  derartige  Poren  bei  Veretillum  beschrieben  worden,  jedoch  erscheint 
diese  Angabe  sehr  zweifelhaft.  Rapp  gibt  auch  an,  daß  durch  diese 
Poren  Wasser  ausgespritzt  werden  könne,  was  nach  unseren  Anschau- 
ungen (33,  37)  schwerlich  möglich  ist.  Es  kann  nun  sehr  wohl  sein, 
daß  derartige  Stielporen  durchaus  nicht  allen  Pennatulaceen  zukommen 
müssen.  Es  mag  sich  hier  um  ganz  spezielle  Anpassungen  handeln, 
über  deren  biologische  Bedeutung  wir  uns  noch  nicht  ganz  klar  sind. 
Jedenfalls  kann  den  Stielporen,  wie  Verfasser  bei  Pteroeides  hervor- 
gehoben hat,  schwerlich  eine  große  Rolle  bei  der  Wasserbewegung 
zukommen. 

Wenn  wir  derartige  Bildungen  bei  Veretillum  noch  nicht  vorfinden, 
so  können  wir  uns  wohl  die  Frage  vorlegen,  ob  es  sich  hierbei  nicht 
auch  um  ein  primitives  Verhalten  unserer  Form  handelt,  und  es  ist  doch 
sehr  wohl  denkbar,  daß  dies  der  Fall  ist,  und  die  Stielporen  sich  erst 
später  bei  den  Pennatulaceen  entwickelt  haben;  sie  wären  demnach 
kein  primitiver  Besitz  dieser  Ordnung,  sondern  erst  sekundär  mit  ganz 
bestimmten  Anpassungen  erworben.  Dafür  spricht  auch,  daß  ich  bei 
den  nächst  verwandten  Gattungen  Cavernularia  und  Cavernulina  auch 
keine  Stielporen  habe  finden  können;  bei  den  beiden  Arten  Caver- 
nularia obesa  und  elegans  sollen  nach  Kükenthal  allerdings  Poren 
vorhanden  sein,  aber  nur  zwei,  den  beiden  medianen  Hauptkanälen 
entsprechend. 

Die  vier  Hauptkanäle  des  Stieles  lassen  sich  ohne  weiteres  nicht 
als  dorsal,  ventral  und  lateral  erkennen.  Die  lateralen  erkennt  man 
als  solche,  wenn  man  sie  bis  zum  Kiele  verfolgt,  da  sie  sich  dann  von 
der  Medianlinie  entfernen.  Für  die  Unterscheidung  des  dorsalen  vom 
ventralen  Hauptkanal  läßt  sich  kein  Merkmal  angeben;  ein  terminaler 
Primärpolyp,  der  zur  Orientierung  dienen  könnte,  ließ  sich  nicht  fest- 


Beiträge  z.  Kenntnis  d.   liistol.    liiuies  von  Veretilluni  cynoniorium  (Pall.).    585 

stellen,  auch  histologisch  gelingt  es  nicht,  irgendwelche  Unterschiede 
aufzustellen:  Das  Epithel  zeigte  ii\  allen  vier  Kanälen  des  Stieles  das 
gleiche  Verhalten,  und  erwies  sich  als  ein  hohes  Epithel  aus  typischen 
Eutodernizellen  mit  Drüsenzellen  und  einer  recht  kräftigen  Ring- 
niuskelschicht.  Hier  könnte  bloß  die  Entwicklungsschichte  einen 
Aufschluß  geben. 

d)  Die  Septen  der  vier  Hauptkanäle  bestehen  nach  Kölliker 
aus  »fibrillärein  Bindegewebe,  dessen  Fasern  vorwiegend  in  der  Rich- 
tung der  Dicke  verlaufen«,  daneben  kommen  aber  sehr  viele  Längs- 
fasern vor.  Ferner  beschreibt  er  »bindegewebige  Ringfasern  dicht 
unter  dem  Epithel  der  Kanäle«;  dagegen  war  es  ihm  nicht  möglich 
»Muskelfasern  in  den  genannten  Scheidewänden  zu  entdecken  und 
kommt  daher  die  Verdickung  derselben  an  kontrahierten  Stöcken 
einzig  und  allein  auf  Rechnung  der  Elastizität  ihres  Gewebes«.  Hierin 
hat  Kölliker  Unrecht;  es  handelt  sich  bei  den  genannten  Fasern 
nicht  um  Bindegewebs-,  sondern  um  Muskelfasern,  die  auch  als  die 
einzige  Ursache  der  Kontraktilität  anzusehen  sind. 

Innerhalb  der  Septen  der  vier  Hauptkanäle  finden  wir  zusammen- 
hängende Zellstränge,  die  oft  sehr  stark  ausgebildet  sein  können  und 
zu  spaltförmigen  Bildungen  Anlaß  geben,  die  Kükenthal  als  »Intra- 
septalräume«  bezeichnet  und  die  bei  einigen  Pennatulaceen,  nament- 
lich bei  CaveninJaria- Arten  sehr  stark  ausgebildet  sind.  Diese  »Intra- 
septalräume«  sollen  nach  Kükenthal  eine  besondere  Bedeutung  haben, 
indem  man  in  ihnen  möglicherweise  Reste  des  ursprünglichen  Gastral- 
raumes  des  Primärpolypen  erblicken  könne,  derart,  daß  je  zwei  Septen 
des  achtkammerigen  Gastralraumes  sich  durch  Aneinanderlagerung 
zu  einem  Septum  vereinigt  hätten  und  so  nur  vier  Kammern  übrig 
blieben,  und  die  übrigen  als  »Intraseptalräume «  in  den  Septen  der 
Hauptkanäle  zu  suchen  seien.  —  Diese  Annahme  muß  so  lange  als 
unbewiesen  gelten,  als  sich  nicht  entwicklungsgeschichtliche  Tatsachen 
für  sie  anführen  lassen;  vorläufig  aber  steht  sie  im  Widerspruche  zu 
den  Tatsachen,  die  von  Jüngersen  (14)  über  die  Entwicklung  von 
Pennatula  phosphorea  gefunden  worden  sind,  wonach  die  Lateral- 
kanäle Bildungen  eigener  Art  sind,  die  mit  den  medianen  Hauptkanälen 
nichts  zu  tun  haben.  Dieser  Anschauung  schließen  sich  ja  Kükenthal 
und  Broch  auch  sonst  durchwegs  an. 

Die  histologische  Untersuchung  der  Zellen  der  »Intraseptalräume« 
ergab  nun,  daß  die  Zellen  innerhalb  der  Septen  ganz  typische  Gallert- 
zellen sind,  wie  sie  oben  ausführlich  beschrieben  worden  sind.  Das 
Entodermepithel   der  Hauptkanäle   ist  deutlich  verschieden  von  den 


586  Albert  Niedermeyer, 

Intraseptalzellen,  schon  durch  seinen  polaren  Charakter,  während  die 
letzteren  apolar,  mesenchymatisch  sind,  viel  größer  nnd  von  stark 
körnigem,  acidophilen  Inhalte.  Sie  bilden  oft  wenig  regelmäßige 
Stränge,  die  bald  aufhören,  bald  doppelt  verlaufen  und  miteinander 
anastomosieren  können.  Sie  haben  ganz  das  Aussehen  der  in  Figur  16 
abgebildeten  Zellstränge.  Auch  bei  Cavernuluna  piisiUa  war  das 
gleiche  histologische  Verhalten  festzustellen:  Die  Intraseptalzellen 
waren  vom  Entoderm  völlig  verschieden,  stimmten  aber  mit  den  Zellen 
der  Stränge  in  der  Mesogloea  durchaus  überein. 

Somit  läßt  sich  die  Frage,  ob  den  »Intraseptalräumen  <<  eine  tiefere 
Bedeutung  für  die  Entwicklungsgeschichte  zukommt,  auch  auf  bloßem 
histologischem  Wege  lösen,  ohne  daß  wir  gezwungen  wären,  erst  die 
Ergebnisse  der  Entwicklungsgeschichte  abzuwarten:  Von  einem  Zu- 
sammenhange mit  dem  Gastralraume  des  Primärpolypen  kann  hier 
nicht  die  Rede  sein. 

Phylogenetische  Schlußbemerkungen. 

Wie  bereits  in  der  Einleitung  hervorgehoben  worden  ist,  gibt  es 
zwei  Ansichten  über  die  phylogenetische  Stellung  von  Veretillum 
und  den  Pennatulaceen  mit  radiärer  Anordnung  der  Polypen,  von 
denen  die  eine,  vertreten  vor  allem  von  Jungersen  (22)  und  Balss  (31) 
Veretillum  als  eine  abgeleitete  Form  an  das  Ende  des  Systems  stellen 
will,  und  die  Einfachheit  des  radiären  Baues  als  sekundären  Charakter 
ansieht,  während  die  andere,  von  Hubrecht,  Hickson,  v.  Koch,  Wilson 
und  vor  allem  von  Kölliker  vertreten,  die  Veretilliden  an  die  Wurzel 
des  Systems  gesetzt  wissen  will.  Kölliker  nimmt  auf  Grund  der 
Bilateralität  des  inneren  Baues  allerdings  an,  daß  sie  von  bilateralen 
Urformen  abstammen.  Kükenthal  und  Broch  haben  neuerdings  in 
außerordentlich  überzeugender  Weise  dargetan,  daß  tatsächlich  Vere- 
tillum zu  den  primitivsten  Formen  gehört,  und  darauf  ihr  phylogene- 
tisches System  aufgebaut.  Nach  ihnen  ist  es  nicht  einmal  nötig,  mit 
Kölliker  auf  Grund  der  inneren  Bilateralität  eine  Abstammung  von 
noch  primitiveren  bilateralen  Urformen  anzunehmen;  die  radiäre 
Symmetrie,  die  hier  in  Frage  käme,  beruhe  ja  lediglich  auf  der  Fällig- 
keit des  Primärpolypen,  allseitig  Knospen  zu  bilden,  und  dies  müßte 
entschieden  als  primitives  Verhalten  angesehen  werden. 

Obgleich  Kükenthal  und  Broch  ihre  Ansicht  sehr  wohl  stützen, 
erkennen  sie  an,  daß  der  endgültige  Beweis  für  ihre  Anschauungen 
von  der  Entwicklungsgeschichte  erbracht  werden  müßte,  die  bis  jetzt 
jedoch  noch  sehr  wenig  bekannt  ist.     Bei  den  vorliegenden  histolo- 


Beiträge  z.  Kenntnis  d.  histol.  Baues  von  Vcretilluin  cynoniorium  (Pall.).    587 

gischen  und  mikroskopiscli-anatomischen  Untersuchungen  legte  der 
Verfasser  sich  stets  die  Frage  vor,  ob  die  Befunde  dieser  Untersuchungen 
in  irgendeiner  Weise  zur  Klärung  dieses  Problems  beizutragen  ver- 
möchten, sei  es  nach  der  einen,  sei  es  nach  der  anderen  Richtung. 
Tatsächlich  ist  es  auch  möglich  gewesen  und  die  gefundenen  Tatsachen 
waren,  wie  an  den  betreffenden  Stellen  stets  hervorgehoben  worden  ist, 
ist,  immer  Stützen  der  von  Kükenthal  und  Broch  vertretenen  An- 
schauungen und  keine  einzige  Beobachtung  sprach  gegen  diese.  Als 
weiteres  Ergebnis  der  vorüegenden  Untersuchungen  erscheint  ferner 
dem  Verfasser  dies,  daß  ein  prinzipieller  Unterschied  im  histologischen 
Bau  zwischen  den  Octocorallia  und  den  Hexacorallia  gar  nicht 
besteht  und  daß  die  histologischen  Charaktere,  die  bei  letzteren  ge- 
funden worden  sind,  auch  den  ersteren  nicht  fehlen,  sondern  nur  wegen 
der  größeren  Feinheit  und  der  Kleinheit  aller  Einzelheiten  viel  schwerer 
zu  beobachten  sind.  Es  müßte  besonders  interessant  sein,  die  primi- 
tivsten, koloniebildenden  Aktinien,  die  Zoantheen,  nach  dieser  Rich- 
tung hin  ganz  genau  auf  ihr  histologisches  Verhalten  zu  untersuchen. 
Es  ließe  sich  sehr  wohl  denken,  daß  von  Formen,  die  den  Zoantheen 
nahe  stehen,  sich  beide  Stämme,  die  Aktinien,  wie  die  Alcyonarien 
nach  divergenten  Richtungen  entwickelt  haben.  Insofern  dürften  wir 
wohl  auch  deutlichere  Anklänge  an  den  Bau  der  Aktinien  bei  Alcyo- 
narien als  primitives  Merkmal  beurteilen  können.  Der  Wert  eingehender 
histologischer  Untersuchungen  für  die  Lösung  derartiger  Probleme 
scheint  dem  Verfasser  nicht  gering  anzuschlagen  zu  sein  und  vor  allem 
dort,  wo  der  Mangel  an  entwicklungsgeschichtlichen  Kenntnissen  uns 
hindert,  phylogenetische  Spekulationen  sicher  zu  begründen,  vermag 
auch  die  Histologie  noch  einige  Beiträge  zur  Lösung  derartiger  Fragen 
zu  liefern. 

Breslau,  im  Oktober  1913. 


Literaturverzeichnis  S 

1.     1829.     M.  W.  Rapp,  Untersuchungen   über   den   Bau   einiger    Polypen   des 
Mittelländischen  Meeres. 
Nova  Acta  Acad.  Caes.  Leop.  Car.     Bd.  XIV.     2.  S.  643. 


1  Während  des  Druckes  vorliegender  Arbeit  sind  einige  Abhandlungen 
erschienen,  auf  die  hier  nicht  mehr  eingegangen  werden  konnte.  Öie  sollen  in 
einer  späteren  Arbeit  Berücksichtigung  finden. 


588  Albert  Niedermeyer, 

2.  1841.     W.  Erdl,  Über  die  Organisation  der  Fangarme  der  Polypen.    Mül- 

lers Archiv  f.  Anat.  u.  Physiologie.     1841.     S.  423. 

3.  18G5.     A.  V.  KÖLLIKER,  Icones  histiologicae.     2.  Abt.     Leipzig. 

4.  1872.     —  Anatomisch-systematische    Beschreibung    der   Alcyonarien.      Die 

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5.  1872.     P,  Pancbri,  Gli  organi  luminosi  e  la  luce    delle    Pennatule.      Atti 

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8.  1883.     E.  B.  Wilson,  The  development  of  Renilla.     Phil.  Trans.  Roy.  Soc. 

9.  1884.     —  The  mesenterial  filaments  of  the  Alcyonaria.     Mitt.  zool.   Stat. 

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13.  1888.     C.  Vogt   und   E.  Young,  Lehrbuch   der   praktischen  vergleichenden 

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Vol.  IX.    Notes  et  Revue  Nr.  4. 

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Jena,  Gustav  Fischer. 

21.  1904.     S.  J.  HicKSON,  Polymorphism  in  the  Pennatulida,   Rep.  73.   Meeting 

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23.  1904.     A.  Pütter,  Die  Flinmierbewegung.     Ergebnisse  der  Physiologie. 

24.  1905.     A.  Schneider,  Das  Achsenskelett  der  Gorgoniden.    Arch.  f.  Naturg. 

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25.  1905.      Edith  M.  Pratt,  The  digestive  organs  of  the  Alcyonaria  and  their 

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Vol,  XLIX. 


Beiträge  z.  Kenntnis  d.  lii.stol.  Baues  von  Verotilluin  cynonioiinin  (Pall.).    589 

26.  190G.     H.  Reinhakdt,   Übor  tlen  foinoron  Bau  einiger  Nephthyiden.    Jenai- 

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28.  1908.     —  Vergleich  des  Nervensystems  der  Octocorallia  mit  dem  der  Hexa- 

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33.  1911.     A.  Niedermeyer,  Studien   über   den    Bau   von    Pteroides   griseum 

(Bohadsch.).     Arb.  zool.  Inst.  Wien.     Bd.  XIX.     Hft.  1. 

34.  1911.     W.  Kükenthal  und  Hj.  Broch,  Pennatulacea.     In:  Wiss.  Erg.  der 

Deutschen  Tiefsee-Expedition. 

35.  1911.     B.  Cylkowski,  Untersuchungen    über    den    Dimorphismus    bei    den 

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3t).     1911.     H.  Neumann,  Untersuchungen  über  die  Bildung  des  Achsenskelettes 
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von  Pennatula  und  Pteroeides.     Zool.  Anz. 

38.  1912.     R.  F.  Fuchs,  Die   physiologische   Funktion   des    Chromatophorensy- 

stems   als   Organ   der  physikalischen  Wärmereguherung   der    Poikilo- 
thermen.     Sitzber.  d.  physik.  med.  Societät  in  Erlangen.     Bd.  XLIV. 

39.  1913.     A.  Niedermeyer,  Über  einige  histologische  Befunde  an  Veretillum 

cynomorium.     Zool.  Anz.     Bd.  XLIII. 


Erklärung  der  Abbildungen. 

Tafel  XIV  und  XV. 

Fig.  1.  Ektodermepithel  des  Coenenchyms  (Übersichtsbild).  Krypten- 
artige  Vertiefungen  des  Epithels.     Leitz,  Obj.  5,  Oc.  0. 

Fig.  2.  Teil  des  Ektodermepithels  vom  ('oenenchym,  stärker  vergrößert. 
Goldchloridpräparat,  Seibert,  Obj.  V,  Oc.  2. 

dz,  Deckzelle;  sz,  Sinneszelle;  drz,  Drüsenzelle;  bz,  Becherzelle;  mf,  Muskelfasern; 
ns,  Nervenschicht;  mg,  Mesogloea,  et,  Crusta. 

Fig.  3.      Einzelne    Üeekzellen   vom  Kktodermepithel.      Leitz,   Obj.  9,  Oc.  2. 

Fig.  4.  Ektodermepithel  von  einem  Polypententakel.  Goldchloridpräparat, 
Zeiss,  Obj.  F,  Oc.  2.  cn,  Nesselkapsel;  cn^,  Cnidoblast ;  ggl,  Ganglienzelle;  m, 
Muskulatur. 


590      Albert  Niedermeyer,  Beiträge  zur  Kenntnis  des  histol.  Baues  usw. 

Fig.  5.  Ektodermepithel  vom  Schlundrohr.  Goldchloridpräparat.  Leitz, 
Obj.  9.  Oc.  2.     mf,  Muskelfasern. 

Fig.  6.  Ektodermepithel  vom  Stiel;  papillenförmige  Erhebungen.  Gold- 
chloridpräparat, Leitz,  Obj.  5,  Oc.  5.     gz,  Gallertzellen. 

Fig.  7.  Entodermepithel  vom  Schlundrohr.  Goldchloridpräparat,  Leitz, 
Obj.  9,  Oc.  1.     ns,  Nervenschicht;  mfs,  Muskelfaserschicht. 

Fig.  8.     Tentakel  eines  Polypen,  ausgestreckt.    Nesselwülste.    Vergr.  12  :  1. 

Fig.  9.  Tentakel  eines  Polypen,  etwas  kontrahiert.  In  der  Mesogloea 
deutüche  Falten.     Zeiss,  Apochromat   16  mm,  Compens.-Oc.  Nr.  2. 

Fig.  10.  Längs-  und  Ringmuskulatur  von  einem  Tentakel.  Macerations- 
präparat.     Zeiss,  Apochromat  4  mm,  Oc.  4. 

Fig.  11.  Ganglienzelle  aus  der.  Nervenschicht  eines  Tentakels.  Goldchlorid- 
präparat.    Zeiss,  homog.  Immersion  2  mm,  Compensationsocular  18. 

Fig.  12.  Ektoderm  und  Entoderm  vom  Mauerblatte  eines  Polypen,  ect, 
Ektoderm;  ent,  Entoderm;  mg'^,  äußere;  mg^,  innere  Mesogloealamelle. 

Fig.  13.  Querschnitt  durch  ein  dorsales  Mesenterialfilament  eines  Polypen. 
Leitz,  Obj.  7,  Oc.  5.     jz,  Flimmerzellen;  Wz,  WiLSONsche  Zellen. 

Fig.  14.  Querschnitt  diu-ch  ein  ventrales  Mesenterialfilament.  Leitz, 
Obj.  7,  Oc.  1. 

Fig.  15.  Stück  eines  Flachschnittes  durch  die  Längsmuskulatm*  des  Stieles. 
Nervenplexus.  Goldchlorid,  Leitz,  Obj.  9,  Oc.  1.  gz,  Gallertzellen;  ggl,  GangUen- 
zellen. 

Fig.  16.  Stück  aus  dem  Innern  eines  Querschnittes  durch  den  Stiel.  Leitz, 
Obj.  5,  Oo.  5.  ep.  Epithel  des  Hauptkanals;  ns,  Nervenschicht;  m.fs,  Muskel- 
faserschicht; gs,  Grenzschicht  der  Mesogloea;  mg,  Mesogloea;  gz,  GaUertzellen. 

Fig.  17.  Gallertzellen  aus  der  Mesogloea  des  Stieles,  a.  mit  ausgedehnten 
Fortsätzen,  b.  mit  eingezogenen  Fortsätzen.    Leitz,  Obj.  9,  Oc.  2. 

Fig.  18.  Verschiedene  Formen  von  Spicula.  Zeiss  ,  Apochromat  4  mm, 
Oc.  4. 

Fig.  19.  Kleine  Spicula  aus  dem  Stielinnern.  Zeiss,  Apochromat  4  mm, 
Oc.  4. 

Fig.  20.  Querschnitt  durch  das  obere  Ende  der  Achse  und  ihre  Umgebung. 
Leitz,  Obj.  2,  Oc.  5. 


I 


Zur  Kenntnis  des  Nervensystems  der  Myopsiden. 

Von 
Boris  Schliaflf 

aus  St.  Petersburg. 
(Aus  dem  Zoologischen  Institut  der  Universität  Heidelberg.) 

Mit  Tafel  XVI— XVIU. 


L  Einleitung 591 

II.  Literatur 593 

III.  Das  Centralnervensystem 594 

IV.  Nerven  des  Ganglion  cerebrale 600 

V.  Nerven  des  Ganglion  viscerale      603 

VI.  Nerven  des  GangUon  pedale      614 

VII.  Nerven  des  Ganglion  brachiale 618 

VIIL  Das  sympathische  Nervensystem 621 

Literatm'verzeichnis 627 

Erklärung  der  Abbildungen 628 


I.  Einleitung. 

Von  meinem  hochverehrten  Lehrer,  Herrn  Professor  Bütschli, 
auf  die  Lückenhaftigkeit  imsrer  Kenntnisse  über  das  Nervensystem 
der  Cephalopoden  aufmerksam  gemacht,  beschloß  ich  im  Sommer 
1912  das  Nervensystem  der  Familie  der  Myopsidae  einer  möglichst 
gründlichen  Bearbeitung  zu  unterziehen.  Zuerst  hatte  ich  die  Absicht, 
die  Vertreter  der  Gattungen  Sefia,  Sepiola  und  Loligo  zu  untersuchen ; 
als  aber  im  Herbst  1912  die  ausgezeichnete  Arbeit  von  R.  Hillig  über 
das  Nervensystem  von  Sefia  officinalis  L.  erschien,  beschränkte  ich 
mich  auf  die  beiden  letztgenannten  Gattungen.  Von  den  Loligo- 
Arten  habe  ich  die  Art  Loligo  marmorae  Ver.  und  von  den  vielen  Arten, 
in  welche   Sepiola  rondektti  Leach  neuerdings  ^  aufgelöst  worden  ist, 

1  Naef,  Teuthologische   Notizen.      Zoolog.    Anzeiger.      Bd.  XXIX.      Nr.  7 
vom  12,  März  1912. 


592  Boris  Schkaff, 

Sepietta  minor  Naef  gewählt,  da  diese  beiden  Aiten  wegen  ihrer  ge- 
rin^^en  Größe  sich  zur  mikroskopischen  Untersuchung  besonders  gut 
eigneten. 

Das  Material  stammte  ausschließlich  aus  dem  Golfe  von  Neapel 
und  war  von  mir  selbst  fixiert  worden.  Als  Fixierungsmittel  wurden 
angewandt:  Sublimatessigsäure  (95  Teile  gesättigter  Sublimat-See- 
wasserlösung und  5 — ^20  Teile  Eisessig),  Pikrinsalpetersäure,  4%iges 
Formol  (in  Seewasser  gelöst),  Alkohol-Eisessig  (3  T.  Alk.  absol.  und 
1  T.  Eisessig).  Alle  diese  Flüssigkeiten  gaben  mehr  oder  minder  brauch- 
bare Resultate.  Die  Untersuchung  geschah  hauptsächlich  an  Schnitt- 
serien nach  allen  drei  Hauptrichtungen,  besonders  an  Querschnitt- 
serien; zum  Teil  habe  ich  auch  die  Methode  der  anatomischen 
Zergliederung  angewandt.  Die  Schnittdicke  betrug  bei  der  großen 
Mehrzahl  der  Serien  15  ju,  da  diese  sich  als  die  geeignetste  erwies.  Vor 
der  Einbettung  wurden  den  Tieren  die  Augenlinsen  herausgenommen,  da 
sie  sich  in  Paraffin  kaum  schneiden  lassen  und  das  Messer  beschädigen. 
Von  Färbungen  habe  ich  folgende  angewandt: 

A.  Färbungen  in  toto  mit  1)  Boraxcarmin-Chromhämatoxylin 
(nach  Schubeeg)!;  die  Objekte  kamen  dabei  successive  auf  je  24  Stun- 
den in  Boraxcarmin,  in  salzsauren  Alkohol,  in  V6%  wässerige  Lösung 
von  Hämatoxylin  vmd  in  V2%  Lösung  von  chromsaurem  Kali,  und 
2)    mit    Borax-Carmin,    Osmiumsäure,   Holzessig    (nach   Schuberg  ^); 

B.  Schnittfärbungen  mit  3)  Eisenhämatoxylin,  Säurefuchsin- Pikrin- 
säure (nach  Weigert-van  Gieson)  und  4)  Säurefuchsin,  Anilinblau, 
Orange  (nach  Mallory). 

Besonders  die  erste  und  die  dritte  Methode  gaben  sehr  gute  Re- 
sultate; die  erste  hat  wohl  den  Vorzug  größerer  Bequemlichkeit.  — 
Die  Färbung  der  Schnitte  mit  Methylenblau  nach  Bethe  versagte 
dagegen  vollständig. 

Um  Mißverständnissen  vorzubeugen,  bemerke  ich  hier,  daß  ich 
bei  der  folgenden  Beschreibung  die  physiologische,  nicht  aber  die  mor- 
phologische Orientierung  des  Cephalopodenkörpers  gelten  lassen  werde. 
Die  Trichterseite  wird  also  als  Bauch-,  die  Schulpseite  als  Rücken  be- 
zeichnet werden;  der  Kopf  liegt  vorn,  die  Eingeweidesaokspitze  hinten. 
—  Nach  dem  Vorgang  der  neueren  Autoren  (Chun,  Hillig,  Meyer) 
werde  ich  für  die  Bezeichnung  der  Ganglien,  Commissuren  und  Nerven 
nur  lateinische  Namen  anwenden. 


1  ScHUBERO,  Zoologisches  Praktikum.     Bd.  I.     1910. 


Zur  Kenntnis  des  Nervensystems  der  Myopsiden.  593 

11.  Literatur. 

Die  Literatur  über  das  Nervensystem  der  Cephalopoden  ist  ziem- 
lich umfangreich  und  recht  verstreut;  ein  sehr  ausführliches  Ver- 
zeichnis derselben  ist  der  oben  genannten  Arbeit  von  R.  Hillig  bei- 
gefügt, freilich  werden  darin  viele  Werke  zitiert,  die  zu  dem  Gegen- 
stand nur  eine  sehr  indirekte  Beziehung  haben.  Indem  ich  hier  auf 
dieses  Verzeichnis  und  auf  die  kurze  Literaturübersicht  im  Anfange 
der  Arbeit  von  Hillig  verweise,  bemerke  ich  nur,  daß  über  das  Nerven- 
system der  uns  hier  näher  interessierenden  Gattungen  Sepiola  und 
Loligo  bis  jetzt  folgende  Arbeiten  existieren: 

A.  Über  S epiola. 

1.  Die  Arbeit  von  Dietl  (1878);  sie  behandelt  fast  ausschließlich 
das  Centralnervensystem ;  die  beigefügten  Abbildungen  sind  sehr 
schematisch  und  zum  Teil,  wie  weiter  unter  gezeigt  werden  soll 
sehr  ungenau. 

In  der  Arbeit  von  Pelseneer  (1888)  finden  wir  eine  schema- 
tische Zeichnung  des  Gehirns  von  Sepiola  von  der  Seite.  Sonst 
geht  Pelseneer  auf  das  Nervensystem  der  Sepiola  nicht    ein. 

B.  tJhev  Loligo. 

1.  Die  Arbeit  von  Cheron  (1866)  enthält  unter  anderm  eine  Be- 
schreibung des  Nervensystems  von  Loligo  vulgaris. 

2.  Williams  (1909)  beschreibt  das  Nervensystem  von  Loligo  pealii, 
einer  nordamerikanischen  Art. 

Außerdem  finden  wir  noch  einige  kurze  Bemerkungen  über  das 
Nervensystem  von  Loligo  vulgaris  in  den  Arbeiten  von  Jhering  (1877) 
und  Brock  (1880). 

Es  existiert  also  bis  heute  nur  eine  Arbeit  über  das  Nervensystem 
von  Se'piola  rondeletti  Leach,  die  dabei  nur  einen  kleinen  Teil  des  Gegen- 
standes behandelt;  über  das  Nervensystem  von  Loligo  marmorae  Ver. 
liegen  gar  keine  Untersuchungen  vor;  auch  die  Darstellungen  von 
Cheron  und  Williams,  die  den  nahestehenden  Arten  Loligo  vulgaris 
und  L.  pealii  gelten,  sind  ziemlich  kurz  und  entbehren  fast  der  Ab- 
bildungen. 

Was  die  übrige  Literatur  betrifft,  so  war  für  mich  von  großer 
Wichtigkeit  besonders  die  schon  genannte  Arbeit  von  Hillig  (1912), 
in  welcher  das  Nervensystem  von  Sepia  officinalis  sehr  ausführlich 
beschrieben  ist.     Leider  hat  aber  der  Verfasser  nur  die  Methode  der 


594  Boris  Schkaff, 

makroskopisclien  Präparation  benutzt,  ohne  sie  durcli  die  Unter- 
suchuno- von  Schnittserien  zu  ergänzen;  daher  vermochte  er  über 
einige  interessante  Fragen  keinen  Aufschluß  zu  geben  ^. 

III.  Das  Centralnervensystem. 

Das  Centralnervensystem  (»Gehirn«  der  Autoren)  ist  bei  Sefiola 
rondeletti  und  bei  Loligo  marmorae  höchst  ähnlich  gebaut.  Es  setzt 
sich  wie  bei  allen  dibranchiaten  Cephalopoden  aus  vier  Ganglien  zu- 
sammen, die  den  Ösophagus  kurz  nach  seinem  Austritt  aus  dem  Schlund- 
kopf umgeben  und  miteinander  teils  direkt  verwachsen,  teils  durch 
Commissuren  verbunden  sind.  Über  dem  Oesophagus  liegt  das  Gan- 
glion cerebrale,  unter  dem  Oesophagus  liegen  hintereinander  drei 
Ganglien,  vorn  das  Ganglion  brachiale,  in  der  Mitte  das  Ganglion 
pedale  oder,  wie  es  auch  bezeichnet  wird,  das  Ganglion  infundibulare, 
hinten  das  Ganglion  viscerale  (Taf.  XVII,  Taf.  XVIII,  Fig.  la).  Jedes 
von  diesen  vier  Ganglien  ist  durch  Verwachsung  von  je  ein  Paar  Gan- 
glien entstanden,  doch  läßt  sich  die  Doppelnatur  an  den  G.  cerebrale, 
G.  pedale  und  G,  viscerale  nur  undeutlich  erkennen;  dagegen  zeigt  sie 
das  Ganglion  brachiale  sehr  deutlich  (Taf.  XVIII,  Fig.  2«,  Fig.  3). 

Die  drei  ventralen  Ganglien  bestehen  aus  einer  centralen  Faser- 
masse und  einer  Rinde  von  Ganglienzellen  verschiedener  Größe.  Der 
Bau  des  Ganglion  cerebrale  ist  viel  komplizierter,  worüber  unten  aus- 
führlich die  Rede  sein  wird.  Alle  Ganglien  sind  von  einer  bindegewebi- 
gen Membran  umhüllt;  außerdem  wird  das  Centralnervensystem  mit 
Ausnahme  des  Ganglion  brachiale  vom  becherförmigen  Kopfknorpel 
geschützt  (»Schädelkapsel«),  welcher  das  Gehirn  dorsal,  anal  und 
zum  Teil  ventral  umfaßt;  die  Ventralseite  des  Ganglion  pedale  ruht 
zum  Teil  auf  demselben,  zum  Teil  aber  auch  auf  dem  Statocystenknorpel, 
welcher  ja  eigentlich  einen  Teil  des  Kopfknorpels  bildet;  die  Ventral- 
seite des  Ganglion  viscerale  liegt  in  ihrer  ganzen  Ausdehnung  dem 
Statocystenknorpel  auf.  Dagegen  hat  das  Ganglion  brachiale  keine 
Beziehungen  zum  Kopfknorpel:  seine  Ventralseite  ruht  auf  der  starken 
ventralen  Muskulatur  des  Kopfes,  da  der  Kopfknorpel  nach  vorn  nur 
ungefähr  bis  zu  der  Stelle  reicht,  wo  die  Commissura  brachiopedalis 
aus  dem  G.  pedale  austritt  (vgl.  Taf.  XVIII,  Fig.  la). 


1  Als  diese  Arbeit  schon  abgeschlossen  war,  erschien  im  August  1913 
eine  ausführliche,  ebenfalls  ausschließlich  makroskopische  Untersuchung  von 
K.  Richter  über  das  Nervensystem  der  Oegopsiden.  Ich  nehme  auf  diese 
Arbeit  in  Anmerkungen  unter  dem  Text  Bezug. 


Zur  Kenntnis  des  Nervensystems  der  Älyopsidcn.  595 

Die  Veibiudungen  zwischen  den  einzelnen  Ganglien  des  Central- 
nervensystems  sind  folgende: 

1)  Das  Ganglion  cerebrale  verwächst  mit  dem  Ganglion  pedale 
in  der  ganzen  Ausdehnung  desselben  und  mit  seinem  hintersten  Ab- 
schnitt auch  mit  dem  vordersten  Teil  des  Ganglion  viscerale.  Ich 
hebe  diesen  Umstand  hervor,  weil  Bütschli  (1912,  S.  530)  bemerkt: 
»Infundibular-  und  Visceralganglion  (der  Cephalopoden)  sind  mit  dem 
Cerebralganglion  seitlich  in  ganzer  Ausdehnung  verwachsen.«  Das 
trifft  für  Sepiola  und  Loligo  (vgl.  Taf .  XVII)  jedenfalls  nicht  zu,  und 
auch  nicht  für  Sepia  officinalis,  wie  ich  mich  an  Schnitten  überzeugen 
konnte  und  wie  man  es  auch  aus  der  Arbeit  Hilligs  ersieht  (Taf.  VIII). 

In  dieser  (aber  nicht  in  seiner  ganzen)  Ausdehnung,  wie  es  z.  B. 
Stieda  (1874)  fälschlich  für  Sej)ia  officinalis  behauptet,  bildet  das 
Centralnervensystem  einen  den  Oesophagus,  die  zwei  Arteriae  cephalicae 
und  den  Ausführungsgang  der  hinteren  Speicheldrüsen  vollkommen 
umschließenden  Ring. 

Die  Markmassen  der  Ganglion  cerebrale  und  Ganglion  pedale  werden 
jederseits  durch  einen  außerordentlich  mächtigen  Faserstrang  ver- 
bunden, den  wir  als  Commissura  cerebropedalis  bezeichnen  werden 
( »Commissura  lateralis«  von  Hillig,  »Commissure  posterieure <<  von 
Cheron).  Die  Fasern  dieser  Commissur  entspringen  in  den  Lobus 
basalis  anterior  und  Lobus  basalis  posterior  ^  (s.  unten)  des  Ganglion 
cerebrale,  steigen  an  beiden  Seiten  des  Oesophagus  hinab  und  treten 
in  das  Ganglion  pedale  ein.  Diese  Commissur  steht  in  enger  Beziehung 
zu  den  beiden  hochwichtigen  Nerven  des  Ganglion  cerebrale,  dem 
Nervus  opticus  und  dem  Nervus  staticus,  wovon  weiter  unten  die  Rede 
sein  wird.  Nahe  ihrem  Hinterende  entspringt  aus  der  Markmasse  des 
G.  cerebrale  auf  jeder  Seite  ein  kurzer  Faserstrang,  der  schräg  nach 
unten  und  nach  außen  verläuft  und  sofort  in  die  vorderste  seitliche 
Ecke  des  Ganglion  viscerale  eintritt,  da  wo  es  mit  dem  G.  pedale  ver- 
wächst. Diesen  Strang  bezeichne  ich  als  Commissura  cerebrovisceraUs 
(Taf.  XVIII,  Fig.  2d;  cotrim. cer.visc).  Es  sei  hier  noch  betont,  daß 
diese  beiden  Commissuren  innerhalb  und  nicht,  wie  etwa  die  später 
zu  erwähnenden  Commissura  cerebrobrachialis  und  Commissura  cere- 
brobuccalis  außerhalb  des  Gehirns  verlaufen,  ein  Umstand,  den  die 
Autoren  nicht  ausdrücklich  hervorheben. 

2)  Das  Gaughon  pedale  und  das  Ganglion  viscerale  hängen  an 
ihren  Außenseiten  zusammen,  dagegen  sind  diese  beiden  Ganghen 


1  Ebenso  Richter,  S.  297. 
Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.  CIX.  Bd.  40 


596  Boris  Schkaff, 

in  der  Mitte  durch  eine  dünne  knorpelige  Membran,  die  sich  vom 
statischen  Knorpel  an  der  Grenze  zwischen  den  beiden  Ganglien  nach 
oben  erhebt,  vollkommen  voneinander  getrennt.  Sagittal schnitte 
durch  das  Centralnervensystem  (Taf.  XVIII,  Fig.  la  u.  b)  zeigen  diese 
Verhältnisse  sehr  deutlich:  an  den  medianen  Sagittalschnitten  er- 
scheinen die  beiden  Ganglien  durch  die  erwähnte  knorpelige  Membran 
getrennt,  an  den  seitlichen  dagegen  zusammenhängend.  Ganz  ähnlich 
liegen  die  Verhältnisse  bei  Sepia  ofjicinalis  (vgl.  Owsjannikow  und 
KowALEVSKY  (1866),  Taf.  III,  Fig.  1).  Die  Markmassen  beider 
Ganglien  werden  jederseits  durch  je  einen  sehr  kurzen  lateralen  Faser- 
strang verbunden  [Commissura  visceropedalis  =  >>connectif  pleural« 
von  Pelseneer  (1888),  Taf.  XVIII,  Fig.  2d,  comm.viscped.]. 

3)  Das  Ganglion  brachiale  ist  mit  dem  Ganglion  pedale  durch  eine 
ziemlich  lange  (bei  Sefiola  ist  sie  verhältnismäßig  länger  als  bei  Loligo) 
und  sehr  starke,  median  verlaufende,  unpaare  Commissur  verbunden 
(Commissura  brachiopedahs ;  Taf.  XVII,  Taf .  XVIII,  Fig.  la;  comm. 
hr.fed.).  Es  ist  wohl  bekannt,  daß  die  Beziehungen  dieser  beiden 
Ganglien  zueinander  in  der  Reihe  der  Dibranchiaten  verschieden  sind: 
während  sie  bei  Octopus  vollständig  miteinander  verschmolzen  sind 
und  bei  Sepia  dicht  aneinanderliegen,  sind  sie  bei  Loligo  und  bei  Sepiola 
ziemlich  weit  voneinander  getrennt  und  durch  eine  lange  Commissur 
verbunden,  ein  Verhältnis,  das  natürhch  an  Sagittal-  und  Horizontal- 
schnitten  besonders  klar  hervortritt,  aber  auch  an  Querschnittserien 
deutlich  zu  erkennen  ist.  Um  so  mehr  muß  es  überraschen,  daß  Dietl 
in  seiner  Fig.  31,  welche  einen  medianen  Sagittalschnitt  durch  das 
Centralnervensystem  von  Sepiola  darstellt,  beide  Ganglien  dicht  an- 
einanderliegend zeichnet  (die  Beschreibung  im  Text  ist  unklar).  Da- 
gegen bringt  die  von  Pelseneer  gegebene  Abbildung  (1888,  Taf. 
XXXVII,  Fig.  4)  das  Verhältnis  beider  Ganglien  zueinander  richtig 
zur  Anschauung. 

4)  Das  Ganglion  viscerale  entsendet  von  seinem  vorderen  Teile 
zwei  Faserstränge  nach  vorn,  welche  das  GangHon  pedale  lateroventral 
durchziehen  und  in  die  Commissura  brachiopedahs  einmünden,  an 
der  Stelle,  wo  diese  aus  dem  Ganglion  pedale  austritt.  Die  Fasern  ver- 
laufen dann  mit  der  Commissura  brachiopedahs  weiter  nach  vorn  und 
treten  in  das  Ganglion  brachiale  ein.  Diese  Commissur,  die  wir  als 
Commissura  brachiovisceralis  bezeichnen  werden,  entspricht  der  Com- 
missura longitudinalis,  die  Haller  (1912)  bei  Eledone  gefunden  hat; 
Haller  behauptet  aber  irrtümlich,  sie  sei  von  allen  früheren  Autoren 
übersehen  worden.     Das  ist  insofern  nicht  richtig,  als  sie  schon  von 


Zur  Kennt  iiis  des  Nervensystems  der  Myopsiden.  597 

Pelseneer  (1888)  bei  Octopus  unter  dem  Namen  Commissura  pleuro- 
bracliialis  beschrieben  und  abgebildet  worden  ist  (Pelseneer,  Taf. 
XXXVIII,  Fig.  26.    (Vgl.  auch  Lang  [1900]). 

5)  Endlich  ist  noch  das  Ganglion  cerebrale  mit  dem  Ganglion 
brachiale  durch  eine  paarige  Connnissur  verbunden  (Commissura  cere- 
brobrachialis;Taf.XVII,  comm. cer.hr ach.);  dieselbe  entspringt  im  Lobus 
frontalis  inferior  des  Ganglion  cerebrale,  verläuft  seitlich  vom  Oeso- 
phagus nach  vorn  und  ventral  und  tritt  in  den  Hinterrand  des  Gan- 
glion brachiale  ein.  Kurz  vor  der  Eintrittsstelle  dieser  Commissur 
zweigt  sich  von  ihr  die  schräg  nach  oben  und  nach  vorn  verlaufende 
Commissura  brachiobuccalis  ab. 

Wir  wenden  uns  nun  zur  Betrachtung  der  einzelnen  Ganglien  des 
Centralnervensystems . 

Das  GangHon  cerebrale  ist  mächtig  entwickelt  und  zeigt,  dorsal 
betrachtet,  eine  etwa  birnförmige  Gestalt ;  der  breitere  Teil  liegt  hinten, 
der  schmälere  vorn;  dabei  liegt  der  hintere  Teil  etwas  höher  als  der 
vordere.  Auf  Schnitten  durch  das  Ganglion  cerebrale  kann  man  eine 
Anzahl  verschiedener  Abschnitte  (Lobi)  unterscheiden,  die  von  ver- 
schiedenen Autoren  recht  verschieden  benannt  worden  sind.  Eine 
Zusammenstellung  aller  dieser  verschiedenen  Bezeichnungen  hat  Dietl 
in  seiner  Arbeit  (1878)  gegeben;  wir  wollen  uns  hier  an  die  Terminologie 
von  Dietl  halten  und  teilen  mit  ihm  das  Gehirn  in  fünf  Abschnitte 
oder  Lappen  (Lobi)  ein.  Diese  Lobi  bestehen  aus  einer  centralen 
Nervenfasermasse  und  einer  Rinde  von  Nervenzellen;  ihre  Abgrenzung 
gegeneinander  ist  vielfach  undeutlich.  Am  besten  läßt  sich  die  An- 
ordnung der  Lobi  und  ihre  gegenseitigen  Beziehungen  an  Sagittal- 
schnitten  studieren;  wir  verweisen  auf  Taf.  XVIII,  Fig.  \a  und  h, 
Fig.  2&  und  c. 

I.  Der  untere  Frontallappen  (Lobus  frontalis  inferior;  Taf .  XVIII, 
Fig.  la  u.  6,  lob. front. inj. )  liegt  vorn  und  tiefer  als  der  obere 
Frontallappen.  Aus  seiner  Vorderseite  entspringen  zwei  wich- 
tige Commissuren  —  nämlich  die  Commissura  cerebrobuccalis 
und  nach  außen  von  dieser,  aber  dicht  neben  ihr  die  Commissura 
cerebrobrachialis.  Nach  hinten  verbindet  sich  dieser  Lappen 
durch  einen  kräftigen,  paarigen  Faserstrang  (s.  Taf.  XVIII, 
Fig.  26,  fs)  mit  dem  hinteren  Basallappen  (Lobus  basalis  poste- 
rior). Außerdem  verbindet  sich  der  Lob.  front,  inf.  durch  einen 
weniger  kräftig  ausgebildeten  und  ebenfalls  paarigen  Faserstrang 
mit  dem  vorderen  Basallappen  (Lobus  basaUs  anterior)  (s, 
Taf.  XVIII,  Fig.  la) ;  dieser,  von  Dietl  bei  Sepiola  übersehene 

40* 


59ß  Boris  Schkaff, 

Faserstrang  zieht  nach  hinten  und  nach  unten  und  mündet  in 
den  untersten  Teil  des  Lobus  basalis  anterior  ein. 
IL  Der  obere  Frontallappen  (Lobus  frontalis  superior;  Taf.  XVIII, 
Fig.  la  u.  b,  Fig.  26,  lob.jront.swp.)  liegt  etwas  hinter  und  ober- 
halb des  unteren  Frontallappens.  Seine  Markmasse  hängt  breit 
mit  der  oberen  Partie  des  Lobus  basalis  posterior  zusammen 
( =  Lobus  centralis  der  Autoren).  Dorsal  hängt  er  zusammen 
mit  dem 

III.  Scheitellappen  (Lobus  verticalis;  Taf .  XVIII,  Fig.  la  u.  &,  lob. 
vert.),  welcher  hinter  und  über  dem  Lobus  frontalis  superior 
liegt  und  mit  dem  Lobus  basalis  posterior  breit  zusammenhängt. 
Auf  Querschnitten  zeigt  die  untere  Fläche  seiner  Markmasse 
einen  deutlich  ausgeprägten  medianen  kielartigen  Fortsatz. 

IV.  Der  vordere  Basallappen  (Lobus  basalis  anterior;  Taf.  XVIII, 
Fig.  la  u.  b,  Fig.  2b,  lob.bas.ant.)  liegt  unter  der  vom  Lobus  fron- 
talis inferior  zum  Lobus  basalis  posterior  ziehenden  Commissur. 
Seine  Markmasse  ist  in  drei  Blätter  gespalten.  Die  Commissur, 
die  ihn  mit  dem  Lobus  frontalis  inferior  verbindet,  wurde  schon 
oben  erwähnt.     Er  verbindet  sich  nach  hinten  mit 

V.  dem  hinteren  Basallappen  (Lobus  basalis  posterior;  Taf.  XVIII, 
Fig.  la  u.  b,  Fig.  2c  u.  d;  lob.bas.fost.),  welcher  den  bei  weitem 
größten  Abschnitt  des  Ganglion  cerebrale  bildet.  Von  einigen 
Autoren  wird  er  in  zwei  Lappen  zerlegt,  in  einen  hinteren  unteren 
und  in  einen  centralen.  Es  wird  jedoch  allgemein  zugegeben,  daß 
sich  eine  scharfe  Grenze  zwischen  beiden  nicht  ziehen  läßt. 
"Wir  wollen  sie  also  nach  dem  Vorgang  von  Dietl  zusammen- 
fassen. Die  Markmasse  dieses  Lappens  liefert  die  große  Mehr- 
zahl der  Nervenfasern,  durch  welche  die  breite  Commissura 
cerebropedalis  gebildet  wird.  In  diesem  Lappen  verläuft  auch 
die  Sehnervencommissur,  die  von  einem  Nervus  opticus  quer 
zum  andern  zieht  (Taf.  XVIII,  Fig.  la  u.  b,  Fig.  2c,  comm.nerv.opt.). 
Vom  Ganglion  cerebrale  gehen  vier  Commissuren  aus: 

1)  Commissura  cerebropedalis, 

2)  Commissura  cerebrovisceralis, 

3)  Commissura  cerebrobrachialis, 

4)  Commissura  cerebrobuccalis  —  s.  unten,  im  Abschnitte 
über  das  Buccalnervensystem. 

Zwei  wichtige  Nerven  nehmen  im  Ganglion  cerebrale  ihren 
Ursprung.  Es  sind:  1)  der  Nervus  opticus  und  2)  der  Nervus 
staticus. 


Zur  Kc'tinlnis  dos  Nervensystems  der  Myopsiden.  599 

Das  Ganglion  brachiale  liegt  ventral  am  Oesophagus  kurz  nach 
seinem  Austritt  aus  dem  Schlund,  etwas  weiter  nach  hinten  als  die 
beiden  Buccalganglien.  Es  ist  vorn  ziemlieh  hoch  und  wird  nach 
hinten  zu  niedriger  (Taf.  XVII)  i.  Auf  Querschnitten  zeigt  es  eine 
charakteristische  zweilappige  Gestalt  (besonders  ausgeprägt  bei  Sepiola; 
Taf.  XVIII,  Fig.  2a,  Fig.  3)2.  Seine  Ventralseite  ruht,  wie  oben  gesagt, 
auf  der  ventralen  Kopfnniskulatur,  nicht  auf  dem  Kopfknorpel.  Durch 
die  Commissura  cerebrobrachialis  ist  er  mit  dem  Ganglion  cerebrale 
verbunden,  durch  die  Commissura  brachiobuccalis  mit  dem  Ganghon 
buccale  superius,  durch  die  Commissura  brachiopedalis  mit  dem  Gan- 
glion pedale  und  durch  die  Commissura  brachiovisceralis  mit  dem 
Ganglion  viscerale.  Es  entsendet  folgende  Nerven:  Fünf  Paar  Nervi 
brachiales,  deren  Fasern  jedoch  hauptsächlich  aus  dem  Ganglion  pedale 
stammen  (s.  unten),  ferner  die  Nervi  antorbitales  superiores  und  Nervi 
antorbitales  inferiores. 

Bei  Octopoden  {Eledone,  Octopus,  O'pisthoteuihis)  stehen  die  beiden, 
miteinander  halb  verwachsenen  Hälften  des  Ganglion  brachiale  noch 
durch  eine  dünne  supraösophageale  Commissur  in  Verbindung  (Cheron, 
Haller,  Meyer).  Sepiola  und  Loligo  fehlt  eine  solche,  wie  sie  denn 
überhaupt  bei  Decapoden  noch  nicht  gefunden  worden  ist.  Nach 
Haller  befindet  sich  bei  Eledone  zwischen  den  beiden  Hälften  des 
Ganglion  brachiale  ventralwärts  noch  eine  Querverbindung,  die  er  als 
Commissura  anterior  bezeichnet.  Eine  solche  konnte  ich  bei  Sepiola 
und  Loligo  nicht  auffinden. 

Das  Brachialganglion  wird  jetzt  wohl  allgemein  als  ein  abgelöster 
Teil  des  Pedalganglions  gedeutet ;  zugunsten  dieser  Auffassung  sprechen 
die  Ontogenie,  die  vergleichende  Anatomie  (s.  oben,  S.  596)  und  die 
Tatsache,  daß  die  Fasern  der  Brachialuerven  größtenteils  aus  dem 
Ganglion  pedale  kommen,  was  zuerst  Jatta  (1889)  festgestellt  hat.  ■ — 
Ich  möchte  noch  bemerken,  daß  die  Fig.  31  von  Dietl,  welche  einen 
Querschnitt  durch  Sepiola  rondeletti  auf  der  Höhe  des  Ganglion 
brachiale  darstellt,  nach  meiner  Überzeugung  unmöghch  dieser  Art 
entsprechen  kann:  das  Ganglion  brachiale  liegt  bei  Sepiola  (und  auch 
bei  Loligo)  nicht  unter  dem  Ganglion  cerebrale,  sondern  viel  weiter 
nach  vorn. 


1  Vgl.  Richter,  S.  304:  »das  Armganglion  hat  eine  von  vorn  nach  hinten 
sich  verjüngende  Gestalt.« 

2  Vgl.  Richter,  S.  304:  »die  Andeutung  einer  Zweiteilung,  und  zwar  in 
eine  linke  und  rechte  Hälfte,  in  Verbindung  mit  flach  rinnenförmiger  Ausbildung 
der  Dorsalfläche  des  Ganglion  brachiale  habe  ich  stets  beobachten  können.« 


600  Boris  Schkaff, 

Das  Ganglion  pedale  oder  Ganglion  infundibulare  liegt  direkt 
unter  dem  Ganglion  cerebrale  und  ist  mit  ihm  in  seiner  ganzen  Aus- 
dehnung verwachsen.  Seine  untere  Fläche  ruht  auf  dem  hier  sehr 
starken  Kopfknorpel,  zum  Teil  auch  auf  dem  statischen  Organ.  Über 
die  Commissuren,  die  es  mit  den  benachbarten  Ganglien  verbinden 
(Commissura  cerebropedalis,  Commissura  brachiopedalis  und  Commis- 
sura  visceropedalis)  wurde  schon  oben  berichtet.  Nach  Haller  soll 
das  Ganglion  pedale  bei  Eledone  eine  Quercommissur  (Commissura 
media)  besitzen.  Ich  habe  eine  entsprechende  Commissur  weder  bei 
Sepiola  noch  bei  Loligo  finden  können. 

Folgende  Nerven  nehmen  ihren  Ursprung  aus  dem  Ganglion 
pedale:  Nervus  infundibuli  anterior,  Nervus  infundibuli  medianus, 
Nervus  ophthalmicus  inferior  posterior,  Nervus  olfactorius  und  oculo- 
motorius  inferior,  und  zum  Teil  Nervi  brachiales  und  Nervus  tenta- 
cularis.  Bei  Loligo  marmorae  gesellt  sich  dazu  noch  der  Nervus  oph- 
thalmicus inferior  anterior. 

Das  Ganglion  viscerale  liegt  hinter  dem  Ganglion  pedale  und 
etwas  mehr  dorsal,  da  der  Oesophagus  hier  eine  Knickung  nach  oben 
macht  (Taf.  XVIII,  Fig.  1«).  Seine  Ventralseite  ruht  auf  dem  statischen 
Organ.  In  der  Mitte  der  dorsalen  Seite  erscheint  es  ein  wenig  einge- 
drückt (bei  Sepiola  deutlicher  als  bei  Loligo;  Taf .  XVIII,  Fig.  2e). 
Über  seine  Verbindungen  mit  dem  Ganglion  pedale  und  dem  Ganglion 
cerebrale,  über  die  Commissuren  cerebrovisceralis,  visceropedalis  und 
brachiovisceralis  ist  schon  oben  das  Nötige  gesagt  worden.  Aus  ihm 
entspringt  eine  große  Anzahl  wichtiger  Nerven  und  zwar  auf  jeder 
Seite  die  Nervus  visceralis,  Nervus  pallialis,  Nervus  collaris,  Nervus 
retractoris  capitis  anterior,  Nervus  infundibuli  posterior,  Nervus  post- 
orbitalis,  Nervus  ophthalmicus  und  oculomotorius  superior. 

IV.  Nerven  des  Ganglion  cerebrale. 

Außer  vier  Commissuren  (Commissura  cerebrobrachialis,  C.  cere- 
bropedalis, C.  cerebrovisceralis  und  die  später  zu  beschreibende  C. 
cerebrobuccalis)  wurzeln  im  Cerebralganglion  zwei  wichtige  Nerven: 
1)  Nervus  opticus  und  2)  Nervus  staticus. 

1)  Nervus  opticus.  Der  außerordentlich  mächtige  Sehnerv  (der 
bei  weitem  mächtigste  Nerv  der  Cephalopoden ;  vgl.  Taf.  XVII)  bezieht 
seine  Fasern  aus  dem  Lobus  basalis  anterior,  Lobus  basalis  posterior 
und  Lobus  verticalis  des  Cerebralganglions,  und  steigt  —  zum  Teil 
durch  die  Commissura  cerebropedalis  —  nach  außen  und  ventral  hinab, 
wobei  er  durch  Fasern  verstärkt  wird,  die  aus  dem  Ganglion  pedale 


Zur  Kenntnis  des  Nervensystems  der  Myopsiden.  601 

kommen  und  ebenfalls  durch  die  Commissura  cerebropedalis  hinauf- 
steigen. Vor  dem  Austritt  aus  dem  Gehirn  werden  die  beiderseitigen 
Nervi  optici  durch  eine  Quercommissur  verbunden,  die  im  Lobus 
basalis  posterior  verläuft  (Comni.  nerv,  optic,  Taf. XVIII,  Fig.  au,  16, 
Fig.  2c).  Bei  den  beiden  untersuchten  Arten  ist  der  Nervus  opticus 
außerordentlich  kurz^  (viel  kürzer  als  bei  Se^ia  officinalis)  und  tritt 
gleich  nach  seinem  Austritt  aus  dem  Centralnervensystem  in  das  große 
Ganglion  opticum  ein,  welches  bei  Sepiola  und  Loligo  (wie  auch  bei 
Chiroteuthis  nach  Chun,  1910)  dem  Cerebralganglion  dicht  anliegt. 
Über  und  hinter  dem  Sehnerven,  dicht  neben  dem  Cerebral-  und  Pedal- 
ganglion, liegt  ein  kleines  Ganghenknötchen,  das  sogenannte  Ganglion 
pedunculi  (Taf.  XVII,  G.pedunc),  dessen  Markmasse  mit  dem  Nervus 
opticus  durch  Nervenfasern  verbunden  ist.  Dies  Ganglion  galt  früher 
als  das  Ganglion  olfactorium,  weil  man  aus  ihm  den  Nervus  olfactorius 
entspringen  ließ,  was  sich  später  als  irrtümlich  erwies  (vgl.  unten  den 
Abschnitt  über  den  Nervus  olfactorius).  Physiologische  Versuche 
(Klemensiewicz,  1878)  haben  gezeigt,  daß  das  Ganglion  pedunculi 
der  Sitz  der  Chromatophorentätigkeit  ist,  Bauer  (1909)  bezeichnet 
es  deshalb  als  das  »Kolorationsganglion  <<, 

Die  Ganglia  optica  sind  die  größten  und  entwickeltsten  Ganglien 
von  Sepiolu  vmd  Loligo,  wie  der  Cephalopoden  überhaupt,  Sie  liegen, 
vom  Augenknorpel,  einer  Fortsetzung  des  Kopfknorpels,  geschützt, 
rechts  und  links  vom  Centralnervensystem  und  übertreffen  es  an  Masse 
bedeutend  (vgl.  Taf,  XVI,  Fig,  1  und  2).  Freilich  erreichen  sie  bei 
Sepiola  nicht  dieselbe  relative  Größe,  wie  bei  Sepia;  während  sie 
(nach  Hillig)  bei  Sepia  sich  vom  Hinterrand  des  Ganglion  viscerale 
bis  zum  Vorderrand  des  Ganglion  buccale  superius  erstrecken,  be- 
ginnen sie  bei  Sepiola  erst  etwa  in  der  Höhe  des  Hinterrandes  des 
Ganglion  cerebrale  und  erstrecken  sich  nach  vorn  nur  etwa  bis  zum 
Hinterrand  des  Ganghon  brachiale, 

Loligo  hält  in  dieser  Beziehung  die  Mitte  zwischen  Sepia  und 
Sepiola.  Die  Gestalt  der  Ganglia  optica  ist  bei  den  beiden  unter- 
suchten Arten  ungefähr  bohnen-  oder  nierenf örmig ;  die  Krümmung 
ist  bei  Loligo  stärker  als  bei  Sepiola.  Beide  Ganglien  konvergieren 
nach  vorn  und  drücken  in  ihrem  vorderen  Teile  den  Oesophagus  stark 
zusammen,  indem  sie  für  seinen  Durchtritt  nur  einen  sehr  schmalen 
Raum  übrig  lassen.  Die  ganze  Oberfläche  des  Augenganglions  ist  von 
einer    Schicht    kräftiger    Nervenfasern    ( »Stäbchenf aserschicht  <<    von 

1  Vgl.  Richter,  S.  309:   »der  Sehnerv  ist  außerordentlich  kurz  und  geht 
fast  unvermittelt  in  das  Augenganglion  über, « 


602  Boris  Schkaff, 

KopscH,  1899),  welche  die  Nervi  retinae  bilden,  überzogen.  Die  bisto- 
logiscbe  Struktur  des  Ganglions  scheint  im  wesentlichen  dieselbe  zu 
sein,  wie  sie  für  Sepia,  Eledone  und  Loligo  vulgaris  beschrieben  wurde 
(vgl.  die  Arbeit  von  Kopsch);  man  erkennt  deutlich  die  Mark-  und 
die  Rindenzone,  welche  letztere  wieder  in  vier  Schichten  zerfällt;  von 
außen  nach  innen  gerechnet:  1)  die  äußere  Körnerschicht,  2)  die  reti- 
näre  Schicht,  3)  die  innere  Körnerschicht,  4)  die  Palissadenzellen- 
schicht. 

2)  Nervus  staticus.  Die  Fasern,  die  den  Nervus  staticus 
(früher  als  Nervus  acusticus  bezeichnet)  bilden,  entspringen  im  Gan- 
glion cerebrale  und  zwar  nach  meinen  Beobachtungen,  mit  welchen 
auch  die  Angaben  von  Haller  für  Eledone  (1912)  übereinstimmen,  im 
Lobus  basalis  anterior.  Sie  steigen  durch  die  Commissura  cerebro- 
pedalis  nach  hinten,  ventral  und  schräg  medial  hinab,  wobei  die  Fasern 
jedes  Nervenbündels  sich  mit  denjenigen  des  andern  in  der  Markmasse 
des  Ganglion  pedale  in  charakteristischer  Weise  kreuzen  (Chiasma 
nerv,  static,  Taf.  XVIII,  Fig.  la  u.  b,  Fig.  2c).  Nach  Austritt  aus  dem 
Chiasma  wendet  sich  jedes  Faserbündel  nach  außen  und  spaltet  sich, 
an  der  Grenze  des  Pedal-  und  Visceralganglions  angelangt,  in  drei 
Äste.  Der  innere  Ast  wendet  sich  direkt  ventralwärts,  durchbohrt 
die  obere  Knorpelwand  der  Statocyste  und  innerviert  die  Macula 
statica,  indem  er  sich  in  mehrere  feine  Ästchen  zerteilt  (Nervus  maculae 
staticae;  Taf.  XVIII,  w.mac.stoi.).  Es  ist  dabei  zu  beachten,  daß  die 
beiderseitigen  Nervi  maculae  staticae  bei  Sepiola,  bevor  sie  den  Stato- 
cystenknorpel  durchsetzen,  noch  durch  einen  im  Ganglion  pedale  ver- 
laufenden Faserstrang  verbunden  sind,  was  schon  Dietl  erkannt  hat 
(Taf.  XVII,  Fig.  la;  Comm.nerv.mac.stat.).  Bei  Loligo  marmorae  habe 
ich  diese  Commissur  nicht  gefunden,  —  Die  beiden  äußeren  Äste  des 
Nervus  staticus  wenden  sich  nach  außen  und  nach  hinten  und  treten 
in  die  Seitenwand  der  Statocyste;  der  eine  innerviert  den  vorderen 
Teil,  der  andre  den  Rest  der  Crista  statica  (Nervi  cristae  staticae; 
Taf.  XVII,  n.crisUtaL  und  Taf.  XVIII,  Fig.  4). 

Ganz  ähnlich  wird  von  Williams  (1909)  der  Verlauf  des  statischen 
Nerven  bei  Loligo  pealii  geschildert.  Er  sagt:  "Each  cristic  nerve 
arises  from  the  back  end  of  the  pedal  ganglion  and,  as  it  enters  the 
cartilage  of  the  skull,  divides  into  2  branches,  one  of  which  innervates 
the  ventral  transverse  portion  of  the  crista  and  the  other  the  remainder 
of  the  crista.  The  fibres  pass  aloug  the  surface  of  the  ganglion  for 
perhaps  half  its  length  and  then  turn  in  ward  and  form  at  least  a  partial 
chiasma.    Each  macular  nerve  arises  from  the  back  end  of  the  pedal 


Zur  Kennt iiis  des  Xcrvciisystcins  (liT  Myop.sidcn.  603 

ganglion  somc  distaiice  iinvard  fioin  the  roots  of  the  preceding  nerve. 
It  passes  iminediately  into  the  cartilage  and  divides  into  several  small 
branches,  which  end  in  the  macula." 

In  einer  kleinen  Abhandknig  (1911)  weist  Chun  darauf  hin,  daß 
bei  den  Cephalopoden  überhaupt  der  Nervus  staticus  nicht,  wie  man 
manchmal  angegeben  findet,  zwei,  sondern  drei  Wurzeln  im  Ganglion 
pedale  hat.  Damit  stimmen  meine  Befunde  an  Sepiola  und  Loligo 
vollkommen  überein  —  der  Nervus  maculae  staticae  würde  die  eine 
und  der  zweiästige  Nervus  cristae  staticae  die  beiden  andern  Wurzeln 
repräsentieren. 

V.  Nerven  des  Ganglion  viscerale. 

1)  Nervus  visceralis.  Der  Verlauf  und  die  Verzweigung  der 
Eingeweidenerven  (Nervi  viscerales)  bietet  bei  Sefiola  und  Loligo  so 
große  Verschiedenheiten  dar,  daß  eine  gesonderte  Schilderung  durchaus 
notwendig  erscheint. 

A,  Sepiola  rondeletti. 
DiestarkenEingeweidenerven(Taf.XVI,Fig.l,  Taf.XVII,  Taf.XVIII, 
Fig.  la;  n.visc.)  entspringen  aus  der  hinteren  unteren  Ecke  des  Gan- 
glion viscerale,  ihre  Wurzeln  sind  im  Ganglion  getrennt,  aber  beim 
Austritt  aus  dem  Ganglion  legen  sich  beide  Nerven  vollkommen  an- 
einander, so  daß  kein  Zwischenraum  zwischen  ihnen  bleibt.  Bei  Sepia 
sind  sie  nach  Cheron  und  Hillig  bei  ihrem  Austritt  aus  dem  Ganglion 
noch  als  zwei  deutlich  gesonderte,  obwohl  nur  wenig  voneinander  ent- 
fernte Stämme  zu  erkennen.  —  Sie  steigen  bei  Sepiola  zuerst  in  der 
Mittellinie  eine  kurze  Strecke  direkt  ventralwärts  zwischen  den  Leber- 
lappen hindurch;  dann  entfernen  sie  sich  etwas  voneinander,  wenden 
sich  nach  außen,  durchsetzen  gleich  darauf  die  ventrale  Leberkapsel 
(das  »Diaphragma  musculare«  von  Brock  [1880])  und  erreichen  die 
Seiten  der  Vena  cava,  an  welche  jeder  von  ihnen  einen  ziemlich  kräftigen 
Ast  abgibt ;  diesen  Ast  bezeichnen  wir  als  Nervus  venae  cavae  (Taf .  XVI, 
Fig.  1  n.v.cav.).  In  derselben  Höhe  geben  sie  auch  einen  starken  Ast 
nach  außen  ab;  derselbe  verläuft  in  der  bindegewebigen  Membran 
zwischen  der  muskulösen  Leberkapsel  und  der  dorsalen  AVand  des 
hintersten  Abschnittes  des  Trichters  und  tritt  dann  von  der  Dorsal- 
seite her  in  die  Seitenwand  des  Trichters  ein,  da  wo  diese  in  den  Mus- 
culus depressor  infundibuli  übergeht;  er  dringt  in  den  Muskel  ein  und 
ist  in  demselben  auf  weite  Strecke  zu  verfolgen.  Ich  bezeichne  diesen 
Nerven  demnach  als  Nervus  depressoris  infundibuli  (Taf.  XVI,  Fig.  1 


604  Boris  Schkaff, 

n.defr.infd.).  Er  ^vllrde  von  verscliiedenen  Autoren  für  Sefia  offici- 
nalis^  beschrieben. 

Etwas  entfernter  vom  Hauptstamm  des  Nervus  visceralis  zweigt 
ein  Nerv  dorso-lateralwärts  und  nach  hinten  ab;  nach  einem  sehr 
kurzen  Verlauf  dringt  er  in  den  ventralen  Teil  der  Leberkapsel  ein, 
wo  er  sich  verzweigt.  Im  Anschluß  an  die  Terminologie  von  Brock 
(1880)  bezeichne  ich  diesen  Nerven  als  Nervus  diaphragmatis  muscu- 
laris  (Taf.  XVI,  Fig.  1  n.dia'phr.musc.). 

Bald  darauf  zieht  von  jedem  Visceraluerv  ein  kurzer  aber  ziem- 
lich starker  Seitenast  median-  und  ventralwärts ;  er  spaltet  sich  gleich 
wieder  in  zwei  Äste;  der  äußere  tritt  bald  darauf  in  den  Musculus 
retractor  pallii  medianus  ein,  nicht  weit  von  dem  vordersten  Ende 
dieses  Muskels,  da  wo  sich  der  bis  dahin  einheitliche  Muskel  in  zwei 
Bündel  gabelt.  Dieser  Nerv  wurde  bis  jetzt  für  keinen  Decapoden 
beschrieben,  was  nicht  wunder  nehmen  darf,  da  unter  den  Decapoden 
nur  die  Gattungen  Sepiola  und  Rossia  diesen,  den  Octopoden  eigen- 
tümlichen Muskel  besitzen.  Ich  bezeichne  diesen  Nerven  als  Nervus 
retractoris  pallii  mediani  (Taf.  XVI,  Fig.  1  n.retr.paU.med.).  —  Der 
zweite  Ast  verläuft  etwas  mehr  nach  innen  und  dringt  bald  in  die  Wand 
des  Enddarmes  ein,  an  der  Stelle,  wo  der  Tintengang  in  ihn  mündet; 
etwas  vor  seinem  Eintritt  in  die  Wand  des  Enddarmes  sendet  er  ein 
feines  Ästchen  aus,  welches  den  Tintengang  innerviert.  Ich  bezeichne 
diese  Nerven  als  Nervus  recti,  bzw.  Nervus  ductus  atramenti  (Taf.  XVI, 
Fig.  1  n.rect.mid  n.duct.atram.). 

Die  beiden  Hauptstämme  der  Visceralnerven  verlaufen  dann  weiter 
von  vorn  nach  hinten,  etwas  nach  außen  divergierend  eine  lange  Strecke 
an  den  Seiten  der  Vena  cava  entlang.  Sie  geben  dabei  einige  sehr 
feine  kurze  Nerven  ab,  von  denen  einer  nach  oben  zur  Leber  zieht 
(Nervus  hepaticus;  Taf.  XVI,  Fig.  1  n.hep.),  ein  andrer  zum  Tinten- 
beutel (Nervus  atramenti;  Taf.  XVI,  Fig.  1  n.atram.),  ein  dritter  zum 
sogenannten  Leuchtorgan.  Weiter  verläuft  jeder  Visceralnerv  in  der 
Wand  des  Eingeweidesacks  und  teilt  sich  etwas  hinter  der  Stelle,  wo 
sich  die  Vena  cava  in  zwei  Nierenvenen  gabelt,  in  zwei  ungleich  starke 
Äste.  Der  innere  Ast  zieht  nach  innen  und  etwas  nach  hinten  und 
vereinigt  sich  mit  demjenigen  der  andern  Seite  zu  der  sogenannten 
Commissura  visceralis  (Taf.  XVI,  Fig.  1  comm.viscer.),  welche  bei  Se- 
fiola  sehr  dünn  ist  und  einen  nach  hinten  convexen  Bogen  bildet.  Es 
gelang  mir  leider  trotz  aller  Mühe  nicht  festzustellen,  ob  und  welche 


1  Und  von  Richter  für  die  von  ihm  untersuchten  Oegopsidenarten. 


Zur  Kennt  11  is  dos  Xorvcnsj'stcnis  der  Myopsiden.  605 

Nerven  aus  dieser  Conimissur  entspringen.  Solche  sind  für  Sej)ia 
ojficinalis  beschrieben  (sie  sollen  die  Geschlechtsorgane  und  das  Herz 
innervieren,  doch  wird  nach  v.  Jhering  bei  Sepia  das  Herz  von  Seiten- 
ästen des  Nervus  branchialis  innerviert,  wie  ich  es  auch  für  Sepiola 
gefunden  habe).  Bei  Sepiola  ist  die  Visceralcommissur  nur  schwach 
ausgebildet  und  die  von  ihr  eventuell  entspringenden  Nerven  dürften 
kaum  ohne  spezielle  histologische  Methoden  sichtbar  gemacht  werden 
können.  Auch  für  Sepia,  wo  die  Commissur  viel  stärker  ausgebildet 
ist,  bemerken  Cheron  und  Hillig,  daß  die  Nerven,  die  von  ihr 
abgehen,  schwer  zu  verfolgen  sind. 

Der  stärkere  äußere  Stamm  des  Nervus  visceralis  (von  hier  ab 
auch  Kiemennerv,  Nervus  branchialis,  genannt)  wird  bald  ebenfalls 
sehr  dünn.  Er  verläuft  in  der  Wand  des  Eiugeweidesackes  in  derselben 
Richtung  weiter  und  gibt  nach  meinen  Beobachtungen  einen  feinen 
kurzen  Nervenfaden  nach  innen  ab,  welcher  sofort  in  die  Wand  des 
Herzens  eintritt.  Ich  bezeichne  ihn  deshalb  als  Nervus  cordis  (Taf .  XVI, 
Fig.  1  n.cord.).  An  der  Basis  der  Kieme  angelangt,  schwillt  der  Visceral- 
nerv  etwas  an  und  bildet  das  kurze  und  bei  Sepiola  ziemlich  schwach 
ausgebildete  Kiemenganglion  (Ganglion  branchiale ;  Taf.  XVI,  Fig.  1 
G.branch.).  Vor  dem  Eintritt  in  das  Ganglion  sendet  der  Nerv  einen 
kurzen  Zweig  nach  innen  aus,  welcher  das  venöse  oder  Kiemenherz 
innerviert  (Nervus  cordis  branchialis;  Taf.  XVT,  ¥ig.  1  n.cord. brauch. ). 
Nach  seinem  Austritt  aus  dem  Kiemenganglion  wendet  sich  der  Kiemen- 
nerv nach  vorn  und  etwas  nach  außen,  tritt  in  die  Kieme  selbst  ein 
und  verläuft  in  ihr  von  hinten  nach  vorn  bis  zu  ihrer  Spitze  zwischen 
der  Kiemendrüse  (unter  dem  Nerv)  und  der  Kiemenarterie  (über  ihm)^. 
Rechts  und  links  gibt  er  feine  Seitenäste  in  die  Kiemenblätter  ab. 

Ich  möchte  noch  bemerken,  daß  ich  im  Verlaufe  des  N.  visceraHs 
von  Sepiola  nirgends,  abgesehen  von  den  Kiemenganglien,  Ganglien- 
zellen nachweisen  konnte,  wie  sie  für  einige  Cephalopoden  an  ver- 
schiedenen Stellen  des  Nervs  beschrieben  worden  sind. 

B.  L  0  li  g  0  mar  m  o  r  a  e. 
Der  Nervus  visceralis  (Taf.  XVI,  Fig.  2,  Taf.  XVIII,  Fig.  4  n.visc.) 
entspringt  als  ein  kräftiger  unpaarer  medianer  Nerv  aus  der  hinteren 
ventralen  Ecke  des  Ganglion  viscerale.  Dabei  ist  aber  zu  bemerken, 
daß  er  wie  bei  Sepiola  zwei  Wurzeln  im  Ganglion  viscerale  besitzt. 
Die  beiden  aus  diesen  Wurzeln   entspringenden   Nervenstränge  ver- 

1  Vgl.  SchJvfek,   Über  die  Atniungsorgane   der    tetra-    und  dibranchiaten 
Cephalopoden.     Leipzig  1904. 


(306  Bori*^  Schkaff, 

schmelzen  bei  ihrem  Austritt  aus  dem  Ganglion  zu  einem  unpaaren. 
Sie  sind  dabei  nicht  nur  dicht  aneinandergelegt,  wie  es  bei  Sepiola  der 
Fall  ist,  sondern  verschmelzen  tatsächlich  zu  einem  unpaaren  Nerven- 
strang. Ganz  dieselben  Verhältnisse  finden  wir  nach  Williams  bei 
Loligo  fealii  ("the  two  visceral  nerves  arise  separately  in  the  ganglion 
viscerale  and,  uniting  as  they  leave  the  ganglion,  form  a  median  nerve"); 
von  Loligo  vulgaris  sagt  Cheron:  «leurs  (der  Visceralnerven)  origines 
sont  distinctes  dans  la  boite  cranienne,  mais  ils  s'accolent  aussitot». 

Der  auf  solche  Weise  gebildete  Nervus  visceralis  verläuft  zuerst 
über  der  dorsalen  Wand  der  Statocyste  direkt  nach  hinten,  dann  steigt 
er  eine  weite  Strecke  durch  die  Leber  schräg  nach  hinten  und  ventral- 
wärts  hinab.  An  der  ventralen  Wand  der  Leber  (dem  Diaphragma 
musculare)  angelangt,  gabelt  sich  der  Nerv;  beide  Aste  divergieren 
ein  wenig  voneinander  und  senden  hier  zwei  Paar  Nerven  nach  außen 
aus:  jederseits  einen  dünnen  Nerv,  welcher  sich  in  dem  eben  erwähnten 
Diaphragma  musculare  verzweigt  und  welchen  wir  deshalb  als  Nervus 
diaphragmatis  muscularis  anterior  bezeichnen  (Taf .  XVI,  Fig.  2  n. 
diaphr.musc.ant.),  und  dann  einen  starken  Nerv,  der  das  Diaphragma 
musculare  durchsetzt,  nach  außen  und  nach  hinten  verläuft  und  dann 
in  die  Dorsal  wand  des  Trichters  eindringt,  wo  diese  in  den  Musculus 
;depressor  infundibuli  übergeht  (Nervus  depressoris  infundibuli  anterior 
Taf.  XVI,  Fig.  2  n.depr.infd.ant.).  Er  entspricht  wohl  dem  Nervus 
depressoris  infundibuli  von  Sepiola  und  Sepia. 

Die  Hauptäste  der  beiden  Eingeweidenerven  laufen  dorsal  vom 
Diaphragma  musculare  noch  eine  Strecke  weiter  nach  hinten;  dann 
durchsetzen  sie  das  Diaphragma  musculare  und  geben  dabei  zwei 
Paar  feiner  Nerven  nach  außen  ab,  welche  sich  im  Diaphragma  muscu- 
lare verzweigen  und  die  wir  als  Nervi  diaphragmatis  muscularis  medius 
et  posterior  bezeichnen  (Taf.  XVI,  Fig.  2  n.diaphr.musc.med.  und  n. 
diaphr.musc.post.).  Nachdem  sie  das  Diaphragma  musculare  durch- 
setzt haben,  verlaufen  die  Visceralnerven  an  beiden  Seiten  und  etwas 
oberhalb  der  Vena  cava  eine  sehr  lange  Strecke  weiter  nach  hinten 
und  nähern  sich  dabei  etwas.  Etwa  in  der  Höhe  des  Hinterraudes  der 
Stellarganglien  zweigt  sich  von  jedem  Visceralnerven  ein  Ast  nach 
außen  ab,  welcher  nach  außen  und  nach  hinten  verläuft  und  den  Mus- 
culus depressor  infundibuli  innerviert.  Wir  bezeichnen  ihn  als  Nervus 
depressoris  infundibuli  posterior  —  zur  Unterscheidung  von  dem  oben 
beschriebenen  Nervus  depressoris  infundibuli  anterior.  Er  ist  weniger 
kräftig  ausgebildet  als  dieser  letztere. 

In  ihrem  weiteren  Verlaufe  zweigt  sich  von  jedem  Visceralnerven 


Zur  Kennt iiiö  des  Norvensystenia  dei"  IMyopsiden.  607 

je  eiu  starker  Ast  ab,  der  ventralwärts  zieht  und  zuerst  au  den  Seiten' 
der  V.  Cava  verläuft,  parallel  und  unterhalb  des  Hauptastes  des  Nervus 
visceralis.  Dann  wendet  sich  dieser  Ast  mehr  nach  innen  zu  und  ver- 
einigt sich  unter  der  Vena  cava  mit  demjenigen  der  andern  Seite  zu 
einem  uupaaren  Nervenstamm.  Dieser  Stamm  zieht  direkt  nach 
hinten  und  gabelt  sich  sehr  bald  in  zwei  Stränge:  der  eine  ist  kurz, 
verstreicht  nach  ventral  und  hinten  und  tritt  bald  in  die  Wand  des 
Enddarmes  ein,  gerade  an  der  Stelle,  wo  der  Tintengang  in  denselben 
mündet  (Nervus  recti;  Taf.  XVI,  Fig.  2  7i.rect.).  Der  andre  Strang  ist 
lang  und  verläuft  in  der  Medianlinie  ebenfalls  nach  unten  und  nach 
hinten  in  der  bindegewebigen  Membran  zwischen  der  Vena  cava  und 
dem  Tintengang,  bzw.  dem  Tintenbeutel,  sich  allmählich  diesem  letz- 
teren nähernd.  Er  spaltet  sich  in  zwei  Äste  und  tritt  dann  gleich  in 
die  Wand  des  Tintenbeutels  ein,  in  welcher  er  sich  verzweigt  (Nervus 
atramenti;  Taf.  XVI,  Fig.  2  n.atram.). 

Die  beiden  Hauptäste  der  Eingeweidenerven  von  Loligo  verlaufen 
dann  weiter  von  vorn  nach  hinten,  immer  an  den  Außenseiten  der 
Vena  cava  entlang,  und  beginnen  bald  zu  divergieren.  Etwa  da,  wo  die 
Vena  cava  in  die  Niere  eintritt,  werden  beide  Nerven  durch  eine  Com- 
missur  verbunden  (Commissura  visceralis;  Taf.  XVI,  Fig.  2  comm.visc), 
die  bedeutend  kräftiger  ausgebildet  ist,  als  bei  Sepiola.  Diese  Com- 
missur  liegt  auf  der  Ventralseite  der  Vena  cava.  Es  gelang  mir,  ebenso- 
wenig und  aus  denselben  Gründen  wie  bei  Sepiola,  festzustellen,  ob 
und  welche  Nerven  aus  dieser  Commissur  entspringen.  Gleich  hinter 
der  Stelle,  wo  sich  vom  Hauptstamm  der  Visceralnerven  die  Visceral- 
commissur  abzweigt,  lagern  sich  an  den  Nervus  visceralis  einige  Ganglien- 
zellen an.  Dieselbe  Erscheinung  beschreibt  auch  Chebon  bei  Loligo 
vulgaris;  er  sagt:  «l'observation  microscopique  m'a  permis  de  constater 
la  presence  des  elements  ganglionnaires  au  niveau  de  cette  bifurcation 
du  visceral,  ce  qui  autorise  ä  considerer  ce  point  du  nerf,  comme  l'ana- 
logue  du  ganglion  fusiforme  de  VEledone  et  du  Poulpe». 

Die  Hauptäste  des  N.  visceralis,  die  man  von  nun  an  auch  als 
Nervi  branchiales  bezeichnet,  verlaufen  in  den  Wandungen  des  Nieren- 
sackes schräg  nach  außen  und  nach  hinten  bis  zur  Kiemenbasis.  Hier 
angelangt,  geben  sie  je  einen  Ast  an  die  Kiemenherzen  ab  (Taf.  XVI, 
Fig.  2  n.cord.branch.)  und  schwellen  dann  zu  den  Ganglia  branchialia  an. 
Aus  letzteren  tritt  der  Kiemennerv  in  die  Kieme  selbst  ein,  und  zwar  ver- 
läuft er  dicht  unter  der  Kiemenarterie  —  ganz  analog  den  Verhältnissen 
bei  Sepiola.   Nach  der  Kiemenspitze  zu  nimmt  er  an  Stärke  ständig  ab. 

Der  Verlauf  des  Nervus  visceralis  von  Loligo  weicht,  wie  aus  dem 


gQ3  Boris  Schkaff, 

oben  Gesagten  ersiclitlicli  ist,  von  den  Verhältnissen  bei  Sefia  und 
Sepiola  bedeutend  ab;  dagegen  wird  ein  sehr  ähnlicher  Verlauf  des 
Ein<Te weidenerven  für  Loligo  'pealii  von  Williams  beschrieben,  auf 
dessen  Arbeit  ich  verweise.  Ich  führe  nur  folgende  Stelle  an:  "Be- 
fore  entering  the  cephahc  retractor  ( =  unser  diaphragma  muscu- 
laris)  the  visceral  nerve  gives  off  2  branches:  one  passes  outward  to 
the  siphonal  retractor  (entspricht  unserm  Nervus  depressoris  infundi- 
buli  posterior),  the  other  turns  down  ward  around  the  anterior  vena 
Cava  and  joins  its  mate  from  the  other  side.  The  median  trunk  thus 
formed  divides  at  once:  one  brauch  passes  through  the  niesenterylike 
sheet  of  rnuscles  and  fascia  which  fastens  the  rectum  to  the  visceral 
mass  and  enters  the  rectum  near  the  distal  end  of  the  duct  of  the  mk- 
sac,  the  other  brauch  passes  back  and  enters  the  upper  surface  of  the 
ink-sac."  —  Diese  Schilderung  entspricht,  wie  wir  sehen,  vollkommen 
den  Verhältnissen  bei  Loligo  marmorne.  Ebenfalls  ähnlich,  aber  schon 
etwas  mehr  abweichend  ist  nach  Cheron  der  Verlauf  des  Visceralis 
bei  Loligo  vulgaris;  man  vergleiche  in  seiner  Arbeit  S.  71  und  72. 

2)  Nervus   pallialis. 

A.  Bei  Sepiola. 

Jeder  der  beiden  Mantelnerven  (Pallialnerven,  Nervi  palliales)  ent- 
springt an  der  dorsalen  seitlichen  Ecke  des  Ganglion  viscerale,  etwas  hinter 
und  unterhalb  des  Nervus  collaris,  als  ein  außerordentlich  kräftig  ent- 
wickelter Stamm.  Er  verläuft  schräg  nach  außen  und  nach  hinten,  zuerst 
eine  kurze  Strecke  zwischen  den  Leberlappen  hindurch,  dann  zwischen 
dem  Außenrande  der  Leber  und  dem  Innenrande  des  Musculus  retractor 
capitis.  Bald  zweigt  von  ihm  ein  Ast  ab,  welcher  parallel  dem  Haupt- 
stamm nach  hinten  und  dabei  etwas  nach  unten  streicht  und  den  hinteren 
Abschnitt  des  Musculus  retractor  capitis  innerviert.  Diesen  Ast  bezeichne 
ich  als  Nervus  retractoris  capitis  posterior  (Taf .  XVI,  Fig.  1 ;  Taf .  XVII 
n.retr.cap.'post.),  zum  Unterschied  vom  Nervus  retractoris  capitis  anterior, 
welcher  selbständig  aus  dem  Ganglion  viscerale  entspringt  und  den  vor- 
deren Abschnitt  des  Musculus  retractor  capitis  mit  Nervenfäden  versorgt 
(s.  unten),  —-Der  Nervus  pallialis  durchsetzt  dann  den  Musculus  retrac- 
tor capitis  durch  ein  weites  Foramen  und  tritt  an  die  Innenseite  des 
Musculus  retractor  pallii  lateralis  (bekanntlich  zeichnet  die  Anwesenheit 
dieses  Muskels  die  Octopoden  und  unter  den  Decapoden  Sepiola  aus,  wo 
er  indessen  nur  schwach  ausgebildet  ist ;  man  vergleiche  die  Arbeit  von 
Brock  [1880])  i.  Zwischen  dem  Musculus  retractor  capitis  und  dem  Mus- 
1)  Vgl.  auch  die  soeben  erschienene  Arbeit  von  Fr.  Tippmar.  Histologische 


Zur  Kenntnis  des  Nervensystems  der  Myopsiden.  609 

culus  retractor  pallii  lateralis,  an  welch  letzteren  er  einige  feine  Fädchen 
abgibt,  verläuft  der  Nervus  pallialis  eine  ziemlich  weite  Strecke  und  teilt 
sich  dann  in  zwei  ungleich  starke  Äste.  Dieselben  behalten  die  frühere 
Richtung  des  Nervus  pallialis  nach  außen  bei ;  dabei  streicht  der  stärkere 
Ast  unter  dem  andern  und  etwas  mehr  nach  außen;  bald  tritt  er  in  den 
unteren  Vorderrand  des  großen  Ganglion  stellatum  ein  (Stern-  oder  Man- 
telganglion). Dieses  Ganglion  (Taf.XVI,  Fig,l,  g.stell.)  liegt  an  der  seit- 
hchen  Innenfläche  des  Mantels  und  ist  bei  Sepiola,  verglichen  mit  den 
Verhältnissen  bei  Sepia,  nach  der  Dorsalseite  zu  verschoben,  allerdings 
viel  weniger  als  es  bei  Loligo  marniorae  der  Fall  ist.  Damit  steht  in  Zu- 
sammenhang, daß  es,  zum  Unterschied  von  Sepia,  bei  der  Eröffnung  der 
Mantelhöhle  von  der  Ventralseite  nicht  sofort  auffällt,  denn  es  wird  hier 
von  dem  mächtigen  Musculus  depressor  infundibuli  verdeckt.  Um  es 
sichtbar  zu  "machen,  muß  man  zuerst  diesen  Muskel  entfernen.  Die 
Gestalt  des  Ganglion  stellatum  ist  bei  Sepiola  etwas  länglich-elliptisch. 
Von  seinen  freien  Rändern  entspringen  strahlenförmig  etwa  10 — 12  Ner- 
ven i.  Alle  diese  Nerven  (Nervi  stellati;  Taf.  XVI,  Fig.  1  n.stell.)  sind 
ziemlich  stark,  haben  einen  kurzen  Verlauf  und  treten  bald  in  die 
mächtige  Muskulatur  des  Mantels  ein.  Der  Name  »Mantelganglion«, 
welcher  dem  G.  stellatum  oft  beigelegt  wird,  ist  also  ganz  zutreffend. 

Der  andre  Ast  des  Nervus  pallialis,  welchen  wir  als  Nervus  pinnae 
(Taf.  XVI,  Fig.  1  n.pinn.)  bezeichnen  wollen,  da  er  in  der  Hauptsache 
der  Innervierung  der  Flosse  dient,  verläuft  dorsal  und  zuerst  etwas 
mehr  nach  innen  vom  Hauptstamm  des  Nervus  pallialis.  Er  zieht  über 
dem  Ganglion  stellatum  hin  und  bekommt  von  dessen  Markmasse 
zwei  ziemlich  kräftige  Commissuren.  Auf  diese  AVeise  bedeutend  ver- 
stärkt, durchsetzt  er  die  Muskelschicht  des  Mantels,  gibt  einen  feinen 
Ast  an  die  dorsale  Haut  des  Tieres  ab  und  tritt  dann  in  die  Flosse  ein, 
in  welcher  er  sich  reich  verzweigt. 

Eine  Commissur  zwischen  den  beiden  Ganglia  stellata  oder  zwi- 
schen den  beiden  Pallialnerven,  wie  sie  vielen  Cephalopoden  und  auch 
Loligo  marmoiae  zukommt,  ist  bei  Sepiola  ebensowenig  vorhanden, 
wie  bei  Sepia  officinalis. 

Bei    Sepia  officinalis  zeigen  die  Mantelnerven  und  die  Mantel- 


und  vergleichend  anatomische  Untersuchungen  an  Cephalopoden.  (Zeitschr.  f. 
wiss.  Zool.  Bd.  CVIL,  3.  Heft  (1913).  Tippmar  bezeichnet  den  betreffenden  Mus- 
kel als  Musculus  adductor  pallii  lateraUs  (S.  555 — 556). 

1  Vgl.  lliciiTER,  y.  35G:  »die  Zahl  der  von  einem  jeden  Mantelganglion 
ausstrahlenden  Nerven  beträgt  bei  Illex  sieben  oder  acht,  bei  Ommatostrephes 
und  Stenoteuthis  meist  zwölf  oder  noch  einige  mehr. « 


610  Boris  Schkaff, 

ganglien  im  wesentlichen  ähnliche  Verhältnisse,  wie  ich  sie  für  Sepiola 
beschrieben  habe. 

Die  Behauptung  von  Brock  (1882),  daß  der  Nervus  pallialis  bei 
Sepiola  —  im  Gegensatz  zu  andern  Decapoden  (auch  zu  der  sehr  nahe- 
stehenden Gattung  Rossia)  und  ähnlich  den  Octopoden  —  vor  seinem 
Eintritt  in  das  Ganglion  stellatum  keine  Spaltung  erleide,  muß  ich 
bestreiten.  Diese  Angabe  widerspricht  allen  meinen  Beobachtungen; 
ich  fand  die  erwähnte  Spaltung  des  Pallialnerven  bei  Sepiola  stets 
deutlich  ausgebildet. 

B.  Bei  L  oli  g  0. 

Die  sehr  starken  Pallialnerven  entspringen  an  der  dorsalen  seit- 
lichen Ecke  des  Visceralganglions,  nahe  seinem  Hinterende  und  ver- 
laufen zuerst  direkt  von  vorn  nach  hinten  und  etwas "  dorsalwärts 
zwischen  den  Leberlappen  (außen)  und  dem  Ausführgang  der  hinteren 
Speicheldrüse,  bzw.  dieser  Drüse  selbst  (innen),  (bei  Loligo  marmorae 
ist  die  hintere  Speicheldrüse  durch  Verschmelzung  unpaar).  (Taf.  XVIII, 
Fig.  4.)  Später  wendet  sich  jeder  Nerv.  pall.  nach  außen,  zieht  eine 
ziemlich  weite  Strecke  zwischen  der  Leber  und  dem  Nackenknorpel 
hin  und  sendet  einen  Zweig  nach  außen  aus,  welcher  den  Musculus 
retractor  capitis  innerviert  (Nervus  retractoris  capitis  posterior;  Taf. 
XVI,  Fig.  2  n.retr.cnp.post.).  Dann  durchsetzt  er  durch  ein  Foramen 
den  Musculus  retractor  capitis  dicht  an  den  Seiten  des  Nackenknorpels 
und  teilt  sich  gleich  darauf  in  zwei  Äste;  der  eine  Ast  biegt  nach 
vorn  um  und  tritt  nach  einem  ziemlich  kurzen  Verlaufe  in  das  Ganglion 
stellatum  ein  und  zwar  etwa  in  der  Mitte  der  Ventralseite  des  letzteren. 

Die  Ganglia  stellata  haben  bei  Loligo  marmorae  eine  etwa  eiförmige 
bis  ovale  Gestalt  und  liegen  dorsal  an  der  Innenseite  des  Mantels  dicht 
neben  dem  Schulp.  Wegen  dieser  rein  dorsalen  Lage  fallen,  wenn 
man  einen  Loligo  m,armorae  von  der  Ventralseite  öffnet,  die  Ganglia 
stellata  nicht  sofort  auf,  wie  es  bei  Sepia  officinalis  der  Fall  ist,  sie 
werden  hier  nämlich  durch  den  Eingeweidesack  verdeckt.  Von  den 
freien  Außenrändern  der  Ganglien  entspringen  bei  Loligo  marmorae 
je  sechs  starke  Nerven  (Taf.  XVI,  Fig.  2  n.stell.),  welche  die  Muskulatur 
des  Mantels  innervieren.  Beide  Stellarganglien  sind  durch  eine  ziem- 
lich kräftige  Quercommissur  miteinander  verbunden  (Commissura  inter- 
pallialis;  Taf.  XVT,  Vig.  2  comm.interpall.) ;  diese  Commissur  tritt  aus 
dem  Pallialnerven  aus,  kurz  vor  seinem  Eintritt  in  das  Stellarganglion 
und  verläuft  in  einem  nach  hinten  convexen  Bogen  unter  dem  Hinter- 
ende des  Nackenknorpels  und  an  der  dorsalen  Wand  des  Eingeweide- 


Zur  Kenntnis  des  Xcrvcnsystoins  der  Mynpsidcn.  611 

sacks.  Sie  verläuft  also  natiiilit'li  üIht  dem  Dann,  wio  bei  allen  Cephalo- 
poden,  bei  welchen  sie  bis  jetzt  gefunden  wurde.  Eine  entsprechende 
Comniissur  wurde  auch  von  AVilliams  bei  Lolkjo  fealii  und  von  v.  Jhe- 
EiNG  bei  Loligo  vulgaris  gefunden. 

Der  andre  Ast  des  Pallialis  (Nervus  pinnae ;  Taf .  XVI,  Fig.  2 
n.'pinn.)  zieht  nach  hinten  und  zuerst  etwas  nach  außen,  unter  dem 
Ganglion  stellatuni  hindurch,  mit  welchem  er  durch  einen  kurzen 
Nervenstrang  verbunden  ist.  Nach  einem  sehr  langen  Verlaufe  in  der 
Mantelhöhle  tritt  er  in  die  Muskelschicht  des  Mantels  ein  und  sendet 
hier  einen  starken  Ast  aus,  welcher  sich  in  der  Mantelmuskulatur 
verHert  und  also  die  hinteren  Teile  des  Mantels  mit  Nervenfäden  ver- 
sorgt; der  Hauptstamm  durchsetzt  dann  den  Mantel  und  tritt  in  die 
am  Hinterende  des  Körpers  gelegene  Flosse  ein. 

3)  Nervus  collaris.  Der  Nervus  collaris  (Taf.  XVI,  Fig.  1  u.  2, 
Taf.  XVII,  n.coll.)  (von  einigen  Autoren  als  Nervus  accessorius  pallialis 
bezeichnet)  entspringt  als  ein  kräftiger  Stamm  aus  der  dorsalen  seit- 
lichen Ecke  des  Ganglion  viscerale  vor  dem  Nervus  pallialis  und  bei 
Sepiola  dicht  neben  letzterem.  Er  verläuft  schräg  dorsalwärts,  nach 
außen  und  nach  hinten,  durchsetzt  den  Musculus  retractor  capitis, 
an  den  er  einen  Ast  abgibt,  und  tritt,  bei  Sepiola  sich  etwas  nach  vorn 
wendend,  in  den  mächtigen  Musculus  collaris  ein. 

4)  Nervus  infundibuli  posterior  (Taf,  XVI,  Fig.  1  u.  2; 
Taf.  XVII  7i.infd.post.).  Der  hintere  Trichternerv  entspringt  an  der 
Außenseite  des  Ganglion  viscerale,  hinter  dem  Nervus  retractoris 
capitis  anterior.  Er  verläuft  bei  Sepiola  zuerst  nach  außen,  nach  hinten 
und  ventralwärts  zwischen  der  Seitenwand  der  Statocyste  und  dem 
Musculus  retractor  capitis  (bei  Sepia  officinalis  nach  Cheron  und 
Hillig  in  der  Seitenwand  der  Statocyste).  Bei  Loligo  marmorae  tritt 
er  gleich  beim  Austritt  aus  dem  Ganglion  in  die  dorsale  Wand  der 
Statocyste  ein,  durchsetzt  sie  und  verläuft  nun  zwischen  der  Stato- 
cyste und  dem  Musculus  retractor  capitis  in  derselben  Richtung  wie  bei 
Sepiola.  Dann  durchsetzt  er  bei  beiden  von  mir  untersuchten  Alten 
den  genannten  Muskel  und  gelangt  so  in  die  bindegewebige  Membran 
oberhalb  der  Dorsalwand  des  Trichters.  Bei  Sepiola  biegt  er  hier 
um  und  verläuft  nach  vorn  und  etwas  nach  außen.  Er  gibt  dabei  einen 
ziemlich  starken  Ast  ventral  ab,  welcher  die  Dorsalwand  des  Trichters 
durchbohrt,  sich  in  zwei  Äste  spaltet,  und  dann  das  sogenannte  Trichter- 
organ oder  die  Trichterdrüse  iimerviert.  Diesen  Ast,  der  noch  bei 
keinem  Cephalopoden  beschrieben  worden  ist,  bezeichne  ich  als  Nervus 

Zeitachrift  f.  wissensch.  Zoolocrie.  CIX.  Bd.  41 


(512  Boris  Schkaff, 

glandis  iufundibulii  (Taf.  XVII  n.gl.infd.).  Der  Hauptstamm  des 
hinteren  Trichternerven  zieht  weiter  nach  vorn  und  nach  außen  zwischen 
der  dorsalen  AVand  imd  dem  Musculus  collaris;  er  spaltet  sich  dann 
in  zwei  Äste  und  tritt  bald  darauf  in  die  seitliche  dorsale  Ecke  des 
Trichters  ein. — Ähnlich  liegen  die  Verhältnisse  bei  io%o;  nur  habe 
ich  hier  nur  einen  Nervus  glandulae  infundibuli  gefunden,  dafür  aber 
noch  einen  Ast,  der  nach  innen  zur  Wand  der  Vena  cava  zieht  und  die- 
selbe innerviert.  Auch  spaltet  sich  bei  Loligo  der  Hauptstamm  vor 
seinem  Eintritt  in  den  Trichter  nicht. 

5)  Nervus  retractoris  capitis  anterior.  Der  kräftige  Nervus 
retractoris  capitis  anterior  (Taf.  XVI,  Fig.  1  u.  2,  Taf.  XVII  w.reir. 
cap.ant.)  entspringt  an  der  Außenseite  des  Ganglion  viscerale  und  teilt 
sich  sofort  in  zwei  gleich  starke  Äste.  Beide  verlaufen  schräg  nach 
hinten  und  nach  außen  in  dem  hier  sehr  dicken  Kopfknorpel.  Ein 
Ast  geht  mehr  nach  oben,  der  andre  wendet  sich  schräg  nach  unten. 
Nachdem  sie  den  Kopfknorpel  durchsetzt  haben,  dringen  beide  Äste 
in  den  Musculus  retractor  capitis  ein  und  verzweigen  sich  in  ihm  hirsch- 
geweihförmig.  Ein  entsprechender  Nerv  wurde  beschrieben  für  Sepia 
officinalis  von  Hillig  (Cheron  kennt  ihn  nicht),  und  für  Loligo  pealii 
von  Williams. 

6)  Nervus  nuchalis  sive  postorbitalis.  Dieser  kräftige 
Nerv  (Taf.  XVI,  Fig.  1  u.  2,  Tat  XYLl  n.nuch.)  entspringt  an  der 
dorsalen  Fläche  des  vordersten  Teiles  des  Ganglion  viscerale,  gleich 
hinter  dem  Ganglion  cerebrale.  Seine  Fasern  steigen  dorsal wärts  und 
etwas  nach  vorn  durch  das  Hinterende  des  Ganglion  cerebrale  hin- 
durch, durchbohren  das  hier  sehr  dicke  Schädeldach  und  zerteilen  sich 
dann  baumförmig  im  Nackenmuskel,  welcher  dem  Schädeldach  dorsal 
aufliegt.  Einige  feine  Ästchen  innervieren  auch  die  darüber  liegende  Haut. 

Ein  entsprechender  Nerv  ist  von  Hillig  (1912)  für  Sepia,  von 
Chun  für  Chiroteuthis  imperator  und  Spirula  australis^  beschrieben 
worden  unter  dem  Namen  Nervus  postorbitalis.  Der  Name  scheint 
mir  aber  das  Verbreitungsgebiet  dieses  Nerven  nicht  genügend  zu 
charakterisieren;  ich  würde  vorschlagen  denselben  als  Nervus  nuchalis 
zu  bezeichnen.  Nach  Hillig  und  Chun  soll  er  bei  Sepia  und  Chiro- 
teuthis aus  dem  Ganglion  cerebrale  entspringen,  was  für  Sepiola  und 

1  Auch  nach  Richter  (S.  365 — 367)  wird  die  Trichterdrüse  von  einem 
Aste  des  hinteren  Trichternerven  innerviert. 

2  Und  von  Richter  für  Omniatostrephes  sagittatus,  Stenoteuthis  Bartrami 
und  lllex  illecebrosus;  bei  diesen  Arten  entspringt  er  nach  Richter  aus  der  oberen 
Hinterecke  des  Ganghon  pedale. 


Zur  Kenntnis  des  Nervensystems  der  Myoi^sidcn.  613 

LoHgo  jedoch  insofern  nicht  zutrifft,  als  seine  Fasern,  wie  bemerkt, 
aus  dem  GangUon  viscerale  kommen;  ich  halte  es  für  sehr  wahrschein- 
lich, daß  die  iVngaben  von  Chun  und  Hillig  auch  für  Sepia  und 
Chiroteuthis  ungenau  und  wohl  auf  die  ausschließlich  makroskopische 
Zergliederungsmethode,  deren  sie  sich  bedient  haben,  zurückzuführen 
sind  (vgl.  Tai.  XVI,  Fig.  1  u.  2,  Taf.  XVII  n.nuch.). 

7)  Nervus  ophthalmicus  und  oculomotorius  superior 
(Taf.  XVI,  Fig.  la  u.  h;  TsiL  XVII  n.ophth.sup.  und  n.oculomot.sup.). 
Etwas  vor  der  Ursprungsstelle  des  Nervus  postorbitalis  entspringt  ein 
Nerv  aus  der  oberen  Fläche  des  Vorderrandes  des  Ganglion  viscerale,  da 
wo  es  mit  dem  Pedal-  und  dem  Cerebralganglion  verwachsen  ist.  Dieser 
Nerv  steigt  schräg  nach  oben  und  nach  vorn  durch  das  Cerebralganglion 
hindurch,  gelangt  an  die  Unterseite  des  Schädeldaches,  wendet  sich 
nach  außen  und  nach  vorn  und  verläuft  zwischen  dem  Augenknorpel 
und  dem  oberen  Rande  des  Ganglion  opticum.  Dann  tritt  er  in  den 
oberen  äußeren  Augenmuskel  ein  und  teilt  sich  —  ein  Zweig  inner- 
viert diesen  Muskel  (Nervms  oculomotorius  superior),  der  andre  ver- 
läuft mehr  nach  oben  und  innerviert  die  Dorsalfläche  des  Augenbulbusi. 
Diesen  letzteren  Zweig  bezeichnen  wir  als  Nervus  ophthalmicus  superior, 
im  Gegensatz  zu  den  Nervi  ophthalmicus  inferior  anterior  und  inferior 
posterior,  welche  im  Pedalganglion  wurzeln  und  die  Ventralfläche  des 
Augenbulbus   innervieren. 

BeiÄepm  beschreibt  Cheron  einen  <<nerf  ophthalmique  superieur» 
und  rechnet  die  Ursprungsstelle,  wie  wir  es  getan  haben,  zur  Unter- 
schlundmasse. Hillig  beschreibt  dagegen  bei  Sepia  zwei,  Chun  bei 
Chiroteuthis'^  einen  Nervus  ophthalmicus  superior ;  nach  beiden  Autoren^ 
sollen  diese  Nerven  aus  dem  Cerebralganglion  entspringen.  Auch  hier 
halte  ich  es  für  sehr  wahrscheinlich,  daß  die  Angaben  von  Chun  und 
Hillig*  in  letzterer  Beziehung  nicht  zutreffend  sein  dürften  und  wohl 
nur  durch  die  von  ihnen  ausschließlich  angewandte  Methode  der  ana- 
tomischen Präparation  bedingt  sind. 

Einen  selbständigen,  aus  dem  Ganglion  viscerale  entspringenden 
Nerv  der  Vena  cava,  wie  ihn  Cheron  für  Sepia  und  Loligo  und  Hillig 
für  Sepia  (und  zwar  ganz  anders  als  Cheron)  beschrieben,  habe  ich 
weder  bei  Sepiola  rondeleiti  noch  bei  Loligo  marmorae  zu  entdecken 
vermocht. 


1  Ähnlich  Richter,  S.  314—316. 

2  Und  Richter  bei  Ommatostrephes,  Stenoteuthis  und  Illex. 

3  Und  nach  Richter. 
*  Und  RicuTER. 

41* 


614  Boris  Schkaff, 


VI.  Nerven  des  Ganglion  pedale. 

1.  Nervus  infundibuli  anterior. 

Der  vordere  Trichternerv  (Taf.  XVII,  Taf.  XVIII,  Fig.  16  u.  2  c,  n. 
inj.ant.)  tritt  als  ein  sehr  starker  Nervenstamm  aus  der  Ventralseite 
des  Ganglion  pedale  aus,  gleich  vor  dem  Vorderende  des  statischen 
Organs.  Er  durchsetzt  sofort  den  Kopfknorpel  und  gibt  zwei  Nebenäste 
ab,  welche  beide  nach  außen  und  ventral  ziehen,  aber  der  eine  geht 
nach  vorn,  der  andre  nach  hinten.  Bei  Sepiola  innervieren  sie  die  hintere 
Muskulatur  des  Kopfes,  welche  hier  an  der  ventralen  Fläche  des  Augen- 
knorpels inseriert.  Ich  bezeichne  diese  Aste  des  vorderen  Trichter- 
nerven als  Nervus  infraorbitalis  anterior,  bzw.  Nervus  infraorbitalis 
posterior  {Tai.X.YII,  n.infraorb.ant.  und  n.infraorh.post.)^.  Bei  Loligo 
liegen  die  Verhältnisse  etwas  anders :  der  Nervus  infraorbitalis  posterior 
gibt  hier  zwar  einige  Astchen  an  die  hintere  ventrale  Kopfmuskulatur 
ab,  doch  innerviert  er  hier  hauptsächlich  den  Musculus  retractor  capitis 
an  der  Stelle,  wo  dieser  an  der  hinteren  Seitenecke  des  Augenknorpels 
inseriert.  Der  Nervus  infraorbitalis  anterior  verläuft  zuerst  dicht 
unter  dem  Augenknorpel,  dann  durchsetzt  er  diesen  und  verzweigt 
sich  in  der  ventralen  Muskulatur  des  Kopfes. 

Der  Hauptstamm  des  vorderen  Trichternerven  verläuft  nach 
seinem  Austritt  aus  der  Schädelkapsel  weiter  nach  unten  in  der  binde- 
gewebigen Membran,  welche  den  Kopf  vom  Trichter  scheidet,  zuerst 
an  den  Seiten  der  Vena  cava,  an  die  er  einige  Astchen  abgibt.  Bei 
Sepiola  spaltet  sich  von  ihm  etwas  weiter  ein  Ast  ab,  der  einige  feine 
Zweige  an  die  Arteria  brachialis  abgibt  und  dann  bald  in  die  dorsale 
Wand  des  Trichters  eindringt.  Der  Hauptstamm  behält  die  Eichtung 
nach  vorn  und  ventral,  spaltet  sich  in  zwei  ungefähr  gleich  starke 
Aste  und  erreicht  bald  darauf  die  vordere  Dorsalseite  des  Trichters, 
in  welcher  er  sich  reich  verzweigt.  Bei  Loligo  wendet  er  sich  etwas 
nach  hinten  und  tritt  nach  einem  kurzen  Verlauf  in  die  Wand  des 
vorderen  Teiles  des  Trichters  ein. 

2.  Nervus  infundibuli   medianus  (Taf.  XVII  w.m/.met?.). 

Etwas  vor  dem  Nervus  infundibuli  anterior  entspringt  aus  der 
Unterseite  des  Ganglion  pedale  und  zwar  genau  in  der  Mittellinie  ein 


1  Richter  bezeichnet  sie  als  »rami  laterales  Nervi  infundibuli  anterioris«. 
(S.  323. ) 


Zur  Kenntnis  dos  Nervensystems  der  Myopsiden.  615 

unpaarer,  bei  Sepiola  sehr  feiner  und  bei  Loligo  ziemlich  kräftig  aus- 
gebildeter Nerv  (er  fällt  hier  schon  bei  schwacher  Vergrößerung  auf). 
Er  durchsetzt  den  Kopfknorpel  und  verläuft  bei  Sepiola  in  der  binde- 
gewebigen Membran  zwischen  dem  Kopf  und  dem  Trichter  zuerst 
gerade  ventral,  dann  nach  vorn  und  nach  unten,  und  zwar  immer  in 
der  Medianlinie.  Nach  einem  ziemlich  langen  Verlauf  gabelt  er  sich 
und  tritt  gleich  darauf  in  die  vordere  Dorsal  wand  des  Trichters  ein.  — 
Bei  Loligo  durchbohrt  er  ebenfalls  beim  Austritt  aus  dem  Ganglion 
pedale  den  hier  sehr  starken  Kopfknorpel,  zieht  zwischen  den  beiden 
Ästen,  in  welche  sich  die  Vena  cava  an  dieser  Stelle  teilt,  durch  und 
tritt  in  eine  bindegewebige  Membran  ein,  in  welcher  er  eine  ziemlich 
weite  Strecke  nach  hinten  verläuft.  Dann  dringt  er  in  einen  kleinen 
ventralen  Muskel  des  Kopfes  ein,  der  zwischen  Kopf  und  Trichter 
liegt  (dieser  Muskel  fehlt  bei  Sepiola)  und  durchzieht  denselben,  wobei 
er  an  ihn  einige  feine  Astchen  abgibt.  Nach  dem  Austritt  aus  dem 
Muskel  biegt  er  nach  vorn  um,  behält  aber  die  ventrale  Richtung. 
Er  tritt  schließlich  in  der  Medianlinie  in  die  Dorsalwand  des  Trichters 
ein,  in  welcher  er  sich  verzweigt. 

Diesen  Trichternerven,  der  meines  Wissens  noch  für  keinen  Ce- 
phalopoden  beschrieben  worden  ist^,  bezeichne  ich  als  Nervus  infundi- 
buli  medianus.  Zwar  beschreibt  Williams  (1909)  bei  Loligo  pealii  einen 
aus  dem  Ganglion  pedale  entspringenden  und  vermutlich  unserm  Nervus 
infundibuli  medianus  entsprechenden  Nerv  in  folgender  Weise:  "im- 
mediately  in  front  of  the  siphonal  nerves  there  arises  a  median  nerve 
w^hich  goes  through  the  pedal  process  and  is  distributed  to  the  muscles 
of  the  lower  side  of  the  head" ;  wie  man  jedoch  aus  dieser  Beschreibung 
ersieht,  ist  es  ihm  unbekannt,  daß  dieser  mediane  Nerv  der  Inner- 
vierung des  Trichters  dient.  Im  Gegensatz  zu  allen  andern  Nerven 
von  Sepiola  und  Jjoligo  ist  der  Nervus  infundibuli  medianus  ein  in 
seinem  ganzen  Verlaufe  unpaarer  Nerv. 

S.Nervus  ophthalmicus  inferior  posterior  (Taf .  XVII  w. 
ophth.inf.post.)  entspringt  an  der  ventralen  seitlichen  Ecke  des  Pedal- 
ganglions dicht  neben  und  nach  außen  vom  vorderen  Trichternerven 
mit  welchem  er  eine  gemeinsame  Wurzel  im  Ganglion  hat.  Er  durch- 
setzt schräg  nach  außen  verlaufend  den  hier  nach  innen  vorsprin- 


1  Einen  entsprechenden  Nerv  beschreibt  Richter  (1913)  bei  den  von  ihm 
untersuchten  Oegopsiden  und  bezeichnet  ihn  ebenfalls  als  Nervus  infundibuli 
medianus. 


616  Boris  Schkaff, 

genden  Fortsatz  der  Schädelkapsel,  gelangt  auf  die  Ventralseite  der 
Orbita  und  verläuft  dann  parallel  und  unterhalb  des  Nervus  olfac- 
torius,  von  dem  er  durch  eine  dünne  Membran  getrennt  bleibt,  auf 
der  ventralen  Seite  der  Orbita  zwischen  dem  Ganglion  opticum  und 
dem  Augenknorpel.  Dann  entfernt  er  sich  vom  Nervus  olfactorius, 
durchsetzt  den  Augenknorpel  und  verläuft  auf  der  Ventralseite  des 
Auges  nach  außen.  Er  innerviert  also  die  Veutralf lache  des  Augen- 
bulbus.  Ich  bezeichne  ihn,  im  Anschluß  an  Cheeon  und  Hillig,  als 
Nervus  ophthalmicus  inferior  posterior.  Nach  Hillig  i  stellt  er  bei 
Sepia  officinaUs  einen  Ast  des  vorderen  Trichternerven  vor,  von 
welchem  er  sich  erst  außerhalb  der  Schädelkapsel  abzweigt.  Dabei 
behauptet  Hillig,  daß  dieser  Nerv  in  der  Literatur  noch  nirgends 
beschrieben  worden  ist.  Das  ist  nicht  richtig:  Cheron  erwähnt  bei 
Sepia  einen  »Nerf  ophthalmique  inferieur«  und  beschreibt  ihn  als 
einen  ganz  selbständigen  Nerven  mit  folgenden  Worten:  <<du  milieu 
de  la  face  laterale  de  la  masse  sous-oesophagienne  emane  un  petit  nerf 
qui  traverse  la  paroi  interne  de  l'orbite  et  se  porte  au-dessous  du  nerf 
optique,  du  ganglion  et  du  globe  oculaire,  se  distribuant  ä  ce  dernier.  >> 
Diese  Beschreibung  stimmt  mit  meinen  Befunden  an  Sepiola  rondeletti 
und  Loligo  marmorae  gut  überein. 

4.  Nervus  olfactorius  und  oculomotorius  inferior. 
Der  Nervus  olfactorius  (Taf.  XVII,  Taf.  XVIII,  Fig.  2c,  w.oZ/.)  ent- 
springt aus  der  Commissura  cerebropedalis  an  der  Grenze  zwischen 
dem  Ganglion  pedale  und  dem  Ganglion  cerebrale,  allerdings  mehr 
nach  dem  Ganglion  pedale  zu  (vgl.  Taf.  XVIII,  Fig.  2c).  Seine  Aus- 
trittsstelle liegt  dicht  neben  dem  Ganglion  pedunculi,  doch  habe  ich 
ebensowenig  wie  Miss  AVatkinson  (1909)  je  einen  Zusammenhang 
zwischen  der  Markmasse  des  letzteren  und  den  Fasern  des  Nervus 
olfactorius  zu  finden  vermocht.  Die  Frage  über  den  Ursprung  des 
Nervus  olfactorius  bei  den  Cephalopoden  ist  eine  sehr  strittige:  die 
älteren  Autoreu  (Hancock,  Cheron,  Owsjannikow  und  Kowalewsky, 
V.  Jhering,  Dietl)  ließen  ihn  aus  dem  Ganglion  pedunculi  entspringen ; 
nach  Zernoff  (1869)  und  Chun  (1911)  entspringt  er  bei  Sepia  vor- 
und  seitwärts  von  dem  Ausgangspunkt  des  vorderen  Trichternerven; 
dagegen  nach  Jatta  (1887  b)  aus  dem  Ganglion  cerebrale  (und  zwar 
aus   dem   Lobus   frontalis   superior),   was   vom   theoretischen   Stand- 


1  Und  nach  Richter,  der  diesen  Nerv  als  »Nervus  oi^hthalmicus  inferior« 
bezeichnet  (S.  326—327). 


Zur  Kenntnis  dos  Xorvensystenis  der  Myopsiden.  617 

punkte  aus  am  ehesten  zu  erwarten  wäre.  Mit  Hilfe  der  von  mir  ange- 
wandten Färbungsmethoden  war  es  mir  leider  nicht  möglich  den  Ver- 
lauf der  Fasern  des  Nervus  olfactorius  innerhalb  des  Centralnerven- 
systems  unzweideutig  festzustellen  und  damit  zu  entscheiden,  ob  die 
Olfactoriusfasern  im  Ganglion  cerebrale  oder  im  Ganglion  pedale  oder 
in  beiden  (was  die  Ansicht  von  Miss  Watkinson  ist)  ihren  Ursprung 
nehmen. 

Nach  seinem  Austritt  aus  dem  Ganglion  pedale  verläuft  der  an- 
fangs sehr  dünne  Nervus  olfactorius  zuerst  ventralwärts,  dann  —  bei 
Sepiola  —  in  einem  Bogen  auf  der  Ventralseite  der  Orbita  zwischen 
dem  Augenknorpel  und  dem  Ganglion  opticum  nach  vorn  und  nach 
außen,  parallel  und  oberhalb  des  Nervus  ophthalmicus  inferior  posterior, 
von  dem  er  durch  eine  dünne  bindegewebige  Membran  getrennt  bleibt. 
Dann  durchsetzt  er  den  ventralen  Augenmuskel,  welcher  an  dem  inneren 
Rand  des  Augenknorpels  inseriert,  und  gibt  dabei  einen  feinen  Ast  ab, 
der  sich  in  dem  erwähnten  Muskel  reich  verzweigt.  Ich  bezeichne 
diesen  Ast  als  Nervus  oculomotorius  inferior  (Taf.  XVII,  w.ocw/omof.m/.). 
Der  Hauptstamm  durchbohrt  dann  den  Augenknorpel  nicht  weit  von 
seinem  äußeren  Rande  und  verläuft  nun  im  Unterhautbindegewebe, 
wobei  er  ganz  bedeutend  anschwillt.  Er  macht  dann  eine  kleine  Bie- 
gung nach  dorsal  und  hinten  und  tritt  bald  in  das  Geruchsorgan  ein, 
in  welchem  er  sich  reich  verzweigt.  —  Ein  ganz  ähnlicher  Verlauf 
wird  für  den  Nervus  olfactorius  von  Sepia  officinalis  von  Zernoff 
(1869)  und  Hillig  beschrieben.  Nur  beschreibt  Hillig ^  einen  selb- 
ständigen >>Nervus  oculomotorius  posterior  «,  der  in  der  Nähe  des  Nervus 
olfactorius  entspringen  und  dicht  neben  ihm  verlaufen  soll.  Nach 
meinen  Beobachtungen  ist  der  untere  Augenmuskelnerv,  wenigstens 
bei  Sepiola  und  auch  bei  Loligo  marmorae  (siehe  gleich  unten),  nur  ein 
Ast  des  Nervus  olfactorius,  welcher  also  sowohl  sensible  wie  motorische 
Fasern  enthält. 

Etwas  anders  liegen  die  Verhältnisse  bei  Loligo  marmorae.  Hier 
teilt  sich  der  Nervus  olfactorius  bald  nach  seinem  Austritt  aus  dem 
GangUon  pedale  in  zwei  Äste  —  der  eine  verläuft  nach  vorn  und  nach 
außen  auf  der  Ventralseite  der  Orbita  und  tritt  in  den  ventralen  Augen- 
muskel ein.  Er  entspricht  wohl  dem  Nervus  oculomotorius  posterior 
von  Hillig,  nur  soll  dieser  Nerv  nach  diesem  bei  Sepia  einen  selb- 
ständigen Ursprung  im  Ganglion  pedale  haben.  Der  andre  Ast  (Nervus 
olfactorius  sensu  stricto)  geht  in  einem  Bogen  nach  außen  und  nach 


1  Und  ebenso  Richter  (8.311—313,  31«]— 320). 


(318  Boris  Schkaff, 

hinten  zwischen  dem  Augenknorpel  und  dem  GangHon  opticuni.  Er 
bieo-t  dann  nach  vorn  um,  durchsetzt  den  Augenknorpel  und  tritt  gleich 
darauf  in  das  Geruchsorgan  ein. 

5.  Nervus  ophthalmicus  inferior  anterior. 
Bei  Loligo  marmorae  entspringt  an  den  Außenseiten  des  vorderen 
Teils  des  Ganglion  pedale  jederseits  ein  Nerv,  der  ventral  und  nach 
außen  verläuft.  Er  innerviert  die  Ventralfläche  des  Augenbulbus, 
weshalb  ich  ihn  als  Nervus  ophthalmicus  inferior  anterior  (zum  Unter- 
schied von  dem  oben  besprochenen  Nervus  ophthalmicus  inferior 
posterior)  bezeichne.  —  Bei  Sepiola  fehlt  er.  —  Entsprechende  Nerven 
wurden  beschrieben  von  Chun  (1910)  bei  Chiroteuthis  imperator  (»Nervus 
ophthalmicus  inferior«)  und  von  Williams  bei  Loligo  'pealii  ("a  pair 
of  nerves  arise  from  the  sides  of  the  front  end  of  the  ganglion.  Each 
nerve  passes  outward  and  forward  above  the  pedal  process  and  the 
capsule  of  the  eye  and  below  the  optic  ganghon.  They  supply  the 
muscles  and  capside  of  the  eye"). 

VII.  Nerven  des  Ganglion  brachiale. 

1.  Nervi  brachiales  und  Nervus  tentacularis. 
Aus  dem  Vorderrande  des  Ganglion  brachiale  treten  jederseits 
fünf  kräftige  Nerven  aus,  von  denen  vier  in  die  Arme  gehen  (Nervi 
brachiales),  während  der  fünfte  den  Tentakel  (den  Fangarm)  inner- 
viert (Nervus  tentacularis).  Es  ist  von  vornherein  hervorzuheben, 
daß  die  Fasern,  welche  die  erwähnten  Nerven  bilden,  zum  größeren 
Teile  aus  dem  Ganglion  pedale  stammen,  durch  die  Commissura  brachio- 
pedalis  in  das  Ganglion  brachiale  gelangen  und  es  durchziehen,  wobei 
sie  allerdings  aus  seiner  Markmasse  Verstärkungen  bekommen  (vgl. 
Taf.  XVIII,  Fig.  la).  Natürlich  lassen  sich  diese  Verhältnisse  nur  an 
Sagittal-  und  Horizontalschnitten  feststellen,  nicht  aber  an  Quer- 
schnitten. Das  Verdienst  diese  für  die  morphologische  Beurteilung 
des  Ganglion  brachiale  wichtige  Tatsache  aufgeklärt  zu  haben,  gebührt 
Jatta.  Er  schreibt  (1889):  <<Non  riusci  a  constatare  rapporto  alcuno 
fra  le  fibre  della  commissura  laterale  anteriore  (=  Conim.  cerebro- 
brachialis)  e  quelle  dei  nervi  brachiali  (wie  es  Dietl  behauptet  hatte; 
B.  S.).  Seguendo  i  nervi  brachiali  fino  alla  loro  origine  si  trova  che 
le  fibre  di  cui  sono  formati  provengono  la  maggior  parte  del  ganglio 
pedale  ed  altre  dal  brachiale.  Infatti  si  puö  facilmente  osservare 
(sezioni  longitudinali  e  sagittali)  che  dal  ganglio  pedale  partono  due 
fasci  di  fibre  ciascuno  dei  quali  penetrato  nel  ganglio  brachiale  si  divide 


Zur  Kt'iinlnis  des  XiTvc-nsystcms  (k-r  ^lyopsiclen.  619 

in  1  (Octopodi)  o  5  (Docapodi)  fasci  .secüiidarii,  i  quali  attraversano 
in  tiitta  la  sua  lungliezza  il  ganglio  brachiale  e  rinforzati  da  fibre  di 
questo  ganglio  vanno  a  formare  i  nervi  brachiali.  >>  Meine  Beobachtungen 
an  Sepiola  und  Loligo  stimmen  mit  diesen  Angaben  Jattas  vollkommen 
überein. 

Von  den  vier  Armnerven,  die  jederseits  aus  dem  Vorderrande  des 
Bracliialganglions  ausstrahlen,  entspringt  einer  an  der  Ventralseite, 
der  Mittellinie  genähert  (Taf.  XVI,  Fig.  1  u.  2,  Taf.  XYll  n.hrach.IV), 
zwei  an  der  Außenseite  (n.hrach.ll  und  ///),  und  einer  an  der  dorso- 
lateralen  Ecke  des  Ganglions  {n.hrach.l).  Sie  verlaufen  in  der  Wand 
des  Schlundkopfes  von  hinten  nach  vorn,  und  zwar  nimmt  der  erste 
Aimnerv  die  dorsale,  der  vierte  die  ventrale,  der  zweite  und  der  dritte 
die  Außenseite  des  Schlundkopfes  ein.  Vom  ersten  Armnerven  zweigen 
sich  kurz  nach  seinem  Austritt  aus  dem  Ganglion  bei  Seyiola  ein, 
bei  Loligo  zwei  Seitenäste  ab,  welche  sich  dorsal  wenden  und  bald 
in  die  dorsale  Kopfmuskulatur  eintreten.  Diese  Seitenäste  des  ersten 
Armnerven  rechnen  wir  zu  den  Nervi  antorbitales  superiores  (vgl. 
unten).  Den  vierten  Ai'mnerven,  welcher  die  sogenannten  fleischigen 
Arme  innerviert,  habe  ich  bei  Sepiola,  wenigstens  in  seinem  Anfang, 
etwas  schwächer  gefunden,  als  die  andern  Armnerven.  Nach  langem 
Verlauf  in  der  Wand  der  Buccalmasse  treten  die  Armnerven  in  die 
Muskulatur  der  Arme  ein,  wobei  sie  zu  ziemlich  großen  Ganglien  an- 
schwellen,  indem  sie  einen  mächtigen  peripheren  Belag  von  Nerven- 
zellen bekommen,  was  an  den  mehr  dorsal  verlaufenden  Nerven  etwas 
später  auftritt,  als  an  den  mehr  ventralen.  Jedes  dieser  Ganglien  ist 
mit  seinen  Nachbarn  durch  eine  Commissur  (Commissura  interbrachialis; 
Taf.  XVI,  Fig.  1  u.  2,  Taf.  XVII  cowm.mier&r.)  verbunden,  so  daß 
alle  acht  Armnerven  miteinander  in  Verbindung  stehen. 

Es  scheint  wichtig  zu  bemerken,  daß  diese  Commissur  sich  bei  den 
beiden  von  mir  untersuchten  Arten  an  jedem  Armganglion  schleif en- 
förmig  verdoppelt.  Dasselbe  Verhältnis  hat  Cuvier  (1817)  bei  Octopus'^ 
gefunden  (<<les  huits  nerfs  sont  joints  ensemble  par  une  ceinture  nerveuse 
et  cette  ceinture  se  dedouble  vis-ä-vis  de  chaque  nerf  et  y  forme  une 
petite  anse.  Mem.  p.  3G).  Hancock  (PI.  I,  Fig.  2,  3)  zeichnet  die 
Armnervencomraissuren  bei  Ommastrephes  todarus  nicht  einfach,  son- 
dern mit  bogenförmigen  Schenkeln,  ohne  indessen  im  Texte  dieses  Ver- 
haltens zu  gedenken.  Dagegen  soll  sie  bei  Sepia  einfach  sein  (Hillig, 
Cheron). 


1  Und  Richter  (S.  372 — 373)  bei  den  von  ihm  untersuchton  Üegopsidenarten. 


(520  Boris  Schkaff, 

Von  nun  an  werden  die  Nerven  gangliös  und  durchziehen  die 
ganze  Länge  der  Arme,  begleitet  von  den  Brachialarterien;  sie  inner- 
vieren die  Haut  und  die  starke  Muskulatur  der  Arme,  sowie  die  Saug- 
näpfe. Je  mehr  sie  sich  der  Ai-mspitze  nähern,  um  so  mehr  nehmen 
sie  an  Stärke  ab,  was  ganz  allmählich  erfolgt.  Sie  sind  also  nicht  rosen- 
kranzförmig eingeschnürt,  wie  es  für  die  Armnerven  der  Octopoden 
angegeben  wird. 

Bald  nachdem  jeder  Armnerv  zu  einem  Ganglion  schwillt,  zweigt 
sich  von  letzterem  ein  dünner  Nervenast  nach  innen  ab.  Er  durch- 
setzt die  Muskelmasse  der  Arme,  tritt  bald  in  die  den  Mund  umgebende 
Hautfalte  (äußere  Lippe,  Mundhaut)  ein  und  schwillt  hier  zu  einem 
kleinen  Ganglion  an.  Dabei  vereinigen  sich  die  zwei  dorsal  verlaufenden 
Äste  zu  einem;  es  gibt  also  hier  nicht  acht,  sondern  sieben  solcher 
Ganglien.  —  Die  betreffenden  Nerven  und  Ganglien  wurden  zuerst 
von  Chun  bei  Chiroteutliis  (1910)  entdeckt,  der  ihnen  den  Namen 
Nervi  pili  buccalis  (N.  des  Buccalpfeilers)  gegeben  hat.  Sie  wurden 
dann  auch  bei  Sefia  (Hillig,  1912)1  nachgewiesen.  Bei  allen  diesen 
Gattungen  findet  man  wie  bei  Sepiola  und  Loligo  sieben  Ganglien, 
da  die  beiden  dorsalen  Nerven  ebenfalls  zu  einem  verschmelzen.  Die 
physiologische  Bedeutung  dieser  Nerven  und  Ganglien  ist  noch  voll- 
kommen dunkel.     Ich  behalte  den  von  Chun  gegebenen  Namen  bei. 

Der  Nerv  für  den  Fangarm  (Nervus  tentacularis ;  Taf.  XVI,  Fig.  1 
u.  2,  Taf.  XVIII,  Fig.  2  a  u.  3,  n.tent.)  entspringt  an  der  ventralen 
seitlichen  Ecke  des  Ganglion  brachiale  zwischen  dem  dritten  und  dem 
vierten  Armnerven  und  zwar  ganz  dicht  neben  dem  letzteren  (vgl. 
Taf.  XVIII,  Fig.  2fl.).  Bei  Sefiola  ist  er  bedeutend  dünner  als  die 
Brachialnerven  und  tritt  fast  sofort  in  den  Fangarm  ein,  den  er  als 
von  nun  an  gangliöser  Nerv  in  seiner  ganzen  Länge  durchzieht.  Nach 
meinen  Beobachtungen  ist  er  durch  einen  dünnen  Strang  mit  dem 
vierten  Armnerven  verbunden  (Taf.  XVII);  dagegen  scheint  er  bei 
Sefiola  mit  der  Commissura  interbrachialis  in  keiner  Verbindung  zu 
stehen.  —  Bei  Loligo  marmorae  ist  er  bedeutend  kräftiger,  als  bei  Sefiola 
und  tritt  erst  nach  längerem  Verlaufe  in  den  Fangarm  ein,  wobei  er 
zu  einem  Ganglion  anschwillt.  Bei  Loligo  steht  er  durch  einen  Nerven- 
strang mit  der  Commissura  interbrachialis  in  Verbindung,  wie  es  auch 
Cheron  für  Loligo  vulgaris^  gefunden  hat.  Über  Loligo  pealii  sagt 
Williams  "it  is  not  certain  but  probable  that  the  ganglia  of  the  fourth 


1  Und  bei  Ommatostrephes,  Stenoteidhis  und  Illex  (Richter  1913). 

2  Und  Richter  für  Ommatostrephes,   Stenoteuthis  und  Illex. 


Zur   Kciitituis  des  Xcrvciisystt'iiis  der  Myopsiden.  621 

piiir  üf  ariiis  (=  nervi  tentaculares ;  B.  S.)  are  connected  with  the 
brachial  ring."  Dagegen  ist  nach  Hillig  der  Tentakelnerv  bei  Se'pia 
officinaUs  weder  in  die  Ringconiinissur  der  Armnerven  einbezogen, 
noch  steht  er  mit  ihr  in  irgendwelcher  "Weise  in  Verbindung. 

2.  Nervi  antorbitales  superiores. 

Die  oberen  Antorbitalnerven  (Tat".  XVII  n.antorb.sup.),  welche  Be- 
zeichnung Chun  für  entsprechende  Nerven  bei  Chiroieuthis  eingeführt 
hat,  entspringen  in  etwas  schw^ankender  Zahl  (2 — i)  aus  dem  oberen 
Rande  des  G.  brachiale,  bzw.  aus  dem  ersten  Armnerven  und  ver- 
zweigen sich  in  der  vorderen  dorsalen  Muskulatur  des  Kopfes.  Sie 
bilden  ein  Gegenstück  zu  den 

3.  Nervi  antorbitales  inferiores  (Taf.  XVII  w.an<or6.m/.). 

Diese  Nerven  treten  ungefähr  in  der  Dreizahl  bei  Sejjiola,  in  der 
Vierzahl  bei  Loligo  aus  der  Ventralfläche  des  Brachialganglions  aus 
und  innervieren  die  vordere  ventrale  Muskulatur  des  Kopfes.  —  Bei 
Sepia  sollen  sie  nach  Hillig  in  der  Vierzahl  vorhanden  sein  und  in  der 
Nähe  des  Tentakelnerven  und  vierten  Armnerven  ihren  Ursprung 
nehmen. 

Bei  Sepia  beschreibt  Hillig  einen  Nerv,  der  zwischen  dem  Ten- 
takelnerv und  dem  vordersten  unteren  Antorbitalnerv  entspringt  und 
die  Ventralfläche  der  vorderen  Wand  der  Orbita  innerviert.  Hillig 
bezeichnet  ihn  als  Nervus  ophthalmicus  inferior  anterior.  Dieser  Nerv 
ist  bei  keinem  anderen  bis  jetzt  untersuchten  Cephalopoden  beobachtet 
worden;  ich  konnte  ihn  weder  bei  Sepiola,  noch  bei  Loligo  nachweisen. 

VIII.  Das  sympathische  Nervensystem. 

Das  sympathische  System  besteht  bei  Sepiola  und  Loligo  aus 
drei  durch  Commissuren  miteinander  und  mit  dem  Centralnerven- 
system  in  Verbindung  stehenden  Ganghen:  dem  Ganglion  buccale 
superius,  Ganglion  buccale  inferius  imd  GangHon  gastricum,  sowie 
zahlreichen  Nerven,  welche  aus  diesen  Ganglien  entspringen.  Diese 
Nerven  innervieren  die  verschiedenen  Abschnitte  des  Darmkanals. 

I.  Das  Ganglion  buccale  superius  Hegt  dem  Oesophagus  auf,  und 
zwar  gleich  hinter  der  Stelle,  wo  derselbe  in  den  Schlundkopf  über- 
geht. Es  ist  bei  Sepiola  breiter  als  lang,  bei  Loligo  ist  es  umgekehrt. 
Eine  mediane  Einkerbung  auf  seiner  Ventralfläche,  welche  auf  Quer- 
schnitten gut  wahrzunehmen  ist  (Taf .  XVIII,  Fig.  2a  u.  3)  deutet  seine 


622  Boris  Schkaff, 

Entstehung  aus  zwei  paarigen  Ganglien  an.  Es  liegt  ungefähr  in  der 
Höhe  des  Ganglion  buccale  inferius  und  des  Vorderrandes  des  Ganglion 
brachiale  (vgl.  Taf.  XVII  und  Taf.  XVIII,  Fig.  1«  u.  2a),  doch  lag  es 
bei  einigen  von  mir  untersuchten  Individuen  von  Sepiola  auch  etwas 
vor,  bei  andern  dagegen  etwas  hinter  dem  Ganglion  buccale  inferius, 
mit  welchem  es  durch  die  Commissura  buccalis  superior  inferior  ver- 
bunden ist. 

Durch  zwei  Commissuren  steht  das  Ganglion  buccale  superius  mit  dem 
Centralnervensystem  in  Verbindung :  es  sind  dies  die  Commissura  cerebro- 
buccalis  und  Commissura  brachiobuccalis.  Die  Commissura  cerebro- 
buccalis  (Taf.  XVI,  Fig.  1  u.  2;  Taf.  XVII,  c.cer.hucc.)  entspringt  vom 
Vorderende  des  Lobus  frontalis  inferior  des  Ganglion  cerebrale  in  der 
Medianlinie;  sie  ist  bei  beiden  Arten  anfangs  unpaar  (wie  bei  Chiro- 
teuthis  imperator  nach  Chun)i.  Die  Behauptung  v.  Jherings,  daß  die 
Commissura  cerebrobuccalis  nur  bei  Ommastreplies  todarus  in  ihrem  An- 
fangsteile unpaar  sei,  ist  also  nicht  richtig.  Sie  verläuft  auf  dem  Oeso- 
phagus von  hinten  nach  vorn;  etwa  in  der  Höhe  des  Vorderrandes 
des  Ganglion  opticum  (vgl.  Taf.  XVI,  Fig.  1  u.  2),  gabelt  sie  sich  in 
zwei  divergierende  Aste,  welche  nach  vorn  und  nach  außen  ziehen 
und  in  den  Hinterrand  des  Ganglion  buccale  superius  eintreten,  dicht 
oberhalb  der  gleich  zu  besprechenden  Commissura  brachiobuccalis.  — 
Bei  Sepia  ojficinalis  ist  die  Commissura  cerebrobuccalis  in  ihrem  ganzen 
Verlauf  paarig  und  soll  ganz  nahe  der  Medianlinie  ziehen  (Hillig). 

Die  Commissura  brachiobuccalis  (Taf.  XVII  comm.hr. hucc.)  ist  in 
ihrem  ganzen  Verlaufe  paarig ;  sie  zweigt  sich  dicht  oberhalb  des  Hinter- 
randes des  Ganglion  brachiale  von  der  Commissura  cerebrobrachialis 
ab,  verläuft  schräg  dorsal  und  nach  vorn,  erreicht  die  Dorsalseite  des 
Oesophagus  und  tritt  in  den  Hinterrand  des  Ganglion  buccale  superius 
ein,  etwas  ventral  und  vor  der  Eintrittsstelle  der  Commissura  cerebro- 
buccalis. 

Hinsichtlich  des  Verhaltens  des  Ganglion  buccale  superius  zum 
Centralnervensystem  ordnen  sich  die  Dibranchiaten,  ähnlich  wie  im 
Verhalten  des  Ganglion  brachiale  zum  Ganglion  pedale,  bekanntlich 
in  eine  morphologische  Reihe  ein :  bei  den  Decapoden  ist  das  Ganglion 
superius  vom  Ganglion  cerebrale  mehr  oder  weniger  entfernt,  am 
meisten  von  den  bis  jetzt  untersuchten  Gattungen  bei  Ommastrephes, 
am  wenigsten  bei  Sepia;  bei  den  Octopoden  dagegen  ist  es  mit  dem 
Ganglion  cerebrale  verschmolzen  und  bildet  einen  Lobus  desselben. 


1  Und  bei  Onunatostrephes,   Stenoteuthis  und  Illex  nach  Richter. 


Zur  Kenntnis  dos  Nervensystems  der  Myopsiden.  623 

Nach  Cheron,  Pelseneer  und  Jhering  sollten  die  Octopoden  das 
primäre  Verhalten  repräsentieren  und  das  Ganglion  buccale  superius 
der  Decapoden  einen  abgelösten  Teil  des  Cerebralganglions  darstellen. 
Dagegen  sucht  Bütschli  (1912,  S.  531),  wie  uns  scheint  mit  Recht, 
die  Frage  im  entgegengesetzten  Sinne  zu  lösen,  indem  er  auf  die  Ver- 
hältnisse bei  den  Tetrabranchiaten  hinweist.  Die  Coniniissvir  nämlich, 
welche  bei  Nautilwj  das  Cerebralband  ( =  Cerebralganglion  der  Di- 
branchiaten)  mit  dem  Labialganglion  ( =  Ganglion  buccale  superius 
der  Decapoden)  vereinigt,  entspringt  jederseits  mit  zwei  Wurzeln. 
Diesen  zwei  Wurzeln  würden  wohl  die  beiden  Commissuren  der  De- 
capoden entsprechen:  nämlich  die  Commissura  cerebrobuccalis  und 
Commissura  brachiobuccalis,  da  ja  letztere  doch  nicht  direkt  vom 
Ganglion  brachiale,  sondern  von  der  Commissura  cerebrobrachialis 
entspringt,  also  auch  dem  Cerebralganglion  zugerechnet  werden  könnte. 
Dann  wäre  das  Ganglion  buccale  superius  bei  Octopoden  mit  dem 
Vorderende  des  Ganglion  cerebrale  unter  Einziehung  der  beiden  Wurzeln 
vereinigt.  Die  Tatsache,  daß  die  Octopoden  doch  sicher  phylogenetisch 
jünger  sind,  als  die  Decapoden  spricht  zugunsten  dieser  Auffassung 
und  gegen  die  Deutung  von  Cheron,  Jhering  und  Pelseneer.  Es 
dürfte  kaum  anzunehmen  sein,  daß  die  in  allen  sonstigen  Verhältnissen 
die  Endglieder  der  Cephalopodenreihe  darstellenden  Octopoden  gerade 
in  bezug  auf  das  Nervensystem  ursprünglichere  Verhältnisse  bewahrt 
haben  sollten  ! 

Von  der  vorderen  ventralen  Ecke  des  Ganglion  buccale  superius 
entspringt  jederseits  ein  kräftiger  Faserstrang;  er  zieht  ventral,  um- 
greift den  Oesophagus  und  tritt  von  oben  her  in  das  Ganglion  buccale 
inferius  ein.  Diesen  die  beiden  Buccalganglien  verbindenden  Faser- 
strang bezeichnen  wir  nach  dem  Vorgang  von  Chun  (1910)  als  die 
Commissura  buccalis  superior  inferior  (>>nerf  buccal«  von  Cheron; 
»nervus  buccalis«  von  Meyer;  s.  Taf.  XVII,  comm.hucc.sup.mf.).  Bei 
Loligo  marmorae  ist  die  Commissur  sehr  kurz,  da  die  Ganglien  sehr 
nahe  aneinander  liegen. 

Außer  diesen  drei  Commissuren  entspringen  vom  Vorderrande  des  Gan- 
glion buccale  superius  bei  Sepiola  etwa  sechs  bis  sieben,  bei  Loligo  etwa 
fünf  Paar  feiner  Nerven  (Taf.  XVI,  Fig.  1  u.  2;  Taf.  XNll,  n.siipr.phar.). 
Diese  Nerven  ziehen  nach  vorn  und  verlaufen  bei  Sefiola  zunächst 
in  einer  durchsichtigen  Membran,  dann  legen  sie  sich  innig  den  äußersten 
Muskelschichten  der  Buccalmasse  an.  Sie  werden  bald  sehr  dünn 
und  verHeren  sich  allmählich  in  der  oberen  Wand  der  Buccalmasse; 
bei  Loligo  treten  sie  fast  sofort  in  die  obere  Muskel wandung  der  Buccal- 


624  Boris  Schkaff, 

masse  ein.  Ähnlich  verlaufende  Nerven  wurden  bei  verschiedenen 
Cephalopoden  beschrieben,  meistens  (Cheron,  Hillig)  unter  dem 
Namen  Nervi  labiales,  da  sie  angeblich  die  Lippen  innervieren  sollen. 
Ich  ziehe  dagegen  den  Namen  Nervi  suprapharyngei  vor,  den  Chun 
bei  seiner  Beschreibung  des  Nervensystems  von  Chirotheutis  imperator 
adoptiert  hat;  ich  habe  nämlich,  ebenso  wie  Chun  (1910)  und  Hancock 
(1852),  diese  Nerven  nie  bis  zur  inneren  Lippe  verfolgen  können,  und 
was  die  äußere  Lippe  (sogenannte  Mundhaut)  betrifft,  so  wird  sie  nach 
meinen  Beobachtungen  wenigstens  bei  Sejnola  und  Loligo  nicht  von 
diesen  Nerven,  sondern  von  den  Nerven  und  den  Ganglien  pili  buc- 
calis  innerviert,  welche  aus  den  Armnerven  ihren  Ursprung  nehmen 
(s.   oben). 

Bei  Loligo  marmorae  sah  ich  aus  dem  oberen  Buccalganglion  noch 
einen  paarigen  Nerven  entspringen.  Derselbe  ist  sehr  fein  und  tritt 
aus  der  ventralen  seitlichen  Ecke  des  Ganglions,  etwas  vor  der  Aus- 
trittsstelle der  Commissura  buccalis  superior  inferior  aus.  Er  zieht 
ventrolateral,  zuerst  dicht  an  der  Seite  des  Ganglion  buccale  inferius 
und  verzweigt  sich  in  der  den  venösen  Sinus  umgebenden  Membran. 
Ich  bezeichne  ihn  als  Nervus  septi  buccalis.  —  Bei  der  Beschreibung 
des  Nervensystems  von  Loligo  vulgaris  erwähnt  Cheron  folgende 
Tatsache  (S.  70) :  <<en  arriere  des  deux  angles  lateraux  (du  ganglion 
sus-pharyngien  =  Ganglion  buccale  superius)  quelques  petits  filets 
se  portent  en  dehors  et  en  bas  dans  la  membrane  limitante  du  sinus 
nerveux.  >>  Ich  vermute,  daß  diese  Nervenfäden  unserm  Nervus  septi 
buccalis  entsprechen. 

IL  Das  untere  Buccalganglion  —  Ganglion  buccale  inferius  — 
liegt  an  der  Ventralseite  des  Schlundkopfes,  da,  wo  er  in  den  Oeso- 
phagus übergeht,  meist  etwas  vor  dem  Ganglion  buccale  superius  und 
dem  GangHon brachiale  (Taf .  XVII,  Taf .  XVIII,  Fig.  1  a,  g.hucc.inf.) ;  doch, 
wie  oben  erwähnt,  lag  es  in  einigen  von  mir  untersuchten  Exemplaren 
von  Sepiola  direkt  unter,  in  andern  sogar  etwas  hinter  dem  oberen 
Buccalganglion.  Es  zeigt  im  Querschnitt  die  Gestalt  eines  Rechtecks, 
dessen  größerer  Durchmesser  senkrecht  zur  Medianlinie  des  Tieres 
steht.  Bei  Sepiola  ist  an  ihm  keine  Andeutung  von  Paarigkeit  wahr- 
zunehmen, etwas  mehr  dagegen  bei  Loligo. 

Durch  die  oben  besprochene  Commissura  buccalis  superior  in- 
ferior steht  es  in  Verbindung  mit  dem  oberen  Buccalganglion  und 
durch  dessen  Vermittlung  mit  dem  Centrainer vensystem. 

Aus  dem  Ganglion  buccale  inferius  tritt  eine  Reihe  von  Nerven 
aus.     Es  sind: 


I 


Zur  Kenntnis  des  Nervensystems  der  Myopsiden.  625 

1)  Nervi  linguales  oder  Nervi  buccales  medii.  Sie  entspringen, 
der  Medianlinie  genähert,  in  der  Zahl  von  zwei  (Sepiola)  bis  vier  (LoJigo) 
Paar  aus  der  Ventralseite  des  Vorderrandes  des  Ganglion  buccale 
inferius  (Taf.  XVII,  w.6wcc.we<?.);  sie  dringen  sofort  in  die  unter  dem 
Ganglion  liegende  starke  Zungemnuskulatur  ein  und  teilen  sich  bald 
in  viele  feine  Fädchen, 

2)  An  den  Lateralseiten  des  Ganglion  buccale  inferius  entspringt 
je  ein  kräftiger  Nervenstamm;  er  zieht  nach  vorn  und  ein  wenig  dorsal 
und  dringt  bald  in  die  obere  Seitenwand  der  Buccalmasse  ein,  wobei 
er  sich  in  zwei  bis  drei  Aste  auflöst  (Nervus  buccahs  lateralis  superior, 
Taf .  XVII,  n.hucc.lat.sup.).  Bei  Loligo  marmorae  gibt  er  kurz  nach  seinem 
Austritt  aus  dem  Ganglion  einen  dünnen  Ast  ab,  welcher  die  vorderen 
Speicheldrüsen  innerviert.  —  Ein  analoger  Nerv  ist  auch  bei  Sepia 
gefunden  worden  (Chekon,  Hillig:  »nervus  maxillaris«). 

3)  Aus  der  ventralen  vorderen  Ecke  des  Ganglion  buccale  inferius 
entspringt  jederseits  ein  Nerv,  der  sich  ventrolateral  und  nach  vorn 
wendet  und  in  die  ventrale  Seitenwand  des  Schlundkopfes  eindringt 
(Nervus  buccalis  lateralis  inferior;  Tai.X.YLl,n.bucc.lat.inf.).  Er  ent- 
spricht wohl  dem  »nervus  mandibularis  <<  von  Hillig  i,  doch  ist  zu 
bemerken,  daß  er  nach  meinen  Beobachtungen  nicht  mit  der  Com- 
missura  buccalis  superior  inferior  in  Verbindung  steht,  wie  es  für  Sepia 
beschrieben  ist^.  Ganz  analoge  Verhältnisse  wie  bei  Sepiola  und 
Loligo  finden  wir  nach  Hancock  bei  Ommastreplies  todarus.  Nach 
ihm  treten  aus  dem  Ganglion  buccale  inferius  dieser  Art  drei  Paar  Nerven 
aus,  von  denen  das  mittlere  in  die  Zunge,  das  zweite  in  die  Unter- 
kiefermuskulatur geht.  Außerdem  zieht  ein  Paar  Nerven  auf  dem 
Oesophagus  entlang,  entspricht  also  dem  gleich  zu  beschreibenden 
Nervus  sympathicus^. 

Von  Pelseneer  (1899)  und  Wülker  (1910)  werden  bei  einigen 
Cephalopoden  besondere  sogenannte  Subradularganglien  beschrieben, 
welche  in  der  Muskelmasse  der  hinteren  Hälfte  der  Zunge  liegen  — 
unterhalb  der  Radula  und  an  beiden  Seiten  des  Ausführungsganges 
der  hinteren  Speicheldrüsen.  Diese  Ganglien  habe  ich  auch  bei  Sepiola 
und  Loligo  gefunden;  sie  sind  sehr  klein;  bei  Sepiola  sehen  sie  ganz 


1  Und  Richter. 

2  Vgl.  Richter,  S.  383:  onach  Cherons  Feststellung  beteiligt  sich  bei  Sepia 
die  Commissiu-  der  beiden  Schlundganglien  mit  ihren  Fasern  am  Aufbau  der 
Unterkiefernerven  .  .  .    Ich  habe  Ähnliches  nie  beobachten  können. « 

3  Sehr  ähnUch  Hegen  die  Verhältnisse  auch  bei  den  von  Richter  unter- 
suchten Oegopsiden. 


626  Boris  Schkaff, 

SO  aus,  wie  sie  von  Wülker  (Fig.  50)  für  Octopus  abgebildet  sind, 
bei  Loligo  zeigen  sie  im  Querschnitt  eine  nicht  rundhche,  sondern  mehr 
verlängert-elHptische  Form.  Leider  gelang  es  mir  mit  Hilfe  der  von 
mir  angewandten  Färbungsmethoden  nicht,  den  Zusammenhang  dieser 
Ganglien  mit  dem  Ganglion  buccale  inferius,  mit  welchem  sie  un- 
zweifelhaft durch  Nervenstränge  verbunden  sein  müssen,  genau  zu 
verfolgen.  Ich  vermute,  daß  dieser  Zusammenhang  durch  Äste  der 
Nervi  buccales  medii  bewerkstelligt  wird,  doch  konnte  ich  es  nicht 
unzweideutig  nachweisen. 

4)  Von  der  Dorsalf lache  des  unteren  Buccalganglions  entspringen, 
der  Mittellinie  genähert,  die  beiden  Nervi  sympathici  (sive  oesopha- 
geales;  Taf.  XVI,  Fig.  1  u.  2,  Taf.  XVII,  w.s?/mp.).  Sie  wenden  sich 
nach  hinten,  treten  sofort  an  die  Wand  des  Oesophagus  heran  und 
verlaufen  als  zwei  getrennte  Stränge  an  seinen  Seiten  bis  zum  Magen. 
Sie  sind  sehr  dünn  und  auf  Schnitten  oft  nur  mit  großer  Mühe  zu  er- 
kennen. An  der  Stelle,  wo  der  Oesophagus  in  den  Magen  übergeht, 
schwellen  die  beiden  Nervi  sympathici  zu  dem  Magenganglion  (Gan- 
glion gastricum)  an. 

III.  Das  Ganglion  gastricum  (Taf.  XVI,  Fig.  1  u.  '2,g.Cjastr.;  auch 
Ganglion  sympathicum  genannt)  ist  unpaar  und  asymmetrisch.  Es 
liegt  auf  der  Ventralseite  des  Magens,  da,  wo  er  mit  dem  Oesophagus 
und  dem  Spiralmagen  (Blindsack,  Pförtnersack)  zusammenstößt.  Es 
entsendet  einige  sehr  feine  und  recht  schwer  zu  verfolgende  Nerven  zu 
den  benachbarten  Partien  des  Eingeweidetractus  —  dem  Magen  {n.stom.), 
dem  Blindsack  {n.stom.coeci),  dem  Enddarm  (n.rect.)  und  den  Ausführ- 
gängen der  Leber  (n.duct.hepat.).  Man  vergleiche  die  Taf.  XVI,  Fig.  lu.  2. 


Am  Schlüsse  meiner  Arbeit  stehend,  spreche  ich  allen,  bei  denen 
ich  im  Laufe  derselben  Hilfe  und  Rat  gefunden  habe,  meinen  auf- 
richtigen Dank  aus.  Vor  allem  danke  ich  meinem  hochverehrten  Lehrer, 
Herrn  Geh.-Rat  Professor  Dr.  Bütschli  auch  an  dieser  Stelle  für  sein 
stetes  Interesse  an  meiner  Arbeit  und  für  die  Anregungen,  die  er  mir 
zuteil  werden  ließ.  Großen  Dank  schulde  ich  außerdem  dem  Kaiser- 
lichen Russischen  Ministerium  des  Unterrichts  für  die  Verleihung 
eines  Arbeitsplatzes  auf  der  zoologischen  Station  in  Neapel  im  Herbst 
1912  und  der  Verwaltung  der  genannten  Station  für  ihr  freundliches 
Entgegenkommen.  Endlich  fühle  ich  mich  dem  Assistenten  am  Zoolo- 
gischen Institute  in  Heidelberg,  Herrn  Dr.  von  Buddenbrook,  zu 
großem  Danke  verpflichtet. 

Heidelberg,  den  12.  JuU  1913. 


Zur  Kfiiiitnis  des  Nervensystems  der  Myopsiden.  027 


Literatur. 

1909.  V.  Bauer,  Einführung  in  die   Physiologie  der  Cephalopoden.     Mitt.   d. 

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1880.     J.  Brock,  Versuch    einer    Phylogenie    der    dibrancliiaten    Cephalopoden. 

Morphol.  Jahrbuch.     Bd.  VI. 
1882.     —  Zur  Anatomie  und  Systematik  der  Cephalopoden.     Zeitschr.  f.  wiss. 

Zool.     Bd.  XXXVI. 

1912.  O.  BüTSCHLi,  V^orlesungen    über    vergleichende    Anatomie.      2.  Lieferung. 

Leipzig. 
180(5.     J.  Cherox,  Reeherches  pour  servir  ä  l'histoire  du  Systeme  nerveux  des 
Cephalopodes   dibranchiaux.      Annales  d.  Sciences  Naturelles.     5-eme 
Serie.     Zoologie.     T.  V. 

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Text  und  Tafehi. 

1911.  —  Cirrothauma,  ein  blinder  Cephalopod.     Leipzig. 

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1852.     A.  Hancock,   On  the  Nervous  System  of  Ommastrephes  todarus.    Annais 
and  Magazine  of  Natural  History.    Second  Series.     Vol.  X. 

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Zool.     Bd.  CL 

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genie der  Mollusken.     Leipzig. 

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della  Societa  di  Naturahsti  in  Napoü.  Serie  la.  Vol.  1.  Amio  1.  Fase.  1. 

1887  b.  —  La  vera  origine  del  nervo  olfattivo  nei  cefalopodi.  BoU.  d.  Soc.  di 
Naturalist!  in  Napoli.     Serie  1  a.    Vol.  I.    Anno  1.    Fase.  2. 

1889.  —  La  innervazione  della  braecia  dei  Cefalopodi.  Boll.  d.  Soc.  di  Natura- 
hsti in  Napoli.     Vol.  III.     Anno  3.     Fase.  2. 

1878.  R.  Klemexsievicz,  Beiträge  zur  Kenntnis  d.  Farbenwechsels  d.  Cephalo- 

poden.    Sitzber.  d.  math.-naturw.  Kl.  d.  Kaiserl.  Akademie  d.  Wissen- 
schaften, Wien.     Bd.  LXXVIIL    3.  Abt.    Hft.  1—5. 

1899.  Fr.  Kopsch,  Mitteilungen  über  das  Ganglion  opticum  der  Cephalopoden. 

Internat.  Monatsschrift  f.  Anatomie  und  Physiologie.     Bd.  XVI. 

1900.  A.  Lang,  Lehrbuch  d.   vergl.   Anatomie  der  wirbellosen  Tiere.     2.  Aufl. 

Bd.  III.     1.  Abt.  (Mollusken).      Jena. 
190G.     W.Meyer,  Die  Anatomie  von  Opisthoteuthis  depressa.     Zeitschrift  f.  wiss. 
Zool.     Bd.  LXXXV. 
Zeitsclirift  f.  wissensch.  Zoologie.  CIX.  üd.  42 


628/  Boris  Schkaff, 

1866.     Ph.  0\vsja>"Xiko\v  und  A.  Kowalewsky,  Über  das  Centraluervensystem 

und  das  Gehörorgan  der  Cephalopoden.    Memoircs  de  TAcadeaiie  Imp. 

d.  Sciences  de  St.  Petersbourg.      Serie   7.      T.  XI. 
1888.     P.  Pelseneer,  Sur  la  valeur  morphologique  des  bras  et  la  composition 

du  Systeme  nerveux  central  des  Cepbalopodes.     Archives  de  Biologie. 

T.  vill.     Paris. 
1899.     —  Recherches    morphologiques    et    phylogenetiques    sur    les    Mollusques 

archaiques.     Mem.  couronnes  et  Mem.  d.  savants  etrangers,  publ.  p. 

l'Acadeinie  royale  des  sciences  de  Belgique.    T.  LVII. 
1913.     K.  Richter,  Das  Nervensystem  der  Oegopsiden.     Zeitschr.  f.  wiss.  Zool. 

Bd.  CVI. 
1874.     L.  Stieda,  Studien  über  den  Bau  der  Cephalopoden.    I.  Abt.:  Das  Central- 

nervensystem  des  Tintenfisches    (Sepia  officinalis).     Zeitschr.  f.  wiss. 

Zool.     Bd.  XXIV. 
1909.     Gr.  Watkinson,  Untersuchungen  über  die  sogenannten  '>Geruchsorgane « 

der  Cephalopoden.     Jen.  Zeitschr.  f.  Naturw.     Bd.  XLIV. 

1909.  L.  Williams,  The  Anatomy  of  the  Common  Squid  (Lohgo  pealii).     Pub). 

under  the  Patronage  of  the  Amer.  Museum  of  Natxiral  History.     New- 
York  City. 

1910.  G.  WüLKER,  Über    Japanische    Cephalopoden.      Beiträge    zur    Naturge- 

schichte Ostasiens.     (Abhandlungen  der  math.-physik.  Klasse  der  K. 
Bayerischen   Akademie    der   Wissenschaften.      III.  Suppl.      Bd.  I.  Ab- 
handlung). 
18G9.     D.  Zernoff,  Über  das  Geruchsorgan  der  Cephalopoden.     Bull.  Soc.   d. 
nat.  d.  Moscou. 


Erklärung  der  Abbildungen. 

Buchstabenerklärung: 
ch.n.st,  Chiasma  nervorum  staticorum; 
comm.br.bucc,  Commissura  brachiobuccalis; 
comm.hr. 'ped.,  Commissura  brachiopedalis; 
comm.br.visc,  Commissura  brachiovisceralis; 
comm.bucc.sup.hif.,  Commissura  buccalis  superior  inferior; 
comm.cer. brach.,  Commissura  cerebrobrachialis; 
comm.cer.bucc,  Commissura  cerebrobuccalis ; 
comm.cer.ped.,  Commissura  cerebropedaüs; 
comm.cer.visc,  Commissura  cerebrovisceralis; 
comm.interbr.,  Commissura  interbrachialis; 
comm.interpall.,  Commissura  interpallialis; 
C07nm.nerv.opt.,  Commissura  nervorum  opticorum; 
comm.n.macstat.,  Commissura  nervorum  maculae  staticae; 
comm.visc,  Commissura  visceralis; 
comm.visc.ped.,  Commissura  visceropedalis ; 
duct.gl.sal.,  ductus   glandis  saUvalis; 
fs,  Faserstrang  zwischen  Lobus  frontalis  inferior  und  Lobus  basaUs  posterior; 


I 


Zur  Kenntnis  des  Nervensystems  der  Myopsiden.  629 

g.brach.,  Ganglion  biaelüale; 

g.branch.,  Ganglion  branchiale; 

g.bucc.inf.,  Ganglion  buccalc  inferius; 

g.bucc.sup.,  Ganglion  buccale  superius; 

g.cer.,  Ganglion  cerebrale; 

g.gastr.,  Ganglion  gastrieum; 

g.opi.,  Ganglion  optieuiu; 

g.ped.,  Ganglion  pedale; 

g.pedunc,  Ganglion  peduneuli; 

g.pil.bucc,  Ganglion  pili  bucealis; 

g.sttlL,  Ganglion  stellatuui; 

g.visc,  Ganglion  viscerale; 

lob.bas.ant.,  Lobus  basalis  anterior; 

lob.bas.posL,  Lobus  basalis  posterior; 

lob.front.inf.,  Lobus  frontalis  inferior; 

lob.front.sup.,  Lobus  frontalis  superior; 

lob.verL,  Lobus  verticalis; 

nmsc.colL,  Musculus  collaris; 

musc.retr.cap.,  Musculus  retractor  capitis; 

n.antorb.inj..  Nervi  antorbitales  inferiores; 

n.arUorb.sup.,  Nervi  antorbitales  superiores; 

n.atr.,  Nervus  atramenti; 

n.brach.I,  II,  III,  I V,  Nervus  brachialis  I,  II,  III,  IV; 

n.branch.,  Nervus  branchialis; 

n.bucc.lat.inj.,  Nervus  bucealis  lateralis  inferior; 

n.bucc.lat.post.,  Nervus  bucealis  lateralis  posterior; 

n.bucc.med..  Nervi  buccales  medii; 

n.coll.,  Nervus  collaris; 

n.cord.,  Nervus  cordis; 

n.cord.branch.,  Nervus  cordis  branchialis;  , 

n.criät.fitat.,  Nervus  cristae  staticae; 

n.depr.infd.,  Nervus  depressoris  infundibuli; 

n.depr.infd.ant.,  Nervus  depressoris  infundibuli  anterior; 

n.depr.infd.post.,  Nervus  depressoris  infundibuli  posterior; 

n.diaphr.musc,  Nervus    diaphragmatis  muscularis; 

n.diaphr.musc.ant.,  Nervus  diaphragmatis  muscularis  anterior; 

n.diaphr.musc.med.,  Nervus  diaplu-agmatis  muscularis  medius; 

n.diaphr.musc.post.,  Nervus  diaphragmatis  muscularis  posterior; 

n.duct.atr.,  Nervus  ductus  atramenti; 

n.duct.hep.,  Nervus  ductus  hepatici; 

n.gl.inf.,  Nervus  glandis  infundibuli; 

n.hep.,  Nervus  hepaticus; 

n.inf.ant.,  Nervus  infundibuli  anterior; 

n.inf.med.,  Nervus  infundibuli  raedianus; 

n.inf.post.,  Nervus  infundibuli  posterior 

n.infr.ant.,  Nervus  infraorbitalis  anterior; 

n.infr.posL,  Nervus  infraorbitalis  posterior; 

n.mac.stat.,  Nervus  maculae  staticae; 

42* 


630      Boris  Schkaff,  Zur  Kenntnis  des  Nervensystems  der  Myopsiden. 

n.nuch.,  Nervus  nuohalis  (sive  postorbitalis) ; 

n.oculomot.inf.,  Nervus  oculomotorius  inferior; 

n.oculomot.sup.,  Nervus  oculomotorius  superior; 

n.olf.,  Nervus  olfactorius; 

n.opMhJnf.ant.,  Nervus  ophthalmicus  inferior  anterior; 

n.ophth.inf.post.,  Nervus  ophthalmicus  inferior  posterior; 

n.ophth.sup.,  Nervus  ophthalmicus  superior; 

n.opt.,  Nervus  opticus; 

n.palL,  Nervus  pallialis; 

n.pil.bucc.,  Nervus  pili  buccalis; 

n.pinn.,  Nervus  pinnae; 

n.rect.,  Nervus  recti; 

n.rectrxap.ant.,  Nervus  retractoris  capitis  anterior; 

n.retr.cap.post.,  Nervus  retractoris  capitis  posterior; 

n.supr.phar..  Nervi  supraphary ngei ; 

n.stell..  Nervi  stellati; 

n.stom..  Nervi  stomachi; 

n.stom.coeci.  Nervi  stomachi  coeci; 

n.symp.,  Nervus  sympathicus; 

n.tent.,  Nervus  tentacularis ; 

n.ven.cav.,  Nervus  venae  cavae; 

n.visc,  Nervus  visceralis; 

oes.,  Oesophagus; 

stat.,  Statocyste. 

Tafel  XVI. 

Fig.  1.  Das  Nervensystem  von  Sejjiola  rondeletti  von  der  Dorsalseite. 
Rekonstruktion. 

Fig.  2.  Das  Nervensystem  von  LoUgo  marmorae  von  der  Dorsalseite.  Re- 
konstruktion. 

Tafel  XVII. 

Das  Nervensystem  von  Sepiola  rondeletti  von  der  rechten  Seite.  Re- 
konstruktion. 

Tafel  XVIII. 

Fig.  1.  Sepiola  rondeletti.  Sagittalschnitte  durch  das  Centralnervensystem. 
Vergr.  11.     a,  beinahe  in  der  Medianlinie;  h,  seitlich. 

Fig.  2a — e.  Sepiola  rondeletti.  Querschnitte  durch  das  Gehirn  auf  der 
Höhe  der  Linien  a — e  der  Fig.  \a.     Vergr.  11. 

Fig.  3.    LoUgo  marmorae.    Querschnitt  durch  den  vorderen  Teil  des  Kopfes. 

Vergr.  11. 

Fig.  4.  Lohgo  marmorae.  Querschnitt  durch  das  ganze  Tier,  gleich  hinter 
dem  Visceralganglion.     Vergr.  11. 


Die  Anatomie  von  Protomyzostomum  polynephris 

Fedotov. 

Von 

D.  Fedotov. 

(Aus  dem  Zootomischen  Laboratorium  der  kaiscrl.  Universität  zu  St.  Petersburg. 


Mit  2  Figuren  im  Text  und  Tafel  XIX— XXII. 


In  der  vorliegenden  Arbeit  beabsiclitige  ich  eine  Beschreibung  der 
Anatomie  und  zum  Teil  auch  der  Histologie  von  Protomyzostommn 
polynephris  gen.  nov.,  sp.  nov.  zu  geben^,  eines  AVurmes,  den  ich  im 
Sommer  des  Jahres  1911,  im  Kola-Fjord,  in  den  Geschlechtsorganen 
von  Gorgonocephalus  eucnemis  entdeckt  habe. 

Im  Sommer  1912  fuhr  ich  fort  Material  über  diesen  Parasiten  zu 
sammeln  und  diesen  letzteren  auf  der  Biologischen  Murmanstation 
der  St.  Petersburger  Naturforschergesellschaft  zu  studieren;  hier  stand 
ein  außerordentlich  reichliches  Material  zu  meiner  Verfügung,  welches 
ich  dem  liebenswürdioen  Ento-egeiikommen  des  Leiters  der  Station, 
Herrn  H.  A.  Kluge,  verdanke,  dem  ich  auch  hier  meinen  aufrichtigen 
Dank  ausspreche.  Für  manche  Katschläge  und  stetes  Interesse  für 
meine  Arbeit  bin  ich  Herrn  Professor  Wl.  M.  Schimkewitsch  sowie 
Herrn  Professor  V.  A.  Dogiel,  in  dessen  Laboratorium  meine  Arbeit 
ausgeführt  wurde,  aufrichtigen  Dank  schuldig. 

Diagnose  von  Protomyzostomum  polynephris  Fedotov. 

Flacher,  planarienförmiger,  bis  zu  3  cm  langer  AVurm,  fleisch- 
orangefarben (seltener  rötlich-zimmtfarben),  Länge  etwa  doppelt  so 
groß  wie  die  Breite,  Dicke  2,5  —  3  mm.  Die  Ränder  ohne  Girren, 
etwas  verdickt.  Vorder-  und  Hinterende  des  Körpers  breit,  das  letztere 
mit  dem  Cloacalkegel.  In  fünf  Ausschnitten  der  Körperränder  sitzen 
fünf   Paare  sehr  schwach  entwickelter,    beinahe  rudhnentärer   Para- 

1  Eine  vorläufige  Mitteilung  über  diesen  Parasiten  habe  ich  im  »Zoolo- 
gischen Anzeiger«,  Bd.  XXXIX,  1912,  Nr.  21,  22,  veröffentlicht. 


632 


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Erklärung  nebenstehend  S.  633. 


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634  D-  Fedotov, 

podien.  Gegenüber  den  Parapodien  befinden  sich  auf  dem  Rücken 
oder  am  Körperrande  fünf  Paare  von  Seitenorganen. 

Körper  mit  einer  dünnen  Cuticula  bedeckt;  Körperepithel  einge- 
senkt unter  die  subcuticulare  Muskulatur,  ohne  Wimpern.  Mund 
endständig,  am  Körperrande;  Cloacalöffnung  am  Gipfel  eines  Cloacal- 
kegels,  endständig. 

Rüssel  fehlt.  Der  muskulöse  Pharynx  ist  kurz.  Darm  länger,  mit 
8 — 10 — 13  Paaren  seitlicher  Hauptäste.  Rectum  sehr  kurz,  Cloake 
ziemlich  lang.     Hermaphroditen. 

Leibeshöhle  oder  »Uterus>>  stark  entwickelt,  die  Zahl  der  Seiten- 
äste ihres  mittleren  Abschnittes  (über  dem  Darm)  entspricht  nicht  der 
Zahl  ihrer  Verästelungen  und  die  Anordnung  derselben  ist  nicht  sym- 
metrisch. Sie  mündet  an  dem  äußersten  Ende  der  Cloake  in  diese 
letztere  ein. 

Die  beiden  unpaaren,  hinter  einander  angeordneten  Ovarien  von 
diffusem  Charakter,  liegen  an  den  Grenzen  des  mittleren  Körperdrittels, 
oberhalb  des  Darmes. 

Die  stark  verästelten  follikulären  Moden  liegen  über  den  weiblichen 
Geschlechtsorganen  und  dem  Darm  angeordnet.  Die  vorderen  und  hin- 
teren Äste  des  Vas  deferens  münden  jederseits  in  die  Vesicula  seminalis. 

Die  Geschlechtsöffnungen  des  cf  liegen  zwischen  dem  III.  Paare 
der  Parapodien  und  demjenigen  der  Seitenorgane.  Penis  schwach 
entwickelt. 

Nervensystem  leiterartig  segmentiert,  mit  acht  Lateralnerven- 
paaren  und  einem  unpaaren  hinteren  Nerv;  das  vorderste  Nervenpaar 
bildet  den  Schlundring. 

Muskulatur  schwach  entwickelt. 

Mehrere  Paare  von  Nephridien,  deren  Zahl  auf  beiden  Seiten  eine 
verschiedene  sein  kann. 

Entoparasit  in  den  Genitalschläuchen  von  Gorgonocephalus  eucnemis 
Müller  und  Troschel. 


In  seiner  Eigenschaft  als  Entoparasit  weist  Protomyzostomum  im 
Gegensatz  zu  den  übrigen  Vertretern  der  Familie  Myzostomidae, 
zu  der  es  gehört,  eine  Reihe  von  Merkmalen  regressiven  Charakters 
auf.  Gleichzeitig  besitzt  es  Merkmale  von  außerordentlich  primitivem 
Charakter.    Die  Besprechung  dieser  Merkmale  gebe  ich  weiter  unten. 

Unter  den  bis  jetzt  beschriebenen  Vertretern  der  Gruppe  der 
Myzostomidae  besitzt  Protomyzostomum  die  bedeutendste  Größe, 
indem  es  die  größten  Myzostomum- Alten  um   mehr  als  das  dreifache 


Dio  Anatomie  von  Protoinyzostoiniun  polyncphris   I'cdotov.  635 

Übertrifft.  Von  großem  Interesse  ist  die  Ersclieiiuing  seiner  entopara- 
sitischen  Lebensweise  in  den  Geschlechtsorganen  von  Gorgonocephalus. 
Es  ist  dies  der  erste  Fall  eines  Entoparasiti.snuis  in  Ophiuroideen  und 
der  vierte  Fall  von  Entoparasitisnius  für  die  Familie  der  Myzostomiden 
überhaupt.  Bis  jetzt  waren  bekannt:  M.  asteriae  Marenz.  in  den 
Darmdivertikeln  von  Asterias  richardi  und  Stolasterias  neglecta  E.  Per.; 
M.  fisheri  AVheeler  in  der  Leibeshöhle  von  Tosia  {Pentagonaster)  lepto- 
ceramus  Fisher ;  M.  pulvinar  im  Darme  von  Antedon  phalawjium  (Müller). 

Bekannt  sind  zwei  Fälle  von  Ectoparasitismus  auf  Ophiuroideen: 
M.  japonicum  Mc.Cl.  auf  Ophiocreas  und  Astroceras  pergamena  Lyman, 
Mc.Clendon  (1906)  und  eine  unbekannte  Art  von  Myzostomum  auf 
Ophiocantha   vivipara  Köhler  (1907). 

Überhaupt  wurde  der  Ectoparasitismus  auf  Crinoideen  als  für  die 
Myzostomiden  charakteristisch  angesehen.  So  sind  von  101  Arten 
{StelecJiopus,  Protomyzostomum,  die  erwähnte  nicht  beschriebene  Art 
und  eine  subsp.  n.,  sowie  eine  var.  n.  mit  eingeschlossen)  96  Parasiten 
von  Crinoideen.  Ihr  Auffinden  in  Asteroideen  und  Ophiuroideen  gibt 
uns  Veranlassung  zu  erwarten,  daß  sie  auch  in  andern  Ordnungen  der 
Echinodermen  aufgefunden  werden  können. 

Protomyzostomum  polynephris  parasitiert  in  den  Geschlechtsorganen 
von  Gorgonocephalus  eucnemis  Müller  et  Troschel  und  zwar  in  den 
weiblichen  sowohl,  wie  auch  in  den  männlichen  (Taf.  XIX,  Fig.  1). 
Der  Parasit  dringt  in  die  Geschlechtsschläuche  {g)  ein,  sowohl  auf  der 
dorsalen,  wie  auf  der  ventralen  Seite  der  Scheibe,  wird  aber  häufiger 
auf  letzterer  angetroffen.  Indem  er  sich  von  den  Geschlechtsprodukten 
seines  Wirtstieres  nährt,  ruft  er  eine  weitgehende  Kastration  desselben 
hervor.  In  von  dem  Parasiten  infizierten  Teilen  der  Genitalschläuche 
finden  wir  an  deren  Wänden  nur  noch  wenige  Lappen  dieser  Produkte 
oder  gar  keine,  indem  der  größte  Teil  bereits  vernichtet  ist. 

Durch  den  von  dem  Paraisten  verursachten  Reiz  werden  die  Ge- 
nitalschläuchewandungen  dicker  und  gröber,  wobei  sie  bis  zu  einem 
so  hohen  Grade  verkalken,  daß  die  Gegenwart  von  Kalk  durch  An- 
fühlen bemerkt  werden  kann. 

Die  Genilalschläuche  werden  auf  diese  Weise  zu  ziemlich  dick- 
wandigen Cysten  (Taf.  XIX,  Fig.  1**),  welche  bedeutend  heller  er- 
scheinen, als  die  nicht  infizierten  Gonaden  und  nicht  selten  an  blut- 
unterlaufene Stellen  erinnernde  Flecke  aufweisen.  Die  Cyste  ist  geöffnet 
(Taf.  XIX,  Fig.  1*),  in  derselben  sind  mehrere  Protomyzostomum  zu 
sehen  {Pm). 


636  D-  Fedotov, 

Junge  Parasiten  wurden  nicht  selten  in  der  Bursalhöhle  oder 
unterhalb  des  Bursalepithel  angetroffen.  Für  gewöhnlich  sind  sie  bei 
der  Präparation  des  Gorgonoceyhalus  durch  das  Gewebe  hindurch  be- 
merkbar. Sie  liegen  gewöhnlich  nicht  tief  im  Gewebe  des  Wirtstieres, 
oder  ragen  sehr  häufig  mit  ihrem  einen  Ende  in  die  Bursalhöhle,  während 
sie  mit  dem  andern  in  das  Gewebe  versenkt  sind. 

Nachdem  die  jungen  Parasiten  unter  das  Bursalepithel  gelangt 
sind,  dringen  sie  immer  tiefer  hinein,  bis  sie  die  Gonaden  (Genital- 
schläuche der  Autoren)  erreicht  haben,  in  denen  sie  dann  eine  Art  von 
Cysten  oder  Kapseln  bilden.  Die  Zahl  der  in  einer  Kapsel  befindlichen 
Parasiten  ist  eine  verschiedene :  seltener  sind  es  ihrer  ein  oder  fünf,  häu- 
figer zwei,  drei  oder  vier.  In  der  Cyste  befinden  sich  gewöhnlich  Parasiten 
von  gleichen  Dimensionen.  Es  ist  anzunehmen,  daß  der  in  die  Leibes- 
höhle des  Wirtstieres  gelangte  Parasit  der  im  Gewebe  hinterlassenen 
Spvir  seines  kürzlich  durch  dasselbe  hindurchgedrungenen  Vorgängers 
folgt.  Nicht  selten  habe  ich  unter  dem  Bursalepithel  mehrere  junge 
Exemplare  in  einem  Häufchen  angetroffen.  Einer  nach  dem  andern 
erreicht  die  Gonade,  wo  sie  dann  gemeinsam  eine  Kapsel  bilden. 

Die  Infektion  von  Gorgonocephalus  habe  ich  nicht  beobachtet, 
vermute  indessen,  daß  wir  e^  hier  mit  einer  wohl  dicht  am  Boden  frei 
schwimmenden  Larve  zu  tun  haben,  welche  durch  die  Spalten  der 
Bursa  in  das  Wirtstier  eindringt. 

Infizierte  Gorgotiocephalus-J^xemplave  kann  man  an  folgenden 
Merkmalen  erkennen: 

Gewöhnlich  wird  das  Gewebe  des  Interradius  der  unteren  Scheiben- 
fläche unterhalb  des  betreffenden  Parasiten  vorgestülpt  (Taf.  XIX, 
Fig.  2),  wobei  diese  Stelle  sich  von  normal  gebauten  durch  größere 
Dichtigkeit  und  andre  Farbe  auszeichnet.  Die  Farbe  ist  hier  statt 
orange-fleischrot  mehr  hell,  fast  weißlich.  Bisweilen  weist  die  vorge- 
stülpte  Wand  Flecke  von  unbestimmter  Gestalt  auf,  welche  wie  blut- 
unterlaufene Stellen  aussehen.  An  der  oberen  Fläche  der  Scheibe 
von  GorgonocepJialus  ist  die  Anwesenheit  des  Parasiten  weniger  zu  be- 
merken. Bisweilen  wird  die  Wand  der  Kapsel  mit  dem  Parasiten 
durch  die  Bursalspalte  nach  außen  vorgestülpt  (Taf.  XIX,  Fig.  2  Pm.), 
wahrscheinlich  infolge  des  von  dem  Trawl,  mit  welchem  die  Gorgono- 
cephalus  gewöhnlich   gefangen   werden,   ausgeübten   Druckes. 

Die  Infektion  des  Gorgonocephalus  beträgt  bis  zu  47 — 50%  dieser 
Tiere.  Im  Mittel  kommen  auf  ein  Wirtstier  lOVie  %  Parasiten.  In 
einem  Wirtstier  wurden  119  (Taf.  XIX,  Fig.  2)  Parasiten  angetroffen, 
wobei  wahrscheinlich  nicht  w^enige  kleine  Exemplare  meiner  Aufmerk- 


Die  Anatomie  von   Protomvzostomuin  |)()lyiu'i)liiis   Fcdotov.  637 

sanikeit  entgangen  sind;  in  einem  05,  in  einem  33,  in  3 — ^8,  in  1 — 1, 
in  3 — 6,  in  4 — 5,  in  2 — 3,  in  lü — 2,  in  3 — ■!  Parasit  usw. 

Infiziert  sind  gewölmlich  grol3e  Exem|)lare  von  Gorgonocephalus 
mit  entwickelten  Gesclilechtsorganen,  von  87 — 35  mm  Scheibendurch- 
messer; kleinere  Exemplare  enthielten  keine  Parasiten.  Von  Interesse 
ist  der  Umstand,  daß  von  den  beiden  Gorgonocephalus- Alten,  welche 
den  Kola-Fjord  unter  vollständig  gleichartigen  Bedingungen  bewohnen 
und  meist  zusanunen  angetroffen  werden,  nur  G.  eucnemis  infiziert 
wird,  während  ich  in  G.  agassizi  niemals  Parasiten  angetroffen  habe. 
Dabei  sind  diese  beiden  Arten  bekanntlich  häufi"-  sehr  schwer  von 
einander  zu  unterscheiden,  so  daß  sogar  Zweifel  an  ihrer  Selbständig- 
keit ausgesprochen  w^orden  sind.  Der  von  mir  angeführte  Umstand 
spricht  gegen  eine  solche  Annahme. 

Protomyzostomum  wird  an  vielen  Stellen  des  Kola-Fjordes  (in 
Tiefen  von  40 — 160  m)  angetroffen  und  ist  wohl  ein  steter  Begleiter  von 
Gorgonocephalus  eucnemis.  Man  wird  annehmen  können,  daß  dieser 
Parasit  im  Karischen  Meere  häufig  angetroffen  wird.  Und  zwar  hat 
Levinsen  schon  im  Jahre  1887  bei  der  Beschreibung  der  Geschlechts- 
organe von  Gorgonocephalus  eucnemis  aus  Kara-Havet  die  Parasiten  für 
»  eggesamlinger  <<  angesehen,  wobei  die  Kapseln,  in  denen  dieselben  sich 
befanden,  hinter  dem  Peritonealsacke  lagen.  Die  Abbildungen  dieser 
»eggesamlinger«  (Taf.  XXXV,  Fig.  3 — 6)  erinnern  sehr  an  den  Körper 
von  Protomyzostomum.  Levinsen  gibt  an,  daß  er  solche  in  allen  von 
ihm  untersuchten   G^orf/onocep/iaZws-Exeraplaren  angetroffen  hat. 

Untersuchimgsmethoden. 

Ich  habe  das  Studium  von  Protomyzostomum  sowohl  an  lebendem, 
wie  an  fixiertem  Material  ausgeführt. 

Zum  Fixieren  bediente  ich  mich  folgender  Flüssigkeiten:  Flemming- 
sches  Gemisch  (von  einigen  Stunden  bis  zu  1  Tag) ;  MEVESsches  Gemisch 
(24  Stunden);  Alkohol  mit  Formalin;  GiLSONsches  Gemisch,  von  10  Mi- 
nuten bis  zu  3  Stunden  (gewärmt);  LenhossekscIic  Flüssigkeit,  3  bis 
6  Stunden;  Sublimat  (gesättigte  Lösung  in  physiologischer  Kochsalz- 
lösung mit  5 — 20%  Essigsäure,  von  5  Minuten  bis  zu  IV2  Stunden) 
(erwärmt). 

Die  besten  Resultate  erhielt  ich  durch  Sublimat  (in  Seewasser) 
mit  20%iger  Essigsäure. 

Zum  Färben  verwandte  ich  nachstehende  Färbemethoden:  Dela- 
FiELDsches  Hämatoxylin,  Nachfärbung  mit  Eosin;  WEiGERTsches 
Hämatoxylin,    Nachfärbung    mit    Pikrofuchsin    (nach    van    Gieson); 


638  D-  Fedotov, 

ÜEiDENHAiNsches  Eiseiiliämatoxylin,  Nachfärbung  mit  Orange  oder 
Eosin;  Boraxcarmin,  Nachfärbung  mit  BLOCHMANNscher  Flüssigkeit. 
Als  das  beste  Färbemittel  erwies  sich  das  HEiDENHAiNsche  Eisen- 
hämatoxylin  nach  der  DßEYERschen  Methode,  namentlich  für  die 
Differenzierung  des  Nervensystems.  Für  das  Beizen  verwandte  ich 
eine  Lösung  von  2,5  g  Eisenalaun  auf  100  ccm  Wasser  +  5  ccm 
40%  Formalin  auf  1  Tag,  in  Eisenhämatoxylin,  1  Tag;  Differenzierung 
mit  der  gleichen  Mischung. 

Für  das  Studium  der  Organe  von  Protomyzostomum  bediente  ich 
mich  häufig  der  Rekonstruktionen  nach  Zeichnungen  von  Schnitt- 
serien. Die  Zeichnungen  habe  ich  mit  Hilfe  des  großen  Zeichenapparates 
von  Zeiss  und  Mikroskopen  von  Krauss  und  Zeiss  angefertigt. 

Da  die  Taf.  XXI  bei  der  Reproduktion  um  l,35mal  verkleinert 
wurde,  so  muß  man  die  angegebenen  Vergrößerungszahlen  dement- 
sprechend verändert  auffassen. 

Gestalt  des  Körpers. 

Der  Körper  ist  flach,  planarienartig,  vorn  und  hinten  abgerundet 
(Taf.  XIX,  Fig.  3a,b;  Textfig.  1).  Die  Ränder  sind  etwas  verdickt 
und  besitzen  fünf  Paare  von  Hauptausschnitten,  in  denen  die  Parapo- 
dien  liegen.  Man  findet  nicht  selten,  namentlich  bei  großen  Exemplaren, 
auch  noch  sekundäre  Ausschnitte,  welche  in  keinen  Beziehungen  zu 
den  Parapodien  stehen. 

An  der  Dorsalseite  treten  die  Verzweigungen  des  »Uterus«  etwas 
hervor  (Taf.  XIX,  Fig.  3  a)  und  sind  die  Umrisse  der  Seitenorgane 
mit  der  Lupe  zu  erkennen. 

An  der  Ventralseite  treten  das  Nervensystem  und  die  Verästelungen 
des  Darmes  hervor   (Taf.  XIX,  Fig.  3  &). 

Die  Gestalt  des  Körpers  weist  öfters  Unregelmäßigkeiten  auf, 
und  dieser  ist  bei  jungen  Exemplaren  in  die  Länge  gestreckt  (Taf.  XIX, 
Fig.  4).  Es  kommen  Exemplare  vor,  deren  Länge  viermal  größer  ist 
als  die  Breite.  Die  Länge  des  Körpers  übertrifft  gewöhnlich  dessen 
Breite  etwa  um  das  Doppelte.  Abweichungen  sind  in  beiden  Richtungen 
zu  bemerken. 

Ein  aus  der  Kapsel  herausgenommener  Parasit  von  kleinen  oder 
mittleren  Dimensionen,  verändert  seine  Körpergestalt  recht  energisch 
(Taf.  XIX,  Fig.  5  a — d).  Indem  er  sein  Vorderende  zu  einem  Rohr 
kontrahiert,  streckt  er  dasselbe  in  die  Länge,  dreht  es  nach  den  Seiten, 
läßt  es  wieder  breiter  werden,  wölbt  bald  seinen  Rücken,  bald  seine 


Die  Anatomie  von  Protomyzostoinum  polynephris  Fedotov.  639 

Ventralseite  blickelartig  vor,  zieht  die  Ränder  des  Körpers  zusammen, 
welche  eine  stark  wellenförmige  Gestalt  annehmen,  biegt  sie  nach  oben 
um  u.  dergl.  m.  Die  gewöhnliche  Größe  von  Protomyzostomum  beträgt 
15 — 25  mm,  Exemplare  von  30  mm  sind  eine  Seltenheit.  Kleine  Exem- 
plare von  1 — 2  nun  werden  hauptsächlich  im  Juni  angetroffen. 

Das  Intej^unieiit. 

Körperepithel  und  Hautmuskelschlauch.  Die  Körperober- 
fläche entbehrt  der  Wimpern,  ist  aber  von  einer  dünnen,  fein  gewellten 
Cuticula  überdeckt  (Taf.  XIX,  Fig.  G  cu).  Unter  der  Cuticula  liegen 
langgestreckte  Epidermiszellen,  welche  an  ihren  distalen  Teilen  mit- 
einander verschmolzen  sind  und  eine  subcuticulare  plasmatische 
(Taf.  XIX,  Fig.  6  sc.s)  Schicht  bilden.  Hier  sind  keine  Zellgrenzen 
zu  sehen.  In  dieser  Schicht  liegen  längsgerichtete  und  ringförmige 
Muskelfasern  (Taf.  XIX,  Fig.  6  sc.r,  sei.),  von  denen  weiter  unten 
noch  die  Rede  sein  wird. 

Der  größte  Teil  einer  jeden  Epithelzelle  hegt  unterhalb  dieser 
Muskulatur,  und  stützt  sich  auf  das  Parenchym. 

Unterhalb  der  Muskeln  sind  die  Zellgrenzen  deutlich  zu  unter- 
scheiden, was  auf  Querschnitten  durch  die  Epithelzellen  am  besten 
zu  erkennen  ist  (Taf.  XXI,  Fig.  10  ep).  Die  Epithelzellen  sind  von 
langgestreckter  Gestalt  mit  etwas  erweitertem  und  abgerundetem 
Ende  (Taf.  XIX,  Fig.  6  cp).  In  diesem  erweiterten  Teil  der  Zelle  liegt 
ein  ovaler  Kern  (Taf.  XIX,  Fig.  6  k.ej)),  mit  vielen  kleinen  Chromatin- 
klümpchen. 

Das  Zellplasma,  welches  in  seinem  distalen  Teile  einen  faserigen 
Bau  aufweist,  färbt  sich  hier  intensiver,  während  es  in  dem  erweiterten 
Teil  der  Zelle  eine  blassere  Färbung  hat  und  sich  häufig  zusammen- 
zieht, offenbar  unter  der  Einwirkung  der  fixierenden  Flüssigkeiten. 

Die  Dimensionen  der  Zellen  sind  sehr  mannigfaltig.  Die  aller- 
höchsten Zellen  finden  wir  an  der  Dorsalfläche  (etwa  45  (.i)  und  zu 
beiden  Seiten  des  Körpers,  während  sie  an  der  Ventralseite  kleiner 
sind.  Eine  so  regelmäßige  Anordnung  der  Zellen,  wie  sie  auf  der  Zeich- 
nung zu  sehen  ist,  läßt  sich  auf  Präparaten  nur  selten  antreffen.  Infolge 
des  Umstandes,  daß  die  Zellen  nicht  genau  senkrecht  zur  Körper- 
oberfläche, sondern  häufig  schräg  zu  derselben  gerichtet  sind,  finden 
wir  auf  Schnitten  gewöhnlich  nur  Teile  von  Zellen  und  Kerne,  welche 
in  verschiedener  Höhe  liegen.  Man  erhält  nicht  die  Vorstellung  von 
einzelnen  Zellen,  sondern  den  Eindruck  einer  gemeinsamen  plasma- 
tischen Masse   mit  darin  zerstreuten  Kernen.     Ganz  besonders  stark 


640  D-  Fedotov, 

wird  die  Anordnung  der  Zellen  in  den  Fällen  beeinträchtigt,  wo  die 
sich  entwickelnden  Hoden  einen  Druck  auf  dieselben  ausüben.  Für 
gewöhnlich  ist  das  Körperepithel  an  der  Ventralseite  niedriger.  Die 
die  Zellen  bedeckende  Cuticula  ist  dünn  und  weist  kleine  und  häufige 
wellenförmige  Krümmungen  auf.  Sie  ist  nur  schwach  differenziert 
und  hebt  sich  nur  wenig  von  der  subcuticularen  Plasmaschicht  ab. 
Auf  stark  gefärbten  Präparaten  ist  sie  dank  ihrer  dunkleren  Färbung 
deutlich  zu  erkennen.  Nur  selten  löst  sie  sich  allein  in  ganzer  Schicht 
von  der  Epidermis  ab;  gewöhnlich  erfolgt  bei  der  Maceration  eine 
Ablösung  ganzer  Schichten  der  Cuticula  und  der  subcuticularen  Schicht 
zusammen  mit  den  Muskeln. 

Gewöhnlich  ist  die  Körperoberfläche  mit  einfachen  Epithelzellen 
bekleidet.  Nur  am  Ende  des  Cloacalkegels  (Taf.  XIX,  Fig.  8  Mrz) 
sehen  wir  stets,  bisweilen  außerdem  im  vorderen  Teil  des  Körpers  in 
der  Nähe  der  Mundöffnung  (Taf.  XXI,  Fig.  11  hdfz),  auch  noch  Haut- 
drüsenzellen (Taf.  XIX,  Fig.  7  Mrz).  Große,  birnförmige  Zellen 
(Taf.  XIX,  Fig.  9  Mrz)  mit  schmalem  und  langem  Hals  umgeben 
die  Cloacalöffnung.  Sie  sind  um  dieselbe  konzentriert,  doch  kann 
man  vereinzelte  solche  Zellen  auch  weit  von  derselben  entfernt  an- 
treffen. Eine  jede  Zelle  dringt  mit  ihrem  basalen  erweiterten  Ende 
tief  in  das  Parenchym  hinein,  während  sie  mit  dem  schmalen  und 
langen  distalen  Teil,  oder  dem  Hals,  zwischen  den  Epithelzellen  ver- 
läuft. Da,  wo  sie  auf  die  Cuticula  trifft,  wölbt  sie  dieselbe  in  Gestalt 
eines  kleinen  Kegels  vor  (Taf.  XIX,  Fig.  9,  10  cu.kg).  Ein  Teil  der 
Zellen  mündet  augenscheinlich  direkt  in  das  Lumen  der  Cloacalöffnung. 
Das  Secret  der  Zelle  erfüllt  in  Gestalt  von  kleinen  runden  Körnchen 
das  ganze  Plasma  der  Zelle  (Taf.  XIX,  Fig.  7),  so  daß  der  Kern 
ganz  unsichtbar  wird.  Da  ihr  Secret  mit  HEiDENHAiNschem  Eisen- 
hämatoxylin  stark  gefärbt  wird,  so  treten  diese  Zellen  auf  so  behan- 
delten Präparaten  deutlich  hervor.  Indem  das  Secret  in  dem  basalen 
Teil  der  Zelle  gebildet  wird,  läßt  es  diesen  anschwellen  und  verändert 
durch  seine  allmähliche  Verlagerung  nach  dem  distalen  Ende  die  birn- 
förmige Gestalt  der  Zelle  (Taf.  XIX,  Fig.  9  Mrz).  Wir  finden  Zellen 
von  birnförmiger  Gestalt  mit  langem,  schmalem,  kaum  bemerkbarem 
Hals,  andre  Zellen  besitzen  einen  stark  erweiterten,  mit  Secret  er- 
füllten mittleren  Teil  und  einen  schmalen  Halsteil,  während  ihr  basaler 
Teil  nicht  zu  sehen  ist.  Endlich  trifft  man  auch  Zellen  an,  bei  denen 
der  Halsteil  stark  aufgetrieben  ist.  Das  hierher  verlagerte  Secret 
übt  einen  Druck  auf  die  Cuticula  aus  und  stülpt  dieselbe  vor.  Der 
übrige,  tiefer  liegende  Teil  der  Zelle  ist  schmal  und  kaum  bemerkbar. 


Dil'  Anatoniio  von   Protoniy/.ostoinum   i)()lyiu'])hiis   Fcdotov.  641 

Öffnungen  der  Zellen  nach  außen  sind  nicht  vorhanden,  so  daß  man 
annehmen  muß,  daß  die  Abschcidung  des  Secrcts  durch  Zerreißen  der 
Cuticula  erfolgt. 

Die  Dimensionen  der  Zellen  sind  verschieden,  etwa  135 — 'löO  /<. 

Ihre  Kerne  liegen  im  basalen  Teil  der  Zelle  (Taf.  XIX,  Fig.  9  hdrz); 
sie  sind  klein,  rund,  arm  an  Chromatin,  sie  besitzen  einen  runden  Nu- 
cleolus  und  sind  schwach  färbbar. 

Drüsenzellen  in  dem  Cloacalkegel  finden  sich  (Taf.  XXII,  Fig.  1 
hdrz),  Avenn  auch  in  verschiedener  Anzahl,  bei  allen  Individuen  von 
Protomyzostonium.  Seltener  finden  wir  Hautdrüsenzellen  im  vorderen 
Körperende,  namentlich  in  der  Nähe  der  Mundöffnung  (die  Dimensionen 
der  Zellen  etwa  80  /^i).  Diese  Zellen  erinnern  durch  ihre  Gestalt  und 
ihr  Secret  außerordentlich  an  die  oben  beschriebenen  Zellen  (Taf.  XIX, 
Fig.  7  hdrz),  doch  erreichen  sie  niemals  so  große  Dimensionen  wie  letz- 
tere. Dabei  liegen  diese  Zellen  zerstreut  angeordnet  und  nicht  zu 
Gruppen  vereinigt,  wie  wir  dies  in  dem  Cloacalkegel  gesehen  haben. 
Bei  einigen  Individuen  trifft  man  noch  ziendich  häufig,  und  zwar  sowohl 
an  der  Ventral-  wie  auch  an  der  Dorsalseite  kleine  vorgewölbte  Kegel 
auf  der  Cuticula  an,  gleich  den  oben  beschriebenen.  Unter  der  Cuticula 
finden  sich  an  diesen  Stellen  Keste  von  Plasma  und  Kern.  Die  Be- 
deutung dieser  Bildungen  ist  unklar,  doch  ist  es  möglich,  daß  sie 
Überreste  von  degenerierten  Drüsenzellen  darstellen. 

Zu  dem  Bestand  des  Hautmuskelschlauches  gehören  rings-  und 
längsgerichtete  subcuticulare  Muskeln  und  die  subepitheliale  Musku- 
latur. In  der  subcuticularen  (Taf.  XIX,  Fig.  6  sc.s)  Plasmaschicht 
liegen,  wie  bereits  weiter  oben  hervorgehoben  wurde,  unmittelbar  unter 
der  Cuticula  Rings-,  (Quer-)  und  Längsmuskeln  {sc.r,  sei).  Diese 
Muskeln  bilden  nicht  etwa  zwei  einzelne  Schichten,  sondern  sie  kreuzen 
sich  und  sind  untereinander  verflochten,  so  daß  es  schwer  fällt  von 
einer  äußeren  und  einer  inneren  Schicht  zu  sprechen.  Indem  diese 
Fasern  sich  kreuzen,  bilden  sie  ein  Netzwerk  aus  ziemlich  regelmäßigen 
viereckigen  Maschen  (Taf.  XXII,  Fig.  17  sc.m),  wie  dies  bei  verschie- 
denen Cestoden  und  Trematoden,  so  z.  B.  bei  Apoblema  (Beandes, 
1893)  beobachtet  wurde.  Die  Kegelmäßigkeit,  mit  welcher  die  Fasern 
einander  kreuzen,  ist  auf  Flächenschnitten  besonders  deutlich  zu  sehen. 
Etwas  tiefer,  im  Parenchym  unter  dem  Körperepithel,  liegt  ein 
System  von  schräggerichteten,  einander  kreuzenden  Muskeln  (Taf.  XIX, 
Fig.  6  se.m),  welche,  wie  dies  auch  bei  den  subcuticularen  Muskeln  der 
Fall  w^ar,  ein  Netzwerk  bilden,  das  hier  indessen  um^egelmäßig  gestaltet 
ist  (Taf.  XXII,  Fig.  18  se.m).     Die  Fasern  verlaufen  schräg  in  bezug 


642  !>•  Fedotov, 

auf  die  Längsachse  des  Körpers.  In  den  von  ihnen  gebildeten  Maschen 
trifft  man  nicht  selten  Eier  an. 

In  dem  Bau  des  Integuments  von  Protomyzostomum  bemerken 
wir  beträchtliche  Unterschiede  von  den  Verhältnissen  bei  den  ecto-  und 
entoparasitischen  Arten  von  Myzostomum.  Bei  ersterem  ist  das  Körper- 
epithel unregelmäßig  bewimpert  (Graff  1877,  Semper  1858). 

Die  Cuticula  ist  wohl  entwickelt,  so  daß  Nansen  (1885,  S.  75)  in 
derselben  zwei  Schichten  beschrieben  hat.  Stummer  (1903)  beschreibt 
für  M.  asteriae  (S.  506—507,  Taf.  XXXV,  Fig.  1—3  et),  daß  die  Cuti- 
cula von  jeder  Zelle  einzeln  abstehen  kann,  d.  h.  daß  dieselbe  keine 
ununterbrochene  Schicht  bildet,  wie  wir  dies  bei  Protomyzostomum 
sehen.  Das  Integument  von  Myzostomum  (Graff  1877,  Nansen  1885, 
Stummer  1903)  besteht  aus  dem  gewöhnlichen  Cylinderepithel,  zwischen 
dessen  Zellen  Nansen  (S.  71)  mit  einigem  Zweifel,  Stummer  (S.  504) 
dagegen  mit  voller  Bestimmtheit  Drüsenzellen  beschreiben.  Diese 
Zellen  sind  indessen  nicht  größer  als  die  gewöhnlichen  Epithelzellen; 
sie  sind  nach  Gestalt  und  Charakter  den  oben  beschriebenen  Drüsen 
von  Protomyzostomum  nicht  ähnlich  und  sind  auch  nicht  unter  die 
Epidermis  in  das  Parenchym  versenkt,  wie  dies  bei  der  genannten 
Gattung  beobachtet  wird. 

Die  Kerne  der  Drüsenzellen  sind  größer  als  diejenigen  der  gewöhn- 
lichen Zellen,  nicht  aber  kleiner  als  dieselben ;  ihr  Secret  besteht  aus  hyali- 
nen, stark  färbbaren  Tröpfchen  (S.  504—506,  Taf.  XXXV,  Fig.  2, 3  Hdrz). 
Bei  Protomyzostomum  sind  keine  Unterschiede  zwischen  den  Körper- 
epithelialzellen  zu  finden,  wie  sie  Stummer  angibt,  welcher  gewöhnliche 
Zellen  und  Zellen  mit  schmalem  Basalteil  und  schmäler  werdendem 
Kern  unterscheidet  (S.  502—504,  Taf.  XXXV,  Fig.  3  cz).  Bei  keinem 
einzigen  Vertreter  der  Gattung  Myzostomum  finden  wir  Anhäufungen 
von  Drüsen  in  der  Nähe  der  Cloacalöffnung,  wie  sie  weiter  oben  für 
Protomyzostomum  beschrieben  wurden.  Man  wird  annehmen  müssen, 
daß  das  Auftreten  dieser  Drüsen  eine  Folge  der  parasitischen  Lebens- 
weise darstellt,  obgleich  ihre  Bedeutung  mir  nicht  bekannt  ist.  Eine 
Basalmembran  unterhalb  des  Epithels,  wie  sie  z.  B.  Stummer  für  M. 
asteriae  beschreibt  (S.  507—508,  Taf.  XXXV,  Fig.  1—3  Bm),  habe  ich 
bei  Protomyzostomum  nicht  finden  können :  hier  liegt  unter  den  Epithel- 
zellen ein  Parenchym,  welches  man  mit  der  von  den  Autoren  bei  Myzosto- 
mum beschriebenen  Cutis  vergleichen  kann. 

Einen  wesentlichen  Unterschied  bemerken  wir  auch  zwischen  Proto- 
myzostomum und  Myzostomum  in  bezug  auf  den  Hautmuskelschlauch. 
Bei  den  Arten  der  letzteren  Gattung  liegen  unter  dem  Körperepithel 


Die  Anatoinio  von  Protoinyzostoinuin  polynephris  Fedotov.  643 

nach  Stummer  (1903)  und  Graff  (1877)  zwei  Schichten  von  Muskeln.  »Die 
äußere  besteht  aus  radial  vom  Centrum  der  Scheibe  zum  Rande  ver- 
laufenden und  hier  auf  die  andre  Seite  übertretenden  Fasern,  während  die 
innere  Lage  aus  parallel  zum  Körperrande  in  Form  konzentrischer  Ringe 
gelegten  Fasern  zusammengesetzt  ist«,  d.  h.  außen  eine  radiale,  innen 
dagegen  eine  ringförmige  Schicht  (Graff  1877).  Nansen  dagegen 
hat  keine  Regelmäßigkeit  in  der  Anordnung  der  Muskeln  bei  andern 
Arten  von  Myzostomum  gefunden  (S.  71).  Kein  einziger  Vertreter 
der  Gattung  Myzostomum  besitzt  eine  subcuticulare  Muskulatur  gleich 
der  von  Protomyzostomum.  Was  die  subepitheliale  Muskulatur  von 
Protomyzostomum  betrifft,  so  habe  ich  bei  derselben,  wie  oben  erwähnt, 
keinerlei  Regelmäßigkeit  in  Aqv  Anordnung  der  Fasern  bemerken  können. 

Wir  wissen,  daß  man  bei  den  Cestodes  (Bronn,  Bd.  IV,  S.  1231 
bis  1247,  Taf.  XL VII,  Fig.  1 — ^6)  eine  Grenzmembran  oder  Cuticula, 
eine  subcuticulare,  in  typischen  Fällen  aus  einem  sich  rechtwinklig 
kreuzenden,  in  Längs-  und  Querrichtung  verlaufenden  Fasersystem 
bestehende  Muskulatur  und  eine  Subcuticularschicht  aus  pallisaden- 
artig  gestellten  Subcuticularzellen  unterscheidet.  Mit  einem  Worte, 
es  sind  dies  Verhältnisse,  welche  mit  denen  außerordentlich  überein- 
stimmen, die  wir  bei  Protomyzostoinum  gefunden  haben.  Selbst  ihrer 
Gestalt  nach  unterscheiden  sich  die  Subcuticularzellen,  z.  B.  bei  Triaeno- 
phorus  nodidosus  (Bronn,  Taf.  XL VII,  Fig.  2),  fast  in  keiner  Weise 
von  den  Epithelzellen  bei  Protomyzostomum.  Die  einzelligen  Drüsen 
erinnern  ebenfalls  an  diejenigen  bei  unserer  Form.  Auch  bei  den 
Trematodes  finden  wir  unterhalb  der  Cuticula  und  der  Subcuticular- 
schicht Ring-  und  Längsmuskeln,  unter  welche  Drüsenzellen  versenkt 
liegen. 

Maclaren  bildet  bei  der  Beschreibung  jener  Veränderungen, 
welche  das  Integument  bei  Distommn  sp.  durchmacht  (1903,  S.  522) 
Vorsprünge  der  Cuticula  ab,  in  denen  Überreste  degenerierter  Epithel- 
zellen enthalten  sind.  Etwas  ähnliches  finden  wir  auch  bei  Proto- 
myzostomum, worüber  ich  weiter  oben  gesprochen  habe. 

Ebenso  wie  dies  bei  den  Trematoden  der  Fall  war,  erleidet  das 
Integument  auch  bei  Protomyzostomum  während  der  postembryonalen 
Entwicklung  Veränderungen.  Und  zwar  habe  ich  bei  jungen  Exem- 
plaren (von  etwa  1  mm  Länge)  eine  beträchtliche  Anzahl  von  Drüsen- 
zellen unter  den  Epithelzellen  angetroffen.  Mit  fortschreitendem  Alter 
verschwinden  dieselben.  Bei  Exemplaren  von  4 — 6  mm  Länge  trifft 
man  recht  häufig  kegelförmig  vorgewölbte  Stellen  der  Cuticula  an, 
unter  denen  Kerne  liegen,  die  ich  für  Überreste   von  degenerierten 

Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.   CIX.  BJ.  43 


644  D.  Fedotov, 

Zellen  halte;  Drüsenzellen  bleiben  fast  ausschließliGh  im  Cloacalkegel 
erhalten.  Bei  großen  Exemplaren  sind  solche  Kegel  für  gewöhnlich 
nicht  vorhanden. 

Die  Übereinstimmung  im  Bau  des  Integuments  bei  Protomyzo- 
stomum  einerseits  und  den  Cectodes  und  Trematodes  anderseits 
verdient  aus  dem  Grunde  Interesse,  weil  unter  der  Einwirkung  der 
entoparasitischen  Lebensweise  bei  außerordentlich  weit  voneinander 
stehenden  Gruppen  gleiche  Bilder  entstehen  können:  die  Epithelzellen 
sind  unter  die  Muskelschicht  versunken,  und  in  der  oberflächlichen 
Schicht  sind  die  Zellgrenzen  verschwunden. 

Parapodien. 

Die  Parapodien,  fünf  Paare,  sind  schwach  entwickelt,  beinahe 
rudimentär  (Textfig.  1).  Sie  stellen  kleine  Kegel  dar,  welche  am  Rande 
des  Körpers  in  entsprechenden  Ausschnitten  desselben  liegen.  Die 
I.,  II.,  IV.,  V.  Parapodien  sind  einander  genähert,  die  II.,  III.  und 
IV.  weiter  voneinander  entfernt.  Mit  bloßem  Auge  sind  die  Para- 
podien wegen  ihrer  geringen  Größe  kaum  zu  erkennen.  Bei  großen 
Individuen  sind  sie  nach  der  Ventralseite  des  Körpers  verschoben 
(Taf.  XIX,  Fig.  3  b,  pr.pd),  bei  kleinen  dagegen  (von  etwa  1  mm 
Länge)  befinden  sie  sich  am  Rande  selbst  (Taf.  XIX,  Fig.  4  / — V), 
wo  sie  nach  außen  vorspringend,  mit  der  Lupe  gut  zu  bemerken  sind. 
Ein  Ein-  und  Ausstülpen  der  Borsten  und  ein  Hin-  und  Herbewegen 
der  Parapodien  habe  ich  nur  bei  jungen  Individuen  bemerken 
können. 

In  jedem  Parapodium  finden  wir  einen  Haken  und  einen  Stützstab 
(Taf.  XX,  Fig.  2  hk,  st.st),  die  in  aus  Sackmembran  scm.h  und  Drüsen- 
epithel bestehenden  Borstenfollikeln  (Taf.  XX,  Fig.  3,  5  /)  eingeschlossen 
sind  (wie  dies  von  Stummer  1903,  S.  512 — 550  auch  für  Myzostoma  be- 
schrieben worden  ist).  Der  Haken  ist  um  das  anderthalbfache  kürzer 
(230—280—370  /<)  und  um  das  doppelte  dünner  (Taf.  XX,  Fig.  3  hk)  als 
der  Stützstab  {st.st).  Sein  verschmälerter  Teil  endet  in  Gestalt  einer 
hakenförmig  gekrümmten  scharfen  Spitze  (Taf.  XX,  Fig.  2  hk).  Nach 
der  gerade  abgestumpften  Basis  zu  wird  der  Haken  allmählich  und 
gleichmäßig  dicker.  Der  Stützstab  ist  gerade  oder  leicht  gekrümmt  (350 
bis  410  bis  600<<)-  Seine  Basis  ist  abgestutzt  und  erweitert,  während 
sein  mittlerer  Abschnitt  dünner  wird.  Das  distale  Ende  ist  erweitert 
und  endet  mit  einer  gebogenen,  ziemlich  stumpfen  Spitze  (Taf.  XX, 
Fig.  2  st.st.),  welche  wie  gewöhnlich  mit  einer  Verdickung  zur 
Stütze  des  Hakens  versehen  ist. 


Die  Anatomie  von  Protoinyzostomuiii  polynephris  Fedotov.  645 

In  den  iiuteiou  Teil  des  Follikellumens  mündet  eine  ziemlich 
kompakte  kleine  Gruppe  von  Drüsenzellen  (Taf.  XX,  Fig.  3  pdr),  die 
Parapodialdrüsen  der  Autoren,  welche  bei  Mijzostomum  meist  stark 
entwickelt  erscheinen.  Bei  Protomyzostomum  sind  sie  dagegen  nur 
schwach  entw'ickelt,  die  Zahl  der  Zellen  ist  eine  nur  geringe  und  sie 
können  auf  Schnitten  leicht  übersehen  werden. 

Die  Muskulatur  der  Parapodien  habe  ich  nicht  eingehender  unter- 
sucht, doch  dürfte  dieselbe  sich  wohl  kaum  w^esentlich  von  derjenigen 
der  Myzostomum-Avten  unterscheiden,  unter  denen  wir  auch  solche 
mit  reduzierten  Parapodien  kennen.  Die  Unterschiede  im  Bau  der 
Parapodien  bei  Protomyzostomum  von  den  durch  die  Autoren  für  Mijzo- 
stomum beschriebenen  Verhältnissen  bestehen  in  folgendem: 

Bei  Myzostomum  findet  sich  in  den  Follikeln  außer  den  beiden 
funktionierenden  Borsten  noch  eine  unbestimmte  Anzahl  von  Ersatz- 
haken. Diese  letzteren  ersetzen  die  in  Tätigkeit  befindlichen  Haken 
sobald  dieselben  abgenutzt  werden. 

Ich  habe  bei  Protomyzostomum  drei  Stadien  in  der  Entwicklung 
der  Haken  beobachten  können.  Individuen  von  1 — 2  mm  Länge  be- 
sitzen zwei  Borsten  von  fast  gleicher  Größe  (Taf.  XIX,  Fig.  4),  von 
denen  die  Haken  beträchtlich  weit  nach  außen  hervorragen.  Individuen 
von  2  bis  etwa  15  mm  besitzen  mehr  als  zwei  Borsten.  In  einem  jeden 
Parapodium  können  deren  häufiger  drei  bis  vier,  seltener  mehr,  bis  zu 
neun  bis  zehn  vorhanden  sein.  Die  Anzahl  dieser  Borsten  ist  sow'ohl 
in  verschiedenen  Parapodien,  wie  auch  in  den  Parapodien  eines  Paares 
eine  verschiedene. 

Häufig  erwiesen  sich  nicht  zwei,  sondern  mehr  Borsten  als  in 
Tätigkeit  befindlich.  Wenigstens  habe  ich  bisw^eilen  in  einem  Para- 
podium mehrere  gleich  lange  Borsten  angetroffen,  w^elche  mit  ihren 
distalen  Enden  zusammenstießen.  Außerdem  habe  ich  in  ein  und 
demselben  Parapodium  zu  je  zwei  Stüt^stäben  angetroffen  (Taf.  XXI, 
Fig.  9  st.st).  So  viel  mir  bekannt  ist,  wm'de  ein  solches  Verhalten  bei 
Myzostomum  nicht  festgestellt,  wo  die  Ersatzhaken  meist  viel  kleiner 
als  die  in  Tätigkeit  befindlichen  sind  und  nur  einer  derselben,  der  zum 
Funktionieren  bereit  ist,  diesen  letzteren  an  Größe  gleichkommt. 

Das  dritte  Stadium  endlich,  welches  Individuen  von  1,5 — 2  cm 
Länge  und  mehr  umfaßt,  ist  mit  je  zwei  Borsten  versehen  (Taf.  XX, 
Fig.  2).  Individuen  dieses  Stadiums  habe  ich  denn  auch  untersucht, 
als  ich  meine  vorläufige  Mitteilung  verfaßte,  wo  ich  für  Protomyzostomum 
zwei  Borsten  als  ständige  Zahl  für  jedes  Parapodium  angegeben  habe. 
Dafür  finden  wir  bei  Individuen  der  letzteren  Kategorie  in  dem  Gewebe 

43* 


(346  D.  Fedotov, 

der  Follikel  Körperchen  von  verschiedener  Größe  und  Gestalt,  welche 
aus  der  gleichen  Substanz  wie  die  Borsten  bestehen  (Taf.  XX,  Fig.  5 
cu.hr).  Dieselben  werden  in  gleicher  Weise  gefärbt  wie  die  Borsten 
und  sind  in  frischem  Zustande  ebenso  goldfarben-durchsichtig  wie 
diese  letzteren.  In  den  Parapodien  mit  zwei  Borsten  finden  wir  stets 
solche  Körperchen  (Taf.  XX,  Fig.  2  cu.kr).  Sie  werden  von  Zellen 
der  Follikel  gebildet,  in  deren  Wandungen  sie  in  Gestalt  kleinster, 
allmählich  an  Größe  zunehmender  Körnchen  im  Zellplasma  angeordnet 
sind  (Taf.  XX,  Fig.  G  cu.lr).  Nachdem  sie  eine  beträchtliche  Größe 
erreicht  haben,  welche  dem  Querdurchmesser  der  Borsten  gleichkommt 
oder  denselben  sogar  übertrifft  (90  /<),  fallen  sie  in  die  Höhlung  der 
Follikel  der  Borsten  (Taf.  XX,  Fig.  5  cu.kr),  wobei  sie  sich  bisweilen 
unten  in  der  Nähe  des  Stützstabes,  dicht  an  denselben  gedrängt,  an- 
häufen. Diese  Körperchen  sind  bisweilen  von  unregelmäßig  abgerun- 
deter Gestalt  (Taf.  XX,  Fig.  7  a),  häufiger  haben  sie  die  Gestalt 
lansaestreckter,  rosenkranzförmiger  Gebilde,  aus  deren  Form  man 
entnehmen  könnte,  die  Körnchen  entstünden  aus  runden,  kleinen 
Körperchen,  welche  miteinander  verschmolzen  sind  (Taf.  XX,  Fig.  7b,c). 
Dimensionen  der  Cuticularkörper  20,  40,  90  fi  Länge. 

10,  30,  75  /<  Breite. 

Das  Alter  eines  Protomyzostomum  genau  zu  bestimmen,  wenn  das- 
selbe in  jedem  Parapodium  nur  zwei  Borsten  mit  Körperchen  besitzt, 
ist  nicht  möglich ;  wahrscheinlich  sind  hier  sehr  weitgehende  individuelle 
Schwankungen  möglich. 

Wie  aus  den  Beschreibungen  des  Baues  der  Borstenfollikel  bei 
Myzostomum  durch  Stummer  (1903,  S.  530 — 544,  1910),  bei  Sigalion 
durch  C.  Schneider  (S.  380 — 381,  1902)  und  bei  Lumbricus  durch 
G.  Sajovic  (S.  4 — 14,  1907 — 1909)  bekannt  geworden  ist,  unterscheidet 
man  in  dem  Drüsenepithel  der  Borstenfollikel  eine  Borstenbildungs- 
zelle =  Basalzelle,  aus  welcher  die  Borste  hervorgeht,  während  die 
übrigen  Zellen  an  der  Bildung  der  Verbindungsstücke  der  Borsten  mit 
der  Sackmembran  (Taf.  XX,  Fig.  3  scmb.)  beteiligt  sind. 

Beide  sind  auch  bei  Protomyzostomum  vorhanden,  obgleich  ich 
Überreste  der  Borstenbildungszelle  hier  nur  sehr  selten  finden  konnte, 
aber  nirgends  habe  ich  Hinweise  darauf  gefunden,  daß  die  Drüsen- 
zellen der  Follikel  Cuticularkörper  ausschieden,  wie  wir  sie  bei  Proto- 
myzostomum kennen  gelernt  haben. 

Die  Anzahl  der  Borsten  in  den  Parapodien  von  Protomyzostomum 
kann  mit  der  Lebensweise  dieses  Parasiten  in  Zusammenhang  gebracht 
werden.     Individuen  von  1  mm  Länae  fand  ich  gewöhnlich  frei  in  der 


Dir  Anatomio  von   IVotoiny/.ostoimiin  polym'[)liris  Fedotov.  647 

Bur.salhülile  von  Gorgonocepludua,  und  zwar  bis  zu  dem  Augenblick 
ihres  Eindringens  in  die  Geschlechtsorgane  des  AVirtstieres.  Hierdurch 
wird  es  verständUch,  daß  sie  einstweilen  nur  zwei  Borsten  besitzen, 
d.  h.  wir  haben  es  hier  mit  einem  ersten  Anfangsstadium  zu  tun.  Hier- 
auf erfolgt  das  Eindringen  des  Parasiten  in  das  CTCwebe  der  Geschlechts- 
organe des  Wirtstieres,  wo  er  sich  einen  "Weg  bahnt  um  Nahrung  zu 
finden  und  wohl  auch  auf  der  Suche  nach  seinesgleichen  zur  Vollendung 
seines  Entwicklungscyclus.  Dies  macht  die  Notwendigkeit  begreiflich, 
Ersatzborsten  zu  besitzen,  durch  welche  die  abgenutzten  Haken  ersetzt 
werden  könnten;  dieses  Alter  entspricht  dem  zweiten  Stadium.  Schließ- 
lich liegt  keine  Notwendigkeit  mehr  vor,  sich  fortzubewegen  und  der 
Parasit  hat  sich  mit  andern  Individuen  in  einer  aus  den  Geweben  der 
Geschlechtsorgane  gebildeten  Cyste  festgesetzt;  es  liegt  nunmehr  kein 
Bedürfnis  mehr  vor  Ersatzhaken  zu  bilden,  und  statt  der  Borsten 
werden  nur  noch  Körperchen  gebildet,  Avelche  gleichsam  nur  eine 
Erinnerung  an  die  frühere  bildende  Tätigkeit  der  Zellen  bedeuten  und 
\ielleicht  zur  Befestigung  der  beiden  Borsten  dienen,  indem  sie  sich 
anhäufen  und  an  deren  Ende  ankleben. 

Von  besonderem  Interesse  ist  ein  anormaler  Fall,  wo  bei  einem 
großen  Individuum  das  eine  der  Parapodien  bis  zu  20  Borsten  aufwies 
(Taf.  XX,  Fig.  i  hk).  während  die  übrigen  Parapodien  deren  je  zwei 
besaßen. 

Seitenorgane. 

Entsprechend  der  Parapodienzahl  besitzt  Protoimjzostonmm  fünf 
Paare  von  Seitenorganen  (Textfig.  1  so),  und  zwar  liegen  das  IL,  III. 
und  IV.  Paar  oberhalb  und  gegenüber  den  Parapodien  (Taf.  XXI, 
Fig.  1  so),  während  das  I.  und  V.  Paar  dagegen  etwas  nach  außen 
verlagert  ist.  Die  Verlagerung  des  I.  und  V.  Paares  der  Seitenorgane 
steht  im  Zusammenhang  mit  der  Bildung  des  Mundes  und  des  Cloacal- 
kegels.  Die  Seitenorgane  liegen  auf  der  Dorsalseite  oder  sind  nach 
dem  Körperrande  zu  verschoben,  was  sich  hauptsächlich  auf  das  I. 
und  V.  Paar  bezieht.  Für  gewöhnlich  erkennen  wir  bei  Lupenver- 
größerung auf  der  Dorsalseite  das  IL,  III.  und  IV.  Paar. 

Für  Protomyzostomum  halte  ich  die  Lage  der  Seitenorgane  ober- 
halb und  gegenüber  den  Parapodien  für  die  ursprüngliche.  Gegen- 
über den  Parapodien  liegen  sie  stets  bei  jungen,  am  wenigsten  ver- 
änderten Individuen.  Bemerken  wir  dagegen  eine  gewisse  Verlagerung 
der  Seitenorgane,  so  ist  dieselbe  eine  ganz  unwesentliche  und  zwar 
auf  Grund    nachstehender  Erwäjiuniien.     Diese  Verschiebunü  in  der 


G48  D-  Fedotov, 

Richtung  von  den  Parapodien  beträgt  nur  Bruchteile  von  Milhmetern 
bei  einer  Entfernung  von  bis  zu  10  mm  zwischen  den  Parapodien. 
Eine  Verlagerung  der  Seitenorgane  wird  bei  großen  Exemplaren  ange- 
troffen und  wird  häufig  durch  eine  ungleichmäßige  Entwicklung  der 
Eier  hervorgerufen,  deren  Masse  einen  ungleichen  Druck  auf  die  ver- 
schiedenen Teile  des  Körpers  ausübt.  Sie  kann  auch  die  Folge  einer 
Kontraktion  des  Wurmes  bei  der  Fixierung  darstellen.  Die  Fälle,  wo 
eine  Verlagerung  der  Seitenorgane  auf  Schnitten  festgestellt  wurde, 
können  durch  die  Orientierung  der  Schnittfläche  erklärt  werden.  End- 
lich spricht  auch  der  Umstand  für  eine  künstliche  Verlagerung  des 
Seitenorgans,  daß  dasselbe  sowohl  etwas  vor,  wie  auch  etwas  hinter 
dem  betreffenden  Parapodium  liegen  kann.  Äußerlich  sind  die  Seiten- 
organe mit  unbewaffnetem  Auge  kaum  zu  bemerken. 

Mit  ihrer  Längsachse  sind  die  Seitenorgane  des  ersten  Paares  nach 
vorn  gerichtet,  diejenigen  des  V.  nach  hinten,  diejenigen  des  IL,  IIL 
und  IV.  Paares  nach  den  Seiten.  Die  Organe  des  I.  und  V.  Paares 
sind  mit  ihrer  Längsachse,  gleich  den  entsprechenden  Parapodien,  mit 
der  Hauptachse  des  Tieres  parallel  gerichtet,  oder  mit  ihren  Enden 
etwas  nach  außen  —  das  V.,  oder  nach  innen  — •  das  I.  Paar.  Das 
III.  Paar  der  Seitenorgane  steht  senkrecht  zur  Längsachse  des  Tieres, 
w^ährend  das  IL  und  das  III.  Paar  einen  gewissen  Winkel  mit  ihr  bilden. 
In  verticaler  Richtung  sind  die  Seitenorgane  schief  nach  oben  gerichtet, 
ihr  innerer  Gang  verläuft  mit  seinem  blindgeschlossenen  Ende  nach 
oben  und  seine  Umrisse  treten  bisweilen  etwas  über  die  Oberfläche 
des  Tieres  hervor.  Dieses  Verhalten  ist  bei  dem  IL,  III,  und  IV.  Paar 
schärfer  ausgesprochen.  Das  I.  und  das  V.  Paar  von  Seitenorganen 
ist  mit  seiner  Längsachse  etwas  nach  unten  geneigt  oder  liegt  fast 
horizontal,  so  daß  diese  beiden  Paare  auf  Querschnitten  durch  Proto- 
myzostomum  nicht  selten  quergeschnitten  erscheinen. 

Ein  kleines,  schräggeneigt  liegendes  Grübchen  führt  in  das  Seiten- 
organ. Sein  oberer  Rand  ist  leicht  aufgeworfen  und  ragt  in  Gestalt 
eines  kleinen  Vorsprunges  nach  oben  hervor.  Das  Grübchen  führt  in  den 
äußeren  Gang  des  Seitenorgans  (Taf.  XXI,  Fig.  2  a.h)  von  etwa  80  bis 
240  II  Länge,  welcher  seinerseits  in  den  zwiebeiförmigen  mittleren  Ab- 
schnitt übergeht  {m.t)  (etwa  80 — ^110  ix  Länge  bis  240  ^i  Durchm.),  der 
mit  einem  langen  inneren  Kanal  endet  {i.k.)  (etwa  150 — 540  /t  Länge). 
Der  äußere,  durch  eine  Einstülpung  des  Körperepithels  gebildete  Gang 
kommuniziert  durch  eine  weite  Öffnung  mit  dem  äußeren  Medium 
und  mündet  (Taf.  XXI,  Fig.  2  o.so)  durch  eine  engere  Öffnung  in  den 
mittleren  zwiebeiförmigen  Abschnitt  des  Seitenoroans :  indem  der  Gang 


Die  Anatomie  von  Protomyzostoinuni  ])olynei)hris  Fedotov.  049 

sich  erweitert,  bildet  er  die  Wölbung  des  mittleren  Teiles,  dessen  Boden 
unregelmäßige  Vorsprünge  aufweist  (Taf.  XXI,  Fig.  2  mt.).  Durch 
diese  Vorsprünge  wird  die  untere  Hälfte  dieser  Höhle  in  mehrere  schmale 
Lumina  zerlegt,  welche  zwischen  ihren  Rändern  liegen  (Taf.  XXI, 
Fig.  3).  Der  obere,  unterhalb  der  Wölbung  liegende  Teil  der  Höhlung 
dagegen  ist  ziemlich  umfangreich  (Taf.  XXI,  Fig.  2  mt.).  Indem  diese 
stark  verengerte  Höhlung  des  mittleren  Abschnittes  der  Seitenorgane 
in  die  Höhlung  des  inneren  Kanales  übergeht,  bildet  sie  eine  Erweiterung 
(Taf.  XXI,  Fig.  2).  Auf  Tangentialschnitten  hat  der  innere  Kanal  das 
Aussehen  eines  langen  Dreiecks  mit  sehr  spitzem  Gipfel,  welches  mit 
seiner  Basis  nach  dem  mittleren  Abschnitt,  mit  seiner  Spitze  dagegen 
nach  hinten  gerichtet  ist.  Das  Lumen  des  Kanales,  welches  in  seinem 
vorderen  Abschnitte  in  dorso-ventraler  Richtung  komprimiert  erscheint, 
wird  im  Querschnitt  nach  seinem  hinteren  blindgeschlossenen  Ende 
zu  rund. 

Die  Wandung  des  äußeren  Kanales  wird,  wie  ich  dies  schon  früher 
erwähnt  habe,  durch  die  eingestülpte  Epidermis  des  Körpers  gebildet. 
Wir  können  an  ihr  folgende  Teile  unterscheiden:  eine  Cuticula,  eine 
subcutioulare  Muskulatur,  aus  der  der  Sphinkter  der  äußeren  Öffnung 
gebildet  wird,  und  die  gewöhnlichen  Epidermiszellen.  Die  Kerne  des 
äußeren  Kanales  sind  indessen  etwas  kleiner,  als  die  Kerne  der  Epidermis. 
Die  Wölbung  des  mittleren  Teiles  besteht  aus  epidermalen  Zellen, 
unter  deren  Cuticula  sich  ebenfalls  Muskeln  befinden.  Der  Boden 
des  mittleren  Teiles  wird  hauptsächlich  von  Muskelfasern  gebildet 
(Taf.  XXI,  Fig.  3  m.so),  von  denen  ein  ganzes  System  von  Muskeln  des 
Seitenorgans  ausgeht.  Der  Boden  trägt  einen  Belag  von  Wimper- 
zellen (Taf.  XXI,  Fig.  3  ivz.so;  etwa  6—7  u  Länge).  Die  distale,  freie 
Oberfläche  der  einzelnen  Zellen  ragt  kappenförmig  vor  und  ist  dicht 
mit  langen  Wimpern  besetzt  (Taf.  XXI,  Fig.  4  wz.so).  Die  Zellen  sind 
von  cylindrischer  Gestalt,  wobei  ihre  Länge  den  Querdurchmesser 
etwa  um  das  Doppelte  übertrifft.  Ihre  Kerne  sind  hell,  von  ovaler 
Gestalt  {k.u'z),  chromatinarm;  die  Basalkörperchen  der  Wimpern  sind 
ziemlich  groß  (Taf.  XXI,  Fig.  4).  Die  Wimperzellen  sind  auch  in  der 
Erweiterung  des  mittleren  Teiles  gut  zu  sehen,  wo  derselbe  in  den 
inneren  Kanal  übergeht. 

Zwischen  die  Wimperzellen  dringen  Muskel-  und  wahrscheinlich 
auch  Nervenzellen  herein  (Taf.  XXI,  Fig.  3  m.so).  Der  mittlere  Ab- 
schnitt des  Seitenorganes  ist  futteralartig  von  großen  Drüsenzellen 
umgeben  (Taf.  XXI,  Fig.  2  dz.so)  (etwa  75—160—175  ii  Länge).  Diese 
Zellen  liegen  dicht  aneinandergedrängt,  wobei  ein  Teil  derselben  mit  den 


G50  D-  Fedotov, 

erweiterten  basalen  Enden  nach  vorn  gerichtet,  andre  dagegen  in 
bezug  auf  das  Seitenorgan  radiär  nach  den  Seiten  und  nach  hinten 
angeordnet  sind.  Sie  sind  von  beträchtlichen  Dimensionen,  von  un- 
regelmäßig kolbenförmiger  Gestalt  und  mit  ihrem  distalen  schmalen 
Ende  nach  dem  Boden  des  mittleren  Teiles  gerichtet.  Ihr  Plasma 
färbt  sich  deutlich  aber  ungleichmäßig  mit  HEiDENHAiNschem  Eisen- 
hämatoxylin  und  ihr  erweitertes  basales  Ende  (Taf.  XXI,  Fig.  5,  6  dz.so) 
enthält  runde,  gleichartige  Einschlüsse  —  ein  Secret,  welches  die  Ge- 
stalt von  Körnchen  oder  Tröpfchen  hat.  In  dem  schmalen  distalen 
Teil  der  Zelle  befindet  sich  eine  Menge  kleinerer,  sehr  stark  färbbarer 
Körner  (Taf.  XXI,  Fig.  5),  durch  welche  das  Plasma  verdeckt  wird. 
Die  Zellen  enthalten  zwei  bis  fünf  Kerne;  diese  sind  rund  mit  scharf 
ausgesprochenen  Umrissen,  und  reich  an  Chromatin;  die  kleineren 
Körnchen  liegen  an  der  Peripherie  des  Kernes,  in  dessen  Mitte  sich 
ein  bis  zwei  größere  Klümpchen  befinden  (Taf.  XXI,  Fig.  5,  6  k.dz). 

Diese  Zellen  sind  sehr  zahlreich  und  sie  liegen  dicht  aneinander 
gedrängt.  Dank  dem  Umstände,  daß  das  Seitenorgan  nach  der  Dorsal- 
fläche verschoben  ist,  sind  die  an  der  oberen  (dorsalen)  Wandung  des 
Organes  befindlichen  Zellen  kleiner  als  die  tiefer  liegenden.  Der  innere 
Kanal  wird  von  ebenso  großen  Zellen  gebildet  (Taf.  XXI,  Fig.  2z.so); 
seine  Zellen  (etwa  103 — 160  u  Länge)  sind  von  keulenförmiger,  birn- 
förmiger  oder  kolbenförmiger  Gestalt  (Taf.  XXI,  Fig.  7  z.so),  mit  ihrem 
erweiterten,  basalen  Ende  auseinandergerückt,  mit  ihren  verschmälerten 
distalen  Enden  einander  genähert.  Dank  diesem  Verhalten  begrenzen 
sie  das  Lumen  des  Kanales,  indem  sie  dessen  Wandung  bilden.  Die 
Wandungen  des  Kanales  bestehen  aus  einer  wellenförmigen  Cuticula 
(Taf.  XXI,  Fig.  1  cu.ik),  welche  diesen  Zellen  augehört;  hierauf  folgen 
Muskelfasern,  welche  meist  längsgerichtet  sind  und  von  den  Retractoren 
{r.so)  des  Organes  verlaufen;  hinter  ihnen  liegen  kleine  Kerne  {k),  welche 
zwischen  den  großen  Zellen  liegen.  Diese  Kerne  gehören  wahrschein- 
lich Muskel-  und  Bindegewebszellen  an.  Die  Zahl  der  die  Wandungen 
des  Kanales  bildenden  Zellen  ht  verhältnismäßig  gering;  sie  sind  in 
bezug  auf  die  Längsachse  des  Seitenorganes  schief  nach  hinten  gerichtet 
(Taf.  XXI,  Fig.  2  z.so).  Das  Plasma  der  Zellen  ist  homogen,  ohne  Ein- 
schlüsse und  weist  nur  in  dem  erweiterten  Teil  der  Zelle  einen  schwach 
wabigen  Bau  auf. 

Bisweilen  bemerkt  man  in  ihnen,  wohl  infolge  der  Fixation,  eine 
starke  Vacuolisierung;.  Die  Kerne  liefen  in  dem  erweiterten  Ende 
der  Zelle  oder  in  deren  Mitte  (Taf.  XXI,  Fig.  7,  8  k.z).  Sie  sind  von 
ovaler  Gestalt,  mit  blassen  Umrissen  und  schwach  färbbar.    In  der  Mitte 


Die  Anatoiiiio  von  Protoinvzostoinuin  polyncjiluis  Fedotov.  651 

des  Kernes  liegt  ein  großes  Chroniatinklümpchen  und  kleine  Körnchen 
sind  über  den  ganzen  Kern  zerstreut.  Die  größten  Zellen  sind  die, 
welche  am  Ende  des  Kanales  liegen.  Aus  deutlichsten  tritt  die  Diffe- 
renzierung in  den  Zellen  des  mittleren  Teiles  und  des  inneren  Kanales 
bei  Färbung  mit  HEiDENHAiNschem  Hämatoxylin  hervor,  wenn  die 
ersteren  ihre  Farbe  gut  beibehalten,  die  zweiten  dagegen  schon  fast 
entfärbt  sind. 

Die  Natur  der  Zellen  des  inneren  Kanales  ist  mir  unklar  geblieben; 
doch  scheint  auf  Grund  der  bestehenden  Übergänge  in  der  Färbung 
beider,  wie  auch  der  Fälle  von  Teilungen  und  der  hiermit  zusammen- 
hängenden Verminderung  der  Dimensionen  der  Kerne  in  den  Zellen 
des  inneren  Kanales,  der  Gedanke  nicht  so  unglaubwürdig,  daß  die 
Zellen  des  inneren  Kanales  und  die  Drüsenzellen  des  mittleren  Teiles 
den  gleichen  Charakter  besitzen.  Ein  Unterschied  besteht  darin,  daß 
erstere  sich  im  Ruhezustande  befinden,  letztere  dagegen  in  einem 
Stadium  intensiver  Secretion. 

Das  Seitenorgan  ist  mit  einer  mächtigen  IMuskulatur  versehen. 
Die  Muskelfasern  sind  am  Grunde  des  mittleren  Teiles  des  Seiten- 
organes  konzentriert,  wo  sie  eine  Art  von  Muskelkörbchen  oder  -gerüst 
bilden  (Taf.  XXI,  Fig.  2,  3),  auf  dem  die  Wimperzellen  ruhen,  und  von 
wo  Systeme  von  Muskeln  auslaufen,  durch  welche  die  Bewegungen 
des  Seitenorganes  besorgt  werden.  Eine  beträchtliche  Anzahl  von 
Muskeln  verläuft  längs  der  Peripherie  des  mittleren  Abschnittes,  indem 
sie  dessen  Sphinkter,  den  inneren  Sphinkter  des  Seitenorganes,  bildet. 
Einige  kräftige  Muskelfasern,  w^elche  parallel  oder  schief  zum  inneren _ 
Kanal  gerichtet  sind,  verlaufen  nach  hinten;  es  sind  dies  die  Retrac- 
tores  (Taf.  XXI,  Fig.  2  r.so).  Mächtige  Bündel,  die  Dilatatores  (dl.so), 
verlaufen  vom  mittleren  Abschnitt  radiär  nach  den  Seiten.  Eine 
beträchtliche  Anzahl  von  Muskelbündeln  verlaufen  von  dem  mittleren 
Abschnitt  nach  vorn,  zur  Körperoberfläche  des  Tieres;  diese  Bündel 
wird  man  für  Protractores  ansehen  können  (Taf.  XXI,  Fig.  2  p.so). 
Allein  ihre  "Wirkung  ist  eine  kompliziertere,  indem  man  drei  Systeme 
von  Bündeln  in  ihnen  unterscheiden  kann.  Die  längsten  Fasern  ver- 
laufen nach  dem  Hautmuskelschlauch  und  bilden  durch  ihre  Kontrak- 
tionen die  wahren  Protractores  des  mittleren  Abschnittes  des  Seiten- 
organes. Die  mittleren  Bündel  verlaufen  zur  Cuticula  der  Wandung 
des  äußeren  Kanales  in  der  Nähe  seiner  Ausmündung;  bei  der  Kon- 
traktion verkürzen  und  erweitern  sie  den  äußeren  Kanal.  Die  aller- 
kürzesten Muskelbündel  inserieren  an  der  AVölbung  und  am  inneren  Ende 
des  Ausführganiies.  weshalb  sie  als  die  Dilatatores  seiner  Ausmündung 


(552  D.  Fedotov, 

angesehen  werden  können.  Auf  der  Abbildung  (Taf.  XXI,  Fig.  2)  sind 
die  Systeme  der  Protractores  nicht  zu  erkennen,  da  der  Schnitt  durch 
die  Mitte  des  Seitenorganes  geführt  ist.  Es  fällt  natürlich  schwer, 
für  die  Richtigkeit  dieser  Bezeichnungen  für  die  Muskeln  einzustehen, 
da  wir  nicht  wissen,  in  welcher  Aufeinanderfolge  sie  tätig  sind.  Ich 
habe  eine  Erweiterung,  Verengerung,  Verlängerung,  Verkürzung  des 
äußeren  Ganges  beobachtet,  ferner  eine  wellenförmige  Krümmung 
und  Streckung  des  inneren  Kanales,  endlich  eine  Vergrößerung  und 
eine  Verringerung  des  Lumens  im  mittleren  Abschnitt  des  Seiten- 
organes. Das  III.  linke  Seitenorgan  besaß  bei  einem  Exemplare  zwei 
innere  Kanäle  von  110  bzw.  230  a  Länge  und  gewohntem  Bau;  das 
entsprechende  Organ  der  gegenüberliegenden  Seite  war  durchaus 
normal  gebaut. 

Bekanntlich  besitzen  die  Vertreter  der  Gattung  Myzostomum  nicht 
fünf,  sondern  nur  vier  Paare  von  Seitenorganen,  welche  nicht  gegen- 
über den  Parapodien,  sondern  zwischen  denselben,  und  zwar  auf  der 
Ventralseite  des  Körpers  angeordnet  liegen.  Die  Anzahl  von  vier  Paaren 
ist  für  sie  charakteristisch  und  es  sind  nur  wenige  Ausnahmen  von 
dieser  Regel  bekannt  geworden.  Stummer  (1903)  beschrieb  für  M. 
asteriae  vier  paarige  (im  ganzen  acht)  und  ein  unpaares  neuntes  Seiten- 
organ. BouLENGER  (1911,  S.  350 — 351)  stellte  kürzlich  für  M.  costatum 
Leuckart,  bei  dem  man  früher  vier  Paare  von  Seitenorganen  angenom- 
men hatte,  deren  sechs  Paare  fest,  doch  kann  es  sich  hier  um  einen 
Fall  anormaler  Vermehrung  der  Zahl  der  Organe  handeln.  Der  Autor 
spricht  den  Gedanken  aus,  daß  auch  andre  Myzostomum- Arten  mehr 
als  vier  Paare  von  Seitenorganen  besitzen  dürften.  Boulenger  er- 
wähnt u.  a.,  daßGRAFF  (1877)  einen  Fall  beschrieben  hat,  wo  ein  Exem- 
plar von  M.  glabrum  Leuck.  rechts  vier  Parapodien,  dafür  aber  fünf 
Seitenorgane  aufwies.  Bei  31.  moehianum  nimmt  Boulenger  z.  B. 
auf  Grund  von  Angaben  in  der  Literatur  fünf  Paare  an.  Allein  in  den 
beschriebenen  Fällen  liegen  die  Seitenorgane  an  der  Ventralseite  und 
zwischen  den  Parapodien. 

Wenn  die  Seitenorgane  sich  bei  Myzostomum  nicht  zwischen  den 
Parapodien,  sondern  gegenüber  denselben  befinden  würden,  so  könnte 
man  voraussetzen,  daß  die  Arten  dieser  Gattung  mehr  als  vier  Paare 
von  Seitenorganen,  und  zwar  fünf  Paare,  besitzen  können.  Geht  man 
indessen  alle  auf  Myzostomum  bezüglichen  Arbeiten  von  den  ältesten 
bis  zu  den  neuesten  durch,  in  denen  schon  die  neuen  Untersuchungs- 
methoden angewandt  wurden,  so  wird  man  sich  davon  überzeugen 
können,    daß    für    Myzostomum   stets  vier   auf    der  Ventralseite   und 


Die  Anatoinii'  von  Protoiiiy/.o.stoinuin  polynephris  Fedotov.  653 

zwischen  den  Parapodien  gelegene  Paare  von  Seitenorganen  charakte- 
ristisch sind. 

Es  ist  ein  Fall  bekannt,  wo  eine  Befestigung  der  Seitenorgane  an 
den  Parapodien  beschrieben  wurde,  und  zwar  bei  M.  calycotyle  Graff 
(1884,  S.  42,  Taf.  III,  Fig.  24—26).  Ich  teile  indessen  durchaus  den 
von  Wheeler  (1896)  ausgesprochenen  Zweifel  bezüglich  der  Be- 
deutung dieser  Organe  als  Seitenorgane,  und  vermute,  daß  dieselben 
vielmehr  den  >> ventral  cirri«  bei  M.  circinatum  Wheeler  (1896, 
8.  286)  homolog  sind.  Die  Anordnung  und  vor  allem  die  Überein- 
stimmung der  Zahl  von  Seitenorganen  mit  der  Zahl  der  Parapodien 
bei  Protomyzostomum  weist  darauf  hin,  daß  sich  hier  ursprüngliche 
Züge  des  Baues  erhalten  haben,  daß  hier  die  Eigentümlichkeiten  des 
Baues  ihrer  polychäten  Vorfahren  besser  fixiert  sind,  als  dies  bei  Myzo- 
stomum  der  Fall  ist. 

Das  Vorhandensein  von  fünf  Paaren  von  Seitenorganen  bei  Proto- 
myzostomum bewahrt  uns  auch  vor  der  gewagten  Vermutung,  daß  der 
Penis  ein  abgeändertes  Seitenorgan  darstellt  (Wheeler  1896,  S.  285), 
oder  daß  der  Penis  sich  aus  einem  Parapodium  gebildet  habe  (Bou- 
lenger  1911,  S.  350 — 351),  eine  Annahme,  die  der  Autor  selbst  nicht 
zu  verteidigen  wagt. 

Es  ist  dies  dieses  selbe  fünfte  Paar  von  Seitenorganen,  welches 
Stummer  (1903,  S.  565)  bei  der  Vergleichung  von  Myzostomum  mit  den 
Polychaeta  finden  wollte. 

Auch  in  bezug  auf  ihren  Bau  unterscheiden  sich  die  Seitenorgane 
von  Protomyzostomum  ebenso  beträchtlich  von  denjenigen  bei  Myzo- 
stomum. Nicht  eine  einzige  Art  dieser  letzteren  Gattung  besitzt  ein 
so  kompliziert  gebautes  Seitenorgan.  Wir  haben  hier  einen  äußeren 
Kanal  und  eine  mehr  oder  weniger  umfangreiche  Höhlung  des  Organes. 
Niemals  können  wir  in  demselben  drei  Abschnitte  unterscheiden,  wie 
dies  bei  Protomyzostomum  der  Fall  ist.  Die  beste  Beschreibung  des 
histologischen  Baues  des  Seitenorganes  verdanken  wir  Stummer  (1903, 
S.  553 — 565)  für  M.  asteriae.  Hier  wird  die  Wandung  des  erweiterten 
Teiles  durch  große  »drüsenähnliche  Zellen«  gebildet  (Taf.  XXXVII, 
Fig.  4  Sz),  welche  wir  mit  den  Zellen  des  inneren  Kanales  vergleichen 
köimen,  den  ganzeii  Teil  selbst  dagegen  mit  dem  inneren  Kanal  bei 
Protomyzostomum.  Es  ist  dies  die  einzige  Art  der  Gattung  Myzostomum., 
wo  der  Bau  des  Seitenorganes  den  entsprechenden  Verhältnissen  bei 
Protomyzostomum  sehr  ähnlich  ist.  Die  Beschreibungen  dieser  Organe 
sind  bei  den  einzelnen  Autoren  sehr  verschieden  gehalten  und  stimmen 
nicht  miteinander  überein.     Wimpern  sind  in  den  Seitenorganen  nicht 


654  ^-  Fcdotov, 

ein  einziges  Mal  mit  Sicherlieit  beschrieben  worden.  Wenn  auch  die 
großen  Zellen  des  Seitenorganes  bei  Myzostomum  bezüglich  ihrer  Natur 
Widersprüche  hervorgerufen  haben,  so  unterliegt  der  drüsige  Charakter 
der  Zellen  des  mittleren  Abschnittes  bei  Protoniyzostomum  doch  wohl 
kaum  einem  Zweifel.  Bei  keiner  einzigen  Art  der  Gattung  Myzostomum 
ist  eine  so  komplizierte  Muskulatur  beschrieben  worden,  wie  bei  unserm 
Wurm.  Gewöhnlich  wird  nur  ein  Sphinkter  und  ein  Retractor  beschrie- 
ben (Stummer  1903,  Nansen  1885,  Wheeler  1896),  oder  auch  ein  Dik- 
tator (Nansen  1885,  S.  75 — 76).  Dabei  ist  jene  bei  Myzostomum  aus 
dorsoventralen  Muskeln  um  das  Seitenorgan  gebildete  Muskelkapsel 
(Stummer  1903)  bei  Protomyzostomum  nicht  vorhanden. 

Bekanntlich  treten  die  Seitenorgane  von  Myzostomum ,  welche  mit 
den  Seitenorganen  der  Capitelliden  verglichen  werden  (Wheeler  1896), 
meistens  in  Gestalt  äußerlich  deutlich  bemerkbarer,  runder  oder  ovaler, 
an  der  Ventralseite  des  Tieres  gelegener  Saugnäpfe  auf.  Es  wurde 
ihnen  die  Rolle  von  Befestigungsorganen  zugeschrieben,  woher  auch 
der  Ausdruck  »Saugnäpfe  <<  stammt  (Gräfe  1877).  Ihre  Ausmündung 
führt  in  eine  Höhle,  welche  durch  kleine,  schmale  Lumina  zwischen 
den  Wandungen  des  Organes  vertreten  sein  kann.  Die  Gestalt  desselben 
kann  auf  Schnitten  birnförmig  oder  sphärisch  sein  (Wheeler  1896). 
Seltener  trifft  man  solche  Organe  an  (M.  platypus),  deren  Boden  konvex 
ist,  so  daß  keine  Höhlung  in  demselben  vorhanden  ist  und  dann  er- 
innert ein  solches  Organ  ganz  besonders  an  die  Seitenorgane  der  Poly- 
chäten  (Wheeler  1896).  Der  innere  Bau  des  Organes  hat  in  den  Be- 
schreibungen durch  die  einzelnen  Autoren  stets  Widersprüche  hervor- 
gerufen und  gibt  keine  Antwort  auf  die  Frage  nach  der  Bedeutung 
dieser  Gebilde. 

Die  bisher  beschriebenen  Myzostomum-Arten  könnten  auf  Grund 
der  Eigenschaften  ihrer  Seitenorgane  in  zwei  Gruppen  eingeteilt  werden. 

Zur  ersten  Gruppe  gehört  die  Mehrzahl  der  ectoparasitischen 
Arten,  sowie  etwa  ein  Drittel  der  in  Cysten  lebenden  Arten  (86  Arten), 
welche  vier  Paare  von  Seitenorganen  besitzen  (zwischen  den  Para- 
podien  und  auf  der  Ventralseite).  Sie  haben  das  Aussehen  von  runden 
oder  ovalen  Saugnäpfen.  Der  innere  Bau  ist  bei  den  einzelnen  Arten 
ein  verschiedener,  und  weist  eine  nur  geringe  histologische  Differen- 
zierung auf.  Diese  Organe  funktionieren  offenbar  öfters  mechanisch 
als  Befestigungsorgane.  Zugunsten  ihrer  drüsigen  Natur  liegen  eben- 
sowenig Angaben  vor,  wie  für  eine  sensible. 

Die  Vertreter  der  zweiten  Gruppe,  welche  zum  Teil  von  ecto- 
parasitischen freilebenden,  zum  Teil  von  in  Cysten  lebenden  Formen 


Die  Anatmnic  von    l'cotuaiyzo.stonmm   pDlyncphris   Fcdutüv.  655 

gebildet  wird,  besitzen  reduzierte  oder  gar  keine  Seitenorgane  (16  Arten 
besitzen  keine  Seitenorgane,  davon  leben  sieben  in  Cysten).  Sind  die 
Seitenorgane  Organe  der  Befestigung,  so  wird  es  verständlieh,  daß  sie 
sich  bei  solchen  unbeweglich  lebenden  Formen  auf  dem  Wege  der 
Rückbildung  befinden  oder  ganz  fehlen,  wie  z.  B.  bei  den  in  den  Armen 
der  Crinoideen  in  Cysten  lebenden  Arten.  Die  Bedeutung  von  drüsigen 
oder  von  Sinnesorganen  haben  sie  bereits  eingebüßt. 

Die  entoparasitische  Form  Protomijzostomum  besitzt  fünf  Paare 
von  Seitenorganen  von  deutlich  ausgesprochenem  drüsigen  Charakter. 

Die  hochausgebildete  anatomische  und  histologische  Differen- 
zierung weist  auf  einen  tätigen  Zustand  des  Organes  hin.  Es  ist  dies 
wahrscheinlich  durch  die  entoparasitische  Lebensweise  bedingt,  was 
auch  durch  M.  asteriae  bestätigt  wird.  Letztere  Art  bildet  einen  Über- 
gang zwischen  Protomijzostomum  und  den  übrigen  Myzostomum- Arten 
auf  Grund  des  Charakters  und  der  Zahl  der  Seitenorgane.  Wie  bereits 
erwähnt  worden  ist,  besitzt  die  genannte  Art  vier  paarige  und  ein 
fünftes  unpaares  Seitenorgan.  Der  Verfasser  hält  dieses  letztere  auf 
Grund  seiner  Innervation  für  paariger  Abstammung. 

Der  Bau  der  Seitenorgane  des  Entoparasiten  aus  der  Leibeshöhle 
des  Seesternes  Tosia  leptoceramus  (Wheeler  1904)  ist  uns  leider  nicht 
bekannt.  M.  pulvinar,  welches  zw^ar  ein  Entoparasit  ist,  gehört  auf 
Grund  des  Baues  der  Seitenorgane,  wie  auch  seiner  andern  anatomischen 
Eigenschaften  doch  zu  der  zweiten  Gruppe.  Allein  seine  Existenzbe- 
dingungen unterscheiden  sich  dadurch  von  denen  der  ersten  drei  Arten, 
daß  dieser  Parasit  in  dem  vorderen  Abschnitte  des  Darmes  von  Antedon 
phalangium  lebt  (Prouho,  1892) ;  hierzu  kommt,  daß  M.  pulvitiar  erst 
kürzlich  zu  einem  Entoparasiten  geworden  ist,  weshalb  seine  Organisa- 
tion sich  noch  nichtstark  verändern  konnte.  Wir  wissen,  daß  Graff 
(1884,  S.  42),  welcher  diese  Art  entdeckte,  dieselbe  auf  dem  Peristom 
von  A.  phalangium,  d.  h.  als  einen  Ectoparasiten,  gefunden  hat. 

Die  Zahl  der  Seitenorgane,  ilire  Anordnung  und  ihre  Lmervation 
durch  einen  Ast  des  Parapodiumnerven,  nicht  aber  durch  einen  selbstän- 
digen Nerv,  wie  dies  bei  Myzostomum  der  Fall  ist  (Stummer  1903; 
Nansen  1887),  tragen  demnach  bei  Protomijzostomum  einen  ursprüng- 
licheren Charakter,  als  bei  Myzostomum.  Bei  letzterem  ist  sowohl  die 
Zahl,  wie  auch  die  Anordnung  der  Seitenorgane  sekundär  verändert. 

Gleichzeitig  stehen  die  Seitenorgane  von  Myzostomum  in  Bezug 
auf  ihren  Bau  denjenigen  der  Capitellidae  näher  (Eisig  1887)  als 
diejenigen  von  Protomyzostomum,  w^as  wahrscheinlich  auf  die  ento- 
parasitische Lebensweise  dieser  letzteren  Gattung  zurückzuführen  ist. 


656  D.  Fedotov, 

Der  Diirmkauiil. 

Der  Darmkanal  verläuft  median  durch  die  gesamte  Länge  des 
Körpers  (Textfig.  1).  Der  Mund  mündet  an  dem  Kande  des  vorderen 
Körperendes  nach  außen  (Taf .  XIX,  Fig.  3  a,  m),  die  Cloacalöffnung 
befindet  sich  an  dem  Gipfel  des  Cloacalkegels  (Taf.  XIX,  Fig.  13  kl.o). 

Der  Darmkanal  besteht  aus  der  Mundhöhle  (Taf.  XX,  Fig.  10  mh), 
dem  Schlund  oder  Pharynx,  dem  mittleren  Abschnitt  oder  Magen  mit 
lateralen  Verästelungen,  dem  kurzen  Kectum  und  der  Cloake  (Taf.  XX, 
Fig.  1;  Taf.  XIX,  Fig.  12,  13).  Die  am  Grunde  einer  runden  Ein- 
senkung  (Taf.  XX,  Fig.  10  m.g)  am  Rande  des  Körpers  ausmündende 
Mundöffnung  (m.o)  führt  in  eine  geräumige  Höhle  (mJi.).  Letztere  ist 
mit  der  Epidermis  der  Körperoberfläche  ausgekleidet,  während  ihr 
Boden  von  dem  vorderen  Teil  des  Schlundes  gebildet  wird.  Die  Mund- 
öffnung (Taf.  XXI,  Fig.  11  m.o)  ist  mit  einem  kräftigen  Sphinkter 
(sph.m)  und  radial  von  demselben  auslaufenden  Bündeln  von  Musculi 
dilatatores  versehen  {dl.m).  Unter  den  Epithelzellen  der  Mundhöhle 
und  der  Einsenkung  werden  die  oben  beschriebenen  Drüsenzellen 
angetroffen  (Taf.  XXI,  Fig.  11  hdrz).  Das  vordere  Ende  des  Schlundes 
ist  von  einem  Ring  großer  Drüsenzellen  (etwa  146  //  Länge)  (Speichel- 
drüsenzellen Stummers)  eingeschlossen  (Taf.  XXI,  Fig.  11  sp.dr).  Diese 
mit  ihren  erweiterten  basalen  Enden  nach  vorn,  radial  nach  den  Seiten 
sowie  nach  hinten  gerichteten  Enden  treten  mit  ihren  schmalen  distalen 
Enden  an  dem  Schlünde  zusammen  und  münden  in  den  erweiter- 
ten Teil  der  Mundhöhle  (Taf.  XX,  Fig.  10).  Diese  Zellen  sind  von 
langgestreckt  birnförmiger  Gestalt  (Taf.  XIX,  Fig.  11)  und  beträcht- 
licher Größe;  ihr  erweitertes  Ende  enthält  einen  großen  ovalen  Kern 
mit  scharf  ausgesprochener  Hülle  und  ein  oder  zwei  Nucleolen  und 
einer  unregelmäßig  gelappten  Chromatinmasse,  welche  bei  Färbung  mit 
HEiDENHAiNschem  Hämatoxylin  und  Nachfärbung  mit  Eosin  einen 
bräunlichen  Ton  annimmt.  Die  Anzahl  dieser  Drüsenzellen  ist  bei 
verschiedenen  Individuen  beträchtlichen  Schwankungen  unterworfen; 
bisweilen  findet  man  ihrer  über  200  auf  einem  einzigen  Querschnitt 
(Taf.  XXI,  Fig.  11  sp.dr). 

Der  Schlund  stellt  eine  in  der  Verticalebene  etwas  gekrümmte 
Röhre  dar  (Textfig.  2  ph.).  Sein  vorderes  Ende  ist  erweitert  (Taf.  XIX, 
Fig.  12  ph.),  während  er  nach  hinten  zu  schmäler  wird.  Sein  Lumen 
ist,  namentlich  in  den  hinteren  zwei  Dritteln  seines  Verlaufes,  seitlich 
stark  komprimiert  (Taf.  XX,  Fig.  8). 

Die  Wand  des  Schlundes  besteht  (Taf.  XX,  Fig.  8  iv.ph.)  aus  einer 


Die  Anatoinii'  von  rrotDinyzostoinum   itolynephris  Ft-dotov.  657 

bindegewebigen  (Inindsiibstanz  mit  ziciulich  .starker  Muskulatur  und 
dem  sein  Lumen  auskleidenden  Epithel. 

Die  Epithelzellen  .sind  in  dem  vorderen,  in  die  Mundhöhle  herein- 
rasenden  Teil  des  Schlundes  höher  als  in  dem  Lumen  des  Schlundes 
(Taf.  XX,  Fig.  10  cp.pJi.).  Sie  sind  durch  eine  Membrana  basilaris 
(Taf.  XX,  Fig.  8  mb.)  von  der  Schlundwandung  geschieden. 

Das  Epithel  des  den  Boden  der  Mundhöhle  bildenden  Teiles  des 
Schlundes  besteht  aus  hohen  Zellen,  welche  mit  verhältnismäßig  kurzen 
Wimpern  besetzt  sind;  diese  Wimpern  fehlen  in  dem  verengerten 
Lumen  des  Schlundes.  Für  gewöhnlich  bleiben  die  Wimpern  nicht 
erhalten  und  ich  habe  dieselben  nur  auf  wenigen  Präparaten  sehen 
können. 

Auf  dem  Epithel  des  Schlundlumens  dagegen  habe  ich  in  keinem 
einzigen  Falle  Wimpern  finden  können  (Taf.  XIX,  Fig.  15,  16  ep.ph.), 
wobei  die  Zellen  hier  bedeutend  niedriger  sind  als  die  oben  erwähnten. 
Die  Zellen  haben  eine  unregelmäßig  prismatische  Gestalt,  sie  sind  stark 
zusannnengedrückt  und  zwischen  ihnen  verlaufen  Muskelfasern  (Taf.  XIX, 
Fig.  16  m.f).  wovon  weiter  unten  die  Rede  sein  wird.  Infolge  der 
Kontraktion  der  Muskeln  wird  die  Gestalt  der  Zellen  beim  Fixieren 
stark  verändert  und  kann  nur  dadurch  festgestellt  werden,  daß  man 
die  Quer-  und  Längsschnitte  durch  epitheliale  Flächenschnitte  ergänzt. 
Auf  diesen  ist  die  prismatische,  unregelmäßig  vieleckige  Gestalt  der 
Zellen  deutlich  zu  erkennen  (Taf.  XIX,  Fig.  17  ep.ph). 

In  der  Wandung  des  Schlundes  können  wir  radial  verlaufende 
Muskeln  (Taf.  XIX,  Fig.  8  rd.m)  und  eine  äußere  Ringmuskelschicht 
(a.r)  unterscheiden,  wobei  diese  Muskeln  an  einigen  Stellen  in  das  Innere 
der  Wandung  eindringen  und  bis  zu  dem  Epithel  des  Lumens  verlaufen. 

Unmittelbar  unter  dem  Epithel  liegen  die  Bündel  der  inneren 
Ringmuskeln  (Taf.  XX,  Fig.  8  i.r),  welche  indessen  keinen  ununter- 
brochenen Ring  bilden. 

Der  Schlund  liegt  im  Parenchym,  von  welchem  er  durch  eine 
wellenförmige  Membrana  basilaris  (Taf.  XX,  Fig.  8  mb)  getrennt  ist. 
Mit  seinem  vorderen  Ende  stößt  er,  wie  schon  oben  erwähnt  worden  ist, 
auf  den  Boden  der  Mundhöhle,  während  er  sein  hinteres  Ende  in  den 
Magen,  oder  richtiger  gesagt,  in  den  Mitteldarm  vorstülpt  (Taf.  XXI, 
Fig.  15  ph)  und  in  diesen  ausmündet  (Taf.  XIX,  Fig.  12  ph.). 

Die  Muskulatur,  welche  die  Bewegung  des  Schlundes  besorgt, 
besteht  aus  Protractoren  und  Retractoren  (Taf.  XX,  Fig.  8  r.ph.). 
Von  dem  vorderen  Körperende  aus  verlaufen  an  dem  erweiterten 
vorderen  Drittel  des  Schlundes  inserierende  Muskelbündel,  die  Musculi 


658  D.  Fedotov, 

protractores.  In  den  das  Nervensystem  begleitenden  mächtigen  Längs- 
muskeln differenzieren  sich  Muskelbündel,  welche  in  das  Innere  der 
Schlundwandung  bis  an  das  Epithel  hineindringen  und  als  Retractoren 
fungieren. 

Obgleich  Protomyzostomum  keinen  Rüssel  besitzt,  so  gestatten  das 
Vorhandensein  einer  geräumigen  Mundhöhle,  sowie  die  Fähigkeit  des 
den  Schlund  einschließenden  Parenchyms  sich  zu  kontrahieren,  dem 
Schlünde  dennoch  sich  etwas  nach  vorn  zu  strecken  oder  sich  nach 
hinten  in  das  Lumen  des  Mitteldarmes  vorzustülpen  (Taf .  XIX,  Fig.  12  ph). 
In  diesem  Falle  kann  es  vorkommen,  daß  letzterer  fast  die  Hälfte  des 
Schlundrohres  wie  ein  Futteral  umfaßt. 

Die  Schlundmuskulatur  steht  in  sehr  naher  und  unmittelbarer 
Beziehung  zum  Schlundepithel.  Dünne  Muskelfasern  dringen,  nament- 
lich von  den  radiär  verlaufenden  Muskeln  und,  wie  mir  scheint,  von  den 
Pro-  und  Retractores  ausgehend,  durch  die  Membrana  basilaris  zwischen 
die  Epithelzellen  ein  und  endigen  in  Gestalt  dünner  Verzweigungen 
an  der  oberen  Grenze  der  Zellen  (Taf.  XIX,  Fig.  15,  16  ?nf).  Diese 
Verhältnisse  erinnern  an  die  Beziehungen  der  Muskeln  zu  den  Schalen- 
zellen bei  Anodonta  mutabilis   (Schneider   1902,   S.  544,  Fig.  461). 

Dank  dem  Umstände,  daß  die  Epithelzellen  eine  unregelmäßig 
vieleckige  Gestalt  besitzen  und  dicht  an  einander  liegen,  erhält  man 
auf  Schnitten  oft  den  Eindruck,  als  ob  das  Muskelfäserchen  an  die  Ober- 
fläche einer  Epithelzelle  tritt  und  dort  eine  Verdickung  bildet.  Die 
so  erhaltenen  Bilder  erinnern  einigermaßen  an  die  von  Nansen  (1885) 
im  Schlundepithel  von  Myzostomum  graffi  beschriebenen  langgestreckten 
sensiblen  Zellen,  welche  ich  bei  Protomyzostomum  nicht  gefunden  habe. 

Der  mittlere  Abschnitt  des  Darmes  ist  der  längste  (Taf.  XX, 
Fig.  1  mgd)  und  gibt  die  Hauptäste  ab,  deren  Zahl  8,  10,  11,  13  beträgt; 
am  häufigsten  trifft  man  zehn  Astepaare  an  (Taf.  XX,  Fig.  1  hda; 
Taf.  XIX,  Fig.  12,  13).  Offenbar  verändert  sich  die  Zahl  der  Seiten- 
äste des  Darmes  mit  dem  Alter  des  Tieres.  Die  geringste  Anzahl  von 
Asten  habe  ich  bei  älteren  Individuen  angetroffen,  bei  denen  ein  großer 
Teil  des  Körpers  mit  in  der  Entwicklung  begriffenen  Eiern  angefüllt 
ist  (Taf.  XXI,  Fig.  15  ei).  In  der  Reihenfolge  der  Abzweigung  und  in 
dem  Entwicklungsgrad  der  Hauptäste  ist  keine  Symmetrie  zu  bemerken 
(Taf.  XX,  Fig.  1  hda).  Die  Hauptäste  geben  eine  Menge  von  Neben- 
ästen ab,  deren  feinere  Verzweigungen  bis  an  den  Rand  des  Körpers 
unter  das  Epithel  seiner  Oberfläche  herantreten.  Bei  jüngeren  Indivi- 
duen nehmen  die  Verästelungen  des  Darmes  den  größten  Teil  des 
Körpers  ein  (Taf.  XX,   Fig.  11  da).     Seinem  Bau  nach  unterscheidet 


Dil'  AnatDiiiic  von   I'rotomyzostomimi   i>olynoi)hris  Fcdotov.  659 

sich  das  mediane  Kohr  einigermaßen  von  den  Seitenästen.  Sein  Epithel 
besteht  aus  hohen  schmalen  Zellen  (TaL  XX,  Fig.  13  ep.d),  deren  dista- 
les Ende  etwas  erweitert  ist.  An  dem  verschmälerten  basalen  Ende, 
dicht  an  der  Basis  der  Zelle,  liegen  kleine  ovale  Kerne.  Die  Zellen 
liegen  auf  der  Membrana  basilaris ,  an  welche  sich  die  Ring-  und  Längs- 
muskeln anlegen,  in  deren  Anordnung  keine  Regelmäßigkeit  zu  be- 
merken ist.  Das  mediane  Rohr  wird,  wie  dies  auch  bei  Myzostomum 
beobachtet  wurde,  wie  mit  einem  Überzug  von  Bindegewebe  (Taf.  XX, 
Fig.  12,  13  hd.d)  umgeben,  in  welchem  auch  Muskelfasern  anzutreffen 
sind.  Dies  zum  Teil  auch  auf  die  Hauptäste  des  Darmes  übergehende 
Parenchym,  zeigt  einige  Unterschiede  von  dem  Parenchym  des  übrigen 
Körpers.  Bei  Färbung  mit  WEiGERTschem  Hämatoxylin  (nach  van 
Gieson)  tritt  es  durch  seine  bräunlich-gelbliche  Färbung  hervor;  bei 
Färbung  mit  Eisenhämatoxylin  und  Nachfärbung  mit  Eosin  nimmt 
es  eine  ziemlich  stark  ausgesprochene  rosa  Färbung  an.  Dieses  Par- 
enchym fehlt  auf  den  Wandungen  der  Seitenäste  des  Darmes,  welche 
von  der  Leibeshöhle  durch  flache  Zellen  mit  kleinen  Kernen  abgegrenzt 
und  in  der  Art  eines  Pseudoepithels  (Stummer  1903)  bekleidet  werden. 

Die  Seitenastwände  bestehen  aus  einem  Epithel  mit  Grenzmem- 
bran und  Muskelfasern.  Die  Epithelzellen  der  Darmseitenäste  sind 
beträchtlich  niedriger  und  breiter  als  diejenigen  des  medianen  Darm- 
rohres. Im  allgemeinen  hängt  ihre  Breite  und  Höhe  natürlich  davon 
ab,  ob  Nahrung  in  dem  Darm  enthalten  ist,  oder  nicht.  Die  Kerne 
der  Zellen  sind  von  fast  regelmäßig  runder  Gestalt  und  basal  an- 
geordnet. Von  außen  schheßen  sich  Ring-  oder  Längsmuskelfasern 
an  die  Grenzmembran  an,  welche  sich  längs  den  Wandungen  der  Seiten- 
äste hinziehen.  Sie  sind  so  dünn  und  so  spärlich  angeordnet,  daß  sie 
nur  bei  Färbung  mit  HEiDENHAiNschem  Eisenhämatoxylin  sichtbar 
werden. 

Im  Darm  fand  ich  Reste  von  Eiern  und  Spermatozoen  von  Gor- 
gonocephalus.  Bei  der  Sektion  von  Protomyzostomum-Indwiduen,  welche 
etwa  zwei  Monate  hindurch  in  70%igen  Alkohol  gelegen  hatten,  traten 
aus  dem  Darme  große  orangegelb  gefärbte  Fetttropfen  hervor,  die 
augenscheinlich  aus  den  Eiern  des  Gorgonocephalus  herstammten.  In 
den  hinteren  Abschnitt  des  Mitteldarmes,  welcher  keine  Seitenäste 
mehr  entsendet,  ragt,  seine  Wandungen  noch  vorn  vorstülpend,  das 
Rectum  in  Gestalt  eines  kurzen  Rohres  (von  350 — 100  //  Länge)  herein, 
das  gleich  darauf  in  die  Cloake  übergeht  (Taf.  XIX,  Fig.  14  r). 

Die  Cloake  besitzt  die  Gestalt  eines  Rohres  mit  beträchtlich  er- 
weitertem Vorderende  (Taf.  XIX,  Fig.  13;  Taf.  XX,  Fig.l  kl),  welches 

Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.    CIX.  Bd.  44 


660  D-  Fedotov, 

allmählicli  schmäler  werdend,  unterhalb  des  Uterus  nach  hinten  ver- 
läuft und  nach  der  dorsalen  Oberfläche  ansteigend,  vermittels  einer 
kleinen  Öffnung  am  Gipfel  des  Cloacalkegels  nach  außen  mündet  (Text- 
fig.  2  klo.).  Nur  selten  sind  die  Wandungen  der  Cloake  ganz  glatt 
(Taf.XXII,  ¥ig.  3  kl).  Meist  entspringen  von  ihrer  unteren  und  den 
lateralen  Wandungen  eine  Reihe  von  Vorsprüngen,  oder  aber  ihre 
Wandungen  bilden  Falten  (Taf.  XX,  Fig.  9  M).  Diese  mit  ihren 
blindgeschlossenen  Enden  nach  vorn  oder  nach  hinten  gerichteten 
Auswüchse  zerfallen  nicht  selten  in  eine  Reihe  kleinerer  Höhlungen, 
welche  sich  in  dem  die  Cloake  umgebendem  Parenchym  verlie- 
ren. Die  Länge  und  das  Lumen  der  Vorsprünge  sind  außerordentlich 
mannigfaltig.  Nicht  selten  sind  sie  nur  wenig  schmäler  als  das  Lumen 
der  Cloake  selbst.  Von  besonders  beträchtlicher  Größe  sind  die  Aus- 
wüchse, die  von  den  lateralen  Cloakenwandungen  ausgehen,  in  welche 
die  Nephridien  einmünden  (Taf.  XX,  Fig.  14  a.kl.).  Neben  solchen 
finden  sich  auch,  wie  dies  schon  weiter  oben  erwähnt  wurde,  Exemplare 
mit  einer  Cloake  ohne  Auswüchse  und  es  gibt  allmähliche  Übergänge 
von  einer  nur  geringen  bis  zu  einer  außerordentlich  großen  Anzahl  von 
Auswüchsen.  Das  hintere,  schmale  Ende  der  Cloake  besitzt  gewöhn- 
lich keine  Auswüchse  oder  Falten  und  hat  die  Gestalt  eines  runden 
Rohres   mit  glatten  Wandungen. 

Die  Cloakenwandungen  bestehen  aus  Flimmerepithel  (Taf.  XIX, 
Fig.  14  epM.)  und  Muskelfasern  (Taf.  XX,  Fig.  9  r.M).  Die  Epithel- 
zellen sind  lang  und  sehr  schmal.  Ihre  langgestreckten  Kerne  sind 
basal  angeordnet.  Das  distale  Ende  der  Zelle  trägt  eine  lange  Geißel, 
welche  nicht  selten  die  Zelle  selbst  an  Länge  übertrifft  und  aus  mit- 
einander verklebten  Wimpern  besteht.  Das  Lumen  der  Zelle  ist  wegen 
der  Höhe  der  Zellen  und  der  Länge  ihrer  Geißeln  nur  unbedeutend 
(Taf.  XX,  Fig.  9  M.).  Die  Geißeln  der  benachbarten  Zellen  verkleben 
miteinander  und  bilden  gleichsam  Zotten,  welche  in  das  Lumen  der 
Cloake  hereinragen.  Das  Protoplasma  der  Epithelzellen  ist  stark 
vacuolisiert  und  färbt  sich  ziemlich  schwach;  die  Geißeln  dagegen 
werden,  besonders  von  HEiDENHAiNschem  Hämatoxylin,  sehr  intensiv 
gefärbt.  Die  Zellen  der  Cloake  sind  meist  sehr  schlecht  erhalten,  obgleich 
verschiedene  Fixierungsmethoden  angewendet  wurden.  Die  Cloaken- 
wandung  wird  durch  kräftige  Ringmuskeln  gebildet  (Taf.  XX,  Fig.  9  rM; 
Taf.  XXI,  Fig.  19  r.H),  denen  sich  einige  Längsfasern  {l.kl)  anschließen, 
und  zwar  namentlich  am  Hinterende  der  Cloake. 

Was  den  Bau  des  sogenannten  Rectums  betrifft,  welches  genau 
genommen  einen  Teil  der  bis  zu  den  Nephridien  von  dem  Mitteldarm 


Die  Aiiatoinic  von   Protoinv/Dstoiniiin  ])()lyiicpliris  Fedotov.  661 

umgebenen  Cloake  ausmacht,  so  entsteht  sein  Epithel  aus  dem  Epithel 
der  Cloake  (Taf.  XIX,  Fig.  14  r),  wobei  die  Zellen  dieser  letzteren 
bei  ihrem  Eintritt  in  das  Rectum  immer  niedriger  werden  und  ihre 
Wimpern  nach  vorn  gerichtet  sind.  Im  Epithel  des  Rectums  sind  die 
Wimpern  nur  schwach  entwickelt,  während  die  Basalkörper  meist 
gut  zu  sehen  sind. 

Die  Cloake  ist  nebst  dem  »Uterus  <<  in  einen  dicken  parenchymatösen 
Überzug  eingeschlossen  (Taf.  XX,  Fig.  9,  14  bd.u),  in  dem  nachstehende 
Muskeln  unterschieden  werden  können.  Die  Hauptmasse  des  Futterals 
bilden  Ringmuskelfasern;  Längsfasern  verlaufen  von  den  ringförmigen 
Fasern  nach  innen  und  nach  außen  und  zwischen  ihnen  befindet  sich 
ein  System  sich  kreuzender  Muskeln.  Nicht  selten  bilden  die  Ringmus- 
keln die  Grenze  des  parenchymatösen  Überzuges  gegen  das  Parenchym 
des  Körpers.  Bei  der  Präparation  löst  sich  die  Cloake,  dank  diesem 
Futteral,  stets  zusammen  mit  dem  Uterus  ab.  Die  Färbung  des  Darm- 
kanales  des  lebenden  Wurmes  ist  folgende:  der  Schlund  ist  weißlich,  der 
mittlere  Teil  des  Darmrohres  und  die  Wurzeln  der  Hauptäste  weiß,  die 
Verzweigungen  orangegelb  und  die  Cloake  rötlich-orangegelb  gefärbt. 

Die  Unterschiede,  welche  zwischen  Protomyzostomum  und  Myzo- 
stomum  in  bezug  auf  ihren  Darmkanal  bestehen,  sind  folgende.  Die 
für  die  meisten  Myzostomum- Arten  charakteristische  ventrale  Lage 
der  Mund-  und  Cloacalöffnung.  Es  sind  nur  w^enige  Ausnahmen  be- 
kannt, wo  dieselben  terminal  gelegen  sind,  und  zwar  bei  M.  injlator  Graff 
(Graff  1883,  1884,  1887),  M.  murrayi  Graff  (1883,  1884,  1887),  M. 
■pentacrini  Graff  (1884),  M.  willemoesii,  Graff  (1887),  31.  cysticolum 
Graff  (1883,  1884,  1887)  (Mc.Clendon  1906),  M.  clarki  (Mc.Clendon 
1906).  Protomyzostomum  besitzt  weder  Papillen  des  Mundrandes, 
noch  Rüsselpapillen,  wie  sie  bei  den  Vertretern  der  Gattung  Myzo- 
stomum häufig  angetroffen  werden.  Unsrer  Gattung  fehlt  eine  für 
Myzostomum  charakteristische  Bildung,  und  zwar  der  Rüssel  nebst 
Rüsselscheide.  Ersterer  besteht  aus  Wimperepithel,  Bindegewebe  und 
Muskelfasern,  und  dem  Bulbus  musculosus  (Graff  1877,  Nansen  1885), 
er  ist  in  eine  Scheide  eingeschlossen  und  besitzt  eine  große  Beweglich- 
keit. Allein  schon  bei  31.  asteriae  bemerken  wir  eine  starke  Rückbildung 
des  Rüssels.  Protomyzostomum  besitzt  weder  einen  Rüssel,  noch  eine 
Rüsselscheide;  als  Erinnerung  an  diese  Gebilde  ist  nur  die  geräumige 
Mundhöhle  zurückgeblieben,  welche  als  ein  Überrest  der  Scheide  an- 
gesehen werden  könnte. 

Der  nmskulöse  Schlund  liegt  unmittelbar  im  Parenchym,  ähnlich 
wie  wir  dies  bei  den  Trematoden  sehen. 

4i* 


662  D.  Fedotov, 

Unter  den  Myzostomiden  besitzt  nur  M.  asteriae  (Stummer  1903) 
einzellige  Drüsen,  welche  in  den  hinteren  Abschnitt  der  Rüsseltasche 
einmünden  und  die  man  mit  den  oben  beschriebenen  Drüsen  von 
Protomyzostomum  vergleichen  könnte. 

Der  Bulbus  musculosus  von  Myzostomum  besitzt  nur  eine  Ring- 
schicht und  regelmäßig  angeordnete  Bündel  radialer  Fasern;  bei  Proto- 
myzostomum haben  wir  zwei  Schichten  von  Ringmuskelfasern  und  die 
radiären  Fasern  ^ind  hier  nicht  so  regelmäßig  angeordnet,  wie  Graff 
(1877)  dies  abbildet. 

Für  Myzostomum  ist  ein  Eindringen  von  Muskelfasern  zwischen 
die  Epithelzellen  nicht  vermerkt  worden,  wie  es  bei  Protomyzostotnum 
nachgewiesen  worden  ist.  Dafür  habe  ich,  wie  schon  oben  bemerkt, 
unter  den  Epithelzellen  dieser  letzteren  Gattung  die  von  Nansen  (1885) 
im  Bulbus  musculosus  von  Myzostomum  beschriebenen  langgestreckten 
Sinneszellen  nicht  antreffen  können. 

Die  bei  Myzostomum  zwischen  dem  Bulbus  musculosus  und  dem 
Magen  vorhandene  Klappe  sowie  ein  Oesophagus  fehlen  bei  Proto- 
myzostomum. Der  Mitteldarm  (Magen)  ist  bei  Protomyzostomum  stark 
in  die  Länge  gestreckt  und  macht  den  größten  Teil  des  Darmkanals 
aus,  während  er  bei  Myzostomum  kurz  ist. 

Die  Seitenäste  des  Darmes  sind  bei  Myzostomum  meist  in  der  Zahl 
von  zwei  bis  drei  Paaren,  selten  bis  zu  fünf  Paaren  M.  elegmis  (Graff, 
1877,  1883,  1884,  1887);  M.  rotundatum  (Graff,  1883,  1884,  1887) 
vorhanden. 

Der  Charakter  des  Darmkanales  von  Protomyzostomum  erinnert 
stark  an  die  Verhältnisse  bei  Spinther,  wie  sie  von  Graff  (1888)  ab- 
gebildet worden  sind. 

In  den  Wandungen  des  medianen  Rohres  von  Myzostomum  findet 
sich  nur  Ringmuskulatur  (Stummer  1903,  Graff  1877,)  zu  welcher 
Nansen  (1885)  noch  eine  radiale  Muskulatur  (Dilatatores)  beschrieben 
hat.  Nur  für  M.  cysticolum  Graff  hat  Stummer  kürzlich  (1908)  eine 
äußere  ringförmige  und  eine  innere  längsgerichtete  Muslmlatur  be- 
schrieben, d.  h.  solche  Verhältnisse,  wie  wir  sie  bei  Protomyzostomum 
kennen  gelernt  haben. 

Die  Unterschiede  im  Charakter  der  Epithelzellen  auf  der  dorsalen 
und  ventralen  Seite  der  Seitenäste,  wie  sie  von  den  meisten  Autoren 
für  Myzostomum  vermerkt  worden  sind,  habe  ich  bei  Protomyzostomum 
nicht  finden  können.  Ebenso  fehlt  hier  jene  Übereinstimmung  in  der 
Abzweigung  der  Darmäste  und  der  Verästelungen  der  Leibeshöhle, 
wie  sie  für  Myzostomum  (z.  B.  für  M.  asteriae,   Stummer  1903)  be- 


Die  Anatoink'  von    l'rotoinyzostoimiin   [lolyiu'phris  J'Vdotov.  G03 

schrieben  worden  ist.  Für  keinen  einzigen  Vertreter  der  Gattung 
Myzostomum  ist  die  Bildung  von  Auswüchsen  an  der  Cloake  beschrieben 
worden,  welche  au  die  oben  geschilderten  erinnern  würden.  Ebenso 
fehlt  hier  die  Anhäufung  von  Hautdrüsen  in  der  Nähe  der  Cloacal- 
öffnung,  wie  sie  weiter  oben  erwähnt  worden  ist. 

Leibeshöhle  iiud  Geschlechtsorgane. 

Der  mediane  Teil  der  Leibeshöhle  oder  des  »Uterus «,  wie  er  von 
den  Autoren  bei  Myzostomum  bezeichnet  worden  ist,  erstreckt  sich 
in  Gestalt  eines  Rohres  längs  der  Dorsalseite  des  Körpers,  in  dessen 
Mitte,  über  dem  Darmkanal;  vermittels  seiner  seitlichen  Fortsätze  steht 
er  in  Verbindung  mit  den  geräumigen  Bezirken  der  Leibeshöhle,  welche 
den  Raum  zwischen  dem  Darm  und  dem  Parenchym  ausfüllen.  Dieser 
mediane  Teil  tritt  schon  über  der  hinteren  Hälfte  des  Schlundes  auf 
(Textfig.  2  ut),  während  die  Verzweigungen  der  Leibeshöhle  sich  bis 
an  das  vorderste  Körperende  des  Tieres  erstrecken.  Diese  anfangs 
schmale  Höhle  nimmt  nach  hinten  an  Breite  und  Höhe  zu.  Von  unten 
wird  sie  durch  den  Darm  begrenzt  und  gibt  seitlich  unsynunetrisch  von 
beiden   Seiten  auslaufende   Seitenäste  ab. 

Deutlich  ausgesprochene  eigne  Wandungen  erhält  sie  annähernd 
in  den  hinteren  zwei  Dritteln  oder  der  hinteren  Hälfte.  Hier  bestehen 
seine  Wandungen  aus  einem  ziemlich  hohen  Epithel  (Taf .  XXII,  Fig.  2 
ep.ut),  welches  häufig  an  der  oberen  Seite  niedriger  ist  (Taf.  XXII, 
Fig.  1  ep.ut),  einer  Membrana  basilaris  (Taf.  XXII,  Fig.  12  m.h)  und 
kräftigen  Muskelfasern  (Taf.  XX,  Fig.  9  m.ut),  zwischen  welche  sich 
das  Parenchym  erstreckt. 

Dieser  Teil  der  Leibeshöhle,  oder  des  »Uterus«,  steht  von  dem 
Darme  ab,  welcher  bis  dahin  seine  untere  Wandung  dargestellt  hat 
(Taf.  XX,  Fig.  13  ut).  Er  steigt  etwas  zur  Dorsalseite  an  und  zwischen 
ihm  und  dem  Darm  liegt  eine  Parenchymschicht,  welche  auf  der  Höhe 
der  Nephridien  ihre  größte  Mächtigkeit  erreicht  (Taf.  XX,  Fig.  14  ut). 
Auf  der  Höhe  des  vorderen  Cloacalabschnittes  zw^eigen  die  Nephridien 
nach  unten  zu  von  ihm  ab  (Taf.  XXI,  Fig.  14  neph.). 

Das  bisher  breite  und  hohe  Lumen  des  »Uterus«  beginnt  jetzt 
beträchtlich  kleiner  zu  werden  und  die  Wandungen  des  »Uterus« 
werden  flach.  Der  im  Querschnitt  viereckige  (Taf.  XXII,  Fig.  2  ut) 
»Uterus«  nimmt  oft  eine  halbmondförmige  Gestalt  an  (Taf.  XX, 
Fig.  9  ut),  indem  er  die  Cloake  von  oben  umfaßt.  AVeiter  nach  hinten 
nimmt  der  halbmondförmige  »Uterus«  die  Gestalt  eines  engen  Rohres 
an,  welches  der  Cloake  dicht  anliegt,   so  daß  seine  untere  Seiten  ein- 


064  I>-  Fedotov, 

gedrückt  werden  (Taf.  XXII,  Fig.  1  ut.).  Nicht  weit  von  der  Cloacal- 
öffnung  mündet  der  »Uterus«  in  die  obere  Cloakenwandung  (Text- 
fig.  2  ut.o.).  In  seinem  hinteren  Abschnitt  hegt  der  »Uterus«  der  Cloake 
nicht  nur  dicht  an,  sondern  er  erhält  von  ihr  auch  seine  Ringmuskulatur 
(Taf.  XXII,  Fig.  1  r.M). 

GewöhnUch  sind  die  Epithelzellen  der  oberen  Uteruswand  weniger 
hoch  als  die  Zellen  der  unteren  Wandung.  Wimpern  habe  ich  nicht 
finden  können,  allein  die  basalen  Körperchen  bleiben  nicht  selten 
erhalten.  Die  mächtigen  muskulösen  Wandungen  bestehen  hauptsächlich 
aus  Ringmuskeln  (Taf.  XXI,  Fig.  14;  Taf.  XXII,  Fig.  2  rm.ut).  Nur  an 
den  Ecken  des  »Uterus«  kann  man  Muskelfasern  antreffen,  welche  eine 
Längsrichtung  aufweisen  (Taf.  XX,  Fig.  9  m.ut). 

Ein  großer  Teil  der  Verzweigungen  geht  von  den  vorderen  zwei 
Dritteln  des  »Uterus«  ab.  Hinter  den  Nephridien  bildet  der  »Uterus« 
keine  Verzweigungen  mehr.  Die  Zahl  der  Seitenäste  variiert  in  Ab- 
hängigkeit von  dem  Alter  des  Tiefes:  bei  größeren  Individuen  ist  ihre 
Zahl  eine  größere.  Ihre  Zahl  und  Anordnung  zu  beiden  Seiten  ein 
und  desselben  Individuums  weist  keine  Symmetrie  auf,  indem  sie  augen- 
scheinlich infolge  des  Druckes  der  heranreifenden  Eier  gebildet  werden. 
In  einigen  Fällen  begleiten  sie  die  Seitenäste  des  Darmes  (Taf.  XXII, 
Fig.  11  v.ut.),  in  andern  verlaufen  sie  unabhängig  von  diesen.  Ihre 
Zahl  beträgt  8 — 9,  11 — 17,  18 — 17.  An  lebenden  Exemplaren  sind 
die  Umrisse  der  Leibeshöhle  mit  ihren  Verzweigungen  deutlich  zu 
sehen,  und  zwar  infolge  der  Menge  der  in  ihren  enthaltenen  blaß-rosa 
gefärbten  Eier  (Taf.  XX,  Fig.  13  ei;  Taf.  XXII,  Fig.  3  ei),  welche  an 
der  dorsalen  Oberfläche  durchschimmern.  Durch  die  Eier  wird  auch 
die  Felderung  der  Rückenfläche  bei  fixierten  Exemplaren  hervorge- 
rufen. Die  Umrisse  des  »Uterus«  treten  auf  dem  hinteren  Drittel 
des  Körpers  hervor  (Taf.  XIX,  Fig.  3  a). 

Die  Gestaltung  des  Lumens  und  namentlich  der  Charakter  der 
Wandungen  des  hinteren  Uterusdrittels  sind  sehr  mannigfaltig.  Ich 
will  hier  einige  Beispiele  anführen,  welche  beweisen,  daß  die  Entwicklung 
des  »Uterus«  bei  verschiedenen  Individuen  durchaus  nicht  in  gleicher 
Weise  verläuft.  Bei  einem  Exemplare  sehen  wir,  wie  breite,  abgeplattete 
Fortsätze  hinter  den  Nephridien  von  den  Wandungen  des  »Uterus« 
abzweigen,  welche  mit  ihren  blindgeschlossenen  Enden  nach  vorn  ge- 
richtet sind.  Es  zweigen  auch  Auswüchse  in  Gestalt  enger  Rohre  ab, 
welche  an  beiden  Enden  mit  dem  »Uterus  « in  Verbindung  stehen.  Stellen- 
weise geht  von  der  inneren  Wandung  des  »Uterus«  in  dessen  Höhlung 
ein  kleiner  kompakter  Fortsatz  aus,  welcher  walzenförmig  in  die  Uterus- 


Dio  Aiialomii'  vun   J'iotomyzostoinum   [xilyiK'pln'i.s  Fedotov.  665 

höhle  vorspringt  und  sodann  frei  in  die  Uterushöhle  hineinragt,  wobei 
er  sich  von  dessen  Wandung  entfernt,  und  nach  der  andern  Wand  des 
»Uterus«  hinübergehend  sich  mit  dieser  verbindet.  Hier  verläuft  er 
anfangs  wiederum  in  Gestalt  eines  "Walles,  um  dann  allmählich  zu 
verschwinden.  Es  entsteht  auf  diese  Weise  eine  Art  schmale  Zwischen- 
wand, welche  von  dem  Uterusepithel,  Parenchym  und  Muskelfasern 
gebildet  wird.  In  einigen  Fällen  ist  ein  solches  walzenförmiges  Gebilde 
nicht  kompakt,  sondern  hohl  und  tritt  nicht  auf  die  entgegengesetzte 
Seite  des  »Uterus«  über;  wir  haben  dann  ein  dünnwandiges  Rohr  vor 
uns.  (Taf.  XXII,  Fig.  12  a,  h,  c).  Die  Bedeutung  dieser  Bildungen 
habe  ich  mir  nicht  klar  machen  können.  Bei  einem  zweiten  Exemplar 
sind  solche  walzenförmige  Gebilde  nicht  vorhanden,  dafür  ist  aber  die 
Uterushöhle  an  mehreren  Stellen,  so  z.  B.  auf  der  Höhe  des  I.  und 
II.  linken  Nephridiums,  durch  eine  breite  Zwischenwand,  welche  Muskel- 
fasern enthält,  in  zwei  Teile  geschieden  (Taf.  XXII,  Fig.  2  ut).  Die 
Wandungen  des  hinteren  Uterusabschnittes  bilden  symmetrische  Falten. 

Bei  einem  dritten  Exemplar  sind  die  Uteruswandungen  nicht 
faltig  und  gewunden,  wie  dies  bei  den  zwei  ersten  Exemplaren  der  Fall 
war,  sondern  glatt.  Hinter  den  Nephridien  zweigen  bald  rechts,  bald 
hnks,  seitUch  oder  von  der  unteren  Uteruswand,  kleine  zusammen- 
gedrückte Kanälchen  ab,  welche  an  ihren  beiden  Enden  mit  der  Uterus- 
höhle in  Verbindung  stehen. 

Am  hinteren  Ende  des  »Uterus«,  kurz  vor  dessen  Verbindung  mit 
der  Cloake,  entspringen  zwei  Auswüchse,  welche  in  zw^ei  runde,  regel- 
mäßig geformte  Kanäle  übergehen,  von  denen  der  linke  sich  in  Gestalt 
eines  Siphons  in  einer  Ausdehnung  von  etwa  360  a  längs  dem  Uterus 
hinzieht.  Rechts  verläuft  der  Kanal  in  einer  Ausdehnung  von  50  {.i, 
worauf  er  mit  der  Uteruswand  verschmilzt,  sich  auf  einer  Strecke 
von  55«  von  neuem  von  ihr  trennt  und  dami  in  die  Uterushöhle  ein- 
mündet. 

Auf  Grund  des  Baues  ihrer  Wandungen  können  diese  Kanäle 
nicht  als  ein  einfacher  Abschnitt  der  Leibeshöhle  angesehen  werden, 
sondern  zeigen  vielmehr  Übereinstimmung  mit  Nephridialröhren, 
wenn  auch  ihr  Epithel  nicht  mit  Wimpern  versehen  ist.  Derartige 
Kanälchen  habe  ich  nur  bei  zwei  Exemplaren  angetroffen. 

Bei  einem  vierten  Exemplar  finden  sich  im  Uterus  weder  Aus- 
wüchse, noch  walzenförmige  Bildungen;  seine  Höhle  ist  an  einer  Stelle 
durch  eine  Zwischenwand  in  zwei  Hälften  eingeteilt  (Taf.  XXII, 
Fig.  2  ut),  dafür  bilden  aber  seine  ventralen  und  seine  lateralen  Wan- 
dungen hinter  den  Nephridien  starke  Falten. 


OGG  D.  Fedotov, 

Es  gibt  auch  iiocli  andre  Unterschiede,  welche  die  Beziehungen 
zwischen  »Uterus  <<  und  Nephridien  betreffen  und  weiter  unten  be- 
sprochen werden  sollen. 

Unter  den  von  mir  untersuchten  Protomyzostomum  kann  man 
überhaupt  mit  Leichtigkeit  eine  Reihe  Übergänge  feststellen,  von  dem 
glattwandigen  »Uterus«  mit  einfachem  Lumen  bis  zu  einem  an  von 
seinen  Wandungen  ausgehenden  Auswüchsen,  Schläuchen  und  walzen- 
förmigen Bildungen  reichen  »Uterus  <<  mit  stark  gefältelten  Wandungen, 
wobei  das  Lumen  dieses  letzteren  Extrems  stellenweise  eine  Zwei- 
teilung erfahren  kann.  Häufig  wird  die  grobe  Faltenbildung  der  Uterus- 
wandungen natürlich  auf  die  Kontraktion  des  Tieres  bei  der  Fixierung 
zurückgeführt  werden  können. 

In  der  Leibeshöhle  (oder  dem  Uterus)  liegen  etwa  an  der  vorderen 
oder  der  hinteren  Grenze  des  mittleren  Drittels  des  Körpers  an  der 
unteren  Darmwandung  die  beiden  unregelmäßig  gestalteten  Ovarien 
(Textfig.  1,  2  ofi,  ov^).  Wir  unterscheiden  ein  vorderes  {ov'^)  und  ein 
hinteres  [ov"^)  Ovarium,  welche  weit  voneinander  entfernt  liegen.  Sie 
besitzen  eine  langgestreckte,  unregelmäßige,  mehr  oder  weniger  gelappte 
Gestalt  und  stellen,  wie  dies  auch  bei  Myzostomum  der  Fall  ist,  eine 
Anschwellung  des  peritonealen  Epithels  dar.  In  meiner  vorläufigen 
Mitteilung  habe  ich  das  Ovar  irrtümlich  als  unpaar  beschrieben.  Diese 
Ovarien  entstehen  nicht  als  streng  lokalisierte  Anlage,  sondern  sie  sind 
das  Ergebnis  der  Wucherung  und  Verschmelzung  einer  unbestimmten 
Anzahl  von  Anschwellungen  des  Peritoneums ,  welche  sowohl  paar- 
weise zu  beiden  Seiten  des  Darmes  (Taf .  XXI,  Fig.  13  ov.),  wie  auch 
unpaar  an  dessen  oberen  Wandung  auftreten  (Taf.  XXI,  Fig.  12  ov.). 
Mit  fortschreitendem  Wachstum  verschmelzen  diese  Anschwellungen 
untereinander  und  bilden  zwei  Ovarien,  eine  Zahl,  welche  bei  Proto- 
myzostomum am  häufigsten  beobachtet  wird.  Das  Nichtvorhandensein 
einer  strengen  Lokalisierung  der  Ovarialanlagen  geht  daraus  hervor, 
daß  bei  ein  und  demselben  Individuum  das  eine  Ovar  paarig,  das 
andre  unpaar,  und  zwar  auf  der  Mitte  des  Darmes  liegend,  vorhanden 
sein  kann.  Eine  Regelmäßigkeit  in  der  Anordnung  der  Ovarialanlagen 
ist  nicht  zu  bemerken. 

Neben  Individuen  mit  zwei  Ovarien  habe  ich  auch  solche  ange- 
troffen, welche  fünf  kleine  Ovarien  besaßen:  ein  erstes  unpaares,  me- 
dianes, ein  zweites  links  vom  Darm,  ein  paariges  drittes  und  viertes 
und  ein  fünftes  unpaares,  medianes. 

Ein  andres  großes  Exemplar  besaß  hnks  fünf,  rechts  drei  Ovarien 
und  eine  lange  mediane  Ovarialanlage    oder  Gruppen  von  Anschwel- 


Dil'  Analoiiik'  \on    l'rotomy/.nstoiuuin   |)()lyiu'i)luis   l*\'dotov.  667 

limgen.  Mit  eiiieiu  Worte,  die  Ovarien  weisen  bei  Protofm/zostotnum 
einen  ditfusen  Typus  au£  und  zeigen  mehr  iUmlichkeit  mit  denjenigen 
der    Polychäten. 

Wie  dies  bei  Myzostomum  der  Fall  ist,  so  konnte  ich  auch  hier 
Oogonien,  größere  Zellen  und  kleinere  "accessory  cells"  (Wheeler 
1894,  S.  178)  nachweisen.  Augenscheinlich  bilden  die  Oogonien  auch 
hier  mit  den  "accessory  cells"  die  für  Myzostomum  erstmals  durch 
AVhkklek  (1890,  8.233)  beschriebenen  "triplet  cells".  Auf  den  Ab- 
bildungen {Tai.  XXI,  Fig.  12  u.  13)  sind  diese  Details  wegen  der  ge- 
ringen Vergrößerung  nicht  zu  sehen. 

Diese  Zellen  reißen  sich  augenscheinlich  ebenfalls  von  den  Ovarien 
los,  befestigen  sich  an  den  Wandungen  der  Leibeshöhle  (Taf.  XXI, 
Fig.  12  oo)  und  gelangen  hier  zur  Reife,  worauf  sie  frei  in  der  Leibes- 
höhle {Ih.)  umherschwimmen  (Taf.  XX,  Fig.  13,  14;  Taf.  XXII,  Fig.  3  ei). 
Bei  großen  Individuen  erfüllen  die  Eier  in  großer  Anzahl  die  Leibes- 
höhle (Taf.  XXI,  Fig.  15  ei),  wobei  sie  zum  Teil  den  Darm  rein  mecha- 
nisch zurückdrängten,  während  bei  jüngeren  Individuen  der  Darm 
einen  größeren  Raum  eimiinnnt  und  die  Leibeshöhle  beinahe  gar  keine 
Eier  enthält  (Taf.  XX,  Fig.  11  Ih.). 

In  dieser  Beziehung  habe  ich  die  Angaben  von  Stummer  (1908, 
S.  21 — 22)  nicht  bestätigen  können,  wonach  bei  größeren  Individuen 
der  Gattung  Myzostomum  der  Darm  eine  stärkere  Entwicklung  auf- 
weist, da  die  Mengen  der  in  der  Entwicklung  begriffenen  Eier  eines 
energischeren  Stoffwechsels  bedürfen. 

Die  männlichen  Geschlechtsorgane  liegen  beiderseits  in  Gestalt 
stark  verästelter  Hoden  (Textfig.  1 1)  an  der  oberen,  dorsalen  Körper- 
seite, oberhalb  der  weiblichen  Geschlechtsorgane,  wobei  sie  sich  (Text- 
fig. 2  t;  Taf.  XXII,  Fig.  4  t)  auf  die  Epidermis  stützen.  Zu  beiden 
Seiten  des  Körpers,  über  dem  III.  Parapodienpaare  und  unterhalb 
des  III.  Paares  von  Seitenorganen,  liegen  die  kleinen  spaltförmigeu 
Ausmündungen  (Taf.  XXI,  Fig.  1  cf  .0)  der  Geschlechtsorgane.  Jede 
Spalte  führt  in  einen  kurzen  Ductus  ejaculatorius  (Taf;  XXII,  Fig.  6  d.ej), 
welcher  durch  eine  Einstülpung  des  Körperinteguments  gebildet  wird. 
Der  Ductus  geht  in  eine  birnförmige  Vesicula  seminalis  über  (Taf.  XXII, 
Fis.  7  V.S.),  von  der  nach  vorn  und  nach  hinten  ein  vorderes  und  ein 
hinteres  ziemlich  breites  Vas  deferens  ausläuft  (Textfig.  1 ;  Taf.  XXII, 
Fig.  7  v.d.).  Letztere  verzweigen  sich  stark  dendritisch,  und  bilden 
eine  Menge  von  Vasa  efferentia  (Taf.  XXII,  Fig.  4  v.ef),  welche  ihrer- 
seits in  die  Follikel  der  Testes  {t)  übergehen.  Mit  einem  Worte,  man 
wii-d    die    männlichen    Geschlechtsorgane    von   Protomyzostomum,    von 


668  D.  Fedotov, 

deren  besonderen  Eigenheiten  weiter  unten  die  Rede  sein  wird,  auf 
den  Typus  des  »verzweigten  Hodens«  beziehen  können,  d.  h.  einen 
der  drei  von  Stummer  (1908)  für  die  Myzostomum-Aiten  aufgestellten 
Hodentypen. 

Der  Penis  ist  verkümmert  und  besitzt  die  Gestalt  einer  durch  das 
Körperepithel  gebildeten  Saugwarze  (Taf .  XXII,  Fig.  6,  7  p);  er  er- 
scheint als  eine  bloße  Andeutung  auf  einen  Penis  und  ist  häufig  gar 
nicht  zu  bemerken,  was  mit  dem  Zustande  der  Muskeln  beim  Fixieren 
zusammenhängt. 

Die  Hodenfollikel  bestehen  aus  Gruppen  von  Keimepithel  oder 
Spermatogonien  (Taf.  XXII,  Fig.  5  sp.g)  und  einer  Tunica  propria  (t.p). 
Indem  die  Zellen  sich  teilen,  ergeben  sie  Spermatocyten  I.  und  II.  Ord- 
nung; andre  Zellen,  als  die  Keimzellen  habe  ich  in  den  Follikeln  nicht 
beobachtet.  Schon  in  den  basalen  Abschnitten  der  Vasa  efferentia 
sind  die  heranreifenden  Spermatozoen  zu  Gruppen  vereinigt,  welche 
in  den  Waben  liegen,  während  die  Kerne  der  diese  Waben  bildenden 
Zellen  wandständig  liegen  (Taf.  XXII,  Fig.  4  v.ef).  Wenn  wir  zu  den 
Vasa  deferentia  übergehen,  finden  wir  in  ihnen  bereits  echte  epitheliale 
Wandungen  mit  großen  hellen  Kernen.  Bündel  von  Spermatozoen 
liegen  in  den  Maschen  des  Protoplasmas,  in  deren  Knotenpunkten 
Kerne  angeordnet  sind.  Außerdem  liegen  zwischen  ihnen  und  wand- 
ständig Gruppen  von  kleinen  Zellen  mit  kleinen  dunklen  Kernen. 
Es  ist  wohl  möglich,  daß  diesen  Zellen  die  Bedeutung  von  Nährzellen 
zukommt. 

Ähnliche  Zellen  finden  sich  auch  bei  Myzostomum,  allein  Stummer 
(1903,  S.  583)  hält  sie  hier  für  »degenerierte,  unentwickelte  Spermato- 
yten«.  Dies  ist  indessen  wohl  kaum  der  Fall,  indem  sie  sonst  nicht 
nur  vom  Vas  deferens  angefangen,  sondern  auch  in  den  kleinen  Ver- 
ästelungen der  Vasa  efferentia  angetroffen  werden  müßten,  was  ich 
nicht  feststellen  konnte.  Außerdem  sind  ihre  Kerne  bedeutend  kleiner 
als  die  Kerne  der  Spermatocyten.  Die  Hauptäste  der  Vasa  deferentia 
besitzen  in  ihrer  Wandung  außer  dem  eignen  Epithel  auch  noch  Muskel- 
fasern, welche  in  der  Längs-  und  Querrichtung  des  Ganges  verlaufen. 
Ihr  Epithel  wird  in  der  Nähe  der  Vesicula  seminalis  höher  und  die  Zahl 
der  oben  erwähnten  Zellen  zwischen  den  Spermatozoengruppen 
wächst  an. 

Es  muß  hier  bemerkt  werden,  daß  in  den  feineren  Verästelungen 
des  Ganges,  so  z.  B.  in  den  Vasa  efferentia,  ein  eigentliches  Lumen 
fehlt.  Es  sind  dies  eher  Teile  des  Hodens,  welche  aber  funktionell  als 
ausführende  Gänge  tätig  sind.    Man  wird  sich  vorstellen  können,  daß 


Die  Auutüinic  von   rrotoinyzostoimiin   iHjlyiiciiliris  Fedotov.  669 

die  Spermatozoeu  bei  fortschreitender  Entwicklung  und  Teilung  der 
»Sperniatügonien  sich  in  dichter  Masse  fortbewegen  bis  sie  das  Lumen 
der  Vasa  deferentia  erreichen.  Die  Vesicula  seminalis  besteht  aus 
großen  P^pithel/^ellen  mit  großen  hellen  Kernen,  einer  Membrana  basi- 
laris  und  sich  kreuzenden  Muskelfasern,  welche  der  Länge  nach  und 
ringförmig  verlaufen. 

Das  Plasma  der  Zellen  der  Vesicula  seminalis  oder  deren  Aus- 
scheidungsprodukte umfassen  die  8permatozoengruppen  in  Gestalt 
eines  Netzes,  indem  sie  dieselben  offenbar  zu  Klumpen  verkleben  (wie 
dies  für  Myzostomum  von  Semper  1858,  S.  56  und  Graff  1877,  S.  61 
bis  62  beschrieben  worden  ist). 

Durch  den  kurzen,  von  dem  eingestülpten  Körperepithel  gebil- 
deten Ductus  ejaculatorius  (Taf.  XXII,  Fig.  6  d.ej)  mündet  die  Vesicula 
seminalis  nach  außen.  Ein  beweglicher  einstülpbarer  Penis  fehlt  bei 
Protomi/zostomum,  und  dieser  hat  die  Gestalt  einer  kleinen  Saugwarze. 
Das  Vorhandensein  des  Parapodiums  und  des  Seitenorganes  mit  deren 
Muskeln  oberhalb  und  unterhalb  der  Ausführgänge  der  männlichen 
Geschlechtsorgane  erschwert  das  Auffinden  der  Muskulatur  dieser 
GänjTe.  Doch  gelingt  es  Muskelbündel,  welche  wahrscheinlich  als 
Dilatatores  und  Retractores  dienen,  wie  auch  auf  der  Peripherie  des 
Ausführganges  verlaufende  Bündel,  d.  h.  einen  Sphinkter,  aufzufinden. 
Für  gewöhnlich  sind  die  Spermatozoenballen  um  ein  etwas  wabiges 
Plasma  herum  angeordnet  (Taf.  XXII,  Fig.  8),  in  welchem  w^ir,  indessen 
bei  weitem  nicht  immer,  kleine  Kerne  antreffen.  Diese  Kerne  färben 
sich  intensiv  und  besitzen  häufig  ein  unregelmäßiges  zerkmttertes 
Aussehen  (Taf.  XXII,  Fig.  8  k.cy).  Mit  einem  Worte,  wir  haben  es  mit 
einem  Gebilde  zu  tun,  welches  einem  Cytophor  ähnlich  sieht.  Bei 
Färbung  mit  DELAFiELDschem  Hämatoxylin  und  Nachfärbung  mit 
Eosin  oder  bei  Färbung  nach  Giemsa  tritt  dieses  Plasma  sehr  deutlich 
hervor.  Seine  Bildung  verdanlvt  es  miteinander  verschmolzenen  Über- 
resten des  Plasmas  von  Spermatocyten,  wobei  man  zu  Beginn  der 
Streckung  des  Kernes  und  der  Verwandlung  der  Spermatiden  in  Sperma- 
tozoen  das  Plasma  der  Zellen  erkennen  kann,  welches  sich  im  Centrum 
einer  Gruppe  zukünftiger  Spermatozoen  ansammelt.  Anfangs  sind 
auch  die  Grenzen  der  Zellen  noch  zu  sehen,  welche  gegen  das  Ende  der 
Spermatozoenbildung  verschwinden.  Setzt  man  voraus,  daß  eine  der 
Spermatiden  sich  nicht  in  ein  Spermatozoon  verwandelt  und  in  der 
Gruppe  dieser  letzteren  zurückbleibt,  so  haben  wir  damit  eine  Er- 
klärimg für  die  Anwesenheit  eines  Kernes  in  dem  von  Spermatozoen 
umgebenen  Plasma. 


ßYQ  D.  Fedotov, 

Die  lebenden  Spermatozoen  sind  in  Seewasser  unbeweglich;  sie 
besitzen  einen  langen,  fadenförmigen,  an  seinem  vorderen  Ende  leicht 
zuo-espitzten  Kopf  (etwa  45  /<  Jjänge)  und  einen  diesen  letzteren  an 
Länge  um  das  dreifache  übertreffenden  Schwanzteil  (Taf.  XXII,  Fig.  9). 
An  gefärbten  Spermatozoen  kann  man  in  dem  Kopfe  Chromatin- 
körnchen  bemerken  (Taf.  XXII,  Fig.  10  ch),  welche  in  zwei  Reihen 
längs  dieses  letzteren  angeordnet  liegen.  Ihre  Anzahl  läßt  sich  sehr 
schwer  feststellen;  sie  ist  offenbar  nicht  beständig  und  schwankt  in 
der  Nähe  von  20  in  jeder  Reihe.  Indem  man  die  Entwicklung  der 
Spermatozoen  verfolgt,  kann  man  bemerken,  wie  sich  das  Chromatin 
des  Spermatidenkernes  allmählich  in  die  Länge  streckt  und  in  langen 
Stäbchen  anordnet,  deren  es  anfangs  auf  dem  Querschnitt  durch  die 
Spermatide  vier  sein  können;  bei  erwachsenen  Spermatiden  dagegen 
zerfallen  diese  Stäbchen  in  einzelne  Klümpchen,  welche  in  zwei  Reihen 
längs  des  Kopfes  angeordnet  liegen. 

Die  Entwicklung  der  Spermatozoen  bei  Myzostomum  ist  von 
Semper  (1858)  und  Mc.Clendon  (1906)  beschrieben  worden;  hiernach 
sind  bei  dem  unreifen  Spermatozoon  von  M.  ja-ponicum  (Taf.  XVII, 
Fig.  31 — 34)  zwei  Reihen  von  Chromatinkörperchen  vorhanden,  während 
das  reife  Spermatozoon,  wie  dies  schon  von  Wheeler  (1897)  nach- 
gewiesen worden  ist,  nur  eine  Reihe  von  Chromatinkörperchen  besitzt. 

Ich  habe  zwei  Reihen  von  Chromatinkörperchen  in  Spermatozoen 
von  Protomyzostomum  gesehen,  welche  sich  in  der  Nähe  der  Ausmün- 
dungsöffnung befanden  und  wohl  kaum  unreif  waren.  Diese  beiden 
Reihen  von  Chromatinkörperchen  in  dem  Kopf  eines  Spermatozoons 
habe  ich  besonders  deutlich  auf  Trockenpräparaten  gefunden,  die  nach 
GiEMSA  in  der  für  die  Malariaparasiten  üblichen  Weise  gefärbt  waren 
(Taf.  XXII,  Fig.  10  ch).  Auf  solchen  Präparaten  liegen  die  Spermato- 
zoen einzeln  und  nicht  zu  Bündeln  versammelt,  und  hier  tritt  ihr 
Bau  deutlicher  zutage. 

Leider  ist  es  mir  nicht  gelungen  mit  Hilfe  der  Färbung  nach  Biondi 
nachzuprüfen,  ob  diese  Klümpchen  von  Chromatin  herstammen,  wie 
dies  die  meisten  Autoren  für  Myzostomum  annehmen,  oder  ob  sie  auf 
Kosten  des  Nebenkernorganes  entstehen,  wie  Retzius  (1910,  S.  67 — ^69) 
dies  annimmt. 

Nach  den  Angaben  dieses  Autors  ist  das  eigentliche  Chromatin 
im  Kopf  des  Spermatozoons  von  Myzostomum  in  Gestalt  eines  seitlich 
in  der  Ausdehnung  eines  Drittels  der  Spermatozoenlänge  verlaufenden 
Streifens  angeordnet.  Der  letztgenannte  Autor  hat  zu  dieser  Fest- 
stellung die  neuesten  Methoden  angewandt,  wie  die  BiONDische  Färbung 


Dir  Anatomie  von   Trotonivzostoinuin  iinlyncjihris  Fedotov.  671 

auf  Chroniatin.  so  daß  wir  mit  seinen  Angaben  zu  rechnen  haben.  Ich 
beabsichtige  mich  späterhin  unter  Anwendung  der  modernen  Methoden 
speziell  mit  der  Spermatogenese  von  Protomijzostomum  zu  beschäftigen, 
welches  ein  sehr  passendes  Objekt  für  diese  Zwecke  darstellt. 

Die  Unterschiede,  welche  im  Bau  der  Leibeshöhle  und  der  Ge- 
schlechtsorgane zwischen  Protomyzostomum  und  Mijzostomiim  bestehen, 
sind  nachstehende. 

Die  Leibeshöhle  ist  bei  unserem  Wurm  umfangreicher,  als  dies  bei 
verschiedenen  Vertretern  der  letzteren  Gattung  beobachtet  worden  ist; 
die  Zahl  der  Seitenäste  des  »Uterus«  entspricht  nicht  der  Zahl  der 
Hauptäste  des  Darmes,  indem  ihrer  häufig  mehrere  sind  als  letztere. 
Außerdem  fehlt  jene  Übereinstimmung  zwischen  der  Abzweigung  dieser 
Aste  untereinander,  wie  dies  z.  B.  für  Myzostomum  asteriae  von  Stum- 
mer beschrieben  wurde,  wo  je  ein  Ast  der  Leibeshöhle  einen  Ast  des 
Darmes  begleitet.  Die  Zahl  der  Hauptäste  des  »Uterus  <<  beträgt  bei 
dieser  Art  z.  B.  nur  zwei. 

Das  Uterusepithel  ist  bei  Myzostomimi  ein  Flimmerepithcl  (Stum- 
mer 1903;  Nansen  1885),  ein  Pseudoepithel  aus  Bindegewebszellen 
befindet  sich  auf  den  Seitenästen  (Stummer  1903) ;  bei  Protomyzostomum 
besitzt  der  »Uterus«  nur  in  seiner  hinteren  Hälfte  einen  epithelialen 
Belag.  Für  Myzostomum  ist  von  den  Autoren  eine  Bildung  von  Vor- 
sprüngen und  Zwischenwänden  durch  die  Uterus  wand,  wie  wir  sie  bei 
Protomyzostomum  kennen  gelernt  haben,  nicht  signalisiert  worden. 

Was  die  Ovarien  betrifft,  so  sind  dieselben  bei  Myzostomum  mehr 
lokalisiert,  und  stellen  paarige  Organe  dar.  In  der  Zahl  von  einem 
oder  zwei  Paaren  liegen  sie  in  Gestalt  von  mehr  oder  weniger  gelappten 
Anschwellungen  des  peritonealen  Epithels  zu  beiden  Seiten  dorso- 
lateral  oder  latero-ventral  vom  Darme  (Wheeler  1896,  Mc.Clendon 
1906,  Nansen  1885,  Maidl  1910).  Allein  auch  hier  ist  ein  Fall  bekannt, 
wo  nur  ein  einziges,  unpaares  Ovarium  vorhanden  ist,  und  zwar  bei 
M.  fischeri  (Wheeler  1904). 

Für  die  Gattung  Myzostomum  ist  die  dorsale  Lage  der  weiblichen 
Geschlechtsorgane  über  dem  Darm,  und  die  ventrale  Lage  der  männ- 
hchen  Organe  unter  dem  Darm  charakteristisch.  Im  Gegensatz  hierzu 
nehmen  bei  Protomyzostomum,  worauf  ich  auch  schon  in  meiner  vor- 
läufigen Arbeit  hingewiesen  habe,  die  männUchen  Geschlechtsorgane 
eine  dorsale  Lage  über  dem  Darm  ein.  Nur  bei  M.  helU  nnd  M.  cry- 
ptopodn  (Wheeler  1896,  Stummer  1910)  liegen  die  Hoden,  wie  bei 
Protomyzostomum,  auf  der  Dorsalseite,  aber  die  weibHchen  Organe 
haben    eine    ventrale  Lage    unter    dem  Darm.     Es    besitzt    demnach 


672  ^-  Fedotov, 

kein  einziger  Vertreter  der  Gattung  Mystozomum  eine  solche  Lage, 
wie  wir  sie  bei  Protomyzostomum  antreffen. 

Für  gewöhnlich  besitzt  Myzostomum  einen  wohlentwickelten,  ein- 
stülpbaren Penis,  welcher  bei  Protomyzostomum  im  Zusammenhang 
mit  der  entoparasitischen  Lebensweise  eine  Reduktion  erfahren  hat. 
Ebenso  fehlt  hier  ein  zweiter  Sphinkter,  wie  ihn  Graff  (1877)  am 
Anfang  des  Ductus  ejaculatorius  für  Myzostomum  beschreibt,  allein 
ein  solcher  fehlt  auch  bei  M.  asteriae  (Stummer  1903). 

Die  einen  Autoren  beschreiben  für  verschiedene  Myzostomum- 
Axten  eine  Tunica  propria  der  Hoden  (Graff  1877),  andre  leugnen 
eine  solche  (Stummer  1903  für  AI.  asteriae).  Bei  Protomyzostomum  ist 
diese  Tunica  propria  vorhanden.  Nach  Stummer  (1903)  besitzt  M. 
asteriae  in  den  Wandungen  der  Vasa  deferentiae  keine  Muskelfasern, 
wie  sie  bei  Protomyzostomum  wohl  entwickelt  sind.  Meist  finden  sich 
in  dem  Kopfteil  des  Spermatozoons  der  Myzostomum- kxten  nicht  zwei 
Reihen  von  Chromatinkörperchen,  wie  dies  bei  Protomyzostomum  der 
Fall  ist,  sondern  nur  eine  Reihe  und  in  dieser  sind  viel  mehr  solcher 
Körperchen  enthalten.  Kein  einziger  der  Autoren  hat  bei  Myzostomum 
ein  Cytophor  beschrieben  und  nur  Nansen  (1885)  spricht,  wenn  auch 
ohne  Bestimmtheit  die  Annahme  aus ,  daß  die  Kerne  der  in  der  Nähe 
der  Spermatozoen  liegenden  Zellen  (S.  56,  Taf.  VIII;  Fig.  ^  A,  h,  e,  s) 
Cytophoren  angehören  könnten;  allein  aus  seinen  Abbildungen  geht 
nicht  hervor,  daß  diese  Zellen  in  der  Tat  Cytophore  darstellen. 

Wie  bekannt  haben  zuerst  Beard  (1884)  und  nach  ihm  Stummer 
(1903)  die  Vermutung  ausgesprochen,  daß  der  sogenannte  Uterus 
Cölom  ist,  welches  an  der  Bildung  nicht  nur  der  weiblichen,  sondern 
auch  der  männlichen  Geschlechtsorgane  Anteil  nimmt.  Späterhin  ist 
diese  Vermutung  von  Maidl  (1910)  bestätigt  worden,  welcher  den 
Uterus  als  Eier.-ack  bezeichnet.  Dieser  Autor  gibt  an,  daß  bei  der 
Entwicklung  die  Vesiculae  seminales  als  ein  Cölombezirk  mit  Epithel 
angelegt  werden,  welcher  durch  Wucherung  auf  die  Vasa  deferentia, 
die  Vasa  efferentia  und  die  Testes  übergeht,  wobei  die  beiden  ersteren 
ein  Epithel  erhalten,  während  die  Testes  nur  aus  Keimzellen  bestehen. 
Von  der  kompakten  Anlage  der  Vesiculae  seminales  verlaufen  Veräste- 
lungen in  das  Parenchym,  aus  welchen  dann  die  verästelten  Testes 
des  erwachsenen  Tieres  hervorgehen. 

Ich  schließe  mich  der  Auffassung  vollauf  an,  wonach  die  männ- 
lichen Geschlechtsorgane  von  Myzostomum  einen  Bezirk  der  Leibes- 
höhle darstellen,  und  halte  dieselbe  auch  für  Protomijzostomum  für  gültig. 
Ich  habe  ebenfalls  beobachten  können,  daß  bei  jungen  Individuen  (von 


Die  Anatomie  von  l'rotomyzostoinuni   |)olyncphris  Fedotov.  673 

1  mm  Länge)  /Aierst  gerade  die  Vesiculae  seminales  zur  Bildung  ge- 
langen, wie  dies  von  Maidl  für  Mijzostomum  beschrieben  worden  ist. 
Nur  kann  bei  Protomyzostomum  wegen  der  dorsalen  Lage  der  Hoden 
nicht  von  einer  Entwicklung  der  männlichen  Geschlechtsorgane  aus 
einem  ventralen  Bezirk  der  Leibeshöhle  die  Rede  sein,  wie  dies  für 
Myzostomum  mitgeteilt  wurde  (Stummer  1903). 

Alle  von  mir  untersuchten  Exemplare  von  Protomyzostomum  waren 
Hermaphroditen,  doch  waren  die  männlichen  und  weiblichen  Geschlechts- 
organe bei  ihnen  in  sehr  verschieden  hohem  Grade  entwickelt.  Bei 
Exemplaren  von  etwa  1  mm  Länge  fand  ich  bereits  Anlagen  von  Ova- 
rien wie  auch  von  Hoden.  Allein  die  männlichen  Geschlechtsorgane  be- 
ginnen bei  ihnen  früher  zu  funktionieren. 

Ich  schließe  mich  der  Auffassung  von  Wheeler  an  (1896),  daß 
Myzostomum  einen  protandrischen  Hermaphroditen  darstellt,  wie  dem- 
nach auch  Protomyzostomum,  wofür  auch  spätere  Studien  sprechen.  Es 
scheint  mir,  als  bedürfe  die  Feststellung  von  >>  complemental  males<< 
Beards  (1884)  bei  den  Myzostomum- Alten  noch  einer  Bestätigung, 
weshalb  es  meiner  Ansicht  nach  etwas  voreihg  erscheint,  die  von  Smith 
aufgestellte  "Theory  of  Dwarf  Males  cirripedia"  auf  die  geschlecht- 
lichen Verhältnisse  bei  Myzoston^um  anzuwenden,  wie  Coventry  (1910) 
dies  getan  hat. 

In  der  Leibeshöhle  findet  man  gewöhnlich  zwischen  den  Ovarien 
oder  etwas  hinter  denselben  Bildungen  von  unbestimmter  Gestalt, 
welche  aus  einer  Anhäufung  von  Zellen  mit  einer  Menge  gut  färbbarer 
Kerne  bestehen.  Die  Zellen  sind  miteinander  verschmolzen,  wobei 
sie  Vacuolen  bilden,  in  denen  degenerierte  Eier  und  Spermatozoen 
angetroffen  werden.  Die  Bedeutung  dieser  Gebilde  beabsichtige  ich 
später  klar  zu  stellen.  Ich  will  hier  nur  hinzufügen,  daß  auch  die 
"subectodermal  testes"  von  Nansen  (1885,  S.  79)  schließlich  zusammen 
mit  den  in  ihnen  zur  Bildung  gelangenden  Spermatozoen  in  dieser 
Zellenanhäufung  degenerieren  und  keinen  lebensfähigen  Samen  her- 
vorbringen. 

Nephridien. 

Die  Nephridien  bestehen  bei  Protomyzostomum  aus  einem  Kanal 
(240—270  /t  Länge)  mit  Wimperzellen  (Taf.  XXI,  Fig.  14  neph.),  welcher 
durch  ein  Nephrostom  (nephs.)  in  den  »Uterus«  mündend,  abwärts 
nach  der  Cloake  verläuft,  in  deren  vorderem  Abschnitt  er  vermittels 
eines  Nephroporus  (nephp.)  einmündet.  Diese  Kanäle  nenne  ich  Ne- 
phridien,   indem    ich    mich    an    die    für   Myzostomum    angenommene 


674  D-  Fedotov, 

Terminologie  halte,  obgleich  man  jedenfalls  nur  für  einen  Teil  echter 
Nephridien  ansehen  könnte.  Erst  die  Zukunft  wird  ihre  morphologische 
Bedeutung  aufklären. 

Der  Nephridialkanal  ist  meist  etwas  gewunden,  im  Querschnitt 
fast  rund  (Taf.  XXII,  Fig.  11).  Seine  Wandungen  bestehen  aus  cylindri- 
schen  Zellen  {ep.neph.)  (von  etwa  15  /t  Länge),  welche  auf  einer  Membrana 
basilaris  (m.b.)  sitzen  und  deren  lange  Wimpern  zu  einem  Plättchen 
verklebt  sind.  Indem  die  Wimpern  benachbarter  Zellen  längs  der 
Mitte  des  Kanals  herabhängen,  verkleben  sie  miteinander.  Von  be- 
sonderer Länge  sind  die  in  der  Höhlung  der  Cloake  hereinragenden 
Wimpern  des  Nephroporus  (Taf.  XXII,  Fig.  16  c). 

In  dem  oberen  Schenkel  des  Nephridialkanales  sind  die  Wimpern 
der  Zellen  nach  dem  »Uterus«  hin  gerichtet  (Taf.  XXII,  Fig.  14),  in  dem 
unteren  Schenkel  dagegen  in  umgekehrter  Richtung,  nach  der  Cloake 
zu.  Die  Kerne  der  Zellen  sind  rundlich-oval  und  enthalten  zahlreiche 
kleine  Chromatinkörnchen. 

Auf  den  Wandungen  der  Nephridien  verlaufen  Längs-  und  Ring- 
muskelfasern  (Taf.  XX,  Fig.  15  m.nepli.),  deren  Verlauf  ein  etwas 
diagonaler  ist.  Die  diagonale  Anordnung  der  Muskelfasern  in  den 
Nephridienwandungen  ist  an  den  Enden  der  Nephridien  deutlich  zu 
sehen  (Taf.  XX,  Fig.  16  7n.neph.).  Der  Nephridialkanal  geht  vom 
unteren  Winkel  des  »Uterus  <<  aus,  verläuft  dann  nach  unten  und  mündet 
nach  schwacher  Krümmung  seitlich  oder  vom  unteren  Winkel  der 
Cloake  aus  in  letztere  ein.  Nicht  selten  ist  das  Nephridium  nach  vorn 
oder  nach  hinten  gebogen;  außerdem  kann  es  nicht  direkt  vertical 
nach  unten,  sondern  nach  vorn  oder  hinten  geneigt  den  »Uterus« 
verlassen.  Auf  Querschnitten  durch  Protoynyzostomwm  finden  wir 
daher  nicht  selten  den  ganzen  Nephridialkanal  nicht  im  Längs- 
schnitt, sondern  entweder  den  Nephroporus  und  das  Nephrostom  ohne 
Verbindung  miteinander  (Taf.  XX,  Fig.  14  neph.),  oder  nur  die  obere 
oder  nur  die  unteren  Schenkel  des  Nephridiums.  Es  sind  mehrere 
Paare  von  Nephridien  vorhanden  (Textfig.  2  neph.)  (Taf.  XIX, 
Fig.  14  neph.  — •  in  dem  Frontalschnitt),  welche  aufeinanderfolgen, 
wobei  eine  Symmetrie  in  ihrer  Anordnung  auf  beiden  Seiten  meist 
nicht  zu  bemerken  ist. 

Seltener  entspringen  zwei  Nephridien  gleichzeitig  auf  einer  Seite; 
dann  befindet  sich  innen  ein  kürzeres,  welches  von  außen  von  einem 
längeren  umbogen  wird.  Ebenso  wie  beträchtliche  Unterschiede  im 
Charakter  der  Wandungen  der  Cloake  und  des  »Uterus«  bestehen, 
welche  bald  glatt,  bald  stark  gefältelt  sind,  mit  einfachem  Lumen  oder 


Die  Anatüini<'  von   Proloiiiyzostoinuiii   polyncphris  Fedotov.  675 

Vorsprängen,  chcn^o  l'imlcu  wir  auch  verschiedene  Verhältnisse  zwischen 
den  NephriditMi  und  der  Cloake  und  dem  »Uterus«. 

Typisch  ist  die  uiunittelbare  Abzweigung  des  Nepliridiums  von 
einer  Ecke  des  »Uterus«  und  dessen  Einmündung  in  die  Cloacalhöhle 
(Taf.  XXI,  Fig.  1-i).  Man  trifft  indessen  auch  Individuen  an,  bei 
denen  der  »Uterus«  einen  in  das  Parenchym  eindringenden  Auswuchs 
abgibt,  von  dem  dann  erst  ein  oder  mehrere  Nephridien  ausgehen 
(Taf.  XX,  Fig.  14  a.ut.).  Bisweilen  steht  dieser  Fortsatz  an  mehreren 
Stellen,  entsprechend  einem  jeden  Nephridium,  in  Verbindung  mit  dem 
»Uterus«,  wobei  diese  Verbindung  hinter  dem  Nephridium  verloren  geht. 

Die  "Wandungen  des  »Uterus«,  von  wo  die  Nephridien  ausgehen, 
sind  entweder  glatt  oder  sie  bilden  eine  Menge  kleiner  Falten.  Nicht 
selten  bildet  die  Uteruswand  vor  dem  Nephrostom  eine  in  die  Uterus- 
höhlung hereinragende  Verdickung  (Taf.  XXI,  Fig.  14  vd.ut.).  Ebenso 
kann  der  Nephroporus  des  Nephridialkanales  entweder  direkt  in  die 
untere  Cloacalecke  einmünden  (Taf.  XXI,  Fig.  14  neph.p),  oder  aber  mit 
jenen  Vorsprüngen  der  Cloacalhöhle  in  Verbindung  stehen,  welche  von 
der  Cloacalwand  ausgehen  (Taf.  XX,  Fig.  14  a.kl).  Dabei  gehen  bei  ein 
und  demselben  Individuum  die  einen  Nephridien  unmittelbar  von  der 
Uterushöhle  aus  und  verlaufen  in  die  Cloake,  andre  dagegen  entspringen 
von  ihren  Fortsätzen  aus  und  münden  wiederum  in  diese  oder  in  die 
Cloaken  selbst. 

Das  für  Protomyzostomum  typische  Verhalten  ist  ein  einfacher 
Nephridialkanal.  Seltener  finden  wir  eine  Verzweigung  der  unteren 
Schenkel  des  Nephridiums  in  zwei  Aste,  d.  h.  ein  Nephrostom  und  zwei 
Nephroporen.  Eine  Symmetrie  in  der  Anordnung  der  Nephridien 
auf  beiden  Seiten  ist,  worauf  ich  schon  hingewiesen  habe,  nicht  vor- 
handen: die  Nephridien  der  einen  Seite  entspringen  unabhängig  von 
denen  der  anderen  Seite.  Die  Zahl  der  Nephridien  ist  bei  den  einzelnen 
Individuen  und  auf  beiden  Seiten  eine  verschiedene,  was  durch  nach- 
stehende Beispiele  erläutert  wird.  1)  Protomyzostomum  von  1,6  mm 
Länge,  0,7  mm  Breite  —  ein  Paar  Nephridien;  2)  5  mm  Länge,  2,5  mm 
Breite  —  rechts  4,  links  4;  3)  5,4  mm  Länge,  3  mm  Breite  —  rechts  4, 
hnks  4;  4)  19  mm  Länge,  12  mm  Breite  — rechts  7  (ein  unvollkommenes), 
links  4  Nephridien  (1  mit  zwei  Nephroporen);  5)  25  mm  Länge,  13  mm 
Breite  —  rechts  3,  links  2  Nephridien;  6)  25,1mm  Länge,  15,1mm 
Breite  —  rechts  5,  hnks  6  Nephridien;  7)  25,9  mm  Länge,  16  mm  Breite 
—  rechts  3,  hnks  3  Nephridien. 

Abgesehen  hiervon  habe  ich  bei  verschiedenen  Individuen  neben 
vollkommenen    Nephridien    auch    unvollkommene    angetroffen.      Ein 

Zeitschrift  f.  wissensch.  Zoologie.    CIX.  Bd.  45 


676  ^-  Fedotov, 

derartiges  Nephridium  bestand  aus  einem  blindgeschlossenen  Rohre, 
welches  entweder  einen  Nephroporus  oder  ein  Nephrostom  besitzt. 
Sein  bhndgeschlossenes  Ende  verläuft  sich  im  Parenchym,  welches  die 
Cloaken  und  den  »Uterus  <<  umgibt.  Es  werden  Exemplare  angetroffen, 
bei  denen  von  dem  »Uterus«  zur  Cloake  Fortsätze  ausgehen,  welche 
an  ein  noch  nicht  ausgebildetes  Nephridium  erinnern  (Taf.  XXII, 
Fig.  3  a.ut).  Wir  wissen,  daß  Wheeler  (1896)  bei  Myzostomum  belli 
Nephridien  mit  nur  einem  Nephroporus  angetroffen  hat.  Derartige 
Fälle  lassen  sich  bisweilen  durch  den  Verlust  einiger  Schnitte  aus  einer 
Serie  erklären,  in  anderen  Fällen  aber  haben  wir  es  augenscheinlich 
entweder  mit  einer  Degeneration  oder  noch  eher  mit  einem  noch 
nicht  ausgebildeten  Nephridium  zu  tun.  Mit  einem  Worte,  die  Un- 
beständigkeit in  der  Zahl  der  Nephridien  bei  Protomyzostomum  läßt 
sich  auf  zweierlei  Weise  erklären:  entweder  wir  haben  es  mit  Alters- 
veränderungen zu  tun,  deren  Aufeinanderfolge  indessen  noch  nicht 
festgestellt  ist,  oder  aber  wir  haben  Organe  von  selbständigem  Charakter 
vor  uns  und  ihre  Zahl  ist   eine   unbestimmte. 

Ich  habe  bei  kleinen  Individuen  von  etwa  1  mm  Länge  entweder 
ein  Paar  sehr  kleiner,  schlecht  ausgebildeter,  sich  von  dem  umgebenden 
Gewebe  nur  undeutlich  abhebender  Nephridien,  oder  aber  ein  Paar 
noch  gar  nicht  ausgebildeter  Nephridien  angetroffen.  In  dem  Gewebe, 
welches  augenscheinlich  an  der  Entwicklung  des  »Uterus«  beteihgt 
ist,  geht  eine  Differenzierung  vor  sich:  die  Zellen  begrenzen  die  Höh- 
lung des  künftigen  Nephridiums,  indem  sie  sich  wandständig  anordnen. 
Dieser  Gang  wächst  in  die  Länge  und  nimmt  nach  und  nach  seinen 
definitiven  Charakter  an.  Bei  größeren  Individuen  können  wir  bereits 
drei  Paare  von  Nephridien  antreffen,  obgleich  dieselben  noch  nicht 
definitiv  ausgebildet  sind. 

Durch  diese  meine  Beobachtungen  wird  die  von  Maidl  (1910) 
ausgesprochene  Ansicht  bestätigt.  Dieser  Autor  hatte  eine  Überein- 
stimmung in  den  Anlagen  der  Leibeshöhle  (Uterus)  und  der  Nephridien 
bei  Myzostomum  festgestellt  und  sprach  die  Vermutung  aus,  daß  letztere 
auf  Kosten  des  Cöloms  entstanden  seien.  Eine  solche  Annahme  scheint 
mir  auch  für  Protomyzostomum  durchaus  bestätigt  zu  sein.  Die  Details 
in  der  Bildung  der  Nephridien  habe  ich  indessen  bei  diesem  Wurm 
einstweilen  noch  nicht  verfolgen  können.  Es  ist  unbedingt  erforderhch 
Versuche  mit  Injektionen  anzustellen,  um  die  physiologische  Funktion 
dieser  Organe  festzustellen.  Meine  diesbezüghchen  Versuche  miß- 
langen, indem  die  mit  ammoniakalischem  und  Indigocarmin  injizierten 
Würmer  rasch  zugrunde  gingen.     Auch  für  Myzostomum  bedürfen  die 


Die  Anatomie  von    l'i'oloMiy/.ostoniuin   polyncjiliris   Fedotov'.  077 

Nephridieu  weiterer  Versuche  mit  Injektionen,  da  auch  ilire  Funktion 
noch  nicht  sicher  festgestellt  worden  ist.  Es  ist  sehr  wahrscheinlich, 
daß  sie  nur  zur  Wegschaffung  der  überflüssigen  iSperniatozoen  und 
Eier  dienen.  Beides  haben  verschiedene  Autoren  denn  auch  in  den 
Nephridien  von  Myzostomum  angetroffen.  Bekanntlich  sind  Nephri- 
dien  bei  Myzostomum  zuerst  von  Wheeler  und  Beard  nachgewiesen 
worden;  die  beste  histologische  Beschreibung  derselben  finden  wir  bei 
Stummer,  und  zwar  für  M.  (isteriae.  Der  mittlere  Abschnitt  der  Nephri- 
dien von  M.  (isteriae  Stummer  unterscheidet  sich  in  bezug  auf  den  Bau 
seiner  Wandungen  in  keiner  Weise  von  den  beiden  andern  Abschnitten, 
so  daß  wir  auch  hier  keinen  drüsigen  Abschnitt  antreffen,  der  ein  not- 
wendiges Element  für  jedes  Nephridium  darstellt.  Erst  kürzlich  hat 
Stummer  (1908,  S.  20,  fig.  8,  10)  für  eine  Myzostomum- kit,  M.  cysti- 
colum,  eine  Endblase  mit  deutlichem  Drüsenepithel  und  ohne  Wimpern 
beschrieben;  es  muß  jedoch  bemerkt  werden,  daß  die  betreffende  Aus- 
beute von  einer  antarktischen  Expedition  stammt,  und  daß  daher 
nicht  auf  einen  guten  Erhaltungszustand  gerechnet  werden  kann. 

Das  wichtigste  Merkmal,  welches  Protomyzostomum  von  Myzo- 
stomum unterscheidet,  ist  das  Vorhandensein  mehrerer  Paare  von  Ne- 
phridien; es  ist  dies  zweifellos  ein  ursprüngliches  Merkmal.  Wir  wissen, 
daß  Myzostomum  nur  ein  Paar  von  Nephridien  besitzt,  welches  dazu 
noch  häufig  einen  gemeinsamen  Nephroporus  oder  ein  gemeinsames 
Nephrostom  besitzen  (Wheeler  1896).  Die  Nephridien  treten  bei 
Myzostomum  gew^öhnlich  in  Gestalt  ziemlich  langer,  schlauchförmiger 
Röhren  auf,  welche  horizontal  verlaufen,  so  daß  der  Nephroporus  im 
Vergleich  mit  dem  Nephrostom  beträchtlich  weit  nach  hinten  ver- 
schoben ist.  Beide  heben  sich  undeutlich  von  den  umgebenden  Geweben 
ab,  weshalb  sie  auf  Schnitten  leicht  übersehen  werden  können.  Ihre 
histologische  Differenzierung  steht  auf  einer  etwas  niedrigeren  Stufe, 
als  bei  Protomyzostomum.  So  befinden  sich  bei  M.  asteriae  in  ihren 
Wandungen  nur  Ringmuskelfasern. 

Muskulatur  und  Bindegewebe. 

Die  Muskulatur  ist  bei  Protomyzostomum  ziemüch  schw^ach  ent- 
wickelt, was  mit  dem  parasitischen  Leben  dieses  Wurmes  im  Zusannnen- 
hang  steht.  Dorso-ventrale  Bündel  verlaufen  hauptsächhch  zu  beiden 
Seiten  des  Darmes  (Taf.  XX,  Fig.  11  d.v.m)  und  zwischen  den  Längs- 
strängen des  Nervensystems  (Taf.  XX,  Fig.  12  d.v.m),  während  sie 
von  dem  Darm  nach  der  Peripherie  hin  etwas  schwächer  (Taf.  XXI, 
Fig.  15  d.v.m)  und  wenig  bemerkbar  werden. 

45* 


678  r)-  rtdotov, 

Außer  den  dorso-ventralen  Muskeln  finden  wir  noch  Muskelbündel 
(Textfig.  2  m.7i),  welche  längs  dem  Körper  des  Tieres  hinziehen,  wobei 
sie  das  Nervensystem  begleiten  (Taf.  XX,  Fig.  12  m.n).  Ein  System 
von  Muskeln  befindet  sich  unter  dem  Nervensystem,  das  andre  über 
demselben  und  unter  dem  Darme.  Ein  Teil  der  Muskeln  befestigt  sich 
an  der  Schlundwand  und  funktioniert  als  deren  Retractores.  Zum 
Teil  begleiten  die  Muskeln  auch  die  lateralen  Nerven. 

Der  Unterschied  zwischen  dem  Muskelsystem  von  Protomyzo- 
stomum  und  demjenigen  von  Myzostomum  besteht  darin,  daß  bei  ersterem 
keine  radiäre  Anordnung  von  Muskeln  zu  finden  ist.  Ebenso  fehlt  die 
»bauchständige  Muskelmasse«,  welche  bei  Myzostomum  radiär  aus- 
einanderlaufende  Muskelsepten   bildet. 

Bei  unserni  Tier  ist  demnach  keine  Verbindung  durch  Muskel- 
fasern zwischen  allen  Parapodien  vorhanden,  wie  dies  von  Graff  (1877) 
für  Myzostomum  beschrieben  worden  ist. 

Bekanntlich  liegt  bei  Myzostomum  unter  dem  Nervensystem  eine 
mächtige  bauchständige  Muskelmasse,  welche  bei  den  frei  beweglichen 
Arten  besonders  stark  entwickelt  ist.  Bei  den  entoparasitischen  Arten 
ist  dieselbe  schwächer  entwickelt  (Stummer  1903).  Es  ist  sehr  wohl 
möglich,  daß  die  Muskelbündel  unter  dem  Nervensystem  von  Proto- 
myzostomum  Überreste  eines  solchen  Systems  darstellen,  welches  sich 
unter  der  Einwirkung  der  entoparasitischen  Lebensweise  rückgebildet 
hat,  und  dies  um  so  mehr,  als  die  Musculi  retractores  des  Rüssels  bei 
Myzostomum  ebenfalls  von  ihm  ausgehen.  Die  Längsmuskeln  unter 
dem  Nervensystem  finden  sich  auch  bei  Myzostomum-ATten. 

Das  Parenchym  stellt  nichts  besonderes  dar  und  ist  im  hinteren 
Körperabschnitt,  namentlich  in  der  Nähe  der  Cloake  stark  entwickelt, 

Nervensystem. 

Das  Nervensystem  ist  strickleiterförmig  gebaut  und  besteht  aus 
einem  Schlundring  und  dem  Bauchmark  (Textfig.  1).  Letzteres  ist  aus 
zwei  Längsstämmen  zusammengesetzt,  welche  durch  zehn  Commissuren 
miteinander  verbunden  sind ;  von  ihnen  gehen  ein  Paar  vorderer  Nerven, 
acht  Paare  lateraler  Nerven  und  ein  hinterer  unpaarer  Nerv  aus..  Die 
Stränge  liegen  tief  unter  dem  Epithel  im  Parenchym  (Taf.  XX,  Fig.  12  cn). 
Von  oben  und  unten  werden  sie  von  den  schon  oben  erwähnten  Längs- 
muskelbündeln  begleitet,  welche  dem  Nervensystem  gleichsam  zur 
Stütze  dienen  (Taf.  XX,  Fig.  12,  13  m.n). 

Wir  unterscheiden  zwei  vordere  Nerven  (Taf.  XIX,  Fig.  18,  19  v.n), 
welche  nach  vorn  zum  Schlünde  verlaufen  und  indem  sie  ansteigen, 


Die  Aiiiitoinic   von    l'rotomyzostorimiii    |)(il\  ii(|)liris   Fcdotov.  G79 

sich  über  diesem  letzteren  vereinigen  und  so  einen  King  bilden  (Text- 
fig.  1  schl.r)  In  demselben  befindet  sich  eine  kleine  Anhäufung  von 
Ganglienzellen  (Taf.  XXII,  Fig.  13  gz).  Hier,  wie  auch  bei  Myzostomum, 
ist  die  schwache  Entwicklung  des  Gehirns  äußerst  charakteristisch,  ein 
Umstand,  welcher  ]3eaki)  (1884)  veranlaßte,  M yzostomum  als  kopflos  zu 
bezeichnen  ("has  no  head"). 

Acht  Paare  von  Lateralnerven  entspringen  zwischen  dem  vorderen 
und  dem  hinteren  Nerv  von  den  beiden  Sträni-en  (Taf.  XIX,  Fio-.  18, 
19,  1 — 8).  Unter  den  Lateralnerven  kann  man  dickere  Hauptnerven 
1,  2,  4,  6,  8  und  dünnere  kleinere  Nerven  unterscheiden  3,  5,  7.  Die 
mächtigen  Hauptnerven  zerfallen  in  zwei  Äste  (Taf.  XIX,  Fig.  18,  1,  2, 
4,  6,  8),  ohne  die  feineren  Verzweigungen  zu  rechnen;  sie  innervieren 
die  Parapodien  und  Seitenorgane,  sowie  den  Penis.  Es  sind  ihrer 
fünf    Paare. 

Die  dünneren  kleineren  Nerven  sind  unverzweigt  (Taf.  XIX, 
Fig.  18,  3,  5,  7)  und  innervieren  die  Geschlechtsorgane,  hauptsächlich 
die  Hoden.  Der  Unterschied  in  der  Dicke  der  Nerven  ist  bei  jungen 
Exemplaren  gut  zu  bemerken.  Der  hintere  Teil  des  Nervensystems 
setzt  sich  in  Gestalt  eines  unpaaren  Nervs  (Taf.  XIX,  Fig.  18,  19  h.n.) 
nach  hinten  unter  die  Cloake  fort. 

Die  Reihenfolge  im  Abgang  der  Nerven  ist  folgende. 

Das  I.  Paar  —  Hauptnerven  —  entspringt  in  der  Nähe  der  vor- 
deren Nerven  (Taf.  XIX,  Fig.  18,  1).  So  viel  ich  auf  Schnitten  er- 
kennen konnte,  innerviert  ihr  vorderer  Ast  das  I.  Paar  von  Para- 
podien und  Seitenorganen. 

Das  IL  Paar  —  Hauptnerven  — ■  innerviert  das  IL  Parapodien- 
paar  (Taf.  XIX,  Fig.  18,  2). 

Das  III.  Paar  —  kleinere  Nerven  —  innerviert  die  Geschlechts- 
organe (Taf.  XIX,  Fig.  18,  3). 

Das  IV.  Paar  —  dritte  Paar  von  Hauptnerven  —  ist  sehr  mächtig 
und  innerviert  das  III.  Parapodienpaar,  die  Seitenorgane  und  den 
Ausführgang  der  männlichen  Geschlechtsorgane  (Taf.  XIX,  Fig.  18,  4). 

Das  V.  Paar  —  zweite  Paar  kleinerer  Nerven  —  innerviert  die 
Geschlechtsorgane   (Taf.  XIX,   Fig.  18,  5). 

Das  VI.  Paar  —  vierte  Paar  von  Hauptnerven;  ihr  vorderer  Ast 
innerviert  das  IV.  Parapodienpaar,  der  hintere  Ast  das  IV.  Paar  von 
Seitenorganen  (Taf.  XIX,  Fig.  18,  6). 

Das  VII.  Paar  — •  dritte  Paar  von  kleineren  Nerven  —  versorgt 
augenscheinlich  die  Geschlechtsorgane   (Taf.  XIX,  Fig.  18,  7). 


680  D.  Fedotov, 

Das  VIII.  Paar  —  fünfte  Paar  von  Hauptnerven;  ihr  vorderer 
Ast  innerviert  das  V.  Parapodienpaar,  der  hintere  Ast  das  V.  Paar 
von  Seitenorganen  (Taf.  XIX,  Fig.  18,  8). 

Der  hintere  unpaare  Nerv  verläuft  unter  der  Cloake  (Taf.  XIX, 
Fig.  18  h.n). 

Es  ist  außerordenthch  schwer,  den  Verlauf  der  Nerven  auf  Schnitten 
zu  verfolgen.  Es  unterliegt  keinem  Zweifel,  daß  die  kleineren  Nerven 
(drei  Paare)  in  keinerlei  Beziehungen  zu  den  Parapodien  und  den 
Seitenorganen  stehen,  sondern  vielmehr  die  Geschlechtsorgane  und 
wahrscheinlich  auch  die  Darmfortsätze  innervieren.  Was  die  Haupt- 
nerven betrifft,  so  war  es  sehr  schwer  den  Verlauf  der  Verzweigungen 
aller  Paare  zu  verfolgen.  Augenscheinlich  werden  aber  die  Seiten- 
organe durch  ihren  hinteren  Ast  innerviert,  die  Parapodien  dagegen 
nicht  nur  durch  den  vorderen,  sondern  auch  durch  den  hinteren  Ast. 
Und  zwar  nähern  sich  die  anfangs  weit  voneinander  entfernten  beiden 
Äste  des  Hauptnerven,  wie  dies  bei  jungen  Exemplaren  gut  zu  sehen 
ist,  in  der  Nähe  der  Parapodien  einander  ganz  beträchtlich. 

Die  Längsstämme  des  Nervensystems  sind  durch  Quercommissuren 
miteinander  verbunden,  deren  es,  die  vordere  und  hintere  mitgerechnet, 
im  ganzen  zehn  sind  (Taf.  XIX,  Fig.  18  cm^ — cm'^^). 

Die  Commissuren,  welche  dem  Paare  der  vorderen  Nerven  und  dem 
I.  Paar  von  Lateralnerven  entsprechen,  sind  einander,  gleich  den 
Nerven  selbst,  stark  genähert  (Taf.  XIX,  Fig.  18  cm^,  cm^). 

Dem  II.,  III,  ,V.,  VI.  und  VII.  Nervenpaar  entspricht  je  eine 
Commissur,  wobei  diese  Commissuren  entweder  gegenüber  dem  Nerv 
liegen,  oder  aber  von  seinem  Ursprung  nach  vorn  oder  nach  hinten 
verlagert  sein  können;  dem  IV.  Nervenpaar  entsprechen  zwei  Com- 
missuren (Taf.  XIX,  Fig.  18  cm^,  cm^).  Das  VIII.  Paar  und  der 
hintere  unpaare  Nerv  entspringen  von  der  hintersten  Commissur.  Die 
letzte  und  die  vorletzte  Commissur  sind  einander  stark  genähert 
(Taf.  XIX,  Fig.  18  cm9,  cwi»),  gleich  dem  VII.  und  dem  VIII.  Ner- 
venpaar. 

Die  genauen  Beziehungen  zwischen  den  Commissuren  und  den 
Lateralnerven  lassen  sich  nur  nach  speziell  dazu  (so  z.  B.  nach  Golgi) 
bearbeiteten  Präparaten  feststellen.  Der  Umstand,  daß  dem  IV.  Paare 
mächtiger  Nerven,  welche  nicht  nur  einPaar  von  Seitenorganen  und 
Parapodien,  sondern  auch  noch  die  männlichen  Ausführgänge  samt 
dem  Penis  innervieren,  zwei  Commissuren  entsprechen,  kann  zu- 
gunsten der  Annahme  gedeutet  werden,  daß  dieses  Paar  durch  Ver- 
schmelzung zweier  Nerven  jeder  Seite  hervorgegangen  ist. 


Die  Anitoinio  von   Prütomyzostoinuin   |u)lyM('j)liris  Forlotov.  681 

JSoweit  ich  dies  auf  mit  HEiDENHAiNschem  Eisenliüinatoxylin  ge- 
färbten Präparaten  erkennen  konnte,  ist  ein  recht  deutUcher  Über- 
gang der  Fasern  der  V.  und  VI.  Commissur  in  das  IV.  Nervenpaar 
zu  sehen.  Nichtsdestoweniger  ist  es  nicht  unmöglich,  daß  die  Com- 
missuren  in  bezug  auf  die  lateralen  Nerven  verlagert  sind,  d.  h.  daß 
die  VI.  Commissur  dem  V.  Nervenpaar  entspricht,  und  dies  um  so 
mehr,  als  das  gleiche  Verhalten  auch  bei  den  andern  Commissuren 
beobachtet  wird. 

Die  Längsstränge  verlaufen  ziemlich  weit  voneinander  entfernt. 
Zwischen  ihnen  befindet  sich  Parenchym  und  verlaufen  Bündel  dorso- 
ventraler  Muskeln  (Taf.  XIX,  Fig.  12  d.v.m).  Bisweilen  schieben  sich 
zwischen  die  Stränge  des  Nervensystems  Verästelungen  des  Darmes 
oder  Bezirke  der  Leibeshöhle  herein,  welche  Eier  (Taf.  XX,  Fig.  13), 
oder  sogar  Gruppen  von  Oogonien  enthalten.  Die  Stränge  sind  bei 
jungen  Individuen  weiter  voneinander  entfernt  (Taf.  XIX,  Fig.  18),  bei 
älteren  stehen  sie  näher  voneinander,  bisweilen  auf  größere  Strecken 
Entfernung  hin  (Taf.  XIX,  Fig.  19). 

Zwischen  den  Hauptstämmen  zieht  sich  noch  ein  unpaarer  dünner 
Nervenstrang  —  intermediärer  Nerv  —  (Textfig.  1;  Taf.  XXII,  Fig.  14  in) 
hin,  welcher  von  Fasern  der  auf  den  Commissuren  liegenden  Ganglien- 
zellen gebildet  wird.  Auf  Totalpräparaten  sind  dieselben  undeutlich 
zu  sehen;  auf  der  Fig.  18,  Taf.  XIX,  sind  sie  nicht  eingezeichnet. 

Sein  Verlauf  ist  ein  unregelmäßiger,  indem  er  bald  über  die  Com- 
missur hinweggeht,  bald  an  deren  Grenze  endet.  Bei  seinem  Verlaufe 
zwischen  den  Hauptstämmen  berührt  er  bald  den  rechten,  bald  den 
linken  dieser  Stämme. 

Ich  habe  diesen  Nerv  zwischen  dem  I.  und  IL  und  zwischen  dem 
VII.  und  VIII.  Paar  nicht  bemerken  können.  Ein  derartiger  Strang 
ist  von  Nansen  für  Myzostomiim  (1885)  beschrieben  worden  und  er  gehört 
wahrscheinlich  dem  sympathischen  System  an. 

Ganglienzellen  Hegen  den  Commissuren  auf  der  vorderen  und 
hinteren  Grenze  avif  (Taf.  XXI,  Fig.  16  cm^,  cm^),  ebenso  an  den  Wurzeln 
der  lateralen  Nerven  und  der  auf  den  Längssträngen  (Taf.  XXII, 
Fig.  14  gz) ;  sie  sind  im  allgemeinen  ziemlich  unregelmäßig. 

Es  ist  sehr  wohl  möglich,  daß  solcher  Anhäufungen  zehn  vorhanden 
sind,  entsprechend  der  Anzahl  von  Commissuren,  doch  ist  es  schwer 
zu  entscheiden,  in  wie  weit  sie  in  bezug  auf  die  beiden  ersten  Com- 
missuren selbständig  sind.  Sie  sind  hier  einander  so  sehr  genähert, 
daß  an  dieser  Stelle  vielleicht  nur  eine  Ganglienanhäufung  vorhanden  ist. 

Abgesonderte  paarige  Ganglien  gibt  es  hier  nicht;  die  Beziehung 


682  ^-  Fedotov, 

der  Ganglienzellen  zu  den  Nerven  ist  hier  die  gleiche,  wie  sie  für  Mijzo- 
stomum  beschrieben  worden  ist. 

Die  Zahl  der  Ganglien  ist  überhaupt  nicht  groß.  Es  gibt  hier, 
ebenso  wie  bei  Myzostomum,  große  und  kleine  Ganglienzellen  (Taf.  XXI, 
Fig.  16  gz.g,  gz.k.).  Die  großen  Zellen  liegen  auf  der  vorderen  und 
hinteren  Grenze  der  Commissuren,  sowie  an  der  inneren  Seite  der  Längs- 
stämme (Taf.  XXII,  Fig.  15  gz)  (da  wo  die  Nerven  abzweigen).  Kleine 
Zellen  finden  wir  außerdem  längs  den  Längsstämmen  und  an  den 
Wurzeln  der  lateralen  Nerven  (Taf.  XXI,  Fig.  16  gz.k). 

Das  Nervensystem  ist  in  eine  bindegewebige  Hülle  (Taf.  XXII, 
Fig.  15  6Ä.n)  mit  zahlreichen,  kleinen  schmalen  Kernen  (k.b.h)  ein- 
geschlossen; die  Zellen  dieser  Hülle  umgeben  die  Stämme  und  Com- 
missuren und  vermehren  auf  diese  Weise  die  Anzahl  von  zelligen  Ele- 
menten des  Nervensystems. 

Das  allerwesentlichste  Merkmal,  welches  das  Nervensystem  von 
Protomyzostomum  von  demjenigen  der  Myzostomum- Arten  unterscheidet, 
besteht  darin,  daß  ersteres  nach  dem  Typus  einer  segmentierten  Leiter 
gebaut  ist.  Seine  Hauptstämme  stehen  ziemlich  voneinander  entfernt, 
ebenso  die  meisten  Commissuren  mit  ihren  Ganglienzellen. 

Bei  Myzostomum  dagegen  hat  das  Nervensystem  die  Gestalt  einer 
konzentrierten,  kompakten,  ovalen  Masse,  von  welcher  Seitennerven 
ausgehen.  In  demselben  sind  (Nansen)  zwei  Längsstämme  und  ein 
dritter  medianer  Stamm  zu  unterscheiden;  zwischen  den  Commissuren 
liegen  Ganglienzellen  angeordnet  (Nansen  1887,  Taf.  XIX,  Fig.  1). 

Nansen  (1887)  erblickt  eine  Segmentierung  des  Nervensystems  in 
der  Abzweigung  der  Nerven ;  indem  er  zugibt,  daß  es  sehr  schwer  fällt  in 
der  Verteilung  der  Ganglienzellen  eine  bestimmte  Anzahl  von  Segmenten 
festzustellen,  fügt  er  hinzu,  daß  das  Nervensystem  von  Myzostomum 
von  einer  »früher  stärker  ausgeprägten  Segmentierung  hergeleitet 
werden«  könne;  Mit  einem  Worte,  seine  Vermutung  wird  durch  die 
Befunde  bei  Protomyzostomum  durchaus  bestätigt. 

Ein  Unterschied  zwischen  beiden  Gattungen  besteht  auch  in 
der  Anzahl  der  Nerven.  Ich  stütze  mich  auf  die  Angaben  von  Nansen, 
als  desjenigen  Autors,  welcher  das  Nervensystem  von  Myzostomum 
am  gründlichsten  erforscht  hat.  Bei  M.  giganteum  haben  wir  ein 
vorderes  Nervenpaar,  welches  demjenigen  von  Protomyzostomum  und 
ein  hinteres  Paar,  welches  dem  unpaaren  Nerv  dieser  Gattung  ent- 
spricht. Wir  sehen  ferner  fünf  nach  den  Parapodien  verlaufende 
Hauptnerven  und  fünf  kleinere  Nerven,  statt  drei,  wie  dies  bei  Proto- 
myzostomum der  Fall    ist.     Allein    diese  Nerven    sind  vielmehr  Teile 


1 


Dil'  Anatomie  von   Protoinj'zostoiiiuiii   |)(ilyiu'])hris   l'^-dotov.  683 

der  Hauptnerven,  und  besitzen  nklit  jene  Selbständigkeit,  wie  wir  sie 
bei  Protomyzostomum  kennen  gelernt  haben.  Entsprechend  der  Zahl 
der  Nerven  sind  auch  mehr  Connnissuren  vorhanden,  und  zwar  elf, 
die  vordere  und  die  hintere  mitgerechnet.  M.  graffi  besitzt  deren 
nach  Nansen  (1885)  16. 

Das  vordere  Nervenpaar  bildet  den  Schlundring,  wie  bei  Proto- 
myzostomum, allein  außerdem  ist  noch  ein  Nervensystem  des  Rüssels 
vorhanden.  Dasselbe  ist  von  Nansen  und  Wagner  beschrieben  worden 
und  dieses  System  eben  felilt  bei  Protomyzostomum.  Dasselbe  ist 
übrigens  durchaus  nicht  bei  allen  Myzostomum-kitQn  vorhanden. 

Das  Nervensystem  nimmt  bei  Protomyzostomum  nicht  weniger  als 
die  halbe  Körperlänge  ein,  ohne  die  vorderen  und  den  hinteren  Nerv 
mitzurechnen,  während  es  bei  Myzostomum  stark  verkürzt  ist;  so  er- 
reicht es  z.  B.  bei  M.  gigas  nach  meinen  Beobachtungen  nur  etwa 
ein  Zehntel  der  Körperlänge.  Nansen  führt  den  Fall  an,  daß  es  bei 
31.  graffi  so  klein  sein  kann,  daß  man  Mühe  hat  es  zu  entdecken. 

Bei  Protomyzostomum  habe  ich  das  äußere  Neurilemm  nicht  auf- 
finden können,  welches  von  Nansen  und  Wagner  bei  Myzostomum- 
Arten  beschrieben  wurde. 

Sowohl  Nansen  wie  auch  Wagner  leiten  das  Nervensystem  von 
Myzostomum  von  einem  Typus  ab,  auf  den  auch  das  Nervensystem 
von  Protomyzostomum  bezogen  werden  könnte.  Ein  Unterschied  besteht 
nur  in  der  Zahl  der  Segmente;  allein  der  Typus  der  Myzostomidae 
ist  hier  schon  ausgesprochen,  indem  die  Ganglien  eines  jeden  Paares 
von  Lateralnerven  bereits  zu  einem  einzigen  Ganglion  verschmolzen 
sind.  Nansen  erblickt  in  dem  Nervensystem  Spüren  von  sechs  Seg- 
menten. Wagner  spricht  bei  der  Schilderung  eines  Schemas  der 
Phylogenese  des  Nervensystems  von  Myzostomum  von  sechs  Ganglien- 
paaren, durch  deren  Verschmelzung  das  definitive  Nervensystem  ent- 
standen sei. 

In  dem  Nervensystem  von  Protomyzostomum  kann  man  zehn 
Segmente  annehmen.  Es  muß  darauf  hingewiesen  werden,  daß  das 
vierte  Nervenpaar  Spuren  einer  Verschmelzung  von  zwei  Nerven- 
paaren aufweist,  wenn  man  zwei  Commissuren  auf  desselbe  bezieht. 
Natürlich  ist  dies  nur  eine  Voraussetzung  und  es  ist  sehr  schwer  anzu- 
geben, wie  viele  Segmente  in  Wirklichkeit  in  seinem  Nervensystem 
enthalten  sind,  und  dies  um  so  mehr,  als  sein  vorderer  und  sein  hinterer 
Teil  oft  bedeutend  verdickt  sind.  Es  ist  auch  wohl  möglich,  daß  der 
kleine  Lateralnerv,  der  zwischen  dem  L  und  II.  Hauptnervenpaar 
fehlt,  mit  ersterem  verschmolzen  ist. 


684 


D.  Fedotov, 


Schlußbetrachtung. 

Für  das  Verständnis  der  zwischen  Myzostomum  und  Protomyzo- 
stomum  bestehenden  Beziehungen  ist  die  Gattung  Stelechopus  außer- 
ordenthch  wichtig.  Es  ist  sehr  zu  bedauern,  daß  ihre  Anatomie  wegen 
Mangels  an  Material  ungenügend  erforscht  ist. 


Größe 

Körpergestalt 

Cirri: 


Parapodien 


Seitenorgane 


Körperepi- 
thel 

Muskulatur 


Laged.Mund- 
und  Cloacal- 
öffnung 

Rüssel 

Darm 


Myzostomum 

von  1 — 9  mm 

rund,  seltener  langgestreckt 

meist  20  Cirri  am  Rande 
des  Körpers,  seltener 
mehr  als  20  Cirri  oder 
diese  fehlen  ganz. 

Fünf  Paare  radial  angeord- 
neter Parapodien,  durch 
Muskeln  miteinander  ver- 
bunden, welche  sich  zu  ei- 
ner gemeinsamen  Muskel- 
masse vereinigen  (Graff, 
1884),  1  Stützstab,  1  Ha- 
ken +  Ersatzhaken. 

Meist  4  Paare  von  Seiten- 
organen auf  der  Ventral- 
seite, zwischen  den  Para- 
podien. 

Cy  linder  epithel,  ungleich- 
mäßig bewimpert  oder 
ganz  ohne  Wimpern. 

Hautmuskelschlauch  aus 
zwei  Schichten,  welche 
unter  dem  Epithel  liegen. 
Bauchständige  Muskel- 
masse mit  radiären  Mus- 
kelschichten, unter  dem 
Nervensystem. 


Mund-  und  Cloacalöffnung 
meist  auf  der  Ventralseite 

beweglicher  Rüssel  mit  Rüs- 
selscheide. 

verkürzt,  mit  2 — 3  Paaren 
lateraler  Hauptäste,  sel- 
tener mitS  Paaren  solcher 


Protomyzostomum 
bis  zu  32  mm. 
langgestreckt 

Ränder   des   KörjDers   ohne 
Cirri. 


Paare  voneinander  un- 
abhängiger Parapodien. 
1  Stützstab  und  1  Haken 
+  Cuticularkörperchen. 


5  Paare  von  Seitenorganen 
auf  der  Dorsalseite  oder 
am  Körperrande  gegen- 
über den  Parapodien. 

»Eingesenktes  «  Epithel,  mit 
einer  Cuticula  bekleidet. 

Hautmuskelschlauch  aus 
subcuticulären  Ring-  und 
Längsschichten  und  einer 
Schicht  subepithelialer 
schrägverlaufender  Mus- 
keln. Längsmuskelbün- 
del  unter  dem  Nerven- 
system, aber  ohne  radiäre 
Septen. 

Mund-  und  Cloacalöffnung 
terminal. 

Rüssel  fehlt. 

lang,  mit  8 — 10 — 13  Paaren 
lateraler  Hauptäste. 


Stelechopus 
3,5  mm 
langgestreckt 
Ränder  des  Kör- 
pers ohne  Cirri. 


5  voneinand.  un- 
abhängige Para- 
podienpaare. 
Stützstab  -f  ein 
Haken. 


Seitenorgane  feh- 
len. 


Epithel  mit  einer 
Cuticula  beklei- 
det. 

Ring-  und  Längs- 
muskelschicht; 
keine     radiären 
Muskelsepten. 


Mund-  und  Cloa- 
calöffnung   ter- 
minal. 
Rüssel  fehlt. 

lang,    ohne   late- 
rale Äste. 


Die  Anatomie  von  Protoinyzoslonnnu   |)()lyne])hris  Feilotov. 


685 


Nervensy- 


stem 


Die  Leibes- 
liöhle  oderd 
Uterus  be- 
sorgt die  ge 
schlechtliche 
Funktion. 

Hermaphro- 
diten. 

Weibliche  Ge 
schlecht sor- 
gane 

MännlicheGe 
schlechtsor- 
gane 


Nephridien 


Myzoslomum 
konzentriert  in  Gestalt  einer 
kompakten  ovalen,  aus 
Längsfasern  und  Gan- 
glienzellen bestellenden 
Masse;  um  mehrere  Male 
kürzer  als  die  Körper- 
lange. 


Ein  oder  zwei  Paare  von 
Ovarien  zu  beiden  Seiten 
des  Darmes 

Hoden  unterhalb  des  Dar- 
mes; zwei  Ausmündun- 
gen unter  d.  III.  Parapo- 
dienpaar;  wohlentwickel- 
ter Penis 

1   Paar 


Prolomyzoslomum 
langes    segmentiertes    Ner- 
vensystem,   leiterförmig; 
Länge  nicht  weniger  als 
V2  t'^'i'  Körperlänge. 


zwei  unpaare  oder,  richtiger 
gesagt,  diffuse  Ovarien 

Hoden  über  dem  Darme 
und  den  weiblichen  Ge- 
schlechtsorganen; zwei 
Ausmündungen  über  dem 
III.  Parapodienpaare ; 
Penis  rudimentär 

mehrere  Paare 


Stelechopus 
Hau  unbekant. 


unbekannt. 


unbekannt. 


unbekannt. 


Indem  wir  die  Merkmale  dieser  drei  Gattungen  einander  gegen- 
überstellen, erkennen  wir,  daß  die  Gattung  Protomyzostomum  mit  grö- 
ßerem Rechte  als  die  Gattung  Stelechopus  in  eine  besondere  Familie 
ausgeschieden  werden  kann,  und  zwar  hauptsächüch  auf  Grund  des 
Baues  des  Nervensystems.  Da  das  Studium  von  Protomijzostomum 
noch  nicht  abgeschlossen  ist,  belasse  ich  diese  Gattung  innerhalb  der 
Grenzen  der  Familie  Myzostomidae,  aus  der  sie  späterhin  immer 
noch  ausgeschieden  werden  kann. 

In  der  Anatomie  von  Protomyzostomum  lassen  sich  Merkmale 
primitiven  Charakters  hervorheben,  und  solche,  welche  sekundärer 
Natur  und  durch  die  entoparasitische  Lebensweise  hervorgerufen 
sind. 

Einer  dritten  Kategorie  von  Merkmalen  endlich  kommt  eine  un- 
bestimmte Bedeutung  zu,  indem  dieselben  nach  individueller  Auf- 
fassung sowohl  als  primäre,  wie  auch  als  sekundäre  Merkmale  ge- 
deutet werden  können.  Ihre  wahre  Bedeutung  wird  uns  die  Entwick- 
lungsgeschichte aufklären  können. 


686  D-  Fedotov, 

A.  Merkmale  von  primitivem  Charakter. 

1)  Ein  langgestrecktes,  leiterförniig  segmentiertes  Nervensystem. 
Dasselbe  erinnert  an  jenen  Ausgangspunkt,  von  dem  Nansen  und 
Wagnek  das  Nervensystem  von  Myzostomum  abgeleitet  haben. 

2)  Die  Anzahl  der  Seitenorgane  (fünf  Paare)  und  deren  Lage.  Er- 
kennt man  ihre  Homologie  mit  den  Seitenorganen  der  Polychäten  an, 
so  wird  man  ihre  Zahl  bei  Myzostomum  als  reduziert,  ihre  Lage  als 
ursprünglich  ansehen  müssen. 

3)  Die  Anzahl  von  Nephridien  (mehrere  Paare).  Die  Zahl  der 
Nephridien  erscheint  bei  Myzostomum  im  Vergleich  zu  deren  Zahl  bei 
Protomyzostomum  reduziert. 

4)  Ein  langgestreckter  Magen  mit  zahlreichen  Hauptästen  (oft  bis 
zu  zehn  Paaren)  (im  Vergleich  mit  dem  Darm  von  Spinther,  Aphrodi- 
tidae).  Bei  Myzostomum  ist  in  Abhängigkeit  von  der  Verkürzung 
der  Körperachse  auch  der  Magen  stark  verkürzt  und  die  Zahl  der 
lateralen  Fortsätze  verringert. 

5)  Fehlen  einer  scharfen  Lokalisation  der  Ovarien. 

6)  Die  terminale  Lage  der  Mund-  und  Cloacalöffnung. 
Ln  Vergleich  mit  Stelechopus  und  den  Polychaeten  überhaupt,  ist 
die  endständige  Lage  der  Mund-  und  Cloacalöffnung  bei  Protomyzo- 
stomum als  ein  primäres  Merkmal  anzusehen.  Bei  Myzostomum  sind 
dieselben  auf  die  Ventralseite  verlagert  (mehr  als  50  Arten);  bisweilen 
befindet  sich  die  Cloacalöffnung  auf  der  Dorsalseite.  Dabei  gibt  es 
aber  auch  in  der  Gattung  Myzostomum  Arten  mit  terminaler  Lage  der 
Mund-  und  Cloacalöffnung  (15  Arten). 

B.   Sekundäre  Merkmale,  welche  unter  dem  Einfluß  des 
Entoparasitismus  entstanden  sind. 

1)  Das  Fehlen  von  Wimpern  auf  dem  Körperepithel ;  ein  eingesenktes 
Körperepithel  und  im  Zusammenhang  hiermit  das  Auftreten  einer 
subcuticulären  Plasmaschicht  und  einer  Muskulatur,  worin  eine  Ähn- 
lichkeit mit  den  Cestoden  und  Trematoden  und  einigen  Turbellarien 
zutage  tritt. 

2)  Die  starke  Keduktion  der  Parapodien,  welche  an  großen  Exem- 
plaren kaum  zu  sehen  sind  und  die  Reduktion  der  Borstenzahl  auf 
einer  bestimmten  Altersstufe  bis  zu  zwei  Borsten,  wobei  statt  ihrer 
unregelmäßige  Körperchen  gebildet  werden. 

3)  Die  schwache  Entwicklung  der  die  Bewegungen  des  Wurmes 
besorgenden  Muskulatur. 


Die  Aiialoiiiir  von    Protoiny/.ostoiinmi   polyncpliris   Fcdotov.  687 

4)  Das  [)lanarienartige  Aussehen  uiul  die  beträchtlichen  Dimen- 
sionen können  mit  der  bewegungslosen  parasitischen  Lebensweise  und 
dem  Überfluß  an  Nahrung  in  Verbindung  gebracht  werden. 

C.  Merkmale  von  unbestimmter  Bedeutung,  welche  als  primitiv 
oder  als  sekundär  aufgefaßt  werden  können. 

1)  Das  Fehlen  der  Cirri    am  Körperrande. 

Sieht  man  die  Cirri  von  Myzostomum  als  den  dorsalen  Cirri  der 
Polychäten  homologe  Gebilde  an  (Wheeler  1896)  und  zieht  in  Be- 
tracht, daß  sie  bei  den  entoparasitischen  Arten  und  bei  den  meisten 
der  in  Cysten  lebenden  fehlen,  so  ist  dieses  Merkmal  als  ein  sekundäres 
anzusehen.  Allein  wir  wissen,  daß  Stelechopus  und  einige  (nicht  weniger 
als  neun)  ectoparasitische  3Iyzostomum- Arten  keine  Cirri  besitzen. 
Außerdem  ist  die  Homologie  der  Cirri  von  Myzostomum  mit  denen  der 
Polychaeta  nicht  bewiesen  und  zweifelhaft. 

Nur  zwei  Myzostomum- Arten  besitzen  eine  den  Parapodien  ent- 
sprechende Anzahl  von  Cirri,  und  zwar  fünf  Paare;  gegen  50  Arten 
besitzen  deren  die  doppelte  Anzahl,  auf  jedes  Parapodiumzwei,  d.  h.  zehn 
Paare.  Gegen  20  Arten  besitzen  ihrer  mehr  als  zehn  Paare,  und  zwar 
bis  zu  100,  wobei  die  Zahl  eine  unbestimmte  sein  kann,  ohne  dabei 
irgendwelche  Metamerie  und  Beziehung  zu  der  Zahl  der  Parapodien 
aufzuweisen. 

EndUch  kennen  wir  mehrere  Myzostomum- Arten,  wie  z.B.  M. 
füicauda  Graff  (1884),  bei  denen  die  hinteren  der  zehn  Cirrenpaare 
länger  als  der  Körper  sind  und  die  Geschlechtsorgane  und  den  Darm 
enthalten.  Man  wird  demnach  die  Cirri  gut  als  ein  von  der  Gattung 
Myzostomum  unabhängig  erworbenes  Merkmal  ansehen  können,  wie 
man  sie  als  Tastorgan  auffaßt.  Dann  kann  man  auch  das  Fehlen  der 
Cirri  bei  Protomyzostomum  als  ein  primäres  Merkmal  ansehen. 

2)  Das   Fehlen    von    radiären   Muskelsepten. 

Ein  Merkmal  von  primärem  Charakter  im  Vergleich  mit  Stele- 
chopus  und  den  übrigen  Polychäten.  Wir  wissen  aber,  daß  durch  die 
entoparasitische  Lebensweise  sehr  leicht  eine  Reduktion  der  bauch- 
ständigen Muskelmasse  mit  ihren  radiären  Septen  hervorgerufen  werden 
kann,  und  dies  umso  mehr,  als  diese  ebenso  bei  den  entoparasitischen 
Mijzostomum- Alten  eine  beträchtliche  Rückbildung  erleidet. 

3)  Das  Fehlen  eines  Rüssels.  Der  Rüssel  könnte  bei  Proto- 
myzostomum auch  rückgebildet  sein,  obgleich  er  ein  charakteristisches 
und  beständiges  Merkmal  für  Myzostomum  darstellt;  bei  M.  asteriae  ist 
er  aber  zum  Beispiel  stark  reduziert  und  der  Übergang  von  diesem 


688  D.  Fedotov, 

Verhalten  zu  Protomyzostomum  bietet  keine  Schwierigkeit,  Anderseits 
besitzt  auch  Stelechopus  keinen  Rüssel,  so  daß  Protomyzostomum  den 
seinigen  vielleicht  gar  nicht  verloren,  sondern  niemals  einen  besessen  hat. 

4)  Die  schwache  Entwicklung  des  Penis  (dessen  Fehlen). 

Betrachtet  man  die  Myzostomidae  als  eine  Familie  der  Poly- 
chaeta,  so  wird  man  das  Fehlen  eines  Penis  bei  Protomyzostomum  als 
ein  Merkmal  ansehen  müssen,  welches  auf  eine  nahe  Verwandtschaft 
mit  derselben  hinweist.  Überhaupt  ist  der  Penis  ein  charakteristisches 
Merkmal  für  den  Bau  der  Myzostomidae  und  ist  bisweilen  länger, 
als  die  Parapodien.  Anderseits  gibt  es  aber  Arten  mit  beträchtlich 
reduziertem  Penis,  weshalb  dieser  bei  Protomyzostomum  eher  ein  se- 
kundäres Merkmal  darstellt. 

Protomyzostomum  erscheint  demnach  auf  Grund  einer  Keihe  von 
Merkmalen  als  eine  den  Polychaeta  näher  als  die  Myzostomidae 
stehende  Form.  Nichtsdestoweniger  halte  ich  es  für  übereilt,  dieselben 
direkt  in  die  Gruppe  der  Nereimorpha  zu  stellen,  wie  dies  einige 
Autoren  getan  haben  (so  z.  B.  Claus-Gkobben  1910),  welche  sie  als  den 
Familien  der  Phyllodocidae,  Hesionidae,  Eunicidae  gleichbe- 
rechtigt ansehen. 

Die  Myzostomidae  sind  immerhin  so  eigenartig,  daß  man  ihnen 
eher  die  Bedeutung  einer  Unterordnung,  als  einer  Familie  der  Poly- 
chaeta zusprechen  kann.  Augenscheinlich  hat  die  parasitische  Lebens- 
weise einen  tiefeingreifenden  Einfluß  auf  ihre  Organisation  ausgeübt. 

St.  Petersburg,  den  28.  Juni  1913. 


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• —  J.  Beard  on  the  sexual  Phases  of  Myzostoma.     Zool.  Anz.    1899.    Bd.  XXII. 

S.  281—288. 
■ —  A  new  Myzostoma,  parasitic    in  a  Starfish.     Biol.  Bullt.  Mar.  Biol.  Labor., 

Woods  HoU.  Mass.      1904.     Vol.  VIII.     p.  75—78. 


Erklärung  der  Abbildungen, 

Allgemeine  Bezeichnungen: 

a.k,  äußerer  Kanal  des  Seitenorganes;  cy.,  Cytophor; 

a.kl.,  Auswuchs  der  Cloake;  d,  Darm; 

a.r.,  äußere    Ringmuskelschicht    des  d.a.,  Darmast; 

Pharynx;  d.ej,  Ductus  ejaculatorius; 

a.uL,  Auswuchs  des   »Uterus«;  dl.m.,  Dilatatores  der  Mundöffnung; 

bd.d.,  bindegewebiger    Überzug    des  dl.so,  Dilatatores  des  Seitenorganes; 

Darmes;  d.v.m,  dorsoventrale  Muskeln; 

hd.u.,     bindegewebiger     Überzug     der  dz.so,  Drüsenzellen  des  Seitenorgans; 

Cloake  nebst  dem  »Uterus«;  ei,  Ei  (Eier); 

hh.n.,  bindegewebige  HüUe  des  Nerven-  ep.,  Körperepithel; 

Systems;  e'p.d,    Darmepithel; 

c,  Cilien  des  Nephridialepithels ;  ep.kl.,  Wimperepithel  der  Cloake; 

eh.,  Chromatinkernchen ;  ep.neph..  Epithel   des  Nephridiums; 

cm.,  Commissur    des    Nervensystems;  ep.ph.,  Pharynxepithel; 

cn,  Längsnervenstrang;  ep.ut..  Epithel  des  Uterus; 

cu.,  Cuticula;  /.,  Borstenf ollikel ; 

cu.ik,  Cuticula  des  inneren  Kanales  des  g.,  Gonaden  von  Gorgonocephalus  eucne- 

Seitenorganes ;  mis ; 

cu.kg.,  Cuticularkegel;  gz,  Ganglienzelle; 

cu.ir,  Cuticularkörper  des  Parapodiura;  gz.g,  große  Ganglienzelle; 


Die  Anatomio  von  Protomyzüstoiuum  polyncphi-is  Pcdotov. 


091 


(jz.k.,  kloine  Ganglienzelle; 

hd.a,  Hauptdarniast ; 

hdrz,  Hautdrüsenzelle; 

lik,  Haken; 

hn,  hinterer  unpaarer  Nerv; 

ik,  iiuierer  Kanal  des  Seitenorganes; 

in,  intermediärer  Nerv;j 

/./•.,  innerer  Muskelring  des  Pharynx; 

k.  Kerne; 

k.bh..  Kerne  der  bindegewebigen  Hül- 
len des  Nervensystems; 

k.cy..  Kerne  des  Cytophors; 

k.dz.  Kerne  der  Drüsenzellen  des  Seiten- 
organes; 

^•.ep.,  Kerne  des  Körperepithels; 

kf.  Kerne  des  Borstenf ollikels ; 

kl,  Cloake; 

kl.kg    (Kl. Kg),  Cloacalkegel; 

kl.L,  Cloacallumen; 

kl.u,  Cloacalöffnung; 

k.pa,  Kerne  des  Parenchyms; 

k.icz.  Kerne     der     Wimperzellen     des 
Seitenorganes; 

k.z,  Kerne  der  Zellen  des  inneren  Kanals 
des  Seitenorganes; 

Ih,  ventrale  Abschnitte  der  Leibeshöhle ; 

l.kl.,  Längsmuskel  der  Cloake; 

m,  Mund; 

m.b.,  Membrana  basilaris; 

m.f.,  Muskelfasern; 

mg,  Mundgrube; 

7ngd,  Magendarm ; 

7n.h,  Mundhöhle; 

m.n.,  Nervensystem    begleitende    Mus- 
keln; 

m.neph.,  Muskulatur  des  Nephridiums; 

m.o.,  Mundöffnung; 

m.pd.,  Muskulatur  der   Parapodien; 

inso.,    Muskeln    des    Mittelteiles    des 
Seitenorganes ; 

mt.,  Mittelteil  des  Seitenorganes; 

jn.ut.,  Muskulatur  des   »Uterus«; 

neph.,  Nephridium; 

neph.p.,  Nephroporus; 

neph.s.,  Nephrostom; 

00,  Oocyten; 

O.SO,  äußere  Offiuing  des  Seitenorganes; 

O.V.,  Ovarium; 

ZeitBchrift  f.  wissenscli.  Zoologie.   CIX.  Bd. 


<5o,  männliche  Geschleehtsöffnung; 

p.,  Penis; 

pa,  Parenchjan; 

pd.,  Parapodien; 

p.dr,  Paraijodialdrüse ; 

pd.III,  III.  Paar  Parapodien; 

ph,  Pharynx; 

Fm. ,  Prutomyzostomum ; 

pr.pd.,  I.  Paar  Parapodien; 

p.so,  Protractores  des  Seitenorganes; 

r.  Rectum; 

rdm,  radiale  Muskulatur  des  Pharynx; 

rkl,  Ringniuskeln  der  Cloake; 

rni.ut,  Ringmuskeln  des  »Uterus«; 

r.ph.,  Retractbres  des  Pharynx; 

r.so.,  Retractores  des  Seitenorganes; 

s.c.l,  subcuticuläre  Längsmuskulatur; 

scmb.,  Sackmembran   des   Borstenf  olli- 
kels ; 

sc.m,  subcuticuläre  Muskulatur; 

sc.r,  subcuticuläre   Ringmuskulatur; 

sc.s,  subcuticuläre  Plasmaschicht; 

se.m.,  subepitheliale  Muskulatur; 

s.o.,  Seitenorgan; 

sp.,  Spermatozoen ; 

sp.c,  Spermatocyten ; 

sp.dr,  Speicheldrüse; 

sp.g,  Spermatogonien ; 

sph.m,  Sphinkter  der  Mundöffnung; 

st.st,  Stützstab; 

t,  Hoden; 

t.p.  Tunica  propria; 

ut,    »Uterus«; 

vd.,  Vas  deferens; 

vd.ut,  Verdickung    der    Uteruswand; 

v.ef,  Vas  efferens; 

v.n.,  vorderes  Nervenpaar; 

v.s,  Vesicula  seminalis; 

v.ut,  Uterusverzweigung; 

w.f.  Wand  des  Borstenf  ollikels ; 

w.ph,  Wandung  des  Pharynx; 

ivz.so,  Wimperzellen  des  Seitenorganes; 

Z.SO  und  z.,    große  Zellen   des   inneren 

Kanales  des  Seitenorganes; 
/ — V,  Fünf  Paar  Parapodien; 
1,  2,  4,  6,  8,  Haupt lateralnervenpaare; 
3,  5,  7,  kleinere  Lateralnervenpaare. 


46 


692  ^-  Fedotov, 


Tafel  XIX. 


Fig.  1.  Geöffnete  Scheibe  von  Gorgonocephalus  eucnemis  mit  zahlreichen 
Parasiten  —  Protomyzostomum  polynephris  —  in  den  Geweben  der  Geschlechts- 
organe. Der  größte  Teil  der  Gonaden  ist  mit  Protomyzostomum  infiziert.  Eine 
Cyste  ist  geöffnet,  in  derselben  sind  mehrere  Parasiten  zu  sehen  *;  **,  ungeöffnete 
Cysten  mit  Parasiten.     Photographiert,  etwa  1/2    der  natürlichen  Größe. 

Fig.  2.  Scheibe  von  Gorgonocephalus  eucnemis  von  unten  gesehen  (in  der- 
selben befinden  sich  119  Exemplare  von  Protomyzostomum);  die  Scheibe  ist  durch 
die  Parasiten  aufgetrieben;  ein  Teil  derselben  ist  durch  die  Bursalspalte  vor- 
gestülpt {Pm.).     (Photographiert,   etwas  verkleinert). 

Fig.  3.  Protomyzostomum  polynephris.  Habitusbild;  a,  von  der  Dorsal- 
seite; b,  von  der  Ventralseite.     Natürliche  Größe. 

Fig.  4.  Protomyzostommn  polynephris.  Junges  Exemplar  (etwa  1,6  mm 
Länge,  0,7  mm  Breite,  d,  Umriß  des  Darmes).  Alkohol.  Oc.  12,5  Kbäuss,  Obj.  «2 
Zeiss.     Vergr.  43. 

Fig.  5.  Protomyzostomum  polynephris.  a,  h,  c,  d,  Veränderungen  der  Körper- 
form während  der  Bewegung.     Natürliche  Größe. 

Fig.  6.  Teil  eines  Querschnittes  durch  Prtm.  polynphr.  Körperepithel  (ep). 
Sublimat  mit  Eisessigsäure,  HEiDENHAiNsches  Eisenhämatoxylin.  Eosin.  Oc.  12,5, 
Obj.  4  mm  Krauss.     Vergr.  550. 

Fig.  7.  Eine  Hautdrüsenzelle.  Suhl. -Eisessig,  H.-Häm.  Oc.  12,5,  Obj. 
4  mm  Krauss.     Vergr.  550. 

Fig.  8.  Teil  eines  Frontalschnittes  durch  das  Hinterende  von  Protomyzosto- 
mum polynephris,  auf  dem  die  Anordnung  der  Hautdrüsenzellen  des  Cloacal- 
kegels  zu  sehen  sind.  Subl. -Eisessig,  H.-Häm.,  Eosin.  Oc.  7,5,  Obj.  16  mm 
Krauss.     Vergr.  80. 

Fig.  9.  Hautdrüsenzellen  des  Cloacalkegels.  Subl.  Eisessig,  H.-Häm., 
Eosin.     Oc.  12,5;   Obj.  8  mm  Krauss.     Vergr.  250. 

Fig.  10.  Konische  Vorsprünge  der  Cuticula  des  Körperepithels,  welche 
durch  die  distalen  Enden  der  Hautdrüsenzellen  des  Cloacalkegels  nach  außen 
vorgestülpt  wird.  Subl. -Eisessig,  H.-Häm.,  Eosin.  Oc.  12,5,  Obj.  4  mm  Krauss. 
Vergr.  550. 

Fig.  11.  Eine  Speicheldrüsenzelle.  Lenhossek,  H.-Häm.,  Eosin.  Oc.  12.5, 
Obj.  4  mm  Krauss.     Vergr.  550. 

Fig.  12.  Teil  eines  Frontalschnittes  durch  den  vorderen  Teil  des  Darmes. 
Flemming,  H.-Häm.,  Eosin.     Oc.  4,  Obj.  «2  Zeiss.     Vergr.  34. 

Fig.  13.  Teil  eines  Frontalschnittes  durch  den  hinteren  Teil  des  Darmes. 
Flemming,  H.-Häm.,  Eosin.     Oc.  4,  Obj.  «2  Zeiss.     Vergr.  34. 

Fig.  14.  Teil  eines  Frontalschnittes  durch  den  Darm  auf  dem  Niveau  der 
Nephridien,  man  sieht  den  Übergang  der  Cloake  durch  das  Rectum  in  den  Magen- 
darm.    Subl. -Eisessig,  H.-Häm.,  Eosin.     Oc.  4,  Obj.  AA  Zeiss.     Vergr.  100. 

Fig.  15.  Teil  eines  Querschnittes  diu-ch  den  Pharynx.  Lenhossek, 
H.-Häm.,  Eosin.     Oc.  7,5,  Obj.  8  mm  Krauss.     Vergr.  150. 

Fig.  16.  Epithel  des  Pharynx.  Flemming,  H.-Häm.,  Eosin.  Oc.  12,5, 
Obj.  4  mm  Krauss.     Vergr.  550. 

Fig.  17.     Pharynxepithel  auf  einem  Flächenschnitt.     Flemming,  H.-Häm. 


Die  Anatomie  von  Protomyzostonuun  ]iolynephris  Fedotov.  693 

(iil)ge;inclert(>  Methode  von  Dreyer).  Comp.-Üe.  12,  Imni.  1/12  Zeiss.  Ver- 
größeiung  1750. 

Fig.  18.  Frontalsehnitt  diucli  das  Nervensystem  eines  jungen  ExompIcUes 
von  Protomyzostomnvi  polynephris ;  der  intermediäre  Nerv  ist  nicht  eingezeichnet. 
Flbmmino,  Del.vf.  Häm.    Oc.  3,  obj.  «o  Zeiss.     Vergr.  29. 

Fig.  \9.  Abbildung  des  Nervensystems  eines  großen  Exeniplares  von 
Protomyzostonutm.  Die  Längsstänime  sind  einander  genähert,  der  intermediäre 
Nerv  ist  nur  stellenweise  und  undeutlich  zu  sehen.  Die  Commissuren  lassen  sich 
auf  Totalpräi)araten  schwer  zählen.  Das  Nervensystem  ist  durch  Maceration 
herauspräpariert  worden.     Vergr.  etwa  6 — 7mal. 

Tafel  XX. 

Fig.  1.  Herauspräparierter  Darm  mit  zehn  Paaren  von  Hauptseitenästen; 
links  ist  ein  Ast  nicht  sichtbar.  Nach  einem  frischen  Präparat;  etwa  lOmal  ver- 
größert. 

Fig.  2.  Stützstab  und  Haken  eines  Parapodiums  (aus  dem  Parapodium 
eines  Protomyzostomum  der  dritten  Altersstufe).  Nach  einem  frischen  Präparat 
Oc.  7,5,  Obj.  16  mm  Krauss.     Vergr.  80. 

Fig.  .3.  Querschnitt  durch  die  BorstenfoUikel;  man  erkennt  die  Beziehung 
der  Parapodialdrüseu  zu  dem  Follikel.  Subl. -Eisessig,  H.-Häm.  Oc.  7,5,  Obj.  8  mm 
Krauss.     Vergr.  150. 

Fig.  1.  Querschnitt  durch  die  BorstenfoUikel.  Abnorm  große  Anzahl  von 
Borsten  —  gegen  20  Stück.  Die  Länge  dieses  Exemplares  von  Protomyzostomum 
beträgt  25  mm,  seine  übrigen  Parapodien  sind  normal.  Lenhossek,  H.-Häm., 
Eosin.     Oc.  7.5,   Obj.  8  mm  Krauss.     Vergr.  150. 

Fig.  5.  Längsschnitt  durch  die  BorstenfoUikel  (der  Schnitt  ist  etwas  schräg 
geführt);  man  sieht  eine  Menge  kleiner  und  ein  großes  cuticuläres  Körperchen. 
Alkohol,  Hämatoxylin,  Pierofuchsin  (nach  van  Gieson).  Oc.  7,5,  Obj.  8  mm 
Krauss.     Vergr.  150. 

Fig.  6.  Teil  der  BorstenfoUikelwandung  mit  cuticulären  Körperchen. 
Lenhossek,   H.-Häm.,   Eosin.     Oc.  12,5,   Obj.  4  mm. Krauss.     Vergr.  550. 

Fig.  7  a,  b,  c.  Verschiedenartige  Formen  der  Cuticulärkörperchen  eines 
Parapodiums.     Oc.  12,5,  Obj.  4  mm  Krauss.     Vergr.  550. 

Fig.  8.  Querschnitt  durch  den  Pharynx.  Lenhossek,  H.-Häm.,  Eosin. 
Oc.  1,  Obj.  AA.  Zeiss.     Vergr.  45. 

Fig.  9.  Teil  eines  Querschnittes  durch  das  hintere  Körperende;  man  sieht 
den  »Uterus«-  (die  Leibeshöhle)  und  die  Cloake.  Vorzugsweise  Ringmuskeln  des 
»Uterus«,  Längsmuskeln  sind  an  den  Ecken  des  »Uterus«  zu  sehen.  Die  Cloake 
und  der  »Uterus  «  sind  von  Bindegewebsüberzug  umgeben ;  in  letzterem  sieht  man 
Ring-,  Längs-  und  schräge  Muskeln.  Lenhossek,  H.-Häm.,  Eosin.  Oc.  4,  Obj.  «2 
Zeiss.     Vergr.  34. 

Fig.  10.  Teil  eines  Frontalschnittes  durch  den  vorderen  Teil  des  Pharynx 
und  die  Mundöffnung.  Fixierung  mit  Alkohol,  die  Wimpern  des  Epithels  sind 
nicht  erhalten.  Alkohol,  DELAF.-Häm.,  Eosin.  Oc.  12,5,  Obj.  Iß  mm.  Kr.\uss. 
Vergr.  130. 

Fig.  11.  Teil  eines  Querschnittes  durch  die  Körpermitte  eines  jungen 
Exemplares  von  Protomyzostomum.    Ein  Ast  des  »Uterus«  (der  Leibeshöhle)  {v.ut) 

46* 


694  D.  Fedotov, 

stimmt   mit  einem  Ast  des  Darmes  (hda)  überein.     Flemming,  H.-Häm.     Oc.  4, 
Obj.  «2  Zeiss.    Vergr.  34. 

Fig.  12.  Teil  eines  Querschnittes  durch  den  Magendarm  (mit  einem  Haupt- 
ast) und  den  Bauchatrang.  Die  Längsnervenstränge  sind  weit  auseinandergerückt 
und  durch  dorso-ventrale  Muskelbündel  getrennt.  Subl. -Eisessig,  H.-Häm.  (abge- 
änderte Methode  von  Dreyeb).     Oc.  3,  Obj.  AA.  Zeiss.     Vergr.  90. 

Fig.  13.  Teil  eines  Querschnittes  durch  den  Magendarm  (mit  einem  Haupt- 
ast) und  den  Bauchstrang.  Die  Längsnervenstränge  sind  weit  auseinandergerückt 
und  durch  die  Leibeshöhle  mit  Eiern  getrennt;  unter  dem  Bauchstrang  liegt  ein 
Darmast.  Alkohol,  Häm.-Picrofuchsin  (nach  van  Gieson).  Oc,  2,  Obj.  AA. 
Zeiss.     Vergr.  20. 

Fig.  14.  Teil  eines  Querschnittes  des  Körpers  auf  dem  Niveau  der  Ne- 
phridien.  Auf  dem  Schnitte  sieht  man  den  »Uterus«,  die  Nephridien  und  die 
Cloake  mit  Auswuchs,  in  welchem  nur  einige  Schnitte  weiter  das  Nephridium 
von  links  einmündet.  Das  Nephridium  von  links  geht  von  dem  (Fortsatz)  Aus- 
wuchs des  »Uterus«  aus,  rechts  unmittelbar  von  dem  »Uterus«.  Lenhossek, 
H.-Häm.,  Eosin.    Oc.  7,5  Krauss,  Obj.  «2  Zeiss.    Vergr.  27. 

Fig.  15.  Teil  eines  Flächenschnittes  durch  das  Nephridium.  Man  sieht 
Längs-,  Ring-  und  schräge  Muskeln  des  Nephridiums.  Lenhossek,  H.-Häm., 
Eosin.     Oc.  12,5,   Obj.  8  mm  Krauss.     Vergr.  250. 

Fig.  16.  Teil  eines  Flächenschnittes  durch  den  unteren  Teil  (Schenkel) 
des  Nephridiums;  die  Muskulatur  der  Wandung  besteht  hier  aus  schrägen  Muskeln. 
Flemming,  H.-Häm.     Oc.  12,5,  Obj.  8  mm  Krauss.     Vergr.  250. 

Tafel  XXI. 

Fig.  1.  Teil  eines  Querschnittes,  am  Körperrande  sieht  man  die  Anordnung 
des  Seitenorganes,  der  Vesicula  seminalis  (der  schwach  entwickelte  Penis  ist  nicht 
abgebildet)  und  des  Parapodiums  (ein  junges  Exemplar  von  Protomyzostomum 
von  2,9  mm  Länge,  1,5  mm  Breite).  Gilson,  H.-Häm.,  Orange.  Oc.  12,5,  Obj. 
16  mm  Krauss.     Vergr.  130. 

Fig.  2.  Längsschnitt  durch  das  Seitenorgan.  (Die  Abbildung  ist  nach  zwei 
Schnitten  kombiniert.)  Lenhossek,  H.-Häm.,  Eosin.  Oc.  7,5,  Obj.  16  mm 
Krauss.     Vergr.  80. 

Fig.  3.  Querschnitt  durch  den  Mittelteil  des  Seitenorganes.  Lenhossek, 
H.-Häm.,  Eosin.     Oc.  7,5,  Obj.  16  mm  Krauss.     Vergr.  80. 

Fig.  4.  Wimperzellen  des  Mittelteiles  des  Seitenorganes.  (TeilJ  eines 
etwas  schiefen  Querschnittes  durch  den  Mittelteil  des  Seitenorganes.)  Len- 
hossek, H.-Häm.,  Eosin.     Oc.-Comp.  12,  Hom.  Imm.  2  mm  Zeiss.     Vergr.  1500. 

Fig.  5.  Schiefer  Längsschnitt  durch  die  Drüsenzellen  aus  dem  mittleren 
Teil  des  Seitenorganes  (der  Schnitt  hat  nur  einen  geringen  Teil  derselben  getroffen). 
Lenhossek,  H.-Häm.,  Eosin.     Oc.  12,5,  Obj.  4  mm  Krauss.     Vergr.  550. 

Fig.  6.  Querschnitt  durch  die  Drüsenzellen  aus  dem  mittleren  Teil  des 
Seitenorganes.  Jede  Zelle  enthält  mehrere  Kerne,  die  Grenzen  der  Zellen  sind 
undeutlich.  Lenhossek,  H.-Häm.,  Eosin.  Oc.  12,5,  Obj.  4  mm  Krauss.  Vergr.  550. 

Fig.  7.  Teil  eines  Längsschnittes  durch  den  inneren  Kanal  des  Seiten- 
organes. Große  Zellen  des  Seitenorganes  mit  blassem  Plasma  und  hellen  Kernen 
(Zellen  des  inneren  Kanales).  Lenhossek,  H.-Häm.,  Eosin,  Oc,  12,5,  Obj.  4  mm 
Krauss,    Vergr.  550, 


Die  Anatoniie  von  Protomyzostoinuiu  polynephris  Fedotov.  695 

Fig.  8.  Querschnitt  durcli  die  Zellen  des  inneren  Kanales  des  Seitenorganes 
(z.so).    Lenuosskk,  H.-Häm.,  Eosin.     Oc.  12,5,  übj.  4  nun  Krauss.     Vergr.  550. 

Fig.  9.  Zwei  Stützstäbe  und  drei  Haken  (alle  funktionierend)  eines  Para- 
podiums  von  Protomi/zostomum  (17  mm  Länge).  Nach  einem  frischen  Präparat. 
Oc.  12,5,  Obj.  10  mm.     Krauss.     Vergr.  130.  # 

Fig.  10.  Teil  eines  Flächenschnittes  durch  den  unteren  Teil  der  Körper- 
epithelzellen. Lenhossek,  H.-Häm.,  Eosin.  Comp.-Üc.  12,  hom.  Imm.  2  mm 
Zeiss.     Vergr.  1500. 

Fig.  11.  Querschnitt  durch  die  Mundöffnung,  auf  welchem  die  Anordnung 
der  Speicheldrüsen  zu  sehen  ist,  zwischen  letzteren  die  dunkel  gefärbten  Haut- 
drüsenzellen. Lenhossek,  H.-Häm.,  Eosin.  Oc.  7,5,  Obj.  16  mm  Krauss. 
Vergr.  80. 

Fig.  12.  Teil  eines  Querschnittes,  man  sieht  den  »Uterus«  mit  dem  un- 
paaren  medianen  O varium  auf  der  Wand  des  Magendarmes.  Subl.  -Eisessig,  H.  -Häm. 
Eosin.     Oc.  7,5,  Obj.  16  mm.  Krauss.     Vergr.  80. 

Fig.  13.  Teil  eines  Querschnittes  durch  das  paarige  Ovarium.  Alkohol, 
Häm.-Picrofuchsin  (nach  van  Gieson).     Oc.  7,5,  Obj.  16  mm  Krauss.    Vergr.  80. 

Fig.  14.  Teil  eines  Querschnittes  durch  den  »Uterus«,  das  Nephridium  unk 
die  Cloake.  Die  Wimpern  des  oberen  Schenkels  sind  dem  »Uterus  «,  die  des  unteren 
der  Cloake  zugewendet.  Alkohol  90°,  Häm.-Picrofuchsin  (nach  van  Gieson). 
Oc.  7,5,  Obj.  16  mm  Krauss.     Vergr.  80. 

Fig.  15.  Teil  eines  Querschnittes  auf  der  Höhe  des  Pharynx,  wo  letzterer 
in  das  Lumen  des  Magendarmes  vorgestülpt  ist  (großes  Exemplar  von  Proto- 
mi/zostomum mit  einer  Menge  von  Eiern  in  der  Leibeshöhle).  Alkohol,  Häm.- 
Picrofuchsin  (nach  VAN  Gieson).     Oc.  7,5  Krauss,  Obj.  «2  Zeiss.     Vergr.  27. 

Fig.  16.  Teil  eines  Frontalschnittes  durch  das  vierte  Paar  der  Hauptlateral- 
nerven. Man  sieht  zwei  Anhäufungen  der  Ganglienzellen  auf  der  fünften  und 
sechsten Commissur.  Subl. -Eisessig,  H.-Häm.  (abgeänderte Methode  von Dreyeb). 
Oc.  7,5,  Obj.  8  mm  Krauss.    Vergr.  150. 

Da  die  Taf.  XXI  bei  der  Reproduktion  um  l,35mal  verkleinert  woirde,  so 
muß  man  die  angegebenen  Vergrößerungszahlen  dementsprechend  verändert 
auffassen. 

Tafel  XXII. 

Fig.  1.  Querschnitt  durch  den  Cloacalkegel,  man  sieht  den  »Uterus«  und 
die  Cloake.  Ringmuskeln  {r.kl. )  der  Cloake,  welche  teils  auch  auf  den  »Uterus  «  über- 
gehen.  Lenhossek,  H.-Häm.,  Eosin.    Oc.  12,5,  Obj.  16  mm  Krauss.   Vergr.  130. 

Fig.  2.  Querschnitt  durch  den  »Uterus«.  Eine  breite  Zwischenwand  aus 
Bindegewebe  mit  Muskeln  teilt  jene  Höhlung  in  zwei  Abschnitte.  Lenhossek, 
H.-Häm.,  Eosin.     Oc.  7,5,  Obj.  8  mm  Krauss.     Vergr.  150. 

Fig.  3.  Teil  eines  Querschnittes  durch  den  »Uterus«  xuid  die  Cloake;  von 
dem  »Uterus«  gehen  Auswüchse  zur  Cloake  aus,  welche  an  Nephridien  erinnern. 
Alkohol,  Häm.-Picrofuchsin  (nach  van  Gieson).  Oc.  12,5,  Kjiauss,  Obj.  «2  Zeiss. 
Vergr.  43. 

Fig.  4.  Teil  eines  Querschnittes,  man  sieht  die  Hoden  und  einen  Teil  der 
Leibeshöhle  mit  Eiern.  Subl. -Eisessig,  H.-Häm.,  Eosin  (abgeänderte  Methode  von 
Dreyer).    Oc.  3,  Obj.  C.  Zeiss.    Vergr.  210. 


696    D.  Fedotov,  Die  Anat.  von  Protomyzostomum  polynephris  Fedotov. 

Fig.  5.  Querschnitt  durch  die  Hodenfollikel.  Lenhossek,  ÜELAF.-Häm., 
Eosin.     Oc.  12,5,  Obj.  4  mm  Kraxjss.     Vergr.  550. 

Fig.  6.  Etwas  schräger  Längsschnitt  durch  den  Penis  und  die  Vesicula  semi- 
nahs.  GiLSON,  Häm.-Picrofuchsin  (nach  van  Gieson).  Oc.  2,  Obj.  AA.  Zeiss. 
Vergr.  60. 

Fig.  7.  Halbschematische  Darstellung  (nach  mehreren  Schnitten)  der  männ- 
lichen Ausführgänge  (im  Frontalschnitt).  Alkohol,  Häm.-Picrofuchsin  (nach 
VAN  Gieson).     Oc.  1,  Obj.  AA.  Zeiss,     Vergr.  45. 

Fig.  8.  Spermatozoenbündel  um  ein  Cytophor.  Lenhossek,  DELAJ'.-Häm., 
Eosin.     Oc.  12,5,  Obj.  4  mm  Krauss.     Vergr.  550. 

Fig.  9.  Spermatozoid  (nach  einem  frischen  Präparat).  Comp.-Oc.  12, 
Imm.  1/12.  Zeiss.     Vergr.  1750. 

Fig.  10.  Spermatozoidenkopf  (nach  einem  Trockenpräparat,  gefärbt  nach 
Giemsa).     Comp.-Oc.  12,  Imm.  1/12.  Zeiss.     Vergr.  1750. 

Fig.  11.  Querschnitt  durch  ein  Nephridium.  Subl. -Eisessig,  H.-Häm.,  Eosin. 
Oc.  12,5,  Obj.  8  mm.  Krauss.     Vergr.  250. 

Fig.  12.  Querschnitt  durch  die  Uteruswand,  auf  dem  der  Fortsatz  an  der- 
selben zu  sehen  ist:  a.  anfangs  erscheint  er  in  Gestalt  eines  beinahe  massiven 
Wulstes  (110  ^  Länge);  h.  in  einer  Ausdehnung  von  50  ^  löst  er  sich  von  der  Wan- 
dung ab  und  enthält  Höhlungen;  c.  in  einer  Ausdehnung  von  110^  in  Gestalt 
eines  hohlen  Wulstes.  Lenhossek,  H.-Häm.,  Eosin.  Oc.  12,5,  Obj.  8  mm  Krauss> 
Vergr.  250. 

Fig.  13.  Teil  eines  Querschnittes  durch  den  oberen  Teil  des  Schlundringes. 
GiLSON,  H.-Häm.  (modifizierte  Methode  von  Dreyer).  Oc.  12,5,  Obj.  8  mm 
Krauss.     Vergr.  250. 

Fig.  14.  Teil  eines  Frontalschnittes  durch  das  Nervensystem.  Subl. -Eis- 
essig, H.-Häm.  (modifizierte  Methode  von  Dreyer).  Oc.  2,  Obj.  AA.  Zeiss. 
Vergr.  60. 

Fig.  15.  Querschnitt  durch  die  Commissur  des  Bauchstranges.  Man  sieht 
nur  wenige  Ganglienzellen.  Flemming,  H.  -Häm.  ( modifizierte  Methode  von  Dre yeb). 
Oc.  7,5,  Obj.  8  Krauss.     Vergr.  120. 

Fig.  16.  Etwas  schiefer  Längsschnitt  durch  den  Nephroporus  des  Nephri- 
diums.  Alkohol  90°,  Häm.-Picrofuchsin  (nach  van  Gieson).  Oc.  7,5,  Obj.  8  mm 
Krauss.     Vergr.  120. 

Fig.  17.  Teil  eines  Flächenschnittes  durch  die  subcuticulare  Muskulatur 
des  Hautmuskelschlauches.  Die  Regelmäßigkeit  der  Längs-  und  Quermuskel- 
anordnung kommt  wegen  der  geringen  Dimensionen  der  Zeichnung  nicht  zur 
Geltung.  Subl. -Eisessig,  H.-Häm.,  Eosin.  Oc.  12,5,  Obj.  16  mm  Krauss.  Ver- 
größerung 130. 

Fig.  18.  Teil  eines  Flächenschnittes  durch  die  subepitheUale  Muskulatur 
des- Hautmuskelschlauchsystems  der  sich  regellos  kreuzenden  Muskeln.  Subl.- 
Eisessig,  H.-Häm.,  Eosin.     Oc.  12,5,  Obj.  16  mm  Krauss.     Vergr.  130. 


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Druck  von  BreitUopf  &  Härtel  in  Leipzig. 


Zeitschrift  f.  iciss.  Zoologie.    Bd.  CTX. 


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Taf.  IV. 


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Tafel  XVII. 


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Verlag  von   Wilhelm  Engelmann  in  Leipzig  und  Berlin. 


Zeitschrift  f.  iciss.  Zoologie.     Bd.  CIX. 


Tafel  XVI. 


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Verlag  von  Wilhelm  Engelmann  i„  Leipzig  und  Berlin. 


Zeitschrift  f.  tviss.  Zoologie.     Bd.  CIX 


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Verlag  von  mihtlm  £nff''l«on„  ;,  Leipzig  und  Bertin. 


ZeUschrifl  f.  niss.  Zoologie.     Bd.  CIX. 


Taf.  XIX. 


Verlag  von  Wilhelm  Engelmann  in  Leipzig  und  Berti) 


Zeitschrift  f.  iviss.  Zoologie.     Bd.  CIX. 


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Verlag  von  Wilhelm  Enselmann  in  Leipzig  und  Berlin. 


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