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Full text of "Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie"

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Zeitschrift 


WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE 


begründet 


Gar! Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker 


herausgegeben von 


Albert v. Kölliker und Ernst Ehlers 


Professor a.d. Universität zu Würzburg Professor a. d. Universität zu Göttingen. 


Dechsundsechzigster Band 


Mit 40 Tafeln und 35 zum Theile zweifarbigen Figuren im Text. 


LEIPZIG 
Verlag von Wilhelm Engelmann 
1893 


EEE 


Inhalt des sechsundsechzigsten Bandes. 


Erstes Heft. 
Ausgegeben den 6. Juni 1899. 
Beiträge zur Histologie der männlichen Geschlechtsorgane von Hirudo und 


Aulastomum, nebst einigen Bemerkungen zur Epithelfrage bei den 
EEirayürmermn.,, Von: A. Schuberg. (Mit Taf. La. ..-.. ..- 


The Anatomy of the Female Genital Tract of the Pupipara as observed in 
Melophagus ovinus. By H. 8. unit (With Plates II—III and 
. Een SSH ee ee ER EN 5 SEE EEE 

Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Wirbelsäule bei Reptilien. Von 
H. Männer. (Mit Taf. IV—-VIL)..... My seir ee 

Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion und Resorption in der 
Darmschleimhaut. Von W. Möller. (Mit Taf. VIII und IX... . 


Über eigenthümliche epitheliale Gebilde (Leuchtorgane) bei Spinax niger. 
Von L. Johann. (Mit Taf. RX und 1 Bieim ext), 2... 


Zweites Heft. 
Ausgegeben den 21. Juli 1899. 


Untersuchungen über das Verhalten der Nucleolen bei der Eibildung einiger 
Mollusken und Arachnoiden. Von P. Obst. (Mit Taf. XII-XIII 
m. 3 eds Mesa) re ea N 14, 


Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen, insbesondere ihrer Verbindung. 
Dee Sehatrer (Mit Taf. XIV und XV). 2... ..... 


Über zwei Zoantheen. Von A. R. v. Heider. (Mit Taf. XVI und XVIL) 


Beiträge zur Morphologie des Stachelapparates der Hymenopteren. Von 
Beanler. (Mit Tag. XVII und XIX) 27... 02... 


Drittes Heft. 
Ausgegeben den 22. September 1899. 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Oligochäten. Von R. W. Hoff- 
ann. (Mit Tatel XX—XXI und 5 Fig. im Text.)........ 
Zur Frage über den Bau der Herbst’schen Körperchen und die Methylen- 
blaufixirung nach Bethe.e Von A. 8. Dogiel. (Mit Taf. XXII 


Seite 


161 


214 
269 


289 


IV 


Über den feineren Bau einiger Cuticulae und der Spongienfasern. Von 

B. Sukatschoff. (Mit Taf. XXIV—XXVI und 1 Fig. im Text.) . 

Über die Entwicklung des knöchernen Rückenschildes (Carapax) der Schild- 

kröten. Von A. Goette. (Mit Taf. XXVII—XXIX und 3 Fig. 

| im Mexb)..... 0.0 Eee 

“Nochmals über die Entwicklung der Segmentalorgane. Von R. 8. Bergh. 
(Mit Tat: RR... Wear ae nr Le 

Zur Kenntnis der Darmentwicklung bei Lepidopteren. Von E. rg ze 

(META RR IIRUIND 


Viertes Heft. 
Ausgegeben am 20. Oktober 1899. 


Über Phagocytose und Fxkretion bei den Anneliden. Von G. Schneider. 
(Mit TAXI) NN a Fe 


Über die Temperatur der Insekten nach Beobachtungen in Bulgarien. Von 
P: Bachmetjew. (Mit, 5 ERig. im ext) nr 
Aus dem Gebiete der Regeneration. Von E. Schultz. (Mit Taf. XXXVI 
und AXXVIl.)..... „u... Den 2 
Zur Embryologie von Salpa maxima africana. Von A. Korotneff. (Mit 
Taf. XXXVIH— XL) 2 2202 20205 8 


Über die kleinen Rindenzellen des Kleinhirns. Von B. Eide. (Mit 14 Fig. 
im. Lex.) le eener ee a 


Pe I 


Beiträge zur Histologie der männlichen Geschlechts- 
organe von Hirudo und Aulastomum, nebst einigen Be- 
merkungen zur Epithelfrage bei den Plattwürmern. 


‚von 


Prof. A. Schuberg 


(Heidelberg). 


Mit Tafel I. 


Die meisten Organsysteme der Hirudineen sind in neuerer Zeit 
eingehenderer histologischer Untersuchung unterzogen worden; ins- 
besondere haben die eigenthümlichen und verwickelten Verhältnisse 
des Exkretionsapparates eine ziemlich ausgiebige, wenn auch nicht 
abschließende Bearbeitung erfahren. Den Geschlechtsorganen 
dagegen wurde verhältnismäßig wenig Aufmerksamkeit gewidmet. 
Es mag desshalb nicht überflüssig sein, wenn ich in Nachstehendem 
zur Kenntnis des Baues der Hoden und der Samenleiter einige 
Beiträge zu liefern versuche. Dieselben sind zwar etwas fragmen- 
tarisch; gleichwohl glaubte ich nicht auf deren Veröffentlichung ver- 
zichten zu sollen, da die Verhältnisse des Hodenepithels nicht nur 
ein allgemeineres histologisches Interesse darbieten dürften, sondern 
vielleicht auch für die in neuerer Zeit ihrer Lösung entgegengeführte 
Frage nach dem Körperepithel der Plattwürmer von einigem Werth 
sein könnten. 

Meine Untersuchungen erstrecken sich nur auf die Gattungen 
Hirudo und Aulastomum, die ja in der Anordnung der Geschlechts- 
organe im Wesentlichen übereinstimmende Verhältnisse aufweisen. 
Auf die gröbere Anatomie kann ich mir wohl versagen, näher einzu- 
gehen, da ich dieselbe als bekannt voraussetzen darf und nichts 
Neues darüber zu berichten habe. 

Was am Bau der Hodenbläschen noch nirgends eine aus- 
reichende Darstellung gefunden hat, und was ich hier vor Allem 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Ba. 1 


I A. Schuberg, 


nachzuholen versuche, das ist deren innere Auskleidung, ihre Epithel- 
verhältnisse. Bis jetzt liegen hierüber die folgenden Angaben vor. 


Was zunächst Zirudo und Aulastomum betrifft, so schreibt LEYDIG in seiner 
‚»Histologie« (57, p. 529): »Die der Tunica propria des Hodens nach innen an- 
liegenden Zellen wimpern nur bei wenigen Thieren, bei den eigentlichen Hiru- 
dineen (Aurudo, Haemopis) z. B., wo die zarten Cilien sehr lebhaft schwingen.< 
LEUCKART schildert die Histologie der Hoden in der i. Auflage seines Para- 
sitenwerkes (63, p. 674) folgendermaßen: »Histologisch unterscheidet man am 
Hoden und Samenleiter eine strukturlose Tunica propria, der eine kernhaltige 
Bindegewebslage aufliegt.< »Ob die Hodenbläschen ein eigentliches Epithelium 
besitzen, ist zweifelhaft....«e Dagegen spricht Remy SAINT-LouUP von einem 
vollständigen Epithel (84, p. 100): »En examinant la paroi interne d’une capsule 
testiculaire de Sangsue ou de Nephelis, on remarque qu’elle est tapissee d’un 
epithelium dont les Elöments ont la forme de polygones irreguliers adjacents. 
A chacun de ces polygones correspond une cellule en contact imme£diat avec 
lui et dans laquelle la coloration par le picrocarmin fait apparaitre un noyau 
jaune tres refringent environne d’une masse granuleuse qui se colore vivement 
en rouge carmine. Une calotte plus exterieure, de protoplasma transparent, 
limite exterieurement cette cellule et prend une teinte rosee.«< In der Erklä- 
rung der Figur, welche zur Illustration dieser Verhältnisse dient, ist nicht an- 
gegeben, von welchem Objekte sie stammt. Wie wir weiter unten sehen wer- 
den, trifft die Darstellung SAınT-Loup’s für Zirudo und Aulastomum jedenfalls 
nicht zu. CHWOROSTANSKY (86), welcher SAINT-LOuPp sonst in manchen Punkten 
berichtigt, geht auf den feineren Bau der Hodenbläschen nicht ein. VoGT und 
YvnG (88, p. 337) schließlich schildern die Hoden von Hirudo als »kleine feste 
und starke Kugeln«, deren jede »von einer strukturlosen Eigenhaut umgeben 
wird«e. 

Zu diesen Angaben, die sich im Wesentlichen nur auf Airudo beziehen, 
kommen noch einige über andere Hirudineen, und zwar meistens Rhynchob- 
delliden. Von Piseicola schreibt LEYDIG (49, p. 120): »Die Hodenfollikel (Fig. 45) 
lassen zu äußerst eine zarte bindegewebige Hülle (a) mit eingestreuten Kernen 
(d) erkennen. Auf sie folgt die Tunica propria (c) des Hodenbläschens, stärker 
kontourirt und nach innen mit einem schwer zu erkennenden, äußerst blassen 
Epithel (e) bekleidet.« Es ist bemerkenswerth, dass in der zugehörigen Figur 
das Epithel nur in der unmittelbaren Nähe des Ausführungsganges eingezeich- 
net ist. In einer wenig späteren Arbeit bemerkt Leypi@ (51, p. 318) über 
die »Hodenblasen« von Branchellion torpedinis: »im Innern flimmern sie (bei 
Piseicola ist dieses nicht der Fall;j und treiben damit ihren Inhalt rotirend 
herum«. Von den Hodenbläschen der Pontobdella berichtet VAILLANT (70, p. 53): 
»Chacun d’eux se compose d’une enveloppe transparente, epaisse de 0,015 mm, 
amorphe, dans laquelle l’action de l’acide acetique fait apparaitre des noyaux 
ovoides de 0,031 mm de long sur 0,014 mm de large.« Dagegen beschreibt ORXA 
die Hoden der japanischen Gattung Orobdella folgendermaßen (95, p. 297): »Each 
capsule in lined by flat cells all around, except at one point, where the testis 
communicates with the vas deferens. Here, the cells forming the wall of the 


' In der 2. Auflage sind die histologischen Verhältnisse der männlichen 
Geschlechtsorgane noch nicht geschildert; die Darstellung bricht in der letzt- 
erschienenen Lieferung (5) bei der gröberen Anatomie ab. 


Beitr. zur Histol. der männl. Geschlechtsorg. v. Hirudo u. Aulastomumete. 3 


capsules becomes higher and columnar and form a sort of ciliated funnel with 
the narrower end opening into the vas deferens.< 

Wie diese Aufzählung zeigt, stimmen die Beschreibungen der Hodenwand 
von Airudo und Aulastomum weder unter einander, noch mit denjenigen der 
Hoden anderer Hirudineen überein. 

Die Entwieklung der Hoden hat BÜRGER bei Nephelis, Hirudo und 
Aulastomum untersucht. Die Verhältnisse der erstgenannten Form, die von denen 
der beiden letzteren etwas abweichen, können hier wohl unberücksichtigt 
bleiben. Bei Zirudo und Aulastomum (94, p. 453) entstehen die Hoden als platten- 
förmige Verdickungen des somatischen Blattes der »Seitenhöhlen«e. »Aus der 
Zellenplatte bildet sich schnell durch Vermehrung ihrer Zellen ein ansehnlicher 
mehrschichtiger solider Zellenballen. Dieser wird zum Hodenbläschen, indem 
er sich aushöhlt (Fig. 29). Dabei werden die peripheren Zellen des Ballens zum 
Epithel des Hodenbläschens, die centralen frei, so dass sie in dem Bläschen 
flottiren. In den freien Zellen haben wir vielleicht schon Samenmutterzellen 
vor uns (Fig. 34—36). Es war mir nicht möglich ihr Schicksal zu verfolgen, 
da sie sich auch in den ältesten von mir aus den Kokons aufgezogenen jünge- 
ren Blutegeln nicht verändert hatten. Während das Epithel des Hodenbläschens 
anfänglich aus kubischen Zellen mit kugeligen Kernen besteht, wird es später 
ein sehr niedriges Plattenepithel mit spindelförmigen Kernen von überall der 
gleichen Beschaffenheit. « 

Sehr spärlich sind die Angaben über die Herkunft der im Hodenbläschen 
frei beweglichen Elemente, aus denen die Spermatozoen entstehen, der »Samen- 
mutterzellen«. 

LEYDIG (49, p. 121) giebt hierüber gar nichts an; doch macht er eine an- 
dere Bemerkung, auf die später noch zurückzukommen sein wird. Er fand 
nämlich bei Piscrcola in den Hodenbläschen zweierlei Gebilde, »einmal die be- 
kannten maulbeerförmigen Entwicklungszellen der Spermatozoen«, und dann 
»weniger zahlreich vorkommende Zellen, die einen bis vier Körper enthielten, 
die er dem Discus der maulbeerförmigen vergleichen möchte«e. Nach SAINT- 
Loup (84, p. 100) fallen die oben erwähnten Epithelzellen des Hodens in dessen 
Hohlraum, wo sie in zweierlei Weise sich entwickeln können. Die eine Art 
von Zellen bildet die Spermatozoen; von den anderen dagegen heißt es: »elles 
semblent destinees & mourir et & jouer dans les masses spermatophores le m&me 
röle que les cellules vitellines dans les masses ovariennes«. Nach BÜRGER (94, 
p. 453) dagegen werden, wie schon oben erwähnt wurde, die central gelegenen 
Zellen des Zellhaufens, welcher die Hodenanlage darstellt, zu Samenmutterzellen. 
Doch äußert BÜRGER sich nicht darüber, ob später noch eine weitere Produk- 
tion von Samenmutterzellen erfolgt. 


Meine eigenen Beobachtungen wurden theils an Flächenpräpa- 
raten, theils an Schnitten angestellt. Beide geben einander ent- 
sprechende, sich gegenseitig ergänzende Bilder. 

Hirudo und Aulastomum verhalten sich vollkommen gleich; nur 
hat Hirudo größere Zellen, was die Untersuchung natürlich wesent- 
lich begünstigt. 

Flächenpräparate fertigte ich auf folgende Weise an. Ein durch 
Wegpräpariren des Darmes freigelegtes Hodenbläschen von Hirudo 

1* 


4 A. Schuberg, 


oder Aulastomum wurde vorsichtig aus dem Bindegewebe und den 
Muskelzügen!, die es umhüllen, herausgelöst. Dann wird die Wand 
des Bläschens entweder durch einen Vertikalschnitt von der Dorsal- 
seite her durchgetrennt und, so weit es eben möglich ist, flach aus- 
sebreitet; oder aber man halbirt das Bläschen durch einen hori- 
zontalen Scherenschnitt in zwei Hälften, eine ventrale und eine 
- dorsale, die man durch einige kleine Einschnitte an den Schnitträndern 
vorsichtig ausbreitet. Dass in beiden Fällen Faltungen nicht ver- 
mieden werden können, ist klar. An derartigen, frisch in physio- 
logischer Kochsalzlösung untersuchten Präparaten, deren Deckgläschen 
durch nicht allzu kleine Wachsfüßchen gestützt werden müssen, kann 
man sich zunächst davon überzeugen, dass die alte Levpıc’sche An- 
gabe von der Flimmerung der Hodenwand zutrifft. Es ist merk- 
würdig, dass die späteren Beobachter diese Thatsache nicht nur nicht 
mehr erwähnten, sondern anscheinend auch selbst völlig übersahen. 
Nur OxA giebt an, dass bei Oroddella in der Umgebung der Ein- 
mündungsstelle des Vas efferens ein Flimmerepithel vorhanden sei. 
Anscheinend haben die meisten Untersucher das Deckgläschen ohne 
Stütze aufgelegt, wodurch die Wimperbewegung, die ohnehin nicht 
sanz leicht zu sehen ist, gehemmt wurde. Freilich zeigt sich auch 
alsbald, dass nicht die ganze innere Fläche des Hodenbläschens 
gleichmäßig bewimpert ist. Auch bei Arrudo und Aulastomum ist 
dies nur in der Umgebung der Öffnung des Vas efferens unter rela- 
tiv größere Partien der Wand hin zu beobachten. Dies hängt mit 
der eigenthümlichen Beschaffenheit des Epithels zusammen. 

Ein geschlossenes Epithel, bei welchem die einzelnen Zellen in 
geradlinigen Kanten einander berühren, ist nämlich nicht an der 
ganzen Oberfläche des Hodenbläschens vorhanden, sondern nur in 
der unmittelbaren Umgebung der Öffnung des Vas efferens (Fig. 4). 
Hier findet sich ein aus nahezu kubischen, nur wenig abgeflachten 
Zellen bestehendes Epithel, wie man sich auf Längs- und Quer- 
schnitten durch die Hoden oder die ganzen Thiere überzeugen kann 
(Fig. 5). Die Kerne der Epithelzellen sind sehr chromatinarm; die 
Cilien, welche die gegen das Lumen etwas vorgewölbte Fläche be- 
decken, fein und zart und etwa so lang, als die Zellen hoch sind. 
In einer gewissen Entfernung von der Einmündungsstelle des Vas 
efferens zeigt nun das Epithel eine eigenthümliche Veränderung. 


! Da es mir wesentlich nur auf Schilderung der Epithelverhältnisse an- 
kommt, gehe ich im Nachfolgenden auf eine Schilderung des Bindegewebes und 
der Muskulatur ete. in der Umhüllung der Hodenbläschen nicht ein. 


Beitr. zur Histol. der männl. Geschlechtsorg. v. Hirudo u. Aulastomumete. 5 


Betrachtet man z. B. einen Längsschnitt durch ein Hodenbläschen, 
so findet man, dass schon an der ventralen, noch mehr aber an den 
seitlichen Partien des Bläschens das Epithel in einzelne Gruppen 
von Zellen zerfällt (Fig. 4 u. 6). Von diesen Gruppen zeigen die dem 
Vas efferens zunächst liegenden im Längsschnitt noch etwa fünf bis 
sechs Zellen und sind von einander durch flache Furchen getrennt, 
welche sich bis auf die bindegewebige Unterlage des Epithels ein- 
senken. Je mehr man aber in der Betrachtung der Wand des 
Hodenbläschens nach der Dorsalseite zu fortschreitet, desto geringer 
wird die Anzahl der einzelnen Zellen, welche die Zellgruppen zu- 
sammensetzen, und desto größer werden die Zwischenräume, welche 
die einzelnen Gruppen von einander trennen. An den seitlichen 
Wandungen sieht man in der Regel nur noch zwei Zellen im Längs- 
schnitt und in der dorsalen Partie schließlich (Fig. 4 u. 7) findet man 
meist nur noch einzelne, mit flacher Wölbung in das Lumen des 
Bläschens vorspringende Zellen, welche annähernd die gleiche Höhe 
zeigen, wie das zusammenhängende Epithel, aber mit breiterer Basis 
der bindesewebigen Unterlage aufsitzen, als es bei dessen Zellen der 
Fall ist, also auch größer sind, als diese. Das Protoplasma dieser 
isolirten Zellen ist auch etwas stärker färbbar als bei dem zu- 
sammenhängenden Epithel. 

Es trifft also, nach meinen Beobachtungen, bei den erwachsenen 
Blutegeln nicht ganz zu, was BÜRGER von den Jugendstadien be- 
richtet, dass nämlich »ein sehr niedriges Plattenepithel mit spindel- 
förmigen Kernen von überall der gleichen Beschaffenheit« vorhanden 
sei; wohl aber stimmen meine Beobachtungen mit denen Oka’s an Orob- 
della im Wesentlichen überein. Nur ist nach OkA der Wimperbesatz 
allein auf das die Ausführungsöffnung umgebende Epithel beschränkt. 

Von besonderem Interesse und die Resultate der Schnittunter- 
suchung aufklärend sind wiederum Flächenpräparate. Hierbei ist es 
jedoch zweckmäßig, die flach ausgebreitete Hodenwand mit Subli- 
mat oder einem anderen Reagens zu fixiren. Ein derartig her- 
sestellies, gefärbtes und in Balsam eingeschlossenes Präparat zeigt 
Fig. 1 bei schwacher Vergrößerung. Hier sieht man, wie in einiger 
Entfernung von der Öffnung des Vas efferens das zusammenhängende 
Epithel durch sich einlagernde Zwischenräume allmählich in einzelne 
Zellgruppen aufgelöst wird, welche netzförmig verbundene Stränge 
bilden und um so mehr aus einander rücken, je mehr sie sich von 
dem zusammenhängenden Epithel entfernen. Betrachtet man der- 
artige Zellgruppen bei stärkerer Vergrößerung, und zwar am besten 


6 A. Schuberg, 


unmittelbar nach Sublimatfixirung in Wasser!, so sieht man, dass 
die peripheren Zellen der einzelnen Gruppen mit denen benach- 
barter Gruppen durch oft recht lange Ausläufer verbunden sind, und 
dass diese Zellbrücken als ein oft vielfach anastomosirendes Netz- 
werk erscheinen, das sehr an die Pseudopodiennetze einer Gromia 
erinnert (Fig. 2. In den dem Vas efferens zunächst liegenden Zell- 
gruppen stoßen die einzelnen Zellen noch in der gewöhnlichen Weise 
an einander, und nur die peripheren Zellen zeigen die Ausläufer, 
welche sich mit denen der benachbarten Gruppen verbinden (Fig. 3). 
Dass diese Ausläufer nichts Anderes sind, als weit ausgezogene Zell- 
brücken, lässt sich leicht aus solchen Stellen ersehen, wie sie Fig. 2 
zeigt, wo man Übergänge von kürzeren zu längeren Zellbrücken 
wahrnimmt. Je mehr die einzelnen Zellen von einander getrennt 
werden, desto mehr nehmen sie den Habitus von sternförmigen 
Bindegewebszellen an, wie man sie im Gallertgewebe und im embryo- 
nalen Bindegewebe antrifft; sie entfernen sich also recht erheblich 
von dem gewöhnlichen epithelialen Typus. Der allmähliche Über- 
gang des eigentlichen Epithels zu Elementen von bindegewebigem 
Typus indessen, die topographischen Verhältnisse und die Wimper- 
bedeckung beweisen, dass auch die letzteren Elemente epithelialer 
Natur sind. 

Zwischen den lang ausgezogenen Zellausläufern wird die Be- 
srenzung des Hodenbläschens, so viel ich sehen kann, direkt durch 
das Bindegewebe gebildet, dessen fibrilläre, mit sternförmigen Zellen 
versehene Grundsubstanz sich hier zu einer Art Membran verdichtet, 
die etwas stärker färbbar erscheint. 

Wie ein Vergleich mit der oben angeführten älteren Litteratur 
leicht zeigt, stimmen die Angaben von LeyDiG, BÜRGER und ORKA 
mit meinen Beobachtungen am meisten überein, durch die sie er- 
sänzt und gewissermaßen vereinigt werden. 

Auch im Ovarium der Hirudineen, das ich indessen selbst nicht 
darauf hin untersucht habe, scheinen die Epithelverhältnisse ähnlich 
zu sein. Schon Leypie (49, p. 123) giebt für Prscicola an, dass »das 
auskleidende Epithel nieht kontinuirlich die Innenfläche überzieht, 
sondern große Lücken zwischen sich lässt«. Und Lyrıma beschreibt 
Ähnliches von Nephelis (82, p. 202), ja seine Schilderung kommt 
meinen Beobachtungen am Hodenepithel ziemlich nahe: »This stratum 


! Auch an gut gefärbten Hämatoxylin-Präparaten mit nachfolgendem 
Balsameinschluss lässt sich das Obenstehende oft noch recht gut beobachten. 


Beitr. zur Histol. der männl. Geschlechtsorg. v. Hirudo u. Aulastomum ete. 7 


is composed of cells which we may regard as epithelial, although 
they do not present the form or arrangement characteristic of most 
epithelial layers. Instead of forming a continuous sheet of closely 
packed cells, they are so loosely arranged that wide spaces are left 
between them, except in the longitudinal area, borne by the rachis, 
where they give rise to egg-strings. Outside this germinal area the 
cells have an elongated spindle shape.< Anscheinend handelt es sich 
hier um ganz ähnliche Verhältnisse, wie im Hodenepithel von Zirudo 
und Aulastomum. Ob jedoch auch eine Bewimperung vorhanden ist, 
finde ich nirgends angegeben. 

Schon oben wurde erwähnt, dass die Angaben über die Ent- 
stehung der Samenmutterzellen außerordentlich dürftig sind. 
Für die erwachsenen Thiere macht überhaupt nur Saınt-Loup eine 
Angabe (s. 0... Danach sollen die Epithelzellen des Hodens sich 
loslösen und theils zu Samenmutterzellen werden, theils aber ab- 
sterben und in den »masses spermatophores« die gleiche Rolle spielen, 
wie die Dotterzellen in den »masses ovariennes<. Der Nachweis 
eines Wimperbesatzes an den Epithelzellen des Hodens von Hirudo 
und Aulastomum scheint mir nun an sich schon dagegen zu sprechen, 
dass die Hodenepithelzellen zu Samenmutterzellen werden. Ich habe 
aber außerdem auch niemals eine Beobachtung gemacht, welche 
irgend welche Anhaltspunkte hierfür lieferte. Ja selbst bei kleinen 
Individuen von Aulastomum von 50 mm und 18 mm Länge fand ich 
im Wesentlichen die gleichen Verhältnisse wie bei den erwachsenen 
Thieren; nur dass anscheinend die Zwischenräume zwischen den 
Epithelzellen noch etwas weniger weit waren, als bei den erwach- 
senen Individuen. Irgend welche Stellen, welche für eine Ablösung 
von Epithelzellen sprächen, habe ich auch hier nicht angetroffen. Es 
wäre ja immerhin denkbar, dass dieser Process nur während einer 
bestimmten Jahreszeit vor sich geht; da man aber auch immer ver- 
schiedene Stadien der Spermatozoenentwicklung im Hoden vorfindet, 
so kommt mir das nicht recht wahrscheinlich vor. 

Neben den frei in der Hodenflüssigkeit suspendirten verschie- 
denen Entwicklungsstadien von Samenmutterzellen zu Spermatozoen 
findet man nun noch andere Elemente, welche, wie oben angegeben, 
auch schon Levvie (49, p. 121) und Samrt-Loup (84, p. 100) erwähnt 
haben, ohne dass sie jedoch eine genauere Beschreibung derselben 
gegeben hätten. Es sind dies ungefähr kugelige Zellen, welche 
meistens mehr als einen, in der Regel zwei oder drei Kerne ent- 
halten und ein vacuoläres Protoplasma besitzen. Mitunter trifft man 


8 A. Schuberg, 


diese Zellen in größeren Massen zwischen die Samenbildungszellen 
eingelagert (Fig. 8). Ihr Protoplasma erscheint ziemlich hyalin; die 
Vacuolen sind hell und zeigen nur selten einen etwas körnigen In- 
halt. Nach Sublimathärtung und Färbung mit Hämatoxylin, Eosin 
oder Karmin bleiben sie ungefärbt; bei Konservirung mit Osmium- 
säure erscheinen sie in Paraffinschnitten theilweise etwas gebräunt. 
Anfangs dachte ich daran, diese vacuolären Zellen seien Degene- 
rationsstadien der Samenbildungszellen. Da man sie jedoch auch 
schon bei jungen, 18 mm langen Thieren — wenn auch weniger 
häufig — antrifft, so halte ich dies für weniger wahrscheinlich. Ich 
glaube vielmehr eher, dass sie als eine Art Nährmaterial für die 
Samenbildungszellen dienen und gleichzeitig vielleicht auch die 
Flüssigkeit des Hodenbläschens erzeugen. 

Nach den Angaben von BÜRGER über die Entwicklung der Hoden 
entstehen diese als solide Zellmassen, die sich aushöhlen. »Dabei 
werden die peripheren Zellen des Ballens zum Epithel des Hoden- 
bläschens, die centralen frei, so dass sie in dem Bläschen flottiren. 
In den freien Zellen haben wir vielleicht schon Samenmutterzellen 
vor uns« (94, p. 453). Ich möchte nach diesen, wie nach meinen 
_ eigenen Beobachtungen glauben, dass in späteren Stadien keine Los- 
lösung von Epithelzellen zum Zwecke der Samenproduktion mehr erfolgt, 
sondern dass die aus der centralen Masse der Hodenanlage entstandenen 
Zellen frei in der Hodenflüssigkeit flottirend sich vermehren und dass 
deren Abkömmlinge theils Spermatozoen produeiren, theils aber auch 
sich vacuolär umbilden und vielleicht als Nährmaterial oder als die 
Ernährung der anderen aktiv vermittelnde Elemente funktioniren. 

Es ist von Interesse, darauf hinzuweisen, dass im Ovarium der 
Hirudineen ähnliche Verhältnisse vorhanden zu sein scheinen. Seit 
lange kennt man die sog. »Keimstränge« oder »Eifäden<, »welche 
locker und in einander geschlungen« im Ovarialsacke liegen. Nach 
Isıma (82, p. 203) entstehen diese Stränge (»egg-strings«) im Zu- 
sammenhang mit dem »germogen«; ich halte es indessen für nicht 
ausgeschlossen, dass das »germogen« nur die Stelle darstellt, wo das 
Epithel zusammenhängend ist (s. o.), ähnlich der um den Ausführ- 
sang herum sich erstreekenden Fläche zusammenhängenden Epitheis 
im Hoden. Die weiteren Angaben Isıma’s wie diejenigen von SAINT- 
Loup sind nicht absolut beweisend. Leypıs, welcher die Ovarien der 
Hirudineen wohl zuletzt genauer untersucht hat, giebt jedenfalls für 
Aulastomum, Olepsine und Nephelis ausdrücklich an, dass die Keim- 
stränge nicht angewachsen sind, sondern frei im Ovarium liegen 


Beitr. zur Histol. der männl. Geschlechtsorg. v. Hirudo u. Aulastomumetc. 9 


(88, p. 293 ff. Und auch Lupwic hatte schon früher betont, »dass 
die äußere Hülle des Eierstocks keinen Antheil an der Eibildung 
nehme« (74, p. 61). | 

Auch »degenerirende« Zellen, die für die Ernährung der Ei- 
zellen verwendet werden könnten, wurden mehrfach aus dem Ovarium 
beschrieben, so z. B. von LeypıG (49, p. 125) und O. Herrwıc (77, 
p- 14). Vielleicht sind auch die »rundlicheekigen Körper mit vacuo- 
lärem Innern« hierher zu rechnen, die LEYDIG (88, p. an. im Uterus 
von Aulastomum antraf. 

Da schließlich die Entwicklung der Ovarien nach BÜRGER (94, 
p- 453) ähnlich verläuft, wie die der Hoden, indem nämlich in einer 
soliden Zellenmasse eine Sonderung in eine »periphere Zellschicht« 
und eine, von dieser durch einen Spalt geschiedene centrale Zellen- 
masse eintritt, so dürften auch in dieser Hinsicht Ovarien und Hoden 
sich ähnlich verhalten. 

Es scheint also, dass sowohl Samenmutterzellen wie Eier in den 
ausgebildeten Geschlechtsorganen nicht mehr von deren Wandung aus 
neu produeirt werden. 


Das Vas deferens von Hirudo und Aulastomum hat merkwürdiger- 
weise bis jetzt noch nirgends eine zutreffende Darstellung erfahren, 
obwohl die gröberen Verhältnisse sehr leicht festzustellen sind. 
LEUCKART schreibt hierüber (94, p. 736): »Das Vas deferens ist mit 
_ unbewaffnetem Auge unschwer zu erkennen, hat also eine ziemlich 
- ansehnliche Dicke, verdankt diese aber vornehmlich dem Umstande, 
dass es zahlreiche dieht auf einander folgende kurze Windungen 
macht. Und nicht bloß die Samenleiter, auch die Vasa efferentia 
zeigen solche Windungen, letztere sogar noch zahlreicher, so dass 
gelegentlich dadurch der Anschein eines förmlichen Nebenhodens 
entsteht.«e Die anderen Autoren machen überhaupt keine Angaben 
über das Vas deferens. 

Bringt man ein herauspräparirtes Stückchen eines Vas deferens 
unter das Mikroskop — am besten nach vorheriger Färbung und 
Einschluss in Kanadabalsam —, so überzeugt man sich leicht, dass 
die LEuUCKArRT’sche Darstellung nicht zutrifft. Was LEUCKART als 
kurze Windungen beschreibt, sind nichts Anderes als drüsige Aus- 
sackungen, welche einem ungefähr eylindrischen centralen Kanale 
so dicht angelagert sind, dass dieser kaum wahrzunehmen ist (Fig. 9). 
Ganz die gleiche Beschaffenheit zeigen die kurzen Vasa efferentia, 
dureh welche die Hodenbläschen ihren Inhalt in die beiden, an den 


10 A. Schuberg, 


Seiten des Körpers nach vorn verlaufenden Vasa deferentia entleeren, 
wenigstens in ihrem größeren Haupttheile. Nur sind die drüsigen Aus- 
sackungen der Vasa efferentia noch dichter stehend und umfangreicher 
(Fig. 1); dem entsprechend gab auch LEUCKART an, dass die Vasa 
efferentia zahlreichere »Windungen« besäßen, als die Vasa deferentia. 
Anders jedoch gebaut ist der kurze Anfangstheil der Vasa efferentia, 
der sich unmittelbar am Hodenbläschen befindet. Hier fehlen die drüsi- 
gen Aussackungen vollständig (Fig. 1 u. 5 v.e), so dass dieser Theil aus 
einem kurzen cylindrischen Rohr besteht, dessen kubisches, mit Cilien 
bedecktes Epithel unmittelbar in das kubische Epithel des Hoden- 
bläschens übergeht. Der distale Abschnitt der Vasa efferentia und 
die Vasa deferentia lassen im Querschnitt den oben erwähnten cen- 
tralen, etwa cylindrischen Kanal erkennen, welchem die Drüsen- 
divertikel ansitzen (Fig. 10). Während das Epithel des centralen Kanals 
im Allgemeinen ziemlich platt ist, zeigt seine ventrale Wandung eine 
rinnenförmige, von einem regelmäßig kubischen Epithel ausgekleidete 
Vertiefung; diese Rinne ist außerdem durch den Besitz von Wimpern 
ausgezeichnet (wr). Die drüsigen Divertikel besitzen einen ähnlichen 
Bau wie etwa die Talgdrüsen der Wirbelthiere, indem sie aus dicht 
zusammengedrängten Zellen bestehen, welche sich gegen den centralen 
Kanal zu von einander loslösen, um dann in dessen Lumen abge- 
stoßen zu werden!. In ihrem Protoplasma scheiden sie dabei kuge- 
lige Sekrete ab, welche sich mit Hämatoxylin, Eosin, Orange etc. 
sehr stark färben. BournE (84, p. 473) giebt an, dass bei Aerudo 
das enge Vas deferens von einem Sinus umgeben sei, »packed with 
cells which possess rather a degenerate appearance but are very similar 
to the amoeboid cells found in the periovarian: sinus«. Diese »amöboi- 
den Zellen« sind indessen natürlich nichts Anderes als die Zellen der 
Drüsendivertikel. Ein Blutsinus ist um das Vas deferens nicht vor- 
handen; dasselbe wird vielmehr von einem Netze engerer Blut- und 
Botryoidalgefäße begleitet (Fig. 10 dg). 


Derartige Fälle, wo epitheliale Elemente einen bindegewebigen 
Habitus zeigen, sind mehrfach und schon längere Zeit bekannt; ich 
erinnere z. B. an das Gewebe der Schmeizpulpa. In diesem Falle 
handelt es sich jedoch um eine Umbildung der tieferen Schichten 


! Bei Aulastomum von 18 mm Länge sind die Drüsendivertikel noch nicht 
entwickelt; doch beginnt die Umbildung der Zellen bereits sichtbar zu werden, 
so dass die ventrale Rinne sich schon ziemlich deutlich abhebt. 


Beitr. zur Histol. der männl. Geschlechtsorg. v. Hirudo u. Aulastiomumete. 11 


eines geschichteten Epithels, welche durch Verlängerung der Inter- 
eellularbrücken einen bindegewebigen Charakter annehmen. Bei dem 
Hodenepithel von Zirudo und Aulastomum dagegen zeigen die Ele- 
mente eines einschichtigen Epithels eine kontinuirliche Reihe von 
echten Epithelzellen bis zu solchen, welche fast völlig den Zellen des 
gallertigen Bindegewebes gleichen. 

Diese Umbildung der Epithelzellen dürfte zunächst in allgemeiner 
Hinsicht von Interesse sein; denn sie bestätigt die auch sonst öfter 
beobachtete Thatsache, dass verschiedene Gewebe ihrer Erscheinungs- 
form nach in einander übergehen und nur die Entwicklung einen 
Schluss darüber zulässt, mit welchem Gewebe man es wirklich zu 
thun hat. Dass in dem vorliegenden Falle das ganze Epithel einen 
einheitliehen Ursprung besitzt, ist nicht nur von vorn herein wahr- 
scheinlich, sondern auch durch die Untersuchungen BÜRGER’s direkt 
nachgewiesen. 

Weiterhin aber dürften die Epithelverhältnisse des Hirudineen- 
hodens auch für die Beurtheilung der kürzlich zwischen BLOCHMANN 
und Bott geführten Diskussion nicht ohne Werth sein. 

BoTT hatte die Anschauung BLOCHMAanN’s (96), wonach die früher 
sogenannten »Subeutieultzellen« der Plattwürmer Epithelzellen dar- 
stellten, für dieBlasenwand derÜysticerken bestritten. Er sagt(97,p.121): 
»Zum Begriff: „Epithel‘‘ gehört eben doch, worauf BLOCHMANN in 
seinem Aufsatze merkwürdigerweise gar keine Rücksicht nimmt, eine 
bestimmte Zellenanordnung, und wenn man hierin auch eine große 
Freiheit zugestehen will, so wird man weit zerstreuten, verästelten 
Zellen, wie sie in unserem Falle vorliegen, doch kaum die Bezeich- 
nung von „Epithelzellen‘‘ zuerkennen dürfen.< BLOCHMANN hat hier- 
gegen schon auf die oben erwähnten Verhältnisse in der Schmelzpulpa, 
und besonders auf eigene Beobachtungen an den Flossenstacheln 
von Spinaz-Embryonen hingewiesen (97, p. 462). Die Beschaffenheit 
des Hodenepithels von Zırudo und Aulastomum dürften aufs Neue die 
Berechtigung der BLocHmann’schen Ansicht darthun, und vielleicht 
von um so größerer Beweiskraft sein, als es sich, wie schon oben 
hervorgehoben, hier um Umbildungen innerhalb eines ein schichtigen 
Epithels handelt, während ein hartnäckiger Gegner immerhin noch 
geltend machen könnte, dass in den von BLOCHMANN angezogenen 
Fällen der Schmelzpulpa und der embryonalen Flossenstacheln von 
Spinaz die Annäherung von Epithelzellen an den bindegewebigen 
Habitus in den tiefen Schichten eines geschichteten Epithels statt- 
finde. Beim Intesument der Plattwürmer kann aber natürlich auch 


12 A. Schuberg, 


nur von einem einschichtigen Epithel die Rede sein. Freilich bleibt 
ein gewisser Unterschied noch bestehen. 

Nach BLOCHMANN liegt an der äußeren Seite der Basalmembran, 
unterhalb der Cuticula, eine zusammenhängende Protoplasmaschicht; 
von welcher die einzelnen Zellen sich »beutelförmig« durch die 
Basalmembran hindurch in das unterliegende Gewebe einsenken. 
Eine derartige, die gesammte Oberfläche des Hodenbläschens aus- 
kleidende Protoplasmaschicht, durch welche die ihrer Hauptmasse 
nach weiter von einander entfernten Zellen — außer durch die Aus- 
läufer — mit einander verbunden wären, konnte ich bei den Hiru- 
dineen bis jetzt nicht nachweisen. | 

Andererseits aber finden sich bei BLOCHMANN (96) weder im Texte, 
noch in den Figuren Andeutungen darüber, dass die Epithelzellen 
der Trematoden und Cestoden unterhalb der Basalmembran durch 
Ausläufer mit einander verbunden wären. Dass solche Verbindungen 
trotzdem vorhanden sein können, ist aber nicht nur durch frühere 
Zeichnungen nach Schnitten durch das Integument, z. B. von HE 
ZIEGLER (83, Taf. XXXIU, Fig. 13—15), wahrscheinlich gemacht, 
sondern ich habe sie auch selbst nach Beobachtung des lebend ge- 
färbten Destomum lanceolatum (95, p. 185,”Fig. 5) beschrieben und 
von der Fläche abgebildet !. 


i Ich habe a. a. O. die betreffenden Zellen noch als »Subeutieularzellen< 
bezeichnet, schließe mich jetzt aber der Auffassung BLOCHMANN’s an. Dagegen 
bin ich mit der Deutung der »großen Zellen< als »Myoblasten« nicht einver- 
standen, sondern halte wenigstens die von mir geschilderten Zellen auch jetzt 
noch für Ganglienzellen. Da weder BLOCHMANN, noch ZERNECKE (Zool. Jahrb., 
Abth. für Anat. IX. 1895) und JANDER (Ibid. X. 1897) meine Untersuchungen 
über diesen Gegenstand erwähnen, darf ich doch wohl darauf hinweisen, dass 
ich selbst der Erste war, der anPlattwürmern die Methylenblau- 
methode anwandte. Bezüglich der thatsächlichen Verhältnisse »decken 
sich die Resultate meiner Untersuchungen vollkommen« mit denen 
BLOCHMANN’S und BETTENDORF's, wie Letzterer selbst hervorhebt (Zool. Jahrb. X. 
1897. p. 322); nur meine Deutung ist eine andere. Meine Resultate hätten dess- 
halb doch wohl auch in den Mittheilungen von BLOCHMANN, ZERNECKE und JANDER 
nicht unerwähnt bleiben dürfen. Dann hätte es auch nicht vorkommen können, 
dass BETTENDORF mir einen Vorwurf daraus macht, dass ich die BLOCHMANN- 
sche Ansicht nicht erwähnt habe. Meine erste Mittheilung ist im Januar oder 
Februar 1894 erschienen, nachdem ich meine Präparate schon im Mai 1893 auf 
der Versammlung der Deutschen Zoologischen Gesellschaft in Göttingen demon- 
strirt hatte (Verh. D. Zool. Gesellsch. 1893). Die erste Mittheilung BLOCHMANN'S, 
die sich noch nicht auf Trematoden bezieht, wurde am 1. Januar 1895 ver- 
öffentlicht (Biol. Centralbl. Bd. XV. p. 14), die von BLOCHMANN und BETTENDORF 
am 15. März 1895 (Ibid. p. 216). Meine ausführliche Arbeit schließlich, die vom 
26. Februar 1894 datirt ist, wurde in den ersten Tagen des März 1895 aus- 


Beitr. zur Histol. der männl. Geschlechtsorg. v. Hirudo u. Aulastomumete. 13 


Die Verhältnisse der Epithelzeilen des eben genannten Trema- 
toden erinnern in vieler Hinsicht an die des Blutegelhodens. Auch 
hier sieht man die Zellen gruppenweise zusammenliegen, theilweise 
stoßen sie direkt zusammen, theilweise verbinden sie sich unter ein- 
ander durch verzweigte Ausläufer. Ferner hat JANDER bei eben aus 
dem Kokon geschlüpften Individuen von Dendrocoelum lacteum der- 
artige, wenn auch kürzere Ausläufer der Pharynxepithelzellen sowohl 
bei Oberflächenansicht, wie auf Schnitten nachgewiesen (97, p. 188, 
Fig. 39, 40, 42), nachdem schon früher v. GRAFF für das Körper- 
epithel von Rhabdocölen das Gleiche angegeben hatte (82, Taf. IV, 
Fie. 19; Taf. VI, Fig. 1; Taf. XII, Fig. 5). Nach dem, was JANDER 
vom Epithel des ausgebildeten Trieladenpharynx berichtet, hat es den 
Anschein, als ob diese Ausläufer im Laufe der Entwicklung ver- 
schwinden. Bei Cestoden, auf deren Untersuchung sich BLOCHMANN 
selbst, neben den Resultaten am Trieladenpharynx, stützt, könnte es 
sich wohl eben so verhalten. Jedenfalls zeigen die Befunde v. GRAFF's 
und JAnDeEr’s bei Turbellarien im Vergleich mit meinen eigenen An- 
gaben für die Trematoden keine größeren Unterschiede unter einan- 
der, als sie bei Blutegelhoden innerhalb der Zellen des nämlichen 
Epithels vorkommen, so dass wohl die Anschauung BLOCHMANN’S 
hierdurch eine weitere wirksame Unterstützung finden dürfte. 


Heidelberg, 18. November 1898. 


Litteraturverzeichnis, 


96. F. BLocHmann, Die Epithelfrage bei Cestoden und Trematoden. Hamburg. 

97. —— Zur Epithelfrage bei Cestoden. In: Zool. Anz. Bd. XX. 

97. A. BoTT, Über einen durch Knospung sich vermehrenden Cysticercus aus 

dem Maulwurf. In: Diese Zeitschr. Bd. LXIIl. 

84. A.G. BoURNE, Contributions to the Anatomy of the Hirudinea. In: Quart. 
Journ. Micer. Sc. Vol. XXIV. N.S. 

94, O. BÜRGER, Neue Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Hirudineen. 
Zur Embryologie von Zirudo medicinalis und Aulastomum qgulo. In: 
Diese Zeitschr. Bd. LVIII. 3. Heft. 


gegeben (die Separata wurden am 28. Februar an mich abgesandt), also ziem- 
lich gleichzeitig mit der vorläufigen Mittheilung von BLOCHMANnN und BETTEN- 
DORF. Da in meiner Arbeit von 1895 meine vorläufige Mittheilung angeführt 
ist (p. 168), so hätte sie BETTENDORF (1897) wohl nicht übersehen dürfen. Sein 
Vorwurf gegen mich ist also, gelinde gesagt, mindestens ein starker Anachronis- 
mus. Auf das Thatsächliche hoffe ich an anderer Stelle zurückkommen zu können! 


14 


86. 


82. 
17% 


= 9% 


82. 


63. 


94. 


49. 


51. 


57. 


88. 


74. 


95. 


84. 


95. 


70. 


88. 


83. 


A. Schuberg, 


C©. CHWOROSTANSKY, Organes genitaux de l’Hırudo et de l’Aulastoma. In: 
Zool. Anz. 9. Jahrg. 

L. v. GRAFF, Monographie der Turbellarien. I. Rhabdocoelida. Leipzig. 

O0. HERTwıG, Beiträge zur Kenntnis der Bildung, Befruchtung und Theilung 
des thierischen Eies. Zweiter Theil. In: Morphol. Jahrb. Bd. II. 

R. JANDER, Die Epithelverhältnisse des Trieladenpharynx. In: Zool. Jahrb. 
Abth. f. Anat. Bd. X. 

I. Isıma, On the Origin and Growth of the Eggs and Egg-strings in 
Nephelis, with some Observations on the »Spiral Asters<. In: Quart. 
Journ. Mier. Sc. Vol. XXIII. N.S. 

R. LEUCKART, Die menschlichen Parasiten und die von ihnen herrührenden 
Krankheiten. Bd. I. Leipzig u. Heidelberg. 

—— Die menschlichen Parasiteu und die von ihnen herrührenden Krank- 
heiten. Bd. I. 5. Lief. Leipzig. 

F. LEeyD1ıG, Zur Anatomie von Piscicola geometrica mit theilweiser Ver- 
gleichung anderer einheimischer Hirudineen. In: Diese Zeitschr. Bd.1. 

—— Anatomisches über Dranchellion und Pontobdella. In: Diese Zeitschr. 
Bd- III: 

—— Lehrbuch der Histologie des Menschen und der Thiere. Frank- 
furt a. M. 

—— Beiträge zur Kenntnis des thierischen Eies im unbefruchteten Zu- 
stande. In: Zool. Jahrb. Abth. f. Anat. u. Ontog. Bd. III. 

H. Lupwig, Über die Eibildung im Thierreiche. In: Arb. Zool.-Zoot. Inst. 
Würzburg. Bd. I. 5. u. 6. Heft. (Verhandl. Würzburger phys.-med. 
Gesellsch. N. F. Bd. VIL) 

A. OXA, On some new Japanese Land Leeches (Orobdella nov. gen.). In: 
Journ. Coll. Se. Imp. Univ. Japan. Vol. II. Part. I. 

R. SAINT-Loup, Recherches sur l’organisation des Hirudinees. In: Ann. 
Se. Nat. Zool. (6ieme) T. XVII. 

A. SCHUBERG, Zur Histologie der Trematoden. In: Arb. zool.-zoot. Inst. 
Würzburg. Bd. X. 

L. VAILLANT, Contribution & l’etude anatomique du genre Pontobdelle. 
In: Ann. Se. Nat. Zool. 5ieme serie. T. XII. 

C. Vogt und E. Yung, Lehrbuch der praktischen vergleichenden Ana- 
tomie. Bd. I. Braunschweig. 

H. E. ZIEGLER, BDucephalus und Gusterosiomum. In: Diese Zeitschr. Bd. 
XXXIX. 


Erklärung der Abbildungen, 


Tafel I. 
Alle Figuren beziehen sich auf Zerudo. 
Fig. 1. Hodenwand, ausgebreitet. v.e, Vas efferens. Sublimat; Boraxkar- 


min; Kanadabalsam. Zeıss Oe. I, Obj. B. Zeich.-App. Vergr. 60. 


Fig. 2. Stück des Hodenepithels von einem Flächenpräparat. Sublimat; 


Einschluss in Wasser. SEIBERT Oc. I, Hom. Imm. 1/12. Vergr. 580. 


Beitr. zur Histol. der männl. Geschlechtsorg. v. Hirudo u. Aulastomum ete. 15 


Fig. 3. Stück des Hodenepithels von einem Flächenpräparat. Essigsäure- 
Methylgrün; Wasser. SEIBERT Oc. 0, Obj. VII. Vergr. 543. 

Fig. 4 Längsschnitt durch den Hoden. v.e, Vas efferens. Sublimat; Pikro- 
karmin; Kanadabalsam. Zeıss Oe. I, Obj. A. Zeich.-App. Vergr. 37. 

Fig. 5-7. Querschnitte durch verschiedene Stellen des Hodenepithels. 
Sublimat; Hämatoxylin; Kanadabalsam. Zeıss Oe. I, Obj. D. Vergr. 175. 

Fig. 5. Von der Ventralseite, mit der Einmündungsstelle des Vas efferens. 

Fig. 6. Von der dorsoventral aufsteigenden Wandung. 

Fig. 7. Von der Dorsalseite. 

Fig. 8. Vacuolisirte Zelle aus dem Inhalt des Hodenbläschens. Sublimat; 
Hämatoxylin; Kanadabalsam. Zeıss Oe. I, Obj. F. Vergr. 415. 

Fig. 9. Stück des Vas deferens. Totalansicht. Sublimat; Boraxkarmin; 
Kanadabalsam. Zeıss Oe. I, Obj. D. Vergr. 175. 

Fig. 10. Querschnitt durch das Vas deferens. w.r, Wimperrinne der Ven- 
tralseite; dg, Blutgefäße. Sublimat; Boraxkarmin; Kanadabalsam. Zeıss Oe I], 
Obj. F. Vergr. 415. 


The Anatomy of the Female Genital Tract of the 
Pupipara as observed in Melophagus ovinus. 
By 
H. S. Pratt, 


Ph. D., Haverford College, Pa. 


With Plates II—III and 1 Figure in Text. 


Introduction. 


The female reproductive organs of the small group of dipterous 
insects known as the Pupipara, of which the common sheep-tick 
(Melophagus ovinus) is the most familiar representative, has long 
interested entomologists. The large size of these organs, their odd 
outward resemblance to the human female genital tract (Pl. II, 
Figs. 1 and 2), the very small number and peculiar arrangement of 
the ovariole tubules, the unique position of the receptaculum seminis, 
and other structural features have lead to the investigation or notice 
of them by R&Aumur (17), Nitzsch (14), CuviEr (3), LYoxer (15), 
Durour (4, 5, 6), BLANCHARD (1), v. SIEBOLD (19), and LEUCKART (10). 
But none of these authors, with the exception of the last named, 
has furnished a correet account of their structure. LEUCKART, how- 
ever, who in accuracy of observation and in the interpretation of 
observed facts was well-nigh infallible, gives a full and in the main 
correct description of these organs. His investigation was, however, 
made 40 years ago, before modern methods of technique were in 
vogue, and the unusual interest attaching to the subject in the field 
of inseet morphology has led me to make a fresh examination of 
these organs with a view to ceompleting and extending his work. 

The sheep-tick is an exceedingly common inseet in America and 
Europe, the American tick being undoubtedly identical with the 
European species. The adult female inseet (Pl. II, Fig. 1) is about 
6 mm long. The head is small and triangular in shape and bears 
rudiments of antennae (art) and eyes (eye), and a long proboseis 


The Anatomy of the Female Genital Tract of the Pupipara etc. 17 


(prob). The thorax is relatively small and is segmented, the meso- 
and metathorax each bearing a pair of large spiracles (sp). There 
are no wings or rudiments of any, but rudiments of halteres are 
present. The abdomen is a large, pear-shaped body-division, much 
‚ flattened dorso-ventrally; it is unsegmented and is covered by a 
tough, leathery euticula. It bears seven pairs of spiracles somewhat 
smaller than those on the thorax, two of which are near its anterior 
and two near its posterior end. The entire body is covered with 
long, bristly hairs. 

The female genital traet oceupies the position usual in insects, 
in the ventral, posterior portion of the abdomen (Pl. II, Fig. 1). It 
is made of the following parts: paired ovaries (Pl. II, Figs. 1, 2 oo); 
two short paired oviducts (pa.ov:);, a median unpaired ovi- 
duet formed by the fusion of the proximal ends of the paired ovi- 
duets and consisting of two portions, a narrower proximal portion 
(med.ovi), and a widened distal portion, which has the funetion of a 
receptaculum seminis (ree.sem); the median efferent duct, which 
- passes to the vulva and is usually called the vagina in insects, but 
which I shall in Melophagus divide into two portions, an extensive 
anterior portion, the uterus (U), and a shorter posterior portion, 
the vagina (vag); and, finally, the two pairs of milk-glands, which 
join the anterior end of the uterus (Pl. I, Figs. 2, 3 m.g!). 

As to the position of these organs in the body, the vagina and 
the uterus lie near and in a plane parallel to the ventral abdominal - 
wall. The median, unpaired portion of the oviducts, in the virginal 
female, lies in a plane perpendieular to that of the uterus (Pl. II, 
Fig. 3 med.ov:), and in the old female in a plane at an acute angle 
to that of the uterus (Pl. II, Fig. 2). I wish to emphasize these facts 
a8 LEUCKART describes all the different parts of the genital traet as 
Iying in very nearly the same plane (see his Figs. 1, 2, 3 and 4, 
Pl. I), and his figures have been copied into several text-books (see 
Craus’ Lehrbuch der Zoologie, Fig. 495). It is only in sections, which, 
of course, LEUCKART could not have had at his disposal at the time 
when his paper was written, that the true position of these organs 
can be seen, and a dissection of them must inevitably disturb their 
relations with the surrounded viscera. The receptaculum seminis, 
constituting the distal end of the unpaired portion of the oviducts, 
is also in the median line, and from it the short paired portions of 
the oviduets proceed to the right and left to the two ovaries. The 
richly branching milk-glands are very extensive organs and wind 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Bd. 2 


18 H. 8. Pratt, 


among the viscera throughout the abdomen. All of these organs 
will be described in detail further on. 

The relative size of the genital tract is large, even in the virg- 
inal female, where its length is two-thirds that of the abdomen 
. (Pl. I, Fig. 3), while in the old female its size depends entirely on 
the age of the growing larva, when one is present, in the uterus. 
The sheep-tick is, in common with the rest of the Pupipara, an ovo- 
viviparous animal. The young animals are born one at a time and 
at intervals, in the Summer-time, of several weeks. The entire 
embryonie stage and the greater portion of the larval stage are 
passed in the mother’s uterus, the young animal being born as an 
old larva. About twelve hours after the larva is born the puparium 
is completed and the »Tonnenpuppe« begins its metamorphosis!. 
The name »Pupipara« is thus a misnomer as BLANCHARD and 
LEUCKART have shown, as the sheep-tick is not a pupa-bearing in- 
sect, and rests on a misconception of LATREILLE, who named the 
sroup. In an insect, whose uterus is either empty or contains an 
egg or a very young larva, the genital tract is, as in the virginal 
animal, about two-thirds the length of the abdomen (Pl. IH, Fig. 1), 
but the presence of an old larva in the uterus distends the repro- 
ductive tract in all direetions, so that it may become quite as long 
as the abdomen and half as wide and half as thick (Pl. I, Fig. 4). 


The vulva. 


The vulva is a half-moon-shaped slit, 0,40 mm long, transverse 
to the longitudinal axis of the body and situated at the posterior 
end of the body near the ventral surface (Pl. II, Fig. 1 vwd). It is 
0,27 mm anteriad and ventrad of the anus (Pl. II, Fig. 1 and 3 A) from 
which it is separated by a thick chitinous plate (cA.pl) well studded 
with small chitinous bristles. Each lip of the vulva is bounded by 
a projecting chitinous ridge which, coming from above and below, 
almost elose the opening. The anterior and most ventrally situated 
lip represents the concave side of the half-moon (Pl. H, Fig. I). It 
is composed of a pair of chitinous plates, one to the right and the 
other to the left of the median line. These plates do not, however, 
meet in the median line except at their posterior, median margins 
where they are connected by a median, rectangular thiekening (spur). 


! A description of the larva of Melophagus will be found in »Beiträge zur 
Kenntnis der Pupiparen: die Larve von Melophagus ovinus< von H. S. PRATT, 
in Archiv für Naturgeschichte, 53. Jahrg., 1893. 


The Anatomy of the Female Genital Tract of the Pupipara ete. 19 


This thiekening projects into the vulva in the form of a spur and 
is seen especially well in a sagittal section (Pl. II, Fig. 3 spur). The 
anterior edges of these paired plates are much thiekened and form 
distinet ridges. The posterior, convex lip of the vulva is a chitinous 
plate thickly beset with spines which, as above mentioned, extends 
back to the anus (Pl. II, Figs. 1 and 3 cA.pl). The margin of this 
plate which forms the lip is thickened to form a ridge which pro- 
jeets eave-like over the vulva from above (Pl. IH, Fig. 3 ch.pl!). The 
eontinuity of this ridge is broken in the median line by a median 
indentation (Pl. II, Fig. 1 ch.pl). The plate itself is bounded on both 
the right and left sides by a deep groove (Pl. II, Fig. 6 gr), which 
forms a ridge in the body-cavity, the significance of which for the 
attachment of muscles for the control of the vulva will be explained 
further on. | 

The vulva, it will be seen, is a valve-like slit which is capable 
of great distension. The larva, at the time of birth is a eylindrical 
object with a diameter of about 0,7S mm. The vulva, thus, through 
which it must pass, must stretch in all directions and more than 
double its capacity at the time of a birth. It is probable that both 
lips take part in this stretehing but it also seems probable that the 
posterior (dorsal) lip has the prineipal share in it. The musecles 
which join the dorsal wall of the vagina and the posterior lip of 
the vulva with the ridge-like invagination of the body-wall (Pl. IL, 
Fig. 3 p.R), which is situated just dorsad of the anus, undoubtedly 
have for their function the raising of them at the time of a birth 
and thus inercasing the capacity of both vagina and vulva, as will 
be further explained in speaking of the vagina. 


The vagina. 


The vulva opens into the vagina. This is a tube of the same 
width as the vulva which extends 0,33 mm forward to the posterior 
end of the uterus (Pl. II, Fig. 3 vag). The vagina is not a cylindrical 
tube but varies its shape between its anterior and posterior ends. 
At its posterior end it is a dorso-ventrally compressed tube with 
three shallow, longitudinal grooves in its dorsal wall, one in the 
median line and the other two at the extreme right and left sides. 
These three grooves increase rapidly in depth (height) anteriad as 
far as the beginning of the uterus, where they abruptly terminate, 
so that near its anterior end a cross-section of the vagina presents 
the appearance represented by,Pl. II, Fig. 5. The median groove 

>* 


| 30 HS. Pratt, 


is a continuation of the median indentation of the posterior (dorsal) 
lip of the vulva mentioned above and a sagittal section of the vagina, 
whieh would pass through this groove its entire length, would repre- 
sent the dorsal vaginai wall as becoming rapidly higher anteriad as 
far as the beginning of the uterus (Pl. I, Fig. 3 vag). A comparison 
of this section, however, with the cross-section (Fig. 5) shows at once 
that the portions of the dorsal vaginal wall to the right and left of the 
median line do not thus increase in height. The two lateral grooves 
of the dorsal vaginal wall (Fig. 5) are continuations of the grooves 
mentioned above (Fig. 6 gr) which bound the plate (Fig. 1 ch.pl) form- 
ing the posterior lip of the vulva. The cuticula of the dorsal wall 
is hard and yellow like that of the outside of the body and is 
studded with small, chitinous bristles, defleeted towards the vulva. 
The eutieula of the ventral wall is thieker than that of the dorsal 
wall but is not hard and yellow and contains no spines. 

The vagina is very evidently an infolding of the outer body- 
wall. Its cuticula and hypodermis are identical with those of the 
body-wall and a direet continuation of them, and its musecles 
undoubtedly also belong to it. These muscles form several distinet 
groups of fibres and the function of all of them is to increase the 
capacity of the vagina during the growth of the larva and at the time 
of a birth. "The most important of them is, perhaps, a paired group 
of fibres which connects the dorsal vaginal wall and the posterior 
(dorsal) lip of the vulva with a broad ingrowth of the body-wall 
situated directly dorsad of the anus (Pl. I, Fig. 3 p.R). These muscles 
appear fan-shaped in longitudinal section (Pl. II, Fig. 3 d.vag.mus); 
they surround the end-intestine, which runs through them and divides 
them into two equal divisions. Laterad of this group of fibres on 
each side are muscles-fibres which conneet the lateral portions of 
the dorsal wall of the vagina with the dorsal body-wall (Pl. II, 
Rise. .o and 6). 

The significance of the folds of the dorsal vaginal wall will be 
clearly seen from their relation to these muscles.. When the latter 
are contracted the folds are lifted and the capacity of the vagina 
thereby very largely increased. This takes place not only during 
birth but also during the growth of the young larva in the uterus. 
The spiracles of the larva, as is so common among Diptera, are on 
the hinder end of the body. They are thus directed towards the 
maternal vagina (Pl. II, Fig. 4 Zar.sp), and the air necessary for the 
respiration of the larva must come dhrough that organ. The figure 


The Anatomy of the Female Genital Tract of the Pupipara ete. 3 


above referred to shows that the lumen of the vagina has been in- 
ereased in size in response to this need of the larva. 

Another important group of musele-fibres is the thick bunch 
transverse to the longitudinal axis of the body which covers the 
dorsal surface of the ingrowth of the body-wall above mentioned 
(Pl. H, Fig. 3 and 6 p.t.mus). The ends of the fibres are attached to 
two ridges formed in the body-cavity by the two grooves (Fig. 6 gr) 
which form the lateral boundaries of the chitinous plate extending 
from the vulva to the anus and mentioned above. These muscles 
are, perhaps, the largest group of musele-fibres in the animal’s body. 
Their function is obvious: by their contraction they raise the plate 
forming: the posterior lip of the vulva and thus very much increase 
the capacity of that slit-like opening during a birth. Reinforeing 
these muscles are also a number of fibres which pass from the above- 
mentioned ridges to the dorsal body-wall. 

The ventral wall of the vagina is but poorly supplied with 
special musecles, there being here no extensive bands or groups of 
fibres but only a few scattered fibres which pass from it to the ven- 
tral body-wall (Pl. II, Fig. 3 vag.mus). 


The uterus. 


The uterus is a broad, dorso-ventrally compressed tube stretching 
from the anterior end of the vagina forward to the median oviduct 
(Pl. II, Figs. 1, 2, 3, 4 U). Its actual shape and size are entirely 
dependant upon the age and the sexual condition of the animal. The 
virginal uterus represented in Fig. 3 has a length of about 1 mm, 
which is about half the length of the abdomen, and extends forward 
to within 0,35 mm of the forward end of the abdomen. The presence 
of an egg (Pl. H, Fig. 1) in the uterus changes its shape but slightly, 
but when the egg hatches and the young larva begins to grow, the 
uterus rapidly becomes stretched out of all semblance of its former 
shape. The presence of the full-grown larva in the uterus distends 
that organ forward until it reaches the anterior end of the abdomen 
(Pl. II, Fig. 4). The small intestine of the mother is erowded by 
this great srowth of the larva into the anterior, dorsal portion of 
the abdominal cavity, and the voluminous reetum is pressed against 
the dorsal body-wall. The larva, which at this time oceupies with 
the uterus half the space in the abdominal cavity, can easily be seen 
through the ventral abdominal wall. It appears as a glistening, 
white object oceupying the entire median portion of the abdomen. 


22 HS. Pratt, 


A young larva or an egg can also be detected, but less easily; it 
lies in the forward portion of the uterus and appears near the centre 
of the abdomen. 

In its finer structure the uterus presents no new features, but 
. some interesting modifications of the usual conditions. Its walls are 
a direct continuation of those of the vagina. The thickness of the 
euticula at the posterior end of the uterus equals that of the eutieula 
of the vagina, but this thickness gradually diminishes toward the 
forward end and in its forward half the uterus is lined by such an 
extremely thin and delicate cuticula that it is often diffieult to deteect. 
The matrix of the ceutieula is the usual single-layered epithelium. 
This is surrounded by a thickly woven layer of branched musele- 
fibres forming a network about the entire uterus which branch without 
regularity and are of varying thickness (Pl. III, Fig. 7). The strands 
immediately next to the uterine wall appear to be smaller than those 
toward the outside. The function of this network is evident. It is 
- primarily, by the contraction of its fibres, to bring about parturition 
at the proper moment, but it must also serve to strengthen and sup- 
port the wall of the uterus while that organ is heavy with the 
gsrowing larva. On the outer surface of the musele-sheath run longi- 
tudinal bundles of unbranched musele-fibres which eonnect the uterus 
with the ventral and anterior portions of the abdominal wall. Also 
a few fibres pass from the dorsal uterine wall around the rectum to 
the dorsal abdominal wall. The most important of these longitudinal 
groups of muscles are those which pass from the forward portions 
of the uterus to the anterior and ventral abdominal body-wali (Pl. II, 
Fig. 3 Z.mus). These are attached to the dorsal, ventral, and lateral 
surfaces of the uterus and find their forward attachment prineipally 
on two ridges of the abdominal wall which project into the body- 
cavity. We see thus that the uterus is provided with an extremely 
strong musculature, composed of two distinet systems of übres; the 
branched fibres forming the sheath immediately about it and the 
longitudinal fibres which connect it with the body-wall. The function 
of the latter is undoubtedly to hold the uterus in position. They 
are strong elastice bands which bind the uterus to the body-wall but 
whose length can change with the varying size of the uterus. But 
these muscle-fibres are not the only means of support with which the 
uterus is supplied. From the most anteriorly placed abdominal 
spiracles a pair of strong tracheal trunks pass to the uterus, just in 


The Anatomy of the Female Genital Tract of the Pupipara etc. 93 


front of which they break into a number of branches which pass 
around it on all sides (Pl. II, Fig. 3 ir). 

The uterus is composed of two distinetly different divisions, the 
posterior half, the walls of which are in all respeets like those of 
the vagina, and the anterior half, whose walls are of quite a differ- 
ent character in that they have the thin, delieate cuticula already 
mentioned, and are besides thrown into thick folds so that the lumen 
is very irregular in shape and in the empty uterus is often entirely 
elosed. It is into this anterior portion of the uterus that the egg 
arrıves when it has been extruded from the ovary and where it 
remains while the embryonie development proceeds.. The young 
larva on hatching also occupies the same place but gradually grows 
towards the posterior end until it fills the entire uterus. 


The milk-glands. 


At the anterior end of the uterus its dorsal surface is pierced 
by an opening through which the two pairs of milk-glands com- 
municate with it (Pl. I, Fig. 3 and 4 op.m.gl). LEUCKART (10) states 
wrongly that there are two openings, one for each pair of glands 
and one in front of the other, and that they are in the dorsal wall 
of the median oviduct. The forward pair is composed of two thick, 
short tubes averaging 0,5 mm each in length and 0,06 mm in diameter, 
whose proximal ends are fused to form a single tube (Pl. III, Fig. S 
a.m.gl, Pl. I, Fig. 2 a.m.gl). The hinder pair is composed of two 
large, extensively branched, tubular structures which also fuse at 
their extreme proximal ends to form a single vessel (p.m.g!). The 
median, proximal ends of the two gland-pairs meet at the opening 
in the wall of the uterus and are there bound together by a sheath 
of musele-fibres (Fig. 9. The function of these two pairs of glands 
is to furnish the milk-like fluid which serves as food for the growing 
larva. The forward, elub-shaped pair has probably largely lost this 
funetion and become more or less rudimentary, and as is usually 
the case with rudimentary organs they show a considerable amount 
of individual variation. They are often so small as to be found with 
diffieulty or may reach the considerable development represented in Fig. 8. 
They may even be found much larger than these and Levuckarr (10) 
has observed cases in which the distal ends of these glands branched 
diehotomically like the posterior pair. In Hippobosca, according to 
Durour (4), the anterior glands are long branched structures. 

The nutriment of the larva in Melophagus is undoubtedly furn- 


| il ES Brart, 


ished prineipally by the posterior pair of glands. This nutriment 
consists of a fluid containing a mass of round or oval disce-shaped 
bodies which are presumably fat-bodies; they are fairly constant in 
size having an average diameter of 0,01 mm. The seeretion of these 
slands is thus extremely similar to milk. It is poured through the 
opening already mentioned into the anterior end of the uterus where 
the larva sucks it into its mouth. During the entire uterine life of 
the larva its anterior end is constantly at the anterior end of the 
uterus, the increase in length which the larva undergoes resulting in 
its extension towards the posterior end of the uterus until that organ 
is completely filled. The mouth of the larva, however, does not 
change its position in the uterus, and would be thus eonstantly bathed 
in the milk-like seeretion (Pl. I, Fig. 4 Zar.M), which is sucked 
in by a complicated sucking apparatus I have already described in 
another place (PRATT, 16). For the sake of completeness, I will briefly 
describe this organ again. Directly back of the larva’s mouth, in its 
pharyngeal cavity, is a muscular tongue-like organ (Pl. I, Fig. 4 
mus.ton), ventrad of which the oesophagus passes to the sac-like 
stomach. Dorsad of the museular tongue is a sac whose dorsal wall 
is connected by a median, longitudinal muscle with the dorsal body- 
wall. The museular tongue contracts and dilates regularly like the 
beating of a heart, about forty times a minute: the dorsal longi- 
tudinal muscle must also contract, although I have never been able 
to observe it in the live animal. As a result of these movements 
the milk is drawn into the mouth of the larva and forced throush 
the oesophagus into the stomach, which is at all times completely 
filled. The beating of the tongue probably goes on without interrupt- 
ion during the entire uterine life of the larva. As soon as it is born, 
however, and thus removed from its food supply, the beating ceases, 
and during the day or two which intervenes while the larva is 
preparing to enter upon the pupal stage and the first part of the 
metamorphosis, the young animal is nourished by the milk which 
was already in the stomach at the time of birth. The milk rapidly 
deereases in volume during this period and by the middle of the 
metamorphosis is entirely exhausted. 

The finer structure of the milk-glands presents the following 
features. The extreme proximal, median ends of the two gland- 
pairs are bound together just before the opening into the uterus by a 
common muscle-sheath (Pl. II, Fig. 9), composed of irregularly ar- 
ranged, striped fibres. 


The Anatomy of the Female Genital Traet of the Pupipara ete. 35 


The Anterior Pair of Glands. The epithelium of which 
these glands are composed is made up of cells which have but little 
seeretive function, those cells near the distal ends of the glands being 
somewhat higher than the others (Pl. III, Fig. 8 a.m.g!). Surrounding 
the proximal, fused ends of the glands are musele-fibres, irregularly 
arranged (Pl. III, Fig. 10 a.m.gl). Distad of the point of bifurcation 
of the tubes, the inner most fibres no longer appear. The outer most 
fibres persist, however, and for a short distance form a common 
sheath around the ends of the diverging tubes and hold them together. 
They also surround each tube after they have ceased to form this 
common sheath for about a quarter of its length. The distal three- 
quarters of the glands have no musecles around them. The entire 
structure is bounded externally by a membrana externa (Pl. IH, 
Fig. 8 mem.ex) and internally by a tlick membrana interna (mem.n), 
both of which are structureless. In a longitudinal section of these 
slands their lumen appears bounded by serrated lines which fact is 
due to the projeetion of the inner ends of their epithelial cells into 
the lumen. | 

The Posterior Pair of Glands. The fused portion of these 
slands is very short, the two glands joining immediately before 
entering the uterus (Pl. II, Fig. 8). The free portion of each is 
composed of two distinet divisions, the branched, distal portion in 
which the secretive alone resides, and the unbranched, proximal 
- portion which is but the outlet or duct of the other. The epithelium 
-of this duet is composed of flat cells which projeet into its lumen; 
surrounding: this are two layers of muscle-fibres. A thick membrana 
interna (Pl. III, Fig. 8 mem.ın) lines the lumen and a membrana externa 
(mem.ex) surrounds the musecles on the outside of the ducts. The 
distal portion of the glands is by far the larger part of them. It 
branches very extensively, apparently usually dichotomically (Pl. I, 
Fig. 2 p.m.gl), and fills up a greater part of the entire space in the 
abdomen which is not occupied by other organs. Its epithelium is 
composed of large cells, 0,04 mm high, four or five times as large as 
those of the epithelium of the duct. The nucleus is large and 
invariably contains one or two large nucleoli.. The protoplasm of 
the cells appears coarsely granular in stained specimens and often 
contains large vacuoles. The membranae interna and externa are 
present on every part of the glands, but no muscle fibres are on 
the distal, branched portion. 


I6 HS: MPratt, 


The oviducts. 


Is has already been mentioned that the oviduets of the sheep-tick 
are very highly modified from the typical condition. Their proximal 


. ends are fused and form a single, median vessel 0,53 mm long, which 


joins the uterus a trifle posteriorly to the latter's anterior end. In 
the virginal female this median oviduct lies in a plane perpendicular 
to that of the uterus (Pl. D, Fig. 3): thus it has a dorso-ventral position, 
whereas the uterus lies parallel to the ventral abdominal wall. As 
the female becomes older, however, and the uterus through frequent 
bearing becomes larger and longer, the proximal end of the median 
oviduet gets carried forward so that its original perpendieular position 
is lost and gives way to one in which the median oviduct meets the 
uterus at an acute angle (Pl. II, Fig. 2 med.orı). And when the 
uterus is distended to its greatest extent by the presence in it of a 
large larva this angle becomes almost obliterated, and the median 
oviduct is brought to lie directly on the dorsal wall of the uterus. 
The short, paired, distal ends of the oviduets join the median, 
unpaired portion just described to the richt and left respectively 
(Pl. II, Fig. 2 pa.ovi). These are very short and vary in lensth 
with the condition of the ovary as will be explained later, and each 
bears at its extremity the ovoid ovary. | 

The function and purpose of this peculiar fusing of the proximal 
ends of the oviducts, which, so far as I know, is not to be met with 
to the same extent outside the group of Pupipara, is to provide a 
reservoir for the sperm of the male animal in the female, in other 
words, to improvise a receptaculum seminis. The sheeptick has no 
receptaculum seminis of the form usual in inseets. The extreme 
anterior end of the uterus, which appears as a small projecetion in 
front of the point of juncture of the median oviduct with it, may 
be a rudiment which is homologous to the receptaculum seminis of 
other insects, and has been so interpreted by LEUCKART (10). All 
of the other brachyceran dipters, so far as I know, are provided 
with a receptaculum seminis, and the ancestors of Melophasus and 
the other pupipars were undoubtedly no exception to the rule. But 
probably the enormous distention of the uterine wall, which has 
resulted from the retention of the growing larva in the uterus, has 
led to the extinetion of the receptaculum seminis as a funetional 
organ. Its place, then, is taken by the fused ends of the oviducts; 
this acts as a receptacle of semen and is constantly filled with it. 


The Anatomy of the Female Genital Tract of the Pupipara ete. 37 


It was v. SıssoLp who first demonstrated this fact (19). Durour 
(4 and 5) called the anterior milk-glands the receptaculum seminis; 
LEUCKART corrected him. 

But it is not the entire median Beiliel which is thus filled with 
sperm and functions as a receptaculum seminis, but the dorsal or 
distal end of it (Pl. II, Fig. 2 rec.sem) which is considerably wider 
than the remainder of the median oviduct and forms a distinet 
compartment in it. LEUCKART calls this the Fundus. Its Jumen has 
a width of 0,15 mm in the adult female against a width of 0,01 mm 
in the portion of the median oviduet immediately adjoining the 
uterus. It is slightly arched on its dorsal surface and the paired 
oviduets meet it to the right and left. These are very short and of 
unequal lensth., When in either ovary an egg is present which is 
fully matured or nearly so, as is the case with the left hand ovary 
in Fig. 11, the oviduct on that side is apparently almost obliterated 
throush the crowding of the egg into it (Pl. IU, Fig. 11): when, 
however, the largest egg is still small and immature as in the right 
hand ovary, the oviduct on that side may have a length of 0,23 mm. 
And between these extremes we find all intermediate stages. 

The finer structure of the oviduets presents the following features. 
The structure of the proximal portion of the median oviduct is 
similar to that of the uterus. The epithelium of the fundus and of 
the paired oviduets is peculiar in being composed of very high, 
narrow cells giving the wall a much greater thickness than that of 
the remainder of the median oviduct. Surrounding the epithelium is 
a network of muscle-übres similar to that of the uterus but somewhat 
thinner. Their arrangement is also somewhat more regular than that 
of the uterus, there being a more definite arrangement into eireular 
and lonsitudinal muscles.. The ental fibres are distinetly eireular 
while the ectal ones are longitudinal although their arrangement is 
not regular but such that they form a more or less regular network 
about the eircular fibres. Among the museles are numerous connective- 
tissue fibres. 

The membrana interna is very delicate in the median oviduct. 
In the paired portions, however, it is very thick and is thrown into 
long folds which are longer than the cells they abut and project 
into the lumen so as almost to fill it, leaving only a very narrow 
passage in the center of the vessels (Pl. IT, Fig. 11 pa.ov:). These 
folds are all inclined toward the fundus and their function is obvious: 
they form a system of valves which prevent the flow of the sperma- 


38 HeseBratt, 


tozoa stored in the fundus towards the ovarial sacs. The passage 
of the egg, on the other hand, from the ovary into the fundus would 
not be hindered. 


The ovaries. 


The ovaries of Melophagus have much about them which is 
peeuliar and have in consequence attracted the attention of entomoto- 
mists ever since the time of REAUMUR. On account of the diffieulties 
attending a successful dissection of them, however, it was LEUCKART 
who first correctly deseribed them. AI of the earlier investigators, 
often misled by a ceurious desire to homologise them with the human 
ovaries, to which they bear a certain superficial resemblance, described 
the ovary of Melophagus as containing but a single ovariole which 
contained but a single ovum. And this false notion still largely 
prevails and is propagated by certain illustrations which appear in 
some of the best text-books. Fig. 495 in CLAus’ »Lehrbuch der Zoo- 
logie« and Fig. 160 in GEGENBAUR’S »Uomparative Anatomy« (English 
translation) are taken from LEUCKART'S Fig. 1 (l. e.) and incorrectly 
described, conveying the notion above mentioned. 

The ovary of our inseet appears as an ovoid body of variable 
size (Pl. II, Fig. 2 ov). In a superficial examination one Sees none 
of the parts usually found in an insect'/s ovary; 1. e., ovarioles, egg- 
follicles, ete. The whole organ seems rather to consist of but a 
single ovariole containing but a single folliele with its ovum and 
nutritive cells. As a matter of fact, the peritoneal covering which 
encloses the ovary is of extraordinary thickness, thicker, perhaps, 
than in any other inseet and forms an elastic sac within which lie 
two ovarioles (Pl. III, Fig. 12). The walls of this sac are made up 
of muscle fibres and conneetive-tissue and are a direct continuation 
of the outer covering of the oviducts and the uterus (peri.cov). Each 
of the two ovarioles within the sac consists of two follieles and a 
germarium; no distinet terminal thread is present, although the terminal 
portions of the germarium may be considered as such a structure. 
The ovarioles are attached by means of their germaria to the inner, 
distal surface of the peritoneal sac and at no other place, hanging, 
thus, free within the sac (see woodeut No. 1, also Fig. 12). The 
ovariole is bounded on its outer surface by a structureless tunica 
propria (Fig. 12 Zun.prop) and by an inner peritoneal covering composed 
exclusively of connective-tissue fibres which project from the inner 
surface of the distal end of the peritoneal sac (in.perz.con»). 


The Anatomy of the Female Genital Tract of the Pupipara ete. 39 


It will thus be seen that however different in shape from the 
typical insect ovary that of Melophagus shows no fundamental peeu- 
liarities. We find here the three structures one may expect to find 
in any insect ovary, to-wit; 1) the peritoneal covering; 2) the tunica 
propria; 3) the germinal epithelium. The first is peculiar only in 
being excessively developed, the latter two are not peculiar in any way. 

Melophagus possesses almost the minimum number of ova- 
rioles, Campodia, according to GRAssI (7), possessing but one. The 
following inseets also possess but two, according to LuBBock (13, 
p- 343), Lixus and Anthonomous among the beetles, Schizoneura 
corni, an Hemipteron, Chelonus, a Hymenopteron, and according to 
LEUCKART (10), Hippobosca and Braula, also Pupipara. The greatest 
number of ovarioles is found in. the termite in which the ovary, 
according to SHARP (18), is composed of 3000 ovarioles. Between 
these limits we find the greatest variation: according to LUBBOocK 
the honey-bee may have 170, Cicada 50, Elater and Coceinella 30, 
and Butterflies 4 to 12. There is, we see, the greatest variation in 
the number of ovarioles within the different orders of insets, nearly 
related inseets often differing very greatly. There is, undoubtedly, in 
each case a single embryonie Anlage for all the ovarioles of each 
ovary, as has been shown, for example, among others by Heyuons (8) 
for the cockroach, and by WEISMANN (20) for Musca, and by WHEELER 
(22) for Xiphidium, and by myself (16) for Melophagus, and this is 
true whether the ovary has a metameric origin as is the case in Xiphi- 
dium or appears before the metameres have become fully established. 
The number of ovarioles which actually becomes charaeteristie 
for any given species depends entirely on the life-conditions of that 
species and not on any hereditary conditions. If a large number of 
esgs must be produced in any given species a large number of 
ovarioles becomes the rule and vice versa. Melophagus produces 
probably not more that a dozen eggs a year. The ovarioles, it seems 
to me, cannot have metameric value except in some Thysanura as 
shown by Grassı (7), their enormous variation between 1 and 3000, 
and their great variation often in near relatives, preeluding this. 

Melophagus possesses with a very few exceptions, the minimum 
number of follicles in each ovariolee A few of the Hemiptera 
(Coceus, according to LuBBock) have but a single folliele im each 
ovariole. These insects have, however, a large number of ovarioles 
and thus produce many more eggs than Melophagus. Hippobosca 
and Braula according to LeuckArr have three in each ovariole, Musca 


30 HS. Braft, 


has three or four, Blatta has ten, Periplaneta, according to WHEELER 
(21) has thirty and the Lepidoptera, according to LuBBock have from 
twelve to one hundred. 

There are thus in the ovary of Melophagus but four developing 
ova at any one time, two in each ovariole, and in the two ovaries 
there are but eigeht ova. The two ovarioles within each ovary, and 
also the two ovaries themselves, are further peculiar in being very 
dissimilar in size. As the entire embryonie and a greater portion 
of the larval growth goes on within the uterus, this organ naturally 
retains each egg within it a long time, and receives the different 
ss from the ovaries one ata time and at long intervals, probably 
several weeks. The two ovaries alternate in furnishing the next 
egg, and within each ovary the two ovarioles alternate in performing 
this duty. The accompanying 
diagram shows the order in which 
the eight ova in the four ovarioles 
leave the two ovaries, the nume- 
rals indicating the order of suc- 
cession. The result of this ar- 
rangement is that there is always 
one ovum of the eight in the 
two ovaries much larger than the 
others, it being the one whose 

Textfig. I. turn will next come to descend 

into the uterus, and the ovary 

which contains it will be much larger than the other ovary. Likewise 
within the ovary the follicle which contains this ovum will be much 
larger than the other three follieles. These facts are very well shown 
in the plates. In Fig. 11, in the smaller ovary (the one to the right or 
the reader), the two ovarioles are as near the same size as any I have 
observed; the smaller ovariole (ovar.2) having a length of 0,17 mm, the 
larger one (ovar.!) having a length of 0,35 mm. The largest folliele in 
this ovary (fol.?) has a length of 0,26 mm, the next largest ( fol.2) has a 
length of 0,15 mm. The two smallest follieles (fo2.6 and fol.S) do 
not differ much in length, they measuring 0,066 mm and 0,05 mm 
respectively. In the larger ovary (the one to the left of the reader) 
the ovariole containing the largest follicle (ovar.?) has a lensth of 
0,57 mm, the smaller ovariole (ovar.2) has a length of 0,22? mm. The 
largest folliele (fo2.7) in this ovary has a length of 0,77 mm, the next 
largest (fol.3) has a length of 0,16 mm; the two smallest follieles 


eg 
es 
of 


The Anatomy of the Female Genital Tract of the Pupipara ete. 31 


(f01.5 and fol.7) do not differ in size, their lengths being 0,08 mm and 
0.06 mm respectively, which is very nearly the same as the lengths 
of the smallest follicles in the opposite oyvary. The mature ovum 
measures 1,2 mm in length and 0,30 mm in width; it occupies almost 
the entire space within the peritoneal sac, and impresses its shape 
upon it, the follieles containing the other three ova being exceedingly 
small and beinz crowded into a narrow space at the distal end of 
the ovary. The lower or proximal end of the ripe ovum crowds the 
oviduet, partly obliterating it. 

When, now, the ripe ovum is extruded, the ovary at once shrinks 
by the contraction of the muscles-übres in the peritoneal sac to a 
very small size and the follieular epithelium, which had surrounded 
it, and the remains of its nutritive cells disintegrate. The ovary 
beeomes about 0,64 mm long and 0,24mm wide. Its shape also 
changes: when it contains the ripe ovum it has almost its exact shape 
and size, after the ovum is extruded it becomes an elongateä 
structure, slightly larger toward the proximal end (Pl. II Fig. 2, ov. 
and Fig. 12). The walls of the peritoneal sac hang loose about the 
ovarioles (Fig. 12). The separate peritoneal coverings of the ovarioles 
also hang loose about them and project from their lower ends towards 
the oviducts and often contain scattered epithelial cells, the disinte- 
srated remains of the last mature folliele (Pl. III, Fig. 12, dis.fol.ce). 

The duty of furnishing the next ovum now shifts to the opposite 
ovary, which, of course, is now the larger ofthe two: it is a piriform 
strueture and measures 0,9 mm by 0,5 mm. It is at this time that 
the two ovaries are the smallest in absolute size, and also that the 
youngest embryo is present in the uterus. As the growth of the 
embryo and the larva proceeds the two ovaries are constantly 
inereasing in size, until finally when the larva has attained its 
— maximum size and is ready to be born, the largest ovum in the 
largest ovary has again attained full size and is ready to be extruded. 
It is at this time that the two ovaries have attained their maximum size. 
The larya in the uterus is then born and that organ being emptied, 
soon afterward the ripe ovum passes in its turn from the ovary 
through the receptaculum siminis, where it is fertilized, into the uterus. 

Histology of the ovary. Peritoneal covering. This is 
composed of two distinet tissues, a) a layer of striped, branched 
and anastomosing musele-fbres among which are a small number of 
eonnective-tissue fibres, which form the outer portion of the peritoneal 
sac, and b) a layer of branched and anastomosing conneetive-tissue 


39 ERS Bratt 


fibres which form the inner portion of the peritoneal sac and also a 
coating about the ovarioles (Pl. III, Fig. 12 peri.mus and peri.con). 
Entering the peritoneal sac from the body-cavity are numerous small 
tracheae and nerves. The branched muscles are best studied in a 
small ovary. In large ovaries in which the prineipal ovum is well 
developed, the muscles are so much distended that it is often im- 
possible to distinguish their striation, and they may appear more like 
an irregular mesh-work of anastomosing connective-tissue fibres. At 
the side of a small ovary the muscles appear as broad fibres with a 
round or elliptical ceross-section (Fig. 12 per.mus) containing many 
nuclei; in a flat view they appear as broad, irregularly shaped 
muscle-cells, anastomosing freely, each cell containing a nucleus 
(Pl. IIL, Fig. 15). There are no straight, unbranched museles-fibres 
connecting the ovary with other organs or with the body-wall as is 
the case with the vagina and the uterus, the nerves and tracheae 
entering the ovary being the only suspensory apparatus attached to it. 

The connective-tissue fibres composing the inner layer of the 
peritoneal sac are always easily distinguished in sections from the 
musele-fibres.. They form a distinet layer beneath the muscles, the 
thiekness of which is considerably less than that of the musele-layer 
(Fig. 12). Where the peritoneal sac is stretehed by the presence of 
a large ovum, the muscle fibres do not show their striations, as has 
already been mentioned, and the connective-tissues fibres of the 
inner layer and the muscle-fibres of the outer one have the same 
appearance, except that the former are smaller in cross-section and 
contain far fewer nuclei than the latter. 'T'he interspaces between 
the muscles contain numerous delicate strands of connective-tissue 
which pass among them from the inner layer. The outer surface of 
the peritoneal sac is covered by a membrana externa. According to 
LeuckArr’s description the inner surface of the peritoneal sac is also 
lined with a structureless membrane which is a continuation of the 
intima of the oviducts. This membrane does not appear in my pre- 
parations. Ä ur 

But connective-tissue fibres not only form the inner surface of 
the peritoneal sae but they fill the distal end of the sac and form a 
coating around the ovarioles (Pl. III, Fig. 12) In a very small ovary 
containing very young ova, such as is figured in Figure 1?, the peri- 
toneal covering of the separate ovarioles may be studied very favorably. 
The distal end of the ovarial sac is seen to contain a mass of connective- 
tissue fibres in which are imbedded the distal ends of the ovarioles. 


The Anatomy of the Female Genital Tract of the Pupipara ete. 33 


Figures 13 and 14 represent two cross-seetions of the distal tip of 
the ovary, Fig. 13 being slightly proximad of Fig. 14. In both we 
see the outer museular layer surrounding the connective-tissue within: 
Fig. 13 shows the distal termini of the ovarioles (ovar), Fig. 14, being 
just distad of these termini and not containing them. The peritoneal 
covering of the separate ovarioles is closely applied to those follicles 
which contain large ova (Pl. IH, Fig. 11 ın.peri.cov). This is not 
the case, however, at the narrow necks which connect the follieles, 
where it passes directly from one follicle to the other. In ovarioles 
containing very small ova their peritoneal coverings are but loosely 
applied to the entire structure (Pl. II, Figs 12 in.per:.cov). The peri- 
toneal eovering of the ovarioles often extends below the largest 
folliele toward the oviduct where they terminate abruptly and freely. 
The actual condition of this end of them differs very greatly in 
different cases. In the ovary represented in Fig. 12, the follicles being 
extremely small, the inner peritoneal membrane is seen extending far 
below each ovariole. It consists of a broad band .of connective tissue 
which extends from the lower end of the ovarioles to the beginning 
of the oviduet and there ends abruptly; it contains a few scattered 
cells (dis.fol.ce) which represent the remains of a disintegrated folliele 
which has discharged its ovum. 

In large ovaries the lower end of the peritoneal covering of the 
separate ovarioles is much less noticeable. Often, as in both ovaries 
represented in Fig. 11, it does not extend at all below the largest 
folliele in each ovary, but simply forms a covering around its lower 
end in all respeets like that at its sides. When a ripe ovum is 
extruded the peritoneal membrane covering its follicle is ruptured. 

It will be interesting now to compare the peritoneal covering of 
the ovary of Melophagus with that of other insects. In the majority 
of inseets we find that it consists of a more or less elosely woven 
membrane of fibrous connective-tissue which surrounds each ovariole: 
imbedded in it are often striated, branched muscle-fibres, nerves 

and tracheae. There are, however, the greatest differences in the 
_ actual extent of the peritoneal membrane in different inseets. It may 
be entirely wanting, as, according to BRANDT (2, p. 3), it is in Perla, 
Nemura, Baetis, Coceus and the viviparous Aphids. In the cericket 
(Gryllus) it is present, but feebly developed, and consists of long, 
thin, net-like, anastomosing connective-tissue threads, which are spun 
around and among the numerous ovarioles. They do not form a 


membrane, however, about each separate ovariole, but at the outer 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Ba. 3 


34 H. S. Pratt, 


rim of the ovary they form a distinet membrane which surrounds 
that organ and binds the ovarioles into a compact mass. In Tipula 
similar conditions prevail, but in addition to the conneective-tissue 
fibres, muscles-fibres are also present. In both cases the peritoneal 
: membrane is continuous with the outer covering of the oviduct and 
also of the terminal thread. Very commonly, however, the peritoneal 
fibres, instead of merely being spun among the ovarioles or forming 
a membrane about all, are woven into a distinet membrane about 
each one, and in this case the membrane about the entire ovary is 
usually not present. Thus in Rhizotrogus, Notoneeta, and Carabus, 
according to Leypıe (11, p. 602), each ovariole is covered with a 
thick peritoneal covering, and the membranes of all the different 
ovarioles meet at the distal end of the terminal thread in a common 
membrane which connects with the outer covering of the heart. In 
Musca, a very near relative of Melophagus and the pupipars, the 
conditions are similar. The peritoneal membrane, according to LEYDIG 
(11, p. 574), covers each ovariole rather loosely. The different follieles 
of an ovariole are separated from each other by a very narrow neck, 
and here the peritoneal covering is not applied closely to the tunica 
propria, but passes directly from one follicle across to another. At 
the distal tips of the ovarioles their peritoneal membranes fuse and 
in this common membrane are branched musele-fibres.. There is no 
connection between the ovary and the outer covering of the heart. 

BRANDT (l. ec. p. 7) sums up his chapter on the peritoneal mem- 
brane in insects as follows. It is usually present, and consists of 
connective-tissue in which may be muscle-fibres; but it is an accessory 
and not a necessary part of the reproductive tract. Its function is to 
hold together the ovarioles. The muscle-fibres, when they are present, 
serve two purposes, they assist in binding together the ovarioles and 
also cause the peristaltic motion which has been observed in the 
ovaries of Pulex, Pieris and other insects. 

Considering, Melophagus, now, in the light of the foregoing, we 
see that its peritoneal membrane, the character and structure of which 
at first sight seem so aberrant, is really peculiar only in its great 
thiekness and extent. The portion which forms the outer sac finds 
its counterpart in many groups of insects in the membrane which 
surrounds and holds together the ovarioles, but in no other insect, 
so far as I know, is it so thick and composed of two distinet layers, 
and nowhere do the muscles play so important a role. There are 
no musele-fibres in the peritoneal covering of the ovarioles in Melo- 


The Anatomy of the Female Genital Tract of the Pupipara ete. 35 


phagus, which is unusual where this covering is as thick as it is in 
this insecet. It is not unusual for these coverings to fuse beyond the 
end of the terminal thread and form a common mass of conneetive- 
tissue at the distal end of the ovary. In Musca, this fused portion 
contains muscle-fibres, and it seems to me that the outer peritoneal 
sae in Melophagus with its thickly woven layer of muscles may be 
a further development of the muscle and connective-fibres which in 
Musca are present at the distal of the ovary. In no other insect, so 
far as I know, does the peritoneal covering of the ovarioles fail to 
be continuous with the outer covering of the oviduct, and that this 
is the case in Melophagus is probably due to the fact that the outer 
covering ot the oviduct finds its continuation in the peritoneal sac. 

The ovarioles. Each ovariole consists of a short, thick germ- 
arium or terminal chamber and one or two follicles, and is bounded 
on the outside by a delicate tunica propria. The germarium in a 
small ovary is about 0,05 mm long and 0,025 mm thick at its base, 
and is imbedded for about a third of its length in the fibrous mass 
at the distal end of the peritoneal sac (Pl. III, Fig. 12 ger, Fig. 13 ger). 
The germarium tapers towards its tip where it contains but one or 
two nuclei. It is surrounded by a tunica propria to its tip. The con- 
tents of the germarium are small, compact nuclei all of the same size 
and appearance imbedded in protoplasm, no cell-walls being demon- 
strable.. The germarium is separated from the youngest folliele by 
a constriction. In a very small ovary the smaller of the two ovar- 
ioles does not contain the usual two follieles, but a single mass of 
serm-cells in which differentiation has but just begun (Pl. III, Fig. 12 
ovar.2). The first signs of differentiation in the young folliele is a 
division of its cells into peripheral and central cells, the former 
being smaller than the later and arranged in a regular, peripheral 
layer. This layer is destined to become the follicular epithelium of 
the two follicles of the ovariole, the inner cells to become the nu- 
tritive and egg cells. Covering the common folliele is a tunica pro- 
pria, which does not end at its lower end, but extends alongside 
the larger ovariole to near the lower end of the ovary and contains 
the disintegrated remains of the follicle which last discharged an 
_ ovum (Pl. III, Fig. 12 dis.fol.ce). Very soon the inner cells at the 
lower, posterior end of the common folliele begin to increase greatly 
in size; the extreme posterior one of these cells becomes distinctly 
different in appearance from its fellows and somewhat larger than 
them and acquires a nucleus which contains far fewer chromatine 

3% 


36 ES. Bratt, 


sranules than the nuclei of the other cells, and a nucleolus, and thus 
develops into the ovum of the future lower follicle of the ovariole 
(Pl. III, Fig. 12 ovar.2). Almost simultaneously with its appearance, 
but yet a little later, the nutritive cells of the same folliele differ- 
entiate (2.ce). They are a trifle smaller than the young ovum but 
have nuclei which eontain numerous chromatine granules and can be 
easily distinguished from it. The ovum, nutritive cells, and follieular 
epithelium, which have thus become differentiated in the lower portion 
of the common folliele, are at first not separated by any constrietion 
from the still undifferentiated cells which are destined to form the 
upper or younger follicle of the ovariole. They grow rapidly, how- 
ever, and increase in size, and soon a constrietion appears which 
separates them from the upper portion of the common follicle, and 
thus divides this structure into the two follieles, in the lower one of 
which the distinetive cellular elements have all differentiated, while 
in the upper one differentiation has so far lagged behind that the 
cells only show an indistinet separation into outer, follicular epithelium 
and central cells, as is shown in ovar.! Fig. 12 and also in both 
ovarioles in the right ovary and ovar.2 of the left-hand ovary in 
io el: 

Ovar.2 in each of the ovaries of Fig. 11, being the smaller of 
the two in each, the development of its follieles is almost entirely 
checked after the condition above described has been attained, by 
the enormous growth of the lower follicle of the other and larger 
ovariole of the ovary. Thus we see, for example, that after the lower 
folliele of the smaller ovariole has reached the condition represented 
by fol.4 in Fig. 11, it remains stationary during the increase in size 
of its large neighbor, fo/.2, and until this follicle has become mature 
and has discharged its ovum. The same fate also follows 02.3, Fig. 11, 
which is no larger than 02.4, although it is older, and also the largest 
folliele in Fig. 12, which has just become the chief follicle in the 
ovary by reason of the recent extrusion of the ovum from this ovary, 
is no bigger than fol.3 and fol.4, Fig. 11. 

If we could follow, now, the growth of the larger ovariole 
(ovar.1) in the small ovary represented by Fig. 12, we should notice 
that now that its lower folliele has become the largest folliele in the 
ovary and is given a chance to grow (by the disappearance of the 
ripe ovum in the other ovariole), it inereases in size very rapidly. 
Its smaller folliele, however, which up to this time has undergone 
no development except into outer, follieular, and inner cells, would 


The Anatomy of the Female Genital Tract of the Pupipara ete. 37 


not for some time grow at all. The nutritive cells and ovum of the 
large follicle of the larger ovariole would all increase very rapidly 
in size. The ovum is always at the lower end of the folliele; its 
nucleus is large and centrally situated and contains a very few 
chromatine granules and a nucleolus. The nutritive ceils for a long 
time increase in size about as fast as does the ovum and have very 
large nuclei richly charged with chromatine granules. The tunica 
propria covers the entire ovariole; it is stretched to disappearance 
about the larger folliele after this has become of large size, but 
always appears on the narrow neck connecting the two follicles in 
the form of a tube containing scattered cells. On the lower side of 
the large follicle (that looking towards the receptaculum seminis) the 
tunica propria usually passes smoothly around the folliele, as is 
shown in Fig. 11; in some cases, however, the ragged end of the 
tunica may be seen extending beyond the follicle towards the oviduet 
(Pl. IH, Fig. 12 Zun.prop). In no case does the tunica propria extend 
as far as the oviduct. 

When finally a folliele becomes the largest one in the two ovaries 
and its ovum is the next one to pass into the uterus, its growth 
becomes very rapid. Its nutritive cells also increase greatly in size 
and soon attain their maximum volume The ovum, which up to 
this time has grown in size at about the same rate as the nutritive 
cells, now rapidly outstrips them and is soon larger than all the 
nutritive cells together (Pl. III, Fig. 11 /o2.7). The nutritive cells 
now begin to decrease in bulk, and at about the same time the fol- 
lieular cells begin to make their appearance and form a membrane 
between them and the ovum, the follicular cells which bound the 
nutritive cells on the outside becoming stretched and irregular. 
The follicular cells which surround the ovum increase in number as 
it does in size so that they always form a regular, columnar epi- 
thelium about it. The nucleus of the ovum, which has remained 
near its centre now loses its nuclear wali, becomes amoeboid and 
migrates to its periphery where it decreases very much in size. The 
nutritive cells decrease rapidly now in volume and the ovum increases 
until it has assumed the shape characteristic of inseet eggs and the 
nutritive cells being deprived of a greater part of their sub- 
stance are reduced to a mere remnant. The delicate chorion 
forms. The nueleus of the ovum has by this time migrated back to 
the centre of the ovum and that body soon after bursts its tunica 


38 | H. S. Pratt, 


propria and passes into the uterus. I did not observe the extrusion 
of the polar bodies. 

It will be interesting, now, to compare the ovarioles and egg- 
follieles of Melophagus with those of other inseets. As is well known 
KorscHELT (9) following LugBock (13), LEyDIe (11), and others, has 
shown that the indifferent, germinal cells in the germarium differ- 
entiate in the youngest folliele into the follieular epithelial cells, the 
ovum, and the nutritive cells if these be present. My own observa- 
tions on Melophagus, as will already have been noticed, clearly con- 
firm this view. These investigations, purely anatomical in character, 
do not, however, stand in harmony with the results of the embryo- 
logical investigations of HEYMoNS (8) and WHEELER (22) on certain 
Orthoptera. These authors have found that the follieular epithelial 
cells and the ova in this group of inseets, are separate and distinet 
from each other from the time of their inception in the mesodermie 
somites of the embryo, so that there can be no indifferent germ-cells 
in the germarium. In the Orthoptera, however, the germarium of the 
adult insect is exceedingly small: it may, in fact, be said hardly to 
exist at all in the same sense as in the higher insects. It certainly 
does not contain indifferent cells. Judging from the figures of 
KorscHELT (Figs. 1—7), the short germarium contains two kinds of 
cells throughout its entire extent, the large ova within and the 
smaller follieular cells on the periphery which are continuous with 
the follieular epithelium of the remainder of the ovariole. In the 
upper end of the germarium there is a small agglomeration of the 
smaller cells, and they alone are found in the terminal thread. In 
the higher insects, on the other hand, a voluminous germarium is 
usually present, and it contains apparently indifferent cells which 
develop into follieular, nutritive, and egg-cells. It is my opinion, 
however, that further investigation in the embryology of the holo- 
metabolie inseets will show that in them also the germinal and fol- 
licular cells are separate and distinet from their inception and that 
in some forms the adults will be found to possess a germarium con- 
sisting of two kinds of cells instead of indifferent cells. 

Inseet ovaries are divided by KoRSCHELT (9) and most of the 
text-books into two classes, those in which nutritive cells are present 
and those in which there are none. The first elass is found in the 
Orthoptera and other of the lower insects, the second is found in 
the higher inseets and may be subdivided into three subgroups ac- 
cording to the position of the nutritive cells. The first subgroup 


The Anatomy of the Female Genital Tract of the Pupipara ete. 39 


contains those ovaries in which the nutritive cells are in the germ- 
arıum and this structure is unusually large; it is present in the 
Hemiptera and certain Coleoptera: the second subgroup contains 
those in which the nutritive cells are in separate appartments of the 
ovariole, each appartment being immediately above an egg-folliele; 
it is present in the Hymenoptera: and the third subgroup contains 
those in which the nutritive cells are included in each folliele with 
the ovum, being situated just above or distad of it; it is present in 
the Diptera. The ovary of Melophagus belongs to the last named 
class. The ovariole is, as has already been pointed out, almost ex- 
actly similar to that of Musca. As KOoRSCHELT shows, the tunica 
propria in Musca is also ruptured as it is in Melophagus when the 
ovum descends from the lowest folliele into the oviducet, so that the 
connection between the ovariole and the oviduet is maintained by 
the peritoneal membrane alone, but Melophagus differs from Musca 
in that it is the outer peritoneal sac (which does not exist in Musca) 
by which this is accomplished, the peritoneal covering of the ovariole 
rupturing with the tunica propria. 


Methods. 

The greater portion of this investigation was carried on at Haver- 
ford College. The material was obtained chiefly from the neighborhood 
and from Cold Spring Harbor, L. J., although some ticks which had 
been obtained in Germany were also used. I could see no difference 
between the American and the German ticks. The animals were killed 
by decapitation and then fixed in a saturated corrosive-sublimate solu- 
tion heated to 50°C. The abdomens were then in many cases stained 
in borax-carmine and sectioned in the three prineipal planes. These 
seetions show the position of the genital traet with reference to the 
surrounding organs. The finer histological details of the ovaries could, 
however, be studied to advantage only on genital tracts which had 
been dissected from the animal and then sectioned, as then only 
could that organ be cut in definite planes. It was found that a much 
more successful dissection could be made after the abdomen had been 
thoroughly hardened than when it was fresh on account of the great 
delicacy of the organs. This dissected material was stained either in 
toto with borax-carmine or on the slide with EurLicH’s haematoxylin. 


40 


DB om 


ot 


15. 


EReSs Bratz, 


Literature. 


E. BLANCHARD, L’Institut. 1846. No. 630. 

A. BRANDT, Über das Ei und seine Bildungsstätte. Leipzig 1878. 

GEORGES CUVIER, Le Regne animal: Insectes. II. p. 424. Paris 1825. 

L. Durour, Recherches anatomiques sur 1’Hippobosque des chevaux. Ann. 
des seien. nat. 1825. T. VI. 

—— Etudes anatomiques et physiologiques sur les insectes Dipteres de 
la famille des Pupipares. Appareil genital. Ann. des scien. nat. 
1845.: 7. IM: 

—— Mem. pres. & l’Acad. de l’Inst. 1851. 

B. J. Grassı, Progenitori dei Miriapodi e degli Insetti. Anatomia compa- 
rata di Tisanuri. Atti d. R. Acad. de Lincei. Cl. seien. e fis. Serie 4. 
IV. 1888. 

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(Blatta) germanica L. Diese Zeitschr. Bd. LIII. 1891. 

E. KORSCHELT, Über die Entstehung und Bedeutung der verschiedenen 
Zellelemente des Insektenovariums. Diese Zeitschr. Bd. XLIII. 4. Heft. 
1886. 3 

R. LEUCKART, Die Fortpflanzung und Entwicklung der Pupiparen. Nach 
Beobachtungen an Melophagus ovinus. Halle 1858. 

F. LeyvıG, Der Eierstock und die Samentasche der Insekten. Nova Acta 
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—— Beiträge zur Kenntnis des thierischen Eies im unbefruchteten Zu- 
stande. Zool. Jahrb. 1889. Abth. f. Anat. III. 

J. LUBBOCK, On the ova and pseudova of insects. Phil. Trans. Roy. Soc. 
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C. S. NırzscH, Die Familien der Thierinsekten (insecta epizoica: als Pro- 
dromus einer Naturgeschichte derselben. Mag. der Entomologie von 
GERMAR und ZINKEN. Bd. III. 1818. 

P. LYonET, Recherches sur l’anatomie et les metamorphoses de differentes 
especes d’insectes. Ouvrage posthume, publie par M. W. DE Haan. 
1832. 

H. S. PrArTT, Beiträge zur Kenntnis der Pupiparen. Archiv f. Naturgesch. 
Bd. LIII. 1893. 

R. A. F. REAUMUR, M&m. pour servir & l’hist. des Insect. V. 6. Paris 
1142. 

D. SHARP, The Cambridge Natural History. Insecta. 1895. 

C. T. E. v. SıesoLp, Über die Spermatozoen der wirbellosen Thiere. 
MÜLLer’s Archiv f. Anat. und Physiol. 1837. 

A. WeısmAnn, Die Entwicklung der Dipteren. Leipzig 1864. 

W. M. WHEELER, The embryology of Blatta germanica and Doryphora 
decemlineata. Journ. of Morph. Vol. III. Boston 1889. 

—— A Contribution to Insect Embryology. Journ. of Morph. Vol. VIU. 
Boston 1893. 


The Anatomy of the Female Genital Tract of the Pupipara ete. 41 


Explanation of the Figures, 


AI of the figures except Fig. 2 were drawn with the aid of a 
camera lucida. 


Abbreviations: 


ant, antenna; 

a.m.gl, Anterior milk-glands; 

a.R, anterior ridge; 

A, anus; 

b.w, body-wall; 

b.w.mus, body-wall muscles; 

ch.pl, ehitinous plate; 

dis.fol.ce, disintegrating follieular- epi- 
thelium; 

d.vag.mus, dorsal vaginal musecles; 

eye, eye; 

fol, folliele; 

ger, germarium; 

ar, groove; 

head, head; 

in.peri.cov, inner peritoneal covering, 
that around the ovarioles; 

28 intestine; 

lar, larva; 

_ lar.A, larval anus; 

_lar.M, larval mouth; 

lar.P, larval pharynx; 

lar.S, larval stomach; 

lar.sp, larval spiracles; 

I.mus, longitudinal muscles; 

med.ovi, median oviduct;. 

mem.ex, membrana externa; 

mem.in, membrana interna; 

mesoth, mesothorax; 

metath, metathorax; 

m.gl, milk-gland; 

mus.sh, muscle-sheath; 


mus.ton, muscular tongue; 

n.ce, nutritive cells; 

op.m.gl, opening of milk-glands; 

ov, OValy; 

ovar; ovariole; 

ovi, oviduct; 

o, Ovum; 

pa.ove, paired oviduct; 

peri.con, peritoneal connective tissue 
fibres; 

pert.cov, peritoneal covering; 

pert.mus, peritoneal muscle-fibres; 

p.m.gl, posterior milk-glands; 

p.R, posterior ridge; 

p-t.mus, posterior transverse musecle- 
fibres; 

prob, probosecis; 

proth, prothorax; 

r, rectum; 

r.gl, rectal gland; 

rec.sem, Teceptaculum seminis; 

sper, spermatozoa; 

sp, spiracles; 

spur, Spur; 

tr, trachea; 

tun.prop, tunica propria; 

U, uterus; 

v, vacuole; 

vag, vagina; 

v.vag.mus, ventral vaginal muscle-fibres; 

vul, vulva. 


Plate II. 


Fig. 1. Ventral aspect of an adult female sheep-tick showing an outline 
of the genital tract with an egg in the uterus. >< 9. 


Fig. 2. 
animal’s body. >< 33. 


The upper (dorsal) surface of the genital tract dissected from the 


Fig. 3. Sagittal section of the abdomen of a young female sheep-tick 
showing the position of the genital tract. The position of the dorsal vaginal 


49 H. S. Pratt, The Anatomy of the Female Genital Tract ete. 


muscles (d.vag.mus) is represented by dotted lines. They would not appear in 
the section as they are paired organs. < TV. 

Fig. 4. Sagittal seetion of the abdomen of an old female tick showing 
the uterus containing a full-grown larva. << 39. 

Fig. 5. Portion of a cross-section of the abdomen of the tick showing a 


- _ eross-seetion of the vagina with the surrounding organs. The plane of the 


section is marked in Fig. 3 by dotted line *. >< 59. 

Fig. 6. Portion of a cross-section of the abdomen through the chitinous 
plate between the vulva and the anus. The plane of the section is marked in 
Fig. 3 by dotted line +. x 59. 


Plate III. 


Fig. 7. Branched muscle-fbres dissected from the wall of the uterus. 
>< 875. 

Fig. 8. The anterior pair of milk-glands and the proximal portions of 
the posterior pair. >< 130. 

Fig. 9. Cross-section of the extreme proximal ends of the two pairs of 
milk-glands showing them bound together by muscle-fibres. The plane of the 
section is marked in Fig. 8 by the dotted line *. >< 340. 

Fig. 10. Cross-section of the two pairs of milk-glands somewhat distad 
of the cross-section represented in Fig. 9 showing them no longer bound 
together by muscle-fibres. The plane of the section is represented in Fig. 8 
by the dotted line +. >< 340. 

Fig. 11. Longitudinal section of the two ovaries the paired oviduets and 
the receptaculum seminis. ovar.I and ovar.2, the two ovarioles of each ovary; 
fol.1, 2, 3, 4, ö, 6, 7, 8, the different follicles in the order in which they discharge 
their ova. >< 78. / 

Fig. 12. Longitudinal section of a small ovary. ovar.1 and ovar.2, the 
two ovarioles. >< 200. 

Fig. 13. Cross-section of the tip of an ovary showing the ends of the 
sermaria by which the ovarioles are attached. >< 200. 

Fig. 14. Cross-section of the tip of an ovary distad of the germaria. 
> 200. 

Fig. 15. View of the muscle-fibres of the ovary. >< 340. 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Wirbelsäule 
bei Reptilien, 
Von 


Hermann Männer 


aus Weildorf in Baden. 


Mit Tafel IV—VII. 


Trotzdem die Entwicklung der Wirbelsäule der Reptilien schon 
oft Gegenstand der Untersuchung vieler Forscher war, so ist bis jetzt 
doch eine einheitliche Darstellung ihrer Entstehung nicht vorhanden. 
Namentlich fehlt noch eine genaue Beschreibung der Veränderungen 
im skeletogenen Gewebe, die zur Bildung eines Wirbels führen. 
Und doch gewinnen diese Vorgänge gerade durch das Auffinden der 
Intervertebralspalte von v. EBNER ein erhöhtes Interesse. 

v. EBNEr (2) fand an Ringelnatterembryonen, dass das Sklerotom 
"durch eine feine Spalte, die von der Mitte der Muskelplatte nach 
einwärts gegen Chorda und Rückenmark hinzieht, in zwei Abtheilungen 
zerlegt wird, wovon die vordere das segmentale Ganglion enthält. 
Sie ist am besten zu sehen auf Frontalschnitten in der Höhe der 
Spinalganglien bis zur Höhe der Chorda. Er nennt sie Intervertebral- 
spalte, weil sie der Lage nach den Grenzen der späteren Wirbel 
entspricht. Damit sei die Neugliederung der Wirbelsäule im Sinne 
RENMAR’s schon gegeben. Es sei nur die REMmAR’sche Lehre in dem 
Punkte zu berichtigen, dass die Neugliederung nicht aus einem gleich- 
förmigen Blastem der Urwirbel hervorgehe, sondern fortlaufend streng 
gegliedert vor sich gehe. Bezüglich der Herkunft dieser Spalte hat 
V. EBNER an Hühnerembryonen beobachtet, dass sie ursprünglich eine 
direkte Fortsetzung der Urwirbelhöhle nach innen ist, durch die Son- 
derung des Urwirbels in einen muskelbildenden und skelettbildenden 
Theil ihre ‚ursprüngliche Verbindung verliert und schließlich durch 
das Wachsen des Sklerotoms ganz verschwindet. v. EBNER hat die 


44 Hermann Männer, 


Intervertebralspalte auch an Eidechsen-, Hühner-, Mäuse- und Fleder- 
mausembryonen gefunden. 

CoRNING (1) bestätigt an Blindschleichenembryonen das Vorhanden- 
sein von der Intervertebralspalte, bestreitet aber, dass mit der dadurch 
. bedingten, sekundären Gliederung des Sklerotoms auch schon die 
Wirbelanlage gegeben sei. Nach ihm sind die frühesten Anlagen 
des Achsenskelettes diejenigen der Querfortsätze und oberen Bogen, 
erst durch die Verschmelzung der Basen wird die Anlage des Wirbels 
im Sklerotomgewebe gebildet. Schon in früher Zeit ist die Segmen- 
tirung der Wirbelsäule angedeutet durch die Chordaeinschnürungen, 
die sich intervertebral entsprechend den Resten der Urwirbelhöhle 
vorfinden. Die Neugliederung der Wirbelsäule sei so zu verstehen, 
dass sich die erste Anlage des Achsenskelettes peripher zwischen den 
Myomeren entwickelt. Diese Anlagen verbreiten sich medianwärts 
und erhalten so durch die Verbreiterung ihres Ansatzes an die Chorda 
eine höhere Bedeutung für die Stützfunktion. Durch die Segmentirung 
der Wirbel werde die Verschiebung der letzteren im Anschluss an 
die Muskelaktion ermöglicht, und die »Neugliederung der Wirbelsäule« 
sei gegeben. 

ÜOLLMANN (11) bestätigt auch für menschliche Embryonen das 
Vorhandensein einer Intervertebralspalte, die durch das Austreten des 
Urwirbelkernes aus dem Myocoel entstehe. Sie diene zur Aufnahme 
der metameren Nerven und Gefäße. Der Ausdruck Neugliederung der 
Wirbelsäule sei fallen zu lassen, da die Entwicklung kontinuirlich aus 
den Urwirbeln vor sich gehe und statt dessen Verschiebung einzuführen. 

V. EBNER (3) wendet sich in einer weiteren Arbeit gegen CORNING. 
Die Bogen werden nicht früher als der Körper angelegt. Zuerst 
erscheine im Wirbelkörper Knorpelgewebe, erst später im Bogen. 
Die von FroRrIEPr (7) bezeichneten »primitiven Bogen« seien embryonale 
Anlagen, die mit einem späteren Skelettstück nicht in Beziehung 
gebracht werden können. Diese seien am besten als Vertebralstreifen 
zu bezeichnen. Die von Cornına beschriebenen, primitiven Chorda- 
einschnürungen hätten keine bleibende Bedeutung und verschwinden. 
Die bleibenden Chordaeinschnürungen entwickeln sich erst später mit 
dem Beginn der Wirbelverknöcherung. Die Intervertebralspalte sei 
nicht identisch mit der Gelenkhöhle, der sie nur der Lage nach ent- 
spreche. v. EBnER wendet sich dann gegen CoLLMANnN. Die alter- 
nirende Metamerie der Muskeln und Wirbel beruhe nicht auf Ver- 
schiebungen, sondern sei nur durch eine Neugliederung im Sinne 
REMAR’S erklärbar. 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Wirbelsäule bei Reptilien. 45 


O. SCHULTZE (16) fand bei seinen Untersuchungen an Säugethier- 
embryonen, dass das Sklerotom, das durch die Intersegmentalarterien 
scharf begrenzt ist, durch die Intersegmentalspalte (= Intervertebral- 
spalte von v. EBNEr’s) in zwei Abschnitte zerfällt, einen schwach 
färbbaren vorderen Theil und einen stark färbbaren hinteren Theil. 
Der eraniale, helle Theil enthält den Spinalnerven, der caudale, 
dunkle Theil ist die segmentale Anlage der Bogen. Von dieser An- 
lage wächst der primitive Wirbelbogen aus. Durch das dorsale Aus- 
wachsen des Sklerotoms wird auch entsprechend der Urgliederung 
die Membrana reuniens segmentirt. Durch das Emporwachsen der 
Bogenanlagen erscheint auf der segmentirten Membrana reuniens noch- 
mals eine gleichmäßige, quere Segmentirung, in der also je zwei 
Segmente einem ursprünglichen Ursegment entsprechen. Eine weitere 
Veränderung, die sich an der primitiven Wirbelkörpersäule vollzieht, 
ist die, dass die einzelnen primitiven Wirbel in longitudinaler Rich- 
tung durch skeletogenes Vorknorpelgewebe, das als Chordamantel 
auftritt, sich verbinden. Die Wirbelsäule stellt nunmehr ein einziges 
einheitliches Gebilde dar, in dem der Process der Verknorpelung 
beginnt. Der Endeffekt ist immer die Neugliederung der Wirbelsäule, 
wobei im Allgemeinen die Verknorpelung im Bereiche der zwischen 
den primitiven Wirbelkörpern gelegenen skeletogenen Vorknorpel- 
schicht beginnt und von hier immer mehr Substanz des primitiven 
Wirbelkörpers verknorpelt. Dorsaler und ventraler Wirbelbogen sind 
in keiner Weise an der Neugliederung betheiligt. Schließlich ver- 
knorpelt der ganze primitive Wirbelkörper, und die Wirbelsäule be- 
steht aus einheitlichem hyalinen Knorpel. Das Ligamentum inter- 
vertebrale geht erst sekundär daraus hervor. Das Gelenk entsteht 
innerhalb des hyalinen Knorpels durch Spaltbildung. 

GOETTE (6) führte ein ganz neues Moment in die Entwicklungs- 
geschichte der Wirbelsäule ein, nämlich die Zurückführung der ein- 
fachen Amphibien- und Amniotenwirbel auf Doppelbildungen. Nach 
ihm sind an dem sich entwickelnden Wirbel der primäre Wirbel- 
körper und die primären Wirbelbogen zu unterscheiden. Die sekun- 
dären, d. h. definitiven Wirbelkörper entstehen nicht nur aus der 
primären Wirbelkörperanlage, sondern auch aus. den Basen der Bogen. 
Die Grenze ist in frühen Entwicklungsstadien deutlich ausgesprochen, 
später gleichen sich. die geweblichen Unterschiede aus. Die Gliede- 
rung der primären Wirbelkörper ist frühzeitig ausgesprochen durch 
Verdiekungen der Perichordalschieht. An diesen Intervertebralringen 
macht sich eine Reihe von Umbildungen geltend. Zunächst erscheint 


46 Hermann Männer, 


eine Rinne in der Mitte jeder Anschwellung. Im Boden der Rinne 
sieht man von vorn nach hinten verlaufende Faserzellen, die als 
Intervertebralligament aufgefasst werden müssen. Die intervertebrale 
Rinne wird bald von einem hellen Wulst ausgefüllt, der eine inter- 
vertebrale Verdickung des Perichondriums darstellt und später dem 
 Intervertebralligament einverleibt wird. Die Gelenkbildung erfolgt in 
der Art, dass der Intervertebralring und Außenwulst unter Form- 
und Gewebsveränderung mit dem vorhergehenden Wirbelkörper als 
dessen Gelenkkopf verschmelzen, während die Pfanne aus dem hin- 
teren ursprünglichen Wirbelkörper hervorgeht. Bei der Untersuchung 
der oberen Bögen fand GoETTE an der Schwanzwirbelsäule von La- 
certa wie Anguis Erscheinungen, die auf eine frühere Verdoppelung 
der Bogen in jedem Segment hinweisen. Bei Lacerta viridis sind 
hinter den vorderen Bogen an jedem Segment noch Rudimente von 
hinteren Bögen vorhanden. Vordere und hintere Bogen umschließen 
zuerst eine Spalte, die später durch Verwachsung beider Bogen- 
anlagen verschwindet. Die Entwicklung der caudalen Seitenfortsätze 
ist besonders bei Anguis ein indirekter Beweis für die ursprüngliche 
Doppelbildung der oberen Wirbelbogen, während die Entwicklung 
der letzteren selbst diesen Hinweis undeutlicher ergiebt als bei La- 
certa. Doppelte Seitenfortsätze finden sich auch bei Embryonen von 
Ovis aries, Didelphys quica, Lepus euniculus an den hinteren Wirbeln. 
Auf Grund dieser Befunde und einer sehr ausführlichen paläontolo- 
gischen Untersuchung kommt GoETTE zu folgendem Schlussergebnis: 

1) Die Bildung vollständiger Wirbel mit Wirbelbögen und Wirbel- 
körper beginnt in der Reihe der Amiaden wie in der Reihe der 
Stegocephalen und aller lebenden Digitaten mit der embolomeren 
Form, d. h. mit doppeltem Wirbel in jedem Segment. 

2) Die Verwandlung dieser Doppelwirbel in einfache Wirbel 
erfolgt mittels ihrer paarweisen Verschmelzung, nachdem mehr oder 
weniger beide Wirbel (Ganoiden) oder vorherrschend der hintere von 
ihnen sich zurückgebildet hat (Digitaten). 

3) Die rhachitome Wirbelform ist weder eine ursprüngliche noch 
eine selbständige Erscheinung, sondern nur eine Übergangsstufe in 
jenem Verwandlungsprocess. 

4) Die Hauptbedeutung des embolomeren Ursprunges der Wirbel 
liest für die Digitaten in der Vererbung gewisser Reste der Doppel- 
bildung, nämlich der Bogen und Seitenfortsätze und Rippen, deren 
bleibende Formen theilweise nur daraus zu verstehen sind. 

Trotzdem also die Litteratur über die Entwicklung der Wirbel- 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Wirbelsäule bei Reptilien. 47 


säule eine sehr reichhaltige ist, gehen die Ansichten über das Problem 
der Wirbelbildung doch noch sehr aus einander, hauptsächlich wohl 
desshalb, weil bis jetzt eine zusammenhängende Darstellung der Um- 
bildungen der Ursegmente zu den fertigen Wirbeln fehlt. Es konnte 
desshalb eine erneute Untersuchung, die vor Allem Werth darauf 
leste, die Veränderungen des Sklerotoms bis zur Bildung eines Wirbels 
in allen seinen Theilen zu verfolgen, nur von Vortheil sein. 


Untersuchung. 


Die Untersuchung fand an Embryonen von Tropidonotus natrix, 
Coronella laevis, Lacerta agilis und Anguis fragilis statt. Um alle 
Entwieklungsstadien zu erhalten, wurden die Eier der nicht lebendig 
gebärenden Thiere unter möglichst natürlichen Bedingungen zur Aus- 
brütung gebracht. So war es möglich von jedem einzelnen Thier 
die Entwieklung von der Abgliederung der Ursegmente bis zum aus- 
gebildeten Wirbel kontinuirlich zu verfolgen. Die Härtung und 
Fixirung der Embryonen geschah meist mit Sublimat, gefärbt wurde 
mit Hämalaun, seltener mit Boraxkarmin, weil es mir auf eine mög- 
lichst gleichmäßige Färbung ankam. Zu besonderen Zwecken wurde 
auch mit FLEMInG’schem Gemisch fixirt und dann mit Safranin gefärbt. 
Wenn die Embryonen stark aufgerollt waren, so wurde die eine 
Hälfte parallel zur Spiralachse geschnitten, wodurch ich Horizontal- 
und Transversalschnitte bekam, während die andere Hälfte der 
Spirale in Sagittalschnitte zerlegt wurde. Die Schnittdicke betrug 
10 und 15 u; die einzelnen Schnitte wurden in lückenloser Serie 
aufgeklebt. Zur Kontrolle wurden von jedem Entwicklungsstadium 
Horizontal-, Sagittal- und Transversalschnitte angefertigt. 

Da sich bei den Reptilien in den Entwicklungsvorgängen der 
skeletogenen Schicht, die zur Bildung der Wirbelsäule führen, Ver- 
schiedenheiten geltend machen, so bespreche ich die untersuchten 
Thiere in drei Reihen. Die erste Reihe vertritt Tropidonotus natrix, 
in der zweiten Reihe stellte ich Coronella laevis, Anguis fragilis und 
Lacerta agilis zusammen, die bei den Sklerotomveränderungen Über- 
einstimmung zeigen, und in der dritten Reihe bespreche ich die 
Entstehung der Schwanzwirbelsäule von Lacerta agilis und Anguis 
fragilis. 


Tropidonotus natrix. 


Die neueren Autoren wie COLLMANN, V. EBNER, RABL etec., die 
sich mit der Frage der Herkunft des skeletogenen Gewebes beschäf- 


48 Hermann Männer, 


tigt haben, stimmen darin überein, dass die Sklerotome aus den 
Ursegmenten entstehen. Die Ursegmente erscheinen zunächst nach 
ihrer Abgliederung mit einer dichten Zellenmasse erfüllt. Die innere 
Wand eröffnet sich nahe der inneren, unteren Ursegmentkante, und 
die Zellen ergießen sich nach außen. Ein derartiges Stadium ver- 
“anschaulicht uns Fig. 1a. Man sieht wie die Zellen sich an der 
inneren, unteren Wand gelockert haben, einige Zellen haben bereits 
das Ursegment verlassen und schicken sich an, die Chorda dorsal 
und ventral zu umfassen. Die durch das Austreten des Ursegment- 
kernes entstandene Spalte setzt sich kontinuirlich in das Sklerotom 
fort und bleibt noch lange bestehen (Fig. 1). v. EBNER, der sie zuerst 
gesehen hat, nannte sie ihrer späteren Bedeutung wegen Interverte- 
bralspalte, während sie von SCHULTZE (16) als Intersegmentalspalte 
bezeichnet wurde. An den so entstandenen Sklerotomen spielen sich 
nun bis zur Bildung der Wirbelsäule eine Reihe von Vorgängen ab, 
die man in drei Stadien zerlegen kann. Die einzelnen Entwicklungs- 
abschnitte gehen selbstverständlich ohne Unterbrechung in einander 
über, und es sollen damit nur Anhaltspunkte für die Vergleichung 
der Umbildungen des Sklerotoms, die bei den verschiedenen Thieren 
zur Bildung der Wirbelsäule führen, gegeben sein. 

Die erste Entwicklungsstufe entspricht den Fig. 1 und 2 von 
v. EBxer (2). Die einzelnen Sklerotome sind den Urwirbelgrenzen 
entsprechend gegenseitig scharf abgegrenzt einmal durch die inter- 
protovertebralen Blutgefäße und dann durch die Einkerbung zwischen 
den Ursegmenten. Gegen Ende dieses Stadiums ist das Myotom in 
eine äußere und innere Lamelle geschieden und damit der Zusammen- 
hang der Intervertebralspalte mit der Ursegmenthöhle verwischt. Die 
Intervertebralspalte ist nur wenig sichtbar und reicht bis zur Mitte 
des Sklerotoms. Die Zellen des Sklerotoms zeigen bereits eine Diffe- 
renzirung. Sie stehen am dichtesten im ‚lateralen Drittel und haben 
hier eine rundliche Form, während sie in der Nähe der Chorda ein 
ganz lockeres Gefüge aufweisen und oft mit Fortsätzen versehen sind. 
In der Chorda beginnt bereits die Vaeuolenbildung. Auf Querschnitten 
sieht man, wie sich schon einzelne mit Fortsätzen versehene Zellen 
ringförmig um die Chorda gelagert haben. Dorsal erstreckt sich die 
Differenzirung im skeletogenen Gewebe bis zur Höhe der herab- 
wachsenden Ganglien, ventral bis zur unteren Chordagrenze. 

Fig. 2 zeigt uns Verhältnisse, wie wir sie als zweites Stadium 
der Sklerotomentwicklung bezeichnen können. Das Myotom hat noch 
die frühere Form des Ursegments, Somatopleura und Splanchnopleura 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Wirbelsäule bei Reptilien. 49 


sind aber nicht mehr deutlich von einander zu unterscheiden. Die 
Intervertebralspalte ist sehr deutlich sichtbar und reicht fast bis an 
die Chorda. Die Sklerotome, deren ursprüngliche Abgrenzung durch 
die Interprotovertebralgefäße und die Myotomgrenze scharf aus- 
gesprochen ist, werden durch die Intervertebralspalte halbirt. Die 
beiden Abschnitte unterscheiden sich aber wesentlich durch ihre 
Färbbarkeit. Der caudale Theil des Sklerotoms ist mit rundlichen, 
dicht gedrängten Zellen erfüllt und erscheint ganz dunkel gefärbt, 
der ceraniale Theil enthält theils runde, theils mit Fortsätzen ver- 
sehene Zellen, die mehr locker stehen, und hat ein helleres Aus- 
sehen. Die Farbenunterschiede erstrecken sich bis in die Nähe der 
Chorda. Der vordere, helle Antheil enthält in seinem lateralen 
Drittel dieht an der Grenze der Intervertebralspalte das segmentale 
Ganglion. Ventral hört mit dem Verschwinden der Intervertebral- 
spalte in der Höhe der unteren Chordagrenze auch jede Differenzirung 
des Sklerotomgewebes auf. Nur ventral von der Chorda findet sich 
der Lage nach der Intervertebralspalte entsprechend ein verdichteter 
Zellstreifen, der gleichmäßig in die helle und dunkle Schicht über- 
geht. Diese Zellbrücke, die je ein rechtes und linkes Sklerotom mit 
einander verbindet, ist als die Anlage der hypochordalen Spange 
FRorIEP’s (7) aufzufassen. Sie ist auch auf Querschnitten durch die 
Richtung der Kerne deutlich von der ringförmig angeordneten Peri- 
chordalschicht zu unterscheiden. Diese selbst erscheint jetzt als ein 
Zellenring von 5 u Dicke. Sagittalschnitte zeigen, wie sich die 
beiden Sklerotomhälften gleichmäßig nach oben verjüngen. Den 
vorderen Antheil füllt das segmentale Ganglion fast ganz aus, so dass 
die Farbenunterschiede verwischt sind. Die Intervertebraispalte reicht 
bis zur Mitte der Höhe des Rückenmarkes. Dorsal davon deutet 
die hintere Grenze des Ganglion ihre Fortsetzung an. Über dem 
Ganglion sind beide Sklerotomtheile sehr zellreich. Trotzdem die 
beiden Schichten weder durch eine Intervertebralspalte getrennt 
noch durch einen Unterschied in der Färbbarkeit ausgezeichnet sind, 
ist deren Abgrenzung doch ganz gut möglich. In beiden Theilen 
schließen sich die Zellen koncentrisch zusammen und erscheinen so 
in gesonderten Zellenverbänden. Die Differenzirung des Sklerotom- 
gewebes erstreckt sich dorsal bis zur Höhe der Ursegmentgrenze. 
Durch die verschiedene Ausbildung des Sklerotoms in eine helle und 
eine dunkle Hälfte ist im zweiten Stadium also bereits die verschie- 
dene Bestimmung der beiden Schichten ausgesprochen. 

Das dritte Stadium der Sklerotomentwieklung ist charakterisirt 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Bd. B 


0 Hermann Männer, 


durch das Vordringen des Myotoms längs der Intervertebralspalte 
und der dadurch bedingten Umgestaltungen. Das Myotom (Fig. 3), 
das zu einer Platte von dreieckiger Form umgebildet ist, dringt mit 
der Spitze des Dreiecks längs der Intervertebralspalte vor und drängt 
‘-dadurch wie ein Keil die Hälften zweier verschiedener Sklerotome 
gegen einander. Es wird so die Zellenmasse, die zur Bildung eines 
Wirbels bestimmt ist, genau abgegrenzt. Es ist immer der caudale, 
dunkle Theil eines Sklerotoms mit je dem cranialen, hellen Theil 
des nächstfolgenden Sklerotoms. Die verschiedene Färbbarkeit spricht 
aber schon dem nunmehr zum vorderen Theil gewordenen, dunklen 
Sklerotomantheil die Hauptbedeutung bei der Bogenbildung zu. Durch 
das Weiterwachsthum des Myotoms werden schließlich die lateralen 
Enden vollständig zusammengetrieben und erscheinen hier vereint 
(Fig. 3). Die Folge dieses gegenseitigen Ineinanderwachsen von 
Myotom und Sklerotom ist die, dass der dunkle Sklerotomantheil 
caudalwärts eine Neigung machen muss, wodurch er seine charak- 
teristische Form als primitiver Wirbelbogen erhält. Damit bekommen 
wir einen Entwicklungszustand der Wirbelsäule, den man nach dem 
Vorgang FRORIEP’s (7) als primitiven bezeichnen kann. Die Bedeu- 
tung jedoch, die FRORIEP diesem Zustand beilegt, stimmt hier nicht 
überein. Die eigentliche Grundlage des Achsenskelettes, die Chorda 
dorsalis, zeigt bereits seichte Einschnürungen in der Intervertebral- 
gegend. Auch erscheint der primitive Wirbelbogen nur in seinem 
lateralen Drittel zwischen den Myotomen einheitlich, so dass man 
eigentlich von einer Stützfunktion gar nicht reden kann. In dem 
primitiven Wirbelbogen haben sich die Zellen gegen die Interverte- 
bralspalte hin zusammengedrängt, so dass die dunkle Färbung nicht 
mehr die ursprüngliche Breite der hinteren Sklerotomhälfte einnimmt. 
Ihre Breite beträgt jetzt 35 «, während sie vordem 60 « betrug. Die 
primitiven Wirbelbogen erscheinen gegen die Chorda hin verjüngt; 
es macht den Eindruck, als ob sich einzelne Zellen abgezweigt hätten 
und zur Bildung der Perichordalschicht verwendet worden wären. 
Auch im ursprünglich hellen Antheil nehmen wir entlang der Inter- 
vertebralspalte und namentlich in der Nähe der Chorda eine dunklere 
Färbung wahr, sei es nun in Folge eigener Wachsthumsenergie oder 
sei es, dass die Zellen durch das Vordringen des Myotoms an dieser 
Stelle zusammengedrängt wurden. Die Intervertebralspalte ist fast 
gar nicht mehr sichtbar, durch das Abheben des primitiven Wirbel- 
bogens in seiner Färbbarkeit ist aber die Grenze zwischen den ur- 
sprünglichen Sklerotomantheilen deutlich ausgesprochen. Bereits sieht 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Wirbelsäule bei Reptilien. 51 


man auch eine Wirbelkörperanlage, indem die Perichordalschicht in 
der Mitte zwischen den beiden Schichten zellreicher erscheint als 
“das angrenzende Gewebe. Ventral der Chorda zeigt sich jetzt die 
hypochordale Spange als eine stark entwickelte Zellenbrücke, die in 
der Intervertebralgegend rechte und linke Seite mit einander verbindet. 
Sie verjüngt sich ventralwärts etwas, so dass sie wie ein zapfen- 
förmiger Fortsatz der Perichordalschicht erscheint. Auf Querschnitten 
ist sie aber deutlich durch die Anordnung der Zellen von der Peri- 
chordalschicht getrennt. Diese selbst hat jetzt in vertebraler Gegend 
eine Breite von 15 «, in der Intervertebralgegend eine solche von 18 u. 
Sagittalschnitt Fig. 4 veranschaulicht uns die Verhältnisse dorsal von 
der Chorda. Der segmentale Muskel drängt die Sklerotomantheile 
mit dem Ganglion gegen das Rückenmark. Der Erfolg ist auch hier 
eine Neugliederung, indem je eine caudale und craniale Hälfte des 
benachbarten Sklerotoms zur Bogenbildung vereinigt werden. Da im 
Stamm des Neuralbogens das Ganglion die Stelle des hellen Antheils 
einnimmt, so kommt die Neugliederung nur in der Bogendachanlage 
zur Geltung. Die Grenzen des künftigen Bogens sind, trotzdem 
eine Intervertebralspalte fehlt, doch deutlich ausgesprochen. Die 
Differenzirung im Sklerotomgewebe ist gegen früher nur wenig nach 
oben gerückt. 

Der Übergangszustand der primitiven Wirbelsäule zu der defini- 
tiven besteht darin, dass sich die durch das Vordringen des Myotoms 
einander genäherten Schichten mit einander vereinigen. Gleichzeitig 
machen sich in der Intervertebralgegend die Veränderungen bemerk- 
bar, die zur Bildung von Gelenkkopf und Gelenkpfanne führen, und 
die von GOETTE ausführlich beschrieben worden sind. Kurze Zeit ist 
die Unterscheidung der beiden, zur Bogenbildung bestimmten Schichten 
noch möglich, da sich zwischen ihnen noch die Interprotovertebral- 
sefäße befinden. Der helle Antheil ist aber sehr redueirt, er erscheint 
nur als ein Zellstreifen von 8 u Breite, so dass sein Beitrag zur 
Rippen- beziehungsweise Querfortsatzbildung völlig außer Acht ge- 
lassen werden kann. Nur in der Nähe der Chorda bleibt auch diese 
Schicht sehr zellreich. Bald aber verschieben sich die Gefäße in Folge 
der Wachsthumsvorgänge caudalwärts und erscheinen jetzt als die 
Intereostalarterien. Die beiden Schichten vereinigen sich vollständig, 
indem sie den Wirbelkörper seitlich einfassen, ein Vorgang, der bis- 
her als »Verbreiterung der Bogenbasen« bezeichnet wurde. Das seit- 
liche Bogenstück erscheint jetzt einheitlich. Nun ist auch der Wirbel- 
körper vollständig angelegt. Er besteht aus der Bogenbase und dem 

4% 


59 Hermann Männer, 


perichordalen Faserring. Da der Bogenantheil rundliche Zellen be- 
sitzt, während die Perichordalschicht faserige Struktur aufweist, so 
ist die Unterscheidung beider leicht möglich. Querschnitte zeigen, ° 
dass der Wirbelkörper dorsal und ventral von der Chorda fast nur 
von der Perichordalschicht gebildet wird. Der intervertebrale Theil 
der Bogenanlage ist zu einem Faserring umgewandelt. Diesem liegt 
ventral die hypochordale Spange an. Die Zellenmasse erscheint jetzt 
mächtig entwickelt und steht mit der Bogenanlage noch in Ver- 
bindung. Im Neuralbogen sind gegen früher keine wesentlichen 
Veränderungen bemerkbar. 

Unterdessen ist auch schon der definitive Zustand der Wirbel- 
säule erreicht. Im Wirbelkörper und zwar in der Perichordalschicht 
ist Knorpel aufgetreten. Der Verknorpelungsprocess greift rasch um 
sich, nur dorsal von der Chorda bleibt das Fasergewebe noch länger 
bestehen, so dass der Wirbelkörper eine oben offene, knorpelige 
Halbröhre darstellt. Bald darauf erscheint auch der Neuralbogen 
verknorpelt und zwar zuerst in dem Theil, der der dunklen Sklerotom- 
schicht entspricht. Von hier greift der Verknorpelungsprocess auf 
die dem hellen Antheil entsprechende Zellenmasse im Bogendach und 
der Bugenbase über. Der Intervertebralwulst ist jetzt mächtig ent- 
wickelt, die hypochordale Spange aber erscheint fast ganz reducirt. 
Die Zellenmasse ist offenbar zur Bildung des Gelenkwulstes verwendet 
worden. Endlich ist der Wirbel in allen seinen Theilen verknorpelt, 
und der Intervertebralwulst hat sich in Gelenkkopf und Gelenkpfanne 
gesondert. Nur dorsal über dem Rückenmark ist der Neuralbogen 
noch nicht knorpelig geschlossen, erst später, wenn im Wirbelkörper 
schon der Verknöcherungsprocess um sich greift, erscheint auch das 
Bogendach mit dem Dornfortsatz völlig verknorpelt. Die Bildung 
der Gelenkfortsätze erfolgt in der Art, wie es schon beschrieben ist. 
In dem so in allen seinen Theilen fertig gestellten Wirbel beginnt 
nun der Process der Verknöcherung. 

Die Entwicklung der Wirbelsäule bei Tropidonotus natrix zeigt 
große Ähnlichkeit mit der bei Säugethieren, wie sie von SchuLtze (16) 
und FRORIEP (8) beschrieben worden ist. Die helle Sklerotomhälfte 
weist aber zwei verdichtete Zellpartien im Bereiche der Bogenbase 
und Bogendachanlage auf, so dass diese Theile im Gegensatz zu den 
Däugethieren aus den Hälften zweier verschiedener Sklerotome zu- 
sammengesetzt erscheinen. Auch erfolgt die Entwicklung der Wirbel- 
säule bei Trop. natrix immer streng gegliedert, während bei den 


Beiträge zur Entwieklungsgeschichte der Wirbelsäule bei Reptilien. 53 


! 


Säugethieren die Wirbelkörperanlage nach SCHULTZE aus einem un 
gegliederten Blastem hervorgeht. 


Coronella laevis, Anguis fragilis und Lacerta agilis. 

Die Entwicklung der Wirbelsäule zeigt bei diesen Thieren große 
Übereinstimmung. Ich werde, um Wiederholungen zu vermeiden, nur 
die von Tropidonotus abweichenden Verhältnisse beschreiben. 

Zunächst finden wir hier denselben Zustand, wie wir ihn bei 
Tropidonotus natrix als erstes Stadium bezeichnet haben. Die Sklero- 
tome sind durch die interprotovertebralen Gefäße, die in einem hellen 
Zwischengewebe eingebettet sind, deutlich von einander abgegrenzt. 
Die Intervertebralspalte reicht bis zur Mitte des Sklerotoms. Die 
Zellen stehen im lateralen Drittel am diehtesten, gegen die Chorda 
hin nehmen sie an Dichtigkeit gleichmäßig ab. Die Differenzirung 
des Sklerotomgewebes reicht ventral bis zur Höhe der unteren Chorda- 
erenze, dorsal bis zur Mitte des Ursegmentes. 

Fig. 5 giebt uns ein Bild, wie wir es als Übergang vom zweiten 
zum dritten Stadium bezeichnen können. Es entspricht annähernd 
der Fig. 2 von Tropidonotus. Im zweiten Stadium, wo das Myotom 
noch die Form des Ursegmentes hat, zeigen sich ganz andere Ver- 
hältnisse als bei Tropidonotus. Die Intervertebralspalte, die sehr 
deutlich ausgeprägt ist und fast bis an die Chorda reicht, theilt das 
Sklerotom wieder in eine vordere und hintere Hälfte Die Zellen 
stehen aber in beiden Theilen am dichtesten an der Grenze der 
Intervertebralspalte. Von hier aus nimmt die Färbbarkeit gegen die 
interprotovertebralen Gefäße gleichmäßig ab. Die Blutgefäße selber 
sind in einem hellen Zwischengewebe eingebettet. In der vorderen 
Sklerotomhälfte dicht an der Grenze von der Intervertebralspalte und 
Myotom liest das segmentale Ganglion. Ventral der Chorda ver- 
bindet wieder ein Zellstreifen in der Intervertebralgegend die rechte 
und linke Hälfte, indem die Zellen gleichmäßig in die vordere und 
hintere Sklerotomhälfte übergehen. Dorsalwärts füllt das Ganglion 
den vorderen Sklerotomantheil völlig aus. Die sonstigen Verhältnisse 
stimmen mit Tropidonotus natrix überein. Hier wird also im zweiten 
Stadium das Sklerotom nicht in eine helle und dunkle Hälfte ge- 
schieden, man kann hier nur von einer ganglionhaltigen und ganglion- 
freien Sklerotomschieht reden. 

Das Myotom bildet sich wieder zu einer Platte von annähernd 
dreieckiger Form um /Fig. 5). Durch das Vordringen mit der Spitze 
des Dreiecks längs der Intervertebralspalte veranlasst es eine Neu- 


54 Hermann Männer, 


sliederung des skeletogenen Gewebes. Damit treten wir in das dritte 
Stadium der Sklerotomentwicklung. Fig. 6 entspricht der Fig. 3 von 
Tropidonotus. Durch das Wachsthum des Muskels und der Sklero- 
tomhälften ist wieder die charakteristische Neigung der Bogenanlagen 
zu Stande gekommen, und wir haben einen Zustand erhalten, der 
dem primitiven Wirbel FrorıEp’s entspricht. Der Ausdruck ist aber 
in der Bedeutung, wie ihn FroRIEP braucht, hier nicht anwendbar. 
Da die zu einer Wirbelanlage bestimmten Sklerotomhälften bereits 
eine Verschiedenheit in ihrer Ausbildung aufweisen, so nenne ich, 
um die Beschreibung nicht so schwerfällig zu gestalten, den Theil, 
der der caudalen Hälfte eines Sklerotoms entspricht, Hauptbogen- 
anlage, und den Theil, der der cranialen Hälfte des nächstfolgenden 
Sklerotoms entspricht, Nebenbogenanlage. In der Hauptbogenanlage 
stehen die Zellen viel enger, und die dunkle Färbung nimmt einen 
viel breiteren Raum ein, so dass sie deutlich als die Hauptanlage des 
seitlichen Bogentheils erscheint. Haupt- und Nebenbogenanlagen 
sind an ihren lateralen Enden mit einander vereint. In der Mitte 
befinden sich zwischen ihnen die Interprotovertebralgefäße und ein 
helles Mesoblastgewebe. Die Intervertebralspalte reicht nicht mehr 
ganz bis in die Nähe der Chorda. In der Intervertebralgegend geht 
die Nebenbogenanlage ununterbrochen in die nächstfolgende Haupt- 
bogenanlage über. Die hypochordale Spange ist stark entwickelt. 
Dorsalwärts verjüngen sich beide Bogenanlagen gleichmäßig. In der 
Höhe des Rückenmarkes nimmt das Ganglion fast den ganzen Raum 
der Nebenbogenanlage ein (Fig. 7). Die Sklerotomgrenze ist durch 
das Blutgefäß und die Anordnung der Zellen deutlich ausgesprochen. 
Wie man sich auf Sagittalschnitten überzeugen kann, entspricht die 
hintere Grenze des Ganglion der Stelle der Intervertebralspalte. Es 
werden also auch hier durch den vordringenden Muskel ganz die 
gleichen Verhältnisse wie im seitlichen Bogentheil geschaffen. Die 
Breite der Hauptbogenanlage beträgt 40 u, die der Nebenbogen- 
anlage 10 u, wesswegen man in Höhe des Ganglion letztere ganz 
außer Acht lassen kann. Dorsal von dem Ganglion zeigen sich wieder 
wie bei Tropidonotus beide Sklerotomhälften gleich ausgebildet. 

Fig. 8 giebt uns eine weitere Entwicklungsstufe. Das Myotom 
ist weiter vorgedrungen, Haupt- und Nebenbogenanlage haben sich 
gegen früher mächtig entwickelt. Erstere ist in der Nähe der Blut- 
gefäße 45 u breit, letztere 25 u. Die beiden Bogenanlagen haben 
sich einander noch mehr genähert, lateral sind sie ganz vereinigt, 
in der Mitte zeigt eine feine Spalte die Trennung noch an, medial 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Wirbelsäule bei Reptilien. 55 


trennt beide noch ein helles Zwischengewebe. Die interprotoverte- 
bralen Gefäße verschieben sich eben caudalwärts durch die Neben- 
bogenanlage hindurch. Einzelne Gefäße befinden sich mitten in der 
Nebenbogenanlage, die Arterie erscheint schon als Intercostalarterie. 
Im weiteren Verlauf der Entwicklung vereinigen sich Haupt- und 
Nebenbogenanlage sowohl im seitlichen als auch dorsalen Bogenstück 
vollständig, es kommt unter Rückbildung der hypochordalen Spange 
zur Ausbildung der Gelenkanlagen, und der Wirbel wird in allen 
seinen Theilen vollständig angelegt. Unterdessen hat auch schon der 
Verknorpelungsprocess begonnen. 

Bei Anguis erscheinen die Verhältnisse in geringem Grade mo- 
difeirt. Wie schon aus den Abbildungen von CoRNING (1) hervorgeht, 
verschwindet in der Nebenbogenanlage in der Nähe der Blutgefäße 
der Zellenreichthum, wahrscheinlich in Folge der Verschiebung der 
interprotovertebralen Gefäße. Die Nebenbogenanlage erscheint daher 
in der Mitte unterbrochen. Sonst herrscht in der Entwicklung völlige 
Übereinstimmung. | 

Die Entwicklung der Wirbelsäule bei diesen Thieren unter- 
scheidet sich also von derjenigen bei Tropidonotus natrix im Wesent- 
lichen dadurch, dass bei ihnen die vordere Sklerotomhälfte vom 
zweiten Stadium an sehr ausgebildet ist, nach der Neugliederung 
des skeletogenen Gewebes als Nebenbogenanlage erscheint und end- 
lieh mit der Hauptbogenanlage vollständig verschmilzt. 


Entwicklung der Schwanzwirbelsäule von Lacerta agilis und 

; Anguis fragilis. 

Die ungleichartige Ausbildung der vorderen, ganglienhaltigen 
Sklerotomhälfte bei den Reptilien und die dadurch bedingte, ver- 
schiedene Betheilisung am Wirbelaufbau führte mich zu der Ver- 
muthung, ob diese Verhältnisse nicht im Zusammenhang mit der 
Zweitheiligskeit des Wirbels stehen. Ich untersuchte desshalb die 
Entwicklung der Schwanzwirbelsäule von Lacerta agilis und Anguis 
fragilis, von denen GOETTE am fötalen Skelett Reste der Zweitheilig- 
keit des Wirbels nachgewiesen hat. Bei Anguis haben wir in der 
Schwanzwirbelsäule doppelte Seitenfortsätze, bei Lacerta doppelte 
Bogen an einem Wirbel, die nachher verschmelzen. 

Über die Herkunft des Sklerotoms und das Entstehen der Inter- 
vertebralspalte gelten die für den Rumpf beschriebenen Verhältnisse. 

Das erste Stadium stimmt mit dem ersten Stadium der Sklerotom- 
entwicklung im Rumpf überein. Die stärkste Zellanhäufung findet 


86 Hermann Männer, 


sich im lateralen Drittel, die Färbbarkeit nimmt gegen die Chorda 
hin ab. Die Intervertebralspalte reicht bis zur Mitte des Sklerotoms. 
Im weiteren Verlauf machen sich in der Entwicklung der Schwanz- 
wirbelsäule Verschiedenheiten zwischen Anguis und Lacerta geltend, 
und sie bedürfen desshalb einer gesonderten Besprechung. 


Anguis. 

Im zweiten Stadium finden wir auch hier wie im Rumpf die 
dichteste Zellanhäufung zu beiden Seiten der Intervertebralspalte. 
Diese reicht fast bis an die Chorda. Fig. 9 stellt einen Sagittalschnitt 
dar, der cranial mehr medial getroffen ist wie caudal und orientirt 
uns am besten über die bestehenden Verhältnisse. Zunächst fällt 
einem die ungleichartige Entwicklung der beiden Sklerotomhälften in 
die Augen. Die ganglienhaltige, vordere Schicht zeigt eine viel 
stärkere Ausbildung wie die ganglienfreie, hintere, indem die ver- 
dichtete Zellpartie viel weiter ventralwärts reicht. Mehr medial in 
der Nähe der Chorda hört die Differenzirung in den Sklerotom- 
schichten wieder in gleicher Höhe auf. Eine Vergleichung der 
Schnittserie ergiebt, dass der verlängerte Abschnitt der vorderen 
Sklerotomhälfte die Anlage der Hämapophysen ist. Ventral der 
Chorda sieht man in gleichen Abständen eine kleine Verdichtung 
des Gewebes, die hypochordale Spange. In der Höhe des Rücken- 
markes nimmt das Ganglion nicht mehr den ganzen Raum der 
vorderen Sklerotomhälfte ein, es bleibt zwischen Ganglion und 
Sklerotomgrenze eine 20 «u breite Zellschicht übrig. Dorsal von dem 
Ganglion zeigen wieder beide Sklerotomhälften die gleiche -Aus- 
bildung. 

Fig 10 veranschaulicht uns die Verhältnisse im dritten Stadium. 
Das Myotom ist längs der Intervertebralspalte vorgedrungen und hat 
dadurch wieder die Hälften zweier verschiedenen Sklerotome auf 
einander gedrängt. Die nunmehr zur Anlage des Bogens gekenn- 
zeichneten beiden Schichten sind ziemlich gleich entwickelt. Sie 
zeigen die stärkste Zellanhäufung da, wo sie der Perichordalschicht 
aufsitzen, an ihren Enden sind sie sehr redueirt, es stehen zwischen 
den Myotomen die Zellen ganz vereinzelt. Die hypochordale Spange 
ist nur ganz schwach entwickelt. Die Hämalbogen zeigen noch die 
gleiche Lage, indem sie durch die Richtung der Kerne deutlich von 
der Perichordalschicht getrennt sind. Ihre Bogenenden haben sich 
ventral vereinigt und umschließen jetzt die Gefäße. In der Höhe 
des Rückenmarkes herrschen im Wesentlichen noch die gleichen 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Wirbelsäule bei Reptilien. 57 


Verhältnisse wie im zweiten Stadium, nur dass sich die Differenzirung 
im Sklerotomgewebe weiter nach oben erstreckt. Auch sind durch 
das Wachsthum des Muskels die Sklerotomschiehten mit dem Ganglion 
an das Rückenmark herangedrängt worden. Man kann jetzt auch 
hier in Folge dessen eine vordere und hintere Bogenanlage zwischen 
den Ganglien unterscheiden. Die hintere Bogenanlage aber hat in 
der Höhe des Ganglion nur die halbe Länge der vorderen Bogen- 
anlage. 

Im weiteren Verlauf drängen sich die Zellen in den Bogen- 
anlagen noch mehr zusammen. In dem seitlichen Bogenstück ver- 
einigen sich die Bogenanlagen zunächst nur an ihren Enden. Es 
bleibt zwischen ihnen ein heller Zwischenraum an Stelle der inter- 
protovertebralen Gefäße, die sich caudalwärts verschoben haben. Die 
Verlagerung der Gefäße kommt dadurch zu Stande, dass sich die 
Bogenanlagen bei dem Längenwachsthum des Wirbels nach vorn und 
zugleich nach oben verschieben. So kommt es, dass die vereinigte 
Bogenanlage dem Vorderende des Körpers aufsitzt. Unterdessen hat 
sich auch der Wirbelkörper schon in Knorpel umgewandelt. Kurz 
darauf erscheint in der vereinigten Bogenanlage und zwar in dem 
Theil, der der vorderen Bogenanlage entspricht, Knorpelgewebe. Von 
hier aus greift der Verknorpelungsprocess rasch auf die hintere 
Bogenanlage und die Bogendachanlage über, und der ganze Bogen er- 
scheint einheitlich. Die ursprüngliche Grenze deutet aber noch eine 
- Einsenkung am Wirbelbogen an, wie sie GOoETTE Fig. 17 und 23 
abgebildet hat. Auch die Hämalspange, die ihre ursprüngliche Lage 
beibehalten hat, hat sich selbständig in Knorpel umgewandelt und 
sitzt dem hinteren Wirbelkörperende auf. 

Die Sklerotomentwicklung der Schwanzwirbelsäule unterscheidet 
sich also im Wesentlichen dadurch von dem Rumpfe, dass die vordere, 
- ganglienhaltige Sklerotomhälfte von Anfang an durch die Anlage der 
Hämapophysen eine stärkere Ausbildung zeigt als die hintere und 
dass sie zur Bogenbildung eben so viel Zellenmaterial liefert wie 
diese, abgesehen von dem Theil, wo das Ganglion seine Lage hat, 
das die Entwicklung an dieser Stelle hemmt. 


Lacerta. 

Während die Entwicklung der Schwanzwirbelsäule im ersten 
Stadium mit Anguis übereinstimmt, machen sich im zweiten Stadium 
bemerkenswerthe Verschiedenheiten geltend (Fig. 11). Die durch die 
Intervertebralspalte halbirten Sklerotomabschnitte zeigen in Bezug 


58 Hermann Männer, 


auf ihre Färbbarkeit keine Verschiedenheiten. Sie sind gleichmäßig 
in ihrer Ausdehnung mit stark tingirbaren Zellen von meist rund- 
licher Form erfüllt. Nur in der Nähe der Interprotovertebralgefäße 
zeigen die Zellen mehr lockere Beschaffenheit, so dass die Ursegment- 
srenze durch einen hellen schmalen Zellstreifen im skeletogenen Ge- 
_ webe deutlich ausgeprägt ist. In dem vorderen Abschnitt befindet 
sich wieder das segmentale Ganglion. 

Fig. 12, eine etwas ältere Entwicklungsstufe, zeigt uns die Ver- 
hältnisse ventral der Chorda. ÜUranialwärts ist die Chorda noch ge- 
troffen worden, caudalwärts fällt der Schnitt unter die Chorda. Die 
Intervertebralspalte ist nicht mehr deutlich sichtbar, aber noch an- 
gedeutet. Eine Vergleichung der Schnittserie ergiebt, dass die stark 
hervortretende, dunkle Schicht die vordere Sklerotomhälfte ist. Die 
Perichordalschicht ist durch die Richtung der Zellen deutlich von 
dem Bogengewebe unterschieden. In der Mitte zwischen Perichordal- 
schicht und Myotom sieht man in dem vorderen Sklerotomabschnitt 
einen rundlichen Zellenkomplex. Es ist die Anlage der Hämapophyse, 
die auch hier wieder von dem ganglienhaltigen vorderen Sklerotom- 
antheil ausgeht. Die hypochordale Spange ist sehr schwach ent- 
wickelt. Dorsal nimmt das Ganglion, das sehr wenig ausgebildet 
ist, nicht den ganzen vorderen Sklerotomabschnitt ein, es besteht 
zwischen Ganglion und Sklerotomgrenze eine Zellschicht von mehr 
als der halben Breite der hinteren Sklerotomhälfte. 

Fig. 13 zeigt uns die Verhältnisse im dritten Stadium der 
Sklerotomveränderungen im Schwanztheil. Das Myotom hat die 
Form einer ungleichen Spindel. Durch das Vordringen des einen 
Muskelbauches längs der Intervertebralspalte kommt die Neugliede- 
rung des skeletogenen Gewebes zu Stande. Da der Muskel hier im 
Gegensatz zum Rumpf nicht die Form eines spitzwinkligen Dreiecks 
hat, so können sich die Zellen des Sklerotoms auch nicht zwischen 
die Myotome hineindrängen, und sie werden desshalb nach der Chorda 
hin und zugleich auch dorsalwärts gedrängt. Im weiteren Verlauf 
findet man in Folge dessen auf Schnitten, die die Chorda treffen, 
kein Bogengewebe mehr. Die nunmehr zur Bildung eines Bogens 
bestimmten Sklerotomhälften zeigen in Bezug auf ihren Zellenreich- 
thum die gleiche Ausbildung. Beide sind gleichmäßig in ihrer ganzen 
Ausdehnung mit dieht gedrängten, stark tingirbaren Zellen von rund- 
licher Form erfüllt. In der Nähe des segmentalen Ganglion stehen 
sie etwas lockerer und sind oft mit Fortsätzen versehen. Die hypo- 
chordale Spange ist nur wenig entwickelt, die Anlagen der Häma- 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Wirbelsäule bei Reptilien. 59 


pophysen haben sich ventral von den Gefäßen vereinigt. Fig. 14 
zeigt uns die Verhältnisse in der Höhe des Rückenmarkes. Das 
Ganglion befindet sich dicht an dem Rückenmark und trennt da- 
durch die zur Bogenbildung bestimmte Zellenmasse ab. Diese selbst 
lässt durch die Lage der Blutgefäße, durch die Myotomgrenze und 
dureh die Richtung der Zellen die Zusammensetzung aus der hinteren 
Sklerotomhälfte und aus der vorderen Hälfte des dahinter folgenden 
Sklerotoms deutlich erkennen. Eine Vergleichung der Fig 7 und 
Fig. 14 zeigt den Unterschied zwischen Rumpf und Schwanz deut- 
lich. Beide Schnitte zeigen das gleiche Stadium und sind ungefähr 
in der gleichen Höhe getroffen. Die Hauptbogenanlage hat im Rumpf 
eine Breite von 40 u, die entsprechende vordere Bogenanlage im 
Schwanze 42 u, die Nebenbogenanlage im Rumpf 10 « und die ent- 
sprechende hintere Bogenanlage im Schwanze 36 ı. Die Zellen in 
der vorderen Bogenanlage haben sich bereits ringförmig zusammen- 
geschlossen und deuten dadurch den Übergang in Knorpelgewebe an. 

Im weiteren Verlauf der Entwicklung werden die Bogenanlagen 
durch das Myotom noch mehr dorsalwärts verschoben. Die Peri- 
ehordalschicht ist in der Wirbelkörperanlage völlig verknorpelt. 
Nunmehr hat sich auch im Bogen Knorpel gebildet und zwar zuerst 
im Stamm der hinteren Bogenanlage (Fig. 15). Die hintere Bogen- 
anlage erscheint jetzt in einer Dicke von 4—5 Zellenlagen und füllt 
den Raum zwischen vorderen Bogen und dem Ganglion völlig aus. 
‘ Das Längenwachsthum des Bogens erfolgt also im Wesentlichen auf 
ihre Kosten. Nunmehr haben sich auch die Bogenanlagen dorsal 
geschlossen, eine Abgrenzung der Sklerotomantheile ist nicht mehr 
möglich, da das Ganglion fehlt. Doch lässt sich nur an der dichteren 
Lage der Zellen und der Lagebeziehungen zu der Myotomgrenze die 
der vorderen Bogenanlage entsprechende Zellenmasse erkennen. Im 
_ weiteren Verlauf greift der Verknorpelungsprocess vom Stamm der 
vorderen Bogenanlage auf das Bogendach über. Im Stamm der 
hinteren Bogenanlage erfolgt aber ungefähr in der Mitte zwischen 
vorderen Bogen und Ganglion ein gesonderter Verknorpelungsprocess, 
der allmählich von der Basis dorsalwärts fortschreitet (Fig. 16). Auf 
solche Weise erhält man von macerirten Skeletten Bilder, wie sie 
GOETTE Fig. 15 abgebildet hat. Durch Fortschreiten des Verknorpe- 
lungsprocesses vereinigen sich schließlich vordere Bogen und Bogen- 
dach mit dem hinteren Bogen zu einer einheitlichen Bogenplatte, 
deren ursprüngliche Grenze aber noch durch Furchenbildung an den 
Seiten zu erkennen ist (Fig. 17). Im Bogendach selbst erscheint der 


60 Hermann Männer, 


Knorpel einheitlich. Die Hämapophysen verknorpeln selbständig, 
sie haben sich etwas eaudalwärts verschoben und sind dem Inter- 
vertebralgelenk angefügt. 

Die Entwicklung der Schwanzwirbelsäule unterscheidet sich also 


auch bei Lacerta dadurch wesentlich von dem Rumpf, dass die 


vordere, ganglienhaltige Schicht sehr stark ausgebildet ist. Nach 
Vereinigung der beiden Sklerotomhälften macht sich im Schwanz im 
Stamm der hinteren Bogenanlage ein gesonderter Verknorpelungs- 
process geltend. Das Längenwachsthum des Bogens erfolgt wesent- 
lich auf Kosten der hinteren Bogenanlage, wesswegen die vordere 
Bogenanlage auch viel breiter erscheint. Dadurch kommt es, dass 
der vereinigte Bogen dem Vorderende des Wirbelkörpers aufsitzt. 


Entwicklung von Atlas und Epistropheus. 


In der Nacken- und Oeceipitalregion machen sich in frühen Stadien 
die gleichen Verhältnisse geltend wie im Rumpf. Die Oceipitalanlage 
ist noch deutlich durch die Intervertebralspalte von der Bogenanlage 
des Atlas getrennt (Fig. 18 :s). In der Oceipitalregion selbst aber 
fehlt eben jedwede Spur einer Gliederung. Es lassen sich vier Ur- 
segmentrudimente nachweisen, die beiden ersten erscheinen aber ver- 
schmolzen. Das Ganglion der ersten und zweiten Cervicalnerven ist 
mächtig entwickelt. Die drei ersten Sklerotome des Halses sind an 
ihrem ventralen Ende etwas caudalwärts geneigt. Fig. 19, ein älteres 
Stadium, giebt uns über die Verhältnisse ventral der Chorda Auf- 
schluss. Die Wirbelkörper sind deutlich angelegt. Die hypochordalen 
Spangen erscheinen als eine mächtige Zellenlage von zapfenförmiger 
Form dem Intervertebralwulst angefügt. Die Schnittserie ergiebt, 
dass sie gleichmäßig in die durch die Intervertebralspalte getrennten 
Sklerotomhälften übergehen. Sie sind viel bedeutender entwickelt als 
in der Brustregion, auch sind sie hier stark caudalwärts geneigt. 
Die Entwicklungsvorgänge, die nun zur Bildung von Atlas und 
Epistropheus führen, sind in den Grundzügen ganz die gleichen, wie 
sie FRORIEP (7) ausführlich für die Entwicklung beim Hühnchen be- 
schrieben hat. Sie erscheinen hier nur etwas modifieirt durch die 
Ausbildung von Gelenkkopf und Gelenkpfanne. Da es zwischen 
Oeceiput und Atlas und zwischen Atlas und Epistropheus zu keiner 
eigentlichen Gelenkbildung kommt, so bleiben die hypochordalen 
Spangen hier im Zusammenhang mit den Bogentheilen. Die erste 
>pange (Fig. 20 Sp. /) erscheint als rundliches Knorpelstück, das 
die seitlichen Bogenstücke ventral verbindet. Der Atlaskörper ist 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Wirbelsäule bei Reptilien. 61 


überall deutlich davon getrennt. Die zweite Spange hat ihre zapfen- 
förmige Form beibehalten, auch zeigt sie noch eine starke, caudal- 
wärts gerichtete Neigung. Sie steht mit dem seitlichen und oberen 
Bogenstück des Epistropheus in direkter Verbindung. Die folgenden 
Spangen erscheinen bedeutend verkleinert, weil sie offenbar ein 
sroßes Zellenmaterial zur Bildung des Gelenkwulstes abgegeben 
haben. Sie stehen mit den Bogentheilen nicht mehr im Zusammen- 
hang und haben sich nach vorn verlagert. Sie erscheinen jetzt als 
Anhängsel des caudalen Wirbelkörperendes, Im weiteren Verlauf 
der Entwicklung legt sich die zweite Spange vollständig in den 
Zwischenraum zwischen Atlas- und Epistropheuskörper hinein und 
_ verschmilzt mit ihnen. Es erfolgt so die Gelenkbildung zwischen 
Atlas und Epistropheus auch bei den Reptilien nur innerhalb der 
Bogentheile. Die folgenden hypochordalen Spangen verschwinden 
vollständig, nur bei Lacerta bleiben sie bestehen und erscheinen als die 
unteren Dornfortsätze. Da sich oft auch die zweite hypochordale Spange 
in einen unteren Dornfortsatz verlängert, erscheint dann der Epistro- 
pheus bei Lacerta mit zwei unteren Dornfortsätzen ausgestattet. 


Zusammenfassende Darstellung und Kritik. 


Verfolgen wir die Entwicklung der Wirbelsäule von der Ent- 
stehung des Sklerotoms bis zur völligen Anlage eines Wirbels, so 
kommen wir zu der Thatsache, dass die Entwicklung immer streng 
gegliedert und ganz gesetzmäßig vor sich geht. Zunächst sind die 
 Sklerotome gegenseitig scharf abgegrenzt, einmal durch die Grenze 
des Ursegmentes, dann durch die Gefäße, die immer streng inter- 
protovertebral liegen. Die Intervertebralspalte reicht zuerst nur bis 
in die Mitte des Sklerotoms, und die dichteste Zellanhäufung findet 
sich im lateralen Drittel. Diese Verhältnisse haben wir als erstes 
Stadium der Sklerotomentwicklung bezeichnet. 

Im zweiten Stadium erstreckt sich die Intervertebralspalte von 
der Muskelplatte bis zur Perichordalschicht und theilt das Sklerotom 
genau in zwei gleiche Theile. Die Verschiedenartigkeit der Ent- 
wicklung der Wirbelsäule bei den Reptilien spricht sich nun haupt- 
sächlich durch eine ungleichartige Ausbildung der Sklerotomhälften 
aus. Im einen Fall wie bei Tropidonotus ist der ceraniale Sklerotom- 
antheil sehr schwach färbbar, der caudale sehr stark, so dass man 
von einer hellen und dunklen Schicht sprechen kann; im anderen 
Falle zeigen sich beide Hälften in Bezug auf ihre Färbbarkeit gleich 
entwickelt, sei es, dass in beiden Theilen die dichteste Zellanhäufung 


62 Hermann Männer, 


zu beiden Seiten der Intervertebralspalte auftritt, wie bei Coronella, 
Anguis und Rumpf von Lacerta, oder sei es, dass beide Abschnitte 
in ihrer ganzen Ausdehnung sich gleichmäßig stark färbbar erweisen, 
wie im Schwanz von Lacerta. Diese ungleichartige Ausbildung der 
Sklerotomhälften giebt auch der Weiterentwicklung der einzelnen 
Thiere das Gepräge. 

Das dritte Stadium der Sklerotomveränderungen ist gekennzeichnet 
durch das Vordringen des Muskels längs der Intervertebralspalte und 
der dadurch bedingten Umgestaltungen. Indem das Myotom in seinem 
Wachsthum der Intervertebralspalte folgend sich einen Weg bahnt, 
bestimmt es je den vorderen Sklerotomantheil und den hinteren des 
voraufgehenden Sklerotoms zur Anlage eines Wirbels. Damit ist 
die Zellenmasse, worin sich die Wirbelbildung abspielen soll, genau 
abgegrenzt. Diesen Vorgang, dass die Hälften zweier verschiedener 
Sklerotome zur Bildung eines Wirbels bestimmt werden, wollte 
REMAR (15), wie aus seinen Worten hervorgeht, offenbar mit dem 
Ausdruck »Neugliederung der Wirbelsäule« bezeichnen, wenn er auch 
die Vorgänge im Einzelnen noch nicht kannte. Die Berechtigung 
dieses Ausdruckes wird in neuerer Zeit fast allgemein bestritten, und 
die Neugliederung einfach als die Folge von der Alternation des 
Myotoms und Sklerotoms bezeichnet, aber wie die Entwicklung der 
Wirbelsäule bei Reptilien zeigt, ist die Alternation die Folge der 
Neugliederung, und der Ausdruck hat seine volle Berechtigung. Nur 
der Ausdruck Neugliederung der Wirbelsäule könnte zu Missverständ- 
nissen Anlass geben, da ja bis jetzt noch keine Wirbelsäule vor- 
handen war. Ich schlage desswegen vor, den Vorgang als: »Neu- 
sliederung des skeletogenen Gewebes« zu bezeichnen. Vorher war 
das skeletogene Gewebe in die Sklerotome gegliedert, jetzt ist es in 
die zur Wirbelbildung bestimmte Zellenmasse, die zwei verschiedenen 
Sklerotomhälften entspricht, gegliedert. 

Die weitere Entwicklung zeigt sich nun bei den einzelnen Reihen 
verschieden je nach der Ausbildung der ursprünglich vorderen, gan- 
glienhaltigen Sklerotomhälfte. Bei Tropidonotus erscheint diese in 
ihrem lateralen Drittel ganz redueirt, und wir erhalten einen Ent- 
wicklungszustand, den man als primitive Wirbelsäule bezeichnen 
kann. Die Definition, die FRORIEP aber diesem Zustand bei Vögeln 
gegeben hat, stimmt hier nicht ganz überein. Die Chorda zeigt bereits 
in der Intervertebralgegend Einschnürungen, auch ist die Bogen- 
anlage noch nicht einheitlich. In der der vorderen Sklerotomhälfte 
entsprechenden Schicht macht sich nämlich in der Nähe der Inter- 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Wirbelsäule bei Reptilien. 63 


vertebralgegend eine Verdichtung des Gewebes bemerkbar. In der 
weiteren Entwicklung vereinigt sich diese zellreiche Schicht mit dem 
primitiven Wirbelbogen und erscheint nun als dessen verbreiterte 
Bogenbase. Unterdessen beginnt auch schon im Wirbelkörper der 
Verknorpelungsprocess. 

Bei Coronella und am Rumpf von Anguis und Lacerta machen 
sich andere Entwicklungsvorgänge bemerkbar. Hier kann man eine 
Hauptbogenanlage, die der ursprünglichen hinteren Sklerotomhälfte 
entspricht, und eine Nebenbogenanlage, die der vorderen, ganglien- 
haltigen Hälfte des folgenden Sklerotoms entspricht, unterscheiden. 
Haupt- und Nebenbogenanlage verschmelzen vollständig und erscheinen 
als einheitliches, seitliches Bogenstück. 

Im Neuralbogen machen sich bei beiden Reihen die gleichen 
Entwicklungsvorgänge bemerkbar. In der Höhe des Ganglion wird 
die vordere Sklerotomhälfte vollständig von diesem eingenommen. 
Dorsal von dem Ganglion zeigen wieder beide Sklerotomantheile die 
gleiche Ausbildung. Da sowohl die Intervertebralspalte als auch das 
sesmentale Ganglion fehlt, so ist eine Unterscheidung der beiden 
Sklerotomhälften nur durch die Richtung der Zellkerne möglich. 
Nach Vereinigung der zwei verschiedenen Sklerotomhälften erscheint 
zuerst in dem Theil, der dem caudalen Sklerotomantheil entspricht, 
Knorpel, greift aber rasch auf den anderen Theil über. Das dorsale 
Bogenstück schließt sich erst lange nachdem der Verknorpelungs- 
process schon eingetreten ist. 

Im Schwanze von Anguis und Lacerta machen sich ganz be- 
sondere Verhältnisse bemerkbar. Da sich beide Sklerotomhälften in 
der Entwicklung gleich bleiben, so kann man hier von einer vorderen 
und hinteren Bogenanlage sprechen. Bei Anguis vereinigen sich beide 
Bogenanlagen, sie lassen aber im seitlichen Bogenstück einen kleinen, 
hellen Zwischenraum zwischen den Querfortsätzen. Dorsal erscheint 
der Knorpel zuerst in dem Theil, der der vorderen Bogenanlage ent- 
spricht, greift aber rasch auf die hintere Bogenanlage über. Bei 
Lacerta zeigen auch beide Bogenanlagen zuerst die gleiche Ausbildung. 
Das kolossale Längenwachsthum des Wirbels erfolgt aber wesentlich 
auf Kosten der hinteren Bogenanlage, sie erscheint daher sehr lang, 
aber bloß drei bis vier Zellen breit. Die Verknorpelung erfolgt nun 
in beiden Bogenantheilen im Stamm getrennt, in der Bogendachanlage 
aber vereint. Aus dem schon genannten Grunde erscheint der vordere 
Bogenknorpel daher viel stärker entwickelt als der hintere. Die 
rudimentären doppelten Bogen und Seitenfortsätze von Anguis und 


64 Hermann Männer, 


Lacerta lassen sich also in ihrer Entstehung direkt auf die ganglien- 
haltige, vordere Sklerotomhälfte zurückführen. Überall da, wo GoETTE 
Reste von Doppelbildungen nachgewiesen hat, zeigt sich auch die 
vordere Sklerotomhälfte stärker entwickelt. Man kann geradezu den 
Satz aufstellen: Je stärker die vordere Sklerotomhälfte ausgebildet 
ist, desto eher lassen sich Reste von Doppelbildungen nachweisen. 
Zieht man in Betracht, wie diese vordere Sklerotomhälfte von Anfang 
in streng gesondertem Verband auftritt und zuerst sehr zellreich 
erscheint, wie sie entweder völlig reducirt wird oder am Wirbel- 
aufbau thätigen Antheil nimmt, wie von ihr im Schwanze die Anlage 
der Hämapophysen ausgeht, so tritt ihre phylogenetische Bedeutung 
klar zu Tage. Es wird sich daraus auch die Berechtigung ergeben, 
die Schlüsse, die GOETTE aus seinen rudimentären Doppelbildungen 
gezogen hat, auf den vorderen Sklerotomabschnitt zu übertragen. 
Dabei würde sich eine fast völlige Übereinstimmung mit den Be- 
funden, die GOETTE aus seinen paläontologischen Untersuchungen 
gewonnen hat, ergeben. Die von Anfang an völlige, gleiche Aus- 
bildung der beiden Sklerotomantheile bei allen Thieren giebt uns 
eine Bestätigung von der früheren Doppelanlage in einem Segment. 
Als Stütze dieser Ansicht möchte ich auch die Schuppenbekleidung 
des Schwanzes von Lacerta und Anguis anführen. Wenn man 
nämlich die Schwanzwirbelsäule von Lacerta und Anguis nach der 
von SCHULTZE (18) angegebenen Methode aufhellt, so löst sich zuerst 
die Epidermis ab. Man sieht dann, wie auf je einen Wirbel zwei 
ringförmige Cutiserhebungen kommen, die sich in Folge ihrer starken 
Pigmentirung deutlich abheben. Behandelt man noch weiter mit 
Kalilauge, so lösen sich auch die einzelnen Wirbel mit je zwei Outis- 
erhebungen ab. Ein direkter Zusammenhang mit den beiden Skle- 
rotomhälften lässt sich aber nicht nachweisen, da die ursprüngliche 
Segmentirung der Hautplatte sich vollständig verwischt, und die 
Schuppen aus einer ganz geradlinig verlaufenden Epidermis sich 
erheben (Fig. 16). Ein indirekter Beweis für die Doppelbildung in 
einem Segment ist ferner auch der Querzerfall der Schwanzwirbel 
von Lacerta. Dieser ist allerdings eine Neuerwerbung, denn er ist 
im Embryo nicht präformirt, aber er kam da zur Ausbildung, wo 
die Verhältnisse am günstigsten waren, und das war die Verwachsungs- 
stelle der beiden Bogenanlagen. Das interprotovertebrale Gewebe 
war jedenfalls ganz besonders prädisponirt; auch spricht die Bruch- 
stelle dafür, denn der Wirbel zerfällt in einen kurzen, vorderen Theil 
und einen längeren, hinteren Theil; außerdem erfolgt der Bruch 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Wirbelsäule bei Reptilien. 65 


längs der Grenze von vorderem und hinterem Bogen und mitten 
durch das Bogendach, von dem wir gesehen haben, dass es ebenfalls 
aus den beiden Sklerotomhälften besteht. Noch viel einleuchtender 
erscheint es aber, wenn man das Verhalten der Muskulatur berück- 
siehtist. Wie man sich an jeder Schwanzwirbelsäule von Lacerta 
überzeugen kann, entspricht die Bruchstelle einem Myocomma. Es 
muss aber auch die Stelle, wo der Wirbel querzerfällt, einem Myo- 
comma entsprechen und das ist die Verwachsungsstelle der beiden 
Sklerotomhälften, anders ist ein Abbrechen nicht möglich. 

Da durch den Neugliederungsprocess die Verschmelzung zweier 
Sklerotomhälften oder in phylogenetischer Hinsicht die Verschmelzung 
zweier Doppelanlagen zweier verschiedener Segmente erfolgt, so er- 
scheint damit die Frage der Neugliederung des skeletogenen Gewebes 
und das damit im Zusammenhang stehende Auftreten der Interverte- 
bralspalte in einem ganz neuen Licht. Alle weitgehenden Spekula- 
tionen sind aber, bevor über das Verhalten der Anamnier Unter- 
suchungen vorliegen, verfrüht. 

Die hypochordale Spange, die der Lage nach der Mitte des 
Sklerotoms entspricht, durch die Intervertebralspalte aber nicht ge- 
trennt wird, liegt ventral von der Intervertebralschicht und ist durch 
die Richtung. der Zellkerne stets deutlich von ihr unterscheidbar. Sie 
verbindet die beiden Sklerotomhälften der rechten und linken Seite mit 
einander, indem sie gleichmäßig in beide Theile übergeht. Sie ist am 
mächtigsten in der Halsregion entwickelt, während sie im Schwanztheil 
nur sehr schwach ausgebildet erscheint. Mit zunehmender Gelenkbildung 
wird sie redueirt, indem ihre Zellen zur Gelenkanlage verwendet wer- 
den. Wenn endlich Gelenkkopf und Gelenkpfanne sich entwickelt 
haben, so ist die hypochordale Spange fast ganz verschwunden. 

Im Halstheil gestaltet sich das Verhältnis etwas anders. Die 
hypochordalen Spangen sind von Anfang an sehr mächtig entwickelt. 
Die einzelnen Spangen, die selbständig verknorpeln, erhalten eine 
verschiedene Bedeutung. Die erste bleibt mit den Bogentheilen in 
Verbindung und wird zum unteren Atlasbogen. Die zweite, die am 
mächtigsten entwickelt ist, bleibt auch mit den Bogentheilen in Ver- 
bindung, verschmilzt aber mit dem Körper des ersten und zweiten 
Wirbels und bildet für den Atlasbogen eine Gelenkfläche. An ihrem 
caudalen Ende spitzt sie sich in einen unteren Dornfortsatz zu. Die 

nächstfolgenden hypochordalen Spangen verlagern sich wahrscheinlich 
in Folge der Gelenkkopfbildung an das Hinterende des vorderen 
Wirbelkörpers und erscheinen diesem angefügt. Sie erfahren eine 
Zeitschrift £. wissensch. Zoologie. LXVI. Bd. 5 


66 Hermann Männer, 


vollständige Reduktion, nur bei Lacerta bleiben sie als untere Dorn- 
fortsätze für immer bestehen. So ist auch erklärlich, warum der 
Epistropheus hier oft zwei untere Dornfortsätze trägt. Der untere 
Atlasbogen und die unteren Dornfortsätze sind also homologe Gebilde. 
Die Hämapophysen entstehen von der vorderen, ganglienhaltigen 
Sklerotomhälfte aus als schon von Anfang an allseitig wohlbegrenzte 
Gebilde. Nach der Neugliederung des skeletogenen Gewebes kom- 
_ men sie an das Hinterende des künftigen Wirbels zu liegen. Diese 
Lage behalten sie auch im weiteren Verlauf der Entwicklung bei 
und verknorpeln völlig unabhängig von anderen Theilen. Bei Lacerta 
verlagern sie sich später etwas caudalwärts und erscheinen dem 
intervertebralen Theil angefügt. GOoETTE hat nun desshalb, weil sie 
dasselbe Wirbelsegment wie der nächstfolgende Wirbel tragen, ge- 
schlossen, dass sie genetisch zu diesem Wirbel gehören. Das Muskel- 
segment kann aber kein Kriterium bilden, weil das Myotom immer 
zu den Hälften zweier Wirbel gehört. Die Hämapophysen gehören 
vielmehr genetisch zu dem vorderen Wirbel und sind Bildungen für 
sich. Sie können desshalb auch weder mit den Rippen noch mit 
den unteren Dornfortsätzen homologisirt werden. 


Vorstehende Abhandlung wurde in dem zoologischen Institut der 
Universität Tübingen angefertigt. 

Dem verstorbenen Herrn Professor Dr. EıImER schulde ich für 
die Überlassung dieser Arbeit vielen Dank. Eben so spreche ich an 
dieser Stelle Herrn Professor Dr. BLOCHMANN für das Interesse und 
Wohlwollen, das er meiner Arbeit stets entgegenbrachte, meinen herz- 
lichsten Dank aus. 

Zu besonderem Danke fühle ich mich Herrn Privatdocent Dr. 
Hesse verpflichtet, der mir bei der Abfertigung dieser Arbeit oft mit 
Rath und That zur Seite gestanden ist. 


Tübingen, den 28. November 1898. 


Litteraturverzeichnis. 


1. CORNInG, Über die sog. Neugliederung der Wirbelsäule und über das 
Schicksal der Urwirbelhöhle bei Reptilien. Morph. Jahrb. Bd. XVII. 

2. v. EBNER, Urwirbel und Neugliederung der Wirbelsäule. Wiener Sitzungs- 
berichte. Bd. XCVII. Abth. 3. 1888. 


or 


—1 
. 


[e #] 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Wirbelsäule bei Reptilien. 67 


vV. EBNER, Über die Beziehungen des Wirbels zu den Urwirbeln. Wiener 
Sitzungsber. Bd. CI. Abth. 3. 1892. 

GEGENBAUR, Untersuchungen zur vergleichenden Anatomie der Wirbel- 
säule bei Amphibien und Reptilien. Leipzig 1862. 

Derselbe, Vergleichende Anatomie der Wirbelthiere. Leipzig 1898. 

GOETTE, Über den Wirbelbau bei den Reptilien und einigen anderen 
Wirbelthieren. Diese Zeitschr. Bd. LXIl. 

FRORIEP, Zur Entwicklungsgeschichte der Wirbelsäule, insbesondere des 
Atlas und Epistropheus und der Oceipitalregion. 5. Beobachtung an 
Hühnerembryonen. Archiv für Anatomie und Physiologie. Anatom. 
Abth. 1883. 

Derselbe, Zur Entwicklungsgeschichte ete. II. Beobachtung an Säugethier- 
embryonen. Archiv für Anatomie und Physiol. Anatom. Abth. 1886. 

Oscar HERTWIG, Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte der Menschen und 
der Wirbelthiere. 6. Auflage. Jena 1898. 

Hyerr, Über normale Quertheilung der Saurierwirbel. Wiener Sitzungsber. 
x... 1853. 

KOLLMANN, Die Rumpfsegmente menschlicher Embryonen von 13 bis 35 Ur- 
wirbeln. Archiv für Anatomie und Physiol. Anatom. Abth. 1891. 

Derselbe, Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen. Jena 1898. 

LeyDıG, Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier. Tübingen 1872. 

RATERE, Entwicklungsgeschichte der Natter. Königsberg 1839. 

ROBERT REMAK, Untersuchungen über die Entwicklung der Wirbelthiere. 
Berlin 1855. 

0. SCHULTZE, Über embryonale und bleibende Segmentirung. Anat. Anzeiger. 
Ergänzungsbd. 1896. 

Derselbe, Grundriss der Entwicklungsgeschichte des Menschen und der 
Säugethiere. Leipzig 1897. | 

Derselbe, Über die Herstellung und Konservirung durchsichtiger Embryonen 
zum Studium der Skelettbildung. Anat. Anzeiger. Ergänzungsbd. 1897, 


Erklärung der Abbildungen, 


Bezeichnungen: 


a, vordere Sklerotomhältte; m, Myotom; 

ai, Arteria interprotovertebralis; n, Nerv; 

DB, Bogen; N, Nebenbogenanlage; 

ch. Chorda dorsalis; R, Rückenmark; 

ed, eaudal; o, vordere Bogenanlage; 
er, eranial; o’, hintere Bogenanlage; 
gl, Ganglion; p, hintere Sklerotomhälfte; 
K, Körperknorpel oder Körperanlage; Ps, Perichordalschicht; 

:s, Intervertebralspalte; Sp, hypochordale Spange; 
HA, Hauptbogen; sk, Sklerotom; 

hb, Hämalbogen; Us, Ursegment. 


68 Herm. Männer, Beitr. zur Entwicklungesch. der Wirbelsäule bei Bept. 


Tafel IV— VII. 


Die Figuren 4, 9, 18, 19, 20 sind bei 2öfacher, die anderen Figuren außer 
Fig. la, 1b und 25 mit 2S0facher Vergrößerung gezeichnet. 

Fig. 1a. Querschnitt durch einen Urwirbel aus der Rumpfregion von 
Lacerta agilis. Homogene Immersion 1/12, Appertur 1,25 nach Zeıss. 

Fig. 15. Horizontalschnitt durch einen Urwirbel in der Höhe der Chorda 
aus der Rumpfregion desselben Thieres. Zeıss Obj. F, Oe. 3. 

Fig. 2@. Horizontalschnitt aus der Höhe der Chorda von der Rumpfregion 
eines Embryo von Tropidonotus natrix. 

Fig. 2b. Intervertebralspalte desselben Schnittes, gezeichnet bei ZEıss 
Obj. F, Oe. 3. 

Fig. 3. Horizontalschnitt aus der Höhe der Chorda von der Rumpfregion 
eines Embryo von Tropidonotus natrix. 

Fig. 4. Sagittalschnitt aus der Halsregion desselben Embryos. 

Fig. 5. Horizontalschnitt aus der Höhe der Chorda von der Rumpfregion 
von Lacerta agilis. | 

Fig. 6. Horizontalschnitt in der Höhe der Chorda aus der Rumpfregion 
von Coronella laevis. 

Fig. 7. Horizontalschnitt aus der Mitte der Höhe des Rückenmarkes von 
dem Rumpf von Lacerta agilis. 

Fig. 8. Horizontalschnitt in der Höhe der Chorda von der Rumpfregion 
von Coronella laevis. 

Fig. 9. Sagittalschnitt aus dem mittleren Schwanztheil von Anguis fra- 
gilis. Cranialwärts ist der Schnitt mehr medial geführt und trifft noch die 
Chorda. 

Fig. 10. Horizontalschnitt aus dem mittleren Schwanztheil von Anguis fra- 
gilis in der Höhe der Chorda. 

Fig. 11. Horizontalschnitt aus der Höhe der Chorda von dem hinteren 
Schwanztheil von Lacerta agilis. 

Fig. 12. Horizontalschnitt aus dem mittleren Schwanztheil desselben Em- 
bryos. Caudal ist der Schnitt tiefer geführt wie cranial und hat hier noch die 
Chorda getroffen. 

Fig. 13. Horizontalschnitt aus der Höhe der Chorda von der mittleren 
Schwanzregion von Lacerta. 

Fig. 14. Horizontalschnitt aus der Mitte der Höhe des Rückenmarkes von 
der mittleren Schwanzregion eines älteren Embryos von Lacerta agilis. 

Fig. 15. Horizontalschnitt aus dem oberen Drittel der Höhe des Rücken- 
markes von der hinteren Schwanzregion von Lacerta agilis. 

Fig. 16. Horizontalschnitt aus der Mitte der Höhe des Rückenmarkes 
von der hinteren Schwanzregion von Lacerta agilis. 

Fig. 17. Horizontalschnitt aus der mittleren Höhe des Rückenmarkes aus 
der vorderen Schwanzregion von Lacerta agilis. 

Fig. 18. Sagittalschnitt aus der Nackenregion von Anguis fragilis. 

Fig. 19. Sagittalschnitt aus der Nackenregion von Coronella laevis. 

Fig. 20. Sagittalschnitt aus der Nackenregion von Anguis fragilis. 


Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion und 
Resorption in der Darmschleimhaut. 


Von 
Dr. med. William Möller, 


I. Assistent am anatomischen Institute zu Helsingfors (Finnland). 


Mit Tafel VIII und IX. 


(Aus der histologischen Anstalt des Karolinischen medico-chirurgischen 
Instituts zu Stockholm.) 


Einleitung. 


Die Frage von der physiologischen Funktion der LIEBERKÜHN- 
schen Krypten ist bekanntlich fortgesetzt der Debatte unterworfen. 
Auf der einen Seite betrachtet man diese Organe als völlig charak- 
teristisch ausgebildete Drüsen, die ein specifisches Sekret, den Darm- 
saft, produeiren; auf der anderen Seite werden sie als blindsackähn- 
liche Vertiefungen des Oberflächenepithels, die theils zur Regeneration 
dieses Epithels, theils zur Vergrößerung der resorbirenden Schleim- 
hautoberfläche dienen, aufgefasst. 

Unter solchen Umständen kann man mit Fug die Frage auf- 
werfen, in wie fern sich bei dem jetzigen Stand der Wissenschaft eine 
Möglichkeit findet, bestimmt zu entscheiden, ob in den LIEBERKÜHN- 
schen Krypten eine Sekretion stattfindet oder nicht. A priori sollte 
man meinen, dass die Antwort auf diese Frage bejahend ausfallen 
müsse, da es sich ja bekanntlich gezeigt hat, dass sich der Sekretions- 
process in den bisher mit neueren Methoden untersuchten Drüsen der 
höheren Thiere anatomisch durch das Auftreten von eigenthümlichen 
Körnern in den Drüsenzellen manifestirt, welche Körner mit speei- 
üschen Mitteln fixirt und tingirt werden können’ und aus denen nachher 
durch charakteristische Umwandlung das formlose Sekret hervorgeht. 
Sind nun die LiEBErRKÜHN’schen Krypten sekretorische Organe, so 


70 William Möller, 


muss ja auch in ihren Zellen ein solches Verhältnis nachgewiesen 
werden können. 

Von dieser Annahme ausgehend, habe ich mir die Aufgabe ge- 
stellt, mit Hilfe der Methoden der modernen Histologie einige Bei- 
träge zur Beantwortung der genannten Streitfrage zu liefern zu suchen. 
Ich habe mich von diesem Problem um so mehr angezogen gefühlt, 
als ich bei einer früheren pathologiseh-anatomischen Untersuchung 
von Material, das dem Darmkanal des Menschen entnommen war, 
Gelegenheit gehabt habe, recht oft Bilder zu beobachten, die die 
Möglichkeit anzudeuten schienen, dass eine Lösung der fraglichen 
Aufgabe zu finden sei. 

Außer den Untersuchungsergebnissen, die die erwähnte Frage 
direkt berühren, werde ich mir erlauben, hier auch einige bei meiner 
Arbeit gemachte Beobachtungen anderer Art mitzutheilen. 

Ehe ich aber über meine Beobachtungen berichte, will ich erst, 
so weit es die mir zugängliche Litteratur ermöglicht, eine kurze Dar- 
stellung der Ansichten liefern, die zu verschiedenen Zeiten über die 
Natur der LIEBERKÜHN’sSchen Krypten ausgesprochen worden sind. 


Historische Übersicht. 


Obwohl das fragliche Organ schon früher und zum Theil auch 
richtiger von MALPIGHI, BRUNNER und GALEATI (2, p. 214) beschrieben 
worden ist, war es doch erst LIEBERKÜHN (1, p. 14), dem es durch 
sein im Jahre 1745 herausgegebenes Werk »Dissertatio anatomico- 
physiologica de fabrica et actione villorum intestinorum tenuium« 
gelang, die Aufmerksamkeit der Forscher auf diese später nach ihm 
benannten Bildungen in der Darmschleimhaut zu lenken. 

Was die Funktion dieser Bildungen anbetrifft, so stellte LIEBER- 
KÜHN die Hypothese auf, dass die von ihm beschriebenen »Follieuli« 
wirkliche Drüsenorgane seien, die in irgend einer Weise zur Sekre- 
tion in Beziehung stehen. Dieser Ansicht huldisten mehrere gleich- 
zeitige Anatomen, vor Allen v. HALLER (3), welcher berühmte Forscher 
(5, p. 214) diese Bildungen als eine dritte Art von Schleimdrüsen 
auffasste. 

Hepwıe (4, p. 27), der dieses Organ im Jahre 1797 einer er- 
neuten anatomischen Untersuchung unterwarf, glaubte in diesen 
Bildungen die Anfangstheile der Resorptionsorgane, die »Receptacula 
chyli«, gefunden zu haben, von denen der Chylus allmählich mittels 
der Saugaderkapillaren aufgesaugt werde. Er sagt beobachtet zu 
haben, dass eine weiße »chylöse Masse« noch ein paar Tage nach 


Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion etc. 7 


dem Tode des Individuums aus den Öffnungen in der Schleimhaut 
heraussickerte. 

RupoLpur (5, p. 214) theilte Anfangs v. HaLrer’s Ansicht, schloss 
sich aber später Hepwıc’s Resorptionstheorie an, von deren Richtig- 
keit ihn eigene Experimente überzeugt zu haben scheinen. 

BöHm (6, p. 32), der Erste, der den Drüsenbildungen des Darmes 
eine umfassendere Untersuchung widmete, kam zu der Ansicht, dass 
die LIEBERKÜHN’schen Krypten kleine secernirende Cavitäten seien, 
welche, da sie nur durch eine Einsenkung der Schleimhaut entstehen, 
zu den einfachen und nicht, wohin sie von einigen früheren Forschern 
gezählt worden sind, zu den zusammengesetzten Drüsen gehören. Er 
erwähnt auch die von einigen Autoren gehegte Ansicht, dass sie 
Löcher seien, welche die Schleimhaut durchbrechen und zur Ver- 
mittlung der Resorption dienen. Gleichzeitig spricht er Zweifel 
darüber aus, dass die von Hepwıg und RuDoLpHI beobachteten und 
von dem erstgenannten Forscher abgebildeten »Corpuseula« wirklich 
dieselben Gebilde wie die von LIEBERRÜHN entdeckten »Follieuli< seien. 

Als aus einer Zeit herrührend, wo die dem Forscher zu Gebote 
stehenden Untersuchungsmethoden noch sehr mangelhaft und unvoll- 
kommen waren, kann diesen Äußerungen kein besonderer Werth 
beigelegt werden. Es ist erst, nachdem die mikroskopische Technik 
angefangen, bedeutendere Fortschritte zu machen, besonders aber 
nachdem ScHwann seine berühmte Zellentheorie aufgestellt hatte 
(1839), wo die Lehre von den LIEBERKÜHN’schen Krypten für uns 
ein größeres Interesse gewinnt. 

Unter den Forschern aus dieser Periode ist in erster Reihe 
KÖLLIKER (7, p. 175) zu nennen. Derselbe that dar, dass die LIEBER- 
Künn’schen Krıypten aus einem einschichtigem Cylinderepithel, das 
von einer strukturlosen Membrana propria zusammengehalten ist, 
bestehen. In dem engen Lumen der Drüsenröhre fehlt unter normalen 
Verhältnissen jeder Inhalt. In funktionaler Hinsicht betrachtet er sie 
hauptsächlich als secernirende Drüsen, die den Darmsaft produciren, 
eine in ihrer Konstitution noch unbekannte Flüssigkeit, deren Existenz 
einige Jahre früher (1846) von FRERICHS nachgewiesen worden war. 
Indessen glaubt KÖLLIKER nicht verneinen zu dürfen, dass die 
Kıypten unter besonderen Verhältnissen auch die Resorption ver- 
mitteln können. Für seinen Theil hat er jedoch, selbst bei der leb- 
‚haftesten Fettresorption, nie einen Inhalt in ihnen gefunden. 

KÖLLIKER’S Ansicht von der sekretorischen Funktion der Krypten 
stimmen gleichzeitige Physiologen, wie Funke (8, p. 271), Topp und 


12 William Möller, 


Bowuman (9, p. 225) u. A., bei. Die beiden letztgenannten Forscher 
heben besonders hervor, dass die Funktion der LiEBERKÜHN’schen 
Krypten wahrscheinlich im ganzen Darmkanal dieselbe ist, da sie 
überall in ihrer Anordnung und Struktur große Gleichförmigkeit 
darbieten und da jeder Theil des Darmes außer ihnen andere und 
für ihn eigenthümliche Drüsen besitzt. Dieselbe Ansicht spricht 
auch F. E. ScHurze (!0, p. 191) aus, welcher der erste Forscher ist, 
der nachgewiesen hat, dass in den Krypten außer den gewöhnlichen 
Cylinderzellen auch Becherzellen von der exquisitesten Form vor- 
kommen. 

Man dürfte wohl sagen können, dass die von Topp und BowMAN 
ausgesprochene Ansicht die allgemein herrschende gewesen ist, bis 
im Jahre 1880 Krose (11, p. 16) in einer unter HEIDENHAIN’s Leitung 
ausgearbeiteten Inaugural-Dissertation mit Schärfe den Unterschied 
sowohl in der Struktur, wie in der Funktion der LIEBERKÜHN’schen 
Krypten im Dünndarm und im Dickdarm hervorhob. Auf Grund 
dieses Unterschiedes schlug er vor, die Krypten im Dünndarm 
»Darmsaftdrüsen« und im Diekdarm »Darmschleimdrüsen« zu nennen. 
-Da die Richtigkeit von KLose’s Beobachtungen von anderen Forschern 
konstatirt wurde und ihnen auch HEIDENHAIN (dadurch, dass er sie 
in seinem Werke »Physiologie der Absonderungsvorgänge« anführte) 
seine Stütze schenkte, wurde Krose’s Ansicht in kurzer Zeit die 
herrschende. 

Krose suchte auch durch experimentale ‚Reizung morphologische 
Veränderungen in den Zellen der Krypten nachzuweisen. Was die 
Drüsenzellen des Dünndarmes anbelangt, so gaben diese Reizungen 
ein negatives Resultat, während dagegen die Drüsenzellen des Dick- 
darmes, wenn sie gereizt wurden, deutliche Veränderungen sowohl 
hinsichtlich ihrer Größe und ihres Inhalts, wie der relativen Lage 
der Zellkerne zeigten. 

Die Divergenz der in Betreff der Funktion der LIEBERRÜHN schen 
Krypten herrschenden Ansichten spiegelt sich auch in der verschie- 
denen Auffassung des Verhaltens der Drüsenepithelzellen zu den 
Oberflächenepithelzellen ab. VERSON (12, p. 405) betont die Identität 
dieser beiden Arten von Epithelzellen, und eben so sieht HOPPE-SEYLER 
(27, p. 275) die Oberflächen- und die Drüsenepithelzellen sowohl in 
morphologischer, wie in funktionaler Hinsicht als identisch an. 
Schließlich hat sich auch BızzozEro (16a, p. 784), wie aus dem 
Folgenden hervorgeht, vollkommen der letztgenannten Ansicht an- 
geschlossen. 


Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion etc. 73 


SCHWALBE (13, p. 138) dagegen macht einen scharfen Unterschied 
zwischen dem Epithel, welches die Villi bekleidet, und demjenigen, 
welches die Wände der LieBErkÜHnN’schen Krypten bildet. Die 
LIEBERKÜHN’ schen Krypten bilden nach ScHwALBE’s Ansicht keine 
Einsenkungen des Epitheis, sondern vollkommen selbständige, völlig 
charakteristisch ausgebildete Drüsen. 

Dieselbe Ansicht wird auch von NuHnn (28, p. 47), PAnETH 
(17, p. 173) und HEIDENHAIN (18, p. 24) ausgesprochen, von welchen 
Autoren die beiden letztgenannten zwischen diesen beiden Arten von 
Epithelzellen beachtungswerthe Verschiedenheiten nachgewiesen haben. 

So viel ich finden kann, ist RAanvier’s Ansicht (14) ziemlich 
alleinstehend. Er fasst die LIEBERKÜHN’schen Krypten als gemischte 
Schleimdrüsen auf, welche Becherzellen und körnige Zellen enthalten. 
Dieses gemischte Epithel komme in einem bestimmten Theil der Drüsen 
vor, während sich in ihrem Boden nur körmige Zellen finden. 

Nachdem ich nun diese summarische Übersicht gegeben, erlaube 
ich mir, im Folgenden über die beiden einander entgegengesetzten 
Ansichten, die sich gegenwärtig in Betreff der Natur der LIEBER- 
KÜHN schen Krypten geltend machen, etwas näher zu berichten, wo- 
bei ich zuerst die Theorie anführen werde, als deren Schöpfer und 
hervorragendster Vertreter BIZZOZERO (16a) angesehen werden muss. 

Nach dieser Theorie, die erst im Jahre 1888 aufgestellt wurde 
und für die jetzt herrschende Auffassung von der Natur des ge- 
nannten Organs eine besonders große Bedeutung erhalten hat, sind 
_ die LIEBERKÜHN’schen Krypten keine Drüsen im eigent- 
lichen Sinne des Wortes, sondern nur Regenerationsherde 
für das Epithel. 

Beobachtungen, welche sowohl von BIZZOZERO, wie von anderen 
Forschern, z. B. FLEMMING, HEIDENHAIN und PANETH, gemacht wurden, 
haben dargethan, dass Mitosen in den LIisBERKÜHN’schen Krypten, 
namentlich in dem Grunde und den angrenzenden Theilen desselben, 
in sehr großer Zahl vorkommen. Je mehr man sich der Mündung 
der Krypten nähert, desto seltener werden die Mitosen. In dem 
Epithel, welches die Villi bekleidet, fehlen sie ganz und gar. 

Diese Beobachtungen führten BIzzoZERO zu der Annahme, dass 
die Mitosen dazu dienen, den Verlust zu ersetzen, dem das Ober- 
lächenepithel unterworfen ist. Zur Stütze dieser Ansicht führt er 
an, dass die Epithelzellen im Grunde der Krypten den Charakter 
von jungen Zellen zeigen. Je mehr hinauf gegen die Mündungen 
der Krypten und die Villi sie rücken, desto deutlicher treten all- 


74 William Möller, 


mählich die charakteristischen Eigenthümlichkeiten in ihrer Struktur 
hervor. Das Gesagte gilt sowohl von den gewöhnlichen oder proto- 
plasmatischen Zellen, wie von den Becherzellen. 

Zur Beleuchtung von BIZZOZERO’s Ansichten will ich hier zwei 
Äußerungen von ihm anführen: »Alle diese Zellen also leben und 
sterben nicht dort, wo sie ursprünglich entstanden sind, sie gelangen 
vielmehr nach und nach aus den tieferen Einsenkungen zu den 
höheren Hervorragungen der Schleimhaut. Es verhält sich also das 
Epithel des Magendarmkanals gerade wie das geschichtete Epithel 
und die Epidermis; die Zellen gelangen mit zunehmendem Alter an 
die Oberfläche und verfallen dort der Desquamation.« 

»Die schlauchförmigen Drüsen des Darmes verhalten sich dem- 
nach anders als die wahren Drüsen. In den letzteren sind die Drüsen- 
zellen specifisch differenzirt und von den Zellen des Überzugsepithels, 
zu welchen ihr Ausführungsgang in Beziehung steht, durchaus ver- 
schieden. In den schlauchförmigen Drüsen hingegen ist das Epithel 
eine direkte Fortsetzung des Überzugsepithels, es nimmt an dessen 
Funktionen Theil und kann sogar als die jüngste Partie desselben 
aufgefasst werden.« 

Gleichzeitig mit BIZZOZERO sprach HEIDENHAIN (18, p. 24) eine 
ähnliche Ansicht, obschon in einer mehr reservirten Form, aus. 

Er sagt nämlich bei der Rede von der lebhaften Mitosenbildung 
in den LIEBERKÜHN’schen Krypten (18, p. 28): »Es scheint also 
eine sehr allgemeine Regel zu sein, dass da, wo die Schleimhaut 
Falten oder ihr Epithel Drüsen bildet, am Grunde der ersteren oder 
innerhalb der letzteren lebhafte Zellneubildung stattfindet, ohne dass 
für diese Stellen ein örtlicher Zweck nachgewiesen werden könnte. 
Andererseits ist es ohne Frage, dass die auf der Höhe der Schleim- 
hautverlängerungen stehenden Epithelzellen zahlreich zu Grunde 
sehen. Man könnte desshalb auf den allerdings befremdlich erschei- 
nenden Gedanken kommen, dass diese Verluste durch Nachrücken 
der Zellen aus der Tiefe gedeckt werden. Ich verkenne aber nicht 
die Schwierigkeiten, welche einer solchen Annahme entgegenstehen, 
und möchte in derselben desshalb nur eine vorläufige Ausflucht sehen, 
welche vielleicht bald einer besseren, mir bisher entgangenen Deutung 
weichen wird.« 

Namentlich unter den Histologen scheint BizzozEro's Theorie 
viele Anhänger gefunden zu haben. So hat sie z. B. STÖHR (20, p. 197) 
in sein allgemein verbreitetes Lehrbuch nicht nur unter der Form 
einer Theorie, sondern als bereits feststehende wissenschaftliche 


Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion ete. 75 


Wahrheit aufgenommen. Er verneint bestimmt die sekretorische 
Funktion der LIEBERKÜHN’schen Krypten. Das Verhältnis, das für 
eine solche Funktion spricht, erwähnt er nur in einer Note folgenden 
Inhalts: »Es ist fraglich, ob die einzelnen im Drüsengrunde der 
Krypten vorkommenden körnchenhaltigen Zellen Drüsenzellen sind.« 

Auch die physiologisch-chemische Forschung scheint zu Ergeb- 
nissen geführt zu haben, die BIzzozEro’s Theorie eine nicht unwesent- 
liche Stütze geben. So hat HorppE-SEyYLErR (27, p. 270 u. 275) in 
seinem bekannten Lehrbuch die Ansicht ausgesprochen, dass ein be- 
sonderer Darmsaft als Sekret von den LIEBERKÜHN'schen Drüsen oder 
der Darmschleimhaut wahrscheinlich nicht existirt, dass wenigstens bis 
auf Weiteres die Beweise für seine Existenz fehlen. Diese Ansicht hält 
HOoPPE-SEYLER (28, p. 475) noch im Jahre 1893 aufrecht, wo er sagt, 
dass alle Versuche, die chemischen Wirkungen des Darmsaftes zu 
bestimmen, ohne sichere Ergebnisse bleiben müssen, so lange man 
nicht mit Bestimmtheit die Existenz einer Sekretion von der Darm- 
schleimhaut nachgewiesen hat. Diese Äußerung von einem auf dem 
Gebiete der physiologischen Chemie so bewanderten Forscher kann 
wohl als Anerkennung des Unvermögens dieser Wissenschaft be- 
trachtet werden, allein das Problem von dem Vorkommen eines Darm- 
saftes und zunächst von der Aufgabe der LIEBERKÜHN’schen Krypten 
zu lösen. 

Von rein physiologischer Seite scheint man dagegen, so viel ich 
gefunden habe, nicht abgeneigt zu sein, dem genannten Organ, ob- 
schon man dafür bisher keine positiven Beweise hat beibringen 
können, eine Bedeutung für den Sekretionsprocess zuzuerkennen. 

Es erübrigt also, nachzusehen, welche Facta die Histologen für 
die Ansicht von der sekretorischen Natur der LIEBERKÜHN’schen 
Krypten darzulegen haben und, umgekehrt, welche Anmerkungen 
man geglaubt hat, mit Fug gegen BizzozEro’s Lehre machen zu 
können. In der letztgenannten Hinsicht verdient OPPpEL’s Ansicht 
(15, p. 212) besondere Beachtung. Durch umfassende komparativ- 
anatomische Untersuchungen ist er zu der Überzeugung gekommen, 
dass die besagte Theorie wenigstens nicht in allen Hinsichten haltbar 
ist. Er sagt: »Eine Anzahl von Punkten scheint mir dagegen zu 
sprechen, dass wir im Darmepithel aller Vertebraten nur eine ein- 
heitliche (aus Cylinderzellen und Becherzellen) bestehende Formation 
zu sehen haben, von denen wir an den einen (von der Oberfläche 
ferner liegenden) Stellen die Jugendformen, an den anderen (der 
Oberfläche näher liegenden) Stellen die erwachsenen Formen zu 


76 William Möller, 


suchen hätten. Vielmehr glaube ich, dass die Darmepithelien 
mancherlei Differenzirungen eingehen, welche zum Theil zur Bildung von 
wahren Drüsen führen, in denen wir nicht Regenerationsherde 
des Oberflächenepithels zu sehen haben. Dass dagegen an anderen 
Stellen Regenerationsherde (vielleicht auch in manchen Darmdrüsen) 
vorkommen mögen, von denen aus die Zellen durch Wanderung an 
weiter oder weniger weit entfernte (wohl meist der Oberfläche näher 
gelegene) Stellen gelangen, ist zwar heute eben so wenig widerlegt, 
wie bewiesen, doch durch BIZZOZERo’s Untersuchungen wahrscheinlich 
semacht.« Eine günstige Aufnahme und eine ernste Prüfung verdient 
die genannte Theorie, nach OPpeEr’s Ansicht, wenn sie in folgende, 
mehr bescheidene Form gekleidet wird: »Im Bereich des Darm- 
epithels kann unter Umständen von Stellen regerer Mitose 
aus Zellmaterial für andere Stellen, an denen Mitosen selten 
sind, geliefert werden. 

Dieses ist also die Einwendung, die man gegen BIZZOZERO Ss 
Lehre gemacht hat. Zu Gunsten der sekretorischen Natur der Krypten 
spricht der Umstand, dass einige Forscher im Grunde dieses Organs 
eine eigenthümliche Zellenstruktur gefunden haben. Ehe ich aber 
über diese Untersuchungen näher berichte, will ich in größter Kürze 
erst einige orientirende Züge aus der Geschichte der Histologie der 
Drüsen mittheilen. 

Durch HEIDENHAIN’S (26, p. 18 u. 58) werthvolle Untersuchungen 
ist bekanntlich erst die Kenntnis davon gewonnen worden, dass die 
Zellen in verschiedenen Drüsen während der Sekretion deutliche 
morphologische Veränderungen zeigen. In der Ruhe sind die Zellen 
sroß, ihre Kerne sind klein und stachelig, und die Zellsubstanz 
besteht aus einer hellen, farblosen Masse mit einem in ihr einge- 
schlossenen Netzwerk mit feinen Körnchen. Während der Thätigkeit 
sind die Zellen kleiner, ihre Kerne sind rund und die helle Grund- 
substanz nimmt ab, wogegen die netzförmige oder körnige Masse (das 
Protoplasma) etwas zunimmt. Das Sekret wird also von der hellen 
Grundsubstanz der Zelle gebildet. Während sich die Zelle im 
Ruhezustande befindet, wächst die netzförmige Substanz, um die helle 
Masse, das nächste Vorstadium des Sekrets, zu bilden. 

Einen wichtigen Fortschritt auf diesem Forschungsgebiet be- 
zeichnen die von LANGLEY (21) ausgeführten Drüsenuntersuchungen, 
unter Anderem desshalb, weil er sich dazu vollkommen frischen oder 
lebenden Materials bedient hat. Er machte dabei die wichtige Be- 
obachtung, dass die Drüsenzellen in der Ruhe mit Körnern gefüllt 


Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion ete. vi 


sind. Bei Reizung der Zellen vermindert sich die Anzahl der Körnchen, 
und der an die Membrana propria grenzende Theil der Zelle nimmt 
ein klares Aussehen an. Die Körnchen (Granula), die in der Ruhe 
den Inhalt der Drüsenzellen bilden, sind also theilweise verbraucht 
worden, wahrscheinlich um als Bestandtheil in das Sekret einzugehen. 

Nach LANGLEy hat ALTMANN (22) in fixirtem Material aus Eiweiß- 
drüsen das Vorkommen von Körnchen in den Drüsenzellen nach- 
gewiesen und zugleich die Veränderungen beschrieben, welche die 
Körnehen beim Sekretionsprocess erleiden. In einer Mischung von 
Kaliumbriehromat und Osmiumsäure fixirt und mit Säurefuchsin und 
Pikrinsäurealkohol gefärbt, zeigen sich die Drüsenzellen in der Ruhe 
mit graugelben Körnchen gefüllt, die in einer rothfarbigen, netzähn- 
liehen Substanz eingebettet liegen. Bei intensiver Thätigkeit, z. B. 
durch eine Injektion von Pilokarpin hervorgerufen, ist das mikrosko- 
pische Bild ein ganz anderes. Sowohl die graugelben Körnchen, wie 
das zwischenliegende rothfarbige Netzwerk ist verschwunden und 
durch rothe Körner von wechselnder Größe ersetzt. Aus diesen Be- 
obachtungen geht hervor, dass die graugelben Granula in das Sekret 
übergehen und dann, wenn sich die Zelle im Ruhezustand befindet, 
von den rothfarbigen Granula wieder neu gebildet werden. 

Auf diese von HEIDENHAIN, LANGLEY und ALTMANN gewonnenen 
wichtigen Forschungsergebnisse ist die moderne Drüsenhistologie 
erbaut. | 

Hierzu kommt noch die Feststellung der schon früher mittels 
- Injektionsmethoden entdeckten feinsten, intercellular belegenen Sekret- 
wege, der sog. Sekretkapillaren. Diese Untersuchungen sind von 
CAJAL, ReETzIUs, ERIK MÜLLER u. A. mit Hilfe der Goustschen 
Silberfärbungsmethode ausgeführt worden. Die mittels dieser Methode 
gewonnenen Ergebnisse sind später von ERIK MÜLLER durch An- 
wendung besonderer Tinktionsmethoden, vor Allem von Bexnpa’s 
Eisenhämatoxylinmethode, modifieirt von M. HEIDENHAIN, verifieirt 
und erweitert worden. 

Nach dieser kleinen Abweichung von dem eigentlichen Gegen- 
stande werde ich nun eine Übersicht der Ergebnisse mittheilen, 
welche die moderne Drüsenhistologie in Bezug .auf die LIEBERKÜHN- 
schen Krypten gewonnen hat. 

Do viel ich weiß, ist G. SCHWALBE (13, p. 136) der Erste, der 
in frischen Präparaten von der Ratte, der Maus und der Fledermaus 
im Grunde der Drüsenröhren des Dünndarmes belegene Körnchen 
beobachtet und abgebildet hat. Er sagt hierüber unter Anderem: 


78 William Möller, 


»Stellt man den Tubus an solchen Präparaten auf die äußersten 
Enden der LIEBERKÜHN’schen Drüsen ein, so bemerkt man klare, 
durch eine scharfe Linie von der Umgebung abgegrenzte Blasen mit 
kleinem runden, centralen Lumen. Der Raum zwischen letzterem 
nnd dem Randkontour ist von einer klaren Zellenmasse ausgefüllt, 


die weder Kerne, noch Zellengrenzen erkennen lässt, dagegen häufig 


fein radiär gestrichelt erscheint, das erste Zeichen beginnender 
Trübung. Sofort in die Augen fallen aber drei bis vier kleine Haufen 
dunkler, glänzender Körner, die dicht um das centrale Lumen herum 
gruppirt sind, wodurch dann ein Bild zu Stande kommt, ähnlich 
wie es die kleinen, pankreatischen Drüsen des Darmes im frischen 
Zustande zeigen.« 

Diese Beobachtung scheint jedoch die Aufmerksamkeit der 
Forscher nicht geweckt zu haben. 

Es ist erst durch Paxeru’s (17, p. 177) Untersuchungen, dass 
diese Körnchenzellen der Gegenstand eines lebhafteren Interesses 
wurden. 

PıneEr#’s Ergebnisse sind, in Kürze angeführt, folgende: 

Im Grunde der LIEBERKÜHN’schen Krypten bei der Maus findet 
sich eine besondere Art von secernirenden Zellen, die weder mit 
Becher-, noch mit Schleimzellen, auch nicht mit Pankreaszellen 
identisch. sind. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass sie eine 
Menge Körner oder Tropfen (über die Konsistenz derselben vermag 
sich der Autor nicht zu äußern) enthalten, welche, in frischem Zu- 
stande betrachtet, als schwach lichtbrechend, in geringerem Grade 
als das Fett, erscheinen. Sie sind von verschiedener Größe, meistens 
viel größer als die Tropfen in den Becherzellen der Maus, ja sogar 
des Triton. Sie liegen in Räumen angesammelt, die dem Umkreise 
der Zellen entsprechen. Zuweilen sieht man sie auch frei im Lumen 
liegen. In den Krypten sind mehr als nur ein paar Zellen mit 
solchen Tropfen gefüllt, oder finden sich auch einige Tropfen in 
jeder Zelle. 

Versuche, die mit besonderen Reagentien ausgeführt wurden, 
erlauben keine positive Äußerung über ihre chemische Natur. Sie 
bestehen sicherlich nicht aus Fett, auch sind es keine Bildungen von 
parasitärer Natur. In Äther und Alkohol lösen sie sich langsam 
auf, in verdünnten Säuren schnell. Gegen destillirtes Wasser und 
Kalilauge sind sie resistent. Osmiumsäure konservirt sie vortrefflich; 
sie nehmen unter der Einwirkung dieser Säure eine mahagonibraune, 
nicht schwarze Farbe an. Es ist desshalb diese Säure, oder, viel- 


Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion etc. 79 


leicht noch besser, eine koncentrirte Wasserlösung von Pikrinsäure 
zur Fixirung zu benutzen. Die Körnchen lassen sich mit allerlei 
Farbstoffen tingiren und halten die Farbe hartnäckig fest, bei der 
Entfärbung mit Alkohol sogar länger, als die Kerne es thun. Sie 
tingiren sich ohne allen Farbenwechsel und unterscheiden sich 
dadurch von den Körnchen in den Becherzellen, die auch viel 
kleiner sind. 

Die Körncehenzellen entstehen unzweifelhaft aus den Epithel- 
zellen der Krypte, was daraus hervorgeht, dass man zwischen diesen 
beiden Zellenarten eine Menge Übergangsformen findet. Versuche, 
verschiedene Stadien der Entwicklung oder Sekretion dadurch nach- 
zuweisen, dass man die Thiere fasten ließ, resp. ihnen reichliches 
Futter gab, führte im Allgemeinen nicht zu dem gewünschten Re- 
sultat. Körncehenzellen fanden sich in allen Fällen beinahe gleich 
zahlreich. 

In wie fern die genannten Zellen bei der Sekretion untergehen 
oder aus protoplasmatischen Resten regenerirt werden, lässt der 
Autor unentschieden; er scheint jedoch mehr der ersten Ansicht zu- 
zuneigen. Für dieselbe scheint auch das Vorkommen von zahlreichen 
Mitosen in den Krypten oberhalb des Fundus gedeutet werden zu 
können. Aber da andere Gründe gegen diese Ansicht sprechen, 
muss man sie bis auf Weiteres als eine Hypothese betrachten, die 
eine fortgesetzte Prüfung und Beweise verlangt. 

PAnETH hat nur in einem Fall hinreichend frisches Material 
vom Menschen zur Untersuchung erhalten. Körnchenzellen scheinen 
auch hier vorzukommen, sie unterscheiden sich aber von diesen 
Zellen bei der Maus dadurch, dass die Körnchen die Farbstoffe 
picht festhalten, wesshalb sie sich nur mit Schwierigkeit wahrnehmen 
lassen. 

Im Dünndarm der Ratte finden sich ebenfalls Körnchenzellen, 
obsehon dieselben hier sparsamer auftreten und auch nur kleinere 
Körnchen enthalten. 

Bei anderen Thieren hat sie der Autor allerdings nur flüchtig, 
aber vergebens gesucht. 

Diese von PAnETH im Jahre 1888 veröffentlichten Ergebnisse 
sind für die Auffassung der wirklichen Natur der LIEBERKÜHN’schen 
Krypten von grundlegender Bedeutung. 

Noch in demselben Jahre führt HEIDENHAIN (18, p. 25) die Ent- 
deckung der Pawerm’schen Körnchenzellen als einen Beweis für die 
Verschiedenheit des Oberflächen- und des Drüsenepithels an. Er 


s0 William Möller, 


stützt sich auch auf eigene Beobachtungen dieser Zellen und sagt: 
»Bei manchen Thieren (Maus, Meerschweinchen) zeigen die Zellen 
des Drüsengrundes eigenthümliche in Hämatoxylin und Kali chromi- 
cum schwarz, in Säurefuchsin roth färbbare Körnchen, die neuer- 
dings von PAnETH ausführlicher beschrieben sind und in den Zotten- 
epithelien niemals gefunden werden.« 

Drei Jahre später bestätigte SCHAFFER (25, p. 465) das Vor- 
kommen von Körnchenzellen im Dünndarm des Menschen. Zwischen 
den Granula der Zellen fand er ein Netzwerk, welches er tingiren 
konnte, was ihm mit den Granula nicht gelang. Von den Becher- 
zellen unterscheiden sich die Körnchenzellen in allen Präparaten 
deutlich. Übergangsformen von der einen Zellenart zur anderen 
ließen sich nicht nachweisen, und eben so wenig ließ es sich ent- 
scheiden, in welcher der beiden Arten von Zellen sich die Mitosen 
fanden. SCHAFFER bezeichnete die Körnchenzellen als becherzellen- 
ähnliche Gebilde von noch unermittelter Bedeutung. 

In demselben Jahre (1891) veröffentlichte NıcoLAs (24) eine ge- 
naue Untersuchung über die Körnchenzellen. Wie PANETH, fand er 
sie beim Menschen, bei der Ratte und der Maus, außerdem aber auch 
bei der Fledermaus und beim Eichhörnchen. Er beobachtete sie 
auch bei der Eidechse im Grunde der Furchen, welche die Falten 
des Dünndarmes von einander trennen und welche mit Fug als mit 
den LIEBERKÜHN’schen Krypten bei den Säugethieren homolog be- 
trachtet werden können. 

Die Ergebnisse, zu denen NıcoLAs gekommen ist, ergänzen 
theils PAnErH’s Ergebnisse, theils weichen sie in einigen Punkten 
von ihnen ab. 

NıcorAs unterscheidet im Grunde der Krypten drei Arten von 
Zellen: 

1) Zellen, welche mehr oder weniger mit Körnchen gefüllt sind, 
die in den Maschen des Protoplasmas eingeschlossen liegen. Diese 
Körnchen zeigen sich nach der Fixirung in FLemnmine’scher Flüssig- 
keit und Färbung mit Safranin homogen und gleichmäßig grau beim 
Menschen, bei der Ratte und der Fledermaus. Bei der Maus und 
dem Eichhörnchen bestehen sie dagegen aus zwei Substanzen, aus 
einer grauen Hauptmasse, auf welcher ein halbmondförmiger, roth 
gefärbter Körper sitzt. Nur die allerkleinsten Körnehen sind gleich- 
mäßig roth gefärbt; 2) Zellen ohne Körnchen, von denen einige ein 
klares, wenig dichtes, andere ein mehr kompaktes Protoplasma haben; 
und 3) sehr schmale, intensiv gefärbte Zellen. 


Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion etc. al 


Bei der Maus hat NIcoLas eigenthümliche, kugelähnliche, bisweilen 
halbmondförmige Bildungen, »enclaves«, beobachtet, die in einigen 
Epithelzellen im Grunde der Krypten, ein bis zwei in jeder Zelle, vor- 
kommen. In der Regel scheint die Zelle gleichzeitig keine Granula 
zu enthalten. Im Ganzen und Großen zeigen sie dasselbe Verhältnis 
wie die eben beschriebenen Zellengranula, sind aber viele Male so 
sroß. NIcoLAs sieht sie als Produkte an, die von dem Protoplasma 
und dem Kerne gemeinsam gebildet sind. 

Im Gegensatz zu PAnETH hebt NıcoLAs hervor, dass die Kerne 
der Körnchenzellen niemals verschwinden, wohl aber in ihren Dimen- 
sionen und in ihrer Konstitution bedeutende Veränderungen erleiden. 
Wenn die Zelle ad maximum mit Körnchen gefüllt ist, liegt der Kern 
plattgedrückt an ihrer Basis, und er kann dann leicht der Aufmerk- 
samkeit entgehen; eine sorgfältige Untersuchung einer Schnittserie 
kann jedoch seine Gegenwart darthun. In dem Verhältnis, dass der 
Kern nebst einem Theile des protoplasmatischen Netzwerkes in der 
Zelle zurückbleibt, wenn dieselbe ihren körnigen Inhalt entleert, liegt 
die Möglichkeit für eine Rekonstitution der Zelle. Ein solcher Pro- 
cess findet auch in der That statt, und zwar wahrscheinlich in folgen- 
der Weise: 

Nach der Entleerung der Körnchen präsentiren sich die Zellen 
eine Zeit lang als schmale, stark färbbare Elemente. Hierauf wer- 
den die Körnchen auf Kosten des Protoplasmas neu gebildet, nehmen 
an Größe zu und werden schließlich von Neuem in das Drüsenlumen 


ausgestoßen. Solchergestalt durchlaufen die Drüsenzellen einen sekre- 


torischen Kreisgang, dessen Dauer sich nicht näher bestimmen lässt. 

NıcoLAs hebt weiter hervor, dass die Körnchenzellen keinerlei 
Ähnlichkeit mit den Becherzellen haben, was eine vergleichende 
Untersuchung dieser Elemente auch deutlich zeigt. 

Was das weitere Schicksal der Körnchenzellen betrifft, so be- 
trachtet es NıcoLas als unbestreitbar, dass sie, aus der Zelle ausge- 
stoßen, zusammenschmelzen und sich mit Schleim vermischen, dadurch 
ein wirkliches Sekretionsprodukt bildend, welches man in den Lumina 
der Drüsen unter der Form von stark gefärbten, feinfädigen Coagula 
wiederfindet. | 

Diese sind, in Kürze wiedergegeben, NIcoLAs’ Ergebnisse. 

Eine ersehnte Gelegenheit, die Richtigkeit seiner Regenerations- 
theorie zu prüfen, fand Bızzozero (16b, Bd. XL, p. 345) bei der 
Untersuchung der Panerw’schen Zellen. Er stellte folgende Fragen 
zur Beantwortung auf: »Woher kommt es, dass sich diese Zellen in 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie, LXVI. Bd. 6 


82 William Möller, 


demjenigen Theil der Drüse finden, in welchem meiner Ansicht nach 
der Regenerationsherd des Darmepithels belegen zu sein pflegt? In 
welchem Verhältnis stehen sie zu den die Schleimsubstanz secer- 
nirenden Elementen ?< 

Sein Material, bestehend aus Stücken vom Duodenum der Maus, 
fixirte BIZZOZERO theils in einer koncentrirten Wasserlösung von 
Pikrinsäure, theils in FLEemumIng’s oder HERMAnN’s Flüssigkeit, vor- 
zugsweise jedoch in der letztgenannten. 

BIzzozERO’s Untersuchung führte zu dem Ergebnis, dass die 
PaınerH’schen Zellen nichts Anderes als jugendliche For- 
men von Schleimzellen seien. Um diese Behauptung zu beweisen, 
sucht er darzuthun, dass die Körnchen- und Schleimzellen keine 
scharf von einander geschiedene Zellformen sind, sondern dass man 
im Gegentheil durch genaue Beobachtung und Anwendung geeigneter 
Methoden gradweise Übergangsformen zwischen ihnen nachweisen 
kann. 

Für den genannten Zweck bedient er sich einiger Farbenreak- 
tionen, die ihm besonders geeignet zu sein scheinen, die Schleim- 
substanz auch in kleinen Quantitäten nachzuweisen. Diese Reaktionen 
sind folgende: | 

Fixirt man das Material in Alkohol oder Pikrinsäure und tingirt 
man mit einer Wasserlösung von Safranio, so nimmt der Schleim 
eine intensiv gelbe Farbe an. In Stücken, die in FLEMmMING’s oder, 
was noch besser ist, in HERMANN’s Flüssigkeit fixirt sind, färbt sich 
die Schleimsubstanz mit Methylenblau oder mit Hämatoxylin sehr 
hübsch, während alle anderen Theile des Gewebes ungefärbt ver- 
bleiben. Es ist besonders diese letzte Reaktion, deren sich BIZZOZERO 
zur Lösung seiner Aufgabe bedient hat. | 

Das Ergebnis seiner mittels der erstgenannten Methode aus- 
seführten Untersuchungen formulirt BIzzozERO wie folgt (p. 353): 
»Die Körnchen der PanerH’schen Zellen zeigen eine lebhaft rothe 
Farbe, wie das Protoplasma und der Kern, und die zwischen ihnen 
liegende Substanz bleibt ungefärbt oder nimmt eine etwas gelbliche 
Farbe an; die vollkommenen schleimbereitenden Zellen dagegen 
werden von einem aufgequollenen und gelb gefärbten, homogenen 
Schleimsubstanzklümpehen ausgedehnt. Zwischen jenen Zellen und 
diesen existirt sodann eine ganze Reihe von Übergangsformen, dar- 
gestellt durch Zellen, deren Sekret immer kleiner werdende rothe 
Körnchen, getaucht in eine immer reichlicher werdende und intensiv 
gelb gefärbte Substanz, enthält.« 


Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion etc. 53 


Ein ähnliches Verhältnis zeigt sich, wenn man Schnitte von 
Stücken untersucht, die in HermAnn’s oder FLemming’s Flüssigkeit 
sefärbt und mit Hämatoxylin, Safranin, Vesuvin oder Methylenblau 
tingirt sind.» Man findet nämlich Übergangsformen, die sich dadurch 
kennzeichnen, dass ihr Sekret aus Körnchen besteht, welche die 
Farbenreaktionen der PAanErH’schen Körnchen darbieten, aber in 
einer Substanz eingebettet liegen, die dagegen die Reaktionen der 
Schleimsubstanz zeigt. 

Durch Doppelfärbung mit Safranin und Hämatoxylin von Material, 
das in HErMAnN’s Flüssigkeit fixirt war, konnte BIzzozERO noch 
einen Beweis für die Richtigkeit seiner hier vorn angeführten Ansicht 
beibringen. Bei der Färbung nach der genannten Methode nehmen 
nämlich die Körnchen in den Paneru’schen Zellen eine glänzend 
rothe Farbe an, während sich diejenigen, aus denen sich die voll 
ausgebildete Schleimsubstanz bei genauer Untersuchung zusammen- 
sesetzt zeigt, violett färben. Betrachtet man nun die Sekretklümp- 
chen in den sogenannten Übergangsformen, so findet man, dass sie 
aus zwei Arten von Körnchen bestehen, nämlich aus violetten ohne 
scharfe Kontouren und aus kleinen, lebhaft roth gefärbten, die 
‚zwischen den violetten eingestreut liegen. 

Seine Ergebnisse fasst BızzozEro (p. 356) in folgende Worte 
zusammen: »Diese Beobachtungen zeigen also, dass die PAnETH- 
Schen Zellen junge Schleimzellenformen darstellen. Sie 
secerniren große, glänzende, safranophile Körnchen, die sie in das 
Drüsenlumen ergießen. Älter werdend fahren sie eine gewisse Zeit 
lang fort, Körnchen von gleicher Natur zu secerniren, die jedoch 
kleiner sind, und gleichzeitig scheiden sie auch Körnchen aus, die 
sich intensiv mit Hämatoxylin färben. In einem weiteren Stadium 
hört die Erzeugung vun safranophilen Körnchen ganz und gar auf 
und das Sekretklümpcehen wird gänzlich von mit Hämatoxylin färb- 
baren Körnchen gebildet; die Zelle ist so eine wirkliche Schleimzelle 
seworden. Während nun diese Veränderungen im Innern der Zelle 
stattfinden, nimmt diese auch die den Schleimzellen eigene Kelchform 
an und rückt allmählich vom Blindsack der Drüsen nach deren 
Mündung hinauf, und dann auch auf die Zotten.« 

Weiter hebt BizzozERo hervor, dass die Neubildung von Zellen 
im Duodenum der Maus sehr lebhaft ist. Die zahlreichen Mitosen 
werden in der Regel in der unteren Hälfte der Krypte angetroffen. 
Sie beginnen im Blindsack, und zuweilen findet man sie in der 
äußersten Spitze desselben zwischen zwei Paneru’schen Zellen. Die 

6*F 


84 William Möller, 


in der Mitosis befindlichen Kerne scheinen stets Zellen von einem 
protoplasmatischen Aussehen anzugehören. In Zellen, die bereits 
Schleim enthielten, konnte der Autor keine Mitosen sehen, doch will 
er die Möglichkeit ihres Vorkommens auch in solchen Elementen 
. nicht verneinen. 
; BIzzozEro’s hier referirtes Ergebnis seiner in Betreff der Natur 
der Pıneru’schen Zellen ausgeführten Untersuchungen scheint also 
eine sehr wichtige Stütze für seine Regenerationstheorie zu liefern. 
Es giebt jedoch Forscher, die sich BIzzozEro’s Auffassung nicht an- 
schließen. So schreibt z. B. OppEL (15, p. 327): »Ich bin der Ansicht, 
dass die von verschiedenen Forschern bei verschiedenen Thieren be- 
schriebenen eigenartigen, oft körnchenhaltigen Zellen im Grunde der 
LIEBERKÜHN’schen Drüsen zum großen Theil nicht Jugendformen der 
höher oben in den Drüsen gelegenen Zellformen, sondern eigentliche 
Drüsenzellen sind, deren Aufgabe es ist, den Darmsaft zu bilden.« 
Hinsichtlich der Funktion der LIEBERKÜHN’schen Krypten mag 
zum Schluss noch eine Beobachtung von OPPpEr (l. e.) aus dem ver- 
sangenen Jahre (1897) angeführt werden. Er fand nämlich bei der 
Untersuchung des Darmkanals von einer Art Stachelameisenfresser 
(Echidna aculeata var. typica) im unteren Ende der Krypten eine 
eigenthümliche Art von Zellen, deren gegen das Drüsenlumen gerichtete 
Spitzen Körnchen enthielten. »Sie machen den Eindruck typischer 
Drüsenzellen; die Körnchen nehmen mit Eosin eine intensive Färbung 
an, so dass eine gekörnte Innenzone entstand, welche an Deutlich- 
keit hinter der, welche sich im Pankreas z. B. der Säuger dar- 
stellen lässt, nur wenig zurückstand.. Die Breite der gekörnten 
Innenzone nimmt allmählich ab, bis sie von da an, wo deutliche 
Becherzellen auftreten, ganz schwindet. « 


Wie aus der hier gegebenen Übersicht der Litteratur hervorgeht, 
stehen sich gegenwärtig in der Frage von der Funktion der LIEBER- 
Künn’schen Krypten und den in ihnen enthaltenen Körnchenzellen 
hauptsächlich zwei Ansichten gegenüber: auf der einen Seite Bızzo- 
ZERO’s Theorie, nach welcher die genannten Organe nur einen Re- 
generationsherd für das Epithel bilden und die Körnchenzellen in 
Übereinstimmung damit junge Schleimzellenformen sind, und auf der 
anderen Seite die von SCHWALBE, ÖOPPEL u. A. vertretene Ansicht, 
dass sie wirkliche Drüsen sind und die Körnchenzellen typische 
secernirende Elemente darstellen, die sich in ihrer Struktur und der 


Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion etc. 85 


Beschaffenheit des Sekrets deutlich von den Schleimzellen unter- 
scheiden; Übergangsformen zwischen ihnen finden sich nicht. 
Welche von diesen beiden Ansichten ist nun die richtige? 
Um eine Antwort auf diese Frage geben zu können, habe ich 
eine Reihe von Untersuchungen ausgeführt, über deren Ergebnis ich 
mir erlaube, in dem Folgenden näher zu berichten. 


Eigene Beobachtungen. 


A. Präparationsmethoden und Untersuchungsmaterial. 


Einer besonderen Schwierigkeit begegnete ich gleich im Anfange 
meiner Arbeit, als es galt, für den Zweck geeignete Fixirungs- und 
Präparationsmethoden zu wählen. 

Ein Jeder, der sich mit der modernen Drüsenhistologie beschäftigt 
hat, dürfte zur Genüge erfahren haben, welche empfindliche Bildungen 
diese Zellengranula sind und wie leicht sie sich, wenn man eine 
weniger geeignete Fixirungsmethode anwendet, verändern und dann 
der Aufmerksamkeit entgehen. Ich habe in dieser Hinsicht bittere 
Erfahrungen gemacht und dabei einen nicht geringen Verlust an Zeit 
erlitten. 

Ich bin daher dem Professor der Histologie am Karolinischen 
Institut zu Stockholm, Herrn Dr. Erık MÜLLER, der mir geeignete 
Präparationsmethoden angewiesen und mich bei meiner Arbeit, der 
er mit dem lebhaftesten Interesse gefolgt ist, mit gutem Rath unter- 
stützt hat, zu großem Dank verpflichtet, und es ist mir eine ange- 
nehme Pflicht, dem Herrn Professor E. MÜLLER für die mir geleistete 
werthvolle Hilfe und das freundliche Entgegenkommen die ganze 
Zeit, die ich die große Vergünstigung gehabt habe, in seinem Labora- 
torium zu arbeiten, hier meinen ergebensten Dank öffentlich auszu- 
Sprechen. 

Die Fixirungsflüssigkeit, die mir die besten Dienste gethan hat, 
ist eine Mischung von Bichromat und Formalin. Eine solche Mischung 
ist von KopscH (33, p. 727) als Ersatz für die bei der GoLcr’schen 
Imprägnation mit Chromsilber angewandte Mischung von Osmium 
und Bichromat empfohlen und von ERIK MÜLLER (23b, p. 625) zur 
Fixirung von Organstücken, die hernach nach gewöhnlichen Färbungs- 
methoden behandelt wurden, angewandt worden. 

Die Fixirungsmethode ist folgende. Kleine Stücken des völlig 
frischen Organs werden für 24 Stunden in eine neu bereitete 
Mischung von 40 Volumentheilen 3°/,igen Kaliumbichromats und 


86 William Möller, 


10 Theilen Formalin (40 %/,) und darauf für 3 bis 4 Tage in eine 
3%/,ige Kaliumbichromatlösung gebracht, sodann 3 Stunden in rinnen- 
dem Wasser ausgewaschen und in Alkohol von steigendem Procent- 
gehalt (70, 82, 95 /, und absoluter Alkohol), je 24 Stunden gehärtet. 


Außer dieser Methode habe ich auch Fixirung mit FLEMMING’s 
oder HErMmAnN’s Flüssigkeit und Mischungen von Sublimat und For- 
malin oder von Pikrinsäure und Formalin angewandt. Die Ergebnisse, 
welche die letztgenannten Methoden geliefert haben, sind jedoch ent- 
schieden denjenigen unterlegen, die ich mit der zuerst beschriebenen 
Methode erhalten habe. 

FLEUMInG’s und HERMANN’s Flüssigkeiten, die von BIZZOZERO 
(16b, Bd. XL, p. 350), NıcoLAs (24, p. 2) und GALEOTTI (30, p. 466) 
besonders empfohlen worden sind, habe ich für meinen Theil, in 
Übereinstimmung mit PanerH (17, p. 178), weniger geeignet gefunden, 
denn sie konserviren die Strukturen der in den Zellen befindlichen 
Körnchen nicht in befriedigender Weise und vermindern dazu die 
Tingirbarkeit der Schnitte für verschiedene Farbstoffe, wovon ich 
mich wiederholentlich durch komparative Untersuchung nach ver- 
schiedenen Methoden fixirter, aber auf dasselbe Objektglas gelester 
und auf ihm gefärbter Schnitte habe überzeugen können. 


Ich schließe mich desshalb der Ansicht von PAneETH (17, p. 178) 
an, welcher sagt: »Die Fremmmng’sche Lösung zerstört die Zellen, 
so dass man sich im Fundus der Krypten gar nicht auskennt; es 
bleibt eventuell ein Netzwerk in den Zellen, oder dieselben sind an 
tingirten Präparaten diffus gefärbt. 

Die guten Ergebnisse, die ich mit der oben genannten Mischung 
von Bichromat und Formalin erhalten habe, geben mir das Recht, 
diese Mischung den Forschern, die sich mit Studien auf dem Gebiete 
der Drüsenhistologie beschäftigen, zu empfehlen. 

Es kann indessen die Fixirung aus Ursachen, die ich nicht habe 
erforschen können, zuweilen auch mit dieser Methode misslingen. 
Man muss desshalb, wenn die Forschung nach Körnchenzellen ein 
negatives Ergebnis liefert, neues und so frisches Material wie möglich 
nehmen und von Neuem fixiren. 


Von den Tinktionsmethoden wandte ich zuerst die Eisenhäma- 
toxylinmethode, und zwar sowohl nach M. HEIDENHAIN’s Modifikation 
von Benpa’s älterer Methode, wie nach BENDA’s neueren Angaben 
an. Der Unterschied zwischen diesen beiden Methoden ist mir jedoch 
nicht als sehr in die Augen fallend erschienen; vielleicht zeigen sich 


Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion etc. 87 


die nach der letzteren Methode tingirten Präparate mehr frei von 
amorphen Niederschlägen. 

Die nach BEenDA’s neuer Methode gefärbten Präparate habe ich 
zuweilen noch mit verdünnter Rubin- oder Säurefuchsinlösung oder 
auch mit Safranin tingirt, wo dann die Schleimelemente deutlicher 
hervortraten. 

Die Eisenhämatoxylinmethode zeichnet sich vor anderen Tink- 
tionsmethoden sowohl durch die Sicherheit in ihren Ergebnissen, wie 
durch die Schärfe aus, mit welcher in den nach ihr gefärbten Prä- 
paraten die Details hervortreten. Auf einen schwachen Punkt will 
ich aber gleichwohl hinweisen. Da sich die Granula zum Theil 
schwarz färben und das Protoplasma eine mehr oder weniger inten- 
sive blaue Farbe annimmt, ist nämlich der Unterschied in der Farbe 
oft weniger merkbar und es kann dann die Gegenwart von Granula 
leicht der Aufmerksamkeit eines weniger geübten Beobachters entgehen. 

Ich suchte desshalb nach einer Methode, welche die Granula 
deutlicher hervortreten lässt und zugleich die acido- und basophilen 
Elemente unter ihnen differenzirt. 

Ein solche Methode glaubte ich in EHRLICH-BIioxprs! bekannter 
Dreifarbenmischung gefunden zu haben. Es zeigte sich indessen bald, 
dass sich diese Tinktionsmethode in ihrer gegenwärtigen Form für 
Material, das in FLEemmInG’s und HErMAnN’s Flüssigkeit fixirt ist, 
durchaus gar nicht eignet. Aber auch nach Fixirung mit Bichromat-, 
Sublimat- oder Pikrinsäure-Formalinmischungen war das mit dieser 
Methode erhaltene Ergebnis nicht befriedigend, da die Schnitte auch 
bei noch so schneller Spülung in 90—96procentigem Alkohol zum 
großen Theil ihre Farbe verloren. Bei mikroskopischer Untersuchung 
zeigten die Gewebe im Allgemeinen nur eine schwache Säurefuchsin- 
farbe, während die Kerne beinahe farblos und die Zellengrenzen 
undeutlich waren. Die grüne Farbe war beinahe ganz aus den 
Schnitten verschwunden. Im Gegensatz hierzu zeigten sich die Gra- 
nula intensiv gefärbt, und dieselben hoben sich schon bei schwacher 
Vergrößerung deutlich von dem schwach gefärbten Hintergrunde ab. 
Die Methode zeigte mithin selbst in dieser mangelhaften Form eine 
gewisse Anwendbarkeit. 


! Ich wende anstatt des Namens BıonpI-HEIDENHAIN’s Methode diesen 
Namen an, weil er, da EHRLıicH für das Studium der Leukocyten die Anwen- 
dung von Orange, Säurefuchsin und Methylgrün, jedes Farbstoffes für sich 
(RAwıtz, 19), vorgeschlagen und BıoxpDı nachher diese Farben in bestimmten 
Mengen zu einer Flüssigkeit vermischt hat, richtiger ist. 


"88 William Möller, 


Das Ergebnis der Methode war dasselbe, auch wenn der Schnitt 
eine Zeit von zwei Tagen oder länger in der Färbeflüssigkeit gelegen 
hatte. Da ich annahm, dass der Fehler in der Untauglichkeit der 
Farbenlösungen oder in der weniger guten Beschaffenheit der Anilin- 
farben liegen könnte, versuchte ich wiederholt, neue Lösungen zu 
‘bereiten von Pulvern, die theils von Dr. GRÜBLER, theils von der 
Berliner Aktiengesellschaft für Anilinfarbenfabrikation gekauft waren. 
Diese Versuche waren jedoch mit keinem nennenswerthen Erfolg 
sekrönt. Als am besten erwies sich die EuRLiCH-BIoNDI-HEIDEN- 
mAIn’sche Dreifarbenmischung in Pulvern, die von Dr. GRÜBLER be- 
zogen waren. 

Farbenlösungen, nach der Anweisung von Krause (31, p. 59) 
bereitet, waren nicht anwendbar, weil sie Methylerün in so großer 
Menge enthielten, dass die Schnitte beinahe nur grün gefärbt wurden. 

Versuche mit der von GALEOTTI (30, p. 466) für die Tinktion der 
Granula vorgeschlagenen Methode gaben sehr wenig befriedigende 
Resultate. 

Auch die Versuche mit EurLıcH’s Triacidlösung und BERGONZINTS 
Farbenmischung fielen etwas schlechter aus, als die mit EHRLICH- 
Bıoxprs Flüssigkeit. 

Weiter kam ich auf den Gedanken, durch eine Art Beizung die 
Empfänglichkeit der Gewebe für die Farbenmischung zu vermehren. 
Ich wendete hierzu, nach Krause’s Vorschlag (31, p. 59), !/;proe. 
Essigsäure an, worin die Schnitte ein bis zwei Stunden liegen ge- 
lassen wurden. Außerdem machte ich die Farbenlösung halb so stark 
(0,6 anstatt 0,4 & von Dr. GRÜBLER’s Pulver auf 100 ccm Wasser). 
In dieser Weise gelang es mir, etwas bessere Ergebnisse zu erreichen. 

Indessen bin ich, aus Mangel an Zeit, meine Versuche fortzusetzen, 
noch nicht weiter gekommen, als dass ich den Weg kennen gelernt 
habe, den man möglicherweise einschlagen kann, um die EHRLICH- 
Bıoxpr'sche Methode auch für anderes Material als das in gesättigter 
Sublimatlösung fixirte, namentlich aber für solches geeignet zu machen, 
das mit der oben erwähnten Bichromat-Formalinmischung behandelt 
worden ist. Ich will jedoch gleich hinzufügen, dass mir die Aus- 
sichten, die Methode für Material geeignet machen zu können, das 
in Osmiumsäuremischungen fixirt worden ist, äußerst gering zu sein 
scheinen. Vielleicht sind auch kleinere Modifikationen der Methode 
für verschiedene Organe erforderlich. 

Ich habe ferner eine Anzahl Schnitte, theils ohne, theils mit 
vorhergehender oder nachfolgender Färbung mit DELAFIELD’s Häma- 


Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion ete. 89 


toxylin, mit Safranin tingirt, um zu ermitteln, wie die Körnchen- 
und Sehleimzellen sich zu diesen Farbstoffen verhalten und ob sich 
zwischen ihnen Übergangsformen nachweisen lassen. Zu dieser Unter- 
suchung habe ich vorzugsweise das in FLEMmMInG’s oder HERMANN’S 
Flüssigkeit fixirte Material angewandt. 

Schließlich habe ich Versuche mit Gorgr’s schnell wirkender 
Chromsilberimprägnationsmethode ausgeführt, um zu sehen, ob in oder 
zwischen den Körnchenzellen Sekretkapillaren zu entdecken sind. 

Bei der Einbettung des Materials habe ich ausschließlich die 
Chloroform-Paraffinmethode angewandt. 

Die Dicke der Schnitte betrug 2,5—3 u. 

Außer dem fixirten und tingirten Material habe ich, in den 
Fällen, wo es mir möglich gewesen ist, auch frisches Material unter- 
sucht. 

Da es, wie gesagt, mein Plan gewesen ist, zu ermitteln, ob man 
mit den modernen histologischen Methoden in den LIEBERKÜHN’Schen 
Krypten der verschiedenen Thiere eine sekretorische Wirksamkeit 
nachweisen kann, so habe ich danach gestrebt, so viele Thiere zu 
untersuchen, wie mir meine durch äußere Verhältnisse begrenzte Zeit 
erlaubt hat. Ich habe mikroskopisch Stücke sowohl vom Dünn-, wie 
vom Diekdarm bei der Maus, dem Meerschweinchen, dem Kaninchen, 
dem Rinde, dem Schafe, dem Pferde, dem Schweine, dem Hunde und 
der Katze untersucht. 

Von allen Thieren, die ich untersucht habe, hat die weiße Maus 
- die hübscheste und reichste Körnchenstruktur dargeboten. Ich beginne 
desshalb den Bericht über meine mikroskopischen Beobachtungen mit 
den Befunden bei diesem Thiere. 


B. Ergebnisse der Untersuchungen. 
1. Weiße Maus. 


a) Die LIEBERKÜHN schen Krypten. 


Um die Veränderungen zu vermeiden, welche die Fixirungs- und 
Tinktionsflüssigkeiten in den Geweben verursachen, und um Ver- 
gleichungspunkte mit den Ergebnissen zu gewinnen, die man bei der 
Untersuchung von fixirten und tingirten Schnitten erhält, ist es noth- 
wendig, Präparate von frischem Material zu untersuchen. 

Da die Darmwand bei der weißen Maus sehr dünn ist, erhält 
man leicht instruktive Präparate, wenn man ein kleines Stück aus 
dem Dünndarm herausschneidet, es auf ein Objektglas legt und mit 


90 William Möller, 


einem Deekglas einen gleichmäßigen, allmählich zunehmenden Druck 
auf dasselbe ausübt. Oft gelingt es dann, eine Menge gut erhaltene 
LIEBERKÜHN’sche Krypten zu sehen. Betrachtet man dieselben bei 
mittelmäßiger Vergrößerung, so findet man die Grundtheile aller 
Krypten mit verhältnismäßig großen, glänzenden und durchsichtigen 


 Körnchen gefüllt, welche dicht gedrängt liegen und den größten Theil 


der betreffenden Zellen einzunehmen scheinen. Ein Theil Körnchen 
liegt frei in dem nach unten etwas erweiterten Lumen der Krypte. 

Ich bin nicht in der Lage, ein solches Bild von frischem Mate- 
rial mittheilen zu können. Als ein Übersichtsbild von ähnlichem 
Aussehen weise ich indessen auf Fig. 8 hin, die nach einem unge- 
färbten Schnitt aus einem in Bichromat-Osmiumsäurelösung gehärteten 
Material gezeichnet ist. 

Untersucht man in Bichromat-Formalinmischung fixirte und mit 
EHrLicH-Bionprs Flüssigkeit tingirte Schnitte, so sieht man schon 
bei schwacher Vergrößerung den Grund der Krypten viel dunkler 
gefärbt, als die übrigen Theile des Schnittes. Bei stärkerer Ver- 
srößerung findet man, dass die intensiv tingirten Zellen eine ziem- 
lich bedeutende Menge Körnchen von verschiedener Farbe und Größe 
enthalten. So zeigen uns die Fig. 3 und 4, die derselben Schnittserie 
angehören, Körnchen von gelber, grüngelber, dunkel olivengrüner und 
rother Farbe. Meistentheils kommen in einer Drüsenzelle nur Körn- 
chen von derselben Farbe vor, doch trifft man zuweilen auch solche 
Zellen mit verschieden gefärbten Körnchen. Aber auch Körnchen 
von derselben Farbe unterscheiden sich durch die Intensität ihrer 
Farbe, welches Verhältnis am deutlichsten bei den in Säurefuchsin 
tingirten Körnchen hervortritt. Eine geringere Anzahl Körnchen 
liegt frei im Lumen. Die Kerne der Körnchenzellen treten bei 
Anwendung dieser Tinktionsmethode etwas undeutlich hervor, doch 
lassen sie sich oft durch verschiedene Einstellung beobachten. Da- 
gegen kann man nicht mit Sicherheit die Gegenwart eines protoplas- 
matischen Netzwerkes zwischen den Körnchen konstatiren; dieselben 
erscheinen vielmehr durch helle Zwischenräume von einander ge- 
trennt. | 

Höher nach oben in der Krypte sieht man die typischen Schleim- 
zellen (Fig. 35) mit einem farblosen Schleimpfropfen und einem 
schmalen, röthlichen Fußtheil. 

Übergangsformen zwischen Körnchen- und Schleim- 
zellen habe ich nicht gefunden. 

In Fig. 5, die demselben Schnitt wie Fig. A angehört, sind alle 


Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion ete. 91 


Körnehen vom Säurefuchsin roth gefärbt. In den meisten Zellen 
befinden sie sich in einem gewissen Abstand von der Zellwand, die 
oft deutliche, halbkreisförmige Eindrücke von Körnchen zeigt, welche 
in ihren Nischen gelegen haben. Die Körnchen selbst sind mehr 
oder weniger zusammengeschmolzen und liegen theils in der Mitte 
der gegen das Lumen der Krypte offenen Zellen, theils, oft eine zu- 
sammenhängende Masse bildend, als homogene, rothgefärbte Klumpen 
in dem weiten Lumen. Unter den-Körnchenzellen finden sich einige 
körnchenlose, zusammengedrückte Drüsenzellen. Eine Anzahl nahe- 
gelesene Krypten zeigen vollkommen dasselbe Aussehen wie in der 
eben beschriebenen Figur. 

Das in Fig. 5 wiedergegebene mikroskopische Bild 
scheint mir unzweideutig von einer Sekretion von den Epi- 
thelzellen im Grunde der LiEBERKÜHN’schen Krypten zu 
zeugen. 

Untersucht man sorgfältig eine größere Anzahl solcher Schnitte, 
wie die in den Fig. 3, 4 und 5 abgebildeten, so gelangt man zu 
folgender Auffassung des in den eben genannten Zellen stattfindenden 
Sekretionsprocesses. 

In den gewöhnlichen oder protoplasmatischen Drüsenzellen treten 
zuerst eine Anzahl ganz kleine Körnchen auf, welche an Anzahl und 
Größe zunehmen und schließlich den größten Theil der Zelle füllen, 
während der Kern, von einem kleinen Rest Protoplasma umgeben, 
dicht an die Basis der Zelle gedrückt wird. Zugleich erleiden die 
Körnehen, was aus ihrem wechselnden Verhalten zu den Farbstoffen 
in EurticH-Bıoxprs Flüssigkeit hervorgeht, Veränderungen in ihrer 
chemischen oder physikalischen Konstitution. 

Es ist mir oft so vorgekommen, als ob die jüngeren Körnchen- 
zellen srüne, grüngelbe oder gelbe und die etwas älteren intensiv 
roth gefärbte Körnchen enthielten, während die ältesten Zellen, die 
im Begriff stehen, ihren Inhalt zu entleeren, Körnchen von einer 
schwächeren rothen Farbe zeigen (siehe Fig. 5). 

Als wahrscheinlich kann man ferner annehmen, dass sich ein 
sroßer Theil der Körnchenzellen an der Stelle, wo sie entstehen, 
auch entwickeln und ihren Inhalt entleeren. 

Eine größere Deutlichkeit in den Einzelheiten tritt hervor, wenn 
man in Eisenhämatoxylin tingirte Schnitte untersucht (Fig. 6 und 7). 
- Man findet in solchen Schnitten zwei Arten von Körnchen, nämlich: 
1) Körnchen von blauer Farbe, einige heller, die anderen dunkler, 
beinahe schwarz gefärbt, und 2) schwach grau gefärbte oder farblose 


92 William Möller, 


Körnchen. Die erstgenannten sind alle von sphärischer Form und 
sehr wechselnder Größe, die letztgenannten kantig und den erst- 
genannten an Größe überlegen. 

Von den Zellen im Grunde der Krypte verdienen zwei Formen 
besonders hervorgehoben zu werden: 1) eine nicht geringe Anzahl 
schmale, sehr intensiv tingirte Epithelzellen von pyramidalischer Form, 
die entweder gar nicht, oder nur mit einer linearen Spitze bis zum 
Lumen reichen (Fig. 6), und 2) einzelne Zellen mit einem schwach 
tingirten protoplasmatischen Netzwerk mit einer Menge kleiner dunk- 
ler Körnehen in seinen Knotenpunkten; die zwischen den Körnchen 
liegenden Maschen erscheinen hell, gleichsam leer. Von den übrigen 
protoplasmatischen oder den gewöhnlichen Drüsenzellen zeigen einige 
feine, dunkle, längsgehende Streifen, die aus kurzen Stäben zu- 
sammengesetzt sind, andere dagegen eine Anzahl ganz feine, in einer 
homogenen Protoplasmamasse eingebettet liegende Körnchen. 

Ich muss hier hinzufügen, dass nicht jeder Schnitt alle hier 
beschriebenen Verhältnisse zu gleicher Zeit zeigt. Am seltensten 
sind, so viel ich gefunden habe, die Zellen, die die großen, kantigen, 
schwach grau gefärbten oder klaren Körnchen enthalten, und die 
Zellen mit einem deutlichen Netzwerk und feinen Körnchen. In der 
Mehrzahl der Schnitte habe ich nur Körnchen von dunkelblauer 
Farbe und wechselnder Größe beobachtet. 

Man kann nun die Frage aufwerfen, welche Rolle die hier ge- 
schilderten Elemente spielen. 

Was zuerst die zwei Arten von Körnchen, gefärbte und unge- 
färbte, betrifft, so kann man sich zwei Möglichkeiten denken: ent- 
weder sind sie wirklich in ihrer Art und chemischen Konstitution 
verschieden, oder auch repräsentiren sie nur verschiedene Entwick- 
lungsphasen von einer und derselben Körnchenart. Ich huldige der 
letzten Ansicht, und zwar aus folgenden Gründen. In den frischen 
Präparaten, gleichwie in den mit Bichromat-Osmiumsäure fixirten, 
kann man auch bei stärkerer Vergrößerung keine andere, schärfer 
markirte Verschiedenheit zwischen den Körnchen finden, als ihre 
ungleiche Größe. Der Unterschied in ihrem Vermögen, das Licht 
zu brechen, erscheint weniger ausgeprägt, als z. B. bei den Speichel- 
drüsen. Die mit EHrLicH-Bioxpr’s Flüssigkeit tingirten Schnitte 
zeigen Übergänge zwischen Körnchen von verschiedener Farbe; zu- 
weilen findet man solche Körnehen auch in derselben Zelle. Weiter 
slückt es mitunter, in den mit Eisenhämatoxylin tingirten Schnitten 
in ein und derselben Zelle eine geringere Anzahl dunkel gefärbter 


Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion etc. 93 


Körnehen zusammen mit grauen oder farblosen zu sehen, Ferner 
findet man einen derartigen Farbenwechsel, wie er von ALtmann (22) 
und später von ERIK MÜLLER (23) beschrieben worden ist, bei den 
Sekretkörnchen verschiedener Drüsen. 

Da die Untersuchungen des letztgenannten Forschers zum großen 
Theil mit denselben Fixirungs- und Tinktionsmethoden wie die 
meinisen ausgeführt sind, erscheint es mir als besonders geeignet, 
meine Ergebnisse mit den von ihm beim Studium der serösen Speichel- 
drüsen, der Schleimdrüsen und der Fundusdrüsen des Ventrikels er- 
haltenen zu vergleichen. Der Nutzen eines solehen Vergleichs ist 
um so viel größer, als man in den eben genannten Drüsen leichter 
als in den LiEBERKÜHN’schen Krypten, besonders im Dünndarm, 
verschiedene Funktionszustände antrifft oder auf experimentellem Wege 
hervorrufen kann. 

Mit klaren Beweisen thut MÜLLER dar, dass das verschiedene 
Verhalten der Sekretkörnchen zu den Farbstoffen durch ihren ver- 
schiedenen Funktionszustand bedingt ist. So unterscheidet er z. B. 
in den serösen Speicheldrüsen (23a, p. 318) drei Zellentypen: 1) helle 
Zellen mit großen farblosen und kleinen gefärbten Körnchen, die 
letzteren im intergranulären Netzwerk, 2) gefärbte Zellen mit großen 
sefärbten Körnchen, und 3) gefärbte Zellen mit kleinen gefärbten 
Körnchen (siehe Fig. 7). Diese Zellentypen gehen in einander über. 
Das Sekret geht aus den großen, farblosen Zellen hervor, die sich 
ihrerseits aus den großen, gefärbten Körnchen entwickeln, welche 
wieder von kleinen, gefärbten Körnchen von wechselnder Größe, die 
kleinsten auf der Grenze des Sichtbaren stehend, gebildet werden. 

Was die Fundusdrüsen anbelangt, so formulirt MüLLer (23b, 
p. 635) seine Ergebnisse wie folgt: »Sowohl in den Beleg-, wie in 
den Hauptzellen, entwickelt sich das Sekret aus Körnern, die, ehe 
sie sich in flüssiges Sekret umwandeln, zwei Stufen durchmachen, 
indem sie in den fixirten Präparaten erst stark färbbar sind, dann 
Farbstoffe nicht aufnehmen. « 

Betrachtet man die Zeichnungen, die dieser Forscher seinen 
Aufsätzen beigefügt hat, so findet man eine schlagende Ähnlichkeit 
mit den von mir soeben beschriebenen Verhältnissen in den LIEBER- 
Künn’schen Krypten. 

Gemäß der vorstehenden Darstellung sind also die farblosen oder 
schwach grau gefärbten Körnchen in diesen Krypten als das nächste 
Vorstadium des Sekrets zu betrachten. Sie entwickeln sich wieder 
aus den großen, gefärbten Körnern. 


94 William Möller, 


Was die Regeneration der großen gefärbten Körnchen betrifft, 
so betrachtet es MÜLLER (23a, p. 314) als aus seinen Beobachtungen 
unzweifelhaft hervorgehend, dass die kleinen Körnchen, die in den 
Knotenpunkten des intergranulären Netzwerkes zwischen den großen, 
farblosen Körnchen liegen, an Zahl und Größe zunehmen, um nach- 
her, wenn sie eine gewisse Entwicklung erreicht haben, sich wieder 
zu verändern, so dass sie keine Farbstoffe mehr aufnehmen, um 
schließlich, die sog. Sekretvacuolen bildend, zusammenzuschmelzen. 
Die Drüsenzellen durchlaufen solchergestalt einen sog. sekretorischen 
Kreislauf in einem Zeitraum, dessen Länge sich nicht näher an- 
geben lässt. 


In Übereinstimmung mit diesem Forscher und NıcorLas (21, p. 43) 
sehe ich eine Regeneration der Körnchenzellen in den LIEBERKÜHN- 
schen Krypten, da bei der Entleerung der Sekretkörnchen der Kern 
nebst einem kleinen Protoplasmarest in der Zelle zurückbleibt, als 
in hohem Grade wahrscheinlich an; hinsichtlich der Weise aber, in 
welcher diese Regeneration stattfindet, haben mich meine Präparate 
zu keiner völlig bestimmten Ansicht geführt. 

Für die von MÜLLER verfochtene Ansicht spricht das weiter vorn 
erwähnte Verhältnis, dass man zuweilen Zellen mit einem schwach 
tingirten Netzwerk mit hellen Maschen und feinen Körnchen in 
seinen Knotenpunkten findet. Diese Zellen können ja mit Fug als 
Elemente bezeichnet werden, die ihre Sekretkörnchen ausgestoßen 
haben und nun im Begriff stehen, mit Hilfe der feinen, gefärbten 
Körnchen den Regenerationsprocess zu beginnen. Da diese Körnchen 
somit als die wichtigsten Bestandtheile des Protoplasmas und die 
eigentlichen und nächsten Vorgänger der Sekretkörnchen zu be- 
trachten sind, werde ich sie, zum Unterschied von den entwickelten 
Sekretkörnehen oder Sekretgranula, hinfort »primäre Granula< nennen. 

Obsehon ich in der Hauptsache MÜLLER’s Auffassung von dem 
Verlauf des Regenerationsprocesses theile, glaube ich gleichwohl in 
Betreff der Epithelzellen in den LiEBERKÜHN’schen Krypten eine 
Beobachtung mittheilen zu müssen, die Anlass zu einer etwas ab- 
weichenden Meinung geben könnte. Ich habe nämlich gefunden, 
dass die kleinen Sekretkörnchen oft zuerst in der Spitze von Zellen 
auftreten, die mit einem homogenen Protoplasma gefüllt sind, in dem 
ich keine primären Granula entdecken konnte. Es ist mir desshalb 
mitunter vorgekommen, als ob Sekretkörnchen auch aus dem, wenig- 
stens scheinbar homogenen Protoplasma gebildet werden könnten. 


Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion etc. 95 


Noch erübrigt die Frage von der Bedeutung der schmalen, sehr 
intensiv tingirten Epithelzellen. © 

Aus dem Verhalten der Zellen zu den Tinktionsmitteln geht klar 
hervor, dass ihr homogenes Protoplasma einen hohen Grad von Dichtig- 
keit besitzt. In wie fern diese Eigenschaft beständig oder zufällig und 
in diesem Falle durch Druck von den naheliegenden Zellen, namentlich 
den mit Sekretkörnchen gefüllten, hervorgerufen ist, kann ich nicht mit 
Sicherheit entscheiden. Der Umstand, dass der größere, gegen das Lu- 
men gekehrte Theil der Zelle ganz schmal, linear ist, kann ja andeuten, 
dass die Zelle bereits den größten Theil ihres Inhalts entleert hat. 
Da typische Schleimzellen sowohl nach Paneru’s (17, p. 179) und Bızzo- 
ZERO S (16b, Bd. XL, p. 349), wie nach meiner eigenen Erfahrung bei 
der Maus im Grunde der Krypten nur sehr selten zusammen mit 
Körnchenzellen vorkommen, scheint es annehmbar zu sein, dass hier 
ein Bild von einer entleerten Körnchenzelle, und nicht von einer ent- 
leerten Schleimzelle vorliegt. Das feine, protoplasmatische Netzwerk 
ist, in Ermangelung einer Stütze von den Sekretkörnchen oder unter 
dem Druck der wachsenden Körnchenzellen, zusammengefallen oder 
auch bei dem Ausstoßen der Körnchen zerrissen worden und zu dem 
plattgedrückten, im Grunde der Zelle liegenden Kern hinabgesunken. 

Gegen eine solche Annahme spricht jedoch einigermaßen der 
Umstand, dass der Kern, wenn er bei schwächerer Intensität der 
Farbe beobachtet werden kann, hier selten, wie in der mit Sekret 
gefüllten Zelle, abgeplattet in der Richtung der Querachse der Zelle, 
sondern vielmehr, ausgestreckt, in der Längsrichtung derselben liegt. 
Diese Lage kann der Kern indessen dadurch erhalten haben, dass 
er nach der Entleerung des Sekrets gestrebt hat, seine frühere Form 
anzunehmen, dabei aber einem Seitendruck von den wachsenden 
Körnehenzellen begegnet ist, welcher erst mit der Entleerung dieser 
Körnchen aufhört, wodurch die geleerten Zellen Gelegenheit erhalten, 
sich ungestört zu regeneriren. Schließlich lässt es sich denken, dass 
die fraglichen Zellen wirklich von einer besonderen Art, mit beson- 
derer chemischer Konstitution und Funktion, sind, eine Ansicht, die 
jedoch weniger plausibel erscheint, da man, wie auch NıcoLas (24, 
p. 44) hervorgehoben hat, Übergangsformen zwischen diesen intensiv 
tingirten, schmalen Zellen und den gewöhnlichen, hellen Drüsen- 
epithelzellen ohne Körnchen findet. Es erscheint mir desshalb am 
- wahrscheinlichsten, dass wir es hier mit entleerten Körnchenzellen 
oder möglicherweise mit gewöhnlichen Epithelzellen zu thun haben, 
die von den naheliegenden, wachsenden Körnchenzellen zusammen- 


96 William Möller, 


gepresst worden sind. Für die erste Annahme spricht die Ähnlichkeit 
mit den sog. »schmalen Zellen« im Oberflächenepithel, welche Zellen 
ich in einem folgenden Kapitel besprechen werde. Da das Sekret, 
wie erwähnt worden, zuerst in den Spitzen der Körnchenzellen auf- 
zutreten scheint, wird ja das Protoplasma in den Spitzen der nahe- 
gelegenen Zellen zuerst dem Druck ausgesetzt und dabei allmählich 
gegen die breitere Basis der Zelle hinab verschoben. 

Über die schmalen, dunkel gefärbten Epithelzellen spricht sich 
Nıcoras (24, p. 44) in folgender Weise aus: »Ces Elements inter- 
calaires ne sont pas düs A l’orientation de la coupe. On pourrait 
en effet penser que, les cellules de l’epithelium ayant la forme de 
pyramides Aa plusieurs pans, si le rasoir passe parallelement & l’un 
des angles diedres de l’une d’elles et en dehors du grand axe de la 
cellule, il n’enlevera qu’une tranche de celle-ci. Cela arrive frequem- 
ment, mais un examen attentif ne permet pas de confondre l’image 
qui en est le resultat avec les elements effiles, a protoplasma compact 
et a noyau tres-colore, qui se distinguent si nettement des autres.< 

Dem hier Gesagten schließe ich mich vollständig an. 

Aus Nıcoras’ (24, p. 52) Schilderung des Verlaufes des Sekre- 
tionsprocesses geht außerdem hervor, dass er die fraglichen Zellen 
für geleerte Körnchenzellen ansieht, welche bei fortschreitender Re- 
generation zu gewöhnlichen, hell tingirten, protoplasmatischen Ele- 
menten umgebildet werden, aus denen sich nachher in ihrer Ordnung 
die Körnchenzellen entwickeln. 

PınerH (17, p. 184) betrachtet es als wenig wahrscheinlich, 
dass die »schmalen Zellen« im Grunde der Krypten, die verhältnis- 
mäßig oft vorkommen, aus Becherzellen entstehen, die nur selten 
angetroffen werden. Wären es hinwieder junge, aus der Karyo- 
kinesis hervorgegangene Zellen, so müsste man sie oft paarweise 
antreffen, was nicht der Fall ist. 

Eigenthümlich genug finde ich in BIzzozEro’s oft angeführtem 
Aufsatz nichts über den Ursprung und die mögliche Bedeutung dieser 
schmalen, dunkelgefärbten Epithelzellen gesagt. 

Wie aus der vorstehenden Darstellung hervorgeht, sind für die 
vollständige Klarlegung der Frage von der Natur dieser interessanten 
Zellen fortgesetzte Untersuchungen erforderlich. 


b) Die Schleimzellen im Oberflächenepithel. 
Als es für mich galt, die Frage zu beantworten, in wie fern in den 
Krypten Ubergangsformen zwischen Körnchen- und Schleimzellen zu 


Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion ete. 97 


beobachten seien, richtete ich meine Aufmerksamkeit auch auf die 
Schleimzellen im Oberflächenepithel. Ich machte dabei einige kleine 
Beobachtungen, die ich, da sie mich in der schwebenden Frage von 
der Natur und der Regeneration der Schleimzellen zu einer bestimmten 
Ansicht geführt haben, mir erlaube, hier mitzutheilen. 

Betrachtet man das Oberflächenepithel bei der weißen Maus, 
dem Hunde, der Katze u. a. Thieren bei starker Vergrößerung, so 
findet man eine wechselnde, mitunter sehr große Anzahl von ganz 
schmalen, beinahe linearen Epithelzellen, die besonders intensiv 
tingirt sind, so dass sich die Kerne nur zufällig und mit Schwierig- 
keit entdecken lassen. Die Zellen scheinen in ihrer ganzen Länge 
ein homogenes, sehr kompaktes Protoplasma zu enthalten. Bei der 
Tinktion mit Eisenhämatoxylin sind diese »schmalen Zellen«, wie 
man sie benannt hat, beinahe schwarz und undurchsichtig; bei der 
Anwendung von EHrLicH-Bionp:’s Färbeflüssigkeit nehmen sie eine 
intensiv rothe Farbe an, lassen aber, wenn auch nur dunkel, einen 
äußerst stark abgeplatteten Kern hervortreten. Es ist diese letzte 
Tinktionsmethode, mit der ich eine Anzahl Zellenformen gefunden 
habe, die Übergangsstadien zwischen den genannten schmalen Epithel- 
zellen und den vollkommen entwickelten Schleim- oder Becherzellen 
bilden. 

Der Entwicklungsprocess scheint folgender zu sein. 

Untersucht man Zellen, deren Breite etwas größer als die der 
»schmalen Zellen« ist, so gelingt es, bei Anwendung einer starken 
Immersionslinse, eines starken Oculars und guter Beleuchtung, einen 
in die Länge ausgezogenen Kern zu sehen, der an der Basis der 
Zelle belegen und von einem dunkel tingirten Protoplasma umgeben 
ist, während man in dem oberen und größeren Theil der Zelle eine 
hellere Substanz bemerkt, die sich aus kleinen, farblosen Körnchen 
zusammengesetzt zeigt. Wenn die Zellen noch mehr an Breite zu- 
genommen haben, kann man in ihnen drei Substanzen unterscheiden: 
unten an der Basis den Kern, von einer kleinen Protoplasmamasse 
umgeben, in der Mitte eine Menge kleine, farblose Körnchen und 
oben an der Oberfläche einen homogenen, durchsichtigen Schleim- 
klumpen. | 

Die Figur 9 zeigt zwei Schleimzellen in diesem Stadium. 

Auch Nıcoras hat in Fig. 42 Schleimzellen von derselben Struk- 
tur abgebildet, doch giebt er von ihnen weiter keine Beschreibung. 

Je älter die Zelle wird, desto mehr vergrößert sich die homogene 


Schleimmasse auf Kosten des körnigen Theils der Schleimzelle; diese 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Bd. T 


98 William Möller, 


erreicht solehergestalt ihre Reife und ist fertig, ihren Inhalt zu ent- 
leeren. In einigen Zellen sieht man den Schleimklumpen schon zum 
Theil über das Niveau der angrenzenden Epithelzellen emporschießen. 
Nach seinem Ausstoßen findet sich nur noch der Kern und eine 
geringe Menge Protoplasma in der Zelle, ihre Wände fallen zusammen 
‘und sie erhält das Aussehen von einer »schmalen Zelle«, in der das 
Protoplasma allmählich neu gebildet wird. 

Die hier beschriebenen mikroskopischen Bilder scheinen mir 
einen unzweideutigen Beweis für die Richtigkeit der Ansicht zu 
liefern, dass die Schleimzellen bei der Sekretion nicht untergehen, 
sondern nach der Entleerung des Sekrets regenerirt werden und 
solchergestalt in einer gewissen Zeit einen sekretorischen Kreislauf 
durchlaufen. Schließlich wird wohl die ganze Zelle ausgestoßen, und 
ihren Platz nehmen dann jüngere, durch Karyokinesis entstandene 
Elemente ein. 

Durch die eben geschilderten Beobachtungen bin ich zu der 
Überzeugung gelangt, dass die »schmalen Zellen« im Ober- 
flächenepithel neulich entleerte Becherzellen oder, mit 
anderen Worten, die jüngsten Formen dieser Zellen sind. 

Nach dieser Auffassung entständen die schmalen Zellen also, 
wenigstens zum Theil, in loco und nicht durch die in den LIEBER- 
KÜHN’schen Krypten stattfindende Karyokinesis. 

Ich will noch einen Zusatz machen. Nach meinem Dafürhalten 
brauchen die Schleimzellen nicht alle die beschriebenen Stadien zu 
durchlaufen; bei einer intensiveren Reizung können sie möglicher- 
weise ihren Inhalt entleeren, ehe sie das letzte Entwicklungsstadium, 
die Verwandlung des größten Theiles des Zelleninhalts in eine homo- 
gene Schleimmasse, erreicht haben. 

Schließlich mag bemerkt werden, dass die weiter vorn beschrie- 
bene Bichromat-Formalinmischung ein recht gutes Mittel zu sein 
scheint, um die Struktur der Becherzellen, besonders was das Vor- 
kommen des Sekrets als Körnchen in einem früheren Stadium betrifft, 
naturgetreu zu konserviren. 

Meine eben beschriebenen, selbständig gewonnenen Ergebnisse 
stimmen, wie ich bei einem genaueren Studium der Litteratur ge- 
funden habe, ziemlich gut mit den von einigen Forschern in neuerer 
Zeit gemachten Beobachtungen überein. Unter diesen Forschern will 
ich vor Allen MayEwskı (34) erwähnen, welcher fand, dass die Becher- 
zellen bei der Katze, namentlich wenn sie sparsam in das Epithel 
eingestreut sind, nach der Injektion von Pilokarpin die Form von 


Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion ete. 99 


»schmalen Zellen< annehmen. Nach zwei Tagen fangen sie an, sich 
wieder mit Schleim zu füllen, und am dritten Tage sind sie reich- 
lich damit geladen. Eine vermehrte Proliferation der Epithelzellen 
konnte er dabei nicht konstatiren. In Folge dessen nimmt er an, 
dass der Schleim sich in demselben Eiement bildet, welches diesen 
Stoff enthält, ihn aber durch die Wirkung des Pilokarpins ganz: und 
gar oder theilweise entleert hat. 

Da einige Forscher, wie FISCHER, KRAUSE u. A., die Behauptung 
aufgestellt haben, dass die in verschiedenen Drüsenzellen beschriebene 
Körnchenstruktur nur ein durch die Einwirkung des Fixirungsmittels 
auf das lebende Eiweiß entstandenes Kunstprodukt sei, könnte ja 
diese Einwendung auch in Betreff der von mir und Anderen beob- 
achteten Körnchen in den Schleimzellen gemacht werden. Um diesem 
Einwurf zu begegnen, will ich hier eine Beobachtung von GALEOTTI 
(30, p. 514) anführen. 

Dieser Forscher hat sich durch die Untersuchung von Geweben, 
die intra vitam tingirt waren, davon überzeugen können, dass das 
-Schleimsekret in einem bestimmten Moment der Produktion eine 
körnige Struktur hat, dass sich die Körnchen nachher zu einem ein- 
zigen Schleimtropfen vereinigen und dass also das körnige Aus- 
sehen des Schleimes in den fixirten Präparaten kein Kunst- 
produkt ist. 
| Weiter hat GALEOTTI (30, p. 515) die Sekretion von den Becher- 

zellen im Magendarmkanal bei Geotriton fuscus in Material unter- 

sucht, das in HERMANN’s Flüssigkeit fixirt und nach einer von ihm 
selbst vorgeschlagenen Methode mit Säurefuchsin und Methylgrün 
sefärbt war. Von dem Anfang dieses Processes sagt er: »Sobald 
der Schleimtropfen aus dem freien Ende einer Zelle ausgetreten ist, 
wird diese von dem umgebenden Cylinderepithelium zusammen- 
gepresst, so dass ihr Körper auf einen dünnen Streifen von Proto- 
plasma reducirt wird, welcher das Aussehen einer Masse von Fila- 
menten hat und nur in der Tiefe, in der Gegend des Kerns weit 
genug ist, um diesen zu beherbergen.« 

Hier schildert GALEOTTI offenbar das Entstehen der »schmalen 
Zellen< in derselben Weise wie ich. | 

Indessen bereitet sich die Zelle für eine neue Sekretion. Der 
Impuls hierzu geht vom Kern aus. In diesem treten nämlich eine 
Anzahl mit Säurefuchsin tingirbare, kleine, gleichförmige Körnchen 
auf, die in das Protoplasma austreten und sich allmählich von dem 
Kem in der Richtung nach der Spitze der Zelle entfernen. Sie 


100 William Möller, 


haben kaum die Mitte der Zelle erreicht, ehe sie anfangen, in ihrer 
chemischen Konstitution eine Veränderung zu erleiden, die sich da- 
durch zu erkennen giebt, dass die Zellen theils die Eigenschaft ver- 
lieren, sich mit Anilin zu färben, theils basophile Eigenschaften er- 
werben, kurz, sich in echtes Mucin verwandeln. Unterdessen nehmen 
die Schleimkörner an Größe zu. Wenn sie an dem freien Ende der 
Zelle angelangt sind, fließen sie zusammen und bilden eine einzige, 
intensiv grün gefärbte Masse. Nach der Injektion von Pilokarpin 
ist der Sekretionsprocess lebhafter, und dasselbe ist auch mit der 
Körnehenbildung der Fall, so dass sich, noch ehe der Schleimtropfen 
ausgetreten ist, schon andere grüne Körnchen in der Mitte der Zelle 
finden. | 
Auch diese Schilderung gleicht in vielen Hinsichten der von mir 
segebenen, ungeachtet meine Beobachtungen, da mein Material zu 
gering war, nicht so in das Detail gehen, wie GALEOTTTS. 

Die von diesem Forscher erwähnten feinen acidophilen Körn- 
chen im Kerne habe ich in den Körnchenzellen beobachtet und dabei 
ist mir die Ähnlichkeit aufgefallen, die sich zwischen diesen Körnchen 
und den primären Granula im Protoplasma findet. Es erscheint mir 
als gar nicht unwahrscheinlich, dass der Impuls zur Sekretion vom 
Kerne ausgeht. Man hat ihn ja auch in Anbetracht der großen Rolle, 
die er im Leben der Zelle spielt, in einem glücklich gefundenen 
Gleichnis das »Gehirn der Zelle« genannt. 

Auch PaneErH (17, p. 134) spricht die Ansicht aus, dass die 
»schmalen Zellen< im Epithel nichts Anderes als Reste von Becher- 
zellen sind. Über ihr weiteres Schicksal stellt er folgende Hypo- 
these auf: »Aus den schmalen Zellen werden nun nach meiner An- 
sicht wieder gewöhnliche Epithelien. Dafür spricht vor Allem der 
Umstand, dass man sie mit dem charakteristischen Merkmal der 
Dünndarmepithelien, mit dem Bourrelet versehen, und auch sonst 
Übergangsstufen findet. Demgemäß würde jede Epithelzelle des 
Darmes von Zeit zu Zeit sich in eine Becherzelle verwandeln — wie 
oft, in welchen Intervallen, darüber weiß ich nichts. Sie würde ihr 
Sekret vornehmlich während der Verdauung entleeren, und dann 
wieder zu einer gewöhnlichen Epithelzelle werden. Dieser Process, 
durch den also dieselbe Zelle bald als absorbirendes, bald als secer- 
nirendes Organ thätig ist, würde sich unbestimmt oft wiederholen, 
so lange eben die Zelle existirt.« 

Ich kann dieser hier angeführten Ansicht nicht beistimmen. 
Nach meiner Beobachtung gehen die »schmalen Zellen« nicht in 


Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion ete. 101 


ganz gewöhnliche Epithelzellen über. Obschon das Protoplasma neu 
gebildet wird, unterscheidet sich die junge Schleimzelle durch ihre 
intensivere Farbe und später durch die Anwesenheit von Körnchen 
in ihrem Inneren doch von den übrigen Epithelzellen, ein Umstand, 
dem PAneErH nicht die gebührende Aufmerksamkeit geschenkt zu 
haben scheint. Ferner habe ich einen Saum (Bourrelet) an der Spitze 
der schmalen Zellen als Zeichen ihrer Verwandtschaft mit gewöhn- 
liehen Epithelzellen nicht mit Sicherheit beobachten können. Wenig- 
stens fehlt ein solcher Saum, was sowohl aus PAnETH's eigenen, wie 
aus NICOLAS’ und meinen Untersuchungen hervorgeht, sobald sich im 
Gipfel der Zelle ein Schleimtropfen findet. 


Aus den oben angeführten Gründen sehe ich mich für berechtigt 
an, die Ansicht aufrecht zu erhalten, dass die Becherzellen eine 
differenzirte Zellenart, Zellen sui generis sind. 


2. Meerschweinchen. 


Ich habe von diesem Thier vier Exemplare untersucht. In zwei 
Fällen misslang der Versuch, die Körnchenstruktur zu fixiren, was, wie 
ich annehme, seinen Grund darin hatte, dass das angewendete Fixi- 
rungsmittel, gesättigte Sublimatlösung, mit Kochsalz und Eisessig 
versetzt, ungeeignet war. Ich fand im Grunde der Krypten nur ein 
verworrenes Netzwerk, aber keine deutlichen Körnchenzellen. In 
den beiden anderen Fällen wurde Bichromat-Formalinmischung mit 
gutem Resultate angewandt. Dagegen gelang es mir hier nicht, mit 
EHRLICH-BIionpTs Flüssigkeit so hübsche Ergebnisse wie in den 
Schnitten aus dem Darme der weißen Maus zu erhalten. 


Das Untersuchungsmaterial stammte von zwei jungen Thieren 
her, von denen das eine sechs Tage, das andere einen Tag alt war. 
Der Darmkanal war bei beiden Thieren mit Inhalt gefüllt, der im 
Dünndarm von flüssiger Beschaffenheit war, im Dickdarme aus ei- 
förmisen Exkrementmassen bestand. 


Die Untersuchung wurde zuerst auf das frische Material ge- 
richtet. Dabei zeigte sich eine reichliche Menge glänzender Körner 
von wechselnder Größe sowohl im Grunde der Krypten, wie in den 
Villi, namentlich den Spitzen derselben. Eine Vergleichung der 
frischen Präparate mit den fixirten und tingirten zeigte die nicht 
geringe Minderwerthiskeit dieser letzteren sowohl hinsichtlich des deut- 
lichen Hervortretens der Körnchen, wie ihres Auftretens in großer 
Zahl. Ein größerer Theil der Körnehen, die sich in den frischen 


102 William Möller, 


Pi 


Präparaten beobachten ließen, hatten sich hier offenbar durch die 
Einwirkung der Reagentien aufgelöst. 

Bei mikroskopischer Untersuchung von Schnitten, die in Eisen- 
hämatoxylin oder EHurLicH-Bioxpr’s Flüssigkeit gefärbt waren, ließen 
‘sich indessen mit Leichtigkeit im Grunde der Krypten Körnchen- 
zellen finden. Dieselben enthalten zwei Arten von Körnchen: farb- 
lose und gefärbte. Die farblosen Körnchen sind den gefärbten oft 
an Größe überlegen. Zwischen ihnen kann man ohne Schwierigkeit 
ein schwach tingirtes Netzwerk beobachten. Die gefärbten Körnchen 
zeigen bei Anwendung von EHrRLICH-Bioxprs Tinktionsmethode eine 
Säurefuchsinfarbe von wechselnder Intensität. 

Die Fig. 10, 11 und 12 stellen Schnitte durch nahe an einan- 
der gelegene, in der angegebenen Weise tingirte Krypten dar. 
Fig. 10 zeigt kleinere, intensiv roth gefärbte Körnchen, die in den 
Spitzen der Zellen liegen. Fig. 11 lässt uns sowohl farbige, wie 
farblose Körnchen sehen, die in verschiedenen Zellen gelegen sind. 
Es verdient hier besonders hervorgehoben zu werden, dass eine im 
Grunde der Krypte rechts von der Mittellinie belegene Zelle einen 
Kranz von hellen, an der Zellwand befestigten größeren und zwi- 
schen diesen eine Anzahl ganz kleine, stark roth gefärbte Körnchen 
zeigt, die den Körnchen entsprechen, die man, bei Anwendung der 
stärksten Vergrößerung, in dem intergranulären Netzwerk der intak- 
ten, farblosen Körnchenzellen eingeschlossen findet. Das hier be- 
schriebene Bild legt, gleich den Präparaten aus dem frischen Mate- 
rial, ein unzweideutiges Zeugnis davon ab, dass das protoplasmatische 
Netzwerk in seinen Maschen wirklich fixirte, farblose Eiweißkörnchen 
einschließt und dort nicht, wie vielleicht der Eine oder der Andere 
versucht sein könnte, zu behaupten, leere Räume hat. Die genannten 
Körnchen besitzen außerdem eine schwache, grauliche Schattirung, 
wodurch sie von Lücken im Gewebe unterschieden werden können. 

Fig. 12 zeigt einen Querschnitt durch den Grund einer dicht 
neben der vorigen belegenen Krypte, die sowohl gefärbte, wie farb- 
lose Körnehen und eine »schmale Zelle« enthält. 

Die Deutung der mikroskopischen Bilder ist hier dieselbe, die 
ich weiter vorn in Betreff der bei der weißen Maus gemachten Be- 
funde gegeben habe. Die gefärbten und die farblosen Körnchen 
bilden also nicht zwei in ihrer Natur vollkommen verschiedene Arten 
von Sekretkörnchen, sondern es haben die letztgenannten in ihrer 
chemischen oder physikalischen Konstitution allmählich eine solche 
Veränderung erlitten, dass sie keine Farbstoffe mehr in sich auf- 


Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion etc. 103 


nehmen. In diesem Zustande bilden sie das nächste Vorstadium des 
flüssigen Sekrets. 

Was den Ursprung der kleinen, stark roth gefärbten, zu dem 
intergranularen Netzwerk gehörenden Körnchen (der primären Gra- 
nula) anbetrifft, so bin ich darüber zweifelhaft. Haben wir in ihnen 
vielleicht die weiter vorn erwähnten, aus dem Kern der Zelle aus- 
tretenden feinen, acidophilen Körnchen zu sehen, die ihre vitalen 
Eigenschaften beibehalten haben und eine Art Samen für den neuen 
Zellkörper bilden? Diese Frage ist offenbar von allzu delikater 
Natur, als dass ich mich erdreisten will, darauf eine Antwort zu 
seben. Unwahrscheinlich scheint mir ein solches Verhalten dieser 
Körnchen nicht zu sein. 

Ich will hier die Aufmerksamkeit des Lesers noch auf ein Ver- 
hältnis von Gewicht lenken, welches ich im Folgenden besprechen 
werde: die erwähnten feinen Körnchen findet man bei 
stärkster Vergrößerung sowohl im Grunde der Krypte, wie 
auch höher in ihr hinauf. Das sich zuweilen zeigende deut- 
lichere Hervortreten dieser Körnchen an der letztgenannten Stelle 
hat, meiner Ansicht nach, seinen Grund darin, dass die Zellen dann 
bereits ihren Inhalt an großen, farblosen Körnchen entleert haben, 
so dass in ihnen nur das protoplasmatische Netzwerk mit den in 
ihm enthaltenen primären Granula noch vorhanden ist. Sind die 
Sekretkörnchen groß, dicht an einander gedrückt und dazu gefärbt, 
89 können sie das Auffinden sowohl der primären Granula, wie des 
Netzwerkes in hohem Grade erschweren, wenn nicht ganz und gar 
unmöglich machen. 


3. Kaninchen. . 


Das Untersuchungsmaterial wurde bei stattfindender Darmdigestion 
genommen, was daraus hervorgeht, dass der Darmkanal in seiner 
ganzen Länge mehr oder weniger mit Inhalt gefüllt war. 

Eine Untersuchung des gut fixirten und tingirten Schnittes aus 
dem Dünndarm zeigt im Grunde der Krypten eine besonders hübsche 
Körnchenstruktur, die, was das reichliche Vorkommen der Sekret- 
körnehen anbelangt, beinahe mit der in den Krypten der weißen Maus 
gefundenen vergleichbar ist. Oft sieht man in derselben Krypte, ja 
sogar in derselben Zelle, gefärbte (acidophile) und farblose Sekret- 
körnehen, sowie auch Übergangsstadien zwischen ihnen. Das inter- 
Sranulare Netzwerk tritt deutlich hervor, und in einigen Zellen zeigen 
sich auch primäre Granula. Ein solches Bild zeigt Fig. 13. Körnchen- 


104 William Möller, 


zellen, die nur oder zum größten Theil farblose Körnchen enthalten, 
sind an Zahl überwiegend. Einige von diesen Zellen sind von an- 
sehnlicher Größe. Man kann leicht verstehen, dass sie einen Druck 
auf die angrenzenden Zellen auszuüben vermögen. So findet man 
auch zuweilen eine Anzahl dunkel gefärbter, halbmondförmiger oder 
triangulärer Elemente mit breiter Basis zwischen den hellen Körnchen- 
zellen und der Membrana propria zusammengepresst. Im Querschnitt 
durch den Grund der Krypte bieten diese Elemente eine frappirende 
Ähnlichkeit mit Grawuzzı’s Halbmonden dar. 

Auch nicht die geringste Andeutung von Übergangsformen zwi- 
schen den Körnchenzellen und den höher in der Krypte hinauf sicht- 
baren Schleimzellen habe ich, ungeachtet ich meine Aufmerksamkeit 
auf diesen Punkt gerichtet hielt, finden können. 


Körnehenzellen werden nur ausnahmsweise oberhalb des Fundus 
der Krypte angetroffen. Dieselben befinden sich in einer gewissen 
Entfernung von den Schleimzellen. 


Dass die als helle Körncehen bezeichneten Gebilde wirklich solche 
Körnchen und nicht Vacuolen oder leere Räume im Innern der Zelle 
darstellen, geht deutlich aus den Fällen hervor, wo einige dieser 
Körnchen ausgefallen sind. Hier tritt der Kontrast zwischen der 
Lücke in der Zelle und den umliegenden, schwach ins Graue spielen- 
den Körnchen mit besonderer Schärfe hervor. 


Ich muss hier hinzufügen, dass ich im Duodenum keine Körnchen- 
zellen gefunden habe. Dagegen finden sich hier, wie bekannt, die 
BRUNNER’ schen Drüsen. Die LIEBERKÜHN schen Kryten erscheinen 
hier verschrumpft und zusammengedrückt. Es sieht aus, als ob die 
ersteren sich auf Kosten der letzteren entwickelt und vielleicht auch 
ihre Funktion übernommen hätten. 


Schnitte aus dem Diekdarm des Kaninchens zeigen 
keine Körnchenzellen von dem beschriebenen Aussehen. In einer 
anderen Hinsicht bieten sie jedoch ein recht interessantes Bild dar. 
Meine Präparate zeigen nämlich alternirende, schwach gefärbte und 
farblose Zellen in der ganzen Länge der Krypte. Die erstgenannten 
scheinen aus ganz kleinen, farblosen Körnchen mit undeutlichen 
Kontouren zusammengesetzt zu sein, in ihrer Größe denjenigen an- 
sehnlich nachstehend, die man in den Körnchenzellen im Dünndarm 
antrifit; zwischen den Körnchen ist ein gefärbtes Netzwerk zu sehen. 
Die letztgenannten Zellen zeigen nur feine längslaufende Fäden auf 
einem farblosen. Hintergrunde. 


Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion etc. 105 


4, Rind. 


Was mein Material von diesem Thier betrifft, so konnte ich über 
die Zeit, die zwischen der letzten Mahlzeit und der Tödtung des 
Thieres verflossen war, keine sicheren Aufschlüsse gewinnen. Im 
Darmkanal wurde in seiner ganzen Länge Inhalt angetroffen. 

Eine mikroskopische Untersuchung der Schnitte aus dem Dünn- 
darım dieses Thieres zeigte das Vorkommen von zahlreichen Körnchen- 
zellen nicht nur in dem eigentlichen Fundus der LiEBERKÜHN’schen 
Krypten, sondern auch höher in ihnen hinauf, gegen ihre Mitte hin. 
Die Körnchen sind von ziemlich ansehnlicher Größe, theils gefärbt, 
acidophil, theils farblos. Zwischen ihnen finden sich, wie Fig. 14 
deutlich zeigt, verschiedene Übergangsformen. 

Da das Verhalten der Körnchenzellen hier in der Hauptsache 
mit dem weiter vorn geschilderten übereinstimmt, brauche ich es nicht 
weiter zu beschreiben. 

Im Diekdarm sind keine Körnchenzellen zu entdecken. 

_ Ich will nun die Aufmerksamkeit des Lesers auf eine von mir 
noch nicht erwähnte Art von Epithelzellen lenken. 

Untersucht man mit EHrLIicH-Bıoxpi’s Flüssigkeit tingirte 
Sehnitte aus dem Darm des Rindes genau, so kann man an der 
Basis gewisser Epithelzellen kleine, gelbe Flecken sehen, die sich 
bei starker Vergrößerung aus äußerst feinen, gleich großen, orange- 
farbigen Körnchen bestehend zeigen. Dieselben nehmen den ganzen 
Theil der Zellen ein, der zwischen dem Kern und der Basis liegt; 
seltener erstrecken sie sich über den Kern hinaus, gegen die Spitze 
der Zelle hin. Der Umstand, dass sich die Granulationen genau 
innerhalb der Zellengrenzen halten, macht es möglich, Verwechselungen 
mit Leukocyten mit einem ähnlichen Inhalt zu vermeiden. Dazu kommt 
noch, dass man den großen, klaren, ovalen Kern in einer Epithelzelle 
leicht von dem Kern in den Leukocyten unterscheiden kann. 

Die genannten, fein granulirten Zellen kommen im Allgemeinen 
sparsam vor. Bei Anwendung von Zeiss’ homogener Immersion 1/12 
kann man im Gesichtsfeld 2 bis 3 solche Elemente finden. Sie werden 
sowohl im Oberflächen-, wie im Drüsenepithel, sowohl im Dünn-, 
wie im Dickdarm, am zahlreichsten aber im Drüsenepithel des 
Dünndarmes angetroffen. Zuweilen zeigen sich die Körnchen mit 
Säurefuchsin gefärbt, auf alle Fälle sind sie aber von acidophiler 
_ Natur. 

Eine Veränderung in der Form der Zelle, verursacht durch das 


106 William Möller, 


Auftreten der Granulation, habe ich nicht beobachten können, und 
eben so wenig habe ich Übergangsformen zwischen den genannten 
feingranulirten Zellen und den Körnchen- oder Schleimzellen ge- 
sehen. 

Fig. 15 zeigt solche Zellen im Oberflächenepithel bei der Katze, 
wo ich sie zuerst beobachtet habe. 

Ich freute mich eine Zeit lang in dem Gedanken, der Erste zu 
sein, der diese eigenthümlichen Elemente beobachtet hat, bei einem 
senaueren Studium der Litteratur fand ich aber, dass es wahrschein- 
lich dieselben Zellen sind, die KuULTSCHITZKY (32, p. 16) im vorigen 
Jahre (1897) beim Hunde beschrieben hat. KULTSCHITZKY sagt über 
sie unter Anderem: »Im Epithelüberzuge des Darmkanals hatte ich 
Gelegenheit, Elemente zu beobachten, welche, so viel mir bekannt, 
bisher von anderen Beobachtern noch nicht beschrieben worden sind 
und welche im Zusammenhang mit den Ergebnissen, die wir schon 
längst in der Histologie des Darmkanals besitzen, ohne Zweifel ein 
großes Interesse darbieten.« 

»Die Elemente, von denen jetzt die Rede ist, können am leich- 
testen unter folgenden Bedingungen untersucht werden: die Objekte 
müssen gut fixirt werden in meiner oben erwähnten Flüssigkeit und 
gefärbt mit der EHRLICH-BIonpr' schen Mischung. Dabei erweist es 
sich, dass die in Rede stehenden Elemente nach ihren morphologi- 
schen Eigenschaften sich durch nichts von den gewöhnlichen Darm- 
epithelzellen (mit Randsaum) unterscheiden; mithin enthalten sie in 
ihrem Protoplasma besondere charakteristische Körner. Diese letz- 
teren können entweder sehr zahlreich sein und mehr als die halbe 
Zelle einnehmen, stets an der Seite, welche zum unterliegenden Ge- 
webe gewendet ist, oder es ist ihre Menge eine geringe; zuweilen 
beträgt dieselbe ein kaum merkbares Minimum. Zellen mit solchen 
Körnern sind auch in dem die Darmzotten bekleidenden Epithel und 
im Epithel der LieBerkünx’schen Drüsen eingelagert.« 

»Bei kurz dauernder Färbung (24 Stunden) erhalten die Körner 
dieser Zellen eine helle gelbe Tinktion, wobei sie aus der erwähnten 
Mischung das Orange aufnehmen; währt aber die Färbung mehrere 
Tage, so werden sie roth, da sie schon Säurefuchsin absorbiren. Zu 
dieser Zeit sind die in Rede stehenden Elemente besonders deutlich 
sichtbar, weil alle übrigen Zellen schmutzig blau gefärbt erscheinen. 
Auf Grund jenes Umstandes, dass die von uns untersuchten Körner 
aus der erwähnten EHRLICH-Bınopr’schen Mischung nur Orange und 
Säurefuchsin absorbiren, d. h. ausschließlich nur saure Farben, sind 


Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion etc. 107 


wir berechtigt, den Schluss zu ziehen, dass diese Körner ohne 
Zweifel acidophile Eigenschaften besitzen.« 

Dieser Schilderung fügt KuLTscHITzky drei Zeichnungen (Fig. 6, 
7 und S) bei. 
| Früher als KULTSCHITZEY hat NıcoLas (24, p. 56) eigenthümliche 
Epithelzellen mit acidophilen Granulationen abgebildet, die er in der 
Tiefe der Schleimhautfalten im Darm der Eidechse fand. Wahr- 
scheinlich sind diese Zellen mit den von KULTSCHITZKY und mir 
beschriebenen identisch. NıcoLas fügt seiner Zeichnung (Fig. 40) 
nur folgende Worte bei: »Pour terminer je signalerai des elements 
que jai rencontres exclusivement dans la profondeur des sillons et 
qui sont assez rares. Ce sont des cellules en forme de bonuteille 
dont le col aminci arrive jusquau niveau de la surface des cellules 
epitheliales voisines. Leur protoplasma est farci litteralement de 
sranulations extrömement fines colorees en rouge vif; leur noyau 
petit, & structure indistinete et teinte en violet, est plus rapproche 
de la portion retrecie que de la base de la cellule. Elles ne se 
rattachent par aucun intermediaire aux cellules ä grains, encore bien 
moins aux cellules ealiciformes et leur regularite ne me semble pas 
permettre de supposer que ce pourrait €tre des leucocytes migrateurs 
ä granulations safranophiles. Force m’est done de poser la question 
sans la resoudre.« 

Auch KurtscHiTzkyY hat die Frage von der Bedeufung dieser 
Zellen aufgestellt. Obschon es ihm nicht gelungen ist, sie zu lösen, 
hat er doch einige interessante Beiträge zur Kenntnis von dem Vor- 
kommen dieser Elemente geliefert. Insbesondere hat er sich mit der 
Frage beschäftigt, in wie fern die acidophilen Körnehen in den Epithel- 
zellen integrirende Theile des Zellkörpers bilden oder ihm von außen 
zugeführt sind, in welchem Falle sie ja nur als eine zufällige Eigen- 
thümlichkeit seines Protoplasmas zu betrachten wären. 

Er konstatirt zuerst, dass die Menge der acidophilen Körnchen 
in den Zellen bedeutendem Wechsel unterworfen ist. Bei voll- 
kommen gleicher Größe und Form der Epithelzellen sieht man, sagt 
er, das eine Mal eine geringe Menge feiner Körnchen, welche zer- 
streut liegen, das andere Mal eine dichte Masse von groben und 
feinen Körnchen, die wenigstens die gegen das unterliegende Gewebe 
gekehrte Hälfte der Zelle füllen. Nur die Gegenwart der genannten 
Körnehen trennt die Epithelzellen, in denen die Körnchen einge- 
schlossen sind, von den nahe gelegenen Elementen ohne Körnchen. 

Die Anzahl der feingranulirten Epithelzellen wechselt mit dem 


108 William Möller, 


verschiedenen physiologischen Zustand des Darmkanals.: Wird das 
Versuchsthier in der gewöhnlichen Weise genährt, so findet man stets 
eine gewisse Menge feingranulirte Zellen im Darmepithel, und zwar 
scheinbar in den Krypten etwas zahlreicher als in dem Oberflächen- 
epithel. Wenn hingegen das Thier nach einer gewöhnlichen Ausfutte- 
rung einmal eine größere Menge Fleisch erhielt und 16 bis 24 Stunden 
danach getödtet wurde, war die Menge der Epithelzellen mit acidophilen 
Körnchen unvergleichlich größer als im vorigen Falle. Bei einem 
dritten Versuch wurde das Thier einem achttägigen Fasten unterworfen ; 
am 6., 7. und 8. Fasttag erhielt es Magnesium sulfuricum, 15 & jedes 
Mal, worauf es einige Stunden nach der letzten Einführung der Salz- 
lösung getödtet wurde. In diesem Falle konnten keine Epithelzellen 
mit einigermaßen deutlich ausgeprägten acidophilen Granulationen 
beobachtet werden. 

Die genannten Versuche gleichen vollständig den Versuchen, die 
HEIDENHAIN (18, p. 78) anstellte, um zu ermitteln, unter welchen 
Verhältnissen Leukocyten mit rothen, acidophilen Granula in der 
Darmschleimhaut auftreten. Die Befunde der beiden Forscher stim- 
men, wenn man von dem dritten Versuch, dessen Ergebnis sich für 
HEIDENHAIN so gestaltete, dass die Menge der rothgranulirten Leuko- 
cyten sich auch jetzt vermehrt zeigte, absieht, mit einander überein. 

Auf Grund der angeführten Facta kommt KULTSCHITZKY zu der 
Ansicht, dass die feingranulirten Epithelzellen den physiologischen 
Thätigkeitszustand der Darmschleimhaut charakterisiren; die acido- 
philen Körnchen seien eins der Resultate dieser Thätigkeit. Hieraus 
zieht er wieder den Schluss, dass sie höchst wahrscheinlich von außen 
in die Epithelzellen gelangt oder ein Produkt der resorbirenden 
Thätigkeit derselben sind. 

Über das weitere Schicksal der acidophilen Körnehen spricht er 
die Vermuthung aus, dass sie von den Epithelzellen ausgestoßen und 
dann von Leukoeyten aufgenommen werden. Durch diese Verbindung 
entstehe die von HEIDENHAIN geschilderte Form von Leukocyten, die 
durch rothe, acidophile Granula charakterisirt sind. Diese Vermuthung 
könne auch die vollkommene Identität zwischen den Körnchen in 
HEIDENHAIN’s eben genannter beukoeyt uotn und den Körnchen in 
den Epithelzellen erklären. 

KurtscHitzkyY betrachtet die Epithelzellen mit acidophilen Körn- 
chen als noch in einer anderen Hinsicht von Interesse. Sie scheinen 
nämlich in gewissem Grade Licht über die Bedeutung der LIEBER- 
KÜHN schen Krypten als Resorptionsorgane zu verbreiten. 


Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion etc. 109 


Ich erlaube mir, als ein ferneres Beispiel von den divergirenden 
Ansichten der Forscher über den letztgenannten Punkt KuLTtscHitzky’s 
eigene Worte’anzuführen: »Es unterliegt keinem Zweifel, dass diese 
einfachen tubulösen Drüsen zu bestimmten Zeiten als Sekretions- 
orsane erscheinen. Dafür sprechen wenigstens die Becherzellen, 
deren Sekret sich in das Lumen der Lisserkünn’schen Drüse er- 
sjeßt. Nicht unbegründet jedoch meinten Einige (HoPPE-SEYLER), 
dass die LIEBERKÜHN’schen Drüsen in gleichem Maße auch als 
Absorptionsapparate dienen könnten, die absorbirende Fläche des 
Epithelüberzuges vergrößernd. Zwar ist gegen die Hypothese Hoppr- 
SEYLER’s ein Einwand erhoben worden, und namentlich wurde an- 
senommen, dass in das Lumen der LiEBERRÜHN’schen Drüsen der 
Darminhalt nicht hineinkäme. In der That könnte man glauben, 
dass mehr oder minder feste Theile des Darminhalts nicht in das 
Lumen der LiEBERKÜHN’schen Drüsen gerathen, jedoch ist das Ein- 
dringen von aufgelösten Theilen kaum in Abrede zu stellen.« 

So viel ich weiß, sind die hier mitgetheilten Beobachtungen von 
KULTSCHITZKY und NıcoLAs die einzigen, die vor den meinigen in 
Betreff der feingranulirten Epithelzellen gemacht worden sind. Ob- 
gleich meine Beobachtungen nur in ein paar unwesentlichen Punkten 
von den von diesen Forschern gemachten abweichen, will ich sie 
doch flüchtig hervorheben. 

Was NıcotAs’ Schilderung betrifft, so will ich nur bemerken, 
dass ich bei Säugethieren keinen merkbaren Unterschied im Aus- 
sehen des Kernes der feingranulirten und der übrigen Epithelzellen 
habe beobachten können. 

In wie fern es nur die Tinktionszeit ist, welche bestimmt, dass 
die acidophilen Granulationen die Farbe des Orange oder Säure- 
fuchsins annehmen, kann ich nicht mit Bestimmtheit entscheiden. 
Es scheint mir jedoch, als ob der etwas variirende Gehalt der Färbe- 
flüssiskeit an sauren Farbstoffen auf das Ergebnis einwirken könne, 
denn ich habe auch nach 24stündiger Tinktion säurefuchsinfarbige 
Granulationen angetroffen. In der Mehrzahl der Fälle findet man 
die Granulationen nach Verlauf der genannten Zeit jedoch orange- 
farbig. 

Es geht aus Kuurschirzky’s Aufsatz nicht hervor, bei welchen 
Thieren er die feingranulirten Epithelzellen gefunden hat. Seine 
Zeichnungen zeigen sie nur beim Hunde. Eben so wenig giebt er 
bestimmt an, ob sie auch im Epithel des Diekdarmes vorkommen. 
Ich für meinen Theil habe sie sicher bei folgenden Thieren: dem 


440 William Möller, 


Hund, der Katze, dem Rind, dem Schaf und dem Schwein beobachtet, 
und zwar nicht nur im Dünndarm, sondern auch im Dickdarm. 

Nennenswerthe Verschiedenheiten in der Ausbreitung der Granula- 
tionen in den Zellen habe ich selten bemerkt. Dieses kann jedoch 
darauf beruhen, dass ich nicht Gelegenheit gehabt habe, den Darm 
in sehr verschiedenem physiologischem Zustande zu untersuchen. 

Die von HEIDENHAIN beschriebenen Leukocyten habe ich oft 
beobachtet. Sehr zahlreich finden sie sich in meinen Präparaten 
aus dem Dünndarm des Rindes. Ich finde hier nicht nur eine, 
sondern zwei Arten von solchen Leukocyten. Die in ihrer Anzahl 
überwiegenden zeigen intensiv rothgefärbte Granula, welche an Größe 
die meistentheils orangegefärbten feinen Körnchen, die man in den 
Epithelzellen antrifft, nicht wenig übertreffen. In den Leukocyten 
der anderen Art sind die Körnehen beinahe von derselben Größe, 
wie in den feingranulirten Epithelzellen, aber von rothgelber Farbe. 
Solche Elemente finden sich in bedeutend geringerer Zahl als die 
erstgenannten. 

Auf Grund der Verschiedenheiten in der Größe oder Farbe, die 
sich zwischen den Granulationen in den Epithelzellen und denjenigen 
in den Leukocyten finden, betrachte ich die Identität dieser Granula- 
tionen nicht als über allen Zweifel erhoben. 

Da ich nicht über die erforderliche Zeit verfügte, um einige 
physiologische Versuche anzustellen, kann ich mich nicht entschei- 
dend über die Bedeutung der feingranulirten Epithelzellen äußern. 
Ich muss mich desshalb auf einige Betrachtungen beschränken. 

Gegen die Richtigkeit von KuLtscHirzky’s Ansicht, dass die 
Granulationen ein Produkt der resorbirenden Thätigkeit der Epithel- 
zellen sind, scheinen in gewissem Grade folgende Umstände zu 
sprechen: 1) ihre relativ geringe Anzahl bei Ausfutterung des Thieres 
in gewöhnlicher Weise; 2) ihr konstantes Auftreten zuerst an der 
Basis und nicht, was man erwarten könnte, wenn sie durch die 
resorbirende Thätigkeit der Zelle von außen in sie gelangten, in der 
Spitze der Zelle; 3) ihr beinahe gleich reichliches Vorkommen im 
Epithel des Diekdarmes und des Dünndarmes; 4) die nicht auszu- 
schließende Möglichkeit, dass sie im Zellkörper gebildet werden, um 
als ein Bestandtheil, vielleicht als ein Ferment, in das Sekret ein- 
zugehen, oder dass sie ein während der Lebensthätigkeit der Zelle 
entstandenes Exkretionsprodukt bilden, das von nahe gelegenen 
Lymphkapillaren aufgenommen und entfernt wird. 

Der Unsicherheit in solchen theoretischen Spekulationen wie den 


Anatomische Beiträge zur Frage_von der Sekretion ete. 111 


vorstehenden bin ich mir vollkommen bewusst, doch bin ich der An- 
sicht, dass man, um eine einseitige Auffassung zu vermeiden, eine 
Menge Möglichkeiten in Betracht ziehen muss. 


5. Schaf. 


Ich werde hier zuerst die mikroskopischen Bilder beschreiben, 
die in den Figuren 1 und 2 wiedergegeben sind, da dieselben meiner 
Ansicht nach, als möglicherweise geeignet, vom anatomischen Stand- 
punkt eine wichtige physiologische Frage, die Art und Weise der 
Resorption der Eiweibstoffe betreffend, zu beleuchten, eine besondere 
Aufmerksamkeit verdienen. 

Fig. 1 giebt das Bild eines Villus aus dem Duodenum des 
Schafes wieder, und Fig. 2 stellt eine LIEBERKÜHN’'sche Krypte aus 
dem Dickdarm dieses Thieres dar. Die Schnitte sind mit EHRLICH- 
Bıoxpr’s Flüssigkeit tingirt. Sowohl die Fixirung, wie die Tinktion 
ist besonders gut ausgefallen. 

Über die Zeit, die zwischen der letzten Mahlzeit und der Tödtung 
des Thieres verflossen war, ließ sich kein sicherer Aufschluss erhalten. 
Der Darmkanal zeigte sich zum größeren Theil mit Inhalt gefüllt. 

Betrachtet man das Oberflächenepithel in Fig. 1 aufmerksam, 
so sieht man in ihm eine große Anzahl Leukocyten, die durch ein 
farbloses Protoplasma und einen intensiv roth gefärbten Kern! mit 
scharf hervortretenden Kernkörperchen gekennzeichnet sind. Das 
reichliche Vorkommen der Leukocyten tritt noch besser in Tangential- 
schnitten des Oberflächenepithels hervor. In solchen Schnitten sieht 
es aus, als ob jede dritte oder vierte Zelle ein Leukoeyt der be- 
schriebenen Art sei. Fig. 1 zeigt rechts an der Basis des Villus 
einen Zipfel eines solchen Tangentialschnittes. 

Indessen beobachtet man bald, dass neben diesen Leukocyten 
im Oberflächenepithel eine große Anzahl andere Elemente liegen, die 
durch ihren Inhalt an relativ großen, runden Körnchen von wechseln- 
der Farbe, rothen, gelben und grünen, die Aufmerksamkeit auf sich 
lenken. Die Körnchen in den einzelnen Zellen sind theils gleich, 
theils verschieden gefärbt. Der Kern liegt oft, mehr oder weniger 


1 Dass die Körnchen in diesem Falle einen sauren Farbstoff (Säurefuchsin) 
aufgenommen haben, ist, da sie sich ja bekanntlich in der Regel mit basischen 
Farbstoffen tingiren, geeignet, eine gewisse Verwunderung zu wecken. Vielleicht 

ist die Ursache dieses eigenthümlichen Verhältnisses darin zu suchen, dass 
sich die Kernsubstanz durch die Einwirkung des angewandten Fixirungsmittels 
in ihrer chemischen Natur verändert hat. 


112 William Möller, 


abgeplattet, in dem einen Ende der Zelle; zuweilen ist er gar nicht 
zu beobachten, was darauf beruht, dass ihn die zahlreichen Körnchen 
verdecken oder dass er nicht mit in den Schnitt gekommen ist. In 
diesem Falle findet man ihn in einem der nächsten Schnitte der 
Serie. Ich habe ihn nie fehlen sehen. 

Untersucht man dann mit Aufmerksamkeit das Aussehen des 
Kerns in diesen mit gefärbten Körnchen vollgepfropften Zellen, so 
findet man, dass derselbe die größte Übereinstimmung mit dem Kern 
in den zuerst beschriebenen Leukoeyten mit dem farblosen Proto- 
plasma zeigt. 

Ich wage hieraus den wichtigen Schluss zu ziehen, dass wir 
in den mit Körnchen gefüllten Zellen im Oberflächen- 
epithel mononucleare Leukocyten zu sehen haben, die 
aus entsprechenden körnchenlosen Elementen dadurch 
hervorgegangen sind, dass diese Elemente inner- oder 
außerhalb des Oberflächenepithels Körnehen in ihr Inneres 
aufgenommen haben. Es finden sich also, was eine Betrachtung 
der die Seiten des Villus nahe seiner Basis bekleidenden Theile des 
Epithelüberzuges in Fig. 1 deutlich zeigt, theils »mit Körnehen ge- 
füllte«, theils »leere« Leukocyten, oft Seite an Seite gelegen, im 
Oberflächenepithel. 

Richten wir nun den Blick auf das Innere des Villus, so finden 
wir ihn von einer Menge großer kugelförmiger Bildungen erfüllt, 
zusammengesetzt aus relativ großen Körnchen, die ihrerseits zuweilen 
wieder aus äußerst feinen Körnchen bestehen. Die Körnchen sind 
in Größe und Farbe ganz denjenigen ähnlich, die sich im Ober- 
flächenepithel finden. Auch ein ähnlicher Kern kann bei genauer 
Betrachtung oft nachgewiesen werden. Wir finden also die mit 
Körnchen vollgepfropften Leukocyten auch im Innern des 
Villus, den größten Theil desselben einnehmend. Indessen merkt 
man, dass sich die Anzahl derselben in dem Verhältnis, in 
dem man sich der Basis des Villus nähert, allmählich ver- 
mindert. So finden wir einen Strich von körnehenführenden Leuko- 
cyten auf dem Wege nach dem Inneren der Darmschleimhaut. Und 
hier zerstreuen sie sich sichtlich mehr und mehr. Wir treffen einen 
Theil derselben in dem interglandulären Gewebe, einen anderen und 
größeren Theil zwischen den Epithelzellen in den Krypten (siehe 
Fig. 2). Weiter vermögen wir sie in dem mikroskopischen Bilde 
nicht zu verfolgen. 

Vor die Frage von der Deutung dieses Bildes gestellt, zaudere 


Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion ete. 113 


ich nicht es als ein Resorptionsbild zu erklären, welches mir 
geglückt ist, gut zu fixiren und zu tingiren. Die Resorption scheint 
mir durch eine besondere Art von mononuclearen Leukocyten ver- 
mittelt zu werden, die das Nahrungsmaterial in der Form von feinen 
Körnchen im Epithel aufnehmen, und es dann in die Villi und 
schließlich in das Innere der Schleimhaut transportiren. Dass die 
Leukocyten die Körnchen in der Schleimhaut und nicht im Lumen 
des Darmkanals erfassen, schließe ich daraus, dass man auf der 
Oberfläche des Epithelüberzuges weder Leukocyten noch Körnchen 
findet. 

Auf die Frage, welcher Art diese Körnchen sind, kann ich, da 
wir noch keine anwendbare mikrochemische Reaktion für die Nach- 
weisung von Eiweißstoffen haben'!, keine völlig sichere Antwort 
geben. Auf dem Wege des Ausschließens gelangte ich zu der Auf- 
fassung, dass sie Albuminatkörnchen seien. Sie bestehen sicherlich 
nieht aus Fett, denn dann würden sie durch die Einwirkung 
des Alkohols und des Chloroforms aufgelöst worden sein und auch 
nieht das Vermögen besessen haben, sich intensiv mit Anilinfarb- 
stoffen zu tingiren. Die Kohlenhydrate, gleich wie auch die Salz- 
lösungen, werden ja bekanntlich nicht in fester Form resorbirt. Es 
bleiben also nur die Eiweißstoffe übrig. 

Aber es entsteht da die Frage: werden denn die Eiweißstoffe 
in fester Form resorbirt und ist es nicht wahrscheinlicher, dass dieses 
in aufgelöstem Zustande als Pepton geschieht? Ich werde versuchen, 
diese Frage, so weit es möglich ist, dadurch zu beantworten, dass 
ich das Hauptsächlichste von unserer gegenwärtigen Kenntnis der 
Eiweißresorption referire. 

Allgemein als richtig anerkannt ist die Annahme, dass der 
‚srößte Theil der Eiweißstoffe in Pepton umgewandelt wird und als 
solches mit der Darmschleimhaut in Berührung kommt; in der Darm- 
schleimhaut verschwindet aber das Pepton, und es kann dann, un- 
geachtet es bei Vermischung mit Blut außerhalb des Körpers seine 
Konstitution gut beibehält, weder im Chylus, noch im Blute nach- 
gewiesen werden. Hieraus hat man den Schluss gezogen, dass das 


1 Anm. bei der Korrektur. Gerade als ich dabei war, meine Arbeit 
abzuschließen, erhielt ich Kenntnis von einer Methode für die mikrochemische 
Nachweisung von Eiweißstoffen, welche kurz vorher von SAINT-HILAIRE (38) 
angegeben worden war. Vielleicht wäre es mir mit dieser Methode geglückt, 
den positiven Beweis für die Richtigkeit meiner Annahme zu liefern, dass die 
in Rede stehenden Körnchen Albuminatkörnchen sind. 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Bd. 


114 William Möller, 


Pepton nach seiner Resorption in der Darmschleimhaut wieder in 
Eiweißstoffe umgewandelt werde, welche Umwandlung das in den 
Zellen vorhandene Protoplasma vermittele. 

Die große Bedeutung des lebenden Protoplasmas für den Re- 
_sorptionsprocess im Darmkanale ist gegenüber der Anschauungsweise 
der älteren Forscher, die in der Resorption nur einen einfachen 
Diffusionsprocess sahen, meines Wissens zuerst (1883) von HoPrPre- 
SEYLER (27, p. 351) hervorgehoben worden. HoPPE-SEYLER’s Theorie 
ist nachher durch neue Forschungsergebnisse mehr und mehr be- 
kräftigt worden. 

Was namentlich die Rückverwandlung des Peptons in Eiweiß- 
stoffe anbetrifft, so hat man versucht, eine Antwort auf die Frage 
zu geben, wo dieser Process stattfindet. In dieser Hinsicht ist aber 
noch keine Gewissheit erreicht worden. Zwei Theorien stehen ein- 
ander gegenüber. 

Nach der älteren, von HoFMEISTER (35) aufgestellten Theorie 
vermitteln die Leukocyten der Darmwand diese Rückverwandlung. 
Der Theil des resorbirten Peptons, der den Leukocyten in der Darm- 
wand entgeht, und in den Chylusstrom gelangt, wird von den Zellen 
in den mesenterialen Lymphdrüsen assimilirt. Entsprechend dem 
großen Bedarf an Leukocyten für diesen Process findet man unter 
ihnen zahlreiche Mitosen; die jungen Zellen, die in den Saftstrom 
kommen, dienen dazu, die aufgenommenen und von Pepton zurück- 
verwandelten Albuminate zwischen den verschiedenen Organen zu 
vertheilen. Der Verfasser formulirt das Schlussergebnis seiner Unter- 
suchung wie folgt (35a, p. 151): »Die Resorption des Peptons im 
Darm ist sonach kein einfacher mechanischer Diffusions- oder Filtra- 
tionsvorgang, derselbe ist vielmehr eine Funktion bestimmter leben- 
der Zellen, der farblosen Blutkörperchen, und diese spielen bei der 
Ernährung des Organismus mit Eiweiß eine ähnliche Rolle, wie die 
rothen Blutkörperchen bei der Athmung.« 

Diese Theorie hat HEIDENHAIN (18, p. 72) einer scharfsinnigen 
kritischen Untersuchung unterworfen, die ihn zu einer abweichenden 
Ansicht geführt hat. Er sagt hierüber (p. 75): »Ich kann es nicht 
widerlegen, dass die Leukocyten vielleicht eine Rolle bei der Um- 
wandlung des Peptons spielen, aber erwiesen ist sie meiner Ansicht 
nach noch nicht, und sie müsste jedenfalls anderer Art sein, als 
HOFMEISTER es sich vorstellt. Die bekannten Beobachtungen SCHMIDT- 
MÜHLHEIMsS machen es sehr wahrscheinlich, dass die resorbirten 
Albuminate direkt, und nicht auf dem Umwege der Chylusbahnen, 


Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion ete. 115 


in das Blut gelangen. Da nun aber das Blut kein Pepton enthält, 
und da die Blutbahnen dicht an die Epithellage stoßen, ist man 
darauf hingewiesen, schon in dieser Schicht die Stätte für die Rück- 
verwandlung der Peptone in die Eiweißkörper zu suchen. Die Albu- 
minate werden dann aus demselben Grunde. den ich oben für den 
Zucker erwiesen habe, unmittelbar in das Pfortaderblut gelangen, 
und kein merklicher Bruchtheil durch den Chylus abfließen.- 


Orrer (15, p. 502) hat neulich in der vorliegenden Frage eine 
in gewissen Hinsichten vermittelnde Ansicht ausgesprochen. Er 
schreibt: >Ich schreibe den Leukocyten als Thätigkeit nicht den 
Transport des aufgenommenen Nährmaterials zu, sondern nur die 
Umwandlung desselben. Gerade dieht unter dem Epithel, wo nach 
HEIDENHAN die Stätte für die Rückverwandlung der Peptone in die 
Eiweißkörper zu suchen ist, ist durch die ganze Wirbelthierreihe die 
Ansammlung der Leukoeyten eine sehr große. Was läge da näher, 
als an eine Antheilnahme der Leukoeyten an dieser Umwandlung 
zu denken! Selbstverständlich möchte ich damit nicht gesagt haben, 
dass dies die einzige Aufgabe der Leukocyten im Darme sei. Schon 
die verschiedenen Formen dieser Zellen lassen auf eine vielseitige 
Thätiskeit schließen. Eben so würde eine solche Thätigkeit der 
Leukocyten eine gleiche oder ähnliche Thätigkeit des Oberflächen- 
epithels nicht ausschließen. « 

Aus dem hier Gesagten geht Folgendes hervor: Mit Sicherheit 
wissen wir, dass das Pepton schon in der Darmwand in Eiweibstoffe 
derselben Art, wie die im Blute vorkommenden, zurückverwandelt 
wird, in Betreff der Zellen aber, die diese Assimilation bewerk- 
stelligen, hat man zwischen den Öberflächenepithelzellen und den 
Leukoceyten zu wählen. Die Leukocyten dienen nach der Ansicht 
einiger Forscher auch als Transporteure der Eiweißstoffe, eine Funk- 
tion, die von anderen Forschern in Abrede gestellt wird. Ob die Ei- 
weißstoffe ausschließlich in Lösung oder möglicherweise zum Theil 
in fester Form (als feine Körnehen?) resorbirt werden, scheint mir 
aus den Äußerungen der Autoren nicht deutlich hervorzugehen. Doch 
ist es mir so vorgekommen, als ob man mehr zu der ersten Annahme 
hinneige. | 

Schließlich ist zu erwähnen, dass, wie aus den Untersuchungen 
von BRÜCKE, BAUER, VoIT u. A. hervorgeht, auch nicht in Pepton 
umgewandeltes Eiweiß aus dem Darm resorbirt werden kann. 


Da unsere Kenntnisse in der vorliegenden Frage noch ziemlich 


S# 


116 William Möller, 


mangelhaft sind, dürfte auch ein Beitrag, wie der soeben von 
mir gelieferte, auf ein gewisses Interesse Anspruch machen können. 

Wenn ich nun die von mir beschriebenen mikroskopischen Bilder 

mit Berücksichtigung von HOFMEISTER's und HEIDENHAM’s Theorie 
zu deuten suche, so komme ich zu folgendem Ergebnis. 
Da ich im Oberflächenepithel keine freien Körnchen zu entdecken 
vermochte, ist es mir unmöglich, bestimmt zu entscheiden, ob die 
Rückverwandlung des Peptons in Albuminate im Oberflächenepithel 
oder erst in den Leukocyten stattfindet. Die letzte Annahme hat 
meiner Ansicht nach, da man außerhalb der Leukoeyten keine Körn- 
chen findet, die größere Wahrscheinlichkeit für sich. Die erste wäre 
gleichwohl möglich, vorausgesetzt, es ist die Resorption so weit fort- 
geschritten, dass die von den Zellen des Oberflächenepithels gebilde- 
ten Albuminatkörnchen bereits von den Leukoceyten aufgenommen 
sind. Außerdem liegt die Möglichkeit vor, dass uns das mikrosko- 
pische Bild die Resorption von nicht in Pepton umgewandelten Ei- 
weißstoffen und nicht von aufgelöstem Pepton zeigt, das erst in der 
Darmschleimhaut in Eiweißstoffe übergegangen ist. 

Bemerkenswerth ist das verschiedene Verhalten, welches die 
Körner zu den Farbstoffen in EHRLICH-Bıonpis Flüssigkeit zeigen, 
indem ein Theil der Körnchen die sauren Farbstoffe, Orange oder 
Säurefuchsin, andere wieder den basischen Farbstoff Methylgrün auf- 
nehmen, dass also die Körnchen theils acidophile, theils basophile 
Eigenschaften besitzen. Auch in ein und derselben Zelle trifft man 
Körnchen von beiden Arten. Es entsteht da die Frage: hat dieses 
Verhältnis seine Ursache in einer wirklichen Verschiedenheit in der 
chemischen oder physikalischen Konstitution der Körnchen, oder nur 
in einem Zufall? Ich betrachte die erste Annahme als die wahr- 
scheinlichere. 

Als unwiderleglich erscheint es mir dagegen, dass das mikro- 
skopische Bild einen durch die Leukocyten vermittelten 
Transport von Nährmaterial zeigt. Wir finden ja die Leuko- 
eyten, wie erwähnt, zwischen den Zellen im Öberflächenepithel, in 
dem Innern des Villus, in dem interglandularen Gewebe und schließ- 
lich auch zwischen den Zellen in den Krypten. Was ihr Vorkommen 
an der letztgenannten Stelle betrifft, so kann man sich für ihr Auf- 
treten daselbst zwei Möglichkeiten denken: entweder haben die mit 
Körnchen gefüllten Leukocyten ihren Inhalt direkt im Epithel der 
Krypten aufgenommen, in welchem Falle diesem Epithel, in Über- 
einstimmung mit den weiter vorn erwähnten Hypothesen von HoPpPpE- 


Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion ete. 117 


SEYLER, KULTSCHITZKY u. A. eine resorbirende Funktion zuzuschrei- 
ben wäre, oder auch haben sie die Körnchen im Oberflächenepithel 
aufgenommen und sie dann in das Innere der Schleimhaut transpor- 
tirt. Für die Richtigkeit der letzten Ansicht spricht die geringe An- 
zahl der Körnchen im Epithel der Krypten im Vergleich zu ihrer 
Anzahl im Oberflächenepithel. An beiden Stellen zeigen die Körn- 
chen übrigens ganz dieselben Verhältnisse. 

Im Gegensatz zu OPPEr’s Ansicht scheint also in diesem Falle 
die Rolle der Leukoeyten als Transporteure des Nährmaterials ziem- 
lieh sicher zu sein, wo hingegen sich ihre assimilirende Funktion 
nicht bestimmt nachweisen lässt. Es erscheint beinahe als eben so 
möglich, dass die Umwandlung des Peptons in Albuminate sowohl 
in den Oberflächenepithelzellen, wie in den Leukoeyten geschehen ist. 
Im ersteren Falle haben die Zellen des Oberflächenepithels ihr Mate- 
rial an die Leukocyten abgeliefert, was vielleicht durch die Kontraktili- 
tät ihres Protoplasmas, die durch die Untersuchungen von THan- 
HOFFER und WIEDERSHEIM sicher erwiesen zu sein scheint (18, p. 48), 
ermöglicht worden ist. 

Ich habe in dem Vorstehenden selbstverständlich nur hervor- 
heben wollen, dass die Leukocyten an der Resorption der, als was 
ich diese Gebilde ansehe, Albuminatkörnchen Theil nehmen. Dagegen 
kann ich natürlicherweise nicht so weit gehen, zu behaupten, dass 
die Eiweißstoffe nur in dieser Weise resorbirt werden, denn es 
könnten sich ja für ihre Resorption andere Wege finden, die in 
einem mikroskopischen Bilde nicht hervortreten. 

Ich will desshalb das Schlussergebnis der vorerwähnten Beob- 
achtung in folgenden Satz formuliren: es scheint mir aus dem 
mikroskopischen Bilde, welches Fig. 1 zeigt, hervorzu- 
sehen, dass eine besondere Gruppe von mononuclearen 
Leukoeyten, wenigstens bei gewissen Thieren oder in ge- 
wissen Fällen, an der Resorption der Eiweißstoffe Theil 
nimmt, und das in feine Körnchen vertheilte Material in 
das Innere der Schleimhaut transportirt. 

Diese Beobachtung steht unter Anderem mit der von SCHÄFER 
und ZAwARYKIN gemachten in Übereinstimmung, dass das Fett von 
den in die Epithelschieht eindringenden Leukocyten aufgenommen 
wird, und zwar entweder, wie ZawARrYkIn annimmt, ausschließlich 
von ihnen, oder, was SCHÄFER’s Ansicht ist, in so fern, als sie in 
der Regel die Aufnahme des Fettes vermitteln, welches bei großem 
Überschuss auch in die Epithelzellen eindringt. Dagegen stimmen 


118 William Möller, 


diese beiden Forscher in der Annahme überein, dass der weitere 
Transport des Fettes ausschließlich durch die Leukoeyten vermittelt 
wird (15, p. 506). 

Ich gehe nun zu der Beschreibung von Fig. 2 über. 

Bei der Untersuchung von Schnitten aus dem Diekdarm des 
Schafes fand ich im Epithel der Krypten eine Anzahl mit Körnehen 
gefüllte Leukocyten, vollständig ähnlich denen, die ich als im Dünn- 
‘ darm dieses Thieres vorkommend beschrieben habe. Doch ist die 
Anzahl der Leukocyten im Diekdarm merkbar geringer als im 
Dünndarm. 

Dass sowohl Pepton, wie nicht in Pepton verwandelte Eiweiß- 
stoffe in der Schleimhaut des Diekdarmes resorbirt werden, ist ja, wie 
bekannt, durch die Untersuchungen von BRÜCKE, Voır und BAUER, 
ÜZERNY, LATSCHENBERGER u. A. dargethan worden. Das Vorkommen 
mit Körnchen gefüllter Leukoeyten in der Schleimhaut des Dick- 
darmes ist daher nicht als ein eigenthümliches Verhältnis, sondern 
als ein Ausdruck für eine Resorption von Eiweißstoffen anzusehen, 
die hier auch stattfindet, obwohl, wovon das relativ sparsame Auf- 
treten der Leukoeyten Zeugnis giebt, in geringerem Maße als im 
Dünndarm. 

Im Dünndarm des Schafes fand ich Körnchenzellen erst nach 
einer sorgfältigen Untersuchung bei möglichst starker Vergrößerung. 
Ihr Vorkommen wäre in Folge der ungewöhnlich geringen Menge 
von Körnchen im Allgemeinen, namentlich aber von gefärbten, bei- 
nahe gänzlich meiner Aufmerksamkeit entgangen. Dieses findet seine 
wahrscheinliche Erklärung darin, dass die Drüsenzellen eben erst den 
größten Theil ihres Inhalts entleert hatten und noch nicht im Stande 
gewesen waren, neue Sekretkörnchen zu bilden. 

Bei der Untersuchung von Schnitten aus dem Duodenum, wo die 
Resorption am lebhaftesten war, konnte ich gar keine Körnchenzellen 
entdecken; ich fand nur im Grunde der Krypten eine Anzahl Zellen, 
die ein verworrenes Netzwerk von feinen Fäden und einzelne »schmale 
Zellen« zeigten. Erst in Schnitten aus der Mitte und dem unteren 
Theil des Dünndarmes, welche Schnitte mit EurLıcH-Bıioxpr's Flüssig- 
keit tingirt waren, gelang es mir, eine geringere Anzahl Drüsenzellen 
mit schwach roth gefärbten und farblosen Körnern, die etwas an das 
in Fig. 13 wiedergegebene Bild erinnern, zu entdecken. 

Dieser Fall zeigt die Nothwendigkeit, die Schnitte, wenn es sich 
um Körnchenstrukturen handelt, aus verschiedenen Theilen des Darmes 
zu untersuchen und dabei die stärkste Immersionslinse anzuwenden, 


Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion ete. 119 


die zu haben ist. Ich will die Bedeutung hiervon in Hinsicht aut 
mögliche künftige Kontrolluntersuchungen betonen. Außerdem sind 
natürlicherweise die Präparationsmethoden (Fixirung in Bichromat- 
Formalinmischung und Tinktion mit EuruıcH-Bıioxpr’s Flüssigkeit) 
anzuwenden, deren ich mich bedient und die ich sehr geeignet ge- 
funden habe. 

Sowohl im Dünn-, wie im Dickdarm beobachtete ich eine sehr 
sroße Anzahl von den vorausbeschriebenen Epithelzellen mit äußerst 
feinen, orangefarbigen Körnchen. Ihre Menge schien im Verhältnis 
zur Menge der körnchenführenden Leukocyten oder, mit anderen 
Worten, zur Lebhaftigkeit des Resorptionsprocesses zu stehen. 

Außer diesen Zellen zeigte das interglandulare Gewebe im Diünn- 
darm eine sehr reiche Anzahl Leukoceyten mit rothen, acidophilen 
Granula, welche die feinen, orangegefärbten, pulverähnlichen Granula- 
tionen in gewissen Epithelzellen bedeutend an Größe übertrafen, 
wesshalb die Hypothese, dass Granula von den genannten Epithel- 
zellen in die Leukocyten transportirt werden, nicht den Eindruck des 
Wahrscheinlichen machte. Dafür sprach auch die ansehnlich größere 
Menge von solchen Leukocyten, als von Epithelzellen mit orange- 
farbenen Granulationen. Ich blieb desshalb bei der Auffassung, dass 
die genannten Granulationen bis auf Weiteres nicht außerhalb der 
Epithelzellen beobachtet werden können. 


6. Pferd. 


Die LieBerkünn’schen Krypten im Dünndarm dieses Thieres 
zeigen eine große Ähnlichkeit mit denjenigen im Dünndarm des 
Rindes. Man findet nämlich im Dünndarm des Pferdes, wie Fig. 16 
zeigt, eine sroße Anzahl Körnchenzellen, die nicht nur im eigent- 
lichen Fundus, sondern auch etwas höher in der Drüsenröhre hinauf, 
gegen ihre Mitte hin, oder, richtiger, in ihrem unteren Dritttheil be- 
legen sind. 

Fig. 16 zeigt einen mit EnrLicH-Bıonpr’s Flüssigkeit tingirten 
Schnitt. Vor der Tinktion habe ich in diesem Falle die Schnitte 
2 Stunden in einer 1/,°/,igen Lösung von koncentrirter Essigsäure in 
destillirtem Wasser liegen lassen und sie nachher unmittelbar für 
eine Zeit von 2 Tagen in die Färbeflüssigkeit übergeführt. Das 
Ergebnis der Tinktion ist desshalb, was die Farben anbelangt, etwas 
von dem in den vorigen Figuren wiedergegebenen verschieden. Die 
Färbung der Körnchen tritt deutlich hervor. Die Körnchen in den 
Körnchenzellen sind von einer rothvioletten bis bläulichen Farbe und 


120 William Möller, 


zeigen eine Menge Übergänge von den intensiv violett tingirten in 
den jungen Körnchenzellen bis zu den schwach blau tingirten in den 
sroßen, vollreifen Körnchenzellen. Die Schleimzellen sind farblos 
oder spielen auch in einigen Schnitten in das Graubläuliche. 

Was in den mit EukLicH-Bioxpr's Flüssigkeit tingirten Schnitten 
die Aufmerksamkeit in einem besonderen Grade auf sich lenkt, ist 
das eigenthümliche Aussehen der Leukocyten. Ich habe in der 
Fig. 16@ das Bild einer solchen Zelle wiedergegeben. Man findet 
dieselbe aus einer Anzahl relativ großen, durchsichtigen, orange ge- 
färbten Kügelchen erbaut, und bei genauem Achtgeben merkt man 
noch einen blau gefärbten Kern, der abgeplattet am Rande der Zelle 
liegt, und zuweilen sogar zwei Kerne. Die erwähnten Leuko- 
cyten sind von ungewöhnlicher Größe und sehr zahlreich. In allen 
meinen Präparaten, die von zwei Thieren entnommenem Material 
angehören, finde ich die Schleimhaut mit solchen Leukocyten voll- 
gestopft, und dieses nicht nur im Dünndarm, sondern auch im Dick- 
darm. Sie liegen sowohl im interglandularen Gewebe, wie zwischen 
den Epithelzellen in den Krypten. Dagegen sieht man nur sehr 
wenige von ihnen innen in den Villi. Sie bilden in einem Theil der 
Schnitte die überwiegende Anzahl aller Leukocyten in der Schleim- 
haut. Man trifft sie zuweilen in reichlicher Menge auch in der 
Submucosa. | 

In wie fern die Kügelchen, aus denen die Zelle erbaut zu sein 
scheint, hier zufällig vorhandene Elemente sind, oder eine bestehende 
Struktureigenthümlichkeit markiren, kann ich nieht mit Bestimmtheit 
entscheiden. Doch muss ich bis auf Weiteres die letztere Ansicht 
für wahrscheinlich ansehen, da ich nicht im Stande gewesen bin, 
einige Leukocyten von dieser Art zu finden, die des genannten In- 
halts an Kügelchen ermangelt hätten. Auf diesen Schluss kann man 
Jedoch keine einigermaßen sichere Ansicht gründen, denn es könnte 
ja sein, dass die Leukocyten, die im Schnitte hervortreten, sich in 
demselben Funktionsstadium befinden und dass sie die Kügelchen, 
mit denen sie gefüllt sind, von außen aufgenommen haben. Ich habe 
es nämlich nicht vermeiden können, meine Aufmerksamkeit auf eine 
sewisse Ähnlichkeit der genannten Leukoeyten mit den von mir aus 
dem Dünndarm des Schafes beschriebenen zu richten. Doch finden 
sich zwischen ihnen auch gewisse Verschiedenheiten. Während die 
ersteren klar und nur orangefarbig sind, zeigen sich die letzteren 
verschieden gefärbt und. undurchsichtig. 

Fig. 17 zeigt ein Stück der Schleimhaut von dem Dünndarm des 


Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion ete. 121 


Pferdes. Ich habe das mikroskopische Bild abzeichnen lassen, weil 
es einen in die Augen fallenden Unterschied zwischen den Farben 
der im Grunde der Krypten gelegenen Körnchenzellen und den höher 
in der Drüsenröhre hinaufliegenden Schleimzellen zeigt. Das Material 
ist in Hermann’s Flüssigkeit fixirt und der Schnitt 10 Minuten mit 
DELAFIELD’s Hämatoxylin gefärbt, hierauf einige Stunden entwässert 
und dann 24 Stunden in einer Lösung von Safranin G (1 g auf 100 ccm 
absoluten Alkohol + 200 ccm Wasser) tingirt worden. 

Untersucht man einen in dieser Weise behandelten Schnitt, so 
findet man die Körnchenzellen nur schwach tingirt, was seine Er- 
klärung darin findet, dass die Sekretkörnchen keinen Farbstoff auf- 
senommen haben, während sich das intergranulare Netzwerk dunkel- 
blau gefärbt hat. Dahingegen zeigen die Schleimelemente eine 
intensive, rothbraune Farbe, die deutlich auch in den Zellen hervor- 
tritt, wo nur die Spitze eine geringe Menge Schleim enthält. Über- 
sangsformen zwischen den Körnchenzellen und den Schleimzellen 
konnte ich, ungeachtet ich meine Aufmerksamkeit auf diesen Punkt 
gerichtet hatte, nicht finden. 

Ich habe solche Präparate auch von den anderen der von mir 
untersuchten Thiere gemacht und dazu Material angewendet, das in 
HERMAnN’s oder Fremmine’s Flüssigkeit fixirt war. Was die Tink- 
tionsmethoden anbetrifft, so habe ich theils einfache Färbung mit 
Safranin oder Hämatoxylin, theils Doppelfärbung und zwar, ent- 
weder zuerst mit Safranin und dann mit DELAFIELD’s Hämatoxylin, 
oder auch in umgekehrter Weise angewendet, und schließlich habe 
ich mich auch der Eisenhämatoxylin-Safraninfärbung bedient. 

Der Zweck dieser Untersuchungen war, zu ermitteln, ob die 
Körnchenzellen und die Schleimzellen in Bezug zu diesen Farbstoffen 
eine Verschiedenheit zeigen und ob Übergangsformen zwischen ihnen 
zu entdecken sind. Bei Doppelfärbung war das Ergebnis das eben 
seschilderte. Bei einfacher Färbung mit Safranin fand ich in den 
meisten Fällen die Sekretkörnchen in den Körnchenzellen farblos und 
nur das intersranulare Netzwerk tingirt; zuweilen waren jedoch 
zwischen den farblosen Körnchen eine Anzahl Körnchen mit einer 
schwachen, rothbraunen Farbe zu beobachten. Ich nehme an, dass 
diese gefärbten Körnchen junge Flemente waren. Die Schleimzellen 
zeigten eine intensive, rothbraune Farbe, die sich scharf von der 
schwachen Farbe der tingirten Körnchenzellen abhob. 

Durch diese Beobachtungen bin ich zu der bestimmten Über- 
zeugung gelangt, dass die Körnchenzellen und die Schleim- 


122 William Möller, 


zellen auch bei Anwendung der hier vorn erwähnten 
Präparationsmethoden solche bemerkenswerthe Verschie- 
denheiten darbieten, dass sie als gut von einander unter- 
schiedene Arten von Zellen, als Zellen sui generis so- 
wohl in morphologischer, wie physiologischer Hinsicht 
betrachtet werden müssen. 


7. Schwein. 


Nur einmal habe ich Material von einem Schweine genommen, 
was vier Stunden nach der letzten Mahlzeit des Thieres geschah. 

Im Magen wurde reichlicher Inhalt angetroffen, und ein wenig 
Inhalt fand sich auch im Diekdarm, der Dünndarm aber war völlig leer. 

Das Ergebnis meiner Untersuchung wurde negativ. In keinem der 
in verschiedener Weise präparirten Schnitte war bei den Epithel- 
zellen im Grunde der Krypten eine Körnchenstruktur nachzuweisen. 
Dagegen fand sich im Dünndarm, was deutlich aus den in Safranin 
tingirten Schnitten hervorging, ein großer Reichthum an Schleimzellen. 

Sollten die Körnchenzellen bei diesem Thiere wirklich fehlen. 
so wäre dieses Verhältnis geeignet, Verwunderung zu wecken, denn 
da diese Zellen beim Menschen und allen bisher untersuchten 
pflanzenfressenden Thieren vorkommen, dürfte man a priori annehmen 
können, dass sie sich auch beim Schweine finden. Davon bin ich 
auch fest überzeugt. 

Ich habe mich gefragt, was die Ursache dieses negativen Er- 
gebnisses meiner Untersuchung sein kann, da ja die Präparations- 
methoden ganz dieselben wie im vorigen Falle sind. Bei dem Ver- 
suche, eine Antwort auf diese Frage zu finden, bin ich bei der 
Vermuthung stehen geblieben, dass das Material in Folge äußerer 
Umstände nicht in so frischem Zustande in die Fixirungsflüssigkeit 
kam, wie für die Fixirung der empfindlichen Körnchenzellen erforder- 
lich ist. Meine Zeit hat es mir später leider nicht gestattet, anderes 
und besseres Material zu untersuchen. 

Die Berechtigung der hier in Betreff der Ursache des Miss- 
lingens der Fixirung der Körnchenzellen in diesem Falle ausge- 
sprochenen Vermuthung geht auch daraus hervor, dass ich in dem 
zuerst durch andere vom Pferdedarm beschaffte Material vergebens 
nach Körnchenzellen suchte, während ich in Material, das ich später 
selbst nahm, mit Leichtigkeit solehe Elemente fand. 

Aus dem Vorstehenden lässt sich ersehen, wie nothwendig es 
ist, dass das Material so bald nach dem Tode des Thieres wie mög- 


Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion etc. 123 


lieh in die Fixirungsflüssigkeit gebracht wird. Um das Eindringen 
derselben in die Schleimhaut zu erleichtern, muss das Material vorher 
in kleine Stücke zertheilt und, wenn dieses ohne Schwierigkeit ge- 
schehen kann, die Muskelschicht vorher entfernt werden. 

Ich werde künftig das Ergebnis von neuen Untersuchungen bei 
diesem Thiere mittheilen. 


8. Hund und Katze. 


Ich behandle diese Thiere unter einer gemeinsamen Rubrik, 
weil das Ergebnis meiner Untersuchungen in Betreff der Körnchen- 
struktur bei ihnen gleich ausgefallen oder negativ ist. So eigen- 
thümlieh dieses Ergebnis auch erscheinen kann, so war es mir doch 
nicht ganz unerwartet, da, wie schon erwähnt worden, PAnETR (17, 
p- 184) sagt, dass er beim Hunde und bei der Katze flüchtig nach 
Körnchenzellen gesucht, aber keine gefunden habe. Ich habe dagegen 
viel Zeit und Mühe auf diesen Theil meiner Forschungen verwandt, 
ohne jedoch ein anderes Ergebnis als PANnETH zu erhalten. 

Ich habe Material von zwei Hunden, drei erwachsenen Katzen 
und zwei Katzenjungen untersucht. Ich habe auch danach gestrebt, 
das Material in verschiedenem physiologischen Zustande zu erhalten. 
In dieser Hinsicht gestaltet sich mein Material in folgender Weise. 

1) Erwachsener Hund. Stücke aus dem Darmkanal eine Stunde 
nach der letzten und 29 Stunden nach der vorletzten Mahlzeit ge- 
nommen. 

2) Erwachsener Hund. Stücke dem Darmkanal ungefähr zwölf 
Stunden nach der letzten Mahlzeit des Thieres entnommen. 

3) Erwachsene Katze. Stücke aus dem Darmkanai nach einem 
vier Tage langen Fasten des Thieres genommen. Der Darmkanal leer. 

4) Erwachsene Katze, altes Männchen. Stücke dem Darme 
20 Stunden nach der letzten, aus Milch und Brot bestehenden Mahl- 
zeit des Thieres entnommen. Im Ventriculus eine große Menge un- 
verdauter Nahrungsstoffe. im oberen Theil des Darmkanals etwas 
dünnflüssiger Inhalt und im Diekdarm Exkrementmassen. 

5) Erwachsene Katze. Stücke genommen zwölf Stunden nach 
der letzten, aus Fleisch bestehenden Mahlzeit des Thieres, vor welcher 
dasselbe einen Tag gefastet hatte. Der Ventrieulus ausgespannt von 
einem nur wenig verdauten Inhalt, der Darmkanal ganz leer. 

6) Junge Katze, zwei Monate alt. Darmstücke 2S!/, Stunden 
nach der. letzten Mahlzeit des Thieres genommen. Der Dünndarm 
leer in seiner ganzen Länge, im Dickdarm etwas Inhalt. 


124 William Möller, 


7) Junge Katze, 15 Tage alt. Das Thier durfte sich in ge- 
wöhnlicher Weise mit Muttermilch nähren. Der Darmkanal zeigte 
sich überall mit Inhalt, zum größten Theil von flüssiger Konsistenz, 
versehen. 

Dieses ganze Material hat nun, was die Forschung nach Körnchen- 
zellen betrifft, ein gleichartiges, negatives Ergebnis geliefert. 

Ohne ganz und gar die Hoffnung aufzugeben, dass es künftigen 
Forschern gelingen wird, auch bei dem Hunde und der Katze solche 
Elemente zu entdecken, muss ich doch in Anbetracht der Ergebnisse 
meiner Untersuchungen annehmen, dass diese Thiere der Körnchen- 
zellen ermangeln. 

Man muss sich dann fragen, worauf dieses Verhältnis beruhen 
kann. Eine bestimmte Antwort bin ich nicht in der Lage zu geben. 
Ich erlaube mir nur, anlässlich dieser Frage einige Betrachtungen 
anzuführen. | 

Es hat mich überrascht, bei der Katze 12 bis 20 Stunden nach 
einer Mahlzeit im Ventriculus noch reichliehen, im Dünndarm da- 
segen wenig oder gar keinen Inhalt zu finden. Ich bin dadurch 
auf die Vermuthung gekommen, dass die Magenverdauung bei dem 
Hunde und der Katze eine relativ wichtigere Rolle als bei den von 
mir untersuchten pflanzenfressenden Thieren spielt. Vielleicht steht 
dieses Verhältnis mit der geringen Länge in Verbindung, die der 
Darmkanal bei solchen Thieren wie dem Hund und der Katze im 
Vergleich mit dem Darmkanal bei den pflanzenfressenden Thieren 
zeigt. Nach einer Angabe von KunHn (29, p. 47) sind die Drüsen 
des Diünndarmes bei den Herbivoren stärker als bei den Carnivoren 
entwickelt, was ja darauf hindeutet, dass ihre Thätigkeit bei der 
ersteren Thierklasse intensiver ist. Zu Gunsten der Ansicht, dass 
die Zellen des Magens bei den Carnivoren eine lebhafte secer- 
nirende Thätigkeit entwickeln, können vielleicht Beobachtungen von 
BIZZOzERO und Erık MÜLLER (23b, p. 633) angeführt werden, die 
bei dem Hunde und der Katze eine reichliche Menge Geißeln 
tragender Spirillen im Lumen der Magendrüsen und auch im Inneren 
der Belegzellen fanden, welche den Halstheil der genannten Drüsen 
bekleiden. Die Gegenwart der Spirillen in den Deckzellen war 
mit der Bildung von großen, den ganzen Zellkörper einnehmenden 
Sekretvacuolen verbunden. Hierüber äußert sich Erık MÜLLER 
folgendermaßen: »Diese Vacuolen sind wohl nur das Zeichen einer 
sehr starken Inanspruchnahme der Belegzellen in dem höchsten 
Stadium der Sekretion. Möglich ist es ja auch, dass die Spirillen 


Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion ete. 195 


durch ihre Gegenwart zu dieser Vacuolisirung der Belegzellen bei- 
tragen, aber auch in diesem Falle muss ihre Wirksamkeit wohl als 
eine segensreiche und für die Sekretion nützliche betrachtet werden. « 

Diese Beobachtung und die derselben gegebene Deutung können 
den Reichthum an Sekret erklären, den man im Magen der genannten 
Thiere während der Digestion findet. 

Obschon die angeführten Verhältnisse für die Ansicht zu sprechen 
scheinen, dass die Magenverdauung bei den Carnivoren vielleicht 
eine wichtigere Rolle als bei den Herbivoren spielt, geht doch auf 
der anderen Seite aus Experimenten von CZERNY und KAISER sowie 
von O@ATA (36) hervor, dass der Magen für die Lösung der Auf- 
saben der Digestion nicht unumgänglich nothwendig ist. So ist es 
‘den beiden erstgenannten Forschern nach der Exstirpation des Ma- 
sens bei zwei Hunden geglückt, die Thiere am Leben zu erhalten, 
das eine 21 Tage, das andere mehrere Jahre, während welcher Zeit 
sich das digestive Vermögen des letzteren Thieres in keiner Hinsicht 
demjenigen eines gesunden Hundes nachstehend zeigte. OGATA hin- 
wieder, der die Methode anwandte, durch eine in der Nähe des 
Pylorus angelegte Magenfistel Nahrungsstoffe direkt in das Duodenum 
einzuführen, fand bei Hunden, dass ein Fleischfresser in seinen Darm 
die für die Beibehaltung des Körpergewichtes erforderliche Menge 
Nahrungsstoffe aufnehmen und sie völlig bis zur Bildung normaler 
Fäces ausnutzen kann. | 

Anlässlich der beschriebenen Experimente könnte man die Frage 
aufwerfen, ob die günstigen Ergebnisse derselben nicht dadurch be- 
dinst gewesen sind, dass sich der Dünndarn und besonders das 
Duodenum dem stark vermehrten Bedarf an Digestionssäften durch 
eine Sekretbildung angepasst haben, die reichlicher als die normale 
war. Vielleicht hätte eine histologische Untersuchung nach modernen 
‘Methoden das Vorkommen von zahlreichen Körnchenzellen als ein 
deutliches Zeichen einer lebhaften sekretorischen Thätigkeit im Organe 
dargethan. Es wäre verlockend, Experimente dieser Art bei dem 
Hunde oder der Katze anzustellen, da es bisher noch nicht geglückt 
ist, im Darmkanal dieser Thiere eine andere sekretorische Thätig- 
keit als die Produktion von Schleim zu entdecken. 

Meine Untersuchung des Darmkanals des Hundes und der Katze 
hat jedoch auch ein positives Ergebnis geliefert. Ich fand nämlich 
in einigen Fällen sowohl im Oberflächen-, wie im Drüsenepithel eine 
nicht unbedeutende Anzahl körnchenführender Leukocyten von dem- 
selben Aussehen und derselben Beschaffenheit im Übrigen, wie die 


126 William Möller, 


von mir beim Schafe beschriebenen. Besonders reichlich kamen sie 
unter den Drüsenepithelzellen bei einem 15 Tage alten Kätzchen 
vor, dessen Darmkanal mit Inhalt versehen war. Da sie oft im 
Grunde der Krypten lagen, konnte man sie bei flüchtiger Unter- 
suchung als Körnchenzellen auffassen. 

Um die Anzahl der Zeichnungen nicht über die Gebühr zu ver- 
mehren, habe ich es unterlassen, hier ein solches Bild wiederzugeben. 
Ich verweise den Leser auf die Fig. 1 und 2, die eine große Ähn- 
lichkeit mit einem solchen Bilde zeigen. 


Ich schließe hiermit den Bericht über den Theil meiner Arbeit, 
der das Vorkommen von Körnchenzellen bei verschiedenen Thieren 
behandelt. 

Ehe ich aber die Schlüsse darlege, die ich aus meinen Unter- 
suchungen gezogen habe, mag hier Platz finden eine kürzere 


Kritik von Bizzozero’s Theorie. 


Wie schon erwähnt worden ist, hat BizzozERo den Satz aus- 
gesprochen, dass die Körnchenzellen nichts Anderes als junge Formen 
von Schleimzellen sind, was seiner Ansicht nach dadurch bewiesen 
ist, dass mittels gewisser Färbemittel das Vorkommen von deutlichen 
Übergangsformen zwischen diesen beiden Zellenarten nachgewiesen 
werden konnte. 

Hätte BızzozEero wirklich Recht, so wäre damit das Problem 
von der Natur der LIEBERKÜHN’schen Krypten gelöst, dass dieses 
aber nicht der Fall ist, dürfte folgende Erörterungen an die Hand 
geben. 

In der letzten Zeit ausgeführte Forschungen haben klar dar- 
vethan, dass man in dem Grunde der besagten Organe Körnchen 
antrifft, die ganz mit denen übereinstimmen, die man in verschie- 
denen Drüsen nachgewiesen hat und nunmehr als das Vorstadium 
des flüssigen Sekretes oder als das Kriterium einer Drüsenthätigkeit 
im Allgemeinen ansieht. Hieraus folgt ex analogia, dass in diesen 
Krypten ohne Zweifel eine sekretorische Thätigkeit statt- 
findet. Aber wenn dieses der Fall ist, so stellt sich die Frage ein, 
ob die betreffenden Körnchen zum Entstehen von Schleim oder 
einem specifischen Sekret anderer Art Anlass geben. Die Antwort 
hierauf ist die folgende: Gelingt es, darzuthun, dass die körnchen- 
führenden Zellen gradweise in typische Schleimzellen übergehen, die ihr 


Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion ete. 127 


Sekret in das Lumen der Krypte entleeren, so sind die LIEBERKÜHN- 
schen Krypten nur als tubulöse Schleimdrüsen zu betrachten. Fehlen 
hingesen solche Übergangsformen, oder, mit anderen Worten, zeigen 
sich die körnehenführenden Zellen scharf von den typischen Schleim- 
zellen unterschieden, so muss hier außer dem Schleime ein speei- 
fisches Sekret anderer Art gebildet werden, und da die körnchenführen- 
den Zellen die Schleimzellen nicht selten an Zahl übertreffen, sind 
die in Rede stehenden Organe also Drüsen, deren hauptsächliche 
Aufgabe eine andere als die Produktion von Schleim ist. 

Wie verhält es sich nun in der Wirklichkeit mit dieser Sache? 

In dem Vorstehenden haben wir gesehen, dass PAnETH, NICOLAS 
und ScHhArrer das Vorhandensein von Übergangsformen zwischen 
den Körnchen- und Schleimzellen verneinen wollen. Da aber die 
von diesen Forschern angewandten Untersuchungsmethoden, nament- 
lich die Fixirungsmethoden, nicht von völlig befriedigender Be- 
schaffenheit sind, ist ja die Möglichkeit, dass sich solche Übergangs- 
formen gleichwohl finden könnten, nicht ausgeschlossen. Nun haben 
aber auch meine Untersuchungen, die mit den besten in der modernen 
Drüsenhistologie bekannten Methoden ausgeführt worden sind, das 
Vorhandensein von Übergangsformen zwischen Körnchen- 
und Schleimzellen nicht darthun können. In Folge dessen 
sehe ich mich für berechtigt an, zu behaupten, dass die LIEBER- 
künn’schen Krypten im Dünndarm Drüsen mit einer 
doppelten Funktion sind, indem sie theils Schleim, theils 
und hauptsächlich ein specifisches Sekret anderer Art 
produeiren. 

Hiermit habe ich mich in Opposition gegen B1zzozEro’s Theorie 
gestellt, die ja die Natur der LieBerkünn’schen Krypten als speci- 
fischer Drüsen bestreitet und die Körnchenzellen als nichts Anderes 
als junge Schleimzellen auffasst, die dazu dienen, die im Oberflächen- 
epithel verbrauchten Elemente zu ersetzen. 

Gegen BızzozEro’s Theorie können weiter folgende Einwen- 
dungen gemacht werden. 

Im Dickdarm, wo die Schleimsekretion unbestreitbar am leb- 
haftesten und die Anzahl der verbrauchten Schleimzellen folglich am 
größten ist, fehlen die für den Ersatz bestimmten jungen Schleim- 
zellenformen vollständig, denn die Körnchen, aus denen die Schleim- 
substanz sich hier, gleichwie im Dünndarm, zuweilen bestehend zeigt, 
sind. den Sekretkörnehen in den Körnchenzellen des Dünndarmes in 
mehreren Hinsichten unähnlich. Wie schon PanwerH hervorgehoben 


128 William Möller, 


hat, sind nämlich die Schleimkörnchen merkbar kleiner als die Sekret- 
elemente in den Körnchenzellen, wozu kommt, dass auch die Kon- 
touren der ersteren weniger deutlich hervortreten als die der letzteren. 
Ferner habe ich bei den Thieren, die ich untersucht, die Schleim- 
: körnchen nie intensiv mit EHrLIcH-Bioxpr’s Flüssigkeit und auch 
nicht intensiv mit Eisenhämatoxylin tingirt gefunden, was dagegen 
mit den Elementen der Körnchenzellen der Fall gewesen ist. Das 
Safranin, das die Schleimsubstanz intensiv tingirt, auch dort, wo sie 
in ganz geringer Menge vorkommt, und um so intensiver, je älter 
das Schleimelement ist, lässt die voll entwickelten Sekretkörnchen 
in den Körnchenzellen ungefärbt, während das intergranuläre Netz- 
werk und die jüngeren Körnchen den Farbstoff in sich aufnehmen 
(siehe Fig. 17). Der Unterschied zwischen den Körnchen- und den 
Schleimzellen in tinktorieller Hinsicht ist desshalb meines Erachtens 
besonders prägnant und die Möglichkeit, diese Körnchen zu ver- 
wechseln, relativ gering, vorausgesetzt, dass die für die Fixirung der 
Struktur der Körnchen erforderlichen Präparationsmethoden ange- 
wendet werden. 

Ein anderer Grund, der gegen die Natur der Körnchenzellen als 
Junger Schleimzellen spricht, ist folgender. In keinem anderen Organ, 
das einen größeren Reichthum an Schleimzellen besitzt, hat man, 
wenigstens bis dato, diese Zellen solche Entwieklungsstadien 
präsentiren sehen, wie BIzzZozERO den Schleimdrüsen im Dünndarm, 
demjenigen Theil des Darmkanals, wo ihre Anzahl die unvergleich- 
lich geringste ist, vindieiren will. Sollten denn diese Schleimzellen 
hier einige ganz specielle Eigenschaften besitzen, die ihnen sonst 
überall fehlen? Dieses kann man zwar nicht bestimmt verneinen, 
doch scheint es sehr wenig wahrscheinlich zu sein. 

Als ein dritter Grund gegen die genannte Ansicht mag ange- 
führt werden, dass nach B1zzozEro’s Auffassung die Schleimzellen 
Körnchen von verschiedenem Alter und verschiedener Beschaffenheit 
secerniren, nämlich große und kleine safranophile Körnehen und, 
nebst den letzteren, auch solche, die sich mit Hämatoxylin färben. 
So viel mir bekannt ist, findet sich in keinem anderen secernirenden 
Element ein analoges Verhältnis. Die Sekretkörnehen erreichen ja 
in diesen Elementen, ehe sie ausgestoßen werden, um das Sekret 
zu bilden, unter normalen Verhältnissen erst eine gewisse Größe und 
Reife. In den Schleimzellen dagegen sollte die Sekretion in allen 
Entwicklungsstadien der Körnchen stattfinden. Auch diese Hypothese 
erscheint ex analogia als wenig wahrscheinlich. 


Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion ete. 129 


Weiter erscheint BızzozEro’s Ansicht auch in der Hinsicht 
eigenthümlich, dass er die großen safranophilen Körnchen als die 
jüngsten, die kleinen dagegen als ältere Elemente bezeichnet, an 
welche sich nachher die Bildung von hämatoxylinfarbigen Körnchen 
anschließe. Man kann hier mit Fug fragen: aus welchen kleineren 
Elementen werden dann ursprünglich die großen safranophilen Körn- 
chen gebildet, oder, mit anderen Worten, welche Vorstadien können 
für sie gefunden werden? 

Auf diese Frage giebt BızzozEro’s Theorie keine Antwort. 

Nach seiner Theorie sollen ferner Zellen mit ganz kleinen, nur 
bei der stärksten Vergrößerung sichtbaren safrano- oder basophilen 
Körnehen ausschließlich höher oben in der Krypte, also nicht in 
ihrem Grunde angetroffen werden. Ich dagegen habe, wie auf 
p- 103 hervorgehoben wurde und aus Fig. 11 deutlich zu ersehen ist, 
diese Elemente an beiden Stellen und im Grunde der Krypte viel- 
leicht eben so oft, wie weiter in ihr hinauf, gegen ihre Mündung hin, 
angetroffen. 

Nach GALEOTTTs auf p. 99ff. referirten Untersuchungen sind die 
jüngsten, am Kerne gelegenen Schleimkörnchen säurefuchsinfarbig, 
d. h. acidophil, während die älteren Körnchen, gleichwie die fertigen 

+ Schleimtröpfehen, basophile Eigenschaften zeigen. Nach Bızz0zZERO’s 
Ansicht sind dagegen die Körnchen in den jüngsten Schleimzellen 
basophil, in den älteren Schleimzellen acidophil. Welche dieser An- 
sichten ist nun die richtige? Man wäre geneigt, BIZZOZERo’sS Ansicht 
als der des mehr erfahrenen Forschers den Vorzug zu geben. Indessen 
verdienen auch die Ergebnisse von GALEOTTI, der sich eines für das 
Studium der Schleimsekretion besonders geeigneten Materials bedient 
hat, beachtet zu werden. Wie sich die Sache wahrscheinlich ver- 
hält, dürfte aus der folgenden Betrachtung hervorgehen. 
Bizz0zero’s Ansicht in Betreff der Lage der Mitosen weicht von 
derjenigen mehrerer anderen Forscher ab. Er hebt nämlich hervor, 
dass die Mitosen im Blindsack beginnen und dass man sie zuweilen 
in der äußersten Spitze desselben zwischen zwei PanErn’schen Zellen 
sieht, während PAner# (17, p. 175), SCHAFFER (25, p. 446) u. A. sich 
dahin aussprechen, dass man sie nur ausnahmsweise an der genannten 

Stelle und zumeist etwas höher in der Seitenwand der Krypte hinaut 
oder, wie FLEMMInG, um deren Mündung herum findet. Wäre nun 
BIzzozERO’s Ansicht richtig, so würden die durch die Mitose ent- 

'standenen jungen Schleimzellen, resp. Körnchenzellen, zuerst den 


Grund der Krypte einnehmen, was ja in der Regel auch der Fall 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie, LXVI. Bd. 9 


130 William Möller, 


ist, um sieh von dort, in Übereinstimmung mit seiner Theorie, gegen 
die Oberfläche hinauf zu begeben, während sie, wenn die andere 
Ansicht die richtige wäre, nach zwei Richtungen ziehen müssten, 
nämlich theils in den Grund der Krypte hinab, um junge Schleim- 
zellen zu bilden, die als Ersatz für die im Oberflächenepithel ver- 
brauchten Elemente zu dienen haben, theils nach oben, um für die 
Regeneration der protoplasmatischen Oberflächenepithelzellen, die bei 
der Thätigkeit des Oberflächenepithels untergehen, Verwendung zu 
finden. 

Der oben angeführte Sachverhalt scheint, mit den Ergebnissen 
meiner Untersuchungen zusammengestellt, das Unwahrscheinliche in 
BIZZOZERO's Ansicht in Betreff der Natur der Körnchenzellen zu zeigen. 

Ich will hiermit durchaus keinen Zweifel an der Richtigkeit 
der von diesem berühmten Forscher gemachten Beobachtungen aus- 
sprechen, muss aber bestimmt in Abrede stellen, dass die Deutung, 
die erihnen gegeben hat, da sie mit den bisher konstatirten Verhält- 
nissen in anderen sekretorischen Organen nicht in Übereinstimmung 
steht, richtig ist. 

Ohne mich auf eine mehr detaillirte Untersuchung einzulassen, 
will ich meine Behauptung nur mit einem Beispiele beleuchten. 
BIZZOZERO hat durch seine Untersuchungen dargethan, dass die 
Körnchen in den Körnchenzellen Veränderungen in ihrer Größe und 
Färbbarkeit erleiden. In der jungen Zelle finden wir, wie erwähnt 
worden, zuerst große safranophile Körnchen, dann immer kleinere, und 
schließlich treten unter diesen große, hämatoxylinfarbige Körnchen 
auf. Ein solches Bild giebt BizzozEro in Fig. 65 wieder. Dieses 
Bild ist meines Erachtens so zu deuten, dass wir hier nahezu reife 
Sekretkörnchen sehen, die sich nur ganz schwach mit Hämatoxylin 
gefärbt haben, während die safraninfarbigen Körnchen primäre, im 
intergranularen protoplasmatischen Netzwerk liegende Granula sind. 

Wären die großen, mit Hämatoxylin gefärbten Körnehen Schleim- 
elemente, so würde man erwarten können, sie von dem Safranin, 
welcher Farbstoff bekanntlich der beste ist, den wir gegenwärtig für 
eine Differenzirung der Schleimsubstanz besitzen, intensiv tingirt zu 
sehen. Da dieses indessen nicht der Fall ist, kann man es mit Fug 
in Frage stellen, ob die genannten Körnchen wirklich Sehleim- 
körnchen sind, denn man kann wohl kaum annehmen, dass das 
Hämatoxylin in nur annähernd demselben Grade wie das Safranin 
ein specifisches Mittel für die Tingirung des Schleimes ist. Nach 
meinem Ermessen müssten Sekretkörnchen von einer anderen Art 


Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion etc. 131 


eben so gut wie Schleimkörnchen eine schwach blauviolette Farbe 
annehmen können. en 

In Betreff sowohl dieser wie der übrigen von BIZZOZERO ange- 
sebenen Farbenreaktionen will ich betonen, dass man nicht ohne 
Weiteres zwei Stoffe als chemisch identisch ansehen kann, nur weil 
sie sich mit denselben Farbstoffen in einerlei Weise färben. Sonst 
könnte man, wie EHRLICH (37, p. 90) treffend sagt, leicht zu der ab- 
surden Annahme verleitet werden, dass Leber-, Muskel- oder Gehirn- 
zellen bisweilen im Stande wären, Pankreatin zu secerniren, weil sich 
die Granula im Pankreas mit verschiedenen Tinktionsmethoden in 
gleicher Weise wie die Granula der genannten Zellen färben. 

Wenn zwei Zellenelemente bei Behandlung mit demselben Farb- 
stoffe eine verschiedene Farbe annehmen, ist es dagegen wahrschein- 
lieh, dass man es mit zwei in:chemischer Hinsicht bestimmt von 
einander unterschiedenen Bildungen zu thun hat. 

In Zusammenhang hiermit dürfte hervorzuheben sein, dass ein 
und dasselbe lebende Gewebe durch die Einwirkung verschiedener 
Fixirungsflüssigkeiten vermuthlich zu einer Menge verschiedener 
chemischer Verbindungen Anlass geben kann, deren tinktorielle Ver- 
hältnisse ziemlich verschiedenartig sein können. 

Schließlich mag hier noch bemerkt werden, dass B1ZZoZERO’S 
Ergebnisse sich auf ein allzu geringes Material gründen, da er ja die 
Verhältnisse nur bei der Maus im Duodenum untersucht hat. 

Auf Grund des in dem Vorstehenden Hervorgehobenen berech- 
tigen die Ergebnisse meiner Untersuchungen meines Erachtens zu 
folgenden 


Schlüssen. 


1) Alle von mir untersuchten Thierarten — mit Aus- 
nahme des Schweines(?), des Hundes und der Katze — 
zeigen im Grunde der LIEBERKÜHN schen Krypten im Dünn- 
darme eine Art Zellen, deren morphologischer Charakter 
sie zu typischen Drüsenzellen stempelt. 

2) Die Vorstadien des Sekretes treten in diesen Zel- 
len in der Form von Körnchen auf, die, erst klein und 
färbbar, allmählich an Größe zunehmen und ihre Färbbar- 
keit verlieren, um schließlich als völlig reife Sekrettröpf- 
chen in die Lumina der Drüsen ausgestoßen zu werden. 
Die Sekretbildung zeigt also hier dasselbe morphologische 
Bild, wie in den Speicheldrüsen und im Pankreas. 

9* 


132 William Möller, 


3) Die in Rede stehenden Drüsenzellen sind gut von 
den übrigen in der Schleimhaut des Dünndarmes vorkom- 
menden Schleimzellen oder, wie sie auch genannt werden, 
Becherzellen unterschieden. 

4) Die Lieberkühn’schen Krypten bei den obengenannten Thieren 
sind aus diesen Gründen Drüsenorgane, die nebst Schleim auch ein 
specifisches Sekret absondern. 

5) Auch die Schleimzellen bilden, wenigstens unter 
normalen Verhältnissen, eine Zellenart sui generis, indem 
sie, ihres Inhaltes entleert, als schmale, von den übrigen 
Darmepithelzellen unterschiedene Zellen hervortreten, die 
sich wieder zu typischen Schleimzellen entwickeln. 

6) Nach Beobachtungen, die bei der Untersuchung des 
Schafdarmes gemacht worden sind, scheinen die Leuko- 
cyten die Aufnahme und den Transport eines gewissen 
Nahrungsmaterials (Eiweißstoffen?) zu vermitteln. 


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36. M.Ocara, Über die Verdauung nach der Ausschaltung des Magens. Arch. 

f. Anat. u. Phys. Physiol. Abth. 1883. 

37. P. EHRLICH und A. Lazarus, Die Anämie. Wien 1898. In »Speeielle 
Pathologie und Therapie<, herausgegeben von H. NOTHNAGEL. Bd. VIII. 
Theil I, Heft 1. 

38. SAmT-HILAmRE, Sitzungsberichte der Gesellschaft für die Beförderung der 
gesammten Naturwissenschaften in Marburg. Sitzung vom 5. August 
1898. Cit. nach A. KossEL, »Über die Eiweißstoffee. Deutsch. med. 
Wochenschr. 15. Septamber 1898. 


Erklärung der Abbildungen. 


Tafel VIII und IX. 


Fig. 1. Schaf. Villus aus dem Duodenum. a, Leukocyten ohne körnigen 
Inhalt; 5, Leukocyten mit körnigem Inhalt im Oberflächenepithel. Bichromat- 
Formalinfixirung. EHRLICH-BIonDT's Farbenlösung. Zeiss’ homog. Imm. 1/12, Oe.1. 

Fig. 2. Schaf. Eine LIEBERKÜHN’sche Krypte aus dem Diekdarm. Mit 
Körnchen gefüllte Leukocyten unter den Epithelzellen. Fixirung, Färbung und 
Vergrößerung wie oben. 

Fig. 3. Weiße Maus. Längsschnitt durch eine LIEBERKÜHN sche Krypte 
aus dem Dünndarm. Die Zellen im Grunde der Krypte (a) mit Körnchen gefüllt, 
höher hinauf Schleimzellen (). Fixirung und Färbung wie in Fig. 1. Zeiss’ 
Apochr. Imm. 2,0 mm, Apert. 1,30, Kompens.-Oec. 6. 

Fig. 4 Weiße Maus. Quer- und Schrägschnitt durch den Grund dreier 
LIEBERKÜHN’schen Krypten. Fixirung und Färbung wie oben. ZEIss’ homog. 
Imm. 1/12, Oe. 2. 

Fig. 5. Weiße Maus. Schnitt durch den Grund einer LIEBERKÜHN’schen 
Krypte. Die Körnchen im Lumen und theilweise auch in den Zellen zu homo- 
genen Klümpchen zusammengeschmolzen. Fixirung, Färbung und Vergrößerung 
wie in Fig. 4. 

Fig. 6. Weiße Maus. Stück eines Längsschnittes durch eine LIEBER- 
Künn’sche Krypte. Die Körnchen in dem Grunde theils gefärbt, theils farblos. 
a, Zellen mit deutlichem Netzwerk und feinen dunklen Körnchen. 5, >schmale 
Zellen«e. Fixirung wie oben, Färbung mit Eisenhämatoxylin (BENDA-HEIDENHAIN). 
Vergrößerung wie in Fig. 3. 

Fig. 7. Weiße Maus. Schnitt durch den Grund einer LIEBERKÜHN’schen 
Krypte. Fixirung, Färbung und Vergrößerung wie in Fig. 6. 

Fig. 8 Weiße Maus. Schnitt durch ein Dünndarmstück nach Fixirung 
in der für GoLe!s Methode angewandten Bichromat-Osmiumsäuremischung. 
a, Fetttröpfehen im Villus, schwarz gefärbt von Osmiumsäure. 5, Grund einer 
Krypte, mit durchsichtigen, glänzenden Körnchen gefüllt. Auch im Lumen sind 
solche Körnchen wahrzunehmen. Zeıss’ Obj. D, Oe. 2. 


Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion etc. 135 


Fig. 9. Weiße Maus. Schnitt durch das Oberflächenepithel. aa, zwei 
junge Schleimzellen. Fixirung wie in Fig. 1—7, Färbung und Vergrößerung 
wie in Fig. 3. 77 

Fig. 10, 11 und 12. Meerschweinchen. Stücke zweier Längsschnitte 
und eines Querschnittes durch einander nahegelegene LIEBERKÜHN’sche Krypten 
aus dem Dünndarme. Fixirung, Färbung und Vergrößerung wie in Fig. 3. 

Fig. 13. Kaninchen. Schnitt durch den Grund zweier LIEBERKÜHN- 
schen Krypten des Dünndarmes. Fixirung, Färbung und Vergrößerung wie in 
Fig. 3. 

Fig. 14. Rind. Schrägschnitt durch den Grund einer LIEBERKÜHN’schen 
Krypte aus dem Dünndarme. Fixirung, Färbung und Vergrößerung wie in Fig. 3. 
” Fig. 15. Katze. Schnitt durch das Oberflächenepithel. a, feinkörnige 
acidophile Epithelzellen. Fixirung und Färbung wie in Fig. 3. Zeıss’ Apochrom. 
Imm. 2,0 mm, Apert. 1,30, Kompens.-Oec. 4. 

Fig. 16. Pferd. Schrägschnitt durch eine LIEBERKÜHN’sche Drüse aus 
dem Dünndarme. a, ein großer Leukocyt mit plattgedrücktem Kern am Rande 
der Zelle. 5, Körnchenzellen. Fixirung und Färbung wie in Fig. 1. Zeıss’ 
homog. Imm. 1/i2, Oe. 2. 

Fig. 17. Pferd. Schrägschnitt durch vier LIEBERKÜHN’sche Krypten aus 
dem Dünndarme. a, Körnchenzellen im Grunde der Krypte. 5, Schleimzellen. 
e, Querschnitt, beide Zellenformen enthaltend. Fixirung mit Hrrmanwv’s Flüssig- 
keit. Färbung mit DELAFIELD’s Hämatoxylin, nachher mit Safranin. Vergröße- 
rung wie Fig. 16. 


Über eigenthümliche epitheliale Gebilde (Leuchtorgane) 
bei Spinax niger 
(Aus dem zoologischen Institut der Universität Rostock.) 
Von 


Leopold Johann, 


approb. Thierarzt. 


Mit Tafel X—XI und 1 Figur im Text. 


Die Anregung zu der vorliegenden Arbeit verdanke ich meinem 
hochverehrten Lehrer, Herrn Professor Dr. BLOCHMANN. 

Es sei mir gestattet, ihm auch an dieser Stelle für das große 
Interesse, das er meiner Arbeit entgegenbrachte, und für die Unter- 
stützung, die er mir dabei mit Rath und That lieh, aufrichtig zu 
danken. 

Ursprünglich war in Aussicht genommen, dass ich die gesammten 
Epithelverhältnisse bei Spinaz niger einer eingehenden Prüfung unter- 
ziehen sollte, im Verlauf der Vorarbeiten jedoch traten mir merk- 
würdige epitheliale Gebilde in den Weg, die zu einer näheren Unter- 
suchung reizten und die ich aus Gründen, über welche ich später 
Rechenschaft ablegen werde, als Leuchtorgane ansehe. 

Sie bilden den Gegenstand der folgenden Untersuchungen. 


I. Vertheilung der Organe. 


Mit dem bloßen Auge schon besser mit der Lupe (Fig. 1) sieht 
man bei Betrachtung der Haut von Spinaxz niger zwischen den Haut- 
stacheln braune bis schwarze, nicht glänzende Punkte auf einem 
dunklen Untergrund. 

Um die Verbreitung dieser Gebilde festzustellen, benutzte ich 
einen männlichen und einen weiblichen Embryo von 120 und 93,5 mm 
Länge, weil beim Embryo der Reiehthum an Pigment noch nicht so 
grob ist als beim erwachsenen Thier und sich in Folge dessen die 


Über eigenthiml. epitheliale Gebilde (Leuchtorgane) bei Spinax niger. 137 


Anwesenheit der Organe überall schon mit unbewaffnetem Auge 
konstatiren lässt. 

Es ergab sich Folgendes: 

Auf der Dorsalseite des Kopfes folgen die Leuchtorgane, wie 
Fig. 2 zeigt, hauptsächlich den Schleimkanälen, deren Öffnungen 
durch kleine Kreise dargestellt sind. Von der Spitze des Rostrums 
aus geht ein Zug rechts und links median von der Seitenlinie bis 
etwas über die Linie hinaus, durch die man die Mittelpunkte der 
beiden Corneen verbinden kann. Von dem spitzwinkeligen Bogen, 
der dadurch gebildet wird, hängt gleichsam distalwärts eine ampel- 
förmige Gruppe herab. Ihr gegenüber befindet sich proximal von 
der Querkommissur, die die beiden Seitenlinien verbindet, eine An- 
sammlung, die die Kontouren eines liegenden Kreuzes umsäumt. Aus 
dem Schnittpunkt der beiden Kreuzbalken erstreckt sich nach vorn 
eine kleine büschelförmige Gruppe. 

Die Hauptmasse der in der Dorsalansicht sichtbaren Gebilde ist 
median von den Seitenlinien am Rumpf in je einer Reihe sich folgen- 
der, dieker, nicht glänzender schwarzer Striche und besonders großer 
Pünktchen angeordnet. 

Die ersteren bestehen aus vielen, an einander gereihten, durch 
viel Pigment verbundenen Leuchtorganen, die letzteren aus einem 
einzelnen. Alle ganze oder halbe Millimeter ist eine Lücke in der 
Reihe vorhanden und die hierher gehörenden Striche oder Punkte 
stehen parallel der Hauptlinie, etwas median von ihr. Diese Linien 
an der Seite. begleiten die Seitenkanäle bis zu deren Ende am ven- 
tralen Ansatz der Schwanzflosse. 

Kurz bevor der Seitenkanal am Schwanzende offen verläuft, wie 
dies von SOLGER! bei Echinorhinus spinosus beobachtet ist, hören 
sie plötzlich auf, erscheinen aber wieder an der offenen Strecke, um 
sie dorsal und ventral zu begrenzen. 

Dort, wo von den Seitenkanälen hinter den Spritzlöchern die sie 
verbindende Querkommissur nach vorn jederseits abgeht, schicken 
diese Reihen je einen Verbindungsast nach hinten, die sich eben so 
wie die Verbindungsäste der Schleimkanäle im spitzen Winkel treffen, 
so dass beide Paare zusammen ein unregelmäßiges Viereck bilden. 
Der Raum im Inneren desselben ist mit Organen von etwas geringerer 
Größe angefüllt. Von der Vereinigungsstelle der beiden Pigmentlinien 
zieht eine doppelte, hier und da einseitig unterbrochene Reihe von 


1 Archiv für mikr. Anat. Bonn 1880. p. 96. 


138 Leopold Johann, 


Organen auf dem First des Rückens entlang, umgeht im Bogen 
rechts und links die Rückenflossen, an deren Basis sich jedoch nur 
sehr wenige finden, wie es für die erste auf Fig. 2, für die zweite 
auf Fig. 3 zur Darstellung gebracht ist, und endet beiderseits einige 
. Millimeter hinter dem Anfang des dorsalen Schwanzflossenansatzes. 
Zwischen den First- und den Seitenlinien von Organen existiren un- 
regelmäßige Verbindungen, besonders vor der ersten Brustflosse. 

Auf der Seiten- und Bauchansicht sieht man einen auffallenden 
Farbenunterschied zwischen den stark mit Leuchtorganen besetzten 
und den wenig oder gar nicht damit versehenen Streeken. In den 
ersteren ist außer in den Organen auch zwischen diesen eine Menge 
Pigment abgelagert, in den letzteren fast gar nichts, so dass die 
ersteren schwarz, die letzteren hellgrau erscheinen (s. Fig. 3). 

Ein Streifen von Organen zieht über der Nasenöffnung nach 
hinten bis zur Höhe des vorderen Augenwinkels.. An diesem setzt 
sich eine andere Gruppe an, verschmälert sich nach oben und hinten 
und geht im Bogen, allmählich sich wieder verbreiternd, zum hinteren 
Augenwinkel (Fig. 2 u. 3). 

Eine größere rundliche Ansammlung ist zwischen dem Spritzloch 
und den Kiemenöffnungen zu sehen. 

Etwas hinter dieser Ansammlung, senkrecht über dem mittelsten 
Kiemenloch beginnt eine große, breite Straße von schwarzen Punkten, 
die sich bis in die Gegend der Bauchflosse hin erstreckt. Über der 
Brustflosse ist sie durch einen helleren Fleck, auf dem die Organe 
spärlicher stehen, unterbrochen. 

Von hier aus bekommt auch die Oberseite der Brustflosse einige 
wenige Exemplare. 

Zwischen dieser Straße und der Seitenlinie stehen nur vereinzelte 
schwarze Punkte von zusammen nicht sehr großer Zahl. 

Die Haut zwischen den Kiemenlöchern und in nächster Nähe 
derselben ist frei von unseren Gebilden. Eben so ist es auf den 
Kiemen in der Kiemenspalte und in der Rachenhöhle beim erwach- 
senen Thier, die Embryonen wurden der Schonung halber darauf 
nicht untersucht. 

Die übrigen Verhältnisse werde ich bei Besprechung der Bauch- 
ansicht darlegen. 

Die Unterseite des Kopfes ist, wie man auf Fig. 4 sieht, ganz 
mit Leuchtorganen besetzt. Nur in der Nähe der Augenmitte be- 
findet sich ein heller Fleck, auf dem bloß einige wenige stehen, und 
von dem Rande der Nasenlöcher und des Mundes treten sie etwas zurück. 


Über eigenthüml. epitheliale Gebilde (Leuchtorgane) bei Spinax niger. 139 


Auf dem hellen Fleck am Augenrande sieht man, dass die 
Organe doch nicht willkürlich über die pigmentirten Theile der Haut 
verstreut sind, sondern in Gruppen angeordnet stehen müssen. Nur 
sehr wenige stehen hier einzeln, die meisten, die sich von der Seite 
her, von dem Schleimkanal, hereinschieben, zu zweien, zu vieren 
oder auch zu fünf und zwar die letzteren so, dass sich oben 
oder unten drei, auf der gegenüberliegenden Seite zwei be- 
finden (s. Fig. 4 und nebenstehende Textfig.). 

Die Schwarzfärbung der Kopfunterseite rückt hinter dem Auge 
in Gestalt eines breiten Lappens etwas über den hinteren Augen- 
winkel hinaus. Der ganze Bauch ist bis zu den Bauchflossen reich mit 
Leuchtorganen ausgestattet; an der Seite reichen sie bis zu einer 
Linie in die Höhe, die von der Basis der Brustflosse bis zur Basis 
der Bauchflosse gezogen werden kann. Hier schneidet die mit ihnen 
besetzte Zone rechtwinklig ab, greift mit einigen Exemplaren auf 
die Oberseite der Flossenbasis über und schreitet dann zwischen 
diesen, auf der Bauchseite, nach dem Schwanze zu fort. 

Von dem Kreis ohne Leuchtorgane um die Mundöffnung zieht 
ein helles, breites Band, das ebenfalls ohne solche ist, nach oben 
und ein anderes eben solches senkt sich etwas weiter dahinter, vor 
den Kiemenlöchern, in die punktirte Fläche hinein, wie sowohl Fig. 3 
als Fig. 4 zeigt. | 

Die Unterseite der Brustflosse ist zum größten Theil frei von 
Leuchtorganen (Fig. 4). Nur am vorderen Ende schieben sich zwei 
punktirte Zipfel auf sie herauf, ein langer spitzer und ein kürzerer 
stumpfer. Fig. 7a zeigt die Bauchflossen- und Schwanzgegend eines 
weiblichen, Fig. 75 eines männlichen Embryos von der Ventralseite. 
Die Flossen selbst sind ohne Leuchtorgane, ihre Basis ist jedoch sehr 
stark mit ihnen belest bis auf einen keulenförmigen Fleck, der nach 
der Flosse zu nur durch eine einfache Reihe von Organen begrenzt 
wird, und bis auf den Rand um die Kloakenöffnung. 

Beim weiblichen Embryo beginnt die Pigmentirung der Schwanz- 
gegend distal vom After mit einer feinen, sich verbreiternden Linie 
von Leuchtorganen, beim männlichen fängt sie in breiter Front erst 
am hinteren Ende der Flossenbasis an. Sie verbreitet sich seitlich 
bis zur Höhe der oben erwähnten, nach hinten ziehenden Straße von 
Organen und schickt hier einen großen, breiten Fortsatz nach vorn 
über diese und einen anderen nach hinten und oben nach der Seiten- 
linie zu. In Fig. 3 sind über den Bauchflossen beide Fortsätze, in 
Fig. 7a und 75 nur die hinteren zu sehen. Wo der mediane Rand 


140 Leopold Johann, 


des hinteren Fortsatzes zur Mittellinie zurückkehrt, hört die breite 
Pigmentirung auf und es ziehen nur zwei schmale Bänder von Leucht- 
organen, einen schmalen Streifen in der Mittellinie frei lassend, der 
sich beim männlichen Embryo weiter als beim weiblichen den Bauch- 
- flossen nähert, nach dem Schwanze hin. In der Mitte ungefähr 
zwischen After und Schwanzflossenansatz stehen allmählieh die 
Punkte dünner und stellen dann nur noch die Kontouren der Bänder 
durch vier parallele Linien dar. Die beiden innersten enthalten eine 
immerhin noch ganz stattliche Anzahl, die beiden äußersten nur wenige. 
Vor dem ventralen Ende der Schwanzflosse befindet sich wieder eine 
srößere Ansammlung von Leuchtorganen und diese schiekt den eben 
erwähnten äußeren Linien je einen Zipfel, den beiden inneren einen 
quadratischen Fortsatz entgegen, um sich mit ihnen zu verbinden. 

Eine schmale, nach hinten immer spitzer werdende Abtheilung 
steht dann rechts und links vom ventralen Ende der Schwanzflosse. 

Beim erwachsenen Thier sind die Verhältnisse im Großen und 
Ganzen dieselben. 

Hier wurden zur Kontrolle kleine Stückchen aus der Haut ein- 
gebettet und geschnitten. An der Unterseite des Kopfes sind die 
beim Embryo hellgrauen Stellen ohne Leuchtorgane zwar auch pigmen- 
tirt, aber nicht so stark wie die Umgebung. Die feine Zeichnung auf 
der Oberseite ist in Folge der starken Pigmentanhäufung nieht mehr 
wahrzunehmen. An der Unterseite der Brustflossen sind dieselben mit 
unseren Organen versehenen Zipfel vorhanden, die Fig. 4 zeigt, nur 
sind sie natürlich eben so, wie die Brustflossen selbst gewachsen. 
Das Größenverhältnis zwischen beiden ist aber dasselbe geblieben. 

Auf der Oberseite der Brustflossenbasis ist die Zahl der Punkte 
eben so wie beim Embryo sehr klein. Die bei diesem auf einem 
länglichen Fleck versammelten Organe haben sich jedoch beim er- 
wachsenen Thier in eine lange Reihe auf der Grenze zwischen Basis 
und Flosse ausgezogen. An manchen Thieren ist zwar die Pig- 
mentirung der Brustflossen viel ausgedehnter wie beim Embryo, der 
Reiehthum an Leuchtorganen stellt sich jedoch, wenn man Haut- 
stückehen exeidirt und untersucht, als derselbe heraus. 

Auf der Oberseite der Bauchflossenbasis haben sich die Organe, 
die beim Embryo nur in ganz geringer Zahl, zu vier oder fünf, 
hinter einander nahe dem ersten Flossenstrahl standen, bedeutend 
weiter nach hinten ausgedehnt und sind beinahe bis an den Winkel, 
den der hinterste Flossenstrahl und der Schwanztheil des Rumpfes 
mit einander bilden, gerückt. 


Über eigenthüml. epitheliale Gebilde (Leuchtorgane) bei Spinax niger. 141 


Die Unterseite der Brustflossenbasis weist dieselben Verhältnisse 
auf wie beim Embryo. 

Der von Leuchtorganen freie Raum (Fig. 3), der beim Embryo 
zwischen der in Höhe des Spritzloches nach hinten führenden Straße 
von Punkten und der Bauchfläche, sowie in seiner Fortsetzung zwischen 
den vom Pigment hinter den Bauchflossen nach oben ausgesandten 
Zipfeln und der Seitenlinie vorhanden ist, markirt sich beim er- 
wachsenen Thier scharf als von der Brust- bis zur Bauchflosse ver- 
laufender weißer Streifen. Hier wendet er sich nach oben, um den 
vorderen Zipfel von Leuchtorganen zu umgehen und läuft dann unter- 
halb der Seitenlinie bis 1 cm hinter den Anfang des Schwanzflossen- 
ansatzes. In der Gegend der Brustflossen zieht, entsprechend den 
Verhältnissen des Embryos ein helleres Band von dem Streifen 
nach oben. | 

Die beiden Zipfel mit Organen, die das Pigment hinter den 
Bauchflossen nach oben und vorn sowie nach oben und hinten schickt, 
sind auch beim erwachsenen Spmax bei genauerem Zusehen deutlich 
zu erkennen. 

Der hinterste Theil des Seitenkanals verläuft auch im späteren 
Alter offen bis 3 em hinter dem Anfang des Schwanzflossenansatzes 
bei 34 cm Gesammtlänge des Thieres und ist am oberen und unteren 
Rande von Leuchtorganen umsäumt. Auf dem Raume ober- und 
unterhalb der Seitenlinie finden sich beim erwachsenen Spinax 
schwarze, bis !/; mm ungefähr lange, stäbchenförmige, unregelmäßig 
und spärlich verstreute Stippchen, die bei näherem Zusehen dem 
Thier ein fein gesprenkeltes Aussehen verleihen. Sie bestehen eben 
so wie die längs der Seitenlinie laufenden dieken Striche aus an- 
einander gereihten Organen. 

Die auf dem Rückenfirst entlang laufende doppelte Linie von 
Punkten ist auch beim erwachsenen Spinax schon mit bloßem Auge 
zu konstatiren. 


Il. Mikroskopische Anatomie der Organe. 


Um die mikroskopische Anatomie der Gebilde festzustellen, 
wurden Flächen-, Längs- und Querschnitte durch die Haut gemacht 
und zwar rechne ich bei den beiden letzteren Bezeichnungen immer 
nach der Hauptachse des ganzen Fisches. 

Da sich sowohl Flächenschnitte in Folge ihrer Unübersichtlich- 
keit und Längsschnitte in Folge der vielfach schiefen Lagerung der 
Organe in der Haut, wie später des Näheren aus einander gesetzt 


142 Leopold Johann, 


werden wird, als ungeeignet zur Untersuchung erwiesen, ganz abge- 
sehen davon, dass sie in Folge des radiären Baues des Unter- 
suchungsobjektes nichts Besonderes boten, wurden hauptsächlich 
Querschnitte angelegt von 5—10 u Dicke. Das Material, was mir 
vom erwachsenen Spinax zu Gebote stand, war gleich nach dem 
Fang in 10%/,iger Formollösung konservirt worden und darin bis jetzt 
verblieben, z. Th. auch nach Behandlung mit Zenker’scher Flüssig- 
keit in Alkohol aufbewahrt. 

Einige Schnittserien, die ich aus der Institutssammlung zur Aus- 
nutzung erhielt, sind aus mit ZENCKER'scher Flüssigkeit konservirter 
Haut hergestellt. Die Embryonen waren in Formol, Sublimat, Chrom- 
osmiumsäure und in ZENCKER’scher Lösung konservirt. 

Um das Material schneiden zu können, musste es zuvor entkalkt 
werden. Dies geschah in Salpeter- oder Chromsäurelösung. 

Die Schnitte wurden mit Wasser oder Eiweißlösung aufgeklebt 
und, wenn sie eine lange Wasserbehandlung durchmachen sollten, 
noch durch einen Photoxylinüberguss gesichert. 

Da das Pigment die Einsicht in die Organisation ganz erheblich 
störte, wurde es mit Chromsalpetersäure nach JANDER entfernt. 

Die Schnitte wurden darauf in Eosin-Hämatoxylin, meistens je- 
doch mit Orange-G-Hämatoxylin gefärbt. Um die Basalmembran besser 
sichtbar zu machen, wurde die van GIEson’sche Methode angewandt. 

Orange-G-Hämatoxylin lieferte die besten Präparate. 


Ehe ich zur speciellen Beschreibung der Leuchtorgane übergehe, 
will ich zur Orientirung noch einige Worte über den allgemeinen 
Bau des Integuments von Spinax vorausschicken, der derselbe ist, 
wie er von LEYDIG, OSKAR HERTwWIG und KraaArscH schon bei 
anderen Haien genauer beschrieben wurde. | 

Die Cutis besteht aus zwei Schichten. Die innere ist ein straffes 
Gewebe aus zwei sich rechtwinklig kreuzenden Faserzügen, die 
parallel zur Hautoberfläche und diagonal zur Hauptachse des Körpers 
verlaufen. Beide werden in ziemlich regelmäßigen, kurzen Abständen 
von dünnen Faserbündeln durchbohrt, die von der Subeutis in die 
äußere Schicht der Cutis steigen. Diese besteht aus maschigem, 
lockerem Bindegewebe von verschiedener Höhe mit zahlreichen Blut- 
gefäßen, das nach oben hin durch die Basalmembran abgeschlossen 
wird. Am Bauch ist sie sehr stark entwickelt, wie: z. B. Fig. 18, 
19a, 195 zeigt; am Rumpf und am Kopf jedoch besteht sie zum 
Theil nur aus einer dünnen Schicht, in der die Hauptmasse des 


Über eigenthüml. epitheliale Gebilde (Leuchtorgane) bei Spinax niger. 143 


Pigments eingelagert ist (Fig. 8, 17). Auf der Basalmembran steht 
eine Schicht hoher schlanker Palissadenzellen und über diesen be- 
finden sich 4 bis 19 Lagen gewöhnlicher Epithelzellen von 0,00283 
bis 0,0283 mm Gesammthöhe. In der höchsten Lage sind die Zeli- 
srenzen überhaupt nicht mehr oder nur sehr selten zu erkennen. 
Den Abschluss nach der freien Oberfläche bewirkt eine cuticula- 
ähnliche Verdickung der Zellwand. 

In den untersten Schichten der Epidermis liegen überall zwischen 
den Zellen Ausläufer von Pigmentzellen, direkt unter der Basal- 
membran fast überall dicke Stränge und Klumpen von Pigment 
(Fig. 8, 9, 10). 

An den Hautstacheln klimmt die Epidermis beträchtlich über das 
Niveau ihrer Umgebung empor (s. Fig. 5). Hier sieht man in ihr 
eine Menge von LEeypvı@’schen Zellen !, die sich im Gegensatz 
zu später zu besprechenden Zellen mit Orange-G-Hämatoxylin nicht 
selb, sondern blau färben. 

Es wurde festgestellt, an welchen Standorten das Epithel eine 
im Gegensatz zur gewöhnlichen Höhe von vier bis sechs Zellschichten 
außerordentliche Entwicklung zeigte, wie oben gesagt bis zu 19 Zell- 
lagen. 

Die größere Dicke des Epithels macht sich schon makroskopisch 
durch einen Mangel an Transparenz bemerkbar, der bewirkt, dass 
man diese Strecken, die zum Theil, wie z. B. die Unterseite des 
Rostrums sogar sehr stark mit Pigment in der Tiefe imprägnirt sind, 
nicht schwarz, sondern graublau bis hellgrau, bis weißlich gefärbt 
sieht. Besonders groß sind diese Bezirke auf der Unterseite des 
Kopfes, wo sie hauptsächlich dem Verlauf der Schleimkanäle zu 
folgen scheinen. Auf den verdiekten Stellen stehen keine Stacheln. 

Die Größe der Ausbreitung ist individuell etwas verschieden. 


1 LevYDIG betont überall (Beitr. zur Anat. u. Entwicklung der Rochen und 
Haie. p. 79. Untersuchungen über Fische und Reptilien. p. 34), dass bei den 
von ihm untersuchten Selachiern außer in der Rachenschleimhaut keinerlei 
Schleimzellen in der Epidermis seien. 

OsKAR HERTWIG (Jen. Zeitschr. für Naturwiss. 1874, p. 335) hat schon die 
Allgemeingültigkeit dieser Thatsache umgestoßen, indem er für die von ihm 
untersuchten Species im Allgemeinen sagt: »In den oberen Zellenlagen finden 
‘ sich häufig Schleimzellen.< Er bildet die Umgebung je eines Stachels von 
Heptanchus cinereus und von Acanthias vulgaris mit solchen ab, sagt jedoch 
nicht, dass sie nur an diesen Orten zu finden wären. 
| Bei Spinax sind hauptsächlich in der Umgebung der Stacheln Leypıs’sche 
Zellen in. dem Sinne, wie der Name bei Amphibien gebräuchlich ist, vorhanden. 
Becherzellen habe ich nirgends in der äußeren Decke gesehen. 


144 Leopold Johann, 


In Fig. 6 stellen die hellgehaltenen Theile die hellgraue, ver- 
dickte, die schattirten die normale Epidermis dar. 

Man sieht, dass der ganze Mund von einer hellen Zone umgeben 
ist. Von dieser erstreckt sich nach oben ein schmaler Ausläufer, der 
sich zuweilen noch auf die rechts und links vom Mittelkanal ab- 
eehenden Schleimkanäle fortsetzt, der sich nach der Gabelung des 
Mittelkanals ausbreitet und die ganze vordere Hälfte des Rostrums 
einnimmt, die Nasenlöcher umgreift und einen Fortsatz jederseits in 
das Dreieck caudalwärts schickt, das von den Nebenschleimkanälen 
gebildet wird. 

Weiter ist diese Verdickung der Oberhaut vorhanden an der 
Basis der Rückenflossen, an der Ventralseite der Brustflossenbasis, 
an der Dorsal- und Ventralseite der Bauchflossenbasis, am ventralen 
Ansatz der Schwanzflosse und in der Umgeburg der Kiemenlöcher. 
Auf Fig. 3 sind die mit diesem Epithel versehenen Stellen der 
Rückenflossen und des dorsalen Theils der Bauchflossenbasis mit 
dunkler Schattirung versehen worden. 

Auf der Unterseite der Brustflossenbasis betrifft die Verdiekung 
den proximalen Zipfel von Leuchtorganen, der sich in Fig. 4 in sie 
hineinschiebt. 

An der Ventralseite der Bauchflossenbasis (Figg. 7a, 75) ist die 
Linie von Organen, die vom vorderen äußeren Rand der Basis nach 
hinten zieht, und der von Organen freie Rand rechts und links vom 
Genitalporus der Sitz der Verdickung. Beim Embryo ist sie, be- 
sonders in der Schnauzengegend, überall schon angedeutet. 


Die Leuchtorgane stellen sich dar als eine halbkugelige Einsen- 
kung der Epidermis in die Cutis. Ihre Achse steht an der Unterseite 
des Rostrums und in der Mittellinie des Bauches senkrecht zur Haut- 
oberfläche. Seitlich von der Mittellinie ist ihre Achse nach dieser zu 
gerichtet, an den Seitentheilen des Schwanzes nach unten (Fig. 10). 
In Folge dieser Lagerung geben an diesen Stellen Längsschnitte zum 
Fisch, senkrecht zur Oberfläche der Haut geführt, niemals Längs- 
schnitte durch die Achse der Organe, sondern nur Querschnitte. 

Die äußere lockere Schicht der Cutis ist durch das Organ, wenn 
sie nicht sehr stark entwickelt ist, bis auf eine schmale Zone, in 
der das Pigment eingebettet liegt, verdrängt. Entfernt man dieses, 
so sieht man, dass das pigmententhaltende Gewebe unter dem Leucht- 
organ anders gebaut ist als das unter dem gewöhnlichen Epithel. 
Beide sind hell und lichtdurchlässig und von etwas gelblicher Fär- 


Über eigenthüml. epitheliale Gebilde (Leuchtorgane) bei Spinax niger. 145 


bung, die wohl von Resten des Pigments herrührt. Das erstere 
jedoch zeigt nur wenige, unregelmäßig koncentrisch zu dem Organ 
verlaufende Fasern, während das letztere aus einem dichten Gewirr 
regellos durch einander laufender Faserzüge besteht. 

Der in die Cutis eingesenkte Theil des Leuchtorgans wird von 
einem schalenförmigen Blutsinus umgeben (Fig. 8, 11, 12). 

Das Leuchtorgan setzt sich aus folgenden Bestandtheilen zu- 
sammen. | 

Auf der Basalmembran sind zwei bis fünf Lagen von je vier bis 
sechs in einem Kreise angeordneten Zellen so aufgebaut, wie dies am 
besten Fig. 13 (Zz) im Flächenschnitt durch die Haut veranschaulicht. 

Die Kerne aller Zellen liegen nach außen, während die Leiber 
ins Innere gestreckt sind. Die Form der Zellen ist spitz eiförmig 
bis keilförmig auf einem Flächenschnitt, elliptisch auf dem Quer- 
schnitt (zum Fisch) (Fig. 11, 12). In dem inneren Theil der Zelle be- 
findet sich regelmäßig eine große helle Vacuole mit geringen Mengen 
feinkörnigen Inhalts, wie auf Fig. 12 oder mit zusammengeballten 
seronnenen Massen von einem sich mit Orange-G stark gelb, mit 
Eosin schwach roth färbenden Sekret, das mit zahlreichen großen 
und kleinen lichtbrechenden Körnchen vermischt ist (Fig. 8, 10, 
13 Sekr). Ich nehme an, dass dies nur unlösliche Rückstände sind, 
dass die Hauptmasse des Sekrets durch die Behandlung mit Alkohol 
entfernt und so die Vacuole geschaffen wurde, wie dies PANCERI! bei 
den leuchtenden Zellen der PAyllirrhoe bucephala beobachtet hat. 
Eben so hat Rawırz? eine Löslichkeit des leuchtenden Sekrets der 
Pholas dactylus in Alkohol festgestellt. Was die Zusammensetzung 
der Körner anbetrifft, so halte ich sie nach ihrer Farbenreaktion für 
eiweißartige Körper im Gegensatz zu PANCERI und LEYDIG, deren 
Ansichten ich später anführen werde. Der peripher liegende Proto- 
plasmaleib der Zelle färbt sich sehr stark gelb mit Orange-G-Häma- 
toxylin und zeigt im Innern eine Menge feiner Granulationen, ähnlich 
denjenigen, die in dem Sekret der Vacuolen zu sehen sind. 

Diese Zellen werde ich »Leuchtzellen< nennen, die Berechtigung 
dazu wird aus dem Späteren klar werden. 

Der unterste Kreis der Leuchtzellen wird direkt von der Basal- 
membran umschlossen, in den oberen Lagen jedoch drängen sich 


! Intorna alla luce che emana della cellule nervose della Phyllirrhoe buce- 
' phala. 1872. 


2 Jen. Zeitschr. für Naturwissensch. Bd. XIV. N. F. XVII. Sonderabdr. 
Jena 1890, p. 23, 24. 


Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Bd. 10 


146 Leopold Johann, 


zwischen sie und die Basalmembran Zellen (Fig. 12, 13), die ihrer Ge- 
stalt nach Cylinderzellen des Epithels sind, aber bedeutend kleinere 
Kerne zu besitzen scheinen. Es liegt dies daran, dass sie vielfach 
auf der Längsseite quer durchschnitten sind. Ihre sehr langen, 
_ eylindrischen, dünnen Basen reichen, eine über die andere geschichtet, 
beinahe bis zur untersten Lage von Leuchtzellen und setzen sich erst 
hier an die Basalmembran an, wie dies auf Fig. 10 im Querschnitt, 
auf Fig. 13 im Flächenschnitt zu sehen ist. Auf Fig. 13 sieht man 
um den Kreis von Leuchtzellen mit großen Kernen einen Kranz von 
kleineren Kernen liegen, und durch und um diese ziehend unregel- 
mäßige scharfe Linien. Der äußerste unregelmäßige Kreis ist ein 
Durchschnitt der Basalmembran, die weiter nach innen liegenden 
Linien sind Falten derselben. Die um die Leuchtzellen liegenden 
kleinen Kerne gehören den oben erwähnten Palissadenzellen an, 
die radiär in ihrer Nähe verlaufenden feinen Striche sind die Grenzen 
der sich von der Oberfläche eutiswärts neben ihnen herabsenkenden 
Basen anderer Palissadenzellen. Diese schließen sich (Fig. 11, 12) 
über der gesammten Menge der Leuchtzellen zu einem Gewölbe, das 
auf dem Durchschnitt betrachtet zehn bis zwölf großkernige Zellen 
in so dichtem Gedränge enthält, dass nur sehr selten die Grenzen zu 
erkennen sind. Die Kerne sind oval bis rund oder auch eckig, 
scheinbar von verschiedener Größe. Sie liegen aber nur sehr un- 
regelmäßig und sind desshalb verschieden vom Messer getroffen. Je 
näher diesen Kernen die darunter gelegenen Leuchtzellen kommen, 
um so schmaler und kürzer werden sie, bis man Stadien hat, wie 
ich sie in Fig. 11 abgebildet habe. Eine der drei Zellen (Zz), die 
im Begriff sind, eine Vacuole zu bilden, liegt fast noch mitten unter 
gewöhnlichen Kernen, so dass anzunehmen ist, dass sich die Leucht- 
zellen von oben her, von diesem Gewölbe ergänzen. Es wäre denk- 
bar, dass auch von der Peripherie her, von den Cylinderzellen ein 
Ersatz der verbrauchten Leuchtzellen stattfände, ich habe aber keine 
darauf hindeutenden Stadien gesehen. 

Nach oben, nach der freien Oberfläche zu, produeirt das Ge- 
wölbe noch eine besondere Art von Zellen, und ich werde es dess- 
halb das »Keimlager« nennen. 

Dies (Fig. 8, 9, 10, 11, 12 Zsz) sind verschieden große, rundliche 
bis linsenförmige Zellen, von denen ich der Kürze wegen als »Linsen- 
zellen« sprechen werde, die zu zweien und mehr, eine über die an- 
dere gelagert, meistens eine zusammenhängende Reihe bis zur Ober- 
fläche der Epidermis bilden. Ihr Kern liest an der Wand, das Innere 


Über eigenthüml. epitheliale Gebilde (Leuchtorgane) bei Spinax niger. 147 


ist mit einem geronnenen Sekret angefüllt, das dem Produkt der 
Leypig’schen Zellen sehr ähnlich sieht, das sich aber im Gegensatz 
zu diesem mit Orange-G-Hämatoxylin nicht blau, sondern intensiv gelb 
färbt. Es bildet eine homogene, nicht glänzende, zusammenhängende 
Masse, an deren Rand sich hier und da rundliche helle, schwach blau 
sefärbte Flecke zeigen, wie sie auf Fig. 11 abgebildet sind. 

Zu diesen Zellen rückt das Epithel von der Nachbarschaft und 
schließt sich über und zwischen ihnen. Durch das Wachsthum der 
Epidermis werden sie in die Höhe gehoben, zuerst geöffnet und ent- 
leert (Fig. 11, 14 Zs2), dann abgestoßen. Ihr Ersatz findet, wie 
schon gesagt, von der oberen Fläche des Keimlagers statt. Ein 
jüngstes Stadium ist in Fig. 11 dargestellt. 

Es bliebe noch übrig über die Pigmentirung zu sprechen. Es 
umgiebt das Organ erstens in der Cutis jenseits des Sinus korbartig 
ein Geflecht dieker Pigmentstränge. Ein zweites befindet sich inner- 
halb der Basalmembran. Dieses letztere schickt in der Peripherie 
Ausläufer sowohl in die Interstitien der Leuchtzellen als des Keim- 
lagers hinein (Fig. 8, 10). 

Von der Peripherie des Keimlagers erheben sich eine Menge 
rankenförmiger Fortsätze von Pigmentzellen, die sich wieder unter 
einander verbinden und die Linsenzellen umspinnen (Fig. 10). Fig. 9 
zeigt einen Flächenschnitt durch die Haut in Höhe einer Linsen- 
zelle.. Der helle Raum in der Mitte ist eine solche. Die Achse des 
Organs bleibt immer entweder ganz frei von Pigment, wie in Fig. S, 
oder sie enthält nur sehr wenig. 

Was die besprochenen Bestandtheile anbetrifft, sind die Organe 
aller Körpergegenden übereinstimmend gebaut, nur die Ausbildung 
der einzelnen Elemente ist nicht überall gleich. 

Wie am Kopfe die Epidermis vielfach eine erstaunliche Höhe 
erreicht, so sind auch die hier befindlichen Leuchtorgane plump und 
massig. 

Die Leuchtzellen sind eben so wie das Keimlager in allen Dimen- 
sionen sehr groß. 

Die Linsenzellen haben jedoch im verdickten Epithel den relativ 
geringsten Umfang, sind fast alle gleich größ (Fig. 8), rundlich, nicht 
linsenförmig. Sie bilden seltener, zur Oberfläche des Epithels auf- 
steigend, kontinuirliche Reihen, sind vielmehr öfter durch mehrere 
gewöhnliche Zellschichten von einander getrennt oder stehen nicht 
senkrecht über einander. 

Im Epithel von der gewöhnlichen Höhe an der Unterseite des 

10* 


148 | Leopold Johann, 


Rostrums sind zwei bis drei kleine linsenförmige Linsenzellen vor- 
handen (Fig. 11 und 12). 

Am Rumpf (Fig. 10) bietet die geringe Dicke der Epidermis nur 
Platz für das Nöthigste. 

Die Leuchtzellen sind in eben so großer Zahl wie am Kopf vor- 
handen, sind aber eben so wie das Keimlager auf einen ganz ge- 
ringen Raum zusammengepresst, so dass die jüngsten Entwicklungs- 
stadien der Leucht- ‘und Linsenzellen zuweilen nur durch zwei 
Zellschichten getrennt sind, und denselben Forderungen an Raum- 
ersparnis haben sich die Linsenzellen anbeguemt. Sie sind entsprechend 
der geringeren Höhe des Epithels in kleinerer Zahl als in der ver- 
diekten Kopfhaut vorhanden, zu vier bis sechs. Zwischen ihnen 
liegen keine gewöhnlichen Epidermiszellen, sondern eine schließt sich 
dicht an die andere an. Sie erreichen an den Seitentheilen des 
Rumpfes und Bauches die größten Dimensionen am Körper und in 
Folge dessen wäre, wenn sie senkrecht zur Oberfläche der Haut 
über einander ständen, kein Platz für sie vorhanden; die äußerste 
würde übermäßig stark hervorragen, schnell abgenutzt und geöffnet 
werden. Desshalb haben sie sich zusammen mit dem ganzen Organ 
schief in die Epidermis gelagert (Fig. 10). Sie sind linsenförmig, 
ihre Größe nimmt nach außen immer mehr zu, so dass sie zusammen 
den Eindruck eines optischen Systems machen. 

Um die Innervation der Leuchtorgane festzustellen, wurden 
Versuche mit Gougr’scher Färbung angestellt, die gar kein Resultat 
brachten, weil das Material ungeeignet dazu war. An Schnitten 
wurde die Osmiumsäure-Holzessig-Methode erprobt und die Nerven 
färbten sich auch bis zum Eintritt ins Pigment, aber solche Resultate 
waren besser mit Orange-G-Hämatoxylin zu erreichen. Während sich 
in Osmiumsäure-Holzessig Alles schwarz färbt, nehmen hiermit die 
Kerne des die Nerven begleitenden Bindegewebes immer eine von 
der der Cutis verschiedene Färbung an, gelb oder blau, je nachdem, 
welcher der Farbstoffe länger eingewirkt hat. 

Es wurden zuerst Schnitte durch die Schnauzengegend unter- 
sucht, da anzunehmen war, dass, wenn die Leuchtorgane eine eigene 
Innervation besäßen, hier entsprechend der reichlicheren Versorgung 
der Kopfhaut mit Nerven die herantretenden Stämmchen auch rela- 
tiv größer und daher leichter zu sehen sein würden als an Organen 
aus der Rumpfhaut. Fast alle Untersuchungen, besonders die über 
die Endverzweigungen der Nerven, wurden .an Schnitten vorgenom- 
men, deren Pigment zerstört war. 


Über eigenthüml. epitheliale Gebilde (Leuchtorgane) bei Spinax niger 149 


- Nur in einem einzigen Falle sah ich ein Nervenstämmchen direkt 
am Pol eines Organs zutreten. Es überschritt jedoch nicht den 
Blutsinus, sondern muss sich innerhalb des pigmentirten Gewebes in 
feine Fasern aufgelöst haben, da auf den nächsten Schnitten nichts 
mehr von ihm zu sehen war. Es könnten also nur sehr dünne 
Fasern etwa mit den Bindegewebsbälkchen, die hier und da den 
Sinus überschreiten, direkt zu dem Organ gelangt sein. 

Die übrigen Nerven, die ich an die Organe herantreten sah, 
singen sämmtlich in der Peripherie derselben an das Pigment der 
Cutis und lösten sich hier auf, waren wenigstens nur in kleinen 
Zweigen kurze Strecken zu verfolgen. Die geeignetsten habe ich in 
Fig. 14 und 16 abgebildet. In Fig. 14 ist die Ausbuchtung der Basal- 
membran der tangentiale Durchschnitt durch ein Leuchtorgan. Die 
eintretende Faser links ist deutlich; rechts glaubte ich auch einige 
feine Äste ins Epithel aufsteigen zu schen, habe aber von deren 
Abbildung Abstand genommen, wie auch auf verschiedenen anderen 
Figuren, weil ich meiner Sache hier nicht positiv sicher war. 

Zwischen den Basen der Palissadenzellen finden sich helle durch- 
scheinende Lücken, die leicht den Eintritt eines Nerven vortäuschen 
können. Einen Fingerzeig, wo ein solcher oder der eines Pigment- 
zellenausläufers erfolgt, giebt oft eine trichterförmige Ausbuchtung 
der Basalmembran in der Richtung nach außen, an deren Spitze eine 
Öffnung beim Heben und Senken des Focus zu konstatiren ist. In 
Fig. 17, 20a und 205 habe ich solche Eintrittsstellen abgebildet. 

In Fig. 16 geht der Nerv von einem in der Subeutis verlaufen- 
den Hauptstrang ab, entsendet nach links zwei Nebenäste, deren 
Verfolgung nichts Wesentliches bot, und theilt sich dann in zwei 
Äste, deren jeder an eine Seite des Organs tritt und sich in dem 
pigmentirten Gewebe verliert. 

Links lassen sich einzelne Fasern des Nerven bis zu der hellen 
Zelle, die über dem Blutgefäß liest, verfolgen. In dem Pigment- 
gewebe zwischen den beiden Ästen habe ich nichts von Nervenfasern 
wahrgenommen. 

Da also die Nerven niemals direkt in ein Leuchtorgan hinein, 
sondern höchstens an die Peripherie traten, da dies nur relativ selten 
vorkam und da endlich die Organe von diesen Stämmen nur sehr 
kleine Ästchen bekommen haben können, weil srößere mit positiver 
Sicherheit hätten gesehen werden müssen, lag die Vermuthung sehr 
nahe, dass die Nerven, die ich zu Gesicht bekommen, gewöhnliche 
Hautnerven seien. Zur Bestätigung war es nöthig, die Art der 


150 | Leopold Johann, 


Innervation der übrigen Epidermis festzustellen. Es ergab sich, dass 
diese mit der oben beschriebenen total übereinstimmte. 

Es wurde zunächst auch hier die Epidermis der Unterseite 
des Rostrums untersucht. Es treten die Nerven bis an das pig- 
menthaltige Gewebe der Cutis und lösen sich hier in ihre Endver- 
zweigungen auf. Fig. 17, 204 und 205 zeigen solche. — 

Fig. 20 @ und 205 sind zwei auf einander folgende Schnitte, der 
auf Fig. 20@ sichtbare Nerv kommt aus der Subeutis und schwillt 
auf Fig. 205 zu einem Kolben von 2,26 u Breite an, der einen Fort- 
satz durch die auch hier ins Epithel vorgestülpte Basalmembran 
sendet. Die Verhältnisse am Rumpf sind im Prineip dieselben, 
nur ist der Reichthum an Nerven und die Größe derselben geringer. 
Es sind zwar viele in der inneren Lage der Cutis zu sehen, aber 
nur wenige Ausläufer zum Epithel. 

In Fig. 15 geht ein Nerv von einem solchen Stamm in der Cutis 
ab zum Pigment jenseits des Blutsinus eines Organs. 

Ähnliche Bilder, bei denen jedoch der Nerv nicht so nahe an 
das Leuchtorgan herantritt, sich also schon vorher in seine Endver- 
zweigungen auflösen muss, habe ich noch mehrere gesehen. 

Bei der übrigen Epidermis, zwischen den Leuchtorganen, sind 
die Befunde dieselben. Nur einmal sah ich einen eben so dicken 
Ast wie in Fig. 15 an das Pigment treten, sonst ließen sich die Aus- 
läufer nicht so weit beobachten. 

An der Bauchhaut des 94 mm langen Embryos ergab sich etwas 
Ähnliches. 

Ich sah keinen einzigen Nerv, der an ein Leuchtorgan ging, die 
hier, wie Fig. 22 zeigt, schon recht stattlich entwickelt sind, wohl 
aber solche in ihrer Nähe, die mitten in der Cutis endigten. 

Fig. 18, 19a und 195 stellen die Nervenfasern dar, die ich am 
weitesten verfolgen konnte. Der obere Theil des Nerven in Fig. 19u 
ist nur bei sorgfältiger Benutzung der Mikrometerschraube zu sehen, 
und es lässt sich nicht entscheiden, ob er nicht ein abgeschnittener 
Theil des auf dem nächsten Schnitt (Fig. 195) sichtbaren Ausläufers 
einer Pigmentzelle ist. Auf jeden Fall ist es wohl nach Enmıv 
BALLOwWITZ! anzunehmen, dass an dieser Pigmentzelle der Nerv bis 
zum Epithel wandert. 

Ein zweiter feiner Ast geht von dem am weitesten links stehen- 
den der drei Kerne in der Cutis zum Pigment. 


! Diese Zeitschr. Bd. LVI. Leipzig 1893. 


Über eigenthüml. epitheliale Gebilde (Leuchtorgane) bei Spinax niger. 151 


Aus den vorstehenden Resultaten geht hervor, dass im Verhältnis 
zur Gesammtzahl der Leuchtorgane die Menge derer, an die ein Nerv 
herantritt, eine äußerst kleine ist. 

Ferner, wenn ein Nerv überhaupt zu ihnen geht, so befolgt er 
dasselbe Verhalten wie die das gewöhnliche Epithel versorgenden 
Äste. Er tritt eben so wie diese in das Pigment und verzweigt sich 
dort, so dass nur einzelne, feinste Ausläufer den Leuchtorganen zu- 
kommen können. 

Es ist also anzunehmen, dass die Leuchtorgane nicht 
specifisch innervirt werden, dass dies vielmehr von den 
allgemeinen Hautnerven geschieht. 


Über die Entwicklung der Leuchtorgane während des embryo- 
nalen Lebens ist nach dem beim erwachsenen Thier schon erkannten 
Bau, dass die Basalmembran das Ganze umschließt, nichts Neues, nur 
eine Bestätigung zu erwarten. 

Fig. 21 und 22 zeigen zwei Stadien, die erste ein sehr frühes, 
die zweite ein späteres, wo sich die Ausbildung schon sehr der beim 
erwachsenen Thier genähert hat. 

Bei der Entwicklungsstufe, die in Fig. 21 festgehalten worden 
ist, ist das gewöhnliche Epithel 2,75 u hoch, an der abgebildeten 
Stelle misst es 3,02 u. Die Basalmembran ist also, wie sich auch 
ohne Maß konstatiren lässt, gegen die Cutis vorgewölbt; die Menge 
der Kerne hat gegen die der gewöhnlichen Fpidermis zugenommen, 
beide sind von gleicher Größe. An den Seiten beginnen sich schon 
die Zellen in eine solehe Richtung zu stellen, dass ihre Abkömmlinge 
die in der Mitte liegenden später überwuchern müssen. Ein Kem 
rechts und zwei links haben sich sogar in diesem Bestreben nach 
dem entstehenden Organ hin gekrümmt. Die ersten Ansammlungen 
von Pigment sind sowohl über als unter der Basalmembran als Ein- 
lagerungen gelb-grünlicher Körnchen zu konstatiren. 

Den Abschluss des Epithels nach der freien Oberfläche bildet 
eine dünne, kontinuirliche Lage von Zellen mit langen schmalen 
Kernen. 

Fig. 22 zeigt eine sehr viel höhere Entwicklungsstufe. 

Es hat sich eine größere Menge von Zellen angesammelt und 
in die Tiefe gesenkt. Am Grunde sehen wir zwei von den mit 
‚einer Vacuole versehenen Leuchtzellen in der Bildung begriffen (Zz2). 
In dem Kern der oberen Zelle sieht man deutlich auf jeder Seite 
eine napfförmige Vertiefung, die ich im optischen Durchschnitt wieder- 


| 152 Leopold Johann, 


gegeben habe. Während bei dem Stadium von Fig. 21 noch große 
Bluträume unregelmäßig den ganzen äußeren Theil der Cutis ein- 
nehmen, beginnt sich auf Fig. 22 schon der schalenförmige Sinus 
zu bilden. 


ill. Funktion. 


Was die Funktion unseres Organs anbelangt, könnte man an 
Verschiedenes denken. Es könnte ein Sinnesorgan oder eine Drüse 
sein und zwar entweder eine gewöhnliche Schleimdrüse oder eine 
modifieirte, ein Leuchtorgan. 

Es für ein Sinnesorgan zu erklären, ist unmöglich, weil keinerlei 
zur Perception von irgend welchen Sinneseindrücken geeigneten 
Zellen in ihm vorhanden sind und auch die Innervation dann eine 
reichere sein müsste, derart, dass zu jedem Organ ein Nervenstämmehen 
träte. Die Auffassung als Drüse ist die richtige. Es sind zweierlei 
Sekretzellen vorhanden, die Leucht- und Linsenzellen. Die Leucht- 
zellen könnte man für Leyvig’sche, die Linsenzellen für gewöhnliche 
Becherzellen halten. Gegen beides spricht die Färbung des Sekrets, 
die keine Muein-, sondern eine Eiweißreaktion darstellt. 

Vielmehr muss man wohl beide als Modifikationen dieser Zell- 
arten, das Ganze also für eine modifieirte Drüse, für ein Leuchtorgan 
ansehen und dafür sprechen auch sonstige gewichtige Gründe. — 

Spinax niger wurde zwar nicht im Leben beobachtet, wohl aber 
ein anderer Spinacide, Squalus fulgens (oder Isistius brasıliensis Q. G., 
oder Leius feroe Kner!) von G. BEnNnETT? Dieser konstatirte an 
ihm eine lebhafte Phosphorescenz und zwar an denselben Körper- 
stellen, an denen sich die fraglichen Organe von Spinax befinden. 

Ich lasse seine Wahrnehmungen in wörtlicher Übersetzung folgen: 

p- 100. »Als es dunkel geworden war, wurde der Fisch mit 
einem Netz gefangen. Er glich einem Pyrosoma und gab ein phos- 
phoreseirendes Licht von sich ........ « Der Fisch wurde darauf 
in ein Aquarium gesetzt und darin bis zu seinem Tode, der drei 
Stunden nach dem Fang eintrat, beobachtet. 

p. 257: »Die ganze untere Fläche des Körpers und des 
Kopfes3 schickten ein lebhaftes, grünlich phosphoreseirendes Licht 
aus, welches von dem Thier selbst ausging ........ Als der Hai 


i Denkschr. der Wiener Akad. Math.-naturw. Klasse. Bd. XXIV. 1865. p. 10. 
? Narrative of a Whaling Voyage round the globe. London 1840. 
3 Von mir, dem Verf., hervorgehoben. 


Über eigenthüml. epitheliale Gebilde (Leuchtorgane) bei Spinax niger. 153 


“todt war, verschwand die Lichterscheinung vollständig vom Hinter- 
leib und nach und nach von den vorderen Theilen ........ Der 
einzige Theil, der nicht leuchtete, war ein schwarzer Ring an 
der Kehle!. Während die Unterseite der Brust- und Bauchflossen 
leuchteten, war ihre obere Seite mit Einschluss des oberen Lappens 
der Schwanzflosse in Dunkel gehüllt, eben so wie der Rücken und 
die Dorsalseite des Kopfes. Ich bin geneigt anzunehmen, dass diese 
Leuchtkraft des Haies auf einer besonderen Sekretion der Haut be- 
ruht. Mein erster Eindruck war, dass der Fisch vielleicht irgend 
welche phosphoreseirenden Substanzen aus der See oder von den 
Netzen, mit welchen er gefangen, an sich haften habe, aber eine 
senauere Untersuchung bestätigte diesen Verdacht nicht, denn die 
Gleichmäßigkeit, mit welcher das Licht an bestimmten Stellen des 
Körpers und der Flossen seinen Sitz hatte, und das Nachlassen und 
Verschwinden bei der Annäherung und dem Eintritt des Todes ließen 
keinen Zweifel bei mir zurück, dass das Leuchten eine mit dem 
Leben und der Einrichtung des Thieres verbundene Fähigkeit sei.« 

So weit BENNETT. 

Wie Fig. 2, 3, A, 7a, 75 zeigen, ist die Vertheilung der Leucht- 
. kraft über die Körperoberfläche bei Sqwalus fulgens völlig übereinstim- 
mend mit der Verbreitung der in Rede on Organe bei dem 
nahe verwandten Spinazx niger. 

Auf der Oberseite des Kopfes und der Flossen sowie auf dem 
Rücken hat zwar Spinax auch noch Organe, aber nur sehr wenige, 
die vielleicht bei Squalus fulgens ebenfalls vorhanden sind, deren 
Leuchten aber im Vergleich zu dem von der dicht gedrängten Menge 
von Organen an der Unterseite erzeugten Licht zu schwach war, um 
dem Beobachter aufzufallen. 

Ferner stehen bei Spinax auf einem ventral nicht geschlossenen 
Ring vor den Brustflossen, der nur durch die Organe der Seitenlinie 
und des Rückenfirsts unterbrochen ist, keine Leuchtorgane, wie Fig. 2 
‚und 3 zeigen. 

Zum Überfluss erhielt Herr Prof. BLocumann durch die Freund- 
liehkeit Herrn Hofraths STEINDACHNER in Wien ein Stück der Bauch- 
haut dieses Leius feroxz, an dem zwar das Epithel leider zum größten 
Theil fort war, das jedoch noch Reste von fast eben so wie bei 
Spinax gebauten Organen erkennen ließ. 

Bei der nahen Verwandtschaft beider Thiere, bei der, wie wir 
gesehen haben, frappanten Übereinstimmung der Vertheilung der 


! Von mir, dem Verf., hervorgehoben. 


154 Leopold Johann, 


Phosphorescenz über den Körper bei ZLeius feroz mit der Anordnung‘ 
unserer Organe bei Spinax, bei dem gänzlichen Mangel anderer 
Organe bei Spinax, die geeignet sein könnten, diesen Effekt hervorzu- 
rufen und endlich bei der Existenz von Organen mit ähnlichen Be- 
'standtheilen bei Sgualus ist es wohl zweifellos, dass die in Rede 
stehenden Gebilde von Spinax Leuchtorgane sind. 

Auch die einzelnen Bestandtheile derselben lassen sich leicht 
in den Rahmen eines solchen einfügen. Die Leuchtzellen sind 
den leuchtenden Zellen der Phyllirrhoe bucephala zu vergleichen. 
Diese enthalten im konservirten Zustand ebenfalls eine große Vacuole 
mit geringen Mengen einer körnigen Substanz und ihr Protoplasma 
ist eben so wie das der Leuchtzellen mit kleinen Körnchen angefüllt'. 

Bei den Pennatuliden? sind ebenfalls helle Zellen mit körnigem 
Inhalt der Sitz des Leuchtens. LevpısG? bildet eine Gruppe von 
Zellen vom Innenkörper eines augenähnlichen Organs von Gonostoma 
denudatum ab, die sehr den Leuchtzellen von Spinax gleichen. Er 
sagt p. 92 darüber: »Noch mag nicht unerwähnt bleiben, dass die 
Krümel und Körner in den Elementen des zelligen Körpers der 
augenähnlichen Organe gar wohl an die stark lichtbrechenden Gebilde 
im Hautsekret der Batrachier erinnern und also im Fall der wirk-. 
lichen Lichtentwieklung (die LeypIG bei seinen Organen auch nur 
vermuthet) gleich diesen der Sitz des Leuchtens sein könnten. « 

Von Hippopodius gleba* ist festgestellt, dass dieser körnige In- 
halt thatsächlich mit dem Leuchten etwas zu thun hat. 


RAPHAEL DugoIs sagt darüber auf p. 462 Folgendes: 

»In Folge davon, dass auch Stücke von Zippopodius gleba auf 
einen Reiz hin zu leuchten anfingen, war es möglich, den Vorgang 
der plötzlichen Lichtentwicklung mikroskopisch zu beobachten. Es 
stellte sich heraus, dass im Moment der Reizung sich die Zellen, 
die vorher durchscheinend waren, trübten, indem das Protoplasma 
so die oben erwähnten Körner ausschied, wie sich in einer über- 
sättigten Salzlösung bei einer Erschütterung die Krystalle bilden.< 

Über die Natur des körnigen Inhalts stellte PAncErI> fest, dass 
es eine fettige Masse sei und Leyvig> schließt sich ihm an, indem 


! PAncCERI, Intorno alla luce che emana della Phyllirrhoe bucephala. 1872. 
— RAPHAEL DUBoIs, Lecons de physiologie generale et comparee. Paris 1898. 

2 PANCERI, Gli organi luminosi e la luce delle Pennatule. 1871. 

® LEYDIG, Die augenähnlichen Organe der Fische. Bonn 1881. Taf.II, Fig. 11. 

* RAPHAEL Dwugols, 1. ce. p. 52. 

921.:C, 


Über eigenthüml. epitheliale Gebilde (Leuchtorgane) bei Spinax niger. 155 


er sagt: »Wir sehen als wirklich leuchtende Substanz in allen jenen 
Fällen, die einer genauen histologischen Prüfung unterworfen sind, 
nur feinere oder gröbere Fetttheilchen; mögen dieselben nun ent- 
weder noch im Protoplasma der Zellen eingebettet liegen oder als 
Zellabscheidungen bereits die Grenze der Zellen oder des Thier- 
körpers verlassen haben.« Einmal ist diese Lehre schon von Rawırz! 
durchbrochen worden, der an Pholas dactylus feststellte, dass das 
leuchtende Sekret eine deutliche Mucinreaktion zeigte, d.h. sich mit 
Orange-Hämatoxylin blau färbte und auch ich glaube sie für die 
Körner der Leuchtzellen nicht acceptiren zu können, da sich diese 
mit Orange-G-Hämatoxylin gelb, mit Eosin-Hämatoxylin roth färben. 
Ich halte sie demnach für eine eiweißähnliche Substanz. 

Was die Funktion der Linsenzellen anbelangt, so wäre es 
nicht direkt unmöglich, dass auch noch ihr Sekret Leuchtkraft besäße. 
Mit Sicherheit ließe sich ihre Thätigkeit nur am lebenden Thier feststel- 
len, wir müssen uns vorläufig nur auf Vermuthungen beschränken. 

Auf jeden Fall ist aber, wenn die Leuchtzellen Licht erzeugen, 
bei dem größten Theil der Organe eine ihrer Aufgaben die, dem 
Lieht einen gangbareren Weg als durch das Epithel zu bieten. 
Wenigstens ist das Licht bei den meisten Organen gezwungen, durch 
sie hindurchzugehen. — 

Denn wie ich schon oben aus einander gesetzt habe, strebt in 
der Peripherie der Organe das Pigment mächtig empor, während es 
die Achse, in der sich mit einer Ausnahme diese Zellen immer be- 
finden, frei lässt (Fig. 8, 9, 10). Es werden also alle Strahlen, die 
nicht durch sie hindurchgehen, vom Pigment resorbirt. 

Eine Ausnahme machen die Organe in der verdickten Epidermis 
der Schauzengegend. — 

Hier sind die’ Verhältnisse für diese muthmaßliche Funktion am 
ungünstigsten. Oft sieht man zwar hohe geschlossene Säulen von 
Linsenzellen wie einen Lichtschacht zur Oberfläche ziehen, aber 
meistens sind entweder zwischen die oberen Etagen mehr oder weniger 
dieke Epidermisschichten eingeschoben oder sie stehen gar nicht senk- 
recht über einander. 

Hier würde eben die massige Ausbildung der Leuchtzellen und 
die damit verknüpfte höhere Leuchtkraft vikariirend für die mangel- 
hafte Stellung der Linsenzellen eintreten. 

Am meisten geeignet für die Funktion, die ich ihnen zuschreibe, 
sind die Linsenzellen an den schief gestellten Organen des Rumpfes 
(Fig. 10). 


156 Leopold Johann, 


Sie sind hier sehr eng an einander gelagert, so dass das Licht, 
nachdem es das hier sehr dünne Keimlager überschritten, nur durch 
Flüssigkeit und einige feine Membranen von dem den Fisch um- 
spülenden Wasser getrennt ist. 

Je mehr sie sich der Oberfläche nähern, um so größer werden 
sie, so dass sich das Licht nach außen hin ausbreiten kann. 

Endlich halte ich es bei diesen letzteren Organen nicht für aus- 
geschlossen, dass durch die Einschaltung der Linsenzellen nicht nur 
eine Fortleitung, sondern auch eine Brechung des Lichtes beim Aus- 
tritt ins Wasser erzielt wird. 

Was die Stellung der Organe von Spinat in der Reihe der 
schon bekannten Leuchtorgane anbelangt, so stehen sie in so fern 
einzig da, als sie der Epidermis angehören; jedoch ist dies kein 
Grund, sie nicht als etwas den übrigen Homologes zu betrachten, 
da von diesen als drüsenähnlichen Organen zu vermuthen ist, dass 
sie vom Ektoderm abstammen, wie es auch Dugoıs! thatsächlich für 
die Organe von Lampyris und Pyrophorus. festgestellt hat. 

V. LENDENFELD? setzt die einfachen ocellaren Organe zu denen 
von Pyrosoma® in Beziehung und sieht in denen der PAyllirrhoe einen 
noch einfacheren Zustand. Aus den einfachen ocellaren Organen denkt 
er sich die höher organisirten entstanden. Die Organe der PAyllirrhoe 
bestehen aus einer Zelle, die von Pyrosoma aus einer Gruppe von Zellen 
und die einfachen ocellaren Organe aus vielen Gruppen, deren jede 
einen Tubulus bildet. Zu den letzteren ist auch das von Ussow* bei 
Gonostoma denudatum gefundene drüsenähnliche Gebilde zu rechnen. 

Bei den ersteren beiden Arten bleibt das Sekret in den Zellen 
liegen, bei der dritten vereinigt es sich in einem centralen Hohlraum. 

Zwischen diese beiden Gruppen müssen die pigmentlosen Organe 
von Chauliodus Sloani?, die pigmentirten von Spinax, Scopelus 
Rissoi® und Maurolicus® gestellt werden. Auf der einen Seite stehen 
sie den Organen des Pyrosoma näher, in so fern eine Formirung der 
Zellen in Drüsenschläuche noch nicht stattgefunden hat und das 
Sekret an seinem Bildungsort liegen bleibt, auf der anderen Seite 


ze: 
Biolog. Centralblatt. Bd. VII. 1887. 
3 PANCERI, Gli organi luminosi e la luce dei Pirosomi e delle foladi. 1872. 
* Bulletin de la societe des naturalistes de Moscou. 1879. Arbeiten der 
St. Petersburger Gesellschaft der Naturforscher. Bd. IV. 
5 LEevDIG, Archiv für Anat. u. Entwicklungsgesch. 1879. 
6 Bulletin de la societe des naturalistes de Moscou. 1879. Arbeiten der 
St. Petersburger Gesellschaft der Naturforscher. Bd. IV. 


DD 


Über eigenthüml. epitheliale Gebilde (Leuchtorgane) bei Spinax niger. 157 


den einfachen ocellaren Organen in so fern, als schon eine Scheidung 
der Drüsenzellen von der nicht differenzirten Epidermis in Vor- 
bereitung ist, wie bei Spinax, oder schon stattgefunden hat wie bei 
den übrigen. 

Ich betrachte das Organ von Spinax als gleichsam auf einem 
embryonalen Drüsenstadium stehen geblieben. 

Die Organe von Spinax haben zu den oben erwähnten pigment- 
losen Organen von Chauliodus Sloanı nahe Beziehungen. 

Leyvis! lässt sich folgendermaßen über sie vernehmen: 

»Diese farblosen Organe liegen in der Lederhaut und ........ 
haben das Aussehen geschlossener blasiger Gebilde, an welchen man 
die homogene Grenzhaut, Tunica propria, unterscheidet und einen 
zellisen Inhalt, welcher sich auch hier in eine centrale und peri- 
pherische Partie sondert. Die erstere besteht aus größeren rund- 
lichen Zellen mit blasigem Nucleus ....... es sind vielleicht der 
Zahl nach 4—5 solcher Zellen, welche auch durch ihren Zusammen- 
schluss in sehr bestimmter Weise eine Art Innenkörper erzeugen. 
Die peripherischen Zellen, wie zu einer Rinde geordnet, sind um 
Vieles kleiner und von Gestalt eylindrisch ........ Ferner nehme 
ich wahr, dass jenseits der Grenzhaut sich um unseren Körper ein 
liehter Raum herumzieht, abgegrenzt innerhalb des Bindegewebes 
der Lederhaut. — Hierbei spannen sich einzelne feine Fädchen von 
der Wand des umgebenden Raumes herüber zur Grenzhaut des Organs, 
ungefähr so wie ähnliche Fäden in Lymphräumen, welche Blutgefäße 
einschließen oder wie auch im Herzbeutel der Fische und Amphibien 
solche Verbindungsbrücken sich treffen lassen.« 

Der Innenkörper entspricht den Leuchtzellen, die peripherischen 
Zellen den umgebenden Palissadenzellen, die Tunica propria der Basal- 
membran und endlich der umgebende lichte Raum dem Blutsinus. 
In der That bieten Flächenschnitte durch die Haut von Spinaz die- 
selben Bilder, wie sie Leypie von den in Rede stehenden Organen 
von Chauliodus giebt (Fig. 13). Hier liest das Ganze in der Outis 
und scheint auch zu ihr zu gehören. 

Der einzige Unterschied ist das Fehlen von Pigment und die 
Lage in der Cutis bei Chauliodus. Ob der letztere Unterschied ein 
erheblicher ist, lässt sich ohne Kenntnis der Entwicklung der pig- 
mentlosen Organe nicht sagen. Es muss jedoch wohl nach der Über- 
 einstimmung im Bau eine gewisse Verwandtschaft zwischen den 


1 Archiv für Anatomie und Entwickelungsgeschichte. 1879. p. 376. Taf. XV, 
Fig. 8. 


158 Leopold Johann, 


pigmentlosen Organen von Chauliodus und denen von Spinaz ange- 
nommen werden. 

Ferner hat das Leuchtorgan von Spinax in so fern Beziehungen 
zu dem drüsenähnlichen Organ von Scopelus Rissoi!, als auch bei 
diesem die Zellen in koncentrischen Kreisen angeordnet sind. Die 
von EMERY? bei. Scopelus beschriebenen Organe scheinen mir keine 
Berührungspunkte mit denen von Spinax zu haben. 

Endlich muss ich noch erwähnen, dass ich bei verschiedenen 
anderen Fischen nach ähnlichen Organen suchte, jedoch entweder 
nichts Derartiges fand oder daran scheiterte, dass das ganze Epithel 
verschwunden war. 

Es wurden von Fischen aus der Sammlung des Instituts unter- 
sucht: Stegostoma, Carcharias, Scyllium catulus, Pristiurus, Mustelus 
vulgaris, Orossorhinus, Zygaena malleus, Acanthias, Chimaera mon- 
strosa. Von FRITSCH in Prag erhielt ich Hautstücke von Centrophorus 
granulosus, Ohlamydoselache anguinea und Laemargus borealis. Da 
dieser aber das Spiritusmaterial vor der Versendung getrocknet hatte 
und dieses hier erst in Wasser aufgeweicht werden musste, war das 
Epithel verloren gegangen. 

Durch die freundliche Vermittelung Herrn Prof. BLOCHMANN’sS 
erhielt ich vom Hamburger Museum ein Stück Haut von Sceymnus 
lichia, an dem jedoch leider auch kein Epithel mehr war, von der 
Zoologischen Station in Neapel Kopf- und Bauchhaut von Prostiurus 
melanostomus und Mustelus laevis. In beiden war nichts, was den 
Organen von Spinax ähnlich gesehen hätte, zu entdecken. 


Nachtrag. 


Als die vorliegende Arbeit schon im Drucke war, sandte mir Herr 
Prof. Dr. BLOCHMANN eine Notiz des Herrn Dr. THEODOR BEER, der, 
ohne von meiner Arbeit zu wissen, zu meiner Freude konstatirt hat, 
dass Spinax niger wirklich leuchte. Ich lasse sie mit seiner gütigen 
Erlaubnis wörtlich folgen: 


Über das Leuchten von Spinax niger. 


Als ich gelegentlich der Augenspiegeluntersuchung dieses Fisches, 
der in Tiefen von 300—3000 m vorkommt, und nur äußerst selten 


1]. e. Ussow. 
2 Mitth. aus der Zool. Station zu Neapel. Bd. V. Leipzig 1884. 


Über eigenthiiml. epitheliale Gebilde (Leuchtorgane) bei Spinax niger. 159 


lebend in die Station gebracht wird, das Zimmer vollständig ver- 
dunkelte, fiel mir das Leuchten des Thieres auf. 

Das beobachtete Exemplar war 26 cm lang, hatte an zwei Stellen 
der Ventralseite Haut und Muskulatur durchsetzende Risswunden, 
schwamm und athmete aber noch ziemlich gut, machte, wenn man 
es ergriff, kräftige Abwehrbewegungen. 

Das Leuchten des Thieres war, wie ich mehreren Herren demon- 
striren konnte, auf 3—4 m sichtbar, und ich zweifle nicht, dass es 
bei einem nicht moribunden Thier intensiver sein kann. 

Die ganze Bauchseite des Thieres von der Schwanzflosse bis an 
das Maul erglomm in einem schwachen, grünlichen Schein, wie wenn 
sie schwach mit Phosphor oder einer Leuchtfarbe bestrichen gewesen 
wäre, doch mit dem Unterschied, dass das Leuchten in kurzen Inter- 
vallen verschwand, wieder zum Vorschein kam, beträchtlich intensiver 
wurde etc. 

Durch mechanischen Reiz, Streichen mit dem Finger über die 
Bauchhaut, Kneipen der Bauchhaut, Beklopfen, konnte keine Ver- 
änderung des Leuchtens oder Nichtleuchtens hervorgerufen werden, 
hingegen schien elektrische Reizung (Drähte von der sekundären 
Spirale, Schlittenapparat, Stromstärke, welche direkte Muskelreizung 
bewirkte) Leuchten auszulösen. 

Elektrische Reizung des Rückenmarks bewirkte an dem zuletzt 
moribunden Thier, das kein Licht mehr von sich gab, kein Aufleuchten. 


Zool. Stat. Neapel, 31. Januar 1899. 


Erklärung der Abbildungen. 
Alle Präparate, bei denen nichts Besonderes dazu gesagt wurde, sind mit 
Orange-G-Hämatoxylin gefärbt. Alle Angaben über Vergrößerungen beziehen 
sich auf Zeiss’sche Instrumente. 


Gemeinsame Bezeichnungen: 


Big, Blutgefäß; Lo, Leuchtorgane;  R,Ring an der Kehle, nicht 
Blk, Blutkörperchen; ZLsz, Linsenzelle; geschl.,ohne Leuchtorg.; 
Bm, Basalmembran; Lz, Leuchtzelle; Sekr, körniger Rückstand 
Cl, Kloake; N, Nerv; des Sekrets der Leucht- 
Do, Dotterstock; Na, Nasenöffnung; zellen; 

Hst, Hautstachel; Pgm, Pigment; Sk, Offnung der Schleim- 
Leyd, Leyvig’sche Zellen; Plsz, Palissadenzellen; kanäle; 


Spr, Spritzloch. 


160 Leopold Johann, Über eigenthümliche epitheliale Gebilde etc. 


Tafel X und XI. 


Fig. 1. Oberflächenbild der Haut von Spinax in der Gegend der Seiten- 
linie. Lupenvergrößerung. 

Fig. 2. Dorsalansicht des Embryos von 93,5 mm Länge. Die Punkte be- 
deuten Leuchtorgane. Die Organe an der Basis der Brust- und Bauchflossen 
sind etwas zu weit nach außen gezeichnet. Bei richtiger Perspektive wären 
sie vom Rumpf verdeckt. Nat. Größe. 

Fig. 3. Derselbe Embryo, von der Seite gesehen. Nat. Größe. 

Fig. 4. Derselbe Embryo, von der Ventralseite gesehen. Der Dottersack 
ist bis auf einen Stumpf abgeschnitten worden. Um das Doppelte vergrößert. 

Fig. 5. Hautstachel mit umgebender Epidermis. Gezeichnet bei Oec. 2, 
Obj. E mit Apparat. Auf die Hälfte verkleinert. 

Fig. 6. Kopf vom erwachsenen Spinax. Die hell gehaltenen Stellen sind 
von verdickter Epidermis bedeckt. Nat. Größe. 

Fig. Ta. Schwanztheil mit Bauchflossen des 93,5 mm langen weiblichen 
Embryos. Vergr. 

Fig. 7d. Bauchflossengegend eines männlichen Embryos. Vergr. 

Fig. S. Medianschnitt durch ein Leuchtorgan aus der verdickten Epider- 
mis des Kopfes. Gezeichnet bei Oc. 2, Olimm. 1/12. Apparat. Um die Hälfte 
verkleinert. 

Fig. 9. Flächenschnitt der Haut eines erwachsenen Spinax in Höhe einer 
Linsenzelle. Oec. 2, Obj. 1/12. | 

Fig. 10. Organ von der Seite des Schwanzes. Gezeichnet bei Oc. 2, Obj. 1/12. 
Apparat. Um die Hälfte verkleinert. 

Fig. 11. Organ aus der Haut von der Unterseite des Rostrums. Das Pig- 
ment ist zerstört. Die oberste Linsenzelle ist entleert. Gezeichnet bei Oc. 2, 
Obj. E mit Apparat. Junges Stadium der Linsenzellen. 

Fig. 12. Organ von derselben Stelle wie Fig. 11. Gezeichnet bei Oc. 2, 
Obj. 1/12. Apparat. 

Fig. 13. Flächenschnitt durch die Haut in Höhe der Leuchtzellen. Ge- 
zeichnet bei Oc. 2, Obj. E Apparat. 

Fig. 14. Tangentialschnitt durch ein Organ in der verdiekten Epidermis 
der Unterseite des Rostrums mit einem Nerv. Gezeichnet bei Oec. 2, Obj. E mit 
Apparat, das Epithel aus freier Hand ergänzt bei 1/12. 

Fig. 15. Schnitt durch ein Organ an der Seite des Schwanzes mit einem 
Nerv. Gezeichnet bei Oc. 2, Obj. E mit Apparat. 

Fig. 16. Schnitt durch ein Organ an der Unterseite des Rostrums mit 
einem Nerv. Gezeichnet bei Oc. 2, Obj. E mit Apparat. 

Fig. 17. Schnitt durch das Epithel von eben daher wie in Fig. 1 mit 
einem Nerv. Gezeichnet bei Oc. 2, Obj. 1/12 mit Apparat. 

Fig. 18. Osmiumsäure-Holzessig-Präparat. Schnitt durch die Bauchhaut 
eines Formolembryos mit Nerv. Gezeichnet bei Oc. 2, Obj. 1/12. 

Fig. 19a, 195.. Auf einander folgende Schnitte durch die Bauchhaut eines 
Formolembryos von ungefähr 10 mm Länge. Gezeichnet bei Oc. 2, Obj. 1/12 mit 
Apparat. 

Fig. 20a, 205. Schnitte durch gewöhnliches Epithel von ebendaher wie in 
Fig. 16. Auf einander folgend. Gezeichnet bei Oc. 2, Obj. E mit Apparat. 

Fig. 21. Schnitt durch die Haut eines Embryo. Länge unbekannt. Junges 
Stadium der Leuchtorgane. Nach einem Karminpräparat, das mit Orange-G nachzu- 
färben versucht wurde. Gezeichnet bei Oc. 2, Obj. 1/12 mit Apparat. 

Fig. 22. Alteres Stadium der Leuchtorgane aus der Bauchhaut eines For- 
molembryos von ungefähr 110 mm Länge. Gefärbt mit Hämatoxylin. Gezeichnet 
bei Oe. 2, Obj. E mit Apparat. 


Untersuchungen über das Verhalten der Nucleolen bei 
der Eibildung einiger Mollusken und Arachnoiden. 


Von 
eand. rer. nat. Paul Obst 


aus Berlin. 


Mit Tafel XII—XIII und 5 Figuren im Text. 


(Aus dem zoologischen Institut der Universität Marburg.) 


Einleitung. 

Mit Untersuchungen über die Ei- und Samenbildung der Pulmo- 
naten beschäftigt, erhielt ich bei Anwendung verschiedener Doppel- 
färbungen besonders klare Bilder von den eigenthümlichen, aus 
zweierlei Substanzen zusammengesetzten Nucleolen älterer und 
jüngerer Eier. Dieselben gaben die Veranlassung, der Entstehung 
dieser oft sonderbar gestalteten, zweitheiligen Nucleolen nachzu- 
forschen und ihre Umbildung in den einzelnen Stadien der Eibildung 
zu verfolgen. Im Laufe der Untersuchung wurden dann noch andere 
Thierformen, vor Allem die Lamellibranchiaten, herangezogen, bei 
denen bekanntermaßen diese Zweitheiligkeit besonders stark aus- 
geprägt und schon von einer Reihe von Forschern genau beschrieben 
worden ist (BISCHOFF, v. HESSLING, LEYDIG, FLEMMING, STAUFFACHER, 
- List u. a.). Weiterhin erschien es dann wünschenswerth, auch die 
Eier verschiedener Araneinen in den Kreis der Betrachtungen zu 
ziehen, da sie in mancher Hinsicht ebenfalls ähnliche Verhältnisse 
aufweisen, nach anderer Richtung allerdings von den genannten 
Formen auch wieder abweichen. Es ist von entschiedenem Interesse, 
in zwei so weit von einander entfernten Thiergruppen diese in mancher 
Beziehung sehr stark übereinstimmenden Vorgänge sich abspielen zu 
sehen. 

Es lag in meiner Absicht, nicht nur die im Folgenden geschil- 
derten Vorgänge der Entstehung und Umbildung der Nucleolen in 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Bd. 11 


162 Paul Obst, 


den Ovarialeiern zu verfolgen, sondern auch vor Allem die Umwand- 
lungen zu studiren, welche die Nucleolen beim Übergang des Keim- 
bläschens in die erste Richtungsspindel erfahren, um nachzuweisen, 
welches Schicksal die Nucleolen beim Eintritt in die Eireifung haben, 
‘bezw. welche Bedeutung ihnen zukommt. Leider waren meine Be- 
mühungen nach. dieser Richtung bisher nicht von großem Erfolg 
gekrönt. Es gelang mir nicht, die letzten Umbildungen bezw. die 
Auflösung der Nucleolen zu verfolgen, und nach meinen Erfahrungen 
muss ich annehmen, dass dieser Vorgang sich außerordentlich rasch 
vollzieht. Es ist auch bei den von mir untersuchten Formen nicht 
ganz leicht, sich gerade Eier in den betreffenden Stadien in genügen- 
der Menge zu verschaffen. Immerhin vermochte ich in einer Anzahl 
von Eiern auch nach ihrem Austritt aus der Zwitterdrüse (bei Zimaz) 
die Nucleolen neben der ersten Richtungsspindel noch nachzuweisen, 
wovon später die Rede sein wird. 

Es sei mir an dieser Stelle gestattet, Herrn Professor KORSCHELT 
für die liebenswürdige Anleitung bei diesen Untersuchungen meinen 
verbindlichsten Dank auszusprechen. 


Material und Methoden. 


Die Untersuchungen wurden zunächst an zwei Pulmonaten, Helix 
pomatia und Limax mazximus, sowie an einem Lamellibranchiaten, 
Unio batavus, angestellt und später durch Heranziehen einiger 
Araneinen erweitert. Von Spinnen wurden untersucht: Zpeira diade- 
mata, Dolomedes fimbriatus, Tegenaria domestica und Drassus quadri- 
punctatus. Als Konservirungsmittel benutzte ich bei allen Objekten 
Sublimat, welches sich für meine Zwecke am brauchbarsten erwies. 
Andere Konservirungsmittel wie z. B. Chromosmiumessigsäure und 
Pikrinessigsäure hatten den Nachtheil, dass sie den gewünschten 
Kontrast der Farben im Präparat weniger stark hervortreten ließen, 
als dies bei Anwendung der Sublimatlösung der Fall war. Bevor 
ich die Tinktionsmethoden, welche von mir in Anwendung gebracht 
wurden, angebe, möchte ich bemerken, dass außer bei Dol. jimbriatus 
sämmtliche Schnitte mit Wasser auf die Objektträger geklebt wurden, 
um irgend welche Beeinflussung durch die Klebsubstanzen bei den 
Färbungen zu vermeiden. Die Anwendung von Säuren, wie sie bei 
bestimmten Färbungen zum Ausziehen des überschüssigen Farbstoffes 
stattfindet, wurde mit Absicht völlig vermieden, um die Beurtheilung 
der Wirkung der Farbstoffe auf die verschiedenen Substanzen der 
Nucleolen dadurch nicht zu erschweren. Hauptsächlich ging mein 


Untersuchungen über das Verhalten der Nucleolen ete. 163 


Bestreben dahin, nur mit je einer Farbe der rothen und blauen 
Reihe möglichst bei allen vorgenannten Objekten differente Tinktionen 
zu erreichen; dies ist mir denn auch gelungen. 

Die Kombination von Boraxkarmin-Hämatoxylin ergab zwar für 
die Nucleolen der älteren unreifen Eier von Helix pomatia eine 
differente, aber, wie es sich bald herausstellte, völlig unzuverlässige 
Färbung, während sie die Kernkörper der jüngsten und jüngeren 
Eier überhaupt nicht merklich vom Chromatin unterscheiden ließ. 
Aus diesen Gründen machte ich von der erwähnten Doppeltinktion 
bei den übrigen Objekten keinen Gebrauch. 


Mit dem FLEemumin@’schen Orangeverfahren konnte ich bei Helix pomatia 
keine brauchbaren Präparate erzielen, trotzdem die Dauer der Einwirkung von 
Safranin bezw. Gentianaviolett und Orange G bei den einzelnen Versuchen eine 
sehr verschiedene war. 

Die Bıoxnpr’sche Lösung, von welcher ich von vorn herein aus verschie- 
denen Gründen gute Resultate erwartete, lieferte mir solche doch nicht, wess- 
halb ich auf ihre Verwendung bald verzichtete. Eben so ungünstige Resultate 
für die jüngsten und jüngeren Eizellen lieferten Kombinationen der verschieden- 
sten in geringerer oder stärkerer Koncentration angewandten Anilinfarbstoffe. 

Weiter ist noch zu erwähnen, dass die HEIDEnHAIN’sche Hämatoxylin- 
Eisenlackfärbung ohne Erfolg von mir versucht wurde. Allerdings habe ich 
mit derselben keine sehr weitgehenden Versuche unternommen, da mir eine 
andere, gleichzeitig mit dieser vorgenommene Doppeltinktion die gewünschten 
Resultate brachte. 


Ich färbte nämlich mit Boraxkarmin vor, und zwar in toto 
16—17 Stunden lang; auf die Schnitte ließ ich dann Solidgrün ein- 
wirken. Hierdurch erhielt ich bei den älteren Eiern ausgezeichnete 
Differenzirungen. Besonders bewährte sich sodann das Methylgrün, 
namentlich auch bei den jungen Eiern, an welchen die Färbung mit 
Solidgrün weniger günstige Resultate ergab. Man hat es bei dieser 
Färbemethode bequem in der Hand, durch Alkohol den einen Farb- 
stoff bis zu einem gewissen Grade auszuziehen, während dem unbe- 
schadet der andere im Präparate verbleibt. Die Differenzirungen 
waren bei allen Stadien am deutlichsten, wenn das Methylgrün, 
welches in stark verdünnter, wässeriger Lösung zur Verwendung ge- 
lanste, etwa nur drei Stunden einwirkte. Wurden die Schnitte in 
diesem Farbstoff länger belassen, so erhielt ich keinen so schönen 
Kontrast zwischen dem leuchtenden Roth und dem tiefen Blau. 

Bemerken möchte ich noch, dass die Farben in den Abbildungen 
zumeist in den Nuancen der Präparate möglichst getreu darge- 
stellt sind. 

11* 


164 | > Paul Obst, 


Litteraturübersicht. 


Bekanntlich können in einem und demselben Kern neben einander Nucleo- 
len von zweierlei verschiedener Substanz vorkommen. FLEMMING (16) unter- 
scheidet z. B. verschiedenartige Nucleolensubstanzen in dem von ihm als Haupt- 
und Nebennucleolen bezeichneten Gebilden. Nach O0. HErTwıG (31) giebt es 
Nuclein- oder Chromatinnucleolen und Paranuclein- oder Pyreninnucleolen. 
Beide Autoren heben jedoch hervor, dass in unreifen Eiern vielfach noch 
Kernkörper anzutreffen wären, welche deutlich eine Zusammensetzung aus 
Haupt- und Nebennucleolarsubstanz (FLEMMInG), bezw. aus Nuclein und Para- 
nuclein (OÖ. HeRTwIG) erkennen ließen. FRoMMAN (22) führt drei Arten von 
Kernkörpern an, welche in ihrem Verhalten zu Farbstoffen und Reagentien 
different sind: 

1) Nucleinnucleolen. Dieselben sind. in den Eiern; zum großen Theil 
gehen sie aus Theilungen des Kernbandes hervor und verhalten sich Reagen- 
tien gegenüber, wie die Nucleingerüste des Kernes. 

2) Plastinnucleolen. Diese sollen durch Methylgrün nicht gefärbt werden. 

3) Gemischte Kernkörper. In ihnen sind die konstituirenden Bestandtheile 
zu einem einzigen Körper verschmolzen oder Nuclein und Plastin zu unter- 
scheidbaren Portionen gesondert. 

Es liegt hier nicht in meiner Absicht, auf die Angaben über das Vor- 
kommen verschiedenartiger Nucleolen einzugehen, welche getrennt in den Kernen 
liegen, sondern ich möchte nur auf eine Reihe solcher Beobachtungen hin- 
weisen, die mit den von mir im Folgenden zu behandelnden Erscheinungen 
eine gewisse Übereinstimmung zeigen und im Allgemeinen eine Zusammen- 
setzung eines und desselben Nucleolus aus verschiedenen Substanzen erkennen 
lassen. 

Eine derartige Zweitheiligkeit des Kernkörpers beobachtete WAGNER (67) 
an Unio und.-Anodonta. LACAZE-DUTHIERS (39), und BISCHoFF (8) bestätigten 
diese Angaben; letzterer behauptete, der Keimfleck bei den Najaden wäre An- 
fangs einfach und werde erst später zweifach. Nach v. HEssLınG (32 u. 33) geht 
der doppelte Nucleolus durch Theilung aus dem einfachen hervor. LEYDIG (41) 
bemerkte an Cyelas cornea ebenfalls eine doppelte Zusammensetzung des Keim- 
fleckes. CLAPAREDE (13) erwähnte ebenfalls eine Duplieität des Nucleolus bei 
Regenwürmern, eine Erscheinung, die VEJDOVSKY und BERGH (7) später nicht 
auffanden. Ferner fand VEJDOVSKY (65), dass der Keimfleck besonders in jünge- 
ren Eiern von Sternaspis wie mit einer dickeren, lichtbrechenden, homogenen 
Membran umgeben ist (ef. I. e. Taf. VII, Fig. 11 d, c). Diese Membran verdickt 
sich späterhin einseitig (1. ec. Taf. VIII, Fig. 11 d) und erscheint schließlich als 
ein glänzendes Buckelchen (ef. 1. e. Taf. VII, Fig. 11 w). Letzteres nahm bei 
Konservirung mit Chromsäure und Nachfärbung mit Pikrokarmin letzteren Farb- 
stoff nicht auf und hob sich somit von der anderen Substanz des Nucleolus 
durch seine gelbe Färbung ab (l. ec. Taf. VIII, Fig. 2, 3, 4, 11, 12 und 13). 

HEUSCHER (34) berichtete über das Keimbläschen von Dion Siuitert 
Hubrecht, es enthielte einen großen, nach Behandlung mit Lithionkarmin wenig 
tingirten Nucleolus und zwei sehr intensiv gefärbte Nucleoli, von denen der 
eine den anderen an Größe meist vielfach überträfe. 

Von FLEmmInG wurden nachher darüber genauere Untersuchungen an Ano- 
donta und Unio (15), sowie Dreissensia polymorpha (16) angestellt, deren Resultate 


Untersuchungen über das Verhalten der Nucleolen ete. 165 


mit den früheren Beobachtungen übereinstimmten; auch er bemerkte, dass am 
jungen Eierstocksei der Lamellibranchiaten die spätere Zweitheiligkeit des großen 
Keimfleckes noch nicht vorhanden sei. Auf seine Befunde werde ich später 
noch genauer einzugehen haben. FLEMMING fand auch im Ei eines Säuge- 
thieres (Kaninchen; 17) eine an obige Verhältnisse erinnernde »Zweibuckelig- 
keit«< des Hauptnucleolus, nur in viel kleinerem Maßstabe. 

O0. HerTwiG (28 u. 29) beobachtete dann bei vielen anderen Thieren das- 
selbe Verhalten des Keimfleckes, so bei Medusen, Siphonophoren, Gastropoden 
(Helix), Lamellibranchiaten (Anodonta und Tellina), Asteroiden (Asteracanthion), 
Echinoiden (Sphaerechinus) und Ascidien (Ascerdia nes) Meistens liegen 
beide Substanzen neben einander und sind mit einander verbunden. Dies ist 
jedoch bei den Siphonophoren nicht der Fall. Dort umgiebt nämlich die eine 
Substanz die andere, hellere, wie eine centrale Partie vollständig. Bei 4scidia 
intestinalis ist auch die sich stärker färbende Substanz ring- oder halbmond- 
förmig von der anderen eingeschlossen. 

Der größere, blassere Abschnitt des Keimfleckes entspricht nun nach 
HErTwıG dem »Nuclein< (oder »Chromatin<), der kleinere, stärker tingirbare 
dem »Paranuclein<e (oder »Pyrenin«). OgATA’s (50) Abbildungen Taf. VI, 
Fig. 3a und 35, sodann Rückerr's (57) Fig. 2 und 3 auf Taf. XXI zeigen auch 
eine Zusammensetzung der Kernkörper aus zwei verschiedenen Substanzen. 

STOLNIKOW (62) sah an einem oder beiden Polen der einen Substanz die 
andere kappenförmig aufsitzen, so Taf. I, Fig. 3 und 8, ferner Taf. II, Fig. 22. 
Verschiedene Nucleolen in den epithelialen Gebilden der Magenschleimhaut 
von Salamandern etec., Triton, Frosch, Kröte (auch Hund), stellte sodann Luck- 
JANOW (46) fest. Rt at V. Kia. 2, Par: VW, bis: 32 und Taf. VII, Fig.:41 
und 44 sind die entsprechenden ran wiedergegeben. » 

LEYDIG (43, p. 379 ff.) hatte schon längst »gelegentlich der Beschreibung 
des Eies von diesem und jenem Thier angemerkt, dass der Keimfieck eine ge- 
wisse Zusammensetzung aus optisch verschiedenen Substanzen habe«. Er er- 
wähnt bei dieser Gelegenheit einer Beobachtung an Synapta (42). Bei den 
Myriopoden begegnete LeyDIiG (43) einer großen Mannigfaltigkeit der Keim- 
flecke. Wenn das Keimbläschen nur einen einzigen, aber großen Keimfleck 
birgt, so sondert sich derselbe schon am lebenden Ei, besser noch bei Einwir- 
kung von Reagentien, ganz unverkennbar in zweierlei Substanzen: in eine 
blasse Mittelpartie, welche dicht vacuolär werden kann, und dadurch für die 
oberflächliche Besichtigung ein körniges Aussehen erhält, und in eine äußere 
. Partie von homogenem und geschichtetem Wesen. Fast noch klarer, wenn auch 
in etwas anderer Art, zeigt sich die Scheidung des Keimfleckes in eine Doppel- 
substanz bei Geophüus electricus (cf. LEYDIG, l. c. Taf. XIII, Fig. 61 und 62). 
Hier besteht in jüngeren Eiern neben den blassen, kleinen Keimflecken eine 
große »Macula germinativa, die wie eine Kapsel von scharfem, zweilinigem Rand 
sich ausnimmt, wobei sich das blasse Innere in eine helle, homogene Rand- 
schicht und in eine äußerst feinkörnige Mitte scheidet.< Von Insekten unter- 
suchte LeyDıG zunächst Stenobothrus (pratorum und varvabelis) und fand, dass 
auch hier wieder die Substanz des Keimfleckes doppelter Art sei. »Die größere 
Anzahl der zu Klumpen oder walzig bogiger Masse verbundenen Keimflecke ist 
von blassem Wesen; daneben aber fallen auf — nicht in allen Eiern, aber doch 
häufig genug — Klumpen und Theile der wurstförmigen Masse, welche von 
dunklerem Aussehen sind und schärferer Berandung, dabei auch gewöhnlich mit 
Hohlräumen versehen.< HERMANN (27) konstatirte bei den Spermatoblasten der 


166 Paul Obst, 


Maus zweierlei Kernkörpersubstanzen, die verschieden zu einander gelagert 
sein können. Häufig scheint die eine Substanz in Form von zwei kleineren 
Kugeln, der anderen umfangreicheren an beiden Polen aufzusitzen, Verhält- 
nisse, die ich bei meinen eigenen Untersuchungen noch zu erwähnen habe. 
Ähnliches zeigten auch die Kerne des Bindegewebes und Muskelzellen der 
Salamanderlarve, sowie Kerne von peripheren Glossopharyngeusganglienzellen 
des Kaninchens (ef 1. e. Taf. III, Fig. 45, 54 und 24). Während HERMANN mit 
diesen Untersuchungen beschäftigt war, erschien eine Arbeit von SANFELICE 
(58), in welcher dieser in einer Zellform, die er als »Cellule germinale« bezeich- 
net, die nämlichen Elemente antraf, wie sie oben von den Spermatoblasten- 
kernen beschrieben wurden. HERMANN sieht in denselben eine Bestätigung 
seiner Beobachtungen, und zwar nicht nur für die Maus, sondern eine ganze Reihe 
von Vertebraten (Maulwurf, Katze, Hund, Kaninchen, Igel, Hahn, Eidechse, 
Frosch und Raja asterias), wenngleich SANFELICE den beschriebenen Gebilden 
eine andere Deutung zukommen lässt. 


LÖNNBERG (45) fügte nach eigenen Beobachtungen bei Zellina denen O. 
HeErTwiIG’s hinzu, dass zwei Arten von Nucleolen vorhanden sind: »bald neben 
einander und mit einander vereinigt oder sogar die eine die andere ringförmig 
umgebend, bald völlig von einander getrennt<«. Bei Doris proxima fand Verf. 
auch zwei Nucleolsubstanzen im Eikern, und zwar so, dass eine sich stärker 
färbende Kugel in eine größere, etwas hellere hineingesenkt war, und so den 
Nucleolus darstellten, obschon dies nicht immer deutlich war. 


In den Einucleolen von Mytilus liegt oft eine (oder bisweilen zwei) große, 
hellere Kugeln in der Mitte oder ein wenig excentrisch, aber von der sich 
stärker tingirenden Substanz vollständig umschlossen; LÖNNBERG lässt in die- 
sem Falle die Möglichkeit offen, dass es sich um eine Vacuole handeln 
könne. 

Bei Aeolidia papillosa erhielt LÖnNBERG ähnliche Bilder, wie sie FLEMMING 
von Unio abgebildet hat, nur mit dem Unterschiede, dass beide Kugeln hier 
beinahe gleich groß sind, und die blasse in der gefärbten eingesenkt liegt, 
bei Uno umgekehrt. Diese Schilderung betrifft nur die größeren Eizellen; die 
jungen besaßen nur einen einfachen, stark tingirbaren Nucleolus. Von ganz 
außerordentlicher Deutlichkeit treten nach LÖNNBERG in einer Art von Leber- 
zellen bei Doris proxima beide Substanzen in Nucleolenform hervor, ferner in 
der Leber von Polycera ocellata. Bei der Aeolidia papillosa ist dieser Doppel- 
bau der Nucleolen freilich auch vorhanden, aber bei Weitem nicht so deutlich 
und nicht so konstant, wie bei Doris proxima. Bei diesem Objekt enthielt der 
Kern immer zwei verschiedene Kernkörper. Der eine von diesen ist ganz kugel- 
rund, stark lichtbrechend und glänzend; er muss als eigentlicher Nucleolus auf- 
gefasst werden. Der andere ist blasser und größer, seine Gestalt ist bald rund- 
lich, bald länglich, bohnenförmig, also mehr unregelmäßig; diesen möchte Verf. 
als Nebennucleolus bezeichnen. Die Lage beider ist auch wechselnd, indem sie 
bald ganz neben einander liegen (oder sogar der Nucleolus in den Neben- 
nucleolus hineingesenkt), bald völlig getrennt sind. Aus der von LÖNNBERG 
in Fig. 5a gegebenen Abbildung geht hervor, dass die eine Substanz der 
anderen nicht immer an ihrem Pole, sondern auch an ihrer Mitte angeschmiegt 
sein kann. 


FRENZEL (21), der über Amitose in der Mitteldarmdrüse von Astacus fluvia- 
tilıs Untersuchungen anstellte, giebt mehrere Abbildungen, an denen ebenfalls 


Untersuchungen über das Verhalten der Nucleolen ete. 167 


eine gewisse Zweitheiligkeit des Kernkörpers durch Aneinanderlagerung zweier 
verschiedener Nucleolensubstanzen zu bemerken ist, wenngleich er sich darüber 
nieht äußert, da ihn diese Verhältnisse nicht interessiren. Ich möchte nur (l. ce.) 
auf Taf. XXV, Fig. 3, 4, 13, 21 und 22, ferner auf Taf. XXVI, Fig. 10 ver- 
weisen. 

Hierher gehört auch eine Beobachtung von WAGNER (68), der im Keimbläschen 
von Melolontha vulgarıs in der Regel einen größeren, feinkörnigen, mit kleinen 
runden, glänzenden, zerstreuten Körnchen versehenen Kernkörper, und neben 
diesem einen um Vieles kleineren Nucleolus (ef. 1. c. Taf. II, Fig. A und (0) 
auffand. 


Einige von vAN BEMMELEN (4, Taf. VI, Fig. 1) abgebildete Nucleolen 
der Eier von Brachiopoden zeigen offenbar eine Zusammensetzung aus zwei 
Nueleolsubstanzen. 


HAECKER (23) erhielt interessante Befunde, als er die verschiedenen Stadien 
des Eierstockeies bei Cyelops brevicornis untersuchte. Er erinnert daran, dass 
in morphologischer Hinsicht die Keimbläschen der Eier gewissermaßen in drei 
Typen auftreten: 


Im Lamellibranchiatentypus setzt sich der Hauptnucleolus vielfach aus 
zwei Substanzen zusammen, nämlich aus Haupt- und Nebennucleolarsubstanz. 
Bei dem Echinodermentypus ist nur ein einziger großer, indifferenter Keim- 
fleck vorhanden. »Allerdings können sich neben demselben namentlich gegen 
Schluss des Keimbläschenstadiums, noch einzelne kleinere nucleoläre Bläschen 
einstellen, aber der in der Einzahl vorhandene Hauptnucleolus tritt stets in un- 
zweideutig typischer Weise in den Vordergrund.< Bei dem Vertebratentypus 
endlich herrschen multinucleoläre Zustände vor. 


Verfasser fand nun, dass während der Entwicklung der unreifen Eier von 
Oyelops brevicornis alle drei Typen vorkämen. So enthielten die jüngsten Keim- 
bläschen (ef. 1. e. Taf. XXVII, Fig. 3 WphI) nur einen einfachen Keimfleck, der 
im Sinne HerrwiG’s als Hauptnucleolus aufzufassen wäre; in einem nur wenig 
späteren Stadium zeigten sich sodann Nebennucleolen. Dabei könnte man häufig 
bemerken, wie der Hauptnucleolus einem Nebennucleolus kappenförmig aufsitze 
(l. e. Taf. XXVII, Fig. 4). Auch bei Canthocamptus (25) treten gegen Ende 
der Eireifung, wenn die Verdichtung des Chromatins ihren Höhepunkt zu er- 
reichen beginnt, neben dem verkleinerten Hauptnucleolus mehrere, sich meist 
weniger intensiv färbende Nebennucleolen auf. Diese Substanzverschieden- 
heiten vergleicht HAECKER vom rein morphologischen Standpunkte aus mit den 
von FLEMMInNG im Ei der Lamellibranchiaten konstatirten differenten Keim- 
flecksubstanzen. STAUFFACHER (60) bemerkte an Cyelas cornea eine Zusammen- 
setzung des Kernkörpers aus zwei Substanzen. Es war ihm unmöglich über 
die Bildung des doppelten Nueleolus aus dem einfachen (l. e. ef. Fig. 2) Auf- 
schluss zu erlangen. Später lösen sich die beiden Theile gelegentlich ab und 
liegen dann getrennt (Fig. 8). Mit Hämalaun färbten sich beide Partieen gleich 
tiefblau. Mit Boraxkarmin war der kleinere Theil bedeutend stärker tingirt 
(Fig. 4, 65, 7 und 8). In einigen Fällen war der Hauptnucleolus sogar drei- 
theilig (ef. Fig. 7). 

Mit obigen Befunden STAUFFACHER's vergleicht WıLsonx (71) die Zweitheilig- 
keit des Keimfleckes bei Nereis. Fou (20, Pl. VIII, Fig. 20 und 21) und LAcAzE- 
DUTHIERS (40) erwähnen ebenfalls zwei verschiedene Substanzen am Keimfleck 
von Dentalium. FLODERUS (18) hat in neuerer Zeit bei Ascidieneiern den Sub- 


168 Paul Obst. 


stanzverschiedenheiten der Nucleolen seine Aufmerksamkeit zugewandt. Nach 
ihm ist der große Kernkörper bei Ciona intestinalis nur selten homogen und 
dann zumeist nur in den jüngsten Eiern. Gewöhnlich weist er zwei verschie- 
dene Bestandtheile auf. Am umfangreichsten ist eine stärker lichtbrechende 
Substanz, von welcher die andere blassere. vacuolenähnliche entweder vollstän- 
dig eingeschlossen oder wenigstens zum größten Theil begrenzt wird (ef. 1. e. 
_ Taf. X, Fig. 13). Bei Doppelfärbung mit Safranin-Gentianaviolett wird die Haupt- 
masse des Nucleolus von Safranin stark gefärbt. Was die Beschaffenheit der 
anderen Partie betrifft, so möchte Verfasser der Ansicht sein, es handle sich 
hier um eine Vacuole. Auch STEPANOFF (61, p. 212) ist geneigt, diese Bildungen 
bei Ciona intestinalis für Vacuolen anzusprechen. Die in konservirtem Material 
befindlichen zahlreichen vacuolenähnlichen Gebilde (l. e. Taf. X, Fig. 14) hält 
FLODERUS für Kunstprodukte, die besonders durch die Wasser entziehende 
Wirkung des Alkohols hervorgerufen wurden. Er theilt in dieser Hinsicht die 
Meinung For’s (19, p. 93). v. BENEDEN (5) fand in Eiern von Ascarıs megalo- 
cephala außer einem großen Nucleolus einen, zwei, manchmal auch drei Nucleolen, 
welche von geringerer Größe und weniger lichtbrechend waren als jener. 


WOLTERECK (72) beobachtete in den Keimbläschen von Ostracoden-Eiern 
Nucleolen, welche hauptsächlich in drei verschiedenen Arten auftraten, nämlich: 

1) Kugel- (Brocken) Nucleolen, 

2) wurstförmige Nucleolen, und 

3) Nucleolen in Form von zahllosen kleinsten Körnchen oder Bläschen. 


Diese drei Arten Kernkörper waren in zwei Modifikationen vertreten: 
a) massiv, und 
b) vacuolenhaltig bis blasig. 

Ich erwähne die verschiedenen Formen der Kernkörper mit ihren Modi- 
fikationen desswegen ausführlicher, weil WOLTERECK außer diesen Nueleolen im 
Keimbläschen noch ein Gebilde in Gestalt eines stets glashellen, scharf kontou- 
rirten Bläschens (= Vesicula vitrea) antraf, welches, abgesehen von seiner Kon- 
stanz, bezüglich seiner Gegenwart noch dadurch charakterisirt ist, dass es der 
Kernwand anliegend in der Einzahl auftrat (cf. 1. c. Fig. 5, 7, 10, 14—17). Ob 
dieses »Bläschen< einen Nucleolus vorstellt oder nicht, entzieht sich meiner 
Beurtheilung. v. LA VALETTE ST. GEORGE (64) bildete auf Taf. IV in Fig. 1 ein 
Keimbläschen einer Libellenlarve ab, welches deutlich zwei Nucleolen von ver- 
schiedener Natur erkennen lässt. 

Sodann hat List (44) an den Eiern verschiedener Objekte diesbezügliche 
eingehende Untersuchungen angestellt. Er bediente sich im Gegensatz zu den 
bis jetzt erwähnten Autoren nicht der gewöhnlich zu Doppelfärbungen ge- 
bräuchlichen Tinktionsmittel, sondern gelangte durch chemische Reaktionen, 
die ich hier nicht anführen möchte, zu seinen Resultaten. Lıstr kam an der 
Hand seiner Beobachtungen zu dem Ergebnis, die Nucleolarsubstanzen stellten 
ganz im Allgemeinen nach ihrem chemischen Verhalten »>drei verschiedene Ge- 
bilde dar, von denen jedes wahrscheinlich wieder eine eigene komplicirte 
chemische Zusammensetzung besitze«. Auf seine Befunde an den Ovarialeiern 
verschiedenen Alters von Mytilus gallo-provincialis, sowie Pholas daciylus und 
Sphaerechinus granularis werde ich ebenfalls erst an anderer Stelle zurückkom- 
men. In allen diesen Eiern fand er Haupt- und Nebennucleolarsubstanz 
vor. Vorwegnehmen möchte ich jedoch seine an unreifen Eiern von Pristiurus 
melanostomus gemachten Beobachtungen, da bei den Wirbelthieren die Verhält- 


Untersuchungen über das Verhalten der Nucleolen etc. 169 


nisse wesentlich anders liegen, und ich selbst an Vertretern dieses Typus 
keine Untersuchungen angestellt habe. Es ergab sich für Pristziurus die inter- 
essante Thatsache, dass das Keimbläschen keine Haupt-, sondern nur Neben- 
nuceleolarsubstanz enthält (ef. 1. c. Taf. XXII, Fig. 21—24). Auch seine Befunde 
von den Echinodermen möchte ich noch gleich hier erledigen (ef. 1. e. Fig. 27 
bis 29). Dort tritt die nach seinen Ergebnissen als Nebenucleolarsubstanz 
geltende Masse ganz in den Vordergrund. Hierin befindet er sich mit HAECKER 
(24) im Widerspruch; leider habe ich Echinodermen noch nicht nach dieser 
Richtung hin studirt. 

BrAEM (11) studirte bei Plumatella fungosa Umbildungen des Keimfleckes. 
Er beobachtete, dass der Kernkörper des älteren Eies bis zu einem gewissen 
Stadium in Kugelform auftrat. Diese Gestaltung konnte als Regel gelten. 
BRAEM sah jedoch, dass dieser Kernkörper sich später ausnahmslos »hühnerei- 
förmig« verlängerte, womit gleichzeitig eine Differenzirung seiner Substanz 
Hand in Hand ging. Weiter sagt BRAEMm darüber: »Zuweilen ist der Gegen- 
satz der beiden Nucleolhälften lediglich in der verschiedenen Färbbarkeit 
derselben ausgesprochen. In anderen Fällen wird er durch eine Einschnürung 
bezeichnet, die den Nucleolus in einen größeren, dunkelen und einen kleine- 
ren, hellen Abschnitt zerlegt< (ef. 1. c. Fig. 61 « und 3). Eine Dreitheiligkeit 
des Nueleolus hat er nur selten aufgefunden. Verfasser weist auf v. SIEBOLD 
(59), DAVENPORT (14), und REımmarD (54) hin, die bereits Ähnliches konstatir- 
ten. Der Keimfleck von Frederrceiella ist nach BRAEM eben so gebildet, wie 
bei Plumatella. 

Bei Eusyllis beobachtete MALAQUM (47, p. 381) zwei substantiell verschie- 
dene Kernkörper, die in der heranreifenden Eizelle bald vereinigt, bald von 
einander getrennt vorkamen. In den älteren Stadien zog sich die »Haupt- 
partie« des Nucleolus »zackenförmig« aus. 

Endlich ist eine Zusammensetzung des Kernkörpers aus zwei verschie- 
denen Substanzen noch von MıcHer (49) bei Nephthys gesehen worden, welche 
in der mannigfaltigsten Weise variirt und den Befunden von List (l. e.) ähneln 
soll. In der Note Mıcner’s sind noch einige Autoren erwähnt, so GIARD und 
RouzAuD, welche ebenfalls die oben geschilderten Verhältnisse an ihren Ob- 
jekten beobachteten. 


Helix pomatia. 


Ehe ich die weitere Ausbildung derjenigen Zellen bei Helix pomatia be- 
schreibe, welche ohne Zweifel als die jüngsten Eier anzusprechen sind, muss 


_ ich mit einigen Worten auf die Spermatogenese eingehen, um die einzelnen 


Zellenarten, welche sich in den Follikeln neben einander vorfinden, zu charak- 
terisiren, da bekanntlich die Pulmonaten in ihrer Keimdrüse beiderlei Geschlechts- 
produkte ohne bestimmte Anordnung neben einander hervorbringen. Im Übri- 
gen möchte ich auf die Arbeiten von PLATNER (52), v. LA VALETTE ST. GEORGE 
(63), ZIMMERMANN (73) und Anderen, die sich ausführlich hiermit beschäftigten, 
verweisen. Die Nomenklatur, deren ich mich hierbei bediene, ist dieselbe, wie 
sie PLATNER (52) nach v. LA VALETTE ST. GEORGE (63) und VoIGT (66) ange- 
wandt haben. 
1) Sexualzellen — Geschlechtszellen, 

2) Spermatogonien — Stammsamenzellen, 

3) Spermatocyten — Samenvermehrungszellen, 


170 Paul Obst, 


4) Spermatiden — Samenausbildungszellen, und 

5) Spermatosomen — Samenkörper. 

Die Sexualzellen, die nach PLATNER einen stark tingirbaren, homogenen 
Kern von unregelmäßiger Gestalt besitzen, habe ich nicht vorgefunden, ein 
Umstand, der leicht erklärlich ist, da mir nur Schnitte durch Drüsen auf der 
Höhe der Entwicklung vorlagen. Dagegen bemerkte ich zahlreiche kleine 
Zellen, deren Kern eine körnige Chromatinstruktur aufwies; sie entsprachen 
offenbar den Sexualzellen, die sich nach PLATNER durch die körnige Struktur 
des Kernes schon etwas in der Entwicklung vorgeschritten zeigten. Aus 
diesen Zellen können nun verschiedene Elemente hervorgehen, von denen 
uns nur die Spermatogonien und die Oogonien interessiren. Letztere be- 
zeichnet PLATNER als Primitiveier, im Gegensatz zu den älteren definitiven 
Eiern. Ich möchte sie jedoch Oogonien nennen und die Bezeichnung »Eier« 
vermeiden, denn diese Zellen sind eben noch keine eigentlichen Eier; sie 
theilen sich nämlich in diesem Stadium noch, was jene nicht thun, abge- 
sehen von den sich bei den Reifungs- und Befruchtungsvorgängen abspielen- 
den Theilungen. Erst aus den Theilprodukten dieser Oogonien gehen Eier im 
wirklichen Sinne hervor. In welcher Weise nun die Umbildung der erwähnten 
Sexualzellen in Spermatogonien und Oogonien stattfindet, habe ich nicht weiter 
verfolgt. 

Die Spermatogonien zeigen einen großen, fein gekörnelten Kern, seltener 
mit einem, meistens mit zwei bis drei Kernkörpern. Diese Zellen liegen ge- 
wöhnlich im Centrum des Follikels und machen eine oder mehrere Theilungen 
durch, wie dies viele Knäuelstadien und mitotische Figuren anzeigen; sodann 
werden sie zu Spermatocyten. 

Als Spermatocyten spreche ich Zellen an, die in Folge der stattgehabten 
Theilungen kleiner sind als die Spermatogonien. Wie PLATNER bereits her- 
vorhebt, trifft man sie gewöhnlich nur im Knäuelstadium an, nicht im Ruhe- 
zustande, ein Umstand, der durch die jetzt zahlreichen, rasch auf einander 
folgenden Theilungen zu erklären ist. Aus den Spermatocyten gehen nach der 
letzten Theilung die Spermatiden hervor. Letztere haben einen kleinen, ge- 
körnelten Kern, welcher von einem verhältnismäßig breiten Saum von Proto- 
plasma umgeben ist. Die Weiterentwicklung der Spermatiden verläuft nun 
folgendermaßen. 

Der Kern, der bisher central im Plasma ruhte, nimmt allmählich eine 
periphere Lage ein, und man bemerkt, dass sich plötzlich an einer Stelle des 
Kernes eine homogene, sich stark färbende Partie bildet, welche immer größer 
wird und schließlich eine etwa bohnenförmige Gestalt annimmt. Inzwischen 
schwindet die gekörnelte Partie immer mehr, und der homogene Theil im 
Kerne, welcher unterdessen bedeutend größer geworden ist, bleibt zuletzt allein 
übrig: Er bedeutet die Anlage des Spermatosomenkopfes. Es hat sich, wie 
schon PLATNER beschrieb, aus dem gekörnelten Kern ein neuer, intensiv färb- 
barer gebildet; letzterer ist dabei aus dem Centrum der Zelle an eine Seite 
derselben gerückt, und zwar in der Weise, dass der Zellleib dabei eine Längs- 
streckung erfahren hat. 

Die besprochenen männlichen Zellen weisen starke Differenzen ihrer Fär- 
bung auf. Diejenigen Kerne, welche in ihrer Ausbildung zu Spermatozoen- 
köpfen am weitesten fortgeschritten sind, zeigen die stärkste Verwandtschaft 
zu den blauen Farbstoffen. Je mehr sie jedoch in ihrer Ausbildung zurück 
sind, desto deutlicher ist eine Neigung zur Erythrophilie zu bemerken. Die 


Untersuchungen über das Verhalten der Nueleolen etc. 7A 


Farbentöne der in Betracht kommenden Kerne sind im Laufe der fortschreiten- 
den Entwieklung zuerst roth, sodann schwach violett, schließlich blau und am 
Ende grünblau, ja fast rein grün. Diese Angaben beziehen sich auf die Fär- 
bung mit Boraxkarmin und Methylgrün, welche Farbstoffe man in der rothen 
und blauen Reihe untergebracht hat. Ohne auf diese Verhältnisse großen Werth 
zu legen, möchte ich doch auf sie hinweisen, weil diese bei meinen Unter- 
suchungen nebenbei erzielten Färbungen eine prachtvolle und höchst typische 
Differenzirung der heranreifenden Spermatozoenköpfe aufwiesen. 


Die Eibildung geht in der Weise vor sich, dass die Oogonien 
zu beträchtlicher Größe heranwachsen. Sehr bald, vermuthlich schon 
nach einmaliger Theilung, da man sie zumeist im Knäuelstadium 
findet, werden sie zu den eigentlichen Eiern, nach PLATNER defini- 
tiven Eiern. 

Ehe ich auf die Verhältnisse des Kernes eingehe, möchte ich 
auf ein Verhalten der sich bildenden Eier zu sprechen kommen, 
welches auch schon von PLATNER (53) beobachtet wurde. Die wand- 
ständigen Eier von mittlerer Größe zeigen sich nach dem Inneren der 
Zwitterdrüse zu von flachen Zellen umgeben, so dass ein Follikel zu 
Stande kommt (Fig. ITund II). Die Zellen dieses Follikels, welche die 
Wand der Zwitterdrüse begrenzen, erscheinen größer als die anderen 
und sind mit einem umfangreichen, hellen Protoplasmakörper ver- 
sehen (Fig. I). Man findet diese wandständigen Zellen häufig unregel- 


Textfig. I. 


mäßig gelagert und im Begriff, in den Eikörper hineinzurücken. 
Hier scheinen sie einem Auflösungsprocess zu verfallen, denn als- 
bald wird ihre Begrenzung undeutlich (Fig. II. Wohl sieht man 
noch den Umfang ihres Zellkörpers, aber allmählich schwindet dieser, 
und nun bemerkt man nur den Kern im Protoplasma der Eizelle 
(Fig. II). Es sind dies jedenfalls dieselben Zellen, welche PLATNER 
bereits als Nährzellen angesprochen hat, und die er im Eikörper 
aufgehen ließ. Ich konnte beobachten, dass die Membran des Keim- 


172 | Paul Obst, 


bläschens nach der Seite, wo die Nährzellen lagen, undeutlich er- 
schien und gegen das Protoplasma verschwand (Fig. T). Man muss 
dieses Verhalten wohl dadurch erklären, dass es sich um eine an 
dieser Stelle stattfindende Wechselwirkung zwischen Kern und Zell- 
plasma und vielleicht also um eine Betheiligung des Kernes an der 
aufnehmenden Thätigkeit der Zelle handelt, wie sie von KORSCHELT 
(36) in einer größeren Anzahl von Fällen beschrieben worden und seit- 
dem von verschiedenen Autoren bestätigt worden ist. Zur Erläute- 
rung der beiden beistehenden Textfiguren (I und H) füge ich hinzu, 
dass die nach unten gerichtete Seite der Außenwand der Zwitter- 
drüse entspricht. Den Epithelzellen liegen nach außen flachere, an 


N: 
N se 
a 


Textfig. II. 


der gezeichneten Partie nicht vorhandene Zellen an, welche eine 
äußere, zellige Hülle der Zwitterdrüse bilden. 

Die jungen Eizellen unterscheiden sich von den Oogonien zu- 
nächst durch ihre periphere Lage, sowie durch ihren ganzen Habitus, 
der sich etwa folgendermaßen darstellen lässt. Der Kern stellt sich 
als ein deutliches, großes Keimbläschen dar, welches von einer scharf 
kontourirten Membran umgeben ist. Im Keimbläschen befinden sich 
gewöhnlich ein, selten mehrere kleine Keimflecke. Ein Haupt- 
kriterium jedoch für die Erkenntnis der allerjüngsten Eier scheint 
mir das im Keimbläschen stets wandständig gelagerte und zu Klumpen 
seballte Chromatin zu sein; diese Obromatinpartikel stehen an Größe 
den Keimflecken wenig oder gar nicht nach. Aus Fig. 1 sind diese 
Verhältnisse deutlich zu erkennen. Das Keimbläschen füllt fast die 
sanze Zelle aus; es erscheint ein wenig heller, als das umgebende 
Plasma und zeigt in seinem Inneren eine Menge unregelmäßiger, sich 
intensiv roth tingirender Chromatinbröckchen, die in der Hauptsache 
wandständig sind, wie oben erwähnt, d. h. an der Membran des 


Untersuchungen über das Verhalten der Nucleolen ete. +73 


Keimbläschens liegen. Zwischen diesen fallen oft etwas größere, 
manches Mal nur eben so große Körnchen, wie die rothen Chromatin- 
klümpchen, durch ihre Blaufärbung auf. Richtiger gesagt haben sie 
die blaue Farbe beibehalten, da mit letzterer die Nachfärbung erfolgte. 
Dies sind die Keimflecke. Ihre Anzahl ist, wie schon oben bemerkt 
wurde, unbestimmt. Die beiden verschieden tingirten Substanzen 
unterscheiden sich außerdem noch durch die äußere Form, in der 
sie auftreten. Die blaugefärbten Partikel sind stets mehr oder we- 
niger deutlich scharf abgerundet, während die anderen unregelmäßig 
seformte Klümpchen darstellen. 

Zunächst glaubte ich, dass beide Substanzen sich nur zufällig 
tinktionell nicht gleich verhielten; hierin wurde ich noch bestärkt, 
da die Anzahl der blaugefärbten Körper äußerst schwankend ist. 
Bald konnte ich mich jedoch davon überzeugen, dass beide Klümpchen 
ihrem Färbungsvermögen nach, also auch wohl substantiell von ein- 
ander verschieden sein mussten, da alle derartigen Eistadien stets 
diese beiden Körner im Keimbläschen aufwiesen. 

Woher diese blau reagirenden Bröckchen, die Keimflecke, wie 
wir sie bezeichnen müssen, kommen, habe ich am konservirten Ma- 
terial mit Sicherheit nicht ermitteln können. Sie sind bereits in den 
Spiremstadien der Oogonien aufzufinden, wo sie ebenfalls durch ihre 
schöne, lichtblaue Farbe im Gegensatz zu dem rothen Fadenwerk 
auffallen. Einige Male schien es mir, als ob die kleinen, eyano- 
philen Keimflecke aus allerkleinsten, eben solchen Körnchen zu- 
sammengesetzt waren. Die Vermuthung liest nahe, dass in irgend 
einer Weise die kleinen, erythrophilen Chromatinklümpchen chemisch 
zu einer anderen Substanz umgewandelt werden, ein Vorgang, der 
höchst wahrscheinlich äußerst rasch von statten geht und desshalb 
auf tinktionellem Wege nicht nachgewiesen werden kann. Es kommt 
hinzu, dass die differente Färbung der kleinsten chromatischen Par- 
tikelchen bei sehr starker Vergrößerung (Zeiss, Oc. 4. Homog. Imm. 
1,30, Ap. 2 mm) äußerst schwer für das Auge zu erkennen ist. So 
ist es z. B. bei den in Fig. 2 und 3 abgebildeten jüngsten Eiern sehr 
schwer zu entscheiden, ob letztere bloß einen Keimfleck oder deren 
mehrere besitzen. Wenn hier wirklich noch einige Kernkörper vor- 
handen waren, so hatten sie denselben Umfang, wie die rothen 
Chromatinbrocken. Ein derartiges Größenverhältnis des Keimfleckes 
zum Chromatin liegt auch in der Fig. 1 (im oberen Ei) vor. 

Bei einem in der Entwicklung um ein Weniges vorgeschrittenen 
Ei hat sich das rothe Chromatin seiner Hauptmasse nach noch mehr 


174 Paul Obst, 


peripher gelagert. Der Keimfleck ist, wie wir in Fig. 4 sehen, be- 
reits etwas größer geworden; ein zweiter liegt ihm an, um mit jenem 
später zu verschmelzen. Dasselbe ist bei einem Ei der Fall, welches 
in Fig. 5 abgebildet ist. Hier hat sich jedoch das periphere Chromatin 
- bereits fein vertheilt; dies zeigt auch Fig. 6, nur noch in viel ausge- 
sprochenerem Maße; man findet es hier und in den darauf folgenden 
Stadien nicht mehr in solchen Klumpen, wie die vorigen Figuren 
erkennen ließen. An Masse hat die cyanophile Substanz hier bereits 
zugenommen; außerdem sehen wir noch einen sehr kleinen Keimfleck 
in Bildung begriffen. Selbstverständlich wird bei der weiteren Aus- 
bildung des Eies das umgebende Plasma immer mächtiger an Aus- 
dehnung. Was sein tinktionelles Verhalten betrifft, so möchte ich 
noch erwähnen, dass das Plasma der Stadien von Fig. 1—7 sich 
außerordentlich intensiv roth färbt, während es später allmählich 
weniger Farbstoff in sich aufnimmt. 

Fig. 7 zeigt nun thatsächlich eine Verschmelzung zweier Keim- 
flecke, welche noch nicht ganz beendet ist. Diesem Umstande ist 
es zuzuschreiben, dass der neue Keimfleck eine längliche Gestalt 
hat. Bemerkenswerth ist dabei die Anwesenheit von Vacuolen, die 
auf eine vielleicht zähflüssige oder plastische Beschaffenheit beider 
Kernkörper schließen lässt, ohne welche eine Vereinigung beider 
überhaupt nicht möglich wäre. Die Membran des Keimbläschens ist 
sehr ausgeprägt. Da die Masse der Nucleolensubstanz für ein Ei 
eines so jungen Stadiums verhältnismäßig sehr bedeutend ist, kann 
es nicht Wunder nehmen, dass man nicht noch ein oder zwei kleinere 
Keimflecke antrifft. 

Anders verhält sich dies dagegen bei einem Stadium, welches 
etwas an Größe zugenommen hat (Fig. 8. Dort sieht man fünf 
Kernkörper, von denen der kleinere, rechts oben, vom benachbarten 
Schnitt mit in die Figur aufgenommen wurde. Denkt man sich alle 
fünf Keimflecke zu einem einzigen verschmolzen, so steht diese Masse 
wieder im Einklange mit der Größe des Eies. Die Membran des 
Keimbläschens wird von jetzt ab immer weniger deutlich. Bemerkens- 
werth ist, dass die Größe der Keimflecke sich ganz nach der Anzahl, 
in der sie auftreten, richtet. 

Das in Fig. 9 abgebildete Stadium schließt sich eng an das 
vorige an, jedoch trifft man hier nur zwei Keimflecke an, was aus 
der Größe des einen leicht erklärlich ist; höchstwahrscheinlich waren 
hier vorher deren mehrere vorhanden, welche aber bereits zu dem 
srößeren verschmolzen sind. Eine Vacuole findet sich auch hier in 


Untersuchungen über das Verhalten der Nucleolen ete. 175 


dem größeren Keimfleck vor. Jedenfalls ist die Masse der Kern- 
körpersubstanz vollkommen der im vorigen Stadium vorhandenen 
entsprechend. Im späteren Verlauf der Eibildung findet man zuweilen 
immer noch mehrere Keimflecke, doch bereits seltener und dann 
höchstens zwei an Zahl. 

Fig. 10 zeigt ein für die Verschmelzung recht charakteristisches 
Bild. Die Anwesenheit von zwei Vacuolen deutet hier wieder einen 
sewissen Grad von Dickflüssigkeit der sich vereinigenden Substanzen 
an, ähnlich, wie dies in Fig. 7 der Fall war. Auch noch ein weiterer, 
weniger umfangreicher Keimfleck ist vorhanden. Er befindet sich 
in einem anderen, durch dasselbe Ei geführten Schnitte und ist hier 
noch in die Zeichnung eingetragen. Das erythrophile Chromatin 
liegt in feiner Vertheilung unregelmäßig im Inneren des Keimbläschens 
zerstreut. 

War bisher in den Fig. 1—10 stets der Protoplasmaleib der Eier 
sanz mitgezeichnet, so ist dies für die Folge unterlassen. Der Zell- 
leib ist in Fig. 11 nach der einen Seite mit natürlich verlaufendem 
Kontour angegeben, nach der anderen aber abgeschnitten zu denken. 
Wäre er in seiner ganzen Ausdehnung abgebildet worden, so wären 
dem vorhandenen Stücke etwa noch zwei Drittel seines Umfanges 
hinzuzufügen. Bei Eiern dieser Größe findet sich sonst immer nur 
ein bereits größerer Keimfleck vor. In diesem einen Falle nur 
waren, trotzdem ich während der Untersuchungen eine außerordent- 
liche Anzahl von Eiern daraufhin betrachtete, zwei gleich große, 
nach Struktur- und Tinktion völlig gleiche Nucleolen vorhanden. Das 
Chromatin erscheint im Keimbläschen zu unregelmäßigen Klumpen 
vereinigt und bedeckt einen kleinen Theil des unteren der beiden 
Keimflecke. Man sieht jedoch bei tieferer Einstellung, dass letzterer 
in keiner Weise mit dem Chromatin etwa eine Verschmelzung ein- 
gegangen ist. Mehrere Vacuolen sind auch hier wieder anzutreffen. 
Stadien, wie sie Fig. 12 darstellt, zeigen nur, dass eine ganz auf- 
fallende Veränderung mit dem Keimflecke vor sich gegangen ist. 
Derselbe hat zunächst eine schon recht bedeutende Größe erreicht. 
Vergleicht man, beiläufig bemerkt, die Masse seiner Substanz in 
Fig. 11 mit der von Fig. 12 unter Berücksichtigung, dass das in 
letzterer Figur abgebildete Stadium etwas älter ist, so ergiebt sich, 
dass beide hierin einander durchaus entsprechen. 

Auf den ersten Blick jedoch fällt die rothe Partie an der Peri- 
pherie des Kernkörpers auf. Dass man es nicht etwa mit über 
letzterem liegenden Chromatin zu thun hat, wie in Fig. 11, beweist 


176 Paul Obst, 


der Umstand, dass die rothe, wie die blaue Substanz nur bei einer 
und derselben Einstellung scharf sichtbar sind, also in einer Ebene 
liegen. Folglich muss die rothe Masse einen Theil des kugelförmigen 
Keimfleckes ausmachen; ob dies nun in Form eines Kugelsegmentes 
‘der Fall ist, oder ob etwas blaue Substanz noch das Innere der 
rothen erfüllt, habe ich nicht ermitteln können, da die Nueleolen 
sewöhnlich nur auf einem Schnitte vorhanden sind. 

Während in Fig. 11 deutlich rothes, aus unregelmäßig geformten 
Klümpehen bestehendes Chromatin, wie auch in der Zeichnung an- 
gegeben wurde, über dem betreffenden Keimfleck lag, haben wir es 
hier mit einer erythrophilen, homogenen Partie des letzteren zu thun. 
Dazu möchte ich bemerken, dass der Gegensatz zwischen den beiden 
Farbentönen im Präparate noch viel lebhafter und leuchtender ist, 
als dies in der Abbildung zum Ausdruck gebracht werden konnte. 

Was über die Behandlung des Präparates zu erwähnen wäre, 
ist der Umstand, dass auch bei kurzer Ausziehung mit Alkohol eine 
solche schöne Farbendifferenz am Kernkörper erfolgte. 

Man hat nun nicht, wie auch ich Anfangs meinte, an dieser Stelle 
etwa den Beginn der Abgabe des blauen Farbstoffes vor sich; denn, 
denke man sich eine Flüssigkeit in einen kugelförmigen Körper ein- 
dringen, so wird dies an allen Punkten natürlich mehr oder minder 
gleichmäßig von statten gehen, aber niemals nur an einer Stelle, 
und dann wird die Flüssigkeit niemals so kräftig auf einen Punkt 
einwirken, ohne auch an irgend einer anderen Stelle bereits Spuren 
ihrer Wirkung zu zeigen. 

Auffallend ist es, dass sich das rothe Chromatin hauptsächlich 
in der Gegend dieser erythrophilen Partie des Keimfleckes ange- 
sammelt hat, ein Umstand, der die Vermuthung nahe legt, dies ery- 
throphile Stück des Keimfleckes stamme von dem erythrophilen 
Chromatin des Keimbläschens.. Was man bei diesen Stadien häufig 
findet, ist sodann ein kleiner, sich blau färbender Kernkörper, der sich 
noch in diesem späten Stadium zu bilden begonnen hat, aber in 
Folge der nahen Lage zum großen Keimfleck keine bedeutenden 
Dimensionen erreichen kann, sondern bald nach seinem Auftreten 
mit jenem eine Verschmelzung eingehen wird. So beobachtete ich 
häufig derartige kleine Nucleolen, welehe entweder dem größeren noch 
nicht anlagen, oder sogar halb in den letzteren hineingerückt waren. 
Vergleicht man PraArner’s (53) Abbildungen der Eier von Arzon 
empiricorum (1. ec.) Taf. 30 Fig. 6—9 mit dieser in Fig. 12 von mir 
gegebenen, so möchte man nach dem ersten Blick geneigt sein, den 


Untersuchungen über das Verhalten der Nucleolen ete. 177 


kleinen Keimfleck hier mit dem dortigen für identisch zu erklären. 
Dies dürfte aber durchaus nicht richtig sein. Bei Arion empiricorum 
ist nach PLArTner der kleinere Kernkörper dem größeren nicht 
sleichwerthis. Verfasser sah dort dieses kleine Gebilde als kon- 
stantes Element während aller Phasen der Eibildung, im Gegensatz 
zu meinen Befunden an Helix pomatia, wo es nur in einem späteren 
Stadium des Eies vorkommt, denn auch zuletzt ist es wieder nicht 
mehr vorhanden. Hieraus ergiebt sich mit Nothwendigkeit der Schluss, 
dass eine Vereinigung beider Gebilde stattfindet. Es handelt sich 
hier also offenbar um einen Kernkörper, der substantiell dem größeren 
sleichzustellen ist, wenn man wenigstens nach seiner großen Affinität 
für das Methylgrün ein Urtheil fällen soll. 

In derselben Arbeit gab PLATNER auch in den Fig. 13—15, 
Taf. 30 Abbildungen von unreifen Eiern von Helix pomatia. Er 
bemerkte bei dieser Gelegenheit ausdrücklich, dass bei diesem Ob- 
jekt im Laufe der Eibildung stets nur ein Kernkörper vorhanden 
sei. Zu erwähnen wäre noch, dass einige Vacuolen, wie in den 
beiden früheren Stadien, so auch hier, im großen Kernkörper anzu- 
treffen sind. 

Während sich bisher die Hauptmasse desselben in einem tiefen 
Blau äußerst stark tingirte, zeigte der Keimfleck der ältesten, unreifen 
Eier ein völlig abweichendes Verhalten von dem soeben geschilderten, 
unter der Voraussetzung natürlich, dass dieselben färberischen Be- 
dingungen obwalten (ef. Fig. 13). Jetzt nimmt er das Methylgrün 
nicht mehr 'so intensiv auf, oder er wird von dem Boraxkarmin in 
stärkerem Grade, als zuvor, durchdrungen; daher kommt es nach 
der Einwirkung beider Farbstoffe zu einem Mischton, welcher anzeigt, 
dass seine Affinität zum Methylgrün immer noch bedeutend überwiegt. 
Zunächst hat er an Volumen noch um ein Beträchtliches zugenommen, 
und ist dies der größte Umfang, den er überhaupt erreicht. In 
seinem Inneren ist es allmählich zur Bildung von vielen kleineren 
und größeren Vacuolen gekommen, welche dicht neben einander 
liegen und in der Regel noch zahlreicher sind, als es in der betref- 
fenden zur Abbildung gelangten Eizelle der Fall ist. Ich möchte 
bei dieser Gelegenheit an die von KorscHhELr (37) auf Taf. XXIX 
in den Fig. 66--68, 72, 74 und 75 dargestellten Keimflecke unreifer 
Eier von Ophryotrocha puerilis erinnern, die ebenfalls eine starke 
 Vacuolisirung aufweisen; auch in den Kernen des Viererstadiums 
bei der Furchung hat der große Kernkörper bei diesem Anneliden 


Zeitschrift £. wissensch. Zoologie. LXVI. Bd. 12 


178 Paul Obst, 


denselben Bau (ef. 1. ec. Fig. 47 und 48). Ähnliche Strukturen der 
Nueleolen sind auch sonst häufig beobachtet worden. 

Am auffallendsten ist bei diesem Nucleolus eine sich erythro- 
phil verhaltende Partie: er besteht nunmehr aus zwei Substanzen. 
-An allen Keimflecken ist eine derartige Sonderung desshalb nicht 
wahrzunehmen, weil, wie O. HERTWIG richtig bemerkte, der bei Helix 
pomatia dieselben Verhältnisse vorfand, der Kernkörper beim Schnei- 
den so günstig getroffen sein muss, dass der kleinere Theil seitlich 
von dem großen zu liegen kommt. Herrwıe (30) beobachtete, dass 
diese Partie, welche als Paranuclein aufzufassen ist und gewöhnlich 
eine kleine, flache Scheibe darstellte, oft in eine grubenförmige Ver- 
tiefung des Nucleolus eingebettet war. Sie macht, wie ich glauben 
möchte, eher einen Theil des kugelrunden Nucleolus aus, stellt also 
eine Calotte desselben dar. In Fig. 3 und 11 an Eiern von Mytılus 
gallo-provincialis und Pholas dactylus giebt Lıst (44) Abbildungen, 
die sich mit den soeben beschriebenen vergleichen lassen, nur sind 
die Farbenreaktionen die umgekehrten, was hier nicht weiter von 
Belang ist, da er sich anderer Mittel als ich bediente, um die Diffe- 
renzirungen hervorzurufen. Das Keimbläschen ist ganz gleichmäßig 
von allerfeinsten Chromatinkörnchen erfüllt, die in Strängen netz- 
förmig mit einander verbunden sind. Weiter enthält das Keim- 
bläschen noch einige gröbere Ansammlungen von erythrophilem 
Chromatin. Was nun die Herkunft dieser rothen Partie des Kern- 
körpers betrifft, so dürfte man wohl an konservirtem Material nicht 
zu einer sicheren Entscheidung gelangen. Ich möchte, gestützt auf 
meine Präparate, die Vermuthung aussprechen, dass sich das zu 
srößeren Klumpen geballte, sich roth tingirende Chromatin an den 
Keimfleck zunächst lose anlegt, später findet dann eine innigere An- 
einanderlagerung statt, die schließlich zu einer völligen Verschmel- 
zung beider Substanzen führt. Auffallend ist es nämlich, dass fast 
immer die gröberen Ansammlungen des rothgefärbten Chromatins 
dieht oder wenigstens ziemlich nahe bei dieser kleinen Partie des 
Kernkörpers liegen und genau dieselbe Nuaneirung im Fäarbenton 
zeigen, wie das Paranuclein. 

Andererseits könnte es durch chemische Vorgänge im Inneren 
des herangewachsenen Keimfleckes zu einer plötzlichen Sonderung 
in zwei verschiedene Substanzen kommen, was bei der außerordent- 
lichen Schnelligkeit der Procedur auf tinktionellem Wege nicht zu 
ermitteln ist. Hauptsächlich hat der Keimfleck seine bedeutende 
Größe dadurch erlangt, dass er mit kleineren substantiell gleichen 


Untersuchungen über das Verhalten der Nucleolen ete. 179 


Gebilden, die im Laufe der Entwicklung im Keimbläschen auftauchen, 
eine Verschmelzung eingeht. Höchstwahrscheinlich wird dem Kern- 
körper aber noch auf anderem Wege Material zu seinem Aufbau zu- 
seführt. Es ist nämlich sehr auffallend, dass sich oft um die Nu- 
eleolen, nach Art eines Hofes, erythrophiles Chromatin anlagert. 
Dass es sich hier nicht immer um eine Extraktionserscheinung handelt, 
seht daraus hervor, dass in derartigen Fällen gewöhnlich einzelne 
Chromatinpartikelcehen von einander deutlich zu unterscheiden sind. 
Ein solcher Saum ist an den Keimflecken der Figuren 4, 5, 6 und 
11 zu bemerken. Ich vermuthe, dass dies rothe Chromatin mit zur 
Substanzvermehrung des Keimfleckes verwendet wird, und dass es 
in feinsten Partikelchen in den letzteren übergeht. 


Limax maximus. 


Die jüngsten Eier der Zwitterdrüse von ZLimaz mazimus sind 
etwas kleiner, als die in demselben Stadium befindlichen von Helix 
pomatia. Überhaupt stehen die Elemente der Geschlechtsdrüse dieser 
Nacktschnecke an Größe etwas hinter denen des vorher untersuchten 
Objektes zurück. Während jedoch bei Helix pomatia gerade in den 
jüngsten Eiern und auch noch in den etwas weiter vorgeschrittenen 
eine unbestimmte Anzahl eyanophiler Keimflecke vorhanden waren, 
trifft man bei dieser Form stets nur einen solchen an; derselbe ist 
schon verhältnismäßig groß (Fig. 14). In etwas älteren Eiern (Fig. 15) 
sieht man neben dem größeren, blau tingirten Keimfleck einen kleinen 
Kernkörper von äußerst geringem Umfange jenem anliegen. Dieser 
Nucleolus ist jedoch ausgesprochen erythrophil, da er sich tief 
dunkelroth färbt. Über die Substanzverschiedenheiten beider Nucleo- 
len kann kein Zweifel herrschen, denn die Tinktion ist, wie auch 
in den Folgestadien, eine äußerst intensive und dabei kontrastreiche. 
Weiter zurück verfolgen kann man diesen zweiten erythrophilen 
Kernkörper nicht, da er wegen seines außerordentlich geringen Um- 
fanges nicht mehr von den chromatischen Bestandtheilen des Keim- 
bläschens zu unterscheiden ist. Im weiteren Verlauf der Eibildung 
(Fig. 16 u. 17) ist nur ein Wachsthum beider Elemente zu konsta- 
tiren; auch möchte ich nochmals auf die auffallende Größe beider 
im Vergleich zum Keimbläschen in diesem und den sich anschließen- 
den Stadien aufmerksam machen. Zu erwähnen wäre sodann der 
Umstand, dass der Zwischenraum zwischen beiden Kernkörpern ge- 
legentlich größer geworden, und dass im Inneren des erythrophilen 
Körpers häufig eine Vacuole anzutreffen ist. In wenig älteren Eiern 

12* 


180 Paul Obst, 


findet man nun, dass mit letzterem eine eigenthümliche Gestalts- 
veränderung vorgegangen ist, während bei jenem vorläufig nur ein 
Wachsthum zu konstatiren ist. Aus dem bisher runden Keimfleck 
hat sich ein länglicher, an einer Stelle eingebuchteter, scharf kon- 
tourirter Körper herausgebildet, der auf den ersten Blick bohnen- 
förmig erscheint (Fig. 18). In vielen Fällen zeigt er sich hingegen 
anders gestaltet; er ist dann rund, und sein Inhalt ist, wie bei der 
ersten Form, hell, ebenfalls mit dunklem, scharfem Kontour. Wenn 
man ein solches Bild von dem erythrophilen Keimfleck erhält, so 
hat man ihn im Querschnitt vor sich, während die andere Ansicht 
von einem Längsschnitt dargeboten wird. Richtiger gesagt ist er also 
als mützenförmig zu bezeichnen, da der Querschnitt bei der Bohnen- 
form mehr oval ausfallen würde. Im Allgemeinen werden Kern- 
körper von solcher Gestaltung für geschrumpft gehalten. Dies möchte 
ich aber für den kleinen erythrophilen Nucleolus von Limax maximus 
nicht zugeben: denn es wäre doch im höchsten Grade auffällig, dass 
stets bei allen Eiern nur dieses und der beiden nächstfolgenden 
Stadien eine Schrumpfung eintreten sollte. Hier vollziehen sich 
jedenfalls noch gewisse Umwandlungen im Inneren des Kernkörpers, 
welche dessen Gestaltsveränderung mit sich bringen. Auf welche 
Weise diese vor sich geht, habe ich nicht ermitteln können. That- 
sächlich fand ich bei allen Eiern dieses Alters den erythrophilen 
Kernkörper in der Mützenform vor. Jedoch möchte ich eine Ver- 
muthung hier aussprechen. Nämlich das Auftreten jener Vacuole, 
bei den um Weniges jüngeren Eiern (Fig. 17) möchte ich mit jenem 
Vorgang in Verbindung bringen, und dasselbe für den Ausgangspunkt 
halten, welcher die Umbildung der Kugel in die Mützenform einleitet. 
Jedenfalls möchte ich noch hervorheben, dass man in Fig. 17 nicht 
etwa einen Querschnitt des mützenförmigen Körpers, sondern eben 
nur einen Nucleolus mit einer centralen Vacuole vor sich hat. Dies 
ergiebt sich übrigens schon ohne Weiteres aus den Größenverhält- 
nissen. Zum weiteren Verlauf der Ausbildung bis zu den ältesten 
unreifen Eiern ist über den eyanophilen Keimfleck nur zu bemerken, 
dass es in seinem Inneren zur Bildung einiger Vaeuolen kommt, die 
man im letzten Stadium nicht mehr wahrnimmt. Mit dem erythro- 
philen Keimfleck geht jedoch eine weitere Veränderung vor sich. 
Er buchtet sich bedeutend mehr ein (Fig. 19) und hat nunmehr 
seinen größten Umfang erreicht. Im folgenden Stadium (Fig. 20) 
gestaltet sich sein tinktionelles Verhalten etwas anders als bisher. 
Zuvor war er ausgesprochen erythrophil; dies ist er jetzt nicht 


Untersuchungen über das Verhalten der Nucleolen etc. 181 


mehr. Er färbt sich in einem Mischton. Das Keimbläschen von 
Eiern, die nur wenig weiter entwickelt sind, zeigt plötzlich außer 
dem eyanophilen Nucleolus den merkwürdigen mützenförmigen Nu- 
cleolus nicht mehr. Dafür trifft man einen anderen, völlig runden, 
homogenen Kernkörper an, der nach Anwendung der Doppeltink- 
tion ungefähr die Mittelfarbe zwischen Roth und Blau angenom- 
men hat (Fig. 21). Dies ist keineswegs einer längeren bezw. 
kürzeren Einwirkung oder Ausziehung der Farbstoffe zuzuschreiben, 
sondern beiden ist die gleiche Behandlung zu Theil geworden, wie 
den in Fig. 19—23 abgebildeten Eiern; sie befinden sich sogar alle 
auf demselben Objektträger, einige davon (Fig. 19, 23 und 24) in 
ein und demselben Schnitte. 

Fig. 22 stellt ein etwas älteres Stadium dar. Dort finden sich 
zwei Keimflecke vor, welche sich tinktionell völlig gleich verhalten. 
Eben so eigenthümlich, wie das plötzliche Verschwinden des mützen- 
förmigen Körpers, ist auch der Zweck, zu dem er die Umbildung in 
einen solchen erfährt. Über seine muthmaßliche Entstehung habe ich 
bereits zuvor gesprochen. Es handelt sich jetzt darum festzustellen, 
wo er geblieben ist. Ich halte es für wahrscheinlich, dass er sich 
in den später vorhandenen, runden Nucleolus umgewandelt hat. Auch 
dieser Vorgang wird wieder sehr rasch vor sich gehen. Stets fand 
ich diesen Körper fertig, nie im Wachsthum begriffen vor. Er muss 
also nothwendig mit dem vorher mützenförmig gestalteten in enger 
Beziehung stehen. Sodann deutet auf diesen Zusammenhang beider 
Körper auch das Resultat der Doppelfärbung hin. Während beim 
ersten Auftreten der mützenförmige Keimfleck das Methylgrün ganz 
abgiebt, also sich in dem leuchtenden Roth des Boraxkarmins zeigt 
(Fig. 18 und 19), scheint mit seiner Substanz in einem späteren 
Stadium, das etwa Fig. 2) wiedergiebt, eine vielleicht chemische 
Veränderung vorgegangen zu sein. Das Methylgrün ist hier schon 
nicht mehr vollständig abgegeben worden. Fig. 21 zeigt eine unver- 
kennbare Mischung beider Farbstoffe, während erst im Stadium 
der Fig. 22 die Neigung des Kernkörpers zur cyanophilen Seite 
überwiegt. An dieser Stelle möchte ich noch einmal betonen, dass 
obige Resultate nicht durch verschiedenartige Einwirkung der Farb- 
stoffe bezw. Ausziehung erzielt wurden, wie ich schon vorher er- 
wähnte. 

Im weiteren Verlauf der Eibildung sieht der Inhalt des Keim- 
bläschens gewöhnlich so aus, wie ihn Fig. 23 wiedergiebt. Der ur- 
sprünglich eyanophile, größere Keimfleck hat jetzt seinen mächtigsten 


183 Paul Obst, 


Umfang erreicht; an, bezw. halb in ihm, liegt der kleinere Nucleolus, 
um später gänzlich mit jenem zu verschmelzen. Im Keimbläschen 
sieht man allerfeinste, roth tingirte Chromatinbröckchen netzartig in 
Strängen mit einander verbunden, außerdem hier und da einige 
gröbere Anhäufungen von erythrophilem Chromatin. Aus ihnen bildet 
sich allem Anschein nach eine unbestimmte Anzahl neuer, sich eben- 
falls roth färbender Keimflecke. Bei Durchsicht der anderen, durch 
eben dasselbe Keimbläschen geführten Schnitte zählte ich eirca acht 
weitere solcher Ansammlungen, die wohl, schon mehr oder weniger 
abgerundet, als Keimflecke anzusprechen sind. Sie sind nicht homo- 
sen, sondern aus sehr kleinen Chromatinpartikelchen zusammen- 
gesetzt, welche namentlich dann recht klar zu erkennen sind, wenn 
sie am Rande überstehen, was aus Fig. 23 mit großer Deutlichkeit 
hervorgeht. Bei den ältesten Eiern sieht man dann außer dem großen, 
blauen, viele kleine erythrophile Keimflecke, die höchst wahrschein- 
lich auf die vorher beschriebene Art zu Stande gekommen sind. 
Außer den in der Fig. 24 abgebildeten Nucleolen weist dieses Ei 
noch fünf weitere solcher Keimflecke auf. Bei den kleinsten von 
ihnen ist es häufig gar nicht zu entscheiden, ob man es wirklich 
bereits mit einem solchen Gebilde zu thun hat, oder ob es vorläufig 
nur eine Menge an einander gelagerten Chromatins ist. Die Zahl 
dieser neugebildeten Kernkörper ist gänzlich unbestimmt; in einem 
Falle zählte ich deren 16. Sie sind im Anfang ihrer Entstehung 
nicht von homogener Struktur, sondern lassen eine ungleichmäßige 
Granulirung in ihrem Inneren erkennen, die auch in den älteren 
Stadien eben so deutlich hervortritt; sie besitzen dann auch einen sich 
scharf abhebenden Kontour. 

Nach. meinen Beobachtungen kann ich die soeben geschilderte 
Entstehung dieser Nucleolen nicht anders auffassen, als dass sie sich 
aus der chromatischen Substanz herausbildeten. So beschaffen, wie 
zuletzt beschrieben, sind die ältesten unreifen Eier. Erwähnen möchte 
ich noch, dass sich ähnlich, wie bei Zelix pomatia, so auch hier um 
die cyanophilen Kernkörper ein erythrophiler Saum von Chromatin 
findet (Fig. 17, 18 und 20—22). 

Die Membran, welche das Keimbläschen umgiebt, ist bedeutend 
dicker als bei Helix pomatia, wo sie oft nur schwer zu erkennen 
ist. Ehe ich jedoch die Untersuchungen über Zimaxz mazimus ab- 
schließe, möchte ich noch auf einige eigenthümliche Ergebnisse der- 
selben Doppeltinktion aufmerksam machen, welche im höchsten 
Grade interessant sind. Ließ ich Alkohol auf die der Doppelfärbung 


Untersuchungen über das Verhalten der Nucleolen ete. 183 


unterworfenen Eier des Stadiums, wie es etwa durch Fig. 23 dar- 
gestellt wird, länger einwirken, so gab der große, sonst cyanophile 
Keimfleck das Methylgrün gänzlich ab. In bestimmten Fällen jedoch 
verhielt sich dies nicht vollständig so, sondern an einer Stelle blieb 
die Blaufärbung erhalten. Dann lag gewöhnlich der kleine, eyano- 
phile Keimfleck dieser Partie an (Fig. 25 und 26). Ich möchte es 
für das Allerwahrscheinlichste halten, dass der innen und außen be- 
findliche Theil zusammengehören, beide also den kleinen Keimfleck 
ausmachen, und dass wir ein Stadium inniger Verschmelzung mit dem 
größeren Nucleolus vor uns haben. Unverständlich ist dann nur die 
Wahrung eines scharfen Kontours. Man sollte doch annehmen, dass 
eine Verschmelzung der rothen und blauen Substanz anders vor sich 
seht, als es der vorliegende Fall andeutet. Die eyanophile Substanz 
müsste sich doch eher unregelmäßig mit der erythrophilen vermischen. 
Eben so wenig erklärlich ist der mit erythrophiler Masse ausgefüllte 
Zwischenraum zwischen beiden blauen Halbkugeln (ef. Fig. 25). Auf- 
fallend ist fernerhin in Fig. 26, dass die eine Hälfte dunkelblau, fast 
schwarz, dagegen die andere, außen befindliche, heller gefärbt ist, 
obwohl dies auch durch die Lageverhältnisse innerhalb und außer- 
halb des großen Nucleolus bedingt sein könnte. Man steht hier vor 
der Frage, ob der kleinere, mehr cyanophile Nucleolus im Begriff 
ist, m den größeren, mehr erythrophilen Nucleolus einbezogen, viel- 
leicht auch zu dessen Substanz umgewandelt zu werden. Zu erwähnen 
ist noch, dass der große Keimfleck granulirt ist, eine Thatsache, die 
sich vorher in Folge der tief dunkelblauen Färbung der Beobachtung 
entzog. 


Unio batavus. 


Die jüngsten Eier von Unio batavus sind leichter aufzufinden, 
als die von Helix oder Limax. Sie stellen sich als kleine Zellen 
dar, deren Kerne gewöhnlich abgerundet sind und ein Kernkörperchen 
besitzen (Fig. 27). Dasselbe ist eyanophil und kommt an Größe 
ungefähr jenem bei Helix pomatia gleich. Der Protoplasmaleib dieser 
jüngsten Eizellen ist sehr klein. Neben diesen jüngsten Eizellen 
finden sich noch viele kleine, rundliche oder ovale Zellkerne, die 
ein Kernkörperchen enthalten, und deren Zellkörper sich nicht deut- 
lich abhebt, wenigstens ließen sich die Zellgrenzen bei dieser Kon- 
servirung nicht erkennen. Diese sind wohl als die Eimutterzellen 
anzusprechen, worauf einige wenige Theilungsfiguren schließen 
lassen. 


184 Paul Obst, 


Das Wachsthum der Nucleolen dieser Eier verläuft nun nicht 
so komplieirt, als es von den anderen Formen, speciell von Zimaz 
mazimus, vorher beschrieben wurde. So wäre über die Abbildungen 
28—30 nichts weiter zu sagen, als dass sie zeigen sollen, auf wie 
‚einfache Weise die einzelnen Bestandtheile der Eizelle sich ver- 
srößern. Die Membran des Keimbläschens hebt sich bei den jungen, 
wie alten Stadien ziemlich scharf mit dünnem Kontour vom Proto- 
plasma ab. Bemerkenswerth ist, dass das erythrophile Chromatin, 
welches im Keimbläschen zerstreut umherliegt, je älter die Eizelle 
wird, in desto gröberer Vertheilung auftritt, wie deutlich ein Blick 
auf die gegebenen Abbildungen 27—37 lehrt. 

Während bisher nur ein eyanophiler Keimfleck im Keimbläschen 
vorhanden war, zeigt sich im Folgestadium plötzlich eine andere 
Substanz, die erythrophil ist, sich aber doch von den roth tingirten 
Chromatinbrocken durch ihren Farbenton unterscheidet. Sie findet 
sich bei ihrem Auftreten stets dem Keimfleck dicht angelagert und 
färbt sich in einem schönen Rosaton, welchen ich in Fig. 31 wieder- 
zugeben versuchte. Eine gewisse Regelmäßigkeit in der Form, in 
der diese Nucleolensubstanz auftritt, ist nicht zu konstatiren. In 
der dargestellten Eizelle sieht man sie bereits an zwei Stellen des 
cyanophilen Kernkörpers auftauchen. Mindestens eben so häufig ist 
dies nur an einem Punkte der Fall und dann der Masse nach nur 
so viel, als die kleinere Partie ausmacht. Oft beobachtete ich auch 
einen äußerst schmalen, rothen Saum um den cyanophilen Kern- 
körper, den ich jedoch hier für eine Extraktionserscheinung halten 
möchte. Erwähnen will ich noch, dass besagte erythrophile Keim- 
flecksubstanz einige Male an drei bis vier Stellen an dem ursprüng- 
lichen Nucleolus in Form von kleineren und größeren Knospen 
hing. 

Was die Herkunft dieser neuen Substanz betrifft, so vermag ich 
nur zu sagen, dass sie stets im Zusammenhang mit dem eyanophilen 
Keimfleck anzutreffen war, also niemals frei an einer anderen Stelle 
des Keimbläschens. Durch Anlagerung irgend welcher chromatischen 
Partikel aus dem Kerninhalte kommt sie nicht zu Stande: es ist 
wenigstens davon nichts zu bemerken. Es bleibt nur noch die Mög- 
lichkeit übrig, sie als Umwandlungsprodukt des großen Körpers auf- 
zufassen, eine Annahme, zu welcher schon FLEMMING (15) bei Anodonta 
gelangte, wo er »am Haupttheil großer und mittelgroßer Eier (nie- 
mals junger oder ganz junger) ein oder mehrere Buckel hängend 


\ 


antraf«. FLODERUS (18) hat bei Corella parallelogramma (l. e. Taf. X, 


Untersuchungen über das Verhalten der Nucleolen ete. 185 


Fig. 18) im Keimbläschen eines lebenden Eies eine knospenähnliche 
Ausbuchtung am Nucleolus wahrgenommen; diesbezügliche Beobach- 
tungen an einer Menge von Thieren liegen noch von AUERBACH (1), 
Leyvie (43) und Anderen vor. Vielleicht ist in der Theilung, wie 
sie v. Hessuıne (32) für die Perlmuschel annimmt, auch nur ein 
Quellungsvorgang des großen Kernkörpers zu sehen, der einer Knos- 
pung nicht unähnlich sieht. 

Das noch zu beschreibende Wachsthum des zweitheiligen Nu- 
eleolus müsste man sich wohl durch Aufnahme und Assimilation 
flüssiger Substanzen aus dem Kernraum erklären. 

Vacuolen beherbergt besagte Partie des Nucleolus in diesem 
frühen Stadium noch nicht, kurz darauf sind sie dagegen gelegentlich 
anzutreffen, wie Fig. 32 zeigt. 

Die roth gefärbte Partie des Nucleolus nimmt jetzt an Masse 
im Verhältnis gegen den anderen Abschnitt in auffallender Weise 
zu, so dass sie jenen sehr bald an Größe nicht mehr nachsteht; vor- 
läufig sind beide noch mit einander verbunden (Fig. 33). Hierbei 
möchte ich an die Verhältnisse, wie sie STAUFFACHER (60) für Cyelas 
cornea, WILSoN (71) für Nerers, FLODERUS (18) (Fig. 14 Taf. XXIIL ce.) 
für Pholas dactylus schilderten, erinnern, wo ebenfalls ein zwei- 
theiliger Nucleolus vorhanden ist. Bald kann die Verbindung aber 
lockerer werden und schließlich zur Trennung führen. Ich sprach 
von einer lockeren Verbindung, denn in dieser Beziehung herrscht 
im weiteren Verlauf keine Gesetzmäßigkeit vor. In Fig. 34 ist ein 
Ei abgebildet, dessen Kernkörper noch mit den Rändern eben zu- 
sammenhängen, der erythrophile Theil scheint an der Berührungs- 
stelle noch nicht scharf abgerundet zu sein. In Fig. 35 ist der 
Kontakt noch geringer, und beide liegen schon fast isolirt neben 
einander. Häufig befanden sich beide Gebilde räumlich weit von 
einander getrennt. 

Fig. 36 stellt ein Ei dar, welches trotz seines Alters noch beide 
Substanzen vereinigt zeigt. An Masse überwiegt jetzt bedeutend die 
erythrophile Partie. Solche Bilder erinnern an Befunde, wie sie 
FLODERUS (]. ec.) von Pholas daectylus in den Fig. 13, 15 und 17 
wiedergab. Hier wären auch die bereits erwähnten Arbeiten von 
LuRkJanow (46), STOLnIkow (62), OcATA (50), HERMANN (27), FREN- 
ZEL (21) und LÖNNBERG (45) zu nennen, in denen sich ähnliche Ab- 
bildungen finden (ef. Litteraturübersicht). 

Diese Befunde stehen in völligem Einklang mit denen der frü- 
heren Beobachter. Nach Freuume (17) bestand der Hauptnucleolus 


156 Paul Obst, 


in mittelgroßen Eiern »aus einem kleineren Theile, der bedeutend 
stärker lichtbrechend und tingirbar, ferner aus einem größeren, 
blasseren Abschnitte, der schwächer chromatisch war und in Säure 
mehr quillt«. Dasselbe gilt auch von Oyeclas cornea (17) und Dreis- 
. sena polymorpha (16). Bei letzterem Objekt »ist der stark licht- 
brechende und chromatische Theil als Hohlkappe um den blasseren 
herumgelagert«. Bei Anodonta hängen beide Theile zusammen, »bei 
Unio sind sie vielfach nur mit einander in Berührung oder liegen 
selbst getrennt«. 

In einer anderen Arbeit FLemumine’s (15) heißt es über Anodonta: 
»Bei jüngsten Eiern sind die Kernkörper (0,25 «) einfach rund, bei 
srößeren sind sie schon zweitheilig, jedoch so, dass der stark licht- 
brechende Theil noch größer ist.« 

O. HErRTwIG (30) unterschied bei Unio pietorum einen kugeligen 
Hauptkörper und diesem aufsitzend einen kleineren, halbkugligen 
Theil, von größerer Durchsichtigkeit und größerem Lichtbrechungs- 
vermögen. Beide Körper sind deutlich von einander abgegrenzt. 
Seine gleichen Befunde an Tellina (28) sind hier auch zu erwähnen. 

Endlich möchte ich noch angeben, dass ich, wenn auch nur 
einige Male, eine Dreitheiligkeit des großen Kernkörpers in der Art 
sah, wie sie List (43) von Pholas dactylus in Fig. 16 Taf. XXII ab- 
bildete. Dass dieselbe aber als ein besonderes Stadium aufzufassen 
ist, möchte ich nicht glauben, sondern sie vielmehr für eine zufällige 
Lageerscheinung halten. R. WAGNER (67) bemerkte auch bei Unio 
und Anodonta »drei an einander gereihte oder auch isolirte Keim- 
flecke«, was in einigen Fällen nach STAUFFACHER (60) auch für 
Oyclas cornea zutrifit (l. e. Fig. 7). 

Außer diesem zusammengesetzten Keimfleck sind in den letzten 
Stadien (Fig. 34—36) noch andere Nebennucleolen anzutreffen. Ich 
kann FLEMmMIng (15) nur beipflichten, wenn er von ihnen sagte, dass 
ihre Größe, Zahl und Anordnung nicht konstant sei. Sie sind bis- 
weilen von einer ganz außerordentlichen Kleinheit. 

Bei Anodonta versuchte FLEMMING die Entstehung der kleinen 
Kernkörper zu verfolgen und fand, dass sie dort (erst unmittelbar 
vor der Brunstzeit) auf Kosten der kleineren, stark lichtbrechenden 
Portion des Keimfleckes gebildet werden. Bei Unmio ist nichts davon 
zu sehen; dort verdanken sie ihren Ursprung dem Chromatin, wie 
ich glaube; denn vergleicht man den Inhalt der Keimbläschen im 
Stadium etwa der Fig. 29—33 mit demjenigen der in den Fig. 34—36 
wiedergegebenen Stadien, so erscheint diese Annahme sehr plausibel. 


Untersuchungen über das Verhalten der Nucleolen ete. 187 


Sie erinnerten mich nach ihrem Aussehen und, wenn ich ihre Größen- 
verhältnisse, sowie ihren ganzen Habitus in Betracht ziehe, an die 
Gebilde, welche Leypie (43, p. 304) auf Taf. XII in Fig. 24 und 25 
neben größeren, anders beschaffenen Keimflecken in unreifen Eiern 
von Theridium abbildete; jedoch kommen sie dort nur in einer Partie 
des Keimbläschens dicht an einander gedrängt vor, während sie hier 
nicht auf einen Theil des Keimbläschens beschränkt sind, sondern 
unregelmäßig zerstreut allenthalben umherliegen. 

Interessant ist ein Vergleich von Liısr’s 44) Ergebnissen an 
Mytilus gallo-provincialıs und an Pholas dactylus mit den meinigen 
an Unio batavus, wegen der immerhin nahen Verwandtschaft der 
drei Thiere. Schon auf den ersten Blick zeigt es sich, dass bei 
den beiden Repräsentanten der Asiphoniaten völlig verschiedene 
Verhältnisse anzutreffen sind. Zunächst kommt man zu dem Resul- 
tat, dass beim Keimfleck von Mytelus gallo-provincialis überhaupt 
gar nicht der typische Lamellibranchiatencharakter zum Vorschein 
kommt. So fand sich z. B. nach der Darstellung von List die blau 
tingirte Substanz in den einzelnen Eistadien in so großer Formen- 
verschiedenheit vor, dass es schwierig ist, einen Zusammenhang in 
dem Verhalten dieser Partie im wachsenden Keimfleck herauszu- 
finden, wie sich bei einem Vergleich der dort in Fig. 1—8 Taf. XXI 
gegebenen Abbildungen ergiebt. Einen typischen Lamellibranchiaten- 
keimfleck besitzt dagegen Pholas dactylus. Die Keimflecke in den 
Fig. 11—20 (l. ce.) zeigen einen Habitus im Aufbau, wie ich ihn für 
Unvo batavus oben beschrieb, abgesehen von der Verschiedenheit der 
einzelnen Kernkörperbestandtheile in ihrer Färbung. So erreicht bei 
Pholas dactylus die eine Substanz, welche zuerst nur eine geringe 
Ausdehnung besaß, durch rapide Zunahme im Laufe der weiteren 
Ausbildung zunächst dieselbe Größe, wie die andere, um sie später- 
hin an Ausdehnung weit zu übertreffen. Das ist in der Hauptsache 
genommen ein Verhalten, welches vollkommen mit dem der cyano- 
philen Masse bei Unio batavus von mir geschilderten übereinstimmt. 


Epeira diademata. 


Dass die jüngsten Eier von Epeira diademata einen unregel- 
mäßig gestalteten Keimfleck besitzen, hebt schon KoRSCHELT (36) 
hervor und giebt dafür auf Taf. IV in Fig. 86 eine Abbildung, welche 
der von mir in Fig. 37 Taf. XIII entworfenen vollkommen entspricht. 
Der Kernkörper setzt sich bereits in diesem frühen Stadium aus den 
beiden chromatophilen Substanzen zusammen, was deutlich an dem 


188 Paul Obst, 


in Fig. 37 rechts befindlichen Ei zu erkennen ist. Ein bestimmtes 
Verhältnis der Menge beider Substanzen zu einander ist nicht zu 
konstatiren. Das Chromatin liegt in kleineren und größeren An- 
häufungen ganz unregelmäßig im Keimbläschen vertheilt. Das Folge- 
.stadium (Fig. 38) zeigt ein verhältnismäßig bedeutendes Wachsthum 
des Hauptkeimfleckes. Wie zuvor, ist auch hier die ceyanophile 
Masse rings scharf abgegrenzt, nicht so die erythrophile. Es erscheint 
auf den ersten Blick, als ob letztere eine große unregelmäßig ge- 
formte Anhäufung darstelle; sieht man jedoch genauer zu, so löst 
sich dieselbe in mehrere kleinere auf. Diese liegen in verschiedenen 
Ebenen über und unter einander. Der Keimfleck ist also als Ganzes 
mit keinem scharfen Kontour versehen. In der Nuancirung des 
Farbentones ist die roth tingirte Partie des Kernkörpers vom Chro- 
matin nicht zu unterscheiden. 

Ihr Wachsthum erfolgt, wie ich sicher annehmen möchte, durch 
Aneinanderlagerung und Zusammenballung kleiner chromatischer 
Partikelehen. Für die Richtigkeit dieser Annahme spricht folgender 
Befund. Bei einem ungefähr in dem zuletzt erwähnten Stadium der 
Ausbildung befindlichen Ei war deutlich zu sehen, dass sich die 
erythrophile Partie des Keimfleckes aus kleinsten Chromatintheilchen 
zusammensetzte, wie dies Fig. 39 veranschaulicht. Als seltenes Vor- 
kommnis möchte ich es bezeichnen, dass hier in dieser Eizelle, 
welche beiläufig bemerkt einem anderen Individuum entstammt, zwei 
cyanophile Keimflecke vorhanden sind. Eine große Umwandlung 
erleidet der beschriebene Kernkörper im Laufe der weiteren Aus- 
bildung des Eies (Fig. 40). Zunächst wird er deutlich begrenzt, und 
bietet sich mehr als ein kompaktes Ganzes dar. Seine chromato- 
philen Substanzen sind besonders scharf von einander abgesetzt. 
Was ihre Lagerung gegen einander betrifft, so fand ich hier stets 
die blau tingirte Substanz von der rothen völlig oder theilweise ein- 
seschlossen, jedoch war auch nicht ein einziges Mal das umgekehrte 
Verhältnis zu bemerken. Auch für dieses Altersstadium ist die in 
Fig. 40 gegebene Abbildung nicht als typisch aufzufassen. In der 
dargestellten Eizelle besteht die eyanophile Masse offenbar aus zwei 
sich berührenden Kugeln, was natürlich nicht nothwendig der Fall 
zu sein braucht. Die erythrophile Substanz schien mir in dieser 
Entwicklungsstufe stets einen gewissen Grad von Zähflüssigkeit auf- 
zuweisen, welchen Eindruck ich von der anderen Substanz nicht 
hatte. Dafür spricht auch der sich dunkelroth abhebende Kontour, 
der jene nach Art einer Membran umsgiebt. 


Untersuchungen über das Verhalten der Nucleolen etc. 189 


In ähnlichem Zustande schien sich bei ZLimaxz mazimus der 
mützenförmige Keimfleck zu befinden, welcher sich ebenfalls ery- 
throphil verhielt, und dessen Inhalt sich bis zu einem gewissen Grade 
auch als von weicher Konsistenz zu erkennen gab. So viel über den 
Hauptkeimfleck! Es taucht in diesem frühen Stadium nun noch ein 
zunächst sehr kleiner Nebenkeimfleck auf; in den späteren Stadien 
bilden sich deren mehrere. Derselbe färbt sich stets roth, gewöhnlich 
aber nur sehr blass, so dass es bisweilen aus diesem Grunde und 
wegen seiner geringen Größe außerordentlich schwierig ist, zu ent- 
scheiden, ob man es wirklich mit einem solchen Kernkörper zu thun 
hat, oder mit einem Klümpchen chromatischer Substanz, welcher 
letzteren er sehr ähnlich sieht. Er macht sich seiner Gestaltung nach 
stets als ein scharf abgerundeter Körper bemerkbar; ein weiteres 
Hauptkriterium giebt eine helle Zone rings um ihn ab, so dass er 
wie von einem Hofe umgeben erscheint. 

Nach Fremming (16), welcher solche Höfe auch häufig beobachtete, 
muss man zwei Arten derselben unterscheiden. Die einen stellen 
weiter nichts, als eine optische Erscheinung dar; FLEMMING bezeichnet 
sie als »Reflexhöfe«. Sodann fand er aber in manchen Präparaten 
noch helle Räume um Nucleolen, welche in anderen Präparaten 
wieder nicht zu sehen waren, obgleich sie auf dieselbe Weise, wie 
jene ersteren, konservirt wurden. Aus diesem Grunde betrachtet sie 
Verfasser als Kunstprodukte. Für den hier vorliegenden Fall möchte 
ich dazu Folgendes bemerken, da auch ich naturgemäß zunächst die 
hellen Höfe als Kunstprodukte anzusehen geneigt war: 

ad 1) Wenn die Höfe dieser kleinen, erythrophilen Nucleolen 
durch die starke Lichtbrechung letzterer hervorgerufen werden, wür- 
den die großen, eyanophilen Keimflecke, welche in noch viel höherem 
Grade lichtbrechend sind als jene, ebenfalls derartige helle Räume 
in ihrer Umgebung aufweisen; dies ist jedoch nicht der Fall. Eben 
so würde bei Zimax mazimus der kleine, erythrophile Kernkörper, 
der gleichfalls stark lichtbrechend ist, diese Erscheinung zeigen, doch 
ist sie dort nie anzutreffen. | 

ad 2) Die Höfe in meinen Präparaten, welche sämmtlich mit 
Sublimat fixirt waren, fand ich immer nur in gewissen Stadien, dort 
aber stets um die kleinen, erythrophilen Nucleolen vor. 

Aus diesen Gründen bin ich doch zweifelhaft, ob die erwähnten 
hellen Räume wirklich als Kunstprodukte aufzufassen und nicht viel- 
mehr in der Konstitution des Kernes bedinst sind. 

Was die Lage dieses Kernkörpers betrifft, se wäre hervorzu- 


190 Paul Obst, 


heben, dass er bei seinem Auftreten nie den Hauptkeimfleck berührt, 
sondern stets getrennt von jenem auftaucht. 

Ungefähr bis zu einem Stadium, welches durch Fig. 42 dar- 
gestellt wird, hat der Hauptkernkörper eine mehr oder weniger ab- 
-. gerundete Form und setzt sich aus den beiden bekannten chromato- 
philen Substanzen zusammen. Jedoch findet man ihn bisweilen noch 
in einem Stadium, welches Fig. 41 wiedergiebt, von ähnlicher 
unregelmäßiger Beschaffenheit im Bau, wie sie zuvor in Fig. 38 ab- 
gebildet wurde. Man könnte vielleicht dadurch den Eindruck erhalten, 
als hätte das in Fig. 41 abgebildete Ei das geschilderte Alter noch 
gar nicht erlangt. Dass dies aber doch der Fall ist, beweist, abge- 
sehen von der Größe seines Plasmaleibes und Hauptnucleolus, auch 
der Umstand, dass sich schon der vorhin erwähnte kleine Neben- 
keimfleck gebildet hat; auch hier macht sich ein heller Hof rings 
um ihn bemerkbar, wie in Fig. 40 und 41. Die erythrophile Partie 
ist in Form von unregelmäßig gestalteten Klumpen ohne scharfe 
Begrenzung am großen Kernkörper vertreten. In den nun folgenden 
Stadien tritt eine unbestimmte Zahl der blassen, kleinen Keimflecke 
auf, welche mit dem Alter des Eies ebenfalls wachsen; einige von 
ihnen erreichen sogar immer einen ziemlich beträchtlichen Umfang, 
wie die Fig. 43—47 zeigen. Jedoch nicht alle bringen es zu einer 
solchen Größe. Es sind dies solche Nucleolen, die noch in späten 
Stadien in großer Nähe des Hauptkeimfleckes auftreten (Fig. 44 
und 47), ein Umstand, der sich aus ihrem später zu besprechenden 
Verhalten erklärt. Die größeren Nebenkernkörper besitzen nicht 
mehr eine vollkommen homogene Struktur, wie dies zuerst der Fall 
war (Fig. 40—42), sondern viele sind von zahlreichen kleinen Vacuo- 
len durchsetzt; hierdurch wären sie, abgesehen von ihrer Färbung, 
im Aussehen mit dem großen Keimfleck der ältesten Eier von Helix 
pomatia zu vergleichen, wenn nicht beide Kerngebilde in Folge ihrer 
bedeutenden Größenunterschiede von einander strukturell different 
erschienen. Vacuolen sind bisher im großen Kernkörper nur äußerst 
selten vorhanden, späterhin treten stets deren mehrere in der eyano- 
philen Masse auf. 

Was nun die Form des großen Keimfleckes betrifft, so ist die- 
selbe in allen diesen und den folgenden Stadien weiter eine völlig 
willkürliche zu nennen. Gewöhnlich schließt die erythrophile Substanz 
die cyanophile theilweise ein, doch findet man auch gelegentlich 
eine andere Zusammenlagerung beider. Der in Fig. 43 wieder- 
gegebene Nucleolus erinnert außerordentlich an die Verhältnisse, wie 


Untersuchungen über das Verhalten der Nucleolen ete. 191 


sie bei Unio batavus in den älteren und ältesten Keimbläschen anzu- 
treffen sind. 

Der Unterschied zwischen den Hauptkeimflecken beider Objekte 
ist nur in der Art und Weise ihrer Bildung und Zusammensetzung 
zu suchen; dort war, wie erinnerlich sein wird, die erythrophile Sub- 
stanz wahrscheinlich als ein Abspaltungs- oder Quellungsprodukt der 
anderen anzusehen, hier wuchs sie durch Aufnahme geformter Be- 
standtheile des Keimbläschens heran, wie man als ziemlich sicher 
annehmen darf. 

Bei Epeira diademata sah ich nur in diesen etwa mittelgroßen 
Eiern in einigen Fällen den großen Kernkörper nach dem Lamelli- 
branchiatentypus zusammengesetzt. Auch nur vereinzelt beobachtete 
ich eine Anordnung der chromatophilen Substanzen, wie sie in Fig. 45 
dargestellt ist. An beide Pole der erythrophilen Masse hat sich 
eyanophile Substanz angelagert; dies Verhalten erinnert an einzelne 
Befunde von HERMANN (27), LÖNNBERG (45), STOLNIKOW (62), FREN- 
ZEL (21) und in neuester Zeit von List (44). Letztgenannter Autor 
bildet dort auch ein Ei von Pholas dactylus in Fig. 18 ab, wo die 
eisenthümliche Verlagerung statt hat, nur dass dort die Substanzen 
die umgekehrte Tinktion zeigen. Auf welche Weise die blau ge- 
färbte Partie wuchs, ist während der ganzen Dauer ihrer Existenz 
nicht wahrzunehmen. Das Nährmaterial wird auch hier nie in kom- 
pakter, sondern höchst wahrscheinsich in gelöster Form aufgenom- 
men. Anders verhält es sich dagegen mit dem erythrophilen Bestand- 
theil des großen Nucleolus. Mit ihm verschmelzen die erythrophilen 
Nebenkeimflecke. Letztere bilden also in dem letzten Theil der Ei- 
bildung die Hauptzufuhr für diese Partie. Fig. 44 veranschaulicht 
die soeben besprochenen Verhältnisse. Ein kleiner Nebenkeimfleck 
konnte in der Zeichnung nicht wiedergegeben werden, er liegt näm- 
lich gerade über dem erythrophilen Gebilde an der linken Seite des 
Hauptkeimflecks und war nur bei sehr hoher Einstellung sichtbar. 
Der rechts gelegene, größere Nebenkeimfleck ist gerade im Begriff 
sich an jenen anzulegen, während der linke, kleinere von demselben 
noch vollkommen isolirt ist. In den vorhergehenden Schnitten ist 
im Keimbläschen noch ein umfangreicherer Nebenkeimfleck anzu- 
treffen. Die größte Menge der erythrophilen Partie des Hauptkeim- 
fleckes befindet sich erst im nächstfolgenden, noch ein kleiner Theil 
desselben im vorhergehenden Schnitte. Was die Anwesenheit der 
bereits weiter oben erwähnten Vacuolen in dem blau tingirten Ab- 
schnitte betrifft, so möchte ich auf die Fig. 45—47 verweisen. Die 


192 Paul Obst, 


Kernkörper dieser Abbildungen gehören nun auch gleichzeitig den 
ältesten Eizellen an. Sie sind willkürlich herausgegriffen, um die 
Mannigfaltigkeit ihrer Gestaltung. zu zeigen. Die Fig. 46 und 47 
stellen den Nucleolus eines und desselben Keimbläschens dar, und 
‚zwar Fig. 46 bei hoher und Fig. 47 bei tiefer Einstellung. Er- 
wähnenswerth wäre noch die Anwesenheit eines weiteren kleinen, 
erythrophilen Nebenkeimfleckes. Es wurde unterlassen, ihn abzu- 
bilden, da er zu weit entfernt vom Hauptkeimfleck lag. 

HEnnEGUuy (26) bildete eine von BALBIANI entworfene, aber noch 
nicht veröffentlichte Zeichnung auf p. 105 in Fig. 53 ab, die mit 
meinem Befunde übereinstimmt. 

Auch KorschHeur (36) beschrieb, dass der Kernkörper bei Epeira 
diademata aus einer Anzahl verschieden großer Kugeln bestände 
(ef. 1. c. Taf. IV, Fig. 79), »deren jede eine keimfleckartige Struktur 
zeigte, d. h. mit Vacuolen versehen wäre«. Diese Angabe kann ich 
also nach meinen Präparaten nur bestätigen. Sodann möchte ich bei 
dieser Gelegenheit noch auf KorscHELT's Fig. 80 und 79 auf Taf. IV 
hindeuten. Dort ist an dem Keimfleck deutlich eine centrale Masse 
von den »Kugeln« zu unterscheiden; sie entsprechen offenbar der 
cyanophilen Substanz in meinen Abbildungen. 

In den allerältesten unreifen Eiern, die bekanntlich einen noch 
größeren Umfang erreichen, aber in dem untersuchten Ovarium nicht 
vorgefunden wurden, waren noch die erythrophilen Keimflecke anzu- 
treffen, jedoch in geringerer Zahl. Dies steht wieder in völligem 
Einklang mit der von KoRSCHELT (l. e. p. 57) gegebenen Beschrei- 
bung. Nach ihm »zeigt sich der Keimfleck in den größten Eiern 
'als ein centraler, kugelförmiger Körper (mit mehreren Vacuolen), 
welchem noch immer kleinere Partikel angelagert sind«. 

Von Leyoie (43) liegen noch Angaben über Kernkörper der 
Spinnen vor. Im einfachsten Falle weist das Keimbläschen einen 
einzigen größeren solchen Nucleolus auf, welcher das Bild eines 
Knäuels darbietet. Sodann kann das Keimbläschen Nucleolen von 
deutlich zweierlei Art beherbergen: Die einen davon sind »groß, 
rundlich und dunkelrandig, die anderen klein, blass und von matt- 
körnigem Wesen«. Diese letzteren entsprechen offenbar den von mir 
bei Epeira diademata gesehenen Nebenkernkörpern. 

Der Nucleolus im Ei von Phalangium opilio wurde von BALBIANI (2) 
als ein schaumiges, von zahlreichen Vacuolen durchsetztes Gebilde 
geschildert. Einige von diesen Vacuolen springen in Gestalt eines 
Bläschens über die äußerste Schicht der Nucleolarsubstanz hervor. 


Untersuchungen über das Verhalten der Nucleolen ete. 193 


Ähnliches findet BaLgranı bei den meisten Spinnen; mir scheint dies 
serade für Epeira diademata im Stadium der Fig. 45—47 zutreffend 
zu sein. 


Tegenaria domestica. 


Das Auftreten und die Umbildung der Keimflecke der Haus- 
spinne, Tegenaria domestica, ist eine völlig abweichende von der- 
jenigen der bisher untersuchten Objekte. Während bei letzteren doch 
wenigstens nur für eine kurze Zeit, sei es am Anfang oder gegen 
das Ende der Eibildung, ein verhältnismäßig großer Keimfleck im 
Keimbläschen vorhanden war, wie wir gesehen haben, fand ich bei 
dieser Spinne durch alle Phasen der Eibildung hindurch, auch nicht 
einmal für kurze Zeit oder ausnahmsweise einen einzigen größeren 
Nucleolus, sondern es waren deren stets mindestens zwei bis drei 
vorhanden. In den meisten Stadien der Wachsthumsperiode findet 
sich eine beträchtliche Anzahl Nucleolen vor. 

Im jüngsten Stadium, welches mir vorlag, zeigten sich schon 
mehrere, deutlich blau tingirte Keimflecke von verschiedenem Um- 
fange, die gewöhnlich eine fast ihr ganzes Innere ausfüllende Vacuole 
beherbergten. In dem in Fig. 49 abgebildeten Keimbläschen schien 
es mir, als ob unterhalb der beiden eyanophilen Keimflecke noch 
zwei kleinere Partikel mit undeutlichen Umrissen lagen, welche sich 
ebenfalls blau färbten; sie sind jedoch von so geringer Größe, dass 
es nicht möglich ist, ein entscheidendes Urtheil über ihre eigentliche 
Färbung abzugeben. Ich habe sie in der Abbildung wenigstens 
anzudeuten versucht. In dem wachsenden Keimbläschen taucht nun 
eine größere Zahl von Keimflecken auf. In Fig. 50 konnten zwei 
solcher Nucleolen vom vorhergehenden Schnitte, die an Umfang dem 
größten gleichkommen, ihrer Lage wegen nicht in die Abbildung 
aufgenommen werden; dies Ei enthält also sechs cyanophile Keim- 
flecke. 

Man bemerkt oft noch kleinste Körnchen, welche sich einiger- 
maßen scharf vom Chromatinnetz abheben, jedoch nicht in Folge 
ihrer differenten Tinktion, sondern dadurch, dass sie scharf abgerundet 
sind. Diese verschmelzen allmählich mit den eyanophilen Nucleolen; 
hierauf deuten wenigstens zahlreiche Anlagerungen ihrerseits an 
jene hin. 

Geht man einen Schritt weiter in der Ausbildung der unreifen 
Eier, so ist nur zu bemerken, dass die Menge der eyanophilen Keim- 
flecke noch im Zunehmen begriffen ist; ihre Anzahl ist in den ein- 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Bd. 13 


194 Paul Obst, 


zelnen Eizellen eine gänzlich verschiedene. So zählte ich in einer 
solchen, die sich kurz vor dem in Fig. 51 wiedergegebenen Stadium 
befand, ca. 22 Nucleolen, welche allein auf einem Schnitte lagen. 
Die Menge der Keimflecke eines Keimbläschens ist also sehr groß. 
Eine genaue Zählung derselben würde aus zwei Gründen ziemliche 
Schwierigkeiten bereiten. Erstens sind sie nämlich so dicht an einan- 
der gelagert, dass oft eine Abgrenzung der einzelnen von einander 
nieht mit Sicherheit zu unterscheiden ist. Sodann würde man sehr 
häufig in Verlegenheit gerathen, ob man die kleinen, in Umwand- 
lung begriffenen Körnchen als cyanophile oder erythrophile Kern- 
körper aufzufassen hätte, denn gerade in derartigen Keimbläschen 
sieht man deutlich, dass, je kleiner die Kernkörper sind, sie desto 
mehr zur Erythrophilie neigen. Gewöhnlich weisen die eyanophilen, 
kleinen. Kernkörper eine verhältnismäßig große Vacuole in ihrem 
Inneren auf; so lange sie sich erythrophil verhalten, war dies nicht 
zu konstatiren. 

Ähnliche multinucleoläre Zustände kehren in den ältesten un- 
reifen Eiern, welche mir zu Gebote standen, wieder und wurden in 
den Fig. 53 und 54 veranschaulicht. 

In noch älteren Keimbläschen (Fig. 51) findet man sodann schon 
einige größere, blau tingirte Keimflecke von unbestimmter Zahl, ge- 
wöhnlich drei bis fünf. Sie entstehen dadurch, dass die soeben 
erwähnten, zahlreichen kleinen Kernkörper sich allmählich an einan- 
der lagern, um eine Verschmelzung einzugehen. Es sind noch immer 
viele kleine Keimflecke anzutreffen, welche ebenfalls allmählich von 
den großen aufgenommen werden. Das in Fig. 51 abgebildete Ei 
wies in einem anderen Schnitte noch gegen 25 solcher Gebilde auf. 

Fig. 52 zeigt, dass die Verschmelzung weiter vor sich ge- 
gangen ist. 

BALBIANTS (3) Abbildungen von Eiern der Teg. domestica (cf. ]. e. 
Taf. II, Fig. 1—14) erläutern ebenfalls sehr deutlich, wie das Keim- 
bläschen zunächst von vielen kleineren Nucleolen erfüllt ist, die 
späterhin verschmelzen. 

Häufiger tritt die cyanophile Substanz nur zu zwei Keimflecken 
vereinigt auf, in diesem Ei sind deren drei vorhanden, welche sich 
durch ihren bedeutenden Umfang auszeichnen. Man sollte nun, wenn 
man den Entwicklungsgang der vorher untersuchten Keimzellen in 
Betracht zieht, annehmen, dies seien diejenigen Eier, die ganz kurz 
vor der Reife stehen; auffallender Weise verhält sich dies aber nicht 
so, sondern jetzt machen die Keimflecke noch Veränderungen durch, 


Untersuchungen über das Verhalten der Nucleolen etc. 195 


welche im Vergleich mit den bisherigen Befunden als recht über- 
- raschende zu bezeichnen sind. Es findet nämlich jetzt eine Auf- 
lösung der großen Keimflecke statt, welchen Vorgang Fig. 53 veran- 
schaulichen soll. Ein derartiger Zerfall ist schon von so vielen 
Autoren an Kernkörpern der verschiedensten Zellen beobachtet worden, 
dass es mich zu weit führen würde, auf die einzelnen Fälle einzugehen. 
Nur eine hierher gehörige Beobachtung von Bönnıg möchte ich nach- 
her erwähnen, da dieselbe auf Tinktionsveränderungen der Zerfall- 
produkte hinweist, und die vom Keimfleck von Tegenaria domestica 
losgelösten Stücke in dieser Hinsicht ebenfalls ein anderes Verhalten 
zeigen als der zuvor kompakte Nucleolus. Dieselbe merkwürdige 
Thatsache ergiebt sich bei diesem Vorgange wieder, wie zuvor bei dem 
Auftreten der Nucleolen, nämlich, je kleiner die sich loslösenden 
Partikel sind, desto mehr neigen sie zur Erythrophilie, nur mit dem 
Unterschiede, dass im Anfange der Eibildung verhältnismäßig kleinere 
Kernkörper eine ausgesprochene blaue Tinktion zeigten, während hier 
ziemlich große Stücke schon einen Mischton zwischen Blau und Roth 
annehmen; außerdem sind gewöhnlich selbst die umfangreicheren 
Stücke nicht rund, sondern unregelmäßig gestaltet, ferner beherbergen 
die kleinen und mittleren Körper keine Vacuolen, beides im Gegen- 
satz zu den heranwachsenden Keimflecken (Fig. 49). Gerade das 
Fehlen von Vacuolen ist für diese Zerfallprodukte recht charak- 
teristisch. Wenn man die Schnittserie durchsieht, so stellt es sich 
heraus, dass in solchen älteren Keimbläschen so viele Theilstücke 
vorhanden sind, dass man auf ihre Zählung verzichten muss. Nach 
Bönnmıe (9) tingirt sich das in gewissen Stadien der Eibildung kugelig 
kompakte Kernkörperchen von Stichostemma graecense, welches später 
eine maulbeerförmige Gestaltung annimmt, so lange es in diesen bei- 
den Formen auftritt, bei Anwendung von Hämatoxylin-Safranin oder 
der Bioxpi-EnrricH’schen Flüssigkeit tief rotk (ef. 1. e. Taf. XVII, 
Fig. 51 und 52). Alsbald hat jedoch ein Zerfall dieses Kernkörpers 
in eine Anzahl kleiner kugeliger Körper statt. Letztere jedoch färben 
sich nach Anwendung derselben Tinktionsmittel blau mit einem Stich 
ins Violette (ef. 1. e. Taf. XVII, Fig. 54) beziehungsweise blaugrün 
mit einem Stich ins Rothe. Es weist dieses Verhalten der Bruch- 
stücke immerhin eine entfernte Ähnlichkeit mit meinem Befunde bei 
Tegenarta auf. 

In der Fig. 54 ist der Zerfall vielleicht noch deutlicher zu sehen. 
Von dem noch erhaltenen größeren Klumpen hat sich ein rundliches, 
größeres Stück abgetrennt, während in der Mitte bereits, vielleicht 

13* 


196 Paul Obst, 


durch das Auftreten der Vacuole eingeleitet, eine weitere Theilung 
bevorsteht. Rechts von dem sich auflösenden Nucleolus sieht man 
andere, schon sehr klein gewordene Theilungsprodukte. | 

Wir haben also hier für Teg. domestica zu konstatiren, dass sich die 
Nucleoli im Laufe der Eibildung zunächst alle zu zwei bis drei äußerst 
umfangreichen Keimflecken vereinigen, um, wenn dies erreicht ist, 
den umgekehrten Process durchzumachen, d.h. wieder zu zerfallen. 
Leider bildet BALBIANI in der vorher eitirten Arbeit von den ältesten 
unreifen Eiern nicht mehr die Keimbläschen mit ab, sondern nur 
den Dotterkern, da es ihm bei seinen Untersuchungen nur auf die 
Entstehung des letzteren ankommt. 


Dolomedes fimbriatus. 


Sehr verschieden nicht nur von den früher geschilderten Mol- 
lusken, sondern auch von den bisher untersuchten Spinnen ist das 
Verhalten der Nucleolarsubstanzen bei Dolomedes fimbriatus. In den 
Jüngsten Eiern erscheint das Keimbläschen, um zunächst seinen Habitus 
allgemein zu charakterisiren, dunkel durch das Chromatin, welches 
in unregelmäßigen Bröckchen in seinem Inneren vertheilt ist. Später 
findet man das Keimbläschen heller tingirt (Fig. 58—60). 

Was die Keimflecke betrifft, so ist Folgendes zu bemerken. In 
den jüngsten Stadien fand ich stets nur einen solchen vor. Jedoch 
zeigt die Doppelfärbung mit großer Deutlichkeit, dass er sich aus 
beiden chromatophilen Substanzen zusammensetzt (Fig. 55); die 
cyanophile Substanz überwiegt an Masse, gewöhnlich in einem noch 
höheren Maße, als gerade bei dem in der Fig. 55 wiedergegebenen 
Ei. Es ist also bei Dolomedes fimbriatus und Epeira diademata in 
diesen jüngsten Stadien eine gewisse Ähnlichkeit unverkennbar. Das 
Folgestadium bietet aber schon gänzlich andere Verhältnisse dar 
(Fig. 56). Es ist jetzt die Anwesenheit von zwei tinktionell ver- 
schiedenen Kernkörpern zu konstatiren. Trotz der genauesten Durch- 
sicht der mir zur Verfügung stehenden Schnitte ist es mir nicht 
möglich, über die Entstehung des kleinen erythrophilen Nucleolus 
etwas anzugeben. Allerdings bin ich der Ansicht, dass man die 
Bildung von manchen Keimflecken nur am lebenden Objekt, nicht an 
konservirtem Material mit völliger Sicherheit feststellen kann, was 
mir hier zutreffend zu sein scheint. Ich denke mir, dass sich in 
solchen Fällen der betreffende Kernkörper als Folge irgend eines 
chemischen Processes, dessen Ursache in physiologischen Vorgängen 
der Zelle zu suchen ist, als ein außerordentlich kleines Tröpfehen 


Untersuchungen über das Verhalten der Nucleolen ete. 197 


im Inneren des Keimbläschens ausscheidet. So sahen wir das plötz- 
liche Auftauchen eines erythrophilen Keimfleckes schon bei ZLimazx 
mazimus (Fig. 15), und das der Anfangs kleinen Nebennucleolen bei 
Ep. diademata (Fig. 40) und werden es noch bei einer anderen Form, 
Drassus quadripunctatus, zu konstatiren haben. Wenn ich nach dem 
mir vorliegenden Material urtheilen darf, so ist die Möglichkeit nicht 
ausgeschlossen, dass die erythrophile Masse im Stadium der Fig. 55 
sich von der cyanophilen Substanz loslöst, um dann unabhängig 
von dieser als selbständiger Nucleolus im Keimbläschen zu persistiren. 
Die große Nähe des neu entstandenen Körpers zum cyanophilen 
Keimfleck machte eine solehe Annahme recht wahrscheinlich, doch 
als ich daraufhin die Schnitte durchmusterte, bemerkte ich, dass es 
sich ebenfalls in den ältesten, wie in mittleren Stadien, gelegentlich 
in der unmittelbaren Nähe des großen Kernkörpers befand. Eine 
direkte, innige Berührung beider habe ich nicht gesehen. Über 
dieses kleine Gebilde wäre des Weiteren wenig zu sagen; es ist stets 
vorhanden, von homogener Beschaffenheit und wächst ebenfalls mit 
zunehmendem Alter der Eizelle und ist noch in den ältesten Keim- 
bläschen anzutreffen. In den jungen Eiern macht sich ein heller 
Hof in der Umgebung des kleinen Nucleolus bemerkbar (Fig. 56), 
wie dies von Ep. diademata bereits erwähnt wurde. 

Auf welche Art und Weise beide Nucleolen an Masse zunehmen, 
entzieht sich jeglicher Beobachtung, da von Substanzanlagerungen 
an dieselben, etwa wie bei Helız pomatia oder Ep. diademata nichts 
zu bemerken ist. 

Über die Umbildungen, welche der eyanophile Keimfleck erfährt, 
ist auch nur noch wenig zu sagen, und kann ich die diesbezüglichen 
Angaben KorSCHELT’s (36) nur bestätigen. Es treten nämlich im 
wachsenden großen Kernkörper, wenn er sich etwa im Alter des in 
Fig. 57 abgebildeten befindet, gelegentlich einige Vacuolen auf. In 
etwas weiter vorgeschrittenen Eiern (Fig. 58) trifft man dann in 
diesem Nucleolus immer eine unbestimmte Anzahl von Vacuolen; 
eine derselben zeichnet sich gewöhnlich schon jetzt durch ihre Größe 
aus. In den Keimflecken, welche sich zwischen den beiden in 
Fig. 53 und 59 abgebildeten Eiern befinden, ist stets eine äußerst 
umfangreiche Vacuole zu bemerken. Sie ist gewöhnlich in den 
älteren Stadien (Fig. 59) von so beträchtlichen Dimensionen, dass sie 
den Inhalt des Kernkörpers zum größten Theil ausfüllt. Offenbar 
ist sie allmählich durch Zusammenfließen der anderen, kleineren 
Vacuolen entstanden. Sie liegt niemals central, sondern stets der 


198 Paul Obst, 


Peripherie des Keimfleckes genähert, so dass an der entsprechenden 
segenüberliegenden Seite der aus der Substanz des Kernkörpers be- 
stehende Saum breiter ist. In diesem Rest der Nucleolarmasse finden 
sich noch einige Vacuolen von verschiedenem Umfange. Diese ver- 
. schmelzen, wie ich gleich hier erwähnen möchte, späterhin ebenfalls 
mit der großen Vacuole, was ein Blick auf die Fig. 60 bestätigt. 
Der Inhalt dieser großen Vacuole wird von einer sehr fein granu- 
lirten Substanz erfüllt, welche durch das Boraxkarmin sichtbar ge- 
macht wird. Ähnliches hat auch schon KorscHEur (l. c.) in Fig. 93 
auf Taf. IV angedeutet. 

In den Keimflecken der ältesten Eier hat die Vacuole eine noch 
srößere Ausdehnung erlangt; die Substanz des Nucleolus stellt gleich- 
sam die Wandung einer Hohlkugel dar, welche ziemlich dünn ist 
und an einer Seite der Kugel noch etwas breiter sein kann als an 
der anderen. Was den Inhalt dieser Hohlkugel betrifft, so wäre zu 
bemerken, dass er jetzt vielleicht um ein Weniges gröber erscheint 
als zuvor. 

FLODERUSs’ (18) Befunde an Eiern von Ciona intestinalis scheinen 
auf ähnliche Verhältnisse hinzuweisen. Nach ihm hat in den älte- 
sten (cf. 1. e. Taf. X, Fig. 17) Ovarialeiern die Vacuole oft eine so 
große Ausdehnung, dass sie das Volumen des Nucleolus zum größten 
Theil einnimmt, so dass in der Peripherie nur eine schmale Zone 
übrig bleibt. Verfasser würde diese Randschicht der von JuLIn (25) 
bei Siyelopsis beschriebenen »paroi propre« vergleichen, wenn sie 
sich nicht im Gegensatze zu der von ihm beschriebenen Membran, 
die »entierement achromophile« ist, als färbbar erwiesen. Es weist 
nun Ciona intestinalis noch eine Anzahl fester, lichtbrechender 
Körnchen auf (ef. 1. c. Fig. 17), welche FLoDErus für durch die 
Fixirung entstandene Coagulationsprodukte hält. Diese Bemerkung 
veranlasst mich, zu erwähnen, dass ich gelegentlich in der großen 
Vacuole ein Gebilde vorfand, welches ich als ein zufällig in das 
Innere hineingerathenes Partikelchen der Keimfleckwandung anspreche, 
ein Vorkommnis, welches leicht beim Schneiden verursacht wird. 
Einen ähnlichen Bau, wie den soeben beschriebenen fand PFLÜCKE (51) 
zuweilen bei Kernkörpern der Nervenzellen von Gastropoden. Die 
Vacuolen erlangen dort, »wenn sie in der Einzahl vorhanden sind, 
nicht selten eine derartige Ausdehnung, dass selbst die Masse des 
Nucleolus bis auf einen schmalen Randstreifen verschwunden sein 
kann«. Verfasser bemerkt ausdrücklich, dass ein derartiges Aus- 
sehen nicht nur die Kernkörper in konservirtem, sondern auch in 


Untersuchungen über das Verhalten der Nucleolen etc. 199 


frischem Material darboten. (Hierzu vergleiche 1. ec. Taf. XXVIL, 
Fig. 11a.) VıcrorR Carus (6) bildet einige Keimflecke von Mecrommata 
smaragdula ab (l. c. Taf. IX, Fig. 204 und d), welche hohl sind und 
in ihrer Beschaffenheit an eine gewisse Dotterkernbildung erinnern 
(l. e. Fig. 153g, Taf. IX). MeresKowsky (48, p. 103) beobachtete im 
Keimfleck von Obelia ebenfalls eine bis zu einem gewissen Stadium 
zunehmende Vacuole, die allerdings später nicht mehr vorhanden ist. 


Drassus quadripunctatus. 


Die jüngsten Eizellen von Drassus quadripunetatus weisen zwei 
ungleich große eyanophile Kernkörperchen auf, wie aus der Fig. 61 
hervorgeht. Recht häufig finden sich Zellen, die man vielleicht nach 
ihrer Größe als ein klein wenig älter ansprechen könnte (Fig. 62). 
Diese besitzen stets einen langgestreckten, großen Nucleolus, welcher 
offenbar das Verschmelzungsprodukt der erwähnten Keimflecke dar- 
stell. Bis etwa zu einem Stadium, welches Fig. 63 zeigt, ist nun 
stets eine unbestimmte Anzahl cyanophiler Keimflecke vorhanden. 
Dieselben entsprechen in ihrer Größe dem betreffenden Alter des 
Eies. In der durch diese Figur wiedergegebenen Eizelle geht offenbar 
eine Verschmelzung der Nucleolen vor sich. Das erythrophile Chro- 
matin zeigt noch bis zum folgenden Stadium eine eigenthümlich 
reselmäßise Anordnung im Keimbläschen, welche demselben ein 
ähnliches Aussehen verleihen, wie es den jüngeren Keimbläschen 
von Dol. fimbriatus zukommt (Fig. 65). Es tritt nämlich überall 
der Form nach in gleichmäßigen Bröckchen auf, die ziemlich dicht 
neben einander liegen. Bei Dol. fimbriatus ändert sich nur diese 
Art der Vertheilung des Chromatins früher als bei Drassus quadrı- 
punctatus. 

Geht man einen Schritt in der Eibildung weiter (Fig. 64), so 
bemerkt man, dass sich die cyanophile Substanz zu einem größeren 
Kernkörper vereinigt. Es kann auch jetzt gelegentlich ein selb- 
ständiger, cyanophiler Keimfleck außer dem größeren vorkommen; 
späterhin ist jedoch stets nur die Anwesenheit des größeren Nucleolus 
im Keimbläschen zu konstatiren. Dieser lässt bald eine Sonderung 
aus den zwei tinktionell verschieden reagirenden Substanzen erkennen, 
was aus der nächstfolgenden Abbildung, Fig. 65, ersichtlich ist. In 
diesem Alter ist dann stets ein noch kleiner, erythrophiler Kern- 
körper dem Keimbläschen eigenthümlich, welcher mit dem wachsen- 
den Ei ebenfalls etwas an Umfang zunimmt, und wieder möchte ich 
auf die Verhältnisse bei Dol. fimbriatus hinweisen, wo gleichfalls 


200 Paul Obst, 


neben dem großen, cyanophilen Nucleolus ein kleinerer, blasserer 
existirt; ein Unterschied besteht nur darin, dass besagter Keimfleck 
dort bereits viel früher auftritt und sich viel intensiver tingirt, als 
hier, wo er stets ein blasses Aussehen bewahrt. Ich möchte über ihn 
nur hinzufügen, dass er noch in den ältesten unreifen Eiern gegen- 
wärtig ist. 

Hier möchte ich eine Schilderung von FLODErRUs (18) einfügen, 
welche ebenfalls Nebennucleolen bei Crona intestinalis betrifft. Nach 
ihm tauchen oft in den etwas älteren Keimbläschen außer dem großen 
Nucleolus noch ein oder mehrere kleinere auf. Gewöhnlich aber ist 
nur ein Nebennucleolus vorhanden. Dies Verhalten erinnert an das- 
jenige von Dol. fimbriatus und Drassus quadripunctatus. Nach FLo- 
DERUS beherbergen jedoch bei seinem Objekt nicht alle Keimbläschen 
solche Kernkörper. In den allerersten Stadien, wo die Eier noch 
im Keimepithel liegen, sind sie nicht gegenwärtig, werden aber bald 
darauf in einzelnen Eiern angetroffen: »Jedoch enthalten bei Weitem 
nicht alle Eier solehe Körper.< Bei den zuletzt genannten Spinnen 
ist dieser Keimfleck konstant anwesend, bei Drassus quadripunctatus 
sah ich, allerdings ganz ausnahmsweise, sogar zwei solcher Gebilde. 
Auch bei COkona intestinalis liegen diese kleinen Nueleolen im All- 
gemeinen in der unmittelbaren Nähe des großen (l. e. Taf. X, Fig. 17) 
und sind erheblich kleiner als jener, da sie nur selten dessen halben 
Durchmesser erreichen (l. e. Fig. 12). In vereinzelten Fällen erlangen 
sie indessen nahezu die Größe des Hauptnucleolus. Scheinbar ent- 
hielten dann solche Eier zwei Hauptkeimflecke. Dies habe ich bei 
den beiden Spinnen niemals beobachtet. Bei Okona intestinalis treten 
auch in keinem späteren Stadium mehr als zwei Nebenkörper auf, 
während RouLe (55) behauptet, dass letztere später an Zahl zunehmen 
(fünf bis sechs). RouLe selbst bildet in einer späteren Arbeit (56) 
niemals eine größere Anzahl, wie zwei »nucleoles secondaires« als 
in einem Keimbläschen vorkommend, ab (cf. 1. ec. Pl. VIH, Fig. 80 5). 

Erwähnenswerth ist noch, dass FLODERUS bei Olavellina lepadı- 
formis als der einzigen Form, trotz genauer Durchmusterung mehrerer 
Schnittserien verschiedener Ovarien keine Nebennucleolen hat vor- 
finden können. Diese Angabe stimmt völlig überein mit den Beob- 
achtungen VAN BENEDEN’s und JuLIn’s (6) an ÜOlavellina Rissoana. 
Interessant ist die Angabe von FLODERUs, dass der kleine Nucleolus 
bei Doppelfärbung mit Hämatoxylin-Eosin eine entschiedene Affinität 
für das Eosin zeigt. Wenn nach ihm bisweilen eine gleichmäßige 
Aufnahme beider Farbstoffe stattfindet, so ist hieran meiner Ansicht 


Untersuchungen über das Verhalten der Nucleolen ete. 201 


nach allein das Hämatoxylin Schuld, ein Farbstoff, der für eine 
zuverlässige Tinktion von Nucleolen absolut untauglich ist, so weit 
wenigstens meine Erfahrungen reichen. 

Folgen wir nun dem Entwicklungsgange der Eier von Drassus 
quadripunctatus weiter, so ist in etwas älteren Keimbläschen (Fig. 66) 
für den großen Kernkörper immer eine Zusammensetzung aus den 
zwei chromatophilen Substanzen charakteristisch. Was die Verlage- 
rung derselben zu einander betrifft, so fand ich keine Regelmäßig- 
keit vor; zumeist kehrt die Anordnung der Substanzen in dreierlei 
Gestalt wieder. Die erste Form, welche entschieden die häufigste 
zu nennen ist, giebt Fig. 67 wieder. Sie stellt gleichzeitig das älteste 
unreife Ei dar, welches zur Beobachtung gelangte. An drei Stellen 
der Peripherie hat der Kernkörper seine Affinität für das Methyl- 
srün behalten; die gesammte andere Partie verhält sich eyanophil. 
In beiden chromatophilen Massen sind Vacuolen von wechselnder 
Zahl vorhanden. 

Als ich den ersten derart beschaffenen Keimfleck zu Gesicht be- 
kam, glaubte ich sicherlich, ein solches Bild wäre ein Kunstprodukt, 
hervorgerufen durch die extrahirende Wirkung des Alkohols. Diese 
Vermuthung wies ich jedoch bald zurück, als ich auf den ver- 
schiedensten Objektträgern immer dasselbe Bild wiederkehren sah. 
Um aber vollends sicher zu gehen, dass hier keine Täuschung ob- 
walte, untersuchte ich die nur mit Boraxkarmin behandelten Präpa- 
_ rate. Durch sie konnte ich mich dann völlig davon überzeugen, 
dass thatsächlich die entsprechenden drei Partieen aus anderer Sub- 
stanz als der übrige Nucleolus bestehen müssten (Fig. 68). Dieselben 
nahmen den Farbstoff viel intensiver auf als der Rest des Nucleolus, 
welcher sich verhältnismäßig nur schwach tingirte. Es kann kaum 
zweifelhaft sein, dass man es hier mit zwei verschiedenen Substanzen 
zu thun hat, welche eigenthümlich regelmäßig angeordnet sind. 

Sehr oft bemerkte ich dann eine Anordnung, welche nur zwei 
eyanophile Partieen, häufig auch eine, welche sogar vier solche an 
einem Keimfleck zeigte; letzteres ist bei dem in Fig. 69 abgebildeten 
Keimfleck der Fall. 

Was das Größenverhältnis dieser sich blau tingirenden Abschnitte 
betrifft, so fiel es mir auf, dass mit der geringeren Zahl ihr Volumen 
zunahm. Es ist dies also eine weitere Komplikation im Bau des 
Kernkörpers, deren Bedeutung vorläufig dunkel erscheint. 

Bei Drassus liegt im Keimbläschen sehr häufig noch ein Klumpen 
erythrophilen Chromatins von ziemlichem Umfange; da seine Zu- 


202 Paul Obst, 


sammensetzung aus kleinsten Chromatinpartikelehen deutlich zu er- 
kennen ist, und er durch keinen Kontour begrenzt wird, kann man 
diese chromatische Anhäufung nicht als einen Kernkörper ansprechen. 


Zusammenfassung. 


Als Resultat ergiebt sich Folgendes: 

Bei allen untersuchten Objekten finden sich vielteieh mit Aus- 
nahme von Teg. domestica im Laufe der Ausbildung des unreifen 
Eies zwei deutlich verschiedene chromatophile Nucleolarsubstanzen. 
Dieselben bilden entweder Bestandtheile eines großen Kernkörpers, 
oder kommen als selbständige Keimflecke vor. Es ist schließlich 
auch Teg. domestica eine in gewissem Grade erythrophile Masse in 
Form kleinster Nucleolen nicht abzusprechen. 

Die Keimflecksubstanz, welche sich in den hier behandelten 
Fällen stets cyanophil verhält und offenbar dem »Paranuelein< nach 
OÖ. HerTwIgG entspricht, ist bei diesen Thieren stets in allen Phasen 
der Eibildung anzutreffen, nicht so die erythrophile, welche zuweilen 
in den jüngsten Eiern fehlt, so bei Helix pomatia, Limaz maximus, 
Unio batavus, Teg. domestica und Drassus quadripunctatus. Aus 
diesem Grunde darf man annehmen, dass die cyanophile Substanz 
in der Eizelle die wichtigere von beiden darstellt. Sie ist ferner 
als die ursprünglichere von beiden zu bezeichnen, da sie zumeist in 
Gestalt von ein oder mehreren Nucleolen sogar schon in den jüng- 
sten Primordialeiern vorhanden ist. 

Das Erscheinen der erythrophilen Substanz fällt, wie wir sahen, 
bei den einzelnen Thieren auf ganz verschiedene Zeitpunkte. Im 
jüngsten Eistadium bereits gegenwärtig war sie nur bei Epeira dia- 
demata und Dol. fimbriatus. Frühzeitig zeigte sie sich bei Limazx 
mazimus und Unio batavus und auch, wenn man so will, bei 7eg. 
domestica. In einem bereits verhältnismäßig weit vorgeschrittenen 
Eistadium war ihre Anwesenheit bei Drassus quadrıpunctatus zu 
konstatiren, und sogar erst gegen das Ende der Eibildung erschien 
sie bei Helix pomatia. 

Die Art und Weise der Bildung der cyanophilen Substanz ist 
nicht sicher zu beobachten, da, wie ich zuvor bemerkte, diese Masse 
schon in den jüngsten Eizellen angetroffen wird. Ihre Zunahme 
bezw. ihr Wachsthum ist bei Zel. pomatia dadurch zu erklären, 
dass feinste, chromatische Partikelchen, die sich eyanophil verhalten, 
plötzlich hier und da im Keimbläschen auftauchen; sie verschmelzen 
mit einander zu größeren Nucleolen, welche sich ihrerseits schließ- 


Untersuchungen über das Verhalten der Nucleolen ete. 203 


lich alle zu einem großen, cyanophilen Keimfleck vereinigen. Ähn- 
liche Verhältnisse sehen wir bei Teg. domestica wiederkehren, nur 
ist dort das Resultat der Verschmelzungen nicht ein einziger, äußerst 
umfangreicher Keimfleck, wie bei Helix pomatia, sondern es entstehen 
zwei bis drei größere Kernkörper. Ferner halte ich es nicht für 
ausgeschlossen, dass die bereits größeren, eyanophilen Nucleolen 
außerdem gelegentlich kleinere Klümpchen des im Keimbläschen 
vertheilten Chromatins aufnehmen. Dafür sprechen Bilder, wie ich 
sie in den Figuren 4, 5, 6, 9 und 11 wiedergab. In ähnlicher Weise 
wird man sich wohl das Wachsthum dieser kleinen, eyanophilen 
Körnchen zu denken haben, nur dass das Verhältnis der Größe dieser 
feinsten chromatischen Partikelchen zu den blau gefärbten Körnchen 
natürlich das entsprechende bleibt und in Folge dessen der Beobach- 
tung äußerst schwer, oder gar nicht zugänglich ist. Auch bei Zimaz 
mazimus waren Keimflecke vorhanden, die einen derartigen Saum 
von rothen Chromatinpartikelchen, wie bei Helix pomatia, besaßen 
(Fig. 17 und 18 besonders 20—22). Von einer Ausziehungserschei- 
nung kann hier nicht die Rede sein, denn sonst müsste der erythro- 
phile Saum homogen erscheinen; man kann aber deutlich einzelne 
rothe Chromatinbrocken unterscheiden. Bei Limax maximus erfolgt das 
Wachsthum des eyanophilen Keimfleckes also höchstwahrscheinlich 
nur durch Aufnahme der andersartigen Substanz, denn derselbe ist 
stets nur in der Einzahl vorhanden, kann also von cyanophiler Sub- 
 stanz, die ja nirgends im Keimbläschen vorkommt, eine Zufuhr nicht 
erlangen. Bei Unio batavus habe ich einen solchen, sich roth tingi- 
renden Saum wohl auch vorgefunden, hier war jedoch unzweifelhaft 
eine Auszieherscheinung zu konstatiren. Auch bei diesem Objekt 
hat man an konservirtem Materiale keinen Anhalt, auf tinktionellem 


Wege die Zunahme seiner Masse erklären zu können. Ahnliches 


gilt für Dol. fimbriatus und Drassus quadripunctatus, wo dieselben 
Zustände wiederkehren. Bei Epeira diademata werden offenbar die 
erythrophilen Nebenkeimflecke, welche sich späterhin dem cyano- 
philen Hauptkernkörper dicht anlegen, von diesem aufgenommen und 
vergrößern seinen Umfang. Die Art und Weise ihrer Zunahme vor 
dem Auftreten dieser Nebennucleolen entzieht sich, wenigstens auf 
tinktionellem Wege, jeglicher Beobachtung. Das Auftreten und die 
weitere Ausbildung der erythrophilen Substanz ist bei den einzelnen 
hier untersuchten Formen eine völlig: verschiedene. Bei Limazx mazxıimus 
sehen wir schon bei einem sehr jungen Ei (Fig. 15) einen kleinen, sich 
roth färbenden Keimfleck entstehen; er wächst offenbar auf Kosten 


204 Paul Obst, 


des ebenfalls erythrophilen, fein vertheilten Chromatins zunächst 
nur wenig, um plötzlich ungefähr im Stadium der Fig. 18 jene 
eigenthümliche Umbildung zu erfahren, welche ich bereits früher 
beschrieb. An seiner Statt ist ein cyanophiler Keimfleck entstanden: 
. dieser muss jenem ursprünglich erythrophilen seinen Ursprung ver- 
danken, da seine Entstehungsweise sonst unerklärlich bleibt. Als 
Ersatz für diese verloren gegangene, roth reagirende Masse können 
wir bald darauf kleine Ansammlungen rother Partikelehen bemerken, 
die in eine unbestimmte Anzahl, häufig ziemlich großer, Nueleolen 
auswachsen (Fig. 24). Bei Do/. fimbriatus und Drassus quadripunc- 
Zatus nimmt die erythrophile Substanz als kleinstes Kügelchen 
ziemlich unvermittelt ihre Entstehung. Sie verdankt ihr Wachsthum 
niemals geformten Bestandtheilen des Chromatins, da eine Anlage- 
rung solcher nicht nachzuweisen ist. Diese kleinen Kernkörper 
müssen also auf Kosten des Keimbläscheninhaltes wachsen. Das 
Gleiche wäre über Ep. diademata zu sagen und, betreffs des Auf- 
tretens der kleinen Körper, auch über Teg. domestica. Bei letzterem 
Objekt erleiden dieselben jedoch mit zunehmendem Umfange eine 
Umbildung, indem sie allmählich immer mehr zur Cyanophilie neigen. 

Bei Unio batavus wird die erythrophile Keimflecksubstanz nicht 
in einem so jungen Entwicklungsstadium (Fig. 31) gebildet. Sie tritt 
stets im Zusammenhange mit dem ceyanophilen Keimflecke auf, an 
dem sie nach Art von Knospen hervorsprosst, während sie sich in 
den ältesten unreifen Eiern auch gelegentlich von jenem getrennt 
finden lässt. Zuletzt gewinnt sie entschieden die Oberhand (Fig. 36), 
sanz abgesehen von den überaus zahlreichen, kleinen, sich noch zu- 
letzt bildenden Nucleolen, die im Farbenton theils dem des Keim- 
fleckes, theils dem des netzförmig vertheilten Chromatins ent- 
sprechen. 

Bei Helix pomatia liegen die Verhältnisse wiederum ganz anders. 
Dort zeigt erst das ältere Ei eine Differenzirung der Keimflecksub- 
stanzen. Aber während wir bei einigen der untersuchten Thiere das 
erythrophile Element mehr oder weniger als selbständigen Keimfleck 
sahen, ist diese Substanz hier nur als ein kleiner Theil des Kern- 
körpers, als Calotte, vorhanden (Fig. 13). 

Bei dieser Zusammenfassung ließ ich die Zugehörigkeit der be- 
handelten Arten zu ganz verschiedenen Abtheilungen des Thierreiches 
unberücksichtigt, sondern betrachtete allein das morphologische Ver- 
halten der Nucleolen. 

Man hat aus der vorstehenden Darstellung bereits gesehen, dass 


Untersuchungen über das Verhalten der Nucleolen ete. 3205 


ich hauptsächlich die Entstehung und Umbildung der Nucleolen zu 
verfolgen suchte und die Bedeutung dieser Vorgänge nur in so fern 
besprach, als sie für das morphologische Verständnis nöthig oder 
unerlässlich erschien. Was nun die Bedeutung der zweitheiligen 
Nucleolen oder der verschiedenartigen Nucleolarsubstanzen überhaupt 
betrifft, so ist diese, wie die Bedeutung der Nucleolen selbst, leider 
eine recht dunkle. Man hat zwar oft von Haupt- und Nebennucleolen 
Sesprochen und ihnen eine verschiedenartige Bedeutung zugeschrieben 
(man vergleiche z. B. HAECKER's ausführliche Behandlung dieses 
Gegenstandes), ohne jedoch im Allgemeinen damit den Boden der 
Hypothese verlassen zu können. Es liegt nicht in meiner Absicht 
den bisher geäußerten Vermuthungen weitere hinzuzufügen; hinweisen 
möchte ich nur noch auf die auch von mir beobachtete Thatsache, 
dass, wie bei anderen Arten, auch bei Limax der Nucleolus offenbar 
nicht zur Ausbildung des Chromatins verwendet wird. Wegen dieses 
Verhaltens verweise ich auf den Anhang. 


Beobachtungen über das weitere Schicksal des Nucleolus in den Eiern 
von Limax maximus. 


In den vorhergehenden Abschnitten wurde wiederholt darauf 
hingewiesen, dass das Studium der späteren Schicksale des Nueleolus 
in den Eiern der untersuchten Formen gewisse Schwierigkeiten bietet. 
Nun erhielt ich durch die Freundlichkeit des Herrn Dr. J. MEISEN- 
HEIMER von zwei Nacktschnecken, nämlich von ZLimaxz mazimus und 
_ Arion empiricorum, eine größere Anzahl Eier, welche er dem Uterus 
entnommen und für die Untersuchung der hier interessirenden Punkte 
sorgfältig konservirt hatte. Meinen Dank für diese Bemühungen 
möchte ich ihm auch an dieser Stelle aussprechen. 

Bezüglich der Eier von Arion sei gleich hier erwähnt, dass in 
ihnen ein Hauptnucleolus niemals aufzufinden war, trotzdem ein 
reicheres Material als von Limax zur Verfügung stand. Der Haupt- 
nucleolus, welcher bei Arion sehr ähnliche Gestaltungsverhältnisse, wie 
bei Limax zeigt, muss offenbar hier außerordentlich früh und weit eher 
als bei Limax einer Auflösung verfallen. Die Stadien, welche dar- 
über hätten Aufschluss geben können, nämlich die mit dem schon 
in Umwandlung begriffenen Keimbläschen, waren unter dem Material 
nicht vorhanden, obwohl dasselbe Eier mit Keimbläschen und gut 
erhaltenen Nucleolen und andererseits mit der in Ausbildung begrif- 
fenen ersten Richtungsspindel aufwies. 

Bei Limax fand ich folgendes Verhalten: 


206 - Paul Obst, 


Die jüngsten im Uterus enthaltenen Eier wiesen ein im Ganzen 
noch unverändertes Keimbläschen mit Membran und Nucleolen auf. 
Die beiden Substanzen, wie wir sie im ältesten Eierstocksei be- 
obachteten, waren hier noch vorhanden. Jedoch musste ich auf 
das Resultat meiner Doppelfärbung verzichten, da ich nur einige 
wenige Präparate dieses Stadiums hatte, welche in Folge der mit 
ihnen unternommenen vielfachen Doppelfärbungsversuche eine diffe- 
rente Färbung nicht mehr zeigen konnten. Erst in diesen Eiern er- 
schien es mir zweifellos, dass der große Nucleolus von äußerst vielen 
kleinen Vaeuolen durchsetzt war, welches Verhalten sich vorher 
nicht so deutlich erkennen ließ. Die um Weniges älteren Eier zeigten 
bereits die Chromosome der ersten Richtungsspindel ausgebildet. Sie 
hatten sich jedoch noch nicht zur Äquatorialplatte formirt, sondern 
lagen oft ziemlich weit 
von einander getrennt 
im Eiplasma; hierbei 
waren die Strahlun- 
sen der Üentrosome 
gewöhnlich deutlich 
sichtbar. Die Membran 
des Keimbläschens war 
nicht mehr vorhanden. 
In Eiern dieses Sta- 
diums (ef. Fig. III) fand 


y sich ein großer Keim- 

Mi fleck vor, dessen Habi- 

< . tus dem des Keim- 

len bläschenstadiums ent- 
Textfig. II. 


sprach, nur fehlte von 
jetzt ab stets die Sub- 
stanz, welche an Masse als die geringere auftrat. Der große Keimfleck 
stellte ein kugeliges Gebilde mit zahlreichen Vacuolen dar. Seine 
Lage im Eikörper ist gewöhnlich eine periphere. Während jedoch 
die Vacuolen früher fast alle annähernd gleich groß waren, machen 
sich bereits jetzt deutlich Größenunterschiede bemerkbar. Dieses 
Stadium kam mir öfter zu Gesicht. Die in Ausbildung begriffene 
Spindel mit weitabgelagertem Nucleolus fand ich in mindestens 25 
Eiern auf. Ich muss hierbei erwähnen, dass ich in einem und zwar 
in dem hier (in Fig. III) abgebildeten Falle außer dem einen noch 
zwei andere, etwas kleinere Nucleolen neben der in Bildung be- 


Untersuchungen über das Verhalten der Nucleolen ete. 207 


sriffenen Spindel antraf. Da die Größendifferenz dieser Nucleolen 
keine sehr bedeutende, und ihre Struktur eine sehr übereinstim- 
mende ist, nehme ich an, dass diese Kernkörper an Substanz nicht 
verschieden sind, sondern an Stelle eines größeren nur drei kleinere 
Nueleolen zur Ausbildung gelangten. 

Interessant ist nun, dass sich der große Kernkörper in keiner 
Weise am Aufbau der Spindel betheiligt: Er ist nämlich im Stadium 
der fertig gebildeten ersten 
Richtungsspindel noch im Ei 
vorhanden (ef. Fig. IV). 

Ein ähnliches Verhalten 
der Nucleolen von Eizellen 
ist bereits von anderer Seite 
des öftern konstatirt wor- 
den. Einige mir bekannte 
diesbezügliche Beobachtun- 
sen möchte ich bei dieser Ge- 
legenheit erwähnen. KosTA- 
NECKI (38) giebt an, dass 
der kolossale Keimfleck bei 
Myzostoma glabrum während 
des Verlaufes der Richtungs- ar: 
mitosen im mittleren Zell- Textüig. IV. 
theile zu sehen ist. Dabei 
nimmt sein Umfang ganz allmählich ab unter Beibehaltung seiner rund- 
lichen Gestalt. Je mehr sich die Furchungsmitose ihrem Ende nähert, 
desto mehr wird das Kernkörperchen gegen den vegetativen Eipol 
verdrängt, bis es schließlich in den sogenannten Dottersack geräth. 
WHEELER, dessen Untersuchungen sich ebenfalls auf Myzostoma gla- 
brum beziehen, konnte den Keimfleck bis zum achtzelligen Stadium 
verfolgen (69). Jedoch verschwindet er nicht immer bis zu einem 
gewissen Zeitpunkte, sondern er geht bald früher, bald später zu 
Grunde (70, p. 35). Diese Fälle zeigen klar, dass der Keimfleck an 
den Processen der Reifung und Furchung keinen Antheil nimmt und 
somit für dieselben bedeutungslos ist. | 

In anderen Fällen wurde seine Anwesenheit neben den Chromo- 
somen zur ersten Richtungsspindel nachgewiesen, so von BovERrI (10) 
und HAEcKER (24) im reifenden Ei von Echinus microtuberculatus, 
von KORSEHELT (37) bei Ophryotrocha puerilis und RÜCKERT (57) bei 
Copepoden. 


208 Paul Obst, 


Bei Limax zeigt dieser Kernkörper nun ein eisenthümliches 
Verhalten. Während er nach den Beobachtungen der obengenannten 
Forscher ohne weitere Strukturveränderung allmählich an Größe ab- 
nimmt, bis er endlich völlig verschwunden ist, fand ich, dass im 
 Keimfleck des Eies von Limax mazimus die vielen Vacuolen 
schließlich zu einer einzigen ver- 
schmelzen; dieselbe erfüllt dann das 
ganze Innere des Kernkörpers bis 
auf eine schmale Randpartie (ef. 
Fig. Va—d). Der Inhalt der durch 
das Zusammenfließen der kleineren 
Vacuolen entstehenden größeren Va- 
cuole ist, sobald letztere einen be- 
trächtlicheren Umfang erreicht hat, 
nn mit den beiden von mir in Anwen- 

Textfig. V. dung gebrachten Farbstoffen un- 
färbbar. 

Dieser Kernkörper befindet sich somit offenbar in demselben 
Zustande, welchen bereits der Keimfleck des unreifen Eies von 
Dolomedes fimbriatus (cf. Taf. XIII, Fig. 60) darbietet. 

Die wenigen mir zur Verfügung stehenden Stadien während der 
Bildung des zweiten Richtungskörperchens zeigten niehts mehr von 
der Anwesenheit des früheren Keimfleckes, jedoch gebe ich die Mög- 
lichkeit zu, dass er hier noch gelegentlich aufgefunden werden könnte. 
Jedenfalls kann ich mit Sicherheit sagen, dass ich von ihm in den 
Stadien nach der Bildung des zweiten Richtungskörperchens keine 
Spur mehr aufgefunden habe. Ich nehme an, dass die geschilderte 
Vaeuolisirung und Aushöhlung des Nucleolus mit seiner Auflösung 
in direktem Zusammenhang steht. Aus meiner Darstellung sowohl 
für die Eier der behandelten Mollusken als Araneinen geht hervor, 
dass der Nucleolus mit fortschreitender Ausbildung des Keimbläschens 
eine immer größere Neigung zur Vacuolenbildung zeigt. Wie man 
aus meinen Abbildungen der Ovarialeier von Dolomedes fimbriatus 
(Fig. 60, Taf. XIII) und der Uteruseier von Zimax mazimus (Fig. IV) 
erkennt, kann die Aushöhlung im einen Falle früher, im anderen 
später stattfinden. 


Marburg, im Januar 1899. 


[9] 


20. 


ar 


Untersuchungen über das Verhalten der Nucleolen etc. 209 


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Textfigur 4. 1895. 
14* 


242 Paul Obst, 


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Erklärung der Abbildungen. 


Sämmtliche Figuren sind mit dem Zeıss’schen Zeichenprisma (Camera lueida) 
bei einer Tubuslänge von 150 mm mit Oe. A, die Fig. 1—17 mit ZEISs’ homo- 
gener Immersion 2 mm, Ap. 1,30, die Fig. 18—67 mit Leitz’scher Öl-Immersion 
1/12, Ap. 1,30 entworfen. Bei den Fig. 12 und 13, 23—26, 3436, 43 und 44, 
51—53, 59 und 65—67 wurde das Plasma nur in der Umgebung des Keimbläs- 
chens angedeutet; die Fig. 45—49 geben nur die betreffende Partie des Keim- 
bläschens wieder, in welcher jedes Mal der betreffende Keimfleck lag. Bei Fig. 11 
wurde nur ein Theil des Plasmaleibes gezeichnet. 


Tafel XII und XIII. 


Fig. 1—36. Mollusken. 

Fig. 1--13. Helix pomatia. 

Fig. 1—3. Jüngste Eier; Keimfleck blau tingirt. 

Fig. 4 u. 5. Aneinanderlagerung von Keimflecken behufs Verschmelzung. 

Fig. 5 u. 6. Chromatin in feinster Vertheilung peripher angeordnet. 

Fig. 7. Ei mit länglichem, durch Verschmelzung entstandenem Keimfleck. 

Fig. 8 u. 9. Eier mit mehreren Nucleolen. 

Fig. 10. Etwas älteres Ei mit in Verschmelzung begriffenem Keimfleck. 

Fig. 11. Zwei noch isolirte, größere Keimflecke. 

Fig. 12 u. 13. Keimflecke mit cyanophiler und erythrophiler Nucleolar- 
substanz. 

Fig. 14—26. Limax maximus. 

Fig. 14. Jüngste Eier; Keimfleck blau tingirt. 

Fig. 15. Auftreten eines kleinen, erythrophilen Keimfleckes. 

Fig. 16—22. Wachsthum des eyanophilen und Umbildung des erythro- 
philen Kernkörpers. 

Fig. 23. Verschmelzung der beiden cyanophilen Keimflecke; Bildung 
kleiner erythrophiler Keimflecke. 

Fig. 24. Wachsthum dieser kleinen, erythrophilen Keimflecke. 

Fig. 25 u. 26. Eigenthümliche Differenzirung am ältesten Keimfleck nach 
längerer Extraktion des Methylgrüns durch Alkohol. 

Fig. 27—36. Unio batavus. 

Fig. 27. Jüngste Eier; Keimfleck blau tingirt. | 

Fig. 2S—30. Wachsthum dieses eyanophilen Keimfleckes. 

Fig. 31. Auftreten erythrophiler Substanz am cyanophilen Keimfleck. 

Fig. 32 u. 33. Die erythrophile Substanz nimmt an Masse zu; Wachsthum 
des cyanophilen Keimfleckes. 


Untersuchungen über das Verhalten der Nucleolen etc. 913 


Fig. 34 u. 35. Trennung beider chromatophilen Substanzen. Bildung 
kleinster, erythrophiler Kernkörper. 

Fig. 36. Ältestes Eistadium; die erythrophile Nucleolarsubstanz überwiegt 
an Masse. 


Fig. 37—67. Arachnoiden. 
Fig. 37—48. Epeira diademata. 
Fig. 37. Jüngste Eier; zwei Nucleolarsubstanzen. 
Fig. 33—42. Die Keimflecke weisen beide chromatophilen Nucleolar- 
substanzen auf. 
Fig. 40—42. Auftreten eines kleinen, erythrophilen Keimfleckes. 
Fig. 43. Hauptkeimfleck nach dem Lamellibranchiaten-Typus aufgebaut. 
Fig. 44—47. Bildung und Wachsthum vieler kleinerer und größerer, ery- 
throphiler Keimflecke, welche sich späterhin an den Hauptkeimfleck anlegen. 
Fig. 46 u. 47. Ein und derselbe Keimfleck eines Keimbläschens in zwei 
auf einander folgenden Schnitten dargestellt. 
Fig. 48. Ein Keimfleck, bei welchem die cyanophile Substanz beiden 
Polen der erythrophilen kappenförmig aufsitzt. 
Fig. 49—54. Tegenaria domestvca. 
Fig. 49. Kleine, cyanophile Keimflecke mit großer Vacuole. 
Fig. 50. Etwas älteres Ei mit cyanophilen Keimflecken. 
Fig. 51. Keimbläschen mit vier bereits größeren, cyanophilen Keimflecken 
und kleinen in Bildung begriffenen Kernkörpern. 
Fig. 52. Älteres Keimbläschen mit drei großen, cyanophilen Keimflecken. 
Fig. 55. Zerfall der cyanophilen Keimflecke in den ältesten Keimbläschen. 
Fig. 54. Ein eyanophiler Keimfleck, welcher im Zerfall begriffen ist. 
Fig. 55—60. Dolomedes fimbriatus. 
"Fig. 55. Der Keimfleck setzt sich bereits aus den beiden chromatophilen 
Substanzen zusammen. 
Fig. 56. Der große Keimfleck ist nur cyanophil; neben ihm tritt plötz 
lieh ein kleiner, erythrophiler Kernkörper auf. 
Fig. 57. Beide Kernkörper haben an Umfang zugenommen. 
Fig. 58—60. Bildung einer allmählich immer größer werdenden Vacuole. 
Fig. 60. Ältester Keimfleck mit großem Hohlraum, allein dargestellt. 
Fig. 61—69. Drassus quadripunctatus. 
Fig. 61 u. 62. Jüngste Eier; Keimflecke blau tingirt. 
Fig. 63. Ei, welches noch mehrere eyanophile Keimflecke enthält; von 
ihnen sind zwei in Verschmelzung begriffen. 
Fig. 64. Ein bereits größerer, durch Verschmelzung entstandener, cyano- 
philer Keimfleck. 
Fig. 65 u. 66. Der Keimfleck setzt sich aus den beiden chromatophilen 
Substanzen zusammen; Auftreten eines kleinen, erythrophilen Kernkörpers. 
Fig. 67. Ältestes Eistadium; der Keimfleck zeigt an drei Stellen seiner 
Peripherie cyanophile Substanz. 
Fig. 68. Etwas jüngerer Keimfleck, welcher seine Substanzverschieden- 
heiten schon bei alleiniger Anwendung von Boraxkarmin zeigt. 
Fig. 69. Ein Keimfleck, bei welchem die cyanophile Substanz an vier 
Stellen seiner Peripherie angeordnet ist. 


a 


Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen, insbesondere 
ihrer Verbindung. 


Von 


Josef Schaffer 
(Wien). 


Mit Tafel XIV und XV. 


Inhalt: Einleitung. 
I. Der gegenwärtige Stand der »Intercellularbrückenfrage«. 
II. Eigene Untersuchungen. 
A. Ergebnisse an frisch untersuchten Muskelzellen. 
B. Die glatten Muskelzellen des Pferdedarmes und die sog. Ver- 
dichtungsknoten. 
©. Die Einwirkung von Reagentien auf die kontraktilen Faser- 
zellen. 
D. Beobachtungen an Schnittpräparaten; Färbetechnik zur Tren- 
nung der Muskel- und Bindesubstanz. 
III. Epikrise. 


Die Frage nach der Art und Weise, wie die glatten Muskelfasern 
unter einander verbunden sind, scheint durch die zahlreichen Unter- 
suchungen der letzten Jahre an Klarheit nichts gewonnen zu haben. 

An Stelle der alten Anschauung, dass die glatten Muskelzellen 
durch eine Kittsubstanz verbunden sind, hatte zuerst N. KuLr- 
SCHITZKY (28)! die neue gesetzt, dass sie »mittels kleiner protoplas- 


1 Ich schreibe mit der Mehrzahl der neueren Autoren [BARFURTR (l), 
DE BRUYNE (8), WERNER (45), SCHULTZ (40), KoLossow (27)] KULTSCHITZKY, 
muss aber bemerken, dass in der Schreibweise dieses Namens eine heillose Ver- 
wirrung herrscht. In der Originalmittheilung erscheint N. KuLTscHızny als 
Autor und wird der Name auch im Inhaltsverzeichnis und Autorenregister so 
geschrieben, ohne dass ich eine Berichtigung gefunden hätte. Demnach müsste 
man KULTSCHIZNY eitiren, wie dies folgerichtig NICOLAS (32) und BusAchHı (9) 
gethan haben. TRIEPEL (48) schreibt KuULTSCHIzKY und bemerkt dazu, dass im 
Biolog. Centralblatt in Folge eines Druckfellers KULTSCHITZNY angegeben ist, 
was jedoch auch nicht richtig ist. KLEck1 (23) schreibt KULTSCHIZKY, dann wieder 


Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen, insbes. ihrer Verbindung. 215 


matischer Brückchen an einander haften, und dass zwischen den 
Zellen Intercellularräume übrig bleiben«. 

Es war damit die Verbindung der glatten Muskelzellen in Paral- 
lele gestellt mit der von Epithelzellen in geschichteten Pflasterepi- 
thelien. 

Seit dieser kurzen Mittheilung Kurtscaırzey’s haben sich über 
ein Dutzend Arbeiten mit derselben Frage beschäftigt; auf eine 
historische Besprechung derselben kann ich hier verzichten, indem 
die Anschauungen der einzelnen Autoren im Laufe meiner eigenen 
Darstellung berücksichtigt werden sollen. Hier beschränke ich mich 
darauf hinzuweisen, dass uns sämmtliche Arbeiten zu keiner einheit- 
lichen und klaren Auffassung dieser sogenannten Intercellularbrücken 
geführt haben; wohl aber ist die Darstellung Kuutscaitzey’s bereits 
in mehrere Lehrbücher der Histologie übergegangen, wozu mir die 
Sache noch nicht spruchreif genug erscheint. 


I. Der gegenwärtige Stand der „Intercellularbrückenfrage“. 


Als zweifellos feststehend kann die Beobachtung gelten, dass 
man an dünnen Querschnitten kontraktiler Faserzellen gelegentlich 
zwischen den Querschnittsfeldern der Zellen zarte Verbindungen 
sehen kann, welche an das bekannte Bild der Intercellularbrücken 
in der Stachelzellenschicht der Epidermis erinnern. Alle weiteren 
Behauptungen über die Natur dieser Brücken müssen als derzeit 
zweifelhaft bezeichnet werden. 

Jedoch nicht nur an Querschnitten sind brückenähnliche Verbin- 
dungen gelegentlich zu sehen, sondern auch an Längsschnitten, welche 
Thatsache wiederholt, so von NicoLAs (32), DE BrRUYNE (85), BOHE- 
MAN (6), TRIEPEL (43) festgestellt worden ist und von der man sich 
am leichtesten an einem Längsschnitte durch die glatten Muskeln 
von mittels Sublimat fixirten Nabelstranggefäßen überzeugen kann. 
STÖHR (42) bildet solche »Intercellularbrücken« an einem, Längs- 
schnitte durch die Darmmuskulatur des Meerschweinchens (Fig. 39), 
BoHEMmAN (6) von der Katze ab (Fig. 2. Um so verwunderlicher er- 
scheint es, dass BARFURTH (2) dieser Thatsache gegenüber noch heute 
an seiner älteren Anschauung über die Art und Weise der Verbindung 


KULTSCHITZKY, ROLLETT (33) KuULSCHITZKY. Im Registerband der Zeitschrift für 
wiss. Mikrosk. erscheint ein N. KULTScHITzkyY und ein W. K., die offenbar 
identisch sind; endlich auch ein L. K. KurtscHuizky. In einem Referat von 
L. HEYDENREICH (Wilna) in der Zeitschr. für wissensch. Mikr. Bd. VI, 1889, 
p. 315 lese ich N. K. Kuutscaitzet u. 8: £. 


216 Josef Schaffer, 


glatter Muskelzellen durch längsverlaufende Leisten, die im Quer- 
schnitte als Brücken erscheinen müssen, festhält. BARFURTH (1) sieht 
an Längsschnitten »nur feine, etwas unregelmäßig verlaufende Längs- 
linien<«, die er als optischen Ausdruck dieser Längsleisten auffasst. 
Diese Darstellung hat auch Krecki (23), ein Schüler BARFURTH’sS, zu 
begründen gesucht und ist dieselbe auch von KuLrscHITzky (29) an- 
erkannt und von SCHIEFFERDECKER (39) und BöHm und v. DAVIDorF (5) 
aufgenommen worden. Ich hoffe im Laufe dieser Mittheilung eine 
befriedigende Erklärung für die Auffassung BARFURTH’s geben zu 
können; es sei aber gleich hier bemerkt, dass die »Intercellular- 
brücken« BARFURTH’s, welche er an den Querschnitten beschrieben 
hat, etwas ganz Anderes sind, als diejenigen, welche von anderen 
Autoren an Längsschnitten gesehen worden sind. 

Eine andere Darstellung vom Zusammenhange der glatten Muskel- 
fasern hat P. Schuutz (40) gegeben. Nach ihm sollen es die Fibrillen 
der Muskelzellen sein, welche den Zusammenhalt derselben bewerk- 
stelligen und wirkliche Intercellularbrücken bilden. 

Diese Behauptung hätte einer gründlicheren Beweisführung be- 
durft, als sie ihr Scuhurtz zu Theil werden ließ. Aus der Schilde- 
rung, welche er p. 538 von den Verhältnissen giebt, und die er durch 
den Hinweis auf die Fig. 6 und 7 unterstützt, wird kein unbefange- 
ner und kritischer Leser die Überzeugung gewinnen, dass es sich 
hier in der That um durch Fibrillen gebildete Brücken handelt. Dies 
um so weniger, als das Objekt, welches ScHuLTtz als besonders ge- 
eignet zur Darstellung des von ihm behaupteten Verhaltens bezeich- 
net, nämlich die glatten Muskelzellen der Giftdrüsen beim gefleckten 
Salamander von anderer Seite Gegenstand einer gründlichen Unter- 
suchung gewesen sind, welche betrefis der sog. Intercellularbrücken 
zu ganz anderen Anschauungen geführt haben. 

DraschH (11), dessen Arbeit ScHhuLtTz nicht gekannt zu haben 
scheint, wenigstens nicht erwähnt, findet die glatten Muskelfasern 
der Giftdrüsen, die er als zusammenhängende Lage isolirte und so 
nicht nur an Schnitten, sondern auch von der Fläche her untersucht 
hat, an ihrer Innenfläche von einer dünnen Substanzlage elastischer 
Natur bedeckt, welche sich in die intercellulären Spalten einsenkt 
und mit der die Außenfläche bedeeckenden Membrana propria verkittet, 
so dass jede Faser eine dünne Scheide besitzt; diese Scheide zeigt 
nun bei der Kontraktion mannigfache Fältelungen, die im Allge- 
meinen quer zur Faserrichtung verlaufen und bei tiefer Einstellung 
das Bild von Intercellularbrücken gewähren. 


Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen, insbes. ihrer Verbindung. 217 


Ich selbst konnte mich von der Richtigkeit dieser Darstellung 
sowohl an den Originalpräparaten von DRASCH, als an eigenen über- 
zeugen; hier muss ich aber auch gleich erwähnen, dass es leicht 
gelingt an einfach in 70°/,igem Alkohol konservirten Giftdrüsen die 
Muskelfasern als ganz glattrandige Gebilde zu isoliren, was unmög- 
lich wäre, wenn die von ScHuLtz behauptete Verbindung durch 
Fibrillen vorhanden wäre. Gegen die letztere spricht aber auch der 
Umstand, dass die von ScuuLrz empfohlene Methode, welche die 
fibrilläre Struktur der glatten Muskelzellen am deutlichsten zur Wahr- 
nehmung bringen soll, nämlich die Behandlung der frischen Fasern 
mit 10°/,iger Salpetersäure, durchaus nicht auch die Intercellular- 
brücken an Längsschnitten am besten erkennen lässt. Vielmehr sind, 
wie noch weiter ausgeführt werden soll, an solchen mit starken 
Säuren behandelten Objekten »Intercellularbrücken« vielfach auch 
dort nicht zu sehen, wo sie bei Anwendung anderer Fixirungsmittel 
deutlich hervortreten. 

Die meisten übrigen Untersuchungen haben in mehr oder minder 
nachdrücklicher Weise das Vorkommen und Eindringen von Binde- 
sewebe zwischen die Muskelfasern dargethan, wenngleich die be- 
treffenden Autoren das gleichzeitige Vorkommen von Intercellular- 
brücken protoplasmatischer Natur nieht in Abrede stellen, sondern 
nur die Reichlichkeit ihres Vorkommens in Frage ziehen. 

Von Interesse scheint mir, dass KÖLLIKER, dem wir wohl die 
_ meisten Kenntnisse über den feineren Bau des glatten Muskelgewebes 
verdanken, in der neuesten Auflage seines Lehrbuches von den 
Intercellularbrücken keine Notiz nimmt. Nach ihm (26, p. 136) wer- 
den die Fasern unter Mitwirkung eines nicht unmittelbar zu beob- 
achtenden Bindemittels oder von zartem Bindegewebe zu Bündeln 
verbunden. 

Besonders in jüngster Zeit ist von mehreren Seiten die Frage 
aufgeworfen worden, ob nicht die Anwesenheit dieses zarten Binde- 
gewebes zwischen den kontraktilen Faserzellen mit dem Vorkommen 
der sog. Intercellularbrücken in Zusammenhang zu bringen sei, ja 
letztere vielfach geradezu nur auf Rechnung desselben zu setzen, 
also etwas ganz Anderes wären, als die Intercellularbrücken zwischen 
Epithelzellen, wie dies KuLTscHItzkY zuerst gemeint hat. 

Wir haben es hier offenbar mit ganz verschiedenen Dingen zu 
thun, welche unter demselben Titel »Intercellularbrücken« beschrieben 
worden sind; was BARFURTH und seine Schüler geschildert haben, 
sind Bilder, die an glatten Muskelfasern wirklich zur Beobachtung 


218 Josef Schaffer, 


kommen und die nichts mit Bindegewebsnetzen zwischen den Muskel- 
fasern zu thun haben; in so fern ist BARFURTH vollständig berechtigt, 
auf der Richtigkeit seiner Schilderung zu bestehen. Andererseits be- 
ruhen jedoch die neuesten Schilderungen von GARNIER (15) und HoEHL 
: (22) eben so auf thatsächlich vorhandenen Verhältnissen, welche ge- 
wiss einen oder den anderen der Beobachter, aber nicht BARFURTH, zur 
Verwechslung mit Intercellularbrücken Anlass gegeben haben. Es 
sind verschiedene Dinge, aber für keines derselben kann die Bedeu- 
tung von Intercellularbrücken im Sinne KuLTscHItzky’s aufrecht 
erhalten werden. 

Dass die Intercellularbrücken überhaupt keineswegs eine allge- 
meine Eigenschaft der glatten Muskelfasern sind, hat FLemming (14) 
unlängst betont; KoLossow (27) stellt ihr Vorkommen neuestens sehr 
bestimmt in Abrede, obgleich er sonst im Auffinden von Intercellu- 
larbrücken, allerdings auf Grund einer sehr anfechtbaren Methode, 
alle bisherigen Beobachter übertroffen hat. »Zwischen den glatten 
Muskeln kommen bei Wirbelthieren keine Verbindungsbrücken vor. 
Ich kann dies auf Grund meiner eigenen Untersuchungen, welche 
den Angaben aller Autoren, die sich im Verlaufe der letzten zehn 
Jahre mit dieser Frage beschäftigt haben, widersprechen, mit Be- 
stimmtheit behaupten, da ich mich vollkommen davon überzeugt habe, 
dass bei Wirbelthieren aller Klassen zwischen diesen Zellen nur 
scheinbare Verbindungsbrücken zu sehen sind, welche bei der Kon- 
traktion der Muskelzellen in Folge einer eigenthümlichen Struktur 
derselben auftreten. « 

Dass die Kontraktion der glatten Muskelfasern auf das Aussehen 
des mikroskopischen Bildes derselben von Einfluss sein muss ist klar; 
dieser Einfluss macht sich nicht nur auf die Fasern selbst, sondern 
auch auf das Bindemittel derselben geltend. Sämmtliche Autoren, 
welche Intercellularbrücken beschreiben, haben ihr Material lebens- 
warm, also in noch kontraktionsfähigem Zustande mit Fixirungs- 
mitteln behandelt; bei den glatten Muskelfasern können aber durch 
diese Behandlung noch längere Zeit nach dem Tode — ich konnte 
dies wiederholt 12—24 Stunden p. m. feststellen — Kontraktions- 
erscheinungen ausgelöst werden. 

Wenn daher KotLossow behauptet, dass die scheinbaren Ver- 
bindungsbrücken erst in Folge der Kontraktion auftreten, so ist diese 
Möglichkeit durch die bis jetzt vorliegenden Untersuchungen nicht 
ausgeschlossen; vielmehr haben schon frühere Beobachter festgestellt, 
dass zwischen Kontraktion und Verbindungsbrücken ein Zusammen- 


Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen, insbes. ihrer Verbindung. 9219 


hang besteht. Nach DrascH (11) werden die »scheinbaren Inter- 
cellularbrücken« bei der Kontraktion deutlicher, und eben so fanden 
KLEoKI. und WERNER, zwei Schüler BARFURTH’s, die Zellbrücken um 
so ausgeprägter und zahlreicher, je hochgradiger die Kontraktion des 
Muskels war. Bemerkenswerth ist auch die Angabe Kreckrs (23), 
dass die Brücken im dilatirten Ösophagus, sowie in der Blase fehlen, 
während sie nach WERNER (45) diese Organe im Kontraktionszustande 
deutlich erkennen lassen. 

Ein anderer schwacher Punkt in den Darstellungen jener Auto- 
ren, die von Protoplasmabrücken sprechen, ist der, dass ein Nach- 
weis der protoplasmatischen Natur nicht erbracht erscheint; die 
Behauptung stützt sich lediglich auf die — oft sehr fragliche — 
Ähnlichkeit der Bilder mit den zweifellosen Protoplasmabrücken der 
Epithelzellen. | 

Damit glaube ich den gegenwärtigen Stand dieser Frage hin- 
länglich gekennzeichnet zu haben, um meine Eingangs dieser Mit- 
theilung aufgestellte Behauptung gerechtfertigt erscheinen zu lassen. 


Il. Eigene Untersuchungen. 


Meine eigenen Erfahrungen in der Frage reichen auf mehrere 
Jahre zurück, und waren es zuerst Beobachtungen an den Muskeln 
der Nabelstranggefäße des Menschen, welche mich zur Erkenntnis 

‘ seführt haben, dass die gewöhnliche Darstellung vom Vorhandensein 
protoplasmatischer Verbindungsbrücken zwischen den glatten Muskel- 
fasern unhaltbar seien. 

Die Muskelfasern der Nabelstranggefäße sind in so fern ein sehr 
sünstiges Untersuchungsobjekt, als sie ziemlich diek, nicht zu dicht 
gedrängt und auch im frischen Zustande leicht isolrbar sind. Man 
kann die Gefäße aus dem frischen Nabelstrang ohne Schwierigkeit 
herauspräpariren, allenfalls der Länge nach aufschneiden und im 
gespannten oder ungespannten Zustande fixiren. 

Darin bestand auch vornehmlich meine Untersuchungsmethode. 
Die Fasern wurden wiederholt an frisch angefertigten Isolations- 
präparaten in !/,%/yiger Kochsalzlösung, dann aber auch, um die 
Wirkung verschiedener Reagentien zu erforschen, an Isolations- und 
Schnittpräparaten fixirter, gehärteter oder macerirter Nabelstrangefäße 
"untersucht. Außerdem wurde aber auch die glatte Muskulatur des 
Darm- und Urogenitaltractes des Menschen und verschiedener Thiere 
in den Bereich der Untersuchung gezogen. 


220 Josef Schaffer, 


A. Ergebnisse an frisch untersuchten Muskelzellen. 


An frisch zerzupften Stücken der Nabelstranggefäße gelingt es, 
wie gesagt, leicht einzelne Bündel oder Fasergruppen isolirt zur An- 
sicht zu bekommen. Die Oberfläche der Fasern erscheint dort, wo 
sie noch im Zusammenhang zu sehen sind, nicht glatt, sondern zeigt 
eine undeutlich netzige, stellenweise auch querfaltige Beschaffenheit 
(Fig. 1). 

Bei scharfer Einstellung auf die Ränder der Fasern sieht man 
manchmal deutlich glänzende, gewellte Linien, welche wie leicht ge- 
schlängelte, in der Längsrichtung der Muskelfasern verlaufende elasti- 
sche Fasern aussehen. Setzt man zu einem solchen frischen Objekt 
Essigsäure unter dem Deckglase zu, dann kann man die Mehrzahl 
dieser glänzenden Linien durch Aufquellung verschwinden sehen; 
einzelne jedoch treten nun deutlicher hervor und werden leicht als 
elastische Fäserchen erkannt, welche den Muskelzellen auf- oder 
anliegen. In solchen gequollenen Bündelchen treten die Grenzen 
der Muskelfasern scharf als vollkommen glattrandige hervor. 

Am Rande solcher Bündelchen findet man nun an gut zerzupften 
Präparaten nicht selten einzelne Muskelfasern oder wenigstens Theile 
von solchen vollkommen frei aus dem undeutlichen Netzwerk, wel- 
ches die übrigen bedeckt, herausragen (Fig. I zf), und solche Fasern 
zeigen dann stets eine vollkommen glatt begrenzte Oberfläche, keine 
Spur von Zacken oder Zähnchen an derselben. Sie sind mechanisch 
aus dem Netz- oder Wabenwerk herausgerissen, in dem sie darinnen 
stecken, wie vielleicht an einer in Äther-Chloroform gekochten mark- 
haltigen Nervenfaser der sogenannte Achsencylinder im Neurokeratin- 
serüst; ein Vergleich, den, wie ich erst später fand, schon DRASCH 
(11) gemacht hat, was gewiss für seine Anschaulickeit spricht. 

Ganz dieselbe Beobachtung konnte ich an den glatten Muskel- 
fasern der Dickdarmtänien eines Affen (Mac. eynomolgus) machen. 
Beim Zerzupfen des frischen Muskels in Kochsalzlösung gelingt es 
nur schwer einzelne Fasern zu isoliren, wohl aber dünne Bündelchen 
(Fig. 2). Zwischen den einzelnen Muskelfasern sieht man wieder an- 
scheinend wellige Fasern, welche durch unregelmäßige, quer ver- 
laufende, geschlängelte Äste zu einem dichten, die Muskelzellen ein- 
scheidenden Netz- oder Wabenwerke verbunden werden. Am Rande 
des abgebildeten Bündelchens erschienen wieder Theile von Fasern” 
aus demselben herausgerissen und zeigen vollkommen glatte Kon- 
touren (Fig. 2 :f). 


Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen, insbes. ihrer Verbindung. 221 


Bei Essigsäurezusatz treten die Grenzen der Muskelfasern im 
Bündel deutlicher hervor und im Beginne erscheint in den Inter- 
cellularspalten bei scharfer Profileinstellung eine Verzahnung der 
Fasern, die ganz den Eindruck der von den Autoren beschriebenen 
Intercellularbrücken macht, jedoch bei weiterer Quellung bald ver- 
schwindet. 

An frisch zerzupfter Muscularis des Rattendarmes lassen sich die 
dünnen, langen Fasern leicht vollkommen glattrandig isoliren; dort, 
wo man sie in dünnen Bündelchen oder Platten im Zusammenhange 
sieht, erscheinen ihre Ränder durch leicht wellige, stärker licht- 
brechende Streifen gekennzeichnet. Ein Netzwerk, welches die 
Fasern einhüllen würde, ist nicht deutlich wahrnehmbar. 

Etwas anders gestaltet sich das Verhalten bei der Darmmusku- 
latur der Katze. Hier sieht man 1) viel deutlicher wellige Längs- 
streifen oder scheinbare Fasern zwischen den Muskelelementen, deren 
enge Biegungen dem Rande der Muskelfasern oft ein gezähntes Aus- 
sehen verleihen und oft durch zarte quere Brückchen oder Fältchen 
verbunden sind; 2) lassen sich vereinzelte dieser welligen Fasern 
leicht als elastische Fasern erkennen. 

Leicht gelingt es auch hier einzelne Muskelfasern vollkommen 
oder zum Theil zu isoliren; dieselben sind wieder durch voll- 
kommen glatte Kontouren und eine zarte, fibrilläre Längsstreifung 
ausgezeichnet. | 
i Bei Zusatz von Kalilauge zum frischen Präparat verschwindet 
die Fältelung zwischen den Fasern, sowie die Querstreifen; die 
Grenzen der Muskelzellen treten als geradlinige, glatte helle Kon- 
touren hervor und einzelne längsverlaufende elastische Fasern werden 
deutlich. 

Verhältnismäßig leicht gelingt die Isolirung von Faserstücken 
auch aus der Darmmuskulatur von Triton alpestris. Dieselben sind 
wieder vollkommen glattrandig, leicht längsgestreift und lassen an 
den Kernpolen einige gröbere Körnchen erkennen. Wo die Fasern 
im Zusammenhange von der Fläche gesehen werden, ist an denselben 
eine feine querstreifige Zeichnung sichtbar. Eigenthümlich ist, dass 
während der Beobachtung der Fasern in !/,%/,iger Kochsalzlösung zwi- 
schen dem Kern und dem kontraktilen Inhalt reihenartig neben ein- 
ander um den ganzen Kernumfang Vacuolen auftreten, so dass förm- 
lich eine Loslösung des kontraktilen Inhaltes vom Kerne stattfindet. 
Eine ähnliche Vacuolenbildung tritt auch zwischen einzelnen Fasern, 
deren Grenzen am frischen Objekt als glänzende Streifen deutlich 


pp) Josef Schaffer, 


sichtbar sind, auf. Die Vacuolen bilden oft Reihen und hängen 
zwischen ihnen die Fasern durch ausgezogene Spitzen zusammen. 

Zwischen den Fasern konnte ich auch einmal zweifellos einen 
Leukoeyten beobachten, was M. HEIDENHAIN (20) auch im Darm vom 
Salamander gelegentlich sah. Bei Essigsäurezusatz verschwinden 
die Zellgrenzen im Anfange ganz und die Fasern werden deutlich 
längsstreifig; nach einiger Zeit treten die Zellgrenzen wieder sehr 
deutlich als glänzende Linien hervor. 

Ungleich fester erschienen die Fasern in der Magen-Darm- 
muskulatur eines Pseudopus und beim Frosche verbunden. Bei 
ersterem gelang es nur schwer beim Zerzupfen des frischen Gewebes 
einzelne Faserenden zu isoliren; diese erschienen aber vollkommen 
glattrandig. 

Beim Frosch gelingt die Isolation am frischen Objekt überhaupt 
kaum; an dünnen Bündelehen konnte man aber die Grenzen der ein- 
zelnen Muskelzellen gut als wellige, glänzende Linien wahrnehmen. 
An manchen Stellen waren zwischen den Fasern Spalträume zu 
sehen, welche von queren Brücken durchsetzt erschienen; bei Essig- 
säurezusatz konnte ein Theil derselben als feine elastische Fäserchen 
erkannt werden, die sich über die Breite mehrerer Muskelzellen hin- 
weg verfolgen ließen. 

Diese bisher angeführten Beobachtungen an den frischen 
Muskelzellen der verschiedensten Thiere lassen einmal zweifellos 
erkennen: 1) dass zwischen den Muskelzellen ein geformtes 
Bindemittel vorkommt, das zum Theil faseriger Natur ist, 2) dass 
der Rand der lebenden Muskelzelle vollkommen glatt er- 
scheint, ohne eine Spur von Zähnchen oder Höckerchen zu zeigen 
und 3) dass quer zur Längsrichtung der Muskelzellen ge- 
stellte brückenartige Bildungen entweder Faltungen des 
seformten Bindemittels oder faserige Gebilde sind, endlich 
auch, wie wir beim Triton gesehen haben, als Spitzen oder Höcker 
an der Oberfläche der Muskelzelle selbst durch eine Art von Schrum- 
pfungsvorgang entstehen können. 

Eine besondere Beachtung erfordern die welligen Linien oder 
scheinbaren Fasern, welehe an den frischen, isolirten Muskelbündel- 
chen stets zwischen den kontraktilen Zellen erscheinen und die Grenzen 
derselben bilden (Fig. 1 bei tiefer und 2 bei hoher Einstellung). 

Verfolgt man dieselben aus der scharfen Profileinstellung dureh 
langsames Heben der Mikrometerschraube, so bekommt man nicht 
den Eindruck drehrunder Fasern, sondern den, dass es sich um den 


Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen, insbes. ihrer Verbindung. 2923 


optischen Durchschnitt einer membranartigen gefalteten Hülle oder 
Scheidewand zwischen den Muskelfasern handelt. Die welligen 
Linien gehen ganz allmählich über in die oberflächliche netzartige 
oder querfaltige Zeichnung der Muskelfasern, wo eine solche zu 
sehen ist. 

Dass es sich in der That um eine Art membranöser Hülle han- 
deit, geht aber auch aus anderen Beobachtungen hervor. 

Zerzupft man z. B. Gefäßmuskulatur des Nabelstranges frisch in 

BANNwARTH’s Eosin!, so gelingt es isolirte Fasern zur Ansicht zu 
bekommen, deren Inhalt deutlich fibrillär längsgestreift erscheint, 
während ihre vollkommen glattrandige Oberfläche von einem zarten 
Doppelkontour begrenzt wird, der an das Sarkolemm der Skelett- 
muskelfasern erinnert und sich in dem Fig. 3 h4 abgebildeten 
Falle als kurzes, häutiges Rohr über das freie, zugespitzte Ende der 
Muskelfasern hinaus verfolgen ließ. 
Legt man ein Stückchen Magen- oder Darmmuskulatur vom 
Frosch auf 24 Stunden in 70°/,igen Alkohol, so gelingt es beim Zer- 
zupfen wenigstens einzelne Faserstücke zu isoliren; die Oberfläche 
derselben erscheint dann stellenweise noch von häutchenartigen Be- 
legen bedeckt, welche ungemein fest mit der Faseroberfläche ver- 
bunden zu sein scheinen, worin auch der Grund für die schwere 
Isolirbarkeit dieser Fasern im frischen Zustande gesucht werden 
dürfte. Noch viel deutlicher tritt aber die Natur des die kontrak- 
tilen Faserzellen vereimnigenden Gewebes an verschieden fixirten und 
gefärbten Schnitten hervor. Bevor ich jedoch diese bespreche, muss 
ich noch eines besonders günstigen Untersuchungsobjektes gedenken, 
das mir der Zufall in die Hände gespielt hat. 


B. Die glatten Muskelzellen des Pferdedarmes und die sog. 
Verdichtungsknoten. 


Ein ganz eigenthümliches Verhalten bot nämlich die glatte Darm- 
muskulatur des Pferdes bei der Untersuchung im frischen Zustande 
dar. Aus der Gegend der Cardia und des untersten Duodenums 
wurden von einem beiläufig achtmonatlichen Fohlen und mehreren 
erwachsenen Pferden kleine Stückchen der Muskelhaut in !/,%/,iger 
Kochsalzlösung zerzupft. Dabei konnten leicht zahlreiche Fasern 
vollkommen isolirt werden; schon bei wenig sorgfältigem Zerreißen 
der Muskelstückchen mit den Nadeln wurde eine größere Anzahl der 


1 Archiv für mikr. Anat. Bd. XXXVIII. 1891. 


224 Josef Schaffer, 


Fasern frei schwimmend in der Flüssigkeit gefunden. Dabei zeigen 
dieselben vollkommen glatte Ränder und ausnahmslos eine geringere 
oder größere Anzahl von Verdichtungsknoten, so dass manche Faser 
wie in glänzende Schollen zerfallen erscheint. Diese Verdichtungs- 
.knoten, welche bis zu sieben und mehr an einer Faser zu beob- 
achten waren, erschienen stark glänzend, homogen, bald als dickere 
Knoten (Fig. 4 A), bald als schmälere quer oder schräg gestellte 
Bänder, die oft auch nur einen Theil des Faserquerschnittes betrafen 
(Fig. 4 #), kurz, sie zeigten ein ganz analoges Verhalten, wie die 
gleichnamigen Gebilde an quergestreiften Skelettmuskelfasern. 

Die Abschnitte zwischen den Knoten waren schwach licht- 
brechend und ließen eine deutliche fibrilläre Längsstreifung erkennen 
(Fig. 4 und 5). Diese Befunde waren so auffallend, dass ich an 
irgend welche pathologische Reizzustände dieser Muskelfasern denken 
musste; Nachforschungen über die Herkunft der untersuchten Objekte 
ergaben, dass das Fohlen an Pneumonie zu Grunde gegangen war, 
und die Muskeln erst beiläufig 10—12! p. m. in meine Hände ge- 
langt waren. Ein erwachsenes Pferd, das dieselben Verhältnisse 
zeigte, wie das Fohlen, war an Sepsis verendet und erhielt ich die 
Muskeln 6!1/," p. m. zur Untersuchung. 

In diesen Fällen konnte man also mit Recht an einen Zusammen- 
hang zwischen Erkrankung und dem Auftreten der zahlreichen Ver- 
diehtungsknoten denken. Daher war es mir sehr willkommen auch 
von einem ganz gesunden Pferde unmittelbar nach dem Tode die 
glatten Muskelzellen in analoger Weise untersuchen zu können. 

Die Fasern waren weniger leicht isolirbar; aber es gelang doch 
eine große Anzahl von solchen frei zu bekommen, welche einen 
vollkommen glatten Kontour besaßen und auch von Verdichtungs- 
knoten frei waren. Die Mehrzahl zeigte jedoch wieder solche, wenn 
auch nicht in so hohem Grade, wie bei den anderen Pferden. In 
breiteren Muskelbündeln fanden sich die Knoten in gleichen Höhen, 
so dass glänzende, wellige oder gebrochene Bänder über das ganze 
Bündel ziehen, die oft in ziemlich weiten Abständen (halbe Faser- 
länge) stehen. Die Fibrillen waren an manchen Fasern deutlich 
sichtbar und zwischen denselben nicht selten stärker lichtbrechende 
Körnchen, gleich den interstitiellen Körnchen der _ quergestreiften 
Muskelfasern, wie ich sie schon bei den vorher untersuchten Thieren 
gesehen hatte (Fig. 5 f). Von einem Netzwerk um die Fasern war 
nichts zu sehen; eben so wenig waren die Fasern ausgefranst oder 
mit Zacken, Höckern ete. versehen. Nur an Stelle der Verdichtungs- 


Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen, insbes. ihrer Verbindung. 295 


knoten erschienen die Fasern gegenüber den übrigen Abschnitten 
verdickt, ihr Rand vorgebuchtet, wie dies an- solchen Stellen die 
Regel ist. Dies kommt jedoch nicht einer absoluten Verdickung der 
Faser, wie sie bei der physiologischen Kontraktion auftritt, gleich. 
Fasern mit den irregulären Verdichtungsknoten erscheinen vielmehr, 
wie wir noch sehen werden, fast ausschließlich dünner als die nor- 
male ruhende Faser. Dabei geht auch zumeist die bandförmige Ge- 
stalt der letzteren in eine mehr eylindrische über. 

Die leichte Isolirbarkeit dieser Muskelfasern ist nun, bei dem 
sonst bekannten, festen Zusammenhalte der glatten Muskelzellen im 
frischen Zustande, von großem Interesse und soll im Folgenden er- 
klärt werden. Aber auch das Vorkommen der Verdichtungsknoten, 
welches bis jetzt wenig beachtet oder nicht richtig gedeutet worden 
ist, erfordert eine kurze Besprechung, da dasselbe in Verbindung mit 
der fibrillären Struktur und dem Nachweise von interstitiellen Körn- 
chen das feinere physiologische und histologische Verhalten der 
glatten Muskelzellen dem der quergestreiften sehr nähert. 

Schon KÖLLIKER (25) giebt an, dass sich die Muskelfasern des 
Darmkanals durch ein eigenthümlich knotiges Aussehen auszeichnen 
und beschreibt und deutet diese Knoten in zutreffender Weise: '» Sie 
zeigen sich entweder als mehr längliche Anschwellungen, die oft 
durch bedeutend verengte Stellen zusammenhängen oder als schmä- 
 lere, mehr wie Runzeln sich ausnehmende Querstreifen, die durch 
ihre oft ziemlich regelmäßige Lagerung den Faserzellen ein ganz 
eigenthümliches Aussehen giebt.< Er fand sie 6—12 an einer Faser 
und hält sie für zusammengezogene und daher diekere Stellen. 

R. HEIDENHAIN (17) beobachtete an überlebenden Muskelfasern 
das Auftreten von mehreren Kontraktionsknoten hinter einander an 
einer und derselben Faser und bezeichnet dies als eine Kontraktions- 
erscheinung, die jedoch nur bei herabgesetzter Leistungsfähigkeit 
vorkomme (l. ec. p. 195). Gleichzeitig theilt derselbe (18) eine Beob- 
achtung mit, welche offenbar dieselbe Erscheinung betrifft, ohne dass 
HEIDENHAIN jedoch die Zusammengehörigkeit dieser Dinge erkannt 
hätte. Er isolirte nämlich aus der Muskulatur eines Rinderdarmes 
18 Stunden p. m. Faserzellen, »die in ihrem Inneren einen Zerfall 
in zwei Substanzen, eine helle schwach lichtbrechende und eine 
dunkle, stark lichibrechende zeigten. Letztere verliehen der Zelle 
oft ein grob querstreifiges Aussehen«. HEIDENHAIN hielt diese 
Erscheinung hier für eine Gerinnung, obwohl er dieselbe schon 


1!/, Stunde p. m. gefunden hat, also zu einer Zeit, wo glatte Muskeln 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Bd. 15 


226 Josef Schaffer, 


noch ihre vollkommene Kontraktilität besitzen, und obwohl er sah, 
dass Säuren und Alkalien die »Stücke auflösen«, d. h. die Knoten ver- 
schwinden machen. 

Ich glaube, es kann keinem Zweifel unterliegen, dass es sich 
hier um analoge Dinge handelt, wie ich sie an frischen Skelettmuskel- 
fasern beschrieben habe (37, p. 40); um die auch von HEIDENHAIN 
geschilderten Kontraktionsknoten, welche zu mehreren, endlich sehr 
zahlreich an absterbenden Fasern auftreten, im Beginne sich noch 
zurückbilden können, endlich aber stehen bleiben und der Faser das 
seschilderte Aussehen verleihen. 

Sehr eigenthümlich ist nun die Schilderung und Erklärung, welche 
P. ScHhuLtz (40) von diesen Dingen gegeben hat, und noch eigen- 
thümlicher, dass er R. HEIDENHAIN (17), aus dessen erster Mitthei- 
lung er ganze Seiten eitirt, ohne der zweiten zu erwähnen, gleichsam 
als Gewährsmann für seine Erklärung hinzustellen versucht. So viel 
ich aus HEIDENHAIN’s angeführten Mittheilungen ersehen konnte, er- 
klärt derselbe durchaus nicht alle an glatten Muskelzellen zur Beob- 
achtung gelangenden scheinbaren Querstreifungen durch Ziekzack- 
biegungen der Zellen, wie man nach der Darstellung von SCHULTZ 
annehmen möchte. 

Er behandelt die Frage unter dem Titel »Querstreifung« (p. 527 ff.), 
hat aber dabei neben wirklich in Zickzack gelegten Fasern, wie aus 
seinen zahlreichen Abbildungen hervorgeht, dasselbe vor Augen ge- 
habt, was ich oben geschildert habe. Er eitirt eine Stelle aus 
HEIDENHAIN (17), an welcher dieser Forscher scheinbare Spiralformen 
slatter Muskelzellen auf die Flächenansicht von im Ziekzack gefal- 
teten Zellen zurückführt und fährt unmittelbar fort: »Und in der 
That, dies ist, wie meine eingehenden Untersuchungen nun bestätigen 
können, der wahre Sachverhalt. Alle diese Querstreifungen und 
Linien, diese Verdiekungen und Anschwellungen, diese spiraligen 
Windungen sind ein und dasselbe, sind nichts Anderes, als der opti- 
sche Ausdruck einer Faltenbildung der Zellen« (p. 530). Die Be- 
weise, welche ScHuLtz für diese Behauptung beibringt, sind nun 
allerdings nicht sehr stichhaltig, und dies um so weniger, als nicht 
einmal die histologischen Beobachtungen, welche denselben zu Grunde 
liegen, fehlerfrei sind. Wenigstens hat ScHhuLrz ein Moment, welches 
für die Deutung der »Querstreifen« von großer Bedeutung ist, nicht 
genügend hervorgehoben. Er lässt in vielen Figuren, so z. B. Fig. 18, 
25—27, 31, 32 in den knotenartigen Querstreifen die fibrilläre Längs- 
streifung eben so deutlich erscheinen, als in den übrigen Faser- 


Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen. insbes. ihrer Verbindung. 2927 


abschnitten. Das ist jedoch unrichtig; es ist geradezu charakteristisch 
für die »Querstreifen«, dass sie — im Zustande ihrer vollen Ausbil- 
dung — ein homogenes, stark lichtbrechendes Aussehen besitzen und 
sehr häufig bei jeder Stellung der Fasern als verbreiterte Stellen 
erscheinen, allseitig über den Kontour der Faser vorragen, also alle 
Merkmale eines echten Verdichtungsknotens besitzen, wie ich (37) sie 
an den quergestreiften Muskelfasern ausführlich beschrieben habe. 

Als weiteres Argument, als »stärksten Beweis«, dass es sich um 
Faltungen der Fasern handelt, führt ScauLtz das Verhalten des 
Kernes an. »Liegt eine Faltenbildung der ganzen Faser vor, so 
muss auch der Kern daran Theil nehmen und ebenfalls gefaltet und 
verkürzt erscheinen.« 

Letzteres kommt nun, wie ich ScHuLTz zugeben muss, in der 
That vor; aber die Faltung des Kernes, beziehungsweise eines Theiles 
desselben kann sehr häufig an kontrahirten Fasern gesehen werden, 
an denen keine Spur von Verdichtungsknoten zu sehen ist. Der 
chromatische Inhalt des Kernes zieht sich zu einem stäbchen- oder 
wurstförmigen Gebilde zusammen und erscheint, da ihm eine aktive 
Verkürzungsfähiskeit mangelt, um so stärker geschlängelt, passiv 
zusammengedrückt, je stärker die Kontraktion d. h. die Verkürzung 
der Faser ist. | | 

An Querschnitten durch eine Hautvene vom Unterschenkel des 
Menschen finde ich eine auffallend deutliche fibrilläre Längsstreifung 
der netzartig angeordneten, mächtigen eirkulären Muskelschicht ohne 
jede Spur von Verdichtungsknoten. Trotzdem erscheinen in den stark 
kontrahirten Fasern die Kerne der innersten Muskellagen, die am 
stärksten verkürzt sind, auch am stärksten wellenlinienartig gefaltet, 
welche Faltung gegen die Peripherie der Vene immer schwächer 
wird und in den äußersten Faserlagen endlich ganz aufhört; hier 
besitzen die Kerne die gewöhnliche stäbchenförmige Gestalt. 

Dass neben den Verdichtungsknoten, die man leicht in Schnitten 
lebenswarm fixirter Därme des Menschen oder beliebiger Thiere sehen 
kann, auch wirklich ziekzackartige Stauchungen und Faltungen vor- 
kommen können, ist sicher, doch handelt es sich dabei nur um 
Kunstprodukte durch passive Veränderung der Fasern, wie dies 
HEIDENHAIN bereits richtig betont hat. Dieser Forscher hat aber 
auch noch einen weiteren Grund für das Auftreten scheinbarer Quer- 
‚streifung hervorgehoben, den ScHuLTz unerwähnt lässt und auf den 
ich noch zurückkomme. 

Wesentlich erscheint mir noch, dass man die Verdichtungsknoten 

15* 


228 Josef Schaffer, 


auch an Querschnitten erkennen kann, und zwar in vollkommener 
Analogie mit den von mir bei den Skelettmuskeln beschriebenen Ver- 
hältnissen am ungefärbten Schnitt als heller glänzende, d. h. stärker 
lichtbrechende, am gefärbten als stärker gefärbte Felder. Man kann 
also auch bei den glatten Muskelfasern an gefärbten Querschnitten 
»dunklere oder hellere« Felder unterscheiden, wie dies z. B. schon 
BARFURTH (1, Fig. 1 und 2) und Kreckı (22, Fig. 1a und 5«) abge- 
bildet haben, ohne eine Erklärung dafür zu geben. 

An Querschnitten durch die in gesättigter Sublimatlösung fixirte 
Darmmuskulatur der Katze zeigten die homogenisirten, stärker licht- 
brechenden Faserquerschnitte fast ausschließlich die Form unregel- 
mäßiger sphärischer Polygone, während die dazwischen liegenden, 
schwächer liehtbrechenden und schwächer färbbaren Querschnitts- 
felder größer und rundlich erschienen; außerdem zeigten letztere eine 
scharfe Punktirung als Ausdruck ihrer Zusammensetzung aus Fibrillen 


(Fig. 6). 
Besonderes Gewicht ist bei dieser Beobachtung darauf zu legen, 
dass durch den — in seinem Wesen noch immer nicht vollständig 


klargelegten — Verdichtungsvorgang auch bei den glatten Muskel- 
fasern — wie ich schon erwähnt habe — eine Verdünnung der Faser 
eintreten kann, eine Art Schrumpfung, wie sie an quergestreiften 
Muskelfasern Exner (13) beobachtet hat. Der Vorgang ist von der 
typischen Kontraktion eben durch diese Verminderung des Volumens 
wesentlich unterschieden und von ROLLETT (34) passend als Schrumpf- 
kontraktion bezeichnet worden. 

Wir haben demnach auch bei den glatten Muskelzellen Kon- 
traktionsbäuche, wie wir sie noch kennen lernen werden (vgl. Fig. 8), 
und wie ich sie in besonderer Weise auch an den Muskeln der 
menschlichen Prostata, des Ductus deferens (Fig. 7), und a. a. ©. 
sesehen habe und Schrumpfkontraktionen zu unterscheiden, wie ich 
sie beim Pferde (Fig. 4, 5) beschrieben habe. 

Besonders betonen muss ich nochmals, dass diese Verdichtungen, 
serade wie bei den quergestreiften Muskeln auch bei der glatten 
Muskelzelle nicht immer den ganzen Faserquerschnitt betreffen, 
sondern, dass oft oberflächliche Fibrillenlagen oder -gruppen in die 
Verdichtung nicht einbezogen erscheinen (Fig. 4 4). 

Die Kenntnis dieser Thatsachen ist für die Beurtheilung ge- 
wisser Querschnittsbilder der glatten Muskelfasern von wesentlicher 
Bedeutung und soll später darauf noch näher eingegangen werden. 


Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen, insbes. ihrer Verbindung. 229 


C. Die Einwirkung von Reagentien auf die kontraktilen 
Faserzellen. 


Wenn ich mich nun zur Besprechung der Durchschnittsbilder 
verschiedenartig vorbehandelter Objekte wende, so muss darauf hin- 
sewiesen werden, dass die Veränderungen, welche die gebräuchlichen 
Isolations- und Fixirungsmittel an den glatten Muskelfasern hervor- 
rufen, sehr verschiedene und recht beträchtliche sein können; wir 
haben es ja mit aktiv veränderlichen Gewebeelementen zu thun, 
welche durch den Reiz dieser Mittel zu typischen oder atypischen 
Kontraktionserscheinungen gebracht werden können. Diese müssen 
nicht nur das Bild der Muskelfaser selbst, sondern auch dasjenige 
des Bindemittels dieser kontraktilen Faserzellen in hohem Grade 
beeinflussen. 


Schon DraschH (il) erwähnt, dass das Netzwerk zwischen und auf den 
Fasern deutlicher wird bei Behandlung mit 31/2%/,iger Salpetersäure und 20/yiger 
Chromsäure, weniger deutlich mit MÜLLERr’scher Flüssigkeit; bei Behandlung 
mit Osmiumsäure oder FLEMMING’s Gemisch erscheint dasselbe als eine fein- 
sekörnte, von kleinen rundlichen Lücken durchbohrte Masse. Nach RoLLETT 
(33) erscheinen die Ränder isolirter Faserzellen »glatt oder wellig geschwungen 
oder auch fein gezähnelt«. Das Letztere ist besonders dann der Fall, »wenn 
das angewendete Isolirungsmittel eine Schrumpfung der Muskelfasern .... zur 
Folge hatte«. 

Solche gezackte oder gezähnelte Fasern sind wiederholt abgebildet wor- 
den; so von SCHIEFFERDECKER (39, Fig. 625), Dısse (10, Fig. 23), BENDA (4, 
Taf. XI, Fig. 7) u. A. Während Ersterer diese Zacken ausdrücklich als eine 
Folge der Schrumpfung bezeichnet, scheint sie Dısse für eine normale Eigen- 
schaft zu halten, obwohl er daneben auch noch von den Barrurrt#’schen Längs- 
leisten spricht; BENDA endlich erklärt den unregelmäßig gezähnten Rand ohne 
Weiteres als »Reste von Intercellularbrücken«. 

HoEur (22) sah bei Zusatz der Fixirungsflüssigkeiten zu frischen Muskel- 
zellen unter dem Mikroskope den vorher kreisrunden Querschnitt derselben in 
einen sternförmigen übergehen; leider erwähnt er nichts über die Methode, 
mittels der er diese Beobachtung gemacht hat. 

Da nun eine genaue Kenntnis der Reagentienwirkung auf die frische kon- 
traktile Faserzelle zur Beurtheilung der Schnittbilder, auf welche ja die Lehre 
von den Intercellularbrücken aufgebaut ist, von der größten Bedeutung er- 
scheint, habe ich zunächst die Veränderungen untersucht, welche lebende 
Muskelfasern der Nabelstranggefäße vom Menschen. sowie des Darmtraetus 
vom Pferd unter dem Einfluss einiger Reagentien erleiden. 

Ich habe diese zwei Objekte gewählt, weil sie gleichsam zwei Extreme 
darstellen; zwischen den Fasern der Nabelstranggefäße ist schon im frischen 
Zustande ein geformtes, zartes Bindegewebe leicht und zweifellos nachweisbar. 
Bei den auffallend leicht isolirbaren Fasern der Darmmuscularis vom Pferd ist 
ein solches oder anderes Bindemittel nicht unmittelbar zu beobachten. 

Die vom anhaftenden Bindegewebe möglichst frei präparirten Gefäß- 


330 Josef Schaffer, 


stückchen oder Theile der Darmmuskelhaut wurden, nachdem der Befund am 
frischen Isolationspräparat festgestellt war, auf 24 Stunden in die verschiedenen 
Flüssigkeiten gebracht und dann die Fasern wieder isolirt. Dabei zeigten die 
Muskelstückchen schon makroskopisch erkennbare, sehr. verschiedene Volums- 
veränderungen. 

1/e Joige Chromsäure; von BARFURTH (1) zur Darstellung der Intercellu- 
larbrücken empfohlen. Die Fasern sind geschrumpft und so deutlich in Fibril- 
len gesondert, dass man im Zupfpräparat einzelne Fibrillen isolirt findet. Dabei 
erscheinen die Fasern wie in Fibrillenröhren umgewandelt, die fibrilläre Sub- 
stanz an die Peripherie gedrängt, wesshalb die Fasern scharf und dunkel kon- 
tourirt erscheinen, während der Kern und die centralen Partien wie leer aus- 
sehen. Diese Fasern liegen in einem zarten Netzwerk eingebettet, das oft ein 
körniges Aussehen besitzt. 

Untersucht man in gleicher Weise eine vorher gedehnte und im gespann- 
ten Zustande fixirte Nabelstrangarterienwand, so erscheinen die Fasern verdünnt 
und verlängert, vollkommen glattrandig, und die Zwischenräume zwischen 
denselben sehr schmal. Das außerordentlich feinfaserige Netzwerk zwischen 
den Fasern ist nur in Wasser sichtbar; deutlich tritt es in Form theilweise 
quer zwischen den Muskelzellen ausgespannter Fäserchen im eingetrockneten 
Präparat hervor. 

Die Fasern aus der Darmmuscularis vom Fohlen sind nach der Chrom- 
säureeinwirkung wenig verändert, isolirbar, glattrandig bis auf die erhaltenen, 
stark glänzenden Verdichtungsknoten und deutlich fibrillär gestreift. 

Drittelalkohol; die Fasern der Nabelstranggefäße sehr blass und in 
ähnlicher Weise isolirbar, wie am frischen Objekt; das ganze Stück stark ge- 
quollen. Vielfach tritt an den isolirten Fasern mit großer Deutlichkeit die 
glänzende, wellige Kontourlinie hervor. Eine Anzahl der Fasern zeigt deut- 
liche Kontraktionsbäuche, welche sich z. B. mit Congoroth intensiv färben. 
Der ganze Faserinhalt erscheint dann innerhalb einer Art schlauchförmigen 
Umhüllung wie retrahirt (Fig. 8), ein Bild, das sehr an die von WERNER (45) 
dargestellte Fig. 4 erinnert; hier erscheinen stark gedehnte Fasern im Längs- 
schnitt dargestellt. Bauchig verdickte, also offenbar kontrahirte Stücke wer- 
den durch anscheinend leere schlauchförmige Hüllen verbunden. WERNER 
bezeichnet diese Muskelbäuche als »abgerissene« Faserenden; es kann sich 
aber nach meiner Erfahrung auch einfach um maximal verkürzte und verdichtete 
Fasern gehandelt haben. 

Die Fasern vom Fohlen waren nach Drittelalkoholwirkung so leicht zu 
isoliren, wie am frischen Objekt, ihr Aussehen sammt den Knoten fast unver- 
ändert, nur die feine fibrilläre Längsstreifung zeigt vielfach, wie durch Vacu- 
olenbildung, ein mehr längsnetziges Aussehen. 

ige Osmiumsäure; die Fasern der Nabelstranggefäße der Mehr- 
zahl nach ad maximum verkürzt und verdickt, so dass man nur spindelförmige 
Bruchstücke vor sich zu haben glaubt. Dieselben zeigen an ihrer Oberfläche 
oft diehte feine Runzeln und Wülstchen, welche dem Profil der Fasern ein 
sezähntes Aussehen verleihen. Entsprechend einer starken Quellung des ganzen 
Stiickes findet man auch das Netzwerk zwischen den Fasern verquollen. Über 
einzelnen Fasern sieht man jedoch zarte, glänzende Häutchen in dichte und 
feinste Querfalten gelegt; auch netzartig durchbrochene solche Umhüllungen 
einzelner Fasern kommen im Isolationspräparat zur Ansicht. 

Die Fasern vom Fohlen erschienen in ihren Dimensionen und Aussehen 


Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen, insbes. ihrer Verbindung. 231 


wenig verändert, leicht braun gefärbt, die Knoten erhalten; nur waren die 
Fasern schwerer isolirbar und die fibrilläre Struktur nicht mehr gut sichtbar 
geworden. 

0,250,iges Palladiumchlorid. Das Stückchen Nabelstranggefäß im 
Ganzen etwas gequollen, intensiv braun gefärbt und so gehärtet, dass die Fasern 
nicht mehr isolirbar, stark brüchig geworden sind. Ihr Inhalt erscheint voll- 
kommen homogenisirt, das Netzwerk zwischen den Fasern durch Quellung un- 
deutlich geworden. 

Eine auffallende Einwirkung ließ dieses Reagens auf die Fasern vom 
Fohlen erkennen. Auch diese waren kaum zu isoliren, vollkommen scharf- und 
glattrandig, die fibrilläre Struktur aber auch die glänzenden Verdich- 
tungsknoten spurlos verschwunden. 

200%,pige Salpetersäure. Die Fasern aus den Nabelstranggefäßen leicht 
isolirbar, theils glattrandig, theils erscheint ihre Oberfläche mit körnchenartigen 
Resten des durch die Säure aufgelösten Bindemittels besetzt, so dass ihre Rän- 
der wie ausgefranst oder mit Zacken, Zähnchen etc. besetzt erscheinen. Ein großer 
Theil der kontraktilen Fasern hat aber tiefgreifende Veränderungen erfahren; 
die am meisten ins Auge springende ist die, dass die Ränder der aus ihrem 
Netzwerk vollständig isolirten Faser unregelmäßig, bald feiner, bald gröber 
gezackt erscheinen, während von einem Theile dieser Zacken aus wulstartige 
Erhebungen quer über die Faser verlaufen. In der Aufsicht erscheinen diese 
Zacken als glänzende Punkte. Außerdem erscheint die Faser im Ganzen stellen- 
weise verdickt, dann wieder verdünnt (Fig. 9), so dass sehr unregelmäßige 
Formen entstehen. Schon LEYDIG erwähnt in seinem Lehrbuche der Histologie 
(1857, p. 48), dass bei der Salpetersäure-Isolation die glatten Muskelfasern 
schmäler werden und zahlreiche »Einknickungen oder Drehungen« erleiden. 
Auch deutliche Ziekzackbiegungen konnte ich an einigen Fasern sehen. 

In 10%,igem Formalin erhalten sich die Fasern aus der Darmmuskula- 
tur eines Pferdes unverändert mit ihren Verdichtungsknoten; sie bleiben iso- 
lirbar und tritt an den nicht verdichteten Theilen die fibrilläre Struktur außer- 
ordentlich deutlich hervor. 

Die Fasern des Nabelstranges sind theilweise gut mit vollkommen glattem 
Rande isolirbar, theilweise stark kontrahirt, verkürzt und verdickt, mit queren 
feinen Runzeln versehen, von denen es nicht immer zu entscheiden ist, ob sie 
einer Fältelung des Bindemittels oder engen Verdichtungsscheiben der Faser 
selbst entsprechen; sie verleihen jedoch bei scharfer Profileinstellung dem Rande 
ein gezähntes Aussehen. Stellt man hingegen auf die Oberflächen solcher, noch 
zu Bündeln vereinigter Fasern ein, so erhält man den Eindruck einer oft sehr 
gleichmäßigen und engen Querstreifung, die über dieselben hinwegzieht. 

Vereinzelte Fasern erscheinen auch mit wirklichen Spitzen und Höckern 
besetzt, die zweifellos der Muskelfaser selbst angehören. Das Auftreten solcher 
Querstreifen an kontrahirten Muskelfasern ist bereits von den älteren Beob- 
achtern [LEBERT (30), MEISSNER (31)] zutreffend geschildert worden, besonders 
aber von R. HEIDENHAIN (17), der dasselbe bei Wirbelthieren sowohl als auch bei 
Wirbellosen sah. SCHULTZ übergeht diese Angaben stillschweigend, obwohl sie 
in einer »Geschichte der Querstreifung<, von der er spricht, hätten erwähnt 
werden müssen. 

Bei der Kontraktion der glatten Muskelbündel in der Froschblase sah 
HEIDENHAIN (17) das Auftreten sehr feiner, über das Bündel zerstreuter feiner 
Querlinien, welche den optischen Ausdruck von Falten darstellten. Er konnte 


232 Josef Schaffer, 


aber nicht entscheiden, ob diese Falten den Muskelfasern selbst oder dem sie 
bedeckenden Bindegewebe angehören. Dagegen konnte er sich an den Muskel- 
fasern von Wirbellosen (Blutegel, Naiden), bei denen eine Hülle (Zellwand) 
zweifellos nachweisbar ist, leicht überzeugen, dass es diese Hülle ist, welche 
sich bei Wasserzusatz oder bei der Kontraktion >in oft sehr regelmäßige und 
zierliche, in bestimmten Abständen von einander stehende Querfalten legt« (17, 
p. 188). Bei der Erschlaffung gleichen sich dieselben wieder aus; an den Rän- 
dern der Zelle machen sie sich als eine feine Zähnelung bemerkbar. 

Die oben von mir geschilderten Veränderungen traten noch viel klarer 
an der Darmmuskulatur eines Affen, Rhesus nemestrinus hervor, von der ich 
kleine Stückchen in das Formalingemisch von KAISERLING! eingelegt hatte. Da 
diese leicht als Reagenswirkung auf die lebende Muskulatur festzustellenden 
Bilder wesentlich zum Verständnis der sog. Intercellularbrücken, sowie der 
Schrumpfkontraktion beitragen, sei die Wiederholung in der Beschreibung ent- 
schuldigt. 

Betrachtet man am einfach in Glycerinwasser untersuchten Zupfpräparat 
ein kleineres Bündelchen bei oberflächlicher Einstellung, so erscheint dasselbe 
wie quergestreift (Fig. 11 A). Diese scheinbare Querstreifung zieht über eine 
ganze Anzahl neben einander liegender Fasern und ihre Zwischenräume hinweg. 
Bei starker Vergrößerung erkennt man leicht, dass es sich um dichte Fältchen 
einer die Oberfläche der Fasern bedeckenden, beziehungsweise die Fasern um- 
hüllenden, zarten Bindesubstanz handelt. Senkt man die Schraube zur Einstel- 
lung auf die Seitenränder der Fasern, so kann man das querfaltige Bindemittel 
sich in die Intercellularspalten einsenken und die Fasern brückenartig verbin- 
den sehen (Fig. 112). 

Vergleicht man mit dieser Schilderung die, welche DrASCH in seiner be- 
reits erwähnten, ausgezeichneten Untersuchung von den glatten Muskelfasern 
in den Giftdrüsen des Salamanders gegeben hat, so wird man die große Über- 
einstimmung in den Beobachtungen und Schlussfolgerungen nicht übersehen 
können. Ohne das Wort »Intercellularbrücken« zu brauchen und ohne Kennt- 
nis von der Arbeit KULTSCHITZ&Ky’s beschreibt DrAscH an der Hand vorzüg- 
licher Abbildungen die scheinbaren brückenartigen Verbindungen der glatten 
Muskelfasern, die er — ein besonders günstiger Umstand für die Beobachtung — 
an seinem Objekt in einer einfachen Lage im Flächenpräparat vor sich hatte. 
Er schildert das über die Muskelfasern hinziehende feine Geäder und den Zu- 
sammenhang desselben mit den Zacken in den Muskelspalten und erkennt 
schließlich, dass es sich um dünne Scheiden oder Hüllen der Muskelfasern 
handelt, welche unter dem Einfluss der Reagentienbehandlung das Bild einer 
scheinbaren Verzahnung der Muskelzellen hervorruft. 

An unserem Objekte wird dieser täuschende Eindruck von Intercellular- 
brücken noch verstärkt durch ein eigenthümliches Aussehen der Muskelfasern 
selbst. Es gelingt leicht, solehe beim Zerzupfen vollkommen zu isoliren und 
so die Veränderungen festzustellen, welche sie im Formalingemisch erlitten 
haben. Sie zeigen sich einmal sämmtlich homogen, glänzend, wie kontrahirt, 
ohne den Kern deutlich erkennen zu lassen; dann findet man aber auch viele 
-Tingsum mit zahlreichen Spitzen, Höckern und schmalen, ringförmigen Ver- 
dichtungswülstchen besetzt, so dass sie im Profil gesehen eine scharfe Zähnung 
darbieten (Fig. 10 a, 5). 


! Vırcaow’s Archiv. Bd. CXLVII. p. 389, 


Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen, insbes. ihrer Verbindung. 233 


Weiter erscheinen diese Fasern gegenüber den frischen (Fig. 2) geschrumpft, 
daher auch die Intercellularspalten weiter, und so sieht man an Stelle der 
am frischen Objekt zwischen den Fasern sichtbaren welligen Streifen schein- 
bare Intercellularbrücken, gebildet von den Zacken der Fasern und dem in 
Querfalten gelegten intercellulären Bindemittel. Das Zustandekommen dieser 
Querfalten müssen wir in erster Linie auf die Verkürzung der Muskelfaser, 
d. h. auf einen Zug in der Längsrichtung derselben zurückführen. 

Die Veränderung, welche die Fasern erlitten haben, lässt sich am besten 
mit der sternförmigen Verschrumpfung der rothen Blutkörperchen vergleichen 
und giebt uns dieser Vorgang auch eine Erklärung für die später zu schildern- 
den Querschnittsbilder. 

_MÜLLERrR's Flüssigkeit; diese bewirkt an den Muskelstückchen in der 
ersten Zeit eine Quellung, welche zum Theil die kontraktilen Faserzellen selbst 
betrifft. Dieselben sind sowohl aus den Nabelstranggefäßen, als noch leichter 
- aus der Darmmuskulatur des Pferdes theilweise mit vollkommen glattem Kon- 
tour isolirbar und unterscheiden sich dann von den frischen Fasern nur durch 
eine geringe Volumzunahme in Folge der Quellung, den deutlich gewordenen Kern 
und die etwas verwaschene, mehr in ein längsnetziges Aussehen übergegangene 
Fibrillenstreifung. Besonders die Fasern aus der Darmmuscularis vom Pferd 
geben bei 8—14tägiger Einwirkung von Mürrer’scher Flüssigkeit vorzügliche 
Bilder, welche sich auch weit besser, als mit starker Salpetersäure oder Kali- 
lauge isolirte Muskelzellen zur Demonstration im mikroskopischen Kursus eig- 
nen. Man kann kleine Stückchen vor dem Zerzupfen mit DELAFIELD’s Häma- 
toxylin-Thonerde färben, und erhält dann die langen Kerne intensiv gefärbt, 
während der Zellleib einen blaugrauen Ton angenommen hat. An solchen 
vollkommen isolirten Fasern (Fig. 12) erkennt man leicht die bandförmige, 
abgefiachte Form (d) und die fein zugespitzten, manchmal gegabelten Enden 
(Fig. 10a); der Kontour ist in den meisten Fällen vollkommen glatt, der Kern 
liegt in vielen Fasern einem Ende näher, nicht in der Mitte. In diesem Falle 
- fehlten auch die reichlichen Verdichtungsknoten, die ich bei den anderen, im 
frischen Zustande isolirten Fasern von Pferden gefunden habe. 

Eine Anzahl von Fasern zeigte jedoch auch nach Einwirkung von MÜLLER- 
scher Flüssigkeit Veränderungen ihrer Form; so fand ich besonders unter den 
Fasern der Nabelstrangarterie verkürzte und verdickte Fasern mit quer runze- 
liger Oberfläche und gezähntem Profil. Das intercelluläre Netzwerk erschien 
leicht verquollen. 


Aus diesen Beobachtungen ersieht man, dass die verschiedenen 
chemischen Agentien vielfach verändernd auf die glatte Muskelfaser 
einwirken. 

Diese Veränderungen scheinen stets nur eine gewisse Anzahl von 
Fasern zu betreffen, und auch bei Fasern verschiedener Organe nicht 
durchaus gleich zu sein, wie man aus dem vergleichsweise zusammen- 
gestellten Verhalten der Fasern aus den Nabelstranggefäßen und der 
Darmmusecularis schließen muss. 

Ob dieser Unterschied in strukturellen oder physiologischen Ver- 
schiedenheiten der Fasern, oder ob er auf rein äußeren Momenten, 


234 Josef Schaffer. 


z. B. dem verschiedenen Zeitpunkte des Einbringens der Fasern in 
die Flüssigkeit, mechanischer Läsion (Zerrung, Druck) der Fasern 
vor der Reagenswirkung etc. beruht, kann durch diese Versuche nicht 
entschieden werden. 

Durch diese Veränderungen geht vielfach der vorher glatte Kon- 
tour der Muskelfasern verloren und wandelt sich durch Bildung 
querer Verdichtungswülstchen in einen scheinbar gezähnten um. 

Vielfach werden die Fasern durch die Reagenswirkung aber 
auch zu regelrechter Kontraktion gebracht, in welcher sie absterben. 
Im ausgeschnittenen Stück, in dem die Fasern im Zusammenhange 
bleiben, müssen diese Kontraktionen auf das allenfalls vorhandene, 
geformte Bindemittel einen Zug in der Längsrichtung der Fasern und 
damit eine Fältelung senkrecht zum Faserverlaufe bewirken. An 
Längsschnitten müssen diese Faltungen im Wesentlichen als eine 
über die Fasern gehende Querstreifung, oder, bei geänderter Ein- 
stellung, als quere intercelluläre Bildungen in die Erscheinung treten. 

Umgekehrt muss eine Schrumpfung des Faserinhaltes einen ähn- 
lichen Zug in der Querschnittsrichtung ausüben, während Quellung 
der Fasern eine gleichmäßige Kompression des Bindemittels in den 
verengten Intercellularräumen bewirken muss. 

Wenn dieses Bindemittel auch im frischen Zustande ein geform- 
tes ist, wie die Beobachtung an den überlebenden Faserbündeln aus 
den Nabelstranggefäßen gezeigt hat, so kann sein Charakter durch 
den Einfluss von Säuren, welche es zur Quellung bringen, verloren 
gehen; es kann in eine homogene Masse umgewandelt oder theil- 
weise aufgelöst werden. 

Wir müssen also bei Beurtheilung der Schnittbilder die größte 
Kritik walten lassen, um Reagenswirkungen und Strukturen aus 
einander zu halten. 

Dies wird um so schwerer, je dünner die Muskelfasern und je 
zarter das Bindemittel derselben ist, d. h. je dichter gedrängt sie 
erscheinen. Daher ist es nöthig zunächst ein Objekt zu untersuchen, 
welches durch dieke, nicht zu dieht gedrängte Fasern ausgezeichnet 
ist, somit auch das Bindemittel deutlich erkennen lässt. Weiter 
müssen wir Färbemethoden anwenden, welche eine scharfe Sonde- 
rung dieses Bindemittels und des kontraktilen Zellkörpers gestatten. 

Ich werde daher zunächst die Schnittbilder von mannigfach 
fixirten und gefärbten Nabelstranggefäßen vom Menschen 
besprechen und dann zu den anderen, klassischen Untersuchungs- 
objekten der Autoren übergehen. 


Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen, insbes. ihrer Verbindung. 235 


D. Beobachtungen an Schnittpräparaten; Färbetechnik zur Trennung 
der Muskel- und Bindesubstanz. 


Betrachtet man Längsschnitte durch die glatten Muskeln eines 
in Pikrinsäure-Sublimat fixirten und in der gewöhnlichen Weise mittels 
Hämalaun-Eosin doppelt gefärbten Nabelstranggefäßes (Fig. 13), so 
sieht man die intensiv roth gefärbten, glattrandigen und deutlich 
fibrillär längsgestreiften Muskelzellen durch schmälere oder breitere 
Spalträume getrennt, welche anscheinend von queren zarten und 
schwächer roth gefärbten Verbindungsbrücken durchzogen werden. 

Wo die Spalten zwischen zwei benachbarten Muskelzellen sehr 
schmal sind, machen diese Verbindungen ganz den Eindruck von 
Intereellularbrücken und kann man hier auch vielfach, wie dies 
NıcoLas (32), BOHEMAN (6) und TRIEPEL (43) schildern, sehen, dass 
manche dieser Brücken über eine oder mehrere Muskelzellen hin- 
wegziehen, um sich erst an entferntere anzusetzen. 

Dieses, echten Intercellularbrücken nicht zukommende Verhalten 
hat TRIEPEL allerdings schon zweifelhaft gemacht, ob man es da 
nicht mit feinen Bindegewebsfasern zu thun habe. 

Wo jedoch die Spalträume breiter sind, erkennt man leicht, dass 
die anscheinenden Verbindungsbrücken einem Zwischengewebe ange- 
hören, welches ein ganz eigenthümliches Aussehen besitzt und von 
den Muskelzellen selbst substantiell wesentlich verschieden ist. Dies 
wird sofort klar, wenn man solche Schnitte statt mit Eosin, welches 
Muskelzellen und Zwischengewebe gleich färbt, mit einem Gemische 
von Pikrinsäure und Säurefuchsin (Säurerubin, Nigrosin) nachfärbt. 

Es ist eine bereits seit der ersten Anwendung des Pikrokarmins bekannte 
Thatsache, dass aus dieser Mischung Muskelfasern gelb, Bindegewebe roth ge- 
färbt erscheinen (SCHWARZ, Sitzungsber. der k. Akad. der Wissensch. Wien, 
Bd. LV; Srircıng, Journ. Anat. Physiol., Bd. XV und a. a. O.). Viel schärfer 
und rascher gelingt die färberische Trennung dieser zwei Gewebe durch die 
von VAN GIESoN (The New York Med. Journ. Vol. I, 1889) zur Untersuchung 
des Nervengewebes empfohlene Mischung von gesättigter, wässeriger Pikrin- 
säure und Säurefuchsin. Die Methode wurde meines Wissens bei uns zuerst 
von P. ERNST (ZIEGLER’s Beiträge zur pathol. Anat., Bd. XI, 1892) zum Nach- 
weise von Hyalin eingeführt. Ich selbst habe bereits an anderer Stelle (Wiener 
klin. Wochenschr., Jahrg. 1896, Nr. 45) die allgemeine Verwendbarkeit dieser 
Methode kurz besprochen und besonders hervorgehoben, dass mittels derselben 
durch die ungemein scharfe Rothfärbung des Bindegewebes der Nachweis 
dünnster Fäserchen gelingt. Da andererseits Muskeln und elastische Fasern 
gelb gefärbt werden, ist diese Färbung geradezu als eine specifische zum Nach- 


weise von Bindegewebe zu bezeichnen. Besonders die Möglichkeit, glatte 
Muskelfasern im Bindegewebe zu differenziren, ist eine sehr werthvolle Eigen- 


2336 Josef Schaffer, 


schaft derselben. Für die geringe Haltbarkeit und das baldige Ausblassen ge- 
rade der Rothfärbung wusste ich damals keinen Grund anzugeben. Ich habe 
seither auch in dieser Beziehung einige Erfahrungen gesammelt und Versuche 
gemacht. Da Säurefuchsin ein säurebeständiger Körper ist, konnte ein all- 
fälliger Säuregehalt des Balsams nicht der Grund des Verblassens sein. Ver- 
setzt man eine Pikrofuchsinmischung mit Säure, so bleibt sie roth; dagegen 
tritt alsbald die rein gelbe Farbe der Pikrinsäure hervor, wenn man einen 
Tropfen Alkali zusetzt. Auch konnte ich seit längerer Zeit beobachten, dass 
z. B. Ossifikationspräparate, welche mittels Säure entkalkt waren und vielleicht 
noch eine Spur derselben enthielten, jahrelang die reiche Farbendifferenzirung 
bewahrten, und so lag der Schluss nahe, dass es der Alkaligehalt des Glases 
(Objektträger, Deckglas) sei, welcher an säurefreien Präparaten die Rothfärbung 
zum Schwinden bringt. Ich habe daher eine Säuerung der Präparate versucht, 
die aber nicht zu stark sein darf, weil sonst wieder die Pikrinsäurefärbung nicht 
zur Geltung kommt. Vielleicht haben ähnliche Erfahrungen die neuesten Mit- 
theilungen über die Pikrofuchsinfärbung von MÖLLER (Bemerkungen zur VAN GIE- 
son’schen Färbungsmethode, Zeitschr. für wiss. Mikr., Bd. XV, 1898, p. 172) und 
HAnsSEn (Eine zuverlässige Bindegewebsfärbung, Anat. Anz., Bd. XV, 1898, 
p. 151) veranlasst. Ersterer empfiehlt dem Spülwasser und dem Alkohol zum 
Entwässern der Schnitte einige Tropfen des Pikrofuchsingemisches zuzusetzen, 
offenbar ebenfalls, um die Farben besser zu erhalten. Wenn MÖLLER es als 
»wesentliche Ungelegenheit« beklagt, dass ein festes Maßverhältnis zwischen 
Pikrinsäure und Säurefuchsin sich nicht angegeben findet, so erinnere ich noch- 
“ mals daran, dass RAmön Y CAJAL ein solches von 0,1 Säurefuchsin auf 100 ccm 
kalt gesättigter Pikrinsäure empfohlen hat (siehe TERRAZAS, Riv. trimestr. microgr. 
Vol. I, 1896, p. 117). Ich selbst habe diese Mischung seit mehreren Jahren als 
ausgezeichnet erprobt. HANSEN empfiehlt die Pikrofuchsinfärbung sehr warm 
als »zuverlässige Bindegewebsfärbung« und hat genaue Vorschriften für dieselbe 
gegeben, von denen jedoch nur ein geringer Essigsäurezusatz zur Farbmischung 
als wesentlich neu erscheint. Ich kann die Angabe des Autors, dass mittels 
dieser Methode Bindegewebe leuchtend roth, alles Andere gelb gefärbt erscheint, 
und dass diese Differenzirung augenblicklich, wie eine Reaktion eintritt, nur 
bestätigen (doch hätte nach meiner Empfindung Hansen bei der Beschreibung 
der »von ihm gefundenen< Methode der ursprünglichen Angabe vAn GIESoN’s 
anders gedenken müssen, als so nebenbei in der Klammer). Aber auch bei 
stundenlangem Liegen in der Mischung tritt keine Überfärbung, oder Färbung 
anderer Gewebstheile auf und bleibt auch das Celloidin vollkommen ungefärbt. 
Das von MÖLLER empfohlene kurze Verweilen in der Pikrofuchsinmischung ist 
nur geboten, wenn mit Hämatoxylin-Thonerde vorgefärbt wurde. Wesentlich 
für die Reinheit der Farbendifferenzirung ist aber die Art der Fixirung des 
Objektes und habe ich im Allgemeinen Chromsäuregemische (MÜLLER’s, FLEM- 
MING’s, GOLGI’s und KULTSCHITZKY’s Gemisch) ungünstig befunden; am reinsten 
tritt die Reaktion nach Fixirung in Sublimat, Pikrinsublimat oder absolutem 
Alkohol auf. Die von vAn GIESoNn angegebenen Nebenwirkungen (Rothfärbung 
der Ganglienzellen, Glia, Blutgefäße), sowie die Angabe von P. ERNST, dass 
sich gewöhnliches Bindegewebe nicht, sondern erst in hyaliner Degeneration 
begriffenes roth färbt, beruhen theils auf unzweckmäßiger Vorbehandlung, theils 
auf mangelhafter Differenzirung (Schwenkung) der gefärbten Schnitte im Alkohol. 

Die von UnnA (Monatshefte für prakt. Dermat., Bd. XVIII, 1894, p. 509) 
empfohlene »speeifische Färbung des Collagens< mittels Säurefuchsin und 


Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen, insbes. ihrer Verbindung. 9237 


Pikrinsäure ist allerdings nicht mit der van GIESoN’s zu verwechseln. Aber 
gerade im Gegensatz zu Unna muss ich nach meiner Erfahrung sagen, dass 
seine Methode zur elektiven Bindegewebsfärbung nicht geeignet ist, da mittels 
derselben die feinsten Bindegewebszüge entfärbt werden, außerdem aber auch 
eine Rothfärbung der Kerne auftritt. 

Eben so leicht und scharf gelingt die Bindegewebsfärbung mittels der 

von KULTScHITzKky zur Neurogliafärbung empfohlenen Pikrorubinmischung 
(Anat. Anz., 8. Jahrg., 1893, p. 357). Dass KULTscHIitTzky mittels derselben 
Gliafärbung erhielt, beruht nur auf der Vorbehandlung der Gewebe und dem 
hohen Säuregehalt des Farbgemisches. Ich habe mir dasselbe zur elektiven 
Bindegewebsfärbung in folgender Weise modifieirt: gesättigte, wässerige Pikrin- 
säure 100, Patent-Säurerubin 0,15, Eisessig 2 Tropfen. Vorbehandlung mittels 
Sublimat oder Alkohol; Färbedauer 1 Minute bis Stunden, wenn nicht mittels 
Hämatoxylin-Thonerde vorgefürbt wurde; Übertragen der Schnitte direkt in 
95%%,igen Alkohol, in dem sie gut ausgeschwenkt werden müssen. Die Sub- 
mucosa des Darmes wird dann z. B. schon für das freie Auge als leuchtend 
rother Streifen sichtbar. 
Wo es sich um die Wahrnehmung dünnster Häutchen von der Fläche 
handelt, werden aber diese Methoden noch übertroffen durch die von FREEBORN 
empfohlene Pikro-Nigrosinfärbung (vgl. Notes on histological technique. Americ. 
Month. Mier. Journ., Vol. IX, 1888, p. 231 und Staining connective tissue with 
nigrosine [indulin, anilin, blueblack]. Journ. R. Mier. Soc. 1889, p. 305). Die 
Farbenkontraste sind weniger schön, als bei den vorigen Methoden, aber da- 
für ist die Haltbarkeit der Färbung größer und, wie gesagt, auch die Wahr- 
nehmung dünnster Bindegewebshäutchen zwischen den Muskelfasern möglich. 
Hierzu sind dünne Paraffinschnitte am günstigsten. Die mit Wasser aufge- 
klebten Schnitte werden !/, Stunde (FREEBORN sagt 3 Minuten, was ich zu kurz 
fand) oder länger in dem Gemische von ges. wässr. Pikrinsäure 90, 10), wässr. 
- Nigrosinlösung 10 gefärbt, ausgewaschen, entwässert und in Balsam einge- 
‚schlossen. Muskelfasern graugrün (Verdichtungs- und Kontraktionsknoten leuch- 
tend gelb), Bindegewebe blauschwärzlich. Die Färbung gelingt auch an Cel- 
loidinschnitten, doch empfiehlt sich dann eine längere Färbedauer (24 Stunden) 
und Lösung des Celloidin mittels Nelkenöl vor dem Einschluss. 


Färbt man nun Schnitte durch ein Nabelstranggefäß aus Pikrin- 
sublimat mittels Pikrofuchsin oder Pikrorubin in der angegebenen 
Weise, so treten die glatten Muskelfasern als gelb gefärbte, mehr 
oder minder deutlich fibrilläre Spindelzellen hervor, während das ge- 
sammte Intercellulärgewebe eine leuchtend rothe Farbe angenommen 
hat. Dasselbe bietet bei schwächerer Vergrößerung das geschilderte 
Bild anscheinend querer, oft verzweigter Verbindungsbrücken, die 
manche Fasern überbrücken oder unter denselben durchziehen, um 
eine entferntere zu erreichen (Fig. 13). 

An der Oberfläche der Faserzellen verdichtet sich dieses Netz- 
werk zu einer die gelb gefärbten kontraktilen Zellen einhüllenden 
Membran, welche in der Profilansicht wie ein glänzender roth ge- 
- färbter Kontour erscheint und so das Bild eines Sarkolemms gewährt. 


238 Josef Schaffer, 


Diese Bezeichnung könnte jedoch eine falsche Vorstellung er- 
wecken; darum sei sofort betont, dass diese Oberflächenumhüllung 
kein selbständiges Häutchen ist, wie das Sarkolemm der quergestreif- 
ten Muskelfasern, sondern durch die Wände des intercellulären Netz- 
werkes mit den gleichartigen Hüllenbildungen der benachbarten Fasern 
zusammenhängt. 

An Querschnitten durch die Muskelzellen zeigt jede derselben 
sich von der Nachbarzelle durch eine solche Hülle getrennt, die dort, 
wo die Zellen sehr dieht gedrängt sind, als einfache, roth gefärbte 
Linie erscheint. Wo die Intercellularspalten weiter sind, werden 
diese die Fasern unmittelbar umschließenden Hüllen unter einander 
durch ebenfalls roth gefärbte Brücken verbunden (Fig. 14 g). 

Wo dieses intercelluläre Netzwerk reichlicher entwickelt ist, 
sieht man dasselbe bei stärkerer Vergrößerung (Fig. 14) durchsetzt 
von zahlreichen kreisrunden oder ovalen Lücken, die oft eine be- 
trächtliche Größe erreichen und dem ganzen Gewebe ein schaumiges 
oder schwammiges Aussehen verleihen. 

An Präparaten, die in Sublimatgemischen fixirt und mittels Pikro- 
fuchsin oder auch Congoroth gefärbt sind, erkennt man — wenn die 
Schnitte nicht zu dünn sind — deutlich, dass die Scheidewände zwi- 
schen den Brücken häutchenartige Bildungen sind, deren optische 
Durchschnitte wie Fasern erscheinen. In der That sind auch dreh- 
runde Fasern, sowohl an Quer- wie an Längsschnitten nur äußerst 
spärlich zu sehen; die Hauptmasse dieses Zwischengewebes ist ein 
vielfach durchbrochenes Wabenwerk oder Alveolensystem dünner 
Häutchen. 

Der Inhalt dieser Alveolen färbt sich stellenweise deutlich mit 
Schleimfärbemitteln. 

An Querschnitten durch den ganzen Nabelstrang sieht man dieses 
eigenthümliche Zwischengewebe an der Oberfläche der Gefäße im un- 
mittelbaren Zusammenhange mit dem Bindegewebe des Nabelstranges. 

Färbt man die Schnitte nach UnxA mit saurem Orcein, so findet 
man die bereits am frischen Isolationspräparat gemachte Beobachtung 
bestätigt, dass nämlich in diesem Zwischengewebe auch einzelne 
längsverlaufende, geschlängelte elastische Fasern vorkommen, welche 
oft durch quere Anastomosen die Muskelfasern überbrücken. 

Endlich kann man im Intercellulargewebe spärliche Zellkerne 
beobachten. Die Mehrzahl derselben ist oval, abgeplattet, so dass 
sie im Profil stäbcehenartig erscheinen, besitzt eine deutliche Kern- 
membran und sind dieselben entweder im Zuge der quergestellten 


Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen, insbes. ihrer Verbindung. 239 


Alveolenwände gelegen (Fig. 13 %), oder in den Zwiekeln zwischen 
mehreren solchen Wänden eingeschlossen. An Hämalaun-Eosin-Prä- 
paraten, an denen Zellprotoplasma und Alveolenwerk gleich gefärbt 
sind, glaubt man dann oft verästelte Zellen vor sich zu haben. 

An Pikrofuchsin-Präparaten jedoch sieht man deutlich, dass die 
vermeintlichen sternförmigen Zellkörper eben so roth gefärbt sind, 
wie das übrige Bindegewebe, und dass ein zu den Kernen gehöriger 
Zellkörper deutlich nicht nachzuweisen ist. Das Aussehen dieser 
Zellkerne stimmt aber vollkommen mit dem der Bindegewebskerne 
des Nabelstranges außerhalb der Gefäße überein, so dass kein 
Zweifel sein kann, dass wir es hier mit Kernen von Bindegewebs- 
zellen zu thun haben, welche vielleicht als stark abgeflachte, ver- 
ästelte Gebilde den Alveolenwänden dicht anliegen und daher der 
färberischen Isolation entgehen. 

Wie Beobachtungen an Nabelsträngen jüngerer Föten und Em- 
bryonen lehren, handelt es sich bei den beschriebenen Gebilden um 
Reste der ursprünglichen Bildungszellen des Zwischengewebes. 

Außerdem finden sich aber im Zwischengewebe auch zweifel- 
lose Wanderzellen (Fig. 14 /), wie dies schon die Beobachtung am 
überlebenden Gewebe des Kaltblüters ergeben hat und GARNIER (15) 
von der Schildkröte (Fig. 1) abgebildet hat. Ihre intensiv und: gleich- 
mäßig gefärbten Kerne lassen oft die bezeichnende, vielgestaltige 
Form, sowie einen umgebenden Protoplasmakörper erkennen; auch 
liegen sie meist in Lücken des Zwischengewebes. 

Was die Muskelfasern anlangt, so sind dieselben, wie schon er- 
wähnt, glattrandig und zumeist deutlich längsgestreift; wie die Quer- 
schnitte lehren, ist die Mehrzahl der Fasern auch hohl und, was für 
das Aussehen des Zwischengewebes von Bedeutung ist, kontrahirt. 
Die Kerne sind durchweg wurstförmig, wellig gebogen, oder sogar 
halbmondförmig auch ganz unregelmäßig zusammengedrückt und 
liegen in scharf begrenzten, hellen Räumen (Fig. 13, 14), wie dies 
bereits SCHWALBE (41) beschrieben hat. 


Dieses Aussehen von Fasern und Zwischensubstanz erleidet nun je nach 
der Art des Fixirungsmittels mannigfache Veränderungen. 

Im Wesentlichen ähnlich wie Pikrinsublimat sind die Bilder, welche man 
nach Anwendung einfach wässeriger Sublimatlösung, 1//yige Chromsäure und 
FLEMMING’s Gemisch erhält. 

- Die auffallende Größe der Lücken und straffe Spannung der dieselben 
trennenden Zwischenwände an allen diesen Präparaten, die nach der Fixirung 
in Wasser ausgewaschen zu werden pflegen, dürfte auf einer hierdurch beding- 
ten Quellung des schleimigen Inhaltes beruhen. 


240 Josef Schaffer, 


An Präparaten aus absolutem Alkohol zeigt das Zwischengewebe eben- 
falls deutlich eine vacuoläre Beschaffenheit, nur sind die Lüsken viel kleiner 
und dichter; vielfach sind die Intercellularspalten so eng, dass das Bindemittel 
wie ein homogener Kitt erscheint, der aber durch seine Rothfärbung bei der 
Pikrofuchsinmethode seine Übereinstimmung mit dem Netzwerk in den weiteren 
Spalten erkennen lässt. Die Muskelfasern sind wieder größtentheils kontrahirt, 
ihre Querschnitte vollkommen glattrandig, während am Längsschnitte viele 
Fasern einen scheinbar gezähnelten Kontour besitzen, der aber durch Faltungen in 
der roth gefärbten Hülle hervorgerufen wird. An Schnitten aus !/,°/,iger Osmium- 
säure zeigt sich das Zwischengewebe größtentheils verquollen, undeutlich gewor- 
den und an seiner Stelle findet man zahlreiche kleinere und größere Tröpfehen, 
welche sich mit Congoroth, Orcein ete. färben. Die Faserquerschnitte erscheinen 
rund oder oval, glatt oder mit diesem körnchenartigen Detritus besetzt. 

In 1/,/sigem Palladiumchlorid hat das ganze Zwischengewebe das Aus- 
sehen einer einheitlichen Masse angenommen, in der man nur spärlich Lücken 
und ganz verwaschene, quer zwischen den Muskelfasern ausgespannte Brücken 
sieht. Die Muskelfasern erscheinen vollkommen homogenisirt und dadurch tre- 
ten die Oberflächenhüllen derselben deutlich, besonders am Querschnitte als 
scharfe Linien hervor. 

An Schnitten aus MürLrer’scher Flüssigkeit erscheinen vor Allem die 
Muskelfasern dicker, mit glatten, stäbchenförmigen Kernen versehen, also in der 
Mehrzahl nicht kontrahirt. Die Intercellularräume sind eng und das Zwischen- 
sewebe vielfach auf eine homogene, an Pikrofuchsinpräparaten röthlich gefärbte 
Linie zusammengedrückt. Nur dort, wo weite Zwischenräume zwischen den 
Fasern sind, erkennt man das Alveolenwerk, jedoch unscharf, verwaschen, mit 
viel kleineren Lücken und ohne die ausgeprägte Querstellung ihrer Scheide- 
wände, wie an Sublimatpräparaten. 

Fassen wir nun die an den glatten Muskelfasern der Nabelstrang- 
sefäße des Menschen gemachten Beobachtungen zusammen, so kom- 
men wir zu folgenden Schlüssen: Zwischen den Muskelfasern 
findet sich ein zartes, von Lücken durchsetztes Binde- 
sewebe, welches schon an frisch isolirten Bündeln als undeutlich 
netzige, stellenweise querfaltige Zeichnung zu beobachten ist und 
welches mit dem Bindegewebe des Nabelstranges in unmittelbarem 
Zusammenhange steht. 

Es besteht der Hauptmasse nach aus durchbrochenen, 
häutchenartigen Bildungen, aus einem Wabenwerk, dessen 
Scheidewände im optischen oder sehr dünnen wirklichen 
Durehsehnitte ein Fasernetz vortäuschen kann. Außerdem 
finden sich in diesem Zwischengewebe spärliche elastische Fasern und 
zellige Elemente. 

An der Oberfläche jeder Muskelfaser bildet es eine 
schlauchartige Hülle, welche sich dem jeweiligen Spannungs- 
zustande der Faser leicht anpassen kann, und welche im frischen 
Zustande in Form von meist leicht gewellten glänzenden Linien 


Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen, insbes. ihrer Verbindung. 241 


zwischen den Fasern in die Erscheinung tritt. Die Umhüllungen be- 
nachbarter Fasern sind durch das Wabenwerk ununterbrochen ver- 
bunden, sie sind nichts Selbständiges, wie das Sarkolemm der Skelett- 
muskelfasern, sondern nur ein durch die Oberfläche der Muskelzelle 
modifieirter Theil des Zwischengewebes. Dort, wo dieses in breiten 
Intereellularspalten in größerer Masse frei zu beobachten ist, wird 
seine Natur leicht erkannt; wo.jedoch die Muskelfasern dichter ge- 
drängt erscheinen, da können die quer zur Längsachse der Muskel- 
fasern gestellten Platten und Falten des Wabenwerkes und der Hül- 
len im Längsschnitte das Bild von Intercellularbrücken vortäuschen. 
Dies um so eher, wenn man sehr dünne Schnitte mit Tinktions- 
mitteln behandelt, welche Muskelzellen und Zwischengewebe gleich- 
artig färben. | 

Das Wabenwerk ist in kontrahirten Gefäßwänden am deutlichsten; 
durch starke Dehnung oder Quellung verschwindet es und sind an 
_ seiner Stelle nur homogen erscheinende Scheidewände zwischen den 
slattrandigen Muskelfasern sichtbar, welche stellenweise das Vor- 
handensein einer formlosen Kittsubstanz vortäuschen können; eine 
solche ist als Bindemittel der Fasern jedoch nirgends nachweisbar. 

Im Querschnitte erscheinen die Fasern stets glattrandig, ihre 
Hülle deutlich nachweisbar; sind die Faserquerschnitte durch weitere 
Räume getrennt, so kann man in den letzteren, wie am Längsschnitte 
das verbindende Wabenwerk beobachten. Intercellularbrücken im Sinne 
 KurrtscHhitzkY-BARFURTE’S sind nicht vorhanden. 
| Das hier geschilderte, reichliche Vorkommen eines intercellulären 
Bindegewebes in glatter Muskulatur ist nicht etwas Vereinzeltes; in 
demselben Maße und in gleicher Weise fand ich es in der glatten 
Muskulatur der Speiseröhre bei vielen Reptilien; so bei Python mo- 
lurus, Phrynosoma, Eumeces, Zamenis, Eryx jaculus u. A., ein Mate- 
‚rial, für dessen freundliche Überlassung ich Herın Privatdocenten 
Dr. Ta. Beer zu Danke verpflichtet bin. Das Bild, welches hier 
die glatte Muskulatur an Schnitten darbot, die in Zenker’scher Flüs- 
sigkeit fixirt und in gewöhnlicher Weise gefärbt worden waren, ent- 
sprach vollkommen den Abbildungen, welche GARNIER (15) von der 
Dpeiseröhrenmuskulatur der Schildkröte gegeben hat: die glattrandigen 
Muskelfasern scheinen in ein weitmaschiges Netzwerk eingebettet. 
Unter Anwendung von Congoroth, Fuchsin oder Rubin ließ sich aber 
wieder leicht feststellen, dass es sich, wie in den Nabelstranggefäßen 
des Menschen um ein intercelluläres Fachwerk dünnster Häutchen 


handelte, welches an der Oberfläche der Muskelzellen eine zusammen- 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXIV. Bd. 16 


242 Josef Schaffer. 


hängende Hülle bildet; diese Hüllen erscheinen im optischen Durch- 
schnitt wie längsverlaufende Bindegewebszüge zwischen den Muskel- 
fasern, als welche sie GARNIER auch aufgefasst hat (vgl. seine Fig. I, 
II, III bei 5; die am unteren Ende der Fig. II dargestellten queren 
-Verbindungsäste machen aber deutlich den Eindruck von Falten einer 
membranartigen Hülle, in welcher die geschrumpfte Muskelfaser steckt). 

Dort, wo Follikel im Ösophagus sind, sieht man zahlreiche Leuko- 
cyten auch im Zwischengewebe der glatten Muskelfasern; außerdem 
ist es aber auch reicher an Bindegewebskernen, als das Zwischen- 
gewebe in den Nabelstrangsefäßen. Das reichliche Vorhandensein 
eines solchen intercellulären Bindegewebes bei den Reptilien wird 
man wohl nicht mit Unrecht mit der enormen Dehnbarkeit ihrer Speise- 
röhre in Zusammenhang bringen dürfen. 

Während in den Nabelstranggefäßen von vier-, fünf- und sechs- 
monatlichen menschlichen Embryonen das Zwischengewebe bereits 
fast das Aussehen wie beim Neugeborenen zeigt, nur dass eine 
größere Anzahl von Bindegewebskernen in demselben gefunden wird, 
bot dasselbe beim Kalbe und Fohlen an Präparaten aus ZENKEr’scher 
Flüssigkeit ein mehr homogenes, nur undeutlich vacuolisirtes Aus- 
sehen dar; auch färbte sich dasselbe kaum mit Eosin, so dass sich 
die verästelten und vielfach anastomosirenden Muskelzellen deutlich 
davon abhoben. In diesem reichen Zwischengewebe fanden sich wie- 
der Bindegewebskerne, Leukocyten und elastische Fäserchen ein- 
gelagert. 

Ein derberes Bindegewebe ist bekannterweise auch zwischen 
den Muskelfasern des Duetus deferens entwickelt, worauf ich noch 
zurückkomme. Hier möchte ich nur noch auf ein derartiges Beispiel 
hinweisen, welches das Vorkommen stärkerer Bindegewebszüge zwi- 
schen den einzelnen Muskelfasern in ausgezeichneter Weise zeigt; 
es ist dies die Museularis mucosae des Froschmagens, von welcher 
bereits GRUENHAGEN (16) und besonders DE BrRUYNE (8) (Fig. 6) gute 
Abbildungen gegeben haben. Hier lässt sich besonders an mittels 
Pikrorubin oder Pikronigrosin gefärbten Querschnitten der auch von 
DE BRUYNE geschilderte direkte Zusammenhang der intercellulären 
Balken mit dem Bindegewebe der Submucosa in ausgezeichneter 
Weise feststellen. Dieser Umstand, sowie das gelegentliche, aller- 
dings, wie DE BRUYNE richtig bemerkt, seltene Vorkommen von Kernen 
in diesen Balken und ihre ungleichmäßige Dicke bewahren Einen 
auch vor der Vorstellung, dass man es hier mit einer durch die 
Fixation geronnenen und selbständig hervortretenden Kittsubstanz 


Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen, insbes. ihrer Verbindung. 243 


zu thun hat, wie dies GRUENHAGEN dargestellt hat. An meinen gut 
differenzirten Schnitten sehe ich auch, dass jede Muskelfaser einzeln 
von diesen Balken umschlossen wird und niemals auch nur zwei ge- 
meinsam in einer Lücke liegen, wie DE BRUYNE meint. Auch finde 
ich in der Anordnung des Zwischengewebes keinen Unterschied zwi- 
schen den zwei Lagen der Muscularis mucosae, indem die innere 
Längsfaserschicht am Querschnitt dasselbe Aussehen darbietet, wie 
die äußere eirkuläre Lage. GRUENHAGEN, wie DE BRUYNE lassen die 
Faserquerschnitte die Bindegewebslücken nicht ganz ausfüllen; nach 
DE BRUYNE wäre dies an allen von ihm untersuchten Muskelhäuten 
die Regel; wir werden sehen, dass sich dieser Befund anders erklärt. 

Nach diesen Erfahrungen war ich begierig zu sehen, welche 
Bilder die Darmmuseularis des Pferdes an ähnlich behandelten Schnit- 
ten darbieten werde. Im frischen Zustande war mir an diesem Ob- 
jekt der Nachweis irgend eines Bindemittels nicht gelungen, vielmehr 
eine ungemein leichte Isolirbarkeit der Fasern aufgefallen. 

Während an Nabelstrangdurchschnitten nach van GiEson-Färbung 
die Gefäße für das freie Auge eine bräunlich-gelbe Farbe zeigen — 
eine Folge der innigen Mischung rein gelb gefärbter Muskelfasern 
und roth gefärbten Bindegewebes — fällt an eben so behandelten 
Darmdurchschnitten vom Pferd eine fast rein gelbe Färbung der 
Muskelschichten auf, während die Submucosa mit ihrem derben Binde- 
gewebe eine leuchtend rothe Farbe angenommen hat. 

Bei mikroskopischer Untersuchung findet man an Längsschnitten 
der Muskelfasern dieselben nach Fixirung in ZENkEr’s Flüssigkeit, 
Sublimat u. A. deutlich fibrillär gestreift, welche Streifung von Stelle 
zu Stelle von einem Verdiehtungsknoten unterbrochen erscheint. Die 
Gesammtheit dieser Knoten verleiht dem Schnitte ein Aussehen, als 
wäre er mit einem unscharfen Messer angefertigt. Die Grenzen der 
Fasern sind als helle, geradlinige Spalten sichtbar, in denen man 
hier und da einen röthlich gefärbten, zarten, unregelmäßig gewellten 
Streifen verlaufen sehen kann. Die Fasern sind gelb gefärbt und 
zeigen keine Spur von quer über oder zwischen denselben verlaufen- 
den Bildungen. 

Die Bindesubstanz ist hier also jedenfalls auf ein Minimum 
reducirt. 

Deutlicher tritt ihr Verhalten an Querschnitten hervor. Auch hier 
ist die Mehrzahl der Muskelfasern durch helle, anscheinend leere 
Spalten getrennt, offenbar eine Folge der Schrumpfkontraktion, wel- 
cher die Mehrzahl der Fasern verfallen sind. In diesen Spalten 

16* 


244 Josef Schaffer, 


kann man nun bei genauer Beobachtung an günstigen Stellen roth 
gefärbte, feine Linien durchgehen sehen (Fig. 15 C), welche in ihrer 
Gesammtheit ein zierliches Netz bilden, in dessen Maschenräumen 
theils frei, theils mit einer oder mehreren Seiten, manchmal auch 
nur mit einer ausgezogenen Spitze (f), mit den Netzbalken in Ver- 
bindung die gelb gefärbten Faserquerschnitte gelegen erscheinen. 

Während die Beobachtung dieser feinen Linien dort, wo sie die 
hellen Spalten zwischen den retrahirten Faserquerschnitten durch- 
ziehen, leicht ist, wird ihre Wahrnehmung zwischen eng an einander 
gepressten Querschnitten schwerer; an ganz frisch nach van GIESON 
gefärbten Präparaten kann man aber auch hier die Kontinuität des 
Netzwerkes beobachten, so dass jeder Faserquerschnitt von den be- 
nachbarten durch eine vollkommen geschlossene, roth gefärbte Um- 
hüllung getrennt wird. 

Dabei machen diese Umhüllungen nirgends den Eindruck von 
Fasern, die sich durchflechten würden, vielmehr deutlich den eines 
zusammenhängenden, einheitlichen Netzwerkes, welches an einzelnen 
Stellen zwickelartige Verdiekungen zeigt, in denen dann auch meist 
ein Bindegewebskern beobachtet werden kann (Fig. 15 0, b). Wo 
dickere Bindegewebssepten die Muskulatur durchsetzen oder abgren- 
zen, hängt das roth gefärbte intercelluläre Netzwerk direkt mit den- 
selben zusammen. 

Dieses geschilderte Aussehen des Netzwerkes am Querschnitt, 
verbunden mit der Beobachtung der zarten, gelegentlich an Längs- 
schnitten gesehenen längsverlaufenden Linien in den Spalten lässt 
kaum einen anderen Schluss zu, als dass wir es in den Balken des 
Netzwerkes mit Durechschnitten dünner Membranen zu thun haben, 
welche unter einander zusammenhängen und, indem sie jede Muskel- 
faser umhüllen, ein kontinuirliches Fach- oder Wabenwerk zwischen 
denselben bilden. 

Die ungemeine Zartheit dieses Wabenwerkes erklärt einerseits 
seine Unsichtbarkeit im frischen Gewebe, andererseits seine leichte 
Zerreißlichkeit. Letztere, verbunden mit der Thatsache, dass die 
Mehrzahl der Fasern durch Schrumpfung von ihrer Umhüllung los- 
gelöst ist, macht die leichte Isolirbarkeit der frischen Fasern ver- 
ständlich. 

Durch sein Verhalten gegen Pikrofuchsin und den direkten Zu- 
sammenhang mit zweifellosen, kernführenden Bindegewebsmassen wird 
andererseits die bindegewebige Natur dieses Wabenwerkes erwiesen. 
An Orceinpräparaten sieht man auch zarte, elastische Fäserchen 


Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen, insbes. ihrer Verbindung. 245 


zwischen die Muskelzellen eindringen und einzelne derselben um- 
spinnen. Auch das intercelluläre Bindegewebe ist an solchen Präpa- 
raten ganz gut sichtbar. 

Wir haben demnach hier prineipiell dasselbe Verhalten, wie bei 
den Muskelfasern der Nabelstranggefäße; nur erscheint hier das 
Zwischengewebe auf die zarten Oberflächenumhüllungen der Fasern 
redueirt. 

Dieses hier geschilderte Aussehen zeigt die überwiegende Mehr- 
zahl der Faserquerschnitte; daneben finde ich jedoch im gleichen Präpa- 
rate wesentlich andere Bilder, durch mannigfache Übergänge mit dem 
bisher beschriebenen verbunden. 

Einmal stößt man, besonders in den oberflächlichen Lagen der 
Präparate, auf Bündelquerschnitte, welche aus verhältnismäßig größe- 
ren, ausgesprochen polygonalen Feldern zusammengesetzt werden, 
zwischen denen man keine Spalten, sondern nur äußerst dünne, von 
einer homogen erscheinenden Masse erfüllte Durchgänge wahrnehmen 
kann, welche nur unter günstigen Verhältnissen eine röthliche Fär- 
bung zeigen (Fig. 15 A). Es ist dies ein Bild, wie man es z. B. an 
Querschnitten aus MÜLLer’scher Flüssigkeit zu sehen gewohnt ist. 

Endlich findet man daneben Partien, in denen die Zwischenräume 
zwischen den Faserquerschnitten etwas breiter, jedoch immerhin nicht 
so breit wie zwischen den gänzlich retrahirten Querschnitten sind. 
Außerdem sind sie mehr abgerundet, zeigen einen fein gezähnten 
oder gezackten Rand und scheimen mittels dieser brückenartigen 
Zacken verbunden zu sein (Fig. 15 2). 

Bei aufmerksamer Betrachtung kann man aber in einzelnen Spal- 
ten noch eine zarte, röthlich gefärbte Scheidelinie (Fig. 15 2, s) 
zwischen den gezähnten Rändern durchgehen sehen, so dass die 
Zähnelung einer Faser niemals direkt mit der der Nachbarfasern 
zusammenhängt. Fehlt jedoch die Rothfärbung dieser Zwischenlinie, 
wie dies-an älteren van GIEson-Präparaten oder an Hämalaun-Eosin- 
Präparaten meist der Fall ist, dann hat man das täuschende Bild 
durch Intercellularbrücken verbundener Faserquerschnitte vor sich, 
ein Bild, wie es KuLtscHitzky, BARFURTH und seine Schüler be- 
schrieben haben und wie es z. B. auch Stönr (42) in Fig. 42 4 von 
einem mittels ZENKER’scher Flüssigkeit fixirten Kaninchendarm ab- 
bildet. | 

Vergleicht man diese drei geschilderten Bilder, welche in 
Fig. 15 A, B, C aus demselben Schnitte, bei gleicher Vergrößerung, 
dargestellt sind, so sieht man, dass die Intercellularräume in dem 


246 Josef Schaffer, 


Maße an Breite zunehmen, als die Faserquerschnitte an Durchmesser 
abnehmen, wobei auch die polygonale Form der letzteren in eine 
abgerundete übergeht. Bei der Unregelmäßigkeit der Querschnitts- 
felder ist eine Aufstellung von verlässlichen Maßen, welche dieses 
 reciproke Verhältnis zum Ausdrucke gebracht hätte, unmöglich, und 
habe ich mich mit der möglichst genauen Nachbildung der Größen- 
verhältnisse mittels des Zeichenprismas von OBERHÄUSSER begnügt. 

Es kann wohl kaum zweifelhaft sein, welches dieser drei Bilder 
der Norm entspricht, da 3 und C zu sinnfällig verschiedene Schrum- 
pfungsstadien von A darstellen. 

Die zarten, Kittstreifen ähnlichen Durchgänge s in A entsprechen 
der Zwischensubstanz, welche in Fig. 15 C deutlich als roth gefärb- 
tes Netz sichtbar wird und auch in Fig. 15 3 in Gestalt der Scheide- 
wände zwischen einzelnen Faserquerschnitten hervortritt. Die Faser- 
oberflächen schließen in A dicht an die Zwischensubstanz an, sind 
mit derselben verbunden, ähnlich wie der Inhalt einer Skelettmuskel- _ 
faser mit dem Sarkolemm, wie dies als nothwendig für die Mechanik 
der Zugwirkung auch der glatten Muskelfasern vorausgesetzt werden 
muss. In B haben sich durch einen leichten Schrumpfungsyorgang 
im kontraktilen Inhalt, wahrscheinlich durch den Beginn einer 
Schrumpfkontraktion die Oberflächen theilweise vom Zwischengewebe 
losgelöst, sind aber mit demselben noch vielfach durch Brücken in 
Verbindung geblieben, welche am Querschnitt als spitzenartige Fort- 
sätze erscheinen. In Fig. 15 C endlich ist die Loslösung bei vielen 
Fasern vollständig geworden, nur hier und da stehen dieselben noch 
mit einer Fläche oder mittels eines spitzenartigen Fortsatzes mit der 
Oberflächenhülle in Verbindung (Fig. 15 C bei f). 

Dadurch entsteht zwischen den Faseroberflächen und den Scheide- 
wänden ein heller Spaltraum, und diese Spalträume sind es, welche 
DE BRUYNE (8) als Kittsubstanz gedeutet hat. 

Fragen wir uns nach der auffälligen Thatsache, dass solche par- 
tielle Loslösungen der Fasern von ihrer Oberflächenumhüllung — ein 
Vorgang, welcher durch die an der überlebenden Darmmuskulatur 
beobachtete Vacuolenbildung am Rande der Fasern (s. 0. p. 221) 
eingeleitet werden dürfte und am besten mit der Schrumpfung einer 
Knorpelzelle innerhalb der Kapsel oder des hämoglobinhaltigen Theiles 
eines Tritonblutkörperchens innerhalb des Stromas im Beginne der 
Borsäurewirkung verglichen werden kann, wobei auch stets spitzen- 
artige Verbindungen mit der Kapsel, beziehungsweise der Rand- 
schicht des Stromas stehen bleiben — an den Fasern der Nabel- 


Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen, insbes. ihrer Verbindung. 247 


stranggefäße nicht zu sehen waren, so müssen wir uns vor Augen 
halten, dass bei diesem Schrumpfungsvorgange ein Zug an der 
unmittelbaren Umhüllung des kontraktilen Faserinhaltes ausgeübt 
wird. Während nun bei den Muskelfasern des Pferdedarmes nach 
der geschilderten Einrichtung dieser Zug bei gleichmäßiger Schrum- 
pfung benachbarter Fasern die gemeinsame Scheidewand gleichsam 
in einer starren, unnachgiebigen Lage erhält, die Scheidewand also 
dem Zuge nicht folgen kann, haben wir zwischen den Hüllen der 
Fasern in den Nabelstranggefäßen ein Alveolenwerk mit dehnbaren 
Wänden, welches dem bei der Schrumpfung auftretenden Zuge in 
der Querschnittsrichtung folgt, angespannt wird, so dass diese Zug- 
wirkung nicht im Stande ist die Verbindung der Faser mit der Ober- 
flächenumhüllung zu lösen. 

Demnach müssen wir die an Querschnitten glatter 
Muskelfasern zu beobachtenden, Intercellularbrücken ähn- 
lichen Verbindungen, wie sie KULTSCHITZKY und BARFURTH 
beschrieben haben, als ein Kunstprodukt bezeichnen, 
entstanden durch die Schrumpfung der kontraktilen Faserzellen 
innerhalb einer im gewissen Sinne unnachgiebigen Hülle. 

Zur weiteren Unterstützung dieser Auffassung führe ich Beob- 
achtungen an den Muskelfasern des Ductus deferens vom 
Menschen an. Von diesen Muskelfasern ist es lange bekannt, dass 
sie eine Hülle besitzen und »ein zartes Bindegewebe als Bindemittel« 
erkennen lassen (KÖLLIKER, 26). 

Im distalen Abschnitt besteht die Muskelhaut des Ductus defe- 
rens aus drei Schichten: einer inneren schwach, einer äußeren ziem- 
lieh mächtig entwickelten Längsfaserschicht, und einer mittleren 
Ringfaserschicht. Sämmtliche Schichten sind ungemein reich von 
Bindegewebe durchsetzt, was am besten an nach van GIESON ge- 
färbten Querschnitten in die Augen springt. In dieses derbe Binde- 
gewebe erscheinen Muskelbündelchen eingelagert, welche aus zwei 
bis zwölf Fasern bestehen; es finden sich aber auch einzelne Fasern 
ringsum von fibrillärem Bindegewebe umschlossen. 

An einem lebenswarm in Zexker’scher Flüssigkeit fixirten 
Samengange von einem Hingerichteten zeigten nun die Querschnitte 
dieser Fasern das mannigfaltigste Aussehen (Fig. 16), Bilder, welche 
sich zwanglos an einander reihen und uns eine klare Vorstellung 
über die Veränderungen der Fasern durch den Fixirungsvorgang ge- 
winnen lassen. 

In der mittleren eirkulären Schicht erscheinen die Fasern unge- 


248 Josef Schaffer, 


mein dicht durch einander geflochten, und zwar nicht in rein ring- 
förmig verlaufenden Lagen, sondern in schräg gestellten Touren, die 
sich unter stumpfen Winkeln durchkreuzen, eine Einrichtung, die für 
die Vorwärtsbewegung des Inhaltes von Bedeutung sein muss. Außer- 
dem fällt an den längsgetroffenen Fasern die ebenfalls bereits von 
KÖLLIKER erwähnte Thatsache auf, dass dieselben theilweise eine 
außerordentlich scharf hervortretende fibrilläre Struktur besitzen, 
förmlich in Fibrillen zerfallen sind, so dass ihre Grenzen sich an 
sewöhnlich gefärbten Präparaten schwer wahrnehmen lassen. Jede 
Faser besitzt jedoch eine oder mehrere Stellen, an denen sich diese 
losen Fibrillen, theilweise oder in ihrer Gesammtheit, zu einem keine 
Längsstreifung zeigenden, verdichteten Abschnitte vereinigen. 

Demnach kann ein und dieselbe Faser, je nach der Höhe, in 
der sie getroffen ist, verschiedene Querschnittsbilder geben. Am 
leichtesten verständlich sind Bündelquerschnitte, wie sie in Fig. 16 
bei « abgebildet sind. Sie entsprechen im Allgemeinen dem gewohn- 
ten Ansehen von Querschnitten glatter Muskelfasern aus MÜLLER’scher 
Flüssigkeit: unregelmäßige, sphärisch-polygonale Felder von homo- 
senem Aussehen und verschiedener Größe erscheinen durch helle 
Durchgänge, die den Eindruck von Kittlinien machen, getrennt. In 
den größten dieser Querschnittsfelder sieht man auch einen Kern, 
die kleineren sind kernlos. Das ganze Bündelchen erscheint von 
Bindegewebe (%) umhüllt, dessen fibrilläre Struktur leicht erkannt 
wird, während über die Natur der die Felder trennenden Linien an 
gewöhnlich (Hämalaun-Eosin, Karmin) gefärbten Präparaten nichts 
Bestimmtes ausgesagt werden kann. 

Der Umstand, dass eine fibrilläre Punktirung hier nicht zu sehen 
ist, in Verbindung mit den geschilderten Längsansichten lässt uns 
erkennen, dass es sich hier um Durchschnitte verdichteter Faser- 
abschnitte handelt. 

Daneben findet man rundliche Querschnittsfelder, welche eine 
deutliche fibrilläre Punktirung zeigen (5); der fibrilläre Inhalt wird 
gegen das umgebende Bindegewebe durch eine scharfe, mit Eosin 
etwas stärker färbbare Linie vom umgebenden Bindegewebe abge- 
srenzt (A). 

Besonders deutlich tritt diese Grenzlinie an Faserquerschnitten 
hervor, an denen sich der kontraktile Inhalt durch Schrumpfung 
retrahirt hat (Fig. 16 c—/). Man sieht dann im derben Bindegewebe 
eine scharfrandige Lücke, deren Rand (A) etwas intensiver mit Eosin 
gefärbt ist, als das unmittelbar anschließende Bindegewebe (4) und 


Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen, insbes. ihrer Verbindung. 249 


im Inneren der Lücke liegt der Querschnitt der geschrumpften Faser. 
Unter Zuhilfenahme der Pikrofuchsintärbung erscheint letzterer gelb, 
der Rand der Lücke roth, wie das umgebende Bindegewebe gefärbt. 
Man wird leicht erkennen, dass man es hier mit dem Durchschnitte 
einer membranartigen Hülle der Muskelfaser zu thun hat, welche in 
der Regel dem Faserinhalte direkt aufliegt, bei Schrumpfungsvor- 
sängsen des letzteren jedoch ihre Zugehörigkeit zum Bindegewebe 
zeigt, in dem sie als Randschicht desselben in situ bleibt, ohne dem 
Zuge der schrumpfenden Faser zu folgen. 

Der Inhalt dieser Schläuche bietet nun ein sehr mannigfaches 
Aussehen. In vielen Fällen erscheint er nur theilweise von seiner 
Umhüllung abgelöst; die Faser liegt dann mit einem Theile ihres 
Umfanges glatt und dicht der Schlauehwand an (Fig. 16 c), während 
der übrige, im Schlauch freiliegende Rand entweder ebenfalls glatt 
(Fig. 16d, mf), oder wie gezähnt, mit dornartigen Zacken besetzt er- 
scheint (Fig. 16 c). | 

"Andere Fasern liegen gleichmäßig geschrumpft mitten im Schlauch, 
sind aber mit demselben durch länger oder kürzer ausgezogene Fort- 
sätze in Zusammenhang geblieben (Fig. 16. d, e). Sehr eigenthümlich 
sestaltet sich dieses Bild, wenn die Fasern eines ganzen Bündelchens 
dieses Verhalten zeigen (Fig. 16 4). Im Bündel selbst dringt zwi- 
schen die einzelnen Fasern nur eine ganz dünne Lamelle des Binde- 

sewebes, eben das geschilderte Oberflächenhäutchen zwischen die 
Fasern ein (7) und bildet ein Scheidewandsystem, wie ich es bei den 
Darmmuskeln vom Pferd geschildert habe. An diese Scheidewände 
heften sich wie fadenförmige Brücken die Fortsätze, mittels derer 
die geschrumpften Faserzellkörper mit ihrer Hülle in Zusammenhang 
geblieben sind. 

So entstehen Bilder, als wären die Faserquerschnitte durch lange 
Intercellularbrücken verbunden, während dünne Scheidewände in 
gleichen Abständen von den Querschnitten die Intercellularräume 
durchsetzen; diese Bilder stimmen im Wesentlichen mit den in Fig. 15 
dargestellten Querschnitten von der Darmmuskulatur des Pferdes 
überein, nur dass im Ductus deferens durch die Dicke der Fasern 
und die Mächtigkeit des Bindegewebes alle Verhältnisse viel derber 
und schon bei schwächerer Vergrößerung deutlich hervortreten. 
Fragen wir uns nun nach der Natur dieser scheinbaren Intercellular- 
brücken, so scheint mir durch die vorangehenden Auseinandersetzun- 
gen, besonders jedoch durch die Beobachtung solcher stachelförmiger 
Fortsätze an der Oberfläche einzelner, rings von Bindegewebe um- 


50 Josef Schaffer, 


schlossener Faserquerschnitte der Beweis erbracht, dass es sich nur 
um Schrumpfungserscheinungen der kontraktilen Faserzellen handelt. 
Behalten wir dabei im Auge, dass letztere nach den Untersuchungen 
von KÖLLIKER (25), ENGELMANN (12) u. A., wie die Skelettmuskel- 
fasern aus kontraktilen Fibrillen und einer dieselben verbindenden 
Masse, welche interstitielle Körnchen enthalten kann, daher wohl als 
Sarkoplasma bezeichnet werden muss, besteht, so ist es klar, dass 
die lang ausgezogenen Fortsätze an den Faserquerschnitten nur die- 
sem Sarkoplasma angehören können. 

Als bester Beweis dafür können Querschnittsbilder von Fasern 
des Duetus deferens dienen (Fig. 16 f), an denen man innerhalb der 
Hülle 7%’ nur noch ein zartes Netzwerk wahrnehmen kann, aus dessen 
Lücken sich offenbar durch starke Verkürzung die Fibrillen voll- 
ständig zurückgezogen haben, während das sarkoplasmatische Netz 
in Verbindung mit der Oberflächenhülle geblieben ist. 

Bei Bildern, wie Fig. 16 c eines wiedergiebt, könnte man aller- 
dings auch daran denken, dass die gleichmäßigen, dornartigen Höcker 
an der Oberfläche des Faserquerschnittes einer Fibrillenlage ent- 
sprechen, welehe nicht in die Verdichtung der übrigen Faser mit 
einbezogen worden ist. 

Nachdem ich an Muskelfasern so verschiedener Art überein- 
stimmende Erfahrungen gemacht hatte, zog ich auch die von an- 
deren Autoren mit Vorliebe untersuchten Objekte in den Kreis meiner 
Betrachtung, nämlich die Darmmuskulatur der Katze, des 
Hundes und des Frosches. 

Ein längliches Darmstückchen der Katze wurde in zwei Theile 
geschnitten, wovon der eine in gesättigte wässerige Sublimatlösung 
allein, der andere in eben solche mit Zusatz von 5%/, Eisessig ge- 
bracht wurde. Es wurden Längsschnitte angefertigt, so dass die 
mächtige innere Ringfaserschicht quer getroffen erscheint. Durch 
Verkürzung (Kontraktion) der Längsfaserschicht erscheint die Schleim- 
hautfläche konvex gewölbt, die Serosa in Falten gelegt. Dieser Zu- 
stand musste bei seinem Entstehen in den äußeren Lagen der Ring- 
muskelschicht eine leichte Kompression der Muskelfasern, in den 
unmittelbar an die Submucosa grenzenden eher einen Zug in der 
Richtung gegen die Schnittränder bewirken. 

Untersucht man nun die Querschnittsbilder der Fasern am un- 
gefärbten Schnitt, so gewähren dieselben durchaus nicht überall das- 
selbe Aussehen und fällt zunächst, besonders in dem ohne Säure- 
zusatz fixirten Stücke auf, dass rundliche Faserquerschnitte, welche 


Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen. insbes. ihrer Verbindung. 251 


eine deutliche Punktirung als Ausdruck ihrer fibrillären Struktur und 
dazwischen mannigfach verdrückte, bandförmig abgeflachte, welche 
homogen und stark lichtbrechend erscheinen, bunt durch einander 
sewürfelt erscheinen; ein Bild, das ich bereits oben erklärt und in 
Fig. 6 abgebildet habe. 

Färbt man einen solchen Schnitt mit Pikrofuchsin oder -rubin, 
so findet man, anstoßend an die lebhaft roth gefärbte Submucosa, 
die gelb gefärbten Faserquerschnitte getrennt durch ein verhältnis- 
mäßig reich entwickeltes, ebenfalls intensiv roth gefärbtes Balkenwerk 
(Fig. 18 5), welches leicht als eine direkte Fortsetzung des Binde- 
sewebes der Submucosa erkannt wird. Die Faserquerschnitte er- 
scheinen meist abgerundet und lassen eine Fibrillenpunktirung nicht 
erkennen. Beice war eine Lücke im Balkenwerk, in der der Durch- 
schnitt einer Kapillare wahzunehmen war. 

Weiter gegen die tieferen Lagen werden die Querschnitte aus- 
gesprochen polygonal (Fig. 19), rücken enger an einander, so dass 
man sie nur durch zarte, röthliche Linien getrennt sieht. Die gelb 
sefärbten Querschnittsfelder sind deutlich punktirt und füllen die 
Maschenräume vollkommen aus; nur bei a lag der Querschnitt eines 
Faserendes durch einen Spaltraum getrennt in der Mitte der roth 
sefärbten Umsäumung. Diese macht im Ganzen einen homogenen 
Eindruck, nur an einigen Stellen (7 und Z') wich sie aus einander, 
um kleine Lücken frei zu lassen. 

An anderen Stellen, und zwar in den tieferen Lagen gegen die 
Längsmuskelschieht zu, erscheinen die polygonalen Querschnitte nicht 
mehr von geraden Linien begrenzt, sondern zeigen feine wellen- 
oder ziekzackförmige Kontouren (Fig. 20), so dass das einzelne 
Querschnittsfeld an seiner Oberfläche eine Art Zähnelung zeigt, 
welche in die der Nachbarfaser eingreift, ein Bild, wie es BARFURTH 
in seiner Fig. 1 und 3 abgebildet hat. Solche Stellen können leicht 
den Eindruck machen, als seien hier die Faserquerschnitte durch 
Intereellularbrücken verbunden. Dieser Eindruck wird um so täu- 
schender, wenn man nicht reine Querschnitte, sondern Schrägschnitte 
vor sich hat. | 

An Präparaten jedoch, an denen sich das zarte Zwischengewebe 
durch konstrastirende Färbung vom Zellkörper abhebt, erkennt man, 
dass die Zähnelung der Oberfläche einer in Längsfalten gelegten 
Hülle, beziehungsweise einer kannelirten Oberfläche der Faser ent- 
spricht, wie dies BARFURTH und seine Schüler beschrieben haben. 
Die beste Vorstellung des geschilderten Verhaltens giebt die Fig. 4 a 


252 Josef Schaffer, 


von KLEck1, bei deren Betrachtung gewiss Jedermann den Eindruck 
empfangen wird, dass es sich hier um schräg getroffene Längsfal- 
tungen einer Substanz zwischen den Fasern handelt und nicht um 
Intercellularbrücken. 

| Da man diese Bilder nur in den mittleren und tieferen Partien 
des Schnittes trifft, wo durch die Verkürzung der angrenzenden Längs- 
muskellage eine Art Kompression entsteht, wird man das Zustande- 
kommen der Faltungen wohl teilweise auf Beruun zn dieser Kom- 
pression setzen dürfen. 

Endlich findet man noch Gruppen von Faserquerschnitten, welche 
die Maschenräume des roth gefärbten Netzwerkes (Fig. 21 5) nicht 
mehr vollkommen ausfüllen, sondern verschiedene Grade der Schrum- 
pfung, Retraktion innerhalb derselben zeigen. Einzelne Fasern (a, «') 
sind noch mit einem mehr oder minder großen Theil ihrer Ober- 
fläche in Verbindung mit den roth gefärbten Balken und zeigen 
unregelmäßige, aber desto leichter erkennbare Schrumpfungserschei- 
nungen. Andere sind sehr regelmäßig geschrumpft in der Weise, 
‚dass sie durch zackenartige Fortsätze ringsum mit ihrer Umhüllung 
in Verbindung geblieben sind. Die Zacken der einen Faser sind 
von denen der benachbarten nur durch die roth gefärbte Linie d ge- 
trennt, die ja DE BRUYNE zuerst gesehen hat. Träte diese Linie 
nicht durch die Färbung deutlich hervor, so hätte man das täuschende 
Bild von Querschnitten vor sich, die durch Intercellularbrücken ver- 
bunden sind. 

An den Schnitten des in Sublimat-Eisessig fixirten Darmes findet 
man sogar Stellen, an denen sich die Fasern, ähnlich wie ich dies 
vom Pferdedarm beschrieben habe, gänzlich retrahirt haben (Fig. 17), 
so dass ihre Querschnitte frei in den Lücken des Maschenwerks 
liegen. Diese Retraktion muss jedoch auch in der Längsrichtung 
der Fasern stattgefunden haben, da man einzelne Lücken ganz leer 
(Fig. 17) oder nur von einigen Punkten (Fibrillendurchschnitten ?) 
(Fig. 21 d) erfüllt findet. 

Der Eisessigzusatz hat das intercelluläre Bindegewebe auch zur 
Quellung gebracht, es erscheint besonders in den Zwickeln, wo 
mehrere Fasern zusammenstoßen, aber auch in den Intercellular- 
spalten verbreitert. Dieser Umstand, sowie der direkte Zusammen- 
hang mit stärkeren Bindegewebsbalken (Fig. 17 d, Fig. 21 5) lässt 
auch hier wieder keinen Zweifel über die bindegewebige Natur dieses 
die Fasern trennenden Fachwerks. 

Andererseits zeigte die Verschiedenartigkeit der Querschnitts- 


Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen, insbes. ihrer Verbindung. 253 


bilder, welche hier auf kleinem Raum neben einander getroffen wer- 
den und durch zahlreiche Zwischenstadien verbunden erscheinen, 
deutlich, dass wir es nur mit verschiedenen Erscheinungsformen der 
Muskelzellen zu thun haben, welche durch die Art und Weise zu 
Stande kommen, wie die kontraktionsfähigen Fasern durch das Fixi- 
rungsmittel abgetödtet werden. 

Ähnliche Verhältnisse fand ich im Allgemeinen an der Mast- 
darmmuskulatur des Hundes. An Querschnitten der in van GE- 
HUCHTEN’s Gemisch (Alkohol-Chloroform-Eisessig) fixirten Muskel- 
fasern erscheinen dieselben nicht geschrumpft, aber stark kontrahirt. 
Sie füllen die Maschenräume ihres Bindemittels vollkommen aus, 
welches an Pikrorubinpräparaten als zartes, gleichmäßiges und deut- 
lich roth gefärbtes Scheidewandsystem zwischen den gelb gefärbten 
Faserquerschnitten durchgeht, ähnlich wie ich es in Fig. 18 von der 
Katze dargestellt habe. _ 

An den Längsschnitten sieht man, entsprechend der Verkürzung 
der Fasern, die Serosa in 'enge Falten gelegt; von diesen Falten 
ausgehend und mit ihnen gleich gerichtet, zieht eine feine, enge 
Querstreifung über die Muskelzellen, welche bei sorgfältiger Ver- 
stellung der Mikrometerschraube wieder als Fältelung der Umhüllung 
der Muskelzellen erkannt werden kann. 

‚Vom Frosche wurde ein Stück des Pylorustheiles des Magens 
in Kochsalz-Sublimat fixirt. Die Muskelfasern zeigen sich nahezu 
nicht geschrumpft, wohl aber vielfach kontrahirt und schließen dicht 
an einander. An dünnen, mittels Pikrorubin gefärbten Paraffinschnitten 
zeigen dieselben an Längsschnitten auf den ersten Anblick ein Bild, 
wie es BOHEMAN in seiner Fig. 2 von der Darmmusecularis der Katze 
wiedergegeben hat: die Muskelfasern ziemlich breit, deutlich fibrillär 
längsgestreift, die Kerne gestaucht in Folge der Kontraktion. Die 
Fasern stoßen dicht an einander und zeigen dann als Grenze eine 
unregelmäßige Wellen- oder Ziekzacklinie, welche durch ihre röth- 
liche Färbung von dem gelb gefärbten, fibrillär gestreiften Zellkörper 
absticht. | 

Da und dort findet sich ein engerer oder weiterer Spaltraum 
zwischen zwei benachbarten Fasern, welcher dann von quergestellten, 
röthlich gefärbten, oft gegabelten Brücken durchsetzt erscheint. Diese 
Brücken machen dort, wo der Schnitt sehr dünn. ist, den Eindruck 
von Fasern; an denselben fällt aber einmal auf, dass sie vielfach 
über die ganze Breite einer Faser hinwegziehen und so scheinbar 
zwei durch eine dritte, zwischengelagerte Faser getrennte Fasern 


351 | Josef Schaffer, 


verbinden und dann, dass man sie nirgends quergetroffen als Punkte 
sieht. 

Bei guter Beleuchtung und aufmerksamer Beobachtung erkennt 
man jedoch, dass an den Stellen, wo man die scheinbaren Brücken 
über die Fläche einer Faser ziehen sieht, der Farbenton der Faser, 
der dort, wo man dieselbe wirklich im Längsschnitt vor sich hat, 
fast rein gelb ist, durch einen röthlichen Ton gedeckt erscheint und 
dass die Grenze zwischen diesen zwei Farbentönen sehr häufig eine 
ganz scharfe ist. Mit anderen Worten, man empfängt den Eindruck, 
als sei an solchen Stellen eine dünne querfaltige Membran der Faser 
aufgelagert, welche in die welligen oder zickzackförmigen Grenzlinien 
zwischen den Fasern übergeht und nun an vielen Stellen durch den 
Schnitt von der Faseroberfläche abgetragen worden ist. 

Bei der Dünnheit dieser Membran kann man dieselbe dort, wo 
sie der Muskelzelle glatt aufliegt, kaum wahrnehmen, da auch ihre 
Färbung eine ganz schwache ist. Die Membran tritt aber deutlich 
hervor dort, wo sie Falten bildet, welche dann als quere Brücken 
erscheinen oder, wo sie im optischen Durchschnitt gesehen wird, wie 
dies zwischen den Fasern der Fall ist, wo sie uns dann als die 
vielfach besprochene wellige oder ziekzackgebogene Grenzlinie wahr- 
nehmbar wird. 

Mit zweifelloser Klarheit treten die so eben geschilderten Ver- 
hältnisse an Präparaten hervor, welche mittels Pikronigrosin gefärbt 
worden sind; Fig. 22 soll eine Vorstellung davon geben. Die Muskel- 
zellen (f) erscheinen grünlich gelb oder deutlich fibrillär gestreift; 
gegenseitig grenzen sie sich durch intensiv blaugrün gefärbte, wellig 
gebogene Linien (A’) ab, welche Linien meist einfach sind, so dass 
dort, wo sie sich mit einer Muskelzelle retrahirt haben (m), die gegen- 
überliegende Zelle (m’) an dieser Stelle hüllenlos erscheint. An man- 
chen Stellen jedoch weichen die Linien (bei 4” z.B.) aus einander 
und lassen dann Lücken oder Spalten zum Durchtritt von Blutkapil- 
laren, elastischen Fasern, Nerven u. 8. f.; vielfach lassen sich diese 
Grenzlinien nun ganz deutlich in Membranen an der Oberfläche der 
Muskelzellen verfolgen, welehe durch ihren blass-blaugrünen Ton be- 
sonders dort erkenntlich sind, wo sie, zum Theil durch den Schnitt 
von den Fasern abgetragen (4), mit scharfen Rändern sich von dem 
selb gefärbten kontraktilen Inhalt absetzen. Oft schaut letzterer nur 
wie durch ein Fenster hervor (f’), wenn die Faser nur an einer kon- 
vexen »telle durch den Schnitt gekappt erscheint. An eben so ge- 
färbten Querschnitten erhält man wieder ein Bild, wie es z. B. 


Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen, insbes. ihrer Verbindung. 255 


BOHEMAN in seiner Fig. 4 abbildet und wie es meine Fig. 18 dar- 
stellt: die polygonalen oder rundlichen Faserquerschnitte, welche 
erünlich gelb gefärbt erscheinen, sind in ein nahezu blauschwarzes 
Netzwerk eingetragen, welches den Eindruck einer Kittsubstanz 
macht. Die Ungleichmäßigkeit der Balken dieses Netzwerkes, sein 
direkter Zusammenhang mit dem gleichgefärbten Bindegewebe der 
Submucosa oder des Peritoneums, sowie der Vergleich mit dem ge- 
schilderten Längsschnittbilde lässt jedoch keinen Zweifel, dass wir 
es mit einem Zwischengewebe bindegewebiger Natur zu thun haben, 
das in Form von zarten Häutchen die Muskelzellen umhüllt. Quer- 
faltenbildungen dieser Häutchen, durch die Kontraktion der Muskel- 
zellen entstanden, täuschen am Längsschnitt vielfach das Bild von 
Intercellularbrücken vor. 


Ill. Epikrise. 

Fragen wir uns nun, wie das Ergebnis dieser Untersuchung mit 
den bisherigen Anschauungen der Autoren in Einklang gebracht wer- 
den kann, so habe ich bereits im Vorstehenden wiederholt die Über- 
einstimmung meiner Beobachtungen am Präparat mit jenen verschie- 
dener anderer Untersucher feststellen können. 

Alle die verschiedenartigen Bilder, welche ich hier geschildert 
habe, trifft man auch schon bei dem einen oder anderen Autor in 
mehr oder minder großer Genauigkeit wiedergegeben; was jedoch 
bisher gefehlt hat, das ist eine einheitliche Auffassung und Deutung 
des Gesehenen. 

Im Folgenden sollen kurz die Gründe hierfür aus einander ge- 
setzt und gezeigt werden, dass alle die im Einzelnen weit aus ein- 
ander gehenden Anschauungen ungezwungen erklärt werden können, 
wenn man 1) die Befunde an der frischen, isolirten Muskelzelle, 
2) die Veränderlichkeit derselben durch mechanisehe oder chemische 
Einflüsse, 3) das bereits von anderen Autoren nachgewiesene Vor- 
kommen eines geformten Bindemittels zwischen den Muskelzellen, 
und 4) die im Vorstehenden nachgewiesene Möglichkeit einer färbe- 
rischen Trennung bindegewebiger und protoplasmatischer Substanz 
im Auge behält. | 

Betrachten wir von diesen Gesichtspunkten aus zunächst die 
Anschauung jener Autoren, welche »Intercellularbrücken« nur am 
Querschnitte der glatten Muskelfasern sehen und dieselben als längs- 
verlaufende, niedrige Leisten auffassen, die optisch als eine feine, etwas 
unregelmäßig verlaufende Längsstreifung der Muskelzellen in die 


256 Josef Schaffer, 


Erscheinung treten, so hat BARFURTH (1), der Hauptvertreter dieser 
Ansicht, die »Intereellularbrücken« in vielen Fällen vermisst und an 
ihrer Stelle deutlich eine durch ihren Glanz ausgezeichnete Kittsub- 
stanz gesehen. Diese »Kittsubstanz« soll sich intensiv mit Eosin, 
‚Vesuvin, kurz mit Plasmafärbemitteln färben. Diese Färbemittel 
gestatteten es BARFURTH nicht, die mikrochemische Verschiedenheit 
des Bindemittels und der Muskelzellen zu erkennen. Wie die Er- 
gebnisse der Pikrofuchsinfärbung lehrten, ist diese Kittsubstanz nichts 
Anderes, als das intercelluläre Bindegewebe, welches dort, wo die 
Muskelfasern nicht geschrumpft sind, den Eindruck von Kittlinien macht. 

Die Flüssigkeiten, welche BARFURTH als am günstigsten zum 
Nachweise der »Intercellularbrücken« bezeichnet, Chromessigsäure 
und !/,/,ige Chromsäure, bewirken, wie ich von letzterer gezeigt 
habe, eine leichte Schrumpfung der Fasern und lassen die fibrilläre 
Struktur derselben deutlich hervortreten. Am Querschnitte wird man 
demnach Bilder, wie sie den Figeg. 15 B und 21 entsprechen, er- 
halten, am Längsschnitte die von BARFURTH beschriebene Längs- 
streifung als Ausdruck der fibrillären Struktur und der rinnenförmigen 
Einsenkungen zwischen den Sarkoplasmafirsten, welche mit der binde- 
sewebigen Umhüllung der Faser in Zusammenhang geblieben sind. 
Damit erklärt sich auch die Angabe BARFURTH’s, dass die »Inter- 
cellularbrücken« am schönsten auch an Querschnitten von Fasern zu 
sehen sind, die durch Kontraktion den Zusammenhang mit 
benachbarten Fasern bereits verloren haben. 

Dass BARFURTH an solchen Stellen das an seinen Objekten 
schwach entwickelte Zwischengewebe übersehen konnte, erklärt sich 
daraus, dass er vornehmlich mittels Kernfärbemitteln (Boraxkarmin, 
Hämatoxylin) gefärbte, stark aufgehellte und sehr dünne Schnitte 
(nieht über 5 «) untersucht hat, in welchen das Zwischengewebe in 
der That unsichtbar wird. Krecxı (23) hat, obwohl er im Allge- 
meinen die Ansicht BARFURTH’s bestätigte, unbewusst auch bereits 
das membranöse Zwischengewebe in seiner Fig. 4 a abgebildet, dessen 
Längsfaltung im Querschnitte Intercellularbrücken vortäuscht, wie ich 
schon bemerkt habe. 

Deutlich sah jedoch WERNER (45) dieses Zwischengewebe in 
Form zarter Zwischenwände sowohl am Längsschnitte (Fig. 4) als 
am Querschnitte (Fig. 1), und hat er dasselbe richtig als eine diffe- 
renzirte Umhüllungsschicht, welche die scharfe Abgrenzung der 
Muskelfaser bewirkt, gedeutet und auch gesehen, dass dieselbe sehr 
innig mit dem Bindegewebe zusammenhängt. 


Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen, insbes. ihrer Verbindung. 957 


Demnach war WERNER eigentlich nicht mehr berechtigt, von 
Intercellularbrücken zu sprechen, und zeigt seine Fig. 2 auch deut- 
lieh, dass »die kurzen und langen Zellbrücken< nur verschiedenen 
Graden der Schrumpfung ihre Entstehung verdanken. Aber auch 
an Längsschnitten durch Darmmuskelfasern der Katze sah WERNER 
bereits die durch Verkürzung der Muskelfasern entstandenen Quer- 
falten der Umhüllungsmembran als »außerordentlich deutliche Quer- 
streifung« der Fasern, über deren Zustandekommen er die Ansichten 
zahlreicher Autoren anführt. 

- Die von KuurtscHitzky und BARFURTH beschriebenen »Inter- 
eellularbrücken« haben also mit dem intercellulären Bindegewebe 
nichts zu thun; dass letzteres aber zur Verwechselung mit denselben 
Veranlassung gegeben hat, wie dies neuestens GARNIER (15) und 
HoEHL (22) behaupten, geht zur Genüge aus der Arbeit von BOHE- 
MAN (6) hervor; wir kommen damit zur Besprechung jener Arbeiten, 
welche das Vorhandensein von Bindegewebe zwischen den glatten 
Muskelfasern nachgewiesen haben. 

Diesen Nachweis hat zuerst DE BRUYNE (7) mit aller Bestimmt- 
heit erbracht. Er beschreibt in der Muskulatur des Darmes vom 
Frosch und Meerschweinchen »ein Maschenwerk oder Reticulum von 
verschiedener Dichtigkeit, welches die Muskelfasern eng umtflicht. 
Nieht selten kann man einzelne Bälkchen der Länge nach in einem 
interfibrösen Spaltraum verfolgen. Durch die seitlichen Äste und 
Anastomosen dieser Bälkchen täuschen sie eine Hülle von Zähnchen 
vor, welche sich zu ähnlichen Zähnchen benachbarter Fasern be- 
geben. Das Ganze erinnert an Intercellularbrücken. Das ist aber 
nur eine optische Täuschung; bei Gebrauch der Mikrometerschraube 
sieht man das Netz«. 

Während DE BruYNnE die Fasern dieses Netzwerkes nun einer- 
seits als Ausläufer von stern- oder spindelförmigen Zellen bezeichnet, 
betont er andererseits, dass die innige Verbindung dieses intramus- 
kulären Netzes mit den Elementen der Schleimhaut und Serosa, sein 
Aussehen und seine chemischen Eigenschaften keinen Zweifel über 
seine bindegewebige Natur lassen. 

Sieht man ab von dem Umstande, dass DE BruynE ein Faser- 
netz sieht, wo ich Durchschnitte durch ein Alveolenwerk oder Fal- 
tungen eines membranösen Zwischengewebes beschrieben habe, eine 
Differenz, welche sich leieht aus der Verschiedenheit unserer Technik 
erklären. lässt, so entspricht seine Darstellung vollkommen der meinen 


Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Bd. 17 


358 Josef Schaffer, 


und ist er auch der Erste, welcher die Ähnlichkeit des Bildes an 
Längsschnitten mit Intercellularbrücken erwähnt und richtig deutet. 

Von dieser richtigen Deutung hat sich aber DE BRUYNE meiner 
Meinung nach in seiner ausführlichen Mittheilung (8) wieder weiter 
‚entfernt. Hier betont er mit Nachdruck, dass das netzartige Gitter 
zwischen den Muskelfasern aus den anastomosirenden Fortsätzen 
sternförmiger Zellen gebildet werde, obwohl seine Fig. 3 und 6 
zweifellos die bindegewebige, von Zellen unabhängige Natur dieses 
Netzes erkennen lassen. 

Neben diesem, die Muskelfasern einscheidenden Netz, welches 
zu Verwechselungen mit Intercellularbrücken Veranlassung geben 
kann, beschreibt DE BRUYnE aber nunmehr bei Säugethieren auch 
»Intercellularbrücken« im Sinne BARFURTH’s, und zwar wählt er als 
Beispiel die Darmmuskulatur der Katze. 

Wie ich, fand er am Querschnitte die Muskelfasern von sehr 
verschiedenem Aussehen: die einen stellen rundliche oder polygonale 
Felder dar, welche in den Maschen eines deutlichen Bindegewebs- 
netzes liegen; das Ganze ist in eine mehr oder weniger reiche Grund- 
substanz eingelagert, den vereinigenden Kitt. Die anderen erscheinen 
an ihrer Oberfläche in gleichen Zwischenräumen von kleinen Stacheln 
besetzt, welche bis zur Länge der Bindegewebsbälkchen heranreichen 
können. Die dritten endlich stehen mittels ihrer seitlichen Verlänge- 
rungen in Verbindung mit gleichartigen Bildungen benachbarter Fa- 
serzellen und stellen so wirkliche Vereinigungsbrücken dar. In 
letzterem Falle sieht man fast immer eine dunkle Linie senkrecht 
zur Richtung der Brücken, welche meist in gleichen Abständen zwi- 
schen den vereinigten Fasern hinzieht. Zwischen diesen drei Er- 
scheinungsweisen giebt es unmerkliche Übergänge; wo das Binde- 
sewebe zwischen den Fasern sehr zart wird, stellt es die beschriebene 
Linie dar. 

Diese Darstellung DE BRUYNE’s, sowie seine schematischen Ab- 
bildungen a, d, e Fig. 10 stimmen fast vollkommen mit der von mir 
gegebenen Schilderung und meiner Fig. 15 B, C überein. Danach 
scheint mir aber DE BRUYNE nicht mehr berechtigt, die Zähnchen an 
der Oberfläche der Faserquerschnitte als »Intercellularbrücken< zu 
bezeichnen, da sie ja zumeist nicht direkt mit den gleichartigen Bil- 
dungen benachbarter Fasern, sondern mit der bindegewebigen Scheide- 
wand zusammenhängen. Wo diese zu fehlen scheint, wie in seiner 
offenbar etwas schematisirten Fig. 8, dürfte sie ihm in Folge mangel- 
hafter Färbung entgangen sein. 


Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen, insbes. ihrer Verbindung. 259 


Da DE Bruyne keine einzige Abbildung giebt, in der die Muskel- 
fasern am Querschnitte dicht an ihr Bindemittel anschließen, so ver- 
muthe ich, dass er überhaupt nur leicht geschrumpfte Fasern vor 
sich gehabt hat, woraus sich dann seine Annahme der BARFURTH- 
schen Brücken, sowie die verschiedenen Grade in der Entwicklung 
derselben leicht erklären würden. 

Gegen die zellige Natur des intramuskulären Netzes habe ich 
sehon in meiner vorläufigen Mittheilung (38) geltend gemacht, dass 
dasselbe einmal die färberische Reaktion von Bindegewebe giebt, 
dann, wie DE BRUYNE selbst gefunden hat, direkt mit fibrillärem 
Bindegewebe zusammenhängt und endlich, dass es auf große Strecken 
hin kernlos ist, wie dies ebenfalls DE BruYneE (8) selbst in seinen 
Figg. 2 und 3 darstellt. 

Dass DE BRUYNE und nach ihm alle Autoren, welche das Vor- 
kommen von Bindegewebe zwischen den Muskelfasern beschrieben 
haben, wie GARNIER (15), HoEHL (20), aber auch BoHEMmAN (6) und 
TRIEPEL (43), die membranöse Natur dieses intercellulären Binde- 
sewebes nicht erkannt haben, ist leicht begreiflich, obwohl Quer- 
schnittsbilder, wie sie DE BRUYNE in seinen Figg. 3 und 10 giebt, 
in denen jeder Faserquerschnitt in einer geschlossenen Umhüllung 
liest, durchaus nicht dem Vorhandensein eines: aus drehrunden Fa- 
sern bestehenden Netzwerkes entsprechen. Würde es sich in der 
That um ein solches handeln, so müsste man doch häufig Querschnitte 
dieser Fasern wahrnehmen, was jedoch — mit Ausnahme der eben- 
falls vorkommenden spärlichen elastischen Fäserchen — nicht der 
Fall ist und was ich auch nirgends dargestellt gefunden habe. 

Andererseits ist es an sehr dünnen Paraffinschnitten (2—3 4), 
wie sie von einigen Autoren zur Untersuchung der »Intercellular- 
brücken« geradezu als unumgänglich nothwendig verlangt werden, 
unmöglich optische Durchschnitte dünner Membranen (Falten) oder 
wirkliche Durchschnitte derselben von Fasern zu unterscheiden. 
Während an diekeren Durchschnitten (10—15 u) von Muskelfasern 
mit reichlich entwickeltem Zwischengewebe (Gefäße des Nabelstranges, 
Darmmuskulatur der Reptilien) bei Anwendung scharfer Plasmafär- 
bung die Erkennung des membranösen Charakters leicht ist, gehört 
bei den zarten Hüllen in der Darmmuskulatur der Säugethiere (Katze, 
Hund, Pferd) und des Frosches auch bei gut differenzirender Färbung 
große Aufmerksamkeit dazu, die Häutchen in der Fläche wahrzu- 
nehmen. Übrigens verweise ich auf die Fig. 1 von Hornu (22), 
welche auf den unbefangenen Beobachter auch eher den Eindruck 

rt 


360 Josef Schaffer, 


vom Vorhandensein einer querfaltigen, membranösen Hülle, als den 
eines Fasernetzes macht!. 

Eine Erklärung der Angaben von BoHEMAN (6) habe ich bereits 
oben gegeben; hier ist nur noch zu bemerken, dass derselbe ohne 
Weiteres von Protoplasmabrücken spricht, ohne für die protoplas- 
matische Natur der von ihm dargestellten Verbindungen einen Be- 
weis erbracht zu haben. Wichtig erscheint mir auch seine Angabe, 
dass er mittels der GoteT'schen Methode niemals eine vollständige 
Brücke imprägnirt erhalten konnte, wohl aber das interfibröse Netz 
im direkten Zusammenhange mit ebenfalls geschwärzten Bindegewebs- 
zügen fand. GARNIER (15) und Horut (22) haben nur das interfibröse 
Bindemittel dargestellt, nicht jedoch die von BARFURTH beschriebenen 
Muskelbrücken; eine Verwechselung dieser beiden Dinge ist wohl 
kaum möglich, wie die beiden Autoren vermuthen. Wo dieselbe vor- 
gekommen ist, haben die betreffenden Beobachter eben die Brücken 
BARFURTH's nicht gesehen. 

GARNIER hat nur Muskeln mit reichlichem Zwischengewebe 
(Ösophagusmuskulatur der Schildkröte; Zurückzieher des Augenstieles 
von Helix pomatia) untersucht und stimmen seine Beobachtungen voll- 
kommen mit meinen Befunden an der Muskulatur der Nabelstrang- 
sefäße überein. Trotzdem kann sich sowohl GARNIER als auch HoEHL 
von der Annahme »wirklicher Intercellularbrücken« nicht ganz frei 
machen; nur halten sie ihr Vorkommen für seltener, als bisher an- 
genommen wurde. 

Zum Schlusse sei aber auch auf eine Reihe von Angaben hin- 
sewiesen, nach welchen den glatten Muskelfasern eine membranöse 
Hülle, wie ich sie geschildert habe, zukommen soll. 

Ich sehe hier von den wiederholt angeführten Angaben von 
BascH (3) und R. HeıpexHain (19) ab, weil es sich bei genauerer 
Prüfung derselben offenbar nur um scheidenartige Umhüllungen dün- 
ner Bündel von Darmzottenmuskeln gehandelt hat. 

Dagegen hat KÖLLIKER, wie ich schon erwähnt habe, für eine 
sewisse Anzahl von Muskeln, und zwar für die des schwangeren 


! Es scheint mir, dass die einseitige Anwendung einer bestimmten Tech- 
nik in letzter Zeit wiederholt zur Annahme von Netzwerken geführt hat, wo 
es sich leicht nachweisbar um dünne Membranen handelt. Wenn auch behauptet 
wird, dass die Verdauungsmethode keine Kunstprodukte schafft, so kann man 
doch die mittels derselben erhaltenen Bilder nicht für wahrheitsgetreuer halten, 
als die, welche ohne eingreifende Vorbehandlung, frische oder einfach erhärtete 
Objekte bei der Untersuchung ergeben. 


Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen, insbes. ihrer Verbindung. 261 


Uterus, des Ductus deferens und der Wirbellosen einen deutlichen 
Unterschied zwischen Inhalt und Hülle erkannt. Für die Muskeln 
einiger Wirbellosen hat auch schon R. HEIDExHAIN (17) diese Hülle 
deutlich beschrieben. Wie ich gezeigt habe, ist diese Hülle an 
Querschnitten des Ductus deferens besonders dort leicht als zarte, 
vom umgebenden Bindegewebe sich abhebende Linie zu erkennen, 
wo sich der kontraktile Faserinhalt von ihr retrahirt hat. 

Nach diesen Befunden an isolirt im Bindegewebe liegenden 
Muskelfasern müssen wir annehmen, dass de norma der kontraktile 
Zellkörper durch das Sarkoplasma an seiner ganzen Oberfläche innig 
mit dieser Hülle zusammenhängt, ähnlich wie die quergestreifte 
Skeletmuskelfaser mit ihrem Sarkolemm. 

An solchen isolirt verlaufenden Fasern hat auch Krem (24) im 
Mesenterium von Tritonen eine Scheide beschrieben, die er für wahr- 
scheinlich elastischer Natur hält und die sich bei der Kontraktion 
in quere Runzeln legen soll (man vgl. auch die Fig. 47 in Kreix- 
KoLLmAnN’s Grundzügen der Histologie. 2. Aufl. 1890). SCHÄFER- 
Krause (36) bilden in Fig. 792 eine bei der Isolation abgebrochene 
Zelle ab, an der sich »die zarte Umhüllungsmembran am abgehro- 
chenen Ende ein wenig jenseits der Zellsubstanz fortsetzt«. 

Die bestimmten Angaben über Scheiden der glatten Muskelfasern 
von DrAascH und WERNER habe ich bereits besprochen. GARNIER 
wendet sich gegen die Bezeichnung Sarkolemm, welche WERNER dieser 
Hülle gegeben hat, weil WERNER durch dieses Häutchen hindurch 
die Muskelfasern mittels Leisten verbunden sein lässt. Er selbst hat 
aber bei Helix neben einem groben Netzwerk um die Muskelfasern 
noch eine membranöse Hülle analog dem Sarkolemm beschrieben. 
Nach GARNIER soll sie nur am optischen oder reellen Durchschnitt 
sichtbar sein, den Eindruck einer zarten Schnürchen - Einfassung 
(lisere) machen, welche etwas dunkler erscheint als die kontraktile 
Substanz und dieselbe allseitig begrenzt. Die von GARNIER ange- 
wendete Doppelfärbung (Echtgrün-Safranin) erlaubte ihm nicht, die 
mikrochemische Differenz dieser Membran vom kontraktilen Zellleib 
und ihre Übereinstimmung mit dem »Bindegewebsnetz« zu erkennen, 
wesshalb er sie als die primäre Zellmembran deutet, welche nach 
RotuLe (35) die Muskelelemente in den ersten Stadien ihrer Entwicklung 
umhüllen soll. Da jedoch die Annahme einer solchen Zellmembran 
für die glatten Muskelfasern, die sich aus gewöhnlichen Mesoderm- 
zellen entwickeln, eben so wenig wie für die quergestreiften gerecht- 
fertigt erscheint, ist die von GARNIER beschriebene Membran offenbar 


262 Josef Schaffer, 


identisch mit der von mir an den glatten Muskelfasern der Nabel- 
stranggefäße ete. beschriebenen Grenzschicht des interfibralen Waben- 
werkes, dies um so mehr, als auch GARNIER den innigen Zusammen- 
hang der Membran an der Oberfläche der Fasern mit dem »Netz- 
werk« zwischen denselben betont. 

Endlich sei noch an die zutreffende Schilderung, welche Warsey 
(44) vor langer Zeit vom Bindegewebe der Darmmuskulatur gegeben 
hat, erinnert; dieselbe stimmt mit meinen Befunden vollständig über- 
ein und kann um so mehr als Stütze derselben dienen, als sie auf 
Grund einer ganz anderen Technik gewonnen wurde. WaArney findet, 
dass das Reticulum der Darmschleimhaut sich auch zwischen den 
Muskelfasern findet, so dass hier jede Muskelfaser in ein Netzwerk 
eingescheidet ist. Dieses Reticulum darf aber nicht als ein Netzwerk 
von Fäden allein betrachtet werden, sondern bildet bis zu einem ge- 
wissen Grade auch häutchenförmige Umhüllungen. Also haben die 
Muskelfasern membranöse Hüllen, welche im Zusammenhange stehen 
mit dem Reticulum und in der That einen Bestandtheil desselben 
bilden. Dies kann man am besten an Schrägschnitten durch die 
Muskelfasern sehen. 


Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung müssen nach ver- 
schiedener Richtung eine gewisse Befriedigung hervorrufen. Einmal 
erschien es bisher doch schwer verständlich, dass hochdifferenzirte 
mesodermale Elemente, die auf Bewegung eingerichtet sind, dieselbe 
Einrichtung einer intimen Verbindung besitzen sollten, wie epitheliale 
Elemente, welche von der ersten Entwicklung an, ohne wesentlich 
ihre Form zu ändern, wohlgefügte Zellverbände bilden. | 

Allerdings kennen wir ja auch epitheliale Muskelzellen, sowohl 
ekto- als entoblastischen Ursprunges, und wenn Intercellularbrücken 
glatten Muskelfasern überhaupt zukommen, so mussten wir sie hier 
zuerst suchen und finden. Nun sind mir aber gerade z. B. die Muskel- 
fasern der Schweißdrüsen von jeher durch ihre glatte, ich möchte 
sagen starre Form aufgefallen, und konnte ich zwischen denselben 
niemals eine Andeutung von »Intercellularbrücken« wahrnehmen. 
Die scheinbaren Zellbrücken zwischen den Muskelfasern der Gift- 
drüsen vom Salamander hat Drasca (11) befriedigend erklärt, und 
kann ich daher dem Befunde von M. HEIDENHAIN (21) von angeb- 
lichen Intercellularbrücken zwischen glatten Muskelzellen und Epithel- 
zellen des äußeren Keimblattes nicht eine Beweisfähigkeit für das 
Gegentheil zuerkennen. Es ist sehr leicht denkbar, dass HEIDENHAIN 


Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen, insbes. ihrer Verbindung. 263 


die von DrascH nachgewiesene zarte Membran zwischen Muskelfaser 
und Epithelzelle übersehen hat und dass eine regelmäßige Fältelung 
dieser Membran am Durchschnitte die beschriebenen »Intercellular- 
brücken< vorgetäuscht hat. 

Nach Drascn (11, p. 245) kann »das Vorhandensein vorgebilde- 
ter Muskelscheiden nicht bezweifelt werden. Ja es müssten solche 
nach seiner Meinung sogar postulirt werden, denn, dass sich eine 

+ Epithelzelle unvermittelt mit einer Muskelfaser verbinden soll, ist an 

“ sieh unwahrscheinlich, wenn man nur das Eine bedenkt, dass bei 
jeder Kontraktion des Muskels die Zelle ja gelockert werden müsste. 
Dieses tritt aber nicht ein, wenn die Zelle an der Scheide befestigt 
ist, unter welcher der Muskel für seine Funktion einen gewissen 
Spielraum hat. Von dieser mechanischen Bedeutung der Scheide 
abgesehen, lässt sich durch ihr Vorhandensein auch die Ernährung 
der Muskeln besser verstehen«. 

Wie HEIDENHAIn den vermeintlichen Nachweis von Intercellular- 
brücken als Beweis für die ektoblastische Natur der Giftdrüsenmuskeln 
angeführt hat, möchte ich umgekehrt den Schluss ziehen, dass hier 
durch die Umwandlung zu kontraktilen Zellen ursprünglich vorhan- 
dene Intercellularbrücken zu Grunde gegangen sind und gehen mussten. 
Die angeführten Erwägungen von DrascH gelten aber auch für die 
Annahme von »Intercellularbrücken« zwischen kontraktilen Faser- 
zellen überhaupt. Dieselbe erschien mir physiologisch und mecha- 
nisch stets unverständlich, da ja diese zarten Verbindungen bei jeder 
Kontraktion wenigstens zum Theil zerreißen müssten. Eine ganz 
andere Bedeutung haben jene Muskelbrücken, welche HEYMmAnSs (... sur 
la terminaison des nerfs dans les muscles lisses de la sangsue ete., 
Bruxelles 1889, p. 29) in der Darmmuskulatur des Blutegels beschrie- 
ben hat, die aber ebenfalls von einigen Autoren als Beleg für das 
Vorhandensein von »Intercellularbrücken« herangezogen wurden. Hier 
handelt es sich jedoch um netzartig verbundene, verzweigte Muskel- 
fasern, wie sie sich auch an anderen Orten finden. 

Andererseits bleiben die theoretischen Erörterungen über die Be- 
deutung der Intercellularbrücken für die Ernährung der Muskelfasern 
unberührt, wenn man an die Stelle von Brücken und Lücken ein 
zartes, Eschen den Muskelfasern wie ein Dochtwerk angeordnetes 
Bindegewebe setzt. 
| Schon BARFURTH (1) hat die Thatsache, dass er dort, wo die 
Muskulatur reich mit Bindegewebe durchsetzt ist, seine Brücken ver- 
geblich gesucht hat, dahin zu erklären versucht, dass hier schon 


264 Josef Schaffer, 


durch die Anwesenheit des Bindegewebes die Cirkulation der Lymphe 
gesichert sei; DE BRUYNE (8) hält die Deutung der »Intereellular- 
lücken« als Lymphwege in dem Sinne Kurrscnairzky’s und Bar- 
FURTH’s bei dem von ihm erbrachten Nachweise von Bindegewebe 
zwischen den Muskelfasern für überflüssig. 

Das Vorhandensein dieses intercellulären Bindegewebes macht 
aber auch das Vorkommen von Kapillaren zwischen den Muskel- 
fasern verständlich. | \ 

Endlich lässt die im Vorstehenden gegebene Erklärung für das 
Zustandekommen von Intercellularbrücken-Bildern auch die wider- 
sprechenden Angaben der Autoren über Vorhandensein und Fehlen 
der »Intercellularbrücken« bei verschiedenen Thieren und bei dem- 
selben Thiere in verschiedenen physiologischen Zuständen verständ- 
lich und hinfällig erscheinen. 

Was die von BARFURTH zuerst ausgesprochene und von vielen 
Physiologen postulirte Bedeutung der »Zeilbrücken« für die Reiz- 
leitung in der glatten Muskulatur anlangt, so muss man nunmehr 
entweder annehmen, dass jede Muskelfaser ein Nervenende besitzt, 
oder dass das zarte intercelluläre Bindegewebe kein Hindernis ist für 
die Fortpflanzung einer von einem Punkte ausgehenden Erregung, 
wofür wir ja in der paradoxen Zuckung ein Beispiel haben. 


Wien, im Februar 1899. 


Bemerkung bei der Korrektur: In einem Artikel von R. S. BERGH, 
der den allgemeinen Titel führt: Beiträge zur vergleichenden Histo- 
logie (Anat. Hefte, Bd. X, 1898, p. 105), bildet BERGH in Fig. 9, 
Taf. VII und VIII ein kleines Fragment eines Querschnittes der Aorta 
cephalica von Helix pomatia nach einem mittels der van GIESON- 
Methode gefärbten Schnitte ab. Man sieht gelb gefärbte Quer- und 
Längsschnitte von Muskelfasern und zwischen den ersteren ein zu- 
sammenhängendes Netz roth gefärbter Linien; zwischen und über den 
Faserlängsschnitten zeichnet BERGH ziekzackförmig gebogene Linien. 
In der Erklärung (p. 114) sagt er: »Zwischen den Muskelfasern sieht 
man die reichliche, durch Säurefuchsin roth gefärbte Grundsubstanz 
des Bindegewebes..... Diese Grundsubstanz zeigt sich oft als wellen- 
förmig gebogene Häutchen, die am Schnitte eine gewisse Ähnlichkeit 
mit Bindegewebsbündeln darbieten. Mit solchen sind sie jedoch abso- 
lut nicht zu vergleichen; wodurch aber das sehr eigenthümliche Bild 


Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen, insbes. ihrer Verbindung. 265 


zu Stande kommt, vermag ich vorläufig nicht zu sagen. Am Quer- 
schnitte der Längsmuskelbündel ist deutlich erkennbar, wie die ein- 
zelnen Muskelfasern durch Bindegewebssrundsubstanz von einander 
setrennt sind.« Ähnliche Verhältnisse zeigen die Figg. 21 und 22 von 
BERGH. In Fig. 21 erscheinen die roth gefärbten Scheidewände an 
der Oberfläche einer längsgetroffenen Muskelfaser auch durch quere, 
ebenfalls roth gefärbte Balken nach Art von Brüeken verbunden. 

t Die Deutung dieser Bilder dürfte nunmehr keinem Zweifel unter- 
jegen. 


Litteraturverzeichnis. 


D. BARFURTH, Über Zellbrücken glatter Muskelfasern. Arch. für mikr. Anat. 
Bd X&XXVIM  1891.0.9..38. 

2. —— Zelllücken und Zellbrücken im Uterusepithel. Anat. Hefte. Bd. IX. 
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8 ——- Contribution & l’etude de l’union intime des fibres musculaires lisses. 
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9. BusacHı, Über die Neubildung von glattem Muskelgewebe. Beitr. zur path. 
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13. $. Exner, Über optische Eigenschaften lebender Muskelfasern. Arch. für 
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Bd. VI. 1896. Wiesbaden 1897. p. 260. 

15. CH. GARNIER, Sur l’apparence de ponts intercellulaires produits entre les 

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Journ. de l’Anat. et de la Physiol. 1897. p. 405. 


u 
. 


266 


16. 


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GRUENHAGEN, Über die Muskulatur und die Bruch’sche Membran der Iris. 
Anat. Anz. Bd. III. 1888. 

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—— Gerinnung des Inhaltes der kontraktilen Faserzellen nach dem Tode. 
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M. HEıpenuAmn, Über Kern und Protoplasma. Festschrift für A. v. KöR- 
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—— Über das Vorkommen von Intercellularbrücken zwischen glatten 
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theoretische Bedeutung. Anat. Anz. Bd. VIII. 1893. p. 404. 

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Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen, insbes. ihrer Verbindung. 267 


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42. PH. Stöhr, Lehrbuch der Histologie etc. S. Aufl. Jena 1898. p. 75. 

43. H. TRıEPEL, Zu den Zellbrücken in der glatten Muskulatur. Anat. Anz. 
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44. Warsey, The minute Anatomy of the Alimentary Canal. Philos. Transact. 
Vol. CLXVI 1876. 

3. G. WERNER, Zur Histologie der glatten Muskulatur. Dorpat 1894. 


Erklärung der Abbildungen. 


Tafel XIV und XV, 


Fig. 1. Isolirtes Faserbündel aus einem frischen Nabelstranggefäß des 
Menschen in !/>°/siger Kochsalzlösung untersucht. :/, eine aus dem Verbande 
herausgerissene Muskelzelle.. Vergr. 490. 

Fig. 2. Ein isolirtes Bündel glatter Muskelfasern aus der Diekdarmtänie 
eines Affen (Mac. cynomolgus); frisch in !//siger Kochsalzlösung. Zwischen 
den Fasern im Bündel glänzende, wellige Linien; :/, herausgerissene Faser mit 
glatten Rändern. Vergr. 49. 

Fig. 3. Ende einer frisch in BAnnwarT#'s Eosin isolirten glatten Muskel- 
faser aus einem Nabeistranggefäiß vom Menschen. f, Körper der Faser mit 
deutlicher fibrillärer Streifung; A, Hülle des kontraktilen Inhaltes; A’, röhren- 
förmige Fortsetzung derselben über das Faserende hinaus. Vergr. 490. 

Fig. 4 Frisch isolirte Muskelzelle; Cardia eines Smonatlichen Fohlen, 
12 Stunden p. m. x, Kern; %, Verdichtungsknoten; %’, Verdichtungsscheibe, 
welche nicht den ganzen Querschnitt der Faser betrifft. Vergr. 490. 

Fig. 5. Eine eben solche Faser vom erwachsenen Pferd, 6Y/» Stunden 
p- m. /, Fibrillen und interstitielle Körnchen. Die übrigen Bezeichnungen wie 
Fig. 4. Vergr. 316. 

Fig. 6. Querschnitt durch die mittlere Partie der Ringmuskelschicht des 
Katzendarmes. Gesättigte, wässerige Sublimatlösung, va GIEsoNx-Färbung. 
a, nieht verdichteter Faserquerschnitt mit deutlicher Fibrillenpunktirung; a’. 
verdichteter, homogener und stärker färbbarer Querschnitt; s. Zwischengewebe. 
Vergr. 700. 

Fig. 7. Glatte Muskelfasern mit Kontraktionsknoten; aus einem Schnitt 
durch die Ampulle des Samenganges eines Hingerichteten. ZENKER’s Flüssig- 
keit, Hämalaun-Eosin. Vergr. 700. 

Fig. 8. Isolirte Faser aus einem mit Drittelalkohol behandelten Nabel- 
stranggefäß vom Menschen. Färbung mit Congoroth. n, stark gefärbter Kon- 
traktionsbauch; A, Hülle. Vergr. 700. 

Fig. 9. Eine eben solche Faser nach Behandlung mit 200/,iger Salpeter- 
säure isolirt. Vergr. 700. 

Fig. 10a und 5. Zwei isolirte Muskelfasern aus der Darmwand von Rhe- 
sus nemestrinus nach Behandlung mit KAIsERLING's Formalingemisch. Vergr. 700, 


268 Josef Schaffer, Zur Kenntn. d. glatten Muskelzellen, insbes. ihrer Verbindung. 


Fig. 11. Von einem isolirten Bündel aus der Darmmuscularis desselben 
Thieres; dieselbe Behandlung. Bei 7 hohe, bei ? tiefe Einstellung. Vergr. 700. 
Fig. 12. Durch Maceration in MÜLLER’s Flüssigkeit isolirte Mukelfasern 
aus der Darmwand des Pferdes; beia von der Fläche, bei 5 im Profil. Vergr. 270. 

Fig. 13. Querschnittspartie von einem Nabelstranggefäß des Neugebore- 

. nen; Pikrinsublimat, Hämalaun-Eosin. Muskelfasern im Längsschnitt. %, Keine 
des Zwischengewebes. Vergr. 270. 

Fig. 14. Eine Stelle vom gleichen Objekt bei stärkerer Vergr. (490); 
VAN GIESoN-Färbung. qw, Muskelfasern im Querschnitt; /, Leukoeyt. 

Fig. 15 A, B, C. Drei Fasergruppen aus ein und demselben Querschnitte 
durch die Längsmuskelschicht des Pferdedarmes. ZENKER, VAN GIESON. B und 
C' verschiedene Schrumpfungsstadien von A. s, intercelluläres Fachwerk im 
Durehschnitte. In C bedeutet 5 eine verbreiterte Stelle desselben mit einem 
Kern, f eine nicht vollständig retrahirte Faser. Vergr. 1100. 

Fig. 16. Eine Reihe von Querschnittsbildern glatter Muskelfasern aus 
dem Ductus deferens eines Hingerichteten. ZENKER’s Flüssigkeit, Hämalaun- 
Eosin. A, fibrilläres Bindegewebe; 4’, Hülle des kontraktilen Inhaltes; m/f, eine 
glatt retrahirte Muskelfaser; sp, Sarkoplasmadurchgänge, aus denen sich die 
kontraktile Substanz gänzlich retrahirt hat. Vergr. 700. 

Fig. 17. Aus einem Querschnitte durch die Muskelhant des Katzen- 
darmes. Sublimat-Eisessig, VAN GIESON. 5 stärkerer Bindegewebsbalken mit 
Kernen %. Muskelfasern größtentheils geschrumpft, das Netzwerk n zwischen 
denselben ist gequollen und zeigt mehrere leere Lücken. Vergr. 700. 

Fig. 18—21. Verschiedene Querschnittspartien aus der Ringfaserschicht 
des Katzendarmes. Fixirung in gesättigter wässeriger Sublimatlösung, Färbung 
mittels Pikrorubin allein (18—20) oder nach Vorfärbung mittels Hämalaun. 
a, a’, geschrumpfte Muskelfasern; DB, Bindegewebsbalken der Submucosa mit 
Kernen; 5, intercelluläres Bindegewebe; c, Kapillare; /, ’, Lücken im Zwischen- 
gewebe; d, Maschen des Zwischengewebes, aus denen sich die Muskelzellen 
nahezu ganz retrahirt haben. Vergr. 700. 

Fig. 22. Aus einem Längsschnitt durch die glatten Muskelfasern des Frosch- 
magens. Fixirt in Kochsalz-Sublimat, Färbung nach FREEBORN (Pikronigrosin); 
Paraffin. A, die häutchenartige Umhüllung der Muskelfasern von der Fläche 
gesehen, bei }’im Profil zwischen zwei Fasern; 4”, intercellularbrückenähnliche 
Faltenbildungen dieses Häutchens; /, ‚f’, durch den Schnitt frei gelegte Muskel- 
faserpartien; Ak, Kern der Muskelfaser. Zwischen m und m’ durch Retraktion 
der Fasern künstlich entstandener Spaltraum. Vergr. 490. 


Über zwei Zoantheen. 
Von 
Professor Dr. A. R. v. Heider, 


Privatdocent für Zoologie in Graz. 


Mit Tafel XVI und XVII. 


Der Beschreibung von Zoantheus chierchiae! lasse ich, nach leider 
unbeabsichtigt langer Pause, diejenige zweier weiterer Formen aus 
der Zoantheensammlung des italienischen Schiffes Vettor Pisani fol- 
gen. Die Speciesbestimmung desselben hat mir bei dem Mangel 
jeglichen Vergleichsmaterials in unseren Museen unterschiedliche 
Schwierigkeiten bereitet, und auch dies Mal muss ich die Aufstel- 
lung einer neuen Art und Identifizirung der zweiten Form mit einer 
von DUERDEN im Vorjahre beschriebenen als provisorisch bezeichnen. 


1. Palythoa brasiliensis n. sp. 
Taf. XVI, Fig. 1—21. 

Fig. 1 giebt die Form in natürlicher Größe. Der Stock bildet 
eine halbkugelige Masse von ockergelber Farbe, indem die dicht an 
einander gedrängten Polypen einen spitzen Stein umwachsen und 
vollständig einhüllen. Dem in Fig. 1 abgebildeten Stocke dient eine 
aus Muschelkalk bestehende Felsspitze als Unterlage; die Dicke der 
das Felsstück in Gestalt einer halbkugelig gekrümmten Platte über- 
ziehenden Kolonie beträgt durchschnittlich 20 mm. Es ist dies zu- 
gleich die Höhe der einzelnen Polypen, deren Leibeshöhlen bis an 
die Basis reichen und hier von einer schwammigen Masse abge- 
schlossen werden, die in Verbindung mit den Basen der anstoßbenden 
Polypen als gemeinsame Cönenchymausbreitung von 2—3 mm Dicke 
die Unebenheiten der steinigen Grundlage ausfüllt (Fig. 4 und 5). 


1 Diese Zeitschr. Bd. LIX. 1895. p. 1. 


270 A. R. v. Heider, 


Die Polypen sind fast der ganzen Länge nach mit einander verbun- 
den, nur ihr oberster Theil, in der Länge von ungefähr 3—4 mm, 
ist frei und bildet das Köpfchen (Capitulum). Die Oberfläche des 
Stockes zeigt diese, der Mehrzahl nach völlig geschlossenen, nach 
Maßgabe ihrer Aneinanderdrängung mehr rundlichen oder polygonal 
abgeplatteten Köpfchen, deren Querdurchmesser im Mittel bei den 
ausgewachsenen Polypen 7 mm beträgt. Zwischen diesen finden sich 
hin und wieder die Köpfchen von jüngeren Individuen mit Durch- 
messern bis zu 3 mm, deren Leibeshöhlen ebenfalls bis zum basalen 
Cönenchym reichen und, so weit meine Beobachtungen gehen, nie 
aus Röhren älterer Polypen entspringen. Die Vermehrung der Po- 
Iypen geschieht wohl nie durch Sprossung, sondern größtentheils 
durch Cönenchymknospung und gelegentlich durch Längstheilung, 
wofür eine Stelle am Rande der Kolonie spricht (Fig. 3), an welcher 
unzweifelhaft zwei verschiedene Stadien von Längstheilung vorhanden 
sind; die Sondirung der beiden Mundöffnungen des Polypen rechts 
(Fig. 3) ergab zwei gesonderte Schlundrohre, die in eine gemeinsame 
Körperhöhle münden. 

Im Centrum der Kuppe der vollständig geschlossenen Köpfchen 
liegt als kleine, rundliche oder spaltförmige Öffnung: der Zugang zur 
vom kontrahirten freien Mauerblattrande überdeekten Mundscheibe. 
Diese Öffnungen sind von je nach dem Kontraktionszustande mehr 
oder weniger deutlichen Höckern umgeben, die dem Centrum der 
Kuppe ein sternförmiges Aussehen verleihen. Durchschnittlich finden 
sich auf jedem Köpfchen 17—18 solcher Höcker. Die geöffnet er- 
haltenen Köpfchen sestatten einen Einblick auf die Mundscheibe. 
Dieselbe ist nach außen begrenzt von den erwähnten, aus der übri- 
sen mehr glatten Ektodermüberkleidung in regelmäßigen Abständen 
sich erhebenden, radiären Wülsten von rauher, derber Konsistenz. 
Innerhalb dieses Höckerkranzes liegen zwei alternirende Kreise von 
Tentakeln, die durch ihre glatte Oberfläche, wie die Mundscheibe 
selbst, von den sie umschließenden Höckern schon bei Lupenbetrach- 
tung auffallend kontrastiren (Fig. 2). Ich zählte am ausgewachsenen 
Polypen meist 32 oder 34 Tentakel, welche fast immer zu kleinen, 
kaum 0,5 mm im Durchmesser messenden Knöpfehen kontrahirt sind; 
wie einige weniger zusammengezogene Mundscheiben zeigen, sind die 
Tentakel einfach, konisch, und dürften auch im ausgestreckten Zu- 
stande kaum mehr wie 1—2 mm lang sein. Der äußere Kreis mit 
16—17 Tentakeln entspricht der Lage nach den Zwischenräumen 
zwischen den Höckern, der innere Kreis kommt vor die letzteren zu 


.. 


Über zwei Zoantheen. DA 


liegen. Von den Basen der Tentakel ziehen, nur schwach ange- 
deutet, hellere und dunklere Radiärstreifen gegen die Mitte der 
Mundscheibe, wo sich die Mundöffnung in Gestalt einer schmalen, 
langen Spalte befindet. An den ausgestreckten Polypen ist die 
Mundscheibe in Folge der Konservirung meist zu einer dünnhäutigen 
Blase ausgebaucht, deren Ektodermüberzug mehr oder minder macerirt 
erscheint, so dass über die eigentliche Beschaffenheit der Mundscheibe 
keine genauen Angaben möglich sind. 

Schon bei Lupenbetrachtung erkennt man die die Mesogloea der 
Körperwand erfüllenden Sandpartikeln, die sog. Inkrustation, welche 
dem Stocke beim Berühren eine eigenthümlich rauhe Beschaffenheit 
verleiht und besonders dicht in den Höckern des oberen Mauerblatt- 
randes enthalten ist. Die Inkrustation macht sich bei Versuchen, 
die Polypen in Schnitte zu zerlegen, sehr unangenehm bemerkbar 
und bildet bis nun fast ein unbesiegbares Hindernis für eingehende 
histologische Untersuchung vieler Zoantheen. Auch bei der vorliegen- 
den Form gelangen mir, so weit es sich um feinere Details handelte, 
mikroskopisch brauchbare Sehnitte nur theilweise, und deren Er- 
langung war nur vom Zufalle abhängig; eine Entkalkung mit den 
üblichen Säuren hat wenig Erfolg, weil die kieseligen Bestandtheile 
des Sandes von derselben nicht angegriffen werden. Ich verfertigte 
mit immer frisch geschliffenen Messern eine große Zahl von Schnitt- 
serien aus mehreren in Paraffin eingeschmolzenen Polypen und ori- 
entirte mich während des Durchsuchens derselben nach halbwegs 
brauchbaren Stellen behufs Studiums der Histologie über den all- 
semeinen Bau der Zoanthee. 

Von einem eigentlichen Mauerblatte, bestehend aus den drei 
typischen Schichten Ektoderm, Mesogloea und Entoderm kann nur 
im Bereiche der freien Köpfchen gesprochen werden; das Ektoderm 
überzieht nur die Oberfläche des Stockes, in dessen Tiefe werden 
die Polypen ausschließlich von Mesogloea begrenzt. Diese ist dort, 
wo mehrere Polypen zusammenstoßen, zu größeren Massen angehäuft, 
verjüngt sich dagegen an den Berührungsstellen zweier Polypen zu 
einer ganz dünnen Lamelle, welche bei Querschnitten durch mehrere 
zusammenhängende Polypen leicht einreißt. Die Querschnitte der 
einzelnen Polypen sind im Allgemeinen rundlich oder unregelmäßig 
polygonal (Fig. 6), von einem gemeinsamen Cönenchym, in welches 
die Polypen versenkt wären, kann hier füglich nicht gesprochen 
werden, da es an den Berührungsstellen der Polypen vollständig 
fehlt und nur in den drei- oder viereckigen Räumen zwischen drei 


169) 


72 A. R. v. Heider, 


oder vier Individuen eine mesogloeale Ausfüllmasse vorkommt, die 
dem Begriffe des Cönenchyms bei anderen Anthozoen nicht entspricht. 

Im Übrigen weicht die Anatomie der Polypen von dem genügend 
bekannten Baue der Zoantheen in keinem wesentlichen Punkte ab. 
Die Mesenterien befolgen den Mikrotypus und sind bei den erwach- 
senen Polypen, so weit dieselben zur Untersuchung gelangten, in der 
Zahl von 32—34 vorhanden und in der bekannten Weise paarig an- 
geordnet. So viel es der unregelmäßige Kontraktionszustand der 
halb oder ganz geöffneten Köpfehen zu konstatiren erlaubte, glaube 
ich gefunden zu haben, dass der äußere Tentakelkranz den Binnen- 
fächern (Endocoelen), der innere den Zwischenfächern (Exocoelen) der 
Mesenterien entspreche. 

Der schwach ausgebildete Sphinkter ist, wie Schnitte durch den 
oberen Mauerblattrand zeigen, einfach und mesodermal (SpA Fig. 8, 
9, 10), und die angegebenen Merkmale genügen, um in der beschrie- 
benen Zoanthee eine Palythoa zu erkennen, welche nach HADpoN 
und SHACKLETON! durch die Merkmale: Mikrotypus der Mesenterien, 
Inkrustation der Körperwand, einfacher mesogloealer Sphinkter, Po- 
lypen in Cönenchym versenkt — gekennzeichnet wird. 

Schwierig ist die Artbestimmung. HappoN und SHACKLETON? 
haben sich in neuester Zeit der Mühe unterzogen, die Verwirrung, 
welche bezüglich der Systematik der Zoantheen herrscht, zu be- 
seitigen und besonders in die artenreiche Gattung Palythoa einige 
Ordnung zu bringen, getrachtet. Bei Durchsicht der von diesen bei- 
den Autoren als derzeit feststehend genannten Arten und Vergleichung 
derselben mit unserer Species können nur P. ocellata Ell. und Sol. 
und P. howesii H. und S. in Betracht kommen, mit welehen beiden 
Formen erstere am meisten übereinstimmt, in so fern das Hauptge- 
wicht auf die Dimensionen der Polypen und das Maß der Erhebung 
der kontrahirten Polypen über die Oberfläche des Stockes gelegt 
wird. Abgesehen davon, dass Merkmale, wie die angegebenen, als 
sehr variabel keinen großen Werth beanspruchen können, hegte ich 
indess auch sonst noch Zweifel, ob ich es mit einer dieser beiden 
Species zu thun habe, indem für P. ocellata 56 Tentakel mit 26 Sep- 
tenpaaren angegeben sind, und die für P. howesii angeführte reihen- 
weise Anordnung der Polypen an unserer Form auch nieht einmal 


! HADDOoN and SHACKLETON, A revision on the british Actiniae. II. The 
Zoantheae. Trans. R. Dublin Soe. (2) Vol. IV. 1891. p. 609. 

®2 HADDON and SHACKLETON, Reports on the zoologieal colleetions made in 
Torres straits. Ibid. p. 673. 


Über zwei Zoantheen. 373 


angedeutet ist. Desshalb war ich gezwungen, die Zahl der vorhan- 
denen Palythoa-Species um eine weitere zu vermehren und nannte 
sie Palythoa brasiliensis, da sie vom Riffe von Pernambuco stammt 
und thatsächlich der brasilischen Küste eigenthümlich zu sein scheint. 

Die mikroskopische Untersuchung des Thieres musste leider 
ziemlich unvollständig bleiben. Zum Theile verhinderte die Mace- 
ration des ektodermalen Belages der äußeren Oberfläche der Köpf- 
chen, sowie die nicht günstige Erhaltung der entodermalen Ausklei- 
dung der Körperhöhle — mit Ausnahme weniger Schnitte — einen 
befriedigenden Einblick in den feineren Bau dieser Körperschichten, 
zum großen Theile bot aber die Inkrustation jener mesodermalen 
Abschnitte des Polypen, welche beim solitären Thiere das Mauerblatt 
bilden würden, ein großes Hindernis für die Erreichung guter Schnitte. 

Das Mesodermgewebe, Mesogloea, erfährt durch die Alkohol- 
konservirung eine sehr bedeutende Schrumpfung; gewiss werden in 
anderer Weise getödtete und aufbewahrte Anthozoen bessere und 
riehtigere mikroskopische Präparate geben. Immerhin konnte ich 
auch bei dem mir zur Verfügung gestandenen Materiale an einzelnen, 
nur zufällig gelungenen Schnitten feinere Details studiren. 

Die Besichtigung der der Länge nach eröffneten Polypen zeigt, 
dass dieselben ungemein dicht an einander stehen und ihre Körper- 
höhlen nur durch eine, oft äußerst dünne Membran von einander 
getrennt werden (Fig. 4, 5). Diese Membran, aus Mesogloea be- 
stehend und selbstverständlich an beiden Seiten mit Entodermzellen 
bekleidet, stellt die gemeinsame Körperwand der an einander gren- 
zenden Polypen dar; sie ist hier meist nur wenige Zehntel Millimeter 
stark und geht direkt in die Cönenchymmasse über, welche die 
durch das Zusammenstoßen von drei oder vier Polypen entstehenden 
drei- oder viereckigen Lücken erfüllt (Fig. 6, 7). Dieses Cönenchym, 
welches ich Mauereönenchym nennen möchte, steht nach unten mit 
dem basalen Cönenchym der Kolonie in Verbindung und setzt sich 
nach oben in die Mesogloea der Köpfchen fort, sie zeigt überall den- 
selben Bau, und ist ein von Hohlräumen mehr oder minder stark durch- 
setztes Mesodermgewebe, welches die Fähigkeit aquirirt hat, Sand- 
partikelchen in großer Menge aufzunehmen, also das zu bilden, was 
man Inkrustation nennt (Fig. 7). Man findet diese Fremdkörper ver- 
schiedenster Größe entweder in die sonst homogene Mesogloealmasse 
eingebettet oder in den Kanälen des Cönenchyms liegen; eigentlich 
wird wohl nur die Mesogloea selbst die Fremdkörper aufnehmen 
und diese dürften, falls sie im Lumen der Kanäle gefunden werden, 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Ba. 18 


374 A. R. v. Heider, 


künstlich durch das Schnittmesser dahin gebracht worden sein. 
Immerhin ist es auch denkbar, dass die Kanäle im lebenden Thiere 
den Weg darstellen, auf welchem die Sandpartikel von der Peri- 
pherie in das Innere der Kolonie befördert werden, indem jene erst, 
wenn sie an ihrem Bestimmungsorte innen angelangt sind, in die 
Mesogloea gepresst werden. | 

Normal sind die Mesogloealkanäle von zelligen Elementen aus- 
gekleidet oder erfüllt, die bei den untersuchten Pulypen nicht ge- 
nauer erkannt werden konnten, da der Inhalt der Kanäle und 
Lücken offenbar durch die Art der Konservirung in einen undefinir- 
baren Detritus umgewandelt ist. Ich konnte desshalb auch nicht 
die Angaben anderer Zoantheen-Untersucher kontrolliren, welche da- 
hin lauten, dass dieser Zellbelag eine Fortsetzung des Entoderms der 
Körperhöhle darstelle; die Schnitte, aus welchen ich auf eine that- 
sächliche Kommunikation des Kanalsystems der Mesogloea mit der 
Leibeshöhle durch von derselben nach innen sich erstreckende La- 
kunen und Buchten hätte schließen können, waren zu unvollkommen 
und unverlässlich. 

Während das Cönenchym, also die Mesogloea im Bereiche der 
verwachsenen Mauerblätter der Polypen gleichmäßig: mit Inkrustation 
erfüllt zu sein scheint, scheint letztere im Bereiche der über die 
allgemeine Oberfläche vorragenden freien Köpfehen nur einer, etwa 
ein Drittel der ganzen Breite messenden äußeren Zone der Mesogloea 
zuzukommen; am oberen Mauerblattrande hatte ich bei den meisten 
Schnitten den Eindruck, als wenn die Inkrustation ausschließlich 
den tieferen Schichten des Ektoderms zukäme (Fig. 9, 10), resp. 
nur der äußeren Oberfläche der Mesogloea aufläge. Hier ver- 
stärken auch besondere Anhäufungen von Fremdkörpern in und 
unter dem Ektoderm jene, eigentlich nur durch Verdickungen der 
Mesogloea hervorgebrachten Höcker, welche die Mundscheibe um- 
säumen. 

Die Höhlungen und Kanäle, von welchen das Cönenchym durch- 
zogen wird, lassen — bis auf den meist deutlichen sog. basalen 
Längskanal an der Basis der Septen — keine besondere Anordnung 
erkennen, und verlaufen in den in Alkohol konservirten Exemplaren 
in allen Richtungen; eigentlich sind es rundliche Hohlräume von 
sehr verschiedener Größe, die mit einander kommunieiren und dem 
Cönenchym im Durchschnitte ein schwammiges Gepräge verleihen. 
Das ganze Lückensystem des die Polypen umgebenden Mauereönen- 
chyms steht wohl hauptsächlich mit den Hohlräumen des Basaleönen- 


Über zwei Zoantheen. 275 


ehyms in Verbindung, welche wieder direkt mit den Leibeshöhlen 
der Polypen kommuniciren; eine Kommunikation der Leibeshöhlen 
mit den Lücken des Körpereönenchyms konnte ich nicht sicher kon- 
statiren, die Leibeshöhlen sind durch eine dichtere Schicht von Me- 
sogloea, welche sich auch durch stärkere Tinktion bei Hämatoxylin- 
färbung kennzeichnet, gegen das Körperceönenchym abgeschlossen, 
und ich vermochte nie präformirte in das Körpercönenchym führende 
Lücken in dieser, als eigentliches Mauerblatt figurirenden, dichteren 
Gewebsschicht zu erkennen. 

Im oberen Polypentheile ist die innere Fläche der Körperwand 
mit einer Schicht schwach ausgebildeter, entodermaler Ringmuskel- 
fasern ausgekleidet. Diese versenkt sich im Bereiche des Köpfchens 
allmählich und kräftiger werdend in die Mesogloea und erzeugt den 
Sphinkter (Fig. 13 SpA), indem die Muskelfasern die Innenfläche von 
hier in einfacher Reihe gegen den Mauerblattrand ziehenden rund- 
lichen Höhlen von etwa 0,03 mm Durchmesser überkleiden (Fig. 9, 
10 Spk). Dadurch wird der Sphinkter mesodermal, er liegt in von 
Inkrustation freier Mesogloea und ist in der Region der Höcker am 
äußeren Mauerblattrande am meisten ausgebildet; im Vergleich mit 
anderen Zoantheen bleibt er bei Palythoa brasiliensis schwach und 
unscheinbar. 

An vielen Schnitten fällt in der Mesogloea der Reichthum an 
Fasern und zelligen Gebilden auf; beide sind schon des öftern be- 
schrieben worden, indess glaube ich sie dennoch wieder erwähnen 
zu sollen, da ich Gelegenheit hatte, manche Details in jener Gegend 
des Polypenkörpers, wo die Mesogloea von Inkrustationen frei und 
nicht durch ein Höhlen- oder Kanalsystem zerklüftet ist, d. i. am 
oberen Mauerblattrande, sehr genau zu beobachten. Diese meso- 
gloealen Zellen und Fasern sind nicht immer gleich deutlich, und 
es wird wahrscheinlich von gewissen physikalischen Zuständen der 
Mesogloea im Momente der Tödtung und Konservirung abhängen, ob 
diese Gebilde später durch die histologische Behandlung mehr oder 
weniger gut ersichtlich zu machen sind. Nur so kann man sich er- 
klären, dass dieselben Körperstellen verschiedener Polypen bei 
gleicher Behandlung so verschieden deutliche mikroskopische Bilder 
liefern. 

Die Fasern finden sich nur in jenen Mesogloea-Abschnitten, 
welche zugleich Muskelfasern ausgebildet haben, d. i. ganz besonders 
in der Gegend des Sphinkters, dann aber auch in den unter dem 
eigentlichen Sphinkter gelegenen Partien des Manerblattes, wo jener 

18* 


276 A. R. v. Heider, 


in die entodermale Ringmuskulatur übergeht (Fig. 13, 15 F). Sie 
durchziehen die Mesogloea als verschieden starke, 0,6 bis 0,8 « mes- 
sende, schwach wellige und im Allgemeinen parallele Linien; zu- 
weilen kann man sie vom oberen, ektodermalen Rande der Mesogloea 
bis zu deren unterem entodermalen Rande verfolgen, in der Mehrzahl 
sind sie allerdings im feinen mikroskopischen Schnitte nur strecken- 
weise getroffen. Einen besonderen Reichthum an Fasern zeigt der 
in Fig. 13 dargestellte Längsschnitt durch die Mesogloea der Sphinkter- 
gegend. Da das Ektoderm in den Schnitten gewöhnlich von seiner 
Unterlage abgehoben ist, konnte ein Zusammenhang der Zellen 
dieser äußeren Körperschicht mit den Fasern direkt nieht konstatirt 
werden, wohl aber machen die mikroskopischen Schnitte den Ein- 
druck, dass die Fasern mit den Ektodermzellen oder gewissen Ele- 
menten des Ektodermlagers in Verbindung stehen. An der inneren, 
entodermalen Fläche enden die Fasern zum größten Theile in der 
Gegend der Muskulatur, andere Fasern konnte ich zwischen den 
Sphinkterhöhlungen durch bis zum Entoderm verfolgen, gelegentlich 
beginnt oder endet eine Faser an einer der hier ebenfalls sehr zahl- 
reichen Zellen; Letzteres dürfte jedoch nur scheinbar der Fall sein, 
indem das Schnittende einer daneben vorübergelaufenen Faser zu- 
fällig mit einer Zelle zusammentrifit. Die Fasern sind mit Häma- 
toxylin oder Alaunkarmin gut zu tingiren und sind entweder faden- 
förmig dünn und scharf kontourirt oder breiter und dann blass gefärbt. 
Ich möchte die Fasern für Leitungsbahnen zwischen Ektoderm einer- 
und Muskulatur andererseits ansehen; danach müssen sie zum nervösen 
System gerechnet werden. nn 

Neben den Fasern enthält die Mesogloea Zellen von verschie- 
denem Aussehen. Sie sind von der Mesogloea vollständig einge- 
schlossen, welcher sie entweder dicht anliegen, oder es wird an 
einer oder der anderen Stelle ein hellerer freier Raum zwischen 
Mesogloea und Zellkontour freigelassen (Fig. 15). Die Mehrzahl der 
Zellen hat feinkörnigen, sich stark färbenden protoplasmatischen 
Leib, einen deutlichen runden Kern mit Kernkörperchen und sehr 
verschiedene Gestalt, neben ovalen oder rundlichen Zellen (Fig. 15) 
finden sich häufig solche, welche feine Fortsätze in die Mesogloea 
aussenden (Fig. 20) und dann unregelmäßig sternförmig sind. Auch 
vielkernige Protoplasmaklümpchen von größeren Dimensionen (Fig. 16 
und 17) finden sich gelegentlich und diese zeigen die mannigfachsten 
Ausbuchtungen und Abspaltungen, wie sie nur die einzelnen Stadien 
der Zellvermehrung liefern können. Fig. 13 links unten, ferner 


Über zwei Zoantheen. 377 


Fig. 16 und 17 zeigen ganze Nester von in protoplasmatischer Substanz 
eingelagerten Kernen, Fig. 19 giebt eine Zelle, welche mit einem, 
von dünner Plasmaschicht umgebenen großen Kerne nur mehr durch 
einen dünnen Strang verbunden ist. 

Ein anderes Aussehen im Mikroskop bieten nur sporadisch zu 
findende Zellen von einförmiger, länglicher Gestalt (Fig. 18); sie sind 
sehr klein, ihre Länge misst zwischen 10 und 20 u, sie besitzen 
einen grobkörnigen, mit Eosin sich tief roth färbenden Leib und kleinen, 
meist excentrisch gelegenen Kern. Diese Zellen erinnern stark an 
die Wanderzellen im Körper der höheren Thiere, und ich glaube auch 
sie als solche ansprechen zu müssen. Mir scheint der Schluss nahe- 
liegend, dass alle zelligen Einschlüsse der Mesogloea, wie sie von 
verschiedenen Untersuchern der Zoantheen und für die Anthozoen 
überhaupt beschrieben wurden, eine einzige Kategorie von Gewehs- 
elementen in verschiedenen Entwicklungs- und Lebensstadien dar- 
stellen. Es sind Bindegewebszellen, welche vielleicht vom Ektoderm 
oder der in den tieferen Schichten desselben liegenden, so häufig 
zu findenden Körnerschicht abstammen und die Aufgabe haben, die 
vegetativen Vorgänge in der der präformirten Nährkanäle entbehren- 
den Mesogloea aufrecht zu halten. 

Die Anhäufung von Mesogloea am oberen Rande der Körper- 
wand, welche äußerlich durch die Höcker gekennzeichnet ist, scheint 
mit ihren Differenzirungen, wie dem Sphinkter, den zahlreichen 
Fasern und den zwischen ihnen aufgespeicherten Zellen, eine 
besonders wichtige Region des Zoantheenkörpers zu bilden, und es 
wäre sehr wünschenswerth, an geeignet konservirtem Material hier 
auch nach etwa besonders ausgebildeten nervösen Elementen zu 
fahnden. 

Über die Ektodermlage vermag ich nur wenig Angaben zu 
machen. Am unverletzten lebenden Stocke wird wohl dessen ganze 
freie Oberfläche von einer Schieht von Ektodermzellen gleichmäßig 
überzogen sein; an dem von mir untersuchten Stocke war von dieser 
Zellenschicht nur in einigen Schnitten und gerade so viel erhalten, 
um daraus zu ersehen, dass sie vom bekannten Baue des Ektoderms 
der Zoantheen nicht abweicht (Fig. 11). Charakteristisch ist der 
Gehalt des Ektoderms an Zooxanthellen, welche sich hier oft in 
mehrfachen Lagen vorfinden. Am oberen Mauerblattrande, und ganz 
besonders in der Gegend der Höcker, findet sich zwischen Ekto- und 
Mesoderm die Inkrustation in Gestalt mehr oder minder zahlreicher 
Sandkörnehen verschiedenster Größe; in geringer Menge liegen zwi- 


375 A. R. v. Heider, 


schen diesen auch Stücke von Spongiennadeln und Diatomeen- 
Skelette. Diese Fremdkörper drängen sich zwischen das Ekto- und 
Mesoderm und machen die Verbindung beider Gewebsschichten zu 
einer ungemein losen, so dass das Ektoderm in mikroskopischen 
Schnitten nur selten erhalten bleibt; es ist zum Theil schon während 
der Manipulation des Färbens, Härtens und Einbettens von der meso- 
sloealen Unterlage abgehoben und hinweggeschwemmt worden, zum 
Theil geschieht dies noch beim Aufkleben der fertigen Schnitte. 
Dort, wo das Ektoderm zufällig doch noch erhalten blieb, findet sich 
im Bereiche des Mauerblattes immer eine mehr oder minder große 
Lücke zwischen ihm und Mesogloea, eine Lücke, die durch mecha- 
nische Abhebung der zusammenhängenden Ektodermschicht ent- 
standen ist, wie deren meist dem oberen Mesogloearande parallel 
verlaufender unterer Rand beweist (Fig. 8—11 Ec). Die Fremdkörper 
der Inkrustation finden sich an Schnitten des oberen Mauerblatt- 
randes gewöhnlich in verältnismäßig geringer Zahl, da sie bis zum 
Einlegen des fertigen Schnittes größtentheils hinweggeschwemmt 
wurden; nur ab und zu erscheint noch eine größere Zahl Sand- 
körnehen, durch einander gewürfelt im Raume unter dem Ektoderm 
und auch deren Lage wird wohl fast immer künstlich durch das 
Messer hervorgebracht sein. Nur die mannigfaltigen Eindrücke 
und Lücken im zerrissenen oberen Rande der Mesogloea lassen er- 
kennen, dass sich hier im intakten Thiere die Fremdkörper be- 
fanden; sie kommen ausschließlich der Mesogloea zu, deren, zwi- 
schen die Fremdkörper eingeklemmte Fortsätze nach oben die einzige 
schwache Verbindung der mittleren Körperschicht mit dem Ektoderm 
bildeten. 

Bisher sind von den einzelnen Untersuchern der Zoantheen nicht 
einmal Vermuthungen darüber ausgesprochen worden, wie man sich 
die Aufnahme der Inkrustation durch das Thier in seine Mesogloea 
vorstellen könnte. Offenbar wird diese Aufnahme zum größten Theile 
während des Wachsthums des jugendlichen Polypen stattfinden, in- 
dess ist nicht ausgeschlossen, dass sie auch beim erwachsenen 
Thiere nach Bedarf und Umständen möglich sei. Den Ort der Auf- 
nahme von Inkrustationen möchte ich in die Gegend des Mauerblatt- 
Ektoderms verlegen, welches vielleicht die Fähigkeit besitzt, zwischen 
seinen Zellen temporäre Lücken zu erzeugen, durch welche mechanisch 
aufgeschwemmte feste Körperchen nach innen an die Mesogloea ge- 
langen. In dieser Beziehung scheint mir einen Fingerzeig der Um- 
stand zu liefern, dass gerade bei den Zoantheen, welche sich durch 


Über zwei Zoantheen. 279 


die Inkrustation auszeichnen, das Ektoderm der Tentakel und der 
Mundscheibe jene, bei anderen Anthozoen nur im Entoderm vor- 
kommenden kommensalen Algen, die Zooxanthellen in großer Menge 
enthält; auch diese werden meiner Ansicht nach von außen auf- 
senommen, und es muss dem Ektoderm der inkrustirenden Zoantheen 
die Fähigkeit zugesprochen werden, Fremdkörper, welche in irgend 
einer Beziehung für den ganzen Organismus von Nutzen sind, gleich- 
sam zu verschlingen. Solche Fremdkörper sind für die Region der 
Tentakel und der Mundscheibe die erwähnten Algen, für die Region 
des Mauerblattes die starren Körperchen der Inkrustation. Die Fort- 
schaffung der letzteren von der Oberfläche der Mesogloea in das 
Innere derselben und in das Cönenchym ist wohl bei der plastischen 
Beschaffenheit der homogenen Grundsubstanz der Mesogloea nicht 
schwer zu erklären, indem die Kontraktionen des Polypen eine Ver- 
theilung der Sandpartikel in seinem Innern bewirken werden. 

Das Ektoderm der Tentakel und der Mundscheibe zeigt den 
bekannten Bau; es ist ausgezeichnet durch die schon erwähnten 
Zooxanthellen und kleine schlanke Nesselkapseln (Fig. 11). Die 
ektodermale Längsmuskelschicht ist ziemlich gut ausgebildet, Ten- 
takel, Mundscheibe und Schlundrohr besitzen nie Inkrustations- 
körperchen. 

Die entodermale Auskleidung der Polypen war am untersuchten 
Stocke srößtentheils macerirt. Die wenigen Stellen an Schnitten, 
wo Entoderm erhalten geblieben war, zeigten nichts besonders Er- 
wähnenswerthes; auch das Entoderm ist mit Zooxanthellen mehr oder 
weniger dicht besetzt. 

Von den meisten neueren Untersuchern wird die Auskleidung 
der Mesogloea-Kanäle als entodermal angenommen; die untersuchte 
Palythoa gab in dieser Frage keinen Aufschluss, weil die Kanäle 
meist leer waren oder der Detritus, mit welchem sie sich gelegent- 
lich erfüllt zeigten, keinen Schluss auf seine Provenienz gestattete. 
Wie schon erwähnt, habe ich bei der untersuchten Form eine direkte 
Kommunikation des genannten Kanalsystems mit der Körperhöhle 
des Polypen im Bereiche des Mauerblattes nicht finden können; ob 
sich aber das Entoderm der Basis der Körperhöhle in die Cönenchym- 
kanäle und von diesen in die Lücken des Körpereönenchyms fortsetzt, 
konnte ich in meinen Präparaten nicht entscheiden. Die Anwesen- 
heit von Zooxanthellen im Inhalte der Kanäle spricht allerdings für 
die entodermale Natur derselben, die Algen können übrigens auch 
mechanisch in die Kanäle gespült worden sein. 


280 A. R. v. Heider, 


In den Septen, welche meist schlecht erhalten waren, konnten 
keine Geschlechtsorgane gefunden werden. Der Entodermbelag ist 
meist verschwunden, indess konnte ich an manchen Flächenpräparaten 
von vorsichtig der Körperhöhle der Polypen entnommenen und tin- 
girten Mesenterien eine große Zahl von unregelmäßigen protoplas- 
“matischen Zellen beobachten, welche, anscheinend der septalen Stütz- 
lamelle anliegend, ihrer Gestalt und Lage nach als Wanderzellen 
aufzufassen sein dürften (Fig. 14). Gelegentlich sind die, anscheinend 
spärlich vorhandenen, Längsmuskelfasern durch theilweise Maceration 
von der Stützlamelle abgelöst und zeigen dann häufig einen proto- 
plasmatischen Anhang mit deutlichem Kern (Fig. 21). Meines Er- 
achtens können solche Gebilde nur als entodermale Neuro-Muskel- 
zellen angesprochen werden. 


2. Gemmaria variabilis Duerd. 
Taf. XVII, Fig. 22—29. 

Es ist eine auf steiniger Unterlage kolonial lebende Zoanthee 
von der Korallenbank von Singapore; ihre Polypen sind von beträcht- 
licher Größe, nur mit ihren Fußblättern unter einander vereinigt 
(Fig. 22). Cönenchym ist demnach im Bereiche der Mauerblätter gar 
nicht entwickelt, und die aus der Verwachsung der dicht neben ein- 
ander gedrängten Polypenbasen entstandene gemeinsame Platte er- 
siebt nur ein Basalcönenchym. Die Polypen erreichen an der in 
Alkohol konservirten Kolonie eine Länge bis zu 20 mm, nur wenige 
bieten eine anscheinend vollkommen ausgestreckte Mundscheibe, 
welche in diesem Falle bei den größten Polypen einen Durchmesser 
von etwa 12 mm besitzt. Die Mehrzahl hat den Tentakelrand mehr 
oder weniger gegen den Mund eingeschlagen und cylindrische oder 
ausgesprochen konische Gestalt. Die Oberfläche der Polypen fühlt 
sich wegen der in der Körperwand enthaltenen Sandkörner rauh an 
und ist auch von starrer Konsistenz, im Übrigen zeigt sie keine 
Quer- oder Längsrunzeln. 

Die Mundscheibe ist weichhäutig und gegen den oberen Mauer- 
blattrand durch den Tentakelkranz abgeschlossen. Die Tentakel sind 
verhältnismäßig klein, sie scheinen auch beim lebenden Polypen nur 
kurze, kegelförmige Ausstülpungen des Mundscheibenrandes zu bilden 
(Fig. 23, 24) und sind, wie die Betrachtung ausgestreckt erhaltener 
Individuen ergiebt, in zwei Kreisen angeordnet. Ich habe auf den 
Mundscheiben der größten Polypen bis 60, d. i. zwei Kreise zu je 
30 Tentakeln gezählt; sie sind im Umkreise einer Mundscheibe je 


Über zwei Zoantheen. 381 


nach dem Kontraktionszustande entweder überall zu niederen, mit- 
freiem Auge oft kaum sichtbaren, halbkugeligen Erhebungen zusam- 
mengezogen oder theilweise noch in ihrer konischen Form erhalten, 
wie sie etwa beim ausgestreckten lebenden Thiere erscheinen dürften. 
Wenn ein Größenunterschied an den Tentakeln der beiden Kreise 
überhaupt vorhanden ist, so dürften die Fangarme des äußeren 
Kreises an Länge überwiegen (Fig. 24). 

In der Mitte der flach ausgebreiteten Mundscheibe ist die Mund- 
spalte auf einer kegelförmigen Erhebung zu sehen; von ihr ziehen 
radiäre Streifen zum Rande, welche wohl als eine Kontraktions- 
wirkung zu betrachten sind, aber auch Überreste dunkleren Pigmentes 
sein können. Die Körperwand hat ein rauhes, gekörntes Ansehen; 
über sie ragt bei den Polypen mit ausgestreckt erhaltener Mund- 
scheibe der Rand der letzteren weit hinaus, wodurch ein den oberen 
Polypenrand krönender Wulst erzeugt wird, der, wie die Untersuchung 
lehrt, hauptsächlich von massenhafter Einlagerung von Sand unter 
das Ektoderm und in die Mesogloea hervorgebracht wird und bei 
Lupenbetrachtung eine eigenthümlich grobkörnige, von unregelmäßigen 
Furchen zerklüftete Oberfläche zeigt (Fig. 23). Betrachtet man eine 
solehe Munrdscheibe von oben, so sieht man, dass die weichhäutige, 
der Fremdkörper bare Mundplatte mit den ebenfalls weichen Ten- 
takeln gegen den Randwulst der Körperwand scharf abgesetzt ist 
und dadurch ein völlig verschiedenes Ansehen bietet (Fig. 24). Dieser 
Randwulst erscheint, über der Mundscheibe eingeschlagen, von Falten 
bedeckt, welche indess nur im Allgemeinen eine radiäre Richtung 
nach außen verfolgen und häufig unregelmäßige, verschieden große 
Felder einschließen, die an den einzelnen Polypen derselben Kolonie 
in sehr variabler Zahl, 15 bis 30 und mehr, vorhanden sind und 
kaum in gleicher Weise zur Speciesbestimmung verwendet werden 
können, wie die viel regelmäßiger gestalteten Höcker (ridges) bei 
Palythoa. 

Die Anwesenheit der Sandkörner in den äußeren Schichten der 
Körperwand giebt, wie bei Palythoa, für die Herstellung von mikro- 
skopischen Schnitten ein fast unüberwindliches Hindernis. Ich habe 
verschiedene Methoden der Erzeugung von Schnittserien versucht, das 
Ergebnis bestand jedoch fast ausnahmslos aus undurchsichtigen 
Präparaten, welche nur einen sehr unvollkommenen Einblick in die 
Anatomie des Thieres gestatteten und — aus schartigen Messern. Ich 
muss mich also darauf beschränken, einige wenige anatomische An- 
gaben zu machen, so weit dies eine oder die andere, zufällig brauch- 


383 A. R. v. Heider, 


-bar dünn gewordene Stelle einzelner Quer- oder Längsschnitte ge- 
stattete. Die Einschmelzung des mit Hämatoxylin stark gefärbten 
Polypen in weißes Siegelwachs und Verfertisung von Schliffen, in 
welchen die Polypentheile dunkelblau auf weißlichem Grunde er- 


. scheinen, ist eine ziemlich rohe Präparation und konnte nur für die 


Orientirung über die Zahl und Lage der Mesenterien, die Gestalt 
des Schlundrohres etc. behilflich sein (Fig. 25). 

Wenn auch von den zahlreichen Schnitten und Schliffen, welche 
ich behufs genaueren Studiums der Anatomie des Thieres angefertigt 
habe, nur die wenigsten eine die Aufbewahrung lohnende Beschaffen- 
heit hatten, erhielt ich doch aus deren Gesammtheit den Eindruck, 
dass der Aufbau des Polypen im Wesentlichen mit dem schon be- 
kannten Bau der Zoantheen übereinstimmt. 

Die vorliegende Form ist nach dem Mikrotypus gebaut, die 
typische dorsale Region zeigte bei den von mir untersuchten Polypen 
nie Unregelmäßigkeiten, wie solche in der ventralen Region ab und 
zu zu finden waren. Der Querschnitt des Schlundrohres (Fig. 25) 
bietet jene eigenthümliche Figur, welche McMurricH! für seine Gem- 
maria isolata abbildet, und welche dadurch charakterisirt ist, dass 
in der Gegend der ventralen Schlundrinne die, im übrigen Theile 
sefaltete, Ektodermauskleidung glatt verläuft und der Grund der 
Schlundrinne von einem, quer zwischen die Ursprünge der beiden 
ventralen Richtungssepten ausgespannten Stücke der Schlundrohrwand 
gebildet wird. Für die Gattung Gemmaria scheint dieser ausgespro- 
chen birnförmige Schlundrohrquerschnitt charakteristisch zu sein, da 
McMurricH? ein ähnliches Bild für das Schlundrohr von Gemmaria 
rusei Duch. u. Mich. giebt; indess ist diese Bildung nicht immer so 
deutlich ausgesprochen, andererseits kommen Übergänge hierzu auch 
bei anderen Zoantheen vor. | 

Längsschnitte durch den oberen Mauerblattrand zeigen einen ein- 
fachen, mesodermalen Sphinkter (Fig. 26,8p%); derselbe ist bei den einzel- 
nen Individuen verschieden stark ausgebildet, besteht jedoch immer aus 
neben einander liegenden Mesogloea-Lücken, deren innere Oberfläche 
von sehr feinen Ringmuskelfasern ausgekleidet wird. Diese Lücken 
sind in der obersten Mauerblattgegend dicht gedrängt neben einander, 


1 Actiniaria of the Bahama Islands. Journ. Morph. III. 1889. Taf. IV, 
Fig. 209. 

? Actinology of the Bermudas. Proc. acad. nat. sc. Philadelphia 1889. 
Zoantheae. 


Über zwei Zoantheen. 283 


dagegen nach unten zu durch immer größer werdende Mesogloea- 
partien getrennt. Da in dieser unteren Gegend des Sphinkters die 
Muskelfasern in den Lücken immer seltener werden, dagegen die der 
Mesogloea eigenthümlichen Lakunen und. Entodermkanäle häufig 
auftreten, ist eine scharfe untere Grenze des Sphinkters schwer zu 
fixiren und sind die dem letzteren angehörigen Lücken von den 
übrigen Lakunen an Längsschnitten nur dadurch zu unterscheiden, 
dass die Sphinkterlücken, abgesehen vom charakteristischen Gehalte 
an Muskelfasern, im Allgemeinen eine mit der Körperoberfläche 
parallele Reihe bilden und sich dadurch als eine besondere, ungefähr 
das obere Viertel des Mauerblattes einnehmende, nach unten allmäh- 
lich verschwindende Bildung erweisen. Im Vergleich zu anderen 
Zoantheen ist der Sphinkter hier schwach ausgebildet. 

In der beschriebenen Zoanthee liegt unzweifelhaft eine Gem- 
maria Duch. u. Mich. vor, welche nach HAppon und SHACKLETON! 
durch Merkmale, wie die inkrustirte Leibeswand, der einfache meso- 
dermale Ringmuskel und freie, nur durch stolonenartiges Cönenchym 
verbundene Polypen scharf charakterisirt ist. Dagegen bereitete die 
Bestimmung der Species größere Schwierigkeiten. 

McMurricH? beschreibt eine sp. n. Gemmaria isolata von Rose 
Island; deren Polypen wurden nur einzeln gewonnen und es blieb 
zweifelhaft, ob dieseiben nicht doch durch ein dünnes, basales Cön- 
enchym unter einander verbunden waren, welche Möglichkeit Verf. 
_ nieht in Abrede stellt, in welchem Falle die Speeiesbezeichnung 
allerdings nicht glücklich gewählt wäre. Die Form stimmt mit der 
von mir beschriebenen bezüglich der Größenverhältnisse nicht über- 
ein, auch liegen die Fundorte so weit von einander, dass eine Art- 
identität kaum angenommen werden kann. 

Die von GrAY? unter dem Namen Triga beschriebene, offenbar 
eine Gemmaria darstellende G. philippinensis* stammt aus der- 
selben Meeresregion, wie unsere Form, indess erhellt aus der, übri- 
gens sehr kurzen Beschreibung ganz positiv, dass sie solitär lebt 
und ihre Polypen erreichen eine bedeutendere Länge, wie bei unse- 
rer Form. 


1 A revision of the british Actiniae. II. The Zoantheae. Trans. R. Dublin 
soc. (2) IV. 1891. p. 628. 
. 2 Actiniaria of the Bahama Islands. 1. c. 
3 Proc. zool. soc. London. 1867. p. 239. 
* McMürricH (Actinology of the Bermudas, 1. c. p. 113) ist geneigt, sie 
für identisch mit G. rusei D. u. M. zu halten. 


3s1 A. R. v. Heider. 


G. eanariensis H. u. S. von den Canaren sowie G. macmurrichi 
H. u. S. und G. mutuki H. u. S. von der Torresstraße haben be- 
deutend kleinere Polypen, bei ersterer ist auch die Gestalt der 
Polypen anders, wie bei unserer Gemmaria, dagegen sind sie durch 
eine basale Cönenehym-Ausbreitung unter einander verbunden. Ich 
bemerke bei dieser Gelegenheit, dass HADDoN und SHACKLETON als 
specifische Merkmale (neben anderen, wie Größe, Gestalt, Färbung 
der Polypen) die Kontinuität oder Diskontinuität des Ektoderms be- 
nutzen. Sollte sich das Vorkommen dieser letzteren bewahrheiten, 
so müsste sie allerdings als ein sehr passendes Art-Unterscheidungs- 
merkmal betrachtet werden. 

G. elavata D. u. M. ist unserer Form sehr ähnlich, ich konnte 
auch bei letzterer Seitenknospen aus dem unteren Theile des Mauer- 
blattes beobachten. Im Übrigen sind G. elavata und @. swiftü D. u. M. 
westindische Formen und nach HADDon und SHACKLETON! überhaupt 
zweifelhafte Arten. 

G. fusca Duerd. ist von unserer Art durch den geringeren Gehalt 
an Inkrustation, den Bau des Sphinkters, sowie die Zahl der Mesen- 
terien unterschieden. 

(G. variabilis Duerd.? stimmt so sehr mit unserer Form, dass ich 
diese vorläufig damit identifieiren möchte. Thatsächlich spricht da- 
gegen nur die große räumliche Entfernung beider Fundorte: West- 
indien für G. variabilis und Ostindien für unsere Art; leider verfüge 
ich nicht über eine Beschreibung der lebenden Polypen, welche für 
eine gewissenhafte Vergleichung mit der von DUERDEN beschriebenen 
Form so nöthig wäre. So weit ein Alkoholpräparat mit einer nach 
dem lebenden Thiere gegebenen Aufzählung der Merkmale verglichen 
werden kann, müsste unsere Form unzweifelhaft für G. variabilis 
erklärt werden und, da ich es nicht für zweckmäßig halte, immer 
wieder neue Species zu gründen, habe ich sie als solche aufge- 
nommen, mit dem Vorbehalte, dass weitere Untersuchungen die Be- 
denken über die Entfernung der beiderseitigen Fundorte zerstreuen, 
oder dass eine Beschreibung der lebenden Kolonie von G. varia- 
bilis aus Ostasien denn doch Unterschiede gegen jene aus West- 
indien zu Tage brächte, welche zur Aufstellung einer neuen Species 
zwingen würden. — 

Auch für Gemmaria ist, wie schon erwähnt, die Eigenthümlich- 


! Torres-straits Zoanthee. Transact. R. Dublin soe. (2) IV. 1891. p. 687. 
° Jamaican Actiniaria. Transact. R. Dublin soc. (2) VI. 1898. p. 350. 


Über zwei Zoantheen. 285 


keit der Aufnahme fremder Körper, größtentheils kleiner und klein- 
ster Sandkörnchen, in das Mauerblatt für die Untersuchung äußerst 
störend. Diese Sandpartikel sind in mehr oder minder dichter Lage 
in die äußere Region der Mesogloea eingedrückt, und sie werden bei 
der Anfertigung von Schnitten durch die Messerschneide gewöhnlich 
aus ihrer ursprünglichen Lage gebracht. Die mikroskopischen Präpa- 
rate aus solchen Schnitten können desshalb nie die richtige Vorstel- 
lung der feineren, natürlichen Lageverhältnisse zwischen den Fremd- 
körpern und den thierischen Geweben geben. Aus den wenigen 
Quer- und Längsschnitten, welche eine Verwerthung für die histo- 
logische Untersuchung erlaubten, glaube ich schließen zu können, dass 
die einzelnen Sandkörner von Mesogloeasubstanz vollständig eingehüllt 
werden; diese lässt sich oft in die Lücken zwischen die Körner in 
Gestalt sehr dünner Fortsätze verfolgen (Fig. 27), und da die letzteren 
beim Schneiden gewöhnlich einreißen, erscheint die äußere Oberfläche 
der Mesogloea immer vielfach zerklüftet und unregelmäßig ausge- 
franst. Eine Fortsetzung der Mesogloea über die äußere Fläche der 
Fremdkörperlage konnte ich direkt nicht konstatiren, weil wohl immer 
der größere Theil der Fremdkörper und hiervon zunächst die äußeren 
Partien durch die Messerschneide völlig abgeschabt werden, also die- 
jenigen Elemente, aus welchen diese Theile der Inkrustation bestehen, 
in mikroskopischen Schnitten gar nicht zur Ansicht gelangen. Es scheint 
mir indess die Annahme, dass die Sandkörnchen vollständig von der 
Mesogloea aufgenommen werden, desshalb unabweislich, weil die 
_ Verbindung zwischen Mesogloea und Ektoderm sonst ganz unter- 
brochen wäre; eine Ektodermlage findet man jedoch über die ganze 
Oberfläche der Polypen ausgebreitet, wenn diese vorsichtig untersucht 
wird, sie erhält sich auch noch gelegentlich an Schnitten und dürfte 
nur dort verloren gehen, wo die Polypenoberfläche bei der Konser- 
virung mechanisch abgerieben wird. Man muss sich demnach vor- 
stellen, dass die Mesogloea allein die Fremdkörper aufnimmt, und am 
intakten lebenden Polypen über der Inkrustation nach außen noch 
eine mehr oder minder dünne Lage Mesogloea zu liegen kommt, 
welcher das Ektoderm aufsitzt. . 

Die Fremdkörper findet man nur im Maäuerblatte angehäuft, 
Mundscheibe und Tentakel erscheinen völlig frei davon; sie sind 
in überwiegender Menge am oberen Rande des Mauerblattes zu- 
sammengedrängt und bilden dort jenen, schon erwähnten, derben 
Wulst, der den Tentakelkranz nach außen umgrenzt und bei 
der Kontraktion des Sphinkter sich so vollständig über die Mund- 


386 A. R. v. Heider, 


scheibe legt, dass nur eine centrale Öffnung über dem Munde frei 
bleibt. 

Die vom Mesoderm aufgenommenen Fremdkörper bilden ein Ge- 
misch von kleinen und kleinsten Sandkörnchen und Fragmenten von 
Spongien-Skeletttheilen; sehr deutlich war an wenigen gelungenen 
Längsschnitten durch die obere Körperwand eine Art Auslese in der 
Vertheilung dieser Inkrustation zu bemerken, indem Stücke von 
Spongiennadeln und Sterne fast ausschließlich die oberen Partien 
der Mauerblattwülste erfüllten, wogegen das ganze übrige Mauer- 
blatt Sandkörner enthält (Fig. 28). Desshalb führt auch eine Be- 
handlung der Polypen mit Säuren zum Zwecke der Entkalkung nicht 
zum Ziele, da hierdurch nur der obere Mauerblattrand größtentheils 
von Inkrustation befreit wird, die aus Kieselsäure und Feldspat 
bestehenden Sandkörner des übrigen Mauerblattes aber von Säuren 
nicht angegriffen werden. In Fig. 26 gebe ich den Längsschnitt eines 
mit verdünnter Salzsäure behandelten Mauerblattrandes, an welchem 
die Entfernung fast der gesammten Inkrustation gelungen war, an 
welchem aber, mit Ausnahme des deutlich hervortretenden Sphinkters, 
die histologischen Details durch die Säureeinwirkung ziemlich ver- 
wischt sind. 

Das Ektoderm ist schlecht erhalten; überall ist es durchsetzt von 
Zooxanthellen. Am oberen Mauerblattrande bestand es an einem 
Schnitte (Fig. 29) aus hohen schlanken Zellen, wie bei den Aktinien. 
Auch hier konnte ich die Abtheilung der Zellen in Kästchen durch 
mesogloeale Fortsätze und eine vom Ektoderm völlig abgesonderte 
Cutieula nicht finden; mir scheint demnach diese Bildung bei Zoan- 
theen noch immer zweifelhaft, ohne dass ich aber für meine Meinung 
einen anderen Beweis bieten könnte, wie, dass ich ein »diskontinuir- 
liches Ektoderm« in meinen Präparaten selbst noch nicht beobachten 
konnte. McMurrIıcH! und DUERDEN? beschreiben solche eingesenkte 
Ektodermpackete neuerdings bei Isaurus, früher schon haben HApDDoN 
und SHACKLETON® solche für Gemmaria macmurrichi angegeben, wenn 
demnach solche Beobachtungen bei Zoantheen immer zahlreicher wer- 
den, erfordern sie um so größeres Interesse, als ihre morphologische 
Bedeutung vorläufig noch ganz unklar wäre. Jedenfalls würde die 


i Notes on some Actinians from the Bahama Islands. Ann.N. Y. Acad. sc. 
IX. 1896. p. 192. 

?2 Jamaican Actiniaria. 1. ce. p. 347. 

3 Torres-straits Zoantheae. 1. e. p. 688. 


Über zwei Zoantheen. 287 


Bildungs des diskontinuirlichen Ektoderms analog sein mit der in 
neuester Zeit bei Würmern gefundenen Einsenkung von Epithel in 
den Hautmuskelschlauch — mit dem Unterschiede, dass hier die Epi- 
thelzellen noch mit der Cuticula in Verbindung bleiben, bei den Zoan- 
theen aber diese Verbindung zwischen eingesenktem Ektoderm und 
Cutieula, welche man nur für ein Ektodermprodukt halten kann, 
durch die zwischengeschobene sog. Subeuticula vollständig unterbrochen 
ist. Zur Lösung dieser, wie so mancher anderen Frage, wird erst 
die Entwieklungsgeschichte von Zoantheenformen, welche uns bis nun 
ganz fehlt, beitragen können. 


Graz, im Februar 1899. 


Erklärung der Abbildungen. 


Buchstabenbezeichnungen: 


dR, dorsales (suleulares) Richtungs- Me, Mesenterium; 


paar; mf, Muskelfasern; 
Ee, Ektoderm; Mp, Mundplatte; 
En, Entoderm; Mu, Muskel; 
F, Fasern der Mesogloea; O, Mundöffnung; 
H, Höcker; Sph, Sphinkter; 
I, Inkrustation; T, Tentakel; 
M, Mesogloea; Z, Zooxanthellae. 

Tafel XVI. 


Fig. 1. Palythoa brasiliensis.. Kolonie in natürlicher Größe. Alkohol- 
exemplar. 

Fig. 2. Ein halb ausgestreckter Polyp von oben. 6:1. 

Fig. 3. Vier Köpfchen in der Aufsicht. Theilungsbilder. 4:1. 

Fig. 4 Einige Polypen der Länge nach geöffnet, mit dem basalen Cön- 
enchym die Unebenheiten der Unterlage ausfüllend. Nat. Größe. 

Fig. 5. Längsschnitt durch einige Polypen. Schema. 

Fig. 6. Querschnitt durch einen Polypen in der Höhe des unteren Schlund- 
rohrrandes. 5:1. 

Fig. 7. Ein Stück Mesogloea aus vorigem Querschnitte. 122:1. 

Fig. 8. Tangentialschnitt durch die Region der extratentakularen Höcker. 
65:1. 

Fig. 9. Radialschnitt durch einen extratentakularen Höcker, etwa in der 
Richtung yz der Fig. 8. 65:1. 

Fig. 10. Dasselbe in der Richtung vx der Fig. S. 65:1. 

Fig. 11. Radialschnitt durch die Mundscheibe. 550:1. 

Fig. 12. Mesogloea mit Zellen aus einem Längsschnitte der Körper- 
wand. 700:1. 


288 


Fig. 
Fig. 


Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 


Fig. 


Fig. 
Fig. 
Fig. 
der Höhe 
Fig. 
Fig. 
Fig. 


A. R. v. Heider, Über zwei Zoantheen. 


13. Stelle a aus Fig. 9. 440:1. 
14. Stück eines Mesenteriums von der Fläche. 700:1. 


Tafel XVII. 


15. Höcker a aus Fig. 8. 550:1. 

16—18. Zellige Einschlüsse der Mesogloea. 700:1. 

19 u. 20. Mesogloea-Zellen. 700:1. 

als Isolirte Muskelzellen eines Mesenteriums. 1062:1. 


22. Gemmaria variabilis. Alkoholexemplar. Nat. Größe. 

23. Die orale Hälfte eines ausgestreckten Polypen. 4:1. 

24. Derselbe Polyp von oben. 5:1 

25. Querschliff eines in Siegelwachs eingeschmolzenen Polypen in 
des Schlundrohres. 6:1. 

26. Längsschnitt durch die Sphinktergegend. 222:1. 

27. Längsschnitt durch die obere Partie der Körperwand. 184:1. 
28. Längsschnitt durch eine Hälfte der Mundscheibe mit eingeschlage- 


nem Mauerblattrand. Schlundrohr tangential getroffen. 102:1. 


Fig. 


29. Ektoderm des oberen Randes der Körperwand. 584:1. 


Beiträge zur Morphologie des Stachelapparates 
der Hymenopteren, 
Von 
Dr. Enoch Zander, 


Assistent am zoologischen Institute in Erlangen. 


Mit Tafel XVIII und XIX. 


(Aus dem zoologischen Institute in Erlangen.) 


Trotz der zahlreichen Untersuchungen, welche den Stachelapparat 
der Hymenopteren behandeln, ist die Frage noch nicht geklärt wor- 
den, ob derselbe ein ganz eigenartiger Anhang des Hymenopteren- 
körpers sei, oder ob er morphologische Beziehungen zum Hautskelett 
aufweise. Eine Lösung dieser Frage habe ich hier versucht. 


Bevor ich jedoch an die Darstellung meiner Ansichten herantrete, will ich 
in aller Kürze an die wesentlichen Bestandtheile des Stachelapparates erinnern 
und die Verhältnisse bei der Honigbiene der Schilderung zu Grunde legen 
(Fig. 6). 

Man kann am Bienenstachel einen starren und einen beweglichen Abschnitt 
unterscheiden. Der starre Abschnitt erscheint in Gestalt von zwei symmetri- 
schen oblongen Platten, zwischen welchen median eine schalenförmig ge- 
krümmte, mit feinen Chitinhaaren besetzte, dünnere Membran, der Stachel- 
rinnenwulst, eingeschaltet ist. Die Platten tragen am oralen Rande je 
einen stielförmigen Fortsatz; mit demselben sind zwei, transversal gerichtete, 
bogenförmige Chitinleisten, die Schienenbögen untrennbar verschmolzen. 
Letztere konvergiren gegen die Medianebene und setzen sich an die Basis 
der langen kegelförmigen Stachelrinne an. Die Stachelrinne selbst lässt 
einen oralen, kolbig erweiterten Abschnitt, den Rinnenkolben, und eine 
schmälere Rinne im engeren Sinne unterscheiden. Der orale Rand des 
Stachelrinnenkolbens ist mit dem oralen Rande des Stachelrinnenwulstes fest 
verwachsen, und der letztere durch ein gabeliges Chitinstück, Fureula, me- 
dian versteif. Am analen Ende der oblongen Platten springen zwei abge- 
plättete Chitinfortsätze, die Stachelscheiden, vor; dieselben sind parallel der 
Stachelrinne gerichtet. 

Der bewegliche Abschnitt besteht aus den beiden Stechborsten und 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Bd. 19 


290 Enoch Zander, 


den quadratischen Platten. Die Stechborsten bedecken die ventralen Rän- 
der der ganzen Stachelrinne und ziehen vom Stachelrinnenkolben auf den beiden 
Schienenbögen in entsprechender Krümmung lateral als Stechborstenbögen, 
um in ein A-artig verdicktes Chitinstück, den Winkel, überzugehen. Derselbe 
steht rechtwinkelig zum Stechborstenbogen, der ihn mit einem kurzen Fortsatz, 
Bogenfortsatz, überragt. Die analen Fortsätze des Winkels artikuliren 
mit der oblongen und quadratischen Platte. Die dorsale Fläche jeder Stech- 
borste wird von einer Nutrinne durchfurcht, in welche je eine vorspringende, 
ganz schmale Chitinleiste der Stachelrinne und der Schienenbögen eingreift, 
so dass die Stechborsten, mit der Stachelrinne in Nut und Feder verbunden, 
sicher längs der Stachelrinne vorgeschoben werden können. Die quadratischen 
Platten liegen lateral und etwas dorsal von den oblongen Platten und über- 
decken deren dorsal gerichtete Ränder. 


I. Historische Darstellung der bisherigen Deutungsversuche. 


Meine Absicht geht dahin, die Frage zu klären, welche morpho- 
logische Bedeutung dem Stachelapparate zukommt. Ist er, wie manche 
Organe des Thierkörpers, eine ganz besonders isolirt dastehende Bil- 
dung, welche keine morphologische Beziehungen zu anderen Organen 
besitzt, oder sind die einzelnen Theile des Stachelapparates nur stark 
modifieirte Stücke des chitinösen Hautskelettes? 

Zu Beginn dieses Jahrhunderts war dieses Problem noch nicht 
recht klar gestellt. Desshalb blieben auch die Antworten unge- 
nügend. 


Der erste, wenn auch verfehlte, Versuch einer morphologischen Deutung 
der Stacheltheile tritt uns in BURMEISTER’s Handbuch der Entomologie (3) ent- 
segen. Ihm war aufgefallen, dass bei den Insekten die Zahl der Körper- 
segmente während der Larvenzeit nicht mit der Segmentzahl des Imago 
übereinstimmt. Das Verschwinden eines Segmentes suchte er durch die An- 
nahme zu erklären, dass in vielen Fällen das letzte Hinterleibssegment 
kleiner und endlich vom vorletzten ganz verdeckt werde. Indem es auf diese 
Weise scheinbar verschwände, entstehe an der hinteren Spitze des Abdo- 
mens eine Höhle, worin der After und unter diesem die Scheidenöffnung lie- 
sen. Den Gang der Scheidenöffnung versteifen meist hornige Gebilde, welche 
die Vagina ausgedehnt erhalten. Bei den mit Legestacheln oder Legeröhren 
versehenen Kerfen wachsen nach BURMEISTER’s Meinung (3, Bd. I, p. 208) diese 
Horngräten über die Scheide hinaus und bilden die Klappen und Stacheln 
dieser Legeapparate. 


BURMEISTER’s theoretische Deutungen stützen sich nicht auf besonders 
eingehende Untersuchungen, sondern scheinen mehr das Resultat allgemeiner 
Erwägungen gewesen zu sein. Sie konnten desshalb einer genaueren Analyse 
der Thatsachen nicht Stand halten. 

LACAZE-DUTHIERS (7) vertrat auf Grund eingehender Studien über die 
Geschlechtsapparate der Orthopteren, Hemipteren, Hymenopteren ete. die An- 
schauung, dass der Legestachel aus umgebildeten Theilen der letzten Hinter- 


Beiträge zur Morphologie des Stachelapparates der Hymenopteren. 291 


leibsringe bestehe. Er ging dabei von den Angaben Aupoum’s aus, der für 
die Thorakalsegmente der Insekten die Zusammensetzung aus folgenden Stücken 
beobachtet hatte. Jedes Thorakalsegment (Zoonite) ‘besteht aus sechs Chitin- 
platten: Dorsal liegt das unpaare Tergum, ventral das Sternum; die Seiten- 
theile werden aus zwei Paaren von Platten gebildet, an das Sternum stößt 
jederseits das Episternum, an das Tergum das Epimere an. Jedes Zoonite des 
Thorax trägt zwei oder vier Anhänge. LACAZE-DUTHIERS behauptete nun, dass 
bei Hymenopteren die ersten sechs vollkommenen Abdominalsegmente (Urites 
aus je einer Rücken- und Bauchschuppe, Tergite und Sternite, bestehen. Vom 
siebenten Segmente ist nur die Rückenschuppe vorhanden, die sattelförmig 
dem Stachelapparate aufliegt. Das achte Segment aber tritt in den Dienst der 
Generation und ist gleich den Thorakalsegmenten in sechs Stücke zerfallen. 
Die Theile dieses Segmentes werden im Anschluss an die von AUDOUIN ge- 
wählte Nomenklatur als ein dorsales Tergite, ein ventrales Sternite und je ein 
laterales Epitergite (Epimere) und Episternite bezeichnet. Die einzelnen Theile 
des Stachelapparates entsprechen nun folgendermaßen diesen Segmentstücken. 
Die Stachelrinne ist das Sternite, die oblonge Platte das Episternite, der Win- 
kel das Epitergite (Epimere) des achten Segmentes. Die quadratischen Platten 
bilden das Tergite. Jedes Epitergite trägt als Anhang (Rhabdite) eine Stech- 
borste, jedes Episternite eine Stachelscheide. 


Die exakte Grundlage der Ansichten LacazE-Durniers’ bildeten anato- 
mische Beobachtungen der fertigen Apparate. Als aber gegen Ende der 60er 
Jahre entwicklungsgeschichtliche Studien auch an Insekten häufiger angestellt 
wurden, erkannte man, dass äußere Anhänge sich an der Stachelbildung be- 
theiligen. Mit der zunehmenden Zahl ontogenetischer Arbeiten stellte sich 
mehr und mehr heraus, dass der Stachelapparat sich zum Theil aus 
Sticken des Hautskelettes, zum Theil aus Anhängen entwickelt. 


Entwicklungsgeschichtliche Studien an Pteromalinen (Platygaster, Poly- 
nema, Ophioneurus) lehrten zuerst GAnn (11) die Thatsache, dass die äußeren 
Geschleehtsanhänge dieser Hymenopteren in beiden Geschlechtern aus drei Paar 
Epidermisverdiekungen an der Bauchseite der drei vorletzten Segmente her- 
vorgehen; doch erwähnt GAnINn diese Beobachtungen nur beiläufig, ohne ihre 
theoretische Bedeutung zu erörtern. 


OULJANIN (13) sandte der dritten Versammlung russischer Naturforscher 
im Jahre 1872 einen kurzen Bericht über die Entwicklung des Stachels der 
Arbeitsbiene und der Wespe ein, in welchem er angiebt, dass die Stacheltheile 
in vier Epidermisfalten an der Bauchseite der beiden letzten Segmente ent- 
stehen. Die Stachelrinne und die Stachelscheiden werden am dreizehnten, die 
Stechborsten am zwölften Segmente angelest.. So weit sich aus dem kurzen 
Referate ersehen lässt, glaubt OULJANIN, dass auch die übrigen Stacheltheile 
aus den Segmentanhängen hervorwachsen. »Diese Art der Entwicklung beweist 
die Unhaltbarkeit der Ansicht, nach welcher die Theile des Hymenopteren- 
stachels als veränderte Theile der Bauchsegmente angenommen wurden.« 


KRAEPELIN (14) verdanken wir eine sehr eingehende, ausgezeichnete Be- 
schreibung des Bienenstachels. Da seine Untersuchungen mehr auf die ana- 
tomischen und funktionellen Eigenschaften des Geschlechtsapparates hinzielten, 
hat er die Frage nach der morphologischen Deutung nur nebenbei gestreift. 
Er ist gleichfalls ein entschiedener Gegner der Ansicht, dass der Stachelappa- 
rat lediglich durch Metamorphose der letzten Hinterleibssegmente entstanden 

19= 


293 Enoch Zander, 


sei und sucht derselben durch entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen den 
Boden zu rauben!. 

Während die älteren Autoren (LACAZE-DUTHIERS u. A.) den Stachelapparat 
lediglich aus den letzten metamorphosirten Abdominalsegmenten herleiteten, 
und OULJANIN eben so einseitig die Genese desselben aus ventralen Segment- 
anhängen behauptete, liegt der Fortschritt der Untersuchungen KRAEFPELIN’s in 

der zum ersten Male klar ausgesprochenen Erkenntnis: >»Der Stachelappa- 
rat in seiner Gesammtheit setzt sich sowohl aus Segmentanhängen 
als auch aus metamorphosirten Segmenten selbst zusammen« (14, 
p- 424 Anmerkung). 

Nur die geraden Abschnitte der Stechborsten, die Stachelrinne und Stachel- 
scheiden gehen aus ventralen Anhängen hervor. An der Bauchseite der zwei 
vorletzten Segmente entstehen zwei Paare von wulstförmigen Imaginalscheiben 
des Stachels. Aus den Anhängen des elften Segmentes entwickeln sich die 
Stechborsten. Die zwei Wärzehen des zwölften Segmentes gehen durch Längs- 
theilung in vier neben einander liegende über, von denen die beiden mittleren 
zur Stachelrinne verschmelzen, während die äußeren sich zu den Stachelscheiden 
ausbilden. { 

Die Umbildung der Chitinhaut des elften und zwölften Segmentes in Theile 
des Stachelapparates geht nach KRAEPELIN folgendermaßen vor sich. 

Während der Larvenzeit schieben sich die letzten Segmente stark in ein- 
ander, so dass das zehnte Segment die drei vorletzten und das elfte das ihm 
nachfolgende zwölfte Segment verdeckt. Dadurch werden auch die zwei Zapfen 
des elften Segmentes der Stachelrinne aufgelagert und die beiden vorletzten 
Segmente stark umgebildet. Sie gliedern sich aber rasch in eine Rücken- und 
Bauchschuppe. Die Bauchschuppe des elften Segmentes bleibt zum größeren 
Theile häutig und zeigt nur eine am vorderen Rande liegende bogenförmige 
Verdickungsschicht, mit welcher sich die Zapfen des elften Segmentes nach 
vorn verlängert haben. Diese Verdickung differenzirt sich zu Schienen- und 
Stechborstenbögen. Außerdem entsteht aus dem elften Segmente das Gabel- 
bein und der Winkel. Durch Faltungen gliedern sich an der zwölften Bauch- 
schuppe oblonge und quadratische Platte von einander. Der mittlere Theil der 
zwölften Bauchschuppe wird zum Rinnenwulst. Die Rückenschuppen des elften 
und zwölften Segmentes sind häutig und klein, die des zwölften Segmentes ist ein 
ganz dünner Streif, die des elften bildet zwei rudimentäre Rückenplatten. Der 
ganze Stachelapparat wird also von den Bauchschuppen des elften und zwölften 
Segmentes und deren Anhängen gebildet. 

Kurze Zeit darauf trat Dewiırz (16) dieser Auffassung schroff entgegen 
und leitete aus seinen entwicklungsgeschichtlichen Beobachtungen die Be- 
hauptung ab, dass der Stachel der Hymenopteren sowohl, wie die Legescheide 
der Orthopteren aus zwei Paaren von Imaginalscheiben des elften und zwölften 
Körpersegmentes der Larven entstehen, welche sich an der Ventralfläche der 


1 Das Verständnis der verschiedenen Arbeiten über den Hymenopteren- 
stachel wird häufig dadurch erschwert, dass die einzelnen Autoren, je nach- 
dem sie den Kopf als Segment rechnen oder nicht, vierzehn beziehungsweise 
dreizehn Larvensegmente zählen. Der Einheitlichkeit wegen beziehe ich die 
verschiedenen Angaben von jetzt an auf die Zahl von dreizehn Segmenten, 
indem ich den Kopf aus naheliegenden Gründen nicht als Segment schätze. 


Beiträge zur Morphologie des Stachelapparates der Hymenopteren. 293 


eben genannten Segmente mächtig entfalten. Die letzten Körpersegmente sollen 
nur einen ganz untergeordneten Antheil an der Stachelbildung nehmen. Dewırz 
betont an vielen Stellen seiner Abhandlung nachdrücklich, dass die Anhänge 
des elften und zwölften Segmentes nicht bloß frei über die Körperfläche sich 
in die Länge strecken (in analer Richtung), sondern dass sie auch, oralwärts 
vorwachsend, an die Wand der beiden vorletzten Körpersegmente sich anlegen, 
verdickt werden und lateral gekrümmt als Schienen- und Stechborstenbögen 
sich verlängern. Die drei letzten Körpersegmente nehmen unterdessen an Größe 
ab, schieben sich besonders ventral, später auch dorsal in einander und kom- 
men so immer mehr innerhalb des großen zehnten Segmentes zu liegen. »Bei 
der ausgebildeten Puppe erblickt man nur noch schwache Andeutungen der 
jetzt sehr verkümmerten beiden vorletzten Segmente, welche früher den übrigen 
an Größe gleichkamen.< Inzwischen haben sich die Anhänge mächtiger ent- 
wickelt; die symmetrischen Anlagen der Stachelrinne sind mit einander fast 
vollständig verwachsen, nur ihre vorderen dem zwölften Segmente anhaftenden 
Basalstücke bleiben getrennt, wachsen dem zwölften Segmente an und bilden, 
indem sie sich seitlich krümmen, die künftigen Rinnenschenkel. In gleicher 
Weise gehen aus den Anhängen des elften Segmentes, welche niemals median 
verwachsen, die Stechborsten hervor, und ihre vorderen Endstücke, die un- 
mittelbar unter den künftigen Rinnenschenkeln liegen, bilden sich zu den 
Stechborstenbögen um. Die beiden seitlichen Anhänge des zwölften Segmentes 
verwachsen an ihrem vorderen Theile mit dem vorletzten Segmente, nur ihre’ 
hinteren Enden bleiben frei. Dadurch entsteht zwischen den vorderen Stücken 
dieser Anhänge eine rinnenartige Vertiefung, der künftige Rinnenwulst, und 
die vorderen verwachsenen Stücke bilden die oblongen Platten. Die frei blei- 
benden Abschnitte der beiden Anhänge wachsen zu den eigentlichen Stachel- 
scheiden aus. Aus dem verkümmerten vorletzten Segmente wird nur ein kleiner 
Theil in den Stachelapparat einbezogen, nämlich die Seitenstücke, welche zu 
den quadratischen Platten erhärten und »weiter nach seinem vorderen Rande 
zu bildet sich in der weichen Körperhaut ein Chitinstück, der Winkel, welcher 
die Verbindung zwischen den quadratischen Platten und den Stechborsten- 
schenkeln herstellt. Welchem Segmente derselbe entstammt, konnte DEwITz 
nicht feststellen, da die verkümmerten Segmente gar zu wenig von einander 
abgegrenzt sind. 

BEyER’s (27) Untersuchungen über den Stachelapparat verschiedener Hymen- 
opteren bezeichnen eigentlich keinen Fortschritt in der Erkenntnis der weib- 
lichen Geschlechtsanhänge dieser Insekten. So weit die Stacheltheile aus Seg- 
mentanhängen hervorgehen, bestätigen seine Untersuchungen an Apis, Vespa, 
Myrmica laevinodis und Formica rufa die Angaben von Dewıtz. In der 
Schilderung der Entwicklung aller übrigen Stacheltheile tritt uns eine Ver- 
mischung der Resultate von KRAEPELIN und DEWITZ entgegen. So lässt BEYER 
mit KRAEPELIN die Bögen der Stachelrinne und der Stechborsten aus dem 
drittletzten Segmente hervorgehen. Die oblongen Platten entstehen analog den 
Untersuchungen von DEWITZ aus zwei Wülsten, die lateral von der Stachel- 
Tinne liesen und nach hinten in die Stachelscheiden übergehen. Die äußere 
Hälfte dieser Partie bildet die Anlage der quadratischen Platte. Beide Gebilde 
gehören zum vorletzten Segmente, dem auch der Rinnenwulst entstammt. Der 
Winkel wird in der seitlichen, das Gabelbein in der medianen Partie des dritt- 
letzten Segmentes angelegt. 

In neuerer Zeit untersuchte KAHLENBERG (28) die Entwicklung des Bienen- 


394 Enoch Zander, 


stachels und bestätigte, beziehungsweise erweiterte die Angaben von DEWwITZ. 
Morphologische Fragen hat KAHLENBERG nicht berührt. Aus seinen entwick- 
lungsgeschichtlichen Resultaten geht jedoch hervor, dass er eine größere 
Betheiligung des Hautskelettes an der Stachelbildung beobachtete als Dewırz 
und BEYER. Die Stechborsten werden nach KAHLENBERG aus zwei Epidermis- 
verdiekungen der elften, Stachelrinne und Stachelscheiden aus viervon Anfang 

an getrennten Zapfen der zwölften Bauchschuppe gebildet. Die Wurzeln 
der Stechborsten sind bei einer vierzehn Tage alten Larve als künftige Borsten- 
schenkel charakterisirt, indem sie, weiter von der Mittelebene entfernt, seitlich 
gebogen sind. Das hintere Ende der Stechborstenschenkel verdickt sich zum 
Winkel. Die Schienenbögen entstehen aus bogenförmigen Verdickungen der 
Körperhaut am Vorderrande des zwölften Segmentes. 


Während die älteren Autoren nur eine Betheiligung der Bauchschuppen 
am Aufbau des Stachels kannten, beobachtete KAHLENBERG, dass der ganze 
zwölfte Körperring, von dem die Stachelscheiden vorgewachsen sind, sich 
in je zwei laterale Stücke gliedert, von denen die beiden inneren die oblongen, 
die äußeren die quadratischen Platten bilden. Diese Beobachtung bezeichnet 
einen bedeutenden Fortschritt gegenüber den früheren Untersuchungen. 


Die neueste Arbeit auf diesem Gebiete, von KULAGIN (32), bewegt sich, 
was die Geschlechtsanhänge betrifft, in den Bahnen der verwandten Unter- 
suchung von GAnIn(1l) und enthält über die Geschlechtsbewaffnung nur kurze 
Angaben. 

Abgesehen von den Thysanuren (Nicoletia, Machilis, Lepisma, Lepismina), 
bei denen nach E. HAASE (22) nur je zwei ventrale Anhänge am achten und 
neunten Abdominalsegmente auftreten, entwickeln sich auch bei anderen 
Insektengruppen die Legeapparate aus anologen Anhängen des vorletzten und 
drittletzten Segmentes, so bei Orthopteren (DEwITZ, PEYTOUREAU) und Hemi- 
pteren (HEYMmonSs, 31a). 


Überblickt man die Resultate der bisherigen Untersuchungen, 
so kann es nicht entgehen, dass die allgemeine Anschauung von der 
Genese des Hymenopterenstachels im Laufe der Zeiten mannigfach 
wechselte. LACAZE-DUTHIERS und seine Zeitgenossen glaubten in 
demselben lediglich metamorphosirte Segmente erkennen zu müssen, 
während OULJANIN ihn ausschließlich aus ventralen Segmentanhängen 
hervorgehen ließ. KRAEPELIN’s Verdienst ist es, die moderne An- 
schauung von der Entstehung des Stachels angebahnt zu haben. Die 
entwicklungsgeschichtliche Forschung der beiden letzten Jahrzehnte 
lieferte hierauf den sicheren Nachweis, dass der Stachelappa- 
rat der Hymenopteren theils aus ventralen Segmentan- 
hängen, theils aus der benachbarten Körperhaut selbst 
hervorgeht. 


Unzweifelhaft steht fest, dass die geraden Theile des Stachel- 
apparates aus sechs ventralen Epidermisverdickungen des elften und 
zwölften Körpersegmentes entstehen, und zwar gehören die Stech- 


Beiträge zur Morphologie des Stachelapparates der Hymenopteren. 295 


borsten dem elften, die Stachelrinne und die Scheiden dem zwölften 
Segmente an. 

Über die Betheiligung des Hautskelettes am Aufbau des Stachels 
herrscht dagegen noch nicht die wünschenswerthe Klarheit und 
Einigkeit. Aus der Körperwand differenziren sich nach KRAEPELIN 
sämmtliche Stücke des Stachels mit Ausnahme der geraden Theile, 
nach DEwITz nur quadratische Platte und Winkel, nach Beyer Bögen, 
Rinnenwulst, Winkel und Gabelbein, und nach KAHLENBERG sämnt- 
liehe Stacheltheile mit Ausnahme von Stechborstenbogen und Winkel, 
sowie der geraden Anhänge. Wie sich die Theile des Stachelapparates 
nach den Ansichten der einzelnen Autoren auf die beiden in Frage 
kommenden Segmente vertheilen, lehrt folgende Tabelle. 


Autoren S = = Er S & = z = = 
= wen ee ae ee RR SS 
ala 202 I & = & nme Nbrkin te 

KRABPELIN ||e | —. XI |xXIs | x | XI | xIe 
Dewirz Sayr | HE IE REIHE 5 | XER 
BEYER SSXE XIX © x, x |xı |x% XIe | X 
KAHLENBERG | = | | XI |XII« XI | x XI XIe| — 


* bezeichnet diejenigen Stacheltheile, die der Körperhaut entstammen. 


_ Aus dieser Tabelle ersieht man, dass Winkel und Stechborsten- 
bögen nach dem übereinstimmenden Resultate aller Autoren und 
nach KRAEPELIN und BEYER auch das Gabelbein zum elften Seg- 
mente gehören, während Rinnenwulst, oblonge und quadratische 
Platten dem zwölften Segmente entstammen. Ob die Stachelrinnen- 
bögen aus dem elften oder zwölften Segmente hervorgehen, ist noch 
unentschieden. KRAEPELIN und BEYER rechnen dieselben zum elften, 
Dewitz und KAHLENBERG zum zwölften Segmente. 


ll. Der Antheil des Hautskelettes am Aufbau des Stachel- 
apparates. 


Nachdem die entwicklungsgeschichtlichen Untersuchungen mit 
Sicherheit erwiesen haben, dass der Stachel nicht ausschließlich aus 
ventralen Anhängen sich entfaltet, und dass das Hautskelett nicht 
ganz zu Grunde geht, sondern zum Theil in den Stachelapparat ein- 
bezogen wird, erhebt sich die Frage, ob diese Skeletttheile voll- 
ständig umgebildet sind zu Stücken, die in Anpassung an die mecha- 


296 Enoch Zander, 


nische Funktion des Stachels ihre typischen Formceharaktere ganz 
verloren haben, oder ob sie noch morphologische Beziehungen zum 
Hautskelett erkennen lassen. Da die bisherigen Beobachter, abze- 
sehen von LACAZE-DUTHIERS, der auch andere Hymenopterenspecies 
heranzog, fast ausschließlich den Verhältnissen bei der Honigbiene 
ihre Aufmerksamkeit zuwandten, hoffte ich durch die vergleichend- 
anatomische Untersuchung einer möglichst großen Zahl von Arten 
verschiedener Familien bessere Aufschlüsse zu gewinnen und bin in 
dieser Erwartung nicht getäuscht worden. Fehlt auch meiner Dar- 
stellung der entwicklungsgeschichtliche Nachweis, da die Beschaffung 
des nöthigen Materials nicht möglich war, so hat mich doch die 
vergleichende Methode sichere Resultate finden lassen. Ich beginne 
nun mit der Schilderung meiner Befunde. 


1. Die Gliederung des abdominalen Hautskelettes. 


Die chitinöse Cutiecula des Insektenleibes, das Exoskelett, bildet 
nicht einfach einen cylindrischen Schlauch von gleichmäßiger Dicke, 
sondern stellt sich als eine Hülle mit Zonen von verschiedener Chitin- 
stärke dar. Jede Hymenopterenlarve wird so, abgesehen vom Kopfe, 
von dreizehn vollkommen geschlossenen, ungefähr gleichmäßig starken, 
Chitinringen umkleidet, die durch intersegmentale Ringtaschen mit 
schwächerer Chitinablagerung von einander abgegrenzt sind. Anal 
werden die Segmente enger. 

Diese dreizehn Körpersegmente der Larve sind während der 
Imaginal- und Subimaginalperiode nicht mehr so leicht erkennbar als 
während der früheren Larvenzeit, da die von der Epidermis der ein- 
zelnen Segmente gebildeten Stücke des chitinösen Exoskelettes ganz 
verschiedenartig entwickelt werden. Die drei vordersten Segmente 
büßen ihre gegenseitige Beweglichkeit schnell ein und verschmelzen 
mehr oder weniger fest zum starren Thorax. Der Chitingürtel jedes 
dieser drei Segmente gliedert sich dabei in mehrere starr verbundene 
Stücke. Von den nächstfolgenden Abdominalsegmenten tritt bei 
Hymenopteren das vorderste, also das vierte Körpersegment (Mittel- 
segment), dicht an die Thoraxsegmentgruppe heran und verschmilzt 
so vollständig mit ihr, dass meist nur seine Rückenschuppe als Ab- 
schlussplatte der hinteren Thoraxwand nachweisbar bleibt. 

Die übrigen Abdominalsegmente erhalten sich in höherem Grade 
selbständig und freier beweglich, nur die letzten Körperringe erlei- 
den bedeutendere Umbildungen. Ihr Durchmesser wird geringer, so 
dass das Abdominalende kegelförmig zuläuft. Der Chitingürtel der 


Beiträge zur Morphologie des Stachelapparates der Hymenopteren. 297 


Abdominalsegmente zerfällt am Beginn der Imaginalzeit in je eine 
dorsale und ventrale Zone, in Rücken- und Bauchschuppe, welche 
durch laterale dünnere, taschenartig unter die Rückenschuppe ein- 
gefaltete Chitinmembranen, Lateralmembranen, in beweglichem 
Zusammenhang stehen. Die äußerlich sichtbaren Rückenschuppen 
tragen stets ein Stigmenpaar. Auch die Chitingürtel der auf ein- 
ander folgenden Segmente sind durch dünnere, ringförmige, ebenfalls 
nischenartig unter die jeweils vorhergehenden Rücken- beziehungs- 
weise Bauchschuppen vorspringende Chitinmembranen, Interseg- 
mentalmembranen, beweglich verbunden, so dass jedes vorher- 
sehende Segment das nächstfolgende deckt. Den oralen und analen 
Rand jedes Segmentes bezeichne ich künftighin als prä- und 
postsegmentalen. Der eben geschilderte Charakter der Chitin- 
bedeckung der Abdominalsegmente ist gegen das hintere Körperende 
weniger ausgeprägt. Bei Hymenopteren bilden nur sechs Abdominal- 
sesmente, nämlich die Körpersegmente V—X, deutliche Rücken- und 
Bauchschuppen. Vom elften Segmente ist nur die Rückenschuppe 
nachweisbar, dann folgt der Stachelapparat und die kleine After- 
schuppe. 

Da die letzten Abdominalringe bei allen Aculeaten stark modi- 
fieirt und vollständig verdeckt sind, so dass ohne weiteres ver- 
gleichendes Material ihr morphologischer Werth nicht zu bestimmen 
ist, will ich von den Verhältnissen bei Terebrantiern ausgehen, deren 
langes Abdomen sowohl sämmtliche Bauch- und Rückenschuppen 
als auch den Stachelapparat frei zu Tage treten lässt. Nur durch 
das Studium der einfachen Verhältnisse bei Terebrantiern können 
wir das richtige Verständnis für die aus dem Hautskelett hervor- 
gegangenen Stacheltheile finden, denn hier liegt der Stachel- 
apparat frei und stellt einen vollkommen geschlossenen 
Ring dar. 

Von Terebrantiern konnte ich bisher untersuchen Ichneumon 
buceulentus, Amblyteles castigator, Trogus lutorius, Cryptus migra- 
torius, Rhyssa persuasoria, Ephialtes mesocentrus und tubereulatus, 
Pimpla instigator, Anomalon eircumflexum, ÖOphion luteus, Paniscus 
testaceus; Cynips querceus folii; Cimbex variabilis, Hylotoma pagana 
und ustulata, Tenthredo spee., Dolerus eglanteriae; Sirex juvencus 
und gigas, die ich zum Theil der Liebenswürdigkeit des Herrn 
Prof. Dr. Hauser in Erlangen verdanke. 

Meiner Schilderung des abdominalen Hautskelettes dieser Gruppe 
lege ich als leicht verständliches Beispiel 


293 Enoch Zander, 


Hylotoma pagana 
(Fig. 1) 
zu Grunde. 

Das Abdomen ist dorsoventral wenig komprimirt. Abgesehen 

vom ersten Abdominalsegmente, das an den Thorax herangezogen ist, 

sind sechs vollständige Segmente frei nachweisbar, nämlich die 
Körpersegmente V—X. Die chitinöse Cuticula der einzelnen Seg- 
mente ist in je eine größere Rücken- und kleinere Bauchschuppe 
zerfallen. Jede Rückenschuppe greift mit ihrer lateralen Partie über 
den dorsalen Rand der entsprechenden Bauchschuppe herüber. Die 
Lateralmembran ist taschenartig unter die Rückenschuppe einge- 
schlagen. Die Beziehungen je zweier auf einander folgender Seg- 
mente erinnern in so fern noch etwas an larvale Verhältnisse, als 
nur die laterale Partie der ringförmigen Intersesmentalmembranen voll- 
ständig unter die jeweils vorhergehende Rückenschuppe eingefaltet 
ist, während die größere dorsale und die ventrale Zone theilweise 
frei liegt (Fig. 1 /s). Analwärts werden die Chitingürtel enger, da 
das Abdomen stumpf-kegelförmig zuläuft. 

Während bei sämmtlichen Aculeaten das elfte Segment äußerlich 
nicht erkennbar ist, folgt bei Hylotoma hinter dem zehnten Segmente 
noch die Rückenschuppe des elften, die sich, abgesehen von ihrer 
geringeren Größe, in nichts von den vorhergehenden unterscheidet 
(Fig. 1 X/d). An diese und die zehnte Bauchschuppe schließt sich 
der Stachelapparat an, durch eine Ringmembran mit den vorher- 
gehenden Chitinstücken verbunden. Derselbe ist nicht, wie bei den 
Aculeaten, unter die letzten Rücken- und Bauchschuppen geschoben, 
sondern reiht sich diesen, allseitig äußerlich sichtbar, an (Fig. 1). Die 
Anordnung seiner Theile ist trotz mancher Abweichungen im Bau 
derselben die gleiche wie am Stachel von Apis mellifica. Ganz ven- 
tral ragen die beiden Stechborsten nach hinten (Fig. 1 S2). Dieselben 
hängen mit der Stachelrinne und ihren Bögen so locker zusammen, 
dass sie beim Abtrennen des Stachelapparates vom übrigen Haut- 
skelette fast regelmäßig an der den Stachel mit der zehnten Bauch- 
schuppe verbindenden Membran hängen bleiben und dann direkt 
unter der elften Rückenschuppe liegen. 

Der übrige Theil des Stachelapparates bildet einen 
vollkommen geschlossenen Ring, der als der Chitingürtel 
des zwölften Segmentes zu betrachten ist, weil er hinter der 
elften Rückenschuppe liegt. Wichtig für diese Deutung ist die That- 
sache, dass hier an Stelle der vollkommen getrennten quadratischen 


Beiträge zur Morphologie des Stachelapparates der Hymenopteren. 299 


Platten der Honigbiene ein breiter dorsal gekrümmter Chitinreif, das 
Epipygium (Fig. 1 Ep), sich findet. Anpr& (17, I, Taf. I, Fig. 1 48) 
bezeichnet dasselbe als Rückenschuppe des achten Abdominalseg- 
mentes (im Sinne LAcAzE-DUTHIERS?). Da AnDr& das erste, an den 
Thorax herangetretene Abdominalsegment, das segment mediaire, 
nicht zählt, entspricht die achte abdominale Rückenschuppe der 
zwölften unserer Zählung. Beweise für die Rückenschuppennatur 
des Epipygium finde ich bei AnprE nicht. Die Beziehungen des- 
selben zum übrigen Hautskelett lassen sich jedoch leicht beobachten 
und entsprechen vollkommen denen der übrigen Rückenschuppen. 
Zwischen dem postsegmentalen Rande der elften Rückenschuppe und 
dem präsegsmentalen des Epipygium spannt sich eine Membran 
(Fig. 1 /s), die den Intersegmentalmembranen homolog ist. Auch von 
dieser Membran ist nur der laterale Bezirk vollständig unter den 
postsesmentalen Rand der elften Rückenschuppe eingefaltet (Fig. 1), 
genau so, wie ich es für die Intersegmentalmembranen der vorher- 
sehenden Segmente geschildert habe. Die zwölfte Rückenschuppe 
springt ferner in der gleichen Weise, wie alle anderen freien Rücken- 
schuppen es thun, lateral über den ventral liegenden Chitinbogen 
vor und deckt dadurch die zarte laterale Membran desselben. Der 
letztere ist desshalb als die zugehörige Bauchschuppe des zwölften 
Sesmentes zu betrachten. Der ventrale Bogen ist nicht von gleich- 
mäßiger Chitindieke, sondern in drei Zonen differenzirt: die lateralen 
Partien dieser zwölften Bauchschuppe stellen die beiden oblongen 
_ Platten dar. In der ventralen Medianebene wird der Chitingürtel 
des zwölften Segmentes bei allen Hymenopteren durch eine dem 
Rinnenwulst bei Apis homologe Membran geschlossen, die zwischen 
den medianen (ventralen)! Rändern der oblongen Platten ausgespannt 
auch dem oralen Ende der Stachelrinne angewachsen ist. Die Be- 
ziehungen des dorsalen Epipygium zu den oblongen Platten als late- 
tale Bauchschuppenpartien sind dadurch etwas modifieirt, dass beide 
gegen einander, wenn auch nur wenig, in der folgenden Weise ver- 
schoben sind. Während nämlich an den übrigen Segmenten jede 
Rückenschuppe nur mit ihrer lateralen Partie die zugehörige Bauch- 
schuppe deckt (Fig. 1 X), liest das Epipygium mit seiner größeren 
postsesmentalen Randzone der oblongen Platte (Fig. 1 0.p) auf. Dieses 
eigenthümliche Verhalten findet darin seine einfache Erklärung, dass 


i Wo sich, wie hier, die morphologischen Bezeichnungen nicht mit den 
topographischen decken, füge ich letztere in () hinzu. 


300 Enoch Zander, 


das hintere Körperende stumpf-kegelförmig zuläuft, wodurch Epipy- 
sium und oblonge Platte einander anal so sehr entgegengeneigt 
werden, dass der laterale (dorsale) Rand der letzteren unter den 
postsegmentalen der Rückenschuppe rückt. Bei den Aculeaten wer- 
den wir einer noch viel weiter gehenden Verlagerung beider Platten 
begegnen. 

Die Gliederung der aus dem zwölften Segmentringe 
hervorgegangenen Stacheltheile entspricht also bei Hylo- 
toma pagana durchaus den Gliederungsgesetzen der üb- 
rigen Abdominalegmente Das Epipygium bildet die 
Rückenschuppe, die oblongen Platten sammt Rinnenwulst 
die Bauchschuppe des zwölften Segmentes. Diese vier 
Stacheltheile bilden einen vollkommen geschlossenen 
Ring. 

Dorsal vom Stachelapparat mündet im dreizehnten Segmente der 
Enddarm. Da das Segment selbst klein ist, ist auch der Chitingürtel 
desselben nur schwach entwickelt, zeigt aber die typische Gliederung 
in Rücken- und Bauchschuppe, welche wie zwei Klappen den After 
umschließen. Die Ausbildung dieser Klappen ist bei den Hymen- 
opteren großen Schwankungen unterworfen. Bei Hylotoma pagana 
ist nur die Rückenschuppe stark ausgeprägt (Fig. 1 X/I//d) und mit 
dem Epipygium fest verwachsen, wie dies auch bei anderen Tere- 
brantiern zu beobachten ist. Unmittelbar unterhalb des lateralen 
Randes dieser Schuppe sitzt in der von den oblongen Platten dorsal 
ziehenden weichen Membran je ein kleines, beborstetes, Zäpfchen, 
der Analtaster (Fig. 1 AZ). Dieses für die Terebrantier charakteri- 
stische Gebilde fehlt den Aculeaten. 

Unter den Terebrantiern erleiden die soeben an Hylotoma ge- 
schilderten Grundzüge des Stachelbaues nur geringfügige Verände- 
rungen. 

In den einzelnen Gruppen der Aculeaten sind dieselben jedoch mehr oder 
weniger stark modifieirt, so dass es ohne Kenntnis der bei Terebrantiern herr- 
schenden Verhältnisse oft unmöglich sein würde, die einzelnen Stacheltheile 
richtig zu deuten. 

Unter den Terebrantiern stehen die Uroceriden Hylotoma pagana am näch- 
sten. Sirex gigas und juvencus unterscheiden sich von derselben hauptsächlich 
durch die stärkere Zusammenschiebung der Chitinringe. Während bei Hylotoma 
die Bauch- resp. Rückenschuppen einander nur theilweise decken, sind diesel- 
ben bei Sirex so stark in einander geschoben, dass die Intersegmentalmembranen 
nicht ınehr sichtbar sind. Auch der Stachelapparat, dessen Theile einen 


breiten, allseitig geschlossenen Ring bilden, ist näher an die letzten 
freien Rücken- und Bauchschuppen herangezogen, so dass die orale Partie 


Beiträge zur Morphologie des Stachelapparates der Hymenopteren. 301 


desselben verdeckt wird. Immerhin ist aber noch der größere anale Theil des 
Stachels direkt sichtbar. 

Bei den meisten Ichneumoniden (Ichneumon, Amblyteles, Trogus) ist der 
Stachelapparat noch weiter unter die vorhergehenden Ringe geschoben. Be- 
sonders das Epipygium ist fast vollständig von der elften Rückenschuppe 
verborgen. Die Ventraltheile des Stachels liegen dagegen noch mit Ausnahme 
der vorderen Bogenpartien völlig frei. Das Stachelrinnensegment (XIJ) ist 
stets als vollkommen geschlossener, breiter, Ring nachweisbar. 


In den Vertretern der Gattung Cimbex lernen wir Terebrantier 
kennen, die in mancher Hinsicht schon an die Aculeaten erinnern. 
Die abdominalen Hautskelettelemente sind nämlich so stark in ein- 
ander geschoben, dass selbst an der Ventralseite nur noch wenig 
vom Stachelapparate sichtbar ist. Das Stachelrinnensegment ist zwar 
noch vollkommen ringförmig geschlossen, aber das Epipy- 
sium stellt keinen überall annähernd gleich breiten Chitinbogen dar, 
sondern besteht in ähnlicher Weise, wie wir es später bei manchen - 
Aculeaten beobachten werden, aus zwei großen lateralen Platten, die 
durch eine schmälere Brücke dorsal verbunden sind. 

Diese Verhältnisse leiten zu den Aculeaten über. Bei den- 
selben scheinen die letzten Segmente ganz zu fehlen, da bei keiner 
Art dieser Gruppe elfte Rückenschuppe, Stachelapparat und After- 
schuppe äußerlich sichtbar sind. Abgesehen von den Chrysiden, bei 
denen meist nur drei bis vier Ringe äußerlich nachweisbar sind, 
zählen wir auch bei Aculeaten sechs vollständige Rücken- und Bauch- 
schuppen, die den Segmenten V—X angehören und stark zusammen- 
geschoben sind, so dass nicht bloß die Intersegmentalmembranen, 
sondern auch schmale Zonen der Segmentgürtel selbst über einander 
liegen !. 


1 Die Gestalt des Abdomens beeinflusst Form und Anordnung der Bauch- 
und Rückenschuppen bei den Aculeaten sehr. Das Abdomen der Terebrantier, 
dessen einzelne Hautskelettstücke verhältnismäßig wenig über einander greifen, 
besitzt meist die Form eines langgestreckten, dorsoventral oder lateral 
komprimirten, Cylinders, der anal, ohne sich bedeutend zu verengern, 
stumpf-kegeltförmig zuläuft. Ferner setzt sich das Abdomen der Terebrantier 
meist in seiner ganzen Breite an den Thorax an, so dass der mittlere 
Körperabschnitt direkt in den Hinterleib übergeht. Ausnahmen sind z. B. 
Chaleiden und Cynipiden (Leucopsis, Chaleis, Eucharis, Torymus, Ibalia ete.), 
bei denen wie bei Aculeaten ein mehr oder weniger deutlicher Stiel vorhan- 
den ist. Bei den Aculeaten dagegen sind das zweite oder das zweite und 
dritte Abdominalsegment ganz oder theilweise zu einem mehr oder weniger 
beweglichen Hinterleibsstiel stark verengert, durch den das Abdomen stets 
deutlich vom Thorax abgesetzt erscheint. Die übrigen freien Chitingürtel um- 
schließen kein langgestreckt eylindrisches sondern ein meist spitz kegel- 


302 Enoch Zander, 


Ferner ist die eigenthümliche gegenseitige Verlagerung 
der letzten Rücken- und Bauchschuppen, auf die schon 
bei Hylotoma kurz hingewiesen wurde, in weit höherem Grade 
am Abdomen der Aculeaten ausgeprägt. Betrachten wir die Skizze 
eines Abdomens von Vespa crabro (Fig. 2), so fällt Folgendes auf. 
 Sämmtliche Bauchschuppen liegen fast in einer Ebene. Am sechsten 
und siebenten Segmente (Fig. 2 V/und VI/) sind Bauch- und Rücken- 
schuppen annähernd parallel zu einander gerichtet. Anal werden die 
Segmente enger, und gleichzeitig biegen sich die Rückenschuppen 
mehr und mehr zur Ventralebene herunter (Fig. 2 VIIId, IXd), so 
dass die zehnte Rückenschuppe unter einem spitzen Winkel gegen 
die entsprechende Bauchschuppe geneigt ist (Fig. 2 Xd). Dadurch 
werden die Rückenschuppen derart verlagert, dass der präsegmentale 
Rand nicht mehr oral, sondern fast dorsal und der postsegmentale 
nicht mehr anal, sondern ventral schaut. Dann überragt die Rücken- 
schuppe nicht mit ihrem lateralen sondern mit ihrem postsegmentalen 
Rande die Bauchschuppe. Bei Formieiden sind die letzten Rücken- 
schuppen einer noch weiter gehenden Verlagerung unterworfen, wie 
die Skizze des Abdomens von Atta cephalotes (Fig. 3) zeigt. Hier 
steht die zehnte Rückenschuppe fast im stumpfen Winkel auf der 
Bauchschuppenebene (Fig. 3 X.d). | 

Rücken- und Bauchschuppe des zehnten Segmentes scheinen das 
hintere Körperende zu begrenzen. Hebt man jedoch die zehnte 
Rückenschuppe auf, so sieht man in eine Höhle hinein, in welche 
die letzten Segmente eingezogen sind. Zieht man den Stachel- 
apparat vorsichtig aus dem zehnten Segmentringe heraus, so erhält 
man ein Bild, das ich zunächst an einem Crabroniden genauer be- 
schreiben will. 


Ammophila sabulosa. 
(Fig. 4.) 

Dem aus der Abdominalhöhle hervorgezogenen Stachelapparate 
sitzt dorsal zunächst die elite Rückenschuppe (Fig. 4 X/d) sattelförmig 
auf. Dieselbe besteht aus zwei größeren lateralen Stücken, die durch 
einen breiten dorsalen Bogen (Fig. 4 dd) mit einander verbunden sind. 


förmiges oder, wie bei den Ameisen, einkugelförmiges Abdomen. Da die 
eigentliche abdominale Leibeshöhle der Aculeaten relativ nicht kleiner, die 
Zahl der schützenden Cuticulartheile jedoch geringer ist als bei den Tere- 
brantiern, so sind die stark in einander geschobenen Bauch- und Riücken- 
schuppen des Aculeatenabdomens viel länger als die der Terebrantier. 


Beiträge zur Morphologie des Stachelapparates der Hymenopteren. 303 


Während also bei den Terebrantiern diese Schuppe den übrigen 
Rückenschuppen vollkommen gleichwerthig angereiht ist, liegt dieselbe 
bei Ammophila sabulosa und den Aculeaten überhaupt nicht mehr frei 
zu Tage, sondern ist engere Beziehungen zum Stachelapparate einge- 
sangen und mit diesem in das Abdomen hineingeschoben worden. 

Eine breite, ringförmige Membran zieht vom postsegmentalen 
Rande des zehnten Segmentes zum Stachelapparate und setzt sich 
dorsal an den präsegmentalen Rand der elften Rückenschuppe und 
ventral an die Bögen des Stachelapparates an. Dieselbe ist der 
Intersesmentalmembran zwischen dem zehnten und elften Segment- 
ringe homolog und stets breit unter die Chitinhaut des zehnten Seg- 
mentes eingeschlagen. 

Die Stechborsten und ihre Bögen befinden sich im engsten Ver- 
bande mit der Stachelrinne und den Schienenbögen, so dass morpho- 
logische Beziehungen zum Hautskelette nicht mehr erkennbar sind. 
Der übrige Theil des Stachelapparates ist auch bei Ammo- 
phila sabulosa noch zu einem vollständigen Ringe ge- 
schlossen, dessen dorsale Hälfte die beiden quadratischen Platten 
bilden (Fig. 4 gu.P). Die Rückenschuppennatur derselben ist nicht 
mehr so deutlich wie am Epipygium der Terebrantier, da sie nur 
durch einen ganz schmalen dorsalen Bogen (Fig. 4 db) mit einander 
verbunden sind, was wir schon am Epipygium von Cimbex beob- 
achten konnten. Den quadratischen Platten liegen die Seitenstücke 
der elften Rückenschuppe auf. Die Verbindung beider Platten 
_ wird durch die Intersegmentalmembran (Fig. 4 /s) hergestellt, die 
zwischen dem postsegmentalen Rande der elften Rückenschuppe und 
dem präsegmentalen der quadratischen Platten ausgespannt ist. Die 
ventrale Schuppe des Stachelrinnensegmentes wird, wie bei den 
Terebrantiern, von den beiden oblongen Platten und dem Rinnen- 
wulste gebildet. Die Beziehungen der oblongen zu den quadratischen 
Platten sind nur verständlich, wenn wir jene oben geschilderte Ver- 
lagerung der letzten Rückenschuppen berücksichtigen, da dieser 
Verschiebung auch die dorsalen Stacheltheile unterworfen sind. In 
Folge dessen ragt der präsegmentale Rand der elften Rückenschuppe 
und der quadratischen Platten bei Ammophila: dorsal (Fig. 4). Ihre 
gegenseitigen Lagebeziehungen werden dadurch nicht geändert, da 
Ja beide in der gleichen Weise verschoben sind. Die ventralen ob- 
longen Platten dagegen werden jetzt derart von den quadratischen 
überdeckt, dass nicht die laterale, sondern die postsegmentale Rand- 
partie der letzteren über den lateralen (dorsalen) Rand der oblongen 


304 Enoch Zander, 


Platten herübergreift. Die Anordnung der Stacheltheile unter einan- 
der ist mithin in genau der gleichen Weise modifieirt, wie wir dies 
schon an den vorhergehenden Hautskelettelementen beobachten können. 
Eine Lateralmembran verbindet oblonge und quadratische Platte jeder 
Seite: 

Wir sehen also, dass auch bei Ammophila die Gliede- 
rung der Haut des Stachelrinnensegmentes sich im eng- 
sten Anschluss an die Stilgesetze der abdominalen Exo- 
skelettelemente vollzogen hat. 

Die Afterschuppe ist bei sämmtlichen Crabroniden vollkommen membra- 
nös und lässt, abgesehen von der dorsalen Lage, keine Beziehungen zum 
Stachelapparat erkennen. 

Bei Pompiliden und Heterogynen, von denen ich zahlreiche Species unter- 
suchen konnte, begegnen wir ganz analogen Verhältnissen. Stets ist der Stachel- 
apparat vollkommen ringförmig geschlossen, wenn gleich die dorsale 
Partie dieses Ringes meist sehr schmal ist. 

Bisher haben wir den Chitingürtel des Stachelrinnensegmentes 
als geschlossenen Ring kennen gelernt. Bei Hylotoma, Sirex und 
anderen Terebrantiern war der dorsale Bogen dieses Segmentes, das 
Epipygium, als deutliche Rückenschuppe vorhanden. Aber schon 
bei Cimbex machte sich eine Reduktion der medianen Partie des 
Epipygium zu einer schmalen, zwei große laterale Platten verbinden- 
den, Chitinbrücke bemerkbar. Während die quadratischen Platten 
der Crabroniden, Pompiliden und Heterogynen dorsal noch durch 
einen, wenn auch sehr schwachen, Chitinbogen zusammengehalten 
werden, ist bei den Vespiden der gänzliche Zerfall des zwölf- 
ten Ohitinringes, wie wir ihn bei der Honigbiene beobachten, da- 
durch angekündigt, dass der dorsale Verbindungsbogen der quadra- 
tischen Platten in der Medianlinie unterbrochen ist. 


Vespa media. 
(Fig. 5.) 

Betrachten wir den Stachelapparat von Vespa media genauer, 
so ist zunächst zu bemerken, dass die Lagebeziehungen seiner Theile 
genau die gleichen bleiben, wie bei Ammophila sabulosa. Hier wie 
dort zieht eine breite, unter den postsegmentalen Rand des zehnten 
Segmentringes tief ringförmig eingeschlagene Intersegmentalmembran 
zu dem innerhalb des zehnten Segmentes liegenden Stachelapparat 
und der elften Rückenschuppe. Die letztere besteht aus zwei größe- 
ven lateralen Platten, die durch einen schmalen präsegmentalen Steg 
verbunden sind (Fig. 5 db). Der Stachelapparat ist zwar dorsal zu- 


Beiträge zur Morphologie des Stachelapparates der Hymenopteren. 323 


eine mehr aufgerichtete Stellung ein, so dass der Rand mit dem 
Stigma dem After zugekehrt ist und als hinterer bezeichnet werden 
muss.< Dewirz giebt diesem Gebilde keinen Namen. Dass das- 
selbe, so weit sich aus Dewırz’ Schilderung ersehen lässt, nicht 
etwa der elften Rückenschuppe entspricht, die ja meistens ein Stigma 
trägt, geht aus der weiteren Beschreibung der fraglichen Platte 
deutlich hervor: »Dieser Rand (nämlich der hintere) schlägt sich 
nach innen und vorn um und geht in ein gehöhltes Chitinstück über. 
Am vorderen unteren Ende läuft letzteres in einen kurzen Stiel aus, 
der sich dem Winkel inserirt, am hinteren oberen Ende verschmilzt 
es gänzlich mit der übrigen Plattenfläche. Von dieser geht ein 
Chitinstreif aus, der über das ganze vorletzte Rückensegment verläuft, 
um in die gleichnamige Platte der anderen Seite überzugehen.« Ich 
habe schon bei Vespa auf die mediale Umbiegung der präsegmen- 
talen (dorsalen) Randzone der quadratischen Platte, sowie auf die 
Beziehungen dieses gehöhlten Stückes zum Winkel hingewiesen. 
Diese Analogie und die dorsale Verbindung dokumentiren das frag- 
liche Gebilde bei Typhlopone unzweifelhaft als quadratische Platte, 
an der das Vorhandensein eines Stigmas von hohem morphologischem 
Interesse wäre. Es war mir jedoch nicht möglich, die Richtigkeit 
dieser Angabe zu kontrolliren. Ferner will Anpr& am Epipygium 
einiger Terebrantier (Leucopsis, Phaganophora, Ibalia) Stigmen beob- 
achtet haben. Auf Grund eigener Untersuchungen kann ich für die 
genannten Terebrantier Anpr£’s Angabe nicht bestätigen, da bei 
diesen nicht das Epipygium, sondern die elfte Rückenschuppe die 
Stigmen trägt, während das Epipygium, sekundär stark modifieirt, 
sammt dem ganzen Stachelapparate so tief in das Abdomen hinein- 
geschoben ist, dass dasselbe äußerlich nicht sichtbar ist. Ob bei 
anderen Hymenopteren die quadratischen Platten Stigmen tragen, 
will ich vorläufig dahingestellt sein lassen, da meine diesbezüglichen 
Untersuchungen noch nicht abgeschlossen sind. Ich hoffe darüber 
bald Mittheilungen machen zu können. 

Wenn ich hiermit die vergleichende Untersuchung über die fei- 
nere Skulptur des Stachelapparates schließe, so glaube ich zur Ge- 
nüge nachgewiesen zu haben, dass sich stark ausgeprägte Relief- 
eisenthümlichkeiten der Bauch- und Rückenschuppen auch an den 
Stacheltheilen nachweisen lassen. Da die feinere Skulptur nicht 
überall gleich deutlich hervortritt, habe ich mich nicht auf eine oder 
einige Arten beschränkt, sondern aus einer möglichst großen Anzahl 
von Arten aller Gruppen passende Vergleichsobjekte ausgewählt, die 

21* 


24 Enoch Zander, 


den Beobachter mit den intimeren Formeigenthümlichkeiten des ab- 
dominalen Hautskelettes und seiner Derivate vertraut machen. Die 
so gewonnenen allgemeinen Resultate meiner vergleichenden 
Studien lassen sich in folgende Sätze zusammenfassen. 

Während der Larvenzeit ist die Haut der einzelnen Segmente 
gleichmäßig stark chitinisirt. 

Während der mehrfach wiederholten Larvenhäutungen treten an 
den Chitingürteln sekundäre Versteifungen auf, die besonders 
am präsegmentalen und lateralen Rande der Bauch- und Rücken- 
schuppen in Form von Leisten und Vorsprüngen auftreten (Präseg- 
mentalleisten und -Höcker, Lateralleiste und -Fortsatz). 

Diese sekundären Wandverdiekungen sind nicht an allen Bauch- 
und Rückenschuppen gleichmäßig ausgebildet, sondern weisen in oral- 
analer Richtung graduelle Verschiedenheiten auf. 

Homologe Verdiekungen treten auch an den aus dem 
Hautskelett hervorgegangenen Stacheltheilen auf, die 
stets die extremsten Umbildungsformen der Reliefeigenthümlichkeiten 
der einzelnen Rücken- und Bauchschuppen darstellen. 

Folgende Theile des Stachelapparates lassen sich mit sekundären 
Wandversteifungen der Bauch- und Rückenschuppen homologisiren. 

Die Stechborstenbögen entsprechen der Präsegmentalleiste der 
elften Bauchschuppe. 

In den Schienenbögen erkennen wir die Präsegmentalleiste der 
zwölften Bauchschuppe. 

Wenn an den Bögen des Stachelapparates kräftige Fortsätze 
entwickelt sind (Bombus), so lassen sich diese dem Präsegmental- 
höcker der übrigen Bauchschuppen vergleichen. 

Der Winkel ist eine einfache Verdickung des vorderen Drittels 
der Seitenrandleiste der elften Bauchschuppe und in besonderen 
Fällen dem Lateralfortsatz homolog. 

Der Stiel der oblongen Platte, homolog dem unpaaren Stamm 
des Winkels, repräsentirt das vordere Drittel der Seitenrandleiste der 
zwölften Bauchschuppe. 

Der dorsale Verbindungsbogen der quadratischen Platten und 
die Rudimente desselben entsprechen der Präsegmentalleiste der übri- 
gen Rückenschuppen. 

Neben diesen, dem ganzen aommalen Hautskelett eigenen se- 
kundären Wandverdickungen treten sowohl an den Bauch- und 
Rückenschuppen, wie auch am Stachelapparate Neubildungen auf, 
die sich nicht an allen Skelettstücken gleichmäßig finden und die 


Beiträge zur Morphologie des Stachelapparates der Hymenopteren. 325 


wir füglich als tertiäre Versteifungen bezeichnen können. Hier- 
her rechne ich z. B. eine bei Vespiden, Crabroniden ete. in der elf- 
ten Rückenschuppe seitlich vom Stigma verlaufende Chitinleiste 
und am Stachelapparat neben manchen im speciellen Theil genannten 
Bildungen, besonders das Gabelbein, das eine dem median-oralen 
Theile der zwölften Bauchschuppe eigene Wandverdickung ist. 

Es erübrigt mir zum Schluss noch, das Gesammtresultat 
der bisherigen Untersuchung kurz festzustellen. Als Lacaze- 
DuTHIErRS um die Mitte dieses Jahrhunderts die Morphologie des 
Stachelapparates zu ergründen suchte, scheiterte sein Versuch daran, 
dass er seinen Studien das Gliederungsgesetz zu Grunde legte, 
welches Aupovın für die Thorakalsegmente gefunden hatte, in der 
Voraussetzung, dass dasselbe auch für das Skelett der Abdominal- 
segmente gelte. Ich glaube evident nachgewiesen zu haben, dass 
sich das Stachelrinnensegment eben so wie die abdomi- 
nalen Chitinringe nur in je eine Bauch- und Rücken- 
schuppe gliedern, und dass sogar feinere Skulpturformen 
der freien Bauch-und Rückenschuppen auch am elften und 
zwölften Segment vorhanden sind. 

Beide Thatsachen lassen die aus der Körperhaut her- 
vorsesansenen Theile des Stachelapparates als voll- 
werthige Glieder des abdominalen Hautskelettes erschei- 
nen, mögen auch sekundäre, in Anpassung an speecielle 
_ Bedürfnisse erfolgte, Modifikationen im einzelnen Falle 
die morphologische Deutung erschweren. 


Ill. Die Morphologie der Geschlechtsanhänge. 
(Stechborsten, Stachelrinne und Stachelscheiden.) 


Die bisherige Untersuchung beschränkte sich auf die morpholo- 
sische Deutung derjenigen Partien des weiblichen Legeapparates, 
die der Körperwandung entstammen. Diese Skelettelemente sind 
die Träger ventraler Anhänge, der Geschlechtsanhänge, Gonapo- 
physen im engeren Sinne, nämlich der Stechborsten, Stachelrinne 
und Scheiden, die morphologisch noch nicht gewürdigt wurden. 
Schon frühzeitig wurde die Frage aufgeworfen, ob die Geschlechts- 
anhänge eine Bildung besonderer Art oder anderen Anhängen der 
Ventralseite homolog seien. An Interesse gewann diese Frage noch, 
als um die Mitte dieses Jahrhunderts mit dem Aufblühen der em- 
bryologischen Forschung Thatsachen bekannt wurden, die zu der 


326 Enoch Zander, 


Vermuthung zu berechtigen schienen, dass die Gonapophysen den 
‚Thorakalbeinen homolog seien. 

Nachdem RATHkE (5) im Jahre 1844 an Embryonen der Maul- 
wurfsgrille Abdominalanhänge beobachtet hatte, wandte sich die Auf- 
merksamkeit der Forscher eifrigst diesen interessanten Gebilden zu 
und es gelang, auch bei Vertretern anderer Insektengruppen ähnliche 
Embryonalbildungen nachzuweisen. Besonders GRABER (19) hat in 
seinen. Untersuchungen über diesen Gegenstand zahlreiche Beobach- 
tungen über derartige Anhänge niedergelegt. Trotzdem sind wir auch 
heute noch über die Bedeutung dieser Gebilde völlig im Unklaren. 
Nur das steht fest, dass diese Abdominalanhänge rasch 
vergängliche, nur während der Embryonalzeit bestehende 
Bildungen sind. 

Als ventrale Anhänge entstehen während der Embryonalzeit auch 
die Thorakalbeine und die Mundwerkzeuge. Dieselben werden je- 
doch im Gegensatz zu den Abdominalanhängen beim Übergang: in 
das Larvenstadium nicht zurückgebildet, sondern erhalten sich als 
schlummernde, stets nachweisbare Anlagen. Die frühzeitige Ent- 
stehung der cephalen, thorakalen und abdominalen Anhänge hat nun 
die interessante Frage angeregt, ob man in denselben homologe 
Bildungen erkennen dürfe. So sieht man Antennen und Mundwerk- 
zeuge als Anhänge von vier Kopfsegmenten an. Die ektostichen 
Styli am neunten Abdominalsegmente von Periplaneta sind auf den 
distalen Theil eines neunten Abdominalanhanges und die Cerci auf 
die Anhänge eines elften embryonalen Abdominalsesmentes von HEY- 
MONS (31a) zurückgeführt worden. In neuester Zeit hat JAWOROWSKI 
(30) die Spinnwarzen von Trochosa singoriensis mit Abdominalan- 
hängen homologisirt. 

Seit GAnIn’s Untersuchungen an Pteromalinen ist der Gedanke, 
auch in den Geschlechtsanhängen der Insekten Homologa der übrigen 
Ventralanhänge erblicken zu müssen, nicht aus der Diskussion ver- 
schwunden. Auf die einschlägigen Arbeiten im Einzelnen einzu- 
sehen, würde zu weit führen. Während die Mehrzahl der älteren 
Autoren (GANIN, OULJANIN, KRAEPELIN, DEWITZ u. A.) die Frage 
nach der Extremitätennatur der Gonapophysen ohne Rückhalt be- 
jahen, hält man in neuerer Zeit dieselbe noch für eine offene, weil 
bisher nicht nachgewiesen sei, dass sich die Geschlechtsanhänge aus 
den beim Embryo vorhandenen Extremitätenanlagen entwickeln 
(KORSCHELT-HEIDER 23, KULAGIN 32). Heymons (31) verneint die 
vorliegende Frage sogar auf das entschiedenste. 


Beiträge zur Morphologie des Stachelapparates der Hymenopteren. 327 


Über embryonale Abdominalanhänge bei Hymenopte- 
ren sind mir nur zwei Angaben bekannt, die beide wenig geeignet 
erscheinen, die Gliedmaßennatur der Geschlechtsanhänge zu beweisen. 
Die eine stammt von BÜTscHLI; an passender Stelle werde ich auf die- 
selbe zurückkommen. Ferner theilt BÜRGER (34) einige Angaben CAr- 
RIERE’S über Hinterleibsanhänge bei Chalicodoma muraria mit: » Anlagen 
von Hinterleibsbeinen sind selten zu beobachten, niemals frühzeitig, 
sondern gewöhnlich erst, wenn die Brustbeine die Höhe ihrer Ent- 
wieklung erreicht haben; nie habe ich mehr als zwei Paar von Ab- 
dominalbeinanlagen deutlich erkennen können und nur einmal als 
kleine freie Zäpfchen; doch zeigten sich in manchen Fällen auch noch 
auf dem dritten uud vierten Hinterleibssegmente an entsprechender 
Stelle kleine kreisförmige Verdickungen, vielleicht ganz rudimentäre 
Anlagen.«e Den letzten Abdominalsegmenten fehlten also 
bei Chalicodoma Ventralanhänge vollkommen, auf welche 
die Gonapophysen zurückgeführt werden könnten. Diese 
Thatsache ist mit dem von Heywmons (31a) erwähnten Verhalten der 
Nepa-Embryonen in Parallele zu setzen. 

‘ Als eines der wichtigsten Kriterien für die Extremitätennatur 
der Geschlechtsanhänge wird von VERHOEFF (33) die häufig zu be- 
obachtende Gliederung derselben ins Feld geführt, wenn er gegen 
Heymons behauptet: »Da alle bekannten myriopodenartigen Formen 
gegliederte Laufbeine haben, so ist für die Beurtheilung der Glied- 
maßennatur der Tracheatengonapophysen die Gliederung derselben 
nicht nur nicht von untergeordneter Bedeutung (wie HEYMoNs meint, 
sondern von allerhöchster Bedeutung, ganz abgesehen davon, dass 
schon das Wort Gliedmaße hier das Richtige anzeigt. Dass Gebilde, 
die in gar keiner Verwandtschaft mit den hier behandelten Organen 
stehen, wie die Schwanzfäden, gegliedert sein können, thut ja 
nichts zur Sache!< Nun mögen ja vielleicht die Schwanzfäden nichts 
zur Sache thun; andere Vorkommnisse jedoch mahnen zu großer 
Vorsicht bei der morphologischen Verwerthung der Gliederung abdo- 
minaler Anhänge. So besitzt beispielsweise die Larve von Sialis 
lutaria an allen Hinterleibssegmenten lange gegliederte Anhänge, die 
als Kiemen funktioniren und in die Muskeln und Tracheen hinein- 
ziehen; und doch können dieselben niemals als Abdominalgliedmaßen 
angesehen werden, da ihre durchaus laterale, ektostische, Stellung 
trotz der Gliederung eine Homologie mit den Thorakalbeinen un- 
möglich macht. 

Auch bei Hymenopteren kommen gegliederte Gonapophysen vor. 


3938 Enoch Zander, 


So besitzen Crabroniden, Pompiliden und Heterogynen Stachel- 
scheiden, die in ein basales und ein distales Stück gegliedert sind, 
eine Eigenthümlichkeit, die VERHOEFF natürlich gleichfalls zu Gunsten 
der Extremitätennatur der Geschlechtsanhänge verwerthet. Vor der 
Hand fehlt jedoch hierfür noch jede positive Grundlage, da, so weit 
mir bekannt, keine einzige entwicklungsgeschichtliche Beobachtung 
existirt, die uns Aufschluss über den Zeitpunkt des Auftretens dieser 
Eigenthümlichkeit geben könnte. 

Als weiteres Moment gegen die Extremitätennatur der Gonapo- 
physen ist ihre Stellung am Segmente von Bedeutung. Schon GrA- 
BER und E. HAAsE haben darauf hingewiesen, dass man die Ventral- 
anhänge ihrer verschiedenen Stellung an den Bauchschuppen wegen 
nicht immer unter einander homologisiren dürfe. Nur diejenigen 
Anhänge können als den Thorakalbeinen homolog angesehen werden, 
die orthostich mit den wahren Extremitäten entstehen. Bei Apis 
treten nach KAHLENBERG erst am vierten Tage des Larvenlebens die 
ersten Anlagen der Geschlechtsanhänge auf und zwar unmittelbar 
unter dem Ganglienknoten des elften resp. zwölften Segmentes, d.h. 
direkt neben der ventralen Medianlinie.e Auch meine Schnittserien 
durch Larven von Rhodites rosae und Cynips quercus folii führen 
mich zu demselben Ergebnisse. Selbst wenn man die Verschmäle- 
rung der hinteren Körperpartie in Betracht zieht, stehen die Geschlechts- 
anhänge der Medianlinie immer noch näher wie die Brustbeine. 
Auch ein Blick auf die Abbildungen der Larven von Platygaster und 
Polynema in GanIn’s Arbeit lehrt die durchaus entostiche Stellung 
der Gonapophysen. 

Bei den Hymenopteren stehen also die Gonapophysen 
viel zu sehr entostich, um den wirklichen Extremitäten 
sleichwerthig sein zu können. | 

Als letztes und wichtigstes Argument gegen die Gliedmaßen- 
natur der Gonapophysen macht sich der Zeitpunkt des ersten 
Auftretens derselben geltend. KORSCHELT-HEIDER, HEYMONS und 
Kurasın sehen hierin das bedeutendste Hindernis für eine Homolo- 
sisirung der Gonapophysen mit den Extremitäten. BürscHLı da- 
sesen zweifelt nicht, dass die embryonalen Abdominalanhänge 
der letzten Segmente bei Apis in genetischer Beziehung zu den Ge- 
schleehtsanhängen stehen, trotzdem sie nach seiner eigenen Angabe 
schon gegen Ende der Embryonalzeit vollkommen zurückgebildet 
werden. 

Die erste Anlage der Brustbeine gehört aber bei Apis der frühen 


Beiträge zur Morphologie des Stachelapparates der Hymenopteren. 329 


Embryonalzeit an, während die Geschlechtsanhänge erst bei einer vier 
Tage alten Larve angelegt werden. 

Auch bei Platygaster bilden sich nach Kuracım die Geschlechtsan- 
hänge erst in späteren Stadien der Entwicklung, wenn der Darm schon 
entwickelt ist. Schlupfwespenlarven, die während ihres ganzen Lebens 
schmarotzen, durchlaufen nach demselben Autor zwei Stadien, eines 
im Ei und ein zweites außerhalb desselben; erst während der letz- 
teren Periode bilden sich die Anhänge der Geschlechtsorgane; Larven, 
die aus dem Wirth ausschlüpfen, zeigen erst zu dieser Zeit die An- 
lage der Geschlechtsanhänge. 

Alle diese Thatsachen lehren klar und deutlich, dass 
die erste Anlage der embryonalen Abdominalanhänge und 
der @onapophysen auch beiHymenopteren zwei verschie- 
denen Entwieklungsepochen angehört. Erstere sind 
rein embryonaler Natur und nur während des Eilebens 
nachweisbar; letztere werden erst im Larvenstadium an- 
gelegt. Und so lange nicht nachgewiesen werden kann, dass die 
eine Bildung in die andere übergeht, dürfte jeder Versuch einer 
Identifieirung der Gonapophysen mit den embryonalen Abdominalan- 
hängen resp. den Extremitäten als verfehlt zu bezeichnen sein. Das 
vollständige Verschwinden der Abdominalanhänge oder ihre ander- 
weitise Verwendung gegen Ende der Embryonalzeit machen es vor 
der Hand weit wahrscheinlicher, dass die Geschlechtsanhänge 
durchaus selbständige Bildungen sind, die in keiner Be- 
_ ziehung zu den Extremitäten stehen.. Dafür spricht auch die 
Thatsache, dass nach E. Haase schon bei den niedrig stehenden 
Thysanuren homologe Geschlechtsanhänge auftreten. So wird bei 
Machilis, Lepisma und Lepismina die Legescheide aus vier Anhängen 
des achten und neunten Abdominalsegmentes gebildet. 


Meinem verehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. FLEISCHMANN, auf 
dessen Anregung hin und unter dessen Leitung und thatkräftiger 
Unterstützung die vorliegende Untersuchung im zoologischen Institute 
zu Erlangen ausgeführt wurde, auch an dieser Stelle meinen auf- 
richtigsten Dank auszusprechen, ist mir eine angenehme Pflicht. 


Erlangen, Februar 1899. 


Enoch Zander, 


Verzeichnis der untersuchten Hymenopteren. 


Apis mellifica. 
Bombus spec. 


-  Eucera longicornis. 


Xylocopa violacea. 


Vespa crabro. 
>» media. 
>»  germanica. 
» vulgaris. 


Crabro fossorius. 
Trypoxylon figulus. 
Bembex integra. 
Mellinus arvensis. 


Priocnemis spec. 


Sapyga 5-punctata. 
Discolia 4-punctata. 


Apidae. 
 Sphecodes gibbus. 


Chaliecodoma muraria. 
Anthidium manicatum. 
Psithyrus vestalis. 


Vespidae. 


Polistes gallieus. 
Eumenes coarctata. 
Odynerus parietum. 


Crabronidae. 


Cerceris arenaria. 

»  4-faseiata. 
Sphex flavipennis. 
Ammophila sabulosa. 


Pompilidae. 


Pompilus viaticus. 
» 4-punctatus. 


Heterogyna. 


Tiphia femorata. 
Mutilla europaea. 


Chrysidae. 
Chrysis fulgida. Hedychrum nobile. 
» Iyncea. 
Formicidae. 
Camponotus ligniperdus. Lasius niger. 
Atta cephalotes. 
Terebrantia. 


Ichneumon buceulentus. 
Amblyteles amatorius. 
Trogus lutorius. 
Ephialtes tubereulatus. 
» mesocentrus. 
Pimpla instigator. 


Leucopsis dorsigera. 
Smiera clavipes. 


Cynips quercus folii. 


Cimbex variabilis. 
Hylotoma pagana. 
» ustulata. 


Sirex gigas. 


Cryptus viduatorius. 
Tryphon rutilator. 
Rhyssa persuasoria. 
Anomalon cerinops. 
Ophion luteus. 
Paniscus testaceus. 


Phaganophora conica. 
Torymus bedeguaris. 


Ibalia eultellator. 


Allantus spec. 
Tenthredo spee. 
Dolerus eglanteriae. 


Sirex juvencus, 


De ee er 


16a. 


16. 


16. 


K. 
18. 


19a. 


19b 


19e. 


Beiträge zur Morphologie des Stachelapparates der Hymenopteren. 331 


Litteraturverzeichnis. 


SWAMMERDAM, Bibel der Natur. 1738. 

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. LACAZE-DUTHIERS, Recherches sur l’armure gönitale des Insectes. Annales 


des sc. natur. 3e Serie. T. XII. 1849. T. XIV. 1850. 


. Idem., Recherches sur !’armure genitale femelle des Insectes. Ibid. 3° Serie. 


BEER EI 1852. 1. X VII. 1852. T..XIX. 1853. 

GERSTAECKER, Handbuch der Zoologie. II. p. 187. 1863. 

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TROSCHEL’s Arch. für Naturgesch. 29. Jahrg. Theil V. 1863. 

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RXITEL 9. 289. 1873. 

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Idem, Über Bau und Entwicklung des Stachels und der Legescheide einiger 
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p. 174. 1875. 

Idem, Über Bau und Entwicklung des Stachels der Ameisen. Diese Zeitschr. 
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p. 194. 1888. 
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p. 586. 1888. 


. Idem, Über den Bau und die phylogenetische Bedeutung der embryonalen 


Bauchanhänge der Insekten. Biol. Centralbl. IX. p. 355. 1889. 
Idem, Vergleichende Studien am Keimstreif der Insekten. Denkschr. Akad. 
Wiss. Wien. 1890. 


932 Enoch Zander, 
19d. GRABER, Über die morphologische Bedeutung der ventralen Abdominalan- 
hänge der Insektenembryonen. Morph. Jahrb. XVII. p. 467. 1891. 
20. ÜCHOLODKOVSKY, Studien zur Entwicklungsgeschichte der Insekten. Diese 
Zeitschr. XLVIII. p. 89. 1889. 
21. M. WHEELER, Über drüsenartige Gebilde im ersten Abdominalsegment der 
Hemipteren-Embryonen. Zool. Anz. XII. p. 500. 1889. 
22. E. HAAsE, Die Abdominalanhänge der Insekten mit Berücksichtigung der 
Myriopoden. Morph. Jahrb. XV. p. 331. 1889. 
23. KORSCHELT-HEIDER, Lehrbuch der vergleichenden Entwicklungsgeschichte 
der wirbellosen Thiere. 1890. 
24. CARLET, Memoires sur le venin et l’aiguillon de l’Abeille.. Ann. sc. nat. 
zool. ‘e Serie. T. IX. 1890. 
25. NUSBAUM, Zur Embryologie des Meloe proscarabaeus. (Polnisch.) Kosmos, 
Lemberg 1891. Citirt nach KOoRSCHELT-HEIDER (23). 
26. ÜARRIERE, Die Drüsen am ersten Hinterleibsringe der Insektenembryonen. 
Biol. Centralbl. XI p. 1107 1391: 
27. BEYER, Der Giftapparat von Formica rufa, ein redueirtes Organ. Jen. 
Zeitschr. f. Naturw. XXV. p. 26. 1891. 
28. KAHLENBERG, Über die Entwicklung des Stachelapparates etc. bei der 
Honigbiene. Dissertation. Erlangen 1895. 
29. PEYTOUREAU, Contribution a l’Etude de la morphologie de l’armure geni- 
tale des Insectes. Paris 1895. 
30. JAWOROWSKY, Die Entwicklung des Spinnapparates bei Trochosa sin- 
gsoriensis mit Berücksichtigung der Abdominalanhänge und der Flügel 
bei den Insekten. Jen. Zeitschr. für Naturw. XXX. p. 39. 1896. 
3la. Heymons, Zur Morphologie der Abdominalanhänge der Insekten. Morph. 
Jahrb. XXIV. p. 178. 1896. 
3lb. Idem, Entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen an Lepisma saccharina. 
Diese Zeitschr. LXII. p. 581. 1897. 
32. Nıc. Kuracın, Beiträge zur Erkenntnis der Entwicklungsgeschichte von 
Platygaster. Diese Zeitschr. LXIII. p. 195. 1897. 
33. VERHOEFF, Noch einige Worte über Segmentanhänge bei Insekten und 
Myriopoden. Zool. Anz. XXI. p. 33. 1898. 
34. CARRIERE-BÜRGER, Die Entwicklung der Mauerbiene (Chalicodoma muraria 
Fabr.) im Ei. Abhandl. der Kaiserl. Leop.-Carol. deutsch. Akad. der 
Naturf. LXIX, 2. p. 340. 1898. 
Erklärung der Abbildungen, 
Die römischen Ziffern bezeichnen die Körpersegmente, d, Rückenschuppe, 
v, Bauchschuppe. 
Buchstabenbezeichnung: 
A, After; db, dorsale Verbindung; 
At, Analtaster; Ep, Epipygium; 


Cs, Chitinsaum; F, Fureula; 


Beiträge zur Morphologie des Stachelapparates der Hymenopteren. 333 


Gg, Giftdrüsengang; Sg, Stigma; 
Is, Intersegmentalmembran; SI, Seitenrandleiste; 


Z, Lamelle; 


Sr, Stachelrinne; 


Lf, Lateralfortsatz; Srb, Schienenbogen; 

Lm, Lateralmembran; Srf, Schienenbogenfortsatz; 
M, Membran; Srk, Rinnenkolben; 

N, tertiäre Verdiekung der Körperhaut; St, Stechborste; 

Op, oblonge Platte; Stb, Stechborstenbogen; 


qu.P, quadratische Platte; 


Stf, Stechborstenbogenfortsatz; 


RI, Randleiste; Vh, Präsegmentalhöcker; 
Rw, Rinnenwulst; VI, Präsegmentalleiste; 
S, Stachelscheide; W, Winkel. 


Fig. 
Fig. 
Fig. 


Re 
2. 
3. 


Tafel XVIII und XIX. 


Hylotoma pagana, Abdominalende. 25:1. 
Skizze des Abdomens von Vespa crabro. 3:1. 
Skizze des Abdomens von Atta cephalotes. 3:1. 


Rechte Hälfte des Stachelapparates von: 


Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 


.160:1. 


Fig. 
Fig. 


4. 


ee 


9. 


10. 
11. 
12. 
13. 
14. 


15. 
16. 


Ammophila sabulosa. 20:1. 

Vespa media. 30:1. 

Apis mellifiea. 40:1. 

Stachelapparat von Atta cephalotes, Ventralansicht. 25:1. 

Apis mellifiea, Bauchschuppen F/I—.X, rechte Hälfte. 10:1. 
Atta cephalotes, Bauchschuppen VIII—X, rechte Hälfte 10:1. 
Linke Hälfte les Stachelapparates von Chrysis fulgida. 70:1. 
Bauchschuppen VI—X von Chrysis fulgida. 12:1. 

Oblonge Platte und Schienenbogenfortsatz von Bombus. 15:1. 
Präsegmentalhöcker der zehnten Bauchschuppe von Bombus. 15:1. 
Linker Lateralfortsatz der zehnten Bauchschuppe von Apis. 


Winkel derselben Seite von Apis. 160:1. 
Oblonge Platte derselben Seite von Apis. 80:1. * und + be- 


zeichnen homologe Partien in den Fig. 14—16. 


Kim. 17. 


Beziehungen zwischen Gabelbein, Rinnenwulst und Stachelrinne, 


Längsschnitt. 40:1. 
Fig. 18. Linke Hälfte der Rückenschuppen und quadratische Platte von 


' Vespa erabro. 


= 1, 


Fig. 19. Rückenschuppen VIII—X von Chıysis fulgida. 12:1. 


Beiträge zur Morphologie des Stachelapparates der Hymenopteren. 305 


sammengebogen, eine vollständige dorsale Verbindung der qua- 
dratischen Platten (Fig. 5 qgw.P) fehlt jedoch. Als letzter Rest 
einer einheitlichen dorsalen Brücke, wie sie Ammophila 
eisen ist, ist je ein vom hinteren Rande der quadratischen Plat- 
ten dorsal ragender, langer, schmaler Fortsatz (Fig. 5 db) zu be- 
trachten, der sich jederseits der Rückenschuppe des Aftersegmentes 
anlegt. Alle übrigen morphologischen Beziehungen bleiben die gleichen 
wie bei den Crabroniden. Die elfte Rückenschuppe und die quadra- 
tischen Platten sind durch die Intersegmentalmembran (Fig. 5 Z/s) ver- 
bunden; die postsegmentale Randpartie der quadratischen Platte 
deckt die dorsale der oblongen entsprechend der Verlagerung der 
letzten Rückenschuppe. 

Ein erhöhtes Interesse beansprucht das Aftersegment von Vespa. 
Dasselbe ist sehr stark entwickelt (Fig. 5 X//T) und besteht aus 
einer deutlichen Bauch- und Rückenschuppe, die den After umsäu- 
men. Eine nicht eingefaltete Intersegmentalmembran (Fig. 5 7s) zieht 
vom präsegmentalen Rande des Aftersegmentes zunächst dorsal an 
die Rudimente des Verbindungsbogens der quadratischen Platten 
(Fig. 5 dd) und den postsesmentalen Rand der Platten selbst, um sich 
schließlich ventral zwischen den beiden Stachelscheiden (Fig. 5 $) 
an das hintere Ende der oblongen Platten anzusetzen. 

Der Stachelapparat von Vespa fügt sich also den benachbarten 
Chitinstücken als vollwerthiges Glied des abdominalen Haut- 
skelettes ein, trotzdem derselbe nicht mehr zu einem vollständigen 
_ Ringe geschlossen ist. 


Apis mellifica. 
(Fig. 6.) 

Bei den Apiden sind auch die letzten Reste einer dorsalen Ver- 
bindung der quadratischen Platten verschwunden. In Folge dessen 
ist der ganze Stachelapparat dorsal nicht mehr zusammengebogen, 
sondern mehr in die Breite gelegt. Die morphologischen Beziehungen 
zum Hautskelette sind nur noch schwer zu erkennen. 

Schon die elfte Rückenschuppe (Fig. 6 X/d) ist bei der Honig- 
biene in zwei laterale Stücke zerfallen, die dorsal nur noch durch 
eine ganz schwache Membran zusammengehalten werden und den 
quadratischen Platten, loeker mit ihnen verbunden, auflagern. Die 
‘quadratischen Platten aber sind zwei vollkommen von einander un- 
abhängige Stücke (Fig. 6 guP). Trotz der zahlreichen Untersuchungen 
an der Honigbiene ist der morphologische Werth der quadratischen 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Bd. 20 


306 | Enoch Zander, 


Platte niemals erkannt worden, weil man sich zu einseitig auf die 
Biene beschränkte und die an den Terebrantiern und anderen Hymen- 
opteren beobachteten Thatsachen nicht zum Vergleiche heranzog. 
Aus unserer vergleichenden Betrachtung ergiebt sich aber unzweifel- 
haft die Rückenschuppennatur der sekundär stark modifieirten quadra- 
tischen Platte. Die entwicklungsgeschichtliche Forschung bestätigt 
diesen Befund. Nach KAHLENBERG gliedert sich der zwölfte Körper- 
ring, von dem die Stachelscheiden und Stachelrinne vorgewachsen 
sind, in je zwei laterale Stücke, von denen die beiden inneren die 
oblongen, die äußeren die quadratischen Platten hilden. Diese Gliede- 
rung des zwölften Körperringes ist nun ein Vorgang, der sich wäh- 
rend der Subimaginalperiode der Biene auch an allen übrigen Segmen- 
ten abspielt, nämlich die Differenzirung der ursprünglich einheitlichen 
Chitinringe in Rücken- und Bauchschuppe. Hierfür sprechen auch 
die Beziehungen beider Platten zu einander, wie wir sie am fertigen 
Insekt beobachten können, wenn man die Verlagerung der letzten 
Rückenschuppen berücksichtigt. Auch bei Apis deckt die quadra- 
tische Platte nicht mit ihrem lateralen, sondern mit ihrem postseg- 
mentalen Rande den dorsalen der oblongen Platte. Eine laterale 
Membran ist unter die quadratische Platte eingefaltet. 

An der Hand der Entwicklungsgeschichte und des morphologischen 
Vergleiches ist es also auch bei Apis möglich nachzuweisen, dass trotz 
der Anpassung an specielle Bedürfnisse die dem Chitin- 
sürtel des Stachelrinnensegmentes entstammenden Stachel- 
theile die morphologischen Charaktere, wie Sie allen 
Rücken- und Bauchschuppen zukommen, nicht verleugnen. 


Die Afterschuppe ist bei Apis sehr schwach entwickelt, eben so bei An- 
thidium, Andrena, Bombus, Psithyrus, Chalicodoma, Eucera. Bei Xylocopa 
violacea beobachtete ich eine etwas stärkere Chitinisirung dieses Segmentes. 


Atta cephalotes. 
(Fig. 3 und 7.) 

Während der Stachelapparat der bisher untersuchten Hymenopteren inner- 
halb einer Gruppe (Crabroniden, Vespiden oder Apiden) nur sehr geringfügigen 
Modifikationen unterworfen war, ist derselbe bei den einzelnen Arten der Formi- 
ciden sehr verschiedenartig gebaut. Zwar weist der Stachelapparat der Ameisen 
die gleichen Theile auf, wie bei den übrigen Hymenopteren, aber dieselben, 
besonders oblonge und quadratische Platte, sind meist stark modifieirt, so dass 
wir dieselben gesondert behandeln müssen. Ich stelle daher die Ameisen an 
das Ende meiner vergleichenden Betrachtung. 

Das kugelförmige Abdomen (Fig. 3) wird von den vier Chitinringen der 
Körpersegmente VII—X umschlossen, da die Segmente V und VI den Hinter- 


Beiträge zur Morphologie des Stachelapparates der Hymenopteren. 307 


leibsstiel bilden. Die letzten Rückenschuppen neigen sich so stark zur Bauch- 
schuppenebene herunter, dass die zehnte Dorsalschuppe vollkommen senkrecht 
auf der entsprechenden Bauchschuppe steht (Fig. 3 Xd). Die kugelige Form 
des Abdomens beeinflusst auch die Anordnung der Stacheltheilee Hebt man 
nämlich die zehnte Rückenschuppe in die Höhe, so sieht man auf eine schwach 
nach außen gewölbte Membran (Fig. 7 M), die zwischen den breit aus einander 
gelegten Stacheltheilen ausgespannt ist. Diese Membran müssen wir als den 
Chitinmantel des Stachelrinnensegmentes betrachten. In derselben liegen die 
Theile des Stachelapparates in folgender Anordnung. Median ragen Stachel- 
rinne (Fig. 7 Sr) und Stechborsten (Fig. 7 St) dorsal, im Gegensatz zu anderen 
Hymenopteren, bei denen die Rinne anal gerichtet ist. Lateral und dorsal 
wird die Membran begrenzt von den beiden quadratischen Platten (Fig. 7 qu.P), 
die jedoch nicht wie bei Apis, plattenförmig, sondern als starke Chitinstäbe 
entwickelt sind; dieselben sind durch einen dorsalen Bogen verbunden (Fig. 7 db) 
und werden theilweise von den Rudimenten der elften Rückenschuppe verdeckt. 
Ventral und median von den quadratischen Platten sind die oblongen Platten 
(Fig. 7 op) gleichfalls in Gestalt zweier Stäbe sichtbar. Noch mehr ventral ver- 
laufen Schienen- und Stechborstenbögen (Fig. 7 Srb und Std). Weitere morpho- 
logische Beziehungen sind zwischen den Stacheltheilen nicht nachweisbar. Trotz 
des fremdartigen Baues der einzelnen Stücke bleibt mithin die Zahl und Anord- 
nung der Stacheltheile bei Atta die gleiche wie bei anderen Hymenopteren. 


Ganz ähnlichen Verhältnissen begegnen wir nach BryEr bei Myrmica lae- 
vinodis und nach Drwırz bei Typhlopone oraniensis. Der Stachelapparat dieser 
beiden Ameisen unterscheidet sich von Atta hauptsächlich durch die mehr 
plattenförmige Ausbildung der quadratischen Platten, die durch einen dorsalen 
Bogen in Zusammenhang stehen. Bei Lasius, Camponotus und Formica schwindet 
auch der dorsale Verbindungsbogen der quadratischen Platten, und der ganze 
Stachelapparat besteht aus einem System einzelner den Ausgang der Giftdrüse 
stützender Chitinstäbe, deren richtige Deutung manche Schwierigkeiten ge- 
boten hat. 


Das Resultat der bisherigen Untersuehung ist folgendes. 

Bei allen Hymenopteren ist die Gliederung der Haut des zwölften 
Degmentes nach denselben Regeln erfolgt, die für das übrige abdominale 
Hautskelett Geltung haben. Die quadratischen Platten (Epipygium) 
sind der Rückenschuppe, die oblongen Platten sammt dem Rinnenwulst 
der Bauchschuppe des zwölften Segmentes homolog. Diese Gliede- 
rung ist jedoch nicht überall gleich deutlich zu erkennen. Die Tere- 
brantier bieten die ursprünglichsten Verhältnisse dar, da die der 
Haut des zwölften Körperringes entstammenden Stacheltheile zu einem 
vollständigen Ringe geschlossen sind, der meist äußerlich siehtbar 
_ den übrigen abdominalen Chitinringen angereiht ist. Die quadvati- 
schen Platten sind als einheitliche Rückenschuppe (Epipygium) er- 
_ halten, deren Beziehungen zu den benachbarten Hautskelettelementen 
ohne Weiteres verständlich sind. Die Verhältnisse bei Cimbex leiten 
über zu den Aculeaten, bei denen der Stachelapparat sammt der 

202: 


308 Enoch Zander, 


elften Rückenschuppe in das Abdomen hineingezogen ist. Crabro- 
niden, Pompiliden und Heterogynen stehen den Terebrantiern am 
nächsten, da der Chitingürtel des Stachelrinnensesmentes noch einen 
vollständigen Ring bildet, wenn auch die dorsale Partie desselben zu 
einem schwachen, die quadratischen Platten verbindenden Bogen redu- 
eirt ist. Bei den Vespiden ist zwar der ganze Stachelapparat dorsal 
noch zusammengebogen, aber der Chitingürtel ist in dieser Region 
unterbrochen. Der Stachelapparat der Apiden schließlich entbehrt 
jeglichen dorsalen Zusammenhanges und ist mehr in die Breite ge- 
legt. Dass auch hier die Gliederung des zwölften Körperringes nach 
den für alle Abdominalsegmente gültigen Regeln erfolgte, konnte mit 
Hilfe der vergleichenden Untersuchung und der entwieklungsgeschicht- 
lichen Befunde nachgewiesen werden. Bei den Formieciden gestattete 
uns nur noch die gleiche Zahl und Anordnung der Stacheltheile wie 
bei den übrigen wel. einen Rückschluss auf ihren morpho- 
logischen Werth. 


2. Die feinere Skulptur des abdominalen Hautskelettes. 


Nachdem wir im Allgemeinen nachgewiesen haben, dass der 
größere Theil des Stachelapparates sich aus mehr oder weniger stark 
modifieirten Stücken des Chitinpanzers des vorletzten Abdominal- 
segmentes zusammensetzt, müssen wir die weitere Frage studiren, 
ob die am Aufbau des Stachels betheiligten Stücke des Hautskelet- 
tes auch Eigenthümlichkeiten der feineren Skulptur bewahrt 
haben, welche an den Panzerstücken voranliegender Körpersegmente 
vorhanden sind. Unter der feineren Skulptur verstehe ich sekun- 
däre Verdiekungen, welche während der Subimaginalzeit an den 
bis dahin gleichmäßig starken Chitingürteln der einzelnen Segmente 
auftreten. | 

Diese Versteifungen des Hautskelettes, die besonders als Leisten 
und Vorsprünge erkennbar sind, sind in den einzelnen Gruppen der 
Hymenopteren in sehr verschiedenem Grade entwickelt. Während 
bei Hylotoma z. B. die Chitinlage der einzelnen Segmente fast überall 
ziemlich gleichmäßig stark und nur am präsegmentalen Rande kaum 
merklich verdickt ist, weisen die Bauch- und Rückenschuppen an- 
derer Terebrantier (Tenthredo, Rhyssa, Sirex) dagegen eine deut- 
liche präsegmentale Randleiste auf, die schwache orale Fortsätze 
treibt. Bei den Aculeaten sind derartige Bildungen mächtig entfaltet, 
so dass intimere Beziehungen zwischen den abdominalen Hautskelett- 
elementen und den Stacheltheilen nachweisbar sind. Den präsegmen- 


Beiträge zur Morphologie des Stachelapparates der Hymenopteren. 309 


talen Rand der Bauch- und Rückenschuppen zeichnet bei den Acu- 
leaten stets eine kräftige Präsegmentalleiste (Fig. S V7) aus, die 
jederseits einen starken Präsegmentalhöcker (Fig. 8 V7) von 
wechselnder Gestalt entsendet, und sich auf den lateralen Rand als 
Seitenrandleiste (Fig. 8 SZ) fortsetzt, um hier nach meist kurzem 
Verlauf zu enden oder sich in manchen Fällen zu einem Lateral- 
fortsatz (Fig. 8 ZLf) zu verdicken. 

Diese orientirenden Bemerkungen vorausgeschickt beginne ich 
mit der vergleichenden Schilderung meiner Befunde. 


A. Die Bauchsehuppen. 
Apis mellifica. 
(Fig. 8.) 

Längs des präsegmentalen und lateralen Randes jeder Bauch- 
schuppe zieht eine Leiste (Fig. 8 V7T), die besonders am Präsegmen- 
talrande stark ausgeprägt ist und am vorderen Rande der Bauch- 
schuppen ziemlich lateral einen kurzen, zahnartigen, nach vorn und 
medial gerichteten Präsegmentalhöcker (Fig. 8 VA) besitzt. Von der 
lateral ziehenden Leiste (Fig. 8 87) springt ein längerer, nach hinten 
Ssekrümmter, ziemlich spitz auslaufender Zapfen vor, der lateral und 
dorsal gerichtet ist, der Lateralfortsatz (Fig. 8 Lf). Beide Zapfen 
dienen Muskeln zur Insertion. 

Die ungefähr viereckige Form der Bauchschuppen der vorderen 
Abdominalsesmente (Fig. 8 VI/v, VITv) geht an den hinteren Seg- 
menten dadurch in eine mehr abgerundete über, dass die beiden 
Höcker weiter aus einander rücken und die Verbindungsleiste zwi- 
schen denselben sich nach außen krümmt (Fig. S VIIZv ete.). Der 
Präsesmentalhöcker erscheint an den hinteren Segmenten kleiner, 
verliert mehr und mehr die einer phrygischen Mütze vergleichbare 
Gestalt und besteht an der zehnten Bauchschuppe (Fig. 8 Xo) nur 
noch als eine niedrige, halbmondförmige Chitinverdiekung. Während 
der präsesmentale Rand der sechsten Bauchschuppe (Fig. 8 V/v, V7) 
zwischen den beiden Höckern (Fig. 8 YA) noch fast geradlinig zieht, 
buchtet sich der mediane Theil dieser Leiste an den folgenden Bauch- 
schuppen mehr und mehr in die Schuppe hinein. Dadurch erhält 
die zehnte Bauchschuppe ein fast herzförmiges Aussehen (Fig. 8 X). 
Vergleicht man nun die zehnte Bauchschuppe mit dem Stachelapparat, 
so fällt unser Auge sofort auf die beiden Bogenpaare der Stech- 
borsten und der Stachelrinne, die der präsegmentalen Randleiste der 
Bauehschuppen homolog erscheinen. Man braucht sich nur vorzu- 


310 Enoch Zander, 


stellen, dass die mediane Einbuchtung der Randleiste in die elfte 
und zwölfte Bauchschuppe noch weiter eindrinst und eine schmale 
mediane Zone der Leiste nicht mehr entwickelt wird, so erscheint 
es begreiflich, dass die Bogentheile des Stachelapparates 
den Randleisten zweier Segmente entsprechen, und dass 
ihre beiden getrennten Schenkel mit den aus der medianen 
Zone der Bauchschuppen hervorwuchernden Stechborsten 
und Stachelrinne verwachsen seien. 

Diese Deutung der Bögen des Stachelapparates als Präsegmental- 
leisten der elften und zwölften Bauchschuppe wird durch das Studium 
des Bauchschuppenreliefs anderer Hymenopteren bestätigt und ergänzt. 


Vespa crabro. 


Während bei Apis die Präsegmentalleiste an der zehnten Bauch- 
schuppe median zwar stark eingebuchtet war, aber noch ununterbrochen 
und gleich stark zwischen den beiden Höckern verlief, ist an der 
gleichen Schuppe bei Vespa crabro die mediane Verbindung 
nicht mehr vollständig ausgebildet. 

Der starken Präsegmentalleiste der sechsten Bauchschuppe sitzt 
oral eine breite Lamelle auf, welche jederseits in einen mächtigen 
Höcker übergeht, in den schwach entwickelte Zweige der Prä- 
sesmentalleiste hineinziehen. Der Seitenrand ist schwach chitinisirt 
und trägt im hinteren Drittel eine winzige zahnartige Verdiekung.- 
An den nächsten Bauchschuppen ist der Präsegmentalhöcker kleiner 
und schmäler; die Präsegmentallamelle schwindet besonders in ihrem 
medianen Theile. An der zehnten Bauchschuppe ist der Präsegmental- 
höcker zwar noch stark entwickelt, aber schmäler als an allen vor- 
hergehenden. Die Lamelle ist fast vollständig verschwunden und die 
Leiste nur in der dicht an den Höcker grenzenden Region entwickelt. 
In Folge dessen erscheinen diese Verhältnisse geeignet, die für Apis 
ausgesprochene Deutung zu ergänzen, in so fern als bei Vespa crabro 
die Präsegmentalleiste entsprechend dem getrennten Verlauf der 
beiderseitigen Stechborstenbögen schon an der letzten freien Bauch- 
schuppe median nur noch schwach entwickelt ist. 

Ganz analoge Beziehungen zwischen Stachelbögen und Prä- 
segmentalleiste beobachten wir bei 


Atta cephalotes. 
(Fig. 9.) 
An der Bauchschuppe des siebenten Segmentes sind Präsegmental- 
und Seitenrand stark verdickt. Von den Präsegmentalecken erhebt 


Beiträge zur Morphologie des Stachelapparates der Hymenopteren. 311 


sich jederseits ein kräftiger zahnartiger Vorsprung, der Präsegmental- 
höcker (Fig. 9 VA). Die achte Bauchschuppe bildet einen Halbring 
mit annähernd parallelen Rändern (Fig. 9 VI/Tv). Der stark chitini- 
sirte Präsesmentalrand (Fig. 9 Ve) trägt einen breiten, sattelförmigen 
Präsesmentalhöcker (VA) und setzt sich als rundlicher Grat (Fig. 9 87) 
auf den Seitenrand fort; der Seitenrand ist nur in der vorderen Partie 
stärker chitinisirt. Etwas hinter der Mitte desselben erhebt sich auf 
eine kurze Strecke ein niedriger, stark chitinisirter Grat. Die folgen- 
den Bauchschuppen werden besonders in der Längsrichtung des Kör- 
pers schmäler, und ihre laterale Randpartie rundet sich nach hinten 
zu mehr und mehr ab. Die neunte Bauchschuppe (Fig. 9 /X v) weicht 
'in ihren Formeigenthümlichkeiten nur in so weit von der achten ab, 
als zwischen den beiden Höckern (V%), die niedrig geworden sind, 
die Präsegmentalleiste nicht mehr gerade, sondern median schwach 
eingebuchtet verläuft. Die zehnte Bauchschuppe ist besonders in 
ihrem medianen Bezirk sehr schmal geworden. Außerdem hat sich 
die Präsegmentalleiste median stark in die Bauchschuppe einge- 
buchtet und ist an dieser Stelle nur als ganz schwache Leiste 
nachweisbar. Die stärkeren lateralen Partien der Präsegmentalleiste 
ziehen von hier aus zunächst ziemlich gerade nach außen und vorn, 
um sich an den lateralen Ecken unter bogenförmiger Krümmung auf 
den Seitenrand fortzusetzen und hier nach kurzem Verlauf schroff und 
schwach verbreitert (Fig. 9 *) zu enden. Ganz homolog verläuft 
der Stechborstenbogen bei Atta (Fig. 7 Std). Von der Stech- 
borste (Fig. 7 St) geht unter stumpfem Winkel ein schlanker gerader 
Bogen aus, der schräg nach vorn und lateral zieht und sich erst im 
lateralen Bezirk leicht umbiest, um sich am Ende zum Winkel zu 
verdicken (Fig. 7 w).. Auch bei Myrmica laevinodis und Typhlopone 
oraniensis ist, nach den Abbildungen von BzEyEr und Dewrrz zu 
urtheilen, das gleiche Verhalten des Stechborstenbogens zu beob- 
achten. 

Interessant und für die morphologische Deutung der Bögen des 
Stachelapparates wichtig ist die Untersuchung der in Frage kom- 
menden Bauchschuppenpartien von 


Chrysis fulgida. 
(Figg. 10 und 11.) 
Bei den Chrysiden setzen sich bekanntlich an Stechborsten und 
Stachelrinne nieht wie bei Apis lateral divergirende, gekrümmte 
Bögen an, sondern dieselben verlaufen (Fig. 10 Std, Srd) parallel 


312 Enoeh Zander, 


mit einander und mit der Längsachse des Körpers gerade 
nach vorn. Ein ganz ähnliches Verhalten beobachten wir an der 
Präsegmentalleiste der Bauchschuppen (Fig. 11). 

Die nahezu quadratische Form der sechsten Bauchschuppe 
(Fig. 11 V Tv) geht an den folgenden Schuppen mehr und mehr in 
eine schmal-rechteckige über. An der sechsten Bauchschuppe ist, 
die Präsegmentalleiste (V7) median schwach in die Bauchschuppe 
eingesenkt und erhebt sich lateral zu je einem niedrigen Präseg- 
mentalhöcker {V7). Die präsegmentale Partie der siebenten Bauch- 
schuppe zeigt einen tiefen, herzförmigen Einschnitt, der von der 
schmalen Präsegmentalleiste (V7) begrenzt ist; der Höcker (V}) ist 
etwas höher, wie an der vorhergehenden Schuppe, und spitzig. 
Median setzt sich die Präsegmentalleiste als ganz schwache Ver- 
diekung auf die Ränder eines die Bauchschuppe in zwei symme- 
trische Hälften theilenden Trennungsspaltes fort; dadurch zerfällt 
auch die Präsegmentalleiste in zwei Stücke. An der achten 
Bauchschuppe (Fig. 11 V/IIv) sind diese beiden Theilstücke weiter 
aus einander und dem lateralen Bauchschuppenrande näher gerückt. 
Schmale Partien der Segmentwandung setzen sich den beiden Leisten 
median und oral lamellenartig an. Ein eigentlicher Präsegmentalhöcker 
ist nicht mehr vorhanden. Die neunte Bauchschuppe (Fig. 11 /Xo), 
welche um die Hälfte schmäler ist als die achte, trägt die Theil- 
stücke der Präsegmentalleiste (W7) als schwach gekrümmte Leisten, 
annähernd parallel mit einander nahe dem Seitenrande ziehend. 
Die median-orale Partie der zehnten Bauchschuppe (Fig. 11 Xo) ist 
bis auf geringe, den Theilstücken der Präsegmentalleiste anliegende 
Reste redueirt, so dass dieselben als schmale Stäbe frei über den 
oralen Bauchschuppenrand vorragen (Fig. 11 V7Z). Die leicht ge- 
bogenen analen Enden der beiden Leisten sind einander median 
etwas näher gerückt. Denkt man sich nun, dass an der elften 
und zwölften Bauchschuppe die mediane Körperwand noch weiter 
redueirt wird, so müssen schließlich die beiden Präsegmentalstäbe 
vollkommen frei liegen, um als Stechborsten- und Schienenbögen 
mit den Geschlechtsanhängen zu verwachsen. 

Der in engster Beziehung zur Präsegmentalleiste stehende 
Präsegmentalhöcker lässt sich auch an den Bögen des Stachel- 
apparates vielfach deutlich nachweisen. Bei den meisten Aculeaten 
gehen nämlich die Bögen an ihren lateralen Enden nicht direkt in 
den Winkel, beziehungsweise den Stiel der oblongen Platte über, 
sondern verlängern sich über die Ansatzstelle des Winkels und der 


Beiträge zur Morphologie des Stachelapparates der Hymenopteren. 313 


oblongen Platte hinaus lateral zu mehr oder minder deutlichen Fort- 
sätzen, den Bogenfortsätzen (Fig. 12 Srf). Bei Apis, manchen Cra- 
broniden und Pompiliden ist dieser Zapfen zwar vorhanden, aber 
wenig ausgebildet. Am Schienenbogen von Bombus ist derselbe je- 
doch sehr kräftig entwickelt (Fig. 12 Srf) und ragt als langer, leicht- 
sebogener Fortsatz dorsal. Er muss seiner ganzen Lage nach dem 
Präsesmentalhöcker der Bauchschuppen (Fig. 13 VAR) homolog gesetzt 
werden. Der letztere steht nämlich bei Bombus an den präsegmen- 
talen Ecken der annähernd viereckigen Bauchschuppen und ist durch 
einen nasenartig nach hinten gerichteten Fortsatz ausgezeichnet. An 
der zehnten Bauchschuppe (Fig. 13) ist der Höcker bedeutend schmäler 
aber länger und erhebt sich genau an der gleichen Stelle, an der 
sich am Schienenbogen (Fig. 12) der Bogenfortsatz erhebt, so dass wir 
in beiden homologe Bildungen erblicken müssen. 

Wenn in anderen Fällen ein Bogenfortsatz nicht entwickelt ist, 
und der Stechborstenbogen, wie z. B. bei Chrysiden und Formieciden 
(Fig. 7 und 10), direkt in den Winkel übergeht; dann ist auch der 
Präsesmentalhöcker entweder an allen Bauehschuppen sehr schwach, 
wie bei den Chrysiden, oder er obliterirt schon an den letzten freien 
Bauchsehuppen (Atta). 

Der morphologische Vergleich, welcher die Deutung der Bogen- 
paare als Präsegmentalleisten der elften und zwölften Bauchschuppe 
unzweifelhaft sicherstellt, ergänzt und bestätigt so die entwicklungs- 
geschichtlichen Resultate und beseitigt zugleich die bis jetzt bestehen- 
den Widersprüche. KRAEPELIN lässt zwar die beiden Bogenpaare 
aus einer Verdickung am Vorderrande der zwölften Bauchschuppe 
hervorgehen, aber schon Dewırz und KAHLENBERG wiesen nach, 
dass diese Partien in zwei verschiedenen Bauchschuppen entstehen. 
Während DewIrz beide Bögen aus den Anhängen hervorwachsen 
lässt, beobachtete KAHLENBERG, dass die Schienenbögen als bogen- 
förmige Verdickungen der Körperwand am Präsegmentalrande 
der zwölften Bauchschuppe angelegt werden. Die Stechborstenbögen 
betrachtet KAHLENBERG allerdings als die oralen Theile der Stechborsten, 
wenn er sagt, dass diese Partie, lateral gebogen, als künftige Borsten- 
schenkel charakterisirt sei. Ich habe aus KAHLENBERG’S Präparaten 
jedoch diesen Eindruck nicht gewinnen können. 

Die vergleichende Betrachtung der Präsegmentalleiste 
und der Bogenpaare des Stachelapparates lässt uns in 
beiden homologe Bildungen erkennen und zwar entspricht 
der Stechborstenbogen der Präsegmentalleiste der elften 


814 Enoch Zander, 


und der Schienenbogen derjenigen der zwölften Bauch- 
schuppe. Von der elften Bauchschuppe bleibt fast nur die Prä- 
segmentalleiste erhalten und der übrige Theil der Schuppe wird 
nicht chitinisirt, am zwölften Segmente setzen sich noch Theile der 
schwächeren Bauchschuppenwandung dem Schienenbogen an. Gemäß 
dem allgemeinen Gesetze, dass jede vorhergehende Bauchschuppe die 
nächstfolgende deckt, lagern die Bögen der Stechborsten, d. h. die 
Präsegmentalleiste des elften Sesmentes den Schienenbögen, d. h. 
der Präsegmentalleiste des zwölften Segmentes ventral auf. 

Auch der Lateralfortsatz der Bauchschuppen steht in Be- 
ziehung zum Stachelapparat. 


Apis mellifica. 
(Fig. 8.) 

An der sechsten Bauchschuppe (V7v) steht der Lateralfortsatz (ZLf) 
mit dem Präsegmentalhöcker (V%) in ungefähr gleichem Niveau, so 
dass der Anschein erweckt wird, als bilde er die Fortsetzung der 
Präsegmentalleiste (V7), aber an allen übrigen Bauchschuppen ist er 
mehr lateral gerückt, indem die Verbindungsleiste zwischen beiden 
Fortsätzen sich mehr in die Länge streckt. Die vorderen Eeken der 
Bauchschuppen runden sich allmählich ab und gleichzeitig krümmt 
sich der laterale Zapfen so stark nach hinten, dass er an der zehn- 
ten Bauchschuppe der lateralen Chitinleiste fest anliegt und mit ihr 
bis auf die äußerste Spitze verwächst (Fig. 8 X). 

Betrachtet man den Lateralfortsatz der zehnten Bauchschuppe 
bei stärkerer Vergrößerung (Fig. 14) und vergleicht damit das Bild 
des Winkels derselben Seite (Fig. 15), so fällt die eminente Ähnlich- 
keit beider in die Augen. Längs des lateralen Randes der zehnten 
Bauchschuppe zieht eine starke, dunkelgefärbte Randleiste (Fig. 14 2), 
sie verjüngt sich (Fig. 14 7) gegen die Ansatzstelle des Lateralfort- 
satzes (Fig. 14 ZLf), sich schwach gegen denselben krümmend, um 
dann weiter nach vorn ziehend rasch spitz zu enden (Fig. 14°). 
Ein vom Präsegmentalrande ausgehender, breiter, aber minder starker 
Saum (Fig. 14 Cs) legt sich außen der Randleiste an, verbreitert sich 
nach hinten zu allmählich und endet an der Stelle, wo sich die 
starke, dunkelgefärbte Seitenrandleiste (727) unter Verjüngung (+) nach 
außen krümmt, in einem rückwärts gerichteten Zapfen (Fig. 14 Zf), der 
durch eine schwächere, annähernd halbmondförmige Chitinmembran 
Fig. 14 M) mit der starken Randleiste (72) verbunden ist. Alle 
diese Einzelheiten sind auch dem Winkel aufgeprägt (Fig. 15). Die 


Beiträge zur Morphologie des Stachelapparates der Hymenopteren. 315 


bogenförmige Krümmung (Fig. 15 7) der hinteren starken Randleiste 
erkennen wir in dem mit + bezeichneten Wulst. Von demselben 
zieht in genau der gleichen Weise, wie an der zehnten Bauchschuppe 
eine schwache Chitinleiste (Fig. 15*) nach vorn, um sich nach dem 
Stechborstenbogen hin zu verlieren. Vom Stechborstenbogen geht 
wie an der zehnten Bauchschuppe, eine breite Chitinlamelle (Fig. 15 Os) 
aus, die in der Gegend der bogenförmigen Leiste (7) sich zum äußeren 
Zapfen des Winkels (Zf) verdickt, der mit der Bogenleiste (F) durch 
eine starke Membran (M) verbunden ist. 

Lateralfortsatz und Winkel sind mithin bei Apis ho- 
mologe Bildungeu und morphologisch nichts weiter als 
einfache Verdiekungen der Seitenrandleiste mit dem ge- 
meinsamen physiologischen Zwecke, Muskeln zur Inser- 
tion zu dienen. 

Dieses Resultat bestätigt und erweitert die embryologischen Be- 
funde Nach den Untersuchungen von KRAEPELIN, DEwITrz (?) und 
BEYER entsteht der Winkel am lateralen Rande der elften Bauch- 
schuppe. KAHLENBERG beobachtete, dass sich das hintere Ende des 
Stechborstenbogens zum Winkel verdickt. Aber während die Ent- 
wicklungsgeschichte den Eindruck erweckt, als wäre der Winkel 
eine Neubildung des elften Segmentes, lehrt die morphologische Be- 
trachtung, dass wir bei Apis in demselben nur eine Form- 
eisenthümlichkeit zu erblicken haben, die in gleicher 
Weise allen vorhergehenden Bauchschuppen zukommend, 
in diesem Segmente besonders stark entwickelt wird, 
nämlich den Lateralfortsatz. 

Bei anderen Hymenopteren sind die morphologischen Beziehungen 
des Winkels zum Lateralfortsatz weniger deutlich, weil der letztere 
meist zu schwach entwickelt ist, um eine so eingehende Vergleichung 
_ wie bei Apis zu gestatten. 


Vespa crabro. 


An der zehnten Bauchschuppe hat sich die Präsegmentalleiste 
etwa unter rechtwinkliger Kniekung auf das vordere Drittel des 
Seitenrandes fortgesetzt und ist hier im Gegensatz zu den vorher- 
gehenden Bauchschuppen stark verdickt. Diese Seitenrandleiste 
erhebt sich an ihrem hinteren Ende zu einem schwachen Fortsatz, 
der dem Lateralfortsatz der zehnten Bauchschuppe bei Apis ent- 
spricht. 

Der Winkel spiegelt diese wenig plastisch ausgeprägten Ver- 


916 Enoch Zander, 


hältnisse der zehnten Bauchschuppe getreu wieder, indem er einen 
längeren Stamm erkennen lässt, der sich am hinteren Ende ver- 
breitert und verdickt und zwei kurze Fortsätze treibt, die mit der 
oblongen und quadratischen Platte artikuliren. Der Winkel ist 
mit dem Stechborstenbogen seiner Herkunft gemäß verbunden und 
von demselben rechtwinklig abgesetzt. Der winzige Lateralfort- 
satz der zehnten Bauchschuppe, die Stelle bezeichnend, wo sich 
die Seitenrandleiste zur hinteren Winkelpartie verdickt, entspricht 
dem dorsalen Fuß des Winkels. Der unpaare Stamm des Winkels 
ist der verdickten Seitenrandleiste homolog, die sich eben so wie der 
Winkel vom Stechborstenbogen, von der Präsegmentalleiste recht- 
winklig absetzt. 

Während bei Vespa crabro, wie überhaupt bei den meisten 
Tıymcnopteren, der Winkel deutlich und rechtwinklig vom Stech- 
borstenbogen abgesetzt ist, und der letztere stets mit einem mehr 
oder weniger kräftigen Bogenfortsatz den Winkel überragt, geht bei 
Chrysiden und Formieiden der Bogen unter schwacher Krümmung direkt 
in den Winkel über (Figg. 7 und 10). In diesen Fällen setzt sich auch 
die Präsegmentalleiste nicht unter rechtwinkliger Kniekung, sondern 
bogenförmig auf den Seitenrand fort, um hier, wie dies die zehnte 
Bauchschuppe von Atta (Fig. 9 Xo) sehr schön veranschaulicht, 
nach kurzem Verlaufe schroff und schwach verbreitert zu enden. 
Man braucht sich nur vorzustellen, dass an der elften Bauchschuppe 
das Ende der Seitenrandleiste noch stärker verdiekt wird, während 
die schwächer chitinisirte Bauchschuppenwandung obliterirt, so steht 
der Vergleichung des Winkels mit jener Partie nichts im Wege. 

Von der elften Bauchschuppe bleibt also nur die Prä- 
segmental- und Seitenrandleiste sammt deren Höckern 
und Fortsätzen erhalten, die zweckmäßig modifieirt als 
Stechborstenbogen und Winkel an den Stachelapparat 
herantreten. 

Wenden wir uns jetzt zur zwölften Bauchschuppe, so ist 
zunächst die Stachelrinne als ventraler Anhang außer Acht zu lassen 
und nur die übrigen in der Bauchwand liegenden Theile, oblonge 
Platten, Schienenbögen, Rinnenwulst und Gabelbein in Betracht zu 
ziehen. Da von diesen die Schienenbögen schon als Präsegmental- 
leiste der zwölften Bauchschuppe gedeutet wurden, bespreche ich so- 
gleich die morphologische Vergleichung der lateralen Bauchschuppen- 
partie und der oblongen Platte. 


Beiträge zur Morphologie des Stachelapparates der Hymenopteren. 317 


Apis mellifica. 


Während der größere Theil der elften Bauchschuppe zu Grunde 
seht und nur der Lateralfortsatz als Winkel mächtig entfaltet wird, 
ist an der zwölften Bauchschuppe das Umgekehrte der Fall. Nur 
der an die vordere Partie der Seitenrandleiste grenzende Bezirk der 
Bauehsehuppe wird redueirt, so dass die laterale Leiste als schmaler 
»Stiel der oblongen Platte« dem unpaaren Stamm des Winkels 
homolog erschemt (Fig. 16). Der übrige Theil der lateralen Fläche 
wird zur oblongen Platte umgebildet, die ihre eigenthümliche Gestalt 
hauptsächlich durch die laterale Randleiste der zwölften Bauchschuppe 
erhält. Eine von hinten kommende Randleiste (Fig. 16 77) zieht an 
der oblongen Platte in ihrer ganzen Ausdehnung nach vorn bis zu 
der Stelle, wo beim Winkel die von vorn kommende äußere Lamelle 
(Fig. 15 Cs) sich in den dorsalen Zapfen (Lf) verlängert. Dieser 
Zapfen ist auch an der oblongen Platte vorhanden, aber nicht so 
deutlich ausgeprägt, wie am Winkel (Figg. 15 u. 16 Zf), eben so ist 
die Lamelle stark redueirt (Fig. 16 Cs) und liegt als schmaler Streif 
dem Plattenstiel (Fig. 16 *) an. 

Als Neubildung tritt in der oblongen Platte eine verdickte 
Chitinleiste (Fig. 16 N) auf, die bogenförmig vom hinteren Ende der 
Platte bis zum Lateralfortsatz (Fig. 16 Zf) verläuft. 


Ganz ähnlich sind die oblongen Platten der meisten anderen Hymen- 
_ opteren gebaut. Bei Bombus {Fig. 13 Zf) endet nur an der zehnten Bauch- 
‚schuppe die Seitenrandleiste in einem kurzen, nach vorn gerichteten, Lateral- 
fortsatz (Zf). Auch an der oblongen Platte ist der entsprechende Fortsatz in 
derselben Weise gekrümmt (Fig. 12 Zf). Die große oblonge Platte von Vespa 
erabro ist durch einen langen kräftigen Stiel mit dem Schienenbogen verbunden. 
Dieser Stiel entspricht wie bei Apis dem vorderen Theile der Seitenrandleiste 
und ist somit auch dem Stamm des Winkels homolog. Der Schienenbogen 
verlängert sich eben so wie der Stechborstenbogen über die Ansatzstelle des 
Stiels der oblongen Platte hinaus in einen nach hinten gerichteten Fortsatz. 


Während bei Apiden, Vespiden, Crabroniden und Pompiliden 
an einer schmalen Zone zwischen Schienenbogen und oblonger Platte 
die Chitinablagerung unterbleibt, so dass der orale Rand der oblongen 
Platte nicht direkt an den präsegmentalen Schienenbogen stößt und 
mit demselben nur durch den von der Seitenrandleiste gebildeten 
schmalen Stiel in Verbindung steht, ist bei Formieiden und Tere- 
brantiern die Scheidung der beiden ein und demselben Segmente zu- 
gehörigen Theile nicht vollzogen, da die oblongen Platten in ihrer 
ganzen Breite mit dem Schienenbogen verwachsen sind. Eine in ge- 


318 Enoch Zander, 


ringerem Grade ausgesprochene Trennung dieser Partien bemerken 
wir schon bei Heterogynen und Chrysiden (Fig. 10. Bei denselben 
ist das laterale Ende des Schienenbogens stark verbreitert: diese 
Partie besitzt die Form eines Dreiecks, an dessen anale Spitze sich 
die oblonge Platte direkt ansetzt, so dass ein längerer Stiel nicht mehr 
ausgebildet ist. In diesen Fällen ist offenbar nicht allein die Seiten- 
randleiste, sondern auch die an den oralen Theil derselben und die 
Präsegmentalleiste angrenzende Bauchschuppenwandung noch erhalten. 
Am vollständigsten ist, wie schon angedeutet wurde, die laterale 
Partie der zwölften Bauchschuppe bei manchen Formieiden und 
Terebrantiern nachweisbar, da bei denselben die ganze seitliche Wand 
der zwölften Bauchschuppe dem Stachelapparate angegliedert ist, ohne 
dass ein Stiel der oblongen Platte differenzirt wurde. Sehr deutlich 
erkennen wir diese Verhältnisse am Stachelapparate von Atta cepha- 
lotes (Fig. 7). Die eigentliche oblonge Platte besteht hier aus einer 
starken Spange, die als laterale und postsegmentale Randverdiekung 
der zwölften Bauchschuppe aufzufassen (Fig. 7 Op) ist. Diese und 
den präsegmentalen Schienenbogen verbindet die schwächere Bauch- 
schuppenwandung. Auch bei Typhlopone oraniensis schildert DewItz 
den untrennbaren Zusammenhang von Schienenbogen und oblonger 
Platte. 

Da schon bei der Schilderung der Gliederung des Stachelappa- 
rates von Apis darauf hingewiesen wurde, dass die Deutung der ob- 
longen Platte als laterale Zone der zwölften Bauchsehuppe durchaus 
mit den Resultaten der entwicklungsgeschichtlichen Untersuchungen 
in Einklang steht, wende ich mich zur Schilderung der übrigen zur 
zwölften Bauchschuppe gehörenden Stacheltheile. 

Die mediane Zone der zwölften Bauchschuppe ist schon oben 
(p. 299) in ihrer Umbildung zum Rinnenwulste gewürdigt worden. 

Einer etwas eingehenderen Besprechung bedarf dagegen das 
Gabelbein. Dasselbe tritt als eine Zone stärkerer Chitinablagerung 
in der vorderen medianen Partie des Rinnenwulstes auf und ist ent- 
gegen den Angaben von KRAEPELIN und BEYER, die dasselbe zum 
elften Segment rechnen, als zur zwölften Bauchschuppe gehörig zu 
betrachten. Gehörte dasselbe nämlich zur elften Bauchschuppe, so 
müsste es unbedingt zwischen den beiden Stechborsten ventral von 
der Stachelrinne liegen. Thatsächlich liegt es aber dorsal von der- 
selben. Es kann also nur der zwölften Bauchschuppe entstammen, 
zumal auch der Rinnenwulst, mit dem das Gabelbein verwachsen 
ist, dorsal von der Stachelrinne sich zwischen den oblongen Platten 


Beiträge zur Morphologie des Stachelapparates der Hymenopteren. 319 


ausspannt. Auch entwicklungsgeschichtlich lässt sich die Zugehörig- 
keit des Gabelbeins zum Hautskelett des zwölften Segmentes leicht 
nachweisen. Auf medianen Längsschnitten durch das Abdomen von 
Apis sieht man während der Subimaginalzeit sehr deutlich, dass 
sich die an das orale Ende der Stachelrinne angrenzende Partie der 
Segmenthaut (Fig. 17 F) dorsal und anal tütenförmig unter Verdiekung 
eingesenkt hat und dass in dieser Einsenkung das Gabelbein entsteht. 
Das Gabelbein ist mithin eine einfache Verdiekung der 
vorderen medianen Partie des Rinnenwulstes, die nur am 
zwölften Segmente auftritt und dem Ansatz von Muskeln 
dient. Für diese Auffassung spricht auch die Thatsache, dass die 
Entwicklung des Gabelbeins in den einzelnen Hymenopterengruppen 
sroßen Schwankungen unterworfen ist; bei den Terebrantiern fehlt 
dasselbe sogar vollständig. 


B. Die Rückenschuppen. 


Das Relief der Rückenschuppen bietet wenig Bemerkenswerthes. 
Nur die Präsegmentalleiste und die für die Rückenschuppen 
charakteristischen Stigmen bedürfen einer etwas eingehenderen 
‚Schilderung. 

Die Präsegmentalleiste ist in den einzelnen Gruppen der 
Hymenopteren mehr oder weniger stark entwickelt und entsendet 
lateral vielfach je einen Präsegmentalhöcker. 

An den Rückenschuppen der Terebrantier sind sekundäre Wand- 
verdickungen eben so wenig deutlich entwickelt wie an den Bauch- 
schuppen. Das Epipygium, das im Allgemeinen stärker chitinisirt 
ist, wie die vorhergehenden Hautskelettelemente, schließt bei der 
Mehrzahl der Terebrantier sich in seiner Form den übrigen Rücken- 
schuppen so eng an und wurde in seiner morphologischen Bedeutung 
schon oben so eingehend gewürdigt, dass jede weitere Besprechung 
überflüssig ist. 

Bei sämmtlichen Aculeaten erleidet die zwölfte Rückenschuppe 
mehr oder weniger tiefgreifende Modifikationen, besonders dadurch, 
dass der größere Theil der ursprünglichen zwölften Rückenschuppe 
obliterirt. Schon bei Cimbex kann man beobachten, dass das Epipy- 
sium aus zwei größeren lateralen Platten gebildet wird, die im 
Gegensatz zu anderen Terebrantiern nur durch einen stark verdickten, 
breiten, dorsalen Bogen verbunden sind. In ganz ähnlicher Weise 
werden auch die quadratischen Platten der Crabroniden, Pompiliden 
und Heterogynen durch einen, wenn auch schwächeren, Chitinbogen 


320 Enoch Zander, 


dorsal zusammengehalten. Den quadratischen Platten der Vespiden 
fehlt ein kontinuirlicher dorsaler Verbindungsbogen; zwei vom analen 
Rande der Platten ausgehende Chitinfortsätze habe ich oben als Reste 
des dorsalen Bogens angesprochen. 

Es entsteht nun die Frage, ob diese dorsale Chitinbrücke eine 
der zwölften Rückenschuppe eigene Neubildung oder der Präseg- 
mentalleiste der vorhergehenden Rückenschuppen zu vergleichen ist. 
Dass das Letztere der Fall ist, lässt sich selbst für die beträchtlich 
modifieirten quadratischen Platten der Vespiden durch eine sorgfäl- 
tige Vergleichung mit den übrigen Rückenschuppen nachweisen. 


Vespa crabro. 
(Fig. 18.) 

Die Rückenschuppen VI/—X sind übereinstimmend geformt. 
Jede derselben trägt ein laterales Stigma (Sy) und ist durch eine 
starke gerade Präsegmentalleiste (Y7) ausgezeichnet, der wie bei den 
Bauchschuppen eine breite Lamellle (Z) aufsitzt, die sich lateral zu 
je einem großen Präsegsmentalhöcker (YA) von annähernd dreieckiger 
Form erhebt. An der zehnten Rückenschuppe macht sich eine all- 
semeine Reduktion geltend. Die Präsegmentalleiste obliterirt in der 
Höckergegend; dieser selbst und die Lamelle werden kleiner. An 
der elften Rückenschuppe der Vespiden ist die Reduktion noch 
weiter geschritten, während dieselbe bei Crabroniden, Pompiliden und 
Heterogynen meist vollständig erhalten ist; die Lamelle ist ver- 
schwunden; vom Präsesmentalhöcker ist nur noch eine winzige Spitze 
vorhanden. Die Präsegmentalleiste ist dagegen noch sehr stark, 
während die ganze mediane Partie der Rückenschuppe bis an die 
Präsegmentalleiste redueirt ist, so dass die elfte Rückenschuppe 
aus zwei lateralen Stücken besteht, die durch einen star- 
ken dorsalen Bogen verbunden sind (Fig. 18 db). Jedes Stück 
trägt ein Stigma. Seitlich vom Stigma tritt in jeder Platte als 
neues Gebilde eine Hautverdiekung auf, die als starke Chitinleiste 
(Fig. 18 N) vom vorderen lateralen zur Mitte des hinteren Randes 
verläuft. Die Form der lateralen Stücke der elften Rückenschuppe 
entspricht genau der lateralen Partie der zehnten Rückenschuppe (Xd). 
Wenden wir uns jetzt der quadratischen Platte (Fig. 18 X//d) 
zu, so fällt zunächst die eminente Formähnlichkeit mit der 
elften Rückenschuppe auf. Bei beiden ist der laterale Rand in 
der Mitte in gleicher Weise leicht eingebuchtet, während der hintere 
hand stark nach außen gebogen verläuft. Schon diese geringfügigen 


Beiträge zur Morphologie des Stachelapparates der Hymenopteren. 391 


Formeigenthümlichkeiten charakterisiren die quadratischen Platten 
als Endglied einer Reihe von Umbildungen, denen die einzelnen 
Rückenschuppen unterworfen sind. Betrachtet man die seitliche 
Partie der neunten Rückenschuppe (Fig. 18 /Xd), so sieht man, 
dass die annähernd dreieckige Form derselben an der zehnten (Xd) 
in eine mehr viereckige übergeht, um sich an der elften und zwölften 
mehr und mehr abzurunden. Noch schärfer tritt diese Stellung der 
quadratischen Platte in andern Eigenthümlichkeiten hervor. Während 
nämlich bei sämmtlichen Crabroniden, Pompiliden und Heterogynen 
‚die durch den dorsalen Verbindungsbogen repräsentirte Präsegmen- 
talleiste der elften Rückenschuppe auch an den quadratischen Platten 
noch als kontinuirlicher Bogen die seitlichen Partien verbindet, 
finden sich bei Vespa crabro an der entsprechenden Stelle nur zwei 
laterale Fortsätze (Fig. 18 X//d, db), die über das Aftersegment 
(XIH in Fig. 5) herübergreifen. Die an die Präsegmentalleiste 
srenzende, annähernd dreieckige, Randzone der quadratischen Platte 
(Fig. 18 XIId) ist median umgebogen und bildet so eine lateral 
offene Rinne. Diese umgeschlagene Partie erhebt sich oral zu einem 
als Gelenkhöcker für den Winkel dienenden kleinen Fortsatz, der 
unzweifelhaft dem Präsegmentalhöcker der übrigen Dorsalschuppen 
entspricht. 

Während bei der Mehrzahl der Aculeaten die quadratischen 
Platten als breite Stücke dem Stachelapparate angefügt werden, 
sind dieselben bei den Chrysiden und manchen Ameisen in Gestalt 
zweier langer Chitinstäbe entwickelt. Dass diese Stäbe nichts An- 
deres vorstellen als die Präsegmentalleiste der zwölften Rücken- 
schuppe, lehrt in demonstrativer Weise die morphologische Vergleichung 
der Rückenschuppen von 


Chrysis fulgida. 
(Fig. 19.) 

Die achte Rückenschuppe (VZI1d) ist stark ventral gewölbt, ihr 
präsegmentaler Rand tief herzförmig ausgeschnitten und stark ver- 
diekt (77). Von der Mitte der Präsegmentalleiste geht median eine 
starke Wandverdickung aus, die anal etwa bis zur Mitte der Rücken- 
schuppe reicht. Die neunte Rückenschuppe ist mehr in die Länge 
gestreckt; ihre präsegmentale Randleiste (V7) ist tiefer in die Rücken- 
schuppe eingesenkt und an den oralen Enden leicht verdickt, während 
die lateralen Hautpartien membranös geworden sind. Die mediane 


Wandverdickung erstreckt sich, wenn auch nur schwach chitinisirt, 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Bd, 21 


322 Enoch Zander, 


bis an den analen Rand der Schuppe. Die vordere Partie der zehn- 
ten Rückenschuppe (Xd) ist noch schmäler; die Präsegmentalleiste 
hat sich anal tief eingesenkt und setzt sich median als stark chitini- 
sirte unpaare Wandverdieckung nach hinten fort, um vor dem post- 
sesmentalen (analen) Rande mit zwei kurzen Gabelästen zu enden. 
“Nur die anale Partie der zehnten Rückenschuppe ist noch etwas 
stärker chitinisitt. An der elften Rückenschuppe (XI/d) ist die 
schwächere präsegmehtale (orale) Wandung obliterirt, so dass diese 
kückenschuppe die Form eines Spatens mit gegabeltem Stiel erhält. 
‚Die Präsegmentalleiste (V7) ist bis auf einen kurzen unpaaren Stamm 
oral und anal in zwei unter spitzen Winkeln konvergirende Stäbe 
zerfallen. Die quadratischen Platten (Fig. 10 gu.P) sind das 
Endglied dieser Umbildungsreihe, da an derselben die Prä- 
segmentalleiste vollständig in zwei Stäbe (gw.P) gespalten 
ist, die durch Reste der schwächeren Rückenschuppen- 
wandung zusammengehalten werden (Fig. 10 db). 

Wenn wir die verschiedenen Formen zusammenstellen, in denen 
-uns die zwölfte Rückenschuppe der Larve am Imago begegnet, so 
kann es nicht entgehen, dass dieselbe besonders bei den Aculeaten 
einer weitgehenden, in den einzelnen Gruppen graduell verschie- 
denen, Reduktion unterworfen ist, der selbst die verdickte Präseg- 
mentalleiste nicht Stand zu halten vermag. Das einheitliche Epipy- 
gium der Terebrantier steht den echten Rückenschuppen am nächsten. 
An Stelle desselben beobachten wir bei den meisten Aculeaten zwei 
quadratische Platten, welche durch die Präsegmentalleiste dorsal 
zusammengehalten werden. Während nun bei Vespiden und Apiden 
die quadratischen Platten nur in so fern modifieirt werden, als bei 
ersteren der mediane Theil der Präsegmentalleiste theilweise, bei 
letzteren vollständig obliterirt, wird bei den Chrysiden und manchen 
Formiciden die ganze Rückenschuppenwandung bis an die Präseg- 
mentalleiste, ja im extremsten Falle sogar diese selbst bis auf je 
ein laterales Stück redueirt. 

Da für die meisten Rückenschuppen je ein Stigmenpaar 
charakteristisch ist, würde meine morphologische Deutung der quadra- 
tischen Platten an Sicherheit gewinnen, wenn auch an diesen Stigmen 
nachzuweisen wären. Über das Vorhandensein eines solchen sind 
verschiedentlich Angaben gemacht worden. So beschreibt Dewırz (16b) 
die quadratischen Platten von Typhlopone oraniensis folgendermaßen: 
»Seitlich von den Scheiden liegt eine große Chitinplatte mit einem 
großen Stigma am Hinterrande. In natürlicher Lage nimmt dieselbe 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Oligochäten. 


Von 
Dr. R. Wolfg. Hoffmann. 


Mit Tafel XX—XXI und 5 Figuren im Text. _ 


- (Aus dem zoologischen Institut der Universität Marburg.) 


| | Entwicklung des Darmtractus. 

Die Gründe, welche mich veranlassten die Genese des Oligo- 
chätendarmes eingehend zu studiren, waren mannigfaltiger Art. Zu- 
nächst bietet schon die Homologisirung der einzelnen Darmabschnitte 
mit denjenigen anderer Anneliden gewisse Schwierigkeiten. Wäh- 
rend nämlich bis jetzt bei allen übrigen Anneliden für. Ösophagus 
und Pharynx eine ektodermale Herkunft nachgewiesen worden war, 
sollte bei den Oligochäten der Pharynx aus dem Ektoderm, der 
Ösophagus aus dem Entoderm herzuleiten sein!. VEsDoVskY, der 
den eben erwähnten Befunden älterer und jüngerer Forscher An- 
fangs zustimmte, kommt indessen am Ende seiner entwicklungs- 
geschichtlichen Untersuchungen bei Rhynchelmis zur Überzeugung, 
dass auch der Pharynx entodermaler Natur sei, und dass das Stomo- 
däum nur einen ganz geringfügigen Abschnitt des Verdauungstractus 
darstelle. Er hält es überdies für wahrscheinlich, dass sich diesel- 
ben Verhältnisse auch bei den Lumbrieiden auffinden lassen, sofern 
die Anfänge der Pharynxbildung in jüngeren Stadien wie bisher 
gesucht werden, »wo sich das angeschwollene Archenteron von vorn 
nach hinten zu verengen beginnt«. 

Schließlich möchte ich noch darauf hinweisen, dass die vor- 


i Auf die Art und Weise, wie EısıG es versucht, basirend auf seinen 
Befunden bei Capitelliden, die Verhältnisse der Oligochäten mit denjenigen 
der übrigen Anneliden in Einklang zu bringen, werde ich später zu reden 
kommen. { 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Ba. 22 


336 R. Wolfg. Hoffmann, 


liegenden Untersuchungen vielleicht auch von einigem Interesse in 
Bezug auf die jetzt so modernen Versuche über Regeneration sind. 
Gerade die Oligochäten bieten hierfür höchst geeignete Objekte. Dem 
zufolge existirt schon eine ganze Reihe Untersuchungen über die Art 
und Weise, wie sich hier der Darm regenerirt. Zum großen Theil 
beziehen sich dieselben auf Lumbrieciden (KORSCHELT, RIEVEL, 
MICHEL, HESCHELER). Die Frage ob und wie weit ontogenetische 
Vorgänge sich mit Regenerationserscheinungen homologisiren lassen, 
wird in diesen Arbeiten stets von Neuem erörtert. Da solche Ver- 
gleiche natürlich nur dann einen Werth haben, wenn die ent- 
wicklungsgeschichtlichen Vorgänge des betreffenden Objektes ge- 
wissenhaft erforscht sind, so hoffe ich, dass meine Untersuchungen 
auch für solche Arbeiten einigen Werth haben. 

Es ist mir eine angenehme Pflicht an dieser Stelle meinem 
verehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. KORSCHELT, für mannigfaltige An- 
 regungen und Rathschläge, sowie für das lebhafte Interesse, das er 
meinen Untersuchungen stets entgegenbrachte, meinen herzlichsten 
Dank auszusprechen. 

Gemäß den Andeutungen, die VEIDoVskY in seinen »Entwick- 
lungsgeschichtlichen Untersuchungen« macht, verfolgte ich die Darm- 
bildung schon von frühen Stadien aus, wenngleich ich auch die 
ersten Furchungsvorgänge unberücksichtigt ließ. Ersteres schien 
mir auch desshalb besonders wünschenswerth, weil gerade die Bil- 
dung der frühen Larvenstadien von den Autoren nicht einheitlich 
geschildert werden. ya 

Meine Untersuchungen wurden hauptsächlich an Allolobophora 
putris Hoffm. vorgenommen, jener Form, die auch VEIJDoVsKY für seine 
Studien an Zumbriciden vornehmlich benutzt hat. Es ist ein kleiner 
Wurm von röthlicher Färbung, der mit Vorliebe solche Orte auf- 
sucht, an welchem übelriechende, verwesende Stoffe in größerer 
Menge vorhanden sind. Besonders Pferdemist scheint ihm sehr zu 
behagen. Seine Kokons sind nicht sehr groß und derartig durch- 
sichtig, dass man die Embryonen in ihnen mit voller Klarheit wahr- 
nehmen kann. Weiterhin zeichnen’ sich die Embryonen von Allolobo- 
phora putris sehr vortheilhaft vor denjenigen anderer Zumbriciden 
durch die relativ geringe Eiweißmenge aus, die sie in sich aufnehmen, 
was namentlich in Bezug auf die Anfertigung der Schnitte von nicht 
geringer Bedeutung ist. 

Das Resultat der Furchung, die ich nicht von Anfang an verfolgt 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Oligochäten. 337 


habe, ist eine Blastula mit gut ausgebildetem Blastocöl, ähnlich, wie 
dies schon WırLson für Allolobophora foetida Savigny nachgewiesen 
hat!. Sehr bald jedoch wird die Furchungshöhle durch Derivate 
des Mesoderms sehr eingeengt; indessen lassen sich Spuren dersel- 
ben auch noch während der Gastrulation nachweisen. Schon für 
diese Stadien stehen VEsDovskY’s Befunde im Widerspruch mit den- 
jenigen anderer Forscher (KowALEVSKY, HATSCHEK, WıLsox). So 
wurde früher allgemein der Urdarm vom Entoderm einer Invagi- 
nationsgastrula abgeleitet. Aus dem Blastoporus geht nach dieser 
Auffassung direkt der Mund, und durch Einwachsung des denselben 
umgebenden Ektoderms in letzteren das Stomodäum hervor. Nach 
VEJDOVsKY jedoch »senken sich in den meisten Fällen die ursprüng- 
lichen Hypoblastkugeln in den Epiblast, während in seltenen Fällen 
(Dendrobaena, Allolobophora foetida) eine Einstülpung stattfindet, wo- 
durch nach Schließung des Blastoporus ein allseitig geschlos- 
senes Archenteron zu Stande kommt« (Entwicklungsgeschichtliche 
Untersuchungen, II. Abschn., p. 316). Bei dem gewöhnlichen Ent- 
wieklungsmodus, d. h. dem erst erwähnten, den nach VEJDovskKY’s 
Untersuchungen auch Allolobophora putris einschlagen soll, bildet 
sich alsdann nach Schluss des Blastoporus, in der massiven Hypo- 
blastkugel central ein Spaltraum aus, der allmählich immer mehr 
heranwächst und sich schließlich nach vorn mit dem inzwischen sich 
einstülpenden Stomodäum in Verbindung setzt. 

Ich konnte von einer solchen epibolischen Gastrula bei AZlo/o- 
bophora putris nichts bemerken. Hingegen konstatirte ich in allen 
Fällen Invaginationsgastrulae. Da ich dieselbe Erfahrung auch für 
eine Anzahl anderer Lumbrieiden machte, so liegt für mich die Ver- 
muthung nahe, dass der von VEspvoskY als Ausnahme bezeichnete 
Modus der häufigere, wenn nicht der einzige ist. 

Die Blastula, die Anfangs Kugelgestalt hat, deren Pole jedoch 
schon zu dieser Zeit durch zwei Merkmale — die Urmesodermzellen 
und die Exkretionszellen — bestimmt sind, beginnt sich nun stark dorso- 
ventral abzuplatten. In dieser Periode sind die Exkretionszellen in 
voller pulsatorischer Thätigkeit, die in ihrem Maximum das Volumen 
ersterer auf das zwei- und dreifache der Ruheform vergrößern 
können? Bis jetzt liegen die Exkretionszellen noch frei zu Tage; 


i VEJDOVskyY giebt freilich gerade für diese Form eine in den meisten 
Fällen gänzlich redueirte, für Allolobophora putris nur eine sehr redueirte 
Furchungshöhle an, was ich Beides nicht bestätigen kann. 

2 Ich verweise hierbei auf die schönen und eingehenden Untersuchungen 

IF 


338 R. Wolfg. Hoffmann, 


aber schon während der Gastrulation beginnt sich eine dünne Ekto- 
dermlamelle- über sie hinwegzuschieben, so dass sie am Schluss 
dieses Vorganges vollständig vom oberen Keimblatt umwachsen sind. 
In der Folgezeit kommen sie immer tiefer und weiter vom oralen 
Pole ab zu liegen, wobei sie progressiv der Resorption anheimfallen. 
Doch kehren wir wieder zur Blastula zurück. Die Abplattung der- 
selben geht nun so lange weiter, bis sie eine sehr dünne Scheibe dar- 
stell. Alsdann biegen sich ihre seitlichen und hinteren Ränder 
ventral um und wachsen nach vorn zu (Fig. 1, Taf. XX). Der Blasto- 
porusrand ragt hierbei kraterförmig empor. Je mehr die Verengung 
des Urmundes fortschreitet, desto stärker erheben sich die Rand- 
wülste, so, dass der Querschnitt einer solchen Gastrula schließlich das 
Aussehen eines gleichschenkeligen Dreiecks hat. Nur der vordere 
Rand, d. h., die Gegend der Exkretionszellen, bleibt ungefaltet. 
Letztere bilden jetzt und während der nächsten Stadien die vordere 
dorsale Decke des Urdarmes. Fig. 2, Taf. XX stellt einen Sagittal- 
schnitt: durch eine Gastrula mit ziemlich stark verengtem Urmund 
dar. (Die Exkretionszellen sind nicht in ihrer vollen Ausdehnung 
auf dem Schnitte getroffen.) Die Elemente der Ektodermschicht, die 
noch ganz ihren ursprünglichen Charakter bewahrt haben, fangen 
schon an, die Exkretionszellen zu überwuchern. Das Entoderm ist 
dicht mit Eiweißtröpfehen vollgepfropft. Auf einem späteren Stadium 
(Fig. 3, Taf. XX) sehen wir die eben angedeuteten Verhältnisse 
weiter fortgeschritten. Nach VEJIDOVSKY soll sich nun — nicht nur 
bei den Formen mit typisch epibolischer Gastrula (wie Allolobophora 
putris?) sondern auch bei den wenigen (?) Formen mit Invaginations- 
gastrula — der Blastoporus schließen. An derselben Stelle wo letzterer 
verschwand, soll sich alsdann ein Stomodäum einstülpen, das sich mit 
der (entweder durch Faltung, oder durch Spaltbildung entstandenen) 
centralen Urdarmhöhle in Verbindung setzt. Ich konnte nun niemals 
einen solchen Vorgang beobachten, so viele Larven ich auch darauf- 
hin untersuchte. Stets ging aus dem Blastoporus direkt der Mund 
hervor, wie dies auch KOWALEVSKY stillschweigend annimmt und wie 
es Wırson für Allolobophora foetida für wahrscheinlich hält. — 
In Fig. 3, Taf. XX ist schon die Tendenz zur Vorderdarmbildung 
gegeben. Die Exkretionszellen sind nun äußerlich vollständig vom 


VEJDOVSKy’s über diesen Gegenstand, welchen ich in Allem, was ich davon sehen 
konnte, zustimme. Ich komme hierauf noch in dem Kapitel über die Urniere 
zu sprechen. 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Oligochäten. 339 


Ektoderm umwachsen. Nach vorn zu werden sie von einem Zell- 
haufen begrenzt, der zugleich den oberen Theil der Stomodäalanlage 
bildet!. Nach unten zu wird letztere zur Zeit nur (auf dem Schnitt) 
durch eine einzige große Ektödermzelle repräsentirt, die sich nach 
der Urdarmhöhle zu einschlägt. Letztere ist bereits sehr umfangreich 
und ganz mit Eiweiß angefüllt. Die Entodermzellen, die noch in 
Fig. 2, Taf. XX gewölbt in das Blastocöl ragen, schließen sich nun 
an ihrem freien Rand zu einer einzigen Kurve an einander. Dieses 
Verhalten ist wahrscheinlich auf den Druck der Eiweißmassen zurück- 
zuführen. Es bleibt nur noch für Fig. 3 zu erwähnen übrig, dass 
selbst in diesem Stadium ein Theil der Exkretionszellen die obere 
Partie der Urdarmwand bildet. 

Ich möchte hier einer Beobachtung Erwähnung thun, die ich 
stets beim Durchmustern älterer und jüngerer Embryonen machte, 
und die vielleicht in histologischer Beziehung einiges Interesse be- 
ansprucht. Bekanntlich zeichnen sich die Flimmerzellen des Ekto- 
derms, also vornehmlich die Elemente der Flimmerrinne, durch be- 
deutende Größe aus. In Fig. 10, Taf. XXI habe ich ein Stück einer 
solchen Zelle mit starker Vergrößerung — wenn auch nicht mit 
stärkster — gezeichnet. Jede dieser Zellen hat ein merkwürdig hya- 
lines und vacuolisirtes Aussehen. In Fig. 4, Taf. XX tritt deutlich 
hervor, wie sehr sie sich von den angrenzenden: ektodermalen Ele- 
menten unterscheiden. Ihr freier Rand nun, d. h. derjenige Theil, 
an dem die Wimpern zu Tage treten, ist stets von einem dunkeln 
Saume umgeben, der sich etwa vom freien Rande aus bis zu !/, des 
Zelldurchmessers erstreckt. Betrachten wir diesen Saum mit starker 
. Vergrößerung, so sehen wir, dass in ihn die Wimpern in schiefer 
Richtung hineinragen. An den Durchtrittsstellen hat jedes Flimmer- 
band deutlich ein kleines Knötehen?. Da die Zellen außerordent- 
lich breit sind, so können die Endtheile der Wimpern nur an einem 
relativ kleinen Theil in Berührung mit dem Kern treten. Im 


1 Ich erlaube mir an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass die erwähn- 
ten Zellen vielleicht den von Eısıc als Stomatoblasten und Ösophagoblasten 
bezeichneten Elementen entsprechen dürften. Darüber kann natürlich nur ein 
eingehendes Studium der Furchung vom Ei aus entscheiden. 

® Dieses Knötchen (Basalkörperchen) ist jetzt schon an den Wimpern 
einer ganzen Anzahl von Flimmerzellen bei den verschiedensten Objekten aufge- 
fünden worden. Es ist, wie neuerdings CARL PETER experimentell bewiesen 
hat, das Centrum der Bewegung. Nach HenxEsurY’s und v. LENHOSSER’s Hypo- 
these ist es ein umgewandeltes Centralkörperchen. 


340 R. Wolfg. Hoffmann, 


Übrigen bilden ihre innern Endpunkte eine etwas wellenförmig Be eue 
Linie, die der Grenze der dunkeln Zone entspricht. 

Mehr und mehr wächst das Stomodäum nun zu einer langen 
Röhre aus; hierbei wird sein Lumen bedeutend verengt. Hand in Hand 
mit dem Auswachsen des Stomodäums geht die Umwandlung seiner 
sich Anfangs dunkel färbenden plasmareichen Ektodermzellen in helle, 
stark vacuolisirte Elemente von statten, die sich in nichts mehr von 
den geschilderten Zellen der Flimmerrinne unterscheiden. Dies ist 
leicht zu verstehen, da erstere den letzteren nun auch dadurch ähn- 
lich werden, dass sie sich mit einem dichten Cilienbesatz versehen, 
der sich bis zur Mündungsstelle des Stomodäums in den Urdarm er- 
streckt. — Interessant sind die Lagenverhältnisse des Stomodäums. 
Seine schlanke, hyaline Röhre mündet keineswegs mehr in gerader 
Richtung in den Urdarm, sondern beschreibt nun eine zweimal aus- 
gebogene $-förmige Kurve, deren Ende sich dorsal bis zum vorderen 
Theil des Urdarmes erstreckt. Diese seltsame Erscheinung lässt sich 
auf folgende Weise erklären: | 

Es sind namentlich zwei Faktoren, welche das schnelle Wachs- 
thum des Oligochäten-Embryos bedingen, einmal die Vermehrung 
seiner Zellelemente durch mitotische Theilungen; sodann aber der 
Druck, den die im Urdarm eingeschlossenen Eiweißmassen auf die 
umgebenden Wände ausüben. Namentlich in der mittleren Embryo- 
nalperiode hat letzterer Faktor vor ersterem das Übergewicht, was 
daraus hervorgeht, dass die Zellvermehrungen nicht schnell genug 
vor sich gehen, um für die in den Urdarm massenhaft eintretenden 
Eiweißmassen Raum zu schaffen. Die Folge davon ist, dass die 
Zellelemente des ganzen Embryos, namentlich aber des Entoderms 
aus einander gerissen und hierdurch oft sehr stark abgeplattet werden, 
so dass beispielsweise die außerordentlich lang gestreckten Urdarm- 
zellen an manchen Stellen aus einem hohen Cylinderepithel zu einem 
flachen Pflasterepithel werden, das sich seiner Form nach in nichts 
mehr von dem anliegenden, gleichfalls abgeplatteten Ektoderm unter- 
scheidet. Die dorsale Seite ist für diese Abplattung. besonders ge- 
eignet, weil hier, wo das Mesoderm lange Zeit mangelt, der Embryo- 
nalkörper an und für sich am wenigsten mächtig ist und desshalb 
dem Druck der Eiweißmassen am ehesten nachgeben kann. — 
Mündet nun Anfangs das Stomodäum etwas schief nach oben (Fig. 3, 
Taf. XX) in den Urdarm, so legt sich die Wandung des letzteren 
gar bald, gemäß seiner Tendenz, dem Druck der Eiweißmassen im 
Inneren nachzugeben, der Röhre an, drängt sie nach oben und giebt 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Oligochäten. 341 


ihr hierdurch eine steilere Lage, die zu verlassen sie der auf die 
Urdarmwand ausgeübte Druck verhindert. Je steiler aber die Stomo- 
däalröhre in die Höhe gerichtet ist, je dichter sie der Urdarmwand 
angeschmiegt liegt, desto größer wird auch die Kurve ausfallen, die 
sie zur Einmündung in den Urdarm bedarf und desto höher wird sich 
naturgemäß auch diese Stelle befinden. 

Gerade der umgekehrte Vorgang lässt sich hingegen zu Ende der 
Embryonalentwicklung verfolgen. Das Wachsthum durch Zelltheilung 
tritt nun wieder ganz in den Vordergrund. Es gleichen sich als- 
dann die abnormen Lagenverhältnisse des Stomodäalantheils des 
Darmes wieder aus. — Doch davon später! — Es will mir nun 
scheinen, als ob die merkwürdige, scheinbar sehr unpraktische Ver- 
lagerung der inneren Stomodäalmündung doch auch einen bestimmten 
Zweck befolgt, nämlich denjenigen, zu verhüten, dass Eiweißmassen, 
die sich bereits im Urdarm befinden, wieder aus letzterem heraus- 
quellen. Würde das Stomodäalrohr auf geradem Wege, oder nur 
wenig geneist in den Urdarm münden, so müsste der Verschluss — 
auch mit Hilfe von Muskelelementen — doch nur sehr unvoll- 
kommen sein. Es könnte alsdann nur so viel Eiweiß im Embryo 
bleiben, wie der Urdarm bequem ohne Dehnung der Gewebe zu 
fassen vermöchte. Alles übrige eingeschluckte Material würde in 
Folge der- eiastischen Spannungskräfte der Gewebe wieder nach 
außen befördert werden. Anders ist es in unserem Fall: Hier be- 
wirkt der Druck der Eiweißmassen im Inneren zugleich auch einen 
festen Verschluss der Stomodäalröhre, da letztere und die Urdarm- 
wand für eine relativ große Strecke parallel zu einander laufen. 
Wir haben es hier also mit Verhältnissen zu thun, die sich, dem 
Prineip nach, ganz gut mit den Verschlussvorrichtungen an der 
Wirbelthierharnblase vergleichen lassen, die verhindern, dass der 
Ham in die Harnleiter zurücktritt'. 

Vergleichen wir Fig. 4 und Fig. 3? mit einander (die Ver- 


! Bekanntlich münden die Ureteren nicht l zur Wand der Harnblase, son- 
dern in schiefer Richtung; je mehr also der Druck gegen die Blasenwand zu- 
nimmt, desto fester wird auch der Verschluss. 

2 Ich brauche wohl kaum zu erwähnen, dass Fig. 4 nicht dieser »mittle- 
ren Periode« entspricht, sondern in die erste fällt, wo das Wachsthum durch 
mitotische Theilungen noch vollauf genügt, um den eindringenden Eiweiß- 
massen Raum zu schaffen. Im Stadium der Textfig. 1 hingegen ist der Em- 
bryo schon in der letzten Periode angelangt; die Deformationen durch den 
Druck der Eiweißmassen haben sich hier schon nahezu vollständig ausgeglichen. 
Ich habe es nicht für nöthig gefunden bildliche Belege für die mittlere Wachs- 


349 R. Wolfg. Hoffmann, 


größerungen sind zwar nicht ganz dieselben, trotzdem kann man je- 
doch das Folgende erkennen), so sehen wir, dass in dem älieren 
Embryo die Entodermzellen weit höher, säulenförmiger geworden sind. 
Zugleich ragen letztere auch wieder bogenförmig in das Darmlumen. 
Ganz besonderes Interesse, aus Gründen, die ich unten mittheilen 
werde, verdient die Thatsache, dass vier Zellen. die an der Ein- 
mündungsstelle des Stomodäums in den Urdarm liegen und letzterem 
anzugehören scheinen, sich wesentlich von allen anderen Zellele- 
menten unterscheiden. Ihre Breite, ihr großer Kern, vor Allem aber 
ihr hyalines, plasmatisches Aussehen verleiht ihnen ein ganz beson- 
deres Gepräge. Sehr auffallend ist ihre Ähnlichkeit mit den Stomo- 
däal- und den Exkretionszellen. Dass sie aus umgewandelten Ur- 
darmzellen hervorgehen scheint mir sicher zu sein, obgleich ich trotz 
mancher Bemühungen diesen Umwandlungsprocess nieht in seinen 
einzelnen Etappen verfolgen konnte. Die Bedeutungen dieser Bildungen 
sind mir vollständig unklar; gleichwohl sind sie mir bei meinen 
Untersuchungen sehr nützlich gewesen; denn da sie eine zeraume 
Zeit persistiren, so können sie 
gleichsam als Marke für den Über- 
gang des Ektoderms in das Ento- 
derm dienen; mit anderen Worten, 


sie geben die Stelle an — wie wir 
bald sehen werden — wo der Pha- 
rynx aufhört und der Mitteldarm 
beginnt. 


Es würde nun zu weit führen, 
wollte ich aller Veränderungen Er- 
wähnung thun, die der Embryo bis 
zur Ausbildung des Pharynx durch- 
macht. Letzterer wird von allen 
Darmtheilen zuerst fertiggestellt. 
Zwischen Fig. 4, Taf. XX und Text- 
firur 1 liegen noch Stadien (die mittlere Wachsthumsperiode), in denen 
der Urdarm durch die kolossale Eiweißaufnahme zu einem unför- 
migen Sack aufgebläht wird; freilich geht dies hier nicht so weit, 
wie bei anderen Lumbriciden (z. B. Allolobophora foetida), wo sich 
der ganze Embryo in eine große Kugel verwandelt, deren Körper- 


thumsperiode zu geben, da dieselbe von allen Autoren, die über Oligochäten- 
entwicklung gearbeitet haben, sehr übereinstimmend geschildert wird. 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Oligochäten. 343 


decke so dünn ist, dass sie bei der geringsten unzarten Berührung 
mit der Präparirnadel zerreißt. Es gewährt dann einen eigenartigen 
Anblick, wenn hierbei die Eiweißmasse in Folge des Druckes der 
Gewebe, wie ein kleiner Springbrunnen hervorquillt und der Embryo 
auf knapp !/, seiner ehemaligen Größe zusammenschrumpft. 

In Textfig. 1 hat aber der Process der Eiweißaufnahme schon 
längst seinen Höhepunkt überschritten. Der Urdarm ist zwar noch 
immer sackartig erweitert und zeigt bis jetzt noch nichts von einem 
sewundenen Verlauf, sein Verhältnis zum Stomodäum ist jedoch ein 
sanz anderes geworden. Auch innerhalb seiner Zellelemente sind 
bemerkenswerthe Veränderungen vor sich gegangen. Während zur 
Zeit der größten Eiweißaufnahme das Protoplasma der Art mit 
Nahrungskugeln erfüllt ist, dass (in Folge der starken Färbbarkeit 
dieser Elemente) nichts von Zellgrenzen, kaum etwas von Kernen zu 
sehen ist, so hat hier schon eine Verarbeitung der Nährsubstanzen 
stattgefunden. Das Plasma der Zellen ist zwar noch immer von 
kleinen Eiweißtröpfehen erfüllt; indessen haben dieselben nicht mehr 
den bedeutenden Umfang wie früher; auch lassen sich jetzt Zell- 
srenzen und Kerne klar und deutlich unterscheiden. 

Die bedeutendsten Veränderungen hat jedoch das Stomodäum 
durchgemacht. Wie weit der Vorderdarm geht, zeigen deutlich die 
oben erwähnten hyalinen Entodermzellen an, die auch in diesem 
Stadium noch gut erhalten sind. Derselbe wird — wie man sieht 
— ausschließlich durch den Pharynx präsentirt. Somit stammt 
der Pharynx zweifellos aus dem Ektoderm. Es ergiebt sich 
daher, wenn die VEespovsky’schen Untersuchungen an Rhynchelmis 
richtig sind, innerhalb der Oligochätengruppe für die einzelnen Ver- 
treter eine bemerkenswerthe Differenz in der Embryonalentwicklung. 

Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass auch für 
Regenerationsversuche an Oligochäten verschiedene Bildungsmoden des 
Vorderdarmes nachgewiesen worden sind. So gab F. v. WAGNER in 
seiner ersten diesbezüglichen Publikation für Lumbriculus varıegatus 
an, dass sich der Darmkanal bei Regeneration des Vorder- und Hinter- 
endes aus dem Entoderm erneuere. Dieser Befund wurde von RIEVEL 
auch für Ophryotrocha, Nais und Lumbricus ‚bestätigt. Später hat 
nun F. v. WAGNER seine erste Deutung für falsch erklärt; er giebt 
nunmehr an, dass die ontogenetischen und regenerativen Vorgänge 
bei der Bildung des Vorderdarmes übereinstimmen. In einer Unter- 
suchung dieser Verhältnisse bei Tubifez wurde von HaasE gezeigt, 
dass der Pharynx bei diesem Limicolen zweifellos aus dem Entoderm, 


344 R. Wolfg. Hoffmann, 


der Enddarm hingegen aus dem Ektoderm regenerirt werde und dass, 
nach F. v. WAGNneErR’s Darstellung der Befunde, dies auch bei Lum- 
briculus der Fall sein müsse. — Ich darf nicht unerwähnt lassen, 
dass nach meiner Ansicht sich der Enddarm hier wahrscheinlich aus 
beiden primären Keimblättern regenerirt haben dürfte; da ja — wie 
ich später nachweisen werde — das Proctodäum nicht bis zum 
letzten oder vorletzten Segment (V0JDovsKy) reicht, sondern minde- 
stens bis zum sechsten, vielleicht sogar bis zum siebenten und achten!. 
Die Haase’schen Regenerationsbefunde scheinen sich nun im Allge- 
meinen mit den Vrypovskyschen Angaben über die Genese des 
Darmes von Rhynchelmis zu decken. Möglicherweise gehen also hier 
ontogenetische und regenerative Vorgänge auf gleiche Weise von 
statten. HaAsE hebt ausdrücklich hervor, dass die jetzt bestehenden 
Differenzen in der ontogenetischen und regenerativen Bildung des 
Vorderdarmes bei ein und derselben Form nur durch das eingehende 
Studium sowohl der Embryonalentwicklung wie auch der Regenera- 
tionsvorgänge an derselben Art geklärt werden können. Ich hatte 
Anfangs die Absicht die Entwicklung des Darmtractus von Tubifex 
rivulorum zu studiren, ließ mich jedoch durch die Verpovsky’schen 
Befunde, die für die Darmentwicklung der Land-Oligochäten viel 
Neues versprachen, zum Studium der letzteren bewegen. Wahrschein- 
lich werde ich diese Verhältnisse später auch für Tubifex prüfen; 
ich hoffe, dass hierdurch Gelegenheit gegeben wird, die HAAseE’schen 
Regenerationsbefunde mit den embryologischen Vorgängen direkt zu 
vergleichen. Bezüglich desjenigen, was sich jetzt schon darüber 
sagen lässt, verweise ich auf HaAse’s Darstellung und die von ihm 
eitirten Autoren. — 

Dass der Pharynx in Textfig. 1 wirklich schon angelegt ist, tritt 
wohl klar hervor. Er ist — auch ohne dass wir die hyalinen Merk- 
zellen berücksichtigen — scharf von dem Mitteldarm abgesetzt. Sein 
Verlauf zeigt überdies die eharakteristische, nach unten ausgehogene 
Kurve. Die obere Pharynxwand ist ferner schon, wie beim ausge- 
! Wie hinfällig indessen gerade hier der Keimblätterbegriff wird, geht 
schon daraus hervor, dass sich beim ausgewachsenen Wurm weder morpho- 
logisch noch physiologisch ein Kennzeichen für den ektodermalen oder ento- 
dermalen Antheil der hinteren Darmpartie ergiebt; beide Blätter verhalten sich 
also vollständig identisch. Desshalb erscheint es mir auch keineswegs als etwas 
besonders Merkwürdiges, wenn während der Regeneration selbst bei nahe ver- 
wandten Formen verschiedene Keimblätter denselben Organtheil bilden können. 
Lagebeziehungen, Correlationsvorgänge und manche anderen äußeren Mo- 
mente mögen hierbei in erster Linie Ausschlag gebend sein. 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Oligochäten. 345 


wachsenen Thiere, bedeutend stärker als die untere. Auch das 
Hauptcharakteristikum dieses Darmtheils, das dorsale Muskelpolster, 
ist vollständig ausgebildet. Das Einzige was noch fehlt ist die ver- 
tikale Falte, welche später den ganzen Pharynx durchzieht und ihn 
nahezu in zwei symmetrische Stücke theilt. 

Vergleichen wir Fig. 4, Taf. XX mit Textfig. 1 und dem späteren 
Stadium Textfig. 2, so werden uns sofort die Ursachen klar, welche 
die neuen Lageverhältnisse der Darmtheile bewirkt haben: Die Ver- 
ringerung der Spannung innerhalb des Mitteldarmes, so wie ein ge- 
steigertes Längenwachsthum. Der Pharynx liegt in Textfig. 1 und 2 
nicht mehr dem Urdarm angeschmiegt, wie dies bei Fig. 4, Taf. XX 
der Fall ist. Denn nun sind die Eiweißmassen im Darm schon ziem- 
lich aufgebraucht und was darin ist, so wie das Wenige, was noch 
hinzukommt, findet reichlich in der Darmhöhle Unterkunft, ohne dass 
hierbei die dem Urdarm anliegenden Organe eingepresst werden müs- 
sen. Indem nun der Embryo nach hinten und vorn auswuchs, ver- 
längerte sich doch nicht im gleichen Maße das Stomodäum; es be- 
snüste sich vielmehr damit, seine Elemente wesentlich zu verstärken. 
Die Folge dieses Verhaltens war, dass es sich gleichsam vom Urdarm 
abrollte und seine in Textfig. 2 angegebene Gestalt annahm. 

In Bezug auf die entodermalen Mitteldarmabschnitte will ich 
mich möglichst kurz fassen; da dieselben weder in morphologischer 
noch entwicklungsgeschichtlicher Hinsicht besonderes Interesse bieten. 
- Bekamntlich zerfällt der Mitteldarm in vier Abschnitte, die sich 
weniger durch specielle histologische Verhältnisse als durch die ver- 
schiedene Größe und Mächtigkeit ihrer Elemente von einander unter- 
scheiden. Der vorderste Mitteldarmabschnitt, der Ösophagus, der 
nach CLAPAREDE niemals dauernd Nahrungsbestandtheile enthält, also 
wohl auch nur als Zuleitungsröhre dient, ist der schlankste Theil, 
dann folet der Kropf, welcher nur eine Auftreibung des Darmrohrs 
darstellt, sodann der Muskelmagen mit einem mächtig entwickelten 
Muskelbeleg und endlich der langgestreckte letzte Abschnitt des 
Mitteldarmes mit der Typhlosolis. 

Dasjenige Stück, das am frühesten vom Mitteldarm zur Aus- 
bildung kommt, ist der Ösophagus, wie denn auch die Differenzirung 
des Darmkanals von vorn nach hinten fortschreitet. In Textfig. 3 
ist hierfür ein deutlicher Beleg gegeben. Wir sehen, dass schon 
jetzt die Grenze festgelegt ist, bis zu welcher der Ösophagus beim 
ausgewachsenen Thiere geht, nämlich etwa das 13. Segment. Bis 
hierher erstreckt sich das ziemlich gerade geriehtete Darmrohr, ohne 


346 R. Wolfg. Hoffmann, 


nur eine Windung zu machen und hebt sich hierdurch scharf von den 
großen, weiten Aussackungen des übrigen Mitteldarmes ab. Letztere 
sind noch in keiner Weise differen- 
zirt. Was die Bildung des Kropfes 
und des Muskelmagens anbelangt, so 
sehen beide aus der ersten der 
sackartigen Erweiterungen hervor, 
die dem Ösophagus folgen; der übrige 
Darm wird zum Mitteldarm mit der 
Typhlosolis (dass letztere durch eine 
dorsale Einfaltung der Darmwand 
entsteht, leuchtet ein). 

Ich komme nun zum letzten Ab- 
schnitt, dem ektodermalen Procto- 


IN ; = Be 
Ne zu f FE 3 
3,4” % © Re] 


Textfig. 3. 


däum. Er wird gemäß der von vorn nach hinten fortschreitenden 
Differenzirung auch zuletzt oder nahezu zuletzt angelegt, da zur Zeit 
seines Auftretens sich Kropf und Muskelmagen noch nicht von ein- 
ander gesondert haben. Die Mesoblasten am analen Pole sind bereits 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Oligochäten. 347 


in einen Haufen indifferenter Zellen zerfallen, die das Material für 
die letzten Segmente liefern. 

Die Anlage des Proctodäums erfolgt terminal, wenngleich auch 
etwas ventral verschoben als Einstülpung des Ektoderms, die stets 
sofort mit dem Mitteldarm in Fühlung tritt. Im Allgemeinen hat die 
Einstülpung wohl, wie WıLsox behauptet, die Gestalt eines feinen 
Schlitzes; ein Blick auf Fig. 5, Taf. XX zeigt jedoch, dass dieser 
Schlitz unter Umständen ganz bedeutende Weite haben kann (freilich 
haben wir es hier mit einem schon älteren Stadium zu thun; ich 
bitte auch die etwas schräge Schnittrichtung unbeachtet zu lassen). 
Später schließt sich das Proctodäum in gerader Richtung an den 
Mitteldarm an!. ic } 

Im Gegensatz zu Wırson finde ich, dass sich Proetodäum und 
Mitteldarm stets sehr lange von einander unterscheiden lassen. Dieser 
Forscher sagt (p. 414): »The stomodaeal invagination has the form 
of a longitudinal slit which at first faces upwards owing to the curva- 
ture of the body, but gradually is turned backwards as the body 
straishtens. out. Its walls fuse completely with those of 
the archenteron and assume the same histological cha- 
racter, and every trace of the limit between them dis- 
appears. It is therefore unpossible to determine how far 
forward the proctodaeum extends, but its extends is cer- 
tainly very limited.« 

Ein Blick auf Fig. 6 und 7 wird meine Ansicht bestätigen. Zu- 
nächst finde ich immer am Innenrand der Einstülpung eine helle 
plasmatische Zone, von der am Mitteldarm nichts zu sehen ist. So- 
dann zeichnet sich die Proctodäaleinstülpung durch eine große An- 
zahl dunkel sich färbender Kerne aus. Das stärkste Unterscheidungs- 
merkmal bildet jedoch die Färbung. Bei der von mir angewandten 
 Konservirung und Tinktion (Konservirung mit HERMANN’s Flüssigkeit, 
Färbung mit der HEIDENHAIN’schen Eisen-Hämatoxylin-Methode) be- 
sitzt der Mitteldarm stets in dieser Periode einen gelblichen Ton, 
alle ektodermale Elemente jedoch eine typische blaue Hämatoxylin- 
farbe. Die erstere Thatsache führe ich auf den hohen Eiweißgehalt 
der Entodermelemente zurück. Erst relativ spät verschwinden diese 
Differenzen. Ich habe es versucht letztere etwas in meinen Figuren 
anzudeuten, muss jedoch gleich hinzufügen, dass der Unterschied in 
Wirklichkeit weit bedeutender ist, da ja überall da, wo der grau- 


AN 


1 Ich habe desshalb nur solche Schnitte (außer Fig. 5, 
gemeinschaftliche Achse beider getroffen ist. 


abgebildet, wo die 


348 R. Wolfg. Hoffmann, 


braune Tuschton auf. meinen Zeichnungen hervortritt, der blaue 
Hämatoxylinton vorhanden sein müsste. 

Die Frage, bis zu welchem Segment sich das Proctodäum er- 
streckt, wie sie bei dieser Gelegenheit stets aufgeworfen wird, hat 
natürlich nur dann Sinn, wenn man sich damit nach dem Antheil 
des Darmtractus erkundigt, der aus dem Proctodäum hervorgegangen 
ist, sowie nach der Anzahl der Segmente, die derselbe durchläuft. 
Da ja schon gleich Anfangs die Proctodäaleinstülpung in Berührung 
mit dem Mitteldarm tritt, und da sich ja fortwährend neue Metameren 
bilden, so reicht dieselbe in verschiedenen Zeiten bis zu verschiede- 
nen Segmenten. Dass das Proctodäum sich schon sehr bald über 
verschiedene Segmente erstreckt, geht wohl schon aus Fig. 6 und 7 
hervor. In Fig. 7 lassen sich vier Segmente unterscheiden; eben 
so in Fig. 8. Beide Bilder geben deutlich den Modus der Ver- 
schmelzung an zwischen Proctodäum und Mitteldarm. Dass dies 
jedoch nicht nach der Wırson’schen Deutung vor sich geht, zeigen 
beide Bilder wohl klar. Eine Verschmelzung der Elemente beider 
Keimblätter findet zunächst keineswegs statt. In Fig. 7 sehen wir 
noch, wie sich das Proctodäum glatt an die Mitteldarmwand anlegt. 
Von einem Durchbruch ist hier noch keine Spur angedeutet. An- 
ders in Fig. 8. Hier haben sich die an einander stoßenden Wände 
merklich verdünnt; trotzdem kann auch hier keinerlei Fusion beider 
konstatirt werden. Merkwürdigerweise hat sogar noch einmal eine 
Ablösung beider Wände von einander stattgefunden. Zwischen ihnen 
hat sich ein deutlicher Lymphraum ausgebildet. Der Durchbruch 
scheint immer bei der Ausbildung des vierten Segments 
stattzufinden, wovon ich mich an mehreren Beispielen überzeugen 
konnte. Hand in Hand mit diesem Vorgang geht eine Erweiterung 
des Mitteldarmes und des anschließenden Proctodäalantheils. Letz- 
terer bleibt jedoch noch für lange Zeit viel enger als ersterer (Fig. 8, 
Taf. XX). Diese Thatsache, sowie die große Anhäufung 
von Kernen lassen auch noch lange nach dem Durchbruch 
den Proctodäalantheil des Darmes erkennen. Dass auch nach 
dem Durchbruch noch eine Vermehrung der hinteren Segmente er- 
folgt, geht aus Fig. 8 hervor. Hier hat sich das Proctodäum seit 
seinem Durchbruch noch um zwei Segmente vermehrt;. es reicht 
hier also bis zum sechsten Segment. Trotzdem lässt sich am 
Ende des Wurmes noch eine indifferente Zone erkennen; somit 
dürfte auch noch eine weitere Segmentvermehrung angenommen 
werden. Vielleicht ist es möglich nachzuweisen, dass der ektoder- 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Oligochäten. 349 


male Enddarm des Wurmes sich später noch bis zum siebenten und 
achten Segment erstreckt. Jedenfalls tritt aber jetzt sehr bald ein 
Zeitpunkt ein, wo sich ektodermaler und entodermaler Antheil nicht 
mehr von einander unterscheiden lassen. 

Wie ich schon in der Einleitung erwähnt habe, entsprechen die 
einzelnen Abschnitte des Oligochäten-Darmes (sowie desjenigen der 
Hirudineen) nicht vollständig den gleichnamigen Gebilden der übri- 
sen Anneliden. Wie ist dies zu verstehen? Eisıe giebt hierfür in 
seiner »Entwicklungsgeschichte der Capitelliden« eine ganz plausible 
Erklärung. Nach seiner Ansicht lässt sich der Oligochätendarm sehr 
sut mit demjenigen der Anneliden in seinen Haupttheilen homologi- 
siren; dies sei indessen bis jetzt noch nicht geschehen. Der Pha- 
rynx der Oligochäten allein sei homolog dem Stoma und dem 
Ösophagus-Pharynx der übrigen Anneliden. Der Tractusabschnitt 
hingegen, dem man topographisch-anatomisch den Namen Ösophagus 
beilege, führe diese Bezeichnung mit Unrecht. Derselbe müsse daher 
fortan, seiner Abstammung gemäß, zum Mitteldarm gerechnet wer- 
den und sei höchstens als vorderer Mitteldarm vom hinteren Mittel- 
darm zu unterscheiden. Ösophagus und Pharynx sind nach Eısıg’s 
Befunden als Derivate derselben Anlage auch nur Abschnitte des- 
selben Theiles und als Synonyme zu betrachten. 

So sehr mir nun auch die Theorie Eısıg’s einleuchtet, so habe 
ich doch nicht das Recht, darüber zu entscheiden; dies kann nur 
durch ein eingehendes Studium der Entwicklungsgeschichte vom Ei 
aus nachgewiesen werden. Es müsste sich alsdann zeigen lassen, 
dass die von Eısıe als »Ösophagoblasten« bezeichneten Zellgruppen, 
sich auch bei Oligochäten vorfinden, und dass aus ihnen der Pharynx 
hervorginge. 

Ich habe hierbei außer Acht gelassen, dass VEJDOVSKY für 
Rehynchelmis (einen Limicolen) nachzuweisen sucht, dass dort nicht 
nur der Ösophagus sondern auch der Pharynx aus dem Ektoderm 
stammt! und dass nur ein ganz kleiner Theil des Darmes — der 
Mund — aus dem Ektoderm hervorgeht. Hat sich dieser Forscher 
hierin nicht getäuscht, so dürfte die Definition Eısıe’s höchstens 
für die Terricolen ausschließlich Geltung haben; innerhalb der OZ- 
gochäten-Gruppe selbst wäre hingegen eine sehr merkwürdige Ver- 
schiedenheit der Entwicklung morphologisch und physiologisch gleich- 
werthiger Organe zu konstatiren. 


! Diesen Ergebnissen stehen die Befunde RouLE’s für Enchytraeoides marioni 
entgegen, wo sich der Darm im Ganzen so verhält, wie bei Allolobophora putris. 


359 R. Wolfg. Hoffmann, 


Larvale Exkretionsorgane. 


Der erste Nachweis einer exkretorischen Funktion des Embryo- 
nalkörpers der Obgochäten lässt sich schon für ein sehr frühes 
Entwicklungsstadium bringen. So fand VEIDOVSKY bereits bei aus 
zehn Blastomeren bestehenden Embryonalstadien drei gut ausgebildete 
pulsirende Exkretionszellen. Er deutet sie »als Furchungskugeln, 
die sehr frühzeitig ihre durch das Vorhandensein vielfach 
verschlungener Kanälchen und Vacuolen sich auszeich- 
nende exkretorische Funktion dokumentiren<«. In Bezug 
auf letztere verweise ich auf VEsDovskY’s eingehende Schilderungen. 
Wie dieser Forscher schon berichtet, hört die Thätigkeit der Exkre- 
tionszellen auch dann noch nicht auf, wenn dieselben bereits vom 
Ektoderm umwachsen sind und in der primären Furchungshöhle 
liegen. 

Ich habe nun der Art und Weise, wie die Exkretbildung inner- 
halb dieser Zellen von statten geht, meine Aufmerksamkeit geschenkt 
und kam zu der Überzeugung, dass der Kern hierbei eine hervor- 
ragende Rolle spielt. Betrachten wir Fig. 12, Taf. XXT (die noch 
zu einem anderen Zwecke dient), so sehen wir, wie sich in der Ex- 
kretionszelle, rings um den Kern, große Vaecuolen angesammelt haben, 
deren körniger Inhalt sich dunkel färbt. Die Peripherie des Kerns 
bildet keine geschlossene Kurve, wie bei gewöhnlichen Kernen, 
sondern ist an mehreren Stellen stark eingebuchtet. Das Innere ist 
ganz mit kleinen Tröpfchen erfüllt. Sehr merkwürdig sieht der 
Nucleolus aus. Während derselbe für gewöhnlich die Gestalt einer 
Kugel besitzt, ist er hier mit einer Anzahl Spitzen besetzt, die pseu- 
dopodienartig in die Kernsubstanz hineinragen. Die Anfüllung der 
Zelle mit Exkret ist in Fig. 12 noch lange nicht auf ihrem Höhe- 
punkt angelangt; vielmehr hat dieselbe erst begonnen. Wenn die 
Zelle die größte für sie noch fassbare Menge Exkret erzeugt hat, 
haben Kern und Zellleib die Gestalt sehr umfangreicher Blasen an- 
genommen, deren strukturloses Innere nur von wenigen mächtigen 
Vacuolen ausgefüllt ist. 

Fälle, wo die Sekretion und Exkretion unter Einwirkung von 
Zellkernen stattfindet, sind übrigens schon lange bekannt. Kor- 
SCHELT wies diese Thatsache z. B. für eine ganze Reihe von Drüsen- 
zellen nach; so für gewisse Follikelzellen bei Zanatra und Nepa, 
welche die sogenannten Strahlen. der Eier dieser. Formen zu liefern 
haben; sodann für die Drüsenzellen am Genitalapparat von Branchi- 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Oligochäten. 351 


pus, so wie die Spinndrüsen der Schmetterlingsraupen. Ich selbst 
habe einen ähnlichen Vorgang schon in meiner Arbeit über Zell- 
platten erwähnt und abgebildet. Ich fand nämlich, dass hier die 
vacuolisirten Zellen des Tentakelentoderms der HAydroiden ebenfalls 
durch Sekretausscheidungen entstehen, die zuerst rings um den 
Zellkern in Gestalt eines hellen Hofes auftreten. — 

Die erwähnten Exkretionszellen, die nach VEJDovsKY allen 
Lumbrieiden mit Ausnahme von Allolobophora foetida zukommen, 
sind wahrscheinlich nur als sekundäre Bildungen zu betrachten, die 
ihren Ursprung den veränderten äußeren Entwicklungsbedingungen, 
d.h. dem Übergang von einer freilebenden Larve zu einer solchen 
innerhalb des Eiweißes von Kokons, zu verdanken haben. Die kon- 
centrirtere Nährsubstanz mochte auch einen lebhafteren Stoffwechsel 
zur Folge haben; derart, dass schon vor dem Auftreten der lar- 
valen Urniere Exkretionsstoffe erzeugt und demgemäß Organe zur 
Ausscheidung derselben geschaffen werden mussten. War Anfangs 
die Exkretion als Nebenfunktion noch an alle Zellen gebunden, so 
speeifieirten sich später bestimmte Elemente hierfür, an die von nun 
an die sesammte ausscheidende Thätigkeit übertragen wurde. 

Was nun die larvale Urniere betrifft, so wurde dieselbe zuerst 
bei den Oligochüten von BERGH für Criodrelus nachgewiesen. Die- 
selbe besteht hier aus zwei röhrenförmigen Organen von derartiger 
Ausdehnung, dass man sie schon mit Lupenvergrößerung erkennen 
kann. »Sie verlaufen im Bogen vor der Mundregion bis etwa an die 
_ Mitte des Embryonalkörpers, wo sie ein Stück seitwärts des Keim- 
streifens endigen.« Die Urniere ist unverzweigt, etwas abgeplattet 
und liest stets zwischen Epidermis und Darmrohr eingebettet. Ein 
eisentliches Drüsenepithel giebt es nicht. Die Röhre besteht aus 
durchbohrten Zellen, deren Grenzen nicht zu erkennen sind. Hier und 


da lassen sich Kerne mit Kernkörperchen unterscheiden; besonders 


im vorderen Theil der Urniere sind die Kerne von sehr bedeutender 
Größe. Flimmerung konnte BERGH nur einmal bei einem ganz jungen 
Embryo von Kugelgestalt erkennen. Die Wimpern waren hier gegen 
das Wurmende gerichtet. Am Hinterende ließ sich zweifellos eine 
äußere Mündung des Organs nachweisen. Nahe an der Höhle des 
Mundsesmentes nach vorn endigte die Urniere in Gestalt eines 
Blindsackes, der sich durch keine Besonderheiten von der übrigen 
Röhre unterschied. 

Die Angaben Vespovsky’s betreffs der Urniere der Lumbriciden 
unterscheiden sich in manchen Punkten wesentlich von denjenigen 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Bd. 23 


52 R. Wolfg. Hoffmann, 


BErGH’s. Für ihn hat die Urniere einen inneren und einen äußeren 
Bestandtheil. Letzterer sind die Exkretionszellen; den inneren Theil 
hingegen bilden feine Kanälchen, die mit von hinten nach vorn 
schlagenden Wimpern besetzt sind. »Weil das Lumen sehr unbe- 
 deutend ist, so giebt sich das Vorhandensein der Wimpern als eine 
Welle kund.«e Nur bei Zumbdricus rubellus hat VEIDOVSKY »die 
vermeintliche innere Mündung« in Form einer Flamme konstatirt. 
Für Dendrobaena sowie für Allolobophora putris konnte VEJDOVSKY 
zwei Urnierenkanälchen feststellen. Jedes derselben verläuft von den 
Exkretionszellen auf der Rückenseite nach hinten, begiebt sich dann 
in das letzte Drittei der Körperlänge nach vorn und zur Bauchseite. 
Den weiteren Verlauf gelang es VEJIDoVskY nicht festzustellen. Was 
nun die Thätigkeit der larvalen Pronephridien betrifft, so stellt sich 
VEJDOVSKY dieselbe der Art vor, dass durch die Kanälchen in Folge 
der von hinten nach vorn gehenden Flimmerung, irgend welche 
flüssige Stoffwechselprodukte in die Exkretionszellen geschafft werden, 
welche letzteren ihrerseits noch Exkret hinzuliefern können. Von 
dort aus soll das Exkret durch einen winzig kleinen Porus in der 
Medianlinie der vorderen Rückenseite von den Exkretionszellen nach 
außen befördert werden. Dieser Exkretionsporus, den ich leider 
niemals sehen konnte, wurde später auch von BERGH’s Frau be- 
obachtet. — 

Meine Untersuchungen über die larvalen Pronephridien geben 
nun mit denjenigen keiner der beiden Forscher identische Resultate; 
indessen darf ich nicht unerwähnt lassen, dass die BERGH’schen Be- 
funde den meinigen doch noch am nächsten stehen. Die Urniere von 
Allolobophora putrıs ist nach meinen Untersuchungen paariger Na- 
tur, beginnt in der Kopfhöhle und zieht sich dann eine Strecke weit 
dorsal zwischen Ektoderm und Urdarm hin, um dann später ventral- 
wärts bis etwa !/, der Höhe des Embryos herabzusinken. Ungefähr 
in dieser Gegend mündet sie nach außen. Schildert VEJDOVSKY die 
Urniere als sehr feine Kanälchen, für deren Oberfläche sich sehr 
schwierig Zellen oder kernartige Gebilde nachweisen lassen, 
so war dasjenige Merkmal, was mir an der Urniere zuerst auffiel, 
serade die ungeheuer großen Kerne derselben, die etwa das Zehn- 
fache des Umfangs gewöhnlicher Kerne besitzen!. Im Ganzen be- 
obachtete ich vier bis fünf Kerne. Drei derselben traf ich stets an der- 
selben Stelle; sie scheinen also wohl fixirt zu sein. 


1 Auch für Criodrilus sind nach BERGH die Kerne im vorderen Theil der 
Urniere von sehr bedeutender Größe. 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Oligochäten. 353 


Zunächst einer, der größte, am Anfang der Urmiere Fig. 12, 
Taf. XXI, dann ein weiterer, kleinerer, Fig. 13, Taf. XXI und schließ- 
lieh noch einer ganz am Ende und nahe an der Ausmündung des 
Organs. Wie BERGH Tasse ich die Urnierenröhre als eine Reihe 
Zellen auf, zu welchen die erwähnten Kerne gehören und deren 
Plasmaleiber durchbohrt sind. Was nun die Behauptung VEJDoVskyY’s 
betrifft, dass die Urniere im Zusammenhang mit den Exkretions- 
zellen stehe, so zeigt ein Blick auf Fig. 12, Taf. XXI das Unzuläng- 
liehe derselben. Freilich liest die Urniere an einer Stelle dicht den 
Exkretionszellen an; die Röhre mündet jedoch keineswegs in dieselben 
ein, sondern erstreckt sich noch um ein gutes Stück weiter. Die 
Anfangsstelle der Urniere liegt in der Kopfhöhle, in die 
sie deutlich mit weiter Öffnung einmündet. Wir haben 
es also mit einer offenen Urniere zu thun. Das Endstück ist 
kolbig aufgetrieben und lagert fest angeschmiegt an der Darmwand, 
von der es sich durch seine hyaline Beschaffenheit deutlich und 
scharf abhebt, Fig. 11, Taf. XXI. Fig. 9, Taf. XX giebt ein Situations- 
bild des Endapparates. Der Urnierenkanal ist nun nicht etwa mit 
gleichmäßig vertheilten Wimpern besetzt, sondern besitzt typische, 
mächtige Flimmerlocken, deren größte aus dem kolbig verdickten 
Anfanssstück hervorgeht. Diese Flimmerlocke durchzieht 
einen sroßen Theil des Kanals. Je an den Partien der 
Röhre, wo die großen Kerne sitzen, scheinen mir andere 
Wimperbüschel zu entspringen, die sich gleichfalls nach 
rückwärts in das Kanallumen erstrecken. Letzteres scheint 
mir um so wahrscheinlicher zu sein, als sich sicher Wimpern vom 
Anfang bis zum Ende der Röhre erstrecken, die eine Flimmer- 
locke am Anfangsstück jedoch kaum den mamnigfaltig gebogenen 
Kanal wirkungsvoll in seiner ganzen relativ bedeutenden Aus- 
dehnung: mit ihren Elementen versorgen könnte. 

Den Ausführgang habe ich nur zweimal beobachtet; derselbe 
war jedoch jedes Mal so ungünstig im Schnitt getroffen, dass ich nur 
ein Kombinationsbild davon geben könnte. Ich unterlasse dies um so 
eher, als schon BERGH eine gute Zeichnung des Ausführganges giebt. 
Nur möchte ich bemerken, dass an jener Stelle bei Allolobophora 
putris die Elemente des Ektoderms gegenüber den Nachbarzellen 
bedeutend umfangreicher sind. Der Kanal mündet also in einem 
 diehten Zellpolster nach außen. Ganz nahe an der Mündungsstelle 
befindet sich, wie ich oben schon erwähnt habe, ein umfangreicher 
Kerm, der der Urniere angehört. Von hier aus erstreckt sich die 


23* 


394 R. Wolfg. Hoffmann, 


letzte Flimmerlocke in das Lumen. Sie reicht bis zur Öffnung, wo 
noch einige Wimpern nach außen schlagen können. Dass man den 
Ausführgang der Urniere so selten erblickt, beruht wahrscheinlich, 
wie schon BERGH angiebt, auf den Kontraktionen, die der Embryo 
während der Konservirung erleidet. 

Was die Funktion der Urmiere anbelangt, so scheint sie zunächst 
als Leitungsröhre zu dienen, welche die Aufgabe hat, die in der 
Kopfhöhle angesammelten Stoffwechselprodukte aus dem Körper zu 
schaffen. Dass hierbei natürlich keine von hinten nach vorn gehende 
Flimmerung vorhanden sein kann, wie VEJDOoVskY behauptet, liegt 
wohl auf der Hand. Übrigens hat ja schon BER6GH, wie ich oben 
bereits erwähnt habe, freilich nur an einem lebenden Embryo, eine 
von vorn nach hinten gehende Flimmerung beobachtet. Auch der 
Urnierenkanal scheint Exkrete abzusondern; wenigstens findet man 
an vielen Stellen die sonst hyaline Wand mit dunkel sich färbenden 
Exkrettröpfehen imprägnirt. 

Dass BERSH nicht die Wimperflamme nachweisen konnte, die 
doch aller Wahrscheinlichkeit nach auch bei Criodrilus vorhanden 
sein dürfte, scheint mir lediglich an der Konservirung zu liegen, 
sonst wäre sie einem so exakten Beobachter nicht entgangen. VEJ- 
Dovsky hingegen konnte sie wohl desshalb nicht sehen, weil er seine 
Untersuchungen nur an lebendem Material (vielleicht auch an Total- 
präparaten; vornahm. Seine Bilder lassen demgemäß auch von der 
Urniere im optischen Schnitt kaum mehr als zwei feine parallele 
Striche erkennen. 

Hinsichtlich der Beziehungen zwischen der Urniere der Ahru- 
dineen und derjenigen der Oligochäten steht es bei mir fest, dass 
beide auf die Kopfniere der Polychäten zurückzuführen sind. In- 
dessen halte ich eine Homologisirung einzelner Theile der Urniere 
beider Annelidengruppen für mehr als problematisch, da zweifellos 
das Organ der Zirudineen sehr wenig ursprüngliche Merkmale mehr 
besitzt. Ich sehe desshalb von einem Vergleich mit den morpholo- 
gischen Verhältnissen der Herudineen-Urniere ab und verweise hier- 
für auf die beiden am Schluss eitirten Arbeiten von BERGH. 


! Bei Z. rubellus scheint VEJDoVSKY die obere Wimperflamme beobachtet 
zu haben. Ich eitire hier noch einmal die bezügliche Stelle, aus der dies her- 
vorgeht: »Nur bei Lumbricus rubellus habe ich die vermeintliche innere Mün- 


dung in Form einer Flamme konstatirt.< Aus der Abbildung lässt sich leider 
wenig sehen. 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Oligochäten. 355 

Wenn ich mir am Schluss noch erlaube zwei Bilder von Hirudineen- 
nephridien nach MOORE zu geben, so will ich natürlich hiermit nicht die 
Oligochäten-Urniere homologisiren. Indessen scheinen mir die morphologi- 
schen Verhältnisse beider Organe so viel Übereinstimmendes zu haben, dass man 


gewiss auch mit einigem Recht auf eine funktionelle Ähnlichkeit derselben 
sehließen darf. 


Ähnlich wie bei der Urniere von Allolobophora putris haben wir es auch 
hier mit einem feinen hyalinen Kanal zu thun, der am vorderen Ende mit der 
Leibeshöhle kommuniecirt (bei der Urniere von Allolobophora putris ist es natür- 
lich die primäre Furchungshöhle). Ferner besitzt das Organ ebenfalls eine kol- 
bige Anschwellung am Vordertheil, von welcher eine umfangreiche Flimmerlocke 
ausgeht. Eben so entspringt je in der Gegend eines Kernes ein Flimmerbüschel, 
das sich nach rückwärts in das Lumen des Kanals erstreckt. 


Neapel, am 27. Februar 1899. 


Litteraturverzeichnis, 


1. R.S. Ber6u, »Über die Metamorphose von Nephelis.« Diese Zeitschr. 

Bd. XLI. 1885. 

- »Die Metamorphose von Aulostoma gulo.« Arbeiten aus dem zool. Inst. 

in Würzburg. Bd. VII. 1885. 

3. —— Zur Bildungsgeschichte der Exkretionsorgane von (riodrilus.< Arbei- 
ten aus dem zool.-zoot. Inst. in Würzburg. Bd. VIII. 1888. 


ED. CLAPAREDE, »Histologische Untersuchungen über den Regenwurm.<« 
Leipzig 1869. 


356 


20. 


21. 


R. Wolfg. Hoffmann, 


Huco Eısig, »Zur Entwicklungsgeschichte der Capitelliden.< Mitth. aus der 
Zool. Station zu Neapel. Bd. XIII. 1. u. 2. Heft. 1898. 

H. Haase, »Über Regenerationsvorgänge bei Tubifex rivulorum.« Diese 
Zeitschr. Bd. LXV. 2. Heft. 

B. HATSCHER, »Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden.< Arb. 
aus dem zool. Inst. der Univ. Wien. 3. Heft. 1878. 

F. Hsp&£, »Über histo- und organogenetische Vorgänge bei den Regene- 
rationsprocessen der Naiden.< Diese Zeitschr. Bd. LXIII. 1897. 

K. HESCHELER, »Über Regenerationsvorgänge bei Zumbriciden.< 1.u.2. Theil. 
Jen. Zeitschr. für die ges. Naturwissensch. Bd. XXX. 1896 u. 1898. 

NIK. KLEINENBERG, »The Development of the Earthworm.« Quarterly Journ. 
Mier. Se. Bd. XIX. 1879. 

E. KORSCHELT, »Beiträge zur Morphologie und Physiologie des Zellkerns.< 
Zool. Jahrb. Bd. IV. 1889. 

—— »Über Regenerationsvermögen der Regenwürmer.< Sitzungsber. der 

Gesellsch. zur Bef. der ges. Naturw. Marburg 1897. 

Ȇber Regenerations- und Transplantationsversuche an Zumbrieiden.< 

Verhandl. der deutschen zool. Gesellschaft auf der 8. Jahresvers. 

Leipzig 1898. 

MOORE, »On the structure of the discodrilid Nephridium.«< Journ. of Morph. 
Vol. XIII. May 1897. No. 3. 

K. PETER, »Das Centrum für die Flimmer- und Geißelbewegung.< Anat. 
Anz. Bd. XV. 25. Jan. 1899. 

H. RıeveEL, »Die Regeneration des Vorderdarmes und Enddarmes bei eini- 
gen Anneliden.< Diese Zeitschr. Bd. LXII. 1896. 

Lovis ROULE, Etudes sur le developpement des Annelides.< Ann. Se. Nat. 
Z0012 IE SVIM21883: 

FR. VEJDOVSKY, »Entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen.< Prag 1888 
—1892. 

EpmunD B. Wınson, »The Embryologie of the Earthworm.< Journ. of 
Morph. Vol. III. Dec. 1889. 

F. v. WAGNER, »Einige Bemerkungen über das Verhältnis von Ontogenie 
und Regeneration.< Biol. Centralbl. Bd. XIII. 1873. 

—— »Zwei Worte zur Kenntnis der Regeneration des Vorderdarmes bei 
Lumbrieulus.< Zool. Anz. Bd. XX. 1897. 


Erklärung der Abbildungen. 


Sämmtliche Zeichnungen sind mit dem AppE’schen Zeichenapparat von 


Zeıss auf der Höhe des Objekttisches entworfen. Gebraucht wurden ausschließ- 


lich apochromatische Systeme. 

Zeichenerklärung: 
B, Blastoporus; En, Entoderm; . 
Bas, Basalknötchen; Endd, Enddarm; 
Brst, Borsten; Ex, Exkretionszelle; 


ER, 


Ektoderm; Eıxk, Exkretionszellkern; 


Beiträge zur Entwieklungsgeschichte der Oligochäten. 35 


—I 


FI, Flimmerzelle; Ur, Urnierenkanal; 

K, und Ks, erster und zweiter Kern U.M, Urmesodermzelle; 
des Urnierenkanals ; Ur, Urniere; 

M, Mesoderm; V, Exkretvacuole; 

Pr, Proctodäum; W, Wimperflamme; 

St, Stomodäum; Wp, Wimpern. 


Tr, Triehter der Urniere; 


Tafel XX. 


Fig. 1. Gastrula. Totalpräparat. Comp. Oc. 4, Obj. 8 mm Brw. 

Fig. 2. Sagittalschnitt durch eine Gastrula. Comp. Oc. 4, Hom. Imm. 
2 mm Brw. 

Fig. 3. Sagittalschnitt durch einen jungen Embryo. Die Bildung des 
Stomodäums hat begonnen. Die Exkretionszellen sind vom Entoderm über- 
wuchert. Comp. Oc. 12, Obj. 8 mm Brw. 

Fig. 4. Sagittalschnitt. Älterer Embryo. Das Stomodäum hat sich zu 
einem langen hyalinen Rohr ausgebildet. Die ersten Segmente sind angelegt. 
Comp. Oe. 6, Obj. 8 mm Brw. 

Fig. 5. Schiefer Schnitt durch das Hiinferendd eines älteren Embryo. Be- 
sinnende Proctodäaleinstülpung. Comp. Oc. 4, Obj. 8 mm Brw. 

Fig. 6. Frontalschnitt durch das Ende eines Embryos. Die Procto- 
däaleinstülpung ist bis zum dritten Segment fortgeschritten. Es ist noch nichts 
von einer Verschmelzung derselben mit dem entodermalen Mitteldarm zu sehen. 
Comp. Oe. 4, Obj. 8 Brw. 

Fig. 7. Frontalschnitt durch das Hinterende eines älteren Embryos. Die 
Proetodäumeinstülpung reicht bis zum vierten Segment. Die Proctodäumwand 
und die Mitteldarmwand haben sich an ihrer Berührungsstelle merklich ver- 
dünnt. Zwischen beiden hat sich ein Lymphraum ausgebildet. Comp. Oe. S, 
Obj. 16 mm Brw. 

Fig. 8. Frontalschnitt durch das Hinterende eines älteren Embryos. Der 
Durchbruch des Proctodäums ist erfolgt. Dasselbe hat sich noch über zwei 
weitere Segmente erstreckt; es reicht also jetzt bis zum sechsten Segment. 
Die Stelle, wo der Mitteldarm anfängt, lässt sich noch deutlich erkennen. 
Comp. Oe. 4, Obj. 8 mm Brw. « 

Fig. 9. Sagittalschnitt durch einen alten Embryo. Situationsbild zur 
Demonstration der Urnierenmündung. Comp. Oc. 8, Obj. 16 mm Brw. 


Tafel XXI. 


Fig. 10. Wimperzelle der Flimmerrinne. Eintritt der Wimpern in den 
Zellleib. Comp. Oc. 12, hom. Imm. 2 mm Brw. 

Fig. 11. Sagittalschnitt. Endapparat der Urniere. Comp. Oc. S, hom. Imm. 
2 mm Brw. 

Fig. 12. Stück des Urnierenkanals mit dem ersten Kern. Ex, Exkre- 
tionszelle mit Exkretvacuolen. Der Kern ersterer charakteristisch verändert. 
Comp. Oec. 8, hom. Imm. 2 mm Brw. 

Fig. 13. Stück des Urnierenkanals mit dem zweiten Kern. Comp. Oe. S, 
hom. Imm. 2 mm Brw. 


Zur Frage über den Bau der Herbst’schen Körperchen 
und die Methylenblaufixirung nach Bethe. 
Von 
Professor Dr. A. 8. Dogiel 


St. Petersburg. 


Mit Tafel XXII und XXI. 


Bereits im Jahre 1891 habe ich! zuerst die von mir modifieirte 
Methode EHrLIcH’s zur Untersuchung der Nervenendigungen in den 
GrAaNDRY’schen und HERBST’schen Körperchen angewandt, wobei ich 
in Bezug auf die letzteren in der Lage war, die Beobachtungen von 
MERKEL, RETZIUS und anderen Autoren zu bestätigen und zu ver- 
vollständigen. Unter Anderem hatte ich die Beobachtung gemacht, 
dass der Achsencylinder nach seinem Eintritt in den Innenkolben 
zuweilen in zwei bis drei Ästchen zerfällt, die mit Anschwellungen 
endigen, oder aber, dass vom Achsencylinder in der Nähe der End- 
anschwellung sich ein dünner Seitenast abzweigt, der alsdann in ein 
Knöpfehen übergeht. Was die Endanschwellung selber betrifft, so 
besteht dieselbe aus einem Bündel feinster, kurzer, zuweilen gewun- 
dener, durch eine körnige interfibrilläre Substanz verbundener Fädchen, 
welche dem Knöpfchen die charakteristische Form verleiht. 

Nach meiner Arbeit erschienen die Abhandlungen von GEBERG? 
und SZYMONOWICZ>, in denen vorwiegend die Beziehungen der Nerven 
zu den GrAanDrY’schen Körperchen behandelt werden, während über 
die Hergst’schen Körperchen nur sehr Weniges mitgetheilt wird. 

GEBERG weist nur auf die Vertheilung der genannten Körperchen 


! Die Nervenendigungen in Tastkörperchen. Archiv für Anat. und Phys. 
Anat. Abth. 1891. 

2 Über die Innervation der Gaumenhaut bei Schwimmvögeln. Internat. 
Monatschr. für Anat. und Phys. Bd. X. 1893. 

3 Über den Bau und die Entwicklung der Nervenendigungen im Enten- 
schnabel. Archiv für mikr. Anat. Bd. XLVIII. 1897. 


Zur Frage über den Bau der Herbst’schen Körperchen etc. 359 


in der Gaumenhaut der Schwimmvögel hin; über ihren Bau berichtet 
er nur, dass sie darin den PAcıntschen Körperchen am nächsten 
stehen. 

SZYMONOWICZ giebt in seiner Arbeit eine ausführlichere Beschrei- 
bung der Herest’schen Körperchen, im Wesentlichen jedoch fügt er, 
Senau genommen, nichts Neues hinzu zu dem, was bereits früher 
über dieselben bekannt war. Nach seinen Beobachtungen wird der im 
inneren Kolben gelegene Achsencylinder von einer besonderen, voll- 
ständig homogenen, plasmatischen Schicht umgeben — er liegt in 
ihr wie der Finger im Handschuhe. Längs dem Rande der ge- 
nannten Schicht, links und rechts, ist eine Reihe von sechs bis acht 
Zellen gelagert, die aus einer dünnen Lage Protoplasma und einem 
verhältnismäßig großen, sehr chromatinarmen Kern bestehen. Die 
Plasmaschicht hält SzymonowiIcz für eine Substanz, die zur Ver- 
bindung der Tastzellen, resp. der Zellen des inneren Kolbens mit 
dem Achseneylinder dient (eine Art Kittsubstanz), wobei die zwei 
Reihen von Zellen, die um den Achsencylinder gelagert sind, nach 
seiner Meinung dieselbe Rolle erfüllen, wie die Zellen in den MERKEL- 
schen Körperchen. 

Das Angeführte ist Alles, was wir im Wesentlichen von den 
HerBsT’schen Körperchen in den Arbeiten von SZYMoxowIcz finden. 


Als ich jetzt von Neuem die genannten Körperchen bei den 
Sehwimmvögeln untersuchte, fie mir in ihnen eine dermaßen eigen- 
thümliche Endigungsweise der Nerven auf, dass die längst feststehende 
Ansicht über den Bau dieser Körperchen, wie es mir däucht, durchaus 
umgeändert werden muss. 

Bevor ich jedoch die von mir gefundenen Resultate mittheile, 
‚halte ich es für nothwendig, die Methoden der Färbung und Fixirung 
der Präparate zu berühren, da die Möglichkeit, die Beziehung der 
Nerven zu den zu beschreibenden Körperchen klar zu legen, eng mit 
ihnen verbunden ist. Zu meinen Untersuchungen bediente ich mich 
der Gaumenhaut der Hausente und der Gans. 

Die Färbung der Nerven erfolgt in einer !/,—!/s '/„igen Lösung 
von Methylenblau in physiologischer Kochsalzlösung in folgender 
Weise. Mit Hilfe eines scharfen Rasirmessers wurden möglichst 
dünne Schnitte aus Stücken der Gaumenhaut angefertigt, die zu 
diesem Zweck in Holundermark eingeschlossen wurden. Darauf 
wurden die Schnitte auf einen breiten Objektträger übertragen, dessen 
Oberfläche vorher mit einigen Tropfen Methylenblaulösung in der 


360 A. S. Dogiel, 


oben genannten Koncentration befeuchtet worden war. Auf einem 
Objektträger plaeirte ich gewönlich 15—20 Quer- und Flachschnitte: 
die letzteren wurden dermaßen angefertigt, dass ein Theil der Gaumen- 
haut über die Kuppe des Fingers gespannt und alsdann von der 
- Epithelseite mit dem Rasirmesser dünne Scheiben abgeschnitten 
wurden. Die Schnitte dürfen nicht in der Methylenblaulösung 
schwimmen, sondern von ihr nur leicht benetzt sein. Die Objekt- 
träger mit den Schnitten wurden mit einem Uhrschälchen bedeckt 
und in einen Thermostaten bei einer Temperatur von 34,5—36,0°C. 
aufgestellt. Nach 5—10 Minuten wurden die Schnitte bei schwacher 
Vergrößerung durchmustert, wobei die angeführte Zeit gewöhnlich 
vollkommen für eine recht gute und vollständige Färbung der Ner- 
ven in den Schnitten genügte. 

Wenn das Verweilen der Schnitte im Thermostaten für die Dauer 
von 5—10 Minuten sich nicht als genügend erwies und die Ner- 
ven schwach gefärbt oder vollkommen ungefärbt geblieben waren, 
so wurden auf dem Objektträger ein bis zwei Tropfen Methylenblau- 
lösung hinzugefüst und derselbe wiederum für einige Minuten in 
den Thermostaten gebracht, worauf das Präparat wieder unter dem 
Mikroskop durchmustert wurde. Wenn jedoch im Präparat nach 
Verlauf von 5—20 Minuten eine genügende Färbung der Nerven 
erfolgt, so ist in der Mehrzahl der Fälle nichts mehr von ihm 
zu erwarten, da wir nach weiterer Einwirkung der Farblösung nur 
eine Färbung elastischer Fasern, Bündel von Bindegewebsfibrillen 
u. dergl. hervorrufen. So viel ich beobachten konnte, können wir 
in der Mehrzahl der Fälle bei Anwendung der oben beschriebenen 
Färbemethode fast sicher darauf rechnen eine vollkommene Färbung 
der Nerven zu erhalten. Szymoxnowıcz wandte ebenfalls die zu- 
erst von mir! vorgeschlagene und beschriebene Methode der Nerven- 
färbung an; er unterwarf jedoch seine Präparate einer langdauern- 
den Einwirkung (von 3/, bis 1 Stunde) der Methylenblaulösung, was 
man nicht thun darf, sobald man eine gute und reine Färbung 
erhalten will. | 

Die zweite Methode, die ich Zwecks einer Nervenfärbung an- 
wandte, bestand darin, dass durch das Herz des Thieres eine !/, bis 
!/,%/nige Methylenblaulösung (nach vorhergehender Erwärmung bis 
auf 37—38° C.) in die Blutgefäße der vorderen Körperhälfte injieirt 
wurde. Nach Verlauf von 20—30 Minuten wurde die Gaumenhaut 


1a: 


Zur Frage über den Bau der Herbst’schen Körperchen ete. 361 


abgelöst und von ihr Schnitte angefertigt, die auf einem mit einer 
1/, —!/5s/igen Methylenblaulösung befeuchteten Objektträger ausge- 
breitet und im Thermostaten nach dem oben angegebenen Verfahren 
zu Ende geführt wurden. 

Bei Anwendung des eben beschriebenen Verfahrens erhielt ich 
sewöhnlich eine weit vollkommenere Nervenfärbung als im ersten 
Fall. 

Die gefärbten Präparate fixirte ich auf zweierlei Weise: mit 
pikrinsaurem Ammonium und nach der Methode von BETHE. 

Im ersten Fall wurden die Schnitte in eine gesättigte Lösung 
von pikrinsaurem Ammonium für '/ bis 1 Stunde übertragen, wor- 
auf sie in Glycerin, das mit dem gleichen Volumen pikrinsauren 
Ammoniums versetzt war, eingeschlossen wurden. 

Im zweiten Fall verfuhr ich folgendermaßen: ich setzte eine 
5—10°/,ige Lösung von molybdänsaurem Ammonium an und über- 
trug die Schnitte auf 12—18 Stunden in dieselbe, ohne sie abzu- 
kühlen, oder ihr Wasserstoffsuperoxyd oder Salzsäure 
zuzufügen. Nach genannter Zeit wurden die Schnitte während 
1, bis 1 Stunde in destillirtem Wasser ausgewaschen, alsdann in 
absolutem Alkohol entwässert und nach einander in Bergamottöl und 
Xylol aufgehellt und endlich in Dammar-Xylol eingeschlossen. In 
den auf diese Weise fixirten Präparaten blieb die Färbung der Ner- 
ven eben so gut erhalten wie auf Präparaten, die durch die BETHE- 
‚sche Mischung: fixirt waren. Bei Kontrollversuchen mit Fixirungen 
nach der von mir vereinfachten Fixirungsmethode und nach der 
reinen BETHE’schen Methode, habe ich außerdem die Beobachtung 
semacht, dass in den Präparaten, welche nach letzterer Methode 
bearbeitet worden waren, die Zellen der Granpry’schen Körperchen 
stark geschrumpft erschienen und sich sowohl von der Kapsel, als 
auch von einander abgelöst hatten. — Die Zwischenräume zwischen 
den Zellen hatten oft das Aussehen breiter Spalten. Eben so ge- 
schrumpft erscheinen die Hergsr’schen Körperchen, während auf 
den nach dem vereinfachten Verfahren fixirten Präparaten die ge- 
nannten Veränderungen nur in seltenen Fällen und auch dann im 
bedeutend geringerem Grade beobachtet werden konnten. In der Folge 
habe ich bei Färbungen von sympathischen und spinalen Ganglien 
der Nerven im Eierstock und anderen Organen mit Methylenblau 
und bei Fixirung der Präparate nach dem reinen BErHE’schen Ver- 
fahren stets Dasselbe beobachtet: nämlich eine recht starke Schrum- 
pfung der sympathischen und spinalen Nervenzellen, der Eifollikel u. A. 


62 A. S. Dosgiel, 


Eine derartige unerwünschte Wirkung des BETHE’schen Gemisches 
auf die Zellen, wie überhaupt auf die Elemente der verschiedenen 
Gewebe, erkläre ich mir durch die stark sauere Reaktion des Ge- 
misches, in Folge deren wahrscheinlich eine Quellung des Zellplas- 
mas und der leimgebenden Faserbündel ete. stattfindet; die unter 
der Einwirkung des Gemisches gequollenen Elemente schrumpfen 
nachträglich bei Einwirkung von Alkohol. Die reine Lösung von 
molybdänsaurem Ammonium ohne Beimischung von Säuren hat eine 
schwach saure, fast neutrale Reaktion, in Folge dessen sie auch 
nicht die Wirkung ausübt wie das Gemisch von BETHE. Die Bei- 
mischung von Salzsäure zur Lösung des molybdänsauren 
Ammoniums erscheint daher nicht nur überflüssig, son- 
dern direkt schädlich. Als unnöthig erweist sich gleich- 
falls die Beimischung von Wasserstoffsuperoxyd und die 
Abkühlung der Lösung des molybdänsauren Ammoniums 
während der ganzen Zeit des Verweilens der Präparate 
in ihr. | 

BETHE hält die Beimischung der Säure zu allen, von ihm so- 
sowohl in seiner ersten! als auch in den folgenden Abhandlungen 
zur Fixirung vorgeschlagenen Gemischen für durchaus erforderlich 
und nur in dem zur Fixirung des Methylenblaus bei Wirbellosen 
empfohlenen Recept wird nichts von der Säure erwähnt. 

SZYMONoWIez versuchte häufig die Präparate aus der Schnabel- 
haut der Schwimmvögel direkt in einer 10°/,igen Lösung von molyb- 
dänsaurem Ammonium zu fixiren und erzielte damit gute Resultate. 
Ich persönlich, sowie alle in meinem Laboratorium Arbeitenden wen- 
den das von mir beschriebene Verfahren der Fixirung an verschie- 
denen Organen und Geweben der Wirbelthiere bereits länger als 
seit einem Jahre an, wobei sich das Verfahren einfacher und besser 
als die übrigen erweist. 

Was die niedrige Temperatur + 2 und — 2°C.) des Fixirungs- 
semisches anbetrifft, so halten, so weit mir bekannt, sowohl BETHE 
selber als auch alle Autoren, die sein Verfahren angewandt haben, 
sie für eine durchaus nothwendige Bedingung, für eine erfolgreiche 
Fixation des Methylenblaus. Späterhin erst räth BETHE, geleitet vom 
Wunsche die großen Unbequemlichkeiten zu beseitigen, die mit der 
Abkühlung des Gemisches verbunden sind, die gefärbten Präparate 


! Angaben über ein neues Verfahren der Methylenblaufixation. Archiv 


für mikr. Anat. Bd. XLIV. 1895. — Eine neue Methode der Methylenblau- 
fixation. Anat. Anz. XII. 1896. 


Zur Frage über den Bau der Herbst’schen Körperchen ete. 363 


vorher in einer Lösung von pikrinsaurem Ammonium (während 10 bis 
15 Minuten) zu fixiren, und sie darauf in sein Gemisch, ohne das- 
selbe abzukühlen, zu übertragen. Meine Beobachtungen zeigen, 
dass die Abkühlung der Lösung des molybdänsauren Am- 
moniums keine Rolle bei der Fixirung des Methylenblaus 
spielt und als eine vollkommen überflüssige und viele 
Unbequemlichkeiten bereitende (namentlich im Sommer) 
Manipulation vollständig fallen gelassen werden muss. 
Die Temperatur der Lösung des molybdänsauren Ammoniums, in der 
ich meine Präparate fixirte, betrug gewöhnlich + 17, 18 und 19° C. 

Um mich endgültig davon zu überzeugen, ob die Färbung der 
Nerven sich verändert, falls die Fixirung in einer Lösung von molyb- 
dänsaurem Ammonium, deren Temperatur —+ 2 übersteigt, vorgenom- 
men wird, unternahm ich eine Reihe folgender Versuche: 

In je zwei Gefäße &oss ich eine 5°/,ige und eine 10°/,ige Lösung 
von molybdänsaurem Ammonium (ohne Wasserstoffsuperoxyd und 
ohne Salzsäure) und legte in dieselben Schnitte von der Schnabel- 
haut einer Ente oder Gans ein, nachdem ich mich vorher überzeugt 
hatte, dass in denselben die Nerven in genügendem Maße gefärbt 
waren. Je ein Glas mit einer 5°/,igen und einer 10°/,igen Lösung 
des molybdänsauren Ammoniums ließ ich bei gewöhnlicher Zimmer- 
temperatur stehen, die beiden anderen Gläser stellte ich in den 
Thermostaten. Nach 12—18 Stunden bestimmte ich zunächst die 
- Temperatur der Flüssigkeit in den ersten zwei Gläsern — sie schwankte, 
“wie bereits oben angeführt wurde, zwischen + 17, 18 und 19°C. Dar- 
auf bestimmte ich die Temperatur der Lösung in den Gläsern, wel- 
che in den Thermostat gestellt waren; sie betrug in ihnen im Mittel 
—- 32—38—40°C. Bei Durchmusterung der aus den Gläsern der ersten 
und zweiten Kategorie entnommenen Präparate unter dem Mikroskop, 
habe ich die Beobachtung gemacht, dass die Nerven sowohl in den 
einen, wie in den anderen Präparaten ihre ursprüngliche Färbung 
vollkommen erhalten hatten. Diese mehrfach wiederholten Versuche 
zeigen aufs deutlichste, dass die Temperatur wenigstens in der Breite 
von 17—38—40° C. keine besondere schädliche Einwirkung auf die 
Färbung der Nerven ausübt, sogar in dem Falle, dass die Präparate 
bei dieser Temperatur im Verlauf von 12—18 Stunden verbleiben. 

Zu dem Gesagten muss ich endlich noch Folgendes bemerken: 
Ich war oft in der Lage die in der Lösung von molybdänsaurem 
Ammonium fixirten Präparate in Celloidin einzuschließen; in diesen 
Fällen wurden die Präparate für Y/, bis 1 Stunde je nach der 


364 A. S. Dogiel, 


Größe derselben in absoluten Alkohol übertragen, alsdann auf unge- 
fähr dieselbe Zeitdauer in Celloidin, worauf sie auf Kork aufgeklebt 
und zur Erhärtung des Celloidins schließlich in 70°%/,igen Alkohol 
eingelegt wurden. Damit ein längerer Aufenthalt der Präparate im 
70°/,igen Alkohol keinen schädigenden Einfluss auf die Färbung der 
Nerven ausübe und keine Entfärbung herbeiführe, musste man sich 
mit der Anfertigung der Schnitte beeilen. Sobald jedoch, sei es aus 
Mangel an Zeit oder aus anderen Gründen, es nicht gelang die 
Schnitte zur rechten Zeit anzufertigen und die Präparate 12 oder 
24 Stunden in dem 70°/,igen Alkohol verblieben, so erwiesen sich 
zu dieser Zeit die Nerven bereits stark oder sogar ganz entfärbt. In 
letzter Zeit ist es mir gelungen auch diese Unbequemlichkeit zu ver- 
meiden, indem die in Celloidin eingeschlossenen Präparate nach Er- 
härtung des ersteren in 70°/,igem Alkohol in Wasser übertragen 
wurden, worin sie ohne jegliche Gefahr für die Färbung der Nerven 
24, 48 Stunden und länger verbleiben können. Nach Verlauf dieser 
Zeit wurden die Präparate auf dem Mikrotom zerlegt, wobei gewöhn- 
lich die Nerven dieselbe Färbung behalten hatten, die sie vor ihrer 
Übertragung in die Lösung des molybdänsauren Ammoniums hatten. 

Die nach dem von mir modificirten Verfahren von BETHE fixirten 
Sehnitte wurden bisweilen in Alaunkarmin gefärbt. 

Das sind die Methoden der Färbung und Fixation der Präparate, 
die von mir im gegebenen Fall für die Schnabelhaut der Schwimm- 
vögel angewandt worden sind, sowie auch für verschiedene andere 
Organe angewendet werden. 


An den, nach dem angegebenen Verfahren gefärbten und fixirten 
Präparaten war es möglich einerseits den Oharakter der Zellen klarzu- 
stellen, welche der Oberfläche der Kapseln in den HerBsT’schen 
Körperchen anliegen, andererseits die Nervenendigungen im inneren 
Kolben genauer zu studiren. Seit längerer Zeit ist es bekannt und 
von verschiedenen Autoren (W. KrAusE, G. RETzıus u. A.) beschrie- 
ben worden, dass die Hülle der Körperchen aus einem System 
äußerer Kapseln besteht, die allmählich und unbemerkbar in das 
System der inneren Kapseln übergeht, wobei der Oberfläche der 
einen wie der anderen, Kerne, von geringer Menge Protoplasma um- 
geben, anliegen. In der Litteratur habe ich nun keine Hinweise 
darauf gefunden, ob die genannten Zellen zu den Pflasterepithelzellen 
(Endothelzellen), wie sie sich in den Pacrmr’schen Körperchen finden, 
oder zu einer anderen Art Zellen gehören. 


Zur Frage über den Bau der Herbst’schen Körperchen ete. 365 


Bei Behandlung der Schnitte aus der Schnabelhaut mit Methylen- 
blau im Verlauf einer längeren Zeit (20—30 Minuten), als es zur 
Nervenfärbung erforderlich ist, gelingt es die genannten Zellen zu 
färben und damit ihre Zugehörigkeit sowie ihre Beziehungen zu den 
Kapseln zu bestimmen. 

Auf Quer- und Längsschnitten durch die Körperchen, sowie auch 
auf Körperchen, die in toto geblieben (unzerschnitten) sind, erscheint 
es zur Evidenz, dass alle Zellen, die der Oberfläche der Kapseln an- 
liegen, als Bindegewebszellen angesehen werden müssen. Der Körper 
einer jeden Zelle hat gewöhnlich das Aussehen eines dünnen eckigen 
Plättehens (Figg. 1, 2 und 3 D), in welchem bald im Centrum, bald 
näher zum Rande hin ein recht großer, runder oder ovaler Kern ge- 
lesen ist. In der Mehrzahl der Fälle färbt sich der Kern mit Methylen- 
blau intensiver als das Plasma der Zelle, bisweilen jedoch wird auch 
das Umgekehrte beobachtet. Von den Ecken des Körpers genannter 
Zellen entspringen viele (von vier bis acht) membranöse Fortsätze, die 
unter allmählicher Theilung in eine bedeutende Anzahl äußerst dün- 
ner, stellenweise rosenkranzförmig verdickter Ästchen zerfallen (Fige. 1, 
2 und 3). Die Länge der Fortsätze ist verschieden: einige von ihnen 
erscheinen kurz, andere dagegen haben das Aussehen äußerst dünner 
und varieöser Fäden, in Folge dessen sie in einem gewissen Grade 
an die Endverzweigungen von Dendriten der Nervenzellen erinnern. 
Der Körper der Zelle liegt der Kapseloberfläche dicht an, ihre Fort- 
sätze verlaufen jedoch in verschiedenen Richtungen: die einen ziehen 
längs der Oberfläche einer zugehörigen Kapsel, andere dringen wahr- 
scheinlich zwischen die Bündel der Bindegewebsfasern der Kapseln 
und begeben sich nach außen, wieder andere durchziehen den kapil- 
laren Raum zwischen den einzelnen Kapseln und bilden eine Art von 
Brücken. Die dünnen Verzweisungen der Zellfortsätze, die auf den 
Oberflächen aller, die Hülle eines Körpers bildenden Kapseln ge- 
legen sind, anastomosiren mit einander und bilden ein mehr oder 
weniger dichtes Netz. Eine derartige Beziehung der Zellen zu den 
Kapseln und zu einander tritt sowohl auf Schnitten durch die Körper- 
chen, als auch auf den in toto gebliebenen (wie dieses häufiger auf 
lesen Schnitten der Fall ist) hervor. 

Die Körper der mit Fortsätzen versehenen Zellen erscheinen 
natürlich in größerem oder geringerem Grade gebogen, in Folge der 
koncentrischen Anordnung der Kapseln selber, wobei die vom Körper 
einer jeden Zelle gebildete Wölbung um so größer sein wird, je näher 
dieselbe zum inneren Kolben gelegen ist. Die an der Oberfläche der 


366 A. S. Dogiel. 


am meisten nach innen zu gelegenen und den Innenkolben begrenzen- 
den Kapseln gelegenen Zellen erscheinen rinnenförmig gebogen, wobei 
ihre sich an der Oberfläche der Kapsel selber verästelnden Fortsätze 
häufig mehrere Male den inneren Kolben umkreisen (Fig. 1 B). Bis- 
weilen vereinigen sich mehrere Zellen, welche der Oberfläche der 
am meisten nach innen zu gelegenen Kapseln anliegen, mit ihren 
Fortsätzen und bilden um den Innenkolben resp. um die Zellen des 
Kolbens eine Art Zellenkorb (Fig. 2). 

Die beschriebenen Zellen unterscheiden sich überhaupt durchaus 
nicht von den Bindegewebszellen und ähneln, wie es mir scheint. 
am meisten den Bindegewebszellen der Subst. propria der Hornhaut. 

Die auf Durchschnitten spindelförmig erscheinenden Zellen 
wurden bisher für Endothelzellen gehalten (in den Pacmrschen 
Körperchen), in Wirklichkeit jedoch müssen sie den flachen mit 
Fortsätzen versehenen Zellen des Bindegewebes zuge- 
zählt werden. 

Im inneren Kolben der Körperchen sind, wie bekannt, besondere 
Zellen »Kolbenzellen« gelagert (in der Mehrzahl der Fälle in zwei 
Reihen), die den Achseneylinder umgeben. Zu dem bereits längst 
von diesen Zellen Bekannten kann ich nur Folgendes hinzufügen. 
Bisweilen, besonders nach länger dauernder Einwirkung des Methylen- 
blaus, färben sich recht intensiv feine Körnchen (Granula) im Zell- 
körper, die den Körnchen vollkommen analog sind, welche beständig 
in allerlei Arten von Nervenzellen gefunden werden. Die Kerne der 
Zellen bleiben in diesen Fällen vollkommen ungefärbt oder aber 
nehmen eine blaue Färbung an. Die Anwesenheit der Körnehen ir 
den Zellen giebt die Möglichkeit in die Hand mit Leichtigkeit kon- 
statiren zu können, dass sie sowohl den Achseneylinder umgeben, 
als auch seine keulenförmige oder knopfförmige Endigung im Kolben. 

Zu einem Pol eines jeden Körperchens tritt eine mehr oder we- 
niger dicke markhaltige Nervenfaser, welche sich, einer bereits längst 
feststehenden Ansicht gemäß, in den Innenkolben begiebt, auf diesem 
Wege die Markscheide verliert und in Gestalt eines nackten Achsen- 
eylinders durch den Achsentheil des Kolbens hindurchzieht — bis hart 
zu dem entgegengesetzten Ende desselben, wo sie mit einer knopf- 
törmigen oder keulenförmigen Anschwellung endigt. 

Bei der Durchmusterung meiner Präparate habe ich die Beob- 
achtung gemacht, dass in einem Fall, häufiger nach länger andauernder 
Einwirkung des Methylenblaus, der im Innenkolben gelegene Abschnitt 
des Achseneylinders in Gestalt einer dieken Faser erscheint, im an- 


Zur Frage über den Bau der Herbst’schen Körperchen ete. 367 


deren Fall er umgekehrt das Aussehen eines bisweilen äußerst dünnen 
Fadens hat. Bei genauerer Betrachtung des Achsencylinders, beson- 
ders mit starken Vergrößerungen (homog. Imm. 1,5 Apert. 1,30, 
Oe. 12 mm), war es im ersten Fall nicht schwer zu konstatiren, dass 
er aus zwei Theilen zusammengesetzt ist: einer Achsenfaser und 
einer dieselbe umgebenden peripherischen Schicht (Figg. 1, 3 
und 4). Die Achsenfaser erscheint nicht selten längsgestreift und be- 
steht aus einer sroßen Anzahl feinster Fibrillen, die so dicht bei 
einander gelagert sind, dass zwischen ihnen kaum bemerkbare 
Zwischenräume verbleiben. In Methylenblau färben sich die Fibril- 
len viel intensiver als die peripherische Schicht, in Folge dessen 
die Achsenfaser sich bald mehr bald weniger von letzterer abhebt. 
Am Ende des Achseneylinders entfernen sich die Fibrillen weiter 
von einander als es in der Achsenfaser selber der Fall ist, wo- 
bei sie gleichzeitig sich häufig winden und durchflechten, wodurch 
sie eine Art Pinsel oder eine sogenannte Endanschwellung bilden 
(Fig. 38). Eine derartige Zusammensetzung der Endanschwellung 
des Achseneylinders tritt sowohl an optischen Längs- als auch Quer- 
schnitten deutlich hervor, — im Fall diese, wie es häufig auf 
dieken Schnitten geschieht, in toto erhalten und mit dem oberen Pol 
dem Beobachter zugekehrt sind. Was den peripherischen Theil des 
Acheneylinders anbetrifft, so besteht derselbe aus einer homogenen 
strukturlosen Substanz, die in einer ziemlich dieken Schicht den 
Achseneylinder in seiner ganzen Ausdehnung umgiebt, und sämmtliche 
 Zwischenräume zwischen den Fibrillen ausfüllt; in Methylenblau färbt 
sie sich mehr oder weniger intensiv, jedoch in der Mehrzahl der 
Fälle bedeutend schwächer als der Achsenfaden (Figg. 3 A, ©, D, E). 
Selten konnte man in ihr noch die Anwesenheit von äußerst kleinen 
Körnehen feststellen (Fisg. 3 D und E). Je länger die Einwirkung 
der Methylenblaulösung auf die Präparate andauerte, um so stärker 
färbt sich die peripherische Schicht des Achseneylinders und Hand 
in Hand damit verschwindet auch allmählich die scharfe Grenze 
zwischen ihr und der Achsenfaser, wobei jener in diesem Falle als 
eine dieke Faser erscheint. Auf Präparaten, die, wenn man sich so 
ausdrücken darf, in Methylenblau nicht überfärbt sind, bleibt die, den 
peripherischen Theil des Achseneylinders bildende Substanz voll- 
kommen ungefärbt, während der eentrale Theil desselben das Aus- 
sehen eines dünnen, intensiv blau gefärbten Fadens enthält (Figg. 1 5, 
4, 10, 14 A, C, D). Die beschriebene Substanz setzt sich auch, so 


viel ich sehen konnte, auf die Endanschwellung des Achsencylinders 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Bd. 24 


368 A. S. Dogiel, 


fort, wo sie sich zwischen den Fibrillen vertheilt — als verbände 
sie dieselben — und außerdem noch die Anschwellung selber in 
dünner Schicht umgiebt. Indem die genannte Substanz zwischen 
den Fibrillen und um die Endverzweigungen des Achseneylinders 
gelagert ist, verleiht sie demselben, wie es mir scheint, die eigen- 
artige Keulen-, Knopfform u. dergl. Auf diese Weise treten in dem, 
im inneren Kolben gelegenen Abschnitt des Achseneylinders mehr 
oder weniger scharf hervor: der aus Fibrillen zusammenge- 
setzte Achsenfaden und eine an seiner ganzen Peripherie 
gelegene ziemlich dicke Schicht einer homogenen, augen- 
scheinlich strukturlosen Substanz (Mantel des Achsency- 
linders); letztere nimmt dessgleichen alle Zwischenräume 
zwischen den Fibrillen ein. SZYMonowıIcz giebt der genannten 
homogenen Substanz die Benennung »Plasmascheide« und hält sie 
augenscheinlich für eine besondere Substanz, für eine Art Kittsubstanz, 
wobei er die Vermuthung ausspricht, dass sie dazu dient, um eine 
enge Verbindung zwischen den Zellen des Kolbens (Tastzellen) und 
dem Achseneylinder selber herzustellen; mit anderen Worten, er hält 
die Plasmascheide für etwas vom Achseneylinder Gesondertes. So 
viel ich auf Grundlage meiner Präparate beurtheilen kann, ist die 
Substanz, die den Achsenceylinder (oder richtiger den Achsenfaden) 
umgiebt, kontinuirlich mit dem Achseneylinder verbunden und ist 
nichts Anderes als ein Bestandtheil des letzteren oder die sogenannte 
interfibrilläre Substanz. In dem inneren Kolben der Hergsr’schen 
Körperchen erscheinen die zwei beständigen Bestandtheile des Achsen- 
cylinders — die Fibrillen und die interfibrilläre Substanz — schärfer 
von einander gesondert, als es im Übrigen, außerhalb des Innen- 
kolbens gelegenen Verlauf der Nervenfaser der Fall ist. Die Fi- 
brillen nähern sich hier, legen sich zu einem mehr oder weniger dünnen 
Bündel zusammen — Achsenfaser — während eine gewisse Menge inter- 
fibrillärer Substanz zur Peripherie gedrängt wird und um die Achsen- 
faser eine Art Mantel bildet (»Plasmascheide« von SZYMONOWICZ). 

Eine derartige Vertheilung der Fibrillen und der interfibrillären 
Substanz ist bereits längst von vielen Autoren, unter anderen auch 
von mir beschrieben worden und wird in verschiedenen Endappa- 
raten, z. B. in den motorischen Nervenapparaten, in den Genitalnerven- 
körperchen ete. beobachtet. | 

Außer dem Beschriebenen kann man auf vielen Präparaten sehen, 
dass von der interfibrillären Substanz, auf dem ganzen Verlauf des 
Achseneylinders im Innenkolben, nach allen Seiten unter rechten oder 


Zur Frage über den Bau der Herbst’schen Körperchen ete. 369 


spitzen Winkeln eine Menge kurzer, zuweilen sich verästelnder, 
Seitensprossen abgeht, deren Basis häufig verbreitert erscheint, in 
Folge dessen sie das Aussehen von Dornen erhalten (Fig. 3 C und D). 
Verfolst man das weitere Schicksal dieser dornmenartigen Seiten- 
sprossen, so ist es nicht schwer sich davon zu überzeugen, dass sie 
nur die Zellen des Innenkolbens erreichen, sich wie Keile zwischen 
die letzteren einschieben und augenscheinlich hier mit zugespitzten 
Enden endisen (Fig. 3 D). Das Methylenblau färbt die genannten 
Seitensprossen, ähnlich der interfibrillären Substanz, mehr oder we- 
niger intensiv, in Folge dessen sie mehr oder weniger deutlich her- 
vortreten. Bereits Szymoxowicz hat die Aufmerksamkeit auf die ge- 
nannten Seitensprossen gelenkt; er nennt sie einfach »Streifen« und sagt 
unter Anderem, dass sie vom Achseneylinder ausgingen, seine Plas- 
mascheide durchsetzten und bis hart an den Rand oder den Kern der 
Zellen des Innenkolbens sich erstrecken. Welchem Zweck die von ihm 
beschriebenen Streifen dienen — darauf giebt Szymoxowıcz keine Ant- 
wort »denn dieselben sind sehr undeutlich und treten nicht in jedem 
Präparate auf«. Nichtsdestoweniger sagt SZYMONowIcz, da er seine 
»Plasmaschicht« für eine besondere Art Kittsubstanz hält, von den ge- 
nannten Streifen Folgendes: »Ob die durch die Kittsubstanz verlaufenden 
Streifen nicht etwa Kommunikationswege darstellen und nicht eine zu 
diesem Zwecke differenzirte Substanz bilden, kann bei der Benutzung der 
sSegenwärtigen Untersuchungsmittel kaum entschieden werden.« Aus 
meinen Beobachtungen ist es ersichtlich, dass die Streifen von SZYMO- 
Nowıcz nichts Anderes vorstellen als Seitensprossen der interfibrillären 
Substanz, die den centralen Theil des Achseneylinders umgiebt. Aus- 
gehend von der Thatsache, dass in allen Nervenendapparaten, in 
denen eine scharfe Scheidung der Fibrillen des Achsencylinders von der 
interfibrillären Substanz stattfindet, eine derartige Sonderung auch in 
jedem durch Theilung des ersteren entstandenen Endästchen beobachtet 
wird, setzte ich voraus, dass auch in dem gegebenen Fall dieselbe 
Erscheinung vor sich geht. Bei genauer Beobachtung der Präparate 
selang es mir in der That zu konstatiren, dass von dem fibrillären 
Theil des Achseneylinders unter verschiedenen Winkeln sich feine 
Fäden abzweigen, die sich häufig gabelförmig in noch feinere Fädcehen 
theilen, in den Seitensprossen der interfibrillären Substanz gelagert 
sind und mit ihr in die Zwischenräume zwischen den Zellen des 
Innenkolbens eindringen (Fig. 3 C, D, E und Fig. 4). Ein derartiges 
Verhalten der Fäden tritt besonders deutlich auf optischen Quer- 
schnitten der Körperehen hervor (Fig. 5). Die genannten Fädchen 


24* 


370 A. 8. Dogiel, 


färben sich in der That in Methylenblau ziemlich schwer und sind 
selten auf dem ganzen Verlauf des Achseneylinders durch den Innen- 
kolben sichtbar, nichtsdestoweniger sind sie, wie es auch auf den 
beigegebenen Figg. 3, 4 dargestellt ist, in vielen Körperehen in 
‚größerer oder geringerer Zahl sichtbar. — Öfters findet man Körper- 
chen, in denen man bemerken kann, dass einige von den beschrie- 
benen Fädchen nur auf eine bestimmte Strecke gefärbt sind und die 
Schicht der interfibrillären Substanz, welche die Achsenfaser umgiebt, 
nicht überschreiten (Fig. 3 D und E), oder aber es erscheint nur die 
Achsenfaser sammt den von ihr abgehenden Seitenfädchen gefärbt 
(Fig. 4). Was die Endanschwellung des Achseneylinders anbetrifft, 
die, wie oben erwähnt worden ist, ein pinselförmiges Aussehen hat, 
so gehen auch von ihr viele sich verästelnde kurze Fäden ab, die 
sich in Form einer Fontaine in verschiedener Richtung ausbreiten 
und in die Zwischenräume zwischen den, das Ende des Achseney- 
linders umgebenden Zellen des Kolbens eindringen (Fig. 3 A und 
Fig. 4). Auf Grund meiner Beobachtungen endigt der Achseneylinder 
im Innenkolben folgendermaßen: nach seinem Eintritt in den 
Innenkolben giebt er auf seinem ganzen Verlauf (einge- 
schlossen sein verdiektes Ende) eine Menge feiner, kurzer, 
häufig sich wiederholt theilender Seitenäste (Sprossen) ab, 
die zwischen den Zellen des Kolbens endigen. Die ge- 
nannten Äste entspringen vom Achseneylinder unter ver- 
schiedenen Winkeln und bestehen aus Fibrillenbündeln, 
die von einer dünnen Schicht interfibrillärer Substanz um- 
geben sind. 

Zu Gunsten der Existenz der von mir beschriebenen Seiten- 
sprossen sprechen die Beobachtungen von RETzZIus! an den PAcnI- 
schen Körperchen im Mesenterium der Katze. Bei Anwendung der 
GorsTschen Methode hat dieser hervorragende Forscher bereits im 
Jahre 1894 die genannten Sprossen bemerkt und in einer soeben er- 
schienenen Arbeit seine Beobachtungen bestätigt. Er vergleicht 
sie mit den feinen Sprossen (Dornen), die von den Dendriten der 
Pyramidenzellen der Hirnrinde und den PurkınJE’schen Zellen ab- 
sehen, und schreibt: »jedenfalls ist zu beachten, dass die Seiten- 
sprossen nicht mittels anderen Methoden, v. A. nicht mittels der 
Methylenblaufärbung nachgewiesen worden sind<. Da an den nach 
GorsI behandelten Präparaten die Struktur der Nervenelemente 


1 G. Rerzıus, Biolog. Untersuchungen. N. F. Bd. VI. 1894. — Biolog. 
Untersuchungen. N. F. Bd. VIII. 1898. 


Zur Frage über den Bau der Herbst’schen Körperchen ete. 371 


nieht sichtbar ist, so ist es verständlich, dass auch Rerzıus die von 
mir beschriebene Zusammensetzung des Achsencylinders so wie der 
von ihnen abgehenden Seitensprossen nicht hat konstatiren können. 

Derartige Seitensprossen sind auch von Tımorsrw beschrieben 
worden, in den in Methylenblau gefärbten Pacint'schen Körperchen 
der Prostata. 

Nach allem Gesagten entsteht unwillkürlich die Frage — wie 
denn ihrerseits die Nervenästchen endigen, die zwischen den Zellen 
des Kolbens gelagert sind? Eine definitive Antwort ist auf diese 
Frage zur Zeit sehr schwer zu geben, wenigstens in Bezug auf die 
Hergsr’schen Körperchen wegen der Feinheit der Ästchen selber 
und der unbedeutenden Größe der Zellen des Kolbens. Auf Grund 
jedoch von noch nicht im Druck erschienenen Beobachtungen von 
mir und cand. rer. nat. K. WILLANEN! an GrAnDrRY'schen Körper- 
chen lasse ich als Vermuthung zu, dass die Fibrillen, welche die 
senannten Ästchen bilden, in enger und unmittelbarer Verbindung 
mit dem Protoplasma der Zellen des Innenkolbens stehen; die letz- 
teren müssen daher, in Übereinstimmung mit früheren Beobachtungen 
F. MErKEL's, als echte sensible peripherische Nervenzellen angesehen 
werden. 

Damit sind jedoch meine Beobachtungen an den Endigungen der 
Nerven in den HergsT’schen Körperchen noch nicht erschöpft. Außer 
der, im Achsentheil des Innenkolbens gelegenen und zwischen den 
Zellen, oder, wie ich voraussetze, in die Zellen selber des Kolbens 
endisenden Nervenfaser, tritt zum Pol eines jeden Körperchens mit 
der ersten Faser noch eine zweite, die sich in Methylenblau be- 
deutend schwieriger als die erste färbt und desswegen nicht auf 
allen sondern nur auf einigen Schnitten sichtbar ist (Figg. 6 bis 12). 

Diese Faser erscheint viel dünner als die erstere und erhält eine 
Markscheide erst in einer großen Entfernung vom Körperehen. Nicht 
selten gelangen zu einem Körperchen zwei dünne Fasern, wobei die 


i Nach meinen und K. WırrAanen’s Beobachtungen endigen in den 
GRANDRY’schen Körperchen zweierlei Arten von Nervenfasern. Die einen, dicke 
markhaltige Fasern, treten in das Körperchen ein und verlieren die Markscheide, 
wobei ihr Achseneylinder zwischen die Zellen des Körperchens eindringt, sich 
abplattet und die Form einer Scheibe annimmt (Tastscheibe Ranvırr’s). Die 
Fibrillen, aus denen er besteht, stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit 
dem Protoplasma der Tastzellen. Die Fasern der zweiten Art, dünne, mark- 
. haltige Fasern, dringen, nach Verlust der Markscheide, unter die Hülle eines 
Körperehens und endigen auf der äußeren Oberfläche der Tastzellen in Gestalt 
eines Netzes, resp. umflechten die genannten Zellen von außen. 


872 A. S. Dogiel, 


eine in diesen Fällen als dünner varicöser Faden erscheint, der zu- 
weilen eng der ersten dicken Faser anliegt und häufig sogar sich 
um sie windet. Es gelang mir diese zweite dünne Faser auf weite 
Strecken zu verfolgen und zu konstatiren, dass sie nur ein Ästehen 
darstellt, hervorgegangen aus einer Theilung der diekeren Faser weit 
‘vor deren Eintritt in den inneren Kolben (Fig. 7). 

Gewöhnlich erreicht die erwähnte Faser mit der ersteren dicken, 
markhaltigen Faser den Anfang des Innenkolbens, wo sie sofort in 
mehrere mehr oder weniger dünne varicöse Fädchen zerfällt (Figg. 6, 
7, 8, 9 und 12). Die genannten Fasern begeben sich an die Peri- 
pherie des Innenkolbens, d. h. mit anderen Worten, verlaufen zwischen 
der letzten Kapsel und den Kolbenzellen und zerfallen schließlich in 
der Nähe des blinden Endes des Kolbens in viele sehr dünne Fäd- 
chen (Figg. 6, 7, 8, 9 und 12). Alle Fäden, die durch Theilung aus 
der genannten Faser entstehen, geben auf ihrem ganzen Verlauf eine 
ungeheuere Menge feiner Seitenfädchen ab, welche sich von Neuem 
vielfach theilen, sich verflechten und unter einander verbinden, in 
Folge dessen sie zum Schluss ein äußerst dichtes Netz bilden 
(Figg. 6, 7, 8, 9). Die Fädchen genannten Netzes erscheinen häufig 
mit verschieden großen runden oder spindelförmigen Varicositäten 
besetzt, wobei im Falle ungenügender Färbung des Netzes viele der 
Fädchen (Fig. 12) frei mit größeren oder kleineren Verdickungen zu 
endigen scheinen. Beim Studium des Verhaltens der Fädchen des 
senannten Netzes zu den Zellen des Kolbens auf Quer- und Längs- 
schnitten ist es äußerst schwer die Frage zu entscheiden — ob sie 
den Innenkolben nur von der Peripherie umspinnen oder aber von 
allen Seiten, d. h. zwischen die Zellen des Kolbens eindringen. Bis- 
weilen trifft man Bilder an, wie aus Figg. 6, 7,8 Bund C, 9 
und 13 ersichtlich, die mehr zu Gunsten einer peripherischen Aus- 
breitung des Netzes sprechen, bisweilen jedoch erscheint es umge- 
kehrt, als wären die Zellen des Kolbens von allen Seiten vom Faser- 
netz umsponnen. Auf Grund meiner Präparate bin ich jedoch mehr 
Seneigt anzunehmen, dass die Endverästelungen der genannten Fasern 
nur an der Peripherie der Kolbenzellen gelagert sind. In Betreff der 
Fäden, in welche die dünne Faser beim Eintritt in den Innenkolben 
zerfällt, muss bemerkt werden, dass sie in einigen Fällen bis an das 
blinde Kolbenende angelangt, umbiegen und beinahe bis zur Eintritts- 
stelle in den Kolben zurückverlaufen, um darauf wieder in umgekehrter 
tichtung zu verlaufen, wobei sie sich schraubenförmig um die Zell- 
reihen des Kolbens winden (Fig. 11). 


Zur Frage über den Bau der Herbst’schen Körperchen ete. 373 


In der Regel bleibt in den Fällen, in welchen die genannte 
Faser mit ihren Endverzweigungen gefärbt erscheint, der Achsen- 
eylinder der anderen, im Achsentheil des Innenkolbens gelegenen 
Faser ungefärbt; nebenbei jedoch trifft man Körperchen an, in dessen 
Innenkolben mehr oder weniger deutlich die Endigungen beider 
Arten von Fasern sichtbar sind. Die Existenz irgend welchen un- 
mittelbaren Zusammenhanges der Endverzweigungen beider Arten von 
Fasern ist mir zu beobachten nicht gelungen. — 

Auf diese Weise endigen im Innenkolben eines jeden 
Hergsr’schen Körperchens, wie es aus meinen Beobachtungen 
ersichtlich, zwei Nervenfasern: eine dicke Faser, die im 
Achsentheil des Innenkolbens gelegen ist und eine Menge 
kurzer und dünner Seitenäste abgiebt, welche ihrerseits 
zwischen die Zellen des Kolbens eindringen und aller 
Wahrscheinlichkeit nach im Plasma der Zellen selber 
endigen. Die andere Faser erscheint dünner als die erstere, 
tritt in den inneren Kolben ein und zerfällt in eine bedeu- 
tende Anzahl dünner Fädchen, die alle Zellen des Innen- 
kolbens umflechten. Welche Rolle in der Aufnahme und Über- 
sabe gewisser Empfindungen eine jede von diesen Fasern spielt — 
müssen spätere Beobachtungen klar stellen. 

Die von mir beschriebene Endigungsweise der Nerven erscheint 
nicht als vereinzelt in ihrer Art. D. Tımoreew! fand in der äußeren 
bindegewebisen Hülle der Prostata und in ihrem Gewebe selber 
(beim Hunde und bei der Katze) besondere eingekapselte Körperchen, 
in denen, so wie in den Hergsr’schen Körperchen zwei Fasern 
endisen: der Achseneylinder der einen dieken Faser liegt im Innen- 
kolben, hat die Gestalt eines Bandes und endigt mit einer knopf- 
förmigen Anschwellung. Was die andere dünne Faser anbetrifit, so 
zerfällt ihr Achseneylinder in eine Menge Fäden, die im inneren 
Kolben an dessen Peripherie ein engmaschiges Geflecht um die erste 
Faser bilden. Die Endigung beider Arten-Fasern sind, nach der 
Meinung von TIMOFEEW von einander durch eine Schicht körniger, 
kernhaltiger Masse getrennt, aus welcher der Innnenkolben besteht. 
TIMoFEEW ist es nie gelungen den Abgang von »Seitenästen vom 
Achseneylinder der dieken Faser in die genannte Masse zu beobachten. 
Mir scheint es, dass die von Tımorszw beschriebenen Körperchen 
und die Hergst’ehen Körperehen zu einem und demselben Typus 


1 Über:die Endigungen der Nerven in den männlichen Geschlechtsorganen 
der Säugethiere und des Menschen. Diss. Kasan 1896. (Russisch.) 


374 A. S. Dogiel, 


von Endkörperchen gehören und dass, aller Wahrscheinlichkeit nach, 
bei sorgfältigerer Untersuchung und einer vollkommeneren Färbung 
der Nerven sowohl die Zusammensetzung der körnigen Masse aus 
Zellen als auch die von mir beschriebene Beziehung der dieken 
Faser zu den Zellen konstatirt werden könnte. Mehr noch, ich lasse 
es zu, dass die Pacınt’schen Körperchen und andere, dem Bau nach 
ihnen nahestehende, nach der Art der Nervenendigung in ihnen, in 
eine Gruppe mit den Hergsr’schen Körperchen zu stellen sind. Zu 
Gunsten dieser Ansicht spricht zum Theil die Beobachtung von 
Rertzıus! an den VATER-PacısTschen Körperchen der Katze. Ob 
die von mir ausgesprochene Vermuthung richtig ist oder nicht, — das 
werden natürlich weitere Untersuchungen lehren. | 

Am Schlusse meiner Abhandlung angelangt, muss ich hinzufügen, 
dass nicht selten der Achsenceylinder der dieken Faser, nach seinem 
Eintritt in den inneren Kolben, sich sofort gabelförmig in zwei Äste 
von gleicher oder verschiedener Länge theilt, die nach verschiedenen 
Richtungen aus einander gehen. In solchen Fällen nimmt das ganze 
Körperchen, wie aus Fig. 14 A und D ersichtlich, eine unregel- 
mäßige, bisweilen herzförmige Gestalt an, wobei jeder Ast gewöhn- 
lich seinen eigenen inneren Kolben hat. Außerdem trifft man häufig 
Körperchen an, in denen der Achseneylinder, auf seinem Verlauf im 
inneren Kolben, einen oder mehrere kurze Seitenäste unter rechtem oder 
spitzen Winkel abgiebt, oder aber derselbe sich in kurzer Entfernung 
von dem, dem Eintritt gegenüberliegenden, Ende des Innenkolbens 
gabelförmig in zwei kurze Ästchen theilt (Fig. 14 B und C). In 
diesen Fällen hat jedes Ästchen wieder einen eigenen inneren Kolben, 
oder mit anderen Worten: derselbe theilt sich mit der Theilung des 
Achseneylinders. Die beschriebenen Körperchen können zum Unter- 
schiede von den anderen — zusammengesetzte HERBST'sche 
Körperchen genannt werden. Was’ die Endigungsweise jener Ver- 
ästelungen anbetrifft, in denen die dünnen Nervenfasern in diesen 
zusammengesetzten Körperchen zerfallen, so ist es mir mehrfach ge- 
lungen zu beobachten, dass sie in jedem einzelnen Innenkolben vor- 
handen sind und sich eben so zu den Zellen des Kolbens verhalten, 
wie in den einfachen HergsrT’schen Körperchen. 

Zum Schluss bleibt mir noch übrig hinzuzufügen, dass im Ver- 
lauf der dieken Nervenstämmchen häufig kleine sympathische 
Ganglien und einzelne Zellen gelagert sind. Sowohl jene wie 


1 I: 


Zur Frage über den Bau der Herbst’schen Körperchen ete. 375 


diese liegen in der Regel in den tiefen Schichten der Haut des 
harten Gaumens, - wobei die Nervenfortsätze der Zellen sich zu den 
Blutgefäßen begeben. 


St. Petersburg, im März 1899. 


Erklärung der Abbildungen, 


Tafel XXII und XXIII. 


Fig. 1A,B, C. HerBsT’sche Körperchen. a, Außenkolben; d, Innenkolben; 
c, Achseneylinder. A und (', sternförmige Zellen (d), die der Oberfläche der 
Kapseln anliegen. B, sternförmige Zellen (d), welche der am meisten nach 
innen zu gelegenen Kapsel anliegen; e, Kerne der Zellen des Innenkolbens. 
Fig. C ist bei Vergrößerung mit Obj. 6, alle übrigen Figuren sind bei Ver- 
srößerung mit Obj. 8a REICHERT gezeichnet worden. 

Fig. 2. Ein HeRBST’sches Körperchen. a, Außenkolben; 5, Innenkolben; 
c, dieke, markhaltige Nervenfaser; d, sternförmige Zellen, welche der Oberfläche 
der innersten Kapsel anliegen und gleichzeitig mit ihren Fortsätzen den Innen- 
kolben umflechten. Obj. IX. REICHERT. 

Fig. 3A, B,C, D und E. Herest’sche Körperchen. a, Außenkolben; 5, 
Innenkolben; c, sternförmige Zellen; d, Zellen des Innenkolbens. A, der Achsen- 
eylinder (e) besteht aus der Achsenfaser und ist von einer Schicht interfibril- 
lärer Substanz umgeben; von der keulenförmigen Anschwellung des Achsen- 
eylinders gehen feine Fäden ab und dringen in die Zwischenräume zwischen 
den Zellen des Kolbens ein. Obj. 8a. REICHERT. BD, optischer Querschnitt 
eines Körperchens; es ist die Zusammensetzung der Endanschwellung des Achsen- 
eylinders aus feinsten Fibrillen sichtbar. C, von der Achsenfaser des Achsen- 
eylinders entspringen sich theilende Seitenästchen, wobei sowohl die letzteren 
‚als auch die Fasern von einer Schicht interfibrillärer Substanz umgeben sind. 
Obj. Apochrom. Zeıss 4,0. D, eine Achsenfaser und die dieselbe in Form eines 
Mantels umgebende dicke Schicht interfibrillärer Substanz, welche leicht körnig 
erscheint. Von der Achsenfaser lösen sich Fäden ab, die in die Zwischenräume 
zwischen den Zellen des Kolbens eindringen; einige Fäden haben sich nur auf 
eine gewisse Entfernung gefärbt und treten nicht aus dem Bereich des Mantels 
heraus. Obj. IX. REICHERT. 

Fig. A. Ein Hergst’sches Körperehen. In Methylenblau hat sich bloß die 
Achsenfaser (a) und ihre Endanschwellung mit den von ihnen abgehenden Seiten- 
fäden gefärbt. Obj. 8a. REICHERT. | 

Fig. 5. Ein Querschnitt durch ein HrrgsT’sches Körperchen; sichtbar sind 
die von der Achsenfaser abgehenden Seitenfäden, die in die Zwischenräume 
zwischen den Kolbenzellen eintreten. Obj. 8a. REICHERT. 

Fig. 6. Ein HrrgsrT’sches Körperchen mit der im Innenkolben endigenden 
dicken (a) markhaltigen Faser und der an der Peripherie des Kolbens sich ver- 
zweigenden dünnen, marklosen, Faser (b). Obj. IX. REICHERT. 

Fig. 7. Eine feine Nervenfaser theilt sich vor dem Eintritt in ein HERBST- 
sches Körperchen in zwei Äste (a und b), welche sich an der Peripherie des 


376 A. S. Dogiel, Zur Frage üb. d. Bau der Herbst’schen Körperchen ete. 


Innenkolbens verzweigen und ein dichtes Netz bilden; c, der in Methylenblau 
schwach gefärbte Achseneylinder der dieken markhaltigen Faser. Obj. IX. 
REICHERT. | 

Fig. 8A, Bund C. HerBsT’sche Körperchen, an der Peripherie des Innen- 
kolbens verzweigen sich dünne Nervenfasern (a) und bilden um denselben ein 
Netz; 5, flache Zellen, die der Nervenfaser anliegen. Auf der Fig. C' ist das 

 Körperchen mit seinem Pol dem Beobachter zugekehrt; die Verzweigungen der 
dünnen Faser, die das blinde Ende des Innenkolbens umflechten, sind dunkler 
gezeichnet als die den übrigen Theil des Kolbens umgebenden Fäden. Fig. A 
ist bei Vergrößerung mit Obj. IX, Fig. Z und C bei Vergrößerung mit Obj. 8a 
REICHERT gezeichnet worden. 

Fig. 9. Der obere Pol des in Fig. SC dargestellten Körperchens, gezeich- 
net bei einer Vergrößerung mit hom. Imm. Zeıss 1,5 mm, Apert. 1,30, Oe. 4. 

Fig. 10. Eine dicke markhaltige Faser (a), welche im Innenkolben eines 
HERBST'schen Körperchens endigt; am blinden Ende des Kolbens ist nur ein 
Theil des denselben umflechtenden Nervennetzes sichtbar, der übrige Theil 
sowie die dünne Nervenfaser haben sich in Methylenblau nicht gefärbt. Obj. 8a. 
REICHERT. 

Fig. 11A und ZB. Eine dünne Nervenfaser (a) verzweigt sich an der Peri- 
pherie des Innenkolbens Hergsr’scher Körperchen, wobei viele Fäden, die aus 
ihrer Theilung hervorgegangen, nach Erreichung des blinden Endes des Kol- 
bens, rückwärts bis zum entgegengesetzten Ende verlaufen, darauf sich wieder 
nach oben begeben etc. Obj. 8. REICHERT. 

Fig. 12. Eine dünne Nervenfaser (a) zerfällt, nachdem sie den Innenkolben 
eines Hergsr’schen Körperchens erreicht hat, in zwei Ästchen, welche an der 
Peripherie des Kolbens hinziehen und auf ihrem Verlauf eine Menge Seitenäste 
abgeben. Einige von den letzteren haben sich nicht auf dem ganzen Verlauf 
gefärbt und scheinen frei zu endigen. Obj. IX. REICHERT. 

Fig. 13. Ein optischer Schnitt durch ein HErBST’sches Körperchen, aus 
dem ersichtlich ist, dass die Nervenfäden, welche den Innenkolben umflechten, 
an dessen Peripherie gelagert sind. Obj. Sa. REICHERT. 

Fig. 144, B, C und D. Verschiedene Formen zusammengesetzter HERBST- 
scher Körperchen mit zwei Innenkolben. Obj. 6. REICHERT. 


Alle Zeichnungen sind mit Hilfe des Zeichenprismas angefertigt von Prä- 
paraten aus der Haut des harten Gaumens der Hausente. 


Über den feineren Bau einiger Cuticulae und der 
Spongienfasern. 


Von 
Boris Sukatschoff 


stud. rer. nat, 


(Aus dem zoologischen Institut der Universität Heidelberg.) 


Mit Tafel XXIV—XXVI und einer Figur im Text. 


In den letzten Jahren (1892, 1894, 1896, 1898) untersuchte 
Professor O. BürscHLı den feineren Bau verschiedener nichtzelliger, 
quellbarer Stoffe des Organismus; als ich im Sommer-Semester 1897 
in dem Zoologischen Institut der Universität Heidelberg unter seiner 
Leitung arbeitete, empfahl er mir, seine Studien fortzusetzen und zu 
erweitern durch Untersuchungen über den feineren Bau der Horn- 
fasern der Spongien, der Cuticulae verschiedener Würmer und des 
Chitinpanzers der Crustaceen; später zog ich auch, auf Grund 
- selegentlicher Beobachtungen, die Kokons von Nephelis vulgaris 
Mg. Tnd. in den Kreis der Untersuchung. Im Folgenden will ich 
die Resultate dieser Untersuchungen mittheilen, welche fast alle nur 
als Bestätigung und Erweiterung der von BürscHLı früher und in 
dem jüngst erschienenen Werke »Über Strukturen ausgesprochenen 
Anschauungen dienen können.“ Alle von mir untersuchten Objekte 
zeigten eine feinwabige Struktur, die meistens recht klar und sicher 
festzustellen war. Die Untersuchungsmethoden sollen in jedem ein- 
zelnen Falle angegeben werden. 


I. Die Hornfasern von Hircinia!. 
(Taf. XXIV, Fig. 1—6, Taf. XXVI, Fig. 2—3.) 
Wie es schon seit langer Zeit festgestellt ist, kann man in den Horn- 
fasern von Hircinia zwei Partien unterscheiden: eine äußere Rinden- 
1 Ich habe zwei Arten, Hircinia variabilis (0. Schmidt) Schulze und 


H. flavescens O. Schm. untersucht, welche gleiche Verhältnisse zeigten. Dar- 
um werde ich sie nicht abtrennen. 


378 Boris Sukatschoff, 


zone und die innere Marksubstanz, welche beide fast unmerkbar in 
einander übergehen. Die äußere Rindenzone besteht aus zahlreichen 
Schichten und stellt daher gewissermaßen mehrere sich umschließende 
Oylinder dar. Auf dem optischen Längsschnitt einer Hornfaser sieht 
man diese Schichten durch dunkle oder helle Linien (je nach der 
Einstellung des Mikroskops) getrennt; dieses sind nur die Grenzen 
der einzelnen Schichten (resp. Cylinder). Die Marksubstanz, welche 
bei gewissen Hornschwämmen ganz unbedeutend ist, ist dagegen bei 
Hireinia ziemlich stark entwickelt. Bei schwächerer Vergrößerung 
zeigt sie auf den Totalpräparaten eine feinkörnige Struktur; die 
Körnchen sind in Reihen parallel der Längsachse der Faser angeordnet; 
da, wo sich drei oder mehrere Hornfasern des Netzes zu einem Knoten- 
punkt vereinigen, sind diese Körnchen in den äußeren Partien der 
Marksubstanz den Schichten der Rindenzone parallel, während sie im 
Centrum der Knotenpunkte ganz unregelmäßig angeordnet sind. Bei 
genauer Untersuchung kann man häufig eine feine, schief gekreuzte 
spiralige Streifung der Rindenschicht und Marksubstanz an den 
Fasern beobachten, welche durch die ganze Dicke der Faser zu 
verfolgen ist (Fig. 1, Taf. XXIV). Diese Streifung wurde zuerst im 
Jahre 1896 (p. 4) von BürschLı beobachtet und dann auch in dem 
jüngst erschienenen Werke »Über Strukturen« (1898, p. 337) von ihm 
beschrieben. Bei einigen Fasern konnte ich jedenfalls durch Zug- 
wirkung hervorgerufene ziekzackförmige Risslinien beobachten, die 
quer durch die Fasern liefen (Fig. 1, Taf. XXIV). Die einzelnen 
Elemente, aus welchen diese Ziekzacklinien sich zusammensetzen, 
entsprechen vollständig den zwei Richtungen der Kreuzstreifung. 

Ich untersuchte die Hornfasern ferner nach der Austroceknungs- 
methode, die von BürschLı (1896, p. 2) angegeben wurde. An 
einigen Stellen konnte man jedoch auch ohne specielle Behandlung 
des Objektes, bei Betrachtung mit starken Vergrößerungen, eine sehr 
eigenthümliche wabige Struktur auf dem optischen Längsschnitt be- 
obachten; namentlich sah man der Länge der Faser nach abwechselnde 
Wabenreihen, die einen hell, die anderen dunkel, wie es auf Fig. 2, 
Taf. XXIV dargestellt ist. Dieselbe Abwechselung heller und dunk- 
ler Reihen hat BürscHLı (1892, p. 89 und Fig. 35, Taf. IV) in der 
Cuticula von Branchiobdella beobachtet. 

Um möglichst reine Schwammfasern zu erhalten, kn kleine 
Stückehen des Schwammes mit künstlichem Magensaft behandelt, bis 
das weiche Schwammgewebe völlig verdaut oder abgelöst war; dann 
wurden sie mit 5°%/,iger Kalilaugelösung auf dem Wärmschrank bei ca. 


Über den feineren Bau einiger Cutieulae und der Spongienfasern. 379 


40° C. bis zwei Tage behandelt, mehrmals in Wasser ausgewaschen 
und durch Alkohol in Xylol übergeführt. Aus Xylol wurden dann 
kleine Fragmente solcher Fasern auf dem Objektträger unter der 
Luftpumpe bei höchstens einigen Centimeter Quecksilberdruck aus- 
setrocknet. Die so ausgetrockneten Fasern verändern ihre Gestalt 
nicht, verlieren aber ihre braune Farbe und werden kreideweiß in 
Folge Auftretens von Luft oder Gas in ihrem Inneren. Im durch- 
fallenden Licht sind sie daher sehr undurchsichtig. Sie wurden 
unter dem Deckglas direkt in Luft untersucht oder in geschmolzenen 
Kanadabalsam, der rasch fest wird, eingeschlossen. Zu diesem Zwecke 
wurde ein Tropfen Kanadabalsam auf einem Deckgläschen erwärmt, 
bis er beim Abkühlen fest erstarrte. Dann wurde das Objekt schnell 
in den zum Schmelzen erwärmten Balsam eingeschlossen, indem 
man das Deckglas mit dem Kanadabalsam auf das Objekt legte und 
etwas aufdrückte, wobei der Balsam rasch erstarrt. Zuweilen wurde 
es nöthig, das in dem Balsam befindliche Präparat noch mehrmals 
über der Flamme bis zum Schmelzen des Balsams zu erhitzen. Bei 
dem Austrocknen unter der Luftpumpe werden die einzelnen Waben- 
hohlräumchen mit Gas erfüllt, was an sehr dünnen Theilen besonders 
sut zu sehen ist. In den Präparaten, die in geschmolzenen, rasch 
erstarrenden Kanadabalsam eingeschlossen sind, durchdringt der letz- 
tere die Fasern nicht überall, so dass man Stellen trifft, welche die 
gaserfüllte Struktur sehr schön zeigen. Häufig beobachtet man 
- Stellen mit geringer Gaserfüllung, wo einzelne Wabenhohlräumehen 
 gaserfüllt blieben und als Gasbläschen durch die strukturlose Um- 
gebung ziehen (Fig. 3, Taf. XXIV). Diese Bläschen sind immer in 
zwei Richtungen, entsprechend der geschilderten schiefen Kreuz- 
streifung angeordnet, wie es Fig. 4, Taf. XXIV erkennen lässt. Wo 
aber das Präparat vollständig von Kanadabalsam durchdrungen ist, 


_ kann man keine feinere Struktur erkennen; hier sind nur die Schich- 


ten der Rinde zu sehen, aber nicht die feinere Struktur dieser 
Schichten. Das oben geschilderte Bild der wabigen Struktur der 
Hornfasern wurde zuerst von BÜTscHLı (siehe oben 1898, p. 336) be- 
obachtet. Auch hat er schon die schief gekreuzte Anordnung der 
Waben gesehen und die Meinung ausgesprochen, dass von ihr die 
Kreuzstreifung der Fasern herrühre. Die wabige Struktur lässt sich 
jedoch nieht nur in den Schichten der Rinde der Hornfasern, sondern 
auch in der Marksubstanz erkennen. 

Besonders überzeugende Resultate wurden durch Maceration der 
Hornfasern erhalten; sie lassen keinen Zweifel, dass wir eine wabige 


380 Boris Sukatschoff, 


Struktur vor uns haben. Die in der oben angegebenen Weise ge- 
reinigten Hornfasern wurden mit JAVELLE’schem Wasser 1/,—1 Stunde 
behandelt, darauf mehrmals in Wasser ausgewaschen und nach Vor- 
behandlung mit 1%,iger Chromsäurelösung mit Gentianaviolett (Anilin- 
wasserlösung) stark dunkelblau gefärbt. Die Fasern wurden dann 
in Wasser unter einem Deckglas, dessen Rand mit Paraffın festge- 
jegt und verschlossen war, eingeschlossen. Alsdann wurde leicht auf 
das Deckglas geklopft, bis die Fasern zu feinem Pulver zerfallen 
waren. Die Untersuchung der Zerfallprodukte muss mit den stärksten 
Vergrößerungen ausgeführt werden. Die ganze Faser zerfällt in ein- 
zelne Blättehen und Fragmente (Fig. 5 a—c, Taf. XXIV), die meist 
nur aus einer Schicht von Waben bestehen; auch diese Blättchen 
und Fragmente können weiter in einzelne Gruppen von Waben und 
sogar in einzelne Waben zerfallen.- Häufig erhält man auch Frag- 
mente des Wabengerüstes, namentlich kleinste Knotenpünktchen mit 
drei davon ausgehenden Fäserchen, resp. Wänden. Eine isolirte 
Partie einer Schicht hat das Aussehen eines Netzwerks, dessen ein- 
zelne Fäden schief gekreuzt sind, was vollständig der oben ange- 
deuteten Kreuzstreifung der Hornfasern entspricht. Die Knoten- 
pünktchen, die in den Punkten, wo sich die scheinbaren Fäden 
kreuzen, liegen, treten besonders deutlich hervor. Isolirte Fibrillen 
wurden niemals angetroffen; wo solche scheinbar vorkommen, zeigt 
die genauere Untersuchung stets deutlich die gereihten Knotenpunkte 
und die Reste der von ihnen abgehenden Gerüstwände des Wabenwerks. 
Aus diesen Ergebnissen folgt mit aller Bestimmtheit, dass die Kreuz- 
streifung nicht durch alternirende Schichten von Fasern, deren Ver- 
laufsrichtungen sich kreuzen, hervorgerufen sein kann. 

Von besonderer Wichtigkeit ist noch die Untersuchung von 
Querschnitten der Hornfasern. Diese sind wegen der Härte der 
Fasern nicht leicht zu machen. Geschnitten wurde nach Einbettung der 
Fasern in Gummiglycerin (1 Theil Glycerin, 10 Theile einer dicken 
Lösung von Gummi arabicum), welches an der Luft bis zur schnitt- 
fähigen Konsistenz eingetrocknet wurde. Auf solchen Schnitten, die 
mit dem Rasiermesser gemacht wurden, sah man schön eine mehr 
oder weniger koncentrische, jedoch etwas unregelmäßige Schichtung, 
wie es auf Fig. 6, Taf. XXIV und Photographie 2, Taf. XXVI dar- 
gestellt ist. Letztere und die Fig. 3, Taf. XXVI sind Reproduk- 
tionen zweier Photographien, die von Herrn Professor 0. BÜTSCHLI 
aufgenommen wurden; die Fig. 3, Taf. XXVI ist ein Theil der 


Über den feineren Bau einiger Cuticulae und der Spongienfasern. 381 


Fig. 2, Taf. XXVI bei stärkerer Vergrößerung'. Man sieht auf 
Fig. 2, Taf. XXVI, dass die koncentrischen Linien, welche die Grenzen 
der einzelnen Lagen andeuten, nicht überall parallel ziehen, sondern 
mehr oder weniger wellig verlaufen, sich manchmal sogar auskeilen. 
Jede Lage zwischen zwei schärfer hervortretenden Grenzlinien, die bei 
tiefer Einstellung des Tubus hell erscheinen, ist von etwa fünf bis 
acht und mehr Wabenschichten gebildet. Die Waben sind in kon- 
centrischen Reihen angeordnet mit einer Neigung zur radiären An- 
ordnung einzelner Waben der benachbarten Reihen. Die helle Grenz- 
linie zwischen zwei benachbarten Lagen ist eine Schicht von etwas 
srößeren Waben. In dem Centrum, welches der Marksubstanz der 
Faser entspricht, sind die Waben unregelmäßig angeordnet. 

Auch die Querschnitte bestätigen daher durchaus den wabigen 
Bau der Hornfasersubstanz. 


Il. Die Cuticula von Lumbricus terrestris L. 
(Taf. XXIV, Fig. 7—10.) 

Ich untersuchte die Cuticula frischer Regenwürmer, die von den 
Thieren durch Maceration mit !/, Alkohol abgelöst war, sowie die 
von Würmern, welche lange Zeit in Alkohol konservirt waren. Beide 
zeisten dieselben Verhältnisse. 

Untersucht man die Cutieula bei mittleren nen so 
erscheint sie als eine dünne, farblose, kreuzgestreifte Membran. Zahl- 
reiche Beobachter, so FR. Leypıc (1865, p. 258), Ep. CLAPAREDE 
(1869, p. 567), W. Voıgr (1883, p. 142) und Andere haben diese sich 
kreuzende Streifung beobachtet”. Nach den Untersuchungen dieser 
Forscher soll die Cuticula des Regenwurms aus feinen, sich fast recht- 
winklig kreuzenden Fibrillen bestehen. Nach Ep. CLAPAREDE (1869, 
p- 567) kreuzen sich die Fibrillen unter einem Winkel von 70—75°, 
nach Vogr und Jung (1888, p. 448) unter einem solehen von 70—80°. 
Die beiden Streifensysteme ziehen schief zur Längsachse des Wurms, 
welche den Winkel zwischen ihnen halbirt. Nach den Beobachtungen 
von Mossısovics (1877, p. 12) ist die Cuticula des Regenwurms 


1 Die Photographie, nach welcher die Fig. 2, Taf. XXVI gemacht ist, ist 
mit Obj. 16 mm und Proj. Oc. 4 (Zeıss) aufgenommen. Die Fig. 3, Taf. XXVI 
stellt einen stärker vergrößerten Theil der ersten dar, Obj. 2 mm, Oe. 8 (Zrıss). 
Beide Photographien wurden dann 2!/amal vergrößert. 

2 D'’ÜDEREM spricht in seinem »M&moire sur les Lombrieienss (1865, p. 16) 
von der Cuticula der Lumbrieinen als von einer »membrane sans structure, 
transparente, composde chimiquement de chitine«. Weiter unten (p. 19) spricht 
er jedoch von einer Kreuzstreifung der äußeren (?) Oberfläche der Cutieula. 


382 Boris Sukatschoff, 


mehrschichtig, indem die dünnere äußere Schicht nur von längslaufen- 
den Fibrillen, die stärkere innere Schicht dagegen nur von eirku- 
lären Fibrillen gebildet wird. Ich kann bestimmt sagen, dass alle 
Schichten der Cutieula das gleiche Aussehen haben, dass demnach ein 
derartig verschiedener Faserverlauf nicht vorkommt. KuLacın (1839, 
-p. 16) dagegen hält die Cutieula für eine strukturlose Haut. Ferner _ 
spricht er jedoch davon, dass sie aus zwei oder drei Schichten von 
Fibrillen, die sich unter Winkeln von 45—90° kreuzen, zu bestehen 
scheine. WALTER VoIgrt (1883, p. 142) fand, dass die Fibrillen, 
welche die Cutieula des Regenwurms bilden, »schräg, etwa in einem 
Winkel von 45° zur Längsachse des Thieres verlaufen«. Auch spricht er 
von mehreren Schichten der Cuticula. In einer anderen Arbeit (1886), 
die speciell Branchiobdella varians behandelt, hat er interessante 
parallele Untersuchungen über die Cuticula weiterer Hirudineen 
und Chaetopoden (darunter auch Lumbriecus) angestellt. Unter 
Anderem giebt er einige Abbildungen der Cutiecula von Lumbri- 
cus, die erkennen lassen, dass sie jener von Branchiobdella sehr 
ähnlich ist. 

Schon bei schwachen Vergrößerungen bemerkt man in der ea. 
0,007 mm! dieken Cuticula eine Menge von Poren, welche Öffnungen 
der einzelligen Hautdrüsen sind und sich namentlich in der mittleren, 
äquatorialen Zone jedes Segmentes finden. W. Vorgr (1886, p. 109) 
hat eine ziemlich genaue Beschreibung und Erklärung der Entstehung 
der eigenthümlichen Kreuze, die bei Flächenansicht der Poren zu 
beobachten sind, gegeben, darum werde ich sie nicht beschreiben. 
Über die Vertheilung und Anordnung der Poren willich nur bemerken, 
dass sie nicht auf der ganzen Fläche des Segmentes gleichmäßig ange- 
ordnet sind, sondern namentlich in der mittleren, äquatorialen Zone un- 
regelmäßig zerstreut und immer vereinzelt, nicht zu Gruppen vereinigt 
sich finden; in dieser Region ist die schiefe Kreuzstreifung ganz regulär 
ausgebildet. In der vorderen Zone des Segmentes dagegen sind die 
Poren sruppenweise angeordnet und viel kleiner, als die der mittleren, 
äquatorialen Zone. In der hinteren Zone fehlen die Poren ganz. Die er- 
wähnten Gruppen der Vorderregion bestehen aus 5—15 Poren. In der 
vorderen und hinteren Segmentzone wird ferner die Streifung der Cuti- 
cula recht unregelmäßig, indem die scheinbaren »Fibrillen« zuweilen 
parallel der Grenzlinie zwischen zwei benachbarten Segmenten verlaufen 
und die typische Kreuzstreifung nicht mehr recht zu erkennen ist. 

Auf optischen Durchschnitten der Cuticula konnte ich nachweisen, 


! Diese Dicke variirt nach KuLAcın (1889, p. 16) mit den Jahreszeiten. 


Über den feineren Bau einiger Cutieulae und der Spongienfasern. 383 


dass sie mehrschichtig ist und dass die Anzahl der Schichten »sechs« 
nieht überschreitet. Auf diesen Durchschnitten (Fig. 7, Taf. XXIV) 
sah man ganz deutlich, dass die Cutieula nicht faserig, sondern fein- 
wabig ist. Die Waben sind in Schichten angeordnet, die parallel 
der Oberfläehe verlaufen. Auch auf einem in verdünntem JAVELLE- 

schen Wasser (1 Theil und ein Theil Wasser) macerirten Stück Outi- 
_ eula konnte ich die optischen Durchschnitte sehen, die eine klare 
wabige Struktur zeigten; in den Punkten, wo sich die Wände der 
Waben vereinigen, sah man deutliche Knötchen. Die Bilder der opti- 
schen Durchschnitte wurden an Querschnitten (Fig. S, Taf. XXIV 
durch die Haut eines in Alkohol konservirten Regenwurms bestätigt. 
Das Objekt war mit essigsaurem Eisenoxyd und Hämatoxylin stark 
dunkelblau gefärbt. Obgleich auf den Schnitten nur kleine Reste 
der Cuticula verblieben waren, so genügten diese doch um die ge- 
schilderte Struktur sicher zu konstatiren. Schon 1892 (p. 89 und 
Fig. 35, Taf. IV) konnte BÜüTscHLı ein ganz übereinstimmendes Bild 
an den Querschnitten der Cutieula von Phascolosoma und Bran- 
ehiobdella beobachten. Er giebt auch eine Abbildung des Flächen- 
bilds (1892, Fig. 3c, Taf. IV) der Cutieula von Branchiobdella. 
Diese Abbildung entspricht derjenigen von VoIsT (1886) vollständig. 
Es scheint also eine große Ähnlichkeit zwischen der Cutieula von 
Lumbriceus und der von Branchiobdella zu bestehen: in dem 
äußeren Aussehen nach VoIgT (1886) und BürscaLı (1892) und den 
Querschnitten (BürscHLı 1892). 

Die optischen Durchschnitte und die Querschnitte widerlegen also 
die Meinung, dass die Cutieula aus sich kreuzenden Fasern gebildet 
wird. Hätten wir wirklich einzelne Fibrillen, dann müssten wir auf 
den Querschnitten sowohl, als auf den optischen Durchschnitten keine 
Wabenräumchen sehen, sondern die Durchschnitte dieser Fibrillen. 

Dieselben positiven Resultate habe ich an den nach der oben 
(p- 378) geschilderten Methode im Vakuum ausgetrockneten Präparaten 
erhalten. Schon früher hatte Prof. O. BürscHLi einige derartige 
Präparate hergestellt und aus ihnen den wabigen Bau der Cutieula 
vermuthet. Die Fig. 9, Taf. XXIV kann als ein Beispiel dienen. 
Die unter der Luftpumpe ausgetrocknete Cutieula ist opak, milch- 
weiß und opalisirt ein wenig, allerdings nicht so stark, wie die in 
Wasser oder Alkohol befindliche. Sie wurde auf ähnliche Weise 
wie die Hornfasern in geschmolzenen Kanadabalsam eingeschlossen. 
Die einzelnen Waben sind als kleinste Gasbläschen sehr schön zu 
sehen; man kann auch ganze Reihen von ihnen beobachten. Diese 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Ba. 25 


384 Boris Sukatschoff, 


Reihen sind nach zwei sich fast rechtwinkelig kreuzenden Richtungen 
angeordnet, was vollständig der erwähnten Kreuzstreifung der Cutieula 
entspricht. Auch die Poren sind auf solchen Präparaten sehr deut- 
lich, sowie ihre einzelnen Theile, besonders die bekannten Kreuze. 

Die Maceration der Cuticula von Lumbrieus gelang mir nicht 
wegen ihrer Löslichkeit in verschiedenen Macerationsflüssigkeiten. 
Untersucht man jedoch die Rissstellen von in Wasser zerzupfter Cuti- 
cula, so bieten diese einen gewissen Ersatz für Macerationspräparate. 
Bei der ersten Betrachtung scheinen derartige Präparate mit Bestimmt- 
heit für die Zusammensetzung der Outicula aus sich überkreuzenden 
Fibrillen zu sprechen. Man sieht an den Rissstellen zahlreiche an- 
scheinende Fibrillen frei hervorragen. Die genauere Untersuchung 
zeigt jedoch, dass diese scheinbaren Fibrillen häufig deutlich knötchen- 
artige Verdiekungen besitzen, und dass auch vielfach feine seitliche 
Ausläufer von ihnen entspringen. Schließlich trifft man auch be- 
nachbarte Fibrillen, die noch durch quere Verbindungsfädchen zu- 
sammenhängen (Fig. 10, Taf. XXIV). Alle diese Befunde sprechen 
auch hier lebhaft dafür, dass es sich nicht um sich überkreuzende 
Fibrillen, sondern um ein schief gekreuztes Wabenwerk handelt, welches 
beim Zerreißen anscheinend in Fibrillen zerlegt wird, parallel der 
Kreuzungsrichtung der Waben, in ähnlicher Weise wie dies BürsckLı 
(1898, p. 214) bei pflanzlichen Zellmembranen gefunden hat. 

Ich will bei dieser Gelegenheit einige Worte über das chemische 
Verhalten der Cuticula von Lumbricus zufügen. E. GooDrIcH (1897, 
p. 65—67) hat mehrere chemische Reaktionen mit der Cuticula an- 
gestellt und gefunden, dass sie sich schon beim Kochen in Wasser 
vollständig, ohne Rückstand löst, eben so in Schwefelsäure, Salzsäure, 
Essigsäure, Kalilauge und Kalkwasser (Genaueres über den Procent- 
gehalt dieser Lösungsmittel fehlt). Dasselbe Verhalten gegen Kali- 
lauge und Natronlauge erwähnt Eısıc (1887, p. 20) für die Cuticula 
der Polychaeta, die also eben so wenig, wie jene von Lumbrieus, 
aus eigentlichem Chitin bestehen kann. GoopricH (1897) hat die 
Cutieula auch auf Eiweiß geprüft. Mit dem Mırzon’schen Reagens 
färbte sie sich »pale pink«, mit der Xanthoproteinprobe »pale 
yellow«, mit der Biuretprobe dagegen erhielt er eine »pale lila« 
Färbung. Kuracın (1889, p. 17) ließ von dem Privatdocenten der 
Uhemie KABLUKOFF eine Analyse der Lumbricus-Cuticula ausführen; 
dieselbe ergab 45,16°/, Kohlenstoff, 6,49%), Wasserstoff, 19,40%, 
Stickstoff und 18,95°/, Sauerstoff; den Gehalt des letzteren habe 
ich aus der Differenz berechnet. KULAGIS ist der Meinung (1889, p. 17), 


Über den feineren Bau einiger Cuticulae und der Spongienfasern. 385 


dass nach dieser Analyse die Lumbrieus-Cutieula nahezu Chitin sei, 
von dem sie sich durch den größeren Gehalt an Stickstoff unter- 
scheide (Chitin enthält jedoch nach den neueren Erfahrungen höch- 
stens 7—8°/, Stickstoff). 

Ich kann fast alle oben angegebenen Versuche von GOODRICH 
bestätigen. Die Cuticula löst sich schon bei gewöhnlicher Temperatur 
nach 2—3 Minuten in 5°/,iger Kalilauge; sie löst sich in koncen- 
trirter Essigsäure, in 5°%/,iger Schwefelsäure, doch nicht so schnell 
wie in Kalilauge. Sie wird fast momentan gelöst in rauchender 
Salzsäure (35,7 %/,), sowie schon in 1°/,iger Salzsäure. Zuweilen habe 
ich beobachtet, dass sie sich sogar in 1°/,, Salzsäure löste. Es kann 
wohl sein, dass die Löslichkeit von der Zeit, die die Cutieula in 
schwachem Alkohol gelegen hat, etwas beeinflusst wird. Die Reak- 
tionen auf Eiweiß fand ich ähnlich wie GooDrIıcH (1597). Mit dem 
Mırvon’schen Reagens giebt die Cuticula von Lumbricus eine 
schwache rosenrothe Färbung; die wässrige Lösung der Cutieula gab 
dagegen keine kenntliche Eiweißreaktion mit Mırnox. Bei der Xantho- 
proteinprobe erhält die Cutieula eine gelbe Färbung, doch wird sie 
dabei größtentheils gelöst. Weiter wurde ein Stück Cutieula in drei 
Tropfen 89%/,iger Schwefelsäure gelöst und die Lösung 24 Stunden 
bei ea. 40°C. erhalten, wobei die Lösung sich gelblich färbte. Hier- 
auf wurde mit Wasser ca. 15fach verdünnt und auf dem Wasserbad 
einige Stunden auf 100° C. erwärmt. Nach der Neutralisation mit 
Kalilauge war in der Lösung mit der Fenuine’schen Probe kein 
Zucker nachzuweisen. 
| Alle diese Erfahrungen, wozu sich namentlich der hohe Stickstoff- 
sehalt zesellt, welcher dem des Collagens (bis 19%/,) am nächsten 
kommt, zeigen übereinstimmend, dass die Outicula zweifellos kein 
Chitin ist!, sondern, wie schon GooDrich (1897, p. 67) richtig ver- 
muthete, zu den Albuminoiden zu rechnen ist. 


i Im Gegensatz zu dem, was GRUBE im Jahre 1850 bemerkte (p. 253). Ich 
möchte hier zufügen, dass nach den Angaben dieses Forschers (ibidem) und sehr 
verbreiteter Meinung die Cutieula von Ascaris — die Art ist nicht angegeben — 
auch aus Chitin bestehen soll. Bei gelegentlichen Versuchen konnte ich nun 
nachweisen, dass die Cuticula von Ascaris megalocephala (das Thier war 
seit 1894 in Alkohol konservirt) sich beim Kochen in 35°/,iger Kalilauge voll- 
ständig löst und mit dem MiıtLLon’schen Reagens deutliche Eiweißreaktion giebt; 
sie besteht also nicht aus Chitin. In künstlichem Magensaft bei ca. 40° C. löst 
sich nach 2—3 Tagen die Cutieula völlig auf, bis auf die äußere dünne, sog. 
»Rindenschicht< (vgl. A. van BÖMMEL in: Arbeiten Zoolog. Institut Würzburg 
Bd. X‘, welche sich wochenlang unverändert. in der Verdauungsflüssigkeit er- 


25* 


| 386 Boris Sukatschoff, 


Ill. Die Cuticula von Aulastomum qgulo Mogq. Tand. und 
Hirudo medicinalis L. 
"Taf. XXIV, Fig. 11—18) 

Von besonderem Interesse erscheint die Struktur der Cutieula bei 
 Aulastomum und Hirudo, welche Gattungen in dieser Hinsicht nahe 
übereinstimmen. Die Cutieula dieser Hirudineen wurde bis jetzt mei- 
stens als homogen und strukturlos beschrieben. So untersuchte schon 
1849 Leypie (p. 103), während er mit dem Studium der Anatomie 
von Piseicola beschäftigt war, die Cuticulae von Hirudo und eini- 
ger anderer Hirudineen. Dieselbe ist nach seinen Untersuchungen 
»vollkommen glatt« (auch von der Cuticula von Piseicola spricht er 
als von einem »durchaus strukturlosen wasserhellen Oberhäutchen«). 
Nach R. LEUCKART (1894, p. 557) ist die Cuticula der Hirudineen 
»eine völlig strukturlose Membran von fester Beschaffenheit, hier und 
da fein gestrichelt«. RAY LANKESTER (1880, p. 304) und GieLio-Tos 
(1889, p. 2) konnten keine Spur von Struktur in der Cuticula von 
Hirudo (LANKESTER) und Aulastomum (GieLIo-Tos) sehen. Auch 
nach Vogt und Yun (1888, p. 317) ist die Cuticula von Hirudo 
eine strukturlose Haut. Diesen Forschern kann man auch A. BoURNE 
(1884, p. 428) zureihen; doch hat dieser manchmal eine Streifung in 
der Cuticula der Hirudineen gesehen, obgleich er sagt, dass sie struk- 
turlos und hyalin ist. Remy SamTr-Lour (1889, p. 27) konnte eine 
Kreuzstreifung in der Cuticula der Hirudineen beobachten, bei wel- 
chen, giebt er nicht an. BürscaLiı (1892, p. 89) endlich hat die Cuti- 
cula von Branchiobdella (die jedoch richtiger zu den Oligochaeta 
gehört) untersucht und gefunden, dass sie eine wabige Struktur besitzt. 

W. Voıgr (1886, p. 105) fand, dass sich die Cuticula von Aula- 
stomum beim Kochen in Kalilauge (der Procentgehalt ist nicht an- 
gegeben) nicht löst. Ich kann diese Beobachtungen von VoıgT be- 
stätigen und fand dasselbe auch für Hirudo mediecinalis, dessen 
Cutieula sogar beim Kochen in 200°/,iger Lauge — also hoch kon- 
centrirter — sich absolut nicht löste. Diese Thatsache bezieht sich 
aber nur auf die Cuticula, die vom frisch getödteten Thiere abgelöst 
oder von lebenden Thieren frisch abgeworfen ist. Anders verhält 
sich die Cuticula, wenn sie von Thieren herstammt, die mehrere 
Jahre in Alkohol gelegen haben. Diese (von Aulastomum und 
Hirudo) löste sich leicht beim Kochen in 35°/,iger, sogar in 5 '/,iger 
hielt und leicht in die einzelnen Ringel und Bänder zerfiel. Dennoch zeigte 
dieser unverdauliche Theil noch Rothfärbung mit dem Mırron’schen Reagens. 


Über den feineren Bau einiger Cuticulae und der Spongienfasern. 387 


Kalilauge. Wahrscheinlich hatte es Krawkow (1893, p. 190) mit 
soleher Cutieula zu thun, weil er die Löslichkeit der Cutieula von 
Hirudo in 20%,iger Kalilauge (beim Kochen) beobachtete. Weiter 
wurden mit der Cuticula von Hirudo dieselben Reaktionen wie mit 
der Lumbrieus-Cuticula angestellt. Namentlich wurde die ganze Cuti- 
cula von einem Blutegel mit zwei bis drei Tropfen koncentrirter 
89%/,iger Schwefelsäure auf dem Wärmeschrank bei einer Tempera- 
tur von ca. 40° C. in einigen Stunden vollständig gelöst und dann, 
nachdem die bräunlich gefärbte Lösung stark (etwa 1ödfach) mit 
Wasser verdünnt war, ein Paar Stunden auf dem Wasserbad bei 
100° ©. erwärmt. Diese Lösung ergab nach der Neutralisation mit 
Natronlauge beim Zusatz eines Tropfens 10° ‚iger Kupfersulfatlösung 
und einiger weiterer Tropfen 35°/,iger Natronlauge beim Erwärmen 
schwache Kupferreduktion. Es wird hier also beim Erwärmen in 
Schwefelsäure Traubenzucker gebildet, was für Chitin charakte- 
ristisch ist. Es wäre interessant, eine genauere chemische Analyse 
dieser Cuticulae zu machen!. Im Allgemeinen zeigt die Cuticula 
beider Egel in ihrem feineren Bau viel Ähnlichkeit mit der Chitinhaut 
von Gammarus und Astacus und zweifellos auch anderer Arthro- 
poden. | 

Die Cuticula beider Blutegel ist eine sehr dünne, nur bis 0,001 mm 
dieke Membran, welche auf den Durchschnitten keinerlei Schichtung 
zeigt, vielmehr aus einer einzigen Schicht besteht. Auf in Wasser 
aufgestellten, ungefärbten Flächenpräparaten (um so weniger an den in 
Kanadabalsam eingeschlossenen) kann man nur undeutlich bemerken, 
dass die Membran nicht strukturlos ist. Ihre feinwabige Struktur 
tritt am schärfsten auf den im Vakuum ausgetrockneten Präparaten 
hervor. Von der Thatsache, dass die Cutieula einschichtig ist, d.h. 
nur aus einer einzigen Wabenlage besteht, kann man sich bei Be- 
trachtung der optischen Durchschnitte überzeugen, die relativ häufig 
an den Faltungsstellen der Präparate zu beobachten sind. Diese 
Durchschnitte (Fig. 11, Taf. XXIV) zeigen eine Reihe kleinster Waben, 
deren äußere Wand etwas konvex vorspringt, während die innere 
als gerade Linie an die unterliegenden Epithelzellen grenzt. Die 


1 Dass die Cutieula einiger Hirudineen aus Chitin besteht, wurde schon 
im Jahre 1350 von GRUBE (p. 253) ausgesprochen, der aus den Untersuchungen, 
die auf seine Veranlassung von C. ScHmipr gemacht wurden, schloss, dass die 
Cutieula von Hirudo, Clepsine, Piscicola, Pontobdella und anderen 
Würmern aus Chitin besteht. Auch für Lumbricus behauptete er das Gleiche; 
wir haben schon oben gesehen. dass diese letzte Meinung unrichtig war. 


388 Boris Sukatschoff, 


seitlichen Wabenwände stehen, wie zu erwarten, nach Art deren 
eines Alveolarsaumes, alle senkrecht zu den Grenzflächen. Die 
Knotenpünktchen der Wabenwände treten besser auf der Innen- 
grenze hervor. Wie gesagt, sind die ausgetrockneten Präparate der 
Cutieula die geeignetsten zur Untersuchung der Flächenstruktur und 
wegen der Dünne der Cuticula, die sehr leicht auch von geschmol- 
zenem Kanadabalsam durchsetzt wird, ist ein Einschluss in letzteren 
nicht zu empfehlen. Die ausgetrockneten Cutieulae von Hirudo und 
Aulastomum sind kreideweiß, mit einer schwachen gelblichen Nuance. 
Wenn man eine derartig präparirte, in Luft aufgestellte Cutieula von der 
Fläche beobachtet, so zeigt sie eine feine Struktur, die bei schwacher 
Vergrößerung als körnige, bei stärkerer aber als eine feinwabige sich 
zu erkennen giebt (Figg. 17—18, Taf. XXIV). Die Waben scheinen nun 
eine etwas verschiedene Anordnung bei den beiden Egeln zu haben. 
Während man in der Cuticula von Aulastomum manchmal eine 
Art von Streifung sieht (die Waben sind reihenweise angeordnet, was 
sich aber nicht überall deutlich sehen lässt), ist in der Cuticula von 
Hirudo keine Streifung zu sehen. Hier sind die Waben ganz un- 
regelmäßig angeordnet. Auf die interessanten Zellbezirke, welche 
sich bei beiden Hirudineen in der Cuticula wahrnehmen lassen, soll 
weiter unten näher eingegangen werden. 

Die Poren der einzelligen Hautdrüsen, die zuerst von CARENA 
und JOHNSON [ich citire nach Moauın-TAnDon (1546, p. 39), weil ich 
mir leider die beiden Arbeiten nicht beschaffen konnte] nachgewiesen 
wurden, finden sich in ziemlich großer Anzahl, doch nicht so häufig 
als bei Lumbricus. Was ihre Anordnung betrifft, so haben sie 
keinen Zusammenhang mit der Segmentirung des Thierkörpers, und 
ich konnte keine Gesetzmäßigkeit in dieser Beziehung bemerken. Die 
äußere Ansicht der Poren ist ganz verschieden von der bei Lumbri- 
cus, was wahrscheinlich mit der Unregelmäßigkeit der Anordnung 
der Waben zusammenhängt. Der Durchmesser der Porenöffnung be- 
trägt 0,001—0,004 mm. Man kann fast an jedem Porus drei Theile 
unterscheiden (a, r, o, Fig. 12, Taf. XXIV): einen äußeren Wulst «, 
den inneren Rand r und die Öffnung selbst o des Porus. Der äußere 
Wulst a, der bei Aulastomum schon früher von W. VoIsT (1856, 
p. 109) konstatirt und als »kleine kraterartige Verdickung« bezeichnet 
wurde, besteht aus einer einzigen Reihe von regelmäßig radiär ge- 
stellten Waben, deren Knotenpünktchen sehr scharf hervortreten; er 
ist bedeutend dicker, als die umliegende Cuticula und stark licht- 
brechend. Auf einem optischen Durchschnitt (Fig. 14, Taf. XXIV) sieht 


Über den feineren Bau einiger Cuticulae und der Spongienfasern. 389 


er wie eine regelmäßige Verdickung v und r der Cuticula aus; seine 
Breite ist etwa '!/, des ganzen Durchmessers des Porus. Der äußere 
Wulst grenzt unmittelbar an den inneren Rand r des Porus, der 
schwach lichtbrechend ist und von einer Reihe dieker Knöpfehen ge- 
bildet zu sein scheint; die Breite des Randes ist viel geringer als 
die des Wulstes.. Zuweilen (Fig. 13, Taf. XXIV) kann man be- 
‚obachten, dass ein Porus nur den äußeren Wulst und keinen inneren 
Knöpfchenrand hat. Solch eine doppelte Pore (siehe weiter unten) 
ist in Fig. 14, Taf. XXIV im optischen Durchschnitt dargestellt. An 
einigen Stellen konnte ich einen interessanten optischen Durchschnitt 
der Poren beobachten, welcher auf der Fig. 15, Taf. XXIV darge- 
stellt ist. — Endlich haben wir die Öffnung der Pore selbst. Die- 
selbe kann kreisförmig sein (Fig. 13, Taf. XXIV) oder die Gestalt 
einer Ellipse haben (Fig. 12, Taf. XXIV), wonach sich auch die 
Form des umgebenden Randes und Wwulstes richtet. Manchmal sieht 
man im Lumen des Porus ein stark lichtbrechendes Körperchen, 
welches wahrscheinlich ein Rest des Drüsensekretes ist. Ähnliches 
wurde auch bei Lumbricus beobachtet. 

Ziemlich häufig begegnet man doppelten oder Zwillingsporen 
(Fig. 16, Taf. XXIV), deren äußere Wülste verschmolzen sind, deren 
Öffnungen aber setrennt bleiben. Form und Größe zweier solcher 
vereinigter Poren können verschieden sein. Auf Fig. 14 (Taf. XXIV) 
ist, ein doppelter Porus im optischen Durchschnitt dargestellt. 

Häufig trifft man sehr eigenthümliche Gruppen kleinster Poren 
(Fig. 17, Taf. XXIV), deren Durchmesser 0,001 mm und weniger be- 
trägt. Solch eine Gruppe findet sich immer auf einem kreisförmigen 
hellen Feld, das von der umgebenden Cutieula unterschieden ist. 
Die Struktur der Cuticula zwischen den einzelnen Poren des Feldes 
war nur sehr undeutlich zu sehen. Es scheint sich hier um eine 
relativ sehr feine Struktur der Cutieula zu handeln. Die einzelnen 
Poren, die in der Zahl 10—25 vorkommen, lassen bei tiefer Ein- 
stellung einen dunklen Rand erkennen. Im Ganzen beträgt der 
Durchmesser einer Gruppe bis zu 0,04 mm. Fr. Leypıe giebt in 
seinem Werke »Zelle und Gewebe« auf Taf. II zwei Abbildungen 
(Figsg. 29 und 30) von den Sinnesorganen bei Nephelis, deren 
Zellen je ein Sinneshaar tragen; auf zwei anderen Abbildungen 
(Figg. 31 und 32) derselben Taf. II sind die Sinnesorgane von Clep- 
sine complanata und Clepsine marginata dargestellt. Auch 
ArAray (1888) giebt eine entsprechende Abbildung der Tastkegel- 
chen von Clepsine heteroelita. Sie entsprechen alle, besonders 


390 Boris Sukatschoft, 


die Fig. 29 von LEYDIG dem, was ich in der Cutieula von Aula- 
stomum und Hirudo gesehen habe und es kann keinem Zweifel 
unterliegen, dass die beschriebenen Porenfelder dem Austritt der 
Gruppen von Sinneshaaren der Hautsinnesorgane dienen. 

Besonders interessant ist die Zellenzeichnung auf der Cutieula, 
“welche sich auf gut ausgetrockneten Präparaten (bei Hirudo und 
Aulastomum) erkennen lässt. Diese Zeichnung habe ich auch am 
Chitinpanzer von Gammarus fluviatilis (Fig. 19, Taf. XXIV) ge- 
sehen und ist sie seit langer Zeit in der oberen Schicht des Chitin- 
panzers von Astacus fluviatilis und anderer Decapoda konstatirt 
worden, von wo sie BürscHLı neuerdings (1894 und 1898) auch in 
Bezug auf die feineren Strukturverhältnisse schilderte. Sie erinnert 
in auffallender Weise an das Bild, welches die Epithelzellengrenzen 
von der Fläche gesehen darbieten und es unterliegt auch keinem Zwei- 
fel, dass die Zellbezirke der Cuticula den einzelnen Epithelzellen 
genau entsprechen. Die ganze Cutieula von Hirudo und Aula- 
stomum ist bei tiefer Einstellung des Tubus durch dunkle (bei hoher 
Einstellung durch helle) Linien in polygonale Felder getheilt, die 
meistens fünf- oder sechseckig sind. Die Linien, welche die Grenzen 
der Polygone bilden, sind nicht gerade, sondern ziekzackförmig 
(Fig. 18, Taf. XXIV) und ihre Elemente werden gebildet von den 
Wänden der beiderseits an diese Linien anstoßenden Waben. Sie 
sehen sehr scharf aus wegen der größeren Dicke dieser Wände und 
der regelmäßigen senkrechten Anordnung der beiden angrenzenden 
Wabenreihen, die sich wie Alveolarsäume verhalten. 


IV. Der Chitinpanzer von Gammarus fluviatilis Rös. 

(Rat. XIV Eis: 1921) 

Vom Gammarus wurden nur die Coxalplatten und die Dorsal- 
wand der Leibesringe untersucht; die ersteren nur von der Fläche, 
von der zweiten das Flächenaussehen, sowie Querschnitte und 
Macerationsprodukte. Die frisch getödteten, sowie die in Alkohol 
konservirten Exemplare wurden zuerst mit künstlichem Magensaft 
mehrere Tage (bis sechs) auf dem Wärmschrank bei einer Temperatur 
von eirca 40° C. behandelt, bis sie fast ganz durchsichtig waren, 
dann in absolutem Alkohol und Äther von Pigment und Fett befreit. 
Nach dieser Behandlung wurden die Stückchen entweder direkt im 
Wasser, oder nachdem sie nach der schon bekannten Methode (siehe 
oben p. 378) unter der Luftpumpe aus Xylol ausgetrocknet waren, 
unter dem Deckglas in Luft untersucht. Querschnitte wurden von 


Über den feineren Bau einiger Cuticulae und der Spongienfasern. 391 


den in Paraffın eingebetteten Stückchen der Rückenwand gemacht 
und dann stark blau gefärbt mit '/, °/, Hämatoxylinlösung (in Wasser) 
nach Vorbehandlung mit essigsaurem Eisenoxyd. Für die Macerations- 
präparate habe ich Stückchen des Notums (Rückenwand), nachdem sie 
mit künstlichem Magensaft behandelt waren, zwei Tage mit 5%), iger 
Kalilaugelösung, dann mit Alkohol und Äther und endlich 24 Stun- 
den mit halbverdünnter rauchender Salzsäure (von 36,5°/,) behandelt. 
Darauf wurden die Objekte vorsichtig mit essigsaurem Eisenoxyd 
und dann 1/,°/,iger wässriger Hämatoxylinlösung stark blau ge- 
färbt und wie bei Hircinia (siehe oben p. 380) unter dem Deckglas 
leicht zerklopft. Alsdann wurde um das Deckglas ein Rand von 
Paraffıin gelegt. 

Die nach der oben geschilderten Methode ausgetrockneten Theile 
des Panzers sind kreideweiß, wie wir es schon bei Hireinia, Hi- 
rudo, Aulastomum und auch Lumbrieus gesehen haben. Die 
ausgetrockneten Präparate der Coxalplatte, sowie die der Rücken- 
wand des Panzers zeigen bei Flächenbetrachtung dasselbe Bild wie 
die Cutieulae von Hirudo und Aulastomum. Sie lassen schon 
bei schwachen Vergrößerungen deutlich die polygonalen Felder oder 
Zellbezirke erkennen. Auf Fig. 19, Taf. XXIV sind diese Zellbe- 
zirke dargestellt. Nach Bürscuaui (1898, p. 346 und 363) wurden sie 
schon von CARPENTER, QUECKETT und später vielen Anderen beobach- 
tet, die sie in der äußeren sogenannten »Pigmentlage« des Chitin- 
panzers von Astacus fluviatilis und anderer Decapoden beobach- 
teten und diese Lage daher zuweilen als eine von Zellen zusammen- 
gesetzte bezeichneten. Auch Levpıe (1855, p. 379) hat diese »zellig- 
polygonale Zeichnung« bei Astacus, sowie bei einigen niederen 
Crustaceen und Arthropoden an dem Chitinpanzer gesehen. Diese 
Zellbezirke lassen sich durch die ganze Dicke des Notums von 
 Gammarus verfolgen und zeigen dieselben feineren Verhältnisse, wie 
bei Aulastomum und Hirudo. Die Grenzlinie zwischen zwei 
benachbarten Zellbezirken ist auch hier eine Zickzacklinie, die 
zwischen zwei alveolarsaumartigen Grenzreihen von Waben verläuft; 
die Waben der Zellbezirke sind im Übrigen ganz unregelmäßig an- 
geordnet. | Ä | 

Die Querschnitte durch die Rückenwand zeigen (Fig. 20, Taf. 
XXIV), dass die ganze Wand aus mehreren Lagen gebildet ist. Die 
Anzahl dieser Lagen ist jedoch nicht überall die gleiche; es können 
drei oder auch nur zwei Lagen vorhanden sein. Die äuberste Lage 
(a, Fig. 20, Taf. XXIV) wird von einer dünnen, nur eireca 1 « dieken 


892 Boris Sukatschoff, 


Membran dargestellt. Nach ihrem Verhalten zu rauchender Salzsäure, 
in welcher sie sich nicht löst, während die übrigen Lagen von ihr 
fast momentan gelöst werden, ist sie identisch mit der »Grenz- 
membran«, welche von BürschLı (1894, p. 54 und 1898, p. 372) 
am Chitinpanzer des Flusskrebses nachgewiesen wurde. Die ihr 
entsprechende Lage wurde auch bei Homarus vulgaris von 
TULLBERG (1881, p. 8) angedeutet. Wie die Grenzmembran von 
Astacus, besteht diejenige von Gammarus aus einer einzigen 
Schicht von Waben und unterscheidet sich durch relativ starkes 
Lichtbrechungsvermögen von den anderen Schichten. Die zweite 
Lage (m, Fig. 20, Taf. XXIV) besitzt ungefähr !/; der ganzen Dicke 
des Notums. Sie lässt keine deutlichen Schichten erkennen und be- 
steht aus Waben, die unregelmäßig angeordnet sind. Diese Lage 
konnte ich auf einigen Präparaten nicht finden. Bei Astacus 
scheint es keine ihr entsprechende Lage zu geben, doch wäre es 
möglich, dass die sogenannte »Außenlage«, welche bei Astacus 
auf die »Grenzmembran« folgt, dieser Lage entspricht. Nun 
folgt die dritte, untere Lage, die auf Fig. 20, Taf. XXIV mit x be- 
zeichnet ist. Sie lässt sich überall erkennen und grenzt in dem 
Fall, wo die mittlere Lage m fehlt, unmittelbar an die »Grenz- 
membran«. Diese Lage zeigt eine deutliche, regelmäßige Schich- 
tung, die hier und da von aufsteigenden Bälkchen durchsetzt scheint. 
Diese Bälkchen beruhen auf einer vertikalen Anordnung einzelner 
Waben von mehreren Schichten; manchmal steigen solche Bälkchen 
auch etwas schief auf. Abgesehen von diesen Bälkchen sind die 
Waben dieser Lage ganz regelmäßig parallel der Oberfläche in Schich- 
ten angeordnet. Fig. 20 der Taf. XXIV ist nach einem Präparat ge- 
zeichnet, auf welchem man die drei Lagen ganz klar unterscheiden 
konnte. Die zweite Lage m wurde etwa 4 u dick, während die 
Dicke der unteren Lage # 8 u betrug. Dieser Dicke von 8 u ent- 
sprachen 14 Schichten von Waben, was eine Dicke von weniger als 
I u (etwa ?/, u) für jede Schicht ergiebt. 

Die Zerklopfungspräparate (nach der Maceration) bestätigten 
auch in diesem Falle das Vorkommen der wabigen Struktur. Auf 
Fig. 21 (Taf. XXIV) sind einige Fragmente des Notums dargestellt. 
Man kann keine echten Fasern finden; die scheinbaren Fasern, die 
man beobachtet, besitzen immer die Knotenpünktchen und die von 
ihnen ausgehenden Wände der Waben. Was aber sehr interessant 
war, war die Thatsache, dass man häufig bemerken konnte, dass 
beim Zerklopfen die Panzerstückchen in isolirte Platten zerfielen, 


Über den feineren Bau einiger Cuticulae und der Spongienfasern. 393 


die den einzelnen Schichten entsprechen, auf welchen man die 
schon oben geschilderten polygonalen Felder sah; bei weiterem 
Zerklopfen zerfielen diese Platten in einzelne polygonale Felder, also 
nach den Grenzen der Zellbezirke, wo, wie es scheint, der Zusammen- 
hang der Waben am schwächsten ist. Hieraus folgt, dass die Zell- 
bezirkszeichnung durch die gesammte Dicke der Cutieula hindurch- 
seht. Dass sie mit den unterliegenden Epithelzellen übereinstimmt, 
darf für die Decapoda, nach den Erfahrungen der früheren Forscher, 
als sicher betrachtet sein (M. Braun, 1875). 


V. Die Struktur des Kokons von Nephelis vulgaris Moq.-Tand. 


Da ich zufällig beobachtete, dass die Kokons von Nephelis 
schöne wabige Strukturen zeigen, so habe ich auch dieses Objekt 
etwas näher untersucht. 

Wie bekannt (s. z. B. R. LEUCKART 1863, p. 685, VogT und Yuna 
1888, p. 340) werden die Kokons von Nephelis wie die anderer 
Hirudineen von Drüsen des Clitellums zuerst als ein Schleim aus- 
seschieden, der nachher feste Konsistenz erhält. Nach der Befesti- 
gung des Kokons zieht sich die Nephelis unter drehenden Be- 
wegungen heraus und der Kokon, der einen elliptischen Umriss hat, 
wird endlich an beiden Polen durch zwei Pfropfen verschlossen. Der 
Kokon bleibt einige Zeit (zuweilen bis 12 Stunden) weiß mit einer 
gelblichen Nuance, dann wird er allmählich mehr und mehr gelb 
- bis gelbbraun und behält diese Farbe sowohl bei langem Liegen im 
Wasser als in Alkohol; weder beim Kochen in koncentrirter rau- 
ehender Salzsäure (35,7°%,), noch in Kalilauge (35%) wird die 
gelbe Farbe verändert oder entfernt. Die Kokons sind nicht hart, 
sondern biegsam, elastisch und für Paraffinschnitte recht geeignet. 
Ich habe nur alte Kokons untersucht, die schon mehrere Monate in 
Wasser gelegen hatten. Da dieser Theil der vorliegenden Arbeit im 
_ Spätherbst gemacht wurde, so konnten frische Kokons nicht beschafft 
werden. 

An dem Kokon kann man zwei Wände unterscheiden: die obere, 
welche konvex gewölbt ist und die untere, ebene, mit der der Kokon 
an fremden Körpern befestigt ist. Diese beiden Wände des Kokons, 
sowie der Rand, in welchem beide Wände in einander übergehen, 
wurden auf Totalpräparaten und Querschnitten untersucht. Beide 
Wände wurden von außen, sowie von innen betrachtet und ich 
unterscheide darum eine äußere und eine innere Fläche. Die äußere 
Fläche der oberen Wand ist frei, während diejenige der unteren 


394 Boris Sukatschoft, 


Wand an einem fremden Körper befestigt ist. Die beiden inneren 
Flächen gehen in einander über und bilden die Grenze der Höhle 
des Kokons. Auf einem Querschnitt erscheint der Kokon wie es 
nebenstehende Textfigur darstellt. Die gestrichelten Theile der Figur, 
die mit Buchstaben R, O, U, bezeichnet sind, entsprechen den Figuren 
293.27,1,29, die, außsderisTaf. XRXMeiber u Vergrößerung in 
Schnitten dargestellt sind. 


GEH 


Schematischer Querschnitt durch den Kokon von Nephelis. Die gestrichelten Theile entsprechen 

den Figuren 25, 27 und 29, Taf. XXV. AR, der Rand entspricht der Fig. 25; O, die obere Wand ent- 

spricht der Fig. 27; U, die untere Wand der Fig. 29 (die letztere U ist relativ sehr dick gezeichnet, 

sie muss etwa 1/; der Dicke der oberen Wand sein); a, äußere Fläche der oberen Wand; a', äußere 
Fläche der unteren Wand; i, beide innere Flächen. 


So viel mir bekannt ist, wurde die feinere Struktur des Nephelis- 
kokons bis jetzt nicht untersucht. Mogumn-TAnDoNX (1846, p. 174, 
177), der die äußere Gestalt der Kokons von Hirudo und Nephe- 
lis (bei letzterer nennt er die Kokons »Kapseln« [capsules]) genau 
beschreibt, sagt nichts über die feinere Struktur derselben. RATHKE 
(1862, p. 3) bemerkt, die Kokons von Nephelis sind strukturlos. Wir 
werden gleich sehen, dass dies nicht der Fall ist. Ich schildere zu- 
erst das äußere Aussehen des Kokons. 

Wenn man die obere Wand von außen mit mittleren Ver- 
srößerungen betrachtet, so scheint ihre ganze Oberfläche bei tiefer 
Einstellung des Tubus von dunklen sich kreuzenden Linien durch- 
setzt (Fig. 22, Taf. XXV), die in ziemlichen Abständen von einander 
in einer fein granulirten Grundsubstanz verlaufen. Diese Linien sind 
immer wellig. Es lässt sich wahrnehmen, dass sie in ihrem Verlauf 
zuweilen eine bestimmte Richtung einzuhalten neigen, ohne. gerade 
parallel zu verlaufen. Unter einander anastomosiren sie reichlich 
und geben auch Zweige ab, die keine weiteren Verbindungen mit 
benachbarten Linien eingehen, sondern frei endigen. Bei oberfläch- 
licher Betrachtung scheint man es mit einer Skulptur, ähnlich der- 
jenigen des Kokons von Hirudo medicinalis zu thun zu haben. 
Die genauere Untersuchung stimmt aber mit dieser Anschauung nicht 
überein. Wenn man diese Struktur mit stärkerer Vergrößerung unter- 
sucht, so beobachtet man, dass die dunklen Linien nieht nur in dem 


Über den feineren Bau einiger Cuticulae und der Spongienfasern. 395 


äußeren Theil der Wand sich finden, sondern auch bei tieferer Ein- 
stellung des Tubus sich in den tieferen Schichten der Wand er- 
kennen lassen. Sie ziehen über einander hin und können also keine 
Skulptur sein. Ferner bemerkt man bei starker Vergrößerung auch 
zwischen den Linien in der scheinbar feingranulirten Grundsubstanz 
bei einfacher Untersuchung in Wasser, ohne weitere Behandlung oder 
Färbung, eine feine Struktur, die ähnlich der schon erwähnten fein- 
wabigen Struktur der Cuticula von Hirudo, Aulastomum und 
Gammarus ist. Diese Struktur ist auf Fig. 23, Taf. XXV bei etwa 
2250facher Vergrößerung dargestellt. Wahrscheinlich hängen die 
dunklen Linien oder Fasern, die hier auch dargestellt sind zum Theil 
von einer bestimmten Anordnung der Waben ab, resp. sind sie 
diekere Züge der Grundsubstanz des Wabenwerks, die nichtwabig 
oder sehr feinwabig sind. Ähnliche Verhältnisse treten auch, wie 
BürscaLı (1898, p. 58) zeigte, in feinwabig geronnenen Substanzen 
hier und da auf. Wie man bemerkt, sind die Waben hier ganz un- 
regelmäßig angeordnet; selten sieht man eine Anzahl derselben in 
einer Reihe angeordnet. Wenn aber diese Anordnung auftritt, so ist 
diese Reihe durch ihre schärfere Abgrenzung von der umgebenden 
Masse deutlich zu unterscheiden. Wenn man jetzt das Mikroskop 
auf die tieferen Lagen der Wand einstellt, oder noch besser, wenn 
man dieselbe Wand von Innen betrachtet, so erblickt man das Bild, 
welches auf Fig. 24, Tafel XXV dargestellt ist. Das Aussehen der 
Wand des Kokons ist hier wesentlich verschieden; man sieht vor 
‚Allem keine dunklen Linien oder Fasern, wie in den oberen Schichten. 
Die innere Fläche der Wand ist ganz glatt. Die Substanz der Wand 
ist von einer großen Menge ziemlich ansehnlicher, blasiger Hohl- 
räume durchsetzt. Alle diese Hohlräume oder Blasen haben (Fig. 24, 
Taf. XXV) mehr oder weniger rundliche Umrisse und sind zuweilen 
- 80 dicht neben einander angeordnet, dass die Zwischensubstanz wie 
‘ein Gerüst von dünnen Balken erscheint. Diese Blasen sind abge- 
plattet, wie dies namentlich aus der Untersuchung der Querschnitte 
hervorgeht. Wenn man den Tubus hebt und senkt, so verschwinden 
die einen, während andere auftreten, woraus folgt, dass sie in ver- 
schiedenen Höhen die innere Partie der Wand durchsetzen. Im All- 
gemeinen zeigt also die tiefere oder untere Wandpartie die Be- 
schaffenheit eines Schaumes, dem gröbere Schaumblasen beigemischt 
sind. Auf die Beschreibung der feineren Struktur der Grundsubstanz 
der tieferen Wandpartie werde ich erst bei der Betrachtung der 


306 Boris Sukatschoff, 


Querschnitte eingehen, weil ihre Strukturverhältnisse auf Flächen- 
präparaten sich nicht hinreichend deutlich zu erkennen geben. 

Einfacher ist die untere Wand des Kokons gebaut. Von außen 
betrachtet, zeigt sie keine dunklen Linien oder Fasern in der Art 
wie die obere Wand. Auf den Präparaten, die unter der Luftpumpe 
aus Xylol ausgetrocknet worden waren, konnte man sehr klar die 
feinwabige Struktur der Grundsubstanz beobachten, in der auch bla- 
sige Hohlräume in geringer Anzahl auftreten, wie sie schon oben 
aus der oberen Wand beschrieben worden sind. Fig. 3, Taf. XXVI 
ist die vergrößerte Reproduktion einer Photographie, die von Herrn 
Professor O. BürschLi bei 1700facher Vergrößerng /Obj. 2 mm Oe. 8) 
bei tiefer Einstellung aufgenommen wurde. Die Figur stellt eine 
durch Zerreißen abgeblätterte ganz dünne Lamelle der unteren Wand 
dar. Der Rand der Abbildung zeigt eine Rissstelle. Man sieht recht 
klar die feinwabige Struktur der abgeblätterten Lamelle, in welcher 
selten einzelne Wabenreihen durch ihre schärfere Abgrenzung sich 
unterscheiden. 

Ich gehe jetzt zur Besprechung der Querschnitte über, die 
meistens sehr gut gelungen waren, in Folge der geringen Härte der 
Kokons. Die Querschnitte (3>—5 u diek) durch den Kokon wurden 
mit Wasser auf die Unterseite des Deckglases, dem Rathe von Herrn 
Professor ©. BürscHLı folgend, aufgeklebt und entweder mit DELA- 
FIELD’schen Hämatoxylin stark gefärbt, oder direkt in Wasser unter- 
sucht. Noch geeigneter jedoch waren die Schnitte, welche aus Xylol 
unter der Luftpumpe ausgetrocknet wurden. Auf solehen Schnitten 
konnte man sehr klar die feine Struktur der beiden Wände, sowie 
die des Randes erkennen. Ich will mit der Betrachtung der beiden 
Wände beginnen, die bedeutend verschieden sind. 

Die obere Wand (Fig. 27, Taf. XXV) ist circa 0,030 mm dick. 
Ihre äußere Grenzfläche « erscheint auf dem Querschnitt als eine 
mehr oder weniger wellige Linie, ist also nicht ganz glatt und eben, 
sondern unregelmäßig wellig. Diese unregelmäßige Skulptur der 
Oberfläche hat jedoch nichts mit den dunklen Linien oder Fasern 
zu thun, die oben aus der äußeren Partie der oberen Wand geschil- 
dert wurden, denn diese gehören der Substanz der Wand selbst an, 
sind keine Reliefzeichnungen, wie die genauere Untersuchung er- 
siebt. Die innere Grenzfläche 2 ist ganz flach wellig. In der 
sanzen Dieke der Wand kann man vier verschiedene Lagen unter- 
scheiden: je eine äußerste oberflächliche a, eine innerste, den Hohl- 
raum des Kokon begrenzende dünne Membran ? und zwei mittlere, 


Über den feineren Bau einiger Cuticulae und der Spongienfasern. 397 


diekere Lagen m und 4. Die äußere und die innere Grenzmembran 
sind einander ganz ähnlich. Beide sind etwas stärker lichtbrechend 
und bestehen aus einer einzigen Schicht von Waben und erreichen 
eine Dicke von kaum 1 u. Die äußere war überall wahrzunehmen, 
während die innere sich nur sehr selten erkennen ließ. Beide Grenz- 
membranen haben etwa den Charakter von Alveolarsäumen. Die 
mittlere Hauptmasse zeigt zwei Lagen, die obere dünnere »2 erreicht 
etwa 1/, der ganzen Wanddicke, die untere, diekere } nimmt dann 
die übrigen ?2/;, der Wand ein. Beide zeigen den feinwabigen Bau 
sehr klar. In der oberen Schicht m sind die Waben bald unregel- 
mäßig, bald mehr schichtenweise angeordnet; die Schichtung ist je- 
doch stets recht unregelmäßig, indem die Schichten mehr oder 
weniger wellig verlaufen, wobei sich häufig einzelne Schichten aus- 
keilen. Häufig tritt jedoch auch stellenweise eine Neigung der 
Waben zu säuliger Anordnung hervor. In dieser Lage sieht man 
zuweilen auch größere Lücken, die als Spaltungen zwischen den 
Schichten auftreten. Die oben geschilderte obere Lage geht un- 
mittelbar in die diekere untere 4 über, so dass man keine scharfe 
Grenze bemerken kann. Letztere bildet die Hauptmasse der oberen 
Wand des Kokons. Von der oberen mittleren Lage unterscheidet sich 
diese Lage hauptsächlich durch die große Anzahl der in ihr vor- 
kommenden abgeplatteten bis unregelmäßigeren Lückenräume, welche 
den blasigen Hohlräumen entsprechen, die oben bei Besprechung des 
Flächenbildes der inneren Lage der oberen Wand des Kokon geschil- 
- dert wurden (vgl. Fig. 24, Taf. XXV). Diese Lückenräume erscheinen 
auf dem Querschnitt immer parallel der Membranfläche gestreckt, 
und senkrecht zu ihr stark abgeplatte*. Fig. 28, Taf. XXV stellt 
ein zerrissenes Fragment eines solchen dünnen Querschnittes dar. 
Die zerrissenen Ränder dieses Fragmentes lassen wiederum deutlich 
erkennen, dass es sich nicht um Fasern oder Fibrillen, sondern um 
 Wabengerüste handelt. 

Die untere Wand (Fig. 29, Taf. XXV) des Kokon bietet auch 
auf den Querschnitten einen viel einfacheren Bau dar. Ihre Dicke 
beträgt bis 0,005 mm und ist bedeutend geringer als die der oberen 
Wand. Diese Wand besteht aus drei Lagen, .aus einer mittleren, 
diekeren und zwei dünneren Grenzsäumen, von denen der eine den 
Kokon nach außen (a’), der andere (2) den Hohlraum des Kokon be- 
grenzt. Die letztere Grenzmembran ist nichts Anderes als die Fort- 
setzung der entsprechenden Membran der oberen Wand und eben so 
entspricht die äußere Grenzmembran der der oberen Wand. Beide 


398 Boris Sukatschoff, 


zeigen nur eine Schicht von Waben. Ihre Dicke erreicht nur selten 
1 u. Beide verlaufen fast ganz gerade und parallel zu einander, sie 
zeigen höchstens eine geringe Wellung. Zwischen diesen beiden 
Grenzmembranen liegt die mittlere Lage, die aus mehreren Waben- 
schichten besteht, deren Zahl zwischen 4 und 8 schwankt. Man sieht 


hier relativ weniger von den für die obere Wand so charakteristischen 


Lücken oder Blasen. Wenn sie aber auftreten, so sind sie gleich- 
falls längsgestreckt und abgeplattet. Die Schichtung tritt meistens 
sehr deutlich hervor. 

Der Querschnitt durch den Rand ist auf Fig. 25 (Taf. XXV) 
dargestellt. Die äußeren Grenzmembranen « und a’ stellen hier 
eine obere und eine untere Schicht vor. Die inneren Membranen 
vereinigen sich und begrenzen den Randtheil von innen. Zwischen 
diesen einschichtigen Grenzmembranen liegt die Hauptmasse des 
Randes, die im Allgemeinen aus einer feinwabigen Grundsubstanz 
besteht, die von größeren mehr oder weniger unregelmäßigen Hohl- 
räumen reichlich durchsetzt ist. In der Nähe der dünnen äußeren 
und inneren Membranen sind die feinen Waben, parallel der Ober- 
fläche, in Schichten angeordnet und auch die großen Hohlräume 
laufen diesen Schichten mehr oder weniger parallel und sind ent- 
sprechend längsgestreckt. Die in der mittleren Partie des Randes 
liegenden Waben und Hohlräume haben eine mehr unregelmäßige 
Anordnung. Die Umrisse der blasigen Hohlräume sind immer rund- 
lich. Letztere sind zuweilen so dicht zusammengedrängt, dass nur 
dünne einwabige Wände zwischen ihnen bleiben oder sogar ganz 
feine Membranen, in welchen von Struktur nichts mehr nachzuweisen 
ist. Die Grundsubstanz zeigt den feinen Wabenbau ganz vorzüglich 
mit schöner Ausprägung der Knotenpunkte. Häufig lässt sich auch 
an angeschnittenen Hohlräumen die wabige Struktur der Wand in 
der Flächenansicht schön wahrnehmen, wie dies auf Fig. 25 und 26 
(Taf. XXV) bei W dargestellt ist. 

Ich will hier noch Folgendes hervorheben. An den Quer- 
schnitten kann man Poren beobachten, welche die obere Wand des 
Kokons durchdringen. Es sind ganz einfache, unverzweigte, eylin- 
drische Kanälchen, die einen Durchmesser von 0,002—0,004 mm er- 
reichen. Ihr Verlauf ist senkrecht zur Oberfläche. Selten ließ sich 
an einem Porenkanal ein nach oben gehender blinder Seitenzweig be- 
obachten, der sehr kurz war. Eine besondere Struktur der Wand des 
Kokons in der Umgebung der Poren war nicht aufzufinden. In der 
unteren Wand waren nie Poren zu sehen; auch bei der Flächen- 


Über den feineren Bau einiger Cutieulae und der Spongienfasern. 399 


betrachtung der oberen Wand einiger anderen Kokons konnte ich 
keine nachweisen. Wegen augenblicklichen Mangels an Material 
habe ich keine weiteren Untersuchungen hierüber gemacht. 

Da die Kokonsubstanz ein Sekret der Hautdrüsen ist, das zweifel- 
los im flüssigen Zustand an die Hautoberfläche tritt, um die Membran 
des Kokons zu bilden, so dürfen wir die beobachteten Bauverhält- 
nisse der Kokonwand wohl sicher als die eines schaumig geronnenen, 
ursprünglich gelösten Stoffes betrachten. Dabei ist nicht ausge- 
schlossen, dass schon das ursprüngliche Sekret einen mehr oder 
weniger emulsiven oder schaumigen Charakter besitzen kann, welcher 
bei der unter dem Einfluss des umgebenden Wassers eintretenden 
Erstarrung und Gerinnung weiterhin vermehrt wird. Zur Entschei- 
dung dieser Frage ist eine genauere Untersuchung des frischen 
Sekretes nöthig. Die größeren Hohlräume des allgemeinen Waben- 
werks der Kokonwände können ihren Ursprung recht wohl der lang- 
samen Gerinnüng verdanken, welche es gestattet, dass stellenweise 
Schaumbläschen zu größeren Hohlräumen zusammenfließen. Hierfür 
spricht auch der Umstand, dass die Hohlräume in allen Größenab- 
stufungen bis zur gewöhnlichen Wabengröße der Grundsustanz herab 
vorkommen. | 


Am Schlusse dieser Mittheilung will ich das chemische Verhalten 
der Kokons von Nephelis und Hirudo auf Grund der früheren 
- Erfahrungen und einiger eigener Untersuchungen berücksichtigen. 
Ein Überblick der früher in dieser Richtung gemachten Studien er- 
giebt Folgendes. 

Moquin-TAnDon (1846, p. 179, 180) theilte eine von FILHoL aus- 
seführte Analyse des äußeren schwammartigen Theils des Kokons von 
Hirudo medicinalis mit. Die Analyse ergab: Kohlenstoff 


: 48,850%/,, Wasserstoff 6,37%,, Stickstoff 17,32%,, Sauerstoff 


und Schwefel 27,46%, Aus dieser Analyse schließt FiLHor: 
»Il est evident que cette substance doit &tre classee, par sa com- 
position, A cöte des tissus cornes, comme BOoULLAY l’a indique.« 
BourLrAY (1838, p. 310, ich eitire nach MoQuın-TAnDon, weil ich 
mir BouLLAY’s Arbeit leider nicht beschaffen konnte) meint, die innere 
Kapsel des Kokons von Hirudo sei eiweißartiger Natur (»est de 
nature albumineuse«), nach seinen Untersuchungen sei ihre Reaktion 
die des geronnenen Eiweißes. Dies ist jedoch nicht die Meinung 
von FınsoL (siehe Moguın-Tanpon 1846, p. 181), der fand, dass 
»cette matiere appartient &videment ä la elasse des tissus cornes; sa 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Bd. 26 


400 Boris Sukatschoff, 


composition est sensiblement la meme que celle de l’eEpiderme, des 
cheveux, de la laine<«. Eine von FILHoL ausgeführte Analyse er- 
gab, dass die innere Kapsel des Kokons von Hirudo folgende che- 
mische Zusammensetzung hat: Kohlenstoff 50,72%/,, Wasserstoff 
7,000, Stiekstoff 17,48%, Sauerstoff und Schwefel 24,80°,. 
Nach FırmoL und Bourtay löst sich die Substanz des Kokons 
von Hirudo in koncentrirter Salzsäure, Salpetersäure und Kalilauge, 
in beiden letzteren sehr schwer. 

Leider scheinen diese aus den Jahren 1838 und 1846 stammen- 
den Angaben den späteren Forschern, welche die Substanz der 
Kokons von Hirudo und von Nephelis meist als Chitin betrachtet 
haben, fast unbekannt geblieben zu sein. 

Max SIGMUND SCHULTZE bemerkte (1851, p. 33): »die leder- 
artigen Kapseln der Eier von Clepsine und Nephelis« sind voll- 
kommen unlöslich in kochender koncentrirter Kalilauge, in Ammoniak 
und Essigsäure, löslich dagegen in kochender koncentrirter Schwefel- 
säure, sowie in einer mäßig koncentrirten kochenden Chromsäure- 
lösung. In kochender Salzsäure sind sie nach ihm sehr schwer 
löslich. Aus diesem Grunde vergleicht SCcHULTZE die Kokonsubstanz 
beider Hirudineen mit Chitin. R. LEUCKART (1852, p. 25) sagt, dass 
die von ihm gemachten Untersuchungen an verschiedenen Würmern 
sowie an dem Kokon von Hirudo die Angaben C. ScHMIDT’s und 
M. Schuutze’s über die Verbreitung des Chitins bei den Ringel- 
würmern bestätigen. Später (1863, p. 684 Anm.) bemerkt LEUCKART, 
die auf seine Veranlassung von Dr. KÖRNER ausgeführten Unter- 
suchungen der Kokons von Hirudo haben seine »früheren Angaben, 
dass dieselben aus Chitn beständen, vollkommen bestätigt«. 
Dr. KÖRNER hatte gefunden, dass die Kokons in verdünnten Säuren 
und Kalilauge unlöslich waren. Nach mehrstündiger Behandlung 
mit Schwefelsäure lösten sich die Kokons vollständig. »Die kaum 
gefärbte Lösung wurde mit dem 100fachen Volum Wasser verdünnt 
(wobei sich keine Trübung zeigte) und unter Ersatz des verdampfen- 
den Wassers zum Sieden erhitzt und schließlich mit Kalk neutra- 
lisirt, wobei sich deutlich Ammoniak entwickelte. Die vom aus- 
gseschiedenen Gips durch Filtration getrennte Flüssigkeit reduecirte 
Fentine’sche Lösung mit Leichtigkeit.< Die letzte Angabe deutet 
auf Chitin hin, während die erste, die Unlöslichkeit in verdünnten 
Säuren und Kalilauge, jedenfalls nicht als Nachweis des Chitins 
(dienen kann, weil dasselbe sich in ganz koncentrirter Kali- 
laugelösung beim Kochen nicht löst, die Löslichkeit der Kokon- 


Über den feineren Bau einiger Cuticulae und der Spongienfasern. 401 


substanz in koncentrirter Kalilauge wurde aber schon von FILHOL 
(siehe oben) hervorgehoben, was gegen Chitin spricht. In der 
zweiten Auflage seiner »Parasiten des Menschen« (1894, p. 537) 
sagt R. LEUCKART nur ganz kurz, die Kokons sind »chitinige 
Kapseln«. 

Ich will schießlich noch W. Voıgr’s Angabe (1886, p. 105) an- 
führen, der sagt, dass die Kokonmembran von Branchiobdella 
nicht aus »echtem Chitin« bestehe, weil sie sich in Kalilauge löse. 

Ich gehe nun zu einigen eigenen Untersuchungen über, die mit 
den Kokons von Nephelis und Hirudo angestellt wurden. In 
beiden Fällen wurden alte, mehrere Monate, oder bei Hirudo jahre- 
lang in Alkohol konservirte Kokons verwendet. 

Die von mir untersuchten Kokons von Nephelis, sowie die Stück- 
chen des Kokons von Hirudo lösen sich schwer, etwa nach fünf bis 
zehn Minuten langem Kochen in 35°/,iger Kalilauge; eben so auch 
beim Kochen in 36°/,iger Salzsäure. In beiden Fällen erhält sich die 
selbe Farbe der Substanz bis zuletzt, wo die Masse schließlich plötzlich 
in kleinste Stückchen zerfällt, die sich bei weiterem Kochen in eini- 
sen Sekunden völlig lösen. Die Substanz der Kokons von Nephe- 
lis und Hirudo löst sich bei gewöhnlicher Temperatur nicht oder 
jedenfalls äußerst schwer und langsam in 89 %/,iger Schwefelsäure. Sie 
blieb zwei Tage in derselben unverändert. Auf dem Wärmschrank 
bei- eirca 40° C. erhalten die Kokonstückchen zunächst in der 
Schwefelsäure eine tief rothbraune Färbung und lösen sich nach 
zwei bis drei Tagen ziemlich vollständig zu tief rothbrauner Flüssig- 
keit. Werden Stückchen von geronnenem Hühnereiweiß oder Horn- 
substanz des Nagels mit 890%/,iger Schwefelsäure in ähnlicher Weise 
behandelt, so nehmen sie gleichfalls früher oder später eine tief 
rothe bis rothbraune Farbe an und gehen schließlich in Lösung. Mit 
Jodtinktur färbt sich die Substanz der Kokons beider Egel sehr 
rasch tief gelb bis braun, giebt jedoch hierauf bei Schwefelsäure- 
zusatz keine Cellulosereaktion. 

Wie schon BouLLAY (siehe oben) nachwies, geben die Kokons 
von Hirudo und wie ich fand, noch kräftiger die von Nephelis, 
die Eiweißreaktionen. Die LIEBERMANN’sche Reaktion gelang 
mit dem Kokon von Nephelis sehr gut: bei Behandlung des Kokons 
mit rauchender (35,7°/,iger) Salzsäure und Zusatz eines Tropfens von 
890/,iger Schwefelsäure erhielt der Kokon beim Erwärmen eine 
deutliche violette Färbung. Auch die Xanthoproteinreaktion war 


ganz deutlich. Besonders überzeugend ist ferner bei Nephelis die 
26* 


| 402 Boris Sukatschoff, 


Reaktion mit dem Miıtvon’schen Reagens, wobei sich der Kokon 
tief roth färbt. 

Die Kokons beider Egel sind sehr resistent gegen künstlichen 
Magensaft, in welchem sie 7 Wochen bei einer Temperatur von circa 
40°C. blieben, wobei die von Nephelis keine deutliche Veränderung 
zeigten, und noch die Eiweißreaktion mit MILLoN’schem Reagens gaben, 
während die Stückchen des Hirudo-Kokons erst nach drei bis vier 
Wochen in kleinste Fragmente zerfielen und sich theilweise lösten. 

Weiter wurde ein Kokon von Nephelis in drei bis fünf Tropfen 
890/,iger Schwefelsäure nach zwei bis drei Tagen Erwärmen auf 
dem Wärmschrank bei circa 40° C. gelöst. Die Lösung wurde hier- 
auf mit Wasser circa 15fach verdünnt und auf dem Wasserbad 
ein paar Stunden auf 100° C. erwärmt. Nach der Neutralisation 
mit Kali- oder Natronlauge konnte man in der Lösung mit der 
Fentin@’schen Probe keine oder nur geringste Spuren von Zucker 
nachweisen. Derselbe Versuch wurde mit einem Stück Kokon von 
Hirudo angestellt, ohne Zuckerreaktion zu erhalten. 

Alle diese Erfahrungen sprechen dafür, dass die Kokonsubstanz 
dieser Hirudineen kein Chitin ist, sondern ein Stoff, welcher den 
Albuminoiden zugerechnet werden muss, wie es schon früher von 
BouLLAaY (siehe oben) hervorgehoben wurde. Die Kupferreduktion 
bei Nephelis, die nur ganz gering war, kann vielleicht auf einer 
zufälligen unbedeutenden Beimengung von Mucin beruhen. Eine ge- 
nauere chemische Analyse dieser Kokons, namentlich auch die Be- 
stimmung des Schwefelgehaltes, wäre von Interesse wegen der even- 
tuellen Beziehungen der Substanz zu Keratin. 


Zum Schluss fühle ich mich verpflichtet, meinem hochverehrten 
Lehrer Herrn Professor Dr. OÖ. BürscHLı, unter dessen Leitung und 
steter Mitwirkung diese Arbeit ausgeführt wurde, meinen herzlichsten 
Dank auszusprechen. Gleichzeitig danke ich auch Herrn Professor 
Dr. A. SCHUBERG für seine liebenswürdigen Rathschläge und Mithilfe. 


Heidelberg, im März 1899. 


1888. 


1894. 


1838. 


1884. 


1875. 


1892. 


1894, 


1896. 


1898. 


Über den feineren Bau einiger Cutieulae und der Spongienfasern. 403 


Verzeichnis der citirten Litteratur, 


StEepH. ApAtay, Analyse der äußeren Körperform der Hirudineen. Mit- 
theilungen aus der Zool. Stat. Neapel. Bd. VIII, 2. Heft. 

A. van BÖMMEL, Über Cutienlarbildungen bei einigen Nematoden. Arbei- 
ten aus dem zool.-zoot. Institut Würzburg. Bd. X. 

BOULLAY, siehe ÜHARPENTIER. 

A. BouURNE, Contributions to the Anatomy of the Hirudinea. Quart. 
Journ. of microscop. sc. Vol. XXIV. 

M. Braun, Über die histologischen Vorgänge bei der Häutung von 
Astacus fluviatilis.. Arbeiten aus dem zool.-zoct. Institut Würzburg. 
Bd. I. > 

O0. BüTscHLI, Untersuchungen über mikroskopische Schäume und das 
Protoplasma. Leipzig. 

Vorläufiger Bericht über fortgesetzte Untersuchungen an Ge- 
rinnungsschäumen, Sphärokrystallen und die Struktur von Cellulose- 
und Chitinmembran. Verhandlungen des naturhist.-medic. Vereins zu 
Heidelberg. N. F. Bd. V. 

—— Über Strukturen künstlicher und natürlicher quellbarer Substanzen. 
Verhandlungen des naturhist.-medic. Vereins zu Heidelberg. N. F. 
Bd. V, 4. Heft. 

Untersuchungen über Strukturen, insbesondere über Strukturen 
niehtzelliger Erzeugnisse des Organismus und über ihre Beziehungen 
zu Strukturen, welche außerhalb des Organismus entstehen. Leipzig. 

A. CHARPENTIER, Rapport par BoULLAY et GUIBOURT. Journ. Pharm. 
Tome XXIV. 

ED. CLAPAREDE, Histologische Untersuchungen über den Regenwurm 
(Lumbricus terrestris L.). Diese Zeitschr. Bd. XIX. 

M. D’ÜDEKEM, Memoire sur les Lombrieiens. M&m. de l’Acad. R. des 
sciences etc. de Belgique. Tome XXXV. 

Huco EısıiG, Monographie der Capitelliden des Golfes von Neapel. Fauna 
und Flora des Golfes von Neapel. Bd. XVI. Berlin. 

GIGLIo-Tos, Studio istologico sull’ integumento del’ Aulastomum 
gulo Moqu.-Iand. Bolletino dei Musei di Zool. ed Anat. comp. della 
R. Univers. di Torino. No. 69. Vol. IV. 

S. EDwın GOODRICH, Notes on Oligochaetes with the Description of a 
New Species. Quart. Journ. of mierose. sc. Vol. XXXIX. 

A. E. GRUBE, Die Familien der Anneliden. Archiv für Naturgeschichte. 
XVI. Jahrg. 

N. P. Krawkow, Über verschiedenartige Chitine. Zeitschr. für Biologie. 
N. F. Bd. XI. (Bd. XXIX der ganzen Reihe.) 

N.M. Kuracın, Materialien zur Naturgeschichte der Regenwürmer (Fam. 
Lumbrieidae Vejd.). Nachrichten der K. Gesellschaft der Freunde 
der Naturk., Anthrop. und Ethnogr. Vol. LVIII, 2. Heft. (Russisch.) 

RAY LANKESTER, On Intra-Epithelial capillaries in the Integument of 
the Medieinal Leech. Quart. Journ. of microsc. sc. Vol. XX. 

R. LEUCKART, Über das Vorkommen und die Verbreitung des Chitins 
bei den wirbellosen Thieren. Archiv für Naturgesch. XVIII. Jahrg. 


404 Boris Sukatschoff, 


1863. R. LEUCKART, Die menschlichen Parasiten. Bd. I. 1. Auflage. Leipzig 
u. Heidelberg. 

1894. —— Die Parasiten des Menschen. 2. Aufl. Bd. I, 5. Lief. Leipzig. 

1849. FR. LEYDIG, Zur Anatomie von Piscicola geometrica mit theil- 
weiser Vergleichung anderer einheimischer Hirudineen. Diese Zeitschr. 


Bay 
1855. —— Zum feineren Bau der Arthropoden. Archiv für Anat. u. Physiol. 
u. wiss. Mediein. 
1865. —— Über Phreoryctes Menkeanus Hoffm. nebst Bemerkungen über 
den Bau anderer Anneliden. Archiv für mikr. Anat. Bd. I. 
18855. —— Zelle und Gewebe. Bonn. 


1877. A. v. Moysısovics, Kleine Beiträge zur Kenntnis der Anneliden. Sitz.- 
Ber. Akad. Wien. Math.-naturw. Klasse. Abth. 1. Bd. LXXVI. 

1846. Mogauımn-TAnDon, Monographie de la famille des Hirudinees. Nouv. Edi- 
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1862. H. RATHKE, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Hirudineen. Leipzig. 

1889. Remy Samt-Loup, Recherches sur l’organisation des Hirudinees. An- 
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1851. MAx SIGMUND SCHULTZE, Beiträge zur Naturgeschichte der Planarien. 
Greifswald. 

1882. TycHo TULLBERG, Studien über den Bau und Wachsthum des Hummer- 
panzers und der Molluskenschalen. Kon. Svenska Vet.-Akad. Handl. 
Bd. XIX. No. 3. 

1888. C. VosT und E. Yung, Lehrbuch der praktischen vergleichenden Ana- 
tomie. Bd. I. Braunschweig. 

1883. W. VoıGT, Die Varietäten der Branchiobdella Astaci Odier. Zool. 
Anz. VI. Jahrg. Nr. 134. 


1886. —— Beiträge zur feineren Anatomie und Histologie von Branchiob- 
della varians. Arbeiten aus dem zool.-zoot. Institut Würzburg. 
Bd.’ VPE: 


Erklärung der Abbildungen. 


Die feineren Strukturen sind stets mit stärksten Vergrößerungen Obj. 
2 mm (ZEISS oder SEIBERT) und den Ocularen 12 und 18 untersucht und ge- 
zeichnet, auch wo dies nicht besonders bemerkt ist. 


Tafel XXIV. 


Fig. 1. Ein Stück der isolirten Hornfaser von Hireinia flavescens. 
Präparat im Wasser. 

Fig. 2. Ein Stück der isolirten Hornfaser von H. variabilis. Präpa- 
rat im Wasser. Optischer Längsschnitt. 

Fig. 3. Ein Stück der isolirten Hornfaser von H. flavescens. Aus Xylol 
unter der Luftpumpe ausgetrocknet, darauf in geschmolzenen Kanadabalsam 
eingebettet. 

Fig. 4 Ein Stückchen der isolirten Hornfaser von H. variabilis. Aus 
Xylol unter der Luftpumpe ausgetrocknet. Präparat in Luft. 


Über den feineren Bau einiger Cuticulae und der Spongienfasern. 405 


Fig. 5a—c. Fragmente macerirter Hornfasern von Hireinia flaves- 
eens. Behandlung mit JAVELLE’schem Wasser. Färbung mit Gentianaviolett. 
Genaueres im Text p. 380. Präparat im Wasser. Obj. 2 mm (SEIBERT), Oe. 12 
(ZEISS). 

Fig. 6. Querschnitt durch eine Hornfaser von H. flavescens. Präparat 
im Wasser. Obj. 2 mm (SEIBERT), Oe. 12 (Zeiss). 

Fig. 7. Optischer Durchschnitt von einem Stück Cutieula von Lumbri- 
eus terrestris. Färbung mit essigsaurem Eisenoxyd und Hämatoxylin. Prä- 
parat im Wasser. Obj. 2 mm (SEIBERT, Oc. 12 (Zeiss). 

Fig. 8. Querschnitt durch die Haut von Lumbricus. Färbung mit 
essigsaurem Eisenoxyd und Hämatoxylin. Zp, Epithelzellen; Cu, Cuticula. Prä- 
parat im Wasser. Obj. 2 mm (SEIBERT), Oc. 12 (ZE1ss). 

Fig. 9. Stück Cutieula von Lumbricus. Aus Xylol unter der Luft- 
pumpe ausgetrocknet. Präparat in geschmolzenen Kanadabalsam eingebettet. 
Obj. 2 mm (SEIBERT), Oe. 12 (Zeiss). 

Fig. 10. Der Rand eines zerrissenen Stückes von Lumbrieus-Cutieula. 
Färbung mit essigsaurem Eisenoxyd und Hämatoxylin; darauf mit Nadeln zer- 
zupft. Präparat im Wasser. Obj. 2 mm (SEIBERT), Oc. 12 (ZEISS). 

Fig. 11. Optischer Durchschnitt von einem Stück Cuticula von Aula- 
stomum gulo. Aus Xylol unter der Luftpumpe ausgetrocknet. Präparat in 
Luft. Obj. 2 mm (SEIBERT), Oe. 18 (Zeıss). 

Fig. 12. Dasselbe Stück von Cutieula wie Fig. 11. Der Porus einer 
Hautdrüse. a, äußerer Wulst; r, Rand; o, die Öffnung des Porus selbst. Obj. 2 mm 
(SEIBERT), de. 12 (ZEıss). 

Fig. 13. Dasselbe Stick Outicula v von Aulastomum wie auf denFigg.11,12. 
Eine andere Art von Poren der Hautdrüsen. a, äußerer Wulst; o, die Öffnung 
der Poren. Obj. 2 mm (SEIBERT), De. 12 (Zeıss). 

Fig. 14. Optischer Durchschnitt durch die Cutieula von Aulastomum; 
eine doppelte Pore ist im Durchschnitt getroffen. Behandlung wie Fig. 11—13. 

Obj. 2 mm (SEIBERT), Oc. 12 (Zeiss). 
’ Fig. 15. Eine andere Art von Pore in optischem Querschnitt. Behand- 
lung der Cutieula (Aulastomum) wie bei Fig. 11—13. Obj. 2 mm (SEIBERT), 
Oe. 12 (Zeiss). 

Fig. 16a@—e. Drei verschiedene Formen der doppelten Poren in der Cuti- 
eula von Aulastomum. Flächenansicht. 

Fig. 17. Eine Gruppe der zu einem Sinnesorgan gehörigen Poren auf 
einem hellen Feld in der Cuticula von Aulastomum. Färbung mit essigsau- 
rem Eisenoxyd und !/0/,igem Hämatoxylin. Flächenansicht. Präparat im Was- 
ser. Obj. 2 mm fSEIBERT), Oc. 12 (Zeiss). 

Fig. 18. Ein Stückchen der Cutieula von Aulastomum. Flächenansicht 
(Schema). Die Ziekzacklinie «—b zeigt die Grenze zwischen zwei polygonalen 
Zellbezirken. Nach einem aus Xylol im Vakuum ausgetrockneten Präparat. 
Obj. 2 mm (SEIBERT), Oc. 12 (Zeiss). 

Fig. 19. Die polygonalen Zellbezirke in dem Chitinpanzer 'Notum) von 
Gammarus fluviatilis. Aus Xylol unter der Luftpumpe ausgetrocknet. Prä- 
parat in Luft. Tief eingestellt. Obj. 2 mm (SEIBERT), Oc. 12 (Zeiss). 

Fig. 20. Querschnitt durch die Rückenwand des Chitinpanzers von Gam- 
marus fluviatilis. Färbung mit essigsaurem Eisenoxyd und !/aP/,igem Häma- 
toxylin. a, äußere Schicht (Grenzmembran); »n, mittlere Lage; «, untere Lage. 
Präparat im Wasser. Obj. 2 mm /SEIBERT), Oc. 12 (Zeiss). 


A0& Boris Sukatschoff, Über den feineren Bau einiger Cutieulae ete. 


Fig. 21a—c. Macerationsprodukte des Chitinpanzers von G. fluviatilis. 
Präparat im Wasser. Obj. 2 mm (SEIBERT), Oe. 12 (Zeıss). 
Tafel XXV. 


Fig. 22. Kokon von Nephelis vulgaris. Obere Wand von außen. Obere 
Partie. Tief eingestellt. Präparat im Wasser. Schwächere Vergrößerung. Obj. 


'- 2 mm (SEIBERT), Oe. 6 (ZEISss). 


Fig. 23. Kokon von Nephelis. Obere Wand von außen. Obere Partie. 
Präparat im Wasser (dasselbe wie Fig. 22). Tief eingestellt. Stärkere Ver- 
srößerung. Obj. 2 mm (SEIBERT), Oc. 18 (ZEISS). 

Fig. 24. Kokon von Nephelis. Obere Wand von innen. Tiefere Partie 
der Wand; tief eingestellt. Präparat im Wasser. Obj. 1/12 hom. Imm. (SEIBERT), 
Oe. 12 (ZEIsS). 

Fig. 25. Kokon von Nephelis. Querschnitt durch den Rand. Aus Xylol 
im Vakuum ausgetrocknet. Präparat in Luft. a, äußere Grenzmembran der 
oberen Wand: a’, die der unteren Wand; :z, die innere Grenzmembran; o, der 
Übergang in die obere Wand, x, der in die untere Wand. W, die Wände der 
blasigen Hohlräume in Flächenansicht getroffen. Obj. 1/12, hom. Imm. (SEIBERT), 
Oe. 12 (Zeiss). 

Fig. 26. Dasselbe Präparat wie Fig. 25. Ein Detail bei stärkerer Ver- 
srößerung. W, die Wand des Hohlraumes im Querschnitt fach getroffen. Obj. 
2 mm (SEIBERT), Oec. 18 (ZEISS). 

Fig. 27. Kokon von Nephelis. Querschnitt durch die obere Wand. Be- 
handlung wie bei Fig. 25. a, äußere Grenzmembran; n, obere mittlere Lage; 
h, untere mittlere Lage; :, innere Grenzmembran. Obj. 1/12 hom. Imm. (SEIBERT), 
De. 12 (Zeiss). 

Fig. 28. Kokon von Nephelis. Zerrissenes Stück der mittleren Lage 
der oberen Wand von demselben Präparat wie Fig. 27. Stark vergrößert. 
Obj. 1/12 hom. Imm. (SEIBERT), Oc. 12 |ZEIss). 

Fig. 29. Kokon von Nephelis. Querschnitt durch die untere Wand; 
dasselbe Präparat wie Fig. 27 und 28. :, innere Grenzmembran; , mittlere 
Lage; a’, äußere Grenzmembran. Obj. 1/12 hom. Imm. (SEIBERT), Oe. 12 (Zeıss). 


Tafel XXV1. 


Die Figuren dieser Tafel sind vergrößerte Reproduktionen von Mikrophoto- 
sraphien, die von Herrn Professor O0. BÜTSCHLI hergestellt wurden. 

Fig. 1. Kokon von Nephelis vulgaris. Untere Wand in Flächen- 
ansicht. Eine abgeblätterte Lamelle. Aus Xylol im Vakuum ausgetrocknet. 
Präparat in Luft. Obj. 2 mm, Oe. 8. Einstellung tief. Vergr. 3000. 

Fig. 2. Querschnitt durch eine Hornfaser von Hireinia flavescens. 
Präparat im Wasser. Obj. 16 mm Proj. Oe. 4. Vergr. 200. 

Fig. 3. Eine Partie der Fig. 2 bei stärkerer Vergrößerung. Obj. 2 mm, 
Oe. 8. Vergr. 3000. 


Über die Entwicklung des knöchernen Rückenschildes 
(Carapax) der Schildkröten, 
_ Von 


A. Goette 


(Straßburg i. E.). 


Mit Tafel XXVII—XXIX und 3 Figuren im Text. 


Die Untersuchung wurde in der Hauptsache an einer Reihe von 
Föten der Chelone imbricata ausgeführt, die ich der Güte des Herrn 
Dr. VoELTZzkow verdanke Zur Ergänzung dienten Föten von Po- 
docnemis sp., Emydura albertsii und ganz junge Clemmys caspica. 
Die angegebenen Längenmaße beziehen sich auf den integumentalen 
Rückenschild. Von allen diesen Stücken wurden Querdurchschnitte 
und Sagittalmediandurchschnitte durch die Mitte des Rumpfes, meist 
auch durch seine Endabschnitte hergestellt und die Abbildungen 
- durehweg in derselben Vergrößerung gezeichnet. 


Chelone imbricata. 
Fötus (1 em). 


Der Rücken dieser Föten ist gleichmäßig gewölbt, glatt, der 


wulstige Seitenrand des Hautschildes liegt noch über der Mitte der 


Körperhöhe, die Bauchseite wölbt sich eben so stark hervor wie bei 
anderen Reptilienföten (Fig. 1). 

Am Stammskelett zeigt sich die Chorda etwas dorso-ventral 
abgeplattet, intervertebral an der Unterseite etwas eingezogen, so dass 
der untere Längskontour festonartig verläuft (Fig. 4). Der Gallert- 
körper der Chorda ist nicht mehr ganz intakt. — Die zellige Chorda- 
scheide ist in der Längsrichtung der Chorda noch genau angepasst, 
vertebral ausgebaucht, intervertebral eingeschnürt; in der Einschnürung 
befindet sich aber ein schwach vorspringender Wulst, der jedoch 
eben so wie die Einschnürung an der Oberseite der Scheide ver- 


408 A. Goette, 


streicht (Fig. 4). Der ganze Intervertebralring besteht aus einer 
koneentrisch faserigen Masse, während die übrige Chordascheide schon 
knorpelähnlich ist (Fig. 2). Ihr vertebraler Abschnitt oder der pri- 
märe Wirbelkörper ist seitlich und aufwärts in einen wulstigen Rand 
ausgewachsen, der ganze Körper daher kahnförmig (Fig. 3). 

Die gleichfalls schon halb knorpeligen oberen Wirbelbögen 
liegen intervertebral, indem sie, wie die Übergänge zu den Hals- 
und den Schwanzwirbeln lehren, sich über die Vordergrenze ihrer 
Wirbelkörper verschoben haben (Fig. 5). Ihre Basen keilen sich von 
oben zwischen die Randwülste der angrenzenden Wirbelkörper, die 
dadurch etwas aufgebogen erscheinen; abwärts verschmälern sich die 
Basen zu lang dreieckigen Zipfeln, die die Intervertebralringe bis 
zur halben Höhe verdecken. An den Querdurchschnitten verläuft daher 
die deutliche Grenze zwischen Bogen und Körper nur innerhalb des 
Bereichs des schmalen Intervertebralringes koncentrisch zur Chorda 
und seitlich von ihr (Fig. 2); davor und dahinter befindet sie sich 
aber ausschließlich über dem Rande des kahnförmigen Wirbelkörpers 
(Fig. 1); und da diese oberen Theile der Wirbelbögen sich schnell 
in der Richtung von vorn nach hinten verbreitern, so sind die letzt- 
genannten vertebralen Querdurchschnitte häufiger anzutreffen, als die 
intervertebralen mit den tief hinabreichenden Bogenbasen, die, wie 
es scheint, bisher übersehen wurden (HOFFMANN, HAYCRAFT). 

Die aufsteigenden Theile der Wirbelbögen sind ebenfalls breit 
und entsenden in halber Höhe einen vorderen und einen hinteren 
Gelenkfortsatz; die einander entgegenwachsenden Fortsätze zweier 
Wirbel erreichen einander aber nie (Fig. 5). — Zwischen beiden Fort- 
sätzen erhebt und verdickt sich das oberste Ende des Bogens zu 
einem stumpfen Höcker (Spinalhöcker), der aber von seinem Gegen- 
stück getrennt seitlich liegen bleibt (Fig. 1—3). Von der Basis jedes 
Spinalhöckers wächst jedoch ein dünner Knorpelsaum über den Wirbel- 
kanal zur anderen Seite hin. Zwischen den auf einander folgenden 
Wirbelbögen spannt sich eine dichte und dieke Bindegewebsmasse 
aus, die in das Perichondrium der Bögen übergeht und nur an den 
Durchtrittsstellen der Spinalnerven unterbrochen ist: das Zwischen- 
bogenband oder Intereruralligament (Fig. 5). 

Die Rippen gehen von den Wirbelbogenbasen aus und ihre 
Köpfchen greifen erst ganz wenig auf die anstoßenden Wirbelkörper 
über (Fig. 1, 5. Am vorderen Rande scheinen sie kontinuirlich in 
die Bögen überzugehen (Fig. 2), weiter rückwärts zeigt sich aber 
zwischen ihnen eine dunkle Grenzzone wie bei den gewöhnlichen 


Über die Entw. des knöchernen Rückenschildes der Schildkröten. 409 


sich abgrenzenden Rippen. Ein ähnliches Gewebe liegt zwischen 
den Rippenköpfehen und den Wirbelkörpern. Mit den Intervertebral- 
ringen kommen die Rippen überhaupt nicht in Berührung. Die An- 
gabe HorFmann’s (18, p. 99), dass die Rippen der Schildkröten Aus- 
wüchse des Intervertebralknorpels seien, beruht eben nicht auf der 
Kenntnis ihrer Entwicklung, sondern bloß ihrer späteren Zustände. 
— Nur am proximalen Ende sind die Rippen etwas nach oben aus- 
sebogen, ihr übriger Verlauf ist ein gerader; sie enden am Rand- 
wulst des häutigen Rückenschildes, dringen aber noch nicht in ihn 
ein (Fig. 1). Ihr Perichondrium ist nach allen Seiten deutlich ab- 
gesetzt und in keine von Rippe zu Rippe sich fortziehende Fascie 
fortgesetzt (Fig. 6—8). RATAKE kam auf die Beschreibung einer 
solchen Fascie durch ungenaue Beobachtungen älterer Entwick- 
lungsstufen der Schildkröten, was sich aus der damaligen Unter- 
suchungsmethode zur Genüge erklärt. Ganz unbegreiflich ist aber 
die aus zahlreichen Durchschnitten verschiedener Entwicklungsstufen 
seschöpfte Behauptung HAYcRAFT’s, dass die Wirbel und Rippen 
der Schildkröten überhaupt kein Perichondrium oder Periost be- 
säßen!; es ist vielmehr in den Rippen der Schildkröten, wie ich noch 
zeigen werde, schärfer ausgeprägt als bei irgend welchen anderen 
Thieren. 

Die dorsalen Stammmuskeln beginnen mit einem verdickten 
Rand etwas über den Wirbeln und ziehen dann in dünner Schicht 
bis an den äußeren Randwulst, wo sie in einen starken Muskelbauch 
- übergehen, der bereits der künftigen Bauchseite angehört (Fig. 1—3). 
Über den Wirbelbögen hängen die Muskelsegmente unmittelbar zu- 
sammen (Rückenmuskeln); weiter abwärts verbreitern sich aber 
die über den Rippen liegenden Zwischenmuskelsehnen ganz außer- 
ordentlich auf Kosten der verschmälerten eigentlichen Muskelsegmente, 
die sich rinnenförmig zwischen die Rippen einsenken (äußere Inter- 
costalmuskeln Fig. 6-8). Der Übergang der Rückenmuskeln in 
die Intercostalmuskeln bezeichnet auch ungefähr die Grenze von 
Rippenkörper und Rippenhals. Die breiten Sehnen der Inter- 
costalmuskeln sind übrigens nur noch über den oberen Rippenab- 
schnitten kenntlich; weiter abwärts verschwinden sie vollständig, so 


1 Die Abbildungen HayvcrArr’s, die sich auf Föten der gemeinen Süß- 
wasserschildkröte, von Chelone mydas und »Horopas« (soll heißen: Homopus, 
areolatus beziehen, entsprechen allerdings seiner Ansicht, aber nicht den An- 
Sprüchen, die man heute bei der Wiedergabe histologischer Bilder billigerweise 
erheben kann. 


410 A. Goette, 


dass die schmalen Muskelstreifen ganz frei in der Tiefe zwischen 
den Rippen liegen. / 

Mit deutlichem Abstande von dieser Muskulatur liegt über ihrem 
oberen Dritttheil eine dünne Schicht eines dichten indifferenten Ge- 
webes, die nach oben und nach unten wieder verstreicht, intercostal 
ebenfalls ein wenig eingesenkt, aber dort gerade am dünnsten, über 
den Rippen am stärksten ist. Nach ihrer Lage kann diese Außen- 
schieht nur auf die rudimentäre Anlage eines M. obliquus externus 
bezogen werden (Fig. 1—3, 6—8 ex). 

Die Spinalnervenstämme spalten sich vom Ganglion ab in 
zwei Äste, von denen der eine unter den Intereostalmuskeln hinab- 
zieht, der andere, nachdem er zwischen ihnen und den Rücken- 
muskeln hindurchgetreten ist, die ersteren außen begleitet (Fig. 3, 6—8). 

Die beschriebenen Skeletttheile und Muskeln stehen von der noch 
sehr dünnen Oberhaut ziemlich weit ab; dieser Zwischenraum ist 
mit einem sehr lockeren, nicht geschichteten oder verfilzten, sondern 
bloß netzartigen Bindegewebe ausgefüllt, das neben den Rippen bis 
zu dem von ihnen gleichfalls noch weit abstehenden Bauchfell vor- 
dringt (Fig. 1—3, 6—8). Unmittelbar unter der Epidermis ist das 
Bindegewebe dichter und dunkler; gegen den Randwulst hin sondert 
sich diese Schicht immer deutlicher ab, umkreist in einiger Entfernung 
die Rippenenden und erhält in der Bauchwand eine beinahe liga- 
mentöse Begrenzung gegen das unterliegende lockere Bindegewebe 
(Fig. 1). Da in dieser subepidermoidalen Schicht der Bauchwand 
bereits die Anlagen der Plastronstücke (pl) sichtbar werden, ist jeder 
Zweifel ausgeschlossen, dass es sich um eine wirkliche Cutis han- 
delt, die also überall durch ein reichliches subeutanes Bindegewebe 
von den Muskeln und dem Stammskelett getrennt ist. 

HavcrAFr hat ausdrücklich jede derartige Sonderung: des sub- 
epidermoidalen Bindegewebes in Abrede gestellt. Sein Irrthum wird 
dadurch noch auffälliger, dass jene Sonderung auf der folgenden 
Entwicklungsstufe sich noch schärfer ausprägt. 


Chelone imbricata. 
Fötus (1,1 cm). 

Am Rücken beginnt die Abgrenzung der großen Schuppen: die 
Reihe der mittleren spinalen Schuppen ist von den seitlichen und 
diese sind von dem Randwulst durch seichte Furchen gesondert; der 
letztere ist tiefer hinabgerückt. 

Die Veränderungen an den Wirbeln beschränken sich auf eine 


Über die Entw. des knöchernen Rückenschildes der Schildkröten. 411 


geringe allgemeine Vergrößerung und eine stärkere Ausbildung der 
Spinalhöcker (Fig. 10, 11). Während sie wallartig bis über das 
Niveau der anliegenden Muskeln auswachsen, vereinigen sich zwischen 
ihnen die beschriebenen Säume über dem Wirbelkanal, so dass sie 
den Boden einer zwischen den Höckern liegenden Rinne bilden. Die 
Spinalhöcker selbst vereinigen sich niemals, sondern verwandeln sich 
in die Seitenränder des flachen Daches. 

Die Rippen sind etwas verlängert, aber sonst unverändert; die 
Intercostalmuskeln sind noch tiefer gesunken und die beiden Nerven 
liegen ihnen eng an (Fig. 11). Diese Lageveränderung ist die Folge 
davon, dass das ganze subeutane Bindegewebe, einschließlich 
seiner Fortsetzung bis zum Bauchfell, ganz außerordentlich zusammen- 
gefallen ist und dadurch einerseits die Cutis, andererseits das Bauchfell 
den Rippen und der Muskelschicht genähert hat (vgl. Fig. 8 und 11). 
In Folge dessen sinkt das ganze Integument zwischen den Rippen et- 
was ein und bildet über ihnen flache Wülste, die den Verlauf der 
ersteren schon äußerlich erkennen lassen. Auch über den Wirbeln 
und Rückenmuskeln ist das subkutane Bindegewebe zusammengefallen, 
doch nicht so stark wie über den Rippen. Die beschriebene Außen- 
schicht, die mitten in jenem Bindegewebe lag, ist durch dessen 
Zusammenziehung an die unterliegenden Theile gepresst; so bedeckt 
sie wie eine Fascie die Rückenmuskeln, um von dort in das Periost 
der Wirbelkörper und abwärts in dasjenige der Rippen überzugehen 
(Fig. 9, 10). Und zwar entsteht diese die Muskeln überspannende 
häutige Verbindung der Wirbelbögen und Rippen zu einer Zeit, wann 
sie noch durch eine deutliche subeutane Bindegewebsschicht von der 
Cutis getrennt ist, in der allein die unzweifelhaften Hautknochen sich 
entwickeln. 


Chelone imbricata. 
Fötus von 1,3—1,6—1,8 em Länge. 

Während der Rückenschild sich seitlich ausdehnt und abflacht, 
in der Mittellinie aber sich stärker erhebt, so dass im Querdurch- 
schnitt sich ein dachförmiger Kontour zeigt (Fig. 17), wird die untere 
Rumpfhälfte noch viel mehr abgeplattet, bis die Bauchwand endlich 
unter dem dachförmigen Obertheil einen nur schwach konvexen 
Boden bildet. Zugleich ist die Schuppenbildung bis zur Einfaltung 
der Epidermis an den Seiten und am Hinterrande der Schuppen- 
felder vorgeschritten. 

Die Chorda ist nunmehr von den Seiten her stark zusammen- 


412 A. Goette, 


gezogen, so dass nicht mehr ihr Querdurchmesser, sondern ihr Höhen- 
durehmesser überwiegt. Ihr Gallertkörper ist schon ziemlich zer- 
setzt. Die verlängerten, muldenförmigen Wirbelkörper zeigen 
kaum noch Spuren der ventralen Ausladung, da ihre Enden und die 
-Intervertebralringe stärker vorgewulstet sind (Fig. 13). Hand in Hand 
mit der Verlängerung der Wirbel sind auch die Bögen breiter ge- 
worden, ohne jedoch einander näher gerückt zu sein (Fig. 12). 
Die quere Verbindung der Spinalhöcker ist so verdickt, dass die 
Rinne zwischen ihnen ausgeglichen ist; das geschlossene Wirbel- 
dach stellt daher eine breite, ebene Platte dar, deren scharfe, hori- 
zontal etwas ausgezogene Ränder von den ursprünglichen Spinal- 
höckern herstammen. Sie kann füglich als knorpelige Spinal- 
platte bezeichnet werden (Fig. 17, 18). 

An diesen Föten sind die intervertebral hinabsteigenden Bogenbasen 
noch nachweisbar (Fig. 18); später verwischen sich ihre Grenzen. Die 
Andeutung der Rippengelenke und die Grenzen zwischen den Bögen 
und den Wirbelkörpern bleiben jedoch bestehen. — Nachdem die 
Intercostalmuskeln sich bis auf einzelne Muskelfasern zwischen 
den zusammengerückten Nervenästen zurückgebildet haben, sind die 
Rückenmuskeln vollständig isolirt und die einzigen Reste der dor- 
salen Stammmuskeln. 

Der Schwund des subeutanen Bindegewebes ist noch weiter 
fortgeschritten; es ist aber wahrscheinlich nicht einfach unterdrückt, 
sondern in die vordringende Cutis aufgenommen, ihr angepasst 
worden. Dafür spricht der Umstand, dass die nunmehr deutlich ver- 
filzte Cutis zwischen den Rippen bis an die Nerven und Muskeln 
reicht, aber nicht in Folge einer tieferen Einsenkung der ganzen 
Haut, sondern durch eine entsprechende intercostale Verdiekung der 
Cutis, die nur auf Kosten des unterliegenden Gewebes erfolgen kann 
(Berl). 

Diese Einscheidung der Rippen durch die Cutis nimmt gegen 
den Randwulst des häutigen Rückenschildes zu und führt dort zur 
vollständigen Umwachsung der Rippenenden durch die Cutis (Fig. 14). 
Dorsalwärts hindern aber die Rückenmuskeln und die Spinalganglien 
eine Einsenkung der Cutis zwischen die Rippenhälse, so dass sie 
schon über die oberen Enden der Rippenkörper flach hinzieht 
(Fig. 16). Da das subeutane Gewebe jetzt auch am Rücken in der 
angegebenen Weise verschwunden, d. h. in die Unterhaut einbezogen 
ist, so berührt die letztere das Periost der Wirbelbögen und die 
vertebro-costale Verbindungshaut (Fig. 17). — Eine aktive Wucherung 


Über die Entw. des knöchernen Rückenschildes der Schildkröten. 413 


der Unterhaut nach außen findet überall dort statt, wo sich die Falten- 
ränder und Kiele der Schuppen bilden. 

In den mittleren und oberen Abschnitten der Rippen hat die 
Rinde des Knorpels sich in eine dünne Knochenhülse zu verwandeln 
begonnen; das angrenzende Periost ist aufgelockert und nach dem 
theilweisen Schwund der Fasern in einen von unregelmäßigen Zellen 
durchsetzten Spaltraum verwandelt, der aber nach außen durch eine 
feste Faserschicht deutlich abgegrenzt wird. Diese Grenzschicht ver- 
läuft im größten mittleren Abschnitt der Rippen nicht genau kon- 
centrisch zur Knorpeloberfläche, sondern buchtet sich an der vor- 
deren und hinteren Seite jeder Rippe zu einer stumpfen Kante aus 
(Fig. 15, 16). Der Querdurchschnitt des ganzen Periostes erscheint 
daher eitronenförmig. Die an jene Kanten sich anschließende tiefste 
Cutisschicht hat offenbar RATHKE zur Annahme einer besonderen, 
alle Rippen verbindenden und ihre Verknöcherung leitenden Fascie 
veranlasst; wie die Folge lehrt, hat aber jene Schicht mit der Rippen- 
verknöcherung gar nichts zu thun. 


Chelone imbricata. 
Fötus von 2,3—3,2 cm Länge. 

Diese Föten bezeichnen die letzten Stadien des Eilebens. Neben 
dem ansehnlichen Wachsthum aller Theile fällt äußerlich die Ver- 
hornung der Oberhaut und innen die Verknöcherung des Skeletts be- 
sonders in die Augen. Die Verhornung geht so vor sich, dass die 
äußerste Schicht der verdiekten Oberhaut sich in kleinen runden 
Höckern erhebt, in die kegelförmige Spitzen der mittleren Schicht 
hineinragen (Fig. 26, 27). Diese aus ganz abgeplatteten, geschichtet 
liegenden Zellen bestehende Mittelschicht verhornt allein, die Außen- 
schicht bleibt weich, färbbar und löst sich leicht ab. Die Grund- 
schicht ist gegen die Hornschicht ebenfalls ausgezackt, nach innen 
aber ganz glatt, ohne Spur von Papillen. 

Die Schuppenbildung schreitet se weit fort, dass die freien 
Scehuppenränder über ihre Umgebung weit vorragen und die Kiele 
sich sehr hoch erheben (Fig. 22). Von einer Knochenbildung un- 
mittelbar unter den Schuppen ist keine Spur vorhanden, auch nicht 
unter den marginalen Schuppen, während die Nackenplatte und die 
Stücke des Plastron in der tieferen Schicht der Cutis schon früher 
aufgetreten waren (siehe unten). 

Die Intercostalmuskeln und das subeutane Bindegewebe sind 
bei diesen älteren Föten, theilweise aber auch schon früher (Fig. 15, 


414 A. Goette, 


16) vollständig verschwunden. Die Intercostalnerven liegen zwischen 
Cutis und Bauchfell eingeklemmt. — Die Chorda enthält schon in 
den jüngeren Exemplaren dieser Periode einen peripherischen Belag 
von knorpelähnlichen Zellen (Chordaknorpel) in den vertebralen Ab- 
‚schnitten; es ist dort ferner eine dünne Knochenhülse um die Chorda 
und eine ebensolche Knochenschicht an der Außenfläche des Knorpels 
im Entstehen begriffen. In den älteren Föten (3,2 cm Länge, Fig. 22, 
24) dringt der Chordaknorpel schon in den Gallertkörper vor und es 
beginnt die Einschmelzung des perichordalen Knorpels zu unregel- 
mäßigen Markräumen: die periostale Knochenlamelle überzieht un- 
unterbrochen einerseits die Bögen, andererseits die vertebralen Wirbel- 
körperabschnitte und läuft nur an den gegenseitigen Grenzen dieser 
Theile und der Rippen, sowie an den Intervertebralringen mit 
scharfen Rändern frei aus. Auch dringt die Verknöcherung von 
dieser Lamelle aus in das umgebende Periost vor, aber nur an den 
Wirbelbögen. An der Innenseite der letzteren wachsen kurze 
Knochenleisten schräg von der Grundlamelle aus und stets paar- 
weise einander entgegen, so dass sie zuerst Ausbuchtungen der 
Knochenoberfläche und dann geschlossene Binnenräume der Knochen- 
substanz bilden (Fig. 22). Die Oberseite der Spinalplatte und die 
Außenseiten der Wirbelkörper bleiben größtentheils glatt; nur an 
den Seitenkanten, wo jene Flächen zusammenstoßen, entstehen kurze 
dachförmige Knochenvorsprünge, die schräg nach außen und unten 
in die vertebro-costale Verbindungshaut vorwachsen und die dorsalen 
Kanten der Rückenmuskeln überragen (sf). Am vorderen und hin- 
teren Rande der Spinalplatten und Bögen ist aber die Leistenbildung 
an der knöchernen Grundlamelle bereits weit vorgeschritten; die 
Leisten ziehen eine Strecke weit in das Zwischenbogenband hinein 
und stellen dort durch mannigfache Verlöthungen eine zarte schwam- 
mige Knochenmasse her, die den ganzen Wirbelbogen nach vorn und 
hinten verbreitert, während die knorpelisen Querfortsätze sich mehr 
und mehr zurückbilden (Fig. 23, 24). 

Diese Knochenbildung vollzieht sich auch an den Rändern der 
Oberseite der Spinalplatten durchaus subeutan in dem ursprüng- 
lichen Periost, das sich vorher genau so, wie ich es von den 
Rippen der viel jüngeren Föten beschrieb, aufgelockert hatte und 
von der dichten, verfilzten Cutis scharf gesondert bleibt. Am voll- 
kommensten wird jedoch die rein periostale Verknöcherung an den 
sippen unserer älteren Föten ersichtlich; und da sie dort am 
oberen Ende beginnt und nach unten fortschreitet, so lassen sich 


Über die Entw. des knöchernen Riückenschildes der Schildkröten. 415 


ihre verschiedenen Entwicklungsstufen auch schon an einer einzigen 
Rippe verfolgen. 

An den jüngeren Föten von 1,6 cm Länge hatten sich bereits 
an jeder Rippe zwei stumpfe seitliche Kanten ihres Periosts auszu- 
bilden angefangen (Fig. 15). Am oberen Ende des Rippenkörpers 
verschieben sich diese Kanten gegen die Oberseite der Rippe, um 
am Rippenhals ganz aufzuhören (Fig. 16); in einigem Abstande über 
dem freien unteren Rippenende hören sie ganz auf. Darauf wachsen 
sie nun in der angegebenen Abstufung von oben nach unten immer 
mehr aus, so dass der Querdurchschnitt des Periosts in den breiteren 
Abschnitten von der Citronenform zur Spindelform übergeht (Fig. 25 
bis 29). Innerhalb des ganz scharf gezeichneten Kontours liegen 
zunächst feine Längsfasern, die sich namentlich in den Kanten an- 
häufen und im Querdurchschnitt wie eine Punktmasse erscheinen; 
nach innen folgt dann der Spaltraum, in dem sich nur spärliche 
Fasern, aber zahlreiche Osteoblasten befinden. Nur in den breitesten 
Abschnitten dieses Periosts sieht man zarte Fasern den Spaltraum 
von der Außenschicht zur Mitte hin in welligem Verlauf durchsetzen. 
In jene seitlichen Buchten des Rippenperiosts entsendet die peri- 
chondrale Knochenhülse zuerst zwei mehr oder weniger horizontale 
dünne Knochenleisten, die eben so wie das Periost selbst an den 
distalen Rippenabschnitten schmal beginnen und sich proximalwärts 
verbreitern. Sie füllen jedoch den weiten Periostraum keineswegs 
aus, sondern bleiben in gehörigem Abstand von seiner Außengrenze. 
In der Folge erfahren sie unregelmäßige Krümmungen und treiben 
kurze Zweigleisten hervor; allmählich gesellen sich zu den zwei 
ersten Hauptleisten andere darüber und darunter, worauf die ver- 
schiedenen Lamellen sich in derselben Weise wie an den Wirbeln 
zu verbinden anfangen. Gegen das proximale Ende des Rippen- 
körpers treten auch an der Ober-(Außen-)seite schräge, horizontal 
verbundene Leisten hinzu, die aber an den Rückenmuskeln zunächst 
mit einem freien Rand aufhören (Fig. 22 rp'). 

Die Verknöcherung der Rippen erfolgt also nicht nur 
von der ersten perichondralen Knochenhülse aus, sondern 
auch ausschließlich innerhalb eines deutlich abgegrenzten 
und nur ungewöhnlich erweiterten Periosts. Es sind daher 
alle bisherigen entwicklungsgeschichtlichen Angaben über eine außer- 
halb des Periosts stattfindende Knochenbildung der Rippen entsprechend 
zu beriehtigen. Die irrigen Annahmen RaAruke’s und HAYcrAFT'S 
wurden schon erwähnt; ihnen schließt sich als eine neue Variante 

Zeitschrift £. wissensch. Zoologie. LXVI. Bd. 27 


416 A. Goette, 


die Behauptung Horrmann’s an, dass der Knochen der Spinal- und 
Rippenplatten außerhalb des Periosts rein cutan entstände. Wie 
HOFFMANN zu dieser eben so bestimmten wie völlig unzutreffenden 
Ansicht gelangte, ist aus seinen Abbildungen nicht zu ersehen, die 
eben nur die schematisirten Durchschnitte der Skeletttheile, aber 
nichts von den umgebenden Geweben zeigen. 

Die Cutis der ältesten Föten (3,2 em Länge) ist, wo nicht die 
Erhebungen der Schuppenbildung in Frage kommen, sowohl über 
den Wirbelbögen wie über den Rippen absolut dünner geworden 
(Fig. 22c). Da diese Abnahme weiterhin andauert, so ist schon in 
dieser Periode eine theilweise Rückbildung der Cutis nicht zu ver- 
kennen. 


Chelone imbricata juv. 
(4,5 cm.) 

Diese letzte von mir untersuchte Entwieklungsstufe betrifft junge 
Thiere, die nach dem Ausschlüpfen aus dem Ei noch einige Tage 
gelebt hatten. Die Wirbel sind im Ganzen nicht höher, aber der 
Wirbelkanal weiter geworden, indem die Mitte des Wirbelkörpers 
rund um die Chorda unter vollständiger Einschmelzung des Knorpels 
dünner geworden ist (Fig. 30). Die Chorda ist von dem sogenannten 
Chordaknorpel ganz durchsetzt, um schließlich in die Verknöcherung 
mit einbezogen zu werden. Bemerkenswerth ist die schon von Horr- 
MANN beschriebene Bildung des intervertebralen Chordaabschnittes, 
der aus einem mittleren Fadenstück zwischen einer vorderen und 
einer hinteren spindelförmigen Erweiterung besteht. Anscheinend 
kommt dies bei anderen Schildkröten nicht vor; dagegen habe ich 
dieselbe Form der intervertebralen Chorda bei Sphenodon punctatum 
angetroffen (15). Der Intervertebralknorpel ist übrigens sehr breit ge- 
worden, und so versteht sich, dass noch am ÜCarapax von 20 cm 
Länge die Wirbelkörper nicht synostotisch zusammenstoßen, sondern 
durch eine Knorpelmasse getrennt sind. Eine solche befindet sich 
auch zwischen Rippen und Wirbeln. 

Die Verknöcherung der Wirbelbögen hat weitere Fortschritte 
gemacht; die knöchernen Seitenränder der Spinalplatten sind aller- 
dings wenig gewachsen (Fig. 30sf), ihre vorderen Ränder kommen 
aber ihren Gegenstücken schon sehr nahe, so dass man deutlich er- 
kennt, wie der vollkommene Abschluss des Wirbelkanals bis auf die 
Durchtrittsstellen der Nerven lediglich durch Bindegewebsknochen 
(Zwischenbogenband) hergestellt wird, ohne dass die auf einander 


Über die Entw. des knöchernen Rückenschildes der Schildkröten. 417 


folgenden ursprünglichen Wirbelbögen — die ersten Brustwirbel aus- 
genommen — einander nahe kommen (Fig. 31). Es erinnert dies 
durchaus an den Wirbelbau einiger Knochenfische (14). 

Die Knochenbildung der Rippen ist so weit gefördert, dass der 
Knorpel oben und seitlich von porösem Knochen umgeben und im 
mittleren Drittel seiner Länge vollständig in eine Markmasse ein- 
geschmolzen ist (Fig. 30, 32). Die ganze Knochentafel hat den bekann- 
ten spindelförmigen Durchschnitt und einen scharfen vorderen und hin- 
teren Rand. Gegen das proximale Ende des Rippenkörpers erhebt 
sich die spongiöse Masse mit ihren Rändern bis auf die Oberseite 
des Rippenknorpels, der im übrigen Umfang nur von der perichon- 
dralen Knochenhülse bedeckt ist. Diese Hülse geht allein auf den 
Rippenhals über; die bezeichnete oberflächliche Knochentafel trennt 
sich aber von ihm und wächst in die vertebro-costale Verbindungs- 
haut hinein, dem spinalen Knochenrande entgegen (Fig. 30, 33 rp'). 
— Damit sind alle wesentlichen Theile des vertebralen Skelett- 
systems des Carapax angelegt, und es bedarf nur ihres weiteren 
Auswachsens, um den definitiven Zustand herzustellen. 

Die Rückbildung der Cutis hat ebenfalls in der schon geschil- 
derten Weise zugenommen; an der Wurzel der Schuppen ist sie schon 
dem vollen Schwunde nahe (Fig. 30 c). Endlich zeigen die Rücken- 
muskeln in voller Deutlichkeit eine Umwandlung, die schon in den 
reifen.Föten begonnen hatte. Mitten durch die Muskelmasse ziehen 
starke Bindegewebsstränge, in die unter spitzen Winkeln die anliegen- 
den Muskelfasern übergehen, wie eine Federfahne in den Schaft. 
Diese neue Bildung ist nur so zu verstehen, dass die Muskelfasern 
theilweise in jene Bindegewebsstränge sich verwandeln. Dies wird 
dadurch vollends evident, dass an der Oberfläche der Muskelmassen 
ganze Muskelbündel in die Cutis übergehen und in ihr Gewebe ver- 
wandelt werden (Fig. 33 m), so wie sie vorher schon das_ lockere 
subeutane Bindegewebe in sich aufnahm. 


Podocnemis sp. Fötus. 
Clemmys caspica juv. 
Emydura albertsii Fötus. 

Die reifen Föten von Emydura waren nur in so fern inter- 
essant, als sie bereits die Eigenthümlichkeit des fertigen Carapax 
erkennen ließen, der in der Gattung Emydura überhaupt keine 
nach außen hervortretenden Spinalplatten enthält, indem die Rippen- 
platten sich über den Wirbeln direkt vereinigen. An den Föten war 


2® 


418 A. Goette, 


die Verknöcherung der Wirbelkörper schon im Gange, und die Rippen- 
platten überdeckten bereits die größere Hälfte der Rückenmuskeln, 
wogegen an den knorpeligen Spinalplatten nicht einmal die erste ober- 
tlächliche Knochenlamelle gebildet war. Es ist daher vorauszusehen, 
dass die Bildung der knöchernen Spinalplatten unter den darüber 
zusammenstoßenden Rippenplatten so gut wie ganz unterdrückt 
- wird. 

Im vollsten Gegensatze dazu zeigte sich die junge Clemmys; 
der Periostknochen ihrer Spinalplatten war so mächtig entwickelt, 
dass er mit drei Lagen von Markräumen sich über den Knorpel er- 
hob und mit den entsprechenden Knochenplatten der angrenzenden 
Wirbel zusammenstieß (Fig. 34). Die Cutis war über diesen dieken 
Spinalplatten sehr merklich, aber kaum mehr als über den Rippen 
reducirt. Immerhin könnte man zweifeln, ob der dicke Spinalknochen 
rein periostal entstand, da das spinale Periost der Chelone auch nach 
dem Beginn der Verknöcherung nur sehr dünn ist (Fig. 30 pr). Daher 
ist es nicht unwichtig, an den jungen Föten von Podocnemis, 
deren fertiger Carapax sich durch seine Dicke auszeichnet, feststellen 
zu können, dass ihr gut gesondertes spinale Periost ebenfalls von 
einer außerordentlichen Stärke ist, noch bevor die Verknöcherung 
begonnen hat (Fig. 20). Zudem ist dieses Periost mit den Fasern 
der Rückenmuskeln verwebt, die zwischen den Spinalplatten bis zur 
Medianebene und gegenseitiger Berührung vorrücken. Es ist daraus 
zu entnehmen, dass besonders starke Spinalplatten auch eine ent- 
sprechend stärkere wohlgesonderte periostale Grundlage haben (vgl. 
Fig. 19 und 20), die durch Muskelfasern verstärkt und daher unter 
allen Umständen eine subeutane Schicht ist. 

An der jungen Ulemmys verdient noch hervorgehoben zu wer- 
den, dass die Schuppenbildung eben so angelegt wird wie bei 
Chelone; die breiten dorsalen Schuppen liegen aber ganz dieht über 
den Wurzeln der folgenden Schuppen, und ihre Seitenränder sind 
bereits mit der übrigen Haut verwachsen, so dass unter ihnen 
je ein spaltförmiger Taschenraum entsteht, der später ganz ver- 
wächst und schwindet, wodurch die Schuppen in Schilder verwandelt 
werden. 

Die Verwandlung der Rückenmuskeln in Bindegewebe war 
bei denselben Clemmys sehr deutlich, aber nur auf deren mehr oder 
weniger abgesonderte obere Kanten beschränkt; dort sah man die 
Muskelfasern zum Theil nur noch in zerstreuten mageren Bündeln und 
die angrenzenden Knochenleisten in das Bindegewebe einwachsend, 


Über die Entw. des knöchernen Rückenschildes der Schildkröten. 419 


J 


so dass die Überführung dieser Muskeln in Krledensuhaene kaum 
zweifelhaft erscheint!. 


Die Hautknochen. 


In den untersuchten Chelone fanden sich auch schon die ersten 
Hautknochen, und zwar zuerst und sehr früh Stücke des Plastron 
und die Nackenplatte. Die letztere erstreckt sich in der tieferen 
Schicht der Cutis über die drei hinteren Halswirbel, steht aber von 
der Spinalplatte des zweiten Brustwirbels noch weit ab (Fig. 21). 
Bis zur Verbindung dieser beiden Stücke muss nicht nur die Nacken- 
platte weiter nach hinten auswachsen, sondern auch die unter ihr 
liegende Cutisschicht verschwinden. Dasselbe gilt natürlich auch für 
die Verbindung der Nackenplatte mit dem ersten Rippenpaar. Die 
Rand- und Pygalplatten erscheinen merklich später; ihre ersten 
Anlagen fand ich in den jungen Chelone, etwas stärker bei der 
jungen Clemmys. Sie waren von den Rißgenenden noch ziemlich 
weit entfernt. 

In diesem Hautskelett geht übrigens die Verknöcherung genau 
so vor sich wie im Periost: zuerst entsteht in der Cutis eine der 
Form des Knochens entsprechende Verdichtung, deren Centrum sich 
alsdann aufhellt und die ersten Knochenlamellen sich entwickeln 
lässt; an diese schließt sich in der beschriebenen Weise die übrige 
spongiöse Masse an. 


Die Deutung des Carapax. 


Der ganze Lokomotionsapparat des eigentlichen Rumpfes der 
Schildkröten wird größtentheils zurück- und umgebildet zur Herstel- 
lung eines bloßen Schutz- und Stützapparates. Die Rückbildung be- 
trifft vor Allem die Intereostalmuskeln, die vollständig verschwinden, 
theilweise auch die Rückenmuskeln, dann die Gelenkfortsätze, die 
intervertebralen und die Rippengelenke. Mit der Rückbildung der 
Intervertebralgelenke hängt wohl auch die intervertebrale Lage der 
Wirbelbögen zusammen. Mit diesem Schwunde der Beweglichkeit 
sing Hand in Hand die weitere Verfestigung dös Stammes durch die 
Ausbildung des Carapax und des Plastron. Dies geschah 1) ver- 
mittels der periostalen Ausbreitungen der Rippen (Rippenplatten) und 
der zu diesem Zweck abgeplatteten oberen Wirbelbogenstücke (Spi- 
nalplatten), sowie der Bindegewebsverknöcherungen der intereruralen 


1 STANNIUS giebt an, dass er dasselbe gesehen habe (26, p. 111. 


420 A. Goette, 


Bänder, 2) vermittels echter Hautknochen (Nackenplatte, Rand- und 
Schwanzplatten, Plastron). | 

Die Bedeutung der zuletzt genannten Stücke als Hautknochen 
ist nicht zu bezweifeln. Dagegen ist die alte Streitfrage, wie weit 
auch an der Herstellung der Rippen- und Spinalplatten Hautknochen 
betheiligt sind, noch keineswegs entschieden (vgl. die Übersicht der 
‚Litteratur bei HoFFMAnN). Bekanntlich brachte Carus die Lehre 
auf, dass in den ventralen und costalen Stücken des Carapax Haut- 
knochen enthalten seien, und J. MÜLLER und PETERS schlossen sich 
ihm an. Dagegen trat RATHKE in seiner Entwicklungsgeschichte der 
Schildkröten mit großer Bestimmtheit auf, ohne jedoch zu überzeugen; 
denn nach ihm bekannten sich OwEN, STANNIUS, GEGENBAUR (10), 
HoFFMANN wieder zu der älteren Ansicht, die gegenwärtig auch bei 
den Paläontologen die herrschende ist (ZITTEL, CoPE, BAUR, DOLLO 
u. A.. Nur Huxtey theilte Rartake’s, im Grunde auf CuVvIER zu- 
rückgehende Ansicht, und neuerdings bezeichnet GEGENBAUR die von 
ihm vertretene Einbeziehung von Hautknochen in die fraglichen Skelett- 
theile nur noch als eine berechtigte Hypothese (11, p. 177). 

Hypothetisch ist auch in der That jede der beiden entgegen- 
gesetzten Auffassungen über die Zusammensetzung des Carapax ge- 
blieben, da weder anatomisch noch entwicklungsgeschichtlich irgend 
welche überzeugende Thatsachen für die eine oder andere Ansicht 
vorgebracht waren. Nirgends ist an den Spinal- und Rippenplatten 
eine Trennung in das ursprüngliche Stammskelett und die angeblich 
hinzugekommenen Hautknochen beobachtet worden, nachdem RATHKRE 
die Hinfälligkeit der bezüglichen Angaben von PETERS aufgedeckt 
und ein für alle Mal festgestellt hatte, dass jene Knochenplatten sich 
durchaus kontinuirlich mit dem Stammskelett entwickeln. Aber aller- 
dings gelang es ihm nicht, einwandfrei zu beweisen, dass diese Kon- 
tinuität eine ursprüngliche ist, und die Knochenplatten folglich nur 
rein periostale Bildungen seien. Die von ihm beschriebene, alle 
Rippen mit einander vereinigende und auch über die Rückenmuskeln 
hinziehende Fascie, worin die von den Rippen ausgehenden Knochen- 
tafeln sich ausbreiten sollten, konnte doch nicht ohne Weiteres dess- 
halb zum Periost gerechnet werden, weil sie mit einem solchen zu- 
sammenhing, und durfte vielmehr, da sie von der Cutis unmittelbar 
bedeckt sein sollte, ganz wohl als eine cutane Bildung angesehen 
werden, die sich frühzeitig mit dem Periost der Wirbel und Rippen 
verband und dadurch ihre eigene Hautknochenbildung mit der perio- 
stalen Verknöcherung jener Skeletttheile von vorn herein in Kontinuität 


Über die Entw. des knöchernen Rückenschildes der Schildkröten. 491 


brachte. Noch nachtheiliger für seine eigene Ansicht war die Be- 
hauptung RATHKE's, dass das Periost der Rippen noch vor der Ent- 
stehung der sie bedeckenden spongiösen Knochenmasse sich auflöse, 
und die Cutis in deren offene Markräume hineinwachse. Denn in 
Folge dessen konnte HorFFmAnn in RATHkE’s Beschreibung geradezu 
Belege für seine entgegengesetzte Ansicht zu finden glauben, die er 
mit evidenten eigenen Beobachtungen zu stützen nicht im Stande 
war. Diese Ansicht, dass das Periost des Stammskelettes und die 
es bedeckende Cutis im Zusammenhange verknöchern, ging daher 
über den Werth einer Hypothese nicht hinaus. 

Mit großer Bestimmtheit erklärte dagegen HAYCRAFT, auf Grund 
von Untersuchungen verschiedener Entwicklungsstufen, dass nicht 
einmal das von HOFFMANN zugestandene Periost des Stammskelettes 
der Schildkröten existire, und vielmehr ein und dasselbe ungeson- 
derte Bindegewebe den ganzen Zwischenraum zwischen der Epidermis 
und dem knorpeligen Skelett ausfülle. Allerdings zog HAYcRAFT aus 
diesen seinen Beobachtungen keine weiteren Schlussfolgerungen; 
ihre Richtigkeit vorausgesetzt, würde sich aber daraus mit Noth- 
wendigkeit ergeben, dass die knöchernen Rippen- und Spinalplatten 
in derselben subepidermalen Gewebsschicht wie die unzweifelhaften 
Hautknochen, d. h. ebenfalls in der Cutis entständen. Nun wird 
aber kaum Jemand behaupten wollen, dass HAycrArFT’s von mir 
schon charakterisirte. Abbildungen (s. 0. p. 409) irgendwie im Stande 
wären, seine Versicherung von dem vollständigen Mangel des Periosts 
zu begründen und glaubhaft zu machen, geschweige denn unsere 
ganze Streitfrage zu erledigen. Als wirklich feststehend konnte also 
bisher nur gelten, dass die Rippen- und Spinalplatten nicht getrennt 
von den knorpeligen Rippen und Wirbeln, sondern von ihnen aus 
sich entwickelten (RATHKE), was aber, wie wir sahen, für die ur- 
sprüngliche Zusammengehörigkeit dieser Theile noch nicht ent- 
scheidend war. 

Die von mir mitgetheilten Beobachtungen geben nun eine ganz 
unzweideutige Auskunft über die fraglichen Beziehungen. Danach 
besteht die Leibeswand der jüngeren Föten von Chelone aus fol- 
genden Schichten: 1) der Epidermis, 2) der Cutis, 3) dem subeutanen 
Bindegewebe, 4) einer darin eingebetteten, wenig differenzirten aber 
deutlich gesonderten Gewebsschicht, wahrscheinlich der rudimentären 
Anlage eines M. obliquus externus, 5) den Intercostal- und Rücken- 
muskeln, 6) den knorpeligen Rippen mit ihrem deutlich abgegrenz- 
ten Perichondrium bez. Periost. Die Schichten 3—5 schwinden 


422 A. Goette, 


theils durch Atrophie, theils durch Umwandlung in eutanes Gewebe; 
es bleiben nur Reste der Rückenmuskeln, so weit sie nicht für die 
angrenzende Knochenbildung verwendet werden, und die sie über- 
lagernde Schicht 4 zurück. Auch die Cutis beginnt nach der Anlage 
der Schuppen zu schwinden. Die Rippenplatten entstehen ausschließ- 
lich im Inneren des Periosts, so dass sie seine Grenzschicht zunächst 
gar nicht berühren; eine Berührung der Outis und der schon gebil- 
deten Platte tritt erst sekundär ein, nachdem die erstere bereits zu 
schwinden angefangen hat. Eben so sicher subeutan wächst die 
Fortsetzung der Rippenplatte gegen die Spinalplatte in der rudi- 
mentären Muskelschicht 4 Die ganze knöcherne Rippen- 
platte ist also thatsächlich nichts weiter als ein stark 
verdickter Periostknochen der knorpeligen Rippe, nebst 
einer Fortsetzung in einer rückgebildeten Muskelschicht. 
Nichts berechtigt zu der Annahme, dass bei anderen Schildkröten die 
Sache anders liegen könnte, da selbst junge Dermochelys dieselbe 
Form von Rippen zeigen (Textfig. 1), obgleich sie darüber noch ein 
vollkommenes Hautskelett entwickeln. 

Wesentlich eben so wie die Rippenplatten verhalten sich die 
Spinalplatten von Chelone und Podocnemis. Ihr Außenknochen ent- 
steht ebenfalls in einem mehr oder weniger verdickten Periost, und 
wächst von diesem aus eben so deutlich subeutan in die Zwischenbogen- 
bänder und in die Schicht 4 gegen die Rippenplatten aus, und zwar zu 
der Zeit, wenn die Outis sich zurückzubilden anfängt. Diese Spinal- 
platten sind also gleichfalls subeutane, theils periostale, 
theils ligamentöse Verknöcherungen, wie sie an denselben 
Stellen auch bei Fischen und Amphibien vorkommen (13— 15), während 
die unzweifelhaften Hautknochen (Nacken-, Rand-, Pygalplatten, Pla- 
stron) ganz sicher in der ursprünglichen Cutis entstehen. 

Nach den entwieklungsgeschichtlichen Befunden steht es also 
fest, dass die Wirbel und Rippen der Chelone und wohl 
aller Schildkröten keine Spur von Hautknochen ent- 
halten. 

Nun hat aber GEGENBAUR die alte Hypothese von der Ver- 
schmelzung eutaner und innerer Skeletttheile im Carapax der Schild- 
kröten neuerdings (11) in einer Art und Weise erläutert, die von 
meinen entwieklungsgeschichtlichen Ergebnissen ganz unabhängig 
bleibt. Er geht von den Dermocheliden oder Atheca aus, die noch 
keinen Carapax, aber über dem Stammskelett ein von ihm vollständig 
setrenntes mosaikartiges Hautskelett besitzen, das bei der recenten 


Über die Entw. des knöchernen Rückenschildes der Schildkröten. 4923 


Dermochelys coriacea jedoch offenbar in Rückbildung begriffen sei, 
da es erst sehr spät, nach dem Eileben entsteht. Bei dem einstigen 
Übergange solcher atheken Formen in die mit einem Carapax ver- 
sehenen Schildkröten (Thecophora) könne sich nun der völlige 
Schwund jenes Hautskeletts so vollzogen haben, dass die dazu 
nicht mehr benöthigten Osteoblasten bei dem Aufbau des außer- 
ordentlich verstärkten inneren Skeletts verwendet wurden; oder er er- 
folgte dadurch, dass die Hautknochen der Dermocheliden direkt mit 
dem Stammskelett verschmolzen und in dasselbe »aufgingen« (11, p. 175 
bis 177). Da GEGENBAUR nicht angiebt, ob nach seiner Ansicht auch 
im ersten Fall eine Einbeziehung des verschwundenen Hautskeletts 
in das innere Skelett vorliegen würde, so soll hier nur die andere 
Möglichkeit erwogen werden, wonach eine solche Verbindung beider 
Skelettapparate unmittelbar durch Verschmelzung erfolgte. 

. Zu Gunsten dieser Auffassung erwähnt GEGENBAUR zwei That- 
sachen. In der Hautknochenmosaik des fossilen Dermocheliden 
Psephoderma treten drei longitudinale Hauptreihen deutlich hervor; 
es wäre möglich, dass darin der Anfang zur Verschmelzung der 
kleinen Plättchen in drei Reihen von größeren Platten vorliege, die 
alsdann mit den vertebralen Spinalplatten und den Rippen ver- 
schmelzen. Aber abgesehen davon, dass Dermochelys fünf dorsale 
Hauptreihen in ihrem Hauptpanzer besitzt (Fig. 35), die Dreizahl von 
Psephoderma also keine grundsätzliche Bedeutung haben kann, halte 
ich die daraus gezogene Folgerung für viel zu weitgehend, um so mehr 
als die zweite von GEGENBAUR citirte Thatsache einer unmittelbaren 
Verschmelzung der kleinen Plättehen mit den Rippen viel bestimmter 
das Wort redet. Angeblich sollen nämlich nach einer Beobachtung 
Baur’s bei der fossilen Form Eretmochelis die Rippenplatten in kleine 
Stücke zerfallen sein, die ganz wohl die mit den Rippen verschmol- 
zenen Hautpanzerstücke der Dermocheliden bedeuten könnten. Diese 
Thatsache wäre allerdings von nicht geringem Gewicht, wenn sie 
sich als stichhaltig erwiese. »Eretmochelys« ist aber nicht der Name 
einer alten »fossilen« Form, sondern ein Synonym für die von mir 
untersuchte Chelone imbricata, und Baur’s Befund betrifft daher, 
auch nach seiner eigenen Angabe (1, 2), nur eine gelegentliche Ab- 
normität an dieser recenten Schildkröte, aus der man um so weniger 
stammesgeschichtliche Schlüsse ziehen kann, als sie sich aus dem 
von mir beschriebenen diskontinuirlichen Wachsthum des Periost- 
knochens an seiner Oberfläche sehr einfach erklärt. 

Die angeführten Belege für eine Verschmelzung des ursprüng- 


424 A. Goette, 


lichen Hautpanzers mit dem Stammskelett sind also hinfällig. Damit 
wäre jedoch der ganzen Hypothese noch nicht das Urtheil gesprochen, 
so lange sie sonst durchführbar, d. h. mit den nicht zu bestreitenden 
vorliegenden Thatsachen irgendwie vereinbart erscheint. Zu ihrer 
Begründung musste also eine einwandfreie Vorstellung gefunden 
werden, wie denn der angenommene Verschmelzungsprocess in den 
gegenwärtigen Entwicklungsverlauf des Carapax überging, in dem 
eine Verbindung heterogener Theile in keiner Weise mehr nachweis- 
bar ist. GEGENBAUR glaubt dies so erklären zu können (a. a. O.), 
dass der ursprüngliche Vorgang der hypothetischen Verschmelzung 
jetzt so abgekürzt sei, dass die Hautknochen gar nicht mehr cutan 
entstehen, sondern von Anfang an als Ossifikationen des inneren 
Skelets auftreten. Desshalb spricht er es an einer späteren Stelle 
(11, p. 285) geradezu aus, dass die Rippen der Schildkröten »in Costal- 
platten des Dermalskeletts ausgebreitet« sind. 

Diese Erklärung birgt jedoch eine grundsätzliche und gar nicht 
zu beseitigende Schwierigkeit. Man kann ohne Weiteres zugeben, 
dass manche ursprünglich getrennte Körpertheile sich endlich so 
innig mit einander vereinigen können, dass auch ihr individueller 
Ursprung als ein einheitlicher erscheint. Dies ist aber doch nur 
unter gewissen Bedingungen denkbar, die für die uns hier beschäf- 
tigenden Bindegewebsknochen der Cutis und des Periosts am Stamm- 
skelett nicht zutreffen. Diese sind überhaupt keine nach Form und 
Bedeutung selbständigen Theile, sondern genau genommen, bloß eine 
besondere Art von allgemeinem Gewebe, das an sich überall dasselbe 
bleibt und nur von der Grundlage, in der es entsteht, die Form- und 
Lagebeziehungen entlehnt, die ihm eine besondere Bedeutung ver- 
leihen. Ein Hautknochen behält daher diese seine Bedeutung und 
seine Identität nur so lange als er in der Cutis entsteht; ohne diese 
Voraussetzung existirt er überhaupt nicht, so wenig wie ein Periost- 
knochen ohne den genetischen Zusammenhang mit seinem Skelett- 
theil. Folglich kann auch von der Verwandlung eines Hautknochens 
in die Periostverknöcherung eines subeutanen Skeletttheils nicht die 
Rede sein. Allerdings kann man sich vorstellen, dass ein Haut- 
knochen und ein Periostknochen, die in unmittelbarer Berührung ent- 
stehen, von Anfang an kontinuirlich verbunden erscheinen, aber stets 
nur unter der Voraussetzung, dass jeder von ihnen in seiner eigenen 
Grundlage entsteht, so wie etwa HoFFMAnN sich die Entwicklung 
der Rippenplatten dachte. Lässt sich aber an einem angeblichen 
derartigen Verschmelzungsprodukt, wie an den fraglichen Rippen- 


Über die Entw. des knöchernen Rückenschildes der Schildkröten. 425 


und Spinalplatten, kein Theil mehr unmittelbar auf einen cutanen 
Ursprung zurückführen, so ist der über den Periostknochen einst 
vorhanden gewesene Hautknochen schlechtweg verloren gegangen. 
Tritt nun während des Schwundes des Hautknochens eine Ver- 
srößerung des benachbarten Periostknochens ein, so könnte allenfalls 
von einer Korrelation beider Processe gesprochen werden, nicht aber 
von der Einbeziehung eines Knochens in den anderen. Wenn GEGEN- 
BAUR in seiner Bemerkung über die Osteoblasten (s. o. p. 423) bloß eine 
solche Korrelation im Auge hatte, so wäre nichts dagegen einzu- 
wenden; die von ihm daneben vertheidigte Verschmelzungstheorie 
kann ich aber, nachdem die Abwesenheit von eutanen Knochenbil- 
dungen an den Rippen- und Spinalplatten der Schildkröten erwiesen 
ist, nicht anerkennen'. 

Damit kann aber in der Diskussion über den Carapax der 
Schildkröten nicht das letzte Wort gesprochen sein. Die besprochene 
Verschmelzungstheorie würde sich heute nicht einer so allgemeinen 
Anerkennung erfreuen, wenn sie nicht für eine eben so noth- 
wendige wie natürliche Nothwendigkeit gehalten würde. Geht 
man davon aus, dass die Vorfahren der mit einem Carapax ver- 
sehenen Schildkröten oder der Thecophora einen Hautpanzer be- 
saßen, wie ihn die Dermocheliden oder Atheca noch besitzen, 
dass ferner nach Analogie der letzteren unter jenem Haut- 
panzer der Urschildkröten ein Carapax noch nicht vorhanden war, 
aber sich herausbildete, während der selbständige Hautpanzer 
schwand, und dass endlich Hautpanzer und Carapax in dem Ge- 
füge und der Anordnung gekielter Knochenplatten eine unverkenn- 
bare Ähnlichkeit aufweisen, so erscheint es als eine unvermeidliche 
Konsequenz, alle diese vergleichend-anatomischen und paläonto- 
logischen Thatsachen in einer positiven Vorstellung von der genea- 
logischen Entwicklung des Carapax zusammenzufassen. Böte sich 
dafür keine andere Möglichkeit, als die Annahme der Verschmelzung 
beider Skelettapparate, so würden die widersprechenden entwick- 
lungsgeschichtlichen Befunde und sonstigen Erwägungen vielleicht 
nur ein non liquet in der ganzen Frage begründen. Nun lässt sich 
aber der Nachweis führen, dass ein solcher Widerspruch gar nicht 
besteht, und dass die vergleichend-anatomische Untersuchung genau 


1 Nur ganz beiläufig sei hier die wunderliche Annahme BAur’s erwähnt, 
dass die aus der Cutis stammenden Rippen- und Spinalplatten der Schildkröten 
sich gelegentlich wieder vom Stammskelett ablösten, um das Hautskelett der 
angeblich jüngeren Dermocheliden herzustellen (3). 


496 A. Goette, 


zu demselben Ergebnis führt wie die entwicklungsgeschichtliche, 
nämlich dass der fragliche Hautpanzer schwand, ohne mit dem 
Stammskelett zu verschmelzen. 

Es kann unbedenklich angenommen werden, dass die Vorfahren 
der 'Thecophora einen vollständigen dorsalen Hautpanzer besaßen. 
Dafür sprechen seine nachweisbaren Reste in den Randplatten der 
Thecophora (s. u.), ferner das Vorhandensein eines solchen Haut- 
panzers bei den nahverwandten Atheca, endlich die allgemein an- 
erkannte Zurückführung aller Reptilien auf die mit Hautknochen 
versehenen Stegocephalen!. Aus der vergleichenden Anatomie der 
Atheca lässt sich nun mit großer Wahrscheinlichkeit erschließen, 
dass und wie die Thecophoren-Ahnen ihren Hautpanzer einbüßten. 

Da das Stammskelett der fossilen Protostega, Protosphargis und 
Psephophorus mit demjenigen der recenten Dermochelys coriacea über- 
einstimmt, so darf dasselbe auch für Psephoderma, von dem es noch 
nicht bekannt ist, d. h. für alle bekannten Atheca angenommen werden. 
Dieses Stammskelett gleicht nun in allen hier in Frage kommenden 
Stücken vollkommen demjenigen der jungen Chelonen, das doch alle 
Elemente des späteren Mittelstückes des Carapax schon enthält (vgl. 
Textfigg. 1, 2 und die Abbildungen von RATHKE Taf. IV, Fige. 1, 3, 
HOFFMANN Fig. 77, GEGENBAUR Fig. 164). Die breiten Rippen- 
platten mit den Ansätzen zur Fortsetzung gegen die Spinalplatten, 
diese letzteren selbst und die Verbindungen der Wirbelbögen durch 
Knochengewölbe ohne Gelenke — dies Alles kommt auch den 
Atheca zu (vgl. 12), so dass ihr Stammskelett nur graduell von 
einem vollkommenen Carapax verschieden ist, nicht anders 
als wie sich die Stammskelette junger und alter Thecophora unter- 
scheiden. | 

Der dorsale Hautpanzer der Atheca ist, wo er vorkommt, 
überall von wesentlich gleicher Zusammensetzung, ein Mosaikgefüge 
von kleinen Knochenscheiben, worin einige Längsreihen von gekielten 
größeren Platten enthalten sind (ZITTEL, SEELEY, DOLLO, GERVAIS). 
An dem Panzer von Psephoderma sind die mit dem übrigen Panzer 
noch fest verzahnten randständigen Scheiben in einer fortlaufenden 
Kante nach unten umgebogen (27) Psephophorus ist wiederum 


ı Cops hat zum Überfluss in den fossilen Otocöliden sowohl nahe Be- 
ziehungen zu den Schildkröten, wie andererseits einen Hautpanzer gleich dem- 
jenigen gewisser Stegocephalen (Dissorhophus) gefunden (7). 

? Ich halte dies für ein sicheres Zeichen, dass Psephoderma in der That eine 
Schildkröte ist, was in Unkenntnis des übrigen Skelettes bezweifelt worden ist. 


Über die Entw. des knöchernen Rückenschildes der Schildkröten. 497 


durch einen sehr starken Panzer ausgezeichnet, während er bei 
Dermochelys außerordentlich dünn, also wohl schon in Rückbildung 
begriffen ist; der Seitenrand dieses Panzers ist ebenfalls umgebogen 
(vgl. Gervaıs Taf. IX, Fig. 31). Nur bei Protostega und Proto- 
sphargis hat sich keine Spur des Rückenpanzers gefunden (Hay, 
CAPELLINI), was aber nicht ohne Weiteres für die Folge eines zu- 
fälligen Defektes an den fossilen Stücken erklärt werden kann. Diese 
beiden Formen zeichnen sieh noch durch andere Eigenthümlichkeiten 
vor den panzertragenden Atheca aus. Vor Allem besitzen sie die 
gleichen selbständigen Randplatten wie die Thecophora, längliche 
Knochenstücke, ähnlich wie bei Chelone (Textfigg. 2, 3), die bei 


Textfig. 1. Wextiig. 2. 


Stammskelett und Plastron (p) von Dermochelys Stammskelett, Plastron (p) und Randplatten (r 
coriacea, nach GERVAIS. von Protosphargis veronensis, nach CAPELLINT. 


Protostega sogar die Rippenenden in Gruben aufnehmen (Baur, 3). 
Die deutlichen Einkerbungen und Nähte an diesen Randplatten 
(CAPELLINI) lassen schließen, dass sie durch Verschmelzung aus den 
umgebogenen wulstigen Randstücken des Panzers (s. 0.) hervorge- 
sangen sind; ihre geradlinigen dorsalen Kanten beweisen jedoch, dass 
sie sich aus dem mosaikartigen Gefüge des Panzers herausgelöst und 
von ihm vollständig gesondert hatten, so dass er bei diesen Formen 
jedenfalls nicht mehr in der früheren Integrität bestanden haben kann. 
| Ferner ist das Plastron von Protostega und Protosphargis nicht 
aus spangenförmig dünnen Stücken zusammengesetzt wie bei der 
panzertragenden Dermochelys, sondern aus eben solchen langgezahn- 


498 A. Goette, 


ten Platten, wie sie bei Chelone vorkommen (Textfigg. 1—3). End- 
lich sind die Rippenplatten von Protosphargis und Protostega (BAUR) 
breiter als die Rippen von Dermochelys und stehen dadurch der 
Carapaxbildung näher. Wenn wir aber auch von diesem letz- 
‘teren nicht bedeutenden Unterschiede absehen, so gleichen doch 
Protostega und Protosphargis durch ihre selbständigen Randplatten 
und das aus Platten zusammengesetzte Plastron viel mehr den The- 
cophora als den anderen Atheca, so wie die unzweifelhafte Auflösung 
ihres Panzers genau in derselben Entwicklungsrichtung liegt. Unter 
diesen Umständen kann aber das vollständige Fehlen seiner centralen 
Theile, während die Randplatten sich erhalten haben, nicht mehr 
als ein zufälliges gelten. Ich 
halte vielmehr für gewiss, 
dass jene centralen Pan- 
zertheile bei Protostega 
und Protosphargis, die 
ohnehin eine Mittelstellung 
zwischen den anderen Atheca 
und den Thecophora ein- 
nehmen, wirklich zurück- 


n 


22 DU 1% 
BUND .2: 7,2, za 
177 


17 


= 32 gebildet und, vielleicht mit 
al D Ausnahme geringer Reste, 
N seschwunden waren. 
7 So ergiebt sich eine na- 


türliche genetische Einthei- 
lung der bekaniten Atheca in 
| Textfig. 3. 1)solche, die noch einen voll- 
Corona [iammekleit, Kackenpake() Renlaieriund Kommenen orsalen Hat 

panzer besitzen, die Pse- 
phophoridae (Psephoderma, Psephophorus, Dermochelys), und 2) die 
Protosphargidae, die jenen Panzer bis auf die Randplatten einge- 
büßt haben (Protostega, Protosphargis). 

Die Schlussfolgerung aus diesen Vergleichen ist sehr einfach. 
Ging der Mitteltheil des Hautpanzers der Atheca verloren, bevor ihr 
Stammskelett, sowie es schon vorher gebildet war, sich merklich 
veränderte, und jedenfalls lange bevor es sich zu einem Carapax 
zusammenschloss, so fehlt nicht nur jede Nöthigung, sondern selbst 
die Möglichkeit, den Schwund des Panzers dadurch zu erklären, 
dass er mit dem darunter liegenden Stammskelett verschmolz und 
dadurch die Bildung des Carapax veranlasste Die Verschmel- 


Über die Entw. des knöchernen Rückenschildes der Schildkröten. 429 


zungstheorie hat also vom vergleichend anatomischen Stand- 
punkt eben so wenig Berechtigung wie nach den entwick- 
lungsgeschichtlichen Ergebnissen, und ist daher ganz aufzu- 
seben. Der stammesgeschichtliche Verlauf der Carapaxbildung ging 
eben so vor sich wie ihre individuelle Entwicklung noch heute erfolgt: in 
beiden Fällen entsteht der Carapax wesentlich aus dem Stammskelett 
allein, zu dem sich erst sekundär die cutanen Randplatten gesellen. 

Unter diesen Umständen kann natürlich die oben erwähnte un- 
verkennbare Ähnlichkeit des Reliefs am Hautpanzer und am Carapax 
für die Verschmelzungstheorie nicht weiter in Betracht kommen. 
Freilich ist sie keine zufällige Erscheinung, sondern lässt sich auf 
eine gemeinsame Ursache der beiderlei Kielbildungen zurückführen ; 
das hat aber mit der Identität der verschiedenen gekielten Knochen 
nichts zu thun. Immerhin ist die Untersuchung jener gemeinsamen 
Ursache, nämlich der Schuppenbildung, nicht ohne Bedeutung für 
die genealogischen Beziehungen der Atheca und Thecophora. 

Die jungen Dermochelys sind am ganzen Körper mit Schuppen 
bedeckt, die am Rücken und Bauch am stärksten entwickelt sind. 
Am Rücken verlaufen zwischen den unregelmäßig an einander gefügten 
Schuppen von verschiedener Größe sieben einfache Längsreihen von 
gleich großen helleren Schuppen, eine in der Medianebene, zwei 
marginale und jederseits zwei zwischen der mittleren und der mar- 
sinalen Reihe (Fig. 35). Diese Schuppen der »Hauptreihen« sind 
alle deutlich gekielt; häufig, namentlich an den Randschuppen, läuft 
der Kiel in .ein rückwärts gerichtetes Ende aus, das die folgende 
Schuppe etwas dachziegelförmig überragt. Die übrigen Schuppen 
sind mehr schildartige Erhebungen der ganzen Haut, nicht selten 
jedoch mit einem nach hinten geneigten Dorn versehen, vielleicht 
einem Rudiment eines Kiels (Fig. 36). Überall lässt sich an der 
Epidermis eine Schleimschicht mit runden Zellen, eine Übergangs- 
schicht mit platten Zellen und eine ziemlich mächtige, sehr locker 
geschichtete Hornschicht unterscheiden. Die Cutis ist, wenigstens am 
Bauch, einfach verfilzt. 

An der heranwachsenden Dermochelys entstehen unter diesen 
Schuppen und in genauer Anpassung an sie die Hautknochen, die 
folglich dasselbe Gefüge mit den sieben Hauptreihen aufweisen, deren 
Knochenscheiben ebenfalls gekielt sind (TEMMINCK u. SCHLEGEL, 25). 
Während alsdann die Epidermisschuppen zurücktreten und nur in 
den Hauptreihen an den Kielen kenntlich bleiben, verbinden sich 
die Knochenscheiben zu den mosaikartigen Panzern mit den gekielten 


430 A. Goette, 


Hauptreihen. Diese seine Bildung ist also lediglich aus einer An- 
passung an die Epidermisschuppen hervorgegangen. 

Die Schuppenbildung der übrigen Atheca wird nicht wesentlich 
anders gewesen sein. Sie schwand jedoch nicht gleichzeitig mit 
ihrem Panzer, sondern hat sich bei einigen Thecophora, nämlich ge- 
wissen Trionyciden, noch in kenntlichen Resten erhalten. Am 
auffälligsten finde ich sie an einem Trionyx cartilagineus juv. von 
4,35 em Schildlänge, wo die marginalen Schuppen, die mittlere Reihe 
und zahlreiche seitliche Reihen neben isolirten Schuppen zu unter- 
scheiden sind; die letzteren laufen vielfach in ein nach hinten umgelegtes 
freies Ende aus (Fig. 37)1. Trionyx sinensis besitzt am Rücken nur 
einige unregelmäßige Wülste, im weichen Rand aber einzelne Schuppen, 
deren Durchschnitte den Kontour von Saurierschuppen und offenbar 
auch von den dachziegelförmigen Schuppen des Trionyx ceartilagineus 
und der Dermochelys coriacea wiederholen (Fig. 38). — Trionyx 
spinifer trägt scheinbar nur einzelne zerstreute Dornen auf der Rücken- 
haut (Fig. 39); an mikroskopischen Durchschnitten zeigt es sich aber, 
dass manche dieser Dornen, die sich auf einer Cutispapille erheben 
und von einer stärkeren, festen Hornschicht üherzogen sind, auf 
wohl abgegrenzten vorgewölbten Schuppen aufsitzen. Trägt eine solche 
Schuppe nur einen einzigen Dorn, so ist darin eine Wiederholung 
der von Dermochelys beschriebenen Dornschuppen nicht zu verkennen; 
größere Schuppen mit mehreren Dornen (Fig. 40) können nur aus 
einer Verschmelzung mehrerer einfachen Schuppen entstanden sein, so- 
wie die Dornen auf ganz glatten Epidermisstellen offenbar als Reste 
von zurückgebildeten Schuppen anzusehen sind. Die Cutis der Triony- 
ciden zeigt die von HOFFMANN beschriebene Schichtung?. 

Aus diesen Thatsachen lässt sich mit großer Sicherheit schließen, 
dass die Schuppenbildung der Atheca auf die Thecophora über- 
gegangen ist. Bei den Urypto- und Pleurodira ist sie aber nicht 


! Diese Beschreibung ist nach einem Stück des Berliner zoologischen 
Museums gemacht worden, wovon mir Herr Dr. TORNIER in dankenswerther 
Weise eine Photographie besorgte. Auch die Fig. 35 (Dermochelys) hat den- 
selben Ursprung. 

?2 HOFFMANN, der die Rückenhaut einer nicht genannten Trionyx-Art unter- 
suchte, weiß von unseren Schuppen nichts, beschreibt aber solide kegelförmige 
Erhebungen der Epidermis, die er für eine Art von Sinnesorganen hält (18, 
p- 44, Fig. 52). Ich kenne diese Bilder; es sind die seitlich angeschnittenen 
Dornen, die genau durch Spitze und Papille zu treffen wegen der festen Horn- 
schicht in der That schwer gelingt. Andere Angaben über unsere Schuppen 
sind mir nicht bekannt. 


Über die Entw. des knöchernen Rückenschildes der Schildkröten. 431 


wie bei den Trionyeiden rudimentär geworden, sondern eigenthüm- 
lich metamorphosirt. Ihre großen Hornschuppen sind zweifellos 
durch Verschmelzung von reihenweise angeordneten kleineren 
Schuppen entstanden, da ein solcher Vorgang nicht nur bei Sauriern 
und Krokodilen, sondern auch bei Trionyciden (siehe oben) unmittel- 
bar festgestellt werden kann. Diese Schuppenbildung beginnt sehr 
früh, noch vor dem Anfang der Verknöcherung des Carapax und 
führt Anfangs auch dort, wo später nur flache Schilder zu sehen sind 
(Clemmys), zur Herstellung von gekielten, sich dachziegelförmig 
deekenden Schuppen. Wo diese Form längere Zeit oder dauernd 
erhalten bleibt, da passt sich auch die Oberfläche des Carapax, 
nachdem er unter Rückbildung der Cutis bis an die Epidermis aus- 
gewachsen ist, den Kielen und Schuppengrenzen an, ohne dass je- 
doch diese Erhebungen und Vertiefungen irgendwie mit den Grenzen 
der Spinal- und Rippenplatten übereinstimmen!. Kommen die Kiele 
der Hornschuppen nicht zu voller Entwicklung, so bleibt auch der 
Carapax glatt. Das Relief des letzteren beruht also unter allen Um- 
ständen auf einer Anpassung an die Epidermis. Die Ähnlich- 
keit zwischen den Kielreihen des Hautskeletts der Atheca und denen 
des Carapax vieler, namentlich junger Thecophora lässt sich also auf 
dieselbe veranlassende Ursache, nämlich die homologe Schuppen- 
bildung der Epidermis zurückführen; desshalb bleibt sie aber eine 
von außen entlehnte, mit dem Ursprung der beiderlei Knochen nicht 
zusammenhängende Erscheinung. Wichtiger als dieses Ergebnis ist 
aber die aus unserem Vergleich folgende Übereinstimmung der 
Atheca und Thecophora auch in Bezug auf die Hautbildung. 


Mit dem besprochenen Hautskelett, dem Panzer der Atheca und 
seinen Resten bei den Thecophora, den Randplatten, haben die 
übrigen Hautknochen, die allen Schildkröten gemeinsam sind, die 
Nackenplatte und das Plastron, nichts zu thun. Sie liegen bei der 
Atheea nicht nur unter dem Panzer, sondern entstehen auch so viel 
früher?, dass an einen genetischen Zusammenhang beider Theile 


1 Da die Randplatten von den ursprünglichen Schuppenknochen abstammen, 

so sollten sie eigentlich mit den Epidermisschuppen übereinstimmen; dass dies 

nicht geschieht, hängt wohl damit zusammen, dass die Randplatten bei den 

. jüngeren Atheca bereits gebildet waren, bevor die großen Hornschuppen ent- 
standen. _ 

2 Bei den jungen Dermochelys sind Nackenplatte und Plastron bereits 

vorhanden (RATHKE, GERVAIS), während der Hautpanzer erst viel später erscheint; 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Bd. 28 


432 A. Goette, 


nieht gedacht werden kann. Es ist aber allerdings mehr als wahr- 
scheinlich, dass Nackenplatte und Plastron ebenfalls aus Schuppen- 
knochen hervorgingen; die Plastronstücke der jungen Dermochelys 
erinnern durchaus an die aus Schuppenknochen entstandenen »Bauch- 
rippen« anderer Reptilien (vgl. RATHKE, GERVAIS. Wir haben also 
bei den Schildkröten ein doppeltes Hautskelett zu unterscheiden, 
serade so wie am Schädel der Lacertiden über den eutanen Deck- 
knochen noch die später hinzukommenden Schuppenknochen liegen. 
Merkwürdigerweise unterliest bei den Schildkröten gerade das 
spätere, äußere Hautskelett einer umfassenden Rückbildung, während 
das Plastron sich ganz auffallend weiter entwickelt. Im vollstän- 
digen Carapax vereinigen sich aber Theile beider Hautskelette mit 
dem Stammskelett. 


Straßburg i/E., im Mai 1899. 


Litteratur-Übersicht, 
1. BAur, Osteologische Notizen über Reptilien. (Zool. Anz. 1886. p. 685.) 
2. —— Dasselbe. (Zool. Anz. 1888. p. 423.) 
3. —— Die systematische Stellung von Dermochelys. (Biol. Centralbl. Bd. IX. 


p. 184.) 

4. BOULENGER, Catalogue of the Chelonians etc. in the British Museum. 1889. 

5. CAPELLINI, Le piastre marginali della Protosphargis veronensis. (Rend. d. 
Sessioni d. R. Accad. d. Sc. Bologna. 1897—1898.) 

6. C.G. Carus, Von den Ur-Theilen des Knochenr- und Schalengerüstes. 1828. 

7. CoPE, Second Contribution to the History of the Cotylosaura. (Proc. of 
Amer. Philos. Soc. Vol. XXXV. 1896.) 

8. CUVIER, Recherches sur les ossements fossiles. Tome V. 1835—1837. 

9. Doro, Sur les Cheloniens oligocenes et neogenes de la Belgique. (Bull. 
Mus. R. d’hist. nat. Belgique. 1888. Tome V.) 

10. GEGENBAUR, Grundzüge der vergleichenden Anatomie. 2. Aufl. 1870. 

11. —— Vergleichende Anatomie der Wirbelthiere. I. 1898. 

12. GERVAIS, Osteologie du Sphargis Luth. (Nouv. Arch. Mus. d’hist. nat. Paris. 
Tome VIII. 1872.) 

13. GOETTE, Die Entwicklungsgeschichte der Unke. 1875. 

14. —— Beiträge zur vergleichenden Morphologie des Skelettsystems der Wirbel- 
thiere. II. Die Wirbelsäule und ihre Anhänge. 5. Die Teleostier. 
(Archiv f. mikr. Anat. Bd. XV1.) 

15. —— Über den Wirbelbau bei den Reptilien und einigen anderen Wirbel- 
thieren. (Diese Zeitschr. Bd. LXII. 1896.) 


eben so werden bei den Thecophora jene ersteren Skeletttheile schon in den 
Jungen Föten angelegt, die Reste des Hautpanzers, die Randplatten, erst nach 
dem Eileben. 


Über die Entw. des knöchernen Rückenschildes der Schildkröten. 433 


16. Hay, On certain portions of the sceleton of Protostega gigas. (Field Co- 
lumbian Museum. Zoolog. Ser. Vol. I. 1895.) 

17. HAYycRAFT, The development of the Carapace of the Chelonia. (Transaet. 
R. Soc. Edinburgh. Vol. XXXVI. 1892.) 

'18. HOFFMANN, Beiträge zur vergleichenden Anat. der Wirbelthiere. 
Archiv f. Zoologie. Bd. IV. 1879.) 

19. Huxtey, Handbuch der Anat. der Wirbelthiere. Übers. von RATzEL. 1873. 

20. JOH. MÜLLER, Jahresbericht in MÜLLER’s Arch. für Anatomie ete. 1835. p. 60. 

21. Owen, On the development and homologies of the earapace and plastron 
of the Chelonian Reptiles. (Phil. Transact. London 1849.) 

22. PETERS, Über die Bildung des Schildkrötenskelettes. (MÜLLER’s Arch. für 


(Niederl. 


Anatomie ete. 1839.) 


23. RATHEE, Über die Entwicklung der Schildkröten. 1848. 
24. SEELEY, Note on the Psephophorus polygonus. (Quart. Journal of the Geol. 


Soc. London. Vol. XXXVl. 


1880.) 


25. V. SIEBOLD, Fauna japonica. Reptilia von TEMMINcK u. SCHLEGEL. 1833. 


26. Srtannıus, Handbuch der Anatomie der Wirbelthiere. 2. Aufl. 


1854. 


27. ZiTTEL, Paläozoologie. III. Testudinata. 1887—1890. 


Erklärung der Abbildungen, 


Allgemeine Bezeichnungen: 


au, Austrittsstelle des Spinalnerven; 
bm, Bauchmuskel; 


ce, Cutis; 

ch, Chorda; 

chs, Chordascheide = primärer Wirbel- 
körper; 

ep, Epidermis, ep’, ihre Schleimschicht; 

ex, M. obliquus externus — vertebro- 


costale Verbindungshaut; 
gf,vorderer, 9f’,hinterer Gelenkfortsatz;; 

h, Hornschicht der Epidermis; 

ic, Zwischenbogenband; 

im, Intercostalmuskel; 

in, innerer, in’, äußerer Intercostalnerv; 

iv, Intervertebralring; 

mk, Markräume; 

np, Nackenplatte; 


pl, Plastron; 

pr, Periost, pr’, Periostknochen; 

pt, Peritoneum; 

r, Rippe; 

rm, Rückenmuskel; 

rp, Rippenplatte, rp’, ihr medialer Fort- 
satz; 

rw, Randwulst der häutigen Rücken- 
schilder; 

sc, subeutanes Bindegewebe; 

sf, Seitenrand der knöchernen Spinal- 
platte; 

sh, Hautschuppen; 

sp, Spinalhöcker, sp’, knorpelige, sp”, 
knöcherne Spinalplatte; 

wb, Wirbelbogen; 

wk, Wirbelkörper. 


Tafel XXVII. 
Alle Figuren stammen von Chelone imbricata und sind in derselben Ver- 


srößerung gezeichnet. 


Figg. 1—8 Fötus von 1,0 em Schildlänge. 


Fig. 1. 


Querschnitt aus der Mitte des Rumpfes, längs des Verlaufes einer 


Rippe und durch das Vorderende des Wirbelkörpers. 


Bie4?: 
Fig. 3. 


Eben so, aber genau intervertebral. 
Eben so, vertebral und längs des Verlaufes der Intercostalnerven. 


(In Fig. 1 und 3 sind wegen der etwas schrägen Richtung der Rippen und Ner- 
ven diese Theile aus den benachbarten Schnitten ergänzt.) 


Fig. 4. 
Fig. 5. 
mittleren Brustwirbel. 


Mediandurchschnitt durch die Wirbelkörper. 
Aus Sagittaldurchschnitten konstruirte linke Seitenansicht der 


283% 


434 A. Goette, Über die Entw. des knöch. Rückenschildes d. Schildkröten. 


Figg. 6—8. Sagittaldurchschnitte durch die seitliche Rückenwand, am 
Rippenhals (Fig. 6), am oberen Ende des Rippenkörpers (Fig. 7), in seiner Mitte 
(Fig. 8). 

Figg. 9—11. Fötus von 1,1 cm Schildlänge. 

Fig. 9. Querdurchschnitt aus der Körpermitte und durch das Vorderende 
des Wirbels. 

Fig. 10. Eben so, durch die Mitte des Wirbels. 

Fig. 11. Sagittaldurchschnitt durch die seitliche Rückenwand. 

Figg. 12—16. Fötus von 1,6 cm Schildlänge. 

Fig. 12. Linke Seitenansicht der mittleren Brustwirbel, wie Fig. 5. 

Fig. 13. Mediandurchschnitt durch die Wirbelkörper. 

Figg. 14—16. Sagittaldurchschnitte durch die seitliche Rückenwand, am 
unteren Ende der Rippen (Fig. 14), in ihrer Mitte (Fig. 15), an ihrem oberen 
Ende (Fig. 16). 

Figg. 17, 18. Fötus von 1,8 cm Schildlänge. 

Fig. 17. Querdurchschnitt am Vorderende des Wirbels. 

Fig. 18. Querdurchschnitt durch den Intervertebralring. 


Tafel XX VIII. 


Alle Figuren, ausgenommen Fig. 20, stammen von Chelone imbricata, in 
gleicher Vergrößerung gezeichnet. 

Fig. 19. Sagittaldurchschnitt durch die Spinalplatten eines Fötus von 
1,6 cm Länge (vgl. Figg. 12—16). 

Fig. 20. Dasselbe durch einen jungen Fötus von Podocnemis sp. 

Fig. 21. Mediandurchschnitt durch die Spinalplatten der drei hinteren 
Halswirbel (6, 7, 8) und des ersten Brustwirbels (7) einer Chelone imbricata von 
2,3 cm Länge. 

Figg. 22—29. Fötus von 3,2 cm Länge. 

Fig. 22. Querdurchschnitt durch das Vorderende eines mittleren Wirbels. 

Fig. 23. Querdurchschnitt durch das Vorderende einer Spinalplatte. 

Fig. 24. Querdurchschnitt durch die Mitte eines Wirbels. 

Figg. 25—29. Querdurchschnitte durch eine Rippe am unteren Ende (Fig. 25), 
am Mittelstück (Fig. 26—28), am oberen Ende Fig. 29). 

Figg. 30—33. Junge Chelone imbricata von 4,5 cm Schildlänge. 

Fig. 30. Querdurchschnitt durch das Vorderende eines Wirbels; die ver- 
hornte Epidermis ist fortgelassen. 

Fig. 31. Mediandurchschnitt durch die Spinalplatten. 

Fig. 32. Querdurchschnitt durch die Mitte einer Rippe, Fig. 33 durch ihr 
oberes Ende; die Epidermis ist fortgelassen. 


Tafel XXIX. 
Figg. 34, 36, 38—40 in gleicher Vergrößerung wie die vorigen Figuren. 
Fig. 34. Querdurchschnitt durch einen mittleren Wirbel einer jungen 
Clemmys caspiea. 
Fig. 35. Das häutige Rückenschild einer jungen Dermochelys coriacea 
von 7 em Schildlänge. Aha, Hals; a, Arme. 
Fig. 36. Längsdurchschnitt einer Schuppe von der Bauchseite einer sol- 


chen Dermochelys. 
Fig. 37. Der häutige Rückenschild eines Trionyx cartilagineus von 4,8 cm 


Fig. 38. Längsdurchschnitt einer dorsalen Schuppe von Trionyx sinensis. 
Fig. 39. Ein einzelner Hautdorn von Trionyx spinifer. 
Fig. 40. Eine mit mehreren Dornen besetzte Schuppe von Trionyx spinifer. 


Nochmals über die Entwicklung der Segmentalorgane. 
Von 
R. 8. Bergh. 


Mit Tafel XXX. 


Nachdem ich schon zweimal — allerdings vor längerer Zeit — 
Mittheilungen über die Entwicklungsgeschichte der Segmentalorgane ' 
gemacht habe, bedarf es zunächst einer kurzen Motivirung dessen, 
dass ich nun wieder zum dritten Male das genannte Thema auf- 
genommen habe. 

Durch Untersuchungen an Criodrilus und Lumbricus meinte ich 
endgültig Folgendes festgestellt zu haben: »Triehter-, Schlingen- und 
ei differenziren sich aus einer einheitlichen Anlage her- 

;. die in den inneren :Muskelplatten ohne Betheiligung der Epi- 
Be entsteht. Und die auf einander folgenden Nephridien stehen 
gleich von ihrem ersten Anfang an unter einander in keinem Zu- 
sammenhang?.« Die Bildung des ganzen Organs geht, wie ich nach- 
wies, von einer größeren, im ventralen Theil des Septum gelegenen 
Zelle aus, welche ich Trichterzelle nannte. Die ganze ältere Littera- 
tur über diesen Gegenstand ist in den genannten Arbeiten sehr ein- 
gehend behandelt, so dass ich in Bezug darauf auf jene verweisen 
kann. Etwas vor dem Erscheinen meiner Zumbdricus-Arbeit erschien 
die größere Abhandlung von E. B. Wınsox über die Embryologie 
derselben Gattung’, so dass die in derselben enthaltenen abweichen- 
den Angaben in einem Nachtrag besprochen werden konnten; es 
wurde daselbst hervorgehoben, dass Wırson durch Untersuchung 


1 Zur Bildungsgeschichte der Exkretionsorgane bei Crxodrilus. Arbeiten 
a. d. zool.-zoot. Inst. Würzburg. Bd. VIII. 1888. p. 223 ff. — Neue Beiträge 
zur Embryologie der Anneliden. I. Zur Entwicklung und Differenzirung des 
Keimstreifens von Zumbricus. Diese Zeitschr. Bd. L. 1890. p. 469 ff. 

2 Diese Zeitschr. Bd. L: p. 501. 

3 The Embryology ofthe Eartnworm. Journ. ofMorph. Vol. III. 1389. p. 387 fi. 


436 R. S. Bergh, 


später Stadien, die nichts entscheiden können, zu seinen Ergebnissen 
gelangt ist. Mit dieser in anderer Beziehung sehr verdienstvollen 
Arbeit brauche ich mich desshalb hier nicht mehr zu beschäftigen. 

Meine Darstellung wurde seitdem von mehrfacher Seite bestätigt. 
So wurden zunächst für die Hirudineen von BÜRGER! meine Angaben 
für durchaus richtig erklärt; bei den Hirudineen entsteht übrigens, 
wie ich schon früher angegeben hatte, die Endblase als eine Epider- 
miseinstülpung und hat demnach kein Homologon in den Segmental- 
organen der Lumbriciden. Ferner wurde die obige Darstellung von 
MıcHEL? durch dessen Untersuchungen über die Regeneration bei 
den Anneliden bestätigt: die Segmentalorgane bilden sich hier ganz 
nach dem von mir gegebenen Schema der embryonalen Entwicklung. 

Indessen wurde auch von sehr kompetenter Seite kurz nach der 
Publikation meiner zweiten Arbeit eine abweichende Darstellung der 
Entstehung der Segmentalorgane bei Ahynchelmis und bei der Lumbri- 
cidengattung Dendrobaena gegeben. Nämlich von VEJDOVskY:. Und 
diese Darstellung war es, welche mich, als ich in diesem Frühjahr 
ein sehr reichliches Material der Kokons von Ahynchelmis mir ver- 
schaffen konnte, dazu veranlasste, die Untersuchungen an den schönen 
wunderbar durchsichtigen jungen Exemplaren dieses Thieres noch- 
mals aufzunehmen. 

Zunächst muss aber in möglichster Kürze der Hauptinhalt der 
Mittheilungen VEJDovsKY’s besprochen werden. 

Der genannte Verfasser hofft, durch seine hier zu analysirenden 
Untersuchungen die früheren Angaben von ihm selbst, von WILsSoN 
und von mir in Einklang gebracht zu haben (l. e. p. 353); er nähert 
sich aber in der That viel mehr den Ansichten Wırson’s als der 
meinigen oder als seiner eigenen früheren Anschauung. WILSON 
ließ von den vier bekannten, im Ektoderm verlaufenden und von 
Teloblasten entspringenden Zellreihen Nr. 2 und 3 in die Bildung 
der Nephridien aufgehen; er leitete dieselben also von einem zu- 
sammenhängenden ektodermalen Strang her, während ich die ge- 
nannten Zellreihen (+ Nr. 4) in die Bildung der Ringmuskulatur auf- 
sehen ließ. VEJDOVSKY sucht nun allerdings in so fern zu ver- 
mitteln, als er bei Dendrobaena die Reihe 2 in die Bildung der 


1 Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Hirudineen. Zool. Jahrbücher. 
Abth. für Anat. u. Ontog. Bd. IV. 1891. p. 697 ff. — Neue Beiträge zur Ent- 
wicklungsgeschichte der Hirudineen. Diese Zeitschr. Bd. LVIII. 1894. p. 440 ff. 

2 Recherches sur la r&generation chez les Annelides. Bull. sceientif. de la 
France et de la Belgique. Tome XXXI. 1898. p. 245 ff. 

3 Entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen. Prag 1888—1892. p. 335 ff. 


Nochmals über die Entwicklung der Segmentalorgane. A437 


Segmentalorgane aufgehen lässt, während die Reihen 3 und 4 die 
Rinsmuskulatur bilden sollen. Von der zweiten Reihe (dem »Ne- 
phridostich«) sollen sich vorn schräg gestellte Zellreihen abgliedern, 
welche mit den großen Trichterzellen abschließen; das sind die An- 
lagen der Segmentalorgane, und der ganze »Nephridostich« soll nach 
und nach in diese Anlagen aufzehen. Somit stimmt VEIDOVSKY in 
dem Hauptpunkt mit WıLsox überein, indem er nämlich die einzelnen 
Segmentalorgane nicht diskontinuirlich aus den inneren Muskelplatten 
(dem Mesoderm), sondern aus einer kontinuirlichen ektodermalen An- 
lage entstehen lässt; sowohl Trichter wie Schlingentheil entstehen 
aus dieser Anlage. Was die kontraktile Endblase betrifft, wider- 
spricht VEJDovsky auch meinen Angaben, indem er sie von einer 
selbständigen ektodermalen Einstülpung herleitet. 

Da ich selbst Dendrobaena nicht habe untersuchen können, muss 
ich mich, was diese Form betrifft, auf eine Kritik der Darstellung 
VEIDOVskY’s beschränken. Und muss es denn gesagt werden, dass 
seine Angaben über diese Form nebst den zugehörigen Abbildungen 
durchaus nicht beweiskräftig sind. VEJDOoVsKY erläutert seine 
Auffassung der frühesten Entwicklungsgeschichte der Segmental- 
organe nur durch drei Figuren, von denen die eine (Taf. XXX, 
Fig. 10) nach dem lebenden Objekt gezeichnet ist, während die 
beiden anderen (Taf. XXXII, Fig. 10 und 11) nach schräg geführten 
Schnitten dargestellt sind. Was die erste Figur betrifft, so ist es 
nieht möglich, dieselbe als Beweis für die These VEJDovsky’s an- 
zunehmen; denn es kann aus derselben keineswegs die Lage der 
Triehterzellen im Ektoderm oder ihr Zusammenhang mit 
dem »Nephridialstreifen« mit Sicherheit erschlossen werden. Es 
wäre nothwendig gewesen, durch gut geführte Querschnitte und 
Längs- oder Schrägschnitte der betreffenden Region eine derartige 
Lage und eine solehe Verbindung nachzuweisen, und ich lasse mich 
um so weniger überzeugen, als etwas dergleichen meinen Erfahrungen 
an Lumbrieus durchaus widersprechen würde: die Trichterzellen 
liegen hier, sobald sie erkennbar werden, an der Grenze der Haut- 
muskelplatte und der sich bildenden Dissepimente. Und was die 
Schnittfiguren VEJDovsky’s betrifft, so gilt denselben genau der 
gleiche Vorwurf, den ich früher den sehr ähnlichen Figuren WıLsox’s 
machte: es sind ganz weit vorgeschrittene Stadien, die hier abgebil- 
det sind, Stadien, in denen die von den Trichterzellen producirten 
Zellstränge ins Ektoderm hinauswachsen. Ich kenne solche Bilder 
sehr gut und habe sie auch in meinen Arbeiten dargestellt. Wie so 


438 R. S. Bersh, 


späte Stadien als Beweise für die erste Entstehung der Segmental- 
organe sollen gelten können, ist mir nicht verständlich. 

Für Zehynchelmis hat nun VEJDOVSKY eine Darstellung gegeben, 
die von der eben erwähnten sehr abweicht. Denn trotzdem bei der 
‚genannten Gattung dieselben vier ektodermalen Zellreihen wie bei 
Lumbricus und Dendrobaena zur Entwicklung kommen, wird ein 
Hervorgehen der Segmentalorgane aus einer derselben eigentlich nur 
stillschweigend angenommen und ein Jeder muss aus der Darstellung 
des Verfassers (p. 339) sowie aus seinen Figuren (Taf. XXVI) in 
Übereinstimmung mit seiner früheren Schilderung! zu dem Schluss 
gelangen, dass die Trichterzellen nicht in Verbindung mit einander 
sind, und dass sie von vorn herein in den Dissepimenten gelegen 
sind. Im Übrigen macht V£JDovsky sehr interessante und zum Theil 
überraschende Angaben: nachdem die Trichterzelle sich in zwei 
zerlegt hat, soll sich zwischen denselben eine »allseitig geschlossene 
Vacuole« bilden, in welcher bald eine sehr deutlich hervortretende 
Geißel lebhaft schwingt. In dieser Form verharrt die Trichter- 
anlage eine Zeit lang, dann theilen sich die zwei Zellen in vier; 
erst nachdem alle »acht Zellen, die für den Nephridiostom der er- 
wachsenen Würmer charakteristisch sind«, vorhanden sind, öffnet 
sich der Trichter in die Leibeshöhle hinein, und es kommen kleinere 
Wimperhaare an den Zellen des Trichters zum Vorschein; neben den- 
selben fungirt aber noch lange Zeit die Geißel. — In seiner früheren 
Arbeit (Syst. u. Morph. der Oligoch., p. 123) hatte VEJDOVSKY die 
Entstehung der »kontraktilen Endblase« durch Einstülpung der Epi- 
dermis angegeben, ohne jedoch — wie weiter unten zu erwähnen — 
senügende Beweise dafür zu liefern. Dieselbe Entstehung behauptet 
er in seiner späteren Arbeit auch für die Lumbrieciden. 

Durch die eigene Untersuchung der lebenden und konservirten 
Rhynchelmis-Jungen konnte ich in mehrfacher Hinsicht VEIDOVSKY’s 
Angaben bestätigen, in anderer Hinsicht aber auch berichtigen und 
erweitern, wie sich aus der folgenden Darstellung ergeben wird. 

Ein paar Worte über den Bau des voll ausgebildeten Trichters _ 
muss ich vorausschicken, weil VEs3povsky’s Darstellung desselben 


! System und Morphologie der Oligochäten. Prag 1884. p. 123: »Nirgends 
aber lassen sich diese Anfänge der Exkretionsorgane „längs der Seitenlinie als 
kontinuirliches Gebilde durch eine Reihe von Segmenten verfolgen‘, wie HAT- 
SCHEK will, sondern besitzt jedes Dissepiment seine eigene, mit der hinteren 
nicht zusammenhängende Anlage zur Bildung der exkretorischen Röhren.« 


Nochmals über die Entwicklung der Segmentalorgane. 439 


nicht ganz vollständig ist. Die Wimperrosette desselben besteht, wie 
er richtig angiebt, aus acht Zellen, welche zusammen ich als Ober- 
lippe bezeichnen will. Vespovsky’s Figur (Syst. u. Morph. der 
Obligoch., Taf. XIH, Fig. 2) stellt nun aber ganz richtig die ge- 
nannten acht Zellen nicht als geschlossenen Kreis dar, sondern es 
ist an einer Stelle eine Unterbrechung vorhanden; was aber hier die 
Ausfüllung bildet, darüber findet sich bei ihm keine Erläuterung. Es 
liegen nun hier vier ziemlich kleine Zellen dicht zusammengedrängt; 
sie tragen jedenfalls keine in die Segmenthöhle hinein schlagende 
Wimpern. Sie bilden die Unterlippe und liegen dem Septum nahe 
an, während die Wimperrosette (Oberlippe) von dem Septum aus in 
die Sesmenthöhle bedeutend vorragt. Die Oberlippe ist meistens 
deutlich medial, die Unterlippe lateral am Septum gelegen, so dass 
der Trichter von der Ventralseite aus meistens in Profil gesehen 
wird. Das Profilbild (optischer Durchschnitt) eines solchen Trichters 
(aus den vordersten Leibessegmenten einer jungen Ahynchelmis, die 
seit mehreren Tagen den Kokon verlassen hatte) ist in Fig. 13 
(Taf. XXX) dargestellt; an der Rückseite der Oberlippe finden sich 
gewöhnliche Peritonealzellen. Es ist übrigens nicht ganz leicht, diese 
Einsicht in den Bau des ausgebildeten Trichters zu erhalten; das 
Studium der Entwicklung des Organs hilft dabei ganz bedeutend. 

Die Entwicklung der Segmentalorgane habe ich diesmal haupt- 
sächlich an den lebenden Objekten studirt; nebenbei benutzte ich 
auch fixirte und gefärbte Präparate der abpräparirten Leibeswand 
(Ventralwand) der Embryonen und der jungen Würmer (diese Präpa- 
rate müssen, von innen [oben] gesehen, in Wasser oder in verdünntem 
Glycerin untersucht werden). Endlich wurden Quer-, Frontal- und 
Sagittalschnittserien untersucht. 

Das erste Auftreten der Segmentalorgane markirt sich bei 
RBhynchelmis wie bei anderen Obligochäten (und Hirudineen) dureh 
sroße, an der Vorderwand der Septa gelegenen Zellen, die ich früher 
Triehterzellen nannte, die ich aber nach meinen neuen Unter- 
suchungen eher mit dem indifferenteren Namen Nephridioblasten 
oder Nierenbildner belegen möchte. Die Nephridioblasten der ein- 
zelnen Segmente haben mit einander keine Verbindung: sobald sie 
kenntlich werden, liegen sie deutlich isolirt von einander; von einem 
sie verbindenden Längsstrang ist keine Rede: weder am lebenden 
_ Objekt noch an fixirten Flächenbildern, noch an Schnittserien ist die 
geringste Spur eines dergleichen nachzuweisen. Auch sind sie niemals 
im Ektoderm gelegen; sobald sie kenntlich werden, liegen sie in den 


440 R. S. Bergh, 


Dissepimenten. Das Alles stimmt mit dem, was VEJDovsky in Bezug 
auf Rhynchelmis beschrieben und abgebildet hat, ganz genau überein. 

Die Nephridioblasten markiren sich bei Ahynchelmis nicht nur 
durch ihre Größe, sondern auch durch den Gehalt ihres Protoplasmas 
„an ansehnlichen, stark lichtbrechenden Körnchen oder Tröpfchen, 
welche in allen anderen Zellen der Dissepimente fehlen (Fig. 1, 
Taf. XXX); diese Körnchen liegen oft innerhalb der Zelle stellen- 
weise in größeren Gruppen, sind aber auch vereinzelt vorkommend. 
In Bezug auf ihre Masse herrscht eine ziemliche Variabilität: in ein- 
zelnen Nephridioblasten können sie fast fehlen, ja in ganzen Individuen 
von Rhynchelmis-Jungen können sie recht sparsam vorhanden sein; ın 
den weitaus meisten Fällen sind sie aber sehr reichlich vorhanden, 
und wo sie zahlreich vorkommen, erleichtern sie die Untersuchung 
ganz bedeutend; ich zweifle überhaupt daran, dass ich so vollstän- 
dige Klarheit über die Genese des Trichters erlangt hätte, falls dieses 
Kennzeichen der Nephridioblasten und seiner Descendenten nicht vor- 
handen sei. Durch Osmiumsäure werden sie stark gebräunt oder 
seschwärzt; ich habe sie nur an frischen und Osmium-Präparaten 
sehen können; durch Sublimat-Essigsäure so wie durch die Vor- 
behandlung für die Paraffin-Einbettung werden sie zum Verschwinden 
gebracht. 

Merkwürdigerweise hat VEJDOVSKY diese ins Auge springende 
Eigenthümlichkeit der Nierenbildner in keiner seiner Figuren an- 
gedeutet und mit keinem Wort erwähnt. 

Die große, körmige Zelle sprosst bald kleinere Zellen, so dass 
ein aus kleineren Zellen bestehender, einreihiger Strang sich ihr 
hinten anschließt (Figg. 2, 3). Es ist dieser Strang die gemein- 
same Anlage des Schlingentheiles und des Ausführungsganges des Seg- 
mentalorgans. Die Zellen dieses Stranges haben in den weitaus 
zahlreichsten Fällen denselben Inhalt an Körnchen wie der Nephri- 
dioblast; schon dadurch erweisen sie sich als wahrscheinliche Ab- 
kömmlinge desselben, was denn auch durch die Beobachtung der 
Zellsprossung (vgl. weiter unten‘ zur Gewissheit erhoben wird. Die 
dem Strang anliegenden Zellen der Hinterwand des Septum wachsen 
mit ihm aus und bilden seine Peritonealumhüllung. 

Etwa zu derselben Zeit damit, dass diese Sprossung der kleine- 
ren Zellen aus den Nephridioblasten anfängt, heben sich die an der 
Vorderwand des Dissepiments genau mediad des Nephridioblasten 
liegenden schärfer. von der Umgebung ab: die Peritonealzellen des 
Septum sind sonst flacher geworden, aber die an der genannten 


Nochmals über die Entwicklung der Segmentalorgane. 441 


Stelle gelegenen Elemente springen in die Höhle vor (Figg. 2, 3, 4, 5). 
Erst sieht man zwei solche Zellen, welche sich aber sehr bald in vier 
theilen; diese Gruppe von vier Zellen bleibt dann sehr lange be- 
stehen. Die genannten Zellen können passend als Oberlippen- 
zellen bezeichnet werden. Sie haben eine feinkörnige Zellsubstanz 
und enthalten nicht die vorher erwähnten stark lichtbrechenden 
Körnehen oder Tröpfehen; dadurch heben sie sich meistens sehr 
scharf von dem Nephridioblasten ab. Auch habe ich nie etwas ge- 
sehen, was darauf hindeuten könnte, dass sie durch Sprossung aus 
jenem entstehen: sobald der Nephridioblast als solcher sich deut- 
lich charakterisirt, sprosst er nur die Zellen des Stranges. 

Ich kann nun versichern, dass die von VEJDOVSsKkY erwähnte 
»Vacuole« jedenfalls bei unserer dänischen Ahynchelmis sich erst 
ausbildet und die Geißel in ihr erst zum Vorschein kommt, wenn 
vier Oberlippenzellen vorhanden sind; um diese Zeit ist auch ein 
aus sechs bis sieben Zellen bestehender Strang vorhanden. VEJ- 
Dovsky behauptet ein viel früheres Erscheinen der »Vaeuole« und 
der Geißel. Ich habe mir alle erdenkliche Mühe gegeben, um die- 
- selben in solchen frühen Stadien zu finden. Nicht ein einziges Mal 
ist es mir geglückt; immer beobachtete ich von dem vorher er- 
wähnten Stadium an die »Vacuole« und das Schwingen der Geißel 
in derselben mit großer Deutlichkeit, früher aber nie auch nur eine 
Andeutung dieser Erscheinungen. Und zwar wurden alle diese Be- 
obachtungen mittels einer sehr feinen und scharfen apochromatischen 
Öllinse von Zeiss angestellt. 

VE3povsky behauptet nun, dass die »Vaeuole« in allen diesen 
früheren Stadien und noch bis weit später vollkommen geschlossen 
sei. Ich weiß nicht recht, wie er sich das eigentlich vorstellt, da 
die sie begrenzenden Zellen doch nach seinen eigenen Zeichnungen 
gegen die Segmenthöhle zu aus einander weichen. Denkt er sich 
eine breite Intercellularbrücke zwischen den Zellen als Abschluss 
der »Vacuole« ausgespannt? Sonst muss doch die Vacuole nur als 
Fortsetzung des Zwischenraums zwischen den Zellen erscheinen. 

Ich bin aber im Stande, bestimmt nachzuweisen, dass es sich 
damit anders verhält: dass die »Vacuole« keine‘ Vacuole, sondern 
eine Fortsetzung der Segmenthöhle, gegen diese offen ist. Allerdings 
ist es richtig, dass sie sich nach hinten erweitert, und allerdings 
können die Ränder der Nephridioblasten und der Oberlippenzellen 
sich mitunter so dicht an einander legen, dass die »Vacuole« wirk- 
lich wie geschlossen aussieht, aber in anderen Fällen (Fige. 6, 7, S), 


449 R. S. Bergh, 


klaffen die Ränder ganz deutlich, so dass die »Vacuole< als ein 
Divertikel der Segmenthöhle erscheint. Dasselbe konnte außer am 
lebenden Objekt noch an Frontalschnittserien (Figg. 14—16) nach- 
gewiesen werden. Und endlich beobachtete ich einmal eine Abnor- 
mität, die an und für sich schon als genügender Beweis gelten dürfte. 
Die Geißel hatte nämlich eine verkehrte Richtung genommen und 
führte anstatt in der »Vacuole« in der Segmenthöhle ihre Schwin- 
sungen aus (Fig. 7). Ich meine auch gesehen zu haben, wie der 
Nephridioblast und die Oberlippenzellen z. B. durch die Kontraktion 
von benachbarten Blutgefäßampullen zur Berührung genähert und 
dann wieder von einander entfernt werden können, so dass die 
»Vacuole« bald geschlossen, bald offen erscheint. Doch ist es 
schwierig dies mit genügender Sicherheit zu verfolgen. 

Ob die Geißel von dem Nephridioblasten oder von einer der 
Oberlippenzellen entspringt, habe ich nicht mit völliger Sicherheit 
entscheiden können; desshalb ist auch in meinen Abbildungen ihre 
Ursprungsstelle nicht angegeben. Doch bin ich geneigt, mit VEJ- 
DOVSKY anzunehmen, dass sie von den Nephridioblasten ausgeht. 
Allerdings war ich eine Zeit lang dieser Ansicht sehr abgeneigt . 
wegen der Richtung, in welcher die Sprossung der kleineren Zellen 
aus der genannten größeren Zelle stattfindet: An fixirten und ge- 
färbten Präparaten von der Bauchwand junger, dem Kokon ent- 
nommener Rhynchelmis! habe ich sehr oft Kerntheilungsfiguren in 
den Nephridioblasten beobachtet, und zwar ist die Theilungsrichtung 
eine sehr konstante: die Äquatorialplatte und die Tochterplatten 
stehen immer etwa senkrecht zur Fläche des Septum (Figg. 17, 18) 
und die kleineren Zellen werden mediad gesprosst, also in der Rich- 
tung gegen die Oberlippenzellen. Hier sieht man denn auch oft 
(Figg. 17, 19) dem Nephridioblasten eine kleinere Zelle ansitzen, 
offenbar die durch die letzte Sprossung erzeugte Strangzelle Die- 
selbe trennt anscheinend den Nephridioblasten von den Oberlippen- 
zellen, und ich war desshalb, bis die topographischen Verhältnisse 
mir ganz klar geworden waren, nicht der Ansicht geneigt, dass die 
Geißel jener Zelle angehöre, da diese in solchen Fällen von der 
»Vacuole« ausgeschlossen zu sein schien. Das ist sie aber in der 
That nicht; denn die kleineren Zellen werden nieht genau mediad, 


! An jungen Würmern, die schon eine Zeit lang aus dem Kokon heraus 
waren und ihren Dotter verbraucht hatten, fand ich nur ganz ausnahmsweise 
Theilungen des Nierenbildners; auch in der Epidermis waren Theilungen nicht 
häufig, wahrscheinlich wegen viel zu knapper Ernährung. 


Nochmals über die Entwicklung der Segmentalorgane. 443 


sondern etwas in schräg dorsader Richtung abgeschnitten. Schon in 
Figg. 17 und 19, welche von oben (innen) gesehen sind, erkennt man, 
dass die vorderste Strangzelle einen Theil von einer Oberlippenzelle 
verdeckt, und sehr deutlich lässt sich an Querschnitten (Fig. 20) be- 
obachten, dass der Nephridioblast noch lateroventrad die »Vacuole« 
begrenzt, während dieselbe laterodorsad von der vordersten (jüngsten) 
Strangzelle, mediad von den vier Oberlippenzellen umschlossen wird. 

Der Nephridioblast ist also ein echter Teloblast, der lange Zeit 
hindurch kleinere Zellen sprosst. Die älteren derselben werden durch 
die fortgesetzten Sprossungen neuer Zellen nach hinten gedrängt, 
so dass der Strang den in Fig. 14 dargestellten typischen Verlauf 
hat (was in den Figuren nach den lebenden Objekten nicht deutlich 
erkennbar ist). Die Theilungspotenz des Nephridioblasten ist größer 
als die der kleineren Strangzellen, was daraus ersehen werden kann, 
dass die ihr zunächst gelegene (zuletzt gesprosste) Zelle nie m Theilung 
sefunden wird; weiter hinten im Strang sind dagegen (in früheren 
Stadien) sehr häufig Theilungen zu beobachten. Jedoch habe ich die 
relativen Theilungspotenzen in diesem Falle nicht berechnet!. 

Wenn eine (wahrscheinlich genau bestimmte) Zahl von Strang- 
zellen gesprosst ist, hört der Nephridioblast mit der Produktion der- 
selben auf, und es findet nun eine Theilung desselben in zwei gleiche 
Zellen statt (Fig. 11). Schon früher (Fig. 9) haben sich die Ober- 
lippenzellen in die definitiven achte getheilt (in gefärbten Präparaten 
habe ich einzelne Male Theilungsfiguren in diesen Zellen beobachtet). 
Erst nachdem alle acht gebildet sind, erhalten sie feine Wimperhaare 
(Figg. 10, 11, 12, 13), aber lange Zeit beobachtet man noch immer 
die viel mächtigere Geißel, die in dem vorderen Theil der Röhre 
schwingt. Die zwei durch die äquale Theilung des Nephridioblasten 
hervorgegangenen Zellen haben keine solche feinere Wimpern; sie 
stellen nun die Anlage der Unterlippe des Trichters dar und machen 
nun bald eine weitere Theilung durch, so dass also die vier defini- 
tiven Zellen entstehen (Fig. 12). Erst dann werden die stark licht- 
brechenden Körnehen oder Tröpfehen undeutlich, und die Unterlippen- 
zellen werden sehr unscheinbar und nicht ganz leicht zu erkennen. 
Kurz vor oder nach der ersten äqualen Theilung des Nephridio- 
blasten verlängert sich erst die »Vacuole« in eine längere Röhre, 
und es findet nun sehr schnell die Aushöhlung des ganzen Schlingen- 
theils sowie des Ausführungsganges statt. 


! Val. meine Abhandlung: Über die relativen Theilungspotenzen einiger 
Embryonalzellen. Arch. f. Entwicklungsmech. Bd. II. 1895. p. 281 ft. 


444 R. S. Bergh, 


Also, um das Vorhergehende kurz zusammenzufassen: aus dem 
Nephridioblasten entstehen zunächst dureh Sprossung in 
mediader und schräg dorsader Richtung die Zellen, welche 
später die Schlinge und den Ausführungsgang bilden und 
‘-zunächst einen einreihigen, soliden Strang zusammen- 
setzen; später entstehen aus dem Nephridioblasten durch 
äquale Theilungen die vier Zellen der Unterlippe. Die 
Oberlippe bildetsich aus feinkörnigen, mediad zum Nephri- 
dioblasten gelegenen Zellen. — Die »Vacuole« VEJDOVSKY’s 
ist keine solche, sondern erscheint als Divertikel der Seg- 
menthöhle. 

Mit der speciellen Ausbildung des Schlingentheiles habe ich mich 
nicht eingehender beschäftigt und kann ich VEs3povsky’s Darstellung 
dieses Gegenstandes nichts Wesentliches beifügen. Hervorheben 
möchte ich nur, dass der vorderste erweiterte Theil des postseptalen 
Abschnittes der voll ausgebildeten Segmentalorgane der jungen 
Würmer mit den für den Nephridioblasten charakteristischen Körn- 
chen geradezu überladen ist, und desshalb in Osmiumpräparaten 
schwarzbraun erscheint, während der darauffolgende, größere Ab- 
schnitt der Schlinge vor jenen Körnchen frei ist. Ein derartig diffe- 
renzirter, vorderster Theil der Röhre kommt auch bei einigen anderen 
Oligochäten vor, so z. B. bei Stylaria proboscidea: es gelingt hier durch 
vitale Färbung der Körnehen mittels Neutralroth diesen Abschnitt sehr 
scharf hervortreten zu lassen. Bei C’hälogaster lässt sich ein solcher 
Absehnitt nicht scharf erkennen. 

Die Bildung des Ausführungsganges habe ich aber noch 
senauer darzulegen, weil VEJDoVskyY’s Angaben hierüber mit meinen 
alten und neuen Erfahrungen sich durchaus nicht vereinigen lassen. 
Ich darf wohl sagen, dass ich seiner Zeit an die Untersuchung der 
Lumbrieiden ohne irgend welches Vorurtheil in dieser Hinsicht 
herangegangen bin, da ich schon lange vorher durch Untersuchungen 
an Hirudineen mit Sicherheit wusste, dass eine kontraktile Endblase 
an den Sesmentalorganen als Einstülpung der Epidermis bei Anne- 
liden sich sehr wohl anlegen kann!. Die thatsächlichen Befunde 
fielen aber so aus, dass ein derartiger Vorgang bei Criodrilus und 
Lumbricus nicht annehmbar schien; ich konnte nachweisen, wie der 
von dem Nephridioblasten produeirte Zellstrang ins Ektoderm hinaus- 
wächst und hier nach außen durchbricht. Die Gegenbeweise VEJ- 
DOVsKY’s sind in genannter Beziehung sehr schwach. Er bildet in 


! Die Exkretionsorgane der Würmer. Kosmos. 1885. Bd. II. p. 113. 


Nochmals über die Entwicklung der Segmentalorgane. 445 


seinem Oligochätenwerke' zwei Stadien (von Tudifez und von Rhyn- 
chelmis) ab, in denen man die fast fertig ausgebildete Endblase 
sieht; aber eine wirkliche Vermehrung, Einwucherung oder Einstül- 
pung von Epidermiszellen an der Ausmündungsstelle der Segmental- 
organe hat er durchaus nicht nachgewiesen. Und eben so scheinen 
seine neueren Angaben über die Lumbrieiden?, die auch nicht von 
Abbildungen begleitet sind, sehr wenig überzeugend. 

_ In der That konnte ich bei Rhynchelmis eben so wenig wie bei 
Oriodrilus oder Lumbricus eine epidermoidale Entstehung des Endstücks 
der Segmentalorgane nachweisen. Der eben erwähnte Strang, welcher 
die Anlage des Schlingentheils und des Ausführungsganges darstellt, er- 
weist sich schon ganz früh mit seinem Hinterende an die Haut fest 
angeheftet, was besonders leicht erkannt werden kann, wenn das 
Septum mit dem ganzen vorderen Theil der Nephridialanlage hin 
und her bewegt wird: die Anheftungsstelle an der Haut ist bei diesen 
Bewegungen gleich wie ein fixer Punkt. An Schnitten sieht man 
in frühen Stadien Bilder wie Figg. 21 und 22: es ist nicht ganz 
leicht, hier zu bestimmen, ob die Fortsetzung der Nephridialanlage 
in der Epidermis dieser letzteren oder der Nephridialanlage selbst 
angehört. Eine scharfe Abgrenzung der letzteren gegen die erstere 
traf ich in solchen Stadien nie, und bin ich nach meinen früheren 
Befunden an Lumbrieiden, bei denen die Sache viel klarer ist, 
_ nieht in Zweifel darüber, dass die Nephridialanlage in die Epidermis 
hinauswächst, um die äußere Öffnung zu erhalten. So wenig in 
diesen wie in den späteren Stadien ist je eine besondere 
Wucherung oder Einstülpung der Epidermiszellen nachzu- 
weisen, und zwar durch keine Behandlungsweise (weder am lebenden 
Objekt, noch an ganzen fixirten Stücken, noch an Schnitten). Über- 
haupt finde ich die von VEJDOVsKkY beschriebene Enderweiterung nur 
in relativ seltenen Fällen (Fig. 24, Flächenbild und Fig. 26, Quer- 
schnitt). Meistens ist die Nephridialröhre bis an die Mündung gar 
nicht besonders erweitert, sondern geht als dünne Röhre bis an 
die Epidermis heran, oder lässt sich in dieselbe hinaus verfolgen 
(Figg. 25, 27), so auch noch in den vordersten Segmenten bei jungen 
Würmern, die schon wochenlang im Freien gelebt hatten. Das jüngste 
Stadium, in welehem ein Porus erkennbar war, ist in Fig. 23 dar- 
gestellt: ein einfacher eylindrischer Strang verläuft bis zum Porus (die 
 Mündungen finden sich dieht vor oder mediad der ventralen Borsten). 


i System und Morphologie der Oligochäten. Prag 1884. p. 123. 
?2 Entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen. p. 348—349. 


446 R. S. Bergh, 


Nach alledem meine ich meine ursprüngliche These, 
dass Trichter-, Schlingen- und Endabschnitt bei den Oli- 
sochäten aus einer einheitlichen Anlage hervorgehen, 
auch für ZRäynchelmis festhalten zu müssen. Nur ist die 
' Triehteranlage frühzeitig in Oberlippe und Unterlippe dif- 
ferenzirt, und wächst der Schlingentheil von der Unter- 
lippe aus. 


In Bezug auf die allgemein-morphologische Auffassung der Seg- 
mentalorgane der Anneliden steht Verfasser dieser Arbeit auf einem 
von demjenigen der meisten anderen Autoren verschiedenen Stand- 
punkt. Während diese die Summe der Segmentalorgane als Homo- 
logon des verzweigten Exkretionsapparats der Plattwürmer und 
Räderthiere anzusehen geneigt sind und demgemäß ihre Beziehungen 
zu den Ursegmenten als sekundäre auffassen, habe ich nie genügende 
Anhaltspunkte für eine derartige Ansicht finden können und bin zu 
einer ganz anderen Auffassung gelangt. Ich legte nämlich das Haupt- 
gewicht auf die fundamentale anatomische Thatsache, dass die Seg- 
mentalorgane Verbindungsröhren zwischen den Ursegmenten und der 
Außenwelt sind. Dies scheint ein ganz typisches Verhältnis zu sein 
und wird durch die Entwicklungsgeschichte aufs klarste bestätigt, 
und indem ich nun die Ursegmente der Anneliden mit den Ge- 
schlechtsfollikeln der Nemertinen gleichstellte?, erblickte ich in den 
Sesmentalorganen Homologa der Ausstülpungen, welche von jenen 
auswachsen um die Ausführungsgänge für die Geschlechtsprodukte 
zu bilden. Hierdurch wären denn ihr typisches segmentales Auf- 
treten und die Existenz von inneren Öffnungen genügend erklärt, 
und sie dürften demnach zu dem verzweigten Exkretionsapparat der 
Plattwürmer und Räderthiere, welche keine Relation zu Geschlechts- 
follikeln oder Ursegmenten hat, nicht in Beziehung gebracht werden. 

Ich habe seiner Zeit im mehreren meiner angeführten Schriften 
die Argumente für die »Einheitstheorie des Exkretionsapparates« 
scharf und ausführlich kritisirt und kann also, was die frühere Lit- 
teratur über diesen Gegenstand betrifft, auf jene verweisen. Hier 
sind nur noch ein .paar Bemerkungen über einiges später Hinzu- 
sekommene zu machen. Ein besonders ins Feuer gebrachtes Argu- 


! Eine Revision der früheren Untersuchungen von mir u. A. über die Ent- 
stehung des Trichters bei Lumbrieiden ist nun nothwendig geworden. Was 
wird hier aus der Trichterzelle? 

?2 Die Exkretionsorgane der Würmer. 1. c. p. 120. 


a 


Nochmals über die Entwicklung der Segmentalorgane. AAT 


ment war schon damals die Existenz eines »nephridialen Netzwerkes: 
sowie die Vervielfältigung der Segmentalorgane bei verschiedenen 
Lumbrieiden, indem dieses anatomische Verhalten leichthin als ein 
primitives, ursprüngliches angenommen wurde. Sowohl VEJDovskY! 
wie BEDDARD? haben nun durch entwicklungsgeschichtliches Be- 


> 
=Iro 


_ obachten nachgewiesen, dass sowohl das Zahlreichwerden wie das 


Netzwerkbilden der Segmentalorgane sekundäre Erscheinungen sind, 
und dass der ursprüngliche Zustand immer ein solcher ist, wo ein- 
fache, paarige Nephridien vorhanden sind. BEDDARD giebt auch offen 
zu (l. e. p. 534), dass diese Thatsachen >have shaken considerably 
the position, which I have taken up in regard to the phylogenetie 
development of the nephridia in the Oligochaeta«, sucht aber nichts- 
destoweniger immer noch 18953 einen Rest seiner »Theorie« zu 
retten und will keineswegs zu dem entgegengesetzten Standpunkt 
übergehen. Und was muss man nun erst von der Methode BEnHAu’s* 
sagen, der einfach die genannte Thatsache — die ursprüngliche 
Existenz von einfachen paarigen Nephridien bei Formen, bei denen 
später Vervielfältigung und Netzwerkbildung zu Stande kommen — 
für >merely caenogenetic« erklärt? Man frägt die Natur, indem 
man sie beobachtet, um Aufklärung über die Richtigkeit oder Un- 
richtigkeit einer Theorie. Lautet ihre Antwort günstig für die 
Theorie, so hat die Natur richtig geantwortet; lautet sie ungünstig, 
so hat die Natur einfach gefälscht, und man erspart es sich aus 
leieht zu verstehenden Gründen die Motive anzugeben, wegen derer 
sie gefälscht habe. Die Methode ist bequem: man wird durch 
solches Verfahren überhaupt jede Theorie allem Geschehen der 
Natur gegenüber ‚retten können. 


1 Zur Entwicklungsgeschichte des Nephridialapparates von Wegascolides 
australis. Arch. f. mikr. Anat. Bd. XL. 1892. p. 552 #. 

2 Researches into the Embryology of the Oligochaeta. I. Quart. Journ. of 
mier. sc. Vol. XXXIII. 1892. p. 495 ff. 

3 A monograph of the order Oligochaeta. Oxford 1895. p. 52. >This view 
— das Netzwerk als primitiv — must evidently now be given up; but on the 
other hand, it is by no means permissible to adopt the converse view allready 
suggested. It does not follow, that the diffuse nephridia are the outcome of 
a branching and specialization of the paired nephridia; on the contrary the 
developmental facts absolutely disprove this (!!,. What they do prove, is that 
both paired and diffuse nephridia are formed out of similar pronephridia; that 
in faet both kinds of exeretory organs are equally ancient.« 

* The Nephridium of Zumbricus and is Blood-supply; with Remarks on 
the Nephridia in other Chaetopoda. Quart. journ. of mier. se. Vol. XXXI. 
1891. p. 315. 


Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Ba. 29 


AA R. S. Bergh, 


Wirkliche Thatsachen, die für die eben besprochene Theorie 
sprechen könnten, hat seit meinen früheren Arbeiten hierüber, so 
viel ich weiß, nur VEJDovsky beizubringen versucht, nämlich theils 
die vermeintliche Abgliederung der Segmentalorgane von einem kon- 
tinuirlichen, ektodermalen Nephridialstrang bei Lumbrieiden, theils 
das vermeintlich ursprüngliche Geschlossensein der Trichterhöhle 
(der »Vacuole«) bei Ahynchelmis. Ich habe oben, was den ersten 
Punkt betrifft, nachgewiesen, dass VEIDOVskY's Beobachtungen ab- 
solut nichts beweisen; was die zweite Sache betrifft (die Bildung des 
Trichters), so sind seine Untersuchungen nach den hier vorgelegten 
Beobachtungen entschieden unvollständig und theilweise unrichtig, 
letzteres gerade, was das Geschlossensein anbelangt. 

Nach alledem sehe ich auch hier nicht die geringste 
Veranlassung, den früher von mir vertretenen Standpunkt 
zu verlassen oder zu modifieciren. 


Kopenhagen, Mai 1899. 


Nachtrag, 


Nachdem das Manuskript obiger Abhandlung schon lange in 
den Druck geschickt war, hatte ich Gelegenheit, über die Entwick- 
lung der Segmentalorgane in dem wachsenden Hinterende bei Styla- 
rıa proboscidea Beobachtungen anzustellen. Die Entwicklung verläuft 
hier in sehr ähnlicher Weise wie bei den Alynchelmis-Embryonen. 
Auch hier tritt zunächst ein kleiner Divertikel der Segmenthöhle auf, 
in die hinein eine kräftige Geißel schlägt; doch treten diese Erschei- 
nungen relativ ein wenig später auf als bei Ahynchelmis; aber dann 
geht auch die weitere Entwicklung schneller vor sich: nur wenige 
Segmente vor demjenigen, in dem die »Vacuole« und die Geißel auf- 
traten, findet man die ganze Röhre ausgehöhlt und den Trichter voll 
ausgebildet. Zunächst tritt auf einer der Oberlippenzellen 
ein einziges langes Wimperhaar auf, welches in der Segment- 
höhle pendelartig sich bewegt (während die in der »Vacuole« schla- 
sende starke Geißel eine undulirende Bewegung zeigt). Bald tritt 
neben demselben ein kleineres Wimperhaar auf, und kurz danach sind 
an den Oberlippenzellen zahlreiche Wimperhaare vorhanden. — Übri- 
sens ist für das Studium der Entwicklung der Segmentalorgane 
Stylarıa kein ganz so günstiges Objekt wie Arhynchelmis. 

In den ausgebildeten Segmentalorganen einer Pachydrilus-Art 


Nochmals über die Entwicklung der Segmentalorgane. 449 


findet sich der scharfe Gegensatz zwischen den kleineren, in der 
Segmenthöhle schlagenden Wimperhaaren, und den sehr langen in 
dem vordersten Theil der Röhre undulirenden Geißeln sehr ausgeprägt. 


Juli 1899. 


Erklärung der Abbildungen. 


Tafel XXX, 


Fig. 1—13 sind nach dem Leben, von der Bauchfläche gesehen, gezeichnet 
(Zeıss, Apochr. 2 mm, 1,30. Comp. Oe. 4). 

Fig. 1. Jüngstes Stadium, der Nephridioblast an der Vorderwand des 
Septum. 

R Fig. 2—4. Successive Stadien der Sprossung des Stranges und des Er- 
scheinens der Oberlippenzellen. 

Fig. 5. Flächenbild des Nephridioblasten und der vier Oberlippenzellen. 

Fig. 6. Erscheinen der »Vacuole< und der Geißel. 

Fig. 7. Abnorme Verlaufsrichtung der Geißel: sie schwingt in die Seg- 
menthöhle hinein. 

Fig. 8. Weiteres Stadium: die Zellgrenzen im Strang sind nicht zu sehen; 
die Oberlippenzellen haben sich vermehrt. 

Fig. 9. Flächenbild des Nephridioblasten und der acht noch wimperlosen 
Oberlippenzellen. 

Fig. 10. Die Wimperhaare sind an den Oberlippenzellen erschienen; der 
Strang hat sich ausgehöhlt. 

Fig. 11 u. 12. Flächenbilder der Trichteranlage in zwei weiteren Stadien 
(mit zwei resp. vier Unterlippenzellen). 

Fig. 13. Der in allem Wesentlichen fertige Trichter in optischem Durch- 
schnitt. 

Fig. 14—16. Junge Segmentalorgananlagen aus Frontalschnittserien. Die 
Einsenkung zwischen dem Nephridioblasten und den Oberlippenzellen (das 
Offensein der »Vacuole<«) sehr deutlich. Fig. 16 ist ein erheblich älteres Sta- 
dium als Fig. 14 und 15. 

Fig. 17—19. Junge Segmentalorgananlagen nach Ganzpräparaten der Bauch- 
wand (von oben oder innen gesehen). In Fig. 17 u. 18 sieht man die Sprossung 
der kleineren Zellen aus dem Nephridioblasten. Sublimat-Alaunkarmin. 

Fig. 20. Querschnitt durch eine junge Trichteranlage. Der Hohlraum ist 
begrenzt mediad von den vier Oberlippenzellen, lateroventrad von dem Nephridio- 
blasten, laterodorsad von der jüngsten Strangzelle. 

Fig. 21. Junges Segmentalorgan aus einer Sagittalschnittserie (Anfang 
am Septum, Ende in der Epidermis). Neben demselben eine Blutgefäßampulle. 

Fig. 22. Endstück eines jungen Segmentalorgans sowie die benachbarten 
Epidermiszellen (Sagittalschnitt). 

Fig. 23. Jüngstes Stadium, in dem die äußere Mündung als feiner Porus 
deutlich ist, Flächenbild. Osmiumsäure. 

Fig. 24. Weiteres Stadium; das Endstück ist schwach erweitert und zeigt 
nahe der Mündung zwei Kerne; die angrenzenden Epidermiszellen bilden eine 
Rosette. Flächenbild, Osmiumsäure. 

Fig. 25—27. Querschnitt durch die Mündungsstellen von weit entwickel- 
ten Segmentalorgananlagen und der benachbarten Epidermis und Ringmuskula- 
tur. Nur in Fig. 26 ist eine kleine Erweiterung vorhanden. Fig. 27 stammt 
von einem der Geschlechtssegmente einer jungen Rhynchelmis, die schon seit 
etwa einer Woche aus dem Kokon heraus war. 


Fig. 14—27 bei derselben Vergrößerung wie Fig. 1—13, zum Theil mit 
dem Prisma entworfen. 


29% 


Zur Kenntnis der Darmentwicklung bei Lepidopteren. 


(Aus dem zoologischen Institute der Universität Berlin.) 
Von 
Dr. Erich Schwartze 


(Frankfurt a. M.). 


Mit Tafel XXXI—XXXIV. 


Einleitung. 

Seit HEROLD 1815 seine »Entwicklungsgeschichte der Schmetter- 
linge, anatomisch und physiologisch bearbeitet«, herausgegeben hat, 
sind im Laufe der Jahre eine große Anzahl von Arbeiten erschienen, 
die sich mit der Entwicklungsgeschichte der Insekten beschäftigen. 
Besonders während der letzten zwanzig Jahre ist die Litteratur auf 
diesem Gebiete mit immer steigender Schnelligkeit angewachsen, so 
dass heute die hierher gehörigen Abhandlungen bereits nach Hun- 
derten zu zählen sind. Auch über die Entwicklung einzelner Organe 
und Organsysteme, z. B. des Genitalsystems, des Nervensystems, 
des Verdauungskanals etc. finden sich meist schon eine ganze 
Reihe von Arbeiten, die indess vielfach zu durchaus abweichenden 
Resultaten gelangen. Man muss in Folge dessen zugestehen, dass 
wir trotz der im Ganzen gewaltigen Menge von Beobachtungen und 
Untersuchungen, die wir in der Litteratur niedergelegt finden, doch 
über einzelne Vorgänge bei der Entwicklung der Insekten noch nicht 
völlig im Klaren sind. 

Eine solche Frage, die von den verschiedenen Autoren in sehr 
verschiedenem Sinne beantwortet worden ist, bezieht sich auf die 
Entwicklung des Mitteldarmes. Drei Ansichten sind hierüber aufge- 
stellt worden: nach der einen sollte das Epithel des Mitteldarmes 
von den Dotterzellen gebildet werden; nach der zweiten entsteht es 
aus einer vorderen und einer hinteren »Entodermanlage«, die sich vom 
»Entomesoderm« bald nach dessen Entstehung aus dem Ektoderm ab- 


Zur Kenntnis der Darmentwicklung bei Lepidopteren. 451 


sondern; nach der dritten Meinung endlich ist der ganze Darm- 
trakt ektodermaler Natur. Die Anhänger der ersten Anschauung 
sind DoHrn (66, 76), PAuL MAYER (76), BOBRETZKY (78), BALFOUR (80), 
HErTwIG (81), PATTEN (84), Ayers (84), WırL (88) und TıcHomI- 
RowA (90, 92). TicHOMIROFF (79, 82) hat die erste und die zweite 
Bildungsart beobachtet, GRABER (88, 89, 90, 91) an verschiedenartigen 
Objekten alle drei Arten. Im Übrigen sind für die zweite Art der 
Entwicklung eingetreten HATSCHER (77), GRassı (54), KOROTNEFF (85), 
HEIDER (89), KOwWALEWSKY (71), NUSBAUM (88), CHOLODKOWSKY (85), 
WHEELER (89) und RITTER (90), und für die Entwicklung des Mittel- 
darmes aus ektodermalen Lamellen, die vom Vorder- und Enddarm 
auswachsen, GAnIn (74), Wırvaczın (84), VOELTZKOW (89), HEYMons 
(95, 96, 97, 98), LECAILLON (98) und Ragıro (98). Doch haben von 
den Vertretern der letzten Anschauung die drei erstgenannten nur 
mehr oder weniger vage Vermuthungen geäußert, und unbestreitbar 
‘ gebührt Hrymons das Verdienst, zuerst den ektodermalen Ursprung 
des Mitteldarmes klar und genau bewiesen zu haben. 

Mit der Art der Entwicklung des Mitteldarmes bei Lepidopteren 
soll sich die vorliegende Arbeit im Wesentlichen befassen; doch 
sollen auch einige andere Fragen, z. B. die Natur der ersten Ent- 
wicklungsvorgänge im befruchteten Ei, die Bildung des Mesoderms 
und der Blutzellen, berührt werden; schließlich werde ich noch einige 
Bemerkungen über die Keimblätter im Allgemeinen anfügen. 


Material und Konservirungsmethoden. 


Zur Untersuchung der Darmentwicklung habe ich in der Haupt- 
sache Eier von dem chinesischen Spinner Lasiocampa fasciatella Men. 
var. excellens benutzt. Die Eier zeigen eine schön rothbraune mit hel- 
lerer Marmorirung untermischte Färbung; an jedem Pole liegt ein heller 
Fleck, in einem derselben in der Mitte ein kleineres dunkelbraunes 
Fleckchen, dessen Centrum die Mikropyle einnimmt. Der Dotter ist von 
grüner Farbe. Die Längsachse des Eies misst ca. 2,7 mm, seine größte 
Querachse ca. 2,2 mm. Für die Beobachtung der jüngsten Stadien 
habe ich außerdem Eier von Oeneria dispar L. angewendet, die 
bekanntermaßen in den sogenannten Schwämmen, d. h. haufenweise 
von der Afterwolle des Weibehens umkleidet, abgelegt werden. 
Diese Eier sind von einheitlicher hellerer oder dunklerer gelbbrauner 
Färbung und haben die Gestalt eines abgeplatteten Ellipsoides, dessen 
kurze Längsachse 1,0 mm, dessen längere Querachse 1,2 mm misst. 
Die Farbe des Dotters ist gelblich. Zur Vergleichung wurden außer- 


452 Erich Schwartze, 


dem einige Schnittserien von Embryonen von Porthesia chrysorrhoea 
L. und P. auriflua Fabr. so wie von Attacus eynthia Dru. und Pieris 
brassicae L. angefertigt. 

Als Konservirungsflüssigkeiten kamen Pikrinsäure, Pikrinschwefel- 
‚säure, Pikrinsalpetersäure und koncentrirte Sublimatlösung kalt oder 
auf ca. 70° C. erwärmt zur Anwendung; im ersteren Falle wurden 
die Eier vorher mit 90° heißem Wasser abgetödtet, stets aber zuerst 
angestochen. Bei sehr alten Embryonen eignet sich erwärmter Subli- 
matalkohol am besten. Zur Färbung wurden Karminfarben, seltener 
Hämatoxylin benutzt. Für die Konservirung von Raupendärmen ge- 
brauchte ich nach einer mir von Herrn Dr. REGEL freundlichst an- 
gegebenen Methode die sogenannte HerMmAanN’sche Lösung (Platin- 
chloridosmiumessigsäure) und Holzessig. Eine Färbung wird bei 
dieser Methode nicht mehr angewendet, da auch ohne diese die 
Kerne deutlich differenzirt erscheinen. 


Einige Bemerkungen über die ersten Entwicklungsstadien bis zur 
Blastodermbildung. 


Es ist bekannt, dass die Furchungszellen durch mitotische 
Theilung des befruchteten Eikernes entstehen. Ich habe nun bei 
den Eiern von Lasiocampa und Ocneria zwar diesen Vorgang nicht 
direkt beobachten können, wohl aber einige Stunden alte Stadien 
vorgefunden, bei denen nur einige wenige Furchungszellen im Cen- 
trum des Eies liegen, ein Umstand, der die Entstehung derselben 
durch Theilung der ersten Furchungszelle, d. h. der Zelle, die ge- 
bildet ist aus dem befruchteten Eikern und seinem Plasmahof, sehr 
wahrscheinlich macht. Dass es sich hierbei um wirkliche Zellen und 
nicht bloß, wie manche frühere Autoren annahmen, um isolirte Kerne 
handelt, die höchstens durch feine Protoplasmastränge mit einander 
zu einem Syneytium verbunden sein sollten, das folgt mit vollkommener 
Sicherheit daraus, dass stets um den stark gefärbten Kern herum 
ein schwächer gefärbter Plasmakörper deutlich wahrnehmbar ist. 
Der letztere ist von amöboider Gestalt, mit zahlreichen unregelmäßig 
gestalteten, aber stets spitz auslaufenden Fortsätzen versehen. Diesen 
Plasmaleib von sternförmiger Gestalt haben einzelne ältere Forscher 
zwar beobachtet, aber trotzdem diesen Gebilden nicht die Natur 
wirklicher Furchungszellen zuerkannt. Ich vermag aber den Unter- 
schied zwischen einer Zelle und einem von Plasma umgebenen Zell- 
kern nicht wohl einzusehen. 

Wenn es soeben abgelehnt wurde, die Gesammtheit der Furchungs- 


Zur Kenntnis der Darmentwicklung bei Lepidopteren. 453 


zellen als ein Synceytium anzusehen, so soll damit nicht gesagt 
sein, dass feine Plasmaverbindungen zwischen den Furchungszellen 
nicht vorhanden seien. Deren Existenz scheint mir im Gegentheil 
sogar vollkommen sicher, da der Dotter im Centrum, in dem die 
Zellen liegen, bedeutend stärker mit Plasma durchsetzt ist, als weiter 
außen. Während nämlich außen die Dotterschollen scharf kontourirt 
erscheinen, sind ihre Umrisse in der Nähe der Furchungszellen ver- 
schwommen, die Grenzen stellen sich nur als ein mehr oder weniger 
deutliches Netzwerk dar. Dieser Unterschied im Aussehen des Dot- 
ters ist besonders groß bei Oceneria; bei Lasiocampa tritt er weniger 
scharf hervor, ist aber auch hier deutlich zu erkennen. 

Die Furchungszellen zeigen in diesem Stadium zum großen Theil 
sehr deutliche karyokinetische Figuren, in denen auch die achroma- 
tischen Spindeln gut erkennbar sind. — Da, wo die Dotterkugeln scharf 
kontourirt sind, zeigt es sich, dass ihre Gestalt kugelförmig ist, aller- 
dings oft mit schwachen Abplattungen in Folge des gegenseitigen 
Druckes, und dass ihr Durchmesser zwischen 24 « und 7 u schwankt: 
am Rande des Eies werden sie noch kleiner, die äußersten erscheinen 
bei 70facher Vergrößerung noch fast punktförmig. Eine solche fein 
granulirte äußerste Dotterschicht hat auch BoBRETZKY (78) bei Por- 
thesia und Pieris und GIArRDINA (98) bei Mantis beobachtet. Eine 
äußere dotterfreie Plasmaschicht, ein WEIsumanNn’sches Keimhautblastem, 
ist entweder gar nicht oder höchstens als ganz feines Häutchen vor- 
handen. Auch hierin stimmen die Verhältnisse bei Mantis und bei 
Porthesia und Pieris nach den Untersuchungen der oben genannten 
Autoren mit den hier beschriebenen überein. Jedenfalls ist das Keim- 
hautblastem an Masse so unbedeutend, dass es bei der Blastoderm- 
bildung durchaus keine so große Rolle spielen kann, wie WEISMANN 
und Andere ihm zugeschrieben haben. Bei Lepidopteren ist über- 
haupt, so viel ich weiß, niemals ein Blastem beobachtet worden. 

Auf Querschnitten durch Eier von Ocneria dispar, die ungefähr 
24 Stunden nach der Ablage konservirt sind, erhält man Bilder, die 
das Ansehen von Fig. 1 darbieten. Eine Anzahl der jetzt schon viel 
zahlreicheren Furchungszellen haben sich in eine außerordentlich 
regelmäßige Ellipse gestellt, die dem Umfange des Eies koncentrisch 
ist. Schnitte in verschiedener Richtung ergeben ganz ähnliche Bil- 
der; man kann also hieraus den Schluss ziehen, dass im Raume 
diese Furchungszellen so gelagert sind, als ob sie an einer der Ober- 
fläche des Eies ähnlichen und koncentrischen Fläche angeheftet wären. 
In diesen Zellen findet man zahlreiche karyokinetische Figuren, und 


454 Erich Schwartze, 


die Theilungen finden alle tangential zu der von den Zellen einge- 
nommenen Fläche, also paratangential zur Oberfläche des Eies statt. 
Diese Zellen sind in eine Schicht von stärker proteplasmatischem 
Dotter eben so eingelagert, wie früher, als sich noch alle Zellen im 
Centrum befanden. RER 

Nun liegen aber nicht sämmtliche Furchungszellen in dieser ellip- 
soidischen Fläche, vielmehr sind auch eine ganze Anzahl innerhalb 
derselben im Centrum des Eies in unregelmäßiger Vertheilung zurück- 
geblieben; in deren Umgebung sind aber die Dotterkugeln scharf von 
einander gesondert, eben so wie in der äußersten Schicht des Eies 
außerhalb von dem stärker protoplasmatischen Mantel. Auch habe 
ich an diesen Zellen nirgends mehr eine Karyokinese wahrnehmen 
können, wohl aber zeigen viele derselben einen Zerfall der Kernsub- 
stanz in einzelne Ohromatinbrocken, wie es Fig. 2 darstellt, in der 
eine der in Fig. 1 im Inneren liegenden Zellen (in Fig. 1 mit z be- 
zeichnet) bei 1120facher Vergrößerung wiedergegeben ist. 

Im Laufe der weiteren Entwicklung wandern nun die äußeren 
Zellen immer weiter nach außen, behalten aber ihre regelmäßige Stel- 
lung bei und vermehren sich durch fortgesetzte indirekte paratangen- 
tiale Theilungen. Immer ist die Schicht des Dotters, in der diese 
äußeren Furchungszellen liegen, stärker protoplasmatisch als der innen 
liegende Kern mit den zurückbleibenden Furchungszellen und als der 
äußere Mantel. Es scheint also, als ob die Zellen auf das im Ei 
ursprünglich gleichmäßig zwischen den Dotterkugeln vertheilte Proto- 
plasma wie Attraktionscentren wirkten und dasselbe bei ihrer Wande- 
rung mit nach der Peripherie zögen. 

Die äußeren Furchungszellen erreichen die Peripherie des Eies 
zuerst am Äquator, zuletzt an den Polen. An der Oberfläche ordnen 
sich nun die Zellen unter fortgesetzten lebhaften Theilungen in tangen- 
tialer Richtung gleichmäßig neben einander an und bilden so das 
Blastoderm. Hierbei drängt sich mir die Ansicht auf, dass die Zellen 
des Blastoderms das im Dotter enthaltene Protoplasma, in dem sie 
vorher eingebettet lagen, resorbiren; denn in etwas späteren Stadien 
sind die Elemente des Dotters durcehgehends scharf kontourirt, stärker 
protoplasmatische Stellen also nicht mehr vorhanden. Möglicherweise 
liest also in der Fähigkeit der äußeren Furchungszellen, das im Dot- 
ter zerstreute Plasma aufzusammeln, ein Ersatz für das Fehlen des 
Keimhautblastems, dessen Plasma in anderen Fällen von den Fur- 
chungszellen resorbirt wird und so beim Aufbau des Blastoderms 
mithilft. Eine Rückwanderung von Blastodermzellen in den Dotter, 


Zur Kenntnis der Darmentwicklung bei Lepidopteren. 455 


wie sie für verschiedene. Formen festgestellt worden ist, habe ich 
hier nicht beobachten können. 

Bei Lasiocampa verlaufen die ersten Entwicklungsstadien in 
durchaus analoger Weise, doch ist diese Form für die Beobachtung 
dieser frühen Stadien weniger günstig, weil, wie schon oben erwähnt, 
der Unterschied zwischen dem mit Plasma gefüllten und dem Plasma 
nicht enthaltenden Dotter bei Weitem nicht so scharf hervortritt wie 
bei Ocneria. 

Aus dem Gesagten und aus Fig. 1 ergiebt sich ohne Weiteres, 
dass schon in außerordentlich früher Zeit eine Scheidung der Fur- 
chungszellen in zwei Gruppen erfolgt: Die einen wandern nach außen 
und bilden das Blastoderm, die anderen bleiben im Dotter liegen und 
vertheilen sich unregelmäßig in demselben. Diese letzteren sind die 
Dotterzellen des Eies und stellen als solche, wie weiter unten genauer 
ausgeführt werden soll, das Entoderm dar, dessen Elemente unmittel- 
bar nach ihrer Trennung von den übrigen Zellen schon zu degene- 
riren beginnen. Denn wir haben in dem Zerfall der Kernsubstanz 
(Fig. 2) zweifellos eine Degenerationserscheinung vor uns, die in ihrem 
weiteren Verlaufe die Auflösung der Kernmembran, eine starke Ver- 
mehrung der einzelnen Chromatinbrocken und eine Vertheilung der- 
selben durch den ganzen Plasmakörper der Zelle zur Folge hat, so 
dass dieser dann auf Schnitten gar nicht mehr sichtbar ist. 


Bildung des unteren Keimblattes und der Blutzellen. 


Über den Verlauf der Formirung des Keimstreifs und die Bildung 
der Embryonalhäute während des zweiten Entwicklungstages habe 
ich keine Untersuchungen angestellt. Es herrschen indess in diesem 
Punkte auch wohl kaum größere Meinungsverschiedenheiten unter 
den einzelnen Autoren; vielmehr kommen dieselben dahin überein, 
dass sich ein durch zwei seitliche Furchen begrenzter Theil des 
Blastoderms an der Ventralseite des Eies ins Innere einsenkt und 
allmählich durch eine vordere, eine hintere und zwei seitliche Amnion- 
falten überwachsen wird, die schließlich in der Mittellinie verlöthen 
und so eine innere, dem Keimstreif an seiner äußeren, ventralen 
Seite anliegende Haut, das Amnion, abtrennen von der den ganzen 
Inhalt des Eies in sich einschließenden äußeren Embryonalhülle, der 
Serosa. 

Betrachten wir zunächst einen eben fertig gebildeten Keimstreifen 
in einem zwei Tage alten Ei von Ocneria, von dem Fig. 3 einen Quer- 
schnitt durch das Vorderende wiedergiebt. Dass derselbe thatsächlich 


456 Erich Schwartze, 


sich erst ganz kurze Zeit vor der Konservirung vollkommen aus dem 
Zusammenhang mit dem übrigen Blastoderm, das jetzt die Serosa 
darstellt, gelöst hat, das ergiebt sich daraus, dass das Amnion (a) der 
Serosa (s) noch dicht anliegt. Später rückt der Keimstreif mit dem Am- 
' nion weiter ins Innere und wird so immers, indem Dotter zwischen 
Amnion und Serosa eindringt. Während der Bildung des Keimstreifs 
und der Embryonalhäute hat sich eine Differenzirung der ursprünglich 
gleichmäßig ungefähr kubischen Blastodermzellen vollzogen: Die Zel- 
len des Keimstreifs haben sich erhöht und erscheinen nun eylindrisch, 
die Zellen der Embryonalhäute dagegen haben sich so stark abge- 
flacht, dass ihr Querschnitt fast nur noch linienförmig ist und nur an 
den Stellen, an denen die großen, linsenförmigen Kerne liegen, Ver- 
diekungen zeigt. Das Amnion liegt dem Keimstreif noch sehr dicht 
an, der Zwischenraum zwischen beiden, die Amnionhöhle (ak), ist in 
Folge dessen noch sehr eng, während sie sich in späteren Stadien 
bedeutend erweitert. 

Der Keimstreif selbst ist noch in allen seinen Theilen streng 
einschichtig; die Zellwände verlaufen sämmtlich annähernd senkrecht 
zur Oberfläche desselben. Die Länge des Keimstreifs beträgt 0,8 mm, 
die Breite vorn 0,35 mm, hinten 0,2’ mm. Seine Gestalt ist also 
noch scheibenförmig. Auf dem gezeichneten Querschnitt sind gegen 
40 Zellen getroffen; weiter hinten ist die Zahl natürlich entsprechend 
der geringeren Breite am Hinterende geringer. Am Keimstreif und 
an der Serosa entlang zieht sich auch jetzt noch eine feinkörnige 
Dotterschicht, während weiter innen die Dotterkugeln die oben an- 
gegebenen Größenverhältnisse haben!. Im Dotter sieht man an 
einigen Stellen (Fig. 3 sy, m Fig. 4 stärker vergrößert) eigenthüm- 
liche Bildungen, die wohl den von Le£caAıLLon (98) bei Lina be- 
obachteten Dottersyneytien entsprechen: in einer sternförmigen 
Plasmamasse, deren Strahlen zwischen je zwei Dotterkugeln ein- 
dringen, liegen mehrere kugelförmige Kerne (in dem in Fig. 4 dar- 
gestellten Falle deren fünf), die offenbar durch amitotische Theilung 
des Kernes einer ursprünglich einkernigen Dotterzelle entstanden 


! Um diese Differenz zu zeigen, habe ich in Fig. 4 die Dotterkugeln ein- 
zeln eingezeichnet; in den späteren Figuren ist der Dotter der Einfachheit hal- 
ber nur durch homogene Gelbfärbung angegeben, was aber nicht so aufzufassen 
ist, als ob der Dotter wirklich homogen wäre; es sind dann nur größere und 
kleinere Kugeln regellos vertheilt. Auch die Gelbfärbung selbst ist nur sche- 
matisch, thatsächlich erscheint der Dotter auf Schnitten etwas von der zum 
Nachfärben gebrauchten Farbe gefärbt, bei Nachfärbung mit Boraxkarmin allein 
fast farblos. 


Zur Kenntnis der Darmentwicklung bei Lepidopteren. 457 


sind. Da sich solche Syneytien in späteren Stadien nicht mehr 
finden, so liest die Vermuthung nahe, dass einige Zeit nach dem 
Kernzerfall auch der Plasmakörper der Zelle sich in eben so viele 
Theile theilt, worauf sich die während der Theilung zusammen- 
seballten Chromosomen wieder gleichmäßig im Plasma der Tochter- 
zellen vertheilen. 

In einem um einen Tag älteren Stadium hat der Keimstreifen 
an Länge und besonders an Breite bedeutend zugenommen; seine 
Länge beträgt jetzt 0,9 mm, seine Breite vorn 0,55 mm, hinten 
0,3 mm; ein Querschnitt (Fig. 5) trifft ungefähr die doppelte Anzahl 
von Zellen wie vorher. Diese stehen nicht mehr genau in einer 
Schicht, vielmehr sind an vielen Punkten einzelne Zellen von der 
Oberfläche abgedrängt und haben keilförmige Gestalt angenommen. 
Die Zwischenwände der Zellen stehen in Folge dessen jetzt theil- 
weise schief zur Oberfläche des Keimstreifs. Immerhin ist die Ein- 
schichtiskeit an vielen anderen Punkten noch gewahrt. Das Amnion 
ist in Folge der Flächenvergrößerung: des Keimstreifs aus einander 
sezogsen worden; die Zahl seiner Kerne scheint sich nicht vermehrt 
zu haben; dieselben liegen jetzt weiter zerstreut, und der Plasma- 
körper der Amnionzellen ist noch flacher geworden als vorher. Der 
Keimstreif mit dem Amnion ist inzwischen in den Dotter eingesunken; 
die feinkörnige äußere Dotterschicht ist verschwunden, eben so die 
vielkernigen sternförmigen Dotterzellen; vielmehr haben die letzteren 
(dz) jetzt sämmtlich ihr typisches Aussehen angenommen. 

Die Bildung des inneren Blattes, des Mesoderms, vollzieht sich 
bei Ocneria im Laufe des vierten und fünften Entwicklungstages 
durch deutliche Einsenkung des mittleren Theiles des Keimstreifs zu 
einem in der Mediane verlaufenden Rohre. Die Figg. 6, 7 und 3 
veranschaulichen den Vorgang. Sie sind von verschiedenen Quer- 
schnitten derselben Serie genommen, Fig. 6 vom Vorderende, Fig. 7 
aus der Mitte, Fig. 8 vom Hinterende des Keimstreifs. Die Figuren 
können aber auch in der umgekehrten Reihenfolge als Darstellungen 
von drei Stadien der Mesodermbildung an derselben Stelle des Keim- 
streifs aufgefasst werden, abgesehen von der verschiedenen Breite 
des Keimstreifs in seinen verschiedenen Theilen, die gerade bei der 
Vergleichung dieser drei Figuren sehr deutlich hervortritt. Die Ein- 
senkung des Rohres erfolgt zuerst am Hinterende des Embryos und 
setzt sich allmählich weiter nach vorn fort. Zuerst zeigt dasselbe 
ein deutliches Lumen (Fig. 6), aber schon in diesem Stadium haben 
die Zellen die Tendenz sich seitlich auszubreiten; bald darauf ver- 


458 Erich Schwartze, 


löthen die Wände des Einstülpungsrohres mit einander, indem das 
Lumen desselben mit Zellen ausgefüllt wird (Fig. 7); es ist jedoch 
noch keine Grenze zwischen den Zellen des äußeren und des inneren 


Blattes vorhanden, vielmehr gehen die Zellen des einen ganz all- 


- mählieh in die des anderen über. Die Mesodermmasse hat sich ein 


wenig mehr abgeflacht und seitlich ausgedehnt. Wieder etwas später 
endlich (Fig. 8) ist die Mesodermschicht noch flacher geworden, hat 
sich aber über einen großen Theil der Breite des Ektoderms nach 
den Seiten hinweggeschoben und ist von diesem hier durch eine 
scharfe Grenze getrennt; nur in der Mediane, wo die Einstülpung 
stattgefunden hatte, ist noch ein allmählicher Übergang der Zellen 
der beiden Keimblätter in einander wahrzunehmen!. Schließlich 
bildet sich auch hier eine scharfe Grenze zwischen dem oberen 
und dem unteren Blatte. Das Hinterende des Embryos hat dieses 
Stadium zu einer Zeit schon erreicht, in der das Vorderende noch 
ein deutliches Einstülpungsrohr zeigt. Der Process schreitet, wie 
schon erwähnt, von hinten nach vorn fort, aber nicht gleichmäßig; 
es bleibt vielmehr die Segmentmitte stets beträchtlich gegen die 
Segmentgrenzen zurück, so dass in diesen das Einstülpungsrohr 
schon verstrichen ist, während es in der Mitte der Segmente sich 
noch nach außen öffnet. Überhaupt scheint an den Segmentgrenzen 
die Einsenkung von vorn herein schwächer zu sein; sicher wird hier 
nur wenig Mesoderm gebildet, und dasselbe zieht sich sehr bald nach 
den Seiten zurück, eine Erscheinung, die später auch in der Segment- 
mitte stattfindet, so dass schließlich die ganze Medianlinie von Meso- 
derm entblößt ist. | 

Die Einschichtigkeit des Keimstreifs ist in dem abgebildeten Sta- 
dium vollständig verloren gegangen; die Zellgrenzen weichen im 
Ektoderm oft bedeutend von der zur Oberfläche des Embryos senk- 
rechten Lage ab, sind aber hier überhaupt meist nur schlecht zu er- 
kennen; besser gelingt das im Mesoderm, und hier laufen dieselben 
in den mehrschichtigen Theilen regellos bald in einer, bald in einer 
anderen Richtung. Die Länge des Embryos beträgt jetzt ea. 1,05 mm, 
seine Breite vorn 0,35 mm, hinten 0,25 mm. Die Länge steht also 
jetzt zur Breite in einem solchen Verhältnis, dass erst jetzt der 
Name Keimstreif wirklich berechtigt erscheint, während man in 


! Hier und in allen folgenden Figuren ist das untere Blatt dunkler, das 
obere heller angegeben, was aber wieder bloß als schematisches Unterscheidungs- 
mittel aufzufassen ist, nicht so, als ob thatsächlich das untere Blatt immer 
stärker gefärbt wäre als das obere. 


Zur Kenntnis der Darmentwicklung bei Lepidopteren. 459 


früheren Stadien, wo der Embryo noch eine schildförmige Gestalt 
hat, wohl besser von einer Keimplatte oder Keimscheibe redet. — 
Der Dotter lässt in diesem Stadium andeutungsweise die sogenannte 
sekundäre Dotterfurchung erkennen, d. h. einen Zerfall in größere 
Haufen von Dotterkügelchen ; aber die Erscheinung ist hier nur wenig 
deutlich ausgebildet, und ich habe eine gesetzmäßige Lagerung der 
Dotterzellen in den einzelnen Furchungshaufen nicht beobachten 
können, wie das z. B. bei Pieris in diesem Stadium sehr deutlich 
ausgeprägt ist, wo im Üentrum eines jeden der scharf getrennten 
Ballen von Dotterkugeln ein annähernd rundlicher Dotterkern liegt. 
Später verlieren die Dotterkerne auch hier ihre Kugelform und 
gestalten sich unregelmäßig. 

Mit dem eben beschriebenen Stadium schließen meine genaueren 
Untersuchungen an Ocneria ab. Ich gehe nun zu den Verhältnissen 
bei Lasiocampa fasciatella var. excellens über, an der ich die Haupt- 
frage meiner Arbeit, die Entwicklung des Darmes, untersucht habe. 
Lasiocampa verdient bei genauer Untersuchung der Entwicklung 
eines bestimmten Organsystems vor Ocneria desswegen den Vorzug 
als Untersuchungsmaterial, weil die Lasiocampa-Eier zu ihrer Ent- 
wicklung drei bis vier Monate gebrauchen, sich also alle Verände- 
rungen viel allmählicher vollziehen, als bei den Ocneria-Eiern, die, 
obwohl sie ebenfalls überwintern, doch bereits nach kaum drei 
Wochen die fertige Raupe in sich enthalten. 

Betrachten wir zunächst wie bei Ocneria die Vorgänge, die sich 
an dem eben fertig gebildeten Keimstreifen aus einem fünf Tage 
alten Ei vollziehen. Fig. 9 stellt bei schwacher Vergrößerung einen 
Querschnitt durch die vordere Partie eines solchen dar, der aber be- 
reits in den Dotter versenkt ist. Die Seitenränder sind nach innen, 
d. h. dorsalwärts umgeschlagen; die Länge beträgt 0,50 mm, die 
Breite vorn 0,75 mm, hinten 0,50 mm. Die Zellen liegen zum 
größten Theile in einer Schicht, doch sind auch schon viele von der 
Oberfläche abgedrängt und in Folge dessen keilförmig, gegenüber 
der eylindrischen Gestalt der übrigen. Die schwach vergrößerte 
Fig. 9 macht freilich nieht den Eindruck einer einzigen Zellschicht; 
das rührt aber daher, dass die Kerne nicht, wie bei Ocneria in 
diesem Stadium, ungefähr in einer Ebene liegen, sondern bald weiter 
nach außen, bald weiter nach innen gerückt sind. Nur in so fern 
‚sind die Kerne regelmäßig angeordnet, als sie das innerste Drittel 
der Zellräume frei lassen. Nach innen trägt nämlich fast jede Zelle 
eine große Vacuole, die offenbar in Beziehung zu der Resorption 


460 Erich Schwartze, 


des Nahrungsdotters durch den Keimstreifen zu setzen ist. Wenn 
an einzelnen Stellen auch ganz dicht an der Innenfläche des Keim- 
streifs Kerne liegen, dann handelt es sich hier um besondere Ver- 
hältnisse, die weiter unten besprochen werden sollen. In der Mitte 
zeigt der Keimstreif eine hier noch ganz seichte, längsverlaufende 
Einsenkung (Fig. 9 r). Das Amnion liest dem Embryo dicht an, 
eine Amnionhöhle ist also noch kaum vorhanden. Die Amnionzellen 
und eben so die der Serosa haben sich bereits vollkommen abgeflacht 
und zeigen den gleichen linienförmigen Querschnitt wie bei Ocneria. 
Der Durchmesser der linsenförmigen Kerne beträgt ea. 15 u. Im 
Dotter sind größere und kleinere Dotterkugeln regellos vertheilt, 
doch liegen die von der Wölbung des Keimstreifs eingeschlossenen 
Dotterkugeln etwas dichter als die äußeren, und unter den letzteren 
erreichen einzelne einen Durchmesser von 12 «u, während der Durch- 
messer der inneren höchstens 10 u beträgt. Auch liegen in diesem 
inneren Theile des Dotters mehr Dotterzellen. Diese haben, was 
ihren inneren Bau anbetrifft, bereits ihr typisches Aussehen ge- 
wonnen, sie erscheinen nur als ein Haufwerk von Chromatinbröck- 
chen, wie es Fig. 10 in 1120facher Vergrößerung wiedergiebt. Die 
Gestalt der Dotterzellen ist indess hier noch nicht ganz unregelmäßig, 
wie später, sondern noch annähernd kugelförmig; ihr Durchmesser 
beträgt durchschnittlich ca. 20 u, doch ist ihre Größe ziemlich va- 
riabel. Sie vermehren sich durch einfachen Zerfall. 

Ein um einige Stunden älteres Stadium unterscheidet sich von 
dem eben beschriebenen nur durch seine etwas bedeutendere Größe: 
die Länge ist jetzt 0,85 mm, die Breite vorn 1,1 mm, hinten 0,65 mm. 
Die Breite hat also viel stärker zugenommen als die Länge und über- 
trifft diese jetzt erheblich. Außerdem aber hat sich die vorher ganz 
seichte mediane Längseinsenkung inzwischen zu einer deutlichen Rinne 
(Fig. 11 r) vertieft. Das Amnion ist dieser Vertiefung nicht gefolgt, 
sondern spannt sich jetzt membranartig über die Rinne hinweg von 
der einen Seite des Keimstreifs zur anderen. Bei einem ungefähr 
gleichaltrigen Embryo (Fig. 12), dessen Entwicklung aber schon etwas 
weiter fortgeschritten ist, haben sich die erwähnten Veränderungen 
stärker ausgeprägt; die Größe hat weiter zugenommen (Länge 
0,95 mm, Breite vorn 1,25 mm, hinten 0,50 mm); die Zellen haben 
außerdem die Anordnung in eine Schicht jetzt fast überall verlassen, 
und der Keimstreif hat in Folge dessen auch an Dieke ein wenig 
zugenommen; dieselbe beträgt jetzt durchschnittlich 50 u, gegen 
40 u im vorhergehenden Stadium. Die mediane Längsrinne (Fig. 12 r) 


Zur Kenntnis der Darmentwicklung bei Lepidopteren. 461 


hat sich wiederum ganz bedeutend vertieft, und die dieselbe be- 
srenzenden Zellen sind fast alle in karyokinetischer Theilung be- 
sriffen, haben also die Tendenz sich sehr lebhaft zu vermehren. Am 
Boden der Rinne liegen die Zellen noch in einer Schicht, was sich 
ohne Weiteres aus der starken Ausdehnung dieser Region bei der 
Vertiefung der Rinne erklärt. Karyokinetische Figuren zeigen sich 
übrigens reichlich in allen Partien des Keimstreifs vertheilt, da ja 
überall starkes Wachsthum vorliegt. — Auch hier ist eine sekundäre 
Dotterfurchung vorhanden, aber eben so wenig deutlich wie bei 
Oeneria. | 

Wie schon oben bei der Beschreibung des ersten Stadiums — 
und dasselbe silt für die beiden folgenden — erwähnt wurde, lassen 
die Zellkerne im Allgemeinen die Innenfläche des Keimstreifs frei. 
Die Kerne, die man trotzdem von Strecke zu Strecke innen liegen 
findet, gehören solchen Zellen an, die aus dem Zellverbande des 
Keimstreifs in den Dotter auswandern. Fig. 13 stellt einen kleinen 
Theil des in Fig. 11 abgebildeten Querschnittes bei stärkerer Vergröße- 
rung dar. Man erkennt deutlich die annähernd einschichtige Lage- 
rung der Zellen, deren jede an der Innenseite eine große Vacuole (v) 
trägt; manche haben außerdem noch einzelne kleinere Vacuolen. An 
mehreren Kernen sind karyokinetische Figuren erkennbar. In der 
Mitte der abgebildeten Schnittpartie liegt nun eime etwa birnförmig 
sestaltete Zelle am Innenrande des Keimstreifs, und zwar so, dass 
der verjüngte Theil der Zelle noch zwischen die normalen eylindri- 
schen Zellen eingekeilt ist, der größere bauchige Theil mit dem Kern 
aber frei über die Oberfläche des Keimstreifs in den Dotter hervor- 
ragt (Fig. 13 2,)). Das Volumen dieser Zelle ist beträchtlich kleiner 
als das der normalen Keimstreifzellen, wesentlich wohl desshalb, weil 
die große Vacuole verschwunden ist und statt ihrer nur eine Anzahl 
kleiner rings um den Kern herum angeordnet sind. Dieser selbst 
zeigt hier noch ein normales Aussehen; doch ist er in anderen Fällen 
bei ganz eben so gelagerten und gestalteten Zellen bereits in mehrere 
unzusammenhängende unregelmäßig gestaltete Chromatinbrocken zer- 
fallen. Außerdem liegen Zellen mit mehr oder weniger deutlichem 
Plasmakörper, in den solehe Chromatinstückchen in wechselnder Zahl 
eingelagert sind, in diesen Stadien in reichlicher Menge nahe an der 
Innenseite des Keimstreifs im Dotter (Fig. 13 2). Es handelt sich 
hier also ohne Zweifel um eine Einwanderung von Zellen aus dem 
Keimstreif in den Dotter und gleichzeitig oder etwas später erfolgende 
Degeneration dieser Zellen. Heymoxs (95) hat denselben Vorgang 


499 Erich Schwartze, 


bei Forfieula und verschiedenen Orthopteren beschrieben und die Zellen 
als Paracyten bezeichnet; auch GTARDINA (98) hat dieselben bei Mantis 
beobachtet. Ich schließe mich der Ansicht von Herymoxs vollkommen 
an, dass diese Zellen mit den »sekundären (kleinen) Dotterzellen« 
_ CHOLODKOWSKY’s (91), die nach Hrymons’ und meinen Untersuchungen 
nichts Anderes darstellen als die Blutzellen, und deren Einwanderung 
etwas später erfolgt, durchaus nicht identifieirt werden dürfen. Eben 
so wenig kann ich die Behauptung als richtig gelten lassen, die 
LECAILLON gegenüber HEYMoNS aufgestellt hat. LECAILLON (98) be- 
hauptet nämlich, dass es sich hier nicht um Zellen handelte, die zur 
sofortigen Degeneration bestimmt seien, sondern um eine Vermehrung 
der Dotterzellen durch diese aus dem Keimstreif auswandernden 
Zellen. Dass thatsächlich keine Umwandlung der Paracyten in Dotter- 
zellen stattfindet, das geht mit Sicherheit daraus hervor, dass der 
Plasmakörper derselben allmählich immer mehr der Auflösung an- 
heimfällt, dabei aber nicht wie bei den Dotterzellen eine Vermehrung 
des Chromatins eintritt, sondern die einzelnen Chromatinbröckehen 
einfach aus einander fallen und sich zwischen den Dotterkugeln zer- 
streuen. Man sieht solche einzelne Chromatinstückchen zahlreich im 
Dotter liegen; in einem nur wenig späteren Stadium sind sie aber 
schon spurlos verschwunden. Die Paracyten degeneriren also voll- 
kommen und ausnahmslos. 

Noch eine interessante Erscheinung ist in diesem Stadium wahrzu- 
nehmen, nämlich die direkte Kerntheilung in den Zellen der Serosa, 
die schon von mehreren Autoren beschrieben worden ist. Fig. 14 
zeigt einen Tangentialschnitt durch den einen Pol desselben Eies, 
das den Embryo Fig. 12 enthielt. Die oberste Kuppe ist abgeschnit- 
ten und desshalb ist die Mitte des abgebildeten Schnittes von Dotter 
erfüllt. Wir sehen fast in allen vom Schnitte getroffenen Zellen zwei 
Kerne liegen, in einigen einen in der Mitte sich spaltenden Kern 
(Fig. 14 am). Die amitotische Theilung erzeugt also hier an den 
Kernen nicht die bekannte biskuitförmige Figur, sondern der linsen- 
förmige Kern zerfällt einfach in zwei Halblinsen, die sich allmählich 
wieder zur ursprünglichen Gestalt abrunden. Die Zellen theilen sich 
später ebenfalls, denn in späteren Stadien besitzt jede Serosazelle 
nur einen Kern. Dass die Theilkerne in der Figur so verschieden 
groß erscheinen, liegt lediglich daran, dass sie in verschiedener Höhe 
geschnitten sind; ein Totalpräparat von einem Stückchen abgenommener 
Serosa zeigt, dass sämmtliche Theilkerne genau die gleiche Größe 
haben. 


Zur Kenntnis der Darmentwicklung bei Lepidopteren. 463 


Gehen wir nun wieder zur Betrachtung der Bildung des inneren 
Blattes über, so zeigen uns Stadien, die einige Tage älter sind als 
das in Fig. 12 dargestellte, dass in dem größeren vorderen Theile des 
Keimstreifs am Boden der schon vorhin besprochenen Rinne sich die 
Zellen aus dem epithelartigen Verbande der Rinnenwand lösen und 
sich ihr massenhaft außen, d. h. nach der Innenseite des Eies hin, an- 
lagern. Eine Grenze zwischen den so gebildeten Mesodermzellen und 
den Wandzellen der Rinne ist vorläufig durchaus noch nicht vorhanden, 
am Boden der Rinne ist in vielen Fällen indirekte Kerntheilung zu 
beobachten, hier findet also eine starke Zellwucherung statt. Allmäh- 
lich schieben sich die so entstandenen Mesodermmassen mehr nach 
den Seiten hin und sind hier natürlich sofort scharf von dem äußeren 
Keimblatte getrennt. Die Figg. 15 und 16 zeigen diese Verhältnisse. 
Die Schnitte sind in etwas verschiedener Höhe geführt, der in Fig. 15 
dargestellte etwas weiter vorn, an einer Stelle, an der sich der Kopf 
des Embryos bereits dorsal geschlossen hat, ein Vorgang, der ganz 
vorm also sehr früh erfolgt. In dieser dorsalen Kopfkappe, an der 
die Ansatzstelle des Amnions in der Figur deutlich hervortritt, liegt 
an der Ventralseite jederseits ebenfalls eine Mesodermschicht, hier 
aber scharf von dem darüberliegenden Ektoderm abgegrenzt. ‚Diese 
Mesodermstreifen stehen in der vorderen Wölbung des Kopfes mit 
dem ventralen Mesoderm in Verbindung, sie stellen nur Ausläufer des 
letzteren dar, die bei dem dorsal- und etwas rückwärts gerichteten 
Wachsthum des vorderen Ektoderms bei der Bildung der Kopfkappe 
mitsewachsen sind. Fig. 16 stellt einen ein wenig weiter hinten 
liegenden Querschnitt durch einen anderen etwa gleichalterigen Keim- 
streif dar. Die Kopfkappe reicht nicht bis zu dieser Region, also 
erscheint der Keimstreif dorsal offen. Wir bemerken auch hier die 
mediane Ektodermrinne, deren Tiefe aber an dieser Stelle schon be- 
deutend redueirt ist, und den allmählichen Übergang der Zellen des 
äußeren in die des inneren Blattes am Boden der Rinne. 

Bei dem starken Längenwachsthum, welches der Embryo in der 
Zeit zwischen dem zuletzt und dem vorher beschriebenen Stadium er- 
fahren hat, ist die bekannte Einkrümmung mit der Bauchfläche nach 
außen erfolgt. Die mediane Rinne ist nach hinten ebenfalls länger 
geworden, erreicht aber nieht ganz das Ende des Keimstreifs. In 
dem letzten Sechstel desselben etwa tritt vielmehr die Mesodermbil- 
dung nach einem anderen Typus ein, den man als seitliche Über- 
schiebung bezeichnet hat. Der mittlere Theil des Keimstreifs löst 
sich nämlich in zwei Längslinien von den Seitentheilen ab und senkt 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie, LXVI. Bd. 30 


464 Erich Schwartze, 


sich etwas tiefer in den Dotter ein, während sich die Seitenflächen 
ventral allmählich über den Mitteltheil hinüber schieben und sich 
schließlich in der Mediane wieder vereinigen. Fig. 19 zeigt ein 
Stadium, in dem die Mittelplatte zwar schon seitlich vom Ektoderm 
 überwachsen ist, aber um die Mediane noch mit einer ziemlich breiten 
Oberfläche frei liegt; in Fig. 20 dagegen, die einen Querschnitt durch 
einen anderen Keimstreif etwas weiter hinten darstellt, berührt das 
keilförmig gestaltete Mesoderm die Oberfläche nur noch mit einer 
einzigen Zelle. Fig. 21 endlich stellt dieselben Verhältnisse auf 
einem annähernd in der Mediane geführten Längsschnitte durch das 
Hinterende eines Embryos dar. Wir sehen, dass das Mesoderm in 
der Mediane noch in ziemlich großer Ausdehnung frei liegt, dass 
aber am hintersten Ende die Überschiebung bereits bis zur medianen 
Verwachsung der Seitenplatten gediehen ist. Weiter vorn ist die 
Mesodermbildung durch Einsenkung einer Rinne schon beendet, an 
den Segmentgrenzen hat das Mesoderm die Mediane bereits verlassen. 

Abgesehen von diesem späteren Abschlusse der Mesodermbildung 
am Hinterende erfolgt dieselbe auch hier, wie bei Ocneria, von hinten 
nach vorn fortschreitend, und auch hier verstreicht die Ektodermrinne 
an den Segmentgrenzen schneller als in der Mitte der Segmente, und an 
den Grenzen wird nur wenig Mesoderm gebildet, das sich hier sehr bald 
von der Mediane zurückzieht und nur jederseits einen dünnen lateralen 
Streifen bildet. Diese Streifen verbinden die weit stärkeren lateralen 
Mesodermmassen, die in der Mitte des Längsverlaufes der Segmente 
liegen. Etwas später als an den Segmentgrenzen weicht auch in der 
Mitte der Segmente das Mesoderm von der Mediane zurück; die Ge- 
sammtmasse desselben ist also dann in zwei seitlichen Längssträngen 
mit segmentalen Verdiekungen angeordnet. In diesen Verdiekungen 
bildet sich allmählich ein mittlerer Hohlraum, um den die Zellen auf 
(Querschnitten in einem Dreieck gelagert sind. Diese Hohlräume sind 
die Cölomsäckchen, die einige Zeit erhalten bleiben, später aber, wenn 
ihre Wände zur Bildung der verschiedenen mesodermalen Organe ver- 
braucht werden, sich mit dem großen ventralen, zwischen Darm und 
Nervensystem liegenden Blutsinus, dem Epineuralsinus, vereinigen. 

Gehen wir nun noch einmal zu dem Stadium der Mesodermbil- 
dung zurück. Dieselbe erreicht also am Vorderende des Keimstreifs 
am spätesten ihren Abschluss und ist außerdem hier von einer In- 
tensität, wie an keiner anderen Stelle. Hier zeigt sich nun eine 
sehr auffällige Erscheinung. Während am Boden der Ektodermrinne 
noch fortwährend neues Mesoderm gebildet wird, löst sich an dem 


Zur Kenntnis der Darmentwicklung bei Lepidopteren. 465 


First der hier zu einem mächtigen keilförmigen Haufen angewachse- 
nen Mesodermmasse der Zusammenhang der Zellen und eine Menge 
von einzelnen Zellen oder kleinen Zellgruppen, die aber auch bald 
aus einander fallen, wandern in den Dotter aus. Fig. 15 zeigt bei 
bl dies Verhalten sehr deutlich; auch auf Fig. 16 ist es zu erkennen; 
eben so stellt der Sagittalschnitt in Fig. 17 diese Erscheinung dar. 
Derselbe ist nicht ganz median geführt und zeigt desshalb eine scharfe 
Grenze zwischen dem oberen und dem unteren Keimblatte, die aber 
in der Mediane hier natürlich eben so wenig vorhanden ist, wie 
sonst. Die auswandernden Zellen zerstreuen sich nun im Dotter, 
sehen aber nicht über den vom Keimstreifen überwölbten Theil des- 
selben hinaus. Am zahlreichsten finden sie sich später in der Nähe 
der Körperwand des Embryos. Bei und nach der Auswanderung 
vergrößern sich die Zellen etwas und runden sich zu annähernd 
kugelförmiger Gestalt ab, zuerst oft noch mit einem oder mehreren 
langen, pseudopodienartigen Fortsätzen, die aber bald verschwinden. 
Der Körper der Zellen scheint bei der Vergrößerung nicht an Masse 
zuzunehmen, sondern es bilden sich in demselben zahlreiche oft sehr 
sroße Vacuolen, die den Zellen bei schwacher Vergrößerung eine 
ganz helle Farbe und ein netzartiges Aussehen verleihen, bei sehr 
starker Vergrößerung dagegen einen ähnlichen Eindruck machen, 
wie ein Haufen an einander hängender Seifenblasen, nur dass die 
Zwischenwände relativ viel dicker und die einzelnen Bläschen nicht 
so stark abgeplattet sind, sondern immer noch die Kugelform er- 
kennen lassen. Fig. 18 stellt eine solche Zelle in 1120facher Ver- 
srößerung dar; der Kern ist fast immer excentrisch, zuweilen einer 
Vacuole dicht angelagert. Der Durchmesser der Zellen beträgt 12—16 u. 

Was die Funktion dieser Zellen anbetrifft, so stellen sie, wie 
bereits Heymons (95) für Orthopteren und Forficula und LECAILLON (98) 
für verschiedene Chrysomeliden konstatirt haben, die Blutzellen dar. 
Bewiesen ist das dadurch, dass man diese Zellen von hier an durch 
alle Stadien hindurch verfolgen kann und sie schließlich massenhaft 
im Herzen und in den übrigen Blutbahnen liegen findet. Diese Be- 
stimmung der Zellen schließt durchaus nicht aus, dass sich dieselben 
auch an der Auflösung des Dotters betheiligen; das ist sogar sehr 
wahrscheinlich, da sie durchaus das Aussehen haben, was resor- 
birenden Zellen im Allgemeinen zukommt. Man kann daher die 
Bezeichnung »sekundäre Dotterzellen«, die CHOLODKOWSKY (91) diesen 
Zellen gegeben hat, wohl als richtig gelten lassen, aber dieser zweite 
Name für dieselbe Sache hat keinen rechten Zweck. 

30* 


466 Erich Schwartze, 


Während nun Hrymons und LicAıLLon bei den von ihnen unter- 
suchten Formen eine Einwanderung von Blutzellen in den Dotter 
von der ganzen Medianlinie des Keimstreifs aus beobachtet haben, 
weise ich hier noch einmal ausdrücklich darauf hin, dass bei Lasiocampa 
diese Einwanderung beschränkt ist auf diejenige Stelle des Embryos, 
an der sich die Ektodermrinne vorn zuletzt schließt, d. h. auf einen 
sehr geringen Theil der ganzen Länge des Keimstreifs. Zwar bilden 
sich auch an weiter hinten liegenden Theilen segmentale Mesoderm- 
anhäufungen (vgl. Fig. 21), aber dieselben erreichen niemals die 
Mächtigkeit wie die vordere Mesodermmasse, und zeigen niemals 
eine Lockerung ihrer Zellen. Auch finden sich vor der Bildung der 
vorderen Mesodermanhäufung niemals Blutzellen im Dotter, und kurz 
nach ihrer Bildung liegen dieselben nur in unmittelbarer Nähe der 
Mesodermmasse, während sie sich später immer weiter nach hinten 
verbreiten. Auch in der Gestalt der Blutzellen zeigen sich bei den 
verschiedenen Formen beträchtliche Unterschiede; nach LECAILLON 
sind sie bei den Chrysomeliden zwar auch kugelförmig, aber er sagt 
ausdrücklich: »Le noyau, lui m@me spherique, est au centre du 
protoplasma.« Bei den von Hrymons untersuchten Formen haben da- 
gegen die Blutzellen eine amöboide Gestalt und sind auch amöboid 
beweglich. Bei den von den genannten Autoren beschriebenen 
Formen erfolgt die Blutzellenbildung auch etwas später, nämlich erst 
nach dem Abschlusse der Mesodermbildung. 

Ob thatsächlich, wie SCHÄFFER (89), allerdings für entwickelte 
Raupen, angiebt, eine nachträgliche Vermehrung der Blutzellen durch 
Zellen, die aus dem mesodermalen Fettkörpergewebe auswandern, 
stattfindet, das vermag ich leider nicht zu entscheiden. Darin hat 
der genannte Autor jedenfalls recht, dass die Zellen des Fettkörpers 
nach ihrer Differenzirung von dem übrigen Mesoderm wegen ihres 
ebenfalls von großen Vacuolen erfüllten Plasmas mit den Blutzellen 
die allergrößte Ähnlichkeit haben, und da überdies das Fettkörper- 
gewebe gegen die definitive Leibeshöhle ziemlich unregelmäßig be- 
grenzt ist, habe ich mir kein Urtheil darüber bilden können, ob eine 
Auswanderung erfolgt oder nicht. 

Wenn einzelne ältere Autoren, wie TICHOMIROFF (79) und Woop- 
WORTH (89), behauptet haben, die Dotterzellen betheiligten sich an 
dem Aufbau .des Mesoderms, dann rührt diese Auffassung, wie mir 
scheint, von einer falschen Deutung der Auswanderung der Blutzellen 
her, als ob nicht diese aus dem Mesoderm in den Dotter auswanderten, 
sondern sich im Gegentheil Dotterzellen an das Mesoderm anlegten. 


Zur Kenntnis der Darmentwicklung bei Lepidopteren. 467 


Ungefähr gleichzeitig mit dem vollkommenen Schlusse der Ekto- 
dermrinne ist auch die Auswanderung der Blutzellen beendigt; die 
vordere Mesodermanhäufung hat sich verloren, so dass das Mesoderm 
hier jetzt keine stärkere Lage bildet als irgendwo anders. Die Länge 
des Keimstreifs hat in diesem Stadium ganz bedeutend zugenommen, 
sie beträgt jetzt 3 mm; auch die Dicke hat sich erheblich vergrößert; 
für dieselbe lässt sich aber jetzt keine bestimmte Zahl mehr angeben, 
da sie ganz verschieden ist, je nach der größeren oder geringeren 
Höhe oder dem gänzlichen Fehlen des Mesoderms an den verschie- 
denen Stellen. Beide Dimensionen haben aber auf Kosten der dritten 
zugenommen: Die Breite hat sich vorn auf 0,45, hinten auf 0,15 mm 
vermindert. Die Zellen sind jetzt in beiden Keimblättern ziemlich 
unregelmäßig gelagert. Die Amnienhöhle hat sich stark erweitert, 
die Kerne des Amnions liegen in Folge dessen noch weniger dicht 
als früher; an den Stellen, wo die Zellen um die Kerne herum ver- 
diekt sind, tragen sie oft hakenartige Fortsätze, die in den äußeren 
Dotter hervorragen (Fig. 15 azf, urd in vielen der folgenden Figuren). 
Die Segmentirung ist schon einigermaßen zu erkennen, wenn auch 
noch nicht so deutlich, dass man die Segmente abzählen könnte. Auch 
die Extremitätenanlagen sind theilweise schon durch seichte Hervor- 
stülpungen jederseits an der Ventralseite der Segmente angedeutet. 
Die Dotterzellen haben jetzt eine vollkommen unregelmäßige Gestalt 
und Größe angenommen; die Länge der größten habe ich zu 23 u 
semessen. Aus dem Mesoderm wandern hier und da einzelne Zellen 
aus, die eine Auflösung des Plasmakörpers und einen Zerfall der 
Kernsubstanz zeigen; wir haben es hier wiederum mit Paracyten zu 
thun, die im Dotter zu Grunde gehen. Dieselben sind aber jetzt 
bei Weitem nicht so zahlreich wie bei der Auswanderung aus dem 
noch einschichtigen Keimstreif. Immerhin ist hiermit die Angabe von 
Heymons (95) durchaus bestätigt, dass die Paracyten nicht an ein 
bestimmtes Keimblatt gebunden sind. 


Die Bildung des Darmes. 
a) Vorderdarm und vordere Mitteldarmanlage. 


Bald nachdem die vordere Mesodermanhäufung sich abgeflacht 
hat, entsteht am vorderen, dorsalwärts umgeschlagenen Ende des 
Keimstreifs, noch vor der Stelle, die vordem die Mesodermanhäufung 
_ eingenommen hatte, eine seichte Vertiefung in der Mediane. Fig. 22 
zeigt dieselbe im Längsschnitte bei si. Wir sehen, dass die höchste 
Kuppe der Vorwölbung vom Mesoderm entblößt ist und frei dem Dotter 


465 Erich Schwartze, 


anliegt. In dieser vorläufig noch ganz seichten Einstülpung haben wir 
die erste Anlage des Vorderdarmes oder Stomodäums zu erblieken. 
In diesem Stadium beginnt auch, besonders am Hinterende des Keim- 
streifs deutlich wahrnehmbar, die Bildung der Cölomsäckehen durch 
. Auseinanderweichen des mehr dorsalen und mehr ventralen Theiles der 
Mesodermmasse jederseits in der Mitte der Segmente. Das Stomodäum 
nimmt an Größe sehr bald zu; das folgende, in Fig. 23 abgebildete 
Stadium zeigt, dass sich die Einstülpung bedeutend vertieft hat; sie 
hat das Mesoderm weit aus einander gedrängt und ist jetzt am Grunde 
nicht mehr einfach kuppelförmig gewölbt, sondern besitzt eine mehr 
oder weniger gerade abgeschnittene Endfläche. Die Zellen der Wand 
sind in lebhafter Theilung begriffen; die innersten Zellen, d. h. die- 
jenigen, die am Boden der Einstülpung liegen, zeigen auf vielen Schnit- 
ten die Tendenz seitlich gerichtete Fortsätze (Fig. 23 zf) zu bilden. 
Diejenige Mesodermpartie, die dem Stomodäum an der hinteren Seite 
anliegt, hat inzwischen eine eigenthümliche Umwandlung erlitten; die 
Zellen haben sich etwas vergrößert, ihr Plasma ist heller geworden 
und erscheint äußerst feinkörnig und von vielen sehr kleinen Vacuolen 
durchsetzt. Diese Bildung wird als der Subösophagealkörper (Fig. 23 s«) 
bezeichnet und dient nach der Angabe von HEymons (95) wahrschein- 
fich der exkretorischen Funktion. Er liegt während dieser und der 
nächsten Stadien der Basis des Stomodäums dicht an: diese erscheint 
also auf Querschnitten von einem Mesodermring umschlossen, der an 
der hinteren, später ventralen Seite von den Zellen des Subösophageal- 
körpers unterbrochen ist. An Länge vergrößert sich der Keimstreif 
in dieser Periode nicht wesentlich, doch nimmt die Masse desselben 
bedeutend zu. Die Cölomsäckchen sind jetzt überall gut entwickelt; 
die Extremitäten haben sich vergrößert, und es ist Mesoderm von den 
Cölomsäckchen aus in ihre Höhlung eingedrungen. Im Dotter sind 
Dotterzellen und Blutkörperchen unregelmäßig vertheilt, nur liegen 
die letzteren nahe an der Innenfläche des Keimstreifs in etwas größerer 
Zahl als weiter davon entfernt. Hier und da finden sich in dem 
Theile des Dotters, der vom Keimstreif überwölbt wird, Stellen, an 
denen die Dotterkugeln in Folge der Thätigkeit der im Dotter ent- 
haltenen zelligen Elemente aufgelöst und zu einer Flüssigkeit ver- 
ändert worden sind, die im geronnenen Zustande als eine sehr fein 
sranulirte Masse erscheint. Wir haben es hier offenbar mit den 
ersten Spuren von Blutflüssigkeit zu thun, die in den späteren Sta- 
dien die ganze definitive Körperhöhle erfüllt. 

Ein Medianschnitt durch das Vorderende eines um einige Tage 


Zur Kenntnis der Darmentwicklung bei Lepidopteren. 469 


älteren Stadiums hat das Aussehen von Fig. 24. Das Stomodäum hat 
sich wieder erheblich vertieft, in der Mitte seines Längsverlaufes 
verengt sich das Lumen desselben, um sich aber am Boden wieder 
etwas zu erweitern. Die Endfläche zeigt auch jetzt an ihrem Außen- 
rande noch die eigenthümlichen Zellfortsätze (Fig. 24 z2f) wie in dem 
vorhergehenden Stadium; ich habe dieselben, als ich sie zuerst beob- 
achtete, in Beziehung zu der Anlage des Mitteldarmes gesetzt; ein 
solcher Zusammenhang besteht aber, wie ich später gefunden habe, 
nicht, vielmehr glaube ich, dass die Entstehung dieser Zellfortsätze 
darauf zurückzuführen ist, dass die in den Dotter hineinwachsende 
Kuppe des Stomodäums zunächst, wenn die Einstülpung noch flach 
ist, an dem angrenzenden Mesoderm, beziehungsweise dem Suböso- 
phagealkörper, später, wenn die Einstülpung sich weiter vertieft hat, 
an dem Dotter eine bedeutende Reibung erfährt, die den äußeren 
Theil der Zellen zurückzuhalten sucht. Dieser Ansicht entspricht 
vollständig die Thatsache, dass die Fortsätze an dem vorderen, später 
dorsalen Theil des Randes der Endfläche stärker sind als an dem 
hinteren, später ventralen Theile. Denn da das Stomodäum nicht 
senkrecht zur Oberfläche des Keimstreifs an der betreffenden Stelle 
auswächst, sondern die Neigung hat sich ein wenig ventralwärts, d. h. 
nach dem Keimstreif hin zu krümmen, so muss natürlich das Wachs- 
thum an der so konvex werdenden Rückenseite stärker sein als an 
der konkaven Bauchseite.e Demgemäß wird auch der beim Wachsen 
von den reibenden Theilen ausgeübte Zug dorsal stärker sein als 
ventral. In Fig. 23 hat sich der dorsale Fortsatz etwas vorwärts in 
den Dotter hineingeschoben, auf vielen anderen Schnitten liegt der- 
selbe aber dem Mesoderm dicht an und macht dann besser den Ein- 
druck des Anhaftens. Dass eine solche Adhäsion des Mesoderms an 
der Dorsalseite wirklich besteht, dafür spricht noch deutlicher der 
Umstand, dass in der dorsalen Wand des Stomodäums, so weit der- 
selben außen Mesoderm angelagert ist, die Zellgrenzen sämmtlich 
derartig schräg verlaufen, dass ihr inneres, dem Lumen der Einstül- 
pung: zugekehrtes Ende dem Hinterende des Stomodäums viel näher 
liest, als ihr äußeres Ende. Es ist also der äußere Theil der Zellen, 
der nur Protoplasma enthält, in Folge der Adhäsion an das Mesoderm 
gegenüber dem inneren, den Kern enthaltenden Theil zurückgeblieben. 
Ziemlich in der Mitte der Endfläche, ein wenig mehr nach der Ven- 
tralseite hin sind außerdem in Fig. 24 zwei Zellen (onZ) sichtbar, die 
sich etwas über die anderen erhoben haben und einen Vorsprung der 
Endfläche bilden. In diesen und den entsprechend liegenden Zellen, 


470 Erich Schwartze, 


im Ganzen nur in einigen wenigen Zellen, haben wir die erste An- 
deutung der vorderen Mitteldarmanlage zu erkennen. Der Subösopha- 
gealkörper hat an Größe etwas zugenommen, nicht aber an Zellenzahl, 
vielmehr haben sich die einzelnen Zellen vergrößert, sie enthalten 
. jetzt deutlich sichtbare Vacuolen, die fast die Größe der Zellkerne 
erreichen. In Folge dessen ist der Subösophagealkörper jetzt noch 
etwas heller gefärbt als früher. 

Die Seitentheile des Kopfes, die etwas weiter nach vorn reichen, 
als der mittlere Theil, haben sich inzwischen stark vergrößert, ihr 
Rand ist deutlich gelappt, ihre Zellkerne zeigen zumeist in einem 
äußerst feinen Ohromatinnetz suspendirt ein einziges großes Kern- 
körperchen. Diese Seitenlappen des Kopfes, in denen das Mesoderm 
nicht bis zum Außenrande reicht, stellen die Anlage des Gehirns dar. 

Betrachten wir endlich das Stomodäum in demjenigen Stadium, 
von dem Fig. 25 einen Medianschnitt, Fig. 26 einen etwas mehr late- 
ralen Sagittalschnitt aus derselben Serie wiedergiebt. Eine erhebliche 
Vertiefung des Stomodäums hat nicht mehr stattgefunden, das Lumen 
desselben hat sich aber am Grunde zu einer geräumigen Höhlung 
erweitert, wodurch die Endfläche sich zu einer dünnen, an den meisten 
Stellen nur aus einer Zellschicht bestehenden Membran ausgezogen 
hat. Etwas ventralwärts von dem Mittelpunkte der Endfläche, die 
wir von jetzt an mit Herymons (95) als vordere Grenzlamelle (vgZ) 
bezeichnen wollen, d. h. genau an der Stelle. wo im vorhergehenden 
Stadium die hervortretenden Zellen lagen, entspringt jetzt jederseits 
eine deutliche einschichtige Lamelle von Zellen (Fig. 25 om2). Vorläufig 
sind diese Lamellen noch ganz kurz; auf dem gezeichneten Schnitte 
liegen erst drei Zellen in einer Reihe; sie verlängern sich aber ziem- 
lich schnell und gehen immer weiter nach den Seiten, bis sie der 
dorsalen Wand der Cölomsäckchen dicht anliegen. Die Lamellen sind 
zunächst sehr schmal; an der Basis zeigt der Querschnitt eine Anzahl 
von etwa 206 Zellen neben einander, die dann nicht mehr nur eine Schicht 
bilden, sondern unregelmäßig gelagert sind. Je weiter man nach hinten 
seht, um so kleiner wird die Zahl der von einem Querschnitte getroffe- 
nen Zellen. Die hintersten Enden der beiden Lamellen stellen nur 
noch zwei Fäden aus einzelnen hinter einander liegenden Zellen dar. 

In dem hier gezeichneten Stadium ist eine mittlere ventrale 
Verbindung der beiden Lamellen nur in so fern vorhanden, als die vor- 
dere Grenzlamelle in der Medianlinie ventral von ihrem Mittelpunkt eine 
Verdiekung (Fig. 26 og) zeigt, in der die Zellen nicht wie sonst über- 
all einschichtig gelagert sind. Etwas später wächst auch diese Ver- 


Zur Kenntnis der Darmentwicklung bei Lepidopteren. 471 


diekung allmählich, in ihren seitlichen Theilen beginnend, nach hinten 
aus, doch nicht so, dass dadurch nun etwa eine neue Lamelle gebildet 
würde; es werden vielmehr nur die beiden vorhandenen ventral ver- 
breitert und ihre Ränder einander von vorn nach hinten fortschreitend 
senähert. Wie viel bei dieser Vergrößerung auf ein nach hinten ge- 
richtetes Wachsthum von den Zellen von der Verdiekung der Grenz- 
lamelle aus, und wie viel auf ein medianwärts gerichtetes Breiten- 
wachsthum der vorhandenen Mitteldarmlamellen zu rechnen ist, das 
wird sich kaum entscheiden lassen. Jedenfalls wirken beide Faktoren 
dahin zusammen, dass schließlich auf der Ventralseite der vorderen 
Grenzlamelle ein etwa drittelkreisförmiger Wall entsteht, der in der 
Mitte am niedrigsten ist und sich seitlich allmählich erhöht, um an 
seinen Enden durch die beiden seitlichen Lamellen wie durch Eck- 
pfeiler, die seine Höhe um das Vielfache übertreffen, begrenzt zu 
werden. Etwas später, nachdem an der Basis die ventrale Verbindung 
bereits eingetreten ist, verbreitern sich die Lamellen aber auch an ihrer 
dorsalwärts und nach außen gerichteten Seite, zunächst ebenfalls an 
der Basis, und zwar so lange, bis die beiderseitigen Verbreiterungen, 
wieder unter Mithilfe von Zellen, die von der Grenzlamelle nach hin- 
ten auswachsen, immer dem von dem ventralen Zellenwall begon- 
nenen Kreise folgend, sich in der dorsalen Mediane erreicht haben. 
Wenn das geschehen ist, dann erhebt sich also auf der vorderen 
Grenzlamelle ein vollkommener Ringwall, der ventral jederseits in 
eine lange Seitenlamelle ausläuft; in den beiden von der Mediane 
geschnittenen Punkten des Walles liegen seine beiden Höhenminima, 
von denen aber das an der Dorsalseite viel niedriger ist als das ventrale. 

Betrachten wir noch einmal die Figg. 25 und 26, so zeigt es sich, 
dass sich im Ektoderm eine deutliche Sonderung der Zellen vollzogen 
hat, die andeutungsweise an einzelnen Stellen auch schon in Fig. 24 
vorhanden war. Um die Mediane verläuft en zusammenhängender 
Zellenstrang, der scharf von den übrigen Ektodermzellen, die weiter 
ventral in den Segmentwülsten oder weiter nach der Seite liegen, 
getrennt ist. Es handelt sich hier um die Anlage des Nervensystems 
(Figg. 25, 26 »), in dem bereits die Ganglien als deutlich abgegrenzte 
rundliche Zellmassen mit ziemlich schwach gefärbten Kemen sicht- 
bar sind (Fig. 26 ga). 

Die Figg. 27 und 28 stellen Querschnitte durch das Vorderende 
eines etwas weiter entwickelten Keimstreifs dar; in Fig. 27 ist das 
Stomodäum noch getroffen. Der Schnitt ist so geführt, dass rechts 
noch das Hinterende der Mandibel durchschnitten ist, links dagegen 


472 Erich Schwartze, 


der Anfang der Ausstülpung der ersten Maxille. Der Schnitt geht also 
links ein wenig schräg nach hinten. Dementsprechend ist die Meso- 
dermmasse links stärker als rechts; links ist nur noch die hintere 
Begrenzung des Kopflappens zu sehen, rechts dagegen trifft der Schnitt 
noch Gehirnzellen (g), deren weniger dicht als sonst im Ektoderm ge- 
lagerte Zellkerne hier sehr deutlich das oben erwähnte Aussehen 
zeigen, dass sie nämlich nur ein großes Kernkörperchen enthalten. 
Der Durchschnitt durch den Ösophagus zeigt dessen dorsoventral zu- 
sammengedrückten Querschnitt und lateral sehr deutlich die aus- 
wachsenden Lamellen (oml). Die Zellen des Stomodäums sind meist 
radiär gestellt; nur da, wo die Lamellen auswachsen, verliert sich 
diese Anordnung. Der Subösophagealkörper liegt dem Stomodäum 
ventral dicht an, ist aber von demselben leicht durch die helle Farbe 
seiner Zellen zu unterscheiden. Derselbe steht jetzt in keiner Ver- 
bindung mehr mit dem Ektoderm, das die Körperwand bildet; das 
Stomodäum hat ihn bei seinem Wachsthum mitgenommen, so dass er 
jetzt auch weiter hinten liegt als vorher. 

Fig. 28 ist von einem Schnitte derselben Serie genommen, der 
ca. 50 u hinter dem eben beschriebenen liegt und natürlich die gleiche 
Schiefe hat wie dieser. Seine rechte Seite liegt jetzt etwa in der 
Höhe, in der bei dem vorigen Schnitte die linke lag; seine linke 
Seite trifft die Mitte des ersten Maxillarsegmentes.. Das Mesoderm, 
das wieder links stärker entwickelt ist, füllt die Extremitätenhöhlen 
vollkommen aus. Vom Gehirn ist keine Spur mehr zu sehen, wohl aber 
links und rechts von der medianen Furche, der »Primitivrinne« (pri) 
des Nervensystems, die nichts mit der bei der Mesodermbildung vor- 
handenen Rinne zu thun hat, die Querschnitte von Längskommissuren 
(x), die sich wiederum von dem übrigen Ektoderm durch ihre matte 
-Kernfärbung und die Deutlichkeit der Zellgrenzen scharf unterscheiden. 
Die rechte Mitteldarmlamelle, die dicht an ihrer Basis geschnitten ist, 
zeigt auf dem Querschnitte noch 16 Zellkerne, die linke dagegen, die 
weiter hinten getroffen ist, nur noch deren fünf. Beiderseits aber 
liegen die Lamellen (vn!) nahe an der dorsolateralen Kante der Meso- 
dermstreifen und lassen sich nach hinten in dieser Schnittserie bis in 
die Mitte des zweiten Thorakalsegmentes verfolgen. e 


b) Enddarm und hintere Mitteldarmanlage. 
Am Hinterende des Embryos bildet sich ungefähr zu derselben 
Zeit oder doch nur ganz wenig früher, als vorn die Anlage des Stomo- 
däums entsteht, ebenfalls eine solche Einstülpung, die indessen von 


Zur Kenntnis der Darmentwicklung bei Lepidopteren. 473 


vorn herein viel breiter und umfangreicher angelegt wird als diejenige 
am Vorderende. In dieser hinteren Einstülpung, die übrigens dem 
Hinterende des Embryos sehr viel näher liegt als die vordere dem 
Vorderende, haben wir die Anlage des Enddarmes oder Proctodäums 
zu erblicken. Dieselbe durchbricht, genau wie wir es am Stomodäum 
gesehen haben, die Mesodermschicht und ist in Folge dessen etwas 
später an ihrer Basis von einem Mesodermring umgeben, der zunächst 
in der ventralen Mediane am stärksten entwickelt ist und nach der 
Dorsalseite hin immer dünner wird, um schließlich in der dorsalen 
Mediane bis auf ganz wenige oder nur eine einzige Zelle redueirt zu 
. sein. Eine Unterbrechung wie beim Stomodäum erleidet der Ring 
aber an keiner Stelle. Obwohl fast gleichzeitig mit dem Stomodäum 
angelegt, hat doch das Proctodäum schon in der Zeit, wo das Stomo- 
däum noch das Ansehen von Fig. 23 zeigt, dasjenige Stadium erreicht, 
in dem es in seiner Entwicklung der des Stomodäums in den Figg. 25 
und 26 entspricht. Diese Entwicklungsstufe zeigen die Figg. 29 und 30. 
Sie sind aus derselben Schnittserie abgezeichnet, wie Fig. 23; Fig. 29 
stellt einen Schnitt durch das Hinterende des Keimstreifs annähernd 
in der Mediane dar, Fig. 30 einen Parallelschnitt, der ungefähr um 
40 u weiter nach der Seite hin abgenommen ist. Der Medianschnitt 
zeigt nichts besonders Bemerkenswerthes; wir sehen die größere Breite 
des Proetodäums (pr) im Verhältnis zum Stomodäum und seine Lage 
. ganz am Hinterende des Embryos. Die Kuppe seiner Einstülpung, 
- die hintere Grenzlamelle (AgZ), besitzt nirgends eine besonders differen- 
zirte Stelle, eine Verdickung oder dergleichen, ist aber im Ganzen 
eben so diek wie die übrigen Wandtheile. Der Mesodermring an der 
Basis des Enddarmes erscheint hier von dem weiter vorn liegenden 
Mesodermstrang, der die Mediane in diesem Stadium noch bedeckt, 


: vollkommen getrennt; aber diese Trennung ist wohl nur durch die 


- Präparation künstlich herbeigeführt worden; die Ränder erscheinen 
nicht glatt, sondern wie zerrissen. 

Der weiter seitlich geführte Schnitt trifft die Seitenwand des Procto- 
däums und außerdem eine deutliche, von der Kuppe ausgehende ekto- 
dermale Zelllamelle, die eine der beiden hinteren Mitteldarmlamellen 
(kml), die hier noch genau einschichtig ist, und auf dem hier getrof- 
fenen Längssehnitte vier Zellen enthält. Auch an der dorsalen Seite 
sehen wir eine Hervorragung, die aber noch nicht zu einer wirklichen 
Lamelle ausgewachsen ist. Das weitere Wachsthum der hinteren 
Mitteldarmanlage vollzieht sich in durchaus analoger Weise wie bei der 
vorderen. Auch hier wachsen die beiden seitlichen ventralen Lamel- 


474 Erich Schwartze, 


len zuerst ziemlich schnell in die Länge, nehmen dann an der Basis 
zunächst nach innen hin an Breite zu und nähern sich einander so 
bis zur Berührung und Verwachsung in der Mediane, und wachsen 
dann auch an der Außenseite dorsalwärts, um sich schließlich auch 
in der dorsalen Mittellinie zu vereinigen. Wiederum wirken bei die- 
sem Wachsthum auch die Zellen der hinteren Grenzlamelle (%gZ) mit. 
Der ventrale Theil des Mesodermringes steht hier in Verbindung mit 
dem weiter nach vorn folgenden Mesoderm; der dorsale Querschnitt 
desselben weist nur drei Zellen auf, also noch weniger als in Fig. 29. 
Dieser Umstand erklärt sich wohl aus einer geringen Schiefe der 
Schnitte gegen die Symmetrieebene. In der Nähe der Kuppe des 
Proctodäums zeigt seine Wand eine von Kernen fast vollständig freie 
Stelle mit zwei kleinen Löchern. Wir haben es also hier mit einer 
seitlichen Ausbauchung (voM) des Proetodäums zu thun, die an zwei 
Stellen etwas tiefer geht. Bei anderen Schnittserien von fast gleich- 
alterigen Stadien zeigen sich an der kernfreien Stelle drei solche Aus- 
bauchungen; es scheint also, als ob eine derselben eine ganz kurze 
Zeit nach den beiden anderen angelegt würde. Diese drei seitlichen 
Ausstülpungen an jeder Seite des Proctodäums sind die Exkretions- 
organe, die MAuLpıGHrschen Gefäße. Dass von denselben zwei Paare 
etwas früher angelegt werden, als das dritte, scheint mir bemerkens- 
werth als eine gewisse Rekapitulation des Verhaltens niederer Insek- 
ten, die großentheils überhaupt nur zwei Paare von Vasa Malpighii 
besitzen. Die Gefäße sitzen zunächst knospenförmig an jeder Seite 
des Darmes zu dreien an, verlängern sich aber sehr bald beträchtlich 
nach hinten. Sie besitzen, wie dies schon von mehreren Autoren über- 
einstimmend konstatirt worden ist, von vorn herein ein deutliches Lu- 
men. Ein gemeinsames Basalstück — »trone basilaire« CHOLODKOWSKY'S 
(85) — ist hier vorläufig nicht vorhanden, wenn man nicht die außer- 
ordentlich seichte Hervorwölbung des Proctodäums, in welche die 
VYasa Malpighii jederseits einmünden, als ein solches auffassen will; 
das scheint mir aber nicht thunlich. Auch ist keines der drei Gefäße 
etwa eine Abzweigung eines anderen, sondern alle drei sind vorerst 
vollkommen gleich geordnet. Auf ihr späteres Verhalten komme ich 
weiter unten noch einmal zurück. 

Ein Stadium, in dem die MarpıcHr'schen Gefäße schon eine be- 
trächtliche Länge erreicht haben, stellt der in Fig. 31 abgebildete 
(Querschnitt dar. Dieser liegt 0,2 mm vor dem Hinterende des Em- 
bryos, ein wenig vor der Mitte des Proctodäums. In dem letzteren 
liegen die Zellen mehrschichtig, die Längsachse der Kerne ist radiär 


Zur Kenntnis der Darmentwicklung bei Lepidopteren. 475 


sestellt, das Lumen hat bereits die für Lepidopteren typische Gestalt 
eines regelmäßigen sechsstrahligen Sternes angenommen. Das ganze 
Proetodäum ist bis an die Außenseite der hinteren Mitteldarmlamellen 
rinssum von einem Mesodermmantel umschlossen, der durch nach- 
trägliches Auswachsen des mesodermalen Ringes um die Basis des 
Proctodäums entstanden ist. Die Anordnung der Zellen dieses Meso- 
dermmantels ist vorläufig eine ganz regellose; an manchen Stellen 
liegen sie in einer, meistens aber in mehreren Schichten. Jederseits 
vom Proctodäum liegen drei Vasa Malpighii (vM); der Querschnitt 
ihres Lumens ist kreisrund und sehr klein im Verhältnis zur Dicke 
der Wand. Die Zellen, deren auf einem Querschnitte ca. 15 getroffen 
sind, stehen überall in einer Schicht, die Längsachse ihrer Kerne ver- 
läuft radiär. Auch an den ManpisHrschen Gefäßen ist das Mesoderm 
entlang gewachsen, aber nicht in Gestalt eines geschlossenen Mantels, 
sondern nur in einzelnen Strängen, die auch nicht überall dem Ge- 
fäße dicht anliegen. 

Weiter vorn, am inneren Ende des Proctodäums, plattet sich das- 
selbe dorsoventral ab; die hintere Grenzlamelle ist nicht von Meso- 
derm bekleidet. Fig. 32 giebt einen Schnitt wieder, der derselben 
Serie entstammt, wie der in Fig. 31 abgebildete, aber etwa 0,1 mm 
weiter nach vorn liegt. Der etwas schief von rechts vorn nach links 
hinten geführte Schnitt zeigt auf der linken Seite noch einen beträcht- 
lichen Theil der hinteren Grenzlamelle; rechts ist dagegen nur noch 
die eine hintere Mitteldarmlamelle getroffen. Bei dem Auswachsen 
dieser Lamellen macht sich nun ein bemerkenswerther Unterschied 
gegen das Verhalten derselben am Vorderdarm geltend. Hier wuchs, 
wie wir sahen, nur die ektodermale Lamelle aus. Anders beim End- 
darm. In dem oben an den Sagittalschnitten beschriebenen Stadium 
ist die auswachsende Lamelle noch sehr kurz und besteht nur aus 
Ektodermzellen; das Mesoderm umgiebt nur die Basis des Enddarmes 
rinsförmig. Dieser Mesodermring wächst nun aber sehr schnell zu dem 
im letzten Stadium vorhandenen Mesodermmantel aus, so schnell, dass 
dieser bereits die Basis der Mitteldarmlamellen erreicht hat, wenn 
diese selbst noch ziemlich kurz sind. Nun wächst jederseits ein 
Mesodermstreifen an der nach außen und ventralwärts gerichteten Seite 
der betreffenden ektodermalen hinteren Mitteldarmlamelle entlang, bis 
das Vorderende derselben erreicht ist, und dann mit dieser in gleicher 
Geschwindigkeit weiter. In dem hier abgebildeten Stadium lässt sich 
die Ektodermlamelle bis in die Mitte des Abdomens verfolgen. Da 
sie aber an ihrem Vorderende der dorsolateralen Kante des seitlichen 


476 Erich Schwartze, 


Mesodermstreifs dicht anliegt, so lässt sich hier nicht mehr entschei- 
den, ob etwa auch hier noch das unmittelbar anliegende Mesoderm 
von der mesodermalen Hülle des Enddarmes abstammt, oder ob das- 
selbe stets ein Theil des seitlichen Mesodermstranges gewesen ist. 
“Wahrscheinlich geht das Mesoderm des einen ep ganz all- 
mählich in das des anderen über. 

Werfen wir nun noch einen Blick auf die übrige Organisation 
des Embryos in diesem Stadium, welches etwas weiter fortgeschritten 
ist, als dasjenige, dem die Figg. 25 und 26 entnommen sind. Das Am- 
nion ist besonders an den Enden des Keimstreifs weit aufwärts ge- 
wachsen und bildet so einen provisorischen Rückenverschluss, der 
freilich um die Mediane eine weit nach vorn und hinten sich erstreckende 
Öffnung besitzt, die in der Mitte am breitesten ist. An den Enden der 
so einigermaßen abgegrenzten Körperhöhle ist jetzt die Blutflüssig- 
keit den Dotterkugeln gegenüber stark im Übergewicht; dement- 
sprechend sind auch die Dotterkerne spärlich geworden, die Blutzellen 
dagegen haben sich stark vermehrt. Hier und da, z. B. in Fig. 32 57, 
habe ich zwei Kerne in einer Blutzelle gefunden, doch an keiner 
Stelle mitotische Theilungsfiguren. Es wäre aber nicht berechtigt, 
daraus den Schluss ziehen zu wollen, dass eine Karyokinese hier nicht 
vorkäme; vielleicht vollzieht sich dieselbe zu bestimmter Zeit gleich- 
zeitig in sehr vielen Blutzellen. Denn ich möchte die Amitose bei 
diesen Zellen, die wenigstens während des Embryonalzustandes nicht 
funktionslos werden, nicht für das Normale halten. Vielleicht findet 
überhaupt keine Theilung der Blutzellen statt. Am Hinterende findet 
sich nur ventral vom Proctodäum noch eine größere Menge von Dotter- 
kugeln; in der Mitte des Keimstreifs haben dieselben bereits einer großen 
ventralen Blutlakune, dem Epineuralsinus, Platz gemacht, doch ist noch 
keine deutliche Grenze zwischen Blut- und Dotterraum vorhanden. 

Im Körper des Embryos selbst haben sich ebenfalls manche Ver- 
änderungen vollzogen. Die nach innen gerichteten Theile des Meso- 
derms sind heller geworden, die Zellen haben sich vergrößert und sind 
von zahlreichen Vacuolen durchsetzt; sie bilden das Fettkörpergewebe 
(f%), dessen Entstehung von vorn nach hinten fortschreitet; der Schnitt 
in Fig. 32 hat dies Stadium bereits erreicht, nicht aber der weiter hinten 
liegende in Fig. 31. Andere weiter ventral gelegene Theile des Meso- 
derms haben sich zu Muskeln (mx) umgewandelt; hier liegen die Kerne 
etwas weniger dicht und haben sich in der Richtung des Längsver- 
laufes des betreffenden Muskels verlängert; die Zellgrenzen sind nicht 
deutlich erkennbar. Von dem übrigen Ektoderm sondert sich in diesem 


Zur Kenntnis der Darmentwicklung bei Lepidopteren. 477 


Stadium das Nervensystem, ebenfalls von vorn nach hinten fortschreitend, 
vollständig ab; in Fig. 32 liegen die Querschnitte der Längskommis- 
suren (») frei zu beiden Seiten des mittleren Ektodermzapfens (ez), in 
Fig. 31 dagegen noch im übrigen Ektoderm eingebettet. Die Zellen 
des Nervensystems sind noch überall deutlich gesondert; sie sind sehr 
hell gefärbt. 

Als Einstülpungen des Ektoderms jederseits etwa in der Mitte 
der Thorakal- und Abdominalsegmente entstehen die Tracheen. Die- 
selben stellen dünne Röhren mit engem Lumen dar, die von ihren 
Mündungen, den Stigmen, etwas nach innen und vorn verlaufen, sich 
aber bald verzweigen. In Fig. 31 ist rechts bei /” eine Trachee schief 
seschnitten, in Fig. 32 links eine solche dicht an einer Verzweigung. 
Die Zellen sind hell, ohne scharfe Grenze. In den ersten acht Ab- 
dominalsesmenten bildet sich jederseits noch eine zweite Einstülpung 
etwas weiter hinten und innen als die Stigmen. Hierdurch werden 
rundliche Zellhaufen vom übrigen Ektoderm getrennt, deren Zellen 
sich allmählich hell färben, scharf von einander abgrenzen und bedeu-- 
tend vergrößern. Es sind dies die von WIELOWIEJSKY so benannten und 
von zahlreichen Autoren beobachteten Önoeyten (Figg. 31 u. 32 rechts, oe). 


e) Abschluss der Mitteldarmbildung und Umbildung der Wand des Mittel- 
darmes bis zum definitiven Bau bei der erwachsenen Raupe. 


Die vorhin beschriebenen Mitteldarmlamellen, von denen auf jeder 
- Körperseite je eine vordere und eine hintere vorhanden ist, wachsen 
nun im weiteren Verlaufe der Entwicklung auf einander zu, bis sie 
sich jederseits in der Mitte, d. h. in der Gegend des zweiten oder 
dritten Abdominalsesmentes treffen. Hier verwachsen sie so innig, 
dass eine Trennung des vorderen von dem hinteren Theile nachher 
nicht mehr möglich ist. Gleichzeitig legt sich auch an die Vorder- 
hälften der beiden nun zusammenhängenden Lamellen eine Mesoderm- 
schicht, die von dem dorsolateralen Rande der seitlichen Mesoderm- 
streifen herstammt, dicht an, so dass schließlich die beiden ektoder- 
malen Bänder in ihrer ganzen Länge an der Außenseite von je einem 
schmalen, aber ziemlich dieken Mesodermstreifen begleitet werden. 
Die Ektodermlamellen wachsen nun an ihrer nach innen gewendeten 
Kante besonders vorn und hinten immer weiter nach der Mediane zu, 
den schon oben bei der Beschreibung der vorderen Mitteldarmanlage 
dargestellten Process weiter verfolgend. So bleibt in der ventralen 
Begrenzung des Mitteldarmlumens bald nur noch ein etwa ovales 
Loch offen, das sich durch allseitiges Wachsthum der Ränder, beson- 


478 Erich Schwartze, 


ders aber von vorn und hinten her mehr und mehr verkleinert und 
endlich vollständig verschwindet, zuletzt in der Höhe des zweiten 
Abdominalsegments. 
| Ganz ähnlich verlaufen die Vorgänge bei der Bildung der dor- 
'salen Mitteldarmwand. Die Lamellen wachsen nicht nur nach innen, 
sondern auch an der Außenseite, und auch hier an der Basis am inten- 
sivsten, so dass auch hier schließlich noch eine langgestreckte Öffnung 
um die Mediane herum zurückbleibt. Da nun die ursprünglichen La- 
mellen nicht genau lateral, sondern etwas ventral lagen, so ist es 
natürlich, dass die an der Dorsalseite zu überwachsende Fläche eine 
viel größere ist als die ventrale, dass daher ventral der Schluss der 
Darmwand viel früher eintritt als dorsal. Außerdem scheint das dor- 
salwärts gerichtete Wachsthum auch an sich langsamer zu erfolgen. 
Wenigstens bleibt eine mittlere dorsale Öffnung in der Darmwand so 
lange bestehen, bis der gesammte noch außerhalb des Amnions ge- 
legene Dotter durch den sogenannten Rückennabel, d. h. diejenige 
Öffnung, die das Amnion bei seinem von allen Seiten dorsalwärts ge- 
richteten Wachsthum noch gelassen hat, in den Darm aufgenommen ist. 
Das Mesoderm, das den ursprünglichen Mitteldarmlamellen an- 
liegt, wächst nicht mit derselben Geschwindigkeit nach den Seiten 
wie das ektodermale Darmepithel; in Folge davon sind dessen jüngere 
Theile stets frei von einer Mesodermbekleidung. Fig. 33 stellt ein 
Stadium dar, in dem die mediane Verwachsung der Lamellen an der 
Ventralseite schon ziemlich weit gediehen, an der Dorsalseite dagegen 
erst dicht an der Ansatzstelle der Lamellen am Vorder- und Enddarm 
vorhanden ist und die Mesodermbekleidung die Mediane noch an 
keiner Stelle erreicht hat. Der Schnitt verläuft annähernd in der 
Mediane, doch nicht ganz genau, da die Pedes spurii (psp) der einen 
Seite im dritten bis sechsten Abdominalsesment angeschnitten sind. 
Wir sehen die langen ventralen und die kurzen dorsalen Mitteldarm- 
lamellen; besonders die hintere dorsale Lamelle bildet erst einen un- 
bedeutenden Vorsprung an der hinteren Grenzlamelle Die hier ge- 
troffenen Theile der Begrenzung des Mitteldarmes sind fast überall 
einschichtig, entsprechend ihrer erst kürzlich erfolgten Entstehung. 
Der Dotter hat sich aus der definitiven Leibeshöhle vollständig zu- 
rückgezogen, auch ventral vom Proctodäum bleibt keine Spur von 
Dotter in der Leibeshöhle liegen, wie das für manche Formen in 
diesem und sogar in noch späteren Stadien beschrieben worden ist; 
wohl aber findet sich hier eine starke Anhäufung von Blutzellen, die 
also anscheinend schon vorher die früher (Fig. 31) hier gelegenen 


Zur Kenntnis der Darmentwicklung bei Lepidopteren. 479 


Dotterpartikeln resorbirt haben. Der Dotter ist auch da, wo die 
Mitteldarmbegrenzung noch fehlt, scharf von der Leibeshöhle getrennt; 
nur durch den Rückennabel (Fig. 33 ra) hängt derselbe noch mit dem 
äußeren Dotter zusammen. Hier ist auch die einzige Stelle, wo noch 
Blutzellen im Dotter liegen. Aus dem Raume, der später zum Darm- 
lumen wird, haben sie sich sämmtlich zurückgezogen, liegen indess 
zahlreich unmittelbar an der Grenze der Leibeshöhle gegen den Dotter 
an den Stellen, wo das Darmepithel noch gar nicht oder erst seit 
kürzester Zeit vorhanden ist. Es sind das jedenfalls die aus dem 
Dotter zuletzt ausgewanderten Blutzellen. Eine Degeneration von Blut- 
zellen im Dotter habe ich an keiner Stelle bemerken können; ich fand 
allerdings an späteren Stadien, bei denen der Darm vollständig ge- 
schlossen war, im Dotter eine Erscheinung, die ich zuerst als Degene- 
ration von Blutzellen auffasste, die sich aber bei genauerer Untersuchung 
als etwas ganz Anderes herausstellte. Es lagen nämlich an einzelnen 
Stellen stark gefärbte Kernstücke inmitten einer vacuoligen Masse, 
wodurch der Eindruck einer etwas in Auflösung begriffenen Blutzelle 
täuschend nachgeahmt wurde. Es handelte sich aber thatsächlich um 
Dotterkerne, deren Chromatin sich zusammengeballt hatte, und in 
deren Umgebung der schon größtentheils zu einer homogenen Masse 
zusammengeflossene Dotter eine blasige Beschaffenheit angenommen 
hatte. Ich glaube also bestimmt behaupten zu dürfen, dass eine Ein- 
 schließung von Blutzellen in den Mitteldarm, die dann natürlich die 
Auflösung dieser Zellen zur Folge hätte, thatsächlich nicht statt- 
findet. — Außer an den oben bezeichneten Stellen liegen Blutzellen 
in reichlicher Menge an der ganzen Leibeswand und an den Wänden 
von Stomodäum und Proctodäum vertheilt. 

Diese beiden Darmabschnitte haben sich noch etwas verlängert, 


. das Stomodäum reicht jetzt bis ins zweite Thorakalsegment, das Procto- 


däum bis ins sechste Abdominalsesment. Die vordere Grenzlamelle 
hat sich noch mehr verdünnt, so dass ihre Kerne jetzt ähnlich wie im 
Amnion deutliche Hervorragungen nach beiden Seiten bilden, und über- 
wölbt in flacher Glockenform das Vorderende des Stomodäums. Die 
Verdünnung der Grenzlamelle hat gleichzeitig zur Folge, dass der 
Kreis, in dem die Mitteldarmwand ihr aufsitzt, sich erweitert hat. Die 
Grenze zwischen Vorder- und Mitteldarm und entsprechend diejenige 
zwischen Mittel- und Enddarm besteht auch hier, wie es bei zahl- 
reichen anderen Formen beobachtet worden ist, nur aus dieser einen 
Grenzlamelle, wie ich hier in Übereinstimmung mit Versox (97) noch 
einmal ausdrücklich konstatire, der seinerseits schon den Angaben 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Bd. 31 


480 Erich Schwartze, 


von SELVATICO (81) für Bombyeiden überhaupt und von TicHOMIROFF 
(82) für Bombyx mori entgegengetreten ist, nach denen der Mittel- 
darm ein allerseits durch eigene Wand abgeschlossener Blindsack sein 
sollte, die Grenzlamellen also vorn so gut wie hinten aus zwei Schich- 
ten bestehen sollten. 

Die Mesodermmasse, die in früheren Stadien (s. z. B. Fig. 25) dor- 
sal vom Stomodäum lag, hat sich allmählich auch nach hinten verlängert, 
sie reicht jetzt in der dorsalen Mediane bis zu der Stelle, an der das 
ektodermale Vorderdarmepithel sich ziemlich plötzlich verdünnt, um 
kurz dahinter in die Grenzlamelle überzugehen. Je weiter nun das 
Mesoderm nach hinten gewachsen ist, um so stärker hat es sich auch 
seitlich verbreitert, so dass es auf Querschnitten durch das Stomodäum 
immer weiter ventralwärts reicht, je weiter nach hinten der Schnitt gele- 
gen ist; ganz am hintersten Ende treffen die beiden seitlichen Verbreite- 
rungen in der ventralen Mediane wieder zusammen, so dass hier ein 
vollständiger Mesodermring das Stomodäum umgiebt; im Übrigen ist 
aber die ventrale Mediane desselben noch frei von Mesoderm. Schon 
etwas vorher haben sich in der dorsalen Mediane des Stomodäums 
von seinem Lumen aus in dem ektodermalen Epithel drei Einstül- 
pungen gebildet, deren vorderste etwa in der Mitte der Länge des 
: Stomodäums liegt. Dieselben schnüren sich bald von dem übrigen 
Ektoderm ab, und wandern etwas dorsalwärts in das Mesoderm ein, 
wo sie sich mit einander verbinden und so die also ebenfalls rein 
ektodermale Anlage des Schlundnervensystems (Fig. 33 s») darstellen. 
Ventral vom Vorderdarm, in der Nähe seines inneren Endes liegt der 
Subösophagealkörper, jetzt nicht mehr dem Darme dicht angelagert, 
sondern in einiger Entfernung davon. Seine Zellen zeigen bereits 
Spuren beginnender Auflösung, die allmählich immer weiter fortschrei- 
tet. Bei der jungen Raupe habe ich ihn nicht mehr wahrgenommen. 

Was den Enddarm anbetrifft, so ist seine Wand ringsum von 
einem an keiner Stelle durchbrochenen Mesodermmantel bekleidet, der 
aber weniger dick ist, als die dorsale Mesodermlage am Vorderdarm. 
Ungefähr in der Mitte ist das Lumen des Enddarmes verengt; die 
von hier aus nach innen gelegene Hälfte zeigt im Querschnitt die 
charakteristische sechsstrahlige Figur; in der äußeren Hälfte ist diese 
dagegen nicht mehr vorhanden, vielmehr stellt sie jetzt eine geräu- 
mige Höhlung mit ziemlich glatten Wänden dar. Die hintere Grenz- 
lamelle hat sich nicht nennenswerth verdünnt. 

Betrachten wir die Mitteldarmlamellen weiter seitlich, an einer 
Stelle, wo das Mesoderm bereits vorhanden ist, bei stärkerer Vergröße- 


Zur Kenntnis der Darmentwicklung bei Lepidopteren. 481 


rung, so finden wir dieselbe so zusammengesetzt, wie das Fig. 34 im 
Längsschnitte zeigt. Dem Dotter, der, wie schon oben ausgeführt, nur 
noch Dotterzellen enthält, zunächst liegt das ektodermale Darmepithel 
(de), dessen Zellen unregelmäßig bald in einer, bald in mehreren Schich- 
ten gelagert sind. Außen davon liegt das Mesoderm, aus dem die Muscu- 
laris entsteht. Die beiden Theile derselben sind bereits deutlich zu er- 
kennen: innen befindet sich eine einzelne Zellenschicht, deren längliche 
Kerne an den meisten Stellen in einer Linie liegen und mit der Längs- 
achse radiär gestellt sind. Hieraus geht die Ringmuskulatur (rm) her- 
vor. Außerhalb dieser Schicht liegt eine diekere Mesodermlage, deren 
Zellen unregelmäßig und mehrschichtig angeordnet sind: aus diesen 
Zellen entsteht später die Längsmuskulatur (mn). Von Strecke zu 
Strecke legen sich von hinten kommende Tracheen beiderseits dem 
Darme an; Fig. 34 zeigt eine solche bei ?r kurz vor einer Gabelung 
schräg durchschnitten. — Die gleiche Sonderung in zwei Schichten 
zeigt auch die Mesodermbekleidung des Vorderdarmes; am Enddarm 
ist dieselbe nicht so deutlich ausgeprägt; bei genauerer Betrachtung 
findet man, dass hier von der ohnehin schon dünnen Mesodermschicht 
auf die äußere Lage, die spätere Längsmuskulatur, nur der aller- 
kleinste Theil entfällt. 

Auch die allgemeine Organisation des Embryos hat inzwischen 
bedeutende Fortschritte gemacht; die Seitenwände des Körpers haben 
sich dorsalwärts bereits stark erhöht; das Nervensystem (2) hat sich 
vollkommen von dem übrigen Ektoderm, das nun die Epidermis bildet, 
losgelöst; in den Ganglien haben sich die Ganglienzellen (gz), welche 
die äußere Rinde und einen dorsoventralen mittleren Pfeiler bilden, 
gesondert von den den übrigen Raum der Ganglien einnehmenden 
Nervenfibrillen. Auch die Önocyten haben sich schärfer von der Epi- 
dermis abgetrennt und vergrößert, sie erreichen nach innen vordringend 
das Fettkörpergewebe An die Mitteldarmlamellen haben sich im 
fünften Abdominalsegment seitlich zwei rundliche Körper angelegt, 
welche die Anlage des Genitalsystems darstellen. Diejenige Stelle an 
jeder Seite des Enddarmes, an der die Vasa Malpighii aufsitzen, hat 
sich nun nachträglich etwas weiter ausgestülpt,. so dass nun allerdings 
ein gemeinsames Basalstück für alle drei Vasa jeder Seite vorhanden 
ist; auch scheint es mir, als ob von diesem Basalstück sich ein Ge- 
fäß ein wenig unterhalb der Trennung der beiden anderen abzweigte: 
es wäre also auch hier der von CHOLODKOWSKY (85) bei verschie- 
denen Formen beobachtete »trone secondaire«, d. h. ein Stück zwi- 
schen der Trennungsstelle des ersten Gefäßes vom Basalstück und 

31* 


482 Erich Schwartze. 


der Theilung der beiden anderen, vorhanden, wenn auch nur sehr 
kurz. Aber ich weise noch einmal darauf hin, dass dieser Bau hier 
erst in einem späteren Stadium entsteht und nicht den primitiven Zu- 
‚stand darstellt. Desswegen kann ich mich der Ansicht von CHOLoD- 
KOWSKY nicht anschließen, dass die Mehrzahl von Vasa Malpighii 
phylogenetisch immer durch Verzweigung des ursprünglich einzigen 
Gefäßes auf jeder Seite entstanden sei; vielmehr scheint mir die An- 
nahme eben so gerechtfertigt, dass neben dem ersten und unabhängig 
davon auch ein zweites und ein drittes jederseits entstanden sein 
könne. Leider habe ich in Folge von Mangel an Material nicht fest- 
stellen können, welchen Bau der Exkretionsapparat an der erwach- 
senen Raupe von Lasiocampa fasciatella besitzt, und ob hier wirklich 
ein tronc secondaire vorhanden ist oder nicht. 

Die Mundtheile und die Thorakalfüße besitzen eine deutliche 
Gliederung; die Extremitätenanlagen am ersten, zweiten und siebenten 
bis neunten Abdominalsegment haben sich vollkommen zurückgebildet, 
an den übrigen, d. h. am dritten bis sechsten und zehnten Abdominal- 
segment haben sich die Pedes spurii der Raupe entwickelt. Am zwei- 
ten Maxillarsegment münden die inzwischen gebildeten paarigen Spinn- 
und Speicheldrüsen aus, jene nahe der Mediane, diese weiter seitwärts. 
Die Spinndrüsen sind dünne Schläuche mit sehr engem Lumen und 
reichen bis ins vierte Abdominalsegment; die Speicheldrüsen dagegen 
sind viel weiter, reichen aber nur bis ins erste Thorakalsegment. 

Im weiteren Verlaufe der Entwicklung wird allmählich sämmt- 
licher Dotter, der noch außerhalb des Embryos zwischen Amnion und 
Serosa liegt, durch den Rückennabel in die Mitteldarmhöhle über- 
geführt und hier theils durch die Thätigkeit der Dotterzellen, theils 
aber, besonders in etwas späteren Stadien, durch die verdauende 
Einwirkung der Darmwand gelöst. Während dieser Einwanderung 
des Dotters in den Darm schließt sich dieser an der Ventralseite voll- 
ständig und nach Vollendung derselben auch an der Dorsalseite. 
Gleichzeitig obliterirt der Rückennabel, indem die Ränder der Amnion- 
falten in der Mitte verlöthen und die äußere Schicht sich von der 
inneren abtrennt. Die äußere umhüllt dann eben so wie die Serosa und 
dieser ziemlich nahe anliegend den ganzen Embryo; die innere bildet 
den provisorischen Verschluss des mittleren Theiles des Rückens, der 
noch nicht von der Wand des Keimstreifs selbst überwachsen ist. 
Sehr bald findet aber auch hier der definitive Abschluss des Rückens 
statt. In dieser Zeit ändert der Embryo auch seine Lage derartig, dass 
nun die Bauchfläche konkav, die Rückenfläche konvex gekrümmt wird. 


Zur Kenntnis der Darmentwicklung bei Lepidopteren. 483 


Während dieser Vorgänge haben sich die seitlichen Theile der 
Mitteldarmwand allmählich immer mehr von den Körperseiten nach 
der Mitte hin zurückgezogen, so dass die breite sackförmige Gestalt 
des Mitteldarmes in eine mehr cylindrische mit kreisrundem Quer- 
schnitte übergeht, der sogar eine Zeit lang kleiner ist als der des 
Vorder- oder Enddarmes. Allmählich umwächst nun auch das Meso- 
derm lückenlos den ganzen Darmtrakt; am spätesten wird natürlich 
die dorsale Mediane des Mitteldarmes vom Mesoderm bedeckt. weil 
dasselbe beim Wachsthum bis an diese Stelle den weitesten Weg zu- 
rückzulegen hat. Es scheint nun, als ob dieses Wachsthum nur zum 
Theil auf wirklicher Vermehrung der Masse des Mesoderms beruhe, 
zum anderen Theile dagegen auf einer bloßen Ausbreitung des dicken 
Mesodermstranges, der den ursprünglichen Mitteldarmlamellen aufge- 
lagert war, über die ganze Oberfläche des Darmes. Die Mesoderm- 
schichten, Ring- wie Längsmuskulatur, sind nämlich um so dünner, 
je älter das betreffende Stadium ist.‘ Besonders die Längsmuskulatur 
nimmt an Mächtigkeit allmählich ganz außerordentlich stark ab. Ge- 
nau der entgegengesetzte Vorgang tritt bei dem Epithel des Mittel- 
darmes ein. Dieses besaß früher nur etwa den dritten bis vierten Theil 
der Mächtigkeit, die die gesammte Muskulatur aufwies; später nimmt 
das Epithel an Dicke fortwährend zu; die Kerne liegen zunächst überall 
mehrschichtig. Fig. 35 stellt einen Theil eines Querschnittes durch 
den Mitteldarm auf dieser Entwicklungsstufe dar. Wir erkennen die 
beiden dünnen Muskelschichten; in der äußeren sind die Kerne kleiner 
und zahlreicher, außerdem stärker gefärbt als in der inneren. Im 
Epithel liegen zahlreiche Kerne in unregelmäßiger Vertheilung, die 
Zellgrenzen sind nicht deutlich erkennbar. An der Innenseite sieht 
man hier und da kleine Vacuolen. Der Dotter enthält noch Dotter- 
kerne und Dotterkugeln. 

Das Stomodäum hat in dieser Periode schon so ziemlich sein 
definitives Aussehen angenommen. Das Epithel hat sich im Gegen- 
satz zu dem des Mitteldarmes sehr stark verdünnt, es stellt jetzt ein 
einschichtiges Cylinderepithel von geringer Höhe mit runden, nicht 
sehr eng gelagerten Kernen dar. Die Muscularis hat sich noch stärker 
verdünnt als beim Mitteldarm; die Ringmuskelschicht erscheint als 
äußerst dünne Membran, in der nur an ganz vereinzelten Stellen noch 
Kerne aufzufinden sind; die Längsmuskelschieht ist nieht mehr zu- 
'Sammenhängend, sondern hat sich in einzelne Längsmuskelzüge aut- 
gelöst, die aber so außerordentlich fein und so spärlich vertreten sind, 
dass es Mühe macht, sie überhaupt aufzufinden. Abgesehen von dieser 


484 Erich Se 


Strukturveränderung erfährt das Stomodäum auch noch ein weiteres 
Längenwachsthum, indem sich das Hinterende desselben unter gleich- 
zeitiger Verengerung seines Lumens in das Vorderende des Mittel- 
darmes einsenkt. So entsteht ein rüsselförmiger Fortsatz, der in den 
 Mitteldarm hineinragt und zunächst noch von der vorderen Grenz- 
lamelle verschlossen wird. Die Muscularis des Enddarmes gewinnt 
um diese Zeit genau das gleiche Aussehen wie die des Vorderdarmes; 
das Epithel des Enddarmes dagegen hat sich wohl ein wenig ver- 
flacht, sonst aber noch nicht wesentlich verändert. 

Was die Entwicklung der übrigen Organe anbetrifft, so fallen 
besonders zwei Neubildungen auf, nämlich das Herz und die Haar- 
bildungszellen oder Trichoblasten. Das erstere liegt in der dorsalen 
Mediane und besteht auf jedem Querschnitte aus zwei schmal halb- 
mondförmigen Zellen, die mit ihren spitzen Enden in der Mittellinie 
zusammenstoßen und an der breitesten Stelle, also lateral den Kern 
tragen. Vorläufig ist das Lumen des Herzens noch sehr eng, Blut- 
zellen sind noch nicht in demselben vorhanden. — Die Trichoblasten 
sind aus Epidermiszellen entstanden und liegen in Gruppen, deren 
jedes Segment vier enthält, zwei an den Seiten und zwei am Rücken 
rechts und links von der Mediane. Fig. 36 stellt eine seitliche Tricho- 
blastengruppe dar. Die Trichoblasten zeichnen sich durch ihre ver- 
hältnismäßig riesige Größe aus; sie erreichen einen längsten Durch- 
messer von fast 100 «, die rundlich oder unregelmäßig gestalteten 
Kerne einen solchen von 30 u; ihr Chromatingerüst ist äußerst fein. 
Ganz ähnliche Trichoblasten habe ich auch bei Porthesia chrysorrhoea 
und P. auriflua gefunden. Oft liegen die Trichoblasten direkt an der 
Oberfläche, ragen zuweilen sogar ein wenig über dieselbe hervor. 
In anderen Fällen liegt eine Ansammlung von Zellen der Epidermis 
über ihnen. Letztere ist an den meisten anderen Stellen einschichtig 
geworden, ihre Kerne stehen mit der Längsrichtung radial. Nächst 
den Triehoblasten sind die Önoeyten die größten Zellen des Embryos; 
sie haben sich ebenfalls vergrößert und können jetzt einen Durch- 
messer von 18 u erreichen. Sie liegen zwar noch in Gruppen, aber 
nicht mehr so dicht gedrängt, wie früher. 

Nachdem der Mitteldarm ein bestimmtes Minimum von Dicke er- 
reicht hat, erweitert sich sein Lumen wieder beträchtlich; der Durch- 
messer des Querschnittes wächst bis auf 430 u, während er in dem 
in Fig. 35 abgebildeten Stadium nur 180 u betrug. Die Struktur der 
Darmwand nach dieser Erweiterung stellt der Querschnitt in Fig. 37 
dar. Die Zellen des Darmepithels haben an Höhe noch weiter zuge- 


Zur Kenntnis der Darmentwicklung bei Lepidopteren. 485 


nommen, sie messen jetzt ca. 25 u und liegen, abgesehen. von ein- 
zelnen Zellen besonderer Art, in einer Schicht. Die rundlichen Kerne 
liegen ungefähr in der Mitte der Zellen, nach innen von denselben 
zeigen viele Zellen eine große Vacuole. Hier und da liegen an der 
Basis der normalen Darmepithelzellen noch andere Zellen von keil- 
förmiger Gestalt, die das Lumen des Darmes nicht erreichen. Es sind 
dies die sogenannten Kryptenzellen (Fig. 37 er), die im Darm der Raupe 
die Regeneration des Darmepithels bewirken. Die Ringmuskulatur 
hat sich noch weiter verdünnt, Kerne sind in derselben nur noch an 
ganz vereinzelten Stellen wahrnehmbar; die Längsmuskulatur ist jetzt 
auch hier in eine Anzahl von Längsmuskelzügen zerfallen, die eben- 
falls sehr dünn sind, aber viel zahlreicher als am Vorder- und Enddarm. 

Der Vorderdarm hat sich nicht mehr merklich verändert; nur sein 
rüsselförmiger Fortsatz ist noch etwas länger geworden, und die Grenz- 
lamelle hat sich aufgelöst. Zuerst ist das Ende des Vorderdarmfort- 
satzes noch durch einen Protoplasmayfropfen verschlossen, bald ver- 
schwindet aber auch dieser und es tritt ein Theil der Dottermasse, 
die nun zu einer durchaus homogenen Flüssigkeit geworden ist, und 
deren Dotterkerne sich aufgelöst haben, in den Vorderdarm über. 
Im Enddarm hat sich das Epithel nun eben so verdünnt, wie im 
Vorderdarm; an die Stelle der sechs ins Lumen hineinragenden Leisten 
sind eben so viele Längsfalten getreten, die septenartig fast bis zur 
Mittellinie des Darmes vorspringen. Zwischen je zweien dieser großen 
Falten finden sich noch zwei nur etwa halb so tiefe. Am Hinterende 
des Enddarmes bleibt die weite Höhlung erhalten. Jetzt ist auch die 
hintere Grenzlamelle verschwunden. Die Innenwände von Vorder- und 
Enddarm sind bereits dünn chitinisirt, eben so wie die gesammte 
Epidermis. Das Chitin erscheint auf Schnitten als eine Schicht von 
äußerst feinen radiär gestellten Stäbchen von gelber Färbung und 
starkem Lichtbrechungsvermögen. Die Trichoblasten haben lange Chi- 
tinborsten erzeugt, die an der Basis von einem Chitinwall scheiden- 
artig umgeben sind, haben aber selber dabei an Größe bedeutend 
abgenommen. Das Herz hat sich mittlerweile erweitert und enthält 
Jetzt zahlreiche Blutzellen. Die Körpermaße eines solchen Embryos, 
der ziemlich fertig ist zum Auskriechen, sind 2,8 mm Länge, 0,9 mm 
Breite und 0,6 mm dorsoventrale Dicke. 

Bei der eben ausgeschlüpften Raupe, die noch kein Futter zu 
sich genommen hat, hat sich das Mitteldarmepithel abermals etwas 
erhöht, seine Höhe beträgt jetzt ca. 50 u. Die Kerne liegen, wie vor- 
her, in halber Höhe, nach innen von denselben enthält jede Zelle jetzt 


486 Erich Schwartze, 


eine Anzahl großer Vacuolen; einzelne kleinere liegen auch in der 
äußeren Hälfte der Zelle. Die Kerne haben sich etwas vergrößert. 
Die Kryptenzellen haben die frühere Lage beibehalten und ihre Kerne 
sind nicht gewachsen. Der Mitteldarm stellt zu dieser Zeit noch ein 
ziemlich glattes Rohr dar. 

Im Verlaufe der larvalen Entwicklungsperiode wächst der Mittel- 
darm natürlich in demselben Verhältnis wie der gesammte Körper. 
Die Darmepithelzellen sind verschieden hoch; die Kerne liegen stets 
in der Nähe der Basis; der mehr oder weniger hohe weiter innen 
gelegene Theil der Zellen enthält zahlreiche große Vacuolen, deren 
einzelne aber auch zwischen den Kernen und noch weiter nach außen 
liegen; an der Basis der Epithelzellen finden sich hier und da Krypten- 
zellen, deren Kerne kleiner sind als die der eigentlichen Epithelzellen. 
Umhüllt wird der gesammte Mitteldarm von einer geschlossenen, zwar 
dünnen, aber doch überall deutlich erkennbaren Ringmuskelschicht, 
der außen die einzelnen Längsmuskelstränge anliegen. Dieselben 
haben an Dicke wieder etwas zugenommen, ihr Querschnitt stellt eine 
Ellipse dar, deren Längsachse tangential zur Darmwand gerichtet ist. 
An einzelnen Stellen liegen in ihrem Centrum feine Hohlräume. Hier 
und da sieht man auf Schnitten äußerst feine hautartige Stränge zwi- 
schen je zwei Längsmuskeln. Die Gesammtheit dieser Stränge stellt 
wahrscheinlich ein bindegewebiges Netz dar, welches den Darm um- 
giebt. Ein solches ist für verschiedene Formen beobachtet worden. 
Sicherlich bilden aber diese Stränge keine geschlossene Membrana 
propria um den Darm, wie eine solche in einzelnen Fällen, z. B. von 
REnGEL bei Hydrophilus gefunden worden ist. Einzelne derartige 
Stränge sind mir auch auf Querschnitten durch den Mitteldarm einer 
Raupe von Gastropacha Neustria aufgefallen. Bei dieser Art behält 
der Mitteldarm auch bei der erwachsenen Raupe die einfache Oylinder- 
form bei; bei Lasiocampa dagegen lest sich die Darmwand im Laufe 
des Wachsthums der Raupe in zahlreiche unregelmäßige Längs- und 
Querfalten, die dazu dienen, die verdauende Oberfläche zu vergrößern. 


Zusammenfassung. 


Fassen wir nun die Resultate der Beobachtungen noch einmal 
kurz zusammen, so erhalten wir folgende Sätze: 

1) Die Dotterzellen sondern sich bereits vor der Blastodermbildung 
von den übrigen Zellen ab; dieselben bleiben sämmtlich im Inneren 
des Dotters liegen und erhalten keinen Zuwachs durch Zellen, die 
aus dem Blastoderm in den Dotter zurückwandern. 


Zur Kenntnis der Darmentwicklung bei Lepidopteren. A487 


2) Aus dem einschichtigen Keimstreif und später aus dem Meso- 
derm wandern einzelne Zellen, die Paracyten, in den Dotter aus, wer- 
den aber nicht zu Dotterzellen, sondern gehen sofort zu Grunde. Die 
Paracyten lassen sich keinem bestimmten Keimblatte zurechnen. 

3) Die Bildung des Mesoderms ist bei Lepidopteren nicht an ein 
bestimmtes Schema gebunden, sondern erfolgt bald durch Einsenkung 
eines Rohres, bald durch Zellwucherung vom Boden einer Rinne aus, 
bald durch seitliche Überschiebung; es kommen sogar in den ver- 
schiedenen Körperregionen desselben Embryos verschiedene Formen 
der Mesodermbildung vor. 

4) Die Blutzellen bilden sich bei Lasiocampa noch während der 
Mesodermbildung durch Auswanderung von Zellen aus einer vorderen 
medianen Mesodermanhäufung in den Dotter. Ob eine nachträgliche 
Vermehrung der Blutzellen durch umgewandelte Zellen aus dem Fett- 
körpergewebe stattfindet, konnte ich nicht feststellen. 

5) Vorder- und Enddarm entstehen als Ektodermeinstülpungen, 
das Mitteldarmepithel aus seitlichen Zelllamellen, die von den blinden 
Enden des Vorder- und Enddarmes aus auf einander zuwachsen, bis 
sie sich jederseits in der Mitte treffen, und sich dann in Folge starken 
Breitenwachsthums erst ventral, dann dorsal in der Mediane vereinigen. 
Der Mitteldarm ist also, abgesehen von der mesodermalen Museularis, 
wie Vorder- und Enddarm rein ektodermaler Natur. 


Einige Bemerkungen über die Keimblätter der Insekten. 

Durch die Untersuchungen mehrerer älterer Embryologen, unter 
denen besonders KOWALEWSKY zu nennen ist, hat sich ergeben, dass 
bei zahlreichen Thierformen aus den verschiedensten Metazoenstämmen 
sich zwei Zellschichten, die beiden primären Keimblätter, nämlich 
Ektoderm und Entoderm, sehr frühzeitig von einander trennen, und 
zwar in der Regel dadurch, dass sich an der Hohlkugel oder Blastula, 
die der Embryo in einem gewissen Stadium darstellt, ein Theil der 
Zellwand ins Innere einstülpt und so zum Entoderm wird. Das so 
entstandene Stadium wurde als Gastrula bezeichnet, und man glaubte, 
dass alle Metazoen dies Stadium durchlaufen müssten, und dass aus 
dem gleichen Keimblatt auch stets die gleichen Organe hervorgingen, 
dass also die primären Keimblätter bei allen Metazoen homolog seien. 
Diese Theorie von der Homologie der Keimblätter ist später auch auf 
das dritte Keimblatt, welches sich zwischen die beiden primären 
nachträglich einschiebt, übertragen worden; auch dieses, das Meso- 
derm, sollte im ganzen Thierreiche homolog sein. Diese Erweiterung 


488 Erich Schwartze, 


der Theorie hat aber von vorn herein heftigen Widerspruch erfahren, 
die Theorie von der Homologie der beiden primären Keimblätter wurde 
dagegen ganz allgemein angenommen. Von ihr ausgehend stellte 
HAECKEL (77) den unter dem Namen der Gasträatheorie bekannt gewor- 
“denen Satz auf, dass alle Metazoen auf eine der Gastrula entsprechende 
semeinsame Urform zurückzuführen seien, die er als Gasträa be- 
zeichnete. Diese Theorie war eine Konsequenz aus dem biogenetischen 
Grundgesetz, nach dem die Ontogenie eine verkürzte Wiederholung der 
Phylogenie ist. 

Auch die Gasträatheorie gewann allgemeine Verbreitung und 
würde auch sicherlich für die Kenntnis der Descendenz der Metazoen 
von der größten Bedeutung sein, wenn ihre beiden Voraussetzungen 
wirklich zutreffend wären, wenn nämlich thatsächlich immer ein 
Gastrulastadium durchlaufen würde, und wenn außerdem die primären 
Keimblätter immer homolog wären, d. h. immer die gleichen Organe 
aus sich entstehen ließen. Beide Annahmen haben sich aber nament- 
lich dadurch, dass die Entwicklung der Insekten besser bekannt 
wurde, als unzutreffend erwiesen. 

Wie schon in der Einleitung erwähnt, waren mehrere ältere 
Autoren der Ansicht, dass sich der Mitteldarm der Insekten aus Dotter- 
zellen zusammensetzte. Diese wurden demgemäß in Übereinstimmung 
mit der Keimblättertheorie als das Entoderm aufgefasst und man 
glaubte, dass sich dasselbe durch einen mehr oder weniger stark 
modifieirten Gastrulationsprocess vom Ektoderm trenne. Bald darauf 
'wurde aber die Beobachtung gemacht, dass sich bei einzelnen Insek- 
ten das innere Blatt durch Invagination eines medianen Rohres bildet, 
und dieser Process wurde nun von HaAEckEL (77) als die eigentliche 
Gastrulation aufgefasst, eine Anschauung, die sich zu bestätigen schien, 
als andere Autoren, wie Grassı (84), KowaLkwsky (71), HEIDER (89) 
u. A. konstatirten, dass sich das Mitteldarmepithel nicht aus den 
Dotterzellen bildet, sondern, wie sie annahmen, aus je einer vorderen 
und einer hinteren Entodermanlage, die dem blinden Ende des Vorder- 
bezw. des Enddarmes aufgelagert sei. Bedenklich war nur, dass das 
Mesoderm hier bei Weitem die größte Menge des eingestülpten Zellmate- 
rials darstellt, und dass sich überhaupt nur an den beiden Enden der 
Gastrulationsrinne etwas Entoderm bilden sollte. KoWALEWSKY suchte 
diese Erscheinung so zu erklären, dass bei der großen Länge des 
Gastrulamundes der Entodermstreifen in der Mitte zerrissen sei, und 
dass desshalb hier die ursprünglich lateralen Theile der Invaginations- 
rinne, die, ähnlich wie bei Sagitta, das Mesoderm lieferten, sich in 


Zur Kenntnis der Darmentwicklung bei Lepidopteren. 489 


der Mediane vereinigt hätten. Nun war es die Frage, wie man die 
Dotterzellen unterbringen sollte. Als Entoderm konnte man dieselben 
nicht mehr auffassen, da sie sich nicht an der Darmbildung bethei- 
listen; einem anderen Keimblatte waren sie erst recht nicht zuzurech- 
nen, es blieb also nichts Anderes übrig, als sie als Zellen sui gene- 
ris anzusehen, die unabhängig von den Keimblättern seien. Ganz 
außer Acht gelassen wurde der Umstand, dass sich das untere Blatt 
Sar nicht immer, sondern, wie sich später herausgestellt hat, nur in 
ziemlich seltenen Fällen als eine wirkliche rohrförmige Einstülpung 
anlegst, und dass sogar nicht eine Spur von einer Rinne vorhanden 
zu sein braucht, wie das schon KoROTNEFF (85) für Gryllotalpa kon- 
statirt hat. Eine eben solche Mesodermbildung durch bloße Ablösung 
der unteren Zellschicht haben später Heymons bei Phyllodromia und 
wieder bei Gryllotalpa und LECAILLoN (98) bei Agelastica alni in der 
Körpermitte beobachtet. 

Schon früher erhob sich nun von verschiedenen Seiten Wider- 
spruch gegen die erwähnte Auffassung der Entstehung des Mittel- 
darmes aus den beiden Entodermmassen am Vorder- und Enddarm; 
vielmehr entstehe der Mitteldarm thatsächlich durch Wucherung von 
den ektodermalen Epithelien von Vorder- und Enddarm. HEyMons (95) 
hat den ektodermalen Ursprung des Mitteldarmepithels zuerst genau 
bewiesen, und zwar für Blattiden, Grylliden und Dermapteren, später 
(97b) auch für Phasmiden. Zu dem gleichen Ergebnisse ist LECAILLON 
(98) bei Chrysomeliden und RAgrro (98) bei Mantis gelangt, und meine 
Untersuchungen haben für Lasiocampa mit Sicherheit dasselbe Resul- 
tat ergeben; auch glaube ich aus dem Aussehen einiger Schnittserien 
von anderen Lepidopteren den Schluss ziehen zu dürfen, dass die 
Verhältnisse bei allen Lepidopteren eben so liegen. Es ist wenigstens 
anzunehmen, dass durch weitere Untersuchungen, besonders auch an 
Mikrolepidopteren, diese Annahme noch bestätigt wird. 

Man könnte nun sagen, man bezeichne jetzt die vom Vorder- und 
Enddarm auswachsenden Lamellen einfach als Entoderm, weil die- 
selben eben das Mitteldarmepithel bilden. Eine solche Bezeichnung 
würde allerdings dem von BrAru (95) formulirten Begriffe des Keim- 
blattes entsprechen, sofern man letzteres eben in rein physiologischem 
Sinne aufgefasst wissen will. 

Es bedarf wohl kaum der Erwähnung, dass dieses »Entoderm« 
dann aber jedenfalls bei den Insekten nicht durch eine Gastrulations- 
erscheinung irgend welcher Art und ähnlich dem der anderen Thiere 
entsteht, denn die Lamellenbildung ist der Gastrulation so unähnlich 


490 Erich Schwartze. 


wie möglich. Deutet man dagegen die Keimblätter der Insekten im 
herkömmlichen Sinne, so ist das Mitteldarmepithel thatsächlich rein 
ektodermaler Natur, der ganze Embryo wird also aus dem Ektoderm 
und dem von ihm abstammenden Mesoderm gebildet; das Entoderm 
nimmt an seinem Aufbau keinen Antheil. 

Vorhanden ist dasselbe aber trotzdem. Es ist das Verdienst von 
HEYMOoNS, zuerst mit Sicherheit festgestellt zu haben, dass die Dotter- 
zellen das wahre Entoderm darstellen. In diesem Punkte stimmt also 
die moderne Anschauung mit der jener älteren Autoren überein, die 
das Entoderm ebenfalls in den Dotterzellen erblickten, allerdings nur 
desshalb, weil diese ihrer Meinung nach das Mitteldarmepithel zu 
bilden hätten. Schon in seiner Arbeit über die Embryonalentwieklung 
der Orthopteren und Dermapteren (95) hatte Hrymoxs die Meinung 
ausgesprochen, dass die Dotterzellen das Entoderm der Insekten dar- 
stellten. Bestätigt wurde diese Meinung durch die späteren Unter- 
suchungen desselben Forschers an Campodea (97c) und Lepisma (97a). 
An diesen Objekten ergab sich nämlich das interessante Verhalten, 
dass sich hier das Mitteldarmepithel wirklich aus den Dotterzellen 
bildet. Bei Campodea werden alle Dotterzellen zu Darmepithelzellen, 
bei Lepisma geht ein Theil zu Grunde; ähnlich verhalten sich die 
Odonaten, die Heymoxs (96) ebenfalls untersucht hat. Auch nach 
LECAILLON (98) hat man die Dotterzellen als Entoderm aufzufassen. 
Die Odonaten und Lepisma bilden den Übergang von Campodea zu 
den bisher untersuchten höheren Insekten, bei denen das Entoderm 
während der Embryonalzeit vollständig zu Grunde geht. Aber die 
Reduktion desselben geht noch weiter. Nach Wirt (88) ist bei den 
Aphiden die Zahl der Dotterzellen gering, so dass das Entoderm hier 
auf einige wenige Zellen beschränkt ist. Der extremste Fall endlich 
liegt bei parasitischen Hymenopteren vor. Hier ist nach den Unter- 
suchungen von KOULAGUINE (92) in gewissen Fällen gar kein Dotter 
und dem entsprechend keine Dotterzellen, mithin kein Entoderm mehr 
vorhanden. 

Es giebt hiernach Thiere, bei denen das innere Keimblatt resp. 
die aus ihm in der Regel hervorgehenden Gewebe während der ge- 
sammten postembryonalen Lebensdauer fehlen, oder bei denen sogar 
das Entoderm niemals, nicht einmal mehr in der Embryonalzeit vor- 
handen ist. In derartigen Fällen pflegt also bei den Insekten das 
primäre äußere Keimblatt die Funktionen zu übernehmen, die für ge- 
wöhnlich dem hier fehlenden inneren Blatte eigen sind. Hiermit zeigt 
sich, dass ein bestimmter physiologischer Charakter den Keimblättern 


Zur Kenntnis der Darmentwicklung bei Lepidopteren. 491 


jedenfalls nicht innewohnt, dass vielmehr die Leistungen des Ento- 
derms sehr wohl von indifferenten, d. h. noch nicht in bestimmter 
Richtung specialisirten Ektodermzellen übernommen werden können. 
Ließ sich ein solches Verhalten bisher für die Insekten mit Sicherheit 
nachweisen, so ist wohl auch die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, 
dass im Laufe der phylogenetischen Entwicklung Ähnliches vielleicht 
auch bei anderen Metazoen bereits eingetreten sein kann. 

Wenn die Keimblätter an bestimmten physiologischen Merkmalen 
nicht zu unterscheiden sind, so ist, wie besonders schon von Bram (95) 
hervorgehoben wurde, es fast noch schwerer, durchgreifende morpho- 
logische Charaktere auf Grund ihrer Lage oder Bildungsweise für 
dieselben aufzufinden. Schon bei den Insekten kann die Bildung des 
Entoderms (der Dotterzellen) in der verschiedenartigsten Weise ver- 
laufen, jedenfalls in der Regel sogar in einer Weise, die sich mit 
dem üblichen Schema einer Gastrulation nicht gut in Einklang bringen 
lässt. Auch bei anderen Thieren pflegt bekanntlich die Bildung und 
Differenzirung der ersten Embryonalschichten auf dem verschieden- 
artigsten Wege zu erfolgen, so dass es wohl kaum möglich ist diese 
Vorgänge stets auf ein gemeinsames Grundschema zurückzuführen. 

Aus diesen Gründen kann ich auch die Annahme noch nicht für 
erwiesen halten, dass eine vollkommene Homologie der Keimblätter 
im ganzen Thierreiche existirt, und es scheint mir die Bedeutung, 
welche gerade die Keimblätter für die Phylogenie der Metazoen be- 
sitzen sollen, vielfach überschätzt worden zu sein. 


Zum Schlusse ist es mir eine angenehme Pflicht, Herrn Geh. Re- 
gierungsrath Prof. Dr. F. E. SchuLze für die gütige Überlassung eines 
Arbeitsplatzes im zoologischen Institute der Universität Berlin, sowie 
Herrn Dr. Hrymons für die Anregung und freundliche Förderung durch 
Rath und That meinen ergebensten und herzlichsten Dank auszusprechen. 


Berlin, im Mai 1899. 


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Erklärung der Abbildungen, 


Zeichenerklärung: 
a, Amnion; am, Serosakerne in ami- asf, Amnionzellen mit 
ah, Amnionhöhle; totischer Theilung; Fortsätzen; 


494 


bl, Blutzellen; 

54, Blutzellen mit 
Kernen; 

er, Cryptenzellen; 

de, Darmepithel; 

‘dz, Dotterzellen; 

ec, Ektoderm; 

ez, Ektodermzapfen; 

Fk, Fettkörper; 

hgl, hintere Grenzlamelle; 

hmi, hintere Mitteldarmla- 
melle; 

9, Gehirn; 

ga, Ganglien; 

gz, Ganglienzellen; 

Im, Längsmuskulatur; 

m, Mesoderm; 


zwei 


Erich Schwartze, 


mand, Mandibel; 

mazı, erste Maxille; 

mu, Muskeln; 

n,. Nerven; 

oe, Önveyten; 

pı, Paracyten 
Kernzerfall; 

pa, Paracyten nach dem 
Kernzerfall; 

pr, Proctodäum; 

pri, Primitivrinne des Ner- 
vensystems; 

psp, Pedes spurii; 

r, Rinne, die bei der Meso- 
dermbildung auftritt; 

rm, Ringmuskulatur; 

rna, Rückennabel; 


vor dem 


Tafel XXXI—XXXIV. 


s, SETO8a; 

sn, Schlundnervensystem; 

st, Stomodäum; 

su, Subösophagealkörpe:r ; 

sy, Dottersyneytien; 

tr, Tracheen; 

v, Vacuolen; 

vg, mediane Verdickung 
der vorderen Grenzla- 
melle; 

vgl, vordere Grenzlamelle; 

vM, Vasa Malpighii; 

vml, vordere Mitteldarm- 
lamelle; 

zf, Zellfortsätze am Rand 
der vorderen Grenzla- 
melle. 


Der Dotter ist durch gelbe Farbe, das Ektoderm durch hellere, das Meso- 
derm durch dunklere graue Farbe angedeutet. Besonders differenzirte Gewebe 
sind je nach ihrem Aussehen im Aulanonlaup Selle Bilde heller oder dunkler an- 


gegeben. 


Die Figg. 1—8 beziehen sich auf Ocneria dispar. 


Fig. 1. 


Querschnitt durch ein ganz junges Ei vor der Blastodermbildung. 


Die späteren Blastodermzellen sind bereits von den späteren Dotterzellen ge- 


sondert. Vergr. 70. 
iee2! 


Chromatinsubstanz des Kernes ist zerfallen. 
Querschnitt durch einen ganz jungen einschichtigen Keimstreifen, 
Vergr. 190. 


Fig. 3. 


dessen Amnion der Serosa noch dicht anliegt. 
Das in Fig. 3 mit sy bezeichnete Dottersyneytium stark vergrößert. 


Fig. 4. 


Der Plasmakörper enthält fünf Kerne. 
Querschnitt durch einen etwas älteren, aber auch noch einschich- 
Vergr. 190. 
Querschnitt durch das Vorderende eines Keimstreifs während der 


Fig. 5. 
tigen Keimstreifen. 
Fig. 6. 


Mesodermbildung. Das Mesodermrohr zeigt ein deutliches Lumen. 
Querschnitt durch denselben Keimstreifen etwas weiter hinten. 


ae Te 


Das Lumen der Mesodermeinstülpung ist verschwunden. 
Querschnitt durch denselben Keimstreifen noch weiter hinten. 


Fig. 8. 


Das Mesoderm liegt dem Ektoderm hier bereits flach an. 


Vergr. 725. 


Die in Fig. 1 mit z bezeichnete innere Zelle stark vergrößert. Die 
Vergr. 1120. 


Verg. 190. 
Vergr. 190. 


Vergr. 190. 


Die übrigen Figg. 9—37 beziehen sich auf Lasiocampa fasciatella, var. 


excellens. 
Fig. 9. 
Mesoderm besitzt. 
Fig. 10. 
Kie 11. 
Rinne hat sich vertieft. 
Fig. 12. 
streifen. 


Einzelne Dotterzelle. 
Querschnitt durch einen etwas älteren Keimstreifen. Die mediane 
Vergr. 45. 
Querschnitt durch einen noch etwas weiter entwickelten Keim- 
Die mediane Rinne ist noch tiefer geworden. Vergr. 45. 


Vergr. 1120. 


Querschnitt durch einen ganz jungen Keimstreifen, der noch kein 
In der Mitte zeigt er eine seichte Einsenkung r. Vergr. 45. 


Zur Kenntnis der Darmentwicklung bei Lepidopteren. 495 


Fig. 13. Theil des in Fig. 11 dargestellten Schnittes stärker vergrößert. 
Eine Paracyte mit noch intaktem Kerne (»,) ist in der Auswanderung begrif- 
fen, eine andere (9») liegt frei im Dotter, ihr Kern ist zerfallen. Vergr. 435. 

Fig. 14. Tangentialschnitt durch die Serosa mit mehreren Kernen in ami- 
totischer Theilung (am). Vergr. 190. 

Fig. 15. Querschnitt durch das vordere, dorsal schon geschlossene Ende 
eines Keimstreifs während der Bildung des Mesoderms und der Blutzellen. 
Vergr. 190. 

Fig. 16. Querschnitt ein wenig weiter hinten; er zeigt die gleichen Er- 
scheinungen wie der vorige, nur schwächer, und ist dorsal offen. Vergr. 190. 

Fig. 17. Sagittalschnitt durch das Vorderende eines Keimstreifs im gleichen 
Stadium, zeigt die Bildung der Blutzellen sehr deutlich. Vergr. 29. 

Fig. 18. Einzelne Blutzelle. Vergr. 1120. 

Fig. 19. Querschnitt durch das Hinterende eines Keimstreifs im gleichen 
Alter. Die Mesodermbildung erfolgt hier durch Überschiebung. Vergr. 190. 

Fig. 20. Querschnitt durch das Hinterende eines etwas älteren Keimstreifs. 
Nur eine Mesodermzelle berührt noch die Oberfläche. Vergr. 190. 

Fig. 21. Sagittalschnitt durch das Hinterende eines Keimstreifs von etwa 
gleichem Alter. Das Mesoderm berührt die Oberfläche in einer ziemlich langen 
Strecke. Vergr. 190. 

Figg. 22—26 stellen Sagittalschnitte durch die Anlage des Stomodäums 
dar. Vergr. 190. 

Fig. 22. Erste Anlage des Stomodäums (s?). 

Fig. 23. Dieselbe vertieft mit seitlichen Zellfortsätzen (zf). 

Fig. 24. Dieselbe weiter verlängert. An der Kuppe treten einzelne Zel- 
len (vl) hervor. 

Fig. 25. Seitlicher Schnitt mit deutlicher Mitteldarmlamelle (vm]). 

Fig. 26. Medianschnitt aus derselben Serie mit ventraler Verdickung (vg) 
der Grenzlamelle (vgl). 

Fig. 27. Querschnitt durch das Vorderende in etwas höherem Alter. An 
den Seiten des Stomodäums wachsen die Mitteldarmlamellen (vm/) aus. Vergr. 190. 

Fig. 28. Querschnitt aus derselben Serie etwas weiter hinten. Die Mittel- 
darmlamellen sind quer getroffen. Vergr. 190. 

Fig. 29. Medianschnitt durch das Hinterende eines Keimstreifs mit der 
Anlage des Proctodäums (pr). Vergr. 190. 

Fig. 30. Etwas weiter seitlich gelegener Sagittalschnitt aus derselben Serie. 
Getroffen ist die Wand des Proctodäums mit der hinteren Mitteldarmlamelle 
(kml) und den Anlagen der beiden ersten Vasa Malpighii M). Vergr. 190. 

Fig. 31. Querschnitt durch das Hinterende eines etwas älteren Keimstreifs. 
Das Lumen des Enddarmes zeigt einen sechseckigen Querschnitt; seitlich liegen 
jederseits drei Vasa Malpighii (oM); das übrige Körpergewebe hat sich mannig- 
faltig differenzirt. Vergr. 190. 

Fig. 32. Querschnitt aus derselben Serie etwas weiter vorn; links ist noch 
ein Theil der Kuppe des Proctodäums, rechts nur die hintere Mitteldarmlamelle 
(Ami) mit ihrer Mesodermbekleidung sichtbar. Vergr. 190. 

Fig. 33. Sagittalschnitt durch einen älteren Keimstreifen. Die Mittel- 
darmlamellen haben sich besonders ventral stark verlängert, der Dotterraum ist 
scharf gegen die Leibeshöhle abgegrenzt und hängt nur durch den Rücken- 
nabel ("na) noch mit dem äußeren Dotter zusammen. Vergr. 70. 


Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Bd. 32 


496 Erich Schwartze, Zur Kenntnis der Darmentwickl. bei Lepidopteren. 


Fig. 34. Lateraler Längsschnitt durch die Mitteldarmwand im gleichen 
Stadium. Die Mesodermbekleidung des Darmepithels (de) ist in Ring- (rm) und 
Längsmuskulatur (m) zerfallen. tr Tracheenast. Vergr. 190. 

Fig. 35. Querschnitt durch die geschlossene Mitteldarmwand; das nn: 
-epithel hat sich erhöht, die Muskelschichten sind dünn geworden. Vergr. 435. 

Fig. 36. Gruppe von Trichoblasten. Vergr. 190. 

Fig. 37. Querschnitt durch die Mitteldarmwand eines zum Auskriechen 
fertigen Embryos. Die Darmepithelzellen (de) liegen einschichtig, abgesehen 
von den an ihrer Basis liegenden Kryptenzellen (cr). Die Ringmuskulatur hat 
sich weiter verdünnt, die Längsmuskulatur ist in einzelne Stränge zerfallen. 
Vergr. 435. 


Über Phagocytose und Exkretion bei den Anneliden, 
Von 


Guido Schneider 
(Sebastopol). 


Mit Tafel XXXV. 


Einleitung. 

Bereits im Sommer 1895 begann ich auf der Zoologischen Station 
des Weißen Meeres, Solowetzk, Material zu der vorliegenden Arbeit 
zu sammeln und publicirte einige Resultate schon im folgenden Jahre 
theils in den Arbeiten der Kaiserlichen Naturforschergesellschaft zu 
St. Petersburg (8), theils in der Zeitschrift für wissenschaftliche Zoo- 
logie (9). Darauf wurden die Arbeiten auf der finnländischen Zoolo- 
gischen Station Esbo-Löfö, auf der deutschen Zoologischen Station zu 
Neapel und zuletzt in Sebastopol auf der biologischen Station der 
Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften fortgesetzt. Die Unter- 
suchungen nahmen aber leider einen langsamen Verlauf, da ich sie 
wegen Reisen und Amtspflichten oft unterbrechen musste, wobei 
etliches Material unbearbeitet verloren ging oder verdarb. 

Die Aufgabe, welche ich mir dieses Mal gestellt hatte, war fol- 
gende: es lag mir vor Allem daran, mich über das Wesen der Pha- 
gocytose in Segmentalorganen zu orientiren, durch das Studium der- 
selben an verschiedenen Annelidenspecies mit Hilfe physiologischer 
Injektionen und Fütterung der Thiere mit verschieden kombinirten 
Substanzen. Ferner wollte ich die Beziehungen zwischen den beiden 
Funktionen der Phagocytose und der Exkretion, so weit mir möglich, 
klar legen, dabei auch noch nach anderen phagocytären Organen 
forschen bei Species, wo ich dieselben noch nicht studirt hatte, und 
nebenbei neue Daten zur Beurtheilung des Wesens und der Funktion 
des Herzkörpers gewinnen. 

Die Phagoeytose in den Segmentalorganen der Anneliden wurde 
zuerst von E. G. RacovItza (6) gesehen, aber nieht als solche erkannt, 

Zeitschrift £. wissensch. Zoologie. LXVI. Bd. 38 


498 Guido Schneider, 


sondern für Diapedese gehalten: »Comme les granules d’enere de 
sepia«, heißt es auf p. 466, »s’accumulent en abondance dans la 
paroi nephridiale, il est probable, que cette region offre aussi un bon 
terrain A la diapedese. Cela expliquerait aussi la presence dans la 
nephridie de granules ä charactere chloragogene.« 

Darauf entdeckte ALEXANDER KOWALEVSKY (3) analoge Vorgänge 
bei Olepsine und Euaxes. Diese und meine Untersuchungen an Oli- 
sochäten (9) ließen zuletzt keinen Zweifel übrig an der Fähigkeit 
gewisser, zum Bestande des Epithels der Nephridialkanäle gehörender 
Zellen, auf phagocytäre Weise Fremdkörper in sich aufzunehmen. 

Nun entstand aber die Frage: können dieselben Zellindividuen 
aus dem Lumen des Nephridialcanales Fremdkörper in sich auf- 
nehmen und gleichzeitig die Exkretionsstoffe des Körpers, die sie 
aus dem Blute erhalten, durch sich hindurch in das Lumen austreten 
lassen? und wie verhalten sich die verschiedenen Stoffe im Innern 
der Zelle zu einander und zu den Bestandtheilen der Zelle selbst, 
zu Kern, Protoplasma und Vacuolen? 

Werfen wir zunächst einen Überblick über die zur Anwendung 
gelangten Methoden, denn diese müssen vor Allem selbst erst genau 
studirt werden, um Vertrauen erweckende Resultate zu liefern. 

Es genügte bald nicht mehr, die in den Exkretionszellen vorge- 
fundenen Exkretkörnchen und zur Ausscheidung gelangenden Flüssig- 
keiten allein zu studiren, und man begann solche leicht lösliche Sub- 
stanzen den Versuchsthieren zu injieiren, die sich durch geeignete 
Behandlung in sichtbarer Form in den Nephridialzellen fixiren und 
nachweisen lassen. Seit längerer Zeit dienen indigschwefelsaures Na- 
trium oder Indigokarmin und karminsaures Ammoniak zu experimen- 
tellen Untersuchungen über Exkretion. Beide Farbstoffe haben jedoch 
sroße Nachtheile. Das indigschwefelsaure Natrium ist in Meerwasser 
schwer löslich und bildet, Meeresthieren injieirt, blaue Niederschläge, 
die auf phagocytärem Wege aufgenommen werden und das Bild 
stören. Lösungen von karminsaurem Ammoniak in Seewasser sind 
beständiger, erfordern aber ein sorgfältiges Filtriren jedes Mal vor 
dem Gebrauche und haben noch den Vorzug, dass das durch ein 
beliebiges saures Fixirmittel gefällte Karmin sich sehr schwer wieder 
löst, und die Präparate vorzüglich nachgefärbt werden können, was 
beim Indigokarmin nicht der Fall ist. Zuverlässig hinsichtlich der zu 
vermeidenden Niederschläge in den lebenden Versuchsthieren sind aber 
beide nicht, und eben so wenig das oft angewendete Eisenpräparat, 
Ferrum oxydatum saccharatum, das so vorzüglich von allen Thieren 


/ 


Über Phagocytose und Exkretion bei den Anneliden. 499 


vertragen wird. Das Eisen hat noch den Nachtheil, dass es schon 
in der Natur so weit verbreitet ist, und desshalb hielt ich es für 
wünschenswerth, mich nach einem andern Schwermetalle umzusehen, 
das sonst im Thierkörper nicht vorkommt. Meine Wahl fiel nach 
langen vergeblichen Versuchen auf das Uran, weil es genau unter 
den gleichen Umständen, wo Eisen die bekannte Berlinerblaureaktion 
zeigt, als braunrother Niederschlag gefällt wird. Uran ist giftig, 
wird aber doch von einigen Thieren sowohl in unlöslichen Verbin- 
dungen, als auch in der sehr leicht löslichen Form, als Uran-Natrium- 
- Carbonat vertragen. Dieses letztere Salz erhielt ich durch Hinzufügen 
von Natriumbicarbonat zu einer Lösung von Urannitrat und Entfernung 
des Niederschlages durch Filtriren. Die nach mehrfachem Filtriren 
erhaltene hellgelbe klare Flüssigkeit enthält neben Natriumsalpeter 
sehr viel Uran in Lösung. Die mikrochemische Reaktion entspricht 
jedoch nieht den Erwartungen, welche die Reagensglasprobe zu recht- 
fertigen scheint, denn der durch Ferrocyankali und Säure erhaltene 
Niederschlag ist unter dem Mikroskop sehr hell und undeutlich. 

Anilinfarbstoffe bringt man den Versuchsthieren am besten bei, 
indem man sie längere oder kürzere Zeit in einer Lösung des be- 
treffenden Farbstoffes in Seewasser und darauf in reinem fließenden 
Seewasser hält, bis die Exkretion deutlich vor sich geht und die 
Würmer abblassen. Von den Anilinfarben verdient das Methylenblau 
Beachtung, weil es nach den von BETHE (2) erfundenen Methoden 
durch molybdänsaures Ammonium fixirt werden kann. Allerdings 
sind die damit gewonnenen Resultate immerhin mit Vorsicht aufzu- 
nehmen, wie der Vergleich mit lebenden Zellen lehrt. 

Von festen Körpern gelangten bei den Injektionen chinesische 
Tusche, Karmin in Form der englischen Aquarellfarbe und lebende 
Spermatozoen von Aseidien zur Anwendung. 

Eine Reihe anderer Substanzen wurde auch noch versuchsweise 
angewendet sowohl bei physiologischen Injektionen, als auch bei 
Fütterungen, aber gab keine Resultate, weil entweder die Stoffe 
schlecht vertragen wurden, oder mikrochemisch nicht gut aufzufinden 
waren. 

Die oben angeführten mehr oder weniger leicht unter dem Mikro- 
skope auffindbaren Substanzen wurden verschiedenen alten und jungen 
Exemplaren mehrerer Annelidenspecies durch Injektion in die Leibes- 
höhle oder durch Fütterung beigebracht. Von den untersuchten Spe- 
eies können jedoch nur diejenigen hier abgehandelt werden, die 
positive Resultate ergaben, d. h. wo Phagocytose in den Segmental- 

33* 


00 Guido Schneider, 


organen konstatirt wurde. Denn. negative Resultate können nur zu 
leicht durch Misslingen der Experimente bedingt sein und bedürfen 
genauester Nachuntersuchung an möglichst großem Materiale. 

Die Species der polychäten Anneliden, an denen ich hauptsäch- 


lieh experimentiren konnte, waren Arenicola marina L., Travisia 


forbesi Johnst., Peetinaria hyperborea Malmgr., Terebellides 
stroemi Sars und Polymnia nesidensis D. Ch. aus dem Weißen 
Meere und Arenicola claparedei Lev., Pectinaria auricoma 
Müll., Lanice conchilega Pall, Polymnia nebulosa Mont. und 
Terebellides stroemi Sars aus dem Mittelländischen Meere. 


Grundzug des Baues der Annelidennephridien. 


Die Segmentalorgane oder Nephridien der verschiedenen von 
mir untersuchten Annelidenspecies unterscheiden sich, wie wir sehen 
werden, recht bedeutend von einander, und zwar in der Structur der 
Zellen des secernirenden Epithels. Zur allgemeinen Orientirung 
kann man an jedem Nephridium drei Haupttheile unterscheiden: 
Den Trichter, das secernirende Mittelstück und den Endabschnitt 
oder Ausführungsgang. Letzterer ist bei den in dieser Arbeit in 
Betracht kommenden sedentären polychäten Anneliden sehr kurz. 
Am Mittelstück lässt sich bei vielen Arten, nach dem Beispiele von 
E. Meyer (4) noch ein Innen- und ein Außenschenkel unterscheiden, 
nämlich bei denen, wo das Nephridium in der Mitte umgebogen ist. 
Die beiden Schenkel unterscheiden sich meist histologisch von ein- 
ander. 


Nephridien und Herzkörper von Pectinaria. 


Die größten Epithelzellen habe ich in den Nephridien der beiden 
Species von Pectinaria, P. hyperborea und P. auricoma, gefunden und 
beginne mit der Schilderung der Nephridien bei diesen Würmern, 
weil sie sehr typische Resultate ergaben und die Beurtheilung der 
Exkretionsorgane bei anderen Species, wo die Verhältnisse weniger 
deutlich sind, erleichtern. 

Die großen diehtbewimperten Zellen enthalten eine große Menge 
Vacuolen, zwischen denen nur sehr wenig Protoplasma übrig bleibt. 
Der Kern liegt in verschiedener Höhe, bald näher der Leibeshöhle, 
bald nahe der Lumenoberfläche der Zelle. Das Protoplasma zwischen 
den Vacuolen und um den Kern herum bildet nur ganz dünne Schich- 
ten. Die Vaeuolen scheinen eine etwas diekflüssige homogene Sub- 
stanz zu enthalten, die sich nach Injektion oder Fütterung des Thieres 


Über Phagocytose und Exkretion bei den Anneliden. 501 


mit Methylenblau lebhaft färbt und in der meist eine feste gelbe 
Exkretkugel frei im Centrum suspendirt ist. Fig. 1 ist nach einem 
frischen Präparate gezeichnet und stellt den aus einer zerrissenen 
Nephridienzelle ausgetretenen und kugelförmig zusammengeballten 
Zellinhalt dar, der im optischen Querschnitte aus acht Vacuolen be- 
steht, in deren jeder eine gelbe Exkretkugel suspendirt ist. Das 
völlig erwachsene Exemplar von Pectinaria auricoma war zwei Tage 
in Methylenblau-Seewasser-Mischung und darauf vier Tage in reinem 
fließenden Seewasser gehalten worden. Nerven und Blut erwiesen 
sich ungefärbt, der Mitteldarm war stark blau (dort geht also die 
Resorption offenbar vor sich), und auch der Herzkörper erwies sich 
sebläut. Die Mittelstücke besonders der hinteren beiden Nephridien 
waren dunkelblau. Im Gegensatz zu diesem Bilde, das man am 
frisch zerzupften Nephridienepithel sieht, steht das Bild, das durch 
Konservirung mit molybdänsaurem Ammonium hervorgebracht wird. 
Während am frischen Objekte der ganze Inhalt der Vacuolen blau, 
das Protoplasma, d.h. die feinen Grenzen der Vacuolen, und die 
selben Exkretkörner aber ungefärbt sind, sieht man auf Schnitten 
durch konservirtes Material genau das Umgekehrte: Exkretkugeln 
und Vacuolengrenzen sind blau, der Inhalt aber scheinbar ungefärbt. 
Dieser Gegensatz erklärt sich leicht dadurch, dass das den flüssigen 
Vaeuoleninhalt färbende Methylenblau durch Einwirkung des molyb- 
dänsauren Ammoniums gefällt wird und sich auf die genannten 
Theile in fester Form niederschlägt. Dadurch wird das falsche 
Bild hervorgerufen, als färbten sich Protoplasma und Exkretkörn- 
chen blau. 

Feste Körper, wie Tusche- und Karminkörnehen, werden auf 
phagoeytärem Wege von den Zellen des Nephridialepithels aufge- 
nommen und zwischen den Vacuolen im Protoplasma abgelagert. 
An alten Thieren, wo das Protoplasma dürftig ist, sieht man es 
weniger deutlich, als an jungen. Fig. 2 stellt einen Querschnitt 
durch den Mitteltheil eines Nephridiums dar, das einem jungen Exem- 
plare zwanzig Stunden nach einer Tuscheinjektion in die Leibeshöhle 
entnommen wurde. Die Zellgrenzen sind nicht mehr zu erkennen, 
die Kerne liegen verschieden weit von der Peripherie, und im Proto- 
plasma, das noch sehr deutlich zu erkennen ist, sieht man Vacuolen 
in weit geringerer Zahl, als beim Erwachsenen. Sowohl in den 
Vacuolen, als auch im Protoplasma finden sich die gelben Exkret- 
kugeln. Die injieirten Tuschekörnchen sind vom Protoplasma auf- 
genommen worden, ohne in die Vaecuolen einzutreten. An den Cilien, 


502 Guido Schneider, 


die in diesem Stadium verhältnismäßig sehr lang sind, kleben Tusche- 
körnchen. 

Eisen findet sich in den Nephridien nur in ganz geringen Spuren, 
wenn es als Ferrum oxydatum saccharatum in Seewasser gelöst in- 
- .Jieirt wurde, sonst normaler Weise gar nicht, auch dann nicht, wenn 
die Mitteldarmzellen und der Herzkörper, wie ich das schon früher 
geschildert habe (8), von Eisen förmlich erfüllt sind. Das Eisen wird 
also normalerweise ‚nicht durch die Nephridien ausgeschieden, son- 
dern im Herzkörper aufgespeichert, wenn es durch den Mitteldarm 
mit der Nahrung aufgenommen wurde. 

Im Gegensatz zu Methylenblau, das den Vaeuoleninhalt färbt, 
färbt Indigkarmin das Protoplasma zwischen den Vacuolen. Bei ge- 
nauerer Betrachtung sieht man aber, dass es in Form von Körnchen 
aufgenommen ist, und das beweist, dass es phagocytär als fester 
Körper resorbirt wurde. Wie bereits in der Einleitung gesagt wurde, 
löst sich Indigkarmin schwer in Seewasser und bildet leicht Nieder- 
schläge, wenn es in verdünntem Seewasser gelöst injieirt wird. 

Füttert man Pectinaria mit Karminpulver, so findet man dasselbe 
massenhaft gelöst im Hinterdarme und ein wenig in der Leibes- 
höhlenflüssigkeit vollkommen gelöst. In den Nephridien färben sich, 
wie ich mich an lebenden Exemplaren von Peetinaria auricoma nach 
13tägiger Karminfütterung überzeugen konnte, einige Vacuolen und 
die darin befindlichen gelben Körper blassroth. 


Nephridien und Herzkörper der Terebelloiden. 


Gehen wir von den Amphicteniden zu den Terebelloiden über, 
so finden wir Verhältnisse in der Struktur der Nephridienzellen, die 
sich auf den ersten Blick wesentlich von dem zu unterscheiden 
scheinen, was wir bei Pectinaria beobachteten. Die sekretorischen 
Nephridienzellen sind bei Polymnia nebulosa und nesidensis und bei 
Terebellides stroemi höher als breit, oft sogar lang ünd schmal, mit 
Kernen in verschiedener Höhe und großen und kleinen Vacuolen, die 
aber nicht in allen Zellen anzutreffen sind. EDUARD MEYER (4, p. 615) 
unterscheidet bei Polymnia nebulosa zwei Zellformen: »Die einen 
von ihnen sind schmal, eylindrisch, haben ein grobgranulirtes Proto- 
plasma und in ihrem basalen Theile einen hellen bläschenartigen 
ovalen Kern, welcher mit einem oder mehreren dunklen Kernkörper- 
chen versehen ist. In der inneren, der Lichtung des Organs zuge- 
wandten Hälfte der Zellen befindet sich eine bald größere, bald ge- 
ringere Anzahl gelblicher Körnchen von krystallinischer Gestalt 


Über Phagoceytose und Exkretion bei den Anneliden. 503 


und verschiedener Größe — es sind die festen, geformten Ausschei- 
dungsprodukte oder Exkretionskörperchen. Die andere Zellenform 
ist blasig aufgetrieben und enthält einen großen Hohlraum, dem 
segenüber das spärlich vorhandene körnige Protoplasma als eine 
dünne, häutige Hülle erscheint; der Zellkern ist flach, dunkel ge- 
färbt, wandständig und kann im Zellkörper eine verschiedene Lage 
einnehmen. In der Exkretionsvacuole liegen gewöhnlich die gleichen 
pigmenthaltigen Konkretionen, wie sie im Protoplasma der ersten 
Zellart in der Regel vorhanden sind. Im frischen Zustande ist die 
Vacuole mit einer klaren wasserhellen Substanz, der Exkretions- 
flüssigkeit, angefüllt, in welcher die krystallinischen Körnchen 
frei suspendirt sind.«< Im Weiteren sagt E. Meyer, dass zwischen 
beiden Zellarten kein wesentlicher Unterschied besteht, und leitet 
ihr differentes Aussehen vom verschiedenen Vorwiegen der flüssigen 
und festen Ausscheidungsprodukte in den Zellen her. Lange schmale 
Zellen, »an denen keine Spur von Protoplasma zu bemerken iste, 
werden für »Exkretionszellen in der Endphase ihrer Funktion« er- 
klärt, welche von den Nachbarzellen zusammengedrückt worden sind. 
Hinsichtlich der Vertheilung der beiden Zellarten findet E. MEYER, 
dass bei den vorderen Nephridien im ganzen Innenschenkel die 
Zellen vorherrschen, welche nur die gelben Exkretkörperchen ent- 
halten, im Außenschenkel aber die vacuolisirte Zeliart, »welche mehr 
flüssige als feste Ausscheidungsprodukte liefert«. »Die 
sanzen Schläuche der hinteren Nephridien erinnern im All- 
semeinen mehr an die Innenschenkel der vorderen, da ihr 
Epithel fast durchweg aus Zellen der ersten Art gebildet ist; nur 
sesen das distale Ende derselben zeigen sich in den Wandungen 
vereinzelte Vacuolen.«e Ganz ähnliche Verhältnisse finde ich auch 
bei Polymnia nesidensis.. Von den sechs Nephridienpaaren ist das 
vorderste durch lange Schläuche vor den übrigen ausgezeichnet. Fig. 3 
zeigt ein Stück der Wand des Außenschenkels mit den zum Theil 
sanz riesengroßen Vacuolen, welche die benachbarten Zellen ganz 
zusammendrücken. In einigen von den kleineren Vacuolen und im 
Protoplasma finden sich gelbe Exkretkörner, und die dem Exemplar 
24 Stunden vor der Konservirung in die Leibeshöhle injieirte Tusche 
ist von den dem Lumen zugewandten Enden sämmtlicher Zellen auf- 
senommen worden, ohne aber in die Vacuolen einzudringen. 

Beide Schenkel des Mittelstückes erweisen sich als phagoeytär, 
so weit das Exkretionsepithel reicht, gleichviel ob es Vacuolen oder 
nur Exkretkörnchen enthält. 


504 Guido Schneider, 


Fig. 4 zeigt einige Zellen aus dem vacuolenfreien Innenschenkel 
des vordersten Nephridiums von einem noch ganz jungen Exemplare 
von Terebellides stroemi, dem gleichfalls Tusche 24 Stunden vor 
dem Tode injieirt worden war. Wir finden die Tusche hier ebenfalls 
in der dem Lumen zugekehrten Hälfte aller Zellen zwischen den 
Exkretkörnern eingelagert. 


Genau so wie die vorderen, verhalten sich auch die hinteren 
Nephridien in Bezug auf Phagocytose. Sowohl der enge, von Vacuo- 
len freie Anfangstheil, als auch der daran sich anschließende kurze, 
Vaeuolen führende Abschnitt, der dem Außenschenkel entspricht, ent- 
halten Tusche in allen ihren Zellen, oder andere in Pulverform in 
die Leibeshöhle eingeführte ungelöste Substanzen. Eisen fand sich 
bei den Terebelloiden nie in den Nephridien, sondern immer nur im 
Herzkörper, wenn es in löslicher Form injieirt wurde. Auch an in- 
takten Exemplaren ist es sehr oft, wenn auch nicht immer, durch 
die Berlinerblaureaktion in den Herzkörperzellen nachweisbar. 


Die Nephridien von Lanice conchilega sind so vorzüglich von 
E. Meyer beschrieben worden, dass eine allgemeine Schilderung hier 
überflüssig ist (vgl. 4, p. 618—625). Das Exkretionsepithel unterscheidet 
sich von demjenigen der übrigen Terebelloiden dadurch, dass die 
Zellen im Allgemeinen niedriger sind und keine Längsstreifung zeigen, 
wie z. B. in Fig. 3 die Nephridialzellen von Polymnia nesidensis. 
Die Cilien sind verhältnismäßig lang und stehen weit weniger dicht 
als bei den übrigen Terebelloiden. 


Fig. 5 stellt einige Zellen aus der Dorsalwand eines hinteren 
Nephridialganges dar.. Wir sehen dieselben riesigen Vacuolen, wie 
bei Polymnia, und gelbe Exkretkörnchen im Protoplasma. Tusche- 
körnchen, die dem Exemplare zusammen mit Ferrum oxydatum sac- 
charatum 24 Stunden vor dem Tode in die Leibeshöhle injicirt 
worden waren, sieht man in den dem Lumen zugekehrten Theilen 
des Zellenprotoplasmas. Eisen wird also auch hier nicht in den 
Nephridien ausgeschieden. 


Als Phagocyten bethätigen sich alle Zellen sowohl der Nephri- 
dialschläuche selbst, als auch der Nephridialgänge, durch welche die 
Nephridien gemeinsam nach außen münden. Auch die ganz flachen 
Zellen der Ventralwände der Nephridialgänge nehmen begierig Tusche- 
körnchen auf in derselben Weise, wie die übrigen Zellen des Nephri- 
dialepithels. 


Nur die Zellen des Trichterabschnittes aller Nephridialschläuche 


Über Phagocytose und Exkretion bei den Anneliden. 505 


und diejenigen des ganzen dritten vorderen Nephridienpaares von 
Lanice conchilega scheinen keine Phagocyten zu sein. 

Eisen wird von den Zellen des Herzkörpers resorbirt und findet 
sich in deren Protoplasma nach der Berlinerblaureaktion als blaue 
kleine Kugeln (Fig. 6 u. 7) zwischen den grünlichgelben Kugeln ver- 
streut, die in großer Menge den ganzen Herzkörper erfüllen. Fig. 6 
stellt einen Schnitt aus einem Randzipfel, Fig. 7 einen Schnitt aus 
der Mitte des Herzkörpers dar. Die grünlichen Körnchen, die den 
Zellen des Herzkörpers charakteristisch sind, sind in beiden Figuren 
unnatürlich gelb wiedergegeben, um keine Verwechslung mit den 
blauen eisenhaltigen Körnchen zu veranlassen. Im Centrum der Fig. 7 
sieht man einen dichten Haufen grünlicher Körnchen, von dem aus 
das Protoplasma der benachbarten Zellen grünlich infiltrirt erscheint. 
Solcher zu größeren Kugeln zusammengeballter grünlicher Körnchen 
begegnet man häufig im Herzkörper von Lanice. Über ihre ver- 
muthliche Entstehung soll im speciellen Kapitel über den Herzkörper 
die Rede sein. 


Die Nephridien von Arenicola. 


Hinsichtlich der Ausscheidung von Eisen nehmen die Nephridien 
der Arenicola-Arten, wie es’ scheint, eine Sonderstellung unter den 
Nephridien der übrigen bisher besprochenen Polychätenspecies ein, 
denn es lässt sich nach Injektion von Ferrum oxydatum saccha- 
- ratum Eisen in großer Menge in allen exkretorisch thätigen Epithel- 
zellen der Nephridien nachweisen. Werden ungelöste Substanzen, 
wie Tusche oder Karmin, zugleich mit einer Lösung von Ferrum 
oxydatum saccharatum injieirt, so werden beide Substanzen, sowohl 
Eisen, als auch Tusche oder Karmin, in ein und denselben Zellen 
neben einander aufgefunden. 

Fig. 8 stellt einen Schnitt durch den Anfangstheil (2) eines Nephri- 
diums dar, von einem Exemplare von Arenicola marina, dem 48 Stun- 
den vor dem Tode Karminpulver mit Ferrumsaccharatlösung in die 
Leibeshöhle injieirt worden waren. Das Blutplasma in den Blutgefäßen 
(2) ist durch die Berlinerblaureaktion gleichmäßig blau gefärbt, und 
in den Nephridialzellen (x) sieht man Eisen und Karminkörnchen neben 
einander. Außerdem weist der Schnitt die in der Nähe jedes Nephri- 
dialtrichters liegende Gonade (g) und das damit verbundene Iymphoide 
Organ (lo) auf, von dem weiterhin die Rede sein wird. 

Fig. 9 stellt einen Schnitt durch eine andere Stelle desselben 
Nephridiums dar, und zwar bei stärkerer Vergrößerung. Getroffen ist 


806 Guido Schneider, 


eine Stelle, wo der mittlere, sackartig erweiterte Abschnitt des Nephri- 
diums auf den Anfangs- oder Trichtertheil zurückgebogen erscheint. 
In den Zellen des Trichtertheiles (a), die höher sind und deutliche 
Geißeln aufweisen, sieht man eben so Eisen und Karmin bei einan- 
.der, und zwar in der dem Lumen zugekehrten Hälfte, wie in den 
flacheren Zellen des Mitteltheiles ()), wo die Wimpern bei diesem 
Exemplare nicht deutlich zu sehen waren und daher in der Zeich- 
nung fehlen. Zwischen beiden neben einander liegenden Wänden der 
beiden verschiedenen Abschnitte sieht man ein Blutgefäß, dessen 
Blutplasma, eben so wie in Fig. 8, nach der Berlinerblaureaktion 
bedeutenden Eisengehalt aufweist. 

Ferner bemerkt man in beiden Abschnitten Leukoeyten, die eben 
so wie die phagocytären Nephridialzellen Karmin und Eisen enthal- 
ten. Die Leukocyten im Trichtertheile haben noch deutliche Pseudo- 
podien und Kerne (22), während sie im Mitteltheile (2) meist ellipsoi- 
dale und kugelförmige kernlose, oder mit hellem Kerne versehene 
Blasen darstellen, die, mit Eisen und Karmin erfüllt, sich offenbar 
passiv von den Geißeln herumwirbeln lassen, und den Eindruck von 
abgestorbenen und absterbenden Zellen machen (vgl. E. MEYER 4, 
p. 648). 

Durch die während 48 Stunden erfolgte sehr reichliche Aufnahme 
von Eisen und Karmin ist in den beschriebenen Präparaten die ur- 
sprüngliche Struktur der Zellen fast ganz verdeckt durch die Fremd- 
stoffe. Desshalb ist Fig. 10 A einem Exemplare entnommen, das schon 
eine Stunde nach einer Injektion von Karminpulver, vermischt mit 
lebenden Spermatozoen von Polycarpa rustica, getödtet wurde. Der 
abgebildete Schnitt stammt aus dem Mitteltheile eines Nephridiums, 
ist jedoch für das ganze phagocytäre und exkretorische Nephridial- 
epithel von Arenicola typisch. Wir sehen verschieden weit in das 
Lumen vorspringende mit je einer Geißel ausgestattete Zellen, deren 
Kerne fast alle in gleicher Höhe liegen. Das Protoplasma enthält 
srößere und kleinere Vacuolen, von denen etliche je einen gelben 
Exkretkörper bergen. Solche Exkretkörper liegen aber auch zum 
Theil im Protoplasma selbst. Zwei Zellen haben an ihren äußersten, 
dem Lumen zugekehrten Enden einige Karminkörnchen aufgenommen. 
Die Spermatozoen von Polycarpa rustica jedoch lagen frei in der 
Leibeshöhle und in den Lumina der Nephridien nicht nur bei diesem 
Exemplare, sondern auch bei solchen, die weit längere Zeit nach der 
Injektion konservirt wurden. Daraus ist zu schließen, dass die frem- 
den Spermatozoen sich im Leibe von Arenicola marina lebensfähig 


Über Phagocytose und Exkretion bei den Anneliden. 507 


erhalten konnten und darum auch nicht von den Phagoeyten gefressen 
wurden, eben so wenig wie etwa die lebenden Geschlechtsprodukte 
des eigenen Thieres. 

Verstreicht eine längere Zeit nach der Injektion, so sammeln 
sich oft viele der injieirten Körnchen in kugelförmigen Vacuolen an, 
wie solche in Fig. 10 5 dargestellt sind. Dem Exemplare wurde 
24 Stunden vor dem Tode Karminpulver in die Leibeshöhle injieirt. 


Die Nephridien von Travisia forbesi. 


Hinsichtlich der Vertheilung des phagocytären und exkretorischen 
Epithels in den Nephridien und auch in anderen Punkten weist 
Travisia forbesi Besonderheiten auf, die hier erwähnt werden müssen, 
obgleich mir nur drei lebende Exemplare dieses interessanten, aber 
wegen seines intensiven knoblauchartigen Gestankes! unsympathi- 
schen Untersuchungsobjektes aus dem Weißen Meere zur Verfügung 
standen. | 

Die ganze Leibeshöhle der von mir untersuchten Exemplare war 
angefüllt von blassen, großen Zellen mit kleinen deutlichen Kernen 
(s. Fig. 13 u. 14 2), zwischen denen vereinzelte Leukocyten (Fig. 14 2), 
beladen mit Fremdkörpern, und Gruppen von Eiern oder Spermato- 
zoen sichtbar wurden. 

Von Nephridien konnte ich zehn Paare konstatiren, die sich 
nicht wesentlich von einander unterscheiden. Auf den Trichter folgt 
- der Innenschenkel, der mit scharfer Biegung in den Außenschenkel 
übergeht. Phagocytär ist nur das Epithel des Innenschenkels. Fig. 11 
zeigt uns ein Stück der Wand eines Nephridieninnenschenkels (»), dem 
nach außen ein Blutgefäß (2) und ein Haufe von Spermatozoen (sp) 
aufsitzen. Dem Exemplare war 24 Stunden vor der Tödtung Tusche 
in die Leibeshöhle injieirt worden. In den Zellen des Nephridial- 
epithels sehen wir, eben so wie bei den übrigen polychäten Anneliden, 
selbe Exkretkörner, die zum Theil noch in Protoplasma liegen, zum 
Theil aber schon in Vacuolen enthalten sind. Die phagocytär auf- 
senommenen Tuschekörnchen finden sich zumeist in der dem Lumen 
zugekehrten Hälfte, einzelne jedoch sind tiefer, sogar bis hinter den 
Zellkern vorgedrungen. Die starken Geißeln erinnern an die ent- 
sprechenden Gebilde von Arenicola. 

Ein ganz anderes Bild erhalten wir vom Außenschenkel. Hier 


i Vgl. Ergebnisse der Hamburger Magalhäenischen Sammelreise. 1. Lief. 
1896. Reisebericht von Dr. MICHAELSsEn. p. 10. »Besonders auffallend war 
mir eine Travisia, ihres auffallenden Geruches wegen. 


508 Guido Schneider, 


fehlen, wie wir an Fig. 12 sehen, die nach einem Schnitte aus dem- 
selben Exemplare, von dem bisher die Rede war, gezeichnet wurde, 
in den Zellen sowohl die Exkretkugeln, als auch die Tuschekörnchen. 
Anstatt dessen sehen wir bloß mit Flüssigkeit gefüllte Vaeuolen. 
- Nur eine Zelle zeichnet sich durch gewaltige Größe aus und kom- 
primirt deutlich die anliegenden Zellen. Solcher enorm erweiterter 
Zellen findet man nur ganz wenige in den Nephridien überhaupt. 
Ihr Inhalt besteht aus einer feinkörnigen Substanz, in der der ge- 
schrumpfte Kern, mit einem Rest von Protoplasma umgeben, einge- 
bettet ist. Es findet also auch hier statt, was schon E. MEYER für 
die Nephridien der Terebelloiden feststellt, dass nämlich »die Bil- 
dung der festen Ausscheidungsprodukte im Innenschenkel, die der 
flüssigen dagegen im Außenschenkel vorherrschend sind« (vgl. 4, 
p. 647). Es kommen aber bei Travisia forbesi noch die großen ab- 
sterbenden Zellen des Außenschenkels in Betracht (Fig. 12), die wir 
soeben erwähnten, als ein Element, das in den Nephridien der übri- 
sen Anneliden, so viel ich weiß, noch nicht beobachtet worden ist. 
Sie liefern wahrscheinlich einen Schleim, der das Thier beim Wühlen 
im Meeresboden unterstützt. 


Lymphoide Organe. 


Die lymphoiden Organe, d. h. jene phagocytären Organe, die 
die Leukocyten entstehen lassen und modifieirte Theile des Perito- 
nealepithels sind, zeigen bei den sedentären Polychäten eine große 
Konstanz, so dass man sie, so weit ich sie bisher kenne, in einem 
Kapitel zusammen beschreiben kann. Sie zerfallen in zwei Gruppen: 
erstens die schon von E. MEYER (4, p. 643) beschriebenen »Lymph- 
körperdrüsen oder Bildungsstätten der Iymphoiden Zellen« und zwei- 
tens die Peritonealumhüllung der Blutgefäße, die bei einigen Arten 
nachgewiesenermaßen phagocytär ist und in diesem Falle vielleicht 
auch freie Phagocyten liefert. Letzteres ist aber noch unbewiesen, 
und wenn ich die zweite Gruppe trotzdem zu den Iymphoiden Or- 
sanen zähle, so geschieht es desshalb, weil ich auch hier Ablösung 
von Zellen und Entstehung freier Phagocyten für recht wahrschein- 
lich halte, nicht aber um den Begriff »lymphoide Organe« zu er- 
weitern (vgl. 10, p. 399). 

Besonders deutlich kann man diese beiden Gruppen Iymphoider 
Organe bei Travisia forbesi erkennen, weil hier die phagocytären 
Peritonealepithelzellen eine außerordentlich weite Verbreitung im 


Über Phagocytose und Exkretion bei den Anneliden. 509 


Körper haben und, wie mir scheint, alle in die Leibeshöhle vor- 
springenden Blutgefäße bekleiden. 

In Fig. 13 ist ein Theil eines Querschnittes durch ein Exemplar 
von Travisia forbesi wiedergegeben, dem 24 Stunden vor der Kon- 
servirung Karminpulver injieirt worden war. Zu sehen sind in dieser 
Zeichnung die schrägdurchschnittenen Innen- und Außenschenkel eines 
Nephridiums (» und x’), umgeben von den bereits erwähnten klaren 
Zellen mit kleinen dunklen Kernen (z), die die Leibeshöhle ausfüllen. 
Über dem Nephridium liegt eine Schicht Muskelfasern (m), die die 
Nierenkammer nach oben von der übrigen Leibeshöhle abgrenzt, und 
diesen Muskelfasern aufsitzend sehen wir einen Theil des zum 
Trichter dieses Nephridiums gehörenden lymphoiden Organs (lo), 
oder die »Lymphkörperdrüse« nach E. Meyer (4). Solche Iymphoide 
Organe finden sich je eines bei jedem Nephridium: also zehn Paare 
im Ganzen. 

In Fig. 8 ist das homologe Organ von Arenicola marina abge- 
bildet. Der Gonade (g) dicht anliegend sehen wir gegen den Trichter- 
eingang hin ein Iymphoides Organ (lo) sich erstrecken, dessen Zellen 
Karmin und Eisen aufgenommen haben. Gleich der Gonade sitzt es 
hier dem Trichterabschnitte des Nephridiums dicht auf. 

In Fig. 11 sehen wir einen anderen Theil eines Querschnittes 
von einem Nephridium (x) von Travisia forbesi im Zusammenhang 
mit einem Iymphoiden Organe (dl). Letzteres ist aber nichts weiter, 
als ein Blutgefäß, dessen aus großen drüsenartigen Phagocyten be- 
stehender Peritonealüberzug das phagocytäre Organ darstellt, und 
das hier an den Innenschenkel des Nephridiums herantritt. Die 
jedem Nephridium zukommende typische Lymphkörperdrüse ist in 
diesem Schnitte nieht getroffen worden und eben so wenig die Gonade. 
Der Spermatozoenhaufen (sp) hängt nur zufällig dem Nephridien- 
schenkel an. In den das Blutgefäß (2) bedeckenden Phagoeyten 
sieht man große und kleine Tuschekörner in regelloser Anordnung 
aufgehäuft. | 

In Fig. 14 ist der Querschnitt eines in der vorderen Hälfte der 
Leibeshöhle verlaufenden kleinen Gefäßes dargestellt, dessen Wand 
ebenfalls aus großen, großwabigen Zellen gebildet ist, die durchaus 
wie Chloragogenzellen aussehen, ein gelbes Pigment in Form von 
Körnern führen und ungelöstes Karmin aufgenommen haben. In der 
Umgebung liegen in großer Menge die klaren, strukturlosen Lymph- 
zellen (z), von denen fünf gezeichnet sind, und zwischen ihnen kleine 
phagocytäre Leukocyten. 


510 Guido Schneider, 


In Fig. 15 ist ein Schnitt durch die ventrale Wand des End- 
darmes mit dem ventralen Mesenterium, dem subintestinalen Blutge- 
fäße, davon abgehenden Seitenzweigen und lappenartigen Anhängen 
sezeichnet worden. Die Zellen der Peritonealumkleidung der Blut- 


. gefäße und der Anhänge haben reichlich Karmin offenbar phagoeytär 


aufgenommen. 

Es fungiren also bei Travisia forbesi Zellen, die den Chlora- 
sogenzellen der Oligochäten ihrem Inhalte und zum Theil wohl 
auch ihrer Lage nach entsprechen, noch als Phagocyten, während 
sie bei den Oligochäten, so weit bisher bekannt ist, nur der Auf- 
nahme gelöster Substanzen, der Aufspeicherung von Reservenahrung 
und Abgabe derselben in flüssigem Zustande an das Blut oder die 
Leibeshöhlenflüssigkeit ‚dienen. Ganz dasselbe sehen wir bei Are- 
nicola. Auch bei Arenicola sind die Hauptstämme, z. B. das Herz 
(Fig. 16) nebst den davon abgehenden Gefäßen mit hohen drüsigen 
Zellen besetzt, welche an die Chloragogenzellen der Oligochäten 
erinnern und dennoch phagocytäre Fähigkeiten, wie bei Travisia, 
besitzen. Bei keiner der übrigen bisher von mir untersuchten Poly- 
chätenspecies habe ich mit Sicherheit eine ähnliche Erscheinung fest- 
stellen können und muss daher vorläufig annehmen, dass bei Pecti- 
naria und den Terebelloiden die zweite Form Iymphoider Organe 
fehlt, nämlich die bei Arenicola und Travisia beobachteten phagocy- 
tären, chloragogenzellenartigen Peritonealüberzüge der Blutgefäße. 


Der Herzkörper. 


Über den Herzkörper, seinen Bau und seine vermuthliche Funk- 
tion ist kürzlich eine ausführliche Arbeit von James L. Pıcron (5) 
erschienen, in der auch meiner vorläufigen Mittheilung über das 
Vorkommen von Eisen in den Herzkörpern von Terebellides stroemi 
und Pectinaria Erwähnung geschieht (8), Seither habe ich nun ge- 
funden, dass auch die übrigen Species der Terebelloiden und Am- 
phieteniden, an denen ich die Funktion der Nephridien und phago- 
cytären Organe untersucht habe, Eisen im Herzkörper enthalten. 
Bei mtakten Exemplaren zeigte die Berlinerblaureaktion häufig, wenn 
auch nicht jedes Mal, Eisen in den Herzkörperzellen, das sich in 
rundlichen Körnchen findet, die sich intensiv bläuen und zwischen 
den grüngelben zerstreut sind, wie Figg. 6 u. 7 von Lanice conchilega 
zeigen. Die größten Ansammlungen von Eisen fand ich jedoch bei 
Peetinaria hyperborea, wo alle übrigen Theile der Herzkörperzellen 
derart von den .eisenhaltigen Körnchen verdeckt sind, dass man oft 


Über Phagoeytose und Exkretion bei den Anneliden. 511 


nur den Kern innerhalb einer blauen Körnchenmasse erkennen 
‘kann. 35 
Von den übrigen durch Injektion und Fütterung den Polychäten 
beigebrachten gelösten oder ungelösten Substanzen gelang es mir 
nicht eine Spur in den Herzkörperzellen zu entdecken mit alleiniger 
Ausnahme von Methylenblau, wovon ich nach zweitägiger Fütterung 
eine beträchtliche Menge im Herzkörper von Pectinaria antraf. Über 
das Vorkommen von Methylenblau bei Audouinia filigera wird weiter 
unten die Rede sein. 

Wegen der großen Ähnlichkeit der Herzkörperzellen mit den 
Chloragogenzellen der Oligochäten müsste man annehmen, dass auch 
andere leichtlösliche Farbstoffe, z. B. Indigokarmin, von ihnen, eben 
so wie von den Chloragogenzellen, aufgenommen werden. Indigo- 
karmin ist nun aber, wie wir früher sahen, in Seewasser nicht leicht 
löslich und kann daher dem Herzkörper höchstens eine grünliche 
Färbung verleihen, die er meistens schon von Natur hat. So besagt 
das Nichtgelingen des Experimentes noch nicht, dass Indigokarmin 
überhaupt nicht aufgenommen wird. 

Meiner Ansicht nach hat Pıcron (5, p. 295) Recht, wenn er im 
Anschluss an meinen Vergleich der Chloragogenzellen mit Leberzellen 
(9) den Vergleich noch weiter auf die Herzkörperzellen ausdehnt, 
indem er in Bezug auf die letzteren hinzufügt: »The analogy with 
the liver of Vertebrates is emphasised when the chloragogen is in 
the form of a heart-body; it is then situated in the stream of blood 
from the alimentary to the respiratory organs — in the portal blood, 
in fact; and it is reasonable to conclude that its functions play a si- 
milar part in the economy of the worm to that undertaken by the 
liver in as far as the latter may be regarded as a ductless gland.« 
- Es will mir nämlich scheinen, dass die grünlichgelben, die eisen- 
haltigen und andere Körnchen in den Herzkörperzellen nichts Anderes 
als aufgespeicherte Reservenahrung sind, eben so wie die fetthaltigen 
Körnehen, die sich durch Osmiumsäure schwarz färben, und dass 
alle diese Körnchen, eben so wie in den Chloragogenzellen, direkt 
von dem Protoplasma gebildet werden aus flüssigen Substanzen, die 
aus dem Blute bezogen werden. Das Aussehen und gegenseitige 
Verhältnis der Körnehen bei verschiedenen Individuen ist nämlich 
ungleich, was aus verschiedenen Ernährungszuständen erklärt werden 
kann. Auch die Farbe der Herzkörper wechselt bei derselben Art. 

Ich kann nun aber nicht verstehen, wie Pıcrox (5) bei Bespre- 


chung des Herzkörpers von Audouinia filigera hinsichtlich der Ent- 


Su Guido Schneider, 


stehung der Zellengranulation zu einer ganz abweichenden Ansicht 
kommt. Er beschreibt im Herzkörper von Audouinia filigera Hohl- 
räume, in denen sich meist ein bis acht runde oder haferkornförmige 
Körper (oat-shaped bodies) befinden. An diesen merkwürdigen Ge- 


'- bilden beschreibt Pıctox eine Art von Entwicklungsstadien, die etwa 


an die Sporenbildung einzelliger Parasiten erinnern kann. Anstatt 
nun wirklich selbständige Wesen in ihnen zu erblicken, lässt PıicToN 
den Inhalt eventuell austreten »into the ground-work, where it under- 
goes a transformation which gives rise to the rich granulation that 
characterises the heart-body« (p. 275 1. e.). Ich sehe nicht ein, 
warum die Granulation auf diesem seltsamen Wege entstehen sollte, 
da sie doch bei allen Anneliden vorkommt, bald im Herzkörper, bald 
in Chloragogenzellen, und zwar bei Arten, welche jene »oat-shaped 
bodies« nicht besitzen. Es kommen ja wohl auch sonst Parasiten, 
z. B. in den Chloragogenzellen von Regenwürmern vor (9, p. 387), 
aber Niemand wird sie für die Bildung von Körnchen oder Granula 
verantwortlich machen wollen. Die Lage des Herzkörpers mitten 
im Blutstrome, der von den Verdauungsorganen, die der Infektion 
leicht zugänglich sind, zu den Athmungsorganen führt, zwingt zur 
Annahme, dass hier Infektionskeime am ehesten sich entfalten können, 
gleich wie in der Leber der Vertebraten. 

Ich habe in Neapel gleichfalls Gelegenheit gehabt, die von PICToN 
bei Audouinia filigera beschriebenen oat-shaped bodies zu untersuchen, 
und bin zur Annahme geneigt, dass sie in der That Entwicklungs- 
stadien eines Parasiten sind. Sie sind es auch, welche sich nach 
Injektion von Methylenblau in die Leibeshöhle von Audouinia blau 
färben und daher bei flüchtiger Betrachtung den Schein erwecken, 
als werde diese Farbe vom Herzkörper selbst absorbirt. An Schnitten 
durch Exemplare, die mit Methylenblau injieirt und nach der BETHE- 
schen Methode mit molybdänsaurem Ammonium fixirt waren, fand 
ich die Herzkörperzellen ungefärbt, die vermuthlichen Parasiten aber 
tiefblau. 

Eisen wird in derselben Weise im Herzkörper von Audouinia 
filigera deponirt, wie bei den Terebelloiden, und wie ich in den 
Figg. 6 und 7 aus Schnitten von Lanice conchilega dargestellt habe, 
d.h. in spärlich zerstreuten Körnchen oder Kügelchen. 

Des Zusammenhanges wegen wurden die Figg. 6 und 7 bereits 
unter dem Kapitel »Nephridien und Herzkörper der Terebelloiden« 
kurz beschrieben und in Fig. 7 wurde die dichte Ansammlung von 
grüngelben Körnchen hervorgehoben, von welcher aus eine grüngelbe 


Über Phagoeytose und Exkretion bei den Anneliden. 513 


Infiltration der umliegenden Zellen stattfindet. Derartige Ansamm- 
lungen kommen besonders in den centralen Theilen des Herzkörpers 
oft vor und scheinen kein Ort für Granulabildung zu sein, ‘sondern 
im Gegentheil durch den Tod einer Zelle hervorgerufen zu werden, 
Bei den Oligochäten reißen sich oft Chloragogenzellen los, treiben 
eine Zeit lang passiv im Lymphstrome, gerathen entweder in ein 
phagocytäres Organ (vgl. 9, Fig. 5 cz), oder werden von vagirenden 
Phagocyten (Leukocyten) angefallen und vertilgst. Stirbt dagegen eine 
Herzkörperzelle ab, besonders im Centrum des Herzkörpers, so muss 
man annehmen, dass sie durch den Druck ihrer lebenden Nachbar- 
zellen zusammengepresst und zuletzt sammt ihrem sich verflüssigenden 
Inhalte aufgesogen wird. Absterbende Zellen der Randzone werden 
wahrscheinlich vom Blutstrome ergriffen und fortgeführt werden. 


Allgemeines. 


Fassen wir die Resultate meiner Untersuchungen über die Funk- 
tionen der Annelidennephridien zusammen, so ergiebt sich, dass die 
Nephridialzellen sehr vieler Ordnungen Phagocyten sind, dass aber 
die Phagocytose in den Nephridien der Anneliden keine allgemeine 
Verbreitung zu besitzen scheint, denn bei den Perichäten unter den 
kegenwürmern und bei vielen Polychäten habe ich noch keine Pha- 
gocytose in den Nephridien nachweisen können. Das beweist aber 
allerdings noch nicht, dass sie dort nicht vorkommen kann. Ferner 
zeigt die Untersuchung der Polychäten deutlich, dass gerade die am 
meisten exkretorisch thätigen Zellen, d. h. diejenigen, welche außer 
der in Vacuolen eingeschlossenen Flüssigkeit auch noch feste Exkrete 
(oder ausschließlich letztere) in Form kleiner kugelförmiger Körper 
abgeben, auch am meisten sich an der Phagocytose betheiligen. Das 
sind nämlich die Zellen der Innenschenkel der Nephridien. Bei 
Travisia sind sogar nur die Zellen der Innenschenkel phagoeytär, 
nicht aber die der Außenschenkel der Nephridien. 

Wie bei den Polychäten, so kann auch bei den limicolen Oligo- 
chäten von einem Innen- und Außenschenkel geredet werden. Der 
Innenschenkel der Polychäten entspricht demjenigen Abschnitte des 
Nephridiums der Limieolen, dem ich in meiner früheren Arbeit den 
Namen Filter gegeben habe, und der allein Phagocyten enthält 
(9, Taf. XVII Fig. 17). Vermuthlich besorgt auch dieser Abschnitt 
hauptsächlich die Exkretion, während der nicht phagoeytäre, von 
mir Ausführungsgang genannte Abschnitt, dem Außenschenkel ver- 
gleichbar ist. Sogar auf die terricolen Oligochäten lässt sich der 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Ba. 34 


914 Guido Schneider, | 


Vergleich noch ausdehnen, obgleich hier eine bedeutend weitere 
Differenzirung Platz gegriffen hat und jedes Nephridium, wie bekannt, 
bei den Lumbrieiden z. B. in eine ganze Reihe von verschieden ge- 
baute und daher wohl auch verschieden funktionirende Abschnitte 
zerfällt. Hinsichtlich der genaueren Beschreibung verweise ich auf 
die Arbeit von W.B. BenHam (1) und will hier nur kurz des Ver- 
gleiches wegen einige Punkte rekapituliren. Auf den Trichter folst 
ein ganz enger Kanal aus blassen Röhrenzellen bestehend, über 
dessen Funktion sich nichts Bestimmtes aussagen lässt. An diesen 
engen Kanal schließt sich ein etwas weiterer an, dessen Zellen 
phagocytär sind, und den ich als »Mittelstüick« in meiner oben ge- 
nannten Arbeit (9) mehrfach erwähnt und abgebildet habe, besonders 
mit Bezug auf die phagocytär von seinen Zellen aufgenommenen 
Fremdkörper. Es ist nun aber auch schon lange bekannt, dass eben 
dieser Abschnitt auch die festen Exkrete der Nephridien liefert. 
W.B. BenHam (1, p. 305) sagt von ihm: »In the living state this 
middle tube has a brownish, semiopaque appearence, and cilia can 
be seen actively moving within; under a hish power small pale 
yellowish spherules can be seen in the protoplasm of the cells 
(ig. 11), and it is to these spherules that this middle tube owes its 
opacity.« Dieselben Körperchen findet BeEnuAm auch im Lumen 
dieses Abschnittes, wohin sie also offenbar ausgeschieden werden. 

Der nächste bedeutend weitere Abschnitt ist nur ganz im An- 
fang phagocytär, scheidet zwar auch noch feste Exkretkörnchen 
aus, enthält aber dabei stark vacuolisirte Zellen (9, Fig. 15), die ver- 
muthlich neben den festen auch schon flüssige Produkte ausscheiden. 
Während also der vorhergehende Abschnitt sich durch seine phago- 
cytären und exkretorischen Eigenschaften physiologisch dem Innen- 
schenkel der Polychäten vergleichen lässt, so ist dieser letztere Ab- 
schnitt schon mehr dem Außenschenkel analog zu betrachten; er 
mündet durch den muskulären Abschnitt, der wahrscheinlich keine 
Exkrete liefert, nach außen. Feste Körper werden also, wie wir 
gesehen haben, entweder von allen Zellen beider exkretorischen 
Abschnitte der Nephridien phagocytär aufgenommen, z. B. bei Pecti- 
naria, Terebelloiden und Arenicola, oder nur von den Zellen des 
Innenschenkels, wie bei Travisia und den Oligochäten. Die Schei- 
dung in Innen- und Außenschenkel ist bei Arenicola übrigens nicht 
deutlich erkennbar. 

Hinsichtlich der Ausscheidung künstlich durch Injektion oder 
Fütterung beigebrachter leichtlöslicher Stoffe hat sich ergeben, dass 


Über Phagocytose und Exkretion bei den Anneliden. 515 


dieselben Zellen, welche Fremdkörper phagoeytär aufnehmen und 
feste und flüssige Exkrete ausscheiden auch gelösten Karmin durch 
sich hindurch passiren lassen. Das zeigen die Versuche mit Injek- 
tion und Fütterung von karminsaurem Ammoniak und besonders 
deutlich der oben (p. 502) erwähnte Fütterungsversuch bei Peetinaria. 

Die Versuche an Oligochäten hielt ich bisher noch nicht für 
einwandfrei, weil der Ammoniakkarmin, den ich früher anwandte, 
leicht Niederschläge giebt, die phagocytär aufgenommen werden 
können. Aber bei einem so günstigen Objekte, wie Pectinaria, wo 
man durch Zerzupfen Theile lebender Nephridienzellen isoliren kann, 
habe ich mich vollkommen überzeugt, dass Karmin gelöst durch die 
Nephridien ausgeschieden wird. 

Karminsaures Ammoniak wird sowohl bei den Oligochäten, als 
auch bei den Polychäten in allen Phagocyten gefunden. Nicht so 
das Eisen. Nach Injektion von Ferrum oxydatum saccharatum fand 
ich bei Peetinaria nur ganz geringe Spuren, bei den Terebelloiden 
niemals Eisen in den Nephridien, sondern nur im Herzkörper. Are- 
nicola und die Lumbrieiden (Travisia hat leider keine Eiseninjektion 
erhalten können) enthalten dagegen unter sonst gleichen Umständen 
massenhaft Eisen in den Zellen ihrer phagocytären Nephridienab- 
schnitte. Ich habe früher gezweifelt, dass das Eisen in den ge- 
nannten Nephridienabschnitten nach außen ins Lumen ausgeschieden 
wird, und in Erwägung gezogen, dass es vielleicht in der Leibeshöhle 
ausgefällt und dann phagocytär aufgenommen sein könnte. Das Nicht- 
vorkommen von Eisen in den Phagocyten der Nephridien von Terebel- 
loiden und, man kann auch sagen, von Pectinaria (da es hier nur in 
ganz schwachen Spuren auftritt, die einen Irrthum nicht ausschließen) 
beweist aber, dass es in der Regel nicht auf phagocytäre Weise 
in die Nephridienzellen gelangt, sondern höchst wahrscheinlich, dort 
wo es vorkommt, gelöst ausgeschieden wird. Es müsste denn sonst 
in allen Phasoeyten zu finden sein, die sonst alle festen todten Körn- 
chen, welche in ihre Nähe kommen, in sich aufnehmen und gar nicht 
wählerisch sind. 

Da das Eisen schon in der Natur so weit verbreitet ist, ver- 
suchte ich anstatt seiner die in der Einleitung beschriebene Uran- 
lösung zu injieiren. Die Versuche sind bisher nur an Lumbrieiden 
der Gattung Allolobophora gemacht worden. Bei Behandlung der 
Schnitte mit einer Mischung von Pikrinschwefelsäure und 4°/,iger 
Lösung von Ferroeyankalium zu gleichen Theilen bräunte sich der 
distale nichtphagocytäre Theil des exkretorischen Abschnittes, doch 

34* 


516 Guido Schneider, 


fand ich den bräunlichen Niederschlag nicht in den Zellen, so dass 
ich nur sagen kann, dass auch Uran durch die Nephridien ausge- 
schieden wird, aber nicht sicher angeben kann, durch welchen Ab- 
schnitt. 

Übrigens wird normaler Weise Eisen nie in den Sesmental- 
organen gefunden, wenn es nicht im Überschusse dem Wurme durch 
Injektion beigebracht worden war. Es wird offenbar durch den 
Darm nicht mehr Eisen aufgenommen, als der Körper braucht und 
vorräthig in den Chloragogenzellen, resp. Herzkörperzellen aufspei- 
chern kann. 

Hinsichtlich des normalen Modus der Sekretion durch die Ne- 
phridienzellen komme ich zu denselben Resultaten, wie sie PH. 
SCHOPPE (11, p. 436) in folgenden Worten ausspricht: »Die Harn- 
kügelchen treten im ganzen Zellleibe auf; der Kern ist direkt in 
keiner Weise betheiligt. Die secernirende Zelle geht nicht, wie bis- 
her angenommen wurde, zu Grunde. Das Sekret wandert aus der 
Zelle aus, vielleicht unter Mitnahme eines Theiles des Protoplasmas; 
der etwaige dadurch entstehende Verlust wird durch Ergänzung des 
noch Vorhandenen ausgeglichen. Ein Alterniren der verschiedenen 
Nierentheile ist darum nicht unbedingt nothwendig.« Solch ein Alter- 
niren scheint bei den Anneliden, eben so wie bei den Vertebraten, 
ausgeschlossen zu sein. Auch die einzelnen Zellen, welche feste 
Exkretionskörnchen bilden, scheinen ohne Pause zu secerniren. Nur 
diejenigen Zellen, besonders im Außenschenkel, welche oft so große 
Flüssigkeitsansammlungen aufweisen, dass die Nachbarzellen ganz 
durch sie komprimirt werden, scheinen mit den erwähnten Nachbar- 
zellen zu alteıniren. E. MEYER (4, p. 615) lässt die Frage offen, ob 
sich diese zusammengedrückten Zellen regeneriren können, oder ob 
sie zu Grunde gehen. Ich meine, sie funktioniren weiter, weil ihre 
Kerne durchaus keine Anzeichen von Degeneration aufweisen und ihr 
Protoplasma Fremdkörper phagocytär aufnimmt. 

Die Ausstoßung der festen Exkretkörner scheint ein ganz merk- 
würdig komplieirter Vorgang zu sein. Dieselben Zellen, welche die 
festen Exkrete liefern, sind, wie wir gesehen haben, meist zugleich 
Phagoeyten. Injieirt man ein Pulver in die Leibeshöhle, so füllen 
sich in kurzer Zeit alle diese Zellen mit Fremdkörpern, die weit in 
das Innere eindringen, Anfangs jedoch an den dem Lumen zuge- 
kehrten Enden der Zellen bemerkt werden. Das deutet auf be- 
deutende Protoplasmaströmungen hin, die in den Zellen stattfinden 
müssen, aber wegen der Kleinheit des Objektes bisher noch nicht 


Über Phagocytose und Exkretion bei den Anneliden. 517 


im Leben betrachtet werden konnten. Ferner muss ein reger Aus- 
tausch von Stoffen zwischen dem Lumen des Nephridialkanales und 
dem Innern der Zellen stattfinden — ein mehrfaches Ein- und Aus- 
treten von Stoffen, ähnlich wie es AnoLr Schamipr (vgl. 7 und 10) 
in der Wirbelthierniere vermuthet hat. In wie weit dabei Pseudo- 
podien gebildet werden, ist schwer zu entscheiden, da sie sich nicht 
sehr von den Cilien und Geißeln auf Schnitten unterscheiden werden 
und möglicherweise sogar mit ihnen identisch sind. Es kann eben 
sein und ist recht wahrscheinlich, dass Cilien, an denen Fremdkörper 
kleben, eingezogen werden. Man sieht recht oft Cilien in allen 
möglichen Verkrümmungen und Knickungen mit daran haftenden 
Tusche- oder Karminkörnchen. 

Die Iymphoiden Organe der Polychäten und Oligochäten gleichen 
einander nur in einem Punkte: darin nämlich, dass sie sowohl bei 
den polychäten, als auch bei den, oligochäten Anneliden nichts 
Anderes als modificirtes Peritonealepithel sind. Die physiologischen 
Leistungen sind die gleichen, aber an eine Homologie ist nicht zu 
denken. Es sind ja nicht einmal die lymphoiden Organe der ein- 
zelnen Oligochätenfamilien unter einander homolog (vgl. 9). Unter 
den Polychäten sehen wir dagegen eine Art Iymphoider Organe weit 
verbreitet. Das sind die von E. Meyer (4) so benannten Lymph- 
körperdrüsen. Durch ihre weite Verbreitung, Konstanz und nahe 
Beziehung zu den Gonaden machen diese Lymphkörperdrüsen den 
Eindruck morphologisch alter Gebilde, während alle übrigen lym- 
phoiden Organe der Anneliden cänogenetisch zu sein scheinen. 

Interessant sind die phagocytären Eigenschaften der Chloragogen- 
zellen bei Travisia und Arenicola und erfordern noch weitere Unter- 
suchungen an nahestehenden Annelidengruppen. Bei den echten 
Chloragogenzellen der Oligochäten habe ich niemals Phagocytose be- 
obachtet. Sie fallen, wenn sie von ihrer Anheftungsstelle einmal 
losgerissen worden sind, der Vernichtung anheim. Bei Arenicola 
und Travisia dürften die chloragogenzellenartigen Phagocyten zu 
Wanderphagocyten werden können, eben so wie die gleichfalls dem 
Peritonealepithel entstammenden Leukocyten. - Es lässt sich nämlich 
nicht annehmen, dass sie, wenn sie einmal von ihrer Anheftungsstelle 
sich losgerissen haben, ihre phagocytäre Natur sofort verlieren und 
absterben. Gewiss sind sie im Stande eine vielleicht kurze Zeit als 
freie Phagocyten in der Leibeshöhle zu existiren. 

Am meisten scheinen den Chloragogenzellen der Oligochäten die 
Zellen des Herzkörpers analog zu sein, doch konnte leider bisher 


518 Guido Schneider, 


noch nicht festgestellt werden, ob sie nicht auch phagoeytär sind, da 
es nicht gelang, ungelöste Stoffe in Pulverform in die Blutbahn solcher 
Anneliden mit Herzkörper zu bringen. 


Meinem hochverehrten Chef und Lehrer Herın Geheimrath A. 
Kowarevsky und den Herren Professoren J. A. PALMEN und W.M. 
SCHIMKEWITSCH spreche ich hier zum Schluss meinen verbindlichsten 
Dank aus für Erwirkung von Arbeitsplätzen auf den Zoologischen 
Stationen zu Neapel, Esbo-Löfö und Solowetzk. Herrn Dr. S. Lo 
Bıanco in Neapel bin ich noch besonders dankbar für Beschaffung 
des zur vorliegenden Arbeit verbrauchten, sehr umfangreichen Anne- 
lidenmaterials. 


Sebastopol, im Mai 1899. 


Litteratur. 


W. B. BEnHAm, The Nephridium of Lumbrieus and its Bloodsupply; with 
Remarks on the Nephridia in other Chaetopoda. Quart. Journ. Mier. 
Se. Vol. XXXII. p. 293—334. 1891. 
2. A. BETHE, Eine neue Methode der Methylenblaufixation. Anat. Anz. Bd. XII. 
p. 438—446. 1896. 
3. A. KOWALEVSKY, Etudes biologiques sur les Clepsines. M&moires de l’Aca- 
d&emie Imp. des Se. St. Pötersbourg. Ser. VIII. Vol. V. No.3. 1897. 
EDUARD MEYER, Studien über den Körperbau der Anneliden. Mittheil. aus 
der Zool. Stat. zu Neapel. Bd. VII. p. 592—741. 1887. 
5. J.L. PıcTon, On the Heart-body and Coelomie Fluid of certain Polychaeta. 
Quart. Journ. Mier. Sc. Vol. XLI. p. 263—302. 1898. 
E. G. RAcowıtzA, Sur le röle des Amibocytes chez les Annelides poly- 
chetes. Compt. rendus hebd. de l’Academie des Se. Paris. Vol. CXX. 
p. 464—467. 1895. 
7. A. Semmpr, Zur Physiologie der Niere. PrLüger’s Archiv. Bd. XLVII. 
1891. 
8. GUIDO SCHNEIDER, Über die Segmentalorgane und den Herzkörper einiger 
Polychäten. Arb. d. Kaiserl. Naturf. Ges. St. Petersburg. Bd. XXVII. 


[. 
° 


be 


= 


1897. 

9. —— Über phagocytäre Organe und Chloragogenzellen der Oligochäten. 
Diese Zeitschr. Bd. LXI. p. 363—392. 1896. 

10. —— Über die Niere und die Abdominalporen von Squatina angelus. Anat. 


Anz. Bd. XIII. p. 393—401. 1897. 
11. PH. SCHOPPE, Die Harnkügelchen bei Wirbellosen und Wirbelthieren. Anat, 
Hefte von MERKEL u. BONNET. Bd. VII. p. 407—439. 1897, 


Über Phagocytose und Exkretion bei den Anneliden. 519 


Erklärung der Abbildungen, 


Tafel XXXV. 


Fig. 1. Von Peetinaria auricoma, zwei Tage in Methylenblau-See- 
wasserlösung und darauf vier Tage in reinem, fließenden Seewasser gehalten, 
Stück einer zerzupften Nephridienzelle. Blau ist der Inhalt der Vaeuolen, gelb 
sind die Exkretkörnchen gezeichnet. Vergr. ca. 700/1. 

Fig. 2. Von einer jungen Pectinaria auricoma, die 20 Stunden 
nach einer Tuscheinjektion in die Leibeshöhle getödtet wurde, Schnitt durch 
ein Nephridium. Schwarz sind die Tuschekörnchen, gelb die Exkretkörnchen 
sezeichnet. Vergr. 730/1. 

Fig. 3. Von Polymnia nebulosa, 24 Stunden nach einer Tuscheinjek- 
tion in die Leibeshöhle getödtet, Schnitt durch die Wand eines Außenschenkels 
des ersten Nephridienpaares. Farben wie in Fig. 2. Vergr. 600/1. 

Fig. 4 Von Terebellides strömi, junges Exemplar 24 Stunden nach 
einer Tuscheinjektion in die Leibeshöhle getödtet, Schnitt durch die Wand 
eines Innenschenkels des ersten Nephridienpaares. Farben wie in Fig. 2. Ver- 
srößerung 600/1. 

Fig. 5. Von Lanice conchilega, 24 Stunden nach einer Injektion in 
die Leibeshöhle von Tusche und Ferrum oxydatum saccharatum getödtet, Schnitt 
durch die Dorsalwand eines hinteren Nephridialganges. Farben wie in Fig. 2. 
Vergr. 600/1. 

Fig. 6. Dasselbe Exemplar, wie in Fig. 5. Schnitt aus dem Rande eines 
Herzkörperzipfels.. Blau sind die eisenhaltigen, gelb die eisenfreien grünlich- 
gelben Körnchen gezeichnet. Vergr. 600/1. 

Fig. 7. Dasselbe Exemplar, wie in Fig. 5. Schnitt aus dem Inneren des 
Herzkörpers. Sonst Alles wie in Fig. 6. 

Fig. 88 Von Arenicola marina, 48 Stunden nach einer Injektion von 
Karmin und Ferrum oxydatum saccharatum in die Leibeshöhle getödtet, Schnitt 
durch den Anfangsabschnitt eines Nephridiums (r) mit Gonade (g) und lymphoi- 
dem Organ (Lymphkörperdrüse) (lo). dl, Blutgefäß; m, Muskulatur. Die Kar- 
minkörnchen sind roth, eisenhaltige Körnchen blau gezeichnet. Vergr. 140/1. 

Fig. 9. Von demselben Exemplar wie in Fig. 8. Schnitt aus der Wand 
des Anfangsabschnittes («) und des Mitteltheiles (d) eines Nephridiums. 52, Blut- 
sefäß; U, Leukoeyten; /, absterbende Leukocyten. Vergr. 600/1. 

Fig. 104. Von Arenicola marina, eine Stunde nach Injektion von Kar- 
min und lebenden Spermatozoen von Polycarpa rustica in die Leibeshöhle ge- 
tödtet, Schnitt durch die Wand eines Nephridiums. Vergr. 600/1. 

Fig. 102. Dasselbe von einem Exemplare, welches 24 Stunden nach der 
gleichen Injektion getödtet wurde. Karminkörnchen roth. Vergr. 600/1. 

Fig. 11. Von Travisia forbesi, 24 Stunden nach einer Tuscheinjek- 
tion in die Leibeshöhle getödtet, Schnitt durch die Wand des Innenschenkels 
_ eines Nephridiums (»). dl, Blutgefäß; sp, Spermatozoen. Vergr. 500/1. 

Fig. 12. Von demselben Nephridium, wie in Fig. 11, Schnitt durch die 
Wand des Außenschenkels. Vergr. 500/1. 

Fig. 13. Von Travisia forbesi, 24 Stunden nach einer Karmininjek- 


590 Guido Schneider, Über Phagocytose u. Exkretion bei den Anneliden. 


tion in die Leibeshöhle getödtet, Schnitt durch den Innenschenkel (r») und den 
Außenschenkel (n’) eines Nephridiums nebst Iymphoidem Organ (Lymphkörper- 
drüse) (lo). m, Muskelfasern; z, nichtphagocytäre Lymphzellen. Vergr. 100/1. 

Fig. 14. Von demselben Exemplare, wie in Fig. 13, Schnitt durch ein 
kleines Blutgefäß (d2) aus dem Vorderende. Karminkörnchen sind roth, das 
„natürliche Pigment ist gelb gezeichnet. /, Leukocyt; z, nichtphagocytäre Lymph- 
zellen. Vergr. 500/1. 

Fig. 15. Von demselben Exemplare, wie in Fig. 13, Querschnitt durch die 
ventrale Wand des Enddarmes mit anhängendem Subintestinalgefäße und von 
ihm abgehenden Seitenzweigen. Vergr. 340/1. 

Fig. 16. Von Arenicola marina, 24 Stunden nach einer Karmininjek- 
tion in die Leibeshöhle getödtet, Schnitt durch die Wand des Rückengefäßes. 
Karminkörnchen roth. Vergr. 500/1. 


Über die Temperatur der Insekten nach Beobachtungen 
in Bulgarien. 
Von 
Prof. P. Bachmetjew. 


Mit 5 Figuren im Text. 


(Aus dem physikalischen Institute der Hochschule in Sophia.) 


Geschichtliche Übersicht. 


Die Frage über die Temperatur der Insekten interessirte seit langem die 
Gelehrten. Ich werde hier die Ergebnisse ihrer einschlägigen Arbeiten in 
ehronologischer Reihenfolge folgen lassen. 

Der Erste, der mit dieser Frage sich befasste, war REAUMUR (1734—1742, 
50%. Er fand, dass die Raupen Vanessa cardui, geköpft und nicht geköptt, 
auch bei —15° R. nicht einfroren. Der Autor erwähnt jedoch nicht, wie lange 
die Wirkung der Kälte andauerte. 

Die Beobachtungen mit unterirdischen Puppen vieler Schmetterlinge zeig- 
ten, dass dieselben bei — 7° bis — 8° nicht sterben. Sogar Puppen, welche sich 
- in freier Luft befinden, wie z.B. Pieris brassicae, sterben nicht bei — 16°. 

Als er die Temperatur in einem Bienenstock untersuchte, fand er in dem- 
selben im Monat Mai 2=-+ 31° R. Im Januar war diese Temperatur + 10°, 
während die Temperatur der äußeren Luft gleich — 3° war. Dieselben Resul- 
tate gab auch ein gläserner Bienenstock. 

Welche Temperatur ein Insektenei ohne Schaden zu leiden aushalten kann, 
ist aus den Versuchen JOHN HunTer’s (1792, 30) mit Hühnereiern ersichtlich, 
welche ihrer Konsistenz nach wohl denjenigen der Schmetterlinge ähnlich sind. 
Sie erfroren bei ihm erst bei —15° F. = ca. — 26° C. 

Im Jahre 1800 stellte Jucz (1800, 31) Wärmeentwicklung in einem Ameisen- 
haufen fest. | 

Der Erste, der die Temperatur einzelner Insekten, also nicht im Haufen, 
feststellte, war HAUSMAnN (1803, 24). Er legte eine Sphinx convolvuli inein 
Glasgefäß mit einem kleinen Thermometer. 2 der Luft im Glase, Anfangs bei 
17° R., stieg nach einer 1/, Stunde bis 19° und fiel bald nachher wieder bis 17°. 

Die Versuche mit Carabus hortensis gaben dieselben Resultate. 

SPALLANZANI (1803, 59) machte die Beobachtung, dass die Eier des Bom- 
byx rubi während 5 Stunden — 39° C. und sogar — 50° aushalten können, ohne 
Schaden für die Entwicklung zu nehmen. 


! Die Zahlen hinter den Erscheinungsjahren nach den Autorennamen be- 
ziehen sich auf das am Schluss befindliche Litteratur-Verzeichnis. 


599 P. Bachmetjew, 


F. HuBEr (1792—1814, 27) untersuchte die Temperatur eines bewohnten 
Bienenstockes. Derselbe konnte hermetisch zugemacht werden. Sobald der 
Stock mit den Bienen zugemacht wurde, kühlte sich die innere Luft bis zur 
Temperatur der äußeren ab, sonst aber war die Temperatur im Inneren des 
Bienenstockes höher als die der äußeren Luft. Der Autor erklärt diese Er- 


'- scheinung durch Ersticken der Bienen, da sie thatsächlieh solehe Symptome 


zeigten. Als der Verkehr der inneren Luft mit der äußeren wieder hergestellt 
war, stieg die Temperatur im Inneren des Bienenstockes wieder. 

P. Huger (1810, 25) fand ebenfalls, dass die Ameisen und ihre Milchkühe 
bei — 2° R. einfrieren. 

REGNAULT (1819, 51) brachte Maikäfer in einen Sack mit freier Luftventi- 
lation und fand in demselben die Temperatur um 2° R höher als diejenige 
der umgebenden Luft. 

Die innere Körpertemperatur der Insekten wurde zuerst von J. Davy 
(1826, 8) festgestellt. Er führte in den Körper der Insekten ein kleines Queck- 
silber-Thermometer ein und fand: 


Luft: Insekt: 

Blatta orientalis 2) 23,90 
> > 23,3 23,9 
Grille 16,7 22,5 
Wespe 23,9 24,4 
> 24,3 25,0 
Leuchtwurm 22,8 23,0 
> 26,6 25,8 


Im Jahre 1817 beobachtete RENGGER (53) in einem mit Insekten gefüllten 
Thongefäße die Lufttemperatur und stellte fest, dass sie höher als diejenige der 
umgebenden Luft ist. 

Seit 1831 beginnt die Anwendung der Thermoelektrieität zum Studium 
der t der Insekten. So haben NopgiLı und MELLoNI (47) mit Hilfe einer thermo- 
elektrischen Batterie, welche aus Wismuth- und Antimoniumstäbchen bestand, 
eine Reihe Versuche über die Temperatur der Raupen, Puppen und Schmetter- 
linge gemacht; dabei berührten die einen Löthstellen der Stäbchen den In- 
sektenkörper, die anderen blieben frei.. Sie kamen hierbei zu dem Resultate, 
dass die Temperatur eines Insektes höher als diejenige der umgebenden Luft, 
und die Temperatur der Raupen höher als die der Schmetterlinge und Puppen ist. 

RATZEBURG (1832, 4) behauptet, dass die Temperatur in einem Bienen- 
stock im Winter 20° R. beträgt. 

BERTHOLD (1835, 3) fand, dass die Temperatur des Geotrupes sterco- 
rarius höher ist als diejenige der umgebenden Luft. 

Mussenu (1836, 43) hat ermittelt, dass die einzelne Biene (Apis mellifica) 
bei +5° R. erstarrt, während sie in Gesellschaft auch bei einer inneren Tempe- 
ratur des Bienenstockes von — 1° nicht erfriert. 

Bis zur Zeit ist die Temperatur der Insekten noch nicht ein Gegenstand syste- 
matischer Forschungen gewesen, jedoch, als das faktische Material sich anhäufte, 
stieg das Interesse fiir ähnliche Forschungen, und unter den Entomologen und 
Physiologen begannen sich Leute zu finden, welche sich zur speciellen Aufgabe 
machten, die eigenthümliche Temperatur der Insekten zu erforschen. 

Im Jahre 1837 veröffentlichte GEORGE NEWPORT (44), Mitglied der könig- 
lichen Gesellschaft (Royal Society) in London, seine ausgedehnten Forschungen 


Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 523 


über die Temperatur der Insekten unter dem Titel: »On the Temperature of 
Inseets, and its connexion with the Functions of Respiration and Circulation 
in this class of Invertebrated Animals.< Bei seinen Forschungen bediente er 
sich eines FARENHEIT-Quecksilber-Thermometers, welches entweder in das mit 
Insekten gefüllte Gefäß gestellt wurde und somit die Temperatur der inneren 
Luft zeigte, oder an den Insektenkörper angelegt wurde. Nur einmal 
führte er sein Thermometer in den aufgeschlitzten Magen eines Maikäfers 
(Melolontha vulgaris) hinein und fand die Temperatur — 63,3° F., während 
die Temperatur der umgebenden Luft = 61,3°F. war. Diese Temperatur blieb 
während 10 Minuten ständig und begann nachher zu fallen. 

Der Autor fand, dass die Temperatur eines Insektes im Zustande der 
Ruhe stets niedriger als bei seiner Bewegung ist. Ich gebe hier einige Beispiele: 


Cerura vinula (Tabelle V bei NEewProrr). 


Differenz: 


April 22 p.m. 4h 0,2° 1), Stunde nach dem Entpuppen. 

April 22 p.m. 4 0,3 Bewegt sich leicht. 

April 22 p.m. 5ia 0,6 Etwas aufgeregt. 

April 22 p.m. 61a 1,2 Etwas mehr aufgeregt. 

Be am, 10 ne Ne einiger Stunden, bewegt sich aber 

April 23 a.m. 73/4 2,5 Beginnt sich aufzuregen. 

April 23 m. 8 . 3,7 Starke Aufregung. 

23 2m. 10 22 War während 2 Stunden ruhig, beginnt sich aufzu- 
regen. 

April 23 p.m. 21; 1,1 Ruhig während einiger Stunden. 

April 23 p.m. 2h20’ 5,0 Sehr stark aufgeregt. 

April 23 p.m. 21» 6,6 Außerordentlich aufgeregt wie bei schnellem Fluge. 


Hier sind in der Spalte unter »Differenz« die Grade nach FARENHEIT ge- 
seben, welche zeigen, um wie viel Grad das Insekt wärmer als die Luft war 
(die letztere verblieb fast stets bei 64° F.). 


Lucanus cervus (bei Newrorr Tab. V]). 


i der Luft: t des Insektes: Differenz: 
Um 7h 67,0° 67,3° 0,3° Ruhig. 
» 91, 66,9 67,4 0,5 Beginnt sich aufzuregen. 
» 101/g 66,6 68,6 2,0 Aufgeregt. 
» 103), 66,6 69,2 2,6 Sehr aufgeregt. 
» 4 71,0 ul) 0,5 Fast ruhig. 


NEWPORT unterwarf den Versuchen mehr als 30 Insektenarten, wobei 
einige in verschiedenen Entwicklungsstadien. 
Ich werde hier nur diejenigen anführen, für welche der Autor Ziffern giebt. 


Die Temperatur der Insekten war höher als 


Ortho ptera: diejenige der umgebenden Luft um: 
NO BIdissima ne NEL ESELIOE 
Hymenoptera: 
Bompnlsr tertestuisel 3.8 RER 655 


» SuBaveaumen DILL. SuSE nd TO 


524 P. Bachmetjew, 


Die Temperatur der Insekten war höher als 
diejenige der umgebenden Luft um: 


Bombus lapidarius. .:. . ... .... ses 
>  "MUSCOTUM ° .:. . u... uch. So ee 
>»... Jonella 2... 0. 0000000 ee: 

Lepidoptera: 

Sphinx lieustri $= .. ..... . 0 0 ln 

» » Oi ee el a ne ER vr 
Coleoptera: 

Melolontha vulgarıs I... 2 Er 
Ya >». VI... 0. 200 
>» solstitialis Tl. .... 2.2 See 
> > Ve. ee et 
> > IX, 30... once es 
> >» XVII. 00. 200 eo 

Coceinella 7-punetata . . . . . 2... 2703 

Proscarabaeus violaceus . . . . ... 72706 

» vulgaris... .... 2% 0000 Be 

Staphylinus olens.. - ., . . 2.2 2 em 
» eTythropterun ... ., 2 a 

Carabug nemoralis:. . . „2... 02, SR 
>» = monllis .ı .“® „0.0. 1000 ee 
>; „vlOlaCEeUS. u... 2 

Blaps mortisaga. ".. ..... 0000 Deo 


Auf Grund dieser Daten kommt NEWPORT zu dem Schlusse, dass fliegende 
Insekten eine höhere Temperatur haben als die kriechenden, obgleich die 
einen sowie die anderen in Ruhe waren. Außerdem findet er, dass die Tempe- 
ratur der Raupe stets niedriger als die Temperatur der entwickelten In- 
sekten ist. 

Weitere Forschungen führten den Autor zur Feststellung der Thatsache, 
dass die Temperatur der Insekten mit der Zunahme der Athmungsbewegungen 
sich hebt, eben so bei Zunahme der Pulsationen; sie sinkt aber bei Mangel an 
Nahrung. 

Drei Jahre nach der Veröffentlichung der Forschungen NEWPORT's erschien, 
dieselbe Frage betreffend, die Abhandlung DUTROCHET’s (1840, 14): »Recherches 
sur la chaleur propre des &tres vivants & basse temperature« (Chapitre II I. 
Recherches sur la chaleur propre des animaux & basse temp£rature). 

Dieser Autor bediente sich schon bei seinen Forschungen eines elektri- 
schen Thermometers (13), aus Nadeln bestehend, von zwei Metallen: Anti- 
monium und Wismuth zusammengelöthet. Eine dieser Nadeln wurde in den 
Körper des Insekts, dessen Temperatur man ermitteln wollte, gesteckt, die 
andere wurde in Papier gewickelt oder in den todten Körper eines Insekts 
derselben Species gesteckt. Beide Nadeln waren unter sich und mit dem 
Multiplikator mittels Drähten vereinigt. 

Aus der folgenden kurzen Beschreibung des Versuches mit einer wilden 
Biene (Bombus lapidarius) ist der Gang der Versuche des Autors ersichtlich: 

Die Biene wurde mittels eines Fadens an einem Stock befestigt, wobei in 
ihren Leib die oben erwähnte Nadel in der Tiefe von 5 mm hineingesteckt 
wurde (der Leib war li cm dick). Die andere Nadel wurde in Papier einge- 


Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 525 


wickelt, um sie vor Strahlung zu schützen. Die Lufttemperatur war während 
4 Stunden konstant (19,2° C.). Dieser Versuch ergab, dass das Insekt um 
0,18° C. kälter war, als die umgebende Luft. Der Verfasser glaubt, dass dies 
in Folge der Verdunstung beim Athmen geschah, da dieselbe Biene in einer 
mit Wasserdampf gefüllten Glasglocke eine um 0,18° höhere Temperatur be- 
saß, als diejenige der Luft war. Als die Glocke entfernt wurde, ergab sich die 
Temperatur des Bienenkörpers um 0,25° und nicht, wie früher, um 0,18° tiefer 
als diejenige der umgebenden Luft. Diesen letzteren Umstand erklärt der Ver- 
fasser durch die Verdunstung der sich auf den Haaren des Insektes nieder- 
schlagenden Feuchtigkeit. 

Alle darauf folgenden Versuche führte DUTROCHET daher in der freien 
Luft und unter der mit Wasserdampf gefüllten Glasglocke aus. 

Ich lasse hier die vom Verfasser erhaltenen Werthe folgen: 


Temperaturüberschuss des Insektes über die Lufttemperatur 


in der freien Luft: unter der Glasglocke: 

Bombus terrestris _ 0,250 €. 
»  hortorum _ 0,25 
Xylocopa violacea _ 0,25 
Melolontha vulgaris 0,09° 0,18 
>» »  (larva) 0,04 — 
» solstitialis 0,09 0,25 
Lueanus cervus 0,10 0,22 
> >» bei der Bewegung 0,31 — 
Carabus monilis — 0,03 bis — 0,06 0,18 
» auratus — 0,03 bis —- 0,06 0,18 
Blaps mortisaga — 0,03 bis — 0,06 0,12 
Cetonia aurata 0,25 0,25 
Chrysomela tenebricosa 0,12 0,34 
Geotrupes vernalis I — 0,12 0,18 
» > II — 0,12 

Gryllus viridissimus — 0,06 bis — 0,01 0,31 bis 0,34 
» verrucivorus - 0,40 
> » nach Stägig. Hungen — 0,22 
> campestris — 0,40 
> srylliotalpa — 0,16 
Sphinx stellatarum! _- 0,29 
> » (larva) — 0,11 
»  atropos (ohne Bewegung) — 0,58 

»  tiliae (Raupe unmittelbar 

vor der Verpuppung) — 0,43 


Die Lufttemperatur betrug dabei im Durchschnitt 18° C. 

Außerdem wurden Versuche mit Bombus hortorum angestellt, wobei 
die thermoelektrische Nadel nicht in den Körper hineingesteckt, sondern nur 
an den Leib angedrückt wurde. Das Insekt wurde in durchsichtigen Gaze- 
stoff eingewickelt und befand sich dabei in großer Aufregung. Die Tempera- 
tur des Insektes gegenüber derjenigen der umgebenden Luft war unter diesen 


i Ich lasse hier die alten Benennungen der Insekten so stehen, wie sie 
beim Verfasser angeführt sind. 


5236 P. Bachmetjew, 


Umständen um 0,5° höher. Als dasselbe sich beruhigte, war seine Temperatur 
0,03° unter der Lufttemperatur. 

Auf diese Weise geht aus den Versuchen DUTROCHET’s hervor, dass die 
Insekten (Bombus hortorum und Lucanus cervus) in der Bewegung 
höhere eigene Temperatur besitzen, als wenn dieselben im Ruhezustande sich 


- befinden, und dass die Temperatur der Larven (Melolontha vulgaris, Sphinx 


stellatarum) geringer ist, als bei entwickelten Insekten. Die Temperatur 
der Insekten im Ruhezustande ist fast immer derjenigen der umgebenden Luft 
gleich. 

Darauf folgt wieder eine Reihe kleiner Versuche. 

Nıcorer (1841, 46) fand, dass Podura similata, indem dieselbe für einige 
Sekunden ins Wasser bei + 25° bis + 38° C. eingetaucht wurde, zu Grunde 
ging. In der Luft tritt der Tod bei + 35° ein. 

Diese Thiere wurden zum Gefrieren gebracht und noch weiter bis — 11° 
abgekühlt, wobei sie bei dieser Temperatur 12 Stunden lang lagen. Nachdem 
dieselben langsam aufgethaut wurden, kamen sie nach einer Stunde wieder zum 
Leben und liefen davon. Andere Exemplare, auch eingefroren und während 
10 Tagen in diesem Zustande gelassen, wurden nach dem Aufthauen wieder 
lebendig. 

BECQUEREL (1844, 2) führte die Versuche mit einem Quecksilberthermo- 
meter und mit einer thermoelektrischen Nadel aus. Er beobachtete die Tempe- 
ratur im Inneren des Insektes nie niedriger als die der umgebenden Luft. Er 
erhielt außerdem noch folgende Resultate: 


Zimmertemperatur = 22,5. 
Temperatur des Schwabenkäfers war höher als diejenige der Luft um: 0,75° 


> der Nasicornis-Larve » 1,5 

> » Seiden-Raupe » 0,75—1,0 
» » Sphinx-Raupe » 0,27—0,55 
> » Ach. atropos im aktiven Zustand >» 1,66 

» > > » » Tuhenden Zustand » 0,0 


DECROSEN (1845, 9) fand in Torferde bei — 8° lebende Fliegen. 

Wyman (1856, 64) in Boston fand, dass eine Wespe bei — 26° C. nicht 
gefroren war und beim Anrühren noch reflektorische Bewegungen machte; er 
sagt weiter: »wie bedeutend der Schutz der Puppe durch ihr Gespinnst gegen- 
über der Kälte war, beweist der Umstand, dass der flüssige Saft, welcher aus 
der Puppe herausgedrückt wurde, sofort einfror«. 

Dieser Forscher ist der Meinung, dass das Insekt eine innere Wärmequelle 
besitzen müsse, um der Kälte zu widerstehen. 

BREYER (1360, 5) steckte ein Quecksilber-T'hermometer in einen soeben beim 
Fliegen gefangenen Sphinx convolvuli und fand dessen Temperatur = 27°C. 
Die Lufttemperatur war 17°. Bei diesem Versuche wurden alle Maßregeln ge- 
troffen, um die Temperatur des Insekts nicht zu erhöhen. Der Verfasser meint, 
dass, wenn das Thermometer die Wärme vom Insekt nicht absorbiren würde, 
das Insekt ca. 32° gegeben hätte. Er glaubt auch, dass dieses Insekt im 
Ruhezustand keine höhere Temperatur als diejenige der Luft zeigen würde. 

H. Lecog (1862, 38) erwähnt in seiner kurzen Mittheilung: »De la trans- | 
formation du mouvement en chaleur chez les animaux« eigene Versuche über 
die Temperatur der Schmetterlinge aus der Gattung Sphinx, und zwar Sphinx 


Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 527 


liseron und Sphinx pinastri. Die von ihm erhaltenen Resultate zeigten, 
dass die Temperatur dieser Schmetterlinge während der Bewegung rasch steigt, 
diejenige des Menschen überschreitet und sogar die Temperatur der Vögel er- 
reicht. Diese Steigung ist bei der ersten Art bedeutender als bei der zweiten, 
da Sphinx pinastri weniger beweglich ist als Sphinx liseron. 

Der Verfasser führt aber keine Beschreibung seiner Beobachtungsmethode 

an und überhaupt keine Ziffernwerthe. 
Die Erhöhung der Temperatur bei der Bewegung der Schmetterlinge er- 
klärt er durch die Verbrennung des Zuckers, welche durch eine energischere 
Athmung des Insektes hervorgerufen wird. Die Sphinxe unterbrechen wahr- 
scheinlich desshalb ihren Flug, weil es ihnen zu warm wird und sie dabei ohn- 
mächtig werden. 

F. PoucHEr (1866, 49) führt in seiner Arbeit, welche ich leider im Original 
nieht gelesen habe, Werthe für minimale Temperatur an, bei welcher die In- 
sekten noch existiren können. Ich lasse hier die »Übersicht der Versuche von 
POUCHET« gerade so folgen, wie dieselbe bei Hugo RoEDEL (1886, 54) angeführt ist. 


Genus und Species: Anzahl: TS ee 0°: 
Limax rufus 4 2 19 
Engerling von Melolontha vulg. 5 1 14 Zwei Exempl. todt. 
» » > » 2 3 15 Alle Exempl. todt. 
Melolontha vulgaris 30 11/5 18—20 
> 5 10 11 19 
Papilio io (Raupe) 3 2 17—19 
>. > > 1 1 17—19 
Bombus terrestris 10 2 19 
Cetonia aurata 1 2 19 
. Melolontha solstitialis 2 2 19 
- Hydrophilus piceus 1 2 7 
Dytiscus marginalis 1 2 17 
Helix hortensis 10 3 14—18 
»  pomatia 4 3 14—18 
Planorbis corneus 2 3 16 
Limnaeus stagnalis 2 3 16 
Planorbis corneus 5 3 14—18 Im Wasser. 
Limnaeus stagnalis 2 3 14—18 
Lumbrieus terrestris 20 1 18 
Astacus fluviatilis 2 1 Tag 11,5 Im Wasser. 
» » 2 1 Nacht 13 Im Wasser. 
Hirudo mediecinalis 5) 1 Nacht 13,5 Im Wasser, Eis roth. 
» » 3 1 Nacht 13,5 Im Wasser, Eisroth. 
Dytiscus marginalis 1 
Colymbetes sp. 1 
Banatra linearis 3 
Naucoris eimicoides 2 3 16 
Notonecta glauca 2 
Gyrinus natator 4 
Libellula compressa 1 
Hydrophilus piceus 1 


328 P. Bachmetjew, 


Die Größen in der Kolonne »Z unter 0° bedeuten wahrscheinlich »untere 
Temperaturgrenze«, bei welcher das gegebene Insekt noch existiren kann, da 
Huco ROEDEL nach dieser Tabelle sofort seine eigene anführt, in welcher eine 
Kolonne diese Benennung trägt. 

1869 erschien eine von mehreren Arbeiten von M. GIRARD (20): »Etudes 


. sur la chaleur libre degagde par les animaux invertebres et specialement les 


inseetes.«< Er führt zuerst folgende Thatsachen an: 

Die Fischer spüren beim Gebrauchen der Larven von Musca vomitoria, 
Sarcophaga carnaria, Lucilia caesar etc. zu ihren Zwecken — beim An- 
rühren dieser Larven ein Wärmegefühl (p. 139). 

In heißen Quellen fand man nicht selten Käfer, Hydrocanthares, lebend. 
Die Wespen und Termiten in heißen Gegenden »supportent tous les exces de 
chaleur intol&rable« (p. 141). 

Weiter sagt er, dass die Larven von Galleria cerella in Haufen die 
Temperatur: 24,2°, 27,4°, 23,9° zeigten, während die Luft nur 12° hatte. 

Was nun den Futtermangel betrifft, so zeigten seine Versuche, dass die 
Erdbienen bei Honigmangel niedrigere Temperatur hatten (p. 154). 

Bei seinen Beobachtungen wandte er zwei Methoden an: 

1) DasDifferential-Thermometer von LESLIE, auf dessen einer Seite 
sich zwei koncentrische Glaskugeln befanden. In die innere Kugel, welche mit der 
äußeren Luft mittels einer engen Röhre kommunieirte, wurde das zu unter- 
suchende Insekt placirt. Der Apparat wurde gegen Strahlung durch Schirme 
geschützt, und die Ablesungen machte man aus großer Entfernung. Die Em- 
pfindlichkeit dieses Thermometers war '/4o°, obwohl der Verfasser selbst zuge- 
steht, dass seine Werthe in Folge der Strahlung stets niedriger als die wirk- 
lichen sind. Das Insekt wurde bei diesen Versuchen mittels langer Holzzange 
gefasst, um es nicht zu. erwärmen. 

2) Das elektrische Thermometer. Drei verschiedene Apparate: A be- 
stand aus der thermoelektrischen Batterie, welche aus 30 Thermoelementen zu- 
sammengesetzt war; BD, welcher für große Insekten angewandt wurde, bestand 
aus 34 Löthstellen, war aber weniger empfindlich als 4; und endlich C' war 
größer als A, wurde aber selten verwendet. Gewöhnlich legte man einen von 
diesen Apparaten an den Leib des Insektes, zuweilen aber steckte man eine 
»thermoelektrische Nadel« in den Insektenkörper hinein. Leider ist die Tempe- 
ratur in der Abhandlung nicht in Temperaturgraden, sondern in Ablenkungs- 
graden der Magnetnadel angegeben. Auch die thermoelektrischen Konstanten, 
welche zur Reduktion der Nadelablenkungen auf Temperaturgrade dienen 
sollten, sind weggelassen. Ich lasse desshalb hier seine Tabellen aus und be- 
schränke mich nur auf eine Tabelle für Schmetterlinge: 


{-Überschuss des 


{° der Luft: Schmerene Apparat: 
Liparis dispar 6 20,1 90 B 
> > © al 15 — 
Aglia tau (6) 16,8 73 (6 
» » Q 16,8 38 C 
» » ö 16,9 98 B 
> & 15,6 80 B 
Attacus carpini & 14,3 54—59 B 
» » Q 14,3 53 DB 


Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 529 


t-Überschuss des 


{° der Luft: Sen eenon: Apparat: 
Liparis dispar & 18,9 0,30° Diff.-Therm. 
» ee 20,6 0,025 ° > 
Sesia apiformis & 22,0 0,45° > 
3 - Q 19,7 0,20—0,40° > 
Bombyx quereus 5 25,4 0,50° > 
» > Q 25,4 0,35° > 


GIRARD beobachtete noch, dass Bombus terrestris im Frühjahr fast 
doppelt so warm ist als im Herbst. 

Dieser Gelehrte erforschte in Bezug auf Temperatur viele Insekten, und 
zwar: Orthoptera und Dermaptera vier Arten, Neuroptera vier Arten, 
Hemiptera vier Arten, Bienenarten vier, Lepidoptera sechs Arten, Coleo- 
ptera zwei Arten, 28 Puppen von Lepidoptera und 23 Raupen und Larven. 

Ich führe hier die von ihm erhaltenen allgemeinen Resultate an: 

1) Ein entwickeltes Insekt zeigt nie, nicht einmal im schlafenden Zustande 
oder geschwächt, eine Temperatur, welche niedriger ist als diejenige der um- 
gebenden Luft. h 

2) Larven mit unvollständiger Metamorphose haben eine Temperatur, 
welche gleich oder höher als die der umgebenden Luft ist. 

3) Dies ist aber nicht immer der Fall bei Insekten mit vollständiger 
Metamorphose. Oft kann man beobachten, dass Raupen mit glatter Ober- 
fläche des Körpers niedrigere Temperatur als die umgebende Luft zeigen, 
was durch ihr Schwitzen und die Verdunstung dieses Schweißes erklärt wird. 

4) Seiden- oder Erdkokon schützt die Puppe vor rascher Austrocknung, 
und desshalb ist ihre Temperatur nach dem Herausnehmen aus dem Gespinnst 
zuerst höher und nachher niedriger als die Lufttemperatur. 

5) Im Winter haben die nackten, starr gewordenen Raupen und Puppen 
entweder die Temperatur der umgebenden Luft, oder eine etwas höhere. Die 
äußere Abkühlung, welche in Folge der Verdunstung geschieht, wird nur dann 
beobachtet, wenn die Temperatur dem 0° nahe steht. Es kommt jedoch 
öfters vor, dass einige Exemplare, unter sonst gleichen Umständen, etwas wär- 
mer sind als die übrigen. 

6) Neuroptera haben auf der Oberfläche ihres Körpers eine etwas nie- 
drigere Temperatur als die Erdbienen bei gleichem Körpergewicht. Dieselbe 
ist aber die gleiche wie bei den Hymenoptera. 

7) Hymenoptera zeigen stets eine etwas höhere Temperatur als die um- 
gebende Luft, aber eine bedeutend niedrigere als Lepidoptera, Diptera und 
Hymenoptera. 

8) Die Temperatur auf der Oberfläche der Käfer ist mittelmäßig, dank 
schlechter Wärmeleitung und der Dicke ihrer Haut. Bei Meloe ist diese 
Temperatur bedeutender, da ihr Körper weich ist. 

9) Wasserinsekten (Dytiscidae, Gyrinus, Hydrocoris) ergaben die- 
selben Resultate, wie die Erdinsekten. 

10) Das Geschlecht hat einen bedeutenden Einfluss auf die Oberflächen- 
temperatur, aber nur bei gewissen Insektengruppen, so z. B. sind bei Bombyces, 
Aglia tau.ete. die Männchen wärmer, während es bei Erdbienen und verschie- 
denen Arten Phalaeniden, Nocetuen und Libellen nicht beobachtet wird. 

11) Die Temperatur bei Raupen wird nicht nur in einigen Gliedern 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Bd. 39 


530 P. Bachmetjew, 


lokalisirt, sondern ist am ganzen Körper gleichmäßig vertheilt, was der Ver- 
theilung der Nervencentra entspricht. 

Bei entwickelten Insekten mit starker Lufteirkulation wird eine bedeu- 
tende Temperaturdifferenz im Thorax und im Bauch beobachtet. Der Thorax stellt 
eine wirkliche Wärmequelle dar. Bei Erdbienen und Sphinxen (Insekten mit 


- „starkem Fluge) erreicht diese Differenz 4—6° und zuweilen 8—10°. Bei Insek- 


ten mit mittelstarkem Fluge (Bombyces) erreicht diese Differenz 3—4°. Bei 
Insekten, welche schwachen Flug haben oder gar nicht fliegen, wird keine 
Differenz beobachtet. 

Die Wunde, welche bei diesen Versuchen nöthig ist, hat nicht jene wichtige 
Folge, welche z. B. bei Säugethieren beobachtet wird. Insekten, welche ge- 
nadelt sind, leben noch einige Monate, ernähren sich und machen ihre Meta- 
morphosen durch. 

Allgemeines Gesetz. Bei fliegenden Insekten koncentrirt sich die 
Wärme im Thorax und ist proportional der Flugstärke. Da im Thorax sich 
die starken Muskeln der Flügel und Beine befinden, welche während des Fluges 
stark in Anspruch genommen werden, so erklärt sich daraus die Temperatur- 
differenz im Thorax und im Bauch. 

Dieses Resultat, welches mittels zwei Methoden, ohne das Insekt zu ver- 
wunden, erhalten wurde (mittels Quecksilber- und elektrischen Thermometers), 
zeigt, dass die Säfteeirkulation bei Insekten sehr schwach ist. 

12) Bei Erdbienen und Xylocopes steht die Wärmeentwicklung des 
eigenen Körpers nach außen in direktem Verhältnisse zu dem Summen. Wenn 
kein Summen vorhanden ist, sinkt die Körpertemperatur. 

13) Das Insekt entwickelt eine höhere Temperatur, wenn es freiwillig sich 
bewegt, als wenn es dazu gezwungen wird. 

14) Bei Larven wird eine größere Temperaturdifferenz des Körpers in 
seinem Inneren und auf seiner Oberfläche beobachtet. Diese Differenz ist 
zehnmal größer als bei entwickelten Insekten. Die Ursache dieser Erschei- 
nung ist die Verdunstung an der Oberfläche der Haut. — 

Darauf erschienen noch sieben kleine Abhandlungen, und zwar: 

DÖNHorFF (1872, 10) fand, dass die Bienen und Ameisen bei — 15° ster- 
ben. Mit Fliegen (Musca domestica) erhielt er folgende Resultate: 

1) 5 Stunden bei — 1,5° C. Die Thiere bewegen sich. 

2) 8 Stunden, Anfangs bei — 3°, zuletzt bei —2° Die Thiere bewege 

die Beine und lebten ganz auf. 

3) 12 Stunden, Anfangs bei — 3°/4°, zuletzt bei — 61/4°. Scheintodt. Beim 

Erwärmen lebten sie wieder auf. 

4) 3 Stunden, Anfangs bei — 10°, zuletzt bei — 6°. Sind gestorben. 

O0. Bürschaui (1874, 6) giebt für Blatta orientalis das vitale Maximum 
33°. C. an. 

Aug. WEISMAnN (1875, 62) untersuchte die Frage über Saison-Dimorphis- 
mus der Schmetterlinge und hat die Temperatur von + 10° R. bis 0° auf Pup- 
pen einwirken lassen. Die Puppen blieben dabei am Leben. 

Huco Scaurz (1877, 57) bestimmte die Quantitäten von CO,, welche Am- 
phibien und Insekten bei verschiedenen Temperaturen ausscheiden. Eigene 
Temperatur der Insekten bestimmte er nicht. Es ist interessant zu bemerken, 
dass die Frösche (Rana esculenta) stark beunruhigt wurden, als die Tempe- 
ratur der umgebenden Luft + 35,2° C. erreichte, und sich wieder beruhigten, 
als diese Temperatur bis 33,6° sank. 


Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 531 


Morın (1880, 41) bestimmte die Temperatur im Bienenhaufen und fand 
dieselbe im Winter zwischen + 10° und + 12° R.; auf der Peripherie des 
Haufens war diese Temperatur + 6° bis S’ R. 

Dugosr (1880, 12) fand im Sommer die Temperatur der Bienenfamilie 
gleich 25° R.; im Winter war dieselbe +16 bis + 20°R 

DORFMEISTER (1880, 11) führte Versuche über den Einfluss der Tempera- 
tur auf Schmetterlingspuppen aus (Vanessa atalanta,levana und urticae), 
wobei er dieselben von + 11° bis —2° R. abkühlte. Die Puppen starben da- 
bei nicht. 

W. v. REICHENAU (1882, 52) unterwarf Urticae-Raupen der Einwirkung der 
Sonnenstrahlen von ca. 45°C. und erhielt auf diese Weise Vanessa urticae 
var. tureica. 

1886 veröffentlichte H. RÖDEL (54) in Frankfurt a. O. eine bemerkenswerthe 
Abhandlung: »Über das vitale Temperaturminimum wirbelloser Thiere«. 

Er stellte sich zur Aufgabe, »das vitale Temperaturminimum, das Ab- 
weichen der unteren Lebensgrenze von dem Lebensoptimum für wirbellose 'Thiere 
zu bestimmen, dabei zugleich auf die sogenannte Kältestarre und das Wieder- 
aufleben der Thiere Rücksicht zu nehmen, sowie verwandte Punkte noch in 
Betracht zu ziehen« (p. 183). 

Als Kaltbad diente ihm ein Reagensglas, welches in ein großes Gefäß, mit 
einer Mischung von Schnee, Kochsalz, Ammoniak oder Salpeter gefüllt, placirt 
ward. Dieses Bad hatte während des Versuches eine konstante Temperatur. 
Die Lufttemperatur im Reagensglase wurde mittels Quecksilberthermometers 
gemessen. Jeder Versuch wurde mit 10 Exemplaren einer und derselben In- 
sektenart ausgeführt. 

Ich werde hier die Bemerkungen des Verfassers, jede einzelne Insekten- 
klasse betreffend, anführen: 

1) Hymenoptera. »Es ist bekannt,« sagt der Verfasser, »dass einzelne 
Bienen schon bei +5° R. erstarren, dagegen sind sie in Gesellschaft viel 
widerstandsfähiger gegen die Kälte« (p. 194). 

Was nun Ameisen betrifft, sagt er, dass diese Insekten bei 0° erstar- 
ren, aber nicht sterben und sogar —19° während !/, Stunde aushalten. Als 
vitales Temperaturminimum, welches während 3 Stunden einwirkt, giebt er 
für Ameisen im Mittel — 15° an. 

2) Coleoptera. Mehrere Käferlarven verschiedener Gattungen hielten 
— 6° aus und starben, als dieselben »durch und durch gefroren waren«. 
Oniscus starb bei — 6°. 

3) Lepidoptera. Indem er über das Erstarren der geköpften Raupe 
spricht, schreibt er: »Zuerst erstarrte der Inhalt des Darmtractus und die Ge- 
fäßsehieht, nach einer Stunde (die Temperatur war mittlerweile auf — 4° ge- 
sunken) erwies sich das Hautparenchym fest und die Fettschicht noch ungefroren. 
Erst eine Verminderung der Temperatur auf — 10° C. brachte sie zum Gefrieren, 
dieselbe Behandlung führte auch den Tod unversehrter Exemplare herbei« 
(p. 199). 

Er führte auch die Versuche mit 36 Puppen von Pieris brassicae zu- 
erst bei +5° aus, und nachher bei — 25°, aber keine davon erfror. Als 
diese Puppen im April in ein warmes Zimmer gebracht wurden, entwickelten 
sich daraus Schmetterlinge; nur aus vier Puppen kamen verkrüppelte Indivi- 
duen heraus. 


35* 


532 P. Bachmetjew, 


4) Diptera. Fliegen verlieren ihre Bewegung bei — 5°. 
Am Ende der Abhandlung giebt der Verfasser die folgende Tabelle seiner 
Versuche über die Insekten an!: 


Zeit in Minuten: >. 

Apis mellifica 210 1:5% 
Formica rufa | 180 1,5 
Lema spec. 30 6 
Paederus riparius 45 4 
Phytonomus spec. 90 12 
Vanessa cardui 600 15 
Smerinthus populi: 

1) Blut 2—3 Gefrierpunkt. 

2) Geköpfte Raupen 150 10 

3) Lebende Raupen 150 10 
Bombyx dispar 30 4 
Culex pipiens, Larve 60 4 
Musca domestica 5 12 

» » 20 8 

>» » 40 5 


Zum Schlusse führt er folgende allgemeine Resultate seiner Beobach- 
tungen an: 

1) Niedere Thiere erfrieren, je nach dem Genus und Species, bei sehr 
verschiedenen Temperaturen. 

2) Völlig erfrorene niedere Thiere, die einen Cirkulationsapparat besitzen, 
beleben sich nicht wieder. 

Was diesen Punkt anbetrifft, sagt er: »Es scheint nur, dass das Gefrieren 
des gesammten Blutes ein Hauptgrund ist, wesshalb das Gefrieren schädlich 
auf den thierischen Organismus wirkt (zu gleichem Resultat ist auch POUCHET 
gelangt)< (p. 209). 

Prof. V. GRABER (23) in Czernowitz veröffentlichte 1887 folgende Abhand- 
lung: »Thermische Experimente an der Küchenschabe (Periplaneta orien- 
talis).« 

Er untersuchte Küchenschaben in einem besonders konstruirten Blech- 
kasten, dessen eine Seite erwärmt und dessen andere abgekühlt wurde. Die 
Temperatur sowohl des Kastenbodens als auch der Luft über diesem Boden 
wurde mittels Quecksilberthermometer gemessen. 

Bezüglich des sogenannten »lokomotorischen Minimums«< sagt der Ver- 
fasser: »der schlaftrunkene Zustand stellt sich ohne Ausnahme binnen ? bis 
3 Stunden bei allen Individuen ein, wenn man die Temperatur bis auf 2° über 
Null sinken lässt< (p. 243). Dieses Minimum war bei diesen Insekten im Mittel 
AB 

Als die Temperatur —4° der Luft, —5° des Bodens war, hatten die 
Thiere die Fähigkeit der freiwilligen Ortsbewegung für immer verloren. 

Die Temperatur — 6° der Luft, — 7° des Bodens, welche auf Küchen- 


1 Seine Resultate mit Mollusken, Spinnen, Krebsthieren und Würmern lasse 
ich hier aus, wie es auch für andere Autoren, welche oben angeführt sind, 
geschah. 


Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 533 


schaben während 10—20’ einwirkt, ist tödlich (»wobei die Thiere noch keines- 
wegs durchgefroren sind«). 

Das vitale Minimum (für eine Stunde Expositionsdauer) liegt somit 
zwischen — 5° und — 6°, während das vitale Maximum = 41° der Luft, 
42° des Bodens ist. 

Auf ganz kurze Zeit (5’) ertragen die Küchenschaben dagegen Tempera- 
tur bis zu 60°. 

Somit beträgt die thermische Breite —6 + (+42) = 48° €. 

Nach den Beobachtungen von ANDRIASCHEW (1890, I) steigt die Tempera- 
tur im Sommer in einem Bienenstock nicht selten höher als + 30° R., wäh- 
rend dieselbe im Winter in einem Bienenhaufen gewöhnlich +S° bis 12° R. 
und an der Peripherie des Haufens + 6° bis + 10° R. beträgt. 

PoTEcHın (1891, 48) beobachtete die Temperatur der Bienen in einem 
Bienenstock und giebt dieselbe im Winter in einem Bienenhaufen zu + 10° 
bis + 12° R., und an der Peripherie des Haufens zu + 7° bis +8° R. an. 
Außerdem fand er, dass die Temperatur im Bienenhaufen im Bienenstock 
— 2° bis —3° R. war, während die Temperatur der äußeren Luft — 6° bis 
— 15° R. betrug. 

Nach den Beobachtungen von Prof.. ZIESIELSKI (1895, 66) schwankt die 
Temperatur in einem Bienenhaufen in ruhigem Zustande im Winter zwischen 
+8 und +9,6°R. In kalten dünnwandigen Bienenstöcken erhöht die äußere 
Kälte die Temperatur der Bienen zuweilen bis zu + 24° R. Die Temperatur 
steigt auch bei unerwartetem Alarm der Bienen und erreicht zuweilen + 25,6°R. 

KOoSCHEwNIKOwW (1895—1896, 35) beobachtete im Sommer die Temperatur 
im Inneren eines Bienenstockes gleich + 29° R., meint aber, dass die Steige- 
rung der Temperatur die Bienenfamilie selbst nicht erzeugt, sondern dass die- 
selbe wahrscheinlich durch die Sonnenwärme hervorgerufen wird. Die mini- 
male Temperatur, welche er in einem schlecht gebauten Bienenstock beobachtete, 
war am 9./21. Juli nach einer kalten Nacht gleich + 9° R. 

1891 placirte MÜLLER-ERZBACH (42) außer anderen Thieren noch Wasserkäfer 
in kaltes Wasser, bis dasselbe völlig fest geworden war, und ließ nachher diese 
Insekten noch 5 Stunden im Freien bei einer Temperatur von —6° bis — 8°C. 
liegen. Nachdem dieselben in ein mäßig warmes Zimmer gebracht waren, 
konnten sie nicht wieder belebt werden (unter diesen Umständen behandelte 
Frösche wurden wieder belebt). 

ZELLER (1894, 65) beobachtete während eines Hagelfalls in Oberdorf (bei Salz- 
burg) am 21. Mai unter den niederfallenden Schloßen, welche eine durchsichtige 
Schale und einen weißen Kern hatten, eine, an welche ein Schmetterling 
(Smerinthus ocellata 5) angefroren war. Dieser Schmetterling war mit 
den Füßen einige mm tief in die langsam niederfallende Schloße eingefroren 
und schien vollkommen leblos, war aber, als er nach dem Aufthauen befreit 
wurde, sehr lebhaft. 

In verschiedenen entomologischen Zeitschriften werden Versuche ange- 
führt, mittels welcher man Aberrationen verschiedener Schmetterlinge erhalten 
kann, indem man Puppen der Einwirkung der extremen Temperaturen unter- 
wirft. Ich werde hier die uns interessirenden Angaben nur einiger Autoren 
anführen. 

1895. erschien die erste Untersuchung von Dr. med. E. Fischer (15) in 
Zürich: »Transmutation der Schmetterlinge in Folge Temperaturänderungen«. 
In dieser Abhandlung beschreibt der Verfasser seine Versuche mit lebenden 


534 P. Bachmetjew, 


Puppen aus Vanessa-Gruppen, und zwar: Vanessa urticae, antiopa,poly- 
chloros, jo, prorsa, cardui, atalanta und C-album und noch Papi- 
lio machaon. Diese Puppen lagen drei Wochen lang auf dem Eise bei 
+ 1° bis 0° C., und nachher im Zimmer bei +35 bis + 38° (die letzt ange- 
führten Vanessa-Arten bei 25°), und ergaben aberrative Formen. 

Der Verfasser fügt Folgendes hinzu: »Die Puppen derjenigen Arten, 
die im Puppenstadium in der freien Natur nicht überwintern — und die Va- 
nessen gehören ja zu diesen (levana ausgenommen) — ertragen ja die Tempe- 
ratur von 0° nicht immer, ohne Schaden zu nehmen, selbst wenn sie völlig 
trocken gehalten werden« (p. 28). 

Seine Versuche mit denselben Puppen zeigten, dass sie nicht verdorben 
werden, wenn man sie 2 bis 3 Stunden bei + 40° bis +42° C., und nachher 
einige T'age bei + 35° bis + 35° C. hält. Was nun höhere Temperaturen an- 
belangt, sagt der Verfasser: »Temperaturen von ca. + 45° C. dürfen nicht an- 
gewendet werden, weil bald der Tod, wahrscheinlich durch Gerinnung der 
Eiweißkörper, eintritt< (p. 35). 

Die Versuche mit Temperaturen unter 0° beschrieb E. FISCHER im Jahre 
1896 (16). In seinem interessanten Buche findet man die folgende Stelle: »Bei 
— 23° C. starben mir einmal eine Anzahl Puppen bald ab (ich schrieb dies 
der großen Kälte zu, vielleicht war Infektion die Ursache, Sicheres konnte man 
nicht feststellen)< (p. 15). 

Er führte desshalb seine weiteren Versuche bei Temperaturen, welche 
nicht niedriger als — 20° C. waren, aus und erhielt sehr schöne Aberrationen. 
Der Versuch selbst wurde folgendermaßen ausgeführt: »Die Puppen wurden aus 
der Zimmertemperatur (ca. 25°C.) zuerst in den Keller, und nach einigen Stun- 
den in die Kältemischung gestellt; die Temperatur sank ca. 1 Stunde hierauf 
unter 0°, blieb dann 2 bis 4 Stunden bei — 20°, bis sie sich im Laufe der 
folgenden 5 bis 8 Stunden wieder allmählich auf 0° erhöhte (p. 15). 

Ich will hier die minimalen Temperaturen, mit welchen dieser Forscher 
arbeitete, anführen, wobei die Puppen diesen Temperaturen während 2 bis 4 
Stunden ausgesetzt waren: 


Vanessa jo von 8 Stück starben 3 

Re » antiopa > 12 > > 7 
A » > s.1200 9 > 10 
>». urticae 22007 > > 24192 


Der Tod trat bei den meisten Exemplaren, wie der Verfasser schreibt, 
»sicher an Infektion eine. Die anderen Puppen ergaben Schmetterlinge. 


A a andre As prorsa von 50 Stück starben 27 
’ »  polychloros >» 20 >» > 8 

t= — 10 bis —12°C. » cardui > 14 2 » 9 
Schi dn » » » 25 » » 12 

— 6 bis — 10° >» atalanta » 13 » » 6 

— 4 bis — 6° » urticae > ADS » N) 


Bei diesen Temperaturen trat der Tod einiger Puppen ein, »weil sie zu 
weich (zu früh) der Kälte ausgesetzt wurden« (p. 19). 

Dass das rapide Fallen der Temperatur auf die Puppen nur bei gewisser 
Größe der thermischen Amplitude tödlich einwirkt, belegt E. FISCHER in seiner 


Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 535 


weiteren Abhandlung (16) wie folgt: >Während z. B. eine Temperaturerniedri- 
gung von + 20° auf — 2° C., also eine Differenz von 22°, eine Aberration zu 
erzeugen vermag, kann eine nur um wenige Grade stärkere Kälte, wie eine 
Erniedrigung von + 20° auf — 4° C. innerhalb eines Zeitraumes von 50 Minu- 
ten und mit einem Anhalten der Temperatur von — 4°, während bloß 3 bis 4 
Minuten bereits deletäre Eigenschaften auf den Puppenkörper äußern; sie er- 
wacht nicht mehr nach dem Erwärmen« (p. 7). 

In einer Reihe Abhandlungen von E. FiscHEr (18) finden wir folgende 
uns interessirende Thatsachen: 

»Die zwei- bis dreimal pro Tag vorgenommene Abkühlung bis zu — 3°C. 
wurde von den Puppen von Vanessa urticae, jo, antiopa und polychlo- 
ros bis zu einer gewissen Anzahl von Tagen ohne Schaden ertragen; dagegen 
erwiesen sich Vanessa cardui und atalanta gegen mehrmalige Abkühlung 
auf — 3° sehr empfindlich; sie starben ab.«e Diese Versuche wurden nur wäh- 
rend drei Tagen angestellt, und zwar so, dass zuerst die Puppen bei + 22° 
sich befanden, nachher bei + 15° und schließlich bei — 3° bis — 4°, worauf 
die Temperatur in umgekehrter Reihenfolge stieg. Die Sterblichkeit war da- 
bei folgende: 


Vanessa polychloros von 10 Puppen starben 3 


> antiopa >» 20 > > 6 
> J [6] >. 20 > > 0 
»  C-album > 14 » 2 
>»  ceardui such > > 0 
> atalanta 210 3 
> urtieae > 30 > >» 1 


Der Einfluss mehr rapiden Fallens der Temperatur wurde von E. FISCHER 
an Puppen von Vanessa antiopa erprobt. Die Temperatur von + 25° sank 
innerhalb !/» Stunde bis — 6°. Dabei starben von 13 Puppen #, >und zwar 
sehr wahrscheinlich in Folge der rapiden Abkühlung«. 

Hier treffen wir auch folgende zufällige Bemerkung: 

Als dieser Forscher Versuche mit 30 Puppen von Vanessa urticae 
machte, starb davon nur 1 Puppe, 15 ergaben Falter, >und die übrigen Puppen 
waren von Fliegenlarven bewohnt, die in der Kälte nicht abgestorben 
waren«e. Die Kälte betrug — 4° C. 

Im Jahre 1899 erschien eine weitere Abhandlung desselben Verfassers: 
'»Experimentelle kritische Untersuchungen über das procentuale Auftreten der 
durch tiefe Kälte erzeugten Vanessen-Aberrationen« (19), in welcher die Mor- 
talität der Puppen bei diesen Kälteversuchen behandelt wird. Als Haupt- 
ursache bedeutender Sterblichkeit der Puppen beim Einwirken der Kälte be- 
trachtet der Verfasser den Härtegrad der Chitinhaut der Puppen: >»zu früh, 
also noch zu weich in die tiefe Temperatur gebracht, sterben die Puppen ab«. 

In dieser Abhandlung finden wir die folgende Stelle: »Für Temperaturen 
von — 6° bis — 12° C. hat es sich ergeben, dass die Abkühlung täglich dreimal 
je i Stunde lang und im Ganzen 4 Tage lang vorgenommen werden sollte.< 
Damit werden die früheren Versuche desselben Forschers bestätigt, dass inter- 
mittirende Abkühlung die Puppen in gewissen Grenzen nicht tödtet. 

Auch noch eine wichtige Bemerkung enthält die Abhandlung von E. FISCHER 
(16, p. 39): »Man hat die Erfahrung gemacht, dass, wenn man mit Infektions- 
trägern behaftete Eier von Bombyx mori einer Temperatur von — 40° C. 


9936 P. Bachmetjew, 


aussetzt, die Mikroben zu Grunde gehen, die Faltereier aber keinen Schaden 
nehmen und ohne Nachtheil zur Weiterzucht verwendet werden können.« 

Im Jahre 1898 veröffentlichte Dr. phil. M. Stanpruss (60), Docent beider 
Hochschulen zu Zürich, seine »Experimentelle zoologische Studien mit Lepi- 
dopteren«, zu welcher er über 42000 Puppen von 56 verschiedenen Schmetter- 
. lingsarten gebraucht hat. 

Er führte die Versuche mit Puppen aus, um aberrative Formen zu erhal- 
ten, sowohl mit Temperaturen bis zu +45° C,, wie auch mit Temperaturen 
bis zu —20° C. 

Die Puppen »bei dreimaliger täglich zweistündiger Einwirkung von 
+ 45° (p. 12) ergaben Aberrationen und konnten folglich diese hohe Tempera- 
tur aushalten. Auch die Puppen bei Temperaturen bis zu —20°C., wobei »bei 
jedem Versuche die Minimaltemperatur 2 Stunden lang innegehalten wurde« 
(p. 9), entwickelten sich dann zu Aberrationen. Die Dauer der Einwirkung 
dieser niedrigen Temperaturen auf die Puppen betrug 6 Tage. 

Warum dieser Forscher keine noch höheren oder niedrigeren Temperatu- 
ren gebrauchte, sagt er selbst wie folgt: ».... bei diesen, bis an das äußerste 
des auch nur vorübergehend Ertragenen, hochgespannten Graden wirkt eine 
selbst kleine weitere Steigerung tödlich oder doch missbildend« (p. 16). 

N. KurLacın (1898, 37), Prof. des landwirthschaftlichen Instituts in Moskau, 
untersuchte die Temperatur in Bienenstöcken von Route jeden Tag vom Mai 
1895 bis März 1897 und erhielt folgende mittlere Resultate: 


| t{° im Bienenhaufen \ i{° im Bienenstock 

ner il Maximum Minimum ) Maximum | Minimum 
Januar | 31,5 24 5,5 — 2,5 
Februar | 33 19—24 9 0 
März | 35 31 | 9—23 —ı u ==) 
April | 37 22 I, 85 7 
Mai I 38 22—34 | 35 28 
Juni 38,5 37 | — —} 
Juli I 38 36 | .— — 
August | 36 30 I — 
September | 30 24 ı 26 16 
Oktober | 28,5 19 ') 65 5—10) 
November | 32 41—27 5—_10 5 bis —1 
December | 34 24 | 4,5 | 0 


Dabei wurde rapides Sinken der Temperatur von Sh Abends und sehr 
oft Nachts — gegen bh Morgens — beobachtet. Die Temperatursteigerung ge- 
schah meistentheils gegen Mittag. Die Beobachtungen ergaben auch, dass dem 
Temperatursinken im Bienenstock das Temperatursinken der Luft vorausgeht. 

Derselbe Gelehrte theilt in seiner Abhandlung: »Zur Biologie von Oeneria 
dispar in Russland« (34a) mit, dass die Kälte bis 40° R. keine Wirkung auf 
normal selegte Eier dieses Schmetterlings ausübt. Die Eier, welche ihrer 
schützenden Wolle beraubt waren, wurden von 15° R. Kälte getödtet. Auf 
mein Ersuchen, den Gang dieser Versuche genauer zu beschreiben, erhielt 
ich vom Herrn Prof. KuLacın einen Brief (15/27. IV. 1899), in welchem er unter 
Anderem schreibt: »Genaue Versuche über die Temperatur der Eier von Oc- 
neria dispar habe ich nicht gemacht. Ich habe Gelegenheit gehabt zu beobachten, 
dass Eier dieses Seidenspinners, welche an Bäumen sich befanden, die Winterkälte 


Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 537 


von —40° R. gut ertragen konnten und im darauf folgenden Frühjahre sich 
entwickelten. Ich habe darauf im Jahre 1894 den folgenden Versuch aus- 
geführt: ich habe die Eier von Ocneria dispar enthaart und hielt dieselben auf 
dem offenen Balkon in einer Glasuntertasse innerhalb eines Monats. Während 
dieser Zeit zeigte das Thermometer nicht selten — 15° R. Im Frühjahre ent- 
wiekelten sich diese Eier nicht, hingegen entwickelten sich Raupen aus den- 
jenigen Eiern, welche auf demselben Balkon aber behaart an einem Holzklotz 
befestigt waren.« Leider ist aus diesem Briefe nicht zu ersehen, was geschehen 
würde, wenn die behaarten Eier auf einer Glasuntertasse den Winter zu- 
gebracht hätten. 

Ich will hier nur noch die Versuche des in Deutschland wenig bekann- 
ten englischen Entomologen F. MERRIFIELD (189%, 40) erwähnen. Er unter- 
warf die Puppen von Pararge egeria, Pieris napi, Vanessa levana, 
V. polyehloros, V. atalanta, V. C-album, V.jo und V. antiopa der 
Temperaturwirkung von +40°C. bis 0° und übertrug sie auch öfters von einer 
Temperatur in die andere. Dabei ergab sich, dass zwei nach einander folgende 
Generationen eines und desselben Schmetterlings einen großen Unterschied in 
der Empfindlichkeit gegen Temperaturreize aufweisen, selbst wenn dieselben 
ihre Puppenzeit normalerweise unter ganz ähnlichen Temperaturverhältnissen 
durchmachen. 

Zum Schlusse werde ich hier noch die Arbeiten von W. Kochs anführen, 
obwohl dessen Untersuchungen die Insekten nicht direkt behandeln (mit Aus- 
nahme von Wasserkäfern), sondern als Objekte: Frösche, Fische, Schwamm- 
sporen, Pflanzensamen, Schnecken, kleine Krebse (Cypris) ete. haben; sie 
stehen aber mit den Resultaten meiner gegenwärtigen Arbeit in näherem Zu- 
sammenhange. 

1890 plaeirte W. Kocns (33) Frösche, Fische und Wasserkäfer in Wasser, 
welches der Kälte ausgesetzt war. Das Wasser gefror zuerst an den Wänden 
des Gefäßes, und sein flüssiger Theil wurde immer geringer und geringer, be- 
saß aber noch immer +2°C. Die Thiere bewegten sich in demselben bei dieser 
Temperatur noch ziemlich lebhaft. Als das ganze Wasser gefror, hörte die Be- 
wegung der Thiere auf, und in demselben Momente hörte auch ihr Leben auf. 
Die erstarrten Thiere konnten nach dem Aufthauen nicht mehr ins Leben zu- 
rückgerufen werden. 

1892 veröffentlichte W. KochHs (34) eine Abhandlung: »Über die Vorgänge 
beim Einfrieren und Austrocknen von Thieren und Pflanzensamen«, in welcher 
er sagt, dass, wenn es gelingt, das Wasser (luftfrei), ohne dass es erstarrt, bis 
zu —4,5° C. abzukühlen, so bewegen sich in demselben noch die Thiere (kleine 
Krebse, Schnecken, Blutegel.. Was nun die Eisbildung im Inneren des Thier- 
körpers betrifft, so erwähnt der Verfasser zwei Umstände, welche diese Eisbil- 
dung verlangsamen; erstens befindet sich im Thierkörper kein reines Wasser, 
sondern Salzlösungen und Eiweiß; zweitens muss man in Betracht ziehen, dass 
die Kapillarität und Adhäsion das Gefrieren erschweren. Wenn die Ab- 
kühlung langsam vor sich geht, bewerkstelligen im Inneren des Thierkörpers 
die sich bildenden kleinen Eiskrystalle zwar kein Zerreißen, das Protoplasma 
aber erleidet dennoch eine tiefe physikalische und chemische Veränderung, wo- 
durch dann das Zurückkehren des Thieres zum Leben unmöglich wird. 


Aus der historischen Übersicht der hier angeführten Arbeiten über die 
Temperatur der Insekten ist ersichtlich, dass verschiedene Forscher oft zu ver- 


538 P. Bachmetjew, 


schiedenen Resultaten gelangt waren: bei den Einen war die Temperatur für 
eine und dieselbe Insektenart höher, bei den Anderen niedriger als diejenige 
der umgebenden Luft. Bei Manchen war der Temperaturüberschuss des Insektes 
über die umgebende Luft klein, während er bei Anderen für dieselbe Insekten- 
art sehr bedeutend war etc. 

Die erste Ursache dieser Nichtübereinstimmung muss man natürlich in 
der Temperaturverschiedenheit bei verschiedenen Zuständen des Insektes suchen. 
So beeinflusst z. B. die Bewegung oder die Ruhe des Insektes ohne Zweifel 
die Temperatur seines Körpers. Dazu kommt noch der Mangel an Futter, das 
Alter und das Geschlecht des Insektes und auch vielleicht noch sein Stammort. 

Die zweite Ursache — die Ungenauigkeit der Methode. Es wäre interes- 
sant, wenn man die Temperatur, welche mittels eines Thermoelementes durch 
sein Andrücken an den Insektenkörper erhalten wird, für verschiedene In- 
sektenarten vergleichen wollte. Bei einigen Insekten ist der Körper mit dich- 
ten Haaren bedeckt, bei anderen ist er fast nackt, und folglich wird auch die 
Wärmeleitungsfähigkeit an der Kontaktstelle verschieden sein müssen. Außer- 
dem musste in solchen Fällen, wo ein Quecksilberthermometer in einen brei- 
ten Schnitt in den Insektenkörper hineingesteckt wurde, dadurch natürlich 
auch in dessen Zustande eine starke Störung stattfinden; auch musste in 
Folge des Austretens und der Verdunstung des Saftes aus der Wunde die 
Temperatur sinken. Auch das Differentialthermometer, welches GIRARD ge- 
brauchte, konnte ihm keine genauen Resultate liefern, da er die Strahlung der 
Glaskugel, in welcher sich das zu untersuchende Insekt befand, nicht in Be- 
tracht gezogen hat, wobei er seine Beobachtungen einmal mit der versilberten, 
das andere Mal mit der berußten Kugel anstellte. 

Die dritte Ursache der erwähnten Nichtübereinstimmungen kann geradezu 
in der Unrichtigkeit der Methode liegen. BECQUEREL sagt bei der Kritik 
der Versuche von DUTROCHET, dass derjenige, welcher mit dem thermoelektri- 
schen Apparate nicht umgehen kann, sehr leicht in einen Fehler gerathen 
könne Als ich die elektrische Methode, welche verschiedene Forscher zu 
ihren Versuchen verwandten, studirte, konnte ich bei keinem derselben weder 
die Angabe betreffs der Dicke der zusammengelötheten Drähte, welche »die 
Nadel« bildeten, finden, noch auch, was die Hauptsache ist, wie diese »Nadel« 
mit dem Galvanometer (resp. Multiplikator) verbunden war. Und in der That, 
wenn die Nadel z. B. aus Eisen- und Platindraht bestand und darauf mit dem 
Galvanometer mittels Kupferdrähte verbunden wird, so werden an der Löth- 
stelle der Kupferdrähte mit der »Nadel« stets Nebenströme entstehen (in Folge 
der Temperaturverschiedenheit an den Löthstellen), welche den Hauptstrom 
entweder schwächen oder verstärken werden. Hinzu kommen noch die in der 
Kette entstehenden Kommutatorenströme, Galvanometerströme ete., deren Ent- 
stehungsursache bis jetzt noch nicht genau bekannt ist!. Ich spreche hier noch 


1 Es ist zu verwundern, dass DUTROCHET (14) die eine Löthstelle seiner 
»Nadel< in den Insektenkörper von der Temperatur x° hineinsteckte, die andere 
dagegen nicht bei konstanter Temperatur hielt (z. B. in einem großen Gefäß 
mit flüssigem Paraffin), sondern diese zweite Löthstelle auch in ein Insekt 
steckte, welches todt war, und dessen Temperatur im gegebenen Moment 
höher oder niedriger als die Lufttemperatur sein konnte. Folglich konnte bei 
ihm der thermoelektrische Strom nur die Temperatur des lebenden Insektes nicht 
ausdrücken. 


Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 539 


nicht vom Aufstellen des Galvanometers in den magnetischen Meridian, von 
genauer Bestimmung der thermoelektrischen Konstanten! ete., welche Umstände 
auch ihren Einfluss auf die Genauigkeit der Resultate haben. 

In Anbetracht dessen unternahm ich neue Untersuchungen über die Tempe- 
ratur der Insekten, um so mehr, da ich als Physiker die nöthigen guten Appa- 
rate zu meiner Verfügung hatte und außerdem eine mehrjährige Erfahrung in 
den Messungen der thermoelektrischen Größen besitze?. 

Ich habe im Anfang mir zur Aufgabe gestellt, die eigene Temperatur der 
Insekten zuerst in Bulgarien, nachher aber bei denselben Arten in anderen 
Ländern zu bestimmen, und auf diese Weise die Frage über die geographische 
Verbreitung der Insekten klar zu stellen, wovon, wenn auch nur oberfläch- 
lich, schon RÖDEL (54) schreibt: >So hat man denn auch mit Recht das 
Vorkommen einzelner Species im hohen Norden, wo die Fauna sonst der 
allen Leben feindlichen Kälte weichen muss, erklärt aus der verschiedenen 
Resistenzfähigkeit der einzelnen Entwicklungsformen gegen den Frost« 
(p. 193). | 

Außerdem war meine Aufgabe das Bestimmen der Bedingungen, welche 
auf die eigene Temperatur der Insekten einer und derselben Art Einfluss haben, 
und zwar der Einfluss der Temperaturerhöhßng der umgebenden Luft, haupt- 
sächlich aber der Einfluss der Temperaturerniedrigung. 

Bei diesen Beobachtungen stieß ich auf Erscheinungen, welche bis jetzt 
von anderen Forschern nicht beobachtet wurden, und welche die bis jetzt 
dunkel gebliebenen Fragen gut erklären können. Mir ist es nämlich gelungen, 
den »kritischen Punkt«< der Insekten zu entdecken, der ihre Wider- 
standsfähigkeit gegen Kälte erklärt. Bezüglich dieser Frage sagt RÖDEL (54): 
»Woher die enorme Widerstandsfähigkeit der Insekteneier gegen Kälte komme, 
darüber ist zur Zeit noch lange keine genügende Erklärung gegeben, und es 
geht auch über den Zweck der vorliegenden Arbeit hinaus, eine solche zu 
 versuchen< (p. 194). 

Über diese Untersuchungen habe ich auf der 70. Versammlung Deutscher 
Naturforscher und Ärzte in Düsseldorf im September 1898 einen Vortrag ge- 
halten (Abtheilung: Zoologie — Entomologie)?. Ein unbedeutender Theil dieser 
Untersuchungen ist in dem Entomologischen Jahrbuch von Dr. 0. KRANCHER, 
Leipzig, VIII. Jahrgang, p. 121—131, 1898 veröffentlicht worden. — 

Ich halte es für eine angenehme Pflicht, hier meinen herzlichen Dank 
folgenden Herren auszusprechen: 


1 P. BACHMETJEw, Hysteresis bei Thermoelementen. Journ. der russ. phys.- 
chem. Gesellsch. XXIX. p. 108. 1897. 

2 Meine thermoelektrischen Arbeiten sind veröffentlicht worden in: 
Journ. der russisch. phys.-chem. Gesellsch. in St. Petersburg: XVI, p. 81, 1883; 
XVT, p. 257, 1884; X VIII, p. 47, 1886; XXI, p. 364, 1889; XXIII, p. 220, 1891; 
Paul p. 301, 1891: XXIII, p. 370, 1891; XXIII, p. 430, 1891; XXIV, p. 1, 
1832; XXV, p. 115, 1893; XXV, p. 138, 1893; XXV, p. 236, 1893; XXV, p. 256, 
1893; XXIX, p. 108, 1897. — Exner’s Repertorium der Physik: XXVI, p. 05, 
1890; XX VII, p. 142, 15891; XXVII, p. 625, 1891; XXVII, p. 607, 1891. — WIEDE- 
MANN’s Annalen der Physik: XLIII, p. 723, 1891. — Sitzungsber. der Akad. der 
Wissensch. in Wien: CIV, Abth. IIa, Februar 1895 ete. 

3 Vid. Tageblatt der 70. Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte 
in Düsseldorf vom 19. bis 24. September 1898, 


540 P. Bachmetjew, 


Herrn Dr. REBEL in Wien für liebenswürdige Mittheilung einiger Titel 
der betreffenden Litteratur, 

Herrn Dr. SCHISCHKOW in Sophia für seine Hilfe bei einigen Beobachtungen, 

Herrn Dr. WELBEL für die freundliche Zusendung der nöthigen Bücher. 

Einen besonderen Dank aber Herrn Dr. P. LEVERKÜHN, Direktor der 
wissenschaftlichen Institute und der Bibliothek S. K. H. des Fürsten von Bul- 
garien, für das freundliche Durchsehen dieser Abhandlung im Manuskript und 
bei der Korrektur und für bibliographische Angaben. 


Methode. 


Die von mir gewählte Untersuchungsmethode beruht auf den 
Prineipien der Thermo-Elektriecität. 

Es ist aus der Physik bekannt, dass, wenn zwei Metalle an ein- 
ander gelöthet sind, sie bei Erwärmung oder Abkühlung einen thermo- 
elektrischen Strom erzeugen. Auf dieser selben Eigenschaft ist auch 
mein sogenanntes »elektrisches Thermometer« begründet. 

Seine Konstruktion sowie die Vertheilung der anderen Apparate 
ist aus Fig. 1 ersichtlich. 


uoydıs 


Kaltbad 


Fig. 1. 
Das Schema der Vertheilung der gebrauchten Apparate: Die thermo-elektrische Nadel (D) ist in das 
Insekt hineingesteckt, welches sich im Gefäße M befindet. Dieses Gefäß befindet sich in einem größeren 
Gefäße Q, welches mit der Kältemischung gefüllt ist. Ein selbstthätiger Heber beseitigt aus dem Ge- 
fäße Q die unnöthige Flüssigkeit. Das Glasrohr A enthält zwei isolirte Drähte « (Nickelin) und db 
(Stahl). Der Draht « besteht aus Nickelin, während c und c Kupferdrähte sind. Das Gefäß B enthält 
Spiritus und P Paraffin (flüssig). 7 ist ein Thermometer, * Kommutator, g Galvanometer. 


Es bezeichnen a und 5 feine Drähtchen (?2r = 0,1 mm), das 
eine von Stahl, das andere von Manganin, welche im Punkte D zu- 
sammengelöthet sind. Sie sind durch Glasröhrchen A und 7 gezogen, 
durch welche sie isolirt werden; dabei ist das Manganindrähtchen 
an das Stahldrähtehen «a, gelöthet und die Löthstelle in das mit Spi- 
ritus gefüllte Gefäß B gelegt, in welchem sich das Thermometer 7 
befindet; die Drähtechen a und a, sind an die Kupferdrähtehen ce 


Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 541 


selöthet und ihre Löthstellen in das flüssiges Paraffin enthaltende Ge- 
fäß P getaucht. Eines der Drähtchen ce ist mit dem WIEDEMANN- 
schen Galvanometer g in Verbindung gebracht, das andere wird 
ebenfalls mit ihm verbunden, nachdem es aber zuerst einen Queck- 
silber-Kommutator passirt hat. Die Stärke des thermo-elektrischen 
Stromes wurde im Galvanometer g mittels eines Fernrohres, einer 
Skala und eines Spiegels beobachtet, wobei der letztere mit dem 
Magnet des Galvanometers verbunden war (Methode Gauss und 
POGGENDORFF), was aber auf der Zeichnung nicht sichtbar ist. 

Dabei ist Folgendes zu bemerken: Die Löthstellen der Drähte 
a und a, mit den Drähten ce und ce wurden desshalb in das Paraffin- 
bad P getaucht, um bei Veränderung der Lufttemperatur das Er- 
scheinen von sekundären thermo-elektrischen Strömen zu verhindern; 
obgleich das flüssige Paraffin, indem es als Isolator dient, seine 
Temperatur auch ändert, so geschieht dies so allmählich, dass, wenn 
die in ihm befindlichen Löthstellen nicht weit von einander liegen, 
man sagen kann, dass die Löthungen a mit ce und a, mit c immer 
bei gleicher Temperatur verbleiben. Daher kommt es, dass bei Ab- 
wesenheit von Temperaturdifferenz zwischen den beiden Löthstellen 
die Entstehung von Nebenströmen unmöglich wird. 

Der Kommutator X dient zur Kontrolle der Ruhelage (7?) des Mag- 
net$ im Galvanometer. Wenn durch das Galvanometer g ein elektrischer 
. Strom fließt, wird dessen Stärke nach der Ablenkung des Magnets von 
‚seiner Ruhelage gemessen; diese Ruhelage ist aber nicht beständig, da 
die Masnetdeklination sich fortwährend ändert; besonders starke Ab- 
weichungen werden gegen 12 Uhr Mittags in Sophia beobachtet. Dess- 
halb ist es nothwendig, die Skala, auf welcher die vom elektrischen 
Strome bewirkten Ablenkungen von der Ruhelage markirt werden, von 
Zeit zu Zeit so zu reguliren, dass das Fadenkreuz des Fernrohres mit 
der Null der Theilungen, wenn durch das Galvanometer kein Strom 
fließt, zusammenfällt; dieses wird mit Hilfe des Kommutators X eızielt. 

Wenn ein Schmetterling oder ein anderes Insekt auf die Nadel 
D gesteckt wurde, musste, um seine Temperatur zu messen, noth- 
wendiger Weise zuerst das elektrische Thermometer kalibrirt 
werden. 

Zu diesem Zwecke wurde die Nadel D bei verschiedenen Tem- 
peraturen (t,) in Wasser getaucht, wobei die Temperatur im Gefäß 
B (t,) ständig verblieb, und die Stärke des elektrischen Stromes (r) 
im Galvanometer g wurde jedes Mal in Millimetern abgelesen (d. h. 
in Theilungen der Skala). 


549 P. Bachmetjew, 


Somit, wenn die Temperatur der Nadel D z.B. 32,8° betrug, 
die Temperatur des Spiritus im Gefäß B 18,0° und der Strom im 
Galvanometer g die Stärke 109,1 mm hatte, ergiebt sich auf Grund 
des thermo-elektrischen Gesetzes, laut welchem die Stärke des 
thermo-elektrischen Stromes (2) proportionell der Temperaturdifferenz 
der beiden Löthstellen (d.h. in D und BD), nämlich der Größe 4,—1, 
ist, dass | 
N 74 N9 
iaeemen u 
oder in unserem Falle 


gs u 


Da die Größe /, der Löthstelle D in verschiedenen Fällen bei 
der Kalibrirung variirte, bringe ich hier eine kleine Beobachtungs- 
tabelle, welche veranschaulicht, dass die Größe X sich nieht immer 
als ständig ergab, die Abweichungen aber so minimale waren, dass 
man für X das arithmetische Mittel annehmen konnte. 


tı | K 
32,8°| 7,4 
le 
390 | 743 
6 
30 Mo 
2 
0 0 

Mittel = 1,5 


Folglich ergiebt sich, wenn die Temperatur der Löthstelle D um 
1,0° höher als diejenige der Löthstelle im Glase BD ist, für die Strom- 
stärke im Galvanometer 7,5 mm, und zwar bei derjenigen Aufstellung 
der Apparate, die ich gewählt hatte. 

Die Berechnung der Temperatur eines Insektes geschah auf 
folgende Weise: 


Aus der Formel (TI) und zwar : — — A, wobelr 4, 2, er 
NIT) 
iebt sich N 
z SE  — to 
oder N 
ı = 7% are bo. 
Wenn wir nun für X seine Größe einsetzen, erhalten wir 
nn 
= —bh (II) 


Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 543 


Somit ist zur Bestimmung der Temperatur eines Insekts die 
Kenntnis von zwei Größen erforderlich: der Stromstärke (») in Milli- 
metern und der Temperatur des Spiritus (/,) im Gefäße B. 


Vorläufige Untersuchungen. 


Zuerst wurde folgendes Experiment gemacht: eine Saturnia 
pyri 9! (großes Nachtpfauenauge), welche sich am 13./25. April 
1898 entpuppte, wurde mit dem Rücken (Thorax) auf die Nadel D 
gesteckt; dabei wurde das Röhrchen A auf einer Unterlage befestigt 
und unter die Füße des Schmetterlings ein glattes Brettchen gelegt, 
damit er sich von der Nadel nicht herunterreiße. 

Die Messungen des thermo-elektrischen Stromes wurden jede 
halbe Minute und die Prüfungen der Ruhelage des Magnets im Gal- 
vanometer alle fünf Minuten vorgenommen. Die folgende Tabelle 
zeigt die gewonnenen Resultate. 


13./25. April 1898. Saturnia pyrig e.l. 13./25. April 1898. Saturnia pyrid el. 
| Temperat.| Temperat. 
es des 
Stunde n et Bemerkungen Stunde N re Bemerkungen 
(berech- (berech 
net) net) 
10505’ |38,0| +20,9° AufdenFlügelnbefindet 10h31,5//64 | +24,6° Vollst.ruhig. 
sicheine Bleibelastung. 32 160 24,1 >» » 
10 | 29,0 19,6 2 32,5 155 23,4 » » 
12 127,01 — 33 52 22,9 >» >» 
13 1330| — 33,9 |45 = » » 
14 |38,0|1 20,9 sa M03 Ds 2 > 
15 134,01 — 34,5 |42,5| — > » 
16 131,0 — 35 [40,0 21,2 » » 
17 127,51 19,5 |Stark aufgeregt. 35,5 [3755| — > > 
18 30,0 19,8 36 184,5 20,4 » » 
197 7.136,5 20,7 36,5 33,0 au > > 
22 | — — | DieFlügelsind nicht be- 37 |31,01 — » » 
lastet worden. 37,5 30,0] 19,8 | Aufgeregt. 
23 |45,0 21,9 38 _ \34,0 20,3 > 
23,51500) — 38,5 140,01 — > 
24 158,0 23,8 39 146,0 22,1 » 
24,5[66,0| 24,9 | Vollständig ruhig. 395 Br > 
25 [63,0] - 24,5 » >» 40 60,0 24,0 | Ruhig. 
25,5159,0| — » > 40,5 |54,5| — » 
26 [55,0 23,4 » > 41 |51,0 22,8 » 
26,5151,01 — » > 41,5 |47,5 — » 
27 |48,0 22,4 > > 42 144,0 21,8 | » 
27,5 45,0 — » > 42,5 40,51 — > 
28 142,0 — » » 43 |38,7 21,04 | Selm 
28,5/39,5|1 21,1 | Sehr aufgeregt. 43,5 |36,3| — » 
29 |43,0 21,6 » » 44 |34,5 20,5 > 
29,550 _ » > 44,5 132,01 — | » 
Sun 131 .\ı 23,6 >» > 455 130,8] 19,9 > 
30,5|68 —_ » » 45,5 1292| — ı » 
31 j1 | 25,6 , Vollständig ruhig. 46 1282| 195 | > 


44 P. Bachmetjew, 


13./25. April 1898. Saturniapyrig e.l. 13./25. April 1898. Saturnia pyrig e.l. 
'Temperat. Temperat. 
des des 
Stunde N. a | Bemerkungen Stunde nv a Bemerkungen 
(berech- | (berech- 
| net) | | net) | 
10h46,57|) 27,01 — | Ruhig. 10b55’ | 29,5 | +19,9°| Ruhig. 
27 1 25,81 249297 > 55,5 | 28,0| — > 
175 So > 56 1265| 195| >» 
187 | 2200 0 56,5] 25,31... ne 
48,5| 22,2, 18,7 | Aufgeregt. 57 [242] 31) > 
49 abe > 575 | 23,0 > 
49,5| 33,0| — > 58...) 224,2] Bel 
50 139,01 21,1 > 58,5] 210] ee 
50,5| 41,01 — > 59 1208| 186 | » 
51 | 50,0° 22,6 | Ruhig 595| 2008| > 01 
51,5| 46,0 22,3 > 11600’ | 198| 185 | > 
52 |435| 21,9 > 00,5, 20,01 — | Aufgeregt. 
Ba > 01 |2z0| walı 
53 | 380| 211 > 01,5) 33,0| — | > 
59,51 355, 0 00 > 02 | 39,0! 21,3 > 
54 | 338| 20,5 02,5 46,0) 22,3 | Ruhig. 
54,5|31,5| — > 03°] 41.84. Sn 


Aus dieser Tabelle ist ersichtlich, dass die Temperatur des 
Schmetterlings während der ganzen Beobachtungszeit nicht konstant 
blieb, sondern mehr oder weniger starken Schwankungen unter- 
worfen war. 

Um diese Temperaturschwankungen klarer zu veranschaulichen, 
stellen wir sie uns graphisch dar, indem wir als Ordinate die Tem- 
peratur des Schmetterlings und als Abseisse die Zeit in Minuten 
(s. Fig. 2) annehmen. 

Aus der so gewonnenen Kurve ersehen wir, dass deren Minima 
mit dem Anfange der Flügelbewegung (s. die vorangehende Tabelle) 
und deren Maxima mit dem Eintreten der Ruhe des Schmetterlings 
zusammenfallen, d.h. dass während der Flügelbewegung des 
Schmetterlings seine Temperatur steigt und sofort fällt, 
sobald er seine Flügel zu bewegen aufhört. 

Dieselbe Kurve zeigt uns noch, dass (angefangen von 10%23,5’) 
die maximalen Temperaturerhöhungen des Schmetterlings immer ge- 
ringer werden und die Minima immer niedriger werden, indem sie 
sich der Zimmertemperatur (17,5°) nähern. 

Somit können wir sagen, dass der Schmetterling (Saturnia pyri) 
im Zustande der Ruhe die Temperatur der ihn umgebenden 
Luft besitzt. Dieser Schluss, wie wir weiter unten sehen werden, 
ist auch für Temperaturen unter Null richtig. 

Dieses Resultat stimmt somit überein mit den Beobachtungen 


Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 


von GIRARD (20), H. Lecog (38), 
BREYER (5), BECQUEREL (2), Haus- 
MANN (24), NOBILI und MELoNI (47) 
und Anderen. Nur DUTRochHEr (14) 
fand, dass der Insektenkörper im 
Ruhezustande manches Mal kälter 
als die umgebende Luft ist, ob- 
gleich auch bei ihm Insekten, welche 
sich im Wasserdampfe befanden, bei 
Bewegung eine höhere Temperatur 
hatten als im Zustande der. Ruhe. 
Die bemerkenswertheste Übereinstim- 
mung aber weisen die Ergebnisse 


NEwPOorT’s (44) auf, welche er mit 


Cerura vinula (Harpyia vinula) 
gewann. So wie bei ihm dieser 
Schmetterling, so war auch bei mir 
Saturnia pyri zeitweise in Bewe- 
sung, beruhigte sich dann und be- 
wegte sich wieder. Der allgemeine 
Temperaturgang des Insektenkörpers 
hat in unseren Versuchen denselben 
Charakter (obgleich NEWPORT sein 
Thermometer an den Schmetterlings- 
körper nur anlegte, ich aber das- 
selbe in den Körper hinein- 
‚steckte). 

Um die Frage zu lösen, welche 
maximale Temperatur ein Schmetter- 
ling, ohne zu sterben, aushalten kann, 
wurde folgendes Experiment ange- 
stellt: 

Ein Glastrichter wurde mit sei- 
ner breiten Öffnung auf ein Sand- 
bad, welches von unten durch eine 
Lampe gewärmt wurde, gestellt. In 
der schmalen Öffnung des Trich- 
ters befand sich das elektrische 
Thermometer A (Fig. 1), und unter 


den Trichter wurde auf die Nadel 
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Bd. 


Br. 0 
ar En 


Zeitintervalle in Minuten 


elay 
Sr 


Saturnia pyrl ® bei Zimmertemperatur 18° ( 23, 17.1898) 


20 


Nur Le 7 DM 
sy ur ınJvdadurs] 


36 


945 


ie) 


Die Kurve stellt den Gang der eigenen Temperatur von Saturnia pyri (5 dar, bei +18° ©. Zimmertemperatur. 


546 P. Bachmetjew, 


D der Schmetterling Saturnia pyri © e.1. gesteckt, welcher sich 
mit den Füßen auf ein Torfplättchen stützte. 

In der unten angeführten Tabelle (im Auszug) sind die Zahlen 
für den elektrischen Strom (r) der Kürze halber weggelassen und 
die Temperatur (t,) des Körpers des Schmetterlings schon ausge- 
rechnet angegeben. 


18./30. April 1898. SaturniapyriO®© e.l. 


Stunde ii Bemerkungen. 
2h26’ 20,7° | Der Schmetterling ist ruhig. 
37 19,9 Das Luftbad ist erwärmt worden. 
47 21,0 Die Lampe ist ausgelöscht. 
48 23,2 
49 25,9 
au. ade 
51 31,1 
52 33,2 
53 33,7 Im Trichter ist vom Sande Dampf gebildet worden. 
54 35,8 
55 37,5 
56 38,9 
3h00 37,8 Der Schmetterling ist ruhig. 
02 38,3 >» » >» » 
04 38,5 » > » » 
06 38,3 » » » » = 
55 “ Das Bad wurde erwärmt und die Lampe nachher ausgelöscht. 
7,9 
13 38,9 Der Schmetterling ist aufgeregt. 
14 41,7 » » » >» 
16 43,4 » » » >» 
18 42,8 » >» » » 
20 42,7 Das Bad wurde wieder erwärmt und die Lampe ausgelöscht. 
24 43,0 Der Schmetterling ist matt geworden. 
28 44,5 » » » » » 
31 45,0 » » » » » 
39 45,7 Das Bad ist noch einmal erwärmt worden. 
42 45,8 Der Schmetterling ist bewegungslos. 
50 50,2 
56 | 533 


Hieraus ist zu ersehen, dass der Schmetterling (Sat. pyri) sehr 
unrubig wird bei ungefähr 39° und dass er stirbt, wenn die Tempe- 
ratur seines Körpers 46° erlangt. 

Diese Ziffern sind etwas höher als diejenigen, welche von an- 
deren Forschern erzielt wurden. So fand NiIcoLer (46) das vitale 
Maximum für Podura similata bei + 35°C.; O. Bürschui (6) für 
Blatta orientalis — bei + 33°C. Bei H. Scuuzz (57) zeigte der 
Frosch bei -+ 35,5°C. Krämpfe und beruhigte sich bei + 33,6°C. 

Ich gebe hier noch einige Daten für das vitale Maximum aus 
der Pflanzenphysiologie. 


Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 547 


MAx SCHULTZE (56) untersuchte die Härchen der Staubfäden von 
Tradescantia virginica, die brennenden Härchen der Urtiea 
urens und die Zellen der Blätter von Vallisneria spiralis und 
fand, dass die Temperatur, welche absolut tötlich auf das Proto- 
plasma der Zellen wirkt, zwischen 47° und 48° Jiegt. 

JuLIus SacHs (55) fand bei Untersuchungen von Vallisneria 
spiralis, dass dieselbe bei 45° stirbt, und erklärt die Nichtüber- 
einstimmung seines Resultates mit demjenigen von SCHULTZE dadurch, 
dass bei SCHULTZE die Erwärmung der Pflanze auf diese Temperatur 
nur 2—3 Minuten, währenddem sie bei Sacas 10 Minuten dauerte. 

Bei mir starb der Schmetterling Sat. pyri bei ungefähr 46°, 
welche Zahl zwischen denjenigen von SCHULTZE und SacHs für das 
Protoplasma der Pflanzen liegt. 

Eine merkwürdige Übereinstimmung zeigt aber die Temperatur, 
bei welcher der Schmetterling sehr unruhig zu werden beginnt (ca. 
39°). SCHULTZE äußert sich folgenderweise in Bezug auf Bewegung 
des Protoplasma bei den drei genannten Pflanzenarten: »Die Bewe- 
sung verlangsamt sich in allen Fäilen von 38—40° an, kehrt aber, 
wenn die Temperatur nicht über 48° stieg, bei der Abkühlung meist 
bald zu der ursprünglichen Schnelligkeit zurück. « 

Bei mir begann die Sat. pyri, vorher ruhig, bei 38,9° (um 
2.56) so stark zu flattern, dass sie sich von der Nadel D hinunter- 
riss; vier Minuten später (um 3200’) war die Temperatur des 
Schmetterlings nur 37,5°, und er beruhigte sich. Bei allmählicher Er- 
wärmung des Sandbades stieg die Temperatur des Schmetterlings 
abermals und, bei 38,9° angelangt, begann er wieder zu flattern. 
Somit steht dieses Ergebnis in vollem Einklang mit den Beobach- 
tungen SCHULTZE’*. 

Bezüglich jener niedrigen Temperatur, bei welcher die In- 
sekten noch leben, d.h. wenn sie während einer gewissen Zeit einer 
solchen Temperatur unterworfen waren, nachher aber in Zimmertem- 
peratur wieder aufleben können, wurden folgende vorläufige Expe- 
timente gemacht. 

Ein ceylinderförmiges Glas (2? r = S0 mm, A = 60 mm) wurde 
mit einem Glasplättchen bedeckt, welches in der Mitte eine Öffnung 
hatte, in die ein Quecksilber-Thermometer gestellt wurde. In der 
Mitte (auf der halben Höhe) war das Glas durch ein Stück Karton 
getheilt, auf welches die Insekten gelegt wurden. Dieses Glas wurde 
in gestoßenes Eis gestellt, welches, um die Kälte zu steigern, mit 
Kochsalz und Spiritus gemischt wurde. 

36* 


548 P. Bachmetjew, 


Im Glase befanden sich Anfangs folgende Insekten: Käfer: 
Dorcadion sturmii, Dore. rufipes, Larinus turbinatus und 
einige Zimmerfliegen. 

Stunde: 24097, "2811, 2137, 945, 217, aus, Sa, 
"rn 4 73, N 

Nachdem das Glas geöffnet wurde, bewegte sich am stärksten 
Dore. rufipes, Dore. sturmii sehr schwach, und die Fliegen waren 
bewegungslos. Dann wurden alle herausgenommen, und nach einigen 
Minuten lebten alle, auch die Fliegen, auf. 

In das Glas wurden wieder dieselben Arten in frischeren Exem- 
plaren gesetzt: 

Stunde: 3427’, 3035’, 2239’, 342’, Zu45’, Zhag’, 3250, 460%, 406’, 
: = 5523,605,24,30°=5;68, 7,10, 810°, Son e 

Die Insekten waren bewegungslos nnd erwiesen sich, bei Zimmer- 
temperatur auf den Tisch gelegt, alle als todt, ausgenommen die 
Fliegen, welche nach Verlauf von einigen Minuten wieder auflebten. 

Ein weiterer Versuch zeigte Folgendes: 

Stunde: 413°, Aa’, 417’, Ag’, A491’, Ah9y, 
20: — 5,2%, —5,9°%, —6,0°%, —6,0°%, —6,2°. 

Die Insekten der vorherigen Arten, aus dem Glase genommen, 
lebten alle auf dem Tische wieder auf. 

Endlich wurden dieselben Arten, aber neue Exemplare, in das 
Glas gelegt und einer stärkeren Kälte unterworfen, nämlich: 
Stunde: A233’, ar38/, ara0', Away, Ana7/, An50, Abs6t, AT’, 

0: — —9,9°, —11,1°, —13,2°, —15,2,, —15,9°, —16,8°, —17,0°. 

Obgleich die Insekten, nachdem sie aus dem Glase genommen, 
über eine Stunde bei Zimmertemperatur (+ 21°) auf dem Tische ge- 
legen, erholten sie sich nicht wieder. 

Darauf wurde eine Reihe ähnlicher Experimente mit anderen In- 
sekten gemacht, und zwar mit Schmetterlingen: Aporia cerataegi, 
Polyommatus thersamon, Pol. aleiphron v. gordius, Lycaena 
icarus, Lyce. astrarche, Vanessa atalanta, Nisoniades tages, 
Coenonympha pamphilus, Eucelidia glyphieca und mit Käfern: 
Larinus turbinatus, Cerambyx scopoli, Melasoma populi, 
Semiadalia 11-notata, Phytoecia affinis, Melolontha hippoca- 
stani, Doreadion olympiecus und mit einer Libellula depressa. 
Stunde: 9645’, *9h58’, 10410710816’, 10:23,.1058 7 11.571137 

0: 42,0%, 1,90, 9 7 ag gg pe Eng 


Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 549 


Bei Zimmertemperatur lebten wieder auf nur: Cerambyx sco- 
puli und Libellula depressa. 

Bei einem weiteren Versuche wurden frische Exemplare genom- 
men, wenn auch nicht alle Arten des 1. Versuches: 


Be 50, 12307, 1838, 1har’, 1Ra77, 150, 1n5sr, 
re 5,90 4,3% 25,00 .26,30 ) ig 70 Lage 
Bae20200, 22037, 2206, 2008‘, 219, 2516, 9227’, 9695” 
300, 28,90, 940, 10,19, 10,59%, 10,6%, 210,20. 
Starben: Polyommatus alceiphron v. gordius, Lycaena 
astrarche gi, Phytoecia affinis, Semiadalia 11-notata, Mela- 
soma populi, Cerambyx scopuli, Melolontha hippocastani, 

Doreadion olympicus. 

Lebten wieder auf bei Zimmertemperatur: Aporia crataegi, 
Lyeaena astrarche Q, Vanessa atalanta, Coenonympha pam- 
philus, Euelidia glyphica, Larinus turbinatus. 

Die Versuche bei größerer Kälte zeigten: 

Stunde: 235°, ag’, My, ah5y/, 59, 3H02, 3h05’, 3010, 
ee 790 11,30, 13,90 213,80 213,80) 13,79, 13,00. 
Starben: Polyommatus thersamon, Lycaena icarus ©, 

Larinus turbinatus. 

Lebten wieder auf: Coenonympha pamphilus. 

Die letzte Schmetterlingsart, auf eine halbe Stunde wieder ins 
Glas gelegt, lebte bei © = —18° nicht wieder auf. 

Zuletzt wurde eine Reihe Versuche vorgenommen mit Haus- 
wanzen (Cimex lectularius), großen Fliegen, die sich bei mir aus 
den Puppen Saturnia spini entwickelt hatten, und einem Schmetter- 
ling Aporia crataegi. 

Stunde: 4436’, An29, Aab3y7, An3E’, Au0/, Ana0/, Ab, Any’, 
eo oa 4ge 510) 25,90%, 5,90 5,0% 
Alle Arten lebten bei Zimmertemperatur wieder auf. 

Dieselben Arten, nur andere Exemplare: 
de 5200), 520275603) 5057, 5807’, 5bı1’, 5b18’, 527’, 5028, 

go go 0 1029 90 210,70, 11,40, 11,50 A1NES, 

Alle Arten lebten wieder auf, jedoch von den 20 Exemplaren 
des Schmetterlings Ap. erataegi nur eirca die Hälfte. 

Somit sterben verschiedene Species bei verschieden niedrigen 


990 P. Bachmetjew, 


Temperaturen, und das vitale Minimum variirt sogar bei einer und 
derselben Species, wie dies z. B. aus den Versuchen mit Ap. erataegi 
ersichtlich ist. 

Es ist von Interesse, diese Daten mit denjenigen anderer Forscher 
‘zu vergleichen: 

PoucHer (49) fand das vitale Minimum für Melolontha vul- 
garis einmal bei — 18 bis — 20° bei 11/,stündiger Einwirkung dieser 
Kälte; ein anderes Mal, als während 1 Stunde die Kälte von — 14° 
einwirkte, starben von fünf Exemplaren zwei. 

Ich bekam für eine verwandte Species, nämlich Melolontha 
hippocastani: Einwirkung der Kälte 3 Stunden; Anfangs — 5,7°, 
am Ende — 10,2°. Das Exemplar starb. D.h., dass in meinen Ver- 
suchen das vitale Minimum viel höher liegt als bei PoucHEer. 

PouchHer fand, dass Libellula compressa bei — 16° während 
3 Stunden stirbt. Bei mir starb die verwandte Species Libellula 
depressa bei —7,5° (Anfangs + 2,0°) während 1 Stunde und 23 Mi- 
nuten, d. h. wiederum nicht bei einer so niedrigen Temperatur wie 
bei PoucHET. 

Da man nicht sagen kann, ob die der oben erwähnten Unter- 
suchung unterworfenen Insekten die Temperatur der umgebenden Luft 
hatten, so ist es auch unmöglich aus den hier beschriebenen vor- 
läufigen Versuchen genau zu ermitteln, bei einer wie niedrigen Tempe- 
ratur die eine oder die andere Art stirbt. Zu diesem Zwecke wurde 
folgender Versuch mit dem im botanischen Garten der Hochschule 
eingefangenen Schmetterling Sphinx ligustri gemacht; bei diesem 
Versuche wurde das oben beschriebene Glas verwendet mit dem Glas- 
deckel, in dessen Öffnung jetzt nicht ein Quecksilberthermometer, 
sondern das elektrische Thermometer A (Fig. 1) sich befand und noch 
ein zweites ähnliches, für die Messung der Temperatur der Luft im 
Glase bestimmt (dieses letztere war mit einem anderen Galvanometer, 
auf dieselbe Weise wie das erstere, verbunden). 

In der angeführten Tabelle ist somit unter » die Stärke des 
thermo-elektrischen Stromes vom Schmetterling und der umgebenden 
Luft zu verstehen. In der Kolumne »/, für Spiritus« befinden sich 
die Zahlen für die Temperaturen des Spiritus im Gefäße B (Fig. 1) 
und im Gefäße, welches zur Messung der Temperatur der umgeben- 
den Luft dient. Die Kolumne ?, enthält die ausgerechnete Tempe- 
ratur des Schmetterlings und der umgebenden Luft. 


Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 551 


15./27. April 1898. Sphinx ligustri 


Be, 
für 


to für Spiritus | 


für 


für 


ı 


aunde a für Luft | Schmet- | für Luft | Schmet- | für Luft Bemerkungen 
terling | terling terling 
ou. | 142° | 150° | 414,6 | 15,0° 
52: — 15,0 
4h00 |— 58,5| —12,0 | 14,0 14,9 + 6,2 Das Bad besteht aus rei- 
02 | — 67,3 —32,0 nem Eis. 
09 |— 84,5| —35,5 
16 |— 85,0) —35,6| 14,0 14,6 |+ 2,7 |+ 0,4 |Schwache Bewegung. 
20 \— 89,0| —36,0 \ > 
Bel 139 | 145 ; i 
| 3930| 36,5 ; \ 
30 |— 96,3| —36,9 | x : 
es 36 1 | 142 : £ 
Be 1013| 36,8 ; 
27095) 36,5 | 13,7 | 142 5 \ 
55 |—103,2| —36,8 0.0.06 
5h02 |—105,0| —39,0 — 0,3 ı— 1,6 | Das Bad besteht aus Eis 
9 1064| —40,2| 13,7 | 14,0 + Nall. 
06 |—108,2| —41,2 
09 | 1111| —42,5 
1 1195|, 454 2.931043 
20. 1250) —47,0 
= 1530 493.136 | 13,8 
= 7580 508 
Au 119g 51,1 es 
eo 5 135 | 13,7 
a7 A, 52,0 
98 52,0| 134 | 13,6 
0 5 53,2 u 7 
40 |—149,2| —51,5 , 13,3 13,6 Ist in diesem Bade die 
16./28. April 1898. ganze Nacht gelassen. 
8h13’ I— 99,2| —45,5 | 13,1 13,7 |— 0,1 | — 4,5 | Ins Bad ist frische Luft 
27 |— 84,0) —42,3 eingelassen. 
30 |— 98,5| —47,0 
Ss 11035) — 482 
32 |—108,5| —49,6 
jo —51,5 
953 —59,7 
ee 35 | 140 | — 35 
a0 1359| 543 BASE NIT 
55 | 1535, 56,4 269 
9hy1 |—157,2| —56,7 — 7,3 |— 8,6 |Zum Eise ist Kochsalz 
Bee 5852| 136 141 |—- 7,8 | 92 beigemischt. 
10 | 1641| —60,0 2820098 
15 |—167,1| —60,8 — 8,7 | —10,0 | Zum Eise ist noch Spiri- 
24 | -171,8| —61,1 — 9,3 | —10,0 tus beigemischt. 
38 |—115,0| —59,0 on 
30 | 119,0) —63,0 ar 210,6 
31 |—123,0| —63,5 — 2,8 | —10,8 
EB 116,01 eig 71065 
die — zn | as 
a tiss, — 14,5 
a io — 14,5 
41 |—106,9 — 14,5 
A olg 14,5 
Ba — 14,5 
Ds 14,5 


552 P. Bachmetjew, 
16./28. April 1898. Sphinx ligustri 
| n | % für Spiritus ıı | 
Sun ee für Luft | Schmet- | für Luft | Schmet- | für Luft Pe 
terling | terling terling 
9650’ 485 — 13,82 14,5° Schien todt zu sein, lebte 
2500. | 13.31.20 0450| 15202 2 (es Ta: aber um 11h wieder 
10 0,2 — 3,5 | auf. 
15 — 45,5] —23,0| 148 | 15,3 
>53 830, 39 
26. | 187.0 387 
32 — 95,6] —35,2 | 14,5 15,2 | + 1,7 [+ 1,1 | Bewegt sich. 
A6 1525| 570 | 
27221620, 61, 
48 221990) - 635 
49 |—180,0| —67,0 
50 18720) 7150 
511930, 7910 420.188 
52 121985 7255 195 MD 
53 |--203,0| —73,0 = 13,0, 144 
531) —171,0| -—59,0 — 8.8.1 388 
54 |—176,5| —67,0 — 96 |=120 
55 1802| 71,9) 14.0: | 14,8 10.09. 700 
58 | 180,7] — 72:0 10,1 1400 
3102 1800 2755 0 
142 | 4810-719 
20 |—184,8| — 70,9 
33 |2189,1| - 70.8 
35 1926| 70:9 9420| 138 
97 | 1962) — 70,6 
39 | 1995) 705 
32 29032 70% 
367420078, 2710138 | 145 | 138 138 
So 
43,5 2118|, 720 | 
48 |—213,6| —72,6 Das Eis im Bade wurde 
54 |—214,8| — 75,6 hineingedrückt. 
400 —215,0| — 74,0 eg 2 
0 a 2 
i6 a 7 
37. 12070) 15 1387 | 12m, 0 sen 
37 70— 90| — +15,8 | Bei Zimmertemperatur. 
ss 15,8 
So | 15,8 
40.0.2600 15,8 
4 Be 15,8 
a  — 15,8 
As oe 15,8 
a 15,8 
5 |-630 — 2130.) 2158 


Aus dieser Tabelle, obgleich 
wir Folgendes: 
Sphinx ligustri, ins Eis gelegt, nahm die Temperatur des 
Eises (0,0°) erst nach 55 Minuten an (von 4?00 bis 4#55’), wobei er 
noch schwache Bewegungen zeigte. 
Dieser Schmetterling, bis zu dem Grade abgekühlt, dass sein 


nur im Auszug angeführt, ersehen 


Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 553 


Körper um 6°20 eine Temperatur von —6,7° zeigte, und die ganze 
Nacht im Eise gelassen, lebte dennoch, bei Zimmertemperatur gelassen, 
am folgenden Morgen wieder auf. 

Das Bemerkenswertheste ereignete sich aber um 9428’. Der 
Schmetterling kühlte sich vorher allmählich und ziemlich regelmäßig 
ab, und sein Körper zeigte um 924’ eine Temperatur gleich — 9,3°; 
um 928’ aber stieg seine Temperatur plötzlich bis —1,7°, wonach 
er wieder sich abzukühlen begann. Nachdem er dann an der Luft 
bei Zimmertemperatur gelassen war, stieg seine Temperatur Anfangs 
langsam, dann aber immer rascher, bis er endlich um 11 Uhr wieder 
auflebte. | 

Nachdem er abermals ins Eisbad gelegt war, bewegte er seine 
Flügel noch bei einer Temperatur seines Körpers von +1,7°, wonach 
er, sich regelmäßig abkühlend, um 2"53’ wieder einen Temperatur- 
sprung zeigte, und zwar stieg seine T’emperatur plötzlich während 
einer halben Minute bis —8,3°; nachher fuhr er fort, sich langsam bis 
— 15,2° (um 3637’) abzukühlen. Nachdem er dann beiZimmertemperatur 
selassen wurde, konnte er nicht mehr zum Leben gebracht werden. 

Somit zeigt uns diese Tabelle das Vorhandensein einer besonderen 
Temperatur, bei welcher die Säfte des Schmetterlings erstarren; in 
Folge dessen entwickelt sich die latente Erstarrungswärme, welche 
ihrerseits die Temperatur des Schmetterlings auch erhöht. Dieser 
- Umstand wirkt jedoch nicht tödlich auf den Schmetterling. Bei 
Wiederholung des Versuches begannen die Säfte des Schmetterlings 
schon bei einer niedrigeren Temperatur, als beim ersten Versuche, 
zu erstarren, und der Schmetterling starb erst, nachdem er eine 
Temperatur von —15,2° erreicht hatte. 

Dass die Insekten einfrieren und, nachdem sie aufthauen, unter 
gewissen Bedingungen wieder aufleben, wurde von verschiedenen 
Forschern beobachtet. 

So hat NıcoLErT (46) dem Erfrieren Podura similata unter- 
worfen. Sie verblieben in der abkühlenden Mischung von —11° 
während 12 Stunden; als sie dann langsam aufthauten, lebten sie 
nach Verlauf einer Stunde auf und liefen eilig davon. Andere 
Exemplare wurden zum Erfrieren gebracht und in diesem Zustande 
während 10 Tagen gelassen, lebten dann wieder auf. 

. RÖDEL (54) beobachtete die Erstarrung bei den Ameisen bei 0°; 
der Tod trat jedoch nur bei Einwirkung einer Kälte von — 19° 
während einer '/, Stunde, oder bei Einwirkung einer Kälte von — 15° 
während 3 Stunden ein. 


554 P. Bachmetjew, 


Aus der im Anfang dieses Aufsatzes angeführten Litteratur ist 
es ersichtlich, dass die Insekten bei Abkühlung abhängig von der 
Zeit, während welcher die Kälte einwirkte, sterben; ob sie erst eine 
sewisse niedrige Temperatur erreichen müssen, ehe das andauernde 


- Einwirken der Kälte ihren Tod zur Folge hat, ist aus den bis jetzt 


bekannten Beobachtungen nicht zu ersehen. Nur RÖDEL sagt, dass 
»völlig gefrorene Thiere, die einen Cirkulationsapparat besitzen, sich 
nicht wieder beleben«. 

Die nicht erfrorenen, wenn auch abgekühlten Insekten sterben 
nicht, sondern sie verlieren nur bei einer gewissen Temperatur die 
‘Fähigkeit, sich frei zu bewegen, wie dies aus den Versuchen ver- 
schiedener Forscher ersichtlich ist: 

So sagen Kırby und SPENCE (32), dass wenn Geotrupes ster- 
corarius völlig erstarrt waren, die ihnen anhaftenden Milben ganz 
munter waren. 

Wyman (64) fand, dass eine Wespe bei —25° nicht erstarrte 
und reflektorische Bewegungen beim Anrühren machte. 

DEcROSEN (9) fand in Torferde bei —S° lebende Fliegen. 

DÖNnHorF (10) beobachtete, dass Fliegen nach achtstündiger Ein- 
wirkung einer Kälte von —3° noch ihre Füße bewegten. Nach 
zwölfstündiger Einwirkung einer Temperatur von —61/,° haben sie 
Scheintod, leben jedoch bei Erwärmen wieder auf. Nur eine Kälte 
von — 10° während 3 Stunden tödtet sie völlig. 

RÖDEL (54) sagt, dass mehrere Käferlarven verschiedener Gat- 
tungen eine Temperatur von —6° aushielten und starben, als sie 
»durch und durch gefroren waren«. 

Derselbe Forscher beobachtete, dass die Puppen von Pieris 
brassieae bei — 25° nicht sterben und dann, in ein warmes Zimmer 
gebracht, Schmetterlinge erzeugen. 

REAUMUR (50) stellte fest, dass Raupen von Vanessa cardui 
bei —15° R. nicht erfrieren. Die Puppen von Pieris brassicae 
sterben bei —16° R. nicht. Im Allgemeinen sterben die Puppen 
vieler Schmetterlinge bei —7° bis —8° R. nicht. 

SPALLANZANI (59) behauptet, dass die Eier von Bombyx rubi 
eine Temperatur von —50° ohne Schaden für die Entwicklung aus- 
halten. 

Dass der-Erstarrungspunkt bei verschiedenen Insekten verschie- 
den ist, davon spricht RÖDEL (54). — 

Es entsteht somit eine ganze Reihe von Fragen: 

1) Welche Faktoren verhindern die erfrorenen Insekten, nach- 


Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. _ 555 


dem sie aufthauten, wieder aufzuleben, resp. ist die Ansicht RÖDEL’s, 
dass durch und durch gefrorene Insekten nicht mehr belebt werden 
können, richtig? 

2) Weisen alle Insekten einen »Temperatursprung« ihres Körpers 
auf, und wenn so, dann bei welchen Temperaturen ? 

3) Tritt bei Wiederholung des Versuches der »Sprung« stets bei 
einer niedrigeren Temperatur, als beim vorhergehenden Versuche ein? 

4) Bis zu welcher Höhe steigt die Temperatur der Insekten nach 
dem »Sprunge« bei verschiedenen Arten? 

5) Wie ist diese Überkühlung der Säfte der Insekten zu erklären? 

6) Warum erfrieren die Insekten bei sehr verschiedenen Tem- 
peraturen und warum variirt diese Größe bei verschiedenen Exem- 
plaren einer und derselben Art? 

Antwort darauf geben die 


Definitiven Experimente, 


I. Wann tritt bei Einwirkung von Kälte der Tod der Insekten ein? 


In den unten angeführten Tabellen führe ich der Kürze halber 
die Werthe für die Stromstärke nicht an und gebe nur die aus- 
serechnete Temperatur der den Schmetterling umgebenden Luft und 
die Temperatur seines Körpers. 


18./30. April 1898. SaturniapyriQ el. 


Teheran ” Temperatur 


Stunde | umgebenden des Bemerkungen 
| Luft | Schmetterlings | 

11553’ Eu 4° | +31,7° | Der Schmetterling bewegt sich. 
54 31,7 
57 +15, ge 29,7 

12,07 19,7 Ins Eis gebracht. 

2,22 ae 02 

3,22 0,0 

3,43 — 9, 9 — 2,5 Bewegt sich nicht mehr. 

3,44 —3,4 Eis + NaCl. 
45 1 ‚9 ey) 
46 7 
47 _12 7 54 
48 sr — 5,8 
49 43,9 Be 
50 Bi 68 
51 is 4 — 17,2 Das Hammerklopfen auf den Tisch, auf 
52 gr ‚6 — 17,6 welchem sich das Bad befand, hat kei- 
93 — — 8,0 nen Einfluss auf die Abkühlung. 
2 FE 9 
59 —l| 3, R>) — 8,6 
56 41 2290 
57 14,2 ug 


556 P. Bachmetjew, 


18./30. April 1898. SaturniapyriQ el. 


| Temperatur der| Temperatur 
Stunde | umgebenden des Bemerkungen 
| Luft Schmetterlings | 
3h5g’ —14,0° —9,4° 
59 2499 4 M 
4 00 198 — 1,4 
01 1120 > 
03 a — 15 
05 —435 15 
06 —19,4 —1,5 
07 = 1,5 
08 sd un 
10 95 5 
12 — 138 7 
14 35 ag 
15 2485, 94 
19 +16,1 32 
20 +16,1 3 
21 > 2) 
23 \ 91 
24 » —2,0 
35 » —1,9 
27 > —1,7 Bewegt sich noch nicht. 
28 » —1,5 » » » » 
239 » —1,4 » » > » 
30 | » —1,5 » » » » 
31 | » —1,2 » » » » 
32 | » —0,3 » > » » 
34 | » +3,5 » > > » 
35 » —+5,0 » > > » 


Aus dieser Tabelle ist ersichtlich, dass der Schmetterling, wäh- 
rend er sich allmählich abkühlte, einen plötzlichen Temperatursprung 
von —9,4° auf —1,4° zeigte, wonach seine Temperatur während 
11 Minuten (3?59’ bis 410’) ständig verblieb. Dieser Umstand be- 
weist, dass das Erstarren der Säfte noch nach dem »Sprung« 
fortdauerte. 

Dieser Schmetterling lebte, nachdem er bei Zimmertemperatur 
auf den Tisch gelegt war, um 520’ desselben Abends wieder auf. 
Er blieb auch den folgenden Tag am Leben und legte während des- 
selben viele Eier. 

Es ist also hieraus ersichtlich, dass das alleinige Erstarren der 
Säfte des Schmetterlings dessen Tod nicht verursachen kann. 

Ich führe hier noch eine in Abkürzung gegebene Beobachtungs- 
tabelle an: 


Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 


13./25. April 1598. 


997 


Saturniapyridg e.l. 


Temperatur der Temperatur | 
Stunde umgebenden es Bemerkungen 
Luft Schmetterlings | 
2h05’ — 1,5° — 0,8° | 
10 eg 99 
15 — 5,0 — 4,3 
20 — 95,1 — 5,9 | 
25 1 26.0 
30 — 5,1 — 6,3 
35 — 5,1 — 6,4 
50 _49 — 6,6 
3h30 — 7,0 — 1,2 Ist bei der Zimmertemperatur gelassen. 
35 — IM) — 4,7 Lebt auf. 
40 2100 el 
45 | 18 
50 —10,4 — 8,1 
95 —10,5 — 9,2 
4h00 —10,5 — 9,7 
05 —10,4 08 
14 2110 > 
20 cn —10,6 
25 —13,0 —11,6 
30 — 15,0 — 1,1 
45 — 14,0 — 4,1 
50 —13,8 — 8,4 
bp) —13,2 —11,6 
5h00 2130 —14,5 
10 19,8 —15,6 
30 — 3,8 — 8,9 Das Eis ist entfernt worden. 
50 123,9 3) 
6h15 —+10,8 0,0 | Bei Zimmertemperatur. 


Auch diese Tabelle zeigt, dass um 4"25’, als die Temperatur des 


Schmetterlings — 11,6° betrug, dieselbe auf einmal bis —1,1° stieg, 
d. h., dass im Gange der Temperatur des Schmetterlings der in den 
vorhergehenden Tabellen erwähnte Sprung sich ereignete. Wenn wir 
den Schmetterling bald nachher aus dem Eisbade genommen hätten, 
so würde der Schmetterling auf Grund der vorhergehenden Tabelle 
wieder aufgelebt sein; der Schmetterling wurde aber dem weiteren 
Einwirken der Kälte ausgesetzt, und um 5?10’ zeigte sein Körper 
die niedrigste Temperatur von —15,6°. Alsdann wurde mit der 
Abkühlung nachgelassen, und um 615’ wurde der Schmetterling bei 
Zimmertemperatur (18°) liegen gelassen. Er konnte jedoch nicht 
wieder ins Leben zurückgerufen werden. 


Auf Grund dieser Thatsachen kann man annehmen, dass der 
Schmetterling bei Abkühlung daran stirbt, wenn er nach dem Sprunge 
seiner Temperatur einer weiteren Abkühlung bis zu einem gewissen 
Grade unterworfen wird, wobei diese Temperatur jedenfalls, wie die 


558 P. Bachmetjew, 


Tabelle vom 18./30. April zeigt, nicht höher als —2,5° und nicht 
über —15,6° sein muss (s. die eben angeführte Tabelle). 

Um diese Temperatur genauer zu bestimmen, wurden Versuche 
mit dem Schmetterlinge Aporia crataegi ausgeführt, wobei zu jedem 
Versuche ein neues Exemplar genommen wurde. 


22. Mai/3. Juni 1898. Aporia crataegi 


| m to im Gefäße B | tı berechnet 


San en für Luft Sonet. | für Luft a | für Luft en uber 
\ terling | terling | terling | | 
I. Exemplar: 
25587 |—130,0| —71,8| 20,9° | 21,9° |+ 3,6 |— 6,8 
3.00 190 79% ı— 2.0. 1729,09 
01 |—186,5| —80,9 
02 |-196,5| —81,1 
03. 129083 e 2er 
02 20 
05. | 9158| 83.0 | 
06.1.22209) 8530 | 
07 oa 
08 |-- 226,5) —83,3 = 191 
09 | 228,8) —83,2 IM 
102 122504 8330 08 
104/5|—231,4| 82,0 —10,0 1 —11,0 
11 1—165.0 —82.0| 20,8 | 21,8 |— 1.2 —11,0 | Lebtebei Zimmertempe- 
II. Exemplar: ratur (21,5°) auf. 
nos” | 100.0] — 50,1. 21,503 29410] 2 82 Fr 
15 |—144,5| —60,8 | 
50°. 2 1850| 782 | 
23 1 —202,3) —80,0 
24 |—206,3| —80,5 
95.1 210,2] > 854 6,7 
56. 1 9119 851 ed 
a ro | 2278012795 
271/9| —166,3| — 86,0 | 21,3 22,2 1 — 08 
98 1 1665)) 869 | — 08 
29 |—166,2| —85,9 | 
30 |—166,2) —S8,0 | 
31 166,2) 88.2 | 4:0 
45 |—204,0| —85,2 | 2 60 | 
46 |—208,0| —85,0| | — 6,5 | —11,9 | Lebte bei Zimmertempe- 
III. Exemplar: ratur auf. 
30277 163.0] 6701 20.800 21802 2209 5,0 
29 |—181,3| —67,8| | 
320.1 191.8) 2 629 
32 | 1964) 74.0 een 
35 |-—200,5| —76,0| ee 
36,412 2008, 2 206 67 
ne 68 
377, 16301. 2768 111‘ 
38.116381 782 10 
a0l.l= 163,80 79,1, 413 
42 | 165.210 80) — ln 
46 |—176,0| —81,0 al 
5611 226,81, 81,81 | oa 
57 1—2280| — | 20,4 | —10,0 ı —  |lst gestorben. 


Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 559 


Wie aus dieser Tabelle ersichtlich, zeigte der erste Schmetter- 
ling den »Sprung« bei —10,0°, wobei seine Temperatur bis —1,2° 
stieg. Er wurde sofort herausgenommen und lebte dann auf. 

Der zweite Schmetterling zeigte den »Sprung« bei —8,0°, wo- 
nach seine Temperatur bis —0,5° hinaufstieg. Er wurde weiter 
abgekühlt und, nachdem seine Temperatur —6,5° erreicht hatte, 
aus dem Bade genommen, wonach er auflebte. 

Der dritte Schmetterling zeigte den »Sprung« bei —6,3°, und die 
Temperatur seines Körpers stieg bis —1,1°. Nachher wurde er bis 
—10,0° abgekühlt und starb. 

Dabei wurde bemerkt, dass, je eher der Schmetterling nach dem 
Sprung aus dem Bade genommen wird, desto kräftiger sein Leben 
sich äußert. 

Somit ergiebt sich aus diesen Versuchen, dass ein Schmetter- 
ling dann stirbt, wenn die Temperatur seines Körpers nach 
dem Sprung wieder ungefähr bis auf diejenige herunter- 
sinkt, bei welcher der Sprung stattfand. 

Ich bringe hier im Auszug noch einige Tabellen, welche diesen 
Schluss bestätigen. 


16./28. Mai 1898. Aporia crataegi. 
Stunde: ae 21 02, 93,.94,°25 26, 30,‘ 34,087 
t, desSchmetterl.:—8,8°, —9,0,—9,1,—9,2,—1,4,—1,5,—1,7,—8,5,—7,7,—9,6, 
Der Sprung fand hier bis —9,2° statt und der Schmetterling 
kühlte sich nachher bei —9,6° ab. Er starb. 
28. Mai/9. Juni 1898. Vanessa cardui. 
Stunde: 02594 571% 10200; 01,: 02,203, 03, 04, 12 
BE Behmeiterl.: 1,70, —4,9, -6,2, -6,3, -6,8, —7,0, —1,0, —1,2, —7,2 
| Der Sprung fand bei —7,0° statt, und als der Schmetterling bis 
—7,2° sich abkühlte, starb er. 
9./21. Mai 1898. Cerambyx scopoli. 
Stunde: 10230 200039, 40,58 114 
Beten Ba, 19, 22, —7,7, 114 
Hier fand der Sprung bei —8,6° statt, und der Käfer wurde bis 
—11,4° abgekühlt. Er konnte nachher nicht belebt werden. 
12./24. Mai 1898. Saturnia pyri g'. 
Stunde: 257 58, 59,,.83200°, -3200,5,, Sal 
&, des Schmetterl.: —2,3°, —8,8, —9,0, —9,3, —1,4, —4,0 


560 P. Bachmetjew, 


Hier war der Sprung bei —9,3°. Nach der Abkühlung bis 
—4,0° lebte der Schmetterling wieder auf. 


5./17. Mai 1898. Smerinthus ocellatus ©. 
Stunde: 3:36’, 32, .37, 38, 40, 205, A Ahıı 
t, desSchmetterl.: +7,8°, +2,6, —0,8, —1,7, —3,7, —1,2, —1,1, —1,1, —9,2. 
Hier fand der Sprung bei —3,7° statt, und der Schmetterling 
wurde nachher bis —9,2° abgekühlt. Er starb. 
23. Juni/5. Juli 1898. Oryctes nasicornis ©. 
Stunde: 14201’, 44, An, Mo 
ft, des Käfers: +1,0°%, —7,6, —7,7, —1,4, —1,4 
Dieser Käfer lebte wieder auf. 


1./13. Juli 1898. Cetonia aurata ©. 
Stunde: 11%18,- 19, 193/,,.2 20,0 2m 38 
t, des Käfers: —2,9°, —4,7, —5,5, —1,9, —2,1, — 3,6, —5,9 
Dieser Käfer zeigte den Sprung bei —5,5° und lebte, nachdem 
er bis —5,9° abgekühlt wurde, nicht mehr auf. 


24. Juni/6. Juli 1898. Pieris rapae g'. 
Stunde: 3245’, 4405’, 06, 07,207, 208 0 
t, des Schmetterl.: —1,8°, —9,6, — 10,2, — 10,7, —1,5, —1,6, —7,6 
Der Sprung war hier bei — 10,7° und, als der Schmetterling nach- 


her bis — 7,6° abgekühlt wurde, lebte er wieder auf, nachdem er 
bei Zimmertemperatur liegen gelassen war. 


25. Juni/7. Juli 1598. Carabus cancellatus. 
Stunde: 22170, 18... 183/,, 18%, 1972730; 39 
ti, des Käfers: +0,3°%, —1,9, —2,8, —1,4, —1,4, —1,8, —2,8 
Der Käfer wurde nach dem »Sprunge«, welcher bei —2,8° statt- 
fand, bis —2,8° abgekühlt und lebte wieder auf, nachdem er 
4 Minuten bei Zimmertemperatur verblieben war. 
Ich lasse hier noch eine große Anzahl von solchen Tabellen aus, da 
wir ähnliche Werthe in den weiter unten angeführten Tabellen finden 


werden. Jetzt aber wollen wir die erhaltenen Werthe zusammen- 
stellen. 


Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 561 


Der 
ee 
Datum Name „000 | Pemperatur o,gende | Bemerkung 
Temperatur | stieg bis | Aunarte mi 
von | 
16./28. V. Aporia crataegi — 9,2° —1,4 — 9,6 | todt 
22. V./3. VI. > » —10,0 —1,2 — 1,2 | lebend 

» » » » —— 8,0 —0,8 re 6,5 » 

» » » » == 6,8 —1,1 —10,0 todt 
13./25. IV. Saturnia pyli 5 —11,6 —1,1 15.6 » 
18./30. IV. > oO — 9,4 —1,4 2,4 | lebend 
12./24. V. > > — 9,3 —1,4 — 4,0 » 
15./27. IV. Sphinx ligustri — 9,3 —1,7 —_. 2,8 > 
16./28. IV. >» > a 8,8 A Ho 
28. V./9. VI. | Vanessa cardui —- 7,0 —1,0 —ın2 >» 
9.421. V. Cerambyx scopoli — 80 —1,9 il >» 
T.V. ' ı Smerinthus ocellatus Q | — 37, —12 a 
23. V1./5. VII. | Oryctes nasicornis Q all, 14 — 1,4 | lebend 
1./13. VLL. Cetonia aurata © — 5,9 | —1,9 — 5,9 | todt 
24. V1./6.VIl.| Pieris rapae & — 10,7 | —ı.5 — 7,6 | lebend 
25. V1./7. VII. | Carabus cancellatus — 2,8 | —1,4 = 28 » 


Aus dieser Tabelle ist deutlich ersichtlich, dass, wenn die 
Temperatur, bis zu welcher das Insekt nach dem »Sprung« 
abgekühlt wurde, gleich oder höher war als diejenige, bei 
welcher der »Sprung« stattfand, das Insekt noch zum Leben 
gebracht werden konnte; wenn jedoch das Insekt unter die 
Temperatur des »Sprunges« abgekühlt wurde, so starb es. 
| Da JuLius Sacas (55) in seinem Buche schreibt, dass der Tod 
der Pflanzen durch die Art des Aufthauens nach dem Erfrieren 
bedingt wird, d.h. ob dieses Aufthauen rasch oder langsam vor sich 
geht, sah ich mich veranlasst, auch in dieser Richtung Versuche zu 
veranstalten. 


6./18. Juni 1898. Aporia crataegi. 
Stunde: 940, 9b45, 9150, 954, 9655, 9455, 1005, 1020 
t des Schmetterl.: +2,9, —2,5, —6,9, —8,3, —8,7, —0,9, —4,5, —8,6 


Nachher wurde der Schmetterling an die Sonne gelegt (Tempe- 
ratur ca. 40°. Nach Verlauf einiger Minuten lebte er auf. 

Während meiner zahlreichen Versuche gelang es mir sogar zu 
beobachten, dass, wenn nach dem Sprunge bei weiterer Abkühlung 
die Temperatur des Schmetterlings etwas höher als diejenige des 
Dprunges war, der Schmetterling wieder aufzuleben pflegte, nachdem 
er sofort herausgenommen und in ein Luftbad bei 70° gelegt war. 
Besonders deutlich äußerte sich das bei dem Käfer Cetonia aurata. 

Diese Versuche zeigen also, dass die Art des Aufthauens der 


Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Bd. 37 


562 P. Bachmetjew, 


Insekten nach dem Erstarren ihrer Säfte keinen merk- 
baren Einfluss auf deren Aufleben hat. In der That: nach- 
dem Aporia erataegi nach dem Sprunge auf eine ganze Nacht ins 
Eis bei 0° gelegt war, hatte sie, wie man sagen könnte, genug Zeit 
gehabt, damit ihre Säfte wieder langsam aufthauten, da der nor- 
male Erstarrungspunkt ihrer Säfte in unserem Falle —1,7° und 
—0,9° war; trotzdem waren bei Zimmertemperatur beide Exemplare 
am folgenden Tage todt. 

Dasselbe zeigen auch entgegengesetzte Versuche, und zwar, statt 
den Schmetterling langsam aufzuthauen, wurde die Aporia cra- 
taegi plötzlich an die Luft bei einer Temperatur von +40° ge- 
legt, nachdem sie eine vorherige Temperatur von —8,6° hatte. 
Ungeachtet eines solchen raschen Aufthauens lebte der Schmetter- 
ling jedoch nach Verlauf einiger Minuten auf. Dasselbe zeigen die 
Versuche mit Cetonia aurata im Luftbade bei 70° (gewiss hatte 
Cetonia aurata diese Temperatur nicht, für uns aber ist hier die 
große - Schnelligkeit des Aufthauens des Käfers von Wichtigkeit, 
welche natürlich hierbei stattfinden musste). 

Aus diesen Versuchen ist abermals die Bestätigung des oben 
gezogenen Schlusses bezüglich der Bedingungen für das Eintreten 
des Todes der Insekten bei Abkühlung ersichtlich, und zwar: 

Im ersten Falle zeigte Aporia erataegi den Sprung bei —7,2°, 
als sie dann bis —7,25° abgekühlt wurde, starb sie. 

Im zweiten Falle war der Sprung bei —10,0°, und die Abkühlung 
dauerte bis —11,5°. Auch in diesem Falle starb der Schmetterling. 

In den beiden Fällen war die weitere Abkühlung unter der 
Temperatur des Sprunges. 

Im dritten Falle wurde die weitere Abkühlung nicht unter die 
Temperatur des Sprunges gebracht, sondern blieb auf —8,7 (—8,6) 
— 0,1° höher, und der Schmetterling lebte auf. 

In Anbetracht der Wichtigkeit der Temperatur, bei welcher der 
Sprung stattfindet, für das Insektenleben, schlage ich vor, dieselbe 
den »kritischen Punkt« zu nennen. 

Auf Grund der sich aus diesem Kapitel ergebenden Resultate 
zur Lösung der Frage bezüglich des Moments des Eintretens des 
Todes der Insekten bei Abkühlung ist es von Interesse, die For- 
schungen früherer Experimentatoren in dieser Richtung von dem 
neuen Gesichtspunkte aus zu beleuchten. 

Im Jahre 1850 schreibt C. SEMrER (58) in Bezug auf diese Frage 
Folgendes: 


Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 563 


»In Bezug auf die Fähigkeit mancher Thiere oder selbst einzel- 
ner Organe derselben, das Einfrieren zu ertragen, ohne nach dem 
Aufthauen das Mindeste von ihrer Lebensfähigkeit eingebüßt zu 
haben, liegen wohl zahlreiche Beobachtungen, aber so gut wie gar 
keine konsequent durchgeführte Experimentreihe vor.« 

Sechs Jahre später sagt schon RÖDEL (54): »Es scheint mir, 
dass das Gefrieren des gesammten Blutes ein Hauptgrund ist, wess- 
halb das Gefrieren schädlich auf den thierischen Organismus wirkt.« 

Zu gleichem Resultat ist auch Poucher (49) gelangt. 

Dass thatsächlich nicht alle Bestandtheile des Insektenkörpers 
zugleich erstarren, zeigen die Versuche RÖDEL’S; und zwar »erstarrte 
zuerst der Inhalt des Darmtractus und die Gefäßschicht, nach einer 
Stunde (die Temperatur war mittlerweile auf —4° gesunken) erwies 
sich das Hautparenchym fest und zu allerletzt, nach zwei Stunden, 
zeigte sich die Fettschicht noch ungefroren. Erst eine Verminderung 
der Temperatur auf —10° brachte sie zum Gefrieren; dieselbe Be- 
handlung führte auch den Tod der unversehrten Exemplare herbei«. 

Meine Versuche zeigen, dass bei Abkühlung des Insektes bis zum 
kritischen Punkte und bei der darauf folgenden plötzlichen Erhöhung 
der Temperatur des Insektes nicht alle seine Säfte auf einmal er- 
frieren, sondern nach und nach bei weiterem Abkühlen zum Erstarren 
gebracht werden. = 

Die Versuche Röper’s mit der Erstarrung der Insektensäfte 
- außerhalb des Insektenkörpers, z. B. in einem Reagensglas, zeigen, 
dass dieselben bei —2°, —3° erstarren. 

Meine Versuche, auf Grund des Temperaturganges des Insektes, 
welches sich in einem kalten Luftbade befindet, zeigen, dass der 
normale Erstarrungspunkt der Insektensäfte bei verschiedenen Tem- 
peraturen liegt, und zwar für verschiedene Species in den Grenzen 
zwischen —0,8° und —8,8°. 

Die Versuche Rzaumur’s (50), dass der Saft bei nicht geköpften 
und geköpften Raupen von Vanessa cardui sogar bei — 15° nicht 
erstarrt, zeigen, dass die Überkühlung der Säfte, welche ich an 
anderen Insekten beobachtete, in keiner Abhängigkeit davon steht, 
ob das Insekt lebt oder todt ist. Analoge Versuche Röper’s (1886) 
mit Raupen von Smerinthus populi zeigen dasselbe. 

Somit kann die Meinung Wyman’s (64), dass das Insekt, um 
der Kälte zu widerstehen, eine innere Wärmequelle besitzen muss, 
nicht als richtig bezeichnet werden. 

Eben so unrichtig ist auch die Behauptung Wyman’s: » Welchen 


37 


564 P. Bachmetjew, 


bedeutenden Schutz gegen die Kälte der Puppe ihre Decke bot, be- 
weist der Umstand, dass der flüssige Saft, nachdem er aus der Puppe 
ausgepresst war, sofort erstarrte.< Freilich waren hier die Säfte der 
Puppe im überkühlten Zustande, und, als sie ausgepresst waren, 
 erstarıten sie bei normalem Erstarrungspunkte der Säfte. 

Eben so lässt sich der unklare Ausdruck RÖDEL’s: »verschiedene 
Resistenzfähigkeit der einzelnen Entwicklungsformen gegen den 
Frost« durch verschiedene Grade der Überkühlung der Insekten- 
säfte in verschiedenen Stadien erklären. 

Warum die Säfteüberkühlung bei verschiedenen Arten und Ent- 
wicklungsformen verschieden ist, erkläre ich am Schlusse der gegen- 
wärtigen Abhandlung. 

Die längst von SPALLANZANI (59) gemachten Beobachtungen, 
wonach die Eier des Bombyx rubi keinen Schaden erleiden, wenn 
sie während dreier Stunden einer Temperatur von — 50° ausgesetzt 
sind, zeigen, dass die Überkühlung der flüssigen Bestandtheile des 
Eies eine sehr niedrige Temperatur erreicht eben darum, weil diese 
Bestandtheile sich in einer von allen Seiten geschlossenen Decke 
befinden; andernfalls würde der flüssige Inhalt bei einer viel kleineren 
Kälte erstarrt sein, wenn er in einem offenen Gefäße stände. 

Die zahlreichen Versuche verschiedener Forscher in Bezug auf 
das vitale Minimum gaben verschiedene Resultate bei verschiedener 
Dauer der Einwirkung einer gewissen niedrigen Temperatur in Folge 
nachstehender Umstände: 

Das Insekt stirbt, wie meine Versuche es zeigen, wenn es nach 
der Erreichung des kritischen Punktes und der darauf stattfindenden 
Erhöhung der eigenen Körpertemperatur wieder bis zum nn 
Punkte (oder niedriger) abgekühlt wird. 

Nehmen wir für unsere Betrachtung ein Beispiel aus den Ver- 
suchen RÖDEL’s, und zwar seine Beobachtungen bezüglich der 
Musca domestica. Dieses Insekt starb bei ihm nach 5 Minuten 
bei — 12°, nach 20 Minuten bei —8° und nach 40 Minuten bei —5°. 
Mir ist der kritische Punkt dieser Fliege noch nicht bekannt, wenn 
wir ihn aber beispielshalber als —5° annehmen und den normalen 
Erstarrungspunkt ihrer Säfte = —2°, so bekommen wir die folgende 
Vorstellung: 

Als die Musca domestica in ein kaltes Bad bei —12° gelegt 
wurde, kühlte sie sich rasch bis —5° ab, und dann in Folge plötz- 
licher Erstarrung der Säfte erwärmte sie sieh bis — 2°, dann aber 
kühlte sie sich wieder bis —5° ab und später noch mehr und 


Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 565 


musste folglich sterben. Im zweiten Falle, we das Bad nur —S° 
hatte, dauerte die Abkühlung bis —5° und dann von —2° bis —5°, 
auf Grund des Gesetzes von NEwroN selbstverständlich länger, d.h. 
anstatt 5 Minuten, wie im ersten Falle, 20 Minuten. Im dritten 
Falle müsste dieser Vorgang in Folge geringerer Kälte des Bades 
(—5°) noch länger dauern, d. h. 40 Minuten. Man könnte sicher be- 
haupten, dass wenn das Bad im vierten Falle nur — 4° hätte, das 
Insekt nicht gestorben wäre, da seine Säfte nicht erstarren konnten, 
und folglich wäre der kritische Punkt nicht erreicht. 

Was geschehen würde, wenn die in den Umständen des dritten 
Falles sich befindende Fliege nach Erstarrung ihrer Säfte und der 
darauf stattfindenden Erhöhung der eigenen Temperatur bis —2° in 
das Bad des vierten Falles (d.h. bei —4°) übertragen würde, ist 
nieht besonders leicht zu beantworten. In der That könnte sie zum 
zweiten Mal den kritischen Punkt (—5°) nicht erreichen, ihre Säfte 
aber sind nicht mehr flüssig, sondern stellen eine harte Masse dar 
(obgleich einige Bestandtheile ihres Körpers auch flüssig blieben, 
wie RÖDEL in Bezug auf die Fettschicht sagt). Nach meiner oben 
erwähnten Regel muss dieses Insekt in den gesagten Umständen am 
Leben bleiben, resp. wieder aufleben, wenn es in warme Luft gelegt 
würde. Wie lange kann es aber in dieser Art lethargischen Schlafes, 
ohne seine Lebensfähigkeit zu verlieren, verbleiben? 

Diese Frage, deren Wichtigkeit ein Jeder einsehen wird, hoffe 
ich im laufenden Jahre für verschiedene Insekten und einige Warm- 
blütige zu lösen. (Ich erwähne dies nur, um mir hiermit die Priorität 
zu bewahren.) 

Es bleibt mir nunmehr noch übrig, diejenigen Fälle zu besprechen, 
wo einige Exemplare einer und derselben Species, in ein Luftbad 
von gleicher Temperatur gesetzt, nach Verlauf einer gewissen Zeit, 
nicht alle zugleich, sterben. Einen solchen Fall hatte POUCHET 
mit Engerlingen von Melolontha vulgaris, wo von fünf Exemplaren 
bei — 14° nach Verlauf einer Stunde nur zwei Exemplare starben. 
Einen gleichen Fall hatte auch ich, indem von 20 Exemplaren von 
Aporia cerataegi bei —11,4° nach 28 Minuten nur circa die Hälfte 
gestorben war. 

Dieser Fall erklärt sich dadurch, dass verschiedene Exemplare 
einen verschiedenen kritischen Punkt haben, obwohl man nicht 
leugnen kann, dass es möglich sei, dass die Abkühlung der ver- 
schiedenen Exemplare in Folge ihrer verschiedenen Größe ete. mit un- 
gleicher Schnelligkeit vor sich ging. 


566 P. Bachmetjew, 


Aus dem Gesagten geht hervor, dass der Begriff vom vitalen 
Minimum ein komplieirter ist und außerhalb der Vorstellung vom 
kritischen Punkte undenkbar ist. Obgleich das vitale Minimum 
seiner Größe nach dem kritischen Punkte gleich kommt, so stirbt 


- doch das Insekt erst dann, wenn es, im gegebenen Luftbade gelassen, 


abermals den kritischen Punkt erreicht hat. 


II. Welche Faktoren beeinflussen den ‚‚kritischen Punkt‘‘ und die 
normale Temperatur der Säfteerstarrung der Insekten? 


Es war schon aus den vorhergehenden Tabellen ersichtlich, dass 
der »kritische Punkt« bei verschiedenen Insekten-Arten nicht gleich 
ist und sogar bei verschiedenen Exemplaren einer und derselben 
Art in gewissen Grenzen variirt. 

Wir wollen zuerst sehen, wie er bei verschiedenen Arten und 
verschiedenen Individuen einer und derselben Art zu variiren pflegt. 

Ich lasse hier alle Beobachtungstabellen weg und bringe nur 
deren Resultate, wobei in der Kolumne »Differenz« diejenigen Zahlen 
angeführt sind, welche die Differenz zwischen dem kritischen Punkte 
und der Temperatur, bis zu welcher der Körper des Schmetterlings 
nach dem Sprunge sich erwärmt hatte, zeigen. 


| | Die | 
Wurde 
a en Der ki | ae |. eh dem) Bemer- 
Nr. Stiles) Neue an | stieg un u kungen 
| 1898 darauf = 
| bis | 
Schmetterlinge 
1, 3. VI. | Aporia crataegi — 8,0| —0,8 7,2 |— 6,5 |lebte auf. 
2" 3.91: > > —10,0| —1,2 88 |ı—12| > >» 
317 3.91. > > —68| —1ı1| 57 |--10,0 |starb. 
4 128. V. >» > — 92| —14 78 |— 9,6 > 
5 110. VI. » > — 7,22| —1,2 6,0 |— 725 > 
6 10. VI. > > — 99). -—12.| Br) San 
7 29. V. > —110| —ı,r]) sen a 
8 15. VI. > —10,9| —1,1 | 98 Michie Auf 
9243. 77, > — 6,2 —0,7 5,5 |— 85 |starb. 
10 18. VI. >» — 87) —0,9 | 78 |— 8,6 | lebte auf. 
11 117. V1. > — 691. 0,8]| 519 aa 
TO FES FE > > — 79) —09) m Pen 
13 30.IV. |Saturnia pyri Q —.94|.—14 | SD IE Bun 
14 125. IV. > > 3116| —11| 105 ge 
15 |24.V. ae le cs — Ya 7,9 | — 4,0 | lebte auf. 
16 27.IV. | Sphinx ligustri — 93) —1,7 716 |— 28] >» > 
17 128.IV. > > 18,1] =88.| 43 0 bodstarh 
18 1.9. VAT eo » — 25 —12 13 '— 1,6 lebte auf. 
19 117.V. |Smerinthus ocellatus @Q| — 3,7) —12 | 25 |— 92 |starb. 
20 31.V. ‚Phalera bucephala —11,0| —14| 96 |— 2329| > 
21 | 4.VI. |Pieris rapae — 86) —82 | 04 ,‚— 9,1 |lebte auf. 
22) 5. VAT. > > — 10,7): —15 [2.02 Neue 


- [77 


Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 567 


Wurde | 


Datum | 

(neuen Names neh dem| Bemer- 

ee Anz ekaht kungen 
Schmetterlinge 

6. VII. |Pieris rapae 9,5 | —2,0 — 7,4 | lebte auf. 
21. VII > > —12,0° —2,1 ---10,4 starb. 
22..VIl. > > — ,ı—13 | — [+14 |lebte auf. 
22. VII. Sa re Bee Rt N 

4.VI. |Plusia gamma 7,81 —16 | 62 |-- 1,7 |starb. 

4. Vl. » > 0,31. 20 14083 | — 7,0: 2 

8. VI. !Cossus eossus © 75, —1,0 6,5 |— 6,4 | lebte auf. 
.yL | > > 8312 12.11.71. 12.6.0 |starb. 

9.VI. , Vanessa cardui 701 —10 | 60 ı— 72| >» 

13. VI. > > 471 —0,1 | 46 |— 2,8 | lebte auf. 

SA A > 9 0:9.11.00 | 28 |, > 
22. VI. | Epinephele janira Q 6,851 —0,8 | 60 |—56 | >» >» 
"13. VII. | Heliothis armiger 8.71. 1,3.|7.354- 1 /1,4.|0 >.» 
22. VI. | Vanessa atalanta Se u a a a 
20. VII. > > SIT 0 ine 
23. VIL. > > GERE12 ..57 el nis 
23. VII. > > 2,27 —1,3 1.08 | 27,» » 
28. VII. |Satyrus hermione 5 901 —12 | 78 |— 14| >» > 
28. VII. | Lycaena corydonä 12,12) 60.)—14| >» 

28. VII. > > zo 12.00.58 1A 
28. VII. » » Q 90| —1,4 | 76 .|— 2,7 » » 

9. VIII.| Deilephila euphorbiae 8,6 | —1,2 7,4 |— 9,2 |starb. 

5. VIII.| Papilio podalirius Q 21 —12 | 10,9 | — 1,9 | lebte auf. 
2 VIH. > » 991 —13 | 86 | — 1,3 > > 
20. VII. | Oeneria dispar © 91) 13 | TE ı— LT. > 
23. VII. | Apatura ilia v. elytia Da 3 ee > 
22. VII. | Vanessa atalanta 1,7 —1,3 0,4 | —14,4 | starb. 

Käfer 
21. V. Cerambyx scopoli 86 —1,9 6,7 ı—-114| >» 

5. VII. | Oryetys nasicornis Q 7,7) —14 | 6,3 |— 1,4 | lebte auf. 
23. VI. | Calösoma sycophanta 6 le 50a > 
13. VII. | Cetonia aurata 5 A te Bio a 
SENT. » » (©) 5,9 —1,9 | 3,6 > 5,9 starb. 

15. VII. Dee 6,01 —18 | 42 |— 21 |lebte auf. 
15. VII. » » 7,1| —2,5 46 |— 2,5 sur,» 
15. VII. » » 7,4 —2,8 | 4,6 =— 2,8 >» » 
15. VII. > > zo ae 3 nn 

2. VII. > > Sr _ — 

VII. » » 3,8 —1,1 | 2,1 — 1,2 lebte auf. 

8. VII. » > 5,3 | —1,3 40.1 1,8), >7,> 

8, VII. » » 6,1 —1,4 4,7 = 9,3 » > 

8. VII. > » GA 11. 5,5 = u 

9. VL. » > & 6,3 —12 51 |— 2,1 |lebte auf. 

9, VII. x 3 ° EIN 

9. VII. » » 6) 5,2 | —-1,3 39: 1ı— 1413| >» > 

VI. » » 6) 70) 13,520, 18 2 8 

9. VII. > » Ba konlaraT 28 > 
ı 8. VII. | Clytus 6-punetatus 72 —3,4 | 3,8 5,1 > 

7. VII. |Carabus cancellatus 2,8, LARA 28 | a0 
| 7. VII. |Geotropus vernalis 6,5) —1,4 3.2. =i,8 > 

1. VI. > > Gt — — 

Puppen | 

15. VII. | Saturnia spini 931 1,3 \— 1,3 | lebte auf. 
| Raupen. 

‚4. VI. |Saturnia spini Cu 93 aa a N E 


568 P. Bachmetjew, 


Das in dieser Tabelle angeführte Material erlaubt uns schon 
jetzt, einige Schlussfolgerungen zu ziehen. 

Aus meinem Beobachtungstagebuche ist ersichtlich, dass die 
Nrn. 10, 11, 12 des Schmetterlings Aporia crataegi sofort nach 


- ihrem Einfangen im Garten der Hochschule der Untersuchung 


unterworfen wurden, während die Nrn. 5, 6, 7 und 8 dieses 
Schmetterlings nach dem Einfangen vier Tage ohne Nahrung in 
einer Netzkiste verweilten, bevor die Untersuchung begann. Die 
weiter unten angeführte Tabelle enthält die Daten für Aporia cera- 
taegi der ersten und zweiten Kategorie, dabei bedeutet 7 den kri- 
tischen Punkt und E die Temperatur, bis zu welcher der Körper des 
Schmetterlings nach: dem Sprunge stieg, d. h. mit anderen Worten, 
dass EZ den normalen Erstarrungspunkt der Säfte bedeutet: 


Aporia cerataegi. 


II. Kategorie 


I. Kategorie 
Nr. | 7 | E Nr. | T | E 
10° 8701 Zoo sr ee 
IK... 690808 6.1.20 
2 0.2779 11.509 7... 10,000 
Mittel | —7,8°] —0,9° 8. 10 


Mittel | — 9,8°| —1,3° 


Hier fällt uns sofort die Differenz der Zahlen der I. und I. 
Kategorie auf, wie für 7’ so auch für &. 

T bei der ersten Kategorie liest im Durchschnitt um 2° höher 
als bei der zweiten; ebenfalls erstarren die Säfte bei der ersten 
Kategorie Schmetterlinge im Durchschnitt bei —0,9° und bei der 
zweiten bei —1,3°. 

Die Erkläran: dieser Erscheinung ist selbstverständlich in dem 
Umstande zu suchen, dass der Schmetterling, welcher in unserem 
Falle vier Tage ohne Nahrung bleibt, einen Theil des Wassers seiner 
‘Säfte verliert, wobei der Saft sich verdichtet, und folglich auch bei 
einer niedrigeren Temperatur erstarren wird (d. h. anstatt bei —0,9° 
im Durchschnitt bei —1,3°). 

Warum die Überkühlung eines solchen verdichteten Saftes eine 
niedrigere Temperatur (7) als bei den Schmetterlingen der I. Kate- 
gorie erreicht, ist vorläufig noch unerklärlich; die Thatsache ist aber 
unzweifelhaft. 

Der Einfluss des Hungers auf die Größen 7 und Z bei den In- 
sekten ist noch sichtbarer bei dem Käfer Cetonia aurata. 


Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 569 


Diese Käfer wurden im Germankloster (15 Kilometer von Sophia) 
am 22. Juni/4. Juli eingefangen; in Sophia angelangt, wurden sie in 
einer Netzkiste ohne Nahrung gelassen. Die Versuche mit denselben 
begannen am 7. Juli (n. St.) und dauerten bis 15. Juli. Somit erhalten 
wir fünf folgende Kategorien immer mehr ausgehungerter Exemplare: 


Cetonia aurata. 


Kategorie zeuude Datum T E a = 
[| 5 | nvır| -33 | -12 | _ 
ni 60 TNaL.ı: 38 ii 0, ul 
61 8.VIL.| —53 | —1,3 
1! 62 8.VIL.| —61  —14 | —6,0 | —1,3 
63 8.VIL.| —6,7 | —12 
64 9.vIL.| —6,3 | —12 
65 9.VIL.| —5,9 | —1,5 
II. 2 | +66 9.VIL.| —52 —13 | —61 | —14 
| 67 9.vIr.| —70 | —1,3 
68 9.VIL| —63 | —1,6 
53 /13.vV1m| —45 | —1,7 ® 
IV 52 en ee en a. 
5 ,15.VIL| —60 | —1,8 
56 Au VW.) 71 —25 
2 nn 14.98, .| 
58 /1.VI.| —z0o | —1,9 


Hieraus ist deutlich zu ersehen, dass je länger der betreffende 
Käfer ohne Nahrung bleibt, desto niedriger die Erstarrungstemperatur 
(2) seiner Säfte ist; parallel sinkt auch der kritische Punkt (7). 
Eine Ausnahme für 7 zeigt scheinbar die Gruppe IV, da aber in 
derselben nur zwei Käfer enthalten sind, könnten dieselben zufälliger 
Weise besondere Veränderungen in ihren Organismen gehabt haben. 

Somit erscheint als einer der Hauptfaktoren in der Veränderung 
des kritischen Punktes und des normalen Erstarrungspunktes der Säfte 
bei den Insekten der Nahrungsmangel. 

Es ist von Interesse hier zu bemerken, dass NEWPoRT (44) die 
Körpertemperatur der Insekten mit ungenügender Nahrung niedriger 
fand als bei Insekten mit normaler Ernährung. 

Dieselbe Thatsache wurde auch von GIRARD (20) konstatirt, indem 
er sagt, dass bei den Erdbienen mit dem Mangel an Honig die eigene 
Körpertemperatur sinkt. Außerdem bemerkte er, dass Bombus 
terrestris im Frühling fast zweimal so warm ist als im Herbst (ob- 
gleich diese letzte Thatsache dadurch erklärt werden kann, dass das 


570 P. Bachmetjew, 


Insekt im Frühling sich mehr bewegt als im Herbst, und nicht durch 
Mangel an Nahrung im Herbst). 

Es wird hier gerade am Platze sein, die Größen für T und E 
bei einer und derselben Insektenart, aber verschiedenen Ge- 


 schlechts zu vergleichen. 


GIRARD (20) fand bereits, dass im Allgemeinen männliche Exem- 
plare eine höhere Temperatur als die weiblichen einer und derselben 
Species bei gleichen allen anderen Umständen aufweisen, besonders 
Schmetterlinge aus der Familie Bombyces, Agliatau etc. (Bei der 
Erdbiene, ebenfalls bei verschiedenen Arten Phalaenides, Noctui- 
dae und Libellulidae wird dies nicht beobachtet.) 

Diesen Umstand erklärt er dadurch, dass die Muskeln der 
männlichen Exemplare kräftiger sind, als diejenigen der weiblichen, 
und dass im Allgemeinen die männlichen Exemplare kleiner sind 
als die weiblichen! und demnach mehr Wärme entwickeln können. 

Ich bringe hier meine Beobachtungen der Größen 7 und E bei 
Lyceaena corydon und Cetonia aurata, welche aus der Tabelle 
im Anfang dieses Kapitels entnommen sind: 


Nr. | Datum | | 4B E | Bemerkungen 

41 |28. vi.| Lycaena corydon 5 | —1,2 —1,2 | 
42, 7728. N. >» 3! —7,0 —1,2 I Tage ohne Futter. 

43 128. VII. » > Q | —9,0 —1,4 

53 |13. VII. | Cetonia aurata | —4,5 —17 

>54 |13. VIE 2 A ° 25 19 „9 Tage ohne Futter. 

64 9. VII. | Cetonia aurata | —6,3 —1,2 

66 9. VII. » > | —5,2 —1,3 

67 | 9. VIL i : 3 270 13 h Tage ohne Futter. 

65 9, VII. » > on 5,9 1,5 


1 Meine Messungen der Spannweite (d) der bulgarischen Schmetterlinge 
aus der Familie Satyridae zeigten, dass diese Größe bei @Q Exemplaren 
bedeutender ist als bei den $ und zwar (Durchschnitt von 10 Exemplaren) bei: 


Melanargia galathea um 9,40/, 
Satyrus hermione > 3 

>»  briseis » 12,9 

»  semele » 74 

» statilinus » 7,8 
Pararge maera >.:1,9 

>»  megera 2) 9,9 
Epinephele janira » 8,8 

>» tithonus » 14,8 


Coenonympha pamphilus >» 3,9 | 
(»Über die Größe der bulgarischen Schmetterlinge im Vergleiche mit denjenigen 
von West-Europa.« Periodische Zeitschr. LVII. 1898. [Bulgarisch.]). 


Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 571 


Hieraus ist ersichtlich, dass bei den angeführten Insekten der 
Vergleich nur für eine und dieselbe Species und bei gleichen Um- 
ständen gemacht werden kann; daraus geht hervor, dass die Größe 7 
bei den männlichen und weiblichen Exemplaren scheinbar sich keiner 
Regel unterwirft!; für EZ jedoch giebt es folgende Regel: bei männ- 
lichen Exemplaren einer und derselben Species und bei 
sonst gleichen Umständen ist der normale Erstarrungs- 
punkt ihrer Säfte höher, als bei den weiblichen Exem- 
plaren. 

Wir wollen nun sehen, in welchem Verhältnis die Größen 7 
und E zu dem Gesammtgewichte des Insektes (P) und zu dem Ge- 
wichte der Säfte desselben (%) stehen. 

Für die Bestimmung des Gewichts der Säfte (M), welche in 
einem Insekt enthalten sind, wurde das betreffende Insekt, nachdem 
es aus dem Eisbade, wo die Größen 7 und EZ ermittelt wurden, ge- 
nommen, mittels einer empfindlichen Waage mit einer Genauigkeit 
bis zu 0,001 Gramm abgewogen und nachher am selben Tage in ein 
Luftbad bei 120° auf ein bis drei Stunden, je nach der Größe des 
Insektes, gelegt. Die Differenz im Gewicht vor und nach dem Aus- 
troeknen ergab die Größe M. ‘ 

In den angeführten Tabellen sind die Exemplare in absteigenden 
Stufen in Bezug auf die Größe E angeführt; dabei bedeuten die Nr. 
die Insekten aus den vorherigen Tabellen. 


Aporia crataegi. 


M 
Nr. T | E | M | P | Be 
7 ei 0,065 10,120 |..0,54 
An 1 | 0.098; 04175 1.056 
2. ae ee z ü, 
Sera 28 |.0,090. 0,185. |: 0,629 
eg 5 | 015 0260 | 0.60 
| a Ru = 
og in, 0,135 41.0,215° [#0 0,68? 
Po 00 10155 | 0270 | 0,8 
a a 
|, = e 
ar 209 08 | 0140 | 0250 | 061 
91-62 | -07 | 0113 | 0,183 | 0,618 


er) 


Wenn wir die Größen E mit g vergleichen, finden wir, dass die 
Spalte unter g in steigender Reihe begriffen ist. Eine Ausnahme 


1 Obwohl beiLycaena corydon und Cetonia aurata der ersten Gruppe 
T mit dem Sinken von Z ebenfalls sinkt. 


>72 P. Bachmetjew, 


weisen scheinbar die Nrn. 5, 6 und 8 auf. Aus der vorhergehenden 
Tabelle ist jedoch ersichtlich, dass diese Exemplare eben diejenigen 
waren, welche den Versuchen erst dann unterworfen waren, nach- 
dem sie in der Netzkiste 4 Tage ohne Nahrung verblieben. 
Somit müssen wir diese Nummern als zu einer andern Kategorie 
gehörig weglassen. 

Auf diese Weise erhalten wir eine bemerkenswerthe Abhängis- 
keit, und zwar nimmt mit der Abnahme der Größe E die Größe g 
zu, wenn die Versuche unter sonst gleichen Umständen stattfinden. 

Nehmen wir nun Exemplare des Käfers Cetonia aurata. 


Cetonia aurata. 


M 
Nr. Ih | E | M | B | Up 
57 | — 14 1 22800123 1,0536 0,34 
56. 7,1 .| = 25 2,0150 0,41 
52-55. | 19 03622 100955 0,59 
58%] 20.702 159 20183 De 0,58 
55 | - 6:05] 2 1,8021 0.2282 0388 0,61 
5353| —45 | —1,7 — 0,325 — 
BE 6 — 0,380 — 
65 10 -5,9 | 1,50 ,.0283 0 0059 0,62 
62) 26,1 1 1,4 21..0,297 00953 0,65 
Sl ln — — _ 
660 520, 1.30.0029, 1.06 0,65 
ae | ul  — — 
| 63 | dat Ze rn 
Ga Br 122 009820 0,65 
59a 35 12 — 0,475 — 
60a TE EDS EOS 0,67 


= 


Auch hier steigt die Größe g bei Verminderung der Größe E. 

Somit kommen wir zu dem folgenden Schlusse: 

Je größer das Verhältnis g des Säftegewichts des In- 
sektes zum Gesammtgewichte seines Körpers (für verschie- 
dene Exemplare einer und derselben Art) ist, desto höher 
ist der normale Erstarrungspunkt der Säfte des Insektes. 


Die mathematische Untersuchung dieser Abhängigkeit konnte 


jedoch zu keiner einfachen Formel führen, da g weder lineäre noch 
Quadratfunktion von & ist. 

Fig. 5 (p. 598) zeigt die Abhängigkeit des E von g für Cetonia 
aurata. Aus derselben ist ersichtlich, dass Nr. 53, 68 und 64, für 
welche das Gewicht ? bekannt ist, und zwar: 0,325, 0,380 und 0,372, 
successiv g gleich 0,61, 0,625 und 0,66 haben müssen, oder mit 
anderen Worten auf Grund der Formel: 


Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 573 


7 - Y—,P.4 
müssen ihre Säfte wiegen: 
M = 0,325 : 0,61 = 0,198 g 
M, = 0,380 - 0,625 — 2,237 g 
M, = 0,372 . 0,66 —= 0,245 g. 
Künftige Versuche sollen die Richtigkeit dieser Abhängigkeit 
bestätigen. 
Wenden wir uns nun zur Größe 7, indem wir uns auf die letzten 
zwei Tabellen beziehen. | 
Eine genaue Abhängigkeit der Größe 7’ von E oder g ist nicht 
zu bemerken, eine Tendenz besteht jedoch, dass T mit E parallel 
sehen; so z. B. in der Tabelle für Cetonia aurata geht E ab- 
wärts; eben so gehen die Größen für T bei wenigen Ausnahmen 
ebenfalls abwärts. Dasselbe bezieht sich auch auf die Tabelle für 
Aporia crataegi. 
Die folgende Tabelle enthält eine Aufstellung derselben Größen 
für verschiedene Arten, wobei die Größe E in herabsteigender 
Stufe folgt: 


Name | Nr. | 2 | E | M | j& g= a 

| P 

Pieris rapae si 86 | 82 1.0045 1.0070. | 0,64 
Clytus 6-punctatus 69 I — 72 | 3,4 0,038 0,075 0,51 
 Plusia gamma 28 | —103 | —2,0 0,062 0,087 0,71 
Cerambyx scopoli 50 —86 | —1,9 0,006 0,400 0,015 
Geotrupes vernalis 122 66 | --1,5 0,298 0,485 0,62 
- Sa ray 1.0.0322 0.062 0,51 

N R 1 65 | 714 0260. |.0445 0,58 
Carabus cancellatus 00 —28 | —1,4 0,182 0,235 0,77 
Saturnia pyri ö 13.02.93. 2714 0,820 1,450 0,57 
Phalera bucephala 26 | —11,0 | —1,4 0,205 0,275 0,71 
Aporia crataegi 4 I|—92 | —1,4 0,098 0,175 0,56 
Oeneria dispar Q — 1—91| —1,3 0,304 0,428 0,71 
Pieris rapae Q — |—67 | —1,3 0,046 0,068 0,68 
Cossus cossus 30 |—83 | —12 0,578 0,333 0,43 
Calosoma sycophanta 2 | —61 |, —ii 0,420 | 0,890 0,47 
Vanessa cardui 31 ;, — 70 | —1,0 0,040 0,105 0,38 
Saturnia spini (Raupe) 737 —713 | —0,9 2,275 2,565 | 0,88 
Vanessa atalanta 36 - 81 | —0,8 0,133 0,200 | 0,66 
Vanessa cardui 323 —47, —01 0,070 0,105 | 0,66 
Lycaena icarus 5 — 116 | —1,0 0,018 0,030 | 0,60 
Deilephila euphorbiae 9 — ; — 86 , —12 0,272 0,595 | 0,55 


Aus dieser Tabelle ist ersichtlich, dass 7’ in keinem Abhängig- 
keitsverhältnis zu g steht. Da jedoch die vorhergehenden Tabellen 
für Cetonia aurata und nachher für Aporia crataegi zeigen, 
dass zwischen g und E eine nahe Abhängigkeit besteht, so folgt 


574 P. Bachmetjew, 


hieraus, dass diese Abhängigkeit nur bei einer und derselben Art 
(wenn auch verschiedenen Exemplaren) besteht und auf alle Arten 
Insekten im Allgemeinen nicht ausgedehnt werden kann. Ich 
möchte sagen, dass jede Art Insekten eine eigene besondere Ab- 
hängigkeit zwischen g und E hat. Künftige Forschungen werden 
diese Frage zu lösen haben. | 

Hier ist es von Interesse, die Versuche GIRARD’s (20) über die 
Temperatur der Insekten einer und derselben Species in Abhängig- 
keit von ihrem Körpergewicht anzuführen. 

Ich gebe hier im Auszug seine Beobachtungen (mit Hilfe eines 
Differentialthermometers) über Bombus terrestris. 


Temperatur- 


£ der Luft: h Gewicht: 

überschuss: 

21. April 1863 16,6° 3,85 0,729 g 
22. » » 16,4 3,05 0,723 = 
24. » » 16,4 4,39 0,700 = 
Die » 15,3 3,20 0,750 g 
28...» » 15,6 2,69 0,690 g 
29.» >» 13,7 4,99 0,686 g 
80. >» > 12,4 1,20 0,645 g 


Nachher starb das Insekt. 

Hieraus ist ersichtlich, dass bei diesem Insekt in dem Maße, als 
sein Körper leichter wurde, im Allgemeinen auch seine Körper- 
temperatur sank, obwohl in den Beobachtungen einige Unregel- 
mäßigkeiten zu bemerken sind. 

Seine Versuche mit Hilfe eines Thermo-Elementes mit Gryllus 
campestris sind besser ausgefallen und zwar: | 


it der Luft: B Gewicht: 
27. Mai 1863 16,3° 21,0 (Batterie B) 1,033 g 
2. Jun > 20,0 33,0 (Batterie A) 1,020 g 
a» > 22,6 44,0 >» 1,0385 8 
9. 52 » 16,7 13,0 » 0,939 g 


Hieraus ist ersichtlich, dass je kleiner das Gewicht des In- 
sektes ist, desto niedriger seine Temperatur ist. Es ist selbstver- 
ständlich, dass man die mit der Batterie 3 gewonnenen Resultate 
mit denjenigen mit der Batterie A nicht vergleichen darf. 

Hier müssen wir nunmehr einen Umstand aufklären, welcher 


Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 575 


die Größen E und 7 beeinflusst und zwar, wie sich diese Größen 
verändern, wenn das Erstarrungsverfahren einige Mal wiederholt 
wird. 

Ich bringe hier einige Experimente in dieser Hinsicht. 


9./21. Juli. Papilio podalirius. 

Der Versuch begann um 10°47’. Um 11%09’ erreichte der Schmetter- 
ling die Minimaltemperatur von —9,9°, wonach der plötzliche >»Sprung« 
der Temperatur stattfand, wobei die letztere bis — 1,3° stieg. Somit 
ist in diesem Falle 7 —= —9,9° und E = —1,3°. Der Schmetter- 
ling wurde sofort nachher aus dem Eisbade genommen und bei 
Zimmertemperatur gelassen. Er lebte auf. 

Am folgenden Tage um 9°40’ wurde der Schmetterling abermals 
in das Eisbad gelegt und zeigte nach Verlauf von 2!/, Stunden, und 
zwar um 12°10', als ich mit dem Versuche schließen wollte, den 
Temperatursprung bei —15,7°, wobei die Körpertemperatur bis — 2,0° 
stieg. Folglich war hier 7T= —15,7° und E = —2,0°. 

Am selben Tage Nachmittags, als der Schmetterling wieder auf- 
gelebt war, wurde um 2%°50’ der dritte Versuch veranstaltet, welcher 
bis 3237’ dauerte. Der Schmetterling zeigte jedoch keinen >Sprung« 
seiner Temperatur, wie aus folgender Tabelle ersichtlich, die ich hier 
abgekürzt anführe. 


10./22. Juli 1895. Papilio podalirius. 


Stunde [Stromstärke N Stunde |Stromstärke Stunde |Stromstärke Stunde Stromstärke 


zn = 7 —, —e 


2h52” | 163,0 3hQu’ 183,1 3508 217,5 3620 254,0 
533 | 180,0 01 184,3 09 225,0 23 261,2 
54 | 179,4 02 186,1 10 231,2 27 264,8 
5 | 179,6 03 188,4 11 236,2 32 263,5 
56 | 180,4 04 192,0 12 239,6 34 265,9 
Sn u 1: I 05 196,4 13 242,3 36 268,0 
58 | 181,8 06 201,6 14 243,8 37 268,3 
59 | 182,6 07 209,5 15 246,2 — _ 


In dieser Tabelle ist nicht die Temperatur des Schmetterlings 
angegeben, sondern die ihr entsprechende Stärke des thermo-elek- 
trischen Stromes (k = 7,5; 4 — 22,4°). Hieraus ist zu ersehen, 
dass die Stromstärke (z) Anfangs plötzlich von 163,0 auf 180,0 
stieg, nachher verlangsamte sich das Steigen, von 3 Uhr aber ab 
wuchs der Strom immer rascher und rascher, zeigte jedoch keinen 
»Sprung«. Die Thatsache, dass der Strom um 2”54’ schwächer als 


576 P. Bachmetjew, 


um 2%53’ war, zeigt, dass hier eine Entwicklung latenter Wärme statt- 
fand, d. h. das Erfrieren der Säfte des Insektes, wobei nach der 
Berechnung rn = 180,0 —1,6° entspricht und » — 179,4 gleich — 1,5° 
ist. Die Stromstärke stieg nachher fast nicht, weil die Temperatur 
. ständig bei —1,6° verblieb. Als jedoch der ganze Saft endlich er- 
starrte, begann die Temperatur (d. h. die Stromstärke z) rasch zu 
steigen und zwar in Folge der Abkühlung des erstarrten Saftes, 
welcher keine latente Wärme mehr abgab. Somit ist hier T7= —1,6° 
und Z= —1,5°. 
Wir haben folglich: 


Versuch JH | E 


Togo en 
mie Bee 
I. eo 


Das heißt, nach dem zweiten Erstarren des Schmetterlings 
sanken sein Z sowie sein 7. Bei dem dritten Versuche fand die 
Säfteerstarrung fast ohne Uberkühlung statt, d. h. normal. 


13./25. August 1898. Pieris rapae ©. 

Das Exemplar wurde am selben Tage eingefangen und zeigte: 
T—= —6,7° und E= —1,3°. Aus dem Eisbade genommen und 
bei Zimmertemperatur gelassen, lebte es auf nach Verlauf von 
3 Minuten (da es nach stattgehabter Temperaturerhöhung nach dem 
Sprunge nur bis —2,1° abgekühlt wurde) und begann zu fliegen. 

Am Nachmittage, 3!1/, Stunde nach dem ersten Versuche, wurde 
der Schmetterling wieder ins Eisbad gelegt und hatte folgenden Tem- 
peraturgang seines Körpers (hier wird anstatt der Temperatur die Stärke 
des thermo-elektrischen Stromes —= n angegeben, wobei {, — 21,5° 
und.z — 192 180): 


Stunde n | Stunde | m Stunde m Stunde N 

2h45’ 153,0 2h471/| 179,0 2h50’ 171,2 2h537 173,8 
451/31, 161,5 473/, 171,0 501%, | 171,8 54 | 1762 
46 170,0 48 | 170,0 5 1720 55 | 180,0 
461/, 176,5 4 | 1705 51a), 1001 56 | 186,0 
47. 4.1780 491/,| 171,0 52 173,0 57 | 194,0 


Als » 201 erreichte, wurde der Schmetterling aus dem Bade 
genommen (2 = 201 entspricht —5,3°). Um 2%47!/,’ fand der Tem- 


Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 577 


peratursprung statt, da z» von 179,0 bis 171,0 gesunken ist. Die erste 
Zahl entspricht T — —2,4°, die zweite E = —1,2°. 
Also haben wir: 


Versuch | 2 3 E 
gegsetre, 


u 24 | 12 


d. h. dass beim zweiten Versuche der Schmetterling keine so große 
Uberkühlung seiner Säfte zeigte wie beim ersten. 


27. April 1898. Sphinx ligustri 

wurde um 4 Uhr ins Eisbad gelest und um 7 Uhr Abends, nachdem 
er —6,7° erreicht hatte, in ein Bad bei 0° übertragen, in welchem 
er die ganze Nacht verblieb. Morgens um S Uhr lebte er auf und 
wurde abermals in ein kaltes Bad gelegt. Um ca. 9',, Uhr zeigte 
er T—= 93° md E= —1,7°. Nachdem die Temperatur des 
Schmetterlings — 2,3° erreicht» hatte, wurde er bei Zimmertemperatur 
gelassen und lebte um 11 Uhr auf. Abermals ins Eisbad gelest, 
zeiste er nach 40 Minuten = —13,1° nd E= —8,S°, und da 
er nachher bis — 15,2° abgekühlt wurde, konnte er nicht mehr zum 
Leben gebracht werden. 


Somit haben wir: 
Versuch T E 
I = y3.1 —LI® 
II —13,1 —S,8 


28. Juli /9. August 1598. Deilephila euphorbiae 
wurde um 11 Uhr ins Eisbad gelegt und zeigte um 12!/, Uhr 
T= —-86° und E= —1,2° Nachher, als die Temperatur des 
Schmetterlings = —9,2° war, wurde er aus dem Bade genommen, 
konnte aber nicht wieder aufleben. Um 2!/, Uhr wurde er abermals 
ins Eisbad gelegt und zeigte um 3 Uhr T = —38’ nd E= 
—1,1°. | 
Wir haben folglich: 


Versuch T BE 
| —86° | —1,2° 
II. —88 = 


Zeitschrift £ wissensch. Zoologie. LXVL Bi 38 


573 P. Bachmetjew, 


Wenn wir nun diese kleinen Tabellen neben einander stellen, er- 
halten wir: 


Name 1. Einfrieren | II. Einfrieren TIL. Rinfrieren 
Papilio podalirius | 2 a =. | a 
Pieris rapae 5 | = 77 = = 
Sphinx ligustri a | 2, Be Be 
Deilephila euphorbiae, 2 | = 07 Ä _- 


Hieraus ist ersichtlich, dass beim zweiten Einfrieren der »Sprung« 
der Temperatur des Schmetterlingskörpers gewöhnlich bei einer nie- 
drigeren Temperatur stattfindet als beim ersten Male; nachher aber, 
bei weiteren Wiederholungen des Einfrierens, äußert sich die Er- 
scheinung der Überkühlung nicht mehr, so scharf. Bei schwächeren 
Schmetterlingen (wie z. B. Pieris rapae) ist die Überkühlung schon 
beim zweiten Einfrieren nicht mehr so stark. Was die Normaltem- 
peratur der Säfteerstarrung (Z) anbelangt, so. bleibt dieselbe fast 
konstant auch beim II. Einfrieren oder sinkt. 


III. Analogie der Erscheinungen, welche man bei der Abkühlung 
der Insekten beobachtet, mit denselben Erscheinungen bei den 
Pflanzen. 


Bei diesen Versuchen blieb die Anordnung der Apparate dieselbe 
wie früher, nur wurde anstatt des Insektes ein Stückehen vom Sten- 
ee] einer beliebigen Pflanze genommen, in welches das elektrische 
Thermometer hineingesteckt wurde. 

Zuerst wurde der Versuch mit einem frischen Stückchen Stengel 
von Malva sylvestris vorgenommen. Seine Länge war ca. 20 mm 
und seine Haut (Epidermis) wurde nicht abgezogen. Die folgende 
Tabelle enthält die Ergebnisse der Beobachtungen; hier ist anstatt 
der Temperaturgrade die Stärke des thermo-elektrischen Stromes 
angeführt (k — 7,5; {, — 19,5°. Für die Luft im Inneren des Bades 
ist %& — 2,5, 09, — 20.09: 


Bupzar > 


Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 5 


—ı 
Ne) 


19./31. Mai 1898. Malva sylvestris. 


- | a 


lungstemperaiur. 


Stunde | für die ee Bemerkung Stunde | für die de Bemerkung 
Bade Pflanze Bade 
4605| 21,0 61,0 4h27’| 166.0, 80,5 | Der »Temperaturen- 
ı 44,0| 61,5 28 | 163,5 | 83,0 ara 

7| 64,0| 621 91 — | 

8 5810| 623,8 30 | 163,3| 84,0 

| Bo — 31 | 1625| 85,0 

10 107,3 | 63,0 32 | 163,0| 35,0 

Br 1653| — 33 | 1630| — 

13 1335| 63,0 34 | 163,0) 86,0 

A|103| — 35: 1630| — 

15 | 147,2 66,2 36 | 1630| — 

16 | 153,1| 672 37 | 163,0) 86,1 

17 |1590| — a8. [1631| — 

18 1635| 68,0 39 | 1632| — 

19 | 1680| — 40 | 163,6 86,3 

20 172,0| 70,8 #1 | 1640| — 

21 1754 — 42 | 164,3 | 86,5 

22 | 178,8 | 72,0 43 | 1646| — 

23 | 182,0: 71,8 | 44 | 164,9| 86,3 | 

MWiıs50 — 45 | 1653| — 

25 | 187,8; 73,0 ’ 46 | 165,5 | 862 

26 | 191,3| 78,5 Die niedrigste Überküh-| 5538 | 226,3 0.0 


Hieraus ist zu ersehen, dass die Pflanze, sich allmählich ab- 
kühlend, um 4"26’ die Minimaltemperatur von — 6,1° erreichte (der 
Strom z — 191,3 entspricht — 6,1°), wonach um 4°27’ die Tempe- 
ratur der Pflanze plötzlich bis —2,6° stieg (na = 166 entspricht 
— 2,6°) und fast unveränderlich während einer !/, Stunde blieb. Um 
538 war die. Temperatur der Pflanze — 10,8° (d.h. n = 226,3). 
Die Lufttemperatur im Bade von 4°27’ bis 5°38’ schwankte zwischen 
— 12° und — 14°. 

Somit wird bei dieser Pflanze dieselbe Überkühlung beobachtet, 
welche wir bei den Insekten hatten, eben so auch der rapide Tempe- 
ratur->Sprung«. 

Die Pflanze wog vor dem Versuche 1,575 g, nachdem sie aber 
in einem Luftbade bei 120° ausgetrocknet wurde, war ihr Gewieht 
0,160 8, d.h. ihr Saft wog 1,415 g. Hieraus 1,415 : 1,575 —= 0,90 
ES 9- 

Nachher wurden diese Versuche mit dem Stengel einer anderen 
Pflanze gemacht, und zwar: 


17./29. Juli. Euphorbia spee. 
Das Gewicht des Stengels vor dem Versuche war 0,325 g. Die 


Pflanze wurde sehr langsam abgekühlt und erwärmte sich, nachdem 
38* 


980 P. Bachmetjew, 


sie die Temperatur von —5,0° erreicht hatte, plötzlich bis — 2,0°. 
Zwei Minuten nach diesem »Sprunge« wurde sie herausgenommen 
und auf 1!/, Stunden bei Lufttemperatur gelassen. 

Darauf wurde dasselbe Stückchen Stengel noch einmal dem Er- 


frieren unterworfen und zeigte 7—= —6,5° und E= — 2,0°. 

Nach Verlauf einer halben Stunde wurde dieselbe Pflanze dem 
Erfrieren zum dritten Male unterworfen und zeigte 7 —= —7,6° und 
Eee 


Wir haben folglich: 


Versuch 7 E 
ee en, 
Iren 
I 


d. h.: je öfter eine und dieselbe Pflanze dem Erfrieren unter- 
worfen wird, bei desto niedrigerer Temperatur erstarren 
ihre Säfte. Der normale Erstarrungspunkt bleibt dabei ständig. 

Somit sind auch hier, wie bei den Insekten, der normale Er- 
starrungspunkt der Säfte eben so wie die minimale Temperatur, bis 
zu welcher die Überkühlung stattfindet, bei verschiedenen Arten nicht 
gleich, und zwar: 


Bei Euphorbia Z = —2,0° und bei Malva sylvestris Z = 
—2,6°. Bei der ersten Pflanze it 7—= —5,0°, bei der zweiten 7 
— —6,1°. 


IV. Physikalische Versuche, das künstliche Hervorrufen der Erschei- 
nungen betreffend, welche man beim Abkühlen der Insekten 
und Pflanzen beobachtet. 


Zuerst wurden Versuche mit dem Erstarren des zellenlosen Pro- 
toplasmas gemacht. Dazu wurde der aus der Pflanze ausgepresste 
Saft durch gewöhnliche Leinwand filtrirt und in ein kleines Probir- 
släschen gegossen und verkorkt mit einem Pfropfen, durch welchen 
ein Quecksilberthermometer mit !/,,°-Theilungen gesteckt wurde. 
Das Probirgläschen wurde in ein Gefäß gestellt, welches gestoßenes 
Eis, gemischt mit Salz und Spiritus, enthielt. Die Versuche wurden 
mit dem Protoplasma der Pflanze und dem Safte einer Birne ge- 
macht. 


Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 581 


13./25. Juli. Protoplasma einer Cactus-Pflanze. 


Stunde | de Bemerkungen | Stunde | z° Bemerkungen 
gh38' | 9,1° Reines Eis. 10600’ — 5,9° 

39 | 84 Id 69 

40 7,8 1 509.850 

41 7,4 029 

42 7,0 | 04 |—10,1 

521/) —0,8 Eis + Spiritus. 05 —10,6 

3  —11 06 Er) 

Bl 1,4 00 2113 

1,7 08 —11,4 

292 09 |—11,7 

551), --2,4 102) 11,8 

E97 11) 119 

561/| —3,0 | 12 —11,9 Eis-+ Spiritus + Kochsalz. 

3,4 16 [13,5 | 

BB | 42 18+ 12,8] 

59 |--5,0 19 13,0 | 


24. Juli /5. August. Saft einer Birne. 


Stunde | to | Stunde t> 

11nsg | 42,4 || 12m06° | —3,8 
59 Do ag 

12500 | —15 Sun 
Des or, 
02 | 32 100 er 
Ba Me 50 
as 2 | 53 
05 | —3,55 


Die erste dieser Tabellen zeigt keine Unregelmäßigkeiten im 
Gange der Temperatur, d.h. die Safterstarrung ging hierbei regel- 
mäßig vor sich ohne jedwede Überkühlung in der Pflanzen- oder 
Thierzelle. | | 

Die zweite Tabelle zeigt ebenfalls einen regelmäßigen Gang, 
nur ist um 12°04’ die Temperatur anstatt zu fallen, um 0,1° ge- 
stiegen. Dieser Umstand aber konnte auch von den im Safte be- 
findlichen, noch nicht zerstörten Zellen herrühren. Jedenfalls werden 
hier im Gange der Temperatur keine heftigen Sprünge beobachtet, 
und folglich kann die Ursache der bei den Insekten beob- 
achteten Überkühlung nicht mit den alleinigen Eigenschaf- 
ten der Säfte erklärt werden. 

Um den Umständen, unter welchen die Erstarrung der Insekten- 
(oder Pflanzen-)Säfte stattfindet, näher zu kommen, goss ich den Saft 
einer Birne in ein kleines poröses Thongefäß und verkorkte es mit 
einem Kautschukstöpsel, durch welchen ein Quecksilberthermometer 
gezogen war. Das Gefäß war ganz voll mit Saft und seinerseits 


582 P. Bachmetjew, 


in ein mit einem Stöpsel zugedecktes Glas gestellt, welches dann in 
gestoßenes, mit Salz gemischtes Eis gestellt wurde. 
Die folgende Tabelle zeigt die erhaltenen Resultate. 


24. Juli/5. August. Der Saft einer Birne in einem 
verkorkten Thoneylinder. 


Stunde | c° Stunde | 22 | Stunde i° 

115197 | +3,90 || 11297 | —3,0° | 11ma27 | —2,750 
%0 2.8 0 43 | —2,78 
21 18 31..| 229 || m 
22 0.9 39.| 285 ae 
33 0.0 33) 2,80 | Ss 
24.| 207 35.197 | 
een — 
56 1,50 37.107 | 
a ss 297 5 | 
28 | —28 10.| 4 en 

| 


Hieraus ist ersichtlich, dass der Saft sich Anfangs regelmäßig 
abkühlte, um 11"31’ aber anstatt der Abkühlung eine allmähliche 
Erwärmung zeigte. Hier hat folglich eine schwache Überkühlung 
stattgefunden und zwar bis —3,0°, während der Normalpunkt der 
Erstarrung des Birnensaftes bei —2,7° liegt, wie die Zahlen von 
11335’ bis 1140’ zeigen. Es ist zu bemerken, dass das umgebende 
Eis eine ständige Temperatur von — 18° beibehielt. 

Ein ähnlicher Versuch wurde mit dem Safte einer Citrone ge- 
macht. Diesmal wurde der Saft in einen birnenförmigen Pasteur- 
filter (aus Thon) gegossen, in welchem sich das Thermometer befand; 
außerdem ging durch den Stöpsel ein mit Glashahn versehenes Glas- 
röhrchen, welches mit einer Vorlage verbunden war; die letztere war 
mit demselben Saft gefüllt. Das ganze System wurde ins Eis ge- 
stellt, wobei der Pasteurfilter sich noch in einem Glase befand, um 
die unmittelbare Berührung zwischen ihm und dem Eise zu ver- 
hindern. Als der Saft im Pasteurfilter, sich allmählich abkühlend, 
seinen Umfang verminderte, floss aus dem Glaskolben in den Filter 
neuer Saft zu, so dass derselbe immer voll blieb. Als die Temperatur 
des Saftes 0° erreichte, wurde der Hahn zugedreht. Die Temperatur 
des Eises schwankte zwischen — 15° und — 20°. 

Die hier angeführte Tabelle giebt die Angaben im Auszuge; die 
Beobachtungen wurden jede Minute gemacht. 


Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 583 


27. Juli / 8. August. Citronensaft. 


Stunde £> Stunde | > Stunde i° Stunde i° 
36 | +3,50 | ans | —1,1° | 5n39 | —1,00 | mar | — 1,7° 
38 3,0 500 | —1,1 Aa 47 | — 18 
40 2,4 01 u Ber 49° | — 1,9 
En -;1,8 2 6606 | — 1,1 Ben 
Ber 01] 04 |) —10 | Ne I I 24 
Bro 22 | 13 7608 | — 3,9 
| 906 | Dr 10 3 6 14 12255 
I 10 | er 10 30 | —15 20° 1 023 
| zer, 26 | — 8,9 
| | 33 1 —10,5 


Der sich gleichmäßig abkühlende Saft zeigte um 5°03’ anstatt 
Abkühlung eine Erwärmung auf 0,1° (d. h. eine Temperatur von 
— 1,0°); um 5%44’ begann die Temperatur wieder zu fallen. Somit 
wird auch hier eine kleine Überkühlung beobachtet, welche 0,1° 
unter dem normalen Erstarrungspunkte liegt (—1,0°). 

Eine genaue Betrachtung des Filters ergab, dass der Kautschuk- 
stöpsel auf eine gewisse Höhe herausgeschoben war, welcher Um- 
stand entweder durch Ausdehnung des Saftes bei Abkühlung oder 
durch Umfangvergrößerung des Saftes beim Übergange desselben in 
den festen Zustand zu erklären ist. 

In Anbetracht des letzten Umstandes habe ich den folgenden 
Versuch gemacht: 

Ich nahm ein diekwandiges gläsernes Kapillarröhrchen mit einer 
kleinen Kugel am Ende, in welcher sich gewöhnliches, der städtischen 
Wasserleitung entnommenes Wasser befand; über dem Wasser war 
Quecksilber, dann Luft. Das Röhrchen war oben zugelöthet. 

Dieser Apparat wurde in ein Glas mit Spiritus gestellt und das 
ganze System in Eis + Salz eingegraben. Die Temperatur des um- 
gebenden Eises (2°) wurde mittels eines besonderen Thermometers 
gemessen, die Höhe der Luftsäule (7) über dem Quecksilber mittels 
einer Skala mit Millimetertheilungen, wobei in der unten folgenden 
Tabelle nieht die Größen für 7, sondern der ihnen entsprechende 
Luftdruck in Atmosphären (A) angeführt sind, unter welchem sich 
die Luft in der Kugel befand. 


A | Fi an 34 1° 

0 | +30°| 19 | —45° 
ee, || 22.50 
a ee: 28 | —60 
= 150 32. 65 
Bags 36. 0 
1,6 —4,0 4,0 —3,0 


584 P. Bachmetjew, 


Bei diesem Versuche wurde bemerkt, dass, als das Wasser in 
der Kugel bei Abkühlung sich zusammenzuziehen aufhörte und sich 
auszudehnen begann, d.h. als das Wasser die Temperatur von + 4° 
erreichte, die Temperatur des umgebenden Spiritus + 5° war. Hier- 
aus folgt, dass bei der Temperatur des umgebenden Spiritus von 
— 8° das Wasser in der Kugel eine Temperatur von eirca — 6,5° 
hatte und sich zu dieser Zeit unter einem Drucke von 4 Atmosphären 
befand, wonach die Kugel platzte. Eis hat sich jedoch dabei nicht 
gebildet, da das überkühlte Wasser im Moment der Explosion der 
Kugel mit dem Spiritus sich vermengte. 

Jedenfalls zeigt dieser Versuch, dass Wasser unter einem Druck 
sich überkühlen kann, d. h. eine viel niedrigere Temperatur er- 
reichen kann, als dessen normaler Gefrierpunkt (0,0°). 

Nachher wurden Versuche mit einer mit Wasser gesättigten 
Thonkugel (12 mm im Durchmesser) veranstaltet. Die trockene Kugel 
wog 1,595 g, die mit Wasser gesättigte 1,945 g. Somit war das 
Wassergewicht — 0,350 g, und 0,350 : 1,945 —= 0,18 — g. 

In eine der Öffnungen, die mittels einer Nadel in der Kugel 
semacht waren, wurde das oben beschriebene elektrische Thermo- 
meter gesteckt und die Kugel an Stelle des Insektes in den oben 
beschriebenen Apparat gestellt, wobei die Temperatur des Bades 
während der ganzen Zeit des Versuches bei — 13° verblieb. 

Da dieser Versuch mit denjenigen mit Insekten die größte Ähn- 
lichkeit bietet, so führe ich hier eine Tabelle ohne Abkürzungen an. 


31. Juli / 12. August. Mit Wasser imprägnirte Thonkugel. 


Stunde 1 | Stunde | nv | Stunde | n | Stunde | 7 
31440 | 82,0 | sh587 | 172,7 || Anis | 186,6 | Ang2r | 181,0 
45.1.1055. | 59 | 1728 | 16..|,1893 | 0 Ss 5 
46 | 124,5 | 4.00 | 122,9 1° 7 1952 
47. 1531395: 01%.].193,2 510,518 1.195000 ga e 
48 | 151,8 02 1.1732 | 19°.) 202,7 | ca 
419 | 162,2 03..17173,32], ° 20.207,20 Wesen gs 
50 | 170,8 04: \.1735....21 | 2120) ea 
531 | 1755 05 11741. | 22°] 2i6s0 ren: 
511/4| 172,0 06.5] 174.6: ||. 23% 1.219,82 0 map 
514%,| 171,6 |. . 07 | 1752 | -94 | 229 200 
51s/,| 171,5 | 08 1126,00 | 0 25) 225.821 oa 
52 | 171,6... 209. | san 26: | 2083 43 | 1585 
53 | 171,8 10 | 19760 . 272) 2309 44 | 156,0 
54 | 1721 117: 219890 109,.28 12990 45.141597 
55 | 1723 |. 1% | 1809 || >29 | 2505 | a 
56 |: 1725 |» Was  1SBE 30 | 2015 | Are 
57. | 1726 | 12 | 1840 31 | 1890.| der ups 
| | | | 1 


m # 


Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 585 


Hieraus ist ersichtlich, dass die sich Anfangs regelmäßg ab- 
kühlende Kugel um 3°51!/,' nicht mehr Abkühlung, sondern Er- 
wärmung zeigte, welche bis 3°513/,’, d.h. eine halbe Minute andauerte, 
wonach die Kugel langsam sich abzukühlen begann. 

Somit fand hier, wie auch bei den Insekten, em Temperatur- 
»Sprung« statt, und zwar von r» = 175,5 bis = 1715 (dak = 17,5 
und i, = 22,2°, so stieg die Temperatur von —1,2° bis —0,7°). Um 
4538’ wurde die Thonkugel aus dem Eisbade genommen und bei 
Zimmertemperatur liegen gelassen. 

Zum Zwecke einer mehr anschaulichen Darstellung dient Fig. 4 
(p- 596) Kurve F, wo die Abseissen die Zeit bedeuten und die Ordi- 
naten die Temperatur der Kugel (d. h. die Stärke des elektrischen 
Stromes — n). 

Aus dieser graphischen Darstellung ist ersichtlich, dass das 
Wasser, nachdem es sich bis » = 175,5 (d.h. bis —1,2°) abkühlte, 
fast plötzlich bis » = 171,5 (d.h. bis —0,7°) sich erwärmte. Dieser 
"Sprung fand in Folge des Erstarrens des überkühlten Wassers statt, 
welches die latente Erstarrungswärme abgab. Jedoch, wie die Kurve 
zeigt, fand auch nachher noch ein Gefrieren des Wassers statt, 
welches aber nicht mehr bis —1,2° überkühlt war. Dieser Gefrier- 
process dauerte von 3°51’ bis eirca 4°05’, wonach das entstandene 
Eis sich weiter abkühlte. 

Wie die Kurve E der Fig. 4, den Gang der Temperatur ver- 
- anschaulichend, zeigt, sind die Erscheinungen, welche man beim Ab- 
kühlen der Insekten beobachtet, denjenigen ähnlich, welche bei der 
Abkühlung einer mit Wasser imprägnirten Thonkugel stattfinden: 
es sind dieselben >»Sprünge« und dieselbe Überkühlung, nur in klei- 
nerem Maßstabe als bei den Insekten. 

Bei der Wiederholung des Versuches mit einer Ziegelkugel 
zeizte das in derselben enthaltene Wasser keine Überkühlung mehr 
und das Gefrieren ging normal vor sich. 

Eine ähnliche Erscheinung wurde auch bei den Insekten beob- 
achtet, wie z. B. bei Papilio podalirius. 

Ein Versuch mit einem Stückchen mit gewöhnlichem Wasser 
gesättisten Pasteur-Thonfilters zeigte T — —7,3° und E= —6,9°, 
wobei der Sprung plötzlich stattfand. Ich bringe hier im Auszuge 
eine Tabelle dieser Beobachtungen: 


586 P. Bachmetjew, 


31. Juli/ 12. August. Ein Stück Pasteur-Thonfilter mit 
gewöhnlichem Wasser imprägnirt. 


Stunde n | Stunde | m | Stunde | 7 | Stunde | N 
106337 | 81,0 | 10649 | 182,6 | 11h15° | 215,8 || 11n21” | 220,0 
35 | 105,0 51..\ 183,2 16 | 216,0 | 2025 
40 | 136,0 55 | 186,8 17 | 2163 | 25 | 2252 
4551775 |. 56, 2.1870 18 | 249,5: |.: 0000983 
46 | 179,6 || 11601 | 189,0 19. | 2220 || DOSE 
47: 11,181%0 05 ı 200,5 191/5| 218.87. ss 
48 | 182,1 10 | 213,2 20.1.2188 | Senn 


Aus dieser Tabelle ist außer dem Sprung um 11%15’ ersicht- 
lich, dass das Erstarren, obgleich allmählich, eigentlich um 10448’ 
begann, als die Temperatur viel schwächer zu fallen anfing, als vor- 
dem, welche Erscheinung bis 10"56’ andauerte, zu welcher Zeit die 
Temperatur rascher zu fallen begann (s. auch Fig. 4, Kurve CO). — 


Wenden wir uns nun zu einer anderen Art Analogien. 


Der Versuch mit dem Stückchen Pasteurfilter zeigt, dass das 
Wasser an der Oberfläche der Poren gleich am Anfang zu er- 
starren beginnt und erst nachher die Überkühlung des Wassers, 
welches sich im Innern der Filtermasse befindet, stattfindet. Diese 
Überkühlung konnte von dem Umstande herrühren, dass das innere 
Wasser von durch die Abkühlung an der Oberfläche entstandenem 
Eis umzogen, sich nun unter einem Drucke befindet (da das Wasser 
bei Abkühlung von +4° hinab sich ausdehnt) und folglich sein Ge- 
frierpunkt fallen muss (s. die vorhergehenden Versuche mit der Glas- 
kugel). Diese Überkühlung konnte aber scheinbar auch in Folge des 
Umstandes stattfinden, dass das Wasser in den Kapillarröhrchen 
der Filtermasse sich befand; in dieser Weise wenigstens ist die Er- 
scheinung in der oben untersuchten Ziegelkugel zu betrachten, wo 
ein vorhergegangenes Gefrieren nicht stattfand, sondern die Über- 
kühlung sofort eintrat, obgleich dieselbe auch nicht bedeutend war 
(bis — 1,2°). 

In Anbetracht dessen wurde die Veranstaltung von Versuchen 
mit Abkühlung des Wassers in Kapillarröhrchen nothwendig. 

Zuerst wurde ein Versuch mit einem an einem Ende zugelötheten 
Kapillarröhrehen (2 — 0,30 mm, /= 40 mm) gemacht. Das Röhr- 
chen wurde bis oben mit gewöhnlichem Wasser gefüllt und in das- 
selbe das elektrische Thermometer gestellt. Das Röhrchen wurde 
in ein zugedecktes Glas gestellt, welches letztere mit Eis von — 11° 
umgeben war. Das Wasser überkühlte sich ohne vorange- 


Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 587 


sangenes Gefrieren bis —4,5°, und nachher stieg seine Tem- 
peratur plötzlich bis 0,0°, wobei das Wasser erstarrte. 

Weitere Versuche mit anderen ähnlichen Röhrchen zeigten, dass, 
je kleiner der Durchmesser des Röhrchens ist, desto stärker sich 
scheinbar in ihm die Überkühlung des Wassers äußert, außerdem 
hing diese Überkühlung wie von der Höhe des Kapillarröhrchens, 
so auch von der Länge der Wassersäule ab. In Anbetracht dessen, 
dass die erhaltenen Resultate nicht immer übereinstimmen, was, wie 
sich herausstellte, von der ungleichen Veränderung des Wasser- 
Meniseus im Röhrchen, in Folge des Versenkens der Drähtchen für 
Temperaturmessung, abhing, wurden die weiteren Versuche mit dünn- 
wandigen Röhrchen in Form des Buchstabens U gemacht, wobei das 
elektrische Thermometer außerhalb des Röhrchens an die Bie- 
sungsstelle anstieß. | 

Da es unmöglich war, ein Röhrchen von durchgehend gleichem 
Durchmesser zu verfertigen, so stand das Wasser in einem Knie immer 
etwas höher als im andern. Daher wurde die Höhe der Wassersäule 
stets in dem Knie gemessen, in welchem sie höher war. Es wurde 
sewöhnliches Wasser genommen, da destillirtes Wasser nicht einmal 
bei —15° gefror, während in demselben Röhrchen gewöhnliches 
Wasser schon bei —8,8° erstarıte. Die Höhe jedes Röhrchenknies 
war 30 mm. Die Temperatur des Bades schwankte zwischen —13° 
und — 15°. 

Ich bringe hier eine ausführliche Tabelle für den Versuch mit 
einem solchen Röhrchen, wobei die Höhe der Wassersäule 18,0 mm 
bei = + 22,0° war. 


11./23. August. Kapillarröhrchen von 0,56 mm innerem 


Durchmesser. 
Stunde | n | Stunde | n Stunde 7 | Stunde | 7 
10515’ | 168,5 || 10625” | 224,0 | 10635’ | 238,2 | 10h45’ | 252,0 
16 | 188,0 26.9053. |. 86|239,8 |» + 45°] 213,0 
17 | 199,5 ee 37 | Mo. > a51/,| 211,9 
18 | 206,7 28 a 38.10.2499 |, 457512 215:0 
211,8 23002230 | 39 | 2436 | 453/,| 221,5 
2002| 214,3 308223055 3101540 244,6 | 46 | 236,0 
212 217,0 Su a a | 464), 244,5 
22 | 219,0 See . 412: || 246,0 || 2 47 | 249,0 
23 | 221,0 San 1023327. °7..43.2|.248,0 || . +48, | 254,2 
3412922 32359, 44 °|,2490. |. 49. .) 257,3 


Aus dieser Tabelle, welche in Fig. 4, Kurve D, graphisch dar- 
gestellt wird, ist ersichtlich, dass der Temperatursprung bei 2 = 252 


588 P. Bachmetjew, 


stattfand, wobei die Temperatur nicht plötzlich, sondern allmählich 
innerhalb einer !/, Minute bis » = 211,9 stieg. Die erste Zahl (252) 
entspricht nach Berechnung —11,6° und die zweite (211,9) der Tem- 
peratur —6,2°. Da das Wasser, obgleich überkühlt, im Moment des 
Gefrierens 0,0° zeigt, so müssen wir auch — 6,2° gleich 0,0° an- 
nehmen, dann wird —11,6° der wirklichen Temperatur —5,4° ent- 
sprechen, bis zu welcher sich das Wasser im Kapillarröhrehen auch 
überkühlte (hier entstanden selbstverständlich diese scheinbaren 
Temperaturen in Folge schlechter Wärmeleitung des Glasröhrchens 
und in Folge der starken Kälte der Luft, welche das elektrische Ther- 
mometer abkühlte). 

Versuche mit anderen Höhen (7) der Wassersäule und demselben 
Röhrehen führten zu den Resultaten, welche in der folgenden Tabelle 
enthalten sind, wo Z, die wirkliche Temperatur bedeutet, bis zu 
welcher die Überkühlung stattfand und nach welcher das Wasser gefror: 


2r | hin mm | 1° 
0,56 18,0 © 5m 
0,56 12,60, 1803 
0,56 5,0 | 
Mittel —5,4° 


D.h. die Höhe der Wassersäule im U-förmigen Kapillar- 
röhrchen hat, wie es scheint, keinen Einfluss auf die Über- 
kühlungstemperatur des Wassers. 

In einem Kapillarröhrchen, dessen Knielänge 40 mm, Durch- 
messer 0,36 mm betrug und die Wassersäule A = 22 mm, überkühlte 
sich das Wasser bis 4 = —5,0°. 

In einem Röhrchen, dessen Durchmesser 0,23 mm und in dem 
die Länge der Wassersäule 12,2 mm war, überkühlte sich das Wasser 
bis 352 | 

Somit haben wir: 


2r | tı° | Bemerkungen 

0,90 | —4,5 | gerades Röhrchen. 

0,56 | —5,4 | knieförmig gebogenes Röhrchen. 
0,36 | —9,0 » » » 

0,28 | —),) >» » >» 


Hieraus ergiebt sich, dass gewöhnliches Wasser in Kapillar- 
röhrchen von verschiedenen Durchmessern sich bis zu einer fast 
gleichen Temperatur überkühlt (circa —5,1° im Durchschnitt), 


Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 589 


Ich betrachte keineswegs diese Schlüsse als endgültige; die hier 
beschriebenen Versuche zeigen aber eine keinem Zweifel unterliegende 
Uberkühlung des Wassers im Kapillarröhrchen. 


Allgemeine Erörterungen. 

Mit den gegenwärtigen Forschungen ist erwiesen, dass die Tem- 
peratur der Insekten keine beständige Größe darstellt und im All- 
gemeinen der Temperatur der umgebenden Luft gleich zu werden 
strebt. 

Diese Eigenschaft der Insekten ist selbstverständlich als eine 
‘durch Jahrtausende entstandene Fähigkeit im Kampfe ums Dasein 
zu betrachten. In der That besitzen die Insekten keine solche Mittel, 
um sich vor Kälte zu schützen, wie die anderen Thiere; die Vögel 
z. B. ziehen während der kalten Monate in wärmere Länder: die 
Säugethiere sind zum Schutze vor Kälte und Hitze mit Haaren be- 
deckt ete.e Bei den Insekten hat sich im Wege der natürlichen 
Zuchtwahl die Fähigkeit entwickelt, ihre Körpertemperatur der um- 
sebenden Mitte gemäß zu ändern und somit ihr Leben vor dem 
Temperaturwechsel der Luft zu schützen. 

Diese Fähigkeit bildete sich nieht nur bei entwickelten Insekten 
aus, sondern auch bei deren Puppen und Raupen, wie die in dieser 
Abhandlung angeführten Messungen zeigen. Das ist auch kein Wunder, 
denn es giebt viele Raupen, welche während des Winters schlafen 
und mit Anfang des Frühlings wieder aufwachen (z. B. die Raupen 
der Art Satyrus), und die Mehrzahl der Schmetterlinge überwintern als 
Puppen. Nur einige von den Schmetterlingen, wie verschiedene Arten 
aus der Gattung Vanessa, Macroglossa stellatarum u. a., über- 
wintern als entwickelte Schmetterlinge und flattern, wenn es während 
der Wintermonate irgend einmal warm wird, lustig herum. 

Nehmen wir als Beispiel Rhodocera rhamni (Citronenfalter 
und sehen wir, wie er mit Hilfe der erwähnten Eigenschaft um sein 
Dasein zu kämpfen vermag. Seine Mutter legte im Frühling die 
Eier, aus welchen im Mai kleine Raupen herauskamen, welche sofort 
die jungen Blätter der Pflanze Rhamnus frangula und cathar- 
tiea zu fressen begannen. Ende Juni verwandelten sich die Raupen 
in Puppen, aus welchen im August sich schöne gelbe Schmetterlinge 
entwickelten. Als es heiß wurde, stieg auch die Körpertemperatur 
des Schmetterlings; bei eintretender Kälte wurde der Körper des 
Schmetterlings auch kalt — er fühlte daher keine schädlichen Ein- 
flüsse der Veränderung der klimatischen Verhältnisse, da er die 


590 P. Bachmetjew, 


Möglichkeit hatte, sich an dieselben anzupassen. Endlich kam der 
Herbst mit seinen kalten Nächten und trüben Tagen; es fehlte die 
warme Sonne, welche ihn erwärmte und ihm die Kraft zum munteren 
Herumflattern von Blume zu Blume verlieh. Auch die Menge der 


. Nahrung hat sich vermindert: die meisten Blumen sind abgeblüht. 


Unser Schmetterling verlor in Folge Nahrungmangels an Gewicht, 
sein Protoplasma verdichtete sich, und zugleich sank der kritische 
Erstarrungspunkt der überkühlten Säfte des Schmetterlings niedriger, 
als er im Sommer war. Zuletzt kam der November und December 
mit ihren Schneestürmen, und der Schmetterling verbarg sich in eine 
Spalte der Rinde eines Baumes. Die Lufttemperatur ist bedeutend 
gesunken, der Schmetterling wurde aber beschützt vor der tödtenden 
Wirkung der Kälte theils durch die Baumrinde und theils durch 
den Umstand, dass seine Säfte sich abkühlten, bedeutend unter 
den normalen Gefrierpunkt sich überkühlten und trotzdem nicht ge- 
froren. Der Schmetterling ist längst eingeschlafen, aber nicht ge- 
storben. Eines Tages, im Anfang Januar, wurde die Kälte besonders 
stark, und die Säfte des Schmetterlings erstarrten auf einmal. Eben- 
falls erstarrten die Säfte der Baumrinde, welche den Schmetterling 
umgab, und seine Temperatur stieg plötzlich bis —1,5°. Dies dauerte 
aber nicht lange; als alle seine Säfte erstarrten, begann die Eismasse 
sich wieder abzukühlen und der Schmetterling wäre gestorben, wenn 
er sich bis zu jener Temperatur abgekühlt hätte, bis zu welcher seine 
Säfte vor dem Gefrieren sich überkühlt hatten; den andern Tag aber 
wurde es wärmer, und die Temperatur seines Eiskörpers konnte nicht 
so niedrig fallen. Im Februar kamen warme Tage, und einmal thaute 
der Schmetterling auf. Als es an der Sonne 14° wurde, begann der 
Schmetterling lustig zu flattern, gegen Abend wurde es aber wieder 
kalt, und er schlief in der Spalte eines anderen Baumes wieder ein. 
Fröste stellten sich abermals ein und wie absichtlich stärker als im 
Januar. Die Säfte des Schmetterlings gefroren diesmal jedoch nicht, 
da er nun zum zweiten Male der Abkühlung unterworfen war. Ende 
März verließ er seinen Zufluchtsort, um nicht wieder zurückzukehren. 
Im April fand unser Schmetterling einen Lebensgefährten, legte Eier, 
und starb einige Tage nachher, aber nicht durch Kälte, sondern an 
Altersschwäche, welche sich seiner bemächtigte, nachdem er seine 
Pflicht, Nachkommen zu hinterlassen, erfüllt hatte. 

Wenn also der Schmetterling, der Käfer oder ein anderes Insekt 
die Fähigkeit, in gewissen Grenzen ihre Körpertemperatur zu ändern, 
im Wege der natürlichen Zuehtwahl erworben haben, so muss in den 


Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 591 


Gegenden, wo die durehschnittliche minimale Temperatur sehr niedrig 
ist, auch der kritische Punkt des Insektes niedriger sein, als in 
den Gegenden, wo dieses Minimum nicht so niedrig ist. Mit anderen 
Worten, die Säfte der Insekten, welche z. B. in Grönland leben, 
müssen sich bis zu einer bedeutend niedrigeren Temperatur über- 
kühlen (ohne zu gefrieren), als die derjenigen Insekten, welche man 
z. B. in tropischen Gegenden vorfindet. 

Nehmen wir einige Beispiele. 

In Sophia ist die Durchschnittstemperatur der kalten Monate —5,5° 
und die höchste Kälte —21,8° (Durchschnitt für einige Jahre). In 
Paris sind die respektiven Temperaturen + 3,0° und —10,0°. Wenn 
die oben erwähnte Voraussetzung richtig ist, so muss z. B. eine 
Rhodocera rhamni, welche in Sophia überwintert hat, einen niedri- 
geren kritischen Punkt haben, als ein gleiches Exemplar, welches 
in Paris überwinterte; dasselbe muss auch Bezug auf Raupen haben, 
z.B. Satyrus briseis, welche im Winter schlafen, eben so wie auf 
alle Insekteneier, welche der Winterkälte ausgesetzt sind. 

Dass gewisse Insekten dem Klima einer gegebenen Gegend sich 
nicht anpassen konnten und daher in derselben nicht angetroffen 
werden, ist aus Tausenden von Beispielen bekannt. So wird Va- 
nessa cardui auf der ganzen Erdkugel angetroffen, wie in der 
südlichen, so auch in der nördlichen Halbkugel; in den tropischen 
Gegenden dagegen existirt sie nicht. Deilephila nerii hat ihr 
Vaterland in Südeuropa, Nordafrika und Kleinasien, wird aber bei 
sünstigem starken Winde bis nach Deutschland (auch Sophia) ver- 
schlagen, wo sie auf dem Oleander (Nerium Oleander) ihre Eier 
legt. Die entstandenen Raupen verwandeln sich im August in Pup- 
pen, aus welehen im September und Oktober sich schöne, große, 
srüne Schmetterlinge entwickeln. Obgleich diese Schmetterlinge, 
jetzt Sophianer geworden, auch wieder Eier legen, aus welchen wieder 
Raupen entstehen, welche letztere ihrerseits, wenn der Herbst warm 
ist, noch Zeit haben, sich in Puppen zu verwandeln, entstehen aus 
diesen Puppen im Frühling doch keine Schmetterlinge mehr, weil die 
Winterkälte sie tödtete. Nur sehr selten in Deutschland, wenn 
der Winter warm ist, entwickeln sich aus den überwinterten Puppen 
Schmetterlinge. Zu dieser Kategorie gehört auch der Schmetterling 
»Todtenkopf« (Acherontia atropos) und noch viele andere. 

Ob die Insekten die Lage des kritischen Punktes auf der Ther- 
mometerskala zu ändern vermögen und auf welche Weise, d. h. welche 
Eigenschaften sie besitzen zur Änderung der Temperatur, bis zu wel- 


592 P. Bachmetjew, 


cher die Überkühlung ihrer Säfte stattfindet — darauf antwortet uns 
die gegenwärtige Untersuchung. 

Der Insektenkörper besteht aus Zellen, welche mit Säften ge- 
füllt sind; außerdem befinden sich in ihm verschiedene Organe, 


. welche zur Verdauung, Aufnahme von Nahrung ete. dienen und die 


Eigenschaft von Kapillarröhrchen besitzen. Der Saft der Insekten 
tritt bei Abkühlung unter 0° theilweise aus den Zellen heraus und 
bildet um dieselben eine Eisdecke (wenn auch aus unreinem Eise), 
welche auf den dichteren Rest einen Druck ausübt und damit das 
Gefrieren desselben bei dem Normalpunkt (z. B. bei —1,5°) verhin- 
dert, wie es die Versuche mit dem porösen, mit Birnensaft gefüllten 
Thoneylinder zeigten, oder noch besser die Versuche mit der mit 
Wasser gefüllten Glaskugel (welche die Rolle der Eiskruste spielt). 
In Folge des Druckes findet die Überkühlung des Restes der 
Säfte statt und zuletzt, wenn der Eispanzer in Folge der Saftaus- 
dehnung beim Abkühlen den Druck aus dem Inneren der Zelle nicht 
mehr aushalten kann, platzt er, und der Rest des Saftes gefriert nun- 
mehr bei gewönlicher Temperatur plötzlich, wobei die Temperatur bis 
zum normalen Gefrierpunkt der Säfte steigt. Natürlich gestatten 
auch kapillare Organe der Insekten eine Überkühlung der in ihnen 
befindlichen Säfte, wie es die Versuche mit Kapillarröhrehen zeigten; 
obwohl die angeführten Versuche dabei nicht ergaben, dass der 
Überkühlungsgrad, wie es scheint, vom Durchmesser der Röhren in 
Grenzen von 0,90 bis 0,25 mm unabhängig sei, kann man dennoch 
mit großer Wahrscheinlichkeit vermuthen, dass bei noch geringeren 
Durchmessern der Überkühlungsgrad der Flüssigkeiten in Kapillar- 
röhren größer wird. 

Welcher Theil der Insektensäfte beim »Temperatursprunge« nach 
ihrer Überkühlung erstarrt, kann man vorläufig noch nicht genau 
sagen, man kann jedoch schon jetzt mit Sicherheit behaupten, dass 
unmittelbar nach dem »Temperatursprunge«< der ganze Saft nicht 
völlig erstarrt und zwar aus folgenden Gründen: 

Wasser hat, wie bekannt, die latente Erstarrungswärme — 80 Ka- 
lorien. Wenn der »Sprung« eines Grammes Wasser bei dessen Über- 
kühlung z. B. bei —S0° stattfinden würde, so hätte dieses Wasser 
beim Erstarren SO Kalorien latente Wärme entwickelt; da aber das 
Wasser bereits — 80 Kalorien besaß (spec. Wärme —= 1), so erhält 
man im Resultate: 

+80 — 80 = 0 Kalorien, 


oder, was dasselbe ist, 0°; d. h. die ganze Masse hätte eine Tem- 


Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 593 


peratur von 0° und ohne jegliche latente Wärme; dies aber 
stellt Eis vor. Auf diese Art würde das ganze Wasser in diesem 
Falle sich in Eis bei 0° verwandeln. 

Wenn der »Temperatursprung« bei Überkühlung des Wassers 
bis zu — 40° stattfinden würde, so hätte in diesem Falle das Wasser 
+80 Kalorien entwickelt, während es vor dieser Entwicklung nur 
—40 Kalorien besaß, d. h. man hätte als Resultat erhalten: 


+80 — 40 = +40 Kalorien, 


wobei die ganze Masse in Folge der Eisbildung wiederum die Tem- 
peratur von 0° hätte. Dies bedeutet, dass die Hälfte des Wassers 
sich bei 0° in Eis verwandelte, während die andere Hälfte des 
Wassers auch 0° hat, aber die latente Wärme beträgt nur 40 Kalorien, 
d. h. diese Hälfte kann kein Eis vorstellen, sondern nur Wasser. 

Mittels weiterer ähnlicher Betrachtungen würden wir zu dem 
Schlusse gelangen, dass das überkühlte Wasser, z. B. bis zu —10°, 
nach dem »Temperatursprunge« nur '/; (nach Gewicht) Eis bei 0° 
bilden möchte, während die anderen ’/; als Wasser bei 0° übrig 
bleiben. 

Daraus folgt, dass, wenn die Insektensäfte nur aus reinem Wasser 
beständen, bei der Überkühlung ihrer Säfte bis zu —10° und der 
darauf folgenden Erstarrung dieser Säfte (»Temperatursprung«) nur 
1% aller Säfte erstarren würde, während die übrigen ”/; noch flüs- 
sig blieben. Bei weiterer Abkühlung nach dem »Sprunge« würden 
diese ?/;, ihre latente Wärme allmählich verlieren und sich in Eis 
verwandeln, bis schließlich nach dem Verlust dieser vorräthigen 
Kalorien der ganze Saft sich in Eis bei 0° verwandeln würde. Bei 
noch weiterer Abkühlung würde der erstarrte Saft schon Tempera- 
turen von — 1°, —2°, — 3° etc. zeigen. 

Wir kennen vorläufig noch nicht die latente Erstarrungswärme 
der Insektensäfte, noch weniger aber ihre specifische Wärme, dess- 
halb kann man auch vorläufig von einer genauen Bestimmung des 
Quantums des erstarıten Saftes nach dem »Temperatursprunge«, wie 
oben erwähnt, noch nicht reden; wir müssen aber zulassen, dass ein 
Theil dieser Säfte aus Wasser als Lösungsmittel besteht und aus 
Wasser, welches nach Sachs (55) »von den Adhäsionskräften in 
Molekularporen der Zellhaut und der Protoplasmagebilde als Imbi- 
bitionswasser festgehalten wird« (p. 44). Dieser zweite Theil des 
Wassers kann wirklich eine geringere specifische Wärme und auch 


Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Bd. 39 


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Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 595 


latente Erstarrungswärme besitzen !, der erste Theil aber kann nicht 
sehr stark von 1 resp. S0 Kalorien abweichen, und es würde sich folg- 
lich bei der Überkühlung der Insektensäfte, z. B. bis zu —16°, nur 
!/, Theil dieses auflösenden Wassers nach dem »Sprunge« in Eis 
verwandeln. 

Wir müssen jedoch den oben erwähnten Umstand nicht außer 
Acht lassen, dass bei der Abkühlung des ganzen Insektes ein Theil 
des Wassers, welches in seinen Säften enthalten ist, aus den Zellen 
seines Körpers früher austritt, als die Uberkühlung der Säfte statt- 
findet, und somit eine Art Eispanzer auf der Oberfläche der Zellen 
oder ihrer Konglomerate bildet, wodurch die Überkühlung der übri- 
sen Flüssigkeit bedingt wird. In Folge dessen bleibt nicht viel von 
überkühltem Wasser übrig. Für die vollständige Erstarrung des 
Wassers nach dem »Temperatursprunge« ist jedoch eine Abkühlung 
bis zu —80° nothwendig. Da die Überkühlung der Insektensäfte 
nicht tiefer als von — 10° bis — 15° C. stattfindet, so kann folglich 
auch ihre Erstarrung nach dem »Sprunge« nicht vollständig, sondern 
nur theilweise zu Stande kommen. 

Die Kurve in Fig. 3 zeigt, dass nach dem »Temperatursprung« 
(36 Minuten) von —9,5° auf —1,3° die Temperatur des Schmetter- 
lings (—1,3°) innerhalb 4 Minuten konstant blieb, um darauf zu 
fallen. Dieser Umstand zeigt, dass wirklich nicht der ganze Saft 
nach dem »Sprunge« erstarrte, und dass der noch nicht erstarrte Theil 
bei weiterer Abkühlung erst nach 4 Minuten zur Erstarrung gelangte, 
worauf die Temperatur dieses festen erstarrten Theils innerhalb 
2 Minuten (bis zu 42 Minuten) sank, danach noch ein anderer Theil 
des Saftes mit etwas niedrigerem Erstarrungspunkt anfing, inner- 
halb 6 Minuten fest zu werden (da die Temperatur während dieses 
Zeitintervalles wieder konstant blieb). Schließlich erstarrte auch 
dieser Theil, um sich weiter abzukühlen. Auf diese Weise zeigt die 
gegebene Kurve im Safte das Vorhandensein wenigstens zweier 
Flüssigkeiten mit verschiedenen Erstarrungspunkten (—1,3° resp. 
— 1,6°). 

Der Verlauf der Kurve c in Fig. 4 für den Schmetterling Pa- 
pilio podalirius ist vor und nach dem »Temperatursprunge« ganz 
‘ verschieden. Die Kurve nach dem »Sprunge« zeigt, dass eine 
der überkühlten Flüssigkeiten des Saftes nach dem »Sprunge« auf 


i Vide meine Abhandlung: »Einige physikalische Eigenschaften von 
Kupfersulphat.< Journ. der russ. phys.-chem. Gesellsch- XXV. p. 265. 1899. 
39* 


596 P. Bachmetjew, 


Teımperatur verschiedener Objekte in verschiederen Einheiten 


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Fig. 4. 
Alle Kurven stellen den Gang der eigenen Temperatur, abhängig von der Zeit, dar und zwar: A von 
Papilio podalirius bei Lufttemperatur von —14°C.; ZB von einem mit Wasser imprägnirten Ziegel- 
steinkügelchen bei Lufttemperatur von —1S° C.; C von einem mit Wasser imprägnirten Stückchen 
des Porzellanfilters (von PAsrtEeur) bei Lufttemperatur von —1S°C.; D von gewöhnlichem Wasser in 
einem Kapillarrohr (2r = 0,56 mm) bei Lufttemperatur von —14° C.; E von einem Stück des Stengelchens 
von Malva sylvestris bei Lufttemperatur von —13° C.; F vom Birnensaft in einem verschlossenen 
Gefäß bei Lufttemperatur von —18° C. Die Ordinaten sind in dieser Figur für alle Kurven (mit Aus- 
nahme der Kurve #)in verschiedenen Temperatureinheiten [n = % (to — x)] ausgedrückt. Die Ziffern, 
welche beim Maximum oder Minimum jeder Kurve stehen, bedeuten Celsiusgrade. Die Abscissen be- 
deuten Zeitintervalle in Minuten. 


Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 597 


einmal erstarrte, und desshalb verläuft die Kurve während der ersten 
Minute (von der 8. bis 9. Minute) parallel mit der Kurve vor dem 
»Sprunge«. Darauf fand die Abkühlung langsam statt, d. h. ein 
anderer Theil des Saftes, ohne bestimmten Erstarrungspunkt, fing an 
zu erstarren, da die Kurve zur Abseisse nicht parallel verläuft. Es 
ist möglich, dass diese Erstarrung dem Imbibitionswasser zuzu- 
schreiben ist, welches aus den Zellenporen und aus dem Protoplasma 
heraustrat. 

Das Studium der Kurven des Temperaturverlaufes der Insekten 
bei der Abkühlung (abhängig von der Zeit) nach dem »Sprunge« 
kann uns eine Vorstellung über thermische Eigenschaften der Säfte- 
bestandtheile der Insekten verschiedener Arten geben, besonders wenn 
man die Empfindlichkeit der in dieser Abhandlung beschriebenen 
Methode für die Temperaturmessung noch weiter steigern wird. — 

Ich will hier noch einige Worte über eine wahrscheinliche Hy- 
pothese sagen, welche das Moment des Auftretens des Todes der 
Insekten beim Abkühlen ihres Körpers erklären kann. 

Die gegenwärtige Untersuchung zeigte, dass der Tod erst dann 
eintritt, wenn die Temperatur bei der Abkühlung des Insektenkörpers 
nach dem »Temperatursprung« wieder bis zu jenem Punkte 
sinkt, bis zu welchem die Säfte vor dem »Sprunge« überkühlt waren. 

Die aufzustellende Hypothese, welche diese Thatsache erklärt, 
besteht in Folgendem: 

Im Insektensafte sind verschiedene Flüssigkeiten und auch feste 
Substanzen mit speciellen Funktionen für die Lebensthätigkeit der 
Insekten vorhanden. Diejenige Thatsache, welche ich Gelegenheit 
hatte öfters zu beobachten, dass beim Überkühlen der Säfte — aber 
nicht bei ihrem Erstarren — das Insekt wieder belebt wird, wenn 
es bei Zimmertemperatur gelassen wird, wobei der Grad der Lebens- 
thätigkeit nach seiner Energie wieder derselbe wird, zeigt, dass dabei 
keine für das Leben schädlichen Veränderungen (physikalische oder 
chemische) im Insektenkörper bei dieser Überkühlung stattfinden. 

Etwas Anderes findet bei der Überkühlung der Säfte nach dem 
»Temperatursprung« statt. Ein Theil derselben erstarrt dabei in 
den Zellen selbst, und diese Erstarrung dauert auch bei weiterer Ab- 
kühlung nach dem erwähnten »Sprunge« fort. Auf diese Art erfolgt 
bereits eine gründliche Veränderung des Zellensaftes, welche die 
 Lebensfähigkeit des Insekts mehr und mehr vermindert. Wenn man 
das Insekt jetzt der Zimmertemperatur aussetzt, lebt es wieder auf, 
wobei jedoch seine jetzige Lebensthätigkeit nur ein Bruchtheil der- 


598 P. Bachmetjew, 


jenigen Lebensthätigkeit darstellen wird, welche es vor der Erstarrung 
hatte. Dieser Bruchtheil wird desto geringer sein, je mehr die Ab- 


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Die Kurve zeigt die Abhängigkeit des normalen Erstarrungspunktes der Säfte von Cetonia aurata 


wo P das Gesammtgewicht und M das Gewicht des Insektensaftes 
bedeutet, 


von dem Säftekoefficient q = a 


Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 599 


kühlung des Insektes nach dessen »Temperatursprung< sich dem 
kritischen Punkt (7) nähert, und dieser Bruchtheil wird gleich 0 
werden, wenn die Abkühlung des Insektes mit 7 zusammenfällt. 

Diesen letzteren Umstand kann man sich folgendermaßen er- 
klären: Im Insektensaft ist eine gewisse Substanz z vorhanden, deren 
Erstarrung (oder vielleicht Gerinnen) unbedingt tödlich für das In- 
sekt ist. Diese Substanz hat eine sehr geringe Erstarrungswärme 
und auch Erstarrungstemperatur = 7 (der oben erwähnte kritische 
Punkt). Bei der Überkühlung der Insektensäfte wird nämlich dess- 
halb im Temperaturverlauf des Insektenkörpers ein »Sprung« er- 
halten, weil im Momente, wo die Überkühlung den Punkt 7 erreicht, 
die Substanz x bei diesem ihren normalen Erstarrungspunkte (7) er- 
starren »wolle«; sie ertheilt jedoch dadurch, dass sie, wenn auch nur 
ein einziges, festes Molekül gebildet hat, der überkühlten Flüssigkeit, 
deren Erstarrungspunkt höher als 7' liest (gewöhnlich bei — 1,5°), 
einen Stoß, durch den die Erstarrung hervorgerufen wird. Die Sub- 
stanz x wird keine Zeit haben, weitere feste Moleküle zu bilden, da 
beim Erstarren des Wassers eine große Quantität der Erstarrungs- 
wärme frei wird, und desshalb wird sie nach dem »Temperatur- 
sprunge« des Insektes wieder weiter flüssig bleiben. Auf diese Weise 
bleibt der für die Lebensthätigkeit des Insektes hauptsächlichste Theil 
der Substanz x unverändert. Wenn schließlich die Temperatur nach 
dem »Sprunge« wieder bis zu 7 fällt, erstarrt die Substanz x, und 
das Insekt stirbt unwiderruflich. 

Da in dem Kurvenverlauf für Papilio podalirius (Fig. 3, 
Kurve A) keine scharfe Veränderung nach dem »Sprunge« bei 7 
beobachtet wird, so weist dieser Umstand darauf hin, dass von der 
Substanz z im Insektenkörper sehr wenig vorhanden ist, wobei, wie 
oben vermuthet, auch ihre Erstarrungswärme sehr gering ist. 

Da die Größe 7 für verschiedene Insektenarten verschieden ist, 
so bedeutet dies, dass die Substanz x keine konstanten Eigenschaften 
besitzt. Als Beispiel der Veränderlichkeit dieser Eigenschaften kann 
im sesebenen Falle Eiweiß dienen. Lewiıra (39) untersuchte globu- 
linfreies Eieralbumin, welches im Wasser sehr leicht löslich ist, und 
dessen Lösung bei 56° bis 57°C. gerinnt. Das Eiweiß mit 25% 
Wasser gerinnt bei 74° bis S0°, dasselbe mit 18°/, Wasser bei S0° 
bis 90° und das Eiweiß mit 6°/, Wasser bei 145°; das ganz wasser- 
freie Eiweiß gerinnt nach Maas erst bei 160° bis 170%. — 


600 P. Bachmetjew, 


Schlusswort. 


Wenn wir alles hier Erörterte in Bezug auf die Temperatur der 
Insekten zusammenfassen, kommen wir zu folgenden Schlussfolge- 


- . rungen: 


1) Die Temperatur der Insekten wechselt in sehr weiten Gren- 
zen, ohne scheinbar böse Folgen für ihr Leben nach sich zu ziehen, 
und ist bei in Ruhe sich befindenden Insekten der Temperatur der 
umgebenden Luft gleich. Bei der Bewegung der Insekten steigt die 
Temperatur ihres Körpers. 

2) Beim Steigen der Lufttemperatur zeigen Anfangs die Insekten 
keine besondere Unruhe; sobald aber ihre Körpertemperatur bis 39° 
steigt, beginnen sie sich stark zu bewegen und sterben bei 46°—47°. 

3) Beim Sinken der Temperatur der umgebenden Luft steigt die 
Körpertemperatur der Insekten Anfangs gleichmäßig, dann plötzlich 
(dieser Punkt entspricht der normalen Temperatur des Gefrierens der 
Säfte) und sinkt nachher wieder langsam. Der Anfang dieses »Sprun- 
ges« liegt zuweilen sehr niedrig (—15°), und die plötzliche Tempe- 
raturerhöhung beim »Sprunge« erreicht gewöhnlich —1,5°. 

4) Das Insekt stirbt bei der Abkühlung, wenn seine Körper- 
temperatur nach dem »Sprunge« ungefähr bis zu derjenigen Tempe- 
ratur, bei welcher dieser »Sprung« (kritischer Punkt) stattfand, oder 
noch niedriger sinkt. 

5) Die Art des Aufthauens der Insekten nach dem Gefrieren 
ihrer Säfte hat keinen bemerkbaren Einfluss auf ihre Rückkehr zum 
Leben, sondern nur auf die Intensität des letzteren. 

6) Der »kritische Punkt« ist nicht gleich bei verschiedenen 
Arten Insekten, sogar bei verschiedenen Exemplaren einer und der- 
selben Art, und variirt in gewissen Grenzen. 

7) Die Größe des »kritischen Punktes« und die normale Tem- 
peratur des Säftegefrierens beeinflussen: 

a. die Nahrung; und zwar je länger ein gegebenes Insekt ohne 
Nahrung bleibt, desto niedriger ist die normale Temperatur des 
Gefrierens seiner Säfte; parallel damit sinkt auch der kritische 
Punkt; und: 

b. das abermalige Einfrieren, welches den »kritischen Punkt« 
heruntersetzt, eben so wie die normale Temperatur des Säftegefrierens. 
Bei weiteren Wiederholungen des Einfrierens zeigt das Insekt keine 
Überkühlung der Säfte mehr, sondern diese gefrieren in normaler 
Weise gleich beim Anfange der Abkühlung des Insektes. 


Über die Temperatur der Insekten nach Beobacht. in Bulgarien. 601 


8) Je größer das Verhältnis des Säftegewichtes des Insektes 
zum Gesammtgewicht seines Körpers (für verschiedene Exemplare 
einer und derselben Art) ist, desto höher ist der normale Punkt der 
Säfteerstarrung des Insektes. 

9) Die Pflanzen zeigen ebenfalls bei Abkühlung einen Tempe- 
ratur->Sprung«, analog dem bei den Insekten beobachteten. Genau 
wie bei den letzteren sinkt, je öfter eine und dieselbe Pflanze dem 
Erfrieren unterworfen wird, die Überkühlung ihrer Säfte desto 
niedriger. 

10) Alle bei der Abkühlung der Insekten beobachteten Erschei- 
nungen erklären sich durch Säfteüberkühlung, wie dies analoge Ver- 
suche mit dem Gefrieren des Wassers in Kapillarröhrchen, in der 
Ziegelkugel, in der zugelötheten Glaskugel und die Versuche mit 
dem Gefrieren des Birnen- und Citronensaftes in verschlossenen 
porösen Thonecylindern zeigen. 


Sophia, im Juni 1899. 


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Aus dem Gebiete der Regeneration. 
Von 
Eugen Schultz. 


Mit Tafel XXXVI und XXXVI. 


(Aus dem Zoologischen Laboratorium der K. Universität zu St. Petersburg.) 


Über Regeneration der hinteren Körperhälfte bei Polychäten. 


Das Material für die vorliegende Untersuchung hatte ich auf der 
zoologischen Station zu Roscoff (1897) und den Sommer darauf auf 
der biologischen Station auf der Insel Solovetzky im Weißen Meere 
sesammelt. Für die gastfreundliche Aufnahme im ersteren Laborato- 
rıum erlaube ich mir Herrn Akademiker LACAZE-DUTHIERS sowie allen 
Angestellten daselbst meinen besten Dank auszusprechen, der Besuch 
der zweiten Station wurde mir durch die Unterstützung der St. Peters- 
burger Naturforschergesellschaft ermöglicht, wofür ich auch ihr meinen 
"tiefsten Dank sage, sowie auch vor Allem Herrn Prof. SCHIMKEWITSCH, 
auf dessen Anregung und unter dessen Leitung und Überwachung die 
vorliegende Untersuchung ausgeführt wurde. 

Als Objekte für meine Untersuchungen dienten mir die Gattungen 
Harmotho&, Phillodoce, Nephthys und einige Sabelliden. Die klarsten 
Resultate ergab Harmotho&, auf ihr sind meine Schlussfolgerungen 
begründet; die anderen Formen dienten mir nur zu Vergleichungen 
und zur Kontrollirung. Meine Untersuchungen beschränken sich auf 
das regenerirende hintere Ende der genannten Polychäten. 

Das Regenerat war anfänglich stets dünner und kleiner als 
normal (Fig. 1, 2) und wuchs immer nach dem BarrurrH’schen Ge- 
setze senkrecht zur Durchschneidungsfläche, so dass der regenerirende 
Theil oft mit dem alten einen Winkel bildete. War der Schnitt 
aber sehr schräg geführt, so dass nur die eine Seite eines Degmentes 
übrig blieb, so wurde dieses ganz ausgeschlossen und fiel mit der 
Zeit ab, so dass auf solche Weise ein schief gewachsenes Regenerat 
wieder seine normale Richtung einnahm. 


606 Eugen Schultz, 


Irgend welche Abweichungen in äußeren Artmerkmalen, wie ich 
sie selbst und auch Andere bei Regeneration von Arthropodenextre- 
mitäten beobachteten, wie sie auch bei der Regeneration des Eidechsen- 
schwanzes gesehen wurden, konnte ich nicht zu Gesicht bekommen. 
Augenscheinlich ist hier der ganze Regenerationsmechanismus voll- 
kommener, angepasster und lässt keine großen Schwankungen zu, 
was ja auch verständlich erscheint, wenn wir in Betracht ziehen, 
dass die Theilung und Regeneration oft sogar sich zu einem nor- 
malen Modus der Vermehrung erheben. 


Die ausführliche, histologische Untersuchung ergab folgende Re- 
sultate: | 


Enddarm. 


Während die Untersuchungen über die Regeneration des Vorder- 
darmes zu ziemlich übereinstimmenden Resultaten geführt haben und 
es sich erwiesen hat, dass sich bei Regeneration ein typisches 
Stomodäum anlegt und folglich die Regeneration hier mit dem em- 
bryonalen Entwicklungsgange übereinstimmt, herrschen über die 
Regeneration des Enddarmes die widersprechendsten Angaben. Wir 
haben zwar eine Reihe sehr eingehender und gediegener Arbeiten, 
aber dennoch kann man die Frage kaum als entschieden ansehen, 
um so weniger, als in letzter Zeit die Arbeit HEpke’s (13), wie wir 
sehen werden, sich so unverbindend und schroif hineingedrängt hat, 
dass sie wieder in diese anscheinend so einfache Frage Verwirrung 
und Zweifel brachte. 


Gehen wir zu einer kurzen Übersicht der von Anderen gewon- 
nenen Erkenntnisse über, damit es nachher klar liegt, auf welchen 
Beobachtungen wir fußen können. | 


Miss RANDOLPH (22) (Lumbriculus) befasste sich zuerst mit der 
Frage. Sie schildert kurz und das Ganze nicht beweisend genug 
mit der Zeichnung illustrirend, wie sich das Ende des durchschnitte- 
nen Wurmes schließt, der Darm gleichfalls, sich vom Körperepithel 
zurückziehend, verwächst und sich dann ein typisches Proctodäum 
anlegt, welches als Sack dem Mitteldarm entgegenwächst und mit ihm 
verschmilzt. 

WAGNER (30) (Lumbriculus), auf die Untersuchungen L. ScHMmiDT's 
sich beziehend, beschreibt den Verschluss des Ektoderms, das Zurück- 
ziehen des Darmes und das Wachsthum des letzteren, bis er das 
Ektoderm wieder durchbricht. Nach WaAgner’s Ansicht ist somit der 


Aus dem Gebiete der Regeneration. 607 


Enddarm entodermaler Herkunft, eine Schlussfolgerung, die wir 
später noch zu widerlegen haben werden. 

RıEvEL (25) (OÖphryotrocha, Nais, Allolobophora, Lumbriecus) stimmt 
in seinen Beobachtungen mit WAGNER überein. Ein Proetodäum wird 
auch nach ihm nicht gebildet. Den Enddarm hält auch er, auf dem- 
selben logischen Irrthume fußend, für entodermal. 

Durch WAGNER und RIEVEL schien die Frage über die Regene- 
ration des Enddarmes somit entschieden, als unerwarteter Weise die 
Arbeit Hepke’s (15) (Nais) alle früheren Untersuchungen umstürzen 
wollte. Er beschreibt, nach Verschluss von Körperepithel und Darm, 
ein Auswandern von Ektodermzellen zu dem Darmende. Diese Zellen 
bilden einen Strang, welcher ein Lumen erhält, das mit dem Lumen 
des Mitteldarmes verschmilzt und zum Enddarme wird. Somit wäre 
der Enddarm, wie es sich gehört, ektodermaler Herkunft. 

Auch WAasner (31) (Lumbrieulus) veränderte plötzlich seine An- 
sicht und beschrieb für den Vorderdarm die Bildung eines typischen 
Stomodäums. Diese Beobachtung bezog sich freilich nur auf den 
Vorderdarm, aber sie warf zu gleicher Zeit einen Zweifel auf seine 
eigenen und RıEvEL’s sich auf den Enddarm beziehenden Beobach- 
tungen, um so mehr, da die Arbeit Herke’s vorlag. 

v. Bock (2) (Chätogaster) schien indirekt die älteren Beobach- 
tungen rehabilitiren zu wollen. Bei Knospung beschreibt er ein Ver- 
löthen der Ränder des Körperepithels mit denjenigen des Darmes und 
_ findet keine ektodermale Einstülpung. Gleichzeitig fast arbeiteten an 
der Frage Mıcakr, (20) (Allolobophora, Lumbrieulus, Arieia, Cirratulus, 
Nerine, Phyllodoce, Nephthys) und Haasz (8) (Tubifex), aber auch 
hier wurde keine Übereinstimmung erzielt. MicHEL beschrieb, dass 
die Darmwand gleich nach der Operation mit dem Rande des Körper- 
epithels verschmilzt, dass also die Darmöffnung während der ganzen 
Regenerationsperiode persistirt; Haase dagegen lässt den Darm sich 
schließen und vom Körperepithel umwachsen werden. MiıcHEL sah 
keine ektodermale Einstülpung, Haase lässt das Ektoderm in das 
Darmlumen hineinwachsen. | 

Und doch stehen sich die Angaben MicHer’s und Haase's 
nicht so schroff gegenüber, wie sie es selbst glauben. Nach dem, 
was ich gesehen habe, muss ich eine vermittelnde Stelle zwischen 
ihnen einnehmen und sehe es auch für vollständig möglich an, 
meine Beobachtungen mit denjenigen WAGnERr’s, RIEvEL’s und 
v. Bocx’s in Einklang zu bringen. Nur die Hrpke’schen Resultate 
muss ich direkt als falsch bezeichnen, sowie aüch die frühere An- 


608 Eugen Schultz, 


sabe von RANDOLPH über Anlage einer typischen Ektodermeinstül- 
pung (Proctodäum). 

Betrachten wir zuerst, was gleich nach Durchschneidung der 
Würmer mit dem Darme geschieht. Nach den meisten Autoren schließt 
. sich Darm und Körperepithel, nach MiıcHEL nicht. Nun konnte ich 
Folgendes beobachten. In einigen Fällen sah ich wirklich den Darm 
sich zurückziehen, das Körperepithel sich über ihm schließen, die 
Darmwände mit einander verwachsen. Sehr bald schon, oft am dritten 
Tage, bricht der Darm wieder durchs Körperepithel durch, und seine 
Wände verwachsen mit dem Epithel des Körpers. Diese Beobach- 
tungen würden also mit denjenigen WAGNER’s, RIEVEL’s und HaAAsr’s 
übereinstimmen. In anderen Fällen sah ich aber oft, bei Harmotho£- 
‘Arten sogar fast immer, dass der Darm sich nicht zurückzog, das 
Körperepithel sich nicht schloss und dass die Darmwände direkt mit 
dem Körperepithel verlötheten. Dies würde mit der Beschreibung 
Mıcner’s übereinstimmen. Ziehen wir noch die Angaben RıEvEL’s 
und HESCHELERr’s (14) heran, welche gleichfalls eine bleibende Öffnung 
des Darmes in einigen Fällen beobachteten, sie aber für einen zu- 
fälligen Durchbruch desselben hielten, so müssen wir den Satz auf- 
stellen, dass bei Regeneration des hinteren Endes von Anneliden sich 
das Körperepithel oft über dem Darme schließt, oft der letztere aber 
gleich mit der Körperwand verlöthet und die ganze Zeit nach außen 
geöffnet bleibt. Wenn wir in Betracht ziehen, dass die Art der Ver- 
letzung, also auch der Ausgangspunkt der Regeneration unendlich 
mannigfach sein kann, so ist es eben wunderbar genug, wenn diese 
atypischen Ausgänge dennoch zu typischem Ende führen, die Wege 
aber zu diesem Ziele müssen eben so mannigfach sein, wie die 
Ausgangspunkte. Wir müssen uns hier das Wort Roux’s in Erinne- 
rung rufen, »dass die Produkte konstanter sind, als die speciellen 
Arten ihrer Herstellung«. 

Sehen wir schon in der embryonalen Entwieklung, wo doch der 
Ausgangspunkt ein typischer ist, Schwankungen im Gang der Ent- 
wicklung, wie viel größer müssen diese Schwankungen bei der Re- 
seneration sein. Im vollständigen Ignoriren dieser Schwankungen 
scheint mir die Ursache der großen Uneinigkeiten zu liegen, die 
immer in Fragen der Regenerationsprocesse auftreten. Hier ist ein 
strenges Dogmatisiren schwer und gefährlich. Nur die konstantesten 
Processe können hier ein theoretisch morphologisches Interesse be- 
anspruchen. 

Nach Durchbruch oder Verlöthung des entodermalen Darmepithels 


Aus dem Gebiete der Regeneration. 609 


mit dem Körperepithel treten die anderen regenerativen Processe 
ein, die mit dem Wachsthum des hinteren Endes verbunden sind. 
Da das Wachsthum der Bauchseite schneller vor sich geht, wie das- 
jenige der Rückenseite, so liegt der neu gebildete Anus weit an der 
Rückenseite, über den Aftercirren. KoRsScHELT (17) sieht in diesem 
stärkeren Wachsthum der Bauchseite einen Anklang an den embryo- 
nalen Process bei Lumbricus, wo ja auch die Bauchseite so viel 
schneller sich entwickelt, als die Rückenseite.. Da meine Unter- 
suchungen (und auch diejenigen MicHer’s) dasselbe Verhalten bei 
Regeneration von Polychäten aufweisen, bei denen wir in der embryo- 
nalen Entwicklung keinen Unterschied im Wachsthum der Bauch- und 
Rückenseite bemerken, so können wir in deren anfänglichen Rücken- 
lage des Afters wohl kaum einen Anklang an ontogenetische Vor- 
gänge erblicken. 

Wenn der regenerirende Wurm schon mehrere neue Segmente 
gebildet hat, so sehen wir auch den Mitteldarm weiter wachsen, wir 
sehen in ihm viele Mitosen auftreten. Überhaupt geht sein Wachs- 
thum wohl im Ganzen sehr schnell vor sich, denn anfänglich ragt 
der Enddarm oft noch ein Stück aus dem After hinaus (Fig. 3), 
nachher bildet er Aussackungen und Erweiterungen im analen Theile 
(Fig. 4). Später scheint sein weiteres Wachsthum dann aufzuhören 
und die Aussackungen gleichen sich aus: der Darm bekommt seine 
natürliche Gestalt. Was aber höchst merkwürdig ist, und worin meine 
Beobachtungen mit denjenigen Haasr’s aus einander gehen, ist, dass 
ich selbst bei vollkommen regenerirten Würmern, wie z. B. bei einer 
Nephthys, deren regenerirtes Hinterende als ein solches nur noch 
durch seine hellere Färbung zu erkennen war, dass ich selbst bei 
ganz ausgewachsenen Regeneraten keine Spur eines ektodermalen 
Enddarmes entdeckte (Fig. 5). Der Mitteldarm endet direkt am Anal- 
_ rande und seine Grenze mit dem Ektoderm ist scharf und deutlich. 
Ein Enddarm wird folglich überhaupt nicht gebildet. Dieses ist nicht 
so wunderbar, schon SPALLANZANI wusste, dass lange nicht Alles re- 
senerirt, was wir abschneiden. Wenn wir in Betracht ziehen, dass 
der Enddarm bei Polychäten überhaupt sehr kurz ist und allem 
Anscheine nach wohl kaum eine große physiologische Bedeutung 
hat, so scheint uns ein solches Nichtregeneriren des Enddarmes ziem- 
lich zweekentsprechend. Hier findet wohl auch in gewissem Sinne 
eine funktionelle Anpassung des Mitteldarmes an die Funktionen des 
Enddarmes statt, die um so vollständiger sein kann, da die das 
Afterende in allen Richtungen durchziehenden Muskelfasern gemein- 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Ba. 40 


610 Eugen Schultz, 


sam mit der gewöhnlichen Ringmuskulatur des Mitteldarmes sehr 
wohl den Sphinkter vertreten können. 

Schon öfters haben wir gesehen, dass unwichtige Organe nicht 
regenerirt werden. WAGNER, RIEVEL, v. Bock sahen gleichfalls 
keinen ektodermalen Enddarm sich bilden, folgerten aber daraus 
unbegreiflicher Weise, dass der Enddarm aus dem Entoderm gebildet 
werde. Und diese unlogische Schlussfolgerung wurde überall wieder- 
holt und sehr ernst genommen als ein schwerer Beweis gegen die 
Keimblätterlehre. Es beweist aber nur, wozu das Unkritische unserer 
zoologischen Litteratur führen kann. Beobachtung kann freilich nur 
durch Beobachtung kritisirt werden. Aber der Übergang von der 
Beobachtung zur Schlussfolgerung, die Geistesarbeit des Forschers 
könnte von jedem denkenden Zoologen überwacht werden. Da also 
eine Regeneration des Enddarmes nicht stattfindet und sich kein 
Proctodäum bildet, so müssen wir auch der Schlussfolgerung BüLow’s, 
dass »bei den Oligochäten caudale und embryonale Keimschichten 
dynamisch gleichwerthige Primitivorgane sind«, ihre Bedeutung für die 
Polychäten wenigstens absprechen. 

Während, wie wir eben sahen, der Enddarm nicht regenerirt 
oder seine Stelle durch den auswachsenden Mitteldarm ausgefüllt 
wird, entstehen alle anderen Organe aus neuen Anlagen und nicht 
aus dem alten Gewebe vom selben Typus. Dank einer großen Reihe 
von Untersuchungen, welche sich eigentlich ausschließlich auf die 
Wirbelthiere bezogen, hatte sich das Gesetz formulirt, dass jedes re- 
senerirende Gewebe aus dem alten Gewebe vom selben Typus ent- 
steht: Nerv von alten Ganglien, Muskeln aus alten Muskelkernen ete. 
Dieses »Gesetz« konnte ich auch an regenerirenden Spinnenfüßen be- 
stätigen. Hier aber, bei Regeneration von Anneliden, findet es keine 
Anwendung. Bauchmark, Cölom und alle Muskeln entstehen neu, 
aus indifferenten Anlagen, und die alten Gewebe nehmen nur in so 
weit am Regenerate Theil, als sie ein geringes, normales Wachsthum 
zeigen, Dank welchem die Verlöthung mit den neugebildeten Organen 
hergestellt wird. 


Bauchmark. 


Dass das regenerirende Bauchmark ektodermaler Herkunft ist, darin 
stimmen alle Angaben überein. SEMPER (28) behauptete zwar den Hin- 
zutritt mesodermaler Elemente, doch wurde diese Ansicht einstimmig 
von KenxeL (15), BüLow (3), EMERY (4), RANDOLPH (22), MAKAROW 
(18), HEpke (13), v. Bock (2), HESCHELER (14), MicHeL (20) und HAASE 


Aus dem Gebiete der Regeneration. 611 


(8) widerlegt, so dass wir an der rein ektodermalen Herkunft des 
neuen Bauchmarkes wohl nicht mehr zweifeln können. Nur FRIED- 
LÄNDER (6) schreibt bei verletztem Bauchmarke den Leukocyten eine 
reseneratorische Thätigkeit zu, doch er selbst besteht nicht sehr auf 
dieser Ansicht; aus seinen Photogrammen lässt sich überhaupt nichts 
ersehen. Vielleicht sind diese sogenannten Leukocyten doch ein- 
sewanderte Ektodermzellen. Ob die regenerirende Bauchganglien- 
anlage paarig: ist, darüber gehen die Ansichten auch aus einander. 
Nach SEMPER, HEPKE, HAASE ist sie unpaar, nach BüLow und v. Bock 
paarig. Fast von allen Autoren, welche näher auf den Process ein- 
sesangen sind, wird das neue Bauchmark aus einwandernden 
Ektodermzellen (HrPkE, v. Bock, MicHhen und Haase) gebildet, 
wobei nach den einen (v. Bock, HESCHELER) das alte Bauchmark sich 
an der Regeneration betheiligt, nach den anderen (Hzpke, MicHEL) 
nicht. 

Das neue Bauchmark ist ektodermaler Herkunft. Bald nach 
Schluss der Wunde lest das Neurogliagewebe sich um den durch- 
schnittenen Stumpf an (Fig. 6 nor), denselben schützend. Doch bevor 
noch dieses Gewebe eine größere Dicke erreichen kann, bricht das 
alte Bauchmark von Neuem durch und wächst auf die alte Wunde los 
(Fig. 6 rechts). So sah es auch HescHELer. Dieses fortwachsende 
alte Bauchmark besteht wohl nur aus Neurogliafasern, vielleicht auch 
aus einigen Ausläufern weiter nach vorn gelegener Ganglienzellen. 
- Man sieht in diesem Gewebe wohl unter den Fasern einige Kerne, 
die aber unzweifelhaft Neurogliakerne sind. Die Ganglienzellen des 
alten Bauchmarkes theilen sich nicht und nehmen an der Regeneration 
keinen Antheil. Nie habe ich eine karyokinetische Figur im alten 
Bauchmarke zu Gesicht bekommen; nie drangen die alten Ganglien- 
zellen nach hinten vor. Auf dieses Auswachsen der Neuroglia be- 
schränkt sich die regeneratorische Thätigkeit des alten Bauchmarkes; 
alles Andere wird neu aus dem Ektoderm angelegt. Hier entsteht 
somit neues Nervengewebe nicht aus altem, wie es für Wirbelthiere 
als allgemeine Regel angenommen wurde. 

Sehr früh, früher als irgend ein anderes Gewebe, beginnt das 
Bauchmark sich neu zu bilden. Bei anderen Thieren (Wirbelthiere, 
Spinnen) entsteht es als komplieirteres Gewebe am spätesten. Hier 
bildet es sich wohl so früh, weil es ein direktes Derivat des Ekto- 
derms ist und weil auch im wachsenden Schwanzende der Anneliden 
sich Ektoderm fortgesetzt in Nervengewebe umwandelt. Wir sehen 
Jedenfalls daraus, dass eine allgemeine Stufenleiter für die Reihen- 

40* 


612 Eugen Schultz, 


folge der Regeneration von Geweben aufzustellen wohl für einzelne 
Thiergruppen, nicht aber für das ganze Thierreich möglich ist. 

Sehr bald treten karyokinetische Figuren im Ektoderm auf. 
Die Zellen vermehren sich und durchbrechen die Basalmembran, 


. welche das Ektoderm nach innen abscheidet (Fig. 6). Zuerst sehen 


wir nur einzelne Zellen immigriren. Sie legen sich ans Bauchmark 
an und haben den Habitus gewöhnlicher Ganglienzellen (Fig. 7). 
Andere Ektodermzellen wiederum theilen sich nieht, sondern ziehen 
sich in die Länge und geben Fortsätze, welche sich in das aus- 
wachsende und sich neu bildende Bauchmark versenken, es durch- 
setzend (Fig. 8), und somit das typische Neurogliagewebe bilden. Es 
ist interessant, dass man solche den Neurogliazellen sehr ähnliche 
Zellen, aber mit unverzweigtem Fortsatze, immer im Ektoderm findet, 
besonders an Stellen, wo dieses dicker wird und doch einschichtig bleibt. 
Für die Neurogliazellen ist somit die Umdifferenzirung der Ektoderm- 
zellen nicht groß. Dagegen muss sie für die Ganglienzellen recht be- 
deutend sein. Es ist interessant, dass wir hier eine solche Umdifferen- 
zirung genau beobachten können. Wir sehen, wie die Ektodermzelle 
sich von ihrer Hülle löst, sich theilt, dieselbe verlässt und zur Gan- 
glienzelle wird. Ich habe an normalem Ektoderm mit nicht geringem 
Fleiße nach Zellen gesucht, die man äußerlich als undifferenzirte an- 
sehen könnte, nach Zellen, wie wir sie bei knospungsfähigen Thieren 
(z. B. Loxosoma, Botryllus) dort auffinden, wo die Knospe sich ent- 
wickeln soll, aber stets vergebens. 

Auf Querschnitten durch regenerirendes Bauchmark unterscheiden 
wir deutlich diese zwei Zellenarten: Neuroglia und Ganglien. Die 
Neurogliazellen nehmen immer die Mitte ein, legen sich aber, wenn 
auch in geringerem Maße, seitwärts ans Bauchmark an. Alle Zellen 
zwischen den Seitenneurogliazellen und der mittleren Lamelle werden 
zu Ganglienzellen (Fig. 8). Beide Zellenarten lassen sich schon nach 
ihren Kernen gut unterscheiden. Die Ganglienzellen‘ haben runde, 
kleinere Kerne, die sich stark färben; die Neurogliakerne sind groß, 
klar und enthalten immer ein oder zwei Kernkörper. 

Das von mir gegebene Bild der Neuroglia könnte mit dem 
Schema Wawrzik’s (32) und den Ansichten Roupe’s (24) überein- 
stimmen, widerspricht aber der Ansicht HArLLer’s (9), welcher die 
subeutieulare Natur des Stützgewebes leugnet. Jedenfalls halte ich 
die ektodermale Natur der Neuroglia für über jeden Zweifel erhaben. 

Dort, wo ein Seitennerv gebildet werden muss, sehen wir außer 
der mittleren Lamelle keine Neurogliazellen (Fig. 9), da ja der Seiten- 


Aus dem Gebiete der Regeneration. 613 


nerv selbst, rings von Muskulatur und Epithel eingeschlossen, keiner 
weiteren Stütze bedarf. Der ganze Raum wird von Ganglienzellen 
eingenommen, welche direkt aus dem Ektoderm stammen. Somit 
haben die Seitennerven dieselbe Entstehungsweise wie der mittlere 
- Theil des Bauchstranges und sind, entgegen der Meinung SEMPER’s, 
gleichfalls ektodermaler, nicht mesodermaler Natur. Wenn wir Fig. 9 
mit Fig. 10 vergleichen, so sehen wir deutlich, dass schon im rege- 
nerirenden Bauchmarke die Segmentirung eintritt. Fig. 9 geht durch 
das Ganglion, Fig. 10 durch die hier so kurzen Längskommissuren. 
In einem Falle geht die mittlere Lamelle bis zum unteren Theile des 
Bauchmarkes, im zweiten Falle durchbricht sie dasselbe. Ob es diese 
Neurogliafasern sind, welche die Kommissuren verursachen? 

Noch eine kleine Bemerkung muss ich einschalten. Nach HaasE 
bildet sich das neue Bauchmark von einem Punkte aus und diese 
Stelle bleibt bei weiterer Regeneration des hinteren Endes weit vor 
dem After liegen. Ich habe Bilder (Fig. 11) erhalten, welche bei 
Hüchtiger Betrachtung die Ansicht Haase’s stützen könnten. Aber 
sowohl auf Querschnitten, als auch an der vorliegenden Zeichnung 
sieht man sehr wohl, dass das neue Bauchmark fast bis zum After 
neu gebildet ist (2), aber da die Faser und Punktsubstanz noch sehr 
dünn ist, so fällt dieses neu regenerirende Bauchmark nicht in die 
Augen. Wenn dieses neue Bauchmark dicker wird und bei weiterem 
Wachsthum des hinteren Endes horizontaler zu liegen kommt, so 
verbindet es sich mit dem alten und die Grenze zwischen alt und 
neu wird endgültig verwischt. Die Regeneration des Bauchmarkes 
geht somit an der ganzen Bauchseite des Wurmes vor sich und nicht 
an nur einer Stelle desselben. 


Cölom. 

SEMPER (28) war der Erste, der seine Aufmerksamkeit auf die 
regenerative Bildung des Cöloms lenkte. Er gab es als wahrschein- 
lieh an, dass das »Mesoderm« sich aus dem Ektoderm bilde, und 
beschrieb eine unpaare Mesodermplatte auf der Neuralseite, die, 
zwischen sich die Chorda lassend, paariges Cölom wird. Diese An- 
sabe stand der Wahrheit sehr nahe, entsprach aber den nachher 
auftauchenden und sich breit machenden Theorien nicht. KENNEL (15) 
suchte daher das neue Mesoderm auf das alte zurückzuführen und 
BöLow (3) ließ zwei Keimstreifen aus der Stelle, wo Ekto- und 
 Entoderm in einander übergehen, hervorwachsen. EMERY (4) unter- 
suchte nicht die Herkunft des Cöloms, er sah es fertig und sah die 


614 Eugen Schultz, 


Längsmuskeln aus ihm hervorgehen. Pruvor (21) führte wieder das 
neue Mesoderm auf alte Peritonealzellen zurück. Miss RAnDoLPpH (22) 
beschrieb darauf einen Vorgang, in welchem es schwer ist, sich zu- 
rechtzufinden. Nach ihr bildet sich das Mesoderm aus Neoblasten 
‘ — Chordazellen SEMPER), welche sich in eine mediane und zwei 
seitliche Massen anordnen. Aus der medianen Masse bildet sich das 
ventrale Mesenterium und die ventralen Blutgefäße. Die seitlichen 
Massen ergeben die seitlichen Mesodermorgane. Außerdem sah sie 
kleine Zellen, welche wahrscheinlich die Ringmuskulatur, die dorsale 
Längsmuskulatur und dorsale Blutgefäße geben sollten. Das dor- 
sale Mesoderm entsteht demnach getrennt vom ventralen; eine An- 
sicht, deren Entstehen uns in der weiteren Auseinandersetzung 
begreiflich werden wird. MAkArow (18) beschreibt in einer ganz 
kurzen Mittheilung ein zweifaches Mesoderm. Das eine soll aus zwei 
am Anus gelegenen Entodermdivertikeln entstehen (wir haben es 
wohl hier nur mit jenen durch schnelles Wachsthum des Mittel- 
darmes entstandenen Aussackungen zu thun), das andere entsteht aus 
zwei seitlichen ventralen Ektodermverdickungen, welche zum Cölom 
werden. Während alle genannten Autoren die Herkunft des Meso- 
derms entweder unentschieden lassen, oder ganz irrthümliche Angaben 
machen, beschreibt erst HEPRE (13) ganz richtig, dass sich das 
»Mesoderm« aus eingewanderten Ektodermzellen bilde. Diese Ein- 
wanderung geschieht an der Stelle, wo Ektoderm in Entoderm über- 
geht. Dieser ungeordnete, zwei Platten bildende Haufen sondert sich 
in Cölom, zwischen je zwei Cölomsäcken eine Zellenreihe zurück- 
lassend, welche zum Dissepiment wird. Aus diesen Cölomanlagen 
sehen die Längsmuskulatur, Nephridien, Seitenlinie, die Dissepimente, 
Leberzellen und Blutgefäße hervor. Nur die Ringmuskulatur bildet 
sich direkt aus dem Ektoderm. Demnach beschrieb HEPKE richtig 
die ektodermale Herkunft des Cöloms und die doppelte Herkunft 
des Mesoderms (Cölom und Ringmuskulatur), trotzdem er Alles nicht 
genau genug verfolgte und sich auch nicht der Tragweite seiner Be- 
obachtungen recht klar war. Erst die Arbeit MicHer’s (20) brachte 
mehr Klarheit in die Frage — und er hätte sie gewiss zu vollstän- 
diger Klarheit gebracht, wenn er ein dankbareres Material, als es 
gerade Nephthys und Phyllodoce unter den Polychäten ist, gehabt 
hätte. Er unterscheidet zweierlei Mesoderm: Cölom und Mesenchym. 
Das letztere hat vielerlei Ursprung: Es entsteht aus immigrirenden 
Ektodermzellen, aus Cölom und vielleicht auch aus dem Entoderm. 
Das Cölom (bande germinalle) entsteht aus immigrirenden Ektoderm- 


Aus dem Gebiete der Regeneration. 615 


zellen und wird durch die ventrale Längsmuskulatur in zwei Blätter 
getheilt: in ein neurales-epidermales und ein eigentlich mesodermales. 
Die Theilung in Cölomsäcke geschieht durch ektodermale Dissepi- 
mente. 

Nach dieser kurzen Litteraturübersicht gehe ich direkt zur Be- 
schreibung meiner Befunde über, mich weiterhin an keine der eitir- 
ten Arbeiten haltend. Sie sind alle zu widerspruchsvoll und die 
meisten Ansichten werden nicht einmal durch Zeichnungen genügend 
illustrirt, so dass man ihre Entstehung nicht verfolgen kann. Selbst 
die eißige und achtbare Arbeit MıcHer’s lässt sich nicht klarlegen. 

Das Cölothelium entsteht in der nächsten Umgebung des Bauch- 
markes durch Immigration von Ektodermzellen (Fig. 12). Eine feste 
Grenze zwischen der Anlage des Bauchmarkes und der Cölomanlage 
lässt sich nicht feststellen. Das Ganze erinnert sehr an die Bilder, 
welche KLEINENBERG (16) uns über die Bildung der ventralen Muskel- 
platten aus Neuromuskelanlagen gegeben hat. Ziehen wir noch in 
Betracht, dass die Immigration der Zellen der ganzen wachsenden 
Bauchseite entlang vor sich geht, also in gewissem Sinne segmental 
ist (Fig. 13), so wird die Ähnlichkeit mit den KLEIENBERG’schen 
Befunden noch größer. Auch Meyer (19) sah an demselben Objekte 
ein enges Nebeneinander der Bauchmark- und Cölomanlage, glaubt, 
dass beide Anlagen aber dennoch selbständig sind und nur nahe 
an einander gerückt erscheinen. Das wäre ja dann nur ein Wort- 
- streit, wenn nicht gegen die KLEINENBERG’sche Anschauung ent- 
schieden der Umstand spräche, dass wir es in unserem Falle durch- 
aus nicht mit einer Muskelplatte, sondern mit echtem Cölom zu thun 
haben, aus welchem sich nicht nur Muskeln, sondern auch ein Theil 
der Nephridien, Chloragogenzellen und vielleicht auch gar Geschlechts- 
zellen entwickeln. Ein solches Organ aber hätte ja auch nach 
der Neuromuskeltheorie nichts Besonderes mit der Nervenanlage 
zu thun. 

Gehen wir zu einer ausführlicheren Beschreibung des ganzen 
Herganges über. Das Cölom bildet sich durch Immigration von Ek- 
todermzellen, und zwar beginnt diese Immigration immer am hinter- 
sten auswachsenden Körperende, ventral, gleich vor den Aftereirren 
und zu beiden Seiten vom Bauchmarke. Karyokinetische Figuren sind 
häufig. Diese Zellen erfüllen den ganzen Raum zwischen der hin- 
teren Körperwand, den Seitenwänden des Körpers und stoßen nach 
vorn an die Wände des vor ihnen liegenden Cöloms. Beim weiteren 
Wachsthum des Körpers wachsen einige Ektodermzellen hinter dem 


616 Eugen Schultz, 


neugebildeten Cölom aus und bilden den mesenchymalen Theil des 
Dissepimentes, hinter welchem eine neue Immigration vor sich geht 
— eine neue Cölomanlage etc. (Fig. 13). Dass die Mesenchymele- 
mente der Dissepimente, wie es schon MıcHEL angab, vom Ektoderm 
- abstammen, lässt sich leicht ersehen (Fig. 14 md). Das Wachsthum 
geschieht so schnell, dass sich die Zellen der mehr nach vom 
liegenden Cölomsäcke noch nicht vollständig geordnet haben, wenn das 
neue Cölom sich hinten anlegt; auch hat die Immigration noch nicht 
aufgehört und das Ektoderm sich noch nicht vom Cölomepithel ge- 
sondert (Fig. 13 cöl. T—cöl. IV). So sehen wir oft vier bis fünf Paar 
Cölomsäcke hinter einander noch in der Bildung begriffen. Dieser Vor- 
gang weist darauf hin, dass die Cölomanlagen, ob wir in ihnen frühere 
Gonaden oder Exkretionsorgane erblicken, jedenfalls in verschiedenen 
Körpergegenden eine unabhängig von der andern auftreten. So fasst 
es auch Ep. MEYER vom Standpunkte seiner Theorie auf (p. 319). 


Die Entwicklung des Cöloms aus zwei Mesoblasten — der embryo- 
nale Hergang — ist gewiss eine cänogenetische Erscheinung, eben 


so wie jede teloblastische Entwicklung. Ursprünglich entstanden 
natürlich Nerven, Muskeln und wahrscheinlich auch Cölom an der 
ganzen Körperoberfläche. Nehmen wir diese, von MEYER letzt- 
hin ausgesprochene Ansicht an, so kommen wir zu dem Schlusse, 
dass die Entwicklung durch Regeneration in diesem Falle einen 
ursprünglicheren Charakter sich aufbewahrt hat. Vielleicht sind 
regenerative Processe noch reich an solchen angenehmen Über- 
raschungen, an solchen alterthümlichen Hergängen, und bewahren 
uns Manches, was im embryonalen Geschehen längst verwischt ist. 

Das Faktum, dass das Cölom bei Regeneration aus dem Ekto- 
derm seinen Ursprung nimmt und weder aus dem alten Mesoderm, 
noch aus dem Entoderm, ist zwar nicht überraschend, immerhin aber 
in der Hinsicht wichtig, als man oft und andauernd eine überlebte 
Theorie widerlegen muss, um sie endgültig todt zu machen. 

Dass das Cölom sich nicht aus dem schon vorhandenen Mesoderm 
anlegt, ist in Verbindung mit dem von Ep. MEYER und gleich unten 
von mir beobachteten Faktum der vielfachen Herkunft des Meso- 
derms ein Beweis mehr, dass das Mesoderm überhaupt kein Keim- 
blatt ist. Mit Recht ging Ewmery (4) a priori von der Ansicht aus, 
dass die neuen Keimblätter aus den alten stammen müssen; ist dieses 
nicht der Fall, wie oben beschrieben, so haben wir es eben mit 
keinem Keimblatte zu thun. 

Die Beobachtung, dass das Cölom bei Regeneration auf das Ek- 


Aus dem Gebiete der Regeneration. 617 


toderm zurückzuführen ist, stimmt mit den von KLEINENBERG (16), 
SALENSKY (27), BERGH (1), VEsDovsky (29) in der embryonalen Ent- 
wicklung angegebenen Herkunft überein. Entsteht ja auch das 
Cölom der Mollusken nicht aus Darmdivertikeln, sondern in Form 
von Urmesodermzellen oder sogar, wie nach MEISENHEIMER bei 
Limax, aus dem Ektoderm. Die hauptsächlich aus theoretischen 
Gründen behauptete entodermale Herkunft des Cöloms, welche von 
REPIACHOFF (23), GOETTE (7), ROULE (26), HATscHEk (11) u. A. ver- 
fochten wurde, hat auch unabhängig von den eben geschilderten 
Befunden, schon Dank der Kritik Ev. MeyEr’s, alle Wahrscheinlich- 
keit eingebüßt. Andererseits aber ist der regenerative Vorgang 
schwer mit der Ansicht MEyer’s in Einklang zu bringen, dass die 
Mesoblasten — Blastomeren sind und auf keines der Keimblätter 
zurückgeführt werden können. 

Wenn die Cölome auswachsen und sich ausweiten, treffen sie 
ventral zusammen und bilden das ventrale Mesenterium. Dorsal 
reichen die Cölomsäcke meist nicht über das Niveau des Darmes 
hinaus. Die ganze Rückenseite ist dann von primärem Muskelge- 
webe eingenommen, von welchem wir weiter unten sprechen werden. 
Hinter einander sind die Cölomsäcke durch die mesenchymatösen 
Theile der Dissepimente geschieden, die, wie erwähnt, durch hinein- 
wachsende Ektodermzellen, also primäres Mesoderm im Sinne MEYEr’s, 
entstanden sind (Fig. 14). 

Die ersten Bildungen, die wir an dem auswachsenden Cölom 
erkennen, sind die Längsmuskeln — die einzigen Muskeln, welche 
aus dem Cölom selbst entstehen. Auch darin sehen wir eine schöne 
Übereinstimmung mit den Angaben Mryer’s über Lopadorhynchus. 
Auch dort, in der embryonalen Entwicklung, wird die Längsmusku- 
latur aus dem Cölom gebildet. Wir sehen einzelne Cölomzellen der 
Somatopleura sich aus dem Verbande lösen und nach außen vor- 
rücken. Diese Zellen sondern von einer Seite die kontraktile Sub- 
stanz aus (Figg. 15 u. 16). Ob jede Zelle eine Muskelfaser ergiebt, 
wie HÄckER (12) und MEYER angeben und es auch wahrscheinlicher 
ist, oder ob eine ganze Reihe Myoblasten sich zusammenthun, um 
eine Faser zu bilden [HArscher (10), FrAıpont (5)], Konnte ich nicht 
bestimmen. Nach HÄckER und MEvEr aber scheiden die Muskel- 
zellen nicht aus dem Epithelverbande aus, was übrigens auch nur 
zum Theil vor sich zu gehen scheint, da auch die Cölomzellen direkt 
Muskelsubstanz bilden, wie auf Fig. 16 zu sehen ist. 

Später erst treten in der Cölomhöhle auch die Nephridien und 


618 Eugen Schultz, 


die Chloragogenzellen auf, deren Bildung ich nicht ausführlich 
verfolgt habe. 

Geschlechtszellen bilden sich, so weit ich es bei vielen voll- 
ständig ausgewachsenen Thieren untersuchen konnte, deren übrig 
gebliebener Theil Geschlechtszellen in Masse aufwies, in den rege- 
nerirten Theilen nicht. Dasselbe beobachtete auch HEPKE. Dieses 
scheint mir auch in vieler Hinsicht sehr wahrscheinlich. Alles 
Mesoderm können wir zwar auf Ekto- oder Entoderm zurückführen, 
nicht aber die Geschlechtszellen, diese sind Primitivzellen und von 
keinem Keimblatte abhängig, an dasselbe nur äußerlich gebunden. 
Sie können desswegen auch nie aus einem der beiden Keimblätter 
regenerirt werden. 


Primäres Mesoderm. 


Noch 1894 behauptet HArscHer, dass »das Mesenchym genetisch 
mit den Cölomsäcken verknüpft sei und dass das Mesoderm (im Sinne 
der älteren Terminologie) eine genetisch einheitliche Anlage sei, 
welche sich in mesepitheliale und mesenchymatöse Bildungen gliedere«. 
Das Mesenchym entsteht nach ihm durch Auswanderung von Meso- 
dermzellen aus dem ersten Cölompaare. Ohne weiter auf die vielen 
embryologischen Arbeiten einzugehen, welche bald seine Ansicht 
unterstützten, bald andere Quellen für das Mesenchym auffanden, 
verweise ich nur auf die gewissenhafte und zielbewusste Arbeit 
Meyver’s, welcher überzeugend genug nachwies, dass wir bei den 
Anneliden zweierlei Mesoderm haben: das primäre Mesoderm (primä- 
res Mesenchym), welches aus ektodermalen Neuromuskelanlagen ent- 
steht, und das Cölothel oder sekundäre Mesoderm. 

Diese doppelte Herkunft des Mesoderms, welche in der embryo- 
nalen Entwicklung zu beweisen so viel Mühe kostete, tritt klar und 
unzweifelhaft bei der Regeneration zu Tage. Auch hier sehen wir 
die vollständige Tauglichkeit von Untersuchungen über Regeneration 
für phylogenetische Zwecke. 

Das primäre Mesoderm, welches in der Larve aus dem Ekto- 
derm entsteht, hat auch bei der Regeneration denselben Ursprung. Es 
bildet alle Muskeln, außer der beschriebenen Längsmuskulatur, und 
das wenige Bindegewebe, welches wir bei Anneliden vorfinden. 

Zum Theil entsteht dieses Mesoderm direkt ohne Neuromuskel- 
anlage durch Einwandern oder Eindringen von Ektodermzellen. So 
die Muskeln der schon oben beschriebenen Dissepimente. Sie drängen 
sich ventral seitwärts zwischen die Cölomsäcke (Fig. 14), wie es 


Aus dem Gebiete der Regeneration. 619 


schon MıcHer sah, und bedingen, wie oben bei Beschreibung des 
Cöloms erwähnt wurde, die Segmentirung desselben. 

Alles übrige primäre Mesoderm entsteht aus Neuromuskelanlagen, 
in so weit wenigstens, als wir die Ringmuskulatur des Darmes igno- 
riren wollen. Die Herkunft derselben ist ganz dunkel. Wenn 
MicHer behauptet, sie entstehe aus dem Entoderm, so weiß er diese Be- 
hauptung durch nichts zu stützen. Mit der Splanchnopleura der Cölom- 
säcke scheint diese Muskulatur auch nirgends in Verbindung zu stehen; 
aber sie direkt mit dem übrigen primären Mesoderm aus theoretischen 
Gründen in einen Haufen zu werfen, haben wir noch kein Recht. 

Als Neuromuskelanlagen haben wir vor Allem die Seiteneirren 
anzusehen, welche dorsal und ventral vom Borstensacke auftreten 
(Fig. 17), ehe noch die Anlage der Parapodien zu sehen ist. Die 
dorsalen Seiteneirren scheinen keine so wichtige Nebenrolle zu 
spielen, wie die ventralen. Die letzteren bilden aus ihren mittleren 
Theilen die Nervensubstanz, welche direkt in die Seitennerven des 
Bauchmarkes übergehen (Fig. 17 ve). Die weiter nach innen liegen- 
den Zellen dieser Neuromuskelanlage wandern weiter ein und bilden 
die Quermuskeln, welche sich vom Bauchmark bis zu den Parapodien 
hinziehen (Fig. 18). Jede Zelle ergiebt hier eine besondere Muskelfaser. 
Vergleichen wir unsere eben eitirten Zeichnungen und Befunde mit 
den Befunden MEYERr’s und seiner Fig. 116, so sehen wir, dass auch 
hier der regenerative Vorgang mit dem embryonalen übereinstimmt. 

Eine den Seiteneirren homologe Neuromuskelanlage bilden die 
Analeirren. Ihr Charakter und ihr Bau ist bei erwachsenen 
Formen den Seiteneirren ganz ähnlich; ihre Bildung aber, wenig- 
stens bei der Regeneration, und ihre Rolle als Neuromuskelanlagen 
ist von den letzteren verschieden. Die Analeirren bilden sich sehr 
früh, ihre Bildung beginnt sogar früher als die Bildung irgend eines 
anderen Organs. Auch in der embryonalen Entwicklung treten sie 
ja sehr frühzeitig auf. Das Erste, was wir an der Stelle der zu- 
künftigen Analeirren beobachten, ist häufige Theilung des am 
Körperende gelegenen Ektoderms und theilweise Einwanderung des- 
selben (Fig. 19). Die nach innen einwandernden Zellen strecken 
sich und werden zu Muskelzellen (Fig. 19). Die Bildung geht hier 
noch der Bildung des Nerven voraus. Erst später bilden sich zwei 
Kegel aus jungen, ganz gleichen Ektodermzellen, welche sich darauf 
zum Theil in Stützzellen, zum Theil in Nervenzellen umwandeln, die 
sich direkt, wie auch bei den ventralen Seiteneirren, in das Bauch- 
mark fortsetzen. 


620 Eugen Schultz, 


Die Bildung von Muskelzellen hört auf diesem Stadium schon auf. 
Die aus diesen Neuromuskelanlagen hervorgegangenen Muskelzellen 
bilden die dorsale Muskulatur (außer den dorsalen Längsmuskeln), 
welche, ehe noch das Cölom dorsal zusammenstößt, die ganze Rücken- 
seite erfüllt. In wie weit es sonst an der Bildung der Blutgefäße 
oder vielleicht auch an der Bildung der Ringmuskulatur des Darmes 
Theil nimmt, ist zweifelhaft. — Die Analeirren selbst entstehen sehr 
früh und wachsen zu beträchtlicher Länge aus, ehe noch die homo- 
logen Seitenorgane sich entwickelt haben (Fig. 1, 2). 


Borstensäcke, Parapodien. 


Es entsteht jedem Cölomsacke entsprechend ein Borstensack 
als ektodermale Einstülpung oder Einwucherung (Fig. 17, 18). Wie 
aus ihm oder unabhängig von ihm der zweite Borstensack sich ent- 
wickelt, konnte ich nicht zu Gesicht bekommen. Eine Invaginations- 
rinne, wie sie KLEINENBERG bei der Bildung des Borstensackes be- 
schreibt, konnte ich nicht sehen. Ventral und dorsal vom Borstensacke 
liegen die Cirren (Neuromuskelanlagen). Der Borstensack treibt, in 
den Körper hineinwachsend, das Cölomepithel vor sich hin, scheint 
es aber nirgends zu durchbrechen, wie es KLEINENBERG beschreibt. 
Wenn ein Durchbruch der Somatopleura vor sich geht, so geschieht 
es durch die ventralen Neuromuskelanlagen, welche die Quermusku- 
latur liefern (Fig. 18). 

Borstensäcke und Seiteneirren entstehen, wie ich und viele An- 
dere vor mir sahen, getrennt. Erst nachdem sie angelegt sind und 
sich bedeutend entwickelt haben, erhebt sich das Ektoderm in ihrer 
Nähe zur Bildung der Parapodien (Fig. 20). Mit Recht sieht KLEINEN- 
BERG in ihnen sekundäre Gebilde zusammengesetzter Natur; die Ele- 
mente der Parapodien (Borstensäcke und Seiteneirren) sind von ihnen 
unabhängig entstehende Gebilde. Die dorsalen und ventralen Para- 
podien entstehen aus gemeinsamer Anlage, wie bei allen Errantia im 
Gegensatz zu den getrennt von einander sich anlegenden dorsalen 
und ventralen Parapodien der Sedentaria. 


Aus allen geschilderten Processen ersehen wir, dass fast alle 
Organe im regenerirenden Theile der Polychäten neu angelegt und 
gebildet werden. Und zwar wird das Mesoderm vom Ektoderm her 
neu regenerirt. Entoderm und Ektoderm halten ihren Charakter als 
typische Keimblätter fest, nur das Mesoderm büßt seine Bedeutung 


Aus dem Gebiete - der Regeneration. 621 


als ein solches ein. Vor Allem ist es das Ektoderm, welches hier 
als Keimblatt par excellence auftritt. Und zwar sind es die ventralen 
Ektodermzellen, welche hier als Regenerationszellen fungiren. Wenn 
wir in Betracht ziehen, dass das Ektoderm der Bauchseite bei den 
Polychäten überhaupt keine eng specialisirte Aufgabe hat, und keine 
Schutzorgane, Borsten oder sonstige Gebilde trägt, welche mit einem 
Absterben der Zellen verbunden sind, so wird es uns sehr begreiflich, 
dass gerade hier die Zellen liegen, welche für eine etwaige Regene- 
ration ihre Fähigkeit beibehalten. Ohne mich für WEISMAnN oder 
O0. HERTwIG auszusprechen, will ich nur konstatiren, dass die Rege- 
nerationszellen auf der Bauchseite der Anneliden in Bänder gruppirt 
erscheinen (Fig. 21. Wirklich regeneriren die mittleren Zellen die 
Neuroglia, seitwärts von ihnen liegen die Regenerationszellen des 
Bauchmarkes, des Cöloms, der. Seitencirren und der Borstensäcke. 
Auf Fig. 21 habe ich diese Zellengruppirung dargestellt. So wären 
doch in jedem Segmente, gesondert von den entsprechenden Organen, 
Zellen vorhanden, welchen die etwaige Regeneration dieser Organe 
obliegt. 

In der Anordnung dieser Regenerationszellen sowohl, als auch 
in allen regeneratorischen Processen sehen wir eine ziemlich voll- 
kommene principielle Übereinstimmung mit der embryonalen Ent- 
wicklung; freilich nicht wenn wir die Keimblättertheorie als das 
 srundlesende Princeip aller Morphologie hinstellen wollen. Wenn es 
daher für v. Bock »den Eindruck erweckt, als ob der Organismus 
bei der regenerativen Neubildung in der Wahl des hierzu erforder- 
lichen Materials die größte Freiheit genießt und es eben daher be- 
zieht, wo das aus physiologischen oder rein mechanischen Gründen 
am geeignetsten erscheint«, so ist dieser Eindruck wohl kaum ein 
richtiger und enthält in sich eine Entwerthung aller Arbeiten über 
Regeneration. 

Mir scheint es vollkommen möglich und angebracht, aus den, bei 
ungeschlechtlicher Vermehrung beobachteten, Vorgängen Rückschlüsse 
auf die Phylogenese zu ziehen. Auch der Grundsatz SEMPER’s, mit 
welchem er als Erster an die Untersuchung innerer Vorgänge bei 
der Regeneration von Anneliden herantrat, scheint mir nicht wider- 
lest, so viel man an ihm auch gerüttelt hat. Er sagt: »Ich ging von 
der Hypothese aus, welche Grundlage unserer modernen morpholo- 
gischen Untersuchungen ist: dass kein Glied eines Thierkörpers auf 
zweierlei typisch verschiedene Weisen innerhalb homologer Grup- 
pen entstehen könne«. Aller Streit natürlich geht um das Wort 


622 Eugen Schultz, 


typisch. Jedenfalls aber scheint mir das Gebiet der Regeneration 
kein solches zu sein, wo Alles vor sich gehen kann und gelegentlich 
auch »Wunder« geschehen. 


St. Petersburg, 15. Mai 1899. 


Litteratur. 


1. R.S. BerGu, Über die Deutung der allgemeinen Anlagen am Ei der Clep- 
sinen und der Kieferegel. Zool. Anz. 9. Jahrg. 1886. 

2. M. v. Bock, Über die Knospung von Chaetogaster diaphanus. Jenaische 
Zeitschr. f. Naturw. Bd. XXXI. 1897. 

3. C. BüLow, Die Keimschichten des wachsenden Schwanzendes bei Lumbri- 
culus variegatus. Diese Zeitschr. Bd. XXXIX. 1883. 

4. C. EmeRY, La regeneration des segments posterieurs du corps chez quelques 
Annelides Polychetes. Arch. ital. Biol. Tome VII. 1886. 

5. J. FRAIPONT, Le genre Polygordius. Fauna und Flora des Golfes von Neapel. 
Monographie. XIV. 1888. 

6. B. FRIEDLÄNDER, Über die Regeneration herausgeschnittener Theile des 
Centralnervensystems von Regenwürmern. Diese Zeitschr. Bd. LX. 
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71. A. GOETTE, Abhandlungen zur Entwicklungsgeschichte der Thiere. I. Unter- 
suchungen zur Entwicklungsgeschichte der Würmer. 1882. 

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Diese Zeitschr. Bd. LXV. 2. Heft. 1898. 

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aus dem zool. Institut der Univ. Wien. Bd. VIII. 1889. 

10. B. HATSCHEK, Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. Arb. 
Zool. Inst. Wien. Bd. I. 1878. 

11. B. HATscHex, Über den gegenwärtigen Stand der Keimblättertheorie. Verh. 
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12. V. HÄCKER, Die spätere Entwicklung der Polyno&-Larve. Zool. Jahrb. Morph. 
Abth. Bd. VIII. 1895. 

13. P. Hepke, Über histo- und organogenetische Vorgänge bei den Regene- 
rationsprocessen der Naiden. Diese Zeitschr. Bd. LXIII. 1897. 

14. K. HESCHELER, Über Regenerationsvorgänge bei Lumbrieiden. II. Histo- 
u. organogenetische Unters. Jenaische Zeitschr. f. Naturw. Bd. XXXI. 
1898. 

15. J. v. KENNEL, Über Ctenodrilus pardalis. Arbeiten Zool. Inst. Würzburg. 
Bd. III. 1876/1877. 

16. N. KLEINENBERG, Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopado- 
rhynchus. Diese Zeitschr. Bd. XLIV. 1886. 

17. E. KoRSCHELT, Über Regenerations- u. Transplantationsversuche an Lumbri- 
ciden. Verh. der Deutschen Zool. Gesellsch. Bd. VIII. 1898.: 


Aus dem Gebiete der Regeneration. 623 


18. N. MAKAROWw, Zur Frage über die Bildung neuer Segmente bei Oligo- 
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19. ED. Meyer, Untersuchungen zur Entwicklungsgeschichte der Anneliden. 
(Russisch.) Arbeiten der Naturf. Gesellsch. bei der kais. Kasanschen 
Universität. Bd. XXXI. 4. Heft. 1897. 

20. Aug. MiCHEL, Recherches sur la r&generation chez les Annelides. These. 
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21. G. Pruvor, Sur la regeneration des parties amputees comparde ä la 
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22. HARRIETT RANDOLPH, The regeneration of the tail in Lumbriculus. Journ. 
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23. BREPIACHOFF, Zur Entwicklungsgeschichte des Polygordius flavocapitatus 
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24. ROHDE, Histologische Untersuchungen über das Nervensystem der Poly- 
chäten. SCHNEIDER, Zool. Beiträge. Bd. II. 1890. 

25. H. RıkrvEL, Die Regeneration des Vorderdarmes und Enddarmes bei eini- 
sen Anneliden. Diese Zeitschr. Bd. LXII. 1896. 

26. L. RoULE, Sur la formation des feuillets blastodermiques chez une ann£lide 
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27. W. SALENSKY, Etudes sur le d&veloppement des ann&lides. II. Conelusions 
et reflexions. Arch. d. Biol. Tome VI. 1887. 

28. C. SEMPER, Die Verwandtschaftsbeziehungen der gegliederten Thiere. Die 
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bis 1977. 

29. F. VEIDOVsKy, Entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen. Prag 1888—1892. 

30. FR. v. WAGNER, Bemerkungen über das Verhältnis von Ontogenie und Re- 
generation. Biol. Centralbl. Bd. XIII. 1893. 

31. FR. v. WAGNER, Zwei Worte zur Kenntnis der Regeneration des Vorder- 

darmes bei Lumbriculus. Zool. Anz. 1897. 

32. E. WAwrzIK, Über das Stützgewebe des Nervensystems der Chätopoden. 
Bd. II. 1891. 

Erklärung der Abbildungen. 
Allgemeine Bezeichnungen: 

a, Anus; g, Ganglienzellen; 

a.c, Analeirren; m.d, Mesenchym der Dissepimente; 

b.m, Bauchmark ; n, Bauchmark; 

b.s, Borstensack ; n.v.r, Neuroglia; 

coel, Cölom; par, Parapodien; 

coel.ep, Cölomepithel; qu.m, Quermuskeln; 

d.e, Dorsaleirren ; s.n, Seitennerv; 

d.l.m, dorsale Längsmuskeln ; v.c, Ventraleirren; 

ect, Ektoderm; v.l.m, ventrale Längsmuskeln. 


en, Entoderm; 


624 Eugen Schultz, Aus dem Gebiete der Regeneration. 


Tafel XXXVI und XXXVLII. 


Fig. 1. Regenerirter Theil einer Harmotho&. 

Fig. 2. Dasselbe. 

Fig. 3. Verschmelzung des Mitteldarmes mit dem Körperepithel (Harmotho£). 

Fig. 4. Frontalschnitt durch ein regenerirendes Hinterende einer Sabellide. 

Fig. 5. Sagittalschnitt durch ein vollständig regenerirtes Hinterende einer 
Nephthys. 

Fig. 6. Frontalschnitt durch regenerirendes Bauchmark (Harmothoߣ). 

Fig. 7. Dasselbe. 


Fig. 8. Regenerirendes Bauchmark (Harmothoe£). 

Fig. 9. Querschnitt durch regenerirendes Bauchmark. Querkommissur 
(Harmothoß). 

Fig. 10. Dasselbe. Längskommissur. 

Fig. 11. Sagittalschnitt durch regenerirendes Bauchmark (Harmotho@). Der 
Schnitt ist etwas schräg geführt, so dass man an einer Stelle die neue Neuro- 
glia, an anderen die neuen Ganglienzellen sieht. 

Fig. 12. Neu sich bildendes Cölomepithel. Querschnitt durch das regene- 
rirende Hinterende einer Harmothoe. 

Fig. 13. Sagittalschnitt durch regenerirende Cölomsäcke einer Harmotho&@ 
(etwas schräg geführt). 

Fig. 14. Neu sich bildende Cölomsäcke mit zwischen denselben eindringen- 
dem primärem Mesoderm (Harmothoß). 

Fig. 15. Bildung der dorsalen Längsmuskeln (Querschnitt durch Harmothoß). 

Fig. 16. Bildung ventraler Längsmuskeln (Querschnitt durch Harmothoß). 

Fig. 17. Anlage der Borstensäcke und Cirren (Querschnitt durch Harmothoß). 

Fig‘ 18. Anlage der Ventraleirren und Bildung der Quermuskeln (Quer- 
schnitt durch Harmothoß). 

Fig. 19. Anlage der Analeirren (Sagittalschnitt durch Harmothoߣ). 

Fig. 20. Bildung der Parapodien (Querschnitt durch Harmothoeß). 

Fig. 21. Schema der Lagerung von Regenerationszellen an der Bauchseite 
eines Polychäten. 


Zur Embryologie von Salpa maxima africana. 


Von 


Alexis Korotneff 
(Villafranca). 


Mit Tafel XXXVIII—XL. 

Diese meine Untersuchungen sind nach ihren Ergebnissen eine 
Vervollständigung der vor ein paar Jahren publieirten Arbeiten über 
Salpa runeinata-fusiformis; in den Hauptzügen erscheint die Entwick- 
lung dieser zwei Formen ziemlich gleichartig, das Material aber, das 
ich über Salpa maxima besaß, erlaubte mir meine Aufmerksamkeit 
mehr den ersten Erscheinungen der Entwicklung zu widmen, was ich 
ohne eigene Schuld bei der Salpa fusiformis vernachlässigte. 
| Professor ToDAro! hat die erwähnten Erscheinungen ziemlich 
- vollständig, was die Bildung der Polzellen, sowohl als auch die Be- 
fruchtung anbetrifft, beschrieben, aber schon theoretisch sind einige 
von seinen Ergebnissen kaum anzunehmen; bei der Befruchtung 
nimmt er zum Beispiel an, dass der männliche Kern in viele Frag- 
mente zerfällt, die sich dem weiblichen anschmiegen und mit ihm 
endlich zusammenfließen. Ich selbst habe nur die Bildung der Pol- 
zellen beobachtet, die Befruchtung aber fortgelassen, da diese bei der 
Salpa maxima mit Sicherheit kaum zu untersuchen ist. Ein günstiges 
Material in dieser Hinsicht wäre die Salpa pinnata, bei der die Em- 
bryonen der Kolonie nicht wie gewöhnlich dieselbe Entwicklungsstufe 
besitzen, oder sehr verschieden nach der Größe sind (wie bei der 
Dalpa zonaria), sondern sich successive nach einander folgen und eine 
ununterbrochene Entwicklungsserie bilden. 

In toto, wie es überhaupt für alle Salpen der Fall erscheint, ist 
kaum viel zu sehen, da die Follikelwand eine Schieht von dicht ge- 


i ToDARO, Studii ulteriori sulla sviluppo delle Salpe. Reale Accademia 
dei Lincei. Anno 1884—1885. 


Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Bd. 41 


626 Alexis Korotneff, 


drängten Cylinderzellen bildet und desswegen wird man gezwungen, 
von Anfang an sich an die Schnitte zu wenden. Die ersten Erschei- 
nungen, die ich traf, sind von zwei successiven Schnitten (Fig. 1a und 
15) abgebildet; wir finden hier nämlich, wie überall, einen gestielten 


 Follikel, der vom Ei nicht gänzlich ausgefüllt wird und einen be- 


trächtlichen freien Raum enthält. Im Ei, das einen klumpigen Körper 
darstellt, ist ein ovales, glattes Keimbläschen vorhanden (Fig. 1a). 
Der nächste Schnitt durch denselben Follikel lässt uns an der Seite 
des Eies einen anderen Körper annähernd derselben Größe, oder 
sogar etwas größer sehen, in welchem auch ein Kern zu treffen ist; 
dieser Kern ist aber erstens wandständig und zweitens hat er ein 
geschrumpftes Aussehen, sein Inhalt ist grobkörnig und besitzt keinen 
Chromatinfilz, wie im ersten Falle; anders gesagt, dieser zweite Kern 
ist ohne Zweifel einem Reduktionsprocess unterworfen. Ich will 
gleich vorweg sagen, dass es sich hier um einen Polkörper handelt, 
der fast eben so groß, wie das Ei selbst ist. Das Ei wird hier also in 
zwei ungefähr gleiche Hälften getheilt und die eine Hälfte wird bald 
redueirt. Die erwähnten Verhältnisse sind möglicherweise noch klarer 
aus der Fig. 2 zu ersehen. In einem verlängerten Follikel, der auch 
nicht gänzlich ausgefüllt ist, befinden sich zwei Zellen, die bedeutend 
verschieden aussehen. Die eine Zelle besitzt einen rundlichen Kern 
und ein feinkörniges Plasma, die andere aber einen blasig aufgetrie- 
benen und unregelmäßigen Kern, der wasserhell aussieht; ihr Plasma 
ist auch hell und feinkörnig. Die erste Zelle ist unbestreitbar eine 
wahre Eizelle, die andere, die, wie gesagt, einer Reduktion unter- 
worfen, ist ein Polkörper. Die Eizelle scheint hier noch unbe- 
fruchtet zu sein, und in dem Lumen des Follikels fand ich einen 
Körper, den ich für ein Spermatozoid ansehe. Fast dieselben Ver- 
hältnisse konnte ich ein anderes Mal an einem anderen Follikel in 
toto finden (Fig. 3). Der plasmatische Körper, der sich im Follikel 
befindet, besitzt ein großes, ziemlich regelmäßiges Keimbläschen, in 
dem ein stark entwickeltes Chromatinnetz vorhanden ist und zu 
gleicher Zeit zwei helle bläschenförmige ungleich große Flecke. Eine 
Trennungslinie, die den erwähnten Körper in einzelne Zellen zerlegen 
könnte, ist hier nicht zu treffen. Das Keimbläschen gehört gewiss 
einer Eizelle, die hellen Flecken sind den Polzellen eigen und be- 
finden sich, wie es scheint, in einem regressiven Zustande. Es ist 
noch zu erwähnen, dass in demselben Follikel, oder genauer, in 
seinem frei gebliebenen Raume sich eine Anzahl von Spermatozoen 
befindet. Eine etwas weiter vorgeschrittene Erscheinung ist an der 


Zur Embryologie von Salpa maxima africana. 627 


Fig. 4 zu sehen; es ist hier nämlich eine große Eizelle vorhanden, 
von der sich zwei grobkörnige Zellen abgetrennt haben und in die 
Follikelwand wie eingedrungen sind. In der Eizelle selbst befindet 
sich ein mächtiges Keimbläschen und hinter ihm ein ausgezogener 
Kern. Sind es nicht, wie TOoDArRoO meint, der männliche und weib- 
liche Kern, die im Begriff sind, sich zu vereinigen? 

Meines Wissens besitzen wir hier das einzige Beispiel einer 
außerordentlichen Entwicklung einer Polzelle, welche möglicherweise 
auf die primitiven Verhältnisse hinweist. Die schon früher von Bo- 
VERI geäußerte Meinung bekommt hierdurch eine vollständige Unter- 
stützung: die Polzelle ist einer Eizelle gleich und nur ihre ferneren 
Schicksale deuten darauf hin, dass man es hier mit einer abortiven 
Eizelle zu thun hat. 

Das nächste Stadium, das ich fand,. besaß zwei gleich große 
Blastomeren (Fig. 4), die ungefähr nur die Hälfte des Follikellumens 
einnahmen und zwei Spindeln behielten, die eine verschiedene Rich- 
tung hatten. Demnächst werden wir uns überzeugen, dass aus dem 
Ei zwei Arten von Blastomeren entstehen und desswegen frägt es 
sich, ob die verschiedene Spindelrichtung nicht auf eine verschiedene, 
weitere Produktion der ersten zwei Blastomeren hinweist? 

Wenn wir uns zum nächsten von mir beobachteten Stadium 
wenden, so treffen wir hier eine mit Spindel versehene Blastomere 
- (Fig. 6) und eine andere, die in weiterer Theilung begriffen ist; die 
letztere besitzt einen Kern und eine neue Spindel. Ich zweifle nicht: 
dass die Blastomere / große und die Blastomere // in weiterer Thei- 
lung kleine produeirt. 

Weiter haben wir im Follikel schon vier Blastomeren (Fig. 7), 
zwei große und zwei kleine und zufälligerweise zwei kleine Pol- 


: zellen; die Vertheilung der Blastomeren scheint sehr regelmäßig zu sein. 


Ein in einer etwas anderen Richtung zersetzter Eifollikel weist auf 
ähnliche Verhältnisse (Fig. 3); es kommen hier zwei große und zwei 
kleine Blastomeren vor und zu gleicher Zeit treffen wir bei den Fol- 
likelzellen eine Neigung sich zu vermehren und Einwüchse ins Innere 
des Follikels zu bilden. Schon von jetzt ab ist die Zahl der Blasto- 
meren nicht mehr mit genügender Sicherheit festzustellen, da die 
kleinen Blastomeren sich sehr rasch vermehren; jedenfalls bleiben die 
zwei großen Blastomeren der Fig. 8 erhalten und es sind gerade die 
zwei kleineren, die sich fortwährend theilen. Als Resultat bekommen 
wir eine Disposition von Blastomeren, die an der Fig. 9 zu sehen 
ist: die zwei großen, von welchen nur eine (/) getroffen ist, liegen 
41* 


628 Alexis Korotneff, 


wie in einem Becher, der von den kleineren gebildet wird. Außer- 
dem ist die ganze Blastomerenmasse von den Follikelzellen umgeben 
in der Weise, dass der leere Raum des Follikels ganz abgetrennt 
wird. Sehr lehrreich erscheinen die drei auf einander folgenden 
"Sehnitte der Fig. 10 (a, 5 und c). Die Abbildung « stellt uns nämlich 
eine große Blastomere vor, die mit kleineren umgeben ist, die Ab- 
bildung 5 die nächste grobe, die in derselben Weise umgeben ist, 
und endlich auf der Abbildung ce sind die kleinen Blastomeren nur 
angedeutet und unter ihnen befinden sich zwei, die sich wesentlich 
in ihrem Aussehen von den übrigen unterscheiden; sie sehen wie 
homogen aus und besitzen einen sich besonders stark färbenden Kern. 
Diese Zellen äußern eine bedeutende Neigung sich zu vermehren. 
Das weitere Schicksal dieser Elemente ist nicht besonders schwer 
zu verfolgen: es sind Keimzellen, die zur Entstehung der Geschlechts- 
produkte dienen. Die Follikelzellen dieser Schnitte vermehren sich 
bedeutend und streben schon zwischen die Blastomeren hineinzu- 
dringen und sie von einander zu trennen; das Follikellumen ist gerade 
jetzt am höchsten entwickelt und bildet einen Raum, in den das 
segmentirte Ei knospenartig hineinragt. Fast dasselbe Stadium ist 
an der Fig. 11 angegeben: die kleineren Blastomeren sind fortwährend 
in Theilung begriffen; unter ihnen fällt eine Zelle besonders auf 
(kmz), die, wie gesagt, ein Keimelement vorstellt. Eine bedeutend 
mehr entwickelte Stufe besitzt man in der Fig. 12. Die zwei ab- 
gebildeten großen Blastomeren haben sich ganz merklich in zwei 
getheilt und vier große Blastomeren gebildet (7a und Id); die Thei- 
lung der kleineren äußert sich besonders in dem Vorhandensein der 
Größe nach sehr verschiedener Zellen. Zu dieser Zeit wächst der 
Embryo ganz bedeutend und verdrängt die Follikularhöhle, welche 
sich verengt, in der Weise, dass sie am Schnitte in zwei getheilt 
erscheint, was in der That nicht vorhanden ist, da die beiden Lumen 
in einander übergehen. 

Die nächste Entwicklungsstufe (Fig. 13) zeichnet sich aus durch 
die Entstehung von besonderen Dotterbildungen, die als Klumpen 
in den großen Blastomeren vorkommen (dt). Ich habe mich entgegen 
den Beobachtungen von BROOKS und HEIDER schon mehrere Male in 
dem Sinne geäußert, dass diese Dotterablagerungen keine von den 
Blastomeren verzehrte Follikelzelleu seien. Vor ein paar Jahren hat 
sich M. MErcALr!, auf seine Untersuchungen der Salpa hexagona 


1 M. METCALF, The Follicle cells in Salpa. Zool. Anz. Bd. XX. p. 210—217. 


Zur Embryologie von Salpa maxima africana. 629 


gestützt, wieder in dem Sinne von HEIDER ausgesprochen. Als besten 
Beweis seiner Meinung giebt er eine Abbildung eines Blastomeren- 
schnittes, in den Dotterablagerungen eingeschlossen sind, der äußer- 
lich von eigentlichen Follikularkernen umgeben ist. Ich muss ge- 
‘stehen, dass ich die erwähnte Abbildung, mag sie vollständig 
naturgetreu sein, gar nicht beweisend finde, da ich zwischen den 
zwei erwähnten Körpern (Dotter und Follikelkeıne) gar keinen Über- 
gang sehe; dass die Form dieser Bildungen übereinstimmt, scheint 
mir nicht sehr beweisend zu sein; ich möchte noch hinzufügen, dass 
bei der Salpa maxima die Dotterklumpen bedeutend größer sind, 
als die Follikelkerne. Desswegen behaupte ich ganz positiv nochmals, 
dass die Follikelzellen nie von den Blastomeren verzehrt werden 
und dass die Dotterablagerungen nichts weiter als Verdichtungen 
des Blastomerenplasmas sind. 

Außer der Dotterentstehung finden wir in diesem Stadium eine 
ziemlich regelmäßige Anordnung der verschiedenen Blastomeren: die 
großen nämlich bilden ein Oval, in dessen Centrum und zu gleicher 
Zeit etwas seitlich von ihnen kleinere liegen und eine ziemlich zu- 
sammengedränste Gruppe bilden. 

Die weitere Entwicklung des Embryos verläuft in der Weise, 
dass der Embryo (durch den der Schnitt etwas seitlich geführt ist) das 
Follikellumen gänzlich ausfüllt und, so zu sagen, nur einen Spalt übrig 
lässt (Fig. 14 spt). An diesem Schnitte finden wir, dass die großen 
Blastomeren sich in reger Theilung befinden und karyokinetische 
Figuren besitzen. Die Follikelwand hat sich unter dem Embryo in 
zwei Zapfen ausgezogen; diese Zapfen bilden bald unter dem Em- 
bryo einen Körper, der unter dem Namen »Blutknospe« bekannt ist!. 
Gerade jetzt kommt eine neue Erscheinung zum Vorschein: die Ek- 
todermschicht, die den Embryo umgiebt, bildet Falten, die sich mehr 
und mehr krümmen und sich, über den Embryo erhebend, denselben 
mit einem Amnion zu umgeben streben; dieses, wenn man so sagen 
darf, Streben ist am besten in der Fig. 15 wahrzunehmen. Von 
diesem Stadium ab sehen wir erstens, dass die Dotterablagerungen 
bald absorbirt werden und zweitens, dass der Unterschied zwischen 
den großen und kleinen Blastomeren verschwindet. An dem Schnitte 
bleibt die Anordnung der Blastomeren sehr regelmäßig, wird aber 
durch eine bedeutende Anzahl von Follikelzellen geschieden. Nach 


ı Es dünkt mich, dass es richtiger wäre die erwähnte Bildung mit dem 
Namen »basale Knospe« zu bezeichnen, da der frühere Name »Blutknospe« eine 
falsche Deutung zulässt. 


630 Alexis Korotneff, 


der Disposition der sich in der Fig. 15 befindlichen Blastomeren und 
nach dem Vergleich mit der Salpa fusiformis und punetata kann 
man voraus sagen, welches die Rolle ist, die diese Blastomeren über- 
nehmen werden: die unteren sind nämlich Kiemen-, die mittleren 
 CGloacal- und endlich die oberen Ektodermblastomeren. An der 
Seite befindet sich eine Anhäufung von kleinen Zellen (Blastoeyten 
— direkte Abkömmlinge der Blastomeren), die als Keimzellen an- 
zusehen sind. Die Keimzellen sind auch leicht an dem nächsten 
Schnitte zu erkennen (Fig. 16); sie erscheinen hier als besondere 
helle Zellen mit einem großen und grobkörnigen Kern; der ganze 
Haufen ist von einer besonderen aus Follikelzellen bestehenden Zell- 
schicht eingeschlossen. Etwas höher trifft man auch Abkömmlinge 
der Blastomeren, die ich für Neurocyten (dc) halte. 

Zu dieser Zeit treten im Embryo besondere Höhlen auf: zuerst 
entsteht die Cloacalhöhle (Fig. 17, im Centrum der Bildung c/). In 
meiner Arbeit über die Entwicklung der Salpa runcinata — fusiformis 
habe ich erwähnt, dass die Beschreibung von HEIDER, nach dem die 
Entstehung dieser Höhle als eine sich einsenkende Einstülpung an- 
zusehen ist, kaum richtig erscheint und dabei habe ich die Frage 
aufgestellt, ob dieser Gegenstand nicht so anzusehen wäre, dass, 
nachdem die Follikelzellen sich reihenartig angeordnet haben, eine 
Spalte erscheint, die sich nach allen Seiten ausbreitet und die an- 
gegebene Höhle zur Entstehung bringt. Bei der Salpa maxima hat 
sich die von mir geäußerte Vermuthung vollständig bewahrheitet; als 
bester Beweis kann die Fig. 17 dienen: wir haben hier ein Lumen, 
das sich direkt in einer Follikelzellenmasse gebildet hat und dessen 
selbständige Entstehung (nicht als Einstülpung, sondern Auseinander- 
weichen der Elemente) sich in dem äußert, dass gerade in der 
Mitte des Lumens die gegenüberstehenden Elemente sich noch nicht 
getrennthaben; demungeachtet haben sich die Zellen, die dieses Lumen 
austapeziren, palissadenartig geordnet und etwas weiter nach unten 
an einander gereiht und den künftig entstehenden Kanal markirt. Die 
spätere Amnionhöhle (a7) ist schon als Spalte vorhanden. Die zur 
Seite des Oloacallumens vorkommenden Zellen besitzen ein besonderes 
Aussehen und bilden zwei Polster, die sich der Amnionfalte dicht 
anlegen, ohne aber sogleich in direkte Verwachsung mit ihr zu treten, 
wie es zum Beispiel bei Salpa punctata der Fall ist. Unter den Blasto- 
cyten, welche in die Follikularzellenmasse eingebettet sind, haben die 
Kiemenblastoeyten eine ganz bestimmte Lagerung (kdc). Außerdem 
kommt im Schnitte ein Ektodermblastocyt vor und unter dem rech- 


Zur Embryologie von Salpa maxima africana. 631 


ten Polster ein anderer, dessen Bedeutung ich mit Sicherheit nicht 
bestimmen kann. Im Allgemeinen muss man sagen, dass die 
Zahl der Blastocyten im Embryo noch ziemlich gering ist, da sie 
sich noch wenig vermehrt haben. Es wäre noch zu erwähnen, dass 
die Amnionfalten noch nicht zusammengetroffen sind und den Scheitel 
des Embryos, wo sich das künftige Ektoderm anlegt, noch frei 
lassen. 

Ein Vergleich der Fig. 17 mit der nächsten lässt keinen Zwei- 
fel über die Bedeutung der einzelnen Theile der letzteren; wir treffen 
zunächst eine geräumige Höhle (Fig. 18 aA), die aus Verbindung 
der Amnionhöhle mit der Cloacalhöhle entstanden ist; anders gesagt, 
man kann es als eine einzige geräumige Höhle ansehen, in die von 
beiden Seiten ein Zapfen hineinragt, der im Inneren einen Kiemen- 
blastoeyten enthält. Dieser Zapfen erscheint in dem Stadium Fig. 18 
als eine einfache Falte, die vermittels eines Kanals in der Richtung 
des Polsters (p/) sich hinzieht. Innerhalb der provisorischen Ekto- 
dermschicht sind verschiedene Ektodermocyten, aus denen das defini- 
tive und eigentliche Ektoderm gebildet wird, eingeschlossen. In dieser 
Entwicklungsstufe sind die Amnionfalten schon in Berührung mit ein- 
ander. Die Polster scheinen hier mit der inneren Schicht der Amnion- 
falte zusammenzuwachsen. Ein Schnitt aus einem etwas früheren Sta- 
dium (Fig. 19) stellt eine Anhäufung von Neurocyten (r.bc) dar, die einen 
Hügel bilden, der in der Nähe der Ektodermocyten sich befindet. 

In dieser Weise ist der Übergang zum Schnitte Fig. 20 schon 
leieht verständlich; im Großen und Ganzen unterscheidet er sich von 
den früheren nicht sehr bedeutend, obwohl die Entwicklung schon 
vorgeschritten ist. Als das prägnanteste Merkmal erscheint dabei 
das Aussehen des Amnions; wir finden nämlich, dass die beiden Fal- 
ten zusammengetroffen sind und einen Kamm bilden, der eine starke 
Entwicklung erfährt. Die inneren Veränderungen beziehen sich auf 
das fortwährende Wachsthum der Kiemenzapfen, die sich fast be- 
rühren und im Inneren schon getheilte Blastocyten einschließen. Das 
obere Dach der künftigen Cloacalhöhle schließt besondere Blasto- 
eyten ein, die zum Aufbauen der Cloacalwand dienen werden; an- 
dere Arten von Blastoeyten kommen an diesem Schnitte nicht vor. 
Am Scheitel der Bildung, gerade unter dem Amnionkamme, befindet 
sich eine Vertiefung, in der eine Anzahl von freien Zellen (wahr- 
scheinlich der Mutter entstammende Blutzellen) sich befinden. Weiter 
sehen wir, dass die Polster nicht mehr eine verhältnismäßig kompakte 
Masse bilden, sondern sich schichtenartig ausbreiten. Aus der That- 


632 Alexis Korotneff, 


sache, dass am letzten Schnitt, sowohl als an vielen anderen, keine 
Verbindung der inneren Falte des Amnions mit den Zellen des Pol- 
sters vorkommt, obschon diese doch existirt, wie es die Fig. 25 wie- 
der andeutet, muss man schließen, dass diese Verbindung nicht rund 


herum, sondern nur an bestimmten Punkten vorhanden ist. 


Diesem Stadium gehört die Anlage der Basalplatte an, der HEIDER, 
seiner Zeit, eine besondere Bedeutung zuschrieb, indem er dachte, dass 
die Abschließung des Ektoderms von unten ihr gehöre. Für die Salpa 
fusiformis habe ich gezeigt, dass eine solche Anschauung ganz unbe- 
gründet ist, und dass die Basalplatte eine aus Follikelzellen bestehende, 
ganz provisorische Bildung ist, welcher keine embryogenetische 
Wichtigkeit zugeschrieben sein kann. Bei der Salpa maxima treffen 
wir nochmals eine Bestätigung dieser von mir ausgesprochenen Mei- 
nung. In diesem Falle finden wir, dass eine einschichtige Zell- 
membran, welche die Amnionhöhle von der Placenta abschließt, in 
ihrer Mitte die Basal-(Blut-)knospe trägt; die Zellen des oberen Theiles 
dieser Basalknospe, welche in die Amnionhöhle hineinragen, bilden 
also ein Polster (Fig. 20 und 22), das sich allmählich vergrößert und die 
erwähnte Basalplatte bildet. Von einer Betheiligung dieser Platte 
an der Ausbildung des Ektoderms wird schon desswegen keine Rede 
sein, da in ihr die Blastomeren absolut nicht vorkommen. 

Die bis jetzt beschriebenen Erscheinungen sind von den früheren 
Forschern (TODARO, BARROIS und SALENSKY) ganz verschieden auf- 
gefasst worden, aber die Zusammenstellung und Deutung der An- 
saben können kaum zur Lösung unserer Aufgaben dienen, und 
nur aus diesem Grunde darauf verzichtend, bemerke ich über die 
späteren Schriften von SALENSKY, dass der princeipielle Unterschied 
unserer Untersuchung hinsichtlich der Salpa maxima der frühere 
bleibt: nämlich SALENSKY leugnet die plastische Rolle der Blasto- 
meren und bringt die Kalymmocyten in den Vordergrund, ich aber 
mache das Entgesengesetzte und schreibe den Blastomeren den ganzen 
konstruirenden Process im Embryo zu. So steht es mit den ersten 
Erscheinungen im Salpenei; was aber die Organogenie betrifft, so 
bieten uns die Untersuchungen von SALENSKY für die Salpa maxima 
weniger als für die übrigen Salpen, da seine Schnitte bei diesem 
Objekte nicht eine genügend genaue und günstige Richtung gehabt 
haben und nur von seinen Figg. 11 und 12 (Taf. XVII), wo die 
Kiemenentstehung abgebildet ist, kann man sagen, dass diese einer 
günstigen Schnittrichtung entsprechen. 

Bezüglich der Kiemenentstehung habe ich nicht viel Neues zu 


Zur Embryologie von Salpa maxima africana. 633 


sagen, was den Erscheinungen bei Salpa fusiformis nicht Strich für 
Strich entspräche, kurz und gut, die Kiemenzapfen wuchern gegen 
einander (Fig. 20), um endlich zusammenzuwachsen (Fig. 21) und eine 
Seheidewand zu bilden (wie bei Salpa fusiformis ist diese Scheide- 
wand auch unvollständig, da zu beiden Seiten große Öffnungen vor- 
handen bleiben). Jedenfalls trennt diese Scheidewand den Cloacal- 
raum von der Amnionhöhle'. 

Die Cloacalwand entsteht bei der Salpa maxima etwas verschieden 
von dem, wie wir diesen Process bei der Salpa fusiformis beschrieben 
haben. In beiden Fällen ist aber der Anfang derselbe und äußert 
sich in der Entstehung des Lumens, aber später fanden wir, dass 
die Cloacalblastoeyten (Fig. 23) bei der Salpa maxima einer inten- 
siven Theilung unterworfen sind, die zur Entstehung von besonderen, 
so zu sagen Knospen führt, die aus angehäuften Histogenen bestehen 
und ins Innere des Cloacallumens hineinragen. 

An der Abbildung Fig. 20 und 21 haben wir es mit zwei neuen 
Bildungen, im Vergleiche zu den anderen Salpen, zu thun, die aber 
wegen ihrer Zusammensetzung aus Kalymmocyten keine besondere 
embryogenetische Bedeutung haben und nur als provisorische Bil- 
dungen anzusehen sind, dem ungeachtet aber nicht ohne Wichtigkeit 
in der Ökonomie des entstehenden Organismus erscheinen. Ich meine 
hier erstens zwei Falten der Membran, welche die äußere Begrenzung 
_ der Placentalhöhle bilden (Fig. 21, 22 und 25 ft). Anfänglich sind 
diese Falten ihrer ganzen Länge nach aus gleichförmigen Cylinderzellen 
gebildet, später aber wachsen und entwickeln sich diese Zellen ganz 
bedeutend und bilden endlich einen Fußboden, auf dem der Embryo 
mit der Placenta ruht. Diese flügelförmigen Erweiterungen halten 
die Amnionhüllen wie gespannt und in einem bestimmten Abstande 
von dem Embryo selbst. 

Zweitens bemerken wir dem Anheftungspunkte gegenüber und 
ins Innere der Amnionhöhle hineinragend zwei Auswüchse (pr.w), die 
rund herum gehen und, so zu sagen, Schritt für Schritt eine Scheide- 
wand bilden, welche die Amnionhöhle in zwei Abtheilungen (obere 
und untere) trennt und die im Centrum eine bedeutende, aber immer 
mehr sich verengernde Offnung besitzt. Diese Scheidewand, die nur 
der Salpa maxima eigen zu sein scheint, wird zu gleicher Zeit immer 


1 SALENSKY hat ganz richtig die Entstehung der Kiemen beschrieben, in- 
dem er sagt: »Die Kieme entsteht durch die Vereinigung der beiden ur- 
sprünglichen Kiemeneinstülpungen, welche sich in der Mitte berühren und 
verwachsen.<_ 


694 "Alexis Korotneff, 


dieker und legt sich auf die unten entstehende Basalplatte; in dieser 
Weise wird das Lumen der Placentalhöhle mehr und mehr ausge- 
füllt, bis endlich die ganze Placenta (Fig. 25 7) einen soliden Körper 
darstellt. 

Die weitere Ausbildung der Kiemen ist sehr dem ähnlich was 
wir, wie gesagt, bei der Salpa fusiformis getroffen haben: in der 
Dicke der Blastocyten der künftigen Kieme kommt eine Spalte vor, 
die sich erweitert; in Folge dessen bekommen wir eine kanalähn- 
liche Bildung, die im Inneren, wie gesagt, mit Blastoeyten (Fig. 25 2, c) 
austapeziert und von außen mit in Reduktion begriffenen Kalymmo- 
cyten bekleidet ist. Dann wird der obere Theil dieser Bildung zur 
Kieme verwandelt, der untere aber bildet das Epithel des Pharynx, 
das mit dem Cloacalepithel sich vereinigt, um eine gemeinsame 
Epithelschicht der Kiemenhöhle entstehen zu lassen. Die Fig. 26 
stellt uns die Kieme vor, wenn sie noch nicht frei geworden ist und 
dem Zellstrange (zsit) angeheftet erscheint. Nach der Abtrennung zieht 
sie sich von den Wänden der Cloacalhöhle ab und erscheint als eine 
doppelschichtige Membran (Fig. 27 X), deren untere Zellen eigent- 
liche Histogenen und obere Kalymmocyten sind. Mit der Reduktion 
der letzten krümmt sich die Histogenenschicht und bildet eine den 
Salpenkiemen charakteristische Röhre (siehe Salpa fusiformis). 

Die Ausbildung des Ektoderms ist aus der Fig. 24 ersichtlich: 
zuerst kommen einige Zellen gerade dort vor, wo sich die Amnion- 
falten schließen, diese Zellen vermehren sich und bilden eine An- 
häufung, deren Elemente sich bald ausbreiten und das provisorische 
Ektoderm (Fig. 25) aus einander schieben. Gerade wo das definitive 
Ektoderm mit dem provisorischen zusammenstößt (Fig. 25) kann eine 
Verbindung mit der Faltenhülle entstehen, was aber nicht an allen 
Punkten, wie gesagt, vorkommt (Fig. 27). 

Ich habe mich in dem Sinne geäußert, dass die provisorische 
Scheidewand (Fig. 22 pr.w), die mit der Placenta zusammenfließt, 
obschon sie keinen Antheil an dem Aufbau des Embryos nimmt, 
dem ungeachtet nicht ohne Bedeutung in seiner Existenz erscheint. 
Schon vom Anfange an sieht man, dass die Grenzen der sie zu- 
sammensetzenden Zellen nicht besonders deutlich erscheinen, aber 
wenn die gegenüberstehenden Auswüchse zusammenstoßen, oder an- 
ders gesagt, wenn die Öffnung der entstandenen Scheidewand ver- 
schwindet, so bildet sich gerade in der Mitte eine Plasmamasse, ein 
Syneytium, das massenhaft die Kalymmocyten absorbirt; dabei kann 
man verschiedene Stufen dieser Absorbirung beobachten. Die Kerne 


Zur Embryologie von Salpa maxima africana. 635 


verlieren ihre Form, werden unregelmäßig und sind ohne jede Ord- 
nung: im Plasma zerstreut. Ich will nicht sagen, dass alle Kalymmo- 
eyten in derselben Art und Weise vergehen, da in der Cloacal- so- 
wohl als auch in der Pharynxhöhle eine Anzahl von desorganisirten 
frei gelegenen Zellen vorkommt, aber jedenfalls findet die größte 
Anzahl von Kalymmoecyten im Syneytium ihr Ende (Fig. 24 und 25). 

Schritt für Schritt habe ich die Entwicklung des Nervensystems 
nicht verfolgt; das späteste von mir beobachtete Stadium besitzt das- 
selbe in Form einer Blase (Fig. 25 Nr), das an der Seite der Cloa- 
calhöhle liest, wenn letztere mit dem Pharynx sich noch nicht ver- 
einigt hat. 

Das Herz habe ich in Form eines Bläschens getroffen, das auch 
dem Pharynx anliest und mit einem Haufen von Zellen verbunden 
ist (Fig. 26), der die Keimanlage vorstellt. 


Villafranca, im Juli 1899. 


Erklärung der Abbildungen. 


Buchstabenerklärung: 


I, große Blastomeren; k.bce, Kiemenblastocyten; 
II, kleine Blastomeren; k.ep, Kiemenepithel; 

ah, Amnionhöhle; km.z, Keimzellen; 

Bl.s, Blutsinus; Nr, Nervensystem; | 

bs.k, basale Knospe; n.be, Nervenblastocyten; 

b.p, basale Platte; Pl, Placenta; 

cl, Kloake; ; p.ec, provisorisches Ektoderm; 
el.be, cloacale Blastocyten; ph.ep, Pharynxepithel; 

d.t, Dotterablagerungen; pl, Polster; 

ec, Ektoderm; pr.w, provisorische Scheidewand; 
‚ft, Falte; ».2, Polzellen; 

Hz, Herz; sp, Spermatozoen; 

K, Kieme; spt, Spalte. 


Tafel XXXVIII—XL. 


Fig. 1a. Gestielter Follikel mit einer Eizelle. 
Fig. 1b. Derselbe Follikel mit einer Polzelle. 
Fig. 2. Follikel, in dem die Eizelle mit der Polzelle getroffen ist. 
Fig. 3. Follikel in toto. 
Fig. 4. Follikel mit Eizelle und Polzellen; zur Seite der Follikelstiel 
durchschnitten. 
Fig. 5. Zwei Blastomeren mit verschieden gerichteten Spindeln, 
Fig. 6. Zwei in Theilung begriffene Blastomeren, 


636 Alexis Korotneff, Zur Embryologie von Salpa maxima africana. 


Fig. 7. Im Follikel sind vier Blastomeren eingeschlossen: zwei große und 
zwei kleine und zwei Polzellen. 

Fig. 8. Dasselbe Stadium; die Follikelzellen fangen an hineinzuwachsen. 

Fig. 9. Die kleinen Blastomeren vermehren sich. 

Fig. 10a. Große und kleine Blastomeren. 

Fig. 105. Der nächste Schnitt desselben Follikels. 

Fig. 10c. Der weiter folgende Schnitt, in dem die Keimzellen erscheinen. 

Fig. 11 u. 12. Successive Stadien der Theilung der Blastomeren. 

Fig. 13. In den großen Blastomeren erscheinen besondere Dotterablage- 
rungen. 

Fig. 14. Das Follikellumen ist von dem Embryo ganz eingenommen. Es 
entsteht die Basalknospe. 

Fig. 15. Blastocyten bekommen eine regelmäßige Vertheilung. Amnion- 
falten bilden sich aus. 

Fig. 16. Embryo vor der Bildung der Höhlen. 

Fig. 17. Die Höhlen (Cloacal- und Amnionhöhle) werden angelegt. 

Fig. 18. Es entstehen im Embryo die Kiemenzapfen. 

Fig. 19. Im Embryo sind Kiemen-, Ektoderm- und Nervenblastocyten zu 
unterscheiden. 

Fig. 20. Die Entwicklung der Kiemen schreitet vor. 

Fig. 21. Die Kiemenzapfen wachsen zusammen und es entsteht eine provi- 
sorische Scheidewand (pr.w). 

Fig. 22. Weitere Ausbildung des Embryos. 

Fig. 23. Besondere Blastocytenknospen (b.kp), die das Cloacalepithel aus- 
bilden. Der Schnitt ist schräg geführt und desswegen ist nur ein Kiemenzapfen 
vorhanden. 

Fig. 24. Weitere Ausbildung der Kiemen und Entstehung des Syncey- 
tiums (pr.w). 

Fig. 25. Ausbildung des Nervensystems und Herzens im Embryo. 

Fig. 26. Ausbildung der Kieme. 

Fig. 27. Kieme in Form einer besonderen Zellplatte. 


Über die kleinen Rindenzellen des Kleinhirns. 
Von 


Bjarne Eide 


aus Christiania. 


Mit 14 Figuren im Text. 


Dem Geheimrath v. KÖLLIKER in tiefer Verehrung und Dankbarkeit gewidmet. 


Die Molekularlage des Kleinhirns enthält bekanntlich erstens 
die Korbzellen und zweitens die sogenannten »kleinen Rindenzellen«. 
Während die ersten sehr gut untersucht und bekannt sind, haben die 
letzteren sich der Gorsr’schen Methode gegenüber sehr refraktär 
sezeist, so dass die meisten Autoren über ihre Natur und speeiell 
über das Verhalten der Axonen nichts zu berichten haben. Doch 
sind besonders in der letzten Zeit einzelne positive Beobachtungen 
‚hierüber veröffentlicht worden, aber dieselben sind noch ziemlich 
spärlich vorhanden und meistens mehr oder weniger unvollständig. 

Die erste Beschreibung der Axonen dieser Zellen stammt schon 
von 1883 und wurde von Fusarı! gegeben. Derselbe beschreibt erst 
die später als Korbzellenaxonen erkannten »fibre arcuate«, dann sagt 
er: »Doch betheiligen sich nicht alle kleinen Zellen mit ihren ner- 
vösen Fortsätzen an der Bildung der Bündel der ‚Bogenfasern‘, sondern 
der größte Theil von ihnen, ohne Ordnung in der ganzen Dicke des 
Stratums vertheilt, giebt einem nervösen Fortsatze den Ursprung, 
der, nachdem er die verschiedensten Richtungen eingenommen hat, 
plötzlich in eine zahlreiche Reihe von Fibrillen sich auflöst; doch 
kann derselbe auch seine Individualität eine Strecke lang behalten, 
um sich dann mehrmals in komplicirter Weise zu theilen.« 

Mehrere Verfasser haben lange, oberflächliche, dünne Axonen 
gesehen, deren Verbindung mit den Faserkörben um die PURKINJE- 


1 Sul’ origine delle fibre nervose nello strato molecolare delle eirconvolu- 
zioni cerebellari dell’ uomo. In: Atti d. R. Acead. di scienze di Torino. 
Vol. XIX. Disp. 1a. (November bis December 1883.) 


638 Bjarne Eide, 


schen Zellen jedenfalls nicht zu beobachten war, so Ramön Y CAJAL 
(in »Internationale Monatsschrift für Anatomie und Physiologie« 1889, 
p. 167), aber gewöhnlich wird die Frage nach ihrer Bedeutung — ob 
dieselben nur auf schlecht gelungener Färbung beruhen oder wirklich 
selbständige Bildungen sind — entweder unentschieden gelassen oder 
nach der ersten Richtung hin beantwortet. 

C. FaLconxe! beschreibt 1893 verschiedene Formen dieser Zellen, 
sowohl solche mit langen oberflächlichen Ausläufern, von denen er 
annimmt, dass sie zwischen den protoplasmatischen Fortsätzen der 
PurkınJe’schen Zellen enden, als auch Zellen vom zweiten Typus in 
den tieferen Theilen der Molekularlage, die sich wie »Korbzellen mit 
beschränktem Ausbreitungsbezirk« verhalten sollen, und endlich Zellen, 
die einen Nervenfortsatz zu der Oberfläche senden, so dass hier ein 
Tangentialfasergeflecht gebildet werden soll. 

ERNESTO LuUGARO? (1894) nimmt an, dass die von ihm beschrie- 
benen oberflächlichen, in Transversalebenen verlaufenden Axonen 
sich wahrscheinlich wie die Fortsätze der Korbzellen verhalten. 

STÖHR? (1896) spricht die Meinung aus, dass sämmtliche Zellen 
in der Molekularlage Korbzellen sind und v. KÖLLIKER!, der horizon- 
tale und direkt nach unten gehende Axonen von »kleinen Rinden- 
zellen< beschreibt, sieht auch als wahrscheinlich an, dass dieselben 
in Beziehung zu den Körpern der PurKInJE’schen Zellen treten. 

Anfang 1897 beschreibt Pont? Zellen vom zweiten Typus in 
der Molekularlage. Ich werde später Gelegenheit haben, diese 
Arbeit zu berücksichtigen. 

E. Smirnow in Tomsk® (1897) beschreibt endlich zwei Formen 
von Zellen, erstens solche vom gewöhnlichen zweiten Typus und dann 
solche mit langen transversal gehenden Axonen, die frei in der Mo- 


I La corteccia del cerveletto. Studi d’istologia e morfologia comparate. 
Napoli 1893. p. 116 ff. 

2 Sulle connessioni tra gli elementi nervosi della corteceia cerebellare ete. 
— Rivista sperimentale di freniatria e di medieina legale. Vol. XIX. F. III 
—IV. 1894. 

3 Über die kleinen Rindenzellen des Kleinhirns des Menschen. Anat. 
Anz. X. 

* Verhandlungen der Schweizerischen naturforschenden Gesellschaft bei 
ihrer Versammlung in Zürich. August 1896. 

5 Sulla corteceia cerebellare della ecavia. Monitore zoologico italiano. 
p. 36—40. Ä 

6 Über eine besondere Art von Nervenzellen in der Molekularschicht des 
Kleinhirns bei erwachsenen Säugethieren und Menschen. Anat. Anz. Bd. XIII. 


Über die kleinen Rindenzellen des Kleinhirns. 639 


lekularlage enden. Auch auf diese Arbeit werde ich später zurück- 
kommen. 

Fr. CrevArın ! hat auch ähnliche Zellen gesehen und schlägt 
vor, sie die FusArı-PontrY’schen Zellen zu nennen, welchem Vor- 
schlage ich nicht beistimmen kann, da weder Fusarı noch Ponrı 
diese Zellen in ihren Verhältnissen vollständig beschrieben haben. 
Ich werde sie mit dem ihnen von v. KÖLLIKER gegebenen Namen »die 
kleinen Rindenzellen« benennen. 

Vom Kleinhirn einer jungen Katze von eirca 6 Wochen habe ich 
mittels der Formolchromsilber-Methode Präparate bekommen, in denen 
auf der einen Seite nur wenige PurkınJe’sche Zellen und Korb- 
zellen, auf der anderen aber sehr viele Körnerzellen und »kleine 
Rindenzellen« mit ihren Axonen gefärbt waren, und sind im Folgen- 
den meine Erfahrungen hierüber, die im Wesentlichen mit denjenigen 
SMIRNOW’s übereinstimmen, dargestellt. 

Die kleinen Rindenzellen sind sehr zahlreich, ohne jedoch die 
Zahl der Körnerzellen zu erreichen. Sie kommen überall in der 
Molekularschicht vor, von den äußersten bis zu den innersten Schich- 
ten, so dass auf der einen Seite eine solche Zelle dicht unterhalb 
der Pia, scheinbar mehr auf als in der Kleinhirnsubstanz, liegen 
kann, während man auf der anderen Seite auch solche Zellen findet, 
‚die dicht auf der Lage der PurkInse’schen Zellen ihren Sitz haben. 
Ihre Zahl ist am größten in dem oberflächlichen Theile der Mole- 
kularlage und nimmt nach innen zu allmählich ab. Eine verschie- 
dene Vertheilung der zwei Smirnow’schen Hauptformen habe ich 
hier in so fern nachweisen können, als die Zahl der Zellen mit langen 
transversalen Axonen nach innen zu rascher abnimmt, als die der 
übrigen Zellen, so dass man in der Tiefe der Molekularlage verhältnis- 
mäßig mehr Zellen vom einfachen zweiten Typus sieht, höher oben 
mehr Zellen mit langen Axonen. 

Die Zellenkörper sind von verschiedener Größe. Die inneren sind 
von derselben Größe wie die Korbzellen, oder etwas kleiner; gegen die 
Oberfläche hin nimmt die Größe der Zellen etwas ab, so dass die hier 
liegenden Zellen oft kaum die Hälfte der Größe einer gewöhnlichen 
Korbzelle erreichen. Die Zellen sind multi-, bi- oder unipolar (die 
letzten Kunstprodukte durch Abschneiden der Fortsätze?). Da die 
Protoplasmafortsätze ziemlich schmal aus den Zellkörpern entspringen, 


1 Über die Zellen von Fusarr und Poxtt in der Kleinhirnrinde von Säuge- 
thieren. Anat. Anz. Bd. XIV. 1898. p. 433—436. 


640 Bjarne Eide, 


sind diese meistens von rundlichen Linien begrenzt — kugelig, spin- 
delförmig, oder bei unipolaren Formen keulenförmig. Nicht selten 
sieht man halbmond- oder helmförmige Bildungen, indem bei bi- 
polaren Zellen die zwei Fortsätze von jedem Zellenpole nach der- 
selben Seite abgehen. 

Die protoplasmatischen Fortsätze springen zu ein, zwei bis fünf 
oder selten mehr an Zahl, wie gesagt, ziemlich schmal aus den Zell- 
körpern hervor. Die Ausbreitung dieser Fortsätze liegt, wie Tan- 
gential- und Longitudinalschnitte lehren, genau in den Transversal- 
ebenen der Windungen. Sie theilen sich gewöhnlich unter langsamer 
Abnahme der Dicke zwei bis fünf Mal oder mehr; die Theilungsäste 
bilden spitze Winkel mit einander und senden gewöhnlich nur wenige 
Seitenäste ab. Der Verlauf richtet sich nach den örtlichen Verhält- 
nissen, so dass die Protoplasmafortsätze der oberflächlichsten Zellen 
wesentlich parallel mit der Oberfläche gehen, weniger häufig nach 
innen; die der mittleren gehen nach allen Richtungen, und endlich 
diejenigen der innersten Zellen treten meistens fächerförmig gegen 
die Oberfläche; dieser so gebildete Fächer kann oft ganz schmal sein, 
indem die Fortsätze beinahe einander parallel der Oberfläche zu- 
streben. Bei den am tiefsten liegenden Zellen sieht man oft, dass 
Protoplasmafortsätze die PuRKINJE’sche Schicht durchqueren und 
mehr oder weniger tief in die Körnerlage hineindringen. Die Länge 
dieser Fortsätze ist sehr verschieden nach der Größe der Zelle; sie 
kann so groß sein, dass z. B. die tiefsten Zellen ihre Fortsätze durch 
die ganze Molekularlage hindurch zu der Oberfläche senden, oder die 
Fortsätze können ähnliche Strecken parallel mit der Oberfläche durch- 
laufen. Die Protoplasmafortsätze werden von Pontı als sehr fein 
und stark varicös abgebildet, und solche Bildungen habe ich auch 
oft gesehen; aber nach meinem Eindrucke besonders an weniger gut 
gefärbten Präparaten. Wo die Zellen gut und kräftig gefärbt sind, 
zeigen die Fortsätze bis zu den letzten Enden eine gleichmäßig ab- 
nehmende Dicke ohne Spur von Varicositäten. Dornen oder ähnliche 
Bildungen, die an den Fortsätzen der Purkinje’schen Zellen so 
häufig zum Vorschein kommen, sieht man hier nicht oder nur an- 
deutungsweise. 

Die Axonen entspringen entweder direkt vom Zellkörper oder 
von einem Protoplasmafortsatze. Von ihnen gilt dasselbe, was eben 
von den protoplasmatischen Fortsätzen gesagt wurde: sie können 
sanz glatt und eben oder in verschiedenem Grade varicös sein, ein 


Über die kleinen Rindenzellen des Kleinhirns. 641 


Umstand, auf den ich nach dem oben von den Protoplasmafortsätzen 
Gesagten, nur wenig Gewicht legen kann. 

Bei der Beschreibung des näheren Verhältnisses der Axonen 
werde ich aus praktischen Rücksichten die von Suirvow aufgestellte 
Eintheilung in a) Zellen mit kurzen, in der nächsten Nähe sich auf- 
theilenden Axonen, und b) Zellen mit langen transversal verlaufenden 
Axonen, beibehalten. 

Die Zellen der ersten Kategorie, die also vom gewöhnlichen 
zweiten Typus sind und keine besondere Anordnung ihrer Axonen 
zeigen, sind nach meiner Erfahrung relativ selten, doch kommen sie 
in allen Lagen der Molekularschicht vor. Eben bei diesen Zellen 


Fig. 1. Fig. 2 
Zellen vom II. Typus; die erste liest oberflächlich und hat ihre Axonverästelung nach oben, die zweite 
liegt in der tiefen Hälfte der Molekularlage, und sendet ihren Axon nach unten und nach der Seite. 


sieht man oft, dass der Achseneylinder ganz glatt und von gleich- 
mäßiger Dicke ist und keine Spur von Varicositäten zeigt. Die 
Verästelung ist, wie die Figuren zeigen, nicht besonders reichlich, 
kann nach der Oberfläche zu liegen oder nach innen zu, oder end- 
lieh an der Seite der Zelle, anscheinend regellos; nur für die am 
tieisten liegenden dieser Zellen gilt als Regel, dass sie die Veräste- 
lung nach oben senden, und habe ich nie Äste in die PurkıwJr’sche 
Schicht oder durch dieselbe sich durchdrängen sehen. Diese Zellen 
gehören im Allgemeinen zu den kleineren Zellen der Molekularlage. 

Die Zellen mit langen transversal verlaufenden Axonen sind die 

Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXVI. Bd. 42 


642 Bjarne Eide, 


am meisten charakteristischen von den zwei Arten. Ich werde erst 
ihr Verhalten in großen Zügen feststellen und nachher auf Einzel- 
heiten eingehen. 

Diese Zellen kommen auch in der ganzen Dicke der Molekular- 
lage vor, aber weitaus am zahlreichsten in der äußeren Hälfte der- 
selben, wo ihre Eigenthümlichkeiten auch am besten sich zeigen. Sie 
sind viel zahlreicher als die eben besprochenen Zellen und bilden 
die Hauptmasse der kleinen Rindenzellen. Die Axonen entspringen vom 
Zellkörper oder von einem protoplasmatischen Fortsatze aus und 


Eine Zelle mit einer sehr reichlichen, nur nach unten gehenden Anfangsverästelung und mit dem Anfangs- 
stücke des transversalen Ausläufers. 


zeigen nach kurzem Verlaufe eine »Anfangsverästelung«, indem sie 
nach den Seiten hin Äste treiben, die sich weiter mehr oder weniger 
reich theilen. Diese Anfangsverästelung muss ich als etwas für diese 
Zellen sehr Charakteristisches betrachten. Nachher verlaufen die 
Axonen in Transversalebenen der Windungen mehr oder weniger 
parallel mit der Oberfläche, indem sie spärliche Äste in verschiedenen 
Richtungen aussenden, und endigen zuletzt mit einer gewöhnlich recht 
spärlichen Endverästelung. 

Wenn der Axon von einem Protoplasmafortsatze entspringt, so 


Über die kleinen Rindenzellen des Kleinhirns. 643 


kann dies in ziemlich großem Abstande vom Zellkörper geschehen, 
oft nachdem schon der betreffende Protoplasmafortsatz sich ein- oder 
zweimal getheilt hat. Das Anfangsstück ist in der Regel ziemlich 


) 


een re, were 
ee 02 22 


Fig. 4. 
Eine Zelle von dem mittleren Theile der Molekularlage mit einer mehr spärlichen Anfangsverästelung, 
die deutlich den Verästelungsmodus und die Endigungen oberhalb der PurkınJE’schen Schicht zeigt 
(letztere ist durch zwei horizontale Striche angedeutet). 


- diek und stark gefärbt, aber sehr bald wird die Färbung schlechter 
und der Axon dünner, so dass man ihn oft nur mit großer Mühe bis 
zur Anfangsverästelung verfolgen kann, von wo an er wieder dieker und 
deutlicher wird. Dieser Theil des Axons zeichnet sich auch durch 
einen konstanten Mangel an Ästen und an Varicositäten aus und 
eben so sind Schlängelungen, die im späteren Verlaufe des Axons 
gewöhnlich stark ausgesprochen sind, hier nur spärlich vorhanden. 
In einzelnen Fällen habe ich Axonen gesehen, die von Anfang an 
gleichmäßig gefärbt und von gleichmäßiger Dicke waren, und auch 
solche, bei denen der eben besprochene Theil schlecht gefärbt war 
und anscheinend sehr dünn, sich aber doch bei genauer Einstellung 
als von gleichmäßiger Dicke zeigte. Es wird daher vielleicht eine 
offene Frage sein, ob nicht das starke Dünnerwerden, das sowohl 
von Pontı als von Smirnow besprochen wird, doch nur auf undeut- 
licher schlechter Färbung beruhe. Jedenfalls wird wohl dieser Theil 
des Axons als derjenige angesehen werden müssen, der den bekannten 
zähen Widerstand gegen die Einwirkung der Reagentien setzt. Dafür 
42* 


544 Bjarne Eide, 


spricht erstens, dass man immer, wenn dieser Theil überhaupt, wenn 
auch nur schlecht gefärbt worden ist, den Rest des Axons bis zu den 


Fig. 5. 
Eine Zelle von der Mitte der Molekularlage mit einer nicht reich- 
lichen Anfangsverästelung, die nach oben und unten geht und nur 
von zwei Hauptästen entspringt. 


letzten Endigungen gut 
gefärbt bekommt, und 
zweitens eben der bespro- 
chene Mangel an Vari- 
cositäten und Schlänge- 
lungen, indem diese Er- 
scheinungen wohl alle 
beide als Wirkungen 
der Reagentien zu be- 
trachten sind (siehe 
KÖLLIKER, Gewebelehre 
des Menschen, II, p. 80 
und 82), und drittens 
endlich meine oben be- 
sprochenen direkten Be- 
obachtungen. 

Von der »Anfangs- 
verästelung« sagt SMIR- 
now: »Gewöhnlich geht 
vom Neurit in der Nähe 


seines Ursprunges eine Collaterale, seltener zwei aus, welche sich in 
der Molekularlage reichlich verzweigen.« Poxtı beschreibt diese Zellen 


Fie. 6. 


Eine mittlere Zelle mit reichlicher, nach allen Seiten hin sich ausbreitenden Anfangsverästelung. 


Über die kleinen Rindenzellen des Kleinhirns. 645 


überhaupt eigentlich nicht, doch giebt er eine gute und charakteristische 
Beschreibung sowohl alsauch Zeichnungen von solchen Anfangsveräste- 
lungen; aber die davon weiter gehenden langen Transversalfasern hat 
er nicht gesehen (Op. eit. p. 39, Fig. 11 u. 13). Diese Anfangsverästelung 
wird dadurch gebildet, dass selten nur ein, gewöhnlich drei bis fünf 
oder mehr Äste unter rechten Winkeln dicht neben einander oder auf 
einer kleinen Strecke vertheilt vom Axon entspringen und sich weiter 
nach den Seiten zu mehr oder weniger reichlich verästeln. Häufig 
seht die Anfangsverästelung nur nach einer Richtung und dann gewöhn- 
lich nach unten; doch sieht man auch bei tiefer liegenden Zellen, dass 
diese Verästelung hauptsächlich oder ausschließlich nach oben geht- 


Bier u. 


Eine Zelle mit spärlicher Anfangsverästelung von einem Tangentialschnitte. 


Nicht selten sieht man die Verästelung sich sowohl nach unten als 
nach oben ausbreiten und Tangentialschnitte zeigen, dass die Aus- 
breitung auch in dieser Ebene stattfinden kann. Niemals drängen sich 


Fig. 8. 
Transversalschnitt. Eine unipolare (?) Zelle, beinahe ohne Anfangsverästelung mit kurzem, sich bald in 
eine spärliche Endverästelung auflösenden Axon. 


Ausläufer von dieser Verästelung in die PuRKINJE’sche Schicht hinein, 
und nie verhalten sich dieselben wie die korbbildenden Aste der Korb- 
zellen. Alle enden in größerem oder kleinerem Abstande von dieser 


646 Bjarne Eide, 


Schicht, oft dicht darüber (Fig. 4), indem sie sich in immer feinere Aste 
auflösen. Nur in seltenen Fällen habe ich Zellen gesehen, die einer 
Anfangsverästelung ganz oder fast ganz entbehren, und glaube ich, 


. dass es sich hier jedenfalls meistens um Kunstprodukte handelte, in- 


dem die von mir beobachteten Zellen ganz nahe an der Schnittfläche 
des Präparates lagen, so dass die Verästelung leicht weggeschnitten 
sein konnte (Fig. 7, 8, 9). 

Gleich vor oder während der Anfangsverästelung wird gewöhn- 
lich der Achsencylinder wieder gut gefärbt und, wenigstens scheinbar, 
dieker. Nach derselben verläuft er, oft geschlängelt und varicös auf 
lange Strecken hin in transversaler Richtung, indem er Anfangs etwas 
dicker, später gegen das Ende wieder dünner wird. SMIRNOW 
nimmt an, dass diese Zunahme an Dicke von einer sich anlagernden 
Markscheide verursacht wird. Ich habe jedoch an meinen Präparaten 
niemals etwas gesehen, was als Markscheide gedeutet werden könnte, 
und muss ich daher glauben, dass entweder der Achseneylinder selbst 
dicker wird, oder dass an dieser Stelle der färbende Niederschlag 
am stärksten ist. Während dieses Theiles seines Verlaufes giebt der 


v a 


Fig. 9. 


Verschiedene Formen von Endverästelungen. 


Achsencylinder gewöhnlich nur wenige und oft gar keine Äste ab. 
Die Äste, die sich hier überhaupt finden, verlaufen nach allen Rich- 
tungen hin nach oben, nach unten und tangential; der letzte Fall 
scheint mir der häufigste zu sein. Die Äste verhalten sich verschie- 
den: die meisten theilen sich auf in eine spärliche Verästelung, viele 
aber enden doch auch frei und ungetheilt; diese letzteren können oft 


Über die kleinen Rindenzellen des Kleinhirns. 647 


einen ganz langen Verlauf haben, besonders die nach unten gehen- 
den, aber von diesen gilt dasselbe wie auch von der Anfangsver- 
ästelung: sie erreichen nie die Lage der PurkınJe’schen Zellen. 
Nach einem oft sehr langen Verlaufe löst sich die Faser in eine 
Endverästelung auf. Dieselbe ist nicht besonders charakteristisch, 
es sei denn durch ihre Spärlichkeit. Oft theilt sich die Faser nur in 
zwei bis drei Endäste, die sich stark verdünnend und unter Abgabe 
von wenigen ganz feinen Seitenästen frei enden. Es kommen jedoch 
auch etwas reichlichere Endverästelungen vor, die mit längeren, oft 


Fig. 10. 
Eine Zelle mit spärlicher Anfangsverästelung und mit einem transversalen Ausläufer, der nach einer 
Umbiegung in der Nähe der Ursprungszelle endet. 


unter rechten Winkeln abgehenden Seitenästen versehen sind, so 
dass sie den Anfangsverästelungen etwas ähnlich sehen können. Die- 
selben können in allen Schichten der Molekularlage liegen, sind aber 
am häufigsten in den oberflächlichsten Theilen derselben. Auch von 
ihnen gilt, dass sie keine Beziehung zu den Körpern der PURKINJE- 
schen Zellen zeigen. 

Was den Gesammtverlauf dieser Fasern anbelangt, so ist erstens 


648 Bjarne Eide, 


festzustellen, dass sie eine bedeutende Länge erreichen können; ich 
habe eine solche gemessen, die von der Ursprungszelle bis zur End- 
verästelung eine Ausdehnung von 832 u hatte, und dabei fand noch 
die Messung in gerader Richtung statt, während die Faser einen 
großen Bogen über ein Windungsthal hinüber beschrieb, so dass die 
wahre Länge wohl auf etwa 1 mm angenommen werden kann. Oft 
kann man Fasern verfolgen, die etwa dieselbe Länge haben, ohne 
dass man den Ursprung oder das Ende derselben sehen kann, so 
dass ich mich wohl kaum irre, wenn ich glaube, dass die Fasern 
häufig eine Länge von 1 mm und darüber erreichen. 
Ferner folgen die Fasern nicht immer der ursprünglichen Richtung, 
vielmehr können dieselben in die entgegengesetzte Richtung umbiegen, 


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Fig. 11. 
Axon mit Schlingenbildung. Anfangsverästelung hier reich, aber schwer zu verfolgen, wesshalb sie nicht 
in der Zeichnung ausgeführt ist. 


ja sogar nach einer zweiten Umbiegung die ursprüngliche Richtung 
wieder einnehmen, so dass je nachdem eine S-förmige Figur oder 
eine der von STÖHR beschriebenen Schlingen gebildet werden kann. 
Eine solche Umbiegung kann überall im Verlaufe eines Axons statt- 
finden, sowohl gleich nach dem Ursprunge als irgendwo im späteren 
Verlaufe. Außerdem beschreiben die Fasern oft größere oder kleinere 
Bögen, oder gehen schräg nach unten oder nach der Oberfläche zu. 
Auf Tangentialschnitten sieht man, dass der Achseneylinder nicht 
selten eine Umbiegung in der Tangentialebene macht, und also im 
weiteren Verlaufe nicht in derselben Transversalebene wie die 
Ursprungszelle liegt, wodurch erklärt wird, dass man selbst 


Über die kleinen Rindenzellen des Kleinhirns. 649 


in guten Transversalschnitten viele kurz abgeschnittene Axonen 
Sieht. : | 

In Betracht der Verhältnisse könnte man sich denken, dass es in 
der Molekularlage nur Zellen giebt, deren Axonen sich wie die letzt- 
besprochenen, langen transversalen Fasern verhalten, und nicht Zellen 
vom gewöhnlichen zweiten Typus, indem ja die Anfangsverästelung die 
Ausbreitung einer Zelle vom gewöhnlichen zweiten Typus simuliren 
könnte, wenn z. B. die lange transversale Fortsetzung weggeschnitten 
wäre. Ich habe die Frage einer sorgfältigen Prüfung unterworfen, und 
bin dadurch zu dem Resultate gekommen, dass es unzweifelhaft Zellen 
vom gewöhnlichen zweiten Typus — also ohne jegliche besondere An- 
ordnung der Achseneylinderverästelung giebt. Diese Zellen haben in der 
Regel einen kleinen Ausbreitungsbezirk und sind ganz in der Minder- 


| Big. 1. 
Eine Zelle, die eben auf der Purkınge’schen Schicht liegt, und die eine Zwischenstufe zwischen den 
zwei Smirnow’schen Hauptformen bildet. Die Äste, mit Ausnahme von einigen winzigen solchen in der 
Endverästelung, gehen alle nach oben. Die helle Straße bezeichnet die ganz ungefärbte PurkIınJE’sche 
Schicht. Darüber die Molekularschicht (mit einigen Verunreinigungen), darunter die Körnerschicht. 


zahl: Von 150 nach einander untersuchten Zellen hatten 106 un- 
zweifelhaft einen langen transversal gehenden Fortsatz, nur 8 waren 
sicher Zellen vom zweiten Typus. Nicht sicher bestimmbar waren 
36, und von diesen gehörten wieder 22 wahrscheinlich zur ersten 
Form und 14 waren möglicherweise vom gewöhnlichen zweiten Typus. 

Ein Umstand, der bei dieser Scheidung Schwierigkeiten macht, 
ist der, dass es unzweifelhaft Zellen giebt, die Zwischenstufen zwischen 


650 Bjarne Eide, 


den beiden Formen bilden. Solche Zellen sind schon von Poxrı 
(l. e. p. 38—39, Fig. 3, 4 [?}) beschrieben und gezeichnet worden. 
Ihr Ausbreitungsbezirk ist verhältnismäßig klein und zeigt nicht die 
charakteristische Anfangsverästelung ete., aber die Axonen haben 
doch das Hauptmerkmal der Transversalfasern, indem sie aus einem 
transversal gehenden Hauptaxon, von dem in nicht regelmäßiger Weise 
eine Verästelung ausgeht, bestehen. Wenn man z. B. die Fig. 12 
und 13 und mehrere der Pontr’schen Figuren betrachtet, so weiß 
man nicht recht, unter welcher der zwei Hauptformen man sie auf- 
führen soll. Eine ganze zusammenhängende Reihe von solchen 


Fig. 13. 


Eine Zelle mit zweimal gebogenem Axon — wahrscheinlich auch eine Übergangsform bildend. 


Zwischenstufen kann ich nicht aufstellen, und das würde wohl auch, 
Angesichts des großen Unterschiedes zwischen den zwei extremen 
Formen, mit großen Schwierigkeiten verbunden sein; ich kann nur 
sagen, dass diese Zwischenstufen da sind. 

Da von früheren Verfassern wie RAMON, LUGARO, STÖHR und 
KÖLLIKER, die die oberflächlichen Axonen gesehen haben, behauptet 
oder als wahrscheinlich angenommen worden ist, dass die oberlläch- 


Über die kleinen Rindenzellen des Kleinhirns. 651 


lichen transversalen Axonen doch durch absteigende Äste in Be- 
ziehung: zu den Körpern der PurkınJe’schen Zellen stehen, also wie 
die Korbzellenaxonen sich verhalten, will ich noch Folgendes be- 
merken: 

1) Ich habe nie eine Korbzelle gesehen, deren Axon eine charak- 
teristische » Anfangsverästelung« hatte. 

2) Ich habe nie gesehen, dass ein Axon mit » Anfangsverästelung« 
Äste in die Purkınse’sche Schicht hinein zu den »Körben« sandte. 

3) Die Zelle Fig. 12 (die freilich nur eine Zwischenstufe bildet) 
sendet ihre sämmtlichen Hauptäste nach oben. Nur an der Endver- 
ästelung hat sie einige kurze, winzige, nach unten gehende 
Ästehen. 

4) Trotz der großen Leichtigkeit, mit der die absteigenden, korb- 
bildenden Äste der Korbzellenaxonen in ihrem Verlaufe zu beobachten 
sind, hat meines Wissens kein Verfasser, der die oberflächlichen, 
dünnen, beinahe ästefreien Axonen beschrieben hat, Verbindungen 
dieser mit den Körben wirklich sehen können. 


Fig. 14. 


Querschnitt einer Windung mit oberflächlichen Axonen und Korbzellen mit ihren Axonen. 


5) Die Achseneylinder der Korbzellen sind sehr dick, oft excessiv 
dick, die der kleinen Rindenzellen sind sehr dünn, ja sie gehören 
zum großen Theile zu den feinsten Elementen, die es überhaupt giebt. 
Dasselbe Verhältnis besteht auch zwischen den absteigenden Ästen 
der zwei Axonformen, indem die korbbildenden Äste der Korbzellen- 


652 Bjarne Eide, Über die kleinen Rindenzellen des Kleinhirns. 


axonen meistens von Anfang an ganz charakteristisch sind, während 
die absteigenden Äste der oberflächlichen Axonen sich in keiner 
Beziehung von den anderen Ästen derselben unterscheiden. Aber 
wenn auch in den meisten Fällen dieser Unterschied sehr charakte- 
ristisch ist, so muss ich doch bemerken, dass Korbzellenaxonen (be- 
sonders oberflächlichere) so dünn, und Axonen tiefer liegender »kleiner 
Rindenzellen« so dick sein können, dass in solchen Fällen die Natur 
der Faser nicht nur auf Grund der Dicke entschieden werden kann. 
In Fig. 14 habe ich einen typischen Querschnitt dargestellt. 

6) Die Korbzellenaxonen finden sich besonders in der unteren 
Hälfte der Molekularlage, die Axonen der kleinen Rindenzellen am 
zahlreichsten in deren äußeren Hälfte bis dieht unter der Pia, ohne 
jedoch eine besondere oberflächliche Lage zu bilden, wie FALCONE 
beobachtet haben will. 

7) Die Axonen der »kleinen Rindenzellen« sind (oder werden 
durch die Behandlung) gewöhnlich ausgesprochen varicös, was bei 
denjenigen der Korbzellen nicht der Fall ist. 

Unter den Übereinstimmungen zwischen den beiden Elementen, 
- ist die wichtigste die, dass sie alle beide in transversalen Ebenen 
verlaufen, zweitens haben auch die Korbzellenaxonen die oben be- 
sprochenen Umbiegungen und Schlingenbildungen, und drittens end- 
lich verhalten sich die aufsteigenden Äste dieser Axonen ganz wie 
die Äste der Axonen der kleinen Rindenzellen, indem sie in der 
Molekularlage frei enden. 

Ich möchte also meinen Befund dahin resumiren, dass es in der 
Molekularlage des Kleinhirns der Katze außer den Korbzellen noch 
andere Zellen giebt, nämlich: 1) Zellen mit bis etwa 1 mm langen, 
transversalen Axonen mit einer besonderen, oben besprochenen An- 
ordnung, 2) Zellen vom gewöhnlichen zweiten Typus, 3) Zwischen- 
stufen zwischen diesen beiden Zellenformen. 


Würzburg, im August 1899. 


Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. 


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Esther Jorunsson; 16,17 Anna. liljeroos gez. 


Verlag.von Wähelm Engelmann, Deinzig. 


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Zeitschrift 


für 


WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE 


begründet 


Carl Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker 


herausgegeben von 


Albert v. Kölliker und Ernst Ehlers 


Professor a. d. Universität zu Würzburg Professor a. d. Universität zu Göttingen 


Sechsundsechzigster Band 


Erstes Heft 


Mit 11 Tafeln und 2 Figuren im Text. 


LEIPZIG 
Verlag von Wilhelm Engelmann 


1599. 


Ausgegeben den 6. Juni 1899. 


InhatEt 


5 Seite 
Beiträge zur Histologie der männlichen Geschlechtsorgane von Hirudo und 
Aulastomum, nebst einigen Bemerkungen zur Epithelfrage bei den 
Plattwürmern. Von A. Schuberg. (Mit Taf) Er er 1 
The Anatomy of the Female Genital Tract of the Pupipara as observed in 
Melophagus ovinus. By H. S. Pratt. (With Plates II—-II and 


1 Fig. in Text.) „>... nie ve.) eu 0 02 ES 16 
Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Wirbelsäule bei Reptilien. Von 

H. Männer. (Mit Taf. IV VIL).2. 2 0 Dres 43 
Anatomische Beiträge zur Frage von der Sekretion und Resorption in der 

Darmschleimhaut. Von W. Möller {Mit Taf. VIII und IX.) .. 69 
Über eigenthümliche epitheliale Gebilde (Leuchtorgane) bei Spinax niger. 

Von L. Johann. (Mit Tafel X—XI und I Fig. im Text) ..... 136 

Mittheilung. 


Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herrn Prof. Ehlers 
in Göttingen einzusenden. Im Interesse einer raschen und sicheren 
Veröffentlichung liegt es, dass die Manuskripte völlig druckfertig 
eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschüben und aus- 
gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und 
sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponirung 
der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der Raum des in der 
Zeitschrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für 
Holzschnitt bestimmte Zeichnungen sind auf besonderen Blättern 
beizulegen. 


Die Verlagshandlung Die Herausgeber 
Wilhelm Engelmann. v. Kölliker. Ehlers. 


Die Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift für wissenschaftliche 
Zoologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Separat- 
abzüuge gratis. Sollten mehr als 40 Separatabdrücke gewünscht 
werden, so erfolgt deren Anfertigung gegen Erstattung der Her- 
stellungskosten und unter der EL DENZILLE dass sie nicht für 
den Handel bestimmt sind. 


Für ein auswärtiges biologisches Laboratorium wird ein 


Zeichner 


mikroskopischer Präparate gesucht, der bereits Übung in Arbeiten nach 
Schnitten hat. Probezeichnungen und Zeugnisse nebst Ansprüchen sind ein- 
zusenden an 


Werner & Winter, 
Lithographische Anstalt, Frankfurt a/M., 


woselbst auch nähere Auskunft ertheilt werden kann. 


} Zeitschrift 


für 


WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE 


begründet 


Carl Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker 


herausgegeben von 


Albert v. Kölliker und Ernst Ehlers 


Professor a. d. Universität zu Würzburg Professor a. d. Universität zu Göttingen 


Sechsundsechzigster Band 


Zweites Heft 


Mit 8 Tafeln und 5 Figuren im Text. 


LEIPZIG 
Verlag von Wilhelm Engelmann 


1899. 


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Ausgegeben den 21. Juli 1899. 


Inhalt. 


Seite 
Untersuchungen über das Verhalten der Nucleolen bei der Eibildung einiger 
Mollusken und Arachnoiden. Von P. Obst. (Mit Taf. XII-XIIH 
und. 5 .Fig. im, Text.) ..x ... 2. W020. 020 202 161 
Zur Kenntnis der glatten Muskelzellen, insbesondere ihrer Verbindung. Von 
J. Schaffer. (Mit Taf. XIV und XV. er m 214 


Über zwei Zoantheen. Von A. R. v. Heider. (Mit Taf. XVI und XVIL) 269 


Beiträge zur Morphologie des Stachelapparates der Hymenopteren. Von 
E. Zander. (Mit Taf. XVII u. XDQ) ne 289 


Mittheilung. 


Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herrn Prof. Ehlers 
in Göttingen einzusenden. Im Interesse einer raschen und sicheren 
Veröffentlichung liegt es, dass die Manuskripte völlig druckfertig 
eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschüben und aus- 
gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und 
sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponirung 
der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der Raum des in der 
Zeitschrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für 
Holzschnitt bestimmte Zeichnungen sind auf besonderen Blättern 
beizulegen. 


Die Verlagshandlung Die Herausgeber 
Wilhelm Engelmann. v. Kölliker. Ehlers. 


Die Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift für wissenschaftliche 
Zoologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Separat- 
abzüge gratis. Sollten mehr als 40 Separatabdrücke gewünscht 
werden, so erfolgt deren Anfertigung gegen Erstattung der Her- 
stellungskosten und unter der Voraussetzung, dass sie nicht für 
den Handel bestimmt sind. 


Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. 


Vergleichende Anatomie der Wirbelthiere 
mit Berücksichtigung der Wirbellosen 


von 


Carl Gegenbaur. 


Erster Band: 
Einleitung, Skeletsystem, Muskelsystem, 
Nervensystem und Sinnesorgane. 


Mit 617 zum Theil farbigen Figuren im Text. 
gr. 8. 1898. geheftet 4 27.—; gebunden (in Halbfranz) 4 30.—. 
Der zweite Band erscheint voraussichtlich im Laufe des Jahres 1900 
und wird ein Register über beide Bände enthalten. 


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| Zeitschrift 


für 


WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE 


herausgegeben von 


Albert v. Kölliker und Ernst Ehlers 


Professor a. d. Universität zu Würzburg Professor a. d. Universität zu Göttingen 


- Nechsundsechzigster Band 


Drittes Heft 


| begründet 

Carl Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker 
| 

Mit 15 Tafeln und 9 Figuren im Text. 
| 

| 


LEIPZIG 
Verlag von Wilhelm Engelmann 


1899. 


Ausgegeben den 22. September 1899. 


Inhalt. 


Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Oligochäten. Von R. W. Hoff- 
mann. . (Mit, Taf. XX—XXT und 5 Fig. im Dext,) 2 re 335 

Zur Frage über den Bau der Herbst’schen Körperchen und die Methylen- 
blaufixirung nach Bethe.e Von A. S. Dogiel. (Mit Taf. XXI 


\ und XXIIL) ...2. . Kuna s un ee. 2 358 
Uber den feineren Bau einiger Cuticulae und der Spongienfasern. Von 
B. Sukatschoff. (Mit Taf. XXIV-XXVI und 1 Fig. im Det). 371 


Über die Entwicklung des knöcheren Rückenschildes (Carapax) der Schild- 
kröten. Von A. Goette. (Mit Taf. XXVII—XXIX und 3 Fig. 


im Text.) : ea. ie ee a Ve 407 
Nochmals über die Entwicklung der Segmentalorgane. Von R. S. Bergh. 
(Mit Tat, XXX. 22.0, 2 222 Na Ve Va 435 
Zur Kenntnis der Darmentwicklung bei Lepidopteren. Von E. Sch wartze. 
(Mit: Taf. : XXXI-XXXIV.) 0.200 2m a 450 
Mittheilung. 


Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herrn Prof. Ehlers 
in Göttingen einzusenden. Im Interesse einer raschen und sicheren 
Veröffentlichung liegt es, dass die Manuskripte völlig druckfertig 
eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschüben und aus- 
gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und 
sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponirung 
der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der Raum des in der 
Zeitschrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für 
Holzschnitt bestimmte Zeichnungen sind auf besonderen Blättern 
beizulegen. 

Die Verlagsbuchhandlung Die Herausgeber 
Wilhelm Engelmann. v. Kölliker. Ehlers. 


Die Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift für wissenschaftliche 
Zoologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Separat- 
abzüge gratis. Sollten mehr als 40 Separatabdrücke gewünscht 
werden, so erfolgt deren Anfertigung gegen Erstattung der Her- 
stellungskosten und unter der Voraussetzung, dass sie nicht für 
den Handel bestimmt sind. 


Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. 


Vergleichende Anatomie der Wirbelthiere 
mit Berücksichtigung der Wirbellosen 


von 


Carl Gegenbaur. 


Erster Band: 
Einleitung, Skeletsystem, Muskelsystem, 
Nervensystem und Sinnesorgane. 


Mit 617 zum Theil farbigen Figuren im Text. 
Gr. 8. 1898. Geheftet 4 27.—; gebunden (in Halbfranz) 4 30.—. 


— Der zweite Band erscheint voraussichtlich im Laufe des Jahres 1900 
und wird ein Register über beide Bände enthalten. 


Peitschrift 


WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE 
| begründet 


Carl Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker 


herausgegeben von 


Albert v. Kölliker und Ernst Ehlers 


Professor a. d. Universität zu Würzburg Professor a. d. Universität zu Göttingen 


Sechsundsechzigster Band 


Viertes Heft 


Mit 6 Tafeln und 19 zum Theile zweifarbigen Figuren im Text. 


LEIPZIG 
| Verlag von Wilhelm Engelmann 
| 1899. 


Ausgegeben den 20. October 1899. 


Inhalt. 

TRIER Seite 

Über Phagocytose und Exkretion bei den Anneliden. Von G. Schneider. 
(Mit Taf, XXXV. 2.0.0002 2020 2. 1 497 

Über die Temperatur der Insekten nach Beoberuungen in Bulgarien. Von 
-P. Bachmetjew. (Mit -5 Big. im Text.). . .. . me 521 

Aus dem Gebiete der Regeneration. Von E. Schultz. (Mit Taf. XXXVI 
mnd!XXXVE.)..... 0. en 2 2 605 
Zur Embryologie von Salpa maxima africana. Von A. Korotneff. (Mit 
Tat XXXVIU— XL)... .2 00.02.0000. 2 625 

Über die kleinen Rindenzellen des Kleinhirns. Von B. Eide. (Mit 14 Fig. 
im Text.) @A.+l un nu Ben 222. 2.008 EN 637 

Mittheilung. 


Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herrn Prof. Ehlers 
in Göttingen einzusenden. Im Interesse einer raschen und sicheren 
Veröffentlichung liegt es, dass die Manuskripte völlig druckfertig 
eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschüben und aus- 
gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und 
sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponirung 
der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der Raum des in der 
Zeitschrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für 
Holzschnitt bestimmte Zeichnungen sind auf besonderen Blättern 
beizulegen. 


Die Verlagsbuchhandlung Die Herausgeber 
Wilhelm Engelmann. v. Kölliker. Ehlers. 


Die Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift für wissenschaftliche 
Zoologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Separat- 
abzuge gratis. Sollten mehr als 40 Separatabdrücke gewünscht 
werden, so erfolgt deren Anfertigung gegen Erstattung der Her- 
stellungskosten und unter der Voraussetzung, dass sie nicht für 
den Handel bestimmt sind. 


Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. 


Soeben erschien: 


Erinnerungen aus meinem Leben 


von 
A. Kölliker. 
Mit 7 Vollbildern, 10 Textfiguren und dem Portrait des Verfassers in Heliogravüre. 


gr. 8. Geh. #4 9.—; in Leinen geb. 4 10.60. 


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