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Full text of "Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie"

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Zeitschrift 


WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE 


herausgegeben 


von 


AR NOV 13 1033 © 
Carl Theodor v. Si 


Professor an der Universität zu München, 


P= us 
OnaL muS® 
und 


Albert v. Kölliker, 


Professor an der Universität zu Würzburg, 


unter der Redaktion von 


Ernst Ehlers, 


Professor an der Universität zu Göttingen. 


Achtunddreissigster Band. 


Mit 38 Tafeln und 11 Holzschnitten. 


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LEIPZIG, 
Verlag von Wilhelm Engelmann. 
1885. 


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540,27, 
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Inhalt des achtunddreissigsten Bandes. 


NanNnnnnmnNnDZ 


Erstes: Heft: 


Ausgegeben den 20. Februar 1883. 
Seite 


Über das Gefäßsystem und die Wasseraufnahme bei den Najaden und Myti- 
BeeNon HH: Grieshach.: (Mit Taf. LT.) a 2. 8 nA 

Untersuchungen über einige Protozoen. Von A. Gruber. (Mit Taf. I—IV.) 45 

Über das Herkommen des Futtersaftes und die Speicheldrüsen der Biene 
nebst:einem Anhange:über das Riechorgan. Von'P.Schiemenz: (Mit 


Taf. V-VIl).. ... Be RAR BRUNS IOSRER TU DAS En ERLERNT RR TA 
Die Entwicklung: der rothen Blutkörperchen. Von W. Feuerstack. (Mit 
Gerlolzschn ernennen nen nern a a . 136 


Offener Brief an meine Opponenten in Sachen »Fischgehirn«: Von :G. Fritsch‘ 165 


Zweites Heft. 
Ausgegeben den 27. April 1883. 


Beiträge zur Kenntnis der Infusorien. Von G. Entz. (Mit Taf. VIII.) . . . 4167 
Über den Primordialschädel einiger Säugethiere.. Von F. Decker. (Mit 


a) De RE NER En a lea er er Do era 0 
Über Coelenteraten der Südsee. II. Mittheilung. Neue Aplysinidae. Von 
R.v. Lendenfeld. (Mit Taf. X—XII u. 4 Holzschn.). . .... „956 


Zur Kenntnis der Embryologie von Hydra. Von A. Korotneff. (Mit Taf. XIV.) 314 


Die Larvenentwicklung von Phoxichilidium Plumulariae nov. sp. Von R. 
erentden teild. (Mi 3. Holzschn:) +... 0. wu 2 928 


FEeehyenuse Von Außnuberin.uc. ll en rn‘ 


Drittes Heft. 
Ausgegeben den 10. Juli 1883. 


Die Embryologie von Planaria polychroa. Von E. Metschnikoff. (Mit 
EN N EL LTR 2 BE Le N RT N 331 


Über Coelenteraten der Südsee. III. Mittheilung. Über Wehrpolypen und 
Nesselzellen. Von R, v. Lendenfeld. (Mit Taf. XVII) . . 2... .855 


IV 


Seite 
Über Kerntheilungsvorgänge bei einigen Protozoen. Von A. Gruber. (Mit 
Tal. XIX) 2. Nee Nase re ee Sr 1 
Beiträge zur Kenntnis der Entwicklung der Gastropoden. Von F. Bloch- 
mann. (Mit Taf. XX’u. XXI u. 1 Holzsehn.) ..... 2 20393 
Über die Drüsen des Mantelrandes bei Aplysia und Keayondlıı Formen. Von 
F.Blochmann. (Mit Taf. XXI.) . . .....% ES hL EEE. aM 


Beiträge zur Kenntnis der Medusen. Von O. Hamann. -. Taf. XXIIL) . 449 
Das Großhirn der Vögel. Von A.Bumm. (Mit Taf. XXIV u.XXV.) .. . 430 
Zur Kenntnis der Gattung Girardinus. Von H. v. Ihering. (Mit Taf. XXVI.) 468 
Beiträge zur histologischen Technik.-. Von H. Fol . .. 2... 2.2.2... 494 


Viertes Heft. 
Ausgegeben den 10. August 1883. 


Über Coelenteraten der Südsee. IV. Mittheilung. Eucopella Campanularia 
nov. gen. Von R. v. Lendenfeld. (Mit Taf. XXVII—XXXI.) . . . . 497 
Die Eihaut von Python bivittatus. Von W. v. Nathusius-Königsborn. 
(Mit. Taf. XXXIU—XXXIV.) ....-..200. 0202000000 03. 2. Se 
Untersuchungen über neue Medusen aus dem rothen Meere. Von C. Keller. 
(Mit Taf. XXXV—XXXVIL) 0.2. 2a nee ee Pe 621 
Die Art der Fortpflanzung des Proteus anguineus. Von Marie v. Chauvin. 
(Mit Taf XXXVIN.) 72 32.000. ee . 674 


Über das Gefäfssystem und die Wasseraufnahme bei den Najaden 
und Mytiliden. 


% Von 


Dr. Hermann Griesbach, 
in Mülhausen (Elsass). 


Mit Tafel I. 


Einleitung. 

Ein genaues Verständnis der Lebensprocesse der Mollusken kann 
nur dadurch angebahnt werden, dass man drei Kardinalfragen zur Be- 
antwortung herbeizieht. 

Diese sind: 

1) Kreist bei den Mollusken die Körperflüssigkeit, welche man 
Blut nennt, überall in geschlossenen mit eigener Wandung versehenen 
Gefäßen, oder befinden sich in den Cirkulationsapparat Gewebslücken 
eingeschoben, durch welche die Körperflüssigkeit strömt? 

2) Besitzen die Mollusken neben einem Ernährungsflüssigkeit füh- 
renden Gefäßapparate auch ein besonderes System von Kanälen zur 
Aufnahme des umgebenden Wassers ? 

3) Steht der Cirkulationsapparat selbst durch Öffnungen direkt 
mit dem umgebenden Medium in Kommunikation? 

Wenn ich es unternommen habe, diesen Fragen eingehende Unter- 
suchungen bei den oben genannten Familien der Blätterkiemer zu wid- 
men, so sind es wesentlich zwei Umstände, die mich dazu bestimmten. 

Schon früher bei einer Arbeit über das Bosanus’sche Organ! er- 
regte die krasse Meinungsverschiedenheit, welche in diesem Kapitel 
der vergleichenden Anatomie herrscht, in mir den Wunsch, hinsicht- 
lich dieser Punkte selbständige Untersuchungen zu machen, leider sind 
dieselben aus Mangel an Zeit und Gelegenheit mehrfach unterbrochen 
worden. Diesen Wunsch zu realisiren und die Arbeit ernstlich anzu- 
greifen, bedurfte es nur eines weiteren Anstoßes, und dieser kam mir 

1 GRIESBACH, Über den Bau des Bosanus’schen Organes der Teichmuschel. 


Arch. f. Naturg. 4877. p. 63 sq. (auch als Dissertation erschienen). 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVIII. Bd. 4 


9) Hermann Griesbach, 


durch die neuesten Untersuchungen, welche sich dahin entscheiden, 
dass das Gefäßsystem der Mollusken ein allseitig geschlossenes sei, und 
eine Wasseraufnahme in das Innere nicht stattfinde. 

Bevor ich daran gehe, die Resultate meiner eigenen Untersuchungen 
über die oben genannten Fragen mitzutheilen, dürfte es eben so wün- 
schenswerth als interessant sein, die vielen Ansichten, welche bisher 
über das vorliegende Thema geäußert wurden, zu verfolgen. 


I. Historischer Überblick. 


Die ersten Bemerkungen über die Kreislaufsorgane und die damit 
zusammenhängende Wasseraufnahme bei Mollusken finden wir bei Porı ! 
und dem Norweger RArtuke 2, welcher eine Abbildung des angeschwolle- 
nen Muschelleibes giebt. Guvıer ? nahm nach seinen Beobachtungen bei 
Aplysia ein geschlossenes Gefäßsystem an, eben so Bosanus* bei Ano- 
donta in seinem bekannten Sendschreiben an Cuvier; auch Mecker>, 
doch nicht ohne Bedenken, und BLainviLLe® sprechen sich für diese 
Ansicht aus. Pour's Schüler peLLr Case 7 wollte ein besonderes Kanal- 
system zur Wasseraufnahme bei Gastropoden entdeckt haben und von 
Barr ® sagt, dass der ausgestreckte Fuß von Anodonta halbdurchsichtig, 
wie von Wasser infiltrirt erscheine und dass auf der Schneide des- 
selben sich wenigstens drei Stellen befänden, »an denen die Wasser- 
kanäle offen ausmünden«.. »Das Wasser spritzt aber nur aus einer oder 
zweien dieser Öffnungen zugleich hervor.« 

Nach einer späteren Notiz in seinen Beiträgen zur Kenntnis der 
niederen Thiere 9 (Königsberg, 20. Aug. 1826) soll die Anzahl der Öff- 
nungen auf der Schneide des Fußes 8—10 betragen. Eine Kommuni- 


1 Porı, Testacea utriusque Siciliae ete. Parma 4794—4795 und 41826— 97. 

2 RATHKE, J., Om Dammuslingen (Mytilus [Anodonta] anatinas). in: Skrivter af 
naturhist. Selskabet Kjebenhavn 4797. Bd. IV. H. I. p. 139—179. 

3 Cuvier, in: M6&moires pour servir ä l’histoire et l’anatomie des Mollusques. 
Paris 4847 und später: Lecons d’anatomie compar6e, redig&es par DuveErnoy. T. VI. 
1839. p. 538 und Regne animal T. I. p. 50. T. III (2. Edit. 1829. 30). 

* BosAnus, in: Isis. 4849. p. 42—A00. 

5 MECKEL, in: System der vergl. Anatomie. Bd. V. p. 412. Bd. VI. p. 64. 

6 BLAINVILLE, in: Dict. des sc. nat. T. XXXI. p. 409, Paris 4824 und Manuel 
de Malacologie. Paris 1825. p. 430. 

7 ST. DELLE CHIAJE, Memorie sulla Storia e notomia degli animali senza ver- 
tebre del Regno di Napoli. IV. 40. Con unatlante di109tav. in fol. Napoli 1823—29, 

3 von BAEr, Bemerkungen über die Entwicklungsgeschichte der Muscheln und 
über ein System von Wassergefäßen in diesen Thieren. FrorıEr's Not. (Bd. XIII 
No. 1) 1826. No. 265. p. 6. 

9 Ders., in: Nova Acta physico-medica Acad. Caes. Leopold.-Carolin, V. XII. 
p- 597. Bonn 1827. 


Über das Gefäßsystem und die Wasseraufnahme bei den Najaden und Mytiliden. 3 


kation des Wassers und der Blutgefäße scheint von Bazr indess nicht 
angenommen zu haben. Auch Oster! nimmt derartige Öffnungen im 
Fuße von Lutraria compressa und Cyprina islandica an. TREVIRAnUs 2 
hat im Fuße von Solen ensis einen Wasserkanal gesehen ; auch GARNER? 
bildet auf der Mitte der Fußkante von Psammobia und Cardium eine 
Öffnung, porus pedatus, wie er sie nennt, ab, die wahrscheinlich zum 
Durchtritte des Wassers diente. Um dieselbe Zeit stellte DELLE CHtaJE ? 
ein Kanalsystem im Fuße und Mantel von Pecten, Solen, Pinna, Mactra 
dar und nahm bei den Lamellibranchiaten geradezu ein, durch be- 
sondere Öffnungen nach außen offenstehendes Blutgefäßsystem an’. 
Sovrzyer 6 huldigte hinsichtlich des Blutgefäßsystems wieder der An- 
sicht CGuvier's. 

Wenn bisher die Frage nach der Wasseraufnahme in den Muschel- 
leib unentschieden geblieben war, so herrschte doch über die Be- 
schaffenheit der Blut führenden Gefäße allgemein die Cuvıer’sche An- 
sicht, dass dasselbe nämlich nach Art der höheren Wirbelthiere ein im 
Inneren des Körpers völlig geschlossenes, aus Arterien, Venen und 
Kapillaren bestehendes sei. — 

Da erhob sich hinsichtlich der Kreislaufsorgane der Mollusken eine 
Stimme, welche sich gegen die Richtigkeit aller bisher geäußerten An- 
sichten auf das Entschiedenste aussprach und die Lehre Cuvier’s und 
seiner Anhänger für irrig erklärte. 

MıLne EpwArds, früher selbst ein Anhänger”? der Cuvier’schen 
Lehre, stellte in Folge eingehender Untersuchungen®, die er auf einer 
Reise an den Küsten Siciliens gemacht hatte, theils allein?, theils in 
Gemeinschaft mit VALEncIEnNEs 10 die Ansicht auf: 

4° Que l’appareil vasculaire n’est complet chez aucun Mollusque; 

2° Que dans une portion plus ou moins considerable du cercle cir- 

culatoire, les veines manquent toujours et sont remplacees par 
les lacunes ou par les grandes cavites du corps; 

1 Oster, in: Philos. Transact. 1826. p. 342. 

2 TrevirAnus, Die Erscheinungen und Gesetze des org. Lebens. Bd, I, p. 276. 
Bremen 1834. 

3 GARNER, in: Transact. of the zoologic. soc. of London. Vol. II. 1844, Pl, 18. 
Fig. 213. 

4 DELLE CHIAJE, Descrizione e notomia degli animali invertebrati della Sicilia 
citeriore 4844. Tav. 75. Fig. 6. Tav. 76. Fig. 3. 

5 Id., Descrizione T. III. p. 53. Tav. 89. Fig. 11. Tav. 90. Fig. A u. 2. 

6 SoULEYET, in: Ann. des sc. nat. Ser. III. Zoologie T. III. p. 341. 4845. 

7 M. EpowaArps, in: Elements de Zoologie. T. I. p. 50. 2. Ed. Paris 1840. 

8 Id., in: Mem. de l’Acad. des sc. T. XVIII. (Schon an Ascidien 1839.) 

9 Id., in: Compt. rend. T. XX. 1845. p. 261, 265 sq. 

10 Id. et VALENCIENNES, in: Compt. rend. T. XX. 41845. p. 750. 


4 * 


A | Hermann Griesbach, 


3% Que souvent les veines manquent completement, et qu’alors 
le sang, distribue dans toutes les parties de l’economie, ou 
moyen des arteres, ne revient vers la surface respiratoire que 
par les interstices. 

Diese Ansicht fand schnell eifrige Anhänger und Vertheidiger, 
welche dieselbe durch eigene Untersuchungen bestätigten und zum 
Theil schon vor MırLne Epwarps ähnliche Meinungen sich gebildet 
hatten. 

So R. Owen in seinen Arbeiten über das Perlboot ! und Branchio- 
poden?; Gasparn® und PoucHer?* bei Gastropoden, van Hasserr® bei 
Salpen, van BEnepen® in seinen Beobachtungen sur la cireulation dans 
les animaux inferieurs (bei Aplysia depilans), VALENcIENNEs, unabhängig 
von MıLne Epwarps, in nouvelles recherches sur le Nautile flambe”’ und 
in den Arbeiten sur l’organisation des Lucines et des Corbeilles$; 
NoRDMANN 9 bei Tergipes Edwardsii und T. adsperus ; QuATrErases 10 bei 
Aeolidia; von Sırzorp 11, BERGMANN und Leuckarr !2, Huxrey 13 beiFirola 
und Atlanta; Leypie bei Paludina vivipara!* und Cyelas cornea !5, von 
RENGARTEN 16 bei Anodonta; Run. LruckArr !7 bei Heteropoden ; GEGEN- 
BAUR 18 bei Pteropoden; Semrer 19 bei Gastropoden ; LacazE DurHiers 20 
bei sämmtlichen Lamellibranchiaten und Dentalium; Apızr und Han- 


1 Owen, Memoir on the Pearly Nautilus. London 4832. 

2 Id., in: Ann. des sc. nat. 4845. p. 345. 

3 GASPARD, in: MEcKEL’S Arch. Bd. VIII. p. 265. 

* PoucHET, Rech. sur l’anat. et physiolog. des Mollusques. Rouen 1842, p.13. 

5 van HAsseLt, in: Ferussac. Bull. T. II. p. 212. 

6 van BENEDEN, in: Compt. rend. T. XX. 1845. No. 8. p. 517. 

7 VALENCIENNES, in: Arch. de Museum. T. II. p. 287. 

8 Id., in: Compt. rend. T. XX. 1845. p. 1688. 

9 NORDMANN, in: Mem, de l’Acad. des sc. de St. Petersbourg. 1845. T. IV. 

10 QUATREFAGES, in: Ann. des sc. nat. 1847.. 

1 v. SıEBOLD, Lehrbuch d. vgl. Anatomie d. wirbellosen Thiere. 1848. p. 270. 

12 BERGMANN und LEUCKART, Anatomisch - physiologische Übersicht des Thier- 
reiches. 1851. p. 165. 

13 Huxrey, in: Ann. des sc. nat. 1850. T. XIV. p. 193. 

4 LEyDıs, in: diese Zeitschr. Bd. II. p. 169. 

15 Id., in: Mürer's Arch. 4855. p. 54. 

16 v. RENGARTENn, De Anodontae vasorum systemate. Diss. inaug. Dorpati 
1853. p. 25. 

17 R, LEUCKART, Zoolog. Untersuch. Heft III. Gießen 1854. 

18 GEGENBAUR, Untersuch. über Pteropoden u. Heteropoden. Leipzig 1855. 
pp. 12 sqq. 

19 SEMPER, in: diese Zeitschr. Bd. VII. p. 377. 

20 LAcAzE DUTHIERS, in: Ann. des sc. nat. IV, Ser. Zoolog. 1855. p. 283 und 
1857. T. VII. p. 44. 


Über das Gefäßsystem und die Wasseraufnahme bei den Najaden und Mytiliden. 5 


cock ! on the branchial currents in Pholas und Mya; Hancock 2 on the 
animal of Ghamostrea albida; Williams? on the mechanies of Aquatic 
Respiration in Invertebrate Animals. 

Während dieses durch M. Epwarps angeregten Streites über Voll- 
ständigkeit und Unvollständigkeit des Gefäßsystemes der Mollusken, 
wurde die Frage nach der Wasseraufnahme in das Innere der Thiere 
wohl für kurze Zeit durch das neue interessante Thema ein wenig 
zurückgedrängt, ruhte aber dennoch keineswegs und ist fast eben so 
häufig ventilirt worden. Oft sind es dieselben Forscher, welche bei 
ihrer Zustimmung für die M. Epwarps’sche Ansicht über das Gefäß- 
system auch die Wasseraufnahme berücksichtigten. So VALENCIENNES* 
bei den Lucinien, wo er sagt (p. 1692): »il ya une communication 
entre le systeme sanguin et l’eau dans laquelle vivent ces Mollusques, 
par lintermediaire des lacunes dans lesquelles s’ouvrent l’un et l’autre 
systeme.« von SIEBOLD®, welcher bei Pinna nobilis in netzförmige Wasser- 
kanäle Luft einblies und sich gegen die Ansicht Merexzr’s 6 aussprach, 
dass die Öffnungen am Fuße gewisser Weichthiere durch zufällige Zer- 
reißungen erzeugt würden. 

v. RENGARTEN ’ spricht sich zum ersten Mal darüber aus, wo wohl 
der Eintritt, und wo der Austritt des Wassers zu suchen sei, und 
nimmt für ersteren bei Anodonta die zwei Jahre vorher von Keser 
entdeckten Kommunikationsöffnungen des Pericardiums mit dem so- 
genannten rothbraunen Mantelorgane, für letzteren mehrere 0,4” 
weite, siebartig in Häufchen beisammenstehende Öffnungen am hin- 
teren Theile der Fußkante an. — 

Alle die von den verschiedenen Forschern beobachteten und be- 
schriebenen Öffnungen und Kanäle aber sollten Theile eines besonde- 
ren, den Muschelleib allseitig durchziehenden Wassergefäßsystems sein. 

Als aber die Lehre M. Enwarps’ von der Unvollständigkeit des 
Blutgefäßsystems der Mollusken immer mehr Anhänger fand, häufte 
sich Zweifel auf Zweifel über die selbständig neben dem Blutgefäß- 
systeme hinziehenden Wasserkanäle. von SırsoLp? machte auf die 
Bedenklichkeiten, welche ein doppeltes Gefäßsystem mit sich führte, 
aufmerksam, und wenn auch Acassız 10 sowohl bei Gastropoden, Pyrula 


1 Anper und Hancock, in: Ann. and Magaz. of nat. hist. 4854. 


2 Hancock, Ibid. 1853. 3 WILLIaMs, Ibid. 41854. 
4 VALENCIENNES, in: Gompt. rend. T. XX. 4845. p.46. 92. 
5 von SIEBOLD, 1. c. p. 279. 280. 6 Mecker, 1. c. Bd. VI. p. 65. 


T von RENGARTEN, 1]. c. p. 56. 

8 Krser, Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Weichthiere. Königs- 
berg 185. 9 von SIEBOLD, 1. c. p. 279. 

10 Acassız, in: diese Zeitschr. Bd. VII. p. 176—180, 


6 Hermann Griesbach, 


carica und canaliculata, als auch bei Acephalen: Mactra solidissima 
ein selbständiges Wassergefäßsystem zu behaupten suchte, so führte 
die logische Konsequenz, als man zweierlei gesonderte Gefäßsysteme 
nicht mehr annehmen konnte und wollte, und doch das Schwellver- 
mögen des Molluskenleibes einer Wasseraufnahme zuschrieb, endlich 
zu der Ansicht, dass das Blutgefäßsystem selbst durch besondere Öff- 
nungen in das umgebende Medium offen stehe, wie schon DELLE Cunsse ! 
früher angedeutet hatte. 

Aber auch dies war ein harter Gedanke, und von SIEBOLD ? ale 
sich von ihm ab, indem er darauf hinweist, dass so paradoxe Organi- 
sationsverhältnisse jedenfalls noch genauerer Untersuchungen bedürf- 
ten, um über verschiedene Bedenklichkeiten hinwegzuhelfen. 

Inzwischen hatte auch die MıLne Epwarns’sche Blutgefäßsystem- 
theorie neue Anfechtungen erlitten, und die alte Cuvıer’sche Anschau- 
ungsweise fand wieder Vertheidiger, Vertheidiger, welche an der Hand 
umsichtiger und zahlreicher Injektionen und zum Theil mit Hilfe einer 
feinen mikroskopischen Analyse das Gefäßsystem in seinen innern 
Bahnen und in seinen peripherischen Verzweigungen als ein absolut 
vollkommenes hinstellten. — 

PAPPENHEIM und BERTHELEN® schreiben schon vor MıLnE EDwARDS 
den Gastropoden völlig geschlossene Kapillaren mit eigener Wandung 
zu, gleicher Ansicht scheint Desuayss zu sein‘. Sehr eingehend, so- 
wohl in Betreff der geschichtlichen Entwicklung und Kritik, als auch 
hinsichtlich eigener Untersuchungen behandelt Rosın5 die Gefäßfrage 
bei Gelegenheit eines Berichtes an die Societe de Biologie in Paris, 
über die auf den sogenannten Phlebenterismus sich beziehenden Ar- 
beiten SouL£yer’s. Er weist jegliche wandungslose Gewebslücken im 
Sinne M. Epwarps’ zurück; das Blut fließt an einzelnen Stellen in er- 
weiterten mit einer eigenen Gefäßhaut ausgekleideten Sinus, ein sol- 
cher erweiterter Sinus ist die sogenannte Leibeshöhle. — 

Um dieselbe Zeit erschien die schon erwähnte, in mancher Be- 
ziehung sehr verdienstvolle Arbeit Krser’s6, in welcher derselbe für 
Geschlossensein des Blutgefäßsystems plaidirt, obgleich er einen be- 
stimmten Nachweis der Kapillaren nicht liefert. 


1 DELLE CHIAJE, Descrizione etc. 1844. 2 voN SIEBOLD, 1. €. p. 281. 

3 PAPPENHEIM und BERTHELEN, in: l’Institut 4842. No. 746. 

4 DesuAyEs, in: Todd’s cyclopaedia of Anatomy and Physiology. T. I. p. 698 
und in: Exploration scientifique de l’Algerie pendant les annees 1840—42. Zoolog. 
IV. Mollusques. Paris 4849. 

3 Rosın, in: Comptes rendus des seances et m&moires de la societe de Bio- 
logie. T. III. Paris 4851. 6 KEBER, ].c. 


Über das Gefäßsystem und die Wasseraufnahme bei den Najaden und Mytiliden. 1 


Dass diese existiren hat erst mit Bestimmtheit bald darauf 
Langer ! gelehrt, auch hat er ihren Zusammenhang einerseits mit den 
Arterien, andrerseits mit den Venen zuerst gezeigt. Vermittelnd zwi- 
schen die beiden Parteien: Cuvıer —MıLne Epwarps tritt dann Leypie 2, 
indem er darauf hinweist, dass »im Hinblick auf den gegenwärtigen 
Standpunkt der Histologie nicht vergessen werden darf, dass, wenn 
man der Sache recht genau nachgeht, die Differenz, welche zwischen 
einem geschlossenen Gefäßsystem und einer interstitiellen Blutbahn 
aufgestellt wird, nicht streng begründet ist«. — 

Eine als unerhört geltende Ansicht van BENnEDEn’s?, dass Wasser 
bei fast allen Wirbellosen in das Innere des Organismus eindringe, 
dass bei denselben eine Mischung von Blut und Wasser, oder auch nur 
Wasser statt des Blutes die Gewebe bespüle, ferner die vorhin erwähn- 
ten Aussprüche von SıEesoLv’s gaben zu weiteren Untersuchungen über 
eine Wasseraufnahme Veranlassung. Vor Allen war es Leyvıc, der sich 
der Frage annahm und in Manchem die Ansichten vaw BEnEDEN’s be- 
stätigte. 

Er beschreibt nämlich in seinen Beobachtungen über Cyclas cor- 
nea®, nachdem er schon vorher bei Paludina vivipara5® von einer 
Wasseraufnahme berichtet hatte, die »Pori aquiferi« im Fuße, und kann 
nicht umhin die vielfach angefeindete Lehre DELLE Cniase’s, welcher 
zuletzt der Meinung war, das Blutgefäßsystem der Lamellibranchiaten 
stehe nach außen hin offen, für vollkommen der Wahrheit entsprechend 
zu erklären. 

Somit war denn die Annahme der Existenz’ eines besonderen Was- 
sergefäßsystemes gänzlich gefallen, und die Ansichten, welche über die 
Wasseraufnahme bei Mollusken von jetzt ab noch vorhanden sind und 
neu auftauchen, lassen sich passend in drei Rubriken bringen: 

1) Es wird bei geschlossenem Blutgefäßsysteme Wasser auf dem 
Wege der Osmose von der ganzen Körperoberfläche durch unzählige 
feine Poren aufgenommen und abgesondert (KeBer $). 

2) Es wird bei geschlossenem Blutgefäßsysteme die Wasserauf- 
nahme durch besondere Organe bewerkstelligt (Langer ”). 


1 LAnGEr, Das Gefäßsystem der Teichmuschel. VIII. u. XII. Bd. der Kaiser]. 
Akademie der Wissenschaften. Wien 1856. 

2 Leyvie, Lehrbuch der Histologie. Frankfurt a. M. 1857. p. 438—439. 

3 vAN BENEDEN, In: Frorıep's N. Not. V. XXXIV. N. 727.p. 2. XXXVI. 
N. 797. p. 54 und Compt. rend. T. XX. 1845. p. 518. 

4 LEyDIG, in: MüLter’s Arch, 4855. p. 57. Lehrbuch der Histologie. p. 442. 

5 Ders., in: diese Zeitschr. Bd. II. p. 177. 

6 KeseEr, 1. c.p. 75. T LANGER, 1. c. p. 29. 


8 Hermann Griesbach, 


3) Die Wasseraufnahme geschieht durch das an mehreren Körper- 
stellen nach außen offen stehende Blutgefäßsystem (DELLE Curse, 
van BENEDEN 2, Leyvie? und die meisten der früher genannten Autoren). 


Die von diesem Zeitpunkte an erscheinenden Arbeiten über das Ge- 
fäßsystem tragen sowohl den Fragen nach dem Geschlossensein des- 
selben als auch nach der Wasseraufnahme gleichviel Rechnung. 


Die nächste Arbeit, die erwähnt werden muss, ist das schöne Werk 
von Hessuine’s*, vom Jahre 1859, welchem wir wichtige Aufschlüsse 
über die Organisationsverhältnisse der Muscheln verdanken. 


Nach von Hessring findet sich bei der Perlmuschel ein nach innen 
zu von den Geweben vollständig abgeschlossenes, aus Arterien, Venen 
und Kapillaren bestehendes Röhrensystem, welches aber nach außen, 
und zwar an drei Stellen, offen steht. 


Die erste Verbindung, durch welche Wasser in das Blut tritt, bil- 
den drei bis vier kleine Öffnungen zum parenchymatösen Gewebe des 
rothbraunen Mantels im vorderen Theile des Herzbeutels. 


Die zweite Kommunikation geschieht durch die frei nach außen 
mündende Vene des äußeren Kiemenblattes. Die dritte Kommunikation 
wird durch einen 1—4 mm langen Schlitz in der Schneide des Fußes 
bewerkstelligt. | 


Im Anschlusse an die Untersuchungen von HessLing’s veröffent- 
lichte Voır® in seinen interessanten Anhaltspunkten für die Physio- 
logie der Perlmuschel eine Reihe chemischer Untersuchungen. Auf 
Grund derselben, namentlich der Ergebnisse, dass das Blut bei Unio 
zum größten Theile aus Wasser besteht — wie auch schon vie] früher 
G. Scnnmipt 6 gezeigt hatte — ist er der Meinung, dass das Bachwasser 
direkt in alle Organe eindringt. 


Mit vox Hzssrine bricht streng genommen eine neue Ära in der 
Anatomie und Physiologie der Mollusken an. 


Während man nämlich bisher hauptsächlich den Gesammtorganis- 
mus in den Bereich der Untersuchung zog, treiben verbesserte Metho- 
den und das Princeip einer weisen Arbeitstheilung nunmehr dazu, das 
Gebiet histologischer Sonderforschung zu betreten. 


! DELLE CHIAsE, Descrizione etc. T. III. p. 53. 
2 van BENEDEN, 11. cc. 


3 Leypie, in: diese Zeitschr. Bd. II. p. 477. MürLer’s Arch. p.57. Histologie. 
p. 442. i 


4 von HessLine, Die Perlmuscheln u. ihre Perlen. Leipzig. EnGELMAnN 4859. 
5 Voıt, in: diese Zeitschr. Bd. X. H. 4. 


6 C.ScHMmipt, Zur vergleichenden Physiologie der wirbellosen Thiere. P.58. 1845. 


Über das Gefäßsystem und die Wasseraufnahme bei den Najaden und Mytiliden. 9 


Die Arbeiten von Esertn!, Auverpacn? und Azsy® sind für den 
Gegenstand desswegen von Bedeutung, weil diese Autoren?, unter 
ihnen Eserr# in erster Linie, zuerst Endothelien in den Mollusken- 
gefäßen nachwiesen und somit denBeweis lieferten, dass dieselben mit 
eigenen Wandungen ausgerüstet seien. 


Außer diesen Angaben existiren dann noch solche von Leeros 5 
über Kapillarnetze bei Ostrea in seinen Notes sur l’epithelium des 
vaisseaux sanguins. 


Die wichtigsten Lehrbücher der Zoologie und vergleichenden Ana- 
'tomie, welche die Gefäßfrage im Lichte der modernen Forschung berüh- 
ren, sind GEGENBAuR 6und Craus”?, während Bronn ®noch den Langer’schen 
Anschauungen huldigte. Fremmmne® kommt am Schlusse seiner Habili- 
tationsschrift, welche hauptsächlich vom reinhistologischen Standpunkte 
die Bindesubstanzen und Gefäßwandungen bei Mollusken betrachtet, 
auch auf die »Geschlossenheit oder Nichtgeschlossenheit« des Gefäß- 
systems zu sprechen. 


Er nimmt zwar lakunäre Blutbahnen an, betrachtet aber das Ge- 
fäßsystem, in so fern es überall von einer Endotheldecke ausgekleidet 
wird, als ein geschlossenes. Über eine Wasseraufnahme findet sich in 
der Arbeit nichts. 


Nach Trıncazse !0 dringt bei der Nudibranchiate Ercolania Wasser 
in die Niere, gelangt von da ins Pericardium und mischt sich alsdann 
mit dem Blute. 


Posner 11 betrachtet die Blutgefäße in der Najadenkieme als laku- 


1 C.J. Esertu, Über den Bau und die Entwicklung der Blutkapillaren. II. Ab- 
handlg. Über die Blutbahnen der wirbellosen Thiere mit 2 Taf. in: Würzburger 
naturw. Zeitschr. VI. Bd. 4866. 

2 AUERBACH, Sitzungsberichte der schlesischen Gesellschaft für vaterl. Kultur. 
17. Febr. 1865. 

3 Azsy, Centralblatt für die medic. Wissensch. 1865. p. 209. 

% AUERBACH und AkBy’s Arbeiten betreffen nicht Wirbellose. 

5 Leeros, in: Journ. de l’anatomie et de la physiologie. 4868. p. 275. 

6 GEGENBAUR, Grundzüge der yere Anatomie. 4870. — Ders., Grundriss der 
vergl. Anatomie. 1874. 

7 Craus, Grundzüge der Zoologie. 1875. 

8 Bronx, Kl. u. Ordn. des Thierreichs. Bd. III. Abth. I. p. 384 u. 418. 

9 FLemming, Über Bindesubstanzen und Gefäßwandung bei Mollusken. Habili- 
tationsschrift. Rostock 4874. p. 35 sqq. 

10 TrıIncHESE, in: Annali del Museo civico di storia naturale. Genova, Aprile 
1872. Vol. II. p. 86—132. 

11 Posner, Über den Bau der Najadenkieme. in: Arch. f. mikr. Anat. Bd.XI. 
(auch selbständig als Inauguraldiss. 4875, hier p. 15 und 24). 


10 Hermann Griesbach, 


näre Systeme und jeder Gedanke an ein wirklich geschlossenes Gefäß- 
system im Sinne der Autoren muss nach ihm völlig verschwinden. 

Korrmann! möchte bei Aplysien » das ganze System von Gewebs- 
lücken, großen und kleinen buchtigen Räumen, welche bisweilen 
durchbrochene Röhren darstellen, unter dem Ausdruck lacunae et sinus 
venoso-Iymphatiei zusammenfassen«. ‘Was die Wasseraufnahme anbe- 
langt, so finden sich »nirgends im ganzen Körper Öffnungen , welche 
direkt in das Gefäßsystem führten«. Der Cirkulationsapparat bei den 
Lamellibranchiaten besteht nach ihm aus Arterien, Kapillaren und ein- 
zelnen Sammelvenen, in welche die aus den Gewebslücken ausgetre- 
tene Blutflüssigkeit fällt. Durch 6—8 Öffnungen im Fuße findet eine 
direkte Kommunikation des venös-Iymphatischen Stromgebietes mit 
dem umgebenden Wasser statt, sobald das Thier dieselbe herstellen will. 

Bei den Gephalopoden ist der Kreislauf nicht unterbrochen. Laku- 
nen giebt es hier nicht, sondern nur sinöse Erweiterungen. Eine Was- 
seraufnahme direkt in das Blut ist sehr unwahrscheinlich. i 

Den unterbrochenen Kreislauf und das Lakunensystem vertheidigt 
derselbe Autor dann noch in seiner » Bindesubstanz der Acephalen «2. 
Diese Arbeit so wie die schon 1871 erschienene Habilitationsschrift FLEN- 
mine’s bilden den Impuls zu einem sehr interessanten histologischen 
Streit zwischen diesen beiden Autoren, namentlich über die Begriffe 
Lakune, Schwellgewebe etc. Eine darauf bezügliche Arbeit Fremnine’s ® 
ist noch desswegen interessant, als auch hier versucht wird durch histo- 
logische Details einen Ausgleich zwischen der M. Epwarns’schen und 
Langer’schen Anschauungsweise herbeizuführen. | 

Einzelne histologische Bemerkungen über die Gefäße mehrerer 
Molluskengeschlechter bringt KoLLmann® in seinen Abhandlungen über 
Häutchenzellen und Myxom und über strukturlose Membranen bei Wir- 
belthieren und Wirbellosen 5. 

Nach von Inzrıng ® dient bei Thetys das eingeführte Wasser nicht 
nur zur Verdünnung des Blutes, sondern zugleich einer inneren Re- 
spiration. 

In meiner schon Anfangs hier erwähnten Arbeit? tritt auch mehr- 


1 KoLLımaAsn, in: diese Zeitschr. Bd. XXVI, 1878. p. 91. 92 sqq. 

2 Ders., in: Arch. f. mikr. Anat. Bd. XIII. 1876. 

3 FLEMMING, Über Bindesubstanz und Gefäßwandung im Schwellgewebe der 
Muscheln. Arch. für mikr. Anat. Bd. XIII. 4876. 

4 KOLLMANN, in: VIRcHow’s Archiv. Bd. LXVIII. p. 25 etc. 

5 KoLLmAnn, in: Sitzungsberichte der math. physik. Klasse d. Königl. Bayer. 
Akad. der Wissensch. 1876. H. II. 

6 von IHERING, in: Morphol. Jahrb. Bd. II. 1876, 

7 GRIESBACH, in: Arch. f. Naturgesch. 1877. Jahrg. 43. Bd. 1. 


Über das Gefäßsystem und die Wasseraufnahme bei den Najaden und Mytiliden. 11 


fach die Ansicht über ein nichtgeschlossenes Gefäßsystem und Wasser- 
aufnahme bei Anodonta zu Tage. Bonner! sagt: »was die Beschaffen- 
heit der Blutbahnen anbelangt, so kreist dasBlut in der Acephalenkieme 
theils in glatten, strukturlosen mit Endothel ausgekleideten Gefäßen, 
wie bei Mytilus, theils in einerKombination von solchen endothelhalti- 
gen Röhren und eingefügtem spongiösen Gewebe — Arca— das wahr- 
scheinlich lakunär ist, d. h. interstitielle Lücken besitzt, wie es ja 
auch im Eingeweidesacke dieser Thiere als Übergang von den wirklichen 
Kapillaren zu den Venen vorkommt. Was die lakunären Blutbahnen 
anbetrifft, so werden dieselben auch von Horman Peek ? und aufs Neue 
von Posxer® in seinen histologischen Studien über die Kiemen der 
acephalen Mollusken bestätigt. 


Die Streitfrage über die Bindesubstanz der Acephalen zwischen 
Korrmann und Fremning findet weitere Erörterungen auf der 50. Ver- 
sammlung deutscher Naturforscher und Ärzte‘. Die Debatte führt zu 
keinem positiven Resultate und endigt mit der Einladung am 22. Sep- 
tember Morgens 9 Uhr im histologischen Institute die beiderseitigen 
Präparate zu prüfen. | 

Auch in dem schönen Werke von Sasarıerd über Mytilus edulis 
finden sich eingehende Betrachtungen über die Theorie des Gefäß- 
systems; eben so geht Fremmine® in seinem Aufsatze über die Blutzel- 
len der Acephalen und Bemerkungen über deren Blutbahn darauf ein. 


Verschiedene sich widersprechende Meinungen veranlassen SLuI- 
TER ’ zum erneuerten Studium der Lamellibranchiatenkieme. Das Re- 
sultat ist, dass höchst wahrscheinlich in derselben ein ganz geschlosse- 
nes Gefäßsystem vorhanden ist, bei Mytilus ist dies sogar ohne allen 
Zweifel, das Gewebe der Kieme ist dann auch nicht lakunär. 


Aus der verzeichneten Litteratur ist ersichtlich, dass die Frage 
nach dem »Geschlossensein oder Nichtgeschlossensein« des Gefäßsystems 


1 Boxnet, Bau und Cirkulationsverhältnisse der Acephalenkieme. Morphol. 
Jahrb. Bd. 3. 1876. 

2 Hoıman Peck, The minute structure of the gills of Lamellibranch Mollusca. 
Quart. Journ. of micr. sc. Vol. XVII. London 4877. 

3 PosneEr, in: Arch. f. mikr: Anat. Bd. XIV. 1877. 

4 Amtl. Bericht d. 50 Naturf. Vers. (München). Zoologie. Sitzung v. 24. Sept. 
1877. (Separatabdr.) 

5 Sısarıer, Etude sur la moule commune. 1. partie in Mem. de l’acad. de 
Montpellier. 4877. 

6 FLEMMING, in: Arch. f. mikr. Anat. Bd. XV. 4878. p. 243 sq. 

7 SLUITER, in: Die Zoologie in den Niederlanden. 3,: Die im Laufe d, Jahres 
1878 erschienenen Arbeiten. Dr, T. P. C. Hoek. Sep.-Abdr,. aus dem niederl. Arch. 
f. Zoologie. Bd. V. p. 14.45. 


12 Hermann Griesbach, 


und die damit zusammenhängende Frage nach der Wasseraufnahme 
endgültig noch immer nicht entschieden ist, obwohl die Mehrzahl der 
Forscher, wenn auch mit einigen Modifikationen namentlich in histo- 
logischer Beziehung, den Standpunkt von MiıLne EDWARDS, DELLE CHIAJE 
und LryDie einnehmen. 

So war der Stand der Dinge bis vor Kurzem. Da auf einmal theilte 
Justus CARRIERE ! der erstaunten fachmännischen Welt mit, dass das 
Gefäßsystem der Mollusken nach außen völlig abgeschlossen sei (zwar 
kennt CArrıERE auch die »problematische« Ausmündung der Kiemenvene 
von Hessrine’s), dass ein Wassergefäßsystem nicht existire, die Thiere 
für das zeitweise Anschwellen ihres Fußes kein Wasser bedürften, ja 
dass Wasser in das Blut überhaupt nicht eindringe, und etwaige früher 
als Pori aquiferi beschriebene Öffnungen auf der Fußkante die Aus- 
mündungen von Schleimdrüsen seien. 

Es leuchtet Jedem sofort ein, dass Carrıkre’s muthmaßliche Ent- 
deckungen, falls sie sich nicht als irrthümlich erweisen, in der Auf- 
fassung von den gesammten Organisationsverhältnissen der Weichthiere 
eine gewaltige Umwälzung hervorrufen müssen. 

Indem ich somit eine, wie ich hoffe, einigermaßen vollständige 
Zusammenstellung der einschlägigen Litteratur über das Gefäßsystem 
und die Wasseraufnahme bei den Mollusken gegeben habe, glaube ich 
damit den Fachgenossen zugleich für ähnliche Arbeiten wie diese, die 
Herbeischaffung der nöthigen Werke erleichtert zu haben. 

Es schien mir diese eingehende historische Entwicklung um so 
nothwendiger, als eine übersichtliche Angabe der Litteratur namentlich 
der letzten zwei Decennien meines Wissens nicht existirt. 

Ob die neuesten von CARRIERE aufgestellten Behauptungen über die 
Gefäßfrage zutreffend oder irrthümlich sind, das möchte ich durch 
meine in Nachstehendem niedergelegten Untersuchungen klar zu legen 
versuchen. 


II. Anatomisch-physiologische Betrachtungen. 
A. Das Gefäßsystem. 


Die schwierige Frage nach der Beschaffenheit der Kreislaufsorgane 
hat, wie ich in dem historischen Überblicke gezeigt habe, vielfache und 


1 CARRIERE. Zuerst sind seine Untersuchungen von SEMPER erwähnt in einer 
kleinen Notiz aus der Würzburger physikalisch-medic. Gesellschaft. Sitzung vom 
4. Mai 1868. — Ders. Die Drüsen im Fuße der Lamellibranchiaten. Arbeiten aus 
dem zoolog. zoot. Inst. Würzburg. Bd. V. (Arbeit vom 28. Juni 1879.) Ferner: 
Ders., Haben die Mollusken ein Wassergefäßsystem? Biolog. Centralbl. Jahrgang I. 
.— Ders., Das Wassergefäßsystem d. 'Lamellibranchiaten u. Gastropoden. Zoolog. 
Anz. 4884. No. 90. 


Über das Gefäßsystem und die Wasseraufnahme bei den Najaden und Mytiliden. 13 


eingehende Behandlung erfahren. Dank den schönen Untersuchungen 
Keser’si, namentlich aber Langer’s? und von Hzssring’s®, sind die Kreis- 
laufsverhältnisse bei den Najaden, durch die LaAcaze-Dutuners’ * und Sı- 
BATIER’S® bei den Mytiliden unserem Verständnisse um ein gutes Stück 
näher gerückt. Mit Hilfe von Injektionsmethoden, die mit überraschen- 
der Fertigkeit angestellt wurden, haben diese Forscher den Gefäßap- 
parat bis in seine feinsten peripherischen Verzweigungen gefüllt und 
die engen Blutbahnen mit Messer und Schere unter der Lupe verfolgt 
und zur Anschauung gebracht. — Wie sich die Gefäße bei den meisten 
Wirbellosen in geringem Grade von der allgemeinen Bindesubstanz der 
Organe individualisirt haben, so auch bei den Lamellibranchiaten. Dort 
liegen sie wie eingegraben in der umgebenden Gewebemasse und lassen 
eigene Wandungen mit unbewafinetem Auge kaum und nur noch in 
den gröberen Bahnen erkennen, wenn eine vorherige Füllung mit 
passenden Injektionsmassen stattgefunden hat. — 

Doch die makroskopische Anatomie der Kreislaufsorgane ist in 
ihren einzelnen Abschnitten heute kaum mehr einem Zweifel unter- 
worfen, und nur für die mikroskopische Analyse sind noch einige 
streitige Punkte übrig geblieben. Die Frage, um die es sich heute und 
auch in dieser Arbeit handelt, ist, wie schon angedeutet, die: Wie ge- 
staltet sich das endliche Schicksal der sogenannten Kapillaren ? Gelun- 
gene Injektionen des Gefäßapparates zeigen mir, sowohl bei der Ver- 
folgung der einzelnen Zweige mit der Schere unter der Lupe, als 
auch auf Quetschpräparaten 6, vor Allem aber auf mikroskopischen 
Längs- und Querschnitten durch ganze Thiere und einzelne Körper- 
partien, sowohl an eigenen Präparaten, als auch an solchen, welche 
ich durch die Güte des Herrn Prof. Korımann erlangte, dass die feinen 
Zweige der Arterien endlich in Gefäßbahnen übergehen, für welche 
man anscheinend mit vollem Rechte den Namen: Kapillaren substitui- 
ren kann. Diese Röhren zeigen, wie schon mehrfach nachgewiesen”, 
auch mir ein deutliches Endothel, sind also integrirende Bestandtheile 
des Gefäßapparates; denn mit Korımann 8 rede ich nur dann von einem 
Gefäße, wenn sich der charakteristische Theil desselben, das Endothel, 


1 KEBER, 1. c. 2 LANGER, |. c. 3 voN HESSLING, |]. c. 

4 LACAZE DUTHIERS, |. c. 5 SABATIER, 1]. C. 

6 Das Injektionspräparat wird eine halbe Stunde lang in verdünnte Essigsäure 
gelegt und darauf 24 Stunden in eine Mischung von Essigsäure und Glycerin, dann 
zwischen zwei entsprechend große starke Glasplatten gelegt und mit Gummiringen 
komprimirt. Bei vorsichtigem Verfahren erhält man zur Übersicht mit unbewafl- 
netem Auge, mit der Lupe, und mit schwachen Systemen schöne Bilder. 

7 Vgl. die citirte Litteratur. 

8 Korımann, Bindesubst. d. Aceph. p. 561. 


14 Hermann Griesbach, 


findet. — Überraschend ist Anfangs die verhältnismäßig bedeutende 
Weite und die enorme Ausdehnungsfähigkeit dieser Röhren. Was die 
Weite anbelangt, so nehme ich mit Korımann zwei Formen an: Kapil- 
laren erster Größe, deren Durchmesser im frischen Zustande zwischen 
42 und 55 w, und solche zweiter Größe, deren Durchmesser zwischen 
25 und 30 u schwankt. Diese Angaben finden sich in Korımann’s Arbeit 
über die Bindesubstanz, und ich kann dieselben nach eigenen Messun- 
gen bestätigen. Überraschend,, sage ich, ist diese Weite, wenn man 
.ihre Maße mit denen der Kapillaren bei Wirbelthieren vergleicht ; zwar 


giebt es auch Wirbelthierkapillaren, deren Durchmesser, bei Größen- | 


zunahme der Blutzellen, bis 40 u und darüber beträgt, doch finden sich 
solche Maße nur bei Kaltblütern !; beim Menschen schwankt die Weite 
bekanntlich zwischen 4 und 22u. Durch gute Füllung des Gefäßappa- 
rates mit erhärtenden Injektionsmassen zeigt sich die enorme Ausdeh- 
nungsfähigkeit der Gefäße; die Kapillaren erscheinen dann bis zu 
120 u stark. — Eine solche Ausdehnungsfähigkeit aber kommt dem ge- 
sammten Gefäßapparate zu und erklärt sich aus der Wasseraufnahme. 
Normal befindet sich das Thier immer in einem gewissen Grade von 
Schwellung, welche beim Ausstrecken des Fußes das Maximum er- 
reicht. — 

Das durch Anstich annähernd blutleer gemachte Herz fand ich um 
das fünf- bis sechsfache kleiner als im Zustande der normalen Pul- 
sation. Bei Thieren, welche an Herzbeutelwassersucht zu Grunde ge- 
gangen waren, habe ich den Herzbeutel bei einer 44 cm langen Ano- 
donta, statt mit dem normalen Durchmesser von 1,3cm mit dem von 
2,7cm gefunden. Beim Einbinden der Kanüle in die Aorta lässt sich, 
bei vorsichtiger Injektion mit Quecksilber, das Herz und die vordere 
Aorta bis zu der Stelle, wo sie rechterseits nach hinten zu in einem 
Bogen umbiegt, bei einer Anodonta von 18cm Länge annähernd um 
das AAfache des ursprünglichen Volumens ausdehnen, ohne zu platzen. 
Dieses Experiment muss man zum eigenen Erstaunen gemacht haben, 
um sich von solch enormer Expansion eine Vorstellung zu bilden. 

Doch wohin geräth das Blut, wenn es die Kapillaren verlässt? Es 
geräth nicht direktin die venösen Bahnen, sondern zwischen diesen und 
den arteriellen Bahnen ist ein weit ausgebreitetes System von Gewebs- 
lücken eingeschoben, welche zunächst den Blutstrom aufnehmen. Diese 
Gewebslücken oder Lakunen, wie ich sie mit anderen Forschern nenne, 
sind vielfach mit einander anastomosirende, 35 bis 100 u weite, oft 
zellenähnliche, mikroskopischer Wandungen und des Endothels ent- 


I Vgl. u. a. KoLLmAnn, Arch. f. mikr. Anat. Bd. XIII. p. 563. 


Über das Gefäßsystem und die Wasseraufnahme bei den Najaden und Mytilidn. 15 


behrende, blutführende Räume im Gallertgewebe, und finden sich 
überall dort, wo dieses im Muschelleibe vorkommt. 


Meine eigenen Beobachtungen beschränken sich eingehend dies 
Mal nur auf Fuß und Mantel!, doch habe ich sie auch in den Tentakeln 
gesehen und nach Posner?, Bonner®, Horman Peer? sollen sie sich auch 
in den Kiemen finden, welcher Ansicht KorıLmann® und Sıurter ® sich 
nicht anschließen. Nach der gegebenen Definition nun existirt ein 
scharfer Unterschied zwischen einem Gefäße und einer Lakune und 
indem sich letztere zwischen wahre Gefäße einschiebt, ist der Kreis- 
lauf bei unseren Thieren auch kein geschlossener, wie die Hauptver- 
treter dieser Ansicht, Rosin? und Langer 8, behaupten, sondern ein 
überall durch Räume unterbrochener, welche als integrirende Bestand- 
theile des Gefäßsystems nicht aufzufassen sind. — 


Es liegt hier nicht in meiner Absicht, und ich habe auch nicht den 
Raum dazu, auf histologische Detailfragen über die Bindesubstanz der 
Mollusken einzugehen, doch so viel kann ich zu bemerken nicht unter- 
lassen, dass ich mich, hinsichtlich der Bindesubstanz der Lamelli- 
branchiaten, den Ansichten Korımann’s® vollständig anschließe. Die 
Bindesubstanz der Lamellibranchiaten ist morphologisch, physio- 
logisch, physikalisch und chemisch etwas ganz Anderes, als dasjenige, 
was wir gewöhnlich mit dem Namen Bindegewebe zu bezeichnen ge- 
wohnt sind. Meine eigenen Untersuchungen über diesen hochinter- 
essanten Punkt, der, obgleich bis jetzt noch wenig berührt 10, doch zu 
einem ganz besonders verlockenden Streitapfel werden wird, sind 
nicht völlig abgeschlossen, und ich verspare eingehende Betrachtungen 
daher auf eine spätere Arbeit. 

Ich wende mich jetzt zu den Frrmmine’schen Ansichten !! über die 
letzten Verzweigungen der Arterien. 

Ich habe mich einige Zeit auf demselben Standpunkte befunden 
wie dieser Forscher. Ich habe die sogenannten Langer’schen Blasen, 
die Fremming Schleimzellen nennt, ebenfalls für geschlossene Zellen 
gehalten, und die Blutkörperchencoagula darin und die Blutkörper- 


1 Im Bos. Organe habe ich derselben schon a. a. O. gedacht. 


2 Posner, 1.1. c.c. 3 BoNNET, |. c. 4 HoLMAnN PEck, |. c. 
5 KoLLmAnn, Bindesubst. d. Aceph. Arch. f. mikr. Anat. XIII. p. 587. 
GISEHITER,) 1.06: T Rosın, l.c. 8 LANGER, 1. c. 


9 KoLLMANN, 1.1. c. c. 

10 Bonner, 1. c., tritt der K’schen Ansicht ebenfalls bei. 

11 FLemming, Üb. Bindesubst. u. Gefäßwandung bei Mollusken. Rostock 1871. 
— Über Bindesubstanz u. Gefäßwdg. im Schwellgew. d. Moll. Arch. f. m. Anat. 
XIII. — Bericht der 50. Naturf.-Versammlung. 


16 . Hermann Griesbach, 


chen und die Kerne in den Zellen der benachbarten Bindesubstanz für 
ihre eigenen Kerne angesehen. In Folge dessen konnte ich mich nicht 
für die Anwesenheit von Lakunen begeistern, sondern nahm, wie 
Frenming es beschreibt und abbildet, speciell im Fuße und Mantel der 
Najaden die hellen Blasen für wirkliche Zellen, auf deren physio- 
logische Funktion ich mir allerdings keinen Vers machen konnte, 
und das umgebende Gewebe für Blutbahn. Ich glaubte somit an einen 
geschlossenen Kreislauf im Sinne der Autoren. Aber derUmstand, dass 
schon Langer !, der diese Dinge gesehen, ihre Zellennatur sehr zweifel- 
haft hinstellte, weil sie nach ihm häufig mit einander verschmelzen 
und auch keinen Kern zeigen, ferner der ganze Streit zwischen Koıı- 
MANN und Fremnine ? und endlich die Thatsache, welche ich jetzt durch 
meine Untersuchungen gefunden habe, dass nämlich bei genauer 
Untersuchung mit dem ganzen Hilfsapparat des modernen Mikrosko- 
pikers, der vermeintliche Kern und das Protoplasma im Innern der 
Gallertbalken liegt und ich immer wirkliche Blutkörperchen in den 
blasenartigen Räumen finde, dass überdies nirgends, abgesehen von 
den Ovulis, im ganzen Muschelleibe mehr Zellen von dieser oben ange- 
gebenen Größe existiren, und dass endlich Injektionsmasse in diese 
Gebilde eindringt — lehren mich heute dieselben Anschauungen thei- 
len, welche Korımann ? von diesen Dingen hegt, und somit alle anderen 
Ansichten, die ich hegte, aufgeben. Die Injektion dieser Langer’schen 
Blasen oder Fremmine’schen Schleimzellen beweist schlagend, dass 
dies keine geschlossenen Zellen sein können. 

Freilich die genannten Forscher haben bei ihren Injektionen als 
Ausgangspunkt eine größere Blutbahn gewählt oder dieselben durch 
lokalen Einstich bewerkstelligt. Obgleich auch Korımann? in dieser 
Weise die Pseudozellen injieirt haben will, so ist mir diese Methode 
nie gelungen. Macht man nämlich vom Herzen oder der Aorta aus In- 
jektionen an frischen Thieren, so schnüren dieselben, sobald die Masse 
in die Blutbahn eindringt, diesen Theil und benachbarte Gegenden des 
Gefäßapparates unter kräftiger Kontraktion ab, und alle weitere Mühe 
ist vergeblich. Im günstigsten Falle gelangt, namentlich wenn das 
Thier in warmem Wasser gelegen, und die Masse möglichst dünnflüssig 
ist, dieselbe bis in die Kapillaren, weiter dringt sie nicht, weil ge- 
wöhnlich der Druck nicht ausreicht; wenn dies wirklich der Fall ist, 
so entstehen sehr leicht Zerreißungen und Zerrungen und statt das 
Lakunennetz zu füllen, erhält man ein Extravasat, welches dann auf 


1 LANGER, |. C. 2 Vgl. d. verzeichn. Litt. 
3 Korımann, Bindesubstanz d. Aceph. 
4 KoLLMANN, in: diese Zeitschr, Bd. XXVI. p. 93. 


Über das Gefäßsystem und die Wasseraufnahme bei den Najaden und Mytiliden. 17 


eine Anzahl von der Injektion nicht mit ergriffener Lakunen drückt und 
diese in Kunstprodukte umwandelt, die eine täuschende Ähnlichkeit mit 
völlig abgeschlossenen, nirgends mit einander anastomosirenden blasen- 
artigen Hohlräumen, ja mit wirklichen kernhaltigen Zellen haben. In- 
jieirt man lokal durch Einstich, so treten bei mir ganz ähnliche 
Verhältnisse ein. Injektionen der Lakunen an kollabirten oder ganz 
abgestorbenen Thieren gelingen nach meinen Erfahrungen desswegen 
nie, weil einmal Zerreißungen vor sich gehen, wobei eine heillose 
Verwirrung hervorgerufen wird, andererseits aber desswegen nicht, 
weil die gänzlich erschlafften Gewebe der großen Ausdehnungsfähig- 
keit der Gefäße und Lakunen zu Hülfe kommen, die Injektionsmassen 
sich in sehr großen Räumen ausbreiten und auf diese Weise wiederum- 
Zerrbilder entstehen. Alle diese die Untersuchung erschwerenden 
Umstände haben dazu beigetragen, dass auch ich mich nicht zu der 
Annahme der Lakunen als Blutbahn entschließen konnte. Da endlich 
gelang es mir dieselben durch die Thiere selbst mit Farbstoffen füllen 
zu lassen, und sie zuinjieiren und zwar an solchen Stellen, wo das 
ganze Lakunensystem mit dem umgebenden Medium in direkter Kom- 
munikation steht, nämlich durch die »Pori aquiferi«! auf der Fußkante 
von Anodonta und Unio und durch die Querspalte vorn auf der unteren 
Fläche des Spinnfingers von Mytilus und Dreyssena?. Doch ehe ich 
auf dieses Offenstehen des Gefäßapparates näher eingehe, muss ich 
erst noch den Blutstrom weiter verfolgen. — 


1 Vel. die im histor. Überblicke erwähnte Litteratur, 

2 Wenige Tage vor der Korrektur des zweiten Bogens dieser Arbeit traf ich in 
Kiel persönlich mit Professor FLEnmınezusammen. Das Gespräch kam sehr bald auf die 
»Schleimzellen« und Prof. FLemminG hatte die Güte, mir seine Präparate zu zeigen. 

Ich bedauere lebhaft diese wunderschönen Präparate nicht früher gesehen 
und studirt zu haben. Es haben aber diese Präparate nicht vermocht, meine ur- 
sprünglichen Ansichten, welche, wie schon gesagt, dieselben wie die FLEMMING's 
waren, wieder in den Vordergrund zu drängen. 

Nach meinen genauen Untersuchungen und eingehenden Betrachtungen Korr- 
MAnn scher Präparate muss ich für jetzt noch daran festhalten, dass die vermeint- 
lichen Frrmumme’schen Zellen — wenigstens im Fuße der Najaden — die wirklichen 
Lakunen sind. Ich gebe zu, dass das Gebilde, welches F. als Kern seiner Zellen 
deutet, an seinen Präparaten — wenigstens nicht auf den ersten Blick — kaum eine 
andere Deutung zulässt. Die scheinbaren Kerne, die sich bisher mir präsentirten, 
sind Blutkörperchengebilde. 

Was mich aber am meisten zwingt, augenblicklich noch an meinem mit Mühe 
errungenen Standpunkte festzuhalten, ist der Umstand, dass sich die von FLENMING 
als Zellen, von KoLımann und mir als Lakunen betrachteten Gebilde bei »Selbst- 
injektion« des Thieres füllen. 

Diese Füllung beruht aus folgenden Gründen nicht etwa auf Diffusions- 
erscheinungen: 

Zeitschrift f, wissensch. Zoologie. XXXVII. Bd, D) 


18 Hermann Griesbach, 


Aus dem, den ganzen Körper durchziehenden, Blut führenden La- 
kunensystem entstehen allmählich wieder Gefäße, welche das Blut an 
den verschiedensten Körpergegenden sammeln. Aus den Lakunen des 
Fußes und des vorderen Manteitheiles führen Sammelvenen das Blut 
in den Truncus venosus!, welcher »unter dem Mastdarme in den Herz- 
beutel einmündet, und sich durch die ganze Länge desselben hinzieht«. 
Am Herzbeutel führt dies Gefäß den Namen Sinus Bojani oder Venen- 
sinus. Auf Einzelnes dieser längst bekannten Blutbahnen, so wie auf 
die Stromrichtungen, verweise ich für die Najaden auf Keser’s*, Lan- 
Ger’s* und von Hzssuing’s*, für die Mytiliden auf Lacaze Durniers’* und 
Sasarıer’s*, für beide außerdem auf Korımann’s* Angaben. Die Venen 
sind wirkliche Gefäße mit Endothelauskleidung, doch befinden sie sich 
in ihrer Entwickelung noch in einem nicht so weit vorgeschrittenen 
‚Differenzirungszustande als der arterielle Theil des Gefäßsystemes. Ein 
erweiterter Abschnitt des venösen Gefäßrohrs, der Sinus Bojani oder 
Venensinus, ist als Sinus, nach der Definition dieses, ein Gefäßbestand- 
theil mit Endothel. Dieses ist von EserrH ? und KoLımann ® nachgewiesen 
und meine Abbildung (Fig. 17) ist nach einem Präparate angefertigt, 
welches Herr Prof. Korımann die Güte hatte mir zur Verfügung zu 
stellen. Ein erweiterter Gefäßtheil, ein echter Sinus, ist auch noch 
der Herzbeutel selbst. In ihm sammelt sich das Blut, um nach zwei 
Richtungen abzufließen, nämlich durch die Blutbahnen des rothbraunen 
Organes und durch das BoJanus’sche Organ in das umgebende Medium. 


Mit Rücksicht darauf, dass das Gefäßsystem der Lamellibranchia- 
ten in allen seinen Theilen eine enorme Ausdehnungsfähigkeit besitzt, 
kann ich mich mit der Ansicht nicht befreunden, welche dort, wo 
solche Schwellungserscheinungen hauptsächlich auftreten, ein beson- 


4) Nähme man an, dass gefärbtes Wasser durch die Membran der F.’schen 
Zelle auf dem Wege der Endosmose in das Innere dringe, welches wäre dann das 
flüssige Medium, welches durch Endosmose aus dem Innern entwiche? Etwa das 
Zellprotoplasma ? 

2) Wer Diffusionserscheinungen der verschiedensten Art genauer studirt hat, 
muss sich gestehen, dass eine so schnelle Füllung, wie sie bei derlebenden Muschel 
durch »Selbstinjektion« eintritt, nicht auf Diffusion beruhen kann. 

3) Bei oftmals wiederholten Versuchen gelingt es, wenn man die frischen 
Thiere in Wasser legt, in welches man Magnesia- oder Karminpulver streute, diese 
festen Substanzen im Innern der in Frage stehenden Gebilde nachzuweisen — feste 
Körper aber diffundiren nicht. 

I KoLımans, in: diese Zeitschr. Bd. XXVI, p. 93. 

* Vgl. die im histor. Überblick citirte Litteratur. 

2 EBERTH, 1. c. 

3 KoLımAns, Bindesubst. der Acephalen. Arch. f. m. Anat. Bd. XIH. p. 563. 


Über das Gefäßsystem und die Wasseraufnahme bei den Najaden und Mytiliden. 19 


deres Schwellgewebe oder Schwellnetz hin verlegt. Schon Langer 1 
und von Hessting 2? haben diesen Ausdruck fürihre Kapillaren, nament- 
lich im Fuße und Mantel eingeführt, und Fıemmine 3 beschreibt als 
Schwellnetz enge, verästelte, kommunicirende Gänge mit sehr aus- 
dehnbarer Wand, welche zwischen den Schleimzellen liegen, Endothel 
hat darin nicht nachgewiesen werden können und der Ausdruck » laku- 
när« ist für dieselben zulässig. Wie ich schon bemerkt, sind nach 
Kormann’s* und meinen Untersuchungen die Gänge solide Gallert- 
balken und die von Fremnine als Schleimzellen in Anspruch genomme- 
nen Gebilde, die wirklichen Lakunen, durch welche im Fuße Wasser 
ad libitum eingenommen werden kann. Dass durch diese wirklichen 
Lakunen die Schwellungsfähigkeit der Muscheln noch vergrößert wer- 
den kann, ist desswegen einleuchtend, weil der Körperflüssigkeit durch 
sie noch größerer Raum zum Aushreiten geboten wird; denn die La- 
kunen sind »an und für sich beinahe ad infinitum erweiterbar«. 

Wollte man aber allein diesen wahren Lakunen das Schwellungs- 
vermögen der Thiere zuschreiben , so möchte ich doch glauben, dass 
dies zu einer Verkennung der Ausdehnungsfähigkeit der übrigen Blut- 
bahnen Veranlassung geben könnte. Und ferner, wollte man von 
lokalen Schwellgeweben reden, so findet sich, meiner Ansicht nach, 
dabei stets der Gedanke versteckt, als handele es sich um einen ge- 
schlossenen Kreislauf, bei welchem die Schwellung einzelner Körper- 
partien dann durch übermäßiges Zuströmen oder durch Aufstauen des 
Blutes einzig und allein bewirkt würde, während sie in Wirklichkeit 
doch nur die Folge der Wasseraufnahme ist. — 

Wenn es nun immer noch Forscher giebt, welche bei den Lamelli- 
branchiaten überhaupt jegliches Vorkommen von Lakunen in Abrede 
stellen, so hat dies wohl in einseitigen Untersuchungen seinen Grund, 
welche sich nur auf bestimmte Körperstrecken, namentlich auf die 
Kiemen beschränken, und von dort gefundenen Resultaten auf den 
gesammten Organismus schließen. — 

Über die Form und die Anordnung der Lakunen lässt sich nichts 
allgemein Gültiges aussagen. Ich kann nur den Äußerungen Korımann’s® 
beipflichten, dass dieselben in den Tentakeln eine besondere Anord- 
nung zeigen und in den Muskeln oft wie Gefäße aussehen. Letzteres 
Verhalten möchte ich ganz besonders betonen: Die später bei der 
Wasseraufnahme genauer zu beschreibenden Lakunen in dem Spinn- 


1 LANGER, |. c. 2 von HessLing, 1. c. 
3 FLEMMING, Arch. f. mikr. Anat. Bd. XIII, p. 833 sq. p. 859. 
4 KoLmAns, Bindesubst. d. Aceph. 5 Leeros, |. c. 


6 Korımans, Bindesubstanz der Acephalen. p. 567. 
I) * 


30 Hermann Griesbach, 


finger von Mytilus, welche einem allseitigen Muskeldrucke ausgesetzt 
sind, sehen mit ihren oft regelmäßigen Verzweigungen oft wirklichen 
Gefäßen täuschend ähnlich. 

Doch ich kann diesen Abschnitt nicht verlassen, ohne noch einmal 
auf einen wesentlichen Punkt der Gefäßfrage, welcher die sogenannten 
Kapillaren betrifft, zurückzukommen. 

Wenn ich vom histologischen Standpunkte aus mit anderen For- 
schern gewiss mit Recht diesen in Obigem genau beschriebenen Ge- 
fäßen den Charakter von Kapillaren zuerkenne, so muss ich ihnen vom 
physiologischen Gesichtspunkte aus in den bei Weitem meisten Ab- 
schnitten des Muschelorganismus denselben doch absprechen. 

Ein verhältnismäßig enges, mit Endothel ausgekleidetes, fein ver- 
ästeltes Gefäß ist noch keine Kapillare im physiologischen Sinne. Letz- 
terem gegenüber sind Arterien und Venen nur die ab- und zuführen- 
den Wege des Blutstromes, während den Kapillaren außerdem, dass 
sie direkte Blutwege zwischen Arterien und Venen sind, noch die 
physiologisch wichtigste Funktion des ganzen Gefäßapparates zufällt, 
nämlich, ohne Hinzutreten anderer Gebilde, die Wechselwirkung zwi- 
schen Blut- und Organflüssigkeit, die Aufnahme und Absonderung 
flüssiger und gasförmiger Produkte durch die dünnen Wandungen hin- 
durch zu bewerkstelligen. 

Aus diesem doppelten Grunde giebt es in dem größten Theile des 
Muschelleibes keine Kapillaren; denn das Blut fließt zwischen den ar- 
teriellen und venösen Bahnen durch wandungslose Gewebslücken, und 
das physiologische Moment der Diffusionserscheinungen tritt in den 
Hintergrund, während dafür der einfache Vorgang des Durchsickerns, 
Transsudirens und der Lebensprocess und die Metamorphose gewisser 
Zellen eine größere Rolle spielt. Das Blut ist zugleich Parenehym- 
flüssigkeit xar&£oynv; seinen Nahrungswerth erhält es auf zwei We- 
gen: erstens, durch Aufnahme von Chylus aus dem Darmkanale direkt 
durch Era seniten in die lakunären Bahnen der Darmleiste, zweitens, 
durch willkürliche Vermischung mit Wasser, durch die mit dem um- 
sebenden Medium in Verbindung stehenden Lakunen des Fußes. Das 
aufgenommene Wasser bildet ein Komplement dieser wunderbaren 
Ernährungsflüssigkeit. 

Während auf solche Weise bei einer Degradation des Gefäßsystems 
die Bedeutung eirkulirender Säfte als Parenchymflüssigkeit für den 
Ernährungsprocess zunimmt, kann auch von wirklichen Diffusions- 
erscheinungen im physikalisch-physiologischen Sinne nicht mehr die 
Rede sein. Sobald ferner das Gefäßsystem aufgehört hat ein geschlos- 
senes System zu bilden, sickert die Ernährungsflüssigkeit in Theile der 


Über das Gefäßsystem und die Wasseraufnahme bei den Najaden und Mytiliden. 21 


Leibeshöhle, welche dann in offener Kommunikation mit dem Cirku- 
lationsapparate steht und gewissermaßen ein Theil desselben ist, ja 
die Funktion eines venösen Sinus übernimmt. 

Es ist leicht herauszufühlen, worauf ich zusteure: Ich betrachte 
die ganzen venösen Blutbahnen mit Einschluss der Lakunen entwick- 
lungsgeschichtlich als Reste des Goeloms!, in welches die Arterien, die 
sich erst durch einen fortgeschritteneren Differenzirungsprocess aus 
demselben herausgebildet haben, mit mehr oder weniger feinen Ver- 
zweigungen einmünden. Venen und Sinus stehen dadurch, dass sie 
Endothel führen, schon auf höherer Stufe als die Lakunen, welche das 
primitive Goelom repräsentiren. — 

Ernährungserscheinungen,, wie sie hier vor uns liegen, sind um 
nichts wunderbarer als jede Ernährung überhaupt, wenn man bedenkt, 
dass alle Gewebe zunächst sich selbst durch Anziehung des ihnen homo- 
genen Stoffes bilden müssen, dass nicht die Blutgefäße als Bildner der 
Organe angesehen werden können, sondern dass sich diese vielmehr 
aus einer Flüssigkeit ernähren, von welcher sie selbst durchtränkt 
sind, welche sich nur aus dem Blute stets erneuert. — Ferner ist anzu- 
nehmen, dass bei solchen Ernährungsverhältnissen für die Assimila- 
tion und Exkretion gewisse Zellen sich betheiligen, und dahin rechne 
ich vor Allem die Rund- und Spindelzellen des Gallertgewebes, dass 
aber auch zu diesem Zwecke eine molekulare Umwandlung in der 
Grundsubstanz selbst vor sich geht, mit andern Worten, dass die In- 
tercellularsubstanz selbst physiologisch thätig? eingreift. 

An der Oberfläche der Organe nehmen die Zellen exkretorische 
Bedeutung an, wobei sie oft selbst einer Umwandlung, Abstoßung, 
Auflösung, unter stetem Nachrücken neuer Zellen, unterworfen sind, 
so zum Beispiel auf den Falten des Bosanus’schen Organes und am 
Mantel. Ein Hilfsmittel bei all diesen Vorgängen ist das durch den 
ganzen Organismus verbreitete Wimperspiel. — 

Eine osmotische Aufnahme von Sauerstoff und Abgabe von Kohlen- 
säure in den Kiemen halte ich für möglich, aber nicht für unbedingt 
nothwendig. Es ist bekanntlich durch neuere Untersuchungen über 


1 In BERGMANN U. LEUCKART u. in Hvxtey: Grundzüge d. Anatomie d. wirbel- 
losen Thiere, übersetzt von SpEnGEL, findet man p. 424 bereits ähnliche Andeutun- 
gen. — Über das Vorkommen eines Coeloms bei den Lamellibranchiaten spricht 
Sich soeben KoLLmann — K.’s und meine Anschauungen sind gänzlich unabhängig 
von einander entstanden — in einer Arbeit für die Jubelfeier der Würzburger Uni- 
versität aus. Fremmise ist der Ansicht, dass es bei den Lamellibranchiaten keine 
erkennbare Leibeshöhle gäbe (Habilitationsschrift p. 314). FAR 

® Vgl. KoLLmann, Strukturlose Membranen etc. Sitzungsber. der math. phys. 
Kl. d. k. bayr. Akad. d. Wissensch. 1876. Heft II. 


22 Hermann Griesbach, 


den Bau der Lamellibranchiatenkiemen 1! das Vorkommen lakunärer 
Blutbahnen in denselben mehrfach behauptet, aber auch Widerspruch 
dagegen erhoben worden 2. 

Bei Mytilus ist das Fehlen der Lakunen nach Bonner® und Koıı- 
MANN * ohne allen Zweifel. 

In diesem Falle sind die fadenförmigen Kiemen nur zum Zwecke 
der Respiration vorhanden, wir haben es in ihnen mit einer fortge- 
schrittenen Arbeitstheilung zu thun und diese Kiemenformen repräsen- 
tiren die höchste Entwicklungsstufe, es zeigt sich ein geschlossenes 
Gefäßsystem mit Diffusionsvorgängen für die Athmung. 

Anders liegen die Verhältnisse in den Najadenkiemen. Hier sind 
durch scharfe Beobachter5® Lakunen konstatirt worden und ihr Vor- 
kommen ist um so verständlicher, wenn man berücksichtigt, dass die 
Najadenkieme ein niedrigeres Entwicklungsstadium repräsentirt und 
zugleich als Brutbehälter dient. Aus den obigen Betrachtungen erhellt 
nun, dass das Vorkommen von wirklichen Kapillaren im Organismus 
der Lamellibranchiaten bei einigen Formen bis auf Null redueirt ist, 
bei anderen sich nur auf das Respirationsorgan beschränkt, doch steht 
auch hierüber die Frage noch offen. 


B. Die Wasseraufnahme. 

Wenn ich in den vorliegenden Mittheilungen bereits mehrfach an- 
gedeutet habe, dass das Gefäßsystem der Lamellibranchiaten auch mit 
dem umgebenden Medium in Verbindung stehe, so möchte ich jetzt 
genauer auf diese Umstände eingehen. | 

Ich will gleich vorausschicken, dass mir die des Weiteren ein- 
gehend zu beschreibenden Beobachtungen über die Wasseraufnahme 
nur an Najaden, namentlich an Anodonta gelungen sind, da hier im 
Binnenlande, weit entfernt von der Küste, Mytilus® im normalen Zu- 
stande schwer zu halten ist, und Dreyssena für solche Beobachtungen 
ein sehr ungeeignetes Objekt bildet. Dagegen erstrecken sich meine 
mikroskopischen Untersuchungen sowohl auf die eine, als auch auf die 
andere Familie. 

Über die Kammmuscheln und noch einige andere marine Familien 
hoffte ich zugleich Aufschluss geben zu können; da mir aber bisher 
nicht das nöthige Material, um welches ich in Neapel nachgesucht, zu 


1 Vgl. die Arbeiten von Posner, BONNET, HOLMAN PECcK. 

2 Korımann, Bindesubstanz der Aceph. p. 587. Vgl. auch Sep.-Abdr. aus d, 
niederl. Arch. f. Zoologie. Bd. V. p. 14. 45. 

3 BoNNET, 1. c. p. 322. 4 KoLımAann, Bindesubst, d. Aceph. p. 587. 

5 Vgl. die Arbeiten von Posner, BoxnET, HOLMAN PEck. 

6 Die Thiere kamen, obgleich in Seewasser verschickt, meistens halb todt an. 


Über das Gefäßsystem und die Wasseraufnahme bei den Najaden und Mytiliden, 23 


Gebote stand, so verspare ich eingehende Mittheilungen darüber auf 
ein anderes Mal. 

CARRIERE ist in seinen citirten Arbeiten einer Wasseraufnahme so 
entschieden entgegengetreten, dass frühere Untersuchungen gewissen- 
hafter Beobachtungen sämmtlich irrthümlich erscheinen, und ich glaube 
eine Berücksichtigung dieser wichtigen Frage ist um so nöthiger, da, 
so viel ich weiß, von keiner Seite Bestätigungsarbeiten, welche den 
Carrıöre’schen Ansichten beitreten, erschienen sind. — 

Wenn Anodonta und Unio sich an die Gefangenschaft einiger- 
maßen gewöhnt haben, und man dafür sorgt, dass das Wasser, in 
welchem die Thiere aufbewahrt werden, immer die nöthige Frische 
hat, so bemerkt man, dass dieselben meist mit etwas geöffneter Schale 
ruhig verharren. Streut man zu Pulver verriebene Substanzen in 
das Wasser, so sind in demselben Strömungen wahrzunehmen, 
obgleich die Oberfläche und die Thiere völlige Ruhe bewahren. 

Nur dann und wann sieht man an einer Stelle, an welcher eine 
Muschel mit ihrem hinteren Ende der Oberfläche zugekehrt liegt, das 
Wasser plötzlich aufwallen, als hätte ein Strahl von unten her gegen 
die Oberfläche gewirkt. — 

Am hintern Ende der Muschel ragt der Mantelsaum ein wenig 
zwischen den Schalen hervor und bildet hier die längst bekannten 
schlitzförmigen Öffnungen , welche in der Systematik als Eintheilungs- 
grund in Siphoniatae und Asiphoniatae Verwendung finden. Die 
beiden schlitzförmigen Abschnitte der hinteren Mantelgegend sind 
unter dem Namen Athem- und Kloakenöffnung bekannt. 

Bei Mytiliden (Dreyssena) ragen dieselben mehr röhrenartig, ver- 
hältnismäßig weiter zwischen den Schalen hervor als bei Najaden. 
Der obere, mehr dorsale, dem Schlosse zunächst liegende Schlitz ist 
die Kloakenöffnung,, der unter ihr mehr ventral gelegene, ist die 
Athemöffnung. An dieser, der größeren von beiden, ist der Mantel- 
rand mit kegelförmigen Papillen, den sogenannten Manteltentakeln be- 
setzt, während am Rande der Kloakenöffnung sich meist nur schwache 
Runzeln befinden. 

Streut man in die Nähe einer, mit ihrem hinteren Ende der Ober- 
fläche zugekehrten Anodonta feine Karminkörnchen, und dirigirt die- 
selben beim Untersinken ein wenig mit der Nadel, so sieht man, dass 
an der Athemöffnung ein fortwährendes Einströmen,, an der Kloaken- 
öffnung ein Ausströmen stattfindet. | 

Unter dem Mikroskope kann man mit schwachen Linsen diese Er- 
scheinungen wunderschön bei Gyclas cornea beobachten, welche im 
Uhrschälchen mit Wasser weit ihre Siphonen ausstreckt. 


24 Hermann Griesbach, 


Die Flimmereilien sind. bei diesen Strömungen lebhaft betheiligt ; 
ihre Schwingungen gehen an der Athemöffnung von außen nach innen, 
an der Kloakenöffnung umgekehrt vor sich. Operirt man geschickt, 
so gelingt es sowohl im einen als auch im anderen Falle die Karmin- 
körnchen in die Nähe dieser Mantelöffnungen zu bringen, rapide 
schlüpfen sie in die Athemöffnung hinein, in die Nähe der Kloaken- 
öffnung gelangt, werden sie heftig fortgeschnellt, auch sieht man aus 
derselben dann und wann die durch die erstere aufgenommenen Körn- 
chen herausfliegen. Plötzlich scheinen die aufgenommenen Fremdkör- 
per dem Thiere Unbehagen zu verursachen, und aus dem Athem- 
schlitz erfolgt unter Kontraktion der Ränder und Schließbewegung der 
Schalen ein heftiger Wasserauswurf, der, alles Aufgenommene mit sich 
reißend, strahlartig gegen die Oberfläche stößt und diese emporwallen 
lässt. Nach einiger Zeit beginnt das Spiel von Neuem (vgl. Fig.1). — 

Dass durch diese Öffnungen Athemwasser, welches die Kie- 
men umspülen soll, zwischen die Schalen eingesogen und aus 
denselben ausgeschieden wird, dass zugleich Nahrungsstoffe auf 
diesem Wege dem Munde zugeführt werden, ist Jedem bekannt. 
Indess da meine sämmtlichen Beobachtungen desswegen angestellt 
wurden, die Frage nach der Wasseraufnahme in das Innere des Orga- 
nismus zu entscheiden , so machte ich allerhand weitere physiologische 
Experimente. Zunächst führte ich stumpfe Kautschuksonden in die ge- 
nannten Öffnungen. Eine Trennung der Schalen zeigte stets ihre Lage 
im Kiemengange; nur einige Male gelangte die, durch die Kloakenöff- 
nung eingeführte, Sonde per anuminden Darm. Dafiel mir dievon Hess- 
zing’sche Hypothese von dem Offenstehen der Kiemenvene ein, und ich 
kam auf den abenteuerlichen Gedanken, dass vielleicht ein Gefäßzweig 
der Darmleiste im After oder dicht vor demselben offen in das um- 
gebende Medium ausmünden möchte. Wiederholte Untersuchungen 
mit Sonde und Lupe ließen eine Öffnung nicht auffinden. Ich blies 
Luft auf den After und dessen Umgebung, ich spritzte gefärbte Flüssig- 
keit aus einem, an der ausgezogenen Spitze knopfartig abgeglühten, 
am anderen Ende mit einer ballonartigen Gummipression versehenen 
Glastubus, weder Luft noch Färbemittel drangen durch irgend eine 
Öffnung in das Innere der Gewebe. Gleichzeitig habe ich mich der- 
selben Methoden bedient um etwa vorhandene Spalten an den Kiemen- 
venen oder Mantelrändern zu ermitteln, — stets vergebens; derartige 
Öffnungen existiren nach meinen, mit Genauigkeit angestellten, Unter- 
suchungen nicht. Dieselben Versuche wurden an der Athemöffnung 
wiederholt, stets mit dem Erfolge eine Öffnung für Wasseraufnahme 
oder -abgabe nicht gefunden zu haben. 


Über das Gefäßsystem und die Wasseraufnahme bei den Najaden und Mytiliden. 25 


Überlegend, dass, wenn wirklich in diesen Gegenden Ein- oder 
Ausfuhröffnungen existirten, diese immerhin groben Methoden an der 
Feinheit und dem schnellen Schließen derselben scheitern möchten, 
sann ich auf andere Mittel. 

Bringt man ein großes Thier in die denkbar bequemste Lage zum 
Lichte und zum Auge des Beschauers, so kann man nur im vordersten 
Theile der Öffnungen, weil es im Innern zu dunkel ist, die nächste 
Umgebung erkennen. Desswegen versuchte ich künstliche Erhellung. 
Im dunklen Zimmer, welches nur während der nöthigen Operation 
durch eine Kerzenflamme erhellt wurde, ließ ich durch eine schlitz- 
förmige Spalte am Fensterladen mit Hilfe von allerhand Spiegelvor- 
richtungen Sonnenstrahlen einfallen; dann brachte ich das Wasser- 
gefäß mit einer, ihr hinteres Ende der Oberfläche zukehrenden mäch- 
tigen Anodonta! in solche Stellung, dass die Lichtstrahlen das Thier 
unter Erhellung der betreffenden Öffnungen streiften. Der Lichtreiz 
bewirkte ein augenblickliches Zusammenziehen der Schalen, ein hoch- 
interessanter Punkt, der zu weiteren Untersuchungen Veranlassung 
geben mag. Indessen gelang es mir durch allmähliche Koncentration 
der Lichtstrahlen einige Male mit schöner Beleuchtung direkt und, da 
ich ohne den Lichtstrahl abzuschneiden das Auge nicht nahe genug 
vor die Öffnungen bringen konnte, an Spiegelbildern in die geheimnis- 
vollen Höhlen hineinzuschauen. Auch jetzt konnte ich nichts von Öff- 
nungen, von Ein- und Ausströmen des mit Karmin- oder Kohlenpulver 
vermischten Wassers wahrnehmen. Es schien mir jetzt nöthig, die in 
die Athemhöhle eindringenden Farbepartikelchen weiter zu verfolgen. 
Wiederum wurden große Anodonten als Versuchsobjekte vorgenommen. 
Nachdem eine ziemlich große Anzahl von Farbstoffkörnchen, ohne dass 
ein Wasserauswurf erfolgte, auf dem beschriebenen Wege eingeschlüpft 
waren, wurden die Thiere geöffnet und der Farbstoff, wenn nöthig 
mit der Lupe, aufgesucht. Die Körnchen lagen, von Körperschleim 
festgehalten, längs der Kiemengänge, nach vorn zu an den Mundten- 
takeln und in der Umgebung des Mundes und endlich in der Nachbar- 
schaft der Ausmündungsöffnung des Bosanus’schen Organes. Obgleich 
ich mich schon früher gegen eine Wasseraufnahme durch das Bosanus- 
sche Organ ausgesprochen hatte?, so nahm ich doch Veranlassung aufs 


! Es sei mir zu bemerken hier gestattet, dass alle Versuche, welche auf die 
'Wasseraufnahme Bezug haben, durch die Auswahl möglichst großer Thiere etwas 
erleichtert werden. Ich habe Exemplare benutzt, deren gewöhnliches Maß 12 bis 
15 cm betrug, doch auch 20 und 22 cm lange Thiere standen mir einige Male 
zu Gebote. Diese Riesen-Anodonten bezog ich aus einem Flüsschen: Schwarzau, 
welches sich unterhalb Lübeck in die Trave ergießt. Auf Wunsch werden solche 
Exemplare von der Apotheke in Schwartau besorgt. 2 GRIESBACH, 1. C. 


236 Hermann Griesbach, 


Neue diesen Punkt zur Untersuchung heranzuziehen. Ich öffnete vom 
angegebenen Punkte aus das Organ und suchte mit der Lupe zwi- 
schen den Falten desselben, ferner in der Vorhöhle und im Pericar- 
dium nach Karminkörnchen. Unter 20 Versuchen habe ich nur ein 
einziges Mal ein einzelnes Korn dicht hinter der Ausfuhröffnung in 
einer Falte eingeklemmt gefunden. Ich erkläre mich nach wie vor 
gegen eine Wasseraufnahme an diesem Orte. 


Doch außer der beschriebenen Stromrichtung der Farbstoffparti- 
kelchen ist noch eine andere vorhanden. An der Stelle, wo die 
Kiemenlamellen paarweise aus einander weichen, um den Fuß zwi- 
schen sich zu nehmen, zweigt sich eine Stromlinie ab, auf welcher 
der Farbstoff schräg über die Seitenflächen des Fußes zu dessen Kante 
geführt wird. Von jetzt ab koncentrirten sich meine Beobachtungen 
auf die Fußschneide, auf welcher ja, nach so vielen scharfen Beobach- 
tern, die betreffenden Öffnungen für eine Wasseraufnahme in das 
Innere des Organismus sich finden sollten. 

Nach mühevollen Untersuchungen — Jeder der selbst Hand an- 
legt, wird das Mühevolle derselben kennen lernen — ist es mir ge- 
lungen positive Resultate über die Wasseraufnahme mittheilen zu 
können: Es befinden sich auf der Fußkante von Anodonta und Unio 
(Fig. 2 und 3) 3 schlitzförmige Spalten. Die erste, kaum 4 mm lang, 
liegt ganz vorn auf der Spitze des Fußes (vgl. den Querschnitt Fig. %). 
Bei einer 13cm langen Anodonta befindet sich an dem, erschlafft 7 cm 
in die Länge und A cm in die Breite messenden, Fuße, von der vorde- 
ren Öffnung um 4,5cm entfernt ein zweiter Schlitz, der etwas über 
3mm (3,1) lang ist, und nach hinten zu, von diesem um 0,9cm ent- 
fernt die dritte, etwas über Qmm (2,2) messende Öffnung (vel. 
Fig. 2 und 3). Von einer Breitenmessung dieser Öffnungen im nor- 
malen Zustande kann nicht die Rede sein, ich habe keine derselben je 
klaffen sehen, sondern ihre Ränder liegen fest an einander, und nicht 
ein Haar könnte eindringen, ohne die Wände zu berühren. Nur bei 
Unio klafft, wenn das Thier fast abgestorben ist, die mittlere Öffnung 
bisweilen und dann beträgt ihre Weite ungefähr 0,5mm. von Hzssring 1 
hat bei Unio nur die mittlere Öffnung gekannt, die er nach Lage und 
Maß richtig beschreibt. Bekanntlich hat von Baer ? die schlitzförmigen 
Öffnungen, und zwar als der Erste, gesehen, er nahm Anfangs auch 
drei Öffnungen an; hernach spricht er von neun bis zehn derselben, die 
meiner Ansicht nach aber Zerreißungen sind. Es erscheint überflüssig 
die Namen sämmtlicher Autoren, von denen wir über solche Öffnungen 


1 vox Hessuisg, 1. c. p. 238. Taf. II. Fig. 4 u. 2. 2 von Bazr, 1.1. c. c. 


Über das Gefäßsystem und die Wasseraufnahme bei den Najaden und Mytiliden. 37 


vernehmen, hier nochmals zu repetiren. Zuletzt hat eingehender 
Korımann! über dieselben berichtet. 

Was Zerreißungund was normale Spalte ist, fällt aufden ersten Blick 
dem Eingeweihten zu unterscheiden nicht schwer. Durch Berstungen 
entstandeneRisse zeigen dem unbewaffneten Auge, besser unter derLupe 
und auf Querschnitten unter dem Mikroskope gezackte Ränder mitin ein- 
zelnen Fetzen abgestreiftem Epithel. Die wahren Öffnungen haben glatte, 
lippenartig gewulstete Ränder, und das Epithel zeigt sich unter dem 
Mikroskope, wenn man vorsichtig gearbeitet hat, unlädirt (Fig. 5). — 

Um die Pori aquiferi 2, wie ich sie zurErinnerung an DELLE CHIAJE 
mit anderen Forschern nenne, bei den Najaden aufzufinden und ihren 
Zusammenhang mit dem Gefäßsysteme zu konstatiren, habe ich folgende 
Methoden eingeschlagen. Frisch gefangene Thiere, welche den Fuß 
weit aus der Schale streckten, nahm ich schnell aus dem Wasser und 
presste gelinde die Schalen zusammen, um das Zurückziehen des Fußes 
zu verhindern. Es traten an den verschiedensten Stellen die bekann- 
ten Wasserstrahlen auf. Drei Strahlen zeichnen sich durch ihre größere 
Dicke und ihre geringere Kraft, und in Folge dessen durch ihre Kürze 
von den anderen aus. Sie treten, wenn überhaupt, unveränderlich, 
einer auf der Spitze des Fußes und zwei dicht neben einander unge- 
fähr auf der Mitte der Fußschneide auf. Selten sieht man alle drei 
Strahlen zugleich, meistens erscheint nur einer und zwar der, welcher 
aus derdritten Öffnung, von vorn aus gerechnet, hervortritt, oder diese 
und die erste der drei Öffnungen werfen zugleich Wasser aus. Manch- 
mal sieht man aus der Fußschneide gar keinen Wasserstrahl austreten, 
wenn man dann den Fuß sanft an der Stelle, wo die mittleren Öff- 
nungen liegen, zwischen zwei Finger drückt, so sieht man oft, wie 
Wasser aus der mittleren größten Öffnung, nicht etwa strahlartig, ent- 
leert wird, sondern , kaum sich über die Ränder erhebend, nur über- 
fluthet. Nachdem ich mich durch viele derartige Versuche über die Lage 
der Öffnungen ungefähr orientirt hatte, ging ich daran, sie am abge- 
storbenen Thiere aufzusuchen. Zu diesem Zwecke ließ ich frisch ge- 
fangene Anodonten und Unionen, ohne sie in der Gefangenschaft mehr 
anzurühren, indem ich allmählich mit dem Erneuern des Wassers auf- 
hörte und nach fünf Tagen etwas Essig zusetzte, langsam absterben. 
Der vorgestreckte Fuß war schließlich erschlafft und Kontraktionser- 
scheinungen traten nicht mehr ein. Mit einem weichen Pinsel wurde 
der an der Fußkante haftende Schleim vorsichtig entfernt und dann 
mit der Lupe die ganze Schneide abgesucht. Ich fand so die drei Öff- 


1 Korımann, in: diese Zeitschr. Bd. XXVI. p. 96—99. 
2 Bei DELLE CHiaJE: Fori aquiferi. 


38 Hermann Griesbach, 


nungen, wie ich sie beschrieben und abgebildet, keine weniger und 
keine mehr!. — 

Es leuchtete mir ein, indem ich zugleich an die Aussprüche ver- 
schiedener Autoren dachte, dass, wenn ich den Versuch machen würde 
in diesem schlaffen Zustande durch eine der Öffnungen zu injieiren 
und dann die Masse sich hernach in der Blutbahn fände, damit absolut 
kein Beweis für den Zusammenhang der betreffenden Öffnungen mit 
dem Gefäßsystem geliefert sei. Selbst dem geschicktesten Injektions- 
techniker würde, ohne Zerreißungen beim Einführen des Instrumen- 
tes zu bewirken, eine Füllung nicht gelingen. Aus diesem Grunde 
habe ich von einer derartigen Injektion stets Abstand genommen. 

Aber wie denn den Nachweis liefern, dass das Gefäßsystem durch 
diese Öffnungen nach außen mündet? Schon oftmals hatte ich, ohne 
besonders darauf zu achten, gesehen, dass, wenn die Muscheln mit 
leicht geöffneten Schalen ruhig im Wasser verharren, die an einander 
liegenden Mantelränder, welche wulstartig am Schalenrande hervor- 
quellen, an ein oder zwei Stellen, meist in der Mitte und vorn am 
Maule, einen ähnlichen Schlitz offen lassen, wie Athem- und Kloaken- 
öffnung ihn vorstellen (Fig. 6). 

Ich nahm jetzt mehrere Thiere, legte jedes in eine besondere 
Schale, etwas schräg mit der ventralen Seite der Wasseroberfläche 
zugekehrt und wartete bis solche Schlitze sich zeigten. Dann griff ich 
zum Karmin und dirigirte die Körnchen in die Nähe der Öffnungen. 
In der Mundgegend schlüpften die Körnchen langsam, manchmal unter 
strudelartiger Bewegung in die Mantelspalte hinein, das Auffinden der 
Körnchen in der Mund- und Magenhöhle zeigt, dass auf diesem Wege, 
wenn die Schalen ein wenig geöffnet sind, Nahrungssubstanzen ein- 
dringen. Ich gab dem Thiere absichtlich keine ganz dorsale, sondern 
etwas schräge Lage, damit nicht die Karminkörnchen, die ich ferner 
in die Nähe des mittleren Mantelschlitzes brachte, durch ihre eigene 
Schwere hineinsinken möchten. Ich fand, dass hier in derselben Weise 
wie an dem Athemschlitze die Körnchen, nur weniger geschwind, in 
der Öffnung verschwanden. Ungefähr an dieser Stelle aber liegen die 
zwei mittleren Pori aquiferi. Meine Untersuchungen, ob unter den be- 
schriebenen Verhältnissen fein verriebenes Karminpulver durch sie in 
den Fuß eindringen möchte, blieben ohne den gewünschten Erfolg. 
Nimmt man aber den Glastubus mit Gummipression, schiebt ihn vor- 
sichtig in diesen Mantelschlitz, oder wenn derselbe nicht vorhanden ist 
einfach an dieser Stelle zwischen die Schalen und komprimirt rasch 


! Auch die von FLemning (Arch. f. mikr. Anat. Bd. XV p.253, 254) angegebene 
Gefrierungsmethode ist für das Aufsuchen zweckmäßig. 


Über das Gefäßsystem und die Wasseraufnahme bei den Najaden und Mytiliden. 29 


den Ballon, so dringt ein Theil gefärbter Flüssigkeit, ohne dass Zer- 
reißungen eintreten, da der Tubus gar nicht die Fußschneide zu be- 
rühren braucht, durch die hier befindlichen zwei Pori aquiferi in das 
Innere des Fußes und man sieht nach dem Öffnen und nach sorgfälti- 
gem Abwaschen denselben deutlich innerlich gefärbt. 

Eine Injektion an dieser Stelle gelingt auch mit etwas dickflüssi- 
geren Substanzen, wenn man das den Fuß ausstreckende Thier aus 
dem Wasser hebt und den Glastubus vorsichtig aber schnell in den 
mittleren Wasser entleerenden Porus schiebt. Zerreißungen können 
vorkommen in Folge des Umstandes, dass sofort eine heftige Kontraktion 
eintritt, und überdies durch dieselbe das Gefäßsystem an dieser Stelle 
förmlich abgeschnürt wird, so dass die Masse am weiteren Vordringen 
verhindert ist. 

Wenn nun diese beiden Versuche, und namentlich der erstere, 
die Annahme eines Wassereintrittes durch die Pori aquiferi, wenn auch 
nicht beweisen, so doch bestärken, so ist dadurch doch keineswegs 
ausgeschlossen, dass im normalen Zustande die betreffenden Öffnungen 
nicht als Ausfuhrstellen fungiren möchten. 

Doch hierüber giebt vielleicht die Methode der Selbstinjektion (sit 
venia verbo) Aufschluss. Die nachstehend mitgetheilten direkten Er- 
gebnisse der Beobachtung betreffen nur Anodonta und Dreyssena. 

27. Mai 1882. Nachm. 3 Uhr. Von sechs Anodonten (meist A. 
cellensis) aus dem Rhein-Rhöne-Kanal, fast auf jeder derselben haben 
sich einige Dreyssenen angesponnen, haben vier Thiere 48 Stunden 
ohne Erneuerung des Wassers verbracht, zwei sind 48 Stunden lang 
stark fließendem Wasser ausgesetzt gewesen. Alle sechs haben die 
Schalen überall fest geschlossen, auch die Dreyssenen haben die sipho- 
nenartigen Mantelschlitze eingezogen. 

3 Uhr 10 Min. Von den genannten vier Anodonten wird jede in 
eine mit frischem Wasser, welches durch Jodgrün gefärbt ist, gefüllte 
Schale gelegt, die zwei letzteren Thiere werden in eine frisch bereitete 
Silberlösung (1:5) gethan. 

I. Anodonta 4 in Jodgrün. 4 Uhr 21 Min. Die-Schalen sind leicht 
geöffnet, die Wasserströmungen an den hinteren Mantelschlitzen sind 
sichtbar. — 7 Uhr 30 Min. wird das Thier aus dem Wasser genommen 
und geöffnet. Herzthätigkeit annähernd normal, — Fuß an der Kante 
und innerlich grün gefärbt. — Die angesponnenen Dreyssenen zeigen 
nach dem Öffnen schwache grüne Färbung des Spinnfingers und des 
übrigen Fußtheiles. 

Anodonta2 in Jodgrün. Am 28. Mai Mittags 12 Uhr geöffnet. 
Schalen waren geschlossen. Herz pulsirt schwach. Fuß ist in seiner 


30 ; Hermann Griesbach, 


ganzen Ausbreitung innerlich violett! gefärbt. Dieselbe Färbung 
findet sich in Mantel und Kiemen, das Bosanus’sche Organ erscheint 
schwach grün. 

2 Dreyssenen erscheinen nach dem Eröffnen schwach grün im Fuße. 

Anodonta 3 in Jodgrün, zur selben Zeit geöffnet. Die Schalen 
waren geschlossen. Herz pulsirt nur noch bei Reizung und ist mit 
violetter Flüssigkeit gefärbt, eben so Kiemen und Mantel, schwach und 
nur stellenweise violett sind Fuß und Bos. Organ. In drei Dreyssenen 
ist ein Farbstoff deutlich nicht nachweisbar. 

Anodonta # in Jodgrün. Schalen ein wenig geöffnet, wird 
Nachm. 3 Uhr geöffnet. Das umgebende Wasser ist heller geworden 
und violett schillernd. Herz pulsirt ziemlich normal. Alle Organe, 
auch das Bos. Organ, sind fast gleichmäßig violett gefärbt, doch das 
Bos. Organ am schwächsten. Dreyssenen nicht vorhanden. 

II. Anodonta A (5) inSilberlösung ?Nachm. 4 Uhr geöffnet. Herz- 
stillstand, schmutzig weiß gefärbte schleimartige Massen bedecken die 
Kloaken- und Athemöffnung und zeigen unter dem Mikroskop Blut- 
körperchen. Thier wird sofort in destillirtem Wasser sorgfältig abge- 
waschen, Kontraktionserscheinungen noch schwach vorhanden. Das 
ganze Thier wird der Länge nach durchgeschnitten, überall innerlich ist 
Silber redueirt, nach einiger Zeit tritt Nachdunkelung ein. Zwei 
Dreyssenen innerlich überall braun gefärbt. 

Anodonta2 (6) in Silberlösung zeigt 5 Uhr 21 Min. klaffende 
Schalen, wird geöffnet und ist völlig abgestorben. Die Untersuchung 
ergiebt dasselbe Resultat wie No. (5) II. — Dreyssenen nicht vorhanden. 

Aus diesen Versuchen geht deutlich hervor, dass Wasser in den 
Organismus aufgenommen wird und zwar allem Anscheine nach durch 
- den Fuß; dennoch ist immer noch nicht mit Bestimmtheit zu sagen, ob 
dieser nur dem Eintritte oder auch dem Austritte von Wasser diene, 
oder wo letzterer sonst zu suchen sei. — Interessant ist die Beobach- 
tung, dass das Jodgrün durch den starken Kalkgehalt namentlich im 
Mantel und in den Kiemen, am wenigsten, oft gar nicht im BoJanus- 
schen Organe, in einen violetten Stoff umgewandelt wird, derselbe ent- 
steht so, dass die Basis des Salzes abgeschieden wird. Man kann diesen 
Process im Laboratorio ad oculos demonstriren durch einfachen Zusatz 
von Kalkwasser. Doch es kam mir darauf an, wenn möglich die Thiere 
während der Wasseraufnahme zu beobachten, und es fielen mir die Ver- 


1 Vgl. den Text gleich nach der Beobachtunsstabelle. 

2 Die Selbstinjektion mit Silberlösung wurde namentlich angestellt, um in den 
verschiedenen Gefäßpartien eine Endothelauskleidung, wo solche vorhanden, nach- 
zuweisen. 


Über das Gefäßsystem und die Wasseraufnahme bei den Najaden und Mytiliden. 31 


suche Lrypıg’s an Cyclas cornea ein, bei welchem Thiere nach genanntem 
Forscher feine Porenkanäle direkt »in das Lakunennetz, mit anderen 
Worten in das Blutgefäßsystem, einmünden«!. Sofort verschaffte ich 
mir Cyclas cornea aus dem Rhein-Rhöne-Kanal und legte das Thier, in 
einem Uhrschälchen mit frischem Wasser befindlich, unter dasMikroskop. 
Das Thier reckte seinen zungenförmigen Fuß und seine Siphonen weit 
heraus. Eine Beobachtung ist nicht schwierig, da sich die Thiere meist 
durch eine Bewegung des Uhrglases nicht beunruhigt fühlen und den 
Fuß in der ausgestreckten Lage lassen. 

Ich hatte bei meinen Beobachtungen es nur mit alten Thieren zu 
thun, doch kann ich die Leypıe’schen Angaben hinsichtlich der Flimmer- 
hewegungen bestätigen. Einige Male glaubte ich, wie ich in meiner 
vorläufigen Mittheilung? berichtet, den Eintritt pulverförmiger Sub- 
stanz mit dem Eintritt. des Wassers durch den Fuß konstatirt zu haben, 
doch ist mir dies jetzt wieder zweifelhaft, da mehrere spätere Versuche 
ein negatives Resultat ergaben; mit Jodgrün gefärbtes Wasser aber 
habe ich deutlich aufnehmen sehen 3. Aber ich war so glücklich, auch 
junge Anodonten mit ausgestrecktem Fuße im Uhrglase unter dem Mikro- 
skope mit schwachen Linsen bei auffallendem Lichte zu beobachten. 

Ich verwendete hierzu 2,3 bis 3,5 cm große frisch gefangene 
Thiere (Anod. cellensis aus dem Rhein-Rhöne-Kanal). Wer täglich 
‚mit unseren Najaden herumoperirt, dem werden auch die jetzt zu be- 
schreibenden Beobachtungen, durch welche die Frage nach der Wasser- 
aufnahme positiv beantwortet wird, bei einiger Geduld gelingen. 

Auf der ganzen Fußschneide, überhaupt überall auf dem Fuße 
herrscht ein lebhaftes Wimperspiel. An den Stellen, wo die Pori 
aquiferi liegen, schlagen längere Wimpercilien als an anderen Fußab- 
schnitten. Den ersten der Pori aquiferi sieht man wegen seiner außer- 


1 Leynie, 1. c., Über Cyclas cornea. p. 47. 
2 Biolog. Centralblatt. Bd. II. No. 10. 
3 von [HERING berührt in seiner Ontogenie von Cyeclas etc. in: diese Zeitschr, 
Bd. XXVI, p. 449 auch diesen Punkt. v. Inerıne wirft Leynie vor, er habe 
die sogenannten Epithelrinnen des Fußes für in das Innere derselben führende Ka- 
näle gehalten. Ich betone, dass von besonderen Kanälen nicht die Rede sein 
kann; dass aber gefärbte Flüssigkeiten wirklich von der Fußkante aus in das Innere 
eindringen, und nicht etwa nur durch die Flimmerbewegung in den Epithelrinnen 
des Fußes äußerlich vertheilt werden, muss ich nach meinen Beobachtungen bei 
Cyclas als auch bei Anodonta positiv festhalten. 
Ein geübter mit dem Gegenstand vertrauter Beobachter hält beide Erschei- 
nungen leicht aus einander. 
v. Inerıng hat auf Querschnitten nur die Rinnen gesehen; er wird wohl keine 
Serienschnitte angefertigt, und nicht nach vorherigem Aufsuchen der Pori aquiferi 
in den betreffenden Fußabschnitten direkt durch diese Schnitte gelegt haben. 


32 Hermann Griesbach, 


ordentlichen Kleinheit nicht deutlich, die beiden mittleren sind, nament- 
lich wenn der Fußrand ein wenig umgeschlagen wird, schön wahr- 
zunehmen. _ 

Ich streute Magnesia usta, welche ich wegen ihrer Feinheit und 
ihres Ausbreitens beim Untersinken für derartige Versuche sehr em- 
pfehlen kann, in die Nähe der Fußkante. Die Bewegung der Cilien 
ergriff auch das Pulver und Spuren desselben drangen mit dem Wasser 
in das Innere ein, eben so bei anderen Versuchen Jodgrün und Kar- 
minpulver. Da das Thier den ausgestreckten Fuß nicht ganz ruhig hält, 
sondern stets leichte Kontraktionswellen darüber hinweglaufen, so 
kann man streckenweise unter dem Mikroskop deutlich den Blutstrom 
verfolgen, der im Verein mit der äußeren Flimmerbewegung einen 
seltsamen und schönen Anblick gewährt. Ein Herausschnellen der 
Farbstoffpartikelchen oder einen Wasserauswurf aus den Pori aquiferi 
in diesem Zustande habe ich nie wahrgenommen. 

Somit muss ich denn nach allen diesen eingehenden und lange 
Zeit fortgesetzten Untersuchungen das Resultat so formuliren: 


Die Najaden besitzen auf der Schneide des Fußes 3 Pori aquiferi, 
welche im normalen Zustande die direkte Wasseraufnahme in das 
Blut vermitteln. 

Ehe ich weiter gehe, möchte ich eine Rechtfertigung dieser etwas 
in die Länge gezogenen Mittheilungen über die angestellten Beobach- 
tungen versuchen. Es handelte sich darum, eine wichtige Frage, 
welche von den meisten Forschern allerdings als bejaht angenommen 
wurde, welche thatsächlich aber seit 1826 unerledigt schwebt, und 
welche in neuester Zeit noch obendrein eine Anfechtung durch Car- 
RIERE erlitien hat, endlich einmal mit untrüglichen Beweisen zu ver- 
neinen oder zu bejahen, und da kann man nicht genügend Beobach- 
tungsresultate als Beweismittel beibringen. — 

Ich komme jetzt zu der Wasseraufnahme bei den Mytiliden. Aus 
dem historischen Überblicke ist ersichtlich, dass man schon lange ge- 
glaubt hat, die Querspalte vorn auf der unteren Fläche des Spinn- 
fingers von Mytilus und anderen Mytiliden diene der Wasseraufnahme. 
In neuerer Zeit hat Korımann! die Füße von Pecten, Spondylus und 
Mytilus geradezu als»Wasserröhren« bezeichnet, und SAaBaArıer's 2 schöne 
Untersuchungen sprechen sich ebenfalls für die Wasseraufnahme an 
diesem Orte aus. 

Hinsichtlich der Spalte verweise ich auf die Abbildung, welche 
SıBATIER davon giebt (Fig. A4 auf Taf. 27). Er nennt sie: Orifice, 


1 KoLLMAnN, in: diese Zeitschr. Bd. XXVI. p. 97. 
2 SABATIER, 1. C. p. 458—463. 


Über das Gefäßsystem und die Wasseraufnahme bei den Najaden und Mytiliden. 33 


qui fait communiquer lacavite du systeme sanguin avec l’eau au milieu 
de laquelle l’animal est plonge. SABATIER nennt sie orifice du systeme 
aquifere, doch wäre es sicher besser, in Anbetracht dessen, dass ein 
Wassergefäßsystem, auch seiner eigenen Annahme nach, nicht existirt, 
derartige Namen, welche so entschieden daran erinnern, ganz zu ver- 
meiden. Dass die Öffnung am lebenden Thiere schwer zu finden sei, 
kann ich nicht behaupten, wenigstens findet man sie leichter, als die 
Pori aquiferi der Najaden. Um die Öffnung für eine Kanüle zugängig 
zu machen, ließ ich die Thiere in mit Essig vermischtem Flusswasser 
absterben. Physiologische Experimente habe ich nicht anstellen kön- 
nen, da es mir nicht möglich war, die Thiere in der Gefangenschaft 
im normalen Gesundheitszustande zu halten. Doch hoffe ich auch durch 
meine Injektionen und mikroskopischen Analysen zum Ziele gelangt zu 
sein. Eine ähnliche Öffnung findet sich an derselben Stelle bei 
Dreyssena (Fig. 7); nur sind alle Untersuchungen an diesem Thiere 
wegen der Kleinheit des Spinnfingers weit schwieriger und brauch- 
bare Injektionen gelingen selten und nur bei vieler Übung. 

Diese Pori aquiferi führen nun bei Mytilus und Dreyssena in einen 
kanalartigen Gang, in welchen man bei Mytilus eine stricknadelstarke 
Kautschuksonde, ohne ihn erheblich auszudehnen, einführen kann. 
Bei Dreyssena ist der Gang, der Kürze und Kleinheit des Spinnfingers 
entsprechend, enger. Der Porus aquiferus ist bei beiden Thieren 
(vgl. SaBarıer, l.c. T.27, Fig. 1%) von einer kleinen, mehr oder weniger 
kreisförmigen Vertiefung umgeben (Dreyssena Fig. 71). Das Pigment 
in den Epithelzellen von Mytilus fehlt an dieser Stelle, und diese er- 
scheint hell. Das Epithel ist cylinderförmig und trägt Wimperbesatz. 
Die Zellen (Fig. 10, Ene. u. Hens. Syst. 4. Oc. I) sind 0,045 mm lang 
und 0,009 mm breit, ihr Kern mist 0,0075 mm in der Länge und 
seine größte Breite beträgt 0,004 mm; die Cilien haben eine Länge 
von 0,025 mm. 

Auch Dreyssena führt Cylinderepithel mit Wimpern. Die Zellen 
(Fig. 44, Eng. u. Hens. Syst. #4. Oc. I) sind 0,0475 mm lang u. 0,00375 mm 
breit, desNucleus Breite beträgt 0,00275 mm und seine Länge 0,005mm, 
die der Cilien ist 0,0075 mm. Der kanalartige Gang ist schon von 
TurLserg ! gesehen und sowohl auf Längs- als auch auf Querschnitten 
(vgl. seine Fig. 4 fn, 2 c) richtig abgebildet worden. Turısere aber 
hielt denselben einfach für ein starkes Gefäß und lässt ihn auch nicht 
mit der Querspalte ausmünden (vgl. seine Fig. 4 fc). Carrıire hat 
diesen Gang überhaupt nicht gesehen, obgleich er doch nach der Turı- 

1 Tycuo TuLLBERG, Über die Byssus des Mytilus edulis. In: Nov. Act. Reg. 


Soc. Scient. Upsaliensis 1877. 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVII. Bd. 3 


24 Hermann Griesbach, 


BERG’schen Arbeit hätte darauf kommen müssen, oder keine Notiz von 
ihm genommen, wenigstens bildet er ihn nirgends ab. — 

Die Beschreibung, welche SABATIER von seinem sinus pedieux, 
dont la coupe est a peu pres triangulaire, giebt, passt in so fern nicht 
zu der meinigen (vgl. Fig. 8), als er meiner Ansicht nach erstens kein 
Sinus ist, denn er führt kein Endothel und zweitens auf meinen Präpa- 
raten niemals »triangulaire«, sondern oval erscheint, wie auch TuLLBErG 
ihn abbildet. Einen ganzen Querschnitt hat SABATIEr nicht gegeben, ich 
vermuthe aber aus anderen Figuren und seiner Beschreibung, dass er 
den Spinnfinger in sehr kontrahirtem Zustande bearbeitet hat und ihm 
daher der kanalartige Gang dreieckig erschienen ist. 

Nach meinen Untersuchungen besitzt der Gang keine eigene Wan- 
dung und ist weiter nichts als eine echte, massenhaft Blutkörperchen 
führende, durch den Muskeldruck, wie schon im vorhergehenden Ab- 
schnitte erwähnt wurde, gefäßartig in die Länge gezogene Lakune. 
Seine Wandungen bilden das Gallertgewebe, gerade wie bei den La- 
kunen im Fuße der Najaden und außerdem, und darin stimme ich mit 
SıBATIER überein, »faisceaux musculaires dependant des muscles re- 
tracteurs posterieurs du pied. Eben so liegen die Verhältnisse bei 
Dreyssena (Fig. 9), nur scheint der Gang da auch mir »un peu pres 
triangulaire«. — 

Serienquerschnitte durch die »Wasserröhre« von Mytilus und 
Dreyssena zeigen mir ferner, dass von allen Seiten in diese median 
verlaufende Lakune vielfach anastomosirende, ebenfalls gefäßartig ge- 
staltete Lakunen einmünden, um mit ihr gemeinschaftlich die Kommu- 
nikation zwischen Seewasser und dem verhältnismäßig kleinmaschigen 
Lakunennetze des eigentlichen Fußtheiles (vgl. Fig. 13) zu vermitteln. 

Darin stimmen SABATIER und ich überein, dass wir beide die seit- 
lichen Anastomosen als Lakunen betrachten. 

Rechts und links von der medianen Lakune, nahe dem Rande, 
verläuft jederseits ein schon von Turısere richtig gezeichnetes Gefäß 
(Fig.8, 9,13 9). 

Die ganze »Wasserröhre « ist, sowohl parallel der Längsachse, als 
auch unter Winkeln zu ihr, von zahlreichen Muskelfibrillen durch- 
zogen, ihren Wirkungen ist die eigenthümliche gefäßartige Form der 
Lakunen zuzuschreiben. 

Das Wasser, welches in die Lakunen gelangt ist, mischt sich in 
ihnen und den venösen Bahnen mit dem, aus den Arterien zufließenden 
Blute, passirt mit diesem die Falten des BoJanus’schen Organes, wo es 
von etwaigen stickstoffhaltigen Substanzen befreit wird, tritt in die 
Kiemen oder umgeht sie, und gelangt dann insHerz; es ist also Wasser- 


Über das Gefäßsystem und die Wasseraufnahme bei den Najaden und Mytiliden. 35 


blut, welches vom Herzen aus durch die Aorta und die übrigen Arte- 
rien gepresst wird. Dieses erfrischt sich stets wieder in den Lakunen, 
da die Kiemenathmung nicht ausreicht, um so mehr nicht, als ein Theil 
des Blutes dieselben umgeht und direkt ins Herz zurückfließt!. — 

Fragen wir uns nun: wohin führen die drei Pori aquiferi auf der 
Fußkante der Najaden? Sie münden ebenfalls direkt in das Lakunen- 
system ein, im Detail weichen aber die Verhältnisse von denen der 
Mytiliden ab. 

Die Pori aquiferi selbst sind nicht Quer-, sondern Längsspalten, 
welche parallel der Längsachse des Fußes gerichtet sind. 

Wenn Sısarıer schon von Mytilus behauptet, dass der _Porus 
schwer aufzufinden sei, so behaupte ich dies für die Najaden erst recht. 

Ich weiß nicht ob Carrıöre hinsichtlich der Wasseraufnahme solche 
Versuche, wie ich sie eingehend beschrieben habe, auch angestellt hat, 
da er so schroff behauptet, eine Wasseraufnahme finde überhaupt 
nicht statt. — 

Wenn schon Leypıe? am Embryo von Cyclas cornea, an denjenigen 
Stellen, wo Wasser in die Fußkante eintritt, längere Wimperhaare ab- 
bildet, so finde ich dasselbe Verhalten am Fuße von Anodonta und 
Unio (Fig. 5). Mit von Hzssuine® finde ich den ganzen Fuß von Ano- 
donta und Unio (Fig. 5) mit einem lebhaft flimmernden einfachen Epithel 
überzogen, dessen Zellen palissadenförmig eng an einander gedrängt auf 
einer strukturlosen Membran stehen und wegen der Kontraktilitätsver- 
hältnisse verschieden große, oft dichotomisch sich theilende, weite 
Strecken verlaufende Rinnen zwischen sich lassen, welche man bei 
kontrahirten Thieren auf Querschnitten schön zu Gesichte bekommt. 

Die Länge der Zellen bei Anodonta (Fig. 12) beträgt 0,0199 mm, 
die Breite 0,04 mm; die Größe des Nucleus finde ich variabel, meist 
0,005 mm, die Länge der Cilien beträgt am Rande der Pori aquiferi 
0,0299 mm. Die Maße einer isolirten Zelle vom Rande des mittleren 
Porus bei Unio sind folgende (Fig. 14): 

Länge 0,0452 mm, Breite 0,04 mm, die Größe des Kernes ist 
0,004 mm, die Länge der Cilien 0,0225 mm *. 

1 Über die Stromrichtung des Blutes vgl. auch SABATıER, 1. c. 

2 LEyDig, 1. c. Über Cyclas cornea., Fig. 10. 3 von HEssLıng, 1. c. p. 266. 

* Schon im Jahre 1866, im II. Bd. des Arch. f. mikr, Anat., giebt Dr. P. Marcnı 
in seinen Beobachtungen über Wimperepithel eine Bemerkung über das Flimmer- 
epithel des Fußes bei Anodonta (p. 46%). Seiner Ansicht, dass nur die beilförmige 
Schneide des Fußes der Najaden Wimperepithel trage, kann ich nicht beipflichten, 
muss vielmehr mit von HessLıng dieses dem ganzen Fuße zuerkennen; die von mir 
angegebenen Maße von Flimmerzellen stimmen nicht mit denen Manrcnı's überein, 


nähern sich bei Unio aber ganz den Angaben von HzssLıng’s. Spätere Mittheilungen 
MarcHr’s über diesen Gegenstand habe ich nicht auffinden können. 


3 * 


36 R Hermann Griesbach, 


Auf Querschnitten (vgl. Fig. und 5) sind die Ränder der Pori 
lippenförmig gewulstet, das Epithel wird nach Innen zu kleiner und 
hört schließlich auf, so dass die strukturlose Membran frei liegt, auf 
welcher Lakunen ausmünden. Von einer Verwechselung mit querge- 
schnittenen Epithelrinnen — ich betone es nochmals — kann hier nicht 
die Rede sein. Zur Anfertigung solcher Querschnitte lässt man am 
besten ein Thier in der von SABATIER angegebenen Weise absterben, 
oder in der von Fremming beschriebenen Methode gefrieren. Man 
legt nach dem Abspülen mit destillirtem Wasser die Abschnitte des 
Fußes, an welchen sich die vorher aufzusuchenden Pori aquiferi 
finden, in starke Osmiumsäure. Man wähle die Stücke nicht zu groß, 
da die Osmiumsäure nicht sehr tief eindringt. Abgesehen von dem be- 
kannten Nachdunkeln hat diese Methode das Gute an sich, dass keine 
oder nur geringe Schrumpfung eintritt. Wählt man absoluten Alkohol 
zum Härten, so tritt oft eine derartige Schrumpfung ein, dass man 
schon nach wenigen Stunden die vorher schön sichtbaren Pori aquiferi 
an den Fußabschnitten kaum noch zu erkennen im Stande ist. Mytilus 
und Dreyssena habe ich allerdings meist in Alkohol gehärtet; mit Vor- 
theil kann man sich auch einer Anfangs schwachen, hernach koncen- 
trirteren Chromsäurelösung bedienen. Wenn das Objekt zum Schnei- 
den hart genug ist, bette man es in Paraffin, welchem etwas Schweine- 
fett zugesetzt wurde, und entnehme, um sich eine rechte Vorstellung 
von dem Porus zu machen, Serienschnitte im Mikrotom. 

Nach solchen Schnitten sind die Fig. 4, 5, 8, 9, 43 gezeichnet, 
Will man Injektionspräparate schneiden, so führe man die Injektion 
entweder an gefrornen und hernach aufgethauten Thieren ! durch vor- 
sichtiges Einführen des Tubus in den mittleren Porus aus, oder man 
injicire das frische Thier entweder in der Weise, dass man den Tubus 
durch die leicht geöffneten Schalen einführt und die Masse gegen die 
Fußschneide treibt, oder durch vorsichtiges Einführen des Tubus in 
den mittleren Porus, welcher deutlich erscheint, wenn man den aus- 
gestreckten Fuß sanft zwischen Schalen und Finger einklemmt;; im letz- 
teren Falle verbreitet sich die Masse nur über ein sehr kleines Gebiet. 
Als Injektionsflüssigkeit kann man sich vortheilhaft eines mit Pikro- 
Hämatoxylin gefärbten Glycerinsbedienen, welches mit etwas Gummi 
arabicum versetzt wird. Alsdann öffne man die Schalen, entferne das 
Herz und lasse das Thier eine Zeit lang liegen, bis die Kontraktionen 
des Fußes nachgelassen haben, endlich verfahre man , wie oben ange- 
geben. 

Mit Vortheil lässt sich auch ein Trocknungsverfahren verwenden. 

1 FLEmMInG, Archiv f. mikr. Anatomie. Bd. XV, p. 252—55. 


Über das Gefäßsystem und die Wasseraufnahme bei den Najaden und Mytiliden. 37 


- Als Injektionsflüssigkeit wähle man dann in der Kälte flüssigen, gefärb- 
ten Leim, die Fußabschnitte lege man in ein Gemisch von Terpentinöl 
und Kanadabalsam, nachdem sie vorher mit Alkohol und Terpentinöl 
behandelt wurden, und lasse dieselben, davon halb bedeckt, so lange 
an der Luft liegen, bis sie völlig eingetrocknet sind, alsdann entnehme 
man in, für Trockenpräparate,, bekannter Weise Querschnitte; diesel- 
ben sind in Chloroform auszuziehen und dann entsprechend weiter zu 
behandeln. 

Man sieht auf gelungenen Querschnitten (Fig. 18) die vermeint- 
lichen Freuning’schen Schleimzellen, i.e. die Lakunen des Fußes, um- 
schlossen von dem Balkennetze des Gallertgewebes und von Muskel- 
bündeln vor sich — und jeder Gedanke, dass dies geschlossene blasen- 
artige Hohlräume sein könnten, gleitet ab an dem Umstande, dass die- 
selben, überall mit einander anastomosirend, durch Injektionsmasse 
gefüllt sind und gefärbte Blutkörperchen, da wo Injektionsmasse weni- 
ger eingedrungen, enthalten. 


! Zum Studium der »Schleimzellen« empfiehlt Fremnıse (vgl. die Habilitations- 
schrift p. 4, 5) das frische Gewebe im gefrorenen Zustande im Mantel von Anodonta 
namentlich aber von Mytilus zu untersuchen. Er sagt: »Wenn man das Deckglas 
anhaltend drückt und beklopft, während man zugleich den Rand des Präparates 
betrachtet, so sieht man die hier befindlichen Kugeln in einer Weise ihre Form 
verändern und flottiren, welche über das Flüssigsein ihres Inhaltes keinen 
Zweifel lässt.« 

Ich habe nachträglich diese Untersuchungen nochmals wiederholt und dasselbe 
gesehen wie FLEMMING. 

Ich ließ dann ferner frische Thiere sich mit Farbstofflösungen durch Selbst- 
injektion füllen und habe dann dieselben Untersuchungen angestellt. Dies, glaube 
ich, hat FLemmine nicht gethan, denn sonst würde er wie ich den Farbstoff, ja an 
Partien der Fußschneide oftmals sogar von den in das gefärbte Wasser hineinge- 
streuten Pulvern, etwas im Innern der kugelartigen Gebilde wahrgenommen haben. 
Wie kommt dies Alles dort hinein, wenn die Kugeln Zellen sind ?! 

Welche Bewandtnis es nun mit den besprochenen Kernen hat, ist mir einst- 
weilen räthselhaft. Ich habe diese Gebilde in ihrer kaum zu verkennenden Kern- 
natur, ehe ich die FLeuning’schen Präparate kannte, nichtgesehen, dagegen deutlich 
Blutkörperchen gefunden. — Wenn Blut plus Wasser im Körper der Mollusken, 
wie in dem vieler anderer Wirbellosen kreist — vgl. darüber auch den herrlichen 
Abschnitt: »Die Aufnahme des Wassers in das Innere des Körpers« in BERGMANN U. 
LEUCKART —, dann kann es uns auch nicht Wunder nehmen, wenn fremdartige 
Stoffe in die Gefäßbahnen eindringen. Ich habe Diatomaceen selbst im Herzblute 
von Anodonta gefunden und in einem FLemmise schen Präparate von Mytilus findet 
sich eine Diatomee — ich halte, so weit meine Diatomaceenkenntnis reicht, das 
Ding für eine Actinoptychus-Species aus der Kieler Bucht —- in einer der »Schleim- 
zellen«. Wenn diese, wie ich nach meinen Untersuchungen absolut nicht umhin 
kann anzunehmen, Lakunen sind, dann ist das Eindringen derartiger Fremdkörper 
in sie eben so begreiflich, wie das Vorfinden derselben im Herzen, oder in den Ar- 
terien, oder in irgend einem Gefäßzweige. Sind die»Schleimzellen« wirkliche Zellen, 
dann würde ein solcher Fremdkörper also wohl durch Zufall beim Anschneiden 
einer derselben dort hinein gelangt sein. — Dass überhaupt Fremdkörper in den 
Gefäßbahnen der Thiere sich finden, ist zwar bizarr genug, aber bei der Wasser- 
aufnahme unausbleiblich; denn, obgleich das Schlagen der Wimperhaare an den 
Pori aquiferi sicher auch dazu dient, fremde Substanzen am Eindringen zu verhin- 
dern, so ist ein solches dennoch nicht dadurch ganz unmöglich gemacht. 

»Es ist das Los des Menschen, dass er irrt« — es ist immerhin ja noch mög- 


38 Hermann Griesbach, 


Was die Form der Lakunen anbelangt, so verweise ich auf den 
vorigen Abschnitt. Ich finde im Übrigen, dass die Anastomosen in der 
Richtung zur Fußschneide oft in die Länge gezogen erscheinen, und 
dass solche verlängerte Lakunenabschnitte wie bei den Mytiliden direkt 
durch die Pori aquiferi ausmünden;; als besondere Kanäle aber können 
diese in die Länge gezogenen Lakunen nicht aufgefasst werden. Das 
durch von Hessuing abgebildete spongiöse Gewebe im Fuße von Unio, 
welches mit einem besonderen Kanale ausmünden soll, existirt als 
solches nicht, sondern ist sammt diesem ein Theil des Lakunennetzes 
des Fußes. 

Das aufgenommene und alsdann mit Blut vermischte Wasser fließt, 
wie bei den Mytiliden durch das Bosanus’sche Organ, durch die Kiemen, 
oder mit Umgehung dieser, direkt ins Herz, um von dort aus in den 
arteriellen Theil des Gefäßapparates getrieben zu werden. In den 
Hohlraum des als Niere! fungirenden Bosanus’schen Organes gelangen 
durch Dehiscenz von Zellen aus dem Blute abgesonderte, meist feste 
Produkte, und werden mit dem, das Organ ausfüllenden, aus dem roth- 
braunen Mantel und dem Pericardium stammenden Wasser , mit Hilfe 
von rhythmischen Kontraktionen aus dem gewöhnlich geschlossenen 
Bosanus’schen Athemloch ausgestoßen und jedes Mal, wenn das Thier, 
wie ich oben genau beschrieben, durch den mit Tentakeln besetzten 
Mantelschlitz einen Wasserstrahl auswirft, in das umgebende Medium 
geschafft. — Wenn man das Thier so legt, dass der hintere Theil ein 
. wenig über die Oberfläche emporragt, so gelingt es bei Vorsicht und 
einiger Geschicklichkeit einen solchen Wasserstrahl ganz oder theil- 
weise aufzufangen. 

in diesem Wasserauswurf weist das Mikroskop bei frischen und un- 
versehrten Thieren Blutkörperchen, allerhand fremde Gegenstände, und 
jene eigenthümlichen, gelbgrünen und bräunlichen Konkremente? nach, 
welche sich in den Zellen der Falten des Bosanus’schen Organes finden. 

Was den eigentlichen Vorgang der Wasseraufnahme anbelangt, so 
finden sich darüber für Mytilus schon bei Sısırıer hübsche Bemer- 
kungen, und ich schließe mich, da ich selbst Versuche nicht machen 
konnte, denselben für die Mytiliden im großen Ganzen an. 

Über die Najaden möchte ich Folgendes berichten : 


lich, dass KorLLmann’s und meine Annahmen von der Natur der Dinge als Lakunen 

sich irrig erweisen, einstweilen aber, ehe nicht weitere eingehende Untersuchungen 

über diesen schwierigen, aber hoch interessanten Gegenstand vorliegen, halte ich : 
an dem fest, was meine Beobachtungen mich lehren. 

1 Ich kann nur von Inzrına (diese Zeitschrft. Bd. XXIX, 1877 p. 602) zu- 
stimmen, dass die Bedeutung der Niere für die Wasseraufnahme ins Blut bei den 
Mollusken überhaupt bedeutend überschätzt worden sei. — In der neuesten KoLL- 
MAnN'schen Arbeit wird das Bosanus’'sche Organ als Segmentalorgan betrachtet. 


2 GRIESBACH, 1. c. Taf. VII, Fig. 9 und 12. 


Über das Gefäßsystem und die Wasseraufnahme bei den Najaden und Mytiliden. 39 


Nach meinen eingehenden Beobachtungen und Untersuchungen 
glaube ich annehmen zu müssen, dass nicht nur temporär, sondern 
permanent Wasser aufgenommen wird. 

Dafür sprechen meine Beobachtungen des, unter strudelartiger 
Bewegung stattfindenden, Einschlüpfens von gefärbten Substanzen durch 
die leicht geöffneten Schalen oder durch Mantelschlitze in der Nähe der 
Pori aquiferi, oder, wenn hier die Schalen geschlossen, durch den 
Athemsipho, wobei alsdann, wie ich nachwies, eine Strömung über die 
Seitenflächen des Fußes zu den Pori aquiferi verläuft. Es ist also zur 
Aufnahme von Wasser nicht etwa das Ausstrecken des Fußes unbe- 
dingt erforderlich. Ich glaube in dieser Ansicht mit Korımann! über- 
einzustimmen, glaube aber, dass SısAartıer ? den Sinn der KoLLmann- 
schen Aussprüche falsch aufgefasst hat, wenn er sagt: Il ressort de 
la — dass nämlich die Muscheln oft lange Zeit ruhig mit eingezogenem 
Fuße, die Schalen leicht geöffnet, liegen — que le gonflement du pied 
serait la condition et l’indice de l’introduction de l’eau, et que cette in- 
troduction n’aurait lieu qu’a des intervalles @loignes d’une ou plusieurs 
semaines. 

Diesen Sinn kann ich aus Koırmann’s Zeilen nicht herauslesen; 
denn es heißt unter Anderem daselbst: »Wenn ferner der Fuß ver- 
hältnismäßig schnell zwischen dem Mantel hervorquillt, so darf man 
darum noch nicht schließen, dass eben so schnell auch die Wasserauf- 
nahme stattgefunden habe.« — 

Eine permanente Wasseraufnahme halte ich aus verschiedenen 
Gründen für nothwendig. Es dient nämlich bei der Unvollständigkeit 
eines Respirationsorganes, welches überdies noch getheilte Funktion 
hat, das aufgenommene Wasser der Athmung; fortwährend wird auf 
diesem Wege neuer Sauerstoff direkt den Geweben und Organen über- 
mittelt. Ferner trägt das aufgenommene Wasser meiner Ansicht nach 
zur Bildung des großen Schalenpaares wesentlich bei, indem Kalksalze 
auf diesem Wege eingeführt werden. Endlich hat das verbrauchte 
Wasser den Zweck feste (Harn-?) Konkremente aus der Niere heraus- 
zuspülen®. 

Selbst wenn die Thiere, von Gefahr umgeben, allseitig ihre Scha- 
len geschlossen haben, ist das immer noch in genügender Menge zwi- 
schen den Schalen vorhandene Wasser, welches dann allein aufgenom- 
men wird, auf einige Zeit ausreichend, um den Erfrischungsprocess im 
Organismus vor sich gehen zu lassen. 


1 KoLLmAnn, diese Zeitschr. Bd. XXVI, p. 99. 

2 SABATIER, 1. c. p. 462. 

3 Über die physiologische Wichtigkeit desaufgenommenen Wassers siehe auch 
BERGMANN U. LEUCKART p. 284, 285. 


40 Hermann Griesbach, 


Was nun das Ausstrecken des Fußes bei dem Thiere anbelangt, 
so geschieht dies nicht etwa, um sich damit nun besonders vollzusaugen, 
sondern lediglich desswegen, um sich in ungewohnten Verhältnissen 
über seine Umgebung zu orientiren und damit Ortsbewegungen vor- 
zunehmen. Diese letzteren sind oft nicht gering. Ich darf hier wohl 
eine mündliche Mittheilung des Herrn Professor KorLımann einflech- 
ten. Derselbe hat mehrfach an seichten Stellen des Wassers beobach- 
tet; wie die Thiere um mehrere Fuß weit sich von ihrem ursprüng- 
lichen Standorte entfernten; eine charakteristische Furche im Sande 
war die zurückgebliebene Spur, nach welcher man das Maß der Ent- 
fernung abschätzen konnte. 

Das Ausstrecken des Fußes beruht in erster Linie auf dem Er- 
schlaffen der Gesammtmuskulatur, welches das Thier willkürlich be- 
werkstelligen kann. Dass der Fuß dann oft stark angeschwollen erscheint, 
hat seinen Grund darin, dass der Muskeldruck auf das Gefäßsystem 
nachgelassen hat und nun das Wasser-Blut namentlich die Lakunen 
stärker füllt, um so mehr, da in diesem Zustande eine weitere Wasser- 
aufnahme ja nicht ausgeschlossen ist; denn dass diese auch bei ausge- 
strecktem Fuße stattfindet, davon kann sich Jeder selbst an den Stru- 
delbewegungen überzeugen, in welche fein vertheilte Substanzen in 
der Nähe der Fußschneide gerathen, und Leyvie’s und meine Beobach- 
tungen unter dem Mikroskope lassen darüber gar keinen Zweifel auf- 
kommen. 

Interessant sind noch die Erscheinungen, welche plötzlich eintretende 
Angriffe auf den ausgestreckten Fuß nach sich ziehen. — Berührt 
man die Thiere, welche mit ausgestrecktem Fuße im Bassin ! liegen, 
sanft, oder bewegt das letztere, so ziehen sie augenblicklich, aber ohne 
heftige Kontraktion, denselben ein. Dabei gelangt eine größere Menge 
Wasser, als es im gewöhnlichen Zustande zu geschehen pflegt, plötz- 
lich in die venösen Bahnen — die Folge davon bleibt nie aus: Sobald 
das letzte Stück des Fußes zwischen den Schalen verschwindet, er- 
folgt, mächtiger als gewöhnlich, in Folge der Kontraktion des Bosanus- 
schen Organes und des durch die Schließmuskeln vermehrten Druckes 
der Schalen, ein Wasserauswurf aus dem hinteren Mantelschlitz. Liegt 
das Thier außerhalb des Wassers, etwa auf Löschpapier, so wird man, 
und zwar besser als im Wasser, doch nie bemerken, dass irgend wo 
anders ein Wasserstrahl hervordringt. Nimmt man aber ein den Fuß 
ausstreckendes, frisches Thier plötzlich mit etwas Gewalt aus dem 
Wasser, dann tritt eine heftige Kontraktion des ganzen Organismus 


1 Man kann Behufs dieses Versuches auch das CArrIEre’sche Experiment an- 
wenden und die Thiere den Fuß außerhalb des Wassers ausstrecken lassen. 


Über das Gefäßsystem und die Wasseraufnahme bei den Najaden und Mytiliden. 41 


ein. Die Muskulatur legt dabei die Fußschneide oft in Runzeln und 
treibt sie blasig auf, das durch die Kontraktion der Muskeln gedrängte 
Wasserblut kann, um so mehr, da die Kontraktion überall auftritt, 
nicht so schnell durch das Bosanus’sche Organ entleert werden, und die 
bekannten Wasserstrahlen treten auf. Dass unter solchen Verhält- 
nissen die zarten Wände der Organe, namentlich auch die Mantelränder 
einreißen können, ist begreiflich, entleert doch eine Holothurie bei 
derartigen Kontraktionen ihre gesammten Eingeweide. Eine Zerreißung 
zu konstatiren, ist sehr interessant. Fixirt man bei solchem Versuche 
an einer großen Anodonta einen aus dem Mantelrande tretenden Was- 
serstrahl mit dem Auge, bricht schnell die Schalen aus einander und 
schneidet oder reißt die betreffende Mantelpartie ab, bringt das Stück 
dann in Essig, spült mit destillirtem Wasser etwaigen Schleim ab und 
sucht mit einer scharfen Lupe, so findet man den Riss mit unebenen, 
gezackten Rändern; seine große Verschiedenheit von einem normalen 
Porus ist ersichtlich, namentlich dann, wenn man nach den angegebe- 
nen Methoden Querschnitte davon anfertigt. — 

Wenn also Wasserstrahlen an irgend einer anderen Stelle, als an 
dem Athem- und Kloakensipho hervordringen, so ist die Ursache davon 
stets in anormalen Umständen zu suchen. Am normalen Organismus 
tritt durch die Pori aquiferi Wasser nur ein; durch das Bosınus’sche 
Organ (und dann durch die Kloaken- und Athemöffnung oder meist 
nur durch letztere) nur aus. Zuletzt erwähne ich hier noch das Expe- 
riment, welches CARRIERE angestellt hat, und auf Grund dessen er eine 
Wasseraufnahme überhaupt entschieden in Abrede stellen zu müssen 
glaubt. Es ist das schon kurz erwähnte Experiment, dass die Thiere 
auch außerhalb des Wassers ihren Fuß auszustrecken vermögen. Der 
Versuch war mir längst bekannt, ein Beweis gegen Wasseraufnahme 
ist er absolut nicht, und meine Deutung ist folgende: Wenn man das 
frisch gefangene Thier auf Löschpapier legt, nachdem man möglichst 
viel Wasser hat ablaufen lassen, so streckt dasselbe im günstigsten 
Falle auch auf dem Papier seinen Fuß aus. Der Grund des Vorstreckens, 
welches durch die Erschlaffung der Muskulatur erfolgt, ist ein Unbe- 
hagen des Thieres, es möchte sich gern aus dieser Situation, die ihm 
über kurz oder lang zum Nachtheil gereicht, befreien und wenn mög- 
‘lich, das heimische Element zu gewinnen suchen!. Aber selbst in 


1 Folgenden interessanten Versuch kann ich nicht umhin hier mitzutheilen: 
Legt man eine ganz frische Anodonta auf ein mit Löschpapier überdecktes Brett, 
neist dasselbe ein wenig, und befestigt es so, dass es mit dem geneigten Ende die 
Wasseroberfläche im Bassin fast berührt und befeuchtet dann das Löschpapier zwi- 
schen dem ausgestreckten Fuße des Thieres — dieses muss mit dem Rücken vom 
Bassin abgewandt liegen — und dem geneigten Ende des Brettes, so dass das Thier 
diese Feuchtigkeit spürt, so macht dasselbe eifrigst Anstalt, sich mit dem Fuße in 
der Richtung, wo die Feuchtigkeit sich befindet, zu bewegen. Der Fuß macht, indem 


49 Hermann Griesbach, 


diesem Zustande wird noch, fast unmerklich, spurenweise Wasser 
durch die Pori aquiferi aufgenommen. Von der feuchten Oberfläche 
der Organe rieselt mit Hilfe der Flimmerung, namentlich in den immer 
vorhandenen Kontraktionsrillen zwischen dem Epithel, immer noch 
etwas Wasser bis zur Fußschneide. Der ganze Fuß sieht unter der 
Lupe aus, als wäre er mit Millionen feiner Wassertropfen bestreut. 
Doch lange erträgt das Thier diesen Zustand nicht, es nimmt Abstand 
von vergeblichen Bemühungen sich aus dieser peinlichen Lage zu be- 
freien, zieht den Fuß ein, schließt die Schalen überall fest, um sie 
nicht eher wieder zu öffnen, als bis man es in sein heimisches Element 
zurückträgt oder, wenn dies nicht geschieht, bis Gollaps eintritt. 

Ich gedenke hier zugleich noch des Experimentes, an Natica heros 
und Mactra solidissima, welches Asassız ! beschreibt. Dieses ist, so viel 
ich ohne eigene Beobachtung beurtheilen kann, auch ein schlagender 
Beweis für Wasseraufnahme. | 

Ich weiß nicht, ob Carrıire Gelegenheit gehabt hat selbst Beobach- 
tungen an Natica heros zu machen, da er so entschieden der Erklärung 
von Acassız, obgleich derselbe die von CArRIERE ausgesprochene beson- 
ders ausschließt, entgegentritt. — 

Somit bin ich am Ende meiner Mittheilungen über das Gefäßsystem 
und die Wasseraufnahme bei den Najaden und Mytiliden angelangt und 
fasse die wichtigsten Resultate derselben in folgende Thesen zu- 
sammen: 

Resume. | 

1) Das Gefäßsystem ist in seinen peripherischen Bahnen nicht ge- 
schlossen, sondern zwischen dem arteriellen und venösen 
Kreislaufsabschnitte schieben sich wandungslose, endothelfreie 
Lücken, i. e. Lakunen im Gallertgewebe ein. 

2) Wirkliche Kapillaren im physiologischen Sinne sind im Muschel- 
leibe nicht, oder nur auf die Kiemen einiger Formen beschränkt, 
vorhanden. 

3) Der venöse Theil des Gefäßsystems ist unvollständig und reprä- 
sentirt den Rest des Coeloms, die Lakunen sind Coelomxar 2Eoynv. 

k) Die sogenannten Langer’'schen Blasen oder Fremmme’schen 
Schleimzellen existiren als solche nicht, sondern sind die 
eigentlichen Lakunen. 

5) Besondere Schwellgewebe existiren nicht. 


er sich gewissermaßen mit der umgeklappten Schneide an die Unterlage anklebt, _ 
Zug- und Schiebbewegungen, und, wählte man die Entfernung klein, so gelangt das 
Thier ruckweise, in schiefer Lage, bis an den Brettrand,, dort verliert der Fuß die 
Unterlage, aber spürt beim Umschlagen das Wasser, noch ein Ruck und das Thier 
gleitet, indem es auf dem Brettrand zugleich das Gleichgewicht verliert, hinein. 

1 Acassız, 1. c. p. 179. 


Über das Gefäßsystem und die Wasseraufnahme bei den Najaden und Mytiliden. 43 


6) Das Gefäßsystem ist auch im Innern des Organismus kein 
geschlossenes, sondern kommunicirt mit dem umgebenden 
Medium. | 

7) Die Flüssigkeit, welche im Gefäßapparate cirkulirt, ist ein Ge- 
misch von blutartigen Bestandtheilen mit Wasser. 

8) Die Einfuhr des Wassers geschieht durch die Pori aquiferi, 
diese dienen nur dem Eintritte, der Austritt wird durch das 
Bosanus’sche Organ vermittelt. 

9) Ein besonderes Wassergefäßsystem existirt nicht. 

410) Die Wasseraufnahme findet permanent statt. 


Ich möchte diese Abhandlung nicht der Öffentlichkeit übergeben, 
ohne zugleich nach drei Seiten meinen Dank abzustatten. Den Herren 
Prof. Dr. Korımann (Basel) und Fremning (Kiel) bin ich sehr verpflich- 
tet für die Liebenswürdigkeit, mit welcher sie mir wichtige litterarische 
Notizen, die ich sonst kaum hätte erlangen können, und einen Theil 
ihrer Präparate zu Gebote stellten. Endlich sage ich der Verwaltung 
der Kaiserlichen Universitäts- und Landes-Bibliothek zu Straßburgi. Els. 
meinen Dank für die Bereitwilligkeit und Schnelligkeit, mit welcher 
dieselbe meinen fortwährenden Wünschen nach einschlägiger Litteratur 
entsprochen hat. 

Mülhausen i. Els., im Juli 1882. 


Erklärung der Abbildungen. 


Tafel I. 


Fig. A. Dorsalansicht einer Anodonta; die Pfeile deuten die Wasserströ- 
mung an. 
Athemöffnung ; 
Kloakenöffnung. 
Ventrale Ansicht von Unio. 
Athemöffnung ; 
Fuß; 
vorderer Porus aquif.; 
mittlerer Porus aquif.; 
hinterer Porus aquif. 
Fig. 3. Anodonta geöffnet, die rechte Schale ist entfernt, die rechte Mantel- 
hälfte zurückgeschlagen. 
14, Fuß; 
2, vorderer Porus aquif.; 
3, mittlerer Porus aquif.; 
4, hinterer Porus aquif. 
Fig. 4. Querschnitt durch den vordersten Porus aquiferus von Anodonta. 
(Gezeichnet mit EneeLL und HENsoLDT Syst. 0. Oc. 0.) 
1 und 2, Gallertgewebe und Muskeln; 
3, der Porus. j 


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Fig. 


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44 Hermann Griesbach, Über d. Gefäßsyst. u. die Wasseraufn. bei den Najaden u. Mytiliden. 


Fig. 5. Querschnitt durch den Fuß von Anodonta im mittleren Porus aquif. 
(Gezeichnet mit EngELL und HEnsoLDrT Syst. II. Oc. 0.) 
Gefäße ; 
Lakunen; 
Gallertgewebe pigmentirt; 
Muskeln; 
Epithel; 
Porus aquiferus. 
Ventralansicht von Anodonta. 
Mantelschlitz vor dem mittleren Porus aquiferus; 
Fuß; 
Mantel; 
Mantelschlitz vor der Mundöffnung. 
Ansicht des Spinnfingers von Dreyssena. 
Querer Porus aquiferus; 
‚ schmale Vertiefung um denselben. 
Fig. 8. Querschnitt durch den Spinnfinger von Mytilus. Injektion der Laku- 
nen. (Gezeichnet mit EngELL und HEnsoLpT Syst. 0. Oc. 0.) 
1, Gefäße; 
2, mediane Lakune in Form eines kanalartigen Ganges; 
3, gefäßartige Lakunen, 
4, Gallertgewebe; bei der schwachen Vergrößerung natürlich nicht deut- 
lich differenzirt. 
5, Muskeln; 
6, Drüse; 
7, Rinne. 

. Fig. 9. Querschnitt durch den Spinnfinger von Dreyssena. Injektion der 
Lakunen. Tinktion mit Jodgrün. (Gezeichnet mit EnGELL und HENsoLDT Syst. 0.Oc. 0.) 
Die Färbung der Abbildung stimmt nicht genau mit der des Präparates, auf welchem 
Drüsengewebe eigenthümlich glänzend dunkelgrün, Epithel blaugrün, Muskulatur 
strohgelb gefärbt erscheint. 

Bezeichnung wie bei Fig. 8. 
8, Epithel. 
Fig. 40. Cylinderepithelzellen mit Wimperhaaren vom Porus aquiferus bei 
Mytilus. (Gezeichnet mit EnGELL und HENsoLDpT Syst. IV. Oc. I.) 
Fig. 44. Isolirte Cylinderepithelzelle mit Wimperhaaren vom Porus aquiferus 
bei Dreyssena. (Gezeichnet mit EngELL und HENnsoLDT Syst. V. Oc. I.) 
Fig. 42. Zellen vom mittleren Porus aquiferus von Anodonta cellensis. (Ge- 
zeichnet mit EnGELL und HEnsoLpr Syst. IV. Oc. i.) Die eine Zelle enthält Pigment. 
Fig. 43. Querschnitt durch den Spinnfinger von Mytilus. — Färbung mit Pikro- 
karmin (aber etwas ammoniakalisch). (Gezeichn. mit Eng. u.Hens. Syst. 0. Oc. 0.) 
Bezeichnung wie bei Fig. 8. 
8, Blutkörperchen; 
9, engmaschiges Lakunennetz des eigentlichen Fußes. 
Fig. 44. Zellen vom mittleren Porus aquiferus von Unio. (Gezeichnet mit 
EnGELL und HEnsoLpor Syst. IV. Oc. I.) 
Fig. 45. Endothel nach einem Versilberungspräparate aus einem Kiemen- 
gefäß (Kapillare) von Mytilus. (EnseELL und HEnsoLpr Syst. IV. Oc. I.) 
Fig. 46. Endothel aus der Aorta von Anodonta. (ENGELL und HENSOLDT 
Syst. IV. Oc. I.) Silberpräparat. 
Fig. 47. Endothel in derselben Weise dargestellt und gezeichnet aus dem 
Sinus Bojani von Anodonta. 
Fig. 48. Querschnitt durch den Fuß von Unio nach einem Injektions- und 
Trockenpräparat. (EneELL und HEnsoLDr Syst. V. Oc. 1.) 
4, injieirte Lakunen; 
2, pigmentirtes Gallertgewebe mit Rund- und Spindelzellen. 


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Fig. 


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Fig. 


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Berichtigung: S. 48 Anm. 4 »Etwa das Zellprotoplasma % fällt aus. 
S. 27 Zeile 4 v. u. statt aquiferi lies acquiferi. 


Untersuchungen über einige Protozoen. 


Von 


Dr. August Gruber, 
Privatdocenten der Zoologie in Freiburg i. B. 


Mit Tafel I—IV. 


Die vorliegende Arbeit umfasst mehrere Abschnitte, welche nicht 
im Zusammenhang mit einander stehen und welche sich auf verschiedene 
Gebiete der Protozoenkunde erstrecken. Der erste Theil ist der Be- 
schreibung neuer Rhizopoden gewidmet, die in mancher Beziehung von 
Interesse sein dürften, im zweiten sollen theils neue, theils nicht richtig 
erkannte Infusorien beschrieben werden, und der letzte Abschnitt end- 
lich wird eigenthümliche Verschmelzungserscheinungen bei Heliozoen 
behandeln. 

Außer der Beobachtung am lebenden Thier habe ich mich der von 
Korscherr ! angegebenen Präparirungsmethode bedient, die mir vortreff- 
liche Dienste geleistet hat. Sie beruht bekanntlich darauf, dass die 
Thiere durch ein Reagens, welches man unter das Deckglas fließen lässt, 
rasch getödtet und zugleich erhärtet werden, worauf man dann, eben- 
falls unter dem Deckglas, färbt, entwässert und in Kanadabalsam ein- 
schließt. KorschHeLt wandte hierbei zur Tödtung Chromsäure an und ich 
that dies auch; doch lassen sich meist eben so gut andere Reagentien 
anwenden, welche eine rasche Erstarrung herbeiführen, also z. B. Alko- 
hol absolutus, heiße Sublimatlösung und Osmiumsäure. Kürzlich hat 
Lannsgerg ?2 eine andere Methode, Isolirung der Protozoen mittels einer 
Pipette, empfohlen, die auch vorzüglich ist, sobald es sich nur um An- 
fertigung sauberer Präparate für eine Sammlung handelt, aber natürlich 
in allen den Fällen nicht angewandt werden kann, wo das betreffende 


1 Über eine neue Methode zur Konservirung von Infusorien und Amöben. Zool. 
Anzeiger Nr. 409. 
2 Über Konservirung von Protozoen. Zool. Anzeiger Nr. 444. 


46 August Gruber, 


Objekt in situ und in einem bestimmten Moment der Bewegung konser- 
virt werden muss, oder wo dasselbe so klein ist, dass man es mit Hilfe 
schwächerer Vergrößerungen in einem Uhrschälchen nicht auffinden 
könnte. 


I. Neue Rhizopoden. 
1) Pachymyxa hystrix. 

Schon lange hatte ich in dem von Diatomeen, Oscillarien und an- 
deren niederen Pflanzen gebildeten Überzuge an den Wänden unseres 
hiesigen kleinen Seewasseraquariums eigenthümliche rundliche Körper 
beobachtet, die ich Anfangs für Fäces irgend eines Wurmes oder Krusten- 
thieres hielt. Bei näherer Betrachtung zeigte sich aber eine zu große 
Regelmäßigkeit in ihrem Bau und besonders ihrer äußeren Umkleidung, 
so dass ich doch geneigt wurde, in diesen Körpern selbständige Orga- 
nismen zu vermuthen, welcher Art freilich, war mir völlig unklar, da 
keinerlei Bewegungserscheinungen zu beobachten schienen. Nach vielen 
fruchtlosen Bemühungen endlich gelang es mir dadurch, dass ich die 
fraglichen Körper längere Zeit ungestört unter dem Deckglas liegen ließ, 
über ihr Wesen ins Klare zu kommen, und zu ermitteln, dass ich — 
allerdings sehr eigenthümlich organisirte — Rhizopoden vor mir hatte. 

Es ist mir nicht gelungen in der Litteratur eine dieser Form ent- 
sprechende Art nachzuweisen und ich musste daher einen neuen Namen 
für sie schaffen. Derselbe soll ein Ausdruck der Körperbeschaffenheit 
der Rhizopoden sein und lautet: Pachymyxa hystrix. 

Dem unbewaffneten Auge erscheinen die größeren Exemplare der 
Pachymyxa als kleine weiße Körnchen, die sich auf dunkler Unterlage 
ganz deutlich abheben. 

Oft findet man in den im Aquarium wuchernden Algenrasen ganze 
Lagen heller Pünktchen, die alle auf solche Rhizopoden zurückzuführen 
sind. Eines der größten Exemplare, das mir zur Beobachtung kam, maß 
in der Länge 0,6 mm bei einer Breite von 0,3 mm, während auf der an- 
deren Seite sich sehr häufig Pachymyxen vorfinden lassen, die bei einer 
kugeligen Gestalt nicht mehr als 0,09 mm im Durchmesser haben. Bringt 
man ein Exemplar unter das Mikroskop, so erscheint es bei durchfallen- 
dem Lichte nicht mehr weiß, sondern bräunlich. 

Was zunächst sich darstellt, ist nichts weiter als eine Hülle, welche 
den Protoplasmaleib des Rhizopoden umgiebt. 

Diese Hülle besteht aus einer Lage dicht neben einander stehender 
feiner Stäbchen, welche ungefähr senkrecht zur Oberfläche des Proto- 
plasmakörpers gerichtet sind (Fig. 1). Sie bilden einen Filz oder, besser. 


Untersuchungen über einige Protozoen. 47 


gesagt, ein ringsum geschlossenes Stachelkleid. Es ist mir nicht ge- 
lungen, zu entscheiden, aus was für einer Substanz die Stäbchen be- 
stehen. In Chromsäure lösen sie sich sofort auf, während sie bei Zusatz 
von Überosmiumsäure vollkommen unverändert blieben, wesshalb dies 
letztere Reagens immer angewandt wurde, sobald es sich darum han- 
delte, ein Dauerpräparat anzufertigen. 


Ich hatte auch die Vermuthung, dass die Stacheln aus kohlensaurem 
Kalk bestehen möchten, doch gelang es mir nicht, mittels Reagentien, 
diese Annahme zu bestätigen. 


So viel steht aber jedenfalls fest, dass die Stäbchen nicht etwa 
außen aufgesammelte und zusammengefügte Fremdkörper sind, sondern 
dass sie ein Produkt des Protoplasma selber darstellen. Bei oberfläch- 
licher Einstellung bemerkt man, dass der Überzug doch nicht vollkom- 
men geschlossen ist, wie es zuerst erscheint, sondern dass an vielen 
Stellen die Stäbchen aus einander treten und Lücken zwischen sich 
lassen. Es sind kreisrunde Löcher, welche, ziemlich regelmäßig vertheilt, 
die Hülle durchbohren (Fig. 1). In der Fig. 1 erscheinen die Stäbchen 
auf der Oberfläche durch den Druck des Deckglases niedergedrückt und 
etwas verschoben, während sie sich an der Peripherie in ihrer regel- 
mäßigen Lage zeigen. Man sollte vermuthen, dass am Rande die Poren 
als Lücken erscheinen müssten; dies ist aber nicht der Fall, weil sich 
hier wegen der darunter liegenden Stäbchen der Porus nicht scharf ab- 
grenzt. 


Man bemerkt diese Poren sowohl am lebenden Thier, als auch an 
der leeren Hülle und am Osmiumpräparat (Fig. 3) ganz deutlich. Sie 
waren es, welche mich zuerst auf die Vermuthung brachten, dass ich in 
den Klümpchen irgend einen Rhizopoden vor mir hatte, welcher viel- 
leicht ähnlich wie eine Foraminifere durch die Poren der Hülle seine 
Pseudopodien aussenden könne. 


Die Lebenserscheinungen der Pachymyxa sind aber so träge, dass 
die Thiere, aus dem Aquarium auf den Objektträger gebracht, gewöhn- 
lich ohne Bewegung in ihren Hüllen liegen. 

Ich wollte schon an der weiteren Untersuchung verzweifeln, als ich 
zu meiner Freude ein Exemplar fand, von welchem eine Menge Pseudo- 
podien ausstrahlten (Fig. 4). 

Wie ich vermuthet, traten diese aus den Poren der Hülle hervor, 
wenn man dies auch nicht immer mit Deutlichkeit nachweisen konnte. 
Auf der nach dem Leben entworfenen Fig. 4 sieht man die Scheinfüß- 
chen nur an der Peripherie und dies ist gewöhnlich so der Fall, weil 
man entweder die auf der oberen Seite hervorkommenden Pseudopodien 


48 August Gruber, 


nicht wahrnehmen kann, oder hier das aufliegende Deckgläschen einem 
Austritt der Sarkode im Wege ist. 

Was die Gestalt der Pseudopodien betrifft, so ist dieselbe eine der- 
artige, um der Pachymyxa eine Stellung unter den Lobosen anzuweisen. 
Sie weicht aber von der gewöhnlichen Form dadurch ab, dass die 
Pseudopodien nicht lappige, oft wechselnde Protoplasmafortsätze, son- 
dern vom Grunde, d. h. von der Austrittsstelle bis zur Spitze gleich- 
mäßig dicke, eine bestimmte Länge nie überschreitende Fäden sind 
(Fig. 1), die sich auch langsam hin und her biegen können. 

Sie gleichen am meisten denjenigen der von Entz ! beschriebenen 
Orbulinella smaragdea, wie dieselbe von BürscaLı in Bronn’s Klassen und 
Ordnungen des Thierreichs (Protozoen. Taf. IV, Fig. 4) wiedergegeben 
worden ist. Auch hier treten überdies die Scheinfüßchen aus Poren der 
Schale hervor?. 

Nie habe ich eine Verzweigung an den Pseudopodien bemerkt, ge- 
wöhnlich sind sie alle von der gleichen Dicke und nur manchmal, wenn 
das Thier sich abflachte, sah man an einigen Stellen breitere Fortsätze 
austreten. Eine Protoplasmaströmung ist in den Pseudopodien nicht zu 
bemerken und sie bestehen aus ganz hyaliner körnchenfreier Sarkode. 

Bewegungsorgane scheinen sie nicht zu sein, denn ich habe nie be- 
merkt, dass die Pachymyxa durch ihre Hilfe eine Ortsveränderung aus- 
geführt hätte. 

Offenbar dienen die Fortsätze nur dazu, Nahrungsbestandtheile zu 
sammeln und dem Körper zuzuführen. 

Leider ist es mir nie gelungen, die Pachymyxa Nahrung aufnehmen 
zu sehen und so kann ich auch keine Erklärung für die Thatsache geben, 
dass man im Inneren derselben Nahrungsballen sieht, die viel zu 
groß sind, als dass sie hätten durch die Öffnungen der Hülle hereinge- 
zogen werden können. Sehr möglich ist es, dass ursprünglich fein ver- 
theilte Substanzen erst nachträglich im Inneren des Rhizopoden zu sol- 
chen Klumpen zusammengeballt worden sind. 

Was nun den Protoplasmakörper selbst betrifft, so schimmert derselbe 
auch schon am lebenden Thier durch die Hülle hindurch und man sieht 
seine Umrisse bis an die Stäbchen heranreichen. An der Stelle, wo 
Pseudopodien austreten, verräth das stärkere Lichtbrechungsvermögen 
eine Lage von hyalinem Protoplasma, aus welcher die Fortsätze her'vor- 
gehen, während nach innen zu der Körper aus einer trüben, reichlich 
mit Körnchen und Vacuolen versehenen Sarkode besteht. Oft ist die- 
selbe außerdem ganz mit dunkeln, braunen Nahrungsballen erfüllt. Die 


1 Naturhist. Hefte des ungar. Nat.-Mus. 1. 
2 Die Arbeit von Entz hat mir leider nicht zur Verfügung gestanden. 


Untersuchungen über einige Protozoen. 49 


ganze Masse ist äußerst zäh und dick, so dass von einer Strömung oder 
Bewegung im Inneren kaum etwas zu bemerken ist. Trotzdem zeigen 
sich an ihr bei längerer Beobachtung deutliche, wenn auch meistens 
langsame Formveränderungen, an welchen auch die Stachelhülle Theil 
hat. Das Rhizopod nimmt z. B. eine bandförmige Gestalt an, während 
es vorher kugelig war, und scheint so vor den Augen des Beobachters 
in die Länge zu wachsen. Es dehnt sich dabei oft so, dass die Stäbchen 
weiter aus einander treten und dadurch der Einblick in das Innere viel 
ungehinderter wird. Solche Exemplare sind besonders geeignet, um den 
Austritt der Pseudopodien aus den Poren zu studiren. 

Auf Fig. 4 habe ich eine Pachymyxa abgebildet, welche den mittle- 
ren Theil ihres Körpers spiralig aufgerollt hat, während sie Anfangs 
kugelig und dann bandförmig gewesen war. Man sieht ganz deutlich 
die Falten, welche die Hülle über dem zähen Protoplasma wirft. Bald 
nachdem das Thier diese Gestalt angenommen hatte, rollte es sich plötz- 
lich wieder aus einander und erhielt dann langsam wieder eine rundliche 
Form. 

Besseren Aufschluss als am lebenden Thier bekommt man über die 
Struktur der Pachymyxa und die Beziehung des Protoplasmas zur Hülle, 
wenn man Präparate herstellt, wobei die Thiere mit starker Osmium- 
säure getödtet, dann mit einer Karminlösung gefärbt und schließlich in 
Kanadabalsam eingeschlossen werden. 

Zunächst zeigt es sich, dass bei diesem Verfahren die Stäbchenhülle 
als Ganzes vom Protoplasmaleib abgehoben wird, resp. letzterer sich 
von ihr zurückzieht (Fig. 3). Wir sehen daraus, dass, obgleich diese 
Hülle im Leben so eng mit der Sarkode verschmolzen ist, dass sie alle 
deren Bewegungen mitmachen muss, die Stäbchen doch einer beson- 
deren, äußerst feinen Außenschicht, gewissermaßen einer Cuticula auf- 
sitzen, welche aber im Leben sich nicht von dem übrigen Protoplasma 
absondert. 

Ich habe Präparate erhalten, wo diese feine Haut sich sogar dunkel 
gefärbt hatte und so besonders deutlich zu sehen war. 

An denStellen, wo die Poren sich befinden, muss natürlich auch eine 
Lücke in dieser äußersten Protoplasmalage sich befinden, d. h. sie wird 
wohl jedes Mal von einem austretenden Pseudopodion durchbrochen, um 
sich, wenn das letztere sich wieder zurückgezogen hat, neu zu bilden. 
Gewöhnlich gelingt es nicht, ein Präparat mit ausgestreckten Fortsätzen 
zu erhalten, aber einige wenige Male habe ich dies doch erreicht und be- 
sonders deutlich waren die Verhältnisse, so lang die Pachymyxa noch in 
der Farbflüssigkeit lag, ehe also der Alkohol seine kontrahirende Wirkung 
ausgeübt hatte. 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVIIL, Bd. [A 


50 August Gruber, 


Nach einem solchen Präparate ist die Zeichnung auf Fig. 6 ent- 
worfen. Man bemerkt dort die Stäbchen der Hülle weit vom Körper ab- 
gehoben und durch einen Porus durchtretend ein Pseudopodion. Ferner 
sieht man an dieser Stelle die schon oben erwähnte Lage von hyalinem 
Protoplasma, die immer da auftritt, wo sich Pseudopodien bilden. Die- 
selbe hat sich im Karmin stärker gefärbt als die darunter liegende Masse 
der körnigen Sarkode. 

In letzterer eingestreut bemerkt man eine große Menge ebenfalls 
dunkel gefärbter Körner oder Kügelchen, auf welche ich hier noch näher 
eingehen muss. 

In allen Pachymyxen nämlich, die ich untersuchte — und deren 
war es eine große Zahl —, habe ich nie die Spur eines Kernes beob- 
achten können, wohl aber traten fast immer bei richtiger Behandlung 
die genannten rothen Punkte hervor, die sich durch ihre stärkere Fär- 
bung von der Umgebung abhoben. 

Es ist nun nicht unwahrscheinlich, dass die rothen Körner kleine 
Kerne darstellen, wie wir ja auch bei anderen Rhizopoden, z.B. bei 
Pelomyxa eine Vielheit von Kernen vorfinden. Für die Kernnatur spricht 
jedenfalls das Verhalten der Körner gegenüber den Reagentien, haupt- 
sächlich die rasch eintretende Färbung durch Karmin; ein sicherer Be- 
weis ist dies aber immerhin nicht und einen solchen bin ich auch leider 
nicht zu liefern im Stande. 

In welcher Beziehung diese eventuellen Kerne zur Fortpflanzung 
stehen, konnte ich nicht ermitteln, doch hat mir ein Präparat die Ver- 
muthung nahe gelegt, dass sie vielleicht zu einer endogenen Theilung, 
oder besser gesagt einer Schwärmerbildung, Veranlassung geben könn- 
ten. Ich fand nämlich bei einer auf oben beschriebene Weise behan- 
delten Pachymyxa, bei welcher sich der Protoplasmakörper nur sehr 
schwach gefärbt hatte (Fig. 2), wieder eine bedeutende Anzahl stark roth 
gefärbter Körner. Dieselben waren aber alle von einer ebenfalls stark 
tingirten Zone hyalinen Protoplasmas umgeben, so dass sie sich wie 
kleine Amöben ausnahmen. Sie lagen in der Sarkode zerstreut, ähnlich 
wie die bei der Furchung mancher Insekteneier (z. B. von Gryllotalpa) 
im Inneren sich bildenden Zellen. 

Einen Austritt solcher Körperchen aus einer Pachymyxa konnte ich 
nie beobachten, wohl habe ich aber auf meinen Präparaten zwischen 
den Algen sehr viele ganz eben so gestaltete kleine amöbenartige Wesen 
gefunden, die vielleicht zu jenen in Beziehung stehen könnten. 

Sollte nun wirklich eine Fortpflanzung der Pachymyxa durch 


i Bei mehreren Präparaten, die ich später anzufertigen Gelegenheit hatte, haben 
sich besagte Körperchen ganz eben so vorgefunden. 


Untersuchungen über einige Protozoen. 5l 


Schwärmsprösslinge bestehen, so ist das doch nicht die einzige Fort- 
pflanzungsweise; denn außerdem findet jedenfalls auch eine Vermehrung 
durch Theilung statt. Man findet häufig Exemplare, die im Begriff sind 
durch eine in der Mitte erfolgende Einschnürung in zwei Theile zu zer- 
fallen (Fig. 5), wie dies auch von vorn herein zu erwarten ist!. 

Was schließlich die Stellung der Pachymyxa im System betrifft, so 
muss ich gestehen, dass ich nicht im Stande bin, sie irgend einer schon 
bekannten Form anzureihen. Am meisten Ähnlichkeit hat sie wohl in 
der Pseudopodienbildung mit der oben erwähnten Orbulinella. Was die 
eigenthümliche aus feinen Stäbchen bestehende Hülle betrifft, so weiß 
ich dafür gar kein Analogon. Es fiel mir nur die Ähnlichkeit auf, welche 
dieselbe mit dem Besatz von feinen Fortsätzen hat, die ArcHer? bei 
seinem Diaphoropodon mobile angiebt, nur dass bei letzterer Form die 
kleinen Strahlen Pseudopodien und keine starren Stäbchen sein sollen. 

Die ganz geschlossene Hülle, welche von Poren durchsetzt ist, 
deutet eine entfernte Ähnlichkeit mit den Perforaten unter den Foramini- 
feren an; während die geringe Konsistenz derselben und die Gestalt der 
Pseudopodien so wie der ganze Bau des Protoplasmaleibes die Pachy- 
myxa eher zu den amöbenartigen Rhizopoden verweist. 

Neben der Form, wie ich sie eben beschrieben habe, fanden sich 
im Seewasseraquarium an derselben Stelle auch eine Menge nackter 
Protoplasmaklümpchen, die in der Größe ungefähr zwischen denselben 
Dimensionen schwankten, wie ich sie oben für Pachymyxa angegeben 
habe. Diese Wesen, von denen ich später zu entscheiden suchen will, 
ob sie mit Pachymyxa identisch sind oder nicht, zeigen manche inter- 
essante Eigenthümlichkeiten, so dass ich auch sie einer näheren Be- 
schreibung unterziehen muss. 

Auch hier zeichnet sich das Protoplasma durch seine Zähigkeit und 
Dicke aus, so dass nur äußerst langsame, kaum sichtbare Bewegungs- 
erscheinungen sich an ihm abspielen. Diese Rhizopoden sind desshalb 
auch sehr undurchsichtig, zumal wenn sie, was häufig der Fall, von 
großen braunen Nahrungsklumpen erfüllt sind. 

Sehr häufig sind solche Nahrungsbestandtheile im Inneren in einer 
besonderen großen Vacuole oder verdauenden Gavität eingeschlossen, 
die sich von der Umgebung scharf abgrenzt. Andere Male liegen die 
Ballen zerstreut durch das Innenparenchym des Körpers (Fig. 8). 

Überhaupt kann die äußere Erscheinung der einzelnen Exemplare 


1 Auch ein Zeıfall in eine größere Zahl kleiner Stücke ist mir wahrscheinlich 
geworden. 

2 Quart. journ. micr. Soc. New Ser. IX; siehe auch BürtscaLı in Brons, Kl. u. 
Ordn. des Thierreichs. Taf. IV, Fig. A. 


4* 


52 August Gruber, 


eine äußerst verschiedene sein, da das Protoplasma einmal eine ganz 
körnige, dann wieder eine blasige, vacuolenreiche Konsistenz annehmen, 
und endlich mehr hyalin und durchscheinend aussehen kann, welche 
Unterschiede etwa die Figuren 7, 8 und 14 veranschaulichen mögen. 
Sehr deutlich kann manchmal eine Scheidung zwischen einer äußeren 
hellen Lage von Protoplasma und einem von Nahrungsbestandtheilen 
erfüllten Endoplasma hervortreten, welch Letzteres dann eine Art Nah- 
rungsbrei darstellt. Auf Fig. 7 ist ein solches Exemplar abgebildet, an 
welchem ein äußerst regelmäßig von Vacuolen durchsetztes Exoplasma 
zu bemerken ist, von dem die gleich noch näher zu besprechenden 
Pseudopodien ausgehen. Die Außenschicht gleicht hier ganz derjenigen 
einer Actinophrys sol. Innerhalb derselben bemerkt man scharf abge- 
grenzt das von dem Nahrungsbrei braun gefärbte Endoplasma liegen. 

An der einen Seite sieht man diesem Individuum ein zweites, 
kleineres anhängen, das in Verschmelzung mit dem größeren begriffen 
ist, ein Vorgang, wie wir ihn später ähnlich bei Actinophrys zu betrach- 
ten haben werden (s. u.). Hier wurde zunächst nur das Endoplasma, 
resp. der Nahrungsbrei von dem großen Rhizopoden aufgesogen. In 
langsamem aber stätigem Strome floss der gesammte braune Inhalt des 
kleineren Individuums in das größere hinein, so dass schließlich von 
ersterem nur noch eine helle vacuolenreiche, aller Nahrungsbestand- 
theile entbehrende Protoplasmamasse ührig blieb, an welcher auch die 
Pseudopodien verschwunden waren. 

So lange ich die beiden Exemplare beobachten konnte, fand keine 
vollkommene Verschmelzung statt, aber an dem großen Rhizopoden 
gingen merkwürdige Veränderungen vor sich: Es verlor nämlich voll- 
kommen seine regelmäßige Gestalt. Der braune Inhalt ballte sich zu 
mehreren Klumpen zusammen, die Außenschicht löste sich auf, an 
einigen Stellen blieb nur noch eine feine Zone, welche von großen Va- 
cuolen nach außen gedrängt wurde, kurz die Gestalt des ganzen Wesens 
wurde eine höchst unregelmäßige, als ob es zerfallen wollte. Bald nach- 
her näherte es sich aber immer mehr wieder der ursprünglichen Form 
und erreichte dieselbe auch in ziemlich vollkommener Weise. 

Man sieht daraus wie wenig konstant eine Scheidung in zwei Re- 
gionen bei den Rhizopoden ist und wie leicht sich zeitweise getrennt 
erscheinende Plasma-Arten wieder unter einander zu mischen vermögen. 
Die Veränderungen, die sich hier an einem und demselben Individuum 
abspielten, geben auch einen Fingerzeig dafür, warum die hier be- 
sprochenen Formen in Beziehung auf die Struktur ihres Protoplasmas 
so verschieden sein können. 

Sehr merkwürdig ist das Verhalten der Pseudopodien. Dieselben 


Untersuchungen über einige Protozoen. 53 


gehen nämlich nicht als einfache Fortsätze von der äußeren Protoplasma- 
schicht aus, sondern treten als feine, gleichmäßig dicke Stäbe aus einem 
Kegel hyaliner Sarkode hervor, ganz in derselben Weise, wie ich dies 
kürzlich von der Amoeba tentaculata beschrieben habe. Auch hier tritt 
der Faden genau aus der Spitze des Kegels heraus und es bleibt, wenn 
er sich wieder zurückgezogen, immer noch eine kleine kraterförmige 
Einsenkung zurück. 


Die Pseudopodienkegel sind aber meist viel zahlreicher als bei der 
Amoeba tentaculata, und außerdem gewöhnlich in auffallender Regel- 
mäßigkeit angeordnet (s. Fig. 7 und 41). 


Bei jener Amöbe erschien der ganze Körper einschließlich der 
Pseudopodienkegel bei starker Vergrößerung von einem deutlichen 
doppelten Kontur umgeben, was hier nicht so ist, wenigstens in den 
weitaus meisten Fällen nicht zu bemerken war. Nichtsdestoweniger 
existirt auch hier, wie bei der mit Hülle versehenen Pachymyxa, eine 
äußerst feine Lage von Protoplasma als Überzug über den gesammten 
Körper. Ich habe früher? die Behauptung aufgestellt, dass bei allen 
Rhizopoden die äußerste Grenze des Proteplasmas durch die Berührung 
mit dem Wasser eine andere Konsistenz erhalte und dass das Fließen der 
Amöbe oder eines Pseudopodions in einem fortwährenden Durchbrechen 
dieser äußeren hautartigen Lage von Seiten der einem Drucke nach- 
gebenden flüssigen Sarkode bestehe, wobei sich jene Lage immer wie- 
der von Neuem bilde. 


Bei den meisten Rhizopoden ist dieselbe nicht zu sehen und auch 
im vorliegenden Fall gewahrt man am lebenden Thier nichts davon. Um 
so deutlicher aber stellt sich diese Art Guticula durch Anwendung von 
Reagentien dar, wie dies die Fig. 9 zeigen kann. Tödtet man nämlich 
die Rhizopoden wieder mit Osmiumsäure, färbt mit Karmin und schließt 
in Kanadabalsam ein, so zieht sich das Protoplasma zusammen und man 
sieht, von ihm getrennt und seine Konturen wiederholend, ein feines 
Häutchen sich hinziehen. Gelingt das Präparat gut, so bleiben auch die 
Pseudopodienkegel mit den Pseudopodien selbst erhalten (Fig. 9). An 
der feinen Haut sieht man dann sehr deutlich an vielen Stellen Erhe- 
bungen, welche einem darunter liegenden Kegel entsprechen, ein Be- 
weis dafür, dass die Haut als zarte Schicht auch die Kegel mit umhüllt 
hat und von den Pseudopodien durchbohrt worden war. Einen Kern 
konnte ich auch hier niemals nachweisen, wohl aber zeigten sich bei 
richtiger Präparation und Tinktion dieselben zahlreichen rothen Körn- 


1 Beiträge zur Kenntnis der Amöben,. Diese Zeitschr. Bd. XXXVI. 
2 a.2.0. 


54 August Gruber, 


chen im Inneren, wie bei der Pachymyxa. Auch scheint wie bei dieser 
eine Fortpflanzung durch Theilung häufig zu sein (s. Fig. 10). 

Es fragt sich nun, wo wir nach den angegebenen Merkmalen die Ver- 
wandten dieser Rhizopoden zu suchen haben. Das Nächstliegendste ist es 
wohl, denselben mit der Amoeba tentaculata für identisch zu erklären, die. 
ich ja an derselben Stelle auch in unserem Seewasseraquarium aufge- 
funden habe. Die Größe kann nicht zur Vergleichung herbeigezogen 
werden, da sie bei den verschiedenen Exemplaren sehr schwankend ist; 
dagegen waren die Bewegungserscheinungen der Amoeba tentaculata 
ganz andere. Das Stadium, wo sie die beschriebenen Pseudopodien 
aussandte, entsprach nur einem Ruhezustand, während sie sonst in 
stätigen Fluss gerathen konnte, ganz wie andere Amöben, zumeist die 
Amoeba quadrilineata; außerdem besaß sie einen deutlich sichtbaren, 
typisch gebauten Zellkern, Beides Dinge, die hier nie zur Beobachtung 
kamen. Man könnte immer noch annehmen, dass dieses Rhizopod ein 
Entwicklungszustand jener Amöbe sei, doch ist dies sehr wenig wahr- 
scheinlich. 

Was aber die Beziehung der besprochenen Form mit der oben be- 
schriebenen Pachymyxa betrifft, so scheint die Annahme fast unabweis- 
bar, dass sie mit dieser identisch sei; denn, abgesehen von dem Mangel 
einer Bekleidung mit den kleinen Stäbchen haben die beiden Formen 
eine Menge von Übereinstimmungen : Die zähe Konsistenz und schwache 
Bewegungsfähigkeit des Protoplasmas, das Auftreten von vielen kern- 
artigen Körperchen im Inneren, die Umkleidung mit einer festen feinen 
Protoplasmaschicht, die sich bei einer gewissen Präparation wie eine- 
Cuticula abhebt, die Gestalt der Pseudopodien und schließlich die Art 
der Theilung. Als Unterschiede bleiben also nur, dass bei der einen Form 
sich immer Pseudopodienkegel bilden und bei der anderen auf der peri- 
pherischen Sarkodeschicht die kleinen Stäbchen des Skelettes aufsitzen. 
Ich möchte desshalb das zuletzt besprochene Rhizopod nur für einen 
anderen Zustand der Pachymyxa erklären. 


2) Amoeba obtecta. 


Außer der vorhin beschriebenen Pachymyxa fand ich, ebenfalls in 
dem kleinen Seewasseraquarium des hiesigen zoologischen Institutes, 
noch eine Rhizopodenform, und zwar eine Amöbe, die sich in manchen 
Beziehungen von anderen Arten ihrer Gattung unterscheidet; ich habe 
sie Amoeba obtecta genannt. Sie ist sehr klein, misst nur 0,03—0,04 mm 
und kriecht nicht frei umher, sondern baut sich ein Gehäuse, in wel- 
chem sie sich versteckt. Was dieses letztere betrifft, so wird es gebildet 
aus einer schleimigen Substanz von gelblicher Farbe, die im Wasser 


Untersuchungen über einige Protozoen. 55 


immer mehr zu erhärten scheint. Der innerste Theil der Hülle, welcher 
der Amöbe zunächst liegt, ist der konsistenteste und am dunkelsten ge- 
färbte (Fig. 12 und 15); er bildet das eigentliche Gehäuse, während um 
ihn her noch eine unregelmäßige Zone der gelblichen Substanz liegen 
kann, an welcher viele Körnchen und sonstige Fremdkörper fest- 
kleben. 

Ihrer Zusammensetzung und Färbung nach gleicht die Hüllsubstanz 
vollkommen derjenigen, die ich bei der Stichotricha socialis beschrieben 
habe!. Was die Gestalt des Gehäuses betrifft, so ist dieselbe eine napf- 
förmige (Fig. 12), d h. sie besitzt einen abgerundeten Boden und eine 
weite Öffnung für den Austritt des Protoplasmas. Häufig ist eine Hälfte 
der Seitenwand nicht zur Ausbildung gelangt und dann liegt die Amöbe 
ziemlich lose in einer einfachen Schale. Der Protoplasmakörper, wel- 
cher sich in solcher Hülle verbirgt, zeigt nichts Auffallendes, was ihn 
von dem verwandter Amöbenarten unterschiede. Die Sarkode ist ziem- 
lich zäh und unbeweglich, wenn auch lange nicht so wie bei Pachy- 
myxa. Der Theil, welcher im Grunde des Napfes liegt, ist fein gekörnelt 
und trüb, während das entgegengesetzte, an der Mündung gelegene 
Ende hell ist und aus hyaliner Masse gebildet erscheint. Aus ihm ent- 
stehen die Pseudopodien, die ich aber nur selten habe beobachten 
können, da sich die Amöben nicht leicht von der Störung erholen, die 
sie durch das Übertragen auf den Objektträger erleiden. Gewöhnlich 
sieht man nur langsame Veränderungen an der hyalinen Masse; einmal 
gelang es mir aber auch eigentliche Pseudopodien zu beobachten 
(Fig. 12). Es waren stumpfe Fortsätze, von denen der eine sich an der 
Spitze gabelte. Die Bewegungen derselben waren sehr langsam. Ein 
solches Exemplar hatte dann einige Ähnlichkeit mit einem monothala- 
men Rhizopod. Von einem Kern und einer kontraktilen Vacuole be- 
merkt man am lebenden Thier gar nichts. Die letztere wird wahr- 
scheinlich überhaupt nicht vorhanden sein, da die Amoeba obtecta eine 
marine Form ist; den Kern aber kann man mittels Reagentien sehr 
deutlich zur Anschauung bringen. 

Wenn man die Amöben auf die Eingangs beschriebene Weise be- 
handelt und dann mit Pikrokarmin färbt, so tritt schon nach kurzer Zeit 
der sich intensiv roth färbende Kern deutlich hervor (Fig. 14). Man 
sieht ihn bald am hinteren Ende des Körpers, bald in der Mitte liegen und 
er erscheint stets als gleichmäßig roth gefärbte Masse. Die Vacuolen im 
Protoplasma bleiben, wie dies Fig. 14 zeigt, bei dieser Behandlungs- 
weise auch ganz gut erhalten. 


1 Neue Infusorien. Diese Zeitschr. Bd. XXXII. 


56 August Gruber, 


Über die Art der Fortpflanzung dieser Amöbe besitze ich keine 
Beobachtungen. Jedenfalls erfolgt sie auch durch Zweitheilung und das 
aus der Schale austretende Theilstück wird sich wohl sofort eine eigene 
Hülle bilden. Dafür spricht der Umstand, dass man sehr häufig Paare 
von Amöben findet, die ganz eng mit ihren Gehäusen zusammenliegen 
(Fig. 15). 

Offenbar haben diese Rhizopoden keine Tendenz Wanderungen zu 
unternehmen und so kommt es, dass, wenn die Umstände günstig sind, 
sie in großen Massen bei einander liegen, also förmliche Gesellschaften 
bilden. Ich habe auf meiner Fig. 16 eine solche Amöbenkolonie darzu- 
stellen versucht. Die Zeichnung ist nach einem Dauerpräparat ent- 
worfen, weil die lebenden Amöben und ihre Hüllen sich nicht so deut- 
lich von der Umgebung abheben und kein so klares Bild zu geben 
vermögen. 


II. Über einige Infusorien. 


1) Spongomonas guttula. 


In seinem umfassenden und höchst verdienstvollen Sammelwerk 
über alle bekannten Infusorien hat SavıLLE Kent! eine neue Art der 
Gattung Spongomonas kennen gelehrt, welche sich hauptsächlich da- 
durch auszeichnet, dass sie große, sackförmige Kolonien aufbaut. Durch 
Zufall entdeckte ich in einem kleinen Aquarium, in welchem das Wasser 
eine Zeit lang in Fäulnis übergegangen war, eine ganze Menge bräun- 
licher Kugeln, die sich bei näherer Besichtigung ebenfalls als Erzeug- 

“nisse kleiner Flagellaten herausstellten. 

Die Kolonien der Spongomonas gutiula, wie ich das Infusorium 
nennen will, sind entweder ganz kugelige (Fig. 30) oder durch Einfallen 
der Oberfläche gefaltete (Fig. 31) Blasen, welche theils an den Wänden 
des Glases, theils auf allerlei darin befindlichen Gegenständen, theils 
auch an dem Wasserspiegel hingen (Fig. 30). 

An der Seite, an welcher sie festgeheftet sind, ist eine Öffnung, 
durch welche man in das Innere der hohlen Kugel blickt. Die Größe 
derselben war eine sehr verschiedene, doch habe ich nie eine umfang- 
reichere gefunden, als diejenige, welche ich auf Fig. 31 in natürlicher 
Größe dargestellt habe. 

Die braune Farbe rührt, wie bei der Spongomonas sacculus Kenr's, 
von kleinen Körnchen her, welche, durch Gallerte zusammengehalten, die 
Hauptmasse der Kolonie darstellen (Fig. 32). Die einzelnen Infusorien 


1 A manual of the Infusoria. London 4880 und 4881. p. 288 und 289. Pl. XII, 
Fig. 17—23. 


Untersuchungen über einige Protozoen. 57 


sind nicht regellos über die Oberfläche der Kugel vertheilt, sondern 
stecken in regelmäßigen Abständen in der Gallerte (Fig. 36). 

Jedes der winzigen Flagellaten befindet sich am Ende einer Röhre, 
die es selbst ausgeschieden. Diese Röhren sind aber nicht von einander 
getrennt, sondern fest mit einander verschmolzen (Fig. 33 und 34), wie 
bei den Gallertkugeln der Ophrydinen. Am deutlichsten sieht man diese 
Kanäle an der Stelle der Blase, wo die Öffnung sich befindet; denn da 
kann man sie in ihrer ganzen Länge verfolgen (Fig. 29). Im Verhältnis 
wie dieselben länger werden, nimmt auch die ganze Blase an Um- 
fang zu. 

Was die Entstehung dieser Kolonien betrifft, so ist dieselbe nicht 
leicht zu erklären, und es scheint mir noch am wahrscheinlichsten, an- 
zunehmen, dass sich die massenhaft im Wasser vertheilten Flagellaten 
auf Lufiblasen angesiedelt, die an den Wänden des Aquariums oder am 
Wasserspiegel hingen. In etwas faulendem Wasser werden solche 
Sauerstoffquellen natürlich vorzugsweise von den Infusorien aufgesucht 
werden. 

So würde sich auch erklären, warum die Kolonien Hohlkugeln dar- 
stellen. Von der Peripherie der Luftblase aus hätten die Flagellaten ihre 
Röhren gebaut und später kann die Luft im Inneren geschwunden sein. 

Außer den so beschaffenen Ansiedelungen fanden sich dann noch 
sehr häufig Vereinigungen von nur ganz wenigen Individuen, bei wel- 
chen auch noch keine Anlage der Röhren zu beobachten war (Fig. 37). 
Die Infusorien selbst unterscheiden sich nicht von den ihnen verwandten 
Arten. In der Regel ist der 0,01—0,045 mm messende Körper kugelförmig 
(Fig. 38), doch kann er auch eine mehr ovale Form annehmen (Pig. 39). 
In dem körnigen Protoplasma eingebettet liegen Vacuole und Kern, 
welch letzterer am lebenden Thier nicht sichtbar ist, bei der Tinktion 
mit Karminlösungen aber sehr deutlich wird. Am vorderen Körperende 
endlich erheben sich die Geißeln (Fig. 38), zwei an der Zahl, wie dies 
für die Gattung Spongomonas charakteristisch ist. 


2) Die Gattung Stichotricha. 


Während die Mehrzahl der hypotrichen Infusorien nicht die Ge- 
wohnheit hat, eine schützende Hülle um ihren Körper auszuscheiden, 
finden wir bei einer Gattung dieser Abtheilung einen solchen Kunsttrieb 
vollkommen entwickelt, nämlich dem Genus Stichotricha. Die übrigen 
Hypotrichen können auch einer Schutzvorrichtung sehr wohl entbehren, 
da sie meist eine feste, oft panzerartige Rindenschicht besitzen; nicht so 
die Stichotricha, deren Körper äußerst weich und biegsam ist. Ich 
habe seiner Zeit unter dem Namen Stichotricha socialis eine Form kennen 


58 August Gruber, 


gelehrt!, welche sich dendritisch verzweigte Röhren baut, während von 
Stein ? die möglicherweise nur eine Varietät der obigen Art darstellende 
Stichotricha secunda beschrieben und abgebildet wird, die solitär lebt 
und ein mehr flaschenförmiges, am Grunde abgerundetes Gehäuse baut. 
Seither habe ich noch andere Formen von Gehäuse- und Koloniebildung 
bei Stichotrichen beobachtet, die ich hier beschreiben möchte. 

Ich bemerke, dass ich zweien dieser Infusorien keine neuen Namen 
gegeben, weil ich nicht mit Sicherheit sagen kann, ob es selbständige 
Arten oder nur Varietäten ein und derselben Species sind. 

Dies gilt zunächst für eine Form, welche durch den Besitz von 
Chlorophylikörpern® grün gefärbt war. Diese Stichotricha fand sich in 
großen Mengen in einem Bassin meines väterlichen Gartens in Genua, in 
welchem auch eine Menge grüner Flagellaten lebten. 

Die Kolonien bestanden aus langen, manchmal sich gabelnden 
Fäden, welche theils auf dem Grunde oder an den Seitenwänden des 
Gefäßes angeheftet waren, in welchen ich die Thiere hielt, theils vom 
Wasserspiegel herabhingen (Fig. 18 und 19). Diese Fäden schienen 
durch die zahllosen Stichotrichen, die auf ihnen saßen, selbst grün ge- 
färbt. Ich habe auf Fig. 17 die Spitze eines solchen Fadens bei 80facher 
Vergrößerung darzustellen versucht. 

Der Faden selbst besteht aus nichts Anderem als der Gallerte der 
vielen Röhren, welche die Stichotrichen gebaut, und welche allmählich 
zu einer gemeinsamen Masse zusammengeschmolzen sind, auf welcher 
eine Menge von allerlei Fremdkörpern, Diatomeen, Abfällen und dgl. 
festgeklebt sind. Er zeigt dieselbe Analogie mit der Ansiedelung einer 
Flagellate, der Spongomonas, welche Sreın (Organism. der Infusionsth. 
Bd. III, 4. Taf. VI, Fig. 11) abgebildet, als die Gehäuse meiner Sticho- 
tricha socialis mit denen anderer Geißelinfusorien, z. B. Rhipidodendron 
und Phalansterium. An der Peripherie des Fadens oder Schlauches 
sitzen die Infusorien, und dort sieht man auch noch, dass jedes eine 
eigene Röhre bewohnt, in welcher es hin und her schlüpft. Die Röhren 
können manchmal ziemlich lang werden, niemals aber verzweigen sie 
sich, was darauf beruhen muss, dass bei der Theilung der Stichotricha 
die eine Theilhälfte auswandert und sich zwischen den anderen Infu- 
sorien ansiedelt. Je mehr die Ansiedelung an der Spitze stattfindet, um 
so länger wird auch der Faden. 


1 Neue Infusorien. Diese Zeitschr. Bd. XXXIU. 

2 Der Organismus der Infusionsthiere. Bd.I, 

3 Ich spreche von Chlorophylikörpern, ganz davon absehend, ob wir es hier 
mit eigentlichen Chlorophylikörnern oder nach BrAnpr und Enzz mit einzelligen 
Algen zu thun haben (s. Biolog. Centralbl. Bd. I. p. 524 und 646). 


Untersuchungen über einige Protozoen. 59 


Was die Stichotricha selbst betrifft, so zeigt sie durchaus nichts 
Besonderes, wesshalb ich auch nicht näher auf ihre Untersuchung ein- 
gegangen bin. Das Thier misst etwa 0,1 mm und zeichnete sich nur 
durch die grünen Körper im Inneren vor anderen seiner Gattung aus!. 

Eine zweite Varietät der Gattung Stichotricha fand ich in einem 
kleinen Aquarium des hiesigen zoologischen Institutes. Während die 
Stichotricha secunda regelmäßige Röhren, die Stichotricha socialis den- 
dritisch verzweigte und die vorhin beschriebene Form faden- oder 
 walzenförmige Kolonien erzeugt, baut sich das genannte Infusor un- 
regelmäßige Gehäuse, gewöhnlich von handförmiger Gestalt, wo von 
einer breiten Fläche die einzelnen Röhren wie Finger ausgehen (Fig. 21). 
Häufig findet man auch Stichotrichen, welche nicht in Verbänden, son- 
dern in einzelnen unregelmäßigen, zwischen allerlei Zerfallmasse ange- 
legten Röhren leben. Das Infusor selbst misst ungefähr 0,15 mm, 
wenigstens die größeren Formen desselben, und hat denselben Bau wie 
die anderen besprochenen Stichotrichen. 

Während bisher nur solche Repräsentanten der Gattung Sticho- 
tricha bekannt geworden sind, welche schleimige, aus einer mit allerlei 
Körnchen besetzten Gallerte bestehende Gehäuse ausscheiden, verhält 
sich eine Art, welche ich Stichotricha urnula nennen will, ganz 
anders: Sie lebt nämlich in durchsichtigen, hautartigen Hülsen von 
flaschenförmiger Gestalt, die bis auf eine schmale vordere Öffnung rings- 
um geschlossen sind (Fig. 22) und welche sie fast nie verlässt. Die Rän- 
der, welche die Letztere umgeben, haben die Tendenz zusammenzu- 
schlagen, wenn sich das Infusor ganz in die Schale zurückgezogen hat. 
Von den Hüllen mancher peritrichen Infusorien, z. B. der Cothurnien, 
unterscheiden sich die der Stichotricha dadurch, dass sie nicht an einer 
Unterlage festgeheftet sind, wesshalb auch der Grund der Flasche voll- 
kommen abgerundet ist. Mehr Ähnlichkeit haben sie mit denjenigen 
Hülsen, welche manche Heterotrichen, also z. B. die Freia-Arten, sich 
bauen. Die Länge der Gehäuse beträgt 0,07 mm bei ausgewachsenen 
Formen. Das Thier, das in dieser Hülle steckt, unterscheidet sich merk- 
lich von den vorher genannten Stichotricha-Arten, aber, wie mir scheint, 
doch nicht so weit, dass man eine neue Gattung dafür schaffen müsste. 

Die Verschiedenheit tritt hauptsächlich dann zu Tage, wenn das In- 
fusor den vorderen oder Halstheil weit aus dem Gehäuse herausgestreckt 
hat, um sich Nahrung herbeizuwimpern (Fig. 22). 

In diesem Zustande nämlich ist der hintere Körpertheil nicht, wie 
sonst bei dieser Gattung, zugespitzt, sondern kugel- oder kolbenförmig, 


1 Ich erinnere mich, irgend wo eine grüne Varietät von Stichotricha erwähnt. 
gefunden zu haben, leider ist es mir aber nicht möglich, die Stelle zu citiren. 


60 August Gruber, 


abgerundet, d. h. er nimmt vollkommen die Gestalt des Flaschengrun- 
des an, von welchem er durch einen schmalen Zwischenraum getrennt 
bleibt. Diese dicke Partie des Körpers verschmälert sich dann plötzlich 
zum Halse, der weit aus dem Gehäuse hervorgestreckt wird und sich, 
wie das allen Stichotrichen eigenthümlich ist, nach einer Seite umbiegt. 
Es kann auch vorkommen, dass fast das gesammte Thier sich in die 
Länge zieht, wodurch der Hals eine noch bedeutendere Ausdehnung er- 
hält (Fig. 23). Dies zeigt, wie ungemein kontraktil die Körpersubstanz 
der Stichotricha urnula ist. 

Zieht sich das Infusorium in die Schale zurück, so verliert es die 
eigenthümliche Form und zeigt dann den gewöhnlichen Bau einer Oxy- 
trichine (Fig. 25). 

Das Protoplasma des Körpers ist sehr körnerreich und in Folge 
dessen undurchsichtig, so dass es mir nie gelungen ist, am lebenden 
Thiere etwas von den Kernen wahrzunehmen. Durch Tinktion mit Kar- 
minlösung aber traten sie sofort deutlich hervor. Es sind zwei bohnen- 
föormige Körper, wie sie für die Familie typisch sind (Fig. 26). Sehr 
häufig liegen sie nicht beide senkrecht zur Längsachse des Thieres, son- 
dern der eine davon ist wagrecht gestellt (Fig. 27). Es rührt dies 
wahrscheinlich davon her, dass die hintere Partie des Körpers durch die 
Annahme der rundlichen Gestalt in ihren inneren Theilen auch verscho- 
ben wird. Merkwürdigerweise gelang es mir nicht, die Nucleoli nachzu- 
weisen. 

Was die Bewimperung betrifft, so ist dieselbe die für die Gattung 
Stichotricha charakteristische. Ich gehe hier nicht so ausführlich auf 
dieselbe ein, wie ich das an anderem Orte! schon gethan, sondern be- 
schränke mich auf Beschreibung der besonders hervortretenden Gilien. 
Dies sind zunächst die drei langen und dicken, etwas gebogenen Wim- 
pern an der äußersten Spitze des Halses, auf welche dann das Peristom 
mit seiner regelmäßig angeordneten Wimperreihe folgt. Am hinteren 
Ende des Peristoms befindet sich der feine membranartige Saum 
(Fig. 22), der hier viel deutlicher ist, als z. B. bei Stichotricha socialis. 
Er steht nämlich viel weiter vom Halse ab und bildet dadurch eine Art 
Kragen, wie er bei anderen Infusorien vielfach beschrieben worden ist. 

Am Halse sieht man ferner in regelmäßigen, weiten Abständen 
die einzelnen starren Borsten stehen, wie bei den anderen Stichotrichen. 
Außerdem ziehen sich über den Körper die in Reihen geordneten bieg- 
samen Cilien, die aber hier, auch wegen der Schale, schwierig zu beob- 
achten sind. Am deutlichsten nimmt man sie noch am hinteren Ende 


1 Neue Infusorien. Diese Zeitschr. Bd. XXXII. 


Untersuchungen über einige Protozoen. 61 


des Infusoriums wahr, wo sie überdies merkwürdige Verhältnisse 
zeigen. | 

Sie können nämlich abwechselnd als Cilien und als 
Pseudopodien fungiren: Als erstere bewegen sie sich in bekann- 
ter Weise schlagend hin und her, als letztere aber dienen sie zum An- 
heften des Körpers an der Schale, an welcher sie sich wie die Pseudo- 
podien eines monothalamen Rhizopods ankleben. Das hintere Ende der 
Stichotricha ist dann in diesem Falle nicht abgerundet, sondern in un- 
regelmäßige Lappen ausgezogen (Fig. 25); es können diese Zustände 
ganz rasch und abwechselnd auf einander folgen, ein weiterer Beweis 
für die Analogie — in diesem Fall für die Identität — der Wimpern und 
Pseudopodien. 

Die Stichotricha pflanzt sich selbstverständlich durch Theilung fort 
und es liegen dann eine Zeit lang zwei Individuen neben einander in 
einem Gehäuse (Fig. 24). Das eine Theilstück wandert aus und scheidet 
sofort eine neue Schale ab, entweder entfernt von der ursprünglichen 
oder, wenn die äußeren Umstände es begünstigen, in der Nähe dersel- 
ben. Auf letztere Weise entstehen dann allmählich ganz große An- 
häufungen von Stichotrichen, wie ich eine in Fig. 28 abgebildet habe. 
Die durch einander gestreuten Fläschchen, aus denen die langen Hälse 
der Infusorien hervorsehen, bieten einen hübschen Anblick dar. 

Ich fand die Stichotricha urnula am Wasserspiegel eines kleinen 
Glasbehälters, in welchem ich zu einem bestimmten Zwecke süßes mit 
künstlichem Seewasser gemischt hatte. Letzteres stammte aus unserem 
Seewasseraquarium, ersteres dagegen aus der Brunnenleitung, so dass 
kaum ein Zweifel darüber bestehen konnte, dass die Stichotricha mit 
dem Seewasser hereingebracht worden war. Zweimal gelang es mir auch 
eine solche in einer Probe aus dem Aquarium nachzuweisen. Offenbar 
waren die Verhältnisse in dem kleinen mit Brakwasser gefüllten Behäl- 
ter sehr günstige für die Stichotricha, da sie sich rasch in bedeutendem 
Maße vermehrt hatte. Schließlich bleibt mir noch übrig, Einiges über 
die Ähnlichkeit zu sagen, welche die Stichotricha urnula mit der Gattung 
Chaetospira hat. Ich habe schon früher! die Vermuthung ausgesprochen, 
es möge die Chaetospira, welche Lacumann? abgebildet hat, mit der 
Stichotricha identisch sein. Dies ist mir zur Gewissheit geworden, seit 
mir die Stichotricha urnula zur Beobachtung gekommen. Ein Blick auf 
Fig. 7 bei Lacumann wird zeigen, dass die Abbildung sich auf eine Form 
bezieht, die von meiner Stichotricha urnula nicht zu unterscheiden ist. 


1 Neue Infusorien. Diese Zeitschr. Bd. XXXII. 
2 Über die Organisation der Infusorien etc. MüLLer’s Archiv. 1856. Taf. XII, 
Fig. 6 und 7. 


62 August Gruber, 


Neuerdings hat SavıLLeE Kent! in seinem »Manual of the Infusoria « 
die Gattung Chaetospira aufgeführt und eine Art derselben abgebildet 
(Tab. XXIX, Fig. 37 und 38). Auch er rechnet diese zu den hetero- 
trichen Infusorien, eine Täuschung, die leicht erklärlich ist, da die zahl- 
reichen Cilien der über den Körper verlaufenden Wimperreihen oft den 
Eindruck hervorrufen, als sei das Infusorium ganz mit Wimpern bedeckt. 
Ich glaube aber zur Genüge dargethan zu haben, dass dies nicht der 
Fall ist und dass dasselbe alle Merkmale einer typischen Oxytrichine, 
speciell einer Stichotricha besitzt. 

Wenn auch die Abbildungen Lacumann’s und Kent's kaum einen 
Zweifel lassen, dass ihre Arten dieselben sind wie meine Stichotricha 
urnula, so habe ich doch vorgezogen, den Namen Chaetospira nicht bei- 
zubehalten, weil eben dieser Gattungsnamen bisher unter den hetero- 
trichen Formen fungirt hat. Zudem scheint es mir, wie gesagt, geboten, 
das Infusorium der schon existirenden Gattung Stichotricha einzureihen. 

Schließlich muss ich noch auf ein Infusorium aufmerksam machen, 
dem sein Entdecker, Hupson 2, den Namen Archimedea remex gegeben 
hat, während er mit Fragezeichen die Bezeichnung Chaetospira in Klam- 
mer beigefügt. 

Kent (a. a. O. p. 603) erklärt diese Form ganz richtig für eine 
Stichotricha und sie müsste, da das Gehäuse sich doch wesentlich von 
denjenigen verwandter Arten unterscheidet, Stichotricha remex zu 
nennen sein. 


III. Über Verschmelzungsvorgänge bei Actinophrys sol *. 


Es ist bekanntlich eine oft beobachtete und beschriebene Erschei- 
nung, dass bei Heliozoen eine innige Vereinigung zweier oder mehrerer 
Individuen stattfindet. Es können auf diese Weise förmliche Syncytien 
zu Stande kommen, die manchmal aus mehr als 20 Einzelwesen be- 
stehen. Was die Bedeutung dieses Vorganges anbetrifft, so scheint es ge- 
wiss, dass er zu der Fortpflanzung nicht in Beziehung steht. Gewöhn- 
lich trennen sich die Heliozoen wieder, ohne dass man irgend welche 
Veränderungen am Kern oder am Weichkörper hätte bemerken können. 

1 A manual of the infusoria. London 4880 und 1881. 

2 On Cephalosiphon and a new infusorion. The monthly microsc. journ. 
Vol, XIV. p. 165. 

3 Der letzte Band des Kest’schen »Manual« kam mir erst zu, als diese Arbeit 
scbon der Redaktion übersandt war. Darin wird auch obige Form als Stichotricha 
remex aufgeführt, dagegen aus meiner Stichotricha socialis eine neue Gattung 
Schizosiphon gemacht, was mir doch nicht geboten erscheint. 

4 Die nachfolgenden Resultate sind im Wesentlichen schon im Zool. Anzeiger 
Nr. 448 bekannt gegeben worden, 


Untersuchungen über einige Protozoen. 63 


So nahm man an, dass dieseVereinigungen nur den Zweck haben 
sollten, die Nahrungsaufnahme zu erleichtern, wofür auch der Umstand 
spricht, dass die Heliozoen in diesem Zustande gewöhnlich viele Nah- 
rungsbestandtheile enthalten. 

Schon lange hatte ich die Absicht, genauer auf diese Fragen einzu- 
gehen, doch konnte ich nie genügendes Material erhalten. Vor Kurzem 
erst gelang mir dies, indem sich in einem kleinen Aquarium des hie- 
sigen Institutes eine Menge Actinophrys sol entwickelt hatte. 

Trotzdem war es mir nicht möglich durch meine Untersuchungen 
mehr Licht auf die Bedeutung der Koloniebildung bei den Heliozoen zu 
werfen. Aber es kamen dabei andere merkwürdige Vorgänge zur Beob- 
achtung, über die ich kurz berichten möchte. Es sind das Verschmel- 
zungserscheinungen, wobei im Gegensatz zur Kolonienbildung die zwei 
Theile vollkommen in einander aufgingen, d. h. das eine, welches zu- 
gleich das kleinere war, von dem anderen verschlungen wurde und 
wobei es sich herausstellte, dass abgetrennte Stücke von Actinophrys 
oder auch kleine Individuen ohne Kern normal zu funktioniren im 
Stande sind. 

Einer ausgewachsenen, normal gebauten Actinophrys sol hatte sich 
ein viel kleineres nur mit wenigen Pseudopodien versehenes Exemplar 
genähert, war rasch von derselben ergriffen worden (Fig. 40 a) und in 
kurzer Zeit vollkommen in ihr aufgegangen. Nachdem die Vereinigung 
eine vollkommene geworden, so dass die größere Actinophrys wieder 
ihre runde Gestalt angenommen hatte, tödtete ich dieselbe mit Ghrom- 
säure, färbte mit Karmin und schloss in Kanadabalsam ein, wobei sich 
herausstellte, dass nur ein einziger Kern im Gentrum des Heliozoons zu 
sehen war (Fig. 40 5). 

Ich glaubte desshalb annehmen zu müssen, dass die Kerne der bei- 
den Individuen eben so wie die Protoplasmaleiber in einander aufge- 
gangen seien. 

Um darüber ins Klare zu kommen, suchte ich den Vorgang noch 
einmal zu beobachten und es gelang mir auch durch Verschieben des 
Deckgläschens, durch Absaugen und Zufließenlassen von Wasser unter 
dasselbe, eine der ziemlich zahlreich vorhandenen kleinen Actinophryen 
einer vollkommen ausgebildeten so zu nähern, dass sie in deren Pseudo- 
podien hängen blieb (Fig. 41 a). Sofort näherte sie sich rasch dem 
großen Exemplar oder wurde von ihm herangezogen, die Pseudopodien 
verschmolzen theilweise mit einander und eine Brücke von Protoplasma 
begann die beiden Individuen zu verbinden (Fig. 41 b). Im Verlauf von 
etwa fünf Minuten waren sie auch schon zu einem großen Theil mit ein- 
ander verschmolzen. In diesem Moment wurden die Heliozoen nach oben 


64 August Gruber, 


angegebener Methode getödtet, gefärbt und zum Präparat verarbeitet. 
Dabei stellte sich heraus, dass das kleinere Exemplar überhaupt keinen 
Kern gehabt hatte. Während in der großen Actinophrys der Nucleus 
im Centrum durch seine dunkelrothe Färbung so deutlich wie möglich 
sich von dem umgebenden Protoplasma abhebt, ist in der kleineren keine 
Spur eines solchen zu erkennen (Fig. 44 c)!. Es war damit erklärt, 
warum bei dem vorhin angeführten Verschmelzungsprocess nur ein 
Kern in den zusammengeflossenen Heliozoen nachzuweisen war. 


Ich habe später diesen Versuch zu öfteren Malen wiederholt und 
immer mit demselben Resultat. Es gelang mir auch große mit Kern ver- 
sehene Actinophryen zur Vereinigung zu bringen, dadurch, dass ich sie 
künstlich zur Berührung brachte. Dabei aber ging die Vereinigung nur 
langsam vor sich, während sie dort ganz rasch erfolgt war; und wenn 
hier auch die äußeren Umrisse nicht darauf hindeuteten, dass zwei Indi- 
viduen vereinigt seien, so konnte man dies an den beiden Kernen klar 
nachweisen. Manchmal stießen sich die beiden einander genäherten 
Heliozoen immer wieder ab, ein Beweis, dass die Vereinigung mit Be- 
wusstsein geschieht, wenn man diesen Ausdruck gebrauchen kann. 


Dafür spricht auch der Umstand, dass selbst die kleinen Actino- 
phrysindividuen nicht immer aufgenommen werden. Es glückte mir ein- 
mal einem größeren Exemplar hinter einander drei solche zuzuführen, 
welche alle von ihm aufgesogen wurden, ohngeachtet zu gleicher Zeit 
auch noch mehrere grüne Nahrungsbestandtheile zur Aufnahme gelang- 
ten. Ich habe das betreffende Individuum auf Fig. 42 gezeichnet, und 
zwar in dem Moment, wo zwei der kleinen Theile schon fast verschmol- 
zen sind, während der dritte schon ganz im Protoplasma der großen 
Actinophrys aufgegangen ist, in welcher auch die besagten grünen 
Körper eingebettet liegen. Dieses Individuum nun weigerte sich kon- 
stant ein viertes ihm genähertes kleines Heliozoon aufzunehmen, so oft 
ich es auch mit ihm in Berührung brachte, und stieß dasselbe immer 
wieder von sich, offenbar weil es zu einer weiteren Substanz vermehrung 
nicht disponirt war. 


Es scheint mir nun, dass die beschriebenen Vorgänge für die 
Actinophryen wirklich keine andere Bedeutung haben, als eine Substanz- 
vermehrung und dass dabei die Annahme vollkommen ausgeschlossen 
ist, als handele es sich hier um einen mit der Fortpflanzung im Zu- 
sammenhang stehenden Akt, also etwa eine Konjugation. Dagegen 


1 Ich bemerke hier, dass die Größendifferenz zwischen den gefärbten und den 
lebenden Actinophryen immer eine bedeutende ist, da erstere durch den absoluten 
Alkohol stark kontrahirt werden. 


Untersuchungen über einige Protozoen. 65 


spricht wohl sofort die Thatsache, dass die erwähnten kleinen Indivi- 
duen — wie ich sie nannte — keine Kerne besitzen. 

Dies Letztere ist merkwürdig’genug und ich darf wohl darauf etwas 
näher eingehen: Es fragt sich zunächst, wie sind die von mir als kleine 
Individuen bezeichneten Wesen aufzufassen, als vollkommene Organis- 
men, oder nicht? 

Man kann darauf antworten, sie seien nichts Anderes als Zerfall- 
produkte größerer Actinophryen, nicht durch reguläre Theilung ent- 
standene Abkömmlinge eines Heliozoon. Das mag wohl ganz richtig sein 
und ein Zerfall in unregelmäßige Stücke kommt hier und wie ich später 
noch zu zeigen gedenke auch bei höheren Protozoen, nämlich bei Infu- 
sorien vor. Dies hindert aber nicht, dass diese Zerfallstücke im vor- 
liegenden Falle wirklich als Individuen aufzufassen sind. 

Sehen wir uns nämlich eine solche sogenannte kleine Actinophrys 
näher an, so finden wir, dass sie im Grunde sich nicht wesentlich von 
den vollkommenen Actinophryen unterscheidet. Es giebt wenigstens 
Exemplare, die ganz regelmäßig gebaut sind und jedenfalls haben alle 
eine vollkommene Selbständigkeit. Manche bestehen allerdings nur aus 
einigen wenigen Vacuolen, mit spärlichem Protoplasma umgeben, aus 
dem ein oder zwei Fortsätze sich erheben (Fig. 44). Der größte Theil 
aber hatte eine annähernd runde Gestalt. Vacuolen und Protoplasma 
waren ähnlich vertheilt wie im ausgebildeten Thier und es strahlten 
zahlreiche Pseudopodien oft in regelmäßiger Anordnung vom Rande aus. 

Zudem sind die Funktionen solcher Wesen die nämlichen, wie die 
der kernhaltigen Actinophryen. Sie bewegen sich selbständig vom 
Platze, sie zeigen einen lebhaften Wechsel in den Pseudopodien, in ihrem 
Inneren sieht man Nahrungskörper liegen (Fig. 40), auch die großen 
Vacuolen sieht man manchmal, in welchen große Nahrungsbestandtheile 
verdaut werden (Fig. 43). 

Schließlich fehlt auch sehr häufig die kontraktile Vacuole nicht 
(Fig. 46 a), welche in derselben Weise rhythmisch pulsirt, wie beim nor- 
malen Thiere. Muss man da nicht diese kernlosen Formen als selbstän- 
dige Individuen bezeichnen ? Man kann mir einwenden, dass gerade an 
der Art, wie die Verschmelzung vor sich gehe, die unvollkommene Selb- 
ständigkeit der kleinen Theile sich zeige, da sie ja nur wie eine andere 
Beute verschlukt würden. Nun ist aber das letztere nicht richtig, denn 
das kleine Thier behält, bis es in dem anderen aufgegangen ist, die 
Fähigkeit bei, Pseudopodien auszustrecken (Fig. 4 etc.), und dann 

können auch zwei kernlose Actinophryen einander anziehen und sich 
_ vereinigen. 
Zunächst brachte ich zwei kleine Thiere zusammen (Fig. 47 a) und 
Zeitschrift f, wissensch. Zoologie. XXXVIII. Bd, 5 


66 August Gruber, 


beobachtete, dass sie sich sehr rasch anzogen und zu einer Masse ver- 
schmolzen, die sich bei der Präparation natürlich als kernlos erwies 
(Fig. 47 b). Ein ander Mal veranlasste ich die Vereinigung zweier un- 
gleich großer Heliozoen, wovon ich die kleinere für kernlos, die größere 
für normal und kernhaltig hielt; bei beiden pulsirte die Vacuole sehr 
deutlich (Fig. 46 a). Ganz eben so wie in- den früher beschriebenen 
Fällen verlief auch hier die Verschmelzung. Ich wartete nun bis das 
kleine Thier ganz in dem großen aufgegangen und dieses wieder die 
runde Gestalt angenommen hatte, und färbte dann mit Karmin (Fig. 46 b). 
Zu meinem Erstaunen zeigte sich kein Nucleus; es war also auch das 
größere der beiden Heliozoen, welches sich ganz wie ein normales Indi- 
viduum verhalten hatte, kernlos gewesen. Eine Täuschung durch un- 
genügende Einwirkung der Reagentien kann nämlich bei diesen Beob- 
achtungen nicht vorliegen, da ja immer andere Exemplare und auch 
allerlei sonstige Protozoen unter demselben Deckglas vereinigt liegen, an 
welchen sich die Kerne sehr intensiv gefärbt haben. Beweisend ist 
dafür auch der Fall, den ich auf Fig. 45 dargestellt habe: Zwei ganz 
gleich gebaute sehr vacuolenreiche Actinophryen hatten sich vereinigt 
und begannen zu verschmelzen (Fig. 45 a); ich unterbrach aber den 
weiteren Fortgang des Processes, färbte die Masse, als sie etwa eine 
Biskuitform angenommen hatte und es stellte sich heraus, dass nur 
eines der Thiere einen Kern besaß (Fig. 45 b), während in dem Körper 
des anderen keine Spur eines solchen zu bemerken war. 

Nach alledem dürfen wir also wohl den Satz aussprechen, dass die 
Abwesenheit des Kernes bei der Actinophrys das Protoplasma nicht ver- 
hindert, in normaler Weise zu funktioniren. 

Bei den Moneren sind wir, trotzdem sie ja keinen Kern besitzen, 
gewöhnt, alle Lebenserscheinungen am Protoplasma ablaufen zu sehen, 
aber bei Protozoen, bei welchen die Anwesenheit eines Kernes das Nor- 
male ist, hätie man von dem Letzteren einen größeren Einfluss auf das 
Protoplasma erwartet. 

Es folgt daraus also, dass der Kern keine Bedeutung für 
diejenigen Funktionen des Zellenkörpers hat, welche 
nichtdirektin Beziehung zur Fortpflanzung stehen, also 
zur Bewegung (Pseudopodienbildung), zur Nahrungsaufnahme, 
Exkretion (Pulsation der kontraktilen Vacuole) und zum Wachs- 
thum; auch auf die äußere Gestalt kann er einflusslos 
sein (vgl. Fig. 43, 45 und 46). 

Was den angeführten Verschmelzungsprocess selbst betrifft, so 
habe ich schon oben bemerkt, dass er für die Actinophrys kaum eine 
andere Bedeutung haben kann, als die einer Substanzvermehrung durch 


Untersuchungen über einige Protozoen. 67 


Aufnahme der im Wasser enthaltenen kernlosen Individuen; gerade so 
wie auf einen Weltkörper Trümmer anderer seines Gleichen fallen, die 
im Weltenraume rotiren, wenn dieser Vergleich gestattet ist. Und 
Trümmer scheinen es auch zu sein, mit denen wir es hier zu thun 
haben, also Stücke von Heliozoen, die nicht durch reguläre Theilung 
entstanden sind, sondern durch Zerfall, durch vielfache Spaltung nor- 
mal gebauter Individuen. 

Ich werde vielleicht später einmal darauf zu sprechen kommen, 
dass ein solches Zerreißen in kleine Fetzen bei Infusorien eine sehr 
häufige, wenn nicht sogar regelmäßig temporäre Erscheinung ist; und 
dasselbe gilt nach meinen Erfahrungen eben so für Actinophrys unter 
den Heliozoen. Schon früher habe ich dieselbe Beobachtung gemacht, 
ohne aber näher darauf einzugehen. 

Im vorliegenden Fall hat es nun den Anschein, dass diese Zerfall- 
stücke, welche, wie wir sahen, einen hohen Grad von Individualität 
besitzen können, nicht zu Grunde gehen, sondern sich allmählich wieder 
zu vollkommenen Actinophryen aufbauen oder in der Körpermasse an- 
derer aufgehen. 

Leider sind die Schwierigkeiten in der Behandlung und Beschaffung 
dieser Objekte zu groß, als dass man hoffen könnte, je ganz damit ins 
Klare zu kommen und etwa eine Frage zu entscheiden wie die, ob die 
kernlosen Individuen im Stande sind, endogen wieder einen Kern zu 
erzeugen. Absolut von der Hand zu weisen scheint mir diese Ver- 
muthung nicht, besonders bei einem Heliozoon, das denjenigen Rhizopo- 
den doch noch verhältnismäßig nahe steht, bei welchen doch einmal der 
erste Kern frei entstanden sein muss. Eine befriedigende Erklärung für 
das Zerfallen der Heliozoen — wenn wir dasselbe nicht als pathologisch 
auffassen wollen — vermögen wir freilich kaum zu geben, außer dass 
dadurch etwa eine raschere Vermehrung erzielt werden kann. Der 
ganze Process hat wohl einige Ähnlichkeit mit der Histolyse während 
der Embryonalentwicklung einiger höheren Thiere. Wie wir bei diesem 
"Vorgang manche Zellenlagen sich vollkommen auflösen sehen, um sich 
später aus den Trümmern wieder aufzubauen, so zerfallen hier einzellige 
Organismen in kleine Stücke, die sich theils durch Zusammenschmelzen 
mit anderen, theils durch eigenes Wachsthum wieder zu neuen Indivi- 
duen heranbilden. 

Zum Schlusse muss ich noch erwähnen, dass manchmal die kleinen 
kernlosen Elemente bei Berührung mit den Pseudopodien der normalen 
Thiere ganz plötzlich aus einander platzen und in einen Körnerhaufen 

1 Diese Untersuchungen sind seither noch nicht zu der Vollkommenheit ge- 
diehen, dass ich sie hier anführen möchte. 

5* 


68 August Gruber, 


zerfallen, der aber trotzdem aufgenommen wird. AufFig. 48 ist ein 'sol- 
cher Fall dargestellt: Ein kleines Individuum hatte sich einer Actino- 
phrys genähert (Fig. 48 a); als es in die Pseudopodien derselben ver- 
wickelt war, zerfiel es plötzlich, so dass nur noch ein unregelmäßiger 
Haufen von Körnern zu sehen war (Fig. 48 b). Diese wurden aber von 
den Pseudopodien des großen Individuums zusammengehalten, es bildete 
sich eine Kapsel von Protoplasma um den Trümmerhaufen (Fig. 48 ec) 
und derselbe wurde nun allmählich in den Körper der Actinophrys 
hereingezogen (Fig. 48 b), in welchem er bald vollkommen aufge- 
gangen war. 


Freibuurg i/B., im Juli 1882. 


Erklärung der Abbildungen. 


Tafel II, 

Fig. —6. Pachymyxa histrix. 

Fig. 4. Eine mittelgroße Pachymyxa mit ausgestreckten Pseudopodien, lebend. 
Man sieht die kleinen Stäbchen der Hülle, welche dem Rhizopoden bei durchfallen- 
dem Licht eine braune Farbe verleihen. Über die Oberfläche regelmäßig vertheilt 
liegen die Poren für den Durchtritt der Fortsätze. 

Fig. 2. Eine mittelgroße Pachymyxa in Kanadabalsam eingeschlossen, mit Os- 
mium getödtet und Pikrokarmin gefärbt. Die Hülle hat sich vom Protoplasma ab- 
gehoben. Letzteres ist schwach gefärbt und man bemerkt in ihm amöbenartige 
Körperchen, vielleicht Schwärmsprösslinge. 

Fig. 3. Eine Pachymyxa, eben so präparirt; an einer Stelle ist die Hülle in 
Oberflächenansicht gezeichnet, sonst im optischen Schnitt. Im Inneren liegen die 
kernartigen rolhen Körperchen. 

Fig. 4. Ein Exemplar, lebend, welches sich in seinem mittleren Theil um sich 
selbst aufgerollt hat. An den beiden Enden treten Pseudopodien aus. 

Fig. 5. Eine Pachymyxa, die wahrscheinlich in Theilung begriffen ist. 

Fig. 6. Ein kleines Stück der Oberfläche einer Pachymyxa, welche in oben an- 
gegebener Weise präparirt worden ist. Das Protoplasma zeigt zwei Schichten, eine 
innere, hellere mit Körnchen und kernartigen Körpern und eine äußere hyaline, 
dunkel gefärbte, aus welcher das Pseudopodion austritt. (Gezeichnet, so lange das 
Präparat noch in der Farbflüssigkeit lag.) 


Fig. 7—44. Vermuthlich nackte Varietät der Pachymyxa hystrix. 


Fig, 7. Zwei mit einander verschmolzene Exemplare, lebend; das größere saugt 
die Nahrungsmasse des kleineren in sich auf. Das Große zeichnet sich durch die 
scharfe Trennung von einer äußeren und inneren Protoplasmaschicht und durch die 
Regelmäßigkeit der ersteren aus. An der Peripherie treten in gleichmäßigen Ab- 
ständen Pseudopodienkegel mit Pseudopodien auf. 


Untersuchungen über einige Protozoen. 69 


Fig. 8. Ein anderes Exemplar von unregelmäßigerer Gestalt, lebend, mit vielen 
Nahrungsballen im Inneren. 

Fig. 9. Ein kleines Individuum, auf die bekannte Weise präparirt. Es hat sich 
eine feine Haut abgehoben, welche die Umrisse des darunter liegenden Körpers 
wiederholt. An letzterem haben sich mehrere Pseudopodienkegel und auch einige 
Scheinfüßchen erhalten. 

Fig. 40. Ein Theilungsstadium. Im Protoplasma sind Vacuolen und die roth 
gefärbten kernartigen Körper zu sehen. 

Fig. 14. Ein sehr kleines Exemplar, lebend, mit höchst regelmäßiger Anord- 
nung der Pseudopodienkegel. 


Fig. 43—46. Amoeba obtecta. 


Fig. 12. Eine Amoeba obtecta, lebend, in ihrer bräunlichen Hülle, aus deren 
Öffnung Pseudopodien austreten. 

Fig. 43. Eine Amoeba obtecta, lebend, bei welcher man die innerste, festere 
Schicht der Hülle deutlich sieht. Am Protoplasma bemerkt man einen hinteren 
körnigen und einen vorderen hyalinen Theil. 

Fig. 14. Ein ebensolches Exemplar, an dem der Kern durch Pikrokarminfär- 
bung hervortritt. 

Fig. 45. Zwei, wahrscheinlich durch Theilung entstandene Individuen mit zu- 
sammenstoßenden Gehäusen. 

Fig. 46. Eine Ansammlung von zahlreichen Amöben, zwischen welchen allerlei 
Zerfallmasse eingestreut liegt. Kanadabalsampräparat. 


Tafel III. 


Fig. 47—20. Stichotricha mit fadenförmigen Kolonien. 


Fig. 47. Spitze eines Fadens mit einer großen Anzahl ’von Infusorien, welche 
aus der Gallertmasse hervorragen. 

Fig. 18. Verzweigte Fäden vom Grunde des Aquariums in natürl. Größe. 

Fig. 49. Zwei am Wasserspiegel hängende Fäden in natürl. Größe. 

Fig. 20. Einzelne Stichotricha mit den Chlorophylikörpern im Inneren. 

Fig. 21. Stichotricha, welche unregelmäßige, handförmige Kolonien bildet. 


Fig. 22—28. Stichotricha urnula (Chaetospira). 


Fig. 22. Eine Stichotricha in ihrem flaschenförmigen Gehäuse, den vorderen 
Theil des Körpers halsartig verlängert. Am Peristom nimmt man den membranösen 
Saum deutlich wahr. 

Fig. 23. Ein anderes Exemplar mit noch mehr verlängertem Hals. 

Fig. 24. Zwei durch Theilung entstandene Individuen in einer Hülle. 

Fig. 25. Eine Stichotricha, bei welcher eben die Wimpern am hinteren Körper- 
ende wie Pseudopodien zum Anheften funktioniren. 

Fig. 26 und 27. Gefärbte Exemplare mit verschiedener Stellung der beiden 
Kerne zu einander. 

Fig. 28. Eine Kolonie von Stichotricha urnula. 


Fig. 29—39. Spongomonas guttula. 


Fig. 29. Eine Kolonie der Spongomonas von der Seite gesehen, an welcher sie 
angeheftet war. Man bemerkt in der Mitte die Öffnung, durch welche man ins Innere 
der Blase sieht. Von ihr strahlt ein Kranz kleiner Röhren aus. 


70 August Gruber, Untersuchungen über einige Protozoen. 


Fig. 30. Mehrere Kolonien von verschiedenem Umfang am Wasserspiegel 
hängend, in natürlicher Größe. 

Fig. 31. Eine große Blase in natürlicher Größe. 

Fig. 32. Die Körnchen, welche die Hauptmasse des Stocks ausmachen. 

Fig. 33. Einzelne Röhren, an deren Enden die Flagellaten sitzen. 

Fig. 34. Äußerster Rand einer Blase mit den kleinen durch Pikrokarmin gefärb- 
ten Infusorien in den Röhren. 

Fig. 35. Dieselbe Partie von einer lebenden Kolonie, schematisirt. 

Fig. 36. Ein kleines Stück der Oberfläche eines Thierstocks. Die Infusorien, 
resp. ihre Kerne, sind roth gefärbt. 

Fig. 37. Eine kleine, nur aus vier Individuen bestehende Kolonie, lebend. 

Fig. 38. Eine Spongomonas, lebend, mit ihren Geißeln. 

Fig. 39. Zwei Exemplare, bei welchen der Kern roth gefärbt worden ist. 


Tafel IV. 


Fig. 40—48. Verschmelzungsvorgänge bei Actinophrys sol. 

Fig. 40. a, eine große und kleine Actinophrys beinahe verschmolzen; b, nach 
der Verschmelzung; nur ein Kern vorhanden. 

Fig. 44. a, eine große und eine kleine Actinophrys künstlich zusammengebracht; 
die Pseudopodien vermengen sich; 5, die Vereinigung beginnt, indem eine Plasma- 
brücke sich zwischen den beiden Individuen ausdehnt; c, die beiden Actinophryen 
in diesem Moment getödtet und gefärbt; die kleinere hat keinen Kern. 

Fig. 42. Eine Actinophrys, welche drei kleine Exemplare aufgenommen; zwei 
davon sind noch sichtbar; außerdem hat sie einige grüne Nahrungskörper herein- 
gezogen. 

Fig. 43. Eine kleine Actinophrys mit Nahrungsvacuole und von regelmäßiger 
Gestalt, welche sich bei der Präparation als kernlos erwies. 

Fig. 44. Ein ganz kleines Bruchstück mit drei Pseudopodien. 

Fig. 45. a, zwei gleichartig gebaute Actinophryen verschmelzen mit einander; 
b, dieselben, vor der Vereinigung getödtet und gefärbt; nur die eine hatte einen Kern. 

Fig. 46. a, eine große und eine kleine Actinophrys, beide mit pulsirenden Va- 
cuolen (ve), verschmelzen mit einander; db, nach erfolgter Vereinigung und darauf 
folgender Tinktion zeigt sich, dass keine der beiden Heliozoen einen Kern besessen 
hatte. 

Fig. 47. a, zwei kleine Actinophryen nähern sich eins dem anderen; 5, diesel- 
ben nach der Verschmelzung tingirt. 

Fig. 48. a, einer großen Actinophrys nähert sich ein kleines Exemplar; 5, bei 
der Berührung mit den Pseudopodien der größeren zerfiel die kleine Actinophrys zu 
einem Haufen Körner; c, die Körner werden vom Protoplasma der ersteren um- 
schlossen, um dann allmählich in ihren Körper hineingezogen zu werden. 


Über das Herkommen des Futtersaftes und die Speicheldrüsen 
der Biene nebst einem Anhange über das Riechorgan. 
Von 


Paulus Schiemenz aus Halle a/d. Saale, 


Mit Tafel V—VII. 


Es ist wohl kaum über ein Insekt schon so viel geschrieben wor- 
den, als über die Honigbiene, Apis mellifica; und zwar nicht nur von 
denen, welche aus der Kultur derselben einen materiellen Vortheil 
ziehen oder die Bienenzucht aus Liebhaberei betreiben, sondern auch 
von berühmten Zoologen, wie Levpig, LEUCKART und v. SIEBOLD. Und 
dies ist sehr natürlich, da die Honigbiene als das höchststehende und 
von der Natur mit so außerordentlichen Kunsttrieben begabte Insekt 
auch in zoologischer Hinsicht ein nicht geringes Interesse in Anspruch 
zu nehmen berechtigt ist. Gewiss wird aber noch mehr denn noch ein- 
mal so viel geschrieben werden müssen, ehe wir uns rühmen können, 
über den Bau und das Wesen der Honigbiene vollständig orientirt 
zu sein. 

So möge denn auch diese kleine Arbeit, welche ich gleich von vorn 
herein als eine unvollständige und noch nicht abgeschlossene bezeichnen 
muss, einen, wenn auch nur ganz geringen, Beitrag zur Naturgeschichte 
nicht nur der Honigbiene, sondern der Bienen überhaupt liefern. 

Aufgefordert von meinem hochgeehrten Lehrer, Herrn Geheimrath 
Professor Dr. LeuckArT, unternahm ich es, auf Grund erneuter Unter- 
suchungen die Frage: Woher kommt der Futtersaft, mit welchem die 
Honigbiene ihre Maden, Königin und Drohnen füttert? womöglich zu 
entscheiden. 

Die Erfahrung, dass die Honigbiene ihre Larven mit einer aus dem 
Munde erbrochenen Masse füttert, ist sehr alt, und schon SwammerDAmN ! 


1 SWAMMERDAN, Biblia naturae. p. 400. 


12 Paulus Schiemenz, 


hielt desshalb mit den erfahrensten Bienenzüchtern seiner Zeit diesen 
Futtersaft für mel salivarium sive eructatum, der vorher in den Bienen- 
leibern auf eine ganz bestimmte Art zubereitet worden sei. Dies ist wohl 
auch stets die Ansicht der meisten Bienenzüchter nach Swammervam’s Zeit 
gewesen; freilich hatte hier die Fabel ein weites Feld. Erst in den letz- 
ten Jahrzehnten bemächtigte sich die Wissenschaft dieser Frage und so 
wurde endlich der Weg gebahnt, auf welchem diese so höchst interes- 
sante Frage nach dem Woher? des Futtersaftes allein gelöst zu werden 
vermag. 

Dönuorr ! wies durch chemische Reaktionen nach, dass wenigstens 
9/,0 des Futtersaftes aus thierischem Eiweiß bestehen und hielt ihn dess- 
halb für das Sekret einer wahrscheinlich im:Schlund oder in der Speise- 
röhre gelegenen Drüse. 

LEUCKART ?2 untersuchte den Futtersaft mikroskopisch und fand ihn 
bestehend aus einer formlosen aber zähen, gummiartigen Masse, in die 
zahllose feine Körnchen von zum Theil fettartigem Aussehen eingebettet 
waren. Da der durch die Verdauung des Pollens im Chylusdarm be- 
reitete Speisebrei ein ganz ähnliches Aussehen zeigte, trug LEuckArr kein 
Bedenken, beiderlei Stoffe zu identificiren und den Futtersaft für-nach 
außen geschafften Speisebrei zu halten. 

Dönnorr ? untersuchte nun auch den Speisebrei und fand, dassider- 
selbe gleichfalls aus Proteinstoffen, vermischt mit einer braunen Fäkal- 
masse, bestehe. Um die Identität von Futtersaft und Speisebrei nachzu- 
weisen, sperrte er zu gleicher Zeit zwei Bienenvölkchen ohne Pollen ein 
und reizte durch starke Fütterung mit Zuckerwasser die Königin des 
einen zur Eierlage. Er schnitt dann von Bienen beider Völkchen Chylus- 
därme auf und fand den Inhalt derselben bei den brütenden Bienen 
auffallend wässeriger und weniger eiweißhaltig, als bei den nicht 
brütenden Bienen. Die Verminderung des Eiweißgehaltes bei den 
ersteren setzte er auf Rechnung der Futtersaftabgabe, und die Identität 
des Futtersaftes mit dem Speisebrei schien ihm erwiesen. Auch Fett, 
welches LeuckArr als feine Körnchen im Futtersaft beschrieben hatte, 
wies er im Inhalte des Chylusdarmes nach ®. 

Später® machte Dönuorr die Bemerkung, dass im Futtersaft eine 
freie Säure enthalten sei; da nun aber der Inhalt des Chylusdarmes neu- 


1 Eichstädter Bienenzeitung. Jahrg. 1854. p. 260 nebst Ergänzung im Jahrg, 
1855. p. 215. 

2 Ebendaselbst. Jahrg. 4855. p. 199. 

3 Ebendaselbst. Jahrg. 4855. p. 242. 

4 Ebendaselbst. Jahrg. 1856. p. 28. 

5 Ebendaselbst. Jahrg. 4856. p. 232. 


Über das Herkommen des Futtersaftes und die Speicheldrüsen der Biene etc, 13 


tral oder sehr schwach sauer reagirte, so vermuthete er, dass die Säure 
von beigemischtem Speichel herrühre. Dies wurde ihm um so wahrschein- 
licher, als er sah, dass, wenn man den Kopf einer Biene stark drücke, 
Speichel von intensiv saurer Reaktion zwischen den Kiefern hervorträte. 

Im Jahre 18581 erhielt Dönhorr von L£uckArt die Privatmitthei- 
lung, dass sich im Kopfe der Bienen, namentlich stark bei den Arbeitern 
entwickelt, zwei Paare von Speicheldrüsen befänden, welche eine saure 
Reaktion zeigten und wahrscheinlich bei der Bereitung des Futtersaftes 
in Betracht kämen. Dönskorr nahm daher den Chylusdarminhalt von 
Bienen und ließ ihn längere Zeit stehen, um zu sehen, ob sich etwa 
durch Gährung eine freie Säure in dem Speisebrei bildete. Das Resultat 
war ein negatives, und so blieb denn Nichts weiter übrig, als die im 
Futtersaft sich befindende Säure als herrührend von den eben erwähn- 
ten Speicheldrüsen anzunehmen. Eben so konstatirte Dönnorr, dass 
auch dem Honig beim Einsaugen, resp. Erbrechen eine Säure beige- 
mischt werde. 

Ein längerer: Aufsatz erschien im Jahre 1871 von Fıscher?, welcher 
für die Speicheldrüsen nicht nur eine Betheiligung an der Futtersaft- 
produktion in Anspruch nahm, sondern sie als alleinige Erzeuger des- 
selben hinstellte und dem Chylusdarm jedwede Beziehung zu demselben 
absprechen zu können glaubte. Es schien ihm nämlich unwahrschein- 
lich, dass die vom Magensaft gelösten Stoffe nicht auch unbedingt und 
widerstandslos der Resorption erliegen sollten, sondern dass eine Unter- 
brechung oder willkürliche Arbeitseinstellung in der Aufsaugung der- 
selben eintreten solle, zumal Dönnorr gezeigt habe, dass die Absorption 
in dem Chylusdarme der Bienen mit einer außerordentlichen Schnellig- 
keit erfolge. Es fände sich ferner auch in den Chylusdärmen von Neu- 
geborenen, Königin und Drohnen, obgleich sie nicht fütterten, derselbe 
Speisebrei vor; und es wäre doch wunderbar, dass der Futtersaft trotz 
der verschiedenen Färbung des Chylusdarminhaltes stets dieselbe weiße 
Farbe besitze. Endlich habe man auch nie Futtersaft auf dem Wege 
vom Chylusdarm nach dem Munde angetroffen. Es müsse also der 
Futtersaft das Sekret einer Drüse oder absondernden Fläche sein, ähn- 
lich wie das Wachs; denn nur so wäre es verständlich, dass die Bienen 
auch ohne Pollenzehrung im Stande seien, längere Zeit Brut zu ernähren 
und den Futtersaft zu produciren, schließlich aber dadurch abmergel- 
ten. Zugleich gab Fıschzr eine freilich nur unvollständige Beschreibung 
von System I und III der Speicheldrüsen. Ersterem, für das ja auch 
die saure Reaktion sprach, schrieb er die Bereitung des Futtersaftes zu. 


I Eichstädter Bienenzeitung. Jahrg. 1858. p. 204. 
? Ebendaselbst. Jahrg. 1874. p. 130 ff. 


74 Paulus Schiemenz, 


Da es nun allbekannt war, dass die jungen Bienen, nachdem sie 
sich hinlänglich gekräftigt haben, die Brutgeschäfte, speciell die Berei- 
tung des Futtersaftes, besorgen und erst später auf Tracht ausfliegen, 
stellte Fıscuer Vergleiche zwischen der Beschaffenheit von System I bei 
Brutbienen und Trachtbienen an, und machte dabei die äußerst wich- 
tige und sehr für seine Theorie sprechende Beobachtung, dass bei den. 
Brutbienen die betreffende Drüse ein volles saftiges Organ darstellte, 
dagegen bei »alten abgeriebenen, fadenscheinigen Subjekten « dermaßen 
zusammengesunken war, dass ein von Fischer auf 2 cmm geschätzter 
Hohlraum im Kopfe entstanden war. Und in der That, der Unterschied 
in der Beschaffenheit dieser Drüse zwischen den beiden Altersstufen ist 
ein ungeheuer auffallender. Von Fischer angestellte vergleichende 
Wägungen ergaben denn auch, dass der Kopf einer Brutbiene durch- 
schnittlich 1,93 mg schwerer ist als der Kopf einer Trachtbiene. Wenn 
nun aber FıscHer dieses Mehrgewicht ganz und gar der stärkeren Ent- 
wicklung des Drüsensystems I zuschreibt, so scheint mir dieses doch 
etwas zu weit gegangen zu sein, da sich außer den anderen Geweben 
noch zwei Paare von Speicheldrüsen (System II und IV) im Kopfe 
befinden, welche doch auch mit in Rechnung gezogen zu werden ver- 
dienen. Dies ist denn auch der Grund gewesen, wesshalb ich eine 
Wiederaufnahme der Untersuchungen für ersprießlich erachtete. Dass 
dieses System I bei Drohnen und Königinnen fehlt, wie Fiscuer richtig 
fand, spricht ja allerdings sehr für seine Anschauungsweise. 

Schon vor dem Erscheinen der Abhandlung Fıscnezr’s hatte übrigens 
auch LeuckArt ! seine Ansicht geändert und seine Chymustheorie aufge- 
geben. Auch er schrieb die Bereitung des Futterbreies nur noch den 
Speicheldrüsen zu. 

Obwohl nun. die von Fischer angeführten Gründe es als höchst 
wahrscheinlich erscheinen lassen, dass 1) der Futtersaft nicht aus dem 
Magen kommt, und dass 2) besonders System I der Speicheldrüsen an 
der Bereitung des Futtersaftes betheiligt ist, dürfte es doch noch er- 
wünscht sein, einen anatomischen zwingenden Grund zu finden, wel- 
cher den Chylusdarm von der Bereitung des Futtersaftes vollständig 
ausschließt. Andererseits ist auch noch festzustellen, ob und in welcher 
Weise die anderen Speicheldrüsensysteme sich an der Futtersaftproduk- 
tion betheiligen. Ich habe desshalb zunächst den Darmtractus einer 


1 Eichstädter Bienenzeitung. Jahrg. 4874. p. 230. LEuckARrT hatte schon 1868 
seine darauf bezüglichen Verbesserungen an v. BERLEPScH, der damals mit den Vor- 
bereitungen zur zweiten Auflage seines bekannten Bienenbuches beschäftigt war, 
mitgetheilt, auch schon früher in seinen Vorlesungen den Futtersaft als Sekret der 
Speicheldrüsen bezeichnet. 


Über das Herkommen des Futtersaftes und die Speicheldrüsen der Biene etc. 75 


abermaligen Prüfung unterzogen, und sodann die Speicheldrüsen mit 
besonderer Berücksichtigung der beiden verschiedenen Geschlechter der 
Bienen und der übrigen zum Theil solitär lebenden Arten eingehend 
in den Kreis meiner Untersuchungen gezogen. 


Eine vollständige Lösung der wichtigen Frage nach der Herkunft 
des Futtersaftes würde wohl am sichersten durch genaue chemische Ana- 
lysen herbeigeführt werden können; allein dieser setzen sich ganz ge- 
waltige Schwierigkeiten entgegen. Den Futterbrei, den man in genügen- 
der Menge sammeln kann, hat ScHLossBERGErR ! analysirt. Es ist aber 
wohl ein Ding beinahe der Unmöglichkeit, von den einzelnen Drüsen so 
viel Sekret zu gewinnen, dass es chemisch verarbeitet werden kann, 
und die Analyse der Drüsen selbst würde ein nur wenig genaues Re- 
sultat liefern. ’ 

Wenden wir uns also zunächst zur Beschreibung des 


Darmtractus. 


Der Darmkanal findet sich schon mehrfach beschrieben und abge- 
bildet, so bei SwamMmERDAM 2, TREVIRANUS®, BRANDT und RATZEBURG?, LEON 
Durour 5, R£aumur 6 und Anderen. Makroskopisch betrachtet lässt er deut- 
lich vier Theile erkennen: eine enge, sich an ihrem hinteren Ende in 
einen Sack erweiternde Speiseröhre (Taf. V, Fig. I oe, v), den Chylus- 
oder Magendarm (c), mit dem vorhergehenden Theile durch einen kurzen 


1 Eichstädter Bienenzeitung. Jahrg. 4871. p. 230. Der Futtersaft zeigte: 
Qualitativ: Viel in Äther löslichen Stoff, mit verdünntem Kali nicht ver- 
seifbar: Wachs, Spuren glycerinhaltigen Fettes, Zucker wenig. 
In Kali lösliche Substanz, aber keine bedeutende Menge von Proteinstoff. Da- 
gegen eine mit brauner Farbe in Kali lösliche Materie, welche durch Säu- 
ren daraus nicht abgeschieden wurde. 


Quantitativ: Wasser (bei 1200). .... DE he ra ee AO EZ 
In Äther lösliche Stoffe (Wachs und wenig Fett) ek nie 34,78 
In 820/, Alkohol lösliche Stoffe (Zucker und Extraktivstoffe) . . . . 2,60 
In verdünntem Kali lösliche Materien (wenig Protein, bräunlicher 

Earbestoff.ete.) a... RE a .. 46,29 
Unlöslicher Rückstand (Haare, Pollen, Pnsnzentheile EEE SEND 
100,00 


2 Biblia naturae. Taf. XVIII, Fig. 4. 

3 G.R. u. L. Car. Treviranus, Vermischte Schriften. Bd. II. Hft.2. Taf. XIV, 
Fig. 3. Bombus terrestris. 

4 Darstellung und Beschreibung der Thiere etc. Bd. II. Taf. XXV, Fig. 29. 

5 Mem. pres. par div. sav. a l’Acad. des Sciences de l’Inst. de France. Scienc. 
math. et phys. Tom. VII. Taf. V, Fig. 48. 

6 Me&m., pour servir a l’'histoire des Ins. Tom. V, mem. 8. pl. 30. 


76 | Paulus Schiemenz, 


Hals (}) zusammenhängend, den Dünndarm (d) und endlich das Rectum 
oder den Mastdarm (r). 

Die Speiseröhre durchsetzt sowohl Kopf als Thorax als ein mit 
nur sehr engem Lumen versehener Kanal, und erst im Abdomen ange- 
kommen erweitert sie sich zu einer sehr dehnbaren Blase, dem Honig- 
magen, an welcher etwas excentrisch gelagert sich das halsartige Ver- 
bindungsstück befestigt. An diesem vordersten Theile des Darmkanales 
erkennt man, wie überhaupt an Insektendärmen ! mit dem Mikroskope 
deutlich mehrere Schichten. Das Lumen begrenzt nach innen eine mäßig 
zarte Intima (Taf. V, Fig. 2 iv). Dieser befindet sich eine nur spärlich 
entwickelte Zellschicht (zu) aufgelagert, von deren Zellen man die Gren- 
zen nicht erkennen kann, zumal die folgende Muskelschicht durch ihre 
Kontraktion die Wandungen der Honigblase in viele unregelmäßige 
Falten knittert. Wohl aber erkennt man, besonders nach Anwendung 
von Färbemitteln, die kleinen Kerne der Zellen deutlich. Dem Lumen ab- 
gewendet liegt auf der Zellschicht eine kaum wahrnehmbare Membran, 
die Propria auf. Nach außen von dieser befindet sich die schon er- 
wähnte Muskelschicht, die sich in eine innere Ringlage (gv) und eine 
äußere Längslage (lv) scheidet. Eine fünfte Membran ? habe ich nicht 
finden können. Eine sekretorische Funktion dürfte dem Honigmagen 
wegen seiner so äußerst schwach entwickelten Zellschicht kaum zu- 
kommen. 

Öffnet man den Honigmagen, so findet man schon mit unbewaffnetem 
Auge an seinem hinteren Ende, da, wo der halsartige Verbindungstheil 
von ihm abgeht, ein ungefähr kegelförmig hervorspringendes Gebilde, 
das deutlich eine Zusammensetzung aus vier Klappen erkennen lässt. 
Die genaueste Beschreibung dieses Verbindungsstückes, dessen Ge- 
sammtheit wohl passend als Zwischendarm bezeichnet werden 
könnte, habe ich bei Lion Durour? gefunden, welcher schon deutlich 
die drei denselben zusammensetzenden Theile, die ich Verschlusskopf 
(Taf. V, Fig. 2 b—a), Hals (a—:t) und Zapfen (i—g) nennen möchte, 
erkannt hat. Gemissdeutet aber hat er die Bestimmung dieses Appa- 
rates, indem er demselben die Aufgabe zuschrieb, die genossene Speise 
noch einmal zu bearbeiten. Diese Ansicht hegte man wohl im Allge- 
meinen? bezüglich des Zwischendarmes und nannte ihn desshalb auch 
Vormagen. Allein Pratzau5 zeigte durch seine Untersuchungen, dass 


1 LEUCKART in WAGNER’S Lehrbuch der Zootomie. Bd. II. p. 61. 

2 LEUCKART, a. a. OÖ. Bd. II. p. 61. 3]. c. p. 424 und p. 393. 

4 Vgl. BERGMANN und LEUCKART, Vergl. Anatomie und Physiologie. p. 143. 

5 Recherches sur les phenomenes de la digestion chez les Insectes. p. 106. 
Leider sind dort keine näheren Untersuchungen über die Hymenopteren mitge- 
theilt. 


Über das Herkommen des Futtersaftes und die Speicheldrüsen der Biene ete. 77 


dieser Theil des Darmtractus eine andere Funktion habe, nämlich die, 
zu verhindern, dass die im Saugmagen oder dessen Äquivalenten ent- 
haltenen Nährstoffe zu schnell in den absorbirenden Magendarm eintre- 
ten, und ihnen nur ein allmähliches Übertreten zu gestatten, zugleich 
aber bei den Kontraktionen des Magendarmes einen Rücktritt seines In- 
haltes in den Saugmagen unmöglich zu machen!. Dies trifft auch für die 
Biene vollkommen zu, allein der Hauptzweck des Zwischendarmes muss 
hier wohl in einer gänzlichen Absperrung des Honigmagens "gegen 
den Magendarm gesucht werden. Eine nähere Beschreibung dieses 
Apparates wird diese Ansicht rechtfertigen. 

Von oben betrachtet lassen die vier bereits erwähnten Klappen eine . 
Figur erscheinen, wie sie ungefähr Fig. 3 auf Taf. V vorstellen kann, 
wenn man davon abstrahirt, dass diese einen Querschnitt darstellt. 
Zwischen den einzelnen, ziemlich dicht gegen einander konvergirenden 
Klappen bleibt nur eine enge ungefähr kreuzförmige Öffnung, die noch 
dazu durch starke, nach unten gerichtete, gelb erscheinende Borsten, 
welche die Klappen an den einander zugekehrten Seiten besetzen (Fig. 2 _ 
und 4 b), verengt wird. Schneidet man den Verschlusskopf und Hals der 
Länge nach auf, so erhält man ein Bild, wie es Fig. 4 darstellt. Ein 
jeder der vier den Verschlusskopf zusammensetzenden Theile lässt sich 
in drei Abschnitte zerlegen, deren wesentlichster das an den oberen 
seitlichen Rändern mit Borsten besetzte ungefähr dreieckige Stück 
(wsw), die eigentliche Klappe ist. Nach unten setzt sich die Klappe 
kontinuirlich in einen ungefähr parallele Seitenränder besitzenden An- 
hang (f) fort. Sowohl Klappe als wie dieser Fortsatz springen mit ihrer 
Mittellinie (f) bauchartig in das Lumen hinein, wie es Fig. 3 von der 
Klappe und Fig. 5 vom Fortsatz bei : zeigt. Dadurch entstehen natürlich 
zwischen den einzelnen Klappen und deren Fortsätzen Lücken (n in 
Fig. 4), die an der Stelle (w), wo die Klappen am breitesten sind, etwas 
eingeengt und so in zwei Hälften getheilt werden. In-diesen Einsenkun- 
gen erheben sich wieder nach innen vorspringende unregelmäßige Längs- 
wülste (Fig. 4 m, und m,, Fig. 5 m). Da wo die Einsenkungen zwischen 
den Fortsätzen (f) der Klappe aufhören (bei a), werden auch diese 
flacher, so dass schließlich wieder das Lumen des Halses einen runden 
Querschnitt bekommt. Seitlich und oben an die Klappen heftet sich, als 
unmittelbare Fortsetzung derselben, eine zartere Membran (k), welche 
gleichfalls mit nach hinten gerichteten Borsten versehen ist. Mit ihrer 


1 Indessen soll hiermit nicht in Abrede gestellt werden, dass das betreffende 
Gebilde unter Umständen auch wirklich ein Kaumagen ist. Vgl. WıLoe’s Unter- 
suchungen über den Kaumagen der Orthopteren im Archiv für Naturgeschichte. 
ahrg. 43. Bd. 1. 1877. p. 435. 


78 Paulus Schiemenz, 


Rückenwand geht diese Membran allmählich und unmittelbar in die 
innere Duplikatur des Honigmagens über (Fig. 2 h). 

Wie alle Darmtheile weist natürlich auch der Verschlusskopf und 
die ihm folgenden Theile des Zwischendarmes die bereits erwähnten 
vier Schichten, wenn auch in höchst eigenthümlicher, zweckentsprechen- 
der Weise modificirt, auf. Um sich über die vier Schichten zu orien- 
tiren, ist es unerlässlich sowohl Längs- als Querschnitte anzufertigen. 
Fig. 2 zeigt einen Längsschnitt, ungefähr der punktirten Diagonallinie 
in Fig. 3 entsprechend. Die Intima (?) des eigentlichen Verschlusskopfes 
besitzt eine enorme Dicke, welche in derselben Weise, wie die ihr auf- 
liegende Zellschicht (z), an der oberen Spitze (b) sehr dünn ist, dann 
bis zur Mitte des Verschlusskopfes hin an Mächtigkeit zunimmt, 
um von da an allmählich wieder abzunehmen, so dass sie ungefähr an 
der Stelle, wo der Honigmagen aufhört und der Hals beginnt (a), ihre 
normale Stärke wieder erreicht hat. Der Zellschicht aufliegend findet 
sich ein aus vielen einzelnen Muskelfasern zusammengesetzter Längs- 
muskel (l). Diesem wieder aufgelagert ist ein außerordentlich starker 
Ringmuskel (g), ebenfalls aus vielen einzelnen Fasern bestehend. Dar- 
auf folgt wieder eine spärlicher entwickelte Längsmuskelschicht (lc), 
welche aber eigentlich zum Magendarm gehört und nur hier oben ihren 
Ansatzpunkt aus einem später zu erörternden Grunde findet. Die letzte 
Längsmuskelschicht wird von der inneren Duplikatur des Honigmagens 
bedeckt. 

Der sich an den Verschlusskopf anschließende Hals zeigt von dem 
unteren Ansatzpunkte der Längsmuskeln des Verschlusskopfes und des 
Honigmagens (a) an eine zartere Intima, welche sich zugleich von der 
ihr zugehörigen Zellschicht entfernt, so dass diese der Propria aufsitzend 
nach der Intima zu in ihrer Form nicht beeinflusst wird. In Folge dessen 
lässt ein Theil ihrer Zellen ihr freies, sich abrundendes Ende birnähn- 
lich in den freien Raum zwischen sich und der Intima hineinhängen (z,). 
Nur die Ringmuskulatur des Verschlusskopfes setzt sich auf den Hals 
fort und hört, allmählich abnehmend, am Anfange des Magendarmes und 
Zapfens auf (it). Der Zapfen, welcher, wie bereits Durour ! erwähnt, 
eine lange Strecke in den Magendarm hineinhängt, zeigt das schon beim 
Halse beschriebene Verhalten von Intima, Zellschicht und Propria noch 
schärfer ausgeprägt. Die Intima setzt sich noch ein bedeutendes Stück 
weiter als die Zellschicht in den Magendarm fort (g). Alle drei Schich- 
ten, resp. Häute, wenden wieder nach oben um, um in der Höhe von 
ıt in die entsprechenden Theile des Magendarmes überzugehen. In 


1 ],c. p. 394, 


Über das Herkommen des Futtersaftes und die Speicheldrüsen der Biene ete. 79 


dem Hohlraum, der so von der Duplikatur der Propria gebildet wird, 
finden sich in reichlicher Menge feine bindegewebige Fasern (bi). 

Aus diesen anatomischen Befunden ist es nicht schwer, die Funk- 
tionen der einzelnen Theile des Zwischendarmes zu erkennen. 

Die Hauptaufgabe des Verschlusskopfes ist, bei gefülltem Honig- 
magen, denselben ganz gegen den Magendarm abzuschließen. Schon 
bei vollständig leerer Blase liegen die Klappen, wie bereits erwähnt, 
ziemlich eng an einander an, und die so schon an und für sich enge 
kreuzförmige Öffnung wird auch noch ein gutes Theil durch die Borsten 
(b) versperrt. Sammelt die Biene nun Honig, um ihn einzutragen, so 
hat sie nur nöthig, den so überaus stark entwickelten Ringmuskel zu 
kontrahiren, und der Verschlusskopf sammt Hals wird seiner ganzen 
Länge nach dicht geschlossen. Die Lücken (n) zwischen den Klappen 
und ihren Fortsätzen werden durch die vorspringenden Wülste (m; u. m») 
versperrt, und von oben her endlich lagern sich die den Klappen beson- 
ders seitlich ansitzenden Häute (h) auf die Ritzen zwischen denselben. 

Wenn nun aber die Biene fressen will, so kann der Pollen durch 
die enge Ritze nicht durchdringen; es muss also die Öffnung vergrößert 
werden. Dies geschieht durch die Kontraktion der Längsmuskeln (!), 
welche in Thätigkeit gesetzt die Klappen so aus einander ziehen, dass 
dieselben einen Trichter bilden, der wohl geeignet ist den Pollen aufzu- 
nehmen. Die sonst den Verschluss mit herstellenden Borsten bilden nun für 
die oft mit Stacheln und Tuberkeln besetzten Pollenkörner einen passen- 
denGleitapparat. Da aber nach der Konstruktion des Verschlusskopfes eine 
verhältnismäßig große Kraft dazu gehört, die Klappen aus einander zu 
ziehen, ist auch eine Einrichtung getroffen, den Muskeln bei geringer 
Kontraktion eine verhältnismäßig große Wirkung zu verschaffen. Dies 
ist die Verdickung der Zellschicht ungefähr der Mitte der Muskeln ent- 
sprechend. Die Muskeln wirken so in einem nach dem Lumen offenen 
Winkel, wie es die punktirten Linien in Fig. 2 andeuten. Es wird auf 
diese Weise derselbe Effekt hervorgerufen, wie durch die Verdickung 
der Gelenkenden unserer Knochen !. Freilich sollte man nun erwarten, 
dass dadurch der dem Scheitel des Winkels entsprechende Theil der 
Intima nach innen gedrückt und so an dieser Stelle ein tbeilweiser Ver- 
schluss herbeigeführt würde. Dies wird aber einerseits durch die außer- 
ordentliche Stärke der Intima an dieser Stelle, andererseits durch die 
beinahe Hohleylinderform der Klappen und ihrer Fortsätze (Fig. 3 u. 5) 
unmöglich gemacht. Endlich würde auch eine geringe Einbuchtung 
nicht schaden, da die Intima gerade in dieser Gegend etwas nach außen 
ausgehbogen erscheint. 

1 Vgl. BERGMANN und L£UCKART, Vergl. Anat, etc. 1855. p. 305. 


80 Paulus Schiemenz, 


Der Hals hat den Verschlusskopf in der Abschließung des Honig- 
magens zu unterstützen und namentlich eine Verbindung zwischen letz- 
terem und dem Magendarm herzustellen. 

Der Zapfen kann keine andere Aufgabe haben als den Rücktritt des 
Speisebreies in den Honigmagen zu verhindern. Denn bei der leisesten 
Kontraktion der Muskeln des Magendarmes und beim Andringen des 
Speisebreies kollabirt nicht nur der äußerst zarte und nur aus der Intima 
bestehende untere Theil des Zapfens (Fig. 2 9) und schließt die schon an 
und für sich enge Öffnung, sondern auch der ganze Zapfen wird zur Seite 
gedrückt und zusammengepresst. Beides findet man denn auch, wenn 
man einen Magendarm herauspräparirt, ohne ihn zu öffnen, entwässert 
einschmilzt und in Schnitte zerlegt. Die in Fig. 2 abgebildete Lage und 
Form hat der Zapfen nur, wenn man ihn frei in Wasser flottiren lässt. 

Der Chylus- oder Magendarm (Taf. V, Fig. 4 c), welcher seiner 
ganzen Länge nach ringförmige Einschnürungen aufweist, beschreibt eine 
von rechts nach links gewundene Schlinge. Seine Intima (Taf. V, Fig. 2:e), 
eine unmittelbare Fortsetzung derjenigen des Zapfens, verdickt sich bald 
sehr stark, wird aber, um die Funktionen des Magendarmes nicht zu 
hemmen, von sehr dicht stehenden Porenkanälchen durchbohrt. Die 
Zellschicht, welche sich beim Hals und Zapfen von der Intima abgehoben 
hatte, legt sich da, wo der Magendarm beginnt, wieder dicht an. Dafür 
hebt sich aber die Propria (pc), nachdem sie am oberen Theile eine Art 
Ringsehne, an der sich ein Theil der Muskeln anheftet, gebildet hat, 
fast überall deutlich ab. Auf ihr liegen zunächst die Ringmuskeln (ge) 
und dann die Längsmuskeln (lc). 

Eine besondere Beschreibung von diesen Lagen verdient die Zell- 
schicht, da sie sich wesentlich von der der vorhergehenden Theile unter- 
scheidet. Die Zellen zeigen sich gemäß ihrer energischen Funktion mehr 
entwickelt und enthalten einen großen Kern. Durch ihre Anordnung 
zerfallen sie, wie man sich leicht durch Längs- und Querschnitte über- 
zeugen kann, in eine Summe von becherförmigen Gruppen (vw), deren 
Basiszellen (w) eine kegelförmige, deren Randzellen (ti) eine keulenförmige 
oder birnförmige Gestalt besitzen. Zwischen beiden Zellformen bilden 
die dazwischen liegenden einen allmählichen Übergang. Eine auffallende 
Verschiedenheit zeigt der Inhalt der Zellen. Während nämlich das Plasma 
der grundständigen Zellen hell und durchsichtig ist, finden sich in den 
Randzellen viele Fetttröpfchen. Vielleicht weist der verschiedene Inhalt auf 
eine Verschiedenheit der Funktion hin; es könnten z. B. die Grundzellen 
Sekretionszellen, die Randzellen Resorptionszellen vorstellen. Die Lage 
der beiden würde sich mit dieser Annahme wohl vereinigen lassen. Es 
würden demnach diese Becher den Taschen, wie sie sich bei vielen an- 


Über das Herkommen des Futtersaftes und die Speicheldrüsen der Biene etc. 81 


deren Insekten besonders am vorderen Theile des Magendarmes finden, 
physiologisch gleichwerthig sein. Was dort bei der Lokalisirung durch 
stärkere Ausbildung erzielt wird, würde hier durch eine gleichmäßige 
Vertheilung über den ganzen Magendarm erreicht. In direkte Berührung 
mit den Nährstoffen kommen die Zellen überhaupt nicht, da zwischen bei- 
den eine feine, vielfach gefaltete und geknitierte Membran (r) liegt. Eine 
Struktur, welche vielleicht auf ihre Herkunft hätte schließen lassen 
können, habe ich beim Imago nicht gefunden. Bei der Larve indessen, 
wo sich diese Haut ebenfalls findet, zeigte sie eine den Darmzellen ent- 
sprechende polyedrische Felderung, woraus man wohl schließen dürfte, 
dass sie eine von ihnen abgesonderte, vielleicht die oberste Schicht der 
Intima vorstellt. Der Zweck dieser Membran ist leicht zu verstehen. Die 
oft mit Spitzen und Zacken versehenen Pollenkörner würden, wenn sie 
in die Becher des Magendarmes gelangt wären, in Folge ihrer rauhen 
Oberfläche schwer wieder daraus zu entfernen sein, und die zurück- 
bleibenden unverdaulichen Schalen würden allmählich die Becher ver- 
stopfen; auch würde die zarte, wenn auch dicke, Intima leicht durch 
dieselben verletzt werden. Alles dieses verhindert die Zwischenmem- 
bran, welche als solche der Diffusion kein Hemmnis in den Weg stellt. 
Diese Membran besitzt übrigens eine bedeutende Festigkeit, so dass es 
ein Leichtes ist, mitsammt ihr den Speisebrei aus dem Magendarm her- 
auszuheben, ohne dass sie zerreißt. Wenn man vorsichtig verfährt, 
kann man sie durch Drücken von ihrem Inhalte befreien und so bequem 
zur Untersuchung verwenden. 

Der sich an den Magendarm anschließende Dünndarm (Taf. V, 
Fig. 4 d), der vordere Abschnitt des primitiven Enddarmes, ist ansehn- 
lich lang und bildet ebenfalls eine, aber der des Magendarmes entgegen- 
gesetzt gewundene Schlinge. An seiner Ansatzstelle an den Magendarm 
zeigt er eine eingekerbte nach innen vorspringende Falte und nimmt 
daselbst die Mündungen der Marricnr’schen Gefäße auf. Auf seiner 
Außenseite lässt er einige tiefe Furchen erkennen, welche dem Durch- 
schnitte dieses Darmtheiles eine sternförmige Figur verleihen (Taf. V, 
Fig. 6). Die Intima zeigt an der vorderen Strecke einen Besatz von kur- 
zen nach hinten gerichteten Borsten, welche sich nach hinten allmählich 
verlieren. Die Zellenschicht (z) ist palissadenförmig angeordnet. Die 
Zellen messen parallel zum Darmlumen 0,009—0,045 mm, senkrecht 
dazu 0,034 mm, der Kern 0,009 mm. Eine Längsmuskelschicht fehlt 
dem größten Theile des Dünndarmes; dafür bildet aber die kolossal ent- 
wickelte Ringmuskelschicht (g) zahlreiche Queranastomosen, welche also 
ungefähr der Längsausdehnung des Darmes parallel verlaufen und so 
"wohl im Stande sind eine Längsmuskulatur zu ersetzen. Taf. V, Fig. 6 I 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVII. Bd. 6 


82 - Paulus Schiemenz, 


zeigt die Durchschnitte der Queranastomosen. Am vorderen Ende bildet 
die Muskulatur einen starken Sphinkter, welcher die Absperrung gegen 
den Chylusdarm bewirkt. Innerhalb der Rinnen bemerkt man zahl- 
reiche Fäden (y), welche sich meist mit verbreiterten Enden an die 
Zellen, resp. die Propria, festsetzen. Man könnte versucht sein, sie für 
Nerven zu halten, wie es mit jedenfalls sehr ähnlichen Gebilden an den 
Marpisurschen Gefäßen geschehen ist, allein bei günstigen Präparaten 
sieht man, wie sie sich von Muskeln abzweigen und nicht selten auch in 
ihrem Anfange Querstreifung zeigen. Schon ihr so ungeheuer zahl- 
reiches Vorkommen könnte gegen ihre nervöse Natur sprechen; auch 
ziehen ihre Ansatzstellen nicht selten die betreffenden Zellen bedeutend 
aus dem Niveau der übrigen heraus. Über die feinsten Verbältnisse be- 
treffs der Ansetzung an die Zellschicht bin ich mir durch Schnitte nicht 
recht klar geworden. Jedenfalls scheinen sie wurzelartig zu enden. 
Übrigens finden sich dieselben Gebilde auch am Chylusdarm (Taf. V, 
Fig. 2). Die Zellenschicht, welche gegenüber derjenigen der Honig- 
blase und des Rectums hier so stark entwickelt ist, ließ mich anfänglich 
vermuthen, dass dem Dünndarm noch eine besondere, sei es nun sekre- 
torische oder absorbirende, Funktion zukomme. Es gelang mir aber 
nie, außer einigen ganz spärlichen und nicht in Rechnung kommenden 
Pollenschalen, einen Inhalt im Dünndarm zu finden, welcher zu irgend 
einer Vermuthung hätte Anlass geben können. Auch waren die Zell- 
kerne etwas klein und die Zellen hatten an und für sich kein drüsiges 
Aussehen. Außerdem aber war die Intima bedenklich dick, ohne Poren- 
kanäle zu zeigen. Herr Professor LEuckArT sprach nun gegen mich die — 
auch in seinen Vorlesungen von ihm vertretene — Vermuthung aus, dass 
dem Dünndarm der Insekten überhaupt keine andere Funktion zukom- 
men möchte als die, eine passende Verbindung zwischen Chylusdarm 
und Rectum herzustellen. Hierauf hin betrachtete ich mir meine Schnitte 
noch einmal und in der That schien mir jetzt Alles zu dieser Ansicht zu 
passen. Die dicke Intima, die kleinen Kerne in den nicht drüsig aussehen- 
den Zellen schienen mir nun erklärlich, und die Sternform des Durch- 
schnittes, welche ich Anfangs für eine Oberflächenvergrößerung ange- 
sehen hatte, erschien mir jetzt nur noch als ein Produkt der so stark 
entwickelten Muskulatur. Ferner ist zu erwägen, dass, wenn die Zellen- 
schicht und mit ihr die Muskellage durch Kothballen aus einander 
getrieben werden, die Zellen sich natürlich etwas abflachen müssen und 
in diesem Zustande, zumal, da ihr Kern ziemlich klein ist, sich nicht all- 
zusehr von denen des Rectums und Honigmagens unterscheiden würden. 
Die stete Leere und die diese bedingenden starken Muskeln sprechen 
ebenfalls sehr für diese Ansicht. Und endlich überzeugt ein Blick auf 


Über das Herkommen des Futtersaftes und die Speicheldrüsen der Biene ete. 83 


den Darmtractus in natürlicher Lage von der Fähigkeit des Dünndarmes, 

die ihm zugeschriebene Funktion in passender Weise zu erfüllen. Fig. A 

auf Taf. V zeigt die Lage der Darmtheile zu einander, wie ich sie bei: 
mäßiger Füllung als die normale gefunden habe. Sowohl Magendarm als 
Rectum, und besonders letzteres, nehmen bekanntlich bei der Honigbiene 
mitunter ganz enorme Dimensionen an. Wären nun beide nur durch ein 
kurzes Verbindungsstück verbunden, so würden sie sich bei ihrer Fül- 
lung gegenseitig sehr in der Gestalt beeinträchtigen; durch einen langen 
Dünndarm aber verbunden, können sie sich ungehindert ausdehnen, 

ohne gegenseitige Gestaltsverzerrungen zu bedingen. Füllt sich der 
Chylusdarm, so wird er sich bestreben, eine gestrecktere Lage anzu- 
nehmen, in Folge dessen entweder die Schleife des Dünndarmes mehr 
zusammenziehen oder eine stärkere Krümmung des vom Rectum auf- 
steigenden Astes, also eine Neigung der Schleife nach unten, bewirken, 

das Rectum aber nicht behelligen. Dehnt sich das Rectum, so wird es 
die Schleife ausdehnen oder durch Krümmung des unteren Astes eben- 
falls nach unten richten und so den Chylusdarm in seiner Gestalt nicht 
beeinträchtigen. Und faktisch trifft man die Schleife öfters in der nach 
unten gerichteten Lage. 

Das Rectum endlich weist einen demjenigen des Honigmagens sehr 
ähnlichen Bau auf (Taf. V, Fig. A r). An seinem vorderen Theile finden sich 
sechs längliche Wülste, die sogenannten Rectaldrüsen, bezüglich deren 
Bauesich aufCuun! verweise. Nur das Eine möchte ich bemerken, dass ich 
das Bindegewebspolster hinter den Drüsen ziemlich stark entwickelt fand. 

Nachdem wir uns nun den Darmtractus näher betrachtet haben, 
können wir auch eine Antwort geben auf die Frage: Kommt der Futter- 
saft aus dem Chylusdarm? Die Antwort ist ein unbedingtes: Nein. 

Wenn schon der Honigmagen, um den Honig zu erbrechen, eine 
sehr starke Muskulatur besitzt, obgleich ihm kein Gebilde, wie der Ver- 
schlusskopf, hinderlich in den Weg tritt, so müsste man erwarten, dass 
der Chylusmagen noch viel stärkere Muskeln aufwiese, da er den Ver- 
schlusskopf zu überwinden und außerdem eine Masse, welche bei Wei- 
tem nicht so leichtflüssig ist als der Honig, in Bewegung zu setzen hätte. 
Diesen Anforderungen genügt aber die Muskulatur des Magendarmes 
durchaus nicht. Und selbst wenn sie es thäte, würde doch der Zapfen alle 
Anstrengungen vereiteln. Nach hinten kann die verhältnismäßig schwache 
Muskulatur den Darminhalt natürlich viel leichter bewegen, da sie in 
ihrer Wirkung durch die von vorn her neu eintretende Nahrung unter- 
stützt wird. Ein etwaiges Ausstülpen des Zapfens aber, an das man viel- 
leicht noch denken könnte, wird, abgesehen von den Bindegewebsfasern 

1 Abhandl. d. SEnckEnsere’schen naturf. Gesellsch. in Frankfurt a/M. Bd. X. 
6* 


84 ‘Paulus Schiemenz, 


(Taf. V, Fig. 25i), durch den Theil der Längsmuskeln verhindert, welche 
sich an der oberen Spitze des Verschlusskopfes ansetzen, und so, bei der 
Kontraktion der Muskeln auch mit kontrahirt, denselben Effekt erzielen 
als die Längsmuskeln des Honigmagens, welche sich bei «a ansetzen, d.h. 
ein Ausstülpen hier des Zapfens, dort des Verschlusskopfes verhüten. 


Speicheldrüsen, 


Über die Speicheldrüsen besitzen wir schon eine ganze Reihe, zum 
Theil recht vortrefflicher Untersuchungen, wenigstens was die Verhält- 
nisse bei Apis mellifica anlangt, so dass es fast überflüssig erscheinen 
könnte, dieselben noch einmal einer Untersuchung zu unterziehen. Ich 
habe indessen bei meinen Arbeiten Etliches gefunden, was theils zur 
Ergänzung, theils zur Berichtigung des bereits Mitgetheilten dienen kann 
und hier seinen Platz finden mag. 

Überdies haben die bisherigen Untersucher von den bei uns 
vorkommenden Bienenarten außer Apis fast nur Bombus in das Bereich 
der Untersuchungen gezogen. Nur Durour! giebt einige spärliche Mit- 
theilungen über andere Bienen. Es ist mir nun allerdings nicht gelungen, 
Vertreter sämmtlicher Familien zu erhalten, da ich genöthigt war, mir 
mein Material selbst zu suchen und mich die ungünstige Witterung des 
Jahres 1881 im Spätsommer oft vergeblich auf Fang ausgehen ließ. In- 
dessen bieten schon die von mir untersuchten Bienen des Interessanten 
genug?. Bezüglich der Anordnung des Stoffes könnte ich die von mir 
untersuchten Bienen nach einander abhandeln; allein dies würde zu 
Wiederholungen führen, und da es uns weniger um die Kenntnis der 
Arten, als der Speicheldrüsen zu thun ist, werde ich die verschiedenen 
Speicheldrüsensysteme nach einander, bei jedem sogleich die gefundenen 
Verhältnisse sämmtlich in Betracht ziehend, behandeln. Diese Art und 
Weise gewährt auch den Vortheil, dass die einzelnen Verhältnisse besser 
mit den bei Apis mellifica sich findenden verglichen werden können. 

Es existiren bei den Bienen überhaupt, wenn man unter Speichel- 
drüsen Drüsen versteht, die sich in den Anfangstheil des Nahrungs- 
kanales öffnen, nicht weniger als fünf verschiedene Systeme, von denen 
vier paarig angelegt sind. Eine von den Speicheldrüsen liegt in der 
sogenannten Zunge, drei im Kopf und eine im Thorax. Man hat den- 
selben Namen gegeben, welche den bei Menschen und höheren Säuge- 
thieren vorkommenden Verhältnissen entsprechen; allein diese Nomen- 
elatur ist mehr oder minder gesucht und nicht zutreffend. Ich werde 


1 1.:C. 2. 448. 
2 Spiritusexemplare habe ich zu meinen Untersuchungen nicht verwendet, son- 
dern nur frische, lebende Thiere. 


Über das Herkommen des Futtersaftes und die Speicheldrüsen der Biene etc. s5 


daher die einzelnen Systeme, wie es v. SIEBOLD ! sehr praktisch einge- 
führt hat, nur mit römischen Ziffern bezeichnen. 


System. 


Das im Kopfe sich befindende System I, von MEcksL? Supramaxillar- 
drüse genannt, öffnet sich auf dem im Schlunde befindlichen Schlund- 
blättchen vermittels einer auf jeder Seite gelegenen rundlichen Öffnung 
(Taf. V, Fig. 7 0). Diese Öffnung führt in einen sackförmigen Behälter 
(ou), der von fast allen Untersuchern übersehen worden und nur von 
Worrr 3 abgebildet ist. Er hat eine schräge Lage von oben außen und 
vorn, nach unten innen und hinten, lagert also unter dem Schlundblätt- 
chen. An seinem unteren Ende besitzt er gleichfalls eine runde, aber 
eiwas kleinere Öffnung (u), welche direkt in den Sammelkanal (s) der 
Drüse führt. Der Sammelkanal setzt sich mit einem etwas verjüngten 
Endstück in einem nach innen und etwas nach hinten geöffneten Bogen 
an den Behälter an und erstreckt sich von da aus, mehrere Windungen zu 
beiden Seiten des Gehirnes beschreibend, durch den Kopf. In seiner 
ganzen Länge bis zu seinem blind geschlossenen Ende, meist nur den 
allervordersten Theil freilassend, sitzen an ihm gesüelte bläschenförmige 
Acini von rundlicher bis unregelmäßiger Gestalt. Der Sammelkanal, 
durchschnittlich 0,035—0,047 mm messend, zeigt eine strukturlose, 
ziemlich starke Intima (Taf. V, Fig. 8 : und Fig.7 s), welche an dem in 
den Behälter mündenden, knieförmig gebogenen oberen Ende besonders 
verdickt ist. Da, wo ihr die Stiele der Acini aufsitzen, bildet sie kleine 
siebartig durchlöcherte Hügel (R). Auf der Intima befindet sich nach 
außen eine dünne Protoplasmaschicht (Taf. V, Fig. 8 ch), in der man mit 
Pikrokarminfärbung 0,01 mm große, meist keulenförmige, in der Rich- 
tung des Sammelkanales langgestreckte Kerne (k) wahrnimmt. Bei jünge- 
ren Bienen sah ich auch die Zellgrenzen der polyedrischen, pflasterartig 

1 Eichstädter Bienenzeitung. Jahrg. 1872. p. 287. 

2 Mürrer's Archiv für Anatomie etc. Jahrg. 4846. p. 28. 

3 Nova acta Acad. Caes. Leop. Car. Germ. nat. curios. Tom XXXVII. Jahrg. 
41876. Taf. II, Fig. 10 hu.p. 202. Wourr sagt daselbst: »Das Behältnis ist „knochen- 
hart“, so dass sein Inhalt zugleich mit den Saugbewegungen des Schlundes ausge- 
pumpt wird.« Nun für die Honigbiene möchte dies angehen, da durch den knie- 
förmigen Ansatz der eigentlichen Drüse zur Noth — aber auch dies ist unwahrschein- 
lich — verhindert werden könnte, dass die ganze Drüse ausgepumpt würde. Bei 
den anderen Bienen dagegen, wo die Öffnung o nicht in ein Behältnis sondern direkt 
in den Sammelgang der Drüse führt, würden durch die Saugbewegungen des 
Schlundes System I der Speicheldrüsen systematisch ausgepumpt, ein Vorgang, der 
mir doch sehr schlecht zu dem Begriff Speicheldrüsen zu passen scheint und so die 
von WoLFrr aufgestellte Saugetheorie in einem eigenthümlichen Lichte erscheinen 
lässt. 


86 Sa Paulus Schiemenz, 


angeordneten Zellen. Mit dem Alter scheinen diese Zellgrenzen zu ver- 
schwinden. Diese Plasmaschicht, oder vielmehr Zellenschicht mit un- 
deutlich gewordenen Zellgrenzen, setzt sich kontinuirlich in die Acini 
(ac) fort, dort bedeutend entwickelte Sekretionszellen bildend. Diese 
liegen eng an einander, füllen den ganzen Acinus aus und messen durch- 
schnittlich 0,047 mm. Sie enthalten einen klaren feinkörnigen Inhalt 
und in diesen eingebettet einen 0,027 mm messenden Kern. Die Kerne 
besitzen eine deutlich doppelt konturirte Membran, von der sich ‚der 
Inhalt oft auf Zusatz von Essigsäure zurückzieht. Sie enthalten einen oder 
mehrere Kernkörperchen, deren Größe ihrer Zahl umgekehrt proportio- 
nal ist. Die größeren Kernkörperchen zeigen einen dunklen centralen 
und einen helleren peripherischen Theil. Die Gestalt des Kernes ist 
rundlich oder unregelmäßig, mitunter finden sich sogar recht verzerrte 
Gestalten. An jede der Sekretionszellen tritt, wie ich mich bei Bienen, 
die noch einige Tage zum Ausschlüpfen nöthig gehabt hätten, und auch 
bei alten Bienen durch Zusatz quellender und dann schrumpfender Mittel 
überzeugt habe, ein ungefähr 0,002 mm dickes Kanälchen, welches an 
den siebförmig durchlöcherten Hügeln unmittelbar in die Intima übergeht. 
Da, wo dieses Sekretionskanälchen in die Zelle eintritt (e), verliert es 
plötzlich seine starken Wandungen, dieselben mit sehr blassen und zar- 
ten (/) vertauschend. Es verläuft nun in mehreren Windungen in der 
Zelle und endet schließlich mit einer konischen Spitze. Einen seitlichen 
Besatz mit feinen Seitenkanälchen habe ich trotz sehr starker Vergröße- 
rungen nicht finden können, statt dessen aber seitliche Auswüchse (m). 
Die feinere Struktur des Sekretionskanälchens kann man recht deutlich 
verfolgen, wenn man Kalilauge zusetzt (ac). Die Sekretionskanälchen 
der Zellen je eines Acinus münden meist gemeinsam auf den bereits er- 
wähnten Hügeln der Intima. Mitunter theilen sie sich jedoch in zwei 
mehr oder minder deutlich getrennte Gruppen (ac,), in welchem Falle 
dann auch meist der Acinus durch eine sattelförmige Einbuchtung in 
zwei Hälften gesondert wird und so den Anblick gewährt, als ob er 
durch Konkrescenz zweier Acini entstanden wäre. Zuweilen sondert 
sich auch nur ein Kanälchen von den übrigen ab und mündet für sich 
besonders. Eine so große Anzahl Zellen in einem Acinus, wie MECKEL 
angiebt (20—30), habe ich nicht gefunden, dagegen stieß ich hin und 
wieder auf Acini, die nur von einer einzigen Zelle repräsentirt wurden 
(x). Daher schwankt denn auch die Größe und die Gestalt der Acini 
außerordentlich. Die Durchschnittsgröße betrug 0,19 mm. Die einzelligen 
Acini maßen durchschnittlich 0,067 mm. Hinsichtlich der verschiedenen 
Altersstufen finden sich bedeutende Differenzen. Bei Imbecillen sind die 
Acini sehr durchsichtig und wenig gefüllt, so dass die einzelnen Zellen 


Über das Herkommen des Futtersaftes und die Speicheldrüsen der Biene etc. 87 


auf der Außenseite der Acini rundliche Hervorragungen bedingen und 
so dem ganzen Acinus die Gestalt einer Maulbeere verleihen. Die Zell- 
grenzen sind deutlich. Bei Brutbienen sind die Acini sehr groß, prall 
gefüllt und erscheinen desshalb als vollständig runde Blasen. Die Zell- 
grenzen sind aber schon weniger deutlich. Die Farbe ist weiß, etwas 
ins Gelbliche ziehend. Bei den Trachtbienen endlich sind die Acini 
wieder zusammengesunken und maulbeerförmig, enthalten viele kleine 
bräunliche Körper und lassen die Zellgrenzen fast gar nicht mehr unter- 
scheiden. Die Zellen erhalten sich jedoch als gesonderte Plasmaklumpen, 
wie man sich durch Zusatz schrumpfender Mittel überzeugen kann. Die 
bräunlichen Körper sind jedenfalls pathologische oder senile Produkte und 
lassen die Drüse stark gelb erscheinen. Auch bei anderen Bienen, z.B. 
alten Hummelmüttern, findet man diese Produkte in großer Menge, oft 
die Zellen bis zur völligen Undurchsichtigkeit anfüllend. Besonders auf- 
fallend traf ich solche Erscheinungen bei alten Andrenaweibchen. 

Gegen die Leibeshöhle wird die ganze Drüse begrenzt durch eine 
sich ihr ganz dicht anschmiegende Propria (Taf. V, Fig. 8 p). 

Sowohl Leyvıe! als Fischer? vermuthen, dass die Acini in Spiral- 
touren geordnet dem Sammelkanale aufsitzen ; ich habe das nicht finden 
können. Ein eigenthümliches Verhalten zeigt diese Drüse im frischen 
Zustande bei Behandlung mit Pikrokarmin. Ein Theil der Acini, und be- 
sonders deren Kerne, färbt sich sehr schön, während ein anderer Theil 
der Färbung hartnäckigen Widerstand leistet. Mitunter sogar zeigt sich 
dieses verschiedene Verhalten bei den Zellen eines und desselben Acinus. 
Bemerkenswerth ist es nun, dass sich gerade diejenigen Acini oder Zellen 
nicht färben, welche im Ganzen viel saftiger erscheinen und durchschnitt- 
lich die größten Kerne enthalten. Besonders schwer färben sich insge- 
sammt die Drüsen der Brutbienen. Irgend welche Regelmäßigkeit in der 
Anordnung der gefärbten und nicht gefärbten Acini oder Zellen habe ich 
nicht finden können. Es erinnert dieses Verhalten an ein ähnliches, 
wie eS ScHINDLER ® an den Marpisurschen Gefäßen von Dromius angiebt. 
Dass.die Marrıcar'schen Gefäße von Gryllotalpa und Acheta campestris 
sich nach Inhalt und Farbe unterscheiden, wie Leypıe * angiebt, ohne 
histologisch irgend welche Differenzen zu bieten® oder sich wegen der 
mannigfachen Übergänge der einen Art in die andere streng von einan- 
der scheiden zu lassen, dürfte wohl ein sehr ähnliches Verhalten sein. 
Wie nun SchinpLer schließt, dass diese Differenzen von der mehr oder 
weniger reichlichen Imprägnirung mit Harnsubstanzen abhängen, so 


1 Mürrer’s Archiv f. Anatomie. Jahrg. 4859. p. 63. 2.1. C. pP. 136. 
3 Diese Zeitschr. Bd. XXX. Heft 4. p. 635. =.6,.Pr 159. 
9 SCHINDLER, |. c. p. 616. 


85 Paulus Schiemenz, 


schließe ich, dass das verschiedene Verhalten gegen Färbemittel von der 
mehr oder weniger reichlichen Imprägnirung mit Sekret abhängt. Das 
Verhalten der strotzenden Drüse bei der Brutbiene möchte diese Ansicht 
unterstützen können. Es könnte freilich sonderbar erscheinen, dass 
vollständig gleich gebaute und von derselben Flüssigkeit umspülte 
Drüsenzellen ein verschiedenes Verhalten zeigen sollen, allein die Be- 
funde sowohl an den Marpicarschen Gefäßen als Drüsen, dürften wohl 
kaum eine andere Erklärung finden. Die verschiedengradige Imprägni- 
rung, dort mit Harnsubstanz, hier mit Sekret, bedeutet aber doch mit 
anderen Worten weiter nichts, als dass die einzelnen Schläuche oder 
Zellen in einem bestimmten Augenblicke eine verschiedene Sekretions- 
thätigkeit oder besser Sekretionsintensivität zeigen. 

Während wir diesen Schluss im Auge behalten, wollen wir ein paar 
Augenblicke bei einer Ansicht Fıscner’s! und v. SırsoLp’s? verweilen, 
welche diese Betrefis der Sekretion der Drüsenzellen hatten. Beide 
glauben nämlich, dass die Drüsenzellen in fortwährender Neubildung be- 
griffen sind, indem die alten Zellen platzen, flüssig werden und durch 
die Sekretionskanälchen abziehen, um anderen Zellen Platz zu machen. 
Nun es ist wahr, dass Drüsenzellen im Allgemeinen oft eine große, ja oft 
bedeutende Vergänglichkeit zeigen, indem sie theils mechanisch von dem 
ausströmenden Sekret fortgeschwemmt werden, wie z. B. die Labzellen, 
besonders im Magen der Pflanzenfresser, theils auch in der Bildung ihres 
Sekretes zu Grunde gehen, z. B. bei Talgdrüsen, Milchdrüsen, MEısom- 
schen und Ohrenschmalzdrüsen. Die Zellen lösen sich von der Propria 
ab, verfallen einer fettigen Degeneration und sowohl Kern als Membran 
gehen allmählich zu Grunde (z. B. bei den Kolostrumkörpern der Milch). 
Die erste Art des Vergehens, nämlich durch Fortschwemmen, ist für 
unseren Fall von vorn herein ausgeschlossen, da bei der Speicheldrüse 
die Zellen von dem Lumen durch eine starke Intima getrennt sind und 
durch die feinen Kanälchen nicht hindurchgehen würden. Es könnte also 
nur noch, wie FıscHer und v. SızsoLp annehmen, der zweite Fall von 
Vergänglichkeit hier Platz greifen. Ich habe viel Zeit darauf verwendet, 
irgend welche Anhaltepunkte für die Ansicht der beiden Untersucher zu 
finden; allein vergeblich. Nie fand ich etwas, was auf einen Zerfall von 
Zellen hätte hindeuten können, wenn man nicht das Verschwinden der 
Membranen hierher rechnen will. Ich habe aber schon oben erwähnt, 
dass die Zellen sich trotzdem als streng gesonderte Plasmaklumpen er- 
halten, und zweifle keinen Augenblick daran, dass die Membran nicht 
verschwunden, sondern nur so zart geworden ist, dass unsere Hilfsmittel 
nicht ausreichen, sie an dem trüben Zellinhalt deutlich erkennen zu lassen. 

IE. p. 137. ep as 


Über das Herkommen des Futtersaftes und die Speicheldrüsen der Biene ete. 89 


Nie habe ich aber auch eine auf Karyokinese hindeutende Kernfigur ge- 
sehen. Denn trotz der Unregelmäßigkeit in der Gestaltung der Kerne ist 
man nicht berechtigt, hier eine solche anzunehmen, da die Kernkörper- 
chen in den mitunter sogar hantelförmig geformten Kernen durchaus 
dasselbe Verhalten zeigten, wie in den runden Kernen. 

Aber auch schon eine Betrachtung des Baues der Drüsen ist im 
Stande, a priori gegen eine solche Annahme des Zerfallens zu sprechen. 
Denn was sollte aus den Sekretionskanälchen werden? Wären die 
Zellen vergänglich, so müssten dadurch Sekretionskanälchen frei wer- 
den, man müsste also doch wohl einmal einen von einer Zelle entblöß- 
ten Kanal gesehen haben. Und wie sollte dann eine neue Zelle an den 
Sekretionskanal kommen? Bei mehrzelligen Acini wäre dies vielleicht 
noch möglich, aber bei einzelligen Acini, die mit Ausnahme von Apis 
sich bei allen anderen von mir untersuchten Bienen finden, ist dies ge- 
radezu undenkbar und wohl auch unmöglich. 

Wenn man nun annimmt, dass, wie bei den zum Vergleich angeführ- 
ten Drüsen der Säugethiere, auch hier die Drüsenzellen nicht im Stande 
sind, fortwährend zu secerniren, sondern durch die Sekretion erschöpft 
werden, so müsste man nach einer Kompensation der Neubildung suchen, 
und diese ließe sich vielleicht in einer periodischen Ruhe der Zellen fin- 
den. Hierdurch ließe sich denn auch die verschiedene Imprägnirung mit 
Sekret und das verschiedene Verhalten gegen Färbemittel erklären. 

Das Sekret der Drüse ist ziemlich stark sauer. 

Königin und Drohnen lassen diese Drüse vermissen. Bei letzteren 
findet sich keine Spur mehr, während bei ersterer, wie bereits Fischer 
und v. SırsoLp bemerken, noch die oberen Öffnungen der Behälter auf 
dem Schlundblätichen erhalten bleiben. Ich möchte diese Angabe noch da- 
durch einschränken, dass ich ihr ein »zuweilen« beifüge. Bei einer Königin 
nämlich fand ich jederseits an der betreffenden Stelle (o) eine Grube, 
bei drei anderen vermisste ich auch diese, und von drei ungefähr gleich- 
altrigen, die ich demselben Stocke eines cyprischen Volkes entnommen 
hatte, wies nur eine und zwar nur auf einer Seite eine derartige Grube auf. 

Von Bombus untersuchte ich: B. silvestris, B. lapidarius, B. ter- 
restris, B. hortorum, B. pomorum, B. subterraneus. 

System I ist hier ebenfalls wohl entwickelt und zeigt im Allgemeinen 
dieselbe Beschaffenheit wie bei Apis mellifica. Doch fehlt das Reservoir, 
so dass die Sammelkanäle sich unmittelbar auf dem Schlundblättchen an 
der betreffenden Stelle öffnen. Ferner bestehen, wie schon Levis ! be- 
schrieb, die Acini nur aus je einer Zelle; das was also bei Apis melli- 
fica Seltenheit war, wird hier Regel, oder vielleicht naturgemäßer aus- 

I, 190..iP: 65 


90 Paulus Schiemenz, 


gedrückt: Apis mellifica zeigt mitunter noch Anklänge an die frühere, 
tiefer stehende Beschaffenheit der Drüse. Der Sammelkanal besitzt un- 
gefähr im Durchschnitt dieselbe Weite wie bei Apis, ist also im Verhält- 
nis viel enger. Übrigens schwankt :das Lumen stellenweise sehr stark. 
Die Intima zeichnet sich durch eine stärkere Bräunung aus und ist auch 
wohl stärker. Die Sekretionskanälchen münden einzeln, indessen oft 
schon zu Gruppen vereinigt (Taf. V, Fig.9 gr). An solchen Stellen bildet 
denn auch die Intima ebenfalls nach außen hervorspringende Hügel, die 
aber sporadisch viel bedeutendere Dimensionen annehmen. Indem sie 
sich stark verlängern und ihre Umgebung mit sich ziehen, werden sie 
zu blindgeschlossenen Nebenzweigen (Taf. V, Fig. 9). Ich fand solche 
Abnormitäten namentlich bei B. silvestris, freilich immer viel geringer 
ausgebildet als in Fig. 9, welche von einem Psithyrus genommen ist. Die 
den Sammelkanal bedeckende Zellschicht ist bedeutend stärker entwickelt 
als bei Apis und zeigt bei älteren Individuen öfter Fetttröpfchen einge- 
lagert. Die Sekretionszellen sind durch » bindegewebige Brücken«, wie 
LEyDie sie nennt, verbunden, über deren Bildung später berichtet werden 
wird. Eine auffallende Verschiedenheit zeigt sich an den zarteren Theilen 
der Sekretionskanälchen, indem sich feine Strichelchen an denselben befin- 
den, wie sieschon von Leyvıe ! bei anderen Drüsenzellen beschrieben wur- 
den. Der zarte Theil bekommt dadurch das Aussehen einer Flaschenbürste. 
Besonders deutlich sah ich sie beiB. subterraneus schon ohne Zusatz eines 
Reagens (vgl. Taf. V, Fig. 43 f von Anthophora). Ob aber diese Strichel- 
chen Poren einer verdickten Membran sind, wie Leypıe will, oder feine 
Seitenästchen vorstellen, habe ich nicht entscheiden können. Indessen 
scheint mir das Letztere der Fall zu sein, da ich an Objekten, wo sie be- 
sonders deutlich waren, wie bei der später zu erwähnenden Anthophora, 
keine die Strichelchen an ihren freien Enden verbindende Membran wahr- 
nehmen konnte, ich ferner auch zuweilen Kanälchen sah, die durch Zer- 
zupfen der Drüse stellenweise dieser Seitenstrichelchen beraubt waren. 

Gemäß der abweichenden Lebensweise zeigen die verschiedenen 
Geschlechter bezüglich der Drüse auch bei Bombus ein verschiedenes 
Verhalten. Bekanntlich sollen die großen Weibchen hier die meiste Ar- 
beit verrichten ; sie legen die Höhlen an, schaffen Nahrung für die 
von ihnen producirte Brut und müssen endlich für ihre Beköstigung, die 
bei der ansehnlichen Körpergröße nicht unbedeutende Quantitäten er- 
fordert, selbst sorgen. Daher findet sich System I auch bei ihnen am 
stärksten ausgebildet. Ihnen ganz ähnlich verhalten sich die kleinen 
Weibchen?. Nächst den Weibchen haben die Arbeiter die meiste Arbeit 


i 1. c.p. 39. 
2 Über deren Vorkommen vgl. TASCHENBERG in BREHW’s Thierleben. Bd. IX. p. 219. 


Über das Herkommen des Futtersaftes und die Speicheldrüsen der Biene ete. 91 


zu verrichten, daher denn die zwar etwas schwächere — natürlich ver- 
hältnismäßig genommen — aber doch noch starke Entwicklung der Drüse. 
Die wenigste Arbeit verrichten die Männchen, aber sie sind doch ge- 
nöthigt sich selbst zu ernähren und werden nicht gefüttert. So kommt 
es, dass auch diese die Drüse aufweisen, wenngleich in einer noch 
schwächeren Ausbildung. Nicht nur ist der Drüsenkanal hier erheblich 
kürzer, sondern es sind auch die Sekretionszellen weniger dicht gestellt. 

Psithyrus rupestris, von dem ich nur ein Weibchen erlangt 
habe, zeigt genau dasselbe Verhalten wie Bombus. Auffallend war je- 
doch die bedeutendere Kürze der ganzen Drüse, jedenfalls Hand in Hand 
gehend mit der schmarotzenden Lebensweise. 

Von Hylaeus untersuchte ich H. fulvocinetus, H. arbustorum, 
bifasciatus, maculatus, rubicundus, cylindricus und seladonius; außer- 
dem noch einige andere nicht näher bestimmte Arten. Bei ihnen erhebt 
sich an der Stelle des Schlundblättchens, wo die taillenartige Verenge- 
rung desselben beginnt (Taf. V, Fig. 10 o), eine äußere («) und eine 
innere Leiste (?). Beide sind gegen einander gerichtet und bilden, indem 
sie sich theilweise überdecken, einen Kanal, der sich an der Stelle, wo 
sich der Hügel mit den Sinnesborsten (Geschmackborsten?) erhebt, in 
eine das Schlundblättchen durchsetzende nach hinten gerichtete, starre, 
blindgeschlossene Röhre fortsetzt (s). Der in Folge der starken Intima 
ganz steife Kanal ist besonders an seiner Innenseite mit zahlreichen, sehr 
langen Sekretionskanälchen (c) besetzt, welche an ihren freien Enden die 
durch Brücken verbundenen Sekretionszellen tragen. Die Männchen 
zeigten die Drüse etwas schwächer entwickelt, doch ist der Unterschied 
nicht sehr auffallend. Die einzelnen Arten variirten bezüglich der Länge 
des Kanals. Bei einigen Arten waren die Leisten schwächer ausgebildet, 
so dass sie an ihrem vorderen Theile keine abgeschlossene Röhre dar- 
stellen. Denkt man sich dieses Verhalten für die ganze Länge der Leisten 
geltend und zugleich den starren Sammelkanal auf ein Viertel seiner 
Länge verkürzt, so erhält man die Verhältnisse wie sie sich beiDichroa 
(gibba?) finden, von welcher Art ich übrigens bloß Weibchen untersucht 
habe. 

Hieran schließt sich Anthidium manicatum und Colletes suc- 
 eincta, bei denen sich jederseits nur eine kurze sackförmige Ausstülpung 
findet, in welche und vor welcher die langgestielten Sekretionskanälchen 
münden. Ungeheuer auffallend ist der Unterschied zwischen beiden Ge- 
schlechtern bei Colletes, während das bei Anthidium weniger der Fall 
war. Bei Oolletes ist dieses kleine Sammelsäckchen nicht mehr auf dem 
Schlundblättchen sondern daneben angebracht, so dass es bei der Prä- 
paration leicht von demselben abreißt. 


92 Paulus Schiemenz, 


BeiMegachile centuneularis findet sich jederseits eine muldenartige 
Einsenkung, deren Boden von den zahlreichen Sekretionskanälchen sieb- 
‘ förmig durchlöchert wird (Taf. V, Fig. 41 m). Bei dem Männchen ist 
diese Mulde weniger ausgeprägt, wie denn überhaupt bei ihm diese 
Drüse spärlicher entwickelt ist. Bei Goelioxys conica, von dem ich nur 
ein Männchen untersuchte, und Dasypoda hirtipes ist die von den 
Sekretionskanälchen in gleicher Weise durchbohrte Stelle weniger stark 
chitinisirt, oder wenigstens nicht so dunkel pigmentirt, als die übrigen 
Theile des Schlundblättchens. Bei Coelioxys beschränkt sich dieses Ver- 
halten mehr auf einzelne, von besonders vielen Mündungen der Sekre- 
tionskanäle durchbohrte Stellen. 

Bei Osmia (bicornis), Melecta (armata), Andrena (albicans, vestita 
und einigen nicht näher bestimmten) ist auch noch dieser letzte Rest von 
dem Sammelkanal geschwunden, und die langgestielten Kanäle der Sekre- 
tionszellen münden dicht beisammen aufeiner nicht besonders ausgezeich- 
neten Stelle des Schlundblätichens, wie es Fig. 12 von Andrena zeigt. 

Die geringste Entwicklung zeigte unter den von mir untersuchten 
Bienen Anthophora (hirsuta und retusa), bei dersich die Mündungen der 
Kanäle sehr wenig markiren und, da sie sich über einen verhältnismäßig 
sehr großen Theil des Schlundblättchens vertheilen, leicht zu übersehen 
sind. Ich zählte jederseits nur etwa fünfzehn Kanäle. Die Flaschen- 
bürstenform des zarteren Endes des Sekretionskanälchen war hier be- 
sonders deutlich zu sehen (Fig. 13). 

Wir hätten somit eine allmähliche kontinuirliche Verminderung in 
der Ausbildung des System I zu konstatiren. Die höchste Ausbildung 
erlangt es bei Apis mellifica. Auf der anderen Grenze steht Anthophora, 
bei welcher sich dasselbe auf eine kaum in Betracht kommende Bildung 
reducirt hat. Möglicherweise findet sich unter den Bienen, deren ich 
nicht habhaft werden konnte, eine oder die andere, welche System I 
gar nicht mehr aufweist. Ob in dem letzten Falle eine allmähliche Ver- 
kümmerung der Drüse vorliegt, oder vielmehr eine Ausbildung noch nicht 
stattgefunden hat, ist schwer festzustellen. Indessen dürfte es wohl 
natürlicher sein, die Drüse als ein werdendes Organ zu betrachten, zumal 
man zu der Annahme berechtigt ist, dass der solitäre Zustand der ur- 
sprüngliche ist, das gesellschaftliche Leben aber, wie es sich bei den 
Honigbienen und Hummeln findet, eine später erworbene Eigenschaft 
darstellt. Auch zeigten sich nie deutliche Zeichen, welche für den rudi- 
mentären,.d. h. rückgebildeten Zustand hätten sprechen können, wie es 
so auffallend bei Apis mellifica bezüglich der verschiedenen Geschlechter 
der Fall ist. Mit Ausnahme von dieser letzteren besteht die Drüse bei 
allen Bienen aus lauter einzelnen, durch Brücken verbundenen Zellen. 


Über das Herkommen des Futtersaftes und die Speicheldrüsen der Biene etc. 93 


Der innerhalb der Zelle sich hinwindende zarte Theil des Sekretions- 
kanälchens zeigt überall mehr oder weniger deutlich den flaschenbürsten- 
ähnlichen Besatz mit Seitenkanälchen. 


System ll. 


System Il der Speicheldrüsen liegt ebenfalls im Kopfe, und zwar 
dieht über dem unteren Chitinpanzer, so dass es am leichtesten präpa- 
rirt werden kann, wenn man vorher System I und das Gehirn heraus- 
nimmt. Es würde also, da der Kopf eine mehr senkrechte Lage hat, 
besser mit dem Namen »hintere Kopfspeicheldrüse« als »obere Kopf- 
speicheldrüse « bezeichnet werden. MEckeı nannte dies ebenfalls paarige 
Organ »glandula sublingualis«.. System II hat noch mehr Beschreiber 
gefunden als System I, denn außer Mecker 1, Levpıe? und v. SızBoLn 3 
ist unter denselben noch Rampour ?, TreviRAnus® und Durour ® zu nennen. 
Ramponr hielt diese Drüse anfänglich für ein Geruchsorgan, berichtigte 
aber später? seinen Irrthum. Durour sagt zwar ausdrücklich, dass er 
dieses System übersehen habe, aber seine Beschreibung von System Ill 
lässt keinen Zweifel zu, dass er beide Systeme gesehen, jedoch für zu- 
sammengehörig gehalten hat. Er spricht nämlich® von eiförmigen und 
langen schlauchförmigen Drüsensäcken innerhalb eines Systemes, von 
denen die langen Schläuche stets das Ende einnehmen sollen, ein Vor- 
kommen, wie es sich wenigstens bei den von mir untersuchten Bienen 
nicht findet, und nur dadurch zu erklären ist, dass Durour beide Systeme 
zusammengeworfen hat. Auch Meckezr hat beide Drüsen nicht ordentlich 
aus einander gehalten, so dass FıscHer ? dessen auf System II bezügliche 
Beschreibung auf System III beziehen und dann natürlich als falsch 
tadeln konnte. 

Die Gesammtform der Drüse ist ungefähr traubenartig, indem sich 
die einzelnen sehr unregelmäßig gestalteten Drüsensäcke mit Hilfe ihrer 
stielartigen Ausfuhrgänge gruppenweise vereinigen, schließlich jeder- 
seits einen Sammelkanal bilden, welcher rechtwinklig auf den Ausfüh- 
rungsgang des Systems III stößt und sich mit diesem, eine kreuzförmige 
Figur bildend, vereinigt. Die einzelnen, verschieden großen Säckchen 
(Taf. VI, Fig. 4a) zeigen die drei Schichten: Intima (i), Zellschicht (z) 
und Propria (p). Bei einer gefüllten Drüse zeigt die Intima nichts Auf- 
fallendes (Fig. 1 a), höchstens, dass sie durch die bauchartig in das 

rer BD. 29. 2 ].c.p. 62. 3]. c. p. 288. 


4 Magazin der Gesellsch. naturf. Freunde zu Berlin. 4844. p. 387. 

5]. c. p. 4123. Von der Hummel. Ergänzt in: Zeitschr. f. d. Physiologie. Bd. Ill. 
Heft I. p. 69. Slrerp, #19. 

7 GERMARS Magaz. d. Entomol. Jahrg. I. Heft I. p. 135. 

8 ].c. p. 394 und 449. I1.c.p. 143. 


94 Paulus Schiemenz, 


Lumen des Sackes hineinhängenden Zellen eine gefelderte Struktur er- 
hält. Ist die Drüse aber weniger gefüllt (b), so sinkt die Intima zusam- 
men und zeigt dann verschieden große meist kreisrunde Einsenkungen 
(2), welche durch Falten mit einander verbunden werden. Ley»ıe hielt 
diese Einsenkungen für Löcher !, ein Irrthum, den v. SırBoLp schon be- 
richtigt hat, indem er durch Druck die fraglichen Löcher und Falten ver- 
schwinden machte. Man kann sich aber auch leicht durch verschiedene 
Einstellung des Tubus davon überzeugen, dass man es hier nur mit 
runden Einsenkungen zu thun hat. Stellt man den Tubus, der auf die 
sogenannten Löcher einsteht, allmählich und langsam tiefer, so trifft man 
zunächst die zur Einsenkung gehörige Intima, welche wieder sekundäre 
Einsenkungen zeigt. Senkt man den Tubus weiter, so verschwindet die 
Intima und es erscheint eine andere, nämlich die der gegenüber liegen- 
den Seite. Die so große Unregelmäßigkeit in der Anordnung der Ein- 
senkungen und namentlich auch die mitunter sehr beträchtliche Größe 
derselben hätte Leypıc vor seinem Irrthume bewahren sollen. 

Bei sehr starker Vergrößerung zeigt die Intima eine feine Punktirung, 
welche vielleicht durch Poren, die wohl im Stande sein könnten, das 
Sekret der Zellen in den Sack zu leiten, hervorgerufen wird. Beim Ver- 
lassen des Sackes bekommt die Intima unregelmäßige Falten und Streifen, 
welche sich schließlich zu einem Spiralfaden ordnen. Die Zellen bieten 
nichts Auffallendes, enthalten ein feinkörniges Plasma und einen großen 
Kern mit einem oder mehreren Kernkörperchen. Die Zellen messen 
0,028 mm, die Kerne 0,042 mm. Die Propria liegt den Zellen äußerlich 
dicht an, so dass sie als gesonderte Membran nicht nachweisbar ist. Das 
Sekret dieser Drüse bläut Lackmuspapier schwach und hinterlässt einen 
Fettfleck. / 

Bei der Königin findet sich diese Drüse ungefähr in gleicher Ausbil- 
dung, nur zeigte sich die den Ausführungsgängen aufliegende Zellschicht 
viel breiter und palissadenförmig angeordnet. Präparirt man bei Drohnen 
diese Drüse, so erhält man einen großen Klumpen gelber Fettzellen, wel- 
cher sich unter der Lupe meist in fünf Theile zerlegen lässt, aber so un- 
durchsichtig ist, dass man absolut nicht sehen kann, was er eigentlich in 
seinem Inneren birgt. Entfernt man einen Theil der Zellen, so bemerkt 
man einen feinhäutigen Sack oder deren mehrere, welche sich unmittel- 
bar in die spiralige Intima des Ausführungsganges fortsetzen und nichts 
weiter vorstellen als die Intima der Drüse. Die Fettzellen sind die fettig 
degenerirten Sekretionszellen, über welche hinweg man an günstigen 
Stellen die Propria ziehen sieht. Die Fettzellen haben eine so unregel- 
mäßige Größe, dass ich eine Messung als nutzlos wieder aufgab. Hat 


1 Leypıe nahm diese Ansicht auch in sein Lehrbuch auf. p. 349. 


Über das Herkommen des Futtersaftes und die Speicheldrüsen der Biene etc. 95 


man die Zellen beim Entfernen nicht zu sehr alterirt, so lassen sie in 
ihrem Inhalte zwei deutlich von einander getrennte Theile erkennen. 
Der centrale Theil wird aus einem Konglomerat von verschieden großen 
Fetttropfen (Taf. VI, Fig. 2a, f) gebildet, welche in ihrer Mitte den kaum 
wahrnehmbaren Kern enthalten. Letzterer zeigt isolirt oft sehr eigen- 
thümliche Formen (Fig. 2 k), indem er wie angefressen aussieht. Peri- 
pherisch um die Fetttropfen lagert sich eine körnige Plasmaschicht (Fig. 2p), 
welche der Fetttröpfchen fast stets entbehrt und so scharf gesondert von 
jenen erscheint, dass es den Anschein hat, als ob beide durch eine Mem- 
bran geschieden wären, welches aber in Wirklichkeit nicht der Fall ist. 

v. SIEBOLD ist der Meinung, dass diese Drüse, der man nach ihrer 
Beschaffenheit die Sekretionsfähigkeit absprechen muss, eine noch nicht 
ausgebildete ist, »denn offenbar wären diese Zellen im Kopfe von Ar- 
beitsbienen zur Bildung der Drüsenwandungen verbraucht worden «. 
Wenn nun an und für sich nicht gut einzusehen wäre, wie ein Organ eine 
so bedeutende Größe erreichen könnte, ohne eine Funktion auszuüben, 
so zeigen auch die Untersuchungen von Drohnenpuppen, dass man es 
hier mit einer Rückbildung zu thun hat. Auch fand ich nachträglich 
schon von PAGENSTECHER ! diese Ansicht ausgesprochen. - Eine für rudi- 
mentäre? Organe sehr charakteristische Erscheinung bot sich mir auch 
bei einer aus einer Arbeiterzelle ausgekrochenen Drohne (die Königin 
war nicht befruchtet), die ich behufs Kontrolirung meiner früheren Unter- 
suchungen im Jahre 1882 zergliederte. Es fanden sich nämlich mitten 
unter den verfetteten Drüsensäckchen einige, die wie bei den Arbeite- 
rinnen gebaut waren und zum Theil strotzend mit Sekret gefüllt waren. 

Bombus besitzt System II in gleicher Beschafienheit wie Apis; be- 
züglich aber der Ausstattung der verschiedenen Geschlechter zeigt sich hier 
gerade das entgegengesetzte Verhalten. Bei den Weibchen und Arbeite- 
rinnen ist die Drüse nur mäßig, im Verhältnis zu Apis, wie mir es vor- 
kommt, etwas schwächer entwickelt; beim Männchen hat sie dagegen eine 
so enorme Ausdehnung angenommen, dass sie beinahe den ganzen Kopf 
anfüllt. Von dem Vereinigungsbehälter der beiden Systeme (I und IM) 
geht jederseits ein Ast ab, welcher sich, nach Abgabe eines kleineren 
vorderen Zweiges, einen Bogen beschreibend nach hinten wendet und 
auf seiner Außenseite unregelmäßige Äste entsendet, welche sich theilen 
und schließlich die Drüsensäckchen tragen. Während bei Apis jeder 
seitliche Hauptstamm eine spiralige Intima besitzt, findet sich hier, ent- 
sprechend dem viel bedeutenderen Lumen und der Unregelmäßigkeit 
desselben nur eine vielfach unterbrochene längsgeordnete Knitterung, 


i Einige lose Blätter, deren Zugehörigkeit ich nicht festellen konnte. p. 127. 
2 Vgl. Darwın, Entstehung der Arten. 6. Aufl. p. 538, 


96 Paulus Schiemenz, 


ein Verhalten, das auch schon beim Weibchen und der Arbeiterin vor- 
kommt. 

Psithyrus rupestris verhält sich wieBombus. BeiMegachile wird 
dieses System durch einen großen unregelmäßig geformten, vorn und 
hinten in eine Spitze ausgezogenen Sack dargestellt (Taf. VI, Fig. 3 d), 
welcher sich vermittels eines Stieles an den breiten Kanal des System Ill 
ansetzt. In seiner histologischen Beschaffenheit gleicht derselbe ganz den 
Drüsensäcken von Apis und Bombus. Besonders an seinem vorderen 
und hinteren Zipfel und auch sonst noch hier und da ist er mit kurzen 
Schläuchen besetzt, welche sich in ihrem Baue von dem Sacke höchstens 
insofern unterscheiden, als die Intima sich außerordentlich fein geknittert 
zeigt (Fig. 3 v). Beim Männchen ist diese Drüse ebenfalls stärker ent- 
wickelt. Der Sack ist ansehnlich breiter und erstreckt sich mit seinem hinte- 
ren wieder nach vorn umbiegenden Ende (f) bis in den Oberkiefer hinein. 

BeiGoelioxys fandsich ein ganz ähnliches Verhalten. Der großeSack 
war nur etwaskleiner, zeigte aber dafür einen ziemlich dichten Besatz von 
längeren, mannigfaltig sich verästelnden und ausbuchtenden Schläuchen. 

Allen anderen von mir untersuchten Bienen als: Hylaeus, 
Dichroa, Dasypoda, Andrena, Osmia, Anthidium, Colletes, Melecta und 
Anthophora, fehlte dieses Speicheldrüsensystem gänzlich. 


System Ill. 


Verfolgt man die Hauptkanäle der beiden seitlichen Drüsenlappen 
nach der Mitte, so sieht man, wie schon erwähnt, dass dieselben mit dem 
von hinten kommenden Ausfuhrgange des System III eine kreuzförmige 
einfache Verbindung bilden. Verfolgt man nun von da aus den nach 
hinten abgehenden Zweig, dann trifft man noch innerhalb des Kopfes 
eine Gabelung desselben. Die Gabeläste treten in den Thorax ein und 
laufen seitlich und unter dem Ösophagus hin. Sehr bald aber erweitern 
sie sich zu einem Reservoir (Taf. VI, Fig. 4 R), welches eine länglich 
sackförmige Gestalt besitzt und zwei Hauptäste in zwei, sich einander zu. 
zwei Rechten ergänzenden Winkeln abgehen lässt. Von diesen Ästen 
verläuft der eine (in) dem Ösophagus entlang, während der andere klei- 
nere und auch im kleineren Winkel abgehende (au) sich seitlich wendet 
und zwischen dem vorderen Panzer des Thorax und den Flügelmuskeln 
verläuft. Ersterer erscheint somit als die Fortsetzung des Ausführungs- 
astes und Reservoirs. Beide sowohl, als auch die noch zwischen ihnen 
in unregelmäßiger Zahl und Anordnung entspringenden kleineren Äste 
verzweigen sich dendritisch und lösen sich so schließlich in eine Un- 
summe verschieden langer, sich wieder verästelnder, hin und her ge- 
wundener Schläuche auf. 


Über das Herkommen des Futtersaftes und die Speicheldrüsen der Biene etc. 97 


Mehr oder minder genaue Beschreibungen dieses Drüsensystems 
finden sich bei den bereits erwähnten Forschern an den angegebenen 
Stellen. Zu erwähnen ist noch Hyarr!, dessen Beschreibung allerdings 
nur die rohesten Umrisse und auch diese noch ungenau giebt. 

Die mit einem Spiralfaden versehene Intima des aus dem Kopfe 
kommenden Kanales geht in dem Reservoir in eine gleichmäßige mit sehr 
zierlichen, sternförmig erscheinenden Einsenkungen versehene Membran 
über. Bei dem Übergange in die Seitenäste verliert die Intima diese 
Struktur und lässt wieder einen Spiralfaden hervortreten, welcher sich 
auch in die Verzweigungen höherer Grade fortsetzt, sich allmählich aber 
verliert. Die Intima bildet dann einen sich wurmförmig schlängelnden 
hier und da ringförmige Einschnürungen zeigenden Centralkanal (Fig.5c), 
von dem sich die von außen her daraufliegende Zellschicht deutlich abhebt. 
Letztere zieht sich kontinuirlich über Ausführungsast, Reservoir, Haupt- 
äste und Schläuche. Während sie jedoch an ersterem nur als eine dünne 
Lage vorhanden ist, bildet sie an den Schläuchen die wohl ausgebildeten 
Drüsenzellen. Letztere messen durchschnittlich 0,02—0,052 mm, ent- 
halten ein feinkörniges Plasma und in demselben einen 0,023—0,008 mm 
messenden Kern mit einem oder mehreren Kernkörperchen. Nach dem 
Reservoir zu nehmen die Zellen allmählich an Größe ab. Sie verlieren 
dabei ihre drüsige Natur und messen schließlich auf dem Reservoir, das 
sie als ein zierliches Pflasterepithel überziehen, nur noch 0,006 mm senk- 
recht zum Lumen und 0,02 mm parallel zu demselben. Über die konti- 
nuirliche Zellenschicht zieht sich eben so kontinuirlich die ihr anliegende 
Propria. 

Lässt man eine Drüse längere Zeit in der Untersuchungsflüssigkeit 
stehen, so zeigt sich an ihr eine mitunter schon an der frischen Drüse 
auftretende eigenthümliche Erscheinung. Die Zellen ziehen sich von dem 
centralen Intimakanale weiter zurück und die Summe der demselben zu- 
gekehrten Zellmembranen bildet einen weiteren ihn umschließenden 
Schlauch, welcher sich hier und da einschnürt, so dass der optische 
Durchschnitt als eine, bereits von Leypıs bemerkte, Zickzacklinie er- 
scheint. Im Inneren der Zellen bilden sich große Vakuolen, durch Plas- 
mastränge, welche öfter den Kern enthalten, getrennt. Allmählich ver- 
schwinden auch diese Stränge und das Plasma erscheint dann in zwei 
Hälften gesondert, von denen die eine der Propria anliegt, die andere aber 
den nach innen gerichteten Zellmembranen zugekehrt ist. Dieses Verhal- 
ten ist im Anfangsstadium im Schlauche m (Fig. 5) angedeutet. Zerreißt 
man nun die Schläuche, so reißt nicht selten nur die Propria mit der ihr 
anhängenden Plasmaschicht ab, während die Summe der nach innen 


1 American Naturalist. Bd. XV. Jahrg. 1881. p. 41143—119, 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVIII. Bd. 7 


98 Paulus Schiemenz, 


gekehrten Zellmembranen, ebenfalls mit Plasma bedeckt, in der Um- 
gebung des Intimakanales verbleibt (n). 

An die Enden und Hervorragungen der Schläuche setzen sich meist 
blasse Fäden an, welche die Schläuche mit einander und mit anderen 
Elementen verbinden. Über ihre Natur wird später die Rede sein. 

Das Sekret dieser Drüse ist schwach alkalisch bis neutral. 

Bei der Königin und der Drohne, namentlich bei letzterer, zeigt sich 
die Drüse zwar schwächer, aber eben so gebaut. FiscHer!, der diese 
Drüse in Folge von eigenthümlichen Missverständnissen für eine Lunge 
hielt, fand sie in Übereinstimmung mit dieser Anschauung bei den Drohnen 
eher stärker entwickelt als bei der Arbeiterin, ich kann aber mit Durour ? 
und v. SırsoLd® das Gegentheil bestätigen. Fischer hat sich wahrschein- 
lich dadurch täuschen lassen, dass bei der Drohne die Schläuche meist 
etwas breiter sind, dabei aber übersehen, dass die Anzahl derselben 
merklich zurücksteht. Es trifft indessen nicht immer zu, dass die Schläuche 
der Drohne breiter sind als die der Arbeiterinnen; die von mir angestell- 
ten Messungen ergaben so viel individuelle Schwankungen, dass ich es 
unterlasse dieselben mitzutheilen. 

Das Reservoir bietet auffallendere Differenzen. Die zierliche Struk- 
tur der Intima wird bei der Drohne unregelmäßiger, indem sie hier und 
da einer regellosen Faltung Platz macht. Bei der Königin verliert sie sich 
ganz und wir finden hier, wie bereits v. SırsoLp abbildete, nur einen 
Spiralfaden, welcher das Reservoir nur noch als eine Erweiterung 
des Ausfuhrkanales erscheinen lässt (Taf. VI, Fig. 6). Was v. SIEBOLD 
von den drei Spiralfaden und dem zwischen ihnen übrig bleibenden 
dreieckigen Raume berichtet, ist wohl mehr schematisch als der Natur 
entsprechend und außerdem gänzlich unwichtig. Man vergleiche zu die- 
sem Behufe v. SıesoLv’s Figur mit der meinigen, die nach der Natur ge- 
zeichnet ist. Bezüglich der Anzahl der vom Reservoir abgehenden Haupt- 
äste sind individuelle Schwankungen bei der Königin Regel, wohl ein 
Zeichen beginnender Rückbildung. Eben so auffallende Unterschiede 
wie in der Struktur der Intima zeigen sich in der Größe der Reservoire, 
wie folgende kleine Durchschnittstabelle zeigt: 


8 6) Q 
Länge: 0,674 0,685 1,032 mm 
Breite: 0,274 0,227 0,4134 » 


Die Breite ist an der weitesten Stelle gemessen. Es ergiebt sich also, 
dass das Reservoir bei der Arbeiterin am kürzesten, bei der Drohne 
länger und bei der Königin am längsten ist?. Bezüglich der Breite findet 


1 1.c.'p. 443. 2 1.c. p. 423. 3 ]. c. p. 291, 
* Man weiß freilich mitunter nicht, wo man das .Reservoir anfangen lassen soll. 


Über das Herkommen des Futtersaftes und die Speicheldrüsen der Biene etc. 99 


gerade das umgekehrte Verhältnis statt. Wenn nun also vielleicht das 
Minus in der Breite durch das Plus in der Länge scheinbar ausgeglichen 
wird, so ist doch in Erwägung zu ziehen, dass wir es hier mit drei- 
dimensionalen Körpern zu thun haben. Da nun aber das Reservoir sich 
bei der Arbeiterin am meisten der Kugelform nähert, wird man ihm auch 
eine größere Kapacität zuschreiben müssen, 

Bezüglich des Zellenbelages des Ausführungskanales bei der Königin 
gilt dasselbe, wie bei System II. Die gemeinsame Mündung von System 
Il und Ill wird bei System V beschrieben werden. 

System Ill findet sich bei allen Bienen im Verhältnis zu Apis scheinbar 
etwas geringer entwickelt. Die Männchen differiren meist nicht sehr von 
den Weibchen. Freilich lässt sich dieses bei der so verschiedenen Größe 
der beiden Geschlechter schwer konstatiren. Überdies sind Täuschungen 
desshalb leicht möglich, weil man nicht immer beide Geschlechter zum 
Vergleich neben einander hat. Dazu kommt noch, dass bei Entfernung 
der vielen Tracheen hier und da ein kleiner Theil verloren geht, und so 
die Drüse kleiner erscheint, als sie in Wirklichkeit ist. 

BeiBombus zeigt System III denselben Bau wie bei Apis mellifica. 
Die Schläuche fand ich durchschnittlich kürzer und kolbiger. Der von der 
Intima gebildete CGentralkanal ist ziemlich weit. Das Reservoir ist drei- 
eckiger Gestalt, variirt aber in seiner Form außerordentlich. Jedenfalls 
ist es im Verhältnis zu Apis sehr viel kleiner. Einige Beispiele mögen 
dies erörtern. Beieinem Weibchen von B. silvestris maß das eine Reser- 
voir in der Länge 0,656 mm, in der Breite 0,805 mm, das der anderen 
Seite 0,656 und 1,093 mm. B.lapidarius © besaß das linksseitige 
0,577 mm lang und eben so viel breit; das rechtsseitige maß 0,525 und 
0,700 mm. Bei einem Männchen von derselben Art fand ich die Reser- 
voire so wenig ausgeprägt, dass ich nicht wusste, an welchem Punkte 
des Ausführungsganges ich dasselbe beginnen lassen sollte. Möglich wäre 
es freilich, dass dieses Männchen gar nicht zu B. lapidarius gehörte, da 
sich die Männchen vieler Arten, besonders wenn sie alt sind oder von 
der normalen Färbung abweichen, kaum von einander unterscheiden 
lassen. Die Stelle desgemeinsamen Ausführungsganges von System III, an 
der die Specialausfuhrgänge von System Il in ihn münden, erweitert sich 
zu einem ungefähr fünfeckigen Sacke (Taf. Vl, Fig. 7 &). Etwas unter 
der vorderen Ecke desselben, so dass man die Zellschicht des Sackes über 
ihn hinweg verfolgen kann (z), entspringt der Hauptausfuhrkanal (m). 
In die Seitenecken münden die Specialkanäle von System II der Art ein, 
dass sie sich deutlich in den Sack hinein verfolgen lassen und durch ihre 
Vereinigung das Lumen desselben muldenförmig sowohl oben wie unten 
ausbuchten (Fig.7a,ou.7b, u). In ähnlicher Weise setzen sich die beiden 

7* 


100 Paulus Schiemenz, 


Specialkanäle von System III in das gemeinsame Verbindungsstück, in das 
sie getrennt eintreten, fort, um allmählich aufzuhören (n). Der Spiralfa- 
den verliert sich an den beiden letztgenannten Kanälen allmählich, beginnt 
aber im oberen Theile des Verbindungsstückes sehr plötzlich wieder (sp) 
und setzt sich von da bis zur erweiterten Mündung des Kanales fort. 

Bei den übrigen von mir untersuchten Bienen fehlt das Reservoir 
gänzlich. Die beiden von letzterem abgehenden Hauptäste markiren 
sich aber überall deutlich; doch erscheint der seitlich abgehende Ast 
öfter nur als ein starker Seitenzweig des nach hinten gerichteten Haupt- 
astes. Bei Megachile und Coelioxys verbreitert sich der durch den 
Kopf führende Hauptkanal ansehnlich (Taf. VI, Fig. 8 a). Indem die 
beiden Ausfuhrkanäle von System III sich ähnlich wie beiBombus, 
fast in seiner ganzen Länge, durch den Hauptkanal fortsetzen, gewinnt 
es den Anschein, als ob letzterer nur durch die Verwachsung beider 
Kanäle entstanden sei. Im Durchschnitt zeigt er ungefähr in der Mitte 
eine hantelförmige (c), am oberen Ende eine bohnenähnliche Figur (b). 
Der Spiralfaden zeigt sich durch den ganzen Kanal gleichmäßig ent- 
wickelt und bedingt die Gestalt des letzteren. Wenig über dem 
unteren Ende dieses Hauptkanales inseriren sich die Specialkanäle des 
Systems II, einen nach außen und hinten offenen Bogen beschreibend 
(Fig. 8 a bei m und Fig. 8 d). 

Eine ähnliche Erweiterung des Hauptkanales zeigt Andrena, 
Osmia, Anthophora und Melecta. Bei Andrena ist das vordere 
Ende dieses Kanales im Inneren spärlich mit nach vorn gerichteten Sta- 
cheln besetzt. Die Erweiterung beginnt allmählich und hört eben so all- 
mählich wieder auf. So beträgt z. B. bei Melecta das Lumen vor der 
Gabelung 0,08 mm, in der Mitte 0,19 mm und hinter dem Kinn 0,046 mm; 
beiAnthophora vor der Gabelung 0,078 mm, in der Mitte 0,249 mm, 
hinter dem Kinn 0,047 mm. 

Bei Anthidium findet die Verbreiterung nach der Vereinigung 
der beiden von hinten kommenden Kanäle sehr plötzlich statt. 
Beim Weibchen war besonders das Lumen des Kanales viel weiter als 
beim Männchen. An seiner breitesten Stelle gemessen maß der Haupt- 
kanal beim Weibchen 0,437 mm, wovon jederseits 0,035 mm auf die 
Zellschicht kamen. Beim Männchen maß er nur 0,332 mm, die Zell- 
schicht jederseits nahm 0,026 mm in Anspruch. Eine solche Erweite- 
rung dürfte vielleicht kompensatorisch für den Ausfall des Reservoirs 
wirken. Hylaeus, Dasypoda, Golletes zeigten keine Erweiterungen. 

Die eigentliche Drüse bietet bei den einzelnen Familien wieder recht 
große Verschiedenheiten. Bei Megachile ist die Intima stark braun ge- 
färbt und die spiralige Struktur erstreckt sich bis an das Ende der 


Über das Herkommen des Futtersaftes und die Speicheldrüsen der Biene etc. 101 


Schläuche. Die Zellschicht traf ich von dem Intimakanale weit abstehend 
undsehrklar. DieSchläuche waren wenig verästelt. Coelioxys zeichnet 
sich durch bedeutende Weite des Intimakanales aus, der ebenfalls weit 
in die Schläuche hinein spiralige Struktur zeigt. Nicht wesentlich davon 
verschieden sind die Verhältnisse, wie sie sich bei Dasypoda finden. 
Osmia besitzt lange verzweigte Schläuche und auffallend kleine Zellen. 
Sie maßen durchschnittlich nur 0,019 mm und ihr Kern 0,009 mm. 
Anthidium zeigt ähnliche Verhältnisse wie Megachile. Die Schläuche 
sind sehr lang. Der Intimakanal verläuft in lebhaften Windungen, ist 
bräunlich gefärbt und besitzt bis ans Ende spiralige Struktur. Bei An- 
drena zeigten die Intimakanäle an ihren blinden Enden öfters Verzwei- 
gungen, von welchem Verhalten sich schon Andeutungen bei Apis melli- 
fica finden. Lang, vielfach verzweigt, an ihren blinden Enden oft stark 
keulenförmig angeschwollen oder gelappt sind die Schläuche bei Melecta. 
Den Zwischenräumen zwischen je zwei Zellen entsprechend finden sich am 
Intimakanale stumpfe Ausbuchtungen, in den Endlappen sogar Verzwei- 
gungen. Diese Verzweigungen sind noch stärker ausgeprägt beiHylaeus, 
bei welchem die Schläuche sehr kurz sind, und fast beerenförmige oder 
keulenförmige Gestalt besitzen (Taf. VI, Fig. 9 a, b). Da die Zellen sich 
schon an frischen Drüsen oft bedeutend vom Intimakanale abheben, kann 
man die Seitenzweige deutlich sehen und sich sogleich auf das Genaueste 
überzeugen, dass sie nicht in die Zellen eindringen, sondern sich in die 
Zwischenräume von je zwei Zellen einbohren. In Fig. 9 db bei n sieht man 
aber auch, dass nicht etwa auf jeden Zellenzwischenraum ein Kanal 
kommt. Die Länge dieser Seitenäste ist vielfach variirend, bald sind sie 
sehr lang, bald nur durch Ausbuchtungen angedeutet. Es finden sich 
auch Schläuche, resp. Acini, in welchen der Intimakanal nur einfach 
und unverzweigt verläuft. 

Acini, wie der in Fig. 9a mit s bezeichnete, führen zu Verhältnissen, 
wie sie sich bei Anthophora finden. Die Acini des Systems II sind bei 
dieser Biene, wie bereits Durour ! berichtet, vollständig abgerundet. Die 
Anordnung der Zellen ist eine derartige, dass eine, meist durch beson- 
dere Größe sich auszeichnende Zelle im Centrum liegt (Taf. VI, Fig. 10a, z), 
während peripherisch um sie herum kleinere randständig gelagert sind 
-(k). Streckenweise kommt indessen meist die große centrale Zelle mit 
der Propria in direkte Berührung. Durch eine solche Anordnung der 
Zellen wird aber eine bereits beim Eintritt in den Acinus stattfindende 
Verästelung des Intimakanales bedingt. Die Zweige des Intimakanales 
sind außerordentlich zart, so dass es sehr schwierig ist, dieselben bis 
an ihr Ende zu verfolgen. Fig. 10 5 zeigt einen Acinus, der mehrere 

1 1.c. p..433. 


102 Paulus Schiemenz, 


Tage in einer 1°/,igen ClNalösung gelegen hat; über die Art der Ver- 
zweigung lässt er keinen Zweifel zu. Die spiralige Struktur verschwin- 
det, wie man bereits bei der großen Zartheit von vorn herein annehmen 
kann, sehr früh in den Intimakanälen der Ausfuhrgänge, indem sie 
meist schon in den Verzweigungen vierten Grades vom Acinus aus 
gerechnet aufhört. 

Vollständig anders gebildet zeigt sich die Drüse bei Colletes (Fig.A11). 
Äußerlich betrachtet hat die Drüse eine sehr ähnliche Gestalt wie bei 
Anthophora, da die Sekretionsschläuche durch runde Beeren dargestellt 
werden. Sie sind aber derart mit großen Sekretiropfen gefüllt, dass man 
die Struktur derselben zunächst gar nicht erkennen kann. Auch die 
sonst so treffliche Dienste leistende Kalilauge reicht hier nicht aus, um 
das Bild aufzuhellen. Lässt man aber einige Zeit lang stärkere Kalilauge 
auf die Drüse einwirken, so erhält man eine Erscheinung, wie sie der 
Acinus s vorstellt. Das Innere zeigt sich noch erfüllt mit den erwähnten 
Sekrettropfen, die Propria aber ist gesprengt und unter den Augen tre- 
ten die großen, sich nicht verändernden Tröpfchen aus dieser Rissstelle 
heraus (tr). Zugleich bemerkt man von der Öffnung her eine zarte Mem- 
bran, von der aus feine Linien in das Innere des Acinus divergirend 
ausstrahlen (m u. !). Durch Entwässern mit Alkohol, Färben mit Pikro- 
karmin und Aufhellen mit Nelkenöl erhält man, wenn auch nicht sehr 
deutlich, ein Bild, wie es der Acinus a zeigt. Man sieht an demselben, 
dass sich der Intimakanal zu einem weiten Sack erweitert (z), dem eine 
Schicht verhältnismäßig kleiner Zellen oben aufliegt (z). Die beim Platzen 
des Acinus hervortretenden feinen divergirenden Linien (l) entsprechen 
also Falten des von der Intima gebildeten Sackes. 


System IV. 


Die Litteratur über das System IV der Speicheldrüsen ist viel spär- 
licher. Außer Worrr!, der eine ausführliche Beschreibung desselben 
liefert, erwähnt es nur noch GrABEr?. Beide halten es für eine Riech- 
schleimdrüse; mit welchem Rechte, werden wir später sehen. 

Befestigt man mit einer Nadel einen Bienenkopf mit der Vorderseite 
nach oben auf einem Brettchen und spreizt mit Hilfe einer anderen Nadel 
den Oberkiefer seitlich ab, so sieht man an der inneren Seite des letz- 
teren, da, wo der Chitinpanzer in die weiche Gelenkhaut übergeht, eine 
kleine, ungefähr ovale Öffnung (Taf. VI, Fig. 12 0), aus welcher bei frischem 
Objekte eine intensiv riechende, stark saure Flüssigkeit dringt. Der 
äußere Rand dieser Öffnung wird gebildet durch den etwas nach außen 


1 1.c.p. 120 fl. 
2 Die Naturkräfte,. Bd. XXI. V. GrABER, Insekten, Theil I. p.-436, 


Über das Herkommen des Futtersaftes und die Speicheldrüsen der Biene etc. 103 


ausgebuchteten inneren Rand des Oberkiefers, während der innere, die 
innere Lippe, wie Worrr sie nennt, der Gelenkhaut angehört. 

Reißt man den Oberkiefer aus, so sieht man meist an demselben 
einen trüb erscheinenden Sack hängen, welcher die zu der eben be- 
sprochenen Öffnung gehörige Drüse vorstellt (Taf. VI, Fig. 13 s). Durch 
eine leichte sattelförmige Einbuchtung (y) wird dieser Drüsensack meist 
etwas herzförmig gestaltet. Nach vorn setzt er sich in einen engen Stiel 
(f} fort, welcher in einem Bogen von unten nach oben zu der erwähnten 
Öffnung emporsteigt. Von den drei Schichten ist die Intima diejenige, 
welche der Drüse ihre Gestalt verleiht. Sie ist ziemlich zart, verdickt sich 
aber nach dem Stiele zu etwas und bildet besonders an der inneren Lippe 
einen stärker chitinisirten Abschnitt (ip). Der Stiel und auch der In- 
timasack, wenn er nicht ganz gefüllt ist, zeigt eine unregelmäßige Knitte- 
rung. Durchbohrt wird die Intima von den meist gruppenartig angeord- 
neten Sekretionskanälchen der Drüsenzellen, in ähnlicher Weise, wie es 
schon bei System I beschrieben wurde (Fig. 14). Die den Sekretionskanäl- 
chen aufsitzenden Zellen haben einen trübkörnigen Inhalt, in welchem 
ein großer Kern mit meist vielen kleinen, mitunter doch auch wenigen 
großen Kernkörperchen enthalten ist. Die Zellen sind ihres trüben In- 
haltes wegen nicht gut messbar; von der Intima aus gesehen zeigen sie 
durchschnittlich eine Größe von 0,023 mm. Die Drüsenschicht senkrecht 
zum Lumen des Sackes gemessen beträgt 0,07 mm. Die deutlich doppelt 
konturirten Kerne messen 0,01—0,02 mm. Die Zellen liegen so dicht 
an einander an, dass sie sich polyedrisch abplatten, lassen aber hier und 
da eben so geformte Intercellularräume (Fig. 15 ) zwischen sich. Die 
Sekretionskanälchen heben, obgleich sie lang sind, die Drüsenzellen- 
schicht nur etwas von der Intima ab, da sie sich auf derselben hin und 
. her schlängeln. Zur Zelle zeigen sie dasselbe Verhalten, wie im System I, 
d.h. sie verlieren beim Eintritt in die Zelle ihre starken Wandungen 
und nehmen zartere an. Nach Zusatz von Kalilauge bemerkt man an 
sünstigen Objekten eine feine Querstrichelung, welche dem Kanal dasselbe 
flaschenbürstenähnliche Aussehen verleihen, wie im System I der meisten 
Bienen. Woırr will gesehen haben, dass dieses Kanälchen in direkter 
Verbindung mit dem Zellkern stehe und ist der Ansicht, dass die in dem 
Kerne sich findenden, stark lichtbrechenden Tröpfchen (Fig. 15 nn, bei 
Worrr Taf. VII, Fig. 49 Aa) durch Theilung des Kernkörperchens ent- 
stehen und als Schleimtröpfchen durch die Sekretionskanäle in den ge- 
meinsamen Hohlraum der Drüse geleitet werden. Diese abenteuerliche 
Ansicht ist natürlich falsch. Die sogenannten Tröpfchen sind gar keine 
Tröpfehen, sondern dieselben Gebilde, wie in den Zellenkernen der 
anderen Drüsen, d. h. Kernkörperehen. 


104 Paulus Schiemenz, 


Der Sekretionskanal steht mit der Kernmembran nicht in Verbin- 

dung, wie man durch vorsichtige Isolation der Zellkerne deutlich sich 
überzeugen kann. Wozu wären auch, wenn WoLrr's Ansicht die rich- 
tige wäre, die Seitenkanälchen vorhanden ? Ferner spricht gegen eine 
solche Ansicht die Analogie mit den übrigen Drüsen, so wie auch der 
Umstand, dass nicht der Kern, sondern das Plasma es ist, welches den 
eigentlichen Leib der Zelle und somit den secernirenden Theil darstellt. 
Damit soll freilich nicht geleugnet werden, dass der Kern bei der Sekre- 
tion eine bedeutende Rolle spielt, wie schon seine Größe vermuthen 
lässt und auch Scuınprer’s! Versuche gezeigt haben. 
Gegen den Stiel hin lockert sich die Drüsenzellenschicht allmählich ; 
die Zellen werden weniger dicht und hören schließlich ganz auf, so dass 
der Stiel (f) von denselben entblößt erscheint. Auch schon ohne Anwen- 
dung von Färbemitteln bemerkt man bei stärkerer Vergrößerung, wenn 
man den Tubus, welcher auf einen Intercellularraum eingestellt ist, senkt, 
abermals Kerne (Fig. 15 A), und zwischen denselben im günstigen Falle 
auch zarte Zellgrenzen. Diese Kerne, welche bald rund, bald sehr lang- 
gestreckt erscheinen und durchschnittlich 0,008 mm messen, zeigen sich 
von denen der Drüsenzellen sehr verschieden. Sie sind durchsichtig 
und enthalten nur ein oder wenige Kernkörperchen. Streift man nun 
die Drüsenzellenschicht von der Intima vorsichtig ab, so sieht man, dass 
diese Kerne einer Zellenschicht angehören, welche sich, der Intima dicht 
anliegend, kontinuirlich über dieselbe hinzieht und sich noch weit auf 
den Stiel hin verfolgen lässt (Fig.44z). Diese Zellen besitzen ein helles, 
wenig feine Körnchen enthaltendes Plasma und keine Sekretionskanäl- 
chen, wie sie denn überhaupt mit der Sekretion nichts zu thun haben. 

Wenn dieses Drüsensystem IV schon bei den Arbeiterinnen stark 
entwickelt ist, so ist die Ausbildung desselben bei der Königin geradezu 
eine enorme zu nennen. Diese Vergrößerung wird durch Verlängerung 
des oberen inneren Lappens der Drüse (Taf. VI, Fig. 13 o) erzielt, so 
dass der untere äußere Lappen (uw) nur als eine kleine Ausbuchtung er- 
scheint. Aber nicht nur der Umfang der Drüse ist größer, auch die 
Drüsenzellenschicht zeigt sich viel mächtiger entwickelt. Während bei 
der Arbeiterin die Breite derselben 0,07 mm betrug, misst sie bei der 
Königin 0,26—0,28 mm. Dem entsprechend sind denn auch die Grup- 
pen der Sekretionskanalmündungen aus viel zahlreicheren Öffnungen zu- 
sammengesetzt. An dem stielartigen Ausführungsgange trägt die Intima 
nach außen gerichtete Haare und Borsten. 

Reißt man einer Drohne einen Oberkiefer aus, so gewahrt man zu- 
nächst gar keine Drüse. Es wäre eine vergebliche Arbeit dieselbe, in 

ı Diese Zeitschr. Bd. XXX. Heft 4. p, 615. | 


Über das Herkommen des Futtersaftes und die Speicheldrüsen der Biene ete. 105 


der Meinung, sie wäre abgerissen, in dem Kopfe suchen zu wollen. Da- 
gegen aber erkennt man mit Hilfe der Lupe, dass dem Oberkiefer an der 
Basis ein ganz winziges Säckchen ansitzt. Trotzdem dasselbe einen 
wesentlich anderen Bau (Taf. VI, Fig. 16 z) besitzt, ergiebt es sich doch 
als das gesuchte Gebilde. Die Intima ist bedeutend stärker, zeigt un- 
regelmäßige Falten und hier und da nach außen gerichtete tuberkelähn- 
liche Ausbuchtungen. Auf ihr findet sich eine äußerst zarte Zellschicht, 
deren nicht gerade sehr deutlich sichtbare Kerne 0,006 mm messen. 
Diese Zellschicht entspricht ihrer Beschaffenheit und Lage nach vollstän- 
dig der in Fig. 14 mit z bezeichneten. Von den Drüsenzellen zeigien 
viele Exemplare keine Spur, einige aber ließen, besonders am hinteren 
Ende, einzelne wenige erkennen, während andere nur verkümmerte 
Sekretionszellen (Fig. 47 dr) oder Reste von Sekretionskanälchen boten. 
Letztere hatten entweder noch ein Lumen (c,), oder waren zu soliden 
Fäden verkümmert (c). Sekret war natürlich in solchen Drüsen nicht vor- 
handen, statt dessen aber häufig unregelmäßig geformte opake Körper (k). 

Aus diesen anatomischen Befunden folgt, dass die Drüse in einer 
vollständigen Rückbildung begriffen ist und meistentheils nicht mehr 
fungirt. Dafür spricht auch die oft bei einem Individuum sich findende 
auffallende Größenverschiedenheit zwischen den beiderseitigen Drüsen. 

Um die Größenverhältnisse der Drüse bei den verschiedenen Ge- 
schlechtern anschaulicher zu machen, mag folgende kleine Tabelle dienen: 


Q 8 6) 
Länge vom blinden Ende 
bis zur Mündung 2,537—2,738 mm 4,498—1,106 mm 0,248—0,315 mm 
Breite, an der breitesten 
Stelle gemessen 0,962 —1,163 mm 0,843—1,032 mm 0,440—0,492 mm 


Obwohl nur hiernach die Differenzen der Länge sowohl als der Breite 
bei der Drohne nicht viel erheblicher scheinen als bei der Arbeiterin 
und der Königin, so ist doch dabei zu beachten, dass die Resultate bei 
Königin und Arbeiterin schon desshalb ungenau ausfallen müssen, weil 
die Drüse bald mehr bald minder stark gefüllt ist. Ferner aber sind gleiche 
Differenzen von sehr ungleichem Werthe, wenn sie bei verschieden 
großen Objekten auftreten, und zwar ist die Differenz in diesem Falle 
bei der kleinsten Drüse von dem größeren Werthe, hier also bei der 
Drohne. Große Unregelmäßigkeit in der Ausbildung ist aber überall ein 
Charakteristikum für rudimentäre Organe. 

System IV habe ich ebenfalls bei allen Bienen gefunden. Die Ar- 
beiter und die Männchen von Bombus bieten einen ganz gleichen Bau 
der Drüse, doch ist sie bei ersteren etwas stärker entwickelt. Die Drüse 


106 Paulus Schiemenz, 


bildet einen zarten Sack, der auf seinem hinteren Theil, meist etwas 
stärker auf der Innenseite, d. h. nach der Medianlinie des Kopfes zu, mit 
Drüsenzellen besetzt ist. Seine Gestalt ähnelt derjenigen, welche diese 
Drüse bei Anthophora besitzt (Fig. 19). Die Drüsenzellen zeigen den- 
selben Bau wie bei Apis, sind nur weniger dicht an einander gelagert, 
so dass man die Brücken zwischen ihnen deutlich erkennen kann. Die 
Intima zeigt ebenfalls unregelmäßige Knitterungen und die ihr dicht auf- 
liegende zarte Zellschicht lässt sich besonders gut auf dem von Drüsen- 
zellen entblößten Theile erkennen. Beim Weibchen ist diese Drüse in 
einen langen, zarthäutigen Sack ausgezogen (Fig. 18), der nur an der 
unteren Hälfte seiner nach innen gelegenen Seite einen Haufen lockerer 
Zellen trägt. Dieser Stelle entsprechend bildet die Intima eine Ausbuch- 
tung des Lumens (dr). Faktisch sind die Drüsenzellen in größerer An- 
zahl vorhanden als bei der Arbeiterin; im Verhältnis dürfte man aber 
kaum von einer stärkeren Ausbildung sprechen. Gerade diese Drüse ist 
recht geeignet, die der Intima aufliegende zarte Zellschicht zu zeigen, da 
sie nach Behandlung mit Pikrokarmin wie mit rothen Kernen übersät er- 
scheint. Die Intima ist in der Richtung der Drüse gefaltet und sehr zart. 

Psithyrus schließt sich bezüglich dieses Systems eben so an 
Bombus an, wie Betreffs der anderen. 

So leicht wie diese Drüse bei Apis zu präpariren ist, so schwer ist 
es, bei anderen Bienen sie unverletzt zu erhalten. Nicht nur, dass die 
starken Kiefermuskeln hier im Wege sind, sondern auch die Tracheen 
sind außerordentlich störend, indem sie die Drüse einestheils mit den 
Muskeln verbinden, anderentheils dermaßen umhüllen, dass sie, beson- 
ders wenn sie an Größe zurücksteht, kaum zu finden ist. Schließlich 
aber lagert noch oft auf der Drüse eine Schicht Fettzellen, so dass man, 
wenn man diese und die Tracheen glücklich entfernt hat, gewöhnlich 
auch die Drüse zerrissen hat, und so weder ihre Form noch ihre Größe 
bestimmen kann. Ich konnte desshalb oft nicht genauere Messungen 
vornehmen. Durchschnittlich ist diese Drüse bei dem Weibchen etwas 
stärker entwickelt als beim Männchen. Nur Anthidium scheint einer 
allerdings nur einmaligen Untersuchung zufolge hier eine Ausnahme zu 
machen. Ä 

Am nächsten steht der Honigbiene Colletes. Bei dieser bildete die 
Drüse einen eiförmigen Sack, der allseitig mit dicht an einander anliegen- 
den Drüsenzellen besetzt ist und nur am vorderen Theile derselben ent- 
behrt. Die Länge beträgt beim Männchen 0,392 mm, beim Weibchen 
0,434 mm. 

Bei allen übrigen Bienen erscheint die Drüse als ein mehr oder 
minder langer Sack, der zum größten Theil entblößt ist und nur an der 


Über das Herkommen des Futtersaftes und die Speicheldrüsen der Biene etc. 107 


inneren hinteren Seite einen größeren oder kleineren Haufen von Drüsen- 
zellen trägt. So verhielten sich Megachile, Goelioxys, Dasypoda, 
Andrena, Melecta, Osmia, Hylaeus und Anthidium. Bei dem 
Männchen des letzteren betrug die Länge des Sackes 1,4 mm, beim 
Weibchen 0,962 mm. Die Drüsenzellen bildeten an der betreffenden 
Stelle beim Männchen ein dichtes keulenförmiges Packet von 1,171 mm 
Länge und 0,504 mm Breite. Beim Weibchen war das Packet eiförmig 
und maß in der Länge 0,612 mm, in der Breite 0,280 mm. 

Auffallend schwach entwickelt fand ich dieses System bei einigen 
kleinen Hylaeen, wo ich nur neun sehr lange Sekretionskanälchen 
zählte, an denen die Drüsenzellen hingen. 

Wie wir schon bei System Iund II AnthophoraalsEndglied einer 
Reihe aufzählen mussten, so ist auch hier diese Biene wieder besonders 
zu erwähnen. Denn während bei allen anderen Arten die Sekretions- 
kanälchen ziemlich eng sind und sich genau so verhalten, wie die des 
Systems I, so findet sich hier in Bezug auf Beides eine Abweichung. Die 
Drüsenkanälchen bei Anthophora sind an der Mündung 0,006—0,008 mm 
weit, nehmen von da allmählich in Bezug auf das Lumen ab und zeigen 
an ihrem Verlaufe ringförmige Einschnürungen (Taf. VI, Fig. 20 c). An 
der Zelle angelangt rollen sie sich zu einem dichten Glomerulus (gl) auf, 
der schon bei der gesammten Drüse sich als dunkler Knoten bemerkbar 
macht (Fig. 19 gl). Nach dem Verlassen des Glomerulus verläuft der Sekre- 
tionskanal nur noch eine ganz kurze Strecke frei, um sich dann in die 
Zelle einzubohren und daselbst sich so zu verhalten wie die Sekretions- 
kanälchen bei den anderen Bienen (f). Lange habe ich gezweifelt ob der 
0,039—0,027 mm messende Glomerulus innerhalb der Zelle liegt oder 
außerhalb derselben, wenngleich wohl letzteres wegen seiner starken 
Wandungen anzunehmen war. Ich glaube aber, dass letzteres dadurch 
sicher gestellt wird, dass, wenn man an den Zellen zieht, sich der 
Glomerulus aufrollt ohne eine Spur von Plasma an sich anhängend zu 
zeigen. Er wird also vermuthlich nur durch die Propria sehr eng an die 
Zelle angepresst. 


SystemV. 


System V ist unpaar und mündet in die gemeinsame Öffnung von 
System II und III. Schon von Leyvie ! wurde diese Drüse bei den Hum- 
meln gefunden. Auch Worrr ? erwähnt sie. 

Verfolgt man den gemeinsamen Ausführungsgang vom System II und 
III von der Vereinigungsstelle der vier Kanäle aus nach vorn, so gewahrt 
man bald, wie derselbe nach unten umbiegt und in das sogenannte Kinn 


1].c.p. 66. 2 ].c.p. 226. 


108 Paulus Schiemenz, 


eintritt. In demselben verläuft er nun zwischen den Muskeln bis zur 
Wurzel der eigentlichen Zunge. Dort verliert er seine spiralige Struktur 
(Taf. VI, Fig. 21 «) und erweitert sich zu einem geräumigen Mundstück 
(m), das von oben her durch eine Oberlippe bedeckt wird (0). Die obere 
hintere Wand wird nun durchbohrt von einer Anzahl Sekretionskanäl- 
chen, denen an ihren freien Enden die Drüsenzellen (dr) aufsitzen. Mit- 
unter erhebt sich die von den Kanälen durchbohrte Stelle hügelartig (Rh). 
Auf das an sich schwierige Aufsuchen dieses Drüsensystems habe ich 
nicht viel Zeit verwendet, da es wegen seiner Kleinheit. wohl nur eine 
ganz untergeordnete Rolle, wahrscheinlich nur die einer Schmierdrüse 
. spielt und somit nur ein geringes Interesse bietet. 

Es fehlt dieses System bei Apis mellifica. Gefunden habe ich es 
bei: Bombus, Psithyrus, Megachile, Anthidium, Anthophora, 
Melecta, Andrena, Osmia und Dichroa. 

Bei allen fünf Systemen finden sich konstant drei Schichten: Intima, 
Zellschicht und Propria. Das Erkennen dieser drei Schichten oder Häute 
ist indessen oftmals schwer, ja unmöglich und daher kann denn nicht 
überall die Kontinuität derselben festgestellt werden. Am komplicirte- 
sten ist das Verhalten dieser drei Schichten bei den einzelligen Drüsen 
und ich habe desshalb auch bei der Beschreibung derselben die Propria 
außer Acht gelassen, zumal ihre Anordnung ohne Berücksichtigung der 
Entwicklungsgeschichte kaum verständlich gewesen wäre. Auf den 
Stielen oder den Sekretionskanälen der einzelligen Drüsen vermisst man 
sowohl Zellenschicht als Propria, und doch ist letztere auf denselben vor- 
handen, und auch wohl die erstere, wenigstens demPrinecipe nach. Einzelne 
abnorme Fälle sind hier besonders geeignet Aufschluss zu verschaffen. So 
fand ich bei einem Exemplar von Melecta an vielen der Kanälchen in 
der Mitte oder an einer anderen beliebigen Stelle Kerne aufsitzen, über 
welche eine feine Membran zog, die an dem Kanälchen allmählich verloren 
ging. Wir hätten also an solchen Stellen Intima, Zellschicht und Propria. 

Vor allem Anderen aber ist die Entwicklungsgeschichte geeignet die 
Kontinuität dieser drei Schichten nachzuweisen, wie sie denn auch noch 
auf andere Punkte ein helles Licht wirft. Begreiflich, dass wir dersel- 
ben, so weit sie hier uns interessirt, ebenfalls unsere Aufmerksamkeit 
zuwenden. 


. Entwicklungsgeschichte. 

Die Ausstattung des Systems II und Ill mit einem Spiralfaden, wel- 
cher dem der Tracheen sehr ähnlich ist, könnte die Meinung aufkommen 
lassen, dass wohl diese Speicheldrüsen modificirte Tracheen wären. Auch 
System I zeigt, dass seine Intima nicht weit von der spiraligen Struktur 


Über das Herkommen des Futtersaftes und die Speicheldrüsen der Biene ete. 109 


entfernt ist; denn, wenn man den Sammelkanal des System I zerreißt, 
so rollt die Intima sich häufig als ein spiraliges Band aus einander. Es 
würden in diesem Falle System IV dem Mandibelsegmente, System II 
und III dem zweiten Maxillensegmente und System I, allerdings etwas 
von der ursprünglichen Stelle entfernt, dem ersten Maxillensegmente ent- 
sprechen. Allein Hırscnaekx ! hat für die Lepidopteren nachgewiesen, dass 
Tracheen und Speicheldrüsen nichts mit einander gemein haben, indem 
letztere an der inneren Seite der Mundwerkzeuge entstehen, erstere aber 
an deren äußerer Seite, wenigstens im rudimentären Zustande, sich 
zeigen. Natürlich liegt es nahe anzunehmen, dass die Verhältnisse bei 
den Hymenopteren die gleichen sind. Dagegen spricht HyArr? die Ver- 
muthung aus, dass System Ill der Speicheldrüsen aus der Spinndrüse der 
Larve entstehe und allen Hymenopteren zukomme. Obwohl nun diese 
Vermuthung durch die Lage der beiden Drüsen einigermaßen gestützt 
wird, setzt doch die Verästelung des Systems III in die erwähnten zahl- 
losen Schläuche derselben ein nicht geringes Bedenken entgegen. 

Meine Untersuchungen haben nun gezeigt, dass System I und IV 
vollständig Neubildungen sind, System Ill zum Theil aus der Spinn- 
drüse der Larve hervorgeht, System II und V aber von diesem letzteren 
aus sich entwickeln. 

Betrachten wir desshalb zunächst die Spinndrüse der Larve. 

Die Spinndrüse der Bienenlarve liegt jederseits am Darmkanal als 
ein durch spiralige Drehung wellenförmig gewundener Schlauch, dicht 
in das umgebende Parenchym eingebettet. Vorn, im Kopfe, vereinigen 
sich die beiden Schläuche (Taf. VII, Fig. I v), und der gemeinsame Aus- 
führungsgang mündet auf einer konischen Papille der Unterlippe. Nach 
ihrer histologischen Beschaffenheit lässt die Spinndrüse zwei deutlich 
verschiedene Strecken unterscheiden. Der vorderste Theil wird von 
dem gemeinsamen Ausführungsgange und noch einer kurzen Strecke 
der beiderseitigen Schläuche (bis 9) gebildet, während der zweite Theil 
den Rest bis zum blindgeschlossenen Ende darstellt. Die ganze Drüse 
zeigt, wie zu erwarten, die drei üblichen Schichten. Die Intima des 
ersten Theiles, eine unmittelbare Fortsetzung der epidermalen Cuticula, 
ist mäßig zart und zeigt viele Runzeln und Querfalten. Die darüber 
lagernde Zellschicht, welche kontinuirlich in die Hypodermis übergeht, 
hat schon am ersten Theile ein ungleiches Verhalten. Diejenigen Zellen, 
welche die Wandungen des gemeinsamen Ausführungsganges bilden, be- 
sitzen parallel zum Lumen desselben eine durchschnittliche Größe von 


1 Beiträge zur Entw. der Lepidopteren Inauguraldiss. 4877, p. 16. Jenaische 
Zeitschr. Bd. XI. p. 134, 435. 
2 American Naturalist. Bd. XV. Jahrg, 1884, p. 143—1419. 


110 Paulus Schiemenz, 


0,009—0,040 mm und senkrecht dazu 0,044 mm, sind also palissaden- 
förmig angeordnet. Nach hinten geht diese palissadenförmige Anordnung 
allmählich in eine pflasterartige über, so dass die Zellen bei e nur noch 
0,035 mm senkrecht Zum Lumen messen. Im umgekehrten Verhältnis 
zu der Zellenschichtstärke steht die allmähliche Erweiterung des Lumens, 
welche nach der Gabelung beginnt und am hinteren Ende zur Bildung 
einer reservoirähnlichen Ausbuchtung hinführt (das Lumen beträgt nach 
der Gabelung 0,078 mm, erweitert sich allmählich zu 0,414 mm und 
misst an der breitesten Stelle [e] 0,306 mm). An dieser letzten inserirt 
sich nun hinten (bei g), mit scharfer Absetzung der zweite eigentlich 
drüsige Theil. Derselbe misst an seiner Ansatzstelle 0,306 mm, wird 
aber allmählich schmäler und schwankt in der Breite zwischen 0,240 bis 
0,157 mm. Die Zellen der Zellschicht haben ein trübes Aussehen und 
sind desshalb nicht gut messbar. Ihre größte Ausdehnung besitzen sie 
aber senkrecht zum Lumen des Schlauches. Die Kerne sind nicht ver- 
ästelt, sondern schön rund, enthalten mehrere Kernkörperchen und messen 
0,04—0,043 mm. Das wegen der Undurchsichtigkeit der Zellen und der 
Zartheit der Intima nicht genau messbare Lumen beträgt ungefähr 0,160 
bis 0,105 mm. Bei Behandlung der Drüse im frischen Zustande mit Pikro- 
karmin färben sich die Drüsenzellen nicht oder nur sehr wenig (mit Aus- 
nahme der Stellen wo die Drüse eingerissen ist), weniger die vor und 
an der Gabelung gelegenen, leicht diejenigen an der Verbreiterung des 
ersten Theiles. 

Bei einer Larve, welche sich bereits eingesponnen hatte und im Be- 
griff war, in das Stadium der Halbpuppe einzutreten, erschien der secer- 
nirende Theil der Drüse stark zusammengesunken, von körnigem Aus- 
sehen und einer Breite von nur noch 0,105—0,078 mm. Von Zellwänden 
war nichts mehr zu sehen und der ganze Raum zwischen Intima und 
Propria war angefüllt mit Zellkernen, welche an Größe denen der thäti- 
gen Drüse nicht merklich nachstanden. Das trübe Aussehen der Masse, 
in welche diese Zellkerne eingebettet waren, rührte von feinen Fett- 
tröpfchen her, von denen sogar die Kerne nicht verschont blieben. 
Eine Vermehrung der Kerne schien nicht eingetreten zu sein, da das 
engere Zusammenliegen derselben durch das Zusammenfallen des 
Schlauches seine Erklärung fand. Es wäre auch eine Kernvermehrung 
vollkommen überflüssig, da der betreffende Theil der Drüse, wie wir 
sehen werden, zu Grunde geht. 

Da Versuche, diese Drüse an weiter fortgerückten Stadien zu präpa- 
riren, zu keinem Resultate führten, nahm ich zu Schnitten meine Zu- 
flucht. Ich fertigte zunächst einige Schnitte durch vier- bis fünftägige 
Larven an um die etwa durch die Härtung hervorgerufenen Verände- 


Über das Herkommen des Futtersaftes und die Speicheldrüsen der Biene etc. 111 


rungen zu beobachten. Fig. 2 auf Taf. VII zeigt den Durchschnitt durch 
die Spinndrüse einer solchen Larve. Die palissadenartig angeordneten 
Zellen besitzen einen mäßig großen Kern und springen etwas in das 
Lumen des Schlauches vor (z). Intima (?) und Propria (p) sind nicht 
deutlich wahrnehmbar. Im Gentrum des Lumens befindet sich eine zu- 
sammengehäufte Sekretmasse (s) und eine dünne Schicht von eben solcher 
ist den Zellen angelagert (s}). Fig. 3, welche einen Schnitt durch das 
zuvor erwähnte Stadium darstellt, zeigt die Zellen bedeutend verkleinert, 
lässt aber die Zellgrenzen noch erkennen, eben so die Kerne. Das Sekret 
füllt als körnige dichte Masse das Lumen beinahe aus, nur einen kleinen 
Zwischenraum zwischen sich und den Zellen lassend. Die Messung der 
Zellen ergab 0,022 mm, während die Zellen der viertägigen Larve 
0,059 mm maßen. In einem darauf folgenden Stadium (Fig. 4) waren 
in der Zellschicht weder Grenzen noch Kerne zu erkennen ; der Raum 
zwischen Intima und Propria wurde von einer strukturlosen Substanz 
ausgefüllt (2) und maß nur noch 0,0065 mm. Während dieser Process des 
Zusammenschrumpfens nun weiter fortschritt, bildete sich von der Epi- 
dermis her, eine unmittelbare Fortsetzung dieser letzteren, die Zellschicht 
der neuen Drüse, so dass die letztere von der Propria der alten Zellschicht 
bedeckt blieb und die Reste des zurückgebliebenen Spinnsekretes in sich 
einschloss. Es zeigt sich also hier ein vollständig anderes Verhalten, als 
es Weısmann! von Musca beschreibt. Dort bildete sich die Speicheldrüse 
des Imago vollständig neu, so dass WEIsMAnN sogar in einem Falle die 
alte Larvendrüse noch neben der neugebildeten Speicheldrüse vorfand. 

Der Neubildungsprocess setzt sich von vorn nach hinten fort und 
zwar gerade so weit, als der erste Theil der Spinndrüse reichte (also bis 
gin Fig. 4). Da, wo die Erweiterung (e) war, wird frühzeitig das neue 
Reservoir angelegt. Weiter nach hinten liegen dann noch die Überbleib- 
sel des secernirenden Theiles der Spinndrüse, resp. des Sekretes. Fig. 5 
zeigt ein solches, das von der einen Seite her noch von der Propria be- 
deckt und an den anderen Seiten in Auflösung begriffen ist, so dass von 
ihm peripherische, kaum sichtbare Strahlen auszugehen scheinen (si). 
Wie sich die neuen Zellen eigentlich bilden, habe ich bei der unzureichen- 
den Eosinfärbung, die freilich immer noch allen anderen vorzuziehen war, 
nicht sehen können, obgleich ich unsäglich viel Zeit darauf verwendet 
habe, aber ich vermuthe, dass das alte Larvenmaterial nicht dazu ver- 
wendet wird, da ich zwischen Propria und neuer Zellschicht einmal einen 
kleinen Rest jener feinkörnigen strukturlosen Masse gefunden habe. Ob 
die alte Propria persistirt, wage ich ebenfalls nicht zu entscheiden. Ich 
habe sie aber sehr lange als einzige Haut auf der neuen Zellschicht verfolgen 

I Diese Zeitschr. Bd, XIV. 1864. p. 264. 


112 Paulus Schiemenz, 


können. Die Frage nach dem Schicksal dieser Haut fällt im Wesentlichen 
mit derjenigen zusammen, ob die Propria bindegewebiger Natur ist oder 
eine Ausscheidung der an ihr liegenden Zellen, welche epidermalen Ur- 
sprunges sind, darstellt. Im ersteren Falle würde sie wohl persistiren, 
während sie im letzteren Falle durch die neu abgeschiedene Propria ver- 
drängt werden würde. Einen Schnitt durch den bereits vollständig neu- 
gebildeten Ausführungskanal zeigt Fig. 6. Die alte Propria hat sich von 
der Zellschicht, auf der keine neue Propria zu bemerken ist, wahrschein- 
lich durch die Wirkung des Schnittes abgehoben. Innerhalb der neuen 
Zellschicht liegt die alte Intima zusammengeknittert (?). Durch Ausstül- 
pung bilden sich von dem neuen Reservoir zunächst die Hauptäste, von 
diesen ebenfalls durch Ausstülpung die Äste höherer Ordnung und 
schließlich die Sekretionsschläuche. 

System I bildet sich an der unteren Schlundwand als eine mit Zellen- 
wucherung bekleidete kegelförmige Einstülpung der Epidermis (Taf. VIl, 
Fig. 7) schon bei Larven, welche in die Halbpuppe übergehen. Die Zell- 
schicht dieser nach hinten gerichteten Einstülpung ist ziemlich breit, 
aber jede von den sich gegenseitig auskeilenden Zellen berührt sowohl 
Intima als Propria! (Fig. 7sundp). 

Schon sehr frühzeitig tritt an der Einstülpung des Systems I eine 
Biegung auf, wodurch ein seitlich und etwas nach vorn offener Winkel 
entsteht. Die beiden Schenkel bilden die Hauptbestandtheile der späte- 
ren Drüse. Der obere, der von vorn außen und oben nach unten hinten 
und innen gerichtet ist, bildet das spätere Reservoir, der untere nach vorn 
und außen gerichtete wird zur eigentlichen Drüse. Der untere Schenkel 
wächst nun immer weiter, legt sich in Windungen und nimmt so seine 
definitive Lage ein. Während dessen ist aber an der Zellschicht eine 
Differenzirung eingetreten. Es haben sich nämlich die Zellen des dicken 
Zellmantels durch Klüftung in kleine durch Zwischenräume getrennte 
Gruppen gespalten (Fig. 8 ac), welche noch ziemlich parallele Wan- 
dungen besitzen und an der Außenseite durch die über die Lücken hin- 
wegziehende Propria verbunden werden. Mit dem am hinteren blinden 
Ende fortschreitenden Längenwachsthum des Schlauches werden die 
Lücken breiter und die Propria senkt sich in dieselben hinein. Die Acini, 
denn das sind die Zellgruppen, werden immer deutlicher und runden 
sich zugleich etwas ab. Zwischen den Acini bleibt aber eine Schicht 
Zellen liegen und wir erhalten so schließlich ein Bild wie Fig. 9. ac stellt 
einen Acinus dar, ch die auf dem Sammelkanal liegen bleibende Zellen- 


1 Die Propria lässt sich als eine zusammenhängende Haut unter der ganzen Epi- 
dermis verfolgen und überkleidet so natürlich alle Einstülpungen der Epidermis von 
innen her, 


Über das Herkommen des Futtersaftes und die Speicheldrüsen der Biene etc. 113 


schicht, p die Propria, welche sich über beide hinwegzieht und nur an 
dem Winkel, welchen der Acinus mit der Zellschicht (ch) bildet, als eine 
zarte, gefaltete Membran deutlich zu sehen ist (p). Die Sekretionszellen 
des maulbeerförmigen Acinus sitzen vermittels langer Stiele dem Sam- 
melkanale auf, und der Querschnitt eines solchen Acinus zeigt einen 
Kranz von Zellen, welcher in der Mitte die Durchschnitte der Stiele der 
obersten Zellen enthält (Fig. 10 c). Die Weiterbildung der Drüse geschieht 
durch eine stielartige Verlängerung des unteren Theiles der Acini und 
eine Abflachung des den Sammelkanal bedeckenden Zellmantels, her- 
vorgerufen durch das Längswachsthum desselben. Zu ergründen, wie 
sich die Sekretionskanälchen bilden, wollte mir nicht gelingen. Doch 
entsteht wohl ohne Zweifel der mit stärkeren Wandungen versehene Theil 
durch Ausstülpung von der Intima des Kanales her, in die er unmittelbar 
übergeht. Daher kann es denn nicht Wunder nehmen, wenn an ein- 
zelnen Sekretionskanälchen Kerne sitzen, welche von der Ausstülpung 
mit in die Höhe genommen sind. 

Gleichzeitig und auf dieselbe Weise wie System I legt sich System IV 
an. Es bildet anfänglich eine epidermale Einstülpung, welche von der 
dicht daneben gelegenen Einstülpung der Kiefermuskelsehne nicht zu 
unterscheiden ist. Hat die einen Hohlraum im Innern bildende Einstül- 
pung eine bestimmte Größe erreicht, so erhebt sich ein Theil der Zellen 
(Taf. VII, Fig. 41 dr) über das Niveau der anderen (ch), die Propria (p) 
mit in die Höhe nehmend. Die erstgenannten Zellen bilden die späteren 
Drüsenzellen, die tiefer gelegenen dagegen die der Intima auch später 
dicht aufgelagert bleibende Zellschicht. 

Mit der Schilderung der weiteren Entwicklung dieser Drüse möchte 
ich die Untersuchung der Fragen: »Sind die sogenannten Neuroidfasern 
EnGELMAnN’s ! nervöser Natur?« und »Woraus bestehen die Leypie’schen 
„bindegewebigen Brücken“?« verknüpfen. 

Da die Angaben über die Endigungsweise sekretorischer Nerven 
keineswegs eine allgemeine Zustimmung genießen, stellte EnGELMANN 
mit Tu. W. van LıipTu DE JEuDE Untersuchungen an, welche ihn zu dem 
Resultate führten, dass die weitaus größte Zahl der angeblichen Nerven 
nichts Anderes als Bindegewebsstränge sein können, die nur eine Art 
von Suspensorium bilden. Auch Wespen und Bienen zog ENGELMANN 
mit in das Bereich seiner Untersuchungen. Hier fand er an jedem Bläs- 
chen der Speicheldrüsen ein oder mehrere Fäserchen, die weder Tracheen 
waren, noch Bindegewebsfasern zu sein schienen; es gelang ihm aber 
nicht, sie im Zusammenhange mit echten Nervenstämmen zu präpariren. 
Auch konnte er wegen ihrer so äußerst geringen Dicke nichts Sicheres 


1 PrLüser’s Arch, f. die gesammte Physiologie. Bd. XXIV, Jahrg. 41881. p. 177 ff. 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVII. Bd. 8 


114 Paulus Schiemenz, 


über ihre Verbindung mit den Drüsenzellen ermitteln. Als Musterobjekt 
empfiehlt er Bombus, an dessen Speicheldrüsen er wahre Nerven fand 
und ihre Endigungen auch richtig erkannte !. : 

Wie es nun meine Untersuchungen mit sich brachten, habe ich eine 
sehr große Menge von Speicheldrüsen untersucht und, durch EnsELMANN’S 
Angaben angeregt, auch ein besonderes Auge auf die betreffenden Fasern 
gehabt, und ich glaube denn auch über deren Natur, wenigstens bei 
den Bienen, vollkommen unterrichtet zu sein. Das System III wird bei 
Apis mellifica von je zwei Nervenstämmen versorgt, welche zu bei- 
den Seiten des Reservoirs entlang verlaufen und sich zwischen den 
Schläuchen verzweigen. Es wird aber nicht jeder Schlauch, wie EneEL- 
MANN annimmt, mit einem Nervenästchen versehen. Die Endigung des 
Nerven an den Drüsenzellen geschieht in der Weise, dass der Inhalt der 
Nervenfaser die Propria durchsetzt und mit der an der betreffenden Stelle 
liegenden Drüsenzelle verschmilzt, ohne irgend welche bemerkbaren 
Differenzirungen zu zeigen (Taf. VII, Fig. 12 n). Das Neurilemma der 
Nervenfaser geht in die Propria über. Von letzterem Verhalten kann man 
sich deutlich überzeugen, wenn man die Drüse vorsichtig zerzupft. Da 
die Nerven dann von den Drüsenzellen abreißen, erhält man zwei auf 
einander passende Rissstellen und sieht zugleich den Übergang von 
Neurilemma und Propria ganz deutlich. 

Die Nervenfasern haben einen ganz charakteristischen Bau, der die- 
selben, wenn man ihn öfter gesehen, sofort von allen anderen Fasern 
und Brücken unterscheiden lässt. Sie enthalten einen fibrillären Inhalt, 
ohne jedoch wirkliche Fibrillen zu zeigen, und meist in kleinen An- 
schwellungen liegende Kerne. Charakteristisch dagegen für alle anderen 
hier in Frage stehenden Gebilde ist die Kernlosigkeit. Eben so fehlt in 
der Regel auch ein Inhalt; ist solcher jedoch vorhanden, dann besitzt er 
genau dasselbe Aussehen, wie der Inhalt der durch die Fasern verbun- 
denen Zellen. Allerdings fand ich auch öfter Fasern, welche in ihrem 
spärlichen Inhalte Kerne enthielten, es gelang mir aber stets, dieselben 
als Peritonealhüllen von Tracheen nachzuweisen, aus denen die spiralige 
oder nicht mehr spiralige Intima herausgerissen war. 

Die inhaltslosen Fasern (Taf. VII, Fig. 12 fu. /) erregen schon durch ihr 
stellenweise massenhaftes Auftreten Zweifel an ihrer nervösen Natur, und 
das um so mehr, als sie sich oft in großen Mengen in der Umgebung des 
wahren Nerven befinden. Sie finden sich meist an den Enden und Er- 
habenheiten der Schläuche und besorgen deren Verbindung sowohl unter 
einander als auch mit Fettzellen und Nerven; bei letzteren jedoch, und 


1 Welche Speicheldrüsen EngELmAnn bei den Bienen untersucht hat, ist aus 
seiner Beschreibung nicht zu ersehen. Von Bombus untersuchte er System IIl. 


Über das Herkommen des F uttersaftes und die Speicheldrüsen der Biene etc. 115 


das ist wichtig, nur mit dem Neurilemma. Meist setzen sich diese Fasern 
mit einem verbreiterten Ende an (f) und zeigen an demselben eine nach 
der Ansatzstelle zu divergirende Streifung, welche man bei stärkerer 
Vergrößerung als Falten der feinen Faserhaut erkennt. Diese feine Haut 
geht unmittelbar in die Propria über; die Zellenschicht aber zieht mit 
scharfer Grenze unter ihr hinweg, so dass eine Kommunikation mit 
dem Inhalte der Zellen nirgends vorhanden ist. Eine Modifikation dieser 
sich oft vielfach verästelnden Fasern, durch zahlreiche Übergänge mit 
ihnen verknüpft, bilden sehr zarte Fäserchen (l, und /), in denen man 
kein Lumen erkennen kann. 

Die mit Inhalt versehenen Fasern finden sich namentlich zwischen 
sehr nahe gelegenen Schläuchen, ja sogar zwischen zwei Krümmungen 
eines und desselben Schlauches. Sie besitzen oft gleichen Durchmesser 
wie die Nerven, zeigen aber, wie schon erwähnt, einen feinkörnigen, 
von dem der Drüsenzellen in keiner Weise sich unterscheidenden Inhalt. 
Es lag nahe, in ihnen ähnliche Gebilde zu vermuthen, wie die von 
Leyvie beschriebenen, bindegewebigen Brücken. 

Diese Brücken finden sich ausgeprägt bei den einzelligen Drüsen, 
also auch bei System IV. Kehren wir desshalb wieder zu der vorhin ver- 
lassenen Entwicklungsstufe von System IV zurück (Taf. VII, Fig. 44). Wir 
hatten hier gesehen, wie ein Theil der Zellen sich über einen anderen 
Theil, die Propria mit sich in die Höhe nehmend, erhebt. Da bei Apis 
mellifica die weiteren Entwicklungen wegen der dichten Aneinander- 
lage der Zellen weniger deutlich zu erkennen sind, machte ich Schnitte 
durch das betreffende System bei B. silvestris, welche denn auch 
die bereits vorher von mir erschlossene Entstehungsweise der Brücken 
deutlich zu zeigen im Stande war. Fig. 47 auf Taf. VII stellt einen sol- 
chen Schnitt theilweise dar. Die Sekretionszellen haben sich hier schon 
bedeutend weiter von der Intima entfernt, und sowohl zwischen der- 
selben und den Drüsenzellen, wie auch zwischen letzteren finden sich 
helle, runde, mit einem Kern versehene Zellen (bl), Blutzellen, welche 
sich auf irgend eine Weise den Zutritt in den von der Propria voll- 
ständig abgeschlossenen Raum verschafft haben müssen. 

Durch das Erheben der Sekretionszellen sinkt die Propria zwischen 
ihnen in die Tiefe, da sie bestrebt ist, sich den Zellen so dicht wie mög- 
lich anzulegen, ganz genau so, wie es bei System I beschrieben worden 
ist. Schreitet das Erheben der Zellen nun immer weiter fort, so wird 
auch die Propria in demselben Maße immer tiefer sinken und schließlich, 
wie bei System I die Acini mit ihren Stielen, hier die einzelnen Zellen 
und deren Stiele kontinuirlich überziehen. Bleiben nun aber die Zellen 
bei ihrer Erhebung stellenweise dicht an einander gefügt, so kann die 

8*+ 


116 Paulus Schiemenz, 


Propria an dieser Stelle nicht in die Tiefe sinken und es wird schließlich 
ein Verhältnis entstehen, wie es das Schema in Fig. 13 angiebt. Es wird 
nämlich eine senkrechte Wand (lam. p) zwischen zwei benachbarten Ein- 
senkungen entstehen, welche sich von dem Stiel der einen der mit ein- 
ander verbundenen Zellen bis zu dem der anderen ausspannt und gebildet 
wird aus einer Propriaduplikatur. Strecken sich nun die Stiele immer 
mehr, und entfernen sich die Zellen immer weiter von einander, so ge- 
räth die Lamina propria so in Spannung, dass sie schließlich einreißt 
und eine fensterartige Öffnung bildet (Schema in Fig. 14 f). Statt dieser 
einen Öffnung können natürlich, wenn die Stiele an einer Stelle beson- 
ders genähert sind, deren zwei, eine oberhalb und eine unterhalb dieser 
Stelle, entstehen. Bei entsprechenden Verhältnissen können sich sogar 
deren mehrere bilden. Durch die entstandenen Öffnungen dringen nun 
Blutzellen und Tracheen (Fig. 17 tr) ungehindert ein, ja sie betheiligen sich 
höchst wahrscheinlich auch aktiv an der Durchbrechung (r) der Propria. 
Mit dem Fortschreiten dieses Processes erhalten wir ein Verhältnis wie es 
Fig. 17 vorstellt und endlich freie, langgestielte Zellen, welche durch 
Brücken verbunden sind, die aus einer Propriaröhre und sich in dieselbe 
hinein erstreckenden Zellfortsätzen gebildet werden. Werden mit dem 
Alter die Zellgrenzen undeutlich, so erhalten wir Brücken wie br ın 
Fig. 12, deren Entstehungsweise durch Fig. 16 veranschaulicht ist. 

Bisweilen findet man nun aber auch zwischen zwei Zellen, welche 
sich etwas weiter von einander entfernt haben, Brücken, aus denen sich 
die Zellenfortsätze fast ganz zurückgezogen haben, so dass sie nur noch 
an den Enden sichtbar erscheinen (Fig. 15 A). Denkt man sich diesen 
Process des Zurückziehens weiter fortgesetzt, so erhält man schließlich 
Gebilde, welche vollständig mit den inhaltslosen Fasern vom System III 
übereinstimmen. Und sicher ist auch der größte Theil dieser Fasern auf 
die eben beschriebene Weise gebildet worden, da ja die Sekretions- 
schläuche durch Ausstülpung aus dem Reservoir gebildet werden und 
nothwendig die Propria eben so mit sich in die Höhe nehmen müssen 
als die Drüsenzellen bei den einzelligen Systemen. Ein Umstand, der 
sehr geeignet ist für die Richtigkeit der gegebenen Erklärungsweise zu 
sprechen, ist der, dass bei System I, wo, wie gesagt, die Propria in die 
Tiefe sinkt und nicht durch zu enges Aneinanderliegen der Acini daran 
gehindert wird, durchschnittlich sich solche Fasern und Brücken nicht. 
zeigen. 

System II entwickelt sich viel später als die anderen Systeme. Erst 
in der weißen Puppe fand ich seine erste Andeutung in Gestalt einer 
rechts und links am gemeinsamen Ausführungsgange von System III 
gelegenen, Anfangs soliden Zellwucherung (Taf. VII, Fig. 18 w). In 


Über das Herkommen des Futtersaftes und die Speicheldrüsen der Biene ete. 117 


diese Zellwucherungen treibt die Intima Seitenkanäle hinein, welche 
sich in gleicher Weise wie die ihr aufliegende Zellschicht verlängern und 
verästeln, um endlich durch Ausdehnung ihres Lumens die Sackform 
anzunehmen. Aus dem so späten Auftreten dieser Drüse ist man wohl 
berechtigt anzunehmen, dass sie eine erst spät von dem Bienenge- 
schlecht erworbene Bildung darstellt. Dem entsprechend kommt sie auch 
nur den höher stehenden Bienen, als Apis, Bombus, Psithyrus, 
Megachile und Coelioxys zu. 

Die Entwicklung von System V habe ich nicht weiter verfolgt, da es 
sich von vorn herein annehmen lässt, dass dieselbe in gleicher Weise wie 
bei System IV vor sich gehen dürfte. Es legt sich auch erst spät an. 


Rückblick. 


Nachdem wir alle fünf Systeme der Reihe nach betrachtet haben, 
dürfte es wohl nicht unpassend sein, auf ihre Gesammtheit noch einmal 
einen Rückblick zu thun. 

Alle Drüsen haben die Aufgabe ein Sekret zu liefern, je mehr aber 
die einzelnen Zellen sich an der Sekretion betheiligen, desto reichlicher 
wird das Sekret auch bei einer geringen Anzahl von Sekretionszellen sein. 

Bei den Speicheldrüsen der Bienen finden wir nun zwei grundver- 
schiedene Wege, auf welchen dies erreicht wird, und innerhalb dieser 
zeigen sich verschiedene Grade der Vollkommenheit. Die beiden ver- 
schiedenen Anordnungen, in der die Zellen ihrer Aufgabe gerecht wer- 
den, könnte man wohl passend mit den Namen des intercellulären 
und desintracellulären Typus bezeichnen. 

Der: intercelluläre Typus zeigt sich in seiner einfachsten Form bei 
System II von Apis und System Ill von Golletes. Wir finden einen 
Sack, dem eine einfache Schicht von Zellen aufgelagert ist, so dass jede 
derselben mit einer verhältnismäßig breiten Fläche an den gemeinsamen 
Hohlraum grenzt und durch die Membran dieser Seite ihr Sekret abgiebt. 
Die dieser Seite gegenüber liegende von beinahe gleicher Größe kann 
aus dem Blute die zusagenden Stoffe aufsaugen. Strecken sich die Säcke 
in die Länge, so nehmen sie an Durchmesser ab, und wir erhalten die 
Schlauchform (System III). Den allmählichen Übergang bildet System II 
von Megachile und Goelioxys. Bei beiden, Sack und Schlauch, 
haben die Zellen ihre größte Ausdehnung parallel zum Lumen. Werden 
die Zellen sphäroidaler, so wird die dadurch hervorgerufene verhältnis- 
mäßige Verkleinerung der absondernden Fläche einigermaßen dadurch 
ausgeglichen, dass sich zwischen die Zellen Abfuhrkanäle einbohren und 
die Zellen weniger dicht an einander schließen (Anthophora, Hylaeus). 
Indessen stehen die Drüsen letzterer Konstruktion den einfachen Schläu- 


118 "Paulus Schiemenz, 


chen und Säcken bedeutend nach. Denn bei der Schlauch- und Sackform 
bietet sich den Zellen eine viel größere das von ihnen abgesonderte 
Sekret aufnehmende Fläche, als das bei den im Verhältnis zu den großen 
Zellen nur sehr engen Kanälchen von Hylaeus und Anthophora der 
Fall ist. In Folge davon finden wir bei den höheren Bienen die Schlauch- 
und Sackform. 


Der intracelluläre Typus findet sich bei System I, IV und V. Hier 
sind die Zellen den Sammelbehältern nicht dicht angelagert, sondern 
flottiren in der,Leibeshöhle an langen Stielen befestigt, so dass sie ihre 
ganze Oberfläche dazu benutzen können die zusagenden Stoffe aus dem 
Blute aufzusaugen. Dieser großen Aufsaugefähigkeit kann natürlich eine 
eben so starke Sekretionsfähigkeit entsprechen. Da nun aber die Ober- 
fläche schon zum Aufsaugen verwendet wird, muss eine andere Einrich- 
lung getroffen werden, um entsprechende Mengen Sekret zu entleeren; 
und dies geschieht durch Sekretionskanälchen, welche sich in die Zellen 
einbohren, im Plasma herumlaufen und so eine entsprechende Abson- 
derungsfläche bieten. Wir müssen also diesem Typus eine viel stärker 
sekretorische Thätigkeit zuschreiben als dem intercellulären. 

Nun finden wir aber gerade bei der höchststehenden Biene Ein- 
richtungen, welche die Vortheile des intracellulären Typus wieder auf- 
zuheben scheinen. Bei System IV bildet die Drüsenzellenschicht einen 
dicht geschlossenen Besatz um den Intimasack, nur hier und da Intercellu- 
larräume zwischen sich lassend. Bei System I finden wir die beiBombus 
freien Zellen in Acini verpackt. Für Beides muss ein nothwendiger Grund 
vorliegen, und der findet sich denn auch in der bedeutend größeren An- 
zahl von Zellen. Bei System IV liegen die Drüsenzellen nicht so dicht 
an die Intima an, dass das Eindringen der Blutflüssigkeit dadurch un- 
möglich würde, zudem auch in der That die Intercellularräume dafür 
sorgen, dass solches geschieht. So wird also der Nachtheil der engen Ver- 
packung durch ein großes Plus von Zellen und dadurch, dass Intercellu- 
larräume die Bespülung der Zellen mit Blut auch von unten her vermitteln, 
reichlich ausgeglichen. Bei System I findet sich ebenfalls ein sehr be- 
deutendes Plus von Zellen, woher sich denn auch die so außerordent- 
liche Verdünnung der dem Sammelkanal aufliegenden Zellschicht \gegen- 
über Bombus) erklärt. Würden diese Zellen alle frei flottiren, so 
würden sie sich ebenfalls so dicht an einander legen wie bei System IV 
und dem Blute eine nur kleine Oberfläche bieten. Durch die gruppen- 
weise Zusammenschnürung wird dem Blut mehr Zutritt verschafft und 
die Oberfläche bedeutend vergrößert, so dass durch diese Einrichtung 
und das Plus von Zellen die nothwendige Zusammenschnürung ausge- 
glichen wird. Wenngleich nun eine Zelle in dem Maße secerniren kann, als 


Über das Herkommen des Futtersaftes und die Speicheldrüsen der Biene etc. 119 


ihre aufsaugende Fläche sich vergrößert, so ist doch die Sekretionsfähig- 
keit noch viel mehr abhängig von der Ausdehnung der absondernden 
Fläche. Offenbar wird von zwei Zellen mit gleicher Aufsaugungsfläche 
diejenige am thätigsten secerniren, der die größte Absonderungsfläche 
eigen ist, und bei verhältnismäßig kleiner Aufsaugungsfläche wird eine 
Drüsenzelle um so energischer wirken, je größer ihre Absonderungs- 
fläche ist. Nun ist aber der innerhalb der Zelle befindliche zarte Theil 
des Sekretionskanales bei Apis mellifica bedeutend länger als bei 
anderen Bienen und außerdem sind die Zellen viel kleiner, so dass also 
die absondernde Fläche in den einzelnen Drüsenzellen verhältnismäßig 
bei Apis eine sehr viel größere ist. Rechnet man dazu noch, dass die 
Gesammtlänge der Drüse verhältnismäßig eine bedeutend größere ist, so 
kommt man zu dem Resultat, dass System I bei der Honigbiene im Ver- 
hältnis zu den anderen Bienen sehr beträchtlich stärker fungirt. 

Es erübrigt nun noch einige Worte über die Funktion der ver- 
schiedenen Speicheldrüsensysteme zu sagen. 


Funktion. 


Wie bereits erwähnt, sind zum Theil recht wunderliche Ansichten 
über die Funktion der Speicheldrüsen kund geworden. So hielt Ramponr 
System II für ein Geruchsorgan und glaubte, dass System III als Fort- 
setzung desselben mit den Tracheen des Thorax in offener Kommuni- 
kation stünde. Späterhin berichtigte er freilich seinen Irrthum. System Ill 
hielt Fischer für eine »Insektenlunge «, eine Ansicht, die ich wohl mit 
Stillschweigen übergehen kann. System IV glaubt Worrr für eine Riech- 
schleimdrüse ansehen zu müssen, welche die unter der Oberlippe ge- 
legene Riechhautfalte, alias Epipharynx genannt, mit Riechschleim zu 
versehen habe. 

Wenn nun auch Worrr’s Hypothese im Allgemeinen unter den Zoo- 
logen keinen Anklang gefunden haben mag, besonders da Leyvic ! be- 
reits die muthmaßlichen Geruchsorgane in den Fühlern der Insekten 
beschrieben hatte, so möchte ich doch auf diesen Punkt ein wenig näher 
eingehen, zumal GrABER ? sich in den »Naturkräften« wörtlich so ausdrückt: 
Aber wie, muss man fragen, kommen denn gerade die Antennen bei 
den Kerfen, wo doch sonst allerwärts die bis ins Extreme gehende Thei- 
lung der Arbeit an der Tagesordnung ist, dazu, Sinnesgliedmaßen für 
Alles, somit wahre Universalperceptionsapparate zu werden, und bedenkt 
man denn gar nicht, dass diese Fühlhebel mit dem, was man sich unter 
einer Nase vorstellt, auch nicht die entfernteste Analogie hesitzen ? Aber 


1 MüLrer’s Archiv für Anatomie etc. 1860. p. 269. 
2 Naturkräfte, Bd. XXI, Insekten. Theil I. p, 304, 


120 Paulus Schiemenz, 


trotz alledem und obwohl noch Niemand! bewiesen hat, dass die Kerf- 
antennen gegen riechende Stoffe irgend eine Empfindlichkeit an den Tag 
legen, würde man dieses Märchen bis auf heute geglaubt haben, wenn 
nicht WoLrr in dem schon erwähnten wahrhaft epochemachenden«) Werke 
über das Riechorgan der Biene den Leuten die Augen geöffnet hätte.« 

Ich kann — im Gegensatze zu GRABER — nicht umhin, WOoLFF vorzu- 
werfen, dass er leichtfertig und oberflächlich gearbeitet hat, denn sonst 
müsste er doch, abgesehen von allen Vernunftgründen, sich schon 
durch die Befunde bei der Drohne und Bienenkönigin von der Unhaltbar- 
keit seiner Ansicht überzeugt haben. Freilich dokumentirt WoLrr auch 
durch andere Ansichten, zum Beispiel Betreffs des Zellkernes und des 
Ausfuhrkanälchens, dass er ein recht weites zoologisches Gewissen besitzt. 

Es ist überhaupt ein Fehler, bei den niederen Thieren, und wenn 
es auch die sehr hochstehenden Bienen sind, bezüglich der einzelnen 
Organe hartnäckig denselben Bauplan wiederfinden zu wollen als bei 
den höheren, und so z. B. nach »Nasen« zu suchen. Ist es doch nach- 
gewiesen, dass viele fundamentale Unterschiede zwischen beiderlei For- 
men bestehen. Statt vieler Beispiele will ich nur den Bau der Retina, 
die Anordnung des Nervensystems und die Genese der Stützapparate er- 
wähnen. Wourr geht aber so weit, von »Knochen« bei Insekten zu reden. 

Was nun speciell das Riechorgan betrifft, so hatten bewährte Ento- 
motomen, wie Leypie, bereits auf Grund anatomischer Befunde Ansich- 
ten über den Sitz desselben bei den Insekten geäußert, welche ohne 
gründliche Untersuchung ihrer Objekte zu verwerfen doch wohl minde- 
stens ein gewagtes Unternehmen scheinen musste. Hätte Worrr die Füh- 
ler der Biene untersucht, so würde er vielleicht das gefunden haben, 
was ich als Anhang dieser Arbeit mittheilen werde, und welches wohl 
im Stande ist, das »Märchen « von Leypıe zu bekräftigen. 

Doch gehen wir zu den Gründen über, womit WoLrr seine Behaup- 
tung, dass das System IV der Speicheldrüsen eine Riechschleimdrüse sei, 
stützt. Die Beschreibung der betreffenden Drüse, die WoLrr von der 
Arbeiterin giebt, ist im Allgemeinen richtig. Über die vermeintliche 
Verbindung von Kern und Kanälchen habe ich mich bereits ausgelassen. 
Die der Intima anliegende Zellschicht ist ihm entgangen. Ich stimme mit 
ihm auch darin überein, dass das Sekret der Drüse stark sauer ist und 
sehr stark riecht, wenngleich ich seinen Geruch nicht gerade »köstlich « 
nennen möchte. Damit die Riechhaut immer von dem Schleim feucht 
gehalten, also von Zeit zu Zeit etwas Sekret über sie ergossen werde, 
lässt Worrr den Schlund rhythmische Bewegungen ausführen, welche 


1 Die so interessanten Versuche von Dönnorr (Eichst. Bienenztg, Jahrg. 4854, 
p. 234 und 1855, p. 44) scheint GrABER ganz übersehen zu haben. 


Über das Herkommen des Futtersaftes und die Speicheldrüsen der Biene etc. 12i 


die Gelenkhaut, als deren unmittelbare Fortsetzung die innere Lippe der 
Drüsenöffnung erscheint, herabziehen und so die Drüse etwas öffnen. 
Er fügt aber sogleich hinzu, dass man nicht sehen könne, wie sich die 
Klappe öffnet. Dies ist in der That richtig, denn sie öffnet sich überhaupt 
nicht. Betrachtet man die zwischen Kiefer und Kopf befindliche Gelenk- 
haut bei einem in der oben angegebenen Weise befestigten Bienenkopf, 
so könnte man sie leicht in zwei Regionen theilen, und zwar in eine 
vordere (v), welche sich unmittelbar in die Wange fortsetzt, und eine 
hintere (h), welche zwischen Kiefer und Kopf ausgespannt ist. Beide 
Regionen gehen natürlich in einander über. Ist nun der Kiefer geschlos- 
sen, so müsste, um die Öffnung zu erweitern, ein Zug auf die Unterlippe 
derselben ausgeübt werden, wie es der daneben befindliche Pfeil an- 
giebt. Bei einer Schlundkontraktion würde aber nur der vordere Theil (v) 
der Gelenkhaut afficirt und nicht der hintere (h), da er zwischen Ober- 
kiefer und Kopf ausgespannt ist. Höchstens könnte durch den Zusam- 
menhang mit dem vorderen Theil der hintere etwas in der Richtung des 
oberen Pfeiles verzogen werden, wodurch aber nie eine Öffnung der Mün- 
dung erzielt werden würde. Bei geschlossenem Kiefer wird die Mündung 
aber außerdem durch denselben und den Kopfrand zusammengepresst. 

Wenn die Biene scharf riechen will, so sagt WoLrr, öffnet sie ihre 
Oberkiefer weit. Als Beleg dafür führt er das Verhalten derjenigen Bienen 
an, welche um die Königin die Corona bilden. Von diesen solle immer 
die eine oder die andere einen Schritt vorwärts thun, den Kopf erheben 
und ihn, die Oberkiefer weit öffnend, dem gegenüber liegenden Theile 
der Königin nähern. Dass auf diese Weise die Bienen » wie zärtlich 
liebende Kinder« von dem notorisch feinen Dufte ihrer Mutter so viel als 
möglich genießen wollen, kann ich nicht glauben. Ich habe zwar diesen 
Vorgang nicht selbst beobachtet, glaube ihn aber doch ganz anders; er- 
klären zu müssen. Wenn Worrr denselben gesehen hat, so musste er 
doch, um ihn eben zu sehen, den Bienenstock geöffnet haben. Nun regt 
aber natürlich jede Öffnung des Bienenstockes die Insassen mehr oder 
minder auf. Wenn die Bienen aber erregt sind, so sperren sie beim An- 
nähern eines verdächtigen Gegenstandes, also hier des Beschauers, oftmals 
die Kiefer aus einander, um, wie so viele Thiere im ähnlichen Falle, ihre 
Kampfbereitschaft zu zeigen und den Feind einzuschüchtern. Dass die 
Leibgarde der Königin sich besonders also gebärdet, kann nicht wunder- 
bar erscheinen. Dasselbe gilt für den Fall, dass die Königin zur Begat- 
tung ausfliegt. Wie groß die blinde Aufregung der Bienen in solchen 
Fällen ist, beweist zur Genüge der nicht allzu seltene Fall, dass sie ihre 
eigene Königin anfallen und verstümmeln. 

Pag. 132 folgert Wourr, dass die Bienen auch beim Saugen ihre 


122 Paulus Schiemenz, 


Riechhaut reichlich mit Riechschleim befeuchten, offenbar damit sie, wie 
wir beim Schlürfen, die mit oder ohne Lüftung des Gaumensegels mit 
eingesogene Luft riechen können. Die interessanten Versuche von WEBER ! 
haben aber dargethan, dass unser für Luftathmung eingerichtetes Riech- 
organ nicht zu riechen im Stande ist, wenn es mit einer riechenden 
Flüssigkeit benetzt wird, ein Faktum, das wohl auch für die ebenfalls 
Luft athmenden Bienen Geltung haben wird. Daher ist auch unsere Ge- 
ruchshöhle dermaßen von der Mundöffnung getrennt, dass sie von den 
eingenommenen Nährstoffen im normalen Zustande nicht berührt wird. 
Bei den Bienen dagegen ist die sogenannte Riechhaut. so gelegen, dass 
sie von den eingesogenen Säften benetzt, also während des Saugens, wo 
das Riechorgan gerade recht thätig zu sein Veranlassung hätte, unfähig 
gemacht wird seine Funktion auszuüben. 

Der Geruchsinn dient besonders dazu, das Thier über die Beschaffen- 
heit der Respirationsmedien zu orientiren, seine Nahrung finden zu lassen, 
vor dem Feinde zu schützen und zu bewirken, dass die beiden Ge- 
schlechter zur Brunstzeit sich auffinden Wenn dieses auch nur ein 
Erfahrungssatz ist, so dürfen wir doch, da derselbe sehr fest gegründet 
ist, von einem Organ, welches wir zum Riechorgan stempeln wollen, 
verlangen, dass es diesen Anforderungen entspricht. 

Um mit Erfolg in der angedeuteten Weise wirken zu können, muss 
ein Riechorgan fortwährend thätig sein, eine Eigenschaft, welche auch 
alle sicher als Riechorgane nachgewiesenen Organe besitzen. Nun kann 
man aber Bienen sehr lange Zeit beobachten, ohne dass man bemerkt, 
dass sie ihre Kiefer öffnen und die sogenannte Riechhaut befeuchten. 
Überdies deutet die Form und Beschaffenheit der Drüse darauf hin, dass 
sie nicht fortwährend Sekret ergießen soll, sondern nur zeitweilig und in 
großen Mengen. Denn wozu wäre sonst der große Sammelraum da, der 
bei den anderen Bienen noch viel ausgeprägter ist? 

Die Beziehung zu dem Geschlechtsleben bringt es mit sich, dass der 
- aufsuchende Theil, wohl meist, und so auch hier, das Männchen, einen 
stärker entwickelten Geruchssinn besitzt. WoLrr aber kommt zu dem 
Resultate: »dass die Bienenkönigin nicht bloß relativ, sondern absolut 
die größte Riechschleimdrüse unter den Blumenwespen, wahrscheinlich 
aber unter allen Hymenopteren, ja vielleicht unter sämmtlichen Insekten, 
wo nicht unter allen Thieren überhaupt habe«. Man kann wohl den Er- 
fahrungssatz aufstellen, dass Lebensweise und Sinnesorgane einander 
vollkommen entsprechen, müsste also aus obiger Folgerung Worrr'’s den 


ı Vgl. Internationale wissenschaftliche Bibliothek. Bd. XII. Die fünf Sinne des 
Menschen von BERNSTEIN. p. 272. 
2 Vgl. BERGMANN u. LEUCKART, Vergleichende Anat. und Physiologie. 1855. p. 450. 


Über das Herkommen des Futtersaftes und die Speicheldrüsen der Biene ete. 123 


Schluss ziehen, dass die Bienenkönigin eine überaus intelligente Lebens- 
weise führe. Es ist aber absolut nicht einzusehen, was die Königin mehr 
zu riechen habe als die Arbeiterin, und man kann sogar mit Recht be- 
haupten, dass die Bienenkönigin fast den stumpfsinnigsten Lebenswandel 
unter allen Hymenopteren führt. Fast ihre ganze Thätigkeit beschränkt 
sich auf das Auskriechen, eventuelle Beseitigung einer Nebenbuhlerin, 
und einige wenige Ausflüge. Nach der Begattung hat sie nur noch zu 
fressen und Eier zu legen, sie sinkt also zu einer Eiermaschine herab. 
Eine solche Lebensweise würde eher eine Rückbildung der Sinnesorgane 
vermuthen lassen, nicht aber das Gegentheil. 

Was nun aber die Drohne betrifft, so würde diese, nach der Aus- 
bildung der Drüse zu urtheilen, überhaupt nicht mehr riechen, eine An- 
nahme, die denn doch wohl absolut unhaltbar ist. Gerade wenn die 
Königin einen schönen Geruch verbreitet, müssen wir bei den Drohnen 
ein besonders dazu passendes Perceptionsorgan voraussetzen. System IV 
ist also keine Riechschleimdrüse. 

Bei den Versuchen die Funktion der einzelnen Speicheldrüsen zu 
bestimmen, geht man wohl mit Recht von dem Gesichtspunkte aus, dass 
die Lage und Öffnung auch den Gebrauch bestimmen wird. System IV, 
mit dem wir sogleich beginnen wollen, liegt, wie schon erwähnt, am 
Oberkiefer und lässt, wenn dieser geöffnet wird, sein Sekret heraus- 
fließen. Der Oberkiefer wird nun außer zum Beißen, auch beim Fressen 
- und Arbeiten geöffnet. Da die Bienen aber zum Fressen keinen so star- 
ken Oberkiefer nöthig haben, wie sie faktisch besitzen, dürfte man wohl 
annehmen, dass auch die Drüse nicht besonders zum Fressen sondern 
zum Arbeiten eine Beziehung habe. Und was lag da näher als zu ver- 
muthen, dass sie beim Wachskneten eine Verwendung finde, wie denn 
auch schon R£aumur ! und Huser ? annahmen, dass dem Wachse ein Se- 
kret beigemischt werde. Auch bei anderen ? Bienen berichtet R£sumur 
ein Ähnliches. Nun hat aber Dönnorr * nachgewiesen, dass sich das 
producirte und verarbeitete Wachs chemisch und physikalisch vollstän- 
dig gleich verhalten, mithin dem Wachse beim Kneten kein Sekret bei- 
gemengt werde. Es bleibt also keine andere Beziehung dieser Speichel- 
drüse als zur Nahrungsaufnahme übrig. Hiermit würde auch vortrefflich 
übereinstimmen, dass dieKönigin, welche auf 100 g Leibessubstanz Jähr- 
lich 14000 85 Eier liefert und also an Masse und Zubereitung der Nahrung 


i Mem, pour serv. a !’hist. d. Ins. T. V. mem. 8. p. 423. 

2 Nouvelles observations sur les Abeilles. T. II. p. 105. 

16.9.0. 69, 1: Vi; 4 Eichst. Bienenztg, Jahrg. 1855. p. 248. 

9 R, LEUCKART, Zur Kenntnis des Generationswechsels und der Parthenogenesis 
bei den Insekten. 4858. p. 4100. 


124 Paulus Schiemenz, 


große Ansprüche macht, diese Drüse in jener enormen Ausbildung be- 
sitzt. Ferner stimmt damit das Verhalten der Arbeiterinnen, welche diese 
Drüse ebenfalls stark entwickelt und besonders thätig im Jugendzustand, 
also als Brutbienen besitzen, vortreffllich überein. Müssen sie doch den 
Larven, welche keine Speicheldrüsen besitzen, den Futterbrei und später 
eingespeichelte Nahrung reichen. Die Drohne verrichtet im Bienenstaate 
keinerlei nennenswerthe Arbeit und ihre Aufgabe besteht nur darin, 
eine Königin zu befruchten und darauf zu sterben. Daher braucht sie 
verhältnismäßig wenig Nahrung und diese wird ihr meist von den 
Arbeiterinnen in bereits präparirtem Zustande gereicht. Es erscheint 
also die Rückbildung von System IV eben so natürlich, wie die von 
System II und der vollständige Schwund von System I. 

System I, von dem wir bereits durch Fischer die enorme Verschie- 
denheit in den verschiedenen Lebensstadien erfahren haben, hat sonder 
Zweifel die Hauptbestimmung, den Futtersaft zu produeiren. Dafür spricht 
außer den Fiscuer’schen Gründen auch die verhältnismäßig enorme 
Thätigkeit derselben, die wir oben aus den Strukturverhältnissen gefol- 
gert haben. Einmal habe ich auch in dem Sammelkanal eine feinkörnige, 
dem Futtersaft ähnliche Masse (Taf. V, Fig. 8 r) angetroffen; allein es 
gelang mir nicht, dieselbe ein zweites Mal aufzufinden. In wie weit aber 
System Il und III, welche im Gegensatz zu System I und IV alkalisch rea- 
giren, an der Produktion des Futtersaftes sich betheiligen, lässt sich kaum 
feststellen 1. Ihre alkalischen Eigenschaften erscheinen sehr schwach und 
würden der starken Säure von System IV gegenüber gar nicht zur Gel- 
tung kommen. Nach Apparaten, welche bei ausgestreckter Zunge irgend 
eine Speicheldrüse verschlössen, habe ich vergeblich gesucht. Bezüglich 
des Futtersaftes lautet also mein Resultat weniger bestimmt als das von 
FıscHer, aber ich glaube, dass das meinige auch weniger voreilig genannt 
werden darf. Ich betrachte den Futtersaft als das Sekret der Speichel- 
drüsen und zwar vornehmlich von System I; doch können die anderen 
Systeme nicht absolut von einer Theilnahme an der Produktion ausge- 
schlossen werden. 

Was die übrigen Systeme für eine besondere Funktion ausüben, 
habe ich nicht eruirt. Es dürfte dies auch nicht leicht festzustellen sein, 
da, wie schon erwähnt, die Drüsen zu winzig sind, um eine zu chemi- 
schen Analysen genügende Menge Sekret zu liefern ; Reaktionen aber mit 
so minimalen Quantitäten Sekrets, die nicht einmal rein zu gewinnen 
sind, könnten doch leicht zu falschen Resultaten führen. Die anatomi- 


1 System II fand ich bei Brutbienen nicht stark mit Sekret angefüllt. Es ist in- 
dessen auf solche Befunde wenig Gewicht zu legen, da man stets annehmen kann, 
wenn man leere Drüsen findet, dass deren Sekret eben verbraucht worden ist. 


Über das Herkommen des Futtersaftes und die Speicheldrüsen der Biene etc. 125 


schen Befunde sind auch nicht geeignet, für diesen Punkt befriedigende 
Anhaltspunkte zu bieten, da sie nur mit gründlicher Berücksichtigung 
der Biologie Schlüsse erlauben würden. Die letztere ist aber noch mehr 
als mangelhaft. Das aber ist jedenfalls nicht zu bezweifeln, dass die 
einzelnen Systeme bei den verschiedenen Arten der Bienen zum Theil 
verschiedene Funktionen haben. Denn nur so ist es zu erklären, dass 
System II bei den Hummeln gerade die entgegengesetzte Entwicklung 
bezüglich der Geschlechter zeigt als bei Apis, dass ferner System I bei 
den Hummeln stets schwach alkalisch reagirt, und dass endlich Colle- 
tes in System IIl ein Sekret zeigt, wie es sich bei keiner anderen von 
den untersuchten Bienen vorfindet. 


Fassen wir in kurzen Worten noch einmal die Resultate zusammen, 
welche, wie ich glaube, durch vorliegende Untersuchungen erzielt worden 
sind: 


4) Der sogenannte Vormagen (Verschlusskopf) hat bei der Honig- 
biene vorzüglich die Aufgabe, den Honigmagen gegen den Chylusdarm 
unter Umständen vollständig abzusperren. 


2) Der Dünndarm hat höchst wahrscheinlich nur die Aufgabe, eine 
passende Verbindung zwischen Chylusdarm und Rectum herzustellen 
(LEUCKART). 

3) Der Futtersaft kommt nicht aus dem Chylusdarm, sondern ist 
das Sekret von Speicheldrüsen. Die vornehmste Betheiligung an seiner 
Produktion hat System I (Fıscuer); doch können die anderen Systeme 
nicht davon ohne Weiteres ausgeschlossen werden. 


k) Die Speicheldrüsen zeigen sowohl bezüglich der Arten als auch 
der Geschlechter große Abweichungen, und es steht sicher zu vermuthen, 
dass ihre Funktion eine höchst mannigfache ist. 


5) System III der Speicheldrüsen bildet sich innerhalb der Propria 
des ersten Theiles der larvalen Spinndrüsen. System II und V bilden 
sich vom System IIl oder vielmehr von dessen Ausfuhrkanale her. System 
I und IV sind vollständige Neubildungen und enistehen durch Einstül- 
pung der Epidermis. 

6) Nicht nur die meisten (EngeLmann), sondern alle Neuroidfasern 
sind nicht nervöser Natur. 


7) Worrr’s Riechschleimdrüse ist keine solche, sondern eine 
Speicheldrüse. 


126 Ä Paulus Schiemenz, 


Anhang, 


Über das Riechorgan. 


Wie wir in der vorliegenden Abhandlung gesehen haben, besitzt 
dasjenige Organ, welches Woırr für ein Geruchsorgan in Anspruch 
nimmt, eine andere Funktion, und man muss desshalb das den Geruch 
vermittelnde Perceptionsorgan an einer anderen Stelle suchen. Schon 
vor vielen Jahren hatte Dönuorr ! experimentell nachgewiesen, dass die 
Fühler in einer sehr engen Beziehung zum Geruchssinn stehen, und die 
neuerdings von Hauser ? angestellten Versuche haben wohl sonder Zweifel 
festgestellt, dass sie die Träger desselben sind. 


Schon vor Hauser hatten bereits Leyvıc ® und Andere die Fühler der 
Insekten anatomisch untersucht und eine ganze Reihe von Gebilden, 
welche sich auf denselben befinden, beschrieben; Hauser verfolgte mit 
Hilfe von Schnitten auch den Fühlernerv bis in seine äußersten Endi- 
gungen und erhielt so recht schätzenswerthe Resultate. Da es mir nun 
weniger darauf ankam, Neues über die in den Fühlern gelegenen Sinnes- 
organe zu eruiren, als vielmehr zu untersuchen, wie sich beide Ge- 
schlechter der Biene bezüglich dieser Organe zu einander verhalten, be- 
schränkte ich meine Untersuchungen auf Apis mellifica, welche 
allerdings wegen der so geringen Größe der Nervenendzellen sich nicht 
besonders zum Studium der letzteren eignet. 


Apis mellifica besitzt auf den Fühlern sechs een. 
Gebilde, welche in ihrer gegenseitigen Anordnung eine gewisse Regel- 
mäßigkeit erkennen lassen. 


Auf den Wurzelgliedern und auch vereinzelt auf der nach außen 
gerichteten Seite der Fühler finden sich Borsten, wie sie Fig. 19 auf 
Taf. VII darstellt. Sie zeigen dieselbe Beschaffenheit, wie auch an an- 
deren Stellen des Körpers, z. B. am Kopfe, und bilden eine starre Chi- 
tinborste, welche in einer weichhäutigen Grube vermittels eines Gelenkes 
mit der Guticula zusammenhängt. Von dem Gelenk aus durchsetzt die 
Cuticula ein Kanal, welcher von einer unter ihm gelegenen großen 
Epidermiszelle einen Fortsatz aufnimmt, der sich bis in die hohle Borste 
hinein erstreckt. 


Eine zweite Form findet sich besonders auf der Außenseite der 
Fühler (Fig. 20). Diese Borsten sind von hellem Aussehen, besitzen eine 


1 Eichst. Bienenzeitung. Jahrg 4854, p. 231 und 4855, p. 44. 
? Diese Zeitschr. Bd. XXXIV. Jahrg. 1880. p. 367. 
3 Mürrer's Archiv für Anatomie etc. Jahrg. 1860. p. 269. 


Über das Herkommen des Futtersaftes und die Speicheldrüsen der Biene etc. 127 


säbel- oder dolchförmige Gestalt und entsprechen den Schuppen Hauser’s. 
Sie gelenken gleichfalls in der Cuticula, besitzen aber keine centrale 
Höhlung und von ihnen aus erstreckt sich kein Kanal durch die Cuticula. 
Es ist aber wohl anzunehmen, dass Beides einmal vorhanden gewesen, 
aber mit der Zeit verschwunden ist. 

Beide Borsten stehen in keinem nachweisbaren Zusammenhange 
mit Nerven und werden aus diesem Grunde auch nicht mit einer beson- 
deren Sinnesfunktion betraut sein. Anders verhält sich dies mit den 
nun folgenden Gebilden, welche sämmtlich sich auf der Beugeseite der 
Fühler befinden und die Außenseite derselben freilassen. 

Unter diesen Gebilden besitzen die schon von Hauser als Tastborsten 
bezeichneten eine große Ähnlichkeit mit den zuerst erwähnten Borsten, 
sind aber kleiner als diese und stehen nicht mit einer gewöhnlichen großen 
Epidermiszelle sondern mit einer Nervenendzelle in Verbindung. Letz- 
tere ist spindelförmig gestaltet und besitzt einen deutlichen Kern. Nach 
hinten lässt sie sich bis in einen Nervenast hinein verfolgen. 

In der Mitte je eines Kranzes solcher Tastborsten liegt eine große, 
von oben her geschlossene Grube (Fig. 22), welche mit einem runden 
oder eiförmigen Lumen beginnt, sich stark erweitert und dann wieder 
sich eben so verengert. Diese Gruben durchsetzen die Cuticula in etwas 
schiefer Lage, so dass sie mit der Fühlerachse einen spitzen Winkel bilden 
und finden sich über die ganze Beugeseite der Fühler zerstreut. Von 
oben her gesehen erscheinen sie als ein System koncentrischer Ringe 
(Fig. 23), welche eine centrale Scheibe umgeben. Die letztere (s) bildet 
das eigentliche Verschlussstück, ist aber keineswegs identisch mit dem 
Hauser’schen Verschlussstück, welches erst nachträglich von einer mem- 
branbildenden Zelle abgeschieden werden soll. Bei Apis fehlt eine 
solche Zelle, wie es scheint, gänzlich. Von den drei Ringen ist der 
innere (Fig. 23 i) sehr hell, der mittlere (m) dunkel, und der äußerste 
breite wiederum hell, wird aber nach außen allmählich dunkler (a). 
Fig. 24 stellt einen stark vergrößerten Längsschnitt durch eine solche 
Grube dar, an welchem man ohne Weiteres erkennt, dass das Ver- 
schlussstück (s) die dunkle centrale Scheibe, die sich daran anschließende 
Verdünnung der Cuticula (ö) den inneren hellen Ring, die Falte (m) den 
mittleren dunklen, und a zusammen mit a, den äußeren hellen sich all- 
mählich verdunkelnden Ring hervorruft. 

Betrachtet man eine Tastborste von oben in der Höhe der Fühler- 
oberfläche, so gewahrt man ebenfalls ein Ringsystem, welches aber eine 
etwas andere Anordnung zeigt. 

Das Centrum wird von einem großen hellen Punkt eingenommen 
(s}), um welchen ein dunkler Ring (i,), und um diesen wieder ein heller 


128 | Paulus Schiemenz, 


Ring (a,) gelegen ist. Ein Querschnitt durch eine Tastborste (Fig. 25) 
zeigt, dass die beiden Ringe auf dieselbe Weise hervorgerufen werden 
als bei den Gruben, nämlich der dunkle durch die Falte (i), der äußere 
helle durch die Verdünnung der Cuticula bei a. Der centrale helle Punkt 
entspricht dem Lumen der Borste. Denkt man sich die letztere ihrer 
Länge nach zusammengedrückt und nur ein wenig nach innen gestülpt, 
so wird der helle centrale Punkt in eine dunkle mittlere Scheibe und 
einen sie umschließenden hellen Ring zerlegt. Wir hätten dann genau 
dasselbe Verhalten, als wie wir es bei den Gruben fanden, und es ist 
wohl in der That anzunehmen, dass die in der Mitte gelegene dunkle 
Scheibe der Grube, das Verschlussstück, morphologisch einer Borste 
entspricht. An den unteren Theil der Grube setzt sich ein langer, sich 
allmählich verjüngender Schlauch an (l), der sich fast bis auf den Nerv 
verfolgen lässt und vermuthlich von der unter der Hypodermis hin- 
ziehenden Propria herstammt. In diesen Schlauch tritt von unten her 
eine Nervenfaser (n), welche nach oben zu keulenförmig anschwillt und 
ungefähr in der Mitte der Grube in eine feine Spitze ausläuft. Eine be- 
sondere chitinige Bekleidung lässt sich an dem Nervenkolben nicht wahr- 
nehmen. Nicht weit von ihrem Abgange aus dem Nerven bildet die 
Faser eine kleine Anschwellung, welche einen Kern zu enthalten scheint; 
in dem keulenförmigen Endstück fehlt ein solcher. 

Als dritte Art der nervösen Endapparate sind blasse, zarte Kegel, 
‘ welche sich ganz nahe am vorderen Ende der Fühlerglieder befinden 
(Fig. 26), zu erwähnen. Sie sind ebenfalls hohl und empfangen eine 
Nervenfaser, die zu verfolgen mir nicht gelang. Eine Öffnung an der 
Spitze habe ich nicht bemerken können. Es würden demnach diese Kegel 
sich sehr wesentlich von den Hauszr’schen Geruchskegeln unterscheiden. 
Ihrer morphologischen Bedeutung nach sind es offenbar modificirte 
Borsten und dienen vermuthlich als Tastorgane und nicht als Geruchs- 
werkzeuge, wie besonders ihr Vorkommen am Ende der Fühlerglieder, 
also auch des letzten, anzeigt. 

Dicht hinter den Zapfen befindet sich eine Anzahl kleiner rundlicher 
Gruben (Fig. 27), welche gruppenweise zusammenliegen und auf deren 
Boden sich eine niedrige, mit centraler Öffnung versehene Papille erhebt. 
Die Öffnung führt in einen mehr oder minder weit in das Innere des 
Fühlers sich hinein erstreckenden Kanal, von dessen Boden sich wieder- 
um ein mit chitinigen Wandungen versehener Kegel erhebt, der sich 
allmählich verjüngend mit feiner Spitze unter der Öffnung der Papille 
endigt. Nach außen hin entbehrt die Grube des Verschlusses. In den 
Kegel tritt eine mit einem Kern versehene Nervenendzelle, die sich bis 
zum Nerven verfolgen lässt. Auch diese Gebilde entsprechen morpho- 


Über das Herkommen des Futtersaftes und die Speicheldrüsen der Biene ete. 129 


logisch modificirten Borsten, und man kann sie sich so aus letzteren ent- 
standen denken, dass dieselbe in zwei Absätzen in das Innere des 
Fühlers hineingezogen worden ist. Durch den ersten Zug würde die 
Grube, durch den zweiten der tiefere Kanal entstanden sein. Die konti- 
nuirliche Auskleidung mit einer Chitinwandung und das Fehlen der 
Verschlussmembran erscheint dann selbstverständlich. 

Die in die erwähnten vier Perceptionsorgane eintrelenden Nerven- 
fasern gehen bündelweise von dem Fühlernerven ab (Fig. 28 b) und 
theilen so das zwischen ihnen liegende Zellpolster in einzelne Theile. 
Nachdem sie eine kurze Strecke emporgestiegen sind, weichen sie, eine 
kelchartige Figur (k) bildend, aus einander und treten an die ihnen zu- 
gehörigen Gebilde. Fig. 28 deutet die Anordnung der verschiedenen Ge- 
bilde auf einem Fühlergliede, und zwar auf der Innenseite, an, wie ich 
sie als konstant gefunden habe. 

Welche von diesen Endorganen als Riechorgane zu deuten sind, 
dürfte wohl schwer mit absoluter Sicherheit entschieden werden können. 
Indessen lässt ihre Anordnung überhaupt, als wie besonders ihre Aus- 
bildung bei den verschiedenen Geschlechtern, über die Natur der ein- 
zelnen einen Schluss zu. 

Beiderlei Gruben, große sowohl wie kleine, können, da sie unter 
der Oberfläche des Fühlers gelegen sind, nicht mit Gegenständen in Be- 
rührung gebracht werden, können also nicht als Tastorgane fungiren. 

Was die Geschlechter anbetrifft, so zeigen Arbeiterin und Königin 
keine auffallenden Verschiedenheiten, die Drohne weicht aber in der 
Ausbildung der in Rede stehenden Organe sehr ab. Während bei den 
Weibchen die ziemlich großen Gruben so weit aus einander liegen, dass 
zwischen ihnen regelmäßig Tastborsten Platz haben, rücken die großen 
Gruben bei den Drohnen durch Vermehrung ihrer Anzahl so dicht zu- 
sammen, dass für die Tastborsten kein Platz mehr übrig bleibt. Daher 
treten letztere auch nur sehr vereinzelt auf und nur an der Spitze des 
Fühlers ist ihre Anzahl eine bedeutendere. Außerdem aber sind die 
Gruben noch viel kleiner, so dass ein bestimmter Raum bei der Drohne 
bedeutend mehr solcherGruben enthält als bei den Weibchen. Es erscheint 
mithin der Sinn, welchem die in Rede stehenden Gruben dienen, bei 
den Männchen viel stärker entwickelt. Dem Postulat, welches wir oben 
an ein Riechorgan stellten, falls das Männchen der aufsuchende Theil ist, 
würde also hier sehr wohl entsprochen. Es werden demnach die großen 
Gruben als Geruchswerkzeuge zu deuten sein. Aber auch die kleinen 
Gruben wird man als solche gelten lassen müssen, da sie, eben so wie 
die großen, zum Tasten untauglich, beim Männchen aber ebenfalls, 
wenn auch nur wenig, stärker entwickelt sind. Mit Hilfe letzterer An- 

Zsilschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVIII. Bd. 9 


130 Paulus Schiemenz, 


Ä 


nahme ließe sich vielleicht auch der auffallende Unterschied erklären, 
dass verschiedene Insektenordnungen verschlossene, andere dagegen 
offene Gruben besitzen. Bei ersten würden die Gruben der ersten Art, 
bei den letzteren die der zweiten Art vornehmlich entwickelt sein. Bei 
den Drohnen zeigen die kleinen Gruben und die zugehörigen Gebilde 
oft eine radiale Anordnung, d. h. die Öffnungen konvergiren, die tiefer 
liegenden Kanäle divergiren. Dadurch entsteht in der Mitte der Gruppe 
eine Einsenkung, welche als der erste Schritt zur Bildung einer zu- 
sammengesetzten Grube, wie sie sich bei Dipteren finden, angesehen 
werden darf. 


Halle a/S., am 6. Juli 1882. 


Erklärung der Abbildungen. 


Tafel V. 


Fig. 1. Darmtractus von Apis mellifica in natürlicher Lage. 
oe, Ösophagus; 
v, Honigmagen ; 
h, Hals des Zwischendarmes; 
c, Chylusdarm ; 
d, Dünndarm ; 
m, Marpicur’sche Gefäße, nur angedeutet; 
r, Rectum; 
an, Rectaldrüsen. 
Fig. 2. Längsschnitt durch den Zwischendarm und einen Theil des Honig- 
magens und Chylusdarmes von Apis mellifica. 
b, Borsten 
i, Intima 
3, Zellschicht des Verschlusskopfes ; 
l, Längsmuskeln 
q, Ringmuskeln 
h, Übergangsmembran zwischen den Klappen des Verschlusskopfes und 
dem Honigmagen; 
rn, und na, Lücken zwischen den Klappen, vgl. Fig. 3; 
a, Ansatz der Längsmuskeln 
iv, Intima 
zv, Zellschicht des Honigmagens; 
qv, Ringmuskeln 
lv, Längsmuskeln 
it, Intima des Hafer 
2, Zellschicht/ ne 
p, Propria 
29, Zellschicht }acs Zapfens;; 
it, und g Intima 


Über das Herkommen des Futtersaftes und die Speicheldrüsen der Biene ete. 131 


rs, Ringsehne der Propria 
gqc, Ringmuskeln 
lc, Längsmuskeln 
pc, Propria 
ic, Intima 
zc, Zellschicht 
n, Grundzellen der Becher 
i, Randzellen der Becher 
r, Zwischenmembran 
bi, Bindegewebsfasern 
Fig. 3. Querschnitt durch den Verschlusskopf in der Richtung des oberen Pfei- 
les in Fig. 2. Bezeichnung wie dort. Apis mellifica. 
Fig. 4. Eine Klappe und Lücke des Verschlusskopfes von Apis mellifica. 
s, Scheitel 
w, seitliche Eckpunkte 
f, Fortsatz 
b, Borsten 
h, den Klappen seitlich ansitzende Membranen ; 
n, Lücken zwischen den Klappen, bei a aufhörend; 
m, und ma, in dieselben vorspringende Wülste. 
Fig. 5. Durchschnitt durch den Verschlusskopf in der Richtung des unteren 
Pfeiles in Fig. 2. Apis mellifica. Bezeichnung wie dort und in Fig. 4. 
Fig. 6. Querschnitt durch den Dünndarm von Apis mellifica. 
i, Intima; 
z, Zellschicht; 
q, Ringmuskel; 
l, durchschnittene Anastomosen ; 
y, Muskelfasern. 
Fig. 7. Schlundblättchen von Apis mellifica 8. 
0o—u, Reservoir; 
o, obere 
u, untere 
s, Sammelkanal von System I. 
Fig. 8. Stück des System I von Apis mellifica 8. 
acı, Acinus ohne Behandlung mit Reagentien ; 
ac9, Acinus mit KOH behandelt; 
acz, Acinus von einer jungen Biene; 
aca, Acinus zuerst mit stark quellenden, dann mit stark schrumpfenden 
Mitteln behandelt; 
z, Drüsenzellen; 
pP, Propria ; 
c, Sekretionskanälchen ; 
e, Eintrittsstelle derselben in die Zellen ; 
f, zarter Theil derselben innerhalb der Zellen; 
pr, anhängendes Plasma; 
m, Auswüchse der Kanälchen ; 
ch, der Intima anliegende Zellsciicht;; 
k, deren Kerne; 
i, Intima ; 
h, siebförmig durchlöcherte Hügel, auf welchen die Sekrelionskanälchen 
münden; 
s, Sammelkanal; 
r, Inhalt desselben ; 
&, einzelliger Acinus, 
Fig. 9. Stück eines Sammelganges von System I von Psithyrus rupestris Q. 
Bezeichnung wie Fig. 8. 
gr, zweigförmige Ausbuchtung des Sammelkanales. 
Fig. 10. Schlundblättchen von Hylaeus laevigatus, 
0, Öffnung des Sammelkanales von System I. 


a, äuljer ? L 
nl Bere Leiste der Rinne; 
i, innere 


des Chylusdarmes. 


der Klappe; 


Öffnung desselben; 


® 


O8. 


132 Paulus Schiemenz, 


s, Sammelkanal; 
c, Sekretionskanälchen. 
Fig. A4. Schlundblättchen von Megachile centuncularis ©. 
m, muldenförmige Einsenkung desselben. 
Fig. 42. Schlundblättchen von Andrena vestita ©. 
Fig. 43. Schlundblättchen von Anthophora hirsuta. 
f, Flaschenbürsten-ähnlicher innerer Theil des Sekretionskanälchens. 


Tafel VI. 


Fig. Aa. Drüsensack von System Il von Apis mellifica 8. 
z, Zellschicht; 
p, Propria; 
i, Intima. 
Fig. 4b. Derselbe zusammengesunken. /, Einsenkungen. 
Fig. 2. a, Fettzelle von System II von Apis mellifica 3. 
f, centraler Theil mit Fetttröpfchen ; 
p, peripherischer Theil; 
k, isolirte Kerne solcher Zellen. 
Fig. 3. System II von Megachile centuncularis ©. 
d, Sack; 
f, hinterer Zipfel desselben ; 
v, Schläuche desselben. 
g. 4. Reservoir von System Ill von Apis mellifica &. 
R, Reservoir; 
p, Propria; 
s, Ausfuhrkanal; 
au, äußerer 
in, innerer 
Fig. 5. Stück von System III von Apis mellifica &. 
c, Intimakanal; 
m, Schlauch, in welchem die Zerklüftung des Plasma begonnen hat; 
n, Schlauch, von dem die Propria mit der ihr anhängenden Plasmamasse 
abgerissen ist; 
a, Schlauch, welcher das Abheben der Zellschicht vom Intimakanal zeigt; ” 
9, Nerv. | 
Fig. 6. Reservoir von System III von Apis mellifica ©. 
Fig. 7. Vereinigungsstück der Ausfuhrkanäle von System II und III von Bom- 
bus terrestris d. 
a, von oben 
b, von unten 
m, Hauptausfuhrkanal ; 
sı und s9, Specialkanal von System II; 
h, und ho, Specialkanal von System III; 
w, Fortsetzung der leizteren in das 
En, Verbindungsstück ; 


o, obere 
' Ausbuchtung desselben ; 


Fi 


Hauptast der Drüse. 


' gesehen; 


u, untere 
z, Zellschicht 
sp, Anfang des Spiralfadens. 
Fig. 8. a, gemeinsamer Ausführungskanal von System II und III von Megachile 
centuncularis 9; 
b und c, Querschnitte desselben ; 
d, die Einmündungsstelle von System II von der Seite gesehen; 
m, Specialkanäle dieses Systems; 
k, Specialkanäle von System III. 
Fig. 9. Acini des Systems IlI von Hylaeus. 
a, mit Kalilauge behandelt; 
b und c, im frischen Zustande; 
t, Intimakanal ; 
f, Seitenzweige desselben; 


Über das Herkommen des Futtersaftes und die Speicheldrüsen der Biene etc. 133 


n, Zellenzwischenraum, welcher keinen Seitenzweig erhält; 
s, Acinus, in welchem eine frühzeitige Gabelung des Intimakanales ein- 
tritt. 
Fig. 40. Acini von System III von Anthophora hirsuta. 
a, im frischen Zustande; 
z, Central- 
k, randständige 
b, Acinus, welcher längere Zeit in der Untersuchungsflüssigkeit gelegen 
hat. 
Fig. 14. Zwei Acini von System III von Colletes sucecincta. 
s, Acinus mit starker Kalilauge behandelt; 
ir, Sekrettropfen ; 
m, Intima; 
I, Längsfalten derselben; 
a, Acinus mit Alkohol und Nelkenöl behandelt; 
i, Intimasack; 
z, Zellenbeleg desselben. 
Fig. 12. Stück eines Bienenkopfes von oben mit abgespreiztem Oberkiefer; 
h ae Theil der Gelenkhaut; 
a, Ansatzstelle derselben an den Kopf; 
o, Mündung von System IV. 
Fig. 43. Oberkiefer mit System IV von Apis mellifica 8. 
s, Drüsensack ; 
y, sattelförmige Einbuchtung; 
o, oberer 
u, unterer 
f, Stiel ; 
ip, innere Lippe der Mündung; 
dr, Drüsenzellenschicht ; 
se, Sekrettropfen. 
Fig. 44. Gruppe von mündenden Sekretionskanälchen (c). z, der Intima an- 
liegende Zellschicht. 
Fig. 15. Gruppe von Drüsenzellen von System IV. Apis mellifica 8. Von der 
Intima aus gesehen. 
n, Kerne; 
nn, Kernkörperchen; 
i, Intercellularräume; 
k, Kerne der der Intima anliegenden Zellschicht. 
Fig. 416. Oberkiefer von Apis mellifica $ mit Drüsensack z. 
lip, innere Lippe der Öffnung. 
Fig. 47. Oberkieferdrüse von Apis mellifica 5. 
dr, Drüsenzelle; 
z, der Intima anliegende zarte Zellschicht; 
c, Sekretionskanälchen ohne Lumen; 
cı, dessgleichen, noch mit Lumen versehen ; 
k, opaker Körper. 
Fig. 18. System IV von Bombus terrestris Q. 
dr, Drüsenzellen ; 
- ap, hinteres Ende des Sackes. 
Fig, 19. Dieselbe Drüse von Anthophora retusa. 
dr, Drüsenzellen ; 
ch, der Intima anliegende Zellschicht; 
gl, Glomerulus des Sekretionskanälchens. 
Fig. 20. Einzelne Zelle der vorigen Drüse. 
i, Intima ; 
gl, Glomerulus des Sekretionskanälchens c; 
f, der innerhalb der Zelle verlaufende flaschenbürstenartige Theil des- 
selben. 
Fig. 24. Längsschnitt durch die Zungenwurzel einer Puppe von Bombus sil- 
vestris d. 


Zellen; 


\ Drüsenlappen; 


134 Paulus Schiemenz, 


m, Mundstück des gemeinsamen Ausführungskanales von System II 
und Ill. 

a, Ansatz des erwähnten Kanales; 

o, obere verschließende Lippe; 

h, hügelförmige Erhebung der Intima, welche von den Sekretionskanäl- 
chen der Drüsenzellen dr durchbohrt wird; 

z, Zunge; 

n, Nebenzunge. 


Tafel VII. 
Fig. 4. Larvale Spinndrüse von Apis mellifica. 
i, Intima; 
z, Zellschicht; 
p, Propria; 


v, Vereinigungsstelle der beiderseitigen Drüsenschläuche; 
e, reservoirähnliche Erweiterung; 
g, Grenze zwischen beiden Theilen des Drüsenschlauches; 
s, drüsiger Theil desselben. 
. Fig. 2. Querschnitt durch den drüsigen Theil. 
s, centrales Sekret; 
sj, wandständiges Sekret. 
Die andere Bezeichnung wie Fig. 4. 
Fig. 3—5 stellen weiterin der Histolyse vorgerückte Stadien derselben Drüse dar. 
st, peripherische Strahlen des in Auflösung begriffenen Sekretes. 
Fig. 6. Durchschnitt durch den neu gebildeten Ausfuhrkanal des Systems II 
und Ill. 
k, histolytische (?) Produkte. 
Fig. 7. Querschnitt durch die erste Anlage des System I von Apis mellifica. 
z, Zellschicht ; 
p, Propria ; 
i, alte Intima; 
s, Anlage der Drüse. 
Fig. 8. Längsschnitt durch dasselbe System in einem weiter entwickelten 
Stadium. 
i, alte 
ij, neue 
p, Propria; 
ac, Anlage der Acini. 
Fig. 9 stellt ein noch entwickelteres Stadium dar. 
ch, Zellschicht, welche dem Sammelkanal aufgelagert bleibt. 
Fig. 410, Querschnitt durch einen Acinus dieses Stadiums. 
c, Sekretionskanälchen. 
Fig. 44. Schnitt durch die Oberkieferdrüse einer Puppe von Apis mellifica 8. 
Bezeichnung wie in den früheren Figuren. 
Fig. 12. Theil eines Schlauches von System III von Apis mellifica. 
n, Nerv; 
br, Brücke; 
f, häutige Fasern ; 
! und },, Fäserchen ohne Lumen. 
Fig. 13. Schema zur Bildung der Brücken. 
lam. p, Propriaduplikatur; 
k, Kerne, zu der tiefer liegenden Zellschicht gehörig. 
Fig. 44 wie Fig. 43. 
f, Durchbrechung der Propriaduplikatur. 
Fig. 45 wie Fig. 43. 
br, Brücke; 
k, Zellfortsätze in derselben. 
Fig. 16. Schema zu Fig. 12. 
Fig. 47. Theil eines Durchschnittes durch System 1V einer Puppe von Bombus 
silvestris S. 


Intima; 


Über das Herkommen des Futtersaftes und die Speicheldrüsen der Biene etc. 135 


bl, Blutzellen; 
r, Lücken zwischen den Drüsenzellen, fin Fig. i4 entsprechend; 
k, wie Fig. 43; 
in, Zwischenräume zwischen den Zellen, wohl entstanden durch die Här- 
tung, überdeckt von der Propria; 
ir, Trachee. 
Fig. 48. Längsschnitt durch den gemeinsamen Ausfuhrkanal von System II 
und III bei einer weißen Puppe. 
k, Zerfallsprodukte (?); kr, Krystalle, w, erste Anlage von System II. 
Fig. 49 und 20. Borsten des Fühlers von Apis mellifica. 
Fig. 24. Tastborsten. 
Fig. 22. Große Geruchsgrube mit Nerv. 
s, Verschlussmembran; /, Schlauch; n, Nerv. 
Fig. 23. Große Grube und Tastborste von oben gesehen, 
s, Verschlussmembran ; s;, Lumen der Tastborste; i, i,, m, a, aı, Ringe; 
c, Cuticula des Fühlers. 
Fig. 24. Stark vergrößerter Durchschnitt durch eine große Geruchsgrube. 
i und a, Verdünnungen der Cuticula; 
m, Falte derselben. 
Fig. 25. Durchschnitt durch eine Tastborste. 
i, Falte 
a, Verdünnung 
s, Lumen der Borste. 
Fig. 26. Tastkegel. 
Fig. 27. Kleine Geruchsgrube mit Nerv im Längsschnitt. 
Fig. 28. Schema zur Veranschaulichung der Vertheilung der Perceptionsorgane 
auf einem Fühlergliede. 


| der Cuticula; 


Die Entwicklung der rothen Blutkörperchen. 


Gefertigt im pathologischen Institute zu Göttingen. 
Von 


Dr. med. W. Feuerstack. 


Mit 6 Holzscehnitten. 


Die Kenntnis von der Entwicklung der rothen Blutkörperchen bei 
Säugethieren erstreckte sich bis in die Mitte unseres Jahrhunderts nur 
auf einige Hypothesen, welche aus den Studien des Blutes, namentlich 
des Frosches oder anderer niederer Wirbelthiere und aus den Erfahrun- 
gen der Embryologen gewonnen waren. So sagt Reıcaerr in Jahre 1857 
in seinen »Beobachtungen über die ersten Blutgefäße und deren Bildung, 
so wie über die Bewegung des Blutes bei Fischembryonen« p.36: »Nach 
dem gegenwärtigen Stande unserer Erfahrungen sprechen die meisten 
Gründe dafür, dass die weißen Blutkörper zum Ersatz verloren gegange- 
ner rother Blutzellen verwendet werden, und dass diese wiederum in 
den Lymphdrüsen ihren Bildungsherd besitzen.« 

Wenngleich nun diese Ansicht von den meisten Forschern getheilt 
wurde, so wurden doch schon früher über die Entwicklung der Blutzellen, 
namentlich der Säugethiere, andere Hypothesen aufgestellt. Donnt glaubte, 
die weißen Blutkörper entständen durch Zusammenlagerung der Chylus- 
körnchen, ZımmErMAnN ließ die rothen Blutkörper sich aus kleinen gefärb- 
ten Körnchen zusammensetzen. Nach dem Vorgang von Nasse und ARNOLD, 
deren Übergangsformen von den weißen zu den rothen Blutzellen nur 
von Wenigen anerkannt wurden, ist der Erste, welcher mit Entschieden- 
heit und durch thatsächliche Untersuchung am Säugethierblute die Ent- 
stehung der rothen aus den farblosen Elementen vertritt, W. Erg (Vırch. 
Arch. Bd. 34) (KöLLıkgr war zu einem sicheren Resultate nicht gekom- 
men. Zeitschrift für rat. Med. 1846. IV). Ers hält körnchenhaltige große 
rothe Blutzellen für Übergangsformen von den weißen zu den rothen. Zu 
dieser Ansicht kommt er durch die Untersuchung theils an Thieren, bei 
denen durch Blutentziehung und Hunger einerseits Verluste, andererseits 
Vermehrung der Übergangsformen erzielt wurde, theils an anämischen 


Die Entwicklung der rothen Blutkörperchen. 137 


Menschen. Er ist auch der Erste, welcher den Befund kernhaltiger rother 
Zellen im Blute von Kaninchen und Menschen veröffentlicht (p. 179 *). 

Die Priorität für den Nachweis kernhaltiger rother Blutkörperchen 
beim Menschen im extra-uterinen Leben als Zwischenformen zwischen 
weißen und rothen Zellen nimmt indess Kress in Anspruch (Viren. Arch. 
Bd.38. p.179). Derselbe liefert auch eine genaue Beschreibung der kern- 
haltigen rothen Blutzellen und kommt zu dem Resultat: »Die kleinen 
weißen Blutkörper wachsen im Blute bis zu einer gewissen Größe, dann 
wandelt sich unter Umständen ihre peripherische Schicht in Hämoglobin 
um, diese Veränderung schreitet nach innen fort, unter Theilung des 
Protoplasmarestes und des bis zuletzt übrigbleibenden lappig getheilten 
Kernes.« Diese Befunde rother kernhaltiger Zellen erstreckten sich also 
auf das ım Kreislauf befindliche Blut, und selbstverständlich wurde die 
Entwicklung derselben in den Kreislauf verlegt, bis im Jahre 1868 E. Nzu- 
MANN (Berl. klin. Wochenschr. 1868 Nr. 40. Königsb. Ges. Archiv der 
Heilkunde 1869. X. Jahrg.) und G. Bızzozzero (Gazz. med. Ital. Lombard. 
1868 No. 46, 1869 Nr. 24) fast gleichzeitig im Knochenmark rothe kern- 
haltige Zellen fanden. Beide verlegen zwar die Umwandlung der farb- 
losen Zellen auch in die Blutbahn, lokalisiren dieselbe aber in den Knochen- 
höhlen, wo eine Stromverlangsamung stattfindet. Das Knochenmark wird 
als ein Organ der Blutbildung in Anspruch genommen (E. Neumann 187%. 
Arch. der Heilkunde. V und VI). Aus demselben sollen farblose Elemente 
fortwährend in die Gefäße einwandern. Nachdem in neuester Zeit auch 
CounBEım den Befund von kernhaltigen rothen Zellen im Knochenmarke an 
einem Falle von perniciöser Anämie gemacht (Viren. Arch. Bd. 68) und auf 
die Jymphoide Veränderung des Markes hingewiesen hatte, beschäftigten 
sich namentlich Orru und Lıtten eingehender mit den Veränderungen des 
Markes bei anämischen Individuen (Berliner klin. Wochenschrift 1878. 
Nr. 51). Sie kommen zu dem Resultate, dass bereits gebildetes Fettmark 
sich wieder in lymphoides Mark umbilden kann, ferner alle Krankheiten, 
welche zum Marasmus führen, am regelmäßigsten von dieser Affektion 
des Markes begleitet sind. Dieser Befund wurde bestätigt durch das 
Experiment. 

Es wurden verschiedenen erwachsenen Hunden, welche normal 
Fettmark in den Röhrenknochen führen, große Blutentziehungen gemacht; 
der Sektionsbefund ergab regelmäßig rothes Iymphoides Mark. Bis dahin 
hatte man unentschieden gelassen, wie die Verwandlung der kernhaltigen 
rothen Blutkörper in die gewöhnlichen kernlosen rothen vor sich gehe. 
Zwar wiesen OrTH und Lırren auf große runde Blutkörper hin, indess 
lassen sie es unentschieden, ob der Kern der kernhaltigen rothen Zellen 
aus dem Zellenleibe austrete, oder ob er allmählich zerfalle (Orrn, Normale 


138 W, Feuerstack, 


Hist. Berlin 1878. p. 102). Nun trat vor Kurzem Rınprreısch (» Über 
Knochenmark und Blutbildung«) auf und wies Übergangsformen von den 
gekernten zu den ungekernten rothen Blutkörpern nach. Dieselben sind 
meist glockenförmig, die offene Seite der Glocke ist die Austrittsstelle des 
Kernes. Nach Injektion und Ausspritzung der Markgefäße kommt Rınp- 
FLEISCH zu dem Resultate, dass im Knochenmark selbst die Bildung seiner 
»Hämatoblasten« vor sich gehe. Diese nun in sich abgeschlossene Ansicht 
über die Betheiligung des Knochenmarkes und die Bildung rother Blut- 
körperchen wird durch vielfache Befunde bei Anämischen bis in die 
neueste Zeit bestätigt (G. Hruck, Vıren. Arch. Bd. 78. Heft 3) etc. etc. 
Gleichwohl ist sie keineswegs allgemein anerkannt. 

Zunächst stellte A. BorTTcHer (Viren. Arch. Bd. 36) nach dem Befunde, 
welchen er aus der Veränderung rother Blutkörperchen in Folge Einwir- 
kens von Essigsäure und Chloroform gemacht hatte, die Ansicht auf, dass 
sämmtliche rothe Blutkörperchen einen Kern besäßen und direkt aus den 
weißen hervorgingen, eine Ansicht, welche nicht großen Anklang fand, 
namentlich später von AL. Scunmipt, von F. SCHWEIGGER-SEIDEL und von 
Dr. v. Brunn (Arch. für mikr. Anat. Bd. XIV) bekämpft wurde, indess von 
Ar. Branpr (Arch. für mikr. Anat. Bd. XIIl) eifrig vertreten wurde. 

Ferner finden wir die von Ar. Scnmipr (Prrüser's Arch. IX. p. 353) 
als Übergangsformen vertretenen »Körnerkugeln«, welche auch G. Semmer 
(Dissert. Med. Dorp. 1874) namentlich für das Säugethierblut bestätigt. 
Verfasser finden Zellen von farblosem Protoplasma und Kern angefüllt 
mit zahlreichen rothen Körperchen, welche auf Zusatz von CO2, verdünn- 
ter Essigsäure etc. schwinden und den Kern färben; der Leib der Zelle 
bleibt hyalin. 

Hierher gehören auch die Versuche von RECKLINGHAUSEN’S, der im 
Froschblut, welches er in Porzellanschälchen unter Zuführung frischer 
Luft gebracht hatte, aus den zu Boden gefallenen Blutkörpern stark kon- 
traktile farblose Zellen, und aus diesen rothe Blutkörperchen sich-ent- 
wickeln sah (Arch. für mikr. Anat. Bd. I. p. 137), Versuche, welche 
später SCHKLAREWSKY bestätigte. 

Aus diesen sämmtlichen Theorien geht das Bestreben hervor, die 
Entwicklung der rothen Blutkörperchen aus den weißen herzuleiten. 

Dieser Richtung steht eine andere gegenüber, welche namentlich von 
zwei Franzosen vertreten wird, von Hayem und PoucHEr. Die französische 
Richtung sucht die Entwicklung der rothen Blutkörperchen als unab- 
hängig von den weißen Blutkörperchen hinzustellen. G. Hıyem (Gaz. 
med. 1877 Nr. 47 und 1878 Nr. 2 und 4) findet im Blute der Wirbel- 
thiere neben roihen und weißen Blutzellen, letzteren sehr ähnliche, 
welche er Hämatoblasten nennt. Dieselben besitzen einen Kern (Gaz. 


Die Entwicklung der rothen Blutkörperchen. 139 


med. 1877 Nr. 47. p. 578) und werden folgendermaßen beschrieben: 
Les elements (hematoblastes) en question se presentent sous la forme de 
corpuscules päles, grisätres, a peine granuleux, ayant ä peu pres le volume 
des globules blancs petits ou moyens. Ils sont le plus souvent fusiformes, 
quelques-uns sont ovoides; mais, en gen6ral d’un ovoide plus allonge, 
que celui des globules rouges; les plus petits et, en general, les moins 
nombreux sont arrondis et d’un diametre inferieur ä celui des plus petits 
globules blancs ; aus ihnen entwickeln sich die rothen Elemente, indem 
sie eine gewisse Zahl Zwischenstufen durchschreiten. Dieselben kann 
man nach großen Blutverlusten am besten beobachten. Der Hämatoblast 
nimmt mehr oder weniger Hämoglobin auf, wird spindelförmig, dann 
rund und nähert sich der Form der rothen Blutkörperchen. Indess ist 
festzuhalten, dass die rothen Blutkörperchen von einem Elemente her- 
kommen, das von den ersten Phasen der Entwicklung an verschieden 
ist von den weißen Blutkörperchen. 

Während Hayzn seine Hämatoblasten aus dem Protoplasma der farb- 
losen Lympbhzellen entstehen lässt, hat Poucu£t (Gaz. med. de Paris 1878 
Nr. III, XI, XXVI) eine eigene Entwicklungsreihe der Blutkörperchen auf- 
gestellt, als deren erstes Glied sein »Leucocyte type « figurirt. Derselbe 
hat einen runden Kern mit einem Kernkörperchen und einen reducirten 
cellulären Körper. Derselbe kann sich nach zwei Richtungen entwickeln, 
a) zum rothen, b) zum weißen Blutkörperchen. In beiden Fällen tritt 
zunächst Vervielfältigung des Kernkörperchens, dann Furchung ein. Hier 
kann der Process aufbören, eine Theilung tritt nicht ein, und es ent- 
wickeln sich die Körper durch Anlagerung von zunächst hyalinen Schei- 
ben an den Enden des Durchmessers zu den rothen Blutkörperchen. 
Das sind also die Hämatoblasten Hayerm’s. Entwickelt sich indess der pri- 
märe Leukocyt weiter, so entsteht erst ein wurstförmiger Kern, welcher 
sich schließlich in mehrere Kerne mit Kernkörperchen theilt und so die 
Quelle von neuen primären Leukocyten wird. Im Knochenmark konnte 
Poucaer bis vor Kurzem keine Veränderung nach großen Blutentziehun- 
gen konstatiren. Die in neuerer Zeit (Gaz. med. de Paris 1879. XIV) zuge- 
standene Hämoglobinfärbung der Iymphoiden Zellen ist ein Vorgang, 
welcher mit der Blutbildung nichts gemein hat. Die Enistehung der 
rothen Blutzellen aus den Donnt’schen Körperchen scheint ihm jetzt 
zweifellos zu sein, fraglich indess, ob dieselben von den Leukocyten 
herstammen (Gaz. med. de Paris 1879. XIV). 

Außer den bisher erwähnten Forschern haben Btcnamp und EsTor 
(Gompt. rend. LXX. p. 265) eine besondere Ansicht über die Entstehung 
rother Blutkörper. Sie halten dieselben für ein Aggregat mikroskopischer 
Organismen. Schließlich sei noch N. Wıssozey’s (Archiv für mikr. Anat. 


140 W. Feuerstack, 


Bd. XII) Erwähnung gethan, welcher das Eosin als ein specifisches Rea- 
gens auf Hämoglobin hinstellt und an Säugethier- und Hühnerembryonen 
Untersuchungen macht. Auch er nennt die der Form gewöhnlicher Blut- 
zellen voraufgehende Zellenform Hämoblast, bezeichnet aber damit mit 
Kernen versehene amöboide Gebilde ohne bestimmte Begrenzung, aus 
deren Strängen die embryonalen Blutzellen, d. h. rothe und weiße, wie 
mit einem Locheisen herausgeschlagen, sich frei machen. Die Unter- 
scheidung, ob diese frei gewordenen Stücke rothe oder weiße Blutkörper- 
chen sind, geschieht durch die Färbung mit Eosin, die weißen färben sich 
nicht damit. Er wendet sich ausdrücklich gegen Ers, der den Ursprung 
der rothen Blutkörperchen ausschließlich in die weißen Zellen verlegt. 

Erwähnen will ich außerdem noch, dass verschiedene Autoren die 
Bildung der rothen Blutkörperchen auch aus anderen Zellen und in an- 
deren Geweben vor sich gehen lassen, doch betrifft das mehr oder weni- 
ger stets pathologische Verhältnisse; so nimmt HEITLErR (Wiener med. 
Jahrbücher 1874) eine Entstehung der Blutkörperchen in Alveolarepithel- 
zellen an, ScHärer (Proceed. of the Royal. Soc. 1874 Nr. 144) in Zellen 
des subcutanen Zellgewebes der Ratten, Krıcnton lässt Sarkomzellen 
eine Umwandlung in Blutkörperchen erfahren. Hervorgehoben zu wer- 
den verdient ferner, dass STRIcker (Vorlesungen der allgem. und experi- 
mentellen Pathologie 1878) in der entzündeten Cornea und HEıTzmann in 
dem entzündeiten Muskel und in der entzündeten Sehne rothe Blut- 
körperchen entstehen lassen. 

Da ich mich im Wesentlichen auf die Untersuchung des normalen 
Blutbildungsprocesses beschränken wollte, so glaubte ich die Resultate 
der zuletzt erwähnten Forscher in meinen vorliegenden Untersuchungen 
weniger berücksichtigen zu müssen. 

Von dem Stand der Ansichten über den normalen Blutbildungspro- 
cess gewann ich daher bei Beginn meiner Experimente folgende Übersicht: 

Man hatte zunächst ohne genauere Untersuchungen die Theorie auf- 
gestellt, dass die rothen Blutzellen aus den farblosen entständen. Dem 
gegenüber ließen namentlich ArnoLp und ZIMMERMAnN die rothen Blut- 
körperchen durch Zusammenlagerung kleiner Partikel sich bilden. Dar- 
auf wiesen Nasse, ArnoLp und Ers in granulirten rothen Blutkörperchen 
und Kızss in kernhaltigen rothen Blutkörperchen Übergangsformen zu 
den weißen nach. Ihnen schlossen sich namentlich Neumann und Bızzoz- 
ZERO an, welche die kernhaltigen rothen Blutkörperchen im Knochenmark 
nachweisen und das Knochenmark als Sitz der Blutbildung annehmen. 
Über die Entstehung der rothen Blutkörperchen der Säugethiere aus 
diesen kernhaltigen Zellen theilten sich die Ansichten, während auf einer 
Seite, namentlich von Orra, es unentschieden gelassen wurde, ob der 


Die Entwicklung der rothen Blutkörperchen. 14 


Kern zerfalle oder austrete, wies RınprLeısch Übergangsformen von 
seinen Hämatoblasten zu rothen Blutkörperchen nach.. 

Für sich alleinstehend waren die von Scumipr und Srumer nachge- 
wiesenen Körnerkugeln als Übergangsformen. Alle diese Untersuchungen 
betrafen ausschließlich das Blut der Säugethiere. Von den Untersuchern 
des Blutes der Thiere mit kernhaltigen rothen Blutkörperchen waren 
V. RECKLINGHAUSEN und SCHLAREWSKI für die Entstehung der rothen Blut- 
körperchen aus farblosen Zellen, Hayzm dagegen für selbständige Ent- 
wicklung derselben eingetreten, während PoucHher und Wiıssozky eine 
vermittelnde Stelle einnahmen. Von den noch während und nach meinen 
Untersuchungen erschienenen Arbeiten traten Korn (Königsberger Disser- 
tationen 1884), Osrastzow (Centralblatt für die med. Wissenschaften 1879 
Nr. 24), Renaut (Archiv de physiol. norm. et pathol. 1881. No. 5) und 
MaArassez (Archiv de physiol. norm. et pathol. 2. Ser. 9. 1882. p. 1) für 
Entstehung der rothen Blutkörperchen aus weißen Blutzellen ein, wäh- 
rend Bızzozzero (Gentralblatt für die med. Wissenschaften 1881 Nr. 8) in 
seiner neuesten Arbeit eine von farblosen Blutzellen unabhängige Ver- 
mehrung der rothen Blutzellen durch Theilung derselben annimmt. 

Ehe ich zu der eigentlichen Behandlung des Themas übergehe, möchte 
ich noch darauf hinweisen, dass die Bezeichnung Hämatoblast und Hämo- 
blast von verschiedenen Forschern verschiedenen Blutelementen bei- 
gelegt ist. 

Hayrm bezeichnet damit kleine farblose Zellen, welche sich zu rothen 
entwickeln sollen, Wıssozky unbegrenzte Zellgebilde, aus denen rothe 

‚wie weiße durch Abtheilung entstehen, RınprLeisc# endlich gefärbte 
Zellen, welche Übergangsstufen zwischen rothen und farblosen Zellen 
darstellen. Ich werde mich in meiner Arbeit dem Gebrauche Rınn- 
FLEISCH's anschließen und nur solche gefärbte Elemente, welche ich 
für Übergangsstufen von farblosen zu rothen Blutkörperchen halte, 
Hämatoblasten nennen. 

‚Die große Verschiedenheit der Untersuchungsresultate weist von 
selbst auf die Schwierigkeiten hin, mit welchen der Beobachter bei den 
Blutuntersuchungen zu kämpfen hat. Es ist nämlich unmöglich, die Blut- 

 körperchen innerhalb der Gefäßbahnen genauer zu untersuchen. Der 
Kreislauf ist einerseits zu schnell, andererseits sind die Präparate, welche 
einen Körpertheil, z. B. das Mesenterium eines lebenden Frosches ent- 
halten, zu dick und gestatten nicht die genügenden Vergrößerungen an- 
zuwenden. Man muss also, um feinere Untersuchungen anzustellen, das 
Blut aus den Gefäßen entfernen und die isolirten Körperchen betrachten. 
Man suspendirt die Blutkörperchen entweder in dem Blutplasma, oder in 
Serum, oder in 3/,°/,iger Kochsalzlösung, denn jede andere bekannte 


142 W. Feuerstack, 


Flüssigkeit bringt die rothen Blutkörperchen im frischen Zustande zum 
Quellen, zum Entfärben oder zur Bildung von Granulationen. Ich habe 
daher fast alle meine Untersuchungen an frischen Präparaten gemacht, 
welche in Kochsalzlösung (3/,%/,) gebracht waren. Als Reagens be- 
diente ich mich meist der Essigsäure (10/,), selten der Kalilauge (1/,). 
Bei Zählungen wendete ich meist Harrnack 3/7 an und suchte Gesichts- 
felder, wo eine Schicht Zelle an Zelle gelagerter Blutkörperchen sich befand. 

Die Behandlung frischen Blutes mit Osmiumsäure oder MüLzer’scher 
Flüssigkeit erhält dieselben zwar auch in ihrer Form, indess ist sie doch 
ungeeignet zu feineren Untersuchungen. Es kommt nämlich namentlich 
bei kernhaltigen rothen Blutzellen oft darauf an, auch die geringste Fär- 
bung der Zellen zu konstatiren und selbstverständlich macht das die an 
und für sich gelb gefärbte MüLzer’sche Flüssigkeit unmöglich, doch auch 
die Osmiumsäure verwischt die feinen Farbenunterschiede. Nach der 
zuletzt erwähnten Wiıssozky’schen Arbeit glaubte ich eine specifische 
Färbung der hämoglobinhaltigen Theile durch Eosin kennen zu lernen, 
was die Blutuntersuchungen zweifellos erleichtert hätte. Ich habe mir 
Mühe gegeben diese Färbung für meine Untersuchungen zu verwerthen. 
Allein es ist schon schwer, die Färbung einzelner Zellen unter dem Deck- 
gläschen zu beobachten, vollends aber, wenn man das Alkohol enthal- 
tende Reagens anwendet, wodurch zahllose Gerinnsel entstehen, welche 
die Untersuchung ohne Auswaschen des Präparates unmöglich machen. 
Vor Allem aber konnte ich mich nicht davon überzeugen, dass nament- 
lich bei Doppelfärbung (mit Hämatoxylin) die »bell-lilarosarothe« Färbung 
nur dem hämoglobinhaltigen Protoplasma zukam. Ich habe daher fast 
alle meine Untersuchungen an frischen Präparaten gemacht, welche in 
Kochsalzlösung (?/,%/,) gebracht waren. 

Die im Knochenmark jugendlicher Säugethiere und anämischer Per- 
sonen sich findenden hämoglobinhaltigen, mit Kern versehenen Zellen 
legten mir die Frage nahe, in welchem Verhältnis wohl die kernhaltigen 
rothen Zellen bei Säugethieren zu den gekernten der anderen Wirbel- 
tiere stehen möchten. Ich machte mich daher zuerst an die Untersuchung 
des Blutes der Vögel und zwar der Tauben, weil dieses seines Wärme- 
gehaltes wegen dem Blute des Menschen näher zu stehen schien, als das 
der Fische und Amphibien. 

Im Ganzen untersuchte ich das Blut von einigen Dutzend Fröschen 
und Tritonen, neun Aalen, zwei Plötzen, elf Tauben, zwei Dohlen und 
einer Blindschleiche. Daneben erstreckten sich meine Versuche auf eine 
beträchtliche Anzahl Ratten, Kaninchen, Meerschweinchen, Hunde und 
Katzen. Durch systematische Blutentziehungen suchte ich die Blutbil- 
dung bei Thieren mit kernhaltigen rothen Blutkörperchen zu beschleu- 


Die Entwicklung der rothen Blutkörperchen. 143 


nigen und den Blutbildungsvorgang zu ermitteln. Gleichzeitig machte ich 
Blutentziehungen bei Säugethieren, um Vergleiche anstellen zu können. 
Selbstverständlich richtete ich mein Augenmerk bei den Untersuchungen 
auch auf die Organe, welche als Blutbildungsorgane in Anspruch ge- 
nommen werden, namentlich die Milz und das Knochenmark. 

Ich entfernte daher die Milz einzelner Thiere durch Operation, 
welche, wie ich gleich hier erwähnen will, meist gut vertragen wurde, 
und machte nach vollzogener Heilung, um die Betheiligung der Milz an 
der Blutbildung zu eruiren, namentlich bei Säugeihieren fast stets 
Parallelversuche an normalen und an entmilzten Thieren. Bei Säuge- 
thieren ist mir die Entfernung der Milz sehr leicht geworden, ich habe 
daher das Blut entmilzter Kaninchen, Hunde, Ratten und Katzen unter- 
sucht, eben so habe ich Frösche, Tritonen und Aale entmilzt und auch 
hier Blutentziehungen bewerkstelligt, so weit es die Verhältnisse irgend 
gestatteten. 

Um die Betheiligung des Knochenmarkes kennen zu lernen, wandte 
ich mich, da die Blutbildung bei den Thieren mit kernhaltigen, rothen 
Blutkörperchen specifische Unterschiede nicht aufzuweisen schien, zur 
Untersuchung des Blutes solcher Thiere, welche im Verhältnis zur 
Masse ihres Körpers nur ein Minimum Knochenmark besitzen, der Fische. 
Die Knochen dieser Thiere sind zum großen Theil durch Ossifikation von 
Bindegewebe entstanden, wie ein Theil der Schädelknochen, die Wirbel- 
körper, zum Theil auch die verschiedenen Fortsätze derselben und die 
Flossenstrahlen. Die übrigen Knochen sind von spongiöser Beschaffen- 
heit und enthalten mit Fett gefüllte Markräume (Leypig, Histolog.). Auch 
mehrere dieser beinahe knochenmarklosen Thiere entmilzte ich, wie 
oben erwähnt, und stellte Blutuntersuchungen in regelmäßigen Zwischen- 
pausen an, leider sind systematische Blutentziehungen bei diesen Thieren 
nahezu unmöglich, weil man die Menge des bis zur Trombosirung der 
angeschnittenen Gefäße im Wasser ausfließenden Blutes nicht messen 
kann. Um den normalen beschleunigten Blutbildungsprocess kennen zu 
lernen, kam ich schließlich, zumal da dauernde Anämie bei normalen 
Tbieren hervorzubringen mir nicht gelang, zur Untersuchung des Blutes 
junger Thiere, welche normal die verschiedenen Blutzellen des sich 
schnell bildenden Blutes aufweisen. 

Ich gedenke in der vorliegenden Arbeit indess nicht den Gang 
meiner Untersuchungen einzuhalten, sondern der Übersichtlichkeit 
wegen werde ich in dieser Abhandlung über die Blutbildung bei Thieren 
mit gekernten rothen Blutkörperchen mich auslassen. 

Untersucht man das Blut einer normalen Taube, so findet man fol- 
gende Körper in demselben. I. Gefärbte. Dahin gehören zunächst die 


144 W. Feuerstack, 


gewöhnlichen (Fig. 1 a) langgezogen ellipsoidischen Körper, welche in 
der Mitte des homogenen gelbgrünen Zellenleibes einen von einem weiß- 
lichen Halo umgebenen länglichen Kern besitzen, dessen Längsachse in 
der des Blutkörperchens liegt. Diese Körperchen sind abgeplattet, im 
centralen Theil mehr als im peripherischen; aus dem centralen Theil 
sieht man bei seitlicher Lage der Zelle den Kern hervorstehen. Ihre 
Ausdehnung (Seısert 11/5) beträgt im Mittel 0,043 mm Länge und 
0,008 mm Breite und 0,002 mm Dicke. Dann diesen Zellen sehr ähn- 
liche (Fig. 1 b), mit meist rundem, häufig länglichem stark glänzendem 
granulirtem Kerne und meist weniger langgezogen elliptischem Zellen- 
leibe, als der der gewöhnlichen rothen; häufig sind sie auch weniger 
abgeplattet, oft dunkler gefärbt. Ihre Größe erreicht oft die der gewöhn- 
lichen rothen Blutzellen, der Längsdurchmesser beträgt im Mittel 
0,042 mm und beträgt im Minimum 0,009 mm. Il. Ungefärbte Blutzellen. 
Dahin gehören stark glänzende kugelige Zellen (Fig. 4 f) mit mehr oder 
weniger feinkörniger Granulation, häufig dunkel konturirt; ihr Durch- 
messer ist ungefähr gleich dem kleinen Durchmesser der gewöhnlichen 
rotben Blutzellen, oft kleiner. Im Mittel 0,008 mm, selten bis 0,042 mm. 
Der Kern ist ohne Essigsäurezusatz meist nicht sichtbar, erscheint dann 
aber stark glänzend, häufig umgeben von stark lichtbrechenden Körper- 
chen in rundem hyalinem Zellenleibe ; mitunter sieht man mehrere Kerne. 
Ferner Zellen, welche bedeutend kleiner als die eben beschriebenen, 
0,005 mm im Durchmesser, häufig nur schwach lichtbrechend und fein 
granulirt, Zellenkernen gleichen (Fig. 1 g); ihre Form ist meist unregel- 
mäßig kugelig, oft in die Länge gezogen, birnförmig etc. Auf Zusatz 
von Essigsäure treten ihre Granulationen stärker hervor, ein Kern wird 
nicht sichtbar. Endlich Zellen von hyalinem Protoplasma und verschie- 
dener Größe, meist kleiner als die rothen und größer als die oben be- 
schriebenen farblosen Zellen. Im Mittel 0,012 mm. In der Mitte ein 
mehr oder weniger stark lichtbrechender runder oder länglicher Kern 
(Fig. 1 e), welcher den eben beschriebenen kleinen farblosen Zellen oft 
sehr gleicht. Die Zellen sind meist mehr oder weniger kugelig, oft ab- 
geplattet, der Kern liegt peripherisch oder central. Diese letzteren lassen 
sich leicht verwechseln mit entfärbten rothen Zellen. Setzt man z. B. 
Essigsäure hinzu, so erscheinen die rothen Zellen mehr oder weniger 
kugelig und entfärben sich, der Kern bildet einen Durchmesser. Der 
letztere Umstand lässt sie meist von den rothen Zellen mit rundem Kern 
unterscheiden, obwohl auch diese länglichen Kern besitzen können und 
ohne Essigsäurezusatz mitunter auch schwach gefärbtes Protoplasma be- 
sitzen. Indess wenn letztere entfärbt sind, so lassen sie sich von den 
ursprünglich farblosen Zellen mit hyalinem Leibe kaum unterscheiden. 


Die Entwicklung der rothen Blutkörperchen. 145 


Das Blut der Fische und Amphibien weicht in der Beschaffenheit 
seiner körperlichen Elemente nur wenig von dem eben beschriebenen 
Taubenblute ab. Was die Größe der Zellen anbetrifft, so steht das Fisch- 
blut (Fig. 4) dem Taubenblute am nächsten ; die normalen rothen Blut- 
körperchen der Plötze (Leuciscus erythrophthalmusL.) haben einen Längs- 
durchmesser von 0,043 mm, einen Breitendurchmesser von 0,0066 mm 
im Mittel. Die Größe der farblosen granulirten Zellen ist sehr verschie- 
den, sie schwankt zwischen 0,006 und 0,012 mm. Die Formen mit 
hyalinem Leibe sind häufig sehr klein, bis 0,006 mm, während der Kern 
solcher Zellen eine Größe von 0,004 mm im Durchmesser zeigt. 

Das Blut von Amphibien zeigt außerordentlich große Blutkörper. 
Die normalen Blutkörper von Bombinator igneus und Triton (Fig. 2 und 3) 
haben eine Länge von 0,033—0,039 mm, eine Breite von 0,0498 mm, 
die granulirten farblosen Zellen einen Durchmesser von 0,043 mm im 
Mittel, in seltenen Fällen bis 0,026 mm. Die farblosen Zellen mit hyali- 
nemLeibe sind oft kugelig mit einem Durchmesser von 0,019—0,026mm, 
oft länglich mit einem Längsdurchmesser von 0,026, Breitendurchmesser 
von 0,046 mm. Die Kerne dieser Zellen sind oft sehr groß, ihr Durch- 
messer schwankt zwischen 0,007—0,013 mm. 

Was das Zahlenverhältnis der farblosen zu den gefärbten Zellen an- 
betrifft, so haben Fische und Amphibien gegenüber dem Taubenblute 
stets einen reichlicheren Gehalt an farblosen Blutzellen. Es muss in- 
dess hervorgehoben werden, dass namentlich bei Amphibien die Jahres- 
zeit großen Einfluss auf die Zusammensetzung des Blutes hinsichtlich 
der Zellen hat. Die größten und zahlreichsten farblosen Blutzellen bei 
normalen Thieren fand ich in dem Blute eines im August gefangenen 
Triton, ein analoges Bild erhielt ich von einer Blindschleiche während 
des Winterschlafes. Bei Triton fallen im Blute zahlreiche farblose 
Zellen auf von sehr erheblicher Größe mit außerordentlich großem Kerne, 
wie oben angegeben. Diese Zellen sind im Blute des Frosches, nament- 
lich aber des Aales und vor Allem der Taube sehr selten. Besonders 
interessant wird das Studium des Blutes der Fische und Amphibien in- 
dess namentlich durch Blutzellen, welche zwischen den farblosen und 
gefärbten Zellen zu stehen scheinen und die ich weiter unten als Hämato- 
blasten beschreiben werde. Man findet nämlich im Blute eines Triton 
z. B. im August häufig außerordentlich zahlreiche mehr oder weniger 
intensiv gefärbte Zellen, welche durch ihre kugelige oder abgeplattet 
runde Form (Fig. 2 d) und durch den unverhältnismäßig großen, häufig 
peripher gelegenen Kern sofort an die ungefärbten Zellen mit breitem hya- 
linem Leibe (Fig. 2 g) erinnern. Ist eine solche Zelle sehr schwach ge- 
färbt, so ist es mitunter unmöglich mit Bestimmtheit zu sagen, in welche 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVIII. Bd, 0 


146 W. Feuerstack, 


von beiden Zellenarten sie zu setzen sei. Neben diesen Formen findet 
man im Blute der Amphibien, außerdem in dem Blute der Fische stets, 
und wie ich weiter unten beschreiben werde, auch im Blute der Tauben, 
zahlreiche kugelige Zellen von intensiver Hämoglobinfärbung und nament- 
lich beim Aale (Fig. 4 b) erheblich kleiner als die gewöhnlichen gefärb- 
ten Zellen. Der häufig ohne Essigsäurezusatz nicht sichtbare Kern ist 
meist unverhältnismäßig groß und bläschenförmig (Fig. 4 c, Fig. 3 d «) 
oder stark lichtbrechend granulirt und liegt meist peripherisch. Es sind 
dieses die Zellen, die ich weiter unten als Hämatoblasten auch im Tauben- 
blute beschreiben werde. Namentlich aber sieht man neben den Hämato- 
blasten farblose Blutzellen in großer Anzahl, welche zum Theil an Größe 
und Gestalt den Hämatoblasten sehr nahe stehen. Diese Zellen sind 
auch sehr zahlreich in der Milz dieser Thiere vorhanden, und ich werde 
sie weiter unten schildern. 

Fragen wir nun, ob das Blut aus verschiedenen Theilen des Körpers 
das gleiche mikroskopische Bild ergiebt, so ist hervorzuheben, dass man 
die beschriebenen Körper überall im cirkulirenden Blute findet, dagegen 
das Zahlenverhältnis der verschiedenen Zellen sich in einzelnen Organen 
ändert. 

Betrachten wir ein Präparat von der Milz einer Taube, so finden 
wir neben einzelnen normalen kernhaltigen rothen Blutzellen zunächst 
zahlreiche weiße Blutkörperchen von der verschiedensten Größe. Alle 
oben beschriebenen sind vorhanden, daneben aber auch zahlreiche ge- 
färbte kugelige Formen mit peripherem Kerne von verschiedener Größe 
(Fig. 1 c), von 0,0066—0,009 mm Durchmesser, die kleinsten von der 
Größe der stark granulirten farblosen Zellen. Von den farblosen Zellen 
‚treten kugelige sehr große, von 0,007—0,009 mm Durchmesser, stark 
lichtbrechende mit dunklem Kontur hervor, welche mitunter eine deut- 
liche, wenn auch nur wenig gelbliche Färbung besitzen. Die Froschmilz 
zeigt ein ziemlich analoges Bild, sehr instruktiv sind indess namentlich 
Präparate von der Milz des Aales und des Salamanders. Vorzüglich beim 
Salamander finden sich in der Milz neben den in der Milz der Taube 
gefundenen Körpern sehr große farblose Zellen, welche zunächst als 
amyloid glänzende dunkel konturirte kugelige Ballen von der verschie- 
densten Form imponiren. Während einzelne von ihnen nicht die Spur 
von Färbung zeigen, sind andere sehr deutlich gefärbt (Fig. 2 d), auf Zu- 
satz von Essigsäure zeigen sie einen hyalinen Zellenleib (Fig. 2 d «), der 
meist ovoide oder ovale Form annimmt, und einen häufig in der Mitte 
der Zelle befindlichen Kern, der sich in Folge des Zusatzes von Essig- 
säure eben so wie die Kerne der gewöhnlichen rothen Blutzellen leicht 
gelblich färbt, so dass die Zelle der Form einer entfärbten gewöhnlichen 


Die Entwicklung der rothen Blutkörperchen. 147 


rothen Blutzelle ganz ähnlich wird. Die Milz des Aales zeigt meist die 
eben beschriebenen großen farblosen oder leicht gefärbten Zellen der 
Salamandermilz gar nicht oder selten, dagegen außerordentlich viel kleine 
Blutzellen, sowohl gefärbte wie ungefärbte, von 0,006 mm Durchmesser. 
Die kugeligen gefärbten Zellen haben häufiger dunklen Kontur, wie die 
bei der Taube beschriebenen analogen Elemente, häufiger sind sie auch 
schwach gefärbt (Fig. 4 d) und weniger stark lichtbrechend;; man findet 
sie in allen Größen der farblosen Zellen. Letztere haben sehr häufig 
einen hyalinen Leib und centralen oder peripheren stark lichtbrechen- 
den Kern und sind außerordentlich klein (Fig. 4 f). Ganz analoge For- 
men findet man gefärbt. 

Ich will gleich hier erwähnen, dass man ganz entsprechende Bilder 
wie aus der Milz beim Aal von dem großen Lympbsinus der Niere er- 
hält, vielleicht sind die farblosen Zellen nicht ganz so reichlich, wohl 
aber die kugeligen gefärbten Zellen. 

Das Blut der Leber von Taube, Fisch und Amphibien giebt weniger 
übersichtliche Bilder. Man erkennt auch dort zahlreiche kugelige ge- 
färbte Körper und weiße Blutzellen, letztere enthalten auch hier wie in 
der Milz häufig stark lichtbrechende Granulationen, im Ganzen aber 
zeigt das Blut weniger Abweichungen in seinen körperlichen Elementen 
von dem Blute der großen Arterien, als das Blut der Milz. 

Im Knochenmarke der Taube findet man ebenfalls zahlreiche kuge- 
lige rothe Blutkörperchen; daneben scheinen auch die farblosen Blut- 
zellen vermehrt zu sein, indess ist hier wegen der Knochenmarkszellen 
eine sichere Beurtheilung nicht möglich. Häufiger kommen hier Formen 
vor, welche im mehr oder weniger schwach gefärbten homogenen 
Zellenleibe einen auffallend großen Kern besitzen und den im Blute des 
Triton (siehe.oben) gefundenen Zellen sehr ähnlich sind. — Eine Ver- 
mehrung der farblosen Zellen und Hämatoblasten kann man ferner 
leicht erkennen in dem Blute aus einem Federkiele. Zupft man einer 
Taube eine im Wachsen begriffene starke Feder aus, so kann man 
durch Druck auf den Kiel einen zum Präparate wie geschaffenen 
Tropfen Blut entleeren. Derselbe enthält gegenüber dem Blute aus den 
großen Gefäßen, ebenfalls die farblosen Blutzellen und die kugeligen 
gefärbten Körper in größerer Anzahl. 

Obwohl es nahe liegt, schon nach diesen Befunden Behschtongen 
über diese verschiedenen Zellenformen anzustellen, wollen wir doch, 
ehe wir für die Verschiedenheit der Blutzellen eine Deutung suchen, 
zunächst die Veränderungen des Blutes nach verschiedenen Experimen- 
ten betrachten, welche die Blutbildung beschleunigen. 

Macht man einer Taube eine größere Blutentziehung (6 bis 7 g) 

10* 


148 W., Feuerstack, 


und untersucht ihr Blut am nächsten Tage, so bemerkt man folgende 
Unterschiede: Die farblosen Elemente sind bedeutend vermehrt, die 
gefärbten Zellen mit stark glänzendem meist rundem Kerne nehmen an 
Zahl zu, die ungefärbten Zellen mit hyalinem Leibe nehmen ab. Die 
gefärbten Zellen dagegen mit dunkel granulirtem stark glänzendem 
Kerne sind vermehrt. Dieses Verhältnis bleibt meist noch den nächst- 
folgenden Tag, obwohl schon weniger bemerkbar, um in der nächsten 
Zeit wieder normal zu werden. Ich habe diese Veränderung fast bei 
allen meinen Versuchen gefunden, wie schon Andere vor mir, und be- 
gnüge mich, die Thatsache zu konstatiren. Macht man indess einer 
Taube in kurzer Zeit große Blutentziehungen und bewirkt dadurch 
eine ganz abnorm schnelle Blutbildung, so treten noch andere Ver- 
änderungen ein. Zunächst schwinden dann farblose Zellen mit hyalinem 
Leib fast völlig, alle anderen farblosen Elemente sind indess vermehrt. 
Unter den gefärbten Elementen sind solche mit stark glänzendem Kerne 
und weniger langgezogener ellipsoidischer Zellenform sehr zahlreich; 
sie sind meist schwach gefärbt, vor Allem aber richten kugelige Ele- 
mente von dunklem Glanze, meist dunkel konturirt und mit periphe- 
risch liegendem Kerne unser Augenmerk auf sich (Fig. I c). Dieselben 
haben theilweise die Größe der großen stark lichtbrechenden weißen 
Blutkörperchen, manche sind erheblich kleiner, die meisten sind 
größer, erreichen aber nicht die Größe der rothen Blutkörper (von 
0,006—0,009 mm Durchmesser). Ihr Kern ist meist rund und dunkel 
konturirt, häufig länglich, mitunter kaum sichtbar. Oft ist es sogar 
unmöglich mit den stärksten Vergrößerungen (HarrnAack 3/14) in ihnen 
einen Kern zu entdecken; bisweilen auch ist ihre Form nicht kugelig, 
sondern ellipsoidisch, Gerstenkorn-ähnlich und der kaum sichtbare 
dunkel konturirte Kern verbindet die extremsten Enden. Setzt man 
Essigsäure hinzu, so entfärben sich diese Elemente, welche ich nach 
RınprLeiısch Hämatoblasten nennen will, häufig sehr schwer; zunächst 
tritt der Kern deutlicher hervor, endlich wird der Zellenleib hyalin, 
der Kern, mehr oder weniger stark lichtbrechend, liegt peripherisch und 
ist meist rund, oft länglich. Indess verhalten sich nicht alle Hämato- 
blasten gleich ; einzelne Elemente zeichnen sich durch besonders dunk- 
len Glanz aus, sind rund und sehr dunkel konturirt, ihre Entfärbung 
dauert häufig längere Zeit (Fig. 1 d); schwindet dann plötzlich die gelbe 
Färbung, so erhalten wir ein stark glänzendes dunkel konturirtes und 
mit kleinem hyalinen Zellenleibe versehenes Körperchen, welches sich in 
nichts von den stark glänzenden großen weißen Blutzellen unterscheidet 
(Fig. ide). 

Betrachten wir nun die großen (0,006—0,009 mm Durchmesser) 


Die Entwicklung der rothen Blutkörperchen. 149 


elänzenden weißen Blutkörperchen, so sehen wir einzelne von hervor- 
ragender Größe mit gelbem Glanze, welcher bei Verschiebung des 
Focus durchaus den Eindruck von Hämoglobinfärbung macht. Dennoch 
wiegt bei genauer Einstellung der bläuliche Glanz vor, und man sieht 
deutlich die weißlich granulirte Zelle, in der ein Kern nicht sicht- 
bar ist. Erst ganz allmählich schrumpft in Essigsäure die stark granu- 
lirte Masse ein wenig und macht einen hyalinen Zellenleib sichtbar. 
Außer diesen großen stark lichtbrechenden weißen Blutkörperchen 
kommen größere und kleinere mehr oder weniger stark lichtbrechende 
und granulirte Zellen vor. Neben diesen Körpern finden wir nach 
großen Blutentziehungen häufig noch kleine, kugelige, mitunter etwas 
abgeflachte Zellen, meist mit intensiv dunkelgelbem Glanze und gleich- 
falls dunkel konturirt. Sie sind oft von der Größe der kleinen kernähn- 
lichen weißen Blutkörper, mitunter größer (0,004—0,006 mm Durch- 
messer), mitunter kleiner, zeigen niemals einen Kern und unterscheiden 
sich nur durch die Größe von den kernlos erscheinenden Hämato- 
blasten. 

Weniger deutlich sind die Veränderungen des Blutes nach Blut- 
eniziehungen bei Triton, weil dasselbe so wie so zahlreiche Hämato- 
blasten enthält. Man hat auch hier größere Schwierigkeiten zu 
überwinden, um regelmäßige Blutentziehungen zu ermöglichen, weil 
die Thiere zu klein sind. Am besten verfährt man mit Amputation von 
Schwanzstücken, wodurch ein, wenn auch minimaler Blutverlust ent- 
steht. Bessere Resultate erhält man, wenn man einen Triton lange Zeit, 
vielleicht drei Monate lang, nicht fressen lässt und ihm dann reichlich 
zu fressen giebt. Die Hämatoblasten schwinden auch während der 
Hungerzeit nicht vollständig, indess nehmen sie an Zahl ab, eben so 
die weißen Blutkörperchen. Schon wenige Stunden, nachdem der 
Triton gefressen hat, treten zahlreiche, namentlich kleine kernähnliche, 
weiße Blutkörperchen auf; in etwas späterer Zeit findet man auch 
zahlreiche große weiße Blutkörperchen und Hämatoblasten von ver- 
schiedener Größe. Von den weißen Blutkörperchen fallen wieder solche 
mit amyloid-ähnlichem gelblichen Glanze auf, wie sie oben bei dem 
Präparate von der Milz beschrieben wurden. Ferner nehmen auch 
häufig auftretende mattglänzende Scheiben oder Kugeln unsere Auf- 
merksamkeit in Anspruch, welche keine Spur von Kern oder Granula- 
tion zeigen und meist etwas kleiner sind als die großen weißen Blut- 
zellen, mitunter auch nur die Größe von großen Kernen besitzen. Auf 
Zusatz von Essigsäure werden sie zum Theil granulirt und gleichen 
Kernen, zum Theil zeigen sie einen hyalinen Leib und granulirten Kern. 
Man erkennt in ihnen leicht diejenigen farblosen Blutkörperchen, 


150 W, Feuerstack, 


welche, wie oben beschrieben, in einem weiter entwickelten Stadium 
amyloid-glänzend werden und Hämoglobinfärbung annehmen. Am 
schwierigsten ist es Fischen größere Blutentziehungen zu machen. In- 
dess ist man doch darauf angewiesen, wenn man die Blutbildung be- 
schleunigen will, weil man weniger genau die Nahrungsaufnahme 
überwachen kann, als bei anderen Thieren. Ich benutzte zur Unter- 
suchung Aale, welche ich mit einem Handtuch griff. Dieselben rollen 
sich sofort zusammen und pressen ihren Schwanz fest gegen das Hand- 
tuch. Diesen Augenblick benutzt man, um ein Stück von der Schwanz- 
flosse abzuschneiden, worauf gewöhnlich eine ziemlich erhebliche Blu- 
tung erfolgt. Man ist meist nicht in der Lage die Blutung zu stillen, 
und muss sich eine weitere Blutung im Wasser gefallen lassen. Indess 
verschlägt das in den meisten Fällen nichts. Man findet im Blut nach 
mehreren solchen Blutentziehungen zahlreiche kleine hyaline Zellen 
mit glänzendem Kerne, während auch die anderen weißen Blutzellen 
in allen Größen vermehrt erscheinen. Gleichzeitig treten zahlreiche 
Hämatoblasten auf, viele von sehr geringer Größe und häufig matt 
gefärbt. 

Ich komme nun zu der Erklärung meiner Befunde. Wenn man 
überhaupt aus dem Nebeneinander von Zellenformen, welche zwischen 
zwei anscheinend verschiedenen Zellengruppen Übergangsstufen zu 
bilden scheinen, auf einen Entwicklungsvorgang schließen darf, den 
die eine Zeilengruppe durchmacht, um zur anderen zu werden, so ist 
dieser Schluss zweifellos berechtigt bei dem Befunde der kernhaltigen 
Blutkörperchen. Wir finden in dem Kreislaufe der Thiere mit kern- 
haltigen Blutkörperchen alle möglichen Übergangsformen zwischen 
farblosen und gefärbten Blutkörperchen. Dass es Übergangsformen von 
den weißen zu den gefärbten Zellen sind, erkennt man aus dem Ent- 
wicklungsgang bei forcirter Blutbildung. 

Nachdem dem Körper eine große Menge seiner Blutzellen ge- 
nommen sind, strebt er danach, sie wieder zu ersetzen; dieses ge- 
schieht durch eine beschleunigte Bildung der Blutzellen. Es ist natür- 
lich, dass die Anfangsformen zunächst vermehrt erscheinen, und so 
sehen wir eine Vermehrung der weißen Blutzellen. Offenbar aber wird 
auch die Bildung rother Blutzellen beschleunigt, denn wir sehen bei der 
Taube z. B. Formen mit rundem glänzendem Kern und gefärbtem Leibe 
vermehrt. Dass diese aber den gewöhnlichen rothen Blutkörperchen 
mit länglichem, schwach lichtbrechendem Kerne sehr nahe stehen, sieht 
man an Zwischenformen, bei denen man nur schwer entscheidet, in 
welche Kategorie sie gehören. Wir finden z. B. Zellen mit länglichem 
glänzendem Kern und etwas abgerundeter Form, oder Zellen, welche 


Die Entwicklung der rothen Blutkörperchen. 151 


genau den gewöhnlichen rothen Zellen gleichen mit Ausnahme des 
runden, schwach lichtbrechenden Kernes. Es ist also wohl nicht zu 
bezweifeln, dass, da bei beschleunigter Blutbildung sich die Zellen 
mit rundem, glänzendem Kern vermehren, dieselben als Vorstufen zu 
den gewöhnlichen rothen aufgefasst werden müssen. Woher sie 
‚stammen, ist unschwer zu sehen. Die schon im normalen Leben mit 
den eben besprochenen Formen leicht zu verwechselnden farblosen 
Zellen mit hyalinem Leibe schwinden nach größerem Blutverluste fast 
ganz, dagegen zeigen sich viele der gefärbten Zellen mit rundem Kern 
nur sehr schwach gefärbt, neben solchen mit intensivem Glanze. Aus 
dieser Verminderung kann man schließen, dass die farblosen Elemente 
zur Bildung rother dienen müssen. Die schwach gefärbten sind die 
ersten Formen, denn die Färbung beginnt jedenfalls peripherisch, um 
sich dann nach dem Kern zu fortzusetzen. Setzt man nämlich Essig- 
säure hinzu, so entfärben sich die schwach gefärbten gewöhnlich zu- 
erst, was sie nicht thun würden, wenn die Färbung vom Kern aus 
begönne, auch sieht man nie Formen mit gefärbtem Centrum und hya- 
liner peripherischer Schicht. Die weiter vorgeschrittenen Formen sind 
daher intensiver gefärbt als die im ersten Stadium befindlichen. Es 
ist also anzunehmen, dass die gefärbten, den gewöhnlichen rothen Blut- 
zellen nahestehenden Formen von den farblosen Zellen mit hyalinem 
Leibe und glänzendem Kern ihren Ursprung nehmen. 

Diesen gefärbten Zellen stehen aber unzweifelhaft auch die oben 
bezeichneten kugeligen intensiv gefärbten Hämatoblasten sehr nahe, 
denn es ist sehr leicht, eine Übergangsreihe von den einen zu den 
anderen hinzustellen, so dass man nicht unterscheiden kann, sind die 
weiter entwickelten Formen aus diesen Hämatoblasten oder direkt aus 
den farblosen Zellen mit breitem hyalinem Protoplasmasaum entstanden. 
Wir finden kleine kugelige, stark lichtbrechende, dunkel konturirte gelbe 
Körper, in denen der Kern (Fig. 4 d) kaum zu bemerken; auf Zusatz von 
Essigsäure erscheint der Kern oft unverhältnismäßig groß und periphe- 
risch liegend ; daneben sind etwas größere, der Kern ist kleiner, erscheint 
dunkel konturirt und deutlicher zu sehen (Fig. 4 c); andere sind nicht 
so dunkel glänzend, der Kern scheint in der Mitte zu liegen, das Körper- 
chen erscheint etwas platt gedrückt (Fig. I b). Auf Zusatz von Essig- 
säure erscheint der Kern hellglänzend, der Zellenleib entfärbt sich und 
wir erhalten ein Körperchen, das nicht von dem nebenliegenden ent- 
färbten und geschwollenen gewöhnlichen rothen Blutkörperchen zu 
unterscheiden ist, wenn es nicht gerade einen runden Kern besitzt. 
Dass zu diesen Hämatoblasten auch die anscheinend kernlosen gehören, 
ist wohl nicht zu bezweifeln, da man häufig auf Zusatz von Essigsäure 


152 W. Feuerstack, 


ein zunächst anscheinend kernloses von einem kernhaltigen nicht 
unterscheiden kann. Der Kern war bei jenem nur durch das farbige 
Protoplasma bedeckt. 

Diesen anscheinend kernlosen gleichen aber in Bezug auf Größe, 
Glanz und Farbe jene Gebilde vollständig, welche auf Zusatz von 
Essigsäure plötzlich die Gestalt eines glänzenden großen weißen Blut- 
körperchens annehmen, und ohne Bedenken würde man sie dahin 
rechnen, wenn man die Veränderungen nach Zusatz von Essigsäure 
nicht gesehen hätte. 

Man muss sie daher für Übergangsformen von weißen zu rothen 
Blutkörperchen halten. Das erwachsene, fein granulirte, stark licht- 
brechende Blutkörperchen zeigt an der Peripherie zunächst eine dünne 
Hämoglobinschicht, welche dem Körperchen einen gelblichen Glanz 
verleiht, dasselbe aber noch als »weißes« erkennen lässt. Allmählich 
wird die gefärbte, homogene Schicht immer dicker, während der große, 
farblose Kern allmählich kleiner wird, um schließlich zu einem zunächst 
meist bläschenförmigen Kern sich zu gestalten. 

Ich glaube also — auch Rınprreisch (Archiv für mikroskopische 
Anatomie. Bd. 17. 1880) spricht zum Schluss seiner Arbeit diese Ver- 
muthung aus —, dass die großen, kugeligen, stark lichtbrechenden, 
weißen Blutzellen ein Vorstadium der Hämatoblasten bilden. Man 
findet solche mitunter zum Theil deutlich gelb glänzenden, stark licht- 
brechenden Zellen sowohl bei Tauben als bei Amphibien und Fischen 
(auch bei der Blindschleiche) (Fig. 2 e, 3e). Am deutlichsten sind 
die Übergangsformen von farblosen zu gefärbten Elementen beim Tri- 
ton. Hier findet man namentlich im Spätsommer alle möglichen Über- 
gangsformen von farblosen Zellen zu gefärbten. Diejenigen mit hya- 
linem Leibe werden zunächst ganz schwach, dann immer intensiver 
gefärbt, wobei der zunächst sehr große Kern an Volumen abnimmt. 
Bei den stark glänzenden, namentlich in der Milz gefundenen Zellen 
entwickelt sich auf Zusatz von Essigsäure aus der amyloid glänzenden 
gefärbten großen Zelle ein verhältnismäßig großer hyaliner Zellenleib, 
in welchem stark glänzend der verhältnismäßig kleine Kern sichtbar 
wird, während bei den jüngsten Hämatoblasten der Taube und des 
Frosches auf Zusatz von Essigsäure häufig neben dem großen Kern 
nur eine äußerst feine hyaline Schicht bemerkbar wird (Fig. 3de«, 
Fig. 4 do). Damit soll nicht gesagt sein, dass diese letzteren Zellen 
nicht auch bei Tritonen vorkommen (Fig. 2c «), indess werden sie nicht 
so regelmäßig beobachtet. Es ergiebt sich daraus eine Verschiedenheit 
der Hämatoblasten nicht nur bei verschiedenen Thieren, sondern auch 
bei demselben Individuum. Es ist zunächst hervorzuheben, dass man 


Die Entwicklung der rothen Blutkörperchen. 153 


nach großen schnell auf einander folgenden Blutentziehungen bei 
Tauben beobachtet, dass die Hämatoblasten auffallend klein werden 
(0,006 mm Durchmesser) und nicht alle die Größe der größten farb- 
losen Zellen erreichen. Einer jungen ausgewachsenen Taube wurden 
am 13., 15., 16., 17., 48. November 1880 größere Blutentziehungen 
gemacht, so dass sie noch am 18. November zwei Stunden nach dem 
Experimente starb. Die Untersuchungen des Blutes am 17. und 18. 
November ergaben zahlreiche Hämatoblasten von der Größe kleiner und 
mittlerer weißer Blutkörperchen. — Auffallend ist die verschiedene 
Größe der Hämatoblasten auch beim Triton, am meisten aber imponirt 
ihre häufig geringe Größe beim Aale. Man bemerkt bei Aalen, nament- 
lich bei jungen und entmilzten, oft kugelige gefärbte Blutkörperchen 
(Fig. 4 d), welche ungefähr die Größe der kleinsten farblosen Zellen 
(0,003—0,006 mm) besitzen. Häufig sind sie weniger intensiv gefärbt, 
als die größeren Hämatoblasten, alle besitzen einen peripherischen oder 
centralen stark lichtbrechenden Kern. Gerade beim Aale ist indess 
auch die Ableitung dieser Zellen von farblosen Zellen unmittelbar ge- 
geben. Man bemerkt nämlich bei mittelstarker Vergrößerung (HArT- 
NACK 3/7) in demselben mikroskopischen Bilde zahlreiche stark licht- 
brechende Kerne, welche genau den Kernen dieser kleinsten Hämato- 
hlasten gleichen, hin und wieder scheinen diese Kerne einen hyalinen 
Zellenleib zu besitzen. Wendet man nun eine starke Vergrößerung an, 
so bemerkt man, dass jeder dieser Kerne eine äußerst zarte hyaline 
Zellenzone besitzt, welche genau dem gefärbten homogenen Zellenleibe 
der Hämatoblasten entspricht. Bedenkt man nun, dass einzelne der 
Hämatoblasten sehr schwach gefärbt sind und sich von ungefärbten 
bei starker Vergrößerung kaum unterscheiden lassen, so wird man 
nicht umhin können anzunehmen, dass diese Hämatoblasten aus den 
kleinen farblosen Zellen entstehen. 

Dieser Befund weist mit ziemlicher Sicherheit darauf hin, dass 
auch aus kleinen farblosen Blutzellen Hämatoblasten entstehen können, 
gleichwohl sind für die kleinen Hämatoblasten der Tauben nicht so 
einfach die nächsten Vorstufen zu finden. Es giebt ja zweifellos auch 
im Taubenblute kleine hyaline Zellen mit verhältnismäßig kleinem 
Kerne, indess ist ein Befund namentlich im Blute der Vögel, aber auch 
bei Frosch, Aal, Triton etc. auffällig. Wie oben schon erwähnt, be- 
merkt man nämlich häufig, dass je kleiner der Hämatoblast, verhältnis- 
mäßig um so größer der Kern sei. Auch sieht man mitunter Hämato- 
blasten, welche auf Zusatz von Essigsäure nur eine ganz kleine hyaline 
Zone zeigen. Dieser Befund ergiebt von vorn herein eine Verschieden- 
heit zwischen den farblosen Zellen und diesen Hämatoblasten. Es ist 


154 W. Feuerstack, 


bekannt, dass auf Zusatz von Essigsäure die farblosen Zellen meist 
ihre Granulation verlieren und ein oder mehrere gewöhnlich periphe- 
risch gelagerte Kerne zeigen. Indess hier finden wir auch die Erklärung 
des abweichenden Befundes bei den Hämatoblasten, es giebt nämlich 
farblose Blutkörperchen, wie auch Rınpreisca (Fig. i d siehe oben) für 
das Menschenblut angiebt, welche so arm an Protoplasma sind, »dass es 
einem ungeübten Beobachter nicht zu verargen wäre, wenn er sie 
rundweg als nackte Kerne bezeichnete«. Ich glaube hinzufügen zu 
dürfen, dass es in der That weiße Blutzellen giebt, in denen auch der 
Geübteste schwerlich etwas Zellenprotoplasma ohne Zusatz von Essig- 
säure bemerken würde (Fig. 1 f, 3g, %e). Setzt man z. B. einem 
Präparate, das neben kugeligen, deutlich gefärbten Blutkörperchen auch 
stark lichtbrechende, farblose und ganz wenig gefärbte kugelige Zellen 
enthält, z. B. aus der Milz der Taube, einen Tropfen Wasser oder sehr 
verdünnte Essigsäure hinzu, so bemerkt man, dass die Hämatoblasten 
sich allmählich aufhellen, ihr Kern aber häufig zu schrumpfen scheint, 
namentlich wenn er sehr groß ist; ähnlich verhalten sich die stark 
lichtbrechenden, zum Theil leicht gefärbten Zellen. Die Färbung 
schwindet und es zeigt sich nur ein äußerst zarter und feiner Saum 
eines hyalinen Zellenleibes, von dem man nicht weiß, ob er durch 
Quellung in Folge des Zusatzes der Essigsäure entstanden, oder durch 
Schrumpfung des fast die ganze Zelle einnehmenden Kernes. Dieses 
ganz gleiche Verhalten der leicht gefärbten und -ungefärbten, stark 
lichtbrechenden Blutkörperchen gegenüber der Essigsäure scheint mir 
noch mehr darauf hinzuweisen, dass beide Elemente nahe verwandt 
sind. | 

Der beim ersten Anblick, namentlich bei der Taube, schwer zu 
erklärende Befund, dass die Hämatoblasten von so verschiedener Größe 
sind, macht nun auch wenig Schwierigkeiten. Giebt es schon im nor- 
malen Blute stark lichtbrechende farblose Blutzellen von verschiedener 
Größe, so um so mehr bei dem sich schnell ersetzenden Blute. Es ist 
daher höchst wahrscheinlich, dass die nach großen Blutverlusten auf- 
tretenden kleinen Hämatoblasten kleineren, farblosen Zellen ihre Ent- 
stehung verdanken. In der That sieht man bisweilen neben größeren, 
stark lichtbrechenden, gefärbten Elementen, etwas kleinere mit dunk- 
len Konturen, welche leicht gefärbt erscheinen. Auch die unverhält- 
nismäßige Größe der Kerne der kleinen Hämatoblasten ist unschwer zu 
erklären. Während der Kern in der Zelle allmählich sich verkleinert, 
nimmt die Zelle an Umfang zu, gleichzeitig plattet sie sich ab und 
nimmt ovoide Form an, wie man aus zahlreichen Übergangsformen von 


Die Entwicklung der rothen Blutkörperchen. 155 


den Hämatoblasten zu den normalen kernhaltigen rothen Blutkörperchen 
nachweisen kann. 

Um die Blutbildung zu beobachten, ist es indess nicht nöthig, dass 
man künstlich die Beschleunigung der Blutbildung vermehrt. Sehr 
übersichtliche Präparate geben auch junge Thiere, z. B. Aale von circa 
10 cm Länge. } 

Sehr schöne Übergangsformen findet man auch in dem Bilute des 
Winterfrosches oder in dem einer Blindschleiche während des Winters. 
Namentlich kann man sich von der beginnenden Färbung der weißen 
Blutzellen überzeugen. Wahrscheinlich bedingt der sehr langsame 
Stoffwechsel den allmählichen Übergang der farblosen in gefärbte Zel- 
len, wodurch die Untersuchung sehr bequem wird. 

Mit meiner Ansicht, die neuerdings auch in der hervorragenden 
Arbeit von Marassez (siehe oben) ausgesprochen wird, steht in direk- 
tem Kontrast der neuerliche Befund von BızzozzEero und G. e A. TorRE 
(VıreH.-Hırsch, Jahresbericht 1880), welche im Knochenmarke der 
Vögel und im Blute der Eidechsen bei den ausgewachsenen rothen 
Blutkörperchen Kerntheilungsformen und Kernverdoppelung gefunden 
haben, und daher zu dem Schlusse kommen, dass die rothen Blut- 
körperchen sich durch Theilung vermehren. Ich habe Kerntheilungs- 
figuren niemals gesehen; wenn indess in seltenen Fällen gefärbte 
Zellen mit zwei Kernen vorkamen, wie sie auch MaALaAssez in seinen 
Zeichnungen angiebt, so hielt ich sie analog den Hämatoblasten der 
Säugethiere für im Übergang begriffene farblose Zellen, woran auch die 
Größe der Kerne erinnert. 

Es kommen nun noch Blutkörperchen in Betracht, die von ver- 
schiedener Größe meist kleiner als Hämatoblasten, deutlich gefärbt, 
homogen, kugelig oder abgeplattet und ohne Kern (Fig. 5 a) in dem 
Blute der untersuchten Thiere mit kernhaltigen rothen Blutzellen fast 
stets gefunden wurden. Dieselben haben große Ähnlichkeit mit 
Hämatoblasten, wenn in letzteren der Kern nicht zu erkennen ist. Die 
Unterscheidung geschieht am besten durch Essigsäure; während die 
Hämatoblasten stets einen Kern wahrnehmen lassen bei Essigsäure- 
zusatz, werden diese Körper stets vollständig hyaline Scheiben oder 
Kugeln (Fig.5 a «). Es ist zweifellos, dass ein Theil dieser Körper 
erst im Präparate entsteht, wovon man sich leicht überzeugen kann, 
wenn man zu dem ein wenig eingetrockneten Präparate einen Tropfen 
Kochsalzlösung hinzusetzt. Gleichwohl aber kommen diese tropfen- 
artigen Körper mitunter sehr zahlreich auch in ganz frischen Präpa- 
raten vor und namentlich dort, wo man auch stets Hämatoblasten findet, 
in der Milz oder beim Aale in. dem Lymphsinus. Mit den Hämatoblasten 


156 W. Feuerstack, 


haben sie zum großen Theil außer der kugeligen oder scheibenähn- 
lichen Form noch. das überein, dass sie häufig sehr dunkel gefärbt sind 
und gegen die Einwirkung der Essigsäure sehr lange Widerstand leisten. 
Ich habe Gelegenheit gehabt ihre Entstehung auf zweierlei Weise zu beob- 
achten. Zunächst bei einem Frosche im Winter. In dem ganz frischen 
Präparate aus der Vene in der Medianlinie des Bauches zeigten sich viele 
auffallend dunkel gefärbte Hämatoblasten mit peripherem großem Kerne. 
An einzelnen dieser Hämatoblasten konnte man kleinere, tropfenähnliche, 
kugelige, gelärbte Körperchen bemerken (Fig. 5 b), welche durch einen 
feinen Faden mit dem Hämatoblasten verbunden waren (der Verbindungs- 
faden fehlt auf der Tafel). Ich bemerkte sogar ein Hämatoblast, das auf 
einem Faden drei solcher kleinen Körper trug; von dem Hämatoblasten 
war nur noch der Kern übrig mit sehr wenigem gefärbtem Protoplasma. 
Auf Zusatz von Essigsäure entfärbten sich die Hämatoblasten wie die 
kleineren homogenen Körper; die Hämatoblasten zeigten dann deutlich 
einen verhältnismäßig großen stark lichtbrechenden Kern, die ihnen 
ähnlichen Körper wurden durchaus hyaline Scheiben oder Kugeln. 
Nach diesem Befunde ist wohl kaum zweifelhaft, dass ein Theil der im 
Blute vorkommenden kernlosen hämoglobingefärbten Körper durch Ab- 
trennung eines homogenen Zellentheiles der Hämatoblasten entsteht. 
Indess auch noch andere Körper dienen ihnen zum Ursprung. Man be- 
merkt, namentlich beim Aale oder auch bei der Taube, hin und wieder 
gefärbte kernhaltige, den normalen Blutkörperchen im Ganzen gleich- 
zustellende Blutzellen, welche ungefähr die Form einer 8 besitzen 
(Fig. 6 a). Zwei gefärbte, kernlose, runde Zellentheile werden durch 
den zwischen beiden liegenden Kern zusammengehalten. Daneben 
findet man Formen, wo der Kern einer runden etwas abgeplatteten 
Zelle stark prominirt (Fig. 6), so dass, wenn man die vorher beschrie- 
bene Form mit dieser vergleicht, sofort der Gedanke entsteht, dass die 
letzte entstanden ist durch Abtrennung eines auf der anderen Seite: 
des Kernes vorhandenen Zellentheiles. Ich glaube daher, dass auch 
auf diese Weise die gefärbten kugeligen, kernlosen Gebilde entstehen 
können. Jedenfalls wird man daran festhalten müssen, dass die so 
entstandenen Körper durchaus nicht den Hämatoblasten gleichzustellen 
sind, sowohl weil sie nicht direkt aus farblosen Zellen entstehen, als 
weil sie sich nicht zu kernhaltigen, rothen Blutzellen entwickeln. | 
Fasse ich nun das bisherige Ergebnis über die Bildung der rothen 
Blutkörperchen bei Thieren mit kernhaltigen rothen Blutzellen zusam- 
men, so muss ich obenan den Satz stellen: Die rothen Blutkörperchen 
entstehen durch Umwandlung der farblosen Blutzellen. Die ihnen nächst- 
stehenden Formen sind die meist kugeligen gefärbten Zellen mit peri- 


Die Entwicklung der rothen Blutkörperchen, 157 


pherem oder centralem häufig unverhältnismäßig großem Kern, so- 
genannte Hämatoblasten. Unter den Hämatoblasten findet man Formen, 
welche eine Reihe von Übergangsstufen bilden von den gewöhnlichen 
rothen Blutkörperchen bis zu den typischen erheblich kleineren Hämato- 
blasten mit peripherem großem Kern. Die Hämatoblasten entwickeln 
sich unmittelbar aus den farblosen Zellen, indem sich der hyaline 
Zellenleib derselben färbt. Der hyaline Zellenleib besitzt oft eine auf- 
fallend geringe Dicke, so dass die Hämatoblasten dann nur mäßig ge- 
färbt erscheinen. Der Kern nimmt allmählich kleinere Dimensionen an, 
während der Zellenleib an Umfang gewinnt. 

Die den Hämatoblasten am nächsten stehenden Formen der weißen 
Blutkörperchen sind diejenigen mit großem hyalinem Zellenleibe und 
kleinem Kern. Bei forcirter Blutbildung (bei jungen Thieren, Tritonen 
im Frühjahr während der Paarungszeit etc.) verwandeln sich indess 
auch namentlich Zellen mit sehr großem Kern und äußerst schmaler 
hyaliner Zone in Hämatoblasten um. Die verschiedene Größe der 
Hämatoblasten hat ihren Grund erstens darin, dass der Hämatoblast in 
seiner Entwicklung zum normalen rothen Blutkörperchen sich abflacht 
und an Größe gewinnt, zweitens darin, dass bei forcirter Blutbildung 
auch kleinere farblose Zellen sich in Hämatoblasten umwandeln. 

Bei Amphibien, namentlich bei Triton, und in geringerem Maße 
bei Fischen ist die Bildung der rothen Blutkörperchen nicht so regel- 
mäßig, als bei Vögeln, man findet daher meist auch bei normaler Blut- 
bildung Hämatoblasten von verschiedenster Größe, d. h. die Umwand- 
lung auch kleiner farbloser Blutzellen in Hämatoblasten. 

Im Blut des Triton (im Frühling), namentlich in der Milz, fallen 
Zellen auf von amyloidem Glanze, welche klumpig sind und geringe 
Hämoglobinfärbung besitzen, aber ohne Essigsäurezusatz keine Kerne 
erkennen lassen. Nach Applikation der Essigsäure zeigen sie einen 
verhältnismäßig kleinen Kern in einem großen hyalinen Zellenleibe, so 
dass man annehmen muss, dass der Amyloidglanz der Zelle nicht nur 
vom Kerne, sondern von einer in Essigsäure verschwindenden im Zellen- 
leibe befindlichen Masse herrührt. 

Das Blut des Aales zeigt dadurch eine Verschiedenheit von dem 
Blute der Vögel und Amphibien, dass es sehr zahlreiche kleine Hämato- 
blasten enthält, welche von einem ihnen sehr ähnlichen, kleinen, farb- 
losen Elemente mit hyalinem Zellenleib und peripherischem Kerne her- 
stammen. 

Ich wende mich nun zu der Frage, wo geht die Blutbildung vor 
sich. Man wird zunächst annehmen müssen, dass man dort die Blut- 
bildungsstätte zu suchen hat, wo man die meisten und namentlich die 


158 W. Feuerstack, 


jüngsten Übergangsformen von farblosen zu gefärbten Zellen findet. 
Diese Stellen sind bei der Taube das Knochenmark, die Milz, das 
Pfortadersystem, und auch das Mark der jungen Federkiele. Beim 
Frosch Knochenmark und Milz, indess ist der Unterschied zwischen 
dem Blut dieser beiden Organe und dem Blut anderer Körpertheile 
geringer. Beim Triton die Milz und die Lymphsinus in der Nähe der 
Blase. Beim Aale die Milz und die Lymphsinus der Niere, bei den 
letzteren beiden Thieren ist der Unterschied gegenüber dem Blut aus 
den Gefäßen noch geringer. Ob bei letzteren beiden Thieren auch das 
Knochenmark aufzuzählen ist, ist unentschieden, aber wahrscheinlich. 

Hier müssen wir zunächst feststellen, wo wird das Blut in diesen 
Organen gebildet, in den Gefäßen oder in dem Parenchym dieser Or- 
gane? Zunächst muss man daran denken, dass die Blutbildungsstätte 
mit den Gefäßen im Zusammenhang stehen muss, damit die neugebil- 
deten Zellen in die Gefäße gelangen können. Die Verschiedenartigkeit 
der Organe, in denen man die Hämatoblasten in größerer Zahl findet, 
weist ferner schon darauf hin, dass das Gemeinsame, was sie besitzen, 
nämlich die Gefäße selbst, jedenfalls Ort der Blutbildung ist. Nament- 
lich aber der Umstand, dass man bei Thieren, deren Knochenmark 
seiner sehr geringen Menge wegen nur wenig in Betracht kommt, deren 
Milz man aber entfernt hat, zum Beispiel bei einem entmilzten Aale, 
die Hämatoblasten in den Gefäßen überall sehr reichlich findet, also 
die Blutbildung in die Gefäße selbst verlegen muss, gestaltet noch 
mehr die Annahme, dass die farblosen Blutkörperchen sich in den Ge- 
fäßen selbst umwandeln. Wenn man von der Blutbildung der Organe, 
d. h. von der Bildung der rothen Blutkörperchen spricht, so wird man 
also, wenigstens für normale Verhältnisse, darunter eine Blutbildung in 
den Gefäßen dieser Organe verstehen müssen. 

In erster Linie stehen natürlich die von sämmtlichen Forschern als 
Blut-bildende Organe in Anspruch genommenen Körpertheile, Knochen- 
mark und Milz. 

Bei der Beurtheilung der Wichtigkeit dieser Organe kommt uns zu 
Statten, dass ein Organ, das Knochenmark, bei verschiedenen dieser 
Thiere sehr wenig in Frage kommt, weil es nur in sehr geringer Menge 
vorhanden ist. 

Bleiben wir zunächst beim Knochenmark, so müssen wir zunächst 
berücksichtigen, dass dasselbe namentlich bei Tauben stets viel Hämato- 
blasten enthält und sich nach großen Blutentziehungen stärker röthet. 
Es zeigt also bei stärkerer Blutbildung Veränderungen, indem das Fett 
zum Theil schwindet und durch Iymphoides Mark ersetzt wird. Man 
wird also dem Knochenmark zweifellos Betheiligung an der Blutbildung 


Die Entwicklung der rothen Blutkörperchen. 159 


zuerkennen müssen. Andererseits ist festzuhalten, dass man im Blut 
von Aal und Triton, die nur andeutungsweise Knochenmark besitzen, 
dieselben Hämatoblasten und noch zahlreicher findet. Bei der Taube 
kann man im Knochenmarke vielleicht große Zellen mit großem Kern 
und ziemlich breitem hyalinem Leib zahlreicher finden, als in der Milz 
und in den Blutgefäßen, indess sind solche Zellen bei der Blindschleiche 
während des Winterschlafes und beim Triton im Spätsommer sogar im 
Herzen sehr zahlreich anzutreffen, so dass man eine dem Knochen- 
marke eigenthümliche Form der Blutbildung schwerlich annehmen 
kann. Indess erscheint es doch auffällig, dass Aal wie Triton Über- 
gangsformen und dem entsprechende farblose Zellen besitzen, die bei 
der Taube und auch beim Frosche nicht oder nur sehr selten beob- 
achtet werden. Es sind dieses die oben beschriebenen amyloid glän- 
zenden Zellen, welche namentlich im Frühling in der Milz des Triton 
vorkommen, und die aus den auffallend kleinen farblosen kernhaltigen 
Zellen mit hyalinem Zellenleib in dem Blute des Aales hervorgehenden 
Hämatoblasten. Man wird dem Knochenmarke also in erster Linie eine 
modificirende Einwirkung auf die Entwicklung der farblosen Blut- 
elemente zuschreiben, gleichzeitig aber festhalten müssen, dass auch 
ohne Knochenmark farblose Zellen gebildet werden, welche Hämoglobin- 
färbung annehmend, die rothen Blutkörperchen bilden. 

Was die Milz anbetrifft, so ist ihre geringe Größe bei Taube und 
Frosch, welche beide erheblichere Mengen Knochenmark in den langen 
Schenkelknochen führen , gegenüber der Größe derselben bei Triton 
und Aal zunächst nicht zu übersehen, namentlich bei letzterem ist sie 
im Verhältnis zu den übrigen Organen ziemlich bedeutend. Man 
könnte also vielleicht annehmen, dass die verhältnismäßig größere Milz 
rücksichtlich der Blutbildung einen Ersatz für das unzureichende 
Knochenmark bildete. Dem gegenüber steht aber die Thatsache, dass 
diese Thiere sämmtlich die Exstirpation der Milz in gleicher Weise gut 
vertragen, die Milz also für die so wichtige Funktion der Blutbildung 
nicht unbedingt nöthig erscheint. Ich muss hier erwähnen, dass ich 
Tauben die Milz nicht habe exstirpiren können, weil ich nicht auf den 
Gedanken kam, dieselbe, wie Tuzopor Korn (Centralblatt f. d. medici- 
nischen Wissenschaften 1880 Nr. 41) angiebt, einfach herauszureißen. 
Diese Mittheilung Korn’s erhielt ich erst, nachdem dieser Theil meiner 
Untersuchungen bereits beendigt war, ich habe daher seine Versuche 
nicht wiederholt; jedenfalls geht aus diesen Angaben hervor, dass auch 
Tauben die Milz entbehren können. Die Milzexstirpation ruft bei 
Frosch, Triton und Aal nach meinen Beobachtungen eine Veränderung 
der Blutkörperchen zunächst nicht hervor. Beim Aale scheint auf kurze - 


160 W, Feuerstack, 


Zeit jedoch die Anzahl der kleinen aus den kleinen farblosen Zellen 
mit hyalinem Leibe entstandenen Hämatoblasten zuzunehmen. Es ist 
hier jedoch zu bemerken, dass beim Aale und beim Triton die Milz 
wieder wächst. Um diese Regeneration festzustellen, muss man natür- 
lich die Thiere lange Zeit beobachten. Einem Triton wurde am 
1. April die Milz exstirpirt. Derselbe ertrug im Mai und Juni mehrere 
Blutentziehungen durch Amputation von Schwanzstücken und wurde 
am 416. Oktober getödtet. Bei der Sektion fand sich die Ligatur des 
Seidenfadens noch vor, und neben derselben ein Organ, das genau 
der exstirpirten Milz an Größe, Farbe und Gestalt glich; das Zupf- 
präparat ergab das mikroskopische Bild wie es die Milz zu geben 
pflegt. Neben wenigen gewöhnlichen rothen, kernhaltigen Blutkörper- 
chen fanden sich zahlreiche Hämatoblasten und farblose Blutkörper- 
chen der verschiedensten Form. Leider wurde auch hier wie bei der 
einem Aale wieder gewachsenen Milz die Härtung und Einbettung 
Behufs Anfertigung von Schnitten versäumt. Am 16. August wurde 
einem ungefähr 0,50 m langen Aale die Milz exstirpirt. (Die Milz des 
Aales liegt unmittelbar vor den großen Gefäßen an der Vorderfläche 
der Wirbelsäule, an der Hinterseite des Magens, wo dieser eine Huf- 
eisenform darstellt. Man macht einen Längsschnitt in der Medianlinie 
des Bauches, welche ungefähr um die Kopfeslänge des Aales hinter 
den Kiemen beginnt und circa 5 cm lang nach dem After zu geführt 
wird. Man geht dann, indem man das große in der Medianlinie sich 
findende Gefäß meidet, zwischen beiden Schenkeln des Magens in die 
Tiefe und zieht die Milz, die eine ziemliche Länge besitzt, hervor und 
bindet sie ab. Der Aal muss während der Operation mittels eines 
Handtuches festgehalten werden. Die Nähte sind sehr sorgfältig anzu- 
legen, da sie leicht ausreißen.) 

Ziemlich regelmäßig wurden dem Aale auf die oben angegebene 
Weise in I4tägigen Zwischenräumen Blutentziehungen gemacht, am 
25. April wurde er getödtet. Es ergab sich, dass sich neben der Kat- 
gutligatur ein Organ befand von der Farbe und Größe der Milz, die 
Gestalt war etwas weniger schlank. Das Zupfpräparat ergab das bei 
der Milz geläufige Bild. An eine Härtung der Milz wurde desshalb nicht 
gedacht, weil jede Verwechslung mit einem anderen Organe beim Aale 
ausgeschlossen ist. 

Aus diesem Ergebnisse muss man doch schließen, dass die Milz 
für Aal und Triton nicht unentbehrlich ist, sonst würde sie wahrschein- 
lich nicht wieder gebildet werden. Sicherere Resultate für die Blutbil- 
dung der Milz erhält man indess bei Thieren, denen die Milz nicht 
exstirpirt ist. 


Die Entwicklung der rothen Blutkörperchen. 161 


Einer Taube wurden am 13., 45., 46., A7., 48. November 4880 
Blutentziehungen an der A. brachialis gemacht. Die Taube wiegt ohne 
Federn und Kropfinhalt 167 g. Die Milz ist hellroth und wiegt 0,21 g. 
Eine zweite Taube den 21., 30. Oktober, 3., 4. November. Die Taube 
wiegt 209 g, die Milz, fast weiß, wiegt 0,17 g. Einer anderen Taube 
wurden am 25., 29. November, 8., 13., 14., 47., A8. December sehr 
erhebliche Blutentziehungen gemacht. Das Gewicht der Taube 207 g, 
der Milz 0,14 g. Die Milz einer gleich alten normalen Taube von 250 g 
wiegt 0,18 g. Bei mehreren anderen Tauben erzielte ich durch Blut- 
entziehungen sehr auffallend hellrothe Färbung der Milz. Es ist also 
keine Frage, dass die Milz der Taube sich nach großen Blutentziehungen 
verändert. In mehreren Fällen verlor die Milz das Pigment. In den 
beiden ersten angegebenen Fällen wurde sie hypertrophisch, im letz- 
teren Falle erheblich atrophisch. Beide Zustände können, wie bekannt, 
Folge von übermäßigen Funktionsleistungen sein. Man wird demgemäß 
nicht umhin können, an der Betheiligung der Milz bei der Blutbildung 
festzuhalten. 

Dieser Befund steht im Einklange mit der Vermuthung Rınn- 
_ FLEISCH’s, welcher der Milz große Bedeutung für die Blutbildung der 
Vögel zuweist. Dagegen erklären Bızzozzero und G. e A. Torre (Ar- 
chivio per le Scienze med. Vol. IV. Nr. 18), dass die Milz bei Vögeln 
eine Blutbildungsstätte nicht sei, sondern nur das Knochenmark, auch 
Tueopor Korn (siehe oben) schließt daraus, dass die entmilzten Tauben 
die Blutentziehungen eben so gut ertragen, als die nicht entmilzten, 
und dass die Milz der Tauben nach großen Blutentziehungen atrophire, 
auf eine Nichtbetheiligung der Milz bei der Blutbildung. Er hat auch 
niemals dort Übergangsformen gefunden. Ich weise dem gegenüber auf 
obige Mittheilungen meiner Beobachtungen hin, aus denen ich einen 
entgegengesetzten Schluss zu ziehen mich berechtigt halte. 

Es ist nun oben schon gesagt, dass die Hämatoblasten in größerer 
Zahl, als in den großen Blutgefäßen, auch in anderen Körpertheilen 
gefunden würden. Bei der Taube haben wir die Gefäße der großen 
Bauchspeicheldrüse und die Federkiele, bei Aalen und Tritonen nament- 
lich die Lymphsinus der Nieren zu erwähnen. Wir wollen uns daher 
zuerst die Frage vorlegen, was haben diese sämmtlichen Organe Ge- 
meinschaftliches? Ich glaube, darauf weisen namentlich die Lymph- 
sinus der beiden letzten Thierklassen hin, nämlich auf den Reichthum 
dieser sämmtlichen Organe an farblosen Blutzellen. Aber dies ist nicht 
das Einzige, was diesen verschiedenen Organen in gleicher Weise zu- 
kommt, wir können noch ein zweites Moment, wenigstens für einzelne 
dieser Organe, in Anrechnung bringen, das ist die Verlangsamung des 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVIIL. Bd. aA 


162 W. Feuerstack, 


Blutstromes. Das Mark der Röhrenknochen wird meist von wenigen 
Gefäßen versorgt, die zum Theil sich rechtwinklig umbiegen und ein 
für ihre Größe ungeheures Kapillargebiet versorgen; es ist daher nicht 
zu verwundern, dass eine vollständige Injektion der Gefäße für nahezu 
unmöglich gilt, und man kann ziemlich sicher annehmen, dass im 
Knochenmark eine Blutstromverlangsamung stattfindet. Für die Milz 
und die Bauchspeicheldrüse ist die Verlangsamung des Blutstromes 
durch ihre Zugehörigkeit zum Pfortadersystem gegeben. Für die Lymph- 
sinus an der Niere des Aales und des Triton sind gleiche Verhält- 
nisse in dem besonderen Pfortadersystem der Niere vorhanden, und für 
die Federkiele sind wahrscheinlich ähnliche Verhältnisse wie beim 
Knochenmark für eine Stromverlangsamung maßgebend. Ich möchte 
bei dieser Gelegenheit noch einen Befund zur Geltung bringen. Ich 
habe bemerkt, dass, wenn man einem Triton oder einem Aale ein Stück 
Schwanz abschneidet und das aus dem Körper tropfende Blut unter- 
sucht, man in demselben bedeutend weniger weiße Blutkörperchen und 
Hämatoblasten findet, als wenn man das aus dem amputirten Schwanz- 
stücke herausgedrückte Blut prüft. Ich glaube auch in diesem Falle 
den letzterwähnten Umstand der Stromverlangsamung hervorheben zu 
müssen. Das herausgedrückte Blut stammt zum allergrößten Theile aus 
Kapillaren und Venen, während das aus dem Körper tropfende Blut 
arteriell ist, eine Blutverlangsamung wird außerdem wahrscheinlich 
durch die Länge des Schwanzes und die Entfernung vom Herzen, 
namentlich durch die Länge der Venen begünstigt. | 

Ich komme daher zu dem Endergebnis, dass bei Thieren mit kern- 
haltigen rothen Blutkörperchen die Bildung der rothen Blutkörperchen 
im Blute aus farblosen Zellen vor sich geht. Man findet zahlreiche Über- 
gangsformen, sogenannte Hämatoblasten, welche in Organen entstehen, 
in denen eine Blutverlangsamung stattfindet und Leukocyten zahlreich 
vorkommen. 

Zum Schluss möchte ich noch erwähnen, dass ich die von Hıyem 
beschriebenen Hämatoblasten für jüngere Formen der farblosen Blut- 
körperchen halte, die, wie aus meinen Untersuchungen hervorgeht, 


sich in Hämatoblasten umwandeln können und dann natürlich gefärbt 
a) ı 


erscheinen. 


Göttingen, im August 1882. 


Die Entwieklung der rothen Blutkörperchen. 163 


Holzschnitt. Figur 1-6. 


®@090908 
SPOROLCcH A 2 3 


Erklärung der Figuren. 


Die Vergrößerung beträgt circa 450. 
Fig. 4. Blutkörperchen der Taube. S 
a, normale rothe, b, der normalen Form sich nähernde Hämatoblasten ; 
c, Hämatoblasten mit peripherem Kern; d, Hämatoblast ohne sicht- 
baren Kern; «, auf Zusatz von Essigsäure; e, farblose Zellen mit hya- 
linem Zellenleibe; f, granulirte farblose Zellen zum Theil ohne sicht- 
baren Kern und hyalinen Zellenleib; g, kernähnliche Körper. 
Fig. 2. Blutkörperchen vom Triton. 
a, normale Blutkörperchen; b, Hämatoblasten; c und d, Hämatoblasten 
ohne sichtbaren Kern; c« und de, dieselben auf Zusatz von Essig- 


44% 


164 W. Feuerstack, Die Entwieklung der rothen Blutkörperchen. 


säure; e, gefärbte, granulirte Zelle; e«, dieselbe auf Zusatz von Essig- 
säure;; g, farblose Zellen mit hyalinem Leib. 

Fig. 3. Blutkörperchen von Bombinator igneus. 

a, normales Blutkörperchen; 5, Blutkörperchen mit kugeligem Kern; c 
und d, Hämatoblasten; d«, auf Zusatz von Essigsäure; e, granulirte, 
gefärbte Zelle; fund g, farblose Zellen. 

Fig. 4. Blutkörperchen von einem entmilzten Aale. 

a, normale; b und c, Hämatoblasten; d, auffallend kleine, schwach ge- 
färbte Hämatoblasten; e, granulirte, farblose Zelle; f, farblose Zellen 
mit hyalinem Leibe. 

Fig. 5. In Zerfall begriffene Hämatoblasten des Frosches. (Die feinen Verbin- 
dungsfäden zwischen den Hämatoblasten und ihren Zerfallsprodukten sind im Holz- 
schnitt fortgefallen.) 

Fig. 6. In Theilung begriffene Blutkörperchen des Aales. 


Offener Brief an meine Opponenten in Sachen „Fischgehirn“. 


Von Gustav Fritsch. 


Verschiedene neue Publikationen über den Bau des Fischgehirns, 
welche eine Antwort meinerseits zu erheischen schienen, veranlassten 
mich nochmals eine Entgegnung zu schreiben, obgleich ich zur Zeit mit 
anderweitigen litterarischen Arbeiten überhäuft bin. Ich entschloss 
mich indessen die bereits geschriebene zurückzuhalten, da ein Nutzen 
derselben für das Allgemeine gegenüber der augenblicklich herrschenden 
Meinung mindestens zweifelhaft erscheinen musste, und mancher mehr 
oder weniger schwerwiegende Vorwurf, den ich gegen meine Opponenten 
zu erheben hatte, nur unliebsame Weiterungen im Gefolge haben konnte. 

Für den, der sich ein selbständiges Urtheil bilden will, sind in 
meiner ursprünglichen Veröffentlichung: Über den feineren Bau des 
Fischgehirns (Berlin 1878), so wiein dem Vortrag: Zur Anatomie des Fisch- 
gehirns (Verhandlungen der physiologischen Gesellschaft 1880 Nr. 9), 
und in meiner Abhandlung: Das Gehirn und Rückenmark des Gymnotus 
electricus (Dr. Carr Sacas Untersuchungen am Zitteraal von EmiıL Du Boıs- 
Reymonp 1881) die nöthigen Daten hinreichend ausführlich aus einander 
gesetzt. 

Indem ich das darin Gesagte ausdrücklich aufrecht erhalte, kon- 
statire ich hier nur, dass trotz der vielen neuen, werthvollen Arbeiten 
über diesen Gegenstand keine befriedigendere Lösung der 
Schwierigkeit, die bereits erkannte Organisation des 
Knochenfischgehirns in seinen mittleren Abschnitten 
mit der Deutung der Theile in Einklang zu bringen, als 
ich sieanstrebte, gefunden worden ist. Ich behaupte, dass speciell 
Herr Dr. Mayser !, dessen inhaltreiche Arbeit in großen Gebieten als 
eine Bestätigung meiner eigenen gelten muss, den angetretenen Beweis, 
»ich sei weder durch embryologische noch vergleichend anatomische 
Betrachtungen zu meiner Deutung genöthig worden«, schuldig geblie- 
ben ist. Abgesehen von der unbegreiflicherweise von ihm nicht er- 
kannten Dachkommissur des Tectum ist die Darstellung von Bau und 
Organisation des Tectum opticum, wie sie Herr Mayser wesentlich in 
Übereinstimmung mit meiner eigenen giebt, mit einem vorderen Vier- 
hügelganglion unvereinbar. 

Da er in seiner Einleitung meine Auffassung der Theile nicht kor- 
rekt wiedergiebt, so wiederhole ich in aller Kürze, dass die Grundan- 


1 Vergleichend anatomische Studien über das Gehirn der Knochenfische mit 
besonderer Berücksichtigung der Cyprinoiden. Diese Zeitschr. Bd. XXXVI. p. 264. 


166 Gustav Fritsch, Offener Brief an meine Opponenten in Sachen „Fischgehirn“, 


schauung meiner Deutung in der Betrachtung des »Lobus optieus« als 
eines kombinirten Abschnittes beruht, und ich speciell das Teetum 
opticum zum Zwischenhirn ziehe, den hinteren Theil des Lobus opticus 
aber als Mittelhirn auffasse (wie jetzt fast alle Autoren). 

Um nicht oft Gesagtes nochmals zu wiederholen, gehe ich nicht in 
weitere Einzelheiten, zumal in mir die Überzeugung immer klarer 
durchbricht, es werde sich auch ohne mein Zuthun ein Umschwung 
der Meinungen vollziehen. 

Darin wurde ich besonders bestärkt durch eine mir unlängst durch 
die Güte des Verfassers zugesandte Publikation von Herrn Autkorn !, 
welcher unter anderen wichtigen Daten bei Petromyzon die Verbindung 
der Epiphysenhöhle mit der Höhle des dritten Ventrikels, seiner Zeit 
schon von J. MüLLer behauptet, neuerdings konstatirt. Für die Autoren, 
welche hinsichtlich der Deutung der Gehirnabschnitte bei der allein- 
seligmachenden Zirbel schwören, sollte diese Thatsache zu denken geben ; 
aber auch ohne die undankbare Bekehrung dieser Herren werden sich 
zweifelsohne bald oder später unabhängige Autoren finden, welche eine 
bessere Kritik üben. 

Anstatt also aufs Neue unfruchtbaren Streit zu erregen, will ich 
nur betonen, dass durch die Arbeiten von Herrn VıcTor Ronon, EHLERS, 
BeLLoncı?2, MAyser und mir selbst trotz mancher Abweichungen in den 
Detailfragen, deren Erledigung durch Discussion nicht zu erhoffen ist, 
sich in neuerer Zeit unsere Kenntnis des Fischgehirns in erfreulichster 
Weise entwickelt hat. Ich bin stolz darauf behaupten zu dürfen, dass 
es mir vergönnt gewesen ist, selbst nicht unerheblich zu dieser Er- 
weiterung der Erkenntnis beizutragen; dass dies wirklich der Fall ge- 
wesen ist, lässt sich aus den Werken der eben genannten Autoren ohne 
Schwierigkeit ersehen. 

Ein solcher Fortschritt ist zweifelsohne werthvoller als alle Deu- 
tungen, und ich kann diejenigen nur bedauern, welche mit Erbitterung 
eine harmlose Deutung verfolgen, anstatt ihre Zeit lieber auf die bessere 
Begründung der behaupteten Thatsachen zu verwenden. Ich gestehe 
offen, dass ich mir nützlichere Beschäftigung weiß, als ihnen darin zu 
Willen zu sein, um die Zeit mit fruchtlosen Debatten zu vergeuden. Bin 
ich auch augenblicklich mit meiner Deutung in der Minderheit, so unter- 
stützen mich in meiner Überzeugung die Manen eines JOHANNES MÜLLER, 
LEURET, GRATIOLET und StAnnıus, welche durchaus verwandte Anschau- 
ungen vertraten, und die Zukunft wird lehren, welche Meinung schließ- 
lich den Sieg behalten soll. 

Exoriare aliquis nostris ex ossibus ultor! 


Berlin, September 1882. 


1 Zur Neurologie der Petromyzonten. Göttinger Nachrichten 1882 Nr. 20. 

2 Herra BELLoncı möchte ich auf seine letzte Antwort gegen mich (Zoologischer 
Anzeiger 4882 Nr. 420) nur bemerken, dass die von ihm beklagte » incomprensibile 
confusione« mir überhaupt nicht vorhanden zu Sein scheint, wenigstens nicht auf 
meiner Seite; er hat wohl nur eine Bemerkung von mir missverstanden. Mein Vor- 
wurf war, dass er grobe Bündel von Opticusfasern (die nach dem tieferen Zwischen- 
hirn vordringenden) übersehen hat, nicht dass er sie in irriger Weise behandelt hat. 
Dieser Vorwurf wird durch seine neuesten Ausführungen nicht beseitigt. 


Beiträge zur Kenntnis der Infusorien. 


Von 


Geza Entz, 
Professor an der Universität Klausenburg. 


Mit Tafel VII. 


1) Actinobolus radians Stein (Fig. I—7). 


In der zweiten Abtheilung seiner großen Monographie führt Stein, 
bei der Aufzählung der Familien und Gattungen seines Infusoriensystems, 
in der Familie der Enchelinen, das neue Genus Actinobolus an und theilt 
über dasselbe in einer kurzen Notiz Folgendes mit: »Diese neue Gattung 
beruht auf einem merkwürdigen Thiere, welches ich seit mehreren 
Jahren bei Niemegk ziemlich häufig in stehenden Gewässern zwischen 
der vielwurzeligen Wasserlinse beobachtete und welches ich Actinobo- 
lus radians nennen will. Der Körper ist fast kugelig oder umgekehrt 
eiförmig, am vorderen Pole mit einem kurzen zitzenförmigen Fortsatz 
versehen, in dem die enge Mundöffnung liegt, und ringsum mit gleich- 
formigen Wimpern besetzt. Zwischen den Wimpern stehen zahlreiche 
fadenförmige Tentakeln zerstreut, die sich, wie die Tentakeln der Acine- 
tinen, beträchtlich verlängern und auch spurlos in den Körper zurück- 
ziehen können. Der After und ein großer kontraktiler Behälter liegen 
am hinteren Körperpole. Der ziemlich lange strangförmige Nucleus ist 
unregelmäßig zusammengekrümmt. Die Gegenwart von Mund und After 
schließen unser Thier entschieden von den Acinetinen aus, denen es 
auf den ersten Anblick sehr ähnlich scheint !.« 

Da dieses überaus interessante Infusionsthier meines Wissens seit- 
her von Niemandem wieder gefunden und näher untersucht wurde und 
auch keine Abbildungen vorliegen, war es mir überaus willkommen, 
als ich dasselbe im vorigen Juni in dem kleineren, mit Potamogeten, 


1 Der Organismus der Infusionsthiere. Il. Abth. Leipzig 1867. p. 169. 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVIII. Bd. 19 


168 Geza Entz, 


Charen und Gladophoren dicht bewachsenen Weiher des hiesigen bota- 
nischen Gartens in großer Anzahl antraf und einige Zeit hindurch unter- 
suchen konnte. Merkwürdigerweise habe ich dieses Infusionsthier in 
dem Decennium, welches ich dem Studium der Protozoen der hiesigen 
Umgebung widmete, nicht gefunden; kaum dass ich aber die Freude 
hatte es im genannten Weiher zu entdecken, wurde mir von einem 
Freunde aus den sumpfigen Wiesentümpeln des Belaberges bei Dees 
Wasser zugesandt, in welchem sich der längst gesuchte Actinobolus, zu 
meiner Überraschung, ebenfalls vorfand. Schon nach einigen Tagen 
nahm die Zahl der Actinobolen nicht nur in meinen Aquarien ab, son- 
dern auch in dem Weiher wurden sie immer spärlicher und nach kaum 
zwei Wochen konnte ich kein einziges Exemplar mehr finden; ich ver- 
muthe daher, dass sich die Schwärmzeit der Actinobolen jährlich nur 
auf kurze Zeit beschränkt und dies dürfte auch die Ursache sein, dass 
sie so selten angelroffen werden. 

Die oben mitgetheilte Beschreibung von STEIN ist trotz ihrer Kürze 
genau und ich kann derselben nur wenig neue Details hinzufügen. 

Die Körperform ist meist umgekehrt eiförmig; der vordere Pol 
stumpfer und breiter, der hintere schmäler und spitzer (Fig. 4, 6). Da 
sich aber der Actinobolus, wenn auch nicht plötzlich, wie die soge- 
nannten spastischen Infusorien, verkürzen und verlängern kann, ändert 
die Form ziemlich beträchtlich, und es kommen, neben den eiförmigen 
auch wurstförmig verlängerte (Fig. A), kugelige (Fig. 3) und endlich 
auch solche Exemplare vor, deren Querachse die Mundafterachse an 
Länge übertrifft (Fig. 2). 

Am vorderen Körperpole springt, wie bei den meisten Enchelinen 
und den Schwärmern sehr vieler Acinetinen, ein kurzer, in seiner Mitte 
etwas eingesunkener, zitzenförmiger Fortsatz vor, welcher in einen bald 
kürzeren, bald längeren, trichterförmigen, der Länge nach meist un- 
deutlich und fein gestreiften Schlund führt und einer beträchtlichen 
Ausdehnung fähig ist. Die Schlundfalten bilden manchmal leistenartige 
Wülste (Fig. 3), welche den Schlundstäbchen der Prorodonten täuschend 
ähnlich sehen, aber ganz entschieden keine soliden Stäbchen sind. 
Ausnabmsweise traf ich auf verzerrte Exemplare, deren Mundpol sich 
seitwärts verzogen hatte (Fig. 5). 

Den mit einer sehr feinen Cuticula bedeckten Körper durchziehen 
meist ziemlich tiefe, verhältnismäßig weitstehende Längsfurchen (Fig.1, 6), 
zwischen welchen die Rindenschicht rippenähnlich vorspringende Strei- 
fen bildet. In der Tiefe der Furchen verlaufen die feinen Myophan- 
streifen. Ebenfalls aus den Furchen entspringen die, an den von mir 
beobachteten sämmtlichen Actinobolen. durchaus nicht kurzen, im 


Beiträge zur Kenntnis der Infusorien. 169 


Gegentheil auffallend langen, sehr feinen Wimperhaare, welche dicht 
stehende Reihen bilden und am meisten an die langen, wogenden Ci- 
lien holotricher Acinetenschwärmer erinnern. 

Von der ganzen Körperoberfläche strahlen die für eine Encheline 
durchaus fremdartigen, langen, schlanken, fadenförmigen Tentakeln 
nach allen Richtungen aus. Gewöhnlich ist ein ganzer Wald von Ten- 
‚takeln ausgestreckt, welche die Körperlänge zum Theil ein bis zweimal 
übertreffen (Fig. 4, 2) und dem Actinobolus, namentlich wenn er frei 
umherschwimmt, ein ganz eigen- und fremdartiges Aussehen verleihen, 
so dass man, überrascht von der Fremdartigkeit des Anblickes, Anfangs 
gar nicht weiß, für was man das umherschwimmende Wesen halten 
soll. — Die Tentakeln sind in ihrer ganzen Länge von gleicher Dicke und 
an ihrem distalen Ende selten etwas zugespitzt, meist wie abgestutzt, 
nie geknöpft; sie bestehen aus einer ganz homogenen, hyalinen Substanz, 
verlängern und verkürzen sich schnell und lebhaft, krümmen sich hin 
und wieder bogenförmig, werden oft während des Schwimmens durch 
die Strömung nach rückwärts gerichtet, an den Körper angedrückt und 
wie ein Besen nachgeschleppt; meistens strahlen sie aber auch während 
des Schwimmens steif nach allen Richtungen aus. Bei ihrer Verkür- 
zung sind sie nie schraubig gewunden, wie die Tentakeln vieler Acine- 
tinen; auch lassen sich die Fäden innerhalb des Körpers nicht verfolgen, 
wie bei den Acinetinen; werden sie ganz eingezogen, so scheinen sie 
im Plasma spurlos aufzugehen und zu verschwinden. Auch nach An- 
wendung von Reagentien ließ sich keine Spur von Forisetzung der Ten- 
takeln innerhalb der Körpersubstanz nachweisen. Manchmal ziehen 
die Actinobolen ihre sämmtlichen Tentakeln ein (Fig. 4); in diesem Falle 
sehen sie gewissen Enchelinen, z. B. der Urotricha farcta Clap. und 
Lachm., frappant ähnlich !!. 

Am hinteren Körperpole liegt die Afteröffnung, welche, wie bei 
den meisten anderen Enchelinen, die einzige, vor dem After gelegene 
kontraktile Vacuole aufnimmt. Die Letztere gehört zu den sogenannten 
rosettenförmigen?, bei welchen beim Beginn der Systole rings um den 
Rand der Vacuole hlasen- oder perlartige Vorsprünge erscheinen, die 
sich gegen das Ende der Systole in eine Rosette von ungleich großen, 
rundlichen Vacuolen umwandeln, sich während der Diastole vergrößern, 
um endlich in die einzige runde Vacuole zusammenzufließen. 


! Ich muss hier bemerken, dass CLAPAREDE in der Abbildung der Urotricha 
farcta (Etudes sur les Infusoires et les Rhizopodes. T. II. 4858—1859. Pl. XVIII, Fig. 9) 
die Körperstreifen nicht genau zeichnet, da sie nicht schief, sondern, wie bei Actino- 
bolus, der Länge nach verlaufen. 

2 Cf. Stein, Der Organismus der Infusionsthiere. I. 4859. p. 88. 

419% 


170 Geza Entz, 


Der Kern ist bei den einzelnen Exemplaren von etwas verschie- 
dener Form und nur in seiner höchsten Entwicklung lang, strangförmig. 
Den Kern, namentlich kleinerer Exemplare, fand ich gewöhnlich 
nieren- oder hufeisenförmig (Fig. 2), manchmal ei- oder fast kugel- 
formig. Von dem quer stehenden hufeisenförmigen finden sich bis zu 
dem mehr oder minder in die Länge gezogenen band- und strangförmigen 
Kern (Fig. 4, 3—6) alle Übergänge. Entweder ist der Kern in seiner 
ganzen Länge gleich dick, oder, namentlich bei langer, strangartiger 
Form, durch seichtere oder tiefere Einschnürungen in ganz ungleiche, 
seltener in ziemlich gleich große, kugelige, oder eiförmige Segmente ge- 
theilt (Fig. 6). Solche perlschnurförmige Kerne erscheinen oft wie ein 
loser Haufen ganz unverbundener Kugeln. An lebenden Exemplaren 
ist der Kern schwer zu erkennen, nach Behandlung mit Essigsäure hin- 
gegen wird er deutlich sichtbar. Am schönsten ist der Kern zu sehen, 
wenn man die Actinobolen mit Pikrinschwefelsäure, dann Alkohol be- 
handelt und zuletzt mit Pikrokarmin färbt. Nach dieser Behandlung 
wird auch die Struktur des Kernes erkennbar. Es besteht der Kern, 
innerhalb der ihn umhüllenden zarten Kernmembran, aus einer hellen, 
fein granulirten Substanz, in welcher in gleichen Abständen vertheilte 
dichtere, von einer hellen Zone umgebene Kügelchen eingebettet liegen 
(Fig. 3). Eine gleiche Struktur des Kernes kommt bekannterweise bei 
sehr vielen Infusorien vor und wurde zuerst von Stein bei Vorticella 
mierostoma beobachtet! und die angeführten Binnenkörperchen als 
innere Nucleolen gedeutet. Auch Waräesnıowski und BürschLı beschrie- 
ben dieselbe Struktur des Kernes bei verschiedenen Infusorien?. Diese 
mit einem hellen Hofe umgebenen Einschlüsse des Kernes sind diesel- 
ben, welche von Baustant für Keimbläschen, von CLAPArkDE und LacH- 
MANN So wie auch von EnGELMAnN in seinen früheren Publikationen für 
sich entwickelnde Embryonalkugeln gehalten wurden; auch GREEFF 
glaubt noch an der Ansicht festhalten zu dürfen, dass sie mit der Fort- 
pflanzung in Beziehung ständen®. Heut zu Tage kann man, ohne den 
Werth dieser Einschlüsse zu kennen, wohl mit Recht behaupten, dass 
den angeführten Deutungen jeglicher Grund fehlt. 

Der Protoplasmaleib des Actinobolus ist farblos oder von einer 
schwach gelblichen Nuance. Die hyaline, körnchenfreie Rindenschicht, 


1 Die Infusionsthiere auf ihre Entwicklungsgeschichte untersucht. Leipzig 
1854. p. 258. Taf. IV, Fig. 2%. 

2 Studien über die ersten Entwicklungsvorgänge der Eizelle, die Zelltheilung 
und die Konjugation der Infusorien. Abhandl. der SEncKENBERG’Schen Naturf. Ge- 
sellschaft. X. 4876. p. 277. 

3 Cf. Bürschui, ]. ce. p. 278. 


Beiträge zur Kenntnis der Infusorien. 171 


das Ektoplasma, ist verhältnismäßig dünn und geht allmählich in das 
körnchenführende Entoplasma über. Letzteres enthält gewöhnlich eine 
bedeutende Anzahl heller Flüssigkeitsräume, theils Nahrungsvacuolen, 
theils bloß Wasser enthaltende Räume, welche dem Plasma, wie etwa 
bei Actinosphaerium Eichhornii, ein schaumiges Aussehen verleihen 
und den Kern und die kontraktile Vacuole verdecken. Zerstreut im 
Entoplasma liegen gewöhnlich viele, das Licht stark brechende Körn- 
chen, welche sich am hinteren spitzen Pole massenhaft ansammeln und 
diesem, bei durchfallendem Licht, eine schwärzliche Färbung verleihen. 
Höchst wahrscheinlich sind diese Körnchen, wie bei anderen Infusorien, 
Harnkonkremente, welche sich in der Aftergegend ansammeln um 
durch den After ausgestoßen zu werden. Zuweilen ist das Entoplasma, 
wie bei vielen Enchelinen, mit gröberen, meist fettglänzenden Körper- 
chen mehr oder minder vollgestopft (Fig. 2, 5), welche, wie die ähn- 
lichen Körperchen der Gregarinen und Infusorien, nach Untersuchungen 
von BürscaLı !, aus einer amyloiden Substanz bestehen dürften. 


Die Nahrungsaufnahme des Actinobolus geschieht ausschließlich 
mit dem Munde und nicht durch Aussaugen mittels der Tentakeln, wie 
bei den Acinetinen; trotzdem scheint aber den Tentakeln — wie dies 
sogleich besprochen werden soll —, bei der Nahrungsaufnahme eine 
Rolle zuzukommen. Als Nahrung werden Bruchstücke, zerweichte, ge- 
quollene Fetzen vegetabilischer Herkunft, meist von verschiedenen 
Algen aufgenommen; nie sah ich die Aclinobolen, nach Art anderer 
Enchelinen , Infusorien verschlingen. Mit den Nahrungsballen, aber 
auch ohne dieselben, wird viel Wasser verschluckt, welches im Ento- 
plasma, unterhalb des Schlundes, Vacuolen aushöhlt und sich in Tropfen 
ansammelt, welche von den nachfolgenden rückwärts gedrängt die oben 
erwähnten wasserhellen Safträume bilden und dem Plasma das schau- 
mige Aussehen verleihen. 


Über die Abstammung der zur Nahrung dienenden aufgeweichten 
vegetabilischen Fetzen war ich lange ganz im Unklaren und kann auch 
nur vermuthungsweise aussprechen, dass dieselben von den Actinobolen 
gewissermaßen präparirt werden. Ich beobachtete nämlich, dass sich 
die Actinobolen mit Vorliebe auf längere Zeit mittels ihrer Tentakeln an 
Cladophoren und anderen Algen befestigen; oft sah ich auf demselben 
Cladophorensträuchchen zwei bis drei Actinobolen wie angebunden. 
Nachdem ich dieses Treiben bemerkt, wendete ich meine Aufmerksam- 
keit den Cladophoren zu und fand nach genauer Durchmusterung der 


1 Notiz über das Vorkommen einer dem Amyloid verwandten Substanz in eini- 
gen niederen Thieren. MüLLer’s Arch. 1870. p. 305. 


1v2 | Geza Entz, 


Sträuchchen, zwischen welchen sich die Actinobolen herumtummelten 
und sich hin und wieder befestigten, dass an sehr vielen Zellen die 
ziemlich derbe Zellwand von einzelnen Punkten ausgehend gequollen 
war; ferner fand ich auch Zellen, deren Inhalt durch die aufgeweichte 
Stelle der Zellhaut hervorquoll, herausfloss und von den Actinobolen 
gierig verzehrt wurde. Ich will nicht positiv behaupten, dass die Ver- 
letzung der Cladophorenzellen nicht möglicherweise von anderen Ur- 
sachen herrührt, kann aber die Vermuthung nicht verschweigen, dass 
es die Actinobolen sind, welche durch ein Sekret ihrer Tentakeln die 
Zellhaut der Algen verletzen, das Ausfließen des Zellinhaltes verur- 
sachen und sich ihre Nahrung gewissermaßen präpariren; man weiß 
ja längst, dass die Tentakeln der räuberischen Acinetinen auch ein 
Sekret liefern, welches die gefangenen Infusorien tödtet und ihr Plasma 
zersetzt: scheint es nicht wahrscheinlich, dass das Sekret der Tentakeln 
der algivoren Actinobolen die Fähigkeit besitzt, gleich den Pseudopodien 
der Vampyrellen, Cellulose zu lösen? 

Die Lokomotion des Actinobolus ist ein ziemlich schnelles Schwim- 
men, doch jagt er bei Weitem nicht so stürmisch - ungestüm durch 
das Gesichtsfeld, wie die Schwärmer der Acinetinen. Während des 
Schwimmens rotirt er um seine Längsachse und beschreibt, wenn er 
auf keine Hindernisse stößt, weite Kreise. Oft bleibt er mitten im 
Schwimmen auf Augenblicke oder auch längere Zeit stehen, um sich, 
wie die Schwärmer der Acinetinen mit seinem zitzenförmigen Mund- 
aufsatz an irgend einen Gegenstand festzusaugen (Fig. 2). Auf diese 
Weise fixirt kann der Actinobolus, mit seinen weit ausstrahlenden Ten- 
takeln, flüchtig betrachtet, leicht für eine kurzstielige Acinete gehalten, 
oder gar mit einer Actinophrys verwechselt werden. Eine andere 
Art der Fixirung, die mit den Tentakeln, ist bereits oben erwähnt 
worden. 

Da der Actinobolus einer wahren Mischform von Enchelinen und 
Acinetinen entspricht, war es höchst wichtig zu erfahren, ob seine Fort- 
pflanzung mit der der Acinetinen, durch innere Knospensprösslinge, 
oder der der Enchelinen, durch Theilung, übereinstimmt. Einige Tage 
der Beobachtung verstrichen, ohne dass ich irgend Etwas, was auf 
die Spur der Fortpflanzung führen mochte, entdecken konnte. Endlich 
stieß ich zwischen den Cladophoren auf zartwandige Cysten, in wel- 
chen holotriche Infusorien meist in zwei, seltener in vier Individuen ge- 
theilt rotirten (Fig. 7). Weitere Untersuchungen ergaben, dass die 
Cysten den Actinobolen angehören, in welchen sie sich, nach der Art 
sehr vieler Enchelinen, durch Theilung vermehren. Die sich encysti- 
renden Actinobolen ziehen ihre Tentakeln ein, ihr Plasma verliert das 


Beiträge zur Kenntnis der Infusorien. 173 


schaumige Gefüge, und während nun das Infusionsthier auf einige Zeit 
die Cilien verliert, verkürzt sich der Kern, wie bei anderen Infusorien 
mit gleichem Kerne, wird rund oder eiförmig, worauf dann die Thei- 
lung in zwei bis vier Stücke erfolgt. Die nach der Sprengung der zart- 
wandigen Cyste ausschwärmenden Theilungssprösslinge senden, frei 
geworden, ihre Tentakeln aus und werden, nachdem ihr Kern strang- 
förmig ausgewachsen und das Plasma sein charakteristisches, schau- 
miges Gefüge angenommen, den umherschwärmenden Exemplaren 
gleich. Die Art der Fortpflanzung stimmt mithin mit der der Enche- 
linen überein und hat mit der Fortpflanzung durch endogene Schwärm- 
sprösslinge der Acinetinen nichts gemein; doch sei hier erwähnt, dass 
eine Fortpflanzung durch einfache Theilung von CLAPrArkDE und LacH- 
MANN 1, CARTER? und CIEnkowskı3 auch bei gewissen Acinetinen beob- 
achtet wurde. 

Nach dem Mitgetheilten unterliegt es einerseits keinem Zweifel, 
dass der Actinobolus — wie es Stein richtig auffasste —, seine nächsten 
Verwandten unter den Enchelinen findet: da seine ganze Organisation 
— abgesehen von den Tentakeln —, ferner auch seine Fortpflanzungs- 
weise mit den Enchelinen übereinstimmt. Andererseits aber können 
die willkürlich ausstreckbaren und einziehbaren Tentakeln, trotzdem 
dass sie zum Aussaugen nicht geeignet sind, nur mit den Tentakeln der 
Acinetinen für homologe Gebilde angesehen und mithin die Verwandt- 
schaft des Actinobolus mit den Acinetinen auch nicht bezweifelt wer- 
den. Wenn man nun, gestützt auf die Kenntnis der Organisation des 
Actinobolus, dessen vermittelnde Stellung zwischen den mundführen- 
den Enchelinen und den mundlosen Acinetinen anerkennt, drängen 
sich manche wichtige Fragen in den Vordergrund, auf welche sich, bei 
dem heutigen Stande unseres Wissens, leider nur mehr oder minder 
wahrscheinliche Vermuthungen, aber durchaus keine positiven Ant- 
worten geben lassen. Von diesen Fragen will ich hier nur die folgende 
berühren: Auf welche Weise, nach welcher Richtung hin 
— möchte ich sagen — ist das Verwandtschaftsverhältnis 
zwischen den Enchelinen und Acinetinen aufzufassen? 
bilden in der phylogenetischen Reihe die Enchelinen 
oder die Acinetinen den Ausgangspunkt? — Fasst man den 


! Etudes. III. p. 134. 

2 Annals and Magazin of nat hist. III. Vol. VIHI. p. 288 und Vol. XV. p. 287. 
Cf. R. Herrwie, Über Podophrya gemmipara. -Morpholog Jahrbuch. Bd. I. 1875. 
P.78&. 

3 Bullet. de l’Acad. Imp. de St. Petersbourg. Vol. XVI. p. 299. Cf. R. Herr- 
wis, l.c. 


174 ‚(eza Entz, 


Actinobolus als eine Encheline auf, deren Tentakeln neu erworbene Or- 
gane sind, welche sich in höher differenzirter Form, als Saugfäden, bei 
den Acinetinen vorfinden, und ließe es sich beweisen, dass mit der 
Umwandlung der Tentakeln zu Saugfäden der Mund und After sich 
rückbildete und die Bewimperung auf längere Zeit verschwand: so 
wäre wohl als bewiesen zu betrachten, dass die Enchelinen die ältere 
Form repräsentiren, aus welcher sich erst später die Acinetinen ent- 
wiekelten und der Actinobolus als eine überlebende Form jener Enche- 
linen zu betrachten, welche durch Erwerbung von Tentakeln von den 
phylogenetisch älteren Enchelinen zu den jüngeren Acinetinen hinüber- 
führen. Der nicht funktionirende Mund und Schlund vieler Acineten- 
schwärmer, auf welche namentlich R. Herrwıg die Aufmerksamkeit 
lenkte, wären in diesem Falle von den mundführenden Vorfahren, den 
Enchelinen, ererbte rudimentäre Organe, welche sich im Laufe der indi- 
viduellen Entwicklung rückbilden, dem Biologen aber unschätzbare 
Zeugnisse der Abstammung geben. Nun darf aber auch eine andere 
Möglichkeit nicht außer Acht gelassen werden: jene nämlich, dass der, 
wenigstens als solcher, nicht funktionirende Mund der Acinetenschwär- 
mer ein Organ ist, welches in seiner höher differenzirten Form — etwa 
durch Funktionswechsel — zu einem wahren Munde wird, mit welcher 
Umwandlung dann die Saugfäden ihre Funktion einbüßten und all- 
mählich verschwanden, die nur während des Schwärmens vorhandenen 
Cilien aber sich auch weiterhin erhielten. Stünde dieser Fall, so wären 
jedenfalls die Acinetinen als ältere Formen zu betrachten, aus welchen 
sich erst später die Enchelinen abzweigten; in dem Actinobolus aber 
hätten wir eine Form, welche mit seinen nicht mehr als Saugfäden 
funktionirenden Tentakeln von den Acinetinen, als älteren, zu den 
Enchelinen, als jüngeren, hinüberführt. In Ermangelung entscheiden- 
der Thatsachen könnte man eine schwere Last von Argumenten pro et 
contra anführen, welche auf die Wagschale gelegt, sich gegenseitig das 
Gleichgewicht halten würden. Die Frage nach dem Verwandischafts- 
verhältnisse der Enchelinen und Acinetinen ist zur Zeit eben so unlös- 
bar, wie die Frage nach der Genealogie der Ciliaten überhaupt. Am 
‚schlagendsten dürfte dies daraus ersichtlich sein, dass R. Herrwıc z. B. 
so viel als feststehend annimmt, dass als gemeinsame 
Urform der Giliatenein einzelliger Organismus, welcher 
mit einem kontinuirlichen Wimperkleid versehen war, 
angesehen werden muss?, während Berca die von Stein an die 
Spitze der Ciliaten gestellten Peritrichen alsälteste Formen der 
11%.6.:P.7. 
2 ].c. p. 80. 


Beiträge zur Kenntnis der Infusorien. 175 


Ciliaten beansprucht, welche sich durch die Vermitte- 
lung des, weiter unten näher zu betrachtenden, Mesodinium von 
denCilioflagellaten durch Reduktion desFlagellum und 
Differenzirung eines Gystostomes und CGystopyge ent- 
wickelten!. Es ließen sich sowohl, was die Genealogie der Ciliaten 
überhaupt als auch speciell die des Actinobolus betrifft, gewiss noch so 
manche Hypothesen aufstellen, um schließlich doch nur zur Überzeugung 
zu gelangen, — dass die Frucht zum Pflücken noch lange nicht reif ist. 

Eines möchte ich aber hier doch noch bemerken. In einer früheren 
Arbeit? habe ich vermuthungsweise ausgesprochen, dass es durchaus 
nicht unwahrscheinlich ist, dass die Enchelinen, welche stets in der 
Gesellschaft, oder nach dem Verschwinden der Acinetinen angetroffen 
werden und mit gewissen holotrichen Acinetenschwärmern eine bis auf 
die Einzelnheiten übereinstimmende Organisation besitzen — abgerech- 
net natürlich, dass bei letzteren der an dem einen, während des 
Schwärmens nach vorn gerichteten Körperpole befindliche zitzenförmige 
Fortsatz keine Öffnung trägt, also keinem Munde entspricht —, mit den 
Acinetinen nicht durch phylogenetische Verwandtschaftsbande, sondern 
noch viel enger verbunden sind: dass die Enchelinen nur frei gewor- 
dene und selbständig fortlebende Acinetenschwärmer sind. Was die 
sonderbare Mischform zwischen Enchelinen und Acinetinen, den 
Actinobolus betrifft, konnte ich bezüglich seiner etwaigen direkten Ab- 
stammung von einer Acinetine zu keinem positiven Ergebnis gelangen, 
kann aber doch nicht verschweigen, dass ich den Actinobolus in beiden 
Lokalitäten in der Gesellschaft der Acineta mystacina antraf und dass 
die großen durch CLAPArkpE und Lacamann beschriebenen 3 Schwärmer 
dieser Acinete, welche durch Zweitheilung entstehen, mit den Actinc- 
bolus die größte Ähnlichkeit zeigen. 


. 2) Mesodinium Acarus Stein (Fig. 8—11). 

Unter die von StEın nur ganz kurz beschriebenen Infusorien ge- 
hört auch Mesodinium Acarus, welches in der zweiten Abtheilung der 
großen Monographie mit folgenden Worten angeführt wird: »Die von 
mir 4862 errichtete Gattung Mesodinium (vgl. Amtl. Bericht der 39. 
Versammlung deutcher Naturforscher und Ärzte in Karlsbad p. 162) 
‚beruht auf einer sehr kleinen, in sumpfigen Gewässern bei Prag und 


! Der Organismus der Cilioflagellaten. Eine phylogenetische Studie. Morphol. 
Jahrb. Bd. VII. 1884. p. 272, 286. 

2 Über einige Infusorien desSalzteiches zu Szamosfalva. Termeszetrajzi Füzetek. 
III. Budapest. 4879. p. 70. 

3 Etudes. T. III. p. 434. Pl. 1, Fig. 3. 


176 6eza Entz, | 


Niemegk von mir nicht selten beobachteten Infusorienform, deren nack- 
ter, drehrunder, vorn und hinten abgerundeter Körper durch eine etwas 
vor der Mitte gelegene ringförmige Einschnürung in ein schmäleres 
kopfartiges und ein breiteres hinterleibsartiges Segment getheilt ist. 
Aus der ringförmigen Einschnürung entspringen sehr lange griffelför- 
mige Wimpern, mittels deren das Thier eben so geschickt spinnenartig 
kriechen, wie auch sich weithin fortschnellen kann. Der sehr erweite- 
rungsfähige Mund liegt am vorderen Körperpol, der After und der kon- 
traktile Behälter am hinteren. Die einzige Art nannte ich Mesodinium 
acarus!.« Mesodinium soll mit den Gattungen Didinium und Uro- 
centrum eine besondere Familie der Peritrichen, die der Gyclodineen, 
bilden. 

Die nähere Kenntnis dieses Infusionsthieres, welches ich in stehen- 
den, sumpfigen Gewässern um Klausenburg hin und wieder, doch nie- 
mals in größerer Menge antraf, dürfte schon wegen seiner auch nach 
Stein’s Beschreibung zweifelhaft erscheinenden systematischen, nach 
Beren’s Ansicht (vgl. oben), zwischen den Gilioflagellaten und Peri- 
trichen vermittelnden Stellung, so wie wegen seiner unstreitig sehr 
nahen Verwandtschaft mit Didinium nasutum, welches nach BaLsIant's 
Untersuchungen einen wahren Darmkanal haben soll?, erwünscht sein. 

Die Körperform des Mesodinium Acarus ist die bekannte der peri- 
trichen Acinetenschwärmer, oder der von ihren Stielen losgelösten, 
mittels des hinteren Wimperkranzes umherschwimmenden Vorticellinen, 
die sogenannte Kerobalanenform 3. Durch eine seichte ringförmige Ein- 
schnürung ist der Körper in zwei ungleiche Segmente getheilt, deren 
hinteres größeres bauchig gedunsen ist und etwa drei Viertel einer 
Kugel darstellt (Fig. 8, 9, 11); das vordere, kleinere Segment hingegen, 
welches gewissermaßen nur einem Aufsatze des kugeligen Leibes ent- 
spricht, besitzt die Form eines Kegels, welcher sich oft zu einem zitzen- 
förmig vorspringenden Pol, einem zweiten, kleineren Kegel zuspitzt 
(Fig. 8). Die von Bercu nach Stem’s Beschreibung konstruirte Figur #, 
welche beide Leibessegmente abgerundet darstellt, giebt durchaus kein 
charakteristisches Bild unseres Infusionsthieres. 


1 Der Organismus. Bd. II. p. 448. 

2 Observations sur le Didinium nasutum Stein (Vorticella nasuta ©. F. Müller). 
Arch. de Zoologie experimentale. T. II. Nr. 3. 1873. p. 363. 

3 Bekanntlich hat Bory DE Saınt-VisceEnt die mit ihrem provisorischen Wimper- 
kranz frei umherschweifenden Vorticellinen für selbständige Infusorien gehalten, für 
welche er das Genus Kerobalana gründete. Cf. Dietionnaire classique d’histoire 
naturelle. T. IX. 4826. p. 419. 

4 Der Organismus der Cilioflagellaten. Morphol. Jahrb. Bd. VII. 1884. p. 284. 


Beiträge zur Kenntnis der Infusorien. 197 


Die seichte Einschnürung, welche die beiden Leibessegmente 
trennt, trägt einen geschlossenen Kranz von langen griffelförmigen 
Wimpern, welche an Stärke etwa den adoralen Wimpern der Halteria 
grandinella gleichkommen und gleich diesen, oder den Griffeln der Oxy- 
trichinen und Euplotinen, die Neigung haben, sich von ihrer Spitze aus 
in feine Härchen aufzulösen, sich pinselartig zu zerfasern. Die Stärke 
und Länge dieser Wimpern ist übrigens bei den einzelnen Exemplaren 
sehr verschieden (Fig. 8—A1). Außer diesem Kranze ist der ganze Kör- 
per nackt. 

Am vorderen zugespitzten Körperpole befindet sich die Mundöff- 
nung, deren Umrandung sich zitzenförmig vorstülpen lässt und in die- 
sem Zustande den oben erwähnten kleineren Kegel bildet. — Barsıant 
beschreibt bei Didinium nasutum ein verhältnismäßig langes, durch- 
sichtiges, cylindrisches, zungenförmiges („Organe en form de langue «) 
—- richtiger wohl rüsselförmiges — Organ, welches sich bei der Nah- 
rungsaufnahme aus dem Schlunde weit vorstülpen lässt, die Beute er- 
fasst und festhält!. Ich glaube, dass sich dieses Organ, wenn auch 
weniger entwickelt, auch bei Mesodinium vorfindet, aber durchaus 
keine vorschießbare innere Zunge ist, sondern nichts Anderes, als die 
eben erwähnte, zitzenförmig vorgestülpte Mundumrandung, der Lippen- 
wulst, welcher bei Didinium einer sehr bedeutendenVerlängerung fähig ist. 
Ist diese Auffassung richtig, so hat dieses für die Infusorien so fremdartige 
Organ seine ganze Räthselhaftigkeit verloren. — Der Mund führt in den 
äußerst erweiterungsfähigen Schlund, welcher wie die gleich gebauten, 
dünnhäutigen Schlünde anderer Infusorien, namentlich der Enchelinen, 
feine Längsfalten trägt; nie beobachtete ich, dass diese Falten, wie bei 
Didinium, zu soliden Stäbchen erhärten. Bei den einzelnen Exemplaren 
fand ich den Schlund von sehr verschiedener Länge: bald reichte er 
bloß bis zur Mitte des vorderen Körpersegmentes, bald endete er erst 
in der Gegend des Wimperkranzes, was sich vielleicht auf die Kon- 
traktilität des Schlundes zurückführen lässt. Die Afteröffnung findet 
sich am hinteren Körperende und nimmt auch die rosettenförmige kon- 
traktile Vacuole auf. 

BarsIanı beschreibt bekannterweise und wie schon erwähnt bei 
Didinium nasutum einen zarthäutigen Darmkanal, welcher Mund und 
After kontinuirlich verbindet, gewöhnlich ganz kollabirt ist und sich 
nur beim Eintritt der Nahrung öffnet?. Da ich dieses interessante In- 
fusionsthier — welches sich vom Mesodinium im Wesentlichen nur da- 
durch unterscheidet, dass es außer dem auch bei Mesodinium vorhan- 


1]. c. p. 379. 
21. €. pP. 371. 


178 Geza Entz, 


denen Wimperkranz in der Mitte des hinteren Körpersegmentes noch 
einen zweiten trägt —, in der hiesigen Gegend bis jetzt nicht finden 
konnte: gab ich mir viele Mühe die Ernährungsorgane des Mesodinium 
genau kennen zu lernen, um mich von dem etwaigen Vorhandensein 
eines für einen Darmkanal haltbaren Organs zu überzeugen. Ein sol- 
ches ließ sich aber nicht entdecken: der längere oder kürzere Schlund 
führt die Nahrungsballen, wie bei allen anderen Infusorien, in den 
weichen Brei des Entoplasma, in welchem sich keine Spur eines den 
Schlund mit dem After verbindenden Darmkanals auffinden lässt. — 
Vollkommen einverstanden mit der Ansicht BürscnLi's, dass das Vor- 
handensein eines Darmkanals, d. h. einer mit zwei Mündungen in die 
Außenwelt führenden, verdichteten Röhre des Entoplasmas die einfache 
Zellennatur der Infusorien nicht in Frage stellen würde!: muss ich doch 
gestehen, dass ich die Existenz dieses Darmrohres bei einem einzigen 
Infusionsthiere, dessen nächster Verwandte dasselbe gewiss nicht be- 
sitzt, mit unserer jetzigen Kenntnis der Organisation der Infusorien sehr 
schwer vereinbar finde, und kann nach so vielen fruchtlosen Bestre- 
bungen mehrerer Forscher einen Verdauungsapparat bei den Infusorien 
zu konstatiren, das Vorhandensein des Darmkanals von Didinium um so 
weniger als endgültig bewiesen betrachten, als der einzige Forscher, 
WLapımir ALENITZIN, welcher Didinium nasutum in neuerer Zeit unter- 
suchte, von dem Damkanal nichts zu sagen weiß. Nach Arsnırzın ? 
geht von der Mundöffnung schief nach innen ein langer, enger, koni- 
scher Schlundapparat, welcher aus feinen Stäbchen, deren Konturen 
sehr undeutlich sind, zusammengesetzt ist. Es muss allerdings her- 
vorgehoben werden, dass Arenırzın keine Ahnung davon halte, dass 
seine Wagneria cylindriconica mit dem längst bekannten Didinium nasu- 
tum identisch ist; allein dies ist doch kein Grund vorauszusetzen, dass 
der Darmkanal der Aufmerksamketi des russischen Forschers einfach 
entgangen sei. 

Die Nahrung des Mesodinium besteht aus kleinen Ciliaten und 
Flagellaten, welche es, nach Art der Enchelinen, mit dem zitzenförmig 
vorspringenden Munde erfasst und durch den sehr erweiterungsfähigen 
Schlund in das Entoplasma drängt. Oft enthält das Entoplasma ein- 
zelne Safträume, Nahrungsvacuolen, sehr gewöhnlich grobe, matt fett- 
glänzende Körner. Das Ektoplasma, welches vom Entoplasma meist 
ziemlich scharf getrennt scheint und mit einer zarten Quticula bedeckt 


1 Studien. p. 364. 
2 Wagneria cylindriconica. Ein neues Infusionsthier. Archiv für mikr. Anat. 
Bd. X. 1874. p. 122. 


Beiträge zur Kenntnis der Infusorien. 179 


ist, enthält keine Myophanstreifen, auch keine Trichocysten oder stäb- 
ehenförmige Körperchen. 


Der Kern findet sich etwa in der Mitte des hinteren Körpersegmen- 
tes und ist kugel- oder eiförmig. 


Mesodinium Acarus schwimmt entweder mit mäßiger Schnelligkeit 
unter fortwährenden Achsendrehungen, oder kriecht, die griffelartigen 
Wimpern, wie die Oxytrichinen und Euplotinen, gleich Füßen ge- 
brauchend — wie sich Stein ausdrückt —, geschickt spinnenartig; auch 
kann es sich mittels seiner Wimpern, etwa wie die Halterien, weithin 
fortschnellen. 

Die Fortpflanzung geschieht, wie bei Didinium, durch Querthei- 
lung (Fig. 10, 14). Ich stieß einige Male auf Individuen, welche in Thei- 
lung begriffen waren, ohne die näheren Vorgänge des Theilungsproces- 
ses Schritt für Schritt verfolgen zu können und will hier nur so viel 
bemerken, dass die Theilung mit der Ausbildung eines, das verlängerte 
hintere Körpersegment einschnürenden zweiten Wimperkranzes und 
Zweitheilung des Kernes zu beginnen scheint (Fig. 10); auf diesem Sta- 
dium der Theilung könnte Mesodinium mit einem Didinium verwechselt 
werden. 


Encystirte Exemplare wurden nicht angetroffen. 


Nach dieser Beschreibung soll nun noch die Frage nach der syste- 
matischen Stellung des Mesodinium besprochen werden. 


Wie oben erwähnt, soll nach Stein Mesodinium mit Didinium und 
Urocentrum in der Ordnung der Peritrichen eine eigene Familie, die 
der Cyclodineen, bilden. Zunächst kann es kaum bezweifelt werden, 
dass die Gattungen Mesodinium und Didinium auf das engste verwandt 
sind ; ist doch Didinium nichts Anderes, als gewissermaßen ein doppel- 
tes Mesodinium. Dasselbe lässt sich aber in Bezug auf Urocentrum 
Turbo (die einzige Art des Genus Urocentrum) durchaus nicht behaup- 
ten. Zwischen der Organisation des Urocentrum und der zwei an- 
deren Repräsentanten der Stein’schen Familie der Cyclodineen zeigen 
sich so gewaltige Unterschiede, dass sich die Zusammengehörigkeit ganz 
und gar nicht motiviren lässt. Um diese Behauptung zu rechtfertigen, 
will ich hier die Charaktere des Mesodinium Acarus und Didinium nasu- 
tum denen des Urocentrum Turbo (Fig. 12—14) gegenüberstellen. 


180 


Mesodinium Acarus und Didinium nasutum 


Geza Entz, 


Urocentrum Turbo! 


Der in seinem vorderen Theile kontrak- 


tile Körper ist spilzkugel- oder tonnen- 
förmig, mit einem zugespitzten kegel- 
förmigen Aufsatz, drehrund. Durch 
eine seichte ringförmige Einschnürung 
wird der Körper in ein vorderes, klei- 
neres, zugespitztes und ein hinteres, 
größeres, abgerundetes Segment ge- 
theilt. | 


Die Gesammtform des ganz starren Kör- 


pers erinnert lebhaft an die Peridineen 
und kann in seinen Umrissen mit einer 
Violine verglichen werden. Es lässt 
sich eine Rücken- und eine Bauchseite 
unterscheiden; erstere ist gewölbt, in 
der Mittellinie und an den Rändern 
wulstig verdickt; die Bauchseite flach, 
oder, namentlich gegen den hinteren 
Theil, mehr oder minder konkav. 
Durch eine ziemlich tiefe ringförmige 
Einschnürung ist der Körper in ein 
vorderes, größeres und ein hinteres, 
kleineres Segment getheilt. Das vor- 
dere Körpersegment besteht aus einem 
kurzen, vorn abgerundeten, diadem- 
artigen Stirntheil und einem bauchig 
erweiterten Mittelleib. Der Hinter- 
körper ist fast halbkugelförmig, oder, 
in seinen Umrissen, mehr oder minder 
ausgeprägt abgerundet-fünfeckig. Vom 
hinteren Körperpol führt auf der Bauch- 
seite eine gerade Rinne zur Ringfurche 
des Körpers. 


Die Bewimperung besteht aus einem |Die ringförmige Einschnürung zwischen 


Kranz von starken Wimperhaaren in 
der ringförmigen Einschnürung zwi- 
schen Vorder- und Hinterkörper ; außer 
diesem Kranz trägt Didinium noch 
einen zweiten in der Mitte des Hinter- 
körpers. Die übrige Körperoberfläche 
ist nackt. 


Vorder- und Hinterkörper trägt einen 
aus dicht stehenden Wimperhaaren 
gebildeten adoralen ‚Wimperkranz. 
Außer diesem Wimperkranze ist der 
Vorderkörper bis zum Stirntheile,. der 
Hinterkörper bis zum hinteren Pole 
mit dicht stehenden, langen und sehr 
feinen Wimperhaaren bewachsen. Aus 
dem hinteren Ende der Bauch- oder 
Mundrinne entspringt ein langer Schopf 
von sehr feinen und langen Haaren, 
welche einen gedrehten, zugespitzten 
schwanzartigen Griffel bilden, sich 
aber sehr leicht in einen Busch loser 
Haare auflösen. Der Bau dieses 
schwanzartigen Fortsatzes stimmt ganz 


! Ich habe dieser Beschreibung sowohl Sreın’s (Der Organismus. 11. p. 448), 
als meine eigenen, von Steın in manchen Einzelheiten abweichenden Beobachtun- 


gen zu Grunde gelegt. 


Beiträge zur Kenntnis der Infusorien. 


181 


Mesodinium Acarus und Didinium nasutum 


Das Ektoplasma enthält keine Myophan- 
streifen und keine Trichocysten. 


Der Mund befindet sich am vorderen, 
zitzenförmig vorspringenden, bei Di- 
dinium rüsselartig  vorschießbarem 
Körperpol und führt in einen geraden, 
sehr ausdehnbaren, wimperlosen, der 
Länge nach gestreiften, bei Didinium 
mit langen Stäbchen bewaffneten 
Schlund. 


Der After liegt am hinteren Körperpol 
und nimmt auch die einzige, rosetten- 
förmige kontraktile Vacuole auf. 


Kern im Hinterkörper, kugel-, nieren-, 
hufeisen-, bis band- oder strangför- 
mig. 


l 
Urocentrum Turbo 


mit dem des Wimperschopfes der Lo- 
phomonaden überein. 


Das Ektoplasma enthält keine Myo- 
phanstreifen, ist aber gewöhnlich mit 
recht ansehnlichen Trichocysten voll- 
gespickt. 


Der Mund befindet sich in der Mittellinie 
der Bauchseite, am vorderen Ende der 
Mundrinne, etwas oberhalb der Quer- 
furche und führt mit spiralig gedreh- 
ter Umrandung in einen kurzen, nach 
ein- und aufwärts gebogenen, wald-- 
hornförmigen Schlund, dessen inneres 
Ende, wie bei den Vorticellinen, Para- 
maecien und Oxytrichinen eine Quaste 
langer, feiner Wimperhaare trägt; der 
übrige Theil des kurzen Schlundes ist 
wimperlos. Wie bei den genannten 
Infusorien mündet der Schlund in einen 
spindel-, oder, im gefüllten Zustande, 
citronenförmigen bis fast kugeligen, 
hellen Raum, welcher ohne eigene 
Wandung gleichsam einer in das Plas- 
ma gegrabenen Höhle oder Vacuole 
entspricht (Schlingvacuole) und sich 
von Zeit zu Zeit kontrahirt, um, wie 
bei den Paramaecien und Oxytrichinen, 
das durch den adoralen Wimperkranz 
hineingestrudelte Wasser und Nah- 
rungsballen unmittelbar in das ver- 
dauende Entoplasma zu drängen. 


After und kontraktile Vacuole wie bei 
Mesodinium und Didinium. 


Kern in der Nähe des hinteren Körper- 
poles, quer gelagert, hufeisenförmig ; 
in seiner Ausbuchtung liegt ein ansehn- 
licher Nucleolus. 


Aus dieser Zusammenstellung dürfte zur Genüge ersichtlich sein, 
dass die Organisation von Mesodinium und Didinium einerseits, von 
Urocentrum andererseits in den wesentlichsten Punkten (allgemeine 
Architektur des Körpers, Bewimperung, Lage des Mundes und Bau des 
Schlundes) so auffallend abweicht, dass man über die Nichtzusammen- 


182 Geza Entz, 


gehörigkeit der drei Infusorien, respektive des Urocentrum mit Meso- 
dinium und Didinium keinen Augenblick in Zweifel bleiben kann. 

Es liegt zu entfernt von meinem Ziele, mich hier mit der schwie- 
rigen Frage nach der systematischen Stellung des Urocentrum speciell zu 
befassen; ich begnüge mich auf die von den Cyclodineen grundverschie- 
dene Organisation des Urocentrum hingewiesen zu haben und will hier 
nur die Stellung von Mesodinium und Didinium berücksichtigen ; wenn 
ich aber in dem Folgenden mich gezwungen fühle dem hochverdienten 
Forscher, welcher mit Recht das größte Ansehen genießt und dessen 
System fast allgemein gefolgt wird, in manchen wesentlichen Punkten 
zu widersprechen, thue ich es nicht ohne reifliche Überlegung. 

Um meinen Standpunkt zu bezeichnen, muss ich vor Allem be- 
merken, dass ich, ohne die systematische Verwerthbarkeit der Art der 
Bewimperung zu verkennen, der Ansicht bin, dass ihr allein doch nicht 
eine so überaus hohe Wichtigkeit zugeschrieben werden darf, um der- 
‚selben — wie in dem Systeme von Stein —, alle anderen Charaktere 
unterzuordnen. Außer der Bewimperung müssen, meiner Ansicht 
nach, bei einer natürlichen Gruppirung der Infusorien noch manche 
andere Charaktere berücksichtigt, und zwar vor der Art der Bewim- 
perung berücksichtigt werden. In die Reihe dieser wichtigen Charak- 
tere gehören: dieLage des Mundes — das Fehlen, oder Vor- 
handensein, im letzteren Falle die Beschaffenheit des 
Peristomes —, die Beschaffenheit des Schlundes — die 
Lage desAftersund der kontraktilen Vacuole. Nurmitdie- 
sen Charakteren, aber durchaus nicht ohne Rücksicht auf dieselben, kann 
die Art der Bewimperung in Betracht gezogen werden. Dass durch die 
einseitige Berücksichtigung des Wimperkleides manche Infusorien — 
wie die Pflanzen im Lınn&’schen Sexualsysteme — aus ihrem natür- 
lichen Verwandtschaftsbande weit hinausgerissen werden, muss nicht 
erst bewiesen werden. Um nur ein Exempel anzuführen, müssten bei 
konsequenter Durchführung der Principien, auf welche STEIN sein 
System basirte, die Lionoten, nachdem sie — wie dies von WRZESNIOWSKI 
bewiesen wurde ! —, nur auf ihrer flachen Bauchseite bewimpert sind, 
von ihren unstreitig nächsten Verwandten, den holotrichen Loxophylien 
und Ampbhilepten getrennt und unter die Hypotrichen eingereiht wer- 
den. Dies hat Stein, da er die Verschiedenheit der Bewimperung inner- 
halb der Gattung Loxophyllum nicht kannte, allerdings nicht gethan; 
die Ervilinen und Chlamydodonten aber, welche ihrer Bewimperung 
nach in demselben Verhältnisse zu den Nassulinen stehen, wie die 


1 Beobachtung über Infusorien aus der Umgebung von Warschau. Diese Zeit- 
schrift. Bd. XX. 4870. p. 496. 


Beiträge zur Kenntnis der Infusorien. 183 


Lionoten zu den Loxophyllen und Amphilepten, von ihren nächsten Ver- 
wandten getrennt und mit den grundverschieden organisirten Oxytri- 
chinen, Euplotinen, Aspidiseinen und Peritrominen in der Ordnung der 
Hypotrichen vereinigt. — Dass die eben angeführten Charaktere bei 
einer natürlichen Gruppirung der Infusorien in erster Reihe berück- 
sichtigt werden müssen, wird auch durch den Umstand gestützt, dass 
die Repräsentanten all jener Familien, deren Zusammengehörigkeit nicht 
bezweifelt werden kann (z. B. Ophrydinen, Vorticellinen und Urceola- 
rinen — Oxytrichinen, Euplotinen und Aspidiscinen —, Spirostomeen, 
Stentorinen, Bursarinen, — Enchelinen und Trachelinen), in Bezug 
auf das Fehlen oder Vorhandensein des Peristomes, die Beschaffenheit 
des letzteren und des Schlundes, meist auch auf die Lage des Mundes, 
Afters und der kontraktilen Vacuole übereinstimmen, während die Art 
der Bewimperung nicht immer dieselbe ist: so trägt, nach CLAPARkDE 
und LıcHmAnn, die von den übrigen Urceolarinen (Urceolaria, Tricho- 
dina) gewiss nicht zu trennende Trichodinopsis paradoxa, außer der 
adoralen Wimperzone, ein totales Wimperkleid!; einige Enchelinen 
sind, wie oben erwähnt wurde, so wie auch Loxodes Rostrum unter den 
Trachelinen hypotrich ; ferner tragen einige Infusorien aus den eben 
angeführten Familien an dem Rande ihres Rüssels eine Reihe von 
borstenartigen Wimpern, welche schon Dusarnın bekannt war und von 
ihm als »Mähne« (criniere) bezeichnet wurde 2, — sie sind mithin streng 
genommen nicht holo-, sondern heterotrich. 

Kehren wir nun zurück zur Frage: welche Stelle dem Mesodinium 
und Didinium im System zukommt? Stein reiht sie, wie wiederholt 
erwähnt wurde, in die Ordnung der Peritrichen. Ist diese Eintheilung 
naturgemäß, so müssen die beiden Infusorien in den Hauptzügen ihrer 
Organisation mit den anderen Peritrichen unbedingt übereinstimmen. 
Welche sind aber die wesentlichen Charaktere der Ordnung der Peri- 
trichen? Auf diese Frage lässt sich, wenn man alle neun Familien, 
welche nach Stein die Ordnung der Peritrichen bilden, berücksichtigt, 
eine präcise, ohne Klauseln von Ausnahmen belastete Antwort, schwer- 
lich, richtiger gesprochen, gar nicht geben. Stein hat nämlich dieser 
Ordnung all jene Infusorien einverleibt, deren meist drehrunder Kör- 
per, außer der adoralen Wimperspirale gewöhnlich nur noch einen 
geschlossenen Kranz von bleibenden oder nur provisorisch erscheinen- 
den Wimperhaaren trägt; doch kann der letztere, manchmal sogar auch 
die adorale Wimperspirale gänzlich fehlen und ausnahmsweise die ado- 
rale Wimperspirale sich mit einzelnen Wimpergruppen, ja sogar mit 

ı Etudes. T. I. p. 132. 


2 Histoire naturelle des Infusoires. 1844. p. 398. 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVIII. Bd. 13 


184 Geza Entz, 


einer totalen Bewimperung kombiniren!. Begnügt man sich mit dieser 
überaus elastischen Charakteristik, so wird man zwar Mesodinium und‘ 
Didinium aber auch manche anderen Infusorien unter die Peritrichen 
einreihen können; nimmt man aber außer der von Stein in erster Reihe 
und fast ausschließlich berücksichtigten — übrigens auch nach Stein 
sehr veränderlichen — Bewimperung, wie es nur recht und billig ist, 
auch andere wichtige Organisationsverhältnisse in Betracht: so wird 
man — will man überhaupt die Ordnung von heterogenen Elementen 
befreien —, gewiss nicht umhin können, nicht nur die Cyelodineen, 
sondern auch mehrere andere Familien aus dem Zwangsverbande zu 
trennen. Nimmt man die gesammte Organisation der Repräsentanten 
der einzelnen Familien von Stzın’s Peritrichen in Betracht, so wird und 
muss man zur Überzeugung gelangen, dass in der ganzen Ordnung nur 
die Familie der Vorticellinen, Ophrydinen und Urceolarinen durch un- 
verkennbare Verwandtschaftsbande verbunden sind, welchen sich höch- 
stens noch die Familie der Spirochoninen und etwa noch Urocentrum 
anschließt; hingegen sind die Ophryoscolecinen, Gyrocoriden, Gyclodi- 
neen, Tintinnodeen und Halterinen von jenen so auffallend verschieden 
organisirt und mit den echten Peritrichen, d. h. den drei ersten Fami- 
lien, auch durch keine Übergangsformen verbunden, dass sie unbedingt 
getrennt werden müssen. Schon V. Sterkı hat mit Recht darauf hinge- 
wiesen ?, dass die Tintinnodeen — zu welchen ich von den Süßwasser- 
infusorien, außer Tintinnus fluviatilis und T. semiciliatus, nach meinen 
eigenen Beobachtungen, auch das von A. GruBEr unter dem Namen 
Maryna socialis beschriebene interessante Infusionsthier?® rechne —, 
näher zu den Heterotrichen, als den Peritrichen stehen, was ich dahin 
ergänzen möchte, dass sie entschieden zu den Heterotrichen gerechnet 
werden müssen, da ihre Organisation nur mit diesen, namentlich. den 
Stentorinen, aber durchaus nicht mit den Peritrichen gemeinschaftliche 
Charaktere aufzuweisen hat. Dasselbe gilt nach meinen Beobachtun- 
gen für Gyrocorys oxyura, dem einzigen Repräsentanten der Familie 
der Gyrocoriden. Die Ophryoscolecinen können wohl auch nur mit den 
Heterotrichen vereinigt werden. Auch in dem kann ich mich STERKI an- 
schließen, dass Halteria am nächsten mit den Oxytrichinen verwandt 
und nach einem durchaus anderen Typus gebaut ist, als die ‚echten 
Peritrichen ®. 


1 Cf. Stein, Der Organismus. Bd. II. p. 167. 

2 Tintinnus semiciliatus. Eine neue Infusorienart. Diese Zeitschr. Bd. XXXII. 
1879. p. 462. 3 Neue Infusorien. Diese Zeitschr. Bd. XXXIU. 1879. p. 451. 

4 Beiträge zur Morphologie der Oxytrichinen. Diese Zeitschr. Bd. XXXL. 1878. 
p. 45. 


Beiträge zur Kenntnis der Infusorien. 185 


So blieben nun — wenn man die Spirochoninen und Urocentrum, 
deren Stellung noch zweifelhaft ist, nicht berücksichtigt —, von den 
neun Familien der Stem’schen Peritrichen nur noch die Ophrydinen, 
Vorticellinen und Urceolarinen und die durch Ausscheidung des Uro- 
cenirum auf zwei nächstverwandte Gattungen, Mesodinium und Didi- 
nium, reducirte Familie der Öyclodineen. Mit diesen drei Familien 
müssen also die CGyclodineen verglichen werden. Diese drei Familien 
bilden aber, wie gesagt, eine der natürlichsten Gruppen, welche sich 
ganz präcis charakterisiren lässt. Es gehören hierher äußerst kontrak- 
tile, spastische Infusorien, deren drehrunder Körper an seinem vorderen 
Ende ein mehr oder minder scheiben- oder deckelförmiges, einziehbares 
Organ, das sogenannte Wirbelorgan trägt, welches zurückgezogen durch 
die wulstige Umrandung des vorderen Körperendes abgeschlossen wer- 
den kann. Das Wirbelorgan ist von Wimpern umsäumt, welche in zwei- 
oder mehrfachen engen Spiraltouren gewunden verlaufen. Das äußere 
Ende dieser adoralen Wimperspirale führt zu der zwischen dem Wirbel- 
organ und der wulstigen Umrandung, also am vorderen abgestutzten 
Körpertheile, jedoch excentrisch gelegen, schließbaren Mundöffnung, 
diese aber in den waldhornförmig gebogenen Schlund !, in welchen sich 
die adorale Wimperspirale fortsetzt und welcher das hineingestrudelte 
Wasser und Nahrungsballen durch die Vermittelung eines spindelförmi- 
gen, kontraktilen Raumes, der Schlingvacuole2, in welcher die Wimper- 
spirale mit einer Quaste langer Haare endet und, als Fortsetzung dessel- 
ben eines erweiterungsfähigen, langen, feinen bogenförmig verlaufenden 
Kanals in das Entoplasma gelangen lässt. Der After, so wie die kontrak- 
tile Vacuole öffnet sich in den oberen, von LAcHmann zuerst als Vorhof 
(Yestibulum) unterschiedenen Theil des Schlundes, in der Gegend der 
sogenannten großen Borste, oder Geißel der Autoren, welche, wie es 
BütscaLı gezeigt hat! und ich bestätigen kann, eigentlich einer aus dem 
Vestibulum vorstreckbaren und segelartig ausspannbaren, fein gestreif- 
ten undulirenden Membran entspricht. Die Bewimperung besteht, außer 


I Vorhof (Vestibulum) in seinem oberen, Oesophagus in seinem unteren Theil bei 
LACHMANN (Über die Organisation der Infusorien, besonders der Vorticellen, MüLLERr's 
Arch. 1856. p. 347) u. CLAPAREDE (Etudes. T.I. p. 80); Vestibulum bei Bürscatı (Über 
Dendrocometes paradoxus, nebst einigen Bemerkungen über Spirochona gemmipara 
und die kontraktilen Vacuolen der Vorticellinen. Diese Zeitschr. Bd. XXVIII. 4877. 
p- 67). 

? Der Pharynx Lacamanv’s (l. c.); der bauchige Trichter R. GrEEFF's (Unter- 
suchungen über die Naturgeschichte der Vorticellen. Archiv für Naturgeschichte. 
Bd. XXXVI. 4871. p. 200), den er als ersten Versuch einer Magenbildung be- 
trachtet ; der eigentliche Oesophagus bei Bürscaut (l. c.). 

&1..6: Pe Dr. =. C..:pe 67. 

13* 


186 Geza Entz, 


der adoralen Wimperspirale, aus einem geschlossenen Kranz von Wim- 
pern, welche bei den Vorticellinen und Ophrydinen im hinteren Drittel 
oder Viertel des Körpers nur provisorisch, wenn sie ihre Stiele oder Ge- 
häuse verlassend in der Kerobalanenform frei umherschweifen, auftritt, 
um nach dem Festsetzen wieder zu verschwinden ; bei den Urceolarinen 
hingegen bleibt dieser hintere Wimperkranz; nur bei Trichodinopsis 
paradoxa ist außerdem noch der ganze Körper bewimpert. : 


Wenn wir nun mit diesen Charakteren die der Cyclodineen verglei- 
chen, müssen wir unbedingt zur Überzeugung kommen, dass die letz- 
teren mit den drei Familien der Peritrichen so zu sagen gar nichts gemein 
haben !. Wir finden bei den Cyclodineen weder ein Wirbelorgan mit 
der adoralen Wimperspirale, noch den komplicirt gebauten Schling- 
apparat, noch ist die Lage des Afters und der kontraktilen Vacuole die- 
selbe. Alles ist ganz anders gebaut und hat eine ganz andere Lage. 
Das einzige, was sie mit den Peritrichen scheinbar gemein haben, ist 
der bei Mesodinium einfache, bei Didinium doppelte Wimperkranz. Von 
diesen entspricht aber keine der für die Peritrichen so hochcharakter- 
istischen adoralen Wimperspirale, sondern sie sind, wie der hintere 
Wimperkranz der Peritrichen, geschlossene Kränze. Da von diesen zwei 
_ Wimperkränzen nur der eine, der vordere bei beiden Gattungen vor- 
kommt, so ist es jedenfalls dieser, welcher mit dem Wimperkranze der 
Peritrichen verglichen werden muss. Es ist nicht zu leugnen, dass die 
Vorticellinen und Ophrydinen, wenn sie abgelöst von ihren Stielen, oder 
herausgetreten aus ihren Gehäusen in der Kerobalanenform umher- 
schwärmen, eine frappante Ähnlichkeit mit Mesodinium zeigen; allein 
eine nähere Analyse zeigt sogleich, dass dieser Ähnlichkeit keine tiefere 
Übereinstimmung in der Organisation zu Grunde liegt. Der währen 
des Schwärmens nach vorn gerichtete und durch den Wimperkranz vom 
übrigen Körper abgegrenzte Pol der Vorticellinen- und Ophrydinen- 
Kerobalane entspricht dem hinteren Ende des Infusorienkörpers, womit 
es sich nach beendetem Schwärmen fixirt; der nach hinten gerichtete 
Körpertheil birgt das eingezogene Wirbelorgan, den Schlund, After und 
kontraktile Vacuole, und entfaltet sich, nach dem Festsetzen, zu dem 
komplieirt gebauten vorderen Theil des Körpers. Bei den Cyclodineen 
hingegen ist das vor dem Wimperkranze gelegene Körpersegment der 
beständige vordere Theil des Körpers, welcher, wie bei den Enchelinen, 
an seinem vorspringenden Pole den Mund trägt; der hintere Pol hin- 
gegen ist der Afterpol. Die Cyclodineen haben mithin mit den Peri- 


1 Dieses wird auch nicht alterirt, in so fern man auch die Spirochoninen und. 
Urocentrum zu den Peritrichen rechnet. 


Beiträge zur Kenntnis der Infusorien, 187 


trichen, wie gesagt, außer dem Wimperkranze, nichts gemein; da aber 
die Lage dieses Wimperkranzes zu den einzelnen Organen bei den bei- 
den Gruppen gerade das Entgegengesetzte ist: kann dieser Kranz ge- 
wiss nicht, und um so weniger den Ausschlag geben, da er in der Form 
eines aus mehr oder minder verlängerten Cilien gebildeten Kragens — 
wie ich dies bei der Beschreibung von Lacrymaria Lagenula des Szamos- 
falvaer Salzteiches hervorhob ! —, auch bei einigen Enchelinen, nament- 
lieh den Lacrymarien, vorkommt, und zwar, ganz wie bei den Cyclo- 
dineen, unterhalb des unbewimperten, köpfchenartigen Aufsatzes, auf 
dessen Pole sich der Mund öffnet. 

Da wir nun gezwungen sind die Cyclodineen aus dem unnatür- 
lichen Verbande mit den Peritrichen zu trennen, fragt es sich, wo sie 
sich im Systeme unterbringen lassen? Die Beantwortung dieser Frage 
stößt auf gar keine Schwierigkeiten, sobald man nur die Art der 
Bewimperung nicht als Charakter ersten Ranges ansieht, dem alle 
anderen untergeordnet werden müssen. Lässt man die Art der Be- 
wimperung unberücksichtigt, und zieht die anderen Charaktere der 
Organisation — die Lage des Mundes, Afters und der kontraktilen Va- 
cuole, so wie die Beschaffenheit des Schlundes, — in Betracht, so kann 
einzig und allein auf die Familie der Enchelinen reflektirt werden; mit 
diesen aber stimmen die Gyclodineen — die Bewimperung natürlich 
ausgenommen —, genau und in allen Einzelnheiten der Organisation 
vollkommen überein: sie sind nichts als Enchelinen, deren 
Bewimperung aufeinen, respektive zwei Wimperkränze 
reducirt ist. Schon Arenitzın hat die Verwandtschaft des Didinium 
nasutum — seiner Wagneria cylindriconica — mit den Trachelinen ? rich- 
tig erkannt und betont°®; darin kann ich aber dem genannten Forscher 
nicht beistimmen, dass Didinium einen Übergang zwischen Trachelinen 
und Vorticellinen bildet, da die Cyclodineen, wie wir gezeigt, mit den 
Vorticellinen durchaus keine wichtigen Charaktere gemein haben. Auf 
die fernere Frage, ob man die Cyclodineen den Enchelinen ganz ein- 
verleibe, oder neben diesen als eine besondere Familie aufrecht halte, 
hängt ganz vom speciellen Ermessen des Einzelnen ab und ist im 
Grunde genommen auch ganz gleichgültig. Sie mögen immerhin als 
eine eigene Familie gelten; wenn man aber die hypotrichen Loxoden 
und Lionoten von den holotrichen Dilepten, Trachelinen, Loxophyllen 


Kies p.:48. 

2 ALENITZIN versteht unter Trachelinen jedenfalls, wie CLAPAREDE und LACHMANN, 
die beiden nahe verwandten Familien der Enchelinen und Trachelinen, welche 
STEIN, So wie vor ihm bereits EHRENBERG, trennte. 

3], c. p. 122. 


188  Geza Entz, 


und Amphilepten nicht trennt, wäre es nur konsequent, wenn man die 
Cyclodineen der Familie der Enchelinen ganz einverleibte. 

Ich will hier nur noch darauf hinweisen, dass wie die holotrichen 
Enchelinen, bis auf das Vorhandensein eines Mundes und Schlundes, 
in ihrer Organisation die holotrichen Schwärmer der Acinetinen in Er- 
innerung bringen, der Actinobolus aber geradezu einer mundführenden 
Acinetine mit bleibendem Wimperkleide entspricht: eben so sind die 
mit den holotrichen Enchelinen nächst verwandten Cyelodineen, nament- 
lich Mesodinium, den peritrichen Schwärmern der Acinetinen auf ein 
Haar gleich organisirt. Man könnte sogar vielleicht mit Recht behaup- 
ten, dass Didinium nasutum in seinem ausschnellbaren, eigenthümlichen 
Rüssel einen Acinetencharakter noch mehr besitzt, und den Rüssel 
für einen kolossal entwickelten Saugtentakel ansehen. — Mag diese An- 
sicht richtig sein oder nicht, so viel ist gewiss, dass die Gyclodineen 
eben so wie Actinobolus auf die nahe Verwandtschaft — vielleicht Zu- 
sammengehörigkeit — der Enchelinen und Acinetinen hinweisen. 

Eingangs wurde schon erwähnt, dass BereHu dem Mesodinium eine 
vermittelnde Stellung zwischen den Gilioflagellaten und Peritrichen zu- 
schreibt. Bezüglich dieser Ansicht kann ich mich nach dem Vorgetrage- 
nen kurz fassen. Berg# leitet, wie erwähnt, die Ciliaten von den Gilio- 
flagellaten ab und betrachtet die Stein’schen Peritrichen als die ältesten 
Ciliaten, von welchen sich sämmtliche anderen Ciliaten phylogenetisch 
entwickelt haben; die Kluft zwischen den Peritrichen und Gilioflagella- 
ten aber soll eben Mesodinium Acarus — welches sich von den Gym- 
nodinien nach Verlust des Flagellum und Differenzirung des Cystostomes 
und der Cystopyge abzweigte — überbrücken. Die Auffassung BErca’s 
stützt sich — wie ersichtlich — einerseits auf die Verwandtschaft der 
Organisation der Cilioflagellaten und Peritrichen — andererseits aber dar- 
auf, dass Mesodinium, welches übrigens BercH aus Autopsie nicht 
kennt, ein echtes peritriches Infusionstbier ist. Was die erste Stütze 
der Beren’schen Auffassung anbelangt, kann ich dem vollkommen bei- 
stimmen, dass die CGilioflagellaten und die echten Peritrichen wesent- 
liche Charaktere gemein haben: namentlich ist die für die Peritrichen 
so hoch charakteristische Wimperspirale auch bei den Gilioflagellaten 
vorhanden, nur fehlt bei letzteren das einziehbare Wirbelorgan und die 
Wimperspirale verläuft gewöhnlich in der den Leib in zwei ungleiche 
Segmente theilenden, spiralig gewundenen Querfurche. Auch kann ich 
nach Beobachtungen an Gymnodinium Pulvisculus ganz entschieden 
behaupten, dass dieser Gilioflagellat einen deutlichen Mund und Schlund 
besitzt, welche Differenzirungen sowohl ihrer Lage, als auch ihrer Be- 
schaffenheit nach, mit den entsprechenden des Urocentrum Turbo voll- 


Beiträge zur Kenntnis der Infusorien. 189 


kommen übereinstimmen !. Ob nun dieser Übereinstimmung in einigen 
Zügen der Organisation der Cilioflagellaten und Peritrichen eine phylo- 
genetische Bedeutung zugeschrieben werden kann, will ich hier nicht 
näher besprechen; so viel will ich aber doch bemerken, dass, wenn 
irgend ein Ciliat an die Gilioflagellaten anknüpft, dieser nur Urocentrum 
Turbo sein kann, welches von einem Forscher, von James CLARK, unter 
dem Namen Peridinium Cypripedium, in der That schon einmal als Cilio- 
flagellat beschrieben wurde 2. — Was aber die zweite Stütze von Beran’s 
Auffassung anbelangt, muss ich dieselbe entschieden als grundlos er- 
klären, da, wie ich gezeigt habe, Mesodinium Acarus weder mit den 
Peritrichen, noch mit Urocentrum Turbo gemeinsame Charaktere hat 
und folglich auch nicht an die Cilioflagellaten anknüpfen kann. 


Klausenburg (Ungarn), 34. August 1882. 


Erklärung der Abbildungen. 


Tafel VIII. 


Fig. A—7. Actinobolus radians Stein. 

Fig. 4. Frei schwimmend, mit ausgestreckten Tentakeln. 

Fig. 2. Mit dem Munde angesaugt und ausgestreckten Tentakeln. 

Fig. 3. Durch das Deckgläschen etwas flach gedrückt; die Struktur des Kernes 
und Schlundes deutlich sichtbar, Tentakeln halb zurückgezogen. 

Fig. 4. Mit ganz zurückgezogenen Tentakeln. 

Fig. 5—6. Mit halb zurückgezogenen Tentakeln; Fig. 5 mit seitwärts stehen- 
dem Munde. 

Fig. 7. Theilung innerhalb der zartwandigen Cyste. 

Fig. 8—11. Mesodinium Acarus Stein. 

Fig. 8—9. Einzelne Exemplare mit langen griffelförmigen Wimpern. 

Fig. 10. Mit getheiltem Kern und doppeltem Wimperkranz; Beginn der Zwei- 
theilung. 

Fig. 11. Weiter fortgeschrittene Zweitheilung. 

Fig. 42—44. Urocentrum Turbo Ehrb. 

Fig. 42. Von der Rückenseite; die Trichocysten sind nur am Rande des Kör- 
pers gezeichnet. 

Fig. 43. Von der Bauchseite. O, Mund; Sv, Schlingvacuole; Aw, adorale 
Wimpern; Mr, Mundrinne; N, Nucleus; n, Nucleolus; cv, kontraktile Vacuole; U, 
aufgelöster Schwanz. 

Fig. 14. Schlund und Schlingvacuole von der Seite. 


Vergrößerung: Fig. 4 und 2, 4 bis 7, Harrnack'sches Mikroskop, Oc. IV, 
Obj. 5; Fig. 3, 8 bis 14, Oc. IV, Obj. 8. 


1 Auch Berech erwähnt, dass das Entoplasma von Gymnodinium gracile, G. 
spirale und Polykrikos auricularia gefressene Organismen enthält, konnte aber 
einen Mund nicht entdecken (l. c. p. 253). 

2 Proofs of the Animal Nature of the Cilio flagellate Infusoria, as based upon 
Investigations of the Structure and Physiology of-one of the Peridiniae (Peridinium 
Cypripedium n. sp.). Proced. ofthe American Academy of Arts and Sciences. Fe- 
bruary 1865. p. 393—402. Cf. Stein, Der Organismus. Bd. Il. p. 448. 


Über den Primordialschädel einiger Säugethiere. 


Von 


Friedrich Decker 
in Würzburg. 


Mit Tafel IX. 


Einleitung. 

Wenn es auch schon lange Zeit bekannt war, dass der Schädel im 
Laufe seiner embryonalen Entwicklung zuerst ein häutiges, sodann ein 
knorpeliges Stadium durchläuft und dass aus dem knorpeligen Schädel 
der knöcherne hervorgeht, so hat doch Jacogson im Jahre 1842 zuerst den 
»Primordialschädel«, wie er ihn benannte, genauer untersucht, und die 
gewonnenen Ergebnisse in dänischer Sprache der skandinavischen Natur- 
forscherversammlung vorgelegt. 

Bei allen früheren Untersuchungen war das Augenmerk der Beob- 
achter weniger auf die erste Anlage des Schädels und die Vorgänge bei 
der Umwandlung des einen Stadiums in das andere gerichtet, sondern 
vielmehr darauf, von welchen Punkten aus und zu welcher Zeit der 
knorpelige Primordialschädel verknöchert. Der Weg nun, den man ein- 
schlagen müsse, um zu einer genaueren Kenntnis der Entwicklungsgesetze 
des Primordialschädels der Säugethiere und des Menschen zu gelangen, 
wurde von der vergleichenden Anatomie gezeigt. Durch J. Mürer’s! 
Untersuchungen, welche sich auf die Knorpelfische erstreckten, wurde es 
einleuchtend, dass das Studium der Entwicklungsgeschichte des Schädels 
bei niederen Wirbelthieren von großer Bedeutung sei für die Betrachtung 
der analogen Vorgänge bei höheren und höchsten Wirbelthieren. Es 
wurden zuerst Amphibien von diesem Gesichtspunkte aus durch Dusts ? 
und Reichert 3 untersucht und es hat Letzterer auch bereits den Säuge- 
thierschädel berücksichtigt. 

1 Jon. MüLLer, Anatomie der Myxinoiden. 
2 A. Duszs, Recherches sur l’osteologie et la myologie des batraciens dans leurs 
differents äges. Paris 1835, 


3 K. B. REıcHERT, Vergleichende Entwicklungsgeschichte des Kopfes der nack- 
ten Amphibien nebst den Bildungsgesetzen des Wirbelthierkopfes. Königsberg 1838, 


Über den Primordialschädel einiger Säugethiere, 191 


Mit den Entwicklungsvorgängen des Säugethierschädels beschäftigte 
sich in eingehenderer Weise RAruke!. Die Resultate, zu welchen er bei 
seinen Forschungen gelangte, sind für das Verständnis der Entstehungs- 
geschichte des Schädels von höchstem Werthe. RaArukz zeigte vor Allem, 
wie der Schädel größtentheils aus dem vordersten Abschnitt der Chorda- 
scheide seinen Ursprung nehme, und dass ferner die Gesichtsknochen 
unabhängig von der Umhüllung der Chorda dorsalis entstehen. Auf 
Grund dieser Entwicklungsweise des Schädels stellte Ratake am fertig 
ausgebildeten Granium vier, in der Richtung von hinten nach vorn im- 
mer unvollständiger sich gestaltende Schädelwirbel auf. 


Weitere Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Granium, und 
zwar speciell in Betreff der Umwandlung des knorpeligen Schädels in 
den knöchernen haben Jacogson? und Beremann?® geliefert, wobei noch 
zu erwähnen ist, dass Jacosson bei dieser Gelegenheit die aus häutiger 
Grundlage entstehenden Knochen (Deckknochen) von den durch Um- 
wandlung des Primordialknorpels entstehenden Knochen (primordiale 
Knochen) unterschied. 

Im Anschluss an die beiden letzterwähnten Arbeiten hat nun Spönptıt 
in seiner Dissertation die Ergebnisse veröffentlicht, welche er bei der 
Untersuchung der Primordialschädel einiger Säugethiere, nämlich des 
Schweines, der Maus, des Schafes, des Rindes, so wie des Menschen unter 
KörLiker’s Leitung gewonnen hat. SpönpLı beschreibt in erster Linie den 
Schädel von Schweinsembryonen genauer und macht dann auf die 
Unterschiede bei den übrigen oben erwähnten Säugethierordnungen 
aufmerksam, wobei betont wird, dass der knorpelige Primordialschädel 
beim Menschen eine verhältnismäßig geringe Ausdehnung _ besitze. 
SpönpLi beschreibt sodann die Verknöcherung des Primordialschädels 
beim Menschen und geht zu einer Betrachtung des Schädels vom Stand- 
punkt der Wirbeltheorie über; hierbei nimmt er, ähnlich wie RATHkE, 
vier Schädelwirbel an und stützt sich zur Begründung dessen auf die 
Entstehung der Wirbel aus der Ghordascheide. 


1 H. RATukE, Vierter Bericht über das naturwissenschaftliche Seminar zu Königs- 
berg nebst einer Abhandlung über die Entwicklung des Schädels der Wirbelthiere. 
Königsberg 1839. 

2 L. Jacosson, J. MüLLer’s Archiv für Anatomie, Physiologie und wissenschaft- 
liche Medicin. Berlin 1844. 

3 GC, BERGMANN, Einige Beobachtungen und Reflexionen über die Skelettsysteme 
der Wirbelthiere, deren Begrenzung und Plan. Göttingen 1846. 

4 H. SpönpLı, Über den Primordialschädel der Säugethiere und des Menschen. 
Zürich 4846. 


192 Friedrich Decker, 


Suarpey ! und KörLıker? traten der von JacoBson und SPÖNDLI 
vertretenen Ansicht bei, gestützt durch mikroskopische Untersuchungen 
und machten weitere Zusätze besonders hinsichtlich des Punktes, dass 
ein Theil der Schädelknochen bei den Säugethieren nicht aus dem Pri- 
mordialknorpel entstehe, sondern aus einem häutigen, weichen Blasteme, 
wie schon Dusis 1835 für die nackten Amphibien gezeigt hatte. 

Die Existenz von Deck- oder Belegknochen, welche aus häutiger 
Grundlage entstehen, wurde von RericHerr und A. Bipper? geleugnet, 
von KöLLiker * aber neuerdings behauptet und nachgewiesen; zugleich 
wird an dieser Stelle die gleichartige Entstehung des Schädels bei allen 
Wirbelthieren aus primären und sekundären (Deck- oder Beleg-)Knochen 
von Köriker hervorgehoben. KörLıker’s Ansicht schloss sich ferner 
F. Betrz5 an hinsichtlich des Säugethierschädels, eben so H. Srannıus®, 

Den neuen Angriffen auf die Ansicht über die dualistische Ent- 
stehungsweise der Schädelknochen, welche von H. Meyer’ und Reı- 
CHERT ® gemacht wurden, begegnete wiederum KÖöLLIker’, indem er 
sowohl histologisch als chemisch (in Gemeinschaft mit SCHERER) nach- 
wies, dass das »häutig-knorpelige« Bildungsmaterial REicherr's für die 
Deckknochen nichts Anderes als Bindegewebe sei. 

Es würde hier zu weit führen, den geschichtlichen Verlauf des 
Streites über die Entstehung der Schädelknochen zu verfolgen, und es 
sei nur bemerkt, dass viele Autoren, darunter GEGENBAUR !0, VRro- 


1 Quaın’s Anatomy. 5. Edition. By Mr. Quaın and Dr. SuArpey. Part. II. London 
1846. 

2 A. KöLLiker, Mittheilungen der naturforschenden Gesellschaft in Zürich. 4847. 
p. 175. 

3 A. Binpper, De cranii conformatione ratione imprimis habita JAcoBsonn de cra- 
nio primordiali ejusque ossificatione sententiae. Dorpat 1847. 

4 A. KÖLLIKER, Berichte von der kgl. zootomischen Anstalt zu Würzburg. 2. Be- 
richt f. d. Schuljahr 1847/48. Leipzig 1849. 

5 F. BErz, Über den Primordialschädel des Menschen. Frorızp's Notizen. De- 
cember 4848. 

6 H. Stannıus, MÜLLER’S Archiv. 1849. p. 533. 

7 H. Meyer, Der Knorpel und seine Verknöcherung. MÜLLERS Archiv. 1849, 


p. 292. 

8 K. B. REıcHeErT, Zur Kontroverse über den Primordialschädel. MüLLEr's Arch. 
1849. p. 443. 

9 A. KöLLıker, Die Theorie des Primordialschädels. Diese Zeitschrift. 4850. 
II. Bd. p. 281. 


10 C. GEGENBAUR, Über primäre und sekundäre Knochenbildung mit besonderer 
Beziehung auf die Lehre vom Primordialeranium. Jenaische Zeitschrift f. Medicin 
und Naturwissenschaft. Bd. III. 4867. p. 54 und 206. — Derselbe, Über das Kopf- 
skelett von Alepocephalus rostr. Morphol. Jahrb. Bd. IV. Supplement. 


Über den Primordialschädel einiger Säugethiere. 193 


LIiK !, WIEDERSHEIM? der strengen Scheidung vom primordialem und 
Deckknochen im Sinne KöLLıker’s nicht beistimmen, während andere 
Forscher, wie O. Herrwis® und Pu. Srönr * der genannten Ansicht bei- 
treten, Huxrey® dagegen sich in dieser Sache neutral verhält. 

Reichliches Material besonders hinsichtlich der Entwicklung der 
Nasen- und Siebbeingegend beim Menschen und einigen Säugethieren 
findet sich bei Dursy ®. 

Den Primordialschädel des Schweines hat ferner PArker ’ ausführ- 
lich untersucht und zwar in neun verschiedenen Entwicklungsstadien, 
beginnend bei Embryonen von 7,5—8,0 Linien engl. Pırker führte seine 
Untersuchungen zum Theil auch nach neueren Methoden durch Anfer- 
tigung von Schnitiserien so wie einzelner Schnittflächen nach den drei 
-Hauptebenen aus. Die von Parker gegebene Abhandlung ist der Haupt- 
sache nach in einem späteren gemeinschaftlich mit BETTAnY® herausge- 
gebenen Werke reprodueirt, in welchem neben dem Primordialschädel 
des Schweines auch die von Vertretern anderer Klassen des Wirbelthier- 
iypus behandelt sind. Die beiden Verfasser sprechen sich am Schlusse 
des Werkes entschieden dagegen aus, dass die herkömmliche Art und 
Weise, den Schädel als aus einer bestimmten Anzahl von Wirbeln ent- 
standen zu betrachten, die richtige sei. Wenn aueh zugegeben werden 
müsse, dass das Granium ursprünglich aus Wirbelsegmenten hervorge- 
gangen sei, so sei es doch überaus schwierig, wo nicht unmöglich, zu 
ermitteln, wie viele Segmente des primitiven Wirbelthierkörpers an dem 
Aufbau des knorpeligen CGranium, welches phylogenetisch betrachtet eine 
lange Geschichte hinter sich habe, Antheil genommen haben °. 

Den Primordialschädel des Menschen in specie hat kürzlich 
Hannover 10 eingehenden Untersuchungen unterworfen; dieselben wurden 


! VroLık, Studien über die Verknöcherung und die Knochen des Schädels der 
Teleostei. Niederländisches Archiv f. Zoologie. Bd. I. 1874—14873. 

2 R. WIEDERSHEIM, Das Kopfskelett d. Urodelen. Morphol. Jahrb. 1877. Bd, Ill. 

3 O0. Herrwig, Über das Zahnsystem der Amphibien und seine Bedeutung für 
die Genese des Skeletts der Mundhöhle. Archiv f. mikr. Anatomie. Bd. XI. Suppi. 
1874. 

4 Pu. Stöur, Zur Entwicklungsgeschichte des Urodelenschädels. Leipzig 1879, 

> HuxLey, The elements of the comparative anatomy. p. 296. 

6 E. Dursy, Zur Entwicklungsgeschichte des Kopfes des Menschen und der höhe- 
ren Wirbelthiere. Tübingen 4869. 

7 W.K. PArkER, On the structure and development of the skull in the pie. 
Philosophical Transactions of the Royal Society of London. 4874. Vol. 164. Part. I. 

8 W.K. Parker u. G. T. BETTAny, Die Morphologie des Schädels. Deutsch von 
Dr. B. VETTER. Stuttgart 1879. 9 Cap. IX. $ 770. 

10 A, Hannover, Primordialbrusken og dens Forbening i det menneskelige kra- 
nium fer Fodselen. Kopenhagen 1880. 


194 Friedrich Decker, 


an Schädeln von 25 menschlichen Embryonen angestellt, wobei der 
Längendurchmesser des Schädels zwischen 9—73 mm lag. Betrefis der 
Verknöcherung des Primordialknorpels stellt Hannover den Satz auf, 
dass am menschlichen Primordialschädel, und ohne Zweifel auch am 
übrigen Primordialskelett, kein Unterschied zwischen enchondraler und 
perichondraler Verknöcherung bestehe, dass vielmehr jede Knorpelver- 
knöcherung eine periostale sei. Der Wirbeltheorie des Schädels gegen- 
über stellt sich Hannover so, dass er zwei Schädelwirbel annimmt, von 
denen der vordere prächordal, der hintere aber als Doppelwirbel zu be- 
trachten sei; den Körper des letzteren bilde die chordahaltige Pars basi- 
laris occipitis. Diese Ansicht hat Hannover ! auch auf dem internationalen 
medicinischen Kongress in London 1881 vertreten. 

Außerdem findet sich die Lehre vom Primordialschädel und seiner 
Verknöcherung in verschiedenen Lehrbüchern abgehandelt, von wel- 
chen hier vornehmlich Körriker’s? »Entwicklungsgeschichte des Men- 
schen und der höheren Thiere « angeführt sei. 


Was nun die gegenwärtige Arbeit betrifft, so hat dieselbe nur den 
Zweck, eine Fortsetzung der SpönnLisschen Arbeit zu sein, indem die 
Untersuchungen zum Theil an Schädeln derselben Säugethiere ange- 
stellt, zum Theil aber auch auf andere Säugethiere ausgedehnt wurden. 
Vor Allem ist der Punkt ins Auge gefasst worden, ob das knorpelige 
Cranium bei den verschiedenen Ordnungen ein vollständiges oder un- 
vollständiges sei, d. h. ob die Seitentbeile des Chondrocranium das 
obere Ende des Medullarrohres entweder in seiner ganzen Längenaus- 
dehnung oder nur in dem einen oder anderen Abschnitte vollständig 
umhüllen, im Vergleich zur knorpeligen Wirbelsäule, welche, in späte- 
ren Entwicklungsstadien wenigstens, eine das ganze Rückenmark voll- 
ständig umhüllende Röhre darstellt. 

Bezüglich der Nomenclatur sei erwähnt, dass im Folgenden in 
erster Linie die Bezeichnungen beibehalten sind, wie sie in der mensch- 
lichen Anatomie herkömmlich sind, dass jedoch daneben so weit als 
möglich auch die in der vergleichenden Anatomie gebräuchlichen neue- 
ren Benennungen angeführt wurden. 


An dieser Stelle sei mir noch gestattet, meinem hochverehrten 
Lehrer, Herrn Geheimen Rath Dr. v. KöLLiker für seine geschätzten 


1 A. Hannover, The Formation of Vertebrae in the Human Skull. Transac- 
tions of the International Medical Congress. 7. Sitzung. London, 2. bis 9. August 
1884. I. Bd. Abth. f. Anatomie. 

2 Leipzig, 1879. 


Über den Primordialschädel einiger Säugethiere. 195 


Rathschläge, für die gütige Überlassung des reichlichen, zum Theil sehr 
werthvollen Materials, so wie für die Liberalität, mit welcher derselbe 
mir seine Bibliothek zur Verfügung stellte, den tiefgefühltesten Dank 
auszusprechen. In gleicher Weise sei auch den beiden Prosektoren, 
Herrn Dr. M. Fresca und Herrn Dr. Pa. Stönr für ihre liebenswürdige 
Hilfe durch Rath und That aufrichtigster Dank gesagt. 


Methode. 


Anfangs wurden Schädel in Spiritus konservirter Schafembryonen 
bearbeitet. Die Kopflänge betrug bei diesen ersten Versuchen durch- 
schnittlich 4 cm. Bei einer so ansehnlichen Größe der Schädel empfahl 
sich die theilweise Maceration derselben, um die Fleisch- und Binde- 
gewebstheile, so wie die Belegknochen mit Pincetten ablösen und so 
das knorpelige, zum Theil schon verknöcherte Schädelskelett vollstän- 
dig freilegen zu können. Zu diesem Zwecke wurde den Schädeln durch 
mehrtägiges Auswässern aller Alkohol entzogen. Um die Maceration zu 
beschleunigen, wurde einer der Schädel bei circa 40°C. einer zwei- 
stündigen Einwirkung einer 3°/,igen Lösung von Kali causticum aus- 
gesetzt. Die weitere Präparation wurde unter Wasser hauptsächlich 
mit zwei Pincetten und nur unter seltener Anwendung von Messer oder 
Schere vorgenommen. Die Weichtheile ließen sich gut ablösen, allein 
es zeigte sich auch, dass feinere Knorpellamellen durch die Kalilauge 
zerstört worden waren, so dass nur die zum Theil verknöcherte 
Schädelbasis im Zusammenhang dargestellt werden konnte. Da sich 
nun gezeigt hatte, dass das Kali causticum selbst bei kurzer Einwir- 
kung auf den Knorpel stark schädigenden Einfluss ausübt, die Dar- 
stellung feinerer Knorpelplatten aber bezweckt wurde, so wurde kein 
weiteres Material und keine weitere Zeit vergeudet, um einen brauch- 
baren Koncentrationsgrad der Kalilösung, die richtige Einwirkungs- 
dauer und den nöthigen Wärmegrad auszuprobiren; es wurde lieber 
der mühsamere aber sicherer scheinende Weg eingeschlagen, die Schä- 
del in gewöhnlichem Wasser — dem zur Konservirung einige Tropfen 
koncentrirter Karbolsäurelösung zugesetzt wurden — unter zeitweiser 
Anwendung mäßiger Wärme zu maceriren. Die so gewonnenen Präpa- 
rate fielen zwar besser, allein immer noch nicht genügend aus, indem 
der Knorpel sich stellenweise brüchig zeigte und auch oft wegen des 
sehr fest ihm anhaftenden Bindegewebes bei dessen Ablösung einriss. 
Auch kam es öfter vor, dass aus Knorpel entstandene Knochen sich von 
dem angrenzenden Knorpel trennten. 

Wenn nun an dem Misslingen der ersten Versuche zum Theil Un- 
geübtheit Schuld gewesen sein mag, so war doch auch nicht zu verken- 


196 Friedrich Decker, 


nen, dass die in Spiritus konservirten Embryonen der erwähnten Präpa- 
ni Schwierigkeiten bereiten. Denn es gestaltete sich die Sache 
_ wesentlich anders, als darauf Versuche an frischen Embryonenschädeln 
gemacht wurden. Diese abgeschnittenen Köpfe wurden einige Stunden 
in Wasser einer Temperatur von circa 50°C. ausgesetzt, worauf sich 
der größte Theil der weicheren Gewebe entfernen ließ; durch Wieder- 
holung dieses Verfahrens je nach Bedürfnis ließen sich in weit kürzerer 
Zeit und mit einem viel höheren Grade von Sicherheit die knorpeligen 
Schädelskelette darstellen. Leider konnte bei diesem Verfahren, den 
knorpeligen Primordialschädel durch Maceration zu erhalten, nur wenig 
Rücksicht auf die Herkunft und den Verlauf von Gefäßen und Nerven 
genommen werden, so wünschenswerth es auch erscheinen mag, hierüber 
genauere Anhaltspunkte zu gewinnen. Bei Unterbrechung der Arbeit 
auf einen oder mehrere Tage wurde dem Wasser theils etwas Karbol- 
säure zugesetzt, tbeils wurde dasselbe mit einer geringen Quantität 
Weingeist versetzt, wobei die Maceration immerhin in geringem Grade 
ihren Fortgang nehmen konnte. Die Schädel werthvollerer nur in einem 
Exemplare erreichbarer Embryonen wurden erst in Angriff genommen, 
nachdem an leichter zu beschaffendem Materiale die Schwierigkeiten der 
Technik möglichst überwunden worden waren. Als Konservirungsflüs- 
sigkeit für die fertigen Präparate bewährte sich eine Mischung, welche 
aus gleichen Theilen Spiritus, Wasser und Glycerin zusammengesetzt 
wurde. Der letztere Bestandtheil bewirkt insbesondere einen gewissen 
Grad von Durchsichtigkeit in den knorpeligen Theilen, so dass die Ver- 
knöcherungspunkte, besonders wenn dieselben noch sehr klein sind, 
besser zur Unterscheidung gelangen. 

Es folgt nun die Aufzählung der Thiere (s. Tabelle), von deren Em- 
bryonen Macerationspräparate gewonnen wurden, nebst Angabe der 
Grenzen, innerhalb welcher sich die Rumpf- und Kopflängen bewegten, 
erstere vom Scheitel bis zum Rumpfende (After), letztere von der Spitze 
der Schnauze bis zur größten Konvexität in der Hinterhauptsgegend ge- 
messen. 


| 
Bezeichnung Totalsumme zuge s Praelehnun og 02 ai Fetatereeg oBESIE (ERERFFR IE Frisch Konservirt Kun u eo, Kop I 
Baal. AA 10 A nn ass 2,6—6,6 
SEHR. N IR 9 43 7 6 4,5— 29,5, 1,8—10,0 
SCHWEID, usı2 Hl 3 f. Aassah | 45 15 — 3,7—19,0 1,6--6,9 
Katze nn. 2 2 — 5,5—6,1 | 1,8—2,0 
Dasypus novemeinctus . 4 — A 4,5 4,9 
Dar ren. vn.) 4 — A ee: 1,8 
Phoca groenlandica . i 1 — A a, 4,7 
Manis tetradactyla (an bra- | | 
ERyUTA RL) ine Haug- I 4 a A | 7,4 | 9,0 


Über den Primordialschädel einiger Säugethiere. 197 


Da bei aller Aufmerksamkeit und Vorsicht manche Einzelheiten nicht 
mit der wünschenswerthen Deutlichkeit dargestellt werden konnten, so 
wurden zur Kontrolle noch einige Schädel in Pikrinsäure entkalkt, mit 
Karmin oder Bismarckbraun durchgefärbt, in Paraffın eingebettet und 
in Serienschnitte zerlegt. Bei der Karminfärbung zeigte sich dann der 
Knorpel hell, mit kräftig gefärbtem Perichondrium, während bei der 
Anwendung von Bismarckhbraun der Knorpel ein gesättigtes Braun mit 
gelblichem Perichondrium annahm. Serienschnitte wurden angefertigt 
bei zwei Schafembryonen mit den bezüglichen Kopflängen von 2,1 und 
0,9 cm so wie von dem 1,6 cm langen Kopf eines Schweinsembryo. Die 
Dicke der Schnitte, welche in Kanadabalsam eingelegt wurden, hetrug 
bei dem größten der Schädel 0,4 mm, bei den kleineren 0,05 mm. 


Beschreibung des Primordialschädels im Allgemeinen. 


Obwohl es nicht im Rahmen dieser Aufgabe liegt, die Entstehung 
des Schädels selbst, so wie die Verhältnisse beim Übergang des häutigen 
Primordialcranium in das knorpelige abzuhandeln, weil nur die Beschaf- 
fenheit des knorpeligen Primordialschädels ins Auge gefasst wurde, so 
sei es doch gestattet, einen Blick auf die Entwicklung des Schädels vom 
ersten Anfange an zu werfen, und dieselbe in kurzen Zügen, hauptsäch- 
lich der Darstellung Köuriker’s folgend, zu beschreiben. 

Der Schädel entsteht aus dem Mesoderm, und zwar in der Stamm- 
zone desselben aus den sogenannten Urwirbelplatten des Kopfes (Remak) 
oder den Kopfplatten, mit anderen Worten aus der zu beiden Seiten der 
Chorda dorsalis (Notochord) so wie vor derselben gelegenen Bildungs- 
masse (Parachordalia und Trabeculae). Es zerfallen jedoch diese Ur- 
wirbelplatten des Kopfes weder nach der Länge in einzelne Urwirbel, 
noch nach der Quere in Urwirbel und Seitenplatten, wie dies bei der 
Wirbelsäule am Rumpfe der Fall ist. Dagegen zerfällt der Schädel, wie 
aus dem Obigen leicht ersichtlich, der Längsrichtung nach in zwei Ab- 
theilungen, eine hintere, welche die Chorda enthält, und eine vordere, 
welche von derselben frei ist. Im hinteren Abschnitt zerfällt also das 
Bildungsmaterial des Schädels in die Chorda und die beiderseits von der- 
selben gelegenen Urwirbelplatten des Kopfes, während im vorderen 
Abschnitt die beiderseitigen Urwirbelplatten durch eine unter dem Me- 
dullarrohr hinziehende Brücke (Balkenplatte) kontinuirlich in einander 
übergehen. Dem Umfange nach überwiegt der hintere Abschnitt, wel- 
cher Spheno-occipital-Theil, chordaler, vertebraler oder postpituitarer 
Abschnitt genannt wird, gegenüber dem vorderen Abschnitt, dem soge- 
nannten Spheno-ethmoidal-Theil, oder prächordalen, prävertebralen 
oder präpituitaren Abschnitte. 


198 Friedrich Decker, 


In beiden Abschnitten umwachsen die Kopfplatten rasch das Medul- 
larrohr, im prächordalen Theile auch von vorn her, während im verte- 
bralen Theile die medialen Ränder der Kopfplatten noch die Chorda, 
ventral früher als dorsal, umwachsen. 


Indem nun der Anfangs kurze prächordale Theil in die Länge wächst, 

und der Kopf sich nach der Bauchseite krümmt (Kopfkrümmung oder 
Kopfbeuge, mesocephalische Krümmung), tritt im axialen Theile das vor- 

-dere Ende des vertebralen Abschnittes als sogenannter mittlerer Schädel- 
balken (Ratkke), oder vorderer Schädelbalken oder primitive Sattellehne 

(Körıker) leistenartig gegen das Innere der Schädelhöhle hervor. Von 

diesem, so wie von einem dahinter gelegenen Fortsatze, dem hinteren 

Schädelbalken (KöLLıker), ziehen Falten, im ersteren Falle als Anlage 

des Tentorium cerebelli, zum Dache des häutigen Schädels. 


Es ist nun der häutige Schädel — beim Kaninchen in A0 Tagen — 
vollkommen geschlossen, bis auf eine kleine Stelle an der Grenze zwi- 
schen den beiden Schädelabschnitten, da nämlich, wo die Hypophysis- 
tasche vom Schlund her in den Schädel sich einstülpt (Pituitarraum). 
Jedoch wird auch diese Lücke bald ausgefüllt. 


Die Umhüllung des Gehirns, welche an der Basis und besonders im 
Spheno-ethmoidal-Theil am dicksten ist, stellt das häutige Primordial- 
cranium dar, geht jedoch nicht in ihrer ganzen Dicke in das knorpelige 
Primordialeranium über. Ohne erkennbare Abgrenzung einzelner Schich- 
ten begreift dasselbe die drei Hirnhäute, die Schicht, in welcher Knorpel 
entsteht, die Blastemschicht für die Deck- oder Belegknochen, endlich 
die äußere Haut in sich. 


Die Verknorpelung findet nun in einer Schicht statt, welche zwi- 
schen der zukünftigen Dura und der Blastemschicht für die frühzeitig nach 
der Verknorpelung auftretenden Deckknochen liegt. Es verknorpelt jedoch 
diese nicht scharf abgegrenzte Schicht nicht über die ganze Flächenaus- 
dehnung des Schädels hin, wie frühere Autoren annahmen, sondern nur 
in gewissen Gegenden, so z.B. an der Basis und in den seitlichen Thei- 
len des Schädels, während das Schädeldach in geringerem oder größerem 
Umfange zum Theil im Zusammenhang mit den seitlichen Theilen ver- 
knorpelt, zum Theil aber häutig bleibt, und so größere oder kleinere 
Fontanellen erkennen lässt. 


Die Ausdehnung der Verknörpelungen am Schädeldache und den 
oberen Partien der Seitentheile verhält sich nun bei verschiedenen Säuge- 
thieren verschieden. So viel lässt sich aber jetzt schon feststellen, dass 
bei allen auf diese Verhältnisse hin untersuchten Mammalien in der Hinter- 
haupisgegend, entsprechend der Pars squamosa oceipitis, ein das Medul- 


Über den Primordialschädel einiger Säugethiere. 199 


larrohr vollständig umhüllender Knorpelring gebildet wird, dass dagegen 
in den davor gelegenen Theilen der Schluss in geringerem oder höherem 
Maße mangelhaft ist. Es bleiben jedoch auch an der Basis Lücken für 
den Durchtritt von Gefäßen und Nerven frei, wie sich auch in den Seiten- 
theilen größere, häutig verschlossene Fontanellen finden, wie z. B. das 
Foramen sphenoparietale (SpönntLi). 

Was den zeitlichen Verlauf der Verknorpelung des häutigen Primor- 
dialschädels betrifft, so steht fest, dass dieselbe beim Menschen im zwei- 
ten Monat beginnt. Bezüglich der Säugethiere, besonders der größeren, 
walten Schwierigkeiten ob, indem es hier nicht gut möglich ist, Embryo- 
nen in beliebig gewählten Stadien der Entwicklung zu untersuchen, wie 
etwa beim Kaninchen, sondern weil die Erlangung von Embryonen größe- 
rer Thiere mehr oder weniger dem Zufall anheimgegeben ist. Da nun 
in diesen Fällen die Zeit der Befruchtung unbekannt ist, so können keine 
bestimmten Angaben über das Alter der Embryonen gemacht werden, 
und man muss sich, um überhaupt eine Vergleichung verschiedener 
Befunde zu ermöglichen, mit der Angabe der Größenverhältnisse be- 
gnügen. 

Die Umwandlung des häutigen Primordialcranium in das knorpelige 
oder Chondrocranium beginnt, wie KöLLıker an Kaninchenembryonen 
gezeigt hat, in den verschiedenen Theilen des Schädels, besonders denen 
der Basis und der Nasengegend ziemlich zu gleicher Zeit, und ist beim 
Kaninchen in circa 3 Tagen der Hauptsache nach vollendet. Es entsteht 
das Chondrocranium so zu sagen »auf einmal, wie aus einem Gusse«. 
Selbständig entstehen die knorpeligen Gebilde des Unterkieferfortsatzes 
(Mandibularbogen) und des Zungenbein- oder Hyoidbogens, also MEckEL- 
scher Knorpel, Anlage der Gehörknöchelchen, Zungenbein und Processus 
styloideus. Hiermit hat aber das Chondrocranium seine vervollkommnetste 
Gestalt noch nicht erreicht; während es nämlich in einzelnen Theilen 
(Basis) einfach wächst unter Beibehaltung der Gestalt, ändert es letztere 
an anderen Stellen, indem alte Theile schwinden und neue entstehen. 
Zu den letzteren gehören das Dorsum epbippii, die komplicirteren Bildun- 
gen des Eihmoidal- und Gehörlabyrinths, ferner die Pars squamosa occi- 
pitis, indem die knorpeligen Gelenktheile seitwärts und nach oben sich 
entwickeln, und dadurch, dass sie einander bis zur vollständigen Ver- 
einigung entgegenwachsen, eine knorpelige Squama occipitis bilden, 
welche sich dann aufwärts noch weiter ausdehnt. In ähnlicher Weise 
entstehen auch die knorpeligen Seitentheile über den Felsentheilen und 
wachsen der Mittellinie entgegen, ohne diese aber — so weit bekannt — 
zu erreichen. 

Die Chorda ist in der Basis des knorpeligen Schädels noch vorhan- 

Zeilschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVIN. Bad. Ah 


200 Friedrich Decker, 


den, zeigt bei verschiedenen Thieren verschiedene Anschwellungen und 
endet an der Saitellehne. 

Die Verknöcherung des Primordialschädels beginnt bald nach der 
Verknorpelung — beim Menschen am Ende des zweiten und Anfang des 
dritten fötalen Monats — und geht in doppelter Weise vor sich, indem 
nämlich einerseits der knorpelige Schädel von bestimmten Punkten aus 
in Knochen übergeht, welche Knochen primordiale (primäre) Knochen ge- 
nannt werden, während andererseits die Deck- oder Belegknochen (sekun- 
däre Knochen) aus häutigem Blastem entstehen. So streng die Entste- 
hungsweise dieser beiden Knochen geschieden werden muss, so sind sie 
doch nach ihrer vollkommenen Ausbildung histologisch nicht zu unter- 
scheiden. Die auf beide Arten entstandenen Knochen können auch mit 
einander verschmelzen. Primordiale Knochen sind im Allgemeinen die 
Knochen der Basis und der unteren Partien der Seitentheile, während 
die oberen Theile derselben so wie das Schädeldach aus Deckknochen ge- 
bildet werden. Der Primordialknorpel des Schädels verknöchert jedoch 
nicht in seiner ganzen Ausdehnung, sondern es bleibt ein Theil dessel- 
ben, z. B. an der Nase, zeitlebens bestehen, während andere Partien zu 
Grunde gehen, möglicherweise in Folge des Wachsthumsdruckes der an- 
erenzenden und sie überlagernden Knochen. 

Nach diesem kurzen Überblick über den Entwicklungsgang des Schä- 
dels von seinem Anfang bis zu seiner späteren Erscheinungsform wird 
es an der Zeit sein, den Primordialschädel in seinem knorpeligen Zustand 
etwas näher zu betrachten. 

Der knorpelige Primordialschädel entwickelt sich also, wie bereits 
erwähnt wurde, in seiner Hauptmasse sehr rasch und verändert auch 
durch Ansetzen neuer und Verlust älterer Theile seine Gestalt nicht un- 
merklich. Allein es giebt’ doch, wie sich im Laufe der Untersuchungen, 
welche der vorliegenden Arbeit zu Grunde liegen, gefunden hat, einen 
Zeitpunkt, von welchem an die Form desselben auf eine gewisse Dauer 
stationär bleibt. Dieser Zeitpunkt ist am Ende der Ausbildung des knor- 
peligen Zustandes, noch bevor primordiale Knochenkerne erscheinen, ein- 
getreten. Von daan wächst das Ghondrocranium nach allen Dimensionen 
gleichmäßig. Während dieser Wachsthumsperiode können einzelne Theile 
des primordialen Knorpels in Knochen umgewandelt werden, allein diese 
Knochen halten, indem sie sich an dem Wachsthum des Ganzen bethei- 
ligen, genau die äußere Form, wenn auch nicht die Größe des ursprüng- 
lich an derselben Stelle gelegenen Knorpels ein, und so kann der knorpe- 
lige Schädel mehr als die doppelte Größe erreichen, ohne seine Gestalt 
merklich geändert zu haben. Dies hat sich an embryonalen Schädeln 
vom Schafe und Rinde deutlich gezeigt, nur enthält der ältere Schädel 


Über den Primordialschädel einiger Säugethiere. 201 


selbstverständlich mehr Knochen als der jüngere, in so fern knorpelige 
Partien durch Knochen ersetzt wurden. Es ist also geometrisch ge- 
sprochen der ältere Primordialschädel in seiner Totalform ein dem jünge- 
ren ähnliches Gebilde geblieben. 

Diese Thatsache berechtigt nun auch, eine Beschreibung des knorpe- 
ligen Primordialschädels zu versuchen und seine Form näher zu definiren, 
was nicht möglich wäre, wenn derselbe auch später noch in fortwähren- 
der Umbildung begriffen wäre. Auch lässt sich von dem Primordialschädel 
einer bestimmten Thierform sprechen, indem die Formverschiedenheit 
der Chondrocranien zweier Thiere, welche nahe stehenden Subfamilien 
einer Familie angehören, auf den ersten Blick erhellt, wie dies beim 
Schafe und Rinde der Fall ist. Andererseits können verhältnismäßig 
entfernter stehende Thiere aus verschiedenen Unterordnungen in ge- 
wissen Punkten eine größere Übereinstimmung zeigen, als solche, welche 
ein und derselben Familie angehören. 

Wenn man sich eine richtige Vorstellung vom knorpeligen Granium 
bilden will, so muss man dabei von vorn herein festhalten, dass dasselbe 
von dem bleibenden knöchernen Schädel sehr verschieden aussehen kann. 
Zwar giebt es Theile, welche sich sowohl nach Lage als nach Gestalt bei 
beiden ganz gut vergleichen lassen, wie z. B. der ganze Occipitaltheil, 
oder andere, welche in annähernder Form, aber in kleinerem Verhältnisse 
beim Chondrocranium sich finden, wie z. B. die Ala magna des Keilbeins; 
andere Theile aber sind beim primordialen Schädel größer als beim er- 
wachsenen, wie die Ala parva des Keilbeins; oder es sind einzelne Theile 
zwar knorpelig vorgebildet, haben aber eine andere Form als die späte- 
ren an derselben Stelle liegenden Knochen, ohne dass zugleich der Kno- 
chen aus dem Knorpel hervorgeht, ein Verhältnis, welches sich zwischen 
den Parietalplatten und den Scheitelbeinen findet; wieder andere Theile 
des fertigen Schädels haben auch nicht eine Spur eines knorpeligen Vor- 
läufers, wie das Interparietale. 

Der knöcherne Schädel und das Chondrocranium unterscheiden sich 
ferner noch in einem wesentlichen Punkte von einander. Während dort 
die Knochen, in einem gewissen jugendlichen Alter wenigstens, allseitig 
abgegrenzt sind, so dass der Schädel durch Lösung seiner Nähte in dis- 
krete Theile zerlegt werden kann, ist hier eine derartige Analyse unmög- 
lich, indem das knorpelige Primordialeranium zu einer Zeit, wo noch 
keine primordialen Knochenkerne aufgetreten sind, durchaus keine Ab- 
grenzung einzelner Theile unter sich erkennen lässt; es gehen vielmehr 
an einander stoßende Theile unvermittelt in einander über. 

Aus diesem Grunde lässt sich auch der knorpelige Schädel nicht nach 
einzelnen Knorpeln beschreiben, sondern muss nach Gegenden, Theilen 

14* 


202 Friedrich Decker, 


oder Abschnitten betrachtet werden, welche gewissermaßen von selbst 
als in sich zusammengehörig, unter sich durch Zwischenlagerung größerer 
Lücken mehr aus einander gehalten erscheinen, während sie durch Knor- 
pelbrücken wieder unter einander verbunden sind. 

Jeder dieser Abschnitte, welche in der Längsrichtung hinter einan- 
der gelagert sind, lässt wieder einen medialen oder axialen Theil und 
seitliche Anhänge oder Ausbreitungen unterscheiden, welch letztere ent- 
weder nach unten oder oben sich krümmen, um sich in der Richtung 
nach der Mittellinie hin wieder mehr oder weniger zu nähern. 

Der nun folgenden näheren Beschreibung des Säugethierprimordial- 
schädels soll gleich der eines bestimmten Thieres zu Grunde gelegt und 
im Anschluss daran weniger die übereinstinnmenden als die abweichen- 
den Befunde bei anderen Thieren angeführt werden. Es wird hierbei 
vorgezogen, die aus mehreren Präparaten kombinirten Thatsachen sum- 
marisch darzustellen, statt einzelne Präparate nach einander zu beschrei- 
ben, was der nicht zu vermeidenden Wiederholungen wegen zu ermüdend 
und wenig lohnend wäre. Der zu beschreibende Schädel wird immer so 
orientirt gedacht, dass er mit der unteren Fläche seiner Basis auf einer 
Horizontalebene aufruht. 


Der Primordialschädel des Rindes. 


Der vorerwähnten Abschnitte, in welche sich der Primordialschädel 
eintheilen lässt, sind drei an der Zahl, nämlich in der Richtung von vorn 
nach hinten gerechnet die Regio s. Pars naso-ethmoidalis, die Regio sphe- 
noidalis und die Regio petroso-oceipitalis. Diese Eintheilung stimmt so 
ziemlich mit der Eintheilung des menschlichen inneren Schädelgrundes 
in drei Schädeigruben überein, obwohl diese Theile am Primordialschädel, 
wie hier ausdrücklich bemerkt sei, keineswegs gesonderte Gruben erken- 
nen lassen. Es bildet vielmehr der primordiale Schädelgrund mit seinen 
seitlichen Ausbreitungen eine seichte, in der Längsrichtung verlaufende 
und nur im hintersten Abschnitt durch die beiden knorpeligen Felsen- 
theile seitlich schärfer abgegrenzte Mulde, welche, nach vorn hin offen, 
durch den Schuppentheil der Oceipitalgegend eine hintere Wand 
erhält. 

Bei Betrachtung der drei Abschnitte von oben und unten zeigt sich 
im ersten Theile ein Überwiegen der Längsrichtung, während die Pars 
sphenoidea in der Querrichtung eine größere Ausdehnung besitzt. Im 
hintersten Abschnitt dagegen sind die Dimensionen nach beiden Rich- 
tungen ziemlich gleich, doch ist die Breite meist etwas größer als die Länge. 
In der Profilansicht nimmt der Primordialschädel vom vorderen Ende bis 
etwa zur Mitte des hintersten Abschnittes an Höhe stetig zu, um von da 


Über den Primordialschädel einiger Säugethiere. 203 


an rasch wieder abzunehmen; dabei zeigt die Grundfläche eine in der 
Längsrichtung verlaufende, nach oben konvexe Krümmung. 

Das axiale Gebilde der Regio naso-ethmoidalis bildet eine sagittal ge- 
stellte Lamelle, das knorpelige Septum narium (Aliseptal- und Mesethmoid- 
knorpel). Diese Scheidewand persistirt als Knorpel im vordersten Theile 
als Gartilago quadrangularis, verknöchert dagegen in den hinteren oberen 
Theilen zur Lamina perpendicularis des Siebbeins (Mesethmoid); der übrige 
Theil wird Anfangs vom Vomer umfasst, bis letzterer den Knorpel zum 
Schwund gebracht hat. Vom oberen Rande der knorpeligen Nasenscheide- 
wand wölben sich dann die Seitentheile der Nase (Alinasalknorpel) bei- 
derseits zuerst lateral-aufwärts, so eine Längsrinne auf dem Nasenrücken 
bildend, um sich dann in scharfer Krümmung nach unten zu wenden; 
unter abermaliger Bildung von Längsrinnen an jeder Seite treten die 
Seitentheile wieder lateral-abwärts und bilden durch Aufrollen die untere 
Muschel. Vom vordersten Theile des etwas verdickten unteren Randes 
des Septum nasi geht beiderseits eine horizontale Platte ab (Trabecular- 
hörner), mit welcher sich die Seitentheile der Nase in ihrem vordersten 
Abschnitt durch einen nach vorn und abwärts gerichteten Fortsatz (Ap- 
pendix alae nasi) verbinden. Von der unteren Fläche der Trabecular- 
hörner entspringen zwei rinnenförmige Knorpelstreifen, welche ihre kon- 
vexen Seiten einander zukehren und frei, parallel dem unteren Rande 
der Nasenscheidewand nach hinten verlaufen. Diese paarigen Knorpel- 
streifen sind als Jacogson’sche Knorpel (Gaumenfortsätze — SPÖNDLI, rück- 
läufige Knorpel — Parker) bekannt. Nach hinten verdickt sich die Pars 
naso-ethmoidalis ansehnlich dadurch, dass sich die Seitentheile nach 
außen wulstig vorstülpen, um die Siebbeinlabyrinthe (Aliethmoide und 
Ethmoidalia lateralia) zu bilden. Dieselben laufen mit ihren vorderen 
unteren Rändern lateralwärts in stumpfe, nach rückwärts gekrümmte 
Haken aus (Processus uncinatus). An der oberen Fläche werden die Laby- 
rinthe durch scharf vorspringende, nach hinten konkave Ränder quer 
abgetheilt. Die medialen Enden dieser bogenförmigen Ränder stoßen 
nach hinten unter spitzem Winkel zusammen, um nach ihrer Vereinigung 
als Crista galli nach hinten zu laufen. Die lateralen Enden verbinden 
sich mit zarten Ausläufern der seitlichen Anhänge des zweiten Hauptab- 
schnittes. Vor den Bogenlinien gehört das Labyrinth dem Gesichtstheil 
des Schädels an. Hinter der Bogenlinie liegen zu beiden Seiten der Crista 
galli die Vförmig begrenzten Laminae cribrosae. Es sind dies napfförmige 
Vertiefungen, deren Boden in jüngeren Stadien jedoch nicht von einer 
eigentlichen knorpeligen Siebplatte gebildet wird; die Seitenflächen der 
Crista galli gehen vielmehr unmittelbar in die Seitenflächen der Lamina 
perpendicularis über, ohne dass an der Grenzlinie eine horizontale Knor- 


204 Friedrich Decker, 


pelplatte abgeht. Die Anlage der von oben her frei zu Tage liegenden 
Siebbeinzellen wird dadurch gebildet, dass von den Seitenwandungen 
des hinteren Labyrinthabschnittes senkrecht und einander parallel ge- 
stellte Leisten in nicht ganz transversaler Richtung der Lamina perpen- 
dicularis zustreben, ohne aber diese zu erreichen. An den medialen En- 
den verästeln sich diese Leisten ein- bis zweimal, und erinnern von oben 
her gesehen an das Aussehen von Chorionzotten. Die Lamina cribrosa, 
welche auf diese Weise anfänglich nur vorgetäucht wird, kommt später 
wirklich zu Stande, wahrscheinlich durch Anastomosenbildung der Ver- 
ästelungen. Crista galli und Lamina perpendicularis so wie der hintere 
konvexe Rand der Lamina cribrosa gehen in den axialen Theil des näch- 
sten Abschnittes über. 

Die Regio sphenoidea lässt sich wieder in zwei Unterabtheilungen 
zerlegen, nämlich in den vorderen und den hinteren Keilbeinknorpel. 
Den axialen Theil dieses Abschnittes bildet das Gorpus sphenoideum an- 
terius (Praesphenoid) in Verbindung mit dem Corpus sphenoideum poste- 
rius (Basisphenoid). Die zu ersterem gehörigen seitlichen Theile werden 
durch die Alae parvae (Orbitosphenoid) gebildet, deren laterale, nicht 
verknöchernde Hälfte bei Spönptı als Frontalplatte, bei Dursy als Orbital- 
flügel des Keilbeins bezeichnet werden. Zum Corpus sphenoideum poste- 
rius gehört als Seitentheil die Ala magna (Alisphenoid). In Wirklich- 
keit sind aber in diesem Stadium die kleinen Keilbeinflügel größer als 
die Alae magnae. Das Corpus sphenoideum anterius ist ziemlich hoch, 
wird nach hinten zu breiter und besitzt an der oberen Fläche eine quer 
gestellte Rinne (Sulcus opticus) zur Aufnahme des Chiasma der Sehnerven; 
auch ist der vordere Keilbeinkörper in seiner Mitte seitlich durch kon- 
kave Ränder, welche die mediale Umrandung der Foramina optica bil- 
den, schmaler als vor und hinter dem Sulcus opticus. Von den breiteren 
angrenzenden Theilen entspringen an der oberen Fläche des Corpus sphe- 
noideum anterius mit zwei Wurzeln — einer vorderen breiteren und einer 
hinteren schmaleren — die Alae parvae, welche als dünne Knorpelplatten, 
nur schwach nach oben konkav gekrümmt, weit nach der Seite hin sich 
ausbreiten. In ihrer lateralen Hälfte werden sie an ihrer unteren Fläche 
von der Pars orbitalis des frühzeitig entwickelten Stirnbeins fast ganz 
bedeckt. Vorderer und hinterer Rand der Ala parva gehen divergent 
nach der Seite hin; der vordere Rand krümmt sich nach vorn, um den 
medialen, beziehungsweise unteren Rand des oben erwähnten, mit dem 
Siebbeinlabyrinth sich verbindenden Fortsatzes zu bilden; dieser Fort- 
satz — ich will ihn Commissura orbito-ethmoidalis nennen (Orbitalflügel 
des Siebbeins — Dursy, nicht näher bezeichneter Theil der Frontalplatte 
bei SpönnLı) — ist ein mehr auf die Kante gestelltier durchschnittlich 1 mm 


Über den Primordialschädel einiger Säugethiere. 205 


breiter Knorpelstreifen und verschmilzt mit einer schnell auf das Doppelte 
zunehmenden Verbreiterung mit dem lateralen Ende des bogenförmigen 
Randes vor der Lamina cribrosa. Auf diese Weise wird das Foramen 
spheno-ethmoidale (Foramen spheno-frontale — SpönnLı) geschlossen, 
welches zwischen vorderem Keilbeinflügel und Siebbeinplatte seine Lage 
hat. Am ausgebildeten Schädel existirt an dieser Stelle keine Lücke, son- 
dern es findet bier durch die Berührung der Stirn- und Thränenbeine 
ein vollständiger Abschluss der Schädelhöhle statt. Der hintere Rand der 
knorpeligen Ala parva geht weiter nach der lateralen Seite als der vor- 
dere und biegt dann nach hinten um; auf diese Weise wird er zum un- 
teren Rande eines Knorpelstreifens von durchschnittlich 2—3 mm Breite, 
welcher die Ala magna in weitem Bogen überspannend eine Verbindungs- 
brücke zwischen der Ala parva und der zum nächsten Abschnitt gehö- 
rigen, über dem Petrosum gelegenen und noch näher zu beschreibenden 
Parietalplaite herstellt. Diese Knorpelbrücke sei Gommissura orbito- 
parietalis genannt. Der laterale freie Rand der Ala parva geht nach vorn 
mit einer Einkerbung in den oberen Rand der Commissura orbito-ethmoei- 
dalis über, längs der Ala parva selbst ist derselbe konvex. Eine tiefere 
Einkerbung zeigt der freie Rand beim Übergang in den oberen Rand der 
Commissura orbitoparietalis, über deren Mitte er einen stumpfwinkeligen 
Vorsprung zeigt; mit einer dritten Einkerbung endlich geht er in den 
oberen, beziehungsweise medialen Rand der Parietalplaite über. Durch 
die Commissura orbito-parietalis wird das Foramen spheno-parietale 
(Spönnıi) geschlossen, welches zwischen Keilbein, Felsenbein und Parie- 
talplatte eingeschlossen ist, und in welches die Ala magna vorspringt. 
Obwohl beim Rinde nur ein kleiner Theil der Parietalplatte zu der Be- 
grenzung dieser Öffnung beiträgt, und vielleicht die Bezeichnung Foramen 
spheno-petrosum richtiger erscheint, so sei doch die Spönnur’sche Bezeich- 
nung beibehalten, weil bei anderen Thieren die Parietalplatte sich in 
größerer Ausdehnung an der Umrahmung dieser Öffnung betheiligt. 

Das Corpus sphenoideum posterius ist die direkte Fortsetzung des 
vorderen Keilbeinkörpers, von welchem es unter stumpfem Winkel (vor- 
dere Satiellehne) nach unten abfällt. In der Mitte ist es zur Sella tureica 
vertieft und geht nach hinten mit einer quer gestellten Leiste, der (hin- 
teren) Sattellehne, in den axialen Theil des letzten Abschnittes über. Das 
Corpus sphenoideum posterius ist niedriger aber breiter als der vordere 
Keilbeinkörper. Die Ala magna entspringt seitlich an der tiefsten Stelle 
der Sella turcica mit einer in der Richtung von oben nach unten abge- 
platteten Wurzel. Der Körper des großen Keilbeinflügels ist ziemlich dick 
und trägt in seinem medialen Theil einen von seiner unteren Fläche ent- 
springenden nach unten und vorn gerichteten Fortsatz, die Lamina ex- 


3085 Friedrich Decker, 


terna proocessus pterygoidei (Processus pterygoideus). Der laterale Theil 
der Ala magna trägt einen nach vorn und oben gerichteten knopfförmigen 
Vorsprung und verläuft nach hinten in eine dünner werdende Platte, 
welche ein dem Foramen ovale entsprechendes Loch trägt, durch welches 
der dritte Trigeminusast geht; der Ramus supramaxillaris tritt durch den 
zwischen Ala parya und Ala magna gelegenen Theil des Foramen spheno- 
parietale. Die Wurzelplatte der Ala magna verbreitert sich nach hinten 
und setzt sich an den konvexen Rand der untersten Schnecken windung; 
diese Ausbreitung ist an der lateralen Seite durch einen konkaven Aus- 
schnitt begrenzt und ist in ihrer Mitte, unmittelbar vor der Schnecke von 
einem kreisförmigenLoch für den Durchtritt der Garotis interna durchbohrt. 

Die Regio petroso-oceipitalis zerfällt, wie schon der Name andeutet, 
in zwei Unterabtheilungen. Einzelne Autoren trennen die Pars petrosa 
ganz vom Primordialschädel und betrachten sie für ein eingeschobenes, 
ein Sinnesorgan bergendes Schaltstück. Allein hier, wo eine Schwierigkeit 
wegen der Einreihung der Pars petrosa in einen Schädelwirbel nicht be- 
steht, wird es gerechtfertigtsein, den Felsentheil wegen seines Zusammen- 
hangs mitdem Oceipitaltheil auch imAnschluss an denselben zu betrachten. 

Das Petrosum (Petromastoid) ist als eine seitliche Anlagerung an das 
Oceipitale zu betrachten. Es lässt schon in jüngeren Stadien an seiner 
hinteren Fläche die Schnecke mit dem Meatus auditorius internus deut- 
lich erkennen. Von den Bogengängen ist der obere der ausgeprägteste, 
unter ihm findet sich eine nur sehr seichte Fossa subarcuata (TröLTsch) 
(Fenestra epiotica). Das Petrosum steht nach vorn durch die Schnecke 
in Verbindung mit der verbreiterten Wurzel des großen Keilbeinflügels. 
Medial und nach rückwärts grenzt der Felsentheil an die Pars basilaris 
und Pars condyloidea des Occipitaltheils, und setzt sich von diesem so- 
wohl an der inneren oder cerebralen als an der äußeren oder unteren 
Fläche des Schädels durch eine Rinne scharf ab. Vorn gegen das Corpus 
sphenoideum posterius zu endet diese Rinne in eine circa 1 mm lange 
spaltförmige Öffnung (Foramen lacerum anticum?), nach hinten in das 
ziemlich große Foramen jugulare. Rückwärts und seitlich stößt die Pars 
petrosa wieder an die Pars condyloidea. An der äußeren Fläche findet 
der Übergang dieser beiden Schädeltheile in einander auf eigenthümliche 
Weise statt. In der oberen hinteren Gegend wölbt sich nämlich die Pars 
petrosa nach ab- und rückwärts bedeutend vor und es bildet dieser Vor- 
sprung, welcher die unteren Labyrinththeile überragt, ein knorpeliges 
Tegmen tympani (pterotischer Wulst); dieses geht weiter nach unten in 
einen dem Processus mastoideus entsprechenden Fortsatz aus. Letzterer 
bezieht aber aus der oberen Gegend der Pars condyloidea eine von hin- 
ten und oben kommende zweite Wurzel, und es kann an der Basis ex- 


Über den Primordialschädel einiger Säugethiere. 207 


terna die zwischen Foramen jugulare und Foramen condyloideum gele- 
geneKnorpelpartie gewissermaßen als dritte, horizontale Wurzel betrachtet 
werden. Diese dreifache Verbindung des Petrosum mit dem Occipitale, 
nämlich durch die eben beschriebenen beiden Wurzeln, so wie durch die 
vor dem Foramen jugulare gelegene Verbindung, der Zusammenhang der 
Schnecke ferner mit der Ala magna berechtigen dazu, das Petrosum als 
Bestandtheil des Primordialschädels aufzufassen. Der dem Processus 
mastoideus der Lage nach entsprechende Forisatz wird desshalb nicht 
mit diesem Namen bezeichnet, weil beobachtet wurde, dass derselbe von 
der Pars condyloidea occipitis aus verknöchert, und es ist desshalb die 
Bezeichnung Processus paramastoideus oder Proc. paroccipitalis vorzu- 
ziehen. Das knorpelige Tegmen tympani endet in einen zugeschärften, 
nach hinten und oben konkaven Rand; bevor derselbe in den Processus 
paroceipitalis übergeht, trägt er noch den Processus styloideus, welcher 
sich unmittelbar durch Knorpel (Stylohyale) zum Zungenbein forisetzt. 
In späteren Stadien verknöchert das Stylohyale in seiner Mitte. Zwischen 
dem Tegmen tympani, welches klappenartig den oberen hinteren Theil der 
medialen Paukenhöhlenwand bedeckt, bleibt ein taschenförmiger Raum. 
In der unteren Gegend des Petrosum ist von außen die Fenestra rotunda 
und weiter oben die Fenestra ovalis sichtbar. Durch die zarte Umhüllungs- 
wand der Schnecke scheinen die Windungen derselben deutlich durch. 
Annulus tympanicus nebst Trommelfell, MEcker’schem Knorpel und den 
Gebörknöchelchen, letztere auch noch knorpelig, lassen sich leicht ablösen. 

Es ist noch ein von der Pars petrosa entspringendes wichtiges 
Gebilde zu erwähnen, nämlich die Parietalplatten. Es sind dies paarige 
dünne Knorpelplatten, welche nach vorn durch Vermittelung der Com- 
missura orbito-parietalis in die Alae parvae, nach hinten aber unmittel- 
bar in die Pars squamosa occipitis übergehen. Die Parietalplatten ent- 
springen mit zwei Wurzeln von der Konvexität des Ganalis semicircularis 
superior, Zwischen beiden Wurzeln liegt eine bohnenförmige nach unten 
konkave Lücke, das Interstitium petroso-parietale (SrönnLi). Die vordere 
Wurzel entspringt am vorderen oberen Theil des erwähnten Bogenganges; 
mit dem vorderen Rande derselben fließt die Gommissura orbito-parieta- 
lis zusammen. Die hintere Wurzel, wie die vordere circa 2 mm breit, 
entspringt vom hinteren oberen Theil des oberen Bogenganges; ihr hinterer 
Rand bildet mit dem noch freien hintersten Theile des Canalis semicircu- 
laris superior so wie mit dem Seitenrande der Pars squamosa occipitis 
die Umrandung einer zweiten etwas kleineren ähnlichen Öffnung, welche 
als Interstitium petroso-occipitale bezeichnet werden mag. Dasselbe ist 
fast vertikal mit seiner Längsachse gestellt, während das Interstitium 
petroso-parietale horizontal über dem Scheitel des oberen Halbzirkelganges 


208 | Friedrich Decker, 


liegt. Am unieren Pol des Interstitium petroso-occipitale vereinigt sich 
die von der Pars condyloidea kommende hintere Wurzel des Processus 
paroccipitalis mit der vom Tegmen tympani kommenden vorderen. Die 
Parietalplatten sind beim Rinde fast senkrecht gestellt und neigen sich 
nur wenig gegen die Schädelhöhle hin; sie haben eine nur sehr geringe 
Höhe im Vergleich zu den gleichen Gebilden anderer Thiere. Die Höhe 
der Seitenplatten nimmt gegen die Hinterhauptschuppe hin etwas zu; 
dem entsprechend steigt auch ihr oberer Rand, welcher eine direkte Fort- 
setzung desjenigen der Commissura orbito-parietalis ist, nach hinten zu 
nur wenig aufwärts, wobei er unter schwach konvexem Verlauf sich un- 
merklich in den oberen Rand der Pars squamosa oceipitis verliert. Der 
breiteste hintere Theil der Parietalplatten fließt mit dem oberen Theile 
der Hinterhauptschuppe zusammen. Die freien Theile des unteren Ran- 
des werden durch die beiden erwähnten Interstitien ausgekerbt. 

Die Pars oceipitalis wird wie in der menschlichen Anatomie zweck- 
mäßig in die Pars basilaris (Occipitale basilare, Basioccipitale), die Partes 
condyloideae (Occipitalia lateralia, Exoceipitalia) und die Pars squamosa 
(Oceipitale superius, Sophia geschieden. . 

Den axialen Theil des ganzen Petroso-Oceipital-Abschnittes bildet 
die Pars basilaris. Dieselbe ist vorn am Übergang in das Corpus sphenoi- 
deum posterius am schmalsten, verbreitert sich aber nach hinten zu an- 
sehnlich, wobei sie zugleich ohne Vermittelung nach beiden Seiten hin 
in die Gelenktheile übergeht. Gegen das hintere Ende zu wird der 
Grundtheil wieder schmaler und bildet den vordersten Umfang des Fora- 
men occipitale magnum. Die seitlichen Partien des dritten Abschnittes 
werden in der vorderen Hälfte von den Felsenbeinknorpeln gebildet, in 
der hinteren Hälfte von den Partes condyloideae. Jede derselben trägt 
nach unten den Processus condyloideus mit dem davor gelegenen lateral 
vorwärts gerichteten Foramen condyloideum. Es wurde oben erwähnt, 
dass sich der Gelenktheil mit zwei Wurzeln, einer vertikalen und einer 
horizontalen an der Bildung des Processus paroccipitalis betheiligi. Mit 
ihrem medialen eingekerbten Rande begrenzt die Pars condyloidea das fast 
quadratische, diagonal zur Länge und Breite des Schädels gestellte Fora- 
men occipitale magnum. Nach hinten und oben schließt sich an die Ge- 
lenktheile die knorpelige Hinterhauptschuppe an, welche etwas gegen 
die Schädelhöhle hin gebogen ist. Sie ragt ungefähr bis zu der Horizon- 
talebene in die Höhe, in welcher der größte Breitendurchmesser des 
Schädels liegt. Hier endet sie mit einer horizontal gelegenen, nach vorn 
geöffneten Bogenlinie, welche seitlich in den oberen Rand der Parietal- 
platten übergeht. Seitlich geht die Schuppe oben unmittelbar in die 
Parietalplatten über, im unteren Theile wird sie durch das Interstitium 


Über den Primordialschädel einiger Säugethiere. 209 


petroso-occipitale vom Petrosum getrennt. Der untere Rand der Pars 
squamosa trägt den hinteren oberen Winkel des um die transversale 
Diagonale geknickten Foramen oceipitale magnum. Dieser Winkel ist 
durch eine häutige Platte ausgefüllt, einen Rest der Membrana reuniens 
superior des Kopfes (RATHkE, KöLLıker) oder Membrana spinoso-occipita- 
lis (Hawwover). Es soll hier nicht unerwähnt bleiben, dass bei der Präpa- 
ration die Bindegewebsplatte, welche die zwischen den Scheitelbeinen 
und dem oberen Rande der Schuppe frei bleibende Fontanelle verschließt, 
durch Einwirkung des warmen Wassers mächtig aufquoll und durch ihr 
bläuliches, glasiges Ansehen Knorpel vortäuschte. Nur eine genauere 
mikroskopische Untersuchung dieses Gebildes bewahrte vor einem Irr- 
thum. Eine weitere Bestätigung des Befundes ergab sich auch daraus, 
dass diese vermeintliche Knorpelplatte sich leicht von der Squama tren- 
nen ließ, nachdem bei fortgesetzter Präparation die tiefste Lamelle des 
äußeren und inneren Perichondriums von der Schuppe abgezogen wurde; 
hierbei zeigte sich, dass diese Lamellen die Grenzschichten der fraglichen 
Platte bildeten. 

Es wird nunmehr, nachdem das Chondrocranium in seinen Haupt- 
abtheilungen beschrieben ist, am Platze sein, einige Bemerkungen über 
die am Primordialschädel beobachteten Verknöcherungscentra, so wie 
über das Verhalten einiger Deckknochen zu den Knorpeltheilen anzu- 
knüpfen. Die ersten primordialen Verknöcherungspunkte erscheinen im 
Oceipitaltheil; einer liegt in der Pars basilaris, hier von rautenförmiger 
Gestalt, und je ein rundlicher in den Partes condyloideae, hinter dem 
Foramen condyloideum (Kopflänge 2,6 cm); alle drei scheinen ziemlich 
gleichzeitig zu entstehen. Dann folgt ein ovaler Knochenkern lateral und 
vorwärts vom Foramen opticum in der Ala parva, ein anderer in der Ala 
magna medial vom Foramen ovale, welcher auf den Processus pterygoi- 
deus übergeht. Nach dem Auftreten von Knochenkernen in den Alae er- 
scheinen sofort Ossifikationspunkte in der Squama oceipitalis und zwar 
in einem Fall (Kopflänge 4,0 cm) an drei Stellen, ein unpaarer höher 
gelegener, darunter zwei paarige. Alle drei verschmelzen bald in der 
Weise, dass die beiden unteren mit dem oberen Kerne in Berührung 
treten, so dass sie zwei nach unten gerichtete Fortsätze der vereinigten 
Verknöcherung darstellen. Der Querdurchmesser dieses Knochentheils 
überwiegt dessen Höhe. Dieser letzteren Verknöcherung folgt ein Knochen- 
kern im Corpus sphenoideum posterius. Eine primäre Ossifikation am 
Petrosum kann beim Rinde, wenn die Kopflänge 5,5 cm beträgt, noch 
nicht mit Sicherheit konstatirt werden. 

Der Knochenkern in der Ala parva umwächst das Foramen opticum 
zuerst an der vorderen und lateralen Seite und breitet sich zugleich 


210 Friedrich Decker, : 


lateralwärts aus, ohne aber die halbe Breite der Ala parva zu über- 
schreiten ; hier existirt eine gegen den Knorpel konvexe Grenzlinie, wel- 
che annähernd dem lateralen Rande der knorpeligen Ala parva koncen- 
trisch ist. Die vordere Wurzel des kleinen Keilbeinflügels ist bereits 
vollständig verknöchert,; wenn die hintere noch knorpelig ist. Die Ver- 
' knöcherung schreitet von den vorderen Wurzeln auf den vor dem Sulcus 
opticus gelegenen Theil des Corpus sphenoideum anterius fort, und zwar 
am vorderen Rande der Wurzeln langsamer als am hinteren. Zugleich 
entsenden die vorderen Wurzeln von ihrer unteren (äußeren) Fläche einen 
nach vorn und abwärts gerichteten Fortsatz, welcher mit dem der an- 
deren Seite die tiefer gelegenen Partien des vorderen Keilbeinkörpers 
seitlich umfasst, und mit zunehmendem Wachsthum auch an das hintere 
Ende des Siebbeinlabyrinthes sich anlegt. Der spät aufgetretene Ossili- 
kationspunkt im Corpus sphenoideum posterius zeigt konstant einen nach 
vorn gerichteten stumpfwinkeligen Vorsprung. Der hintere Rand ist gerade 
und lässt in den beobachteten Fällen das Dorsum ephipii noch frei. Das 
Wachsthum dieses Knochenkernes ist hauptsächlich nach der Quere ge- 
richtet und es tritt auch bald eine Verbindung mit den Alae magnae ein, 
indem diese letzteren mit einem zugespitzten Fortsatz dem Seitenrande 
des axialen Knochenkernes entgegenwachsen (Kopflänge 5,0 cm). Das 
Corpus sphenoideum anterius erhält keinen Knochenkern, sondern ver- 
knöchert von den Wurzeln der Alae parvae aus, der vorderste Abschnitt 
des Körpers wahrscheinlich auch unter Betheiligung der subalaren Fort- 
sätze. Das Corpus sphenoideum anterius ist an der unteren Seite noch 
vollkommen knorpelig und geht kortinuirlich durch die Lamina perpen- 
dicularis des Siebbeins in das knorpelige Septum narium über, wenn 
das Corpus sphenoideum posterius bereits eine feste Verwachsung mit 
den Alae magnae eingegangen ist (Kopflänge 6 cm). Nasen- und Ethmoi- 
daltheil enthält um diese Zeit noch keinen primordialen Knochenkern, 
sondern ist ringsum von Deckknochen (Nasale, Maxillare, Intermaxillare, 
Lacrymale, Palatinum, Lamina interna processus pterygoidei s. Ptery- 
goid) umgeben. Die knorpelige Umrandung der Nasenlöcher ist von 
Deckknochen frei. Die Knochenkerne des Occipitaltheils bleiben noch 
lange durch Knorpel von einander getrennt. Von dem Knochenkern hin- 
ter dem Foramen condyloideum aus verknöchert der Gelenkfortsatz und, 
wie bereits bemerkt wurde, der Processus paroccipitalis an seiner hin- 
teren Seite. 

Von den Deckknochen zeigen einige folgende bemerkenswerthe 
Eigenthümlichkeiten. Es wurde bereits erwähnt, dass die Pars orbitalis 
des Stirnbeins den knorpelig bleibenden Theil der Ala parva (Frontal- 
platte, Orbitalflügel des Keilbeins) von unten her größtentheils bedeckt; 


Über den Primordialschädel einiger Säugethiere. 211 


allein auch an der oberen Fläche des Knorpels schieben sich Knochen- 
schüppchen, welche von der Innenfläche des Stirnbeins ihren Ursprung 
nehmen, über den lateralen Rand des Knorpels hinweg. An einem sagit- 
tal durchsägten Schädel eines Kalbsfötus der Würzburger vergleichend- 
anatomischen Sammlung ist ein beträchtlicher Theil der cerebralen Fläche 
der Ala parva (laterale Hälfte) von einer dünnen, porösen Knochenlamelle 
bedeckt. An der einen Schädelhälfte wird durch die Lücken dieser La- 
melle noch ein Knorpelrest sichtbar, welcher der Commissura orbito- 
ethmoidea angehörte. Von der Commissura orbito-parietalis ist in diesem 
fortgeschrittenen Stadium nichts mehr zu entdecken. Das Scheitelbein, 
welches beim Rinde sehr schmal ist, bedeckt schräg nach hinten auf- 
steigend die Parietalplatten und einen Theil der Commissura orbito-parie- 
talis, Das Squamosum deckt nur den oberen Theil des Gehörlabyrinthes 
und sendet einen nach hinten und unten gerichteten sichelförmigen Fort- 
satz (posttympanischer Sporn des Squamosum — PArker) gegen den Pro- 
cessus styloideus hin. Im weiteren Verlauf der Verknöcherung bildet der 
Processus styloideus in Gemeinschaft mit dem Processus paroccipitalis 
das untere Ende des Canalis facialis. Über der Verknöcherung in der 
Hinterhauptschuppe liegen der häutigen Bedeckung der Fontanelle zwei 
zum Interparietale gehörige Knochenkerne auf, welche ziemlich groß wer- 
den, ehe sie mit einander verschmelzen. Der erste an den Gehörknöchel- 
chen sichtbar werdende Knochenkern findet sich als kleines Schüppchen 
an der Grenze zwischen Mzcker’schem Knorpel und Hammer und repräsen- 
tirt die Basis des daraus sich entwickelnden Processus longus des Hammers. 


Der Primordialschädel des Schafes. 


Die allgemeinen Formverhältnisse des Primordialschädels beim Schafe 
gestalten sich so, dass der Nasentheil spitzer und kürzer, der Ethmoidal-, 
Sphenoidal- so wie Oceipitaltheil dagegen breiter als beim Rinde ist, 
woraus eine gedrungenere Gestalt des Ganzen resultirt. Die auffallend- 
sten Verschiedenheiten jedoch finden sich im Sphenoidaltheil, so wie in 
dem Verhalten der Parietalplatten. 

Die bemerkenswertheste Erscheinung beim Primordialschädel des 
Schafes ist die, dass in keinem Stadium die Gommissura orbito-ethmoi- 
dalis sich darstellen ließ, obwohl mit aller Vorsicht dabei zu Werke ge- 
gangen wurde, nachdem sich der Mangel dieses Gebildes an einigen Prä- 
paraten erwiesen hatte. Es gelang z.B. an den Schädeln junger Schweins- 
embryonen ohne besondere Mühe diese Kommissur frei zu legen, während 
bei größeren Schafembryonen, wo diese Verbindung entsprechend stär- 
ker gewesen sein müsste, trotz aller Mühe und Aufmerksamkeit keine 
Spur einer vollständigen Überbrückung des Foramen orbito-ethmoidale 


212 Friedrich Decker, 


zu entdecken war. Es schwand so mehr und mehr der Verdacht, dass 
diese Knorpelbrücke abgerissen worden wäre. Bei keinem der 13 Em- 
bryonen mit den bezüglichen Kopflängen zwischen 1,8 und 10,0 cm ge- 
lang das Auffinden der Kommissur. Aber eine Ändeutung fand sich in 
so fern, als der vordere laterale Winkel der Lamina cribrosa bei allen 
Präparaten in einen lateral nach hinten gerichteten konischen Fortsatz 
auslief, welcher immer der Größe des betreffenden Schädels entsprach 
und bei dem größten derselben (10,0 cm) ein cylindrisches Knorpelstäb- 
chen von 2,0 mm Länge und 0,5 mm Dicke darstellte und ähnlich wie 
eine Spitzkugel endete. Im letzteren Falle eben so wie bei etwas jünge- 
ren Schädeln brach das Stäbchen vom Siebbeinknorpel leicht ab und 
konnte aus dem dicken vorderen Rande des Processus nasalis des Stirn- 
beins an der Grenze gegen die Pars orbitalis hin hervorgezogen werden, 
in welchem es vollständig vom Knochen umschlossen war. Bei den Schä- 
deln jüngerer Embryonen, wo das Stirnbein noch nicht so weit entwickelt 
war, lag der Knorpelfortsatz einfach der inneren Fläche des Stirnbeins 
an. Diese Thatsache, dass die Commissura orbito-ethmoidalis beim Schafe 
fehlt, wurde auch durch zwei darauf hin hergestellte Schnittserien an 
Köpfen von 0,9 und 2,1 cm Länge bestätigt. 

Diesem Verhalten entsprechend verläuft der vordere Rand der knor- 
peligen Ala parva, deren beide Wurzeln ziemlich gleich stark sind, erst 
eine Strecke weit schwach konkav gekrümmt nach vorn und seitwärts, 
um dann in fast rechtem Winkel, dessen Scheitel bei zunehmendem Alter 
sich mehr und mehr abrundet, in den lateralen konvexen Rand der Ala 
parva überzugehen. Auf diese Weise kommt kein eigentliches Foramen 
orbito-ethmoidale, sondern vielmehr eine gleichnamige Incisur zu Stande. 
Der laterale Rand geht über die Commissura orbito-parietalis hin mit 
einer seichten Konkavität in den stark konvexen oberen, bezüglich media- 
len Rand der Parietalplatte über und fällt dann weiter im Bogen ver- 
laufend nach hinten zu ab, wo er wieder unter fast rechtem Winkel auf 
das laterale Ende des oberen Schuppenrandes aufstößt. An einigen Prä- 
paraten wird der Rand der Parietalplatte sogar etwas rückläufig, so dass 
ein mehr spitzer, zwischen Parietalplatte und Schuppe einspringender 
Winkel resultirt. Die Parietalplatte selbst entspringt ziemlich breit vom 
Scheitel des oberen Bogenganges; an einzelnen Präparaten deutet ein 
kleines rundes Loch ein Interstitium petroso-parietale an, während ein 
Interstitium petroso-oceipitale vollständig vorhanden ist. In der Com- 
missura orbito-parietalis krümmt sich die Orbitoparietalplatie der Fläche 
nach, so dass sich der hintere parietale Theil mehr aufstellt; unter wei- 
terer Flächenkrümmung neigen sich die Parietalplatten, welche höher 
als beim Rinde sind, mit ihren obersten Theilen gegen einander und 


Über den Primordialschädel einiger Säugethiere. 213 


bilden so ein seitliches Gewölbe um das embryonale Gehirn. Das Dorsum 
ephipii ist bei einer Kopflänge von 3,5 cm sehr schön ausgebildet. Die 
Verbindung der Lamina cribrosa mit dem vorderen Keilbein ist eine relativ 
schmalere. Die primordialen Verknöcherungskerne betreffend finden sich 
folgende Verhältnisse : Bei einer Kopflänge von 1,8 cm ist noch kein Kno- 
chenkern vorhanden, allein es erscheint bereits der später verknöchernde 
mediale Abschnitt der Ala parva dichter und undurchsichtiger. In der 
vorderen Wurzel der Ala parva tritt bei einer Kopflänge von 2,2 cm am 
vorderen Umfang des Foramen opticum ein Knochenpunkt auf, dann folgt 
ein weiterer am hinteren Rande der Aia parva (Kopflänge 2,3 cm) mehr 
seitlich vom Foramen opticum; später (Kopflänge 2,9 cm) erscheint noch 
ein dritter Ossifikationspunkt am hinteren Umfang des Foramen opticum. 
Die Gestalt der knöchernen Alae parvae wird dadurch in der Weise be- 
stimmt, dass ihr hinterer Rand länger als der vordere, der hintere laterale 
Winkel spitz, der vordere stumpf ist; auch hier wachsen sich die Knochen- 
kerne der vorderen Wurzeln vor dem Sulcus opticus schneller entgegen. 
Ein nach unten gerichteter, von der vorderen Wurzel entspringender 
subalarer Fortsatz fehlt in jüngeren Stadien und tritt erst bei einer Kopf- 
länge von 5,5 cm deutlich hervor. Hat der Schädel eine Länge von 10,0cm 
erreicht, so ist das Corpus sphenoideum anterius von den kleinen Keil- 
beinflügeln aus ganz verknöchert, indem auch hier im Corpus sphenoi- 
deum anterius kein selbständiger primordialer Knochenkern sich aus- 
bildet. Die Knochenkerne der Ala parva treten vor dem der Ala magna 
und denen der Hinterhauptschuppe auf. Das knöcherne Corpus sphenoi- 
deum posterius wird von einem verhältnismäßig sehr kleinen Knochen- 
centrum aus angelegt; es tritt sehr bald eine Verschmelzung mit den 
großen Keilbeinflügeln ein, während die Entwicklung des Knochenkerns 
in der Längsachse des Schädels noch eine sehr geringe ist. Der hintere 
Rand der in Knochen übergegangenen Ala magna zeigt einen mit dem 
Wachsthum an Tiefe zunehmenden Einschnitt, welcher einem unvollstän- 
digen Foramen spinosum entspricht. Der laterale Rand der zum Petrosum 
ziehenden knorpeligen Ausbreitung der Wurzel der Ala magna wird zu 
einem der Lingula ähnlichen Gebilde, ist jedoch bei einer Kopflänge von 
5,5 em noch knorpelig. Im Petrosum tritt ein Ossifikationspunkt am vor- 
deren Umfang des Meatus auditorius internus auf (Opisthoticum), welcher 
den inneren Gehörgang fast ganz umwächst, und mit einem zweiten 
Knochenpunkt am Zusammenfluss des oberen und hinteren Bogenganges 
verschmilzt (Kopflänge 6,0 cm). Die Schnecke zeigt in diesem Stadium auf 
der konvexen Seite eine knöcherne Spirale, welche den Windungen eni- 
spricht, während die seichten Furchen zwischen je zwei Windungen noch 
knorpelig sind. Bei einer Kopflänge von 10,0 cm sind alle Knochenpunkte 


214 Friedrich Decker, 


des Petrosum in gegenseitige Verbindung getreten und es bleibt nur noch 
ein Knorpelsaum an dem der Ala magna zugekehrten Rande der Schnecke. 
Die Gehörknöchelchen sind in diesem Stadium vollständig verknöchert. 
Ein Präparat lässt den Wahrscheinlichkeitsschluss zu, dass das Foramen 
oceipitale magnum durch gegenseitige Vereinigung der Gelenktheile ohne 
Betheiligung der Schuppe geschlossen wird. Die sehr breiten als Beleg- 
knochen entstehenden Hälften des Interparietale bedecken mit ihren 
lateralen Rändern noch den hintersten Theil der Parietalplatien. 


Der Primordialschädel des Schweines. 


Die Gestalt des Chondrocranium beim Schweine ist eine sehr schlanke. 
Die nach vorn zu breiter werdende Nase trägt am Rücken eine tiefe 
Längsfurche. An der unteren Fläche zeigt der vorderste Theil zwei stark 
vorspringende Leisten, welche der Länge nach, jedoch nur auf eine kurze 
Strecke, verlaufen, indem sie sich bald wieder verlieren. Die mit schma- 
len Wurzeln entspringenden Alae parvae sind mehr nach vorn gerichtet, 
stark nach oben gekrümmt und erreichen in der Querrichtung eine ziem- 
liche Breite. Die CGommissura orbito-ethmoidalis ist im Vergleich zu ihrer 
Breite kurz. Das Foramen spheno-ethmoidale ist schlitzförmig. Die Ala 
ımagna entspringt weit vorn, nahe der Ala parva mit zarter Wurzel, 
welche sich jedoch nicht nach dem Petrosum hin verbreitert (Kopflänge 
2,0 cm). Der Processus pterygoideus ist stark entwickelt. Eine Trige- 
minusöffnung fehlt im großen Keilbeinflügel. Die Commissura orbito- 
parietalis ist breit und kurz und geht sofort in die Parietalplatte über. 
Letztere entspringt mit einer Wurzel, hinter welcher ein Interstitium 
petroso-parietale liegt. Die Parietalplatten sind sehr hoch, ihre oberen 
Ränder werden durch starke Wölbung zu medialen, sind stark konvex 
und stehen bei einem Schädel von 2,0 cm Länge nur sehr wenig von ein- 
ander ab. Der Zwischenraum zwischen den Rändern der Parietalplatten 
wird nach hinten zu breiter und läuft über der Squama oceipitis seitlich 
in zwei spitze Winkel aus, welche dadurch entstehen, dass die konvexen 
Ränder der Parietalplatten bei ihrem Verlaufe gegen das Hinterhaupi stark 
rückläufig werden. Die Hinterhauptschuppe ist ziemlich hoch. Das Fora- 
men occipitale magnum ist groß, eiförmig mit nach oben gerichteter 
Spitze; durch eine breite Membrana reuniens superior wird der obere 
Theil geschlossen, und die Form der übrig bleibenden Öffnung eine 
runde. Die Sella turcica ist tief. Das hohe Dorsum ephippii zeigt in 
späteren Stadien sehr lange knorpelige Processus clinoidei posteriores. 
Die Fossa subarcuata ist deutlich ausgeprägt. 

Primäre Knochenkerne sind bei einer Schädellänge von 1,7 cm noch 
nicht wahrnehmbar, dagegen finden sich solche bereits bei einer Länge 


Über den Primordialschädel einiger Säugethiere. 215 


von 2,0 cm in der Basis und den Gelenktheilen des Hinterhaupts. In 
vorgeschritteneren Stadien — die zwischenliegenden konnten leider nicht 
beobachtet werden — zeigt sich, dass beim Schweine die gegenseitigen 
hinteren Wurzeln der Alae parvae zuerst knöchern verschmelzen und 
dass von hier aus die Verknöcherung an der oberen Fläche des Corpus 
sphenoideum anterius in der Tiefe des Sulcus opticus nach vorn fort- 
schreitet, während die vorderen knöchernen Wurzeln der kleinen Keil- 
beinflügel noch von einander durch eine mediane Spalte getrennt sind. 
Ein subalarer Fortsatz fehlt. An Schädeln von 4,5 cm Länge und dar- 
über ist bereits keine vollständige Commissura orbito-ethmoidea mehr 
vorhanden; es findet sich nur noch ein dem vorderen lateralen Winkel 
der Lamina cribrosa anhaftendes dünnes Knorpelstreifchen, welches nach 
hinten mit einem eigenthümlich gewellten Rande endet. Auch der knorpe- 
lige laterale Theil der Ala parva ist verhältnismäßig kleiner geworden 
und weist unregelmäßig gekerbte Ränder auf. Die Commissura orbito- 
parietalis und der vorderste Theil der Parietalplatte steht noch in Verbin- 
dung mit dem Petrosum. Bei einer Kopflänge von mehr als 5,0 cm ist 
dies bereits nicht mehr der Fall. Die knöchernen Alae magnae bilden in 
diesem Stadium mit dem ebenfalls verknöcherten hinteren Keilbeinkörper 
ein Ganzes. Die Gestalt der ersteren ist eine von der früher beschriebe- 
nen Form anderer Säugethiere bedeutend abweichende. Die Alae magnae 
laufen nämlich mit ausgekerbten hinteren Rändern eine Strecke weit 
horizontal, biegen dann aber etwas breiter werdend fast unter rechtem 
Winkel nach oben um. Am oberen verdickten Ende des vertikalen Theiles 
findet sich eine nach hinten und zur Seite verlaufende ziemlich tiefe 
Rinne. Der hintere Rand dieses Keilbeinflügels legt sich hart an das Pe- 
trosum an. An der unteren Fläche der Ala magna fällt der als breite Platte 
entwickelte Processus pterygoideus auf. Die Hinterhauptschuppe verknö- 
chert von zwei neben einander gelegenen Knochenkernen aus. Der hintere 
obere Umfang des Foramen occipitale magnum wird bei einer Kopflänge 
von fast 7,0 cm noch von einer Membrana spinosa-occipitalis gebildet. 

Am Petrosum findet sich außer den zwei auch beim Schafe beobach- 
teten Knochenkernen noch ein solcher über der Fenestra ovalis (Epioti- 
cum). An der Schnecke verknöchert zuletzt der vorderste Rand, an 
welchen sich der große Keilbeinflügel anlegt. Das verknöcherte Labyrinth 
lässt die Bogengänge sehr deutlich hervortreten und zeigt eine sehr tiefe 
Fossa subarcuata. Betreffs der Gebörknöchelchen ist zu erwähnen, dass 
der Stapes im hinteren Schenkel zuerst verknöchert, dass der lange 
Schenkel des Ambosses bereits ossificirt ist, wenn an der Basis des kur- 
zen ein Knochenkern erscheint, und dass vom Hammer der Stiel und der 
kurze Fortsatz noch knorpelig ist, wenn der übrige Theil sammt den 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVIU. Bd. 15 


946 Friedrich Decker, 


beiden anderen Gehörknöchelchen bereits vollständig in Knochen umge- 
wandelt ist. Die Scheitelbeine sind sehr breit und ersetzen das fehlende 
Interparietale. An zwei der größeren Schädel fand sich merkwürdiger- 
weise ein Knorpelstreifchen in der unteren Hälfte der Sutura fronto-parie- 
talis, was sich nicht wohl anders erklären lässt, als durch die Annahme, 
dass Reste der CGommissura orbito-parietalis durch den Druck des 
wachsenden Gehirns in diese Naht als den Ort des geringsten Wider- 
standes hineingedrängt wurden. 


Der Primordialschädel der Katze. 


Das Chondrocranium zeigt bei diesem Thiere einige bemerkenswerthe 
Unterschiede. Die Nase ist breit, kurz und fällt stark nach unten ab, so 
dass an der unteren Seite ihre Spitze tiefer zu stehen kommt als der be- 
reits gebildete harte Gaumen. Der Rücken besitzt eine tiefe Längsfurche, 
an den Seitentheilen grenzen sich die Nasenflügel und die Siebbeinlaby- 
rinthe durch tiefe Einschnitte ab. Die Lamina cribrosa ist schmal und in 
die Länge gezogen und zeigt in der Ansicht von oben nur zwei stärker 
vorspringende Leisten an ihrem Seitenrande. Die kleinen Keilbeinflügel 
sind in hohem Maße entwickelt. Ihre vordere Wurzel hat etwa die drei- 
fache Breite der hinteren und entspringt nicht nur vom Corpus sphenoi- 
deum anterius, sondern auch mit einer nach vorn gehenden Ausbreitung 
vom hintersten Seitenrande der Lamina cribrosa. Die Alae parvae werden 
nach der Seite hin rasch breit und sireben dabei unter Krümmung ihrer 
Fläche nach oben. Ihr vorderer Rand ist stark konkav, kurz und geht 
sofort in den ebenfalls konkaven unteren Rand der außerordentlich brei- 
ten, nach vorn hin sich etwas verschmälernden Commissura orbito-eth- 
moidea über. Der obere Rand der Kommissur ist stark konvex und ver- 
liert sich in den der Ala parva. Das Foramen spheno-ethmoideum ist 
längsoval. Die Commissura orbito-parietalis ist Jang und im Vergleich zum 
Orbitosphenoid und der ebenfalls breiten Commissura orbito-ethmoidea 
schmal. Die Ala magna hat eine große Ausdehnung, während ihre Wur- 
zel dünn und schmal ist. Die vorderen Ränder der Ala magna und ihrer 
Wurzel sind konkav eingebogen; der Processus pterygoideus ist stark nach 
vorn gerichtet. Die auch hier vorhandene plattenartige Ausbreitung der 
Flügelwurzel zum Petrosum dehnt sich auch noch ein Stück auf den 
hinteren Rand des Flügels selbst aus und ist hier von einem Loch unter- 
brochen. Die Partes petrosae sind mehr der Quere nach gestellt und 
kommen sich mit ihren vorderen abgerundeten Enden fast bis zur Be- 
rührung nahe, so dass sie das vorn sehr schmale Oceipitale basilare von 
oben her fast ganz bedecken. Zwischen dem hinteren Rande des Petro- 
sum und dem Seitenrande des Oceipitale basilare besteht eine ziemlich 


Über den Primordialschädel einiger Säugethiere. 2,17 


große Lücke; ihre Bedeutung konnte nicht ermittelt werden. Die Parie- 
talplatten entspringen einwurzelig vom vorderen oberen Umfang des 
Canalis semicircularis superior; hinter dieser Wurzel liegt das spaltför- 
mige Interstitiium petroso-parietale. Die Höhe der Parietalplatten, welche 
sich gegen die Mittellinie hin wölben, ist eine bedeutende. Der obere, 
beziehungsweise mediale konvexe Rand derselben stößt mit dem oberen 
Rande der Hinterhauptschuppe unter annähernd rechtem Winkel zusam- 
men. DasForamen oceipitale magnum ist queroval. Primordiale Knochen- 
kerne finden sich in der Pars basilaris und Pars condyloidea oceipitis ; 
der letztere Ossifikationspunkt lässt das Foramen condyloideum noch ganz 
frei. Die Squama occipitalis entsteht aus zwei neben einander gelegenen 
Knochenkernen. Der vor dem Foramen ovale gelegene Theil der Ala 
magna nebst dem Processus pterygoideus ist bereits verknöchert. Die Ala 
parva verknöchert vom hinteren lateralen Winkel der bleibenden Ala 
parva aus gegen das Foramen opticum hin. Die beiden Keilbeinkörper 
sind noch rein knorpelig. Das aus zwei Theilen bestehende Interparietale 
füllt in verhältnismäßig frübem Alter die Hinterhauptsfontanelle bereits 
vollständig aus. Vor der Ablösung des Scheitelbeins zeigte sich am vor- 
deren unteren Winkel desselben eine im Bereiche des Foramen spheno- 
parietale gelegene seitlicheFontanelle. Die Lamina interna der Flügelfort- 
sätze (Pterygoid) ist bereits sehr fest mit der Lamina externa verbunden. 


Der Primordialschädel eines Gürtelthieres (Dasypus novemcinctus). 


Der Nasentheil im engeren Sinn ist schlank ; am Rücken desselben be- 
findet sich eine nur sehr seichte Längsfurche, deren Boden vorn in einen me- 
dianen Vorsprung endet. Die Jacogson’schen Knorpel sind trotz der Klein- 
heit des ganzen Schädels sehr deutlich zu sehen. Das Siebbeinlabyrinth 
und die Lamina cribrosa mit hoher Crista galli zeichnen sich durch großen 
Umfang aus. Die Alae parvae sind schmal, mäßig nach oben gekrümmt 
und von geringerer Höhe. Der verknöchernde Theil derselben steht in 
inniger Berührung mit dem hinteren Umfang der Lamina cribrosa. Die 
Commissura orbito-ethmoidea ist sehr kurz, ähnlich wie beim Schwein, 
jedoch verhältnismäßig breiter. Der obere Rand der Ala parva ist am Über- 
gang in die vordere Kommissur seicht, am Übergang in die hintere Kom- 
missur tiefeingekerbt. Das Foramen spheno-ethmoideum stellt eine kurze 
spaltförmige Lücke dar. Das Corpus sphenoideum anterius ist sehr breit, 
ohne sichtbaren Sulcus opticus. Das Corpus sphenoideum posterius ist 
ebenfalls sehr breit, aber kurz. Die Alae magnae sind ziemlich groß und 
lagern sich mit ihrem vorderen Rande dicht unter den hinteren Rand der 
kleinen Flügel. Erstere enthalten keine Trigeminusöffnung ; ihre Wurzeln 
sind stark und besitzen eine Ausbreitung an das Petrosum. Das Foramen 
15* 


218 Friedrich Decker, £ 


caroticum ist sehr klein. Die Commissura orbito-parietalis ist breit und 
nimmt gegen die Parietalplatte hin durch rasches Aufsteigen des oberen 
Randes noch an Breite zu. Die einwurzeligen Parietalplatten sind ziem- 
lich hoch und neigen sich der Mittellinie zu. In ihrer Mitte ist der Knorpel 
in der Richtung von oben nach unten verdickt und weniger durchsich- 
tig. Das Interstitium petroso-parietale ist groß und rundlich dreieckig. 
Das Foramen oceipitale magnun: ist so ziemlich kreisrund. Die Gelenk- 
fortsätze des Hinterhaupts sind groß. Der Schuppentheil ist etwas niedrig. 

Primordiale Knochenkerne finden sich: in der Ala parva, seitlich 
vom Foramen opticum, auf die beiden Wurzeln übergehend; in der Ala 
magna, wo sie von länglicher Form in der Achse jedes Flügels liegen und 
auf die Processus pterygoidei übergehen; mit letzteren zeigen sich die 
Laminae internae sehr fest verbunden. Die Wurzel der Ala magna ist 
noch knorpelig; das Corpus sphenoideum posterius ist der ganzen Breite 
nach verknöchert. Außerdem findet sich je ein Knochenkern in der Pars 
basilaris und jeder Pars condyloidea occipitis, und zwei noch weit von 
einander entfernte seitliche Ossifikationen im Schuppentheil. 


Vorbemerkung: Die Primordialschädel der folgenden drei Thiere 
gehörten Spirituspräparaten an und waren von allen in Weingeist kon- 
servirten Schädeln am schwierigsten zu bearbeiten. Die fertigen Präpa- 
rate lassen an Sauberkeit viel zu wünschen übrig, sind auch theilweise 
sehr lädirt. Die nachfolgenden Daten sind zum Theil nicht mehr zu de- 
monstriren, sind aber in diesem Falle nach Aufzeichnungen, welche 
während der Präparation möglichst gewissenhaft gemacht wurden, wie- 
dergegeben. Während bei den im Vorhergehenden abgehandelten Pri- 
mordialschädeln die Untersuchung mehrfach wiederholt wurde, konnte 
hier dieselbe wegen der Seltenheit des Materiales nur an einem Exemplare 
durchgeführt werden, und die Angaben hierüber mit Benutzung der 
defekten Präparate können daher auch nicht den Grad der Sicherheit 
haben wie die vorangehenden Beschreibungen. 


Der Primordialschädel eines Bären. 


Der Schädel ist noch vollkommen knorpelig ohne jeglichen Ossifi- 
kationspunkt. Die Knorpelleisten, welche die Lamina cribrosa später 
bilden, sind in diesem jugendlichen Stadium sehr schön zu sehen. Die 
Orbitospbenoide sind von außerordentlicher Zartheit, fast schleierartig. 
Wie bei der Katze breiten sich auch hier die vorderen Wurzeln der Ala 
parva an den hinteren Umfang der Lamina cribrosa aus. Die bekannten 
beiden Kommissuren sind vorhanden. Das Corpus sphenoideum posterius 
ist sehr breit. Die Parietalplatten sind etwas dichter als die Alae parvae. 


Über den Primordialschädel einiger Säugethiere. 319 


Erstere zeigen nur eine ziemlich breite Wurzel ohne Interstitium petroso- 
parietale; dagegen ist ein Interstitium petroso-occipitale vorhanden. Die 
Parietalplatten sind nicht sehr hoch; ihr oberer Rand verbindet sich 
unter stumpfem Winkel mit der niedrigen Squama oceipitis. Das Fora- 
men occipitale ist sehr groß, nachdem eine ziemlich ausgedehnte Mem- 
brana spinoso-occipitalis entfernt ist. 


Der Primordialschädel von Phoca groenlandica. 


Der Nasentheil ist vorn sehr spitz, die Lamina cribrosa klein aber 
stark konkav. Der ganze übrige Theil des Schädels ist sehr breit im 
Vergleich zu seiner Länge. Das Corpus sphenoideum anterius ist ziemlich 
lang und breit. Die Wurzeln der Ala parva sind sehr breit. Die Kom- 
missuren der kleinen Flügel zum Siebiheil und den Parietalplatten sind 
vorhanden. Das Foramen spheno-ethmoideum ist relativ groß, von Gestalt 
eines Dreiecks mit abgerundeten Winkeln. Die Alae magnae berühren 
den hinteren Rand der Alae parvae, sind ziemlich dick und zeigen in der 
Seitenansicht eine S-förmige Krümmung. Nach hinten hat ihre Wurzel 
eine dünne knorpelige Verbindung mit dem vorderen Rande des Petro- 
sum. Hinter der Sattellehne findet sich in der Achse des Occipitale basilare 
am Grunde eines von oben her sichtbaren Grübchens ein kleines Loch. 
Der obere Rand der einwurzeligen, sehr niedrigen Parietalplatte geht 
gleichmäßig in den oberen Rand der nur 2 mm hohen Squama occipitis 
über. Hinter der Wurzel der Seitenplatte befindet sich ein Interstitium 
petroso-occipitale. Das Foramen occipitale magnum hat eine sehr große 
Ausdehnung; dasselbe ist schwach längsoval nach Abzug einer eventuell 
vorhanden gewesenen Membrana reuniens superior. Das Foramen jugu- 
lare ist ebenfalls sehr groß. Je ein kleiner Knochenkern findet sich in 
der Pars basilaris, hier hinter dem vorerwähnten Grübchen, und in je- 
der Pars condyloidea des Hinterhaupts. 


Das Primordialeranium von Manis (brachyura). 


Die Gestalt des ganzen Schädels ist sehr lang und schmal. Der Nasen- 
rücken trägt eine tiefe Furche, welche auch an das vordere Ende des 
Septum narium sich fortsetzt, so dass die Nasenspitze zweigetheilt er- 
scheint. — Es sei nachträglich bemerkt, dass beim Schwein ein ähnliches 
Verhalten stattfindet. — Die Siebbeinlabyrinthe sind ziemlich massig. Die 
kleinen Keilbeinflügel reichen nicht sehr weit zur Seite, weisen aber 
beide Kommissuren auf. Die Commissura orbito-parietalis ist sehr breit 
und geht unvermittelt in die ziemlich hohe Parietalplatte über, deren 
freier Rand in den oberen Rand des sehr weit in die Höhe reichenden 
Schuppentheils sich verliert. Primordial verknöchert ist der mediale Theil 


220 Friedrich Decker, 


der Ala parva; der laterale Rand der Verknöcherung springt zugespitzt 
gegen den knorpeligen Theil vor. Der vor dem Sulcus opticus gelegene 
Theil des Corpus sphenoideum anterius ist bereits verknöchert im Zu- 
sammenhang mit den vorderen Wurzeln der kleinen Flügel. Das Corpus 
sphenoideum posterius enthält einen quadratischen, die ganze Breite ein- 
nehmenden Verknöcherungskern. Über die Form der Ala magna kann 
keine genauere Angabe gemacht werden ; ein Ossifikationspunkt ist darin 
vorhanden. Pars basilaris und Partes condyloideae occipitis enthalten je 
einen Össifikationspunkt. Die Verknöcherung in der Pars squamosa hat eine 
relativ große Ausdehnung. Die Deckknochen sind außerordentlich dick, so 
weit sie das Schädeldach bilden. Die Pterygoidea reichten sehr weit nach 
hinten und endeten mit einer Biegung um das vordere Ende der Schnecke. 


Die hauptsächlichsten Ergebnisse, welche in den vorangehenden Dar- 
stellungen enthalten sind, werden sich in folgender Weise zusammen- 
fassen lassen. I 

Der Primordialschädel ist in seinen Hauptbestandtheilen bei den ver- 
schiedenen Säugethierordnungen ziemlich gleichartig beschaffen. Derselbe 
ist nur im Oceipitaltheil vollständig geschlossen, und zwar nur im hinter- 
sten Abschnitte; die seitliche und obere Bedeckung des Medullarrohres 
reducirt sich in der Richtung nach vorn immer mehr, so dass der vordere 
Theil der Regio petroso-ocecipitalis nur theilweise, bei einigen Thieren 
sogar sehr mangelhaft von oben her gedeckt wird, während in der Regio 
sphenoidalis so wie im hintersten Theile der Regio naso-ethmoidalis das 
Gentralnervensystem eine Bedeckung nur von der Seite her, und auch 
hier theilweise nur unvollständig, erhält. Der größere vordere Theil der 
Nasensiebbeingegend fällt als zum Gesichtsschädel gehörig hier außer 
Betracht. 

Wesentliche Unterschiede hinsichtlich des Umfanges der Schädelbe- 
deckung finden sich bei den verschiedenen Ordnungen nur im Bereiche 
der Regio petroso-occipitalis, und werden hier von der Ausdehnung der 
Parietalplatten und der Höhe der Pars squamosa occipitis bedingt. Die 
Hinterhauptschuppe nun ist am höchsten beim Schuppenthier; relativ 
gleich hoch unter sich verglichen, aber niedriger als bei Manis, ist die- 
selbe beim Rinde, Schafe, Schweine, der Katze und dem Gürtelthier, 
sehr niedrig beim Bären und am niedrigsten beim Seehund. Hinsichtlich 
der Parietalplatten wird ein möglichst vollkommener Schluss hergestellt 
beim Schweine; in absteigender Linie folgen dann die Katze, das Schaf, 
das Gürtelthier, das Schuppenthier, der Bär; sehr gering ist die Bedeckung 
beim Seehund, am geringsten beim Rinde. Es ist hieraus ersichtlich, dass 
es unmöglich ist, die ursprünglich gehegte Ansicht zu begründen, dass 


Über den Primordialschädel einiger Sängethiere. 221 


innerhalb der Säugethierreihe mit fortschreitender Stammesentwick- 
lung die Ausdehnung des knorpeligen Schädeldaches sich reducire; 
denn wir sehen die extremsten Gegensätze hinsichtlich der Parietalplatten 
gerade bei Thieren ein und derselben Ordnung, nämlich beim Schweine 
und Rinde, welche beide den Artiodactylen angehören ; umgekehrt kom- 
men sich Rind und Seehund, als Vertreter weiter von einander entfern- 
ter Ordnungen hinsichtlich der sehr geringen Ausbildung der Parietal- 
platten einander sehr nahe. Hinsichtlich der Höhe der Hinterhauptschuppe 
steht ein Edentate (Gürtelthier) neben einem Carnivoren (Katze). Es ist 
somit die ursprünglich gehegte Erwartung, dass die Flächenausdehnung 
des knorpeligen Schädeldaches, speciell der Parietalplatten, eine um so 
größere sein möchte, je tiefer ein Säugethier in der Reihe der übrigen 
Säugethiere steht, nicht in Erfüllung gegangen. 

Möglicherweise sind jedoch all diese nicht erwarteten Verschieden- 
heiten und Ähnlichkeiten innerhalb der Säugethierreihe nur als Schwan- 
kungen einer Kurve zu betrachten, welche die Vollständigkeit des knor- 
peligen Primordialschädels in der Wirbelthierreihe versinnlicht. Diese 
Kurve würde ihren höchsten Punkt bei den niedersten Wirbelthieren 
haben, bei welchen ein vollständigeres, theilweise während der ganzen 
Lebensdauer bleibendes Chondrocranium vorhanden ist, und würde durch 
diefolgenden Klassen hindurch abnehmen, bis sie beim Menschen, welcher 
nach einstimmiger Angabe der Autoren das am wenigsten entwickelte 
Chondrocranium besitzt, ihren tiefsten Stand erreicht. Wenn nun diese 
Kurve auch in einzelnen Abschnitten wieder Erhebungen zeigt, so würde 
sie doch als Ganzes betrachtet eine wenn auch nicht stetig fallende sein. 
Vielleicht geben weiter angestellte Forschungen die nöthigen Anhalts- 
punkte an die Hand, um in der allmählichen Reduktion des Primordial- 
schädels durch die Wirbelthierreihe hindurch ein phylogenetisches Gesetz 
erblicken zu lassen. 

Die Ergebnisse meiner Untersuchungen will ich nun mit einigen 
entsprechenden Befunden früherer Beobachter, so wie mit den Angaben 
über das menschliche Primordialcranium zu vergleichen versuchen. 

Spönnti, welcher den Primordialschädel des Schweines ausführlich 
beschrieb, macht bei der Vergleichung desselben mit dem einiger anderer 
Thiere folgende Bemerkung: »Die größte Ähnlichkeit zeigt sich bei der 
Maus, wo ebenfalls Parietalplatten und Fontanellen vorkommen; dage- 
gen fehlen dieselben beim Schafe und Rinde in der ganzen Ausdehnung 
von hinten nach vorn, so dass der Schädel vom Siebtheile bis zum Hinter- 
hauptstheile jeder Bedeckung ermangelt.« Da ich das Chondrocranium 
der Maus nicht untersuchte, so steht mir hierüber kein Urtheil zu; da- 
gegen kann ich die Spönpui’sche Behauptung hinsichtlich der beiden 


3 Friedrich Decker, 


anderen Thiere gestützt auf meine eigenen, im Vorausgehenden beschrie- 
benen Untersuchungen nicht verfechten. Es wurde von mir gezeigt, dass 
die Parietalplatten beim Rinde wie beim Schafe, bei ersterem zwar in 
geringer, bei letzterem dagegen in schönster Ausbildung vorhanden sind. 
Vielleicht hat Srönprı selbst seit dem Jahre 1846, wo er seine Befunde 
veröffentlichte, bei weiteren Untersuchungen sich vom Vorhandensein der 
Parietalplatten beim Rinde und besonders beim Schafe überzeugt, ohne 
dass er das Ergebnis zur Kenntnis brachte, oder ohne dass eine even- 
tuelle Nachricht hierüber zu meiner Kenntnis gelangte. 

Ferner giebt SpönnpLı an, dass nur beim Menschen der untere Theil 
der Pars squamosa oceipitis primordial verknöchere, dass der obere da- 
gegen als Deckknochen entstehe, während beim Schweine, Rinde und 
Schafe auch der obere Theil knorpelig vorgebildet sei. Dies ist indess da- 
hin zu berichtigen, dass beim Schwein gar kein dem oberen Theil der 
Squama occipitis des Menschen entsprechender Knochen (Interparietale) 
vorhanden ist, sondern dass hier diePars squamosa von zwei in der Mittel- 
linie baid verschmelzenden primordialen Knochenkernen aus entsteht, 
welche durchaus dem primordialen unteren Theile der menschlichen Squa- 
ma entsprechen. Es ist ferner zu bemerken, dass beim Schafe sowohl 
wie beim Rinde der obere Theil der Squama occipitis, d. h. das Inter- 
parieiale als Deckknochen mit paariger Anlage entsteht, und ich möchte 
an die oben bei der Beschreibung des Primordialschädels vom Rinde ge- 
machte Bemerkung erinnern, dass nämlich bei der Maceration das die 
Hinterhauptsfontanelle verschließende häutige Gewebe stark aufquillt und 
fast das Aussehen von Knorpel bekommt; so wird es dann erklärlich, wie 
SpönpLı das Inierparietale als primordialen Knochen ansehen konnte. 

Die Knorpelstreifen, welche SpönpLı am unteren Rande des Septum 
narium unter dessen vorderer Hälfte beschreibt und welche er als»Gaumen- 
fortsätze« bezeichnet — recurrent cartilages (Parker) — können, wie 
Schnittserien belehren, unmöglich etwas Anderes sein als die schon von 
Jacosson und anderen Autoren beobachteten knorpeligen Hüllen der JAcos- 
sow’schen Organe, oder die Jacosson’schen Knorpel (KöLLıker). An einem 
Primordialschädel von 2,3 em Länge (Schaf) ließ sich dieser Knorpel, 
der gewöhnlich an der Gaumenlamelle des Zwischenkiefers haften blieb, 
auch makroskopisch als halbeylindrische Rinne darstellen. Spönnuı ge- 
braucht beim Chondrocranium des Schweines den Ausdruck Ala parva 
nur für die mediale verknöcherte Hälfte der ganzen Ala parva und be- 
zeichnet die laterale noch lange knorpelig bleibende Hälfte derselben 
sammt dem zur Lamina cribrosa ziehenden knorpeligen Verbindungsstreif, 
welch letzterer in der vorliegenden Abhandlung immer als Commissura 
orbito-ethmoidea bezeichnet ist, als »Frontalplatte«; beim menschlichen 


Über den Primordialschädel einiger Säugethiere. 223 


Primordialeranium dagegegen begreift SpönpLı und mit ihm KöLLıker 1 
auch den ganzen lateralen, später allerdings größtentheils verknöchern- 
den Theil der knorpeligen Ala parva unter der Bezeichnung Ala parva, 
die Kommissur zur Lamina cribrosa dagegen als Frontalplatte. Übrigens 
muss ich hier ausdrücklich bemerken, dass diese Frontalplatte beim 
Menschen der Verbindungsbrücke zwischen Frontalplatte und Lamina 
cribrosa beim Schweine in so fern nicht ganz entspricht, als dieselbe 
hier an den vorderen, dort aber an den hinteren Winkel des lateralen 
Siebplattenrandes sich begiebt. Zur Verhütung von Missverständnissen 
habe ich daher die Bezeichnung »Frontalplatte« ganz vermieden und dafür 
an der Ala parva eine mediale verknöchernde und eine laterale lange 
knorpelig bleibende, später aber zu Grunde gehende Hälfte unterschie- 
den, wie auch in der neueren Nomenclatur der vergieichenden Anatomie 
der Ausdruck »Orbitosphenoid« sowohl den knöchernen als den knorpe- 
ligen Antheil der fötalen Ala parva umfasst. Ferner wurde die Verbin- 
dungsbrücke zwischen Ala parva und Lamina cribrosa mit einem beson- 
deren Namen belegt. 

Einen knorpeligen Verbindungsstreif zwischen dem hinteren Rande 
der Ala magna und der Parietalplaite, welchen KöLLıker beim mensch- 
lichen Chondrocranium vom 3. und 5. Monat beschreibt und abbildet, 
konnte ich bei den untersuchten Säugethieren in keinem Entwicklungs- 
stadium finden. Zuweilen hatte es allerdings den Anschein, als bestände 
eine derartige Verbindung, dieselbe erwies sich aber bei mikroskopischer 
Betrachtung immer als bindegewebige Fortsetzung des knorpelig ver- 
breiterten hinteren Wurzelrandes vom großen Keilbeinflügel. SrönpLı 
bildet beim Menschen (5. Monat) dieselbe Verbindung ab, bezeichnet sie 
aber als »fibrös«. Beim Schweine könnte eine halbkreisförmige Ausbuch- 
tung am unteren Rande der Parietalplatten dicht vor dem Petrosum, 
welche SpönnLı beschreibt und abbildet, allenfalls als Rudiment einer 
derartigen knorpeligen Verbindung betrachtet werden. Ich konnte diese 
Ausbuchtung nicht finden. | 

Hannover (l. c.) stellt ebenfalls die Verbindung des vorderen Ran- 
des des kleinen Keilbeinflügels mit dem hinteren lateralen Winkel der 
Siebplatte am menschlichen Primordialeranium vom #4. Monat dar und 
bemerkt dazu, dass diese Verbindung auf verschiedene Weise zu Stande 
kommen könne; er zeichnet diese Verbindung rechtwinklig geknickt an 
der einen Schädelhälfte, an der anderen am Scheitel des rechten Winkels 
unterbrochen. 

Ein Knorpelsaum an der Außenseite des Petrosum, welchen Hannover 


! A. Körtiker, Mikroskopische Anatomie 1850. — Entwicklungsgeschichte 
41879. — Grundriss der Entwicklungsgeschichte 1880. 


224 Friedrich Decker, 


als den hinteren Theil des Tegmen tympani (pterotischer Wulst) beschreibt 
und abbildet, dessen vorderer Theil häutig gebildet werde, entspricht 
dem hintersten Abschnitt des von Körrıker beschriebenen knorpeligen 
Verbindungsstreifens zwischen Ala magna und Parietalplatte; dieSpönnLi- 
sche Angabe würde somit durch den Hannover’schen Befund mit der 
Darstellung Körriker’s hinsichtlich des menschlichen Primordialschädels 
vermittelt. 

Dem Processus petroso-parietalis und Processus petroso-ocecipitalis 
Hannover’s beim Menschen würden bezüglich die hintere Wurzel der Parie- 
talplatte beim Rinde und das hinterste Ende der Parietalplatte entsprechen. 

Hannover giebt ferner an, dass er den Processus petroso-parietalis 

‘auch beim Schafe gefunden habe, wo er auch nicht höher hinaufreiche 
als beim Menschen. Die Gestalt des Fortsatzes wird nicht näher beschrie- 
ben, doch scheint sie eben so zugespitzt gefunden worden zu sein, wie 
dies die Abbildung beim Menschen zeigt. Auch beim Schwein sei dieser 
Fortsatz vorhanden und ende mit einer nach vorn gebogenen Spitze. Ich 
muss gestehen, dass mir die Beschreibung des Fortsatzes bei den beiden 
genannten Thieren nicht recht verständlich geworden ist. Es kann aber 
offenbar nichts Anderes darunter verstanden werden als ein Rudiment 
der Parietalplatte, das, wie es scheint, nur an je einem Embryo gefunden 
wurde. 

Parker ! thut der Parietalplatte als eines besonderen Gebildes nicht 
Erwähnung und hält beim Schweine, wie aus seinen nach Frontalschnitten 
angefertigten Abbildungen ? hervorgeht, die knorpelige seitliche Bedek- 
kung des Schädels, welche sich über der Schnecke und der Paukenhöhle 
befindet, für das Supraoccipitale (Occipitale superius, Pars squamosa oceci- 
pitis), während diese Knorpelplatten weder ihrer Form noch ihrer Lage 
nach der knorpeligen Squama oceipitalis zugerechnet werden können. 
Abweichend von diesem Befunde Pırker’s zeigt eine Abbildung der Innen- 
fläche eines sagittal durchschnittenen Schädels von 1,7 cm Länge3 — 
berechnet aus der öfachen Vergrößerung der 8,5 cm langen Zeichnung — 
den vollständigen Mangel der Parietalplatten. Die Orbitosphenoide en- 
den hier zugespitzt nach hinten und zwischen ihnen und der wirklichen 
Squama oceipitis ist der Knorpel unterbrochen. Im Gegensatze hierzu 
fand ich an genau gleich großen Schädeln von Schweinsembryonen wie- 
derholt die kontinuirliche Fortsetzung des Orbitosphenoids durch Ver- 
mittelung der Commissura orbito-parietalis und der Parietalplatte in die 
Hinterhauptschuppe und ich sehe diese Thatsache auch durch meine 
Schnittserie bestätigt. Die Existenz der Parietalplatte beim Schweine im 


! Morphol. des Schädels. 4879. ?2 Phil. Transact. 1874. Tab. XXXII, Fig. VIu.X. 
3 Phil. Transact. 4874. Tab. XXXII, Fig. II. 


Über den Primordialschädel einiger Säugethiere. 335 


angegebenen Entwicklungsstadium kann also nicht geleugnet werden, 
zumal PARKER, wie oben erwähnt wurde, bei seinen Frontalschnitten 
diesen fraglichen Knorpel selbst fand, irrthümlicherweise aber als Supra- 
oceipitalknorpel deutet. Da die Befunde Parker’s, welche er makrosko- 
pisch durch Entfernung des Gehirns und der Dura an einem sagittal 
durchschnittenen Schädel machte, mit seinen eigenen Beobachtungen an 
frontal angelegten Schnittserien in Widerspruch stehen, indem er hier 
Knorpel richtig abbildet, welcher dort fehlen soll, so können nur die 
zwei Möglichkeiten obwalten, dass bei der makroskopischen Präpara- 
tion die Dura entweder an der fraglichen Stelle innen auf dem Knorpel 
sitzen blieb, oder dass mit der Dura die Parietalplatte herausgerissen 
wurde; letzteres ist wahrscheinlicher. Es ist nur zu verwundern, dass 
Parker den Widerspruch seiner eigenen Angaben, der so augenfällig ist, 
nicht selbst inne ward. In einem späteren Stadium, dem 6. Stadium 
PArker’s, sind allerdings die Parietalplatten so wie ihr Übergang in die 
Orbitosphenoide, eben so die Gommissura orbito-ethmoidea bis auf kleine 
Reste ganz geschwunden, die Orbitosphenoide aber nur zum Theil, wie 
Parker richtig darstellt (Tab. XXXV, Fig. III und IV). 

Noch in einem Punkte sehe ich mich genöthigt den Angaben von 
Parker und BETTANY! entgegenzutreten. Es wird nämlich behauptet, dass 
bei den Widerkäuern im Basisphenoid (Corpus sphenoideum posterius) 
keine selbständige Ossifikation auftrete, sondern dass dieser Schädeltheil 
von den Alisphenoiden (Alae magnae) aus verknöchere. Dem ist entschie- 
den nicht so, indem meine sämmtlichen Präparate vom Rinde und Schafe 
in nicht zu jungen Stadien unverkennbare Knochenkerne am Grunde der 
Sella turcica aufweisen. Nur die Betrachtung von Primordialschädeln der 
jüngeren Stadien, wo der etwas spät auftretende Knochenkern im Basi- 
sphenoid noch nicht vorhanden ist, kann die genannten Forscher zu jener 
negirenden Behauptung veranlasst haben. 


Es mögen hier noch einige Beobachtungen, welche, wenn auch nicht 
in den engeren Rahmen der gestellten Aufgabe gehörig, doch vielleicht 
einiges Interesse bieten, als Notizen Platz finden. Dieselben können bereits 
Bekanntes vielleicht bestätigen, vielleicht auch Unbeachtetes hervorheben. 

Betreffs der primordialen Knochencentra wurde durchgängig die 
Wahrnehmung gemacht, dass dieselben oft an der Innenfläche des Schä- 
dels deutlich zu sehen sind, während man an der Außenfläche noch keine 
Spur davon entdecken kann. Es geht daraus hervor, dass die primor- 
dialen Knochenkerne immer der inneren Fläche des Primordialschädels 
näher, wenn nicht in dieser selbst liegen. 


! Morphologie des Schädels. .$ 683. 


226 Friedrich Decker, 


Der knorpelige Primordialschädel ist an seiner äußeren und inneren 
Fläche von einer dünnen, ziemlich fest hafienden Bindegewebsschicht 
überzogen, einem Perichondrium externum und internum. Beide Binde- 
gewebsplatten verschmelzen am freien Rande der platten seitlichen Theile 
zu einer Platte, welche dem Knorpelrande noch fester anhaftend die un- 
vollständige knorpelige Schädelkapsel häutig ergänzt. Dies geschieht zum 
Theil nach oben durch Bildung eines Schädeldaches, zum Theil nach 
unten und seitlich durch Ausfüllung größerer Lücken (Foramen spheno- 
ethmoideum und Foramen spheno-parietale). Dem äußeren Perichondrium 
so wie der aus beiden Perichondrien entstandenen Bindegewebsdecke 
liegen unter Zwischenlagerung lockeren Gewebes die Belegknochen von 
außen auf. Dieses lockere Gewebe bleibt beim Ablösen entwickelterer und 
ein Ganzes bildender Deckknochen an der Innenfläche derselben hängen 
und lässt sich von diesen als inneres Periost abziehen. Das innere Periost 
vereinigt sich an den Rändern der Deckknochen mit dem äußeren Periost. 
Zwischen angrenzenden Belegknochen, z. B. am Scheitel zwischen den 
beiderseitigen Scheitelbeinen, werden die Periostränder in der ganzen 
Dicke der Knochen durch derberes Gewebe verbunden, weich letzteres bei 
der Maceration stark aufquillt und fast ein knorpelähnliches Aussehen 
bekommt (cf. die Interparietalgegend beim Rinde). 

Interessant ist bei entwickelteren Schädeln die Lage des knorpeligen 
lateralen Theiles der Ala parva so wie der Commissura orbito-ethmoidea 
zwischen zwei Lamellen der Pars orbitalis des Stirnbeins. Was diese 
Knorpeltheile betrifft, so könnte man ihr Verschwinden wohl am besten 
durch eine vom Drucke des wachsenden Knochens bedingte Atrophie 
erklären. Der Knorpel, welcher bisher dem Größerwerden des ganzen 
Schädels entsprechend mitgewachsen war, wird in seinem Wachsthum 
durch die immer massiger werdenden Knochen gehindert und muss ge- 
wissermaßen im Kampf ums Dasein seinem stärkeren Rivalen, dem Kno- 
chen, weichen. Durch Druck des Knochens auf die Ränder des Knorpels 
wird die Ernährungsflüssigkeit von den äußersten Zonen zurückgedrängt 
und auf diese Weise kommt eine allmähliche koncentrische Atrophie zu 
Stande. Als Ausdruck der Wachsthumstendenz der knorpeligen Reste 
des Primordialschädels könnte auch die fast konstante Krümmung der 
Nasenscheidewand beim Menschen zu betrachten sein. Bekanntlich bleibt 
die Nasengegend sehr lange knorpelig. Indem sich nun die noch knorpe- 
lige Nasenscheidewand mit ihrem oberen und unteren Rand gegen das 
knöcherne Dach und den knöchernen Boden der Nasenhöhle stützt, muss 
bei kräftigem Flächenwachsthum des Scheidewandknorpels auch eine 
Flächenkrümmung desselben stattfinden, um so leichter in den Gegen- 
den, wo seitlich keine Knochen aufliegen. Diese Krümmung kann auch 


Über den Primordialschädel einiger Säugethiere. 227 


durch nachfolgende theilweise Verknöcherung (Lamina perpendicularis 
des Siebbeins) fixirt werden. 

Die Meorrr’schen Knorpel zeigten manches Bemerkenswerthe. Beim 
Rinde, Schafe, Schweine, vielleicht auch bei anderen Säugethieren, ver- 
dicken sich dieselben an ihren vorderen Enden, legen sich dann beider- 
seits mit abgeschrägten Flächen an einander und verschmelzen zu einer 
unpaaren Spitze, welche über die vorderen Enden der Unterkieferhälften 
frei herausragt. Einmal fand ich am Mecxzr'’schen Knorpel des Rindes 
circa 4 cm hinter der Spitze auf jeder Seite eine ungefähr I mm lange 
Verknöcherungszone. Die Mecrer’schen Knorpel zeigen oft wellige Bie- 
gungen. Bei einem Schweinsembryo (Kopflänge 2,0 cm)bildete der Knorpel 
beiderseits in seiner mitileren Gegend eine stark gebogene Wellenlinie 
mit zwei Wellenbergen und eben so vielen Thälern. Diese Krümmungen 
lagen in Vertikalebenen. — Das Interstitium petroso-parietale bezüglich 
petroso-occipitale zeigte sich in einigen Fällen mit geronnenem Blute er- 
füllt. Das Blutgerinnsel setzte sich in den Sinus transversus der Dura 
fort, so dass also die Interstitien den Werth von Emissarien haben, ent- 
sprechend dem Foramen mastoideum (occipito-mastoideum). Dieser Be- 
fund bestätigte sich ebenfalls an Serienschnitten. 

Das Foramen spheno-parietale, welches in späterem Alter, aber auch 
schon bei Embryonen mit gut entwickelten Deckknochen (Vergrößerung 
der Ala magna, Squamosum, Parietale) von außen her geschlossen wird, 
zeigt sich an macerirten erwachsenen Schädeln einiger Nager so wie eines 
Insektivoren in größerem oder geringerem Umfange erhalten. So zeigt es 
sich sehr deutlich als Rest in dem halbmondförmigen Ausschnitt zwischen 
dem posttympanischen Sporn des Squamosum und dem vorderen Schen- 
kel der Bulla ossea an den skelettirten Schädeln von der Ratte und der 
Maus. Am Schädel einer Waldmaus findet sich auch noch ein gut erhal- 
tenes Interstitium petroso-occipitale neben einem Foramen mastoideum. 
Bei einem der Insektivoren, bei der Spitzmaus, findet sich an der Basis 
des knöchernen Schädels eine große dreieckige Lücke hinter dem weit 
nach vorn gerückten Alisphenoid. Diese Lücke entspricht ganz dem ver- 
größerten hinteren Abschnitt des Foramen spheno-parietale. Bei ande- 
ren Insektenfressern fehlt diese Lücke in der Schädelbasis. In der Regio 
occipito-mastoidea finden sich dagegen beim Maulwurf einige unregel- 
mäßig begrenzte Lücken. 


Zur Wirbeltheorie des Schädels. 
Die Untersuchungen über die Primordialschädel von Wirbelthieren 
haben in einer Hinsicht ein besonderes Interesse, da sie zur Lösung einer 
viel ventilirten Frage, der sogenannten Wirbeltheorie des Schädels die 


228 Friedrich Decker, 


Mittel an die Hand zu geben scheinen. Dessen ungeachtet sind die Ergeb- 
nisse dieser Arbeit, wie ich zu zeigen versuchen will, wenig geeignet, 
hierzu einen neuen Beitrag zu liefern, da man nach vielen Misserfolgen 
in neuerer Zeit diese Frage von einer anderen Seite aus in fruchtbarerer 
Weise in Angriff genommen hat. 

Genannte Theorie, von GoETHE 1792 zuerst angeregt, von OkeEn aber 
1807 weiter ausgebildet, beschäftigt sich bekanntlich mit der Frage, ob 
der Schädel nicht eine modificirte Fortsetzung der Wirbelsäule sei. Die 
diesbezüglichen Betrachtungen wurden zuerst an fertig ausgebildeten 
Schädeln von Säugethieren angestellt, und die willkürlich angenommenen 
Wirbel mit den Sinnesorganen in Beziehung gebracht. So unterschied 
Oxen vier Wirbel, einen Ohr-, Kiefer-, Augen-, Nasenwirbel. Bezüglich 
der Gesichtsknochen machte Oken sehr weitgehende Schlüsse, welche 
nach dem gegenwärtigen Standpunkt der Wissenschaft sich gänzlich halt- 
los erwiesen haben. Die neue Idee fand Beifall, allein über die Zahl der 
Schädelwirbel konnte keine Übereinstimmung unter ihren Anhängern zu 
Stande gebracht werden. Von entwicklungsgeschichtlichem Standpunkte 
aus machte zuerst Reıcnert darauf aufmerksam, dass weder im häutigen 
noch im knorpeligen Zustande des Schädels eine Sonderung in Wirbel 
vorhanden sei und dass erst durch die eintretende Verknöcherung eine 
Segmentirung angedeutet werde. Die Wirbeltheorie hat ferner RATHkE 
dadurch besonders gefördert, dass er das Vorhandensein der Chorda dor- 
salis im Schädel betonte und zeigte, dass die einzelnen Schädelabschnitte, 
wenn auch nicht wirklich von einander geschieden, wie die Wirbel des 
Rumpfes, doch wie diese aus den Seitentheilen der Ghordascheide und 
dem vorderen Ende derselben entstehen; RATukE unterschied vier Schä- 
delwirbel, deren Körper bezüglich durch die Pars basilaris oceipitis, das 
Corpus sphenoideum posterius, das Corpus sphenoideum anterius und 
das Siebbein, und deren Bögen durch die seitlich und nach oben sich 
anschließenden Theile des Schädels repräsentirt werden. Diese Schädel- 
wirbel verlieren in der Richtung nach vorn immer mehr den Charakter 
eines Wirbels. Der Rartuke'schen Eintheilung schloss sich auch SpönnLı 
an; letzterer vergleicht den ersten und zweiten Kiemenbogen mit Rippen. 

KöLLiker erachtet eine Vergleichung der Schädelabschnitte mit Wir- 
beln nur dann als zulässig, wenn primordialer Knochen mit primordialem 
Knochen verglichen wird, verwirft dagegen eine Gleichstellung der das 
Schädeldach bildenden Deckknochen mit den primordial verknöchernden 
Wirbelbögen. | | 

Es hat auch nicht an Gegnern der Schädelwirbeltheorie gefehlt, und 
wenn dieselben auch die Ähnlichkeit des hinteren chordahaltigen Schädel- 
theiles mit Wirbeln anerkennen mussten, so konnten sie doch immer den 


Über den Primordialschädel einiger Säugethiere. 399 


Einwand machen, dass der vordere Schädeltheil der Chorda entbehre, 
und daher mit Wirbeln, welche immer einen Chordarest einschließen, 
nicht vergleichbar sei. Die Entdeckung von Anschwellungen der Rücken- 
saite im Spheno-occipital-Theil gab der Theorie eine neue Stütze; denn 
wenn auch im Primordialschädel eine Metamerenbildung nicht wirklich 
stattfindet, so scheint dieselbe doch durch die Chordaanschwellungen im 
Basilartheile angedeutet. Allein es konnte auch so die Frage nicht end- 
sültig gelöst werden, da die Angaben über die Zahl der Anschwellungen 
verschieden lauteten. 

Es nimmt nämlich KörLıker im chordahaltigen Theil des Chondro- 
cranium auf Grund der Chordaverbreiterungen drei Wirbel an, welche 
aber bei der Verknöcherung sich auf zwei, einen occipitalen und einen 
sphenoidalen reduciren, und durch die einem Ligamentum intervertebrale 
gleichwerthige Synchondrosis spheno-oceipitalis getrennt werden. Hin- 
sichtlich des prävertebralen Schädeltheils hebt Körriker hervor, dass 
derselbe anfänglich sehr klein sei und durch Wucherung des die Chorda 
umgebenden Gewebes sich bilde. Durch die Ausbildung des Gehirns 
werde dieser Schädeltheil veranlasst, sehr stark zu wachsen, und könne 
daher dennoch als vorderes Ende der Wirbelsäule betrachtet werden. 

Hannover nimmt den Oceipitaltheil als Doppelwirbel und den ganzen 
prävertebralen Theil, wozu er auch das hintere Keilbein rechnet, als 
zweiten Schädelwirbel. 

Auf einem ganz anderen Wege suchten Huxrev und besonders GEGEN- 
paur der Frage über die Wirbeltheorie des Schädels näher zu treten, aus- 
gehend von dem richtigen Gedanken, dass nur die Erforschung des Schä- 
dels niederer Wirbelthiere einen klaren Einblick in die Wirbeltheorie 
verschaffen könne. Es wurden nun auch die Gehirnnerven mit Spinal- 
nerven verglichen und die Visceralbogen in Rechnung gezogen. Es ergab 
sich hierbei, dass selbst bei niederen Wirbelthieren keine Metameren- 
bildung durchgeführt, sondern nur eine Andeutung davon vorhanden sei; 
gleichzeitig wurde aber auch gefunden, dass die Anzahl der Schädelwirbel 
ursprünglich eine viel größere, mindestens 9 bis 10 gewesen sein müsse ; 
es müsse aber auch die Zeit, wo der Wirbelthierschädel aus gesonderten 
Wirbeln bestanden hat, sehr weit zurückliegen von der Zeit, zu welcher 
der Schädel der uns bekannten niedersten Wirbelthiere zu Stande kam. 

Ferner hat Pa. Srtönr durch ontogenetische Untersuchungen den 
Nachweis geliefert, dass der Schädel von Urodelenlarven um den Occi- 
‚pitaltheil kürzer ist, und dass in dieser Zeit der Oceipitaltheil vollkommen 
mit einem Wirbel übereinstimmt und eben so gut als erster Rumpfwirbel 
angesprochen werden kann; erst in einem späteren Entwicklungsstadium 
verwächst dieses Gebilde mit dem übrigen Schädel. Auf weitere ent- 


230 Friedrich Decker, 


wicklungsgeschichtliche so wie vergleichend -anatomische Thatsachen 
gestützt kommt Stönr! ferner zu dem Schluss, dass eine derartige Ver- 
größerung des Schädels auf Kosten der Wirbelsäule sich in der Stammes- 
geschichte noch fortwährend vollzieht, dass also der Schädel in stetem 
caudalen Vorrücken begriffen ist. 

Wir sehen also, dass die Wirbeltheorie des Schädels, welche von 
der Betrachtung erwachsener Schädel von höchst entwickelten Thieren 
ihren Ausgang nahm, ursprünglich nur eine gewisse Wahrscheinlich- 
keit besaß ohne tiefere wissenschaftliche Bedeutung. Wesentlich geför- 
dert wurde diese Theorie durch entwicklungsgeschichtliche Studien. Hier 
zeigte sich, dass der Schädel gleich der Wirbelsäule Anfangs häutig an- 
gelegt sei und dass beide in diesem Zustande Theile des Gentralnerven- 
systems vollständig umhüllen. Beide, Schädel wie Wirbelsäule nehmen 
ihren Ursprung aus dem die Chorda umgebenden Blastem und nur der 
vorderste kleinste Schädeltheil entsteht vor der CGhorda, jedoch im Zu- 
sammenhang mit deren Scheide. Aber schon während der weiteren Ent- 
wicklung des häutigen Stadiums weichen Schädel und Wirbelsäule von 
einander ab, indem diese äußerlich sich gliedert, während jener unge- 
gliedert bleibt und nur im Innern durch das Auftreten der Chordaver- 
breiterungen eine möglicherweise versuchte aber nicht durchgeführte 
Segmentirung erkennen lässt; zugleich nimmt der prächordale Theil des 
Schädels bedeutend an Größe zu. Im knorpeligen Zustande bleibt die 
Wirbelsäule gegliedert, der Schädel dagegen ist ungegliedert. Beide 
umschließen Anfangs das Medullarrohr nur von unten und von der Seite 
durch einen unvollständigen Knorpelbogen, welcher durch häutige Bil- 
dungen vervollständigt wird. Während aber an der Wirbelsäule die 
knorpeligen Bögen sich später zu einem geschlossenen Knorpelring ver- 
einigen, geschieht dies beim Schädel nur im hintersten Abschnitt; nach 
vorn zu nimmt der Knorpel in immer geringerem Grade an der Umhül- 
lung des Gehirns Antheil. Während der Verknöcherung nähern sich 
beide scheinbar wieder, indem nun der Schädel durch das Auftreten 
bestimmter Knochenpunkte eine gewisse äußere Segmentirung zeigt; 
allein es kann ein so gebildetes Schädelsegment mehrere der ursprünglich 
durch die Chordaanschwellungen angedeuteten Segmente umfassen. Im 
Corpus sphenoideum anterius, welches dem prächordalen Schädeltheil 
angehört, tritt bereits kein selbständiger axialer Ossifikationspunkt mehr 
auf, welcher dem Verknöcherungscentrum der Wirbelkörper zu ver- 
gleichen wäre. Es schließt sich auch der Schädel gleich der Wirbelsäule 
von oben her durch Knochen, allein bei den Wirbeln geht der Knochen 

1 PuıLıpp STÖHR, Zur Entwicklungsgeschichte des Anurenschädels. Diese Zeitschr. 
XXXVI. Bd. p. 68. 


Über den Primordialschädel einiger Säugethiere. 231 


auch in den oberen Schlussstücken aus Knorpel hervor, beim Schädel 
aber entstehen die Schlussstücke in eigenthümlicher Weise aus häutigem 
Blastem. Die ontogenetische Vergleichung des Schädels mit der Wirbel- 
säule liefert also viele Berührungspunkte zwischen beiden, welche auf 
eine homologe Anlage des Schädels mit den Rumpfwirbeln hinweisen ; 
gleichzeitig zeigen sich aber auch die graduellen Unterschiede in der Ver- 
vollkommnung der Ausbildung. Aber diese Betrachtungsweise versagt 
den Dienst, wenn wir mit nur einiger Annäherung die Zahl der Wirbel 
angeben sollen, welche zum Aufbau des Schädels verwendet wurden. 
Hat uns ja doch der Oceipitaltheil des Schädels höherer Wirbelthiere, 
welchem selbst die Gegner der Wirbeltheorie die größte Ähnlichkeit mit 
einem Wirbel zugestehen, deutlich gezeigt, dass er nicht einem, sondern 
mindestens zwei Wirbeln entspricht, da zwei Chordaanschwellungen in 
ihm nachgewiesen werden konnten. Dagegen haben phylogenetische For- 
schungen ergeben, dass die Chorda bei den niedersten Wirbelthieren im 
Schädel zwar anzutreflen sei, dass aber nirgends eine wirkliche Meta- 
merenbildung stattfindet; die Andeutungen einer solchen lassen aber auf 
viel mehr Schädelwirbel schon bei den niedersten Wirbelthieren schlie- 
Ben, als bei den höchsten bisher angenommen wurden, und da sich ge- 
zeigt hat, dass die hintersten Theile des Schädels bei höheren Thieren 
den ersten Wirbeln bei niederen Thieren homolog sind, so muss daraus 
gefolgert werden, dass die Zahl der Schädelwirbel höherer Thiere eine 
noch viel größere sein müsse als bei niederen Thieren. 

Es steht zu erwarten, dass durch fortgesetzte Untersuchungen in 
dieser Weise die Verhältnisse zwischen Wirbeln und Schädel noch 
besser präcisirt werden, und dass vielleicht auch die Gegensätze zwi- 
schen dem chordalen und prächordalen Theil des Schädels eine befrie- 
digende Lösung finden. 


Würzburg, im Oktober 1882. 


Erklärung der Abbildungen. 


Die Buchstaben- und Ziffernbezeichnungen sind in allen Figuren die gleichen; 
ihre Erklärung folgt weiter unten. 


Tafel IX, 
Fig. 4. Obere Ansicht eines Primordialschädels vom Rinde, Natürliche Größe, 
4,5 cm lang. Die Pars squamosa oceipitis ist stark nach ab- und vorwärts gedrängt, 
um eine bessere Flächenansicht von derselben zu erhalten. 
Fig. 2. Linke Seitenansicht desselben Schädels. 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVIII. Bd. 16 


232 Friedrich Decker, 


Fig. 3. Untere Ansicht desselben Schädels. Zungenbein mit Griffelfortsatz nach 
rückwärts umgeschlagen. Vorderes Nasenende etwas nach abwärts gebogen. 

Fig. 4. Obere Ansicht eines Primordialschädels vom Schafe. Natürliche Größe, 
3,4 cm lang. 

Fig. 5. Seitenansicht desselben Schädels. 

Fig. 6. Untere Ansicht desselben Schädels. Zungenbein und Griffelfortsatz 
weggelassen. ; 

Fig. 7. Obere Ansicht der vorderen Hälfte eines Primordialschädels vom Schafe, 
Dreimalige Vergrößerung. Natürliche Länge des ganzen Schädels = 2,2 cm. Ent- 
wicklung der Lamina cribrosa. Ala parva noch ganz knorpelig. 

Fig. 8. Obere Ansicht der vorderen Hälfte eines Primordialschädels vom Schafe. 
Ungefähr 41/gmalige Vergrößerung. Länge des ganzen Schädels = 6,0 cm. Medialer 
Theil der ursprünglich knorpeligen Ala parva so wie das Corpus sphenoideum an- 
terius bereits ganz verknöchert. 

Fig. 9. Obere Ansicht eines Primordialschädels vom Schweine. Natürl. Größe, 
3,1 cm lang. 

Fig. 40. Seitenansicht desselben Schädels. 

Fig. 44. Untere Ansicht desselben Schädels. Durch das Foramen oceipitale mag- 
num wird ein Theil der Innenfläche der Parietalplatten sichtbar. 

Fig. 412. Obere Ansicht der vorderen zwei Drittel desselben Schädels,. Ver- 
größerung — 2. 

Fig. 13. Obere Ansicht der verderen Hälfte eines Primordialschädels vom 
Schweine. Commissura orbito-ethmoidea von hinten her in Rückbildung begriffen. 
Lateraler Theil der Ala parva im Schwinden begriffen. Medialer Theil nebst Corpus 
sphenoideum anterius bereits verknöchert. Ungefähr A!/gmalige Vergrößerung. Na- 
türliche Länge des ganzen Schädels 5,2 cm. 

Fig. 44. Obere Ansicht eines Primordialschädels von der Katze. Natürl. Größe, 
2,0 cm lang. 

Fig. 15. Seitenansicht desselben Schädels. 

Fig. 16. Untere Ansicht desselben Schädels. 

Fig. 47. Obere Ansicht der vorderen zweiDrittel desselben Schädels. Vergröße- 
rung = 2. 

Fig. 48. Obere Ansicht eines Primordialschädels von einem Gürtelthier. Natür- 
liche Größe, 1,9 cm lang. 

Fig. 19. Seitenansicht desselben Schädels. 

Fig. 20. Untere Ansicht desselben Schädels. 

Fig. 21. Obere Ansicht der vorderen zwei Drittel desselben Schädels. Versrüßle 
rung = 2. 

Fig. 22. Obere schematische Ansicht eines Primordialschädels von einem 
Schuppenthier. Vergrößerung nahezu = 2. Natürliche Länge = 2,0 cm. 


Erklärung der Buchstaben und Ziffern. 


a, Nasenrücken; d, Fortsatz (Appendix alae nasi)der Seiten- 
db, Nasenscheidewand einschließlich der theile zur Nasenscheidewand; 
Lamina perpendicularis des Sieb- e, Jacosson’sche Knorpel; 
beins; f, Nasenloch ; 
c, Seitentheile der Nase; g, Siebbeinlabyrinth; 
c', untere Muschel; g', Processus uncinatus; 


Über den Primordialschädel einiger Säugethiere. 233 


h, Lamina cribrosa; w, Pars condyloidea oceipitis ; 
h’, Crista galli; w', Processus condyloideus; 
i, knöcherner Fortsatz an der unteren x, Pars basilaris occipitis ; 

Fläche der Ala parva; y, Tegmen tympani; 
k, Corpus sphenoideum anterius; z, Zungenbein ; 
k', Synchondrosis intersphenoidea ; 1, Foramen spheno-ethmoideum ; 
!, Ala parva, nicht verknöchernder Theil; 7’, Incisura spheno - ethmoidea beim 
7’, Ala parva, verknöchernder Theil; Schafe; 
m, Commissura orbito-ethmoidea; 2, Foramen opticum; 
m’, Andeutung derselben beim Schafe ; 3, Foramen ovale; 
m’, Rest derselben beim Schweine (spä- 3’, Foramen spinosum ; 

teres Stadium); 4, Foramen caroticum; 
n, Commissura orbito-parietalis ; 5, Foramen spheno-parietale; 
o, Corpus sphenoideum posterius; 6, Meatus auditorius internus; 
p, Ala magna; 7, Fenestra rotunda; 
q, Processus pterygoideus; 8, Fenestra ovalis; 
r, Petrosum;; 9, Interstitium petroso-parietale ; 
s, Processus styloideus; 10, Interstitium petroso-occipitale ; 
t, Processus paroceipitalis ; 14, Foramen condyloideum ; 
u, Parietalplatte ; 12, Foramen oceipitale magnum ; 
v, Pars squamosa oceipitis; 15, Foramen jugulare. 


16* 


Über Coelenteraten der Südsee. 
Von 


Dr. R. v. Lendenfeld in Melbourne. 


IH. Mittheilung. 


Neue Aplysinidae. 


Mit Tafel X—XIII und einem Holzschnitt. 


Unter den Hornschwämmen, welche selbstgebildeter Kieselnadeln 
entbehren, zeichnet sich eine Reihe von Formen dadurch aus, dass ihre 
Hornfasern aus verhältnismäßig dünnwandigen markerfüllten Hornröhren 
bestehen. Carter ! hält diese Eigenthümlichkeit für so wichtig, dass er 
eine eigene Ordnung für diese Schwämme geschaffen hat. Diese Ord- 
nung der Ceratina charakterisirt er folgendermaßen: » Possessing a scele- 
ton composed of horny fibre, with a granular, chiefly hollow core, con- 
taining for the most part no foreign bodies.« F. E. Scauze ? hat sich der 
Mühe unterzogen die Spongien mit dickmarkigen Hornfasern, welche von 
verschiedenen Autoren beschrieben worden sind, zusammenzustellen. 

Dieser Forscher, welcher die Carter’schen Ceratinagatiungen und 
die später von HyArr? zu seinen »hollowfibred« Aplysinae (Unterordnung 
der Keratosa Hyatt) gerechneten Spongien zusammenstellt, vereinigt 
alle diese mit noch anderen später beschriebenen Formen in eine Fami- 
lie: die Aplysinidae. Von den zwanzig von ScauLzE anerkannten Arten 
sind aber nur diejenigen auf den feineren Bau des Weichkörpers hin 


1 H. J. Carter, Notes introductory to the study and classification of Spongidae.- 
Annals and Magazine of natural history. IV. Serie. Bd. XVI. 

2 F. E. ScuuLze, Über den Bau und die Entwicklung der Spongien. Die Familie 
der Aplysinidae. Diese Zeitschrift. Bd. XXX. 

3 ALpuEus Hyatt, Revision of the North American Poriferae, with remarks 
upon foreign species. Memoirs of the Boston Society of natural History. Vol. I. 
part. 4. No. 2. p. 399. 


Über Coelenteraten der Südsee. II. 235 


untersucht worden, welche Scauıze selbst zu Gebote standen. Die große, 
ja fast ausschließliche, Bedeutung, welche dem Weichkörper bei der 
Erforschung der verwandtschaftlichen Beziehungen dieser Spongien zu- 
kommt, machen die Erkenntnis der Anordnung aller dieser zwanzig 
Arten im Stammbaum der Aplysinidae unmöglich, weil eben die Eng- 
länder und Amerikaner ein nur geringes Gewicht auf den Bau des Weich- 
körpers legten. Außer Aplysina a&rophoba, welche Scuuze erschöpfend 
bearbeitet hat, und durch deren genaue Beschreibung er zugleich den 
O. Scumipr’'schen! Gattungsbegriff Aplysina näher präcisirte, hat er den 
fünf älteren Gattungen noch die Gattung Aplysilla? hinzugefügt. 

Aplysilla unterscheidet sich von Aplysina so wesentlich, dass ich 
es für gerechtfertigt halte, für die Gattung Aplysilla, welcher die drei 
hier zu beschreibenden südaustralischen Spongien nahe stehen, eine 
eigene Unterfamilie, die Aplysillinae, innerhalb der Familie der Aplysi- 
nidae aufzustellen. Die Unterschiede zwischen Aplysina und Aplysilla 
sind eben so groß, wenn nicht noch bedeutender, wie zwischen Spon- 
gelia und den Spongidae. Es repräsentirt Aplysilla gewissermaßen 
Spongelia, während Aplysina mit Euspongia in einigen wesentlichen 
Eigenthümlichkeiten übereinstimmt. 

O. Scunipr 3 definirt die Gattung Aplysina folgendermaßen: »Cerao- 
spongiae carnosae, uno genere fibrarum praeditae. Fibrae in cali cau- 
stico non solubiles, mediocriter elasticae, non homogenae, cortice sub- 
stantiae mollioris axin involvente.« Eben da berichtet O. Scumipt, dass 
bei Aplysina aörophoba »die weiche, das Horngewebe ausfüllende Sub- 
stanz größtentheils aus einer gelblichen, krümeligen Masse und einer 
weißlichen molekularen Grundlage « besteht. F. E. Schutze beschreibt 
den feineren Bau des Weichkörpers. Die Geißelkammern sind rundlich 
birnförmig und klein und es sind in der Gallerte zwischen den- 
selben sehr zahlreiche, stark lichtbrechende Körnchen eingebettet. 
Das Skelett besteht aus einem Netze von Hornfasern und die Sub- 
dermalräumesind nicht groß. Wirsehen hier, was die Geißelkammern 
und ihre Zwischensubstanz anbelangt, eine Ähnlichkeit von Aplysina 
und den Spongidae. Dem entgegen besitzt Aplysilla größere sack - 
förmige Geißelkammern. Die Grundsubstanz zwischen denselben ist 
körnchenfrei. Das Skelett besteht aus einzelnen, schwach baum- 


1 O0. ScuMmipt, Spongien des adriatischen Meeres. p. 25. 

2 F. E. ScauLze, Über den Bau und die Entwicklung der Spongien. Die Familie 
der Aplysinidae. Diese Zeitschr. Bd. XXX. p. 404. 

3 0. Scamipt, Die Spongien des adriatischen Meeres. p. 25. 

* F. E. Schutze, Über den Bau und die Entwicklung der Spongien. Die Familie 
der Spongidae. Diese Zeitschr. Bd. XXXH. 


> 


236 R. v. Lendenfeld, r 


förmig oder hirschgeweihartig verzweigten nicht anastomosiren- 
den Hornzapfen und die Suhdermalräume sind größer. Wir finden 
hier eine Übereinstimmung mit Spongelia ! im Baue der Geißelkammern 
und ihrer Umgebung. 

Außer den zwei von ihm in der Adria entdeckten Arten, der Aply- 
silla sulfurea und rosea, hält SchuLze es für wahrscheinlich, dass auch 
einige andere Spongien in die Gattung Aplysilla gehören. Barroıs? be- 
schrieb eine rosenrothe Schwammkruste von St. Vaast als Verongia rosea 
und Carter 3 krapprothe und gelbliche Krusten von den Shetlands-Inseln 
unter dem Namen Aplysina naevus und Aplysina incrustans. Es ist 
wahrscheinlich, dass diese drei mit den von Scaurze beschriebenen Arten 
identisch sind. 

SELENKA* beschrieb unter dem Namen Spongelia cactos einen 
Schwamm aus der Bassstraße, welchen ScauLze untersuchte und für 
eine Aplysilla erklärte5. Das einzige Exemplar unterscheidet sich jedoch 
wesentlich von den übrigen Aplysilla-Arten dadurch, dass es nicht 
krustenförmig, sondern einem gestielten Taubeneie ähnlich ist, ich halte 
diesen Schwamm für identisch mit einem der unten zu beschreibenden, 
und werde bei dieser Gelegenheit auf denselben zurückkommen. 

Ob die Gattungen Dendrospongia Hyatt, Darwinella Fr. Müller und 
Janthella Gray mit Aplysilla in nähere Beziehung zu bringen seien, 
lässt sich nicht entscheiden, ich halte es jedoch nicht für unwahrschein- 
lich, dass diese drei meiner Unterfamilie der Aplysillinae einzuverleiben 
sind. Da von allen diesen der Weichkörper nicht genau beschrieben 
worden ist, hat Schuzze mit Recht sich jeder Äußerung ihrer Verwandt- 
schaftsverhältnisse enthalten. 

Von den zahlreichen, noch unbeschriebenen Hornschwämmen, welche 
ich an der Südküste Australiens gefunden habe, und von den massen- 
haften Hornschwammskeletten, welche nach jedem Sturme am Strande 
ausgeworfen werden, gehören einige in die Familie der Aplysinidae. 

Einige der Skelette sind Janthella-ähnlich, während andere 
Schwämmen angehört haben dürften, welche zur Gattung Aplysina ge- 
hören. 


1 F. E. ScuuLze, Über den Bau und die Entwicklung der Spongien. Die Gattung 
Spongelia. Diese Zeitschr. Bd. XXXII. 

2 Barroıs, Embryology des quelques Eponges de la Manche. Annales des scien- 
ces naturelles. Zoologie 1876. 

3 H. J. CARTER, Annals and Magazine of natural history. IV. Ser. Bd. XVII. 

4 E. SELENKA, Über neue Schwämme aus der Südsee. Diese Zeitschr. Bd. XVII. 
p. 566. Taf. XXXV. 

5 F. E. SchuLze, Über den Bau und die Entwicklung der Spongien. Die Familie 
der Aplysinidae. Diese Zeitschr. Bd. XXX. p. 417. 


Über Coelenteraten der Südsee. II. 237 


Lebend erhielt ich drei verschiedene Arten, von denen die eine 
eine echte krustenförmige Aplysilla ist, während ich für die beiden an- 
deren eine neue Gattung, Dendrilla, aufstelle. Diese beiden Gattungen 
vereinige ich in der Unterfamilie der Aplysillinae. Ich werde zunächst 
die neue Aplysilla-Art beschreiben. 


Aplysilla violacea nov. spec. 


Von der Ebbegrenze hinab, bis zu einer Tiefe von 3 Meter sind 
fast alle felsigen Theile des Meeresbodens einiger Häfen von Südaustra- 
lien von tief violettschwarzen Krusten bedeckt. Diese Krusten haben 
ein seitlich unbegrenztes Wachsthum und dazu noch die Fähigkeit an 
ihren Rändern zu verschmelzen, wenn getrennte Randpartien an ein- 
ander stoßen. Zwar finden sich solche violettschwarze Schwammkrusten 
an sandigen Stellen nicht, bedecken jedoch viele der größeren Fels- 
hlöcke, die aus dem Sande hier und da aufragen. Die Schwammkrusten 
überwuchern Alles, was auf den Felsen sonst festsitzt, Algen, Röhren- 
würmer, Bryozoen und Ascidien, wobei die Algen und Bryozoen ge- 
tödtet werden, die Ascidien und Serpuliden hingegen großen Vor- 
theil aus der Schwammdecke ziehen, die, wenn die Kommunikations- 
öffnungen dieser Thiere mit dem Meerwasser verschlossen sind, einen 
derart kontinuirlichen Überzug bildet, dass es sehr schwer hält zu er- 
kennen, ob in der einen oder anderen Erhebung der Schwammkruste 
ein Steinchen oder eine iodte Alge, oder aber eine Ascidie oder ein 
Knäuel von Wurmröhren verborgen liegt. 

Diese dunkeln Schwammkrusten kommen in Port Philip, dem Hafen 
von Melbourne, so wie an anderen Orten an der australischen Süd- 
küste vor. 

Der Gestalt nach stimmen unsere violetten Krusten mit den adria- 
tischen Aplysilla-Arten ziemlich nahe überein. Die Conuli erheben sich 
2—4 mm weit über die übrige Oberfläche des Schwammes und stehen 
an flach ausgebreiteten Krusten, die also einer ebenen Unterlage auf- 
sitzen, sehr regelmäßig (Taf. X, Fig. 5, 7, Taf. XI, Fig. 8) vertheilt in 
gleichen Abständen von 2,5 mm. Die konkav vertieften Felder zwischen 
denselben sind gleichseitige Dreiecke. Weniger regelmäßig angeordnet 
und von schwankender Höhe sind die Conuli an allen jenen Stellen, wo 
die Kruste Protuberanzen bildet. 

Auch die Oscula sind sehr regelmäßig vertheilt, haben einen Durch- 
messer von 4—2 mm und sind kreisrund. Sie liegen in Abständen von 
20 mm an flachen Krusten, wie die Gonuli so geordnet, dass die Ver- 
bindungslinien aller Oscula zusammen drei annähernd parallele und 
gerade Liniensysteme bilden, die sich alle unter 60° schneiden. Das 


238 R. v. Lendenfeld, 


Osculum liegt nicht wie bei Aplysilla sulfurea! am Ende eines langen 
Rohres, sondern kaum merklich (Taf. XI, Fig. 14) über die Oberfläche 
der Umgebung erhoben. 

Die Dicke der Krusten schwankt erheblich von 1,5—14 mm. Am 
bedeutendsten ist dieselbe an jenen Stellen, wo die Unterlage konkav 
ist, indem die Oberfläche des Schwammes mit unverändertem Niveau 
über die Ausbuchtung hinwegzieht. Als normale Dicke der ausgewach- 
senen Krusten nehme ich 4 mm an, obwohl schon viel niedrigere ge- 
schlechtsreif sein können. 

Die Protuberanzen, welche zuweilen 20 mm über die umgebende 
Schwammoberfläche vorragen, werden durch Algen oder Bryozoenstöck- 
chen verursacht, welche vom Schwamme überwuchert worden sind. 
Solche Protuberanzen haben zuweilen ein Osculum am Ende und 
gleichen dann, dem äußeren Aussehen nach, einer Aplysina, ein Quer- 
schnitt zeigt jedoch stets, dass die Achse aus einem, dem Schwamme 
fremden Körper besteht und dass wir es mit keiner inneren Ähnlichkeit 
mit Aplysina zu thun haben. 

Die Farbe unseres Schwammes ist, wie oben erwähnt, dunkel- 
violett, doch nach der Art der Beleuchtung verschieden. Im direkten 
Sonnenlicht erscheint die Oberfläche sammetartig und zeigt einen kar- 
mesinrothen Schimmer. Die letztere Farbe wird durch eine fluoreseci- 
rende Wirkung der äußersten Zellschichten, oder vielleicht der Cilien 
der Ektodermzellen, hervorgerufen. Ich bestrahlte eine Schwammkruste 
im Aquarium mit koncentrirtem violetten Licht, und sogleich trat der 
rothe Schimmer ein, welcher im diffusen Tageslichte nicht sichtbar war. 
Abgestorbene Schwämme, deren ektodermales Plaitenepithel von der 
äußeren Oberfläche stets abgestoßen ist, zeigen den rothen Schimmer 
unter keinen Umständen, obwohl die schwarzviolette Farbe unverändert 
erhalten bleibt. 

Die violette Farbe ist an kleine Körnchen gebunden, welche im 
ganzen Schwammkörper vorkommen. Am dichtesten liegen diese Körn- 
chen an der Unterseite der Haut und in der Umgebung der Genitalpro- 
dukte, wesshalb diese Theile intensiver gefärbt erscheinen als die übri- 
gen. Der Farbstoff ist gegen äußere Einwirkungen überaus resistent. 
Ausgetrocknete, so wie in Alkohol absolutus aufbewahrte Stücke haben 
ganz dieselbe Farbe wie frische todte, des äußeren.Epithels beraubte 
Krusten. Der Bestandtheil des Ektoderms, welcher die Fluorescenz ver- 
ursacht, scheint in Alkohol gelöst oder verändert und wirkungslos zu 
werden. Der violette Farbstoff widersteht selbst kochender Kalilauge 


1 F. E. Schutze, Über den Bau und die Entwicklung der Spongien. Die Familie 
der Aplysinidae. Diese Zeitschr. Bd. XXX. p. 405, 406. Taf. XXIII, Fig. 18. 


Über Coelenteraten der Südsee. II. 239 


und kann nach vollständiger Auflösung des Schwammes in diesem Rea- 
gens abfiltrirt werden. 

Gewaschen, getrocknet und zerrieben stellt er ein schwarzes Pul- 
ver dar, welches mit Wasser aufgerührt — also in dünner Schicht — 
eine schöne tiefviolette Farbe hat. Da mir hier alle Hilfsmittel zu einer 
chemischen Analyse fehlen, kann ich über die Zusammensetzung dieses 
wegen seiner außerordentlichen Resistenz vielleicht auch praktisch ver- 
werthbaren Farbstoffes, leider keine Angaben machen. Die Figur 5 
(Taf. X) wurde mit einer Mischung dieses Farbstoffes mit Gummi 
gemalt. 

Die Oberfläche des lebenden Schwammes erscheint, wie erwähnt, 
sammetartig. Mit der Lupe erkennt man, dass dieselbe nicht eine kon- 
tinuirliche Fläche bildet, sondern zahlreiche durch schmale erhabene 
Leisten getrennte dellenartige Vertiefungen von dunklerer Farbe auf- 
weist. Mit dem Mikroskop sieht man nun, dass diese dunkleren Stellen 
dadurch entstehen, dass hier die dicke Oberhaut des Schwammes plötz- 
lich zu einem sehr feinen Häutchen verdünnt ist, in welchem sich über- 
dies noch zahlreiche runde Löcher vorfinden. Die dellenartigen Ver- 
tiefungen, welche also den Poren der Schwammhaut entsprechen und 
welche je eine Gruppe von Poren des dünnen Häutchens enthalten, das 
einem Gitter ähnlich, die großen Hautporen nach außen hin verschließt, 
liegen in Gruppen von etwa Hundert in dem mittleren, konkaven 
Theile der dreieckigen Felder, deren Ecken die Conuli bilden. Zwi- 
schen je zwei CGonuli findet sich ein erhabener First, der sie mit einan- 
der verbindet. Diese Firste sind frei von Poren und bilden die Seiten 
der dreieckigen Felder. Das Oberflächenrelief unterscheidet sich dem- 
nach nicht wesentlich von dem der Aplysilla sulfurea. 

Das Skelett besteht aus einzelnen, nie anastomosirenden Horn- 
fasern. Die Fasern stehen senkrecht auf der Unterlage und enden in 
den Conuli, so dass sie die flache Kruste quer durchsetzen (Taf. X, 
Fig. 7). Sie sind an der Basis viel stärker als an der Spitze und mehr 
oder weniger gebogen und verzweigt. Nur die kleinsten gleichen kur- 
zen, geraden, oder abgerundeten Zapfen. An größeren Fasern finden 
sich stets Verzweigungen (Taf. XI, Fig. 10). Diese Verzweigungen sind 
unregelmäßig büschel- oder doldenförmig. Es entspringen nämlich von 
einem Punkte, meist im oberen Drititheil der Faser, mehrere gleich- 
starke, und unter verschiedenen Winkeln vom Stamm abgehende Zweige. 
Die Zweige sind nur in den seltensten Fällen nochmals verzweigt und 
unterscheiden sich im Übrigen nicht von jungen unverzweigten Stäm- 
men. Auch sie erscheinen mehrfach gebogen, oder besser, geknickt, und 
sind an der Basis breiter als an der Spitze. 


240 R. v. Lendenfeld, 


Die Hauptfasern sitzen der Unterlage mit einer trompetenförmigen 
Verbreiterung auf (Taf. XI, Fig. 14). Diese Verbreiterung geht in eine 
dünne Hornplatte über, welche ohne Unterbrechung den Schwamm von 
seiner Unterlage trennt, und aus welcher alle Hornfasern entspringen. 

Zu diesen Skeletttheilen gesellen sich noch Fremdkörper, welche 
der Oberhaut des Schwammes eingelagert sind (Taf. XI, Fig. 9 und 12). 
Es sind gebrochene Kieselnadeln anderer Spongien und kleine Sand- 
körnchen die alle derart orientirt sind, dass ihr längster Durchmesser 
tangential liegt (Taf. XI, Fig. 42 F). 

Es ergeben sich demnach einige bemerkenswerthe Unterschiede 
im Baue des Skelettes der adriatischen und der australischen Aplysilla- 
Art. Während bei der ersteren das Skelett ausschließlich aus Horn- 
fasern besteht, die nicht verzweigt oder so verästelt sind, dass man 
immer Stamm und Seitenzweige! unterscheiden kann, besteht das 
Skelett der Aplysilla violacea aus einer ausgedehnten basalen Horn- 
platte, aus daraus sich erhebenden und derart verzweigten Hornfasern, 
dass Stamm und Seitenzweige nicht unterschieden werden können, und 
aus in der Haut eingelagerten Fremdkörpern. 

Den besten Einblick in die Bauverhältnisse des Weichkörpers 
geben Querschnilte durch die Kruste. 

Es giebt vielleicht wenige Schwämme, die so überaus günstige 
Untersuchungsobjekte sind, wie gerade die Aplysillen. Diese Eigen- 
schaft verdanken sie der Durchsichtigkeit des körnchenlosen Gallertge- 
webes in der Umgebung der Geißelkammern. 

Das Wasserkanalsystem ist überaus regelmäßig und zeichnet sich 
in dieser Beziehung unsere Aplysilla violacea vor anderen Hornschwäm- 
men und besonders vor den adriatischen Aplysillen aus. Die große 
Regelmäßigkeit der Kanäle erinnert in der That an die Verhältnisse der 
Plakinidae ?. 

Die Löcher in dem äußersten feinen Porenhäutchen, die in Grup- 
pen von etwa sechzig (Taf. XI, Fig. 9) über je einer der großen Haut- 
poren liegen, sind oval und haben einen Durchmesser von 0,006 bis 
0,045 mm. 

Die dazwischen liegenden undurchbohrten Hauttheile sind gewöhn- 
lich viel schmäler als der Durchmesser der Löcher beträgt, so dass das 
Ganze mehr den Eindruck eines Gitters als eines Siebes macht. 

Diese Poren nun werden nie geschlossen, obwohl sie sich, wie 


ı F, E. Schutze, Über den Bau und die Entwicklung der Spongien. Die Familie 
der Aplysinidae. Diese Zeitschr. Bd. XXX. p. 407. 

2 F. E. Schutze, Über den Bau und die Entwicklung der Spongien. Die Plaki- 
niden. Diese Zeitschr. Bd. XXXIV. 


Über Coelenteraten der Südsee. II. 241 


unten gezeigt werden soll, durch die Kontraktion sphinkterartig wir- 
kender kontraktiler Faserzellen auf die Hälfte ihrer gewöhnlichen Größe 
zusammenziehen können. Es unterscheidet sich hierin unsere Art 
wesentlich von Aplysilla sulfurea. Bei dieser können die äußeren Poren 
bis auf eine kleine Öffnung zusammengezogen, ja vollständig verschlos- 
sen! werden. 

Die Hautporen, welche die ganze dicke Oberhaut des Schwammes 
durchsetzen, sind oben, und besonders unten (nach innen zu), breiter 
als in der Mitte (Taf. XI, Fig. 12 und 1%). Sie stellen somit kurze, an 
beiden Enden trompetenförmig erweiterte Röhren dar, deren Achsen 
senkrecht auf die Oberfläche des Schwammes stehen und deren Länge 
gleich der Dicke der Schwammbhaut ist. Oben werden sie von dem 
gitterartigen Porenhäutchen abgeschlossen und nach innen öffnen sie 
sich in den Subdermalraum. Diese Poren haben einen Durchmesser 
von 0,4 mm und können durch die Kontraktion eines cirkulären Muskel- 
bandes, oder mit SchuLze, eines Bandes von kontraktilen Faserzellen, 
verengert werden. Diese Verengerung ist jedoch eine unbedeutende 
und beträgt nie mehr als ein Zehntel des Röhrendurchmessers, dessen 
Größe demnach sehr konstant ist. Die Poren sind nicht kreisrund, son- 
dern gleichen in der Flächenansicht gewöhnlich Polygonen mit abgerun- 
deten Ecken, da sie, so zu sagen, gegen einander abgeplattet sind 
(Taf. XI, Fig. 8). Die Schwammbhaut ist in der Mitte der konkaven Felder 
beträchtlich mächtiger als in der Umgebung der Conuli, und es beträgt 
daber die Länge der Porenkanäle, je nach ihrer Lage, 0,03—-0,05 mm. 
Diese Konfiguration des Porensystems, welches von außen in den Sub- 
dermalraum führt, weicht von dem Baue des äußersten Theiles des ein- 
führenden Kanalsystemes der adriatischen Aplysiniden, so wie von an- 
deren Hornschwämmen bedeutend ab, stimmt jedoch mit der Gestalt 
der Hautporen der übrigen unten zu beschreibenden australischen 
Aplysiniden überein. Am ähnlichsten sind die Poren von Cacospongia 2, 
deren Oberfläche schon wegen der eingelagerten Fremdkörper einige 
Ähnlichkeit mit unserer Aplysilla aufweist. 

Unter den Hautporen breitet sich der Subdermalraum aus. Wäh- 
rend derselbe bei Aplysina selbst” auf ein tangential abgeplattetes ziem- 
lich unbedeutendes Gefäßnetz beschränkt ist, welches sich parallel zur 


ı F. E. Schulze, Über den Bau und die Entwicklung der Spongien. Die Familie 
der Aplysinidae. Diese Zeitschr. Bd. XXX. p. 406. 

2 F. E. SchuLze, Über den Bau und die Entwicklung der Spongien. Die Familie 
der Spongidae. Diese Zeitschr. Bd. XXXII. p. 655. Taf. XXXVII, Fig. 44. 

3 F. E. Schutze, Über den Bau und die Entwicklung der Spongien. Die Familie 
der Aplysinidae. Diese Zeitschr. Bd. XXX. p. 390. Taf. XXII, Fig. 42. 


242 R. v. Lendenfeld, 


Oberfläche ausbreitet, erweitert er sich bei Aplysilla sulfurea! zu einem 
System kommunicirender Lakunen. 


Noch mehr ausgebildet ist dasselbe bei den australischen Aplysilli- 
nae. Bei Aplysilla violacea erweitern sich die Lacunen derart, dass nur 
schmale Gewebebrücken dazwischen übrig bleiben (Taf. XI, Fig. 1&). 
Der Subdermalraum besteht hier aus einem flachen Hohlraum, der die 
Schwammoberhaut vom übrigen Körper trennt und nur durch die Ver- 
löthungsstellen von Haut und Unterlage in den CGonuli und die Säulen, 
welche unter den Firsten ziemlich dicht stehen, unter den konkaven 
Feldern jedoch weit aus einander gerückt sind, unterbrochen wird. 
Diese Säulen sind rundlich, ihr Durchmesser übersteigt selten 0,02 mm. 


Alle Oberflächen, welche an der Begrenzung dieses Subdermal- 
raumes Theil nehmen, enthalten unter ihrem Epithel eine beträchtliche 
Schicht von kontraktilen Faserzellen, welche stets tangential, im Übrigen 
unregelmäßig verlaufen. Diese bewirken eine so große Veränderlichkeit 
des Lumens des Subdermalraumes, dass dasselbe von 0,05 mm an er- 
heblich schwankt. Es erscheint somit der Subdermalraum zuweilen ganz 
geschlossen, indem die Oberhaut in einem solchen Falle dicht an den 
übrigen Schwammkörper herangezogen wird. Da nun die Hautporen 
nie in der Verlängerung der einführenden Kanäle liegen, sondern ent- 
weder gerade zwischen zwei Kanalöffnungen oder doch so, dass durch 
ihre Verengung die Haut über die Kanalanfänge hinweggezogen werden 
kann, so ist der Schwamm im Stande durch Verengung der Hautporen 
und Schließen des Subdermalraumes sich von der Außenwelt ganz ab- 
zuschließen. Die Funktion, welche bei anderen Schwämmen den Haut- 
poren ausschließlich zufällt, ist also bei Aplysilla violacea dem Sub- 
dermalraume zum Theil übertragen. 


Im Leben dürfte der Schwamm durch theilweises Verschließen des 
Subdermalraumes den Wasserstrom reguliren. Es ist leicht nachweis- 
bar, dass der Schwamm, in ungünstige Verhältnisse gebracht, seine 
Subdermalräume schließt, wenn nicht vorher die Kontraktionsfähigkeit 
seiner Faserzellen vernichtet wurde. Nimmt man einen lebensfrischen 
Schwamm aus dem Wasser und wirft ihn sogleich in absoluten Alko- 
hol, ein Verfahren, welchem F. F. ScuuLze einen großen Theil der 
herrlichen Ergebnisse seiner Spongienarbeiten verdankt, so haben die 
kontraktilen Faserzellen nicht Zeit sich zusammenzuziehen, ehe sie 
getödtet und starr werden. Fertigt man nun Schnitte senkrecht zur 
Oberfläche eines solchen Objektes an, so sieht man gewöhnlich die 


! F. E. SchuLze, Über den Bau und die Entwicklung der Spongien. Die Familie 
der Aplysinidae. Diese Zeitschr. Bd. XXX. p. 407. Taf. XXIIL, Fig. 20. 


Über Goelenteraten der Südsee. II. 243 


Subdermalräume klaffend. Legt man aber den Schwamm vorher einige 
Minuten in süßes Wasser und dann erst in Alkohol absolutus, so ist von 
einem Subdermalraume keine Spur zu entdecken. Die gleiche Wirkung 
hat stets die Lostrennung der Krusten, die man mit dem Meißel, sammt 
einer dünnen Steinschicht, von ihrer Unterlage entfernt. Es ist daher 
immer nöthig den Schwamm nach der Loslösung im Aquarium sich er- 
holen zu lassen, was in einigen Stunden geschieht. Eben so wie Alko- 
hol absolutus wirkt Osmiumsäure auf den Schwamm ein und man er- 
hält die Subdermalräume am schönsten geöffnet, wenn man den 
Schwamm, ohne ihn aus dem Meerwasser zu nehmen und ohne ihn zu 
beunruhigen, mit starker Osmiumsäure anspritzt. 


Wenngleich die äußere und innere Begrenzungsfläche des Sub- 
dermalraumes einander annähernd parallel sind, so ist doch stets eine 
Verschmälerung desselben gegen die Anheftungsstellen der Oberhaut 
hin bemerkbar. Die überaus geräumigen Subdermalräume der Hir- 
cinial, welche der Größe nach noch am ehesten mit den hier bespro- 
chenen übereinstimmen, gleichen mehr Gefäßen und haben einen 
regelmäßig ovalen Querschnitt. 


Aus dem Subdermalraume entspringen nun die einführenden 
Kanäle. Sie beginnen mit trichterförmig erweitertem Ende am Boden 
des Subdermalraumes und ziehen senkrecht zur Flächenausdehnung 
der Kruste nach abwärts (Taf. XI, Fig. 14 und 15). Sie sind nicht 
verästeit und enden im unteren Drititheil der Höhe der Kruste. Von 
außen nach innen nehmen diese drehrunden, glattrandigen Kanäle nur 
wenig an Dicke ab und sind somit annähernd cylinderförmig. Das 
Lumen der einführenden Kanäle hat einen Durchmesser von etwa 
0,4 mm. Da jedoch die Wandungen dieser Kanäle eben so wie die des. 
Subdermalraumes überaus kontraktil sind, erscheint das Lumen sehr 
veränderlich und oft auch an verschiedenen Stellen desselben Kanales. 
verschieden groß. Die Kanäle erscheinen in Folge dessen zuweilen 
duodenumähnlich, jedoch ist dies selten, und wie ich annehmen möchte, 
eine pathologische Erscheinung. Niemals erreichen die Einschnürungen 
einen solchen Grad, dass der ganze Gang rosenkranzförmig wird, wie 
dies an den Kanälen anderer Spongien oft zu sehen ist. Ich habe an 
einigen australischen Spongien aus der Familie der Spongidae diese 
Eigenthümlichkeit besonders an den Hauptkanälen sehr ausgebildet ge- 
funden. In diesen Fällen entsprang stets je ein Astkanal aus einem der 
kugelförmig aufgetriebenen Hauptkanalabschnitte derart, dass die vor- 


I F.E. Schutze, Über den Bau und die Entwicklung der Spongien. Die Gattung. 
Hircinia etc. Diese Zeitschr. Bd. XXXIU. p. 45. Taf. III, Fig. 1. 


244 R. v. Lendenfeld, 


gewulstete Falte ihn ganz oder zum Theil bedeckte. Ich bin geneigt, 
hieraus auf eine stromregulirende Funktion dieser Einschnürungen zu 
schließen, und es erscheint somit ganz natürlich, dass die Kanäle 
unserer Aplysilla einer solchen Einrichtung entbehren, da hier wegen 
des Mangels irgend welcher Verzweigung eine derartige Klappenvorrich- 
tung keine Anwendung finden kann. 

Was die Vertheilung der einführenden Kanäle anlangt, so ist zu- 
nächst wichtig, dass dieselben nie unter einer der Hautporen selbst, 
aus dem Subdermalraum entspringen, sondern stets unter den Leisten. 
Die beträchtliche trichterförmige Erweiterung, mit welcher sie ihren 
Anfang nehmen (Taf. XI, Fig. 14), kann derart verengert werden, dass 
der Kanal von Anfang an cylindrisch wird (Taf. XI, Fig. 12). Eine 
solche Zusammenschnürung geht meist mit einer beträchtlichen Näherung 
der Subdermalraumwände Hand in Hand. Wenn nun, wie dies in 
Figur 12 dargestellt ist, Kanalursprung und Subdermalraum verengt 
werden, dann noch die Hautporen sich etwas verkleinern und so über- 
all in die Verlängerung der Kanäle undurchbrochene Hautpartien zu 
liegen kommen, so kann durch ein Aneinanderlegen der Begrenzungs- 
flächen des Subdermalraumes, wie dies oben erwähnt wurde, ein voll- 
kommener Verschluss der einführenden Kanäle herbeigeführt werden. 
Der Zahl nach stehen die ausführenden, weiteren Kanäle beträchtlich 
hinter den drehrunden, einführenden, zurück, indem von allen Kanälen 
einer mittleren Schwammpartie etwa 70°, dem einführenden Kanal- 
system angehören. 

Die Geißelkammern (Taf. XI, Fig. 13) sind elliptisch sackförmig, 
wie bei Aplysilla sulfurea!, haben jedoch nie so unregelmäßige Gestal- 
ten wie die der adriatischen Art. Im Gegentheil weichen sie kaum von 
der Gestalt eines Rotationskörpers ab. Sie umstehen, wie dies SCHULZE 
(l. c.) als charakteristisch für Aplysilla beschreibt, die Ausführungs- 
kanäle radial (Taf. XI, Fig. 15), indem ihre Längsachse stets senkrecht 
auf die Oberfläche des Ausführungsganges zu stehen kommt. Da diese 
Längsachsen auch senkrecht auf die einführenden Kanäle stehen, so sind 
sie stets die kürzesten Verbindungslinien der einander zunächstliegen- 
den Theile des ein- und ausführenden Kanalsystemes. Da nun die 
Geißelkammern nicht einzeilig über einander angeordnet sind, sondern 
mehrere Reihen neben einander vorkommen, so müssen die Oberflächen 
der beiden Kanalsysteme, zwischen denen eine Geißelkammergruppe 
liegt, einander ähnlich, und in unserem Falle, wo die eine Fläche 
eine Kreiscylinderfläche ist, koncentrisch sein. Außerdem wird 


! F, E. ScauLze, Über den Bau und die Entwicklung der Spongien. Die Familie 
der Apiysinidae. Diese Zeitschr. Bd. XXX. p. 408. Taf. XXIII, Fig. 20, 27. 


Über Goelenteraten der Südsee. II. 245 


durch diese konstante Lage der Geißelkammerachse die Entfernung des 
einen Gangsystemes von dem anderen determinirt. Alle Geißelkam- 
mern sind gleich groß, vorausgesetzt, dass die sie umspinnenden kon- 
traktilen Faserzellen gleich stark zusammengezogen sind. Ihre Länge 
beträgt 0,064 mm und es nähern sich daher an keiner Stelle des 
Schwammes die Kanalsysteme so, dass der Zwischenraum zwischen 
dem ein- und ausführenden Gangsystem kleiner als 0,064 mm würde. 
Die breiteste Stelle der Kammer liegt näher dem einführenden Gange 
und beträgt 0,032 mm, die Hälfte der Länge. Die Mündung ist kreis- 
rund und hat einen Durchmesser von 0,013 mm, sie ist übrigens sehr 
veränderlich und kann derart verengt werden, dass die dann kugelige 
Geißelkammer mittels eines dünnen Stieles dem Ausführungsgange auf- 
sitzt. 

ScuuLze’s! Angabe, dass die Geißelkammern der Aplysilla sulfurea 
zahlreiche, sehr feine Einführungsgänge besitzen, trifft auch für die 
australische Art zu (Taf. XI, Fig. 13). Diese, nie über 0,004 mm wei- 
ten Poren finden sich ausschließlich in dem gewölbten Ende der Geißel- 
kammer, welches kuppenförmig in das Lumen des einführenden Kana- 
les vorspringt. Ihre Zahl lässt sich schwer bestimmen, da oft gar keine, 
zuweilen eine oder zwei sichtbar sind. Die größte Zahl von Poren, 
welche ich an der Geißelkammer einer Aplysilla violacea gesehen habe, 
betrug sechs. Ich zweifle jedoch nicht, dass die wirkliche Zahl der 
Poren eine noch bedeutend größere ist, so dass wir uns das eine Ende 
der Geißelkammer wie ein Sieb vorstellen müssen. Die Geißel- 
kammern sind auf die mittlere Partie des Schwammes beschränkt und 
auch dort verhältnismäßig spärlich (Taf. XI, Fig. 14 und 15), jeden- 
falls bei Weitem nicht so zahlreich wie bei der adriatischen Art. 
Diesem Umstande ist es wohl zuzuschreiben, dass sie nicht wie bei 
Aplysilla sulfurea gegenseitig abgeplattet und daher unregelmäßig ge- 
staltet sind. 

Die abführenden Kanäle unterscheiden sich von den einführenden 
sehr bedeutend. Sie haben keinen kreisrunden, sondern einen un- 
regelmäßigen Querschnitt (Taf. XI, Fig. 15 A) und sind zwei- bis 
dreimal so geräumig als die einführenden Gänge. Ihr größter Durch- 
messer übersteigt selten 0,25 mm. Diese Gänge verzweigen sich, 
wenngleich unbedeutend. Im mittleren, Geißelkammern enthaltenden 
Theile des Schwammes wird ihre Lage und ihre Gestalt von der Form 
und Vertheilung der einführenden Gänge bestimmt. Obgleich sie ihnen 
keineswegs überall parallel laufen, so ist doch die Richtung der Kanäle 


i F. E. ScauLze, Über den Bau und die Entwicklung der Spongien. Die Familie 
der Aplysinidae. Diese Zeitschr. Bd. XXX. p. 414. 


246 00 Roy. Lendenfeld, 


eine annähernd senkrechte zur Flächenausdehnung der Kruste, und 
auch dort, wo sie verzweigt sind, nähern sich die »aufstrebenden« 
Zweige dieser Richtung an. Nach unten nehmen diese Gänge wenig 
an Breite zu und gehen dann im unteren Drittel der Schwammkruste in 
ein Netzwerk, der Unterlage parallel ausgebreiteter, weiter, anastomo- 
sirender Gefäße über (Taf. XI, Fig. 44 A). Da in dieser basalen 
Schwammpartie die Substanzbrücken zwischen den Gängen an Größe 
hinter dem Volumen des Kanalnetzes zurückbleiben, so erscheint der- 
selbe lakunös. 

Aus diesem Lakunensystiem erheben sich nun 1—2 mm weite 
drehrunde und glattwandige Röhren, die vertikal nach aufwärts führen 
und mit dem Osculum ausmünden (Taf. XI, Fig. 14 O). 

Da nur solche Krusten ohne Abtrennung von der Unterlage in Quer- 
schnitte zerlegt werden können, welche auf einem schneidbaren Körper 
sitzen, so habe ich diese Theile nur an solchen untersuchen können, 
welche auf Ascidien oder Algen wuchsen. Es scheint mir nun be- 
bemerkenswerth, dass bei allen Krusten, welche ich darauf hin unter- 
suchen konnte, in der basalen Hornplatte, aus welcher sich die Fasern 
erheben, verhältnismäßig große Sandkörnchen (Taf. XI, Fig. 44 F) ein- 
gelagert waren. 

Diese Sandkörner dürften beim fortschreitenden Wachsthum der 
Krustenränder, an deren klebrige Oberfläche zufällig gelangt und fest- 
gehalten, schließlich zwischen Schwamm und Unterlage gerathen sein. 
Wichtig erscheint es mir nun, dass in der basalen Hornplatte viel 
größere Fremdkörper vorkommen als in der Oberhaut. Während die 
letzteren nie eine Länge von 0,03 mm überschreiten, findet man in der 
Basalplatte nie kleinere wie 0,4 mm lange Fremdkörper. Es werden 
also von den zahlreichen, verschieden großen Fremdkörpern, welche 
mit der Schwammoberfläche in Berührung kommen, zwei Größen aus- 
gewählt und an ihren Bestimmungsort gebracht, während Sandkörner, 
welche der Größe nach zwischen diesen beiden mitten inne stehen, 
nicht aufgenommen werden, was kaum einem einfachen Schlemmungs- 
processe verglichen werden kann, wie dies Scauzze für die Aufnahme 
und Auswahl der Fremdkörper in den Hornfasern von Spongelia thut. 

Ich werde unten bei der Besprechung der Fremdkörper in der Ober- 
haut von Dendrilla aerophoba hierauf zurückkommen. | 

In dem basalen Theile der Krusten finden sich im » australischen « 
Herbst, d. h. im April und Mai, überaus stark pigmentirte undurch- 
sichtige Kugeln von 0,5 mm Durchmesser (Taf. XI, Fig. 14 $). Diese 
Kugeln erscheinen nicht sehr zahlreich, es sind die Genitalorgane. Diese 
werde ich unten näher besprechen. 


Über Öoelenteraten der Südsee. Il. 247 


Histologische Struktur. 


Die Haut. 


Unter Haut verstehe ich hier diejenige Platte, welche den kontinuir- 
lichen Subdermalraum außen bedeckt. Sie ist, wie aus dem Obigen 
hervorgeht, in der Mitte der Felder am dicksten und verdünnt sich 
gegen die Conuli und gegen die erhabenen Firste, welche dieselben ver- 
binden, hin. Da der Subdermalraum sich nicht über die Gonuli er- 
streckt, so erscheint die oberflächlichste Schicht des Gonulus nicht von 
dem übrigen Schwammkörper getrennt, es lassen sich jedoch auch hier 
(mit Ausnahme der Spitze selbst) dieselben histologischen Elemente 
nachweisen, wie an den unterminirten Hautpartien. Ein feiner Quer- 
schnitt einer unter Wasser mit Osmiumsäure bespritzten Hautpartie 
giebt den besten Aufschluss über die feineren Bauverhältnisse. 

An dem Aufbau der Haut nehmen nur das Ektoderm und das 
Mesoderm Antheil. 


Das Epithel besteht, wie bei Halisarca, aus flimmernden, je eine 
Geißel tragenden Plattenzellen. Es sind sehr platte, nur 0,004 mm 
hohe und 0,02 mm breite Elemente (Taf. XI, Fig. 12 Ec). Ihre seit- 
lichen, durch Silber an lebensfrischen Exemplaren stets nachweisbaren, 
ja selbst an Osmiumpräparaten zuweilen sichtbaren Zellgrenzen sind 
geradlinig, die Zellen demnach polygonale Platten. 


Diese Zellen werden eben so wenig wie die Zellen im Epithel der 
Exumbrella der Medusen von Plasma ausgefüllt. In der Mitte findet 
sich eine Anhäufung desselben, von welcher Stränge bis an die Peri- 
pherie hinziehen. Das Plasma ist fast hyalin. In der centralen An- 
häufung, welche eine kleine hügelförmige Vorwölbung nach außen in 
der Mitte der freien Oberfläche der Zelle verursacht, liegt der stets 
leicht nachweisbare Kern. Derselbe hat die Gestalt eines platten Ro- 
tationsellipsoides, die kleine und zugleich Rotationsachse steht senk- 
recht auf die Oberfläche des Schwammes. Demnach erscheint der 
Kern in der Seitenansicht als schmale Ellipse und in der Flächenan- 
sicht kreisrund (Taf. XI, Fig. 12). Er hat einen größten Durchmesser 
von 0,0045 mm. 

Aus solchen Elementen gebildetes Plattenepithel überkleidet alle 
freien Oberflächen der Haut und lässt sich auch auf beiden Seiten jenes 
feinen Porenhäutchens nachweisen, welches die großen Hautporen 
außen abschließt. 


Ich war nicht im Stande an irgend einer Stelle eine Cuticula nach- 
Zeitschrift f, wissensch. Zoologie. XXXVII. Bd. 47 


248 | R. v. Lendenfeld, 


‚zuweisen, und glaube, dass auch Scuurze! bei der adriatischen Art 
keine solche gefunden hat. 

Die feinen Porenhäutchen unterscheiden sich von der dicken Haut 
dadurch, dass ihr Mesoderm nur schwach entwickelt ist, und hier nur 
eine sehr dünne Platte bildet, welche oft schwer nachweisbar ist. Die 
Epithelien sind einander gleich. 

Das Mesoderm aller Theile der Haut besteht aus einer vollkommen 
homogenen und strukturlosen Gallerte, in welcher Zellen und Fremd- 
körper eingebettet sind. Die Zellen sind theilweise sternförmige und 
faserige Elemente, welche in der Gallerte liegen und mit ihr zusammen 
das galleriige Bindegewebe bilden, zum Theil sind es amöboide 
und Drüsenzellen. Die sternförmigen und faserigen Zellen (Taf. XI, 
Fig. 12 B) sind echte Bindegewebszellen und unterscheiden sich nicht 
wesentlich von jenen, welche ScauLze ? von Aplysilla sulfurea beschreibt 
und abbildet. In der dicken Haut vertheilen sie sich derart, dass die 
sternförmigen Elemente in den centralen Theilen, und die faserigen der 
Oberfläche zunächst liegen. 

Nur in jenem Theile der Mesodermplatte, welcher der äußeren Ober- 
fläche zunächst liegt, fehlen solche Bindegewebszellen. Der Übergang 
von den sternförmigen zu den faserigen oder, in anderen Worten, von 
den multipolaren zu den bipolaren Zellen findet allmählich statt, so dass 
in einiger Entfernung von der Oberfläche unter den Faserzellen zu- 
nächst Elemente mit zwei langen, in einer Geraden liegenden Ausläufern 
und einem kurzen dritten Fortsatz angetroffen werden. | 

Weiter nach innen nimmt dann die Unregelmäßigkeit in der Rich- 
tung der Fortsätze, zugleich mit einer Vermehrung ihrer Zahl, zu. Die 
Zahl der Ausläufer übersteigt selten vier oder fünf. Im Inneren der 
Haut sind die Ausläufer, welche tangential liegen, länger und stärker 
als alle übrigen und es scheinen die sternförmigen Bindegewebszellen 
des centralen Theiles der Haut somit der Oberfläche parallel orientirt. 

Anastomosen zwischen den einzelnen Zellen sind nur selten anzu- 
treffen, ich zweifle jedoch nicht, dass dies nur eine Folge der Einwir- 
kung der Reagentien und besonders des absoluten Alkohols ist. Die 
durch dieselben bewirkte Schrumpfung der Zellen verursacht natürlich 
ein Zerreißen der Anastomosen. Es erscheint somit wahrscheinlich, dass 
Aplysilla violacea in dieser Beziehung mit der adriatischen Art 3 überein- 


! F. E. Schutze, Über den Bau und die Entwicklung der Spongien. Die Familie 
der Aplysinidae. Diese Zeitschr. Bd. XXX. 

2 F. E. ScauLze, Über den Bau und die Entwicklung der Spongien. Die Familie 
der Aplysinidae. Diese Zeitschr. Bd. XXX. p. 409. Taf. XXI, Fig. 22. 

3 F. E. ScuuLzeE, Über den Bau und die Entwicklung der Spongien. Die Familie 
der Aplysinidae. Diese Zeitschr. Bd. XXX. p. 409. 


Über Coelenteraten der Südsee. II. 249 


stimmt. Die Zellen erreichen einen Durchmesser von 0,005 mm, ihr 
Plasma ist sehr feinkörnig und durchsichtig. Die Kerne sind eiförmig 
und haben einen größten Durchmesser von 0,002 mm. Denken wir uns 
von einer solchen Zelle, welche zwei gegenüber stehende Fortsätze be- 
sitzt, alle übrigen weg und den Kern nach der Längenausdehnung der 
Zelle orientirt, so haben wir eine spindelförmige Faserzelle vor uns. 
Diese Faserzeilen fehlen eben so, wie die sternförmigen in der Nähe der 
äußeren Oberfläche, finden sich jedoch ziemlich dicht gedrängt, sowohl 
an den den großen Hautporen zugekehrten Flächen, als auch unter dem 
Subdermalepithel. Sie liegen stets so, dass ihre Längenausdehnung 
dem zunächst liegenden Oberflächenstück parallel ist. In der dicken 
Haut bilden sie vorzüglich an den Porenwänden eine beträchtliche 
Schicht. Die meisten laufen hier der Schwammoberfläche parallel, so- 
mit cirkulär um die Poren herum. Andere wieder stehen schräg oder 
liegen in Ebenen, welche senkrecht auf der Schwammoberfläche stehen. 
Auch in dem feinen Porenhäutchen finden sich solche Faserzellen, 
jedoch spärlich; sie sind hier schmächtiger und haben längere Aus- 
läufer als in der dicken Haut. Es kommt zuweilen vor, dass die großen 
Hautporen durch starke Stränge in zwei Theile getheilt sind. Diese 
Stränge sind ganz von solchen Faserzellen erfüllt. 


Ich habe oben erwähnt, dass sowohl die großen Hautporen wie 
auch die Löcher des feinen Porenhäutchens erweitert und verengt wer- 
den können, und es ist wohl kaum zu bezweifeln, dass diese Bewe- 
gungen durch die Kontraktion der Faserzellen bewirkt werden. Wir 
werden unten sehen, dass auch die Hornfasern von Zellen eingescheidet 
werden, welche mit diesen Faserzellen identisch sind, und da letztere 
entschieden nur die Funktion von gewöhnlichem Bindegewebe, als Stütze 
zu dienen, haben können, und kein Unterschied zwischen diesen und 
den kontraktilen Elementen der Haut nachweisbar ist, so möchte ich 
auch für die besprochenen Fasern die Scuuzze'sche! Bezeichnung, » kon- 
traktile Faserzellen« statt Muskelzellen, anwenden. Die cirkulären 
Fasern wirken natürlich sphinkterartig und dürften bei der Verengerung 
der Hautporen die Hauptrolle spielen. Während bei den Cnidarien die 
Epithelmuskelzelle den Ausgangspunkt für die kontraktilen Elemente 
bildet, haben wir es hier mit Zellen zu thun, die aus dem Mesoderm 
stammen und sich somit jedenfalls nicht direkt wie bei den Cnidarien 
aus dem Epithel entwickelt haben. 


Unterhalb der Zone der kontraktilen Faserzellen, an der inneren 


i F.E. Scautze, Über den Bau und die Entwicklung der Spongien. Die Familie 
der Aplysinidae. Diese Zeitschr. Bd. XXX. p. 395. 
47” 


250 R. v. Lendenfeld, 


Seite der Schwammhaut, etwa dort, wo der Übergang von den stern- 
förmigen zu den faserförmigen Bindegewebselementen stattfindet, trifft 
man, dicht zusammengedrängt, große amöboide Zellen an. Solche 
“ Zellen finden sich auch vereinzelt im Inneren der Hautschicht selbst 
(Taf. XI, Fig. 12 W). Im lebenden Schwamme gleichen sie am meisten 
der Amoeba villosa Wallich, indem sie am Hinterende zahlreiche feine 
und kurze, zuweilen sogar spitz zulaufende Pseudopodien besitzen, 
während die vorausgehenden Pseudopodien lobular sind. Diejenigen 
amöboiden Zellen, welche in einer einfachen Schicht der Subdermal- 
wand anliegen, erscheinen mehr rundlich und sind ziemlich unbeweg- 
lich, während die amöboiden Zellen in der Mitte der Haut langgestreckt 
und meist in lebhafter Bewegung begriffen sind. Durch die Einwirkung 
von erhärtenden Reagentien werden alle diese Zellen in kugelförmige 
Blasen verwandelt. Da sich zwischen den runden und langgestreckten 
Zellen stets Übergänge finden und Reagentien alle Unterschiede zwi- 
schen ihnen aufheben, so zweifle ich nicht, dass es nur verschiedene 
Formzustände derselben Elemente sind. Betrachtet man eine, mit mög- 
lichster Schonung vom Schwamme abgezogene lebende Hautpartie unter 
dem Mikroskop, so lassen sich diese Zellen leicht erkennen und ihre 
Bewegungen verfolgen. Die langgestreckten Zellen sind 0,02 mm lang 
und etwa 0,0075 mm breit. Selbstverständlich ändern sich diese Dimen- 
sionen während der Bewegung fortwährend, bleiben aber dennoch 
innerhalb gewisser Grenzen konstant. Immer sah ich dasselbe Ende 
voraus in der Bewegung, und nie eine Pseudopodienbildung an der 
Seite. Die lappenförmigen vorderen Fortsätze werden von hyalinem 
Plasma gebildet, und erst nachdem dasselbe eine Strecke weit vorge- 
gangen ist, ergießt sich der körnige Inhalt in den Fortsatz hinein. Die 
hinteren feinen Pseudopodien sind stets von trübem Plasma gebildet und 
scheinen dadurch zu entstehen, dass das körnige Plasma an einzelnen 
Stellen haftet, und daher in der Bewegung zurückbleibt. Der ovale 
Kern erreicht eine Länge von 0,0037 mm und liegt hinter der Mitte. 
Außer zahlreichen feineren und gröberen stark lichtbrechenden Körn- 
chen enthält das centrale Plasma rundliche, 0,0008—0,004 mm mes- 
sende fast undurchsichtige, dunkelviolette Körnchen. Diese sind es, 
welche dem Schwamm seine charakteristische Farbe verleihen. Ich will 
hier bemerken, dass in der Haut aller Farbstoff an diese amöboiden 
Zellen gebunden ist und dass alle übrigen Theile derselben farblos er- 
scheinen. 

Wenngleich diese Elemente in ihrer Gestalt, und besonders in der 
Form der Pseudopodien von den Wanderzellen der adriatischen Aplysilla 


Über Ooelenteraten der Südsee. Il. 251 


sulfureat abweichen, so zeigt sich doch darin eine wesentliche Über- 
einstimmung beider, dass die amöboiden Zellen in der Haut der letzteren 
Art eben so Träger der gelben Pigmentkörnchen sind, wie dies für die 
violetten bei der australischen Art der Fall ist. Im Inneren des 
Schwammes dürften die gleichen Elemente vorkommer, da nach Rea- 
gentieneinwirkung dieselben blasigen Körper zu beobachten sind, wie 
in der Haut. Hier sind jedoch, wie wir unten sehen werden, die Pig- 
mentkörnchen nicht auf die Wanderzellen allein beschränkt, sondern 
sie kommen auch in den Kragenzellen des Geißelkammerepithels vor. 
Die auffallende Anhäufung dieser Elemente in der oberen Sub- 
dermalwand veranlasste mich zu glauben, dass ihnen hier eine ganz 
bestimmte Funktion zukäme. Ich glaube, dass es nicht unwahrschein- 
lich ist, dass diese Zellen die Ernährung des Schwammes ver- 
mitteln, und dass somit der Subdermalraum physiologisch als Magen 
zu deuten sei. 

Eis METSCHNIKOFF2, der nach Lizserkünn ? die eingehendsten 
experimentellen Untersuchungen über die Verdauungsthätigkeit der 
Spongien gemacht hat, giebt an, »dass das sog. Mesoderm, dessen 
Zellen im Stande sind Nahrungsstoffe aufzunehmen, auch zum Ver- 
dauen der letzteren mehr oder weniger befähigt ist«. Seine Unter- 
suchungen erstreckten sich über Schleim-, Kiesel- und Kalkschwämme 
und erweiterten somit die Gültigkeit der zuerst von LiEBERKÜHN (]. c.) 
für Spongilla gemachten Angaben. 

BaLrour#, welchen seine scharfsinnigen Betrachtungen über die 
Homologie der Keimblätter der Spongien, den Angaben von METScHnI- 
KOFF und ScHULzE gemäß, zu dem Schlusse führten, dass die Funktionen 
der Keimblätter der Spongien sich denen aller anderen Metazoen gegen- 
über reciprok verhalten, nimmt eine Verdauung in den Kanälen an. 

Da nun aber nach der neuesten Arbeit Scuurze’s® nur die ein- 
führenden Kanäle ektodermalen, die ausführenden aber entodermalen 
Ursprungs sind, so kommt es darauf an, in welchem Kanalsystem die 
Verdauung stattfindet. In der That giebt auch MErscnnikorr (l. c.) an, 
dass bei Halisarca besonders das Epithel der Sammelkanäle, also eine 


ı F. E. Scautze, Über den Bau und die Entwicklung der Spongien. Die Familie 
der Aplysinidae. Diese Zeitschr. Bd. XXX. p. 410. 

2 ELıAs METSCHNIKOFF, Spongiologische Studien. Diese Zeitschr. Bd. XXXU. 
p. 371 —374. 

3 LIEBERKÜHN, Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der Spongillen. Mütter's 
Archiv 1856. p. 385 ff. 

* BAaLFrour, Handbuchder vergl. Embryologie. Deutsch von Vetter. Bd.I. p. 144. 

5 F. E. ScuuLze, Über den Bau und die Entwicklung der Spongien. Die Plaki- 
niden. Diese Zeitschr. Bd. XXXIV. p. 438. 


252 R. v. Lendenfeld, 


entodermale Fläche, mit der Verdauung betraut zu sein scheint, da an 
jener Stelle vorzüglich Indigo oder Karminkörnchen bei Fütterungsver- 
suchen aufgenommen wurden. 

Meine Angabe, dass die Verdauung der Aplysilla violacea in den 
Wandungen des Subdermalraumes vor sich geht, setzt aber jedenfalls 
eine Fremdkörper aufnehmende Thätigkeit von Ektodermzellen voraus. 
Hält man unseren Schwamm mehrere Tage in Wasser, in welchem Kar- 
mintheilchen suspendirt sind, so zeigt sich bei einer genaueren Unter- 
suchung, dass, wenn das Karmin sehr fein vertheilt war, die Epithelien 
sowohl der einführenden Kanäle, wie auch der Geißelkammern Karmin- 
theilchen enthalten und dass solche, wenn auch nicht so zahlreich, in 
dem Epithel des abführenden Kanalsystems, des Oscularrohres und der 
äußeren Oberfläche vorkommen. Es zeigt sich also, dass alle freien 
Oberflächen im Stande sind Fremdkörper aufzunehmen, was für die 
äußere Oberfläche des Schwammes schon dadurch bewiesen erscheint, 
dass hier feste Fremdkörper aufgenommen und eingebettet werden. 
Eben so wie die Epithelzellen füllen sich auch die amöboiden Wander- 
zellen mit Karminkörnchen. 

Wenn wir nun aber, statt abzuwarten bis alle Schwammzellen 
Karmin aufgenommen haben, schon nach wenigen Stunden unseren 
Schwamm aus dem karminhaltigen Wasser entfernen, ihn abspülen und 
in frisches Meerwasser legen, so haben wir ein Objekt, an welchem das 
Schicksal der Karminkörnchen studirt werden kann. Und dieses ist ge- 
eignet, einiges Licht über die vorliegende Frage zu verbreiten. 

Untersucht man ein Stück einer solchen Kruste sogleich, so findet 
man zwar nur wenige Zellen karminhaltig, jedoch eben so, wie in dem 
früheren Falle Karmin in allen freien Oberflächen. Schon nach sechs 
Stunden sind aber die epithelialen Plattenzellen der oberen Begrenzung 
des Subdermalraumes, so wie die Kragenzellen der Geißelkammern frei 
von Karmin und man findet einzelne Karmintheilchen im Meerwasser. 
Die übrigen Epithelien enthalten nach wie vor Karmin. Es ist sehr leicht 
zu sehen, wohin das Karmin aus dem Plattenepithel des Subdermal- 
raumes gelangt ist: die amöboiden Zellen unter diesem Epithel sind jetzt 
alle karminhaltig, während sie vorhin noch gar keinen Farbstoff aufge- 
nommen hatten. 

Außer diesen enthalten auch einige der frei im Mesoderm der Haut, 
sowie desSchwammkörpers selbst, herumkriechenden Wander- 
zellen Karmin, jedoch nur solche, welche sich in nächster Nähe der 
Wanderzellenschicht der Haut befinden. Alle zwischen den 
Geißelkammern liegenden Wanderzellen, die niemals zahlreich sind, 
enthalten nichteineSpurvonKarmin. 


Über Coelenteraten der Südsee. I. 353 


Nach 24 Stunden sind die Wanderzellen, welche Karmin enthalten, 
ganz aus der Haut entfernt und liegen jetzt in der Nähe der Geißelkam- 
mern, während andere, des Karmins entbehrende Wanderzellen — 
wahrscheinlich vom Schwamminneren herkommend — ihre Stelle in der 
Haut unter dem Subdermalepithel eingenommen haben. Zu gleicher 
Zeit finden sich auch wieder Karminkörnchen in den Kragenzellen der 
Geißelkammern. Nach einigen Tagen sind die Wanderzellen ihres Kar- 
mingehaltes ledig und eben so erscheinen die Epithelien des Subder- 
malraumes und der Geißelkammern vollständig karminfrei. Die übri- 
gen Epithelstrecken enthielten zu dieser Zeit eben so viel Karmin, wie 
gleich nach der Fütterung. Ich untersuchte soeben eine Schwamm- 
kruste aus meinem Aquarium, welche ich vor zwei Monaten mit 
Karmin gefüttert hatte, und es finden sich noch immer einzelne Karmin- 
körnchen in den Epithelien der Kanäle, so wie in der äußeren Haut. 

Um sicher zu stellen, dass nicht ausgestoßene Karmintheile wieder 
in den Schwamm aufgenommen würden, wechselte ich das Wasser 
möglichst oft und untersuchte immer den Bodensatz desselben. Ich 
fand Karminkörnchen in demselben gleich am Anfang ziemlich zahlreich 
und später, nach zwei Tagen, noch zahlreicher. In der Zwischenzeit 
und später fand ich jedoch nur selten einzelne Körnchen. Ein Ver- 
gleich zwischen dem ersten und zweiten »Schube« ergab nun, dass alle 
Karminkörnchen, welche zuerst ausgestoßen worden waren, ausnahms- 
los scharfkantig und unverändert, die nach zwei Tagen aber abgerundet 
waren. 

Nach diesen Beobachtungen möchte ich es als erwiesen annehmen, 
dass bei Aplysilla violacea kleine organische Körper von den ekto- 
dermalen Plattenzellen des Subdermalepithels aufgenommen, und 
den amöboiden Zellen, welche darunter liegen, übergeben werden. 
In diesen Zellen werden die aufgenommenen Körper verdaut, und es 
wandern die amöboiden Zellen, mit den unverdauten Resten zu den 
Geißelkammern, übertragen die Auswurfsstoffe auf die Kragenzellen, 
und diese stoßen dieselben aus. 

Wenngleich es unzweifelhaft ist, dass ein Theil der Anfangs aus- 
gestoßenen Karminkörnchen von Schwammzellen überhaupt nicht auf- 
genommen war, sondern sich in den Kanälen befand, so erscheint es 
mir doch gewiss, dass ein Theil dieser Körnchen in die Kragenzellen 
aufgenommen worden war, von diesen jedoch gleich wieder ausge- 
stoßen wurde. Keines der Körnchen zeigte die geringste Veränderung 
und so möchte ich annehmen, dass das Plasma der Kragenzellen nicht 
die Fähigkeit zur Verdauung besitze, wie die Wanderzellen, durch deren 


254 R. v. Lendenfeld, 


Einwirkung die später abgeschiedenen Karminkörnchen abgerundet 
worden waren. 

Infusorien finden sich öfter in dem Subdermalraume und in den 
einführenden Kanälen. Sie gelangen ins Mesoderm der Haut und wer- 
den hier nach geraumer Zeit aufgelöst und von den Wanderzellen ver- 
‘schluckt, auch Diatomeenschalen fand ich zuweilen in den Wander- 
zellen. ' 

Die Pigmentkörnchen möchte ich nicht als Reservenahrungsstoffe 
ansehen, sondern sie vielmehr als physiologisch den rothen Blutkörper- 
chen der Wirbelthiere vergleichbare Bildungen ansehen. Sie finden 
sich, außer in den Wanderzellen, wie oben erwähnt, auch in den Geißel- 
kammern. Es wäre vielleicht zulässig anzunehmen, dass sie die, beim 
Stoffwechsel der Wanderzellen unbrauchbar gewordenen Theile ent- 
halten, die dann den Kragenzellen übertragen, und hier durch die 
Athmung wieder in brauchbare Stoffe verwandelt oder ausgestoßen 
werden. Es ist wohl möglich, das beides zugleich geschieht, in wel- 
chem Falle den Kragenzellen die doppelte Funktion von Harnstoff und 
Kohlensäure abscheidenden Organen zukäme. 

Es erscheint aus apriorischen Gründen nicht unwahrscheinlich, 
dass irgend ein Mittel zur Übertragung von oxydirter Substanz, aus den 
sich von allen Schwammzellen am thätigsten zeigenden Wanderzellen 
in die athmenden Kragenzellen, vorhanden ist. Wenn dies nun zuge- 
standen wird, so muss es ein Körper sein, der in beiden Zellenarten 
vorkommt und solche Körper sind die Pigmentkörnchen. Natürlich 
fehlen die amöboiden Zellen in dem feinen Porenhäutchen. 

Nach den obigen Angaben müssen die amöboiden Zellen zwischen 
der Haut und dem inneren Theile des Schwammes hin und her wan- 
dern. Da nun diese Wanderung nur in den verhältnismäßig dünnen 
Säulen, welche die Verbindung berstellen, stattfinden kann, sollte man 
erwarten, diese Verkehrsstraßen der Wanderzellen stets von ihnen er- 
füllt zu finden; dies ist jedoch nicht der Fall, und so müssen wir wohl 
‘annehmen, dass sich die amöboiden Zellen in dem Defil& so rasch be- 
wegen, dass keine Stauung eintritt. 

Außer diesen so wichtigen Elementen finden sich in der Haut der 
von mir untersuchten australischen Aplysinen auch Drüsenzellen. 

Ich habe oben hervorgehoben, dass der oberflächliche Theil der 
Haut von Aplysilla violacea weder Wanderzellen noch Bindegewebszellen 
enthält: er wird von den Drüsenzellen ausgefüllt. Diese (Taf. XI, 
Fig. 12 D) bilden eine kontinuirliche Schicht unter dem Plattenepithel 
der äußeren Oberfläche. Sie fehlen jedoch unter den Epithelien der 
Hautporen und des Subdermalraumes. Eben so finden sich keine 


Über Coelenteraten der Südsee. II. 255 


Drüsenzellen in dem feinen Porenhäutchen, welches über den großen 
Hautporen hinzieht und auf den Spitzen der Conuli, wo dem Platten- 
epithel polyedrische Spongoblasten dicht anliegen. 

Diese Zellen stimmen im Bau sehr nahe mit den Spongoblasten, 
welche sich an den Seiten der Hornfasern finden, überein. Es sind 
eigenthümliche rundliche Elemente, welche durch zwei bis fünf Stränge 
mit dem oberflächlichen Plattenepithel in Verbindung stehen. Hierbei 
können sie einfach sackförmig, oder am unteren Ende keulenförmig ver- 
dickt, birnförmig sein. Sie erreichen eine Breite von 0,0075 mm und 
eine Länge von 0,02 mm. Die Fortsätze sind stets gerade und stehen 
senkrecht auf die Oberfläche des Schwammes. Je mehr Fortsätze eine 
solche Zelle hat, desto dünner sind dieselben. Sie nehmen gegen den 
Zellkörper hin an Dicke zu und gehen allmählich in den Zellenleib über. 

Das Plasma dieser Zellen enthält zahlreiche feine Körnchen, die 
hier und da, vorzüglich in dem centrifugalen Theile und in den Fort- 
sätzen, zu größeren Körnchen zusammentreten. Der ovale Kern ist 
nach der Längenausdehnung der Zellen orientirt und erreicht dieselbe 
Größe wie die Kerne der amöboiden Zellen. Ein Nucleolus lässt sich in 
dem stets sehr deutlichen Kern nachweisen. An vollkommen unver- 
sehrten, besonders an unter Wasser mit Osmiumsäure bespritzten 
Hautpartien finden sich diese Zellen stets in der angegebenen Weise 
unter dem Epithel. 

ScauzzE! giebt an, dass bei Aplysina aörophoba - Exemplaren, 
welche etwas gelitten hatten, die Epithelzellen entfernt seien, sich da- 
für aber ein abhebbares Häutchen, welches er »als eine cuticulare Ab- 
scheidung des Grenzzellenlagers ansehen möchte«, bilde. Ganz die 
gleiche Beobachtung habe ich an den australischen Aplysinen gemacht. 
Besonders ist Eintauchen frischer Krusten in destillirtes Wasser geeignet 
diese Wirkung hervorzubringen. An Schwämmen, welche eine Stunde 
in destillirtem Wasser gelegen hatten, war nicht allein das oberfläch- 
liche Plattenepithel entfernt, sondern es waren auch die Drüsenzelien, 
welche darunter lagen, viel kleiner geworden. Nach einer vierstündigen 
Einwirkung von destillirtem Wasser waren sie ganz geschwunden und 
mit denselben zugleich die Fremdkörper, welche zwischen ihnen lagen. 
Das Sekret, welches die Zellen erzeugten, bildete eine dicke schleimige 
Lage, in welche auch die Fremdkörper der Schwammhaut zu liegen 
kamen. Dieser deutlich sichtbare Schleim konnte mit dem Pinsel eni- 
fernt werden, bildete sich jedoch in der ersten Zeit immer wieder. 
Späterhin jedoch wurde kein Schleim mehr erzeugt, und wenn ich eine 


1 F. E. ScauLze, Über den Bau und die Entwicklung der Spongien. Die Familie 
der Aplysinidae. Diese Zeitschr. Bd. XXX. p. 392. 


256 R. v. Lendenfeld, 


solehe Kruste untersuchte, so zeigte es sich, dass die Drüsenzellen voll- 
kommen geschwunden waren. 

Nimmt man einen mit einer Schleimhülle überzogenen Schwamm 
aus dem Wasser, so erstarrt der Schleim bald zu einer hornartigen 
Masse, eine Erscheinung, die auch bei Einwirkung von Alkohol abso- 
lutus zu Tage tritt. Unter Wasser tritt ein solches Erstarren erst nach 
24 Stunden ein, und es beginnt unter dieser hornigen, Sand und Spon- 
giennadeln aus der Schwammhaut enthaltenden Cuticula sich ein neues 
Plattenepithel zu bilden. Man kann diesen Vorgang leicht verfolgen, 
wenn man eine Kruste auf einige Minuten in destillirtes Wasser legt 
und hierauf wieder ins Aquarium bringt. Nach einigen Tagen findet 
man dann unter der starken Cuticula ein Plattenepithellager, und unter 
diesem wieder Drüsenzellen. Nach ungefähr einer Woche wird die 
‚Cuticula abgeworfen und der Schwamm zeigt wieder jenen durch 
Fluorescenz hervorgebrachten karmesinrothen Schimmer, der sein 
Wohlbefinden ausdrückt. Viele von den Krusten, welche ich zuerst 
untersuchte, besaßen eine solche Cuticula. Es zeigte sich jedoch bald, 
dass diese, von den seichtesten Orten ihres Gebietes stammenden 
Exemplare durch starke Regengüsse, welche während der Ebbe nieder- 
gegangen waren, beschädigt sein mussten, da andere, aus tieferen 
Stellen derselben Gegend und auch Krusten, welche ich später von 
demselben Orte holte, keine Cuticula besaßen. Das Sekret der Drüsen- 
zellen bildet also, wie ScuuLze (l. c.) vermuthungsweise hinstellt, »eine 
Schutzdecke gegen äußere Schädlichkeiten «. 

Da nun das Sekret dieser Zellen zu einer Masse erstarrt, welche 
von dem Spongiolin der Hornfasern nicht unterschieden werden kann,, 
und weil sie überdies, ihrer Gestalt nach, mit den Spongoblasten des- 
selben Schwammes übereinstimmen, so möchte ich auch annehmen, 
dass sie wirklich den Spongoblasten vollkommen homolog und nur 
desshalb nicht analog sind, weil sich ihr Sekret ins Wasser ergießt. 

Das Ablösen der Epithelschicht selbst dürfte nicht die primäre 
Erscheinung sein, sondern vielmehr durch das Entstehen und An- 
wachsen des Sekretes unterhalb derselben hervorgerufen werden, in- 
dem sich auf der Außenseite der Cuticula besonders dann noch Reste 
des Plattenepithels finden, wenn dieselbe noch ganz dünn, erst im Ent- 
stehen begriffen ist. 

Auf welche Art ein Reiz von dem oberflächlichen Epithel über- 
tragen wird, und die Drüsenzellen zur Sekretion, die kontraktilen 
Faserzellen zur Kontraktion veranlasst, lässt sich leider nicht angeben. 
Da aber eine solche Übertragung stattfinden muss, und die oberfläch- 
lichen Epithelzellen alle einander gleich sind, so wird wohl jeder in 


Über Goelenteraten der Südsee. II. 357 


gewissem Sinne die Bedeutung einer »indifferenten Sinneszelle« zu- 
kommen. 

Wie schon mehrfach erwähnt, finden sich zwischen den Drüsen- 
zellen, sehr nahe dem Epithel der Schwammoberfläche, kleine Sand- 
körnchen und gebrochene Kieselnadeln anderer Spongien (Taf. XI, 
Fig. 9, 12 F). Alle die Fremdkörper sind der Oberfläche parallel orien- 
tirt, indem ihr größter Durchmesser dieser parallel liegt. Sie liegen alle 
in einer Fläche und sind alle gleich weit von der Oberfläche entfernt, so 
dass die Fläche, in der sie liegen, ebenfalls der Außenfläche parallel 
ist. Die größten Nadelbruchstücke erreichen eine Länge von 0,07 mm. 
Diese Fremdkörper liegen zunächst der Mitte der Hautbrücken zwischen 
den Hautporen. Sie werden, wie oben erwähnt, ausgestoßen und in 
die Cuticula aufgenommen, wenn der Schwamm schädlichen Einflüssen 
ausgesetzt wird. 


Die Geißelkammerzone. 


Wie Eingangs erwähnt, erfüllt die Geißelkammerzone keineswegs 
den ganzen unter dem Subdermalraume gelegenen inneren Theil des 
Schwammes: sie ist auf die oberen zwei Dritttheile beschränkt. In dem 
basalen Lakunensystem finden sich keine Geißelkammern. Das Grund- 
gewebe, welches sich zwischen den Kanälen vorfindet, und in welchem 
sowohl Hornfasern wie Geißelkammern eingebettet sind, unterscheidet 
sich von dem gallertigen Bindegewebe der Haut nicht wesentlich. In 
einer vollkommen hyalinen und farblosen Grundsubstanz liegen un- 
regelmäßig sternförmige Zellen, welche jedoch nur halb so groß sind 
als die entsprechenden Elemente im Hautgewebe. Sie liegen auch hier 
etwas dichter als dort und gehen in der Nähe der Kanäle in Faserzellen 
über. Auch diese Faserzellen sind kleiner als die Faserzellen der Haut 
und verlaufen zum Theil der Längsrichtung des betreffenden Kanales 
parallel, longitudinal, zum Theil schief und zum Theil cirkulär. Ob die 
Fasern zur Formveränderung oder zur Festigung der Kanalwände 
dienen, lässt sich schwer angeben. Ich halte es für zweifellos, dass die 
Kanalwände beweglich sind, und dann kann wohl keinem anderen Ge- 
webe diese Funktion zugesprochen werden. Dies ist jedoch nur ein 
Negationsbeweis. Sie gleichen, wie oben hervorgehoben, den Elemen- 
ten der Hornfaserscheiden so sehr, dass man beide für identisch halten 
muss. Letztere sind nicht Bewegungsorgane, erstere vielleicht nur 
zum Theil. Ich suche die Ursache für den bedeutenden Größenunter- 
schied zwischen den Bindegewebselementen der Haut und der Geißel- 
kammerzone darin, dass die ersteren dem Assimilationsherde näher, 
viel besser ernährt werden als die letzteren, in deren Bereich nur 


258 R. v. Lendenfeld, 


solche Wanderzellen kommen, die mit Auswurfsstoffen angefüllt 
sind. Wanderzellen findet man zwischen den Geißelkammern über- 
haupt verhältnismäßig selten, an ganzen Schnittserien oft nur ein 
Dutzend, so dass die Annahme wohl gerechtfertigt erscheint, dass weit- 
aus der größte Theil aller Wanderzellen einer Kruste in jener Schicht 
liege, welche sich unter dem Subdermalepithel der Haut ausbreitet. 
Fibrillen, wie bei Aplysina, oder andere geformte Elemente kommen 
in der hyalinen Grundsubstanz zwischen den Bindegewebs- und 
Wanderzellen in der Geißelkammerzone von Aplysilla violacea nicht vor. 

Außer den schmalen Gewebebrücken, durch welche diese cen- 
wrale Zone mit der Haut einerseits, und dem basalen Lakunensystem 
andererseits zusammenhängt, heften besonders die Hornfasern die 
sonst sehr leicht von einander abhebbaren Schichten an einander. Die 
Konsistenz des Bindegewebes ist der der adriatischen Art ähnlich und 
es lässt sich eine besondere Festigkeit der Brücken, welche vielleicht 
vorhanden sein dürfte, morphologisch nicht nachweisen. Die Horn- 
faserscheiden, welche auch zum Bindegewebe gehören, werde ich unten 
besprechen. 

Aus dem Obigen geht hervor, dass man diesen Schwammtheil 
einer durchlöcherten Platte vergleichen kann. Die Löcher — die Kanäle 
— werden überall von Epithel ausgekleidet. Das ektodermale Epithel 
der einführenden, drehrunden Gänge gleicht (Taf. XI, Fig. 13 Ec) dem 
Plattenepithel der Haut vollkommen, es ist eben so wie dieses überaus 
flach. Darunter liegen die Faserzellen. Würden nun hier, eben so wie 
an der Unterseite der Haut, sich Wanderzellen dem Epithel anlegen und 
die Plattenzellen selbst die Fähigkeit erlangen, Fremdkörper aufzu- 
nehmen und auf die Wanderzellen zu übertragen, so hätten wir in den 
einführenden Kanälen und der dazu gehörigen unteren Wandung des 
Subdermalraumes eben so verdauende Flächen vor uns, wie in der 
oberen Wandung des Subdermalraumes. 

Es scheint mir nach den oben citirten Angaben nicht unwahr- 
scheinlich, dass bei anderen Schwämmen die Nahrungsaufnahme in: 
den einführenden Kanälen stattfindet, und dass diese Funktion sich bei 
Aplysilla violacea und den beiden anderen australischen Aplysinen zu- 
gleich mit der Ausbildung eines geräumigen Subdermalraumes auf eine 
Sielle — die Unterseite der Haut — lokalisirt hat. Es wäre sehr 
lohnend nachzusehen, ob auch bei anderen Spongien, welche einen 
geräumigen Subdermalraum besitzen, diese Lokalisirung eingetreten ist, 
doch eignen sich leider nicht alle Spongien zu Fütierungsversuchen. 
Ich glaube jedoch an einem Hircinia-ähnlichen Schwamme mit be- 
trächtlichem Subdermalraume, ebenfalls an der Unterseite der Haut die 


Über Coelenteraten der Südsee. II. 259 


verdauende Fläche gesehen zu haben, indem sich dort eine große Menge 
von Wanderzellen, in einer Schicht gelagert, vorfanden. 


Es liegt nahe, dort eine morpbhologische Differenz von Epithel- 
strecken zu erwarten, wo eine physiologische Differenz besteht; allein 
es verhält sich hier eben so wie bei anderen wenig differenzirten 
Thieren: Die morphologische Differenz ist so unbedeutend, wenn über- 
haupt vorhanden, dass wir sie nicht wahrnehmen können. Alle 
ektodermalen Epithelien unserer Aplysilla sind einander gleich. Es 
ist dies ein Beleg dafür, dass das Plasma zunächst sich in seiner che- 
mischen Eigenschaft ändert, differenzirt und dadurch eine Differenz in 
der Funktion verschiedener Gewebstheile eintritt; und dass die Form 
der Zelle erst sekundär, später beeinflusst wird und sich der neuen 
Funktion, oder der nun als Hauptfunktion auftretenden Wirkungsweise, 
durch Gestaltveränderung anpasst. Hierbei wird der nicht plasma- 
tische Theil der Zelle als Organ des Zellplasmas gedacht. Dort, wo die 
Geißelkammern an der Kanalwand anliegen, lassen die Plattenzellen 
kleine, unregelmäßige Lücken zwischen einander frei: unter diesen 
liegen die Einströmungsporen der Geißelkammern. Ich habe oben die 
Gestalt und die Lagerungsverhältnisse der Geißelkammern beschrieben. 
Die Kragenzellen gleichen den von ScuuLze mehrfach beschriebenen 
durchaus, und ich verzichte auf eine Wiederholung der Scuurze’'schen 
Angaben. Sie erreichen sammt Kragen eine Höhe von 0,004 mm und 
sind etwa halb so breit. Der Kragen der sechseckigen Säulen, welche 
sie bilden, macht bei Flächenansichten den Eindruck, als ob jede Zelle 
durch eine dicke Zwischensubstanzlage von der Nachbarzelle geschieden 
wäre. 

Die Bindegewebszellen in der Umgebung sind nicht zu Fasern ge- 
worden, sondern gleichen den übrigen sternförmigen Elementen voll- 
kommen (Taf. XI, Fig. 13). Sie entsenden einen oder mehrere Fort- 
sätze nach der Kragenzellenlage hin. Diese Fortsätze legen sich dicht 
an das Geißelkammerepithel an und umspinnen die Kammer mit einem 
engmaschigen Netze feinster Fibrillen. Diese Verhältnisse erinnern 
lebhaft an die Netze, welche die Ausläufer der sternförmigen Binde- 
gewebszellen im Genitalbande von CGyanea Annaskala und besonders 
von Crambessa mosaika ! in der Umgebung der Genitalprodukte bilden. 
Die Geißelkammern unseres Schwammes sind eben so wie die Wimper- 
körbe anderer zusammenziehbar. Ich habe oben auf die Veränderlich- 
keit in der Gestalt und Größe derselben hingewiesen. Diese Gestalt- 


ı R. v. LENDENFELD, Coelenteraten der Südsee, Cyanea Annaskala. Diese 
Zeitschr. Bd. XXXVIH. p. 534. 


260 R. v. Lendenfeld, 


veränderungen werden jedenfalls durch die Kontraktion der Fibrillen 
jenes Netzes bewirkt, welches die Geißelkammern umspinnt. 

Gegen die weite Mündung hin wird das entodermale Kragenzellen- 
epithel niedriger. Während die hohen Zellen stets mit violetten Pigment- 
körnchen angefüllt sind, und dies zuweilen so sehr, dass der kugelige 
Kern kaum sichtbar ist, erscheinen die Zellen am Mundrande körnchen- 
arm. In den äußersten randständigen Zellen fehlen die Pigmentkörn- 
chen stets. Diese äußersten Zellen entbehren auch des Kragens, der 
mit der Höhe der Zelle gleichmäßig an Größe abnimmt. Die Zellen des 
Geißelkammermundes bilden eben den Übergang von den Kragenzellen 
zu den Plattenzellen, welche das ausführende Kanalsystem bekleiden. 
Nach den Ausführungen ScauLze's! war ein solcher allmählicher 
Übergang von dem entodermalen Geißelkammerepithel in das entoder- 
male Epithel der wasserabführenden Kanäle von vorn herein anzu- 
nehmen. 

Die unregelmäßigen, nach abwärts ziehenden Abflusskanäle sind 
von einem Plattenepithel ausgekleidet, welches sich in so fern von den 
ektodermalen Schwammepithelien unterscheidet, als es aus höheren und 
nicht so breiten Elementen zusammengesetzt wird. Die Zellen platten 
sich gegenseitig ab, so dass sie in der Flächenansicht polygonal er- 
scheinen, die meisten sind sechseckig und gleich groß, so dass das 
Netzwerk der durch Silber kenntlich gemachten Zellgrenzen überaus 
regelmäßig erscheint. Die sechseckigen, oben und unten von ebenen 
Flächen begrenzten und demnach in der Mitte nicht dickeren Platten, 
erreichen einen Durchmesser von 0,004 und eine Dicke von 0,0041 mm. 
Jede trägt eine lange Geißel, die auch dann noch sich eine Zeit lang 
bewegt, wenn man den Schwamm zerquetscht hat. Die Zellen werden 
von Plasma ganz ausgefüllt und enthalten einen platten, Rotations- 
ellipsoid-ähnlichen Kern, dessen größter Durchmesser 0,001 mm be- 
trägt. Diese Kerne sind nach der Flächenausdehnung der Zellen 
orientirt. 

Alle ausführenden Kanäle der Geißelkammerzone sind mit solchem 
Epithel bekleidet, nur das Epithel des Oscularrohres ist hiervon ver- 
schieden und gleicht mehr dem plasmaarmen Ektodermepithel ; ich 
werde unten hierauf zurückkommen. 


Die basale Lakunenzone. 
Wie oben geschildert, gehen die nahezu vertikalen Ausführungs- 
gänge unten in ein Lakunensystem über, eben so, wie dies bei den 


i F. E. ScauLze, Über den Bau und die Entwicklung der Spongien. Die Plaki- 
niden. Diese Zeitschr. Bd. XXXIV. p. 438. 


Über Ooelenteraten der Südsee. II. 261 


Plakiniden ! der Fall ist. Wie dort ist dieser Theil des Schwammes der 
Träger der Genitalorgane, welche in kugeligen Anschwellungen der 
Bindegewebebrücken zwischen den geräumigen Lakunen liegen (Taf. XI, 
Fig. 14 S). Die histologischen Verhältnisse ‘stimmen mit denen der 
Geißelkammerzone in so fern überein, als das Bindegewebe die gleiche 
Beschaffenheit hat wie dort. Einführende Kanäle und Geißelkammern 
fehlen hier vollständig. Das entodermale Epithel der Lakunenwände 
ist nicht so plasmareich, wie das der Kanäle der Geißelkammerzone, 
und platter, so dass es eben so wie das Epithel des Oscularrohres mehr 
dem Epithel der einführenden Kanäle gleicht. Die Faserlage unter dem 
Epithel ist nicht sehr mächtig, übertrifft aber an Dicke die Faserlamel- 
len der Geißelkammerzone. Von der Unterlage wird der Schwamm 
durch eine kontinuirliche, aber an verschiedenen Stellen, verschieden 
dicke Hornplatte getrennt, welche, wie oben hervorgehoben, große 
Sandkörnchen umschließt. Ich werde diese Basalplatte im Zusammen- 
hange mit den Hornfasern besprechen. 

Das gerade, kreiscylinderförmige vertikale Oscularrohr hat in 
seinen Wandungen keine Öffnungen, so dass also in der Geißel- 
kammerzone keine Seitenäste in dasselbe münden. Am unteren Ende 
geht es plötzlich in das horizontal ausgebreitete Lakunensystem über 
(Taf. XI, Fig. 44). In dieser Beziehung weicht also Aplysilla violacea 
von anderen Hornschwämmen, und auch von den adriatischen Arten 
derselben Gattung ab. 


Die Genitalprodukte. 


Den wichtigsten Bestandtheil dieser Schwammpartie bilden die 
Genitalorgane. 

Aplysilla violacea ist hermaphroditisch, eben so wie dies ScHULzeE ? 
für SEeLEnKkA’s Spongelia cactos, meiner Dendrilla rosea, nachgewiesen 
hat. Jedoch wird einer Selbstbefruchtung dadurch vorgebeugt, dass in 
den Krusten die männlichen und weiblichen Genitalorgane nicht zu 
gleicher Zeit, sondern die ersteren um 14 Tage früher zur Reife ge- 
langen als die letzteren. Man findet neben reifen Spermaballen ge- 
wöhnlich junge Eier, neben reifen Eiern jedoch niemals Spermaballen. 
Die Geschlechtsreife tritt im australischen Herbst ein. Aplysilla viola- 
cea ist nicht sehr fruchtbar, und es ist meist nöthig mehrere Schnitte 
zu untersuchen ehe man Genitalprodukte findet. In Schnitten von 


i F,.E. Scaurze, Über den Bau und die Entwicklung der Spongien. Die Plaki- 
niden. Diese Zeitschr. Bd. XXXIV. p. 407 ff. 

2 F, E. ScuuLze, Über den Bau und die Entwicklung der Spongien. Die Familie 
der Aplysinidae. Diese Zeitschr. Bd. XXX. p. 418. 


262 R. v. Lendenfeld, 


durchschnittlich 0,3—0,6 mm Dicke findet man zuweilen zwei gleich- 
namige Genitalkugeln, welche dann 2—4 mm von einander entfernt 
sind. Es wäre somit für je neun Quadratmillimeter Schwammober- 
fläche etwa eine Genitalkugel anzunehmen. Was die Fruchtbarkeit an- 
belangt, besteht zwischen alten und jungen, hohen und niedrigen 
Krusten kaum ein merklicher Unterschied. 

Ich werde mit der Besprechung der weiblichen Genitalorgane be- 
ginnen. Während bei den meisten anderen Hornschwämmen, und 
auch bei Aplysilla sulfurea !, die Eier einzeln in einem follikelähnlichen 
Sack liegen, finden sich bei unserer Art die Eier in kugelförmige Haufen 
zusammengedrängt (Taf. XII, Fig. 17), welche von eben so gestalteten 
Kapseln umschlossen werden. Das Epithel des Eiersackes gleicht dem 
von Schulze (l. c.) beschriebenen Follikelepithel der adriatischen Art. 
Es besteht aus plattenförmigen Bindegewebszellen und ist somit eine 
mesodermale Bildung und als Endothel aufzufassen. Die Zellen, welche 
es zusammensetzen, platten sich gegenseitig polygonal ab. Es sind 
0,04 mm breite und in der Mitte 0,007 mm hohe Elemente. Gegen den 
Rand zu werden sie allmählich dünner. Sie sind ganz von Plasma, 
welches jedoch nicht so körnchenreich ist wie bei der adriatischen 
Art, erfüllt. Der flache ellipsoidische Kern hat einen größten Durch- 
messer von 0,0045 mm und liegt in der Mitte der Zelle, dort wo die- 
selbe am dicksten ist. Eben so, wie dies Schuze (l. c.) für Aplysilla 
sulfurea beschreibt, gehen auch bei der australischen Art die platten 
Zellen allmählich in die gewöhnlichen sternförmigen Bindegewebszellen 
über. Das Endothel besteht nicht aus einer einzigen Schicht von 
Plattenzellen, sondern es liegen mehrere Schichten hinter einander 
(Taf. XII, Fig. 48), und zwar so, dass unter den dünnen Rändern der 
einen Schicht die verdickten Gentraltheile der Zellen der nächsten 
Schicht zu liegen kommen. Die dem Eihaufen zunächst befindlichen 
Schichten liegen dicht an einander, nach außen zu schieben sich immer 
breitere Lagen gallertiger Grundsubstanz zwischen die Zellen ein, so 
dass also in der Lage der Zellen eben so ein allmählicher Übergang von 
der Kapsel zum gewöhnlichen Mesoderm stattfindet, wie wir ihn für 
die Form derselben kennen gelernt haben. 

Von der inneren, freien Fläche dieser Genitalkapsel nun gehen 
Endothelpartien ab, welche das Lumen der Kapsel in zahlreiche Fächer 
theilen. Die Zellen, welche diese Septen bilden, gleichen den Elemen- 
ten der äußeren Hülle. Es sind jedoch keineswegs ausschließlich 
Plattenzellen ; im Gegentheil ist die Form derselben sehr verschieden, 


ı F. E. Schulze, Über den Bau und die Entwicklung der Spongien. Die Familie 
der Aplysinidae. Diese Zeitschr. Bd. XXX. p. 443, 414. 


” 


Über Coelenteraten der Südsee. II. 963 


indem neben den platten, auch keilförmige, tetraedrische und unregel- 
mäßige Zellen in den Septen vorkommen (Taf. XII, Fig. 18). Diese 
Scheidewände lassen kugelförmige Hohlräume zwischen einander frei. 
Dort, wo die Wände am dünnsten sind, in der Verbindungslinie der 
Kugelmittelpunkte, werden sie einschichtig, sind aber überall sonst 
mehrschichtig. 

Der Durchmesser der Hohlräume schwankt je nach der Reife der 
Eier und ist stets an Präparaten bedeutend größer als der Durchmesser 
des Eies selbst. Ob und in wie weit diese Erscheinung auf eine durch 
Reagentienwirkung verursachte Schrumpfung des Eies zurückzuführen 
ist, lässt sich zwar nicht feststellen, allein es ist, wie aus dem Folgen- 
den hervorgeht, sicher, dass ein wenn auch viel kleinerer Raum zwi- 
schen Ei und Wand im Leben vorhanden ist. 

In den so gebildeten kugelförmigen Kapseln nun liegen die Eier. 
Sie sind Anfangs kugelig (Taf. XU, Fig. 18), platten sich jedoch später 
bei zunehmendem Wachsthum gegen einander ab. Sie sind durch eine 
Zelle (Taf. XII, Fig. 18 S) am Follikelepithel befestigt. Diese Stielzelle ist 
cylindrisch, 0,003 mm lang und halb so dick. In der Mitte erscheint 
sie eingeschnürt. Sie ist ganz von körnigem Plasma erfüllt und enthält 
am wandständigen Ende einen kugeligen Kern. Dieser Stiel beweist 
die Existenz eines Hohlraumes in der Umgebung des Eies. 

Die kugelige Eizelle selbst ist deutlich doppelt konturirt und 
besitzt somit eine Haut. Radialporen konnte ich in derselben nicht 
nachweisen. Das Plasma ist in jungen Eiern, wie sie die Figur dar- 
stellt, feinkörnig, der Kern eiförmig mit einem größten Durchmesser 
von 0,003 mm. Der Kern enthält zwei bis drei stark lichtbrechende 
Nucleoli und ist excentrisch stets in jenem Theile des Eies gelagert, 
welcher der Stielzelle zunächst liegt. Es erscheint somit gerechtfertigt, 
die Stielzelle den Palissadenzellen an den Eiern der Medusen zu ver- 
gleichen. In wie weit jedoch alle diese Zellen durch Übertragung von 
Nahrung beim Wachsthum des Eies wesentlich sind, lässt sich in bei- 
den Fällen nur hypothetisch dahin beantworten, dass die Stiel- und 
Palissadenzellen einen großen Einfluss auf die Eizellen ausüben, weil 
stets die Lage des Nucleus durch die Lage dieser Zellen determinirt er- 
scheint. 

Wie Scaurze! für die Eier von Aplysilla sulfurea annimmt, ent- 
stehen auch die Eier der australischen Art aus amöboiden Wander- 
zellen, also aus dem Mesoderm. 

Man findet bei der Durchmusterung von Schnitten öfters mehrere 

t F. E. Schulze, Über den Bau und die Entwicklung der Spongien. Die Familie 


der Aplisinidae. Diese Zeitschr. Bd. XXX. p. 444. 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXX VII. Bd. 18 


264 R. v. Lendenfeld, 


solcher Wanderzellen, die sich durch ihre Armuth an Pigmentkörnchen 
auszeichnen, an einer verdickten Stelle einer Gewebebrücke zwischen 
den basalen Lakunen angehäuft. Ob diese Zellen von einer herrühren, 
die sich an Ort und Stelle erst theilt, oder ob sie von mehreren ab- 
stammen, lässt sich nicht mit Sicherheit feststellen. Jedenfalls ver- 
mehrt sich die Zahl der sich vergrößernden Eizellen. Anfangs sind die 
. jungen Eizellen klein und rundlich und enthalten spärliche violette 
Pigmentkörnchen, sie gleichen in der Größe den amöboiden Zellen 
vollkommen. Bald nehmen sie die ausgezeichnete Kugelgestalt an, 
welche ich in Figur 18 dargestellt habe, und erhalten eine Eihaut. Um 
diese Zeit findet sich die größte Zahl von Eiern in dem Eierhaufen, 
dessen Kapsel schon jetzt ausgewachsen ist und 0,5 mm im Durch- 
messer hält. Da nun alle Eier auf der gleichen Entwicklungsstufe 
stehen, so lässt sich mit Bestimmtheit annehmen, dass in den späteren 
Stadien der Entwicklung keine neuen amöboiden Zellen zu dem Eier- 
haufen hinzutreten, dass also die Zahl der jungen Eier sich durch Thei- 
lung einer einzigen, oder der wenigen, ursprünglich zur Bildung des 
Eihaufens zusammengetretenen Wanderzellen vermehrt. 

Während dieser Vorgänge gestalten sich die sternförmigen Binde- 
gewebszellen in der Umgebung des Eierhaufens zu Plattenzellen um. 
Zu gleicher Zeit vermehren sie sich auch so lebhaft, dass sie die Grund- 
substanz ganz verdrängen, sie wuchern zwischen die jungen Eizellen 
hinein und bilden die Septen. 

Da sich nun die Eier fortwährend vergrößern, die Kapsel aber un- 
verändert bleibt, so muss die Zahl der Eier abnehmen, was denn auch 
geschieht. Es ist dies sehr auffallend, indem zu der Zeit, wann die 
Kapsel bereits ihre volle Größe erreicht hat, etwa vierzig, und zuletzt, 
ehe die Embryonen die Kapsel verlassen, nur vier in einer Kapsel ent- 
halten sind. Die Figur 47 (Taf. XI) stellt ein Stadium mit 15 Eiern 
dar. Leider beginnen sich bald nach der Ausbildung der Kapsel so 
viele Pigmentkörnchen in der Hülse und in den Eiern abzulagern, dass 
die Details der weiteren Vorgänge nicht verfolgt werden können. Jeden- 
falls haben wir es mit einem Fall zu thun, wo bereits weit entwickelte 
Eikeime rückgebildet, und als Nährmaterial für die sich ‘weiter ent- 
wickelnden Eier aufgebraucht werden. Dieser Vorgang, wenn ein 
ontogenetisches Bild der Stammesgeschichte, würde auf eine Reduktion 
der Zahl der Embryonen unserer Aplysilla während ihrer phylogene- 
tischen Entwicklung hindeuten. Ich möchte diese Entwicklungsart der 
Eier eher mit der bei Angiospermen vorkommenden Polyembryonie als 
mit den von WeEısmann für Daphniden oder den von Spenger für Bonellia 
nachgewiesenen Verhältnissen vergleichen. Die große Undurchsichtig- 


Über Coelenteraten der Südsee. II, 2365 


keit der reifenden Eier macht es leider unmöglich in die Detailvorgänge 
einen tieferen Einblick zu erlangen. 

Die Befruchtung findet innerhalb der Genitalkapsel statt, wo auch 
die ersten Furchungsstadien durchlaufen werden. Der bewimperte 
Embryo scheint sich noch längere Zeit nach dem Ausschlüpfen in den 
basalen Lakunen aufzuhalten. Ich fand öfters in dicken Schnitten 
mehrere Embryonen an die Lakunenwände gepresst in großer Entfer- 
nung von den Genitalkapseln. 

Da auch die Embryonen ganz schwarz und undurchsichtig waren, 
konnte ich keinen Einblick in die feineren Bauverhältnisse derselben 
erlangen. 

Die männlichen Genitalprodukte (Taf. XI, Fig. 14 S) gleichen den 
weiblichen durchaus, wenn wir statt der Eier uns Spermaballen vor- 
stellen. Diese Ballen sind kugelförmig und zeigen dieselbe strahlige 
Anordnung der Spermatozoidenschwänze, welche ScauLze! für die adria- 
tische Aplysilla beschreibt. Diese radiale Anordnung wird eben so wie 
ich dies für die Spermaballen der Cyanea Annaskala nachgewiesen 
habe?, durch ein Auseinanderweichen der Abkömmlinge der Sperma- 
ballenmutterzelle und durch die Bildung einer blastulaartigen Zellen- 
lage, von deren Innenrande dann die Schwänze gegen den Mittelpunkt 
der Blase ragen, bedingt. Was die Form der Spermafäden anlangt, 
verweise ich auf die Angaben Scuuze’s (l. c.) über Aplysilla sulfurea, 
die auch für die australische Art zutreffen. Eine deutliche radiale 
Streifung, welche kurz vor der Ausbildung der Spermatozoiden auf- 
tritt, erkennt man erst, nachdem die Zahl der Follikel auf acht ge- 
sunken ist. Diese acht Follikel bleiben nun bis zur völligen Reife der 
Samenfäden, und es unterscheiden sich demnach die reifen männlichen 
und weiblichen, übrigens gleich großen Genitalkapseln dadurch, dass 
die ersteren vier Kugeln — Eier, die letzteren acht Kugeln — Sperma- 
ballen enthalten. Selbstverständlich ändert diese Differenz nichts an 
der Äquivalenz eines Spermaballens mit einem Ei. 


Die Hornfasern. 


Die Hornfasern von Aplysilla violacea, welche äußerlich ziemlich 
nahe mit denen der adriatischen Arten übereinstimmen, zeigen doch 
einige bemerkenswerthe Eigenthümlichkeiten. Sie sind echte Aply- 
sinidenfasern und somit aus einer verhältnismäßig dünnen hornigen 


! F. E. Schutze, Über den Bau und die Entwicklung der Spongien. Die Familie 
der Aplysinidae. Diese Zeitschr. Bd. XXX. p. 412, 443, 

? R. v. LENDENFELD, Über Coelenteraten der Südsee. Cyanea Annaskala. Diese 
Zeitschr. Bd. XXXVI. p. 535. 


18* 


266 iR. v. Lendenfeld, 


Rinde und einem dicken Marke zusammengesetzt, enthalten aber nie 
Fremdkörper. Die Rinde besteht aus Spongiolin, ist hyalin und durch- 
sichtig, ziemlich fest und in warmer Kalilauge ziemlich leicht löslich. 
Sie ist geschichtet und besteht somit aus in einander geschachtelten 
verschieden stark lichtbrechenden Lagen. Das Mark ist eine feinkörnige 
bröckelige Masse und lässt keine Spur von cylindrischer Schichtung er- 
kennen. Wie oben erwähnt, entspringen die Hornfasern aus einer 
kontinuirlichen Hornplatte, welche überall den Schwamm von seiner 
Unterlage trennt. Diese Horpplatte ist in so fern wichtig, als sie für 
das Verständnis der Verwandtschaftsbeziehungen der Gattungen Den- 
drilla und Aplysilla, wie wir unten sehen werden, wichtig erscheint. 
Für Aplysilla sulfurea hat ScuuLze keine solche Basalplatte beschrieben. 
Die Basalplatte ist überaus dünn. Man findet in der Nähe der Krusten- 
ränder eine Spongoblastenschicht auf derselben, in den mittleren Par- 
tien der Krusten jedoch sind Spongoblasten nicht nachweisbar. An 
jenen Stellen, wo die oben beschriebenen großen Sandkörner der 
Basalplatte eingelagert sind, so wie überall da, wo die Spongiolinplatte 
kleine Vertiefungen der Unterlage ausfüllt und somit dicker ist, zeigt 
sie die gleiche Schichtung wie die Hornfaserrinde. 

Markähnliche Theile finden sich nicht in der Basalplatte. Die 
Spongoblasten der Randtheile gleichen denen der Hornfasern vollkom- 
men. Zwischen der Hornplatte mit ihren Spongoblasten und dem übri- 
gen Schwammkörper ist eine dünne Schicht von Faserzellen, die sich 
unregelmäßig kreuzen, nachweisbar. Obwohl sich diese Faserplatie 
stellenweise sehr scharf von dem anstoßenden Bindegewebe mit stern- 
förmigen Zellen abgrenzt, lässt sich doch auch, besonders an den 
Krustenrändern, zuweilen ein ähnlicher allmählicher Übergang von der 
einen zu der anderen Form der Bindegewebszellen nachweisen, wie ich 
ihn für die faserigen Kanalwände oben beschrieben habe. 

Die Hornfasern selbst (Taf. X, Fig. 7, Taf. XI, Fig. 10 u. 41) zeich- 
nen sich in ihrem feineren Bau zunächst dadurch aus, dass Rinde und 
Mark nicht allmählich in einander übergehen, sondern von einander 
sehr scharf getrennt erscheinen. Die einzelnen Lagen der Rinden- 
schicht gehen nicht kontinuirlich in die,Lagen der Basalplatte über, 
sondern übergreifen letztere und keilen sich am Rande der trompeten- 
föormig verbreiteten Basalpartie der Faser aus. Sie sind somit später 
gebildet worden als die Basalplatte. 

Scaurze’s Abhildung ! einer Faser von Aplysilla violacea zeigt, dass 
hier die Rindenlagen an den Verzweigungsstellen nicht unterbrochen 


ı F, E. ScHULzE, Über den Bau und die Entwicklung der Spongien. Die Familie 
der Aplysinidae. Diese Zeitschr. Bd. XXX. Taf. XXIH, Fig. 19. 


Über Coelenteraten der Südsee. II. 267 


sind. Es ist also der Markraum des jüngeren Zweiges von dem Mark- 
raume der Stammfaser getrennt und die Art dieser Trennung macht 
eben eine Unterscheidung der älteren Stämme von den jüngeren 
Zweigen möglich. Bei der australischen Art nun ist dies nicht der Fall, 
und die Markräume aller Äste kommuniciren mit dem Marke der basa- 
len, dieken als Hauptstamm anzusehenden Faserpartie. Es schließt 
sich somit Aplysilla violacea in dieser Beziehung an Aplysina! an, deren 
Markräume ebenfalls unter einander zusammenhängen. 

Während bei der adriatischen Art die kuppelförmigen Marklagen 
überaus regelmäßig, in gleichen Abständen angeordnet, und unter ein- 
ander daher gleich groß sind (vgl. Scaurze’s Abbildung, 1. c.), erschei- 
nen die einzelnen Markpartien der australischen Art unter einander 
sehr verschieden lang und wir vermissen in ihrer Anordnung jegliche 
Regelmäßigkeit. 

Ein weiterer Unterschied ergiebt sich daraus, dass bei unserem 
Schwamm die Markkuppeln eine Strecke weit in einer geraden Linie 
liegen, und dass an Biegungsstellen der Hornfasern die obere Partie 
seitlich der Endkuppel der unteren Partie aufsitzt (Taf. XI, Fig. 41), 
während bei Aplysilla sulfurea die Kuppeln durch allmähliches Ab- 
weichen von der Richtung an der Basis der Hornfasergestalt sich an- 
passen. In Folge hiervon erscheint das Mark der adriatischen Art ge- 
bogen, das der Aplysilla violacea hingegen gebrochen. 

In dem centrifugalen Ende der geraden Gruppen von Markkuppeln 
finden sich Zellen, welche, besonders in den älteren Partien, deutliche 
Zellgrenzen aufweisen. Da nun die jüngeren Hornfasertheile viel un- 
regelmäßiger gebaut sind als die älteren, und im Gegensatze zu diesen 
vielfach gekrümmt erscheinen, ist auch das Mark in den Endtheilen viel 
mehr gebrochen und es finden sich hier auch zahlreichere und näher 
an einander gerückte kuppelförmige Zellgruppen, die aber kleiner sind 
als die centripetalen und deren Elemente keine deutlichen Zellgrenzen 
erkennen lassen. Die Endtheile der Hornfasern sind weit schmächtiger 
als die basalen Partien und es ist auch das Mark hier viel dünner als 
an der Basis. Ich verweise auf die sorgfältigen Messungen SchuLze's? 
an Aplysina, welche auch die bei unserer australischen Aplysilla be- 
stehenden Verhältnisse illustriren. Selbstverständlich sind bei unserer 
Art die Zahlen andere, allein die Verhältnisse ähnlich (Taf. XI, Fig. 14). 
Scautze (l. c.) schließt nun daraus, dass das Mark sich bei zunehmen- 


ı F. E. Scautze, Über den Bau und die Entwicklung der Spongien. Die Familie 
der Aplysinidae. Diese Zeitschr. Bd. XXX. Taf. XXI, Fig. 12. 

2 F. E. Schutze, Über den Bau und die Entwicklung der Spongien. Die Familie 
der Aplysinidae. Diese Zeitschr. Bd. XXX. p. 399 ff. 


268 R. v. Lendenfeld, 


dem Alter der Hornfasern vergrößert, auf ein Wachsthum der Fasern 
durch Intussusception, neben dem von ihm! nachgewiesenen Wachs- 
thum durch Apposition. Ich habe mich hierüber an anderem Orte ? aus- 
gesprochen und werde unten ausführlich hierauf zurückkommen. 

Unten endet das Mark abgerundet (Taf. XI, Fig. 11), zuweilen auch 
etwas kolbig verdickt; man kann an dieser Stelle deutlich erkennen, 
dass die Markoberfläche die Begrenzungsflächen der Spongiolinlagen 
der Basalplatte schneidet, und die Markhöhle somit später gebildet 
worden sein muss als die Hornsubstanz an derselben Stelle. 

Die Hornfasern sind in ihrer ganzen Länge, nicht allein in der Nähe 
der Enden, mit einem Mantel von Zellen bekleidet, welche den oben 
als Drüsenzellen der Haut beschriebenen Elementen gleichen. Es sind 
Spongoblasten. Durch ihre secernirende Thätigkeit werden die Spon- 
giolinlagen als cuticulare Ausscheidungen eben so gebildet, wie von 
den Hautdrüsenzellen die hornige Guticula. Scuurze ? hebt hervor, dass 
an der Spitze der Hornfasern, wo jedenfalls die lebhafteste Sekretion 
stattfindet, die der Hornfaser zunächst liegenden Zellen nicht, einem 
Cylinderepithel vergleichbar, die Faseroberfläche überziehen, sondern 
einen mehrschichtigen, aus polyedrischen Elementen zusammengesetz- 
ten Haufen bilden. 

Solche Zellhaufen finden sich sowohl in den CGonuli, wie auch an 
den Vegetationsspitzen jener Faserzweige, welche mit ihren Enden die 
Schwammoberfläche nicht erreichen. Betrachten wir zunächst solch einen 
Zeilhaufen in einem Conulus. Ein Längsschnitt durch die Spitze des- 
seiben liefert ein übersichtliches Bild des Verhältnisses, in welchem 
der die Hornfaserspitze überwölbende Zellhaufen zu seiner Umgebung 
steht. Er ist in der Mitte am dieksten und verdünnt sich gegen die 
Ränder hin derart, dass er im Längsschnitt der Mondsichel gleicht. Am 
unteren Kuppelrande nehmen seine Elemente die Form der gewöhn- 
lichen Spongoblasten an und ordnen sich in eine Schicht, die kontinuir- 
lich in den Spongoblastenmantel übergeht. Auf dieselbe Weise gehen 
die Zellen der Endkuppel aber auch in die Drüsenzellenschicht 
über, welche sich unter dem ektodermalen Plattenepithel der äußeren 
Hautfläche ausbreitet. Besonders ist es diese Thatsache, welche die 
oben angegebene Vermuthung stützt, dass die Hautdrüsenzellen den 


ı F. E. Scaurze, Über den Bau und die Entwicklung der Spongien. Die Familie 
der Spongidae. Diese Zeitschr. Bd. XXXII. p. 635. 

2 R. v. LENDENFELD, Das Hornfaserwachsthum der Aplysinidae. Zoologischer 
Anzeiger Nr. 126. 

3 F. E. SchuLze, Über den Bau und die Entwicklung der Spongien. Die Familie 
der Spongidae. Diese Zeitschr. Bd. XXX. p. 638, 


Über Coelenteraten der Südsee. II. 369 


Spongoblasten homolog seien, und dass der von ihnen abgeschiedene 
Schleim noch weiches Spongiolin ist, welcher mit der Zeit zu echtem 
Spongiolin erstarrt. Köruıker ! hat angegeben, dass die Hornsubstanz 
der Fasern direkt in jene hornartige Guticula übergeht, welche er von der 
Oberfläche der Hornschwämme beschreibt. Ich habe Ähnliches an Aply- 
sillen beobachtet und kann nun die obige, vollkommen richtige Angabe 
Körriker’s erklären. Es wurde oben erwähnt, dass die Drüsenzellen 
der Haut verschwinden, nachdem sie eine Weile Schleim secernirt 
haben. Das Gleiche geschieht auch mit den polyedrischen Spongoblasten 
an der Vegetationsspitze der Hornfaser im Gonulus. Das Plattenepithel 
wird abgestoßen, und der darunter gebildete Schleim geräth, sobald 
die polyedrischen Spongoblasten verschwunden sind, mit der ebenfalls 
noch weichen Spitze der Hornfaser in Kontakt. Die gleichartigen Sub- 
stanzen kleben nun zusammen und es geht, wenn die abgeschiedene 
Schleimschicht erstarrt ist, die Hornfaser kontinuirlich in jene Cuticula 
über, welche sich jetzt über die neu gebildeten Epithel- und Drüsen- 
zellen ausbreitet. Es ist wahrscheinlich, dass KöLLıker Schwämme 
untersuchte, welche etwas gelitten hatten und solche dürften eben so 
wie Aplysilla violacea-Exemplare, welche schädlichen Einflüssen aus- 
gesetzt waren, einige Zeit hindurch eine hornige Guticula besitzen, 
welche mit den Hornfaserspitzen im Zusammenhange steht. 

Die Hornfaser sammt ihrem Spongoblastenmantel ist von einer 
Faserhülle umgeben, welche sich oft recht scharf von dem umgebenden 
gallertigen Bindegewebe absetzt. Die Elemente dieser Hülle, die nur 
die Hornfaserspitzen, welche Conuli bilden, frei lassen, gleichen den 
Faserzellen der Haut und der Kanäle. Hier und da gehen von dieser 
Hülle mehr oder weniger starke Stränge von Faserzellen ab, die glatten 
Muskeln täuschend ähnlich sehen. Ob diesen eine festigende oder mo- 
torische Funktion zukommt, lässt sich nicht feststellen. Die Zellen die- 
ser Stränge gehen auf die Weise in die Zellen der Hülle über, dass die 
den Übergang bildenden Elemente gekrümmt sind, während alle an- 
deren gerade gestreckt erscheinen. Diejenigen Hornfaserenden, welche 
nicht Conuli bilden und im Schwamminneren liegen, werden von dem 
Bindegewebemantel eben so bedeckt, wie bei Dendrilla rosea, wo ich 
diese Verhältnisse beschreiben werde, da bei Aplysilla violacea fast alle 
Fasern die Oberfläche erreichen und daher diese Bildungen nur selten 
aufgefunden werden können. 


1 KÖLLIKER, Icones histologicae. Bd. I. p. 51 ff. 


270 R. v. Lendenfeld, 


Dendrilla nov. gen. 


Ich stelle die Gattung Dendrilla für zwei Aplysilla-ähnliche Spon- 
gien mit baumförmigem Hornfasergerüst, wie dies der Name ausdrücken 
soll, auf. Es ist aus den Eingangs erwähnten Gründen schwer, die Be- 
ziehungen von Dendrilla zu den anderen Aplysinidengattungen festzu- 
stellen. Besonders sind es die drei Gattungen Dendrospongia Hyatt, 
Darwinella Fr. Müller und Janthella Gray, welche hier in Betracht kom- 
men. Während sich die Fr. MürLer'sche Gattung durch den Besitz von 
freien Hornbildungen ! auszeichnet und hierdurch jedenfalls generisch 
von unseren Dendrilla-Arten unterscheidet, könnte sich eine größere 
Übereinstimmung zwischen unseren Schwämmen mit Dendrospongia und 
mit der Grav’schen Gattung Janthella ergeben. Für beide wird eine un- 
regelmäßige Anordnung der Hornfasern und eine besondere Dicke der 
Spongiolinschicht derselben betont?. Die feste Hornrinde der Fasern 
unserer Dendrillen ist jedoch nicht dicker als bei Aplysilla oder Aply- 
sina, und die Hornfasern bilden jedenfalls nicht » iregular anastomosis «, 
wie dies Hyarr (l. c.) als eine Haupteigenschaft der Hornfasern von Den- 
drospongia beschreibt, sondern gar keine Anastomosen. Nur an wenigen 
Stellen verkleben zuweilen zwei Äste des Hornbaumes, welcher das ganze 
Skelett bildet, wenn sie bei ihrem Wachsthum sich zufällig an irgend 
einer Stelle berührten. Eben so wenig lässt sich an den Skeletten unse- 
rer Schwämme die für Janthella charakteristische Form ® nachweisen. 
Obwohl die Fasern nicht besonders dick sind, wie dies für Hyarr's (l. c.) 
Janthellidae bezeichnend ist, halte ich es doch nicht für unwahrschein- 
lich, dass Janthella mit Dendrilla ziemlich nahe verwandt ist. Auf die 
» Eigenthümlichkeit« der Dendrospongien, runde Hornfasern im Gegen- 
satze zu den platten Fasern von Aplysina zu besitzen, welche Hyarr 
(1. c.) betont, brauche ich nach der Scaurze’schen * Kritik nicht näher 
einzugehen. 

Die wesentlichsten Eigenthümlichkeiten der Dendrillen sind folgende: 

1) Das mesodermale Bindegewebe enthält keine Körnchen und ist 
hyalin wie bei Aplysilla. 

2) Die Geißelkammern sind groß, sackförmig und radial ange- 
ordnet. 


1 Fr. MÜLLer, Archiv für mikroskopische Anatomie. Bd. I. p. 344 ff. 

2 ALPHEUS HyATT, Revision of North American Poriferae etc. Memoirs of the 
Boston society of natural history. Bd. II. 4. Theil. Nr. 2. p. 399. 

3 Gray, Proceedings of Zoological society of London. 1869. p. 49. 

4 F. E. Schutze, Über den Bau und die Entwicklung der Spongien. Die Familie 
der Aplysinidae. Diese Zeitschr. Bd. XXX. p. 399. 


Über Goelenteraten der Südsee. II. 2741 


- 3) Die Genitalprodukte liegen in unregelmäßig gestalteten Gruppen, 
die Dendrilla-Arten sind Zwitter. 

k) Es sind große Subdermalräume nicht allein unter der äußeren 
Haut, sondern zuweilen auch unter den Wandungen des Oscularrohres 
entwickelt. 

5) Die Dendrilla-Arten sind nicht krustenförmig sondern klumpig 
und sitzen mittels eines verhältnismäßig dünnen Stieles der Unter- 
lage auf. 

6) Die Hornfasern sind markhaltige Spongiolinröhren von kreisrun- 
dem oder sternförmigem Querschnitt und bilden zusammen ein baum- 
förmiges Gerüst, dessen Stamm eine Dicke von 5 mm erreichen kann 
und mittels einer großen Hornplatte an der Unterlage befestigt ist. 


Dendrilla rosea nov. spec. 


In Port Philip, so wie im Hafen von Glenely bei Adelaide, finden 
sich in Tiefen von 5—A0 Meter und darüber, auf steinigem Grunde, 
klumpige rosenrothe Schwämme, welche die Größe einer Kokosnuss er- 
reichen. Gewöhnlich sind diese Spongien faustgroß. Kleinere Exem- 
plare erlangt man selten, wahrscheinlich weil das Dredgenetz darüber 
hinwegstreicht und weil sie auch bei Stürmen seltener von der Unter- 
lage losgebrochen werden dürften. 

Die Farbe unseres Schwammes (Taf. X, Fig. 4) kann am besten 
als matt rosenroth bezeichnet werden, sie ist an allen Theilen der 
Schwammoberfläche gleich, und sehr konstant. Die Conuli erscheinen 
bei durchfallendem Licht orangeroth. Das Innere des Schwammes hat 
eine ähnliche nur etwas mattere Farbe als die Oberfläche. 

Der unregelmäßig klumpige Schwamm sitzt auf einem Stiele, der 
jedoch erst bei großen Exemplaren als solcher erkennbar wird, bei 
kleineren hingegen nur als eine schwache Einschnürung des Schwamm- 
körpers über der Anheftungsstelle erscheint. Diese eingeschnürte basale 
Schwammpartie bleibt gleich groß, während der distale Theil des 
Schwammes an Größe zunimmt, und so kommt es, dass große Schwämme 
mehr gestielten, kleine hingegen ungestielten mit breiter Basis auf- 
sitzenden Klumpen gleichen. Der Stiel hat einen Durchmesser von 
15 mm. 

Die Oberfläche gleicht der von Aplysilla, nur sind hier die Conuli 
höher und weiter von einander entfernt, auch sind sie nicht, wie dort, 
regelmäßig vertheilt. Sie schließen in Folge dessen auch nicht regel- 
mäßig dreieckige Felder zwischen sich ein. 

Die einander zunächst stehenden Conuli werden durch erhöhte 
Kanten verbunden, welche dann die Seiten der Felder bilden. Die 


272 R. v. Lendenfeld, 


Conuli erreichen eine durchschnittliche Höhe von 5 mm über die Felder 
und sind 40 mm von einander entfernt. 

Mit der Lupe erkennt man in den konkaven Feldern zahlreiche 
dunkle Flecken, die eben so wie bei Aplysilla violacea den Hautporen 
entsprechen (Taf. XII, Fig. 16). Diese Poren sind rund und haben nie 
die nahezu polygonale Gestalt der Poren von Aplysilla.. Es sind die 
Hautbrücken zwischen den Löchern eben so breit, wie die Löcher selbst. 
Der Durchmesser der letzteren schwankt viel mehr als bei Aplysilla vio- 
lacea. Er beträgt, wenn die Poren weit geöffnet sind, 0,06 mm, kann 
sich aber bis auf die Hälfte verkleinern. Mit der Verkleinerung der 
Poren geht meist eine Ausflachung der konkaven Felder Hand in Hand. 
Ich stehe nicht an, dieselbe als Folge der Kontraktion von Faserzellen- 
bündeln anzusehen, die von den Conulis ausgehen und sich in der 
Haut ausbreiten. 

Wie bei Aplysilla finden wir auf den Conuli und an den Firsten 
zwischen diesen keine Poren. Gewöhnlich kommen mehrere kleine und 
ein großes Osculum an den Schwämmen vor. Besonders sind kleine 
Schwämme reich an Osculis, während gerade die größten stets nur ein 
Osculum, am distalen Ende, besitzen. Die Oscularränder ragen nicht 
über die übrige Oberfläche des Schwammes vor. Der Durchmesser des 
Osculums eines 480 mm hohen Schwammes, des größten, den ich er- 
hielt, betrug 16 mm. Kleinere Schwämme, von Faustgröße, haben ein 
Osculum von 8&—40 mm Durchmesser. Kleine Exemplare, wie das ab- 
gebildete, besitzen an den Seiten —5 mm weite Oscula in beträcht- 
licher Anzahl und ein kaum größeres an dem distalen Ende. 

Das Hornfasergerüst junger Exemplare lässt sich auf das Skelett 
von Aplysilla zurückführen, und ich werde desshalb mit der Beschrei- 
bung eines solchen beginnen. Während frische lebendige Dendrilla 
rosea-Exemplare nicht leicht zu bekommen sind, findet man stets in 
angeschwemmten Tangen, nach Stürmen, zahlreiche, mehr oder weni- 
ger macerirte Stücke, so dass man Skelette in beliebiger Anzahl zur 
Verfügung hat. Jedoch findet man auf diese Weise nie die kleinen 
Exemplare. Das kleinste, welches ich unter Tausenden fand, gehörte 
einem Schwamm von Hühnereigröße an. Von einer 41/, gem großen 
Hornplattie, welche den genauen Abdruck eines Lepraliaskelettes auf der 
Unterseite zeigt, erheben sich zahlreiche (etwa 20), knorrige Hornfasern, 
die sich fortwährend unregelmäßig verästeln. Die letzten Endzweige 
sind vielmal dünner als die Stämme. Anastomosen kommen nicht 
vor, nur hier und da verkleben einzelne Zweige ; diese gehen an einan- 
der vorbei ‚und scheinen in ihrem distalen Theile durch die Verschmel- 
zung eben so wenig beeinflusst, wie zwei Tannenbäume, deren Stämme 


Über Goelenteraten der Südsee. II. 373 


mit einander verwachsen sind. Diese Verklebungen sind mit den ähn- 
lichen Verhältnissen bei Darwinella aurea! zu vergleichen. Wo zwei 
Hornfasern während ihres Wachsthums an einander stoßen, da müssen 
sie in Folge der forigesetzten Sekretion ihrer Spongoblasten durch Horn- 
substanz an einander gekittet werden und es sind diese so gebildeten 
zufälligen Anastomosen wohl zu unterscheiden von echten Anastomosen, 
wie sie bei Aplysina vorkommen. Das trockene Skelett hat die Farbe 
»goldenen« Haares und erscheint glänzend. 

Dieses Skelett können wir uns leicht, als aus der Aplysillaform 
entstanden, vorstellen. Wenn wir annehmen, dass die Hornfasern 
einer kleinen Aplysillakruste bedeutend in die Länge wachsen, sich zu- 
gleich fortwährend verästeln, und dass zugleich die basale Hornplatte 
sich verstärkt, so haben wir jene Jugendform von Dendrilla rosea vor 
uns, welche ich beschrieben habe. 

SeLENKA? hat einen Schwamm aus der Bassstraße als Spongelia 
cactos beschrieben. Die Species wurde auf ein Taubenei- großes 
Schwammexemplar gegründet, welches später Scuuzze3 auf den feine- 
ren Bau untersucht und zu seiner Gattung Aplysilla gestellt hat. Ob- 
wohl nun dieses einzige bisher bekannte Exemplar geschlechtsreif war, 
so stehe ich doch nicht an, dasselbe als eine Jugendform von Dendrilla 
rosea in Anspruch zu nehmen, da auch ich oft in sehr jungen Aplysilli- 
nen reife Genitalproduktie gefunden habe. Würde dieses Exemplar die 
ausgewachsene Form darstellen, so wäre es wohl der Gattung Aplysilla 
zuzurechnen, so aber ist die Ähnlichkeit im Baue des jungen und kleinen 
Schwammes mit Aplysilla wohl ein Beweis für die Verwandtschaft von 
Aplysilla und Dendrilla, jedoch nicht ein Beweis ihrer Identität. Den 
weiteren Ausbau des baumförmigen Hornfasergerüstes konnte ich an 
einer großen Anzahl von Skeletten verfolgen, und die histologische 
Untersuchung lebender Schwämme bestätigte die an den Skeletten ge- 
wonnenen Anschauungen. 

Während die Hornfasern immer in die Länge wachsen, und sich an 
ihren distalen Enden oder in der Nähe derselben fortwährend verästeln, 
verdicken sich die basalen Stämme derart, dass einzelne sich bald mit 
ihren Oberflächen berühren. Diese verschmelzen nun und bilden den 
Kern neuer Hornlagen — sie sind zu einem Stamme geworden. Dieser 
Vorgang wiederholt sich so lange, bis die Zahl der Stämme auf I bis 3 


1 Fr. MÜLLER, Archiv für mikroskopische Anatomie. Bd. I. p. 344 ff. 

2 E. SELENKA, Über neue Schwämme aus der Südsee. Diese Zeitschr. Bd. XVII. 
p. 566. 

3 F. E. ScuuLze, Über den Bau und die Entwicklung der Spongien. Die Familie 
der Aplysinidae. Diese Zeitschr. Bd. XXX. p. 447—418. 


274 R. v. Lendenfeld, 


gesunken ist. Das größte Exemplar, welches ich sah, hatte nur einen 
Stamm und es ist wahrscheinlich, dass dies das normale Verhältnis ganz 
ausgewachsener Schwämme ist. Die faustgroßen Exemplare haben zum 
größeren Theil zwei Stämme (Taf. X, Fig. 3). Auf jene Weise entsteht 
aus der Anfangs strauchförmigen, die baumförmige Gestalt des Horn- 
fasergerüstes. Die Fasern sind von einer Verzweigungsstelle zur ande- 
ren meistens annähernd gerade, ändern aber an diesen oft ihre Rich- 
tung und es lässt sich an ihnen wegen der meist ähnlichen Stärke der 
Zweige, die von einem Punkte ausgehen, nicht oft ein Hauptast von den 
Nebenzweigen unterscheiden, wie ich dies als ausschließlich vorkom- 
mend für die Fasern der Aplysilla beschrieben habe. 

Obwohl der größere Theil der freien Enden an der Oberfläche in 
Conulis liegt, finden sich doch einzelne freie Enden im Inneren des 
Schwammes. Freilich liegen diese letzteren stets in der Nähe der Ober- 
fläche, da an den basalen Theilen der Hornfasern keine Zweige mehr 
angelegt werden. Die Dicke der Fasern nimmt von unten nach oben sehr 
rasch ab, es lässt sich die Stärke nur entsprechender Partien verschie- 
dener Schwammskelette vergleichen. Hierbei findet man, dass einige 
Schwämme in derselben Entfernung von der Oberfläche viel dickere 
Hornfasern haben, als andere von gleicher Größe. Während bei den 
einen das Gerüst sehr hart und sperrig erscheint, und die Fasern 
brechen, wenn man versucht sie in eine Ebene zusammenzudrücken, 
kann man andere wie zarte Pflanzen zwischen den Blättern eines 
Buches plattdrücken. Übergänge verbinden diese Extreme derart, dass 
ich es nicht für gerechtfertigt halten würde, Varietäten nach der Skelett- 
form aufzustellen, obwohl ich, ohne Kenntnis der Übergangsformen, für 
die extremen Formen sogar verschiedene Arten aufgestellt haben würde. 
Ein weiterer Unterschied zwischen den beiden Grenzformen der Den- 
drilla rosea-Skelette ist der, dass die zarte Form mit dünnen Fasern viel 
zahlreichere Verzweigungen aufweist, als die starre Form. Das in 
Figur 3 abgebildete Skelett stellt eine Mittelform dar. Wenn man ein 
Skelett auf die Ebene seiner Unterlage projicirt, das Hornfasergerüst 
also von oben betrachtet, so sieht man bei der starren Form Lücken 
zwischen den Fasern von 3 qmm Größe, während die Lücken zwischen 
den Fasern eines gleich großen zarten Exemplares kaum wahrnehmbar 
sind. Um so vieles zahlreicher sind die Fasern der letzteren. 

Ich glaube ziemlich sicher zu sein, dass der Schwamm, je nach der 
Tiefe, in welcher er wächst, ein verschiedenes Skelett besitzt. Ich habe aus 
Tiefen über 10 Meter ausschließlich dünnfaserige Exemplare gedredget, 
während die von geringen Tiefen herrührenden stets der sparrigen Form 
angehörten. Ich kann jedoch nicht sagen, ob nicht auch andere Einflüsse, 


Über Goelenteraten der Südsee. II. 275 


als die Tiefe des Standortes hier in Betracht kommen, da die Fundorte 
mehrere Kilometer weit von einander entfernt sind. Nur einmal ist es mir 
gelungen zwei Exemplare aus verschiedener Tiefe in einer Entfernung 
von etwa 100 Meter von einander zu bekommen und diese zeigten, ob- 
wohl sie beide der abgebildeten Mittelform nahe standen, eine Differenz, 
indem die eine aus 14 Meter Tiefe stammende zarter war als die andere 
aus 7 Meter Tiefe stammende. Jedenfalls ist es leicht begreiflich, dass die 
das ruhige Wasser größerer Tiefen bewohnenden Schwämme nicht eines 
so festen Skelettes bedürfen, wie jene, welche bei Stürmen Druck- 
schwankungen und Strömungen des Wassers ausgesetzt sind. 

Die Hautporen, welche in den Subdermalraum einführen, gleichen 
den oben von Aplysilla violacea beschriebenen. Das feine Porenhäut- 
chen jedoch, welches sie nach außen abschließt, weicht in so fern von 
Aplysilla ab, als dasselbe viel weniger Poren enthält als dort. Diese 
Löcher, von denen sechs bis acht in eine der großen Hautporen führen, 
sind kreisrund und haben, wenn sie ganz geöffnet sind, einen Durch- 
messer von 0,04 mm. Sie haben aufgewulstete Ränder (Taf. XI, Fig. 19 
und 24) und können ganz geschlossen werden. Sie stimmen also mit 
den feinen Poren der Aplysilla sulfurea ! und anderer Spongien überein. 
Im Aquarium hält sich der Schwamm nicht gut und er ist daher für 
genaue Untersuchungen bei Weitem nicht so geeignet, als die aus- 
dauernde Aplysilla violacea. Gedredgte Exemplare, welche im Boot so- 
gleich in absoluten Alkohol gelegt wurden, zeigten zwar nur selten 
einige Poren offen, es gelang jedoch hier und da eine Hautparlie zu fin- 
den, an welcher dieselben klafften. 

Die Haut hat in der Mitte der konkaven Felder eine Dicke von 
0,07 mm und verdünnt sich gegen die Gonuli hin, jedoch nicht so stark, 
wie bei Aplysilla violacea.. Die Hautporen sind in der Mitte einge- 
schnürt und scheinen sehr veränderlich in ihrer Größe zu sein. Man 
findet zuweilen die Hautporen unter Porenhäutchen, deren Löcher klaffen, 
mehr zusammengezogen, als andere, welche unter geschlossenen Poren- 
häutchen liegen. Ich halte dieses jedoch für eine unnormale, durch die 
Wirkung des Alkohol hervorgebrachte Erscheinung. Wenn der Alkohol 
so rasch einwirkt, dass die klaffenden Löcher des Porenhäutchens er- 
starren, ehe sie Zeit haben sich zu schließen, so gelangt etwas Alkohol 
in die Hautporen und übt einen Reiz auf die Porenwandungen aus, der 
die darunter liegenden Fasern zur Kontraktion veranlasst. Sind die Poren 
aber geschlossen, so stirbt der Schwamm allmählich ab und die Fasern 
der Porenwand kontrahiren sich nicht. Spritzt man einem frischen 


! F. E. Scautze, Über den Bau und die Entwicklung der Spongien. Die Familie 
der Aplysinidae,. Diese Zeitschr. Bd. XXX. p. 406. 


> 


276 R. v. Lendenfeld, 


Schwamm ein erhärtendes Reagens durch eine künstliche Öffnung in 
den Subdermalraum, was nöthig ist um die feinen histologischen Details 
des Schwamminnern studiren zu können, so erscheinen alle Hautporen 
in der Nähe der Injektionsstelle krampfhaft zusammengezogen, während 
die entfernteren unverändert bleiben. Ich möchte somit annehmen, dass 
alle kontraktilen Faserzellen einer Hautpartie gleichzeitig schlaff sind und 
im Leben eine Vertiefung eines konkaven Feldes mit der Öffnung, nicht 
nur der äußeren Löcher, sondern auch der großen Hautporen Hand in 
Hand geht. 

Durch die Hautporen gelangt das Wasser in einen überaus geräu- 
migen Subdermalraum (Taf. XI, Fig. 20 u. 23 S). Derselbe bildet einen 
gegen die Conuli hin sich verschmälernden Hohlraum, der die ganze 
Haut mit Ausnahme des die CGonulusspitze selbst bedeckenden kleinen 
Theiles von dem übrigen Theile des Schwammes scheidet. Senkrecht 
zur Oberfläche stehende Fäden durchziehen diesen Hohlraum quer und 
befestigen die Haut an dem inneren Theil des Schwammes. Wenn durch 
die Kontraktion der Fasern in der Haut diese ausgeflacht wird, erscheint 
der Subdermalraum weit, und die ihn durchsetzenden Fäden sind dann. 
gerade gestreckt. Ist aber die Haut schlaff, so sind die Fäden schlangen- 
förmig gebogen. Niemals sinkt die Breite des Subdermalraumes in der 
Mitte der konkaven Felder unter 0,3 mm herab. Die Fäden sind ziemlich 
zähe und es gelingt desshalb nicht leicht die Haut von der Unterlage ab- 
zuziehen. An Schnitten, senkrecht zur Schwammoberfläche, erkennt 
man diesen so eigenthümlichen und bei keinem anderen bekannten 
Schwamme in solcher Weise ausgebildeten Bau des Subdermalraumes 
sehr leicht. An dicken Schnitten machen die Fäden denselben Eindruck, 
wie ein Palmenwald. Von der centripetalen Wand des Subdermalraumes 
entspringen die wassereinführenden Kanäle mit einer trompetenförmigen 
Erweiterung beginnend (Taf. XI, Fig. 23). Es sind drehrunde, ge- 
krümmte und hier und da verästelte Röhren, welche einen Durchmesser 
von 0,1—0,2 mm besitzen. Von der sonst ziemlich regelmäßigen dreh- 
runden Gestalt weichen sie besonders in der Nähe der Verästelungsstellen 
erheblich ab. 

Die Geißelkammern gleichen den oben von Aplysilla violacea be- 
schriebenen, stehen jedoch dichter als bei dieser und erscheinen in Folge 
dessen zuweilen gegen einander abgeplattet, wenngleich nicht so stark 
wie bei Aplysilla sulfurea. Wie bei dieser kommen Einfuhrgänge und 
Geißelkammern in allen Theilen des Schwammes vor und sind nicht 
wie bei Aplysilla violacea auf eine bestimmte Zone beschränkt. 

Das ausführende Kanalsystem schließt sich in seiner Gestaltung in 
so fern an Aplysilla violacea an, als es in der Umgebung besonders des 


Über Ooelenteraten der Südsee. II. 277 


unteren Theiles des Oscularrohres aus weiten, lakunenartigen Gängen 
besteht. Die ausführenden Kanäle in der Nähe der Oberfläche sind eben 
so groß, wie die einführenden, unterscheiden sich von denselben jedoch 
durch ihren unregelmäßigeren Querschnitt. Dieses wird dadurch be- 
dingi, dass die Geißelkammern wie bei Aplysilla violacea zwischen dem 
zugehörigen einführenden und ausführenden Gange derart quer liegen, 
dass ihre Längsachse auf beide senkrecht steht. Die weiten, dem aus- 
führenden Kanalsystem angehörigen Gänge in der Umgebung des Oscu- 
larrohres ergießen sich nicht direkt in die Seitentheile desselben, son- 
dern münden zum Theil in das kolbig erweiterte basale Ende, zum 
Theil in den Subdermalraum, welcher die Wandung des Oscularrohres 
unterminirt. Dieser Subdermalraum (Taf. XII, Fig. 20 S) ist überall 
gleich breit und durch eine sehr dünne Wand von dem Lumen des 
Oscularrohres geschieden. Die Dicke dieser letzteren beträgt 0,02 mm. 
Sie ist eben so wie die Oberhaut des Schwammes durch senkrecht auf 
ihrer Fläche stehende Fäden an dem Schwamme angeheftet. Sie enthält 
gar keine Poren. Am unteren Ende des einzigen centralen großen Oscu- 
larrohres des vollkommen ausgewachsenen Schwammes erweitert sich 
dieses zu einer rundlichen Höhle. Oberhalb der Erweiterung so wie in 
den Wandungen und am Boden derselben besitzt die Haut des Subder- 
malraumes sehr große Löcher. Diese sind so groß, dass an Quadrat- 
millimeter großen Flächenstücken kein Subdermalraum nachweisbar ist 
und stehen so dicht, dass nur schmale Brücken von der Haut des Sub- 
dermalraumes dazwischen übrig bleiben. Die aus den basalen Schwamm- 
partien kommenden Kanäle münden hier in diese Höhle, also direkt in 
das Oscularrohr, während alle übrigen in den Subdermalraum des 
Oscularrohres einmünden und daher das von ihnen kommende Wasser 
zunächst abwärts durch den Subdermalraum bis zu der basalen Er- 
weiterung des Oscularrohres fließen muss, und erst dort in dasselbe 
eintritt. 

Ein Subdermalraum des Oscularrohres ist meines Wissens von 
keinem anderen Schwamme beschrieben und scheint mir darauf hinzu- 
deuten, dass in diesem Falle das Oseularrohr bis zu jener Stelle eine 
ektodermale Bildung sei, wo der Subdermalraum in dasselbe über- 
geht. Ich komme unten hierauf zurück. 


Histologische Struktur. 


Wenngleich keine erheblichen Differenzen im feineren Baue zwi- 
schen Dendrilla rosea und Aplysilla bestehen, so sind doch einige Eigen- 
ihümlichkeiten des ersteren Schwammes erwähnenswerth. 


278 R. v. Lendenfeld, 


Die Oberhaut. 


Die dicken Substanzbrücken zwischen den großen Hautporen sind 
besonders dadurch ausgezeichnet, dass die Drüsenzellen nicht auf jenen 
Theil der Haut beschränkt sind, welcher der Oberfläche des Schwammes 
zunächst liegt, wie bei Aplysilla violacea, sondern dass sie eben so die 
Innenseite des Epithels der Porenwände auskleiden (Taf. XII, Fig. 23). 
Im Übrigen scheint mir die dicke Haut nicht von der Haut der Aplysilla 
abzuweichen. Wir finden jedoch im Verhältnis mehr Faserzellen, die 
besonders auf der Unierseite eine dicke vielschichtige Platte bilden. Die 
Faserplatte nimmt an Dicke gegen die Conuli zu und es ist in der Um- 
gebung derselben leicht eine, vom Gonulus ausgehende, radiale Anord- 
nung der Fasern nachzuweisen. Ich zweifle nicht, dass diese Fasern es 
sind, welche die Ausflachung der konkaven Felder veranlassen, wenn 
der Schwamm gereizt wird oder von einem Unwohlsein befallen ist. Die 
sternförmigen Bindegewebszellen zeigen eben so allmähliche Übergänge 
in die Faserform wie bei Aplysilla. Die gallertige Grundsubstanz ist 
hyalin und farblos. Der Farbstoff, welcher sich sehr rasch zersetzt, ist 
an kleine Körnchen gebunden, welche zum Theil, oder wahrscheinlich 
ausschließlich in den amöboiden Wanderzellen vorkommen. Bei der Be- 
handlung mit Alkohol verwandelt sich der rosenrothe Farbstoff in einen 
bräunlich fleischfarbenen. Todte Schwämme, die an keiner Stelle mehr 
Flimmerung zeigen, bleiben im Meerwasser einige Tage schön rosenroth, 
erst später nehmen sie eine schmutzig bräunliche Färbung an. 

Die amöboiden Wanderzellen, die gewiss zahlreich in der Haut vor- 
kommen, konnte ich keineswegs überall und leicht nachweisen. Sie 
verwandeln sich, wie dies Schurze 2 und MerTscHnikorr? für andere 
Schwämme beschreiben, bei der Einwirkung von Alkohol und Osmium- 
säure in kugelförmig angeschwollene Blasen. Der Inhalt dieser Blasen 
hat mit der Grundsubstanz einen so ähnlichen Brechungsindex, dass die 
Blasen meist nur daran erkannt werden, dass sich an gewissen Stellen 
kugelförmige Haufen von Pigmentkörnchen finden, welche in der amöboi- 
den Zelle enthalten sind. Diese Körnchen lagen besonders dicht an der 
inneren Randfläche der Haut, und ich halte es somit für höchst wahr- 
scheinlich, dass bei Dendrilla rosea eben so wie bei Aplysilla violacea an 
dieser Stelle sich eine Anhäufung von amöboiden Zellen findet. 

Die Drüsenzellen (Taf. XII, Fig. 21 u. 23 D) unterscheiden sich von 
den entsprechenden Elementen von Aplysilla violacea außer durch ihre 


ı F. E. ScuuLzeE, Über den Bau und die Entwicklung der Spongien. Die Familie 
der Aplysinidae. Diese Zeitschr. Bd. XXX. p. 411. 
2 E. METSCHNIKOFF, Spongiologische Studien. Diese Zeitschr. Bd. XXXI. p. 352. 


Über Ooelenteraten der Südsee. II. 379 


weitere Verbreitung auch durch ihre Form ein wenig, indem sie dicker 
und niedriger sind als bei Aplysilla und mit zahlreicheren Fortsätzen 
an der Innenseite des Epithels angeheftet erscheinen. Es ist sicher, dass 
ihre Funktion im Allgemeinen mit der oben von Aplysilla beschriebenen 
übereinstimmt, obwohl ihr Sekret nicht wie bei Aplysilla zu einer hor- 
nigen Cuticula erstarrt, sondern einen überaus voluminösen, zähen 
bräunlichen Schleim darstellt, der alsbald den ganzen Schwamm um- 
hüllt und das Wasser der Umgebung trübt. Stets wird das äußere Epi- 
thel abgestoßen, wenn dieser Schleim secernirt wird. Ich habe einen 
Schwamm mit destilliriem Wasser abgespült und dann gewogen. Er 
wog 77 Gramm nachdem der größere Theil des Wassers an der Ober- 
fläche und im Oscularrohr entfernt worden war. Der Schwamm wurde 
unter einer Glasglocke, welche auf nassem Filtrirpapier stand, so auf- 
gehängt, dass das abgeschiedene und herabtropfende Sekret in einer 
vorher gewogenen Schale aufgefangen wurde. Nach 14 Stunden, als 
der Schwamm sich zu verfärben anfing und so die beginnende Fäulnis 
anzeigte, wurde der Schwamm und das ausgeschiedene Sekret aber- 
mals gewogen, es ergab 51 Gramm für den Schwamm und 24,5 Gramm 
für das Sekret. Wahrscheinlich gingen die 1!/, Gramm durch Abdun- 
sten verloren. Bei der mikroskopischen Untersuchung zeigte es sich, 
dass von den Drüsenzellen nichts mehr vorhanden war. Die übrigen 
Hautzellen waren jedoch leicht nachweisbar. Ein zweiter, eben so an- 
gestellter Versuch ergab von einem 69 Gramm schweren Exemplar in den 
ersten 7 Stunden 15 Gramm und in den nächsten 3 Stunden 7 Gramm 
Sekret. In weiteren 44 Stunden wurden nur noch 0,5 Gramm abge- 
schieden. Der Schleim lieferte mit Alkohol einen voluminösen Nieder- 
schlag, der getrocknet beim Verbrennen einen ähnlichen unangenehmen 
Geruch verbreitete, wie das Spongiolin der Hornfasern selbst. 

Aus diesen Versuchen gehen einige bemerkenswerthe Thatsachen 
hervor. Zunächst ist die Sekretion an die Existenz der Drüsenzellen 
gebunden, da mit dem Verschwinden dieser auch die Schleimbildung 
aufhört, und weiter scheint es wichtig, dass das Gewicht des secer- 
nirten Schleimes viel größer ist als das Gewicht aller Drüsenzellen des 
Schwammes sein kann, weil diese auf eine einzige Schicht an der Ober- 
fläche beschränkt sind und somit gewiss nicht nahezu ein Drittel des 
Gewichtes des ganzen Schwammes ausmachen können, wie das von 
ihnen erzeugte Sekret. Ich möchte hieraus schließen, dass die Drüsen- 
zellen den Hauptbestandtheil (Spongiolin?) des Schleimes in koncentrir- 
ter Form enthalten, und diesen dann verdünnt mit viel Wasser und 
Nebenbestandtheilen , welche sie aus der Umgebung aufnehmen, ab- 
scheiden. Die interessante Frage, ob hierbei Substanzen und Wasser 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVIL. Bd. 49 


280 R. v. Lendenfeld, 


der Grundsubstanz des umliegenden Bindegewebes, oder den sternför- 
migen Zellen desselben, oder, was vielleicht am wahrscheinlichsten ist, 
den amöboiden Wanderzellen entnommen werden, lässt sich nicht fest- 
stellen, da sich das Gewebe einer Hautpartie, deren Drüsenzellen ge- 
schwunden sind, nicht von einer intakten unterscheidet. 

Was die chemische Konstitution des Schleimes betrifft, so glaube 
ich außer der oben bei Aplysilla violacea angegebenen äußeren Ähn- 
lichkeit mit Hornsubstanz noch besonders einige Reaktionen anführen zu 
sollen, welche eine hornige Natur des Sekretes wahrscheinlich machen. 
In Alkalien aufgelöste Hornsubstanzen geben mit Essigsäure einen 
weißen, käsigen Niederschlag. Ganz das Gleiche geschieht, wenn man 
dem abgeschiedenen Schleim von Dendrilla rosea Essigsäure zusetzt, 
besonders deutlich, wenn der Schleim vorher mit destillirtem Wasser 
gemischt wurde. Wenn man die überschüssige Essigsäure entfernt, 
und den Niederschlag mit Wasser versetzt, so löst sich der Nieder- 
schlag wieder auf. Diese Lösung unterscheidet sich von der ursprüng- 
lichen dadurch, dass sie schwach sauer ist, während der Schleim ur- 
sprünglich alkalisch reagirte. Der Niederschlag, welchen man durch 
einen Überschuss von Essigsäure in künstlich erzeugten Lösungen von 
Hornsubstanzen erhält, erstarrt eben so zu einer zähen Masse, wie das 
Sekret der Drüsenzellen von Aplysilla violacea. Diese Vorgänge dürften 
in so fern Licht auf die Bildung der Hornfasern werfen, als hier wahr- 
scheinlich eben so funktionirende, jedenfalls ganz eben so gebaute Zellen 
thätig sind, wie an der Außenseite der Haut. Wir haben hier eben 
wieder einen Beweis der niederen Stufe, auf welcher die Differenzirung 
der Zellen der Schwämme steht: Gleichgeformte Elemente besorgen 
gänzlich verschiedene Verrichtungen. 

Fremdkörper, Sand und Spongiennadeln, wie sie in der Haut von 
Apiysilla violacea vorkommen, fehlen in der Haut von Dendrilla rosea 
vollständig, und es schließt sich somit unser Schwamm an die adria- 
tischen Aplysilla-Arten an. 

Die Haut ist auf beiden Seiten eben so von gleichartigem Platten- 
epithel überzogen wie bei Aplysilla. 

Die feinen Porenhäutchen sind etwas anders als bei Aplysilla 
gebaut und erscheinen als höher differenzirte Organe. Meist sechs ganz 
verschließbare Poren durchsetzen je ein Häutchen (Taf. XI, Fig. 19). 
Sie erreichen im Maximum ihrer Ausdehnung einen Durchmesser von 
0,02 mm und sind stets kreisrund. Das Häutchen hat eine Dicke von 
0,003 mm und besteht überall aus drei Schichten: zwei Epithellagen 
und der dazwischen liegenden Mesodermplatte. Die äußere Epithellage 
wird stets von dem Häutchen entfernt, wenn die benachbarten, auf den 


Über Coelenteraten der Südsee. I. 281 


Hautbrücken sitzenden Plattenzellen, in Folge beginnender Thätigkeit 
der Drüsenzellen abgestoßen werden (Taf. XII, Fig. 19 links). 

Die äußere und innere Epithellage sind in so fern von einander 
verschieden, als die letztere aus etwas kleineren Elementen zusammen- 
gesetzt erscheint als die erstere. Das ektodermale Plattenepithel der 
Außenseite unterscheidet sich nicht von dem äußeren Epithel der Haut- 
brücken. Es besteht aus sehr niederen, nicht einmal 0,004 mm hohen 
und 0,04—0,045 mm breiten, polygonalen Platten. Die seitlichen Zell- 
grenzen sind nicht gerade sondern gewöhnlich mehr oder weniger ge- 
bogen (Taf. XII, Fig. 22). Die Zellen sind nicht ganz von Plasma er- 
füllt, indem sich dieses nur in der Mitte der Zelle anhäuft und von hier 
aus Stränge gegen die Peripherie entsendet. Diese Stränge können ver- 
zweigt sein und bestehen aus demselben sehr durchsichtigen feinkörni- 
gen Plasma wie der centrale Theil. In diesem liegt der abgeplattete 
Kern, der einem sehr flachen Rotationsellipsoide gleicht, und dessen 
größter Durchmesser 0,0045 mm beträgt. Nucleoli sind in dem blassen 
Kern nicht nachweisbar. Von der Mitte der centralen Plasmaanhäufung 
erhebt sich eine Geißel, welche lebhaft schlagende Bewegungen aus- 
führt, sich jedoch bei der Einwirkung von Reagentien zu einer knopf- 
förmigen Vorragung der äußeren Zellfläche zusammenzieht. 

Diese Bauverhältnisse erkannte ich an einem wohl erhaltenen Haut- 
stücke, auf das ich unter dem Mikroskop Osmiumsäure einwirken ließ, 
ein Verfahren, welches besonders dann schöne Resultate ergab, wenn 
das Objekt gut erhalten war und die Osmiumsäure zwar langsam, je- 
doch so einwirkte, dass sie die einzelnen Zellen in genügender Stärke 
erreichte, ehe dieselben in Folge der vorangegangenen mechanischen 
Insulte gestorben waren. 

Besonders wichtig erscheint es mir, dass die Epithelzellen, welche 
die Porenränder auskleiden (Taf. XII, Fig. 21 u. 22 R), hier nicht, wie 
bei Aplysilla, den übrigen Plattenzellen des Oberhautepithels gleichen, 
sondern beträchtlich differenzirt erscheinen. Ich zweifle nicht, dass 
diese Differenzirung in Korrelation mit der Fähigkeit dieser Poren steht, 
sich zu schließen, welche den Löchern des Porenhäutchens von Aply- 
silla violacea abgeht. Die Porenrandzellen von Dendrilla rosea bilden 
einen aufgewulsteten Ring (Taf. XII, Fig. 19, 21 u. 22 R). Dieser Ring 
setzt sich aus einzelnen cylinderförmigen Gliedern zusammen, welche 
modificirte Epithelialzellen sind. Die Gliederzellen, deren etwa zehn 
einen Ring bilden, besitzen keine Geißel. Ihr Plasma ist feinkörnig 
und erfüllt nicht die ganze Zelle, sondern erscheint an der freien Ober- 
fläche zusammengedrängt und bildet hier eine zusammenhängende 
Masse, von welcher aus Plasmastränge gegen die innere Seite der Zelle 


19* 


282 R. v. Lendenfeld, 


ausstrahlen. Der ovale Kern liegt meist der freien Fläche genähert in 
der Mitte der zusammenhängenden Plasmamasse. Diese Zellen erreichen 
eine Dicke von 0,005 und eine Länge von 0,012 mm. Die Körnchen 
des Plasmas sind etwas größer und stärker lichtbrechend als die in 
dem Plasma der übrigen Epithelzellen und halten etwa die Mitte zwi- 
schen diesen und den Körnchen der Drüsenzellen. 

Die Mesodermplatte besteht aus einer hyalinen sgallertartigen 
Grundsubstanz, in welcher sich ein einfaches Netzwerk von Bindege- 
webszellen, welche alle parallel der Oberfläche liegen, findet. Diese 
Zellen sind theils zwei- und theils dreistrahlig und anastomosiren 
überall. Unter den zweistrahligen finden sich solche, deren Fortsätze 
in einem stumpfen Winkel auf einander stoßen, und auch solche, 
welche in Folge ihrer geraden Spindelform den kontraktilen Faserzellen 
anderer Schwammpartien gleichen (Taf. XI, Fig. 19, 21 u. 22 2). 

Obwohl diese Bindegewebszellen den entsprechenden Elementen 
in der dicken Haut vollkommen ähnlich erscheinen, sind sie doch vor 
diesen durch ihre Zartheit ausgezeichnet, indem sie nur ein Viertel der 
Größe der Bindegewebszellen der Haut erreichen (Fig. 19). Es unter- 
liegt wohl kaum einem Zweifel, dass diese Elemente es sind, welche 
durch ihre Kontraktion das Schließen der Poren des feinen Häutchens 
veranlassen. Wir haben es also hier mit dreistrahligen kontraktilen 
Elementen zu thun, deren Funktion mit der von Muskelfibrillen zu- 
sammenfällt. Während die zweistrahligen spindelförmigen Faserzellen 
in jeder Beziehung mit glatten Muskelzellen zu vergleichen sind, haben 
wir in den dreistrahligen kontraktilen Elementen Gebilde vor uns, die 
mit keinem Gewebsbestandtheil höherer Thiere vergleichbar erscheinen. 
Ob die kontraktile Zelle, welche die Funktion der Bewegung übernahm, 
zunächst eine mehrstrahlige war, und erst später die zweckmäßigere 
zweistrahlige Form annahm, lässt sich natürlich nicht feststellen ; den- 
noch scheint es mir, dass wir es hier bei den dreistrahligen kontrak- 
tilen Elementen der Dendrilla rosea mit palingenetischen Verhältnissen 
oder wenigstens mit solchen Bildungen zu thun haben, welche die nie- 
dere Differenzirungsstufe der Schwammgewebe bekunden. 

Das Epithel der Unterseite des Porenbäutchens zeichnet sich durch 
seine Kleinzelligkeit aus, abgesehen von den Dimensionen stimmen aber 
die Elemente der Epithelien der beiden Seiten der Haut mit einander 
überein. 

Die Fäden, welche die Haut mit der Unterlage verbinden, sind eben 
so lang als der Subdermalraum an der betreffenden Stelle breit ist und 
erreichen eine Dicke von 0,006 mm. Sie sind drehrund, durchaus gleich 
dick und bestehen aus einer bindegewebigen Achse und einer epithelia- 


Über Goelenteraten der Südsee. Il. 283 


len Umhüllung. Diese Fäden sind sehr zähe, scheinen jedoch nicht kon- 
traktil zu sein, da sie sich krümmen, wenn der Subdermalraum sich 
verengt. Sie sind in ihrer äußeren Erscheinung jenen Fäden überaus 
ähnlich, welche zuerst Gebr. Herrwic ! an dem Genitalbande von Pelagia 
entdeckten, und welche auch ich an derselben Stelle von Cyanea An- 
naskala ?2 nachgewiesen habe. 

Nach gelungener Tinktion erkennt man rundliche Kerne in der 
Achse des Fadens, es lässt sich aber nicht unterscheiden, wie die Zellen 
gebaut sind, denen sie angehören. Es ist wohl wahrscheinlich, dass die 
Fadenachse aus einer gallertigen Grundsubstanz besteht, in welche 
Faserzellen eingelagert sind. Öfters machten mir die Fadenachsen den 
Eindruck, als wären sie aus feinsten längsgerichteten Fibrillen zusam- 
mengesetzt, ich bin jedoch nicht sicher, ob wir es hier mit fibrillärem 
Bindegewebe zu thun haben oder nicht. 

Das Epithel des Fadens bildet ein Rohr. Die Plattenzellen, welche 
es zusammensetzen unterscheiden sich von den oben beschriebenen der 
Haut nur dadurch, dass sie nicht flach ausgebreitet, sondern auf einem 
Cylinder aufgerollt erscheinen. 


Die Geißelkammerzone. 


Die Geißelkammerzone stimmt hinsichtlich ihres feineren Baues mit 
der von Aplysilla so nahe überein, dass ich eine gesonderte Besprechung 
derselben unterlasse. Die Genitalprodukte fand ich stets in dem basalen 
Theile des Schwammes zwischen den Geißelkammern, so dass also in 
dieser Beziehung Dendrilla rosea mit Aplysilla sulfurea übereinstimmt. 
Die männlichen und weiblichen Geschlechtsprodukte scheinen nahezu 
zur selben Zeit zu reifen. Wenigstens sah ich nie ein Exemplar, wel- 
ches überhaupt Genitalprodukte besaß, mit bloß weiblichen oder bloß 
männlichen Geschlechtsprodukten. Sowohl die einen wie die anderen 
liegen in unregelmäßigen Gruppen. Die Eier oder Spermaballen einer 
Gruppe sind unter einander nicht gleich groß, wie bei Aplysilla vio- 
lacea, sondern es sind stets nahezu reife neben noch ganz kleinen, 
kaum als solche erkennbaren Eiern oder Spermaballen beisammen. Auch 
bei Dendrilla rosea ist das Bindegewebe in der Umgebung der Genital- 
produkte wie bei Aplysilla zu einer Genitalkapsel umgestaltet, von 
welcher nach innen Septen vorragen und die Geschlechtsprodukte fol- 
likelartig umhüllen. Ob auch hier eine Verminderung der Zahl der Eier 
bei zunehmender Reife eintritt, lässt sich nicht gut bestimmen, weil 


1 O. und R. Herrwis, Die Actinien. Jenaische Zeitschr. Bd. XII. p. 603 ff. 
2 R. v. LENDENFELD, Über Coelenteraten der Südsee. Cyanea Annaskala. Diese 
Zeitschr. Bd. XXXVII. p. 532. 


284 R. v. Lendenfeld, 


hier nicht wie bei Aplysilla alle Eier oder Spermaballen einer Kapsel 
zu gleicher Zeit reifen. Die Umgebung der Geschlechtsstoffe von Den- 
drilla rosea ist ziemlich durchsichtig und nie derart von Pigmentkörn- 
chen erfüllt wie bei Aplysilla violacea. Es scheint, dass die Eier erst 
außerhalb des Schwammkörpers sich zu entwickeln beginnen, es ge- 
lang mir wenigstens niemals Furchungsstadien aufzufinden. 

Wie bei Aplysilla violacea das violette, so erfüllt bei Dendrilla 
rosea das lichtrothe Pigment die Kragenzellen. An einzelnen Stellen fand 
ich wohl auch im Bindegewebe Pigmentkörnchen, vermuthe aber, dass 
sie in amöboiden, durch den Alkohol unsichtbar gemachten Wander- 
zellen lagen. 


Das Oscularrohr. 


Das entodermale Epithel der ausführenden Gänge ist, wie bei 
Aplysilla violacea, etwas höher und aus nicht so breiten Elementen zu- 
sammengesetzt als das ektodermale des einführenden Kanalsystems. 
Solches Epithel bekleidet alle Gänge des wasserabführenden Systems so 
‘wie den Subdermalraum des Oscularrohres. 

Der Subdermalraum des Oscularrohres ist eben so gebaut wie der 
oberflächliche. In seiner, vom Oscularrohr abgewandten Fläche mün- 
den die großen lakunenartigen Stämme des ausführenden Kanalsystems 
mit rundlichen Löchern. Diese Löcher nehmen an Zahl und Größe 
gegen die Basis des Schwammes hin zu und fehlen ganz in der Umgebung 
des Osculum. Hieraus ist die im Allgemeinen »aufstrebende« Richtung 
der abführenden Kanäle am besten ersichtlich. Diese Kanäle scheinen 
sich vielfach der Richtung der Hornfasern anzupassen. Der Subdermal- 
raum ist 0,1 mm breit und eben so von queren Fäden durchzogen wie 
der äußere. Die Fäden lassen den Unterschied der Epithelien in den 
beiden Subdermalräumen sehr gut erkennen. Während ihre binde- 
gewebige Achse jener der Fäden im äußeren Subdermalraum annähernd 
gleichkommt, ist der Gesammtdurchmesser doch um die Hälfte größer, 
was auf der größeren Höhe des dortigen, entodermalen Epithels, dem 
ektodermalen gegenüber, beruht. In den Gallertachsen sind Kerne nach- 
weisbar. 

Die Haut, welche diesen Subdermalraum- von dem Lumen des 
Öscularrohres trennt, entbehrt der Pigmentkörnchen und daher wahr- 
scheinlich auch der amöboiden Wanderzellen. Sie erreicht eine Dicke 
von 0,02 mm und besteht aus einer Bindegewebsplatte, welche die ge- 
wöhnlichen sternförmigen und faserförmigen Zellen enthält und aus den 
beiderseitigen Epithelien. Diese beiden Epithelien nun sind von ein- 
ander wesentlich verschieden, indem das eine — auf der Subdermalseite 


Über Coelenteraten der Südsee. IL 385 


dem entodermalen, das andere — auf der Oscularrohrseite, dem ekto- 
dermalen Plattenepithel der übrigen Schwammtheile gleicht. Das Epi- 
ihel der äußeren Schwammoberfläche geht kontinuirlich in das Oscu- 
larrohrepithel über, und ich möchte Angesichts dieser Thatsache es für 
wahrscheinlich halten, dass das Epithel des Oscularrohres so weit als 
eine ektodermale Bildung in Anspruch zu nehmen sei, als der Subder- 
malraum reicht. Am Osculum selbst findet sich weder ein Subdermal- 
raum unter der äußeren Haut noch unter der Haut des Oscularrohres, 
so dass hier keine Verbindung zwischen den beiden Subdermalräumen 
besteht. 

Es ließe sich Dendrilla rosea mit ektodermalem Oscularrohrepithel 
wohl eben so von einer einfachen Sackform ableiten, wie dies ScHuLze ! 
so scharfsinnig für die Plakiniden zunächst gethan hat, welche, so wie 
andere Spongien, ein entodermales Oscularrohrepithel besitzen. Wir 
brauchen- nur eine Wucherung des ektodermalen Epithels und des 
darunter liegenden Mesoderms im Umfange des Osculums der sackförmi- 
gen Form anzunehmen. Hierbei würde dann der ganze Hohlraum des 
Sackes durch Einfaltung seiner Wände zur Bildung des ausführenden 
Kanalsystems verwendet und von der Vereinigungsstelle der Kanäle aus 
würde sich dann ein Öscularrohr erheben, das durch longitudinales 
Wachsthum eines ekiodermalen Ringwulstes in der Umgebung des 
ursprünglichen Osculums des Sackes gebildet worden wäre. 


Die Hornfasern. 


Bei schwacher Vergrößerung erscheinen die ausmacerirten, jedoch 
nicht getrockneten, Hornfasern sehr verschieden gestaltet. Während 
die einen ziemlich glatt und regelmäßig gebaut erscheinen (Taf. XII, 
Fig. 32), sind die anderen knorrig und rauh (Taf. XIII, Fig. 30); zwi- 
schen den beiden Hornfaserarten giebt es alle möglichen Übergänge und 
es lässt sich keine Gesetzmäßigkeit in der Gruppirung der verschiedenen 
Hornfaserarten nachweisen, obwohl es mir oft geschienen hat, als ob in 
lebhaft wachsenden Schwammpartien die Fasern glatter wären, als in 
solchen, die, wie zum Beispiel der Stiel, nur sehr langsam wachsen. 
Die rauhen Hornfasern erschienen jedoch nicht mit Längsriefen versehen, 
sondern knorrig. Sie unterscheiden sich in ihrem feineren Bau nicht 
von den glatten. Die Spongiolinlagen der Hornrinde sind stets der 
äußeren Oberfläche parallel und somit bei den glatteren Fasern am 
Querschnitt kreisförmig, bei den rauheren hingegen mehr oder weniger 
unregelmäßig. An jeder Hornfaser können wir eben so, wie bei Aply- 


i F. E. Schutze, Über den Bau und die Entwicklung der Spongien. Die Plaki- 
niden. Diese Zeitschr. Bd. XXXIV, p. 439, 


286 R. v. Lendenfeld, 


silla violacea vier Schichten unterscheiden, welche, von außen nach 
innen, folgende sind: Die bindegewebige Hülle, der Spongoblasten- 
mantel, die Hornrinde und das Mark. 

Die Bindegewebshülle (Taf. XIII, Fig. 25, 26, 29 B) besteht aus 
einer dichten Lage von spindelförmigen Faserzellen, welche der Horn- 
faser parallel laufen. Sie stehen so dicht, dass fast keine Grundsubstanz 
zwischen ihnen übrig bleibt und bilden ein cylindrisches Rohr, welches 
die Hornfaser allseitig umschliesst, und sich über die Spitze derselben 
hinaus fortsetzt, wenn sie nicht in einem CGonulus, sondern im Innern 
des Schwammes liegt. Von diesem Rohre gehen Stränge in schiefer 
Richtung ab (Taf. XII, Fig. 29 B’), welche zuweilen die Bindegewebs- 
hüllen verschiedener Hornfasern verbinden, zuweilen zu den Kanälen 
hinziehen und dort ihre Fasern ausstrahlen lassen. In vielen Fällen ge- 
lingt es, den Zusammenhang eines solchen Stranges mit der Fibrillen- 
platte der Unterseite desSubdermalraumes nachzuweisen. Irgend welche 
Regelmäßigkeit in der Vertheilung dieser Stränge konnte ich nicht auf- 
finden, und wage es auch nicht zu entscheiden, ob dieselben im Leben 
Kontraktionen ausführen oder nicht. Sie sind bei Dendrilla rosea viel 
stärker und zahlreicher, als bei Aplysilla violacea, was wohl eine Folge 
der Schütterheit der Hornfasern bei Dendrilla ist. Kubikcentimetergroße 
Schwammstücke kann man ausschneiden, ohne eine Hornfaser zu ver- 
letzen, und da scheint es wohl erklärlich, dass so große skelettlose Par- 
tien einer besonderen Stütze bedürfen, die eben in den Strängen ge- 
geben ist. | 

Das Gewebe der Stränge ist von dem Gewebe der Hornfaserscheiden 
nicht verschieden. In beiden finden wir die gleichen dichtgedrängten 
spindelförmigen Fibrillen, die den oben von Aplysilla violacea beschrie- 
benen Elementen gleichen. Ich habe schon oben hervorgehoben, dass 
die äußere Grenze des Faserrohres außerordentlich scharf ist. Eine 
Membran konnte ich zwar nie an der Stelle sehen, es wäre jedoch mög- 
lich, dass eine solche existirt. Das gewöhnliche Bindegewebe mit viel 
hyaliner Grundsubstanz und spärlichen sternförmigen Zellen grenzt 
außen an die Faserröhren an. Die Stränge sind eben so scharf von der 
Umgebung abgesetzt, nur dort, wo sie sich ausbreiten, ist ein so abrupter 
Übergang in das gewöhnliche Bindegewebe nicht nachweisbar. 

Von besonderem Interesse erscheint das Verhalten des Bindege- 
weberohres an der Vegetationsspitze der Faser (Taf. XIII, Fig. 25). Es 
verlängert sich über diese hinaus ohne an Dicke abzunehmen. Der innere, 
unten von der Hornfaser ausgefüllte Theil des Rohres verengt sich zu 
einem schmalen Kanal, so dass das Rohr an dieser Stelle fast das Aus- 
sehen eines massiven, cylindrischen Stranges erhält. 0,5 mm über der 


Über Coelenteraten der Südsee. IL.) 387 


Vegetationsspitze der Hornfaser hört die Grenze gegen das umliegende 
Gewebe auf scharf zu sein und die Faserzellen stehen nicht so dicht, 
wie unten. Nach oben zu verbreitert sich der Strang gewissermaßen 
trichterförmig und dort gehen seine Faserzellen allmählich in die ge- 
wöhnlichen Bindegewebszellen über. A mm über der Vegetationsspitze 
ist von einer besonderen Differenzirung der Bindegewebszellen nichts 
mehr wahrzunehmen. Ich glaube hieraus schließen zu dürfen, dass 
diejenigen sternförmigen Bindegewebszellen, welche in der Verlängerung 
der Hornfasern jenseits der Vegetationsspitzen derselben liegen, näher 
an einander rücken und sich, während die Zellen eines Areals von 1 qmm 
Querschnitt auf 0,25 qmm Querschnitt zusammengedrängt werden, all- 
mählich in Faserzellen umbilden. Der Strang stellt also ein koncentrir- 
tes Bindegewebe dar, wenn ich mich des Ausdruckes bedienen darf, 
welches sich natürlich scharf von dem umgebenden lockeren Bindege- 
webe abgrenzt. 


Bei jenen Fasern, welche in einen Conulus hineinragen, ist dies 
in so fern anders, als hier ähnliche Bildungen, wie sie an den oben be- 
schriebenen, intern endenden Hornfasern 4—2 mm über der Vege- 
tationsspitze anzutreffen sind, 4 mm unter derselben vorkommen: die 
Bildungsstätte der Bindegewebshülle liegt bei den einen Fasern vor, bei 
den anderen hinter der Vegetationsspitze. 


Ob die bindegewebigen Stränge auf gleiche Weise entstehen, kann 
ich nicht mit Sicherheit angeben. Möglich ist es, dass jene, oben be- 
schriebenen Endigungen derselben, wo ihre Faserzellen radial ausstrah- 
len, ihre Vegetationsspitzen sind, und es wäre dann wohl eine ähnliche 
Bildungsweise für dieselben anzunehmen, wie für die Bindegewebs- 
'hüllen der Hornfasern. 


Der Spongoblastenmantel stimmt mit dem von ScuuLzE ! für Eu- 
spongia beschriebenen in so fern überein, als Spongoblasten nicht an 
allen Fasern nachgewiesen werden können. Der Mantel ist in der Nähe 
aller Vegetationsspitzen stets kontinuirlich und auch am Stamm des 
Spongiolinbaumes nachweisbar. An alten ausgewachsenen Exemplaren 
fehlen die Spongiolin abscheidenden Zellen mit Ausnahme der distalen 
Hornfasertheile überall, sind jedoch an sehr jungen Exemplaren an 
allen Fasern mit Ausnahme der Basaltheile jener aufzufinden, welche 
gegen den Rand des annähernd noch krustenförmigen jungen Schwam- 
mes zu liegen. 


Die Spongoblasten gleichen den Drüsenzellen der Haut (Taf. XIII, 


i F. E. ScuuLze, Über den Bau und die Entwicklung der Spongien. Die Familie 
der Spongidae. Diese Zeitschr. Bd. XXXII. p. 635. 


288 R. v. Lendenfeld, 


Fig. 26 Sp). Sie besitzen einen rundlichen Körper, welcher den kugel- 
förmigen Kern und die Hauptmasse des Plasmas enthält. Dieser Körper 
erscheint durch Pseudopodien-ähnliche Fortsätze der Hornfaser angehef- 
tet. Das Plasma ist feinkörnig und enthält stark lichtbrechende Tröpf- 
chen: das Sekret. Im distalen abgerundeten Ende der Zelle fehlen 
stark lichtbrechende Sekrettröpfehen, oder sind wenigstens zu klein 
für meine Linsen (Zeıss L). In der Höhe des Kernes überschreitet ihre 
Größe die Erkennbarkeitsgrenze und es ist deutlich zu sehen, wie 
gegen die Faseroberfläche hin die Tröpfchen stetig an Größe zunehmen 
und in den Fortsätzen selbst am größten und am dichtesten gedrängt 
erscheinen. Besondere Aufmerksamkeit habe ich den Ansatzstellen der 
Fortsätze gewidmet. Sie sitzen mit einem schwach trompetenförmig er- 
weiterten Endstücke der Hornfaser auf, und zwar so fest, dass beim 
Abstreifen des Spongoblastenmantels von der frischen lebenden Faser 
stets die Fortsätze durchreißen und ihre Enden mit der Horn- 
faser untrennbar verbunden erscheinen. Reißt man einem frischen 
Schwamm eine Hornfaser aus, die centripetal durchschnitten wurde, 
so bleibt der Spongoblastenmantel und die bindegewebige Hülle stets 
daran. Man kann durch Einlegen einer solchen Faser in härtende Rea- 
gentien die oben beschriebenen Details leicht erkennen. Ich habe unter 
dem Deckglase Pepsin auf frische Spongoblasten wirken lassen, um das 
Plasma derselben zu lösen. Es blieb an der Stelle, wo ein Fortsatz ge- 
sessen hatte, ein kleiner Höcker von offenbar noch nicht erstarrter Horn- 
substanz übrig. Dieser Höcker verschwand jedoch nach einigen Sekun- 
den, indem sich seine Substanz über die umliegende Fläche ausbreitete. 
Ich glaube, dass dies vielleicht dem Vorgange gleicht, mit welchem im 
Leben das Spongiolin auf der Faseroberfläche ausgebreitet wird. Neh- 
men wir an, dass das halbweiche Sekret aller Spongoblastenfortsätze 
sich auf diese Weise ausbreite, und daher die Sekrete, welche von den 
Ansatzstellen der Forisätze kommen, in einander fließen und dann er- 
starren, so können wir uns die lagenweise Ablagerung von Spongiolin 
erklären und können die hierbei auftretende Schichtung darauf zurück- 
führen, dass der Schwamm unter verschiedenen äußeren Existenzbe- 
dingungen Spongiolin von wechselnder Konsistenz erzeugte. Da eine 
Änderung der äußeren Umstände zumeist in gleicher Weise auf alle 
Spongohlasten wirken muss, so muss auch eine Änderung in der Ab- 
scheidung aller Spongoblasten zu gleicher Zeit eintreten und daher er- 
scheinen die Spongiolinlagen kontinuirlich. 

Eben so wie bei Aplysilla violacea sind auch bei Dendrilla rosea 
die Spongoblasten an der Spitze verschieden von jenen an der Seite 
der Hornfaser (Taf. XIII, Fig. 25). Hier findet sich nämlich ein Haufen 


Über Ooelenteraten der Südsee. II. 289 


dichtgedrängter polyedrischer Zellen, die zwar wohl ähnliche stark 
lichtbrechende Körnchen enthalten, wie die oben beschriebenen Spongo- 
blasten, in ihrer Gestalt jedoch nicht als Drüsenzellen zu erkennen 
sind. Sie erreichen einen Durchmesser von 0,018 mm und werden 
von Plasma ganz ausgefüllt. Sie enthalten einen kugeligen Kern, dessen 
Durchmesser 0,005 mm selten übersteigt. 

Es ist zweifellos, dass diese Elemente .den centralen Theil der 
Hornfaser bilden. Spongiolin, welches von dem von den anderen Spon- 
goblasten erzeugten nicht zu unterscheiden ist, wird von diesen, all- 
mählich in die Drüsenzellen des Spongoblastenmantels übergehenden 
Elementen auf der konvexen Vegetationsspitze der Hornfaser abge- 
lagert. Die Identität der Funktion der polyedrischen Zellen an der Spitze 
und der oben beschriebenen, seitlich stehenden Drüsenzellen, die ich 
als gewöhnliche Spongoblasten von den vieleckigen unterscheide, wird 
dadurch höchst wahrscheinlich gemacht, dass die stärker und schwä- 
cher lichtbrechenden, einander umhüllenden Spongiolinlagen ohne 
Unterbrechung über die Vegetationsspitze der Faser hinwegziehen. Es 
haben also gleiche Veränderungen der Umgebung die gleiche Verände- 
rung in der Wirkungsweise dieser beiden Spongoblastenformen hervor- 
gebracht. Der von den polyedrischen Zellen abgeschiedene Theil einer 
fingerhutförmigen Spongiolinlage ist viel mächtiger als jener, welchen die 
gewöhnlichen Spongoblasten abgeschieden haben. Wie die Zellformen 
allmählich in einander übergehen, eben so nimmt auch die Dicke der in 
einer bestimmten Zeit abgeschiedenen Lage gegen die Spitze hin allmäh- 
lich zu. Diese Verhältnisse bedingen es, dass die Hornfaser in die Länge 
wächst, indem die in einer Linie — der Hornfaserachse — liegenden 
Schichtentheile immer viel mächtiger sind als alle anderen. 

Einige der polyedrischen Zellen an der Spitze der Hornfasern wer- 
den bei dem Process der Spongiolinabscheidung von den übrigen ge- 
trennt, und gelangen in das Innere der Fasern selbst hinein. Eben so 
wie die Hornsekretion mehr oder weniger schubweise erfolgt, eben so 
werden stets mehrere solcher Zellen zugleich in einem Schube von den 
übrigen getrennt und gelangen so in fingerhutförmigen Gruppen zwi- 
schen die terminalen Hornlagen hinein. Da diese Zellen, so wie sie ein- 
mal rings von Hornsubstanz umgeben sind, eine intensiv orangerothe 
Färbung annehmen, sind sie besonders deutlich erkennbar. Nahe an 
der Vegetationsspitze liegen solche orangerothe Kuppeln ziemlich nahe 
an einander (Taf. XIII, Fig. 32). Je weiter wir jedoch die Faser nach 
abwärts verfolgen, um so größer sind die Zwischenräume zwischen den 
auf einander folgenden Gruppen. 

Die centripetalen Zellkuppen sind viel größer als die der Vegeta- 


290 R. v. Lendenfeld, 


tionsspitze zunächst gelegenen. Da jedoch diese Zellen in so inniger 
Beziehung zum Marke stehen, müssen wir die Spongiolinrinde ünd die 
Markachse vorher besprechen. | 


Die Hornrinde ist aus annähernd koncentrischen Lagen von Spon- 
giolin zusammengesetzt und erscheint nach innen und nach außen hin 
sehr scharf, einerseits vom Mark, andererseits vom Spongoblastenmantel 
geschieden. Die knorrigen Fasern unterscheiden sich im feineren Baue 
von den glatten dadurch, dass ihre Hornlagen sich mehr von der Form 
eines Kreiscylinders entfernen, sie laufen jedoch der Oberfläche ziem- 
lich parallel, so dass angenommen werden muss, dass entweder die 
Spongoblasten bestimmter Bezirke eine größere Thätigkeit entwickeln 
als die Horn abscheidenden Zellen anderer Theile desselben Spongo- 
-blastenmantels, oder dass die erste Anlage der Hornfaser nicht ein ab- 
gerundeter Zapfen, sondern ein unregelmäßiger, knorriger oder ver- 
zweigter Körper gewesen ist. Es ist vielleicht nicht unmöglich, dass 
beide Ursachen wirksam sind, ich bin jedoch nicht in der Lage dies zu 
entscheiden, werde aber unten bei der Besprechung von Dendtrilla 
a&rophoba, bei der ich zu sicheren Resultaten in diesem Punkte gelangt 
bin, hierauf zurückkommen. 


An Verästelungsstellen gehen die oberflächlichen Schichten eines 
Zweiges kontinuirlich in die oberflächlichsten Hornlagen anderer Äste, 
die am selben Orte entspringen, und des Stammes über. Nur ganz 
junge und dünne Äste lassen zuweilen an ihrem Ursprunge eine Auf- 
lagerung ihrer Spongiolinlagen über jene des Stammes erkennen, wie 
dies ScHuLze für alle Zweige der Fasern von Aplysilla sulfurea abbildet. 
Der kontinuirliche Übergang ist jedoch oft nur schwer nachweisbar, 
weil die Schichten des Stammes viel dünner sind als die des Zweiges. 


Die Dicke der Hornrinde schwankt und ist auch an demselben 
Querschnitte nicht überall gleich, da der centrale Markcylinder stellen- 
weise excentrisch ist. Abgesehen hiervon lässt sich aber im Allge- 
meinen eine Zunahme der Dicke der Hornrinde gegen die Basis hin 
leicht nachweisen. Der mächtige Stamm selbst ist ein Rohr mit ver- 
hältnismäßig engem Lumen (Taf. XIII, Fig. 24). Die zahlreichen Horn- 
lagen sind wellig gebogen und es sieht so aus, als ob alle Schichten 
um einen Kern mit sternförmigem Querschnitt abgelagert worden wären. 
Dies ist jedoch keineswegs der Fall, indem in den peripherischen 
Schichten viel zahlreichere wellenförmige Biegungen vorkommen, als in 
jenen Schichten, welche der Markachse zunächst liegen. 


Wie oben angedeutet, entsteht der einzelne, oder die zwei oder 
drei Stämme dadurch, dass in Folge der Dickenzunahme der Basaltheile 


Über Coelenteraten der Südsee. II. 91. 


der Hornfasern diese verschmelzen. Ich werde hierauf nach Besprechung 
_ des Markes zurückkommen. 

Die Markachse besteht aus einer Reihe von geraden cylindrischen 
und stets drehrunden Stücken, die einander aufgesetzt erscheinen, so 
dass das eine stets annähernd in der Verlängerung des anstoßenden 
liest. Gegen die Spitze der Hornfasern nehmen die Markcylinderstücke 
an Dicke ab, so dass das Mark fernrohrartig aussieht. Das centrifugale 
Ende eines jeden Cylinderstückes wird von einer jener fingerhutförmi- 
gen, von dem Spongoblastenhaufen der Spitze herrührenden Zell- 
gruppen, welche ich oben erwähnt habe, gekrönt. Diese Zellgruppen 
trennen die einzelnen Markabschnitte vollständig von einander, so dass 
jeder seitlich von der Hornrinde und an jedem Ende von einer mehr- 
schichtigen Zellenplatte begrenzt erscheint. 

Fremming! hat bei Janthella Zellen zwischen den Rindenlagen der 
Hornsubstanz der Fasern nachgewiesen. ScHuLze 2? jedoch konnte in den 
Fasern von Aplysina keine Zellen nachweisen und vermuthet, dass 
Fremming, der diese Zellen mit dem Hornfaserwachsthum in Verbindung 
gebracht hat, sich geirrt habe. 

Janthella dürfte mit meiner Gattung Dendrilla nahe verwandt sein, 
und so wäre es wohl möglich, dass auch dort die Zellen in den Horn- 
fasern ähnliche Funktionen haben dürften, wie ich sie unten ausführlich 
beschreiben werde. Die Ergebnisse meiner Untersuchungen habe ich 
in kurzer Zusammenfassung an einem anderen Orte3 veröffentlicht. 
Ich nehme an, dass die Zellen in den Kuppeln, gleich 
den OÖsteoklasten der Wirbelthiere, dieharteRinde der 
SkeletttheileauflösenundinMarksubstanz verwandeln. 
Scuurze * hat durch Messungen der Markdicke von Aplysinafasern kon- 
statirt, dass hier das Mark mit dem Alter der betreffenden Faserpartie 
an Dicke zunimmt. Das Gleiche ist auch an den Fasern der australischen 
Aplysillinen nachweisbar. ScaurzEe, der das Wachsthum der Fasern 
der Hornschwämme durch Apposition entdeckt und bewiesen hat, 
nimmt nun für die Zunahme der Markdicke ein Wachsthum der Fasern 
auch durch Intussusceptionan. Ich kann mir nicht recht vor- 


1 FLEMMING, Über Janthella Gray. Würzburger physikalisch-medicinische Ver- 
handlungen. Bd. II. p. A ff. 

2 F,. E. Schutze, Über den Bau und die Entwicklung der Spongien. Die Familie 
der Aplysinidae. Diese Zeitschr. Bd. XXX. p. 400. 

3 R. v. LENDENFELD, Das Hornfaserwachsthum der Aplysinidae. Zoologischer 
Anzeiger Nr. 126. 

4 F. E. Scuutze, Über den Bau und die Entwicklung der Spongien. Die Familie 
der Aplysinidae. Diese Zeitschr. Rd. XXX. p. 402, 403. 


292 R. v, Lendenfeld, 


stellen wie die starre, todte und aller zelligen Einlagerungen entbeh- 
rende Spongiolinröhre durch Intussusception wachsen könne und eben 
so wenig, wie das Anfangs aus Spongiolin bestehende Hornfaserende, 
welches, wie oben nachgewiesen, aus derselben Substanz besteht wie 
der Rindentheil der Faser, sich ohne Weiteres in Marksubstanz verwan- 
deln könne, ohne dass das Gleiche auch mit den Rindenlagen geschieht. 
Dies ist freilich möglich und würde die Annahme eines Wachsthums 
durch Intussusception überflüssig machen. 

Besonders sind es ScauLze’s! erschöpfende Angaben über den 
feineren Bau der Fasern von Aplysina a&rophoha, welche eine solche 
Deutung nahelegen würden, wenn nicht die Markachsen der anastomo- 
sirenden Fasern in kontinuirlichem Zusammenhange stünden. Da an 
der Oberfläche von Aplysina nur radiale Fasern vorkommen und die 
Verbindungsfasern, welche der Oberfläche parallel laufen, erst eine 
Strecke weit unter derselben sich bilden, so müssen stets die radialen 
Fasern da sein, ehe die tangentalen gebildet werden. Es muss eine 
Zeit geben, wo das nach ScHauLzE aus der terminalen Spongiolinkuppe 
ohne Zuthun von zelligen Elementen sich bildende Mark der tangentalen 
Faser von dem Marke der radialen Faser durch die Hornrinde der letz- 
teren geschieden wird, und diese Zeit muss so lange sein, bis das Mark 
der radialen Faser an der Verbindungsstelle die Dicke der Hornfaser 
erreicht hat, welche sie besaß, als der tangentale Zweig sich anlegte. 
Es müsste also das Mark mindestens so dick sein, als die radiale Horn- 
faser über den Stellen, wo sich die tangentalen Fasern anlegen, was 
ScuuLze nicht beschreibt und was bei den europäischen kaum, bei 
den australischen Aplysinen jedenfalls nicht der Fall ist. 

Das Mark der Fasern von Dendrilla rosea zeigt außer seiner Abthei- 
lung in einzelne auf einander folgende fernrohrartig sich verjüngende Ab- 
schnitte, noch eine weitere Abtheilung der einzelnen Glieder in Kuppen, 
deren Ränder jedoch keineswegs in die Spongiolinlagen der Hornrinde 
übergehen und eben nur die Phasen der Thätigkeit der markbildenden 
Kuppelzellen andeuten. Eine solche Schichtung ist jedoch nur selten, 
und auch dann nicht sehr deutlich sichtbar. 

Die markbildenden Zellen, welche in kuppelförmiger Ancona 
zwischen die terminalen Snon&olinlaten eingeschlossen werden, fressen 
sich in centrifugaler Richtung durch das Spongiolin durch und ver- 
mehren sich hierbei. Sie lösen das Spongiolin an ihrer centrifugalen 
Seite auf und scheiden es an ihrem centripetalen Ende als körnige Mark- 


ı F. E, ScuuLze, Über den Bau und die Entwicklung der Spongien. Die Familie 
der Aplysinidae. Diese Zeitschr. Bd. XXX. p. 40. 


= 


Über Coelenteraten der Südsee. II. 293 


substanz ab. Sie bewegen sich jedoch nicht so rasch, als die Vegeta- 
tionsspitze durch Anlagerung immer neuer Spongiolinlagen in centri- 
fugaler Richtung vorwärts wächst und schreiten überhaupt immer 
langsamer vor, so dass nicht allein die jüngste, vorderste Lage von 
markbildenden Zellen bald hinter der Vegetationsspitze zurückbleibt, 
sondern auch der Abstand zwischen den einzelnen Zellenlagen gegen die 
Basis der Hornfaser hin zunimmt. Diese Zellenkuppeln nehmen mit 
dem Alter an Durchmesser zu, so dass die centripetaleren stets breiter 
sind als die centrifugalen und somit auch die Markcylinder, die ihre 
Bahnen bezeichnen, an Dicke zunehmen, je mehr wir uns der Basis der 
Hornfaser nähern. Die ältesten zuerst an der Ursprungsstelle der Fasern 
gebildeten Kuppeln zeichnen sich besonders durch die Langsamkeit 
ihres Vorwärtsschreitens aus und bedingen so eine Erweiterung des 
basalen Theiles der Markachse, indem ihr Wachsthum in der Breite in 
den Vordergrund tritt. An Verzweigungsstellen (Taf. XIII, Fig. 32) 
bildet sich ein seitlicher Auswuchs an der vorhin regelmäßigen Kuppel, 
und dieser Auswuchs ist es, welcher jenen Theil der Hornrinde der 
älteren Faser auflöst, welcher früher die Markräume von Stamm 
und Ast getrennt hatte. Auf diese Weise wird bei der Gattung Den- 
drilla die Verbindung der Markräume aller Theile des Hornbaumes her- 
gestellt. Natürlich ist von allen, mit Ausnahme der jüngsten Kuppel 
von markbildenden Zellen nur jener Theil damit beschäftigt Spongiolin 
in Mark zu verwandeln, welcher an den Rändern der stets breiteren 
centripetalen Kuppeln mit dem Spongiolin direkt in Kontakt tritt. Der 
centrale Theil der Kuppel bekundet nur dann eine markbildende Thätig- 
keit, wenn es auf die Herstellung der Verbindung der Markräume von 
Stamm und Ast ankommt. 

Während ihrer Thätigkeit geht an den markbildenden Zellen eine 
eigenthümliche Veränderung vor sich, sie beginnen nämlich im Alter 
Spongiolin auszuscheiden, welches die einzelnen Zellen von einander 
trennt. Diese zuerst als dünne Scheidewand auftretende Ausscheidung 
nimmt allmählich an Dicke zu und ist natürlich an der ältesten, centri- 
petalsten Kuppel am deutlichsten und mächtigsten. Ich möchte diese 
Ausscheidung, welche vielleicht mit der Verkalkung der Gewebe der 
Wirbelthiere im Alter zu vergleichen ist, als die Ursache für das immer 
trägere Fortschreiten der Kuppeln bei zunehmendem Alter derselben an- 
nehmen. Ich zweifle nicht, dass diese Spongiolinbildung schließlich 
zur Lähmung und zum Tode der Zellen führt, da es mir öfters gelungen 
ist in den basalen Theilen dicker Hornfasern die bienenwabenähnlichen 
Spongiolinhüllen einer Kuppel aufzufinden, in denen keine Spur mehr 
von Plasma zu erkennen war. 


294 R. v. Lendenfeld, 


Besonders eigenthümlich ist die Entstehung der Stämme, deren 
Besprechung ich bis jetzt verschoben habe, weil hier verwickelte Ver- 
hältnisse obwalten, welchen die Hornfaserbildungstheorie vorausge- 
schickt werden musste. 

Die basalen Theile der Hornfasern der jungen Dendrilla rosea neh- 
men eine Weile gleichmäßig an Dicke zu, so dass keiner erheblich stärker 
ist, als die anderen. Bald aber beginnt eine Hornfaser, welche nahe der 
Mitte liegt, die anderen an Dicke zu übertreffen. Diese eine verstärkt 
sich nun sehr rasch, während alle anderen auf ihrer Wachsthumsstufe 
stehen bleiben. Sobald der Spongoblastenmantel der wachsenden Faser 
die anderen Fasern, welche keinen Spongoblastenmantel mehr besitzen, 
berührt, werden diese aufgelöst, und die Substanz derselben, so- 
wohl Spongiolin wie Mark, wird wahrscheinlich von den Spongoblasten 
des sich bildenden Stammes zur Bildung von Spongiolin für den 
Stamm verwendet. Die Thätigkeit der Spongoblasten ist hier also eine 
doppelte: eine auflösende und eine abscheidende und ist im gewissen 
Sinne eine der Wirkung der markbildenden Zellen vergleichbare, zum 
Theil reciproke. Der auf diese Weise entstehende Stamm zeigt wellen- 
förmige Schichtung. Nehmen wir die von der Achse entfernteren Theile 
als Wellenberge an, so haben wir wohl für jede aufgelöste Hornfaser 
einen Wellenberg, der als Basis für die späteren Hornlagen dient und in 
allen außerhalb desselben liegenden Schichten abgebildet wird. Dies 
erklärt es, warum nach außen hin die Zahl der wellenförmigen Falten 
der Hornlagen zunimmt. Je mehr Fasern aufgelöst und einverleibt wer- 
den um so mehr Wellenberge sind anzutreffen. 

Der Stamm besitzt, wie aus dieser Bildungsweise hervorgeht, nur 
einen Markcylinder. Dieser liegt annähernd in der Mitte und beträgt 
sein Durchmesser oft weniger als ein Zehntel des Gesammtdurchmessers 
des Stammes, was diesen von den übrigen Theilen des Skelettes, in 
welchen der Durchmesser des Markes stets mehr als die Hälfte des 
Gesammtdurchmessers beträgt, wesentlich unterscheidet. Die Mark- 
räume jener Äste, die seitlich aus dem Stamme entspringen, stehen oft 
nicht mit dem Markraume des Stammes selbst in Verbindung, obwohl das 
Mark einiger derselben doch noch nachträglich durch eine Wucherung 
der ältesten markbildenden Zellen des Stammes mit dem Marke der 
übrigen Skeletttheile in Verbindung tritt. 


Dendrilla a@rophoba. 
Verhältnismäßig selten findet sich in Port Philip auf felsigem Grunde 
in einer Tiefe von 4—7 Meter unter der Ebbegrenze ein kleiner, schön 
schwefelgelber Schwamm, der zwar in der äußeren Erscheinung ziemlich 


Über Coelenteraten der Südsee. II. 95 


wesentlich von Dendrilla rosea abweicht, jedoch zweifelsohne der- 
selben Gattung zugezählt werden muss. Alle Exemplare, welche ich 
erhielt, hatten annähernd dieselbe Größe (Taf. X, Fig. 4), sie waren 
8—10 cm lang und etwa 4 cm breit. Eben so wie Dendrilla rosea sitzt 
auch diese Species auf einem Stiel, ist jedoch nicht klumpig sondern 
mehr flächenhaft ausgebreitet, einer längs gefalteten Platte gleich. Diese 
Platte übersteigt nie eine Dicke von 1 cm und erscheint durchaus gleich 
mächtig. Eben so stark oder auch etwas stärker ist der Stiel, der ohne 
Grenze in den übrigen Schwammkörper allmählich übergeht. Am 
distalen Ende verschmälert sich der Schwamm und erscheint also fast 
spindelförmig, das Ende selbst ist abgerundet. 

Der Schwamm besteht aus einer großen schildförmigen Hauptplatte, 
welcher Stiel und Spitze angehören, und aus einer oder mehreren 
Nebenplatten, die längsgerichtet der Schwammachse parallel, der kon- 
kaven Seite der schildförmigen Hauptplatte aufsitzen. Wie die erwach- 
sene Dendrilla rosea besitzt auch unsere Art ein einziges endständiges 
Osculum, welches nicht über die übrige Schwammoberfläche erhoben 
ist. Dasselbe ist kreisrund und hat einen Durchmesser von 5 mm. 

Die Oberfläche ist nicht wesentlich von jener anderer Aplysillinen 
verschieden, die Gonuli ragen 2—3 mm über die konkaven Felder empor 
und sind durchschnittlich 5 mm von einander entfernt. Öfters stehen 
2—5 Conuli in dicht gedrängten Gruppen, so dass hierdurch an einzelnen 
Stellen, besonders an der konkaven Seite des Schwammes, die Regel- 
mäßigkeit in der Vertheilung der Conuli gestört wird. Solche Gruppen 
bilden dann den Übergang zu Conulis, deren unregelmäßiger Kontur 
darauf hinweist, dass die Hornfaser, welche ihm zur Stütze dient, nicht 
einfach ist, sondern dass nahe unter der Spitze aufstrebende Zweige ab- 
gehen, welche die unregelmäßig höckerige Gestalt des betreffenden 
Conulus verursachen. Erhöhte Firste spannen sich zwischen den meisten, 
jedoch nicht allen, einander zunächst liegenden Conulis aus, so dass 
neben den dreieckigen konkaven Feldern auch rhombische vorkommen. 

Die Farbe ist durch den ganzen Schwamm ein ziemlich gleich- 
mäßiges Schwefelgelb; er hat genau dieselbe Farbe, wie Aplysina a&ro- 
phoba. Sehr interessant ist es, dass an unserem Schwamme derselbe 
Farbenwechsel durch die Einwirkung von süßem Wasser, Luft oder 
anderen schädlichen Substanzen hervorgerufen wird, welcher Aplysina 
aerophoba auszeichnet. Ich habe demgemäß auch für diesen Schwamm 
den Speciesnamen a&rophoba gewählt. 

Der Schwamm wird nämlich, wenn er unter ungünstigen Um- 
ständen langsam abstirbt, allmählich von der Oberfläche gegen die Mitte 
zu (Taf. X, Fig. 6) schön blau. Später geht diese Farbe fast in Schwarz 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVIII. Bd, 0 


296 R. v. Lendenfeld, 


über, obwohl auch dann noch bei gutem Lichte das Blau deutlich er- 
kennbar ist. Auch die Einwirkung von Alkohol ist die gleiche, wie bei 
Aplysina sulfurea, indem der Schwamm hierdurch schmutzig kupferroth 
wird. Dieser Farbstoff geht zum Theil in Lösung und fällt dann als 
brauner Niederschlag wieder aus. Ein wesentlicher Unterschied zwischen 
den beiden Spongien besteht, was die Farbe anbelangt, jedoch darin, 
dass bei unserer Dendrilla dieselbe nicht, wie bei Aplysina, an kon- 
krementartige Ballen ! gebunden ist. Es findet sich der veränderliche 
Farbstoff vielmehr in ähnlichen kleinen Körncher, wie ich sie als Farb- 
stoffträger für die beiden anderen australischen Aplysillinen beschrie- 
ben habe. 


Der Farbenwechsel ist im centralen Theile des Schwammes, auch 
wenn man denselben durchschnitten hat, weder bei Süßwasser-, noch 
bei Alkoholeinwirkung so intensiv und schön, wie an der Oberfläche, 
was zum Theil darauf zurückzuführen sein dürfte, dass in der Haut von 
Dendrillaa&rophoba, wie in der Hautder oben beschriebenen Schwämme, 
besonders zahlreiche amöboide Wanderzellen, und daher auch besonders 
viele Pigmentkörnchen vorkommen. I 


Die Konsistenz unseres Schwammes ist eine derbe zu nennen und 
steht daher im Gegensatze zu der Konsistenz der fast schleimigen, 
überaus weichen und zarten Dendrilla roses. Den Konsistenzdifferenzen, 
sofern dieselben nicht auf Unterschiede im feineren Baue des Meso- 
derms zurückgeführt werden können, möchte ich keine große systema- 
tische Bedeutung beilegen, da dieselben je nach dem Wassergehalt der 
Grundsubstanz bei einer und derselben Species beträchtlichen Schwan- 
kungen unterworfen sind. 


Dendrilla aörophoba zeichnet sich vor allen anderen Schwämmen 
dadurch aus, dass sie in süßem Wasser nicht verfault, sondern darin 
längere Zeit unverändert aufbewahrt werden kann. Alle Lumina, mit 
Ausnahme des terminalen Theiles des Oscularrohres verschwinden hier- 
bei und der ganze, im Leben ziemlich poröse Schwamm stellt dann eine 
lederartige, überaus zähe blauschwarze Masse dar. Nur durch die Ein- 
wirkung von Alkalien gelingt es den Schwamm zu maceriren. 


Ich habe auf Feldern, welche mit Seetang gedüngt wurden, zu- 
weilen solche blauschwarze Schwämme gefunden, die schon geraume 
Zeit allen Unbilden des Wetters ausgesetzt gewesen waren und noch 
immer keine Spur von Fäulnis erkennen ließen. Todt waren diese 
Schwämme wohl sicher, da selbst solche, welche nur wenige Minuten 


1 F. E. Schulze, Über den Bau und die Entwicklung der Spongien. Die Familie 
der Aplyvsinidae. Diese Zeitschr. Bd. XXX. p. 396. 


Über Goelenteraten der Südsee. I, 297 


in süßem Wasser gelegen hatten, sich im Aquarium nicht wieder er- 
holten, sondern dieselben Veränderungen erkennen ließen. Eine solche 
Resistenz gegen Fäulnis kann nur aufirgend eine Substanz desSchwamm- 
körpers zurückgeführt werden, welche das Leben fäulniserregender 
Bakterien unmöglich macht. Über die chemische Natur dieser Substanz 
kann ich jedoch aus den oben angeführten Gründen leider nichts 
Näheres angeben. 

Das Skelett (Taf. X, Fig. 2) ist ein Hornbaum, dessen Äste keine 
wirklichen Anastomosen eingehen, sondern nur hier und da, wo sie sich 
seitlich berührt hatten, verkleben. 

Von einer Hornplatte, welche sich dicht an die Unterlage an- 
schmiegt und so den Schwamm am Meeresgrunde befestigt, erhebt sich 
ein vertikaler, gerader Stamm, von dessen Ende eine große Zahl sehr 
dünner Hornfasern abgeht, die sich in ihrem Verlaufe von unten nach 
oben nur wenig verästeln. In der Nähe der Oberfläche entspringen aus 
diesen Ästen zahlreiche Zweige, welche doldenförmig, hirschgeweih- 
artig, quirlständig oder unregelmäßig aus den Ästen entspringen. Diese 
Zweige sind im Verhältnis zu den Ästen sehr kurz. Bei Weitem der 
größte Theil derselben endet in Conulis, nur selten gelingt es Vegeta- 
tionsspitzen von Hornfasern im Schwammgewebe selbst aufzufinden. 

Die Äste, welche aus dem Stamme entspringen, können aufstrebend 
genannt werden. Stets sind diejenigen, welche im centralen Theile des 
Schwammes liegen, einander und der Längsachse desSchwammes nahezu 
parallel. Die mittleren sind die längsten, gegen die Seiten des Schwam- 
mes hin nehmen sie an Länge ab. Auch hier bemerken wir, eben so 
wie bei Dendrilla rosea, dass einige Fasern rauh, Knorrig, ja sogar längs- 
gerieft sind, während andere ganz glattwandig erscheinen. Bei näherem 
Zusehen findet man, dass dieselbe Faser in einem Theile ihres Verlaufes 
knorrig, in einem anderen glatt sein kann. Wir werden unten hierauf 
zurückkommen. Die Fasern sind sehr zart und erreichen nie die Stärke 
selbst der zartfaserigsten Dendrilla rosea-Skelette. 

Die centralen Theile der konkaven Felder werden von Porengruppen 
eingenommen, welche in die großen Hautporen führen. Die Kontrak- 
tilität der Haut übertrifft noch jene der Haut von Dendrilla rosea, indem 
nicht allein die Löcher des feinen Porenhäutchens, sondern auch die 
großen Hautporen ganz oder nahezu geschlossen werden können. Die 
Verhältnisse des Porensystems sind im Übrigen identisch mit denen von 
Dendrilla rosea: auf eine große, kreisrunde, im Maximum 0,17 mm im 
Durchmesser haltende, in der Mitte eingeschnürte Hautpore kommen 
sechs bis acht Löcher des feinen Porenhäutchens. 

Obwohl in Folge der außerordentlichen Kontraktilität der Durch- 

20* 


298 R. v. Lendenfeld, 


messer der Poren großen Schwankungen unterworfen ist, so scheint 
mir doch eine Regelmäßigkeit in der Vertheilung größerer und kleinerer 
Hautporen in so fern wahrnehmbar zu sein, als im Centrum der kon- 
kaven Felder stets größere Poren anzutreffen sind, als an den Rändern 
(Taf. XIII, Fig. 33). Die Haut ist, besonders in der Mitte der Felder, 
überaus dick und erreicht hier einen Durchmesser von 0,18 mm. Frei- 
lich wird dieselbe sehr verdünnt, wenn die Hauiporen geschlossen 
werden. Unser Schwamm besitzt, wie die andere Species, die Fähig- 
keit, seine Felder auszuflachen, was mit der Schließung der Poren Hand 
in Hand geht, doch ist diese Bewegung niemals eine bedeutende. 
Wesentlich erscheint es, dass sich in der Haut regelmäßig verhältnis- 
mäßig große Sandkörnchen finden (Taf. XIII, Fig. 33, 35 F). Erinnert, 
schon diese Eigenthümlichkeit an Aplysilla violacea, so wird die Ähn- 
lichkeit noch mehr dadurch gesteigert, dass der Subdermalraum mit 
jenem von Aplysilla violacea übereinstimmt und keineswegs jene Aus- 
bildung zeigt, wie bei Dendrilla rosea. 

Er besteht aus einem flachen Hohlraum, der nie eine Höhe von 
0,05 mm übersteigt und in welchem auf der einen Seite die Hautporen 
einmünden, und von dessen anderer Seite die wasserzuführenden 
Kanäle mit trompetenförmig erweitertem Anfangstheil entspringen. Die 
Brücken, welche die Haut mit der Unterlage verbinden und so den Sub- 
dermalraum unterbrechen, sind nicht zahlreicher, wohl aber etwas. 
stärker, als bei Aplysilla violacea, so dass hier die Haut fester am 
Schwamme haftet als dort. Der Subdermalraum besitzt, wie bei Aply- 
silla, die Fähigkeit, sich so stark zusammenzuziehen, dass sein Lumen 
schwinden kann. Wie bei den oben beschriebenen Spongien zeichnet 
sich die Haut an den Firsten zwischen den Conuli dadurch aus, dass 
sie besonders fest mit der Unterlage verbunden ist. Unter jenem Theil 
des Firstes, welcher dem Conulus zunächst liegt, findet sich überhaupt 
kein Subdermalraum. Nur die Mitten der Firste sind unterminirt. Es 
gewinnt somit der Subdermalraum, abgesehen von den Brücken, die 
Gestalt eines, den ganzen Schwamm umziehenden Hohlraumes, der durch 
sternförmige Verlöthungsstellen von Haut und Unterlage unterbrochen 
ist, in deren Mitten die conulitragenden Hornfasern liegen. 

Das einführende Kanalsystem besteht aus drehrunden, ziemlich. 
reich verzweigten Gängen von 0,1—0,2 mm Durchmesser. Nur eine 
ganz kurze Strecke weit verlaufen die Kanäle gerade, senkrecht zur 
Schwammoberfläche, im Inneren des Schwammes erscheinen sie viel- 
fach gekrümmt und unregelmäßig gelagert, Sie kommen in allen Theilen 
des Schwammes vor. 

Die Geißelkammern sind verhältnismäßig spärlich, ihrer Form, 


Über Goelenteraten der Südsee. II. 299 


Größe und Lage nach jedoch nicht von den oben beschriebenen ver- 
schieden. 

Das ausführende Kanalsystem besteht aus unregelmäßigen Gängen, 
die Anfangs ein ähnliches Lumen haben, wie die kleinsten einführenden 
Kanäle. Im Allgemeinen ziehen diese Gänge nach abwärts gegen die 
Basis des Schwammes hin und vereinigen sich hierbei zu Sammel- 
kanälen, welche einen Durchmesser von 0,4 mm erreichen. Diese mün- 
den in die basalen Äste des Oscularrohres ein. 

Das Oscularrohr spaltet sich gleich unter dem Osculum in 3—5 
Zweige, von denen zwei die schildförmige Hauptplatte versorgen und 
außerdem für jede Nebenplatte einer vorhanden ist. Diese Gänge haben 
ein außerordentlich weites Lumen (Taf. XIII, Fig. 33) und übertreffen 
hierin den Oscularrohrstamm, so dass sie lakunös erweitert erscheinen. 
Sie haben einen ovalen Querschnitt. Die Achsen der Ellipse erreichen 
eine Länge von 2 und 1,4 mm. Nach unten zu nimmt das Rohr allmäh- 
lich, nach oben zu aber plötzlich an Größe ab, indem es mit einer 
pylorusartigen Einschnürung in das Hauptrohr mündet. Erst in der un- 
teren Hälfte dieses einer langen ‚Radischenwurzel ähnlich sehenden 
Oscularrohrzweiges finden sich große Öffnungen in der Wandung, 
welche die Mündungen der wasserabführenden Kanäle sind. Das Oscu- 
larrohr und seine Zweige sind nicht durch einen Subdermalraum von 
dem übrigen Schwammkörper getrennt, wie bei der anderen Dendrilla- 
Art. Es gleichen die Wandungen vielmehr denen der anderen Spongien. 

Ob und in wie weit dieser Schwamm mit den von Hyarr und an- 
deren Forschern beschriebenen Schwämmen der Gattungen Dendro- 
spongia, Darwinella und Janthella verwandt ist, lässt sich wegen man- 
gelnder Beschreibung des Weichkörpers nicht feststellen. 


Histologische Struktur. 


Wenngleich unser Schwamm in seinem feineren Bau ziemlich nahe 
mit Dendrilla rosea übereinstimmt, so finden sich doch einige Abwei- 
chungen in den feineren Details, welche bemerkenswerth sind. 


Die Haut. 


Das Bindegewebe der Haut enthält in einer hyalinen Grundsubstanz 
dieselben sternförmigen und faserigen Bindegewebszellen, dieselben 
amöboiden Wander- und Drüsenzellen und ist von demselben ektoder- 
malen Epithel bekleidet, wie die Haut der anderen Aplysillinen (Taf. XII, 
Fig. 35). Die Faserzellen sind, gemäß der außerordentlichen Kontrak- 
tilität der Haut, besonders zahlreich und bilden zwei Platten an beiden 


300 R. v. Lendenfeld, 


Seiten der Haut, so wie einen starken Sphinkter in der Wand der Haut- 
poren. Besonders der letztere (Taf. XIII, Fig. 35 M) ist auffallend stark 
entwickelt, so dass die Intercellularsubstanz von den Faserzellen dort 
fast ganz verdrängt wird. Die amöboiden Wanderzellen zeichnen sich 
dadurch aus, dass sie durch Alkohol nicht unkenntlich gemacht werden 
und es ist daher an jedem Querschnitte durch die Haut von Spiritus- 
präparaten an der Subdermalseite eine Schicht dicht stehender Wander- 
zellen nachweisbar, welche die braunrothen — im Leben schwefelgelben 
— Pigmentkörnchen enthalten. Solche Wanderzellen finden sich auch 
in der Mitte der Haut. Die Pigmentkörnchen sind ausschließlich an die 
amöboiden Zellen gebunden, was hier, wo letztere stets deutlich sicht- 
bar sind, besonders schön zu sehen ist. 

Die Drüsenzellen, welche, wie bei Dendrilla rosea auch in den 
Porenwandungen vorkommen, weichen in so fern von den oben beschrie- 
benen ab, als sie viel längere Fortsätze besitzen und somit im Ganzen 
schlanker gebaut erscheinen. Sie sind hier geradezu kometenförmig 
(Taf. XII, Fig. 34, 35) und besitzen auch zahlreichere Fortsätze, als 
jene von Aplysilla violacea. Sie erreichen eine Gesammtlänge von 0,03 
und eine Dicke von 0,04 mm. Das Epithel ist von jenem der oben be- 
schriebenen Arten nicht zu unterscheiden. 

Was die Haut unseres Schwammes besonders auszeichnet, das sind 
die großen Sandkörnchen, welche in derselben liegen. Diese Sandkörn- 
chen haben alle annähernd die gleiche Größe und alle auch dieselbe Ge- 
stalt und Lage in Bezug auf die Schwammoberfläche. Es sind 0,1 mm 
lange und 0,02—0,04 mm breite keilförmige Quarzkörnchen (Taf. XII, 
Fig. 33, 35 F), welche in der äußeren Hälfte der Haut und zwar mit 
ihren Spitzen oder Schneiden nach außen zu liegen. Solche finden sich 
in den centralen Theilen der konkaven Felder. Diejenigen, welche in 
der Nähe der Conuli liegen, sind entsprechend der hier dünneren Haut 
kleiner, doch stets von derselben Gestalt und Lage, wie die großen. Es 
kann wohl kein Zweifel darüber bestehen, dass sie als Defensivwafien 
dienen, eben so wie die »Floricome spieules«, welche in den vorragen- 
den Theilen der Oberfläche von Euplectella aspergillum liegen, oder die 
mit einer Spitze vertikal auf die Schwammoberfläche stehenden Nadeln 
der Plakiniden und anderer Kieselschwämme. 

Wird ein Theil der Oberfläche des Schwammes gereizt, so ziehen 
sich die dort befindlichen Faserzellen stark zusammen und es werden 
hierbei die Poren geschlossen. Hierdurch wird zugleich die ganze Haut 
verdünnt, und es wird ein starker Druck auf das obere und untere Ende 
der Sandkörnchen ausgeübt, welche nicht, wie das weiche Bindegewebe, 
abgeplattet werden können. Dieser Druck bewirkt es, dass die Spitze 


Über Coelenteraten der Südsee. Il. | 301 


der Sandkörnchen gegen das äußere Epithel gepresst wird. Zugleich 
beginnen aber auch die Drüsenzellen ihre secernirende Thätigkeit, und 
es wird hierdurch das Epithel zunächst abgehoben und schließlich von 
der drängenden Spitze des Sandkörnchens durchbohrt. Schwämme, die 
gelitten haben, lassen ihre Sandkörnchen bis zu ein Drittel ihrer Länge 
frei vorragen. In dieser Stellung werden sie dann von dem inzwischen 
zu einer Hornrinde erstarrten Sekret der Drüsenzellen festgehalten. 
HaceckeL ! nimmt an, dass die Schwämme durch die Wahl der 
Fremdkörper, welche sie zum Aufbau ihres Skelettes verwenden, eine 
intellektuelle Thätigkeit bekunden, die ihrerseits wieder beweisen soll, 
dass die Schwämme eine gewisse Perceptionsfähigkeit — also Sinnes- 
organe — besitzen. Dieser Ansicht tritt ScauLze ? entgegen, indem er 
sehr zutreffend bemerkt, dass aus der Thatsache, dass eine gewisse Aus- 
wahl stattzufinden scheint, indem Sandkörnchen von einer gewissen 
Größe nur aufgenommen werden, noch nicht mit Nothwendigkeit folgt, 
dass den Schwämmen Urtheilskraft und Selbstbewusstsein zukommt. 
Es scheint wohl gewiss, dass alle Lebenserscheinungen der Spongien 
ohne Vorhandensein eines Bewusstseins verrichtet werden können. Da 
sich jedoch der Begriff Bewusstsein eben so wenig wie der Begriff der 
absoluten Position weiter definiren, unter einen höheren Begriff unter- 
ordnen lässt, so kann die Frage, ob die Schwämme Bewusstsein be- 
sitzen oder nicht, gar nicht diskutirt werden. Bei uns gehen alle Wachs- 
thumsvorgänge ohne Hinzuthun des Bewusstseins vor sich und eben so 
wie das Epithel der Blutgefäße der Placenta z. B. nicht Alles absorbirt, 
was damit in Berührung gebracht wird, so wird das Epithel der 
Schwammoberfläche Fremdkörper von bestimmter Größe unter den 
zahlreichen, die damit in Berührung kommen, gewissermaßen auslesen. 
Ob nun der Placenta und dem Schwammepithel desshalb ein Bewusst- 
sein zukommt, will ich nicht weiter besprechen. Jedenfalls ist die Aus- 
wahl der verwendbaren Sandkörnchen in dem Falle von Dendrilla a&ro- 
phoba noch viel rigoroser und auffallender, als bei Spongelia, weil eine 
Sichtung nicht nur der Größe, sondern auch der Gestalt nach, hier vor- 
liegt. Eine solche ist nicht mit einem Schlemmungsprocess vergleichbar 
und wäre viel eher geeignet ein Schwammbewusstsein zu erweisen, als 
die Auslese gleich großer Fremdkörper von wechselnder Gestalt. Zwei- 
felsohne werden Sandkörnchen, auch von anderer Gestalt, wenn sie auf 
die Haut drücken, in dieselbe aufgenommen, es steht jedoch zu vermuthen, 


1 E. HAEckeı, Die Physemarien. Gasträaden der Gegenwart. Jenaische Zeit- 
schrift. Bd. X1. 

2 F. E. Schulze, Über den Bau und die Entwicklung der Spongien. Die Gattung 
Spongelia. Diese Zeitschr. Bd. XXX. p. 431, 


802 R. v. Lendenfeld, 


dass solche, ehe sie tief eingedrungen sind, wieder ausgestoßen werden, 
wonach dann den Bindegewebszellen in der Haut eine gewisse Sinnes- 
thätigkeit nicht abgesprochen werden könnte, diese würde aber doch 
noch nicht das Bewusstsein beweisen. Ich habe in einem, zwischen 
Ebbe und Fluthgrenze gelegenen Felsloche, welches für sesshafte Thiere 
ein ausgezeichnetes natürliches Aquarium bildet, eine Dendrilla a&ro- 
phoba längere Zeit am Leben erhalten und dieselbe mit feinem Sande 
bestreut. Nach 24 Stunden wurde ein kleines Stück dieses Exemplares 
in Alkohol gehärtet und untersucht. Sandkörnchen der verschiedensten 
Gestalt und Größe waren der Haut eingelagert, doch ragten alle um 
mehr als die Hälfte über die Schwammoberfläche vor. Ich glaubte an 
diesem Präparat erkennen zu können, dass einige passende, keilförmige 
Stücke tiefer eingedrungen waren als die anderen. Am anderen Tage 
nahm ich ein anderes Stück der Oberfläche und da waren die passenden 
Fremdkörperstücke bereits radial orientirt und fast ganz in die Haut ver- 
sunken, während die anderen minder zahlreich nur an der Oberfläche 
lose hafteten. Den übrigen Theil des Schwammes untersuchte ich nach 
einer Woche und fand keine Spur mehr von anders geformten Sandkörn- 
chen in seiner Haut vor, alle waren keilförmig. Bemerkenswerth ist es, 
dass die Sandkörnchen der Schwammhaut von einer, zwar nicht oft 
nachweisbaren, aber doch wahrscheinlich immer vorhandenen Lage von 
Spongiolin umgeben sind. Ich halte es für wahrscheinlich, dass dasselbe 
von den Drüsenzellen der Haut herrührt, welche das eindringende Sand- 
korn mit ihrem Sekret überzogen haben. 


Die Geißelkammerzone. 


Im feineren Bau stimmt der unter dem Subdermalraum liegende 
Theil des Schwammes vollkommen mit den oben beschriebenen Arten 
überein. Die farblose, hyaline Grundsubstanz enthält außer den ge- 
wöhnlichen sternförmigen und faserigen Bindegewebszellen noch einzelne 
amöboide Wanderzellen, die auch hier, wie in der Haut, deutlich erkenn- 
bar sind. In diesen finden sich Pigmentkörnchen. Eine besonders mäch- 
tige Lage von Faserzellen findet sich in der Wand der lakunös erweiter- 
ten Zweige des Oscularrohres. Auch erscheinen die bindegewebigen 
Hüllen der Hornfasern unseres Schwammes viel dicker, als die entspre- 
chenden Bildungen von Dendrilla rosea. Stränge von Faserzellen durch- 
setzen in allen Richtungen den Schwammkörper. Diese ausnehmend 
starke Entwicklung der faserigen Elemente dürfte es wohl sein, auf 
welche die außerordentliche Kontraktilität unseres Schwammes zurück- 
zuführen ist. Wenngleich kein Unterschied in dem Aussehen der Grund- 
substanz der beiden Dendrilla-Arten besteht, so ist doch die Grundsub- 


Über Coelenteraten der Südsee. II. 303 


stanz von Dendrilla aörophoba viel härter, so dass sie etwa die Konsistenz 
der harten Muskelstützleisten an der Subumbrella großer Medusen er- 
reicht. 

Die Genitalorgane (Taf. XIII, Fig. 33 G) sind unregelmäßig geformte 
Haufen von Eiern oder Spermaballen, welche in allen Theilen des 
Schwammes zwischen den Geißelkammern vorkommen. Auch hier findet 
man zu gleicher Zeit männliche und weibliche Genitalprodukte in den 
hermaphroditischen Schwämmen. Stets finden sich in einem Haufen 
Genitalprodukte von verschiedener Reife, große und kleine Eier oder 
Spermaballen neben einander. Sie werden durch Septen von einander 
geschieden, welche von der gemeinsamen, vielschichtigen Bindegewebs- 
hülle nach innen ragen. 

Ich habe zuweilen Exemplare untersucht, welche ausschließlich 
weibliche Genitalorgane enthielten, kann aber, da der Schwamm über- 
haupt selten ist, nicht mit genügender Sicherheit angeben, ob ein sol- 
ches Verhältnis häufig ist und ob es auf einer früheren Reifung und Aus- 
stoßung der männlichen Genitalprodukte beruht. 

Die Epithelien der beiden Kanalsysteme unterscheiden sich von 
einander wie bei Dendrilla rosea. Das Epithel des Oscularrohres und 
seiner erweiterten Äste gleicht dem entodermalen Plattenepithel des 
ausführenden Kanalsystemes vollkommen, es ist somit in diesem Falle 
zweifellos das Oscularrohr eine entodermale Bildung. Die Geißel- 
kammern besitzen mehrere kleine Einströmungsporen, die aber nur 
selten erkennbar sind. Das Lumen ist sehr veränderlich und sinkt oft 
beträchtlich unter die anderen Aplysillinen zukommende Maximal- 
größe herab. Die Kragenzellen enthalten stets Pigmentkörnchen von 
derselben Art wie die amöboiden Wanderzellen. Diese scheinen, ob- 
wohl im Leben schön gelb, doch nicht beim Absterben des Schwammes 
so intensiv blau zu werden und auch nach Alkoholeinwirkung erschei- 
nen sie mehr gelblichbraun als rothbraun. Es weist dieser Unterschied 
ohne Zweifel auf eine Verschiedenheit in der ehemischen Konstitution 
der Körnchen hin, und es scheint somit, dass sie nicht als solche von 
den Kragenzellen ausgestoßen werden, sondern dass nur einzelne Be- 
standtheile derselben abgeschieden werden, während der übrige Theil 
wieder den amöboiden Zellen übergeben wird. Die Analogie dieser 
Pigmentkörnchen mit rothen Blutkörperchen wäre somit ziemlich be- 
deutend, um so mehr, als nichts der Annahme im Wege steht, dass 
ihnen in den Kragenzellen Sauerstoff übertragen wird. 


304 R. v. Lendenfeld, 


Die Hornfasern. 

Wenn wir die Skelettbildungen der Aplysillinen mit einander ver- 
gleichen, so finden wir, dass die Wachsthumsgesetze der Fasern und 
somit die Art der Verzweigung derselben sich in einer Reihe ordnen 
lassen. Gehen wir von Aplysilla violacea aus. Dort finden wir eine 
doldenförmige Verzweigung ausschließlich. Keiner der Äste ist die 
Fortsetzung des Stammes, alle sind gleich stark und einander desshalb 
vollkommen homolog, weil sie gleichzeitig entstanden sind. Es folgt 
hieraus, dass bei Aplysilla violacea die Hornfasern sich ausschließlich 
an ihren Vegetationsspitzen spalten und nur dort Zweige hervorsprossen 
lassen. Bei Dendrilla rosea haben wir neben dieser Art der Zweigbil- 
dung auch noch eine Zweigbildung, welche an der Seite einer Horn- 
faser beginnen kann und deren Folge ein Unterschied der Stärke der 
fertigen Äste ist. Hierdurch wird auch die gegenseitige Lage der Äste 
dahin beeinflusst, dass neben der weitaus überwiegenden doldenför- 
migen Verzweigung eine vertlicillate auftritt. Dendrilla a&rophoba 
gleicht hierin der anderen Species, nur dass hier die quirlartigen Ver- 
zweigungen viel zahlreicher sind und etwa eben so viele verticillate wie 
doldenförmige vorkommen. Bei Aplysilla sulfurea endlich, wo von 
einer Verzweigungsstelle meist nur zwei Äste abgehen, ist der Unter- 
schied zwischen den Ästen stets ausgesprochen, so dass hier eine Spal- 
tung der Vegetationsspitze der Hornfaser, wie bei Aplysilla violacea, 
wohl nicht vorkommen dürfte. 

Die Schichten, welche wir an den Hornfasern und ihrer Umgebung 
von Dendrilla a&rophoba vorfinden, sind den oben von der anderen 
Species beschriebenen homolog und aus denselben Elementartheilen zu- 
sammengesetzt. Die bindegewebige Hülle zeichnet sich durch ihre 
außerordentliche Dicke aus (Taf. XII, Fig. 28 B), welche übrigens 
keineswegs konstant ist. Der Spongoblastenmantel ist an denjenigen 
Ästen, welche unverzweigt den größten Theil des Schwammes durch- 
ziehen und durch ihre Zartheit ausgezeichnet sind, nicht nachweisbar. 
An anderen Skeletitheilen jedoch findet man stets Spongoblasten, welche 
sich durch ihre Schlankheit auszeichnen und hierin den Drüsenzellen 
der Haut gleichen. 

Die Hornfasern selbst haben in verschiedenen Abschnitten ihres 
Verlaufes verschiedene Dicke und verschiedene Konturen (Taf. X, 
Fig. 2a). Sie erscheinen dicht oberhalb ihrer Ursprungsstelle zwiebel- 
artig verdickt und schön längsgerieft. Verfolgen wir die Faser in centri- 
fugaler Richtung, so finden wir, dass die erhöhten Längsrippen all- 
mählich niedriger werden und sich die Hornfaser zugleich verdünnt. 


Über Coelenteraten der Südsee. Il. 305 


In einiger Entfernung von der Ursprungsstelle verschwindet die Längs- 
riefung vollständig und von hier an gleicht die Faser den oben von 
Dendrilla rosea beschriebenen Fasern vollkommen. Der längsgeriefte 
und verdickte Theil der Faser erreicht eine verschiedene Länge. Ob- 
wohl meist in einer Entfernung von 3 mm die Fasern einen kreisför- 
migen Querschnitt angenommen haben, so kommt es doch auch aus- 
nahmsweise vor, dass die Fasern auf eine Strecke von 40 mm hin 
längsgerieft sind. 


Die verticillate Verzweigungsform unterscheidet sich von der 
doldenförmigen dadurch, dass bei der ersteren der Hauptast, welcher 
die Fortsetzung des Hauptstammes bildet, glatt und drehrund ist, wäh- 
rend bei der letzteren Form alle Äste längsgerieft und zwiebelartig ver- 
dickt erscheinen. An Querschnitten durch die längsgeriefte Partie einer 
Faser erkennt man (Taf. XIII, Fig. 28), dass die Hornlagen je weiter 
wir nach Innen vorgehen, eine um so stärkere wellenförmige Biegung 
aufweisen. Es waren diese Fasertheile also anfänglich, in der Jugend, 
weit stärker gerieft als zur Zeit der Tödtung des Schwammes und die 
Spongoblasten erfüllten die Wellenthäler (vergleiche die Bezeichnung 
bei den Spongiolinschichten des Stammes von Dendrilla rosea) immer 
mehr und mehr, indem die dort situirten Spongoblasten viel mehr 
Hornsubstanz secernirten, als diejenigen, welche auf den Wellenbergen 
oben standen. Oft lässt sich eine wellenförmige Form der innersten 
Hornschichten an älteren Fasern auch da nachweisen, wo der Kontur 
bereits ganz glatt geworden ist. 


Der centrale Markeylinder ist stets drehrund und seine Ober- 
fläche durchschneidet die wellenförmigen Trennungsflächen der inner- 
sten Hornlagen, so dass ein allmählicher Übergang des Spongiolins in 
Marksubsanz bei Dendrilla a&rophoba nicht stattfinden kann. Es ist hier 
vielmehr deutlich zu erkennen, dass der Markraum ausgebohrt wurde 
nachdem die Hornfaser da war. 


Das Mark selbst erscheint körnig, lässt jedoch öfters als bei Den- 
drilla rosea Spuren einer Zusammensetzung aus auf einander folgenden 
Kuppeln erkennen. Fingerhutförmige Gruppen von markbildenden 
Zellen, die farblos und trübe sind, finden sich bei diesem Schwamme 
in derselben Art vor, wie bei Dendrilla rosea. 


Meines Wissens ist noch von keinem Schwamme eine ähnliche Ge- 
stalt der Hornfasern beschrieben worden, wie sie die Fasern unseres 
Schwammes besitzen. Die Entwicklungsgeschichte der Fasern erklärt 
ihre eigenthümliche Gestalt. Da im Inneren des Schwammes zuweilen 
an älteren Hornfasern sich neue Zweige bilden, gelingt es die Entwick- 


306 R. v. Lendenfeld, 


lung und das Wachsthum an Zweigen, welche verschieden groß sind, 
zu studiren. 

Auf dem Holzschnitte habe ich einige Entwicklungsstadien eines 
Hornfaserzweiges dargestellt. Zunächst vermehren sich die Spongo- 
blasten an irgend einer Stelle des Spongoblastenmantels sehr rasch und 


bilden bald eine Verdickung des Mantels an dieser Stelle. Sie nehmen 
hierbei die polyedrische Gestalt jener Spongoblasten an, welche sich an 
den Vegetationsspitzen der Hornfasern finden. Die anfänglich von diesen 
Zellen abgeschiedene Hornsubstanz bildet einen Zapfen, dessen Schichten 
deutlich von jenen der Stammfaser abgesetzt erscheinen. Markbildende 
Zellen werden am Grunde des Zapfens zurückgelassen und diese be- 


Über Coelenteraten der Südsee. II. 307 


ginnen alsbald ihre Thätigkeit, indem sie gegen die Spitze der Zweig- 
faser hin wachsen und das ihnen im Wege liegende Spongiolin in Mark- 
substanz umwandeln (Fig. 4). Die Kuppel von polyedrischen Spongo- 
blasten theilt sich nun in mehrere getrennte Gruppen und im Gefolge 
dieser Erscheinung sehen wir nun mehrere radial vom Anfangs gebilde- 
ten Zapfen ausstrahlende Äste entstehen (Fig. 2). In diesen werden jedoch 
keine markbildenden Zellen zurückgelassen, so dass sie auch marklos 
bleiben. Ihre Zahl ist verschieden, sie schwankt zwischen 4 und 0. 
Während die Spongoblasten der Stammfaser eine nur sehr unbedeutende 
Thätigkeit entfallen, wachsen alle Theile des Zweiges ungemein rasch, 
besonders sind es die eben entstandenen marklosen Zweige, welche 
sehr rasch in die Länge zu wachsen scheinen, da nur 8°/, der von mir 
beobachteten Zweigkeime zwischen den Stadien 4 und 5 sich in diesem 
Zustande der Entwicklung befanden. Zugleich beginnen die Fasern sich 
nach einer oder nach mehreren Richtungen hin derart zu orientiren, 
dass sie einen oder mehrere Büschel bilden, welche aus Fasern bestehen, 
die mit ihren Spitzen gegen einander konvergiren. 

In den meisten Fällen konvergiren alle nach einem und demselben 
Punkte hin, wie dies auch in der Figur dargestellt ist, und wie es aus- 
nahmslos geschieht, wenn die Zahl der Hornfädchen eine geringe ist. Da 
nur an jungen Fasertheilen sich Zweige ansetzen, so folgen die Kuppeln 
markbildender Zellen in der Stammfaser ziemlich rasch auf einander und 
stets gelangt, bald nachdem sich der junge Zweig zu bilden begonnen 
hat, eine der Kuppeln der Stammfaser an jene Stelle, welcher der Zweig 
aufsitzt. Hier bildet sich eine seitliche Ausstülpung der Zellenkuppe, 
welche zapfenarlig in den Zweig hineinwächst. Auf diese Weise wird 
die Wand der-Stammfaser durchbrochen (Fig. 2), und der kontinuirliche 
Zusammenhang der Markräume von Ast und Stamm hergestellt. 

Der anfänglich in dem Zapfen zurückgelassene Haufen von mark- 
bildenden Zellen wächst in diejenige Richtung, welche als Achse für 
den konvergirenden Büschel von Hornfäden anzusehen ist. Konvergiren 
die Hornfäden nach zwei oder mehr Richtungen hin, dann theilt sich die 
Kuppe der markbildenden Zellen und jeder Theil bildet für sich eine 
Kuppe, die in der Richtung der Achse weiter wächst. Eben so theilt 
sich auch jene Kuppe von Markbildnern, welche von der Stammfaser 
herrührt. 

Die Spongoblasten, welche an der inneren Seite der konvergirenden 
Hornfäden, so wie zwischen diesen liegen, sondern viel mehr Spongiolin 
ab, als die anderen, so dass bald der Raum zwischen den Hornfäden 
ausgefüllt wird, und diese zu einem soliden Zapfen verschmelzen, 
welcher dann von den Markbildnern durchbohrt wird (Fig. #). Kon- 


308 | R. v. Lendenfeld, 


vergiren die Hornfäden gegen mehr als eine Achse, so entstehen mehrere 
solche Zapfen. Die Hornfäden wachsen noch immer in die Länge, so 
dass das vordere Ende des Zapfens noch eine Zeit lang zackig erscheint. 
Bald (Fig. 5) verschmelzen auch diese Zacken und wir haben einen 
vorn abgerundeten, vom Marke durchbohrten Zapfen vor uns, dessen 
Querschnitt bereits der Figur 28 (Taf. XIII) und dessen Profil den 
zwiebelartig aufgeschwollenen Basaltheilen der fertigen Zweige ähnlich 
sieht (Taf. X, Fig. 2a). Sobald die Kuppen polyedrischer Spongo- 
blasten an den Spitzen der Fäden, dadurch, dass sie auf den einander 
zugekehrten Theilen der Vegetationsspitzen mehr Spongiolin abgeschie- 
den haben, so nahe an einander rücken, dass sie sich berühren, ver- 
schmelzen sie zu einer Kuppe. Da das Konvergiren der Hornfäden durch 
ein einseitiges Vorwiegen der Thätigkeit der nach innen zu gelagerten 
polyedrischen Spongoblasten an den Spitzen bewirkt wird, rücken die 
Kuppen selbst auf die Außenseite, d. h. die konvexe Faserseile und 
kommen so in jene Lage, welche sie später in der, durch ihre Ver- 
einigung entstandenen Kuppe einnehmen. Von nun an (Fig. 6) geht 
das Wachsthum des Zweiges gerade so vor sich, wie ich dies oben für 
Dendrilla rosea beschrieben habe. 

Die Längsriefen der Basaltheile der Fasern von Dendrilla a&rophoba 
entsprechen den ursprünglichen Hornfäden. Die Schichtung, welche 
wir am Querschnitte der ausgebildeten Zweigfaser erkennen, zeigt die 
konvexen Theile der anfänglich getrennten Hornfäden und die äußeren 
Schichten, während der centrale Theil des Zapfens von dem später ge- 
bildeten Markrohre eingenommen wird. 

Stets ist die Anheftungsstelle der Zweige an den Hauptfasern die 
dünnste Stelle, und es geschieht leicht, dass besonders junge Zweige an 
dieser Stelle abbrechen. Solche abgebrochene Zweige sind, besonders 
wenn mehrere auf einem Zapfen sitzende sammt diesem abgebrochen 
wurden, mit den sternförmigen Hornnadeln von Darwinella zu ver- 
gleichen. Es wäre nicht unmöglich, dass eine solche Lostrennung bei 
diesem mit isolirten sternförmigen Hornsternen erfülltem Schwamme 
stattfindet, und es würde dann unser Schwamm diesen in der Be- 
ziehung ganz isolirt stehenden Schwamm mit den anderen Aplysiniden 
verbinden. 


North Brighton bei Melbourne, im August 1882. 


Über Coelenteraten der Südsee. II. 


309 


Tabellarische Übersicht der wichtigsten Eigenschaften 
der Aplysillinae. 


Unterfamilie Aplysininae: 


Familie Aplysinidae: 
Hornfasern ohne Fremdkörper mit einem centralen Markcylinder. 


Unterfamilie Aplysillinae: 


Kleine birnförmige Geißelkammern ; kör- | Große sackförmige Geißelkammern;; hya- 


nige Grundsukstanz; anastomosirende 


Hornfasern. 


line Grundsubstanz; nicht anastomo- 


sirende, baumförmige Hornfasern. 


Gattung Aplysilla: 


Krustenförmig; 
einzelne Spongiolinbäum- 


chen. 


EL 


N 


Gattung Dendrilla: 


zahlreiche | Gestielte Klumpen; ein ein- 
ziger Spongiolinbaum. 


A.roseaF.E. |A. sulfurea F.JA. violacea R.|D. rosea R. v.|D. a&örophoba 


Schulze: 


E. Schulze: 


An Fasern,Stamm | An Fasern, Stamm 


und Seitenzwei- 
ge unterscheid- 
bar; rosa; Haut 
ohne Fremdkör- 
per; Adria und 
atlant. Ocean. 


Fig.4. Dendrilla a@rophoba. 


Größe. 


und Seitenzwei- 
ge unterscheid- 
bar ; gelb; Haut 
ohne Fremdkör- 
per; Adria. 


v. Lendenfeld: 


Faserverzweigung 
doldenförmig ; 
violett; Haut 
mit Einlagerun- 
gen von Sand u. 
Spongiennadelpn; 
Südsee. 


Lendenfeld: 


Rosa; Haut ohne 
Fremdkörper; 
Hornfasern glatt 
oder knorrig; 
Oscularrohr mit 
Subdermalraum; 
Südsee. 


Erklärung der Abbildungen. 


Tafel X, 


R. v. Lendenfeld: 


Gelb, nach dem 
Tode blau; Haut 
mitSandeinlage- 
rungen; Horn- 
fasern über Ver- 
zweigungsstel- 
len verdickt und 
längsgerieft; Os- 
cularrohr ohne 
Subdermalraum; 
Südsee. 


Nach dem Leben gemalt, in natürlicher 


Fig. 2. Dendrillaa&rophoba. Das ausmacerirte Skelett auf der urprüng- 
lichen Unterlage, in natürlicher Größe. 


310 R. v. Lendenfeld, 


Fig. 2a. Dendrillaaärophoba. Ein Theil des ausmacerirten, jedoch nicht 
getrockneten Skelettes. 20:4. 

Fig. 3. Dendrilla rosea. Das ausmacerirte Skelett auf der ursprünglichen 
Unterlage, in natürlicher Größe. 

Fig. 4. Dendrillarosea. Nach dem Leben gemalt, 2:4. 

Fig. 5. Aplysilla violacea. Nach dem Leben gemalt, in natürlicher Größe. 

Fig. 6. Dendrilla a&rophoba. Querschnitt eines, 30 Minuten der Einwir- 
kung destillirten Wassers ausgesetzten Stückes in natürlicher Größe. 

Fig. 7. Aplysilla violacea. Das ausmacerirte Skelett auf seiner ursprüng- 
lichen Unterlage in natürlicher Größe. 


Tafel XI. 


Alle Figuren beziehen sich auf Aplysilla violacea. 

Fig. 8. Ansicht der Oberfläche mit einer Oscularöffnung bei auffallendem Licht. 
20:4. 
Fig. 9. Haut des Schwammes bei durchfallendem Licht. 350 :4. 

Fig. 10. Seitenansicht einzelner Hornfasern. 2:4, 
Fig. 44. Eine Hornfaser. 50:4. 
Fig. 42. Querschnitt durch die Oberhaut des Schwammes. 800 ::1. 
Ec, ektodermales Plattenepithel ; 
F, im äußeren Theile der Haut eingelagerte Fremdkörper; 
E, Einströmungsöffnung der Oberhaut; 
G, Geißelkammern;; 
D, Drüsenzellen ; 
P, Löcher des feinen Porenhäutchens; 
B, sternförmige Bindegewebszellen ; 
M, kontraktile Faserzellen; 
W, amöboide Wanderzelle ; 
S, Subdermalraum ; 
C, einführender Kanal. 
Fig. 13. Längsschnitt durch eine Geißelkammer. 4400: 4. 
Ec, ektodermales Plattenepithel des wasserzuführenden Kanales; 
En, entodermales Plattenepithel des wasserabführenden Kanales; 
M, kontraktile Faserzellen ; | 
B, sternförmige Bindegewebszellen ; 
O, Einströmungsöffnungen in die Geißelkammer. 
Fig. 44. Querschnitt durch eine niedere Schwammkruste. 40:1. 
A, von abführenden Kanälen gebildetes anastomosirendes Lakunensystem 
an der Basis der Kruste; 
H, Hornplatte, welche den Schwamm von seiner Unterlage trennt, und 
aus welcher sich die Hornfasern erheben; 
O0, Osculum; 
S, Spermaballen. 
Fig. 45. Schnitt annähernd parallel zur Basalfläche der Kruste. 160:1. 
H, Hornfaser; j 
Sp, Spongoblastenmantel; 
E, wasserzuführende Kanäle; 
A, wasserabführender Kanal. 


Über Coelenteraten der Südsee. II. 311 


Tafel XII. 


Fig. 46. Ansicht von Dendrillarosea bei auffallendem Licht. 15:1. 
Fig. 417. Eierhaufen in einer hohlkugelförmigen endothelartigen Hülle von 
Aplysilia violacea. 100:4. 
Fig. 18. Schnitt durch den oberflächlichen Theil eines jungen Eierhaufens von 
Apiysilla violacea. 1500:14. 
e, endothelartiges Gewebe von platten Elementen um und zwischen den 
Eiern; 
S, Stielzellen, mittels welcher die Eier an die Innenwand ihrer Follikel 
geheftet sind; 
s, sternförmige Bindegewebszellen, in welche die Follikelzellen allmählich 
übergehen. 
Fig. 49. Oberhaut von Dendrilla rosea bei durchfallendem Licht. 400: 4. 
(In der linken Hälfte der Figur ist das äußere Plattenepithel entfernt.) 
Ec, ektodermales äußeres Plattenepithel; 
D, Drüsenzellen; 
M, kontraktile Faserzellen; 
R, aufgewulstete Ringe, welche die Poren umgeben (vgl. Fig. 24); 
Z, dreistrahlige kontraktile Faserzellen der Haut; 
z, kontraktile Zellen verschiedener Form in dem feinen Porenhäutchen. 
Fig. 20. Schnitt durch Dendrilla rosea, senkrecht auf das Oscularrohr. 
35:4, 
S, Subdermalraum unter der äußeren Haut; 
s, Subdermalraum unter der Oscularrohrwand. 
Fig. 21. Querschnitt durch die Oberhaut von Dendrillarosea. 1200:4. 
D, Drüsenzellen; 
Ec, ektodermales Plattenepithel; 
R, Zellen, welche die Ringe in der Umgebung der Poren der Siebplatte 
zusammensetzen; 
M, kontraktile Faserzellen; 
z, kontraktile Zellen verschiedener Form in dem feinen Porenhäutchen; 
S, sternförmige Bindegewebszelle; 
P, Poren des feinen Porenhäutchens; 
E, Pore der Oberhaut. 
Fig. 22. Flächenansicht eines Stückes eines feinen Porenhäutchens von Den- 
drillarosea. 4200:A. 
Ec, ektodermales Plattenepithel; 
z, kontraktile Zellen verschiedener Form in dem feinen Porenhäutchen; 
R, Zellen, welche die Ringe in der Umgebung der Poren zusammen- 
setzen; 
P, Poren des feinen Porenhäutchens. 
Fig. 23. Querschnitt durch einen oberflächlichen Theil vonDendrillarosea. 
450 :4. 
Ee, ektodermales Plattenepithel; 
D, Drüsenzellen ; 
P, Poren des feinen Porenhäutchens; 
E, Einströmungsporen der Oberhaut; 
W, amöboide Wanderzellen; 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVIII. Bd. 94 


312 R. v. Lendenfel, . 


S, Subdermalraum, von senkrecht auf die Oberfläche stehenden Strängen 
durchzogen ; 
E’, wasserzuführende Kanäle. 


Tafel XIII, 


Fig. 24. Querschnitt durch den Stamm des Hornbaumes von Dendrilla ro- 
Sea, A121. 
Fig. 25. Längsschnitt durch die Spitze einer im Inneren des Schwammkörpers 
üppig wachsenden Hornfaser von Dendrillarosea. 450:4. 
B, Faserzellenhülle ; 
Sp, Spongoblastenmantel; 
Sp’, Spongoblastenmasse an der Vegetationsspitze ; 
Z, Zellen, welche in der Hornfaser eingebettet sind; 
H, Schichten von Hornsubstanz. 


Fig. 26. Querschnitt durch die Umgebung einer Horufaser von Dendrilla 
rosea. 750:A. 
B, Faserzellenhülle ; 
Sp, Spongoblasten ; 
H, Schichten von Hornsubstanz. 
Fig. 27. Markbildende Zellen aus der centripetalen Partie einer Hornfaser von 
Dendrilla rosea. 200:4. 
Fig. 28. Querschnitt durch eine Hornfaser von Dendrilla a&@rophoba. 
45079. 
M, Markcylinder; 
H, geschichtete Hornsubstanz ; 
Sp, Spongoblastenmantel; 
B, Faserzellenhülle; 
E, wasserzuführende Kanäle; 
A, wasserabführende Kanäle; 
S, sternförmige Bindegewebszellen ; 
e, Einströmungsöffnungen in die Geißelkammern ; 
a, Ausströmungsöffnung aus den Geißelkammern. 


Fig. 29. Längsschnitt durch eine Hornfaser von Dendrilla rosea. 450:4, 
M, Markceylinder; 
H, geschichtete Hornsubstanz ; 
Sp, Spongoblastenmantel]; 
B, Faserzellenhülle ; 
B’, Faserzellenstrang, der von der Hülie abgeht. 


Fig. 30. Ansicht einer Hornfaser von Dendrillarosea. 45:4. 
Fig. 34. Vegetationsspitze einer Hornfaser aus einem Conulus von Dendrilla 
ro8e3..70:4. 
Z, markbildende Zellen. 
Fig. 32. Hornfaser von Dendrilla rosea. 70:4. 
M, Markcylinder,; 
H, geschichtete Hornsubstanz; 
Z, markbildende Zellen; 
Z', differenzirte markbildende Zellen der centripetalen Hornfaserparlie ; 
V, in einen CGonulus ragende Vegetationsspitze. 


Uber Goelenteraten der Südsee. II. >13 


Fig. 33. Schnitt durch eine Dendrillaaärophoba, senkrecht auf das Oscu- 
larrohr. 30:4. 1 
G, Eierhaufen ; 
H, Hornfasern. 
Fig, 34. Drüsenzellen aus der Haut von Dendrillaa&rophoba. 800:4, 
Fig. 35. Querschnitt durch die Haut von Dendrillaa&rophoba. 300:4. 
E, Einströmungspore der Oberhaut; 
P, Poren des feinen Porenhäutchens; 
D, Drüsenzellen; 
M, kontraktile Faserzellen; 
S, sternförmige Bindegewebszellen ; 
W, amöboide Wanderzellen ; 
F, Sandkorn; 
s, Subdermalraum; 
Ec, ektodermales Plattenepithel. 


Nachschrift. 


Der Verfasser vorstehender Arbeit erhielt, nachdem er das Manuskript der- 
selben an die Redaktion dieser Zeitschrift abgesendet hatte, The Annals and Maga- 
zine of natural history Ser. 5. Vol. 8. No. 44, Darin hat H. J. CArreEr (p. 103) eine 
als Aplysina purpurea schon früher (Annals and mag. of nat. history Ser. 5. Vol. 6. 
p. 36) erwähnte Spongie beschrieben. Es wäre nicht unmöglich, dass dieser im 
Golfe von Manaar, an der Küste von Ceylon und an der S.-W.-Küste von Australien 
vorkommende Schwamm mit der oben beschriebenen Aplysilla violacea identisch 
wäre. Da aber CARTER nur nach trocknem Materiale seine Beschreibung gemacht 


hat, ist ein endgültiges Urtheil über diese Aplysina purpurea nicht abzugeben. 


Zur Kenntnis der Embryologie von Hydra. 
Von 


Dr. A. Korotneff aus Moskau. 


Mit Tafel XIV. 


Was die Entwicklung der Hydra anbetrifit, so ist sie für uns noch 
sehr unklar, wenn auch die Hauptmomente derselben von den zwei 
früheren Forschern, KLEInenBerG ! und Kerscaner ?, schon angedeutet 
sind. Die frühesten Untersuchungen von v. SıssoLD und Max ScHULTZE 
haben in Betreff der Histogenie kein besonderes Interesse, desswegen 
werde ich mich nur an die erwähnten Arbeiten von KLEINENBERG und 
Kerschner halten, die in ihnen befindlichen Widersprüche zeigen und da- 
nach zu meinen eigenen Beobachtungen in diesem Gebiete mich wenden. 

Nach KLEInenBErG ist die Furchung ganz äqual in 2, 4, 8, 16 und 
so weiter Theile; es bildet sich aber keine Furchungshöhle. Weder das 
Ei noch die davon stammenden Segmente besitzen Kerne, die letzten 
kommen nur in den künftigen Zellen vor. Die peripherische Zellschicht 
wandelt sich nach einiger Zeit in eine chitinöse Eischale um, und danach 
kommt bald ein zweites Häutchen am Ei unter der Schale vor. Nun aber 
tritt eine Periode relativer Ruhe ein, welche als eine wahre Histolyse 
anzusehen ist; die Zellen verschmelzen, die Kerne verschwinden und 
der Keim verwandelt sich in einen Plasmakörper, der nur Dotterkerne 
(Pseudozellen Kr.) enthält. Im Inneren des Protoplasma entsteht dann 
ein heller excentrischer Raum, der sich bald vergrößert und die Andeu- 
tung der Magenhöhle darstellt. Bald springt die äußere Schale und der 
Keim bleibt nur von dem inneren Häutchen begrenzt. Jetzt erst ent- 
steht die erste Spur der Theilung der Wandung in zwei Schichten: 
Ento- und Ektoderma. Der Embryo streckt sich danach aus und seine 


! N. KLEINENBERG, Hydra, eine anatomisch-entwicklungsgeschichtliche Unter- 
suchung. Leipzig 41872. 
2 KERSCHNER, Zoolog. Anzeiger. 6. Sept. 41880. Nr. 64. p. 454. 


Zur Kenntnis der Embryologie von Hydra. 315 


Wandung wird an einem Pole sehr dünn; hier tritt ein Riss auf — so 
entsteht der Mund. Jetzt erst zerfällt, nach KLeEinenBers, die helle äußere 
Schicht in einzelne Zellen; gleichzeitig kommen die Tentakeln als hohle 
Fortsätze zum Vorschein und der Embryo wird bald frei. 

Die Beschreibung der Entwicklung der Hydra viridis von Kerscaner 
unterscheidet sich wesentlich von der eben erwähnten. Nach der Fur- 
chung lässt Kerscuner eine Blastula sich bilden, während es nach ihm 
eine Morula nicht giebt. In die Furchungshöhle hinein findet von dem 
dem Mutterthiere zugewandten Pole aus eine Einwanderung von Zellen 
statt, welche das Entoderm bilden. Das Ektoderm verschwindet bei 
der Bildung der Chitinhülle nicht, sondern bleibt erhalten. Das durch 
Einwanderung gebildete Entoderm gewinnt durch die Entwicklung 
protoplasmatischer Verbindungsstränge und die zwischen diesen vor- 
handenen Lücken ein zeitweise sich änderndes bindesubstanzähnliches 
Aussehen. 

Meine eigenen Untersuchungen beschäftigen sich hauptsächlich mit 
der Entwicklung der Hydra aurantiaca, obschon ich auch von derjenigen 
der Hydra fusca mehrere Stadien gesehen habe. AlsZeichen der Reife des 
Eies sind zwei Richtungsbläschen anzusehen, in denen sich oft ein oder zwei 
Dotterkugeln befinden. Diese Bläschen erscheinen nicht als Derivate der 
Theilung eines Bläschens in zwei, sondern als selbständige Bildungen in 
verschiedenen Punkten der Oberfläche. Im Anfange dehnt sich dasEEi aus, 
um aber bald die frühere Form einer Kugel wieder zu gewinnen. Kurz 
nachher theilt sich das Keimbläschen, eine Erscheinung, die KLEINENBERG 
ganz übersehen hat, ich selbst wegen der Undurchsichtigkeit des Eies 
nur oberflächlich beobachtet habe. An dem vom Körper der Hydra ab- 
gewandten Pole des Eies erscheint eine flache Vertiefung, deren Ränder 
zahlreiche Pseudopodien bilden. Je mehr diese Furche dann in die Tiefe 
vordringt, um so schmaler wird sie, und bildet so einen Spalt, der am 
Grunde als ein quer durchbohrender enger Kanal aussieht. Schließlich 
theilt sich das Ei in zwei Kugeln, welche ganz selbständig sind und sich 
nur berühren. Bald aber legen sich die zwei Kugeln ihrer Länge nach 
inniger an einander und dann erfolgt eine Theilung der zwei Kerne; 
darauf kommt ein quer verlaufender Spalt zum Vorschein, der eine Tren- 
nung des Eies in vier Kugeln hervorruft. Die dritte Theilungsebene ist 
eine äquatoriale; mit dieser bekommen wir acht Kugeln, die aber bald 
so zusammenrücken, dass der Keim wieder kugelig wird. Die vierte 
und fünfte Theilungsebene sind so situirt, dass sie zwei in gleichen Ab- 
ständen vom Äquator verlaufende Furchen darstellen; damit bekommt 
man einen Keim, der aus 16 Zellen besteht. Jetzt ist die erste Spur einer 
inneren Höhle zu bemerken, die entsteht, weil die inneren Enden der 


316 A, Korotnefl, 


Keimzellen sich nicht ganz kompakt berühren, sondern einen kleinen . 
Raum frei lassen, den KıEınenBErG übersehen, KerscHhner aber erwähnt 
hat. Bis jetzt hat sich die Theilung des Eies ganz regelmäßig vollzogen, 
weiter aber ist eine Ungleichmäßigkeit zu beobachten. Am stärksten ist 
diese bei der Hydra fusca ausgeprägt (Fig. 1) und besonders an den 
Zellen, welche mit dem Mutterkörper in der innigsten Verbindung 
bleiben (Gz)!. Während die Zellen, welche das Gewölbe der Blastula 
bilden, durch raschere Theilung verhältnismäßig klein werden, bleiben 
jene großen Grundzellen ungetheilt, oder besser gesagt, verspäten sich 
in der Theilung, dann aber werden sie am thätigsten für die Ausbildung 
des Embryo; sie theilen sich in einer Quer- und Längsrichtung und bil- 
den eine zweite, hypoblastische Generation von Zellen, welche die primi- 
tive Bär’sche Höhle (Fig. 1 Bh) einnehmen (Fig. 2). In dieser zweiten 
Zellengeneration sind auch große Elemente zu beobachten (Gz), die 
man für ein Derivat der Grundzellen der Blastula halten muss; diese 
theilen sich lebhaft und führen damit eine vollständige Füllung des vor- 
her bestehenden Hohlraumes herbei. Auf diese Art bekommen wir ein 
Stadium, das scheinbar einer Morula analog ist, aber nach der richtigen 
Bemerkung von Kerscaner keine wahre Morula bildet, denn es ist eine 
sekundäre Form, die nicht vor, sondern nach der Bildung der Bär’schen 
Höhle erscheint. — Die oberen, das Gewölbe bildenden Zellen des Kei- 
mes spielen keine Rolle bei der Erzeugung des Hypoblastes und be- 
stehen ohne irgend welche Änderung fort. Das beschriebene Stadium ist 
eine wahre Zwischenform von einer Planula zu einer Gastrula: die Rolle 
der Bildung der Hypoblastzellen ist hier von den Grundzellen über- 
nommen, ohne dass diese eine Invaginationstasche bilden. Es bleibt nur 
noch hinzuzufügen, dass in der Blastula die Zellkerne aus stark licht- 
brechenden Körnchen zusammengesetzt sind, von welchen eine Anzahl 
radiärer Streifen nach außen hin abgeht. Das zweite Stadium hat schon 
ganz kompakte Kerne, in denen die Färbung keine Kernkörperchen aus- 
zeichnet. Der Kern selbst ist von einer Quantität ganz hellen und durch- 
sichtigen Plasmas umhüllt, die Hauptmasse jedes Segmentes aber besteht 
aus Doiterkugeln ? sehr verschiedener Größe. 

Nachdem die innere Höhle des Embryo vollständig ausgefüllt ist, 
bekommen die früheren Eisegmente das Aussehen von echten Zellen 
(Fig. 3); diese theilen sich am lebhaftesten in der äußeren Epiblastschicht. 


1 Weiter unten wird gezeigt werden, wie lange diese Verbindung mit dem 
Mutterorganismus besteht. 

2 In meiner früheren Arbeit (Nachr. f. Liebhab. der Natur. Moskau 1880. 
T. XX VII) habe ich gezeigt, dass diese Dotterkugeln als metamorphosirte Kerne der 
Zellenmasse, die zur Bildung des Eies dient, anzusehen sind. 


Zur Kenntnis der Embryologie von Hydra. 317 


Jetzt ist ein Unterschied zwischen der Hydra aurantiaca und Hydra fusca 
zu erwähnen. Bei der letzten Species sehen wir das Ei ganz dem Multer- 
körper angewachsen und es ist nicht das Ei, sondern der freischwim- 
mende Embryo, der nach dem Platzen der Eischale die Hydramutter 
verlässt. "Bei der Hydra aurantiaca gestaltet sich das Verhältnis in folgen- 
der Weise: Die Ektodermzellen der Mutter, die dem Eie anliegen, be- 
kommen nach und nach eine drüsenartige Beschaffenheit und betheiligen 
sich an der Bildung eines Postamentes oder napfförmigen Organes, wel- 
ches eine Art mucöser Substanz liefert, die zur Anklebung des Eies und 
Bildung einer besonderen Schicht um dasselbe dient (Fig. 3 Ss und n.O). 
Bei der Hydra aurantiaca kommt weiter eine Bildung vor, welche eine 
Anklebung des Eies nicht an den Mutterkörper, sondern an verschiedene 
Gewächse oder an die Scheiben des Aquariums verursacht. Diese Bil- 
dung geht bei der Hydra aurantiaca von dem Embryo selbst aus; am 
besten erklären uns diesen Process die Fig. 4 und 5. An der ersten von 
diesen Figuren sehen wir eine Trennung des Epi- und Hypoblast. Die 
größte Veränderung ist hier am Epiblast zu bemerken : die Oberfläche 
desselben ist nicht mehr glatt, wie früher, sondern bekommt ein höcke- 
riges Aussehen; gleichzeitig bildet jede von deren Zellen einen pseudo- 
podienähnlichen, lappenartigen Fortsatz. Der äußere Rand der Epiblast- 
zellen mitsammt den Fortsätzen bekommt einen gelblichen, glänzenden 
Saum — die Andeutung einer chitinösen Eischale (Fig. 6). Jede Epi- 
blastzelle stellt dann einen cylinderartigen Körper vor, in dessen Grunde 
verschiedene Dotterkugeln zu bemerken sind; weiter nach außen findet 
sich der Kern; der erwähnte Fortsatz ist hell und wird aus einem klaren 
Plasma gebildet, während das Plasma der Zelle selbst trüb und körnig 
ist. Zu dieser Zeit fällt das Ei vom Mutterkörper ab und klebt sich an 
verschiedene Gegenstände an, indem ein Theil der Epiblastzellen eine 
Umwandlung erfährt. Von den Zellen, welche als ununterbrochene 
Schicht den Embryo umgeben und Fortsätze besitzen, bekommt ein 
Theil ein trübes und grobkörniges Aussehen durch eine drüsenartige 
Veränderung, welche sie erleiden. Dabei ändert sich auch die Form 
dieser Zellen, indem sie sich verlängern; und so bilden dieselben dann 
eine Scheibe, welche durch Vermehrung der Zellen nach und nach an 
Größe zunimmt, dabei über einen Theil der Oberfläche des Keimes sich 
ausbreitet (Fig. 4 dz). Diese Scheibe ist es, mit welcher der Keim nach 
dem Abfallen vom Mutterkörper sich anheltet. 

Die drüsigen Zellen der Scheibe beiheiligen sich an der Ausschei- 
dung einer klebrigen mucösen Substanz; ist diese gebildet, so sind die 
Zellen verkleinert und von den gewöhnlichen Zellen nicht mehr ver- 
schieden. Die Ausscheidung der klebrigen Substanz erfolgt allmählich 


318 A. Korotnefl, 


und so, dass diese aus Schichten zusammengesetzt erscheint. Sie liegt 
unterhalb der chitinösen Eischale und trennt diese von den Zellen 
(Fig.5 Ss). 

In diesem Stadium wird das Ei bemerklich kleiner und es beginnt 
eine Metamorphose oder Histolyse des Hypoblastes. Die Zellen des Hypo- 
blastes verlieren ihre scharfe Abgrenzung gegen einander; ihr Plasma 
hat sich indessen um die Kerne koncentrirt und die Dotterkugeln gleich- 
sam ausgestoßen,, so dass diese ganz gesondert von den Zellen, gleich- 
sam nach außen von ihnen in den Zwischenräumen zwischen ihnen lie- 
gen (Fig.5). Die Abgrenzung des Epi- und Hypoblastes tritt nicht mehr 
so klar als früher hervor. 

Nach KLEinengerg geschieht die ganze Geschichte der Bildung der 
Eischale bei H. aurantiaca so: Dicht unter der freien Oberfläche der 
Zellen entsteht ein mit Flüssigkeit erfüllier Raum von linsenförmiger 
Gestalt; seine äußere Wand besteht aus einem äußerst zarten Häutchen, 
das von der Substanz der Zelle abgehoben ist und dieser wie ein stark 
gewölbies Uhrgläschen aufsitzt, sein Boden wird von einer flachen Im- 
pression des Zellkörpers gebildet. Die Vacuolen verlieren bald ihre Wöl- 
bung, die Scheidewände aber verbleiben und bilden in dieser Weise 
die von uns beschriebenen Plasmafortsätze oder Stachel, von denen die 
Schale umgeben ist. Unstreitbar, dass KLEINENBERG die Zwischenräume 
der’Fortsätze als Vacuolen, die Stacheln oder Fortsätze als Zwischen- 
wände der Zellen beschrieben hat. Nach seiner Beschreibung verwandelt 
sich die ganze äußere Zellenlage des Keimes in ein hartes, starres Ge- 
bilde — die Eischale des Embryo; bei der Hydra viridis kommt eine 
volle Verwandlung der Zellen in eine Schale auch vor. Nach KerscHnEr 
wandelt sich das Ektoderm nicht in die Chitinhülle um, sondern bleibt 
erhalten. 

Die weitere Beschreibung wird unseren eigenen Standpunkt über 
diesen Gegenstand völlig erklären. Nach der Abscheidung der äußeren 
Stachelschale zieht sich der Embryo zusammen und sondert bald eine 
zweite äußerst dünne Membran aus (Fig. 7 Dm); nach KLEINENBERG 
kommt diese Membran durch Erhärtung einer Flüssigkeit, welche von 
dem Keim zwischen seiner Oberfläche und der inneren Wand der Ei- 
schale abgesondert wird, zu Stande. 


1 v. SıesoLD (Lehrbuch der vergleichenden Anatomie. 4848. p. 51) beschreibt 
das Ei der Hydra vulgaris als von einer zarten Spinnwebehaut umhüllt, die von dem 
napfförmigen Organ ausgeht. Bevor sich ein solches Ei von seinem Mutterboden 
trennt, nimmt die Hülle, welche den Dotter zunächst umgiebt, eine derbe Beschaf- 
fenheit an und wird zugleich von einer gallertigen Masse überzogen, dann wachsen 
bei H. vulgaris aus ihr rund herum stumpfe Fortsätze hervor, welche sich verlängern, 


Zur Kenntnis der Embryologie von Hydra. 319 


Die Epiblastzellen sind nach der Absonderung der Eischale und 
Dottermembran einer regressiven Veränderung unterworfen: sie erhalten 
bald eine grobkörnige Beschaffenheit, ihre Kerne werden stark lichtbre- 
chend, ziehen sich in die Länge aus und werden krumm (Fig. 7 pr.E). 
In dem Grade als die Dottermembran sich verdickt und lichtbrechend 
wird, werden die primitiven Epiblastzellen kleiner und kleiner — er- 
leiden also eine Degeneration und in der Fig. 8 ist schon fast keine Spur 
von ihnen zu sehen. 

Die Kerne der Hypoblastzellen (Fig. 7 Hz) theilen sich gleichzeitig ; 
dieser Process ist am lebhaftesten an der Peripherie des Eies zu bemer- 
ken am Grunde der Epiblastzellen. Bald nenmen diese Zellen den Platz 
der primitiven Epiblastzellen ein, wie wir es an der Fig. 8 sehen, und 
bilden das sekundäre Epiblast oder das definitive Ektoderm der Hydra. 
An dieser Figur ist zu bemerken, dass die wirklichen Ektodermzellen 
schon ganz entwickelt sind und bestimmte Grenzen bekommen haben. 
Das folgende Stadium hat nicht die kleinste Spur der primitiven Epi- 
blastzellen mehr. Die dargelegten Thatsachen beweisen den Satz: Das 
primäre Epiblast wird zur Bildung der Eischale, der 
Dottermembran und auch der mucösen Schicht vollstän- 
dig verbrauchtund nimmtkeinenTheilan derAusbildung 
des sekundären Epiblastes. 


Nach der Veränderung der peripherischen Zellen des Hypoblastes 
ist dieselbe Erscheinung bei den centralen Zellen zu bemerken (Fig. 9 
und 40); diese fangen an sich zu theilen und wandern, wie es bei den 
Insekteneiern so häufig der Fall ist, nach der Peripherie des Eies!. Die 
Theilung der Zellen geht immer fort und bildet eine Schicht kleiner Zellen 
des interstitiellen Gewebes (In G) am Boden des Ektoderms. Danach 
platzt die Eischale, und der Keim, noch von der Dottermembran um- 
geben, wird frei. Ein Querschnitt dieses Stadiums (Fig. 11) zeigt uns 
die Anwesenheit der Membrana propria und die Ausbildung der 
Magenhöhle. Die Zellen des Entoderms sind schon ganz entwickelt und 


an ihrer Spitze ein- oder mehrmal spalten und so eine zackige Form bekommen. 
Diese Beschreibung ist nach KLEINENBERG ganz unklar; mir scheint es möglich diese 
'Thatsachen mit meinen eigenen Beobachtungen in Einklang zu bringen. Die Spinn- 
webehaut ist wahrscheinlich die ausgedehnte zellige Hülle, die dem Mutterorganis- 
mus angehört und das reife Ei vor der Befruchtung bedeckt; die gallertige Masse 
ist bei Hydra fusca von dem drüsigen Postament abgeschieden (Fig. 3) und bedeckt 
das Ei, wie es schon erwähnt! ist, sogar in Spätesten Stadien. 

1 Ein Freiwerden der Zellen aus den Dotterballen ist von Tıcuomirorr bei der 
Entwicklung des Bombyx mori beobachtet; auch ich habe es gesehen bei Bryozoen 
in der Entwicklung des Statoblastes. 


320 A. Korotneff, 


abgegrenzt. Die Magenhöhle bleibt noch einige Zeit mit einer breiartigen 
Masse erfüllt, welche Dotterkugeln enthält. 

Bei der Hydra fusca erfolgt die Entwicklung der Eischale etwas 
anders. Wir haben schon gesehen, dass die mucöse Schicht hier von 
der Mutter selbst ausgebildet wird. Bald kommt eine ganz glatte Ei- 
schale zum Vorschein (Fig. 12 Esch), und gleichzeitig schrumpfen die 
Epiblastkerne zusammen. Nach kurzer Zeit sehen wir, dass wie die 
Epiblast- so auch die Hypoblastzellen eine gemeinschaftliche Masse bil- 
den (Fig. 13); die Kerne der Zellen werden hell, um nachher zu ver- 
schwinden, ohne eine Degeneration der Zellkörper selbst hervorzurufen. 
Zu dieser Zeit wird eine Dottermembran abgesondert (Dm). Nach dem 
Freiwerden der primären Hypoblastzellen kommt an diesen eine Thei- 
lung vor und die neugebildeten Zellen wandern zu der Peripherie und 
bilden das definitive Epiblast aus (Fig. 14). Was also die Hydra fusca 
anbetrifft, so ist festzustellen, dass der Zellkörper der Epiblast- 
elemente nicht ganz mit der Ausscheidung der Eischale 
erschöpft ist, sondern sich nach einer Umwandlungauch 
an der plastischen Entwicklung des Keimes betheiligt. 

Der Embryo streckt sich nach dem Auftreten einer inneren Höhle 
aus, verlängert sich bemerklich und macht die Dottermembran platzen. 
Nach kurzer Zeit bekommt der Embryo an einem Pole einen Mund, der 
als ein Riss an einer dünnwandigen Stelle entsteht. Gleich nach der 
Bildung des Mundes kommen die Tentakeln als hohle Fortsäize zum Vor- 
schein, wie es MERESCHKoWsKY beschrieben hat: zuerst werden zwei und 
dann die übrigen paarweise nach einander gebildet. 


Es ist wohl bekannt, welch große Bedeutung KLEınengere dem 
Schwunde der äußeren Epiblastschicht des Embryo beilegt: wenn das 
Epiblast abgeworfen ist, so soll die Nervenschicht zum Vorschein kom- 
men; desswegen ist das gewöhnliche Ektoderm der Hydra eine ununter- 
brochene Schicht von Nervenzellen. Diese Theorie ward schon von Meh- 
reren besprochen und größtentheils als unrichtig angesehen. Meine 
Beobachtungen scheinen im ersten Augenblick eine Unterstützung dieser 
Theorie zu geben. Wir finden wirklich bei der Hydra aurantiaca den 
völligen Schwund des primären Epiblastes ; bei der Hydra fusca nehmen 
im Gegentheil die Zellen, welche die Eischale ausbilden, auch an der 
Bildung des definitiven Ektoderms Theil. Um logisch zu sein, müssten 
wir also annehmen, dass bei einer Art das Ektoderm aus Nervenzellen 
gebildet ist, bei einer anderen aus Epithelzellen besteht. Nach meiner 
eigenen Ansicht können wir die Metamorphose der Hydra (seine Histo- 
Iyse) als ein direktes Resultat der äußeren Einflüsse ansehen, die ganz 


Zur Kenntnis der Embryologie von Hydra. 321 


suigeneris sind und uns keinen Grund zu etwaigen Homologien geben. Bei 
den niederen Thieren, den Coelenteraten hauptsächlich, können wir das 
Princip der Bildung des Organismus aus bestimmten embryologischen 
Schichten nicht bis ins Letzte durchführen ; die Rolle der Schichten ist 
hier gar nicht so specifisch wie bei den höheren Formen. Ein Beispiel 
dafür bietet die Bildung des Nervensystemes: als Ausgangspunkt der 
Bildung desselben ist gewiss das Ektoderm anzusehen; bei den Mol- 
lusken aber ist sein Ursprung aus dem Mesoderm fast allgemein be- 
wiesen. Weiter haben die Untersuchungen der Gebr. HErTwIG gezeigt, 
dass bei den Coelenteraten (Actinien) das Entoderm ganz selbständige 
Nervenelemente besitzt, die höchst wahrscheinlich einen entoderma- 
tischen Ursprung haben. Ohne mich weiter in diesem Gebiete zu ver- 
tiefen, möchte ich behaupten, dass wir in der Entwicklung niederer 
Organismen von dem als Regel anzusehenden Verhalten wohl Ausnahmen 
und Veränderungen finden, die wahrscheinlich als Resultate der An- 
passung anzusehen sind. Gewiss ist es unbestreitbar, dass die An- 
passungsfähigkeit bei den niederen Organismen viel bedeutender ist als 
bei den höheren, und desswegen können äußere Einflüsse den Organis- 
mus selbst und seine Entwicklungsgeschichte ganz umgestalten. Nur 
von diesem Standpunkte aus kann die Entwicklung der Hydra verstan- 
den werden. Ich sehe die Pseudomorula der Hydra als einen Haufen 
von embryonalen Zellen an, die keine sehr bestimmte Rolle in der pla- 
stischen Ausbildung des Organismus zu spielen haben. Und wenn sich 
die äußere Schicht der Morula verändert und anstatt Theil an der Aus- 
bildung des Organismus zu nehmen, eine Schale, einen Pelz für den 
Embryo schaflt, so ist auch das wohl als ein Anpassungsvorgang zu 
deuten. 


Moskau, im September 1882. 


Erklärung der Abbildungen. 


Tafel XIV. 


Fig. 4. Blastula der Hydra aurantiaca. Gz, Grundzellen; B.h, Bir’sche Höhle. 

Fig. 2. Entwicklung der Hypoblastzellen. Gz, Grundzellen; B.h, Bär’sche 
Höhle. 

Fig. 3. Ein Stadium in der Entwicklung der H. fusca, das eine Morula simulirt. 

Fig. 4. H. aurantiaca. pr.E, primäres Epiblast; H, Hypoblast; dz, Drüsen- 
zellen. 

Fig. 5. H. aurantiaca. Histolyse der Hypoblastzellen. Ss, Schleimschicht; pfl, 
Elemente des Blattes, an welchem das Ei sich angeklebt hat. 


322 A. Korotnefl, Zur Kenntnis der Embryologie von Hydra. 


Fig. 6. H. aurantiaca. Bildung konstanter Pseudopodienstacheln der Eischale, 

Fig. 7. H, aurantiaca. Verschwinden der Zellen des primären Epiblastes. Dm, 
Dottermembran;; Esch, Eischale. 

Fig. 8. H. aurantiaca. Fast volles Verschwinden der Epiblastzellen; pr.E, pri- 
märes Epiblast; Ss, Schleimschicht; Dm, Dottermembran; Esch, Eischale. 

Fig. 9. H. aurantiaca. Das primäre Epiblast ist ganz verschwunden, an seiner 
Stelle finden wir das sekundäre (s.Ep). In.G, Elemente des interstitiellen Ge- 
webes ; Dm, Dottermembran;; Esch, Eischale; Ss, Schleimschicht. 

Fig. 40. H. aurantiaca. s.H, sekundäres Hypoblast; I/n.G, interstitielles Ge- 
webe; Ss, Schleimschicht; s.Ep, sekundäres Epiblast. 

Fig. 44, H. aurantiaca. Ganz entwickelt. 

Fig. 42. H. fusca. Die Kerne der Epiblastzellen zusammengeschrumpft; Ss, 
Schleimschicht; Esch, Eischale. 

Fig. 43. H. fusca; zur Zeit der Histolyse, die Kerne der Epiblastzellen fast de- 
generirt; Dm, Dottermembran; Esch, Eischale. 

Fig. 44. H. fusca.. Dm, Dotiermembran, Esch, Eischale; w.Z, wandernde 
Zellen. 


Die Larvenentwicklung von Phoxichilidium Plumulariae nov. sp. 
Von 


Dr. R. v. Lendenfeld in Melbourne. 


Mit 3 Holzschnitten. 


An einer in Port Philip sehr häufigen, kleinen Plumularia finden 
sich in den Monaten September und Oktober öfters Pantopodenlarven, 
deren Lebensweise und die durch dieselbe bedingte Umgestaltung des 
Körpers nicht uninteressant erscheint. 

Durch die prachtvolle Monographie Donrn’s ist es späteren For- 
schern möglich gemacht worden, auf fester und sicherer Basis bauend, 
die Kenntnis der Pantopoden im Detail zu erweitern. 

Phoxichilidium Plumulariae, welche ich nach dem Nährthiere der 
Larven so genannt habe, findet sich an Algen und Hydroiden in geringen 
Tiefen recht häufig in Port Philip, und es gelingt leicht, eine größere 
Zahl verschiedener Stadien zu erlangen. 

Das ausgewachsene Thier ähnelt der Dourn’schen ! Art P. longicolle. 
Leib und Extremitäten III—VII bieten keine erheblichen Eigenthümlich- 
keiten dar, so dass ich diese Theile nicht näher beschreiben werde. Der 
Schnabel und die Extremität I jedoch (Fig. 3) differiren von den ent- 
sprechenden Theilen der neapolitanischen Arten. Das Auge ist auffallend 
groß und besteht, wie bei Phoxichilidium robustum z. B., aus vier ge- 
trennten Augenbechern. Der Schnabel ist abgerundet und hat, von 
oben gesehen, einen parabolischen Kontur. Die Details so wie der 
Reusenapparat stimmen mit P. longicolle überein. 

Die Extremität I erscheint desshalb besonders auffallend, weil die 
Schere an ihrem Ende nicht vertikal, wie bei anderen Phoxichilidium- 
arten, herabhängt, sondern wie bei Pallene horizontal liegt. Die Gelenk- 
achse zwischen dem ersten und zweiten Gliede der Extremität I steht 
nämlich annähernd vertikal. 


! A. Donrn, Die Pantopoden. Fauna etc. von Neapel. p. 177—480. Taf. XIII, 


324 R. v. Lendenfeld, 


Das erste Glied ist durch seine Größe ausgezeichnet, eben so das 
dritte Glied, die Schere, während das zweite Glied unverhältnismäßig 
klein bleibt. Mit Ausnahme einiger Dornen ist die als Kneipzange mit 
übergreifenden Spitzen fungirende Schere glatt. Der kleinere innere 
Arm ist starr, eine Fortsetzung des zweiten Gliedes, während der äußere 
bewegliche Arm durch zwei Muskeln, einen Tensor und einen Flexor, 
bewegt werden kann. 

Die Männchen tragen die Eier an den Beinen, ‚wo sie durch das 
Sekret von Kittdrüsen der gewöhnlichen Art festgehalten werden. Hier 
durchlaufen die Larven auch die ersten Stadien der Entwicklung. Erst 
nachdem sie ziemlich gut ausgebildet sind, werden sie an Plumularia- 
stöckchen abgesetzt. Die erste Extremität ist um diese Zeit unverhältnis- 
mäßig groß und trägt mächtige Scheren. Um diese Zeit wird der Körper 
an Volumen weit von den Extremitäten übertroffen, die auch bereits 
große Aussackungen des Darmes enthalten. Der Magen gewinnt auf 
diese Weise eine ausgesprochen hufeisenförmige Gestalt. Der Schnabel 
ist eben in Bildung begriffen und zeigt noch nicht die Reusenvorrich- 
tung, auch lässt sich noch kein Auge nachweisen. 

Die Extremität I bildet mit dem Körper einen nahezu rechten Win- 
kel, indem sie nicht, wie beim ausgewachsenen Thiere, nach vorn, son- 
dern nach abwärts gerichtet ist. Die Scheren umklammern einen Zweig 
der Plumularia und scheinen mit demselben fest verbunden, so dass es 
nicht gelingt, die Larven von dem Hydroiden zu entfernen. 

Da man solches Stadium nur selten findet, so ist es wahrscheinlich, 
dass dasselbe rasch durchlaufen wird. Viel länger, mehrere Häutungen 
hindurch, bleibt die Larve auf dem in Fig. 1 abgebildeten Stadium 
stehen. Obwohl solche Larven rasch an Größe zunehmen, ändern sie 
ihre Gestalt, wie erwähnt, doch nur langsam und bleiben wochenlang 
sechsbeinig. 

Die Extremität 1 bleibt unverändert, während das zweite und dritte 
Beinpaar gleichzeitig hervorsprossen. Letztere nehmen jedoch keinen 
Darmdivertikel auf, sondern bleiben solid. Diese Beine sind dreigliedrig 
und ähneln den entsprechenden Extremitäten gleich alter Larven ande- 
rer Pantopoden. Von dem hinteren Rande des Endes des zweiten Glie- 
des geht ein Dorn ab, die Spitze des dritten Gliedes ist schwach haken- 
förmig gekrümmt. Der noch immer hufeisenförmige Magen (Fig. 1 M) 
zeigt am hinteren Rande zwei Einkerbungen, und es lässt sich jetzt auch 
schon der weite Centraltheil von den Divertikeln des ersten Extremitäten- 
paares unterscheiden. Der Reusenapparat ist bereits angedeutet und 
auch das Auge als kleiner viereckiger Pigmentfleck schon sichtbar. 

Während sich die zweibeinigen Larven an verschiedenen Stellen 


Die Larvenentwicklung von Phoxichilidium Plumulariae nov. sp. 325 


der Plumulariastöckchen finden, sind die sechsbeinigen Larven aus- 
schließlich an den Polypen zu treffen. Sie umklammern mit ihren weit 
ausgebauchten Scheren (Fig. 2) den Hydroiden an der Ursprungsstelle 
eines Polypen und senken 
ihren Schnabel in die Körper- 
wand des Polypen ein (Fig. 1). 
Der Polyp selber verliert nach 
einiger Zeit seine Tentakeln 
undgleicht dann einer Knospe, 
in welche durch ein rundes 
Loch am terminalen Ende der 
Schnabel der Phoxichilidium- 
larve hineinragt. In dieser G. \ 
Stellung bleibt die Larve Ä 
längere Zeit. Sie vollzieht hier 
mehrere Häutungen und ver- 
lässt erst als nahezu ausge- 
wachsenes Thier ihren Wirth. Z / 
Dass sich die Larve hierbei \ 
von dem Inhalte des Gastro- 

vascularraumes der Plumula- 


m“ Sad . SESSLATEE Fig. 1. Larve von Phoxichilidium Plumulariae mit 
ria ernähı {, ist wohl unzweifel drei Extremitätenpaaren an einer Plumularia hängend. 
haft. 38:1. 


I, erste 
3 . 2 II, zweite ) Extremität; 
Mit vorrückendem Alter IIT atte | 
nehmen die Scheren allmäh- ld 
lich die definitive Form an, wo- up; 


bei sie rückgebildet werden. 

Im feineren Bau weicht die Schere der Larve erheblich von der 
Schere des ausgewachsenen Thieres ab. Sie ist zugleich Sinnes- und 
Haftorgan der Larve. 

Das erste Glied ist eben so dick als lang und annähernd kuglig, auf 
der Innen- und Außenseite konvex. Das zweite Glied setzt sich in den 
inneren Scherenarm fort; von dem kugligen Basaltheile erhebt sich der 
sichelartige Endtheil. Der äußere, etwas weniger gekrümmte Arm ist 
an einer Vorwulstung des Basaltheiles des zweiten Gliedes eingelenkt. 
Das Gelenk wird durch zwei kräftige Stützleisten gefestigt, welche von 
der Gelenkpfanne herabziehen. Sie verhindern ein Knicken der Chitin- 
wand des zweiten Gliedes während der Flexorkontraktion. Die Muskeln 
bestehen aus einem Paare von Antagonisten für jedes bewegliche Glied. 

Während die Oberfläche der Scheren des ausgewachsenen Thieres 
vollkommen glatt ist, erscheinen die Scherenarme der dreibeinigen 


326 R. v. Lendenfeld, 


Larven auf. der konkaven Seite gesägt. Es finden sich nämlich an der 
distalen Hälfte quer über die konkave Seite ziehende Furchen, deren 


Fig. 2. Schere derselben Larve. 187: 1. 
6 in der Spitze der Scherenarme, 
\oangtion! 


an der Basis der Scherenarme, 

an der Ursprungsstelle von Ex- 
tremität I; 

H, Sinnes- und Hafthaare; 

N, Nerven; 

P, Poren der Chitinwand ; 

A, Ausführungsgang der Drüse; 

D, Drüse. 


N, 
Gr, 
63, 


proximale Flächen flach, deren di- 
stale jedoch überhängend erscheinen. 
Gegen die Seiten der Scherenarme 
flachen sich diese Furchen aus. Sie 
nehmen an Tiefe gegen das distale 
Ende hin zu. Von den vorragenden 
Kanten, welche diese Furchen tren- 
nen, entspringt je eine Reihe feinster 
Härchen, welche in der Mitte der 
Kante, also an der konkaven Seite 
des Armes, am längsten sind und die 
zugleich mit der Tiefe der Furchen 
gegen die Seiten hin an Länge ah- 
nehmen (Fig. 2 H). 

In einzelnen Fällen gelingt es 
einen feinen Faden zu erkennen, 
welcher die dicke Chitinwand der 
Schere durchbohrt und zu einem 
der Härchen führt. Das Ende der 
Schere ist innen von einem kleinen 
Ganglion ausgefüllt, von welchem 
diese Fädchen entspringen. In dem 
Ganglion lassen sich nach Anwen- 
dung von Tinktionsmitteln Kerne 
nachweisen, die wohl zu Ganglien- 
zellen gehören , deren Isolirung aber 
der großen technischen Schwierigkeit 
wegen, welche uns hierbei entge- 
gentritt, nicht gelingt. Von dem Gan- 
glion geht eine Nervenfaser, welche 
hier und da kernhaltige Anschwel- 
lungen aufweist, in centripetaler 
Richtung ab und endet in einem klei- 
nen Ganglion, welches an der Basis 
des Scherenarmes liegt (Fig. 2 @). 

Wenngleich es kaum zulässig 


erscheint, allen Härchen eine Tastfunktion zuzuschreiben , und es im 
Gegentheile höchst wahrscheinlich ist, dass der größere Theil dieser 
Haare auf ähnliche Weise als Haftbürste wirkt, wie entsprechende 


Die Larvenentwicklung von Phoxichilidium Plumulariae nov. sp. 327 


Bildungen an den Tarsen vieler anderer Arthropoden, so ist es doch eben 
so wahrscheinlich, dass ein Theil jener Haare, die durch feine Fädchen 
mit dem Ganglion in Verbindung stehen, als Tastborsten anzusehen sind. 


An dem mittleren und basalen Theile der konkaven Seite der 
Scherenarme finden sich zahlreiche, annähernd in Längsreihen ge- 
ordnete Poren (Fig. 2 P), welche die Chitinwand durchsetzen und den 
Mündungen der Kittdrüsen gleichen, welche Donrn! von Phoxichilus 
vulgaris beschreibt und abbildet. Sie erheben sich viel weiter über die 
Oberfläche als die Mündungen der Hautdrüsen von Phoxichilidium exi- 
guum?. 

Diese Poren stehen nun nicht mit je einer Drüsenzellengruppe im 
Zusammenhang, wie dies für die Hautdrüsen der Pantopoden die Regel 
ist, sondern es tritt der außerordentliche Fall ein, dass von jeder Pore 
ein feiner Kanal bis zu einem starken Hauptgang zu verfolgen ist, an 
dessen centripetalem Ende erst die Drüse liegt. Wir finden nämlich in 
dem kuglig ausgebauchten zweiten Gliede zwei große Drüsen von sack- 
förmiger oder gestreckt birnförmiger Gestalt. Diese Drüsen ähneln im 
feineren Bau in so fern den Stacheldrüsen, welche Dourn® von verschie- 
denen Pantopodenlarven beschreibt, als sie aus Zellen zusammengesetzt 
sind, die wenig Plasma und große Sekrettropfen enthalten. Die ganze 
Drüse ist solid und scheint die Sekretbildung auf die Weise vor sich zu 
gehen, dass das Plasma allmählich ganz in Sekret verwandelt wird und 
dieses hierauf sich durch den Ausführungsgang der Drüse entleert. An dem 
Ende der Drüse, welches in den Ausführungsgang übergeht, findet man 
in jeder Zelle je einen sie fast ganz erfüllenden Sekrettropfen, während 
in anderen weiter ab liegenden Drüsenzellen mehrere kleine Sekret- 
tröpfehen nachweisbar sind. Der von der Drüse abgehende Gang läuft 
ungetheilt bis in die Nähe der Basis des Scherenarmes. Dort beginnen 
dann die Zweige abzugehen, welche dieChitinporen versorgen. Zweifel- 
los ist es das Sekret dieser Drüsen, welches die Scheren der Larve an 
die Hydroiden kittet. 


Centripetal von den beiden Drüsen liegt ein größeres sternförmiges 
Ganglion, von welchem in centripetaler Richtung ein starker Nerv ab- 
geht. Von diesem Ganglion gehen zwei Nerven zu den beiden Drüsen 
und zwei weitere Nerven ab, welche die oben beschriebenen Ganglien 
an den Ursprungsstellen der Scherenarme mit dem sternförmigen Gan- 
glion verbinden. 


ME ScHErdl. NIS EIE, 9% 
212.65 LarX Ir Big, 2%. 
See. p.an08 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVIII. Bd. 99 


328 R. v. Lendenfeld, 


Mit zunehmendem Alter schwinden die Haare und zugleich mit 
ihnen die Ganglien und Nerven, so dass am ausgewachsenen Thiere 
nichts davon wahrzunehmen ist. Die Drüsen jedoch bleiben zuweilen 
als »rudimentäre Organe« in rückgebildeter Form erhalten. Ich habe 
diesen, zwar seltenen, 
mir aber doch schon 
einige Male vorgekomme- 
nen Fall in Fig. 3 D dar- 
gestellt. Aus den beiden 
Drüsen ist ein zweilappi- 
ges Organ geworden. 

Seit GEGENBAUR ! den 
Parasitismus der Phoxi- 
chilidiumlarven entdeck- 
te, haben zahlreiche For- 
scher zur Klärung dieses 
Verhältnisses beigetra- 
gen. Am wichtigsten sind 
die Arbeiten von SEMPER ? 
und Dourn® Alle von 
diesen Forschern beob- 
achteten Phoxichilidium- 
larven leben in dem 
Gastrovascularraume von 
Hydroiden und sind diesem Parasitismus dadurch angepasst, dass die 
animalen Organe hinter den ernährenden in der Ausbildung sehr weit 
zurückblieben und so jede stramme Gestaltung und zum Theil sogar 
die Symmetrie verloren geht. Bei Phoxichilidium longicolle sind die 
Endglieder der beiden hinteren Extremitäten der Larve zu langen 
Ranken geworden, welche wohl dazu beitragen dürften, das parasitische 
Thier zu fixiren. Ob alle bekannten Phoxichilidiumarten in der Jugend 
eine parasitische Lebensweise führen, oder ob sich einige auf gewöhn- 
liche Weise entwickeln, lässt sich nicht sicher feststellen. Jedenfalls ist 
der Fall von Phoxichilidium Plumulariae in so fern interessant, als hier 
ein ähnlicher Parasitismus wie bei den anderen Arten derselben Gattung 
auf ganz verschiedene Art zu Stande kommt. Wenn wir Phoxichilidium 


Fig. 3. Vorderende eines eiertragenden erwachsenen Männ- 
chens. 105:1. 
D, rudimentärer Rest der Drüsen. 


1 GEGENBAUR, Zur Lehre vom Generationswechsel und der Fortpflanzung bei 
Medusen und Polypen. 1854. 

2 SEMPER, Über Pycnogoniden und ihre in Hydroiden schmarotzende Larven- 
formen. Arbeiten aus dem zool.-anat. Inst. Würzburg. Bd. I. p. 264. 

Bl. 6; 


Die Larvenentwicklung von Phoxiehilidium Plumulariae nov. sp. 329 


Plumulariae mit P. exiguum vergleichen, so zeigt sich die große Differenz 
in den Larven, welche von der letzten Art besonders genau bekannt 
sind, sehr deutlich. Wir könnten leicht uns nun vorstellen, wie beide 
Arten von derselben nicht parasitischen Art abstammen, und wie sich 
die Larven so sehr divergirend entwickelt haben, während die ge- 
schlechtsreifen Thiere fast unverändert blieben: es gestalten sich 
Stadien um, ohne dass die Veränderung einen Einfluss auf andere, 
spätere Stadien des nämlichen Entwicklungscyklus ausübt. 


North Brighton bei Melhourne, im Oktober 1882. 


Berichtigung. 


Vor Kurzem habe ich in dieser Zeitschrift (Bd. XXXVIN, p. 46) 
eine eigenthümliche Rhizopodenform beschrieben und mit einem neuen 
Namen belegt. Zu spät erfahre ich, dass ihr ein solcher nicht zukommt, 
weil das Thier schon vor mir von ScHNEIDER entdeckt und kurz charak- 
terisirt worden ist (diese Zeitschrift, Bd. XXX. Suppl. p. 452). Die 
SCHNEIDER’Sche Arbeit findet sich in den betreffenden Specialwerken nicht 
citirt und ist mir desshalb leider entgangen. Ich bitte also in meinem 
Aufsatze statt Pachymyxa hystrix lesen zu wollen: Trichosphae- 
rium Sieboldii Schneider. 


Freiburgi. B., März 1883. 


Dr. A. Gruber. 


Die Embryologie von Planaria polychroa. 
Von 


Dr. Elias Metschnikoff. 


Mit Tafel XV—XVIl, 


Erster Theil. Bildung des Embryo und seiner Haupttheile. 


Nachdem die vergleichende Physiologie gezeigt hat, dass die Turbel- 
Jarien ihre Nahrung intracellulär verdauen, musste die Embryologie ent- 
scheiden, in wie fern ein solcher Verdauungsmodus als ein primitiver 
zu betrachten ist. Da die älteren Angaben uns über diese Frage keine 
Auskunft geben konnten, unternahm ich im Sommer 1877 eine embryo- 
logische Untersuchung unserer Süßwasserplanarien und vorzugsweise 
der häufigsten unter ihnen, der Planaria polychroa von Oscar Scummr. 
Die dabei erhaltenen Resultate ! haben mir zwar sofort gezeigt, dass die 
von mir gewählten Turbellarien keineswegs im Stande sind zur Ent- 
scheidung der angedeuteten Hauptfrage zu dienen; da sie aber auf an- 
dere Erscheinungen von allgemeinem Interesse hinwiesen, so hielt ich 
es der Mühe werth die Untersuchung weiter fortzusetzen. In den Jahren 
41880 und 1881 wiederholte ich meine Beobachtungen, aber erst im ver- 
flossenen Sommer ist es mir gelungen diejenigen von ihnen, welche auf 
die allgemeineren Erscheinungen der Embryonalbildung sich bezogen, 
zu einem gewissen Abschluss zu bringen. 

Die älteren Autoren, wie Dusks, v. BAER und v. SIEBOLD wiesen 
nach, dass die Süßwasserplanarien ihre Eier auf Wasserpflanzen, bei 
einigen Arten vermittels besonderer Stiele, befestigen, ferner, dass aus 


i Ich publicirte seiner Zeit darüber eine kurze Mittheilung in russischer Sprache 
in den Schriften der neurussischen Gesellschaft der Naturforscher in Odessa. Bd. V, 
4877. Das darüber von Dr. MAvzEL gegebene Referat (in den Jahresberichten von 
Hormann und SCHWALBE, Bd. VII, 1879, p. 75) enthält viele Fehler und Missver- 
ständnisse, so dass ich vor dem Gebrauch desselben warnen muss. 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVIII. Bd. 23 


332 Elias Metschnikoff, 


einem solchen Eie mehrere junge Thiere ausschlüpfen, welche bereits 
fast sämmtliche Merkmale erwachsener Pianarien aufweisen, dass folg- 
lich die Süßwasserplanarien ihre Entwicklung ohne Metamorphose 
durchlaufen. v. SıesoLp machte außerdem noch die wichtige Ent- 
deckung, dass die sog. Dotterzellen der Süßwasserplanarien verschieden- 
artige Bewegungen ausführen, eine Entdeckung, welche bekanntlich eine 
große Rolle in der allgemeinen Zellenlehre spielte. Über die eigentlichen 
Embryonalerscheinungen belehrten uns dagegen die Beobachtungen älterer 
Forscher gar nicht, was offenbar in den großen technischen Schwierig- 
keiten der anzustellenden Untersuchungen seine Erklärung findet. Erstin 
den sechziger Jahren ist es KnappeErt! gelungen einige Thatsachen aus der 
Embryonalgeschichte der Planaria (Polycelis) fusca zu ermitteln. So kon- 
statirte er, dass die Eier eine regelmäßige totale Theilung erfahren, ferner, 
dass der Embryo noch ziemlich früh sich in eine peripberische und centrale 
Schicht sondert. Eine ausführliche Entwicklungsgeschichte konnte zu der 
Zeit jedoch nicht gegeben werden, weil damals die nöthigen technischen 
Methoden noch nicht genug ausgearbeitet waren und mit den gewöhnlich 
gebrauchten Mitteln konnte man im besten Falle nur die allgemeinsten 
Erscheinungen ermitteln. Beim Herauspressen des Eikapselinhaltes er- 
hält man meistens nur eine rahmartige dicke Flüssigkeit, in welcher die 
Trümmer der Embryonalorgane suspendirt bleiben. Nur äußerst selten 
gelingt es mehr oder weniger unbeschädigte Embryonen zu erhalten 
und auch diese sind sehr wenig geeignet zur Untersuchung im frischen 
Zustande. Fast die ganze Arbeit muss desshalb an gehärtetem Materiale 
gemacht werden, was natürlich in mancher Beziehung seine üblen 
Folgen hat. Ganze Eikapseln wurden von mir zuerst im kochenden 
Wasser eine oder zwei Minuten gehalten, um dann möglichst vorsichtig 
an einem Pole aufgeschnitten zu werden. Die Eier wurden sodann in 
Chromsäure gelegt und am folgenden Tage in 70°%/,igen Alkohol über- 
tragen; nach längerer Behandlung in stärkerem, 96gradigen Alkohol, 
konnte man den nunmehr aus seiner Schale befreiten Inhalt leicht fär- 
ben und in bekannter Weise in dünne Schnitte zerlegen. Zur Färbung 
brauchte ich früher die wässerige Indigokarminlösung; da diese Farbe 
aber nur kurze Zeit hält (so sind meine im Jahre 1877 angefertigten 
Präparate bereits sämmtlich entfärbt), so habe ich sie durch Boraxkarmin 
ersetzt. Die jüngsten und die spätesten Embryonalstadien können zum 
Theil wenigstens auch ohne Schnittmethode untersucht werden; die Be- 
schaffenheit der Eizelle und die Theilungsvorgänge derselben können 
am besten mit Hilfe schwacher Lösungen von Essigsäure erforscht 


1 Bijdragen tot de Ontwikkelings-Geschiedenis der Zoetwater-Planarien. in: 
Natuurkundige Verhandelingen. Utrecht 1865. 


Die Embryologie von Planaria polychroa. 339 


werden; dasselbe Reagens leistet auch bei der Beobachtung erwachsener 
Embryonen gute Dienste. 

Planaria polychroa gehört zu den Arten, welche kugelförmige Eier, 
oder richtiger Eikapseln mit einem langen Stiele auf Wasserpflanzen 
befestigt. Am häufigsten fand ich solche Kapseln auf Geratophyllum, 
auf der unteren Fläche der Blätter von Hydrocharis morsus ranae und 
auf der vorderen Fläche der schmalen Blätter von Stratiotes aloides. 
Die Periode des Eierlegens beginnt im Frühjahr und dauert bis zum 
Ende Juli oder Anfang August (so wenigstens in der Provinz Kiew, wo 
ich meine Untersuchungen anstellte). Die Ablage erfolgt meistens am 
Tage und hört noch vor dem Sonnenuntergange auf. Gleich nach dem 
Ablegen sind die Kapseln ganz blass oder leicht gelblich; nach einigen 
Stunden nehmen sie eine braunröthliche Färbung an, um später dunkel 
schwarzbraun zu werden. Diese Farbenverschiedenheiten können zur 
Orientirung bei der Wahl von Stadien dienen, freilich nur in einem be- 
schränkten Maße. 

In einer frisch gelegten Kapsel findet man bekanntlich zweierlei 
Elemente: Eizellen, deren Zahl zwischen vier und sechs schwankt, und 
Dotterzellen, welche, nach Berechnung, in der Zahl von über zehn- 
tausend Stück in jeder Kapsel vorhanden sind. Die ersteren (Fig. 1 0) 
erscheinen in Form mehr oder weniger kugeliger Körper mit nicht ganz 
regelmäßigen Konturen ; bisweilen sind sie etwas ausgezogen, so dass 
sie eher oval als kugelförmig aussehen. Eine wirkliche Membran lässt 
sich auf diesen Eizellen nicht nachweisen, obwohl man bei der Behand- 
lung mit verdünnter Essigsäure eine hautartige peripherische Schicht an 
einigen Stellen der Oberfläche sich abheben sieht. Der Inhalt besteht 
aus einem hellen feinkörnigen Protoplasma und aus ganz blassen, rund- 
lichen Deutoplasmakörnern ; das erstere bildet eine dünne zusammen- 
hängende Schicht an der gesammten Peripherie der Eizelle und er- 
scheint außerdem in Form radiusartiger Linien, welche gegen den Eikern 
konvergiren. Die Deutoplasmakörner zeigen eine ähnliche regelmäßige 
Anordnung, welche übrigens nicht an jedem Ei mit derselben Deutlich- 
keit auftritt. In der Nähe des Eicentrums befindet sich der blasse 
undeutlich konturirte Eikern, welcher aus verdichtetem überall gleich- 
förmigen Protoplasma zusammengesetzt erscheint. Von einer Differen- 
zirung in Kernmembran, Kernsubstanz und Kernsaft, welche so scharf 
am Eierstocksei auftraten, findet man am frisch gelegten Ei keine Spur. 
Es muss angenommen werden, dass die Eizelle im beschriebenen Zu- 
stande bereits befruchtet ist. Dafür spricht unter Anderem auch der 
Umstand, dass ich im Inhalte der Eikapsel niemals Spermatozoiden 
antraf. Sog. Richtungskörper habe ich ebenfalls nicht finden können. 

23* 


334 Elias Metschnikof, 


Die sog. Dotterzellen, welche seit Jahrzehnten durch ihre auffallenden 
Protoplasmabewegungen die Aufmerksamkeit der Naturforscher auf sich 
zogen, sind auch weit besser bekannt als die Eizellen. Der durchaus 
unbestimmt konturirte Zellkörper (Fig. 4 v) entbehrt jeder Spur einer 
Membran und besteht aus sehr feinkörnigem Protoplasma, in welchem 
wir eine mehr oder weniger große Anzahl kugelförmiger fettglänzender 
Körner und meistens eine bedeutende Menge rundlicher wasserheller 
Vacuolen antreffen. Weit entfernt vom Centrum liegt gewöhnlich der 
charakteristische ovale, in selteneren Fällen nierenförmige Kern, an 
welchem wir eine ziemlich feste peripherische Gytoplasmaschicht, einen 
Nucleolus und den durchsichtigen Kernsaft mit vielen Körnchen unter- 
scheiden. Die Dotterzellen sind bekanntlich im Stande zweierlei Proto- 
plasmabewegungen zu vollziehen. Auf der einen Seite erfahren sie 
starke peristaltische Kontraktionen, welche rasch durch die ganze Länge 
der Zelle erfolgen ; auf der anderen Seite aber schicken sie feine, oft ver- 
ästelte langsam kriechende Protoplasmaausläufer aus. Die gleichzeitig an 
vielen Dotterzellen stattfindende Peristaltik bietet eine ganz eigenthüm- 
liche, einigermaßen an das CGhromatophorenspiel der Gephalopoden er- 
innernde Erscheinung dar, wesshalb es nicht zu verwundern ist, dass 
sie die Aufmerksamkeit älterer Forscher auf sich zog. Solche Be- 
wegungen, welche an den soeben aus der Eikapsel herauspräparirten 
Dotterzellen bei der Untersuchung derselben im schwach salzigem 
Wasser wahrzunehmen sind, dauern nur kurze Zeit, um viel konstan- 
teren Pseudopodienbewegungen Platz zu machen. Zutreffende Bilder von 
in amöboider Bewegung begriffenen Dotterzellen hat in neuerer Zeit 
Harıez ! von Dendrocoelum angarense gegeben. 

Die ersten Stunden nach dem Eierlegen werden namentlich von 
auffallenden Veränderungen des Eikerns begleitet. Es sondert sich an 
demselben eine scharf konturirte Membran ab (Fig. 2), der Inhalt wird 
wasserhell und der ganze Kern nimmt eine durchaus unregelmäßige 
gelappte Gestalt an, wobei er oft in zwei oder mehrere Stücke zerfällt. 
Die strahlenartige Anordnung des Protoplasma, resp. der Deutoplasma- 
körner verschwindet nunmehr vollständig, um später einer anderen 
ähnlichen Erscheinung Platz zu machen. Im weiteren Verlaufe der Ent- 
wicklung, welche noch einige Stunden andauert, wird die Kernmem- 
bran runzelig und der Kern erscheint in mehreren Punkten durchbrochen 
(Fig. 3). Es kommt zu gleicher Zeit an einem Ende der oval verlängerten 
Eizelle eine peripherisch liegende strahlenförmige Figur zum Vorschein, 
welche durch lange, am centralen Ende verdickte Linien gebildet wird. 


1 Contributions a l’histoire naturelle des Turbellaries. Lille 1879. Pl. X, Fig. 33 
bis 35. 


Die Embryologie von Planaria polychroa. 335 


Während nun der alte Kern in seiner Rückbildung weiter fortschreitet, 
wobei derselbe in einzelne S- oder zickzackförmige Stücke zerfällt 
(Fig. k), entsteht am anderen Ende der Eizelle eine der ersten ganz 
gleiche sternförmige Figur, in deren Gentrum nunmehr ein kleiner Punkt 
bemerkt werden kann. 

Die beschriebenen Vorbereitungsvorgänge nehmen so viel Zeit in 
Anspruch, dass der Anfang der Zweitheilung des Zellkörpers erst nach 
8—A1 Stunden nach dem Eierlegen erfolgt. Es ist mir nicht gelungen 
tiefer in die Detailprocesse einzudringen, was wohl zum Theil in der 
Beschaffenheit des untersuchten Materials seinen Grund hat; eben so 
wenig konnte ich etwas über die Befruchtung unserer Planarie erfahren. 
Während der Bildung der ersten Theilungsfurche (Fig. 5) sieht man an 
den Enden der Eizelle die beiden Asterisken und in deren Nachbarschaft 
unregelmäßig gelappte Körper, welche mit den neugebildeten Kernen 
so vieler Furchungszellen die größte Ähnlichkeit haben. Oft sind diese 
Körper in einer und derselben Eizelle verschiedenartig geformt, wie sie 
auch sonst sich durch große Mannigfaltigkeit auszeichnen. Die Eizelle 
theilt sich in zwei gleich große Biastomeren (Fig. 6), deren Kern den 
früher beschriebenen Kern der Eizelle bis auf die geringere Größe 
wiederholt. Mit schwachen Konturen versehen lässt er sich bisweilen 
gar nicht vom umgebenden Protoplasma unterscheiden. Solche in Seg- 
mentation begriffene Eizellen werden gewöhnlich dicht von Dotterzellen 
umgeben, was nicht selten das Auffinden der ersteren ganz besonders 
erschwert. Während ich die Zweitheilung mehrere Male zu beobachten 
Gelegenheit hatte, ist’ es mir nur ein einziges Mal gelungen eine in vier 
Blastomeren getheilte Eizelle zu finden (Fig. 8). In diesem Falle lagen 
die Furchungszellen von einer Anzahl Dotterzellen umgeben, dicht bei- 
sammen zu zwei Paaren, wovon eines aus etwas größeren Blastomeren 
als das andere bestand. Im Inneren solcher Zellen Konnte ich gewöhn- 
liche bläschenförmige Kerne mit Membran, Kernsaft und Kernkörper- 
chen unterscheiden. Sowohl an diesem, wie an dem vorherbeschriebe- 
nen Stadium konnte man sich von der Abwesenheit einer Eihülle 
deutlich überzeugen, worin ein Unterschied zwischen der Planaria 
polychroa (und auch des in Hauptzügen von mir untersuchten Dendro- 
coelum lacteum) und der von Knaprerr beobachteten Polycelis (Planaria) 
fusca zu notiren ist. Bei der letztgenannten Art konnte der holländische 
Forscher nicht nur ein in drei Blastomeren getheiltes Ei, sondern auch 
einen aus 32 Zellen bestehenden Embryo von einer scharf gesonderten 
Eihülle umgeben finden (a. a. O. Taf. I, Fig. 5, 6). 

Sämmtliche von mir bis jetzt beschriebenen Stadien und Erschei- 
nungen können bei Untersuchung des aus lebenden Eikapseln heraus- 


336 Elias Metschnikoft, 


genommenen Inhalte in neutralen oder schwach sauren Reagentien 
wahrgenommen werden. Mit jedem Schritte der weiteren Entwicklung 
giebt diese einfache Methode immer geringere Resultate, da die fort- 
während kleiner werdenden und mit einander nicht fest zusammen- 
hängenden Blastomeren in der Masse viel auffallenderer Dotterzellen sich 
leicht den Augen des Beobachters entziehen. Nach langem Suchen 
findet man unter diesen Verhältnissen kaum einige vereinzelte Furchungs- 
zellen. Um eine bessere Einsicht zu gewinnen, muss man desshalb von 
nun an zur Schnittmethode schreiten und den auf die vorher beschrie- 
bene Weise bereiteten Kapselinhalt in ganze Serien zerlegen. Man 
überzeugt sich leicht, dass die an Zahl stets zunehmenden Blastomeren 
sich ziemlich lose und unregelmäßig neben einander befinden, wobei 
sie, von keiner Eihülle umschlossen, in die nächste Nachbarschaft der 
sie umgebenden Dotterzellen zu liegen kommen. Der Mangel einer festen 
Verbindung zwischen den Abkömmlingen einer und derselben Eizelle 
kann uns bei den kapselbereitenden Planarien um so weniger wundern, 
als wir analoge Erscheinungen sogar bei den sich im Freien entwickeln- 
den Eiern finden. So sah ich z. B. bei Turritopsis armata die Blasto- 
meren so wenig fest mit einander verbunden, dass sie nicht selten ganz 
aus einander gingen; in normalen Fällen bildeten sie einen durchaus 
unregelmäßigen, von keiner Eihülle umgebenen Zellenhaufen. Die Fig. 9 
stellt uns ein solche Blastomeren enthaltendes Stück eines durch eine 
‘A7stündige Kapsel gemachten Durchschnittes und zeigt uns sechs Em- 
bryonalzellen, von denen zwei noch unter sich zusammenhängen. Die 
umgebenden Dotterzellen zeigen sehr verschiedene Formen, welche sich 
ziemlich genau an die Blastomeren anpassen, und erscheinen außerdem 
noch ganz unverändert, durch deutliche Konturen von einander getrennt. 
Bei weiterer Entwicklung, welche sich durch Vermehrung von Blasto- 
meren auszeichnet, verlieren dagegen einige der benachbarten Dotter- 
zellen ihre frühere Selbständigkeit: ihre Konturen verschwinden, das 
Protoplasma fließt zusammen und nur die Kerne behalten ihre Unab- 
hängigkeit, so dass sie zur Bestimmung der Zahl der verschmolzenen 
Dotterzellen verwendet werden können (Fig. 10). Gegen die Vermu- 
thung, dass diese Verschmelzung nur als Resultat der komplicirten Be- 
handlungsweise der Kapseln, namentlich des Erhitzens derselben er- 
scheint, muss ich folgende Gründe anführen: erstens den Umstand, 
dass die mehr peripherisch liegenden, folglich der Temperatur mehr 
ausgesetzten Dotterzellen unverschmolzen bleiben, ferner, dass auf den 
betreffenden Stadien konstant nur die die Blastomeren unmittelbar be- 
rührenden Dotterzellen ihre Selbständigkeit einbüßen und endlich auch 


Die Embryologie von Planaria polychroa. 337 


die Erscheinungen der späteren Entwicklungsstadien, welche unten von 
mir hervorgehoben werden. 

Die beiden notirten Haupterscheinungen dauern noch während 
mehrerer Stunden der Embryonalentwicklung weiter fort. Die Blasto- 
meren vermehren sich ziemlich rasch, was durch die Häufigkeit der 
Zellentheilungen an Präparaten dokumentirt wird (Fig. 11,12). Solche Em- 
bryonalzellen bilden einen mehr oder weniger unregelmäßigen Haufen, 
welcher von nunmehr ganz verschmolzenen Dotterzellen allseitig um- 
geben wird. Auf Durchschnitten bemerkt man sofort ganze Packete, 
welche leicht aus dem übrigen Kapselinhalte herausfallen und A) aus 
einigen ihre Selbständigkeit bewahrenden Dotterzellen, 2) aus verschmol- 
zenen Dotterzellen und 3) aus Blastomeren oder Embryonalzellen zu- 
sammengesetzt erscheinen. Die Fig. 14 und 12 repräsentiren uns solche 
Packete, wobei die erstere ein Stück des Durchschnittes einer 24stün- 
digen und die zweite einen solchen einer 28stündigen Kapsel wieder- 
giebt. Bei genauerer Durchmusterung findet man zwischen den Em- 
bryonalzellen solche, welche alle Hauptstadien der Theilung aufweisen. 
So sieht man sog. karyolytische Figuren, Kernspindel und neugebildete 
Kerne, deren Spindelfasern bereits eine körnige Metamorphose erlitten 
haben. Es ist bemerkenswerth, dass die sog. Kernplatte oder die 
BürscaLrsschen Körner vollständig fehlen. Nur wenige unter den Kernen 
weisen die gewöhnliche Form eines ruhenden Kernes auf; die meisten 
von ihnen zeigen durchaus unregelmäßige Gestalten, welche etwa auf 
Vorbereitung zur Theilung oder auf einen eben abgeschlossenen Ver- 
mehrungsprocess zurückzuführen sind. 

Als Resultat des Zerklüftungsprocesses, welcher im Ganzen unge- 
fäbr zwanzig Stunden in Anspruch nimmt, erhalten wir eine unbe- 
stimmte Anzahl Embryonalzellen, welche im Allgemeinen unter sich die 
größte Ähnlichkeit zeigen und sich nur durch etwas verschiedene 
Dimensionen auszeichnen. Anfangs liegen diese Elemente ganz unregel- 
mäßig neben und über einander, bald aber fangen sie an eine gewisse 
Anordnung zu zeigen. Während nämlich ein Theil der Embryonalzellen 
sich in einen rundlichen, aus einigen mehr oder weniger vollständigen 
Kreisen bestehenden Zellenhaufen gruppirt (Fig. 13), gehen andere 
Zellen aus einander, um sich in einer gewissen Entfernung zu fixiren. 
Die Kerne des Zellenhaufens zeigen zum größten Theile schon die be- 
kannte ruhende Form, was auf das Ende der raschen Vermehrung hin- 
deutet. Der Zellenhaufen selbst stellt nunmehr auch bereits die Anlage 
eines Larvenorganes, des Schlundkopfes, dar und erleidet von nun an 
nicht sowohl eine Vermehrung als die histologische Differenzirung der 
ihn zusammensetzenden Elemente. Sowohl die Schlundanlage, als auch 


338 Elias Metschnikoft, 


die übrigen Embryonalzellen bleiben in der verschmolzenen Masse der 
Dotterzellen eingebettet, in welcher man wie früher eine gewisse Zahl 
vollkommen erhaltener Zellenkerne wahrnimmt. 

Es erweist sich somit, dass die Embryonalzellen auf frühen Stadien 
in eine sehr nahe Beziehung zur Masse der Dotterzellen treten, so dass 
es eine Zeit lang unmöglich ist eine Grenze zwischen dem eigentlichen 
Embryo und der umgebenden Zellenmasse zu ziehen. Dadurch wird es 
wohl erklärlich, dass man beim Herauspräpariren des Kapselinhaltes nur 
eine konfuse Masse von Dotterzellen, einigen wenigen Embryonalzellen 
und einer formlosen rahmartigen Substanz erhält. Bald jedoch fängt der 
Embryo an eine bestimmte Gestalt anzunehmen und sich zugleich von 
der peripherischen Masse der selbständig gebliebenen Dotterzellen abzu- 
sondern. Einige der in die Schlundkopfbildung nicht eingegangenen 
Embryonalzellen entfernen sich von ihres Gleichen am meisten, um sich 
an der Grenze zwischen der verschmolzenen Protoplasmamasse der 
Dotterzellen und der selbständigen Dotterzellen zu fixiren (Fig. 14). Es 
bildet sich somit ein Spaltraum, welcher die erste Grenze zwischen der 
Embryonalanlage und der peripherischen Zellenmasse andeutet. Ich er- 
kläre mir den Process in der Weise, dass ich eine selbständige Bewegung 
einiger Embryonalzellen annehme, welchen somit die aktive Rolle bei 
der Darstellung der Embryonalgrenze zukommt. Die Thatsache, dass 
man nicht immer an der bezeichneten Grenze eine oder mehrere Zellen 
wahrnimmt, erklärt sich wohl durch die Annahme, dass an solchen 
Durchschnitten nicht die Zellen selbst, sondern der ihnen anliegende 
Spalt getroffen wurde. In den meisten Fällen sieht man die Grenze zu- 
gleich an zwei einander gegenüber liegenden Stellen entstehen, wie es 
in der Fig. 15 wiedergegeben ist; während man aber auf der unteren 
Grenze eine dreieckige Embryonalzelle findet, wird man auf der oberen 
Grenze keiner solchen Zelle gewahr. Bei weiterer Entwicklung wird die 
Grenze zwischen dem Embryo und der umgebenden Zellenmasse immer 
auf größeren Strecken sichtbar (Fig. 16); die die Grenze bildenden Zel- 
len platten sich ab und erweisen sich deutlich als die ersten Epidermis- 
zellen des Embryo. Die früher erwähnte Anlage des Schlundkopfes 
sondert sich noch weiter ab, wobei sie zugleich sich in eine periphe- 
rische Zellenschicht und eine centrale Zellenmasse differenzirt (Fig. 47). 
Mit dem weiteren Fortschreiten der Grenzbildung sondert sich schließ- 
lich der ganze Embryo von der umgebenden Dotterzellenmasse ab, so 
dass wir nunmehr mehrere (vier bis sechs) ovale Embryonen in einer 
Kapsel vorfinden {Fig. 18). Betrachten wir einen Längsschnitt durch 
einen aus einer A8stündigen Kapsel herauspräparirten Embryo, wie er 
auf der Fig. 49 wiedergegeben ist, etwas näher, so finden wir an ihm 


Die Embryologie von Planaria polychroa. 339 


folgende Hauptmerkmale. Der Embryo erscheint solid und besteht zum 
großen Theil aus der zusammengeschmolzenen Masse der Dotterzellen, 
deren Kerne unregelmäßig geordnet sind. In der Rindenschicht dieser 
Protoplasmamasse liegen einige wenige Embryonalzellen zerstreut, deren 
unregelmäßig geformte Kerne noch auf den regen Vermehrungsprocess 
hinweisen. Am unteren Pole befindet sich ferner der Larvenschlund- 
kopf, an welchem wir eine dicke doppelschichtige Wandung erkennen, 
in deren Innerem radial angeordnete feine Fasern ausgespannt sind. An 
beiden Enden des Schundkopfes ist je eine Gruppe Embryonalzellen zu 
unterscheiden, von denen die äußere eine Art Epidermislippen darstellt, 
während die untere ein nicht näher bestimmtes Gebilde (vielleicht ein 
Rudimentalorgan) repräsentirt. Sowohl diese beiden Zellengruppen, als 
der Larvenkörper insgesammt, zeigen überhaupt einen scharf ausge- 
sprochenen radiären Bauplan, welcher jedenfalls eine phylogenetische 
Bedeutung hat. Ein auf der Fig. 19 fenlendes Organ unserer Larve ist 
die Epidermis; dieselbe besteht aus feinen stark abgeplatteten und den 
ganzen Körper bedeckenden Epithelzellen, welche früh mit überaus 
feinen Wimperhaaren versehen werden. 

In der soeben beschriebenen Larve unterscheiden wir somit zweier- 
lei Bestandtheile : eine Menge verschmolzener Dotterzellen und eine viel 
geringere Anzahl der in letzter Instanz aus der Eizelle entstandener 
Embryonalzellen, welche sich bereits in eine Epidermis (Ektoderm), 
einen Schlundkopf und in indifferentere unter der Epidermis liegende 
Zellen differenzirt haben. Obwohl viel unbedeutender in quantitativer 
Beziehung, spielen die Embryonalzellen doch qualitativ bei Weitem die 
Hauptrolle. Die verschmolzenen Dotterzellen, wie es bei Betrachtung 
späterer Stadien noch näher gezeigt werden soll, dienen nämlich aus- 
schließlich als Nähr- und zum Theil Stützmaterial für die in aktiver 
Thätigkeit befindlichen Embryonalzellen. 

Die in der angegebenen Weise gebauten Larven befinden sich unter 
normalen Verhältnissen inmitten einer großen Masse Dotterzellen, welche 
zum größten Theile noch ihre ursprüngliche Selbständigkeit behalten. 
Nur diejenigen von ihnen, welche in der nächsten Nähe der Larven lie- 
gen, binden sich fester zusammen, zum Theil fließen sie auch ganz zu- 
sammen, um eine Art Rinde um den Larvenkörper darzustellen (Fig. 18). 
Wenn man den gesammten Inhalt einer lebende Larven beherbergenden 
Kapsel nunmehr befreit, so gelingt es in einigen Fällen eine unversehrte 
Larve zu erhalten, an der man sowohl die Wimperbewegungen der Epi- 
dermiszellen als die starken Schluckbewegungen des Schlundkopfes 
beobachten kann. Die letzteren dienen zum Verschlucken der selbstän- 
dig gebliebenen Dotterzellen, welche somit ins Innere des Larvenkörpers 


340 Elias Metschnikoft, 


übertragen werden. An durch solche Larven geführten Längsschnitten 
kann man auch deutlich die verschluckten Zellen unterscheiden (Fig. 20). 
Sie behalten in jeder Beziehung ihre früheren Eigenthümlichkeiten, so 
dass man keineswegs zu einer Vermuthung über die Abstammung dieser 
Zellen etwa aus vorhandenen Embryonalzellen geführt werden kann. 
Sie sind erstens um Vieles größer als die größten Embryonalzellen und 
zeigen auch den für die Dotterzellen so charakteristischen runden fein 
granulirten Kern wieder. Dazu verhalten sich diese verschluckten Dot- 
terzellen, ganz eben so wie freiliegende ihres Gleichen, durchaus passiv, 
indem sie in keinem Falle eine Kern- resp. Zellentheilung aufweisen. 
Übrigens können auch die weiteren Embryonalstadien zum Beweise des 
Verschluckens von Dotterzellen angeführt werden. Bei direkter Beob- 
achtung von lebenden Larven (Fig. 21) fallen die starken Schluckbewe- 
gungen des ohnehin sehr beweglichen Schlundkopfes sehr in die Augen, 
das Verschlucken der Dotterzellen konnte ich indessen nicht wahrneh- 
men, was bei der außerordentlichen Zartheit und Kürze des Lebens von 
Larven außerhalb der Kapsel nicht zu verwundern ist. 

Mit jedem Schritte der weiteren Entwicklung finden wir eine immer 
größere Menge von Dotterzellen im Innern des Larvenleibes auf, womit 
gleichzeitig eine rasche Verminderung freier Dotterzellen konstatirt wer- 
den muss. Der ursprüngliche, ganz solide Larvenkörper enthält nun- 
mehr (Fig. 22, welche einen Längsschnitt einer aus einer zweiund- 
fünfzigstündigen Kapsel herausgenommenen Larve repräsentirt) einen 
umfangreichen Hohlraum, welcher zum großen Theile von verschieden- 
artig gestalteten, aber durchaus unveränderten Dotterzellen angefüllt ist. 
Der frühere Larvenkörper bildet somit eine dicke Rinde, an deren Peri- 
pherie wir eine feine, sehr leicht abfallende Epidermisschicht (auf 
Fig. 22 ist nur eine einzige Epidermiszelle außer den beiden festeren 
Lippenzellen erhalten) unterscheiden. In der Rinde selbst finden wir 
die noch immer in geringer Zahl vorhandenen Embryonalzellen wieder, 
von denen einige in Theilung begriffen sind; zum größten Theile aber 
besteht die Rinde aus der verschmolzenen Masse von Dotterzellen, deren 
unveränderte Kerne noch immer sehr zahlreich sind. 

Im Laufe des dritten Tages der Embryonalentwicklung wird end- 
lich der letzte Rest der freien Dotterzellen verschluckt, worauf schließ- 
lich auch die aus verschmolzenen Zellen bestehende, die Larven 
umgrenzende Rindenschicht wahrscheinlich aber durch Resorption ver- 
schwindet. Die Larven, welche früher durch eine Masse freier Dotter- 
zellen und durch die eben erwähnte Schicht von einander abgetrennt 
waren, legen sich nunmehr dicht an einander, wobei sie sich gegenseitig 
drücken, was auf die äußere Form der Larve einen merklichen Einfluss 


Die Embryologie von Planaria polychroa. 341 


ausübt. Die früher regelmäßig ovalen Larven nehmen jetzt eine Pyra- 
midengestalt an; einige von ihnen erhalten eine eigenthümliche, brief- 
kouvertähnliche Form (Fig. 24), während andere dreiseitig bleiben 
(Fig. 23). Die konvexe Basis solcher Pyramidenlarven stößt an die 
Kapselwand, während die Pyramidenspitzen gegen das Centrum der 
Kapsel gerichtet sind. 

Trotz der veränderten Körpergestalt und einer ansehnlichen Größen- 
zunahme solcher Larven behalten sie noch immer ihre oben angegebenen 
Hauptmerkmale. Sie erscheinen als radiär gebaute Thiere mit Epider- 
mis, Schlundkopf, einer Embryonalzellen enthaltenden Rindenschicht 
und einer nunmehr sehr bedeutenden Masse verschluckter Dotterzellen. 
Bei der raschen Größenzunahme und einer entsprechenden Veränderung 
der Körpergestalt wächst der Breiten- und der Tiefendurchmesser um 
ein Bedeutendes, während der Längsdurchmesser ungefähr seine frühere 
Größe behält und also verhältnismäßig kürzer wird. Die Epidermis und 
der Schlundkopf erfahren während der Zeit vom dritten bis zum fünften 
Tage der Embryonalentwicklung keine merkliche Veränderung; eine 
solche lässt sich namentlich in der Rindenschicht wahrnehmen, deren 
zellige Elemente einer regen Vermehrung unterliegen, wobei sie zu- 
gleich merklich und rasch an Größe abnehmen. Das Nährmaterial für 
ein so aktives Leben der Embryonalzellen wird offenbar durch die ver- 
schmolzene Masse der Dotterzellen geliefert, deren Kerne (Fig. 25 n) 
nunmehr in rückschreitende Metamorphose gerathen : sie ziehen sich be- 
deutend zusammen, verlieren ihren Nucleolus nebst den feinen Körnchen 
und verwandeln sich überhaupt in unregelmäßig konturirte homogene 
Klumpen. Diese Veränderungen weisen auf eine beginnende Atrophie 
der Dotterkerne der Rinde hin und beweisen zugleich, dass ihnen keine 
aktive Rolle bei dem Aufbau des Planarienkörpers zukommt. Die ver- 
schluckten Dotterzellen bleiben dagegen, wie früher, im Innern des 
Larvenkörpers liegen und behalten zum größten Theile ihre ursprüng- 
lichen Eigenschaften (Fig.25 ©) bei. Es fällt nur auf, dass in vielen sol- 
chen Zellen zwei oder auch drei Kerne beisammen liegen, ein Umstand, 
welcher eher durch das Verschmelzen einiger Dotterzellen, als durch 
ihre Vermehrung erklärt werden kann. Für diese Auffassungsweise 
spricht die Thatsache, dass unter Tausenden beobachteter Dotterkerne 
ich nie einen in Theilung begriffenen auffinden konnte, während es nichts 
weniger als schwierig war, den Vermehrungsprocess an den Embryonal- 
zellen der Rindenschicht zu konstatiren. 

Während des vierten und fünften Tages der Embryonalentwicklung 
erfolgt eine noch stärkere Vermehrung der Embryonalzellen der Rinden- 
schicht, wobei man eine immer größere Anzahl solcher mit ruhendem 


342 Elias Metschnikoft, 


Kerne zur Ansicht bekommt. Einige wenige Rindenzellen verlassen ihre 
Bildungsstätte, um sich an der inneren Grenze der Rinde zu fixiren 
(Fig. 26 c) ; sie verlängern sich dabei und nehmen ein spindelförmiges 
Aussehen an. Während auf den ersten Larvenstadien die Rindenzellen 
noch so spärlich waren, dass man sie auf einigen Schnitten gar nicht 
auffinden konnte (auf dem auf der Fig. 20 abgebildeten Längsschnitte 
befinden sich im Ganzen nur drei solche Zellen), werden sie jetzt, wäh- 
rend des vierten und fünften Tages, zu den zahlreichsten Elementen des 
gesammten Larvenkörpers. Das verschmolzene Dotterplasma, so wie 
die Dotterkerne treten mehr und mehr in den Hintergrund, obwohl man 
noch hier und da (Fig. 28 n) einige solcher intakten und ganz charakteri- 
stischen Kerne auffinden kann. Auf den uns jetzt interessirenden Sta- 
dien kommt eine Guticularbildung zum Vorschein, ein feines über der 
Rindenschicht liegendes Häutchen, welches wahrscheinlich von Epider- 
miszellen (welche eben so leicht wie auf früheren Stadien bei der Be- 
handlung der Embryonen abfallen) ausgeschieden wird. Die verschluck- 
ten Dotterzellen erfahren in so fern eine Veränderung, als sie eine 
stärkere Neigung zum Verschmelzen in größere Packete offenbaren. Wir 
finden nunmehr eine größere Anzahl zwei- und mehrkerniger Dotter- 
zellen, obwohl noch sehr viele von ihnen in jeder Beziehung ihre ur- 
sprünglichen Eigenschaften behalten. Wenn man auf dem auf der 
Fig. 27 abgebildeten Durchschnitte durch einen fünftägigen Embryo nur 
wenige selbständige Dotterzellen und anstatt deren eine kompakte Masse 
vorfindet, so ist das wohl durch ein zu langes Kochen entstanden, wel- 
ches nothwendig war, um einen ganzen Schnitt zu erhalten. Bei drei-, 
vier- und fünftägigen Larven ist es nämlich sehr schwer, Schnitte mit 
erhaltenem Schlundkopfe zu erlangen, weil der letztere in den meisten 
Fällen aus dem Embryo herausfällt. Um aber den Leser zu überzeugen, 
dass bei gewöhnlicher Behandlung auch die fünftägigen Stadien isolirte 
Doiterzellen in genügender Anzahl besitzen, habe ich die Fig. 28 beige- 
geben, welche ein Stück eines solchen Stadiums repräsentirt und an 
welcher man neben vier einkernigen drei zweikernige Dotierzellen be- 
merken kann. 

Am sechsten Tage der Entwicklung erfolgt überhaupt eine sehr 
starke Wendung in der Gesammtheit der Embryonalerscheinungen unse- 
rer Planarie. Der pyramidenförmige Embryo verliert seine charakteri- 
stische Körperform und verwandelt sich in ein ovales plattwurmähnliches 
Wesen, wobei seine frühere Basis sich zum Rücken, seine Spitze zum 
Bauche gestaltet. Zu gleicher Zeit kommt der definitive Rüssel zum 
Vorschein, welcher den früher beschriebenen provisorischen Larven- 
schlundkopf ersetzt. Alle diese Veränderungen erfolgen nach einer Reihe 


Die Embryologie von Planaria polychroa. 343 


ganz langsam verlaufener Stadien so unerwartet schnell, dass man nur 
mit Mühe einige Zwischenstufen ertappen kann. 

Die Epidermis verdickt sich merklich, obwohl sie noch immer aus 
platten Epithelzellen zusammengesetzt erscheint; sie wird auch viel 
fester, so dass sie nicht mehr mit der früheren Leichtigkeit abfällt. Vom 
alten Schlundkopf sehen wir nur Überreste in Form einer nach außen 
mündenden Röhre (Fig. 29 p), welche ihren früheren komplicirten Bau 
bereits verloren hat: von den vorher erwähnten Radialfasern finden wir 
nunmehr keine Spur; dagegen finden wir hinter der Röhre einen mäch- 
tigen soliden Zellenhaufen, welcher die Anlage des künftigen Rüssels 
repräsentirt und welcher bereits von einer dünnen Epithelmembran — 
der Rüsselscheide — umgeben ist (Fig. 29 vg). Die früheren inneren 
Zellen, welche an dem Schlunde befestigt waren, konnte ich nicht mehr 
auffinden und weiß ich nicht, ob dieselben gänzlich verloren gegangen 
sind oder etwa bei der definitiven Rüsselbildung eingegangen sind. Die 
Detailvorgänge der Rüsselbildung habe ich aus den angegebenen Grün- 
den nicht verfolgen können und hoffe bei der Bearbeitung der speciellen 
Organogenie unserer Planarie auch diese Lücke auszufüllen. Die Anzahl 
der Rindenzellen hat sich sehr bedeutend vergrößert; dieselben haben 
ihr Nährmaterial — das verschmolzene Dotterplasma — so weit ver- 
braucht, dass von demselben nur einzelne inselförmige Stücke übrig ge- 
blieben sind. Die Kerne der verschmolzenen Dotterzellen der Rinden- 
schicht sind wahrscheinlich gänzlich atrophirt, da man von ihnen keine 
Spur mehr findet. Die Rindenzellen haben sich aber so weit vermehrt, 
dass eine ansehnliche Anzahl von ihnen die Rindenschicht verlassen und 
zwischen derselben und den verschluckten Dotterzellen sich einen neuen 
Platz gesucht hat. Eine große Zahl solcher ausgewanderten Elemente 
hat sich in verlängerte Spindeln verwandelt, welche unzweifelhaft die 
ersten Muskelfasern des Körpers repräsentiren (Fig. 29). Durch dieses 
starke Wachsthum der zelligen Elemente der Rindenschicht wird noth- 
wendigerweise auch die innere Masse der verschluckten Dotterzellen in 
so fern berührt, als durch Einwandern der ersteren diese Masse nicht 
mehr im Stande ist, ihre frühere Einförmigkeit zu bewahren. Sie zer- 
fällt in mehrere Abtheilungen, welche ganz bestimmt und regelmäßig 
geordnet sind. So sehen wir auf dem auf der Fig. 29 abgebildeten 
Querschnitte durch die hintere Hälfte eines 127 stündigen Embryo zwei 
beinahe gleich große Zellenhaufen, welche durch das Einschalten eines 
Stranges von Rindenzellen entstanden sind. Die Dotterzellen bleiben 
zum Theil im früheren Zustande, zum Theil aber, namentlich in cen- 
tralen Abtheilungen , bilden sie größere mehrkernige Packete. In ihrem 
Inneren bemerkt man, bei Untersuchung lebender Embryonen, eine 


344 Elias Metschnikofl, 


bedeutende Ansammlung von Fettkörnchen , welche der gesammten Zel- 
lenmasse ein (bei durchfallendem Lichte) dunkles körniges Aussehen 
verleihen. 

Am Schlusse des sechsten Tages fand ich in so fern eine Verände- 
rung, als ich keinen Rest des Larvenschlundkopfes mehr wahrnehmen 
konnte: die Rüsselscheide erschien wie blind geschlossen. Der Rüssel 
selbst nimmt eine seiner definitiven Gestalt bereits ähnliche Form an 
(Fig. 30) und erscheint als ein cylindrischer in die Scheidenhöhle vor- 
ragender Zapfen, welcher noch ganz solid mit einer Menge Rindenzellen 
angefüllt ist. 

Am nächstfolgenden (siebenten) Tage wird unser Embryo bereits 
zu einer jungen Planarie. Die Rindenzellen haben eine bedeutende An- 
zahl Stränge geliefert, welche die Dotterzellenmasse in eben so viele 
Abtheilungen differenzirt haben. Am besten ist dieses Verhalten an 
frontalen Längsschnitten zu übersehen (Fig. 31, 32), wo man nun deut- 
lich wahrnimmt, dass die »Rindenzellen« nebst den von ihnen gebildeten 
_ interstitiellen Strängen die Muskelfasern sammt dem Parenchym, kurz 
gesagt, die mesodermalen oder mesenchymatösen Gebilde repräsentiren, 
während die verschluckten Dotterzellen ein regelmäßig verästeltes, fast 
ganz solides Organ darstellen, welches in jeder Beziehung dem Darm- 
kanale entspricht. Die Epidermis bildet, wie früher, eine dünne Schicht 
platter Epithelzellen und zeigt keine örtlichen Verdickungen, welche man 
etwa für Anlage des centralen Nervensystems in Anspruch nehmen 
könnte. Unterhalb derselben, zwischen der Masse der Mesodermzellen, 
findet man hier und da eigenthümliche, verschiedenartig gekrümmte 
Röhrchen (Fig. 32 s), welche als die Anlagen der stäbchenförmigen Kör- 
per gedeutet werden müssen. Die mesodermalen Elemente erscheinen 
sehr gleichförmig, was wohl, zum Theil wenigstens, durch die kompli- 
cirte Behandlungsweise, welche so viele histologische Eigenthümlich- 
keiten vernichtet, erklärt werden muss. Außer den früher beschriebenen 
spindelförmigen Muskelzellen (Fig. 32 m) findet man im Mesoderm noch 
eine große Menge kleiner Zellen mit ovalen und kompakten, sich stark 
färbenden Kernen. Der Rüssel erhält eine cylindrische Höhle und ist 
mit einer Menge Mesodermzellen angefüllt, welche bereits eine regel- 
mäßige Anordnung zur Schau tragen. Die verschluckten Dotterzellen 
(Fig. 32) behalten zum großen Theile ihre eigenthümlichen Kerne und 
erfüllen sich mit einer immer steigenden Quantität fettartig glänzender, 
rundlicher und unregelmäßig gestalteter Körner (Fig. 32 c). 

Am achten Tage sah ich zum ersten Male das Nervensystem und 
die Augen. Während sich die letzteren dicht unter der Epidermis be- 
finden (Fig. 35), liegen die Organe des eigentlichen Nervensystems tief 


Die Embryologie von Planaria polychroa. 345 


im Schoße des Mesoderms. Im oberen Körpertheile, am Niveau der 
Augen, beginnt das Gehirn (Fig. 35 e), an welchem man bereits die sich 
schwach färbenden Fasern deutlich unterscheiden kann. Die denselben 
unmittelbar anliegenden Zellen sind offenbar die Nervenzellen; der Um- 
stand, dass sie nicht scharf von dem umgebenden Mesodermgewebe 
abgegrenzt sind, so wie, dass das Gehirn so tief in dieser Schicht ein- 
gelagert ist, spricht für die von den Gebrüdern Herrwic ! geäußerte 
Vermuthung, nach welcher das Nervensystem der Süßwasserplanarien 
mesenchymatösen Ursprungs sein soll. In Übereinstimmung damit steht 
auch die von Lang? hervorgehobene Thatsache, dass auch bei er- 
wachsenen Süßwasserplanarien »die Zellen, welche den Fasermassen 
des Gehirns äußerlich anliegen, große Ähnlichkeit mit vielen Zellen des 
umliegenden Parenchyms zeigen«. Dem ektodermalen Ursprunge des 
Gehirns bei anderen Plathelminthen dürfte man gegen die angeführte 
Vermuthung kaum eine zu große Bedeutung beilegen können, zumal wir 
wissen, dass auch unter den Mollusken das Gentralnervensystem bald 
aus dem Ektoderm, in anderen Fällen aber aus Mesoderm seinen Ur- 
sprung nimmt. Jedenfalls sind wir noch lange nicht im Stande uns jetzt 
schon ganz bestimmt über die Frage der Gehirnabstammung der Süß- 
wasserplanarien auszusprechen. 

Am achten Tage der Embryonalentwicklung findet man bereits 
auch die beiden großen seitlichen Nervenstämme, wie man es aus der 
Fig. 33 (n, !) entnehmen kann. In sonstiger Beziehung bietet das uns 
jetzt interessirende Stadium nichts Besonderes. Die Epidermis erscheint 
etwas dicker und enthält bereits viele stäbchenförmige Organe (Fig. 33 
u. 34 s),welche auch unterhalb derselben Schicht in genügender Anzahl 
vorhanden sind. Die Kerne vieler Mesodermzellen fangen an sich zu 
verändern, indem sie, anstatt gleichförmig homogen zu bleiben, einen 
Unterschied zwischen Kernsubstanz und Kernsaft zeigen, wobei gleich- 
zeitig der ganze Kern auch etwas an Größe zunimmt (Fig. 34 n’). In 
Folge dieser Differenzirung erscheint der Kern in seiner gewöhnlichen 
definitiven bläschenförmigen Gestalt, wobei er sich zugleich viei blasser 
färbt und überhaupt weniger als in der ursprünglichen Form auffällt. 
Es muss jedoch bemerkt werden, dass an achttägigen Embryonen noch 
bei Weitem die große Mehrzahl der Mesodermkerne ihre früheren Eigen- 
schaften behält. Die verschluckten Dotterzellen, welche, wie man sich 


! Coelomtheorie. Jenaische Zeitschr. Bd. XV. Neue Folge. Achter Band. Erstes 
Heft. 4881. p. 32. 

2 Untersuchungen zur vergl. Anatomie und Histologie des Nervensystems der 
Plathelminthen. IV. in: Mittheilungen aus der zoolog. Station zu Neapel. Bd. III. 
1./2. Heft. 4884. p. 58. 


346 Elias Metschnikoff, 


überzeugt, eine Art vikarirendes Entoderm repräsentiren (Fig. 33—35), 
erhalten eine noch größere Anzahl fettartiger Körper und verschieden 
großer kugelförmiger Vacuolen, als früher. 

Wenn man solche achttägige Embryonen künstlich aus der Kapsel 
herauspräparirt, so erweisen sie sich als vollkommen lebensfähig und 
unterscheiden sich in ihrem Benehmen und in weiteren Erscheinungen 
gar nicht von den zur rechten Zeit ausgeschlüpften jungen Planarien. 

Die wichtigste Veränderung, welche nach dem achten Tage hervor- 
tritt, ist eine allgemeine Umgestaltung der Mesodermkerne, welche ganz 
der oben beschriebenen gleich ist (Fig.37). Bei den fertigen Embryonen 
sind auch die Kerne in mehreren Muskelfasern zu Grunde gegangen, ob- 
wohl man übrigens noch bei neugeborenen Planarien eine genügende An- 
zahl kernhaltiger Muskelfasern findet. Die Epidermis wird, namentlich 
an den Seiten, merklich dicker, so dass deren Zellen bereits kubikförmig er- 
scheinen. Am vikarirenden Entoderm erkennt man ohne Mühe die oben 
mehrfach hervorgehobenen Eigenthümlichkeiten. Bei Untersuchung 
lebender Zellen desselben erkennt man ohne Mühe die scharf hervor- 
tretenden fein granulirten Kerne und die verschiedenartigen fettähnlichen 
Körper (Fig. 38, 39). Die Fig. 36 repräsentirt einen vollkommen aus- 
gebildeten, obwohl nicht selbständig ausgeschlüpften, sondern künstlich 
herausgenommenen Embryo. Er ist in jeder Beziehung identisch mit 
einer neugeborenen jungen Planarie. Man erkennt an ihm eine ziemlich 
scharf abgegrenzte wimpernde Epidermis, ein blasses muskelreiches 
Mesoderm und den genug bekannten dendritisch verzweigten Darmtrac- 
tus, dessen Zellen, wie eben bemerkt wurde, mit glänzenden Fettkügel- 
chen versehen sind. 

Das spontane Ausschlüpfen findet am zehnten oder am elften Tage 
statt; im frühen Sommer dauert die embryonale Entwicklung etwas 
länger als in den heißeren Sommermonaten. So z. B. krochen die Jun- 
gen aus einer am 5./17. Juni um 4 Uhr Nachmittags abgelegten Kapsel 
um 40 Uhr Morgens des 16./28. Juni, so dass die ganze Entwicklung 
zehn Tage und einundzwanzig Stunden dauerte. Die Planarien werden 
in der größten Mehrzahl der Fälle als vollkommen farblose Würmchen 
geboren und nur selten kommen sie aus der Eikapsel bereits mit einer 
geringen Menge von dunkelviolettem Pigment auf die Welt. Gewöhnlich 
entwickelt sich dasselbe am zweiten oder dritten Tage nach dem Aus- 
schlüpfen. Die Größe der Neugebornen ist sehr verschieden: je mehr 
Planarien sich in einer Kapsel entwickeln, desto kleiner kommen sie auf 
die Welt; in einigen Fällen findet sich aber ein sehr bedeutender 
Größenunterschied auch zwischen den Jungen einer und derselben 


Die Embryologie von Planaria polychroa. 347 


Kapsel. In der Regel schlüpfen aus einer Kapsel sechs oder vier junge 
Planarien aus. 

Obwohl ich die nachembryonalen Entwicklungsvorgänge keiner 
Untersuchung unterzog, so konnte ich mich nicht mit den Thatsachen 
begnügen, welche ich im Laufe der embryonalen Entwicklung des Ver- 
 dauungstractus wahrnahm. Um das Schicksal der bis zum Ausschlüpfen 
der jungen Planarie verfolgten verschluckten Dotterzellen zu enträthseln, 
musste ich unbedingt bis zu den Stadien des funktionirenden Darmtrac- 
tus gehen. Bald nach dem Beginne des freien Lebens kann man in den 
Dotterzellen, oder den Elementen des »vikarirenden Entoderms« eine 
mehr oder weniger große Menge verschiedenartiger in Vacuolen einge- 
schlossener Konkremente wahrnehmen, womit gleichzeitig ein starker 
Verbrauch des Fettgehaltes konstatirt werden muss. Auf der Fig. 40 
habe ich eine solche Zelle von einer zweitägigen jungen Planarie abge- 
bildet, wo man neben dem vollkommen in seinen primitiven Eigen- 
schaften erhaltenen Dotterkerne mehrere konkrementhaltige Vacuolen 
vorfindet. Ganz gleiche Vacuolen sind bekanntlich auch in den Darm- 
zellen erwachsener Planarien vorhanden, so dass dieser Befund zu Gun- 
sten der Annahme, dass die verschluckten Dotterzellen sich zu echten 
Epithelzellen der Darmäste umwandeln, verwerthet werden könnte. 
Entschiedener spricht dafür die Thatsache, dass vom dritten Tage nach 
dem Ausschlüpfen , wenn das junge Thier anfängt Nahrung zu sich zu 
nehmen, die verspeisten Körper ins Innere der »vikarirenden Entoderm- 
zellen« eindringen, um sich dort ganz gleich zu verhalten, wie in den 
verdauenden Darmzellen der erwachsenen Planarien. Solche junge Thiere 
habe ich mit kleinen, vorher mit Karmin gefütterten Naiden oder auch 
mit dem mit demselben Farbstoffe vermischten menschlichen Blute ge- 
füttert und immer dabei gefunden, dass die eingenommenen Nahrungs- 
stoffe in reichlicher Menge in das Innere der aus den verschluckten 
Dotterzellen gewordenen Darmzellen eindrangen. Die Fig. Al stellt uns 
den Hintertheil eines paarigen Hauptdarmastes einer auf angegebene 
Weise (mit Blut nebst Karmin) gefütterten, drei Tage alten Planarie 
dar. Die Skizze wurde zwei Stunden nach der Fütterung gemacht. 
Man sieht in der ganzen Wand eine Menge sowohl Blutkörperchen als 
Karminkörner neben Fettkugeln und konkrementhaltigen Vacuolen ent- 
halten. Bei Untersuchung solcher vollgefressener junger Planarien mit 
stärkeren Vergrößerungen kann man auch die einzelnen Zellen nebst 
den in ihnen enthaltenen Kernen und verschiedenartigen Einschlüssen 
beobachten, wobei man eben sofort die mehrmals beschriebenen cha- 
rakteristischen Dotterkerne vorfindet (Fig. 42 n). Beim Zerzupfen mit 
Nadeln werden die Zellen gewöhnlich in Bruchstücke zerlegt, wovon 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVII. Bd. 94 


348 Elias Metschnikoff, 


einige die Kerne enthalten, die anderen dagegen kernlos sind, dafür aber 
viele Nahrungsstoffe in sich beherbergen (Fig. 43). An solchen Stücken 
kann man auch ohne Mühe die amöboide Protoplasmabewegung studiren. 
Die Fig. 44 a, b, c zeigt uns drei nach einander folgende Bewegungs- 
zustände eines mit Nahrung versehenen Zellenbruchstückes, in dessen 
Innerem ich noch eine ausgesprochene Körnchenbewegung wahrgenom- 
men habe. 

Nachdem es mir gelungen ist, nachzuweisen, dass beim Aufbau 
des Larvenkörpers, resp. des Mesoderms, den Dotterzellen obwohl eine 
bedeutende, jedoch immerhin eine passive Rolle zukommt, dass sie dem- 
nach im Grunde nur ein Nährmaterial für Embryonalzellen liefern, 
glaubte ich einen ähnlichen Schluss auch auf die verschluckten Dotter- 
zellen ermitteln zu können. Ich ging dabei von der Vermuthung aus, 
dass diese Dotterzellen auf einem gewissen Stadium der Embryonalent- 
wicklung von etwaigen echten Embryonalzellen aufgefressen werden, 
ähnlich wie in der bekannten Geschichte der Urzeugung von Monaden 
die Stärkekörner von den Schwärmern der Monas amyli umhüllt und ihnen 
einverleibt waren. Bei der darauf gerichteten Untersuchung konnte ich 
indessen keinen Beweis für eine solche Vermuthung auffinden. Ich war 
wohl im Stande zu konstatiren, dass mehrere von den verschluckten 
Dotterzellen sammt ihren Kernen zu Grunde gehen, aber der ganze Vor- 
gang stimmte vollkommen mit der Atrophie centraler und überflüssiger 
Entodermzellen während des Vorganges .der Darmhöhlenbildung vieler 
Thiere überein. Dotterzellen, welche von anderen Zellen umhüllt wären, 
wie es die hervorgehobene Vermuthung postulirte, habe ich jedenfalls 
nicht beobachten können. 

Ich will bier noch auf eine eigenthümliche Gewohnheit junger Pla- 
narien hinweisen, welche ich einige Male in meinen Versuchsaquarien 
beobachtete. Einige Tage nach dem Ausschlüpfen gelangen die jungen 
Thiere auf die Rückenfläche erwachsener Planarien derselben Species 
und saugen vermittels ihres Rüssels den Inhalt der letzteren aus. 

Bevor ich die Darstellung der von mir gewonnenen Ergebnisse 
schließe, will ich noch mit ein paar Worten eines wichtigen Organsystems 
gedenken, über welches ich keine Gelegenheit fand in den obigen Zeilen 
zu sprechen. Ich meine das exkretorische Gefäßsystem, welches von 
einigen Autoren (wie z. B. Minor) sogar bei erwachsenen Süßwasser- 
planarien in Abrede gestellt wurde. Bei zum Ausschlüpfen fertigen Em- 
bryonen findet man an lebenden Exemplaren ohne Mühe wasserhelle 
Gefäßschlingen nebst den an den Enden mancher Zweige befindlichen 
Schlusszellen mit der starken Geißel. Man gewahrt somit das Organ in 
seiner Ausbildung, ohne im Stande zu sein, eine Auskunft über seine 


Die Embryologie von Planaria polychroa. 349 


Entstehung und Entwicklung zu geben. Wie es bereits von Lang! be- 
merkt worden ist, ist nichts schwieriger, als das Exkretionssystem der 
Planarien auf Schnitten aufzufinden, selbst bei solchen Formen wie seine 
Gunda segmentata, wo dieses System sehr stark entwickelt ist und ohne 
Mühe am lebenden Thiere untersucht werden kann. Da ich nun aber, 
bei der embryologischen Erforschung unserer Planarie, zum größten 
Theile auf Schnitte angewiesen war und nur dann lebende Embryonen 
untersuchen konnte, als bereits sämmtliche Organe angelegt waren, so 
war ich außer Stande, etwas über den Ursprung des Exkretionssystems 
zu erfahren. Auch in anderer Beziehung erwies sich die Schnittmethode 
zur Untersuchung der Organogenie und Histogenie für durchaus unzu- 
reichend. Ich meine die Differenzirung der überhaupt so komplicirten 
Schicht wie das Mesoderm, dessen Zellen bei Untersuchung lebender 
Embryonen viel verschiedenartiger aussehen als auf Schnitten. 

Da nach den Mittheilungen von KnarPpert zu schließen, die von ihm 
untersuchte Polycelis fusca sich in mancher Hinsicht anders entwickelt, 
als die Planaria polychroa, so musste ich die Frage aufstellen, in wie 
fern der von mir aufgefundene Entwicklungsmodus im Kreise der Mono- 
gonophoren oder, wie sie von Lang bezeichnet werden, Tricladen ver- 
breitet ist. Die von mir in embryologischer Beziehung untersuchten zwei 
in Smela (Provinz Kiew) vorkommenden Arten der Gattung Dendro- 
coelum, und zwar D. lacteum und eine andere nicht bestimmte braune 
Species, welche viel größere abgeflacht kugelförmige Kapseln legt, stim- 
men mit den für Planaria polychroa angegebenen Verhältnissen sehr 
überein. Bei ihnen habe ich ganz dieselbe Larvenbildung und die näm- 
lichen Erscheinungen der Darmentwicklung wahrgenonimen, wie bei der 
letztgenannten Art. Von marinen Tricladen habe ich nur die Kapsel- 
bildung der sogenannten Planaria ulvae, welche wohl zur Gattung Gunda 
gehört, beobachtet. Ich konnte leicht konstatiren, dass die Kapseln eine 
große Ähnlichkeit mit denen der Süßwassertricladen haben; die Em- 
bryonalentwicklung konnte ich dagegen, wegen der unüberwindlichen 
technischen Schwierigkeiten, gar nicht untersuchen. Bei ferneren Beob- 
achtungen müsste ganz besonders auf die Embryologie der Polycelisarten 
geachtet werden. 


Wie ich am Eingange zu diesem Aufsatze bereits erwähnt habe, 
blieb meine Hoffnung, in der Embryologie der Süßwasserplanarien eine 
Auskunft über die Urgeschichte des intracellulär verdauenden Darm- 


1 Der Bau von Gunda segmentata. in: Mittheilungen aus der zoolog. Station zu 
Neapel. Bd, lIl. p. 209. 


24* 


350 Elias Metschnikoff, 


kanales dieser Thiere zu erlangen, ohne Erfüllung. Es hat sich vielmehr 
gezeigt, dass wir gerade in der Entwicklungsgeschichte dieses Organes 
auf ganz eigenthümlich modificirte Embryonalerscheinungen stoßen, 
welche überhaupt so sonderbar sind, dass sie noch einer, an anderen 
Formen (namentlich an Polycelis) vorgenommenen Revision bedürfen. 
Wenn es sich aber ganz unanfechtbar bestätigen sollte, dass die ver- 
schluckten Dotterzellen sich unmittelbar in Entodermelemente verwan- 
deln, so erhielten wir ein Beispiel von einer sehr merkwürdigen Sub- 
stitution der Organe. Denn meiner Meinung nach muss die Sache so 
aufgefasst werden, dass die Dotterzellen zu vikarirenden Entodermzellen 
in Folge einer Abkürzung des Entwicklungsprocesses, so wie einer Be- 
nutzung fertiger, in genügender Menge in der Kapsel vorhandener, ge- 
formter Elemente geworden sind. Ursprünglich müsste sich ein echtes 
primäres Entoderm gebildet haben, während die Dotterzellen lediglich 
als Nahrung des Embryo fungirten. Bei dem Überschusse an Dotter- 
zellen mussten die überflüssigen einfach zu Grunde gehen. Im Laufe 
der Zeit konnten aber die letzteren, da sie sich im Darmkanale neben 
den echten primären Entodermzellen befanden, am Leben bleiben und 
mit diesen die gleiche Funktion ausüben, was schließlich zu einer Sub- 
stitution des Entodermgewebes durch Dotterzellen führen konnte. So 
würden wir ein Verhältnis zwischen heterogenen Elementen entstanden 
denken, ähnlich wie es in den letzten Jahren zwischen verschiedenen 
Organismen aufgedeckt worden ist. Ich meine die Benutzung von einem 
Thiere eines einem anderen Thiere gehörigen Organes, wie es in vielen 
Fällen des sogenannten Mutualismus (Ortsveränderung der Actinien 
durch die Extremitäten des Pagurus etc.) der Fall ist. Noch analoger 
sind die Fälle des Mutualismus, wo parasitische Pflanzen als Nahrungs- 
versorger ihrer Symbionten dienen, wie es beim Zusammenleben der 
Algen mit Radiolarien und Schwämmen vermuthet wird. 

Wenn man von der Ansicht einer Entodermsubstitution ausgeht, so 
wird man nach Überresten eines primären Entoderms bei unseren Tri- 
claden suchen müssen. In dieser Beziehung kann ich nur auf die kleine 
Zellengruppe verweisen, welche unterhalb des Larvenschlundkonfes 
liegt (Fig. 19, 20, 22d) und welche ich oben muthmaßlich als ein Rudi- 
ment bezeichnet habe. Ich wüsste wirklich nicht, was sie für eine Rolle 
erfüllen könnte, wenn sie nicht etwa als eine Klappeneinrichtung für 
die Verhinderung zum Austreten der Dotterzellen fungirt. 

Aber auch abgesehen von den Verhältnissen der Darmbildung 
bieten die von mir untersuchten Süßwasserplanarien genügende Zeug- 
nisse für die Annahme einer starken Coenogenese. Der Antheil der ver- 
schmolzenen Dotterzellen an dem Aufbau des Embryonalkörpers gehört 


Die Embryologie von Planaria polychroa. 351 


unstreitig zu solchen Adaptiverscheinungen in dem Entwicklungsgange 
dieser Thiere. 

Mit der wichtigen Rolle der Dotterzellen im Zusammenhange steht 
offenbar auch die außerordentlich frühe Anlage des Larvenschlundkopfes. 
Man kennt bereits eine genügende Menge Beispiele einer verfrühten Dif- 
ferenzirung stark entwickelter Organe; nirgends aber sehen wir eine 
Anlage sich differenziren, bevor noch die Keimblätter oder die Körper- 
wand entstanden sind. Bei unserer Planarie lässt sich auch nicht ent- 
scheiden, ob der Larvenschlundkopf ein ektodermales oder mesoder- 
males Gebilde repräsentirt, weil er sich zu einer Zeit anlegt, wo diese 
beiden Blätter noch nicht genügend von einander geschieden sind. Bei 
einem solchen Sachverhalte würde es mich nicht wundern, wenn es 
sich herausstellen sollte, dass das Centralnervensystem der Süßwasser- 
tricladen nicht aus dem Ektoderm,, wie bei Polycladen, sondern wirk- 
lich, wie es den Anschein hat, aus Mesoderm sich entwickeln sollte. 
Dies würde auf eine verhältnismäßig noch nicht so gewaltige Coenoge- 
nese hindeuten. 

Ein so starkes Überhandgreifen der embryonalen Anpassungs- 
erscheinungen bei den Süßwasserplanarien steht vielleicht nicht so iso- 
lirt in der Thierwelt da, als es vielleicht im ersten Augenblicke erscheint. 
Bei den Thierformen , deren Embryonen sich unter verschiedenartigen 
Bedingungen entwickeln, sehen wir überhaupt ganz auffallende Zeichen 
von coenogenetischen Erscheinungen. In dieser Beziehung ist die Klasse 
der Tunicaten besonders merkwürdig. Obwohl die Entwicklung der Or- 
gane bei vielen Repräsentanten derselben noch nicht genügend erforscht 
ist, so sind doch bereits einige wichtige Thatsachen konstatirt. So ist 
z. B. bekannt, dass ein und dasselbe Organ, wie die Atriumhöhle der 
Ascidien, sich auf ganz verschiedene Weise entwickeln kann. Bei den 
aus Eiern entstandenen Embryonen stellt dieselbe eine reine Ektoderm- 
bildung dar, während sie bei Knospenembryonen sich ganz aus dem 
Entodermsacke bildet. Es ist kaum zu bezweifeln, dass der erstere Ent- 
wicklungsmodus der primäre ist, zumal die Atriumhöhle sich dabei ganz 
allmählich und langsam von zwei kleinen Ektodermeinstülpungen her- 
ausbildet; die Entstehung desselben Organes aus Entoderm muss da- 
gegen als eine Anpassungserscheinung, bei welcher die Keimblätter ihre 
Rolle abgeändert haben , betrachtet werden. So ähnlich auf den ersten 
Blick der in drei Abschnitte (Darm und Atriumhöhle) zerfallende 
Entodermsack der Ascidienknospen dem dreitheiligen Ento-Mesoderm 
der Echinodermen-, CGhaetognathen- und Brachiopoden-Embryonen er- 
scheint, so würde man sich sehr irren, wollte man darin ein Zeugnis 
morphologischer Verwandtschaft erblicken. — Es ist ferner für Ascidien, 


352 Elias Metschnikoft, 


obwohl nicht mit der erwünschten Sicherheit, angegeben worden, dass 
sich das Nervensystem aus verschiedenen Keimblättern beim Eiembryo 
und beim Knospenembryo differenzirt, eine Angabe, welche mir nach 
Untersuchungen der Pyrosoma-Entwicklung sehr wahrscheinlich gewor- 
den ist. Das Verlegen der Gehirnanlage aus dem Ektoderm in das Meso- 
derm, als Folge einer verkürzten Entwicklung, wird ferner auch für 
Mollusken behauptet. Wir bekommen somit eine ganze Reihe embryo- 
naler Anpassungserscheinungen, welche in die tiefsten Processe der 
Keimblätterdifferenzirung hineingreifen. 

In derselben Klasse der Tunicaten werden freilich noch merkwür- 
digere Entwicklungsvorgänge beschrieben, welche ebenfalls auf keine 
andere Weise als durch Annahme einer äußerst starken Coenogenese er- 
klärt werden können. Ich meine die von SıLEnskv gemachte Angabe, 
nach welcher die Blastomeren der Salpenembryonen zu Grunde gehen, 
um durch Follikelzellen gänzlich ersetzt zu werden. In diesem Falle, 
wenn es sich durch spätere Untersuchungen bestätigen sollte (bei sol- 
chen schwierigen und wichtigen Dingen ist ja eine ganz außerordent- 
liche Skepsis rathsam), würden wir eine viel tiefer greifende Umänderung 
der wichtigsten embryonalen Vorgänge vor uns haben, als bei Planaria 
polychroa. Unter Insekten finden wir eine analoge Erscheinung bei 
Psylla crataegi, wo aus der Eierstocksmembran in das Ei und in den 
Embryo ein eigenthümlicher braun gefärbter Körper übergeht. 


Messina, im November 1882. 


Erklärung der Abbildungen. 


Tafel XV—XVI. 


Sämmtliche Abbildungen sind mit dem Prisma konturirt worden; mit Ausnahme 
der Fig. 46 beziehen sie sich alle auf Planaria polychroa. 


Fig. 1. Eine Eizelle (0) und zwei Dottierzellen (v) aus einer eben abgelegten 
Kapsel. Essigsäurepräparat. Vergrößerung Ocular 3 + System 7 von HARTNAcK. 

Fig. 2. Eine Eizelle aus einer Kapsel 41/, Stunden nach dem Ablegen. Essig- 
säurepräparat. 3 + 7. 

Fig. 3. Eine Eizelle 401/; Stunden nach dem Ablegen. Essigsäurepräparat. 
Bl 

Fig. 4. Eine im Anfange der Theilung begriffene Eizelle. Essigsäurepräparat. 
arg 

Fig. 5. Eine sich weiter theilende Eizelle. Essigsäurepräparat. 3 +7. 

Fig. 6. Ein zweizelliges Furchungsstadium. Acht Stunden nach dem Ablegen. 


sis; 


Die Embryologie von Planaria polychroa. 353 


Fig. 7. Zwei erste Blastomeren von drei Dotterzellen umgeben. 40 Stunden 
nach dem Ablegen der Kapsel. Die letztere ist mit kochendem Wasser, dann mit 
Essigsäure und Glycerin bearbeitet worden. 3 + 7. 

Fig. 8. Ein viertheiliges Furchungsstadium. 14 Stunden nach dem Ablegen. 
Essigsäurepräparat. 3 + 7. 

Fig. 9. Ein Stück aus einem sechs Blastomeren enthaltenden Durchschniitte, 
47 Stunden nach dem Ablegen. 3 +7. 

Fig. 10. Ein Stück aus dem Durchschnitt durch ein etwas älteres Stadium. 24 
Stunden nach dem Ablegen. 3 +7. 

Fig. 41. Eine Embryonaianlage aus einer 24stündigen Kapsel. Durchschnitt. 
372.7. 

Fig. 12. Eine etwas ältere Embryonalanlage aus einer 28stündigen Kapsel. 
en. 

Fig. 13. Der Durchschnitt durch einen 32stündigen Embryo aus der Gegend 
der Schlundkopfanlage. 2 +7. 

Fig. 44. Ein Durchschnitt durch einen 35stündigen Embryo. ec, Epidermiszelle. 
3 E17. 

Fig. 45. Ein anderer 35stündiger Embryo im Durchschnitt. 3 +5. 

Fig. 16. Ein 40stündiger Embryo von Dendrocoelum spec. im Längsschnitt. 
4-4. 

Fig. 17. Die Schlundkopfanlage eines Polychroa-Embryo von oben betrachtet. 
er, 

Fig. 48. Ein Durchschnitt des gesammten Kapselinhaltes. 45 Stunden nach dem 
Ablegen. 3 + 2. 

Fig. 49. Längsschnitt durch einen 48stündigen Embryo. d, innere Zellen des 
Schlundkopfes. 3 + 4. 

Fig. 20. Längsschnitt eines etwas weiter ausgebildeten Embryo, welcher in- 
dessen nur 45 Stunden altist. (Es kommt überhaupt nicht auf eine Differenz von 
einigen wenigen Stunden an, da die Entwicklung der Planaria polychroa in dieser 
Beziehung vielen individuellen Schwankungen unterworfen ist.) d, wie in Fig, 19. 
Sr, 

Fig. 24. Die untere Hälfte einer Planarienlarve aus dem zweiten Tage der Ent- 
wicklung nach dem Leben gezeichnet. 3 + 5. 

Fig. 22. Ein Längsschnitt durch eine 52stündige Larve. d, wie in Fig. 19 u. 20. 
273 

Fig. 23 und 24. Zwei pyramidenförmige Larven. 2 —+ 2. 

Fig. 25. Das Stück eines Durchschnittes durch eine dreitägige Pyramidenlarve. 
n, Kerne der verschmolzenen Dotterzellen; v, verschluckte Dotterzellen. 2 + 9 
(trocken). 

Fig. 26. Das Stück eines Durchschnittes durch eine viertägige Larve. c, eine 
losgelöste Rindenzelle. 3 + 7. 

Fig. 27. Ein Längsschnitt durch eine fünftägige Pyramidenlarve. 2 —+ 4. 

Fig. 28. Stück eines Durchschnittes durch ein solches fünftägiges Stadium. n, 
Kerne der verschmolzenen Dotterzellen. 

Fig. 29. Querschnitt durch einen 427stündigen Embryo. p, Larvenschlundkopf, 
vg, Rüsselscheide. 2 + 4. 

Fig. 30. Querschnitt durch einen sechstägigen Embryo. 3 + 4. 

Fig. 34. Frontaler Längsschnitt durch einen siebentägigen Embryo. 2 + 4 


354 Elias Metschnikoff, Die Embryologie von Planaria polychroa. 


Fig. 32. Ein Stück eines solchen Längsschnittes. c, Fettmasse im Inneren der 
Dotterzellen; m, Muskelfasern ; s, stäbchenförmiger Körper. 2 + 7. 

Fig. 33. Querschnitt durch einen achttägigen Embryo in der Rüsselgegend. n, |, 
lateraler Nervenstamm; s, stäbchenförmiger Körper. 4 + 4. 

Fig. 34. Stück eines solchen Querschnittes. m, Muskelfasern; n’, veränderter 
Kern einer Parenchymzelle;; s, stäbchenförmiger Körper. 4 + 7. 

Fig. 35. Querschnitt durch die Augengegend eines achttägigen Embryo. e, Ge- 
hirnanlage. 3 + 4. 

Fig. 36. Ein neuntägiger, bereits ausgebildeter Embryo nach dem Leben ge- 
zeichnet. 3 +1. 

Fig. 37. Die Hälfte eines Querschnittes desselben Embryo. 3 4 5. 

Fig. 38. Vier Darmzellen eines fertigen Embryo, nach dem Leben gezeichnet. 
a8 

Fig. 39. Darmzellen einer neugeborenen Planaria polychroa mit Kochsalz be- 
arbeitet. n, e derselben. 3 —+ 8. 

Fig. 40. Eine Darmzelle mit Kern, n, aus einer zweitägigen jungen Pan ale, 
nach dem are gezeichnet. 3 + 8. 

Fig. 44. Der untere Theil eines Darmastes einer mit Blut und Karmin gefütter- 
ten drei Tage alten Planarie, nach dem Leben gezeichnet. 3 + 4. 

Fig. 42. Darmzelle aus einem oberen Darmabschniitte derselben Planarie in situ. 
Bet 

Fig. 43. Zwei Darmzellenbruchstücke mit eingeschlossener Nahrung. 3 + 8. 

Fig. 44. Ein solches Bruchstück in drei verschiedenen Bewegungszuständen. 


see 8: 


Über Goelenteraten der Südsee. 
Von 


Dr. R. v. Lendenfeld in Melbourne. 


II. Mittheilung. 
Über Wehrpolypen und Nesselzellen. 


Mit Tafel XVII. 


I. Die Wehrthiere der Plumularidae. 


Vor allen anderen Hydroiden zeichnen sich die Plumulariden da- 
durch aus, dass ein großer Theil, bis zu fünf Sechstel, aller Thiere einer 
‚Kolonie in Wehrpolypen ohne Magen umgewandelt sind. Busk 1 war der 
Erste, der die Chitinkelche, in welchen die Wehrthiere sitzen, genauer 
beschrieb, und die Aufmerksamkeit auf diese von ihm Nematophores ge- 
nannte Bildungen lenkte. Später veröffentlichte ALıman? einige Beob- 
 achtungen über den Inhalt dieser Nematophoren, in welchen er zuweilen 
Nesselkapseln fand, zuweilen nicht. Er giebt an, dass abgesehen von 
den Nesselkapseln , der ganze Inhalt aus strukturlosem Protoplasma be- 
stehe, welches lange Pseudopodien aussendet und wieder einzieht. 
Hıncks 3 bestätigt die Angaben von Arıman und führt die Analogie des 
Inhaltes der Nematophoren mit Rhizopoden noch weiter aus, indem er 
für das ganze Ektoderm der Hydroiden, wie ReicHert,, eine Bathybius- 
artigeGrundmasse annimmt, in welcher Nesselkapseln liegen. Während 
F, E. Scnurze * schon 14872 die zellige Struktur des Ektoderms der Hy- 
droiden nachgewiesen hat, erlangten wir erst in neuester Zeit durch die 


ı Busk, » Hunterian lectures«. 1857. 

2 ALLMAn, On the Occurence of Amoebiform Protoplasma etc. Annals and 
Magazine of Natural History. Bd. XIII. p. 203. 1864. 

3 Hıncks, British Hydroid Zoophytes. Bd. I. p. XVII. Anmerkung. 

4 F. E. Scauze, Cordylophora. p. 15. 


356 R. v. Lendenfeld, 


Untersuchungen von Hamann ! einen genaueren Einblick in die feineren 
Bauverhältnisse der Wehrthiere. Hamann erklärt den Inhalt des Nema- 
tophor für einen modificirten Polypen, für welchen er die Bezeichnung 
Machopolyp aufstellt. Ich schließe mich dieser Anschauung an und 
glaube, dass der Ausdruck Nematophor für die Chitinhülle des Wehr- 
polypen reservirt werden soll. Hamann hat in den weit vorstülpbaren 
Wehrpolypen Muskelzellen nachgewiesen und es unterliegt keinem Zwei- 
fel, dass die Bewegungen des Wehrpolypen zum Theil durch diese Mus- 
keln bewirkt werden. Ich sage zum Theil, weil die parallelen Fasern, 
die in einem Bündel liegen, nur das Zurückziehen des Wehrpolypen be- 
wirken können, während das Hervorstülpen durch andere Gebilde ver- 
ursacht wird. 

Der Reichthum der südaustralischen Küstenfauna an Plumulariden 
ist ein außerordentlicher. Ich habe gegen vierzig verschiedene Formen 
gesehen, deren Skelette zum Theil schon beschrieben sind. Ich habe die 
meisten derselben lebend untersucht und möchte hier einige Beobach- 
tungen mittheilen, welche ich an ihren Wehrpolypen gemacht habe. 

Trotz der außerordentlichen Verschiedenheit, welche uns in der 
Zahl und Anordnung, in der Gestalt und Größe derselben entgegentritt, 
lassen sich doch alle auf drei Grundformen zurückführen, die oft zugleich 
an demselben Stocke vorkommen: 

4) Wehrthiere mit Nesselkapseln, 

2) Wehrthiere mit Klebzellen, 

3) Wehrthiere mit Nesselkapseln und Klebzellen. 


1) Wehrthiere mit Nesselkapseln. 


Die Wehrthiere mit Nesselkapseln finden sich hauptsächlich an den 
Plumularia-ähnlichen Hydroiden. Sie entsprechen der von Hamann ? ge- 
gebenen Abbildung. 

Die solide Entodermachse (Fig. 1 Ent) besteht aus ähnlichen Ele- 
menten wie die Tentakelachse und reicht bis zur Mitte des Wehrthieres. 
Das Entoderm des Zweiges, dem der Wehrpolyp aufsitzt, geht direkt in 
das Entoderm des letzteren über. Die Zellen, welche die innere Aus- 
kleidung des CGoenosarkrohres des Zweiges bilden, sind trüb und mit 
Körnchen ganz angefüllt. Die nächsten Entodermzellen der Wehrthier- 
achse sind ebenfalls trübe und ganz von Plasma erfüllt. Erst in einiger 
Entfernung vom Zweige beginnen die Achsenzellen mebr die Gestalt von 
Chordazellen anzunehmen, wie sie die Zellen der Tentakelachse aus- 


1 0. Hamann, Der Organismus der Hydroidpolypen. Jenaische Zeitschrift für 
Naturwissenschaft. Bd. XV. p. 17. 
2 0. Hamann, Der Organismus der Eiydroitipobypen! Taf. XXV. 


Über Coelenteraten der Südsee. III. 357 


zeichnet; jedoch sind die Entodermzellen der Machopolypen auch im 
distalen Theile der Achse viel trüber und plasmareicher als die entspre- 
chenden Gebilde in den Tentakeln. Im kontrahirten Zustande sind sie 
völlig undurchsichtig. 

Das Ektoderm ist hoch entwickelt und besteht aus zwei Schichten, 
einer epithelialen und einer subepithelialen. Die Deckzellen erscheinen 
eylindrisch, wenn der Machopolyp zusammengezogen ist, hingegen niedrig 
und flach, wenn das Wehrthier sich streckt. Diese Deckzellen sind zu- 
meist ganz von Plasma erfüllt, sie finden sich auf dem ganzen basalen 
Theile des Wehrthieres. Zwischen denselben und der dünnen Stütz- 
lamelle, welche den Entodermzellen dicht anliegt, findet sich eine Schicht 
von glatten Muskelfasern , die nicht den Deckzellen angehören , sondern 
entschieden subepithelial sind. An Isolationspräparaten gelingt es leicht, 
an den isolirten Fibrillen die Muskelkörperchen nachzuweisen (Fig. 2,3), 
welche zwischen die centripetalen Enden der Deckzellen zu liegen kom- 
men und somit interstitielle Zellen genannt werden können. 

Die Muskelfasern bilden ein cylindrisches Rohr, indem sie in paral- 
leler Lage der Stützlamelle aufliegen. Sie laufen, wenn der Wehrpolyp 
zusammengezogen ist, geradlinig und longitudinal. An dem Ende der 
Entodermachse endet auch der Muskelcylinder und es finden sich hier 
in der subepithelialen Schicht zwei bis vier schöne große multipolare 
Ganglienzellen (Fig. A, 3 G). In der oberflächlichen Schicht des ganzen 
Endtheiles des Machopolypen begegnen wir großen länglichen Nessel- 
kapseln (Fig. 1, 3 N). Jede Nesselkapsel ist von einer dünnen Plasma- 
hülle umschlossen, nur das centrifugale Ende scheint frei zu liegen. In 
dieser Plasmahülle findet sich ein platter Kern. Der Cnidocil ist kurz 
und bildet mit der Oberfläche einen Winkel von 60°. Er liegt stets dem 
Kern gegenüber. Zuweilen ist derselbe schwach gekrümmt und dann 
stets die konkave Seite der Nesselkapsel zugekehrt. 

Das centripetale Ende der Plasmahülle zieht sich in einen Fortsatz 
aus, der radial liegt und stets gerade erscheint. Alle diese Fortsätze 
vereinigen sich an dem centrifugalen Ende der Entodermachse. Also an 
demselben Orte, wo die Ganglienzellen liegen. Außerdem finden sich 
in dem Endköpfchen des Wehrthieres auch radiale Muskelfasern, die zu- 
weilen den Stielen der Cnidoblasien dicht anliegen (Fig. 3 M). Über- 
dies kommen indifferente Stützzellen mit breiter centrifugaler Endplatte 
(Fig. 3 St) vor. Einige der oberflächlichen Zellen zeichnen sich durch 
ihre Schmächtigkeit aus und dürften als Sinneszellen zu deuten sein 
(Fig. 3 Si). Es ist mir jedoch nicht gelungen, einen Zusammenhang 
dieser Zellen mit den subepithelialen Ganglienzellen nachzuweisen , so 


358 R. v. Lendenfeld, 


dass ich nicht sicher bin, ob diese Elemente einer Tastfunktion vor- 
stehen oder nicht. | 

Die Wehrpolypen sind einer außerordentlichen Ausdehnung in die 
Länge fähig, welche aber langsam, so wie die Ausbreitung der Tentakeln 
von Hydra, erfolgt, und niemals jene Präcision und Raschheit der Be- 
wegung erkennen lässt, welche die soliden Tentakeln auszeichnen. Viel 
strammer erfolgt das Einziehen des Wehrthieres, welches in einer hal- 
ben Sekunde bewerkstelligt werden kann. Die Bewegungen des ausge- 
streckten Wehrthieres sind unbedeutend und in der That amöboid. 

Sowohl die Ausdehnung und Zusammenziehung, als auch die Be- 
wegungen, welche im ausgestreckten Zustande ausgeführt werden, lassen 
sich leicht als Wirkungen zweier Antagonisten erkennen. Ganz so wie 
bei den Tentakeln haben wir es auch hier mit einem elastischen Stabe 
zu thun, an dem allseitig longitudinale Muskeln anliegen. Dass die Aus- 
dehnung nicht so rasch wie am Tentakel erfolgt, wird leicht dadurch 
erklärt, dass die Achsenzellen des Wehrpolypen noch nicht jenen Grad 
der Differenzirung erreicht haben, wie die Chordazellen der Tentakel- 
achse. Dies ist jedenfalls darauf zurückzuführen, dass die Tentakeln 
phylogenetisch weit ältere Bildungen sind als die Machopolypen, und 
demnach ihre Achsenzellen viel länger Zeit hatten sich ihrer neuen Be- 
stimmung anzupassen, als die Entodermzellen jener Polypen, welche 
sich in Wehrthiere umbildeten. 

Wenn wir von einer Protohydra mit hohlen Tentakeln ausgehen, 
und ihre Umwandlung in einen Wehrpolypen einer Plumularide be- 
trachten, so tritt uns ein allmähliches Zurückdrängen des Gastralraumes 
entgegen. Zuerst werden die Tentakeln solid, hierauf verwachsen die 
Magenwände. Zuerst Centralisation des Gastralraumes in der Person, 
hierauf Gentralisation im Stock. 

Jedenfalls werden die Machopolypen als Defensivwaffen benutzt, 
da sie sich nicht zurückziehen, wenn man den Polypenstock berührt; 
im Gegentheil aus ihren Chitinbechern hervortreten, wenn man den 
Zweig, auf welchem sie sitzen, vom Stocke trennt. 

In wie weit die Wehrthiere mit Nesselkaspeln in den Nemato- 
phoren vieler Plumularia-Arten auch offensiv thätig sind, konnte ich nicht 
feststellen, es dürften jedoch diese eben so wie die unten zu bespre- 
chenden Machopolypen mit Klebzellen zum Fangen der Beute verwendet 
werden. Bei allen Plumularia-Arten, welche ich untersucht habe, blieben 
die Nesselkapseln am centrifugalen Ende des Wehrpolypen stets an der 
Spitze des Wehrthieres und machten somit alle Bewegungen desselben 
mit, Ich muss dies der Arıman’schen! Angabe gegenüber besonders 

! Artman, A Monograph of the Gymnoblastice Hydroids. Bd. I. p. 146. 


Über Goelenteraten der Südsee, II. 359 


hervorheben. Arzman schließt nämlich aus seinen Beobachtungen an 
einzelnen Plumulariden , dass »the clusters of thread-cells, when they 
exist, remain quite stationary, being never carried out with the sarcode 
in its pseudopodial processes«. Ich glaube nachweisen zu können, dass 
diese Beobachtung auf eine andere Thatsache zu beziehen ist, wie ALL- 
man glaubt und bin sicher, dass in allen Fällen, die ich beobachtet 
habe, wenn Nesselkapseln und keine Klebzellen an dem Machopolypen 
vorkamen, die Nesselkapseln bei der Bewegung des Wehrthieres nie 
zurückgelassen wurden. 


2) Wehrthiere mit Klebzellen. 


Die Wehrthiere (Fig. 6), welche in diese Kategorie gehören, finden 
sich vornehmlich in jenen Nematophoren von Aglaophenia-Arten, welche 
vor den Nährthieren liegen. Außerdem dürften sie der Gattung Anten- 
nularia zum Theil zukommen. An anderen Plumulariden, die wegen 
ihrer eigenthümlichen Gonophoren die Aufstellung einer neuen Gattung 
erfordern werden, habe ich solche Machopolypen zusammen mit Nessel- 
kapseln tragenden Wehrtbieren beobachtet. Sie sind in ihrem Baue 
nicht wesentlich von den oben besprochenen verschieden. Der größte 
Unterschied besteht darin, dass sie statt der Nesselkapseln 
Klebekörnchen besitzen, welche den entsprechenden 
Elementen der Fangfäden der Gtenophoren vollkommen 
gleich gestaltet sind. 

Die Klebethiere, wie ich diese Machopolypen kurzweg nennen 
werde, zeichnen sich durch ihre außerordentliche Beweglichkeit aus. 
Wenn schon den Nesselkapsel-haltigen Wehrthieren eine seltene Ge- 
staltveränderung möglich ist, so können die Klebethiere sich vollends 
zu langen feinen Fäden ausziehen, an deren Ende dann eine bulböse 
Anschwellung liegt, welche selbst wieder bedeutender Formveränderung 
fähig ist. 

In diesen Wehrthieren lassen sich Deckzellen, subepitheliale Muskeln 
und Ganglien, die Stützlamelle und die Entodermachse nachweisen. Der 
verdickte Endtheil besteht aus pyramidalen Zellen in radialer Anord- 
nung, die alle, oder doch zum größten Theil Klebekörnchen erzeugen. 
Man findet nämlich in ihnen je einen rundlichen Tropfen einer stark 
lichtbrechenden Substanz (Fig. 5 X). Hierdurch gewinnen diese Zellen 
ganz das Aussehen von Drüsenzellen. Der Tropfen entsteht am ver- 
jüngten centripetalen Ende als kleine Vacuole und wandert während 
seines Wachsthums gegen das verbreiterte centrifugale Ende der Zelle 
bin. Das fertige Klebekorn erreicht nahezu den Durchmesser der freien 
Oberfläche seiner Bildungszelle und ist kugelförmig. Es ragt über die 


360 R. v. Lendenfeld, 


Oberfläche der terminalen Verdickung des Wehrthieres ziemlich weit 
vor (Fig. 5 K und 6). Solche fertige Klebekörner finden sich zwar meist 
in beträchtlicher Anzahl, sie stehen jedoch nicht so dicht gedrängt, wie 
auf der Oberfläche der Greifapparate der Gtenophoren und zeigen auch 
niemals jene regelmäßige Anordnung, die Caun ! von Euplokamis Statio- 
nis abbildet. Die große Ähnlichkeit unserer Wehrpolypen mit den 
Greiffäden der Rippenquallen fällt sofort in die Augen. Der Unterschied 
liegt eigentlich nur darin, dass der Faden selbst bei den Plumulariden 
nicht spiralig aufgerollt wird. Wir kommen auf die Analogie dieser 
Waffen unten zurück. Arrman? bildet eine Antennularia ab, deren 
Wehrthiere verzweigt sind. Ich habe an den australischen Arten dieser 
Gattung, welche bloß Machopolypen mit Klebzellen enthalten, Verzwei- 
gungen nur dann gesehen, wenn einzelne Klebekörnchen an irgend 
einem Gegenstande, der nicht herangezogen werden konnte, haften 
blieben und sich dann bei der Zusammenziehung des Wehrthieres der 
verdickte Endtheil lang auszog. Klebte nun eine andere Partie des- 
selben an irgend einem Gegenstand an, und kontrahirte sich der Macho- 
polyp noch weiter, so erlangte er zuweilen eine in gewissem Sinne 
ramificirte Gestalt. 

Diesen Wehrpolypen kommt eine ausschließlich offensive Thätigkeit 
zu. Wird der Polypenstock beunruhigt, so ziehen sich dieselben in ihre 
Chitinbecher zurück. Ich kann die Angaben von Arıman?®, dass die 
» Pseudopodien-artigen Fortsätze« nur an ganz frischen Stöcken sichtbar 
sind, für die Klebepolypen vollkommen bestätigen, und glaube, dass 
die Angaben von Arıman und Hıncexs sich auch in erster Linie auf diese 
Klebepolypen beziehen. Auf die Funktion derselben kommen wir unten 
nochmals zurück. 


3) Wehrthiere mit Nesselkapseln und Klebzellen. 


Diese Machopolypen (Fig. 4 B) finden sich ausschließlich bei der 
Gattung Aglaophenia und zwar kommen sie hier in jenen Nematophoren 
vor, welche hinter den Nährthieren liegen und über diese vorragen. 
Ich nenne sie die paarigen oberständigen Wehrthiere. 

Für unsere Untersuchung eignen sich einige hier sehr häufige Aglao- 
phenia-Arten mit mächtigen oberständigen Wehrthieren vortrefllich. 
Die Nematophoren, welche diese Machopolypen enthalten, haben außer 
der kreisförmigen Öffnung am Ende auch noch ein ovales Loch an der 
Seite; dieses liegt dem Nährthiere zunächst, an jener Stelle, wo der 


1 C. Caun, Die Ctenophoren des Golfes von Neapel. Taf. XVII, Fig. 41. 
?2 ArLıman, A Monograph of the Gymnoblastic Hydroids. Bd. I. p. 146. 
3 ALLMAn, A monograph of the Gymnoblastic Hydroids. Bd. 1. p. 445. 


Über Goelenteraten der Südsee. II. 361 


Chitinbecher des Nährthieres endet, an der konkaven vorderen Seite 
des Nematophors, welche dem Nährpolypen zugekehri ist. In diesen 
Nematophoren nun sitzen Wehrpolypen, die aus zwei Theilen zusammen- 
gesetzt sind. Im distalen Ende liegen Nesselkapseln (Fig. 4) dicht unter 
der terminalen Öffnung, während aus der proximalen Öffnung ein Faden 
ausgesioßen werden kann, an dessen Ende ein Klebeköpfchen sitzt. 
Der distale Theil gleicht einem Wehrthiere mit Nesselkapseln, während 
der proximale Theil einem Klebethiere zu vergleichen ist. 

Von dem ersteren ist jedoch nur jener Tbeil entwickelt, welcher 
dem distalen Theile eines Wehrthieres mit Nesselkapseln, wie ich es 
oben beschrieben habe, entspricht. Es findet sich keine Entodermzellen- 
achse und daher auch keine Stützlamelle.. Wohl aber kommen Gan- 
glienzellen in der subepithelialen Schicht vor und es finden sich zwi- 
schen den CGnidoblasten radiale Muskeln und Stützzellen, vielleicht auch 
Sinneszellen vor. Dieser Theil des Wehrthieres ist, da ihm der musku- 
löse Stiel fehlt, nur wenig beweglich und wird nur eine kurze Strecke 
weit aus der terminalen Öffnung des Nematophors hervorgestülpt. In 
dem basalen Theile des Nematophors findet sich nun ein zweites Köpf- 
chen, welches durchaus einem Klebepolypkopf gleicht. Sein verdicktes 
Ende kann aus der unteren Öffnung des Nematophors weit vorgestülpt 
werden und besitzt eine Entodermachse. 

Obgleich nun das Ganze beim ersten Anblick eher den Eindruck 
macht, als ob wir es hier mit zwei modificirten Polypen zu thun hätten, 
so weist doch die einfache, ungetbeilte Entodermachse darauf hin, dass 
das Ganze einem Polypen homolog ist. Wenn wir die Entwicklung 
dieser Wehrthiere verfolgen, so sehen wir deutlich, dass beide Stücke 
Theile eines Anfangs einfachen Wehrpolypen sind. 

Das Ende der Zweige bildet nämlich stets ein Paar von Wehrpoly- 
pen, indem, lange bevor die Nährthiere vor denselben sich entwickelt 
haben, das nächste Paar von Machopolypen sprosst. An den Zweig- 
enden junger Stöcke kann man alle Stadien finden und so ist es leicht 
die Entwicklung zu verfolgen. 

Junge Wehrpolypen dieser Art stecken in einem Chitinbecher, 
dessen Hinterrand etwas höher ist als der Vorderrand. Sie sind ganz 
von Nesselkapseln erfüllt und ziemlich beweglich, so dass sie ihre 
Mitrailleusen-ähnlichen Köpfchen beträchtlich weit hervorstrecken kön- 
nen. Während nun an der Vorderseite kein Chitin abgeschieden wird, 
wächst der Hinterrand sehr rasch. Auf diese Art gewinnt der Nemato- 
phor die Gestalt eines sehr schief abgestutzten, geraden Kreiscylinders. 
Nun hört die Chitinabscheidung an dem tieferen Theile des elliptischen 
Randes auf, während der höchste Theil rasch nach allen Seiten wächst 


362 R. v. Lendenfeld, 


und seine Ränder sich schließlich wieder zu einer Röhre schließen. 
Diese Röhre verlängert sich nun und biegt sich bei einigen Aglaophenien 
hakenförmig nach außen. 

In einigen Fällen wird die Bildung von zwei Öffnungen nicht er- 
reicht und es besitzen dann die Nematophoren eine mehr oder min- 
der breite Spalte, welche die beiden Öffnungen verbindet. Dieser 
Fall gilt ausnahmslos (?) für jene Nematophoren, welche dem Nährthiere 
auf seiner Oberseite in der Symmetralebene des Zweiges dicht anliegen, 
den unpaaren, oberständigen Machopolypen. 

Selbst dann, wenn bereits die beiden Öffnungen getrennt sind, 
wenn sich vor dem Nematophor ein Nährpolyp anlegt und schon die 
Knospen des nächsten Paares von Wehrthieren angedeutet sind, finden 
sich noch immer keine Klebzellen. Es steckt vielmehr hinter jeder Öff- 
nung eine Nesselbatterie. Erst später beginnen in den Stützzellen zwi- 
schen den Cnidoblasten der unteren Batterie kleine Tropfen aufzutreten, 
welche in älteren Wehrthieren bereits die Form und Größe von Klebe- 
körnern erreichen. Inzwischen vermindert sich die Zabl der Cnido- 
blasten, indem die Nesselkapseln ausfallen und die Plasmahüllen rück- 
gebildet werden. Oft finden sich jedoch auch noch später einzelne 
Nesselkapseln auf dem Kopfe des Greiffadens, welche erst spät aus- 
gestoßen werden. An älteren Theilen der Stöcke kommen sie nie vor. 

Armani! giebt an, dass bei einigen Plumulariden und besonders bei 
Antennularia der Nematophor durch ein Diaphragma in zwei Stockwerke 
getrennt wird. Ich kann diese Angabe auch für die australischen 
Antennularien bestätigen und hinzufügen, dass auch bei vielen (viel- 
leicht allen?) Aglaophenia-Arten ein solches Diaphfagma in den paarigen 
oberständigen Nematophoren mehr oder weniger entwickelt ist. 

Die Theilung des Leibes der Nährthiere der Plumulariden in eine 
orale und eine aborale Hälfte, welche durch eine beträchtliche cirkuläre 
Einschnürung in der Längsmitte verursacht wird, ist bereits von 
Hamann ? beschrieben worden. Seine Angaben sind auch für die austra- 
lischen Arten zutreffend. Die Theilung der großen Wehrpolypen in eine 
distale defensive und eine proximale offensive Hälfte scheint mir darauf 
hinzudeuten, dass in diesem Falle der centripetale Theil dem aboralen, 
der centrifugale aber dem oralen Theile des Nährthieres homolog sein 
dürfte. 

Ich habe die Wirkungsweise der Wehrthiere am lebenden Thiere 
zu verfolgen öfters Gelegenheit gehabt und will hier das Wichtigste 


1 ALıman, A Monograph of the Gymnoblastic Hydroids. Bd. I. p. 28. 
2 O0. Hamann, Der Organismus der Hydroidpolypen. Jenaische Zeitschrift für 
Naturwissenschaft. Bd. XV. p. 57. 


Über Coelenteraten der Südsee. II. 363 


darüber mittheilen. Die Aglaophenien leben zumeist von Zo&en und 
anderen Larven. Kommt eine Zo&a mit einem Tentakel in Berührung, 
so wird sie von einigen Nesselfäden getroffen und macht vehemente Be- 
wegungen um zu entkommen. Diese Bewegungen fallen aber erfolg- 
los aus, was ich einer betäubenden Wirkung der Nesselfäden zu- 
schreiben möchte. So wie die Zoöa den Tentakel berührt hat, neigen 
und strecken sich alle Greiffäden, die zu dem betreffenden Polypen ge- 
hören, es sind deren fünf, nach der Stelle hin. Gewöhnlich berührt die 
Zo&a sogleich das klebrige Köpfchen des einen oder des anderen Greif- 
fadens (Fig. 4) und klebt daran fest. Während nun der Beute-beladene 
Faden sich rasch verkürzt, verklebt sich die Zo&a, welche sehr kräftige 
Bewegungen ausführt, bald mit mehreren Greiffäden, die sich verkür- 
zen, sobald sie berührt werden. Die Zo&a ist bald so umringt, dass sie 
keine Bewegungen mehr machen kann. In diesem Zustande gelangt sie 
abermals in den Bereich der Tentakeln. Die Ablösung von dem Köpf- 
chen des Greiffadens erfolgt auf die Weise, dass die Klebekörnchen aus- 
gestoßen werden. Ob den Klebekörnchen auch eine giftige Wirkung 
zuzuschreiben ist, lässt sich nicht bestimmen. Ich habe den Fall nie 
beobachtet, dass eine Zo&a, die einmal auf den Leim gegangen war, sich 
wieder befreit hätte. 

Ganz ein anderes Bild bietet es, wenn ein größeres Thier, etwa 
ein Annelid, zufällig einen Tentakel berührt. Sofori werden alle Greif- 
fäden eingezogen, es treten hingegen die Nesselbatterien an den termi- 
nalen Enden der großen Nematophoren weit vor. Auch die Tentakeln 
werden geborgen, so dass der Vergleich mit einer Karrebildung bei einer 
Kavallerieattacke, gewiss am Platze ist. 

Ich habe oben hervorgehoben, dass Arıman’s Angabe, es würden 
die Nesselkapseln nicht mit dem übrigen Theile des Wehrthieres her- 
vorgestoßen, auf ein besonderes Verhältnis zu beziehen ist. Ich glaube 
nämlich, dass er solche zusammengesetzte Wehrthiere beobachtet haben 
dürfte, bei welchen die Nesselkapseln freilich nicht mit dem Greiffaden, 
wohl aber für sich vorgestülpt werden können. 

Ich bin selbstverständlich weit entfernt davon, einen genetischen 
Zusammenhang zwischen jenen Ctenophoren, welche Greiffäden be- 
sitzen, und den Plumulariden anzunehmen ; dennoch aber glaube ich, 
dass durch die Entdeckung von Klebekörnchen an Hydroiden einiges 
Licht auf die entsprechenden, bisher vereinzelt dastehenden Gebilde 
bei den CGtenophoren geworfen wird. Da wir an den Plumulariden 
sehen, dass bei der Entwicklung der zusammengesetzten Wehrpolypen 
zuerst Nesselkapseln auftreten und diese dann successive durch 
Klebekörnchen ersetzt werden, so können wir wohl annehmen, dass die 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVII. Bd. 95 


364 R. v. Lendenfeld, 


Klebekörnchen die phylogenetisch jüngere Bildung repräsentiren. Die- 
. selben Ursachen müssen dieselben Wirkungen hervorbringen, und so 
kann gar wohl die Zuchtwahl bei den Plumulariden wie bei den Cteno- 
phoren die Nesselkapseln in Klebekörnchen zum Theil umgewandelt 
haben — wir haben eben analoge Bildungen vor uns. 

Caun! und später Oraus? haben die Homologie von Klebekörnchen 
und Nesselkapseln ausgesprochen, und ich glaube, dass durch die oben 
geschilderten Beobachtungen diese Deutung völlig als richtig festge- 
stellt wird. 

Wenn wir weiter fragen, welchem Gewebe die Zellen, in welchen 
die Klebekörnchen entstehen, zuzuzählen sind, so muss sofort die große 
Ähnlichkeit mit Hautdrüsen, wie wir sie von verschiedenen Coelenteraten 
kennen, auffallen. Ich stehe auch nicht an, sie den einzelligen Haut- 
drüsen zuzurechnen, und betrachte das Klebekörnchen, welches 
eben so wie die Nesselkapsel nur einmal wirkt und dann 
verloren geht, als Sekret derselben. 


II. Über Nesselzellen in der Schirmgallerte von Crambessa mosaika 
ige); | 

Bei der histologischen Untersuchung dieser prächtigen, zuweilen in 
ungeheueren Schwärmen auftretenden rhizostomen Meduse bin ich auf 
eigenthümliche Gebilde (Fig. 7) gestoßen, welche sich in der Schirm- 
gallerte finden. 

Die Schirmgallerte ist ziemlich derb und gleicht im feineren Baue 
der von mir ausführlich beschriebenen Gallerte von Gyanea Annaskala 3. 
Nur liegen hier, der derberen Konsistenz gemäß, die Fibrillen viel dich- 
ter als bei Cyanea. Die Vermehrung an Zahl betrifft hauptsächlich die 
glatten Fibrillen. Körnige Fasern finden sich in besonders guter Aus- 
bildung unter der Riechgrube. Sie laufen hier hauptsächlich vertikal 
und durchsetzen somit die Schirmgallerte quer. Trotz der, durch ihre 
Lage bedingten Wahrscheinlichkeit, dass wir es hier mit Nervenfasern 
zu thun haben, welche die Sinnesepithelien der oralen und der ab- 
oralen Schirmfläche verbinden, bin ich doch nicht geneigt, sie mit 
irgend welcher Sicherheit als Nerven zu erklären, da es mir trotz aller 
Mühe nicht gelungen ist, einen direkten Zusammenhang der Nerven- 
fasern, welche sich unter den Sinnesepithelien ausbreiten, mit densel- 
ben nachzuweisen. 

Einige der körnigen Fasern der Gallerte unter der Riechgrube ver- 


i Caun, Die Greifzellen der Rippenquallen. Zoolog. Anzeiger. Bd.I. p. 50. 
2 Craus, Grundzüge der Zoologie. p. 297 Anmerkung. 
3 R. v. LENDENFELD, Cyanea Annaskala. Diese Zeitschr. Bd. XXXVII. p. 472. 


Über Ooelenteraten der Südsee. III. 365 


dicken sich an einzelnen Stellen und enthalten große, lange und schmale, 
schwach säbelförmig gekrümmte Nesselkapseln. In der Verdickung des 
körnigen Fadens, in welcher die Nesselkapsel liegt, lässt sich stets ein 
Kern nachweisen, und es ist somit wohl das Ganze als Cnidoblast zu 
deuten. 

Ich fand einige der Kapseln entladen, und es war in diesen Fällen 
der Nesselfaden vielfach geknickt in dem körnigen Plasma eingebettet, 
welches die Kapsel umgiebt. Die Konsistenz der Gallerte gestattet es, 
dass man durch dieselbe Schnitte legt, ohne sie vorher zu härten. Ich 
war hierdurch in die Lage versetzt, diese Nesselkapseln im lebenden 
Zustande zu beobachten. Durch Zusatz von Essigsäure kann man sie 
sofort zur Entladung bringen, es bleibt jedoch der Faden stets innerhalb 
des Plasma und tritt nie in die Gallerte aus. Dies scheint darauf hinzu- 
deuten, dass zwischen der Gallerte und dem Cnidoblast eine feste 
Grenzschicht liegt, welche freilich nicht optisch wahrnehmbar ist. Ich 
habe eben so wie an den Tentakeln von Cyanea Annaskala (l. c.) auch 
hier versucht, ob sich die Nesselkapseln auch dann entladen, wenn kein 
direkter Reiz sie trifft, um zu erkennen, ob eine Nerventhätigkeit bei 
der Entladung der Kapsel mit im Spiele ist. Es gelingt dieser Nachweis 
im gegebenen Falle sehr leicht. Wenn man einen Querschnitt durch 
den Schirmrand unter der Riechgrube derart unter das Deckglas bringt, 
dass die Riechgrube frei vorschaut und hierauf das Sinnesepithel der- 
selben mit Essigsäure betupft, so gehen die Nesselkapseln nach ein- 
ander los und zwar diejenigen zuerst, welche der gereizten Stelle zu- 
nächst liegen. 

Wenn hierdurch einerseits die nervöse Natur der körnigen Fäden, 
mit denen die Cnidoblasten gewiss und das gereizte Sinnesepithel viel- 
leicht in Kontinuität stehen, wahrscheinlich gemacht wird, so fordert 
diese Art der Nesselkapselentladung zu einer Betrachtung heraus, wie 
denn die Kapsel gesprengt wird. Wir haben hier keinen mechanisch 
wirkenden Cnidocil und können auch nicht einen von den Seiten auf den 
Cnidoblasten geübten Druck als die Ursache der Sprengung ansehen. 
Es scheint mir vielmehr aus dem geschilderten Thatbestande mit Noth- 
wendigkeit zu folgern, dass der Reiz durch die Faser auf das Plasma 
des Cnidoblasten übertragen wird und dieses zur Kontraktion ver- 
anlasst. Denn es ist wohl eine Grundeigenschaft des noch nicht diffe- 
renzirten Plasmas, sich auf Reize hin zu kontrahiren. Das Plasma des 
Gnidoblasten hat aber die Gestalt einer geschlossenen Röhre, und die 
gleichförmige Kontraktion einer solchen Röhre wird ein Überwiegen des 
Druckes an den Seiten der länglichen Kapsel zur Folge haben, wodurch 
dann der Nesselfaden hervorgepresst wird. 

25* 


366 R. v. Lendenfeld, 


Diese Nesselkapseln kommen ausschließlich jenem Theile des 
Schirmes zu, welcher als sogenannte Deckplatte die Höhlung, in wel- 
cher der Randkörper liegt, von oben schließt. Jedenfalls dienen sie als 
Defensivwaffen zum Schutze der Randkörper und sind somit jenem 
Nesselwulste analog, welcher sich über dem Nervenring der CGraspedoten 


hinzieht. 


III. Über Nesselzellen. 


Die werthvollen Untersuchungen von Hamann ! haben unsere Kennt- 
nis über diese eigenthümlichen mikroskopischen Waffen wesentlich ge- 
fördert. Während Wris#t ?, der Entdecker der Palpocils der Syncoryne, 
den Cnidocils ohne Weiteres die Funktion von Tastborsten zuschrieb, 
erhob schon ScauLze 3 Bedenken gegen eine solche Deutung, und Hamann 
sucht nun den Nachweis zu erbringen, dass wir es bei den Nesselzellen 
nicht mit Sinneszellen zu thun haben. Ich glaube, dass sich wohl alle 
Zoologen dieser Anschauung anschließen werden. Hamann sucht nach- 
zuweisen, dass jener centripetale Fortsatz, den ScauLze (l. c.) entdeckte 
‘und den alle späteren Forscher an den Cnidoblasten ebenfalls aufge- 
funden haben, nichts Anderes als ein Stiel ist, der mit der Stützlamelle 
im direkten Zusammenhange steht und ein Umwandlungsprodukt eines 
Theiles des Plasmas jener Zelle darstellt, welche auch die Nesselkapsel 
in sich erzeugte. Er giebt an, dass dieser Stiel die gleichen optischen 
und chemischen Eigenschaften besitzt wie die Stützlamelle. Aus seinen 
sorgfältigen und auf alle Gruppen der Coelenteraten ausgedehnten Beob- 
achtungen zieht er nun den Schluss, dass bei allen Cnidarien dem 
Fortsatz nur eine Stützfunktion zukommt. Diesem Induktionsschlusse 
kann als solchem natürlich gar keine Gewissheit zugesprochen werden 
und er ist auch in der That nicht richtig. 

Ich habe an Isolationspräparaten von CGyanea Annaskala * öfters 
Cnidoblasten gesehen , deren centripetale Ausläufer mit Ganglienzellen 
der subepithelialen Schicht in Verbindung standen. Abgesehen hiervon 
sind diese Fortsätze nicht hyalin, sondern körnig und nicht von jenem 
Theile des Plasmas verschieden , welcher die Nesselkapsel umgiebt und 
in der Nähe des Kernes liegt. Außer diesen Nesselkapseln habe ich 
auch kleinere beschrieben, an denen ich keine Fortsätze nachweisen 


1 O0. Hamans, Über Nesselkapselzellen. Jenaische Zeitschr. f. Naturwissenschaft. 
Bd. XV. 

2 STRETHILL WRIGHT, On Palpocils etc. Proceedings of the R. Phys. Society of 
Edingburgh. Bd. I. p. 344. 

3 F. E. ScauLze, Cordylophora. p. 23. 

4 R. v. LENDENFELD, Cyanea Annaskala. Diese Zeitschr. Bd. XXXVII. p. 480. 


Über Ooelenteraten der Südsee. III, 367 


konnte und deren Entladung nicht, wie jene der großen, vom Willen 
des Thieres abhängt. Ich halte es für wahrscheinlich, dass diesen in der 
That solche Stiele zukommen, wie sie Hamann beschreibt, die mir aber 
wegen ihrer Feinheit entgangen sind. Ich habe nämlich (l. c.) gefunden, 
dass die Oberfläche der Gallerte unter den Nesselwarzen Rauhigkeiten 
aufweist. Diese Rauhigkeiten gleichen scharfkantigen Meereswellen, 
und es wäre wohl möglich, dass von den vorragenden Spitzen feine 
Fäden abgehen, die am distalen Ende die kleinen Nesselkapseln 
tragen. 

Für die Stiele der Nesselkapseln einer Syncoryne, welche ich ge- 
nauer untersucht habe, und die sich durch ihren vierstrahligen Bau 
auszeichnet, kann ich die Angaben Hamann’s vollkommen bestätigen. 
Der Stiel ist gerade hyalin und am distalen Ende becherartig er- 
weitert. 

Anders verhält es sich mit den Nesselkapseln von Medusen und 
Actinien, ihre Fortsätze sind körnig und ihrer Substanz nach wesentlich 
von der Gallerte und der Stützlamelle verschieden. Sie sind stets 
weich, meist gekrümmt und gleichen durchaus Plasmasträngen. Es 
lässt sich leicht nachweisen, dass eben so wie an den Tentakeln von 
Cyanea auch bei den Actinien die Entladung der Nesselkapseln vom 
Willen des Thieres abhängt, so dass wir annehmen müssen, dass irgend 
ein Mechanismus bei diesen Thieren existirt, welcher mit dem Nerven- 
system des Thieres in Zusammenhang ist, und dessen Wirkung darin 
besteht, dass er unter Umständen einen Druck auf die Nesselkapsel- 
wände ausübt. Ein solcher Mechanismus könnte innerhalb des Cnido- 
blast oder außerhalb desselben vorhanden sein. 

Ich glaube nun, dass das erstere der Fall ist und stütze meine An- 
sicht auf drei Thatsachen. 

Erstens haben wir in dem Cnidocil eine Bildung vor uns, welche 
offenbar mit dem Mechanismus zur Entladung eben so in Zusammen- 
hang steht, wie das Nervensystem des Thieres, weil eben so eine Be- 
rührung des Cnidocils unter Umständen hinreicht die Kapsel zu spren- 
gen, wie ein Willensimpuls des Thieres. Nun aber ist es gerade die 
Plasmahülle der Nesselkapsel,, in welche sowohl der CGnidocil wie auch 
der Stiel münden, und so wird wohl auch an jenem Orte allein der 
Mechanismus zu suchen sein, welcher von beiden Seiten her in Be- 
wegung gesetzt werden kann. 

Es ist freilich nicht unmöglich, dass die Reizung des Cnidocils in 
der That als Empfindung zur Kenntnis der subepithelialen Ganglien- 
zellen gelangt und von hier aus dann erst irgend ein anderweitiger 


368 R. v. Lendenfeld, 


Mechanismus zur Entladung der Nesselkapseln in Bewegung gesetzt 
wird. Dies scheint mir jedoch höchst unwahrscheinlich. 

Zweitens entladen sich die Nesselkapseln in dem Schirm von Gram- 
bessa mosaika auf Nervenreize hin und es wird wohl kaum anzunehmen 
sein, dass diese Reize die Gallerte in der Umgebung der Cnidoblasten 
zur Kontraktion bringen, vielmehr dass sie das Plasma des Cnidoblasten 
selbst zu einer entladenden Aktion veranlassen. 

Drittens ist hier die bemerkenswerthe Entdeckung von Cuun! an- 
zuführen, welcher in der Plasmahülle der Nesselkapseln von Physalia 
ein Netzwerk von kontraktilen Fasern nachgewiesen hat, durch deren 
Zusammenziehung leicht eine Sprengung der Kapsel bewirkt werden 
kann. Hier finden wir an einem, wegen seiner Nesselfähigkeit berühm- 
ten Thiere, das Plasma des Cnidoblasten auf einer höheren Stufe, es hat 
schon Muskelfasern ausgeschieden. 

In Anbetracht dieser Erwägungen möchte ich die Kontraktion der 
Plasmahülle als Entladungsursache der Nesselkapsel annehmen, und 
nicht eine Kontraktion des Stieles. 

Ich habe die Besprechung der centripetalen Enden der Stiele der 
Nesselzellen der unter I beschriebenen Wehrthiere bis jetzt verschoben, 
weil sie von allgemeinerer Wichtigkeit sein dürfte. Obwohl ich nicht 
sicher bin, so hat es mir doch den Eindruck gemacht, als ob die Stiele, 
wie Hamann angiebt, sich mit der Stützlamelle verbinden und ihnen 
somit nur eine Stützfunktion zuzuerkennen ist, dass aber von den 
multipolaren Ganglienzellen feine Fädenan diesen Stie- 
len emporziehen und sich mit dem Plasma des Gnido- 
blasten in Verbindung setzen (Fig. 3). 

Wenn wir die morphologischen Verhältnisse der Nesselzellen mit 
der Beobachtung lebender Thiere im Aquarium zusammenhalten, so wird 
uns besonders eine Eigenthümlichkeit der sandbewohnenden Actinien 
auffallen: obwohl hunderte von Kapsein sich entladen, wenn ein ver- 
dauungsfähiger Körper die Cnidocils berührt, so geht doch keine einzige 
los, wenn Sand auf dieselben fällt. Bringt man einen eben abgerissenen 
Tentakel unter das Mikroskop, und sind in dem Wasser viele kleine 
Thiere, so kann man leicht beobachten, wie jede Berührung eines Thie- 
res mit der Tentakeloberfläche von einem Salvenfeuer von Nesselfäden 
begleitet ist, während man nicht einen einzigen hervorlocken kann, 
wenn man einen raschen Strom erzeugt und Sandkörnchen, Deckglas- 
splitter und dergleichen unter das Deckglas bringt. 

Es scheint somit bei den Actinien vom Willen des Thieres abzu- 


1 C. Caun, Die Natur und Wirkungsweise der Nesselzellen bei Coelenteraten. 
Zoologischer Anzeiger. Bd. IV. p. 646. 


Über Ooelenteraten der Südsee, I. 369 


hängen, ob die Berührung des Cnidocils eine Entladung zur Folge haben 
soll oder nicht. Wenn man diese Erscheinung mit der Thatsache zu- 
sammenbhält, dass niemals Nesselkapseln entladen werden, wenn das 
Thier seine Tentakeln einzieht, wenn der Druck in der Umgebung der 
Cnidoblasten durch die Muskelkontraktion erhöht wird und die Cnidocils 
andere Körpertheile berühren, so glaube ich gerechtfertigt zu sein den 
folgenden Vorgang bei der Entladung der Nesselkapseln als den wahr- 
scheinlichsten anzusehen: Es besteht ein kontinuirlicher Zu- 
sammenhang zwischen dem Nervensystemund demPlas- 
mamantelder Nesselkapsel. Die Nesselkapsel wird durch 
den Druck gesprengt, welchen der Plasmamantelaufdie- 
selbe ausübt!. BeiGyaneaAnnaskala kommthierzunoch 
ein Sternchen, welches die Haut des distalen Poles 
durchreißt. Bei Physalia hat das Plasma bereits Muskel- 
fasern ausgeschieden. Die Kontraktion des Plasmaman- 
tels wird durch einen Reiz veranlasst, welcher vom 
CGnidocil, oder voneinem solchen, der vomNervensystem 
ausgeht. Außerdem kann aber vom Nervensystem aus 
ein Hemmungsreiz ausgehen, welcher den Cnidocilreiz, 
deruntergewöhnlichen Umständen die Kapsel sprengen 
würde, paralysirt. Es kann also das Nervensystem die 
Rolle eines »Hemmungscentrum« übernehmen, während 
die Entladung durch den Gnidocilreiz einer »Reflexbe- 
wegung« zu vergleichen ist. Wir sehen also schon hier 
den Anfang jenes Wechselspieles von Reflex und Hem- 
mung, dem die neuere Psychologie eine so große Bedeu- 
tung zuschreibt. 

Wenn wir nun die Nesselzellen betrachten, so werden wir finden, 
dass sie sowohl den Epithelmuskelzellen, als auch den Hautdrüsenzellen 
zu vergleichen sind. Jedenfalls tritt in allen Fällen mit Ausnahme von 
Physalia die Drüsennatur in den Vordergrund, denn wir haben ein 
Plasmaderivat, welches nach außen abgegeben wird und somit als Sekret 
betrachtet werden kann, während sich gewöhnlich kein kontraktiles 
Plasmaderivat findet und wir doch nicht von Muskel zu reden berech- 
tigt sind, wenn wir ein Gebilde beschreiben, welches sich zwar auf 
Reize hin zusammenzieht, in welchem aber noch nicht zweierlei Sub- 
stanzen erkennbar sind, wo also noch keine tiefgreifende Arbeitstheilung 
in einen kontraktilen und in einen plasmatischen Theil eingetreten ist. 

Abgesehen hiervon aber spricht die doppelseitige Reizharkeit der 


! Ich befinde mich hierin im Einklange mit Caus (I. c). 


370 ‚R. v. Lendenfeld, 


Cnidoblasten dafür, dass es auch »Neuromuskelzellen « geben kann, die 
sich neben Sinnesorganen und Ganglienzellen finden, eine Anschau- 
ung, die von Craus, Gebr. Herrwıc und mir bekämpft wird. Die Cnido- 
blasten sind aber so eigenthümliche Gebilde, dass wohl kaum ein Schluss 
von diesen auf Epithelmuskelzellen gestattet sein dürfte, so dass die 
Neuromuskeltheorie dadurch kaum gestützt werden kann. 

Besonders wird die Drüsennatur der Gnidoblasten wahrscheinlich, 
wenn wir eine Homologie zwischen Klebekörnchen und Nesselkapseln 
annehmen. Und ich möchte daher die Gnidoblasten als einzel- 
lige Hautdrüsen betrachten. 


North Brighton bei Melbourne, im Oktober 1882. 


Erklärung der Abbildungen. 


Tafel XVIII, 


Die Buchstaben bedeuten Zeıss’sche Systeme. 
Fig. 4. Wehrthier einer Plumularia im optischen Längsschnitt, halb entfaltet 
(F. Oc. 2). Nach dem Leben. 
Ent, Entoderm des Zweiges; 
Ent’, Entodermachse des Wehrpolypen; 
M, subepitheliale Muskeln ; 
M’, Muskeln, welche den centripetalen Ausläufern der Cnidoblasten an- 
liegen; 
G, Ganglienzellen; 
N, Nesselkapseln. 

Fig.2. Muskeln von der Stützlamelle eines Wehrthieres von einer Plumularia 

(L. Oc. 4). Osmium-Essigsäure-Isolationspräparat. 
z, Muskelkörperchen. 

Fig. 3. Theil des Köpfchens in Figur 1 stärker vergrößert (L. Oc. 4). Nach sanf- 
ter Quetschung. 

M, Muskelfasern ; 
N, Nesselkapsel; 

St, Stützzelle; 

Si, Sinneszelle (?); 
G, Ganglienzelle, 

Fig. 4. Ein Nährthier mit den dazu gehörigen fünf Machopolypen einer Aglao- 
phenia (A. parvula Bale?) (A. Oc. 4). Im Begriffe eine Zo&a zu fangen, nach dem 
Leben. 

A, unterständige paarige Wehrpolypen (Klebethiere); 
B, oberständige paarige Wehrpolypen (zusammengesetzte Wehrthiere); 
C, unpaarer oberständiger Machopolyp (Klebethier). 


Über Goelenteraten der Südsee. III. 371 


Fig. 5. Längsschnitt durch das Köpfchen eines Klebethieres derselben 
Aglaophenia (L. Oc. 4). Mikrotomschnitt durch ein Osmiumsäure-Alaunkarmin- 
Präparat. 

Si, Sinneszellen ; 
K, Klebekörner. 

Fig. 6. Wehrthiere derselben Aglaophenia (Klebethier) (D. 1). Nach dem 
Leben. 

Ent, Entodermachse; 
K, Klebekörnchen, 

Fig. 7. Nesselkapsel aus der Deckplatte am Schirm von Crambessa mosaika 

(L. 4). Nach Einwirkung von Essigsäure, 


Über Kerntheilungsvorgänge bei einigen Protozoen. 


Von 


Dr. August Gruber, 
Docenten der Zoologie in Freiburg i. B. 


Mit Tafel XIX. 


Unter den Protozoen zeichnen sich bekanntlich sehr viele durch den 
Besitz mehr oder weniger zahlreicher Kerne aus, die entsprechend dem 
Wachsthum des Thieres auch an Menge zunehmen sollen. Solche For- 
men finden wir unter den Rhizopoden (z. B. manche Amöben und Tha- 
lamophoren), Heliozoen (Actinosphaerium), Radiolarien und Infusorien 
(Opalina, Loxodes rostrum und eine noch unbestimmte Oxytrichine, die 
ich im hiesigen Seewasseraquarium gefunden !). 

Was die Art und Weise betrifft, in welcher sich bei diesen vielker- 
nigen Thieren die Kerne vermehren, wie sie entstehen, ob durch ein- 
fache, sich fortsetzende Theilung eines primären Nucleus oder etwa 
durch freie Kernbildung, ist bisher noch nicht sicher gestellt gewesen. 

Die Einschnürung mit nachherigem Zerfall in zwei Hälften ist, so 
viel ich weiß, einzig und allein von Zerzer ? bei Opalina beschrieben 
worden; bei Rhizopoden und Heliozoen ist von Theilungserscheinungen 
bei den betreffenden Arten gar nichts bekannt. So sagt Bürschtı in 
Bronn’s »Klassen und Ordnungen «® pag. 284 : »Obgleich in dem an Ker- 
nen so reichen Actinosphaerium, von dem es erwiesen ist, dass die Zahl 
seiner Kerne, vom einkernigen Zustand ausgehend, mit zunehmender 
Größe sich successive vermehrt, ein sehr geeignetes Objekt für das Stu- 
dium der Kernvermehrung vorzuliegen scheint, ist es bis jetzt bei dieser 
Form doch nicht geglückt, den Process der Kernvermehrung zu erforschen.« 


1 Ich werde demnächst Gelegenheit haben, noch eine Reihe vielkerniger Infu- 
sorien zu beschreiben. 

2 Untersuchungen über die Fortpflanzung und Entwicklung der in unseren Ba- 
trachiern schmarotzenden Opalinen. Diese Zeitschr. Bd. XXIX. 

3 Brons, Klassen und Ordn. des Thierreichs. Protozoa (BürscaLı). Leipzig. 


Über Kerntheilungsvorgänge bei einigen Protozoen. 373 


Ich bin nach längeren Untersuchungen auf diesem Gebiete in der 
Lage, einige Beiträge zur Erläuterung dieser Verhältnisse zu liefern. 

Als Untersuchungsobjekte haben mir vornehmlich gedient: eine 
große Amoeba, die ich nach den schönen Abbildungen und der Beschrei- 
bung Leiy’s! als Amoeba proteus bezeichnen muss, dem Synonym von 
A. princeps, und zweitens das Actinosphaerium Eichhornii. Ich werde 
zunächst mit den Beobachtungen beginnen, welche ich an Actinosphae- 
rium angestellt, und zwar will ich hier, wie nachher bei Amoeba pro- 
teus, zuerst die Verhältnisse nur so beschreiben , wie sie sich nach der 
Präparation darstellten, und erst am Schluss jeden Abschnittes etwaige 
Folgerungen besprechen. 

Zuletzt habe ich noch über eigenthümliche Vorgänge am Kern einer 
kleinen, nicht näher bestimmten Amöbenart zu berichten, welche sich 
wahrscheinlich auf eine Kerntheilung zurückführen lassen. 

Die zu den Untersuchungen verwandten Rhizopoden und Heliozoen 
stammen alle aus einem größeren Aquarium, das auf dem hiesigen zoo- 
logischen Institut sich befindet, und in welches von Zeit zu Zeit Wasser 
mit Thieren und Pflanzen aus der Umgegend geschüttet wird. 

Was die Untersuchungsmethoden betrifft, so waren es dieselben, 
die ich schon in meiner letzten Arbeit? besprochen und die darauf be- 
ruhen, die Objekte unter dem Deckglas rasch zu tödten, zu färben und 
zu konserviren. 

Für die Actinosphärien eignete sich am besten die Chromsäure in 
etwa zweiprocentiger Lösung; Alcohol absolutus kann beim Tödten 
nicht angewandt werden, denn bei dessen Zutritt entsteht ein Strudel in 
dem innerhalb des Actinosphaeriums befindlichen Wasser, so dass die 
Protoplasmamaschen zerreißen und das Ganze zerfließt. Dagegen eignet 
sich der absolute Alkohol um so besser, um die Amöben plötzlich er- 
starren zu machen. Sie erhalten sich gewöhnlich aufs schönste mit den 
Pseudopodien und färben sich nachher vorzüglich. Zur Tinktion ver- 
wandte ich die Weiserr’sche Pikrokarminlösung. Es empfiehlt sich, die 
Präparate mit schwachem Alkohol auszuwaschen und nicht mit Wasser, 
da letzteres wieder eine Quellung verursacht. Nachher wird selbstver- 
ständlich absoluter Alkohol, dann Nelkenöl und schließlich Kanadabalsam 
unter das Deckglas gebracht. 


1 Leıpv, Freshwater Rhizopods of North-America. Un. St. geologic. survey 
of the Ferritories. Vol. XII. 4879. (Washington.) 
2 Diese Zeitschr. Bd. XXXVII. 


374 August Gruber, 


Beobachtungen an Actinosphaerium Eichhornii. 


Mehrere Wochen hindurch untersuchte ich große und kleine Exem- 
plare von Actinosphaerium Eichhornii, um über die Kernvermehrung ins 
Klare zu kommen. Aber es ging mir Anfangs wie allen anderen Beob- 
achtern dieses Heliozoons — keine Andeutung von Kerntheilung wollte 
sich zeigen, obgleich mir gewiss weit über tausend Kerne vorlagen. 
Alle zeigten den gleichen Bau, eine deutliche Kernhülle, ein im Leben 
stark lichtbrechendes, im Präparat körnig erscheinendes Kernplasma, 
in welchem Kernkörperchen in wechselnder Zahl eingeschlossen lagen. 
Letztere waren nicht nur am gefärbten Präparat, sondern auch am 
lebenden Nucleus ganz deutlich zu sehen (Fig. 6). 

Nachdem ich so lange vergeblich nach Theilungsstadien gesucht, 
neigte ich eher zu der Ansicht, die Kerne des Actinosphaerium möchten 
frei entstehen; denn erstens stand, meiner Meinung nach, theoretisch 
einer solchen Annahme nichts im Wege, indem doch irgend wo unter den 
Protozoen freie Kernbildung einmal stattgefunden hat, also auch noch 
stattfinden kann, und zweitens lagen mir drei Präparate vor, die in die- 
sem Sinne gedeutet werden konnten: Eines davon habe ich in Fig. 2 
wiedergegeben und zwar habe ich der Einfachheit halber nur einen 
Theil des Heliozoons gezeichnet und an diesem die Protoplasmamaschen 
nur angedeutet. Dagegen sind die Kerne genau nach der Natur einge- 
tragen, und man bemerkt neben einer Anzahl ziemlich blasser, aber 
sonst normaler Kerne kleinere Körper, welche sich in derselben Inten- 
sität gefärbt haben wie die Nucleoli und welche von einer deutlichen 
Membran durch einen gar nicht oder kaum gefärbten Hof getrennt sind 
(vgl. auch Fig. 5 a). ' 

Diese Körper sehen ganz aus wie dieKerne von Actinosphaerium mit 
nur einem Nucleolus, die von verschiedenen Forschern beschrieben und 
abgebildet worden sind, die ich selbst aber sonst nicht gefunden habe. 
Da nun die fraglichen Körperchen viel kleiner sind als die normalen 
Kerne, so lag die Vermuthung nahe, es möchten dieselben auf andere 
Weise als durch Theilung gewöhnlicher Nuclei entstanden sein — viel- 
leicht frei im Protoplasma des Heliozoons. Entscheiden konnte ich die 
Frage aber nicht, denn ich fand keine weiteren, noch früheren Wachs- 
thumsstadien. 

Wohl aber gab mir ein anderes Präparat die volle Sicherheit, dass 
jene Körper wirklich Kerne seien und dass aus ihnen die multinucleo- 
lären hervorgingen, denn neben Formen, wie wir sie eben auf Fig. 2 
gesehen, finden sich hier andere, wo der gefärbte Theil größer geworden 
und fast den ganzen von der Membran umschlossenen Raum erfüllt und 


Über Kerntheilungsvorgänge bei einigen Protozoen. 375 


von da alle Übergänge zum fertigen Kerne. Ein Theil dieses Actino- 
sphaeriums ist auf Fig. 3 dargestellt, und auch hier sind die Kerne genau 
mit der Camera lucida nach dem Kanadapräparat entworfen. Ein jun- 
ger Kern mit ganz homogenem Körper ist auf dem gewählten Stück 
nicht vorhanden, doch waren anders wo deren mehrere zu finden, und 
ich habe einen davon bei stärkerer Vergrößerung auf der Fig. 5 abge- 
bildet. Hier finden sich auch die vorbin genannten Übergänge deut- 
licher dargestellt. Man sieht in Fig. 5 5 wie die helle Zone um den ge- 
färbten Theil des Kerns nur noch ganz schmal ist und wie in letzterem 
allerlei Körnchen sich gebildet haben, welche je nach der Einstellung 
des Tubus bald hell, bald dunkel erscheinen. 

Im nächsten Stadium (Fig. 5 c) ist von dem hellen Hof fast nichts 
mehr zu sehen und im Inneren treten einige Körner vor den anderen 
durch stärkere Färbung hervor. Dies ist noch mehr der Fall bei dem in 
Fig. 5 d gezeichneten Kern, wo das gefärbte Kernplasma der Membran 
dicht anliegt, und wo die genannten Körner sich schon deutlich als Nu- 
cleoli dokumentiren. Von hier führen dann nur durch den Umfang 
unterschiedene Stadien (Fig. 5 e) zum gewöhnlichen Nucleus hin. 

Außer in den beiden näher beschriebenen Individuen fand ich 
solche Entwicklungszustände der Kerne noch in zwei anderen Exem- 
plaren, Hier wie dort war es immer die überwiegende Anzahl der 
Kerne, welche in Entwicklung begriffen war. 

Der eben dargestellte Übergang kleiner mononucleolären in die 
großen polynucleolären Kerne machte mir, wie gesagt, die freie Ent- 
stehung der ersteren wahrscheinlich, doch wurde die Annahme wieder 
umgestoßen und zwar dadurch, dass ich schließlich doch noch einen 
Theilungsvorgang an den Actinosphärienkernen beobachtete. 

Ein einziges kleines Exemplar ist es, welches mir Aufschluss über 
‘ die Theilung der Kerne gegeben hat; es ist bis jetzt auch das einzige 
geblieben, so sehr ich in dem schließlich zur Neige gehenden Ma- 
terial nach einem zweiten günstigen Individuum gesucht. Glücklicher- 
weise waren es 12 Kerne, welche in Theilung begriffen waren, und, 
was noch günstiger ist, es befanden sich nicht alle auf demselben 
Stadium. 

In Fig. 1 ist das ganze Heliozoon dargestellt, wie es in meinem 
Kanadabalsam-Präparat erhalten ist, und in Fig. 4 die Reihe der in 
Theilung begriffenen Kerne bei stärkerer Vergrößerung. Zunächst be- 
merkt man, dass die sich theilenden Nuclei viel heller erscheinen als die 
normalen, und dass die dunkler gefärbte granulirte Grundsubstanz des 
normalen Kerns (Fig. 6) scheinbar nicht vorhanden ist. Dagegen zeigen 
sich in ihnen zwei dunkle Streifen von derselben Tinktionsstärke , wie 


376 August Gruber, 


die Nucleoli der anderen Kerne. In einem Kern ist nur ein solches Band 
zu bemerken (Fig. % 0). 


Die Streifen sind theils näher, theils weiter von einander gerückt, 
und in letzterem Falle wird ersichtlich, dass sie das körnige, tingir- 
bare Kernplasma zwischen sich fassen (Fig. 4 d), das aber immerhin 
heller ist als dasjenige des normalen Kernes. Zwei dieser Nuclei (Fig. 4 
f, g) zeigen dies besonders deutlich und bei ihnen bemerkt man auch 
in der Mitte der von den beiden dunkeln Bändern eingeschlossenen 
Masse eine deutliche äquatoriale Linie, die in Fig. 4 g von Körnchen ge- 
bildet erscheint, in Fig. 4 f dagegen kaum wahrzunehmen ist. An letz- 
terem Kerne dagegen fällt uns etwas Anderes auf, nämlich die Anordnung 
der Körnchen in parallele Streifen, die von einem der dunklen Bänder 
zum andern verlaufen. 


Was schließlich den Kern betrifft, der nur ein stark gefärbtes, sei- 
nem Durchmesser entsprechend verlaufendes Band besitzt, so ist an ihm 
die ovale Gestalt auffallend und der Umstand, dass jenes Band jederseits 
von einem hellroth gefärbten Saum eingefasst wird. 


So weit die Thatsachen, wie ich sie mit starken Hırrnack’schen und 
SEIRERT'Schen Systemen habe feststellen können (Harrnack 9 u. Wasser- 
immersion 12; SeiBErT, homogene Immersion !/i). Was nun deren 
Deutung betrifft, so mag es gewagt erscheinen, nach den wenigen vor- 
liegenden Stadien den Verlauf der Kerntheilung erklären zu wollen. Ich 
werde es aber doch versuchen, denn einerseits scheint mir der Gang 
des Processes ziemlich deutlich vorgezeichnet und andererseits ist es zu 
ungewiss, wann mir oder einem anderen Beobachter das Glück wieder 
ein Actinosphaerium in diesem Zustande zuführt. 


Der Umstand, dass die Erscheinung der Kerntheilung eine so 
schwer zu beobachtende ist, scheint mir darauf hinzuweisen, dass die- 
selbe ungemein rasch verläuft und die charakteristischen Merkmale der 
Theilung sehr schnell wieder verwischt werden. 


Der Vorgang ist — wie ich glaube — folgender: In dem zur Thei- 
lung sich anschickenden multinucleolären Kerne fangen zunächst die 
Kernkörperchen an, sich in zwei Glieder zu ordnen (Fig. 4 a), bis sie 
schließlich zwei dem Durchmesser des Kerns parallele Reihen bilden 
(Fig. 4 b). In Letzteren verschmelzen dann die einzelnen Nucleoli, so 
dass zwei homogene Bänder daraus entstehen (Fig. 4 c). Die übrige 
tingirbare Substanz des Kerns und die Körnchen ziehen sich von der 
Kernmembran zurück und vereinigen sich um und zwischen den ge- 
nannten Bändern; doch scheint die schwache Färbung dieser Zustände 
auf eine Abnahme der Substanz hinzudeuten; wie dieselbe zu denken 


Über Kerntheilungsvorgänge bei einigen Protozoen. 377 


ist, kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen ; vielleicht wird sie theilweise 
in die beiden Nucleolenbänder aufgenommen. 

Letztere rücken dann immer weiter aus einander (Fig. 4 d) und die 
zwischen ihnen gelegenen Körner ordnen sich dabei in parallelen Streifen 
an (Fig. 4 f), im Äquator des länglich ovalen Kernes wird eine Linie be- 
merkbar, die durch Körner jener vorhin genannten Streifen gebildet 
wird (Fig. 4 g). Diese Linie wird, was ich nicht beweisen kann, son- 
dern nur vermuthe, zur Scheidewand zwischen den Hälften des sich 
theilenden Kernes, also zur Kernmembran der beiden Tochterkerne. 
Ist die Trennung derselben erfolgt, so kann jeder Nucleus nur noch ein 
Band aus Nucleolensubstanz enthalten, um welches noch etwas tink- 
tionsfähiges Nucleoplasma angelagert liegt. Einen solchen Tochterkern 
sehen wir vielleicht in Fig. 4 © vor uns, wo ein einziger dunkelrother 
Streifen vorhanden ist, der zu beiden Seiten von einem heller gefärbten 
fein gestreiften Saum eingefasst wird. Ich bemerke aber, dass andere 
der Zweitheilung nahe Kerne auf diesem Präparat eher erwarten lassen, 
dass in den Tochterkernen kurze und breite Massen dunkel gefärbter 
Substanz zu finden sein werden (vgl. Fig. 4 h). 

Was nun die Umwandlung des letztgenannten Stadiums zur defini- 
tiven Form betrifft, so lassen sich hier wohl die Anfangs geschilderten 
Entwicklungszustände der Figuren 2 u. 3 anschließen. Danach würde 
sich die gesammte gefärbte Substanz zu einer Scheibe oder Kugel, schein- 
bar einem großen Nucleolus zusammenziehen, während der übrige Theil 
des Kernes ungefärbt erschiene (Fig. 5 a). Daraus entwickelte sich dann 
in der oben angegebenen Weise der definitive Nucleus, d. h. die mittlere 
Masse wächst der Kernmembran entgegen, der ganze Kern nimmt an 
Ausdehnung zu, der gefärbte Theil wird körnig (Fig. 5 db), einzelne 
Körner treten besonders hervor, werden zu den Kernkörperchen, die 
sich scharf von der übrigen Masse des Kernplasmas unterscheiden und 
der normale Kern ist fertig (Fig. 5 c, d, e). 

Dass nun wirklich die kleinen mononucleolären Kerne (Fig. 5 a) 
aus einem Theilungsvorgange hervorgegangen sind, ist wie gesagt nicht 
direkt zu erweisen, da ich sie nicht in demselben Exemplar mit den sich 
theilenden Nuclei gefunden habe. Aber man wird mir zugeben, dass 
die Annahme, es existire ein solcher Zusammenhang, eine sehr wahr- 
scheinliche ist, jedenfalls eben so wahrscheinlich als diejenige, welche 
besagte Kerne frei im Protoplasma des Heliozoons entstehen ließe. — 
Der ganze eben geschilderte Theilungsvorgang ist, so viel wird man aus 
diesen Beobachtungen entnehmen können, auffallend genug und wie ich 
glaube, abweichend von allen bekannten Theilungsformen thierischer 
und pflanzlicher Zellkerne, welche erst kürzlich eine eingehende Berück- 


378 August Gruber, 


sichtigung und Zusammenfassung in den vorzüglichen Arbeiten Strass- 
BURGER’S ! und Fremning’s ? gefunden haben. 

Was zunächst den ruhenden Kern des Actinosphaeriums betrifft, so 
fand ich dessen Substanz nach Anwendung der Reagentien fein granu- 
lirt, während ich von feinen Linien, von Gerüstfäden weder hier noch 
in dem sich theilenden Kern etwas gewahr wurde. 

Die Granulation könnte wohl auf die Wirkung der Reagentien 
(Chromsäure) zurückzuführen sein, denn am lebenden Nucleus ist sie 
nicht zu sehen und Freuming giebt ausdrücklich an (a. a. O. p. 176), 
dass sich sehr oft ein feinkörniger Bau an Kernen beobachten lasse, 
welche mit Ghrom-Pikrin-Osmiumsäure oder Alkohol behandelt worden 
waren. Er hält sie für Gerinnungen im Kernsaft und unterscheidet sie 
von den einzelnen gröberen Gerinnungen (Körner oder Bälkchen), wel- 
che im Kernsaft entstehen können, und sich vorzugsweise den Gerüst- 
fäden anschmiegen. Gröbere Körner treten nun auch beim Actinosphae- 
riumkerne auf, aber erst während der Theilung, und zwar sahen wir 
sie zwischen den Nucleolenbändern und nachher im Tochterkern, wo 
unter ihnen allmählich die neuen Kernkörperchen zum Vorschein 
kamen. Wenn wir also auch die feine Granulation auf Gerinnung zu- 
rückführen können, so ist das bei den gröberen Körnern nicht der Fall. 

Der Mangel des Kerngerüstes beim Actinosphaeriumkerne ist durch 
den Befund an meinem Präparat natürlich nicht bewiesen; denn einmal 
könnte die Behandlung (Chromsäure, Alkohol, Pikrokarmin) nicht ge- 
eignet gewesen sein dasselbe hervortreten zu lassen, oder das Gerüst 
könnte so fein sein, dass es mit den angewandten Objektiven (HArTNAck 
12, Wasserimmersion; SEIBERT !/;, homogene Immersion) nicht zur An- 
schauung gebracht werden kann. Doch ist mir die Anwesenheit eines 
Gerüstes sehr unwahrscheinlich, und dies gilt besonders für die chroma- 
tischen Fäden, denn die Rolle, welche diese bei der Kerntheilung zu 
spielen haben, wird hier lediglich von den Nucleolen übernommen. Es 
ist dies ein sehr merkwürdiges Verhältnis, um so mehr, als wir wissen, 
dass sonst bei der Kerntheilung die Kernkörperchen verschwinden und 
in dem Kerngerüste aufgehen. Bei Actinosphaerium scheint mir im Gegen- 
theil — und ich habe dies schon oben angedeutet —, dass Theile der 
sich färbenden Kernsubstanz während der Theilung in die Nucleolen- 
substanz aufgenommen werden und diese an Masse vermehren. Wie 
sind solche Gegensätze zu vereinigen? Ich glaube in der Weise, dass 


1 STRASSBURGER, Über den Bau und das Wachsthum der Zellhäute. Jena 1882. 
— Über d. Theilungsvorg. der Zellkerne und das Verh. der Kern- und Zelltbeilung. 
Bonn 1882. 

2 FLEMMINnG, Zellsubstanz, Kern- und Zelltheilung. Leipzig 1882. 


Über Kerntheilungsvorgänge bei einigen Protozoen. 379 


man annimmt, chromatisches Kerngerüst und Nucleolen bestehen aus 
derselben Substanz und seien nur verschiedene Formen, in welchen 
dieselbe angeordnet ist. Was für einen Grund die Verschiedenheit der 
Anordnung hat, wissen wir nicht. Nucleolen und chromatisches Kern- 
gerüst sind die wesentlichen Träger des Chromatins; dasselbe kann 
zum allergrößten Theil in den Fäden abgelagert sein und zum kleinsten 
in den Kernkörperchen — so in den meisten thierischen und pflanzlichen 
Zellen; darauf folgen die wenigen Fälle (z. B. Spirogyra), wo die Haupt- 
masse des Chromatins in den sehr großen Nucleolen enthalten ist und 
schließlich Kerne wie die von Actinosphaerium, wo die geformten Träger 
des Chromatins einzig und allein die Nucleolen sind. 

Die chromatische Substanz ist die wichtigste im Kern und es kommt 
bei der Theilung darauf an, dass dieselbe auf die Tochterkerne im rich- 
tigen Maße vertheilt werde. Das geschieht nun bei den meisten Kernen 
pflanzlicher und thierischer Zellen in der Weise, dass der Gerüstfaden, 
in welchem das Chromatin enthalten ist, und in welchen auch das der 
meist unregelmäßig zerstreuten Nucleoli aufgenommen wird, in gleiche 
Theile zerfällt wird. Diese einzelnen, unter sich gleich langen Bruch- 
stücke des Gerüstes folgen nun zunächst einer Anziehungskraft, welche 
vom Äquator des Kernes her auf sie wirkt. Durch diesen Zug werden 
sie im Winkel gebogen und mit dem Knie voran gegen den Äquator 
gezogen. Haben sie sich hier — in der Äquatorial- oder Kernplatte — 
regelmäßig und zu gleichen Theilen geordnet, so beginnt eine andere 
Anziehung sie zu beeinflussen, nämlich eine solche, welche von 
den beiden Polen ausgeht, und folglich rücken die Bestandtbeile der 
Äquatorialplatte, im Äquator sich trennend, die einen nach diesem, 
die anderen nach dem anderen Pol, die Spitze des Winkels, dem Zuge 
folgend, nach diesen Polen gerichtet. Damit ist die gleichmäßige 
Vertheilung des Chromatins bewirkt. Beim Actinosphaeriumkerne, 
wo statt des Gerüstes die Nucleoli fungiren, werden diese zuerst dem 
Äquator oder dem äquatorialen Durchmesser des Kernes entgegen- 
gezogen, auch sie ordnen sich hier in zwei gleiche Reihen links und 
rechts vom Äquator und verschmelzen jederseits zu zwei gleichwerthigen 
Platten, in welche wohl auch das übrige Ghromatin des Kernes aufge- 
nommen wird. Für sie ist der Ausdruck Kerpplatten äußerst zutreffend, 
denn sie stellen ja homogene Massen dar. Auch diese Kernplatten folgen 
dann in toto der von den Polen her wirkenden Anziehungskraft und 
rücken immer weiter aus einander, so dass schließlich die Theilung des 
Kernes erfolgen kann. Wie oben schon bemerkt, konnte ich beim Aus- 
einanderweichen der Kernplatten einer eigentlichen Kernspindel aus 
achromatischer Substanz nicht gewahr werden, von welcher STRASSBURGER 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVIII. Bd. 96 


330 August Gruber, 


im Gegensatz zu FLEmMmIng annimmt, dass dieselbe aus dem Plasma der 
Zelle (Gytoplasma) eingewandert sei. Eine Streifung zwischen den Kern- 
platten ist vorhanden, doch wird dieselbe offenbar durch die Anordnung 
kleiner blasser Körnchen hervorgerufen (Fig. 4 f). Es ist nicht undenk- 
bar, dass diese Granulationen die achromatische Substanz darstellen, 
welche dann hier entsprechend der chromatischen nicht in Faden- son- 
dern in Körnergestalt abgelagert wäre. Diesen Streifen eine bestimmte 
Funktion zuzuweisen, ähnlich den Fasern der Kernspindel, an welchen 
die Elemente der Kernplatie entlang gleiten sollen, wäre nach den vor- 
liegenden Präparaten nicht wohl möglich. Was die Veränderungen in 
den Tochterkernen betrifft, so hat man sich dieselben wohl so zu er- 
klären, dass die Substanz der Kernplatte sich allmählich wieder in zwei 
Theile scheidet, in das diffus im Kernsaft verbreitete und das in den 
Nucleoli koncentrirte Chromatin, wie das die Fig. 4 b—e veranschau- 
lichen. 

Haben wir bisher der hervorragenden Rolle gedacht, welche die 
Kernkörperchen des Actinosphaeriumkernes beim Theilungsvorgang zu 
spielen haben, so ist zunächst noch einer weiteren Abweichung von der 
Regel zu erwähnen. Während nämlich sonst bei der indirekten Kern- 
theilung die Membran des Kernes sich auflöst, bleibt sie hier die 
ganze Zeit hindurch erhalten. Es scheint mir dadurch ein Eindringen 
von umgebendem Zellplasma behufs direkter Betheiligung an dem Thei- 
lungsprocesse ausgeschlossen, wenn auch immerhin eine Diffusion 
durch die Kernmembran nicht ganz unmöglich wäre. Bei der gewöhn- 
lichen Zelltheilung ist wohl die Auflösung der Kernhülle dadurch gebo- 
ten, dass die beiden Kernhälften sehr weit aus einander rücken müssen, 
ehe die Theilung der Zelle erfolgt, während das hier, wo der Kernthei- 
lung keine Zelltheilung nachgeht, nicht nöthig ist. 

Es führt uns dies schließlich noch auf eine nicht zum Wenigsten 
auffallende Erscheinung am sich theilenden Actinosphaeriumkern, näm- 
lich das Auftreten einer Zellplatte. Als solche, d. h. als Analogon einer 
solchen muss ich die Demarkationslinie ansehen, welche im Äquator 
zwischen den aus einander weichenden Kernplatten zu bemerken ist; 
denn auch sie wird von deutlichen central gelegenen Körnchen gebildet, 
entsprechend denen, die sonst den Verlauf der Spindelfasern unter- 
brechen. 

Nun ist aber bekannt, dass eine eigentliche Kernplatte bei Thieren 
nicht vorkommt, wo ja die Zellen keine feste Membran besitzen und 
sich durch allmähliche Einschnürung trennen. Die einzige sichere Aus- 
nahme ist bei der Kerntheilung der Dieyemiden von van BENEDEN ! 

1 E. van BENEDEN, Recherches sur les Dicyemides. Bruxelles 4876. 


Über Kerntheilungsvorgänge bei einigen Protozoen. 381 


beschrieben worden, wo eine deutliche Zellplatte zu bemerken ist. Seine 
Hauptrolle spielt dieses Gebilde bekanntlich bei den Pflanzen, wo es 
nicht nur die Stelle der späteren Abtrennung der beiden Zellhälften be- 
zeichnet, sondern wo in ihr die neuen Zellwände entstehen, nach deren 
Bildung die Abspaltung erfolgt. 

Ähnlich könnte der Vorgang also auch hier gedacht werden, aber mit 
dem großen Unterschiede, dass dadurch nicht eine Grenze für zwei 
Tochterzellen, sondern eine solche für die Tochterkerne erzeugt würde. 
Demnach hätte in diesem Punkte der Theilungsvorgang des Actinosphae- 
riumkernes Ähnlichkeit mit dem einer Zelltheilung und insbesondere 
einer Theilung bei pflanzlichen Zellen. 

Nach den bisherigen Ausführungen wird man mir zugeben, dass 
die karyokinetischen Processe beim Actinosphaerium vieles Interessante 
aufweisen, und man wird mit mir bedauern, dass dieses Heliozoon so 
selten in dem gewünschten Zustande aufgefunden werden kann!. 

Was die Frage nach dem Einfluss des Zellplasmas auf den Kern be- 
trifft, so sind unter Anderem die mehrkernigen Zellen als Beleg ange- 
führt worden dafür, dass ein solcher existire, und zwar desshalb, weil 
die Theilung in allen Kernen zugleich erfolge. Hier können wir dies 
nicht konstatiren, denn wenn auch eine bedeutende Anzahl von Kernen 
gleichzeitig in Theilung gefunden wird, so sind doch neben ihnen auch 
noch eine Menge ruhender Zellen gelegen, sie stehen also nicht alle unter 
einem gleichmäßig wirkenden Einfluss. 


Ich erwähne schließlich noch, dass ein Actinosphaerium auch auf 
andere Weise die Zahl seiner Kerne vermehren kann und zwar durch 
Aufnahme von Splittern anderer Individuen, in welchen sich Kerne be- 
finden. Ich habe kürzlich über derartige Verschmelzungserscheinungen 
bei Actinophrys sol ausführlich berichtet? und kann nun hinzufügen, 
dass dieselben ganz eben so bei Actinosphaerium vorkommen, nur mit 
dem Unterschiede, dass hier derartige Splitter meistens einige der zahl- 
reichen Kerne enthalten. Ich fand ein Actinosphaerium, welches eben im 
Begriffe war, ein Bruchstück aufzunehmen. Es wurde sofort getödtet 
und gefärbt, wobei sich zeigte, dass in jenem Stück zwei Kerne enthal- 
ten waren, die also, in das Innere aufgenommen, die Zahl der schon 
vorhandenen vermehrt hätten (vgl. Fig. 7). Ein anderes Mal gelang es 
mir, einem Actinosphaerium einen Splitter künstlich zuzuleiten; derselbe 
wurde sofort von den Pseudopodien ergriffen, herangezogen und begann 


1 Die Größe der Kerne wechselt in den Präparaten öfters, wahrscheinlich 
durch verschieden starke Kontraktion. 
2 Diese Zeitschr. Bd. XXXVII. 


26* 


382 August Gruber, 


zu verschmelzen. Bei der Präparation stellte sich heraus, dass es eben- 
falls zwei Kerne hatte. 

Während also bei Actinophrys durch dieses sonderbare Aufsammeln 
von Bruchstücken anderer Individuen nur eine Massenzunahme der Sar- 
kode stattfand, wird hier auch zugleich die Kernsubstanz durch Auf- 
nahme geformter Nuckei vermehrt. 


Beobachtungen an Amoeba proteus. 


Bei der Untersuchung der Amoeba proteus ging es mir ganz ähn- 
lich wie bei dem Actinosphaerium : ich machte Präparate über Präparate 
und durchmusterte unzählige Kerne, ohne je eine Spur von Theilungs- 
erscheinungen daran wahrnehmen zu können, bis ich endlich ein Indi- 
viduum erhielt, in dem einige Kerne in Theilung begriffen waren. 

Dieses Exemplar, das bis jetzt das einzige seiner Art geblieben , ist 
in Fig. 9 nach dem Dauerpräparat abgebildet. Wir sehen in ihm 
24 Kerne — drei oder vier sind absichtlich weggelassen worden, weil 
sie von anderen zum größten Theil verdeckt wurden — und unter den- 
selben sind vier im Begriffe sich zu theilen. | 

Bevor wir die Art und Weise, in welcher dies geschieht, näher 
untersuchen, sei Einiges über den Bau des ruhenden Kerns gesagt: Der- 
selbe ist am lebenden Thiere kaum als schwacher Hauch zu sehen, und 
die vielen stark lichtbrechenden Kügelchen , die man fast regelmäßig in 
dieser Amöbe findet, sind nicht die Nuclei, wovon man sich leicht über- 
zeugen kann, wenn man die Wirkung der Reagentien mittels des Mikro- 
skops verfolgt. Es treten nämlich beim Zutritt des Alkohols oder der 
Chromsäure die Nuclei in ihrer charakteristischen Gestalt hervor und 
nehmen später auch am raschesten den Farbstoff auf, während jene 
Kugeln im Nelkenöl gewöhnlich ganz verschwinden. 

Bei besonders blassen Exemplaren, d. h. solchen, wo die Menge 
der stets vorhandenen Körner und Krystalle eine geringere ist, gelingt 
es mit starken Vergrößerungen auch am lebenden Kern ganz gut, über 
dessen Zusammensetzung ins Klare zu kommen. Eine Untersuchung des 
frischen Kernes und die direkte Beobachtung der Einwirkung der Re- 
agentien ist auch unumgänglich nöthig, um das Bild zu verstehen, wel- 
ches das Präparat giebt. 

Man unterscheidet am lebenden Kerne der Amoeba proteus (Fig. 9 a) 
zu äußerst eine sehr feine, aber deutliche Kernmembran; auf -diese 
folgt, nur durch einen ganz unbedeutenden Zwischenraum von ihr ge- 
trennt, eine periphere Lage dicht an einander gedrängter Körnchen, die 
ziemlich starkes Lichtbrechungsvermögen besitzen. Dieser Körnchen- 
kranz — im optischen Schnitte gedacht — ist es, was zuerst in die 


Über Kerntheilungsvorgänge bei einigen Protozoen. 383 


Augen fällt. Der centrale Theil des Kernes wird von einer auch ziem- 
lich stark lichtbrechenden Masse erfüllt, die körnig erscheint, über deren 
feineren Bau und deren Ausdehnung man nicht ganz ins Klare kommen 
kann. So sieht man nicht genau, ob dieselbe den ganzen Raum inner- 
halb der Körnchenlage ausfüllt, oder ob noch ein Saum zwischen ihr 
und dieser frei bleibt, beziehungsweise von einer ihr ungleichen Sub- 
stanz erfüllt wird. 

Wird nun absoluter Alkohol, Ghrom- oder Essigsäure zugesetzt, so 
zieht sich das Kernplasma rasch von der Kernmembran zurück, bei 
Alkoholbehandlung macht es sogar den Eindruck, als würde letztere 
etwas aufgebläht. Dadurch entsteht nach der Tinktion ein ungefärbter 
weiter Hof um die tingirten Bestandtheile des Kernes (Fig. 9). Diese zer- 
fallen ganz deutlich in eine dunkle Rindenschicht, die Körnchenzone des 
frischen Kernes, in einen darauf folgenden schmalen Saum von hellem 
Kernsaft und einer centralen Masse, welche gerade so intensiv gefärbt 
ist, wie die Rindenschicht, und die wir wohl als Nucleolus bezeichnen 
können!. 

Was nun die in Theilung begriffenen Nuclei in Fig. 9 betrifft, so 
sehen wir zunächst einen (links unten), bei dem der Nucleolus in zwei 
Stücke zerfallen ist und eine feine Linie den ganzen Kern im Durch- 
messer halbirt; der Umriss ist noch fast kreisförmig , aber bedeutend 
größer als beim ruhenden Kerne. Ein anderer Nucleus (links oben) ist 
im Äquator eiwas eingeschnürt, die centrale Demarkationslinie ist deut- 
licher und die zwei Hälften des Nucleolus liegen weiter aus einander. 
Dasselbe Verhältnis, nur etwas ausgeprägter, zeigt sich an einem dritten 
etwa in der Mitte gelegenen Kerne, während ein vierter (rechts) in 
zwei Hälften zerlegt ist, die im Äquator ein wenig aus einander 
klafien. 

Der Verlauf der Kerntheilung wird also wohl folgender sein: Zuerst 
zerfällt der Nucleolus in zwei gleich große Theile, welche Anfangs noch 
nahe zusammenstoßen, dann aber weiter aus einander rücken. Zwi- 
schen denselben, also im Äquator des Kerns, tritt eine Linie auf, in 
welcher sich die neue Rindenschicht für die Tochterkerne ablagert. An 
dieser Stelle wird der Zusammenhang locker, an der Peripherie trennen 
sich die Rindenzonen der Tochterkerne bereits, während sie im cen- 
walen Theil noch zusammenhängen um sich schließlich ganz von ein- 
ander loszulösen. Wie man an der durch die Reagentien abgehobenen 


! BürscaLı (Studien etc. Verhandlg. der SEncKEnBERG’schen naturf. Ges. Bd. X) 
zeichnet einen Kern von Amoeba princeps (= proteus), an dem die Essigsäure- 
wirkung, wie es scheint, den Nucleolus nicht hat hervortreten lassen; denn er 
gleicht viel mehr einem Kern im frischen Zustande. 


384 August Gruber, 


Membran bemerkt, ist dieselbe noch nicht in Mitleidenschaft gezogen, 
denn sie ist noch vollkommen rund. Es scheint demnach, als ob sie 
erst sehr spät sich einschnüre und zur Vollendung der Tochterkerne 
führe, gerade so, wie wir das bei Actinosphaerium gesehen haben. . 

Ehe ich zur Vergleichung dieses Theilungsvorganges mit anderen 
schreite, muss ich zunächst eines Einwandes gedenken, den man hier 
machen könnte, wonach es sich nämlich um gar keine Theilung, sondern 
um eine Kernverschmelzung handele. 

Man wird mir zugeben, dass diese Annahme wenig Wahrschein- 
lichkeit für sich hat, denn die Kerne nehmen ja mit dem Wachsthum der 
Amöbe an Zahl beständig zu, während sie, kämen Kernverschmelzungen 
regelmäßig vor, beständig abnehmen müssten. Außerdem müsste man 
immer viele Kerne vorfinden, die das doppelte Volumen der übrigen 
hätten, also die Größe des Nucleus links unten auf Fig. 9. Dies ist nun 
nicht der Fall, und dass eine Vereinigung nur zufällig in seltenen Fällen 
stattfinde, ist wohl auch nicht denkbar. Außerdem wäre das oben an- 
gegebene Verhalten der Kernmembran an den betreffenden Doppel- 
kernen bei Annahme einer sich vollziehenden Vereinigung auch nicht 
denkbar. Sie müsste doch wohl rings den Konturen der Kerne parallel 
laufen. 

Für die Deutung des Vorgangs als eine Theilung sprechen dagegen 
gewichtige Gründe. Erstens der, dass eine Kernvermehrung stattfinden 
muss wegen der stetigen Zunahme der Kerne, und dass man im Voraus 
dabei an Theilung zu denken hat; zweitens in Analogie mit Actinosphae- 
rium und weil eine andere Art der Entstehung eines Nucleus (freie 
Kernbildung) noch nie beobachtet worden ist. 

Die eigenthümlich gestalteten, auf einer Seite etwas abgeflachten 
Nuclei auf der oberen Seite der Amöbe (Fig. 9) mögen wohl als kürzlich 
abgelöste Theilhälften angesehen werden. 

Es scheint hier, wie bei Actinosphaerium, der ganze Theilungsvor- 
gang ungemein rasch vorüberzugehen. Da man, wie bemerkt, immer 
gleich große Kerne antrifft, so wird die Größenzunahme des sich zur 
Theilung anschickenden Nucleus vermuthlich auch eine sehr rasche sein. 
Es wäre dies kein unvermittelt dastehender Fall; denn ich habe bei 
Euglypha alveolata! nachgewiesen, dass der Kern, wenn er sich zur 
Theilung anschickt, an Größe zunimmt. 

Wenn wir versuchen wollen, den geschilderten Vorgang an de 
Kernen der Amoeba proteus mit en bekannten, zu vergleichen, so 
würden wir, die abgelöste Membran nicht beachtend,, einen Augenblick 


1 Diese Zeitschr. Bd. XXXV. 


Über Kerntheilungsvorgänge bei einigen Protozoen. 385 


zweifelhaft sein können, ob hier eine direkte oder eine indirekte Thei- 
lung vorliegt. Die erstere wird von Fremmine (l. c. p. 354) als eine 
»Durchschnürung des Kerns ohne irgend eine bestimmte Metamorphose 
seiner Substanz « definirt und eine solche scheint hier doch stattzufinden. 
Dem ist aber nicht so, denn die Membran bleibt bis zum Schlusse er- 
halten, und wenn auch von karyokinetischen Figuren nichts zu sehen 
ist, so wird doch das Innere nicht ohne Weiteres durchgeschnürt, son- 
dern die beginnende Theilung macht sich zuerst am Nucleolus bemerk- 
bar; denn dieser zerfällt in zwei Stticke, welche aus einander weichen, 
worauf im Äquator eine Trennungslinie auftritt. 


Wir haben hier gewissermaßen eine niedere Form indirekter Thei- 
lung. Bedingt wird dieser Verlauf des Theilungsvorgangs, wie mir 
scheint, wieder durch die Anordnung der chromatischen Substanz im 
Kerne. Dieselbe liegt rings als Rindenschicht an der Peripherie und als 
ein einziger regulärer Klumpen im Centrum des Kerns, und es bedari 
desshalb, um eine gleichmäßige Vertheilung derselben zu bewerkstelli- 
gen, weiter keines komplicirten Processes. Bei Actinosphaerium mussten 
sich die Nucleoli erst in zwei Reihen ordnen, von denen jede an Masse 
der anderen gleich war, bei den karyokinetischen Theilungen thierischer 
und pflanzlicher Zellkerne muss das Fadengerüst in gleichwerthige 
Stücke zerlegt werden, hier aber wird derselbe Zweck einfach dadurch 
erreicht, dass der große einzige Nucleolus in der Mitte zertheilt wird 
und die Theilhälften nach den Polen aus einander rücken. Die Ent- 
stehung der Scheidewand zwischen den Tochterkernen wird man sich 
wohl in ähnlicher Weise zu denken haben wie beim Nucleus des Actino- 
sphaerium. 


Die direkte Theilung wird von STtrAsspuRGEr als das Primäre be- 
zeichnet, als der Ausgangspunkt, aus dem die indirekte sich entwickelt _ 
habe. Dies klingt sehr wahrscheinlich, besonders wenn man Fälle, 
wie den bei Amoeba proteus beschriebenen als Zwischenstadien auf- 
fassen will. 


Die direkte Theilung ist bekanntlich nur sehr selten beobachtet 
worden, sowohl in Pflanzenzellen und zwar vielkernigen, als auch in 
einigen thierischen Zellen. Principiell kann man sich dieselbe überall 
da als möglich denken , wo eine einfache Durchschnürung den Kern in 
zwei gleichwerthige Hälften zerlegen kann, oder wo ein Zerfall des Ker- 
nes in ungleichwerthige Stücke stattfinden darf. 

Was speciell die Protozoen betrifft, so sind vielleicht einige wenige 
Fälle auf direkte Kerntheilung zurückzuführen, doch lässt sich dies mit 
voller Sicherheit nicht angeben. Hierhin gehört die Durchschnürung des 


3836 August Gruber, 


Kernes bei Amoeba polypodia, wie sie von Scuuze 1 beobachtet worden 
ist. Doch verlief der Process sehr rasch und wurde nachher nie wieder 
verfolgt, so dass etwaige Strukturveränderungen am Kerne leicht hätten 
übersehen werden können. 

Ferner sind an vielkernigen Infusorien Kerntheilungen beobachtet 
worden, die vielleicht direkte sind. Ich selbst fand auf meinen zu 
anderen Zwecken gemachten Präparaten eine Oxytrichine, die letzten 
Winter in dem hiesigen kleinen Seewasseraquarium lebte und die ich 
damals nicht näher zu bestimmen suchte. Es erweist sich dieselbe er- 
füllt von einer großen Anzahl kleiner Kerne, welche im Präparat ein 
körniges Innere zeigen. An einem Exemplar fand sich nun einer dersel- 
ben biskuitförmig eingeschnürt, also offenbar in Theilung begriffen, ohne 
dass sich eine Strukturveränderung seiner Substanz nachweisen ließ 
(Fig. 12). 

Diese Beobachtung ist allerdings eine sehr dürftige, viel genauer 
sind die Untersuchungen ZeıLer’s über die Kerntheilung der Opalinen 2. 
Hier schnürt sich der Nucleus ebenfalls biskuitförmig ein, das immer 
dünner werdende Verbindungsstück zieht sich zu einem Faden aus und 
reißt endlich durch. Ausdrücklich erwähnt ZeLLer, dass das Kernkör- 
perchen nicht mit getheilt werde, dass also der eine Tochterkern des Nu- 
cleolus entbehre und erst nachträglich ein solches in ihm auftrete. Er 
sagt von Opalina similis: »Sehr bemerkenswerth ist, dass bei der Thei- 
lung des Kernes das Kernkörperchen sich nicht theilt und überhaupt 
keine, wenigstens keine erkennbaren Veränderungen eingeht.” Es ver- 
bleibt einfach dem einen aus der Theilung hervorgehenden Kerne, in 
dem anderen aber bildet sich ein Kernkörperchen neu, indem dieses als 
ein ganz winziges, eben noch sichtbares Kügelchen entsteht und sich 
nur allmählich vergrößert.« 

Wenn nun dieses Körnchen wirklich der Nucleolus ist, wäre hierin 
ein vollkommener Fall direkter Theilung gegeben, wobei sogar der eine 
Tochterkern dem anderen nicht gleichwerthig wäre, da ihm ein Kern- 
körperchen oder, anders ausgedrückt, ein Theil des Chromatins fehlte. 

Alles, was sonst von Kerntheilung bei Protozoen bekannt geworden, 
muss als indirekte Theilung bezeichnet werden, denn überall ist dabei 
ein Streifigwerden der Kernsubstanz beobachtet worden. 

Es bleibt aber in der genaueren Erforschung aller dieser Vorgänge 
noch viel zu thun übrig, und es wird mein Bestreben sein, mit der Zeit 
neue Beiträge hierzu liefern zu können. 

Um zur Amoeba proteus zurückzukehren, so mag es uns Wunder 


1 Archiv für mikr. Anat. Bd. XI. 
2 Diese Zeitschr. Bd. XXIX. 


Über Kerntheilungsvorgänge bei einigen Protozoen. 387 


nehmen, dass bei dem einfachen Bau ihrer Kerne dieselben sich nicht 
durch bloße Einschnürung vermehren. Ich glaube aber, dass einer sol- 
chen Vermehrungsweise mechanische Schwierigkeiten in den Weg treten: 
Die Kerntheilung erfolgt nämlich, wie wir an der Fig. 9 sehen, nicht 
während eines Ruhezustandes, sondern während der Bewegung der 
Amöbe. Dabei ist aber das gesammte Protoplasma und mit ihm die Kerne 
in einem oft reißenden Strömen begriffen. Es wäre also an einen direk- 
ten Einfluss des Plasmas auf den Kern — wenn man einen solchen als 
die Ursache der Einschnürung annehmen will — nicht zu denken. 

Nähme der sich theilende Kern die Hantelform an, so könnte in 
dem Wirbel von Körnern, Krystallen, Nahrungsballen etc. leicht eine 
Zerreißung erfolgen. Bei der oben geschilderten Art der Abspaltung 
aber behält der Kern bis zuletzt seine runde Gestalt und wird desshalb 
unbeschädigt in der Strömung umherrollen können. 

Wie bei Actinosphaerium, so sehen wir auch bei Amoeba proteus die 
Theilung nicht an allen Kernen zugleich erfolgen, im beschriebenen 
Fall sind es sogar nur vier unter mehr als zwanzig, die in Vermehrung 
begriffen sind, und wir werden demnach von einem gleichmäßig auf alle 
Kerne wirkenden Einfluss des Protoplasmas nichts gewahr. 

Ich möchte hier erwähnen, dass ein solcher Fall vereinzelter Thei- 
lung von Kernen in einem multinucleären Protozoon auch schon früher 
beschrieben und abgebildet worden, aber, wie mir scheint, in Ver- 
gessenheit gerathen ist. Bei Opalina zeichnet nämlich ZELLER (a. a. O.) 
unter der Menge von Kernen erwachsener und den immerhin schon 
zahlreichen heranwachsender Infusorien einige im Stadium der Biskuit- 
form, also in Vermehrung begriffen, während die übrigen die runde 
Gestalt besitzen, also in Ruhe sind. 

Es seien mir hier auch noch einige Bemerkungen gestattet über die 
Beziehung des Volums der Kerne zu ihrer Zahl. BürscaLı! hat bei 
Amoeba princeps, die mit A. proteus identisch ist, Berechnungen dar- 
über angestellt, welche ihm anzudeuten schienen, dass das gesammte 
Kernvolum sich entsprechend der Abnahme der Kerne etwas vergrößere. 
Dabei lagen ihm Übergänge vor von kleinen Individuen mit einem 
großen zu bedeutend umfangreicheren mit viel kleineren Kernen. Da- 
bei giebt er an, dass sein Fundort ihm Anfangs nur viel- und klein- 
kernige, später eine größere Zahl wenig- und großkerniger Amöben ge- 
liefert habe. 

Mir selbst ist es leider nicht gelungen, Individuen von der letztge- 
nannten Kategorie aufzufinden ; bei allen Exemplaren, die ich unter- 


1 Studien etc. Abhandl. der SENCKENBERG’'Schen naturf. Gesellsch. Bd. X. Sepa- 
ratabdruck p. 165. 


388 August Gruber, 


suchte, waren die Kerne gleich groß, einerlei ob sie in geringer Anzahl 
in einer kleinen Amöbe lagen, oder zu Hunderten ein großes Thier er- 
füllten (Fig. 10). Dabei war die relative Zahl der Nuclei eine sehr wech- 
selnde und es ließ sich schon ohne weitere Messung durch den bloßen 
Augenschein konstatiren, dass das Volumverhältnis von der Kern- zur 
Zellsubstanz ein sehr verschiedenes sein kann. Zur Erläuterung dieser 
Bemerkung habe ich die Fig. 11 beigegeben, in welcher eine Amöbe ab- 
gebildet ist, die mit Nuclei förmlich gestopft erscheint, so dass bei ihr 
das Plasma des Kerns das Zellplasma an Volum wohl übertreffen mag, 
während bei anderen, so z. B. der in Fig. 9 dargestellten, das umge- 
kehrte Verhältnis sich findet. Dieselbe Beobachtung lässt sich auch bei 
Actinosphaerium machen, wie z. B. ein Vergleich der Figuren 4 und 8 
ergiebt. 

Es sind dies Thatsachen, die unser Interesse und sogar unsere Ver- 
wunderung erregen, für die wir aber bis jetzt noch keine befriedigende 
Erklärung zu geben im Stande sind. 


Beobachtungen an Amoeba sp. 


Im Anschluss an die geschilderten Kerntheilungsvorgänge der 
Amoeba proteus muss ich noch einige Beobachtungen erwähnen, die 
ich an einer kleinen Amöbe gemacht, welche neben jener in demselben 
Aquarium lebte und die ich nicht näher bestimmen konnte. 

Es fand sich auf den meisten Präparaten immer eine mehr oder 
weniger große Anzahl dieser kleinen Rhizopoden, bei denen der Kern 
immer äußerst deutlich gefärbt war. Für gewöhnlich zeigte der Nucleus 
den normalen Bau, nämlich eine deutliche Kernmembran und von die- 
ser ringsum abgehoben und durch einen hellen Zwischenraum getrennt 
das CGhromatin des Kerns, einen einzigen Nucleolus darstellend. Auf 
zwei Präparaten aber und besonders auf einem von diesen enthielten 
sehr viele, ja sogar die meisten Amöben einen ganz anders gestalteten 
Kern. Ich habe auf den Figuren 13—20 einige von diesen Individuen 
abgebildet und man bemerkt, dass einmal in den Nuclei der Nucleolus 
in zwei gleiche (Fig. 13) oder ungleiche (Fig. 14) Stücke zerfallen sein 
Xann, während sich sonst am Kerne keine Veränderung zeigt. Ferner 
kann sich zwischen die Bruchstücke der Nucleoli eine feine Scheidewand 
einschieben, so dass der ganze Kern in zwei Abschnitte zerfällt (Fig. 45), 
die sich schließlich auch an der Membran darstellen können (Fig. 17). 

Zieht man die Beobachtungen an Amoeba proteus in Betracht, so 
wird man wohl mit Recht versucht sein, auch hier einen Kerntheilungs- 
vorgang zu vermuthen, der etwa folgendermaßen verliefe: Zuerst 
schnürt sich der Nucleus in zwei Theile ab, diese rücken nach den Polen 


Über Kerntheilungsvorgänge bei einigen Protozoen. 389 


hin aus einander, im Äquator bildet sich eine Scheidewand, die Mem- 
bran der Tochterkerne; es erfolgt eine Abschnürung und die beiden 
Stücke, jedes mit seinem Antheil an Chromatin, trennen sich von ein- 
ander ab. 

Auffallend bleibt dabei aber, dass in den meisten Fällen die beiden 
Theile des Nucleolus ungleich groß sind, wobei das eine halbmondför- 
mig gebogen, das andere mehr abgerundet ist (Fig. 15). Es kommen 
wohl auch Fälle vor, wo ein Zerfall des Kernkörperchens in zwei gleiche 
Hälften erfolgt (Fig. 13) und wo auch die späteren Stadien der Abspal- 
tung symmetrische Gestalt besitzen, aber die Regel ist dies nicht. 

Solche Bilder mögen den Gedanken nahe legen, als sei die ganze 
Erscheinung nur eine durch die Einwirkung der Reagentien künstlich 
hervorgerufene, doch ist dies an und für sich nicht wahrscheinlich und 
wird auch dadurch widerlegt, dass auf demselben Präparate neben 
Amöben mit gespaltenem solche mit völlig normal gebildetem Kerne zu 
finden sind, welche doch beide unter denselben Bedingungen gestanden 
haben. 

Dass eine Trennung der Kernstücke erfolgt, das beweisen solche 
Exemplare der Amöbe, in welchen zwei Kerne liegen, und zwar ent- 
weder zwei gleich große oder solche, von denen der eine den anderen 
an Umfang übertrifft, also entsprechend dem Verhalten des getheilten 
Kernkörperchens (Fig. 16 und 18). Außerdem findet man Amöben, die 
einen großen normalen und andere, die einen verhältnismäßig sehr klei- 
nen Nucleus besitzen (Fig. 19 und 20). 

Aus dem Allen kann man also entnehmen, dass auf die Kernthei- 
lung die Theilung der Amöbe folgt, und zwar wird wahrscheinlich bei 
einem Zerfall des Kerns in ungleiche Stücke auch das Protoplasma nicht 
in gleiche Hälften getheilt. 

Stellt man dieser Beobachtung, wie bei Amoeba proteus, die oben 
erwähnte Mittheilung F. E. Scuuzze’s über Amoeba polypodia entgegen, 
so würde sich dadurch abermals ergeben, dass bei Amöben zweierlei 
Formen von Kerntheilung vorkommen können, eine mehr direkte durch 
uhrglasförmige Einschnürung des Kernes und eine als indirekt zu be- 
zeichnende, wo die Theilung zuerst am Kernkörperchen sich kund giebt, 
und erst darauf hin eine Abspaltung der Kernhälften erfolgt. 


Freiburg i/B., im December 1882. 


390 August Gruber, 


Erklärung der Abbildungen. 


Tafel XIX, 


Fig. 1. Ein Actinosphaerium Eichhornii nach Behandlung mit Chromsäure und 
Tinktion mit Pikrokarmin in Kanadabalsam eingeschlossen (HArTnAck Ocular 3, Ob- 
jektiv 6 m. Camera lucida). Mark- und Rindenschicht sind nicht mehr scharf ge- 
trennt; im Inneren sieht man zwei halbverdaute Nahrungsballen in großen Vacuo- 
len liegen. Von den 33 Kernen sind 42 in Theilung begriffen. Die meisten davon 
sind in Fig. 4 genauer dargestellt. 

Fig. 2. Ein Stück eines Actinosphaeriums als Präparat; neben den normalen 
Kernen mit mehreren Kernkörperchen sieht man eine Menge kleinerer mit einem 
großen central gelegenen Nucleolus (Tochterkerne, vgl. Fig. 5). Das Protoplasma- 
netz des Thieres ist nur an der Peripherie angedeutet. 

Fig. 3. Ein Stück eines anderen Exemplares, auf welchem die Übergänge der 
kleinen mononucleolären in die großen polynucleolären Kerne zu sehen sind (vgl. 
Fig. 5). Sowohl Fig. 2 wie Fig. 3 sind mit der Camera lucida entworfen. 

Fig. 4 zeigt die in Theilung begriffenen Kerne der Figur 4 bei stärkerer Ver- 
größerung (HArTNAcK Oc. 3, Obj. 9). 

a, die Kernkörperchen beginnen sich in zwei Reihen zu ordnen; 

b, dieselben haben dies erreicht ; 

c, sie verschmelzen mit einander und bilden dann zwei homogene Bänder; 

d, e, das Chromatin des Kernes hat sehr abgenommen und ist wahrschein- 
lich mit in die Bänder eingegangen; dieselben rücken aus einander, 
feine Körnchen zwischen sich einschließend. Der übrige helle Theil 
des Kernes ist strukturlos; 

f, die Bänder sind noch weiter aus einander gerückt und die Körnchen 
zwischen ihnen erscheinen in Streifen angeordnet. Im Äquator bemerkt 
man eine feine Linie; dieselbe ist in 

g viel stärker und erweist sich als aus Körnchen zusammengesetzt; 

h, hier sind die beiden Chromatinmassen mehr halbmondförmig gestaltet; 
die Äquatoriallinie (Zellplatte) ist zu erkennen; 

i, ein Kern, in welchem nur ein Chromatinstreifen liegt, der von zwei 
blassen streifigen Säumen begrenzt wird. 

Fig. 5. Kerne, welche dem auf Fig. 3 dargestellten Exemplar entnommen sind 
bei derselben Vergrößerung wie in der vorigen Figur. 

a, der mononucleoläre Zustand ; das Chromatin liegt alles im Centrum zu- 
Sammengedrängt und wird durch einen blassen Hof von der Kern- 
membran getrennt; 

b, die centrale Masse hat an Ausdehnung gewonnen und beginnt körnig 
zu werden; 

c, einige dieser Körner treten deutlicher hervor und 

d, werden zu den Kernkörperchen, während die übrige Masse sich gleich- 
mäßig im wachsenden Kerne vertheilt (e). 

Fig. 6. Ein normaler, ruhender Kern von einem anderen Exemplar mit großen 
Kernkörperchen und fein granulirtem heller gefärbtem Kernplasma. 

Fig. 7. Ein Actinosphaerium, welches eben im Begriff steht einen Splitter mit 
zwei Kernen in sich aufzunehmen. An der Stelle, wo die Verschmelzung erfolgt, ist 


Über Kerntheilungsvorgänge bei einigen Protozoen. 391 


die Grenze zwischen Rinde und Mark verwischt (nach einem Dauerpräparat ge- 
zeichnet). 

Fig. 8. Ein Actinosphaerium im Umriss dargestellt; dasselbe enthält eine relativ 
sehr große Anzahl von Kernen (Dauerpräparat). 

Fig. 9. Eine Amoeba proteus (princeps) mit absolutem Alkohol getödtet, mit 
Pikrokarmin gefärbt und in Kanadabalsam eingeschlossen (HArTNAckK Oc. 3, Obj. 9; 
Camera lucida). Es sind nicht alle Kerne eingetragen, 3—4 sind der Klarheit hal- 
ber weggelassen. Man kann an denselben eine dunkel gefärbte Rindenschicht, eine 
eben solche centrale Masse (Nucleolus) und zwischen beiden eine hellere Zone 
unterscheiden. Die Kernmembran hat sich bei der Präparation von dem durch den 
Alkohol kontrahirten Kern zurückgezogen, so dass ein heller Hof um jeden Nucleus 
sichtbar wird. Vier von den Kernen sind in Theilung begriffen, welche bei dem auf 
der rechten Seite der Figur am weitesten vorgeschritten ist. Außer den Kernen be- 
merkt man in der Amöbe noch einige Vacuolen und verhältnismäßig sehr wenige 
Krystalle (rechts). 

Fig. 9a. Zwei ruhende Kerne von Amoeba proteus. Links ein solcher im fri- 
schen Thiere mit den feinen Körnchen der Rindenschicht, innerhalb welcher man 
nichts genauer erkennen kann; rechts ein Kern aus einem zerdrückten Exemplar, 
also nach Wassereinwirkung; die Rindenzone ist etwas deutlicher geworden, haupt- 
sächlich aber hebt sich die centrale Partie als Nucleolus klar hervor. 

Fig. 40. Eine kleine Amoeba proteus mit acht von der gewöhnlichen Größe 
nicht abweichenden Kernen. 

Fig. 14. Eine A. proteus mit einer ungewöhnlich großen Anzahl von Kernen. 

Fig. 12. Ein Stück einer unbestimmten vielkernigen Oxytrichine (Präparat); 
einige der Kerne sind langgestreckt und einer biskuitförmig eingeschnürt. 

Fig. 13—20. Kerntheilung bei einer kleinen, nicht näher bestimmbaren Amöbe 
(Präparate: Alkohol, Pikrokarmin, Kanadabalsam). Lauter verschiedene Exemplare. 

Fig. 43. Der Nucleolus ist in zwei gleich große Stücke zerfallen. 

Fig. 14. Ein in zwei ungleiche Abschnitte zerfallenes Kernkörperchen. 

Fig. 15. Zwischen den zwei Theilstücken ist eine äquatoriale Scheidewand zu 
bemerken. 

Fig. 16. Eine Amöbe mit zwei gleich großen Kernen. 

Fig. 17. Eine solche, wo der Kern in zwei kongruente Stücke zu zerfallen scheint. 

Fig. 48. Ein Exemplar mit zwei ungleichen Kernen. 

Fig. 49. Eine Amöbe mit normalen und 

Fig. 20 eine solche mit relativ sehr kleinem Kerne. 


Beiträge zur Kenntnis der Entwicklung der Gastropoden. 


Von 


Dr. Friedrich Blochmann, 
Assistent am zoologischen Institut zu Heidelberg. 


Mit Tafel XX und XXI und 1 Holzschnitt. 


I. Zur Entwicklung von Aplysia limacina L. 


Die vorliegende Untersuchung wurde in der zoologischen Station zu 
Neapel gemacht, und halte ich es zunächst für meine Pflicht, dem Groß- 
herzoglich Badischen Ministerium der Justiz, des Kultus und Unterrichts 
sowohl für die Erlaubnis zur Benutzung des badischen Arbeitsplatzes in 
der zoologischen Station, als auch für die Gewährung eines Reisestipen- 
diums meinen Dank auszusprechen. Während meines Aufenthaltes in 
Neapel beschäftigte ich mich vorwiegend mit der Entwicklung der 
Opisthobranchier, und zwar gaben die Eier von Aplysia limacina L.! 
das Hauptobjekt für die Untersuchung ab, denn ihre Laiche sind leicht 
zu beschaffen, und die Eier sind gut zu präpariren; ferner hatte ich ein 
specielles Interesse daran, die Furchung von Aplysia kennen zu lernen, 
denn nach den wenigen Abbildungen, die wir von Furchungsstadien 
dieser Schnecke bisher hatten, schien die Regelmäßigkeit der Furchung 
nicht so groß zu sein, wie bei anderen Gastropoden. Leider konnte ich 
die Entwicklung unseres Thieres nicht so gründlich studiren, wie ich es 
gewünscht hätte, da es gegen Ende meines Aufenthaltes wegen des herr- 
schenden stürmischen Wetters nicht möglich war, die Thiere oder deren 
Laiche in genügender Menge zu beschaffen, und da die längere Zeit in 


1 Wegen des Namens verweise ich auf eine demnächst erscheinende Abhand- 
lung über die Systematik der Aplysien von Neapel. Aplysia limacina L. = A.fasciata 
Gmel., Camelus Cuv. 


Beiträge zur Kenntnis der Entwicklung der Gastropoden. 393 


den Aquarien gehaltenen Thiere nur sehr unregelmäßig legten. Über- 
haupt scheint mit dem Eintritt des Herbstes die Laichperiode der Aply- 
sia zu Ende zu gehen. Ich gebe darum hier nur meine Beobachtungen 
über die früheren Entwicklungsstadien, da diese vollständig lückenlos 
sind, während die Beobachtungen, die mir über spätere Stadien zu Ge- 
bote stehen, zu wenig vollständig sind, um eine einigermaßen zusammen- 
hängende Darstellung zu ermöglichen. 


Über die Methoden der Untersuchung brauche ich wenig zu sagen. 
Die Eier sind so undurchsichtig, dass sich’ohne Präparation Nichts er- 
reichen lässt. Die Entwicklung geht so langsam von statten, dass es 
mehr als genügend war, wenn immer von zwei zu zwei Stunden eine 
Quantität Eier konservirt wurde. Dies geschah durch Einlegen in Pikrin- 
schwefelsäure, darauf wurden die Eier gefärbt und in Kanadabalsam 
oder Dammarlack eingeschlossen. Von späteren Stadien habe ich trotz der 
Kleinheit des Objektes Schnitte angefertigt, und so die Beobachtungen am 
ganzen Embryo kontrollirt. 


Über die Entwicklung von Aplysia besitzen wir außer einigen älte- 
ren Notizen von Sars 1 und van BENEDEN ? nur eine ausführlichere Arbeit 
von Ray LAnkESTErR®. Er hat seine Untersuchungen ebenfalls in Neapel 
gemacht, und es ist der Vergleichung wegen nöthig, eine Feststellung der 
untersuchten Arten zu versuchen, da Ray LAnkEsTEr keine zuverlässigen 
Angaben über die von ihm benutzten Arten macht, sondern nur den 
Laich derselben genauer beschreibt. Nun ist es nicht schwer, das erste 
von ihm untersuchte Thier wieder zu erkennen, denn wenn seine An- 
gabe, dass es die größte im Golf vorkommende Aplysia sei, richtig ist, 
so ist es Aplysia limacina L. Damit stimmt auch Alles, was er über 
den Bau der Eierschnur sagt, gut überein, eben so die Farbe der Eier, 
worüber ich übrigens unten noch Einiges bemerken muss. Er selbst hält 
diese größte Art irrigerweise für Aplysia depilans L. 


Schwieriger ist es die zweite von Ray LAnkEsTER untersuchte Art 
wieder zu erkennen. Ich kann mir keine ganz sichere Ansicht darüber 
bilden, was es sein möge. Außer Aplysia limacina L. findet sich in 
Neapel noch eben so häufig Aplysia depilans L., die kleiner ist als die 
erste und meist auch ganz hellbraun gefärbt. (Es ist dies die von 


1 Sars, Sur le developpement des Mollusques et des Zoophytes. WIEGMANN’S 
Archiv f. Naturgesch. 4840 und 4845. 


2 vAN BENEDEN, Recherches sur le developpement des Aplysies. Ann. d. sc. nat. 
Yme ser. t. 15. 4844, 


3 Ray LANkESTER, Contributions to the developmental history of the Mollusca. 
Phil. trans. 4875. 


394 Friedrich Blochmann, 


BonApsca ! untersuchte Art, welcher DELLE-CuraJE den Namen A. leporina 
gab, wegen der Ähnlichkeit ihrer Färbung mit der des Hasen.) Außer- 
dem findet sich noch eine dritte Art, A. punctata Cuv., jedoch etwas 
seltener. 

Der A. depilans gehören die von Ray LAnkEster in zweiter Reihe 
untersuchten Eier sicher nicht an, denn ich habe die wichtigsten Ent- 
wicklungsstadien auch dieser Art untersucht und konnte nicht irgend 
eine Abweichung von den bei Aplysia limacina beobachteten Vorgängen 
finden, während ja die Entwicklung der beiden von Ray LANKESTER 
untersuchten Arten ziemlich bedeutende Differenzen zeigt. Es bleibt 
also nur die dritte Art, A. punctata Cuv. übrig, wozu auch die An- 
gabe passt, dass das Thier viel kleiner als die erstgenannte Art sei: 
Ray LAnkEster nennt das fragliche Thier Pleurobranchidium (Aplysia 
minor) und hält Pleurobranchidium für ein Subgenus von Aplysia. 
Dies ist aber nicht der Fall, sondern Pleurobranchidium Blv. ist gleich 
Pleurobranchaea Meck. Und die Eier von Pleurobranchaea sind mit 
denen von Aplysia gar nicht zu vergleichen. Der Laich z. B. von Pl. 
Meckelii Guv. ist ein I—1,5 cm breites Gallertband, in welchem die 
Eikapseln in einer flachen Spirallinie angeordnet sind. Jede Kapsel ent- 
hält ungefähr acht Eier. 

Es mag hier noch gestattet sein, einige Worte über den Laich von 
Aplysia limacina und depilans zu sagen. Die Thiere befestigen ihren 
Laich an den Glaswänden des Aquariums und zwar setzt A. depilans die 
Eischnur dicht aufgeknäuelt ab, während A. limacina sie in lockeren 
Schlingen anklebt. Die Laiche der ersteren sehen meist weiß aus, 
manchmal sind sie leicht gelblich, seltener bräunlich gefärbt, dagegen 
sind die Laiche der letzteren gewöhnlich sehr intensiv dottergelb, bis- 
weilen auch braun oder rothbraun gefärbt (Fig. 1I—4). Ich habe meh- 
rere Male beobachtet, dass dasselbe Thier zuerst gelbe, dann braune 
Eier absetzt. Ähnliches hat auch wohl schon Sınper Rang beobachtet 
(Monogr. pl. VII, fig. 3). Er giebt (p. 28) fälschlich an, dass der die Kokons 
umhüllende Schleim gefärbt sei. Dies ist jedoch nicht der Fall; der 
Schleim ist immer farblos und die Farbe der Eischnur wird immer 
durch diejenige der Eier bedingt. Auch Herr Scaurcın hat im letzten 
Sommer in Villafranca dasselbe beobachtet. Ein weiterer wesentlicher 
Unterschied in den Laichen der beiden Arten besteht noch darin, dass 
bei A. depilans der die Eikapseln zusammenhaltende Schleim außer- 
ordentlich viel zäher ist als bei der größeren Art. Bei dieser lassen sich 
die Eier mit größter Leichtigkeit durch Zerzupfen der Eischnur isoliren, 


1 BosAdscH, De quibusdam animalibus marinis liber. Dresdae 1764, 


Beiträge zur Kenntnis der Entwicklung der Gastropoden. 395 


was bei der ersteren nicht geht. Ferner enthält bei A. limacina jeder 
Kokon ungefähr 40—50 Eier, bei A. depilans nur 10—20. 


Interessant ist, dass die aus den braunen Eiern sich entwickelnden 
Embryonen bei beiden untersuchten Arten die zwei Gruppen von rothen 
Körnchen haben, die RayLankesTter auch bei seinem sogenannten Pleuro- 
branchidium beobachtet hat. Sie liegen, wie aus seinen Abbildungen 
zu ersehen ist, hinter dem Velum zu beiden Seiten des Embryo und 
sind in eine zarte Hülle eingeschlossen. Ich habe sie häufig beobachtet, 
ohne etwas über ihre Bedeutung ermitteln zu können. Durch Alkohol 
wird der Farbstoff entfernt. 


Hier will ich noch eine Notiz über die Zahl der von Aplysia limacina 
auf einmal abgelegten Eier beifügen : in jedem Millimeter der Eischnur 
sind ungefähr sechs Kokons mit rund je 50 Eiern, also zusammen 300 
Eier enthalten. Bei einer ungefähren Länge der Eischnur von 1—1,5 m 
ergiebt sich also als Gesammtzahl die Summe von 300 000—450 000 
Eiern. 


An den frisch abgelegten Eiern hat die Garyolyse schon begonnen, 
und wir finden bald zwei Richtungskörper am animalen Pol (Fig. 1). 
Darauf zerfällt das Ei durch eine Meridionalfurche in eine größere und 
eine kleinere Kugel, von welcher die letztere nur sehr wenig Protolecith 
an der Seite des vegetativen Poles enthält (Fig. 2). Jetzt theilt sich zu- 
erst die kleine und dann die große Kugel durch Meridionalfurchen in 
zwei jedes Mal unter sich gleiche Zellen (Fig. 3 und #). 


Die jetzt am animalen Pol beginnende Abschnürung der Ektoderm- 
zellen geht fast genau in derselben Weise vor sich, wie ich sie für Neri- 
tina fluviatilis Müll. geschildert habe!. Das auf den ersten Anblick 
etwas unregelmäßige Aussehen der Furchungsstadien wird nur durch 
die ungleiche Größe der vier Zellen a, b, c,d bedingt. Es entstehen also 
zuerst vier Ektodermzellen, die sich im Uhrzeigersinn verschieben 
%,b1,Cı,dı Fig.5 u.f., dann vier weitere, die sich im entgegengesetzten 
Sinne verschieben, as, b,, Ca, da Fig.6 u.f. Von diesen letzten theilt sich 
jede in zwei (Fig. 8 u. f. a5, b’a,c’a, d’a). Zu gleicher Zeit giebt jede der 
vier ursprünglichen Zellen a, b, c, deine weitere Ektodermzelle as, ba, C;, dz 
ab (Fig. 8, 9 u.f.). Dabei ist eine kleine Unregelmäßigkeit zu beachten, 
nämlich dass c, tiefer liegen bleibt als die übrigen Ektodermzellen 
(Fig. 9). Eine Vergleichung von Fig. 11, wo diese vier Generationen der 
Ektodermzellen dargestellt sind, mit der entsprechenden von Neritina 
(l. c. Fig. 48) ergiebt eine fast vollständige Identität. 


1 F, BLocHMAnN, Über die Entwicklung von Neritina fluviatilis Müll. Diese Zeit- 
schrift. Bd. XXXVI. 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVIII. Bad. 97 


396 Friedrich Blochmann, 


Jetzt müssen wir zunächst die am vegetativen Pol auftretenden 
Veränderungen ins Auge fassen. In Fig. 42 ist ein Ei vom vegetativen 
Pol gezeichnet, bei welchem sich das Ektoderm auf der in Fig. 44 dar- 
gestellten Stufe der Entwicklung befindet. In Fig. 43 ist von c’, eine 
kleine Zelle c, entstanden, die Zellen c, und d, sind in Theilung. Das 
Resultat der Theilung zeigt Fig. 14, außerdem hat sich noch von c eine 
kleine Zelle abgeschnürt, die sich zwischen a, b und c legt. In Fig. 45 
ist eben eine solche Zelle von c, entstanden, und d befindet sich in 
Theilung. Fig. 16 zeigt uns das in der vorigen Figur vom vegetativen ' 
Pol dargestellte Stadium vom animalen. Es sind um die noch central 
liegenden vier ersten Ektodermzellen weitere acht entstanden, von denen 
die vier zwischen a,, dı, Cı, dı liegenden mit den Zellen a/,, b', cı', di 
bei Neritina homolog sind (l. c. Fig. 115 u.f.). Den Ursprung der ande- 
ren kann ich nicht sicher angeben. 

Von jetzt ab nehmen die Theilungen der Ektodermzellen einen un- 
regelmäßigeren Verlauf, die Zellen selbst werden flacher und die Zell- 
grenzen undeutlicher. Das Ektoderm umwächst auf diese Weise die 
großen Zellen a und 5 vollständig. Ehe wir jedoch diesen Vorgang wei- 
ter verfolgen, müssen wir noch einige Theilungen der Zellen a, b, c, d 
näher ins Auge fassen. In Fig. 49 haben sich die Zellen c und d in je 
zwei c getheilt und a und 5 befinden sich in Theilung. Das Resultat 
sehen wir in Fig. 20, wo von a und b die Zellen «a, und 5, entstanden. 
Zu gleicher Zeit haben die zwei aus c entstandenen Zellen noch je einer 
kleinen Zelle den Ursprung gegeben, wovon die eine auf dem optischen 
Schnitt in Fig. 21 zu sehen ist. Während dieser Zeit hat sich das Ekto- 
derm so weit ausgebreitet, dass es schon auf die untere Seite von a und 
b übergreift. Auf diesem Stadium nun bilden die großen an Nahrungs- 
dotter reichen Zellen «a und b zusammen mit a, und b, und allen aus c 
und d hervorgegangenen Zellen die Anlage des Entoderms und zwar 
geben «a, db, und die von c und d entstandenen Zellen dem kleinzelligen 
Theil des Entoderms den Ursprung, den wir auch bei anderen Gastro- 
poden schon kennen. 

Wir können also nach den geschilderten Vorgängen behaupten, 
dass die Furchung bei Aplysia im Wesentlichen sich genau an den bei 
anderen Gastropoden bekannten Modus der Furchung anschließt, wie er 
von Ras! neuerdings ausführlicher dargestellt wurde. Rası bildet in 
dieser Arbeit einige Furchungsstadien eines anderen Tectibranchiers 
von Acera bullata ab, die vollständig mit den bei Aplysia beobachteten 
übereinstimmen. Seine Fig. 8 und 9, Taf. XXXVII, stellen die Ent- 


1 C. RasL, Über die Entwicklung der Tellerschnecke. Morphol. Jahrb. Bd. V. 


Beiträge zur Kenntnis der Entwicklung der Gastropoden. 397 


stehung der c, und d, Fig. 6 dar, während seine Fig. 10 meiner Fig. 6 
und 7, seine Fig. 41 meiner Fig. 11 und 12 ganz genau entsprechen. 
Ein Unterschied ist allerdings vorhanden; es finden sich nämlich hier 
am Ende der Furchung nicht jene zwei großen, sonst in vielen Fällen 
aufgefundenen Zellen, welche dem Mesoderm den Ursprung geben. Ich 
habe trotz der sorgfältigsten Nachforschungen keine Zellen auffinden 
können, die dafür zu halten wären. Die ersten deutlichen Spuren vom 
Mesoderm fand ich auf dem in Fig. 33 dargestellten Stadium. Auf kei- 
nem Stadium jedoch habe ich die sonst so leicht zu sehenden Mesoderm- 
streifen beobachten können. Über die Entstehung des mittleren Blattes 
kann ich auch keine direkten Angaben machen; es schien mir oft, dass 
die ersten Zellen, die zwischen Ektoderm und Entoderm eingeschaltet 
sind, rechts und links von der Ösophaguseinstülpung liegen. Deutlich 
zu beobachten ist das Mesoderm erst mit der beginnenden Entwicklung 
des Fußes. 

An dieser Stelle möchte ich noch einige Worte über Fig. 18 sagen. 
Sie stellt uns ein Ei von Aplysia dar, welches sich vollständig regel- 
mäßig gefurcht hat. Das Ei fand sich in demselben Präparat mit ande- 
ren, bei welchen die Furchung nach der oben geschilderten Weise ver- 
laufen war. Ray Lankester hat schon bemerkt, dass man bei Aplysia 
häufig auf abnorm entwickelte Eier und Embryonen stößt und ich kann 
seine Beobachtungen bestätigen. 

Dass jedoch bei Aplysia, wo eine weniger regelmäßige Furchung 
die normale Erscheinung ist, eine Abnormität gerade durch Zurück- 
schlagen in den regulären Typus sich kundgiebt, darf vielleicht als ein 
neuer Beweis dafür in Anspruch genommen werden, dass eben die 
reguläre Furchung das Ursprüngliche war, und dass die jetzt sich fin- 
denden Unregelmäßigkeiten auf Rechnung der größeren oder geringeren 
Menge des Nahrungsdotters zu setzen sind. 

Ray Lankgster hat über die Furchung keine genauere Beobachtun- 
gen gemacht; nur das eine, glaube ich, ist zu bemerken. Es scheint 
nämlich, dass er das von ihm in Fig. 4 dargestellte Stadium ganz falsch 
aufgefasst hat. Nach der Art nämlich, wie er das Richtungsbläschen 
zeichnet, muss ich glauben, dass er annahm, die zwei großen Zellen 
fänden sich am vegetativen Pol, während der animale von vier kleineren 
Zellen ohne Nahrungsdotter eingenommen würde. Für diese Auffassung 
spricht auch die Bemerkung, die er zu seiner Figur macht: »The yellow 
yelk divides no further.« 

In Fig. 22 habe ich ein Stadium abgebildet, auf welchem die Um- 
wachsung der großen Zellen durch das Ektoderm so weit fortgeschritten 
ist, dass nur noch ein verhältnismäßig schmaler, spaltförmiger Raum 

37% 


398 Friedrich Blochmann, 


frei geblieben ist, welcher sich schräg über die Grenzlinie der großen 
Zellen a und b erstreckt und hinten ganz allmählich im Ektoderm ver- 
läuft. Es ist dies der Blastoporus, dessen auf den ersten Blick etwas 
unverständliche Lage, oder besser gesagt Richtung, sofort klar wird, 
wenn wir seine Lage zu den vier ursprünglichen Zellen a, 5, c, d näher 
betrachten und mit dem vergleichen, was wir von anderen Gastropoden 
wissen, bei denen diese Zellen gleich groß sind. Dazu mögen die unten- 
stehenden Schemata dienen. 


Wir wissen, dass bei anderen Gastropoden, z. B. Planorbis und 
anderen, der Blastoporus in die Richtung der Längsachse des Embryo fällt, 
und dass er zu den vier ursprünglichen Zellen die in Fig. # dargestellte 
Lage hat. Durch Verglei- 
chung des zweiten Holz- 
schnittes, der die Lage des 
Blastoporus zu den vier 
ursprünglichen Zellen bei 
Aplysia darstellt, mit dem 
ersten ergiebt sich sofort, 
dass in beiden Fällen der 
Verlauf ein ganz identi- 
scher ist. Eine weitere Bestätigung dieser Ansicht giebt Fig. 27, wo 
wir sehen, dass, wie durch die Lage des Velums bewiesen wird, die 
Zelle « wirklich das Kopfende des Embryo einnimmt. 


Auf einen weiteren Umstand von Wichtigkeit ist bei Fig. 22 noch 
aufmerksam zu machen. Am Hinterende des Blastoporus bemerkt man 
zwei kleine Ektodermzellen a, z, die sich etwas über das Niveau der 
umgebenden Zellen erheben und durch die helle Beschaffenheit ihres 
Protoplasmas auffallen. Diese Zellen, für die ich den Namen »Anal- 
zellen « (»cellules anales«, For, Pteropoden und Heteropoden) vorschlagen 
möchte, können wir von jetzt ab immer auffinden, sie nehmen an Größe 


! Hier will ich noch erwähnen, dass Rısı ganz mit Unrecht For eine Verwechs- 
lung zuschiebt, einfach desswegen, weil die Beobachtungen For’s ihm nicht ganz 
. zu seinen Spekulationen passen. Er nimmt nämlich an, dass For sich getäuscht 
habe, wenn er angiebt (For, Pteropoden, p. 444), dass eine der großen, reichlich 
Nahrungsdotter enthaltenden Zellen künftig das Vorderende des Embryo einnehme. 
Nun ergiebt eine Vergleichung meiner Befunde bei Aplysia mit der Fig. 7, Taf. I von 
FoL eine genaue Übereinstimmung der Beziehungen, wenn man dabei nur beachtet, 
dass For’s Figur eine Ansicht vom animalen, die beiden oben gegebenen Holz- 
schnitte dagegen vom vegetativen Pol geben. Auch bei Aplysia. wird das 
künftige Vorderende von einer an Nahrungsdotter reichen Zelle 
eingenommen. 


Beiträge zur Kenntnis der Entwicklung der Gastropoden. 399 


noch bedeutend zu, ihr Protoplasma wird vollständig hyalin und enthält 
große Vacuolen, während ein Kern später nicht mehr zu finden ist. 

Dieselben Verhältnisse bat LangerHans! bei anderen Opisthobran- 
chiern gefunden. Für die von ihm untersuchte Doris giebt er auch aus- 
drücklich an, dass die Analzellen genau in der Längsachse des Blasto- 
porus auftreten. Auch die Beobachtungen von Hanpvon ? haben für Elysia 
viridis und Fionia einen langgestreckten die Bauchseite einnehmenden 
Blastoporus ergeben. Ich möchte vermuthen, dass in seiner Fig. 2 die 
als Richtungsbläschen bezeichneten Zellen weiter nichts sind als die 
Analzellen. Auf diese Verhältnisse werde ich im zweiten Theil dieses 
Aufsatzes noch einmal zurückkommen. 

In Fig. 23 ist ein optischer Schnitt durch das in Fig. 22 abgebildete 
Stadium dargestellt, der in der Richtung gelegt ist, wie sie durch die 
beiden Pfeile in der vorigen Figur angegeben wird. Die kleinen Ento- 
dermzellen haben sich vermehrt und bilden eine zusammenhängende 
Schicht, die sich von den großen Zellen etwas abgehoben hat, so dass 
die dadurch entstandene Urdarmhöhle durch den Blastoporus nach außen 
sich öffnet. In den nun folgenden Stadien verengt sich der Blastoporus 
allmählich und beginnt dabei sich von hinten nach vorn zu schließen, 
wie es Fig. 24 zeigt. Die Analzellen bleiben dabei an ihrem ursprüng- 
lichen Platze. 

Die nun folgenden Figuren 25 und 26 stellen beide dasselbe Stadium, 
nämlich einen Embryo von 46 Stunden vom vegetativen Pol gesehen 
dar, und zwar ist die erste nach dem lebenden, die zweite nach dem 
präparirten Objekte gezeichnet. Zuerst fällt uns auf, dass die beiden 
großen Zellen aus einander gewichen sind und eine weite Höhle zwischen 
sich lassen, welche an den nicht von den großen Zellen eingenommenen 
Seiten von dem kleinzelligen Theil des Entoderms begrenzt wird. Wie 
Fig. 26 erkennen lässt, berühren sich die beiden großen Zellen noch an 
der linken Seite und gegen den animalen Pol zu. Der Blastoporus ist 
vollständig geschlossen, seine Stelle lässt sich jedoch unschwer an den 
etwas größeren Zellen erkennen; auf optischen Schnitten ist noch eine 
leichte Einsenkung zu bemerken. 

Eigenthümlich ist, was wir weiter am lebenden Objekte beobach- 
ten. Am vorderen Rande der Einsenkung, die an der Stelle, wo sich 
der Blastoporus schloss, persistirt, finden sich ungefähr fünf bis sieben 
lebhaft schlagende Cilien (Fig. 25 w). Diese Cilien bewegen sich sehr 


1 P. LAnGERHANs, Zur Entwicklung der Gastropoda Opisthobranchia. Diese 
Zeitschr. Bd. XXIII. 1873. 

2 Hanpon, Notes on the Development of Mollusca. Quart. Journ. of mikr. sc. 
1882 (Oktober). 


400 Friedrich Blochmann, 


viel lebhafter als die etwas später auftretenden Wimpern (Fig. 27) des 
Velums, sind auch bedeutend größer als diese. Sie finden sich auch bei 
weiter entwickelten Embryonen, die schon eine wohl ausgebildete 
Schalendrüse besitzen, verschwinden aber, wenn die Entwicklung des 
Fußes beginnt. Es ist schwer zu sagen, welche Bedeutung diese Gilien 
haben könnten. Auch ist meines Wissens nichts Ähnliches von anderen 
Gastropoden bekannt.‘ 

Rav LAnkEster hatte diese Wimpern gesehen, aber sehr ungenau ab- 
gebildet (Taf. V, Fig. 13). Überhaupt hat er die Embryonen, die er in 
Taf. V, Fig. 9—16 abbildet, in den meisten Beziehungen nicht ganz 
richtig aufgefasst, was eine Entschuldigung darin finden mag, dass er 
nur das frische Objekt untersuchte. 

Für seine Fig. 9 giebt er an, dass sich zwischen die beiden großen 
Zellen eine Masse heller Zellen eingeschoben haben; dies ist nie der 
Fall, sondern, sobald einmal die großen Zellen sich nicht mehr in ihrer 
ganzen Ausdehnung berühren, findet sich ein mit Flüssigkeit erfüllter 
Hohlraum, die Urdarmhöhle, zwischen denselben. Seine Fig. 14 ist ohne 
Zweifel nach einem abnormen Embryo gezeichnet. Denn nach derselben 
müsste der kleinzellige Theil des Entoderms sich vollständig vom Ekto- 
derm abgehoben haben, was nie der Fall ist, wie meine Präparate und 
Schnitte zur Genüge beweisen. Natürlich ist damit auch das, was er 
hierzu über die Entstehung einer Höhle im Mesoderm und deren Be- 
ziehung zu den betreffenden Verhältnissen bei Pisidium sagt, vollständig 
hinfällig. (We notice now first of all the formation of a distinet cavity, 
which must be identified with the mesoblastie cavity of Pisidium, and 
more generally of all ihe embryos of higher animals.) 

Verfolgen wir nun die Entwicklung unserer Embryonen etwas 
weiter, so zeigt uns zunächst Fig. 27 im Wesentlichen noch dieselben 
Verhältnisse, wie die vorhergehende. Die großen Zellen haben sich noch 
mehr ausgehöhlt, der kleinzellige Theil des Entoderms dagegen befindet 
sich noch in demselben Zustand. Ein wesentlicher Fortschritt besteht in 
dem Auftreten des Velums, welches so liegt, dass die eine der proto- 
lecithreichen Zellen, a nach den früheren Stadien, das Vorderende ein- 
nimmt, worauf schon oben aufmerksam gemacht wurde. 

Fig. 28 stellt uns einen optischen Längsschnitt durch ein etwas 
älteres Stadium dar. An der Stelle, wo sich der Blastoporus schloss, 
findet sich jetzt eine etwas bedeutendere Einsenkung, die beginnende 
Ösophaguseinstülpung. An dem gegenüber liegenden Pol hat das Ekto- 
derm auch begonnen sich auf einer großen Strecke einzusenken, um 
der Schalendrüse den Ursprung zu geben. In dem Velarfelde bemerkt 
man im Ektoderm eine Stelle mit etwas höheren Zellen, eben so macht 


Beiträge zur Kenntnis der Entwicklung der Gastropoden. 401 


sich die Anlage des Fußes durch eine Verdickung des Epithels bemerk- 
lich (Fig. 28 f). Überall wo die großen Zellen a und b das Ektoderm 
nicht berühren, sehen wir unter demselben eine einfache Lage der 
kleinen Entodermzellen. 

Die weitere Entwicklung der Schalendrüse lassen Fig. 30 und 31 
erkennen, Sie stellen einen Längs- bzw. Querschnitt durch etwas ältere 
Stadien dar. Das Epithel des Schalenfeldes senkt sich rasch zu einer be- 
deutenden Tiefe ein. Dabei verschwindet die in den vorhergehenden 
Figuren noch auffallende Ausbauchung des Ektoderms und kleinzelligen 
Entoderms auf der rechten Seite des Embryo, und während derselbe 
bisher von rechts nach links einen größeren Durchmesser hatte als von 
oben nach unten, ist das Verhältnis jetzt umgekehrt. Eine Vorstellung 
von dem Aussehen des lebenden Objektes um diese Zeit giebt uns 
Fig. 29. Besonders deutlich treten jetzt die Wimpern (w) an der Mund- 
einstülpung hervor, denn durch die eben erwähnte, mit der Einstülpung 
der Schalendrüse verbundene Gestaltsveränderung wird bewirkt, dass 
die Embryonen immer auf der rechten oder linken Seite liegen, so dass 
die Mundeinstülpung im optischen Schnitt erscheint. So lassen sich die 
Cilien der Mundeinstülpung leicht und sicher von dem davor liegenden 
Velum unterscheiden. Weiteres Detail zu sehen ist am lebenden Objekt 
unmöglich. 

Die nächsten Veränderungen treten nun an der Schalendrüse auf. 
Nachdem diese eine Zeit lang die in Fig. 30 und 31 dargestellte Gestalt 
bewahrt hat, beginnt sie wieder sich auszubreiten, wobei zugleich ein 
äußerst zartes Schalenhäutchen sichtbar wird (Fig. 32 s). Manchmal 
findet sich dieses Häutchen auch schon früher. Die verdickten Ränder 
der Schalendrüse , Fig. 32 milr, werden zum Mantelrand und treten 
später noch deutlich hervor (Fig. 33). 

Der in Fig. 33 dargestellte Embryo ist 20 Stunden älter als der in 
Fig. 32 abgebildete. Die Darmhöhle hat sich bedeutend vergrößert, 
hauptsächlich durch Ausdehnung der beiden großen, an Nahrungsdotter 
reichen Zellen. Es mag hier bemerkt werden, dass diese Zellen auch 
noch auf späteren Stadien einen deutlichen, sich intensiv färbenden Kern 
enthalten. Die Einstülpung des Ösophagus hat Fortschritte gemacht und 
die Cilien an seinem Vorderrande sind verschwunden. Dagegen hat 
sich der Fuß bedeutend entwickelt und enthält einige Mesodermzellen 
(ms), über deren Herkunft ich leider, wie schon oben bemerkt, keine 
direkten Angaben machen kann. Die Analzellen sind etwas mehr nach 
der rechten Seite gerückt. Die Schale hat bedeutend an Umfang zuge- 
nommen. Normale Embryonen von Aplysia zeigen keinen soliden 
Schalenpfropf, wie auch Ray Lankester hervorhebt, dagegen findet sich 


402 Friedrich Blochmann, 


ein solcher häufig in Fällen abnormer Entwicklung. Ray LAnkester bil- 
det solche Stadien ab und ich kann seine Beobachtung bestätigen. In 
diesen Fällen bewahrt die Schalendrüse dann auch die tief sackförmige 
Gestalt, die sie z. B. in Fig. 31 zeigt. 

Vergleichen wir nun mit den geschilderten Verhältnissen die Resul- 
tate Ray LAnKESTER’S, SO ist von vorn herein zu bemerken, dass er bei 
den von ihm Taf. V, Fig. 13—20 abgebildeten Embryonen einige Ver- 
hältnisse sich nicht ganz richtig vorstellt. 

Was er in Fig. 43 als Anfang des Schalenfeldes betrachtet und mit 
shp bezeichnet, ist weiter nichts als eine zufällig etwas nach innen vor- 
springende Ektodermzelle; die Schalendrüse entsteht überhaupt an 
einer ganz anderen Stelle, nämlich in der Nähe des animalen Pols, 
gegenüber der Stelle, die er mit ci bezeichnet hat. Was er in Fig. 13 
mit me — Mesoblast bezeichnet, ist der kleinzellige Theil des Ento- 
derms, und was in den folgenden Figuren als Differenzirung des Meso- 
blasts in eine äußere und innere Schicht (Fig. 14 pme und ime) gedeutet 
wird, beruht ebenfalls auf Täuschung. 

Der Embryo von Aplysia auf dem in Fig. 44 dargestellten Stadium 
hat schon eine wohl ausgebildete Schalendrüse, und es wäre denkbar, 
dass Ray Lankester den Boden der Schalendrüse. als äußeres, das dar- 
unter liegende kleinzellige Entoderm als inneres Mesoblast aufgefasst 
hat (cf. meine Fig. 30). Allerdings muss ich sagen, dass ich diese 
Schichten am ungefärbten Objekt nie so deutlich unterscheiden konnte. 
Zu bemerken wäre noch, dass Ray LAnkester bei diesem Embryo die 
am Vorderrande des Mundes stehenden Cilien gesehen zu haben scheint, 
da er hinter dem im optischen Schnitt erscheinenden Velum noch zwei 
Wimpern zeichnet. Was das in Fig. 14 u. f. mit of bezeichnete und als 
Otolithenblase gedeutete Gebilde sein soll, weiß ich nicht; jedenfalls ist 
das sicher, dass sich um diese Zeit noch keine Spur von einer Otolithen- 
blase findet. Die ganze Entstehungsweise der Schalendrüse und das 
frühzeitige Vorhandensein eines Schalenhäutchens ist Ray LAnKESTER ent- 
gangen, was auch einigermaßen erklärlich ist, da er sich auf die Unter- 
suchung des lebenden Objekts beschränkte. 

Für die weitere Entwicklung der Aplysia sind meine Beobachtun- 
gen, wie schon oben erwähnt, noch zu lückenhaft, so dass ich es 
vorziehe, hier abzubrechen. 

Für das wichtigste Resultat meiner Beobachtungen halte ich den 
Beweis, dass die Entwicklung von Aplysia limacina, so weit sie ein- 
gehend verfolgt werden konnte, sich in den wesentlichsten Punkten 
vollständig dem Gastropodentypus anschließt. 


Beiträge zur Kenntnis der Entwicklung der Gastropoden. 403 


Über das Schicksal des Blastoporus bei Paludina vivipara Müll. 


Die Frage nach dem Schicksal des Blastoporus bei Paludina wurde 
in der letzten Zeit von verschiedenen Autoren in verschiedenem Sinne 
behandelt. Es war zuerst Ray LAnkester ! und dann BürschLı?, die sich 
Beide in gleichem Sinne dahin aussprachen, dass der Blastoporus direkt 
in den bleibenden After übergehe, während dann Rast in seiner Arbeit 
über die Entwicklung der Tellerschnecke sich dagegen aussprach und 
erklärte, dass bei Paludina der Blastoporus sich eben so schließe und 
an seiner Stelle der Mund auftrete, wie bei anderen Gastropoden. 

Nach dem Erscheinen der Arbeit Rasr’s unternahm mein verehrter . 

Lehrer, Herr Professor BütscaLı, eine erneute Untersuchung der fraglichen 

_ Verhältnisse; da er jedoch durch anderweitige Arbeiten an der Fort- 
setzung der Untersuchung verhindert war, übernahm ich dieselbe. Ich 
brauche wohl kaum zu erwähnen, dass ich bei deın hohen Interesse 
dieser Frage mit der größten Sorgfalt zu Werke gegangen bin, und 
stützen sich die im Folgenden darzulegenden Resultate auf eine Reihe 
von ungefähr 60 Präparaten, die theils im Sommer 1881, theils im 
Sommer des vorigen Jahres angefertigt wurden. 

In den Fig. 33—36 habe ich ein Ei dargestellt, welches ungefähr 
das Ende der Furchung zeigt. Es ist nicht nöthig etwas Weiteres dar- 
über zu sagen, da sich nicht die geringste Abweichung von dem für die 
Gastropoden bekannten Typus der Furchung erkennen lässt. Das in 
Fig. 37 vom vegetativen Pol dargestellte Stadium zeigt bei der gleichen 
Anzahl der Zellen wie das vorhergehende in so fern einen Fortschritt, 
als die einzelnen Zellen sich enger zusammengeschlossen und so einen 
mehr epithelartigen Charakter angenommen haben. 

Bei diesem Stadium ist eben so wenig wie bei dem vorhergehenden 
oder dem nachfolgenden eine Furchungshöhle zu bemerken, wie sie Ray 
LANKESTER in Fig. 4 Taf. XXV dargestellt hat, welche Beobachtung Rası 
gegen BürscaLi aufrecht zu erhalten versucht. Ich habe zwischen Ekto- 
derm und Entoderm nie eine geräumige Höhle finden können, sondern 
ganz den Figuren Bürscaur's entsprechend immer nur einen engen Spalt. 

Die nächstfolgenden Entwicklungsvorgänge bestehen nun in einer 
Vermehrung der Zellen sowohl des Ektoderms als des Entodernis, womit 
der Beginn der Einstülpung Hand in Hand geht. Wir finden nun zu- 
nächst Stadien, wie sie von BürscaLı in Fig. I und 2 dargestellt worden 


1 Ray LAnkEsSTER, On the invaginate Planula or diploblastic phase of Paludina 
vivipara. Quart. Journ. of Mikrosk. science. N. S. Vol. XV. 4875. — On the coinci- 
dence of the blastopore and anus in Paludina vivipara. Ebenda. Vol. XVI..1876. 

2 BürscaLı, Entwicklungsgeschichtliche Beiträge. Diese Zeitschr. Bd. XXIX. 


404 R Friedrich Blochmann, 


sind. An diese schließen sich meine Fig. 38 und 39 an, wo der Embryo 
ungefähr die Gestalt einer hohlen Halbkugel angenommen hat. 


Der Blastoporus stellt jetzt eine weite Öffnung dar, die gewöhnlich 
einen etwas ovalen Umriss aufweist. Die Einstülpung macht nun wei- 
tere Fortschritte und der Blastoporus verengert sich mehr und mehr 
(Fig. 20 und 41), ohne dass es möglich wäre festzustellen, ob die Ver- 
engerung durch gleichmäßiges Zusammentreten der Ränder stattfindet, 
oder ob die Vorgänge ähnlich sind wie beiAplysia, den Pulmonaten und 
anderen, nämlich dass eine Stelle des Randes unverändert ihre Lage 
beibehält, während von der gegenüber liegenden Stelle ausgehend all- 
mählich ein Zusammentreten der Ränder stattfindet. 


Betrachten wir nun noch ein etwas älteres Stadium, so hat sich der 
Blastoporus bis auf einen kleinen Spalt verengert (Fig. 44). Zugleich 
sind in seiner Umgebung zwei Wülste aufgetreten, so dass der Blasto- 
porus in einer Vertiefung liegt, die nach der dorsalen Seite zu auch 
durch einen kleinen Wulst begrenzt ist, während sie nach der ventralen 
hin sich allmählich verläuft. Die beiden in den Fig. 42 und 43 darge- 
stellten optischen Schnitte sind ohne Weiteres verständlich. Weiter sind 
auf diesem Entwicklungsstadium die ersten Spuren des Velums zu be- 
merken. Auch scheinen hier zum ersten Male an dem Rande des Blasto- 
porus Zellen zwischen Entoderm und Ektoderm — also die ersten Meso- 
dermzellen aufzutreten (Fig. 22 m). Ich muss jedoch bemerken, dass 
hier meine Beobachtungen trotz der größten Sorgfalt eine Lücke auf- 
weisen, indem es mir nicht gelingen wollte, die Abstammung des 
Mesoderms klar zu stellen. Für die weitere Entwicklung des Mesoderms 
stimmen meine Beobachtungen vollständig mit denjenigen BürschaLr's 
überein. Das Mesoderm bildet zwei zu beiden Seiten des Embryo von 
hinten nach vorn verlaufende Streifen. Mit dem weiteren Fortschreiten 
nehmen die Zellen dieser Mesodermstreifen die für die Gastropoden so 
charakteristische Spindelform an und durchziehen den ganzen sich all- 
mählich vergrößernden Raum zwischen Ektoderm und Entoderm. 

Das eben besprochene Entwicklungsstadium ist das wichtigste für 
unseren Zweck, denn nur auf ein solches könnten sich die Angaben 
Ragr’s von dem vollständigen Verschluss des Blastoporus beziehen. Er 
sagt (l. c. p. 606): »Es hat sich herausgestellt, dass die Schließung des 
Gastrulamundes bei Paludina vivipara in ganz derselben Weise erfolgt, 
wie bei Planorbis, und dass zur Zeit, als sich das Velum eben zu bilden 
beginnt, nicht die geringste Spur einer, in der später vom After 
eingenommenen Gegend bestehenden Öffnung existirt. Nur unmittelbar 
hinter dem Velum, an der Stelle, an welcher später der Mund erscheint, 


Beiträge zur Kenntnis der Entwicklung der Gastropoden. 405 


glaube ich eine seichte Vertiefung, die übrigens mit dem Urdarm in 
keiner Verbindung stand, gesehen zu haben.« 

Meine Beobachtungen haben mich aber zu einem anderen Resultat 
geführt; ich muss gegen die Behauptung Rasr’s die älteren Beobachtun- 
gen von Ray LankEster und BürscnLı von dem direkten Über- 
gang des Blastoporus in den After vollständig bestätigen. 

Unter den vielen von mir untersuchten Embryonen ist mir kein 
‚einziger zu Gesicht gekommen, der in der Lage, wie sie Fig. 42 angiebt, 
nicht ganz deutlich den Blastoporus gezeigt hätte. Allerdings legen sich 
die Ränder desselben oft sehr eng an einander (so weit wie ihn Ray 
LANKESTER in Fig. 7 und 8, Taf. XXV seiner zweiten Mittheilung dar- 
stellt, ist er nie), so dass es in der Seitenlage (Fig. 43) oft nur bei der 
genauesten Orientirung und der besten Beleuchtung gelingt, den un- 
mittelbaren Übergang des Ektoderms in das Entoderm zu sehen, dagegen 
gelingt es in der Ansicht von oben oder unten (Fig. 42) immer viel 
leichter sich von dem Vorhandensein des Blastoporus zu überzeugen. 

Fig. 45 habe ich noch hierher gesetzt, um das Verständnis der vori- 
gen Figur zu erleichtern. Hier ist schon eine Differenzirung in dem 
Entoderm eingetreten, indem ein Theil! der Zellen desselben begonnen 
hat, sich durch Anhäufung von Deutolecith zu vergrößern. Wie die Be- 
trachiung älterer Embryonen z.B. bei BürscnLı Taf. V, Fig. 10 etc. zeigt, 
liegen diese Zellen ventral. Dadurch sehen wir also ein, dass der Bla- 
stoporus oder, wie wir ihn jetzt besser nennen können, der After, der 
dorsalen Seite genähert liegt. Derselbe ist jetzt wieder vollständig rund 
und zeigt in noch etwas älteren Stadien aufs deutlichste den Zellenkranz, 
den BürscaLı in seinen Fig. 7 und 8 angiebt. An der dorsalen Seite des 
Embryo ist an der Stelle, wo ein wenig später die Schalendrüse auf- 
tritt, eine bedeutende Verdickung des Ektoderms zu bemerken (Fig. 45 
sf;, die dadurch entstanden ist, dass die Zellen sehr hoch und schmal 
geworden sind. An der ventralen Seite ist hinter dem Velum eine leichte 
Einsenkung zu bemerken (Fig. 45 oe), hier entsteht später der Ösopha- 
gus. Im Velarfelde haben die mittleren Zellen sich mit Vacuolen ange- 
füllt, so dass der Kern oft ganz an die Seite gedrängt erscheint. Das 
Mesoderm bildet bei diesem Embryo, noch ganz deutlich zwei seitliche 
Streifen, einzelne Zellen jedoch haben sich bereits losgelöst. 

Dass der Blastoporus bei Paludina vivipara zum bleibenden After 
wird, ist eine sehr auffällige Erscheinung, da wir ja wissen, dass bei 
allen anderen Gastropoden, deren Entwicklung bisher bekannt wurde, 
derselbe entweder direkt in die spätere Mundöffnung übergeht, oder 
wenigstens sich an der Stelle verschließt, wo dann im weiteren Verlauf 
der Entwicklung die Ösophaguseinstülpung auftritt. Es scheint jedoch 


406 ‚Friedrich Blochmann, 


auch sonst noch der Fall vorzukommen, dass bei relativ nahen Ver- 
wandten der Blastoporus ein so verschiedenes Schicksal hat. Ich er- 
innere an die Beobachtungen von Stossıca ! bei Serpula und von GiAarD ? 
bei Salmacina Dysteri Huxl. 

Allerdings sind die Beobachtungen dieser beiden Autoren in neue- 
ster Zeit von GÖTTE® stark in Zweifel gezogen worden, so dass man vor 
der Hand kein allzugroßes Gewicht darauf legen darf. 

Suchen wir nach einer Erklärung für das verschiedene Schicksal 
des Blastoporus, so dürfte dies nicht allzuschwer fallen, wenn wir uns 
vorerst auf die Gastropoden beschränken. Denn wenn wir die be- 
treffenden Verhältnisse bei Aplysia betrachten, so ergiebt sich daraus die 
gesuchte Erklärung eigentlich von selbst. Wir fanden dort einen lang- 
gestreckten Blastoporus, an dessen hinterem Rande schon frühzeitig die 
beiden Analzellen auftreten, welche uns die Stelle bezeichnen, wo 
später die Afteröffnung nach außen durchbricht. Ferner sahen wir, 
dass der Blastoporus sich von hinten nach vorn schloss und dass der 
Verschluss zuletzt an der Stelle stattfand, wo die Ösophaguseinstülpung 
auftritt. Bei Aplysia also, wo wir einen sicheren Anhalt für die Lage des 
Afters in den beiden Analzellen haben, können wir mit vollem Recht 
sagen, dass der Blastoporus in seiner ursprünglichen Ausdehnung sowohl 
den definitiven Mund, als den definitiven After umfasst, dass er sich 
somit über die ganze Bauchfläche erstreckt. Ähnliche Verhältnisse sind 
ja auch von anderen Gastropoden bekannt. Wohl der Erste, der darauf 
aufmerksam machte, war Ray LAnkESTER, der bei Lymnaeus den schlitz- 
förmigen Blastoporus beobachtete, und das Gleiche wird durch die 
neueren Beobachter von anderen Gastropoden berichtet. 

Die Idee, dass der Blastoporus morphologisch der Mund- und After- 
öffnung der Metazoön entspreche, hat zuerst BürscaLı ausgesprochen 
(l. ec. p. 234), und ich glaube, dass nur unter dieser Annahme die 
Gastraeatheorie noch fortbestehen kann, da es ja nicht nur vereinzelte 
Fälle sind, in welchen der Blastoporus zum After wird, sondern, da dieses 
Verhalten bei einer ganzen großen Abtheilung, bei den Echinodermen, 
konstant ist, und da derselbe auch in vielen anderen Fällen näher dem 
After als dem Mund gelegen ist, wenn er allerdings auch in keiner direk- 
ten Beziehung zu demselben steht. 

Wenn wir es versuchen, diese bei den Gastropoden gewonnenen 
Anschauungen von der morphologischen Bedeutung des Blastoporus auch 


1 Stossıch, Beiträge zur Entwicklung der Chaetopoden. Sitzungsber. d. k.k. 
Akad. d. Wissensch. Bd. LXXVI. 1878. 

2 GıArD, Note sur ’embryogenie de la Salmacina Dysteri. Gompt. rend. 1875. 

3 GÖTTE, Untersuchungen zur Entwicklungsgeschichte der Würmer. I. 


Beiträge zur Kenntnis der Entwicklung der Gastropoden. 407 


auf die übrigen Abtheilungen der Metazoen auszudehnen, so erscheint 
dieses Unternehmen, wenn sich auch in einigen Fällen noch Schwierig- 
keiten zeigen, vielleicht doch nicht allzugewagt. Für die Würmer hat 
GÖTTE:in neuester Zeit die gleiche Anschauung mit Erfolg durchgeführt. 
Bei Rhabditis nigrovenosa hat er sogar den Analzellen der Gastropoden 
ähnliche am Hinterrand des schlitzförmigen Blastoporus gelegene Zellen 
beobachtet. Unter den Arthropoden sind die betreffenden Verhältnisse 
noch nicht für alle Gruppen hinreichend genau bekannt, doch dürfte 
vielleicht das, was wir wissen, unserer Anschauung sich anfügen lassen. 

Beachtung verdienen hier die Entomostraken, wo bei den Qladoce- 
ren (Moina rectirostris!) der Blastoporus an Stelle des späteren Mundes 
sich schließen soll, während bei den Gopepoden nach Hoeck ? seine Ver- 
schlussstelle der Lage nach dem After entsprechen soll. Vielleicht stim- 
men damit auch die neueren Beobachtungen von GROBBEN ? überein, der 
bei Cetrochilus septentrionalis einen schlitzförmigen von vorn nach 
hinten sich schließenden Blastoporus beobachtet hat. 

Unter den Tracheaten sind die uns interessirenden Vorgänge am 
besten bei den Insekten bekannt und wir haben es auch hier mit einem 
schlitzförmigen, die Bauchfläche einnehmenden Blastoporus zu thun, 
wenn wir, wie es zuerst BaLrour * gethan hat, die Mesoblastfurche für 
den Blastoporus erklären, eine Ansicht, die von den Gebr. Herrwıe 
weiter ausgeführt und begründet wurde. 

Auch für die Vertebraten lässt vielleicht sich unsere Anschauung 
durchführen, wenn wir die Ansichten Barrour’s über die Wirbelthier- 
gastrula annehmen, nämlich dass der ganze von der Embryonalanlage 
nicht bedeckte Theil des Dotters dem bauchständigen Blastoporus ent- 
spricht, als dessen letzter Rest sich der neurenterische Kanal und der 
Primitivstreif, von dessen Rändern das Mesoderm seinen Ursprung 
nimmt, erhalten hat. Bei Amphioxus soll nach Harscaer® der langge- 
streckte Blastoporus der Rückenseite entsprechen, aber auch diese 
Schwierigkeit ließe sich beseitigen, wenn wir die Ansicht KowaLevsky’s 
über den Schluss des Blastoporus annehmen, die ja auch Harscask nicht 
direkt in Abrede stellt. 

Heidelberg, den 15. Januar 1883. 


1 GroBBEN, Entwicklungsgesch. der Moina rectirostris. Arb. aus d. zool. Inst. 
Wien. 4879. 

2 Hoeck, Zur Entwicklungsgesch. der Entomostraken. Niederl. Arch. 1877. 

3 GROBBEN, Entwicklungsgesch. von Cetochilus septentrionalis. Arb. a. d. zool. 
Inst. Wien. 1880. 4 BaLrour, Vergleichende Embryologie. 4880. Bd. I. p. 432. 

5 O, und R. Herrwic, Die Coelomtheorie. Jena 1884. 

6 HATscHEk, Studien über die Entwicklung des Amphioxus. I. Arb. aus dem 
zool. Inst. Wien. Bd. IV. 4881. 


408 Friedrich Blochmann, 


Nachschrift. 


Mein Manuskript lag schon zum Abschicken bereit, als mir die von 
MoseELey und Sepswick ! aus Barrour’s Nachlasse mitgetheilten Beob- 
achtungen über die Gastrulabildung bei Peripatus zukamen. Dieselben 
enthalten eine weitere wichtige Bestätigung der oben vertretenen An- 
sichten über die Bedeutung des Blastoporus. Bei Peripatus findet sich 
nämlich auch ein schlitzförmiger, die Bauchseite einnehmender Blasto- 
porus, von welchem der vordere Theil zum Mund, der hintere zum After 
wird. Ich bin dadurch noch um so mehr zu der Überzeugung gekom- 
men, dass speciell auf diesen Punkt gerichtete Untersuchungen auch in 
anderen Fällen zum gleichen Resultat führen werden. 


Erklärung der Abbildungen. 


Die Figuren 4—33 zu der Entwicklung von Aplysia gehörig sind mit SEIBERT V, 
das Detail mit Imm., VII gezeichnet; die auf Paludina sich beziehenden (Fig. 34—45) 
mit Imm. VII v. SEIBERT. Fig. 5—24 entsprechen, was die Umrisse anlangt, den 
wirklichen Verhältnissen, sind aber in der Ausführung schematisch gehalten. Bei 
den Ansichten vom animalen Pol sind die Richtungsbläschen weggelassen. 


Für alle Figuren geltende Bezeichnungen: 
blp, Blasioporus; 
oe, Ösophagus; 
az, Analzellen; 
ect, Ektoderm; 
ent, Entoderm ; 
sd, Schalendrüse ; 
v, Velum. 


Tafel XX und XXI. 


Fig. 4. Frisch abgelegtes Ei nach Ausstoßung der Richtungsbläschen. 

Fig. 2. Ei in Zweitheilung. 

Fig. 3. Ei von einem braunen Laich in Viertheilung. 

Fig. 4. Dasselbe im Profil. | 

Fig. 5. Achttheilung. a, b, c, d, Zellen dritter Generation; a, 1, Cı, dı, erste 

Generation der Ektodermzellen. 
Fig. 6. Zwölftheilung, aa, ba, Ca, da, zweite Generation der Ektodermzellen. 
Fig. 7. Dasselbe Stadium im Profil. 


1 Nature. vol. 27. No. 687. 


: Beiträge zur Kenntnis der Entwicklung der Gastropoden. 409 


Fig. 8. Übergang zum Zwanzigzellenstadium ca’, da’, Ektodermzellen der dritten, 
C3, dz3, der vierten Generation, von c und d entstehend. 

Fig. 9. Dasselbe im Profil. 

Fig. 40. Dasselbe im optischen Schnitt. 

Fig. 44. Zwanzigtheilung. 

Fig. 42. Dasselbe vom vegetativen Pol. 

Fig. 43. Ein etwas älteres Stadium vom vegetativen Pol. 

Fig. 44. Ein noch älteres Stadium in der gleichen Ansicht. 

Fig. 15. Ein weiter fortgeschrittenes Stadium in der gleichen Ansicht. 

Fig. 46. Ein ähnliches Stadium wie Fig. 45 vom animalen Pol. 

Fig. 47. Dasselbe im optischen Schnitt. 

Fig. 48. Ein in abnormer Weise regelmäßig gefurchtes Ei. 

Fig. 49. Ein etwas älteres Ei als das in Fig. 46 dargestellte vom vegetativen 
Pol, die Entstehung zweier kleinen Entodermzellen von a und b nn de von d 
entstanden. 

Fig. 20. Älteres Stadium in der gleichen Ansicht. 

Fig. 21. Dasselbe im optischen Schnitt. 

Fig. 22. Stadium, bei welchem die Umwachsung der großen Zellen a und b 
durch das Ektoderm zur Bildung des Blastoporus geführt hat. 

Fig. 23. Optischer Schnitt durch das vorige Stadium; seine Richtung wird 
durch die Pfeile in der vorigen Figur angegeben. 

Fig. 24. Ein älteres Stadium, bei welchem der Blastoporus begonnen hat sich 
von hinten nach vorn zu schließen. 

Fig. 25. Nach dem lebenden Objekt gezeichneter 46 Stunden alter Embryo, am 
Vorderrand des Blastoporus finden sich die Wimpern w. 

Fig. 26. Ein ähnliches Stadium im präparirten Zustand; die großen Zellen be- 
 ginnen aus einander zu weichen. 

Fig. 27. Ein älteres Stadium mit den ersten Spuren des Velums. 

Fig. 28. Optischer Längsschnitt durch ein älteres Stadium, die beginnende Ein- 
stülpung der Schalendrüse sd zeigend. Die Wimpern an der Mundeinstülpung sind 
am Präparat nicht zu sehen, 

Fig. 29. Nach dem lebenden Objekt gezeichneter Embryo mit vollständig ein- 
gestülpter Schalendrüse. 

Fig. 30. Längsschnitt durch einen ähnlichen Embryo wie der in der vorigen 
Figur dargestellte. 

Fig. 34. Querschnitt durch einen eben solchen Embryo. 

Fig. 32. Längsschnitt durch einen Embryo, um die beginnende Wiederaus- 
- stülpung der Schalendrüse zu zeigen. s, Schalenhäutchen ; milr, Mantelrand. 

Fig. 33. Älterer Embryo mit wohl entwickeltem Fuß und den ersten Spuren des 
Mesoderms ms. 


Zur Entwicklung von Paludina vivipara Müll. 


Fig. 34. Furchungsstadium vom animalen Pol. 

Fig. 35. Dasselbe vom vegetativen Pol. 

Fig. 36. Optischer Durchschnitt desselben. 

Fig. 37. Ein etwas weiter fortgeschrittenes Stadium. 

Fig. 38. Stadium, welches den Beginn der Einstülpung zeigt, vom vegetati- 
ven Pol. 


410 Friedrich Blochmann, Beiträge zur Kenntnis der Entwicklung der Gastropoden. 


Fig. 39. Dasselbe im optischen Schnitt. 

Fig. 40. Ein älteres Stadium vom vegetativen Pol. 

Fig. 44. Dasselbe im optischen Schnitt. 

Fig. 42. Optischer Schnitt durch ein älteres Stadium in der Richtung der Pfeile 
a,bFig. 44. 

Fig. 43. Optischer Schnitt durch dasselbe Stadium in der Richtung der Pfeile 
c, d Fig. 44. 

Fig. 44. Ansicht des Blastoporus des in den beiden vorigen Figuren dargestell- 
ten Stadiums. 

Fig. 45. Optischer Längsschnitt durch ein noch älteres Stadium. sf, Schalen- 
feld; af, After. 


Über die Drüsen des Mantelrandes bei Aplysia und verwandten 
Formen. 


Von 


Dr. Friedrich Blochmann, 
Assistent am zoologischen Institut zu Heidelberg. 


Mit Tafel XXI. 


Während meines Aufenthaltes an der zoologischen Station zu Neapel! 
untersuchte ich die beiden größeren Arten von Aplysia, nämlich A. 
limaeina L.! und depilans L., gelegentlich etwas genauer, in der Hoff- 
nung, vielleicht irgend ein charakteristisches, für dieSystematik zu ver- 
werthendes Merkmal zu finden. Dabei durchschnitt ich zufällig den 
Mantelrand von A. limacina und wurde der bläschenförmigen Purpur- 
drüsen ansichtig. In der Absicht mich über den Bau dieser Drüsen zu 
unterrichten, fertigte ich einige Querschnitte durch den Mantelrand an 
und machte dabei die Bemerkung, dass wir es hier mit einzelligen 
Drüsen von riesigen Dimensionen zu thun haben. Denn die einzelne 
Drüsenzelle erreicht hier im besten Fall eine Länge von | mm und sogar 
noch darüber. Die Größe dieser Zellen und ihrer Kerne veranlassten mich 
sofort, nach Theilungen zu suchen, da zu hoffen war, dass bei Kernen 
von 0,08—0,1 mm Durchmesser über die feinsten Vorgänge bei der 
Theilung Manches sich ermitteln ließe. Die weitere Untersuchung zeigte 
mir jedoch bald, dass diese Zellen sich nie theilen, und so gab ich, da 
ich ohnehin mit Anderem zu thun hatte, die Untersuchung ganz auf. 
Als ich aber hierher zurückgekehrt, die Präparate, die ich von diesen 
Drüsen hatte, noch einmal genauer ansah, fand ich doch Manches, 
was mir der eingehenderen Untersuchung werth schien. Ich unternahm 
dieselbe, obgleich es mir an speciell zu diesem Zweck konservirten Ma- 
terial gebrach. Darin liegt der Grund dafür, dass ich im Folgenden Dies 

1 Wegen desNamens verweise ich auf eine demnächst erscheinende Abhandlung 


über die Systematik der Aplysien von Neapel. 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVILI. Bd. 98 


412 Friedrich Blochmann, 


und Jenes etwas zweifelhaft lassen muss. Ich hoffe, dass es einem 
Anderen, dem frisches Material zur Verfügung steht, bald gelingen 
werde, die noch fraglichen Punkte definitiv zu erledigen. 

Die in Rede stehenden Drüsen wurden von mir am eingehendsten 
untersucht bei A. limacina L. und depilans L. Ferner wurden. zur 
Vergleichung folgende verwandte Formen herangezogen: Aplysia punc- 
tata Cuv., Dolabella dolabrifera Cuv. und Notarchus neapolitanus Delle 
Chiaje. An einem zufällig erbeuteten jungen Exemplar von A. depilans 
war es mir auch möglich Einiges über die Entwicklung dieser Drüsen zu 
eruiren. 

Ich will zur allgemeinen Orientirung hier zuerst einige Angaben 
über den allgemeinen Bau des Mantelrandes a des sogenannten 
Kiemendeckels machen. 

Die Grundlage des Mantelrandes oder Kiemendeckels wird, wie die 
der ganzen Körperwand, von dem eigenthümlichen maschigen, bei den 
Mollusken so verbreiteten Bindegewebe gebildet, in welchem sich außer 
den gewöhnlichen Bindegewebszellen auch sogenannte Plasmazellen fin- 
den, die einen großen, mit glänzenden Körnchen vollgepfropften Proto- 
plasmakörper aufweisen. Am häufigsten sind dieselben bei A. depilans. 
Die äußere Begrenzung des Mantelrandes wird durch ein einschichtiges 
mit deutlichem Cuticularsaum versehenes Cylinderepithel gebildet, dessen 
Zellen pigmenthaltig sind. Diesem Epithel gehören auch die nachher zu 
betrachtenden verschiedenen Drüsenformen an. Dieses Epithel trägt auf 
der Oberseite des Kiemendeckels bei A. punctata Wimpern, was schon 
Bor! angiebt, bei den anderen von mir untersuchten Formen ist es 
frei von Cilien. Modifieirt ist dieses Epithel da, wo es die Schale er- 
zeugt, indem die Zellen dort hoch cylindrisch sind und das ganze Epi- 
thel gefältelt erscheint. Dem Epithel dicht anliegend finden wir ein 
reich verzweigtes Gewebe von einfachen und verästelten Muskelfasern, 
die in allen möglichen Richtungen verlaufen. Ein anderes System von 
transversalen Muskelfasern verläuft in dem Bindegewebe von der oberen 
zur unteren Seite des Mantelrandes. In dem Bindegewebe verlaufen 
ferner die Nerven und die Blutgefäße, welche sich schließlich in die 
Lückenräume auflösen. Ferner sind die verschiedenen Drüsen, zu deren 
Betrachtung wir jetzt übergehen wollen, in das Bindegewebe einge- 
lagert. 

Dabei werde ich mich hauptsächlich an die bei A. limacina und de- 
pilans sich findenden Verhältnisse halten, und daran anschliebend, 
immer die Punkte erwähnen, wo die anderen Formen mit diesen über- 


1 F. Bor, Beiträge zur vergleichenden Histiologie des Molluskentypus. Archiv 
für mikr. Anat. Bd. V. Suppl. 1869. 


Uber die Drüsen des Mantelrandes bei Aplysia und verwandten Formen. 413 


einstimmen, oder von ihnen abweichen. Ich werde zuerst die einfacher 
gebauten kleineren Drüsen erwähnen, um dann erst die komplieirteren 
Purpurdrüsen und die ihnen analogen Drüsen bei den weniger reichlich 
Purpur absondernden Arten zu betrachten, die wir vielleicht als Milch- 
saftdrüsen bezeichnen können. 

Die zu besprechenden Drüsen sind alle einzellig und finden wir die 
einfachsten in Gestalt sogenannter Becherzellen überall in dem Epithel 
der verschiedenen Arten verbreitet. Wir sehen sie in Fig. 3 bz und bz, 
von der oberen Seite des Mantels von A. depilans abgebildet. Sie über- 
treffen die gewöhnlichen Epithelzellen nicht viel an Größe. Der Kern 
ist wandständig und nicht immer leicht zu sehen. Diese Zellen sind mit 
einem hellen Sekret (Schleim) angefüllt, der sich mit Karmin und Häma- 
toxylin intensiv färbt. Wohl dasselbe Sekret enthalten andere einzellige 
Drüsen (Fig. 3 dz,), die nur in der Form etwas abweichen. Sie sind 
birnförmig und treten nach innen über das Epithel heraus. Diese Drüsen 
finden sich am häufigsten auf der oberen Seite des Kiemendeckels, je- 
doch sind sie auch auf der unteren nicht gerade selten. 

Eine dritte Art von einzelligen Drüsen ist in Fig. 2 dr von der unte- 
ren Seite des Mantelrandes von A. depilans dargestellt. Es sind auch 
umgewandelte Epithelzellen, die sich bedeutend in die Länge gestreckt 
haben. Sie enthalten einen großen Kern und ihr Protoplasma ist mit 
zahlreichen Sekretkörnchen erfüllt. Ihr verschmälertes, zwischen die 
Epithelzellen hineinragendes Ende fungirt als Ausführgang, und ich 
glaube mit ziemlicher Sicherheit behaupten zu können, dass sie mit 
einer Membran versehen sind. Diese Art von Drüsenzellen findet sich 
bei allen untersuchten Arten, jedoch immer nur auf der Unterseite 
des Mantelrandes zwischen den großen Purpurdrüsen. Verhältnismäßig 
wenig entwickelt bei A. limacina und depilans, erreichen sie ihre 
stärkste Ausbildung bei A. punctata (Fig. 4 dr), wo sie dicht gedrängt 
stehen und viel größer werden als bei den zuerst genannten Arten. Im 
Zusammenhang mit der reichlichen Entwicklung dieser Drüsen treten 
die anderen größeren, Purpur absondernden Drüsen bei A. punctata 
an Zahl und Umfang bedeutend zurück. Besondere Erwähnung ver- 
dient hier noch Dolabella dolabrifera Cuv. Hier finden wir am mittleren 
Theil des Kiemendeckelrandes Drüsen von dem eben geschilderten Bau 
reichlich entwickelt (Fig. 6), während vorn und hinten ganz andere, 
nämlich mehrzellige Drüsen sich finden, wie sie in Fig. 4 und 5 im 
Längs- und Querschnitt dargestellt sind. Eigenthümlich ist bei diesen 
Drüsen, dass jede aus zwei kontinuirlichen Lagen von Zellen gebil- 
det werden, von denen die dem Ausführgang zunächst anliegenden 
(Fig. 5 hz) kleiner sind und helleres Protoplasma aufweisen als die 

25* 


414 Friedrich Blochmann, 


anderen, die äußere Schicht zusammensetzenden (belz). Äußerlich sind 
diese Drüsen von einer aus flachen Bindegewebszellen gebildeten Tunica 
propria umgeben, die besonders deutlich bei & (Fig. 5) hervortritti, da 
sie sich hier etwas abgehoben hat. 

Die interessantesten Drüsenformen sind die nun zu besprechenden 
Purpur-, bzw. Milchsaftdrüsen !, und zwar desswegen, weil wir es hier 
mit ziemlich komplicirten Organen zu thun haben, welche wir im Grunde 
doch als einzellig betrachten müssen. Denn die sekretorische Funktion 
wird von einer einzigen riesigen Zelle besorgt, welche aber durch eine 
Ektodermeinstülpung einen besonderen mehrzelligen Ausführgang er- 
halten hat. Ferner ist die sekretorische Zelle von einer Bindegewebs- 
schicht umgeben, in welcher sich ein Netz von verzweigten Muskelzellen 
findet. 

Betrachten wir zuerst den in Fig. 7 dargestellten, wenig vergrößer- 
ten, Längsschnitt durch eine solche Purpurdrüse von A. limacina. Die 
Drüsenzelle selbst zeigt einen Hohlraum, der daher kommt, dass das in 
ihm enthaltene Sekret beim Tödten des Thieres zum Theil entleert wird. 
Das Protoplasma, welches noch reichlich Sekretkörnchen enthält, bildet 
einen wandständigen Belag (pr) und enthält den Kern (n), welcher im 
Verhältnis zur Zelle ziemlich klein ist. Der Hohlraum der Drüsenzelle 
steht durch einen ziemlich langen mehrzelligen Ausführweg (af) mit der 
Unterseite des Kiemendeckels in Verbindung. 

Um uns nun über den Bau der Drüsenwandung zu orientiren, 
wollen wir zunächst den in Fig. 8 dargestellten Querschnitt betrachten. 
‚Zunächst muss ich bemerken, dass es mir auf keine Weise möglich war, 
eine Zellmembran zur Anschauung zu bringen, weder auf den feinsten 
Schnitten noch am Rande von Flächenpräparaten konnte ich eine 
solche wahrnehmen. Eben so blieben alle Macerationsversuche, die 
übrigens bei dem Alkoholmaterial überhaupt nur unvollkommen ge- 
langen, ohne Erfolg. Ich muss darum vor der Hand annehmen, dass 
die Zelle ohne eigentliche Membran ist. Sie wird dicht umhüllt von 
einer Lage von Bindegewebszellen, deren Grenzen sich nicht erkennen 
lassen, und deren Ausdehnung man nur nach dem Abstand der Kerne 


1 Bekanntlich sondern nicht alle Aplysien in gleichem Maß Purpursaft ab, son- 
dern diese Eigenschaft besitzen vorwiegend die an A. limacina sich anschließenden 
Formen, während die an A. depilans sich anreihenden aus homologen und eben so 
gebauten Drüsen theils einen weißen stinkenden Saft, theils Purpur absondern. Diese 
beiden Abtheilungen unterscheiden sich auch sonst noch. Bei den letzteren sind die 
Schwimmlappen bis zum Sipho verwachsen, bei den ersteren sind sie es nicht; die 
letzteren haben ein großes Loch im Mantel, die ersteren eine kleine in einen Kanal 
ausgezogene Öffnung. Wegen weiterer Unterschiede vergleiche man: SAnDER RANG, 
Histoire naturelle des Apiysies und DELLE CHıAJE, Animali senza vertebre. 


Über die Drüsen des Mantelrandes bei Aplysia und verwandten Formen. 415 


n, ungefähr beurtheilen kann. Zwischen diesen Bindegewebszellen 
treffen wir zahlreiche Muskelfasern im Längs-Querschnitt an (ms). 

Um sich eine Flächenansicht der Drüsenwand zu verschaffen, ver- 
fährt man am besten so, dass man eine Zelle herauspräparirt, sie auf 
dem Objektträger in der Mitte durchschneidet, die beiden Hälften durch 
Auspinseln von dem Inhalt befreit und dann flach ausbreitet. So gelingt es 
leicht das Geflecht der Muskelzellen zur Anschauung zu bringen (Fig. 11). 
Die einzelnen Zellen sind reichlich verästelt und zeigen deutlich eine 
fibrilläre Differenzirung des Protoplasma, welches nur in der unmittel- 
baren Nähe des ziemlich großen Kernes eine feinkörnige Beschaffenheit 
bewahrt hat. Die einzelnen Muskelzellen stehen durch ihre Fortsätze 
mit einander in Zusammenhang. Zwischen ihnen sind überall die dem 
Bindegewebe angehörigen Kerne n, sichtbar. Bei Aplysia limacina er- 
scheinen die Fortsätze der Muskelzellen auf dem Durchschnitt mehr 
rundlich (Fig. 8), während sie bei A. depilans ganz flach bandförmig 
sind. Außerdem ist das Muskelgeflecht bei A. limacina auch dichter als 
bei der anderen erwähnten Art. 

Dass zu diesen Drüsen Nerven herantreten, welche einerseits 
mit den Muskelzellen, andererseits mit dem Zellprotoplasma in Verbin- 
dung treten, darf wohl kaum zweifelhaft erscheinen. Es war mir aber, 
da ich nur auf Alkoholmaterial angewiesen war, nicht möglich, diesen 
Punkt eingehend zu untersuchen, ich bin aber fest überzeugt, dass es 
bei frischem Material nicht schwer fallen dürfte, diese Verhältnisse aufzu- 
klären. Wenn man die Drüsenzellen mit der Pincette aus dem umgeben- 
den Bindegewebe herauszieht, so bemerkt man meist in dem daran 
hängen bleibenden Bindegewebe ein Nervenstämmchen, das ich jedoch nie 
weiter verfolgen konnte. Auf Flächenpräparaten der Drüsenwand sieht 
man manchmal Zellen, wie die in Fig. 42 mit gz bezeichnete, die deut- 
lich fibrilläre Ausläufer und einen großen Protoplasmakörper haben ; ich 
glaube, dass man sie wohl wird als Ganglienzellen betrachten dürfen. 

Der Ausführgang der Drüsenzellen ist, wie wir weiter unten 
sehen werden, aus einer Epitheleinstülpung entstanden. In Fig. 10 ist 
derselbe im Querschnitt dargestellt und wir sehen, dass er aus ziemlich 
hohen und schmalen Cylinderzellen besteht, deren Kerne dem äußeren 
Ende genähert liegen. Ob die Zellen im Leben mit Wimpern versehen 
sind, kann ich nicht sagen, ich glaube jedoch nicht, dass es der Fall ist, 
da sich die Drüsenzellen ja bei Reizung des Thieres aktiv durch die Wir- 
kung der sie umspinnenden Muskelzellen entleeren. 

Der in Fig. 9 dargestellte Längsschnitt durch den Ausführgang zeigt 
uns den Anfang desselben an der Basis der Drüse. Der aufgewulstete 
Rand desselben springt etwas in das Lumen der Drüsenzelle vor. Das 


416 Friedrich Blochmann, 


die Zellenbasis und das obere Ende des Ausführganges umgebende 
Bindegewebe ist, wie die Figur zeigt, fibrillär differenzirt. Die Fasern 
strahlen, wie Flächenpräparate dieser Stelle zeigen, nach allen Seiten 
gleichmäßig aus und verlieren sich in nicht allzugroßer Entfernung 
unter den gewöhnlichen Bindegewebszellen, die weiter oben die Wand 
der Drüsenzelle bilden. Bei A. depilans sind die Zellen des Drüsen- 
ausführganges nicht so hoch cylindrisch, sondern mehr kubisch, die 
übrigen Verhältnisse stimmen mit den geschilderten überein. 

Hier möchte ich noch das Wenige anfügen, was ich über das Proto- 
plasma und den Kern der ausgebildeten Drüsenzelle zu sagen habe. Wie 
schon bemerkt bildet das Protoplasma einen Wandbeleg; es scheint sich 
auch besonders im oberen Theil der Zelle in Strängen durch den Hohl- 
raum hindurchzuziehen. Es ist feinkörnig und enthält sehr kleine 
Sekretkörnchen. Der Kern ist meistens nahe der Wand gelegen (Fig. 7 
und 8 n) und zeigt die gewöhnliche Struktur. Nucleolen habe ich deut- 
lich nur bei jungen Drüsenzellen wahrnehmen können (Fig. 15 und 46). 
Eine homogene Kernmembran scheint nicht vorhanden zu sein, wohl 
aber eine äußere verdichtete Schicht von Kernsubstanz, die sich auch 
immer sehr intensiv färbt. Am frischen Material ließe sich an diesen 
riesigen Kernen wohl noch Manches über die feinere Struktur derselben 
eruiren. 

Entwicklungsstadien der besprochenen Drüsen finden sich zahlreich 
bei jungen Thieren und sind die Fig. 13—16 Querschnitten n—_ den 
Kiemendeckel einer jungen A. depilans entnommen. 

Die Drüsen entstehen aus Epithelzellen, die rasch an Volum zu- 
nehmend in das Bindegewebe hineinrücken, ohne jemals den Zu- 
sammenhang mit der Außenwelt zu verlieren, Anfangs findet sich noch 
kein Hohlraum im Inneren (Fig. 13 und 14) und der im Verhältnis zur 
Zelle sehr große Kern füllt diese fast ganz aus. In diesen frühen Stadien 
scheinen die Zellen wenigstens in ihrem unteren Theile eine Membran 
zu besitzen, von der ich aber, wie oben bemerkt, bei der ausgebildeten 
Zelle keine Spur mehr finden konnte. Mit der allmählichen Vergröße- 
rung der Zellen legen sich einzelne Bindegewebszellen enger an sie an 
(Fig. 14 und 15), um schließlich einen kontinuirlichen Überzug zu bil- 
den (Fig. 16). In Fig. 15 hat schon die Einstülpung des Epithels be- 
gonnen, welche den Ausführgang liefert, in Fig. 16 endlich ist schon 
deutlich ein solcher mehrzelliger Ausführgang vorhanden. Woher die 
Muskelzellen stammen, welche später die Drüsenzelle mit einem dichten 
Netz umspinnen, kann ich nicht durch direkte Beobachtung angeben. 
Am natürlichsten erscheint die Annahme, dass sie von dem der Innen- 
seite des Epithels anliegenden Muskelnetz ihren Ursprung nehmen. 


Über die Drüsen des Mantelrandes bei Aplysia und verwandten Formen. 417 


Wenn wir uns in der Litteratur nach ähnlichen Drüsenzellen um- 
sehen, so finden wir für die zuerst besprochenen kleineren Formen 
leicht Analoga, da speciell für die Gastropoden die weite Verbreitung 
der Becherzellen und einzelligen Drüsen durch die Arbeiten von SEmPER!, 
BorL 2, Fremming 3, Levpie* und Anderen nachgewiesen wurde. Ich 
kann mir eine eingehendere Diskussion der Resultate dieser Forscher 
ersparen, da die betreffenden Drüsen der Aplysien in allen wesentlichen 
Verhältnissen mit den von ihnen bei anderen Gastropoden gefundenen 
übereinstimmen. Nur möchte ich noch bemerken, dass ich mich der 
Ansicht von Bor und Leyvıc anschließen muss, welche die einzelligen 
Drüsen als umgebildete Epithelzellen betrachten, entgegen der von 
Fremming, welcher sie aus Bindegewebszellen hervorgehen und erst 
nachträglich mit der Außenwelt in Verbindung treten lässt. 

Über den feineren Bau der Purpurdrüsen habe ich nicht die ge- 
ringste Notiz in der Litteratur auffinden können. Obgleich keinem 
Naturforscher, der sich in irgend einer Weise mit den Aplysien be- 
schäftigte, die Absonderung des Purpur-, resp. Milchsaftes entgehen 
konnte, so hat doch noch Niemand die dieses Sekret liefernden Organe 
genauer untersucht. Cuvier hält die sog. dreieckige Drüse, die nichts 
weiter ist als die Niere für das eigentliche den Purpur absondernde Or- 
gan. Bronn (Klassen und Ordn. Bd. Ill. p. 696) hat nicht erkannt, dass 
die dreieckige Drüse Guvızr’s die Niere ist, er hält sie für ein besonderes 
Organ von unbekannter Bedeutung und giebt an, sie fehle bei den kalk- 
schaligen Formen, also z. B. A. depilans L. Das ist selbstverständlich 
nicht der Fall, sondern dieselbe ist da wie dort vorhanden. Abgesehen 
nun davon, dass durch die Kenntnis dieser Drüsen eine Lücke in unserer 
Kenntnis des Baues der Pomatobranchier ausgefüllt wird, haben diesel- 
ben noch ein allgemeineres Interesse, da wir es hier mit Organen zu 
thun haben, welche im Grunde genommen den Werth einer Zelle 
haben, die aber trotzdem durch Hinzutreten von anderen Gewebsele- 
menten, Bindegewebe, Muskeln, Nerven (?) einen komplicirteren Bau 
erlangt haben. Überhaupt sind nur wenige Fälle bekannt, wo, wie hier, 
eine einzelne Zelle mit besonderen zu ihrer Bewegung dienenden Muskeln 
ausgerüstet ist. Als analogen Fall kann ich nur die Ghromatophoren der 
Gephalopoden aufführen. 


1 SEMPER, Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Pulmonaten. Diese Zeit- 
schrift. Bd. VIII. 4857. 

2 ].c. 

3 FLEMMING, Untersuchungen über die Sinnesepithelien der Mollusken. Archiv 
f. mikr. Anat. Bd. VI. 4870. 

* Leypıg, Die Hautdecke u. Schale d. Gastropoden. Arch. f. Naturgesch. 1876. 


418 Friedrich Blochmann, Über die Drüsen des Mantelrandes bei Aplysia etc. 


Schließlich bleibt mir noch übrig, Einiges über die Verbreitung 
der Purpur-, resp. Milchsaftdrüsen zu sagen. Unter den von mir unter- 
suchten Formen kommen Purpurdrüsen nur der A. limacina und punctata 
zu. Analog gebaute Milchsaftdrüsen finden sich zahlreich bei A. depilans 
und Notarchus neapolitanus, weniger häufig bei A. punctata und nur ver- 
einzelt bei Dolabella dolabrifera in dem mittleren Theil des Mantelrandes. 


Heidelberg, den 12. Februar 1883. 


Erklärung der Abbildungen. 


Wo nichts Besonderes angegeben ist, sind die Figuren mit SEIBERT Syst. V und 
der OBERHÄUSERSchen Camera gezeichnet und dann um die Hälfte verkleinert 
worden. 


Für alle Figuren geltende Buchstaben. 


dr, Drüse mit körnigem Inhalt ; pdr, Purpur-, resp. Milchsaftdrüse (bei A. depilans); 
bzı, kleine, bza, große Becherzellen; ep, Epithel; cw, Cuticula; ddg, Binde- 
gewebe ; ms, Muskel; nr, Nerv; n, Zellkern; n;, Kern der Bindegewebszellen ; 
"9, Kern der Muskelzellen ; af, Ausführgang der Purpurdrüsen. 


Tafel XXIIL, 


Fig. 4. Querschnitt durch den unteren Theil des Mantelrandes von Aplysia 
punctata Cuv. 

Fig. 2. Dasselbe von A. depilans L. 

Fig. 3. Querschnitt durch den oberen Theil des Mantelrandes von. depilansL. 

Fig. 4. Querschnitt durch den hinteren Theil des Mantelrandes von Dolabella 
dolabrifera Cuv. 

Fig. 5. Ein der Oberfläche paralleler Schnitt durch dieselbe Region. hz, innere 
Zellen (Hauptzellen); belz, äußere Zellen (Belegzellen). 

Fig. 6. Querschnitt durch den mittleren Theil des Mantelrandes desselben 
Thieres. 

Fig. 7. Zwei Purpurdrüsen von A. limacina L. im Längsschnitt. Vergr. 70. 
pr, protoplasmatischer Wandbeleg. 

Fig. 8. Querschnitt durch die Wandung einer Purpurdrüse von A. limacina L. 
SEIBERT, homog. Im. 1/12. 

Fig. 9. Längsschnitt durch die Basis der Drüsenzelle, den Ausführgang zeigend. 
bdgf, fibrillär differenzirtes Bindegewebe. 

Fig. 40. Querschnitt durch den Ausführgang. 

Fig. 44. Flächenpräparat der Drüsenwand von A. limacina L. SEIBERT, hom. 
Im, 1/i2- 

Fig. 12. Dasselbe von A. depilans. gz, Ganglienzelle. SEiBERT, hom. Im. 1/12. 

Fig. 43, A4, 45, A6. Verschiedene Entwicklungsstadien der Milchsaftdrüsen 
nach Dasrsehnitien durch den Mantelrand eines jungen Exemplares von a 
depilans L. 


Beiträge zur Kenntnis der Medusen. 


Von 


Dr. Otto Hamann. 


Mit Tafel XXI. 


I. Zur Entwicklung der Geschlechtsorgane der Discomedusen. 


Über den Bau sowohl wie über die Entstehung der Geschlechts- 
organe der Discomedusen liegen uns nur einzelne wenige Beobachtungen 
vor, welche von Graus! und Herrwis? herrühren. Dieselben beziehen 
sich auf Formen wie Aurelia, Chrysaora und Rhizostoma, welche Craus 
untersuchte und Pelagia so wie Charybdea, über welche von Herrwie 
Angaben vorliegen. In allen Fällen sind es aber entwickelte Thiere, 
welche untersucht wurden; über die Bildung der Organe an den Ephy- 
rulis liegen bis auf eine kurze Mittheilung von Craus aber keine Angaben 
vor. Ein reiches Material, welches ich im Winter 1882/83 in der zoo- 
logischen Station zu Neapel sammeln konnte, macht es mir möglich über 
die Geschlechtsorgane der Ephyriden einige Untersuchungen anstellen 
zu können. 

Über die Ausgangsformen der Discomedusen, als welche wir nach 
Hazckeı die Ephyriden betrachten sollen, finden sich, so weit ich die 
Litteratur kenne, was den Bau der Geschlechtsorgane anlangt, keinerlei 
Mittheilungen und doch kann man nicht ohne Berechtigung annehmen, 
dass die Ephyriden als uns ursprünglichst erhaltene Formen auch diese 
Organe in einer Weise erhalten haben werden, auf welche sich die Bil- 
dungen der übrigen Klassen zurückführen lassen werden. 

Ob dies der Fall ist, dies zu entscheiden, ist der eine Theil meiner 
Aufgabe. 


1 Craus, Studien an Polypen und Quallen der Adria. I. Discomedusen. Wien 
41877. 
2 Hertwis, Die Aktinien. p. 444. in: Jenaische Zeitschr. Bd. XIII. 4879. 


420 Otto Hamann, 


Die Ephyriden sind von HazckeL als erste Familie der Discomedusen 
aufgestellt. Sie sind am besten charakterisirt, wenn man sie als im 
Großen und Ganzen bleibende Ephyraformen bezeichnet. Diese Klasse 
zerfällt in die drei Subfamilien der Palephyriden, zu welcher die Genera 
Ephyra, Palephyra und Zonephyra gehören, in die Nausithoiden und die 
Collaspiden !. | 

Die Untersuchung konnte ich an Nausithoe punctata Kölliker führen, 
welche in den jüngsten und ältesten Stadien mir zu Gebote stand. 

Nausithoe besitzt bereits acht getrennte adradiale Gonaden, zeigt 
also schon einen abweichenden Typus von den Palephyriden, welche 
vier interradial gelegene Gonaden von hufeisenförmiger Gestalt zeigen. 
Dass aber die acht Gonaden der Nausithoe aus ursprünglich vier hervor- 
gegangen sind, erkennt man aus den Übergängen, welche zwischen 
Palephyriden und der letzteren sich zeigen. So besitzt die als Nausicaa 
benannte Form paarweise Gonaden, welche zu vier hufeisenförmigen 
Gruppen verbunden sind, »so dass die Proximalenden von je zwei 
bohnenförmigen Geschlechtsdrüsen gegen den Interradius konvergiren «. 

Die acht Gonaden, welche in den Adradien liegen, bilden kugelige 
Säckchen, welche im ausgebildeten Zustand in der Mitte die innere Höh- 
lung durchschimmern lassen und so ein Bild geben, als wenn hier eine 
Vertiefung vorläge (s. Fig. 1). 


Entstehung und Bau der Ovarien. 
(Nausithoe punctata.) 


Ich beginne mit der Beschreibung des Ovariums, um dann die Be- 
schreibung des Hodens so wie die Bildung der Spermatozoen zu erörtern. 

Die Ephyrula der Nausithoe, welche mit nur je einem Gastralfila- 
ment in jedem der Interradien versehen ist, zeigt bereits .die erste 
Anlage der Geschlechtsorgane. Es findet sich eine Verdickung des 
Gastralepithels der Subumbralwand des Magens, welche hinter dem 
Gastralfilament liegt. Leider war das weitere Entwicklungsstadium nicht 
vorhanden, so dass ich nicht mit voller Sicherheit den Satz aussprechen 
kann, dass sich aus den vier Anlagen der Gonaden, welche sich in den 
Interradien finden, die acht später in den Adradien liegenden Organe 
entstanden wären, und damit die phylogenetische Entstehungsweise hier 
rekapitulirt würde. Wie dem auch sei, sicher ist, dass die erste An- 
lage eine Verdickung des Epithels vorstellt. 

In Fig. 2 ist die erste Anlage gezeichnet. Vergleicht man den 


1 Da von HaAzckeL der Name »Ephyra« als Gattungsname verwendet ist, will 
ich die von ihm vorgeschlagene Bezeichnung »Ephyrula« für das bisher als »Ephyra« 
beschriebene Entwicklungsstadium gebrauchen: 


Beiträge zur Kenntnis der Medusen. 421 


| Längsschnitt in Fig. 3, welcher durch ein weiter entwickeltes Ovarium 
gelegt ist, so sieht man, dass die Bildung des » Geschlechtssäckchens « 
auf folgende Weise vor sich gegangen ist. 

Während das Keimepithel, so soll die bestimmte Zone des Gastral- 
epithels heißen, zu wuchern beginnt, erhebt sich die darüber liegende 
Schicht (en!) als Falte. Zugleich entwickelt sich die bisher nur als feine 
Membran kenntliche Stützlamelle, in welche die Eier einwandern. In- 
dem die Hervorwölbung des Gastralepithels mit der Stützlamelle eine 
halbkugelige Form einnimmt, entsteht ein Hohlraum innerhalb des Säck- 
chens (Rh). Das älteste Ei befindet sich am Distalende des Geschlechts- 
säckchens, während sich um dasselbe die jüngeren gruppiren. Die 
Stützsubstanz wird schließlich in so weit verdrängt, dass sie nur noch 
als Hülle, welche jedes Ei umgiebt, sich findet. Die Eier zeichnen sich 
durch ein kleines Keimbläschen aus, im Verhältnis zu den Eiern der 
Pelagia, welche im selben Entwicklungsstadium ein weit größeres Keim- 
bläschen zeigen. Die Eier werden von keiner Dotterhaut umgeben, son- » 
dern sind vollkommen nackt, wie dies bei Pelagia und anscheinend auch 
den übrigen Discomedusen der Fall ist. 

Das Gastralepithel zeigt da, wo es als Wandung des Säckchens 
auftritt, eine palissadenförmige Gestalt seiner Zellen. Die Zellen, welche 
den Hohlraum begrenzen, zeigen eine abgeplattete Gestalt. Das Exo- 
derm nimmt da, wo es das Keimepithel überzieht, eine andere Form an, 
als es an der übrigen Subumbralwand zeigt. Die Zellen sind hier äußerst, 
abgeplattet, so dass außer dem Kern nur wenig Protoplasma zu erkennen 
ist (Fig. 3 ex). 

Das ausgebildete Eisäckchen unterscheidet sich von dem in Fig. 3 
dargestellten nur durch seine Größe. 


Der Bau des Hodens. 
(Nausithoe punctata.) 


Ich will sofort zur Beschreibung des Hodens übergehen, wie er sich 
auf Schnitten zeigt. 

Betrachtet man den Hoden zunächst auf Tangentialschnitten, so 
bietet derselbe ein Bild dar, welches an ein in Furchung begriffenes Ei 
erinnert. Die einzelnen den Furchungskugeln vergleichbaren Theile 
sind die Hodenfollikel. Die Anordnung derselben studirt man am besten 
mit Hilfe eines Längsschnittes, wie er in Fig. 7 gegeben ist. Die ein- 
zelnen Follikel liegen dicht gedrängt durch eine geringe Substanz der 
Stützlamelle von einander getrennt. Durch die starke Entwicklung der 
Follikel ist der Hohlraum (Rh), welcher im Ovarıum einen großen Theil 
einnimmt [s. Fig, 3), auf ein Minimum reducirt. Im Allgemeinen finden 


432 Otto Hamann, 


sich dieselben Schichten wieder, wie sie bei der Betrachtung des Baues 
des Ovariums uns entgegentraten. Wie dort die Eier erst sekundär in 
die Stützsubstanz gelangen, so ist dies hier mit den Hodenfollikeln der 
Fall, welche sich von dem Keimepithel abschnüren und dicht gedrängt 
an einander lagern, so dass sie eine birnförmige Gestalt erhalten. Die 
zugespitzten Enden der einzelnen Follikel konvergiren gegen den Hohl- 
raum, während ihr stärker gewölbter Theil an die Peripherie des ganzen 
Gebildes grenzt. 

Der Inhalt der Follikel besteht bei solchen, welche noch im unreifen 
Stadium sich befinden, aus großen kugeligen Zellen, in deren Inneren 
viele Kerne sich zeigen (s. Fig. 10, 11). Diese Zellen liegen dicht an 
einander gefügt. Zwischen denselben, die Lücken ausfüllend, findet sich 
eine Zwischensubstanz, welche der der Stützlamelle gleichkommt und 
sich mit Hämatoxylin nicht tingirt. Sobald jedoch die Hodenfollikel ihre 
Reife erlangt haben, beginnen die Zellen, welche im Centrum jedes 
- Follikels liegen, in kleinere Zellen, anscheinend in zwei, sich zu theilen. 
In diesen letzteren bilden sich die Spermatozoen aus und zwar findet 
man meist vier oder mehr innerhalb jeder Zelle. Die ersten Spermato- 
zoen trifft man im Centrum der Follikel an. Von hier aus schreitet die 
Entwicklung nach der Peripherie zu weiter vor, indem zuletzt in dem 
Follikel nur ein bis zwei Lagen von großen Zellen sich finden. Der 
übrige Inhalt besteht aus den kleineren Zellen, welche an die ersten 
beiden Lagen grenzen, und den frei gewordenen Spermatozoen. 

Die letzteren in ihrer Bildung in den Zellen zu erkennen, er- 
reicht man nur an mit Hämatoxylin tingirten Schnittpräparaten. Hier- 
bei färben sich die Köpfe der Spermatozoen stark dunkel bis schwarz, 
während ihr protoplasmatischer Theil fast ungefärbt bleibt. Der Bau 
der Spermatozoen ist folgender: Die Gestalt des Kopfes ist birnförmig 
zu nennen. Auf das Kopfstück, den Kern, folgt eine kleine Partie Proto- 
plasma, welches sich in den langen Schwanztheil fortsetzt, wie es Fig. 13 
zeigt. In Figur 8 ist ein Theil eines Follikes stark vergrößert dargestellt, 
in welchem der größte Theil der Samenmutterzellen in Spermatozoen 
aufgelöst ist. 


Entstehung der Geschlechtsorgane von 
Pelagia noctiluca. 


Zur Vergleichung der geschilderten Verhältnisse der Nausithoe, der 
Ephyriden mit den übrigen Discomedusen, gebe ich im Folgenden die 
Ontogenie der Geschlechtsorgane von Pelagia, welche bisher nur aus 
den an erwachsenen Thieren gemachten Funden erschlossen war. 

Die Geschlechtsorgane werden schon frühzeitig angelegt. An einer 


Beiträge zur Kenntnis der Medusen. 423 


jungen Pelagia, deren Schirmdurchmesser circa 2 cm beträgt, erkennt 
man dieselben in Gestalt von vier Streifen, welche unterhalb der Gastral- 
filamente, also in den Interradien, verlaufen, wie es Fig. 14 zeigt. 


Die erste Anlage dieses Streifens giebt sich als eine Verdickung 
kund, welche auf eine Erhebung des Gastralepithels zurückzuführen ist, 
eine Erhebung, deren Centrum von der nachfolgenden Stützlamelle ein- 
genommen wird. Ein Querschnitt durch das Genitalband, wie man die 
erste Anlage der Geschlechtsorgane nennen kann, giebt folgendes in 
Fig. 15 dargestelltes Bild. Das Epithel der einen Seite des Streifens 
zeigt eine Zellwucherung, das Keimepithel. Die Geschlechtsprodukte 
(in der Figur ist das Ovarium gezeichnet) entstehen nur in dem einen 
Theile des Gastralepithels, welches die Falte umhüllt. Die Eier oder die 
Hodenfollikel gelangen, sobald sie eine gewisse Größe erlangt haben, 
in die weiter wuchernde Stützlamelle hinein, welche endlich ganz mit 
denselben angefüllt ist. Da aber nur an einer Seite des Genitalstreifens 
die Geschlechtsprodukte entstehen, so ist damit eine einseitige Lage- 
veränderung gegeben : der Genitalstreifen neigt sich nach dieser Seite 
(wie es auch in der Figur 15 bereits zum Ausdruck gekommen ist). 
Zwischen dem Genitalstreifen und der Gastralwand findet sich jetzt ein 
Raum, welcher von Hrrrwic als Genitalsinus beschrieben wird. Zwi- 
schen Gastralwand und dem Genitalstreifen können sich Stränge ent- 
wickeln, deren Achse von der Stützlamelle gebildet wird, während ein 
Epithel dieselbe bedeckt, wie letztere Autoren ! es abgebildet haben. 


Die Weiterentwickiung des Genitalstreifens besteht in einem Wachs- 
thum, wie man mit Vergleichung meiner Figur und des Querschnittes 
von Herrwic-sehen kann? (l. c. Taf. XXVI, Fig. 7). 


Was die erste Bildung der Hodenfollikel anlangt, so schnüren sich 
dieselben ebenfalls nur an einer Seite des Genitalstreifens ab, wie schon 
aus der Beschreibung von HErTwIG zu sehen ist (vgl. Fig. 9). 


Über die erste Anlage der Geschlechtsorgane der übrigen 
Discomedusen, sind wir durch CLaus unterrichtet. Nach diesem Autor 
legen sich dieselben bei Aurelia als verdickte Epithelstreifen in der 
unteren Wand der Magentaschen an. Es scheint also derselbe Ent- 
stehungsmodus vorhanden zu sein, wie ich ihn bei Pelagia geschildert 
habe. Die Untersuchung auf Schnitten wurde bisher noch nicht gemacht. 
Dass wir aber bei Aurelia wie auch bei Chrysaora und Rhizostoma die- 


1 Herrwıs, 1. c. Taf. XXVI, Fig. 2. 

2 In wie fern die Gebrüder Herrwıe zwischen Genitalsinus und Lumen des 
Genitalsäckchens unterscheiden können (s. Tafelerklärung XXVI), ist mir nicht ganz 
erklärlich. In der That handelt es sich um ein und dasselbe Gebilde. 


424 Otto Hamann, 


selben Verhältnisse antreffen werden, scheint mir nach Craus’ Unter- 
suchungen als sicher feststehend, obgleich freilich nur der äußere Bau 
geschildert wird !. 

Während wir für die Discomedusen (excl. Ephyriden) eine allge- 
meine Übereinstimmung in Bau und Entstehung der Geschlechtsorgane 
annehmen dürfen, ist dies für die Ephyridenfamilie so lange noch als 
fraglich anzusehen, bis uns mehr Beobachtungen vorliegen. Dass aber 
für eine Reihe von Ephyriden eine Übereinstimmung herrscht, lässt sich 
schon jetzt mit Gewissheit sagen. HarckeL? bildet einen Schnitt durch 
ein Geschlechtsorgan von Collaspis Achillis ab, welches eine Übereinstim- 
mung mit dem von mir geschilderten Bau desselben bei Nausithoe zeigt. 
Weiter giebt uns derselbe von den Challenger-Ephyriden Darstellungen, 
welche mit der unsrigen übereinstimmen. Ich verweise hier auf die 
Abbildungen von Nauphantei Challengeri? und Atolla Wyvillei. 


Sind die Geschlechtsorgane der Discomedusen von denen 
der Ephyriden ableitbar? 

Auf Grund ihrer Untersuchungen an Pelagia haben O. und R. HeErT- 
‚wis! den Satz aufgestellt, dass hier die ursprünglichste Bildung erhalten 
sei und die Faltenbildung als Ausgangsform der Geschlechtsorgane bei 
den Discomedusen hingestellt. Sie haben dann weiter die leizteren auf 
die Geschlechtsorgane der Charybdeen zurückzuführen versucht. Von 
HaEckEL>S ist hiergegen folgender Einwurf gemacht worden. Wie ich 
schon im Anfang dieser Studie bemerkte, hat Harckzr eine Reihe von 
Medusen, unter ihnen Nausithoe, als Ephyriden zusammengestellt, welche 
er als die Stammformen aller Discomedusen betrachtet. Er sagt®: »Da 
bei Discomedusen der verschiedensten Familien eine und dieselbe charak- 
teristische Jugendform, Ephyrula, überall in derselben wesentlichen 
Bildung auftritt und den gemeinschaftlichen Ausgangspunkt aller weite- 
ren, später so bedeutend divergirenden Discomedusenbildungen dar- 
stellt, so ist nach dem biogenetischen Grundgesetze der Schluss gestattet, 
dass eine entsprechende, in der Ephyraform reif werdende und als solche 
sich fortpflanzende Stammform, Ephyraea, einst der ganzen Ordnung 


1 Vor Kurzem hat LENDENFELD (diese Zeitschr. Bd. XXXVII) die Entwicklung 
der Gonaden bei Cyanea Annaskala, einer neuen Meduse, beschrieben, welche mit 
der bei Pelagia geschilderten in der Hauptsache übereinstimmt, 

2 HaEcKEL, System der Medusen. Taf. XXVIII, Fig. 6. 

3 Tiefseemedusen der Challenger-Reise. 4884. Taf. XXVII und Taf. XXIX, 
Fig. 45 und 5. 

* 0. undR. Herrwic, Aktinien. Jen. Zeitschr. Bd. XIII. p. 603 und 644, 

5 System der Medusen. p. 467, 468 und 469. 

6]. c. p. 476, 


Beiträge zur Kenntnis der Medusen. 425 


den Ursprung gab. Unveränderte oder wenig veränderte Nachkommen 
dieser Stammform existiren aber auch noch heute und pflanzen sich als 
solche fort.« An einer anderen Stelle 1 weist HarckeL die Herrwıg'’sche 
Ansicht zurück, da die ursprünglichsten und einfachsten Verhältnisse 
unter den Discomedusen, wie dies von vorn herein zu erwarten sei, die 
Ephyriden zeigen müssten. Ich gestehe, dass diese Anschauung mir als 
die richtige schien, und ich glaubte durch diese Untersuchung den histo- 
logischen Nachweis bringen zu können. 

Gesetzt also, die Ephyriden sind den Stammformen nahe stehend, 
so müssen sie die einfachste Bildung der Gonaden zeigen. Ist dies aber 
nicht der Fall, so sind die beiden folgenden Möglichkeiten denkbar. Die 
Gonadenbildung ist gefälscht, oder aber eine Neubildung. Dann, näm- 
lich falls Letzteres nachgewiesen werden kann, ist die Anschauung, 
welche die Ephyriden für Stammformen erklärt, unwahrscheinlich. 

Um mich kurz zu fassen, stelle ich Folgendes zusammen. Die 
Geschlechtsorgane der Discomedusenlassensich auf die 
der Ephyridennicht zurückführen. Diese Organe sind bei den 
letzteren selbständige Bildungen, wie wohl genugsam aus der 
obigen Beschreibung hervorgeht. Hiermit kommt die Herrwıg’sche Aus- 
einandersetzung, welche die Faltenbildung als den Ausgangs- 
punkt aller Bildungen der Gonaden bei den Discomedusen annimmt 
und für dieselben an einigen Formen nachwies, in Geltung. 

Während bei Nausithoe das Keimepithel als Verdickung oder besser 
Wulst des Gastralepithels entsteht, findet sich die Anlage des Keim- 
epithels bei Discomedusen in der Faltenerhebung. Und letztere auf 
erstere zurückzuführen, wäre doch gar zu gezwungen! Erkennen wir 
in den Geschlechtsorganen verschiedene unabhängig von einander 
entstandene Bildungen an, und schließen wir uns den HErTwIc- 
schen Ausführungen an, so kommen wir nicht zu dem Schlusse, dass die 
Ephyriden die Stammgruppe vorstellen, sondern zu dem, dass sie unab- 
hängige Formen vorstellen. Dies gilt natürlich nur von den jetzt vor- 
handenen Formen der Familie der Ephyriden. 

Der Hypothese Harcker’s, dass alle Discomedusen von Formen ab- 
stammen, welche den Ephyrulis nahe stehen, und für welche er den 
Namen Ephyraea einführt, trete ich hiermit nicht zu nahe. Ich ziehe 
nur die Folgerung in Zweifel, dass die jetzt lebenden Ephyriden den 
Stammformen nahe stehen sollen. 

Ich halte die Ephyriden vielmehr für weit jüngere Bildungen. Es 
ist für die verschiedensten Medusengruppen bekannt, dass die Larven 


1-)..C. Pr 407. 


496 Otto Hamann, 


bereits geschlechtsreif werden können, so für sämmtliche vier Ordnun- 
gen der Craspedoten, den Antho-, Lepto-, Tracho- und Narcomedusen. 
Hazcker ! hat diese Fälle als Pädogenesis beschrieben und weist darauf 
hin, dass die Artbestimmung in Folge derselben erschwert würde, 'in- 
dem er der Charakteristik jeder der vier Ordnungen die Frage hinzu- 
fügt: Und was ist bei den -medusen eine bona species? 

Ich glaube, dass die Ephyriden als eine Gruppe von Formen zu ı be- 
trachten sind, welche aus geschlechtsreif gewordenen Larven, den Ephy- 
rulis, entstanden sind. Eben so wie die Appendicularien nicht als 
Stammformen der Tunicaten angesehen zu werden brauchen, sondern 
als geschlechtsreif gewordene Larvenformen,, welche sich fortpflanzten 
und so eine neue Art bildeten, scheint mir die eben vorgetragene An- 
schauung nicht unbedingt als unannehmbar gelten zu müssen. 

Ich halte also die jetzt lebenden Ephyriden, so weit sie den ge- 
schilderten Bau der Geschlechtsorgane besitzen, für eine Gruppe, deren 
Arten aus Larvenformen entstanden sind, welche sich fortpflanzten, und 
glaube, dass dieser Vorgang der Artenentstehung weit öfter im Thier- 
reich sich vollzogen hat, als man bisher anzunehmen geneigt war. 


II. Zur Ontogenie von Tiara pileata L. Agassiz. 


Unsere Kenntnis der Entwicklung der niederen Medusen, der 
CGraspedoten,, erstreckt sich nur auf einige wenige Arten, so dass der 
folgende Beitrag zur Entwicklung des Eies bei den Anthomedusen nicht 
ohne Interesse sein dürfte. Die Furchung des Eies bei Tiara pileata 
konnte ich während eines Sommeraufenthaltes auf Helgoland im August 
1882 beobachten. 

Tiara pileata ist eine der gewöhnlichsten Medusenformen und 
kommt sowohl im Nord- wie im Mittelmeer vor. Die Geschlechtspro- 
dukte entwickeln sich aus dem Exodermepithel auf den Magenkanten. 

Bringt man die erwachsenen geschlechtsreifen Thiere in ein Gefäß, 
so kann man in Kurzem auf die Ablagerung von Eiern rechnen, welche 
auf dem Boden sich ansammeln. 

Die Eier besitzen keine Membran. Da wo das Richtungskörperchen 
ausgestoßen ist, tritt die erste Furche auf, welche das Ei in zwei gleiche 
Halbkugeln trennt. Der ganze Vorgang der Furchung kann direkt unter 
dem Mikroskop beobachtet werden. Die Theilung geht so rasch vor sich, 
dass man kaum Zeit hat, die einzelnen Stadien zu zeichnen. Nachdem 
das Ei des Weiteren in vier Theile zerfallen ist, zeigt sich die erste An- 
lage der Furchungshöhle. Jetzt tritt die erste Horizontalfurche auf, 


1 System der Medusen. p. 8, 119, 242, 309. 


Beiträge zur Kenntnis der Medusen. 427 


welche das Ei in acht Segmente zerlegt. Die Furchung verläuft voll- 
kommen regulär. Während die Zellen nach und nach immer kleiner 
werden, erweitert sich die Furchungshöhle und wir haben zuletzt eine 
Blastosphaera vor uns, deren Zellen sich mit Flimmerhaaren bedecken. 
Der Embryo beginnt jetzt sich zu bewegen, während er eine ovaleForm 
annimmt. In dieser Gestalt bewegt er sich um seine eigene Achse 
rotirend umher und zwar stets mit dem einen verdickten Ende voran. 
Das hintere Ende ist spitz ausgezogen, wie es die Fig. 49 zeigt. 

In kurzer Frist beginnt nun am hinteren Ende eine Zellwucherung, 
eine Zelltheilung der exodermalen Zellen. Die Theilungsprodukte rücken 
in die Furchungshöhle hinein und füllen dieselbe nach und nach aus, 
wobei die Anfüllung vom hinteren Ende nach dem vorderen successive 
fortschreitet. Fig. 20 zeigt einen Embryo, bei welchem bereits ein klei- 
ner Theil der Furchungshöhle ausgefüllt ist. 

Essigsäure-Chromsäure eignet sich am besten zur Fixirung der ver- 
schiedenen Stadien, wobei eine Hämatoxylinfärbung die einzelnen 
Zellen mit ihren Kernen am deutlichsten hervortreten lässt. 

Am Schluss dieses Processes haben wir eine Gastrulaform vor uns, 
bei welcher das Entoderm durch eine Zellmasse dargestellt wird, in 
welcher in Form einer Spalte sich der Gastralraum anlegt. Weiter 
konnte ich die Entwicklung nicht verfolgen, da ich wegen der heftigen 
Stürme, die im August herrschten, kein weiteres Material mir ver- 
schaffen konnte. | 

Sehen wir uns nun nach einem ähnlichen Bildungsvorgang der Ga- 
strula um, so finden wir einen einzigen Fall im Kreise der Ooelenteraten, 
welcher von Craus! näher geschildert worden ist. Craus beschreibt die 
Furchung einer Aequoride, welche er für identisch mit Aequorea forsca- 
lea erklärt, also einer Leptomeduse. Seine Angaben stimmen überein 
mit den von mir bei Tiara pileata beobachteten Verhältnissen. Seine 
Abbildung zeigt die Zellwucherung in Form von kugeligen Gebilden. 
Dies ist das Bild, welches man bei Betrachtung des lebenden Embryo 
erhält. Dass es sich aber um eine Zelltheilung der Zellen, welche die 
Wandung der Blastosphaera bilden, handelt, erkennt man erst nach ge- 
eigneter Fixirung derselben. 

Haben wir es nun hier mit einem Invaginationsvorgange oder aber 
mit einer Delamination zu thun? Craus bemerkt bereits richtig, dass 
der beschriebene Entwicklungsvorgang nichts mit letzterer zu thun 
habe, sondern weit eher mit der Invagination in Beziehung stände. 

Jedenfalls ist er keiner der beiden Bildungsarten ohne Weiteres 
1 Graus, Die Entwicklung des Aequoriden-Eies, in: Zoologischer Anzeiger 1882, 
Nr. 112. | 

Zeitschrift f, wissensch. Zoologie. XXXVIII. Bd, 939 


428 ‚Otto Hamann, 


hinzuzuzählen, er steht zwischen beiden, jedoch so, dass er mehr zur 
Invagination hinneigt und vielleicht als eine modificirte Invagination auf- 
gefasst werden muss. Lassen wir nun :hier einmal die Frage ganz bei 
Seite, ob Invagination der primäre, Delamination der sekundäre von 
ersterer ableitbare Zustand sei, oder aber ob der letztgenannte Vorgang 
der primäre sei, und sehen nun zu, in welcher Weise die »modificirte 
Invagination « zwischen beide Bildungen zu stellen ist. 

Während bei der typischen Invaginationsgastrula sich ein Theil der 
eine Zellschicht bildenden Zellen der einschichtigen Keimblase ein- 
stülpt und zwar nur an einem Pole, rücken in unserem Falle die Zellen 
an nur einem Pole in die Furchungshöhle, indem sie zunächst noch im 
Zusammenhange bleiben. 

Bei Eucope polystyla hat nun Kowarevsky beobachtet, dass von der 
einschichtigen Keimblase an verschiedenen Stellen, also nicht mehr an 
dem einen Pole, Zellen in die Furchungshöhle rücken, welche dieselbe 
auf diese Weise nach und nach mit einem Zellmaterial anfüllen, in wel- 
chem erst sekundär der Gastralraum entsteht. Bleiben nun aber die so 
in die Furchungshöhle rückenden Zellen mit ihren Bildnerinnen in Zu- 
sammenhang, so haben wir den als typische Delamination bezeichneten 
Vorgang vor uns, wie er bei Geryonia und verwandten Arten beschrie- 
ben ist. 

Wir sehen also einen direkten Zusammenhang zwischen Invagina- 
tion und Delamination. Beide Formen stehen sich also nicht diametral 
gegenüber. Diejenige Art von Delamination aber, wie sie beispielsweise 
METScHNIKorF ! bei einer Siphonophore und ich? bei Tubularia geschildert 
habe, bei welcher zuerst ein Zellhaufen sich bildet und die Sonderung 
in die zwei Keimblätter dadurch entsteht, dass die Zellen der Morula in 
ein einschichtiges Exoderm und einen das Entoderm vorstellenden Zell- 
haufen zerfallen, scheint an die epibolische Invagination sich anzu- 
schließen und vielleicht als eine modificirte Form derselben betrachtet 
werden zu können. 


Göttingen, im Februar 1883. 
! METSCHNIKOFF, Studien über Entwicklungsgeschichte d. Medusen und Siphono- 


phoren. Diese Zeitschr. 1874. Bd. XXIV. 
?2 Hamann, Organismus der Hydroidpolypen. Jena, FıscHEr, 1882. 


Beiträge zur Kenntnis der Medusen. 429 


Erklärung der Abbildungen. 


In sämmtlichen Figuren bedeutet: 
ex, Exoderm; 
eri, Entoderm, welches die Gonaden umhüllt; 
en?, entodermales Keimepithel; 
h, Hohlraum innerhalb der Gonaden von Nausithoe ; 
hf, Hodenfollikel; 
g, Gonaden; 
gf, Gastralfilamente; 
st, Stützlamelle; 
F-H, Furchungshöhle; 
it, Tentakel. 


Tafel XXII. 
Fig. 4. Gonade von Nausithoe punctata. Lupenvergrößerung. 
Fig. 2. Längsschnitt durch die erste Anlage des Geschlechtsorganes derselben. 
Fig. 3. Längsschnitt durch das Ovarium derselben. 
Fig. 4. Tangentialschnitt durch den Hoden derselben. 
Fig. 5. Querschnitt durch denselben. 


Fig. 6. Schnitt durch die ganze Meduse zur Orientirung der Lagerung der Gona- 
den an der subumbralen Magenwand. 

Fig. 7. Längsschnitt durch einen reifen Hoden desselben Thieres. Innerhalb 
der einzelnen Follikel sieht man die Spermatozoen. 

Fig. 8. Ein Theil eines Hodenfollikels stärker vergrößert, 

Fig. 9. Längsschnitt durch den Hoden einer Pelagia noctiluca, nach einer 
Herrtwise schen Abbildung. 
Fig. 40 und 44. Große Zellen aus den Follikeln von Nausithoe. 

Fig. 42. Samenmutterzellen derselben. 

Fig. 43. Spermatozoen derselben. 

Fig. 44. Die Anlage der Geschlechtsorgane einer jungen Pelagia noctiluca. 

Fig. 45. Querschnitt durch das Geschlechtsorgan (Ovarium) desselben Thieres. 


Fig. 16—20 beziehen sich auf die Entwicklung vonTiara pile- 
ata L. Agassiz. 

Fig. 46. Ei im Stadium der 16 Segmente. 

Fig. 47. Querschnitt, optischer. Man erkennt, dass der der Furchungshöhle zu- 
gekehrte Theil der Zellen sich gegen den peripheren, welcher ein fein granulirtes 
Plasma mit dem Kern zeigt, scharf abhebt. 

Fig. 18. Zwei Zellen von der Blastosphaera. 

Fig. 19. Die Blastosphaera. Der Pfeil deutet die Richtung der Bewegung an. 

Fig. 20. Die Zelltheilung am hinteren Ende hat begonnen. CGhromsäurepräparat. 


239* 


Das Grofshirn der Vögel. 


Von 


Dr. A. Bumm, 
Assistenzarzt an der Kreisirrenanstalt zu München. 


Mit Tafel XXIV und XXV. 


I. Makroskopische Beschreibung. 


Die bei den Säugern nur während der Embryonalperiode vorhan- 
dene scharfe Trennung von Vorder- und Zwischenhirn bleibt bei den 
Vögeln auch in erwachsenem Zustande bestehen. Eine laterale Ver- 
schiebung, wie sie das Vorder- und Zwischenhirn jener im Lauf der 
Entwicklung erleiden, kommt bei diesen nicht zu Stande. Die Folge 
davon ist, dass die dem erwachsenen Säuger typische Berührungslinie 
zwischen lateralem Sehhügel- und medialem Streifenhügelrand im er- 
wachsenen Vogelhirn vermisst wird: Sehhügel und Streifenhügel treten 
hier in keinen seitlichen Kontakt, sondern verharren in derselben Lage 
hinter einander, wie beim Embryo. 

Aus diesen Andeutungen erhellt, dass mit der entwicklungsgeschicht- 
lichen Begrenzung des Großhirns der Vögel zugleich dessen anatomische 
zusammenfällt, mit andern Worten, dass entgegen dem Verhalten der 
Säuger das Großhirn der Vögel nur Theile in sich vereinigt, die aus dem 
sekundären Vorderhirn hervorgegangen sind !. 

Das Großhirn der Vögel ist, wie das der niederen Säuger, win- 
dungslos?. 

1 Die anatomische Begründung dieser Thatsache war schon HALLErR bekannt 
(l. ec. p. 497): »... cum thalami nervorum opticorum in homine et in quadrupede 
cerebri partem constituant, in avibus a cerebro semoti sint.« 

2 Tuuer’s Angabe, dass im Großhirn der Papageien Andeutungen von Gyri vor- 
handen seien (l. c. p. 28), erweist sich als irrthümlich. Die von ihm in Fig. 4 ge- 
gebene Abbildung der Dorsalansicht eines Gehirnes von Psittacus aestivus lässt einen 


bloßen Wulst, aber keine Windung erkennen. Über Wulstbildung an der dorsalen 
Großhirnfläche der Vögel: vgl. p. 439. 


Das Großhirn der Vögel. 431 


TIEDEMAnn vergleicht es in anschaulicher Weise mit einem Karten- 
herzen, dessen Spitze nach vorne und dessen Ausschnitt nach hinten ge- 
kehrt ist. Schlicht und zutreffend ist Harzer’s Beschreibung vom Gans- 
hirn, die auch auf die Mehrzahl der übrigen Vögel passt: »duo, quae 
vocantur, hemisphaeria ovata, convexa, anterius in conum procurrunt, 
cujus finis est processus mammillaris, nervus olfactorius verus.« 

Durch den Vergleich der Großhirndurchmesser bei den verschiede- 
nen Vogelordnungen gelangt man zu folgenden Ergebnissen. Nach 
Leurer 1, der Quer- und Längsdurchmesser bei 36 Vogelarten bestimmt 
hat, verhält sich 

der Quer- zum Längsdurchmesser 


bei den Papageien . „. .„ A 1,09 
» » Schwimmvögeln A 0,99 
» » Spechten A 0,94 
» » Singvögeln . A 0,81 
„ ».,Ssumpfvögeln., ......1 0,79 
» » Hühnervögeln A 0,29 
» » Raubvögeln . A 0,7% 
» » Tauben a A 0,74 
>» >» Laufvögeln . .. „eu — 


Wie man sieht, überwiegt der Längsdurchmesser den Querdurch- 
messer nur bei den Papageien. Bei den übrigen Vogelordnungen dreht 
sich das Verhältnis um: bei den Schwimmvögeln sinkt der Längsdurch- 
messer bereits auf 0,99, bei den Raubvögeln und Tauben gar auf 0,74 
herab. 

Nach Serres, der unter 31 Vogelarten auch die Laufvögel in Be- 
tracht zieht (Tauben und Spechte sind übergangen), gestalten sich die 
Reihenfolge der Ordnungen und die Verhältniszahlen der Durchmesser 
etwas anders; es verhält sich 

der Quer- zum Längsdurchmesser 


bei den Papageien . . .„ A 1,00 
» » Singvögeln . A 0,85- 
» » Sumpfvögeln A 0,85 
» » Schwimmvögeln 1 0,80 
Da »tllaulmsgeini.. se 0,76 
» » Raubvögeln . 1 0,70 
Ye) Hühnervögeln 1 0,66 


1 Leurer's Zahlen und die nachfolgenden von SErREs habe ich für die einzelnen 
Vogelordnungen umgerechnet. Vgl. die annähernde Übereinstimmung der obigen 
Tabelle und der ersten von Serres mit der Gewichtstabelle p. 433. 


432 -A. Bumm, 


Die oben angeführten Messungen Leurrr’s bedürfen einer Ergän- 
zung, da bei denselben der vertikale Durchmesser nicht berücksichtigt 
ist und gerade dieser bei den Vogelordnungen mit reducirtem geraden 
Durchmesser (Hühner-, Lauf- und Raubvögel) einen relativ hohen Ent- 
wicklungsgrad erreicht (vgl. unten). Ich sehe mich desshalb veranlasst, 
die Lücke bei LEuRET nach Serres zu berichtigen; es verhält sich nach 


diesem Forscher 
der Längs- zum vertikalen Durchmesser 


bei den Hühnervögeln . . A 0,75 


» » Laufvögeln. 1 0,69 
» 9» Raubvögeln A 0,69 
» » Schwimmvögeln 1 0,60 
» » Sumpfvögeln . A 0,60 
2.0.9: Papaesen 2.2.4 0,59 
2,0.» Bingvogeln. ....,. GM 0,58 


Die von den Autoren ! seither ausgeführten Hirnwägungen sind für 
unsere Zwecke ungenügend. Ich habe nachfolgend eine Tabelle zusam- 
mengestellt, die das Gewichtsverbältnis vom Großhirn (Vorderhirn) zu 
der Summe von Zwischen-, Mittel-, Hinter- und Nachhirn verzeichnet. 
Wie ich glaube, dürfte diese Wägungsmethode das Größenverhältnis des 
Großhirns bei den verschiedenen Vogelordnungen am richtigsten wieder- 
geben?. Die Technik meines Verfahrens ist einfach: ich schneide mit 


1 TIEDEMANN (l. c. Bd. I. p.20) beachtet in seiner ersten Tabelle nur das Ge- 
wichtsverhältnis der Körpermasse zum Gehirn in toto; in seiner zweiten Tabelle 
dasjenige vom Großhirn zum Kleinhirn (Cerebellum). Ähnlich Leuser (l. c. T.1. 
p. 286), der auch noch die Verbältniswerthe von Großhirn und Medulla oblongata 
berechnet hat. Wie unzuverlässig für unseren Zweck die Wägungsresultate TiEDE- 
MANN’S Sich gestalten, beweist, um nur ein Beispiel anzuführen, der Umstand, dass 
die Schwimmvögel mit hervorragend entwickeltem Großhirn in Tiepemann’s I. Ta- 
belle in letzter Reihe stehen! 

? Methodische Hirnwägungen sind bis jetzt nur beim Menschen im größeren 
Maßstab ausgeführt worden: Die betreffende Litteratur vgl. bei ScuwALBE (l. c. 
p. 589). »Zu einer rationelleren Abgrenzung der Hirntheile bei den Wägungen suchte 
MEYNERT zu gelangen, indem er zunächst den ganzen Hirnstamm plus Streifenhügel 
vom Hirnmantel abtrennte und innerhalb des ersteren wieder das Kleinhirn und den 
Rest des Hirnstammes (als Stammhirn) gesondert bestimmte« (nach SCHWALBE, 1. c. 
p- 595). MEynert’s Methode, den Streifenhügel vom Hirnmantel loszulösen, ist nur 
bei den Säugern, aber nicht mehr bei den Vögeln durchführbar, da bei diesen 
wegen Ausfalls der Stabkranzfaserung eine Trennungslinie zwischen Streifenhügel 
und Hirnrinde von vorn herein fehlt. Ich halte es aber auch für principiell unzu- 
lässig, zwei entwicklungsgeschichtlich einheitliche Theile, wie Hirnrinde und Strei- 
fenhügel, einander gegenüber zu stellen, wie dies MEvNERT bei seinen Hirnwägungen 
thut. Aus dieser Überlegung habe ich mich entschlossen bei meinen Wägungen von 


Das Großhirn der Vögel. 433 


einem schmalen Scalpell die Großhirnbasis (vgl. Fig. 4) zwischen vor- 
derem Rand des Tractus opticus und Markbündel der strahligen Scheide- 
wand ein und durchtrenne letzteres zusammen mit dem Hirnschenkel. 
Da nun dieser die einzige schmale Verbindung von Vorder- und Zwi- 
schenhirn herstellt, muss bei nur einigermaßen vorsichtigem Operiren 
die Isolirung des Großhirns von dem übrigen Gehirn mit aller Sicherheit 
gelingen. — Das Nachhirn durchschneide ich in der Ebene der ven- 
tralsten Wurzeln des Nervus hypoglossus. Mit Rücksicht darauf, dass 
die Pia mater am Vogelhirn stellenweise sich nur sehr schwer ablösen 
lässt, ziehe ich es vor, dieselbe mit zu wägen. Die Zahlen, die ich ge- 
funden habe, sind folgende. Es verhält sich ! 


das Gewicht des Großhirns zu dem des übrigen Gehirns 


bei den Singvögeln?. . . 2,79 : 1 
u) iSpechten ).r 22,07 2,77 : 4 
am Papageien ?5, 0 2,08 s U 
» » Schwimmvögeln . 1,94 l 
» » Sumpfvögeln . . 1,75 A 
» » Raubvögeln. . . 1,61 1 
» » Hühnervögeln . . 1,12 4 
Bee Tauben‘, my 1,1.720595 A 
» » Laufvögeln . . .  — _ 


Um also nochmals zu wiederholen, so stehen in erster Reihe die 
Vogelhirnen so vorzugehen, wie oben aus einander gesetzt wurde. Zugeben muss 
ich, dass es rationeller gewesen wäre, das Cerebellum für sich zu bestimmen; ich 
bin auf dieses Versehen leider zu spät aufmerksam geworden. 

i Wie oben bei den Durchmessern, führe ich auch hier der Einfachheit wegen 
nur die Reduktionszahlen an, die selber wieder Mittelwerthe aus mehreren Ge- 
wichtsbestimmungen darstellen. Gewogen habe ich: von Singvögeln das Gehirn des 
Kernbeißers (Coccothraustes vulgaris), der Meise (Parus major), des Sperlings (Frin- 
gilla domestica), des Staares (Sturnus vulgaris), des Kleibers (Sitta europaea) und 
der Schwalbe (Hirundo rustica), von Spechten das zweier Buntspechte (Picus medius), 
von Schwimmvögeln das zweier Gänse (Anser domesticus) und einer Ente (Anas 
domestica), von Sumpfvögeln das zweier Schnepfen (Scolopax rusticola), von Papa- 
geien das zweier Wellensittiche (Psittacus undulatus), von Raubvögeln das zweier 
Bussarde (Buteo vulgaris), von Hühnern das des Haushuhns (Gallus domesticus), des 
Rebhuhnes (Perdix cinerea), des Schneehuhns (Lagopus alpinus) und Haselhuhns 
(Tetrao bonasia), endlich das zweier Tauben (Columba domestica). 

2 Bei dem im ornithologischen System (vgl. GEGENBAUR, 1. c.) unter die Sing- 
vögel eingereihten Würger (Lanius) verhält sich das Gewicht des Großhirns zu dem 
des übrigen Gehirns wie 4,57:4(!). Mit Rücksicht auf dieses Kriterium wäre also 
der Würger aus der Ordnung der Singvögel zu streichen und erhielte seinen Platz in 
der Nähe der Raubvögel; mit diesen stimmt er auch durch die Kürze und Breite 
seines Großhirns überein. 


434 A. Bumm, 


Singvögel und Spechte, dann folgen in größeren und kleineren 
Abständen die Papageien, Schwimm-, Sumpf- und Raubvögel; den 
Schluss der Tabelle machen die Hühnervögel und Tauben, bei letzteren 
sinkt sogar das Gewicht des Großhirns unter das des übrigen Gehirns 
herab. | 

Eine Fehlerquelle in dieser Zusammenstellung ist, wie ich gern zu- 
gebe, durch die geringe Anzahl der Einzelwägungen bedingt. Unter 
allen Vogelordnungen dürften hiervon die Papageien am meisten zu 
ihren Ungunsten betroffen sein. Eine weitere, leider nicht eliminirbare 
Fehlerquelle liegt in Folgendem: bekanntlich sind Mittel- und Hinter- 
hirn, deren Entwicklung unabhängig von der des Großhirns geschieht, 
bei den verschiedenen Vogelordnungen nicht unbeträchtlichen Volum- 
schwankungen unterworfen (vgl. Fig. 1, 3, 4, 6, III, IV). So haben 
beispielsweise die Raubvögel, relativ genommen, das größte Mittelhirn 
und das größte Hinterhirn , bei den Singvögeln und Spechten verhält es 
sich eher umgekehrt. Es ist somit einleuchtend, dass das Gewichtsver- 
hältnis vom Großhirn zum übrigen Hirn bei den Raubvögeln im Ver- 
gleich zu den Singvögeln und Spechten zu niedrig ausfällt !. 

In der Beschreibung der Großhirnoberflächen beginne ich mit der 
ventralen (basalen) Fläche. Der hintere Basalrand des Großhirns der Vögel 
grenzt an das im auffälligen Gegensatz zu den Säugern ventralwärts ge- 
rückte Mittelhirn (Corpus opticum). Die Grenze zwischen beiden Hirnthei- 
len ist übrigens bei den verschiedenen Vogelordnungen eine veränderliche: 
je nach der Länge und Breite der Großhirnbasis wird das Corpus opti- 
cum von ihrem hinteren Rand entweder nur tangirt oder in verschiede- 
ner Ausdehnung überlagert. Bei den Raub- und Hühnervögeln reicht 
der hintere Basalrand eben noch an den vorderen Rand des Corpus opti- 
cum (vgl. Fig. 4). Bei den übrigen Vogelordnungen schiebt sich die 
Großhirnbasis mit ihrem hinteren Abschnitte über die dorsale Fläche des 


1 Aus den angegebenen Gründen halte ich es auch für gewagt, aus den Ge- 
wichtszahlen, wie ich sie gefunden habe, einen direkten Schluss auf die geistigen 
Fähigkeiten der in meiner Tabelle berücksichtigten Vogelordnungen zu ziehen. Die 
Anfangs- und Endglieder der Tabelle etwa ausgenommen dürften innerbalb der 
übrigen Ordnungen mehrfache Ausgleichungen stattfinden. Die absolute Richtigkeit 
meiner Zahlen aber auch angenommen bleibt die Beantwortung der Frage nach der 
Bedeutung des Hirngewichts für die geistigen Fähigkeiten der Vögel (dasselbe gilt 
mutatis mutandis für die übrigen Thiere) eine komplicirte, in so fern als neben den 
psychischen Funktionen auch die somatischen ihren Antheil an der Größe des Hirn- 
gewichts haben und Anhaltspunkte für die Abschätzung dieser beiden Faktoren nur 
schwer zu erhalten sind. Vgl. die trefflichen Erörterungen über diesen Gegenstand 
bei BıscHorr (l. c. p. 434 und 442), aus denen aber schließlich auch nur hervor- 
geht, dass die angeregte Frage heut zu Tage noch nicht spruchreif ist. 


Das Großhirn der Vögel, 435 


Corpus opticum vor, am weitesten bei den Singvögeln (vgl. Fig. 7) und 
Papageien (vgl. Fig. 8); bei letzteren überragt sie das Mittelhirn nicht 
nur nach rückwärts, sondern auch seitlich. 

Die äußere Gestalt der Großhirnbasis zeigt bei den einzelnen Vogel- 
ordnungen beträchtliche Unterschiede. Ich will hier nur die Extreme 
hervorheben. Bei den Schwimm- (vgl. Fig. 1) und mehr noch bei den 
Sumpfvögeln erscheint die Großhirnbasis napflförmig; die Vertiefung 
liegt symmetrisch in der Mitte jeder Basishälfte, während der vordere 
mediale und laterale Rand mehr oder weniger scharf vorspringt. Am hin- 
teren Basalrand prominirt ein ansehnlicher Höcker (vgl. Fig. 4 BH), an 
derselben Stelle, an die bei den Säugern der Lobus pyriformis zu liegen 
kommt; bei den Papageien (vgl. Fig. 8 BH) hypertrophirt dieser Höcker, 
den ich von nun an hinteren Basalhöcker nennen will, in dem Maße, 
dass man bei der äußeren Betrachtung versucht wäre, denselben dem 
Schläfelappen der höheren Säuger zu vergleichen. Das gerade Gegen- 
stück zu den genannten Ordnungen bilden die Singvögel (vgl. Fig. 7), 
deren vollständig platte Großhirnbasis aus einem vorderen horizontalen 
und einem hinteren schräg gestellten und zugleich medial abgeflachten 
Abschnitt besteht. Am medialen Rand des vorderen horizontalen Ab- 
schnittes unterscheidet man zwei symmetrische keilförmige Massen (vgl. 
Fig. 7 BK), die nach Lage und Gestalt an die basalen Deckplatten der 
Streifenhügelköpfe der Nager erinnern. Unter den übrigen Vogelord- 
nungen finde ich die genannten Theile nur noch bei den Papageien (vgl. 
Fig. 8 BK) gut entwickelt. — Eine Ausnahmestellung behaupten, wie 
schon oben angedeutet, die Papageien. Während bei den übrigen Vogel- 
ordnungen der hintere Basalhöcker !/, (Schwimm- und Sumpfvögel) bis 
1/ (Tauben, Raub- und Hühnervögel) der ganzen Basislänge ausmacht, 
nimmt er bei den Papageien die Hälfte, am lateralen Rand sogar zwei 
Drittiheile ein. Die Spechte stehen in der Entwicklung der Großhirn- 
basis hinter den Papageien und selbst hinter den Schwimmvögeln zurück. 

Die Riechhöcker (Tubercula olfactoria, Stiepa, Processus mammilla- 
res cerebri der Autoren) der Vögel haben, ein jeder, die Gestalt eines 
Kegels, dessen Spitze in den Riechnerven und dessen Basis mittels eines 
kurzen Halstheils in die Großhirnbasis übergeht (vgl. Fig. 1, 4, 7,8 Prm). 
Sie liegen bei der Mehrzahl der Vögel an der Spitze der Großhirnbasis 
(vgl. Fig. 4 Prm). Eine Ausnahme von der Regel machen einige Sing- 
vögelarten (Sperlinge, Amseln etc.), bei denen sie wie bei den Säugern 
von der Großhirnbasis selber und zwar in einiger Entfernung von dem 
vorderen Ende des medialen Randes entstehen (vgl. Fig. 7 Prm). 
Körper und Halstheil der Riechhöcker sind innen hohl; ihre Höhle bildet 
eine Fortsetzung der Großhirnkammer. 


436 A. Bumm, 


Die Riechhöcker der Vögel erweisen sich gegenüber denjenigen der 
Säuger als beträchtlich verkümmert. Relativ gut entwickelt sind sie bei 
den Schwimmvögeln, weniger gut bei den Sumpfvögeln; noch viel weiter 
stehen die übrigen Vogelordnungen zurück. | 


Es verhält sich 
das Gewicht der Riechhöcker zu dem des Großhirns 


bei der Gssu lisa, wre dal 67,0 
Dab»ısnSchnepfettienskst. sei Bel 84,5 
23 :dem;Bussärdiss Zonkiser ebd 3 513,0 


Bei den übrigen Vogelordnungen bin ich vorerst zu keinem be- 
friedigenden Wägungsresultat gekommen. Abgesehen davon, dass die 
Abtrennung der Riechhöcker vom übrigen Großhirn bei den kleineren 
Vögeln nur schwierig und unsicher gelingt, war auch die von mir be- 
nutzte Wage für die hier in Betracht kommenden minimalen Gewichts- 
differenzen nicht empfindlich genug. Ich hoffe, das Versäumte nächsten 
Sommer nachzuholen. 

Von der Gans beschreibt A. Meexer am äußeren Rand der Groß- 
hirnbasis, ungefähr an der Grenze zwischen mittlerem und hinterem 
Dritttheil eine querverlaufende Furche, die er für das Homologon der 
Syrvischen Furche der Säuger anspricht, nach meiner Auffassung aber 
mit Unrecht. Es kommt nämlich eine solche nur bei den höheren Säu- 
gern mit entwickelten Hirnwindungen vor; schon bei den windungslosen 
Insectivoren sucht man vergebens nach einer Furche, die der Syrvı- 
schen entsprechen könnte. Aber auch unter den von ihm untersuchten 
Vögeln fand A. Mecker die vermeintliche Syıvr’sche Furche nur bei der 
Gans und bemerkt ausdrücklich, dass beim Truthahn » keine Spur von 
einer Fossa Sylvii am äußeren Rand« zu sehen sei. Nach meinen Unter- 
suchungen verhält sich die Sache so. A. Mecxzr’s Fossa Sylvii ist nichts 
Anderes als die Einbuchtung oder, wenn man will, Furche, welche den 
hinteren Basalhöcker von der übrigen Großhirnbasis abgrenzt?. Bei den 


1 TiEDEMANN’s Angabe (l. c. Bd. 1. p. 40), dass die Riechhöcker besonders groß 
bei den Raubvögeln und der Gans seien, trifft für unsere einheimischen kleineren 
Raubvögel (Strix, Buteo etc.) gewiss nicht zu. SERRES (l.c. T.1I. p. 573) nennt 
gleichfalls irrthümlich neben der Gans, Ente und Schnepfe den Habicht, den Sper- 
ber und die Eule. 

2 Der Lage nach entspricht diese Furche der Vertiefung, welche als ventral- 
mediale Fortsetzung der Fossa Sylvii beim Menschen die Basis der Schläfenlappen- 
spitze umgiebt. SCHWALBE (l. c. p. 534) hat diese Vertiefung beim Menschen zum 
Unterschied von der eigentlichen die Insel aufnehmenden Fossa Sylvii als Vallecula 
Sylvii bezeichnet. Dass Fossa Sylvii und Vallecula Sylvii keine anatomische Einheit 
ausmachen, beweist das Verhalten der übrigen Säuger, bei denen beide Furchen 
durch eine tiefe Längsfurche (Grenzfurche des Lobus olfactorius nach Pansch) 


Das Großhirn der Vögel.. 487 


einzelnen Vogelordnungen ist die genannte Furche um so deutlicher und 
schneidet um so mehr durch die ganze Breite der Basis durch, je mäch- 
tiger der hintere Basalhöcker entwickelt ist. In erster Linie sind die 
Papageien zu nennen, bei denen sie bis zur Grenze zwischen vorderem 
und mittlerem Dritttheil des lateralen Basisrandes vorrückt (vgl. 
Fig. 8 BHF). Ähnlich wie bei der Gans verhält sich die Furche bei 
der Ente (vgl. Fig. 1 BHF); schwächer, aber immer noch deutlich ist 
sie bei den Sumpfvögeln. An Letztere reihen sich die Spechte an. Bei 
den Tauben, den Hühner- und Raubvögeln (vgl. Fig. 4 BHF), deren 
hinterer Basalhöcker mehr abgeplattet ist, verschwindet die Furche am 
lateralen Rand und ist nur mehr in ihrem medialen Ausläufer sichtbar. 
Den Singvögeln fehlt sie vollständig; es ist dieser Mangel wohl auf die 
denselben eigenthümliche Abflachung des hinteren Basisabschnittes zu- 
rückzuführen, in Folge dessen ein hinterer Basalhöcker! äußerlich sich 
nicht abgrenzen lässt (vgl. Fig. 7). 

Von den Markbündeln der Großhirnbasis ist außer dem Hirnschen- 
kel (vgl. Fig. 4, 4 Pedv) und dem Markbündel der strahligen Scheide- 
wand (vgl. Fig. 4 SchMb), die am vorderen Rand des Tractus opticus 
in gekreuzter Richtung aus dem Zwischen- in das Vorderhirn über- 
treten, noch eines zu erwähnen, das trotz seiner wechselnden Entwick- 
lung bei den verschiedenen Vogelordnungen typische Verlaufsenden 
aufweist. Mit seinem hinteren Ende liegt es am vorderen Umfang des 
hinteren Basalhöckers, mit dem vorderen in der Richtung des vorderen 
Basisrandes. Am entwickeltsten fand ich dasselbe beim Wellensittich 
(vgl. Fig. 8 BMb), bei dem es nach hinten als breites Band entspringt 
und nach vorn strahlenförmig zerfährt; an seinem vorderen medialen 
Rande trennt sich ein kleines Büschel ab, das gegen den Riechhöcker 
hinzieht. Bei der Gans? sah A. Meckeı das Markbündel (Markbündel der 
Syryrschen Furche bei A. Mecker), an dem er ein hinteres kleineres und 
ein vorderes größeres büschelförmiges Ende beschreibt, mit einem Theil 
seiner Fasern auf die mediale Hemisphärenoberfläche übergreifen; eine 
zweite Verbindung mittels einiger weniger Fasern besteht nach dem- 
selben Autor mit dem Riechhöcker. Die genannte Beziehung des Mark- 


unterbrochen werden. Die Bezeichnungen Fissura Sylvii und Fossa Sylvii werden 
von den Autoren (auch von A. MEckEL) häufig promiscue gebraucht. Streng ge- 
nommen kommen Fissura plus Fossa Sylvii bloß den Menschen, Primaten und 
Carnivoren zu; die übrigen gyrencephalen Säuger haben nur eine Fossa Sylvii. 

! Seine virtuelle Grenze wäre zwischen hinterem Ende des basalen Markbün- 
dels und hinterem Basisrand zu ziehen. Das Volum des hinteren Basalhöckers der 
Singvögel würde also noch kleiner ausfallen als bei den Raubvögeln. 

? Vgl. das Markbündel der Ente (Fig. 4 BMb), mit dem das der Gans, so viel ich 
gesehen habe, am meisten übereinkommt. 


438 i A. Bumm, 


bündels zur medialen Hemisphärenoberfläche respektive zur strahligen 
Scheidewand ist jedenfalls eine inkonstante; aber auch der Nachweis 
einer Verbindung mit dem Riechhöcker will bei mehreren Vogelordnun- 
gen nicht gelingen; vom Truthahn sagt Mecxeı selber, dass das Mark- 
bündel »wenigstens nicht deutliche Fäden zu den Geruchsnerven giebt«. 
Bei den Spechten, Tauben, den Raub- (vgl. Fig. 4 BMb) und Hühner- 
vögeln reducirt es sich zu einem schmalen Büschel und rückt gegen den 
lateralen Basisrand vor; entsprechend der Krümmung des letzteren ge- 
staltet sich sein Verlauf mehr bogenförmig. Bei den Singvögeln (vgl. 
Fig. 7 BMb) ist dasselbe in seinem hinteren Theile vom Corpus opti- 
cum bedeckt; nach Entfernung des letzteren sieht man es annähernd in 
der Mitte jeder Basishälfte als schmalen Streifen von hinten nach vorn 
ziehen, in der Ebene des vorderen Randes vom Corpus opticum in fla- 
chem Bogen medialwärts umbiegen und am lateralen Rande der oben 
erwähnten keilförmigen Massen bis an deren Spitze weiter verlaufen. 
Sein daselbst gelegenes Ende trägt bei einigen Ordnungen ein zierliches 
Faserbüschel, bei anderen zerfährt das Markbündel bereits bei seinem 
Übergang aus dem geraden in das bogenförmige Segment in eine breite, 
schaufelförmige Ausstrahlung ! (Amsel, Fig. 7). 

Um nichts zu präjudiciren, will ich das Bündel im weiteren Text 
als basales Markbündel anführen. Carus und Treyıranus sprechen sich 
für dessen vollständige Homologie mit dem Tractus olfactorius der Säu- 
ger aus. Nicht so Mecker, der dem Bündel neben seiner Beziehung zum 
Riechhöcker hauptsächlich die Bedeutung eines Associationsbündels 
zwischen vorderem und hinterem Theil des Großhirns vindicirt. Indem 
ich auf diesen zweiten Theil der Mecexer'schen Aufstellung später zurück- 
komme, halte ich es gleichfalls für ausgemacht, dass das basale Mark- 
bündel auch im günstigsten Fall nur eine sehr beschränkte Verbindung 
mit dem Riechhöcker seiner Seite eingeht. Eine Homologie zwischen 
basalem Markbündel der Vögel und Tractus olfactorius der Säuger, die 
man a priori geneigt ist anzunehmen, dürfte also nur für einen kleinen 
Faserantheil des ersteren zutreffen. 

Dorsale Großhirnoberfläche. An der Gestaltung dieser 
lassen sich zweierlei Typen beobachten (vgl. p. 442). Der erste Typus 


1 Das vordere büschelförmige Ende des basalen Markbündels der Singvögel ist 
nur an ganz frischen Präparaten sichtbar; an gehärteten Gehirnen scheint das Bün- 
del in eine einfache Spitze auszulaufen. So lange ich nur das letztere Verhalten 
kannte, halte ich mich vergebens bemüht, einen Parallelismus zwischen dem vor- 
deren Ende des basalen Markbündels der Singvögel und dem der übrigen Vogelord- 
nungen ausfindig zu machen. An frischen Präparaten springt dieser Parallelismus 
von selber in die Augen. 


Das Großhirn der Vögel. 439 


begreift das Gehirn der Tauben, Raub- und Hühnervögel. Bei dieser 
Gruppe unterscheidet man an der dorsalen Großhirnoberfläche zwei 
senkrecht auf einander stehende Abschnitte, einen kleineren hinteren, 
zur hinteren Großhirnoberfläche verlaufenden, und einen größeren vor- 
deren, zur Basis abfallenden (Fig. 5, 6). Bei der den zweiten Typus 
bildenden Gruppe (Schwimm- und Sumpfvögel) ist die dorsale Groß- 
hirnoberfläche an Stelle einer rechtwinklichen Einknickung bogenförmig 
abgerundet und verflacht sich fortschreitend in der Richtung von hinten 
nach vorne (Fig. 2, 3). 

Die Singvögel neigen mehr zu der ersten, die Klettervögel mehr zu 
der zweiten Gruppe. 

Bei einer großen Anzahl von Vögeln ist die mediale Randzone der 
dorsalen Großhirnoberfläche von einer Furche ! umgeben und ragt wulst- 
förmig über die angrenzende Hirnrinde hervor. Trevıranus, der Wulst 
und Furche gleichfalls kennt, hält letztere für homolog mit derjenigen 
Furche, welche bei den Nagern, Insectivoren und Fledermäusen das 
große Gehirn in einen oberen und unteren Lappen scheidet. Wäre diese 
Auffassung von TrEvIrAnus richtig, so müsste die ventral von der ge- 
nannten Furche gelegene Rindenpartie dem Lobus olfactorius der Säuger 
entsprechen. Da nun bekanntlich die Entwicklung des letzteren von der 
des Bulbus olfactorius abhängig ist, ergäbe sich beim Vogel die auf- 
fällige Thatsache, dass dessen Lobus olfactorius trotz der Verkümme- 
rung des Bulbus olfactorius (vgl. p. 436) relativ noch größer wäre, als 
beispielsweise bei den Insectivoren mit eminenter Entwicklung der 
Riechkolben. Spricht schon dieses Verhalten gegen die Deutung von 
TREVIRANUS, So liegt ein weiterer Gegenbeweis darin, dass der histolo- 
gische Rindentypus des Lobus olfactorius der Säuger in dem vermeint- 
lichen Rindenhomologon der Vögel vermisst wird (vgl. p. 453). 

Meine Untersuchungen über die Wulstbildung an der dorsalen 
Großhirnoberfläche der Vögel haben mich Folgendes gelehrt. Ähnlich 
wie bei der Ente (Fig. 2 W) verhält sich der Wulst bei den übrigen 
Schwimm-, Sumpf- und Klettervögeln. Alle drei Vogelordnungen zeigen 
ihn in guter Ausbildung. Sein hinteres breiteres Ende fällt bei den 
Schwimm- und Sumpfvögeln mit dem hinteren Rand der dorsalen Groß- 
hirnoberfläche zusammen; bei den Klettervögeln wird es erst in einiger 


! Die Furche hat schon MArAcARNE (l. c. T. III. p. 146) gesehen: »... la faccia 
superiore di ciascun emisfero appena portando un Solco superficiale diretto obliqua- 
mente in avanti e in dentro«. A. MEckEL beschreibt Furche und Wulst (l. c. p. 47) 
und erwähnt auch den Abdruck des letzteren an der Innenseite des Schädeldaches 
der Gans. Am Schädeldach des Bussards habe ich gleichfalls einen Abdruck des bei 
diesem Vogel allerdings anders gelegenen Wulstes vorgefunden. 


440 A. Bumm, 


Entfernung vom hinteren Rande deutlich. Das vordere spitze Ende liegt 
durchgehends in der vorderen Hälfte der dorsalen Großhirnoberfläche 
und rückt mehr oder weniger weit gegen die Basis vor: am weitesten 
beim Wellensittich, weniger weit beim Specht, der Schnepfe, Gans 
und Ente. 

Dieser ersten Gruppe (Schwimm-, Sumpf- und Klettervögel) steht 
eıne zweite gegenüber (Tauben, Raub- und Hühnervögel), bei welcher 
der Wulst nach Lage und Umfang einen anderen Typus aufweist (vgl. 
Fig. 4,5 W). In der zweiten Gruppe verschmälert sich nämlich der- 
selbe und rückt aus der hinteren Hälfte der dorsalen Großhirnoberfläche 
in deren vordere; sein hinteres breiteres Ende kommt etwa an die 
Grenze zwischen hinterem und vorderem Abschnitt zu liegen; mit sei- 
nem vorderen spitzen Ende schiebt er sich bis an den medialen vorderen 
Basisrand vor. Unter die eben genannte Gruppe lassen sich auch noch 
einige Singvögel einreihen. So finde ich wenigstens bei den Finkenarten 
eine den Tauben ähnliche Wulstbildung. Die übrigen mir bekannten 
Singvögel haben entweder eine glatte Großhirnoberfläche! oder lassen 
kaum mehr als eine schwache Andeutung des vorderen Wulstendes er- 
kennen (vgl. Fig. 7 W). 

Bei mehreren der von mir untersuchten Vögel (Bussard, Rebhuhn 
etc.) finde ich das Grau der dorsalen Großhirnoberfläche an ihrem hin- 
teren medialen Rande von einigen querverlaufenden Markstreifen durch- 
zogen, die sich als Ursprungsbündel der strahligen Scheidewand nach- 
weisen lassen. Meckeı und Carus geben Ähnliches vom Truthahn an; 
vgl. ferner die darauf bezügliche Zeichnung bei Carus (Taf. IV, Fig. 18 F). 

Eine bemerkenswerthe Eigenschaft zeigt das Gehirn des gemeinen 
Staares. Während man an demselben die eben erwähnten querver- 
laufenden Markstraifen vermisst, sieht man in der Nähe des hinteren 
Randes der dorsalen Großhirnoberfläche einen halbmondförmigen Mark- 
anflug, über dessen Bedeutung ich bis heute nichts Bestimmtes sagen 
kann. Ich vermuthe jedoch, dass dieser Markanflug der Großhirnrinde 
nicht eigentlich aufgelagert ist, sondern dem von mir sogenannten sagit- 
talen Mark im Streifenhügel (vgl. p. 458) angehört und an der bezeich- 
neten Stelle durch die Großhirnrinde durchschimmert 2. 

Hintere Großhirnoberfläche. An dieser liegt in einiger Ent- 
fernung von ihrem ventralen Rande eine graue Hervorragung, die sich 


1 Nach den Abbildungen zu schließen, die Serres von den Gehirnen des 
Straußes und Kasuars giebt (l. c. Atlas, Pl. III, Fig. 77; Pl. IV, Fig. 95), gehören 
die Laufvögel zu dem Singvogeltypus mit glatter dorsaler Großhirnoberfläche. 

2 Ich habe diesen Markanflug, nachdem ich darauf aufmerksam geworden war, 
später noch bei mehreren-anderen Vögeln konstatirt. 


Das Großhirn der Vögel. 441 


nach Art einer Schneckenwindung zur Basis hinabkrümmt, wo sie am 
hinteren Umfang des hinteren Basalhöckers endigt (Fig. 1, 3, 6 SpW). 
Der dorsale Rand dieser Hervorragung schärft sich zu einer Kante (Spi- 
ralkante) zu, die sich als weiße Spirallinie von dem übrigen grauen 
Grunde abhebt (Fig. 1, 3, 5, 6 SpK). Der ventrale abgeflachte Rand 
dient einem mattweißen Spiralband (Fig. 1, 3, 6 SpB.) zum Ursprung, 
das wir später als Theil der strahligen Scheidewand werden kennen 
lernen. Dorsal von der genannten Hervorragung, die ich von nun an 
Spiralwulst nennen will, zeigt bei den Schwimmvögeln die hintere 
Großhirnoberfläche in ihrer medialen Hälfte eine dreieckige Abplattung, 
die durch die Anlagerung des Kleinhirns ! mit seiner vorderen seitlichen 
Fläche bedingt ist. 

Vordere Kommissur. Drängt man von oben her die beiden 
Großhirnhemisphären in der Medialspalte etwas aus einander, so sieht 
man dicht vor dem Sehhügel ein rundes Markbündel von einer Hemi- 
sphäre zur anderen ziehen und sich in ihrem hinteren ventralen Theil 
verlieren. Das genannte Markbündel ist das Homologon der vorderen 
Kommissur der Säuger. 

A. Meexzer’s Balkenrudiment?. Am dorsalen hinteren Rande 
der vorderen Kommissur beschreibt A. Meexer bei der Gans? einen ge- 
trennt verlaufenden Markfaden, der ungefähr !/, vom Durchmesser der 
Commissura anterior ausmacht und den er für die erste Andeutung des 
Balkens der Säuger hält. Ohne vorerst über die Bedeutung dieses 
Markfadens ein Urtheil abzugeben kann ich für Mecker das Vorkommen 
sowohl als die Unabhängigkeit desselben von der Comm. ant. bestätigen, 
trotz Treviranus, der diese Bildung für ein Kunstprodukt hält, und trotz 
Stıiepa, der sich von deren Existenz nicht überzeugen konnte. 

Hirnschenkel. Durchschneidet man die vordere Kommissur, so 
kommt dicht unter ihr der Hirnschenkel zum Vorschein, an dem ich eine 


1 LEURET, |. c. T. I. p. 177. »En arriere les lobes cerebraux des oiseaux tou- 
chent le cervelet, ce qui n’a lieu dans aucun reptil ni dans aucun poisson.« 

2 A. Mecker’s Balkenrudiment hat vielleicht schon Wıruıs gesehen: ».... Cere- 
bri anseris, aut galli Indici dissectionem instituas; atque membranis discissis, cere- 
bri fissuram et medietatem ejus unam ab altera, leviter comprimendo, diducas et 
separare pergas, donec ventum erit ad ipsum fundum, in quo duo corpora medul- 
losa existunt, quae nervorum instar, transversim protensa, hemisphaeria invicem 
connectunt« (l. c. p. 4). 

3 Mit bloßem Auge habe ich das Bündel außer bei der Gans bei keinem, auch 
nicht bei den größeren unserer einheimischen Vögel (Ente, Bussard etc.) nachweisen 
können, wohl desswegen nicht, weil dasselbe bei den meisten Species, ähnlich wie 
bei der Eule (Fig. 42), nirgend frei zu Tag tritt, sondern in seinem ganzen Verlauf 
durch die Lamina terminalis verdeckt wird. 


442 A, Bumm, 


ventral mediale und eine dorsal laterale Abtheilung unterscheide. Letz- 
tere bildet eine Art rinnenförmiges Lager, in dem die vordere Kommissur 
eingeschlossen liegt. A. MeckeL trennt den Hirnschenkel bei seinem 
Eintritt aus dem Zwischen- in das Vorderhirn in drei Faserbündel, ein 
unteres, mittleres und oberes. Das untere, nach MeckeL schwächste 
Bündel, entspricht der ventralen, das mittlere der dorsalen Hirnschenkel- 
lage meiner Eintheilung. Meckzr’s oberes Faserbündel scheint mir 
eine künstliche Abtrennung innerhalb der dorsalen Hirnschenkellage 
zu sein. 

Mediale Großhirnoberfläche. Die oben beschriebenen zwei 
Typen in der Gestaltung der dorsalen Großhirnoberfläche wiederholen 
sich auch an der medialen, wo sie eigentlich noch deutlicher sind, da 
letztere gleichsam einen natürlichen Durchschnitt der ersteren darstellt 
(Fig. 3, 6). 

Ein besonderes Merkmal der medialen Großhirnoberfläche bildet 
ihre strahlenförmige Markdecke, die ich mit Benutzung eines bereits ge- 
bräuchlichen Namens als strahlige Scheidewand sensu strictiorit be- 
zeichnen will. In ihrer Ausbreitung auf dem genannten Hemisphären- 
abschnitt lässt sich die strahlige Scheidewand einem circa 1/, bis ?/, 
geöffneten Fächer vergleichen, dessen Strahlen sich ventralwärts zu 
einem markigen Stiel, dem Markbündel der strahligen Scheidewand, 
(p. 443) sammeln. 

Prüft man die verschiedenen Vogelordnungen auf das Verhalten 
dieses medialen Theiles der strahligen Scheidewand, so lassen sich die- 
selben unter zwei Gruppen? vereinigen. Bei der ersten Gruppe 
(Schwimm-, Sumpf- und Klettervögel) ist nur die hintere Hälfte der 
medialen Hemisphärenoberfläche von der strahligen Scheidewand be- 
deckt (vgl. Fig. 3 Sch) und erscheint desshalb von markweißer Farbe 
gegenüber dem grauen Grunde der vorderen Hälfte; bei der zweiten 


1 Die Autoren bezeichnen im weiteren Sinne als strahlige Scheidewand die 
ganze mediale und hintere Großhirnrinde, an deren äußerer Oberfläche sich das 
erwähnte strahlenförmige Mark ausbreitet. Diese Definition ist aber ungenau: denn 
4) erhält nur ein Theil der medialen und hinteren Großhirnrinde einen strahlen- 
förmigen Marküberzug, 2) greift letzterer auch noch stellenweise auf die Konvexität 
des Großhirns über, so dass man konsequenterweise auch diese mit zur strahligen 
Scheidewand im Sinn der Autoren zählen müsste. Um einer Begriffsverwirrung 
vorzubeugen, hielte ich es überhaupt für wünschenswerth, zukünftig die Bezeichnung 
»strahlige Scheidewand « mit einer anderen konciseren zu vertauschen, die sich dann 
einzig und allein auf die obengenannte strahlenförmige Markdecke zu beziehen 
hätte. 

2 Dieser doppelte Typus im Verhalten der strahligen Scheidewand ist von den 
Autoren bisher nicht berücksichtigt worden. 


Das Großhirn der Vögel. 443 


Gruppe (Tauben, Raub-, Hühner- und Singvögel!) liegt der Verbrei- 
tungsbezirk der strahligen Scheidewand annähernd in der ganzen me- 
dialen Großhirnoberfläche (vgl. Fig. 6 Sch) ; letztere trägt daher durch- 
gehends einen markweißen Anflug, der nur nach oben hin, da wo die 
Fasern der strahligen Scheidewand lichter werden, eine graue Bei- 
mischung erhält. In beiden Gruppen lässt sich die strahlige Scheide- 
wand in ihren Fasern bis an den dorsalen Rand der medialen Großhirn- 
oberfläche und oft genug noch darüber hinaus bis in den angrenzenden 
Wulst verfolgen. In beiden Gruppen schneiden ferner ihre vordersten 
Strahlen in der Richtung des medialen Endes der die Wulstspitze be- 
srenzenden Furche (vgl. Fig. 3, 6 WFm) ein. Eine Ausnahme machen 
nur die Singvögel, bei denen sich wegen Ausfalls von Wulst und Furche 
eine bestimmte vordere Grenze nicht angeben lässt. Nach rückwärts ist 
die strahlige Scheidewand nur als ventrale Schicht entwickelt und zwar 
in Gestalt eines mattweißen Spiralbandes (vgl. Fig. 1, 3, 6 SpB), das 
von der medialen auf die hintere Großhirnoberfläche umbiegt und am hin- 
teren Basalhöcker mit einem spitzen Ausläufer endigt. Wenn man will, 
kann man sich auch so ausdrücken : bei ihrem Übergang aus der me- 
dialen auf die hintere Großhirnoberfläche breitet sich die strahlige 
Scheidewand statt auf einer ebenen auf einer cylindrischen Fläche aus; 
zugleich werden ihre Fasern kürzer und erscheinen am dorsalen Rand 
in der Richtung einer Schraubenlinie abgeschnitten. Sieht man übrigens 
genauer zu, so lassen sich dieselben noch in einer gewissen Anzahl aus 
dem Spiralband über den oben erwähnten Spiralwulst bis zu dessen 
dorsaler Kante und noch darüber hinaus verfolgen. An der Übergangs- 
stelle zwischen hinterer und medialer Großhirnoberfläche gewinnt es 
den Anschein, als ob die dorsalste Faserlage der strahligen Scheidewand 
aus der dorsalen Kante des Spiralwulstes selber entspringe. Wie man 
an der Hand der Abbildungen erkennt (vgl. Fig. 3, 6), stimmen die bei- 
den Gruppen mit Rücksicht auf den hinteren Theil der strahligen Scheide- 
wand in der Hauptsache überein. Ich darf freilich nicht verhehlen, dass 
bei den kleineren Vogelarten die eben geschilderten Verhältnisse sich 
mehr und mehr vereinfachen; so bin ich bei den Singvögeln nur im 
Stande, eine dem Spiralband der Ente und des Bussards ähnliche Lamelle 
nachzuweisen, von einem Spiralwulst habe ich keine Andeutung ge- 
funden. 

Die gesammte Markmasse der strahligen Scheidewand — der fächer- 
förmige mediale sowohl als der schraubenförmige hintere Antheil — 
konvergirt zu einem ansehnlichen Markbündel, das nach vorne von der 

! Die strahlige Scheidewand der Laufvögel verhält sich wahrscheinlich wie die 
der Singvögel. Vgl. Anmerkung p. 440. 

Zeitschrift f, wissensch. Zoologie. XXXVIIL. Bd. 30 


444 A. Bumm, 


Commissura anterior (vgl. Fig. 3, 6 SchMb) zur Großhirnbasis 1 hinab- 
steigt, diese am vorderen Rande des gleichseitigen Tractus opticus (vgl. 
Fig. 4 SchMb) überschreitet, den Hirnschenkel lateralwärts umschlingt 
und in der Gegend zwischen hinterem dorsal lateralen Sehhügelrand 
und Corpus opticum einmündet. Das eben beschriebene Markbündel 
will ich von nun an als Markbündel der strahligen Scheidewand an- 
führen. 

Ventrikelwand. Großhirnkammer. Als Ventrikelwand be- 
zeichne ich denjenigen Theil der medialen und hinteren Großhirnrinde, 
welcher die Großhirnkammer (vgl. unten) unmittelbar bedeckt. Als 
äußerste Schicht eines Abschnittes der Ventrikelwand haben wir so- 
eben die strahlige Scheidewand kennen lernen. Mit Ausnahme einer 
spaltförmigen Öffnung hinter der vorderen Kommissur ist die Ventrikel- 
wand allseitig geschlossen. Die genannte Öffnung, durch welche ein 
Plexus choroideus aus dem dritten Ventrikel in die Großhirnkammer hin- 
eintritt, mag als eine Art Foramen Monroi gelten und stellt die einzige 
Verbindung zwischen dem Höhlensystem von Vorder- und Zwischen- 
hirn her. 

Nach Durchtrennung des Markbündels der strahligen Scheidewand 
lässt sich die Ventrikelwand als dünne Lamelle aufheben, hinter wel- 
cher der Streifenhügel (p. 445) zu Tage tritt. Zwischen Streifenhügel 
und Ventrikelwand liegt ein spaltförmiger Hohlraum eingeschlossen, die 
Großhirnkammer, das Homologon des Seitenventrikels der Säuger. An 
der Großhirnkammer der Vögel lässt sich entsprechend dem Kontur ihrer 
Wände eine mediale und hintere Abtheilung unterscheiden. Ihre Gestalt 
in drei auf einander senkrechten Schnittebenen erläutern Fig. 9, 41, 
14 V. Ihre Ausdehnung ist eine auffällig große. Schon A. MeEckeL weist 
darauf hin, dass die Großhirnkammer der Gans verhältnismäßig weit 
größer als beim Menschen ist. Wegen Ausfalls des Balkens in der für 
die Säuger charakteristischen Form, bei denen der Balkenwulst durch 
eine Trennung in zwei Blätter die Kluft des Hinter- und Unterhorns ? 
zwischen sich entstehen lässt, bleibt der hintere Abschnitt der Groß- 
hirnkammer bei den Vögeln ein eintheiliger. Von der medialen Abthei- 
lung der Großhirnkammer ist noch zu erwähnen, dass sie sich nach 
vorn und ventral in die Höhle der Riechhöcker fortsetzt. 


1 Der basale Verlauf des Markbündels der strahligen Scheidewand ist nicht bei 
allen Vögeln derselbe: beim Bussard liegt das Markbündel anscheinend frei zu Tage 
und lässt sich am vorderen Rand des Tractus opticus deutlich abgrenzen (vgl. Fig. 4 
SchMb); bei dem Wellensittich, der Ente und Amsel wird es vom Tractus opticus 
mehr oder weniger bedeckt (vgl. Fig. 1, 7, 8). 

2 MEYNERT, |. c. p. 749. 


Das Großhirn der Vögel. 445 


Wie bei der Großhirnkammer unterscheidet man auch an der Ven- 
trikelwand eine mediale und hintere Abtheilung. Die Ventrikelwand, 
deren Gestalt und Ausdehnung die Fig. 9, 10, 11, 42, 14 Vw versinn- 
lichen, stellt eine Membran von ungleicher Dicke dar. In der medialen 
Abtheilung (vgl. Fig. 9, 40 Vwm) liegen die dickeren keilförmigen Stel- 
len am vorderen, hinteren, dorsalen und ventralen Ende. Zwischen den 
genannten Punkten verdünnt sich die übrige Ventrikelwand zu einer 
äußerst zarten Membran, die selbst bei den größeren unserer einheimi- 
schen Vögel einen Durchmesser von kaum mehr als I mm aufweist. 
Besondere Erwähnung verdient noch die hintere ventrale Zone als die 
voluminöseste der ganzen medialen Ventrikelwand; wir werden auf 
dieselbe nochmals zu sprechen kommen. In der hinteren Abtheilung 
(vgl. Fig. 44 Vwh) liegt die dickste Stelle am dorsalen wulstförmig auf- 
geblähten Ende; eine zweite mehr ventral gelegene Auftreibung (vgl. 
Fig. 14 SpW) erleidet die hintere Ventrikelwand bei den Vögeln mit 
stark ausgeprägtem Spiralwulst (Schwimm-, Sumpf- und Raubvögel); 
bei den übrigen Vögeln verschmälert sie sich in dorsal ventraler Rich- 
tung mehr gleichmäßig; eine plötzliche Verdünnung tritt erst wieder im 
Bereich des oben erwähnten Spiralbandes ein, das mit seinem ventralen 
Rand in den hinteren Basalhöcker übergeht! (vgl. Fig. 14 SpB). 

Dieselbe Verdünnung des ventralen Randes? der hinteren Ventrikel- 
wand (hintere Wand des Hemisphärenbläschens) finden wir beim Vogel- 
und Säugerembryo; während aber dieser Theil beim Säuger im Laufe 
der Entwicklung eine Loslösung von der übrigen Wand der Hemisphären- 
blase erfährt und sich als Fascia dentata über das in der Faltung be- 
griffene Ammonshorn stülpt, bleibt beim Vogel wegen Mangels eines 
Ammonshorns diese Einstülpung und somit auch die Unterbrechung in 
der Kontinuität der Hemisphärenblase aus; die hintere Ventrikelwand 
verhält sich demnach mit ihrem ventralen Rand beim entwickelten und 
unentwickelten Vogel gleich. 

Streifenhügel. Nach Wegnahme der Ventrikelwand sieht man eine 
graue um eine Frontalachse hufeisenförmig gekrümmte Masse hervor- 
ragen, die ventralwärts in einen vorderen schmäleren und einen hinteren 
breiteren Wulst endigt. Vorderer und hinterer Wulst sind an ihren 
medialen Flächen glatt; dagegen trägt letzterer an seiner hinteren 


ı Ähnliche Verhältnisse, wie die oben geschilderten vom Vogel, liegen bei den 
Reptilien vor. 

2 Zur Zeit der ersten Anlage des Hemisphärenbläschens ist seine Wand selbst- 
verständlich in allen ihren Theilen gleichmäßig dick; die oben erwähnten Wachs- 


thumsverschiedenheiten der hinteren Blasenwand sind durch spätere Entwicklungs- 
einflüsse bedingt. 


30* 


446 A. Bumm, 


schraubenförmig gebogenen Fläche eine ventrale seichte Furche und 
eine dorsale Kante, genau in derselben Höhe, in der der dorsale kantige 
und der ventrale flache Rand des Spiralwulstes (p. 441) verläuft, so 
dass es den Anschein gewinnt, als sei letzterer nichts weiter denn der 
Abdruck des hinteren Streifenhügelwulstes. 

Die von den Autoren als Streifenhügel bezeichnete Masse verdient 
diesen Namen aber nur uneigentlich, in so fern man an derselben homo- 
loge Ganglien für den geschwänzten Kern (Nucleus caudatus) und Linsen- 
kern (Nucleus lentiformis) der Säuger nicht nachweisen kann. Will 
man den Umfang des Streifenhügels beim Vogel begrenzen, so muss 
man sagen, derselbe ist gleich dem der Hemisphäre weniger deren 
Rindenüberzug. Da nun letzterer überaus dürftig entwickelt ist und 
eines besonderen Marklagers (Stabkranzes) ermangelt, darf man das Vo- 
lum des Streifenhügels! dem größeren Theil der Hemisphäre gleich- 
setzen. 


II. Mikroskopische Beschreibung ?. 


Ich gehe sofort zur Detailbeschreibung über, indem ich bezüglich 
des allgemeinen mikroskopischen Theiles auf die Handbücher der Ge- 
webelehre und vergleichenden Gewebelehre verweise, mit besonderer 
Betonung dessen, dass die für das Säugerhirn festgestellten Verhältnisse 
über die Marksubstanz und die zelligen Elemente auch für das Vogelhirn 
Geltung haben. 

Ich beginne mit der Schilderung der Großhirnrinde, in erster Reihe 
mit der als Ventrikelwand bekannten Rindengegend. 

Ventrikelwand. In der medialen Abtheilung der Ventrikelwand 
zeigt die dorsale Zone (vgl. Fig. 12 Vwm) einen der Säugerrinde ähn- 
lichen Schichtungstypus. Ich zähle an ihr von außen nach innen 


1 J. F. Meckeı bemerkt zutreffend in seiner Übersetzung von Cuvırr’s Vor- 
lesungen über vergleichende Anatomie (l. c. p. 169): » Entweder hat der gestreifte 
Körper bei den Vögeln eine andere Bedeutung als bei den Säugethieren, oder mit. 
dieser außerordentlichen Größe desselben im Verhältnis zur Hemisphäre lässt sich 
die Garr’sche Behauptung, dass der gestreifte Körper als Haupiganglion des großen 
‚Gehirns immer in direktem Verhältnis mit der Größe der Hemisphäre (d. h. deren 
Rinde) stehe, durchaus nicht vereinigen.« Dasselbe Argument lässt sich gegen 
MEvnerT anführen, der gleichfalls ein Abhängigkeitsverhältnis des Streifenhügels 
von der Hirnrinde annimmt. Dass ein solches nicht besteht, ist übrigens in exakter 
Weise durch v. Gunpen’s Exstirpationsversuche am Kaninchen erwiesen (l. c. 11. 
p. 439). 

2 Unter den Autoren ist meines Wissens StıepA der Einzige, der das Großhirn 
der Vögel mikroskopisch untersucht hat. Seine übrigens sehr summarischen Angaben 
vgl. 1.c. TI. p. 46. 


Das Großhirn der Vögel. 447 


4) eine äußere weiße Schicht, 

2) eine Schicht mittelgroßer Pyramidenzellen, 

3) eine innere zellfreie Schicht. 

Ich brauche die Bezeichnung »äußere weiße Schicht« nach dem Vor- 
gang von KÖöLLıker !, der dieselbe zuerst für die äußere Lage der grauen 
Substanz der Hirnwindungen bei den Säugern eingeführt hat. In beiden 
Thierklassen verhält sich die genannte Schicht homolog : ihr feinkörniges 
Grundgewebe enthält neben spärlichen kleinen Zellen, deren Fortsätze 
ein Netzwerk bilden, eine große Menge feiner markhaltiger Nerven- 
fasern, die beim Vogel die später genauer zu beschreibende strahlige 
Scheidewand zusammensetzen helfen. Nur in einem Punkt weicht die 
äußere weiße Schicht der Vögel von der der Säuger ab: sie bildet näm- 
lich bei ersteren kein kontinuirliches Lager wie bei letzteren, sondern 
reducirt sich da und dort auf ein Minimum oder verschwindet ganz, in- 
dem die Ganglienzellen der zweiten Schicht nach außen vorrücken. An 
der Stelle ihrer stärksten Entwicklung beträgt der Breitendurchmesser 
der äußeren weißen Schicht beim Singvogel (Kernbeißer) 0,10 mm, bei 
der Taube 0,15 mm, bei der Ente (vgl. Fig. 10 Ywm) und Eule 
0,20 mm. 

Die zweite Schicht nimmt den größeren Theil der Ventrikelwand 
ein und besteht aus pyramidenförmigen 10—A5 u breiten Ganglienzellen. 
Dieselben liegen gedrängt bei einander und lassen keine ausgesprochene 
Richtung ihrer Spitzenfortsätze erkennen, ausgenommen an der Grenze 
gegen die äußere weiße Schicht, wo sie mit ihrem Längsdurchmesser 
parallel dem dorsal ventralen Faserfluss der strahligen Scheidewand ge- 
stellt sind. 

Die innere zellfreie Schicht bildet einen schmalen, unmittelbar an 
das Ependym grenzenden Saum, der ausschließlich aus feinkörniger 
Grundsubstanz zusammengesetzt ist. 

An der Übergangsstelle zwischen vorderer dorsaler und vorderer 
ventraler Zone verschmälern sich die Pyramidenzellen der oben er- 
wähnten zweiten Schicht und nehmen Spindelgestalt an. Die so ver- 
änderten Zellen bevölkern zusammen mit den Fasern der strahligen 
Scheidewand, zwischen denen sie, eine hinter der anderen, eingeschal- 
tet liegen, die ganze Breite der vorderen ventralen Ventrikelwand (vgl. 
Fig. A). 

In der hinteren ventralen Zone sammeln sich die Fasern der strah- 
ligen Scheidewand zu dem bereits früher erwähnten Markbündel der 
strahligen Scheidewand (vgl. Fig. 9 Vwm). Ihr übriges Gewebe wird 


1]. c. p. 303. 


448 A. Bumm, 


von grauer Substanz mit eingelagerten zahlreichen Ganglienzellen ge- 
bildet; es kommen verschiedene Zellformen vor: außer einer großen 
Menge von Körnern Pyramiden von 12 u, Spindeln von 6 u und rund- 
liche multipolare Zellen von 10 u Querdurchmesser. Die Spindeln um- 
kreisen in koncentrischer Anordnung den Querschnitt des Markbündels 
der strahligen Scheidewand. Die Pyramiden- und Rundzellen liegen 
regellos durch einander. 


Die hintere Abtheilung der Ventrikelwand ist in ihrem dorsalen Ab- 
schnitt in ähnlicher Weise geschichtet, wie die korrespondirende mediale 
Zone. Als besondere Eigenthümlichkeit erwähne ich das Auftreten von 
Nervenmark innerhalb der Ganglienzellenschicht, indem sich zwischen 
deren äußerem und mittlerem Dritttheil sagittale Faserzüge, zu einzel- 
nen Bündeln geordnet, einschieben, die an der dorsalen Kante des Spi- 
ralwulstes in die äußere weiße Schicht durchbrechen (vgl. Fig. 1% 
Vwhb). 


Ungefähr in der mittleren Höhe des Spiralwulstes macht sich fol- 
gende gewebliche Veränderung bemerkbar: während äußere weiße und 
innere zellfreie Schicht stetig zunehmen, verschmälert sich in demselben 
Grade die Pyramidenzellenschicht, so dass schließlich nur noch eine 
dünne von äußerer und innerer Schicht umsäumte Reihe von Pyramiden- 
zellen (vgl. Fig. 14 Vwhe) übrig bleibt; zugleich erhält die innere zell- 
freie Schicht durch die Entwicklung einer allerdings nur spärlichen An- 
zahl markhaltiger Nervenfasern eine histologische Ähnlichkeit mit der 
äußeren weißen Schicht, so dass man in dieser Region von einer inneren 
weißen Schicht sprechen kann. 


Der venirale Saum der Venirikelwand (Spiralband) (vgl. Fig. 1% 
SpB) besteht nur mehr aus feinen markhaltigen Nervenfasern, die durch 
granulirte Grundsubstanz mit eingeschalteten 5 u großen Körnern von 
einander getrennt sind. Dorsalwärts verlieren sich die genannten Fasern 
in der äußeren und inneren weißen Schicht; ein kleinerer Theil scheint 
aus den Pyramidenzellen selber zu kommen. 


Streifenhügelrinde. Als solche bezeichne ich dasjenige Ge- 
biet der Großhirnrinde, das nach Abzug der Ventrikelwand und des 
Tuberculum olfactorium übrig bleibt. Ihr Verbreitungsbezirk fällt dem- 
nach mit dem größeren Theil der Hemisphäre zusammen und umfasst 
deren ventrale, laterale und dorsale Oberfläche. Ihre Grenze ‘gegen das 
eigentliche Streifenhügelgewebe vgl. in Fig. 12, 14, 45, 16 SR. 

In ihrem dorsalen Abschnitt ist die Streifenhügelrinde breiter als in 
ihrem lateralen und ventralen. In den zwei letzteren erscheint sie bei 
der makroskopischen Betrachtung von Karminpräparaten als schmaler 


Das Großhirn der Vögel. 449 


dunkelrosarother Saum über dem hellrosarothen Streifenhügel!; in sei- 
nem dorsalen Lager ist dieser Saum an seinem ventralen Rande noch von 
einer saturirt rothen Linie (vgl. Fig. 14, 145, 16 SR’) eingefasst 2. 

Mikroskopisch verhält sich die gesammte Streifenhügelrinde in ihren 
äußeren Schichten gleich. Ich unterscheide an ihr 

4) eine der äußeren weißen Schicht der Ventrikelwand homologe 
Lage; 

2) eine von Ganglienzellen mäßig bevölkerte Schicht. Neben spär- 
lichen, 10—15 u breiten Pyramidenzellen findet man noch vielstrahlige, 
rundliche bis 20 u breite Zellen und 5 u große Körner. Die Pyramiden- 
zellen zeigen keine bestimmte Anordnung ihrer Spitzenfortsätze. 

Die saturirt rothe Linie im dorsalen Abschnitt der Streifenhügel- 
rinde besteht aus dicht gedrängten 5 u großen Körnern, zwischen die 
sich von Strecke zu Strecke kleine Pyramidenzellen von weniger als 
10 u Durchmesser einlagern. 

Vergleicht man nun die Strukturverhältnisse der Rinde des Streifen- 
hügels einerseits und derjenigen der Ventrikelwand andererseits, so er- 
giebt sich Folgendes: 

1) eine äußere weiße Schicht kommt beiden Rindengebieten zu, 
der Streifenhügelrinde allerdings in beschränkterem Maß; 

2) eine innere zellfreie Schicht fehlt der Streifenhügelrinde voll- 
ständig; 

3) in beiden Rindengebieten ist die Ganglienzellenschicht durch 
Pyramidenzellen vertreten; während aber die Ventrikelwand sich einzig 
und allein aus Pyramidenzellen zusammensetzt, gesellen sich zu diesen 
in der Streifenhügelrinde noch vielstrahlige Ganglienzellen als zweite 
und sogenannte Körner als dritte Zellform hinzu. 


1 Die erwähnten Farbenunterschiede sind durch das plus und minus von Mark- 
substanz in beiden Hirntheilen bedingt: das markreichere Streifenhügelgewebe 
färbt sich bei Karminbehandlung weniger intensiv als seine markärmere Rinde. 

2 Der Kontur der Streifenhügelrinde ist in den Fig. 42, 44, 15, 46 nur stück- 
weise wiedergegeben. Über das Verhalten der ventralen und lateralen Streifen- 
hügelrinde vgl. Fig. 12 von der Eule; über den dorsalen Rindenabschnitt vgl. 
Fig. 44, 45, A6 vom Specht. Wie man sieht, nimmt die dorsale Rinde beim Specht 
in der Richtung gegen die Medialebene an Durchmesser stetig zu; ihre kolbige etwa 
in der Mitte der Konvexität gelegene Auftreibung in Fig. 16 fällt mit dem vorderen 
medialen Ende des p. 439 beschriebenen Wulstes zusammen. Bei den Tauben mit 
wesentlich anderer Wulstbildung vermisse ich eine solche kolbige Auftreibung der 
zugehörigen Rinde; dagegen findet man zwischen dieser und dem angrenzenden 
Streifenhügel eine schmale zellfreie Schicht (Fig. 9 W). Über die Bedeutung des 
Wulstes bei den verschiedenen Vogelordnungen in seiner Eigenschaft als Abschnitt 
der dorsalen Streifenhügelrinde werde ich nach Vervollständigung meines Unter- 
suchungsmaterials an einem anderen Ort berichten. 


450 A. Bumm, 


Riechhöcker. Die Struktur der Riechhöcker der Vögel, die mit 
der der Riechkolben der Säuger der Hauptsache nach übereinstimmt, ist 
bereits von Stiepa richtig beschrieben worden. Man unterscheidet von 
außen nach innen: 

4) die Schicht der Olfactoriusfasern ; 

2) eine fein granulirte Schicht mit eingelagerten klumpigen Massen 
(Stratum glomerulosum, MEYNERT) ; 

3) eine gleichfalls fein granulirte aber breitere Schicht, an deren 
innerer Grenze eine Reihe 20 u großer, mit den Spitzenfortsätzen nach 
außen und der Basis nach innen gerichteter Pyramidenzellen zum Vor- 
schein kommt; 

k) eine Schicht dicht gedrängter Körner von 5 u Durchmesser, zwi- 
schen denen man feinste markhaltige Nervenfasern in großer Anzahl 
verlaufen sieht; : 

5) eine Schicht von Ependymzellen, welche die Höhle des Processus 
mammillaris auskleiden. 

Mark der Großhirnrinde. In der Ventrikelwand findet sich 
ein Marklager einzig und allein an deren äußeren Oberfläche; wir haben 
dasselbe, auf welches wir alsbald zurückkommen werden, bereits als 
strahlige Scheidewand kennen gelernt. 

Eine der Stabkranzfaserung des Säugerhirns homologe Markschicht, 
die caeteris paribus an der inneren Oberfläche der Ventrikelwand zu 
liegen käme, sucht man beim Vogel an dieser Stelle vergebens. 

In der lateralen und dorsalen Streifenhügelrinde ist das äußere 
Marklager rudimentär entwickelt; relativ mächtig wird es nur in der 
Nachbarschaft der Ventrikelwand angetroffen und erweist sich hier als 
Fortsetzung und Ende der strahligen Scheidewand; dagegen erhält ein 
Theil der ventralen Streifenhügelrinde durch das Auftreten des basalen 
Markbündels einen ansehnlichen äußeren Markbelag. 

Neben dem genannten transversal gerichteten äußeren Marklager 
ist in der Streifenhügelrinde noch ein zweites, radiär verlaufendes zu 
nennen, das der Hirnschenkelausbreitung angehört und mit letzterer zu- 
sammen beschrieben werden soll. Ein Theil dieses Radiärsystems wird 
annähernd in der mittleren Höhe des Streifenhügels aus seiner ursprüng- 
lichen Bahn abgelenkt und verläuft erst eine Strecke weit in sagittaler 
Richtung, bevor es in die radiäre zurückbiegt und so den Hirnschenkel- 
stamm erreicht. Das in die Radiärbahn des Hirnschenkels eingeschaltete 
System sagittal verlaufender Nervenfasern (vgl. Fig. 13, 14 SMs) kommt 
in modificirter Weise auch bei den Säugern vor, indem es bei diesen 
aus dem Streifenhügel an den ventralen Rand der Großhirnrinde hinauf- 
rückt, wo es den dorsalen Theil der Stabkranzfaserung ausmacht. 


Das Großhirn der Vögel. 451 


Eine innere Markschicht existirt demnach in der Streifenhügelrinde 
eben so wenig wie in der Ventrikelwand. 

Markbündel der strahligen Scheidewand. Der am vor- 
deren Rand der Commissura anterior als der ventralen Umbiegungsstelle 
des Markbündels der strahligen Scheidewand angelegte Frontalschnitt 
(Fig. 10) giebt ein ergänzendes Bild zu der früheren Angabe (p. 443). 
Wie man sieht, liegt nur das dem Fächer der strahligen Scheidewand 
angehörige Stratum an der äußeren Oberfläche der medialen Ventrikel- 
wand (vgl. Fig. 10 Vwm) ; das Markbündel selber entfernt sich alsbald 
von der Oberfläche und tritt in divergenter Richtung von innen und 
oben nach außen und unten (vgl. Fig. 10 SchMb). Mit seinem äußern 
unteren Ende schneidet es an der Grenze zwischen Vorder- und Zwi- 
schenhirn ein; seine dorsale Decke bildet an dieser Stelle der Hirn- 
schenkel,, seine ventrale der Tractus opticus. Sein letztes Ende liegt 
übrigens, wie Schnittpräparate lehren, nicht im Sehhügel, sondern in 
einem Faserzug, der zusammen mit dem Tractus opticus in das dorsale 
Mark des Corpus opticum einstrahlt. 

Das Markbündel der strahligen Scheidewand besteht aus markhal- 
tigen feineren und gröberen Nervenfasern, von denen letztere bis 8 u 
im Durchmesser erreichen; zwischen den Nervenfasern liegen stellen- 
weise 5 u große Körner |zerstreut; Anhäufungen von Ganglienzellen im 
Verlauf des Bündels habe ich nicht ermitteln können. Dessgleichen 
scheint an seiner ventral lateralen Umbiegung ein Faseraustausch mit 
dem Hirnschenkel nicht zu bestehen. 

Fächer der strahligen Scheidewand. Dieser besteht, wie 
das Markbündel, aus Nervenfasern gröberen und feineren Kalibers, die 
sich, wie schon öfter erwähnt, in der äußeren weißen Schicht der Ven- 
trikelwand ausbreiten. 

In der medialen Abtheilung der Ventrikelwand reichen die Fasern 
der strahligen Scheidewand über deren vorderen und dorsalen Rand in 
die angrenzende Streifenhügelrinde hinein. Bei den Vogelordnungen, 
bei denen an der dorsalen Großhirnfläche ein Wulst ausgebildet ist, ge- 
hört letzterer mit zu ihrem Ursprungsgebiet. In der Ventrikelwand 
selber liegt ihr letztes Ende in der Pyramidenzellenschicht, aus welcher 
man sie in Frontalschnitten als Quer- und Schrägzüge in die äußere 
weiße Schicht treten sieht. Diese nimmt, entsprechend dem Faser- 
zuwachs von oben nach unten, in derselben Richtung stetig zu, bis sie 
schließlich unter Verdrängung der Ganglienzellenschicht die ganze Breite 
der Ventrikelwand ausfüllt. In der dorsalen Fortsetzung der letzteren 
wird die strahlige Scheidewand immer schmächtiger, je mehr sie auf 
den Wulst der dorsalen Großhirnoberfläche übergreift, bis sie an dessen 


452 A. Bumm, 


lateralem Rande ganz verschwindet. Als Ursprungszellen dieses Theils 
der strahligen Scheidewand dienen die oben beschriebenen pyramiden- 
förmigen und vielleicht auch die multipolaren Ganglienzellen der Strei- 
fenhügelrinde. 

Im dorsalen Theile der hinteren Ventrikelwand unterscheidet man 
als Komponenten der strahligen Scheidewand A) einen Faserzug an der 
äußeren Oberfläche (Fig. 14 Vwha) mit dorsal ventraler Verlaufsrich- 
tung. Der Ursprung dieser Fasern ist außer in der Ganglienzellenschicht 
in der der Ventrikelwand dorsal angrenzenden Streifenhügelrinde ge- 
legen; 2) eine Anzahl von anscheinend sagittal verlaufenden Faserbün- 
deln (vgl. Fig. 14 Vwhb), deren Querschnitte, einer über dem anderen, 
an der Grenze zwischen äußerem und mittlerem Drittiheil der Pyra- 
midenzellenschicht zum Vorschein kommen. Verfolgt man dieselben an 
einer fortlaufenden Schnittreihe, so sieht man, wie je der ventralste von 
ihnen in der Ebene der Spiralkante aus der Ganglienzellenschicht in die 
äußere weiße Schicht durchbricht, und wie dann die übrigen Bündel, 
eines nach dem anderen, ventralwärts vorrücken und so gleichfalls ihren 
Übergang in die äußere weiße Schicht bewerkstelligen. Aus dem Ge- 
sagten geht hervor, dass die Verlaufsrichtung dieser Faserzüge in Wirk- 
lichkeit eine schräg von hinten und oben nach vorn und unten abfallende 
ist. Durch die Vereinigung des Faserkontingents von 1) und 2) in der 
äußeren weißen Schicht wird letztere über der Spiralkante nicht unbe- 
trächtlich vergrößert; unterhalb derselben sinkt ihr Durchmesser auf 
ein Merkliches zurück. Der Grund dieses eigenthümlichen Verhaltens ist 
folgender: es verläuft nämlich nur der kleinere Theil der eben genann- 
ten Fasern über den Spiralwulst ventralwärts weiter; der größere Theil 
biegt in der Richtung der Spiralkante auf die mediale Großhirnfläche 
um, wo er als gesondertes Bündel in den hinteren Rand der medialen 
Abtheilung der strahligen Scheidewand einmündet. Ich habe früher ge- 
sagt (p. 443), dass die strahlige Scheidewand an der Grenze zwischen 
medialer und hinterer Abtheilung in der Spiralkante zu endigen scheint; 
wie wir nun wissen, treten ihre Fasern in der genannten Ebene nur an 
die äußere Oberfläche; der letzte Ursprung derselben ist in der Gan- 
glienzellenschicht gelegen. 

Im Spiralwulst verlaufen die Fasern der strahligen Scheidewand an 
dessen äußerer und innerer Oberfläche; eine intraganglionäre ! Faserlage 
kommt hier nicht vor. Die im dorsalen Theil des Spiralwulstes mangel- 
haft entwickelte äußere Faserlage erfährt ventralwärts eine ansehnliche 
Verbreiterung und zwar durch einen Zuwachs von Fasern, die aus der 


1 Intraganglionäre Faserlage (sit venia verbo), d. i. innerhalb der Ganglien- 
zellenschicht gelegene Fasern, 


Das Großhirn der Vögel, 453 


Ganglienzellenschicht des Wulstes selber kommen. Innere und äußere 
Faserlage vereinigen sich schließlich und konvergiren in Gestalt des 
früher beschriebenen Spiralbandes gegen die mediale Großhirnfläche. 

Die Bedeutung der strahligen Scheidewand ist bis heute nicht fest- 
gestellt. Ich werde auf diese Frage alsbald zurückkommen. Zuvor will 
ich untersuchen, ob und wie fern man Homologien zwischen der nun- 
mehr besprochenen Rinde der Vögel und derjenigen der Säuger nach- 
weisen kann. 

Ein oberflächlicher Vergleich lehrt bereits, dass die Großhirnrinde 
der Vögel gegenüber derjenigen der Säuger ein quantitativ und qualitativ 
defektes Gebilde ist. Prüft man die angeführten drei Typen der Vogel- 
rinde nach den Merkmalen, die den von Meynerr aufgestellten fünf Typen 
der Säugerrinde eigen sind, so ergiebt sich eine Übereinstimmung beider 
Thierklassen einzig und allein rücksichtlich des Bulbus olfactorius (Tu- 
bereulum olfactorium bei den Vögeln). Ein Lobus olfactorius kommt 
den Vögeln schon nicht mehr zu. Die von Treviranus als homolog ge- 
deutete Rindenpartie (p. 439) erweist sich als ein Theil der Streifen- 
hügelrinde und zeigt nichts weniger als den geweblichen Typus des 
Lobus olfactorius der Säuger. Bemerkenswerth ist ferner der Umstand, 
dass ein der Stirn- und Hinterhaupisrinde der Säuger homologer Ge- 
webstypus vermisst wird: die oben erwähnte dreischichtige dorsale 
Streifenhügelrinde entspricht keiner von beiden Rindenarten, sondern 
muss als ein dem Vogel eigenthümliches Vorkommnis aufgefasst werden. 

A. v. Harzer und Andere sprechen ohne eingehendere Motivirung 
die strahlige Scheidewand als Homologon des Säugerfornix an. Wäre 
diese Annahme richtig, so müsste es auch gelingen, beim Vogel ein 
Homologon für die Ammonshornwindung als Ursprungsgebiet des Fornix 
nachzuweisen. Da nun die strahlige Scheidewand ihren Ursprung aus 
der Ventrikelwand ableitet, wäre letztere das gesuchte Homologon. 
Diese Schlussfolgerung ist aber unzulässig; es sprechen dagegen folgende 
Erwägungen: 

1) Wie Eingangs erwähnt, vermisst man bei den Vögeln die den 
Säugern eigenthümliche Einstülpung der hinteren und medialen Wand 
der Hemisphärenblase zu dem als Ammonshorn bekannten Rinden- 
abschnitt. 

2) Gegen eine Homologie der Ventrikelwand mit dem Ammonshorn 
spricht ferner ihre Ausdehnung, die eine unverhältnismäßig größere ist, 
als die des Ammonshorns selbst bei den mit Bezug auf letzteres bevor- 
zustesten Säugern (Nager, Insectivoren, Fledermäuse). 

3) Ein weiterer Gegenbeweis ist die Strukturverschiedenheit von 
Ammonshorn und Ventrikelwand. Wenn auch letztere die sogenannte 


454 A. Bumm, 


äußere und innere weiße Schicht stellenweise mit dem Ammonshorn 
gemein hat, so verhalten sich doch in beiden Rindengebieten die Mark- 
schichten als die für uns wesentlich in Betracht kommenden Theile voll- 
ständig verschieden. Ein dem Muldenblatt! resp. der Fimbria des 
Ammonshorns entsprechendes Marklager ist in der Ventrikelwand gar 
nicht vorhanden. Umgekehrt liegt die strahlige Scheidewand als ver- 
meintliches Homologon der Fimbria in derselben äußeren weißen 
Schicht, die im Ammonshorn das Kernblatt einnimmt. Ich bin übrigens 
weit entfernt, strahlige Scheidewand und Kernblatt desswegen für 
homolog zu halten: dem Kernblatt wird allgemein die Bedeutung eines 
Associationsfasersystems zugesprochen; die strahlige Scheidewand resp. 
deren Markbündel dürfte mit größerer Wahrscheinlichkeit zu den Pro- 
jektionsbündeln zu zählen sein. 

Gegen eine Homologie von Fornix und strahliger Scheidemädd 
spricht endlich der verschiedene periphere Verlauf der Columna For- 
nicis (Columna descendens, MEynxerr) und des Markbündels der strahligen 
Scheidewand. Die Columna Fornicis passirt die vordere Kommissur 
nach rückwärts, das Markbündel der strahligen Scheidewand nach vorne. 
Letzteres endigt mit dem Tractus opticus derselben Seite im dorsalen 
Mark des Corpus opticum (p. 451); die Fornixsäule kreuzt sich dorsal 
vom Corpus mammillare mit der der anderen Seite und gesellt sich im 
weiteren Verlauf der Hirnschenkelhaube bei; ihr letztes Ende ist bis- 
lang unbekannt. 

Aus obigen Betrachtungen geht wohl zur Genüge 'hervor, dass die 
strahlige Scheidewand das Homologon des Fornix nicht ist.% 

A. Mecker hält strahlige Scheidewand und ihr Markbündel für 
»analog« dem Pedunculus Septi lucidi und dessen Markstrahlung beim 
Menschen, fügt freilich bei, dass der Pedunculus Septi lucidi noch nicht 
bis zu seinem hinteren Ursprung verfolgt worden ist. Ich habe bereits 
an einem anderen Orte ?2 Gelegenheit gehabt, auf die Unhaltbarkeit dieser 
von Meexeı und Anderen? vertretenen Auffassung hinzuweisen. Die 
Gründe, welche gegen die Deutung von MEckEL sprechen, sind kurz ge- 
fasst folgende: 1) Die ungleiche Ausdehnung von strahliger Scheidewand 
und Markstrahlung des Pedunculus Septi lucidi; letztere ist eine un- 


1 Vgl. MEYNERT, l. c. p. 742. 

2 Vgl. Arch. f. Psychiatrie ete. Bd. XIII. Heft 4. 

3 Vgl. Stıepa, 1. c. II. p. 166. »Die großen kolbigen Abschnitte des Vorder- 
hirns der Vögel entsprechen den Hemisphären, die darin eingeschlossenen Körper 
den Streifenhügeln, die strahlige Scheidewand dem Septum pellucidum. Die Exi- 
stenz von Theilen, welche dem Corpus callosum und Fornix des Menschengehirns 
gleich zu setzen sind, ist mir fraglich.« 


Das Großhirn der Vögel. 455 


verhältnismäßig kleinere als erstere; 2) die Verschiedenheit im Verlauf 
beider Theile: das Markbündel der strahligen Scheidewand endigt, wie 
oben erwähnt, im dorsalen Mark des Corpus opticum; die Fasern des 
Pedunculus Septi lucidi lassen sich über die Substantia perforata anterior 
hinaus nicht verfolgen !. 

Indem ich hier abschließe, muss ich mich vorläufig mit einem nega- 
tiven Untersuchungsresultat begnügen, und die Frage nach der ver- 
gleichend anatomischen Bedeutung der strahligen Scheidewand der Vögel 
zur Zeit als eine offene bezeichnen. 

Streifenhügel. Die Gliederung des Streifenhügels in ge- 
schwänzten Kern und Linsenkern ist bei den Vögeln in der für die 
" Säuger typischen Weise nicht vorhanden; dagegen macht sich eine 
Gliederung in anderer Weise geltend. An Frontalschnitten erkennt man, 
dass das Grau des Streifenhügels von zwei am frischen Präparat weißen, 
koncentrischen Bogenlinien (vgl. Fig. 11 Wiv, Wild), einer ventralen 
und dorsalen, durchschnitten ist; der Vergleich mit sagittalen und hori- 
zontalen Schnitten lehrt übrigens, dass diese Bogenlinien in verschiede- 
nen Ebenen mit verschiedenen Radien beschrieben sind, mit anderen 
Worten, dass die wahre Gestalt der genannten Linien eine wellenförmige 
ist. In Wirklichkeit verhält sich also die Sache so, dass das Grau des 
Streifenhügels von zwei weißen Flächenschichten mit wellenförmigem 
Kontur unterbrochen wird. In der Folge werde ich der Kürze halber 
nicht von Flächen, sondern nur von Linien, und zwar von einer ventralen 
und dorsalen Wellenlinie sprechen (vgl. Fig. 9—16 Wiv, Wild). 

Im hinteren lateral ventralen Theile des Streifenhügels liegt ein von 
diesem geweblich differentes Gebiet: der Mandelkern. Seine Beschrei- 
bung soll später nachgeholt werden. 

Das Streifenhügelgewebe besteht 1) aus 25 u großen, im hinteren, 
lateralen, dorsalen Streifenhügelabschnitt gelegenen Pyramidenzellen ; 
2) aus 40—15 u großen Pyramidenzellen?, die den ganzen übrigen 
Streifenhügel in gleichmäßiger Dichtigkeit bevölkern; 3) aus der Zahl 
nach die vorgenannten Zellformen weitaus überwiegenden Körnern von 
5 u Durchmesser, die bis zu 6 und mehr in Alveolen {Nestern) der Glia 
zusammenliegen. Allem Anschein nach gehören diese Körner, die inner- 

1 Betr. die Widerlegung der Hypothese von MALACARNE (l. c. p. 448), der die 
strahlige Scheidewand als Balken deutet, verweise ich, um Wiederholungen zu 
vermeiden, auf Serres (l. c. T. I. p. 471—473). 

2 Die durch $’ bezeichnete Wellenlinie in Fig. 15 und 46 besteht gleichfalls aus 


einer schmalen Schicht von mit ihrem Längsdurchmesser parallel dem Kontur $’ 


gerichteten 10—15 u breiten Pyramidenzellen. Die Bedeutung dieser Schicht ist 
mir unklar, 


3 Da bei den Vögeln eine Markschicht (Stabkranz) zwischen eigentlichem Streifen- 


456 A. Bumm, 


halb derselben Grenze wie die sub 2 beschriebenen Pyramidenzellen 
vorkommen und mit diesen zusammen den eigentlichen Gewebstypus 
des Streifenhügels ausmachen, kleinen Zellen an, deren Protoplasma an 
Schnittpräparaten verloren gegangen ist. In der Richtung der ventralen 
Wellenlinie tritt eine Veränderung im Streifenhügelgewebe auf: es schiebt 
sich nämlich an dieser Stelle eine schmale Schicht von Spindelzellen ein, die 
mit ihrem Längsdurchmesser parallel dem Verlauf der ventralen Wellen- 
linie gestellt sind. In der dorsalen Wellenlinie erweist sich deren vor- 
derer Abschnitt als zellfreies Gebiet (Zwischenkörnerschicht nach MEvnerr) 
inmitten des übrigen zellreichen Streifenhügelgewebes; dem mittleren 
und hinteren Abschnitt geht stellenweise die Eigenschaft als Zwischen- 
körnerschicht verloren, dadurch, dass sich in der Richtung seines Kon- 
turs eine Schicht sagittal verlaufender Nervenfasern einlagert (vgl. Fig. 
44, 43, Ak SMs) (p. 458). 

Auf die wichtige Beziehung der zwei Wellenlinien, d. h. der durch 
sie markirten Streifenhügelzonen zum Hirnschenkelverlauf werde ich als- 
bald zurückkommen. 

Hirnschenkel (ventrale Abtheilung). Der Stamm des Hirn- 
schenkels zerfährt nach Art eines Büschels, indem sich seine Fasern 
radienförmig nach allen Richtungen im Streifenhügel ausbreiten. Die 
Ausbreitung der Hirnschenkelfasern geschieht aber nur für einen Theil 
in einer Flucht bis zur Großbhirnrinde, für den anderen erfolgt sie in 
zwei Absätzen, deren erster bis zur ventralen, deren zweiter bis zur 
dorsalen Wellenlinie reicht. Wenn man will, Kann man sich auch so 
ausdrücken: ein Theil der Hirnschenkelausstrahlung wird auf ihrem 
Weg zur Großhirnrinde in zwei senkrecht auf sie gestellten Wellenlinien 
unterbrochen. Welcher Art diese Unterbrechung sei, werden wir jetzt 
kennen lernen. 

In Fig. 15 Pedv, in der der Hirnschenkel noch an der Grenze von 
Vorder- und Zwischenhirn gelegen ist, sieht man seine Ausstrahlung nur 
in ihrem vorderen Theil entwickelt. Die Entwicklung des mittleren und 
hinteren Theils veranschaulicht Fig. 14 Pedv; in der zuletzt gezeichne- 
ten Schnittebene ist der Hirnschenkel bereits tief in den Streifenhügel 
hineingerückt. In seinem Stammtheil besteht derselbe aus Nervenfasern 
zweierlei Kalibers, A) aus feinsten Fasern von 1 u Durchmesser und weni- 
ger, 2) aus feinen deutlich markhaltigen Fasern von 5 u Durchmesser. 
Diese beiden Arten von Fasern sind gleich zahlreich und liegen gemischt 


hügelparenchym und dessen Rindenüberzug fehlt, sind die nestförmige Gruppirung 
der Körner in jenem und die multipolaren Ganglienzellen in diesem die einzigen, 
aber genügenden Unterscheidungsmerkmale zwischen beiden sonst ziemlich gleich- 
artigen Gewebstypen. 


Das Großhirn der Vögel. 457 


unter einander. Im Anfang der radiären Vertheilung des Hirnschenkels 
erscheinen gleichfalls die genannten zwei Faserarten, mit dem Unter- 
schied jedoch, dass die feinen bündelweise zusammentreten. In diesem 
Abschnitt unterscheidet man demnach A) Bündel von 15 u Durchmesser, 
die aus den Fasern von | u Durchmesser zusammengesetzt sind; 2) die 
oben beschriebenen Fasern von ö u Durchmesser. Bündel und Einzel- 
fasern vereinigen sich von nun ab zu gröberen Strängen, deren jeder bei 
Lupenvergrößerung als Einzelstrahl in der Gesammtstrahlung des Hirn- 
schenkels sichtbar wird. 

Sobald die Hirnschenkelfasern die ventrale Wellenlinie (vgl. Fig. 9, 
14, 45 Wiv) berühren, erfährt ihr bis dahin gleichmäßig radiärer Ver- 
lauf eine theilweise Ablenkung. Ein Theil setzt ungestört durch die 
ventrale Wellenlinie hindurch und endigt erst in der zwischen dieser 
und dorsaler Wellenlinie gelegenen Streifenhügelpartie; ein anderer 
Theil lässt sich sogar noch bis über die dorsale Wellenlinie hinaus ver- 
folgen; ein dritter endlich erreicht im Niveau der ventralen Wellenlinie 
ein vorläufiges Ende: hier sieht man die zuletzt genannten Fasern in eine 
Schicht von Quer- und Schrägschnitten gleichen Kalibers übergehen, aus 
der sie als Bogenfasern wieder auftauchen, um nach ihrem Übertritt in 
den dorsal gelegenen Streifenhügelabschnitt in die alte Radiärrichtung 
einzulenken. Die eben beschriebenen Schräg- und Querschnitte sind es 
auch, die am frischen Durchschnitt des Vogelhirns die weiße Farbe der 
ventralen Wellenlinie bedingen. 

In ihrem lateralen Verbreitungsbezirk werden die Hirnschenkelfasern 
von einem annähernd linsenförmigen Gebiet des Streifenhügels unter- 
brochen, das mit seinem ausgeschnittenen ventralen Rand bis auf den 
Kontur der ventralen Wellenlinie (vgl. Fig. 10, 43 SMf) hinabrückt. Die 
Ganglienzellen dieses linsenförmigen Feldes sind von mittlerer Größe und 
derselben Pyramidengestalt wie im übrigen Streifenhügel; die Körner- 
formation ist nur durch einige Elemente vertreten. Auffällig sind sowohl 
an Karmin- wie Osmiumschnitten die starken Alveolarräume, von denen 
die Ganglienzellen umgeben werden. Was aber dieses Feld schon makro- 
skopisch charakterisirt, ist sein großer Markreichthum; ich werde es 
desshalb von nun an mit dem Namen Markfeld bezeichnen. An der 
Zusammensetzung seiner Markmasse betheiligen sich 1) Radiärfasern des 
Hirnschenkels, die von höher gelegenen Ursprungsebenen herabkommen 
und das Markfeld in dorsal ventraler Richtung durchsetzen. In Fig. 13 
Pedv sind solche ein-, resp. austretende Fasern an seinem ventralen und 
dorsalen Rand gezeichnet. Da sich dieselben über die beiden Ränder 
hinaus nur kurze Strecken verfolgen lassen, wird man annehmen dürfen, 
dass ihr Verlauf von einem Rand zum anderen durch Schaltbahnen ver- 


458 A. Bumm, 


mittelt wird. 2) Fasern, die im Markfeld selber entstehen und sich dem 
übrigen Hirnschenkel beigesellen. Ihre Anzahl ist, wie der Augenschein 
lehrt, eine ganz beträchtliche; die von ihnen gebildete Masse ist es, 
welche den Markreichthum dieser Gegend hauptsächlich bedingt. 

Im Niveau der dorsalen Wellenlinie (vgl. Fig. 14 Wild) erfahren die 
Hirnschenkelfasern eine abermalige theilweise Ablenkung. Ein Theil 
durchsetzt ununterbrochen die dorsale Wellenlinie (vgl. p. 457) und 
dringt sofort in die Streifenhügelrinde ein; ein anderer Theil biegt in 
der Richtung der dorsalen Wellenlinie in Bogenzügen um und bildet das 
schon öfter genannte sagittale Mark (Fig. 13, 14 SMs). Die größte Ent- 
‘wicklung des sagittalen Markes fällt in die lateralen und mittleren 
Streifenhügelebenen. Eine Fortsetzung desselben in der Richtung der 
Ventrikelwand besteht ganz gewiss nicht, wie ich mich an Osmiumprä- 
paraten habe überzeugen können. Am dorsalen Rand des sagittalen 
Markes richten sich seine Fasern wieder auf und streben der Streifen- 
hügelrinde zu, in der sie sich mit den oben beschriebenen verlieren. — 
Ein dritter Theil endigt wie abgeschnitten im vorderen Segment der 
dorsalen Wellenlinie. Zwischen den abgeschnittenen Radiärfasern liegt 
eine dünne Schicht von Quer- und Schrägschnitten, deren Bestimmung 
es wohl ist, den dorsalen Weiterverlauf der ersteren zu vermitteln. 

Die Einstrahlung des Hirnschenkels in die Streifenhügelrinde zeigt 
die in Fig. 44 abgebildete Frontalebene, die dem mit Osmium behandel- 
ten Gehirn eines grauen Astrilds entnommen ist. An dem etwa in der 
Nähe des vorderen Endes der medialen Ventrikelwand geführten Schnitt 
erkennt man ventrale und dorsale Wellenlinie; zwischen beiden theils 
sagittal, theils frontal verlaufende Hirnschenkelbündel; das mittlere Seg- 
ment der dorsalen Wellenlinie trägt halb aufgerichtete dem sagittalen 
Mark angehörige Fasern; ein Theil der letzteren endlich erhebt sich in 
steiler Kurve und dringt unmittelbar bis in die oberflächlichste Schicht 
der Streifenhügelrinde ein. 

Noch ist ein eigenthümlicher Faserzug zu erwähnen, der an Sagittal- 
schnitten zum Vorschein kommt, die in der Nähe der medialen Groß- 
hirnoberfläche angelegt sind. An solchen Schnitten sieht man, wie ein 
Bündel Hirnschenkelfasern nach dem Überschreiten der dorsalen Wellen- 
linie in flachen Bogenzügen nach vorn umbiegt, parallel der dorsalen 
Großhirnoberfläche weiterzieht und schließlich im Stirnende der Streifen- 
hügelrinde verschwindet. Über die letzte Endigungsweise und Bedeu- 
tung dieses Faserzugs weiß ich nichts anzugeben. 

Zum Schluss einige Bemerkungen über das oben genannte Markfeld, 
das ich geneigt bin, für eine dem Linsenkern der Säuger ähnliche Bildung 
anzusehen. Die Gründe, die für meine Annahme sprechen, sind folgende: 


Das Großhirn der Vögel, 459 


4) das Markfeld der Vögel hat dieselbe keilförmige Gestalt wie der Lin- 
senkern der Säuger. Wie dieser wendet es sich mit der Keilbasis gegen 
das vordere und laterale Großhirn, während die Keilspitze medialwärts 
gerichtet ist; 2) auch in ihren Strukturverhältnissen zeigen beide Theile 
eine auffällige Ähnlichkeit. Wie die von Meynerr als Globus pallidus 
bezeichneten inneren Glieder des Linsenkerns zeichnet sich das Markfeld 
durch einen ganz besonderen Markreichthum aus. Dagegen bin ich nicht 
im Stande, eine Gliederung desselben nach Art des Linsenkerns, sei es 
eine dreitheilige, wie beim Menschen und Affen, oder eine zweitheilige, 
wie bei den niedrigeren Säugern nachzuweisen. Wäre nun meine Deu- 
tung des Markfeldes als Linsenkern richtig, so ergäbe sich die interes- 
sante Thatsache, dass der drei-, resp. zweigliedrige Linsenkern der 
Säuger bei den Vögeln zu einem einzigen Glied redueirt würde. 

Mandelkern (Fig. 9, 10, 12, 13 A). Bei den Säugern liegt der 
Mandelkern in demjenigen hinteren ventralen Streifenhügelabschnitt, des- 
sen Rinde als Lobus pyriformis an der Großhirnbasis hervorragt; bei den 
Vögeln ist der Mandelkern mit Beziehung auf den Streifenhügel ähnlich 
gelagert, unterscheidet sich aber in so fern von den Säugern, als er im 
Gegensatz zu diesen von einer sehr dürfiigen und dazu histologisch diffe- 
renten Rindenschicht überzogen ist. Mit Rücksicht auf das zuletzt er- 
wähnte Moment ist es demnach nicht statthaft, den Mandelkern der 
Vögel als Theil der Hirnrinde gelten zu lassen, wie dies Meynerr für den 
Mandelkern der Säuger urgirt, sondern ich bin eher geneigt, ersteren 
als besonderes Ganglion im Streifenhügel aufzufassen. 

Auf dem Horizontalschnitt (vgl. Fig. 9 A) ist der Mandelkern der 
Vögel von annähernd keilförmiger Gestalt; mit der Basis wendet er sich 
lateralwärts, mit der Spitze medialwärts. An seiner lateralen Fläche 
trägt derselbe einen dünnen Saum von Streifenhügelrinde; an seine vor- 
dere Fläche grenzt eine schmale zellfreie Zone. Seine hintere Fläche 
reicht nicht wie bei den Säugern unmittelbar bis an die Lichtung des 
Seitenventrikels (Unterhorn), sondern wird von letzterem durch einen 
Fortsatz von Streifenhügelgewebe getrennt. 

Von zelligen Elementen beherbergt das Gewebe des Mandelkerns 
einzig und allein Pyramidenzellen von 10—15 u Breite, die gleichmäßig 
dicht und ohne bestimmte Anordnung neben einander liegen. Gegen die 
Peripherie hin nehmen dieselben mehr Spindelgestalt an und bilden mit 
der zellfreien Zone eine deutliche Grenzschicht in der Richtung des be- 
nachbarten Streifenhügels. 

Über das Mark orientirt man sich am besten an der Hand von Sagit- 
talschnitten. In den lateralen Ebenen des Mandelkerns tritt ein rund- 
liches Feld von Querschnitten feiner Nervenfasern auf, das annähernd 

Zeitschrift f, wissensch. Zoologie. XXXVII. Bd. 34 


460 A. Bumm, 


seine dorsale Hälfte ausfüllt (vgl. Fig. 13 A [Ca + Pedd]). An seinem 
hinteren dorsalen Umfang sieht man ferner eine Anzahl Bogenfasern ein- 
münden, die sich noch eine Strecke weit bis an den hinteren Streifen- 
hügelrand verfolgen lassen (Fig. 13 ABf). Über ihren weiteren Verlauf 
innerhalb des Streifenhügels und ihre Beziehung zu dem erwähnten Feld 
von Querschnitten habe ich nichts in Erfahrung bringen können. In 
Fig. 14 drängen sich letztere auf ein schmales sichelförmiges Terrain zu- 
sammen (Ca —+ Pedd); ein Zuzug von Bogenfasern aus dem Streifenhügel 
findet hier nicht mehr statt. Bei Lupenvergrößerung hebt sich an Karmin- 
präparaten die vordere Krümmung der Sichel als rotber dichter Kern 
gegenüber der hinteren mit mehr lockerem Gefüge scharf ab. Mehr 
medialwärts verkürzt sich das sichelförmige Feld und nimmt Keilgestalt 
an (Fig. 15 Ca-+- Pedd). Die ventral gerichtete Keilbasis hat an Karmin- 
präparaten eine rothe, die dorsal gerichtete Keilspitze eine gelbe Farbe. 
Der Farbenunterschied ist, wie die mikroskopische Untersuchung er- 
giebt, durch die verschiedene Dicke der Markscheiden bedingt: die 
Nervenfasern mit feineren Markscheiden erscheinen röthlich, diejenigen 
mit dickeren gelblich ; erstere bilden zusammen das ventrale, letztere 
das dorsale Lager. Eine weitere Untersuchung lehrt ferner, dass die 
beiden Kaliber von Nervenfasern in den mehr lateralen Schnittebenen 
des Mandelkernes zerstreut unter einander liegen; es ist dies auch der 
Grund, warum die genannten Farbenunterschiede nicht schon früher zur 
gesonderten Wahrnehmung kommen. In der Nähe der medialen Groß- 
hirnfläche geht das keilförmige Feld in ein ovaläres über; das ventrale 
Segment des Ovals enthält die rothen, das dorsale die gelben Nerven- 
fasern. Schließlich trennt sich das ventrale vom dorsalen Segment (vgl. 
Fig. 16 Ca—+- Pedd). Ersteres rundet sich zu einem schmalen Oval ab und 
tritt als solches über die Mittellinie, um auf einer der bisher beschrie- 
benen identischen Bahn in den Mandelkern der anderen Seite zu ge- 
langen. Die Fasern des dorsalen Segments biegen aus der frontalen in 
die sagittale Richtung um, und schließen sich der Hirnschenkelhaube an, 
als deren dorsalstes Bündel sie durch das Zwischen- und Mittelhirn ab- 
wärts ziehen (p. #61). 

Über die Bedeutung des eben genannten Bündels werde ich später 
sprechen. Das andere Bündel, auf dessen kommissurähnlichen Verlauf 
man bereits nach der Beschreibung hat schließen können, entspricht 
der vorderen Kommissur. 

Vordere Kommissur. Bei den Vögeln liegt dieselbe mit dem 
Mittelstück ganz wie bei den Säugern an der Grenze zwischen Vorder- 
und Zwischenhirn, während ihre seitlichen Fortsätze in den beiden 
Mandelkernen büschelförmig zerfahren (Fig. 9, 12 Ca). Es bedarf wohl 


Das Großhirn der Vögel. 461 


keines weiteren Nachweises, dass die genannten seitlichen Fortsätze den 
Hinterhörnern der vorderen Kommissur der Säuger entsprechen. Nur 
bleibt wegen der überaus dürftigen Entwicklung der Rinde des hinteren 
Basalhöckers der Mandelkern als einziges nennenswerthes Vertheilungs- 
gebiet der vorderen Kommissur übrig. Gerade diese ausschließliche Be- 
ziehung der vorderen Kommissur der Vögel zum Mandelkern beweist 
die Richtigkeit der jüngsten Angaben von Gasser, nach denen dem 
Mandelkern der Säuger die bis jetzt unbekannt gewesene Eigenschaft 
eines mit Fasern der vorderen Kommissur versehenen Hirntheils zu- 
kommt. Auffälligerweise ist es mir bis jetzt noch nicht gelungen, eine 
Andeutung von Vorderhörnern nachzuweisen. Selbst die Untersuchung des 
Gehirns der Schwimmvögel mit relativ besser entwickelten Riechhöckern 
hat mich im Stich gelassen. Obwohl ich nun wegen dieses negativen 
Befundes die Existenz von Vorderhörnern beim Vogel ein für allemal 
noch nicht in Abrede stellen möchte, halte ich es doch für sicher, dass 
dieselben, wenn überhaupt vorhanden, nur sehr schwach entwickelt 
sein können. Diese Annahme steht auch in Übereinstimmung mit den 
Ergebnissen der vergleichend-anatomischen Forschung. Beim Menschen 
und den Primaten sind wegen der geringen Ausbildung des Bulbus und 
Lobus olfactorius die Vorderhörner mangelhaft. Noch tiefer stehen in 
dieser Beziehung die Cetaceen, bei denen dieselben gleich Null sein 
müssen, da ihnen die Bulbi olfactorii vollständig fehlen. Bei den 
übrigen Säugern sind die Vorderhörner in zunehmender Entwicklung 
begriffen. In einer ganz bevorzugten Stellung befinden sich die Insecti- 
voren, bei denen dieselben ungefähr das Doppelte der Hinterhörner aus- 
machen. 

Dorsale Hirnschenkelabtheilung. Ich komme jetzt auf das 
zweite Ursprungsbündel im Mandelkern zurück. Dasselbe ist gleichfalls 
schon im makroskopischen Theil und zwar als dorsale Hirnschenkelab- 
theilung aufgeführt (p. 442). Sein erster Verlauf durch Zwischen- und 
Mittelhirn ist in Fig. 16 Pedd ersichtlich. An seinem vorderen Ende liegt 
der Querschnitt der Commissura anterior. Die ventral gelegene Faser- 
masse gehört der Hirnschenkelhaube an, dessen dorsalste Lage das Bün- 
del selbst ausmacht. An seinem hinteren Rand sieht man eine Abthei- 
lung vom ventralen Hirnschenkel sich büschelförmig im Zwischenhirn 
auflösen (Pedv). Dorsal und in einiger Entfernung davon liegt die 
Commissura posterior (Op). 

Den Verlauf der dorsalen Hirnschenkelabtheilung durch das Mittel- 
zum Nachhirn werde ich an einem anderen Ort beschreiben. 


ICP. 60%, 
31 * 


462 A. Bumm, 


Dass A. Mecekeı dieselbe (mittleres Hirnschenkelbündel bei Mecker) 
in ihrem äußeren Verhalten kannte, ist schon früher erwähnt worden 
(p. 442); über ihren Urspung im Großhirn finde ich bei dem genannten 
Autor keine bestimmte Angabe. 

Srırpa scheint das Bündel überhaupt nicht zu kennen. Auf dem 
Frontalschnitt in Fig. 35 seiner Abbildungen, dessen Schnittfläche mit 
meiner Fig. 12 zusammenfällt, entspricht das halbmondförmige Bündel 
b der ventralen Hirnschenkelabtheilung; die dorsale Hirnschenkelab- 
theilung, die ventral von der Comm. anter. zu liegen käme, ist nicht 
eingezeichnet. Ebenso vermisse ich dieselbe in Fig. 26 (Querschnitt 
durch die Pars peduncularis und die beiden Lobi optici vom Huhn), wo 
ihr in dieser Gegend annähernd scheibenförmiger Kontur in dem leeren 
Feld zwischen hinterem Längsbündel und dem mittleren der ventral- 
lateral gelegenen Kerne zu ergänzen wäre. 

Nach Feststellung der wichtigen Thatsache, dass der Ursprung 
einer Haubenabtheilung! im Großhirn selber gelegen ist, lag mir daran, 
nach einem Homologon im Säugerhirn zu fahnden. Ich habe vorläufig 
nur das Kaninchen darauf untersucht, glaube aber schon jetzt zu einem 
mittheilenswerthen Resultat gekommen zu sein. Auf sagittalen Hirn- 
schnitten dieses Nagers, die in der Nähe der Medialebene angelegt sind, 
findet man am hinteren ventralen Rand der vorderen Kommissur einen 
kleinen Querschnitt von Nervenfasern, die, während sie in sagittaler Rich- 
tung nach rückwärts umbiegen, in das dorsale Haubenlager übergehen, 
ganz ähnlich wie dies bei der dorsalen Hirnschenkelabtheilung im Vogel- 
hirn stattfindet. Auch in ihrem Faserkaliber verhalten sich vordere 
Kommissur und das angrenzende Markbündel beim Kaninchen ähnlich 
wie beim Vogel. Dagegen bin ich mit der mir zu Gebote stehenden 
Schnittreihe nicht im Stande gewesen, das fragliche Bündel bis zu seinem 
Großhirnursprung zu verfolgen. Am ersten vermuthe ich ein günstiges 
Resultat, wenn man bei der Nachuntersuchung fortfährt, sich an das 
Gehirn niedriger Säuger zu halten: bei den höheren Säugern, deren 
Hirnschenkelhaube im Gegensatz zum Hirnschenkelfuß in zunehmender 
Rückbildung begriffen ist, lässt sich nämlich a priori erwarten, dass das 
gesuchte Bündel entweder gar nicht mehr oder nur sehr reducirt vor- 
handen ist. 

A. Mecxer’s Balkenrudiment. In der Ebene seines größten 
Verlaufs, die mit einem durch die Lamina terminalis, also durch die Ver- 
bindung von Vorder- und Zwischenhirn, gelegten Frontalschnitt (vgl. 

! Nach MEyserr (l.c. p. 700 u. 730), der bei den Säugern kein Großhirncentrum 


für die Hirnschenkelhaube gelten lässt, entspringt letztere einzig und allein im Seh- 
und Vierhügel, 


Das Großhirn der Vögel. 4698 


Fig. 12 CVw) zusammenfällt, zeigt das Bündel die Gestalt einer zierlich 
gestreckten Leier, deren Bogenstück über dem hinteren dorsalen Rand 
der vorderen Kommissur zu liegen kommt, während die seitlichen Fort- 
sätze in ventral-dorsaler Richtung innerhalb der Ventrikelwand auf- 
steigen und sich in ihrem Bereich verlieren; über die Ventrikelwand 
hinaus habe ich dieselben an keinem meiner Präparate verfolgen können. 
Nach dem Gesagten wird man in Zukunft gut thun, Mecker’s Balken- 
rudiment nur mehr als Kommissur der Ventrikelwand gelten zu lassen ; 
um Missverständnis vorzubeugen, dürfte es sich überhaupt empfehlen, 
Mecxer’s Bezeichnung durch »Kommissur der Ventrikelwand« zu er- 
setzen. Denn ich wiederhole es, die Rinde der dorsalen Großhirnfläche 
der Vögel erhält von der genannten Kommissur keinerlei Fasern mehr, 
wie dies bei den Säugern in charakteristischer Weise durch den Balken 
geschieht. 

Eine ganz homologe Kommissur haben die Reptilien. Bei der Ei- 
dechse (Lacerta agilis) ist ihre Lage in der Lamina terminalis, dorsal von 
der Gomm. anter., genau dieselbe wie beim Vogel. Zu meiner Verwun- 
derung erfahre ich sogar, dass Stıepa ! dieselbe Kommissur, deren Exi- 
stenz er beim Vogel bezweifelt, zuerst bei der Schildkröte gesehen hat. 
Verstehe ich übrigens seine Zeichnung und Beschreibung recht, so hat 
der genannte Autor nur das ventrale, bei der Schildkröte wahrschein- 
lich mehr horizontal gelegene Kommissurenstück erkannt, während ihm 
die frontal gestellten seitlichen Fortsätze entgangen sind. In derselben 
Frontalebene, wie ich es bei der Eidechse gesehen habe, zeichnet Ras 
Rückuırn die Kommissur vom Alligator. 

Basales Markbündel?. Ein Theil seiner Verlaufsrichtung ist im 
Sagittalschnitt Fig. 17 BMb gezeichnet. Das vordere längere, über und 
parallel der Großhirnbasis gelegene, Segment entspricht bei der äußeren 
Ansicht des basalen Markbündels seinem hinteren dem Basalhöcker an- 
gehörigen Ende; das hintere kürzere, im lateral dorsalen Streifenhügel 
bogenförmig aufsteigende Segment ist bei der Flächenbetrachtung un- 
sichtbar und erweist sich als Fortsetzung des basalen Markbündels aus 
dem hinteren Basalhöcker in das Innere des Streifenhügels. Das basale 
Markbündel entspringt demnach mit seinem hinteren Ende jenseit des 
hinteren Basalhöckers und nicht in diesem selbst, wie es nach der bis- 
herigen Auffassung der Autoren scheinen mochte. 


11.c. IM. p. 66. Taf. XVI, Fig. 20 m. 

? Die obige Beschreibung des basalen Markbündels bezieht sich auf Osmium- 
schnitte vom Tigerfinken. Für die Flächenbetrachtung benutze man die Ventralan- 
sicht des Amselgehirns in Fig. 7, dessen basales Markbündel der Hauptsache nach 
(p- 438) mit dem des Tigerfinken übereinstimmt. 


464 A. Bumm, 


In seinem vorderen Segment misst es beim Tigerfinken 0,50 mm 
in der Höhe und 0,35 mm in der Breite. Seine Nervenfasern sind 
eben da bis 4 u stark und mit deutlichen stellenweise varicösen Mark- 
scheiden versehen. Im hinteren Segment verlieren sie ihre Markschei- 
den! und treten als unmessbar feine Achsencylinder zu Bündeln von 
40—412 u Durchmesser zusammen. In der Nachbarschaft dieser besteht 
das Streifenhügelgewebe fast ausschließlich aus bis 25 u breiten Pyra- 
midenzellen (p. 455). Möglich, dass ein Theil der genannten Faser- 
bündel in dieser Zellregion sein Ende findet; der größere Theil aber 
steigt, mit Umgehung des dorsalen Randes vom Mandelkern, in S-förmi- 
ger Krümmung aufwärts bis in die Ebene des sagittalen Markes (Fig. 13 
BMb), an dessen hinterem Rand ein Austausch zwischen beiden Faser- 
massen stattzufinden scheint. 


Der Verlauf des basalen Markbündels in der Richtung des vorderen 
Basalrandes ist folgender (diese Verlaufsphase ist nicht gezeichnet). Am 
lateralen Rand der keilförmigen Streifenhügelabtheilung tritt es mit der 
ventralen Wellenlinie, d. i. der dort ausgebreiteten Markschicht vom 
Hirnschenkel in Berührung, ohne aber, wie ich glaube, Fasern an diese 
abzugeben. Die Verjüngung seines Querschnitis geschieht weiter nach 
vorn 'an der Stelle, wo das büschelförmige Ende ansetzt. Die Fasern 
des letzteren lassen sich noch bis in die Rinde des vorderen Basalrandes 
verfolgen; über ihr letztes Ende weiß ich nichts anzugeben. Dess- 
gleichen bin ich an Präparaten von Singvögeln über ihre Beziehung zum 
Riechhöcker nicht ins Klare gekommen. Bessere Resultate liefern Os- 
miumschnitte von der Gans. An der Hand von solchen gelingt es un- 
schwer, den Fasern des basalen Markbündels bis in die ventrale Schicht 
des Halstheiles vom Riechhöcker nachzugehen ; obwohl ich nicht so 
glücklich war, einen direkten Zusammenhang zwischen denselben und 
den Fasern der vierten Schicht des Tuberculum olfactorium (p. 450) 
nachzuweisen, zweifle ich doch nicht, dass ein solcher besteht, um so 
mehr, als beide Faserarten im Kaliber übereinstimmen. 


Nach dem Gesagten halte ich es für wahrscheinlich: 


1) Dass das basale Markbündel eine Verbindung der vorderen ven- 
tralen Streifenhügelrinde mit dem sagittalen Mark, d. h. durch dessen 
Vermittlung mit dem Hirnschenkel selber, vielleicht auch eine solche mit 
dem oben beschriebenen großzelligen Kern im Streifenhügel herstellt. 


I Am meisten erinnert mich dieses Verhalten des basalen Markbündels an das 
Mzynerr'sche Bündel bei den Säugern, dessen Nervenfasern bei ihrem Eintritt in 
das Ganglion interpedunculare gleichfalls ihre Markscheiden ablegen und als nackte 
Achsencylinder zusammentreten. 


Das Großhirn der Vögel. 465 


Nach dieser Auffassung, deren Richtigkeit auf rein anatomischem Weg 
allerdings nicht zu erhärten ist, käme dem basalen Markbündel die 
Bedeutung eines aus Associations- und Projektionsfasern gemischten 


Systems zu. 
2) Dass ein kleinerer Theil seiner Fasern das Tuberculum olfacto- 
rium mit in diese Verbindung aufnimmt !. 


Litteraturverzeichnis. 


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G. SCHWALBE, Neurologie. in: Horrmann’s Anatomie. 2. Aufl. 


un 


1 Über den anatomisch und funktionell von dem basalen Markbündei wesent- 
lich verschiedenen Tractus olfactorius der Säuger vgl. v. GuUDDEn, ]. c. I. p. 704, 
ferner GANSER, ]. c. p. 648. 


466 A. Bumm, 


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Ta. Wırrıs, Cerebri anatome. Amstelodami, apud Casparum Commelinum. 4667. 


Erklärung der Abbildungen. 


Tafel XXIV und XXV. 


Fig. 4. Ventralansicht des Gehirns einer Ente (Anas domestica). Vergr. A/l. 
Fig. 2. Dorsalansicht desselben Objekts. Vergr. A/l. 

Fig. 3. Medialansicht desselben Objekts. Vergr. 4/I. 

Fig. 4. Ventralansicht des Gehirns eines Bussards (Buteo vulgaris). Vergr. A/l. 
Fig. 5. Dorsalansicht desselben Objekts. Es ist nur der bei der Betrachtung 
von oben sichtbare hintere Theil der dorsalen Großhirnoberfläche gezeichnet. 
Vergr. A/l. 

Fig. 6. Medialansicht desselben Objekts. Vergr. A/I. 

Fig. 7. Ventralansicht des Gehirns einer Amsel (Turdus merula). Vergr. A/I. 

Fig. 8. Ventralansicht des Gehirns eines Wellensittichs (Psittacus undulatus). 
Vergr. A/l. 

Fig. 9. Horizontalschnitt durch Vorder-, Zwischen- und Mittelhirn einer Taube 
(Columba domestica). Die hintere Ventrikelwand fehlt. Vergr. 41//l. 

Fig. 40. Frontalschnitt durch Vorder- und Zwischenhirn einer Wildente (Anas 
boschas). Vergr. A1/a/I. 

Fig. 14. Frontalschnitt durch das Vorderhirn eines grauen Astrilds (Aegintha 
cinerea). Vergr. 21/a/I. 

Fig. 42. Frontalschnitt durch Vorder- und Zwischenhirn einer Eule (Strix otus). 
Vergr. A1/a/I.' ; 

Fig. 13—16. Sagittalschnitte durch Vorder-, resp. Vorder-, Zwischen- und 
Mittelhirn eines Buntspechts (Picus medius). In Fig. 13, 45, 46 ist die hintere Ven- 
trikelwand nur in ihrem dorsalen Bruchstück erhalten. Vergr. 21/a/I. 

Fig. 47. Sagittalschnitt durch das Vorderhirn eines Tigerfinken (Aegintha aman- 
dava). Das Frontalende ist nach links, das Occipitalende nach rechis gewendet. 
Vergr. AYs/I. 


Das Großhirn der Vögel. | 467 


Erklärung der bei den Abbildungen gebrauchten 
abgekürzten Bezeichnungen. 
I, Vorderhirn; IZI, Zwischenhirn ; III, Mittelbirn; IV, Hinterhirn; V, Nachhirn. 


A, Amygdala (Mandeikern), vgl. p. 459; 
ABf, Bogenfasern am hinteren dorsalen Rand des Mandelkerns, vgl. p.460, 
BH, hinterer Basalhöcker, vgl. p. 435; 
BHF, Furche am vorderen Umfang des hinteren Basalhöckers, vgl. p. 43; , 
BK, keilförmige mediale Abtheilung der Großhirnbasis, vgl. p. 435 ; 
BMb, basales Markbündel, vgl. p. 437, 463; 
Ca, Commissura anterior, vgl. p. 444, 460; 
Ci, Commissura inferior; ; 
Cp, Commissura posterior, vgl. p. 464; 
CVw, Kommissur der Ventrikelwand, vgl. p. 444, 462; 
Pedd, dorsale Hirnschenkelabtheilung, vgl. p. 442, 464; 
Pedv, ventrale Hirnschenkelabtheilung, vgl. p. 442, 456; 
Prm, Processus mammillaris (Tuberculum olfactorium, STIEDA), vgl. p. 435, 
450; 
OCh, Chiasma nervorum opticorum ; 
OT, Tractus opticus; 
S’, Grenzlinie im Streifenhügel, vgl. 455; 
SMf, Markfeld im Streifenhügel, vgl. p. 457, 458; 
SMs, sagitlales Mark im Streifenhügel, vgl. p. 458; 
SR, Streifenhügelrinde, vgl. p. 448; 
SR', Grenzlinie in der Streifenhügelrinde, vgl. 449: 
Sch, strahlige Scheidewand, vgl. 442, 451; 
SchMb, Markbündel der strahligen Scheidewand, vgl. p. 443, 454; 
SpB, Spiralband, vgl. p. 444 ; 
SpK, Spiralkante, vgl. p. 444; 
SpW, Spiralwulst, vgl. p. 444; 
V, Großhirnkammer, vgl. p. 444; 
Vwh, hintere Ventrikelwand, vgl. p. 445, 448; 
a, äußere Faserschicht, vgl. p. 452; 
b, intraganglionäre Faserschicht, vgl. p. 448, 452; 
c, Ganglienzellenschicht, vgl. p. 448; 
Vwm, mediale Ventrikelwand, vgl. p. 445, 446; 
W, Wulst an der dorsalen Großhirnoberfläche, vgl. p. 439; 
WF, den Wulst umgebende Furche, vgl. p. 439; 
WFm, deren vorderes, an der medialen Großhirnoberfläche gelegenes 
Ende, vgl. p. 443; 
Wiad, dorsale Wellenlinie, vgl. p. 455, 456; 
Wi, ventrale Wellenlinie, vgl. p. 455, 456. 


Zur Kenntnis der Gattung Girardinus. 


Von 


Dr. Hermann von Ihering. 


Mit Tafel XXVI. 


Die Süßwasserfische der Provinz Rio Grande do Sul, welche durch 
R. Henser ! großentheils bekannt geworden sind, wiewohl auch manche, 
selbst der größten Arten, ihm entgingen, bieten in Bezug auf ihre bio- 
logischen Verhältnisse vielfach interessante Verhältnisse dar. Es sei 
hier nur an die merkwürdige Brutpflege des Geophagus brasiliensis er- 
innert, welcher, sobald er Gefahr für seine Jungen witiert, dieselben 
in sein Maul aufnimmt, um so mit ihnen das Weite zu suchen, oder an 
die Entwicklung des Bagre (Arius Commersoniü), dessen Eier in der 
Mundhöhle des Männchens ihre Entwicklung durchlaufen. 

Indem ich eine übersichtliche Darstellung meiner Beobachtungen 
über die Süßwasserfisch-Fauna von Rio Grande do Sul mir für spätere 
Zeit vorbehalte, möchte ich durch diese Zeilen die Aufmerksamkeit auf 
einen kleinen Fisch lenken, welcher in mehrfacher Hinsicht ein beson- 
deres Interesse verdient. Es ist dies der Girardinus caudimaculatus 
Hens., ein sehr kleiner, im seichten Wasser, in Gräben, Pfützen etc. leben- 
der Fisch, von dem die größten Exemplare alter Weibchen nur wenig 
über 40—45 mm lang werden, resp. 32—37 mm bis zur Schwanz- 
flosse, indess das größte von mir beobachtete Männchen 34, beziehungs- 
weise 26 mm in der Länge maß. Dieser Fisch fesselte mein Interesse 
zuerst durch den HenseL entgangenen Umstand, däss er lebendig ge- 
bärend ist, und weiterhin durch den eigenthümlichen Begattungsappa- 
rat des Männchens. So weit ich darüber urtheilen kann, liegen über den 
Bau und die Entwicklung der Kopulationsorgane der Knochenfische 


1 R. Hesse, Beiträge zur Kenntnis der Wirbelthiere Südbrasiliens. Archiv für 
Naturgesch. Jahrg. XXXIV. Bd. 1. p. 323 ff. und Jahrg. XXXVI. Bd. I. p. 50 ff. 


Zur Kenntnis der Gattung Girardinus. 469 


wenig Beobachtungen vor und so schien mir eine nähere Untersuchung 
dieses kleinen Fisches wohl wünschenswerth und diese gewann durch 
die eigenthümlichen dabei klar gelegten Verhältnisse des Genitalapparates 
ein erhöhtes Interesse. | 

Die Gattung Girardinus Poey gehört zu den limnophagen Cyprino- 
donten und steht der Gattung Poecilia sehr nahe. Es wird vielleicht 
erst nach eingehender vergleichender Prüfung einer größeren Anzahl 
von Arten möglich sein das Verhältnis beider Gattungen richtig zu prä- 
cisiren. Man wollte früher den Unterschied darin finden, dass bei Poeci- 
lia hinter den größeren vorderen Zähnen noch ein breites Band kleiner 
Hechelzähne folgt, indess bei Girardinus die Kieferzähne einreihig stehen. 
HenseL machte dagegen bereits geltend, dass bei den von ihm unter- 
suchten beiden Arten von Girardinus hinter der vorderen Reihe von 
Zähnen noch eine kleinere früher wohl übersehene folge. Ich kann 
diese Angabe für die von Henser und mir untersuchte Art bestätigen 
und erweitern. Es folgen nämlich hinter der vorderen Hauptreihe 
eigentlich noch zwei andere, von denen die hintere inkomplet ist. Am 
leichtesten kann man sich davon am Unterkiefer überzeugen. Wenn 
man ihn auslöst und untersucht, bemerkt man zuerst die vordere Reihe 
der größeren Zähne. Dahinter folgt die erste accessorische, die in einem 
der ersten parallelen Bogen angeordnet 14 Zähnchen enthält und hinter 
diesen findet sich noch eine inkomplete aus nur vier Zähnen bestehende 
dritte Reihe. Die vorderen größeren Zähne sind bräunlich, die hinteren 
blassgelblich, und zwar in beiden Kiefern. Im Zwischenkiefer stehen vorn 
jederseits zehn Zähne. Die inkomplete dritte Reihe ist oben wie unten 
vorhanden. Es bleibt mithin weiteren über eine größere Zahl von Arten 
sich erstreckenden Untersuchungen vorbehalten, die Unterschiede in der 
Bezahnung festzustellen. 

Die allgemeinen Verhältnisse des Girardinus caudimaculatus hat 
Henser richtig geschildert. Die Mundöffnung ist klein, vorstreckbar, und 
namentlich der Unterkiefer ragt weit vor. Brust- und Bauchflossen sind 
klein, wenig in die Augen fallend, erstere hat zehn, letztere fünf Flossen- 
strahlen. Die Rückenflosse hat sieben Strahlen. An der Seite des 
Schwanzes befindet sich auf der 11. bis 13. Schuppe der Seitenlinie 
von hinten aus gezählt, so wie auf den darüber und darunter stehenden 
Schuppen, ein senkrechter von oben nach unten gerichteter spindelför- 
miger schwarzer Fleck. Weiter nach vorn wie nach hinten erkennt man 
häufig, und besonders deutlich bei den Männchen, noch andere zu 
diesem parallel stehende blassere Flecken, deren Zahl und Deutlichkeit 
indessen sehr variabel ist, so dass sie für die Charakterisirung der 
Species nicht von Bedeutung sind. 


470 Hermann von Ihering, 5 


Beide Geschlechter unterscheiden sich sowohl in der Größe wie 
bezüglich der Proportionen und der Ausbildung der Analflosse, indem 
letztere durch die Entwicklung eines terminalen Zangenapparates und 
anderer Modifikationen beim Männchen zu einem Kopulationsorgan um- 
gebildet ist. Auch die Lage der Dorsal- und Analflosse, so wie die Lage 
des Afters, resp. die damit zusammenhängende Länge der Leibeshöhle, 
bietet erhebliche Differenzen dar. Dieselben bestehen vor Allem darin, 
dass beim Männchen die Analflosse weiter nach vorn gerückt ist, resp. 
dass im Laufe des Wachsthums die Distanz zwischen Mund und After 
beim Männchen weniger zunimmt als der hinter demselben folgende 
Abschnitt, oder als dieselbe Partie beim Weibchen. Ich habe darüber 
einige Messungen angestellt, welche das Verhältnis am besten erläutern. 
In der ersten Rubrik der folgenden kleinen Tabelle ist die Gesammt- 
länge angegeben, welche durchschnittlich um !/, größer ist als die von 
HEnsEL gemessene Länge bis zur Basis der Schwanzflosse, in der zwei- 
ten folgt der Abstand des vorderen Körperendes vom After, in der 
dritten der Antheil des vor dem After gelegenen Abschnittes in Procen- 
ten der Gesammtlänge. 


Geschlecht Gesammtlänge Afterabstand Procentverhältnis 
Männchen | 320 mm 7,5 mm 37,5 
» | 9323 » Dina)? 34,0 
» 9 » ee) » 297,1 
» 3A » 9,5 » 30,7 
Weibchen 933 mm 9,0 mm 39,0 
» 93 » 955° 44,3 
» DIN» 40,0 » 37,0 
» ! 3A» 43,5 » 43,5 
» | rn 19,0 » 46,3 


Es liegt mithin beim erwachsenen Männchen die Afteröffnung im 
ersten Drittel des Körpers, beim erwachsenen Weibchen aber nur wenig 
vor der Mitte des Körpers. Daher steht denn auch die Rückenflosse beim 
Weibchen über, beim Männchen hinter der Basis der Analflosse. Das 
Weibchen hat somit eine weit größere Leibeshöhle, ein Umstand, der 
wohl verständlich ist, wenn man sich erinnert, dass das Weibchen 
lebendige Junge, circa A—2 Dutzend von einer Begattung, zur Welt 
bringt. Die Geschlechtsöffnung liegt in beiden Geschlechtern unmittel- 
bar vor der Analflosse, circa 4 mm oder auch wohl etwas weiter von 
der Afteröffnung entfernt. Beim Weibchen, zumal beim ausgewachsenen, 
ist die Genitalöffnung etwas papillenartig erhoben und lebhaft gelb ge- 


Zur Kenntnis der Gattung Girardinus. 471 


färbt, wodurch sie gleich ins Auge fällt. Die männliche Genitalöffnung 
ist kleiner, ungefärbt und schwerer zu finden. 

Die Schuppen sind cycloid. Sie stehen in der Seitenlinie in unge- 
fähr 27 Reihen. Von oben nach unten gezählt sind es in der Höhe der 
Dorsalflosse sieben Reihen, von denen die mittelste oder vierte die Seiten- 
linie enthält. Die Ränder der Hauttaschen, welche die Schuppen ent- 
halten, sind dunkel durch gehäufte Punkte pigmentirt, wodurch die be- 
kannte netzförmige Zeichnung entsteht, welche dem mit Schuppen 
besetzten Körpertheile der Girardinus eigen ist. 

Über die Kiemen, welche alle vier normal ausgebildet sind und 
der Pseudobranchien entbehren, ist nichts Besonderes zu bemerken. 
Die hinterste Blättchenreihe der vierten Kieme ist kürzer als die zuge- 
hörige vordere. 

Der kurze Schlund setzt sich deutlich gegen den Magen ab und 
nimmt vorher den feinen Ausmündungsgang der Schwimmblase auf 
(Fig. 1 D). Der Magen ist durch eine sehr auffällige Ziekzackzeichnung 
ausgezeichnet, welche von den geschlängelten parallel laufenden Leisten 
oder Falten der Schleimhaut herrührt, Gleich oben, noch nahe der Mün- 
dung des Ösophagus nimmt der Magen den starken Gallengang (Fig. 1 G) 
auf. Die Leber ist durch eine größere Anzahl von Furchen und Ein- 
schnitten in Lappen zerlegt, die aber nicht gestielt oder tief geschieden 
sind, so dass eine Sonderung in eine bestimmte Zahl von Lappen nicht 
deutlich hervortritt. Sehr stark entwickelt ist die durch ihren Inhalt 
grau gefärbte durchsichtige Gallenblase. Dieselbe mündet durch einen 
ziemlich kurzen Ausführgang, welcher mehrere rasch sich verästelnde 
Gallengänge aufnimmt, in den Magen, welcher keine Pförtner-Anhänge 
besitzt. An der Leber nahe am Magen liegt die Milz, ein hier relativ 
großes lebhaft roth gefärbtes Organ, welches etwas flach und nierenför- 
mig gebildet ist. Der Darm, welcher sich nicht scharf gegen den Magen 
absetzt, beschreibt zuerst eine nach hinten gekehrte Kurve, läuft dann 
nach vorn und windet sich dann nach einer nochmaligen Biegung zwei- 
bis dreimal mehr oder minder deutlich spiralig auf. Der hierdurch ge- 
bildete Knäuel, dessen Windungen bei großen Exemplaren, resp. mit 
dem Alter zuzunehmen scheinen, liegt in der rechten Körperhälfte. Der 
von da nach rückwärts gehende Enddarm läuft an der vorderen oder 
ventralen Fläche der Geschlechtsdrüse hin gegen den After, welcher 
durch Falten sternförmig gezackt erscheint. Die Länge des Darmes ist 
im Verhältnis zur Körperlänge bei alten Exemplaren beträchtlicher. 
Weibchen von 42 oder 43 mm Länge haben eine Darmlänge von 130 mm, 
so dass der Darm dreimal so lang ist als der Körper. Am Darm entlang 
zieht sich ein schmales Band von lockerem viele Fettkugeln führendem 


472 Hermann von Ihering, 


Gewebe, welches wahrscheinlich ein Rest, resp. Umbildungsprodukt 
des Fettblasen führenden Dotters der Embryonen und jungen Thiere 
ist. Im Übrigen liegt der Darm frei ohne Befestigung durch Mesen- 
terium. | 

Die Bauchhöhle ist von einem Peritonealsacke erfüllt, in dessen 
Innerem Darmtractus und Geschlechtsdrüse gelegen sind. Die letztere 
ist durch eine breite Umschlagsfalte auf ihrer dorsalen oder hinteren 
Fläche in der Medianlinie befestigt. Die Innenfläche des Bauchfells ist 
schwarz pigmentirt, die äußere der Leibeswand zugekehrte Fläche ist 
weiß. Zieht man die dorsale Wandung des Peritoneum ab, so werden 
Schwimmblase und Nieren freigelegt. Im Inneren des Peritonealsackes, 
bald mehr frei an beliebiger Steile, bald in der Umgebung des Magens und 
der Leber, habe ich sehr oft eingekapselte Parasiten gefunden, die sich 
nach genauerer Untersuchung als encystirte junge Trematoden erwiesen. 
Merkwürdig ist die dicke äußere Cyste, welche Anfangs dünn und hell, 
allmählich immer dicker und mehr gelblich gefärbt wird. Im Inneren 
der dicken Hülle liegt eine ovale Kapsel, deren 0,005 mm dicke Wan- 
dung einen wenig ausgezeichneten Parasiten einschließt, der nicht leicht 
zu untersuchen ist. Gut gefärbte Präparate ließen einen am vorderen 
Ende gelegenen Saugnapf erkennen, so wie etwas vor der Mitte des 
Körpers noch einen zweiten eben so großen. Die Theile hinter dem 
zweiten Saugnapf bestehen aus einem dichteren in Form eines läng- 
lichen und in drei Abschnitte gesonderten Körpers angeordneten Ge- 
webe, während die übrige Leibesmasse aus einem großzelligen oder 
blasigen nur von feinen Strängen durchzogenen Gewebe besteht. Es 
handelt sich offenbar um encystirte junge Trematoden, für welche die 
zugehörigen Ammen wohl in den an gleicher Stelle lebenden Lim- 
naeen zu suchen sein werden. Da ich den Girardinus als Mageninhalt 
bei Tetragonopterus-Arten antraf, findet möglicherweise in diesem die 
Weiterentwicklung statt, da sie am gleichen Orte leben. 

Die Schwimmblase besteht aus zwei Abschnitten, einem dünn- 
häutigen sehr großen Sacke, welcher oberhalb des Peritonealsackes ge- 
legen, den ganzen hinteren Abschnitt der Leibeshöhle erfüllt, und dessen 
hinteres, zuweilen in zwei Zipfel gespaltenes Ende ! nach hinten vor der 
Afteröffnung gelegen ist. Nach vorn hin setzt sich an diesen durch Luft 
prall ausgespannten Sack ein mehr dickwandiges birnförmiges Stück an, 
das durch seine röthliche Färbung leicht in die Augen fällt und dessen 
verdicktes Ende in dem Luftsacke befestigt ist, indess das andere Ende 


1 Es beruht offenbar auf einer Weiterbildung dieses Verhältnisses, wenn nach 
HunmsoLpr bei Poecilia Bogotensis die Schwimmblase doppelt ist. cf. ScHoMBURGK, 
Fishes of Guiana. Part. II. 1843. p. 204. 


‚ Zur Kenntnis der Gattung Girardinus. 473 


in eine feine Röhre übergeht, welche von dem dunklen Pigmente des 
Peritoneum umgeben nur schwierig zu verfolgen ist und nahe der Gardia 
in die Speiseröhre einmündet (Fig. I L). Es gelang nicht, Luft aus dem 
Luftsacke in die andere Abtheilung zu drängen. 

Ein etwas ungewöhnliches Verhalten bietet der uropoetische Appa- 
rat dar durch die geringe Länge der weit oben am Kopf gelegenen 
Nieren und die bedeutende Länge der Ureteren (cf. Fig. 2). Die Niere 
liegt als ein zungenförmiger 5—6 mm langer Körper hinter dem Schädel 
der Wirbelsäule an. Nach hinten wird sie schmäler und der Harnleiter 
empfängt eine Anzahl von einreihig angeordneten kleinen Seitengefäßen. 
Die Harnröhrchen sind relativ sehr breit und grob. Man kann ihren 
Verlauf leicht verfolgen, da die Niere nicht dick und bei leichtem Drucke 
wohl durchsichtig ist. Beide Nieren liegen nicht einander an, sondern 
sind völlig getrennt, eben so die Harnleiter. Erst in der Gegend des 
Afters vereinen sich beide Harnleiter, um zu einer birnpförmigen kleinen 
Harnblase zu verschmelzen, welche mit ihrem spitzen Ende in die sehr 
feine Urethra ausgeht. Letztere begiebt sich zur hinteren Klappe der 
Genitalöffnung, auf der sie ausmündet (zu vergleichen hierüber auch 
Fig. 2). Es kommt sonst, wenn überhaupt, so jedenfalls nur selten, bei 
Knochenfischen vor, dass. der Harnleiter länger ist als die Niere, welche 
meist bis ans hintere Ende der Leibeshöhle reicht. 

Wie hinsichtlich des uropoetischen Systems, so bietet uns in noch 
höherem Grade Girardinus bezüglich des Geschlechtsapparates ab- 
weichende und außer bei anderen Cyprinodonten nicht oder nur zum 
Theil noch wiederkehrende Verhältnisse dar. Dahin gehören der un- 
paare Hoden und Eierstock, so wie die Entwicklung der Embryonen im 
Inneren desselben und die Umbildung der männlichen Analflosse. 

Der Eierstock von Girardinus gehört der geringen Zahl jener an, 
welche unpaar sind. Seine Lagerung entspricht völlig derjenigen des 
Hodens, er ist mithin in seiner Lage erhalten durch das an seine dorsale 
Fläche sich inserirende Mesoarium, indess an seiner ventralen Fläche 
genau in der Medianlinie sich der Mastdarm anheftet. Der Eileiter ist an 
seinem äußersten Endabschnitte einfach. Gegen den Anfang des Eier- 
stockes hin erheben sich an beiden Wänden, stärker jedoch an der 
ventralen, Falten, welche in das Lumen vorspringen, und deren Ver- 
halten aus Fig. 6 ersichtlich ist. Dieselben sind nicht von gleicher Höhe, 
indem vielmehr die nächstfolgende Längsfalte immer etwas höher ist 
als die vorhergehende. Je weiter man in den Eierstock vordringt, um 
so mehr treten diese Falten an Zahl zurück, während die wenigen 
bleibenden gleichzeitig beträchtlich größer werden und in ihrem Inneren 
die Eier entstehen lassen. Das Verhältnis des Lumen im Inneren des 


474 Hermann von Ihering, 


Ovarium wird durch einen Blick auf Fig. 7 klar. Der massive Eierstock 
hat nämlich ein zweischenkeliges, durch einen oberen Querast verbun- 
denes Lumen. Am Ende des je einer Seitenhälfte entsprechenden 
Schenkels ist nicht selten das Epithel mehrfach gefaltet, aber nicht kon- 
stant und in nur geringem Grade. Es ist also das die einzige schwache 
Andeutung von Falten im Ovarium, das im Übrigen solid ist, eine etwas 
vom typischen Verhalten abweichende aber doch unverkennbar darauf 
beziehbare Beschaffenheit. Von einer Sonderung des zugleich als Ova- 
rium und als Uterus fungirenden Eierstockes in zwei Abschnitte, einen 
eibildenden und einen ernährenden oder Eiweiß-bildenden, wie es 
Srtannıus! angiebt, ist nichts vorhanden. Vielmehr kann man deutlich 
verfolgen, wie die Eier im Inneren des Ovarium vom Keimepithel ihren 
Ursprung nehmen und von da weiter nach der Peripherie rücken, wohl 
unter dem Einflusse des Nachschubes der neuen sich ablösenden und 
entwickelnden Eier. Die Entwicklung der Eier hebt nicht an jeder 
Stelle des Keimepithels beliebig an, sondern es sind bestimmte Stellen 
darin besonders thätig und von ihnen aus kann man gegen die Peri- 
pherie des Ovariums hin die successiven an derselben Stelle erzeugten 
Eier wohl verfolgen, die größten nach außen, die kleinsten am Keim- 
epithel. So kommt es, dass man die größten und reifen Eier ganz an 
dem äußeren Umfange des Ovarium antrifft, wie es unsere Fig. 7 er- 
läutert. Dieselbe stellt einen Schnitt dar durch einen nicht ganz reifen 
Eierstock. Die reifen, resp. trächtigen Ovarien eignen sich nicht um in 
toto geschnitten zu werden, da die reifen durch die Härtung sehr fest 
werdenden Eier nur locker im Gewebe befestigt liegen, so dass es 
zweckmäßiger ist die reifen Eier für sich zu untersuchen. 

Die Zusammensetzung des reifen über I mm großen Eies ist fol- 
gende. Zu äußerst trifft man eine strukturlose Membran, die Theca 
folliculi, an welcher bei reifen Eiern selten oder sparsam Kerne, die in 
jüngeren Stadien deutlicher sind, bemerkt werden (Fig. 8 th). Nach 
innen von der Theca folgt als einzige Eihülle das Follikelepithel, ein 
schönes mit ziemlich großen runden Kernen versehenes Cylinderepithel 
von 0,004 mm Höhe. Dasselbe findet sich völlig unverändert auch an 
dem in der Entwicklung begriffenen Eie wieder. Darunter folgt die sehr 
zarte Dotterhaut von circa 0,0005 mm Dicke. An Eiern, in denen die 
Entwicklung bereits in Gang ist, hebt sich zumal in der Gegend der 
Rückenwülste die Membran des Follikelepithels etwas ab und man er- 
kennt dabei deutlich, dass die feine Membran, welche ich als Dotterhaut 
bezeichnete, unmittelbar über den Embryonalzellen liegend die äußerste 


1 H. Stannıus, Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der Wirbelthiere. 1846. 
p. 124. 


Zur Kenntnis der Gattung Girardinus. 475 


Begrenzung des Dotters bildet, wesshalb man sie auch als eine von der 
Dotteroberfläche gebildete Membran ansehen muss. Die äußerste Schicht 
des Dotters zeigt zu keiner Zeit eine radiäre Streifung, wie sie viele 
andere Teleostier-Eier in der Zonoidschicht aufweisen. Es gehen viel- 
mehr die kleineren Dotterkugeln bis dicht an die Dotterhaut heran, so 
dass die hellere Randschicht überhaupt auf ein Minimum reducirt 
bleibt. Die Dottermasse ist im Übrigen eine sehr homogene, welcher 
Auszeichnungen mit besonderen Formelementen, großer Fettkugel etc. 
ganz fehlen. Dagegen finden sich in der Rindenschicht große helle 
runde Blasenräume, die vermuthlich mit flüssiger Substanz erfüllt sein 
werden, am Schnitte aber leer sind. 

Durch die eben geschilderte Beschaffenheit weicht das Ei der Gi- 
rardinus erheblich von dem anderer Knochenfische ab. Die Eibildung 
und Eihüllen der Knochenfische sind im Allgemeinen noch wenig unter- 
sucht. Es ist daher auch kein allgemein gültiges Schema bis jetzt auf- 
stellbar. Die Regel aber scheint es doch zu sein, dass eine starke vom 
Follikelepithel gebildete und von Ausläufern desselben durchsetzte 
äußere Hülle vorhanden ist, die wir, wenn wir mit H. Lupwıc die vom 
Follikelepithel gebildeten Eihüllen so bezeichnen wollen, Chorion zu 
nennen haben. Wie weit das Ghorion bei den Eiern der Teleostier ver- 
breitet ist, und ob demselben auch die sog. Zöttchenschicht der Eier von 
Cyprinoiden etc. entspricht, ist noch unaufgeklärt oder strittig, eben so 
auch andererseits die Existenz der »Dotterhaut« und der Ursprung der 
Zona radiata oder Stäbchenschicht, welche zwischen Dotter und Chorion, 
resp. Follikelepithel angetroffen wird. Eines der geeignetsten, aber 
gleichwohl noch unzulänglich untersuchten Objekte für das Studium 
‚der Teleostier-Eier ist das Ei des Barsches. Ich habe mich 1873 mit 
demselben etwas eingehender beschäftigt und finde bei Vergleichung 
meiner Zeichnungen und Notizen mancherlei Differenzen mit der Dar- 
stellung bei Brock (l. c. Taf. XX VII, Fig. 7), welche eine erneute Prü- 
fung wünschenswerth erscheinen ließen. So fand ich, dass die Kanäle, 
welche die Gallertschicht oder das Chorion durchsetzen und Ausläufer 
der Follikelepithelzellen enthalten, gegen die Zona radiata hin sich in 
einige (meist drei) Äste von bald beträchtlicherer bald geringerer Länge 
spalten, während Brock von einer kleinen »kegelförmigen Anschwellung« 
spricht. Sodann hält Brock an der Auffassung der Streifung der Zona 
radiata als Ausdruck der Existenz von Porenkanälen fest. Eigentliche 
in eine Grundsubstanz eingebohrte Kanäle sind diese Elemente nun 
sicher nicht, denn es gelang mir an zerzupften Schnitten die Elemente 
der Zonata radiata als kleine stark lichtbrechende Stäbchen zu isoliren. 
Vergebens habe ich mich bemüht in denselben die Existenz eines Kanales 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVII. Bd. 32 


476 Hermann von Ihering, 


zu erkennen. Ich kann daher die Elemente der Zona radiata bei Perca 
nur für stäbchenartige Gebilde halten, welche offenbar das Produkt der 
ihnen anliegenden in sehr ähnlicher Weise gestreiften Rand- oder 
Zonoidschicht des Dotters sind. Nur so, wenn man die Gallertschicht 
des Barscheies als Produkt des Follikelepithels, die Zona radiata als Pro- 
dukt der streifigen Randschicht des Dotters betrachtet, wird die Genese 
der Hüllen verständlich. Vergleichen wir damit die Verhältnisse am Ei 
des Girardinus, so ist es zur Ausscheidung einer Gallertschicht, resp. 
eines Chorion nicht gekommen, wogegen die Randschicht des Dotters 
eine einfache strukturlose Dotterhaut secernirt hat. Diese Dotterhaut ist 
also der Zona radiata homolog. Ist.die Randschicht des Dotters streifig, 
so bildet sie eine Zona radiata, anderenfalls eine Dotterhaut, womit 
natürlich die Möglichkeit einer nachträglichen Absonderung einer struk- 
turlosen Dotterhaut, resp. deren Koexistenz mit der Zona radiata nicht 
ausgeschlossen ist, da sich vor Beginn der Embryonalentwicklung die 
Streifung der Randschicht wohl ohnehin rückbilden wird. In welcher 
Weise bei den verschiedenen Abtheilungen der Teleostier die Hüllen aus 
Dotterhaut oder Zona radiata, aus Gallertschicht oder Ghorion mit oder 
ohne Persistenz des Follikelepithels oder ausschließlich aus Dotterhaut 
und Follikelepithel (Girardinus) sich zusammensetzen, bleibt weiteren 
Untersuchungen anheimgegeben. Wenn Verhältnisse, wie sie bei Gi- 
rardinus vorliegen, und die wohl den geringst möglichen Grad in der 
Ausbildung der Eihüllen repräsentiren, bei anderen Knochenfischen bis- 
her nicht bekannt wurden, so hängt das sicher mit dem Umstande zu- 
sammen, dass die Entwicklungsbedingungen eben bei den meisten 
Teleostiern andere sind. Wenn die Eihüllen dem Eie einen Schutz gegen 
die Einwirkung der äußeren Einflüsse gewähren sollen, so wird ein 
solcher jedenfalls bei Eiern, welche ihre Bildungsstätte nie verlassen, 
nicht oder in ungleich geringerem Grade erforderlich sein. So einfache 
Verhältnisse wie bei Girardinus wird man daher höchstens bei anderen 
lebendig-gebärenden Knochenfischen, wie Blennius viviparus etc. anzu- 
treffen erwarten können. 

Hinsichtlich der Oogenese muss ich mich ganz .den Darstellungen 
von WALDEYER, Lupwıs und Brock anschließen, in so fern die Follikel- 
epithelzellen, so wie das Ei, ihren Ursprung vom Keimepithel nehmen. 
An jungen Ovarien ist von Falten im Ovarium nichts zu sehen. Es 
stellt vielmehr das Lumen des Eierstockes daselbst einen annähernd 
T-förmigen Spalt im Inneren des Organquerschnittes dar. Die Wan- 
dung dieses Hohlraumes wird gebildet durch ein hohes Cylinderepithel, 
dessen schmale aber hohe Zellen 0,018 mm in der Länge messen. Hier 
und da gewahrt man eine einzelne derselben vergrößert, wobei sie rund 


Zur Kenntnis der Gattung Girardinus. 477 


wird, auch ihr Kern stark an Umfang zugenommen hat. An anderen 
Stellen sieht man solche in der Entwicklung begriffene Eizellen mitsammt 
den nächst umgebenden nicht vergrößerten Epithelzellen in die Tiefe 
versenkt, resp. vom Keimepithel aus gegen die Peripherie verschoben 
(cf. Fig. 5). Etwas weiter gegen die Peripherie hin liegt ihr eine schon 
erheblich größere an, welche von einer Kapsel sehr feiner ganz nie- 
driger Zellen umgeben ist. Durch Vergleichung der verschiedenen 
Größenstadien der wachsenden Eier erkennt man, dass aus diesen An- 
fangs sehr niedrigen flächenhaft entwickelten und in geringer Zahl vor- 
handenen Zellen das typische Follikelepithel der größeren Eizellen her- 
vorgeht. Die größten derselben liegen an der Peripherie und zeigen das 
Epithel völlig schön und fertig ausgebildet und 0,014 mm hoch. 
Weiterhin nimmt mit der beständig fortschreitenden Vergrößerung des 
Eies das Epithel an Höhe nicht mehr zu, wohl aber natürlich an Zahl 
der Elemente, da es auch an dem mit Embryonalanlage versehenen Eie 
noch in gleicher Weise erhalten ist. An dem ganz reifen, resp. in der 
Embryonalentwicklung befindlichen Eie ist das Follikelepithel wieder 
niedriger, verflacht. Die sich bildenden Eier rücken somit vom Keim- 
epithel aus immer mehr gegen die Peripherie hin vor und man findet 
so zwischen ersterem und letzterer alle verschiedenen Stadien vertre- 
ten. Eine Loslösung der Eier vor der Befruchtung findet nicht statt. 
Die Spermatozoen, welche ich im Inneren des Ovarium 
auffand, müssen daher das KeimepithelunddasFollikel- 
epithel durchbohren. Eine Verfolgung der Embryologie, so ein- 
ladend dazu auch die Leichtigkeit der Materialbeschaffung ist, lag nicht 
in meiner Absicht, da, so viel ich darüber nach früheren Erfahrungen 
urtheilen kann, die Embryologie von Girardinus nichts darbietet, was 
ihr ein besonderes Interesse oder einen besonderen Vorzug vor anderen 
Repräsentanten der Ordnung verschaffte. Dass die Sameneiemente die 
Masse des Ovarium, resp. das Keimepithel durchsetzen müssen, ist ein 
bei Wirbelthieren sonst bisher wohl nicht oder höchstens bei anderen 
lebendig gebärenden Teleostiern beobachtetes Faktum. Die Regel bei 
lebendig gebärenden Thieren, Vertebraten sowohl wie Wirbellosen, ist 
die Loslösung des reifen Eies von seiner Bildungsstätte vor der Be- 
fruchtung. 

Eine Verschmelzung beider Ovarien zu einem einzigen, einen ein- 
fachen Hohlraum darbietenden Organe, scheint verhältnismäßig selten 
vorzukommen oder wenigstens erst in einer beschränkten Anzahl von 
Fällen sicher konstatirt zu sein. Die wenigen Fälle, in denen eine ge- 
naue Nachuntersuchung stattfand, haben zum Theil irrige Darstellungen 
berichtigt, so z. B. bezüglich des Ammodytes tobianus, den zwar Brock 

33* 


478 Hermann von Ihering, 


noch als Beispiel des unpaaren einseitigen Ovarium anführt, der aber, 
wie Hyrrı (l. c. p. 403) berichtigte, aus zwei verschmolzenen aber noch 
durch eine Scheidewand getrennten Hälften besteht. In manchen Fällen 
kommt es zu einer theilweisen Verschmelzung der einander zur Be- 
rührung genäherten Ovarien. Eine solche Verschmelzung im hinteren 
Abschnitte, wodurch eine gemeinsame Höhle entsteht, findet sich 
nach Mırne Epwarps (l. c. T. VIII. p. 45%) beim Karpfen und bei Cottus 
gobio L., wo also die Hohlräume beider Ovarien nahe der Ausmündung 
in einen einzigen verschmelzen, der sich in den kurzen Ovidukt fort- 
setzt. Der umgekehrte Fall der Verschmelzung beider Ovariallumina 
nur im vorderen Abschnitte kommt, wie MıLne Epwarops (ibid.) angiebt, 
nach Hyrrı bei Trachypterus iris vor. Äußerlich scheinbar einfach. 
aber im Inneren durch eine vertikale Scheidewand in zwei Hälften ge- 
trennt, ist der Eierstock bei Fistularia (HyrrL) so wie bei Ammodpytes 
tobianus, wo er nach rechts translocirt ist und dadurch zu dem bereits 
erwähnten Missverständnisse Anlass gab. Brock erkennt die voll- 
kommene Verschmelzung beider Ovarien nur für Rhodeus amarus, 
Perca fluviatilis und Ophidium barbatum an, während für Blennius 
viviparus, Cobitis taenia und Üentronotus gemellatus noch weitere 
Untersuchungen abzuwarten seien. Vollständig verschwunden wäre der 
Eierstock der einen Seite bei Gobitis barbatula und Atherina hepsetus. 

In die Reihe derjenigen Fische, bei denen die Ovarien völlig ver- 
schmolzen sind, tritt nun auch Girardinus ein. Dasselbe gilt offenbar 
für die nah verwandte Gattung Poecilia, für welche bereits DuvErnoy ! 
die gleiche Angabe gemacht hat. Später hat freilich Hyrrı das in Frage 
gezogen und die Existenz eines horizontalen Septum angegeben, alle 
meine Erfahrungen und Erwägungen anderer Art lassen mich ver- 
muthen, dass Duvernoy’s Angabe richtig ist und Hyrrı sich durch eine 
lange Ovariallamelle hat täuschen lassen. Wo sonst Septen als Rest der 
ursprünglich getrennten Wandungen zweier verschmolzenen Ovarien 
existiren, sind dieselben ja vertikal! 

Die Gattung Girardinus ist somit wohl diejenige, bei welcher die 
Verschmelzung beider Geschlechtsdrüsen in eine einzige am weitesten 
gediehen ist. Es ist interessant, dass auch hier das weibliche Ge- 
schlecht den Verschmelzungsvorgang weiter fortgeschritten zeigt als das 
männliche, ganz wie das auch bei den übrigen Fischen mit unpaarem 
Ovarium angegeben wird. So ist nach Brock bei Perca die Verschmel- 
zung beider Ovarien eine vollständige, diejenige der Hoden aber nur 


1 Duvernoy, Observations pour servir ala connaissance du developpement de 
la Poecilia de Surinam. Ann. de sc. nat. III. Ser. 4844. T.I. p. 343. Pl. 17, Fig. 4; 
so wie HyrTL, l. c. p. 406 (nach MıLne Epwaros, 1. c. p. 452). 


Zur Kenntnis der Gattung Girardinus. 479 


eine anscheinende. Bei Girardinus ist die Verschmelzung beider Hoden 
nur in der vorderen Hälfte eine komplete, während ja diejenige der 
Ovarien eine vollständige ist. 

Die Analflosse des Männchens ist wie erwähnt in ein accessorisches 
Copulationsorgan umgewandelt. Am ausgewachsenen Männchen fällt 
sie schon durch ihre Größe sehr auf, indem sie 8 mm lang ist, während 
bei bedeutend größeren Weibchen die Analflosse nur 5 mm Länge er- 
reicht. Die verlängerte Analflosse des Männchens liegt für gewöhnlich 
der Unterseite des Rumpfes hinter dem After an, kann aber vom Thiere 
aufgerichtet werden, wobei sie dann senkrecht nach unten hin absteht. 
Mit Rücksicht hierauf hat man an ihr eine vordere Kante zu unterschei- 
den, deren Ursprung am meisten nach vorn und dem After angenähert 
gelegen ist, und eine hintere, mehr dem Schwanze angenäherte. Es 
sind acht oder neun Strahlen in der Flosse entwickelt, deren Lage und 
Beschaffenheit im Folgenden näher betrachtet werden muss. Die ganze 
Verlängerung der Flosse kommt nämlich auf Rechnung von drei mittle- 
ren Strahlen, während die zwei davor und die drei oder vier dahinter 
folgenden Strahlen klein bleiben und keine stärkere Entwicklung wie 
beim Weibchen annehmen. Zur Erläuterung des Verhältnisses möge 
unsere Fig. 3 dienen, welche eine noch nicht ganz entwickelte Anal- 
flosse darstellt. Zunächt der vorderen Kante stehen die beiden schmalen 
wenig entwickelten Strahlen 4 und 2, welche in der klaren Flossen- 
haut, die bis an die Basis des Besatzes von Schuppen entbehrt, sich 
scharf abheben. Am anderen Ende der Analflosse gewahrt man die 
Strahlen 6 bis 8. Es sind ebenfalls kleine kurze Strahlen. An manchen 
Exemplaren ist ihre Zahl um einen vermehrt. Jeder Strahl setzt sich 
aus zwei symmetrischen Hälften zusammen, einer rechten und einer 
linken, welche Anfangs auf einander liegen, weiterhin jedoch divergi- 
ren. Die Flossenmembran, in welcher sie liegen, enthält viele Ghroma- 
tophorenzellen von dunkelgelber Farbe. Die verlängerte Partie der 
Flosse enthält drei Strahlen, den dritten, vierten und fünften. Von 
ihnen ist der dritte, also der am meisten nach vorn gelegene, der stärkst 
entwickelte. Um ihn herum ist die Haut mit zahlreichen schwarzen 
oder schwarzbraunen Chromatophoren ausgerüstet, wodurch die schwarze 
Färbung dieses stärksten Strahles zu Stande kommt. An diesen Chro- 
matophoren konnte der Formwechsel der Zellen gut beobachtet werden, 
wenn man an einer vom lebenden Thiere frisch getrennten Flosse ein- 
zelne der Zellen beobachtete. Die sternförmige Figur ändert vielfach 
ab, einzelne Strahlen verlängern sich, treiben Seitensprossen oder ver- 
schmelzen mit dem nächststehenden Ausläufer. Allmählich lässt dann 
die Erscheinung nach zumeist unter immer mehr zunehmender Verein- 


480 Hermann von Ihering, 


fachung der und Zusammenziehung auf einen unregelmäßig lappigen oder 
knollig kugeligen Klumpen. In der unmittelbaren Nähe dieser dunkeln 
Chromatophoren liegen andere, gelbe, welche sich in der Umgebung 
des vierten und fünften Strahles befinden. Auch an ihnen gewahrt man 
Veränderungen, wobei es den Anschein gewinnt, als bestehe ein ver- 
ästeltes Kanalsystem im Bereiche jeder Chromatophore, in welches der 
Inhalt bald theilweise, bald ganz ein- oder ausgeführt werde. Man ge- 
wahrt nämlich an den frisch eingezogenen Ausläufern noch in so deut- 
licher, wohl durch haften gebliebene Farbmasse bedingter Weise, den 
Weg, den sie verlassen, dass man diesen für einen geschlossenen und 
präexistirenden halten muss. Ob dann aber durch aktive Bewegung 
des farbeführenden Protoplasma die Veränderungen erzielt werden, oder 
welches die Einrichtungen sind, durch welche es möglich wird, dass 
einzelne Theile sich füllen, entleeren etc., indessen benachbarte den- 
selben allgemeinen Druckverhältnissen ausgesetzte unterdessen unver- 
ändert bleiben, ist dabei noch nicht klar, wenn auch die erstere An- 
nahme als die wahrscheinlichere gelten dürfte. 

Der stark verlängerte dritte Flossenstrahl besteht wie alle anderen 
aus zwei symmetrischen Hälften, aus zwei Hohlschienen, deren Ränder 
auf einander liegen und einen, wie der Querschnitt lehrt, am hinteren 
Längsrande erweiterten Hohlraum umschließen. Dieser Hohlraum ist 
blutführend. Wiederholt konnte ich an frisch abgeschnittenen männ- 
lichen Analflossen noch die Bewegung des Blutstromes erkennen und 
bemerken, dass derselbe im dritten Strahle nach vorn hin gerichtet 
war, worauf er an der Spitze im Bogen umbiegt und in einen rück- 
laufenden Schenkel übergeht, welcher zwischen dem dritten und vierten 
Strable, dicht über letzterem verläuft. Beide Gefäße stehen durch eine 
den dritten Strahl durchbohrende Anastomose in Verbindung. Es sind 
noch mehrere solcher Längsgefäße vorhanden. Der nächste ist ein rück- 
laufender Schenkel, welcher sich mit dem anderen bereits erwähnten 
weiter unten vereint. Dann folgen zwei andere Gefäße, in denen sich 
das Blut gegen die Flossenspitze hin bewegt. Es würde im Inneren der 
Flosse also die Bluteirkulation so angeordnet sein, dass je zwei zunächst 
stehende parallele Gefäßstämme in gleicher Richtung das Blut entführen. 
Das vordere Ende des dritten Flossenstrahles stößt an das weiterhin zu 
erwähnende hufeisenförmige Skelettstück. Von den zahlreichen Glie- 
dern, aus welchen dieser wie die übrigen Strahlen sich zusammensetzt, 
ist das drittletzte etwas verbreitert und dient, wie Fig. 3 erkennen 
lässt, zahlreichen feinen Fasern zum Ansatze, die als glatte Muskelfasern 
zu deuten sein dürften. Ein anderer Zug von Fasern geht gleichfalls in 
der Nähe des terminalen Endes der Flosse vom dritten Strahle ab, allein 


Zur Kenntnis: der Gattung Girardinus. 481 


diese sind Theile des Skeletisystems, es sind Reste der zahlreichen 
feinen Strahlen, in welche an der noch unentwickelten Analflosse der 
dritte Strahl ausschießt. 

Der vierte Flossenstrahl besteht wie der dritte aus zwei sehr ver- 
breiterten gegliederten Hohlschienen. Er theilt sich bald der Länge 
nach in zwei dicht an einander hinziehende Theile, einen dunkleren 
vorderen und einen helleren hinteren, welcher gegen die Spitze hin sich 
mehr vom anderen entfernt, mit seinem äußersten feinen Ausläufer aber 
wieder an ihn herantritt. An seinem Verlaufe im letzten Viertel der Anal- 
flosse ist dieser hintere Stamm mit Zähnen besetzt, deren im Ganzen 
an zehn Gliedern welche vorhanden sind. Dieselben sind paarig an- 
geordnet, indem an jedem Gliede zwei sich befinden, je einer für jede 
Seite der Flosse. Die proximal stehenden Zähne, resp. Haken, sind die 
größten, gegen die Spitze hin werden sie immer kleiner. In der Regel 
sind jederseits zehn Zähne vorhanden, selten neun oder elf. 

Der fünfte Flossenstrahl ist der letzte und hinterste von den drei 
in die Verlängerung eingehenden. Er ist Anfangs einfach, spaltet sich 
weiterhin in seine beiden seitlichen Hälften und verläuft sehr verschmä- 
lert bis zum Ende der Flosse, ohne an den im Dienste der Kopulation 
stehenden Umbildungen der Spitze betheiligt zu sein. Den Endapparat 
der ausgewachsenen männlichen Analflosse zeigt Fig. 4. Derselbe be- 
steht aus drei nach Art einer Zange gegen einander greifenden Theilen, 
zwei symmetrischen dem Vorderrande entsprechenden und einem kur- 
zen spitzen hinteren Fortsatze. Der letztere ist ein kurzer kräftiger 
wenig gekrümmter Haken (Fig. 4 H), in dessen Basis die beiden Enden 
des vierten Flossenstrahles eintreten. Ihm gegenüber an der vorderen 
Kante der Flosse erhebt sich ein Fortsatz (Fig. 4 B), der sich in zwei 
gleich große fingerförmige Fortsätze (Fig. 4 F) spaltet, welche leicht 
gebogen gegen den Haken gerichtet sind. Im Inneren des fingerför- 
migen Fortsatzes liegt ein centrales Skelettstück, welches an der freien 
Spitze in eine kleine ovale Platte endet, nach der Basis hin aber mit 
dem der anderen Seite sich vereinigt und somit im Ganzen einen huf- 
eisenförmigen Körper darstellt, dessen Lagerung aus Fig. 3 ersichtlich 
ist, wo indessen nur der eine Schenkel sichtbar ist. An die Basis der 
fingerförmigen Fortsätze, resp. ihres gemeinsamen Gestelles, tritt das 
Ende des dritten Flossenstrahles. So entsteht an der Spitze der Flosse 
ein kleiner dreischenkeliger Zangenapparat, der wohl bei der Begatiung 
resp. der Ejaculation des Samens in die weibliche Eierstockshöhle, 
eben so wie die Zähne am vierten Flossenstrahle, Dienste zur Anklamme- 
rung resp. Festhaltung am Weibchen leisten wird. Den Akt der Be- 


482 Hermann von Ihering, 


gattung zu beobachten gelang mir an den im Aquarium gehaltenen 
Fischen bisher nicht. 

Merkwürdig ist die Entwicklung dieses ganzen Apparates. An 
Männchen von unter 15 mm Länge ist kaum ein Unterschied von Weib- 
chen zu beobachten. Männchen von 17—A8 mm Länge — von der 
Schnauzenspitze bis zum Ende der Schwanzflosse gemessen — zeigen 
die .Analflosse schon erheblich verlängert, allein weder von dem Zangen- 
apparat des Endes noch von den Zähnen am hinteren Ast des vierten 
Flossenstrahles ist das Geringste zu bemerken. Die Flosse ist verlängert, 
aber die drei verlängerten Strahlenenden nach vorn zugespitzt, resp. in 
einen Büschel feinster Strahlen auslaufend, wie solche auch an den an- 
deren Flossenstrahlen oft bemerkt werden. Dieselben verschwinden 
später bis auf einige am Vorderende der Flossenspitze befindliche und 
vom dritten Strahl abzweigende Ausläufer. Das Erste was nun erscheint 
sind die Zähne am hinteren Aste des vierten Flossenstrahles und zwar 
treten zuerst die hintersten größten auf und dann successive und distal- 
wärts die kleineren. Während der Ausbildung der Zähne schwillt das 
Ende der Flosse etwas kolbig an und erhält durch stärkere Ausbildung 
der Seitentheile eine centrale Depression, eine bald mehr bald minder 
deutliche Grube, an deren hinterem Ende sich die erste Anlage des 
Hakens zeigt, wogegen nach vorn und an den Seiten sich die beiden 
Schenkel des hufeisenförmigen Körpers entwickeln. Dieselben ent- 
wickeln sich frei im Gewebe, d. h. unabhängig von den Flossenstrahlen. 
Auf diese Weise entsteht das in Fig. 3 dargestellte Stadium. Dieses geht 
in das letzte dadurch über, dass sich die Seitentheile mit ihrem centra- 
len je aus dem Schenkel des hufeisenförmigen Körpers bestehenden 
Stützapparate selbständiger sondern und in die beiden freien finger- 
förmigen Fortsätze umbilden. 

Männliche Thiere von 2 mm Länge und darüber haben fast immer 
den Zangenapparat voll entwickelt!. Thiere von 20—24 mm Länge 
zeigen das Stadium, in welchem die Zähne sich ausbilden und bei Thieren 
' von 21—23 mm Länge findet man bald dieses bald jenes Entwicklungs- 
stadium vertreten. Die Entwicklung geht mit dem Längenwachsthum 
nicht streng Hand in Hand, denn ich traf Thiere von 21 mm mit völlig 
entwickeltem Zangenapparate und andererseits solche von 22 mm Länge, 
an denen eben erst die Zähne zur Anlage kamen. Ausnahmsweise traf 


1 So namentlich zur Zeit des Beginnes der Geschlechts-Saison im Frühjahr. 
Ende des Sommers, resp. Herbstes, dagegen trifft man auffallend große Männchen 
mit sehr langer und nicht differenzirter Analflosse an und wenig entwickeltem Ho- 
den. Es sind offenbar junge derselben Saison entstammende Thiere, welche erst 
im folgenden Sommer geschlechtsreif werden. 


Zur Kenntnis der Gattung Girardinus. 483 


ich auch erheblich größere Männchen von letzterem Stadium und es 
wäre daher wohl möglich, dass bei manchen Exemplaren der Zangen- 
apparat atavistischer Weise niemals zur Ausbildung käme. Bei Girar- 
dinus januarius Hens. kommt nach Henser der Zangenapparat niemals 
zur Ausbildung. Da HenseL jedoch nur acht männliche Exemplare zur 
Verfügung hatte, von denen das größte 19 mm lang war, so wird ein 
definitives Urtheil vor neuer Untersuchung reichen Materiales nicht statt- 
haft sein, zumal auch noch die etwaige Anwesenheit von Zähnen zu er- 
mitteln bleibt. Dagegen besaß ein von Hanser zu Girard. decem-macu- 
latus Jen. bezogenes männliches Thier von nur 45 mm Länge (bis zur 
Schwanzflosse) einen wohl entwickelten Zangenapparat. Das würde 
nach meinen Messungen an Girardinus caudimaculatus einer Gesammt- 
länge von 49 bis 20 mm entsprechen. Da bei dieser Größe die von mir 
untersuchte Art den Zangenapparat noch nicht entwickelt besitzt, muss 
die erwähnte andere Art etwas kleinere Maßverhältnisse aufweisen. 

Von anderen Gattungen mit ähnlichen Einrichtungen ist bei 
Knochenfischen wenig bekannt. Es sind nur die CGyprinodonten, bei 
welchen die Umbildung der Analflosse vorkommt, jedoch nur bei einer 
geringen Anzahl von Gattungen. Nach Carus, in dessen mit GERSTAECKER 
herausgegebenen Handbuche der Zoologie, wäre bei Anableps die Anal- 
flosse in ein »langes dickes beschuppies konisches Organ mit Öffnung 
an der Spitze« umgewandelt. Nach Stannıus! und anderen Autoren 
über vergleichende Anatomie handelt es sich aber in diesem Penis- 
artigen Gebilde um eine besondere Papille, wie sie in geringerem 
Grade der Entwicklung auch bei Cottus, Blennius, Gasterosteus etc. und 
wie wir sahen auch bei Girardinus existirt. Wenn, wie zu vermuthen, 
bei Anableps diese verlängerte Urogenitalpapille in den weiblichen 
Zeugungsapparat introducirt wird, so liegt kein Grund vor von einem 
»Penis-artigen Organe« zu reden, indem dann direkt die Bezeichnung 
Penis am Platze ist, für welchen also Anableps das einzige Beispiel unter 
den Teleostiern abgeben würde. Übrigens dürfte es lohnend sein, an 
passendem reichen Materiale die Kopulationsorgane der Teleostier ver- 
gleichend zu untersuchen. 

Zur Untersuchung des Hodens eignen sich jüngere Stadien gleich- 
falls besser als die älteren mit ihren weiten von Samen strotzend er- 
füllten Kanälen. Einen Querschnitt durch einen solchen unreifen Hoden 


1 H. Stansıus, Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der Wirbelthiere. Ber- 
lin 4846. p. 127; cf. auch Hyrrı, Beiträge zur Morphologie der Urogenitalorgane 
der Fische. Denkschr. der Wiener Akademie der Wissensch. T.I. Taf. LII, Fig. 
3 und 4 (nach MıLne EpwaArps, Lecons sur la phys. et l’anat. comp. Tom. VII. Paris 
1862. p. 331). 


484 Hermann von Ihering, 


stellt unsere Fig. 9 dar. Man bemerkt. die Zusammensetzung des Hodens 
aus zwei symmetrischen, übrigens nicht immer gleich großen Hälften 
und ihre Verbindung durch eine Querbrücke, welche einen Theil: des 
Vas. deferens einschließt. Von der dorsalen Fläche her senkt: sich.das 
Mesorchium ein, durch seine dunkle Pigmentirung leicht auffallend. 
Gegenüber befindet sich eine andere gegen die Brücke gerichtete!'me- 
diane Einsenkung, wodurch die Theilung des Hodens in zwei gleiche 
Hälften sehr deutlich ausgesprochen erscheint. Man hat sich aber nicht 
etwa vorzustellen, als ob Bilder wie Fig. 9 nur vereinzelt, resp. der 
Theilungsstelle des Vas deferens entsprechend, erschienen. Man erhält 
sie vielmehr als die Regel, nur nach hinten hin gegen die Ausmündung 
setzt sich das Vas deferens scharf ab gegen die zwei dann ganz getrenn- 
ten Hälften. Nur da ist das Vas deferens ein cylindrisches Rohr, im 
Übrigen stellt es nicht einen Kanal dar, sondern eher einen flachen 
Sack, in welchen von beiden Seiten her die Hodenkanäle sich öffnen. 
An größeren reifen Hoden erhält man keine so übersichtlichen Bil- 
der, weil da die Seitenäste im Verhältnis zum Mittelstücke des Vas 
deferens größer sind. Man erhält sonach einen einfachen, nicht in 
Seitenhälften durch Einschnitte zerlegten Querschnitt, in welchem ent- 
weder noch das ungetheilte weite Lumen des Vas deferens die Mitie 
einnimmt, oder die Querschnitte der Äste, in welche sich dasselbe ge- 
spalten hat, angetroffen werden. Verfolgt man die Schnitte weiter 
gegen das Schwanzende hin, so sieht man zunächst in der Medianlinie 
je einen dorsalen und ventralen Einschnitt entstehen, von denen der 
erstere durch den in ihm enthaltenen Theil des Mesorchium rasch ins 
Auge fällt. Weiterhin werden diese Einsenkungen tiefer und stoßen 
endlich auf das nun von ihnen eingeschlossene Vas deferens. Es liegt 
mithin das Verhältnis bezüglich des Peritonealüberzuges so, dass sich in 
der vorderen Hälfte des Hodens das Mesorchium einfach an die Hoden- 
oberfläche ansetzt, um durch flächenhafte Ausbreitung dieses Organ 
mit seinem Peritonealüberzuge zu versehen. Mehr dem anderen der 
Ausmündung genäherten Abschnitte des Hodens zu dringt dagegen das 
Peritoneum von beiden Seiten zum Vas deferens vor, um dieses dann 
einzuschließen. So ist denn im hinteren Abschnitte des Hodens ein 
vollkommenes Septum hergestellt zwischen der linken und rechten 
übrigens nicht ganz gleich großen Hälfte. Das Vas deferens, obwohl 
inmitten des Hodenquerschnittes befindlich, ist sonach hier eigentlich 
ganz außerhalb des Hodens gelegen. An dem der Ausmündung zuge- 
wendeten Abschnitte des Hodens ist dieser zweilappig, aber die linke 
und rechte durch das Bauchfell völlig getrennte Hälfte sind bis zur voll- 
ständigen Berührung einander genähert, wobei sie das starke unpaare 


Zur Kenntnis der Gattung; Girardinus, 485 


Vas deferens zwischen sich nehmen. In der Mitte des Hodens, wo die 
Spaltung des Vas deferens in seine rasch wieder zerfallenden Äste ein- 
tritt, hört der Peritonealfortsatz auf in die Hodensubstanz einzudringen, 
und von hier an ist die Verschmelzung beider Hodenhälften eine 
komplete. 

Es tritt uns also hier bezüglich des Hodens der Fische dieselbe Er- 
scheinung entgegen, welche die vergleichende Anatomie uns auch an 
anderen Organsystemen so oft lehrt. Paarige in der Mittellinie zur Be- 
rührung gelangende Organe verschmelzen unzählige Mal mit einander, 
seies nun durch direkte Verschmelzung der genäherten Organe, sei es 
durch successive Verkürzung des Ausführganges, wobei die Anfangs 
hoch oben am Ausführgang erfolgende Zerlegung desselben in zwei 
Gänge mehr gegen die zugehörigen Organe hin verlegt wird, so dass 
diese kurz gestielt werden und endlich in ein aus zwei noch mehr oder 
minder getrennten Hälften bestehendes unpaares Gebilde übergehen. 
Je nach dem Grade der Verschmelzung oder Trennung der Organe, der 
Verkürzung oder Verlängerung der Ausführgänge sprechen wir von 
paarigen oder unpaaren oder von gelappten Organen. So giebt es bei 
Insekten Gattungen mit zahlreichen gruppenweise zusammenstehenden 
Hoden, während der Typus durch zwei Hoden repräsentirt wird, die 
wie bei Schmetterlingen in einen verschmelzen können. Wir reden von 
mehreren Organen, wenn die Verbindungsstücke des ausführenden 
Apparates etc. fein und lang sind, von einfachen aber gelappten Or- 
ganen, wenn sie kurz und breit sind. Und so kann es denn auch für 
die Fische keinem Zweifel unterliegen, dass das typische aus zwei 
Hoden repräsentirte Verhalten gelegentlich, wie in unserem Falle, zur 
Verschmelzung führt, hinsichtlich deren jedenfalls auch hier verschie- 
dene bis jetzt nicht näher untersuchte Grade bestehen. 

Von besonderem Interesse ist Girardinus in vergleichend-anatomi- 
scher Hinsicht noch dadurch, dass hiermit der erste genauer untersuchte 
Fall von unpaarigem Hoden gegeben wird. Bekanntlich haben im All- 
gemeinen die Fische, speciell auch die Teleostier, paarige Hoden. Neben 
diesem von der überwiegenden Mehrzahl aller Knochenfische darge- 
botenen Verhalten ist für eine kleine Anzahl von Arten das Vorhanden- 
sein eines einzigen unpaaren Hodens angegeben. Dahin gehören Perca 
fluviatilis, Ammodytes tobianus, Mormyrus oxyrhynchus und einige Arten 
der Gattungen Blennius und Cobitis, wobei bei einigen eine mediane 
Verschmelzung beider Hoden angenommen wird, bei anderen, wie bei 
Mormyrus, die Verkümmerung des einen Hodens. Letzteres Verhalten 
schließt sich dann unmittelbar an dasjenige von Gasterosteus aculeatus 
und von Osmerus eperlanus an, wo der eine Hoden über ein Drittel von 


486 Hermann von Ihering, 


der Größe des anderen, so wie ein stark verkürztes Vas deferens hat. 
Brock ! hat nun bei erneuter Prüfung des Gegenstandes nachgewiesen, 
dass für Perca die Angabe unrichtig ist, wie sie denn auch für die von 
ihm untersuchten Arten von Blennius nicht zutreffend war. Unter 
diesen Umständen dürfte man wohl auch gegen die übrigen eine me- 
diane Verschmelzung beider Hoden behauptenden Angaben Zweifel 
hegen, und jedenfalls weitere prüfende Untersuchungen verlangen. In 
Girardinus lernen wir nun eine Gattung kennen, bei welcher eine völ- 
lige Trennung beider Hoden zu keiner Zeit besteht. 


Um über diese Verhältnisse Klarheit zu erlangen wurden von mir 
reife so wie auch unreife Hoden von nur 1 bis 11/, mm Länge unter- 
sucht. Die letzteren sind ziemlich glasig durchsichtig, die reifen mehr 
milchig trüb. Bei Herausnahme der Hoden ließ ich den dicht an die 
vordere und untere oder ventrale Fläche des Hoden gehefteten End- 
darm stets mit dem Hoden in Verbindung, weil am Querschnitte das 
Rectum einen vollkommenen Anhalt zur raschen Orientirung darbietet. 
Der Enddarm läuft genau in der Medianlinie über den Hoden hin und 
ist durch Bindegewebe und den Peritonealüberzug an ihn geheftet. Der 
Anlagerung des Mastdarmes-genau gegenüber, also in der Mittellinie der 
dorsalen Fläche des Organes, schlagen sich auf dieses die beiden Peri- 
toneallamellen, welche hier den Hoden in der Lage erhalten und als 
Mesorchium bekannt sind. 


Die Zahl der Äste, in welche sich die Hodenkanälchen, resp. die 
Äste des Vas deferens spalten, ist eine sehr geringe. Die samenbilden- 
den Zellen selbst, welche die Hauptmasse des Hodens bilden, liegen 
frei in dem Gerüstwerke feiner Membranen, welche den Hoden durch- 
setzen und die gewissermaßen die Ausläufer oder Fortsetzungen der 
Hodenkanälchen bilden. Diese selbst sind mit einem Cylinderepithel 
ganz wie das Vas deferens ausgekleidet. Es schien dasselbe mit Cilien 
ausgerüstet, allein die Erfüllung der Kanälchen mit koagulirter Flüssig- 
keit und zahlreichen Samenballen ließ keine Gewissheit gewinnen. 
Von den Samenbildungszellen liegen die größeren und größten bis 
0,08 mm und mehr messenden mehr im Centrum des Querschnittes, 
in der Nähe des Vas deferens. Mehr gegen die Peripherie hin folgen 
kleinere und kleinste. Je kleiner die Zellen, um so geringer ist die Zahl 
der Kerne in ihnen, deren Zahl an den großen Hodenzellen eine sehr 
hohe ist. Dieselben ordnen sich an der reifenden Hodenzelle an der 
Peripherie und werden zum Kopf des Samenelementes. Dabei treten 


1 J. Brock, Beiträge zur Anatomie und Histologie der Geschlechtsorgane der 
Knochenfische. Morphol. Jahrb, Bd. IV. p. 505 ff. 


Zur Kenntnis der Gattung Girardinus. Ä 487 


dieselben so an die Oberfläche, dass sie aus ihr ein wenig hervor- 
ragend der Oberfläche ein strahliges Aussehen verleihen. Die Sperma- 
tozoen bestehen aus dem erwähnten kurzen stark lichtbrechenden Kopfe 
und einem daran anschließenden Halstheile, welcher allmählich feiner 
werdend in den äußerst zarten Schwanz übergeht. Die sämmtlichen 
Köpfe aller Spermatozoen, welche in einer Hodenzelle entstehen, sind 
an der Peripherie der Zelle gelagert, indess der Fadentheil gegen das 
Centrum gerichtet ist. In diesem Zustande gelangen die reifen Hoden- 
zellen aus ihrem Gerüstwerke in das Lumen des Hodenkanales, resp. 
Vas deferens. Das Letztere ist in seinem letzten Abschnitte mit einer 
dicken Lage von Ringfasern, jedenfalls wohl glatten Muskelfasern, um- 
geben, zu denen noch eine dem Epithel anliegende Schicht von Längs- 
fasern hinzukommt. Die Zahl der Hodenkanäle ist am reifen Hoden sehr 
vermehrt, ohne dass indessen eine regelmäßige Anordnung oder sehr 
hohe Zahl von Kanälchen etc. einen rein tubulösen Bau zu Stande bräch- 
ten, wie er bei der Mehrzahl der Knochenfische besteht. 

Werfen wir zum Schluss einen Rückblick auf die besonderen Ver- 
hältnisse, durch welche die Gattung Girardinus sich auszeichnet, so sind 
es eine ganze Reihe von anatomischen Momenten, welche mehr oder 
minder von den bei der Mehrzahl der übrigen Teleostier obwaltenden 
abweichen. So der Mangel der Appendices pyloricae, die Kürze der weit 
nach vorn gerückten Nieren und die bedeutende Länge der Ureteren, 
die Verschmelzung beider Hoden in einen einzigen unpaaren, die Um- 
bildung der Analflosse des Männchens in ein accessorisches Kopulations- 
organ, endlich die Existenz eines einfachen unpaaren Eierstockes, in 
welehem die befruchteten Eier ihre Entwicklung durchlaufen, an der 
Stelle, an welcher sie entstanden, so dass die Spermatozoen, um zu 
ihnen zu gelangen, das Keimepithel durchsetzen müssen. 

Der letztere Umstand dürfte wohl im engen Zusammenhange mit 
der Lebensweise des Thieres stehen. Die Girardinusarten leben näm- 
lich eben so wie die nahe verwandten Poecilien, mit denen sie zusam- 
men die kleinsten Süßwasserfische Südamerikas darstellen, in oft sehr 
seichten Gräben und Pfützen, in welchen man sie scharenweise flink 
umherschießen sieht. Im rasch durch das Wasser gezogenen feinen 
Netze fängt man leicht eine ziemliche Portion von ihnen, so wie häufig 
auch von kleinen, resp. jungen Exemplaren von Tetragonopterus, die in 
Brasilien unseren Leuciscusarten entsprechen. Der Magen- und Darm- 
inhalt besteht neben geringen Schlammmassen fast ausschließlich aus 
Algen und Diatomaceen aller Art. Die Algenfäden sind durchbissen und 
also in kleinen Stücken vorhanden. Die Girardinusarten leben wie auch 
andere limnophagen Cyprinodonten immer in größeren Gesellschaften 


488 Hermann von Ihering, 


zusammen und es erklärt das auch die ungeheure Massenhaftigkeit, in 
welcher Vertreter derselben Familie, nämlich Lebias cephalotes, in den 
obermiocänen Schiefern von Aix in der Provence angetroffen werden. 
Es wäre interessant die betreffenden Platten mit Rücksicht auf die Aus- 
bildung der Analflossen genauer zu prüfen, um zu sehen, ob dieselbe 
bei beiden Geschlechtern gleich entwickelt oder beim Männchen modi- 
ficirt war. 

In gleicher Weise möchte ich mit der Lebensweise dieser Thiere 
den Umstand in Verbindung bringen, dass dieselben lebendig gebärend 
sind. In jedem seichten Graben trifft man sie an. Mehr als irgend 
welche anderen Fische sind daher diese der Gefahr ausgesetzt, ihr Wohn- 
gebiet ausgetrocknet zu sehen. Tritt dieser Fall ein, so ist offenbar der 
erwachsene, resp. auch halbwüchsige Fisch weit eher in der Lage sich 
retten zu können als die kleinsten und schwächsten, oder als es gar 
halbreife Embryonen sein würden. Die Girardinus können sich durch 
Aufschlagen mit dem Schwanz hoch emporschnellen und weit dadurch 
entfernen. Beim Eintrocknen eines Grabens oder einer Pfütze vermögen 
sie auf diese Weise sich aus dem Trocknen herauszuschaffen und nach 
den tieferen noch Wasser führenden Stellen zu retten. Mit ihnen sind 
auf diese Weise die Embryonen der trächtigen Weibchen gerettet. 
Würden aber die Thiere laichen wie andere Fische, so würde gar häufig 
die Laich- oder Brutmasse durch Austrocknen zu Grunde gehen. Diese 
Gefahr ist somit vermieden, denn die Embryonen bleiben so lange im 
Mutterleibe, bis sie schon völlig entwickelt und sehr beweglich sind und 
in ihrer Länge ungefähr dem vierten Theile jener der erwachsenen 
Exemplare entsprechen. Es scheinen sehr allgemein bei den Süßwasser- 
thieren Einrichtungen zum Schutze gegen die bezeichnete Gefahr ge- 
troffen zu sein. Es giebt viel mehr lebendig gebärende Arten im Süß- 
wasser als im Meere. Alle unsere Süßwassermuscheln sind entweder 
lebendig gebärend oder haben Brutpflege in den Kiemen, wogegen bei 
marinen Muscheln dies nur ganz ausnahmsweise vorkommt. Die Cyclas- 
und Pisidiumarten, welche die typischesten Schlammbewohner sind, 
bringen Junge zur Welt, welche schon von verhältnismäßig enormer 
Größe sind, eben so manche Gastropoden, wie Paludina oder Bithynia. 
Um im weichen Schlamm nicht zu versinken und sich beliebig weiter 
bewegen zu können, ist schon eine relativ bedeutende Kraft erforderlich, 
welche zarten Embryonen und schwächlichen jungen Thieren nicht zu- 
kommt. Desshalb durchlaufen dieselben auch ihre Entwicklung nicht 
wie marine Thiere frei als Larven, sondern in festen Hüllen, die wie der 
Laich der Limnaeen, Planorben etc. an Wasserpflanzen befestigt werden, 
oder im Mutterleibe. Dass gerade die kleinsten, am meisten auf seichte, 


Zur Kenntnis der Gattung Girardinus. 489 


leicht eintrocknende Gewässer mit schlammigem Grunde angewiesenen 
Süßwasserfische, die Girardinen und Poecilien, lebendige bereits kräftig 
ausgebildete Junge zur Welt bringen, ist mithin kein Spiel des Zufalls, 
sondern eine im Zusammenhange mit ihrer Lebensweise stehende Er- 
scheinung, die als Anpassungsvorgang an die äußeren Existenzbe- 
dingungen aufzufassen ist. 

Es ist nicht klar ob dieser Gesichtspunkt auch auf den einzigen in 
Deutschland anzutreffenden lebendig gebärenden Fisch, den Blennius 
oder Zoarces viviparus ausgedehnt werden kann, da derselbe zumeist 
an der Küste lebt und sich gern zwischen Tang aufhalten soll. Sicher 
aber ist, dass der einzige andere noch als lebendig gebärend bekannte 
Knochenfisch Südamerikas, der nur im Norden Brasiliens vorkommende 
und gleichfalls zu den CGyprinodonten gehörige Anableps, trotz seines 
Vorkommens im Meere sich ganz dem hier geltend gemachten Gesichts- 
punkte unterordnet. Derselbe bewohnt nämlich nach R. Scuomsurck 1 
die Mündungen der in den Ocean sich ergießenden Flüsse und die 
Schlammbänke an der Küste von Nordbrasilien und Guiana. Er wird 
an geeigneten Stellen in zahllosen Scharen angetroffen und hält sich 
mit Vorliebe möglichst dicht am Strande auf, »so dass gewöhnlich eine 
große Anzahl von der eintretenden Ebbe überrascht auf dem flachen 
Strande zurückbleibt und dem immer mehr zurückweichenden Wasser- 
saume durch gewaltige Sprünge nachzueilen suchen muss, in welchem 
Bestreben ein ansehnlicher Theil von den gefiederten Räuberscharen 
erreicht wird«. 


Taquara de Mundo novo, Prov. Rio Grande do Sul, Brasilien, 
2. März 1883. 


Erklärung der Abbildungen. 


Tafel XXVI. 


Fig. A. Magen und Anhangsgebilde. 
S, Schwimmblase ; 
S,, deren vorderer Abschnitt; 
L, Luftgang; 
Oe, Schlund ; 
M, Magen; 
G, Gallenblase,; h, Gallengänge. 


1 R. ScHoMBURGK, Reisen in Britisch Guiana. Bd. III. Leipzig 4848. p. 632 und 
Bd. I. p. 109; cf. auch Breum’s Thierleben. 2. Aufl. Bd. VIII. 1879. p. 260. 


490 Hermann von Ihering, Zur Kenntnis der Gattung Girardinus. 


Fig. 2. Uropoetischer Apparat. 
N, Nieren; 
U, Ureter; 
V, Harnblase. 
Fig. 3. Halbentwickelte Analflosse des Männchens. 
1—8, erster etc. Flossenstrahl; 
H, Haken; 
hu, Knorpel des hufeisenförmigen Körpers; 
z, Zähne des vierten Flossenstrahles. 
Fig. 4. Zangenapparat an der Spitze der ausgebildeten männlichen Analflosse. H 
und hu wie bei Fig. 3. 
B, Fortsatz, welcher die fingerförmigen Fortsätze (F) trägt. 
Fig. 5. Oogenese. Vergr. 570/A. 
K, Keimepithel ; 
ov, sich abschnürende Eizellen; 
fo, Follikelepithel. 
Fig. 6. Querschnitt durch den Ovidukt. 
fe, Falten des Epithel; 
pe, Peritonealüberzug, resp. Mesoarium. 
Fig. 7. Querschnitt durch ein unreifes Ovarium. Vergr. 150/1. 
ov, Ovidukt; 
fo, Follikelepithel der größeren Eizellen. 
Fig. 8. Von einem Schnitt durch ein reifes Ei. Vergr. 660/1. 
ih, Theca folliculi; 
fo, Follikelepithel; 
Do, Dotterhaut. 
Fig. 9. Querschnitt durch einen halb entwickelten Hoden. Vergr. 450/A4. 
m, Mesorchium ; 
h, Hodenzellen. 
In der Mitte das Vas deferens von Zügen glatter Muskelfasern eingeschlossen. 


Beiträge zur histologischen Technik. 
Von 


Dr. Hermann Fol, 


o. ö. Professor an der Universität Genf. 


Zur Erzeugung einer momentanen Erstarrung, resp. Gerinnung, 
lebendiger Gewebe und kleiner Organismen, sind in den letzten Jahren 
so zahlreiche und treffliche Mittel bekannt geworden, dass es fast über- 
flüssig erscheinen möchte, noch andere Methoden vorzuschlagen. Wer 
aber von den bekannten Methoden einen praktischen und ausgedehnten 
Gebrauch gemacht hat, dem ist es wohl bekannt, dass jede Methode nur 
unter gewissen Bedingungen und auf bestimmte Fälle passt, in anderen 
Fällen aber, und bei anderen Objekten, den Dienst versagt. 

Unter allen bekannten Fixirungsmitteln zur momentanen Abtödtung 
und Fixirung kleiner Thiere, stehen wohl die Osmiumsäure, allein oder 
in Verbindung mit Chrom- und Essigsäure, ferner die KLeinengEre’sche 
Pikrin-Schwefelsäure, und die Lang’schen Sublimatlösungen obenan. 
So vortrefflich nun auch diese Mittel sich in den meisten Fällen be- 
währen, wollte es mir mit keinem derselben gelingen die See-Infusorien 
aus der Familie der Tintinnodea, mit vorgestrecktem Körper und aus- 
gebreitetem Wimperkranze, zu erhalten. Es lässt sich dieses zwar 
durch plötzliches Übergießen mit starken Osmiumsäure-Lösungen be- 
werkstelligen, man erhält aber hierdurch stark geschwärzte und ver- 
krümmte Präparate, welche keine weitere histologische Untersuchung 
zulassen. Nach vielfachem Herumtappen verfiel ich endlich auf ein bis- 
her in der Histologie, so viel ich weiß, noch nicht angewandtes Reagens: 
das Eisen-Perchlorid. Was die Anwendungsweise betrifft, so gefiel mir 
die alkoholische Lösung am besten, und zwar die schwächere Lösung 
der englischen Pharmakopoe. Zum Gebrauche wird dieselbe stark mit 
Wasser verdünnt, etwa bis zu 2°%,. Will man aber alle in einem 
größeren Gefäße schwimmenden Thiere niederschlagen, so kann man ein 


etwas stärkeres Gemisch plötzlich zugießen. Es darf aber in keinem 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVII. Bd. 33 


492 Hermann Fol, 


Falle die koncentrirte Lösung direkt in Seewasser gegossen werden; 
denn es entstehen hierdurch voluminöse Niederschläge, welche das Prä- 
parat ganz und gar unbrauchbar machen. Nachdem alle Organismen zu 
Boden gesunken sind, wird das Wasser abgegossen und der Bodensatz 
mit 700%/,igem Alkohol ausgewaschen. Will man das den Geweben an- 
haftende Eisensalz entfernen, so setze man dem zweiten Waschalkohol 
ein paar Tropfen Salzsäure hinzu. Die Fixirung ist so vollständig, dass 
die kurze Einwirkung der verdünnten Säure keine nachtheilige Wirkung 
äußert. Nicht bloß Infusorien und Rhizopoden, sondern auch größere 
pelagische Thiere, z. B. Medusen, Rippenquallen, Salpen, Heteropoden, 
ja sogar pelagische Larven, Doliolum, kurz die allerzartesten Formen 
lassen sich mit vollkommener Erhaltung ihrer äußeren Gestalt, ihrer 
histologischen Struktur und ihres Wimperkleides in Alkohol übertragen 
und konserviren. Nach Entfernung der gelblichen Färbung durch den 
angesäuerten Alkohol ist das Aussehen durchsichtiger Thiere recht gut 
und die Trübung der Gewebe kaum bemerkbar. Will man nun Quer- 
schnitte, oder überhaupt gefärbte Präparate herstellen, so lassen sich 
die Gewebe mit Karmin färben; es zeigt sich aber hierbei der größte 
Nachtheil der Methode: die Gewebe nehmen zu viel Farbstoff auf und 
behalten ihn hartnäckig. Es muss also das Eisensalz durch angesäuerten 
Alkohol möglichst vollständig enifernt werden; doch lasser sich auch in 
diesem Falle solche Präparate nur zu ganz dünnen Schnitten gut ver- 
wenden. Es giebt aber eine andere Methode, mit welcher man eine 
sehr gute und wohl differenzirte Färbung erlangt. Man braucht nämlich 
nur dem Alkohol eine Spur Gallus-Säure zuzusetzen, etwa ein paar 
Tropfen einer 4°/,igen Lösung. Nach 24 Stunden wird mit Alkohol aus- 
gewaschen, und nun zeigt sich eine hellbraune Färbung des Protoplasma, 
während die Kernsubstanz eine intensiv dunkelbraune Farbe annimmt. 
An den quergestreiften Muskeln sind die Scheiben abwechselnd hell 
und dunkel gefärbt; Membranen und Zwischensubstanz bleiben fast 
farblos. Dass die Farbe beständig sei, brauche ich wohl nicht hervor- 
zuheben. In ästhetischer Beziehung lässt sie allerdings viel zu wün- 
schen übrig, und könnte die Methode nur beim Naturforscher, nicht 
beim Techniker Eingang finden. 


In der Zubereitung der Gelatine-Injektionsmasse habe ich seit mehr 
als zwei Jahren eine nicht unwesentliche Verbesserung in meinem Labo- 
ratorium eingeführt. Bekanntlich lassen sich die fertigen Massen nur 
kurze Zeit unverändert aufbewahren. Neuerdings hat zwar Hoyer ! 


1 H. Hoyer, Beiträge zur histologischen Technik. Biolog. Centralblatt. Bd. II. 
p. 47. 


Beiträge zur histologischen Technik. 493. 


eine Methode vorgeschlagen, um derartige Massen durch Glycerin- und 
Chioralzusatz eine Zeit lang vor Zersetzung zu bewahren. Wo aber 
Injektionen nur gelegentlich gemacht werden, bietet ein solches Präparat 
keine wesentlichen Vortheile, da sich dasselbe doch nicht auf unbe- 
stimmie Zeit unverändert hält, und das Dilemma immer noch besteht, 
entweder öfters geringe Mengen zu bereiten, oder aber, wenn man sich 
einen größeren Vorrath anlegt, vielleicht den größten Theil desselben 
durch Zersetzung zu verlieren. Außerdem ist ja bekanntlich die Dar- 
stellung einer guten Leimkarminmasse durchaus nicht so leicht, dass 
man sich etwa auf einen Gehilfen verlassen könnte. Mein neues Ver- 
fahren hat nun den Vorzug, dass sich die Masse ganz unbedinst 
eine unbegrenzt lange Zeit hält, und so leicht darstellen lässt, 
dass der Erfolg auch in den Händen eines Gehilfen gesichert ist. Mein 
Verfahren besteht darin, dass ich mir die Injektionsmasse trocken in 
dünnen Blättern und in verschiedenen Farben herstelle, die ich in 
Wasser nur ein paar Minuten einzulegen und im Wasserbade einzu- 
schmelzen brauche, um sofort eine zuverlässige Masse von beliebiger 
Konsistenz zu erhalten. 

Ich will nun meine Formeln zur Herstellung von rotber, blauer und 
schwarzer Masse folgen lassen. 

Trockene Leimkarmin-Emulsion: Ein Kilogramm von Sımson’s 
Gelatine für photographische Zwecke! wird mit Wasser übergossen, und 
ein paar Stunden bis zur vollständigen Aufweichung darin gelassen. 
Das überschüssige Wasser wird alsdann abgegossen und die Masse im 
Wasserbade zur Verflüssigung gebracht. Hierauf wird eine koncen- 
trirte Lösung von Karminammoniak unter beständigem Umrühren zu- 
gegossen. Auf ein Kilogramm Leim hat mindestens ein Liter Karmin- 
lösung zu kommen. 

Die Zubereitung der Karminlösung erfordert keine besondere Sorg- 
falt. Eine starke Ammoniaklösung wird mit drei bis vier Theilen Wasser 
versetzt und so viel Karmin zugegeben, dass ein ungelöster Überschuss 
zurückbleibt; kurz vor dem Mischen mit der Leimmasse muss man 
diese Flüssigkeit abfiltriren. Dem Leimkarmin-Gemisch, welches stark 
nach Ammoniak zu riechen pflegt, setzt man alsdann so viel Essigsäure 


! Man kann diese Leimsorte in den Handlungen photographischer Bedarfsartikel 
bekommen, oder direkt von Sımson’s Gelatine-Fabrik, Winterthur, Schweiz, be- 
ziehen. Es giebt zwei Sorten derselben, eine harte und eine weichere. Ich ziehe 
letztere entschieden vor, weil man sie nicht so warm zu injiciren braucht. In Be- 
treff der photographischen Gelatinen von Hınrıcas in Frankfurt und von CoIsNET in 
Paris besitze ich keine Erfahrung, zweifle aber nicht, dass sie sich eben so gut 
werden verwenden lassen. 


33* 


494 Hermann Fol, 


hinzu, dass die dunkel purpurrothe Farbe in die bekannte blutrothe 
übergeht. Auf genaue Neutralisirung, welche ibei den anderen Metho- 
den die größten Schwierigkeiten darbietet, kommt es bei dieser Dar- 
stellungsweise gar nicht an. Man stellt das Gefäß bei Seite, bis die 
Gerinnung erfolgt ist, hierauf zerschneidet man die Masse und bindet die 
Siücke fest in groben Tüllstoff oder in ein feines Netz ein. Bei energi- 
schem Quetschen mit der Hand unter Wasser tritt die Masse in 
feinen Nudeln durch den Stoff und wird durch mehrstündiges Waschen 
in einem in fließendes Wasser gestellten Siebe ausgewaschen und vom 
Säure- oder Ammoniaküberschuss befreit. Die Nudeln müssen nun 
gesammelt und wieder aufgelöst werden. Die fertige Masse gieße ich 
auf große Blätter eines mit Paraffin durchtränkten Pergamentpapieres 
aus und hänge diese Blätter an einem gut gelüfteten Orte auf. Die 
trockene Gelatine, die sich mit Leichtigkeit vom Papier herunterziehen 
lässt, schneide ich mit der Schere in lange Streifen und bewahre den 
Vorratb, gegen Staub und Feuchtigkeit geschützt, auf. 

Blaue Emulsion: Den besten Erfolg gewährte mir die von 
Tuıerscn vorgeschlagene Formel, die ich für meine Zwecke nur wenig 
zu ändern brauchte. 120 ccm einer kalt-gesättigten Lösung von schwefel- 
saurem Eisenoxydul werden mit 300 ccm der heißen Leimlösung ver- 
mischt. In einer anderen Schale werden 600 ccm der Leimlösung mit 
240 ccm einer gesättigien Oxalsäurelösung und dann noch mit 240 cem 
einer kalt-gesättigten Lösung von rothem Blutlaugensalz vermischt; man 
wrägt allmählich, unter starkem Schütteln, das erste Gemisch in das 
zweite ein, erhitzt das Ganze eine viertel Stunde im kochenden Wasser- 
bade, lässt die Masse gerinnen, presst sie in Nudeln aus, wäscht sie 
und breitet dieselbe auf dem Wachspapiere aus. Es müssen in diesem 
Falle die Nudeln direkt eingetrocknet werden, weil sich die Masse ohne 
Oxalsäurezusatz nicht, gut einschmelzen lässt. Will man die trockene 
Masse gebrauchen, so lasse man dieselbe in kaltem Wasser quellen und 
setze beim Erwärmen so viel Oxalsäurelösung zu, als nöthig ist, um 
die vollständige Verflüssigung herbeizuführen. 

Schwarze Leimemulsion: Man lasse 500 g Gelatine in zwei 
Litern Wasser, in welchem man vorher 140 g Kochsalz aufgelöst hat, auf- 
quellen, schmelze die Masse im Wasserbade ein und setze ganz allmäh- 
lieh, unter starkem Schütteln, eine Lösung von 300 g Silbernitrat in 
A Liter destillirten Wassers hinzu. Soll die Masse äußerst feinkörnig 
sein, so setze man beiden Lösungen das drei- bis vierfache Volumen 
Wasser hinzu. Die Masse wird in Nudeln gepresst und am hellen Tages- 
lichte mit folgendem Gemisch umgerührt : kalt-gesättigte Lösung von 
oxalsaurem Kali 11/5 Liter, und kalt-gesättigte Lösung des schwefelsauren 


Ed 


Beiträge zur histologischen Technik. 495 


Eisenoxyduls 500 cem. Die Operation ist beendet, wenn die ganze 
Masse durch und durch dunkelschwarz geworden ist. Man wäscht 
mehrere Stunden, schmilzt wieder ein, und gießt die Masse in dünner 
Schicht auf Wachspapier aus. Die Farbe zeigt sich bei durchfallendem 
Lichte dunkel-sepiabräunlich. Will man lieber einen. grauschwarzen 
Ton haben, so setze man in der ersten Lösung 240 g Bromkalium 
statt des Chlornatriums zu; die übrigen Operationen sind die gleichen 
wie oben. 

Es ließen sich ohne Zweifel noch andersfarbige Leimlösungen her- 
stellen, doch habe ich keine weiteren Versuche gemacht, weil ich mit 
den drei angegebenen Farben vollständig auskomme. Ich möchte jedoch 
bei dieser Gelegenheit vor den neulich wieder empfohlenen Anilinfarben 
warnen, da dieselben, wenn nicht beim Injiciren, so doch bei der nach- 
herigen Behandlung, überall diffundiren. Die Chromfarben sind für 
trockene Massen nicht verwendbar, weil die Gelatine durch Behandlung 
mit der Chromsäure oder deren Salzen nach kürzerer oder längerer Zeit 
in den unlöslichen Zustand übergeht. Zum Schlusse sei noch bemerkt, 
dass die trockenen Massen alle Eigenschaften der schönsten, frisch- 
bereiteten Leimmassen besitzen, und sich durch die größere Sicherheit‘ 
in der Darstellung und die größere Bequemlichkeit beim Gebrauche vor 
denselben auszeichnen. Hoffentlich werden bald solche Emulsionen 
im Handel vorkommen, und werder wir der Mühe des Präparirens 


überhoben sein. 


Über CGoelenteraten der Südsee. 
Von 


Dr. R. v, Lendenfeld. 


IV. Mittheilunge. 
Eucopella Campanularia nov. gan. 


Mit Tafel XXVI—XXXI. 


Ich stelle das Genus Eucopella für eine kleine, tentakel- und magen- 
lose Meduse auf, die, abgesehen von ihrem ephemeren Charakter, die 
wesentlichsten Merkmale der Eucopidae besitzt. 

Die glockenförmige Umbrella zeigt auf der Außenseite zahlreiche, 
meridianale Rippen und erreicht eine Höhe von 11/5 mm (Taf. XXVII, 
Fig. 3). Der Schirmrand ist stark eingezogen und das Velum somit ziem- 
lich klein. Sie besitzt acht adradiale Gehörbläschen, jedoch keine Spur 
von Tentakeln. Das Ringgefäß ist schmal, die vier Radialkanäle hin- 
gegen wohl entwickelt. Letztere entsenden zahlreiche Äste zwischen 
die Genitalprodukte. Am aboralen Pole erscheinen die Kanäle völlig ob- 
literirt und geschlossen. Weder Magen noch Mundrohr sind angedeutet. 
Die ganze Schirmhöhle wird von den Genitalprodukten erfüllt, welche 
sich zur Zeit der Geburt der Meduse bereits im Zustande der Reife be- 
finden. Auffallend ist die verhältnismäßig außerordentlich hohe Ent- 
wicklung des Nervensystems. Die Meduse ist farblos, nur die Radial- 
kanäle und ihre Zweige sind undurchsichtig und braun, von derselben 
Farbe wie die Entodermzellen der Kanäle in den Gonophoren zahlreicher 
anderer Hydroiden. 

Das Hydroidenstöckchen, welches diese Meduse aufammt, ist eine 
Campanularide (Taf. XXVII, Fig. 4). Von einer Laminarienthallome 
überziehenden netzförmigen Hydrorhiza erheben sich 4—6 mm hohe, 
gerade, glatte Stämmchen, an deren Enden die Nährthiere in becher- 
föormigen Hydrotheken sitzen. Zwischen dem Nährthiere und dem Stiele 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVIII. Bd. 34 


498 R. v. Lendenfeld, 


findet sich ein kurzes, fast kugelförmiges Stück, welches nach beiden 
Seiten hin durch sehr dünne Chitinröhrenstücke mit den angrenzenden 
Exoskelettstücken in Verbindung steht. Das Nährthier hat 32 Tenta- 
keln, ein weites und sehr bewegliches Hypostom und sitzt mit verbrei- 
terter Basis der ebenen Grundfläche des Bechers auf. Im Entoderm des 
Magens finden sich sehr zahlreiche braune Körnchen, welche dem Magen 
eine braune Färbung verleihen. 

Die Gonophoren sitzen auf kurzen Stielen und erreichen eine Höhe 
von 2—3 mm. Sie sind stark abgeplattet, ihr Querschnitt somit ellip- 
tisch. Die Breitseiten sind oben und an den Seiten durch annähernd 
auf einander senkrecht stehende, fast gerade Linien begrenzt; nach 
unten hin verschmälert sich der Gonophor ziemlich plötzlich zu einem 
kurzen Stiele, dessen Dicke jener der Hydrorhiza gleichkommt (Taf. 
XXVII, Fig. 4). 

Die Gonophoren sind entweder ganz von einer großen und wenigen 
kleinen Medusenknospen erfüllt, oder es erscheint ihre distale Hälfte 
leer, wenn eben gerade vorher die größte Medusenknospe frei geworden. 

Was nun die systematische Stellung unserer Eucopella anbelangt, 
so unterliegt es wohl keinem Zweifel, dass sie in die Familie der Euco- 
pidae (GEGENBAUR) gehört. Die Abwesenheit von Magen und Tentakeln 
an sich wäre gewiss ein genügender Grund unsere Meduse nicht allein 
von den Eucopidae, sondern überhaupt von allen bisher bekannten Me- 
dusen zu trennen. Wir werden jedoch in Anerkennung, dass dieser 
Mangel coenogenetisch ist und daher mit der Verwandtschaft der Euco- 
pella zu anderen Hydroiden wenig oder nichts zu thun hat, unsere 
Meduse eben so zu den Eucopiden stellen, wie die Eintagsfliege zu den 
Pseudoneuropieren. Eben so werden wir innerhalb der Eucopide 
unsere Meduse der Hazczer’schen! Subfamilie der Obelidae einverleiben 
können, weil die Nährthiere der Hydroidenstöckchen, mit solchen, in 
deren Zeugungskreise Eucopearten gehören, die allergrößte Ähnlichkeit 
besitzen. Freilich scheint es fast eben so gerechtfertigt für unseren 
Hydroiden eine eigene Subfamilie aufzustellen. Vielleicht wird die eine 
oder andere, der Entdeckung noch harrende Übergangsform diesen 
Zweifel zerstreuen. 

Ich habe den Speciesnamen Campanularia gewählt, um nicht nur 
die verwandtschaftlichen Verhältnisse der Meduse, sondern auch jene 
des Nährthieres durch den Namen auszudrücken. Ich möchte diese Art 
der Nomenklatur für den besten Ersatz der doppelten Namengebung der 
Graspedoten und ihrer Nährthierstöckchen ansehen. In der That ist das 


1 E. Hacckeı, System der Medusen. Bd. I. p. 167. 


Über Coelenteraten der Südsee. IV. 499 


Nährthier unseres Hydroiden eine echte Campanularia und den Nähr- 
thieren der Hıncgs’schen ! Art C. caliculata sehr ähnlich. Der Haupt- 
unterschied besteht darin, dass die Stiele der Nährthiere bei C. calicu- 
lata wellig bis rosenkranzförmig, bei unserem Thiere hingegen stets 
glatt sind. Ich will hier bemerken, dass ich an einer kleinen Floridee 
zuweilen einen Hydroiden gefunden habe, den ich für Gampanularia 
caliculata Hincks halte, es ist mir jedoch noch nicht gelungen geschlechis- 
reife Stöckchen zu erlangen. 

Die große Variabilität, welche die Hydrotheken der Campanularia 
caliculata nach Hıncks auszeichnet, tritt uns bei Eucopella in noch aus- 
gedehnterem Maße entgegen. Abgesehen davon, dass die Becher häufig 
irregulär erscheinen und schief abgestutzt, nicht mehr Rotationskörper- 
ähnlich, sondern höchstens noch bilateral-symmetrisch sind, finden 
wir auch große Verschiedenheiten der Gestalt derselben vor, welche 
sich im Allgemeinen auf ein Schwanken der Mächtigkeit der Chitinmasse 
zurückführen lassen. In dieser Beziehung sind die Abweichungen so 
bedeutend, dass ich Anfangs geneigt war eine dünn- und eine dick- 
becherige Varietät aufzustellen. Die genauere Untersuchung zeigte je- 
doch, dass einer solchen Unterscheidung unüberwindliche Hindernisse 
in den Weg treten. Die Bechergestalt scheint nämlich nicht erheblich 
zu sein und kann gewissermaßen einer Adelsverleihung auf Lebenszeit 
verglichen werden. Wir haben hier einen ähnlichen Polymorphismus 
vor uns, wie ihn das Hornskelett von Dendrilla rosea? bietet: wir treffen 
in beiden Fällen Skeletteinrichtungen an, die ihrer Umgebung, dem mehr 
oder minder stark bewegten Meerwasser, angepasst sind. Wie bei die- 
sem Schwamme werden auch die extremen Formen der Eucopella- 
Hydrotheken durch alle möglichen Übergangsformen verbunden. 

Die Hydroidstöckchen der Eucopella finden sich ausschließlich auf 
Laminarien. 

Wie an anderen Küsten beherrschen auch an dem Südrande des 
australischen Kontinents die Laminarien eine gewisse Zone dicht unter 
der Ebbegrenze. Während die Laminarien in dem ruhigen Wasser der 
Häfen ziemlich klein bleiben und ihre bandförmigen Thallome nicht über 
2 Meter lang werden, erreichen die Laminarien an der offenen Küste 
riesige Dimensionen. Hier ist ihr eigentliches Element. Die Wogen, die 
unaufgehalten die Erde in dieser Zone umkreisen können, brechen sich 
mit Gewalt an den verwitterten Sandsteinfelsen, deren Zinnen ewig in 
salzigen Sprühschaum gehüllt sind. Nur jene Laminarien und große 
: ! T. Hıncks, British Hydroid Zoophytes. Bd. I, p. 464; Bd. II, Taf. XXXI, 

ig. 2. 
?® R. v. LENDENFELD, Neue Aplysinidae. Diese Zeitschr. Bd. XXXVIN. p. 274. 
34* 


500 R. v. Lendenfeld, 


derbe Ascidien können sich hier in der Brandung behaupten. Hier er- 
reichen die Thallome der Algen eine Länge von 40 Meter und sind bis 
zu einem Meter breit. Mehrere Dutzend solcher Riesenbänder sitzen an 
einem kurzen bis 20 cm dicken Stamme und fluthen immerwährend mit 
den brandenden Wogen auf und nieder. Losgerissen und ans Land ge- 
schwemmt gleichen sie mächtigen Stierhäuten. 

Sowohl an den zarten Hafenlaminarien, wie auch an diesen letz- 
teren, sind unsere Hydroiden häufig. Das Netz der Hydrorhiza über- 
zieht einzelne Thallome ganz und gar auf beiden Seiten. Das Wachsthum 
geht jedoch stets von einem Punkte in der Nähe der Anheftungsstelle der 
Alge aus, so dass es scheint, dass die Flimmerlarven nur hier, an der 
ruhigsten und geschütztesten Stelle im Stande sind, sich anzusiedeln. 

Während ich oft Hafenlaminarien gesehen habe, die durchaus gleich- 
mäßig überwuchert waren, habe ich an den großen Algen des offenen 
Meeres unsere Hydroiden immer nur an den centripetalen Theilen der 
Thallome aufgefunden. Von den distalen Enden werden die Hydroiden 
wohl durch die gewaltige Bewegung und Reibung dieser Theile fern 
gehalten. 

Die dünnbecherige Form bewohnt die Hafenlaminarien, während 
die dickbecherige Form im offenen Meere vorkommt. Der Hauptgrund, 
warum ich diese Formen nicht als verschiedene Varietäten betrachtet, 
ist der, dass dickbecherige Stöckchen in meinem Aquarium immer nur 
dünnbecherige Nährthiere hervorsprossen ließen, gerade so, wie ein 
Weinstock von Johannisberg an einem anderen Orte keinen Johannis- 
berger mehr erzeugt. Ob die zarte Hafenform, ins offene Meer gebracht, 
dickbecherige Knospen erzeugen würde, kann ich nicht angeben, da 
sich dem Versuche unüberwindliche technische Schwierigkeiten in den 
Weg legen. 

In meinem Aquarium habe ich sowohl von der einen, wie von der 
anderen Form Medusen erhalten, die in keiner Weise von einander ver- 
schieden waren. Gonophoren finden sich an den Stöckchen im Früh- 
jahr, September bis December. Die Stöckchen sind diöcisch und scheint, 
wie dies schon durch die ephemere Lebensweise der Medusen noth- 
wendig gemacht wird, die Zeit für die Medusenentwicklung an den 
männlichen und weiblichen Stöckchen die gleiche zu sein. 


Die Personen von Eucopella campanularia treten in drei verschie- 
denen Gestalten auf: als Nährthiere, Blastostyle und Medusen. 

Das Nährthier besorgt die Nahrungsaufnahme ausschließlich. Der 
Blastostyl ist eine Person, welche Charaktere der Meduse und des 


Über Coelenteraten der Südsee. IV. 501 


Trophosom vereinigt und welche eben so wie die in ihr sprossende Me- 
duse keine Nahrung mehr aufnimmt. Die Hydrorhiza kann keiner dieser 
drei Personen zugezählt werden. Aus diesem Grunde kann dieselbe 
nur dann in ihren Beziehungen zu den übrigen Theilen erkannt werden, 
wenn wir den ganzen Stock als einen Organismus und die Personen als 
Organe ansehen. Dann stellt die Hydrorhiza das Central-Skelett und 
-Gefäßsystem des Stockes dar. 

Wir wollen mit der Beschreibung der Personen beginnen und zu- 
nächst das Nährthier genauer betrachten. 


Das Nährthier. 


Wenn wir, wie dies zumeist geschieht, alle Formen, in welchen uns 
die Hydroidenperson entgegentritt von der Hydraform ableiten, so stellt 
das Nährthier jedenfalls die am wenigsten veränderte Form dar, obwohl 
gerade dieser Theil des Stockes bei vielen Hydroiden in erster Linie, 
bei anderen sogar ausschließlich zur Nahrungsaufnahme befähigt, den 
Verkehr mit der Außenwelt vermittelt. In der That steht das Nährthier 
eines Hydroiden auch auf einer weit höheren Differenzirungsstufe als die 
ideale Archihydra, und die Ähnlichkeit ist eine bloß äußerliche und 
makroskopische. Histologisch sind beide wesentlich von einander ver- 
schieden. 

Da erst in neuerer Zeit die Histologie der Hydroiden bearbeitet wor- 
den ist, und die Untersuchungen sich auf verhältnismäßig nur wenige 
Arten erstreckt haben, lässt sich eine kontinuirliche Reihe von Über- 
gangsformen, wie sie vielleicht existiren dürfte, zwischen der einfachen 
Hydra und einem so hoch differenzirten Thiere, wie es das Trophosom 
von Eucopella Campanularia ist, nicht aufstellen. Wir werden sehen, 
dass die Epithelmuskelzelle ins Subepithel herabgerückt ist und dass 
sich aus den ursprünglich gleichartigen Stellen in gewissen Bezirken 
Sinnes- und Stützzellen differenzirt haben. Außerdem begegnen uns 
hier bereits Ganglienzellen, welche im Subepithel, zwischen Muskel- 
und Deckschicht gelagert, durch ihre Lage auf die Zeit der Entstehung 
aus Epithelzellen, nämlich nach Entwicklung der Muskellage schließen 
lassen. Wir wollen mit der Besprechung der Tentakeln beginnen. 


Die Tentakeln. 


‚Die Tentakeln sind alle in derselben Höhe inserirt, sie entspringen 
aus einer ringförmigen Verdickung des Polypenleibes. Jedes Nährthier 
besitzt stets 32 Tentakeln. Die Konstanz der Tentakelzahl ist bei 
Hydroidpolypen eine seltene Erscheinung und weist auf die beginnende 
Differenzirung in der Werthigkeit verschiedener Radien hin, indem wir 


502 R. v. Lendenfeld, 


es nicht mehr mit unendlich vielen gleichwerthigen, sondern mit einer 
endlichen Zahl von Hauptradien, nach denen sich die Organe richten, 
zu thun haben. Ähnliche Fälle von Spuren einer Radienbildung finden 
wir vor Allem bei Cladonema radiatum. Außerdem habe ich an einem 
hiesigen Brakwasserhydroiden, welcher wahrscheinlich in das Genus 
Stauridium gehört, eine vierstrahlige Anordnung der Tentakeln beob- 
achtet. Am weitesten gediehen scheint die Ausbildung von vier Haupt- 
radien bei Hamann’s! Podocoryne Haeckeli zu sein, wo zwar die Ten- 
takelzahl nicht & - vier ist, wo aber sich die ersten acht Tentakeln nach 
den Hauptradien anlegen und überdies der Hypostomrand vierlappig 
ist. Lappenbildung am Hypostomrand habe ich auch an einem austra- 
lischen Eudendrium beobachtet. 

Die 32 Tentakel des Nährthieres unserer Eucopella legen sich in 
der Knospe fast gleichzeitig an, so dass es schwer hält ein Wachsthums- 
gesetz für dieselben aufzustellen. Mit einiger Sicherheit lässt sich jedoch 
erkennen, dass zuerst ein Tentakel angelegt wird, und dass sich somit 
unser Nährthier ähnlich verhält, wie die Scyphistomen der Acraspeden 2. 
Ein Stadium mit zwei Tentakeln, wie es an den Scyphistomen längere 
Zeit dauert und wie es Giamicıan® und Hamann auch für Tubularia-Em- 
bryonen nachgewiesen haben, kommt bei Eucopella-Knospen nicht vor. 
Obwohl die Tentakeln in einem Wirtel stehen, so geschieht es oft, dass 
der Tentakelkranz zweiwirtelig aussieht, indem die Fangarme ab- 
wechselnd aufstreben und sich nach hinten neigen (Taf. XXVIl, Fig. 1 
linkes Nährthier). Die Tentakeln sind alle unter einander gleich. Sie 
sind drehrund und cylindrisch, das Ende von gleicher Dicke wie die 
übrigen Theile. Die Nesselkapseln häufen sich am Ende an. Gegen die 
Basis hin nimmt ihre Zahl ab. Im proximalen Viertel des Tentakels giebt 
es keine Nesselkapseln. Die Tentakeln erreichen im Maximum ihrer 
Ausdehnung die Länge der Nährthiere, denen sie angehören, und sind 
dann 0,03 mm dick. Die Tentakeln bewegen sich verhältnismäßig lang- 
sam und legen sich, wenn sich das Nährthier nicht wohl befindet, über 
das Vorderende des zusammengezogenen Leibes. Sie bilden auf diese 
Weise einen Deckel, der die Öffnung der Hydrotheca nach außen ab- 
schließt. Fest zusammengepresst verzögern sie außerordentlich die Ein- 
wirkung von Reagentien auf das Innere des Thieres. Lässt man Nähr- - 


1 O. Hamann, Der Organismus der Hydroidpolypen. Jen. Zeitschr. Bd. XV. p.519. 

? C. Craus, Quallen und Polypen der Adria. p. 9. 

3 J. Cıamicıan, Über Tubularia mesembryanthemum. Diese Zeitschr. Bd. XXXI. 
p. 339, 

* 0. Hamann, Der Organismus der Hydroidpolypen. Jen. Zeitschrift. Bd. XV. 
p. 51. 


Über Ooelenteraten der Südsee. IV. 503 


thiere mit ausgebreiteten Tentakeln 20 Sekunden etwa in 1- oder 0,5- 
procentiger Osmiumsäure liegen, so werden sie dunkel oder hellbraun 
und durchaus gehärtet. Jene Thiere aber, deren Tentakeln zusammen- 
geschlagen sind, werden selbst durch die Äprocentige Säure nicht be- 
einflusst. Man kann hieraus ersehen, welchen Nutzen dieser Verschluss 
den Thieren unter ungünstigen Verhältnissen, etwa bei tiefer Ebbe und 
Regen, gewähren kann. 

Der feinere Bau der Tentakeln der Hydroidpolypen ist bereits von 
so vielen Autoren genau untersucht worden, dass hier nur dasjenige 
genauer besprochen zu werden verdient, was von den gewöhnlichen 
Verhältnissen abweicht. 


Das Ektoderm. 


Das Ektoderm besteht stellenweise aus drei Schichten, von denen 
zwei dem Subepithel angehören. Außen finden wir Deckzellen, Sinnes- 
zellen und Cnidoblasten, welche das Epithel zusammensetzen; dann 
folgt eine schwache, vielfach durchbrochene Schicht, welche aus Gan- 
glienzellen, Nervenfäden und den Jugendstadien der Cnidoblasten 
besteht; und endlich der Stützlamelle zunächst eine Schicht von Longi- 
tudinalmuskeln mit kleinen anliegenden Muskelkörperchen. Die Gan- 
glienzellen und jungen Cnidoblasten erweisen sich als echte »intersti- 
tielle« Zellen, zu denen wohl auch andere indifferente Zellen kommen, 
welche die Oberfläche nicht erreichen. 

Von den sechs Zellenarten, welche Hamann ! aus dem Ektoderm der 
Hydroiden anführt, kommen demnach vier Arten, nämlich Deckzellen, 
Muskelzellen, interstitielle Zellen (Ganglien- und junge Nesselzellen) und 
Cnidoblasten gewiss, möglicherweise auch Drüsenzellen in den Tentakeln 
vor. Außerdem finden sich Sinneszellen. 


Das Epithel. 

Das äußere Epithel wird größtentheils aus flachen bis cylindrischen 
Deckzellen zusammengesetzt. An der Tentakelspitze (Taf. XX VII, Fig. 6) 
erreichen die Elemente desselben die größte Länge und nehmen mehr 
den Charakter von Stützzellen an. An der freien Oberfläche finden wir 
eine außerordentlich zarte Cuticula. Das Plasma erfüllt die Zelle nicht, 
wohl aber begegnen wir stets einer ununterbrochenen Plasmaplatte, 
welche der Cuticula dicht anliegt. In einer Verdickung dieser Platte 
liegt der Kern. Der übrige Theil der Zelle wird von einer klaren, als 
Zellsaft zu deutenden Flüssigkeit erfüllt, welche von Plasmafäden 


1 0. Hamann, Der Organismus der Hydroidpolypen. Jen. Zeitschrift. Bd. XV. 
p. 486—487. 


504 R. v. Lendenfeld, 


durchzogen ist, die aus der Kernverdickung entspringen und unter 
Anastomosenbildung nach der Basis und den Seitenflächen hin aus- 
strahlen. Wir begegnen hier demselben Fall, der stets wenig thätige 
Zellen charakterisirt: das Plasma schwindet bis auf einen kleinen, noth- 
wendigen Rest und die Zelle hat hauptsächlich nur die Funktion, den 
Raum auszufüllen, sie wird zur Stützzelle oder Deckzelle. Jede Zelle 
trägt eine stets schwingende Gilie, welche bei der Einwirkung schäd- 
licher Einflüsse (sehr verdünnter Osmiumsäure) ganz oder theilweise 
eingezogen werden kann. Die Cilie verwandelt sich hierbei in eine halb- 
kugelige Vorragung der freien Zelloberfläche. Die Deckzellen platten 
sich gegenseitig ab und bilden zuweilen hügelartige Erhebungen nach 
außen hin. Am unregelmäßigsten ist die Basalfläche gestaltet, da sie 
einen getreuen Abdruck der darunter liegenden Elemente darstellt. 

Die Cnidoblasten zeigen keine besonderen Eigenthümlichkeiten. Es 
giebt nur eine Art von Nesselkapseln. Sie sind oval und erreichen eine 
Länge von 0,003 mm. Sie stellen Rotationsellipsoide dar. Die Achse 
der fertigen, an der Oberfläche liegenden, zum » stehenden Heer« gehö- 
rigen Kapseln schließt mit der Tentakelachse stets einen Winkel von 
45° ein. Alle diese Nesselkapseln sind distalwärts geneigt. Der Nessel- 
faden liegt in denselben in einer einfachen Spirale aufgerollt (Taf. XX VII, 
Fig. 4,6). Die zugehörigen Zellen sind außerordentlich groß, der Cnido- 
cil sehr stark und kegelförmig. Derselbe liegt annähernd parallel der 
Nesselkapselachse. An den Tentakeln haben alle Cnidocils genau die 
gleiche Lage; alle sind nach außen gerichtet. Sie gleichen in dieser Be- 
ziehung den Nesselhaaren der Brennnesseln. Ob es, wie bei diesen, 
möglich wäre über den Nesselhaaren in centrifugaler Richtung hinweg- 
zustreichen, ohne eine Entladung hervorzurufen, konnte ich wegen der 
Kleinheit des Objektes experimentell nicht entscheiden; es dürfte aber 
vielleicht wohl der Fall sein. Es würde hierdurch den Gnidoblasten der 
Tentakel eine rein defensive Bedeutung beigelegt, da ein etwa gefange- 
nes Thier leicht wieder entschlüpfen könnte, ohne dass hierbei eine 
Kapsel entladen würde. Als defensive Organe würden sie aber nur um 
so besser wirken, da ein von außen kommender Stoß um so eher eine 
Entladung hervorrufen muss, als er in der Richtung der Cnidocils wirkt. 
Kerne lassen sich in den Cnidoblasten stets nachweisen. Über die Be- 
festigungsart derselben an der Stützlamelle konnte ermittelt werden, 
dass sie mit breiter unregelmäßiger Fläche der Muskellage aufsitzen, 
dass aber einzelne Theile der Zelle die Muskellage durchsetzen und die 
Stützlamelle erreichen, lässt sich nicht mit genügender Sicherheit er- 
kennen. Ein direkter Zusammenhang mit Nervenfasern, wie ich ihn bei 
anderen Üoelenteraten nachgewiesen habe, lässt sich eben so wenig wie 


Über Ooelenteraten der Südsee. IV, 505 


Nervenfasern überhaupt an Eucopellatentakeln erkennen. Ein solcher 
Zusammenhang könnte aber auch bei den Hydroiden aus der Angabe 
Jıczerrs! über den Verlauf der Nervenfasern in den Tentakeln von Eu- 
dendrium mit einiger Wahrscheinlichkeit gefolgert werden. JıckELI sagt 
Ieseiies „umar: können von einer solchen Ganglienzelle Ausläufer zu 
verschiedenen Gruppen von Nesselkapselzellen abgehen, oder aber nur 
ein einziger Ausläufer verbindet sich mit einem Komplex von Nessel- 
zellen.....«. 

Wie oben erwähnt, fehlen die Cnidoblasten der Tentakelbasis. Im 
mittleren Theile des Tentakels sind sie in einer Schraubenlinie ange- 
ordnet. Hier stehen sie stets in einer einfachen Reihe und bilden nie- 
mals größere Gruppen. Ihre Anordnung ist, abgesehen hiervon, recht 
unregelmäßig, so dass die ideale Schraubenlinie, in der sie liegen, an 
der einen Stelle durch eine Reihe eng an einander stoßender Kapseln 
ersichtlich gemacht wird, während an anderen Stellen wieder gar keine 
Cnidoblasten auf eine größere Entfernung hin vorkommen. Die Schrau- 
benlinie wird gegen das distale Tentakelende hin enger gewunden und 
dichter besetzt, so dass besonders die Tentakelspitze wehrhaft erscheint. 
Zur Bildung einer geschlossenen Nesselkapselhalbkugel, wie bei den ge- 
knöpften Tentakeln, kommt es jedoch keineswegs. An.der Spitze liegen 
die Nesselkapselachsen so wie die Cnidocils annähernd der Tentakel- 
achse parallel. 

Außer diesen, den überwiegenden Theil des Epithels ausmachen- 
den Elementen, finden sich an einzelnen Stellen der Tentakel, und be- 
sonders an der Spitze, Zellen, die wohl als Sinneszellen zu deuten sind 
(Taf. XXVIN, Fig. 6, 7 s). Diese Zellen unterscheiden sich von den 
Deck- und Stützzellen durch ihre auffallende Schlankheit. Außerdem 
sind sie ganz von feinkörnigem Plasma erfüllt und werden von Karmin 
viel intensiver gefärbt als das Plasma der Stützzellen?. Da sich am 
lebenden Thier keine auffallend langen, starren Haare, wohl aber solche, 
die senkrecht von der Oberfläche abstehen und den Cnidocils an Länge 
gleichkommen, finden, so möchte ich auch diesen Zellen kurze Tastborsten 
zusprechen. Mit den schönen, Palpocil-tragenden Sinneszellen der Syn- 


1 C. F. Jıckeı, Über das Nervensystem der Hydroidpolypen. Zool. Anzeiger. 
Nr. 402. p. 43. 

? Die Darstellung dieser Elemente ist mir auf folgende Weise gelungen: 
Osmiumsäure 0,5%/, 20 Sekunden. Alaunkarmin 40 Minuten. Entwässern mit 
Alkohol, durch tropfenweises Hinzufügen von absolutem Alkohol zu dem, in 
schwachen Spiritus liegenden, gewaschenen Polypen. Einbetten mit Chloroform- 
Paraffin. Anfertigung möglichst feiner Schnitte. Auflösen in Terpentin in einer 
Schale. Aufsaugen der feinen Schnitte mittels Pipette. Isolirung durch Klopfen aufs 
Deckglas während der Beobachtung, 


506 R. v. Lendenfeld, 


coryne, lassen sie sich nicht vergleichen, sie ähneln vielmehr jenen 
Sinneszellen, welche ich im Entoderm des Hypostom ! dieses und an- 
derer australischer Hydroiden aufgefunden habe. Auffallend erscheint 
es, dass an der Tentakelspitze, wo gerade die meisten Sinneszellen vor- 
kommen, keine Ganglienzellen aufgefunden werden konnten. Während 
die Kerne der Deck- und Stützzellen, welche der äußeren Fläche an- 
liegen, platte Ellipsoide sind, erscheinen die Kerne der Sinneszellen 
eiförmig. 

Ob außer diesen drei Zellenarten auch noch Drüsenzellen im Ten- 
takelepithel vorkommen, kann ich nicht entscheiden. Ich habe zwar 
keine Elemente nachweisen können, die zweifellos drüsiger Natur 
wären, bin aber dennoch öfters auf plasmareiche, schmale Epithelzellen 
gestoßen, die grobe stark lichtbrechende Körnchen enthielten und somit 
vielleicht als Drüsenzellen anzusprechen wären. 


Das Subepithel. 


Es ist unzweifelhaft, dass beide oben angeführten Schichten des 
Subepithels, sowohl die Ganglienzellen- und Cnidoblastentwicklungs- 
schicht, als auch die Muskelzellenschicht durch Herabrücken von Epi- 
thelzellen entstanden sind. Für die Muskelzellen haben dies die Gebr. 
HerTwiG? in ausgezeichneter Weise nachgewiesen, während es mir ge- 
lungen ist den Nachweis für die Entstehung der subepithelialen Nerven 
von CGyanea Annaskala? aus der epithelialen Schicht zu erbringen. 
Schwieriger ist es, die Erklärung für die Lage der Bildungsstätte der 
Cnidoblasten im Subepithel zu finden. Wir könnten zwar hervorheben, 
dass die Ernährungsverhältnisse im Subepithel günstigere sind als in 
der Oberflächenlage, und dass die jungen Gnidoblasten des Schutzes be- 
dürfen. Wir würden dann annehmen, dass die Zellen, welche Nessel- 
kapseln in sich erzeugten, dieselben ausbildeten, währenddem sie sich 
an der Oberfläche befanden, und dass erst später die Vortheile, welche 
der subepitheliale Aufenthalt einer nesselkapselbildenden Zelle ihr und 
somit dem Thiere bot, den jetzigen Aufenthalt der jungen Gnidoblasten 
verursachte. 

Wenn ich hier alle jene Ektodermtheile, welche nicht die Ober- 
fläche erreichen, das Subepithel, als aus zwei Schichten bestehend an- 
nehme, so geschieht dies in erster Linie desshalb, damit es leichter 
werde die Homologien einzelner Gewebetheile mit den entsprechenden 


! R. v. LENDENFELD, Über das Nervensystem der Hydroidpolypen. Zool. An- 
zeiger. Nr. 434. p. 69. 

2 O0. und R. Herrwie, Die Actinien. Jen. Zeitschr. Bd. XIV. p. 43 u.a. O. 

3 R. v. LENDENFELD, Cyanea Annaskala. Diese Zeitschr. Bd. XXXVII. p. 506. 


Über Coelenteraten der Südsee. IV. 507 


anderer Cnidarien klar zu legen. Die scharfe Trennung und weitgehende 
Sonderung dreier Schichten im Ektoderm der Actinien illustrirt die viel 
undeutlicheren hier vorliegenden Verhältnisse. Wenn wir eine konti- 
nuirliche Fläche uns vorstellen, welche alle Muskelfibrillen und dazu 
gehörigen Zellen, seien sie nun epithelial oder subepithelial, auf ihrer 
Außenseite, und eine zweite Fläche, welche alle oberflächlichen Zellen 
mit Ausnahme der Epithelmuskelzellen auf ihrer Innenseite überzieht, 
so finden wir, dass diese beiden Flächen bei allen Cnidarien stellen- 
weise aus einander weichen und Elemente zwischen sich aufnehmen, 
welche wohl mehr oder minder zahlreich, jedoch stets vollkommen 
homolog sind. Die Nesselkapselmutterzellen der Hydra, die Nervenfilz- 
schicht in den Randkörpern der Acraspeden, die Nervenschicht der Acti- 
nien etc. gehören hierher. Phylogenetisch ist diese Schicht von inter- 
stitiellen Zellen jünger als die darunter liegende Muskellage, weil sie 
von oben herkam und darüber liegt; überhaupt die neueste Er- 
rungenschaft des Ektoderms der Cnidarien. 

Da über die Bildungszellen der Nesselkapseln bereits erschöpfende 
Angaben von F. E. Scauzze und Anderen vorliegen, kann ich mich 
gleich den viel interessanteren Elementen der mittleren Schicht des 
Ektoderms der Tentakeln, den Ganglienzellen, zuwenden. Während 
Hamann?! keine Ganglienzellen beschreibt, und sagt, dass er wohl Zellen 
aufgefunden hat, die er Anfangs für Ganglienzellen gehalten, die sich 
aber später als gewöhnliche interstitielle Zellen erwiesen, schildert 
Jıcker1? Ganglienzellen im Subepithel des Ektoderms des Hydranihen, 
des Hypostom und der Tentakeln von Eudendrium. 

‘Ich hatte, ehe mir die Nachricht hiervon zukam, gleichfalls Gan- 
glienzellen, nicht allein an australischen Eudendrien, sondern auch an 
einer Gonothyraea und an einer Syncoryne, so wie an zwei Campanula- 
ria-ähnlichen Hydroiden, deren Gonophoren ich noch nicht gesehen, 
aufgefunden und konnte somit die Angaben Jıckeur's (l. c.) großentheils 
auch für australische Hydroiden bestätigen ®. In allen diesen Fällen habe 
ich Ganglienzellen in den Tentakeln gefunden. Bei unserem Hydroi- 
den finden sich auf jedem Tentakel etwa zehn Ganglienzellen. Diese 
liegen über die proximale Hälfte zerstreut, in der distalen Hälfte habe 
ich nie Ganglienzellen auffinden können. Es sind große multipolare, 


1 0. Hamann, Der Organismus der Hydroidpolypen. Jen. Zeitschrift. Bd. XV. 
p- 493 u.2.0. 

2 C. F. JıckeLı, Über das Nervensystem der Hydroidpolypen. Zool. Anzeiger. 
Nr. 402. p. 43. 

3 R. v. LENDENFELD, Über das Nervensystem der Hydroidpolypen. Zool. Anzeiger. 
Nr. 134. p. 69. 


508 R. v. Lendenfeld, 


flach auf der Muskelschicht ausgebreitete Elemente (Taf. XX VII, Fig. 4, 
7, 9). Der Kern ist flach ellipsoidisch und liegt in der Mitte, das Plasma 
körnig und für Farbstoffe sehr imbibitionsfähig; es scheint in dieser 
Beziehung dem Kern gleichzukommen, da derselbe an Tinktionspräpa- 
raten nie sichtbar ist. An guten Osmium-Karminpräparaten kann man 
die Ganglienzellen in situ erkennen, bei der Abpinselung der oberfläch- 
lichen Schicht gehen die Ganglienzellen meist verloren. Dies ist wohl 
der Grund, warum es mir nicht gelungen ist einen Nervenplexus im 
Subepithel der Tentakel nachzuweisen. In den besten Fällen erhielt ich 
Bilder wie Fig. 4 (Taf. XXVIN) und glaube hier aus den besser ge- 
glückten Untersuchungen JıckzLr's (l. c.) auf die Existenz eines Nerven- 
plexus über der Muskelschicht der Tentakeln auch von Eucopella 
schließen zu können. 

Es ist leicht diese Elemente sammt dem Epithel zu entfernen und 
auf diese Weise die Muskelschicht bloßzulegen (Taf. XXVII, Fig. 4 B). 

Bald nachdem die Epithelmuskelzelle entdeckt und ihrem Wesen 
nach erkannt worden war, glaubte man, dass bei den Hydroidpolypen 
ausschließlich solche Muskeln vorkommen. F.E. ScuuLze! sagt».... 
weil ich niemals weder hier (Syncoryne) noch bei Hydra und Cordylo- 
phora oder anderen Hydroidpolypen jemals zu irgend einer Entwick- 
lungsperiode in oder an den Muskelfasern Kerne gesehen habe, ....« 
woraus hervorgeht, dass bei diesen genannten Hydroiden, die wohl als 
ziemlich tief stehende angesehen werden dürfen, keine subepithelialen 
Muskeln vorkommen. Leider sagt SchuLze nicht, welche anderen 
Hydroidpolypen er darauf hin untersucht hat, ich glaube aber, dass dies 
sehr viele, und Vertreter der verschiedensten Familien waren. Hamann? 
konstatirt, dass die ektodermalen Muskeln von Tubularia, die er ein- 
gehend studirt hat, bereits subepithelial seien, weiterhin? spricht er 
seinen Intaeniolatae (Thecophora + Hydra) den Besitz von subepithelia- 
len Muskeln ab, und sagt, dass bei diesen noch alle Ektodermmuskel- 
fibrillen mit Epithelzellen in Verbindung stehen. Er hat Obelia genicu- 
lata, Plumularia fragilis, Antennularia antennina und ramosa untersucht. 
Dem entgegen erwähnt Weısmann, dass er im Goenosark von Plumularia 
subepitheliale Muskeln aufgefunden hat. Ich habe diese Angaben zu- 
sammengestellt, um es dem Leser ins Gedächtnis zurückzurufen, wie 
wenige Arten von thecophoren Hydroiden bisher histologisch genauer 


1 F. E. Schutze, Über den Bau von Syncoryne Sarsii etc. p. 6. 

2 O. Hamass, Der Organismus der Hydroidpolypen. Jen. Zeitschrift. Bd. XV. 
p. 545. 

3 O0. Hamass, Der Organismus der Hydroidpolypen. Jen. Zeitschrift. Bd. XV. 
p- 527. 


Über Goelenteraten der Südsee. IV. 509 


untersucht sind. Von den besser studirten Athecaten ist Tubularia die 
einzige Gattung mit subepithelialen Muskeln, und es scheint somit, dass 
in beiden Gruppen subepitheliale Muskeln bei einzelnen Formen zwar 
vorkommen, dass diese jedoch selten sind. 


Die ektodermalen Muskeln der Tentakel der Nährthiere unserer Euco- 
pella sind glatte, sehr lange und an beiden Enden in eine Spitze aus- 
laufende Fäden, welche der Stützlamelle dicht anliegen. An jederFibrille, 
und zwar in der Längenmitte derselben, haftet ein kleines Plasmaklümp- 
chen (Taf. XXVII, Fig. k, 6, 7 m) von ovaler oder unregelmäßiger Gestalt, 
welches sich zwischen die basalen Enden der Deckzellen einschiebt. 
Diese Muskelzelle enthält einen glänzenden eiförmigen Kern. Die Muskel- 
fibrillen liegen in einer Gylinderfläche und überziehen die Stützlamelle 
der Tentakel als ein fast undurchbrochener, nur sehr schmale Lücken 
übrig lassender Mantel. Das terminale, halbkugelige Ende des Stütz- 
schlauches bleibt von Muskeln frei. | 


Die Muskelfasern sind glatt und haben somit noch nicht den Diffe- 
renzirungsgrad der Medusenmuskeln erreicht. Nach weitergehender 
Maceration gelingt es die Muskelschicht von der Stützlamelle abzu- 
streifen, welche dann eine glatte, dünne und strukturlose Membran 
darstellt. Die Stützlamelle dürfte im lebenden Thiere wohl nicht so glatt 
sein, allein es gehen etwaige feine Fortsätze, wie sie möglicherweise die 
Verbindung oberflächlicher Zellen mit der Stützlamelle herstellen, beim 
Maceriren verloren. Es wäre nicht unmöglich, dass zwischen den 
Muskelfibrillen solche feine Anheftungsplättichen oder -fäden von der 
Stützlamelle aufragen. Die Stützlamelle der Tentakeln anderer Hydroi- 
den, welche am distalen Ende mehr oder minder stark verdickt er- 
scheint, zeigt an jener Stelle, wie F. E. Scauzze ! entdeckt hat, und wie 
an Hydroiden mit geknöpften Tentakeln besonders gut nachzuweisen 
ist, nach außen vorspringende Spitzen, die wie Hamann? annimmt, 
Zellenstiele sind. Obwohl bei Eucopella die Stützlamelle an der Ten- 
takelspitze nur unmerklich verdickt ist (Taf. XXVIIL, Fig. 6), so habe 
ich doch an der Außenseite derselben Rauhigkeiten wahrgenommen. 
Jedenfalls liegen in den konkaven Theilen Subepithelzellen. Ob die 
vorragenden Theile in diesem Falle abgerissene Zellenstiele sind, lässt 
sich wegen ihrer Niedrigkeit nicht feststellen. 


1 F, E. Scuutze, Über den Bau von Cordylophora lacustris. p. 26. - 
2 0. Hamann, Der Organismus der Hydroidpolypen. Jen. Zeitschrift. Bd. XV. 
p. 494. 


510 R. v. Lendenfeld, 


Das Entoderm. 


Die blasigen Chordazellen der Tentakelachse zeigen keine beson- 
deren Eigenthümlichkeiten. Ich habe stets in einer größeren oder ge- 
ringeren Zahl der Chordazellen Feittröpfchen in der Nähe des Kernes 
aufgefunden (Taf. XXVII, Fig. 5, 6,7 F). Es sind entweder zwei, oder 
mehrere kleine, oder gewöhnlich ein größerer Tropfen vorhanden. Pig- 
mentkörnchen fehlen in den Plasmanetzen. Die Zellhaut ist verhältnis- 
mäßig sehr stark und so wird die Widerstandskraft, welche der überaus 
schwachen und feinen Stützlamelle abgeht, durch die starken Wände 
der Achsenzellen ersetzt. Es findet sich stets nur eine Reihe von cylin- 
drischen Achsenzellen, deren Kerne genau in der Achse der Zelle und 
des Tentakels liegen. Abgesehen hiervon schwankt die Lage des Kernes. 
Eine eigenthümliche Erscheinung habe ich an den Achsenzellen der Ten- 
takel einer hier zuweilen vorkommenden Syncoryne beobachtet. Es 
finden sich nämlich dort zwischen den gewöhnlichen Chordazellen 
keilförmig eingeschoben stark lichtbrechende Körper, die ich für ento- 
dermale Drüsenzellen zu halten geneigt bin. Kleine Giftdrüsen im 
Entoderm der Tentakeln könnten in so fern werthvolle Defensivwaffen 
werden, als sie ihr Sekret, nach Verletzung der Stützlamelle, bei hef- 
tiger Tentakelkontraktion, dem Angreifer entgegenspritzen würden. 


Das Hypostom. 


Jener Ring von Chordazellen, welcher den Tentakeln zur festen 
Basis dient, verursacht eine siarke Einschnürung der übrigens sackför- 
migen Gastralhöhle (Taf. XXVII, Fig. 5). Diese, gewöhnlich ge- 
schlossene, jedoch sehr erweiterungsfähige Stelle schließt den Gastral- 
raum gegen die Außenwelt ab. Wenngleich dieser Bildung in unserem 
Falle die Bedeutung eines Mundes zukommt, so werden wir doch diese 
Bezeichnung desshalb hier nicht anwenden können, weil andere Hydroid- 
polypen keinen solchen besitzen und überdies die Grenze der Keim- 
blätter nicht an dieser Stelle liegt. Als Mund wird der freie Rand des 
Hypostoms anzusehen sein. Das Hypostom selbst erhält durch seine 
außerordentliche Beweglichkeit das Ansehen einesRüssels. F.E. Schuze! 
hat auch das Hypostom von Gordylophora, welches noch rüsselähnlicher 
ist, auch kurzweg Rüssel genannt. Das Hypostom des Nährthieres von 
Eucopella ist ein trichterförmiges Rohr, welches den Mund mit dem 
Mageneingange verbindet. Die gleiche Definition kommt dem Schlund- 
rohre der Actinien zu, und in der That brauchte unser Polyp nur sein 


1 F. E. ScauLzE, Cordylophora. 


Über Coelenteraten der Südsee, IV, 511 


Hypostomzu verschlucken, umeinechtesSchlundrohr zu 
besitzen. Der Schlundrohrachse wäre dann die ektodermale Fläche, 
der Körperwand die entodermale Seite des umgestülpten Hypostoms 
zugekehrt. Es dürfte wenige Fälle geben, wo die bekannte Analogie des 
Schlundrohres mit dem Hypostom klarer zu Tage tritt als gerade hier. 


Das Ektoderm. 


Das Ektoderm des Hypostom zeichnet sich in einigen wesentlichen 
Punkten vor dem Ektoderm des Rüssels anderer Hydroiden aus 
(Taf. XXVII, Fig. 5). Es ist ein hohes Cylinderepithel und enthält 
Cnidoblasten. Außerdem treffen wir eine subepitheliale Schicht von 
meridianalen Muskeln in demselben an. 

Das Deckepithel besteht aus Stützzellen (cylindrischen Deckzellen) 
und Cnidoblasten. Die Zellen erreichen eine Höhe von 0,043 mm und 
werden, wenn der Rüssel stark zusammengezogen ist, zu Fäden mit 
einer Anschwellung in der Umgebung des Kernes, beziehungsweise der 
Nesselkapsel. An keinem anderen Theile des Nährthieres finden wir ein 
so hohes Epithel. Es erinnert lebhaft an das Epithel der Actinien, wenn 
es gleich nicht eine so außerordentliche Höhe erreicht, wie dies häufig 
bei den letzteren der Fall ist. Es weicht also Eucopella, was die Höhe 
dieses Epithels anbelangt, von allen bisher darauf hin untersuchten 
Hydroiden ab, und zeigt sich in dieser Beziehung als die am weitesten 
entwickelte Form. Freilich sind nur sehr wenige Formen bisher mit ge- 
nügender Genauigkeit untersucht; dennoch lassen aber die bisherigen 
Resultate mit Wahrscheinlichkeit auf eine große Seltenheit solcher ekto- 
dermaler Hypostomepithelien schließen. Bei Cordylophora! und Syn- 
coryne? ist das betreffende Epithel sogar ganz platt. Bei Eudendrium- 
arten wird das Epithel selbst bei starker Kontraktion nicht höher als 
breit. Noch flacher ist nach den Abbildungen Hamann’s® das Epithel der 
Hypostomaußenseite von Plumularia und Sertularella. Ich glaube daher 
berechtigt zu sein dieses Epithel unserer Eucopella eher mit der inneren 
Bekleidung des Schlundrohres der Actinien zu vergleichen als mit der 
entsprechenden Bildung anderer Hydroidpolypen. 

Die Cnidoblasten enthalten die gleichen Nesselkapseln wie die Ten- 
takel. Die Cnidocils liegen eben so wie an den Mundarmen in Meridianal- 
ebenen und sind wie dort unter einem Winkel von 45° gegen das distale 
Ende — hier gegen den Hypostomrand — geneigt. Ganglienzellen habe 
ich nicht beobachtet. Die Muskelzellenlage ist, wie an den Tentakeln, 

1 F. E. ScauLze, Über Cordylophora lacustris. p. 19. 


2 F. E. Schutze, Über Syncoryne Sarsii etc. Taf. I, Fig. A. 
3 0. Hamann, Der Org. der Hydroidpolypen. Jen. Zeitschr. Bd. XV. Taf. XXV. 


512 R. v. Lendenfeld, 


einschichtig und besteht aus meridianal verlaufenden glatten Fasern mit 
kleinen, sübepithelialen Muskelkörperchen. 

Die Stützlamelle ist an der Basis des Hypostom (Taf. XXVIII, Fig. 5) 
mächtiger wie an anderen Stellen und verdünnt sich gegen den freien 
Rand hin. 


Das Entoderm. 


Das größte Interesse nimmt das Entoderm des Hypostom in An- 
spruch, da es zahlreiche, zu einem nervösen Centralorgan verbundene 
kleine Ganglienzellen enthält. Außerdem finden wir hier eine kontinuir- 
liche Schicht von starken, subepithelialen Ringmuskeln, wonach also 
das Entoderm des Hypostom dieselbe oder eine noch bedeutendere Höhe 
der Differenzirung erreicht, als das Ektoderm der Tentakeln. 


Das Epithel. 


Die oberflächliche Zellschicht wird von sehr hohen Stütz-, Drüsen-, 
Nessel- und Sinneszellen gebildet. 

Die Stützzellen sind von ektiodermalen Elementen der gleichen 
Kategorie hauptsächlich dadurch verschieden, dass sie durchaus von fein- 
körnigem Plasma erfüllt erscheinen und dass keine Vacuolen in densel- 
ben vorkommen. Der kugelige Kern liegt der freien Oberfläche zunächst 
(Taf. XXIX, Fig. 8) in einer Anhäufung etwas trüberen Plasmas. Die 
Kerne sind auffallend klein, Kernkörperchen in denselben stets nach- 
weisbar. 

Von dem freien, etwas vorgewölbten Ende entspringt je eine lange 
schwindende Gilie. Da sich die Zellen gegenseitig abplatten, werden 
sie selbst zu polygonalen Säulen mit ebenen Seitenflächen. Die Basal- 
fläche ist unregelmäßig gestaltet. Die Höhe dieser Elemente ist sehr be- 
deutend und kommt das Entoderm in dieser Beziehung dem Ektoderm 
des Hypostom gleich. Die Drüsenzellen zeichnen sich durch den Besitz 
zahlreicher kleiner oder größerer ziemlich stark lichtbrechender Körn- 
chen und Tröpfchen aus. Sie sind nicht zahlreich und bilden etwa 8%, 
des gesammten Epithels. 

Noch spärlicher sind die Nesselzellen vertreten, die den ektoderma- 
len Cnidoblasten vollkommen gleichen. 

Den wichtigsten Bestandtheil bilden die Sinneszellen (Taf. XXIX, 
Fig. 8). Es sind spindelförmige Elemente, deren Kerne stets in halber 
Höhe des Epithels liegen. Die Kerne sind eiförmig und etwa viermal 
so groß als die Kerne der Stützzellen. Von jener centralen Plasmaan- 
häufung, welche den Kern umgiebt, gehen nach oben und unten gleich 
starke Fäden ab. Beide verdünnen sich gegen das Ende hin. Von dem 


Über Öoelenteraten der Südsee. IV. 513 


centrifugalen entspringt ein ziemlich kurzes starres Haar, während der 
centripetale Theil der Zelle in eine Ganglienzelle, entweder direkt, oder 
durch Vermittlung tangential verlaufender Nerven übergeht. 

Diese Sinneszellen stehen so dicht, dass man der entodermalen 
Hypostomfläche ein sehr feines Gefühl wird zuschreiben müssen. 

Entodermale Sinneszellen kommen bei Medusen und Hydroidpoly- 
pen viel seltener vor als ektodermale. Bei letzteren waren bisher keine 
solchen Elemente bekannt und auch bei den großen Medusen hat man 
ihre Existenz, besonders an der Innenseite der Mundarme, mehr aus 
apriorischen Annahmen als aus thatsächlichen Beobachtungen gefolgert. 
Es ist mir bei Cyanea! gelungen diese Elemente darzustellen, für die 
Craspedoten sind sie noch zu entdecken. Bei den Actinien wurden ento- 
dermale Sinneszellen mit einer und solche mit zahlreichen Cilien von 
Gebrüder HerrwiG ? nachgewiesen. 


Das Subepithel. 


Das Subepithel setzt sich aus zwei Schichten zusammen, eben so 
wie im Ektoderm. In der oberen Schicht finden wir interstitielle Zellen 
verschiedener Art, und darunter eine wohl entwickelte Ringmuskellage. 
Wenn schon die theoretisch gerechtfertigte Trennung des Subepithels 
in zwei Schichten im Ektoderm Schwierigkeiten machte, ist dies hier in 
noch ausgedehnterem Maße der Fall, da die Muskelkörperchen keines- 
wegs kleine rundliche Elemente sind, welche nur wenig die Muskellage 
überragen, wie im Ektoderm, sondern weit gegen die freie Oberfläche 
hin sich zwischen die Epithelzellen der Oberfläche einschieben und über 
das Niveau der Ganglienzellen emporragen. Es wird aber dennoch vor- 
theilhaft sein, die beiden Schichten nach einander, jede für sich zu be- 
sprechen. Über die spärlichen interstitiellen Zellen, welche Nesselkapseln 
erzeugen, ist nicht viel zu sagen. Die Anlage und Ausbildung scheint 
genau so wie im Ektoderm vor sich zu gehen. Unser Interesse wird 
hauptsächlich von den Ganglienzellen in Anspruch genommen. 

Entodermale Ganglienzellen wurden bei Coelenteraten zuerst von 
Gebrüder Herrwig 3 für das Entoderm der Septen einiger Actinien nach- 
gewiesen. Es sind multipolare Ganglienzellen ohne besondere Eigen- 
thümlichkeiten. Im Entoderm der Mundarme der Acraspeden sind sie 
ebenfalls vorhanden, hier jedoch schwieriger nachweisbar. Von den 
Hydroidpolypen endlich ist unsere Eucopella die erste, an welcher solche 


I R. v. LENDENFELD, Cyanea Annaskala. Diese Zeitschr. Bd. XXXVI. p. 544. 
2 O0. und R. Herrwig, Die Actinien. Jen. Zeitschr. Bd. XIII. p. 533. 
3 O. und R. Herrwic, Die Actinien. Jen, Zeitschr. Bd. XIII. p. 534. Taf. XXVII, 
Fig. 6, 7. 
Zeitschrift f, wissensch. Zoologie. XXXVIII. Ba. 35 


514 R. v. Lendenfeld, 


Elemente aufgefunden werden konnten. Es sind (Taf. XXVIIL, Fig. 5, 
Taf. XXIX, Fig. 8, 9) nicht, wie andere Ganglienzellen der Coelentera- 
ten, flache Elemente, sondern sie erscheinen nach allen Dimensionen 
annähernd gleich mächtig. Sie sitzen der Muskellage mit breiter Basis 
auf und entsenden gegen die Oberfläche hin sehr starke, körnige Aus- 
läufer, welche sich mit den Sinneszellen in Verbindung setzen. Diese 
Ausläufer, die ohne Weiteres als Nerven in Anspruch genommen wer- 
den können, sind jedoch zumeist sehr kurz, so dass das Nervengeflecht 
keineswegs so dicht ist, wie man in Anbetracht der großen Zahl von 
Sinnes- und Ganglienzellen annehmen sollte. Die Ganglienzellen selbst 
zeichnen sich besonders dadurch aus, dass das Plasma an der Oberfläche 
viel dichter ist als in den centralen Partien, es färbt sich dieser Theil 
auch besonders intensiv. Die Folge dieser Eigenthümlichkeit ist, dass 
die Zellen eine dicke Zellhaut vortäuschen. Der kugelige und große 
Kern liegt in der Mitte der Zelle. Unter einander stehen die Ganglien- 
zellen durch tangentiale Nervenfädchen in Verbindung. Der auf diese 
Weise entstehende Plexus lässt sich am besten durch Zerklopfen von 
Schnitten nachweisen, indem hierbei, wenn dieselben die richtige Dicke 
haben, zuerst das Epithel losbricht und die übrigbleibende Stützlamelle 
mit der Muskellage sich nachher umlegt und den Plexus erkennen lässt. 
Diese ziemlich komplicirte Manipulation bleibt zwar oft erfolglos, ist aber 
gleichwohl das einzige Mittel, um den Plexus darzustellen. Einer Mace- 
ration und nachheriger Ausbreitung steht die Kleinheit des Objektes 
und die Unmöglichkeit im Wege, das Hypostom in einer Fläche auszu- 
breiten. 

Wie schon erwähnt sind die Sinneszellen großentheils sitzend und 
entbehren daher der sonst so gewöhnlichen langen centripetalen Aus- 
läufer. Ich glaube eine Abbildung der Gebr. Herrwıc ', welche Sinnes- 
zellen des Septumepithels von Sagartia parasitica darstellt, auf eine 
solche. mit sehr kurzem Verbindungsnerven versehene Sinneszelle be- 
ziehen zu sollen. Solche Sinneszellen, die am besten als »sitzende « zu 
bezeichnen sein dürften, habe ich auch in den Sinneswülsten und an 
anderen Stellen im Ektoderm von Cyanea Annaskala2 aufgefunden. 

Da ich in keinem anderen Theile des Körpers unseres Polypen so 
zahlreiche und dichtstehende Ganglienzellen, oder überhaupt solche, die 
‚einen nervösen Plexus bilden, aufgefunden habe, möchte ich den Gan- 
glienzellenring im Entoderm des Hypostom geradezu als Gentralorgan 
des Nervensystems unseres Thieres hinstellen. Wenn wir die Möglich- 
keit, dass die Ganglienzellen vom Ektoderm stammen und die Stütz- 


1 0.undR. Herrwie, Die Actinien. Taf. XXI, Fig. 3 (links). 
2 R. v. LENDENFELD, Cyanea Annaskala. Diese Zeitschr. Bd. XXXVI. p. 493. 


Über Goelenteraten der Südsee. IV. 515 


lamelle durch- oder umwandert haben, ausschließen, so müssen wir 
annehmen, dass das Centralorgan des Nervensystems der 
Eucopellapolypen vom Entoderm stammt. Diese Thatsache 
ist ein neuer Beleg für die von vielen Seiten in neuester Zeit erkannte 
völlige ÄAquivalenz der Keimblätter der Coelenteraten. 

Wenn auch zweifellos die Gastraeatheorie auf die Coelenteraten an- 
wendbar ist, so wird es dennoch nöthig erscheinen, den Begriff der 
Gastraea selbst ein wenig abzuändern, damit die Theorie auch für jene 
Thiere Geltung habe, deren Keimblätter nicht so sehr von einander ver- 
schieden sind, wie dies für alle Thiere bisher angenommen worden ist. 

Die indifferenten Zellen, aus denen die differenzirten Elemente der 
Gastraea hervorgegangen sind, haben sämmtlich alle Lebensfunk- 
tionen in demselben Maße ausgeübt, wie ein ganzer Organismus. Wir 
können uns etwa vorstellen, dass diese Funktionen durch eine gewisse 
Kombination von Plasmamolekülen verschiedener Art hervorgerufen 
wurden. Aus dieser ursprünglichen Kombination, deren Zustande- 
kommen nicht mittels der Zuchtwahl erklärt werden kann, sind nun 
andere Kombinationen hervorgegangen, welche durch die Zuchtwahl be- 
wirkt wurden, und in welchen die eine oder die andere Funktion die 
Hauptrolle spielte, während alle übrigen Funktionen noch, wenngleich 
im beschränkten Maße, ausgeübt wurden. Wir müssen annehmen, 
dass die Gastraea oder Gastraeen, von denen die Coelenteraten stammen, 
auf dieser Stufe standen, und dass ihre Keimblätter sich noch nicht 
völlig in ein animales und ein vegetatives differenzirt 
hatten, sondern erst am Wege waren sich derart zu differenziren. 

Nur auf diese Weise lässt es sich erklären, dass alle möglichen 
Funktionen von Abkömmlingen beider Keimblätter verrichtet werden 
können. Wir können im gegebenen Falle annehmen, dass die Sensitivi- 
tät gewisser Zellen des Entoblast der Gastraea sich allmählich vermin- 
dert hätte, und dass diese Zellen immer mehr zu Absorptionszellen 
geworden seien, welche Umwandlung natürlich Folge der Zuchtwahl 
wäre, und dass dann plötzlich die fast verloschene Sensibilität der Zel- 
len wieder zu Ehren gelangt sei, und schließlich sich dieselben wieder in 
Folge der Zuchtwahl zu echten Sinneszellen und weiter zu Ganglien- 
zellen umgestaltet hätten. 

Die Keimblätter der Gastraea, von welcher die Coelenteraten abzu- 
leiten sind, unterscheiden sich von einander nur durch das verschiedene 
Verhältnis, in welchem die verschieden funktionirenden Molekülkom- 
binationen in den Zellen des Ekto- und Entoblast gemischt sind. 

Die Muskellage besteht aus glatten, dicht an einander liegenden 
cirkulär verlaufenden Fasern. Die Muskelkörperchen reichen bis nahe 


36 


516 R. v. Lendenfeld, 


an die Oberfläche (Taf. XXIX, Fig. 8), und stellen die Muskelzellen so- 
mit ein frühes Stadium ihres Herabsinkens unter die Oberfläche dar, 
ein Stadium, welches beweist, dass die entodermalen Muskeln viel 
später in das Subepithel hinabgerückt sind als die ektodermalen, deren 
Muskelkörperchen gar nicht mehr den Eindruck von interstitiellen 
Zellen machen. Sie gehören in die Kategorie der intraepithelialen 
Muskeln, welche Gebrüder Hırrwıe ! bei den Actinien nachgewiesen 
haben. Entodermale Muskeln wurden zuerst von WEIsmanN ? und später 
von Hamann 3 bei Hydroidpolypen aufgefunden. Letzterer giebt an, dass 
im Hypostomentoderm aller von ihm untersuchten Polypen Ringfasern 
vorkommen, wenngleich es ihm bei den »Intaeniolatae« nur selten ge- 
lungen dieselben nachzuweisen. Bei Eucopella sind sie jedenfalls sehr 
schön entwickelt und ich stehe nicht an, sie mit jenen Ringfasern zu 
vergleichen, welche das Schlundrohr der Actinien auf seiner entoder- 
malen Seite umkreisen. 

Während alle entodermalen Muskelzellen nach Hamann (l. ce.) Epi- 
thelmuskelzellen sind, giebt Weısmann (l. c.) an, dass die entodermalen 
Muskeln in den von ihm entdeckten Organen von Eudendrium, den 
Cnidophoren, subepithelial seien, und überdies durch die Kleinheit ihrer 
Muskelkörperchen auffallen. In dieser Beziehung halten die betreffenden 
Elemente unserer Eucopella die Mitte, indem sie wohl subepithelial 
sind, jedoch noch sehr hoch hinauf reichende interstitielle Muskelkörper- 
chen besitzen. 

Es ist eine bei allen polypoiden Coelenteraten konstante Erschei- 
nung, dass die ektodermale Muskulatur stets aus meridianal, die ento- 
dermale stets aus cirkulär verlaufenden Fasern besteht. Da die gleiche 
Eigenschaft so vielen differenten Formen zukommt, erscheint es gerecht- 
fertigt anzunehmen, dass sie ein hohes phylogenetisches Alter besitzt. 
Die Ausgangsform aber, von der sowohl Actinien als auch Hydroidpoly- 
pen stammen, muss, vorausgesetzt dass ihre Abstammung überhaupt 
monophyletisch ist, eine sehr indifferente Form gewesen sein und hat 
daher wohl auch eine sehr niedrige histologische Ausbildung besessen. 
Die Archihydra besaß keine Muskelfibrillen. Wenn wir nun beiden 
Blättern derselben die Fähigkeit zuschreiben, sich auf Reize zu kontra- 
hiren, so werden wir annehmen müssen, dass immer, wenn sie von 


1 0. und R. Herrwic, Die Actinien. Jen. Zeitschr. Bd. XIII, XIV. p. 43. 

2 WEISMANN, Über eigenthümliche Organe bei Eudendrium. Mittheilungen der 
zool. Station zu Neapel. Bd. Il. p. 5. 

3 O0. Hamann, Der Organismus der Hydroidpolypen. Jen. Zeitschr. Bd. XV. 
p. 485. 


Über Ooelenteraten der Südsee. IV. 517 


einem Feinde außen angegriffen oder von einem Beutethier innen be- 
rührt wurden, eine Kontraktion der berührten Zellen erfolgt sei. Es ist 
nun einleuchtend, dass zunächst, vor Ausbildung von Muskelfibrillen, 
die Zellen durch die Zuchtwahl derart beeinflusst wurden, dass sie sich 
in einer bestimmten Richtung, statt in unbestimmter Weise 
zusammenzogen. Natürlich wird diese Richtung die zweckmäßigste 
gewesen sein. Berührte ein Feind die Außenseite, so war es für den 
langgestreckten Polypen von Vortheil, sich zu verkürzen, während es 
gar keinen Vortheil gebracht hätte, sich zu verdünnen. Eine Verkürzung 
konnte aber am besten durch die Kontraktion nach einer meridianalen 
Linie bewirkt werden. Auf eine Berührung der Außenseite hin erfolgte 
Verkürzung dadurch, dass jede Zelle der Außenseite — also des Ekto- 
derm — die Eigenschaft erworben hatte, sich ausschließlich und auf 
jeden Reiz hin in meridianaler Richtung zu verkürzen. 

Wenn nun aber ein Beutethier bei seinen Fluchtversuchen die 
innere Wand des sackförmigen Thieres berührte, so war es von Vortheil 
das Lumen zu verkleinern; dies konnte am besten dadurch erreicht 
werden, dass die Zellen der Innenseite auf Berührung hin sich eben- 
falls nach einer und zwar cirkulären Linie zusammenzogen. Wäh- 
rend nun die Ektodermzellen im Laufe der Zeit die Fähigkeit erwarben 
sich ausschließlich der Länge nach (meridianal) auf Reize hin zu ver- 
kürzen, wurden die Entodermzellen derart von der Zuchtwahl beein- 
flusst, dass sie sich ausschließlich in cirkulärer Richtung zusammen- 
zogen. Die Ausscheidung einer Muskelfibrille musste natürlich derart 
geschehen, dass ihre Längsachse der Kontraktionsrichtung ihrer Bil- 
dungszelle entsprach. Ob nun die so entstandenen Epithelmuskelzellen 
bleiben, was sie waren, oder ob sie subepithelial werden, stets muss 
die ursprünglich erworbene Faserrichtung eingehalten werden. So lange 
der Polyp kein Nervensystem besaß und die Epithelmuskelzellen eine 
Neuromuskelzelle war, musste ihre Kontraktion in der Richtung erfolgen, 
in welcher eine Zusammenziehung dann vortheilhaft war, wenn dieselbe 
Stelle der Oberfläche berührt wurde. Jetzt, wo die Nachkommen ein 
Nervensystem besitzen und ihre Muskeln (Actinien z. B.) großentheils 
subepithelial geworden sind, erscheint diese Anordnung nicht mehr 
nothwendig, sie ist eine auf längst vergangene Zeiten hinweisende 
vererbte Eigenthümlichkeit. In der That sehen wir auch, dass die 
später entstandenen Medusen eine andere Vertheilung der Muskulatur 
aufweisen, die mit der Ausbildung quergestreifter Fasern Hand in Hand 
geht. 

Im Allgemeinen ist die Entwicklung der Muskulatur des Ektoderms 
weiter vorgeschritten als jene des Entoderms. Ja es scheint, dass in 


518 R. v. Lendenfeld, 


dem Magenraum der weniger hoch differenzirten Hydroidpolypen ! noch 
nicht einmal Fibrillen gebildet worden sind, wenigstens kommen einigen 
und darunter auch der Eucopella, keine entodermalen Muskeln in der 
Magenwand zu. Diese Erscheinung steht mit der oben angeführten 
Entwicklungshypothese in vollem Einklang, da stets die der Außenwelt 
entgegengekehrten Flächen mehr von der Zuchtwahl beeinflusst werden 
müssen als das Innere des Körpers. 

Würden wir den Stammbaum polyphyletisch annehmen, so würde 
das an unserer Erklärung wenig ändern, da in dem Falle wohl alle 
Ahnenformen auf die gleiche Weise in den Besitz von Längs- und Ring- 
muskeln gelangt sein werden. 


Der Leib des Nährthieres. 


Der Leib des Trophosom hat im Allgemeinen die Form eines Kegels 
(Taf. XXVII, Fig. 5), der mit breiter Basis dem flachen Boden der 
Hydrotheca aufsitzt. Dehnt sich der Polyp aus, dann wird der Kegel 
stumpfer, während das kontrahirte Nährthier mehr einem Cylinder 
gleicht. An der Spitze und an der Basis hat der übrigens geschlossene 
Kegelstutz je eine kleine axiale Öffnung, vorn der verschließbare 
Mageneingang und rückwärts die Einmündungsstelle des Stielkanales, 
welche nicht verschlossen werden kann. Vor der engsten Stelle am 
Vorderende finden wir eine kelchartige Erweiterung, die an einer schar- 
fen Grenze in das Hypostom übergeht (Taf. XXVIII, Fig. 5). Der Ab- 
schluss des vorderen Kegelendes wird nicht durch eine Einfaltung oder 
Verdickung des Entoderms hervorgebracht, sondern lediglich durch die 
Einschaltung von Chordazellen zwischen Ektoderm und Entoderm. Das 
Ektoderm des unteren Theiles des Nährthieres setzt sich zumeist in 
einen einschichtigen Wandbeleg fort, welcher an der Innenseite des 
Chitinbechers anliegt und bis zu einer gewissen Höhe hinaufreicht. Je 
älter das Thier ist, um so tiefer sinkt dieser Wandbeleg herab, ohne 
jedoch zu irgend einer Zeit ganz zu schwinden. 


Der Ghordazellenring. 


An Querschnitten durch den oralen Theil erkennt man unter dem 
Ektoderm und zwischen zwei Stützlamellentheilen eingeschlossen eine 
einfache Reihe von großen Chordazellen (Taf. XXIX, Fig. 13). Diese 
Entodermzellen bilden einen drei bis fünf Zellen hohen, einschichtigen 
Ring, welcher eine feste Basis für die Tentakel bietet. Die einzelnen 
Elemente des Ringes gleichen ihrer Gestalt nach Wölbungssteinen : sie 


1 0. Hamans, Der Organismus der Hydroidpolypen. Jen. Zeitschrift. Bd. XV. 
p- 485. 


Über Ooelenteraten der Südsee. IV. 519 


sind keilförmig, innen konkav und nach außen zu konvex. Mit ihren 
Seitenflächen haften sie fest an einander. Ihrem Inhalte nach sind sie 
von den Chordazellen der Tentakelachse nicht verschieden. Der Ring 
keilt sich nach unten aus. Die unterste Zellenreihe besteht nicht aus 
sechsflächigen Elementen wie die übrigen, sondern aus fünfflächigen 
(Taf. XXVII, Fig. 5). Die Stützlamelle ist auf der Außenseite dieses 
Ringes viel mächtiger als auf der Innenseite. Hier war ich oft an ein- 
zelnen Stellen nicht im Stande dieselbe an Schnitten zu erkennen. An 
Macerationspräparaten gelang es nachzuweisen, dass in dieser Lamelle 
rundliche Öffnungen vorkommen. Die feineren Details stimmen, so weit 
ich dies habe verfolgen können, völlig mit der genauen Darstellung 
dieser Verhältnisse bei Cordylophora, welche Scuuze! giebt, überein: 
diese zwischen epithelialer und subepithelialer Entodermschicht aus- 
gespannten Häutchen sind durchlöcherte Septen, welche von der Stütz- 
lamelle nach innen vorragen. 


Das Ektoderm. 


Das Ektoderm ist in verschiedenen Körperregionen verschieden. 
Im mittleren und oberen Theil begegnen wir Deckzellen und subepi- 
thelialen Meridianalmuskeln. Beide Schichten gehen in die entsprechen- 
den Schichten der Tentakeln kontinuirlich über und sind von denselben 
nur dadurch verschieden, dass einestheils in der Oberflächenschicht 
keine Cnidoblasten und keine Sinneszellen vorkommen, und dass 
andererseits die Mittelschicht hier gänzlich zu fehlen scheint, so dass 
Muskelplatte und Deckepithel hier an einander grenzen. Aus apriori- 
schen Gründen ist es wohl wahrscheinlich, dass wir hier Nervenfasern 
zu suchen haben, welche die zielbewusste Kontraktion der Muskeln 
veranlassen; eine höhere Ausbildung des Nervensystems scheint hier 
jedoch nicht aufzutreten und jedenfalls steht unser Polyp in dieser Be- 
ziehung weit hinter Eudendrium ? und wohl auch anderen becherlosen 
Arten zurück. 

Nach unten hin nimmt das Ektoderm allmählich an Höhe zu und 
geht schließlich am Basisrand des Kegels in ein verhältnismäßig hohes 
Epithel über. Eben so, wie die Längsmuskelfibrillen am ausgebauchten 
Theile des Cordylophoraleibes 3 aus einander weichen, nehmen auch die 
Abstände zwischen den Fibrillen an der Basis des Nährthierleibes von 
Eucopella rasch zu, so dass dieser der an Längsmuskeln ärmste Theil 


1 F. E. ScauLze, Über Cordylophora lacustris. p. 27. 

2 C. F. JıckeLı, Über das Nervensystem der Hydroidpolypen. Zool. Anzeiger. 
Nr. 402. p. 43. 

3 F. E. Schutze, Über Syncoryne Sarsii etc. p. 6. 


320 R. v. Lendenfeld, 


des ganzen Thieres ist, weil sich die gleiche Anzahl von Fibrillen über 
eine größere Fläche ausbreitet. Die Muskellage endet an dem Rande 
der Kegelgrundfläche und tritt nicht auf die Unterseite derselben über. 

Das Deckepithel nimmt an der Kante einen anderen Charakter an: 
sowohl das Ektoderm der Basalfläche, wie auch jenes des Becherwand- 
beleges gewinnt die Eigenschaften des CGoenosarkektoderms. Sowohl 
der Wandbeleg als das Basalektoderm erscheint ziemlich fest mit dem 
Chitinbecher verbunden. Die Anheftung geschieht auf die gleiche Art, 
wie in der Hydrorhiza durch einzelne radialstreifige Stränge, während 
die dazwischen liegenden Zellpartien mit dem Chitinskelett nicht ver- 
bunden sind und mehr oder weniger weit davon abstehen (Taf. XX VII, 
Fig. 5; Taf. XXIX, Fig. 12). Während die Deckzellen des Mittel- 
leibes nur an ihrer freien Oberfläche eine Plasmaplatte enthalten und im 
Übrigen nur von einem Netze von Plasma durchzogen sind, erscheinen 
die Zellen am unteren Ende des Nährthieres ganz von Plasma erfüllt 
(Taf. XXIX, Fig. 11, 12). 

Die wichtigsten Bestandtheile dieser Ektodermflächen sind jene 
Zellen, welche mit dem Perisark verbunden sind (Taf. XXIX, Fig. 11, 
42 D). Es sind in der Mitte eingeschnürte spulförmige, längere oder 
kürzere Elemente, die senkrecht auf der Oberfläche des Bechers stehen. 
Sie erscheinen stets regelmäßig längsgestreift und ist diese Streifung 
besonders an den schlankeren Zellen dieser Art außerordentlich inten- 
siv. Die Streifung verliert sich gegen das vom Perisark abgewendete 
Ende hin, wo sie endlich ganz verschwindet. Hier liegt in einem Klümp- 
chen körnigen Plasmas der kleine kugelige Kern. Je nachdem nun die 
übrigen Entodermzellen sich mehr dem Perisark nähern oder weiter ab 
liegen, heften sie sich an den Seiten oder an dem Ende der streifigen 
Elemente an. Diese Streifenzellen gehen direkt, ohne wahrnehmbare 
Grenze in das geschichtete Perisark über. Es sind Chitindrüsenzellen 
von ganz der gleichen Beschaffenheit wie die Spongoblasten ! der Aply- 
sinidae. Bei der Betrachtung ausmacerirter Hydrotheken gewahrt man 
an der Innenseite kleine hügelartige Erhebungen, welche in der Flächen- 
ansicht zuweilen radiale Streifen erkennen lassen; es sind die Stellen, 
wo die Chitindrüsenzellen gesessen haben. Die Streifen sind wohl die 
Bahnen, auf welchen das im plasmatischen Theile der Zelle flüssig 
bereitete Chitin nach seinem Bestimmungsorte gelangt. Es verhalten 
sich diese Zellen also wie andere Drüsenzellen, nur dass hier die Strei- 
fung mit ungewohnter Intensität auftritt. 

Dieselben Lebenserscheinungen, welche die streifigen Zellen der 


I R. v. LENDENDELD, Neue Aplysinidae. Diese Zeitschr. Bd. XXXVIIl. p. 287. 


Über Goelenteraten der Südsee. IV. 521 


Haftzipfel in der Hydrorhiza erkennen lassen, kommen auch diesen 
Elementen zu. Sie sind es, welche ausschließlich mit dem Chitinbecher 
in direktem Zusammenhang stehen und desshalb müssen auch sie es 
sein, welche alle Formveränderungen des Bechers bewirken. Es er- 
scheint vortheilhafter diese Erscheinungen im Zusammenhang mit der 
Hydrotheca zu besprechen und wir werden daher unten darauf zurück- 
kommen. 


Das Entoderm. 


Das Entoderm, welches als einschichtiges hohes Cylinderepithel den 
ganzen Magenraum auskleidet, unterscheidet sich in seinem feineren 
Baue nicht wesentlich von den für andere Hydroidpolypen beschriebenen 
Verhältnissen. Es bildet keine Längsfalten, sondern erscheint stets als 
ein ziemlich glattwandiger Schlauch (Taf. XXVII, Fig. 5; Taf. XXIX, 
Fig. 13, 44). Arıman! hat nachgewiesen, dass bei einigen Hydroid- 
polypen (Hydra, Syncoryne, Coryne, CGordylophora) das Entoderm nicht 
glatt ist, sondern unregelmäßige Falten bildet und auf diese Weise eine 
Oberflächenvergrößerung der Entodermalfläche erzielt wird. Später hat 
ScHuLzE 2 diese von Arıman (l. c.) »Rugae« genannten Falten als nicht 
konstante, sondern durch Kontraktion zufällig verursachte Bildungen 
erklärt. Er stützte sich hierbei auf Beobachtungen, welche er an Cordy- 
lophora und Hydra angestellt hatte. Dem entgegen hält Arıman® in dem 
später erschienenen zweiten Theile seines Werkes die Existenz bestimm- 
ter Falten im Entoderm dieser beiden Hydroidpolypen aufrecht. Hamann? 
endlich, der zahlreiche Formen darauf hin untersuchte, bestätigt zum 
Theil (Syncoryne, Goryne, Cordylophora) die Angaben Arıman’s, zum 
Theil weicht er davon ab, indem er der Hydra ein ungefaltetes Ento- 
derm zuschreibt. Hamann (l. c.) fand nun, dass die von ihm unter- 
suchten Thecophora der »Rugae«, der Taeniolen, wie er sie nennt, 
entbehren und theilt alle Hydroidpolypen danach in zwei Gruppen ein. 
Ich habe Querschnitte mehrerer australischer Arten angefertigt und hier- 
bei gefunden, dass es bei diesen wenigstens keine so scharfe Grenze 
giebt. Ich habe überhaupt nur von solchen Polypen Querschnitte er- 
halten, die ein nahezu glattes Entoderm besessen, die in einem Zustande 
getödtet wurden, in welchem der Leib verkürzt und erweitert war. Aus 
meinen Querschnitten scheint hervorzugehen, dass unter gewissen Um- 
ständen alle Polypen Längsfalten in der entodermalen Magenwand 


1 ALLMAN, Gymnoblastic Hydroids. Bd. I. p. 124. 

2 F. E. Schutze, Über Cordylophora lacustris. p. 30. 

3 ALLMAn, Gymnoblastic Hydroids. Bd. II. p. 228. 

* O0. Hamann, Der Organismus der Hydroidpolypen. Jen. Zeitschr. Bd. XV. 


522 R. v. Lendenfeld, 


besitzen können, die genau so entstehen, wie die Faltungen des 
Epithels der Actinien. Es ist unzweifelhaft, dass die Rugae bei den 
Athecaten viel schöner zu sehen und häufiger vorhanden sind als bei 
den Thecophora und bei Hydra. Ich möchte dies jedoch in erster Linie 
dem Umstande zuschreiben, dass die einen entodermale Ringmuskeln 
im Magen besitzen und die anderen nicht!, so dass bei den Athecata — 
Hydra (Taepioiatae) eine viel kräftigere Cirkularkontraktion eintreten 
kann als bei den Thecophora + Hydra (Intaeniolatae). Die Taeniolen 
wären dann als Folgeerscheinung der Kontraktion der Entodermmuskeln 
anzusehen. Bei der wiederholten Bildung derselben dürfte sich in ein- 
zelnen Fällen wohl eine Prädisposition zur Faltenbildung an gewissen 
Stellen ausbilden, wie ja auch z. B. die Haut der Hand sich durch 
wiederholte Faltungen schließlich immer an derselben Stelle einbiegt, 
ohne dass den nicht erblichen Falten irgend welche Bedeutung zukäme. 

Das Entoderm des Nährthieres von Eucopella hat nur im Hypostom 
eine Ringmuskellage ausgeschieden und eskommt daher in der Magenregion 
nie zu einer so starken cirkulären Kontraktion, wie ich dies besonders an 
Syncoryniden öfters beobachtet habe. In Folge hiervon finden wir nur 
schwach ausgebildete Rugae vor und auch diese sind oft nur an der 
einen Hälfte der Magenwand wahrzunehmen. Zuweilen fehlen sie ganz. 

Was nun den feineren Bau des Gewebes selbst anbelangt, so finden 
wir, dass dasselbe aus einer einfachen Schicht besteht. Freilich er- 
reichen nicht alle Zellen derselben die Oberfläche, allein stets sind die 
interstitiellen Zellen intraepithelial. Wie oben erwähnt, konnten Muskeln 
nicht nachgewiesen werden. Eben so habe ich vergebens nach Gan- 
glienzellen und Nesselkapseln gesucht. Es setzt sich das Epithel aus 
zwei verschiedenen Zellformen zusammen, die als Absorptions- und 
Abscheidungszellen unterschieden werden können. Den ersteren fällt 
die Aufgabe zu, die brauchbaren Lösungen, welche sich im Magenraum 
befinden, aufzusaugen. Die Abscheidungszellen kann man wieder in 
zwei Kategorien eintheilen, nämlich in solche, welche ein verdauendes 
Sekret bereiten und in solche, die gewissermaßen als Nierenzellen fun- 
giren und die unbrauchbar gewordenen Stickstoffverbindungen aus- 
scheiden. Ob bei den Hydroiden wirklich zwei verschiedene Zellenarten 
für diese beiden Funktionen vorhanden sind, lässt sich schwer ent- 
scheiden. 

Betrachten wir die Entodermzellen, so fällt zunächst ihre Ähnlich- 
keit in einigen wesentlichen Punkten mit den von ScaHuLze ? erschöpfend 


1 O0. Hamann, Der Organismus der Hydroidpolpyen. Jen. Zeitschrift. Bd. XV. 
p. 485. 
2 F. E. Schulze, Über Cordylophora lacustris. p. 27 ff. 


Über Goelenteraten der Südsee. IV. 523 


dargestellten Elementen des Magens der Cordylophora auf. Der Haupt- 
unterschied besteht darin, dass das Innere der Zellen in dem Eucopella- 
entoderm niemals von Plasmanetzen durchzogen wird, sondern von 
diffusem Plasma, in welchem kleinere und größere Körnchen, Bläschen, 
Pigmentkrümel ete. vorkommen, ausgefüllt erscheint. Alle Zellen 
stimmen in so fern mit einander überein, als der Inhalt des der 
Magenhöhle zugewendeten Zellenendes viel dichter, also wasserärmer 
ist, als das andere Ende. Auch liegt der Kern, wofern ein solcher er- 
kennbar ist, stets in diesem Theile der Zelle. 

Während nun die einen Zellen (Taf. XXIX, Fig. 9) in Polypen, 
welche einige Zeit im Aquarium gelebt hatten, mehr den Charakter in- 
differenter Elemente besitzen und mit körnigem Plasma erfüllt sind, 
erscheinen andere Zellen (d und d’) in durchfallendem Lichte sehr opak, 
und zum Theil von undurchsichtigen, zum Theil von stark lichtbrechen- 
den Körnern fast ganz erfüllt. Von diesen Zellen sind die einen (d) 
cylindrisch und durchsetzen das ganze Epithel, während die anderen 
(d’) klein sind und gewissermaßen zwischen den durchsichtigen Zellen 
eingeklemmt erscheinen. Diese letzteren finden sich in verschiedener 
Höhe des Epithels (Taf. XXIX, Fig. 9, 14). Zum Theil sitzen sie mit 
breiter Basis der Stützlamelle auf, zum Theil liegen sie in halber Höhe 
des Entoderms und erreichen mit ihren Enden keine der beiden Grenz- 
flächen desselben. Während in den großen cylindrischen Zellen neben 
den Körnchen im freien Ende stark lichtbrechende Tröpfcehen vor- 
kommen, finden sich in der kleineren Zellenart bloß die kleineren Körn- 
chen. Zellkerne können nicht nachgewiesen werden, weil die Zellen so 
außerordentlich undurchsichtig sind. Es ist wohl sicher, dass alle die 
kleinen undurchsichtigen Zellen einander gleich sind. Wir müssen 
annehmen, dass sie an der Stützlamelle in keilförmiger Gestalt ent- 
stehen (als interstitielle Zellen), sich hier mit Körnchen füllen, an die 
Oberfläche wandern und hier ausgestoßen werden, ähnlich wie die 
Schleimdrüsenzellen der Fische. 

Die bräunlich-olivengrünen Pigmentkrümel und Körner, welche 
eine so weite Verbreitung bei den Hydroidpolypen haben, finden sich 
in jenen kleinen opaken Zellen, welche aus der Magenwand in die 
Magenhöhle wandern, in dichten, zuweilen kompakten Massen, während 
sie überall sonst diffus zerstreut erscheinen und viel weniger zahl- 
reich sind. 

Wollen wir nun diese drei Zellenarten nach den oben dargelegten 
Principien betrachten, so stoßen wir auf größere Schwierigkeiten. 
Fütterungsversuche mit Karmin oder anderen Farbstoffen beweisen nur, 
dass alle Epithelzellen der Magenoberfläche im Stande sind die Farb- 


524 R. v. Lendenfeld, 


stoffkörnchen aufzunehmen. Die Harnstoffreaktion führte ebenfalls zu 
keinem befriedigenden Resultate. Es können desshalb für die folgende 
Darstellung der Funktionen der einzelnen Entodermzellen, nach welchen 
sie zu klassificiren wären, keine vollkommen verlässlichen Grundlagen 
gewonnen werden. Ich wäre geneigt die runden, stark lichtbrechenden 
Tropfen in den cylindrischen Zellen als verdauendes Sekret desshalb 
. aufzufassen, weil sie ausschließlich am Oberflächenende dieser Zellen 
vorkommen und es wohl nicht unwahrscheinlich ist, dass Exkretions- 
stoffe an vielen Stellen entstehen, während es eben so mit unseren An- 
schauungen übereinstimmt anzunehmen, dass das Verdauungssekret an 
Ort und Stelle gebildet wird. Die kleineren, stark lichtbrechenden 
Körnchen in denselben Zellen, halte ich für die Jugendstadien der 
größeren Tropfen, welche in den Magenraum austreten, sobald sie eine 
bestimmte Größe erreicht haben. In diesen Zellen kommen spärliche 
oder gar keine braunen Körnchen vor. 

Die braunen Körnchen halte ich für ein Exkret und die kleinen 
Zellen, welche die braunen Pigmentkrümel in großen Massen auf- 
' nehmen, befördern dasselbe hinaus, indem sie selbst absterben und 
aus dem Zellverbande des Polypen scheiden. 

Die an Aquariumpolypen durchsichtigeren Zellen endlich sind viel- 
leicht zum Theil für die absorbirenden Elemente zu halten. Während 
beide Arten von Drüsenzellen stets der Geißel und wohl auch der Ober- 
flächenmembran entbehren, sind die durchsichtigeren Zellen zum Theil 
mit einer Geißel versehen. Es wäre hiernach vielleicht anzunehmen, 
dass die durchsichtigen Elemente, welche der Geißel entbehren, der 
Absorptionsfunktion vorstehen, während den geißeltragenden Zellen 
die Aufgabe zufallen würde, den Inhalt des Magens in Bewegung zu 
erhalten. 

Selbstverständlich sind die geißellosen, durchsichtigen Zellen nicht 
immer durchsichtig, sondern nur an Polypen, welche längere Zeit 
ohne passende Nahrung im Aquarium gehalten worden waren. An 
solchen Trophosomen, welche gleich nach dem Fange gehärtet wurden, 
erscheinen alle Zellen mit stark lichtbrechenden Körnchen erfüllt. Ob 
die geißellosen Elemente Oberflächenmembranen besitzen, wage ich, - 
trotzdem es mir oft so geschienen, gegenüber der gegentheiligen An- 
gabe Scaurze’s nicht zu behaupten. Der Hauptgrund, welcher für die _ 
Annahme spricht, dass diese Elemente in der That den absorbirenden 
Theil des Entodermepithels der Nährthiere darstellen, ist der, dass 
gerade diese Elemente große Schwankungen in ihrer Durchsichtigkeit 
und in ihrem Gehalte an feineren oder gröberen Körnchen erkennen 
lassen. Frische, aus dem Meerwasser geholte Eucopella-Trophosome 


Über Ooelenteraten der Südsee. IV. 535 


sind viel undurchsichtiger, als solche, die längere Zeit hindurch im 
Aquarium gehalten worden waren. Bei der genaueren Untersuchung 
zeigte es sich, dass der Unterschied durch den größeren oder geringeren 
Körnchengehalt verursacht wurde. Ich stelle demnach die großen cylin- 
drischen Elemente als die Bildnerinnen des Verdauungssekretes hin, 
während ich die mit braunem Pigment erfüllten Elemente als Exkre- 
tionszellen, und die durchsichtigeren am zahlreichsten vorhandenen 
Elemente zum Theil als Absorptionszellen in Anspruch nehme, und 
jenen derselben, welche eine Geißel besitzen, eine Chylus-bewegende 
Funktion zuschreibe. 

Die Vertheilung der verschiedenen Zellenarten des Entoderms ist 
bei den verschiedenen Hydroidpolypen eine verschiedene, jedoch für die 
Species konstante. Das Epithel enthält an der einen Stelle vornehmlich 
die eine, an der anderen vornehmlich eine andere Zellenart, so dass es 
zu einer Anlage von echten Drüsen kommt, welche freilich den denkbar 
einfachsten Bau besitzen, indem sie aus einer Anzahl oberflächlich 
angeordneter neben einander stehender, gleichartiger Drüsenzellen 
bestehen. Solche primitive Drüsen finden sich bei Eudendrium und 
anderen Polypen, wo sie ringförmige Zonen bilden. Unser Polyp hat 
diese Stufe der Ausbildung seines Entoderms noch nicht erreicht: alle 
drei Zellenarten finden sich regellos in der Magenwand durch einander 
gemischt (Taf. XXIX, Fig. 5). Eine Koncentrirung hat nur in so fern 
stattgefunden, als die beiden Arten von Drüsenzellen ausschließlich in 
der kegelförmigen Seitenwand des Magens vorkommen. Der basalen 
Begrenzungsfläche fehlen sie gänzlich, hier kommen bloß Absorptions- 
zellen vor. Eben so endet das drüsenhaltige Entoderm oralwärts etwas 
unterhalb des Ghordazellen-Skelettringes. Das ganze, gegen den Mund 
zu liegende entodermale Epithel besteht aus ziemlich gleichartigen und 
indifferenten Zellen (Taf. XXVII, Fig. 5; Taf. XXIX, Fig. 13), welchen 
vielleicht zum Theil eine Drüsenfunktion zukommen kann. Sie ähneln 
den Absorptionszellen der übrigen Entodermflächen einerseits, und 
lassen sich andererseits auch mit den Stützzellen des Hypostomentoderms 
vergleichen. Es sind cylindrische Geißelzellen, deren Inhalt sehr durch- 
sichtig ist. Der Kern liegt in einer Anhäufung dichteren Plasmas am 
freien Ende der Zelle. 

An der Basis des Magens, wo sich das Lumen rasch trompetenför- 
mig verengt (Taf. XXVII, Fig. 5), verlieren die Zellen allmählich ihre 
Höhe und vermitteln auf diese Weise den Übergang des Nährthierento- 
derms in das Entoderm des Coenosark. 


526 R. v. Lendenfeld, 


Die Hydrotheca. 


Die Becher, in welchen die Nährthiere der Eucopella sitzen, sind 
ihrer Größe, Stärke und Gestalt nach so außerordentlich veränderlich, 
dass es schwer hält alle Formen unter einer Bezeichnung zu vereinigen. 
Es wird am zweckmäßigsten sein in der großen Zahl schwankender 
Gestalten vier Divergenzhauptrichtungen anzunehmen, deren End- und 
Zwischenglieder alle thatsächlich vorkommenden Formen umfassen, und 
es kommen auch alle theoretisch möglichen End- und Zwischenformen 
eines solchen Schemas wirklich vor. Ich habe auf Taf. XXIX (Fig. 15) 
eine solche schematische Darstellung versucht, bei deren Anblick so- 
gleich die konstanten und die schwankenden Formverhältnisse klar 
werden. 

Die große Variabilität der Hydrotheken, auf welche oben schon 
mehrfach hingewiesen worden ist, scheint keineswegs ausschließlich 
dem Eucopella-Nährthiere zuzukommen. Speciell Campanularia calicu- 
lata, welche unserem Hydroiden so ähnlich ist, besitzt nach Hınexs! 
sehr verschieden gestaltete Hydrotheken, jedoch finden sich in diesem 
Falle die verschiedenen Formen in demselben Stocke vor. 

Das Konstante an der Form der Becher ist folgendes. Am oberen 
Ende jener glatten, kreiscylinderförmigen Röhre, welche stets senkrecht 
auf ihre Unterlage steht und somit auch immer unter rechtem Winkel von 
der Hydrorhiza abgeht, befindet sich eine leichte ringförmige Einschnü- 
rung (Taf. XXIX, Fig. 15). Auf diese folgt ein kugelförmiges Stück, 
dem dann erst der Becher selbst aufsitzt. Das Chitin der Röhre ist 
ziemlich stark, verdünnt sich jedoch an der Einschnürungsstelle, so wie 
besonders an jenem Kreise, wo das Chitin des kugelförmigen Schalt- 
stückes mit dem Becher verbunden ist (Taf. XXVII, Fig. 5). Es ist hier 
in allen Fällen bei Weitem der schwächste Punkt des ganzen Skeleties, 
so dass auch das die Stelle ist, wo bei Verletzungen ein Bruch am leich- 
testen, und daher auch am häufigsten eintritt. Außerdem kommt der 
ganzen Einrichtung die Bedeutung eines Gelenkes zu, indem sich die 
dünnen Chitintheile sehr leicht biegen und dehnen lassen. Die Bewe- 
gung scheint nicht auf Achsen stattzufinden, sondern, wie bei Kugel- 
gelenken, nach allen Richtungen hin. Sie ist, so weit ich gesehen habe, 
eine rein passive und wird durch die Wasserbewegungen verursacht. 
Wenn also einerseits die cirkuläre Verdünnung den Zweck hat die 
Bruchstelle zu prädestiniren, so wird andererseits aus der durch diese 
Einrichtung bewirkten Beweglichkeit den Nährthieren in so fern ein 


I F. Hıncks, British Hydroid Zoophytes. Bd. I. p. 465. 


Über Coelenteraten der Südsee. IV. 527 


Schutz erwachsen, als sie sich bei heftigen Erschütterungen beugen 
können und daher nicht so leicht brechen. Ähnlichen Einrichtungen 
begegnen wir bei CGampanularien. Bei diesen dokumentirt sich das 
kugelige Zwischenstück als differenzirtes Endglied des Hydrocaulus. Es 
ist nämlich häufig der Nährthierstiel durch ringförmige Einschnürungen 
in zahlreiche kugelförmige Stücke rosenkranzartig abgetheilt. Die 
Funktionen, welche die Einschnürungen verrichten, sind nun durch 
Centralisation auf die oberste Kugel übergegangen und hierbei weiter 
ausgebildet und präcisirt worden. Wir haben also anzunehmen, dass 
der glatte Hydrocaulus mit der endständigen Gelenkkugel, in Folge 
weiterer Ausbildung, welche wie gewöhnlich mit einer Reduktion der 
Zahl Hand in Hand ging, aus der rosenkranzförmigen Borm entstan- 
den ist. 

Der Becher selbst nimmt mit zunehmendem Alter auch an Dicke 
zu und wächst geraume Zeit hindurch, so dass die älteren Nährthiere 
eines Stockes viel mächtigere Hydrotheken besitzen als die jüngeren. Es 
scheint jedoch diesem Wachsthun: auch eine gewisse Grenze gesetzt zu 
sein, da im Alter die Chitindrüsenzellen im Becher schwinden und 
überdies die Hydrotheken in den älteren Stockpartien bis auf etwa 
15 cm hinter der Vegetationsspitze alle gleich mächtig sind. 

Betrachten wir zunächst die jüngsten noch verschlossenen Becher 
an den Vegetationsspitzen der Stöcke (Taf. XXIX, Fig. 15 A), so finden 
wir, dass in allen Fällen diese Becher die gleiche Gestalt besitzen. Es sind 
kelchförmige, sehr dünnwandige, auf einer etwas diekwandigeren Kugel 
aufsitzende Gebilde. Interessant ist es, dass wir in diesem Stadium, 
unter der Einschnürung, welche die Gelenkkugel vom basalen Theile 
des Hydrocaulus trennt, noch eine zweite Einschnürung wahrnehmen. 
Wir haben es hier offenbar mit dem letzten Überreste des rosenkranz- 
förmigen Hydrocaulus zu thun (Taf. XXIX, Fig. 15 A). 

Wie sich in der That alle Hydrothecaformen aus einer solchen An- 
lage entwickeln, so werden wir auch von einer solchen Grundform aus- 
gehen, wenn wir die verschiedenen Bechergestalten betrachten wollen. 

Einen Gentimeter hinter den Vegetationsspitzen der Stöcke beginnt 
bereits eine Differenz aufzutreten, und jener Stelle gehören die mit B, 
und B, (Taf. XXIX, Fig. 15) bezeichneten Becher an. Solche Hydro- 
theken der Hafenlaminarien (25) sind noch überaus zart und unter- 
scheiden sich von der indifferenten Ausgangsform nur durch eine mäßige 
Verdickung des Becherbodens. Die von den derben Riesenlaminarien 
des offenen Meeres stammenden Becher entsprechender Stellen (1 cm) 
sind bereits in allen ihren Theilen viel stärker (B,); sowohl der Becher- 
grund, wo wir die bedeutendste Verdickung wahrnehmen, als auch die 


528 R. v. Lendenfeld, 


Gelenkkugel und der Stiel sind bereits doppelt oder mehrfach dicker 
als die entsprechenden Theile der zarten Hafenform gleichen Alters. 
Solche Becher sind zum Theil noch geschlossen, zum Theil schon ge- 
öffnet, so dass man dieses Stadium als dasjenige hinstellen kann, in 
dessen Zeit die Fertigstellung der Hydranthen fällt. 

Spätere Stadien sind in den Figuren C, und (, dargestellt. Es 
bildet sich schon eine Art Kanal aus, welcher vertikal aufsteigend die 
mächtige Basalplatte der Hydrotheca durchsetzt. Da, wie dies ScuuLze? 
bereits nachgewiesen hat, das Exoskelett durch Apposition von innen, 
genau so wie die Spongienfasern, in die Dicke wächst, bleibt die äußere 
Oberfläche in diesen Stadien wenigstens noch vollkommen unverändert, 
und das verschiedene Diekenwachsthum geht mit einer Verminderung 
des Lumens einher. Jene einschichtige Ektodermplatte, welche die 
Innenwand des Bechers überzieht, geht aus einer Abspaltung von dem 
Ektodermalepithel der Knospe hervor, mit dem sie einige Zeit durch 
einzelne langgestreckte Zellen in Verbindung bleibt. Die Spaltung 
beginnt in jugendlichen Knospen bereits vor Stadium A als kreisrunde 
Furche am Rande der Oralfläche und dringt gegen die Basis hinab vor, 
indem sich die Ektodermzellen theilen. An einzelnen Stellen jedoch tritt 
ein wirkliches Auseinanderweichen der Schichten nicht ein, so dass in 
der Knospe Verbindungsbrücken zu Stande kommen, deren Dicke und 
Anzahl mit zunehmender Ausbildung der Knospe abnimmt, bis endlich 
zur Zeit, wenn der Oraldeckel resorbirt wird, die beiden Zelllagen im 
oberen und mittleren Theile völlig getrennt erscheinen und nur an der 
Basis in einander übergehen. Diejenige Zellenplatte, welche der Hydro- 
theca anliegt, besteht, wie oben beschrieben, aus indifferenten Zellen, 
welche die Innenfläche des Bechers nicht berühren, sondern von ihr 
mehr oder weniger weit entfernt sind, und aus Chitindrüsenzellen, 
welche nichts Anderes sind als modificirte indifferente Zellen. Es ist 
nämlich anzunehmen, dass die Chitindrüsenzellen, nachdem sie eine 
Weile in Aktion waren, rückgebildet werden, und dass dann andere 
Zellen des Wandbeleges sich in Chitindrüsenzellen umbilden und sich 
mit der Hydrotheca in Verbindung setzen. Nur auf diese Weise kann 
in Anbetracht der großen Distanz der Chitindrüsenzellen von einander 
ein gleichmäßiges Dickenwachsthum des Bechers erzielt werden. 

Obwohl die Chitindrüsen in allen Theilen des Wandbeleges der 
Knospe vorkommen, findet doch eine Chitinablagerung vornehmlich an 


! Ich verstehe unter »gleich alten« Nährthieren solche, die gleich weit von 
dem fortwachsenden Ende des Stockes abstehen. Ein anderes Kriterium als dieser 
Abstand lässt sich für das Alter nicht auffinden. 

2 F. E. ScauLze, Über Cordylophora lacustris. p. 7. 


Über Coelenteraten der Südsee. IV. 529 


der Basisfläche statt, indem die Zellen hier eine viel lebhaftere Thätig- 
keit entfalten. Dies geht daraus hervor, dass gerade hier, an der Boden- 
fläche, jene Hügel vorkommen, welche die Ansatzstellen der Drüsenzellen 
bezeichnen. Späterhin aber gleicht sich dies wieder aus, indem dann 
die oralen Drüsenzellen das, gegenüber den aboralen Versäumte, nach- 
holen und so die Wanddicke schließlich durchaus ziemlich gleichartig 
wird (0). Diese Wachsthumsart erklärt eine Eigenthümlichkeit in der 
Gestalt vieler Becher. Es erscheint nämlich der orale Rand schief abge- 
stutzt (Taf. XXVII, Fig. 5; Taf. XXIX, Fig. 15 C,, D’,, D,). Dies rührt 
daher, dass von der gegebenen Fläche, der Außenfläche aus, die Wand 
nach innen und oben zu wächst, und es ist somit jene, einem Stücke 
eines flachen Kegels ähnliche Partie der Außenfläche des Bechers nicht 
ein Theil der ursprünglichen Außenwand, sondern ist vielmehr die orale 
Endfläche aller Chitinablagerungen. In der That finden wir, dass die 
Schichtköpfe aller Chitinlagen hier zu Tage stehen. 

Das weitere Wachsthum erfolgt nun, abgesehen von der lebhafteren 
(diekwandige Form), oder weniger lebhaften (dünnwandige Form) 
Chitinsekretion, auf zwei ganz verschiedene Arten. Es werden nämlich 
in dem einen Falle schiefe, bilateral-symmetrische, in dem anderen 
Falle reguläre Rotationskörper-ähnliche Hydrotheken erzeugt. Die 
schiefen Becher (D’,, D’,) sind keineswegs selten und dürften durch- 
schnittlich 30°/, der Becher der Stöcke ausmachen. Während nun die 
dick- und die dünnwandige Form nicht mehr in einem Stocke zusam- 
men vorkommen und somit bereits der Anfang einer Spaltung in zwei 
Arten in dieser Beziehung vorhanden ist, finden sich die schiefen Becher 
mit den regelmäßigen vereint in denselben Stöcken vor. 

Die regelmäßigen Becher entstehen einfach durch fortgesetzte Arbeit 
der Chitindrüsen und es geht die Chitinablagerung auf die für jüngere 
Stadien oben beschriebene Art vor sich. Die Dicke, welche die Becher 
der zarten Form erreichen (D,), kommt etwa jener gleich, welche die 
Becher der derben Form im Stadium CO besitzen. Es ist bemerkens- 
werth, dass die Gestalt derselben in vielen Fällen jedoch eine ganz 
andere ist, sie erscheinen nämlich am oberen Rande etwas erweitert 
und somit mehr kelchförmig als die entschieden als becherförmig zu 
bezeichnende Jugendform (C,, D,). Ich habe keine Hafeneucopellen 
mit stärkeren Bechern, als die (D,) abgebildeten, gefunden. Die größte 
Dicke besitzen die Becher in der Umgebung des Kanales, welcher den 
Becherraum mit dem Lumen des Stieles verbindet. Die Dicke der Ge- 
lenkkugel und der Wand des Hydrocaulus ist eine geringe und wird um 
das zwei- bis dreifache von dem Durchmesser der Wand der Hydro- 
theca übertroffen. 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVIII. Ba. 36 


990 R. v. Lendenfeld, 


Die regulären Becher der derben Form unterscheiden sich abge- 
sehen von der verschiedenen Mächtigkeit, welche im Becher auf das 
zwei- bis dreifache, im Hydrocaulus auf das vierfache der zarten Form 
steigt, auch noch durch die Gestalt von den Hydrotheken dieser letz- 
teren. Zunächst erscheint der Kanal im Grunde des Bechers in der 
Mitte ausgebaucht (Taf. XXVII, Fig. 5 D,) und außerdem ist das Lumen 
des oberen Endes des Hydrocaulus (unter der Gelenkkugel) dadurch 
ausgezeichnet, dass es sich als ein kegelförmiger Hohlraum in Form 
eines schmalen Spaltes (D,) nach oben und außen fortsetzt. Haben die 
regulären Becher diese Gestalt angenommen, dann beginnt der mit 
Chitindrüsenzellen durchsetzte Wandbeleg, der schon früher Lücken 
erkennen ließ, sich zurückzuziehen, und wir sind beim fertigen Nähr- 
thier (Taf. XXVII, Fig. 5) angelangt. 

Die schiefen Hydrotheken kommen in allen jenen Theilen des 
Stockes vor, die versteckt sind: an den Vereinigungsstellen der Lami- 
narienthallome, oder an Stellen, wo durch äußere Ursachen bleibende 
Knickungen in den Thallomen verursacht worden waren. Hier werden 
die Becher auf die Weise schief, dass die, der offenen Seite zugekehrte 
Wand abgetragen wird, während die hintere Seite des Bechers an Höhe 
zunimmt. Der Polyp nimmt dann eine andere Stellung ein und neigt 
sich so, dass seine Achse stets annähernd senkrecht auf der Ebene steht, 
in welcher der Becherrand — eine Ellipse — liegt. Der Weichkörper 
des Polypen wird hierbei oft unregelmäßig gestaltet, und bildet der 
Magen variabele Vorwulstungen, die bei den regulären Polypen nicht 
beobachtet werden. | 

Dass die Hydrotheken erst in diesem Stadium schief zu werden 
beginnen, geht zur Genüge daraus hervor, dass sich dünnwandigere, 
schiefe Becher nicht finden und dass jene Becher, welche eine schwache 
Unregelmäßigkeit erkennen lassen, ihrer Dicke nach bereits über 
Stadium C hinaus sind. Der Vorgang bei der Abschrägung des Oral- 
randes ist dabei der, dass an der exponirten Seite diejenigen Zellen, 
welche gewöhnlich als Chitindrüsenzellen fungiren, ihre Thätigkeit um- 
kehren und das bereits abgeschiedene Chitin abermals auflösen, wäh- 
rend an der geschützten Seite des Bechers die Drüsenzellen ihre 
abscheidende Funktion über das gewöhnliche Maß hinaus fortsetzen, 
und so eine Erhöhung des Becherrandes eintritt. Da jedoch dieses 
letztere in nicht so ausgedehntem Maße geschieht, wie das Auflösen der 
exponirten Seite, so verkleinern sich die Becher beim Schiefwerden ein 
wenig. 

Eine derartige Auflösung von Chitin ist bei Coelenteraten schein- 
bar weiter verbreitet, als man bisher angenommen hat, ich verweise 


Über Ooelenteraten der Südsee. IV. 531 


diesbezüglich auf die Angabe Weısmann’si, dass einzelne Ektodermzellen 
des Coenenchyms der Hydrorhiza die Chitinwand derselben an jenen 
Stellen durch Auflösen entfernen, wo später Gonophoren hervorsprossen. 
Außerdem habe ich Ähnliches an den Hornfasern der australischen 
Aplysiniden 2 beobachtet und es ist interessant, dass auch dort einmal 
der Fall vorkommt, dass gewöhnliche Spongoblasten, die unseren Chi- 
tindrüsenzellen zu vergleichen sind, Chitin auflösen. Es tritt also in 
diesem, wie in unserem Falle, die interessante Erscheinung auf, dass 
dieselben Zellen, oder doch Zellen von übereinstimmendem Bau, 
einmal Chitin abscheiden und einmal resorbiren. 

Was den feineren Bau der Chitinsubstanz anlangt, so ergiebt sich 
derselbe aus der obigen Darstellung und stimmt völlig mit den, für das 
Perisark von CGordylophora von ScauzE? geschilderten Verhältnissen 
überein. Die halbweich abgeschiedenen Chitinmassen breiten sich nach 
der Oberfläche aus und so entstehen jene Schichten, welche die aus- 
gezeichnete Streifung von Schnittflächen (Taf. XXVII, Fig. 5) zur Folge 
haben. Wie oben erwähnt stehen die Schichten an der oberen Ab- 
stutzungsfläche zu Tage. Abgesehen hiervon treffen wir Schichtköpfe 
an dem Theile des Bechers an, wo die Resorption thätig gewesen war, 
an den niedersten Theilen der schiefen Becher. Die Substanz der 
Becher ist von jener des Perisark nicht verschieden. 

Wenn wir die schiefen Becher betrachten, so muss es auffallen, 
dass sie ein Beispiel für die Entstehung bilateraler Thiere aus radialen 
sind, welches schöner nicht aufgefunden werden kann. Das der Außen- 
welt zugekehrte Organ, der Becher, wird derart beeinflusst, dass er eine 
entschieden bilaterale Gestalt annimmt, während das Thier, welches 
ihn bewohnt, noch radial ist. Dazu kommt noch, dass die Becher nur 
unter gewissen Umständen schief werden. Sie können schief 
werden, jedoch sie müssen nicht. Die Fähigkeit hierzu wird vererbt 
und kann eventuell latent bleiben. Ein vorgeschritteneres Stadium in 
der Ausbildung der Symmetrie lassen die Lafoeiden z. B. erkennen, 
bei denen die Bechergestalt stets eine bilateral symmetrische ist. Bei 
ihnen ist die Fähigkeit, regelmäßig radiale Becher zu bilden, die bei 
Eucopella noch vorhanden ist, längst verloren gegangen. Eine Ausbil- 
dung der bilateralen Symmetrie der Hydrotheken geht mit einer regel- 
mäßigen Anordnung derselben Hand in Hand. 

Einem noch höheren Stadium begegnen wir bei Aglaophenia und 


1 WEIsmAnN, Über den Ursprung der Geschlechtszellen bei den Hydroiden. Zool. 
. Anzeiger. Nr. 64. p. 368. 


2 R. v. LENDENFELD, Neue Aplysinidae. Diese Zeitschr. Bd. XXXVIII. p. 294. 
3 F. E. Schutze, Über Cordylophora lacustris. p. 8. 


36* 


+ 


952 R. v. Lendenfeld, 


Plumularia, wo auch die Anordnung der Personen an den Fieder- 
zweigen eine symmetrische wird. 

In allen diesen Fällen bleiben die Nährthiere, welche immer das 
konservativeElement vertreten, radiär, während das Exoskelett und auch 
die Wehrthiere bilateral werden. Es bildet also unsere Eucopella ein 
interessantes Zwischenglied zwischen den völlig radiären und den mit 
einem bilateral symmetrischen Skelett ausgestatteten Hydroidpolypen. 


Die Hydrorhiza. 


Die Hydrorhiza, von welcher die Stiele, sowohl der Nährthiere als 
auch der Gonophoren entspringen, ist kriechend. Sie überzieht als 
mehr oder minder feinmaschiges Netzwerk Laminarienthallome (Taf. 
XXVI, Fig. 3). Die Maschen des Netzes schwanken zwischen einem 
Durchmesser von —A0 mm und sind rundlich polygonal, in seltenen 
Fällen langgestreckt. An den Vegetationsspitzen des Stockes finden sich 
noch keine Anastomosen, indem hier mehrere sich verzweigende 
Wurzelausläufer neben einander parallel fortwachsen. Weiter nach 
rückwärts beginnen die ersten Anastomosen. Es wird, wenn sich zwei 
Zweige berühren, das Perisark beider Theile von ihrem eigenen Ekio- 
derm unter der Berührungsstelle aufgelöst, worauf die beiden Ekto- 
dermkuppeln verschmelzen. Der Durchbruch des so gebildeten Ekto- 
dermpfropfes scheint meist auf der Unterseite zu erfolgen und eben so 
das Entoderm mit Ausnahme einer einzigen Schicht nach oben gedrängt 
zu werden. Die beiden Zellmassen bilden dann zusammen die Anlage 
eines Nährthieres. Nicht alle Nährthiere entstehen auf diese Weise, 
denn nicht alle erheben sich von Anastomosirungspunkten. Es giebt 
auch Verwachsungsstellen der Hydrorhiza, von welchen keine Nähr- 
thierstiele entspringen, doch ist dieser Fall selten. 


Das Perisark. 


Das Perisark zeichnet sich in erster Linie durch seinen eigenthüm- 
lichen Querschnitt aus (Taf. XXIX, Fig. 10). Es besteht nämlich aus 
einer Röhre mit flächenhaft verbreiterter Unterseite. Die auf diese 
Weise geschaffene breite Basalfläche schmiegt sich an die Unterlage an, 
und auf diese Weise kommt die feste Verbindung zwischen Laminaria 
und Polypenstock zu Stande. Besondere Haftorgane fehlen durchaus 
und es muss der Wasserdruck als die Kraft angesehen werden, die die 
beiden Flächen an einander presst. Die Basalfläche des Perisark zeigt 
einen genauen Abdruck der Laminariaoberfläche. Da nun das Lumen 
der Hydrorhiza stets kreisrund ist, so ergiebt sich, dass die Chitinwand 
an dem unteren Theile der Seiten der Perisarkröhre viel mächtiger ist 


Über Ooelenteraten der Südsee. IV. 533 


als an irgend einer anderen Stelle. Der dünnste Theil ist an der Unter- 
seite. Die Dicke des Perisark nimmt mit dem Alter zu und vorzüglich 
gestaltet sich erst allmählich die Anfangs flache Röhre zu jener Bildung 
um, die wir in den älteren Theilen des Stockes antreffen. Dies wird, 
da auch die Hydrorhiza durch Apposition an der Innenfläche wächst, 
durch verschieden intensive Thätigkeit der Chitindrüsenzellen in ver- 
schiedenen Ektodermpartien des Goenosark bewirkt. 

Die Schichtung im Perisark ist eine sehr deutliche und ist es be- 
sonders bemerkenswerth, dass die Schichten in der Gegend des größten 
Wanddurchmessers auch am dicksten sind. 

In der Jugend besitzt das Perisark eine schwach gelbbraune Fär- 
bung, die mit dem Alter an Intensität zunimmt und schließlich in 
dunkelbraun übergeht. Die hierdurch bedingte Undurchsichtigkeit 
älterer Theile wird noch dadurch bedeutend vermehrt, dass sich zahl- 
reiche Organismen an der Oberfläche ansiedeln. Abgesehen von röthlichen 
Kalkalgen und zahllosen Coconeis-artigen Diatomeen, werden die Wurzel- 
ausläufer häufig, wie bei anderen Hydroiden, von Acineten überwuchert. 
Die Acineten sind die schlimmsten Feinde unserer Eucopellastöckchen, 
denn sie führen stets nach einiger Zeit den Tod des Stöckchens herbei. 
Ich glaube zwar nicht, dass sie wahre Parasiten sind, möchte aber 
annehmen, dass sie alle vorbeikommende Nahrung aufgreifen und so 
dem Polypenstocke entziehen, der schließlich an Nahrungsmangel zu 
Grunde geht. Noch mehr als unser Thier wurde während meines hie- 
sigen Aufenthaltes eine Sertularella von derselben Acinetenart heimge- 
sucht. Obwohl dieser Polyp große Steine ganz bedeckt und in seichtem 
Wasser überaus häufig ist, ist es mir doch nicht gelungen in den letzten 
Monaten auch nur ein lebendes Exemplar zu erhalten. Die zahllosen 
Skelette, welche ich fand, waren alle leer und von den erwähnten 
Acineten überwuchert. Es ist eine große Podophrya, welche stets sechs 
Schwärmer zu erzeugen pflegt. 


Das Goenosark. 


Der weiche Achsenstrang der Hydrorhiza zeigt keine wesentlichen 
Eigenthümlichkeiten, er besteht aus einer äußeren Röhre, welche sich 
aus gewöhnlichen Deckzellen und aus Chitindrüsenzellen zusammen- 
setzt, aus einer sehr schwach entwickelten Längsmuskellage, der Stütz- 
lamelle und dem Entoderm. 

Das Ektoderm ist in verschiedenen Abschnitten des Stockes ver- 
schieden. An den Vegetationsspitzen besteht es aus hohen Cylinder- 
zellen, zwischen denen sich vereinzelte Gnidoblasten der gewöhnlichen 
Form einschieben. Hier ist eine starke Cuticula an der Oberfläche 


594 R. v. Lendenfeld, 


wahrnehmbar, welche nach hinten zu in das Perisark überzugehen 
scheint. Durch die Erhöhung des ektodermalen Epithels wird das Ende 
des Coenosark stark verdickt, so dass eine kolbige Endanschwellung 
des Coenenchymstranges entsteht. Diese hat denselben Durchmesser 
wie das Perisarklumen und ist um das Zwei- bis Dreifache dicker als 
das übrige Goenenchym. Weiter nach hinten wird das Ektoderm all- 
mählich niedriger und hier finden sich auch nie mehr Nesselkapseln. 
Ein besonderes Interesse nehmen die als »Haftzipfel« bekannten Gebilde 
in Anspruch; es sind einzelne oder mehrere neben einander stehende, 
cylindrische Zellen, welche sich an das Perisark anheften. Solche Zellen 
sind entweder sehr lang und verbinden die Stützlamelle mit dem Peri- 
sark, oder aber sie sind kürzer und erreichen die Stützlamelle nicht 
mehr. Die ersteren finden sich den Vegetationsspitzen zunächst, wäh- 
rend die letztere Art in älteren Theilen vorwiegt (Taf. XXX, Fig. 20 D). 
Ich habe öfters an den Zellen in der Nähe des Perisark eine feine Strei- 
fung wahrgenommen und deute dieselbe als einen Ausdruck für die 
Bahnen, welche das Chitin bei seiner Abscheidung durchläuft. Die 
Kerne dieser Zellen liegen stets an dem der Stützlamelle zugekehrten 
Ende derselben in einer Anhäufung körnigen Plasmas. Die große Ähn- 
lichkeit dieser Elemente mit den Chitindrüsenzellen an der Hydrotheca 
ist sehr auffallend. Die Streifung ist zwar hier nicht so intensiv wie 
dort, es erklärt sich dies jedoch leicht daraus, dass das Perisark viel 
langsamer wächst als die Hydrotheca und überhaupt nie eine solche 
Mächtigkeit erreicht, so dass wohl auch die Perisark-bildenden Zellen 
weniger lebhaft Chitin produeiren dürften als die Drüsenzellen am 
Becher, und dass sie desshalb auch nicht so einseitig differenzirt sein 
können. . 

Wir verdanken besonders Weısmann! sehr interessante Beobach- 
tungen über diese Haftzipfel, wonach sie pseudopodienartig willkürlich 
entstehen und willkürlich eingezogen werden können. Ich kann diese 
Angaben für die Hydrorhiza von Eucopella vollkommen bestätigen. Die 
Haftzipfel entstehen dadurch, dass sich einzelne Zellen des Coenenchym- 
ektoderms gerade so wie einzelne indifferente Elemente des Becher- 
wandbeleges in Chitindrüsenzellen, oder in indifferentere Haftzellen, 
oder in Chitinresorptionszellen umwandeln und an das Perisark heran- 
treten und sich damit in Verbindung setzen. Hierbei kommen zwei 
Fälle vor, entweder dehnt sich die eine Zelle, oder aber die sich um- 
wandelnde Zelle wird durch Seitendruck emporgehoben, wodurch die 
beiden oben angeführten Arten der Haftzipfelzellen zu Stande kommen. 


1 Weısmann, Beobachtungen an Hydroidpolypen. Zool. Anzeiger. Nr. 75. p. 63 
bis 64. 


Über Ooelenteraten der Südsee. IV. 535 


Eben so können sich die Zipfelzellen wieder in gewöhnliche Deckzellen 
zurückbilden, wobei sie vom Perisark losbrechen und bis zum Niveau 
des umliegenden Epithels herabsinken. Es ist selbstverständlich, dass 
‘ die Streifung hierbei verloren geht. 

Die übrigen Ektodermepithelzellen sind plattenförmig, scheinen 
jedoch nicht bloß die anderwärts vorkommenden Plasmanetze zu ent- 
halten, sondern sind ganz von Plasma erfüllt. Nur in den ältesten Par- 
tien finden sich große Vacuolen, welche schließlich nur dünne Plasma- 
stränge zwischen sich übrig lassen. Der Kern ist in vielen Fällen ab- 
geplattet, nimmt jedoch jedes Mal die Kugelgestalt an, wenn sich die 
Zelle verlängert. 

Ich habe oben erwähnt, dass der Stützlamelle längslaufende 
Muskelfasern anliegen. Diese Beobachtung ist ebenfalls nur eine Bestä- 
tigung der Weısmann’schen! Entdeckung. Da die Stützlamelle überaus 
zart ist und der Isolirung große technische Schwierigkeiten im Wege 
stehen, ist es nicht möglich mit Sicherheit festzustellen, ob die Muskel- 
schicht dem Ektoderm oder dem Entoderm angehört. Am Querschnitt 
(Taf. XXIX, Fig. 10) erkennt man zwischen der äußeren und inneren 
Zelllage einen Ring glänzender Punkte, die Querschnitte der Fibrillen; 
es ist jedoch nicht möglich den Ort der Stützlamelle zu bestimmen. 
Auch Weısmann (l. c.) sagt nicht, welchem Blatte die Coenosarkmuskeln 
angehören, setzt jedoch wohl als selbstverständlich voraus, dass sie 
ektodermal seien, indem er sie als Fortsetzung der ektodermalen 
Hydranthenmuskulatur hinstellt. 

Ich schließe mich dieser Anschauung gern an, glaube aber hervor- 
heben zu sollen, dass gerade im Hydrocaulus die Goenosarkmuskeln 
bei Eucopella fehlen und somit von einer direkten Fortsetzung der 
Hydranthenmuskeln nach abwärts nicht die Rede sein kann. Auch ist 
es durch die Beobachtung nicht gelungen, die theoretisch vielleicht an- 
zunehmende ektodermale Natur dieser Muskeln wirklich zu erkennen 
und, es steht überdies mit unseren Anschauungen nicht ganz im Ein- 
klange, für pulsirende Bewegungen des Gastrovascularraumes ektoder- 
male Muskeln in Anspruch zu nehmen. 

Eben so wenig kann ich entscheiden, ob wir es mit Epithel- oder 
Subepithelmuskeln zu thun haben. 

Die zarte Stützlamelle ist kaum erkennbar, unter derselben be- 
findet sich die vom Entoderm gebildete einschichtige Röhre. Die 
Entodermzellen sind durchschnittlich eben so hoch als breit und platten 
sich gegenseitig ab, so dass ihre Oberflächen polygonal werden. Jede 


\ Weısmann, Beobachtungen an Hydroidpolypen. Zool. Anzeiger, Nr. 75. p. 62 
bis 63, 


536 R. v. Lendenfeld, 


trägt eine schwingende Cilie. Der Inhalt besteht aus körnigem Plasma, 
welches vornehmlich am freien Ende stark lichtbrechende Körnchen 
enthält; hier befindet sich auch der kugelige Kern. Außerdem kommen 
einzelne mit braunen Pigmentkrümeln ganz erfüllte Zellen vor, die wohl 
dieselbe Funktion verrichten dürften, wie die entsprechenden Elemente 
des Nährthierentoderms. 


Das CGoenosarkentoderm der Hydrorhiza ist der Ort, wo sich die 
Eizellen entwickeln. Wir kommen auf diese wichtigsten Zellen des 
Coenosark unten ausführlich zurück. 


Der Hydrocaulus weicht in seinem feineren Baue nur in so weit 
von der Hydrorhiza ab, als an ihm keine Längsmuskeln nachweisbar 
sind. An der Ursprungsstelle ist das Perisark etwas eingeschnürt, im 
Übrigen eylindrisch. Es participirt in der oben angeführten Weise an 
den Schwankungen der Becherdicke. Eizellen kommen im Hydrocaulus 
nicht vor. 


Der Gonophor. 


Der Gonophor besteht aus dem Blastostyl einer Person, die als 
Amme der geschlechtlichen Medusengeneration anzusehen ist, aus der 
von der Amme abgeschiedenen Gonotheca und endlich aus den jeweilig 
im Gonophor vorhandenen Medusenknospen. Wir werden mit der Be- 
sprechung der Amme beginnen. 


Der Blastosty|. 


Unter Blastostyl versteht Arıman! eine Person, die aus einem Nähr- 
thiere hervorgegangen ist, welches aufgehört hat als solches zu fungiren 
und nur mehr die Amme darstellt, an welcher die Genitalprodukte oder 
die Medusen knospen. Die Differenzirung, welche vom Blastostyl er- 
reicht wird, ist nicht allein dem Grade, sondern auch der Art nach bei 
verschiedenen Species verschieden. 

Man kann alle Blastosiylformen nach zwei Divergenzlinien ordnen, 
deren Endglieder sehr verschieden sind. In dem einen Falle nämlich 
sinkt der Blastostyl zu einem hohlen Kegel herab, an dessen Oberfläche 
die Knospung vor sich geht. In dem anderen Falle besteht er aus 
mehreren, der Gonotheca anliegenden Röhren, die oben in einen platten 
Hohlraum münden. Die Knospen finden sich stets zwischen den 
Röhren und unter dem oralen Hohlraum. Dieser seltene Fall wird in 
verschiedenen Graden der Ausbildung angetroffen und wurde von Asassız 2 


1 ALLMAn, Gymnoblastic Hydroids. Bd. I. p. 33. 
2 Acassız, Contributions to Nat. hist. of the U. S. Bd. IV. p. 297. 


Über Goelenteraten der Südsee. IV. | 537 


bei Clythia poterium und von Arıman! bei Laomedea repens beobachtet. 
Auch Eucopella gehört in diese Kategorie, denn auch die Blastostyle 
dieser Hydroiden (Taf. XXX, Fig. 19, 18) bestehen aus getrennten 
Röhren, die oben in einen platten Hohlraum münden und zwischen 
denen sich die Medusenknospen finden. 


Die Gonotheca. 


Die Ammenkapsel oder das Gonangium, wie ALLMAN sie nennt, ist 
abgeplattet, keulenförmig und besteht aus koncentrisch geschichtetem 
Chitin. Sie sitzt auf einem kurzen cylindrischen Stiele (Taf. XXVII, 
Fig. 1), der einen kreisförmigen Querschnitt und überall dieselbe Wand- 
dicke hat. Die Gonotheca selbst hat einen ovalen Querschnitt (Taf. XXX, 
Fig. 18); gegen den Stiel zu nähert sich der Querschnitt der Kreisform, 
während er oralwärts immer stärker zusammengedrückt erscheint. Die 
flach-keulenförmige Gestalt ist nicht regelmäßig und finden sich 
schwankende Vorwulstungen und Einschnürungen an der Gonotheca. 
Gewöhnlich findet sich eine schwache Einschnürung in der Mitte 
(Taf. XXX, Fig. 19). Die orale Fläche ist ein hyperbolisches Paraboloid. 
Am Längsschnitt nach dem größten Querdurchmesser des Gonophor er- 
scheint dieselbe konvex (Taf. XXX, Fig. 19), an einem Längsschnitte 
nach dem kleinen Querdurchmesser jedoch konkav. Die Ausbildung 
dieser sattelförmigen Gestalt ist zwar nicht immer gleich weit gediehen, 
jedoch stets nachweisbar. 

Die Chitinhülle ist keineswegs überall gleich mächtig, im Gegentheil 
ist sie an verschiedenen Stellen von wechselnder Dicke. Am Querschnitt 
erkennen wir, dass die Gonotheca an den beiden Enden der Ellipse 
bedeutend mächtiger ist als in der Mitte. In der That bilden diese bei- 
den verdickten Theile Stützleisten, zwischen denen dünnere Chitinplatten 
ausgespannt sind. Noch viel dünner als die flachen Seiten ist indess 
die Oralfläche (Taf. XXX, Fig. 19). Hier ist das Chitin nur an ausmace- 
rirten Gonophoren leicht zu erkennen und ähnelt mehr einer Cuticula 
als einem Chitinpanzer. Dieser Eindruck wird besonders dadurch her- 
vorgerufen, dass das Ektoderm der Oralfläche des Blastostyl der Kapsel- 
wand dicht anliegt und überdies sich zahlreiche Nesselkapseln in dem- 
selben finden. 


Der Weichkörper. 


Durch eine doppelschichtige Röhre tritt die Amme in Verbindung 
mit dem Coenosark. Sie mündet, ähnlich wie das Coenosark des 


1 ALLMAN, Gymnoblastic Hydroids. Bd. I. p. 48, Fig. 20, p. 49. 


538 | R. v. Lendenfeld, 


Hydrocaulus, mit einer trompetenförmigen Erweiterung in das Coeno- 
sarkrohr (Taf. XXX, Fig. 19). An jener Stelle, wo der Stiel in die 
Gonotheca übergeht, theilt sich diese Röhre in vier Äste. Dieselben 
liegen in ihrem unteren Theile der Kapsel dicht an, weiter nach oben 
hin entfernt sich jedoch jenes Paar, welches in die lange Achse des 
elliptischen Querschnittes zu liegen kommt, ziemlich weit von der Gono- 
theca (Tat. XXX, Fig. 18), während das andere Paar wandständig 
bleibt. Am oberen Ende münden die in einem Kreise stehenden Röhren 
in einen großen Hohlraum, welcher das ganze orale Ende des Gonophors 
einnimmt. Demgemäß münden, da auch dieser Hohlraum elliptisch ist, 
zwei Kanäle in den Rand und das andere Paar (Taf. XXX, Fig. 19) in 
den Boden des Hohlraumes ein. 

Von einem Kanale jenes Paares, welches in der langen Querschnitt- 
achse liegt, entspringen nun, auf dessen Innenseite, die Medusenknospen, 
die ihrerseits eine dünne Chitinhülle erhalten und so in sich abge- 
schlossen werden. Die Knospen füllen den Raum zwischen den Kanälen 
mehr oder minder aus. Nach dem Austritte einer Meduse findet sich, 
ehe die nächste heranwächst, stets ein leerer Raum im oralen Theile 
des Gonophors, dicht unter dem endständigen Hohlraum des Blastostyl. 
Von den vier Kanälen gehen Stränge ab, welche dieselben mit der Gono- 
theca sowohl als auch mit den zarten Chitinkapseln der Knospen und 
unter einander verbinden (Taf. XXX, Fig. 18, 19, 20 B). Die Enden 
dieser Stränge verbreitern sich und sind stellenweise durch Zellen- 
platten mit einander verbunden, die besonders an jungen Knospen 
so wie im oberen Theile der inneren Gonothecafläche zu kontinuirlichen 
Gewebeplatten werden, welche an jenen Stellen dem Wandbeleg der 
Hydrotheken vergleichbar, dem Chitin anliegen. Der äußere Wandbe- 
leg der Knospen dürfte jenem Gebilde zu vergleichen sein, welches 
Aızman! »Gubernaculum « genannt hat. Der Wandbeleg der Gonotheca 
geht in das Ektoderm über, welches den oralen Hohlraum umkleidet. 

Mit Ausnahme der Auskleidung der Röhren und des oralen Hohl- 
raumes besteht die ganze Amme aus Ektoderm. Dasselbe weicht in den 
basalen und mittleren Partien nicht erheblich vom Ektoderm der Hydro- 
rhiza ab. Die Deckzellen sind platte, wie es scheint geißellose von 
Plasmanetzen durchzogene Elemente. Sie verwandeln sich an vielen 
Stellen in Chitin-, Drüsen- oder Resorptionszellen und nehmen dabei 
entweder die Gestalt eines hohen Cylinders, dessen centrifugales Ende 
trompetenförmig verbreitert ist, an, oder sie verlassen die Stützlamelle 
und keilen sich dann zwischen den anstoßenden Ektodermzellen aus. 


1 ALLMAN, Gymnoblastic Hydroids. Bd. I. p. 47. 


Über Coelenteraten der Südsee, IV. 539 


In allen Fällen ist das distale Ende durch jene Streifen ausgezeichnet, 
welche, wie wir oben gesehen, die Chitin-, Drüsen- und Resorptions- 
zellen charakterisiren. Die Gewebebrücken bestehen meist aus ein- 
fachen Reihen in die Länge gezogener Zellen von schwankender Gestalt 
(Taf. XXX, Fig. 20 B). Sie sind stets plasmaerfüllt und scheinen zum 
Nahrungstransporte von den vier Kanälen nach der Gonotheca hin, oder 
zur Befestigung der Kanäle, oder zu beiden Zwecken zugleich zu dienen. 
Der Wandbeleg im oralen Theile der Gonotheca (Taf. XXX, Fig. 18 d’) 
besteht aus Chitinzellen (so will ich die Drüsen- und Resorptionszellen 
nennen) und indifferenten Ektodermzellen. Die letzteren stehen im 
basalen Theile des Wandbeleges weit von der Gonotheca ab. Je mehr 
wir uns jedoch dem oralen Ende nähern, um so schmäler wird der 
Raum zwischen Wandbeleg und Gonotheca, bis endlich im obersten 
Theile alle Zellen des Wandbeleges sich mit der Chitinkapsel in Ver- 
bindung setzen. Das Ektodermalepithel der Oralfläche des Blastostyl ent- 
hält zahlreiche Cnidoblasten mit Nesselkapseln der gewöhnlichen Art. 
Diese Nesselzellen entbehren eben so wie die der Goenosark vegetations- 
spitzen eines Cnidocils, indem in beiden Fällen die Guticula ununter- 
brochen und glatt über dieselben hinwegzieht. Es finden sich hier auch 
keine Chitinzellen, was wohl mit der schwachen Ausbildung der Chitin- 
hülle an dieser Stelle in Zusammenhang steht. Dieses Epithel bildet 
zugleich die ektodermale Bekleidung der oberen Seite des flachen, oralen 
Hohlraumes des Blastostyl. Das Ektoderm der Unterseite desselben geht 
einerseits in den Wandbeleg der Gonotheca über und andererseits bildet 
es einen Theil des Gubernaculum der ältesten Knospe. Hat sich erst 
vor Kurzem eine Meduse losgelöst, so wird der entstehende Raum von 
zahlreichen Fäden durchzogen, welche von dieser Ektodermfläche her- 
vorwachsen und die Verbindung mit den übrigen Ektodermpartien der 
Umgebung herstellen. Die größer werdende Knospe füllt allmählich den 
ganzen Raum aus, bis sie endlich an die Unterseite des Blastostyl-Gastral- 
raumes gelangt. In diesem Theile des Ektoderms kommen Cnidoblasten 
nicht vor. 

Die Stützlamelle ist in allen Theilen sehr zart, derselben liegen 
Muskelfibrillen an. Diese finden sich sowohl in der Wand des Blasto- 
styl-Gastralraumes als auch in der Stützlamelle der Kanäle. Im Gastral- 
raum verlaufen die Muskeln radial und setzen sich direkt in die kontrak- 
tilen Elemente der Kanäle fort, welche längslaufende Fasern sind (Taf. 
XXX, Fig. 18). Im Stiel sind eben so wenig wie im Hydrocaulus des 
Nährthieres Muskelfasern nachweisbar. Ich konnte hier eben so wenig 
wie für das Coenosark entscheiden, ob wir es mit entodermalen oder 
ektodermalen Elementen zu thun haben. 


940 R. v. Lendenfeld, 


Das Entoderm, welches sich ohne Gestaltveränderung seiner Ele- 
mente in die Auskleidung des Coenosark fortsetzt, zeigt überall diesel- 
ben dunklen, körnchenreichen Zellen mit oberflächlich gelagertem Kern 
und langer Geißel. Subepithelial finden sich in allen Theilen des 
Entoderms weiblicher Gonophoren junge, auf der Wanderung begriffene 
Eizellen. 


Dort, wo die Medusen knospen, gehen sowohl Ektoderm als Ento- 
derm kontinuirlich vom Blastostylkanal in die Knospe über. Weısmann ! 
hat die interessante Beobachtung gemacht, dass der Gastralraum des 
Blastostyl von Goryne pusilla rhythmische Kontraktionen ausführt und so- 
mit pulsirt. Gleiches habe ich an dem Gastralraum des Blastostyl 
unserer Eucopella beobachtet. Es fungirt hier der große flache orale 
Hohlraum, in welchen die vier Kanäle münden, geradezu als Herz, in- 
dem durch Zusammenziehung und Erschlaffung der in der Wand der- 
selben liegenden Muskeln eine rhythmische Verengerung und Erweiterung 
dieses Hohlraumes bewirkt wird. Die Volumveränderungen der großen 
Leibeshöhle verursachen in den vier engen Kanälen, welche den Hohl- 
raum mit dem gemeinsamen Gastrovascularraum des Stockes verbinden, 
‘sehr heftige Strömungen, die selbst dann sehr deutlich erkennbar 
bleiben, wenn die Bewegungen des Gastralraumes selbst nicht mehr als 
solche, sondern nur durch Vergleichung genauer nach einander ange- 
fertigter Zeichnungen nachweisbar sind. 


Nicht allein bei jener geringen Zahl von Hydroidpolypen, deren 
Blastostyle verzweigt sind, sondern auch bei vielen von jenen, deren 
Blastostyl-Gastralraum ungespalten bleibt, finden wir eine Erweiterung 
des oralen Endes desselben vor. ALLman? sagt, dass bei Campanulariden 
und Sertularien der Blastostyl »generally expanded at its summit into a 
conical plug or disc« ist. Ich kann hinzufügen, dass in den von mir 
genauer beobachteten Fällen eines Halecium und einer Gonothyrea diese 
orale Erweiterung hohl war und an Schnitten Muskeln an der Stütz- 
lamelle erkennen ließ. 

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass dieser so häufigen terminalen 
Erweiterung des Blastostyl in der That die Bedeutung eines Herzens 3 


1 Weısmann, Beobachtungen an Hydroidpolypen. Zool. Anzeiger. Nr. 75. p. 61. 

2 ALıman, Gymnoblastic Hydroids. Bd. I. p. 47. 

3 Ob hier der Ausdruck »Herz« gerechtfertigt ist, scheint keineswegs sicher. 
Da bei höheren Thieren der Hohlraum, in welchem Blut cirkulirt, coelomatisch ist, 
kann eine von gewöhnlichem Entoderm ausgekleidete Höhle, in der aufgelöste Nah- 
rung ohne eingestreute, dem Thiere zugehörige Zellen, cirkulirt, damit nur entfernt 
verglichen werden. Ich habe diesen Ausdruck der Kürze und Einfachheit wegen 
angewendet. 


Über Goelenteraten der Südsee. IV. 541 


zukommt, welches die Cirkulation in jenem Theile des Stockes fördert, 
wo am meisten Material verbraucht wird: an der Bildungs- oder 
Reifungsstätte der Geschlechtsprodukte. 

Betrachten wir die Homologien der gespaltenen Blastostyle, so 
kommen wir zu dem Schlusse, dass gerade sie die Personen sind, 
welche den Übergang vom Nährthier zur Meduse vermit- 
teln. In der That gleicht der Blastostyl einer Meduse so außerordent- 
lich, dass wir kaum anstehen werden, ihn für eine medusenähnliche 
festsitzende Hydroidenperson zu erklären. Wir brauchen uns bloß 
vorzustellen, dass die orale und aborale Wand des pulsirenden Gastral- 
raumes mit einander in der Mitte verwachsen seien, und dass dann die 
central solide Scheibe durchbrochen würde, um eine Meduse vor uns 
zu haben. Der periphere Theil des Gastralraumes wird zum Ringkanal, 
aus welchem vier Radialkanäle entspringen, welche in 
Kreuzachsen liegen und am aboralen Pole sich vereini- 
gen. An ihrer ventralen Seite (nach innen zu) knospen nun 
erst diejenigen Personen, welche zu Austrägern der Genitalprodukte 
bestimmt sind. 

Würden. wir dem Blastostyl einen medusoiden Charakter vindici- 
ren, so hätten wir es mit einem Blastochem, im Sinne Arınman’s, zu 
thun und müssten die frei werdenden, an den Radialkanälen des 
Blastochem knospenden Medusen als » Sporosacs« ansehen !. 

Vergleichen wir nun den mit vier Radialkanälen versehenen 
Blastostyl von Eucopella mit dem von Laomedea, welcher mehr Kanäle 
besitzt, so werden wir erkennen, dass Laomedea das phylogenetisch 
ältere Stadium repräsentirt, in welchem zahlreiche unregelmäßig 
vertheilte Kanäle vorkommen, und dass sich Eucopella in so fern 
höher differenzirt hat, als die Zahl und Anordnung der Kanäle eine 
definitive und regelmäßige wurde. 

Als ein zweiter Punkt von Interesse ist die Thatsache anzusehen, 
dass bei Laomedea der Genitalträger an dem Reste desjenigen centralen 
Theiles des Blastostyl knospt, welchen wir mit dem Magenrohr der 
Medusen zu vergleichen haben, während bei Eucopella, zugleich mit 
dem gänzlichen Schwinden dieses centralen Magenrohres, die Genital- 
trägererzeugung auf die Radialkanäle übertritt. Wir haben es also im 
ersten Falle mit Gastral-, im zweiten mit Kanalgonaden zu thun. 

Die Medusenknospen legen sich als Wucherungen des Ektoderms 


1 Die Arınan’sche Theorie hat, abgesehen von anderen Einwendungen, dess- 
halb nur bedingte Bedeutung in unserem Falle, weil der Sporosac keineswegs das 
»ultimatly generativ zooid« ist, da eben die Eier im Coenosark entstehen und in 
die Meduse einwandern. 


542 R. v. Lendenfeld, 


an einzelnen Partien der ventralen Kanalseite an. Solche Wucherungen 
finden sich zwar an der Basis aller vier Radialkanäle des Euco- 
pellablastostyl vor, allein es kommen nur an einem Radialkanale diese 
Anlagen zur Entwicklung, während sie an den anderen bei zunehmen- 
dem Alter des Gonophor wieder schwinden. 

Die große Differenz zwischen Meduse und Polyp besteht in erster 
Linie in der Ausbildung bestimmter Orientirungsachsen und der Radial- 
kanäle bei den freien Geschlechtsthieren, welche Eigenschaften dem 
indifferenteren Nährthier immer fehlen. Hier nun, in diesem blasto- 
chemartigen Blastostyl haben wir eine ausgezeichnete Übergangsform, 
welche um so interessanter wird, weil sie in zwei Stadien auftritt, jenem 
mit verschieden vielen Radialkanälen ohne Kreuzachsen (Laomedea) 
und jenem mit vier Radialkanälen, welche in den Kreuzachsen liegen 
(Eucopella). 

Die Entwicklung des Blastostyl geht auf die Weise vor sich, dass an 
irgend einer Stelle der Oberseite des Coenosark der Hydrorhiza Chitin- 
resorptionszellen gebildet werden, welche das Perisark eines kreisrunden 
Bezirkes auflösen, und dass dann von hier aus die Knospe in die Höhe 
wächst. Die aus cylindrischen Ektodermzellen bestehende Zellenmasse, 
welche das Perisark auflöst, erhebt sich, sobald die Bahn frei ist, 
kuppelförmig und gleicht zunächst vollkommen jenem Ektoderm, welches 
wir an den Vegetationsspitzen der Hydrorhiza antreffien. Um diese Zeit 
begegnen wir an dieser Stelle auch den ersten CGnidoblasten. Die Um- 
hüllung der Blastostylknospe ist vorn eine zarte Cuticula und an den 
Seiten das Perisark des Stieles des künftigen Gonophors. Oben steht 
das ganze Ektoderm in direktem Zusammenhange mit dem Perisark, 
während es sich an der Basis schon von demselben zu entfernen be- 
ginnt und hier nur noch mittels der gewöhnlichen Chitinzellen mit der 
Kapselwand zusammenhängt. 

Erst wenn das Ektoderm seine erste Aufgabe, das Perisark der 
Hydrorhiza zu durchbrechen, erfüllt hat und die Gonophorknospe 
äußerlich sichtbar wird, beginnt auch das Entoderm an der Bildung 
der Knospe Theil zu nehmen. Das Entoderm wächst also erst in die 
fertige Anlage hinein. Es ist stets einschichtig und der Gastralraum des 
jungen Blastostyl entsteht dadurch, dass auf die gewöhnliche Weise eine 
Ausstülpung eines Theiles der inneren Wand des Üoenosarkrohres in 
die Knospe hinein stattfindet. Es erscheint dies in so fern bemerkens- 
werth, als die Hohlräume der Knospe, welche zwischen Ektodermlagen 
sich befinden, stets durch Spaltung entstehen. 

Während nun das obere Ende der langgezogenen Knospe sich kolbig 
verdickt, spaltet sich das nach aufwärts durch den Stiel fortwachsende 


Über Ooelenteraten der Südsee. IV. 543 


Entodermrohr in die vier Radialkanäle, welche sich nun sehr rasch ver- 
längern. Das Ektoderm schmiegt sich überall dem Entoderm an und es 
beginnen Lücken im Ektoderm aufzutreten. Gerade so, wie durch allzu- 
rasche Größenzunahme von Zellen das Plasma nur mehr als ein Netz- 
werk den Zellraum durchzieht, dessen Fäden die Plasmahülle des Kerns 
mit dem Plasmabeleg der Wandung verbinden, gerade so wird hier das 
ektodermale Gewebe durch allzurasche Vergrößerung des von dem- 
selben einzunehmenden Raumes zerrissen und schließlich in dünne 
Fäden ausgezogen, welche die Ektodermlage an den Radialkanälen mit 
jener in Verbindung setzt, die Anfangs noch kontinuirlich die Innenwand 
der Gonotheca überkleidet. 

Ich habe dem Verhalten der Entodermlamelle ein besonderes 
Augenmerk geschenkt und kann hierüber Folgendes mittheilen. In dem 
ausgebildeten Gonophor findet sich keine Spur einer Entodermlamelle 
in den basalen Theilen vor, wohl aber lässt sich eine solche am oralen 
Ende zuweilen erkennen, dort, wo das Ektoderm ununterbrochen ist 
und sich die beiden Platten desselben, welche einerseits der Chitinhülle 
der ältesten Knospe (Taf. XXX, Fig. 18.d) und andererseits der Gono- 
theca anliegen, zu einer doppelschichtigen Gewebelage an einander 
fügen. Hier findet man zuweilen Spuren einer Entodermlamelle in 
Form einzelner, recht flacher Zellen, welche mit dem Gastralraum des 
Blastostyl wohl in Zusammenhang stehen dürften. 

An sehr jungen Knospen, in welchen die Radialkanäle als vier 
Vorwulstungen am Rande des kolbig erweiterten Endes des Entoderm- 
sackes auftreten, und in welchen ein centraler Entodermhügel als Anlage 
des später rückgebildeten Magenrohres erkannt werden kann, finden 
wir zwischen den Radialkanälen eine deutliche Entodermlamelle vor. 
Hier entsteht dieselbe durch partielle Verödung. Es vergrößert sich die 
centrale Ektodermkugel nämlich besonders nach vier Seiten hin in der 
Richtung nach außen und unten, und auf diese Weise entstehen die 
Unebenheiten des Anfangs ziemlich flachen Endes des Entodermsackes, 
welche die erste Anlage der Kanäle und des Magenrohres darstellen ; 
eben so werden auch zwischen den Radialkanälen in den Interradien 
von einander Anfangs weit abstehende und in einer Fläche liegende 
Entodermpartien an einander gepresst und schließlich in eine Entoderm- 
lamelle verwandelt. Da jedoch diese Vorgänge mit der allmählichen 
Vergrößerung der Knospe Hand in Hand gehen, kommt es nie zur Bil- 
dung eines becherförmigen Stadiums im Entoderm, und schließt sich 
der Vorgang vielmehr an die von F. E. Scuuze! für Sarsia beschrie- 
benen Verhältnisse an. 


1 F. E. Scauze, Syncoryne Sarsii etc. p. 27 ff. 


544 R. v. Lendenfeld, 


Späterhin kommt es jedoch nicht mehr zur Bildung einer Ento- 
dermlamelle, indem bereits Lücken zwischen den Radialkanälen auf- 
treten und die Kanäle weder durch Ektoderm- noch durch Entoderm- 
platten mit einander in Verbindung stehen, ehe noch der Gonophor 
auch nur seine halbe Größe erreicht hat. Dann geschieht das Wachsthum 
der Radialkanäle nicht mehr passiv durch Verlöthung der Zwischen- 
partien, sondern aktiv durch Weiterwachsen des Entodermschlauches. 
Dieses Wachsthum erfordert auch nicht ein Vorhandensein einer Ento- 
dermlamelle an der entsprechenden Stelle. 

Sobald der Gonophor annähernd seine volle Größe erreicht hat, 
erweitern sich die distalen Enden der Radialkanäle und zwar haupt- 
sächlich lateral. An Querschnitten erkennt man, dass einzelne Zellen 
des Entoderms die Innenfläche des Kanales nicht erreichen, sondern 
sich zwischen den anderen auskeilen. Auf diese Weise wird die seit- 
liche Wand des Radialkanalendes mehrschichtig. Ich bin geneigt anzu- 
nehmen, dass diese Zellen zunächst eine Art Entodermlamelle herstellen, 
indem sie in das Ektoderm, oder besser zwischen die Schichten dessel- 
ben einwandern, und dass erst, nachdem diese Vorhutzellen vorange- 
gangen sind, der Kanal in dieser Richtung hin auswächst und sich mit 
dem Nachbarkanal in Verbindung setzt. Da jedoch hier keine dicke 
Stützlamelle oder Gallertplatte ausgebildet ist und die Zellen alle sehr 
unregelmäßige und schwankende Gestalten haben, lässt sich dies nicht 
mit wünschenswerther Sicherheit erkennen. Sehr bemerkenswerth ist 
es, dass die Kanäle zuerst seitlich verwachsen und es somit ein 
Stadium mit einem Ringkanal giebt, der erst später sich in den platten 
oralen Gastralraum umwandelt. Dass derselbe in der That mit dem 
Ringkanal der craspedoten Medusen zu vergleichen ist, wie ich dies 
oben gethan habe, wird, glaube ich, durch seine Entstehungsgeschichte 
erwiesen. 


Die Medusenknospen. 


Noch bevor der Blastostyl seine volle Größe erreicht hat, treten an 
einzelnen Stellen der ventralen Seite der Radialkanäle, sehr nahe dem 
Ursprung derselben, kleine Ektodermverdickungen auf. Solche finden 
wir an allen vier Kanälen, es kommen jedoch stets nur solche eines 
einzigen Kanales zur Ausbildung. Dieser produktive Kanal ist stets 
einer von jenen beiden, welche in der Längsachse des elliptischen Quer- 
schnittes liegen. 

Die Entodermmasse, welche bald mehrschichtig wird, erhebt sich 
als kugelförmige Vorwulstung über die Kanaloberfläche und erhält zu- 
nächst von außen her eine zarte Chitinkapsel (Taf. XXX, Fig. 20), mit 


Über Coelenteraten der Südsee. IV. 545 


welcher die Knospe selbst nie in Zusammenhang zu stehen scheint, und 
welche von jenen Ektodermzellen gebildet wird, welche den äußeren 
Belag des mit einer doppelten Ektodermschicht versehenen Radialka- 
nales an der betreffenden Stelle zusammensetzen. Nach einiger Zeit 
beginnt auch das Entoderm an der Knospungsstelle in die noch solide 
Masse von Ektodermzellen hineinzuwachsen. Auch hier haben wir es mit 
einer Einstülpung zu thun. Das Anfangs einfache Entodermrohr wird 
bald becherförmig (Taf. XXX, Fig. 20 X), indem das distale Ende des 
Ektoderms der Knospe rasch sich vergrößert und zu einer kugeligen 
Masse wird, die unten und seitlich von einem doppelwandigen Ento- 
dermbecher umhüllt wird. Während sich nun die Knospe vergrößert, 
werden vier in den Interradien gelegene Partien des klaffenden Ento- 
dermbechers durch den Ektodermdruck von innen her verdünnt und 
wandeln sich in eine Entodermlamelle um. Die Kanäle, die auf diese Art 
passiv angelegt worden sind, wachsen nun zugleich mit den übrigen Theilen 
der Knospe, und eben so wächst die Entodermlamelle, gegen 
das orale Endehin. Es entsteht somit wohl die Anlage der Radialkanäle 
durch partielle Verödung und Verdünnung von Entodermpartien, das 
weitere Wachsthum jedoch hat mit einer solchen Rückbildung des 
Entoderms nichts zu thun: es wird vielmehr in allen späteren Stadien die 
Entodermlamelle einschichtig angelegt, wie sie auch persistirt. Erst, 
nachdem die Knospe eine bedeutendere Größe erreicht hat (Taf. XXVIl, 
Fig. 1), beginnen die Radialkanäle seitliche Äste zu treiben, welche sich 
zwischen die gleichzeitig wachsenden Geschlechtsprodukte einschieben. 
Diese Äste erreichen besonders in den männlichen Knospen (Taf. XXXI, 
Fig. 24) eine bedeutende Länge, sie anastomosiren jedoch in keinem 
Falle. Alle tangentialen Astkanäle legen sich in der Entodermlamelle 
an. Das Ringgefäß tritt sehr spät auf, ich habe dasselbe an Knospen 
nur äußerst selten gesehen, woraus geschlossen werden kann, dass die 
Knospen sich kurze Zeit nach Erlangung des Ringkanales, mit welchem 
zugleich die Gehörbläschen angelegt werden, ablösen und als fertige 
Medusen davonschwimmen. Selbst in den frühesten Stadien lässt sich 
eine Andeutung eines Magenstieles nur undeutlich erkennen. 

Die Ähnlichkeit, welche das Kanalsystem mit dem anderer, fest- 
sitzender und nicht medusoider Sporosacs durch die Art seiner Verzwei- 
gung erlangt, wird noch dadurch bedeutend erhöht, dass das Entoderm 
der Kanäle und aller Äste, mit Ausnahme des Ringkanales, aus Zellen 
besteht, die von braunen Pigmentkrümeln völlig erfüllt sind (Taf. XXVII, 
Fig. I). Diese Pigmentmassen gleichen denen, die in dem Entoderm 
der Nährthiere vorkommen, durchaus und glaube ich dieselben eben- 
falls als Exkretionsstoffe deuten zu sollen. Die Masse der Exkretionsstoffe 

Zeitschrift f,. wissensch, Zoologie. XXXVIIH. Bd. 37 


546 R. v. Lendenfeld, 


richtet sich natürlich nach der Lebhaftigkeit des Stoffwechsels und es 
wird desshalb nicht Wunder nehmen, wenn gerade in den Radialkanälen 
der lebhaft wachsenden Medusenknospen sich solche Stoffe anhäufen. 
Wir kommen unten, bei Besprechung der Genitalprodukte auf die histo- 
logischen Details zurück. 

Das Ektoderm, welches anfänglich die Hauptrolle bei der Entwick- 
lung der Knospe spielte, ist späterhin nicht mehr so aktiv. Während 
die äußere Umhüllung sich einfach vergrößert und stets als einfache 
Schicht die Außenseite der Entodermlamelle und der Kanäle bekleidet, 
treten in der centralen Ektodermkugel, welche an der oralen Abgrenzung 
der Knospe Theil nimmt, Lücken auf, die sich alsbald vergrößern, und 
die bald den ganzen Innenraum der Knospe mit Ausnahme dünner Zell- 
fäden, welche ihn durchsetzen (Taf. XXX, Fig. 20 X’), erfüllen. - Auch 
diese Brücken schwinden bald und wir haben dann einen Hohlraum vor 
uns, der nach allen Seiten hin von Ektoderm umgeben ist, und der 
später zur Schirmhöhle der Meduse wird. Die weiteren Veränderungen 
des Ektoderms werden unten besprochen werden. 

Es finden sich zu gleicher Zeit zwei oder drei Medusenknospen im 
Gonophor. Sobald die älteste ausgeschlüpft ist, nimmt die nächste ihren 
Platz ein. Die Knospen legen sich immer centripetal von der jüngsten 
Knospe an und entfernen sich erst später allmählich von ihrer Ur- 
sprungsstelle. x 

Wenn wir die oben beschriebene Entwicklung des Blastostyl und 
der Medusenknospen mit den Angaben früherer Autoren vergleichen, 
so müssen wir einerseits die große Übereinstimmung, welche einzelne 
Stadien mit solchen anderer Medusenknospen bieten, hervorheben, 
andererseits jedoch darauf hinweisen, dass ein wesentlicher Unterschied 
in anderen Stadien nicht zu erkennen ist. Ich sehe hier natürlich von 
der Rückbildung des Manubriums ganz ab. 

Nach der klaren und genauen Schilderung Arınan’s! tritt bei Cory- 
morpha nutans der Ringkanal in einem sehr frühen Stadium auf, bevor 
noch die Enden der Radialkanäle weit aus einander gerückt sind, wäh- 
rend bei Eucopella der Ringkanal der Meduse und der Gastralraum des 
Blastostyl erst angelegt wird, nachdem die Knospe ihre volle Größe er- 
reicht hat. 

Von Sarsia? unterscheidet sich Eucopella hauptsächlich dadurch, 
dass die Radialkanäle von Anfang an ziemlich weit von einander ent- 
fernt sind und durch die dünne, einschichtige Entodermlamelle verbun- 
den werden. 


1 Arıman, Gymnoblastic Hydroids. Bd. I. p. 78. 
2 F. E. SchuLze, Über Syncoryne Sarsii etc. p. 27 ff. 


Über Ooelenteraten der Südsee. IV. 547 


Die Darstellung von L. Acassız ! hat auch für Eucopellamedusen- 
knospen in so fern Gültigkeit, als es ein Stadium giebt, in welchem das 
Entoderm flach becherförmig ist, und dass in der That auch bei Euco- 
pella der Becherrand an vier interradialen Stellen durch den Druck der 
centralen Ektodermpartie verdünnt wird. Abweichend verhält sich 
jedoch die erste Anlage des Blastostyl, wo wir ein Becherstadium ver- 
missen. 

Die Gebr. Herrwie? haben, gestützt auf ihre weit ausgedehnten 
morphologischen Untersuchungen, auf diese und andere embryologi- 
sche Angaben hin, den Satz aufgestellt, dass die Entodermlamelle 
»durch eine Verklebung und Verwachsung der aboralen und oralen 
Entodermwand« entstanden sei. Diese, schon früher von Craus3 auf- 
gestellte Theorie, ist wohl unzweifelhaft für die phylogenetische Ent- 
stehungsweise der Entodermlamelle und des Gefäßsystems der Medusen 
richtig. Jene Entstehungsweise ist jedoch vielfach durch coenogenetische 
Änderungen, welche in der Entwicklung des Individuums Platz gegriffen 
haben, abgeändert worden, so dass in einigen Fällen die ontogenetische 
Entwicklung der Entodermlamelle und Gastralräume keineswegs mehr 
auf dieselbe Weise vor sich geht, wie sich die betreffenden Theile 
phylogenetisch entwickelt haben. 

Es behauptet nämlich keineswegs der Rand jenes Entodermbechers, 
aus dessen partieller Verklebung die Entodermlamelle hervorgegangen 
ist, während der ontogenetischen Entwicklung seine Doppelschichtigkeit, 
sondern es wachsen neben einander die hohlen Radialkanäle und die 
stets einschichtige Entodermlamelle gegen den Schirmrand vor. Der 
Ringkanal ist nicht der Rest des ursprünglich becherförmigen Gastral- 
raumes mehr und stellt nicht mehr den Rand desselben ;dar, sondern 
er wird neu gebildet. 

Es ist demnach für die embryologische, coenogenetisch veränderte 
und von der ursprünglichen Bildungsart verschiedene Entwicklung an- 
zunehmen, dass wohl die erste Anlage der Entodermlamelle auf eine 
solche Verklebung zurückgeführt werden kann, dass aber der ganze 
centrifugale Theil derselben durch ein Fortwachsen dieser Anlage ent- 
standen ist, und somit die ontogenetische Entstehung gerade des peri- 
pheren Theiles des Gastrovascularsystems nicht auf eine partielle 
Verklebung zurückgeführt werden kann. Für die Craus-* und Gebr, 

1 L. Asassız, Contributions nat. history of U. S. Bd. II. p. 190 fi, 

? O0. und R. Hertwic, Der Organismus der Medusen. p. 45. 
3 CLAus, Über Halistemma tergestinum. Arbeiten aus dem zoologischen Insti- 
tut der Universität Wien. Bd. I. p. 26—27. 


* Craus, Polypen und Quallen der Adria. Denkschriften der kaiserl. Akademie 
der Wissenschaften in Wien. 1877. p. 24 u.a. 0. 


37* 


548 R. v. Lendenfeld, 2 


Herrwie’sche 1 Annahme, dass die Entodermlamelle der Acraspeden 
auch bei der individuellen Entwicklung durch Verschmelzung entstehe, 
spricht besonders die von mir bei Cyanea Annaskala? nachgewiesene 
Doppelschichtigkeit der Entodermlamelle an einzelnen Stellen in der 
Nähe ihres Randes, abgesehen von den (l. c.) von Craus und Gebrüder 
Herrwiıc angeführten theoretischen Erwägungen. 

Für die Siphonophoren hat Craus 3 den direkten Nachweis erbracht, 
dass die Schwimmglocken wenigstens sich derart entwickeln, dass der 
anfänglich tief becherförmige Gastralraum durch interradiale Zusammen- 
pressung der Wände in die bleibende Form mit vier Radialkanälen um- 
gewandelt wird. Jedoch wird auch dort der Ringkanal nicht als letzter 
Rest des embryonalen Becherrandes anzusehen sein, da er sich erst 
anlegt, nachdem die Radialkanäle bereits gesondert sind, so dass für 
die Entstehung des Ringkanales so wie der distalen Partien der Radial- 
kanäle nicht eine Verlöthung der angrenzenden Partien als Ursache an- 
gesehen werden kann. 

Wenn, wie dies wohl unzweifelhaft ist, in allen diesen Fällen die 
Entodermlamelle phylogenetisch aus der Verklebung zweier, ursprüng- 
lich getrennter Lamellen entstanden ist, wird sie selbst als rudimentäres 
Organ anzusehen sein. Wir müssen dann die nachträgliche, nicht durch 
partielle Verklebung bewirkte Entstehung des peripheren Theiles des 
Gastrovascularsystems, wie oben erwähnt, als neu erworbene coenoge- 
netische Bildungsart der peripheren Kanäle, der palingenetischen Ent- 
stehungsart des proximalen Theiles des Gefäßsystems gegenüber stellen. 
Es kann nun aber die Anpassung noch weiter gehende Umänderungen 
hervorrufen, wobei wir einen immer größeren Theil des Kanalsystems 
auf die coenogenetische Art entstehen sehen. Dies geht mit einer Er- 
niedrigung und Abflachung des embryonal angelegten Entodermbechers 
Hand in Hand, und da kann es gar wohl geschehen, dass ein Becher- 
stadium überhaupt nicht mehr zur Ausbildung gelangt, sondern das 
ganze Kanalsystem auf coenogenetische Weise durch die Ausstülpung 
und das weitere Wachsthum von Hohlknospen angelegt wird, während 
die Entodermlamelle nebenher weiter wächst, ja selbst schwinden kann. 

Wir treffen verschiedene kanalführende Hydromedusen (Craus) in 
verschiedenen Stadien dieser Umbildung an, was wohl die Differenz in 
den Beobachtungen erklärt. Der Blastostyl von Eucopella ist ein Beispiel 
einer weitgehenden Umgestaltung der ursprünglichen Wachsthumsweise 


1 0, und R. Herrwic, Der Organismus der Medusen. p. 47. 

? R. v. LENDENFELD, Cyanea Annaskala. Diese Zeitschr. Bd. XXXVII. p. 490. 

3 Craus, Über Halistemma tergestinum. Arbeiten aus dem zoologischen Institut 
der Universität Wien. Bd. I. p. 26, 37. 


Über Ooelenteraten der Südsee. IV. 549 


in dieser Richtung, da es bei denselben nicht zur Bildung eines Ento- 
dermbechers kommt, und weil hier die Entodermlamelle im Laufe der 
Entwicklung verloren geht. 


Die Geschlechtsstoffe. 


Da die Meduse vollkommen fertig und beladen mit reifen Ge- 
schlechtsprodukten den Gonophor verlässt, müssen wir dieselben hier 
besprechen. 

Die Eier werden im CGoenosark der Hydrorhiza gebildet und sind 
umgebildete Entodermzellen, die in die Medusenknospe einwandern. 
Die Spermatozoen werden in Spermatophoren erzeugt, welche selbst 
nichts Anderes sind als umgewandelte Ektodermzellen der Medusen- 
knospe, welche die ventrale Seite der Radialkanäle überkleiden. Es 
stimmt somit Eucopella mit den Gampanulariden, was die Ursprungs- 
stätte der Geschlechtsstoffe anbelangt, überein. 


Die Eier. 

Fraipont! hat entdeckt, dass die Eier von Gampanularia angulata 
und flexuosa aus gewöhnlichen Entodermzellen des Coenosark ent- 
stehen. Er giebt nämlich an, dass sich einzelne Zellen finden, die 
durch ihre Größe und durch den Mangel einer schwingenden Gilie sich 
von gewöhnlichen Entodermzellen unterscheiden, und dass diese die 
jungen Eizellen sind. Er beschreibt weiter, dass diese Zellen in die 
Tiefe rücken und schließlich subepithelial werden. 

Weısmann ? hat für Gonothyraea Loveni ähnliche Angaben gemacht. 

Meine Beobachtungen stimmen mit jenen Fraıont’s vollkommen 
überein. Der wesentlichste Unterschied zwischen den Verhältnissen bei 
CGampanularia angulata und flexuosa einerseits und bei Eucopella anderer- 
seits besteht darin, dass bei letzterer niemals Eizellen im Stiel des 
Gonophors sondern ausschließlich in der Hydrorhiza gebildet werden. 
Die Eizellen entstehen auf die Weise, dass (Taf. XXX, Fig. 16) einzelne 
Entodermzellen des Coenosark ihre Cilien verlieren und sich mit dich- 
tem Plasma erfüllen, wobei die braunen Körnchen, welche in den ge- 
wöhnlichen Entodermzellen vorkommen, stets ausgestoßen werden. 
Solche Zellen enthalten bereits ein viel tinktionsfähigeres Plasma. Das 
Plasma hat also schon seine Eigenschaften geändert und sich in Eiplasma 
verwandelt, ehe die äußere Form der Zelle verändert wurde. Hierauf 


I FrAımont, Origine des Organes sexuels chez les Campanularides. Zool. An- 
zeiger. Nr. 54. p. 437, 

2 WeEIsmAnn, Zur Frage nach dem Ursprung der Geschlechtszellen bei den Hy- 
droiden,. Zool. Anzeiger. Nr. 55. p. 229. 


550 R. v. Lendenfeld, 


nimmt die Zelle Kegelgestalt an, und während dasjenige Ende dersel- 
ben, welches der Stützlamelle anliegt, sich ausbreitet, verschmälert sich 
das andere Ende immer mehr und mehr, bis es endlich ganz unter die 
Oberfläche der benachbarten Zellen herabsinkt. Diese breiten sich über 
die in die Tiefe gerückte Entodermzelle, die nun subepithelial geworden 
ist, aus und die so entstandene junge Eizelle (Taf. XXX, Fig. 16 E, 17) 
beginnt nun ihre Wanderung. Die Eizelle wird hierbei amöboid und 
kriecht unter den Entodermzellen der Stützlamelle entlang. Der Kern 
hat während dieser Vorgänge fortwährend an Größe zugenommen und 
ist bald als Eikern kenntlich geworden. Diese Darstellung weicht von 
der FraIponT’s nur in so fern ab, als bei den von ihm beobachteten Cam- 
panularien diejenigen Entodermzellen, welche sich in Eier umwandeln, 
sich zunächst bedeutend vergrößern und erst dann in die Tiefe rücken, 
was bei Eucopella nicht der Fall ist. 

Auf der Wanderung gleichen die Eizellen flachen Amöben mit 
lappenförmigen Pseudopodien. Am Querschnitt (Taf. XXX, Fig. 20) 
sind sie mehr oder weniger spindelförmig. Der Kern liegt in der cen- 
tralen verdickten Partie. Während der Wanderung nehmen sie an 
Größe nicht zu: alle Eizellen, die man anderwärts als an ihrem Be- 
stimmungsorte findet, sind vielmehr annähernd gleich groß (Taf. XXX, 
Fig. 20). 

Abweichend hiervon verhalten sich die Eizellen von Plumularia 
fragilis 1, welche nicht in das Subepithel herabrücken, sondern epithelial 
bleiben und während der Wanderung an Größe zunehmen. WeEIsmann 2 
hat für die Bewegung der Eier von Eudendrium auf eine eben so ein- 
fache wie geniale Weise nachgewiesen, dass sich dieselben aktiv be- 
wegen. Er hat auch Eizellen von amöbenförmiger Gestalt aufgefunden. 
Ich zweifle nicht, dass auch die Eier von Eucopella aktiv wandern, 
wenngleich hier die älteren Medusenknospen von dem Coenosark weiter 
abstehen als die jüngeren und somit das von Eudendrium gebotene Kri- 
terium (WEISMAnN, 1. c.) hier fehlt. 

Da ich nur im Coenosark der Hydrorhiza, jedoch nie im Gonophoren- 
stiel, in den Medusenknospen oder im Blastostylentoderm Zellen 'aufge- 
funden habe, welche im Begriffe gewesen wären sich in Eizellen zu 
verwandeln, so nehme ich an, dass dieselben ausschließlich in der 
Hydrorhiza entstehen. 

Wandernde Eizellen trifft man in allen Theilen der weiblichen, 


1 Hamann, Der Organismus der Hydroidpolypen. Jen. Zeitschr. Bd. XV. p. 504 
bis 502. Taf. XXV, Fig. 3. 

2 WEISMANN, Über den Ursprung der Geschlechtszellen bei den Hydroiden. 
II. Zool. Anzeiger. Nr. 64, p. 368. 


Über Coelenteraten der Südsee. IV. 551 


Gonophoren-tragenden Stöcke, mit Ausnahme der Nährithiere und ihrer 
Stiele an. Es lässt sich demnach nicht entscheiden ob bestimmte Ento- 
dermbezirke der Hydrorhiza bestimmte Gonophoren versorgen. Jeden- 
falls zeigt die Thatsache, dass in allen Theilen des Goenosarkentoderms 
Eizellen entstehen, dass eine solche Lokalisirung, wenn vorhanden, 
mehr zufälliger Natur sein würde. 

Besonders verdient es hervorgehoben zu werden, dass wandernde 
Eizellen unter dem entodermalen Epithel der Radialkanäle und des 
Gastralraumes des Blastostyl eben so reichlich vorkommen, wie in der 
Hydrorhiza, obwohl sie dort nicht entstehen, und diese Theile nicht in 
der, von den Eizellen auf ihrem Wege vom Coenosark zur Medusen- 
knospe zurückzulegenden Bahn liegen (Taf. XXX, Fig. 20). Es muss 
daher angenommen werden, dass diese Eizellen ihren Weg verfehlt 
haben und es lässt sich aus ihrem Vorhandensein schließen, dass die im 
CGoenosark entstehenden Eizellen in der Richtung ihrer Wanderung im 
Coenosark durch das Gonophor vielleicht bestimmt werden können, dass 
aber im Gonophor selbst ein zielloses Umherwandern anzunehmen sei, 
und dass nur jene jungen Eizellen sich ausbilden, welche zufällig 
in eine Medusenknospe gelangen. 

Auch in der Medusenknospe selbst scheint das Wandern der Ei- 
zellen ein ziemlich zielloses zu sein, da in der fertigen Meduse stets 
amöboide und kleine, junge Eizellen unter dem Dorsalepithel der 
Radialkanäle angetroffen werden, welche entweder ihren Weg verfehlt 
hatten, oder aber in die Knospe eingerückt waren, als alle Eiplätze 
bereits besetzt waren. Würden wir einen Reiz annehmen, der von der 
Medusenknospe ausgeht und die Eier veranlasst in dieselbe hineinzu- 
wandern, so wäre wohl auch die Annahme gerechtfertigt, dass dieser 
Reiz aufhört, sobald die Knospe ihre Ladung von Eizellen erhalten hat. 
Für die Wanderung in der Hydrorhiza lässt sich desshalb eine gewisse 
Anziehungskraft der Gonophoren mit einiger Wahrscheinlichkeit an- 
nehmen, weil die Nährthierstiele frei von Eizellen bleiben. 

Erst wenn die Eizelle unter die Ventralwand eines der zu dieser 
Zeit noch einfach cylindrischen Radialkanäle einer Medusenknospe ge- 
langt, zieht sie ihre Pseudopodien ein und beginnt sehr rasch an Größe 
zuzunehmen. Sie liegt zwischen dem Kanalepithel und der Stützlamelle. 
Die Eizellen ordnen sich in zwei Reihen an, die ventral und seitlich dem 
Kanale entlang laufen (vergleiche die Abbildungen der Medusen). An- 
fänglich ist ihr Querschnitt noch spindelförmig (Taf. XXX, Fig. 20), 
später jedoch baucht sich der centrale Theil aus und die Eizelle nimmt, 
lange bevor sie ihre volle Größe erreicht hat, Kugelgestalt an. Hand in 
‚Hand mit dem Wachsthum der Eier geht auch ein allseitiges Wachsthum 


552 R. v. Lendenfeld, 


des Entoderms der Radialkanäle, wodurch deren Fläche bedeutend ver- 
erößert wird. Es schmiegt sich die Kanalwand eng an die Eizellen an 
und es erweitert sich das Lumen derselben nach allen Richtungen hin, 
wo dem Weiterwachsen des Epithels keine Hindernisse in dem Wege 
stehen. Der Vorgang ist mit dem Einblasen von Glas in eine Form zu 
vergleichen. Es entstehen auf diese Art zahlreiche unregelmäßige Blind- 
säcke, die sich zwischen die Eizellen einschieben. Diese Vorgänge, 
welchen wir in festsitzenden Sporosacs anderer Hydroiden ebenfalls be- 
gegnen, bewirken eine außerordentliche Vergrößerung der Kon- 
taktfläche von Ei und Entodermepithel (Taf. XXX, Fig. 18, 19). Für 
die Ernährung des Eies ist dies natürlich von dem größten Vortheile, 
da die ganze Nahrungszufuhr durch die Entodermzellen vermittelt wird. 
Alle Entodermzellen sind stets von braunen Pigmentkrümeln erfüllt. 
Von einer Differenzirung dieser Eiernährungszellen in Palissadenzellen, 
wie wir solchen bei Acraspeden an der entsprechenden Stelle begegnen, 
ist keine Spur vorhanden. Was dort durch hohe Ausbildungeiner 
kleinen Zellengruppe erzielt wird, wird bei Eucopella und den 
festsitzenden Sporosacs durch die Heranziehung einer größeren 
Zahl nicht differenzirter Elemente zur Eiernährung, erreicht. 


Die fertige Eizelle ist kugelförmig und besitzt eine dicke hyaline 
Eihaut (Taf. XXXI, Fig. 30). Das Plasma ist an sich ziemlich durch- 
sichtig, nur in der Umgebung des Kernes häuft sich dichteres, stärker 
tingirbares Plasma an. Die ganze Eizelle ist, mit Ausnahme der Um- 
gebung des Kernes ganz von größeren und kleineren Dotterkörnchen 
erfüllt. Sie erreicht einen Durchmesser von 0,25 mm. Der Kern liegt 
stets dem Radialkanal genähert, er ist sehr groß und scheint sich leb- 
haft zu bewegen, da die dem Kanal zugewandte Seite stets Unebenheiten 
aufweist, aus welchen man auf einen gewissen Grad von amöboider 
Bewegung des Kernes schließen kann. In demselben finden sich zwei 
oder drei Nucleoli, von denen einer sich durch seine Größe auszuzeichnen 
pflegt und mehrere glänzende Körnchen enthält. 


Die Spermatozoen. 


Derselbe wesentliche Unterschied, welcher in der Art des Ur- 
sprunges zwischen männlichen und weiblichen Geschlechtsstoffen bei 
vielen Hydroiden beobachtet worden ist, tritt uns auch bei Eucopella 
entgegen. Die Spermatozoen entstehen aus dem Ektoderm, welches die 
Radialkanäle männlicher Medusenknospen auf ihrer ventralen Seite be- 
kleidet, und welches seinerseits, wie aus der Entwicklungsgeschichte 
der Medusen erhellt, von dem Ektoderm der ventralen Seite der Radial- 


Über Ooelenteraten der Südsee. IV. 553 


kanäle des Blastostyl stammt. Für Gampanulariden haben Fraıponrt ! 
und Weısmann 2 angegeben, dass die Hodenanlage aus einem Theile der 
centralen Ektodermmasse der Medusenknospe hervorgehe. Es stimmt 
demnach unsere Eucopella mit den von diesen Forschern untersuchten 
Campanulariden überein. 

Um die Zeit, wann die letzten Gewebebrücken im Lumen der Me- 
duse schwinden, nehmen wir die ersten Veränderungen in jenen vier 
perradialen Streifen des subumbralen Ektodermepithels wahr, deren 
Elemente sich später in Spermatophoren umwandeln. 

Die anfänglich von hyalinem, durchsichtigen, und nicht tingirbarem 
Plasma erfüllten Zellen, welche die Radialkanäle ventral überwölben 
(Taf. XXX, Fig. 21 s), verändern sich in erster Linie derart, dass ihr 
Plasma dunkler und opaker wird und sich in Alaunkarmin diffus 
färbt (Fig. 21 B). Die Kerne verändern sich hierbei noch nicht. Nun 
beginnen die Zellen in die Länge zu wachsen (Fig. 22 A) und der, an- 
fänglich der freien Oberfläche zunächst liegende Kern kommt in die 
Mitie der Zelle zu liegen, wobei sich eine Größenzunahme desselben 
konstatiren lässt. Diese Samenmutterzellen besitzen starke Zellhäute, 
welche eine cuticulare Beschaffenheit erlangen, und welche sich von 
nun an zwar fortwährend vergrößern, aber an der Theilung des Zell- 
inhaltes keinen Antheil nehmen. Sie nehmen genau auf dieselbe Weise 
an Größe zu, wie die Eihäute, denen sie homolog sind. 

Nachdem die Zellen sich beträchtlich in die Länge gezogen haben 
und gestreckt-keilförmig geworden sind, beginnen sich die Kerne zu 
theilen und es ziehen die Tochterkerne sogleich Theile des Plasmas zu 
sich heran, wodurch helle, leere Linien zwischen den Tochterzellen an. 
Osmiumpräparaten hervorgerufen werden. Diese Linien sind die Zell- 
grenzen. Die weitere Theilung geht rasch vor sich und mit ihr zugleich 
sehen wir auch die Spermatophoren sich rasch vergrößern. Auch jetzt 
geht die Theilung auf dieselbe Weise vor sich, wie zu Anfang. 

Nachdem die so entstandenen Spermazellen sehr zahlreich gewor- 
den sind, beginnen sie gegen die Wände des Spermatophors hin aus 
einander zu weichen und es findet sich dann in der Mitte desselben ein 
Hohlraum, der mit der Furchungshöhle zu vergleichen ist, und eine 
mehrfache wandständige Schicht von Zellen. Diese Zellen haben sich 
während ihrer Wanderung nach der Peripherie hin auf die Weise in 
Spermatozoen umgebildet, dass der Zellkörper sich zusammenzog und 


1 FrAIponT, Origine des Organes sexuelles chez les Hydroides. Zool. Anzeiger. 
Nr. 54. p. 436. 

2 WEISMANN, Über den Ursprung der Geschlechtszellen bei den Hydroiden. Zool. 
Anzeiger. Nr. 55. p. 229, 


554 R. v. Lendenfeld, 


hierdurch kleiner und dichter wurde, und dass er den Schwanz er- 
zeugte. Da sich der Schwanz während der Wanderung anlegt, so ist 
einleuchtend, dass er die Richtung des Weges des Spermakopfes ein- 
nehmen muss, da sich der wandernde Kopf aktiv durch die Umgebung 
durchdrängt und der noch unbewegliche Schwanz passiv nachge- 
schleppt wird. 

Der reife Spermatophor (Taf. XXX, Fig. 28) enthält also einen 
inneren Wandbeleg von Spermaköpfchen, deren Schwänze den Innen- 
raum einnehmen, und im Allgemeinen radial verlaufen. Die Spermato- 
zoen selbst (Taf. XXX, Fig. 29) haben einen abgeplatiet, keilförmigen, 
in dem vorderen Dritttheil schwach eingeschnürten Kopftheil, an dessen 
Breitseite der Schwanz schief inserirt ist, so zwar, dass er gegen den 
verbreiterten Theil hin geneigt erscheint. Der Kern hat dieselbe Gestalt 
wie der Kopf und füllt denselben in solchen Exemplaren, die von noch 
ungeborenen Medusen stammen, nicht ganz aus; erst später wird die 
Plasmahülle des Kernes undeutlich. Der Schwanz ist sehr lang und 
lässt sich kein dickerer Anfangstheil in demselben erkennen, er verdünnt 
sich vielmehr kontinuirlich gegen das Ende hin. 

Die Spermatophoren nehmen den ganzen Raum der reifen Knospe 
ein (Taf. XXX, Fig. 24, 25) und platten sich die mächtigen, perradialen 
Wülste, welche sie bilden, gegenseitig ab, so dass die Länge und Ge- 
stalt der Spermatophoren eine schwankende wird. 


Die Radialkanäle entsenden tangentiale und radial verlaufende 
Zweige, die sich zuweilen selbst wieder einfach verzweigen um die 
Kontaktfläche mit den Spermatophoren zu vergrößern. Da die Letzteren 
‚allen Theilen des Kanalsystems in gleicher Weise aufsitzen, so wird 
natürlich die Gestalt jedes Einzelnen um so mehr prismatisch, und seine 
basale Berührungsfläche demnach um so größer, je reichlicher die 
Kanäle sich verzweigen. Die Zweige erreichen nie einen so bedeutenden 
Durchmesser als die Radialkanäle, sie sind von dem nämlichen Epithel 
ausgekleidet wie diese und auch hier erscheinen alle Entodermzellen 
von braunen Pigmentkörnchen völlig erfüllt. 


Die eigenthümliche, von den Kanälen ausgehende radiale Streifung in 
der Samenmasse (Taf. XXX, Fig. 24, 25), welche sowohl in der Ober- 
flächenansicht als auch besonders am Querschnitt (Fig. 25) sehr intensiv 
ist, wird dadurch verursacht, dass die Seitenwände der Spermatophoren 
radial liegen und sich die Köpfchen der Spermatozoen an sie an- 
schmiegen. 


Diese Art der Spermabildung stimmt mit den Beobachtungen an 
anderen Thieren nahe überein. Von der Theilung der am genauesten 


Über Ooelenteraten der Südsee, IV. 555 


studirten Samenmutterzelle des Salamanders ! ist der Vorgang in unse- 
rem Falle nur in so fern verschieden, als die entstehenden Kerne sich 
mit Plasmaklumpen umhüllen und somit die Plasmatheilung nicht viel 
später eintritt als die Kerntheilung, während beim Salamander eine große 
Anzahl von Kernen entsteht, und sich dann erst das Plasma zu theilen 
beginnt, wenn die Kernvermehrung ganz aufgehört hat. Auch die 
Spermatozoen des Regenwurms? bilden sich in ähnlicher Weise, indem 
der Kern sich theilt und gleichzeitig eine partielle Furchung des Plasmas 
eintritt. Die völlige Sonderung der Spermazellen tritt erst ein wenn 
dieselben reif werden, also nachdem die Kerntheilung vollendet ist. 

Bei den Coelenteraten sind es vor Allem die Spongien ®, bei denen 
die Entwicklung der Spermatozoen genauer verfolgt worden ist. Sie 
stimmt ziemlich nahe mit der unseres Hydroiden überein, indem wir es 
bei derselben mit einer echten Zelltheilung, wobei der Kern die Hauptrolle 
spielt, zu thun haben. Wesentlich verschieden hiervon sind jedoch nach 
der Angabe Hrıper’s* die Verhältnisse bei den Actinien, wo sich zuerst 
das Plasma theilt, hernach der Kern schwindet und dann neue Kerne in 
den Samenzellen entstehen. 

Unter den Hydroiden sind vorzüglich Laomedea 5 und Cordylophora ® 
auf die Spermatozoenentwicklung untersucht worden. In beiden Fällen 
bilden sich dieselben in einer Zellenmasse, in welcher man weder Zell- 
grenzen noch Kerne erkennen kann. Arıman (l. c.) erklärt diese Masse 
für anfänglich völlig homogen, und beschreibt, wie sie später in zahl- 
reiche Kugeln zerfällt, die sich dann in Spermatozoen umbilden und die 
zuletzt eine radiale Anordnung erlangen. Arıman hält den Druck für 
die Ursache dieser Anordnung, es erscheint dies jedoch nicht statthaft, 
da nur ein in bestimmter Richtung wirkender Druck die Lage länglicher 
Körper determiniren kann, und weil in einer halbflüssigen Masse, die 
in einer weichen Hülle eingeschlossen ist, jeder Druck allseitig wirken 
muss. Überdies könnte der Druck nur auf die Lage, jedoch nie auf die 
Anordnung der Spermatozoen Einfluss nehmen, und gerade die Anord- 
nung derselben ist es, welche die Radialstreifen verursacht. Ich möchte 


1 W, Fremming, Beiträge zur Kenntnis der Zelle und ihrer Lebenserscheinungen. 
II, 3. Abschnitt. Archiv für mikr. Anatomie. Bd. XVII. p. 233 ff. 

2 BLOOMFIELD, On the development of the Spermatozoa. Quarterly Journal of 
mikroscopical science. Bd. XX. p. 82 ff. 

3 F.E, SchuLzE, Über den Bau und die Entwicklung der Spongien. Diese 
Zeitschrift. Bd. XXVII. p. 25. 

4 v. HeiDer, Cerianthus membranaceus. Sitzungsber. der k. Akademie der 
Wissenschaften in Wien. Bd. LXXIX. 4. Abth. p. 40—4A. 

5 ALLMAN, Gymnoblastic Hydroids. Bd. I. p. 65. 

6 F. E. SchuLze, Cordylophora lacustris. p. 35. 


556 -R v. Lendenfeld, 


vielmehr annehmen, dass es sich bei Laomedea gerade so verhält wie 
bei Eucopella, und dass die radiale Streifüng in der Spermamasse da- 
durch hervorgerufen wird, dass sich die Köpfchen der Spermatozoen an 
die radial laufenden Seitenwände der Spermatophoren anlegen, die 
möglicherweise wegen ihrer Zartheit der Beobachtung entgangen sind. 


Ein wesentlicher Unterschied zwischen den Spermaballen von 
Eucopella und jenen anderer Hydroiden besteht, wie aus der geschil- 
derten Entwicklungsweise hervorgeht, darin, dass bei Eucopella die 
Spermatophoren, das heißt die samenhaltigen Zellhäute, epithelial 
liegen (Taf. XXXI, Fig. 25), während sie sonst stets eine subepitheliale 
Lage einnehmen und außen von einer Schicht gewöhnlichen Plattenepi- 
thels oder differenzirteren Nesselepithels umschlossen werden. 


Die Meduse. 


Wenn die größte vom Gonophorenstiel am weitesten abstehende 
Knospe ausgebildet ist, lösen die Chitinzellen den oberen Theil einer 
der Breitseiten der Gonotheca auf, die Meduse schnürt sich vom Radial- 
kanale des Blastostyl ab und wird durch die Kontraktionen, welche der 
Blastostyl ausführt, sammt der zarten Chitinkapsel, die die Knospe um- 
giebt, durch die Öffnung, welche in der Gonotheca erzeugt worden war, 
ausgestoßen. Die Kontraktionen, welche vom Blastostyl ausgeführt wer- 
den, können nur von den Radialkanälen desselben ausgehen. Ich habe 
oben Längsmuskeln in denselben beschrieben und zweifle nicht, dass 
durch die Thätigkeit derselben der Geburtsakt vollzogen wird. 


Die junge Meduse sinkt, in die Chitinkapsel gehüllt, nun zu Boden 
und beginnt bald mit dem Schirm lebhafte Kontraktionen auszuführen. 
Nach einer halben Stunde etwa gelingt es derselben der Chitinkapsel los 
zu werden und sie schwimmt nun eine Zeit lang umher. Die männlichen 
Medusen beginnen bald nach der Geburt, in 2 bis 4 Stunden, im Aqua- 
rium die Genitalprodukte, welche die Schirmhöhle erfüllen, abzulegen, 
indem die Spermatophoren bersten und Wolken von Samenthierchen 
bei jeder Schirmbewegung austreten. Bald sind die Medusen auch, es 
währt der Process eine halbe bis anderthalb Stunden, ihrer Geschlechts- 
stoffe ledig und schwimmen dann noch kurze Zeit umher, im Aquarium 
lebte keine länger als 42 Stunden. Die weiblichen Medusen beginnen 
ihre Eier erst viel später abzulegen und es dauert die Ablage derselben 
auch weit länger als die der männlichen Geschlechtsprodukte. 6 bis 
8 Stunden nach der Geburt beginnt dieselbe und dauert ungefähr eben 
so lange. Das weibliche Thier lebt auch nach der Ablage noch längere 
Zeit fort. Ich habe an 24 Stunden alten Weibchen, welche regungslos 


Über Coelenteraten der Südsee. IV. 557 


und scheinbar todt am Boden des Aquariums lagen, durch Reizung noch 
Kontraktionen hervorbringen können. 

Die Eier werden stets einzeln abgelegt. Ich kann nicht mit Sicher- 
heit konstatiren, ob dieselben innerhalb des Weibchens oder im See- 
wasser befruchtet werden, da meine Beobachtungen an Eucopella im 
Aquarium kaum einen sicheren Schluss auf die Verhältnisse im freien 
Meere gestatten. Ich habe Medusen, sowohl von dickbecherigen wie von 
dünnbecherigen Stöckchen erhalten und keinen Unterschied zwischen 
beiden auffinden können. 

Unsere Meduse hat im Leben, wenn sie mit Genitalprodukten be- 
laden umherschwimmt, eine hoch glockenförmige Gestalt (Taf. XXVII, 
Fig. 2). Nach dem Ablegen der Geschlechtsprodukte jedoch nimmt sie 
die gewöhnliche kugelige Eucopidengestalt an, eine Formveränderung, 
die durch die Erschlaffung der subumbralen Cirkulärmuskeln zu er- 
klären ist. Die beiden Geschlechter unterscheiden sich äußerlich nicht 
von einander. Da ich bereits in der Einleitung die Meduse beschrieben 
habe, kann ich hier gleich auf das Detail eingehen. 


Der Schirm. 


Der Schirm ist ziemlich mächtig und in allen Theilen von annähernd 
gleicher Dicke. Der Subumbralfläche genähert liegt die Entoderm- 
lamelle. Die Gallerte entbehrt sowohl der Zellen wie auch jener Fibril- 
len, die bei anderen Craspedoten dieselbe zu durchziehen pflegen. An 
den Begrenzungsflächen der Gallerte lässt sich keine Stützlamelle nach- 
weisen, und ich bin geneigt anzunehmen, dass es bei dieser so außer- 
ordentlich kleinen Meduse überhaupt noch nicht zu einer Differenzirung 
von Gallerte und Stützlamelle gekommen ist, dass wir es hier vielmehr 
mit einer Gallerte zu thun haben, welche nichts Anderes ist als eine 
verdickte Stützlamelle. 

Am aboralen Pole ist die Gallertlage so stark verdünnt, dass sich 
hier die angrenzenden Epithelien fast berühren (Taf. XXXI, Fig. 27). 
Es findet sich dieser Verdünnung entsprechend an der Außenseite eine 
nabelförmige Einziehung. Diese ist in der That ein Nabel, denn hier war 
die Meduse mit dem ernährenden Blastostyl in Verbindung. Als sich die 
Meduse losgelöst hatte hörte natürlich jede Nahrungszufuhr auf und es 
konnte daher an dieser Stelle keine Gallerte mehr gebildet werden, 
wesshalb der Nabel persistirt. Die Gallerte zieht mit unveränderter 
Dicke über die Radialkanäle hinweg, ohne dass sie sich etwa in den 
interradialen Meridianen nach innen ausbauchte, so dass die Radial- 
kanäle in die Schirmhöhle hinein vorragen. Während der Kontraktion 
des Schirmes wirft die Gallerte meridianale, nach außen vorspringende 


558 R. v. Lendenfeld, 


Falten auf, deren Lage regelmäßig und prädisponirt ist. Es verhält sich 
in dieser Beziehung Eucopella eben so wie Gunina. Eine leichte Ver- 
dickung weist die Gallerte auch hinter dem Radialkanale auf. Dieser 
Randring ist gewissermaßen als Hauptstütze der Meduse anzusehen. 
Die Entodermlamelle entfernt sich dicht oberhalb des Ringgefäßes 
(Taf. XXXIL, Fig. 35) von der Subumbralseite der Gallerte. Der ventral 
von der Entodermlamelle liegende Theil derselben ist von dem dorsalen 
nicht verschieden. Am Schirmrande geht die Gallerte kontinuirlich in 
die außerordentlich starke Stützlamelle des Velum über. Der Radius 
des verdickten Randringes ist etwa halb so groß als der Radius des 
Schirmes in seiner erweiterten unteren Hälfte (Taf. XXVIL, Fig. 2). Es 
erscheint der Schirm daher am Rand sehr stark eingezogen. 

Das Epithel der Exumbrella, zu welchem auch die Bekleidung der 
Unterseite des Velum und die Gehörblasen, so wie der äußere Nerven- 
ring zu zählen sind, hat bei unserer Meduse einen außerordentlich hohen 
Grad der Differenzirung erreicht. Auf der Höhe jener Falten, welche 
die Gallerte bei der Systole der Umbrella bildet, so wie in einem ring- 
förmigen Bezirke am Schirmrande, besteht das Ektoderm aus zwei 
Schichten und eben so sind die Gehörblasen aus zwei Zellschichten 
gebildet. Alle anderen Partien werden von scheinbar einfachem, ein- 
schichtigen Plattenepithel bekleidet (Taf. XXXII, Fig. 31, 32, 35). 

An jenen meridianalen doppelschichtigen Streifen so wie an dem 
Nervenringe ist die oberflächliche Schicht ein hohes Nessel- und Sinnes- 
epithel und wird die subepitheliale Schicht aus Nervenfasern, Ganglien- 
zellen und Nesselkapselbildungszellen zusammengesetzt. Wir haben es 
also mit einem »oberen« exumbralen Nervenringe zu thun, von dem 
zahlreiche exumbrale Nerven in meridianaler Richtung 
abgehen. Wir wollen zunächst den Nervenring besprechen. 

Der Ringnerv besteht aus sehr zahlreichen, der Gallerte dicht an- 
liegenden, feinen, cirkulären Nervenfasern, zwischen welche zahlreiche 
bipolare und auch einzelne uni- und tripolare kleine Ganglienzellen ein- 
gebettet sind (Taf. XXXIL, Fig. 32, 33 R). Am Querschnitt erkennt man, 
dass die Nervenfibrillen die tiefere Lage einnehmen, und dass ihnen die 
Ganglienzellen außen anliegen. Er erreicht eine Dicke von 0,003 und 
eine Breite von etwa 0,03 mm, in seinem Verlaufe finden sich keinerlei 
ganglienartige Anschwellungen. Die tripolaren Ganglienzellen scheinen 
ausschließlich an jenen Stellen vorzukommen, wo die radialen Exum- 
bralnerven von demselben abzweigen (Taf. XXXIlI, Fig. 32 G;). 

Die meridianalen Nerven sind in ihrem feineren Bau von dem 
Ringnerven gar nicht verschieden (Taf. XXX, Fig. 32 N). An ihrer 
Ursprungsstelle erreichen sie etwa den halben Durchmesser des Ring- 


Über Goelenteraten der Südsee. IV. 559 


nerven. Sie bleiben bis in die Nähe des Aboralpoles von fast unver- 
änderter Breite, erst dort werden sie rasch schmäler. Es macht den 
Eindruck, als ob ihre Enden unter einander anastomosirten. Am Aboral- 
pol selbst finden sich keine Nerven. Solcher Nerven finden wir an der 
Exumbrella 30 bis 40. 

Sowohl von dem Ringnerven, wie auch von den Exumbralnerven 
strahlen feine, hier und da kernhaltige, der Exumbrella dicht anliegende, 
schwach verästelte Fäden aus, die wohl als Nervenfäden gedeutet wer- 
den könnten (Taf. XXXII, Fig. 32 n). 

Der Ringnerv ist demnach von der entsprechenden Bildung anderer 
Vesiculaten in seinem feineren Baue nicht wesentlich verschieden, wenn 
er gleich nicht jene bedeutende Ausdehnung in der Fläche erkennen 
lässt, welche Gebrüder Herrwıc! am Ringnerv von Aequorea Forskalea 
nachgewiesen baben. Die meridianalen Nerven der Exumbrella sind 
jedoch Bildungen, welche bei anderen Eucopiden nicht vorzukommen 
scheinen, und welche ich für homolog mit dem Subepithel der Nessel- 
streifen einiger Aeginiden und der Geryoniden halte. 

Das Epithel, welches kein Subepithel ausgeschieden hat, mithin 
jene Felder der Exumbrella bekleidet, welche zwischen den meridiana- 
len Nerven liegen, besteht aus den gewöhnlichen platten, von einem 
Plasmanetze durchzogenen Deckzellen, deren Kerne oberflächlich liegen, 
und die der Cilie entbehren. Die Oberseite (Außenseite) des Velum 
wird ebenfalls von den gleichen Deckzellen bekleidet. Sehr verschieden 
jedoch hiervon ist das Epithel, welches den Ringnerven und die Radial- 
nerven überzieht. Dieses besteht nämlich aus sehr hohen schmalen 
Cylinderzellen und setzt sich aus Stütz-, Sinnes- und Nesselzellen zu- 
sammen. Die Stützzellen gehen zu beiden Seiten, indem sie allmählich 
niedriger und breiter werden, in das angrenzende Deckepithel über. 
Nur in der Mitte des Wulstes, welcher durch die Erhöhung des Epithels 
und Ausscheidung eines Subepithels in den Regionen des Ring- und 
der Radialnerven entsteht, treten zwischen den Stützzellen die beiden 
anderen Zellenarten auf. Die Zellen sind nicht so lang und schmal wie 
die Oberflächenbekleidungen des Ringnerven verwandter Medusen. 
Besonders zeichnen sich einzelne Elemente durch ihre Breite aus, dies 
sind die Stützzellen. Die Sinneszellen sind spindelförmig, ihre langge- 
streckten Kerne liegen stets im oberflächlichen Drittel. Die Stützzellen 
unterscheiden sich von den übrigen Deckzellen hauptsächlich dadurch, 
dass sie von Plasma ganz ausgefüllt werden (Taf. XXXII, Fig. 35 s, s). 
Das Plasma derselben erreicht jedoch nicht jenen Grad von Dichte und 


1 0.und R. Herrwıs, Das Nervensystem und die Sinnesorgane der Medusen. 
p- 75. 


560 R. v. Lendenfeld, 


Tingirbarkeit, dem wir im Plasma der Sinneszellen begegnen. Die 
Cnidoblasten enthalten dieselben Nesselkapseln, die wir am Nährthier 
kennen gelernt haben. Sie sind etwa so zahlreich wie die Sinneszellen. 
Der Zusammenhang einzelner Zellen mit Fibrillen des Nervenringes 
wurde an Macerationspräparaten konstatirt, doch schenkte ich diesen 
Details keine besondere Aufmerksamkeit, da dieselben von Gebrüder 
Herrwie bereits in völlig erschöpfender Weise dargestellt sind. 


Jenes Epithel, welches die Radialnerven überkleidet, stimmt in 
jeder Beziehung vollkommen mit dem Epithel des äußeren Ringnerven 
überein (Taf. XXXII, Fig. 36). Gegen den aboralen Pol hin wird der 
beträchtliche, durch das hohe Epithel gebildete Wulst schmäler und 
niedriger, wobei zuerst die Sinneszellen auszufallen scheinen. Ich habe 
oben auf die Ähnlichkeit dieser ektodermalen Längswülste mit den 
»Nesselstreifen« einiger Graspedoten hingewiesen. Ich halte die meridia- 
nalen Wülste für nichts Anderes als außerordentlich lange und wohl 
entwickelte Nesselstreifen. Die entsprechenden, jedoch kürzeren Bil- 
dungen der Geryoniden enthalten eben so wie bei Eucopella neben 
den Cnidoblasten noch Sinneszellen, unter: welchen eine subepitheliale 
Schicht von radialen Nervenfasern liegt. Sehr treffend bezeichnen die 
Gebrüder Herrwıc ! die Nesselstreifen als »eine weitere Ausdehnung 
des Sinnesepithels des Nervenringes auf die Schirmoberfläche «. 


Wenn wir dem Ringnerven und seinem Epithel eine durchaus 
nervöse Bedeutung zuschreiben und die Nesselzellen, welche dort vor- 
kommen, als Schutzvorrichtung für das Centralorgan ansehen, ihnen 
somit eine accessorische Bedeutung beilegen, so dürfte wohl auch den 
» Nesselstreifen « in Anbetracht der Übereinstimmung im feineren Bau 
mit dem Ringnerven, der oben konstatirt wurde, eine Sinnesfunktion 
zuzuschreiben sein. Die Gebrüder Herrwıs? haben die Frage offen ge- 
lassen, ob die Nervenfibrillen des Nesselstreifen mit dem Ringnerven in 
Verbindung treten und sagen, dass die Fibrillen » wohl in den Nerven- 
ring einmünden«. An Eucopella lässt sich dies leicht nachweisen 
(Taf. XXXII, Fig. 32). Die Fibrillen des Meridianalnerven biegen ein- 
fach in die Fasern des Ringnerven an der Vereinigungsstelle beider um. 
Ich habe oben darauf hingewiesen, dass im Ringnerv die, überhaupt 
seltenen, tripolaren Ganglienzellen gerade an den Einmündungsstellen 
der Meridianalnerven vorkommen. Eben so finden sich am proximalen 
Ende der letzteren zuweilen tripolare Ganglienzellen. Die unipolaren 
Zellen kommen eben so wie im Ringnerv einzeln zwischen den bipolaren 


1 O0.und R. Herrwıc, Das Nervensystem und die Sinnesorgane der Medusen. 
p: 59, 2 Ebenda. 


Über Ooelenteraten der Südsee. IV. 561 


vor. Die uni- und tripolaren Ganglienzellen fehlen im aboralen Theile 
der Meridianalnerven durchaus, und es macht den Eindruck, als ob sie 
eine höhere Entwicklungsstufe der Ganglienzelle darstellten, als die 
bipolaren, weil sie gerade im Centralorgan und diesem zunächst, jedoch 
nicht im centrifugalen Theile des Nervensystems vorkommen. Beson- 
ders ist es die geringe Zahl der Gnidoblasten im Vergleich mit den ner- 
vösen Elementen, welche es gerechtfertigt erscheinen lässt, die Nessel- 
streifen der Eucopella nicht als Waffen, sondern als Sinnesorgane, als 
eine Ausbreitung des sensitiven und ganglienhaltigen Epithels anzu- 
sehen. Ich werde sie daher Meridianalnerven nennen. Es ist mir leider 
nicht gelungen Medusenknospen aufzufinden, bei denen die Anlage 
dieser Nerven sichtbar gewesen wäre. Es scheint, dass sie sich ganz 
zuletzt und sehr rasch ausbilden. Ich kann daher nicht mit Sicherheit 
angeben, ob diese eben so wie die von den Randkörpercentren der 
Cyanea Annaskala ausstrahlenden Nerven epithelial angelegt werden 
und im Laufe der Entwicklung in die subepitheliale Schicht herabrücken, 
oder ob sie, was freilich nicht wahrscheinlich ist, von dem Central- 
organe, dem Ringnerven aus centrifugal auswachsen, wie dies bei den 
Nerven der höheren Thiere der Fall ist. 

Ein wohl unwesentlicher Unterschied zwischen den Meridianalner- 
ven von Eucopella und den Geryoniden liegt darin, dass bei letzteren 
auch Muskelfasern in demselben vorkommen, was jedoch bei Eucopella 
nicht der Fall ist. 


Die Gehörbläschen. 


Wir begegnen stets acht in den Adradien gelegenen Otolithenbläs- 
chen. Was die Zahl der Gehörorgane anbelangt, würde also Eucopella 
in die Gruppe der Octotessae ! des Hazcker’schen Schemas gehören. 

Die Gehörblasen liegen auf der Unterseite des Velum, vom Ring- 
nerven ziemlich weit entfernt und ragen als runde Blasen frei in das 
umgebende Meerwasser vor. Sie stimmen also ihrer Lage nach mit den 
von Gebrüder Herrwis? untersuchten Sinnesorganen verwandter Vesi- 
culaten überein. 

Das Hörbläschen liegt dem Sinnesepithel des äußeren Ringnerven 
dicht an. Es besteht aus einem äußeren Deckepithel, welches eine 
Fortsetzung des Deckepithels der Velumaußenseite ist, aus einer zarten 
Stützmembran und aus dem darin eingeschlossenen Hörapparate. 

Das Deckepithel ist nicht so flach wie an der Velumaußenseite 


! HAECKEL, System der Medusen. Bd. I. p. 163. 


2 O0. und R. Herrwıs, Das Nervensystem und die Sinnesorgane der Medusen. 
p. 86—95. 


Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVIH. Bd. 38 


562 R. v. Lendenfeld, 


(Taf. XXX, Fig. 35) und flimmert. Es besteht aus flachen Flimmer- 
zellen, die überall von gleicher Stärke der bläschenförmigen Stützmem- 
bran anliegen. Diese Deckzellen platten sich gegenseitig polygonal ab 
und sind in der Flächenansicht (Taf. XXXII, Fig. 32) von anderen 
Deckzellen nicht zu unterscheiden. Sie enthalten nur spärliches Plasma, 
welches den der freien Oberfläche genäherten abgeplatteten Kern um- 
giebt und den übrigen Theil der Zelle in Gestalt feiner Fäden durch- 
zieht. Gegen das Ringnervepithel hin geht dieses Epithel in die Stütz- 
zellen des Wulstrandes über. 

Die Stützmembran ist überaus zart und steht mit der Stützlamelle 
des Velum, welches ohne Formveränderung über das Hörbläschen 
hinwegzieht, in Zusammenhang. Sie hat die Form eines kugelig auf- 
getriebenen Säckchens, das mit weiter Mündung der Außenseite der 
Stützlamelle des Velum aufsitzt. Jener Theil der Stützlamelle des‘ 
Velum, welcher an der Begrenzung der Hörblase Theil nimmt, unter- 
scheidet sich von anderen Partien hauptsächlich dadurch, dass er sieb- 
förmig durchbrochen ist. Eine andere Öffnung in der Stützsubstanz, 
welche den inneren Theil umgiebt, findet sich an einer Stelle, wo sich‘ 
die zarte Blase an die Stützlamelle des Velum heftet, und zwar an der 
dem äußeren Ringnerven zugekehrten Seite; diese Öffnung ist unregel- 
mäßig umrandet, ziemlich niedrig und breit. An Macerationspräparaten‘ 
kann man dieselbe bei der Betrachtung von außen erkennen, sie er- 
scheint dann als ein sichelförmiger Spalt, dessen äußerer konkaver 
Rand einen unregelmäßigen Kontur zeigt. Die Durchbohrung der 
Velum-Stützlamelle ist an Radialschnitten durch die entsprechende 
Stelle und auch an Macerationspräparaten' bei der Betrachtung von innen 
erkennbar. Durch die Röhrchen, welche die Velum-Stützlamelle durch- 
setzen, treten Nerven, welche den Inhalt des Hörbläschens mit dem 
inneren Ringnerven verbinden, während durch die sichelförmige Öff- 
nung andere ziehen, welche die Verbindung mit dem äußeren Nerven- 
ring herstellen. 

Der Inhalt des Gehörbläschens selbst besteht aus einer kleinen 
Anhäufung von Nerven und Ganglienzellen am Boden (Velarseite) des- 
selben, aus den cylindrischen Hörzellen, welche in ein flaches Epithel 
an der Decke des Bläschens übergehen, und welches Epithel überall: 
der Stützmembran anliegt und aus einer freien Konkrementzelle. 

Die Nerven, welche durch die erwähnten Öffnungen der Stütz= 
membran hindurchtreten, bilden am Boden der Blase ein Ganglion, das 
aus einer trüben Masse besteht, in welcher durch Karmin zahlreiche 
kleine, ovale Kerne nachgewiesen werden können. Diese Masse in ihre 
Elemente aufzulösen gelingt schwer; man erhält zwar stets Fibrillen 


Über Goelenteraten der Südsee. IV. 563 


und sehr kleine bipolare Zellen, die eigentlich nichts Anderes sind als 
Kerne, die den Fibrillen anliegen, jedoch außerdem unförmliche Massen, 
die darauf schließen lassen, dass noch anders geformte Elemente, wahr- 
scheinlich multipolare Zellen hier vorkommen. 

Die basale Hälfte des Bläschens wird von den cylindrischen, großen 
und schon am frischen Präparat leicht erkennbaren Hörzellen ausgefüllt 
(Taf. XXXII, Fig. 35 H). Während die mittleren etwas kürzer sind, 
als der Radius des Bläschens, nehmen sie nach außen an Länge be- 
trächtlich zu, so dass die Oberfläche der Hörzellenmasse konkav wird. 

Die centralen Hörzellen stehen aufrecht und sind gerade. Gegen 
die Bläschenwand hin jedoch divergiren sie, weil ihre freien Enden 
dicker sind als die basalen, immer mehr, so dass die äußersten sich 
endlich ganz an die Bläschenwand anschmiegen. Die unteren Enden 
dieser Zellen keilen sich zwischen vorstehenden Theilen des basalen 
Ganglions aus. Da sich die Zellen gegenseitig abplatten, werden sie zu 
polygonalen Säulen. Ihre freien Enden sind schwach vorgewölbt und 
tragen je ein steifes, gerades Hörhaar. Der Inhalt dieser Zellen besteht 
aus feinkörnigem Plasma. Der Kern ist eiförmig und liegt in der Mitte 
oder der freien Oberfläche genähert. An einem Kreise, welcher etwas 
über der Mitte das Hörbläschen umzieht, gehen diese Zellen plötzlich in 
ein sehr flaches, aus flimmerlosen Plattenzellen gebildetes Epithel über, 
das die Decke des Bläschens auskleidet. Die abgeplatteten Kerne dieser 
Zellen verursachen kleine Vorwölbungen, und sind oft die einzigen 
sichtbaren Theile derselben. 

In jedem Bläschen findet sich eine freie Konkrementzelle (Taf. 
XXXI, Fig. 35 o). Dieselbe besteht aus einer zarten Plasmahülle, 
welcher auch der Kern eingelagert ist, und einem großen, die Zelle völlig 
erfüllenden linsenförmigen Otolithen. Der letztere erreicht etwa die 
Hälfte des Durchmessers des Bläschens. Er liegt den Hörzellen genähert 
und ist seine den Hörzellen zugewandte Fläche der Oberfläche der- 
selben parallel. Der Otolith ruht auf den Spitzen der Hörhaare, welche 
sich von allen Seiten gegen ihn neigen. Nur die Hörhaare der periphe- 
ren Zellen enden frei und erreichen den Otolithen nicht, obgleich auch 
sie sich demselben zuwenden. 

Wenn wir dieses oben geschilderte Sinnesorgan mit den Gehörbläs- 
chen anderer Vesiculaten vergleichen, so fällt zunächst die hohe Diffe- 
renzirung desselben auf. Diese geht wohl Hand in Hand mit der Ver- 
ringerung und Determinirung der Zahl der Gehörbläschen selbst. In 
der Entwicklungsreihe, welche Gebrüder Herrwie ! für die Ausbildung 


1 0.undR. Herıwıc, Das Nervensystem und die Sinnesorgane der Medusen. 
p. 90. 


38* 


564 R. v. Lendenfeld, 


der Gehörorgane der Vesiculaten aufgestellt haben, würde Eucopella 
von allen genauer hierauf untersuchten Medusen den höchsten Rang 
einnehmen. Gebrüder Herrwıc! selbst sind geneigt anzunehmen, dass 
die Eucopiden die höchste Entwicklung der Hörbläschen aufweisen. 
Mit der Zahl der Hörbläschen überhaupt nimmt auch die Zahl der Kon- 
krementzellen allmählich ab. 

Es erscheint fraglich, ob wir für die bisher untersuchten Eucopiden 
eine Differenzirung anzunehmen haben, welche aus der Mitrocoma-Form 
auf die Weise entstand, dass in der Entwicklungsreihe ein Stadium 
vorgekommen ist, wie es Aequorea Forskalea bietet, oder ob nicht 
etwa die Eucopiden und Aequoriden sich nach divergenten Reihen ent- 
wickelt haben. Die Verhältnisse der Stützmembran zur Stützlamelle 
des Velum könnten für Eucopella wohl auf die Weise aus der Aequorea- 
Form abgeleitet werden, dass diejenige Form wieder hergestellt würde, 
welche die Medusen ohne Hörblase besaßen, und dass die Hörblase zu 
einem äußeren Anhangsgebilde wurde. Wenn bestimmte äußere Ver- 
hältnisse der Meduse eine bestimmte Gestalt verliehen haben, und wenn 
durch die höhere Ausbildung des Gehörorganes diese Form abgeändert 
wurde, diejenigen äußeren Umstände aber, welche die ursprüngliche 
Gestalt der Meduse bedingt hatten, noch fortwirkten, so werden diese 
äußeren Verhältnisse bewirken, dass die Meduse, ohne das neuerlangte 
Organ zu verlieren, die Tendenz zeigt, ihre ursprüngliche Gestalt wieder 
anzunehmen. Dies wäre bei Eucopella mit der Stützlamelle des Velum 
der Fall. Die feinen Röhrchen über der Hörblase würden dann der 
weiten bei Aequorea vorhandenen Öffnung entsprechen. Diese Durch- 
brechung der Stützlamelle gleicht jener vollkommen, welche Gebrüder 
Hertwig ? von Glossocodon abbilden. Die ursprünglich ebene Stütz- 
lamelle wurde durch die Ausbildung des Hörorganes durchbrochen, er- 
langte jedoch später ihre ursprüngliche Gestalt zum größten Theile 
wieder. 

Was die feineren histologischen Details anbelangt, so ist. Eucopella 
in einigen wesentlichen Punkten von anderen Vesiculaten verschieden. 
Bei keiner anderen vesiculaten Meduse ist ein Zusammenhang des 
äußeren Nervenringes mit dem Ganglion des Gehörbläschens nachge- 
wiesen worden. Auffallend ist die außerordentliche Kleinheit dieses 
Ganglions im Verhältnis zu den ungemein großen und außerordentlich 
zahlreichen Hörzellen. Eine, der Eucopella ausschließlich zukommende 
Eigenthümlichkeit ist es auch, dass die Konkrementzelle frei ist, und 


1 0. und RR. Herrwıs, Das Nervensystem und die Sinnesorgane der Medusen. 
p- 92. ; 
2 Ebenda. Taf. IV, Fig. 41. 


Über Ooelenteraten der Südsee, IV. 565 


nur durch die Hörhaare festgehalten wird. Bei allen anderen Vesicula- 
‘ten finden wir dieselbe der Bläschenwand angeheftet. Jedenfalls ist das 
Eucopella-Stadium das höhere, da wir auch sonst die Tendenz antreffen, 
den Otolithen möglichst beweglich zu machen, was bei anderen Medu- 
sen dadurch erreicht wird, dass sich der Stiel des konkrementhaltigen 
Theiles stark verdünnt. 


Die Subumbrella. 


Wie oben erwähnt, wird die ganze Schirmhöhle von den Genital- 
produkten ausgefüllt. Im Querschnitte erscheinen die Medusen desshalb 
fast solid. Alle Theile drängen sich derart, dass sie sich gegenseitig 
abplatten. Die Spermatophoren, welche in der Knospe als vier mächtige 
perradiale Längswülste erscheinen (Taf. XXXI, Fig. 24), ballen sich vor 
der Geburt dergestalt zusammen, dass die Wülste tief eingeschnitten 
werden und es den Anschein hat, als ob sich die Wülste in Reihen von 
Spermatophorenhaufen zerspalten hätten. Dies ist jedoch nicht der Fall, 
sondern es haben sich die keilförmigen Spermatophoren, welche vorher 
hauptsächlich von den Radialkanälen ausstrahlten, jetzt mehr nach den 
Zweigen gerichtet. Durch die Zusammenballung wird die Ähnlichkeit 
zwischen männlichen und weiblichen Medusen noch bedeutend erhöht. 
In der That lassen sich dieselben nur an den Genitalprodukten selbst 
erkennen und an den Zweigen der Kanäle. Im feineren Bau jedoch 
weicht die Subumbrella des Weibchens in einem Punkte wesentlich 
vom Männchen ab; während nämlich das ektodermale Epithel die ganze 
Subumbrella des Weibchens sammt den Eiern überkleidet, sind die 
Spermatophorenballen stets epithelfrei, weil, wie wir oben gesehen 
haben, sie selbst einen Theil des Epithels darstellen. Abgesehen hier- 
von findet sich kein Unterschied. Das ektodermale Epithel, welches der 
Gallerte anliegt, besteht aus oberflächlichen Cylinderzellen und aus der 
Muskellage: Über den Kanälen und Genitalprodukten fehlt die Muskel- 
lage, und es ist auch jener ringförmige Bezirk in der Nähe des Schirm- 
randes von Muskeln frei, welcher vom inneren Nervenring eingenommen 
wird. 

Da die gesammte quergestreifte Ringmuskulatur der subepithelialen 
Schicht angehört, kommen keine Epithelmuskelzellen an der Subum- 
brella vor. Auch werden Cnidoblasten in derselben vermisst. Das 
oberflächliche Epithel stimmt in allen Theilen der Subumbrella nahe 
überein und ist nur über dem inneren Nervenringe höher differenzirt. 
Die cylindrischen Epithelzellen enthalten der freien Oberfläche zunächst 
‚den kugeligen Kern, welcher von Plasma umhüllt wird, das sich nach 
abwärts in feine Fäden fortsetzt (Taf. XXXII, Fig. 35, 36). Jede Zelle 


566 R. v. Lendenfeld, 


besitzt eine lebhaft schwingende Gilie, wodurch der Unterschied der 
exumbralen und subumbralen Epithelien, der‘ schon durch die Differenz 
in der Gestalt der Zellen gegeben ist, noch erhöht wird. Auf den Eiern 
ist das Epithel etwas niedriger, wird jedoch auch hier nicht zu einer so 
schmalen Schicht, wie an der Exumbrella (Taf. XXXIl, Fig. 36 Ec). In 
der Nähe des inneren Nervenringes geht dieses Epithel allmählich in das 
Sinnesepithel des Ringnerven über, indem die Zellen hier höher und 
schmäler werden. Gegen den aboralen Pol der Meduse zu wird das 
Epithel niedriger, behält jedoch seine Gilien. 

Das Epithel des inneren Nervenringes unterscheidet sich nur in so 
fern von dem Sinnesepithel der Außenseite, als hier einestheils keine 
Cnidoblasten vorkommen und anderentheils auch die Sinneszellen in ge- 
ringerer Zahl aufzutreten scheinen. Die Stützzellen nehmen die Ränder 
des Sinneswulstes ein und unterscheiden sich von den exumbralen 
Stützzellen gar nicht. Die zarten spindelförmigen Sinneszellen schienen 
mir etwas Schlanker zu sein als an der Exumbrella.. Da das Sinnes- 
epithel nicht ganz so hoch. ist wie an dem äußeren Nervenringe, und 
überdies das angrenzende indifferente Epithel viel höher ist als das 
exumbrale, so erhebt sich der innere Sinneswulst lange nicht so sehr 
über die umgebende Fläche wie der äußere. 

Wie oben erwähnt sind die Cirkulärmuskeln durchaus subepithelial 
gelagert. Sie überziehen das Velum und jene Theile der Subumbrella, 
welche nicht in den Perradien liegen, so dass die Radialkanäle und die 
Genitalprodukte muskelfrei bleiben. Gegen den aboralen Pol hin ent- 
fernen sich die einzelnen Fibrillen immer mehr von einander. Dieser 
selbst bleibt muskelfrei. Am Velum und am oralen Theile liegen die 
Fibrillen dicht an einander. Es sind ziemlich kurze quergestreifte, an 
beiden Enden spitz zulaufende Fasern von elliptischem Querschnitt. Die 
ausgesprochene Bandform derselben, welche wir bei Acraspeden an- 
treffen, tritt hier noch nicht auf. Die zugehörigen Zellen (Taf. XXXII, 
Fig. 37) scheinen mehr oder weniger intraepithelial zu sein, obwohl an 
Macerationspräparaten dieselben oft sehr niedrig sind. In der Flächen- 
ansicht erscheinen die Muskelkörperchen elliptisch (Taf. XXXII, Fig. 3%). 
Die Kerne sind eiförmig. 

Der innere Ringnerv unterscheidet sich von dem äußeren sehr 
wesentlich, indem in ihm keine, oder doch sehr wenige bipolare Gan- 
glienzellen angetroffen werden, welche doch einen Hauptbestandtheil 
des äußeren Ringnerven ausmachen. Dafür treten uns hier zwar spär- 
liche, aber sehr große multipolare Ganglienzellen entgegen, welche den 
cirkulär verlaufenden Nervenfäserchen aufliegen (Taf. XXXI, Fig. 34 @). 
Der Nervenstrang besteht zwar hauptsächlich aus parallel laufenden 


Über Coelenteraten der Südsee. IV. 567 


Ringfasern, es lassen sich jedoch auch zuweilen quer und unregelmäßig 
verlaufende Fasern in demselben nachweisen. 

Es ist wohl wahrscheinlich, dass diese auf die Muskelplatte über- 
treten und sich dort verästeln. Ich habe jedoch weder Nerven noch 


‚Ganglienzellen über derselben aufgefunden, und ‚konnte nur in seltenen 


Fällen einzelne Fibrillen auf eine kurze Entfernung hin in der Muskel- 
platte verfolgen. Der Nachweis dieser gelang, indem ein des oberfläch- 
lichen Epithels beraubtes und flach ausgebreitetes Stück des Schirmrandes 
mit dem Asst’schen Apparat möglichst schief in einer Tangentialebene 
beleuchtet wurde, wobei die Querstreifung und zuweilen auch eine 
feine Nervenfaser deutlich hervortraten. 

Das Enifernen des Epithels gelingt durch die Anwendung von 
Osmiumessigsäure in der Wärme. Wenn man diese Reagentien bei 
einer Temperatur von 35° einwirken lässt, so kann man das Epithel 


‚durch den Wasserstrahl einer kleinen Spritzflasche abwaschen und es 
‚gelingt auf diese Weise besonders gut Flächenbilder von subepithelialen 


Schichten zu erhalten. 

Die großen multipolaren Ganglienzellen gleichen den von Gebrüder 
Herrwıe ! und Eimer? beschriebenen Ganglienzellen der Subumbrella 
der Geryoniden, so wie den von mir? in der Subumbrella von Cyanea 
aufgefundenen Formen, besonders den letzteren. Von allen diesen 
unterscheiden sie sich einestheils durch ihre bedeutendere Größe und 
andererseits durch die große Zahl und reichliche Verzweigung ihrer 
Ausläufer. 

Es sind platte, mehr oder weniger linsenförmige Elemente, die 
zwei Drittel des Durchmessers des inneren Nervenringes erreichen. In 


.der‘Flächenansicht finden wir, dass der Kontur an einer Stelle konvex 


erscheint. Von diesem konvexen und dicksten Theil der Ganglienzelle 
gehen ‚keine Ausläufer ab. In demselben liegt der Kern. An allen 
übrigen Stellen geht die Ganglienzelle in Ausläufer über, indem sie sich 
in. breite. und flache, sich rasch verzweigende Zipfel auszieht. Die Aus- 
läufer sind meist nur auf kurze Strecken zu verfolgen, so dass es schwer 


‚hält einen direkten Zusammenhang zwischen den zarten cirkulären 


Fibrillen und den großen Ganglienzellen nachzuweisen. Ich glaube 
jedoch einen solchen als höchst wahrscheinlich existirend annehmen 
zu sollen. Die Lage des fortsatzlosen Theiles in Bezug auf die Achse 


1 O0. und R. Herrwıc, Das Nervensystem und die Sinnesorgane der Medusen, 
p. 59.0, Faß V, File. 1, 8,7. 

2 T. Eimer, Die Medusen etc, p. 212 u.a. 0. Taf. XI, Fig. 4 u.a. O. 

3 R. v. LENDENFELD, Cyanea Annaskala. Diese Zeitschr. Bd. XXXVII. p. 524, 
Taf. XXX, Fig. 38, 39, 44. 


568 R. v. Lendenfeld, 


der Meduse ist zwar schwankend, er scheint jedoch zumeist centrifugal 
zu liegen. Der Inhalt der Zelle besteht aus dem gewöhnlichen Neuro- 
plasma. Zuweilen lässt sich von den Fortsätzen aus eine feine Streifung 
gegen das Innere der Zelle hin erkennen. Der Kern, welcher, wie oben 
hervorgehoben wurde, stets im fortsatzlosen Theile liegt, ist ziemlich 
klein und oval. Ein großes Kernkörperchen ist stets vorhanden. Das 
Plasma in der Umgebung des Kernes erscheint körnig und sind in dem- 
selben keine Spuren einer Streifung nachweisbar. 

Wenngleich dem negativen Ergebnis, dass in der Muskulatur der 
Subumbrella von Eucopella keine Ganglienzellen aufgefunden werden 
konnten, in Anbetracht der Thatsache, dass bei fast allen anderen ge- 
nauer untersuchten Craspedoten solche vorhanden sind, kein allzugroßes 
Gewicht wird beigelegt werden können, so erscheint es mir doch wahr- 
scheinlich, dass hier keine Ganglienzellen vorkommen. In diesem Falle 
müssten jene Ganglienzellen, welche dem inneren Nervenringe anliegen, 
die Arbeit der bei anderen Medusen weit zahlreicheren auf dem Ring- 
muskel zerstreuten Ganglienzellen verrichten, und es würde das wohl 
die außerordentliche Größe der vorliegenden Elemente erklären. 

Der innere Ringnerv ist etwa halb so breit und dick als der äußere. 


Die Radialkanäle. 


Die außerordentlichste und wichtigste Eigenthümlichkeit unserer 
Meduse treffen wir in der Gestaltung des Gastrovascularraumes dersel- 
ben an. Der Ringkanal (Taf. XXXII, Fig. 35 c) ist sehr klein, sein 
Lumen erreicht kaum einen Durchmesser von 0,7 mm. Er ist ganz in 
die Gallerte eingebettet und liegt zwischen dem äußeren und inneren 
Theile des Ringnerven. Er hat einen abgerundet dreieckigen Quer- 
schnitt. ; 
Die Radialkanäle behalten dieselbe Gestalt bei, welche sie in der 
Knospe besessen hatten: sie sind geräumig und entsenden tangentiale 
und radiale, kürzere oder längere Zweige, welche blindgeschlossen 
endigen. Diese Zweige nehmen bei den beiden Geschlechtern etwas 
verschiedene Gestalten an. Beim Weibchen sind dieselben nichts 
Anderes als der Abdruck zweier auf einander folgender Eier derselben 
Reihe, und sie entspringen somit mit breiter Basis um mehr oder weni- 
ger spitz zu enden. Beim Männchen haben wir es mit cylindrischen 
Röhren zu thun, die nicht, wie die Kanalzweige des Weibchens, bloß 
durch kugelige Einstülpungen der Röhrenwand gebildet werden, son- 
dern die sich scharf vom Radialkanale absetzen. Da die Eier in zwei 
seitlich und unten (Taf. XXXII, Fig. 33) verlaufenden Reihen angeordnet 
sind, treffen wir die größten Ausbreitungen des Kanallumens in drei 


Über Goelenteraten der Südsee. IV. 569 


Reihen an: zwei tangentiale und eine radiale. Die schlauchförmigen 
Zweige der Männchen liegen ebenfalls in denselben drei Ebenen: einige 
sind radial gelagert und dringen gegen die Achse der Meduse hin in 
die Spermatophorenmasse ein, die anderen liegen seitlich, also tan- 
gential. 

Das Lumen der Radialkanäle ist in ihrer Längenmitte am größten 
und nimmt sowohl gegen den Ringkanal, wie auch gegen den aboralen 
Pol hin allmählich ab. Das centrifugale Kanalende, welches die Verbin- 
dung mit dem Ringkanale herstellt, ist nicht ‘geräumiger als der Ring- 
kanal, so dass diese Theile eben so wie der Ringkanal selbst in der 
Seitenansicht bei oberflächlicher Betrachtung unbemerkt bleiben (Taf. 
XXVII, Fig. 2). 

Eine kurze Strecke vor dem Vereinigungspunkte der vier Kanäle 
legen sich die Wände derselben an einander, so dass in der Nähe des 
aboralen Poles das Lumen vollständig schwindet (Taf. XXXI, Fig. 26, 27). 
Von einem centralen Magenraum oder von einem Mundrohr ist keine 
Spur wahrzunehmen. Diese Eigenthümlichkeit ist es, welche der Euco- 
pella den ephemeren Charakter verleiht, der sie vor allen anderen 
Medusen auszeichnet. Zwischen dem Ringkanal und den Gefäßen ist 
die Entodermlamelle ausgebreitet (Taf. XXXI, Fig. 35, 36 e). 


Das Epithel der Radialkanäle und ihrer Zweige, so wie des Ring- 
kanales ist ein mehr flaches oder mehr cylindrisches Flimmerepithel. 
Im Ringkanale, so wie an allen jenen Theilen des Kanalsystems, wo 
dasselbe an die Gallerte stößt, also auf der Dorsalseite der Radialkanäle, 
begesnen wir einem Epithel, dessen Elemente ungefähr so hoch als 
breit sind (Taf. XXXII, Fig. 35, 36). Überall dort aber, wo der Kanal 
an Genitalprodukte grenzt, erscheint das Entoderm bei gleicher Höhe 
aus schmäleren, cylindrischen Zellen zusammengesetzt. Die Entoderm- 
zellen in den obliterirten Kanalabschnitten sind etwas flacher und ent- 
behren natürlich der sonst überall nachweisbaren schwingenden Gilie. 
Wir treffen überall einen oberflächenständigen, kugeligen Kern an. Die 
Zellen sind stets mit Plasma ganz angefüllt. Das Plasma enthält diesel- 
ben braunen Pigmentkrümel, die wir in der Knospe schon angetroffen 
haben, in jenen Entodermpartien, welche die Radialkanäle und ihre 
Zweige auskleiden, in so großer Menge, dass die einzelnen Zellen fast 
ganz von braunem Pigment erfüllt erscheinen. Im Ringkanal und in den 
schmalen daranstoßenden Abschnitten der Radialkanäle kommen diesel- 
ben Pigmentkrümel zwar vor, sind jedoch so selten, dass die Kanäle an 
jenen Stellen nicht braun gefärbt erscheinen. Das Plasma der Zellen 
jener vier Stränge (Taf. XXXI, Fig. 26), welche aus der Verödung der 


570 R. v. Lendenfeld, 


proximalen Enden der Radialkanäle hervorgegangen sind, ist von 
braunem Pigment vollständig frei. 

Es weicht also das Kanalsystem der ausgebildeten Meduse nur in 
so fern von dem Kanalsystem der Knospe ab, als sich bei der Meduse 
ein Ringkanal am Rande der Entodermlamelle ausgebildet hat, von dem 
in der Knospe keine Spur vorhanden war, und dass zugleich mit der 
Abschnürung der Knospe vom Blastostyl auch die proximalen Kanal- 
enden obliterirten. Diejenigen schmalen Kanäle, welche die Radial- 
kanäle mit dem Ringkanale verbinden, müssen auch als Bildungen 
angesehen werden, welche nur der reifen Meduse zukommen, die in 
der Knospe fehlen und die sich knapp vor der Geburt ausgebildet haben. 

Die Entodermlamelle ist, besonders an Querschnitten durch den 
Schirmrand (Taf. XXXII, Fig. 35), desshalb leicht nachweisbar, weil 
sie eine Strecke weit in der Mitte der Gallerte verläuft, und sich erst in 
einiger Entfernung vom Ringkanal der Subumbrella nähert (Taf. XXXII, 
Fig. 35, 36). Sie bietet keine wesentlichen Eigenthümlichkeiten und 
besteht aus denselben flachen Zellen mit deutlichem Kern, die von 
zahlreichen anderen Medusen beschrieben worden sind. 

Die Genitalprodukte sind bereits oben genau beschrieben worden, 
so dass ich hier nicht weiter auf dieselben einzugehen brauche. 


Die Stellung der Eucopella zur Keimblättertheorie. 


Wenn wir die oben dargestellten Ergebnisse der histologischen 
Untersuchung unseres Hydroiden überblicken, so muss es zunächst auf- 
fallen, dass die beiden Keimblätter in den verschieden gestalteten 
Personen, welche in einem Zeugungskreise vorkommen, sehr verschie- 
dene Leistungen zu verrichten haben. 

Die Nährthiere besitzen im Entoderm alle Zellenarten, die überhaupt 
am Trophosom vorkommen, mit Ausnahme der Chitinzellen, während 
im Ektoderm die mit der Verdauung und Exkretion betrauten Elemente 
fehlen. Wir haben diese letzteren oben nach ihren Funktionen in drei 
Kategorien zu bringen gesucht, welchen sich jedoch keineswegs die 
Zellen ohne Weiteres einreihen lassen, da in vielen Fällen mehr als eine 
Funktion von derselben Zelle ausgeübt werden dürfte. Namentlich 
treffen wir bei der Sonderung von Exkretions- und Drüsenzellen, welche 
ein verdauendes Sekret liefern, auf unübersteigliche Hindernisse. In 
beiden primären Keimblättern finden sich Stütz-, Drüsen- und Nessel- 
zellen, so wie Sinneszellen vor. Es liegt nahe die Chitinzellen des 
Ektoderms mit den Verdauungszellen des Entoderms zu vergleichen, 
wodurch die Äquivalenz der Keimblätter noch klarer hervortritt. 

Das Mesoderm besteht außer der indifferenten Stützlamelle — die 


Über Goelenteraten der Südsee. IV. 571 


gewissermaßen als primäres Mesoderm den subepithelialen Schichten, 
welche als sekundäres Mesoderm hinzukommen, entgegengestellt wer- 
den kann — aus Muskelzellen, Ganglienzellen und Nesselkapselbildungs- 
zellen. Das »interstitielle Gewebe« KLEInENBERG’S ist somit hier schon 
hoch differenzirt. Auch dadurch dokumentirt sich das Nährthier als 
außerordentlich hoch entwickelt, dass seine gesammte Muskulatur 
mesodermal, das heißt subepithelial geworden ist. Der entodermale 
Theil des Mesoderms, das viscerale Blatt, zeichnet sich in erster Linie 
dadurch aus, dass wir hier das Centralorgan des Nervensystems, einen 
Ring von Ganglienzellen und Nervenfasern antreffen. Außer den cirku- 
lären Muskeln, welche durch ihre weit hinaufreichenden Muskelkörper- 
chen sich als erst kürzlich ins Mesoderm herabgerückte Elemente 
dokumentiren und den Nesselkapselbildungszellen, sind die Chorda- 
zellen des Stützringes und der Tentakelachsen dem visceralen Blatte 
zuzutheilen. 

Das parietale Blatt enthält mit Ausnahme der Chordazellen die 
gleichen Elemente wie das viscerale, nur dass hier die Muskeln longi- 
tudinal verlaufen und den Hauptbestandtheil ausmachen, während die 
Ganglienzellen an Zahl zurücktreten. 

In der weiblichen Meduse (Taf. XXXII, Fig. 33) finden wir wesent- 
lich andere Verhältnisse. Das Ektoderm hat hier einen großen Theil der 
Leistungen des Entoderms des Trophosom übernommen. Dies steht im 
Zusammenhang mit der freien und ephemeren Lebensweise der Meduse. 
Wir finden ein, aus durchaus gleichartigen, mit braunem Pigment er- 
füllten Zellen bestehendes Entoderm, während im Ektoderm Deckzellen, 
Stützzellen, Gnidoblasten und Sinneszellen zur Ausbildung gelangen. 

Die mesodermale Gallerte wird durch die Radialkanäle und die 
Entodermlamelle in eine dicke, dorsale Gallertschicht und in eine zarte 
subumbrale Stützlamelle geschieden, sie entbehrt zelliger Einlagerung. 
Sehr hoch ausgebildet ist das parietale Blatt, das ektodermale Subepi- 
thel. Wir finden in demselben das nervöse Gentralorgan und seine An- 
hänge, die Meridianalnerven und die inneren Zellen der Gehörblase 
so wie die mächtige Ringmuskulatur der Subumbrella, welche sich aus 
durchaus 'subepithelialen quergestreiften Fasern zusammensetzt. Wir 
unterscheiden demnach in dieser Schicht Muskelzellen, kleine und große 
Ganglienzellen, Nervenfasern, Nesselkapselmutterzellen, Konkrement- 
zellen und Hörzellen. Im visceralen Blatte hingegen finden wir die Ei- 
zellen so wie die flachen Elemente der Entodermlamelle. 

Die männlichen Medusen (Taf. XXXII, Fig. 31) unterscheiden sich 
in so fern von den weiblichen, als im Ektoderm außer den oben ge- 
nannten Elementen noch die Spermatophoren mit ihren Spermatozoen 


572 R. v. Lendenfeld, 


.vorkommen, während im visceralen Blatte die Eizellen natürlich aus- 
fallen. - Hlasaeh 

Ich habe mich hier möglichst kurz gefasst, weil die Gebrüder HErT- 
wıG 1, was die Verhältnisse der Keimblätter der Medusen anbelangt, nur 
wenig zu sagen übriggelassen haben. Ich möchte aber dennoch auf 
zwei Punkte hinweisen, welche Gebrüder Herrwıg nicht ausführlich 

behandelt haben. 

| Zunächst möchte ich hervorheben, dass es eine, wahrscheinlich 
den Coelenteraten ausschließlich zukommende Eigenthümlichkeit 
ist, dass das Mesoderm an allen Punkten der Oberfläche entsteht, 
indem überall Zellen ins Subepithel herabrücken, während bei anderen 
Thieren die Mesodermbildung stets von einer oder wenigen bestimmten 
Zellen abgeleitet werden kann, eine Erscheinung, die wohl auf die 
frühere oder spätere Bildung des Mesoderms zurückzuführen ist. In dieser 
Beziehung liefert Eucopella ein neues Beispiel, indem nämlich hier die 
Zellen, welche zu Eiern werden, unter den Augen des Beobachters 
unter das Epithel herabrücken und auf diese Weise mesodermal 
werden. 

Ein zweiter Punkt, der mir eine größere Würdigung zu verdienen 
scheint, ist der, dass die Schirmhöhle, welche in der Jugend abgeschlos- 
sen ist und auch bei Blastostylen und den rückgebildeten Medusen- 
gemmen geschlossen bleibt, durch Dehiscenz der Zellen der centralen 
Ektodermkugel entsteht. Diese Zellen sind aber vorher von der Ober- 
fläche herabgerückt und somit mesodermal. Eine Spaltenbildung zwi- 
schen Mesodermelementen muss als eine Coelombildung aufgefasst 
werden, und es wäre dann das Epithel der Subumbrella, welches sich 
stets morphologisch von jenem der Exumbrella unterscheidet, als eine 
Art Endothel aufzufassen. Diese Anschauung wird in vielen Fällen 
noch dadurch unterstützt, dass die Geschlechtsstoffe durch Dehis- 
cenz dieses Endothels in die Schirmhöhle gelangen. 

Ganz eben so wären dann die Taschen der Sarsia und anderer 
Medusen als coelomatische Bildungen aufzufassen, weil auch sie von 
mesodermalen Elementen der Gallerte und der Stützlamelle eingeschlos- 
sen werden. Sowohl für diese Taschen, als auch für die Höhlen der 
Blastostyle und der rückgebildeten Medusen und der Schirmhöhle ist 
eine Entstehung durch Spaltung im Gewebe nachgewiesen worden, 
wesshalb die Hydroiden zu den Pseudocoeliern ? zu stellen wären. 

Der große Unterschied zwischen den höheren Thieren und den 

1 O0. und R. HErrwıc, Der Organismus der Medusen. p. 57 ff. 


2 O0. und R. Herrwıs, Die Coelomtheorie. Jenaische Zeitschrift für Naturw. 
Bd. XV. p. 134, 


Über Goelenteraten der Südsee. IV. 573 


Craspedoten würde demnach nicht in dem völligen Mangel einer Leibes- 
höhle bei den letzteren liegen, sondern durch die primitive Art bedingt 
sein, wie sich bei den Craspedoten das Mesoderm bildet. 


Betrachtung über den Generationswechsel der 
Eucopella. 


Das Bestreben, allen Kohlenstoff auf der Erde in sich aufzunehmen, 
ist der unbewusste Zweck eines jeden Organismus. In Folge der un- 
vermeidlichen Abnutzung des Plasma aber muss dasselbe nach einer 
bestimmten Zeit, wenn es von unbrauchbaren Stoffen überladen worden 
ist, zu Grunde gehen. Nur die neu hinzugekommenen, frisch assimilir- 
ten Theile werden fortwirken können. Würden wir einen kugeligen 
Moner als Ausgangspunkt für unsere Betrachtung nehmen, so hätten wir 
eine Plasmamasse, welche nach allen Richtungen hin fortwächst, wäh- 
rend die centralen Partien absterben. Es käme eine Hohlkugel von 
bestimmter Dicke zu Stande, welche immer größer würde, bis aller 
Kohlenstoff assimilirt ist. Da jedoch wahrscheinlich zugleich mehrere 
Moneren entstanden und daher eine Konkurrenz eintrat, wurde diese 
Wachsthumsart in eine zweckentsprechendere umgewandelt. Diese 
Änderung trat in der Weise auf, dass die ganze Masse eines Urmoners 
und aller seiner Nachkommen einen Kegel darstellte, dessen Spitze in 
dem Mittelpunkte jener Kugel lag. Alle der Spitze des Kegels genäher- 
ten Theile sterben ab und stellen die verstorbenen Ahnen dar und ent- 
sprechen dem abgestorbenen Centralraum der Hohlkugel. Die jeweilige 
Basalfläche aber ist die im Augenblicke lebende Generation. Die Aus- 
breitung geschieht in radialer Richtung und man kann von jedem Punkte 
innerhalb eines solchen Kegels wieder einen Kegel konstruiren, der dann 
die Nachkommen jenes Organismus darstellt, der jenem Punkte ent- 
spricht. 

Wir können uns, um dies mit anderen Worten zu sagen, vorstellen, 
dass jeder zoologische Sammelbegriff ident ist mit einem solchen Kegel. 
Es theilen sich demnach alle Species, Familien etc. in Bezirke der 
Hohlkugeloberfläche, und es wird auf diese Art am besten die zoologische 
Systematik veranschaulicht. Der Kampf ums Dasein ist nichts Anderes 
als das Streben, möglichst große solche Bezirke einzunehmen. Es tritt 
uns daher dieser Kampf in scheinbar tangentialer Richtung entgegen. 
Die Ausdehnung in tangentialer Richtung ist jedoch nichts Anderes als 
eine Einverleibung von mehr Kohlenstoff: Ernährung. Die durch 
das Absterben alter Thiere bedingte centrifugale Bewegung des ganzen 
Oberflächenstückes ist die Aufeinanderfolge der Generationen: 
Fortpflanzung. Die Resultirende dieser beiden ist der Kegel und 


974 R. v. Lendenfeld, 


wir werden daher wohl alle Lebenserscheinungen aus diesen beiden 
Faktoren abzuleiten haben und nach der Relation dieser-beiden inner- 
halb der individuellen Zeugungskreise beurtheilen. Überdies können 
wir hieraus den allgemein gültigen Satz ableiten, dass alle Organismen- 
gestalten durch jene unbewusste Tendenz verändert und ausgebildet 
worden sind, nämlich durch das Bestreben eines jeden Organismus, 
dass seine Nachkommen den gesammten Kohlenstoff der 
Erde absorbiren. 

Wenn wir verschiedene Thiere nach den hier angedeuteten Ge- 
sichtspunkten betrachten, so fällt es uns auf, dass in dem Verhältnis der 
Ernährung zur Vermehrung bedeutende Unterschiede vorkommen, 
welche für das Verständnis der ephemeren Thiere von besonderer 
Wichtigkeit sind. Von dem denkbarst einfachen, möglicherweise bei 
einzelnen Moneren vorkommenden Fall, dass zu allen Zeiten sich ein 
Wesen ernährt und vermehrt, weichen die genauer untersuchten Thiere 
wesentlich ab. Es findet dann immer nur zu Zeiten Vermehrung und zu 
Zeiten Ernährung statt. 

Es kommen hierbei folgende Arten der Vertheilung der beiden 
Hauptfunktionen vor: 


| Vermehrung Ernährung: 


Generation der Geschlechtsprodukte oder der sich 

konjugirenden-Thieret a. 722, IR nicht nicht 
Generation ohne ausgebildete Genitalorgane oder sich 

parthenogenetisch vermehrende. . ....... zuweilen immer 
Generation mit Geschlechtsprodukten oder der End- 

glieder einer parthenogenetischen Reihe. ... . immer meistens 


Der Fall, der auch bei Eucopella uns entgegentritt, dass sich die 
Geschlechtsgeneration gar nicht mehr ernährt, ist überaus selten. 

Von der bei hoch entwickelten Thieren stets vorkommenden Ver- 
theilung dieser Funktionen, welche folgendermaßen ausgedrückt werden 
kann: 


Vermehrung Ernährung 
Geschlechtsprodukte .. . nicht nicht 
Jugendform .)\sjfysaust- nicht . immer 
Heifes. Thier. 2 0002 immer immer 


finden wir zunächst bei niederen Thieren Ausnahmen, indem sich auf 
ungeschlechtliche Art Larven durch Knospung oder Theilung vermehren. 
Hier kommt also außer der Vermehrung in der Reife auch eine Ver- 


Über Coelenteraten der Südsee. IV. 575 


mehrung während der Entwicklung vor. Diese, bei Eingeweidewürmern, 
Blattläusen und allen parthenogenetisch sich eine Zeit lang vermehren- 
den Metazoen und Infusorien vorkommende Vermehrungsart ist vorzüg- 
lich bei den Coelenteraten verbreitet und ist die Ursache des Generations- 
wechsels. | 

Abgesehen hiervon 1ritt aber in sehr seltenen Fällen noch eine 
zweite Abweichung auf, indem im Stadium der Reife keine Nahrung 
mehr aufgenommen wird. Diese Art der Vertbeilung der beiden Lebens- 
funktionen treffen wir bei der Eintagsfliege und der. Eucopella an. Sie 
ist es, welche unserer Meduse den ephemeren Charakter verleiht, der 
dieselbe vor allen anderen Medusen auszeichnet. Die Rückbildung der 
Ernährungsorgane ist bei derselben noch weiter gediehen als bei Ephe- 
mera und es sinkt unsere Eucopella zu einem, mit dem Hectocotylus zu 
vergleichenden Austräger der Genitalprodukte herab. 

Wenn wir nun unsere Eucopella mit den anderen Hydroidpolypen 
und craspedoten Medusen vergleichen, so werden wir dieselbe als Ver- 
treterin einer ganz eigenen Divergenzrichtung kennen lernen. In dem 
beigefügten Schema (siehe p. 576) sind jene Stadien und Personen, wel- 
che Nahrung aufnehmen, durch Kursivschrift ausgezeichnet. Andere, 
nicht auf die Ernährung oder Fortpflanzung direkt Bezug habende Diffe- 
renzen, welche dadurch entstehen, dass sich einzelne Polypen in Wehr- 
thiere umwandeln, sind in dem Schema nicht berücksichtigt. Die den 
verschiedenen Arten von Zeugungskreisen beigefügten Gattungen sollen 
als Beispiele dienen. 

Wenn wir nun nach den oben angedeuteten Gesichtspunkten das 
Verhältnis der Ernährung zur Vermehrung, welches uns bei den im 
Schema angeführten Zeugungskreisen von Hydroiden entgegentritt, be- 
trachten, so wird vor Allem auffallen, dass zumeist Stadien oder Stock- 
theile, die der Ernährung dienen, aus solchen hervorgehen, deren 
Aufgabe die Fortpflanzung ist, und umgekehrt. Wir begegnen einem 
Wechsel in der Funktion nach der Zeit. Bei Eucopella ernährt sich 
der Hydroidenstock so lange derselbe keine Geschlechtsprodukte erzeugt. 
Hierauf treten plötzlich die Blastostyle und in diesen zahlreiche Medusen 
auf. Der Verbrauch an Material während dieser Zeit ist jedenfalls viel 
bedeutender als die Zufuhr von Nahrung und es wird daher zum großen 
Theil das vorher aufgespeicherte Reservematerial aufgezehrt. Der Blasto- 
“ styl, die Meduse und die Geschlechtsprodukte entstehen also zum 
größten Theil auf Kosten dessen, was die Nährthiere vorher assimilirt 
hatten. Und nicht allein das, auch das Material zum Aufbau der 
Gastrula, welches die junge Larve verzehrt, ehe sie sich zu ernähren 
beginnt — der Dotter —, wird von demselben Material herzuleiten sein. 


576 R. v. Lendenfeld, 


Ei Ei 
| | 
Bee magenlose Meduse 
| 
Polyp Blastostyl Polyp Blastostyl 
Hydrorhiza Hydrorhiza 
| 
Stammpolyp Stammpolyp is 
Gastrula a 
| 
Ei Ei 
Gonothyrea Eucopella 
N u 5 N 
| 2 ea 
Ei Meduse ı Ei 
| | ı | 
Medusenknospe Meduse ı Meduse 
| | 
Polyp Polyp Polyp :Blastostyl Ei Ei 
: : ; er ee | | 
an 1 ig Hydrorhiza Polyp Meise Polyp Blastostyl 
Stammpolyp Meduse Stammpolyp Stammp olyp EIER ae ze 
| Hydrorhiza Hydrorhiza 
Gastrula Gastrula Gastrula Gastrula | | 
| | | Stammpol Stammpol 
‚Ei Ei Ei Bi a er 
Tubularia Carmarina Clavatella Obelia Gastrula Gastrula 
an Br | 
en un ugs Ei 1 
lerne Perigonimus Eudendrium 
De ee eh a nr en 
| . 
u Ei 
Polyp Polyp 
Pol 
yp es 
Hyärorhiza Hydrorhiza 
| | 
Stammpolyp Stammpolyp 
Gastrula Gastrula 
| 
Ei Ei 
Cladonema Clava? 
| Ei ; 
| 
Polyp - Ei 
| 
Polyp Polyp 
| 
Hydrorhiza Hydrorhiza 
| 
Stammpolyp Stammpolyp 
Gastrula Gastrula 
Ei ) Ei 
Hiypothetisch Clava? 
Pi Ei 
Der 
N 
Gastrula 
Ei 
Hydra 
Gastraea Ei 
Baer 
Gastraea 
| 
Ei 


Gastraea 


Über Goelenteraten der Südsee. IV. 577 


Wir sehen also eine Reihe von sehr verschiedenen, theils festsitzen- 
den, theils freischwimmenden Stadien, welche mittels Generations- 
wechsel aus einander hervorgehen, von welchen allen nur eine Art 
von Personen und eine Generation die Nahrung für alle übrigen Sta- 
dien herbeischafft. 

Dieser Art des Zeugungskreises sind jene beiden verwandt, welche 
durch Tubularia und Gonothyrea (siehe Schema) repräsentirt werden. 
Es werden auch bei diesen beiden Nahrungsstoffe nur von den Polypen 
aufgenommen. Die Rückbildung der Meduse ist hier jedoch in einer 
ganz anderen Art vor sich gegangen. Sie verliert allmählich die Sinnes- 
organe und die Bewegungsorgane, während in einzelnen Fällen Tentakel 
und stets Magenrudimente erhalten bleiben. Eucopella steht hierzu in 
völligem Gegensatze, indem bei dieser Meduse Magen und Tentakel voll- 
ständig fehlen, die Muskulatur, das Nervensystem und die Sinnesorgane 
aber, wie wir oben gesehen haben, eine sehr hohe Ausbildung erlangen. 

Jedenfalls sind beide Zeugungsarten aus jener indifferenten hervor- 
gegangen, welche durch zahlreiche Hydroiden, wie Cladonema, Sarsia etc. 
repräsentirt wird, bei welcher die Meduse frei wird und bei welcher 
sowohl die Meduse wie auch der Polyp sich ernährt. Eine 
andere, weit ausgebildete Divergenzrichtung wird von Hydroiden ein- 
genommen, bei denen wie bei Zygodactyla z. B. der Hauptantheil der 
Ernährung der freien Meduse zufällt. Am Endpunkte dieser, der Euco- 
pella, Tubularia und Gonothyrea gegenüber zu stellenden Reihe treffen 
wir die Trachymedusen an (Carmarina im Schema). Hier sind die Sta- 
dien vom Stammpolypen bis zum Blastostyl ausgefallen. Die ganze 
Ernährung wird ausschließlich durch die Meduse ausgeführt. Wir 
könnten also die Trachymedusen der Hydractinia z. B. entgegenstellen, 
wo die medusoiden Knospen bis zur Unkenntlichkeit rückgebildet sind. 

Für das im Schema als hypothetisch hingestellte Stadium könnte 
man vielleicht die eine oder andere von jenen Formen in Anspruch 
nehmen, bei welchen medusoide Gemmen an den Trophosomen sprossen, 
und bei denen die Geschlechtisgeneration auf einer sehr tiefen Stufe 
steht. 

Abgesehen davon, dass bei den Insekten nur selten Partheno- 
genesis und Generationswechsel auftritt, ließen sich ähnliche Reihen in 
dem Verhältnis von Ernährung und Fortpflanzung in verschiedenen 
Stadien auch für die Insekten aufstellen. Wir treffen hier im Allge- 
meinen eine lange lebende und sich ernährende Larve und ein kurz 
lebendes sich ebenfalls ernährendes Geschlechisthier an. Es würden 
also die meisten Insekten in dieser Hinsicht etwa jener Zeugungskreis- 
art entsprechen, welche wir bei Eucope antreffen. 

Zeitschrift f, wissensch. Zoologie. XXXVIII. Ba. 39 


578 R. v. Lendenfeld, 


Wenn wir Eucopella mit den nächsten Verwandten vergleichen, 
so können wir alle Hydroiden, welche zu craspedoten Medusen ge- 
hören, so wie die letzteren selbst nach vier Divergenzrichtungen ein- 
theilen und werden dann erkennen, dass alle Gestaltungsveränderungen 
im Generationswechsel derselben auf die Schwankung der Stadien 
zurückzuführen sind, welche die Ernährung besorgen. Als in der Jetzt- 
zeit bestehende Endpunkte dieser Reihen wären anzusehen: Trachy- 
medusen, die ganze Ernährung im Medusenstadium, Sarsiaden etc. Die 
Ernährung z. Th. im Polypen, z. Th. im Medusenstadium, Tubularia etc. 
Die Ernährung ausschließlich in der Polypengeneration, Medusen sessil. 
Eucopella eben so, Medusen frei. 

Eben so wie die Ephemeralarve lange Zeit ein träges Leben 
führend sich mästet und das fertige Insekt hierauf in verschwenderischer 
Eile das langsam gesammelte Material aufbraucht, nährt sich das 
Polypenstöckchen von Eucopella lange Zeit, bis es endlich die hoch ent- 
wickelte magenlose Geschlechtsgeneration erzeugt, die, von Luft und 
Liebe lebend, geboren wird, gebärt und stirbt. 


Brighton bei Melbourne, im Januar 1883. 


Erklärung der Abbildungen. 


Tafel XXVII. 


Fig. A. Hydroidenstöckchen mit weiblichen Gonophoren, nach dem Leben ge- 
malt. 70:4, 
Der Gonophor a enthält eine völlig reife Meduse und eine kleine Knospe. 
Der Gonophor b hat vor Kurzem eine Meduse ausgestoßen und ist dess- 
halb theilweise leer. 
Fig. 2. Weibliche Meduse, nach dem Leben gemalt. 400: 4. 
Fig. 3. Laminaria mit gonophorentragendem Hydroidenstöckchen. Nach dem 
Leben gemalt in natürlicher Größe. 


Tafel XXVIII. 


g. 4. Stück eines Tentakels aus der proximalen Hälfte. 2000: 4. 
A, von Epithel und Muskelschicht entkleideter Theil; 
B, Theil, wo nur das Deckepithel entfernt wurde; 
C, Theil mit intaktem Epithel. 
Fig. 5. Längsschnitt durch ein Nährthier. 400:4, 
Fig. 6. Längsschnitt durch die Spitze eines Tentakels. 2000: A. 
E, Entodermzellen der Tentakelachse ; 
F, Fetttröpfchen in denselben; 
S, Stützlamelle;; 


F 


+ 


ir 


_ 


Über Coelenteraten der Südsee. IV. 579 
M, ektodermale Längsmuskeln ; 
m, Muskelkörperchen ; 
:C, Cnidoblasten ; 
c, junge, noch subepitheliale Cnidoblasten ; 
s, Sinneszellen; 
D, kubische Deckepithelzellen. 
Fig. 7. Querschnitt durch einen Tentakel in der Nähe seiner Ursprungsstelle. 
2000:4, 
F, Fetttropfen; 
H, Zellhaut der durchschnittenen entodermalen Achsenzelle ; 
S, Stützlamelle ; 
M, ektodermale Längsmuskeln ; 
m, dazu gehörige Muskelkörperchen; 
G, große, motorische Ganglienzelle; 
c, junge, noch subepitheliale Cnidoblasten ; 
C, Cnidoblasten ; 
s, Sinneszellen ; 
D, Deckzellen. 


Tafel XXIX, 


Fig. 8. Längsschnitt durch das Entoderm der Proboscis, das Ektoderm ist nicht 
gezeichnet. 4500: 4. 


S, Stützlamelle; 
M, entodermale Cirkulärmuskeln ; 
m, zugehörige Muskelkörperchen ; 
G, entodermale Ganglienzelle; 
n, Nervenplexus; 
s, entodermale Sinneszellen; 
E, Stützzellen. 
Fig. 9. Entoderm aus der drüsenhaltigen Region der Magenwand. 1500 :4. 
S, Stützlamelle; 
E, gewöhnliche. Entodermzellen ; 
d, große cylindrische Drüsenzelle; 
d’, kleinere, die Höhe des Epithels nicht erreichende Drüsenzellen. 
Fig. 10. Querschnitt durch die Hydrorhiza. 100:4. 
L, Theil der Laminaria, welchem die Hydrorhiza anliegt; 
P, Perisarc; 
C, Coenosarc. 
Fig. 44. Querschnitt durch die Zellenschicht, welche dem Becher innen an- 
liegt. 1500 : 4. 
E, indifferente Ektodermzellen ; 
D, Chitindrüsenzellen ; 
B, Becher. 


Fig. 12. Wie Figur 44, nur haben sich hier, wie das oft geschieht, die indiffe- 
renten Zellen von der Innenwand des Bechers abgehoben. 
Fig. 43. Querschnitt durch ein Nährthier dicht unter der Ursprungsstelle der 
Tentakeln (durch den Halstheil). 700: 4. 
E, Entoderm; 


39* 


80 


R. v. Lendenfeld, 


S’, Stützlamelle zwischen der oberflächlichen und der subepithelialen 
Schicht von Entodermzellen ; 

E’, entodermale Zellen, welche den Ring bilden, aus dem sich die Ten- 
takelachsen erheben; 

S, Stützlamelle; 

M, ektodermale Längsmuskeln; 

m, dazu gehörige Muskelkörperchen ; 

D, ektodermale Deckzellen. 


Fig. 44. Querschnitt durch ein Nährthier in der Magenregion. 700 :A. 


E, Entoderm; 

d, entodermale, cylindrische Drüsenzellen ; 

d’, kleinere, die Höhe des Epithels nicht erreichende Drüsenzellen ; 
S, Stützlamelle; 

M, ektodermale Längsmuskeln; 

m, dazu gehörige Muskelkörperchen; 

D, ektodermales Deckepithel. 


Fig. 15. Die Entwicklung der Hydrotheca. 60:4. 


A, indifferentes, sehr dünnwandiges Jugendstadium ; 
B, und Ba, einander entsprechende Stadien der dünn- und der dickwan- 
digen Becherformen ; 
C, und Ca, spätere, einander entsprechende Stadien der beiden Formen ; 
D, ausgebildete Becher; 
D,, dickwandige, unregelmäßige Form; 
D',, dickwandige, reguläre Form; 
Ds, dünnwandige, unregelmäßige Form; 
D’s, dünnwandige, reguläre Form. 


Tafel XXX, 


Fig. 46. Schematische Darstellung der Entstehung eines Eies. Querschnitte 


durch das Entoderm der Hydrorhiza. Etwa 4500:4. 


Die bei A noch wenig differenzirte Entodermzelle o rückt allmählich in 
die Tiefe, wobei sie eine kegelstutzförmige Gestalt annimmt (B). Zu- 
nächst verbreitert sich die Basalfläche, während sich die freie End- 
fläche verkleinert (C); endlich wird die freie Endfläche gleich Null 
und durch weitere Abflachung (D) gelangt die Zelle unter das übrige 
Epithel und wandelt sich durch flächenhafte Ausbreitung in die fertige 
subepitheliale Eizelle um (E). 


Fig. 47. Eizellen aus der subepithelialen Schicht des Entoderms des Stieles 


eines weiblichen Gonophor auf der Wanderung begriffen in amöboider Gestalt. 


800 :A. 
Fig. 48. Querschnitt durch einen weiblichen Gonophor in der Höhe der Gera- 


den & (Fig. 49). 200 ::4. 


D, ektodermales Deckepithel, welches zum Epithel der unteren Schirm- 
fläche der Meduse wird; 

o, Eizellen; 

E, Entoderm der Radialkanäle der Medusenknospe ; 

en, Entodermlamelle; 

C, Radialkanäle der Medusenknospe ; 

G, gallertiges Bindegewebe, welches zur Schirmgallerte der Meduse wird; 


Über Ooelenteraten der Südsee. IV. 581 


D', ektodermales Deckepithel der Exumbrella der Medusenknospe ; 

H, dünne Chitinhülle, welche die Knospe umschließt ; 

d, chitindrüsenhaltiges, ektodermales Gewebe des Blastostyl, welches der 
Chitinhülle der Medusenknospe außen anliegt; 

c, Radialkanäle des Blastostyl; 

e, Entoderm derselben; 

d’, chitindrüsenhaltiges, ektodermales Gewebe des Blastostyl, welches der 
Innenwand der Gonotheca anliegt; 

B, Gewebebrücken; 

T, Gonotheca. 


Fig. 19. Längsschnitt durch einen weiblichen Gonophor nach der Geraden y 
“ fFig. 18). 200:. 


a, nesselkapselhaltiges, ektodermales Epithel der distalen Fläche des 
Gonophor; 

b, Gastralraum des Blastostyl; 

m, Muskeln in der Wand des Gastralraumes des Blastostyl; 

L, Laminaria; 

o’, auf der Wanderung begriffene Eizellen , 

c, Radialkanäle des Blastostyl; 

C, Radialkanäle der Medusenknospen ; 

R, Hydrorhiza. 


Fig. 20. Längsschnitt durch den basalen Theil eines weiblichen Gonophors. 


400:4. 


K, junge Medusenknospe ; 

K’, ältere Knospe; 

o, Eizellen; 

o', Eizellen auf der Wanderung; 

C, Radialkanäle der Medusenknospen ; 

c, Radialkanäle des Blastostyl ; 

D, Chitindrüsenzellen; 

a, ektodermale Gewebemasse der Knospe K, welche sich bei weiterer 
Entwicklung in zwei, durch Gewebebrücken verbundene Schichten 
spalten wird, wie dies bei K’ schon eingetreten ist (a’); | 

B, eben so entstandene Gewebebrücken des Blastostylektoderms ; 

R, Hydrorhiza; 

e, Entodermzellen der Hydrorhiza, welche sich in Eizellen umbilden. 


Tafel XXXI, 


Fig. 21. Querschnitte durch zwei sehr junge, männliche Medusenknospen. 


600 :A. 


A, jüngeres Stadium; 
C, Radialkanal; db, Gewebebrücken ; 
E, Ektoderm der künftigen Subumbrella ; 
s, Ektodermzellen, welche sich zuSpermatophoren entwickeln werden; 
en, Entodermlamelle ; 
e, Epithel der künftigen Exumbrella. 

B, älteres Stadium; Bezeichnungen wie bei A. Die Gewebebrücken sind 
geschwunden und die zu Spermatophoren sich umbildenden Zellen 
erscheinen bereits von trübem Plasma ganz erfüllt. " 


582 


Fig. 


4000 :A. 


Fig. 


R. v. Lendenfeld, 
32. Querschnitte durch Radialkanäle junger männlicher Medusenknospen. 


A, Stadium, welches auf Fig. 21 B folgt; 
s, Spermatophorenbildner, nehmen hier bereits eine länglich cylin- 
drische Gestalt an; 
E, Deckepithel der künftigen Subumbrella ; 
S, Stützlamelle, zugleich die erste Anlage der Schirmgallerte; 
e, Epithel der künftigen Exumbrella; 
en, Entodermlamelle; 
En, Entoderm des Radialkanales. 
B, späteres Stadium. Bezeichnungen wie bei Fig. 22A. Die Spermato- 
phorenbildner strecken sich und beginnen sich zu theilen. 
23. Querschnitt durch einen Radialkanal einer ziemlich ausgebildeten 


männlichen Knospe. 4000 :1. 


Fig. 
Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 
Fig. 
Fig. 


Fig. 


Fig. 


Bezeichnungen wie bei Fig. 22 A. Die Spermatophoren sind von Spermato- 
blasten ganz ausgefüllt. 
24. Ansicht einer reifen männlichen Medusenknospe. 80:4. 
35. Querschnitt durch eine reife männliche Knospe. 150:4. 
C, Radialkanäle; 
H, Chitinhülle der Knospe. 
26. Flächenansicht des aboralen Poles der Meduse von innen. 370 :4. 
C, Radialkanäle; 
m, obliterirter Ursprungstheil derselben. 
27. Querschnitt durch den aboralen Pol der Meduse. 270: 4. 
C, Radialkanäle; 
m, obliterirter Theil derselben ; 
n, nabelförmige Einziehung der Exumbrella am Pol. 
28. Reifer Spermatophor. 4500 :4. 
29. Reife Samenthierchen. 4000: 4. 
30. Reifes Ei. 460 :: 4. 


Tafel XXXII. 


34. Schematischer Querschnitt durch eine männliche Meduse, 
Ektoderm roth; 
epitheliale Schicht licht, subepitheliale Schicht dunkel. 
Entoderm blau; 
epitheliale Schicht licht, subepitheliale Schicht dunkel. 
32. Flächenansicht des Ringnerven von außen. 350:4. Links ist die epi- 


theliale Schicht entfernt. 


R, Ringnerv; N, Radialnerv der Exumbralrippen; 

n, Nerven, welche sich auf der Exumbrella unter dem Epithel derselben 
ausbreiten; 

c, junge subepitheliale Cnidoblasten ; 

Gı, bipolare 

Ga, unipolare ? Ganglienzellen ; 

Ga, multipolare 

O, Gehörblase; 

s, Sinnes- und Nesselepithel über den Nerven; 

d, gewöhnliches Deckepithel. 


er 
Br: 
Br 


Über Goelenteraten der Südsee. IV. 583 


Fig. 33. Querschnitt durch eine weibliche Meduse. Wie Fig. 31. 
Fig. 34. Innerer, subumbraler Theil des Ringnerven. Flächenansicht. 900 :4. 
G, große, multipolare, motorische Ganglienzellen (liegen in Wirklichkeit 
nicht so nahe bei einander, wie die zwei in der Figur); 
R, Ringnerv; 
M, Subumbralmuskeln; 
M’, Velummuskeln. 
Fig. 35. Querschnitt durch den Ringnerv und eine Otolithenblase. 700: 4. 
C, Ringkanal ; 
E, Entoderm des Ringkanales; 
g, Schirmgallerte ; 
Ss, Stützlamelle des Velum; 
e, Entodermlamelle; 
M, ceirkuläre Muskeln der Subumbrella ; 
M’, cirkuläre Muskeln der Innenseite des Velum; 
m, Muskelkörperchen ; 
G’, große motorische Ganglienzelle des subumbrellaren Nerven; 
G, sensitive kleine Ganglienzellen des exumbrellaren Nerven; 
R, querdurchschnittene Fasern des exumbrellaren Ringnerven; 
R’, querdurchschnittene Fasern des subumbrellaren Ringnerven ; 
c, junge, subepitheliale Cnidoblasten ; 
D’, hohes Deckepithel der Subumbrella; 
D, plattes Deckepithel der Exumbrella; 
s, Stützzellen; 
si, Sinneszellen ; 
Cn, Cnidoblasten; 
H, hohe, dem Subepithel des Ektoderm angehörige Sinneszellen der Ge- 
hörblase; O, Otolith. 
Fig. 36. Querschnitt durch denSchirm, senkrecht zur Achse der Meduse. 700:4. 
0, Ei; H, Eihaut; e, Entodermlamelle; 
Ec, ektodermales Deckepithel über dem Eie; 
Ec’, Subumbrellaepithel ; 
M, Cirkulärmuskeln; 
En, Entoderm; 
C, Radialkanal ; 
9, Schirmgallerte; 
Ec", Exumbrellaepithel ; 
N, exumbrellarer Meridianalnerv mit hohem Sinnes- und Nesselepithel 
und mit 
s, Subepithel. 
Fig. 37. Isolirte quergestreifte Muskeln der Subumbrella. 1200: 4. 


Die Eihaut von Python bivittatus. 


Mit Bemerkungen über einige andere Reptilieneier und die Genesis 
dieser Eihäute. 


Von 


W. v. Nathusius-Königsborn. 


Mit Tafel XXXII und XXXIV. 


Im Mai 1882 legte, wie mehrfach auch in Berliner Zeitungen er- 
wähnt wurde, Python bivittatus im dortigen Aquarium eine große Zahl 
von Eiern ab. Ich habe früher schon Gelegenheit genommen, die 
Schalenstruktur von Reptilieneiern zu untersuchen. Die Resultate sind 
in dieser Zeitschrift Bd. XIX und XXI in Verbindung mit Untersuchungen 
von Vogeleiern publicirt. Auch in Casanıs’ Journ. f. Ornithologie 1871, 
Nr. 142 sind in einer Zusammenstellung der Resultate meiner Unter- 
suchungen der Eihüllen p. 244 und ff. noch einige Beobachtungen an 
Reptilieneiern erwähnt. Leider handelte es sich bei diesen Reptilien- 
eiern meistens um schlecht konservirte Objekte und, wenigstens was 
Genus und Species betraf, von unbekanntem Ursprung. Desshalb legte 
ich einigen Werth auf die Erlangung eines dieser Pythoneier, und wurde 
meiner an die Direktion des Berliner Aquariums gerichteten Bitte um 
Übersendung eines dieser Eier in der freundlichsten und bereitwilligsten 
Weise entsprochen, wofür der Dank hiermit ausgesprochen wird. 

Der längste Durchmesser dieses Eies betrug in gekochtem Zustande 
99 mm, der kürzeste 65 mm. 

Da ich auch auf die genauere Untersuchung des Inhaltes Werth 
legte, und diese in gewisser Richtung bei dem gekochten Ei präcisere 
Resultate ergiebt, wie wenigstens bei Vogeleiern frühere Erfahrungen 
zeigten, wurde das Ei circa !/, Stunde in siedendem Wasser gehalten, 
und nach dem Erkalten in der Längenrichtung durchschnitten. 

Eine von einem Dotter gesonderte Eiweißschicht war innerhalb der 
Eihaut nicht zu bemerken, und keinerlei Membran — Dotterhaut oder 
Chalazen entsprechend — im Inneren nachzuweisen: Der Inhalt ein 


Die Eihaut von Python bivittatus. 585 


Gemenge von eiweißartigen stark lichtbrechenden Körnchen mit Fett- 
kugeln; in deren Zwischenräumen feinkörnige Eiweißmasse. Diese fein- 
körnige Beschaflenheit zeigt auch beim Vogelei das Eierweiß stets, wo 
es aus wässeriger weniger koncentrirter Lösung durch Hitze coagu- 
lirt ist. 

Trotz des anhaltenden Kochens war die Masse nicht so konsistent, 
dass sie eigentlich schnittfähig gewesen wäre, was die Gestaltung und 
den Zusammenhang dieser einzelnen Bestandtheile genauer hätte er- 
kennen lassen. Ein Versuch berechtigt zu der Annahme, dass Härtung 
in absolutem Alkohol die Anfertigung feiner Schnitte würde gestattet 
haben. Material dazu war aber nicht konservirt. 

Dieses gänzliche Fehlen einer Sonderung des Inhaltes der Eihaut 
in Dotter und Eiweiß würde den Zweifel an einer normalen Beschaffen- 
heit des untersuchten Eies nahe gelegt haben, wenn nicht die älteren 
Rarake’schen Untersuchungen (Entwicklungsgeschichte der Natter. 
Königsberg 1839) ganz Ähnliches ergäben. 

Pag. 5 u. ff. heißt es daselbst: »Zwischen Schalenhaut und Dotter- 
haut fand ich, selbst in solchen Eiern der Natter und Viper, in welchen 
sich der Embryo noch nicht zu bilden begonnen hatte, nicht die ge- 
ringste Quantität von Eiweiß (Albumen). Es befremdete mich dieser 
Umstand nicht wenig, da man gewohnt ist, sich zwischen Schalenhaut 
und Dotterhaut immer eine Quantität von flüssigem Eiweiße zu denken, 
ich überdies auch in den frisch gelegten Eiern einer Schildkröte (Emys 
europaea) eine ansehnliche Masse von einer solchen Flüssigkeit gefun- 
den hatte, nämlich über halbmal so viel, als die Masse des Dotters be- 
trug. Indess fand ich später, dass auch in den Eiern der Lacerta agilis, 
mochten sie gelegt oder noch nicht gelegt sein, die Dotterhaut der 
Schalenhaut, wie in den Eiern der Natter und Viper, dicht anliegt.« 

In einer Anmerkung wird hinzugefügt, dass früher schon Emmert 
und HocastetTer (Reır’s Archiv, Bd. X, p. 87), dessgleichen VoLkmann (De 
Colubri Natricis evolutione. Lips. 1834. p. 5) dieselben Wahrnehmungen 
gemacht haben. 

Allerdings wird in einer zweiten Anmerkung erwähnt, dass v. Barr 
(Über Entwicklungsgesch. d. Thiere. Bd. II. p. 15) angebe, dass in den 
Eileitern der Schlangen. der Dotter eine Lage flüssigen Eiweißes erhalte, 
und um diese sich dann die Schalenhaut bilde. Rarake fügt hier indess 
hinzu: »Ist dieses aber wirklich der Fall, so muss jene Lage sehr dünn 
sein, und bald entweder durch Aufnahme in den Dotter, oder durch 
Umwandlung in einen Theil der Schalenhaut (die ja ganz und gar nur 
aus einer Flüssigkeit entstehen kann) spurlos verschwinden, so dass sie 
nur wenig in Betracht kommen kann.« 


586 W. v. Nathusius-Königsborn, 


Sehr auffallend ist dem gegenüber, dass in desselben Autors: 
Unters. über d. Entwicklung u. d. Körperbau d. Krokodile, p. 7 gesagt 
wird: »Vom Eiweiß ist in den Eiern der Krokodile lange nicht eine 
so beträchtliche Quantität vorhanden, wie in denen der Schildkröten, 
— —, sondern es bildet dasselbe um den Dotter im Verhältnis zu diesem 
nur eine ungefähr eben so mäßig dicke Lage, wie in den Eiern der Nat- 
tern und der Eidechsen.« 

Hierbei kommt indess in Betracht, dass die Untersuchungen über 
die Krokodile erst nach dem Tode Rırake’s von Wırrich nach hinter- 
lassenen Handschriften im Jahre 1866 veröffentlicht sind, und dass letz- 
terer in der Vorrede, in welcher einer stattgehabten » Ordnung « dieser 
Hinterlassenschaft erwähnt wird, nicht unterlässt auszusprechen, dass 
sowohl aus mündlichen Mittheilungen, als aus Randbemerkungen ihm 
hervorgegangen sei, dass RATtake selbst die Arbeit weder der Form noch 
dem Inhalte nach für druckfertig hielt. 

Demnach ist einer solchen gelegentlichen Erwähnung, gegenüber 
dem so bestimmt in der Arbeit über das Natterei Ausgesprochenen, eine 
wesentliche Bedeutung nicht beizulegen. Jedenfalls läge nach den Beob- 
achtungen Raruee’s und Anderer in dem Fehlen einer Eiweißschicht im 
gewöhnlichen Sinn bei den Pythoneiern keine Veranlassung, dieselben 
für abnorm zu halten. Auf diese Frage im Allgemeinen komme ich zu- 
rück, nachdem ich gezeigt haben werde, dass bei Python allerdings das 
Vorhandensein einer obwohl schwachen Schicht anzunehmen ist, welche 
als Eiweiß im gewöhnlichen Sinne zu bezeichnen wäre. Zunächst ist 
hier wohl der Ort, dessen zu gedenken, was von Anderen über die 
Hüllen der Reptilieneier erforscht ist. 

Leypıe erwähnt in seinem Lehrbuch der Histologie des Menschen 
und der Thiere p. 515 ganz kurz, dass die Eischale von Lacerta agilis 
aus Fasernetzen bestehe, die in Nichts von elastischen Fasernetzen ver- 
schieden scheinen. In einer Anmerkung fügt er dann noch hinzu: »Eine 
ganz merkwürdige Schicht von Fasern findet sich, wie HaEckEL ent- 
deckt hat (Mürr. Archiv 1854), unterhalb der Dotterhaut zwischen ihr 
und dem Dotter an den Eiern der Scomberesoces: sie sind einfach, 
solid, glashell, das eine Ende allmählich in eine Spitze ausgehend, das 
andere in einen Kolben anschwellend. Man hat bis jetzt keine Ahnung 
was sie bedeuten oder was aus ihnen wird.« 

Es mag dies nicht als hierher gehörig betrachtet werden, ich glaube 
aber doch, an diese sonderbare Sache erinnern zu müssen, da ich ähn- 
liche Gestaltungen der Schalenhautfasern vielfach zu erörtern haben 
werde. 

In demselben Sinne erinnere ich auch daran, dass Acassız in seiner 


Die Eihaut von Python bivittatus. 587 


Embryology of the turtle (in Contributions to the natural history of the 
United States of Amer. Vol. II) nebenbei auch die Hüllen des Schildkröten- 
eies und dabei das Eiweiß als aus unzähligen Lagen strukturloser Sub- 
stanz 1 bestehend beschreibt, in welcher Substanz eine Menge länglich 
ovaler Körper eingebettet sind. Die Schalenhaut soll aus ähnlichen 
- diehtgedrängten Körpern bestehen, die sich nach außen selbst zu Fasern 
zusammenordnen. Ferner soll im befruchteten Ei die Hauptmasse des 
umgebenden Eiweibes in den Dotter aufgenommen werden, so dass zu- 
letzt der Dotter die Eischale fast vollständig ausfüllt. Ein für die Ent- 
wicklungsgeschichte der Eihüllen sehr wichtiger Umstand. 

Leider kann ich bei der schweren Zugänglichkeit jener Acassız- 
schen Arbeit dieses Citat augenblicklich nur dem Referat im Hente’schen 
Jahresbericht für 1860 entnehmen. 

H. Lanpoıs? hat die kolbenförmigen Endungen der Schalenhaut- 
fasern bei Tropidonotus natrix, ohne von den später zu erwähnenden 
Weıntanv’schen und LerzsouLzer'schen Arbeiten Kenntnis zu haben, 
selbständig aufgefunden und beschrieben, in einem Anhang zu seinen 
Untersuchungen über die Vogeleischale. Bezüglich der letzteren be- 
merke ich nur, dass er, wie Alle, welche sich eingehend mit diesem 
Gegenstand beschäftigt haben, gedrungen gewesen ist, bei der Genesis 
der Schale und der Schalenhaut organisirte Gewebe herbeizuziehen. Er 
leitet diese indess, wenn auch in anderer Weise als Meck£L, aus dem 
mütterlichen Organismus und nicht aus dem Ei selbst ab. 

Es würde hier zu weit führen, auf die Einzelnheiten einzugehen. 
Auf Lanvoıs’ spätere Modificirung dieser Auffassung und meinen Dissens 
von derselben habe ich später zurückzukommen, und bemerke nur, 
dass Lanpoıs die Knöpfe der Fasern in der Schalenhaut des Nattereies 
als solide erklärte, ihren Ursprung in den elastischen Fasern des Eileiters 
sah und Verschiedenheiten dieser Fasern von denen des Schildkröten- 
und Vogeleies in einer Weise betont, die etwas zu weit gehen 
möchte. | 

Als ich später dieselben Fasern in dieser Zeitschrift? beschrieb und 
abbildete, war mir Lanooıs’ frühere Mittheilung nicht gegenwärtig, und 
habe ich es um so mehr zu entschuldigen, ihrer damals nicht erwähnt 


1 Diese Lagerung ist doch eben Struktur. Wenn sogar bei einem Asassız ein 
solcher Lapsus in logischer Beziehung sich bemerklich macht, ist Manches, was von 
Anderen in dieser Beziehung geleistet wird, weniger verwunderlich. 

2 Die Eierschalen d. Vögel in histol. und genetischer Beziehung. Diese Zeitschr. 
Bd. XV. 1865. 

3 Diese Zeitschr. Bd. Ill. 1854. 

4 Bd. XXI. 1874. 


588 W. v. Nathusius-Königsborn, 


zu haben, als mir von meinen früheren Arbeiten über das Vogelei her, 
die Arbeit, zu welcher sie einen kurzen Anhang bildet, wohl be- 
kannt war. 

Es ist ein eigenthümlicher Umstand, dass sich die irrige Annahme, 
diese so eigenthümlichen Gebilde seien neuentdeckte, so oft wiederholt. 
Ich glaube dies daraus erklären zu können, dass immer wieder ihre 
morphologische Bedeutung unterschätzt wurde, in dem Bestreben, sie 
bei Erklärungsversuchen auf schon Bekanntes zurückzuführen. 

Auch Eimer! beschreibt die keulenförmigen Endungen und Vari- 
cosen der Schalenhautfasern des Nattereies und bildet sie ab. Er hat 
sie gefunden bevor er von meiner Arbeit Kenntnis hatte, durch zu- 
fällige Umstände ist seine Publikation jedoch eine spätere. Den wich- 
tigen Umstand, dass sie nicht solide sind und aus homogener Substanz 
bestehen, sondern eine charakteristische Struktur besitzen, auch die mit 
ihnen verbundenen Fasern vielfach Röhren mit differentem Inhalt oder 
Luftgehalt sind, bestätigt er. Er macht mir den Vorwurf, dass ich durch 
irgend welches Versehen die Größe dieser Schalenkörperchen zu hoch 
angegeben habe. Es müsste schlimm um die Histologie stehen, wenn 
es gestattet wäre, den Vorwurf eines so groben Irrthums ohne jedes 
Fundament zu erheben, wie hier. Ich weise ihn bestimmt zurück. Bei 
Gebilden von so wechselnden Dimensionen hatte ich mich begnügt, die 
stärkste Dimension von denen, die gerade gezeichnet wurden, auf 
40 u anzugeben. Indem ich die noch vorhandenen Präparate durch- 
mustere, finde ich gleich eins von 60 u größtem Durchmesser. Auf die 
Bedeutung dieser Gebilde für die Genesis der Faserhaut und Eischale 
geht Eimer nicht ein, wie seine Arbeit sich wesentlich nur mit den 
jungen Eiern, welche noch im Follikel sind, beschäftigt. Der perfekten 
Eier gedenkt er außer in Beziehung auf diese Fasern nur bei der Erör- 
terung über das von Anderen bestrittene Binnenepithel. 

Levoıe hat später? die Eihüllen von Lacerta agilis, L. vivipara und 
der Blindschleiche ausführlicher abgehandelt. Er citirt dabei WEINnLAND 3 
als denjenigen, der zuerst nach dem Ursprung der Schalenhautfasern ge- 
forscht, und denselben auf Zellen, welche sich nach einer Seite hin in 
eine sehr lange Faser fortsetzen, habe zurückführen wollen. Ferner 
LerepouLer, der ähnlich das gedachte Gewebe aus »nucleoles primitifs« 
entstehen lasse. | 


1 Untersuchungen über die Eier der Reptilien. in: Archiv für mikr. Anatomie, 
Bd. VIII. 1872. 

2 Die in Deutschland lebenden Saurier. Tübingen 1872. 

3 Über d. Eizahn der Ringelnatter. Würtemb. naturw. Jahresheft. 1856. 

* Rech. sur le developpement du lezard. Ann. d. sc. nat. 1862. 


Die Eihaut von Python bivittatus. 589 


Levis schließt sich dem nicht an, hat zwar auch bei Lacerta agilis 
da und dort das Ende einer Faser kolbig angeschwollen und hakig ge- 
krümmt gesehen, hält aber die Fasern für eine Abscheidung der Zellen 
der Leitungsröhre. Es soll — wenigstens bei Lacerta vivipara, die aber 
im Wesentlichen, bis auf den bei ihr fehlenden kalkigen Überzug über- 
einstimmend beschrieben wird — unmittelbar unter dem Uterusepithel 
eine Faserschicht liegen, auf diese ein dünnes homogenes Häutchen und 
auf dieses die Dotterhaut folgen, die hier ebenfalls als eine homogene 
Haut beschrieben wird. 


Die Zona pellucida der Blindschleiche wird als radiär gestreift und 
die Schalenhaut, als ohne Verkalkung lediglich aus jenen Fasern be- 
stehend beschrieben, welche ebenfalls da und dort kolbige helle Anschwel- 
lungen, öfter noch von hakiger Krümmung bemerken lassen. Ihre 
Genesis wird hier ausführlicher erörtert, und zwar so, dass die Epithel- 
zellen des Uterus zunächst einen zusammenhängenden Quticularsaum 
entwickeln. Auf diesem bilden sich » die Fasern wie Verdickungen, man 
könnte sagen wie fadige Skulpturen, ähnlich dem Spiralfaden der 
Tracheen«. 


Eine Abbildung, die einen etwas schematischen Eindruck macht, 
erläutert diese Darstellung, welche mir wesentlich abweichend er- 
scheint von dem bei Lacerta allerdings kürzer Ausgesprochenen. Eine 
Erörterung derselben muss ich vorbehalten. 


So wichtig die bahnbrechende Arbeit GEeEnBAurR’s ! für die Lehre 
vom Ei überhaupt ist, und sich auch mit Reptilieneiern beschäftigt, geht 
sie im Einzelnen nur auf die jüngeren Entwicklungsstufen ein. Das- 
selbe gilt für die WaLpeyer'schen Arbeiten ?. 


Der ersten derselben darf indess wenigstens der für die Verfolgung 
der späteren Entwicklung bedeutsame Umstand entnommen werden, 
dass mit dem Reifen des Eies im Follikel eine Rückbildung der Um- 
hüllungsschichten des Dotters, welche sich dort gebildet haben, statt- 
findet (p. 62 und 71, Fig. 25 und 26). Soll also die Entwicklung der 
Hüllen des perfekten Eies rückwärts verfolgt werden, so darf dies nicht 
direkt auf das junge Ei im Follikel, sondern zunächst auf diejenige Hülle 
geschehen, mit welcher das reifende Ei den Follikel verlässt. 


H. Lupwıe 3 geht in seiner fleißigen, wesentlich kritisch referirenden 


1 Über den Bau und die Entwicklung der Wirbelthiereier. Reıcherr's Archiv, 
1864. 


2 Eierstock und Ei, 4870, so wie: Eierstock und Nebeneierstock. in : STRICKER’S 
Gewebelehre 4874. 


3 Über die Eibildung im Thierreiche. 1874. 


990 W. v. Nathusius-Königsborn, 


preisgekrönten Arbeit wiederum fast nur auf jüngere Entwicklungsstufen 
ein. Wiederholt erklärt er die außerhalb des Follikels sich bildenden 
Hüllen als nicht in seiner Aufgabe liegend, was ihn aber nicht verhin- 
dert, dabei meist die apodiktische Versicherung ihres accessorischen 
Ursprungs ohne weitere Begründung zu geben. Einige Zeilen werden 
(p. 172) der Schalen- und Eiweißbildung der Vogeleier gewidmet. Ich 
darf doch wohl nicht verschweigen, dass er dabei die » Vorstellungen «, 
die ich mir von der Schalenbildung mache, für gänzlich verfehlt erklärt. 
Da ich keine » Vorstellungen « sondern wirkliche Eischalen präparirt und 
beschrieben habe, fühle ich mich schuldlos, wenn die Wirklichkeit mit 
dem nicht stimmen will, was anderweitig aus der Phantasie konstru- 
irt ist. 

Wie der Werth des Werkes in der Zusammenstellung der zahl- 
reichen litterarischen Quellen besteht, finden sich, trotz des oben Gerüg- 
ten, mancherlei werthvolle Einzelnheiten über die komplicirten Hüllen 
der perfekten Eier auch bei niederen Thieren, z. B. (p. 89) dass bei 
Gastropoden die Dotterhaut des jungen Eies bei dem abgelegten Ei 
fehlt und an Stelle derselben die Eikapsel vorhanden ist. 
Man muss sich doch sehr in den Gedanken der mechanischen Entste- 
hung der letzteren festgesetzt haben, um nicht wenigstens auf die Frage 
zu kommen: ob das nicht die Entwicklung der Dotterhaut zur Eikapsel 
bedeute? 

Von Loos ist 1881 eine hier einschlagende sehr wichtige Arbeit er- 
schienen, deren an dieser Stelle nur Erwähnung geschieht, da sie ein 
späteres näheres Eingehen erfordert. 

Ganz neuerdings hat KrukEnserg gelegentlich von Untersuchungen, 
die eigentlich eine andere Richtung haben!, die keulenförmigen An- 
schwellungen der Schalenhautfasern des Eies von Tropidonotus natrix 
mit dem von H. Lanpoıs, später von Eimer und mir Mitgetheilten wesent- 
lich übereinstimmend aufgefunden und abgebildet. Er findet die Fasern 
in vielfacher Beziehung an elastische Fasern erinnernd, aber die Wider- 
standsfähigkeit gegen koncentrirte Kalilauge und auch gegen Enzyme 
größer als bei dem sogenannten Elastin. Dieselbe Arbeit bringt eine 
für die Verhältnisse der Eihüllen im Allgemeinen sehr wichtige Notiz, 
nämlich dass die Gallerthülle, welche beim Selachierei den Dotier um- 
giebt, gar kein gelöstes Eiweiß im chemischen Sinn enthält. Es wird 
ausgeführt, dass sie ihre Zähflüssigkeit nur den sie in gequollenem 
Zustande durchsetzenden feinen Membranen verdanke. Es verflüssige 


1 Vergleichende physiol. Studien. II. Reihe. II. Abth. 1882. Heidelberg, CArL 
WINTER. 


Die Eihaut von Python bivittatus. 591 


sich diese Masse durch Zusatz von absolutem Alkohol, welcher die 
Häute zusammenballe und so der Untersuchung darbiete. KrUKENBERG 
eitirt hierbei W. Künne!, welcher in gleicher Weise die Zähflüssigkeit 
des Eiweißes der Vogeleier auf die dasselbe durchsetzenden Membrane 
. zurückführe. 

Im Vorübergehen darf ich wohl mit einiger Genugthuung an die 
große Übereinstimmung erinnern, die hierin mit dem liegt, was ich 
schon in Bd. XVIlI dieser Zeitschr. über die Struktur des Hühnerei- 
weißes und in Bd. XXI ders. über die Darstellung von Fasermembranen 
aus Laichschnüren der Batrachier durch Alkoholzusatz mittheilte. Aller- 
dings wird mir nun erst letzterer, mehr durch einen glücklichen Zufall 
herbeigeführte Vorgang deutlicher, indem ich nun vermuthen darf, dass 
die Eihüllen der Batrachier eine ähnliche chemische Konstitution als die 
der Selachier haben. 

Hervorheben muss ich aber, vorbehaltlich späterer Nutzanwendung, 
hier schon, dass sich daraus ergiebt, wie der morphologische Gesichts- 
punkt streng vom chemischen oder physiologischen getrennt werden 
muss, wenn von »Eiweiß« gehandelt werden soll. Die Gallerthülle, 
welche im Selachierei den Dotter umgiebt, ist morphologisch be- 
trachtet eben so wohl Eiweiß als beim Vogelei: ihr chemisches Ver- 
halten ist, wie KrUkENBERG nachweist, gänzlich verschieden. Ferner: 
morphologisch haben wir es nur mit gestalteten Geweben zu thun, nicht 
mit den Flüssigkeiten, welche sie enthalten. Die Albuminlösung, welche 
in dem Eiweißgewebe des Vogeleies vorkommt, fehlt ja auch im Dotter 
nicht — man vergleiche die vorhin angeführte Acassız’sche Beobachtung 
über ihre Wanderung aus dem Eiweiß in den Dotter bei der Schild- 
kröte —, und es stellt sich somit die Eiweißhülle morphologisch be- 
trachtet als eine einheitliche, Schalenhaut und Dotterhaut einschließende, 
dar, mag auch die Struktur der Faserhäute in den verschiedenen Schich- 
ten in Bezug auf ihre Feinheit eine sehr verschiedene sein. 

Nur von diesem Gesichtspunkt aus kann die Diskussion über vor- 
handenes oder fehlendes Eiweiß eine fördernde sein, und erklären sich 
Widersprüche, welche da entstehen, wo man den morphologischen Be- 
griff des Eiweißes als eines Gewebes überhaupt nicht klar erfasst. 

Ich wende mich nun zur Beschreibung der Verhältnisse, welche ich 
in der Eihaut von Python gefunden habe, zunächst zu den Kalk- 
körperchen, welche sie enthält. 

Diese treten in verschiedener Form und an verschiedenen Stellen 
in sehr abweichender Weise auf. Als die gewöhnlichste betrachte ich 


1 Lehrb. d. physiolog. Chemie. Leipzig 1868. p. 552 und 553. 


592 W, v. Nathusius-Königsborn, 


diejenige, welche Fig. 4 in der Flächenansicht, Fig. 2 auf einem Quer- 
schnitt der Schalenhaut in der Seitenansicht bei etwas stärkerer Ver- 
‚größerung zeigt. Es sind verhältnismäßig dünne Plättchen von eigen- 
thümlicher Gestaltung, welche auf der äußeren Fläche der Schalenhaut 
meist in Rosettenform gruppirt, zuweilen auch vereinzelt liegen. Die 
Breite dieser Gruppen bringt es mit sich, dass bei den Querschnitten 
der Eihaut diese Plättchen theilweise aus ihrer Lage gebracht werden, 
so dass auch an dicken Schnitten Bilder, wie das in Fig. 2 gezeichnete, 
nur ganz ausnahmsweise zu beobachten sind; aber auch dort bemerkt 
man, wie das mit a bezeichnete Stückchen durch das Messer umgeklappt 
und auf die Schnittfläche gelegt ist. Das Präparat, nach welchem Fig. A 
gezeichnet wurde, ist sehr einfach so hergestellt, dass ein Stückchen der 
Schalenhaut in halbtrockenem Zustande mit der inneren Fläche auf den 
Objektträger geklebt ist. Bei Beleuchtung von oben erkennt man dann 
die Plättchen deutlich, wie sie auf der in trockenem Zustande gelblich 
sich darstellenden Hautfläche liegen. 

Sie hängen mit derselben ziemlich fest zusammen. Dies rührt 
daher, dass sie innerhalb des Öberhäutchens liegen, welches die 
äußerste Schicht der Eihaut bildet. Dieses Verhältnis kann leicht über- 
sehen werden, und war mir entgangen, bis ich in einem Flächenschnitt, 
der nur die äußeren Hautschichten und mit ihnen eine Anzahl dieser 
Kalkplätichen enthielt, nachdem er in Natronlauge gekocht war, zarte 
Häutchen bemerkte, welche die Plättichen umhüllten. Erst bei ihrem 
Aufquellen durch die Einwirkung der heißen Lauge machten sich diese 
Häuichen geltend. | 

Das betreffende Präparat war zu anderen, weiterhin zu berühren- 
den Zwecken hergestellt, wegen deren die äußere Fläche nach unten 
liegt; so sind die Plätichengruppen größtentheils durch die auf ihnen 
liegenden Elemente der Eihaut verdeckt und undeutlich gemacht; wo 
sie aber am Rande des Schnittes frei sich darstellen, sieht man mit der 
größten Bestimmtheit das umgebende Häutchen im optischen Querschnitt, 
wie Fig. 16 dies darstellt. Die Dicke des Häutchens, welches eine seiner 
Flächen parallele Schichtung zeigt, beträgt, wie die genau nach Maßstab 
entworfene Figur ergiebt, 9—12 u. Durch das Aufquellen hat sich das 
Häutchen abgehoben, ohne Zweifel lag es aber vorher dicht auf. Man 
bemerkt noch im optischen Querschnitt die Leiste, welche in eine Furche 
des Plättchens eingegriffen haben muss. 

Außerdem finde ich in anderen Regionen der Eihaut, und zwar in 
solchen, welchen diese äußerlich aufliegenden, oder vielmehr im Ober- 
häutchen gebildeten Plättchen fehlen, rundliche verkalkte Körperchen 
von sehr wechselnden Dimensionen in den verschiedenen Schichten der 


Die Eihaut von Python bivittatus. 993 


Eihaut, wie dies in Fig. 3 aus einem Querschnitt der leizteren dargestellt 
ist. In Fig. 4 sind ähnliche Körperchen aus zerzupften Schnitten bei 
stärkerer Vergrößerung gezeichnet. 

| Die Dimensionen sind also sehr verschieden und bewegen sich 
schon in diesen wenigen Objekten die Durchmesser zwischen 380 und 
20 u; auch komplieirt sich bei den größten Körperchen die Gestalt 
einigermaßen. 

Auffallend ist, dass auch das sorgfältigste Zerzupfen diese Körper- 
chen nicht vollständig aus der Faserhaut ausschält. Stets bleiben sie 
von Fasern mehr oder weniger umsponnen. Besitzen auch die runden 
Körperchen aus dem Inneren der Eihaut dieselbe oder eine ähnliche 
membranöse Hülle, als die äußeren Plättchen, so wäre eine innige Ver- 
bindung mit den Fasern der Eihaut dadurch verständlicher. 

Das Bestehen eines solchen Verhältnisses bestätigen Präparate, wo 
dünn abgetragene Schichten der Schalenhaut mit den in ihnen enthal- 
tenen Kalkkörperchen in Kanadabalsam eingelegt wurden. Auch die 
runden Körperchen zeigten hier an ihrer Peripherie eine diese bedeckende 
zarte Membran. 

Der Zweck, durch das Einlegen in Balsam die innere Struktur der 
Kalkkörperchen zu erkennen, wurde nicht erreicht. Die dünnen Plätt- 
chen wurden durchscheinend, zeigten auch Andeutung einer gewissen 
Streifung und einzelne kleine unregelmäßig geformte Vacuolen im 
Inneren, aber dort Nichts von den schwächer lichtbrechenden Kügel- 
chen, welche für die Schale der Vogeleier so charakteristisch sind. Auch 
die kleinsten der im Inneren der Schalenhaut liegenden runden Körper- 
chen waren fast durchsichtig, ohne eine Struktur erkennen zu lassen. 
Die größeren Körperchen blieben trüb, also bei Beleuchtung von unten 
dunkel. 

Dieses war nicht überraschend, da auch bei früher untersuchten 
Reptilieneiern mit vollständig ausgebildeter Schale die charakteristischen 
Schalenkörperchen des Vogeleies fehlten, und statt deren, außer in ganz 
feinen Schliffen, eine gleichmäßigere Trübung das Bild verdunkelte !. 

Diese Verhältnisse weiter zu studiren habe ich keine Veranlassung 
gefunden. Von den größeren Körnchen, nach Tränkung der Hautstück- 
chen, welche sie enthalten, mit Kanadabalsam, Schliffe zu erlangen, ist 
als keine unlösbare, aber doch immerhin schwierige Aufgabe zu be- 
trachten, welcher ich mich um so weniger unterziehen zu müssen 
glaubte, als ich es durch das nähere Studium der Vogeleischale und 
auch derjenigen Reptilieneier, wo die Schale vollständiger ausgebildet 


I Vgl. Fig. 9, Taf. XXVII in Bd. XIX, Heft 3 dieser Zeitschr. 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVIII. Bd. 40 


594 W. v. Nathusius-Königsborn, 


ist, für zweifellos erwiesen halte, dass dort diese kalkhaltigen Gebilde 
gewachsene Organismen sind. 

Es schien mir desshalb nicht von besonderem Interesse, dieses auch 
hei Python specieller zu verfolgen. 

Ohne auf die Erörterung der Genesis der Kalkschale hier näher 
einzugehen, darf wohl darauf hingewiesen werden, dass sich die Ent- 
stehung der innerhalb der Faserhaut liegenden Kalkkörperchen als 
bloße Konkremente gar nicht vorstellen lässt. Sie würden sich dann 
um die Fasern bilden und solche einschließen müssen. 

Dass die Hauptmasse der Eihaut, wie bei den anderen Reptilien 
und wie die Membrana testae der Vogeleier, aus den bekannten Fasern 
besteht, bedarf keines Nachweises, sondern nur der Erwähnung. Feine 
Querschnitte, zu welchen aus naheliegenden Gründen solche Regionen 
der Eihaut zu wählen sind, in welchen keine oder nur wenige Kalk- 
körperchen vorkommen, ergeben indess, dass mit dem Ausspruch: die 
Schalenhaut bestehe aus feinen Fasern, welche den elastischen Fasern 
in jeder Beziehung ähnlich seien — was schon RATHke an der Natter 
richtig erkannte — die Sache nicht erschöpft ist, und Zerzupfungspräpa- 
rate der verschiedenen Schichten bieten sehr interessante Resultate. 

Betrachtet man einen feinen Querschnitt ohne weitere Präparation 
in Glycerin gelegt, wie ihn Fig. 5 in mäßiger Vergrößerung darstellt, so 
zeigt sich, dort mit b bezeichnet, als äußerste Lage ein durch Einrisse 
in Schollen getheiltes, wenig durchsichtiges Oberhäutchen, das zu- 
weilen, wie z. B. bei Fig. 3, wenig bemerkbar ist. | 

Auf dieses folgt eine bei dem in Fig. 5 gezeichneten Schnitt mit c 
bezeichnete, 50—60 u dicke, helle, aber nur Andeutungen einer ge- 
wissen Struktur zeigende Schicht. In anderen Regionen ist indess die 
Dicke geringer, wie Fig. 2 und 3 ergeben. 

Auf diese durchsichtige, aber aus einer dichten Masse bestehende 
Schicht folgt diejenige, in welcher bei ganz feinen Schnitten mit starken 
Vergrößerungen feine Fasern oder deren Querschnitte mit den vor dem 
Eindringen des Glycerins lufterfüllten Zwischenräumen zu erkennen 
sind. Die in kleinerem Maßstab gezeichnete Abbildung kann dies nur 
andeutungsweise wiedergeben. | 

Nach innen wird die Eihaut begrenzt durch ein sehr feines, aus 
mehreren Schichten bestehendes Häutchen, auf dessen Beschaffenheit 
im Speciellen besser da zurückzukommen sein wird, wo seine Bedeu- 
tung hervortritt. 

Über dieser Grenzmembran und überhaupt in den inneren Schichten 
der Faserhaut — bei Fig. 5 mit d bezeichnet —, liegen zahlreiche, stark 
lichtbrechende rundliche mehr oder weniger abgeplattete Körperchen 


Die Eihaut von Python bivittatus. 595 


von sehr verschiedenen Dimensionen, und lassen sich schon an den 
Rändern der Schnitte vielfach Formen beobachten, welche weder 
einfachen Fasern noch isolirten rundlichen Körperchen entsprechen. 
Zerzupfungspräparate geben einen vollständigeren Überblick dieser 
Mannigfaltigkeit der Gestaltung: In Fig. 6 sind solche bei ziemlich 
starker Vergrößerung nach einem Glycerinpräparat gezeichnet. a,a,a,« 
sind runde und ovale, stark lichtbrechende Körperchen sehr verschie- 
dener Größe : Hier von etwas unter 5 bis über 20 u Durchmesser gehend. 
In anderen Präparaten finde ich Körperchen, deren Durchmesser 2,5 u 
noch nicht erreicht. Bei einzelnen derselben ist eine zarte Punktirung, 
feinen Hohlräumchen im Inneren entsprechend, zu erkennen. Ein sol- 
ches Körperchen ist bei «’ gezeichnet. Andere, a’, a”, zeigen eine Ver- 
bindung mit feinsten Fasern. 

Sie legen die Frage nah, ob nicht alle diese runden Körperchen 
ursprünglich als Verdiekungen oder Anhänge von Fasern entstanden. 
In der That finden sich längere Faserenden an ausgesprochen runden 
Körperchen nie: ein Beweis davon, wie leicht letztere beim Zerzupfen 
abreißen, und ein so kurzer Faseranhang, als an dem kleineren der hier 
mit @' bezeichneten noch sitzt, kann je nach der Lage des Kügelchens 
leicht übersehen werden. In nicht zerzupften Präparaten ist ein solches 
Fasergewirr vorhanden, dass es unmöglich ist, zu entscheiden, ob die 
Kügelchen mit Fasern zusammenhängen oder nicht. 

Faserfragmente von verschiedener Länge enthalten die zerzupften 
Präparate in Menge. Einige solche sind hier bei 5, b, b, b,b gezeichnet, 
um die Dicken zu zeigen. Sie liegen zwischen 0,5 und 3,5 u. Bei der 
größten Zahl wird sich die Dicke um 2,5 u bewegen. Keulenförmige 
Verdickungen der Fasern, wie bei b eine solche abgebildet ist, kommen 
häufig vor. In einzelnen Fällen, wie bei b”, ist ein geringerer Brechungs- 
index des axialen Theiles ziemlich merklich. 5” ist ein Faserfragment 
mit ganz deutlich ausgesprochenen Hohlräumchen, bei stärkerer (600 f.) 
Vergrößerung gezeichnet. 

Einzelne oder ganze Reihen von Varicosen, wie dgl. bei c,c,c,c 
gezeichnet sind, treten an den Fasern vielfach auf. Auch c’ gehört zu 
diesen Bildungen. Anastomosen zeigen sich in den zerzupften Präpara- 
ten nur fragmentarisch. Bei d sind solche aus einer abgezogenen Lamelle 
der innersten Faserschicht gezeichnet. Eine so erhebliche Verdickung 
einer Faser, dass sie schon als Schlauch bezeichnet werden könnte, da 
sich ein körniger Inhalt, von einer Membran umschlossen, deutlich 
markirt, stellt e dar. Solche Gebilde werden aus der äußeren Schicht 
weiterhin mehrfach zu erwähnen sein. Eine ganz eigenthümliche Ge- 
staltung hat f. Es ist bei hoher Einstellung gezeichnet, wo die Ein- 

40* 


96 W. v. Nathusius-Königsborn, 


schlüsse, die es enthält, als Vacuolen, oder doch mit schwächer licht- 
brechendem Inhalt, dunkel auftreten. 

In Fig. 7 sind vom Rande eines nicht zerzupften Präparates und 
ganz sicher aus der innersten Schicht noch einige hierher gehörige 
Gebilde gezeichnet: «a, mit Vacuolen wie Fig. 6 f, eben so a’. Bei 
letzterem ist eine stärker lichtbrechende Rindenschicht deutlich, und 
in der Zeichnung durch den doppelten Kontur angedeutet. Unter der 
Faser, in welche «@’ ausläuft, liegen zwei anastomosirende Fasern, und 
neben letzterer ein kleines Körperchen, das in eine ganz feine Faser 
ausläuft, mit so kleinen Varicosen, dass sie allerdings nah an der 
Grenze des noch bestimmt zu Erkennenden liegen. Aber es würde eine 
ganz unbegrenzte Aufgabe sein, alle die verschiedenen Komplikationen 
der Gestaltung zu beschreiben und abzubilden, welche eine Durch- 
musterung auch nur weniger Präparate ergiebt. Nur eine Reihe von 
Formen ist so auffallend, dass sie nicht übergangen werden darf. Dies 
sind Membrane oder Platten von solcher Ausdehnung, dass in den Zer- 
zupfungspräparaten nur Stücke derselben sich finden, und auch diese 
Stücke bei der für die Erkennung der Einzelnheiten erforderlichen star- 
ken Vergrößerung um so schwieriger vollständig wiederzugeben sind, 
als sie von anderen Gewebstrümmern theilweise verdeckt werden. 

In Fig. 8, 9 und 10 sind Segmente solcher Platten abgebildet, und 
bei ersteren vorhandene Löcher mit a bezeichnet. Diese Löcher unter- 
scheiden sich als solche deutlich von den in allen drei Zeichnungen der 
hohen Einstellung entsprechend dunkel dargestellten Vacuoien oder 
Blasenräumen. Letztere scheinen in Eihäuten häufig vorzukommen. 
Ich habe sie früher bei Raja clavata und Buccinum undatun: ! ausführ- 
lich beschrieben und abgebildet. Die Bilder, welche sie gewähren, 
der röthliche Halbion bei hoher Einstellung und das Hellwerden bei 
tiefer sind so charakteristisch, dass für den, der sie öfter beobachtet hat, 
eine Verwechslung mit wirklichen Perforationen der Membran ausge- 
schlossen ist. Ganz bestimmt tritt ihr Unterschied von letzteren auch 
darin hervor, dass man sie in derselben Membran über einander liegend 
beobachten kann, wie bei Fig. 10, und an Rissrändern, wo eine Perfo- 
ration als Einbuchtung sich darstellen würde, was an der mit a be- 
zeichneten Stelle des Rissrandes von Fig. 10 nicht der Fall ist. Von auf 
der Membran liegenden Körperchen, wie sie in Fig. 8 mit b, b und b’ 
bezeichnet sind — den in Fig. 6 abgebildeten entsprechend —, sind 
die Hohlräumchen selbstverständlich ohne Weiteres zu unterscheiden. 

Charakteristisch für diese Membranen ist, dass sie nicht nur seitliche 


I Unters. über nichi celluläre Organismen. Berlin 1877, 


Die Eihaut von Python bivittatus. 597 


Ausläufer haben, sondern auch nur theilweise angewachsene Bänder 
und Lappen über oder unter der Membran liegen. Ihre Durchsichtigkeit 
gestattet dieses Verhältnis zu konstatiren, wie z. B. in Fig. 8 bei dem 
mit c bezeichneten Bande — oder Faser? —, welches unter der Mem- 
bran liegt. Die mit c‘, c’ bezeichneten Endpunkte dieses Bandes gehen 
dort unzweifelhaft in die Substanz der Membran über. Ähnlich verhält 
sich der mit d bezeichnete über der Membran liegende Lappen, während 
man bei dem mit a’ bezeichneten Loche einen zweiten schwächeren 
Kontur bemerkt, welcher der eines ungefähr an derselben Stelle liegen- 
den Loches in einem unterhalb liegenden Lappen ist. In Fig. 9, welche 
ein anderes sich an Fig. 8 anschließendes Stück derselben Membran 
darstellt, ist dieselbe Stelle bemerkbar und ebenfalls mit a’ bezeichnet. 

Die in Fig. 9 mit c, c bezeichneten Ausläufer der Platte und der in 
Fig. 10 mit b” bezeichnete des Lappens stimmen mit den in Fig. 6 und 7 
abgebildeten Gestalten so wesentlich überein, dass der morphologische 
Zusammenhang der Platten mit den mehr fibrillären Elementen evi- 
dent ist. 

Bei 5b der Fig. 9 ist der schmale Ausläufer der Platte abgerissen. 

Wenn auch diese Platten nicht überall vorkommen und sich in den 
Querschnitten der Eihaut selten ganz deutlich darstellen, ließ sich doch 
ein Querschnitt einer Platte so deutlich beobachten, dass ich in Fig. 11 
eine Abbildung desselben geben kann. Der Schnitt ist nicht so fein, 
dass sich die Zeichnung darauf beschränken konnte, nur die eigentliche 
Schnittfläche darzustellen. Es sind auch diejenigen Konturen wieder- 
gegeben, welche erst beim Senken des Tubus in den Focus treten. Nur 
die mit a und 5 bezeichneten Flächen sind danach sicher wirkliche 
Schnittflächen : wahrscheinlich auch e die Schnittfläche eines schmalen 
Ausläufers. Die oberen und unteren Konturen von ce werden erst beim 
Senken des Tubus deutlich ; c ist also nur die Ansicht des Verbindungs- 
stückes von a mit b. Eben so d die Ansicht eines weiter zurücktreten- 
den und desshalb nicht angeschnittenen Theiles von a. 

f ist eins der stark lichtbrechenden Körnchen : obgleich es zweifel- 
haft ist, ob es ursprünglich in dem Sinus zwischen a und 5b lag, und 
eben so wohl durch den Schnitt aus der Faserhaut dorthin geführt sein 
kann, mochte ich es doch in der Zeichnung nicht fortlassen. 

Was den, da wo er gezeichnet ist, beobachteten doppelten Kontur 
des freiliegenden, auf der Zeichnung unteren Randes betrifft, so ist das 
Trügerische solcher Bilder bekannt. Dass dieser doppelte Kontur auch 
über die Lücke zwischen den Lappen der Platte hinweggeht, scheint 
indess hier die Möglichkeit eines bloßen Refraktionsphänomens auszu- 
schließen, während andererseits das Vorhandensein einer äußeren 


598 "W. v, Nathusius-Königsborn, 


Membran nicht recht verständlich ist. Ein solches Vorkommen an sol- 
chen Gebilden hätte sonst nichts Überraschendes. Weiterhin wird sich 
ergeben, dass sich ähnliche Membrane bei Behandlung der äußeren 
Schicht der Eihaut mehrfach nachweisen lassen. 


In Summa geht aus alle diesem hervor, dass die Eihaut morpho- 
logisch eine große Übereinstimmung mit den Formen des elastischen 
Gewebes zeigt, wie dem auch ihr chemisches Verhalten durchaus ent- 
spricht. Letzteres bemerkte schon Rıtuke an der Schalenhaut der 
Krokodileier (Unters. über die Entwicklung u. d. Körperbau d. Kroko- 
dile. ed. v. Wırtıch. Braunschweig 1866. p. 6). Allerdings scheinen 
Varicosen und kugelige Anhänge bei anderen elastischen Fasern nicht 
 vorzukommen; aber gerade bei den so komplicirten Verhältnissen der 
Platten ist die Übereinstimmung mit gewissen gefensterten elastischen 
Membranen sehr auffallend. So finde ich in der ersten Auflage der 
Körriker’schen Gewebelehre (als Bd. II seiner mikroskopischen Anatomie, 
1850 erschienen) Abth. I, p. 225 und Fig. 66 die in den späteren Auf- 
lagen nicht reproducirte Abbildung eines elastischen Fasernetzes oder 
einer Membran aus der Fascia lata des Menschen, welche fast sämmtliche 
Vorkommnisse in den Platten der Eihaut von Python annähernd dar- 
stellt. Sogar die von mir als Vacuolen bezeichneten Hohlräume glaube 
ich am Rande der Figur rechts vom Beschauer zu erkennen. 


Da das noch ungelöste Räthsel der Genesis der elastischen Gewebe 
von jeher eine Crux für die histiologischen Theorien gewesen ist, scheint 
mir das Vorkommen so ähnlicher Gebilde in den Eihäuten besonderer 
Beachtung um so würdiger, als das in den äußeren Schichten der letz- 
teren zu Beobachtende noch etwas tiefer in die Strukturverhältnisse ein- 
dringen lässt. 


Bezüglich der mittleren Schichten der Eihaut von Python finde ich 
nur noch zu der Bemerkung Veranlassung, dass die Fasern, wie RATHKE 
a. a. O. auch von der Natter berichtete, durch ein Bindemittel einiger- 
maßen verklebt sind, was, wenn es auch in geringerem Maße als beim 
Vogelei der Fall ist, beim Zerzupfen die Darstellung längerer Faserenden 
verhindert und vielleicht mit Veranlassung gewesen ist, solche Fasern 
für spröde zu erklären. 


In der äußeren Schicht (c bei Fig. 5) ist dieses Bindemittel in so 
reichlicher Menge vorhanden, dass es alle Zwischenräume zwischen den 
auch dort vorhandenen Fasern ausfüllt und dadurch die relative Homo- 
genität und Durchsichtigkeit dieser Schicht bewirkt. Es ist in alkalischen 
Laugen, welche auf die Gebilde, welche es umschließt, weniger ein- 
wirken, löslich oder quillt doch wenigstens in ihnen so auf, dass letztere 


Die Eihaut von Python bivittatus. 599 


deutlich hervortreten, wenn Schnitte der Eihaut mit mäßig ätzender 
. Lauge bei Siedehitze behandelt werden. 

In feinen Querschnitten der Eihaut lassen sich nun Bilder, wie das 
in Fig. 12 dargestellte, beobachten. Dass ein Theil der kreisförmigen 
oder ovalen Figuren von durchschnittenen Fasern herrührt, lässt sich 
nachweisen, indem man durch Niederschrauben des Tubus die Umrisse 
der so angeschnittenen Fasern verfolgen kann, wie sie danach auch in 
der Zeichnung angegeben sind ; auch was die größeren betrifft, so sieht 
man oben links vom Beschauer eine so starke, doppelt konturirte Faser 
mit körnigem Inhalt, dass sie sich füglich als Schlauch bezeichnen lässt, 
und der Querschnitt einer solchen würde sich als runde Scheibe, wie 
die daneben stehenden, zeigen. 

Die abgetragene äußere Schicht der Eihaut, in Natronlauge gekocht 
und dann zerzupft, ergiebt indess, dass wirklich auch hier runde Körper- 
chen verschiedener Größe in reichlicher Menge vorkommen, wie sie in 
Fig. 13 c, € und d abgebildet sind. Neben ihnen kommen sehr starke 
Fasern von unregelmäßiger Dicke, wie db, und auch solche mit Ab- 
zweigungen, wie @ Vor. 

Aus demselben Präparat ist Fig. 1%. Auf zufällig entstandenen 
Falten des theilweise im Zusammenhang gebliebenen Objektes zeigt sich 
die äußerste Schicht — Fig. 5 5b entsprechend — nach energischer Ein- 
wirkung der Lauge im optischen Querschnitt als ein durchsichtiges, nur 
eine leise Andeutung von Schichtung darbietendes Häutchen von 12% bis 
16 u Dicke. Die unmittelbar unter demselben liegenden runden Körper- 
chen, welche die Abbildung wiedergiebt, sind vielleicht durch den Druck 
der Faltung hier abgeplatieter als sonst. 

In Fig. 13 zeigen die dort mit « und 5 bezeichneten Schollen dieses 
Oberhäutchens einen spröderen Charakter. Vielleicht liegt dies darin, 
dass bei Fig. 14 die Einwirkung der Lauge eine energischere gewesen 
ist; vielleicht auch darin, dass dies Oberhäutchen, wie dies die Behand- 
lung mit Essigsäure wahrscheinlich macht, an manchen Stellen mit Kalk- 
verbindungen imprägnirt ist und dadurch, wie auch bei Fig. 5, einen 
etwas anderen Charakter annimmt. 

In Fig. 15 sind ebenfalls Elemente der äußeren Schicht abgebildet, 
und zwar aus einem mit dem Messer flach abgetragenen Schnitt, der 
anhaltend in Natronlauge gekocht und dann unzerzupft mit der äußeren 
Fläche nach unten liegend in Wasser beobachtet ist. An seinen dickeren 
Stellen zeigt das Präparat fast nur die Fasern der mittleren Schichten, 
wo aber der Schnitt am Rande flach ausläuft die dicht unter den Ober- 
häutchen liegenden runden Körperchen a und 5 und starken Fasern oder 
Schläuche wie c und ihre keulenförmigen Endungen: c’ und d. 


600 W. v. Nathusius-Königsborn, 


Die Unterschiede gegen das in Fig. 13 Abgebildete liegen zum Theil 
darin, dass dieses bei hoher Einstellung, a, db und c der Fig. 15 dagegen 
bei tiefer Einstellung gezeichnet sind, wo die schwächer lichtbrechenden 
Einschlüsse sich hell darstellen. Die bei Fig. 15 mit « und b bezeich- 
neten runden Körperchen sind dasselbe, als die bei Fig. 13 mit c und d 
bezeichneten. Die größeren hellen Gegenstände, welche in Fig. 15 b 
und c neben der feinen Körnung des Inhaltes auftreten, müssen viel- 
leicht als Artefacte, entstanden durch die stärkere Einwirkung der heißen 
Lauge betrachtet werden. Sie müssten dann allerdings Tröpfchen einer 
Flüssigkeit sein, denn dass sich größere Vacuolen auf diesem Wege bil- 
den könnten, scheint mir unannehmbar. Die feine Punktirung dagegen, 
weiche bei c und d der Fig. 15 eben so wie durchgehends in Fig. 43 
auftritt, vermag ich um desshalb nicht der Einwirkung der Lauge zuzu- 
schreiben, weil sie auch bei den einfach in Giycerin gelegten Elementen 
der inneren Hautschicht vorkommt, wie a’ und e der Fig. 6 ergeben. 
Aber auch wenn die Maceration in heißer Lauge sie regelmäßiger her- 
vortreten ließe und sogar erzeugte, würde dies immer beweisen, dass 
diese Fasern und Körnchen keineswegs aus einer soliden gleichartigen 
Substanz bestehen; und das Vorhandensein einer vom Inhalt verschie- 
denen circa 4 u dicken Membran, also überhaupt einer Struktur, ist 
bei c’ und d Fig. 13, so wie c’ und d Fig. 15 ganz evident, und würde 
bei c Fig. 15 — dem Stück eines sehr viel längeren Schlauches, als hier 
gezeichnet ist — und bei b derselben Figur eben so hervortreten, wenn 
dasjenige Bild dargestellt wäre, welches die hohe Einstellung zeigt. 
Übrigens wird sich weiterhin ergeben, dass sich auch durch Einlegen in 
Balsam der nicht mit Lauge behandelten Eihaut in den Fasern der 
äußeren Schicht eine vorhandene Struktur erweisen lässt. 

Zum Schluss ist es vielleicht gut zu bemerken, dass es sich nicht 
empfiehlt, nach der Maceration in Lauge Essigsäure zuzusetzen, wie ich 
es bei der Untersuchung der Schalenhaut der Vogeleier nothwendig fand, 
weil dort die Schalenhautfasern selbst bei Lösung ihres Bindemittels so 
stark aufquollen, dass sie kaum noch wahrnehmbar waren. Das Binde- 
mittel bei Python war durch die Lauge so wenig zerstört, dass der 
Säurezusatz das ganze Präparat wieder kontrahirte, und die sichtbar 
gewordenen Fasern etc. wieder unsichtbar wurden. 


Vergleiche ich mit dem an der Eihaut von Python Beobachteten 
dasjenige, was ich früher über die Eihaut der Natter! mitgetheilt und 


(das. Fig. 2—8 und 10) abgebildet habe, so ergiebt sich bei mancher 


i Diese Zeitschr. Bd. XXI, Heft. A. 


Die Eihaut von Python bivittatus. 601 


Verschiedenheit doch eine wesentliche Homologie. Hier wie dort sind 
die in großer Mannigfaltigkeit auftretenden Elemente der Schalenhaut 
auf Verdickungen und Verbreiterungen der Fasern, theils zu keulen- 
föormigen und kugelförmigen Endungen zurückzuführen. Daneben 
kommen bei beiden runde Körperchen, deren Zusammenhang mit Fasern 
zweifelhaft bleibt, vor. Auch eine im Wesentlichen analoge Struktur im 
Innern dieser Gebilde ist bei Python und bei der Natter vorhanden. 

Gewisse Unterschiede treten bei den in Kanadabalsam gelegten 
Präparaten hervor. Wie ich a. a. OÖ. vom Natierei berichtet und abge- 
bildet habe, zeigt hier schon ein großer Theil der Fasern der inneren 
Schicht Hohlräume, in welchen Luft bleibt, die stärkeren Fasern so wie 
die Varicosen und kolbenförmigen Endungen der letzteren einen Inhalt, 
der sich in diesen Präparaten als scharf markirte Bläschen darstellt. 
Beides fehlt bei Python. Wenigstens ist der Luftgehalt in den Fasern 
nur in sehr zweifelhaiter Weise zu erkennen. Werden jedoch feine 
Lamellen der äußeren Schichten in Balsam eingebettet, so macht sich 
bei den runden Körperchen und kolbigen Endungen ein von der ein- 
schließenden Membran differenter Inhalt bemerkbar ; besonders schon 
bei den mittelstarken Fasern dadurch, dass sie bei hoher Einstellung 
eine dunkle Achse von zwei hellen, breiten Säumen umgeben zeigen; 
bei tiefer Einstellung dagegen eine helle Achse von dunkeln Säumen 
umgeben. 

Dies sind die Bilder, welche cylindrische Röhren mit schwächer 
lichtbrechendem Inhalt geben. Solide Cylinder von homogener Be- 
schaffenheit verhalten sich in entgegengesetzter Weise. 

Die Tragweite der in diesen Fällen zwischen Python und Tropi- 
donotus bestehenden Unterschiede wird überhaupt nicht zu hoch an- 
geschlagen werden dürfen. 

Das untersuchte Pythonei war ein ganz frisch gelegtes und zeigte 
keine Spur von embryonaler Entwicklung. Die Nattereier waren ver- 
muthlich schon länger gelegt und enthielten weit entwickelte Embryonen. 

Eine viel verbreitete Annahme geht dahin, dass wenigstens beim 
Vogelei mit der Entwicklung des Embryo eingreifende Veränderungen 
sogar der Schale verbunden sind. Ich habe für diese Annahmen eine 
bestimmte experimentelle Unterlage nicht ermitteln können, und be- 
zweille ihre Begründung um so mehr, als einige, wenn auch nicht ganz 
erschöpfende Beobachtungen an stark bebrüteten Vogeleiern mich auf 
das Gegentheil schließen lassen. 

Aber auch, wenn die Schalenhaut nicht so direkt in den Kreis der 
embryonalen Entwicklung gezogen würde, schlösse dieses nicht aus, dass 
unmittelbar nach dem Ablegen der Schlangeneier Veränderungen ihrer 


602 W. v. Nathusius-Königsborn, 


nicht verkalkten Schale eintreten können: sei es Fortbildung des hier 
gewachsenen Organismus, sei es Rückbildung nach dem Absterben 
desselben. Dass bei solchen Vorgängen statt des zarten Inhaltes der 
Fasern wirkliche Hohlräume entstehen können, dass Membran und In- 
halt der runden Körperchen sich deutlicher sondern, wäre wohl zu 
verstehen, und jedenfalls würde ich es als verfrüht betrachten, dem- 
jenigen Unterschied, welcher sich hier zwischen den Präparaten von 
Python und der Natter beim Einlegen in Kanadabalsam etc. gezeigt hat, 
eine systematische Bedeutung beizulegen. 

Von größeren Reptilieneiern nicht festzustellenden Ursprungs habe 
ich in dieser Zeitschrift a. a. O. Fig. 1 analoge Faserformen abgebildet 
und besitze ich von früher her Reihen von noch nicht publieirten Zeich- 
nungen, welche die aus ihren Faserhäuten durch Zerzupfen isolirten 
Varicosen, keulen- und kugelförmigen Endungen der Fasern darstellen. 
Diese hier zu publiciren würde, da sich diese Eier nicht einmal auf 
bestimmte Familien zurückführen lassen, kein Interesse haben, aber 
dass diese Analogie sich auch auf Vogeleier ausdehnt, ist von solcher 
Bedeutung, dass ich hier noch Fig. 47 und 48 nach ebenfalls aus älterer 
Zeit aufbewahrten Zeichnungen gebe. 

Vor mehreren Jahren erhielt ich durch Dr. Buchs£m die in Spiritus 
konservirte Schale eines weichschaligen, dem Oviduct entnommenen 
Eies der Uferschwalbe (Hirundo riparia). Über einige Befunde an der- 
selben ist früher berichtet !. Bei der Untersuchung dieser Eihaut fanden 
sich in einem Zerzupfungspräparat in verschiedener Gestalt verdickte 
Endungen der Schalenhautfasern und Varicosen der letzteren. Ob- 
gleich dieses Ei als ein normales, nur in der Entwicklung begriffenes 
betrachtet werden musste, lag doch die Frage nah, ob ein vollständig 
entwickeltes Ei von Hirundo riparia dasselbe zeigen würde. Die Unter- 
suchung eines solchen führte zu ihrer Bejahung. Die schon erwähnten 
Fig. 17 und 48 sind nach den damals entworfenen und noch aufbewahr- 
ten wiedergegeben. Die Analogie mit dem bei Python und der Natter 
Vorkommenden ist so evident, dass sie einer Auseinandersetzung nicht 
bedarf. 

Für spätere Erörterung konstatire ich hier nur, dass sonach solche 
Modifikationen der einfachen Faserform auch bei Vogeleiern vorkommen. 
Ob nur in bestimmten Ordnungen und auch bei anderen als den Oseinen 
und ob bei allen Oscinen, ist noch offene Frage. Hier kommt es auf 
ihre Beantwortung nicht an. 


1 Untersuchungen über nicht celluläre Organismen. p. 20 und Fig. 1 auf 
Sal. T, 


Die Eihaut von Python bivittatus. 603 


Veranlassung für den Verf. zur vollständigeren Durchführung 
dieser schon begonnenen Untersuchung der Eihaut von Python und zur 
Veröffentlichung ihrer Resultate gab die schon kurz erwähnte verdienst- 
volle Arbeit von Dr. Loos: Über dieEiweißdrüsen imEileiter 
der Amphibien und Vögel. Inaug.-Diss. Leipzig 1881, auch in 
dieser Zeitschr. Bd. XXXV publicirt. Es genügt also der kurze Hinweis 
darauf, dass sie zwar wesentlich auf die Eiweißdrüsen gerichtet ist, 
dass aber hieraus Argumente zur Erklärung der Genesis der Schalen- 
hautfasern entnommen werden. 

Mit denselben tritt Loos in Gegensatz sowohl gegen die durch 
Lanpoıs von Neuem geltend gemachte Auffassung der zitzenförmigen 
Protuberanzen der Schale des Vogeleies, welche in die Faserhaut der- 
selben inserirt sind, als abgestoßene Uterindrüsen !, als auch gegen die 
jetzt von LanDoıs, entgegen seiner früheren Annahme, acceptirte Ent- 
stehung der Schalenhautfasern als Gerinnungsprodukte des Eiweiß. 
Loos betrachtet als erwiesen oder mindestens wahrscheinlich, dass die 
Schalenhaut der Eier der beschuppten Amphibien und Vögel aus einem 
faserigen Sekret der Epithelzellen des Eileiters gebildet werde. 

Hiermit wird auch die vorhin citirte Vermuthung Lrypig’s über die 
Entstekung der Schalenhautfasern verworfen, ohne dass dieselbe be- 
sonders erwähnt wird. 

Loos bezieht sich auf ein Rauser’sches Präparat » aus dem Eileiter 
einer Hausente, welches über dem Cylinderepithel eine ganz ansehn- 
liche Schicht von faserigem Sekret zeigt, ohne dass an den einzelnen 
Zellen auch nur eine Spur von Veränderung wahrnehmbar ist« (p. 24 
des Separatabdruckes). Weiter wird daselbst gesagt: » Vergleicht man 
unter dem Mikroskop die Fasern der Schalenhaut mit den eben aus dem 
Cylinderepithel ausgetretenen, so wird man an der Identität beider 
Objekte nicht zweifeln können.« 

Ferner giebt Loos in Fig. 13 (Taf. XXVII, Bd. XXXV dieser Zeit- 
schrift) einen Schnitt des Eileiters der Haushenne, welcher die Abson- 
derung des faserigen Produktes durch die Epitheizellen darstellen soll. 
Im Text finde ich keine Bezugnahme auf ein Präparat, nach welchem 
diese Abbildung gefertigt sei. Die gehärteten Objekte, von welchen 
dort die Rede ist, würden schwerlich den Akt der Sekretion zeigen. 
Die Identität des »faserigen Produktes« auch mit den feineren Fasern der 
Schalenhaut ist aus dieser Darstellung sicher nicht zu entnehmen. Frei- 
lich ist das Maß der Vergrößerung leider bei keiner der gegebenen 
Abbildungen angeführt. Die Beziehung auf das Rauser’sche Präparat von 


I Bericht über die Jahresversamml. der deutschen ornithol. Gesellschaft. in: 
Cazanıs’ Journ. f. Ornithologie. Januarheft 1882. 


604 W. v. Nathusius-Königsborn, 


der Ente erscheint unmotivirt, wenn ein Präparat der Haushenne vor- 
gelegen hätte, nach welchem die Fig. 13 als Darstellung einer Realität 
gezeichnet wäre. Ob danach die Schlussfolgerung gerechtfertigt erscheint, 
dass hier nur ein Schema gegeben, d. h. eine Meinung statt einer That- 
sache dargestellt ist, bleibt mir um desshalb zweifelhaft, weil ich aller- 
dings annehme, dass eine schematische Darstellung in der Erklärung 
der Abbildungen als solche auch ausdrücklich zu bezeichnen gewesen 
wäre. 

Leider ist der Versuch durch die Güte von Dr. Loos eins der Prä- 
parate, auf welche er die Behauptung der Identität eines solchen fase- 
rigen Sekretes mit den Schalenhautfasern begründet, schon daran ge- 
scheitert, dass meine bezügliche Bitte denselben nicht erreichte, weil er 
Europa verlassen hat, um seine wissenschaftliche Laufbahn in Brasilien 
fortzusetzen; kann ich also nur auf das in der hier erwähnten Arbeit 
Gesagte fußen, so glaube ich doch zu dem Ausspruch berechtigt zu sein, 
dass Sekrete aus intakten Zellen nicht »identisch« sein können mit 
den Elementen der Faserhaut, deren mannigfache Gestaltungen im Vor- 
stehenden von Python, von der Natter und mehreren anderen Reptilien- 
und auch von Vogeleiern vorgeführt wurden. Dieses weiter zu argu- 
mentiren, wäre überflüssig. 

Einzelnen Worten herausgegriffener Sätze eine entscheidende 
Bedeutung beizumessen, ist indess misslich. Ganz besonders bei einem 
Wort wie »identisch«, welchem etymologisch, wenn auf das platonische 
eidog zurückgegangen wird, ein mannigfaltigerer Sinn unterlegt werden 
könnte. Die gebräuchliche wissenschaftliche Ausdrucksweise gestattet 
wohl nicht, das Ei mit dem Vogel, den Embryo mit der entwickelten 
Kreatur oder — allgemeiner ausgedrückt, einen Organismus in früherer 
Entwicklungsstufe mit demselben in späterer als identisch zu bezeich- 
nen, auch wenn es sich um dasselbe Individuum handelt. 

Hier gilt es indess nicht einem Wortgefechte, und ich glaube auch 
eine Auffassung nicht unberücksichtigt lassen zu dürfen, welche selbst 
für ein Sekret eine gewisse gestaltliche Fortentwicklung zulässt. 

In dem Wort »Sekret« tritt da gleich wieder ein solches entgegen, 
das in vielfachem Gebrauch verschiedene Färbung annimmt. Die Fest- 
stellung von Distinktionen wurde früher als die wesentliche Aufgabe 
der Naturforschung betrachtet, was auch eine scharfe und klare Be- 
zeichnung durch geeignete Worte erforderte. Der » Monismus« sucht im 
Gegentheil überall nach Übereinstimmungen, strebt wenigstens danach, 
die Distinktionen zu verwischen. Hierzu ist ein salopper Gebrauch — 
wenn ich so sagen darf — der Bezeichnungsworte, der sie allmählich 
ihres Inhaltes entleert, ein sehr wirksames Mittel. So wird von einem 


Die Eihaut von Python bivittatus. 605 


»Kriechen« — von einem »Leibe« — von einer »Fütterung« der Zellen 
gesprochen und dann werden wiederum den Mineralien » Seelen « vindi- 
eirt. Dieses Thema kann hier nicht erschöpft werden, aber ich musste 
es berühren, weil, um die von Loos angeregie Frage zu erörtern, der 
Begriff der Sekretion klar gelegt werden muss, denn es scheint mir, 
dass viele Forscher, welche sicherlich die Konsequenzen des Monismus 
nicht zu acceptiren beabsichtigen, sich seinen zweideutigen Redewen- 
dungen einigermaßen hingeben. Erst kürzlich trat mir in einem be- 
deutenden neueren Werk der Ausdruck entgegen: Das Haar sei ein 
Sekret seiner Matrix. 

Die Unzulässigkeit eines solches Ausdruckes ist schon darin evident, 
dass das fertige Haar sich von seinem Keimlager, das doch unter der 
Matrix gemeint sein muss, gar nicht trennt, also auch von ihm nicht 
»abgesondert« wird, was doch der hier zutreffendste deutsche Ausdruck 
für Sekretion ist. 

Aber auch in solchen Fällen, wo eine Lösung des Zusammenhanges 
später eintritt, würde »Absonderung« nicht die adäquate Bezeichnung 
eines Vorganges sein, bei welchem ein Organismus erzeugt wird. 
Wollen wir den Unterschied zwischen organischem Werden und Ablage- 
rung todten Stoffes irgend wie festhalten — und auch der Monist muss 
dieses für so verschiedene Vorgänge thun, wenn er nicht die Augen 
gegen die ihn umgebende Wirklichkeit verschließen will —, so dürfen 
wir beispielsweise das Ei nicht als eine Absonderung — als ein Sekret 
des mütterlichen Organismus bezeichnen, obgleich die Eizelle un- 
zweifelhaft aus Stoffen, welche der mütterliche Organismus wirklich 
absondert, zum reifen Ei erwächst. Der Schwerpunkt liegt hier in der 
Assimilation dieser Stoffe durch den wachsenden Organismus des 
Eies. 

Dieses Beispiel führt uns mitten in die hier zu erörternde Frage. 
Im Wesentlichen besteht wohl Übereinstimmung darüber, dass das Ei 
im Ovarium durch Assimilation derjenigen Stoffe erwächst, welche 
ihm der mütterliche Organismus in ungeformtem Zustande liefert. Bei 
der Genesis der Hüllen, welche sich im Eileiter bilden, tritt Verschie- 
denheit der Auffassungen ein. Die herrschende ging dahin, dass Ab- 
sonderungen der Drüsen des Eileiters in mechanischer Weise diese 
Hüllen bildeten. Schon die oberflächlichste Untersuchung zeigte in diesen 
Hüllen in vielen Fällen eine sehr bestimmte Struktur, deren Zustande- 
kommen zu sehr komplicirten Erklärungsversuchen führte. Überein- 
stimmungin diesen bestand nie. Meistens verwarf jeder neue Forscher, 
je nachdem ihm ein neues, bis dahin nicht beachtetes Strukturverhältnis 
entgegentrat, die früheren Erklärungen. Nachdem es mir gelungen, in 


606 W. v. Nathusius-Königsborn, 


den schon angeführten Arbeiten mehrere bis dahin unbekannte Struktur- 
verhältnisse auch in der Kalkschale aufzudecken, glaubte ich die so 
einfache Auffassung, dass es sich hier um einen aus der Dotterhaut er- 
wachsenen Organismus handle, vertreten zu können. Zuzugeben 
ist, dass dies für gewisse Hypothesen unbequem war; indess sind weder 
Widerlegungen der veröffentlichten Thatsachen noch irgend ein Versuch, 
einen so einfachen, sich in der Natur so unendlich oft wiederholenden 
Vorgang auch nur als unwahrscheinlich darzustellen, zu meiner Kennt- 
nis gekommen. 


Halte ich nun an dem oben angedeuteten wesentlichen Unterschied 
fest, zwischen einem der lebendigen Weiterentwicklung fähigen Orga- 
nismus, und einem Sekret, d. h. einer aus dem Kreise des Lebens 
getretenen Absonderung, die nunmehr nur den chemischen und physika- 
lischen Gesetzen, welche die Stoffe beherrschen, unterliegt, so muss ich 
durch die Struktur der Eifaserhäute für erwiesen halten, dass die An- 
nahme von Loos, welche sie auf ein fibrilläres Sekret der Epithelzellen 
des Eileiters zurückführen will, unhaltbar ist. 


Damit allein ist die Frage aber noch nicht erledigt. Wären jene 
Fasern kein Sekret, stellte sich in ihnen ein aus oder in den Epithel- 
zellen erwachsener Organismus dar, so könnten aus dessen Fortent- 
wicklung auch die komplicirten Formen der Elemente der Faserhaut 
entstehen. 


Auf die Loos’sche Fig. 13 oder auf das von ihm citirte Rauser’sche 
Präparat, wo eine Faserschicht nicht nachgewiesenen Ursprungs sich 
über einem unverletzten Cylinderepithel zeigt, wird eine solche An- 
nahme nicht genügend zu begründen sein. Indess wird hier ein anderes 
Resultat der Loos’schen Untersuchungen, und wohl das bedeutungsvollste 
derselben in Betracht kommen. Der Nachweis nämlich eines fibrillären 
Netzes im Inhalt der Drüsenzellen des Eileiters und eines Zerfalles dieser 
Zellen. 


Die Anfänge der fibrillären Organisation der Schalenhaut ließen 
sich allerdings möglicherweise in diesen Fibrillen suchen, wenn sie 
in lebendem und der Fortentwicklung fähigem Zustande sich aus sonsti- 
gem Detritus lösen und auf die Peripherie des Eies übertragen werden 
könnten, um dort weiter zu wachsen. 

Eine gewisse Kühnheit liegt in der Statuirung einer solchen Mög- 
lichkeit jedenfalls. Zunächst ist sie mit der p. 590 schon angeführten, 
was Leyvig über die Verhältnisse bei der Blindschleiche angiebt, unver- 
einbar. 


Verfasser ist weit entfernt die dort gegebene Erklärung der Genesis 


Die Eihaut von Python bivittatus. 607 


der Fasern zu acceptiren, und betrachtet sie als eine gezwungene. Will 
man sich den Verlauf des Vorganges klar vorstellen, durch welchen die 
Fasern zuerst als Relief einer vorher abgesonderten Cuticula auftreten 
und sich dann von derselben ablösen sollen, so dürfte die Unwahrschein- 
lichkeit einer solchen Vermuthung um so mehr entgegentreten, als es 
sich doch nicht nur um Fasern, sondern um die komplicirten Gebilde 
handelt, welche nach Leypig’s eigenen Anführungen schon WEINLAND und 
LEREBOULLET fanden und deren fast unabsehbare Mannigfaltigkeit bei 
Python hier abgehandelt ist. Eine »Guticula«, welche doch als ein 
Sekret betrachtet wird, würde gar nicht im Stande sein, zum Fort- 
wachsen fähige Organismen aus sich zu erzeugen. 

Aber die Existenz dieses als Cuticula bezeichneten Häutchens wird 
nicht bestritten werden können. Sein Auftreten beim Pythonei ist hier 
ausführlich abgehandelt und in Fig. 44 abgebildet. Auch beim Natterei 
habe ich es nachgewiesen und beschrieben !. Beieinem in der Schalen- 
bildung begriffenem Ei von Hirundo riparia fand ich, dass das Wachs- 
thum der Schale sich zwischen diesem deutlich nachweisbaren Ober- 
häutchen und der Faserschicht entwickelte?. Auch bei fertigen Vogeleiern 
findet sich häufig noch ein deutlich gesondertes Oberhäutchen als äußerste 
Schicht der Schale in so charakteristischer Form, dass diese systema- 
tische Bedeutung hat?. Häufig ist es allerdings nicht nachweisbar, was 
eben so für die mit Kalkschale versehenen Reptilieneier gilt. Aber auch 
bei den weichschaligen Reptilieneiern kann dieser Nachweis mindestens 
schwierig sein. 

Einige seit längeren Jahren in Spiritus konservirte Eischalen von 
Lacerta agilis habe ich in dieser Beziehung untersucht. Wie schon 
Leypie a. a. O. richtig beschreibt, besteht nur die innere Schalenschicht 
zu etwas mehr als der Hälfte der ganzen Schalendicke aus den oft 
beschriebenen Fasern, welche hier ohne Bindemittel ein zwar dichtes 
aber loses Gewebe bilden. Auch ich habe kolbige Ansch wellung hier 
nur in geringem Grade und ganz vereinzelt gefunden. Die äußere 
Schicht besteht aus sehr viel feineren Fäserchen, welche aber durch 
die auch bei Python erwähnte Kitisubstanz so fest verschmolzen sind, 
dass diese Struktur vollständig verdeckt ist. Feine Kalkkörnchen be- 
decken die äußere Fläche ziemlich dicht. Diese Beschaffenheit erschwert 
die Anfertigung guter Querschnitte und verhindert auch auf Falten die 
Erkennung der »Cuticula«. Nach Behandlung mit kochender Natron- 


1 Diese Zeitschr. Bd. XXI, Heft I. 

? Nicht celluläre Organismen. p. 20. Fig. A. 

3 Unters. von Eischalen. CaA»anıs’ Journal für Ornith. Jahrg. XXX. Juliheft 
1832, 


608 W, v. Nathusius-Königsborn, 


lauge, gegen welche auch die starken Fasern der inneren Schicht sehr 
resistent sind, zeigt die äußere Schicht im optischen Querschnitt der 
Faltung eine Punktirung, und wo sie zufällig oder absichtlich verletzt 
ist, so wie auf der Flächenansicht der Rissränder treten nun die feinen 
Fäserchen hervor. Ob die Punktirung, des optischen Querschnittes nur 
von den Querschnitten dieser Fäserchen herrührt, oder auch analog der 
Struktur bei Python wirklich Körnchen vorhanden sind, lasse ich unent- 
schieden. Die Guticula ist so dünn, dass ihre Erkennung in situ zweifel- 
haft bleibt; hat man indess mit der Präparirnadel einige Mal leise über 
das gefaltete Hautstückchen in der Richtung nach der Außenseite der 
Falte gestrichen, so lässt sich an Stellen, wo die Fäserchen nicht heraus- 
gerissen sind, die theilweise abgelöste Guticula an den Falten, welche 
sie schlägt, erkennen, und dort ihre Dicke in dem durch die Lauge 
gequollenen Zustand auf etwas über I w schätzen. Eben so habe ich 
als innere Begrenzung der Schalenhaut von Lacerta agilis an mit Essig- 
säure entkalkten Hautstücken ein ebenfalls anscheinend strukturloses 
Häutchen von circa 0,75 u Dicke erkennen können. Dies erwähne ich 
der Kürze halber gleich hier. Die Bedeutung dieses Nachweises wird 
später erörtert. 

Habe ich den Ausdruck »Cuticula« hier nicht wohl vermeiden 
können, so verwahre ich mich ausdrücklich dagegen, hiermit die sog. 
Cuticulartheorie zu acceptiren, in so fern sie alle solche Häutchen als 
mechanisch entstandene Ablagerungen betrachtet wissen will. 

Möchte aber ein solches, die äußere Begrenzung der Eischale bilden- 
des Häutchen entstanden sein, wie man wolle, so müsste es unbedingt 
verhindern, dass präexistirende geformte Elemente, wie diejenigen 
Fasern, welche Loos in den zerfallenden Zellen des Eileiters nachge- 
wiesen hat, unter diese Cuticula gelangen ; und wie komplicirte Vor- 
gänge müssten fingirt werden — denn sie sind unerwiesen und uner- 
weislich — um die Bildung der Cuticula, nachdem die Fasern als 
Produkt zerfallener Zellen abgelagert sind, zu erklären. 

Ich verstehe überhaupt sehr wohl, dass man annimmt, wie durch 
Elaborate der Zelle eine Verdickung ihrer Haut von innen her stattfinden 
könne. Ich vermag noch zu folgen, wenn man auch das annimmt, dass 
diese Elaborate die Zellhaut durchdringen und sie durch äußerliche 
Ablagerung verdicken können; aber dass die Zellen, auch wenn sie 
noch intakt wären, eine solche Cuticula nicht auf sich selbst, sondern 
auf einen fremden Gegenstand, wie das aus dem Ovarium hergeführte 
Ei ist, ablagern sollen, scheint mir eine undurchdachte Supposition. 

Gegenüber einer solchen gezwungenen Erklärung für die Genesis 
der Faserhaut muss ich darauf hinweisen, dass eine Entwicklung der 


Die Eihaut von Python bivittatus. 509 


Schalenhaut aus dem Dotterhäutchen sehr viel näher liegt, und gehe 
zunächst auf die Struktur des Dotterhäutchens ein. 

In Schnitten eines gekochten und in Spiritus konservirten Hühner- 
Ovarium hatte ich die Zona pellucida eines anscheinend reifen Eies als 
ein circa 3,5 « dickes Häutchen, das keine Struktur erkennen ließ, 
beobachtet, es also nicht mit dem Dotterhäutchen des gelegten Eies 
übereinstimmend gefunden (diese Zeitschr. Bd. XVII, p. 229u.ff.). Für 
ihre Identität hat dann Cramer (Verh. der Physik. Medic. Gesellsch. zu 
Würzburg. I. Bd. 3. Heft. 1868) Andeutungen von Faserstruktur, wel- 
che das frisch beobachtete Dotterhäutchen zeigt, geltend gemacht. Die 
Identität halte ich damit noch nicht erwiesen, aber richtig ist, dass beim 
Haushuhn schon im Ovarıum das Dotterhäutchen ein Faserhäutchen ist, 
oder wenigstens Faserschichten enthält. Trockenpräparate aus frischen 
Follikeln zeigen die schönsten Fasernetze deutlich!. Auf die Bedeutung 
des allerdings feinen Unterschiedes, dass beim Eierstocksei diese Struk- 
tur durch Coagulation verwischt wird, beim Dotterhäutchen des gelegten 
Eies bei Goagulation vollständig intakt bleibt, soll hier nicht ausführlicher 


! Verf. hat mehrfach Gelegenheit genommen, solche Präparate kompetenten 
Beurtheilern vorzulegen. Von beachtenswerther Seite sind Einwände erhoben, 
welche ich hier nicht übergehen möchte. Erstens die Möglichkeit, dass die in den 
Präparaten allerdings evidenten Fasernetze durch die Präparation erzeugt seien. 
CRAMER hat dieselben auch ohne Trockenpräparate erkannt, aber ich lege diesen 
Präparaten, als Mittel bisher ungeahnte Strukturen in feinen Membranen zu erken- 
nen, eine solche Bedeutung bei, dass ich diesem noch hinzufügen möchte, dass in 
dem Dotterhäutchen des abgelegten Hühnereies bei vorsichtiger Isolirung der be- 
treffenden Schicht auch in Wasser oder verdünntem Glycerin die Fasernetze zu 
sehen sind. Legt man auf das in destillirtem Wasser oder Spiritus befindliche mög- 
lichst faltenlos auf dem Objektträger ausgebreitete Häutchen das Deckgläschen, lässt 
dieses durch mäßigen Druck ansaugen, so findet man nach Beendigung des Ein- 
trocknens an den gelungenen Stellen des Präparates prachivolle scharfe Fasernetze, 
die aber unverkennbar dasselbe sind, was das Präparat schon vor dem Eintrocknen, 
wenn auch undeutlicher, zeigte. Und auch wo ein solcher Nachweis der Präexistenz 
nicht vorliegt, ist der Eindruck, welchen wirkliche Fasernetze machen, mit zufäl- 
ligen Faltungen und Unregelmäßigkeiten nicht zu verwechseln; überdies sind an 
den Rissrändern einzelne vorstehende Faserenden ganz unverkennbar. Zweitens ist 
der Zweifel ausgesprochen, ob bei dem von CrAmEr angegebenen Verfahren der 
Loslösung mit dem Pinsel aus dem frischen Follikel nach Ausspülung des Dotters 
wirklich nur die Dotterhaut und nicht auch andere Hüllen, z. B. die Tunica propria 
des Follikels abgelöst würden. Die Resultate des Crauer’schen Verfahrens sind so 
präcise und mit denen, welche Schnitte durch reife Follikel ergeben, so kongruente, 
dass nicht wohl bezweifelt werden kann, dass dabei nur diejenige Membran abge- 
löst wird, welche im reifen Follikel dem Dotter unmittelbar aufliegt. In welchen 
Beziehungen diese zu denjenigen Hüllen steht, welche im jungen Follikel zwischen 
Dotter und Stroma liegen, und deren Bedeutung theilweise noch kontrovers ist, 
davon wird die hier vorliegende Frage nicht berührt. 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVIL. Bd. 4A 


610 W. v. Nathusius-Königsborn, 


eingegangen werden; auch darauf will ich nur hindeuten, dass bei 
Struthio und Dromaeus das starke Dotterhäutchen offenbar aus mehreren 
Faserschichten besteht, zwischen welchen sich Eiweißschichten befinden, 
und dass hiermit vollständig harmonirt, dass ich in Gänsedoppeleiern 
außer dem jeden Dotter umgebenden Faserhäutchen, ein beide ein- 
schließendes gemeinsames Faserhäutchen fand, wobei der Zwischenraum 
mit normalem Eiweiß ausgefüllt war !. Ob hierdurch die Fortentwicklung 
des Dotterhäutchens erwiesen sei oder nicht: jedenfalls wird man ihm 
die Fähigkeit sich fortzuentwickeln mindestens mit derselben Wahrschein- 
lichkeit zuschreiben müssen, als den doch nur Gewebstrümmer dar- 
stellenden Fasergebilden der Drüsenzellen des Eileiters. 

Die Entscheidung für das Dotterhäutchen als denjenigen Organismus, 
aus welchem morphologisch betrachtet die Eihüllen erwachsen 
— denn dass die Stoffe für ihre Bildung durch den Eileiter geliefert 
werden ist unbestreitbar — wird wesentlich durch folgende Betrachtun- 
gen unterstützt. 

Wäre die Eihaut von Python mit ihren keulenförmig endenden 
Fasern, Schläuchen, Platten etc. aus den faserigen Produkten des Ei- 
leiters erwachsen, und hätte keine Fortentwicklung der Zona pellucida 
des Ovariumeies stattgefunden, so müsste letztere beim gelegten Ei die 
innerste, unmittelbar den Dotter oder ein etwa schon entwickeltes fal- 
sches Amnion umgebende Lage bilden. Den Bericht über die Beschaffen- 
heit der Eihaut von Python in dieser Beziehung hatte ich vorbehalten, 
um ihn hier, wo dieses Verhältnis von besonderem Interesse ist, zu 
geben. 

Ganz feine Querschnitte der Eihaut zeigen an günstigen Stellen ein 
die letztere gegen den Dotter abgrenzendes Häutchen, wie es in Fig. 19 
bei 540facher Vergrößerung nach einer Glycerinpräparat abgebildet ist. 
Die innerste Lage besteht aus einem sehr stark lichtbrechenden und sich 
dadurch von der mittleren Schicht scharf absetzenden Häutchen von 
circa 4,4 u Dicke. Auch gegen die Fasern der Schalenhaut ist ein zarter 
Doppelkontur bemerkbar. Er würde einem Häutchen von kaum 0,75 u 
Dicke entsprechen. Die mittlere Schicht halte ich für coagulirtes ur- 
sprünglich flüssiges Eiweiß. Wie Eingangs berichtet, wurde das Ei vor 
seiner Öffnung hart gekocht, und die eigenthümliche Körnung, welche 
feine Schnitte von coagulirtem Eiweiß zeigen, gewährt ein charakte- 
ristisches Bild, das nicht leicht täuschen kann. Früher (diese Zeitschr. 
Bd. XVII, p. 257) habe ich nachgewiesen, dass diese Körnung kein ur- 
sprüngliches Strukturverältnis ist, indem sie auch dann auftritt, wenn 


1 Casanıs’ Journal für Ornithologie. 4872. Nr. 449. Kurz angeführt in: Unters. 
über nicht celluläre Organismen. 


Die Eihaut von Python bivittatus: 611 


filtrirte Albuminlösungen durch Siedehitze coagulirt werden; allerdings 
nur bei einer gewissen Verdünnung der Lösung: das Coagulum aus 
durch Verdunstung stark koncentrirten Albuminlösungen giebt durch- 
sichtige Schnitte. Die schwankende Dicke dieser Eiweißschicht — 3 bis 
6 u auf der abgebildeten Stelle — ist leicht verständlich, wenn sie ur- 
sprünglich als Flüssigkeit in den feinen Membranen eingeschlossen war. 

Diese Verhältnisse sind an den Querschnitten, wie gesagt, nur unter 
günstigen Verhältnissen so zu beobachten. Bei der erforderlichen Fein- 
heit derselben wird an den meisten Stellen die Grenzmembran zerstört. 
An anderen Stellen macht vom Eiinhalt herrührender Detritus das Beob- 
achtete zweifelhaft. Glücklicherweise lässt sich auch auf anderem Wege 
die oben gegebene Darstellung des Sachverhältnisses als richtig be- 
stätigen. 

Wird von der inneren Fläche der gereinigten Eihaut durch An- 
schneiden und Abziehen eine dünne Schicht isolirt und so in eine Falte 
gelegt, dass die innere Fläche sich auf der Außenseite der Falte befindet, 
so sieht man, dass eine Membran kontinuirlich die Elemente der Faser- 
haut überzieht, aber durch den Druck und Zug, welchen die Faltung 
bewirkt, sich den Körnchen etc. so eng anschließt, dass der Umriss 
diese Hervorragungen andeutet, und auf den letzteren die Membran sehr 
dünn erscheint, während sie in die Lücken der Faserhautelemente hin- 
eingepresst ist. Dies entspricht durchaus der Annahme, dass die 
mittlere Schicht der Grenzmembran aus einer nachgiebigen Eiweiß- 
masse besteht. Die verschiedenen Schichten sind hier nicht zu be- 
merken. 

Wo durch die Präparation das zarte Häutchen stellenweise so lädirt 
ist, dass die Fasern hervortreten, sieht man meistens auch die durch 
den Riss, welcher dieses Hervortreten gestattet, abgeklappten Fetzen der 
Grenzmembran. Durch Zerzupfen des ganzen Präparates lassen sich 
solche Fetzen isoliren. Einer derselben, in Wasser beobachtet, bestand, 
wie eine zufällig entstandene Falte zeigte, aus einer stark lichtbrechen- 
den Membran von 4—1,25, höchstens 4,5 u Dicke, und auf oder unter 
dieser einer etwas stärkeren körnigen nicht scharf begrenzten Schicht. 
Es hatte sich also hier die innerste stärkere Membran mit einem Theil 
der Eiweißschicht von der feineren an den Fasern liegenden Membran 
gelöst. Übrigens lässt sich auch nach dem Eintrocknen an den in diesen 
Zerzupfungspräparaten isolirten Membranfetzen keine Faserstruktur 
nachweisen. 

Bei Vogeleiern habe ich in allen Fällen die Membrana testae durch 
ein homogen erscheinendes Häutchen gegen das Eiweiß abgegrenzt ge- 
funden. Wäre die Annahme richtig, dass wir beim Schlangenei die. 


4A* 


612 W, v. Nathusius-Königsborn, 


unveränderte Dotterhaut des reifen Ovariumeies als eine gesonderte 
Schicht in der innersten Lage der fertigen Eischale zu suchen haben, so 
müsste die innerste, nur circa 1,4 u dicke, die dünne Eiweißschicht 
vom Dotter trennende Membran das Dotterhäutchen sein. Dass letzteres 
bei einem Dotter von so beträchtlichen Dimensionen, als der des Python- 
eies ist, nur eine so geringe Dicke haben solle, halte ich für um so un- 
wahrscheinlicher, als ich schon beim Huhn die Dicke des Dotterhäutchens 
eines gekochten, reifen Ovariumeies in Glycerinpräparaten zu 3,5 u fand: 
neuerdings in einem frischen Ovariumei in Wasser gemessen zu 4,7 u. 
Die Beobachtung eines reifen Ovariumeies von Python würde freilich 
erst das Entscheidende sein. Da sie mir nicht vergönnt war, wende ich 
mich zu dem, was über die Beschaffenheit der Dotterhaut reifer Ova- 
riumeier von Reptilien anderen Forschungen zu entnehmen ist. 

Leider ist dies sehr wenig. Wie schon früher erwähnt, ist über 
die Beschaffenheit jüngerer Ovariumeier bei GEGENBAUR, WALDEYER, EIMER 
und Lupwie a. a. OÖ. werthvolles Material zu finden. Die offene Kontro- 
verse über die Bedeutung der einzelnen Schichten der komplicirten 
Gebilde, welche zwischen dem Dotter und dem Stroma des Ovarium 
liegen, kann hier dahingestellt bleiben, denn nach Warperyer’s Verfolgung 
der Vorgänge beim reifenden Follikeli treten hier Rückbildungen ein, 
womit auch das stimmt, was ich als meinen Befund bei einem ganz 
reifen, oder doch der Reife sehr nahen Follikel vom Huhn im Vorher- 
gehenden mittheilte..e. Auch Waıoever’'s Beobachtung geht in dieser 
Beziehung nur auf das Vogelei, aber die Analogien des Reptilieneies mit 
jenem sind weitgehend genug, um auch hier die Möglichkeit einer Rück- 
bildung so nah zu legen, dass nicht nur diese, sondern fast die Wahr- 
scheinlichkeit dessen, dass das Dotterhäutchen, mit welchem das gereifte 
Ei den Follikel verlässt, ein weit einfacheres Gebilde ist, bis zum Nach- 
weis des Gegentheiles nahe liegt. 

Indess ist auch ein anderes Verhalten des Reptilieneies möglich, 
und man könnte diesen Nachweis in demjenigen finden, was RATHKkE 
a.a.0.p.5u.ff. sagt. Er spricht dort der Dotterhaut: des Ovariumeies 
der Natter zwar die Faserstruktur ab, was keine besondere Bedeutung 
hat, da er diese Struktur bei den von ihm angewendeten Methoden auch 
an der Dotterhaut des Hühnereies nicht erkannt hat. Er giebt ihr ferner 
»eine absolut und relativ viel größere Dicke und Festigkeit, als die der 
Vögel und Schildkröten «, und eine ausführliche Beschreibung ihrer kom- 
plicirten- Verhältnisse, die aber kein ganz deutliches Bild derselben 
giebt. Er fügt dann hinzu, dass sie »der Dotterhaut schon vollständig 
ausgebildeter Eier entspreche«. 

1 Eierstock und Ei. Fig. 25 und 26. 


Die Eihant von Python bivittatus. 613 


Auf die Einzelnheiten gehe ich nicht ein, denn es scheint mir, dass 
in den sonst so verdienstvollen Arbeiten des trefllichen Rarkkr hier 
irgend ein Irrthum obwaltet: vielleicht daraus hervorgegangen, dass er 
von der Identität beim Ovariumei und beim perfekten Ei ausgehend, 
dann in der Beschreibung die gefundenen Einzelnheiten einigermaßen 
vermengt hat. 

Die Verhältnisse sind wenigstens beim perfekten Natterei, wo ich 
dieselben studiren konnte, durch Nebenumstände komplieirt und geben 
Andeutungen darauf, dass RATHkE dasjenige, was in seiner Beschreibung 
am auffallendsten ist, — nämlich ein Netz leistenartiger Vorsprünge der 
inneren Hautfläche —, am perfekten Natterei unter Umständen wirklich 
sehen konnte. 

Bei meiner früheren Untersuchung des Nattereies (diese Zeitschr. 
Bd. XXI) hatte ich die innere Schicht der Eihaut nicht besonders be- 
achtet. Es kam mir wesentlich auf die eigenthümlichen Gebilde der 
äußeren Schicht an. Eine Anzahl Nattereier sind von damals noch in 
Spiritus konservirt. Leider enthalten sie schon weit entwickelte Em- 
bryonen, was in mehrfacher Beziehung für die Untersuchung ungünstig 
ist. Die älteren Präparate lassen eine besondere innere Schicht, welche 
man als Dotterhäutchen betrachten könnte, nicht erkennen. Einige der 
nun seit Jahren in Spiritus aufbewahrten Eier wurden geöffnet. Der 
Dotter mit den stark entwickelten Embryonen, welche sie, wie schon 
bemerkt, enthalten, ist mit feinen Häutchen umsponnen, welche durch 
den eingedrungenen Spiritus das Aussehen von Spinngeweben ange- 
nommen haben; auch die Schalenhaut ist mit einer solchen Membran 
ausgekleidet. Es handelt sich hier unzweifelhaft um das falsche 
Amnion. 

Das Häutchen, welches die Schalenhaut auskleidet, zeigt ein 
schönes Pflasterepithel mit großen Kernen, dessen Zellen auf Falten sich 
als so flach erkennen lassen, dass die Kerne hügelförmige Erhöhungen 
bilden. Anfangs schien es mir, dass dieses Epithel auf einer ganz 
dünnen Quticula liege, jenseits welcher sich körnige Schichten befinden, 
welche den Eindruck von coagulirtem Eiweiß machen. Wäre die Exi- 
sienz jener Cuticula erwiesen, und dürften diese coagulirten Schichten 
als wirkliches Eiweiß betrachtet werden, so würde erstere das Dotter- 
häutchen vorstellen, und daraus folgen, dass es total verschieden von 
dem Dotterhäutchen des Ovariumeies ist, wie das letztere von RATakE 
beschrieben wird. Je sorgfältiger ich indess die Existenz des Häutchens 
durch wiederholte Beobachtungen festzustellen suchte, desto zweifel- 
hafter wurde sie mir. Der optische Querschnitt der ganz flach aus- 
laufenden Epithelzellen des falschen Amnion kann sehr wohl das Bild 


614 W. v. Nathusius-Königsborn, 


eines solchen Häutchens simuliren, und eiweißhaltige, also durch Alko- 
hol coagulirbare Flüssigkeiten können sich sehr wohl zwischen Amnion 
und Schalenhaut befinden, ohne dass sie wirkliches Eiweiß im morpho- 
logischen Sinne sind (vel. p. 594). Es blieb also die eigentliche 
Schalenhaut auf das Vorhandensein des von Rıruke beim Ovariumei 
beschriebenen Dotterhäutchens zu untersuchen. 

Leider traten mir auch hier darin, dass die Nattereier, die mir zur 
Disposition standen, weit entwickelte Embryonen enthielten, und schon 
seit Jahren in Spiritus konservirt waren, erhebliche Schwierigkeiten 
entgegen. Querschnitte der Schalenhaut geben keine Anschauung von 
der Beschaffenheit ihrer innersten Schicht, weil nicht nur die Fasern 
durch erhebliche Mengen der öfter erwähnten Kittsubstanz verklebt sind, 
sondern auch kein glatter Schnittrand zu erreichen ist, indem hier 
Schichten eines formlosen Detritus vorhanden zu sein scheinen, zwi- 
schen welchen und denjenigen Schichten, wo die Schalenhautfasern 
trotz des verklebenden Kittes deutlich werden, eine bestimmte Grenz- 
linie nicht zu erkennen ist. 

Die Annahme liegt nahe, dass hier ähnliche Goagula auf der inneren 
Fläche der Schalenhaut liegen, als in Verbindung mit dem falschen Am- 
nion beobachtet wurden. 

Wird ein Stück der Schalenhaut mit schwacher Natronlauge in der 
Siedehitze behandelt, ohne vorher das adhärirende Amnion zu entfernen, 
so hebt sich letzteres und die ihm anhängenden Coagula sofort als eine 
schleimig membranöse Masse ab. Die innere Fläche der etwas erweich- 
ten und gequollenen Schalenhaut zeigt nun auf einer Falte einen kon- 
tinuirlichen Umriss, der auf das Vorhandensein eines zarten Häutchens 
schließen lässt, das aber so fein ist und den Schalenhautfasern so dicht 
aufliegt, dass der doppelte Kontur desselben auf dem optischen Quer- 
schnitt nicht zu konstatiren ist. Aus leichten Verletzungen, welche 
durch leises Überstreichen mit der Präparirnadel herbeigeführt werden, 
treten die gewöhnlichen Schalenhautfasern hervor. Sie liegen also un- 
mittelbar unter jener feinen Cuticula. Eine besondere, als Dotterhäut- 
chen charakterisirte Schicht ist nicht vorhanden. 

Wird die innere Fläche der nicht mit Lauge behandelten Schalen- 
haut in Wasser liegend mechanisch von den ihr anhängenden Fetzen 
des Amnion gereinigt, eine innere Lamelle mit dem Rasirmesser abge- 
hoben und dann weiter mit der Pincette abgezogen, so markiren sich 
mehrere Faserschichten, und ist es nicht schwierig, die innerste dünne 
Lamelle zu isoliren und so zu falten, dass die innere Fläche auf der 
Außenseite der Falte liegt. Die Existenz eines sehr feinen Häutchens, 
welches die Schalenhaut nach innen begrenzt, und auf welches unmittel- 


Die Eihaut von Python bivittatus. 615 


bar die bekannten Fasern folgen, ist hier ganz evident; aber auch hier 
zeigt es sich unmessbar fein, obgleich es an den Rissrändern der La- 
melle bei Beobachtung in Wasser mit starken Systemen auch in seiner 
Flächenansicht beobachtet werden kann als eine gewissermaßen zwi- 
schen den Fasern ausgespannte Membran, die mit einzelnen feinen 
Körnchen besetzt ist, und deren zarten Kontur man an dem Rande, als 
zusammen mit den Fasern abgerissen, verfolgen kann. Lässt man das 
Präparat unter dem Deckglase eintrocknen, so markirt sich die feine 
Membran noch deutlicher. 

Evident ist hieraus, dass an der mit Lauge oder mechanisch ge- 
reinigten Schalenhaut des Nattereies eine der von Rartuke beschriebenen 
Dotterhaut ähnliche Schicht nicht vorhanden ist. Der Einwand, dass ich 
dieses angebliche Dotterhäutchen bei der Reinigung von den Resten des 
Amnion zerstört habe, liegt indess nahe. 

Da diese Reinigung bei demjenigen Material, das mir zu Gebote 
stand, unumgänglich war, kann ich jenem Einwande nur mit der Be- 
merkung begegnen, dass RArukE, wie schon p. 612 angeführt, bestimmt 
erklärt, dass die Dotterhaut des noch im Oviduct befindlichen Eies — 
welchem doch nach seiner vorhergehenden Angabe die des Ovariumeies 
vollständig entsprechen soll—, absolutund relativ vielgrößere 
Festigkeit habe, als die der Vögel. Ich glaube nicht, dass ich 
ein solches Häutchen hätte übersehen können. WALDEYER hebt! die 
Widerstandsfähigkeit der Zona pellucida, von welcher nach seiner Dar- 
stellung die Dotterhaut des reifen Eies ein Theil ist, hervor. Sie soll 
auch in Alkalien nur sehr schwer löslich sein. 

Kann ich mich somit dem nicht anschließen, was RATHkE über das 
Dotterhäutchen des perfekten Nattereies sagt, so darf ich mich auch 
nicht auf das stützen, was er vom Ovariumei anführt, und muss 
mich begnügen die Lücke zu konstatiren, welche in unseren Kenntnissen 
hier besteht. ° 

Die Schalenhaut des perfekten Eies von Lacerta agilis beschrieb ich 
schon p. 608. Danach werden die Schalenhautfasern gegen den Dotter 
nur durch ein anscheinend strukturloses Häutchen von circa 0,75 u 
Dicke begrenzt. Dieses Häutchen ist ganz analog demjenigen, welches 
bei den Vogeleiern die Schalenhaut gegen das Eiweiß abgrenzt. Auch 
hier ist also am perfekten Ei ein Häutchen, das mit dem Dotterhäutchen 
des Vogeleies zu vergleichen wäre, nicht vorhanden. 

Das Verhalten der mit einer Eiweißschicht versehenen Reptilien- 
eier in dieser Beziehung bietet ein besonderes Interesse. Leider stehen 


! Eierstock und Nebeneierstock, in: StrickEr’s Handb. d. Lehre v. d. Geweben. 
1874. p. 553. 


616 W. v. Nathusius-Königsborn, 


mir von solchen nur einige zur Disposition, welche schon vor Jahren aus 
einer wenig zuverlässigen Naturalienhandlung als » Schlangeneier (Boa)« 
erhalten wurden. Diese Angaben, welche ich jetzt für falsch halte, 
beirrten mich damals auch in anderer Beziehung. Indess sind es offen- 
bar Reptilieneier, fast doppelt so groß als die Nattereier. Der Kalküber- 
zug der Schalenhaut besteht aus den eigenthümlichen Buckeln, welche 
ich von einem anderen, als Schildkrötenei (sp.? aus Amerika) erhaltenen 
früher! beschrieben und abgebildet habe. Außerdem enthalten die 
komplet in Spiritus aufbewahrten Eier eine nicht unbeträchtliche Ei- 
weißschicht. Von den mir bekannten Autoren wird unter den Reptilien, 
wenn ich von der hier früher eitirten etwas zweideutigen Äußerung 
Rartnee’s bezüglich der Krokodile absehe, nur den Schildkröten eine 
unzweifelhaft hervortretende Eiweißschicht zugeschrieben. Seien die 
fraglichen Eier aber von einer Schildkröte oder nicht, so sind sie jeden- 
falls von einem Reptil und besitzen eine Eiweißschicht, und das ist das- 
jenige, worauf es hier ankommt. 

Werden Stücke der ganzen, je nach den verschiedenen Regionen 
0,2—0,07 mm dicken, durch die Aufbewahrung der Eier in Spiritus coa- 
gulirten Eiweißschicht so in Falten gelegt, dass die innere, dem Dotter 
unmittelbar aufliegende Schicht auf die Außenseite der Falte kommt, 
und dann in Glycerin beobachtet, so ergiebt sich, dass eine als ein be- 
sonderes Dotterhäutchen zu bezeichnende Schicht nicht vorhanden ist. 

Die ganze Schicht, wie sie sich von der Schalenhaut abgelöst hat, 
besteht, wie dies Asassız vom Schildkrötenei angiebt, aus zahlreichen 
gleichmäßigen, circa 1,5 u dieken Lagen. Es sind dies koncentrisch 
über einander liegende Membrane. Die zwischen diesen befindliche 
Albuminlösung ist bei meinen Objekten durch den Spiritus geronnen, 
und diese geronnenen Schichten zeigen, wie ich früher? nachwies, bei 
durchfallendem Licht unter dem Mikroskop eine feinkörnige Beschaffen- 
heit. Dort habe ich auch gezeigt, dass der Verdünnungsgrad, in wel- 
chem sich die Lösung vor der Coagulation befindet, diese Erscheinung 
modificirt.. Hierin mag es liegen, dass sich in den erwähnten Präparaten 
die Schichtung, d. h. der Wechsel zwischen körnigen und homogen er- 
scheinenden Lagen nicht mit voller Regelmäßigkeit darstellt. Das all- 
mähliche Eindringen des Spiritus in das Ei mag bewirken, dass die 
Coagulation der zwischen den Membranen befindlichen Flüssigkeit nicht 
ganz regelmäßig verläuft. Ein einzelnes solches Präparat kann also 
Täuschung veranlassen, der Vergleich der vier Präparate, die ich theils 
früher, theils neuerdings anfertigte, erweist, dass die Abweichungen 


1 Diese Zeitschr. Bd. XIX, Heft 3. 
3 Diese Zeitschr. Bd. XVII, Heft 2. 


Die Eihaut von Python bivittatus. 617 


von einem regelmäßigen Wechsel gleichmäßig starker Membranen, mit 
dazwischen in flüssigem Zustande befindlich gewesenem Eiweiß aus 
Zufälligkeiten herrühren, und abgesehen von der Schalenhaut das Ei- 
weiß dieses Reptilieneies ausschließlich aus zarten gleichmäßigen Mem- 
branen besteht, und jedenfalls ein besonderes Dotterhäutchen 
nicht vorhanden ist. 

Hat man nur die Wahl zwischen Bezeichnungen, welche aus ganz 
anderen Auffassungen hervorgegangen sind, so leidet die Deutlichkeit 
des Ausdruckes, ich darf also meine Auffassung der Hüllen des perfek- 
ten Vogel- und Reptilieneies dahin kurz präcisiren, dass sie, abgesehen 
von der Schale, aus einem System von Membranen bestehen, welche 
unter Umständen Albuminlösungen einschließen. Beim Vogelei ist letz- 
teres stets der Fall. Dort treten in der äußersten Schicht dieser Mem- 
brane Fasernetze auf, welche mehr oder weniger durch eine Kittsubstanz 
verklebt sind, aber kommunicirende mit Luft erfüllte Zwischenräume 
lassen. In diese Zwischenräume kann Eiweißlösung aus den inneren 
Schichten nicht treten, da diese durch eine lückenlose Membran gegen 
die Faser- oder sog. Schalenhaut abgegrenzt sind. In ganz ähnlicher 
Weise wird die innerste Schicht des Eiweißes durch eine Faserhaut ge- 
bildet, welche sich wenigstens bei vielen Vögeln von der Schalenhaut 
nur durch geringere Dimensionen und feinere Struktur zu unterscheiden 
scheint. Dieses Faserhäutchen mit Einschluss einer dünnen Schicht 
zarter Membrane, welche ihm peripherisch aufliegt, und bei dem Ver- 
such der Isolirung gewöhnlich mit ihm in Verbindung bleibt, pflegt als 
Dotterhaut bezeichnet zu werden. 

Was die Reptilien anbelangt, steht es nach dem, was ich ermitteln 
konnte, so, dass bei Python eine sehr dünne Lage flüssigen Eiweißes 
zwischen den zwei ganz zarten anscheinend strukturlosen Membranen 
liegt. Die innere Membran liegt auf dem Dotter, die äußere begrenzt 
die Faserhaut. 

Bei der Natter kann ich diese Eiweißschicht nicht nachweisen, 
sondern nur ein feines strukturlos erscheinendes Häutchen. 

Bei Lacerta agilis ist bestimmt nur dieses Häutchen und zwar so 
vorhanden, dass es fest mit der innersten Lage der Schalenhautfasern 
verwachsen ist. Flüssiges Eiweiß fehlt gänzlich. 

Bei den Reptilieneiern endlich, bei welchen ich eine deutliche 
sogenannte Eiweißschicht fand, besteht diese, abgesehen von der 
Schalenhaut, durchweg aus gleichartigen membranösen Schichten, ohne 
dass eine besondere den Dotter begrenzende Membran zu unterschei- 
den ist. 

Ob bei den Krokodilen etwas der Dotterfaserhaut der Vögel in der 


618 | W. v. Nathusius-Königsborn, 


äußeren Erscheinung Ähnlicheres vorkommt, weiß ich nicht. Sie sind 
auch in der Schalenbildung den Vögeln ähnlicher als die übrigen Reptilien. 


Das Bestreben den gegnerischen Auffassungen durch eingehende 

Erörterung gerecht zu werden, und die daraus bleibende Lücke einiger- 
' maßen auszufüllen, dass ich ein Ovariumei von Python nicht untersuchen 
konnte, hat mich zu einigen Exkursen veranlasst; ich erlaube mir dess- 
halb einen kurzen Rückblick auf die Hauptpunkte, welche mir als das 
Ergebnis dieser Arbeit erscheinen. 

4) Die komplicirten Gebilde, welche die Eihaut von Python bivit- 
tatus enthält, und deren Analoga bei anderen Reptilien theilweise längst 
bekannt, aber wenig beachtet sind, übrigens auch in einigen Vogeleiern 
(z. B. Hirundo riparia) vorkommen, sindgewachsene Organismen. 
Eine mechanische Entstehung derselben als Präcipitate, Sekrete und dgl. 
ist ihrer Beschaffenheit nach absolut undenkbar. 

2) Wollte man die von Loos in den Zellen des Oviductes aufgefun- 
denen Fasernetze als die Grundlage annehmen. aus welcher die Schalen- 
haut erwachsen konnte, so steht dem entgegen die mindestens wahr- 
scheinliche Präexistenz einer äußeren Cuticula der letzteren, welche 
das Eindringen geformter Elemente nicht zulässt. 

3) Da schon die Membran des Eies im Oviduct Fasernetze enthält, 
welche manche Analogie mit den Fasern der Schalenhaut darbieten, ist 
die Entwicklung der Schalenhaut und der sonstigen Membrane der Ei- 
hüllen aus der Dotterhaut das Naheliegendste. 

k) Fände eine solche Fortentwicklung der Dotterhaut nicht statt, 
so müsste sich dieselbe unverändert als die den Dotter des fertigen Eies 
begrenzende Schicht vorfinden; es findet sich indess bei Python und bei 
Lacerta agilis im fertigen Ei hier nur eine so zarte Membran, dass sie 
nach dem, was Raruke über die Dotterhaut des Ovariumeies der Natter 
anführt, nicht als die frühere Dotterhaut betrachtet werden kann. Auch 
im abgelegten Natterei hat sich eine dem von Rıtnke angegebenen 
Dotterhäutchen ähnliche Schicht nicht auffinden lassen. 

Bei mit einer Eiweißschicht versehenen Eiern (? von einer Schild- 
kröte) ist gar keine vom Eiweiß unterscheidbare, den Dotter begrenzende 
Membran, welche sich als Dotterhäutchen bezeichnen ließe, vorhanden. 

Die unvermeidliche Unfertigkeit meiner Untersuchungen darin, 
dass sie die Lücke in unserer Kenntnis von der Dotterhaut der reifen 
Ovarieneier der Reptilien nicht hat ausfüllen können, erkenne ich 
wiederholt an. Auch aus der mir zugänglich gewordenen Litteratur habe 
ich eine Ausfüllung derselben nicht entnehmen können. Und doch spitzt 
sich, wie schon Rırake ganz richtig gefühlt hat, die Frage nach der 


Die Eihaut von Python bivittatus. 619 


Entstehung der gebräuchlich als sekundär bezeichneten Eihüllen der 
Entscheidung zu durch den Vergleich der Dotterhaut des reifen Ovarium- 
eies mit den dem Dotter aufliegenden Schichten der Hüllen des abgelegten 
Eies. 

Die Gelegenheit zu solchen Untersuchungen wird sich bezüglich der 
reifen Ovariumeier an größeren Reptilien nicht häufig bieten. Möchte 
sie wenigstens von denjenigen Forschern benutzt werden, welchen sie 
wird. 


Erklärung der Abbildungen. 


Tafel XXXIII und XXXIV. 


(Fig. —16 sind sämmtlich aus der Eischalenhaut von Python bivittatus.) 
Fig. 4. Ansicht der äußeren Fläche eines Segmentes der Schalenhaut mit den 
Kalkkörperchen bei auffallendem Licht. 31/4. 
Fig. 2. Querschnitt der Schalenhaut in Glycerin, mit aufliegenden Kalkkörper- 
chen. 57/4, : 
Das mit a bezeichnete Körperchen ist durch den Schnitt aus seiner Lage 
gebracht. 
Fig. 3, Querschnitt derselben mit runden Kalkkörpern im Innern. 57/4. 
Fig. a,b, c,d. Runde Kalkkörper mit anhängenden Fasern aus dem Zer- 
zupfungspräparat einer ähnlichen Stelle als Fig. 3. 97/4. 
Fig. 5. Feiner Querschnitt aus einer Region der Schalenhaut, welche fast ohne 
Kalkkörperchen ist. In Glycerin. 97/1. | 
Nur bei a liegt ein Plättchen auf; bei e anhängende Reste des Dotters. 
Fig. 6. Elemente der inneren und mittleren Schichten in Glycerin aus einem Zer- 
zupfungspräparat. 485/4. Nur dD”’ = 600/1. 
Erläuterung der Buchstabenbezeichnungen im Text p. 595. 
Fig. 7. Dergl. aus der innersten Schicht. 485/41. Vgl. Text p. 596. 
Fig. 8. Segment einer Platte oder Membran aus den inneren Schichten. Aus 
einem Zerzupfungspräparat in Glycerin. 430/A. 
Erklärung der Buchstaben im Text p. 596 u. ff. 
Fig. 9. Anderer Theil derselben Platte aus demselben Präparat. 430/4. 
Erklärung der Buchstaben im Text wie oben. 
Fig. 40. Anderes Segment aus demselben Präparat. 600/4. 
Erklärung derBuchstaben im Text wie oben. 
Fig. 44. Querschnitt einer solchen Platte aus einem ganz feinen Querschnitt 
der Schalenhaut, in Glycerin. 430/1. 
Erklärung der Buchstaben im Text p. 597. 
Fig. 42. Äußere Schicht der Schalenhaut aus einem in Natronlauge gekochten 
Querschnitt. In Wasser beobachtet. 485/41. Hohe Einstellung. 
Erklärung der Buchstaben im Text p. 599. 
Fig. 43. Aus einem Zerzupfungspräparat einer in Natronlauge gekochten La- 
melle der äußeren Schicht. 404/1. 
Erklärung der Buchstaben im Text p. 599. 


620 W. v. Nathusius-Königsborn, Die Eihaut von Python bivittatus. 


Fig. 44. Aus demselben Präparat. Eine Falte zeigt den optischen Querschnitt 
des Oberhäutchens. 401/14. 

Fig. 15. Aus einem in Natronlauge gekochten, aber länger als bei Fig. 43 in der 
Lauge macerirten Flächenschnitt der äußeren Schicht. Das Präparat ist nicht zer- 
zupft, sondern bemerkenswerthe Details aus demselben gezeichnet. 404/1. 

Erklärung der Buchstaben im Text p. 599 u. ff. 

Fig. 46. Kalkplatte mit der sie umgebenden Oberhautschicht. Aus demselben 
Präparat als Fig. 15. 460/1. 

Fig. 17. Hirundo riparia. Weichschaliges, dem Oviduct entnommenesEi. Keu- 
lenförmige Faserendungen aus einem Zerzupfungspräparat der Schalenhaut. In 
Glycerin. 404/4. 

Fig. 48. Hirundo riparia. Eben so wie Fig. 17, aber aus einem gelegten Ei mit 
ausgewachsener harter Schale. 404/14. 

Fig. 49. Pythonbivittatus. Innerste, dem Dotter aufliegende Schicht der Schalen- 
haut aus einem ganz feinen Querschnitt der letzteren. In Glycerin. 540/A. 

a,a sind die früher mit Luft gefüllten Räume zwischen den Fasern und 
runden Körperchen. Bezüglich der Fasern und Körperchen ist die 
Zeichnung unvollständig. 

Vgl. Text p. 640 u. fi. 


Untersuchungen über neue Medusen aus dem rothen Meere. 
Von 


Dr. C. Keller in Zürich. 


Mit Tafel XXXV—XXXVI. 


— 


Ein zweimonatlicher Aufenthalt (Februar und März 1882) in dem 
südlichen Küstengebiete des rothen Meeres veranlasste mich, unter der 
Fülle des tropischen Meereslebens mein Augenmerk auf die für den 
Zoologen so anziehenden Medusen zu richten. 

Allerdings ragt das erythräische Gebiet nicht durch großen Reich- 
thum an Arten hervor. Die Beobachtungen, welche Prrrus ForskÄr ! im 
vorigen Jahrhundert gemacht hatte, und welche durch Eurenser6 und 
HenpricH ? zu Anfang dieses Jahrhunderts und durch Ernst HAEckEL® im 
vorigen Decennium vervollständigt wurden, förderten für den genann- 
ten Bezirk ungefähr ein Dutzend Arten zu Tage. Im Vergleich mit an- 
deren Meeren muss daher die Medusenfauna des arabischen Golfes als 
arm bezeichnet werden. Außerdem sind zwei der häufigsten Arten 
dem Mittelmeergebiete entlehnt und wanderten dieselben, wie ich un- 
längst nachzuweisen versucht habe, während der Quartärzeit durch 
eine an der Stelle des heutigen Isthmus vorhandene Lagune ins rothe 
Meer ein *. 

Während meines Aufenthaltes an der südägyptischen Küste ge- 
langten neben mehreren bereits beschriebenen Arten noch zwei Medu- 
sen zur Beobachtung, welche nicht allein neu sind, sondern in morpho- 
logischer Beziehung, wie mit Rücksicht auf Lebensweise sehr eigenartige 


1 Perrus ForskAL, Descriptiones animalium quae in itinere orientali observavit. 
Ed. Nızsuar. Hauniae 4775. 

2 GC. G. EHRENBERG, Die Acalephen des rothen Meeres. Berlin 1836. 

3 Ernst HAEckEL, Das System der Medusen. Jena 1880. 

* Vgl. meine Abhandlung: »Die Fauna im Suezkanal und die Diffusion der 
mediterranen und erythräischen Thierwelt.« Basel 1882. 


622 C. Keller, 


Verhältnisse darbieten, so dass mir ein näheres Eingehen auf ihre 
Organisation wünschenswerth schien. 
Ich gebe nachfolgend die von mir gewonnenen Resultate. 


I. Gastroblasta timida nov. gen., noVv. Sp. 
(Fig. A und 2.) | 


Diese neue, den Craspedota zugehörige Meduse, deren Schirm- 
durchmesser nur wenige Millimeter beträgt, zeigte sich zu Anfang des 
Monat März im Hafen von Sawakin in zahlreichen Schwärmen an der 
ruhigen Wasseroberfläche, um nach wenigen Tagen völlig zu verschwin- 
den. Am häufigsten erschien sie gegen Sonnenuntergang. Den Tag 
über traf ich sie nicht und sie scheint sich daher, wie dies übrigens 
viele pelagische Organismen zu thun pflegen, in die tieferen und wenig 
erleuchteten Wasserschichten zurückzuziehen. Einer später zu erörtern- 
den Eigenthümlichkeit der Magenbildung wegen nenne ich diese neue 
Gattung Gastroblasta (von y&orno Magen und PAcorn Spross, Keim). Die 
von mir gefischten kleinen Medusen zeigten sich gegen äußere Einwir- 
kungen außerordentlich empfindlich. Das sorgfältigste Abschöpfen von 
der Wasserfläche, ja schon das Eintauchen eines Glasstabes in das mit 
Wasser gefüllte Gefäß veranlasste sämmtliche Medusen, sich tutenartig 
einzurollen und regungslos auf den Boden des Glases zu sinken. Erst 
nach einigen Minuten erhoben sie sich wieder, um unter kräftigen und 
eigenthümlich hastigen oder zuckenden Bewegungen davonzuschwimmen. 

Bei ausgewachsenen Exemplaren ist der Schirm stark abgeflacht 
und erreicht durchschnittlich die Breite von 3—4 mm, bei einer Höhe 
von 4—41/, mm. Individuen von 4!/)—5 mm Schirmbreite können schon 
als ausnahmsweise groß bezeichnet werden. Larven und ganz junge 
Exemplare erscheinen stark gewölbt und halbkugelig. Bei einer Breite 
von 4 mm wird der Schirm ®/, mm hoch. 

Die Schirmgallerte, obwohl ziemlich resistent, ist nur wenig ent- 
wickelt, man könnte sie als »Stützlamelle« bezeichnen, bei jugend- 
lichen Formen ist sie relativ stärker ausgebildet. 

Die Exumbrella ist vollkommen glatt und mit blassen, großen 
und deutlich konturirten Plattenzellen bedeckt. Nesselapparate sind in 
denselben nicht vorhanden. 

Die Subumbrella enthält eine schwach ausgebildete Muskulatur. 
Besondere Faserzüge sind nirgends wahrzunehmen, auch in der Nähe 
der Radialkanäle nicht. 

Das Velum ist im Verhältnis zur geringen Größe der Meduse wohl 
entwickelt, breit und derb. Im Zusammenhange damit stehen die 


Untersuchungen über neue Medusen aus dem rothen Meere. 623 


kräftigen Schwimmbewegungen, welche sich bei dieser Art in eigen- 
thümlicher Weise vollziehen. 

Während die jüngsten Exemplare ihr Velum in allseitiger, also ganz 
normaler Weise kontrahiren, ist dies bei größeren nicht mehr der Fall, 
sondern zwei an den gegenüberliegenden Punkten eines Schirmdurch- 
messers gelegene Zonen ziehen sich stärker zusammen, als die übrigen 
Theile des Velums, so dass der Schirmrand und die Umbrella längs 
dieses Durchmessers eingerollt werden. 

In diesem Zustande bleibt die Meduse, sobald sie beunruhigt wird, 
minutenlang verharren. 

Das Gastrokanalsystem bietet bei Gastroblasta timida nicht nur 
äußerst variable, sondern meines Wissens unter den Medusen ganz ein- 
zig dastehende Verhältnisse dar. 

Der Magen, von allen Abschnitten des Gastrokanalsystemes das am 
wenigsten variable Gebilde, ist ein kurzes, im Centrum der Subum- 
brella herabhängendes Rohr von vierseitig-prismatischer Gestalt und 
einer stets unbedeutenden Längenentwicklung. 

Der Magen ist dickwandig und mit einem kräftigen Muskelbelag 
versehen. Insbesondere ist die radiale oder Längsmuskulatur entwickelt. 
Im Grunde ist der Magen in vier, häufig auch in fünf und mehr Zipfel 
ausgezogen, welche die Radialgefäße aufnehmen. 

Der Mund ist weit und in vier, seltener nur in drei einfache drei- 
eckige, niemals gekräuselte oder gefaltete Mundzipfel ausgezogen. Ihre 
Stellung ist ursprünglich streng perradial. Anfänglich besitzt jede Me- 
duse nur ein einziges, centrales Magenrohr, bei älteren Exemplaren 
dagegen sind die Magen in Mehrzahl vorhanden. Neben dem Central- 
magen tritt noch ein zweiter Magen, später ein dritter und vierter Magen 
mit zugehöriger Mundöflnung auf {Fig. 2). 

Im Allgemieinen, jedoch nicht ausnahmslos, stehen diese Magen 
auf dem Durchmesser, um welchen sich die Meduse bei der Bewegung 
vom Scheibenrande her einrollt. 

Anfänglich glaubte ich in diesem sonderbaren Verhalten eine ab- 
norme, eine pathologische Bildung erkennen zu sollen, überzeugte mich 
aber bald, dass hier ein durchaus normaler und mit dem Wachsthum 
der Meduse ganz konstant eintretender Vorgang vorliegt. Ausgewachsene 
Exemplare unserer Gastroblasta besitzen stets mehr als einen Magen. 
Mehr als vier Magen habe ich jedoch nie beobachtet. 

Über die Entstehung der sekundären Magenschläuche habe ich mir 
ein vollkommen genaues Bild verschaffen können. Sie bilden anfänglich 
eine sinusartige Erweiterung am unteren Theil eines Radialgefäßes und 
erscheinen in den Schirmraum vorgewölbt. Nachher verbreitert sich 


624 6. Keller, 


diese Aussackung an der Basis und an der verjüngten und abgerunde- 
ten Spitze bricht eine Mundöffnung durch. Bei den von mir beobachteten 
Individuen sind die Nebenmagen dreiseitig und ihre zugehörigen Mund- 
öffnungen dreizipfelig. Erst nachträglich bildet sich ein vierter Mund- 
zipfel. Über die eigentliche Bedeutung dieses Vorganges will ich weiter 
unten meine Ansichten zu entwickeln versuchen. 


Die Radialkanäle entspringen in der Regel, doch nicht aus- 
nahmslos, aus den Magenzipfeln und verlaufen centrifugal zum Schirm- 
rande, wo sie durch ein einfaches Ringgefäß verbunden werden. Ihre 
Zahl ist äußerst variabel, ihre Form ist cylindrisch, niemals abgeplattet. 


Als Grundzahl der Radialgefäße möchte ich vier ansehen, indem 
die Larven in der Regel vier einfache centrifugale Kanäle besitzen. Doch 
kommen auch andere Zahlenverhältnisse vor. Bisweilen sind nur drei, 
oft aber auch fünf und sechs Gefäße bei einmündigen Medusen vorhan- 
den. Bei polystomen Exemplaren steigt ihre Zahl höher, im Maximum 
konnte ich 17 beobachten (Fig. 2). Wie aus derselben Figur ersichtlich 
ist, erhält später, wenn Nebenmagen auftreten, jeder neugebildete 
Magen sein eigenes System von Radialkanälen, doch bleiben die einzelnen 
Magenräume unter einander in direktem oder indirektem Zusammen- 
hang. 

Ich muss noch weiterer Eigenthümlichkeiten der Radiaikanäle ge- 
denken. Hierher gehören die Anastomosen, welche nicht selten 
zwei Radialgefäße zwischen Ringgefäß und Magen verbinden. 


Verwandt damit sind die Sinusbildungen, welche zuweilen im 
Zusammenhang mit Anastomosen auf der Subumbrellarseite auftreten 
und ansehnliche Bezirke einnehmen. Sie sind verschieden von den 
Sinusbildungen, welche in den Raum der Schirmhöhle hineinragen und 
bei der Sprossung neuer Magen auftreten. 

Endlich sind noch die Gentripetalkanäle hervorzuheben, welche 
bei Gastroblasta ganz regelmäßig sowohl an monostomen wie polystomen 
Individuen auftreten. Die Centripetalkanäle sprossen zwischen den 
Radialkanälen vom Ringgefäß aus in die Schirmgallerte hinein und liegen 
interradial. Neben diesen können noch Centripetalkanäle zweiter Ord- 
nung auftreten. Sie sind dann kürzer und liegen adradial. Die Gentri- 
petalkanäle können, sobald eine Vermehrung der Magenzahl erfolgt, den 
nächstliegenden Nebenmagen erreichen und sind dann von den urspüng- 
lichen centrifugalen Radialkanälen nicht mehr zu unterscheiden. 

Die Gonaden, welche bei den Craspedoten aus dem Exoderm 
entstehen, sind kanalar, d. h. sie entwickeln sich im Verlaufe der Ra- 
dialgefäße an deren unterer Wandung. Sie stehen in der Nähe des 


Untersuchungen über neue Medusen aus dem rothen Meere, 625 


distalen Endes und hängen als große kugelige, zuweilen auch längliche 
oder birnförmige Säcke in die Schirmhöhle hinein. 

Die Entwicklung derselben (Fig. 1) zeigt uns, dass jede Gonade 
ursprünglich doppelt ist und aus zwei zu beiden Seiten des Radialkana- 
les auftretenden leistenartigen Verdickungen besteht. An den in der 
Reife schon ziemlich vorgeschrittenen Gonaden schimmert der Kanal 
noch durch. Dass auf seiner unteren Seite ein besonderes Muskelband 
noch zwischen den beiden Säcken einer Gonade durchzieht, wie dies 
bei manchen Craspedoten vorkommt, habe ich nicht konstatiren können. 
Ganz in derselben Weise entstehen Gonaden zweiter Ordnung an den 
interradial sich entwickelnden Centripetalkanälen (Fig. 1). 

Betrachten wir den Schirmrand und seine Anhangsgebilde, so 
fällt uns zunächst ein stark entwickelter, schon bei Larven deutlich ab- 
gegrenzter Nesselring auf. Am schönsten lässt er sich an den etwa | mm 
breiten Medusen beobachten, weil alsdann die Zahl der Fangarme noch 
gering ist. 

Als Anhangsgebilde fungiren die Tentakel, welche aus dem Nessel- 
ringe hervorsprossen und eine Fortsetzung des Radialkanales ins Innere 
erhalten. Sie sind stets hohl. Während aber diese Höhlung bei ver- 
schiedenen Craspedoten eine sekundäre ist und die Tentakel anfänglich 
solid sind, so muss besonders hervorgehoben werden, dass solide Ten- 
takel niemals vorkommen, denn auch die Larven besitzen zwar etwas 
verschiedene, aber steis hohle Tentakel. 

Diese Fangarme sind in hohem Maße kontraktil, in ausgestrecktem 
Zustande zwei- bis dreimal so lang als der Scheibendurchmesser und 
mit dichtstehenden, ringförmigen Nesselwülsten besetzt. 

An der Basis besitzt jeder Fangarm eine kolbenförmige Anschwel- 
lung, ohne dass im Inneren die Höhlung sich entsprechend erweitert. 
Bei den Larven sind die Tentakel einfach und diese kolbenförmigen 
Verdickungen noch nicht vorhanden (Fig. 5). 

Die jüngsten Larven, welche mir zur Beobachtung vorlagen, zeigten 
vier perradiale und vier interradiale Fangarme, später findet durch 
Sprossung vom Nesselringe aus eine beträchtliche Vermehrung der Ten- 
takelzahl statt, welche bis auf circa 100 anwächst. In dem Zwischen- 
raum zweier Radialgefäße ist ihre Zahl ziemlich konstant, die Sprossung 
also eine gesetzmäßige, so dass zwischen zwei perradialen ein interra- 
dialer und zwei adradiale Fangarme vorhanden sind. 

Am Schirmrand finden sich endlich noch die Sinnesorgane. 
Hervorzuheben ist zunächst, dass Ocellen nicht vorhanden sind, dagegen 
sind die Hörorgane wohl entwickelt. So weit ich ihre Bildungsweise 
verfolgen konnte, so entstehen sie erst nachdem die ersten acht Ten- 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVIII. Bd. 49 


626 6. Keller, 


takel gebildet sind. Die Läarve besitzt anfänglich noch keine Hör- 
organe. 

Der Zeitpunkt ihrer Entstehung fällt mit der Bildung der kolben- 
förmigen Verdickung an der Basis der ersten Tentakel zusammen. In 
ihrer Zahl folgen sie genau der Tentakelzahl und stehen zwischen den- 
selben, doch mehr nach der Innenseite zu. Die Hörorgane stellen sog. 
geschlossene Hörbläschen dar (Fig. 3). Anfänglich sind sie von einem 
sprossenden Tentakel nicht zu unterscheiden und entstehen als Höcker 
oder Vorsprung auf dem Nesselring. In der Tiefe tritt dann eine ein- 
zige entodermale Hörzelle auf, welche an Umfang zunimmt und später 
den Hörhöcker etwas auftreibt. Im Inneren enthält sie einen einzigen 
großen Otolithen von kugeliger oder ellipsoidischer Gestalt. Ausnahms- 
weise beobachtete ich auch Hörbläschen mit zwei Hörzellen und zwei Oto- 
lithen. Der Überzug eines Hörbläschens besteht aus einem exodermalen, 
geißeltragenden Sinnesepithel, welches an der Basis einen Wulst bildet 
(Fig. &). 

Ihrer Entstehung nach möche ich für Gastroblasta der von ©. und 
R. Hzrrwic aufgestellten Annahme mich anschließen und in diesen Hör- 
hläschen modificirte Fangarme, sog. »akustische Tentakel«, erblicken. 
Ihre Stellung, ihre Bildungsweise und ihre Zahl, welche genau mit der 
Zahl der gewöhnlichen Tentakel Schritt hält, spricht nur zu Gunsten 
der Herrwıe'schen Ansichten. 

Die Entwicklung der Gastroblasta in ihren einzelnen Phasen 
zu verfolgen, gelang mir nicht. Wenn mir auch während mehrerer Tage 
die geschlechtsreifen Exemplare in großer Zahl zur Verfügung standen, 
so war eine Aufzucht der Larven wegen der schon fühlbaren tropischen 
Hitze nicht möglich, die geschlechtsreifen Medusen starben sehr schnell 
in der Gefangenschaft. Ob daher der Medusengeneration bei Gastro- 
blasta eine Ammengeneration von Polypen vorausgeht, oder die Ent- 
wicklung direkt erfolgt, muss ich unentschieden lassen. An Hydroiden 
fand ich zwar kleine Campanarien in großer Zahl, aber ohne je Me- 
dusenknospen wahrgenommen zu haben. 

Dagegen kann ich konstatiren, dass die Entwicklung mit einer 
Metamorphose verknüpft ist und neben entwickelten Medusen fanden 
sich die geschlechtslosen Larven häufig. Die Metamorphose bezieht sich 
auf die Vermehrung der Tentakelzahl, Veränderungen derselben an der 
Basis, Auftreten von Hörbläschen und Bildung von Centripetalkanälen. 
Die jüngsten Larven (Fig. 5) besitzen nur vier perradiale Radialgefäße, 
aber noch keine Centripetalkanäle. Die hohlen Tentakel sind noch 
ohne kolbige Basalanschwellung. Vier Fangarme stehen perradial, vier 
interradial. Hörbläschen fehlen noch, der Nesselwulst ist dagegen schon 


Untersuchungen über neue Medusen aus dem rothen Meere. 627 


stark entwickelt. Auf demselben bilden sich zuerst zwischen den Ten- 
takeln die Hörorgane, gleichzeitig wird die Tentakelbasis verdickt. Dar- 
auf folgt die Vermehrung der Tentakel, indem sich zunächst adradiale 
einschieben, mit diesen neue Hörbläschen sich bilden. Jetzt treten die 
ersten Anlagen derGonaden auf und zuletzt sprossen die Centripetalkanäle. 

Die Meduse hat damit ungefähr einen Durchmesser von 2—3 mm 
erlangt. 

Auf dieser Stufe beginnt nun neben dem primären Magen ein zwei- 
ter Magen an der Subumbrella hervorzusprossen. Ihm kann ein dritier 
und vierter nachfolgen und jeder Nebenmagen erhält sein eigenes 
System von Radialkanälen, wobei die sprossenden Ceniripetalkanäle 
theilweise zur Verwendung kommen. 

Über diese an der Unterseite des Schirmes auftretende Mund- und 
Magenvermehrung mögen hier noch einige Bemerkungen eingeschaltet 
werden. 

Welche morphologische Deutung müssen wir dieser Erscheinung 
vindiciren ? 

Bis anhin waren wir gewohnt, bei allen Medusen, ja bei den Coelen- 
teraten überhaupt der Einzelperson nur einen einzigen Magen und nur 
eine einzige Mundöffnung als eigen zu betrachten. Wo uns der Pflanzen- 
thierorganismus zwar als physiologische Einheit entgegentritt, aber 
mehrere oder gar zahlreiche Magenräume und Mundöffnungen besitzt, 
da erklären wir ihn als ein Multiplum von Personen, als eine Kolonie 
von Einzelindividuen, deren Zahl wir nach den Mundöffnungen, oder 
wenn diese obliterirt sind, nach der Zahl der Magenräume beurtheilen. 
Der Einwurf, dass bei höheren Medusen ja die Rhizostomeen auch zahl- 
reiche Mundöffnungen bilden, kann schon desswegen nicht stichhaltig 
erscheinen, weil diese nachweisbar ganz sekundäre Bildungen darstel- 
len und wohl in physiologischer Beziehung als Mundöffungen fungiren, 
morphologisch dagegen einzeln einem Munde nicht homolog gesetzt wer- 
den dürfen. 

Wir betrachten die Meduse als eine schwimmende Polypenperson, 
seit R. Leuerarr ! diese Deutung mit Erfolg anzuwenden vermochte und 
die Homologien zwischen Meduse und Polyp von Arıman? und Craus3, 
so wie von O. undR. Herrwıc * im Einzelnen durchgeführt worden sind. 


1 R. LEUCKART, Über den Polymorphismus der Individuen. 4854. 

2 G.J. Arıman, A monograph of the Gymnoblastic or Tubularian Hydroids. 1874. 

3 C. Craus, Studien über Polypen und Quallen der Adria. Denkschriften der 
kaiserl. Akademie der Wissenschaften. 1878. 

* 0. und R. Herıwic, Der Organismus der Medusen und seine Stellung zur 
Keimblättertheorie. 4878. 


42* 


628 C. Keller, 


Diese Auffassung erwies sich so fruchtbar und naturgemäß, dass gegen 
ihre Richtigkeit und allgemeine Annahme in der Zukunft kaum mehr 
ernstliche Bedenken erhoben werden können. 

Scheinbar kommt unsere Gastroblasta recht störend zwischen diese 
Homologien hinein, jedoch nur scheinbar. Bei näherem Lichte betrach- 
tet werden wir das Auftreten neuer Magenschläuche mit einem eigenen 
System einmündender Radialkanäle morphologisch nur nach zwei Rich- 
tungen hin zu verwerthen haben : entweder ist dasselbe aus einer un- 
vollständigen Theilung der Meduse zu erklären oder es liegt eine 
seitliche Sprossung vor. 

Erstere Annahme, zu welcher gewisse Bilder anfänglich hinzuführen 
geeignet sind, bleibt entschieden ausgeschlossen, denn eine wirkliche 
Theilung des Magenrohres findet nicht statt, der Nebenmagen entsteht 
durch Sprossung unabhängig vom Hauptmagen. Auch ist er anfänglich 
ohne Mundöffnung. Theilungsvorgänge an der Scheibe sind 
mir niemals zur Beobachtung gekommen. 

Meine Auffassung der eigenthümlichen Magen- und Munde 
rung an der Subumbrella geht dahin, dass ganz normal und konstant 
bei Gastroblasta timida neben der geschlechtlichen Fortpflanzung und 
gleichzeitig mit derselben noch eine ungeschlechtliche Vermehrung 
durch laterale Sprossung der Meduse parallel läuft, diese Sprossung 
aber unvollständig bleibt und durch Goenogenese stark verändert er- 
scheint. 

Ganz ohne Anknüpfungspunkte ist dieser Fall unter den craspedoten 
Medusen keineswegs. 

Ich verweise auf das einlässliche Medusenwerk von Ernst HAsckkL. 
Seinen Angaben zufolge! erzeugen die Medusen von Codonium codono- 
phorum Haeck. und von Amphicodon amphipleurus Haeck. an ihrer 
Tentakelbasis auf dem Wege der Sprossung zahlreiche Medusen und bei 
Sarsia siphonophora Haeck., einer zierlichen Anthomeduse von den 
kanarischen Inseln, ist der lange Magenschlauch mit zahlreichen Me- 
dusenknospen besetzt. In so fern weichen die erwähnten Arten von 
Gastroblasta timida ab, als die Sprossung an einer anderen Körperstelle 
stattfindet und zeitlich so früh auftritt, dass diese Fortpflanzungsart 
als Larvenzeugung oder Paedogenesis bezeichnet werden kann. Außer- 
dem lösen sich die Sprösslinge von der mütterlichen Meduse ab. 

Jenes Verhalten ist also ein primäres, während bei unserer neuen 
Form die Sprossung unvollständig bleibt und in ihrem zeitlichen Auf- 
treten bis zur Geschlechtsreife verschoben erscheint. Der ganze Vorgang 


! Vgl. Ernst HAeckeEL, Das System der Medusen. 1. Atlas Taf. 1. 


Untersuchungen über neue Medusen aus dem rothen Meere. 629 


kann wohl passend als unvollständige Gemmatio lateralis bezeichnet 
werden und zeigt eine Analogie mit dem Sprossungsvorgang bei gewissen 
Korallen (Fungia, Mussa, Maeandrina). 

Schließlich sei noch erwähnt, dass bei der in Rede stehenden Art 
Geschlechtertrennung besteht, aber auch bei polystomen Medusen oder 
richtiger Medusenkolonien stets nur eine Art von Gonaden zur Beobach- 
tung gelangte. 

Schon früher hob ich die außerordentliche Variabilität der neuen 
Meduse hervor. Abweichungen von der Grundzahl, Störung der ur- 
sprünglichen Verhältnisse durch Sprossungsvorgänge, bedingen eine 
starke Divergenz von der ursprünglichen Norm und nach dieser Rich- 
tung möchte Gastroblasta timida unter den Graspedoten dieselbe Stellung 
einnehmen, wie etwa Aurelia aurita unter den Acraspeda. Um ein ge- 
naueres Bild von dieser großen Variabilität zu geben, führe ich eine An- 
zahl beobachteter Fälle auf: 

4. Exemplar: 1 Mund mit A Mundlappen; 

1 Magen mit 4 Magenzipfeln; 
4 Radialkanäle; 
k reife Gonaden ; 
% interradiale Centripetalkanäle mit halbreifen Gona- 
den; 
Tentakel und Hörbläschen zahlreich (circa 40). 
2. Exemplar: 4 Mund mit 3 Mundlappen; 
1 Magen mit 3 Magenzipfeln; 
3 Radialkanäle; 
3 Gonaden; 
Centripetalkanäle fehlen ; 
Tentakel und Hörbläschen zahlreich. 
3. Exemplar: 1 Mund mit 4 Mundlappen; 
1 Magen mit 5 Zipfeln; 
5 Radialkanäle ; 
5 reife Gonaden; 
5 interradiale Centripetalkanäle mit halbreifen Gona- 
den; 
50 Tentakel (5 perradiale, 5 interradiale und 2x 20 
adradiale) ; 
50 Hörbläschen. 
4. Exemplar: A Mund mit 4 Lappen; 
4 Magen mit 8 Zipfeln ; 
8 Radialkanäle; 
8 reife Gonaden; 


6 


" 


5. Exemplar: 


6. Exemplar: 


7. Exemplar: 


8. Exemplar: 


9. Exemplar: 


6. Keller, 


40 Tentakel; 

40 Hörbläschen. 

4 Mund mit 4 Mundlappen ; 

1 Magen mit 6 Zipfeln; 

6 Radialkanäle ; 

6 reife Gonaden ; 

6 interradiale Gentripetalkanäle ; 

circa 40 Tentakel. 

4 Mund mit 3 Mundlappen ; 

1 Magen mit 6 Zipfeln; 

6 Radialkanäle; 

6 reife Gonaden; 

6 längere interradiale Gentripetalkanäle mit halbreifen 
Gonaden; 

12 kürzere adradiale Gentripetalkanäle; 

circa 50 Tentakel und Hörbläschen. 

4 Hauptmund mit 4 Lappen; 

1 Hauptmagen mit 4 Zipfeln ; 

2 Nebenmagen ; | 

2 Nebenmundöffnungen mit je 3 Mundlappen ; 

8 Radialkanäle; 

8 reife Gonaden ; 

8 interradiale Gentripetalkanäle mit halbreifen Gona- 
den; 

16 adradiale Gentripetalkanäle ; 

circa 400 Fangarme und Hörbläschen. 

4 Hauptmund mit 6 Mundlappen; 

4 Hauptmagen mit 6 Zipfeln; 

12 Radialkanäle ; 

12 Gonaden; 

1 Nebenmund und Nebenmagen ; 

42 interradiale Gentripetalkanäle mit halbreifen Go- 
naden; 

zahlreiche Tentakel und Hörbläschen. 

4 Hauptmund mit 4 Mundlappen; 

1 Hauptmagen mit 4 Magenzipfeln ; 

8 Radialkanäle (in den Hauptmagen mündend); 

8 Gonaden; 

1 Nebenmund mit 4 Mundlappen ; 

1 Nebenmagen mit 4 Zipfeln (in denselben münden 
k Radialgefäße mit reifen Gonaden). 


Untersuchungen über neue Medusen aus dem rothen Meere. 631 


10. Exemplar: 1 Hauptmund mit 5 Mundlappen ; 

A Hauptmagen mit 5 Magenzipfeln ; 

10 Radialgefäße mit reifen Gonaden münden in den 
Hauptmagen. 

Erster Nebenmagen mit Mund und 3 Mundzipfeln. 
In denselben münden 7 Radialgefäße. 

Z weiter Nebenmagen mit 3 Zipfeln, sein Mund mit 
3 Mundlappen. In denselben münden 5 Radial- 
gefäße. 

Dritter Nebenmagen dreizipflig, noch ohne Mund. 

Im Ganzen sind 17 Radialkanäle mit 17 reifen Gona- 
den und 47 interradiale Centripetalkanäle ohne 
Gonaden vorhanden. Die Tentakel sind zahl- 
reich (17 perradiale, 17 interradiale und 34 ad- 
radiale) vorhanden. 


Systematische Stellung der Gattung Gastroblasta. 


Ernst Hazckzr hat in seinem » System der Medusen« die Craspedo- 
ten in vier Ordnungen eingetheilt, und wenn es sich um die Einreihung 
obiger Form handelt, können davon nur dieOrdnungen der Leptomedusen 
und der Trachomedusen in Betracht kommen, denn nurin diesen beiden 
Gruppen entwickeln sich die Gonaden im Verlaufe der Radialkanäle. 

Es lässt sich nicht verkennen, dass gewisse Beziehungen zu den 
Leptomedusen, insbesondere zu den Eucopiden vorhanden sind. Wie 
bei jenen sind die Fangarme stets hohl und zwar schon während der 
Larvenperiode. Im Larvenleben scheinen ferner nie mehr als vier Radial- 

-kanäle vorzukommen. 

Allein andere Befunde, wie der schon bei Larven stark entwickelte 
Nesselring, das derbe und kräftige Velum, die Bildung der Hörorgane, 
welche als modificirte acustische Tentakel mit entodermaler Otolithen- 
zelle erscheinen, weisen auf die Trachomedusen hin und obschon diese 
ursprünglich solide Tentakel besitzen, so bestimmt mich namentlich 
auch das Vorkommen von Centripetalkanälen, die Gattung Gastroblasta 
unter die Harcrer’schen Trachomedusen zu stellen, da sonst in keiner 
anderen Ordnung solche blinde, vom Ringkanal hervorsprossende Ge- 
fäße beobachtet wurden. Unter den vier Familien der Petasidae, Trachy- 
nemidae, Aglauridae und Geryonidae sind es offenbar die Peiasiden; zu 
welchen die meisten Affinitäten vorhanden sind. 

Die rundlichen Gonaden, der fehlende Magenstiel, der quadratische 
oder vierlappige Mund und die bei Olindias vorhandenen Centripetal- 
kanäle sind Merkmale, welche auch auf Gastroblasta anwendbar sind. 


632 6. Keller, 


Dennoch finden sich so erhebliche Abweichungen von den Petasi- 
den, welche allgemein nur vier Radialkanäle, ursprünglich solide Ten- 
takel und freie Hörkölbehen besitzen, dass eine Einreihung in diese 
Familie nicht wohl angeht. Noch geringer sind die Verwandtschafts- 
beziehungen zu den Trachynemiden, den Aglauriden und Geryoniden. 
Es scheint mir desshalb korrekt zu sein, unsere Form als Vertreter einer 
neuen Familie zu betrachten und dieselbe als Gastroblastidae un- 
mittelbar an die Petasidae anzureihen. 

_ Diese Familie würde folgendermaßen zu charakterisiren sein: 

Mund vierlappig; Magen schlauchförmig; Magenstiel fehlend; Gona- 
den längliche Wülste oder kugelige Auftreibungen im Verlauf der Radial- 
kanäle. 

Zahl der Radialkanäle verschieden; Gentripetalkanäle vorhanden; 
neben dem Hauptmagen noch sekundäre Magenschläuche; Tentakel 
stets hohl; Hörorgane als geschlossene Hörbläschen. 

In Gastroblasta timida besitzt diese Familie ihren einzigen bisher 
bekannten Vertreter. 

Anhangsweise sei noch hervorgehoben, dass diese von pelagischen 
Krebsen und Würmern lebende Art auf der Exumbrella und am Schirm- 
rande häufig Parasiten in großer Zahl beherbergt. Es sind große, gelb- 
braun gefärbte Infusorien, welche eine gestielte, becherförmige Hülle 
ausscheiden und mit deren Stiel auf der Meduse befestigt sind. Es sind 
dies wohl nicht eigentliche Parasiten, sondern lediglich Kommensalen, 
welche sich mit der Meduse vergesellschaften. Systematisch gehören 
diese Infusorien in die Familie der Tintinnidae. 


II. Cassiopea polypoides nov. spec. 
(Fig. 6.) 


A. Systematisches und Biologisches. 


Die Toreumidengattung Cassiopea, vermuthlich eine für die Koral- 
lenriffe charakteristische Medusengattung, hat mehrere einander sehr 
nahestehende Vertreter im indischen und im stillen Ocean. Aus dem 
rothen Meere war bisher eine einzige Art bekannt, nämlich die von 
Forskar entdeckte Cassiopea Andromeda. Sie wurde wiederholt in 
El Tor beobachtet, nach den Angaben von Tıresius lebt sie auch im 
Sunda-Archipel. | 

Eine zweite Art von bedeutender Größe scheint von den früheren 
Beobachtern übersehen worden zu sein, sie lebt herdenweise auf den 
Korallenbänken im südlichen Theile des rothen Meeres. Anfänglich hielt 
ich sie für identisch mit G. Andromeda, bei nachträglicher genauer 


Untersuchungen über neue Medusen aus dem rothen Meere. 633 


Vergleichung zahlreicher Exemplare mit der etwas rohen, aber natur- 
getreuen Abbildung in den Icones rerum naturalium von Perrus ForskaL 
und seiner ausführlichen Beschreibung stehe ich nicht an, die von mir 
beobachtete Meduse als von G. Andromeda specifisch verschieden zu 
erklären. Sie zeigt in der Zeichnung der Exumbrella, im Bau der Arme und 
im Gefäßsystem konstante Abweichungen. Ich gebe zunächst eine kurze 

Speciesdiagnose: Der Schirm von Cassiopea polypoides ist 
niedrig und scheiben- oder napfiförmig. Der Durchmesser ausgewachse- 
ner Individuen beträgt 10—15 cm. Seine Farbe ist hellbraun.‘ Die 
Exumbrella ist in einen großen Saugnapf umgewandelt, der von einem 
etwas erhabenen Rande umgeben ist und bis auf 41/)—2 cm vom 
Schirmrande entfernt, die Scheibenfläche einnimmt. Im Centrum der 
Scheibe, resp. des Saugnapfes erhebt sich eine aus Gallerte gebildete 
Verdickung von 31/,—4 cm Durchmesser. Am Schirmrande ist die 
Gallerte verdünnt. Beiausgewachsenen Exemplaren schimmern die 
Geschlechtsorgane niemals durch, dagegen sieht man zuweilen bei 
jungen Individuen ein durchschimmerndes Genitalkreuz. Der Schirm- 
rand besitzt 80 kurze, gerundete Lappen (in jeden der 16 Parameren 
drei Velarlappen zwischen zwei Ocularlappen). Die Exumbrella besitzt 
46 milchweiße oculare Radialflecken, die bei den schärfer gezeichneten 
Individuen gegen das centrale Ende spatelförmig verbreitert sind, am 
peripheren Ende den Sinneskolben halbmondförmig umgreifen. Nach 
außen vom Rande des Saugnapfes besitzen diese Radialflecken abermals 
eine Verbreiterung und bei gut ausgeprägter Zeichnung fließen sie hier 
zu einem milchweißen Kreise zusammen. Zwischen je zwei Ocular- 
flecken stehen am Schirmrande drei (also 16><3) kleinere Radialflecken 
von milchweißer Farbe. Schwarze Radialflecken, wie sie C. 
Andromeda auf der Exumbrella aufweist, fehlen stets. 

Die dicke Mundscheibe ist regelmäßig achteckig. Die acht von der- 
selben entspringenden Arme sind niemals abgeplattet, sondern 
bis an das distale Ende stets höher als breit. Bei jungen 
Exemplaren reichen sie bis zum Schirmrande, bei älteren sind sie 
stets länger als der Schirmradius. Sie sind olivenfarben, auf der Ober- 
seite meist milchweib. Jeder Arm trägt in der Regel drei Paare alter- 
nirender Fiederäste, welche auf der Unterseite mit intensiv braun 
gefärbten Saugkrausen besetzt sind, dazwischen stehen noch Zotten- 
büschel und zahlreiche mittelgroße Kolbenblasen von milchweißer Fär- 
bung, endlich noch große, über 3 cm lange drehrunde oder verbreiterte 
Tentakel. Auf der Mundscheibe steht zuweilen ein dichter Besatz von 
kleinen Kolbenbläschen. 

Die Färbung und Zeichnung von Cassiopea polypoides ist mannig- 


634 C. Keller, 


faltig und bunt, aber auch variabel. Unter den Hunderten von lebenden 
Exemplaren, welche ich zu beobachten Gelegenheit hatte, konnte ich 
nicht weniger als fünf verschiedene Varietäten unterscheiden: 

1) GC. polypoides variet. cyanea: Die großen Tentakel zahlreich 
(fünf bis sechs auf jedem Arme), entweder himmelblau oder grünblau. 
Zeichnung der Exumbrella am Schirmrande scharf, die radialen Ocular- 
flecken gegen das centrale Ende hin häufig etwas verschwommen. Die 
weißen Zotten zahlreich, die Kolbenblasen spärlicher. Häufigste Varietät. 

2) C. polypoides variet. flava: Die großen Tentakel stets dreh- 
rund, niemals abgeplattet, ihre Färbung honiggelb oder hellblond. 
Kolbenblasen und Zottenbüschel zahlreich. Die Zeichnung der Exum- 
brella meist sehr scharf ausgeprägt. Häufige Varietät. r 

3) ©. polypoides variet. albida: Die großen Tentakel stets dreh- 
rund und von weißer Farbe. Zottenbüschel und Kolbenblasen reichlich 
entwickelt. Seltenere Varietät. 

%) G. polypoides variet. rosea: Exumbrella olivenfarben, Radial- 
flecken undeutlich, die großen theils runden, theils abgeplatteten Ten- 
takel zahlreich und von zart rosarother Färbung. Kolbenblasen spärlich. 
Seltene Varietät. 

5) G. polypoides variet. herbacea: Kolbenblasen und Zotten- 
büschel schwach entwickelt, die großen Tentakel völlig fehlend, die 
Saugkrausen der Arme groß. Seltene Varietät. 

Lebensweise: Die sonderbare Meduse weicht in ihrer Lebens- 
art von den meisten übrigen Scheibenquallen sehr erheblich ab, indem 
sie ihre pelagische Lebensweise aufgegeben hat und zu einer strand- 
bewohnenden Species geworden ist. Sie lebt gesellig und man trifft sie 
in zahlreichen Herden in der äußeren Uferzone in einer Tiefe von 1/, bis 
1 Meter auf den abgestorbenen Korallenbänken. Sie wählt meist die- 
jenigen Stellen, wo die Sandkrabben (Ocypoda) arbeiten. Letztere zer- 
nagen bekanntlich die harte Oberfläche der Riffe und werfen im Umkreise 
ihrer Löcher maulwurfartige Hügel von feinem Sande auf. Zwischen 
diesen Hügeln setzt sich G. polypoides mit Vorliebe fest, indem sie sich 
mit dem großen Saugnapf der Exumbrella ansaugt und mit dem reich- 
lich abgesonderten Schleim die Sandkörnchen zusammenkittet. Damit 
kehrt sie im Gegensatz zu den übrigen Medusen die Unterseite oder 
Subumbrella nach oben und gewinnt der großen, emporgestreckten 
Tentakel wegen eine täuschende Ähnlichkeit mit einer großen Seerose 
oder Actinie, wofür ich auch anfänglich diese Meduse hielt. 

Ihrer bunten Färbung und zierlichen Gestalt wegen gehört sie mit 
zu den herrlichsten Erscheinungen, welche die Rifffauna des rothen 
Meeres darbietet. 


Untersuchungen über neue Medusen aus dem rothen Meere. 635 


Wie ich mich durch Versuche überzeugte, bleibt die Meduse 
wochenlang fest verankert und sitzt fortwährend auf demselben Fleck. 
Nur bei starken Stürmen mag sie vom Boden losgelöst und an einen 
anderen Platz getrieben werden. Ihre Schwimmfähigkeit hat sie beinahe 
vollständig eingebüßt und alle Individuen, mit welchen ich Versuche 
anstellte, sanken hilflos zu Boden. 

In Glasgefäßen gehalten, führen sie nur schwache Schirmkontrak- 
tionen aus, die weniger zum Schwimmen als zum Ansaugen an die 
Glaswand dienen. 


B. Anatomie der Cassiopea polypoides. 

So weit es sich um Flächenpräparate und Zerzupfungspräparate 
handelt, stößt die Untersuchung der Medusen nicht auf allzugroße 
Schwierigkeiten und über viele Punkte erlangte ich an frischen Objek- 
ten, so wie an solchen, welche ich mit Osmiumsäure oder Ghromsäure 
behandelte und in Weingeist einlegte, einen befriedigenden Einblick. 

Aber in zahlreichen Fällen muss man zur Anwendung von Schnitt- 
methoden schreiten und bei der gallertartigen Beschaffenheit des Kör- 
pers boten diese von jeher bei den Medusen besondere Schwierig- 
keiten dar. 

An gewissen Stellen, so an der Exumbrella und an den Armen, ist 
bei dieser Art indessen die Schirmgallerte ziemlich konsistent, so dass 
an frischen Stücken Schnitte von ausreichender Feinheit angefertigt 
werden können. Aber an anderen Stellen, wie z. B. an den Geschlechts- 
organen, geht dies nicht an. 

Von Einbettungsmethoden habe ich vollständig Umgang genommen 
und mich zum Anlegen von Schnittserien ausschließlich der Gefrier- 
methode bedient. Diese leistet gerade bei Medusen ganz ausgezeichnete 
Dienste und hilft über alle Schwierigkeiten der Untersuchung hinweg, 
zumal die Gefriermikrotome gegenwärtig in großer Vervollkommnung in 
den Handel kommen. Dieses so wichtige Hilfsmittel wird wohl in Bälde 
alle Härtungs- und Einbettungsmethoden in den Hintergrund drängen. 
Bei zu starker Abkühlung des Metalltisches, auf welchem man Gewebs- 
stücke einfrieren lässt, wird das Eis allerdings oft in unangenehmer 
Weise hart und spröde, durch Übung wird man aber bald diejenige 
Grenze der Abkühlung herausfinden, bis zu welcher das Eis eine zum 
Anlegen von Schnitten günstige Beschaffenheit besitzt. 


Die Exumpbrella. 


Während bei den meisten Medusen die obere Schirmfläche mehr 
oder minder stark gewölbt erscheint, ist sie bei Cassiopea polypoides 


636 C. Keller, 


im Gegentheil vertieft und es lassen sich deutlich zwei Abschnitte unter- 
scheiden: der centrale Saugnapf und der freie Schirmrand. 

Der Saugnapf ist nach außen begrenzt von einem circa 1—A1/, cm 
breiten Rande, welchen ich als Margo acetabularis bezeichne. Er ver- 
läuft parallel dem Schirmrande, zeichnet sich im Leben durch eine meist 
blasse Farbe und etwas rauhe Oberfläche aus, ist aber niemals durch 
eine Kranzfurche gegen den Schirmrand abgesetzt. 

Die vertiefte Sauggrube erhebt sich in der Mitte des Gallertschirmes 
zu einem abgerundeten, aus verdickter Gallerte bestehenden Gebilde. 
Am Schirmrande erscheint die Gallertsubstanz stark verdünnt. 


Das Epithelder Exumbrella. 


Den Ektodermbelag, welcher die Schirmfläche überzieht, habe ich 
sowohl an frischen wie an mit Osmiumsäure und CGhromsäure behandel- 
ten Exemplaren untersucht. An Vertikalschnitten konnte ich mich bald 
überzeugen, dass die einzelnen Stellen histologisch nicht unerheblich 
von einander abweichen. In der Sauggrube findet sich ein hohes 
Cylinderepithel, welches gegen das Gentrum hin niedriger wird und an 
der Margo acetabularis plötzlich in ein kubisches Epithel übergeht. Am 
Schirmrande beginnen in der Umgebung des Saugnapfrandes wieder 
schlanke Cylinderepithelien aufzutreten, nehmen aber nach außen nach 
und nach an Höhe ab. 

Die Hauptmasse der Zellen besteht aus blassen Gebilden, deren 
Höhe 0,05 mm und deren Durchmesser 0,042 mm beträgt. In Osmium 
werden sie nur am Rande gebräunt, im Centrum dagegen gar nicht. In 
Karmin färben sie sich nur schwach. Diese Zellen besitzen einen körn- 
chenreichen Mantel, welcher von Plasma gebildet wird und den kleinen, 
wandständigen Zellkern enthält. Der helle Gentraltheil ist an der Ober- 
fläche nicht mit von einer Membran überdeckt, sondern frei anstehend. 

Ich betrachte diese in ihrer Zahl weitaus vorwiegenden Gebilde als 
Becherzellen, am ehesten den mucinliefernden Becherzellen in der Haut 
der Mollusken vergleichbar. 

Ihr blasser Inhalt ist offenbar in Umwandlung zu Schleim begriffen 
und wie man sich an frischen Schnitten leicht überzeugt, ist der Saug- 
napf stets mit einer ansehnlichen Lage von Schleim bedeckt. Auf mecha- 
nische und chemische Reize erfolgt eine vermehrte Absonderung. In 
Alkohol eingelegt überzieht sich die Exumbrella mit einer dicken Lage 
von niedergeschlagenem Mucin (Fig. 7 s). 

Wir haben in dieser reichen Ausstattung mit mucinliefernden 
Drüsenzellen offenbar eine Anpassung an die eigenartige Lebensweise 
des Thieres zu erblicken und die abgesonderten zähen Schleimmassen 


Untersuchungen über neue Medusen aus dem rothen Meere, 637 


helfen mit zur Befestigung am Boden, indem sie die Sandpartikel der 
Unterlage verkitten. Löst man die Meduse von ihrer Unterlage los, so 
findet man stets einen Überzug adhärirender Sandkörnchen. 

Neben den Becherzellen finden sich noch andere Elemente im Epi- 
thel, und zwar schlanke Stützzellen und endlich noch Nesselzellen oder 
Cnidoblasten. Letztere sind spärlich und haben an dieser zur Fuß- 
scheibe verwendeten Körperregion auch keine Bedeutung, zumal an 
anderen Stellen zahlreiche Nesselzellen vorhanden sind. 


Die Muskulatur der Exumbrella. 

Aus dem Vorkommen eines Saugnapfes lässt sich a priori schon 
eine wohl ausgebildete Muskulatur an der zur Fußscheibe umgewandel- 
ten Exumbrella erwarten. Diese ist-in der That vorhanden und hierin 
zeigt Cassiopea polypoides wiederum eine Abweichung von den meisten 
Scheibenquallen, denen ja im Allgemeinen eine Muskulatur an der äuße- 
ren Schirmfläche fehlt. Doch hat jüngst v. LEnnenreLp ! ein System 
zarter Fasern von Epithelmuskeln an der Basis der Nesselknöpfe bei 
Cyanea Annaskala nachgewiesen. 

Die Muskelfasern sind zahlreich, lang, niemals quergestreift und 
ausschließlich in radialer Richtung verlaufend. Cirkuläre Fasern 
fehlen durchaus. 

Die Fasern gehören der subepithelialen Lage des Ektoderm an und 
sind bereits aus dem Epithel ausgeschieden. Sie zeigen ein Verhalten, 
das uns bei der glatten Muskulatur der Subumbrella wieder begegnet. 
Obschon die Fasern parallel laufen, so lehren uns dennoch Zerzupfungs- 
präparate, dass sie ein Netzwerk bilden, indem sie vielfach anastomosiren. 

An zwei Stellen des Saugnapfes fehlt die Muskulatur, nämlich am 
Rande und im Centrum. An diesen Stellen hängt denn auch das Ekto- 
derm weniger innig mit der darunter gelegenen Schirmgallerte zusam- 
men und bei älteren Exemplaren fand ich an dieser Stelle meist gar kein 
Epithel mehr. Ich erkläre mir diese Thatsache daraus, dass bei wieder- 
holtem Wegspülen von der Unterlage in Folge starker Brandung und bei 
nachfolgendem Wiederbefestigen des Schirmes an diesen Stellen das 
Epithel abgerieben wurde. Am freien Schirmrande ist die Muskulatur 
in der Nähe des Saugnapfes noch entwickelt, nach außen fehlt sie. 


Die Schirmgallerte (Mesoderm). 
Die nach der jetzt vorwiegenden Ansicht vom Entoderm abstam- 
mende Schirmgallerte besitzt bei unserer neuen Art einen höheren Grad 


I! R. v. LENDENFELD, Über Coelenteraten der Südsee. I. Mittheilung. Cyanea 
Annaskala. Diese Zeitschr. Bd. XXXVII. 4882. 


638 C. Keller, 


histologischer Komplikation, als er bisher von den Medusen bekannt war 
und ich stehe nicht an, die Schirmgallerte von Cassiopea als ein Gewebe 
von selbständigem Charakter, als ein echtesMesoderm aufzu- 
fassen. 

In der Gallerte der Medusen sind von früheren Forschern wieder- 
holt Zellen beobachtet worden. O. Hamann ! macht die Angabe, dass bei 
allen Rhizostomen Zellen in diesem Stützgewebe vorkommen, welche 
dem Entoderm entstammen und die Gallerte bilden und ernähren. Sie 
sind meist mit Fortsätzen versehen und werden von ihm mit dem Namen 
Colloblasten bezeichnet, weil sie mit Bezug auf die Grundsubstanz ver- 
muthlich dieselbe Rolle spielen, wie die Osteoblasten im Knochen- 
gewebe. 

v. LENDENFELD? beschreibt für seine Gyanea Annaskala Colloblasten 
zweierlei Art, die gewöhnlichen verästelten Zellen und kleine, kugelige 
Zellen mit stark lichtbrechenden Körnchen. 

Bei CGassiopea polypoides enthält die Gallerte dreierlei Zellele- 
mente, welche in ihrem Habitus und wohl auch in ihrer Bedeutung für 
den Organismus durchaus verschieden sind (Fig. 7). | 

Zunächst finden sich in großer Zahl die gewöhnlichen farblosen 
und mit feinen Körnchen erfüllten Zellen, welche mit Bezug auf Bildung 
der Gallerte vielleicht ausschließlich den Namen »Colloblasten« ver- 
dienen. Es sind Zellen von wandelbarer Gestalt, bald kugelig, bald 
bipolar, bald mit zahlreichen Ausläufern versehen. Am dichtesten sind 
sie unmittelbar unter dem Ektoderm, in der Tiefe finde ich sie stets 
weniger zahlreich. 

Eine zweite Art von Zellen erscheint in großer Menge dicht unter 
dem äußeren Epithel eingebettet; in ihrer Größe stimmen sie ungefähr 
mit den vorigen überein, ihr Durchmesser beträgt 0,04 mm. Sie sind 
seltener vereinzelt, meist sind sie zu kugeligen oder länglichen Haufen 
von 30—40 Zellen vereinigt. Ihre Farbe ist ein intensives Gelbbraun, 
wesshalb ich sie als braune Pigmentzellen bezeichne. Sie sind 
offenbar identisch mit den sog. »gelben Drüsenzellen«, welche O. Hamann 
bei einem großen Theile der Rhizostomen auffand und zu diesem Schlusse 
führt mich namentlich seine in Fig. 22 gegebene Abbildung. Er giebt 
an, dass sie vereinzelt oder in kugelige Partien angehäuft, sowohl im 
Exoderm als im Entoderm vorkommen. Für Cassiopea kann ich dies 
nicht bestätigen, diese Gebilde fehlen in beiden Zellenlagen und ge- 
hören ausschließlich dem Mesoderm an und zwar sind sie in der 


ı O0. Hamann, Die Mundarme der Rhizostomen und ihre Anhangsorgane. Jen. 
Zeitschr. für Naturwissenschaft. XV. Bd. Jena 1881. 
2 R. v. LENDENFELD, |], c. 


Untersuchungen über neue Medusen aus dem rothen Meere, 639 


Tiefe der Gallerte fehlend, stets findet man sie unmittelbar unter dem 
Muskelbelag des Exoderm. Im Gentrum der Scheibe und am Rande des 
Saugnapfes sind sie spärlich vorhanden. An den übrigen Körperstellen 
sind sie besonders zahlreich in den Geschlechtsorganen und in den 
Mundtrichtern. 

An diesen Zellen fällt zunächst die ziemlich dicke und feste Mem- 
bran auf, sie erscheinen daher von einem scharfen und doppelten Kon- 
tur umgeben. 

Bei der jetzt vorherrschenden Neigung, derartige Zellen als einge- 
drungene parasitäre Gebilde zu betrachten, suchte ich mir Aufschluss 
über ihre allfällig pflanzliche Natur zu verschaffen. 

Es lässt sich nicht leugnen, dass diese Elemente eine große Ähn- 
lichkeit mit den »gelben Zellen« der Radiolarien besitzen. Letztere sind 
aber nach Cırnkowsky als fremde Eindringlinge in den Radiolarienkörper 
zu betrachten und als einzellige parasitäre Algen zu deuten. Ähnliche 
Körper haben wir in der Zoochlorella bei Hydra viridis vor uns. 

Gelbe Zellen werden auch in dem Körper der Actinien angetrofien, 
wie aus den Arbeiten von Heıper und O. und R. Herrwic zu entnehmen 
ist. Die letzteren Autoren betrachten die dicke Hülle der Zellen als 
Cellulosemembran und halten damit deren Natur als einzellige Algen für 
wahrscheinlich. 

Hamann vertritt die Ansicht, dass die gelben Zellen der Medusen als 
Drüsen aufzufassen seien. 

Um zu entscheiden, ob diese Gebilde pflanzlicher oder thierischer 
Natur seien, nahm ich mehrere mikrochemische Reaktionen vor und er- 
hielt folgende Resultate: 

4) Mit Jod färben sich die kugeligen gelben Zellen bei Gassiopea 
polypoides häufig violett oder violblau, jüngere Zellen werden hierbei 
nur gebräunt. Nicht nur die Zellen der Exumbrella, sondern auch die- 
jenigen der Trichterkrausen und Filamente zeigen dieses Verhalten. 
Diese Reaktion würde auf einen Gehalt an Amylum hinweisen, aber 
noch keinen zwingenden Grund für die pflanzliche Natur der gelben 
Zellen abgeben. 

2) Eine Blaufärbung der Zellmembran durch Behandlung mit Jod 
und Schwefelsäure trat niemals ein. Da diese Reaktion indessen nicht 
immer ganz zuverlässig ist, so wendete ich noch das folgende Ver- 
fahren an: 

3) Die Behandlung mit dem hei den Botanikern üblichen ScnuLze- 
schen Reagens. Kochen der Zellen in koncentrirtem Reagens be- 
wirkte eine vollständige Zerstörung der Zellen. | 

Eine verdünnte Lösung bei mäßigem Kochen entfärbte die mit Jod 


640 6. Keller, 


behandelten gelben Zellen unter vollständigem Schwinden des Zellin- 
haltes, auch die Membranen wurden angegriffen und begannen zu 
schrumpfen. 

Aus diesem Verhalten ist daher zu entnehmen, dass die Zellmem- 
bran nicht aus Cellulose besteht, sondern eine verdichtete Lage einer 
eiweißähnlichen Substanz darstellt. Ich kann daher diesen Zellen keinen 
ausgesprochenen pflanzlichen Charakter zuerkennen und sie nicht nach 
Art einer Symbiose als eingedrungene Algen auffassen, sondern erkenne 
in ihnen eine besondere Zellform des Mesoderm. 

Andererseits scheint mir aber auch ihre drüsige Natur noch nicht 
hinreichend begründet. Abgesehen davon, dass Drüsenzellen nicht so 
dicke Membranen zu besitzen pflegen und Öffnungen in der festen Um- 
hüllung nicht nachweisbar sind, so besitzt das unmittelbar darüber 
liegende Epithel der Exumbrella einen ausgesprochenen Drüsencharak- 
ter. Da nun in diesen ziemlich energische Umsetzungen, Bildung von 
Mucin und dergleichen stattfinden, so ist recht wohl denkbar, dass die 
angrenzenden »gelben Zellen« des Mesoderm die Reservestofle enthalten, 
welche bei diesen Umsetzungen verbraucht werden. 

Eine dritte Zellform ist nicht nur in der Schirmgallerte, sondern 
an verschiedenen anderen Stellen, wie auf der Oberfläche der Arme, in 
den Kolbenblasen, Filamenten etc. in großer Zahl vertreten. Sie bedingt 
durch ihr Vorkommen die milchweiße Färbung gewisser Bezirke, also 
die weißen Radialflecke der Exumbrella. Diese Zellform zeichnet sich 
durch ihre beträchtliche Größe vor allen übrigen Mesodermelementen 
aus. Ihr Durchmesser beträgt das drei- bis vierfache desjenigen der 
gelben Zellen. Diese kugeligen oder länglichen Zellen stehen stets dicht 
gedrängt. Eine Zellmembran fehlt, wohl aber lässt sich unschwer ein 
rundlicher Kern nachweisen. 

Der Zellinhalt ist in seinem centralen Theile klar und farblos, er 
entbehrt jeglicher Einlagerung von Körnchen. Der periphere Theil der 
Zelle ist dicht erfüllt mit kleinen Schüppchen, Blättchen oder Körnern. 
Vielfach trifft man solche Zellen, wo auch größere Bezirke der Ober- 
fläche frei von Einlagerungen und daher durchsichtig sind. Zusatz von 
Säuren hat weder ein Aufbrausen noch ein Verschwinden dieser Ge- 
bilde zur Folge. Bei durchfallendem Lichte erscheinen diese Schüpp- 
chen und Körnchen schwarz, bei auffallendem Lichte weiß. Wo sie in 
größerer Zahl beisammen sind, entstehen daher weiße Flecken, daher 
ich sie als weiße Pigmentzellen bezeichne. 

Neben Zellen finden sich in der Mesodermgallerte noch Fasern. 
Bei der in Rede stehenden Art sind sie vorwiegend senkrecht in die 
Tiefe gerichtet. Theilungen derselben konnte ich nie beobachten, eben 


Untersuchungen über neue Medusen aus dem rothen Meere. 641 


so wenig eine netzförmige Verbindung derselben, wie sie T. Eımer ! 
für Cyanea capillata erwähnt. Wahrscheinlich verlaufen die senkrechten 
Fasern ohne Unterbruch in parallelen Richtungen vom Schirmektoderm 
bis zur Decke der Magenhöhle. Der Verlauf ist ein gerader, und wenn 
man ihn auch oft an Präparaten wellenförmig hin und hergebogen oder 
gar korkzieherartig aufgerollt findet, so ist dies eine postmortale Er- 
scheinung, an frischen Schnitten habe ich derartige Bilder nie beobach- 
ten können. 

Die Fasern sind in der Regel drehrund, seltener schwach abge- 
plattet. Unmittelbar unter dem Ektoderm liegt noch ein zweites Faser- 
system, welches nicht in die Tiefe geht, sondern der Schirmoberfläche 
parallel verläuft. Am verdünnten Schirmrande ist diese Faserung der 
Gallerte die ausschließliche. In der Umgebung der Sinnesnischen ziehen 
die Fasern in weitem Bogen durch die Gallerte und biegen gegen die 
Ränder der Nische ab. Die Decke der Sinnesnische enthält fast nur eine 
dünne Gallerte, aber keine Fasern und eine sehr spärliche Zahl von 
Zellen. 

Die Leistung der beiden Fasersysteme besteht offenbar darin, ver- 
möge ihrer Elasticität die durch den Muskelzug veränderte Schirmgallerte 
wieder in ihre ursprüngliche Lage zurückzubringen. 


Der Schirmrand und die Sinneskolben. 


Der stark verdünnte Schirmrand ist gelappt, jedoch sind die Lappen 
klein und abgerundet. Ihre Zahl ist abhängig von der Zahl der Rand- 
körper, eine Konstanz zeigt sich aber in so fern, als stets zwischen zwei 
Sinneslappen drei Velarlappen liegen. 

Auf der Exumbrella sind die einzelnen Schirmlappen durch seichte 
Furchen von einander getrennt. Die Sinnesbuchten oder Sinnesnischen 
mit ihren Sinneskolben sind von der dorsalen, resp. exumbrellaren 
Seite ziemlich schwierig wahrzunehmen, ihre Lage ist dagegen leicht 
aus der Richtung der Radialflecken der Schirmfläche zu bestimmen. 
Besser erkennt man sie von der subumbrellaren Seite her. Die Normal- 
zahl der Rhopalien und Sinnesnischen beträgt 16. Ausnahmsweise 
steigt sie auf 20 an oder sinkt bis auf 14 herab. 

An ihrer Basis werden sie von den Radialflecken halbmondförmig 
umfasst (Fig. 6). 

Was den gröberen Bau der Sinneskörper sammt ihrer nächsten 
Umgebung anbetrifft, so haben uns unlängst die Arbeiten verschiedener 
Autoren, insbesondere diejenigen der Gebrüder Herrwie einen so 

1 T. Emer, Die Medusen, physiologisch und morphologisch auf ihr Nerven- 
system untersucht. 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVIII. Bd. JAR. 


642 C. Keller, 


vollständigen Einblick in denselben gewährt, dass ich hier Bekanntes 
übergehen kann und nur einige Eigenthümlichkeiten hervorzuheben 
brauche. 

Die Sinnesbucht ist sehr eng, da die beiden Ränder der Sinnes- 
lappen einander sehr genähert sind. Auf der subumbrellaren Seite 
erscheinen die Ränder der Sinneslappen abgerundet und lassen nur 
einen schmalen Spalt als Eingang zur Sinnesnische offen. Sie sind in 
keiner Weise verlängert oder gar über einander gerollt. Auf der exum- 
brellaren Seite erscheinen die Ränder von einer Deckschuppe über- 
brückt, welche bis an das distale Ende der Sinneslappen reicht (Fig. 8). 
Diese Deckschuppe ist pigmentlos und durch eine sehr dünne Mesoderm- 
gallerte gestützt und daher vollkommen durchsichtig. 

Die Gefäßversorgung des Randkörpers und seiner Umgebung er- 
folgt in der Weise, dass ein oculares Radialgefäß an die Basis herantritt, 
einen kleinen medianen Fortsatz in den Sinneskolben und seitlich zwei 
große bogenförmige Kanäle entsendet, welche in die Sinneslappen ein- 
biegen. An ihrem Ende sind sie stets erweitert und zuweilen sinusartig 
(Fig. 8). 

Die Sinneskolben sind stets vollkommen gerade, lang und dünn, 
aber am Ende kolbenartig erweitert. Im Verhältnis zur Größe der Me- 
duse sind diese Gebilde sehr schwach entwickelt. Wie Hazcker angiebt, 
ist dies bei allen Toreumiden der Fall. 

Bau und Funktion der Randkörper sind in der jüngsten Zeit Gegen- 
stand zahlreicher und sehr eingehender Untersuchungen gewesen. Das 
physiologische Experiment hat im Verein mit einer minutiösen histo- 
logischen Analyse uns einen Einblick in deren Bedeutung ermöglicht. 
Wenn auch in Einzelheiten noch Kontroversen bestehen, so steht doch 
nach den experimentellen Untersuchungen von Emmer ! und Romanes? 
und den histologischen Entdeckungen von Gebrüder Herrwıs® und 
Craus * so viel fest, dass jeder einzelne Randkörper ein Nervencentrum » 
darstellt und das distale Ende des Sinneskolbens als Träger von Sinnes- 
organen fungirt. 

Leider ist Cassiopea polypoides in hohem Maße ungeeignet, über 
den Bau des Nervensystems und der Sinnesorgane neue Gesichtspunkte 


1 EınEr, Über künstliche Theilbarkeit und über das Nervensystem der Medusen. 
Archiv für mikr. Anatomie. 4877. 

2 Ronmanes, Observations on the locomotor system ofMedusae. Transact. Roy.Soc. 
4876. : 

3 O. und R. Herrwıc, Das Nervensystem und die Sinnesorgane der Medusen. 
1878. 

4 C. Craus, Studien über Polypen und Quallen der Adria. Wien 1878. 


Untersuchungen über neue Medusen aus dem rothen Meere. 643 


zu Tage zu fördern. Schon die festsitzende Lebensweise dieser Art hat 
eine starke Rückbildung der Beziehungsapparate und der lokomotori- 
schen Gentren zur Folge; die Muskulatur und damit auch ihre Inner- 
vationscentren zeigen eine schwache Entwicklung. Die Sinneskörper, 
wie oben schon angegeben, sind ungewöhnlich klein. Dann tritt noch 
der große Pigmentreichthum im Mesoderm störend hinzu. Ich be- 
schränke mich daher auf die wesentlichsten Punkte bei den Sinnes- 
organen. 

Die Spitze des Sinneskolbens wird von einem verhältnismäßig stark 
entwickelten Hörorgan eingenommen. Der Überzug wird von einem 
Plattenepithelium gebildet und darunter findet sich ein kugeliger Haufen 
von mehr als 400 stark lichtbrechenden Otolithen, welche in eine kern-- 
haltige plasmatische Masse eingebettet sind. Die im Hörsäckchen ein- 
geschlossenen Otolithen stehen dicht gedrängt und sind entweder kugelig, 
eiförmig oder tetraedrisch (Fig. 9 und 10). 

Unmittelbar hinter dem Hörsäckchen und ihm theilweise noch auf- 
liegend, findet sich ein Auge oder Ocellus. Man sollte erwarten, dass 
dieses Sehwerkzeug auf der subumbrellaren Seite liegt, da ja die Meduse 
im Leben nicht wie ihre schwimmenden Verwandten die Exumbrella 
nach oben, sondern dem Boden zu kehrt. Dies ist jedoch nicht der Fall, 
der Ocellus liegt auf der exumbrellaren Seite. Dieses Faktum wird er- 
klärlich, sobald man die Lebensgewohnheiten der festsitzenden Meduse 
untersucht. Sie pflegt nämlich den freien Schirmrand emporzuheben, 
ja sogar schwach einzurollen, und damit gelangt auch das Auge nach 
oben. Die Querbrücke, welche die beiden Sinneslappen auf der Dor- 
salseite verbindet, ist wohl aus diesem Grunde vollkommen durchsichtig. 

Das Sehpolster enthält Elemente, wie sie OÖ. und R. Herrwısc! für 
Oceania conica und Lizzia Köllikeri bereits beschrieben haben, nämlich 
Stäbchenzellen, welche mit einem rothbraunen Pigment dicht erfüllt sind 
und dazwischen stäbchenförmige Elemente, welche kein Pigment ent- 
halten. 

Unmittelbar hinter diesen beiden Sinneswerkzeugen liegen die 
»Tasthügel«. Sie erscheinen auffallend stark vorgewölbt und um- 
greifen als ringförmiger Wulst den Sinneskolben. Sie tragen wesentlich 
zu der kolbenförmigen Verdickung am Ende der Rhopalien bei. 

Die Tastzellen sind sehr schlank, stehen außerordentlich dicht und 
sind an ihrem Ende mit einer Geißel versehen (Fig. 9). 

Vor kurzer Zeit (1877) hat Craus? noch ein weiteres Sinnesorgan 

1 0. und R. Herrwic, Das Nervensystem und die Sinnesorgane der Medusen. 
Taf. VII. 
2 C. Craus, Studien über Polypen und Quallen der Adria. 4878, 
43% 


644 C. Keller, 


aufgefunden, welches auf der Dorsalseite der zur Nischendecke ver- 
größerten Querbrücke der beiden Sinneslappen seinen Sitz hat, eine 
Grube mit kleinzelligem Epithel und in der Tiefe verlaufenden Nerven- 
fasern darstellt. 

Da erfahrungsgemäß die Medusen eine gewisse Empfindlichkeit 
gegen Änderungen in der Qualität des Seewassers zeigen, und mit ein- 
tretendem Regen in die Tiefe wandern, so ist er geneigt, in diesem bei 
Scheibenquallen ‚sehr verbreiteten Sinnesorgan ein Riechorgan zu 
erblicken. 

Ich finde ein entsprechendes Gebilde auch auf der dorsalen Seite 
der Nischendecke von Cassiopea polypoides. Es ist ein nur mäßig ver- 
tiefter Bezirk kleiner Epithelzellen, welcher sich ziemlich scharf von der 
Umgebung abhebt, etwas getrübt erscheint und die Gestalt eines Huf- 
eisens besitzt. Die Konvexität des Hufeisens liegt in der Nähe der Ur- 
sprungsstelle der Nischendecke, die ziemlich langen Schenkel des Huf- 
eisens laufen den Rändern der Sinneslappen parallel. Die Sinneszellen 
dieses hufeisenförmigen Riechorganes sind schlank und cylindrisch, sie 
gleichen den Tastzellen und erhalten in der Tiefe zahlreiche, von der 
Randkörperbasis hinzutretende Nervenfibrillen. 


Die Subumbrella und ihre Muskulatur. 


Die festsitzende Lebensweise der in Rede stehenden Medusenart 
bringt es mit sich, dass die Subumbrella nach oben gekehrt und normal 
nicht konkav, sondern umgekehrt gegen die Mundarme hin konvex 
erscheint. | 

Von einer Schirmglocke kann man daher nicht reden und bei den 
schwachen Schirmkontraktionen, welche von Cassiopea polypoides aus- 
geführt werden, ist eigentlich nur der verdünnte Schirmrand etwas 
eingerollt. 

Die histologischen Verhältnisse sind verwickelter als an irgend einer 
anderen Körperstelle. 

Hier zerfällt das Ektoderm in zwei Lagen, welche sich namentlich 
bei Anwendung von schwacher Chromsäure ziemlich leicht von einander 
trennen lassen. Die obere oder epitheliale Lage enthält die unmittel- 
bar an die Oberfläche reichenden Zellen. Die untere oder subepi- 
theliale Lage wird von Ganglienzellen, glatten und quergestreiften 
Muskelfasern gebildet. 

In ersterer sind die kubischen oder abgeflachten Deckzellen vor- 
wiegend. Ich muss ihnen auch hier eine Drüsenthätigkeit vindieciren, 
indem auf mechanische und chemische Reize hin, insbesondere beim 
Kontakt mit Alkohol, dicke Lagen von Mucin auf der ganzen Subumbrella 


Untersuchungen über neue Medusen aus dem rothen Meere. 645 


abgelagert werden. Zwischen ihnen finden sich vereinzelt stäbchen- 
förmige Zellen, welche vermuthlich als Sinneszellen fungiren. 

Über die ganze Subumbrella vertheilt begegnet man den nicht sehr 
zahlreichen Nesselzellen oder Gnidoblasten, welche die rundlichen 
Nesselkapseln eingeschlossen enthalten. 

Die subepitheliale Schicht enthält vorwiegend Muskelelemente. So 
weit sich mit bloßem Auge oder bei Anwendung von schwachen Ver- 
größerungen die Anordnung der Muskulatur verfolgen lässt, so finden 
sich dieselben Verhältnisse wieder, welche Ernst HAEck£EL auf p. 570 
seines Medusenwerkes für Cassiopea ornata beschreibt und auf Tafel 
XXXVI abbildet. 

Auch hier ist in der Nähe des Schirmrandes eine Ringmuskelzone 
vorhanden, welche durch die Sinnesbuchten unterbrochen wird. Weiter 
nach innen folgt ein System stark gebogener, wellig verlaufender Fasern 
und Muskelzüge, aber diese Zone ist bedeutend breiter als bei C. ornata. 
Sie ist doppelt so breit als die Ringfaserlage und nimmt eine dem Saug- 
napfrande der Exumbrella entsprechende Lage ein. Nach innen und 
zwar ohne schroffe Übergänge, erscheinen die cirkulär verlaufenden 
Fasern zu 32 Arcaden angeordnet, welche bedeutend kürzer sind als bei 
C. ornata. 

Je zwei Arcaden liegen in dem Sector, welcher von zwei nach den 
Randkörpern verlaufenden Radien gebildet wird. Die Entwicklung der 
Ringmuskulatur ist keineswegs überall gleich, am stärksten sind die 
Faserlagen in der Mitte, d. h. in dem System jener gekrümmten und 
wellig verlaufenden Züge, am schwächsten in den Arcaden. 

Wie bei verschiedenen Coelenteratengruppen, so legt sich auch hier 
mit zunehmender Entwicklung die Muskellamelle in Falten, welche 
durch Mesodermleisten gestützt werden. Diese » Muskelleisten « finden 
sich auch hier und ihr Verlauf und Ausbildung stimmt überein mit dem, 
was so eben über die Muskelzüge des cirkulären Systems hervorgehoben 
wurde. 

Neben cirkulär verlaufenden Muskelelementen lässt sich in der 
Subumbrella auch noch eine radial verlaufende Muskulatur nachweisen. 

Übergehend zu den histologischen Einzelheiten muss zunächst 
hervorgehoben werden, dass beide Fasersysteme vollständig 
aus dem Epithel ausscheiden und der subepithelialen Lage an- 
gehören. 

Der Mesodermgallerte unmittelbar aufliegend, also die tiefste Lage 
einnehmend, finden wir die cirkulär verlaufende Muskulatur. 

Ihre Elemente bestehen aus quergestreiften Fasern, welche 
platte und an ihren Enden spitz auslaufende Bänder darstellen. 


646 C. Keller, 


Unter sich verlaufen sie vollkommen parallel. Als eine Eigenthüm- 
lichkeit verdient hervorgehoben zu werden, dass unmittelbar unter 
ihnen, zu langen Reihen angeordnet, die braunen Pigmentzellen des 
Mesoderms gelagert sind. Kugelige Haufen, wie an den übrigen Körper- 
stellen, findet man seltener. Es scheint mir dies wiederum für die An- 
nahme zu sprechen, dass in diesen Elementen Reservestoffe angehäuft 
sind, welche für die unmittelbar über ihnen liegenden Muskeln ver- 
wendet werden. Ä | 

Neben den genannten Elementen existirt in der Subumbrella noch 
ein System radialer Fasern, doch ist ihr Verlauf nicht so regelmäßig 
wie an anderen Körperstellen, beispielsweise auf der Exumbrella, an 
den Genitalsäcken oder auf den Armen. 


Durch Abpinseln der oberflächlichen Epithelzellen gelingt es un- 
schwer, diese aus glatten Elementen bestehenden Faserzüge bloßzu- 
legen. Die Fasern sind an vielen Stellen außerordentlich dicht, an 
anderen wiederum spärlicher. Mit den Fasern der Mesodermögallerte 
können sie nicht verwechselt werden, da sie sich von letzteren sofort 
durch ihre geringere Dicke und durch ihr stärkeres Lichtbrechungsver- 
mögen unterscheiden. Da und dort erkennt man das anhaftende 
Muskelkörperchen. 

Während die quergestreiften Elemente parallel neben einander 
liegen, bildet die glatte radiale Muskulatur ausgedehnte Fasernetze, 
indem von einer Faser zur anderen Verbindungsstränge hinlaufen. Doch 
ist die Richtung vorwiegend senkrecht zu den quergestreiften Elementen. 

Was ihre Lage anbetrifft, so kann ich mich vollständig den An- 
gaben anschließen, welche v. LENDENFELD für Cyanea Annaskala ge- 
macht hat. 

Sie gehören dem subepithelialen Ektoderm an und liegen unmittel- 
bar über den quergestreiften Elementen. In gleicher Höhe liegen die 
Ganglienzellen, welche indessen hier nicht durch besondere Größe aus- 
gezeichnet sind. 

Im Vergleiche mit den freischwimmenden Rhizostomen darf noch 
hervorgehoben werden, dass der Muskelbelag der Subumbrella einen 
geringen Grad der Entwicklung erlangt und nur eine dünne Muskel- 
lamelle darstellt. 


Das Gastrovascularsystem. 
Bei den Toreumiden erreicht dasselbe eine besondere Komplikation, 
indem neben dem Gentralmagen und den in die Scheibe verlaufenden 
Gefäßen die zuführenden Armgefäße und deren Anhänge einen hohen 


Untersuchungen über neue Medusen aus dem rothen Meere. 647 


Grad der Ausbildung erlangen. Letztere werden in dem folgenden 
Abschnitt besondere Erwähnung finden. 

Der Gentralmagen besitzt eine viereckige Gestalt und ist wie 
bei allen Toreumiden eng. Bei jugendlichen Exemplaren darf er eigent- 
lich nicht unbedeutend genannt werden, mit zunehmender Größe wird 
er zwar verhältnismäßig weiter, allein sein Lumen wird fast vollständig 
von den Geschlechtsorganen ausgefüllt (Fig. 11). 

Da sich der Boden, d.h. die Exumbrella, verdickt, und an der Decke, 
wo sich die Mundscheibe befindet, vier später zu beschreibende Genital- 
polster nach innen vorwölben, so bleiben bei ausgewachsenen Individuen 
eigentlich nur vier im Kreuz gestellte Wege für den Durchtritt der assi- 
milirten Nahrung übrig, welche gegen die Radialgefäße hin in eine Art 
Randsinus einmünden. 

Nimmt man die bedeutende Entwicklung der Armgefäße und Arm- 
anhänge in Betracht, so leuchtet ein, dass die physiologische Dignität des 
Centralmagens auf ein Minimum herabgedrückt wird und er wohl ledig- 
lich als Leitungsweg zwischen Armgefäßen und Radialgefäßen dient. 

Das ihn auskleidende Flimmerepithelium ist am Boden und an der 
Decke nicht wesentlich verschieden. 

Die Modifikationen, welche der gastrale Epithelüberzug auf den Ge- 
schlechtsorganen erleidet, sollen hier übergangen werden. 

Über den Verlauf der Radialgefäße hat Harcrer in seinem Medusen- 
werke für Gassiopea ornata specielle Angaben gemacht, welche im 
Wesentlichen auch für unsere neue Art zutreffen, im Einzelnen aber 
doch sehr erheblich abweichen. Auch hier strahlen vom Magenrande 
aus 32 Hauptgefäße nach dem Schirmrande hin. Davon gehen 16 unter 
den weißen Radialflecken weg zu den Randkörpern, es sind die ocu- 
laren Hauptgefäße. Mit diesen alterniren 16 andere Radialgefäße, es 
sind die interocularen Hauptgefäße. Weicht die Zahl der Randkörper 
von der Normalzahl 16 ab, so findet eine entsprechende Vermehrung 
oder Verminderung der Radialkanäle statt. Zwischen den Hauptgefäßen 
breitet sich nun überall ein dichtes Maschenwerk aus. Die Maschen 
sind rundlich, pentagonal oder hexagonal. 

Bei der nahe verwandten Gassiopea ornata! existirt ein deutlicher 
Ringkanal, welcher am Schirmrande hinzieht und aus bogenförmigen 
Abschnitten gebildet wird (Taf. XXXVII, Fig. 2 bei Hazcrer). Ein zwei- 
ter Ringkanal mit ähnlichem Verlauf liegt mehr nach innen. Eine der- 
artige Bildung kommt bei C. polypoides nicht vor, es fehlt sowohl ein 
äußerer als ein innerer Ringkanal. 

Dagegen bin ich am verdünnten Außentheil der Scheibe, nach 

! Nach HAEckEL auch bei C. andromeda. 


648 C. Keller, 


außen von der Margo acetabularis, einer Bildung begegnet, die ich viel- 
leicht als ein Aquivalent eines Ringkanales deuten darf. 

An Radialschnitten überzeugt man sich leicht, dass in der Nähe des 
Schirmrandes die Mesodermgallerte, welche auf der exumbrellaren Seite 
der deutlich ausgebildeten Gefäßlamelle liegt, einen stark ausgesproche- 
nen kavernösen Bau besitzt. Zahlreiche unter sich kommunieirende 
Höhlungen und Kanäle von verschiedener Weite durchziehen das Meso- 
derm. Ihre Wandung wird oft nur von einer dünnen Gallertschicht 
gebildet. Einen besonderen Zellenbelag dieser Räume konnte ich an 
keiner Stelle beobachten (Fig. 14 me). 

Diese Mesodermkavernen, wie ich die genannten Räume in 
der Gallerte nennen will, fehlen auf der anderen Seite der Gefäßlamelle 
vollständig. 

Es gelingt durch Injektion vom Magen aus dieselben zu füllen, 
daher ein Zusammenhang mit den Gefäßen des Schirmrandes angenom- 
men werden darf. 

Allerdings kann man den Einwand erheben, dass man den Druck 
bei Injektionen nie vollständig in der Hand hat und bei einem so zarten 
Gewebe Rupturen fast unvermeidlich sind. 

Eine gewisse funktionelle Bedeutung wird man aber den Mesoderm- 
kavernen des Schirmrandes doch zuschreiben müssen, ohne Zusammen- 
hang mit dem Gefäßsystem haben sie keinen Sinn. 

Die plausibelste Deutung scheint mir die zu sein, dass das Meso- 
derm hier zu einer Art erectilem Gewebe wird, welches den Inhalt der 
Kavernen in die Gefäße entleert, sobald die Ringmuskulatur des 
Schirmrandes sich kontrahirt, beim Nachlassen des Muskelzuges sich 
dagegen wieder füllt und dadurch wieder in die frühere Lage gebracht 
werden kann. 

Eine derartige Einrichtung wird um so verständlicher, als im 
äußeren Theil des Schirmrandes die Muskulatur der Exumbrella voll- 
ständig fehlt. Dessenungeachtet kann man bei lebenden Exemplaren 
leicht konstatiren, dass sie beim Ansaugen des Schirmes an die Glas- 
wand eines Gefäßes die Schirmränder sehr fest gegen die Glasfläche zu 
pressen vermögen und daher oft nur schwer im unverletzten Zustande 
davon losgelöst werden können. 

Ohne die oben erwähnte Einrichtung wäre dies wohl kaum möglich. 

Im Anschluss an die Gefäße muss hier noch der Gefäßplatte 
(Craus) oder der Entodermlamelle (Gebr. Herrwıs) Erwähnung geschehen. 
Diese Zellschicht, welche zwischen den Gefäßen ausgespannt erscheint, 
muss dem Entoderm zugerechnet werden. In dieser Deutung sind alle 
Forscher, welche sich in den letzten Jahren mit der Histologie der 


Untersuchungen über neue Medusen aus dem rothen Meere, 649 


Medusen beschäftigt haben, vollkommen einig. Sie entsteht, worauf 
schon Craus hingewiesen hat, aus einer Verlöthung dorsaler und ven- 
traler Partien der peripheren Abschnitte des Gastrovascularsystems. 

In neuester Zeit ist denn auch HazckeL und v. LENDENFELD der 
Nachweis gelungen, dass die Entodermlamelle ursprünglich zweischichtig 
ist und erst sekundär zu einer einfachen Zellenlage wird. HaEcKEL 
konnte sogar noch einen Unterschied des dorsalen und ventralen Epi- 
thels der doppelten Gefäßplatte bei Periphema regina konstatiren!. 

Bei Cassiopea polypoides ist die zwischen den Gefäßen ausgespannte 
Entodermlamelle einschichtig und hebt sich deutlich gegen das um- 
gebende Mesoderm, aber auch gegen das Epithel der Gefäße ab. 
Während letzteres trübe und körnchenreich ist, sind die Zellen der 
Lamelle blass und körnchenfrei. Sie erscheinen als eine Lage platter 
Elemente, aber mit deutlichen Zellgrenzen, welche ohne weitere Be- 
handlung sichtbar sind. Der rundliche Kern liegt in der Mitte und ist 
von einer geringen Menge Plasma umgeben, welches fadenartige Aus- 
läufer nach der Peripherie aussendet. Jede Zelle ist im Centrum buckel- 
artig vorgewölbt (Fig. 1% el). 

An Radialschnitten überzeugt man sich, dass die Entodermlamelle 
nicht vollständig bis zum Rande reicht, sondern vorher sich gegen die 
Subumbrella umbiegt und sich in der Nähe des Ektoderms verliert. 

Die Lage der Gefäßplatte ist der Subumbrella sehr genähert, so 
dass die exumbrellare Gallerte weitaus überwiegt. Da wo die Muskel- 
leisten der Subumbrella eine wechselnde Dicke der zugehörigen Gallerte 
bedingen, nähert sich die Entodermlamelle den Einsprüngen so sehr, 
dass sie oft nur um die doppelte Höhe des Ektoderms absteht. 


Die Mundarme und ihre Anhänge. 


Die Mundarme, acht an der Zahl, entspringen aus der verdickten 
Mundscheibe und tragen meist drei Paar Fiederäste, von denen das 
hinterste Paar stets am kürzesten zu sein pflegt. Die Armlänge kommt 
bei jugendlichen Exemplaren dem Schirmradius ungefähr gleich, bei 
großen Individuen reichen sie über den Scheibenrand hinaus. 

Jeder Arm ist, wie man sich auf Querschnitten überzeugt, von 
seinem Ursprung an bis zur Spitze dreiseitig prismatisch mit abgerun- 
deten Kanten. Eine Fläche ist der Exumbrella zugekehrt, die axiale 
Armkante, welche die verschiedenen Armanhänge trägt, ist im Leben 
nach oben gekehrt. Unmittelbar unter dieser Armkante verläuft der 
ziemlich enge Armkanal, welcher der Theilung der Arme entsprechend, 


1 E. Hacckeı, Die Tiefseemedusen der Challenger-Reise u. der Organismus der 
Medusen. Taf. XXV, Fig, 8. 


650 C. Keller, 


in jede Fieder einen Zweig aussendet. Die einzelnen Armkanäle mün- 
den in der Mitte der Mundscheibe in die Magenhöhle ein. 

Der niedrige Epithelüberzug zeigt im Wesentlichen dieselben Ele- 
mente und dieselbe Anordnung, wie auf der Subumbrella. 

Die Muskulatur verläuft ausschließlich radial, also der Armachse 
parallel. An Chromsäurepräparaten lassen sich ihre Elemente leicht 
isoliren und da ergeben sich Verhältnisse, welche von der früher be- 
sprochenen radialen Muskulatur der Scheibe abweichen. Die Fasern 
sind vollkommen glatt, unverzweigt und im Innern vollkommen 
homogen. Anastomosen habe ich nicht beobachtet. | 

Jede Faser stellt ein langgestrecktes, an den Enden zugespitztes 
schmales Band dar. Mit der einen Kante liegt es auf der Mesodermgallerte, 
die einzelnen Fasern legen sich demnach mit der Breitseite an einander. 
Auf der entgegengesetzten Kante erhebt sich eine abgerundete Portion 
von Plasma in der Mitte und in dieser erscheint ein deutliches, scharf 
konturirtes und stark lichtbrechendes Muskelkörperchen (Fig. 15). Die 
einzelnen Muskelkörperchen erscheinen zwischen die Epithelzellen ein- 
gekeilt und man kann daher diese Muskelfasern noch als Epithelmuskeln 
betrachten, obschon sie sich eigentlich der Grenze nähern, wo man von 
einer in der subepithelialen Schicht gelegenen Muskulatur reden muss. 

Das Mesoderm enthält die bekannten Colloblasten und Gallertfasern, 
welche von der Oberfläche gegen den Armkanal hin ziehen. Die braunen 
Pigmentzellen sind spärlich, dagegen stehen die weißen Pigmente nahe 
an der Oberfläche der exumbrellaren Seite dicht gedrängt. 

Das die Armkanäle auskleidende Epithel besteht aus einer Schicht 
kleiner geißeltragender Entodermzellen. 

Die Anhänge der Arme sitzen bei der Gattung Cassiopea ausschließ- 
lich an der Axialseite, sind also bei unserer neuen Art im Leben nach 
oben gerichtet. Sie sind äußerst mannigfaltig und es lassen sich die- 
selben in fünf Kategorien unterbringen. Wir finden nämlich nachfolgende 
Anhangsgebilde: 

a) Saugmündchen oder Trichterkrausen ; 

b) große Tentakeln; 

c) kleine Tentakeln (Zotten oder Nesselpeitschen); 

d) Kolbenblasen ; 

e) Nesselkolben. 

Diese verschiedenen Elemente weichen nicht nur in Färbung und 
äußerer Gestalt, sondern auch in ihrer histologischen Beschaffenheit von 
einander ab. 

a) DieSaugmündchen oder Trichterkrausen. Dieselben 
stehen dicht gedrängt vom Centrum der Mundscheibe an bis zu den 


Untersuchungen über neue Medusen aus dem rothen Meere. 651 


Armspitzen. Diese nur bei Rhizostomen vorhandenen Bildungen, welche 
eine Art Polystomie, die aber genetisch verschieden von der bei Gastro- 
blasta timida aufgefundenen ist, vorstellen, ersetzen die frühzeitig obli- 
terirende centrale Mundöffnung. Im expandirten Zustande sind sie in 
der That trichterförmig (Fig. 17), für gewöhnlich sind sie aber krausen- 
artig gefaltet. Bei schwacher Lupenvergrößerung lassen sich aber auch 
da noch die zahlreichen Mündchen erkennen. Ihr freier Rand ist mit 
kurzen Tentakelchen dicht besetzt. Sie werden von Hazcktrı als Digitellen 
bezeichnet. Die Achse dieser Tentakelchen wird von einem Gallert- 
zapfen gebildet und ist mit einem Ektoderm überzogen, welches äußerst 
nesselreich ist. Auch die übrige Außenfläche der Trichterkrausen ent- 
hält einen großen Reichthum an Nesselkapseln. Die Muskulatur der 
Mündchen verläuft von der Basis zu den Digitellen. Kreisfasern glaube 
ich mit Bestimmtheit in Abrede stellen zu dürfen. Die Muskelelemente 
sind von denjenigen der Armfläche durchaus abweichend. Zwar finden 
sich auch hier meist glatte Fasern, die drehrund aber weitaus länger 
sind und unter spitzem Winkel zahlreiche dünnere Seitenfasern abgehen 
lassen. 

Wie an der Subumbrella, so erscheint auch hier die Muskulatur 
ausdem Oberflächenepithel ausgeschieden und der sub- 
epithelialen Ektodermlage zugehörig. Das Mesoderm ist eine 
dünne Gallertschicht, welche keine Fasern und keine weißen Pigment- 
zellen enthält. Dafür kommen jene schon in der Exumbrella beschrie- 
benen, hier dicht gedrängten Haufen von braunen Pigmentzellen vor, 
welche die lebhafte Färbung der Krausen bedingen. 

Ein kurzer Kanal verbindet die Saugmündchen mit dem Armkanal. 

b) Die großen Tentakel sind in der Regel stark plattgedrückt 
und an der Spitze lanzettförmig, doch kommen neben diesen auch dreh- 
runde Fangarme, bei manchen Exemplaren sogar ausschließlich vor. 
Die Mesodermgallerte ist reichlich entwickelt und ziemlich resistent, 
daher die Tentakel im Leben etwas steif sind. Im Innern enthalten 
sie einen weiten bis gegen die Spitze reichenden Hohlraum. Bei dreh- 
runden Fangarmen ist derselbe auf dem Querschnitt stets oval. Die 
Färbung ist lebhaft blau, grünblau oder honiggelb, selten rosa. 

In histologischer Hinsicht ist hervorzuheben, dass das Epithel der 
Oberfläche nesselreich ist, doch ist die Zahl der Nesselkapseln nicht so 
bedeutend, wie auf den Trichterkrausen. 

Die Muskulatur ist reich. Die Fasern laufen der Tentakelachse 
parallel. An Gewebsstücken, welche man in Ghromsäure erhärten lässt, 
lassen sie sich sehr leicht isoliren. Es sind wiederum lange, verzweigte 
Fasern der subepithelialen Lage. 


652 0. Keller, 


Die feineren Zweige lassen abwechselnd dunklere und hellere 
Glieder erkennen, was ich übrigens auch häufig an den longitudinalen 
Muskeln der Subumbrella beobachtet habe. Die dicksten Muskelelemente 
zeigen diese Verhältnisse noch auffallender, nur sind die Glieder kürzer 
(Fig. 16). Dies führt zu einer deutlichen Querstreifung, und wir 
haben demnach hier eine Übergangsformation von der glatten zur quer- 
gestreiften Muskulatur vor uns. 

Das Mesoderm weist in seiner Gallerte zahlreiche Fasern auf, bir 
senkrecht zur Längsachse stehen. Die braunen Pigmentzellen sind nur 
spärlich in der Nähe des Ektodermüberzuges vorhanden. Weiße Pigment- 
zellen fehlen in der Regel. An ihre Stelle treten ähnlich gestaltete, aber 
etwas kleinere Pigmentzellen, welche am dichtesien in der Umgebung 
des die Tentakelhöhle auskleidenden Entoderm stehen und nach außen 
an Zahl abnehmen. 

Gegen die Spitze der plattgedrückten Tentakel finden sich fast 
konstant scharf umschriebene, runde Stellen, welche von Pigment völlig 
frei sind und sich dem bloßen Auge als wasserhelle Lücken bemerkbar 
machen. 

c) Die kleinen Tentakel oder Nesselpeitschen sind eben- 
falls hohle Anhänge, welche sich von den vorigen äußerlich durch ihre 
geringere Größe und durch ihre konstant weiße Färbung unterscheiden. 
Ihr Ektodermüberzug zeichnet sich durch einen großen Reichthum an 
Nesselkapseln aus. Die Muskulatur ist verhältnismäßig schwach ent- 
wickelt und enthält subepitheliale, glatte und verzweigte Fasern. Im 
Mesoderm treten die braunen Pigmentzellen zurück, blaue finden sich 
gar nicht, dafür eine große Zahl weiße, welche namentlich dicht in der 
Nähe der Oberfläche stehen. 

d) Die Kolbenblasen sind stets milchweiß, wie schon ihr 
Name besagt, am freien Ende kolbig aufgetrieben und an Länge hinter 
den Nesselpeitschen zurückstehend. 

Sie finden sich von der Armspitze bis zu der Mundscheibe in allen 
Größen von kurz gestielten, kaum über die Trichterkrausen hinaus- 
ragenden Bläschen bis zu Gebilden von 1!/, cm Länge. 

Ihre vom Ektoderm überzogene Oberfläche ist außerordentlich reich 
an Nesselkapseln, die subepithelialen, verzweigten Muskelfasern ziem- 
lich dicht stehend. Die Mesodermgallerte ist dünn, die braunen Pig- 
mentzellen treten fast ganz Au dagegen sind die weißen in großer 
Zahl vorhanden. 

e) Die Nesselkolben sind den Kolbenblasen nahe verwandt 
und finden sich wie diese auf der axialen Kante der Arme zerstreut, 
durchschnittlich aber am häufigsten auf der Mundscheibe. Dort habe 


Untersuchungen über neue Medusen aus dem rothen Meere. 653 


ich sie bei einigen Exemplaren dicht gedrängt beisammen beobachtet. 
An Größe stehen sie hinter den Kolbenblasen zurück, werden nur wenige 
Millimeter lang und sind im Inneren hohl. 

Man kann an ihnen Stiel und Kopf unterscheiden. Der Stiel ist 
stets dünn, bald schlank, bald sehr kurz. 

Der Kopf ist zusammengesetzt aus zahlreichen und dicht gedrängten 
Capitula von rundlicher oder cylindrischer Gestalt. Die Capitula sind 
ebenfalls hohl. Eine Öffnung an der Spitze des Kopfes oder am Ende 
der Capitula habe ich auch bei jungen Exemplaren nicht konstatiren 
können. 

Die ovalen Nesselkapseln stehen auf den Capitula dichter als bei 
allen übrigen Anhangsgebilden. Die Muskulatur verhält sich wie bei 
den Kolbenblasen. Bei kurz gestielten Nesselkolben sind die weißen 
Pigmentzellen im Mesoderm zahlreich , bei langgestielten fand ich die 
braunen Pigmentzellen zu länglichen Haufen vereinigt, welche mit ihrem 
Längsdurchmesser senkrecht zur Oberfläche gerichtet sind. 

Aus den histologischen Befunden lässt sich unschwer ein Rück- 
schluss auf die physiologische Bedeutung aller dieser Anhänge machen. 

Es muss zunächst die starke und vielseitige Entwicklung der Arm- 
anhänge bei dieser Meduse auffallen. Alle Anhänge sind nesselreich 
und dienen demnach in erster Linie als Fangwerkzeuge. Dass sie bei 
Cassiopea polypoides so zu sagen das Maximum der Entwicklung er- 
langen, lässt sich wohl aus der festsitzenden Lebensweise erklären. 
Die Meduse nesselt daher auf das empfindlichste. Ich persönlich habe 
eine ziemliche Unempfindlichkeit gegenüber den nesselnden Eigen- 
schaften der Medusen beobachtet, kann aber bestätigen, dass mich diese 
Art oft in sehr unliebsamer Weise an Händen und Füßen nesselte. 

Die Anhänge, wenigstens die größeren, dürften aber noch eine 
weitere Funktion besitzen. Wenn man berücksichtigt, dass alle An- 
hänge hohl sind, mit dem Armkanal in Verbindung stehen und von 
Entoderm ausgekleidet werden, so muss die ansehnliche Oberflächen- 
entwicklung der entodermalen Brachialfläche auffallen. Da andererseits 
die Magenhöhle sehr eng ist, so ist der Schluss naheliegend, dass hier 
die eigentliche verdauende Kavität in die Armanhänge verlegt wird und 
der Gentralmagen lediglich als Leitungsweg für den Chymus zu den 
Geschlechtsorganen und Radialgefäßen hin bestimmt ist. 

Für diese Annahme scheint mir die Thatsache zu sprechen, dass 
beim Eröffnen der großen Tentakel häufig eine trübe Flüssigkeit heraus- 
fließt, welche verschiedene im Zerfall begriffene Elemente der Nahrung 
enthält. Wiederholt fand ich darin Reste von Foraminiferen. 

Über die Genese der Digitellen, so wie der Tentakel, Nessel- 


654 C. Keller, 


peitschen und Blase habe ich im Anschluss an Craus!, Hamann 2, 
HacEcKEL 3 und v. LENDENFELD* nur zu bestätigen, dass ihre ektodermale 
Natur sich unmittelbar aus den histologischen Befunden ergiebt. Un- 
längst hat Hamann den Versuch gemacht, den phyletischen Zusammen- 
hang zwischen den verschiedenen Anhangsgebilden der Arme hei ver- 
schiedenen Rhizostomiden festzustellen. Er leitet sie sämmtlich von 
den Saugmündchen ab, sei es, dass diese eine Ringverwachsung 
eingehen, wie bei den Nesselkolben, sei es, dass diese in longitudinaler 
Richtung verwachsen, wie bei den verschiedenen Formen der Nessel- 
peitschen und Tentakel. 

Es lässt sich nicht leugnen, dass bei aller äußeren Verschiedenheit 
der Anhangsgebilde, der histologische Charakter derselben unter sich 
und mit den Trichterkrausen so sehr übereinstimmt, dass eine gemein- 
same Abstammung derselben nahe liegt und ich daher ihre Ableitung 
aus Trichterkrausen für naturgemäß halte. 


Die Generationsorgane. 


Wie die Mehrzahl der Scheibenquallen besitzt Cassiopea polypoides 
vier ansehnlich entwickelte Gonaden, welche in den Radien zweiter 
Ordnung (Craus) oder in den Interradien (HaeEckeL) liegen. Sie zeigen 
centripetales Wachsthum und füllen zur Zeit der Geschlechtsreife die 
ohnehin schon stark verengte Magenhöhle beinahe vollständig aus. 

Da die Mundscheibe stark verdickt ist und in den Magenraum vor- 
springt, zudem die Mundarme mit ihrem Gewichte den letzteren zu ver- 
engern streben, so bleiben eigentlich nur vier radiale Kanäle und am 
Rande vier radiale Sinusse zur Cirkulation der Nahrungssäfte übrig. Da 
auch im mittleren Theile des Schirmes die Mesodermgallerte stark ver- 
dickt ist, so schimmern die lebhaft braun gefärbten Geschlechtsorgane 
bei älteren Exemplaren gar nicht, bei ganz jungen dagegen nur undeut- 
lich durch. 

Einen vermeintlichen Zugang von außen her bilden die Subgeni- 
talhöhlen. Nach der Angabe von Tıresıus beträgt deren Zahl für die 
Gattung Cassiopea acht, ein Irrthum, an welchem verschiedene Autoren 
bis in die jüngste Zeit festhielten und welcher erst von HaEckeL? wider- 


1 Craus, Zoologischer Anzeiger Nr. 76. 1881. 

2 Hanans, Die Mundarme der Rhizostomen und ihre Anhangsorgane. Jenaische 
Zeitschr. 1884. 

3 HAEcKEL, Monographie der Medusen. II. Theil. 1881. 

4 v. LENDENFELD, Über Coelenteraten der Südsee. Diese Zeitschr. Bd. XXXVI. 
1882. 


5 Ernst HAEckEL, Das System der Medusen, 


Untersuchungen über neue Medusen aus dem rothen Meere, 655 


legt wurde. Ich kann auch für die neue Art nur bestätigen, dass vier 
interradiale Subgenitalhöhlen mit Ostien von mäßiger Weite (5—8 mm) 
vorkommen (Fig. 11). 

Über die Genese und morphologische Bedeutung derselben äußert 
sich Harcxer folgendermaßen: »Sie entstehen dadurch, dass der Gallert- 
ring der Bruchpforte sich mächtig verdickt und zugleich in der Weise 
verengt, dass ein enger oft kanalähnlicher Zugang übrig bleibt. Es 
hängt diese eigenthümliche Bildung auf das engste zusammen mit der 
außerordentlichen Verdickung der Gallertplatte in der Mundscheibe und 
den aus ihr entspringenden starken und steifen Mundarmen.« 

In diesen Worten liegt eine treffende Schilderung der Verhältnisse, 
wie ich sie bei der neuen Art verfolgen konnte, wenn ich ganz junge 
Exemplare mit ausgewachsenen verglich. Bei Gassiopea polypoides ist 
die anfänglich noch schwach entwickelte Mundscheibe in steter Dicken- 
zunahme begriffen und wird später zu einem mächtig verdickten Wulst, 
aus dem die Arme entsprossen. Dabei werden vier enge, kanalartige 
Zugänge zur Bruchpforte frei gelassen. Auch hier kommt es zuweilen 
vor, dass die Gonaden trotz ihres centripetalen Wachsthums bruchsack- 
artig hervorgestülpt werden. Die Genitalhöhlen sind, wie schon L. Acas- 
sız angiebt, blind und stehen in keiner Verbindung mit der Magenhöhle, 
es sei denn, dass zufällig eine Ruptur in der Genitalmembran vorkommt. 

Die gröberen anatomischen Verhältnisse der Geschlechtsorgane sind 
bei den Scheibenquallen von L. Acassız!, Craus? und namentlich von 
E. HaeckeL® näher böschrieben worden. Die feinere histologische Struk- 
tur wurde in jüngster Zeit durch die Gebrüder Herrwıc bei Pelagia, 
durch v. LENDENFELD bei Cyanea ermittelt. 

Die gröberen und feineren Strukturverhältnisse bei Gassiopea poly- 
poides knüpfen einerseits an die bisher bekannt gewordenen Thatsachen 
an, andererseits bieten sie vielfach Eigenthümlichkeiten dar. 

Schon makroskopisch liegen die Verhältnisse anders als z. B. bei 
Aurelia und Pelagia. Für diese beiden Gattungen wird angegeben, dass 
ein vortretendes »perradiales Pfeilerkreuz« den Boden der Magenhöhle 
in vier Quadranten abtheilt und die Genitalmembran zwischen diesen 
Pfeilern ausgespannt erscheint. 


1 L. Asassız, Contributions to the natural History of the United States. Vol. IV. 

2 C. Craus, Studien über Polypen und Quallen der Adria. Wiener Denkschrif- 
ten. XXXVII. Bd. 1878. 

3 E. HAEcKEL, System der Medusen. 

* 0. und R. Herrwic, Die Actinien. Jenaische Zeitschr. 1879. p. 603 u. ff. 

5 y, LENDENFELD, Über Coelenteraten der Südsee. I. Mitthl. Diese Zeitschrift. 
XXXVI. Bd. 4882. 


656 C. Keller, 


Bei Cassiopea polypoides liegen die Dinge genau umgekehrt. Im 
Boden der Magenhöhle (bei der umgekehrten Lage im Leben eigentlich 
die Decke) erheben sich kissenartig vier Quadranten, welche durch eine 
perradiale Kreuzfurche getrennt werden. Am distalen Rande 
fallen diese Erhebungen ziemlich steil ab, die Ecken erscheinen abge- 
rundet und zwischen denselben liegen vier tiefe, perradiale Gruben mit 
erweitertem Ende. 

Ich nenne diese vier in den Quadranten liegenden Erhebungen 
Genitalpolster. Ähnlich wie ein Überzug ist über dieselben weg 
die intensiv braun gefärbte Genitalmembran gespannt, dabei aber in 
zahlreiche Längsfalten gelegt und diese Falten nehmen an Zahl mit der 
Geschlechtsreife zu. 

Die Genitalbildung stimmt im Wesentlichen mit demjenigen Modus 
überein, welchen O. und R. Herrwie bei Pelagia noctiluca vorgefunden 
haben, sie ist eine sog. Faltenbildung oder Plicatio (HAEcKEL) und gerade 
die Anatomie der Cassiopea polypoides ist geeignet, auf die Phylogenese 
dieser Faltenbildung ein helles Licht zu werfen. 

Die Geschlechter sind getrennt, und wenn auch aus der gröberen 
Beschaffenheit der Gonaden der Unterschied zwischen Männchen und 
Weibchen leicht konstatirt werden kann, so ist die Faltenbildung bei 
beiden Geschlechtern dennoch im Princip dieselbe. 

Zunächst werden nur im mittleren Theile der Genitalmembran die 
Keimprodukte erzeugt und zwar auf einem weißen Streifen (Fig. 41 
und 12), welcher ungefähr eine Hufeisengestalt besitzt und mit seinen 
Schenkeln nach der Peripherie, mit seiner Konvexität gegen das Gen- 
trum gerichtet ist. Es ist das Genitalband (Gebr. Herrwıc). Bläst 
man mit einem Tubulus von der Subgenitalhöhle aus den Genitalsack 
auf, so bildet das Genitalband auf dessen gastraler Fläche den höchsten 
und umfangreichsten Bogen, es muss also in der Ruhelage alle Biegungen 
und Faltungen der Genitalmembran mitmachen (vgl. Fig. 12). An der 
Insertionsstelle der Genitallamelle und zwar auf der Innenseite erheben 
sich in mehreren Reihen die Gastralfilamente und ziehen in huf- 
eisenförmigen Bogen dem Genitalband entlang. 

Am distalen Ende ist der freie Rand der Genitallamelle ziemlich 
scharf gegen die Umgebung abgesetzt und daselbst beobachtet man schon 
bei schwacher Vergrößerung den spaltenförmigen Eingang in den unter 
ihr gelegenen Genitalsinus, 

Die histologische Struktur der Genitalmembran stimmt im Wesent- 
lichen überein mit den übrigen Theilen der Körperwand, nur ist die 
Mesodermgallerte außerordentlich verdünnt. 

An einem senkrechten Schnitt (Fig. 19) unterscheidet man drei 


Untersuchungen über neue Medusen aus dem rothen Meere. 657 


Lagen. Zu äußerst das Ektoderm, welches aus Cylinderzellen besteht 
und Nesselkapseln in mäßiger Zahl eingeschlossen enthält. In der Tiefe 
folgt eine Muskellage von glatten Fasern, welche mit dem Epithel in 
Zusammenhang stehen. 

Diese Muskelelemente bedingen die schwachen Kontraktionen, 
welche man an lebenden Exemplaren zuweilen beobachtet. Dann folgt 
eine dünne Mesodermlage, in deren Gallerte zahlreiche blasse Gollo- 
blasten, dann aber vereinzelte oder zu Haufen vereinigte braune Pig- 
mentzellen in großer Zahl eingeschlossen sind. Nur in der Gegend des 
Genitalbandes sind letztere spärlich vorhanden, wesshalb sich dieses 
"auch in seiner Färbung stark von der Umgebung abhebt. 

Der Entodermbelag weist zweierlei Zellformen auf, welche in ihrem 
optischen und chemischen Verhalten durchaus verschieden sind. Zu- 
nächst finden wir langgestreckte Geißelzellen, in denen man nur sehr 
spärlich Nesselkapseln eingeschlossen findet, sodann bedeutend größere 
kugelige und blasse Elemente, welche keine Geißeln tragen. Besonders 
schön treten die Unterschiede beider Elemente hervor, wenn man ein 
frisches Stück der Genitalmembran mit Osmiumsäure behandelt und 
nachher flächenartig ausbreitet. Die Geißelzellen erscheinen dann als 
zierliche Mosaik und stark gebräunt, während die geißellosen, kugeligen 
Zellen die Osmiumsäure gar nicht reduciren und vollkommen blass 
bleiben. Man hat alsdann den Eindruck, als ob die Membran siebartig 
durchlöchert sei. 

Die geißellosen Entodermzellen sind vermuthlich als Drüsenzellen 
aufzufassen. 

Die Gastralseite der Genitalmembran besitzt aber noch weitere 
Eigenthümlichkeiten. Auch wenn man die Längsfalten vollständig ver- 
streicht, so ist die Entodermfläche keineswegs eben, sondern erhebt sich 
in zahlreiche Querleisten oder Querfalten, welche in den Gastralraum 
vorspringen (Fig. 43 und 49). Unter sich sind diese in ihrem Verlaufe 
vollständig parallel und folgen in ihrer Richtung der Genitallamelle. 
Auf der proximalen Seite der Gonade reichen sie bis an die Filament- 
reihen heran, auf der distalen bis zur Spalte, welche in den Genitalsinus 
führt, so dass in letzterem der Boden glatt ist. Am höchsten und dichte- 
sten erscheinen sie in der Mitte, also gegen das Genitalband zu, nach 
außen werden die Leisten niedriger und stehen weiter von einander ab. 
Wie aus Fig. 49 ersichtlich ist, werden diese Entodermvorsprünge durch 
eine entsprechende Mesodermleiste gestützt. 

Die Genitallamelle, welche natürlich nur vom Mesoderm und Ento- 
derm gebildet wird, weicht von den übrigen Lamellen anfänglich nicht 
wesentlich in der histologischen Beschaffenheit ab, nur stehen jene 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVIII. Bd, AA 


658 C. Keller, 


blassen Zellen des Entoderm bei Weitem dichter, aber ihr optisches und 
chemisches Verhalten ist völlig übereinstimmend. 

Ich betrachte daher genetisch die Genitallamelle von den übrigen 
kleineren Lamellen nicht für verschieden, nur ist die Entwicklung der 
Keimprodukte ausschließlich auf sie beschränkt und daher gelangte sie 
zu einer ungleich größeren Flächenentwicklung. 

Wir haben demnach bei Cassiopea polypoides in der Genitalmem- 
bran noch anatomische Verhältnisse erhalten, welche mir ein bedeut- 
sames Licht auf die phylogenetische Entwicklung der verschiedenen 
Gonaden bei den Discomedusen zu werfen scheinen. 

Schon die Gebrüder Hzrrwıe haben, indem sie die Gonaden bei Pe- 
lagia noctiluca mit denjenigen von Charybdaea marsupialis verglichen, die 
Faltenbildung als Ausgangsform bei Discomedusen hinzustellen versucht, 
während HarckeL ihr nicht diese allgemeine Bedeutung zuerkennen 
kann. Auf die Befunde bei Cassiopea hin scheinen mir aber dennoch 
beide Anschauungen recht gut vereinbar. 

Ich glaube, dass wir als ältesten phyletischen Zustand bei den 
Scheibenquallen denjenigen ansehen dürfen, in welchem vier inter- 
radial gelegene Gonaden auf der ganzen Oberfläche der Genitalmembran 
die Keimprodukte zur Entwicklung bringen. Dieser Zustand ist uns 
allerdings nicht mehr erhalten. Um eine möglichst große Oberfläche zu 
gewinnen, erhoben sich bei deniselben zahlreiche in die Gastralhöhle 
vorspringende und querverlaufende Falten oder Leisten. 

In einem späteren Zustande blieb durch stärkere Entwicklung der 
mittleren Falten das Keimlager am Rande steril und nur der mittlere 
Theil der Genitalmembran wurde zur Entwicklung der Keimzellen ver- 
wendet. 

Es wäre demnach keineswegs unmöglich, dass bei irgend einer 
Form noch mehrere hufeisenförmig durch die Mitte der Genitalmembran 
verlaufende Falten als Keimlager vorhanden wären. 

Als Endglied in der ganzen Entwicklungsreihe hätten wir alsdann 
diejenigen Fälle zu deuten, wo nur noch eine mediane Falte das Über- 
gewicht erlangt und ausschließlich als Keimlager verwendet wird. In 
ihrer weiteren Ausbildung bei gleichzeitiger Rückbildung der übrigen 
Falten sind nun wieder verschiedene Möglichkeiten gegeben. Entweder 
findet eine Dickenzunahme derselben statt, und dann vergrößert sie sich 
zu einem Genitalwulst, wie Hecker bei Ephyra angiebt, oder es findet 
eine Flächenvergrößerung in vorwiegendem Maße statt und die Falte 
erhebt sich zu einer senkrecht gestellten und vielfach gefalteten Krause, 
wie dies bei Aurelia der Fall ist (Craus), oder endlich die vergrößerte 
Falte wird zur Genitallamelle, welche sich horizontal nach außen umlegt, 


Untersuchungen über neue Medusen aus dem rothen Meere. 659 


wie bei Pelagia noctiluca (Gebrüder Hrrrwie), bei Cyanea Annaskala 
(v. LENDENFELD) und bei unserer Cassiopea polypoides. 

Von der oben entwickelten Auffassung ausgehend betrachte ich 
demnach die zahlreichen Querfalten der Genitalmembran als rudimentäre 
Genitallamellen. 

Über die Gastralfilamente ist nur wenig zu sagen. Sie sind ver- 
hältnismäßig klein, ihre Länge schwankt zwischen 1/, bis !/; mm. Ihr 
centraler Theil wird gebildet von einem Mesodermzapfen, ihre Ober- 
fläche enthält die beiden Zellenelemente, welche schon bei der Beschrei- 
bung der Genitalmembran erwähnt wurde. Die Nesselkapseln liegen 
hier zahlreicher beisammen als an den übrigen Stellen des Entoderm. 

Übergehend zu dem feineren Bau der Geschlechtsfalten im Zu- 
stande der Geschlechtsreife habe ich hervorzuheben, dass in beiden Ge- 
schlechtern schon äußerlich Unterschiede wahrnehmbar sind, aber auch 
im feineren Baue zeigen sich Verschiedenheiten (Fig. 41 und 12). 

Ich schildere zunächst die männliche Geschlechtsfalte. Sie 
ist in radialer Richtung in zahlreiche Fältchen gelegt und daher eigent- 
lich ähnlich beschaffen, wie die in senkrechten Krausen sich erhebende 
Genitallamelle bei Aurelia. Die Oberfläche dieser Fältchen ist vollkom- 
men glatt und in der Mitte abwechselnd stark vorgewölbt und vertieft, 
während der freie Randtheil, welcher keine Keimprodukte enthält, 
weniger kraus ist. 

Anfänglich gewinnt man daher den Eindruck, als bestehen die 
Hoden aus zahlreichen neben einander liegenden Follikeln (Fig. 12 
und 13); diese Auffassung wird noch dadurch verstärkt, dass am Rande 
der Gonade einzelne dieser vermeintlichen Follikel wurmartig verlängert 
sind und in den Gastralraum hineinragen (Fig. 13). Betrachtet man die 
Genitalmembran von der entgegengesetzten Seite, so kehrt dasselbe Bild 
wieder, demnach folgt sie genau allen krausenartigen Ein- und Aus- 
biegungen. 

Die Entodermzellen auf der dem Sinus zugewandten Seite sind 
niedriger, als auf der gastralen Seite, doch ist die Differenz nicht sehr 
bedeutend. Das Mesoderm, welches die Geschlechtsfalte stützt, ist arm 
an braunen Pigmentzellen und enthält die zahlreichen birnförmigen oder 
länglichen Samenkapseln. Auf senkrechten Durchschnitten überzeugt 
man sich, dass diese in die Gallerte eingebetteten Behälter geschlossene 
Follikel darstellen, deren Wandungen von einer einschichtigen Zellenlage 
gebildet werden (Fig. 21). 

Jüngere Follikel enthalten zahlreiche, blasse Spermatoblasten, 
welche die größte Übereinstimmung mit jenen früher erwähnten blassen 
Entodermzellen aufweisen. 


hu* 


660 6. Keller, 


In den größeren Follikeln ist ihr Inhalt erfüllt mit Spermatozoen auf 
verschiedenen Stadien der Entwicklung. 

Die reifen Samenzellen zeigen große Beweglichkeit, sind verhältnis- 
mäßig groß und besitzen ein glattes, schaufelförmiges Köpfchen (Fig. 22) 
und eine fünf- bis sechsmal so lange, an der Basis verdickte Geißel. In 
welcher Weise sie in den Gastrairaum gelangen, habe ich nicht ermitteln 
können. 

Über die Herkunft der Keimzellen gehen die Ansichten zur Zeit 
noch stark aus einander. 

Während Hazcker ! und Gebrüder Herrwıs ?2 dieselben vom Ento- 
derm ableiten, spricht neuerdings CLaus® die Vermuthung aus, dasselbe 
sei bei den Scheibenquallen (mit Ausnahme von Chrysaora) ähnlich wie 
bei den Hydroidmedusen »auf eine tiefe, erst sekundär in die 
Gallerte eingerückte Ektodermbildung zurückzuführen«. 

Meine Befunde bei Cassiopea lassen mit Bestimmtheit eine Abstam- 
mung der männlichen Keimzellen (und auch der Eier) aus dem Ento- 
derm annehmen. Sie stimmen bis auf unwesentliche Einzelheiten mit 
den Angaben überein, welche O. und R. Herrwie für Pelagia gemacht 
haben. Ich finde an der Basis der Geschlechtsfalte, nahe an der Inser- 
tionsstelle eine scharf ausgesprochene »Keimzone«. Daselbst liegen 
im Entoderm die blassen Spermatoblasten in mehreren Reihen und 
sehr dicht, nur mit dem Unterschiede, dass sie nicht nur auf der Unter- 
seite der Geschlechtsfalte, sondern auch sehr zahlreich auf der Oberseite 
vorhanden sind. 

Die Zellen dieser basalen Keimzone stimmen vollständig überein 
(Fig. 20) mit den in die Mesodermfollikel eingeschlossenen Spermato- 
blasten. Auch das Follikelepithel stammt, wie man sich an senkrechten 
Schnitten überzeugen kann, vom Entoderm ab. Anfänglich bildet es eine 
Entodermwucherung, erhebt sich als Zellhaufen, höhlt sich aus, indem 
es die Samenmutterzellen aufnimmt und schnürt sich vollständig vom 
Entoderm ab (Fig. 21). 

Die weiblichen Geschlechtsorgane sind in der Hauptsache 
ganz ähnlich gebaut wie die männlichen. Ich will zunächst hervor- 
heben, dass die Weibchen weitaus zahlreicher vorkommen als die 
Männchen; auf ungefähr fünf Weibchen kommt ein männliches Indi- 
viduum. 

Die weibliche Genitalfalte inserirt sich ebenfalls nach außen von 
den Filamentreihen und legt sich platt über die Genitalmembran weg, 


! E. Haccker, System der Medusen. 
2 O0. und R. Herrwise, Die Actinien. Jenaische Zeitschr. XIII. Bd. 
3 C. Craus, Grundzüge der Zoologie. IV. Auflage. 1880. 


Untersuchungen über neue Medusen aus dem rothen Meere. 661 


so dass auch hier wieder ein Genitalsinus entsteht. Mit der Lupe be- 
trachtet bietet sie aber etwas andere Verhältnisse dar, als die männliche 
Falte. Auch bei ihr begegnet man den radial gerichteten Krausenfalten, 
sie sind aber weitaus kleiner, dichter und demgemäß zahlreicher als 
beim Männchen, außerdem sind sie verhältnismäßig hoch. 

Dadurch erlangt das Genitalband eine völlig blätterige Beschaffen- 
heit; ausgebreitet erscheint dasselbe aus dicht stehenden kleinen 
Lamellen zusammengesetzt. Auch hier folgt die Genitalmembran, welche 
den Boden des Sinus bildet, allen diesen Faltungen. Außerdem finden 
sich der Quere nach verlaufend noch Einschnürungen und Einsatte- 
lungen auf der Gastralfläche der Krausen. Daher erhält man schon von 
bloßern Auge oder bei schwacher Lupenvergrößerung den Eindruck, als 
sei das weibliche Genitalband auf der Gastralfläche höckerig oder mit 
Papillen besetzt. 

Die Keimzone ist ebenfalls auf den Basaltheil der Falte beschränkt. 
Die auf der Sinusseite und auf der Gastralfläche vorhandenen jungen 
Eizellen liegen anfänglich im Entoderm, da sie aber körnchenreicher 
sind, als die blassen Spermatoblasten, hebt sich die Keimzone weniger 
deutlich ab, als dies beim Männchen der Fall ist. 

Sie wandern in die Mesodermgallerte ein, wo sie rasch sehr körn- 
chenreich werden, so dass der Kern nur mit Hilfe von Aufhellungsmitteln 
erkennbar wird. Die reifen Eizellen stimmen in ihrer Beschaffenheit 
vollständig mit dem überein, was Gebrüder Herrwic für Pelagia und 
v. LENDENFELD für Cyanea beschrieben haben. 

Das Ei verweilt bis zur Umwandlung in die Flimmerlarve im Meso- 
derm. Als Behälter dienen besondere Mesodermfollikel, und wie die 
bisherigen Autoren angeben, ist deren Wandung nicht von einem ento- 
dermalen einschichtigen Epithel, wie bei den Männchen, ausgekleidet, 
sondern ohne besonderen Zellenbelag. 

Dagegen verdichtet sich in der Umgebung des Eies und der späte- 
ren Larve die Mesodermgallerte als homogene Kapselmembran und ist 
durch ein ziemlich starkes Lichtbrechungsvermögen ausgezeichnet. Das 
Mesoderm verwandelt sich mit zunehmender Geschlechtsreife in ein 
Fachwerk mit dünnen Scheidewänden. 

Innerhalb dieser von einer hyalinen Grenzschicht umschlossenen 
Höhlungen erfolgt die Eientwicklung bis zur bewimperten Planula. 

Über den Austritt der Embryonen konnte ich bei Cassiopea ge- 
nauere Ermittelungen anstellen. Zunächst trifft man beim Abtragen des 
Schirmes, wobei die Gonaden in keiner Weise verletzt sind, im Magen- 
raum eine Menge Larven in einer schleimigen Flüssigkeit. Es ist daher, 
wie schon L. Acassız gegenüber Eurengerg behauptete, der Durchbruch 


662 6. Keller, 


pn 


der Larven in die Magenhöhle der normale Vorgang, der Austritt in die 
Subgenitalhöhlen dagegen nur ein zufälliger und durch Artefacte ver- 
anlasster. £ 

Bei den meisten Acraspeda scheint der Larvenaustritt in der Weise 
zu erfolgen, dass der Mesodermfollikel und die Entodermdecke einfach 
durchgerissen werden. Ein geschlechtsreifes Weibchen von Charybdaea 
marsupialis, das ich untersuchte, zeigt auf der Oberfläche der Genital- 
blätter eine Menge vorspringender Entodermpapillen, unter welchen 
ausgebildete Larven liegen. An senkrechten Schnitten sieht man an 
vielen Stellen die Papillen an ihrer Spitze durchgerissen und einzelne 
Mesodermfetzen aus den leeren Follikeln herausragen. An anderen 
Stellen ist die birnförmige Larve mit dem spitzen Ende schon frei, wäh- 
rend das dickere Hinterende noch in der Kapsel steckt. 

Abweichend hiervon sind die Befunde bei Cassiopea polypoides. 
Mit beginnender Geschlechtsreife beginnt ein Vorgang im Entoderm- 
überzug, welcher das spätere Verlassen der Flimmerlarve aus ihrer 
Kapsel erleichtern soll. Während der Furchung der Eier entsteht über 
denselben eine Öffnung im Epithel. Die Entodermzellen weichen aus 
einander und wenn dieselbe abgelaufen ist, erscheint die Fläche der 
Geschlechtsfalte siebartig durchlöchert. Besonders schön lassen sich 
diese Lücken nachweisen, wenn man die Gewebestücke einige Zeit in 
Osmiumsäure verweilen lässt. Die Entodermlücken sind kreisförmig 
oder oval und besitzen einen Durchmesser von 0,03 mm. In ihrer Um- 
gebung zeigen sich keinerlei Unregelmäßigkeiten, sie werden von einem 
Kreis gewöhnlicher Entodermzellen scharf begrenzt (Fig. 23). 

Ich nenne diese Öffnungen »Ovariostomen« und betrachte das 
Auftreten derselbenalseinen Vorgang, welcher im Ento- 
derm ohne Hinzuthun der Larve stattfindet und einen 
präformirten Weg für den Austritt der Larve herstellen 
soll. 

Der weitere Weg, den die Flimmerlarven nach dem Verlassen des 
Mesodermlagers zu nehmen haben, ist vorgezeichnet. Sie gelangen zu- 
nächst in die Mundarme und treten durch die zahlreichen Saugkrausen 
ins Freie. 

Die Länge der frei gewordenen Larven beträgt durchschnittlich 0,3 
bis 0,4 mm. Ihre Gestalt ist gestreckt und am hinteren Ende verdickt. 
Beim Schwimmen ist stets das spitze und bewegliche Ende voran ge- 
richtet. Die Körperwand ist auf dieser Stufe zweischichtig und um- 
schließt einen sehr engen Hohlraum. Eine nach außen führende Mund- 
öffnung konnte ich nicht wahrnehmen und diese Planogastrula oder 
Clistogastrula gleicht vollständig der Chrysaoralarve, welche Craus in 


Untersuchungen über neue Medusen aus dem rothen Meere. 663 


seiner mehrfach erwähnten Studie über Polypen und Quallen der Adria 
auf Taf. I, Fig. 5 abgebildet hat. Dagegen besitzt die Gassiopealarve im 
hinteren verdickten Körperabschnitt eine dunkle, ringförmige Zone, 
welche von einer Verdickung des Larvenektoderm gebildet wird. 

Das weitere Schicksal der Larve konnte ich nicht verfolgen. Bei 
der großen Zahl geschlechtsreifer Thiere, welche ich stets zur Unter- 
suchung erlangen konnte, hatte ich erwartet, an den Steinen oder auf 
den im seichten Wasser lebenden Korallen und Schwämmen sitzend 
eine zugehörige Scyphostomaform anzutreffen. 

Diese Voraussetzung hat sich nicht erfüllt und es läge demnach die 
Vermuthung nahe, dass die Larve sich mit Überspringung des sessilen 
Jugendzustandes sich direkt in eine Meduse verwandelte um sich nach 
kurzem pelagischen Freileben wieder auf den Riffen festzusetzen. 

Freilich ergaben auch die Nachforschungen nach ganz jungen Medu- 
sen mit Hilfe der pelagischen Fischerei hierfür gar keine Anhaltspunkte. 

Die jüngsten festsitzenden Medusen, welche ich beobachten konnte 
und welche noch keine reifen Keimprodukte enthielten, besaßen einen 
Scheibendurchmesser von 30—35 mm. Diese waren aber in allen 
wesentlichen Punkten von den völlig entwickelten Exemplaren nicht 
verschieden. 


C. Bemerkungen über den genetischen Zusammenhang der Acraspeda 
mit den Korallen. 


Wenn ich am Schlusse dieser Arbeit noch auf verwandtschaftliche 
Beziehungen zwischen höheren Medusen (Acraspeda) und den Korallen- 
thieren (Anthozoa) zurückkomme, so mag dies naturgemäß erscheinen bei 
Untersuchung einer Medusenform, welche, wie Cassiopea polypoides, so 
auffallende Analogien mit größeren solitär lebenden Anthozoen (Acti- 
nien) aufweist. Es drängt sich beim Anblick dieser festsitzenden Me- 
duse ja unwillkürlich die Frage auf, ob die große Ähnlichkeit in der 
äußeren Erscheinung auf bloßer Analogie und nicht auf tieferen Homo- 
logien beruhe. 

Die Frage nach den genetischen Beziehungen der einzelnen Medusen- 
abtheilungen unter einander und ihre Affinitäten zu den übrigen 
Coelenteraten wurde in den letzten Jahren von verschiedenen Forschern 
berührt und am eingehendsten von E. Hazcker theils in verschiedenen 
Mittheilungen in der »Jenaischen Zeitschrift«, theils in seinem großen 
Medusenwerk erörtert. 

Die neuesten Untersuchungen über die Medusengruppe haben zu 
einem Resultate geführt, welches unerwartet und überraschend sein 
musste. 


664 C. Keller, 


Wenn bei irgend einer thierischen Abtbeilung, so schien gerade bei 
der Medusenklasse der Charakter ein sehr einheitlicher und eine Auf- 
lösung in verschiedene, von einander gänzlich unabhängige Zweige 
hätte noch vor wenigen Jahren bei den Zoologen einen lebhaften Wider- 
spruch erfahren. 

Doch hatte schon im Jahre 1866 HarckEL in seiner generellen 
Morphologie gegen den einheitlichen Charakter des Medusenstammes 
Zweifel erhoben und die phyletischen Verhältnisse der Medusen als 
äußerst verwickelt bezeichnet. 


Heute darf man es als so gut wie ausgemacht bezeichnen, dass die 
herkömmliche Klasse der Medusen in zwei Bestandtheile zerfällt, welche 
trotz zahlreicher und bis ins Einzelne gehender Analogien in einem 
großen Gegensatz zu einander stehen. Wichtige Organsysteme, wie das 
Nervensystem, die Sinnesorgane, Geschlechtsorgane, Bewegungsorgane 
und Magenraum weisen fundamentale Verschiedenheiten auf, zwischen 
welchen vermittelnde Übergänge nicht festgestellt werden konnten. 
Auch die Entwicklungsgeschichte, so weit ihre Thatsachen sich über- 
sehen lassen, konstatiren eine weite Kluft. Diese beiden Bestandtheile 
sind die Graspedota und die Acraspeda. 

Die Craspedoten ihrerseits entbehren wiederum einer einheitlichen 
Abstammung und zerfallen in mehrere unabhängig entstandene Zweige, 
wenn wir aus den ontogenetischen Thatsachen einen Rückschluss auf 
ihren phylogenetischen Zusammenhang machen dürfen. 


Ein Theil derselben entwickelt sich ontogenetisch auf dem Wege 
eines Generationswechsels, wobei als Amme eine Hydroidform fungirt. 
Die Anthomedusen stammen von Tubulariapolypen, die Leptomedusen 
dagegen lassen sich auf Campanulariapolypen zurückführen. Bei den 
höheren Graspedoten, den Trachomedusen und Narcomedusen fällt ein 
Generationswechsel aus und lassen sich daher keine genauere An- 
knüpfungspunkte an gewisse Hydroidformen gewinnen. 

Die Acraspeda bieten ein einheitlicheres Bild dar. Aus dem Um- 
stande, dass sich ihre verschiedenen Formen, welche einen Generations- 
wechsel erhalten zeigen, aus einer polypenähnlichen Form, einer 
Scyphostoma entwickeln, hat HarckeL ihren gemeinsamen Ursprung aus 
Scyphopolypen hergeleitet und in der That sind ja die merkwürdigen 
Tesseridae nur wenig modificirte, schwimmende Scyphopolypen. 

Aber mehr als dieser einheitliche Charakter aller Acraspeda hat 
wohl das Ergebnis überrascht, dass zwischen ihnen und den Korallen 
ein naher verwandtschaftlicher Zusammenhang besteht. 

Schon im Jahre 1878 hat Graus in seinen »Studien über Polypen 


Untersuchungen über neue Medusen aus dem rothen Meere, 665 


und Quallen der Adria« auf diese Beziehungen mit folgenden Worten 
hingewiesen: 

»Zwischen Hydroiden und Craspedoten auf der einen und Antho- 
zoen und Acalephen (Acraspeda) auf der anderen Seite ist jedenfalls, 
wie dies auch schon von Frırz MüLLer bemerkt wurde, das Auftreten 
von Mesenterialfäden oder Magenfilamenten von hervorragender Be- 
deutung und stehen durch den Besitz derselben die Acalephen auf Seite 
der Anthozoen.« 

Die Frage ist sodann von OÖ. und R. Herrwıc aufgenommen und 
weiter gefördert worden!. Diese Forscher konstatiren nicht allein die 
funktionelle Übereinstimmung zwischen den Mesenterialfilamenten der 
Anthozoen und den -Gastralfilamenten der höheren Medusen, sondern 
auch einen engeren morphologischen Zusammenhang. Sie fassen die- 
selben als homologe Bildungen auf. 

Im Ferneren weisen sie bei beiden Gruppen eine gemeinsame Ab- 
stammung der Geschlechtszellen nach. Während diese bei den Craspe- 
dota ihren Ursprung aus dem Ektoderm nehmen, müssen sie bei 
Anthozoen und acraspeden Medusen vom Entoderm abgeleitet wer- 
den. Die genannten Untersucher fassen letztere Coelenteraten daher als 
Entocarpen zusammen und stellen sie den Ektocarpen, d. h. den Cras- 
pedoten, Siphonophoren und Ctenophoren gegenüber. Was von den 
CGoelenteraten dann noch übrig bleibt, d. h. die Spongien, müsste dem- 
nach eine dritte Abtheilung, die’Mesocarpen, bilden und es wäre nicht 
undenkbar, dass diese Gliederung der Pflanzenthiere zukünftig sich 
einer allgemeineren Aufnahme erfreute. 

Eine nahe verwandtschaftliche Beziehung der höheren Medusen zu 
den Anthozoen gewinnt demnach bei näherer Prüfung der morphologi- 
schen Thatsachen sehr an Wahrscheinlichkeit und es kann daher nicht 
unerwünscht sein, sich nach weiteren Stützen für diese Annahme umzu- 
sehen. 

Bei dem großen Reichthum des rothen Meeres an Anthozoen hoffte 
ich unter den Korallen neue Anhaltspunkte zu finden und glaube solche 
in den nachfolgenden Thatsachen gewonnen zu haben. 

Das erythräische Gebiet enthält mehrere sehr einfach organisirte 
Arten, auf welche ich zunächst recurrirte. 

Leider traf ich die von HazerzL bei El Tor beobachtete Monoxenia 
Darwinii im südlichen Theile des rothen Meeres nicht an. Ihr steht 
indessen die Gattung Xenia sehr nahe und diese lebt auf den Korallen- 
bänken und am Korallenabhang in unglaublicher Menge und bildet aus- 
gedehnte Rasen. 


1 O0. und R. Herrwıg, Die Actinien,. Jenaische Zeitschr. 1879, 


666 0. Keller, 


Ich fand nur die braune Art, welche EurengerG als Xenia fusces- 
cens bezeichnet hat. 

An dieser beobachtete ich Folgendes: 

1) Der Rand der Mundscheibe und die gefiederten 
Tentakel führen rhythmische Bewegungen ausundklap- 
pen regelmäßig zusammen, um sich unmittelbar darauf 
wieder auszubreiten. Diese Kontraktionen erinnern 
augenfälligan die Schirmkontraktionen der Medusen. 

2) DerRhythmus der Kontraktion stimmt annähernd 
in der Zahl mit den Schirmkontraktionen der Medusen 
überein. Bei der Aurelia des rothen Meeres zählte ich 40 
Schirmkontraktionen per Minute, bei Xenia fuscescens 
30 Tentakelkontraktionen pro Minute. 

3) Die Kontraktionen der Tentakel und des Peristom- 
randes sind bei den einzelnen Individuen eines Xenien- 
stockes nicht synchronisch, sondern gänzlich unab- 
hängig in ihrem zeitlichen Verlauf. 

k) Die Kontraktionen nehmen auch dann noch ihren 
ungestörten Fortgang, wenn man das Mauerblatt bis an 
die Tentakelbasisheran mit der Schere abträgt. 

5) Beim Durchschneiden der einzelnen Polypen’durch 
eine Längsebene ziehen sich die beiden Hälften unab- 
hängig weiter zusammen. 

An der Hand dieser physiologischen Experimente, bei denen die 
stärkere oder geringere Beleuchtung gar keinen Einfluss ausübt, glaube 
ich den Schluss ziehen zu dürfen, dass auf dem Peristom, wahrschein- 
lich am Rande und in der Nähe der Tentakelbasis motorische Nerven- 
centra vorhanden sind, welche die genannten Kontraktionen auslösen. 
Die Erregung dieser Nervencentra ist vermuthlich eine automatische, 
da mechanische Reize weder eine fühlbare Beschleunigung noch eine 
Verlangsamung im Rhythmus herbeiführten, eben so wenig Lichtreize 
von verschiedener Stärke. 

Ein Gonnex der Nervencentren verschiedener Individuen besteht 
nicht, da die Kontraktionen nicht synchronisch erfolgen. 

Dass nun gerade auf der Mundscheibe der Anthozoen Centralorgane 
des Nervensystems vorhanden sind, geht aus den Untersuchungen von 
O. und RR. Herrwig hervor. Dieselben berichten in ihrer Actinienarbeit: 

»Am besten entwickelt ist das Nervensystem im Bereiche der 
Mundscheibe, wo es am ehesten noch als eine Art von Gentralorgan 
bezeichnet werden kann. Es stellt eine ansehnliche, zwischen dem 
ektodermalen Epithel und der Muskulatur gelegene Schicht dar, in 


Untersuchungen über neue Medusen aus dem rothen Meere. 667 


welcher sich dünnere und stärkere Fibrillen nach allen Richtungen 
durchkreuzen und ein unentwirrbares dichtes Flechtwerk bilden. In 
diesem trifft man kleinere und größere Ganglienzellen in großer Zahl 
an. Dieselbensind am reichsten zwischen den Tentakeln 
angehäuft und ferner in Streifen, die von denBasen der 
Tentakel in radialer Richtung nach dem Munde hin- 
laufen.« 

Gerade in letzteren Streifen möchte ich die Gentralgebilde erblicken, 
welche die Tentakel innerviren und die rhythmischen Bewegungen 
auslösen. 

Es scheint demnach, dass auch bei Anthozoen eine Anzahl diskreter 
Nervencentra ausgebildet sind, wie bei den Acraspeda an den Rand- 
körpern und da letztere als modificirte Tentakel aufgefasst werden, so 
würden auch Homologien bestehen zwischen den von den Basen aus- 
laufenden Gangliengruppen der Anthozoen und den Nervencentren an 
der Basis der Sinneskolben oder Randkörper bei den höheren Medusen. 

Demnach hätten wir nicht nur Beziehungen zwischen Acraspeda 
und Anthozoa mit Bezug auf das gemeinsame Vorkommen von Mesen- 
terialfilamenten und die gemeinsame Abstammung der Sexualelemente 
aus dem Entoderm, sondern es sind auch noch gemeinsame 
Zügeim Nervensystem vorhanden. Es lässt sich dies erwarten, 
da letzteres nicht nur zu den genetisch ältesten, sondern auch zu den 
konstantesten Organsystemen gehört. 

Mehren sich daher die Thatsachen, welche für eine Verwandtschaft 
zwischen den höheren Medusen (Acraspeda) und den Korallenthieren 
sprechen, so wird man sich die Frage vorlegen, in welcher Weise man 
sich die Abstammung beider Thiergruppen denkt. Einmal wäre die 
Möglichkeit vorhanden, dass Medusen unter Aufgeben ihrer schwimmen- 
den Lebensweise sich mit der Exumbrella festsetzten, um durch weitere 
Umbildung und Rückbildung sich in Anthozoen umzuwandeln. 

Thatsache ist, dass ganz verschiedene Medusen unter den Acraspeda 
zu einer festsitzenden Lebensweise zurückkehren. In dieser Hinsicht 
steht unsere Cassiopea polypoides keineswegs isolirt da. 

Von Discomedusen berichtet Acassız, dass Polyclonia frondosa 
herdenweise auf den Korallenriffen lebe. 

Während der Challengerfahrt wurden an den Küsten der Philip- 
pinen Scharen festsitzender Medusen beobachtet und MoseLey ! theilt 
darüber in seinem Reisewerke Folgendes mit: »In the shallow water 
were a large number of Medusae all lying on the tops of theire umbrellas, 


1 Moseuey, Notes by a naturalist on the »Challenger«. London 1879. 


668 C. Keller, 


with their tentacles directed upwards in full glare of the sun. They 


looked thus posed like a lot of See-Anemones and I took for such at first.« 

Narnorst ! beschreibt Abdrücke fossiler Medusen (Medusites Lind- 
strömi, M. favosus, M. radiatus) aus cambrischen Ablagerungen und ist 
zur Annahme geneigt, dass dieselben ebenfalls sessile Lebensweise be- 
saßen. (Für Medusites favosus, welche Narnorst auf seiner Taf. 5 ab- 
bildet, erscheint mir jedoch der Medusencharakter sehr fraglich !): 

Bei den niederen Acraspeda entwickeln die Lucernarien und Depa- 
strella einen Stiel, welcher zum Anheften an verschiedene Gegenstände 
dient. 

Bei den Schwierigkeiten, ein natürliches System der Anthozoa auf- 
zustellen, liegt der Gedanke nicht allzufern, dieselben möchten ähnlich wie 
die Craspedota eine polyphyletische Abstammung besitzen. Ein beson- 
deres Interesse müsste in diesem Falle die von SEmpEr ? gemachte Beob- 
achtung gewinnen, dass bei Fungia ein an die Discomedusen erinnernder 
Generationswechsel sich erhalten hat. 

Andererseits kann man, wie dies E. HArck£r thut, eine Divergenz 
der höheren Medusen und Korallen schon sehr frühzeitig vor sich gehen 
lassen, beide Gruppen auf Scyphopolypen zurückführen und diese als 
gemeinsame Ausgangsform annehmen. 

Da wir über den feineren Bau und besonders über die Entwick- 
lungsgeschichte der einzelnen Korallengruppen noch unzureichende 
Kenntnisse besitzen, so scheint mir eine Entscheidung, welche Annahme 
mehr für sich hat, gegenwärtig noch nicht spruchreif. 


Zürich, im Mai 1883. 


Erklärung der Abbildungen. 


Tafel XXXV—XXXVILI. 


Fig. 1. Gastroblastatimida. Ein einmündiges Exemplar in geschlechts- 
reifem Zustande mit fünf Radialkanälen und fünf Centripetalkanälen. Nach dem 
Leben gezeichnet. Natürliche Größe 3 mm im Durchmesser, 

Fig. 2. Ein viermündiges Exemplar von Gastroblasta timida mit zahlreichen 
Radialkanälen und Centripetalkanälen. Nach dem Leben gezeichnet. Natürliche 
Größe 4 mm im Durchmesser. 


1 A. G. NATHoRST, Om Aftrik af Medusor i sveriges Kambriska lager. Stockholm 
1884. Kongl. svenska vetenskaps-akademiens Handlingar. Bandet 49. 

2 C. SEMPER, Über den Generationswechsel der Steinkorallen. Diese Zeitschr. 
Bd. XXII. 1872. 


Untersuchungen über neue Medusen aus dem rothen Meere. 669 


Fig. 3. Ein Stück des Schirmrandes von Gastroblasta timida bei schwacher 
Vergrößerung. a, Randtentakel mit kolbenförmig verdickter Basis; db, Ringkanal 
mit Nesselwulst; c, Velum; d, Randkörperchen oder Hörbläschen. 

Fig. 4. Ein Hörbläschen von Gastroblasta mit entodermaler Hörzelle und ein- 
fachem Otolithen. 

Fig. 5. Larve von Gastroblasta timida bei 40facher Vergrößerung. Centripetal- 
kanäle, Gonaden und Sinnesorgane fehlen noch. 

Fig. 6. Ein ausgewachsenes Exemplar von Cassiopea polypoides. 2/3 natürlicher 
Größe von der exumbrellaren Seite gesehen. Im Februar 1882 in Sawakin nach dem 
Leben gemalt. 

Fig. 7. Ein senkrechter, radialer Schnitt durch die Exumbrella von Cassiopea 
polypoides aus der Sauggrube. e, Cylinderzellen des Ektoderm mit vereinzelten 
Nesselkapseln; s, abgesonderte Schleimlage; m, Muskelfasern; ms, Mesoderm mit 
Colloblasten, weißen Pigmentzellen, Haufen von braunen Pigmentzellen und Fasern, 
welche in der Tiefe senkrecht, an der Oberfläche horizontal verlaufen. Vergr. 66. 

Fig. 8. Sinnesbucht mit Sinneskolben von Cassiopea polypoides. rg, radiales 
Hauptgefäß mit zwei die Sinneslappen versorgenden bogenförmigen Gefäßen ; 
d, Deckschuppe der Sinnesnische mit hufeisenförmigem Riechorgan. Vergröße- 
rung 25. 

Fig. 9. Sinneskolben von der exumbrellaren Seite betrachtet. Ah, Hörorgan mit 
zahlreichen Otolithen; o, Ocellus; it, Tasthügel mit zahlreichen schlanken Sinnes- 
zellen. Vergrößerung A100. 

Fig. 10. Einzelne Otolithen aus dem Hörkolben von Cassiopea polypoides. Ver- 
srößerung 500. 

Fig. 44. Magen einer weiblichen Cassiopea polypoides nach Abtragung des 
Schirmes und Entfernung der Arme. Bei a die Ursprünge der acht Arme. Im 
Inneren sind die vier Gonaden, die Genitalpolster und die perradiale Kreuzfurche 
sichtbar. Nach außen von den Gonaden liegen die vier engen Eingänge in die Sub- 
genitalhöhlen. 2/3 natürlicher Cröße. Im Februar 4882 nach dem Leben gezeichnet. 

Fig. 12. Eine männliche Gonade von Cassiopea polypoides. ?/3 natürlicher 
Größe. 

Fig. 43. Ein Stück der männlichen Geschlechtsdrüse bei schwacher, ungefähr 
A0facher Vergrößerung. Bei gm die gefaltete Gastrogenitalmembran, bei gf die Reihen 
der Gastralfilamente. gl, die Genitalfalte mit zahlreichen Samenkapseln (letztere in 
der Figur etwas zu groß gezeichnet). 

Fig. 14. Senkrechter Radialschnitt durch die Randpartie des Schirmes. ece, 
Ektoderm der Exumbrella; ecs, Ektoderm der Subumbrella; ms, Mesoderm; el, 
Entodermlamelle ; ml, Muskelleiste der Ringmuskelzone der Subumbrella; g, Gefäß 
des Schirmrandes; mc, Mesodermkaverne. Vergrößerung 75. 

Fig. 15. Muskelfasern (Epithelmuskeln) aus der Muskulatur der Armfläche. 
Vergrößerung 1000. 

Fig. 46. Muskelfaser aus der subepithelialen Muskulatur der großen Armten- 
takel. Vergrößerung 1000. 

Fig. 47. Trichterkrausen von der Axialseite der Arme in geöffnetem Zustande. 
Vergrößerung 75. 

Fig. 418. Senkrechter Schnitt durch die männliche Geschlechtsdrüse von Cassio- 
pea polypoides. gm, Gastrogenitalmembran mit zahlreichen rudimentären Genital- 
falten; gf, Gastralfilamente;, gl, Genitallamelle mit zahlreichen Samenkapseln;; gs, 
Genitalsinus. Vergrößerung 35. 


670 C. Keller, Untersuchungen über neue Medusen aus dem rothen Meere. 


Fig. 49. Senkrechter Schnitt durch die Gastrogenitalmembran. ec, Ektoderm ; 
en, Entoderm ; ms, Mesoderm. Vergrößerung 250. 

Fig. 20. Ein Stück des Entodermbelages aus der »Keimzone« der männlichen 
Gonade. Bei s die Spermatoblasten. Vergrößerung 250. 

Fig. 24. Senkrechter Schnitt durch die Genitallamelle eines geschlethitreren 
Männchen von C. polypoides. Die birnförmigen Samenkapseln sind mit einem vom 
Entoderm stammenden Follikelepithel ausgekleidet und enthalten zahlreiche 
Spermatoblasten im Innern. Vergrößerung 9350. 

Fig. 22. Spermatozoen von Cassiopea polypeides. Vergrößerung circa 800. 

Fig. 23. Ein Stück des gastralen Entodermüberzuges aus dem Ovarium einer 
Cassiopea mit den zum Austritt der Larven bestimmten Ovariostomen, Vergröße- 
rung 300. 


Nachtrag. 


Während des Druckes dieser Arbeit kam mir nachträglich noch die von HAMAnR 
im vorigen Jahre veröffentlichte Studie über »Organisation der Hydroid- 
polypen« zu Gesicht. Er giebt darin die Deutung der gelben Zellen der Rhizo- 
stomen als Drüsenzellen auf und ist demnach ein Passus auf p. 639 zu berichtigen. 
Wenn Hamann dagegen nunmehr mit GEDDES ihre Identität mit den »gelben 
Zellen« der Radiolarien annimmt, so kann ich auch dieser Anschauung nicht bei. 
pflichten, sondern betrachte sie als echte Mesodermzellen. 


Die Art der Fortpflanzung des Proteus anguineus. 
Von 


Marie von Chaurin. 


Mit Tafel XXXVII. 


am er 


Im Juni 1882 habe ich eine vorläufige Mittheilung betreffend » die 
Fortpflanzung des Proteus anguineus« mit dem Bemerken in den zoologi- 
schen Anzeiger einrücken lassen, dass ich den Gegenstand noch aus- 
führlicher zu behandeln beabsichtige. 

Es war damals meine Absicht dies erst nach vollständiger Beendi- 
sung der Versuche zu thun, nun sehe ich mich aber veranlasst schon 
jetzt die bisher gemachten Beobachtungen zu veröffentlichen, weil ich 
einestheils nicht übersehen kann, wie lange sich der Abschluss der 
Arbeit noch verzögern dürfte, anderentheils ich wünschen muss, dass 
die von mir erzielten Resultate dem einen oder anderen Fachgenossen 
zu ähnlichen Versuchen Veranlassung geben möchten. 

Die Fortpflanzungs- und Entwicklungsgeschichte des Proteus, welche 
bisher ein ungelöstes Räthsel für uns geblieben, hatte mich seit längerer 
Zeit lebhaft interessirt und ich fasste schon im Jahre 4877 den Ent- 
schluss, zu versuchen, ob es mir gelingen könne diesen merkwürdigen 
Kiemenlurch in der Gefangenschaft zur Fortpflanzung zu bringen. 

Anfänglich glaubte ich die Aufgabe am sichersten lösen.zu können, 
wenn ich versuchte männliche und weibliche Olme im brünstigen Zu- 
stande einfangen zu lassen und dieselben dann zusammen in passenden 
Behältern so lange sorgfältig zu pflegen, bis eine Vermehrung eingetre- 
ten wäre. 

Die öfter beobachtete Thatsache, dass die uns bekannten einheimi- 
schen Amphibien sich dann am leichtesten in der Gefangenschaft ver- 
mehren, wenn sie im paarungslustigen Zustande eingefangen werden, 
und dass die Fruchtbarkeit in der Regel bei den der Freiheit beraubten 


672 Marie von Chauvin, 


Thieren sich von Jahr zu Jahr verringert, hatte mich auf obigen Ge- 
danken gebracht. 

Ich musste aber sehr bald davon Abstand nehmen, weil auf die 
an verschiedene Proteen-Händler gerichtete Frage nach solchen 
Exemplaren die Antwort erfolgte, dass sie weder trächtige Weibchen 
noch brünstige Männchen gefunden hätten, ja sogar nicht einmal im 
Stande wären das Geschlecht bei den Olmen zu unterscheiden. 

Ich ließ mir nun eine größere Zahl ausgewachsener Proteen aus 
Adelsberg kommen und hoffte, durch aufmerksames Studium ihrer 
Eigenthümlichkeiten dahin zu gelangen, die für sie erforderlichen 
Lebensbedingungen zu ergründen und dem möglichst entsprechende 
Einrichtungen treffen zu können. 2 

Nach vielfältigen Versuchen hinsichtlich ihrer Pflege gelang es auch 
ein Verfahren zu finden, das geeignet schien die Thiere in besonders 
gutem Gesundheitszustande zu erhalten. Weiter unten werde ich aus- 
führlichere Mittheilungen darüber machen. 

Die Aussagen der Proteen-Händler, dass ein äußerlicher Ge- 
schlechtsunterschied bei diesen Thieren nicht aufzufinden sei, fand ich 
nach Empfang und Prüfung der Sendung vollkommen bestätigt, da 
unter den vielen geschlechtsreifen Proteen keiner eine äußerlich wahr- 
nehmbare Abweichung im Körperbau oder in der Hautfarbe darbot. 
Erst nach Ablauf eines Jahres trat im Mai 1878 eine Veränderung bei 
einem Individuum (257,5 mm lang) ein: es wurde in seinem Benehmen 
auffallend lebendig, fraß ungewöhnlich viel und zeigte, als dies einige 
Wochen angedauert hatte, Erscheinungen, die auf einen brünstigen Zu- 
stand schließen ließen. Die Hautfarbe, welche sich durch Einwirkung 
des Lichtes allmählich in ein helles Grau verwandelt hatte, nahm jetzt 
eine intensivere Färbung an, und auf dem Schwanze kamen zwei Reihen 
heller, etwa 4—2 mm große runde Flecken zum Vorschein. 

Vereinzelte helle Punkte waren mir zwar früher aufgefallen, aber 
ohne dass ich eine regelmäßige Anordnung zu erkennen vermocht hätte, 
und erst nach dem eingetretenen Farbenwechsel hoben sich dieselben 
deutlich ab. Außerdem verbreiterte sich die den Schwanz umgebende 
Fettflosse durch einen neugebildeten schmalen und durchscheinenden 
Hautsaum, welcher sich an der Spitze des Schwanzes stark kräuselte!. 

Die wesentlichste Veränderung zeigte sich an der Kloake. Die 
Kloakengegend schwoll so bedeutend an, dass man nicht länger im 
Zweifel über das Geschlecht dieses Individuums bleiben konnte; man 


! In geringem Maße findet dies übrigens bei gut genährten Thieren auch außer 
der Brunstzeit statt. 


Die Art der Fortpflanzung des Proteus anguineus. 673 


hatte oflenbar ein im brünstigen Zustande befindliches Männchen 
vor sich. 

Das Hochzeitskleid erhielt sich mehrere Wochen hindurch ziemlich 
konstant! und verschwand dann wieder ganz allmählich, bis auf eine 
unbedeutende Verdickung der Kloakenlippen. 

Im darauf folgenden Frühjahr 1879 erwachte bei einem zweiten 
Individuum (230 mm lang) der Fortpflanzungstrieb. Die ersten An- 
zeichen bestanden auch hier in größerer Lebhaftigkeit im Gebahren und 
in gesteigerter Gefräßigkeit. Fast gleichzeitig machte sich eine unge- 
wöhnliche Dickleibigkeit bemerkbar, und da dieselbe sich hauptsächlich 
auf den hinteren Theil des Leibes erstreckte, so vermuthete ich, dass es 
ein weiblicher Proteus sei, bei welchem Eier zur Entwicklung ge- 
langten 2. 

Die Hautfarbe, welche bei diesem Thiere fast unverändert den hellen 
Fleischton beibehalten hatte, nahm eine etwas röthlichere Färbung an, 
wie es schien, in Folge von erhöhtem Blutzufluss. Der Schwanz ver- 
breiterte sich ebenfalls durch einen feinen sehr schmalen Flossensaum, 
obschon nicht in dem Maße, wie es beim männlichen Proteus der Fall 
gewesen war. 

Die Kräuselung an der oberen Seite der Schwanzflosse und an der 
Schwanzspitze war aber dessenungeachtet eben so hervortretend wie 
beim Männchen. Im weiteren Verlaufe der Brünstigkeit trat eine, wenn 
auch nur unbedeutende Anschwellung der Kloake für kurze Zeit ein. 

Die beiden Proteen wurden, da man mit ziemlicher Sicherheit ein 
Pärchen in ihnen vermuthen konnte, von jetzt ab bei einander und von 
den übrigen Olmen getrennt gehalten und ganz besonders aufmerksam 
verpflegt. 

Leider hatte sich bei dem Männchen im Frühjahr 1879 die Brünstig- 
keit nicht wieder eingestellt, und fehlte somit dem Weibchen die nöthige 
Anregung zur Ablegung der Eier. Bis zum Mai 1881 wiederholte sich 
auch bei keinem der beiden Proteen der Fortpflanzungstrieb. Nichts- 
destoweniger hatten sich bei demselben, seit dem ersten Auftreten der 


1 Auffällig ist das ungemein rasche Auftreten und Verschwinden der äußeren 
Geschlechtsmerkmale bei den Proteen. Behufs Reparatur des Aquariums waren 
 z. B. vier brünstige Olme, und zwar zwei Pärchen, aus demselben genommen und 
zwei Stunden lang in einem anderen Behälter gehalten worden, und diese kurze 
Zeit genügte, um bei allen ein derartiges Zusammenfallen der Anschwellungen zu 
bewirken, dass die Thiere nicht mehr brünstig zu sein schienen, und erst nach Ver- 
lauf von circa 42 Stunden stellten sich die charakteristischen Merkmale wieder ein. 

2 Bemerkenswerth ist hierbei, dass die Zunahme des Körperumfanges bei den 
Proteen nicht wie bei anderen Lurchen hauptsächlich in der Breite erfolgt, sondern 
dass die Höhe des Leibes am meisten dadurch vermehrt wird. 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XXXVIIL Bl. 45 


674 Marie von Chauvin, 


Paarungslust, die äußeren Kennzeichen ihres Geschlechties so weit erhal- 
ten, dass man sie mit Leichtigkeit von den übrigen Olmen zu unier- 
scheiden im Stande war. Erst nach Verlauf dieser Zeit wurde bei dem 
Weibchen ein abermaliges Anlegen des Hochzeitskleides sichtbar. Der 
Eintritt des brünstigen Zustandes vollzog sich wieder wie das erste 
Mal. Auffälliger Hunger, größere Lebendigkeit und das Erscheinen leb- 
hafterer Färbung und des schmalen Hautsaumes am Schwanze waren 
die ersten Kennzeichen. Darauf folgte bald eine sehr erhebliche Zu- 
nahme des Körperumfanges, die viel bedeutender als früher war. Bei 
genauer Untersuchung zeigte sich, dass die Ovarien ganz mit Eiern an- 
gefüllt waren, was leicht und sicher, ohne das Thier im geringsten zu 
berunruhigen, geschehen konnte, weil durch die Ausdehnung der Bauch- 
wand diese so durchscheinend geworden war, dass man die hell gefärb- 
ten Dotter deutlich sehen konnte. Ich hoffte schon mit Zuversicht, dass 
es diesmal gelingen würde die Proteen zur Fortpflanzung zu bringen, 
sah mich aber in Folge dessen, dass das Männchen wieder nicht brünstig 
war, in meinen Erwartungen abermals getäuscht. Auf das Wohlbefinden 
des Weibchens wirkte es höchst nachtheilig ein, dass es nicht zum 
Laichen kam, und ich befürchtete längere Zeit es zu verlieren. Durch 
aufmerksamste Behandlung suchte ich die üblen Folgen möglichst abzu- 
schwächen, und es gelang. Nach mehreren Monaten wurde es munterer 
und nahm wieder regelmäßig Nahrung an. 

Am 45. Februar 1882 bemerkte ich an dem Männchen einige Zeichen 
von Paarungslust; ich brachte dasselbe mit seinem Weibchen unverzüg- 
lich in ein großes Aquarium, das ich zum Laichen für besonders ge- 
eignet hielt. Die beiden Olme fühlten sich in ihrem neuen Behälter sehr 
bald heimisch und erwählten sogleich eine aus Tropfsteinen gebaute 
Grotte zu ihrem beständigen Aufenthalt, den sie nur am Abend oder in 
der Nacht verließen, um Nahrung zu suchen. Bei dem Männchen steigerte 
sich die Brünstigkeit nach wenigen Tagen sehr bedeutend und erreichte 
bis Ende des Monats einen weit höheren Grad als es im Frühjahr 1878 
der Fall gewesen war. Die Färbung der Haut und die Verbreiterung 


! Das Aquarium war zu diesem Zwecke folgendermaßen eingerichtet worden: 
auf dem mit Flusssand bedeckten Boden hatte ich eine Grotte aus Tropfsteinen der- 
art aufgebaut, dass verschiedene Gänge, so wie größere und kleinere Höhlen ent- 
standen, die den Olmen als Schlupfwinkel dienen konnten. Dann waren mehrere 
Arten von Wasserpflanzen für den Fall hineingebracht worden, dass das Weibchen 
es vorziehen sollte seine Eier an diesen, statt an den Steinen der Grotte abzulagern. 
Der Inhalt des Aquariums betrug circa 1/; cbm. Die Erneuerung des Wassers ge- 
schah jetzt nicht mehr wie früber durch Ausfüllen, sondern, um jede Störung 
möglichst zu vermeiden, durch Ab- und Zufließenlassen durch ein Wasserrohr von 
48 mm innern Durchmessers, je eine Stunde täglich. 


Die Art der Fortpflanzung des Proteus anguineus. 675 


des Ruderschwanzes war dieselbe, aber die Verdickung der Kloaken- 
gegend diesmal eine noch ausgesprochenere. Die Paarungslust des Männ- 
chens erweckte beim Weibchen in kurzer Zeit den gleichen Trieb: es 
legte ebenfalls das Hochzeitskleid an, und bald trat eine fortschreitende 
Entwicklung der Eier in den Eierstöcken ein. 

Die Eier waren jetzt noch deutlicher wie früher wahrzunehmen und 
nahmen an Zahl und Größe augenscheinlich zu. Die Thiere hielten sich 
in der Regel gemeinschaftlich in einer kleinen Höhlung ! ihrer Grotte auf 
und schienen ein gewisses Interesse für einander gewonnen zu haben, 
von welchem ich früher nie etwas bemerkt hatte. 

Am Abend des 1. März zeigte das Weibchen ein ganz ungewöhn- 
liches Benehmen, es war offenbar sehr erregt, lief unruhig herum und 
und suchte das Männchen. Sobald es dasselbe gefunden hatte rieb es 
seine Schnauze an dessen Körper und bewegte den Schwanz lebhaft da- 
bei hin und her. Das Männchen erwiederte aber diese Liebkosungen 
keineswegs, suchte im Gegentheil denselben auszuweichen. 

Erst nach längerer Zeit ließ es sich herbei dem Weibchen Stand zu 
halten und schließlich trat auch bei ihm eine Erregung ein, und nun 
machte es die nämlichen Bewegungen mit dem Schwanze und rieb das 
Weibchen ebenfalls mit seiner Schnauze. Dieses Liebesspiel wurde zum 
größten Theil in den vorderen Partien der Grotte ausgeführt und erst 
nachdem sich die Proteen geeinigt hatten, entzogen sie sich der weiteren 
Beobachtung durch Zurückziehen in eine verborgene Höhle. 

Ob eine Befruchtung stattgefunden hat, wage ich nicht zu entschei- 
den, glaube aber es annehmen zu dürfen, weil am anderen Tage bei 
beiden Proteen eine Veränderung der Geschlechistheile eingetreten war, 
welche dies vermuthen ließ: die Kloake des Weibchens hatte nämlich 
eine kegelförmige Gestalt angenommen (siehe Fig. 2) und die Spalte 
erschien etwas geöffnet. Beim Männchen waren die stark aufgewulste- 
ten Kloakenlippen an der Seite geröthet (siehe Fig. 4), eine Färbung, 
die bisher an dem Thiere noch nicht beobachtet worden war. 

Die Olme waren in Folge ihrer langen Gefangenschaft allmählich 
sehr zahm geworden: so wurde das Weibchen z. B. täglich in die Hand 


1 Einen ausgesprochenen Ortssinn hatte das Weibchen während der Laich- 
periode entwickelt: es hatte sich schon vor Beginn des Legens eine bestimmte 
Höhlung zum Aufenthalt gewählt; wurde es nun gezwungen dieselbe beim Ent- 
fernen der Eier zu verlassen, so gerieth es in eine große Unruhe und gab sich nicht 
eher zufrieden, bis alle Steine etc. wieder ganz genau so gelegt worden waren wie 
früher. Das kleinste Versehen wurde von dem Thiere bemerkt und es hielt, unge- 


achtet der darauf gerichteten besonderen Sorgfalt, schwer, es in dieser Hinsicht zu 
befriedigen, 


15* 


676 Marie von Chauvin, 


genommen und auf der Bauchseite betrachtet, um die Entwicklung der 
Eier verfolgen zu können, ohne dass das Thier bis jetzt die geringste 
Notiz davon nahm, sofern die Besichtigung mit der nöthigen Vorsicht 
geschah. Nun änderte sich dies ganz plötzlich: es scheute vor jeder 
Berührung oder einfallendem Lichte und hielt sich fast beständig in der 
Höhle verborgen. Auch am Männchen wurde ein verändertes Wesen, 
nach dieser Richtung hin, wahrgenommen, wenn schon nicht in dem 
Maße wie beim Weibchen. 

In der Nacht vom 16. zum 17. April legte das Weibchen das erste 
Ei; es hatte dasselbe an die Decke seiner Höhle angeklebt. In der dar- 
auf folgenden Nacht gelang es mir, unbemerkt von dem Olm, den Vor- 
gang des Legens zu beobachten. 

Das Weibchen kroch langsam, mit nach unten gekehrtem Rücken, 
an der Decke der Grotte herum und machte mit dem Schwanze wedelnde 
Bewegungen, während es die Kloake gegen die Steine andrückte. Nach- 
dem dies einige Zeit gedauert hatte, heftete es ein Ei in eine kleine 
Vertiefung des Tropfsteins und wiederholte hierauf die beschriebenen 
Bewegungen mit dem Schwanze und der Kloake, bis es an einer anderen 
Stelle abermals einen passenden Platz für ein zweites Ei gefunden hatte 
und dies anklebte. 

Die Eier wurden alle, ohne Ausnahme, einzeln angeheftet und 
zwar so, dass die unteren Seiten frei waren. Das Legen geschah nur 
während der Nachtzeit?, meistens erst nach 40 Uhr. 

Leider verletzte sich das Weibchen die Kloakenränder an den 
scharfen Steinen und hörte, in Folge einer dadurch herbeigeführten Ent- 
zündung, schon nach dem zwölften Ei mit Laichen auf. Gleich nach 
dem Legen des ersten Eies war die Kloakengegend bedeutend ange- 
schwollen, nun glich sie sowohl an Gestalt wie an Größe sehr derjenigen 
eines brünstigen Männchens (siehe Fig. 3) und während des Laichens 
erhielt sie sich unverändert in dieser Gestalt. Nach dem Laichen nahm 
sie wieder ganz allmählich ihre ursprüngliche Form an. 

Die gegenseitige Theilnahme der beiden Proteen, welche sich im Laufe 
der Brunstzeit eingestellt hatte, war, so weit meine Beobachtungen reichten 
beim Beginn des Laichens wieder erloschen. Das Männchen kümmerte 


1 Hierdurch wird es erklärlich, warum man Proteen im paarungslustigen Zu- 
stande nicht findet, obgleich alljährlich viele Hunderte zu wissenschaftlichen und 
anderen Zwecken gefangen werden. 

2 So weit meine Erfahrungen reichen, unterscheidet sich der Olm hierdurch 
von den anderen mir bekannten Urodelen; wenigstens legten bei mir Axolotl, so 
wie verschiedene Tritonen und die lebendig gebärenden Salamandra atra und macu- 
lata bezüglich ihre Eier und Jungen häufig am Tage ab. 


Die Art der Fortpflanzung des Proteus anguineus. 677 


sich, dem Anscheine nach, gar nicht mehr um sein Weibchen; es saß 
fast beständig oben auf der Grotte, während das Weibchen sich immer 
im Innern der Höhle aufhielt. Eine eigenthümliche Veränderlichkeit der 
Färbung der Kiemenbüschel bei dem Weibchen, während des Laichens, 
glaube ich hier noch erwähnen zu sollen. Dieselbe ist bekanntlich bei 
den Proteen eine außerordentlich wechselnde und schon oft beobachtete 
Thatsache, und nach meinen Erfahrungen können hierbei die verschie- 
densien äußeren und inneren Einflüsse thätig sein. Ich werde weiter 
unten auf diesen Gegenstand zurückkommen. 

Es war mir nun auffällig, dass die Kiemen des Weibchens während 
der Laichzeit ihre Farbe ganz unabhängig von den früher beobachteien 
Einwirkungen veränderten. Die bei diesen Individuen in der Regel 
frisch rothen Kiemenbüschel verblichen meist schon 12 Stunden vor 
dem Legen fast vollständig und gewannen ihre lebhafte Farbe erst nach 
Ablage der Eier im Laufe von einigen Stunden wieder. Ferner wurde 
auch ein ungewöhnliches Verblassen der Kiemen von jetzt ab bloß 
durch die geringste Erschütterung des Aquariums oder andere Störungen 
der Thiere herbeigeführt. Ob man es hier mit einer naturgemäßen Er- 
scheinung zu thun hat, oder ob ein krankhafter Zustand das bewirkte. 
habe ich nicht ermitteln können. Die Vermuthung, dass das letztere 
der Fall gewesen, liegt nahe, weil das Weibchen die Eier beim Legen 
alle mehr oder weniger verletzte; ein Umstand, der um so bedauerlicher 
war, als auf diese Weise die Embryonalentwicklung nur bis zum achten 
Tage vorschreiten konnte, indem das allmählich in das Ei eingedrungene 
Wasser dieselbe zum Stillstand brachte. 

Es ließ sich aber dessenungeachtet, durch die ausgesprochene Ent- 
wicklung der Embryonen in den Eiern, ihre Befruchtung mit Sicherheit 
feststellen. 

Über die Art der Befruchtung konnte ich keine Beobachtung 
machen, da die Proteen, wie bereits erwähnt wurde, sich während der 
ganzen Laichzeit sehr scheu verhielten und immer die verborgensten 
Schlupfwinkel aufsuchten. Dass eine innere Befruchtung der Eier vor 
sich gegangen war glaube ich aber nach Folgendem als erwiesen be- 
trachten zu dürfen: Das Weibchen hatte sich an der Kloake verletzt, 
ich brachte es aus diesem Grunde in ein kleines nur mit Wasserpflanzen 
versehenes Glas, um so jede Veranlassung zum weiteren Reiz der Epi- 
dermis fern zu halten. Es legte hier, ohne Beisein des Männchens, noch 
zwei Eier, die sich ebenfalls als entwicklungsfähig zeigten. Ich muss 
noch anführen, dass das Wasser zum Füllen des eben genannten Glases 
nicht aus dem Aquarium genommen wurde, also eine Überführung von 
Sperma ausgeschlossen war. 


678 ‘Marie von Chauvin, 


Nach den eben beschriebenen Vorgängen dürfte nicht länger ein 
Zweifel darüber bestehen, dass der Proteus zu ’den eierlegenden Kiemen- 
lurchen gehört. Die unverkennbare Sorge des Weibchens für seine 
Brut, welche sich dadurch verrieth, dass es die Eier an verborgenen 
und geschützten Stellen ablegte, spricht deutlich dafür, dass diese Art 
der Fortpflanzung die naturgemäße ist; auch die begonnene Embryonal- 
entwicklung in den Eiern wies darauf hin, dass dieselben vor dem 
Legen ihre völlige Reife erlangt hatten und die Entwicklung im natür- 
lichen Verlauf im Wasser vor sich gehen musste. 

Die von dem Proteusweibchen gelegten Eier hatten einen Durch- 
messer von 44 mm. Der gleichmäßig gelblichweiß gefärbte Dotter war 
k mm groß und wurde von einer ziemlich festen krystallhellen 6 mm 
messenden Hülle umgeben, welche ihrerseits wieder von einer ebenfalls 
farblosen Gallertschicht eingeschlossen war (siehe Fig. 5 a)!. In einem 
Ei befanden sich eigenthümlicherweise zwei Dotter in der 6 mm großen 
Kapsel dicht neben einander und hatten dieselben in Folge des be- 
schränkten Raumes eine etwas abgeplattete Gestalt (siehe Fig. 5 b). 

Zunächst fallen die Proteuseier durch ihre unverhältnismäßige 
Größe auf; ferner ist der Dotter nicht wie andere Amphibieneier pig- 
mentirt, sondern, der Haut des Proteus entsprechend, ebenfalls pigment- 
los. Eine weitere Abweichung besteht in der größeren Konsistenz der 
äußeren Gallertschicht. Die mit schützender Gallerte versehenen Eier 
des Axolotl, sowohl wie die der Kröten und Frösche bewahren nur für 
wenige Tage ihre ursprüngliche Form. Die Gallerte wird nach und nach 
immer loser und breitet sich erheblich aus. Bei den Proteuseiern war 
dies nicht der Fall: sie behielten bis zuletzt ihre anfängliche Größe und 
Festigkeit. 

Bemerkenswerth erscheint noch, dass die Proteen ihre Eier 
einzeln absetzten, während die anderen Lurche ihren Laich, sobald er 
eine schützende Gallertschicht besitzt, schnur- oder klumpenförmig ab- 
geben. 

Am 14. September 1882 bemerkte ich an einem seit 4877 in 
meinem Besitze befindlichen Proteus (262 mm lang), dass die Kloaken- 


1 Ich kann an dieser Stelle bestätigen, dass das von F. E. SCHULZE untersuchte 
und beschriebene Amphibienei (siehe diese Zeitschrift: Zur Fortpflanzungsge- 
schichte des Proteus anguineus. XXVI. Bd. 3. Heft. 1876), welches nach Aussage 
des Grottenführers BrELsnık von einem Proteus stammen sollte, in der That 
ein Proteenei war. SCHULZE giebt den Durchmesser des in Weingeist konservirten 
Eies mit 5 mm an. Diese bedeutende Differenz in der Größe erklärt sich durch 
die vom Alkohol bewirkte Schrumpfung. In allen übrigen Punkten stimmen die 
Angaben über die Struktur der einzelnen Schichten mit meinen Beobachtungen voll- 
kommen überein. | 


Die Art der Fortpflanzung des Proteus anguineus, 679 


gegend etwas angeschwollen war; ich glaubte, in Anbetracht der Über- 
einstimmung im äußeren Habitus dieses Exemplars mit dem des weib- 
lichen Proteus, der im April 1882 Eier gelegt hatte, ein Weibchen in 
ihm vermuthen zu müssen. Nach sorgfältiger Untersuchung zeigte sich 
wirklich eine bedeutende Anzahl Eier verschiedener Größe in jedem 
Ovarium entwickelt. 


Ende Oktober 1882 wurde ein weiteres Individuum (255 mm lang), 
nach vierjähriger Gefangenschaft, paarungslustig: es traten dieselben 
Erscheinungen bei ihm auf, die ich schon früher beim Beginn der 
Brünstiskeit des anderen Männchens beobachtet hatte. Nur die Haut- 
farbe zeigte in so fern eine Abweichung, als die zwei Reihen heller 
Flecken auf dem Schwanze weniger deutlich und regelmäßig waren. 


Einigermaßen befremdend muss es erscheinen, dass der Fort- 
pflanzungstrieb bei den Olmen erst nach vier- bis fünfjähriger Ge- 
fangenschaft zur Geltung kam, und ungeachtet aller Pflege und sicht- 
lichem Wohlbefinden der Thiere in den ersten Jahren derselbe nur ein 
vorübergehender und leider resultatloser geblieben war. 


Die Erklärung hierfür glaube ich in den besonders schwer zu er- 
zielenden Lebensbedingungen der Proteen suchen zu müssen. 


In den unterirdischen Gewässern des Karst sind diese Kiemen- 
lurche daran gewöhnt eine gleichmäßige Temperatur das ganze Jahr 
hindurch zu haben, und sowohl vor dem Tageslicht wie vor Erschütte- 
rungen einen absoluten Schutz zu finden. 


Der sorgsamsten Pflege und Behandlung und minutiösesten Ein- 
‚richtungen, hinsichtlich der Unterbringung dieser Kiemenlurche, kann 
es nie gelingen auch nur annähernd das zu erreichen, was für die 
Thiere fast ausschließliche Lebensbedingung im Laufe von Jahrtausen- 
den geworden ist. 


Ich glaube im Interesse mancher Fachgenossen zu handeln, wenn 
ich über meine Erfahrungen, bezüglich der Behandlungsweise des Olms 
in der Gefangenschaft, an dieser Stelle eingehende Mittheilungen mache. 

Eine der Hauptbedingungen zum Wohlbefinden der Proteen besteht 
darin, die Temperatur des Wassers so zu regeln, dass Winter und 
Sommer eine gleichmäßige Wärme von 7—9 Grad Reaumur im Aqua- 
rium erhalten wird. Sinkt dieselbe unter 7 Grad, so befinden sich die 
Olme zwar anscheinend ganz wohl, nehmen aher weniger Nahrung, wie 
sie bedürfen, zu sich. 

Vorübergehend würde das nur von geringem Nachtheil für ihre 
Gesundheit sein; bei längerer Dauer stellt sich aber, als Folge der un- 
genügenden Ernährung, eine Abmagerung ein, die selbstverständlich 


680 | Marie von Chauvin, 


bei Proteen, die zur Fortpflanzung verwendet werden sollen, vermieden 
werden muss. 

Viel nachtheiliger wirkt einezuhohe Temperatur. Schon beil0 GradR. 
habe ich öfters ein Ermatien der Olme bemerkt, welches sich dadurch 
kennzeichnete, dass die Proteen, abgesehen von dem Mangel an Fress- 
lust, wenn sie aus dem Wasser genommen wurden, schlaff über der 
Hand hingen und sich weich ! anfühlten, auch weniger Energie in ihren 
Bewegungen verriethen wie sonst. 

Im Winter lässt sich die erforderliche Wärme leicht durch Heizung 
des Raumes erzielen, in welchem die Behälter der Thiere stehen; ganz 
anders aber zur warmen Jahreszeit. Es ist dann oft mit den größten 
Schwierigkeiten verknüpft eine niedrige Temperatur festzuhalten. Ich 
hatte es eine Zeit lang mit beständig fließendem Wasser versucht, in der 
Hoffnung dadurch eine gleichmäßige Abkühlung zu erreichen, sah aber 
bald, an der Abnahme der Fresslust der Thiere, dass ihnen der unaus- 
gesetzte Wechsel des Wassers Unbehagen erregte. Ich beschränkte mich 
desshalb darauf das Wasser nur Morgens und Abends zu erneuern und 
das Aquarium von außen gegen die warme Luft noch durch eine Wasser- 
schicht zu schützen, indem ich es in ein größeres Gefäß setzte und 
darin das Wasser der Brunnenleitung beständig zu- und abfließen ließ. 
So lange die Wärme des Brunnenwassers die mittlere Temperatur nicht 
wesentlich überstieg, gelang die Abkühlung einigermaßen, weil die zu- 
nehmende Wärme der Luft verstärkte Niederschläge an die äußere 
Wand des Gefäßes verursachte, und die Verdunstung der äußeren 
Wasserschicht viel Wärme entzog. Allmählich steigerte sich die Luft- 
wärme und hiermit auch die des Wassers im Aquarium, so dass es 
endlich 10—12 Grad R. erlangte; aber auch jetzt noch kamen keine 
Anzeichen von Unwohlsein bei den Proteen zum Vorschein, sie hatten 
sich der ganz allmählichen Zunahme der Wärme anbequemi. 

Sobald aber der Paarungstrieb erwachte, wurden sie in dieser Hin- 
sicht wieder sehr empfindlich und ich war gezwungen die brünstigen 
Thiere in den Keller zu bringen. 

Leider genügte auch dieses Mittel nicht für längere Zeit, da das 
Wasser der Brunnenleitung nach und nach eine Wärme von 12—13 
Grad R. bei einer Luftwärme im Keller von 15 Grad R. erreichte, und 
der Fortpflanzung der Olme vor der Zeit ein Ziel setzte! 

Das zweite Erfordernis zu einem ungestörten Wohlbefinden der 


! Ich halte das Schlaffsein der Olme für ein unfehlbares Merkmal eines krank- 
haften Zustandes. In Folge vielseitiger Erfahrungen bin ich im Stande den Gesund- 
heitszustand eines Proteus lediglich aus der größeren oder geringeren Härte des 
Körpers zu bemessen. 


Die Art der Fortpflanzung des Proteus anguineus, 681 


Proteen besteht in völliger Abgeschlossenheit ihres Behälters gegen das 
Licht, weil es höchst beunruhigend auf sie wirkt und dadurch verhin- 
dert, dass die Thiere sich in der neuen Umgebung einleben und hei- 
misch fühlen. 

Obgleich es mit keiner besonderen Schwierigkeit verknüpft ist sie 
vor dem Lichte zu schützen, so wird auf der anderen Seite die Beob- 
achtung und Pflege dieser Lurche dadurch ungemein erschwert, weil 
alle Hantierungen, wie Wechseln des Wassers und die Fütterung etc. 
möglichst rasch geschehen müssen und kaum Zeit zur Beobachtung der 
Proteen, und unbemerkt von ihnen, übrig bleibt. 

Wie empfindlich sie gegen die Einwirkung des Lichtes sind zeigte 
sich am deutlichsten dadurch, dass der geringste helle Schein, der in 
das Aquarium drang, die Thiere in Aufregung versetzte und sie veran- 
lasste sich augenblicklich hinter einen schützenden Stein zu verbergen. 

Als äußerst glücklichen Zufall muss ich es ansehen — obgleich die 
Beobachtungen nur lückenhaft genannt werden können — dass es mir, 
unter so intrikaten Verhältnissen, dennoch gelang das Verhalten der 
Thiere während der Brunstzeit, das Benehmen des Weibchens beim 
Laichen und Anheften der Eier, und die mancherlei körperlichen Ver- 
änderungen der Proteen im Verlaufe der Paarungszeit, so weit zu kon- 
statiren, da mir nur vereinzelte Blicke, bei karger Kerzenbeleuchtung, 
vergönnt waren. Es musste allerdings das geistige Auge, geschärft 
durch jahrelange Beobachtungen der Thiere in ihrem Gebahren und 
ihrer körperlichen Beschaffenheit, in ihrer Ernährung und Entwick- 
lung etc., dem körperlichen Auge zu Hilfe kommen, um diese Geistes- 
arbeit vollführen zu können. 

Auf eine überraschende Fähigkeit der Olme möchte ich hier 
aufmerksam machen. Dieselben bekunden beim Aufsuchen ihrer 
Schlupfwinkel eine so auffällige Sicherheit im Finden der vorhandenen 
Gänge und im Vermeiden der Hindernisse, dass es für ein Thier, dem 
das Augenlicht fehlt, fast unglaublich zu nennen ist. Die einzige Er- 
klärung hierfür scheint mir das überaus feine Gefühlsvermögen der 
Epidermis zu sein. 

Ich habe wenigstens oft beobachtet, dass ein kleiner Wurm, wel- 
cher in das Wasser geworfen wurde, von den hungerigen Thieren auf 
größere Entfernung, in Folge seiner Bewegungen, bemerkt worden, und 
die Olme im Stande waren ihn mit Sicherheit aufzufinden. 

Ein weiterer Einfluss des Lichtes auf die Proteen ist bekanntlich 
die Veränderung ihrer Hautfarbe. Trotzdem ich, aus obigen Gründen, 
bestrebt gewesen bin diese den Thieren ungewohnte und ihnen so 
nachtheilige Einwirkung fern zu halten, waren sie bei der täglichen 


682 Marie von Chauvin, 


Erneuerung des Wassers dem Lichte ausgesetzt, was sich in ein bis 
zwei Jahren bei allen Exemplaren mehr oder weniger durch Färbung 
der Haut geltend machte. | 

Bei Einigen wurde die anfänglich helle Fleischfarbe in ein lichtes 
Grau verwandelt, bei Anderen traten nur einzelne dunkle Stellen her- 
vor, während diese im Ganzen genommen ihre ursprüngliche Farbe bei- 
behielt. Eine weitere, die Pflege der Olme erschwerende Eigenschaft 
besteht in der großen Empfindlichkeit der Thiere für Erschütterungen ; 
' anfänglich war dieselbe so stark ausgesprochen, dass jeder Tritt in der 
Nähe ihres Aquariums sie erschreckte. Erst nach mehrjähriger Ge- 
fangenschaft hatten sie diese Scheu abgelegt. Beim Eintritt der Brunst- 
zeit kam sie aber wieder plötzlich und in verstärktem Maße zum Vor- 
schein : selbst unbedeutende Erschütterungen, wie das Vorüberfahren 
eines Wagens auf der an dem Hause vorüberführenden Straße, konnte 
die Thiere in die größte Aufregung versetzen, und man war, um ihnen 
die nöthige Ungestörtheit zu erhalten, gezwungen im Zimmer leise auf- 
zutreten. 

Die Beschaffenheit des Wassers ist selbstredend von großer Bedeu- 
tung für das Wohlbefinden der Thiere. In den unterirdischen Gewässern 
des Karst ist dasselbe sehr klar und rein und scheint dies auch für die 
Gesundheit der Proteen unbedingt erforderlich zu sein, da sie in trübem 
Wasser sehr bald ermatten. Es ist desshalb zu empfehlen die Behälter 
nicht nur sehr rein zu halten, sondern das Wasser täglich zu erneuern. 
Außerdem übt die Quantität des im Wasser enthaltenen Sauerstoffes 
einen erheblichen Einfluss auf ihr Befinden aus. 

Abgestandenes oder luftarmes Wasser zwingt die Thiere nämlich 
zum häufigen Luftschöpfen an der Oberfläche und versetzt sie hierdurch 
in eine, ihrer apathischen Natur widerstrebende Unruhe. Ist aber ein 
zu großer Luftgehalt in demselben, so überfüllen sich die Kiemen- 
büschel, zumal bei hoher Temperatur des Wassers, sehr leicht mit Blut 
und das verursacht mitunter ein Springen der Blutgefäße, das, abge- 
sehen von dem schwächenden Blutverluste, ein Absterben der verletzten 
Theile veranlasst, was zu tödlichen Pilzwucherungen führen kann. In 
einem solchen Falle habe ich das Wasser durch eine Sandschicht geleitet, 
um es von einem Theil der Luft zu befreien. 

Einen ganz besonderen Werth hatte ich, auf Grund vielfältiger an 
anderen Amphibien gemachten Erfahrungen, auf die Fütterung der 
Proteen gelegt, da, nach meiner festen Überzeugung, eine Fortpflanzung 
dieser Thiere in der Gefangenschaft nur dann stattfinden kann, wenn 
es gelingt sie in einem eben so guten Ernährungszustande zu erhalten, 
wie sie ihn in der Freiheit ohne Zweifel besitzen werden. 


Die Art der Fortpflanzung des Proteus anguineus. 683 


Dass dieses, gerade bei diesen Thieren, mit besonderen Schwierig- 
keiten verbunden sein würde, musste ich erwarten, da es bekanntlich 
nur in sehr vereinzelten Fällen bis jetzt gelungen war, ihnen Nahrung 
beizubringen. 

Dieser Umstand allein genügt, wie ich glaube, die auffällige Un- 
fruchtbarkeit der gefangen gehaltenen Proteen hinlänglich zu erklären, 
um so mehr, als wir gesehen haben, dass eine Reihe von Jahren er- 
forderlich ist, bis die Thiere die Einwirkung der veränderten Lebens- 
weise überwunden haben. | 

Die frischgefangenen Olme machten auch in der That anfänglich 
viel Mühe bis sie sich an die neue Nahrung gewöhnt hatten, und erst 
nach wochenlangen Experimenten waren sie so weit, dass sie sich selbst 
täglich Nahrung suchten. 

Von den ihnen zur Auswahl gebotenen Thieren, die Larven von 
verschiedenen Wasserinsekten, Fröschen, Salamandern, Regen- und 
Fadenwürmern, zogen sie die Regenwürmer und Froschlarven den übri- 
gen vor, und behielten auch später diese Gewohnheit bei. Das sichtliche 
Gedeihen der Proteen war mir ein Beweis dafür, dass die Nahrung eine 
passende und genügende sei. 

Einen einigermaßen sicheren Anhalt für das Befinden der Proteen 
bietet das Aussehen ihrer Kiemenbüschel, in so fern sie sich je nach 
dem Gesundheitszustande des Individuums, der Temperatur oder dem 
Luftgehalte des Wassers, verändern !. 

Im normalen Zustande sind nämlich die Kiemen, vorübergehende 
Schwankungen abgerechnet, von lebhaft rother Farbe, bei zu hoher 
Temperatur des Wassers nehmen sie erheblich an Größe zu und erhal- 
ten eine dunklere und bläuliche Färbung; dasselbe tritt bei zu großem 
Luftgehalt des Wassers ein. In kaltem oder luftarmen Wasser schrumpfen 
die Kiemen zusammen und verbleichen etwas; durch Schreck oder 
Schmerz wird in der Regel ein plötzliches und fast vollständiges Ver- 
blassen bewirkt. Schlecht ernährte Individuen haben stets kleine und 
hell gefärbte Kiemen, die sich selbst bei hoher Temperatur und luft- 
reichem Wasser nur mäßig mit Blut füllen. Befinden sich irgend welche 
schädliche Stoffe im Wasser, wie verdorbene Futterreste, oder alter, 
faulender Kitt der Aquarien, so tritt von Zeit zu Zeit ein gänzliches Ent- 
färben der Kiemen ein. Es empfinden die Thiere in einem solchen Falle 
offenbar Schmerzen, da sie die Kiemenbüschel mit den Vorderbeinen fest 
an denKopf drücken und längere Zeit regungslos in dieser Lage verharren. 


! Offenbar ist dies ein Vorzug an den Proteen, gegenüber dem anderer Lurche, 
deren Kranksein sich in keiner leicht erkennbaren Weise dokumentirt und erst 
wahrgenommen wird, wenn Hilfe oft nicht mehr möglich ist. 


684 Marie von Chauvin, 


Bis zu einem gewissen Grade ist übrigens die Färbung, Größe und 
Veränderlichkeit der Kieme individuell bei den Proteen. Da man aber, 
bei einiger Aufmerksamkeit, sehr bald die Eigenschaften und Eigen- 
thümlichkeiten der verschiedenen Thiere kennen lernt, so ist dies, be- 
hufs Beurtheilung des Gesundheitszustandes, nicht hinderlich. 

Zum Schlusse möchte ich noch einige Bemerkungen über die Ver- 
schiedenheit des Habitus der beiden Geschlechter der Olme hinzufügen. 

Ich theilte anfänglich, wie bereits gesagt, die allgemeine Ansicht, 
dass ein Geschlechtsunterschied wahrscheinlich nur während der Brunst- 
zeit zu ermitteln sein würde. Erst nachdem abermals zwei Proteen 
paarungslustig geworden waren, fiel mir auf, dass eine unverkennbare 
Übereinstimmung sowohl in der Färbung, wie in der Bildung des 
Schwanzes und des Afters zwischen den beiden Weibchen einerseits 
und zwischen den beiden Männchen andererseits herrschte. 

Bei den Weibchen sind die Schwänze erheblich schmäler und etwas 
dicker als bei den Männchen; außerdem ist auch die Kloakenspalte bei 
ihnen kürzer. Ich hatte dieses bereits bei dem im Frühjahr 1879 brün- 
stig gewordenen Weibchen bemerkt, glaubte aber, da das Thier ein 
besonders kleines Exemplar war, dass der Grund zu dieser Abweichung 
vielleicht in einer weniger kräftigen Entwicklung liegen könnte. Nach- 
dem aber das zweite Weibchen, welches ein ungewöhnlich schönes und 
starkes Individuum ist, und sogar die beiden Männchen an Körperlänge 
übertrifft, dieselbe Gestaltung der Kloake und des Schwanzes zeigte, 
musste ich mir sagen, dass dies eine dem Weibchen zukommende Eigen- 
thümlichkeit sein dürfte. 

In der Färbung ist die Abweichung zwischen den beiden Geschlech- 
tern noch größer, da die Weibchen ihre ursprüngliche Fleischfarbe 
beibehalten und die Männchen sich mit der Zeit dunkel gefärbt haiten. 
Es ist 'allerdings nicht ausgeschlossen, dass dieser Unterschied in der 
Farbe lediglich auf einem Zufall beruht, und dass man somit diesem 
Umstande keinen Werth beizulegen hat; da aber ein drittes männliches 
Individuum, welches ich besitze, ebenfalls die dunkle Farbe und die 
Flecken auf dem Schwanze mit der Zeit erhalten hat, so scheint es mir 
wahrscheinlicher, dass dem Männchen eine größere Neigung zur An- 
nahme einer intensiveren Hautfarbe eigen ist. So unwesentlich auch 
diese Anhaltspunkte für die Feststellung des Geschlechtes bei den Olmen 
sein mögen, so halte ich sie für ein geübtes Auge ausreichend, um die 
männlichen von den weiblichen Individuen mit Sicherheit zu unter- 
scheiden. Beachtenswerth ist wohl noch die Thatsache, dass bei den 
Männchen gewissermaßen eine Schmuckfarbe in der Paarungszeit auf- 
getreten war, während, aller Wahrscheinlichkeit nach, diese Kiemen- 


Die Art der Fortpflanzung des Proteus anguinens. 685 


lurche in ihren heimischen Gewässern keinen Farbenwechsel zur Brunst- 
zeit erleiden werden. Wenigstens wäre es unbegreiflich, wenn bei 
Thieren, die ausschließlich in unterirdischen Gewässern leben und des 
Augenlichtes selbst entbehren, eine Schmuckfarbe auftreten sollte, die 
für dieselben keinen Zweck haben kann. 

Um so überraschender war es für mich zu sehen, dass die dunkle 
Färbung der Proteenmännchen, welche sie lediglich in Folge der Ein- 
wirkung des Lichtes angenommen hatten, sich während des Paarungs- 
triebes noch verstärkte, und zwar unverkennbar aus inneren Ursachen, 
da mit Erlöschen der Paarungslust auch die Steigerung der Farbe wie- 
der verschwand. 

Sollte man nicht hierin einen Grund zu der Annahme finden, dass 
die Proteen früher in oberirdischen Gewässern gelebt, gut entwickelte 
Augen und eine dunkel-pigmentirte Haut besessen haben ? 


Freiburg i/B., im April 1883. 


Erklärung der Abbildungen. 


Tafel XXX VII. 


Alle Figuren sind in natürlicher Größe wiedergegeben. 


Fig. 4. Leibesstück und Schwanz eines männlichen Proteus anguineus, vor dem 
Anlegen des Hochzeitskleides. 

Fig. 2. Leibesstück und Schwanz eines brünstigen Proteusweibcehens. Gestalt 
und Farbe der Kloake kurz vor und nach der Befruchtung. 

Fig. 3. Leibesstück und Schwanz eines brünstigen Proteusweibchens. Charak- 
teristische Gestalt und Farbe der Kloake während der Ablagerung der Eier. 

Fig. 4. Leibesstück und Schwanz eines männlichen Proteus im Hochzeitskleide. 

Fig. 5. Zwei Eier des Proteus anguineus, 42 Stunden nachdem sie gelegt waren. 


Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. 


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