THE J. PAUL GETTY MUSEUM LIBRARY
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VI
ZEITSCHRIFT FÜR BÜCHERFREUNDE
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in 2018 with funding from
Getty Research Institute
https://archive.org/details/zeitschriftfurb1905gese_0
ZEITSCHRIFT
FÜR
BÜCHERFREUNDE
Monatshefte für Bibliophilie und verwandte Interessen
Herausgegeben
von
FEDOR VON ZOBELTITZ
Neunter Jahrgang — 1905/1906
Zweiter Band
Bielefeld und Leipzig
Verlag von Velhagen & Klasing
Inhaltsverzeichnis.
IX. Jahrgang 1905/1906. — Zweiter Band.
Größere Aufsätze.
Seite
Ebstein, Erich: Gedichte Bürgers in ältester Fassung. Mit einem Einschaltblatt .... 284
— — Ein Beitrag zu Chr. D. Grabbes Krankengeschichte. Mit einer Beilage in
Faksimile . 486
Fischer von Roeslerstamm, E.: Die Autographensammlung Alexander Meyer Cohn . . 414
Fred, W.: Die Buchausstellung im Salon d’Automne zu Paris . 385
Geiger, Ludwig: Schauspielerbriefe aus dem Ifflandkreise. I. Mit 2 Porträts . 320
— — Schauspielerbriefe aus dem Ifflandkreise. II. und III . 366
Haebler, Konrad: Michel Greyff als Kalenderdrucker. Mit 1 Textabbildung und 6 Ein¬
schaltblättern . 351
Hagelstange, Alfred: Erhard Schöns Titelholzschnitt zum Nativität-Kalender des Leonhard
Reymann. Mit einem Einschaltbild . 403
Hirschberg, Leopold: Franz Graf Pocci. I. Mit 42 Abbildungen . 431
— — Franz Graf Pocci. II. Mit 14 Abbildungen . 471
Hoffmann, Paul: Vergessene Verse . 3 76
Jordan, Leo: Das Verleihen der Bücher im Mittelalter . 455
Leiningen- Westerburg, K. E. Graf zu: Neuere Exlibris-Literatur . 463
— — Exlibris von Bühnenangehörigen. Mit 12 Abbildungen . 497
Löffler, Klemens: Sweinheim und Pannartz . 31 1
Mitzschke, Paul: Das Eisenbartlied in Frankreich . 424
Nowak, Karl Fr.: Eine Lavater-Mappe. Mit einer Textabbildung und zwei Einschalt¬
blättern . 318
Oswald, Hugo: Die Künste bei Schillers hundertstem Todestage. Eine Bibliographie . 409
Perzynski, Friedrich: Fälschungen und Neudrucke alter japanischer Holzschnitte. Mit
6 Abbildungen . 359
VI
Inhaltsverzeichnis.
Seite
Romdahl, Axel L.: Die Illustrationen in Stephan Arndes Bibel 1494 und andere Lübecker
Holzschnitte. Mit 9 Abbildungen . 391
Schapire, R.: Das Horarium von Chantilly . 398
Schlossar, Anton: Steiermärkische Exlibris. Ein Beitrag zur Geschichte der Bucher¬
zeichen und des Bibliothekswesens. Mit 36 Abbildungen und Faksimiles .... 261
Schmidkunz, Hans: Bibliothek und Öffentlichkeit . 420
Schüddekopf, Carl: Ein Fragment des Ardinghello . 307
Trommsdorff, Paul: Das Auskunftsbureau der deutschen Bibliotheken . 501
von Zobeltitz, Fedor: Das Stammbuch Fritz von Steins nebst einigen Brieffragmenten an ihn. I 296
— — Das Stammbuch Fritz von Steins nebst einigen Brieffragmenten an ihn. II.
Mit einem Porträt und zwei Faksimiles . 330
— — Zwei alte Stammbücher. Mit 4 Faksimiles . 458
A. K-i: Die Weigelsche Manuskript- und Miniaturen-Sammlung. Mit 4 Einschaltblattern 343
V*
Chronik.
Seite
Alrtianacb du Bibliophile für 1903 (P. Ettinger) . 51 1
Altfränkische Bilder. Jahrgang 1906. Verlag von
H. Stürtz in Würzburg. ( — bl — ) . 430
Berliner Kalender auf 1906, herausgegeben vom
Verein für die Geschichte Berlins. ( — bl — ) . 430
Berliner Kuriosa: Heft I: „Nachricht von einer
schönen That“ von Aug. Friedr. Cranz. — Heft 2 :
Silvius Landsbergers parodistische Puppen¬
komödie „Don Carlos, der Infantrist von Spa¬
nien“. (— m. — ) . 390
The Burlington Magazine for Conoisseurs .... 514
Devrient, Eduard : Geschichte der deutschen Schau¬
spielkunst. Neuausgabe von Hans Devrient
(-bl~) . 390
— — Therese: Jugenderinnerungen. Heraus¬
gegeben von Hans Devrient ( — bl — ) .... 390
Bühren, Eugen: Retif de la Bretonne. ( — bl — ) . . 512
Franziskus, Vom heiligen: Blütenkranz des heiligen
Franziskus von Assisi. Fioretti di San Fran¬
cesco. Aus dem Italienischen übersetzt von
Otto Freiherr von Taube. (Paul Seliger) . . 467
„Die Fruchtschale“: Platens Tagebücher von Erich
Petzet; Friedrich Schlegels Fragmente und
Ideen, eingeleitet von Franz Deibel; die Tage¬
bücher Henri Frederic Amiels, deutsch von
Dr. Rosa Schapire. ( — bl — ) . 468
Geschichtswerk, Ein neues illustriertes. Mit 2 Ein¬
schaltblättern. ( — bl — ) . 388
Goethe-Briefe. Herausgegeben von Philipp Stein.
Band VII. VIII. (—bl—) . 469
Goethe-Kalender. Herausgegeben von Otto Julius
Bierbaum. ( — bl — ) . 430
Grimmelshausen, Simplizissimus. Neudruck. Insel-
Verlag, Leipzig. ( — bl — ) . 429
Henning, Hans: Ed. Grisebach in seinem Leben und
Schaffen. (Ludwig Frankel) . 389
Hohenzollern-Jabrbuch 1904. (A) . 310
Insel-Almanach für das Jahr 1906. ( — bl — ) . . . 430
Kllmschscbes Jahrbuch. Fünfter Jahrgang. (A) . 389
Seite
Köster, Albert: Probefahrten. Sammlung von Arbeiten
aus dem deutschen Seminar in Leipzig. I. Conrad
Höfer, Die Rudolstadter Festspiele aus den
Jahren 1665 — 67 und ihr Dichter. — II. Friedrich
Schulze, Die Gräfin Dolores. — III. Ernst Reclam,
Johann Benjamin Michaelis. — IV. Gottfried
Niemann, Die Dialogliteratur der Reformations¬
zeit. ( — bl — ) . 350
Krüger, Herrn. Anders: Pseudoromantik. Friedrich
Kind und der Dresdner Liederkreis. ( — bl—) 310
Künstler-Monographien : Band LXXVI : Dante Gabriel
Rossetti von Jarno Jessen. — Band LXXVII:
Anselm Feuerbach von Ed. Heyck. ( — m) . . 349
Leipziger Kalender. Dritter Jahrgang. Herausgegeben
von Georg Merseburger. ( — bl — ) . 430
Lichtenberg, G. C. , bei seinem Verleger J. Chr.
Dieterich zu Gaste. (E. Ebstein) . 466
Luthers Kleiner Katechismus, 1536. Faksimile-
Neudruck herausgegeben von Pastor Lic. O.
Albrecht. (E. Thiele) . 346
Meyers Großes Konversations-Lexikon. Band X. (A) 389
Mörike, Eduard: Gesammelte Schriften. Volks¬
ausgabe. G. J. Göschensche Verlagshandlung
in Leipzig. ( — m) . 390
Pica, Vitlorio, Attraverso gli albi e le cartelle. (K. E.
Graf zu Leiningen-Westerburg) . 349
Pissin, Raimund: Gedichte von Otto Heinrich Graf
von Loeben. Auswahl, ( — bl — ) . 429
— — Otto Heinrich Graf von Loeben. Sein
Leben und seine Werke. ( — bl — ) . 429
Rebm, Herrn. Siegfr. : Das Buch der Marionetten.
(-bl-) . 470
Retzsch-Bibliographie, Zur. (Leop. Hirschberg) . . 387
Stassow, Wladimir: Über Shakespeares Kaufmann
von Venedig und das Shylock- Problem. (M.
Landau) . 425
Waldschmidt, Wolfram: Dante Gabriel Rossetti, der
Maler und der Dichter. (A) . 47°
Wintersonnenwende. Sonderheft der Monatshefte
für Graphisches Kunstgewerbe. (— m) . . . . 513
Inhaltsverzeichnis.
VII
Seite
Aus der Gießerei der Gebrüder Klingspor in Offen¬
bach. (— m) . 469
Ausstellung alter naturwissenschaftlicher Werke im
South Kensington Museum zu London. (Fl.) 350
Ausstellung graphisch - typographischer Arbeiten.
(Ernst Schur) . 347
Die englischen Bücherversteigerungen 1904/05. (M.) 426
Eine Spur der verschollenen alten Bibliothek der
Stadt Braunschweig. (Fr. Wichmann) .... 348
Seite
Exlibris. Mit 4 Abbildungen . 430
Katalog der Grillparzer - Sammlung von Adolf
Weilheim. ( — bl — ) . 469
Katalog der Heine-Sammlung von Fr. Meyer in
Leipzig, (—bl—) . 469
Neue Bestrebungen in Buchkunst und Bibliophilie
in Schweden. (B.) . 428
Beilagen.
Aderlasskalender auf das Jahr 1478. (Universitätsbibliothek zu Tübingen) . (S. 352—353)
Aderlasskalender auf das Jahr 1485. (Nationalbibliothek zu Paris) . (S. 354 — 355)
Aderlasskalender auf das Jahr 1495. (Hof- und Staatsbibliothek zu München) . (S. 358 — 359)
Almanach auf das Jahr 1483. (Stadtbibliothek zu Braunschweig) . (S. 352 — 353)
Aus Franz Poccls „Viola tricolor“: „Die Facultäten“ . . (S. 484 — 485)
Aus der Welgelschen Miniaturensammlung: I. Cantionale. Seite 6 mit Initial . . . (S. 344 — 345)
— — II. Cantionale. Untere Hälfte der S. 20 mit Initial . (S. 344 — 345)
— — III. Psalterium. Seite 4, Miniatur Nr. 2: Kreuztragung . (S. 344 — 345)
— — IV. Cantionale. Seite 6, Initial H: Geburt Christi . (S. 344 — 345)
— — V. Livre d’Heures. Seite 21, Miniatur Nr. 4: Markus . (S. 344 — 345)
Autograph von Franz Graf Pocci: Brief an König Ludwig 1. von Bayern . (S. 434— 435)
Doppelseitiger Almanach auf die Jahre 1491/92. (Hof- und Staatsbibliothek zu München.) Vorder- und
Rückseite . (S. 356 — 357)
Ein Blatt der Weltchronik des Abtes Ekkehard von Aura. (Aus Ed. Heycks Deutscher Geschichte,
erster Band) . (S. 388—389)
Faksimile: Gedichte Bürgers. Nach dem Original im Besitze des Dr. Erich Ebstein in Göttingen . . (S. 292 — 293)
Faksimile eines Blattes aus der Handschrift von Grabbes „Hermannsschlacht“ . (S. 494—495)
Neujahrswunsch der Zeitschrift für Bücherfreunde. Entworfen von Th. Crampe . (S. 390—391)
Physiognomische Zeichnungen Lavaters . (S. 318 — 319)
Pocci, Franz Graf: Probeblätter aus „Blumenlieder für Knaben und Mädchen“ und „Bildertöne für Klavier“ (S. 436—437)
— — Zwei Probeseiten aus dem Festkalender . (S. 438—439)
— — Der Tod mit einem Ritter Karten spielend . (S. 446 — 447)
— — Weihnachtsblatt für 1842 . (S. 454—455)
— — Aus „Minnelieder, ein Pfingstgruss“ von R. B. und F. P . (S. 476 — 477) —
Titelholzschnitt von Eduard Schön zu Leonhard Reymanns Nativltät-Kalender . (S. 406—407)
Urkunde Konrads IV. vom 25. Juni 1240 für Kaufbeuren. (Aus Ed. Heycks Deutscher Geschichte, erster
Band.) Nebst Erklärungsblatt . (S. 388 — 389)
Beiblatt.
Mitteilungen der Gesellschaft der Bibliophilen VII, i; X, i;
XII, I.
Rundfragen VIII, 1; X, 2.
Rundschau der Presse VII, 2 ; VIII, 2 ; IX, I ; X, 3 ;
XI, 1 ; XII, 2.
Von den Auktionen VII, 10 ; VIII, 9; IX, 5; XI, 6; XII, 6.
Kleine Mitteilungen VII, 12; VIII, 7; X, 8; XI, 7; XII, 8.
Kataloge VII, 13; VIII, 10; IX, 10; X, 9; XI, 9; XII, 9.
Anzeigen VI, II; VIII, 10; IX, 8; X, 9; XI, 8; XII, 9.
An unsere Leser XII, I.
A.
Ablassbriefe 351,
Aderlasskalender 352/35 3, 353,
354. 354/355. 358/359-
v. Admont, A. 263, 270.
Admont, Abtei 271.
v. Ahlefeld, Charlotte 340.
von Ahlefeld, Gräfin 488, 492.
Ahn, Friedr. 279.
Albrecht, O. 346.
Alexander, Kaiser 332, 333.
Almanach 352/353. 356/357-
Almanach du Bibliophile 51 1.
Althof, L. Chr. 285.
Altmann, G. 498, 500.
Amiel, H. F. 469.
Andersen 438.
v. Angelis, Propst 269.
Anselm, Abt 271.
Antonius, Kaiser 311.
Apel 310, 495.
Appiani, A. 460.
Aquilin Julius Caesar 274.
de Araujo, J. 465.
Ardinghello 307 ff.
Arndes, Stephan 391 ff.
von Arnim, Achim 350.
di Assisi 345.
Astrologie 403 ff.
Auffschläger, Dora 321.
Augsburg 352, 355.
Augustinus 457.
Auktionen 426 ; VIII, 9.
von Aura, Ekkehard 388/389.
Aurbacher, Ludwig 439.
Auskunftsbureau 501 ff.
Ausstellungen 347, 350, 385 ff,
428; X, 8; XI, 7; XII, 9.
Autographen 414 ff. ; VII, 12
VIII, 9; XII, 6.
v. Avelanz, Graf 272.
Azzolini, G. 426.
Schlagwort-Register
zur
Zeitschrift für Bücherfreunde
IX. Jahrgang 1905/1906
Band II.
¥~
Die kursiv gedruckten Zahlen verweisen auf das Beiblatt.
B.
Babo 371.
Bach, J. B. 450.
Bahrdt, K. F. X, 2.
Ballenberger, Karl 436.
Bämler, Johann 352, 355, 358.
Bancroft, B. 500.
Bancroft, F. W. 501.
Baer & Co., J. X, 9.
Bärengenossenschaft 433.
Barlösius, Georg 430, 499, 205.
Barol, Marquise 415.
di Bartolo, Taddeo 401.
Bartsch, Zacherias 262.
Basedow, Jean Bernard 460.
Basel 356.
Bathseba 394.
Bauchant, Jacques 456.
Baudissin, Gräfin Thekla 450.
Bauer, Friedrich 389.
Baumann, Katharina 329.
Bause, Johann Friedrich 459,
Beauneveu, Andre 398.
Becher XII, 9.
Bechstein, L. 439, 442, 446/447.
Beck, Friedrich 433 ff, 483.
Beck, Heinrich 321, 366 ff.
Beck, Madame 323, 324.
Beck-Widmanstetter 279.
Becker, Sophie 293.
Bede XI, 8.
Beer-Walbrunn, A. 499.
Beil, H. 324, 369.
Berger, A. E. 284.
Bergström, L. 500.
Berlan, Francesco 311, 3x7.
Berlin 420fr, XII, 8.
Berliner Kgl. Bibliothek 420 ff.
Berliner Kuriosa 390.
Bemadotte 334.
Bernard, A. 317.
Berneis, Br. 500.
Bernström, C. F. 428.
von Berry, Herzog Jean 398.
Bertarelli 463.
Berzelius, J. 486.
Bessarion, Kardinal 312.
v. Beulwitz, Caroline 299.
v. Beulwitz, Ulrike 297.
Bibel 391 ff.
von Biberegg, Reding 451.
Bibliographische Sammlung, Kgl.
Sächs. XII, 9.
Bibliothek deutscher Privat- und
Manuscriptdrucke 423.
Bibliothekswesen 261 ff, 420 ff,
501 ff
Bie, Oskar X, 8.
v, Biedermann, Freiherr G. W.
VII, 10; IX, 8.
Bierbaum, O. J. 430.
Bilderbibel 343.
Bilderbogen, Münchner 447.
Birgitta 394, 395.
Birlinger 478, 483.
Biscop XI, 8.
da Bisticci, Vesp. 312.
Blaubirer. Johann 355.
Bloch, Iwin 512.
Blum, J. C. 289.
Boie 284, 285, 288, 289.
Bohtz, A. W. 293.
Boek, Schauspieler 327, 328, 369.
v. Bökh, Gottfried 279.
Boktryckareföreningens Medde-
landen, allemanna svenska 397.
Bölling, Joh. Kasp. 417.
Bolt, F. 323.
Bonaventura 468.
Boner, Charles 438.
Bonesano, C. B. 461.
Bormann, Walter 486.
von Bottlick, T. 499.
Bouffler 295.
Bovet 414.
Brak 459.
Brandes 370.
Brandis, Lukas 348, 396.
Brandstetter, Hans 272, 283.
Brandweiner, A. 389.
Braun, I. E. 269, 270.
Braun, Isabella 472, 483.
Braune, Hugo L. 430.
Braunschweig 348.
Braunschweiger Bibliothek 348.
Breitkopf, J. G. J. 469.
Brentano, Clemens 439, 443, 450,
475-
Breslauer, Martin VIII, 8.
Bretschneider, H. G. X, 2.
Briefe 320 ff, 330 ff, 366 ff.
Brodmann, Nelly 497.
Bruce, Robert 425.
Bruno, Th. 496.
Buchausstellung 385 ff.
Bucheinbände XII, 9.
Buchholtz, Arend 420.
Buchgewerbemuseum, Deutsches
XII, 9.
Buchillustration 391 ff.
Buchkunst 428.
Büchner 371.
Buchzeichen 482, 483, 484.
Bücking, Arnold 3x7.
Budan, Conte E. 464.
Bühnenangehörige 497 ff.
Bullmann, Josef 269, 282.
Bürger, G. A. 284 ff.
Burgkmair, Hans 345.
„Burlington Magazine for Conois-
seurs“ 514.
de Bury, R. XI, 8.
de Bussi, I. A. 315.
Buttler, Gräfin 275, 276, 277.
c.
Calderini, D. 3x7.
Campe 383.
II
Schlagwort-Register. IX. Jahrg. Bd. II.
Cantionale 3*4, 344/345.
Carl Alexander, Erbgrossherzog
461.
Carlander, C. M. 429, 464.
Carriere 386, 480.
Casanova, Johann 460.
Chahine, Edgar 386.
Chantilly 398 ff.
Chicago A7, 8.
Chilovi, D. 502.
Cholera 491.
Christi Geburt 344/345.
Christus am Kreuz 345.
Cicero 313, 457.
Cilher Chronik 264.
Claretie, J. 500.
Clostermeier, LuiseChristiane 488.
Cohn, Albert VII, 12.
Conoisseur, The 426.
de Constances, Jean 398.
Cornelius, Peter 436.
Cosie, Bischof XI, 8.
Cotta 334.
Coudenhoven 301.
Craig, Gordon 500.
Crampe, Th. 425.
Cranz, Äug. Friedr. 390.
Creussner, Fr. VII, ix.
von Cues, Nikolaus 313.
D.
von Dalberg 368, 370.
Dauer 325.
David 394, 395, 402, 461.
Deetjen, W. 496.
Degen, I. F. 292.
Degeneration 486.
Deibel, Franz 469.
Delisle 399.
de Demay, Jean 398.
Denis 289.
Desfontaines, Bellery 387.
„Deutsche Schaubühne“ 483.
Devrient, Ed. 390.
Devrient, Hans 390.
Devrient, Otto 390.
Devrient, Therese 390.
Dialogliteratur 350.
Dieterich, J. Chr. 466.
Distichen 376 fr.
Dietell, C. 274.
Dietz, Feodor 436.
Dingelstedt, F. 492, 494.
Diogenes 493.
Dixson, Z. A. 465.
Doby, F. 500.
Dodgson 408.
Donat 313.
von Donop 419.
Doepler d. J., Emil 310, 498.
Döring, H. 486.
Dorny, Melanie 497.
Drachsel, B. 265.
Dreher, K. 498, 499.
Druckfehlerverbesserung XII, 8.
von Duhn, F. 400.
Dühren, Eugen 512.
Duller 486, 490.
Dunki, L., 512.
Düntzer 296.
Dürre 348.
E.
v. Ebart, Paul 499, 505.
Ebstein, Erich 284 ff., 467, 486 ff.
Ebstein, W. 486.
Egenolff, Chr. 404.
Eggenberg 264.
Eggloffstein, Hauptmann 301.
Ehmke, F. H. 467.
Eichstätt 357, 358.
Eisenbartlied 424.
Eisendecher, Luise 321, 323, 366,
„ 367» 373-
Eisleben 380.
Eitner, Karl X, 2.
Ekhof 321, 390.
Eimenreich, Alb. 496.
von Emich XII, 8.
Engel 320.
England 426.
Erler, Fritz 497.
Erman, Jean Pierre 459.
Ernst der Eiserne, Herzog 273.
von Esch 456.
Esslair, H. 498.
Essmarch, Chr. H. 467.
Esterle, M. 500.
Ettinger, P. 5x2.
Eusebius X, 8.
Ewers, H. H. 499.
Exlibris 261 ff., 425 fr., 430, 456
463 fr , 497 fr.
Exlibris - Bytesförening , Svensk
464.
Exlibris-Zeitschrift 463.
Exlibris - Zeitschrift , Italienische
463.
Exlibris-Zeitschrift, Schweizer 463.
Exlibris-Zeitschrift, Spanische 463.
van Eyck 399, 402.
Eylenstein 299.
F.
Faber, K. XI, 8.
da Fabriano, G. 400.
Falckenberg, O. 498.
Falk, Johannes 382.
Falmhaupt, H. J. 265.
Fälschungen 359 fr.
Faust 473, 475.
Federigo, Herzog 3x2.
Felsburg, F. 389.
da Feltre, Vittorino 315.
Fergusson, G. 498.
Fernau, Karl 439.
Ferri, N P. VII, 12.
Ferrond, Ed. 386.
Fest-Kalender in Bildern und
Liedern 436.
Feuerbach, Anselm 349.
Feyerabend, Sigmund 404.
v. Fichard 301.
Fichte 383.
Fick. R. 501.
Ficker, Joh. 343.
Fiedler, Heinrich IX, 8.
Fillion, Johann 429.
Fillon 414.
Fiorelli, G. 460.
Fischer, Carl 497, 502.
Fischer, S. X, 8.
von Flaroß 424.
Flemalle 402.
„Fliegende Blätter" 452.
Forain 386.
Franciscus 457, 467.
Fränkel, Ludwig 389; VIII, 8;
XI, 7.
Franklin, B. 295, 296.
Franks 465.
Fred, W. 385 fF.
Frensdorff, Ernst 390.
Fresenius, August VIII, 8.
Friedländer, George 420.
Froissart 398.
Frommann, Friedr. Joh. 462.
Fruchtbringende Gesellschaft 350.
Füller, Loi'e 386.
Fumagalli, Carlo 313, 315.
Funck, H. 319.
Fyner, Konrad 357.
G.
Gaddi, Taddeo 400.
Gambier Howe, E. R. J. 465.
Garrick, D. 500.
Gatterer, Ph. 285, 458.
Geburt Christi 344/345.
Geiger, Ludwig 320 ff., 366 ff.
Geiger, Willi 463.
Geisselbrecht 474.
Gelli, J. 464.
Genf 511 ff.
Gensollen, L. G. 424.
Gerardus 394.
Gerhäuser, Emil 497.
Gerle, Hans X, 9.
von Gerning 305.
Gesellschaft für deutsche Alter¬
tumskunde 435.
Gesellschaft der Bibliophilen VII.
1; X, 1, XII, 1.
Ghotan 348.
Ginepros 468.
Giotto 401, 468.
Girtanner, Chr. 295.
Gleim 285, 288, 350.
Glaser, Lulu 500.
v. Göchhausen, Louise 297, 300.
Goeckingk 288, 291
Goldschmidt, Adolph 394, 396
Goldschmidt, Ludwig VH, 13.
v. Gomperz-Bettelheim, Caroline
499.
Göritz-Lübeck-Bibliothek 420,4 21.
Görres, A. X, 2.
Görres, Guido 436, 442, 443. 450.
Gothan, B. 391.
von Goethe. Christiane 335, 336.
Goethe, Elisabeth 297, 300.
Goethe, J. W. 285, 289, 296, 207,
298, 318. 327, 330 fr.. 350, 38t.
385, 416, 4x7, 430, 439. 460.
469, 4861 498, VII, 10.
Götter, F. W. 320, 321 ff., 374.
Gottfried, Abt 264.
Gottlieb, Th. 456.
Goetz, Ferd. 498, 503.
Grabbe, Chr. D. 486 fr.
Graeber, K. 499.
Graff, Anton 460, 462.
Graphische Gesellschaft, Berlin
XII, 8.
Grätz 425.
Graz 261 ff. j XI, 7.
Gregori, Ferd. 499.
Greyff, Michel 35xff.
Gries, J. A. P. 292.
Grillparzer 469.
Grimani-Brevier 400.
Grimm, Alb. Ludw. 438, 442.
Grimm, Wilhelm 350.
Grimmelshausen 429.
Grisebach, Ed. 284, 290, 296,
3°7» 389. 466. 486, (87. (94,
495-
Grolier-Club XI, 8.
Grolig, Moriz 502.
von Gross, Ad. 499.
Grube, Max 498.
Gruber, Patriz 273.
Gubitz, F. W. 487, 494.
Guggenberger, Th. 436.
Güll, Friedr. 44T.
Gutenberg 311, 313, 351. 514 ; X, 8.
Guthrie, J. 465.
Gutzkow 489.
H.
Haebler, Konrad 351 ff.
Hagelstange, Alfred 403 ff.
Hahn, Ulrich 317.
Hajdn, J. 499.
Halbreiter, U. 436.
Haies, John W. 425.
v. Halm, Karl VIII, 7.
von Hameln, Gerwin 348.
Hamerling, R. 283.
Hamle, Christian 435.
Handschriften 343 ff.
Hardenberg, Graf 300.
Harrwitz, M. XI, 8.
Harunobu 361.
von Hase, K. A. 461.
Hasegawa, T. 361.
Hasselquist, A. 428.
Hayashi, Y. 361, 364.
Haydt, J. F. 280.
Hebbel 494.
Hebel, Peter 481.
Heermann, Johann 506.
Heimann, Hugo 421.
Heine, E. 389.
Heine, H. 469, 491, 493, 494.
Heinrichs Litanei 264.
Heinse 309.
Heitz & Mündel 351.
Heller, L. 498, 503.
Hemma, Gräfin 271.
Henckel, Wilhelm 425.
Hennig, P. 389.
Henning, Hans 389.
Hensel, Friderike 328, 374.
Herbart 384.
v. Herbersdorf, U. 265.
v. Herberstein, Frhr. 264, 265, 280.
v. Herberstein, Graf 278.
Herder, Johann Gottfried 299, 460.
Heroux, Br. 498, 499.
Herrmann, Max 423.
Herterich, Frz. 498, 500.
Hertz, Wilhelm VIII, 8.
de Hesdin, J. 398.
Hettner, 285.
Hey, Anna 290.
Heyck, Eduard 349, 388.
von Heydeck 474.
Heyne, Chr. Gottl. 458.
Hildebrandt, Ad. M. 498.
Hilden, P. 498.
Hildesheim 344.
liiroshige 361, 363.
Hirschberg, Leopold 387, 43« ff,
471 ff
Hirzel VII, 10.
Hirzel, Herrn. 497.
Hofer, Conrad 450.
Hoffmann, C. Th. A. 431.
Hoffmaun, Paul 376.
Hoffstadt, Friedrich 436.
Hofmann, Alois 408, 502.
Hofmann, Rud. 498, 502.
Hofstetter, Heinrich 435.
Hokkei 361.
Hokusai 360 ff, XII, 8.
von Hohenburg. Markgraf 436.
Hohenzollern 463.
Hohenzollem-Jahrbuch 310.
Holland, H. 431, 440. 451, 474,
484.
v. Holleben, Friederike 297.
Holt*, W. 498.
Holzschnitte 391 ff.
Holzschnitte, japanische 359 fr.
Hoeuig, Berth. 284 ff.
Horarium 308 ff.
Hoesch, Leopold X, 8.
Hosemann, '1 heodor 438.
Houben, H. H. 496.
Hübener, M. 499.
Huber, Ludwig Ferd. 460.
Hübner, M. 506.
Hufeland 383.
Hugo, Victor 386.
Humpenau 433.
Humpenburg, Die 434.
Huenerwolf, Abt 271.
Hupp, Otto 460. .198.
von Hutten, Ulricn 350.
I.
Iffland 320 ff, 366 fr.
Ihering 426.
Illustrationen 391 ff.
Imhoff, Amalie 301.
Immermann 487, 488, 492, 493,
494, 496.
Ingeman 394.
Inkunabeln 428.
Insel-Almanach 430.
Irdning 272.
Irimbert, Abt 264.
Irving, Henry XI, 6; 498, 500.
Issako, U. J. 465.
J-
Jacobi, E. H. 416, 417.
Jacobsen, Emil VII, 12.
Jagemann 336, 337.
Jamnitzer, W. 283.
Japan 359 fr.
Jefferson, J. 500.
Jellinek, A. L. VII, 2; VIII, 2
XI, 1 ; X, 2, 3 ; XI, 1, XII, 2
Jenson, Nikolaus 317.
Jessen, Jarno 349.
Joanneum 263.
Johann, Erzherzog 263.
Johann Andreas, Bischof 514.
Johann Anton, Propst 264, 265,
268.
Johann Emst, Propst 267, 269, 270.
Johannsen, Th. 499.
Jongebloed, N. G. XII, 8
Jordan, Mag. 348.
Jordan, Leo 455 ff
Joubert, Joseph 455.
Juden 425.
Julius II., Papst 345.
Jung-Stilling 373.
Jürgens, A. 444.
K.
Kaiserchronik 263.
Kainz, Jos. 499, 506.
v. Kalb, Frau 372.
Kalender 351fr.; 403, 430.
Kalender-Inkunabeln 351.
Schlagwort-Register. IX. Jahrg. Bd. II.
III
v. Kaltenhausen, Franz 272.
Kant 383; VII, 13.
Karl V. 398.
Karl Günther, Prinz 300.
Kasperletheater 474.
Kästner, Abraham Gotthelf 459.
Kästner, Joh. Fr. 298.
Kataloge 469; VIII, 8; X, 8. 9.
Katechismus 346.
Kaufbeuren 388/89.
Kaulbach, Wilh. 436; VIII, 8.
Kautzsch, R. 392.
Keilhack 389.
Kellner, L. 446.
Keim, Joseph 424.
Kemp in, Kurt 497.
Kepler 404.
Kerner, Justinus 439.
Kester, F. 498.
Kettler, Gregor 268.
Keysser, Adolf 422.
Kind, Friedr. 310.
Kinderspiele 471.
Kirchenvveihe 344/343.
Kissel, C. 498.
Kiyonaga 363.
Kleinhempel, E. 350.
von Kleist, Heinrich 384, 416,
417, 486.
Kleiter, M. 498.
Klemm, Heinrich 313.
Klemming 394.
Klimsch 389.
Klingspor 469.
Klopstein 418.
Klopstock 285, 289.
Knab, A. 347.
v. Knebel, K. L., 288, 297.
Knispel, H. 497.
Knoke 346.
Kobayashi 361.
von Kobbe, Th. 487 ff.
von Kobell, Franz 440, 442, 444,
449, 472-
Koburger, A. 270.
Koch, J. L. A. 486.
Köchy, Karl 494.
Kögel 429.
Kolb, Alois 499.
Köln 392.
Kölner Stadtbibliothek 422.
Koenig, G. O. 498.
Königliche Bibliothek Berlin 501.
Konrad IV. 388/389.
Konstantin Prinz 297.
Koser, Reinh. 310.
Köster, Albert 350.
Kotzebue 382, 383.
Kraus, G. M. 460.
Kraut, A. J. 273, 274.
Kreuztragung 344/345-
Kreuzzüge 388/389.
Krieger, Bogdan 463.
Krippenspiel 479.
Krug 377 ff.
Krüger, H. A. 310.
Kugler, Franz 431, 432. ,
Kühn, Henriette X, 2.
Kuniyoshi 363.
Kürschner, Josef 321.
.Kursky, J. B. 274, 275.
Küster 324.
L.
Lacher, Carl 261, 283.
Lakatos, A. 500.
Laktanz 313, 314.
Landau, M. 426.
LandgrafF 302.
Landsberg, Martin 358.
Landsberger, Silvius 390.
Lange, Hedwig 497.
Langguth, A. 467.
Laskaris, Konstantin 312.
von Laßberg, Frl. 302.
Laszowski, E. 464.
Latini, Brunetto 437.
von Laudenbach, Johannes 3x4.
Lauer, Georg 317.
Lauff, J. 499.
Laurence, M. 499.
Lavater, J. C. 298, 299, 318 ff.
Lavater-Mappe 319.
Lectionarium 343.
Lefebre, W. 498.
Legenda aurea 334.
zu Leiningen -Westerburg, Graf
349, 357, 463 ff, 497 ff
Leipzig 430.
Leisewitz, J. A. 288, 329.
Le Monnier 461.
v. Lengefeld, Charlotte 297.
v. Lengefeld, Frau 339.
Leon, Nie. 465.
Leopold, Fürst zu Lippe 489.
Leopold, Markgraf 273.
de Lesdain, L. B. 464.
Lessing, G. E. 285.
Leutold 269.
Levi, Herrn. 499.
Lewald, August 449.
Lewinsky, G. 499.
Liber responsalis 344.
Lichtenberg, G. C. 459, 466.
Liebisch, Bernhard XI, 7.
Liechtenstein 264.
Lieder 424.
Liepmannssohn, Leo X, 9.
Lilien, E. M. 463.
von Limbnrg, Hermand 399.
von Limburg, Jehannequin 399.
von Limburg, Paul 399.
Lindau, Paul 498.
Linden, Lise 497.
Lintrensen, B. P. 269.
Lippi, Fra Filippo 402.
Livre d’Heures 344/345.
von Loeben, Graf 429.
Löffler, Kl., 311fr.
London XI, 8.
Löschke, Traugott 441.
Löschnigg, H. 2C8, 282.
Losert, J. 262.
Löwen, J. F. 390.
Lübeck 356, 391 ff.
Ludwig I., König 434/435, 437-
Ludwig II., König 483.
Ludwig Friedrich, Prinz 300.
Lunois 386.
Luerzer, A., 271.
Luther 346, 380, 381.
Lützenkirchen, M. 497.
M.
Macket, J. 499.
Magalona 345.
Magistratsbibliothek 420.
Maheda 363.
Mahner 449.
Maier, Heinrich 318.
v. Maltzahn, W. 285.
Malz, F. 498.
Manasser 282.
Manet 387.
Märchen 437.
Margraff, H. 494.
Maria Paulowna, Grossfürstin 305.
Marian, Prälat 273.
Mariazell 272.
,, Marienleben“ 264.
Marionetten 470.
Marionetten-Theater 474.
Markus 344/345.
Marquard, Herzog 272.
Marschall, Reichsgräfin Albertine
437.
Martens, Georg Friedr. 459.
Marx, Roger 386.
de'Massimi 314.
Maßmann 435, 440.
Mathilde, Königin 328.
Matsui 363, 364, 363.
Mattei, Karl 319.
Matthisson 285.
Maximilian, König 433.
Mayer, Johann Tobias 466.
Medizinisches 486.
von Meckenem, Israel 394.
Mendel, E. 495.
Mendelssohn, Moses 460, 461.
Mente, O. 389.
Menzel, W. 488.
Mercier, Seb. 372.
Merkel 382.
Merrett 350.
Merseburger, Georg 430.
Meyer, Friedrich 469.
Meyer, Henriette 488.
Meyer, R. M. 489.
Meyer, Wilhelm 351.
Meyer-Cohn, A. 414fr; VII, 12;
VIII, 9; XI, 7 , XII, 6 .
MeyersKonversations-Lexikon 389.
Michaelis- J. B. 350.
Michel Angelo VII, 12.
von Mildert, Bischof XI, 8.
Millet, Jean Francis 403.
Miniaturen 343 ff ; VII, 10.
Mitzschke, P. 424.
Miyako Shimbun 361.
Möbius, P. J. 486.
Moeder, M. 464.
Mohnköpfen, Drucker mit den drei
395. 396.
Mölkh 273.
Moeller van den Bruck, Arthur
496.
Mommsen 502.
Monatshefte für graphisches Kunst¬
gewerbe 347, 5x3.
de Mongolfier, 461.
von Monte Giorgio, Hugolino 468.
Moosbrunn, Schloß 279, 282.
Mörike, Eduard 390.
Morris, Max 486.
Morrison 414.
Moser, Emil 261, 262, 283.
Muievre, Jean 398.
Müller, Adam Heinrich 384.
Müller, Kanzler 342.
Müller, Wilhelm 498, 500.
Mullius, J. L. 466.
Müllner 384.
München XI, 7.
Münchener Bibliothek VIII, 7.
Münchener Hof- und Staatsbiblio¬
thek 351.
Musikbibliotheken 421.
Muther, Richard 391.
N.
Namenbilder 480, 481, 484.
Napoleon 332, 378, 379, 417.
Nathan 395.
Nativität-Kalender 403 ff.
Naval, Franz 498.
Nelson, Harold 465.
von Nemethy, L. 464.
Neuberg, Stift 263, 270.
Neuer, W. 437.
Neujahrswunsch 354.
v. Neyperg, Hans 269.
Nicolai, Friedrich 381, 383.
Nieritz, Gustav 442.
Niemann, Gottfried 350.
Nietzsche 467, 469, 486.
Nishikiye 359.
le Noir, Jehan 398.
Notke, Bernt 396.
Nowack, K. F. 318 fr.
Nürnberg 354.
Nycander, F. 300.
o.
Obtrpollinger XI, 7.
Ochs, Frau K. 499.
Ochs, S. 499.
Oesterhaus, Wilh. 495, 496.
v. Oettingen, W. 310.
Offner, Abt 271.
Orlik, Emil 497, 499.
Ortenhofen 270.
Ortwein, A. 269, 282.
Örtel, Willy 498.
Osaka 363.
Oswald, Hugo 409 fr.
Otto, Georg 498.
Ottokar VII. , Markgraf 274.
P.
Palm 377, 378.
Palmerius, Matth. X, 8.
Pannartz 311fr.
Paris 385 ff.
Passionale 394, 395, 396.
Paul II., Papst 315.
Pauluzzi, D. 268, 282.
Pelletan, Ed. 386.
Pellico, Silvio 415.
Perei 483.
Perrichon 312.
Personne, N. 500.
Perzynski, Friedrich 359 ff; XII, 8.
Petrarca 457.
Petters, Otto 319.
Petzet, E. 468.
Peypus, Friedrich 403, 406/407.
Pezzl, Joh. X, 2.
Philipp, Bruder 264.
Philipp der Kühne 399.
Physiognomische Zeichnungen
.3**13 !?•
Pica, Vittorio 349.
Piderit 486.
Pilo, Karl Gustav 459.
Pinturicchio 402.
Piper, C. A. 486, 487.
Pissin, R. 429.
Pittreich, M. 273.
Plakate 350.
Plakatkunst 349.
y Planas, R. M. 463.
Platen 468.
Plato 493.
Plinius 350.
Ploch, Arthur 489, 496.
Pocci, Franz Graf 431fr, 471 ff
Pocci, Gräfin Maria 446, 483.
Pollard, A. W. XI, 8.
Pöllau, Stift 263, 267, 268, 269.
Pool, F. J. 501.
Proctor, Robert 355, 357.
von Profentz, Petter 345.
Psalterium 343, 344, 344/345.
Puppenspiele 390, 471, 477. 479.
Pütter, Johann Stefan 459.
Q.
Quehl, Rosa 296.
Quincke, W. 497, 504.
Quixote, Don 499.
R.
Raabe, S. 498.
Raabe, W. 293.
Rachel, Elisa 300.
Raczynski, Graf 437.
Radowitz 4x5.
Ramler 288, 293.
v. Rappard, Frau 296.
Raschi 425.
Rauch, Herrn. 498.
von Raumer, K. 445.
Reclam, Ernst 350.
Rehm, H. S. 470.
von Reichenau, Wilhelm 357.
Reimers, Gg. 499.
Rein, Stift 263, 273.
Reinhard, K. 285.
von Reitzenstein, Tinette 303.
Rennschüb 369.
Retif de la Bretonne 312.
Retzsch 3S7.
Reun, Stift 263.
Reutlingen 353.
Reymann, Leonhard 403 ff.
,, Rheinisches Odeon“ 494.
Richter, Jean Paul Friedrich 382.
Richter, Ludwig 437, 438, 441, 444.
de Riquer, A. 465.
Ritter, Otto 292,
Robinson, Rachel 501.
Roche, Pierre 386.
Rode, Hermen 396.
Rodin 386, 387.
Röhr 342.
Romdahl, Axel L. 391 ff.
Rörer 346.
Rosegger, P. 281, 283.
Rosenthal, Jacques 343, 458.
Rosenthal, Ludwig 461.
von Roeslerstamm, Fischer 414 ff.
Rossetti 348, 349, 470.
Rößler, Arthur 463.
Roethe 487.
Rousseau 486.
della Rovere, Kardinal 345.
Roycroft, Thom. 268.
.Royer, A. 500.
Rübencamp, R. 389.
Rückert, Fr. 485.
Ruen, Georg 264.
Rundfragen VIII, 1 ; X, 2.
Rundschau der Presse VII, 2;
VIII, 2 ; IX, i; X, 3 ; XI, I ;
XII, 2.
Runkel, Martin 491, 492.
Rysselberghe 386.
IV
Schlagwort-Register. IX. Jahrg. Bd. I.
s.
Sachs, Hans 473.
Saiz, Karthause 264.
Salon d’Automne 385 ff.
St. Lambrecht 263, 272.
de St. Victor, P. B. 500.
Sattler, J. 498.
Sauer, Aug. 284, 288.
Schad, Chr. K. VIII, 8.
Schapire, Rosa 398 ff, 469.
von Schardt, Sophie 302, 332.
Schattenspiele 474.
Schauspielerbriefe 320 ff, 366 ff.
Schauspieler-Exlibris 497 ff.
Schedel, Hartmann 316.
Scherer, Georg 446, 453.
Scherer, W. 487.
Scherman, L. 508.
Scheuermann, W. 464.
Schiller 329, 366, 381, 409 ff.
Schirlentz, Nickel 346.
Schlegel, A. W. 285, 293, 382, 383.
Schlegel, Fr. 469.
Schlegel, Gebr. 381.
Schlesinger, M. 499.
Schlik 325.
Schlönbach 475, 483.
Schlossar, A. 261 ff.
Schlosser, F. Chr. 466.
Schlösser 321.
Schlösserbuch 266.
Schlotthauer 432.
Schlözer, Aug. Ludw. 459.
Schmid, Chr. H. 390.
Schmid, Joseph 474.
Schmidkunz, Hans 420 ff.
Schmidt, Erich 284, 414; VII, 12.
Schöffer, Peter 314.
Schöller, Frau Guido X, 8.
Schön, Erhard 403 ff.
Schönsperger, Johann 355.
Schoenwiese, A. und H. 283.
Schopenhauer 468, 486; X, 9.
Schopenhauer, Adele 462.
Schopenhauer, Johanna 462.
Schreiber, Rudolf 38.
Schreiber, W. L. 394.
Schreiner, J. H. C. 492.
Schrey, Adolf 463.
Schröder, Wilh. 487.
Schroeter, Adalbert 292.
v. Schrott, S. 267.
Schubert, A. R. 280, 281.
Schüddekopf 288, 293, 307 ff ; VII,
1; AT, 2 XII, 2.
Schulte vom Brühl, W. 497, 498,
499.
Schulze, Friedrich 350.
Schulze, Horst 499.
Schumann, Robert 431.
Schur, Ernst 348.
Schuster, Georg 310.
Schütze, Ilse 426, 427, 428
Schütze, Käthe 426.
Schwab, Gustav 439.
Schwanheim 3x3.
Schwanthaler, L. 432, 43;
436.
Schwarz, Sophie 293.
Schweden 428.
Seckau, Stift 262, 263, 267
Segantini 403.
Seidel, Paul 310.
Seidel, Ph. Fr. 299.
Seliger, Paul 468.
Sembrich, M. 498.
Senckenbergische Biblioth«
Seyler, Abel 324, 374, 375,
Seyler, G. A. 357.
Shakespeare 425, 493, 49,
500 ; VII, 12.
Shylok 425.
Sienesische Schule 345.
Franz Sigismund, Propst 267.
Silhouetten 387.
Simon, Propst 269.
Simrock, Karl 473.
Simson 392.
Sjögren, Arthur 428, 500 ; VII, 13.
Sixtus IV., Papst 316.
Skokloster 395.
Smith, Sidney L. 500.
Sorg, Anton 355, 356.
Sorimono 361.
Speckmann, Ambr. X, 2.
Speidel 366.
Sperelli, A. 274.
Sprickmann 293, 371.
Stael, Madame 304.
Stahr, Ad. 487.
v. Stainach, J. J. 280.
Stainz, Stift 263, 264, 265, 266, 268
Stammbücher 296, 330 ff, 458 ff;
XII, 7.
Stargardt, J. A. 414.
Stassen, Franz 498.
Stassow, Wladimir 425.
Statuta synodalia Eystettcnsia 357.
Stehle, Rudi 497.
Steiermark 261 ff.
v. Stein, Charlotte 296, 298, 3C0,
301, 330 ff
v. Stein, Emst 298.
v. Stein, Fritz 296 ff, 330 ff.
v. Stein, Karl 301, 330.
von Stein, Luise 342.
v. Stein, Maria Freiin 296.
Stein, Philipp 469.
von Steinach 280.
Steinle, Ed. 436.
Stern, Adolf 310.
Stern-Paris 500
Stichling, Karl 334.
Stickelberger, E. 464.
Stieglitz, Heinrich X, 2.
von Stieler, Caspar 350.
Stiglmayr 432.
zu Stolberg -Wernigerode, Gräfin
3X9-
von Stosch, Freiherr 303.
von Stosch, Helene 304.
Stradner, Joseph 262, 283.
Strähuber, A. 436.
von Strantz 419.
Straßburg 354.
Strindberg, A. VII, 13.
Strobel, Fr. X, 8.
Strodtmann, Adolf 294.
Stubenberg, Schloß 264, 277.
v. Stubenberg, Graf 275.
Stümcke, Heinrich 390.
Stumm, L. 498.
Subiaco 312.
v. Suchodolski, S. 497.
Sueur, J. Ph. 460.
Sulzer 324.
Super-Exlibris 263.
Svanberg, J. 500.
Sweinheim 3iiff.
Syhnn, C. 270.
T.
Tabes dorsalis 495, 496.
Talma 333.
von Taube, O. Frhr. 467.
Taubert, Emil 441.
Terry, Ellen 500.
Testament, Neues 343.
Teuffenbach 264.
Theatergeschichte 366 ff, 470.
Theaterwesen 390.
Thibaudeau 414.
Thiele, E. 346.
Thimig, H. 499. 501.
Thode, Henry 467.
Thoma, Hans 499.
Thomaz, A. F. 465.
Thom 346.
Tieck, L. 310, 480, 489.
Tiemann, Walter 430.
Tierce, J. B. 460.
Titelholzschnitt 403 ff.
Tokaido 361.
von Torquemada, Joh. 312.
Totentänze 450, 451. 454.
Toulouse-Lautrec 386
Trau, Franz VII, 10; IX, 5.
Trautmann, Franz 432, 433, 48t.
v. Trautmannsdorff, Anclr. 20 j,
270, 271.
von Treitschke, H. 506.
v. Trebra, J. W. H. 298.
Tresham, Henry 460.
Tridentone, A. 313.
Trithemius, Abt 312.
Trommsdorff. Paul 501 ff
Tronnier, Adolph 397, 398.
Tryon, Th. 501.
Tübingen 343.
Tullberg, H. W. 465.
Turrecremata 312.
u.
Unger, W. 499, 501.
Universitätsbibliothek, Graz 263.
Universitätsbibliothek Greifswald
503.
Urkunde 388/389.
Utamaro 363.
von Wangenheim, Fanny 461.
Wastler, J, 274, 282.
von Weber, Karl Maria 432.
Weber, Ludw. 499.
Weilheim, A. 469.
Weigel, Oswald 341.
Weigel, T. O. 34J.
Weigelsche Sammlung, L»ie 34 , ff
Weinhold. Karl 284.
Weiß, Anton 273.
Weiß, E. R. 430; X, 8.
Weisstein, Gotthilf 390, 414; VII,
v. Weittenhiller. M. 498.
Weltchronik 388/389.
„Weltspicgel” 499.
Wenig. B. 407, 504.
Werner. Zacharias 331, 375.
Westenrieder, I>oreiu 444.
van der Weyden, R. 401.
Wichner, R. J. 272.
Wickram, Görg 451.
Wieland, C. M. 284, 312, 382, 460.
v. Wildenstein, Frau M. 2O5.
v. Witdon, L. 268.
Wilson. Francis $00.
Winckelmann, Georg 49S.
..Wintersonnenwende" 313.
Wittenberg 346, 380, 381.
Wittmann 366.
Wittyg, VI. 465.
Witz, Conrad 402.
Wolf, Adain 205.
Wolf, Suise 43 6.
Wolf. L. F. A. 383.
Wolff. O. L. B. 462.
Wolter. J. 496.
v. Wolzogen, Karoline .99, 461.
Wood, I. 500.
Woworslcy, A. 498.
Wränget, Baronin 497.
Wurmberg, Schloß 278.
v. Wurmbrand -Stuppach , Graf
277. 278. 279.
v. Wurzbach, C. 276.
v. Wurzbach, Fr. R. 262, 282.
V.
Vadstenadiarium 394.
Valla, Laurentius 312.
Vary, Madame 338.
Vaudoyer, A. L. T. 460.
Veesenmeyer 346.
Verleihen von Büchern 455 ff
da Verona, Pietro 401.
Virchow, Rudolf 318.
Vischer, G. M. 266.
Vischer, Fr. Th. 454, 489.
Vogeler 469.
Volkner, Rob. 498.
Volksbibliotheken 420 ff.
Vollmer. A. 498.
Vorau, Stift 263, 273, 274.
Voß, Buchhändler 295.
v. Voß, Frau 297.
Voß, Georg 430.
Vrieslander, J. J. 499.
w.
Wackernagel 347.
Wagner, Richard 446.
Wahle 342.
v. Waldeck, A. 267.
Waldschmidt, W. 470.
Walker, C. A. 500.
Walser, Karl X, 8.
X.
Xenien 378.
Y.
Yedo 361.
Yeishi 363.
Ysenhut, Lienhard 356.
z.
v. Zahn, J. 264.
Zainer, Günter 352, 353, 356.
Zainer, Hans 357, 358.
Zanolio, N. 463.
Zeichnungen , Physiognomische
318/319-
von Zenge, Wilhelmine 384.
Ziegler, Karoline 329.
Ziegler, Th. 486.
Zimmer, Johann Georg 467.
Zimmermann, Emst 498, 499.
v. Zobeltitz, Fedor 296 ff, 330 ff,
458 ff.
von Zobeltitz, Hauptmann 339.
v. Zobeltitz, K. Th. 296.
Zollikofer, G. J. 460.
ZEITSCHRIFT
FÜR
BÜCHERFREUNDE.
Monatshefte für Bibliophilie und verwandte Interessen.
Herausgegeben von Fedor von Zobeltitz.
9. Jahrgang 1905/1906. - Heft 7: Oktober 1905.
Steiermärkische Exlibris.
Ein Beitrag zur Geschichte der Bücherzeichen und des Bibliothekswesens.
Von
Dr. Anton Schlossar in Graz.
as Gebiet, das heute als Herzog¬
tum Steiermark zu den Ländern
der österreichischen Krone ge¬
hört, war unter Leopold dem
Starken und seinem Sohne Otto¬
kar V. als Regenten eine Mark¬
grafschaft. Der junge Markgraf Ottokar VI.
(1165 — 1192) wurde von Friedrich Barbarossa
zum Herzog erhoben, aber, unheilbar krank und
ohne Nachkommen, übertrug er sein Herzogtum
an den Babenberger Leopold VI. von Österreich,
und nach Ottokars Tode 1192 belehnte Kaiser
Heinrich VI. feierlich den Babenberger mit
Steiermark, die von da ab mit Österreich ver¬
bunden erscheint. Mannigfaltige Kämpfe fanden
auf steiermärkischem Boden statt, bis 1260
der Böhmerkönig Ottokar daselbst
festen Fuß gefaßt, durch seine
Bedrückungen aber sich überaus
mißliebig gemacht hatte. Der große
König Rudolf von Habsburg, der
in der Schlacht auf dem March¬
felde 1278 über Ottokar siegte,
brachte das Herzogtum wieder zum
Reiche, bestätigte die alten Rechte
und Freiheiten der Bewohner und
schuf geordnete Verhältnisse. Rudolf
belehnte seinen Sohn Albrecht mit
Z. f. B. 1905/1906.
verschiedenen Ländern, unter denen sich auch
Steiermark befand, und seit 1283 befindet sich
das Herzogtum unter der Regentschaft des
Hauses Habsburg. Unter einem eigenen, in
Graz residierenden Regenten stand das Land,
als Ferdinands I. Sohn Karl (1564), vom Vater
testamentarisch mit der Regierung der Gebiete
Steiermark, Kärnten, Krain, Istrien, Görz und
Triest betraut, diese Herrschaft antrat. Die
erwähnten Gebiete trugen in ihrer Vereinigung
die Bezeichnung: Innerösterreich. Unter Karls
Sohn Ferdinand wurde nach des Kaisers Ma¬
thias Tode Österreich und Steiermark, da Ma¬
thias den Erzherzog Ferdinand an Sohnes Statt
angenommen und dieser zum Kaiser gekrönt
wurde, bleibend und für immer vereinigt. Der
Kaiser nahm seine Residenz in
Wien und die Stadt Graz hörte
auf, der Sitz eines regierenden
Herrschers zu sein. Seitdem ge¬
hört Steiermark zum Reiche, zu
den österreichischen Erblanden.
Obgleich auf dem Boden dieses
Landes zwar viele Fehden und
Kämpfe vor sich gingen und manche
Ereignisse stattfanden, die für die
Geschichte und Entwicklung des¬
selben von Bedeutung geworden
34
Abb. 1. Exlibris Carl Lacher,
gez. von Emil Moser.
2 62
Schlossar, Steiermärkische Exlibris.
Abb. 2. Das Domstift Seckau um 1660.
sind, so hat doch Steiermark nur sehr selten
im Laufe der Jahrhunderte eine so hervor¬
ragende Rolle gespielt, daß es die Augen
Europas auf sich gezogen hätte. Der Bauern¬
krieg 1521, die Einfälle der Türken aus dem
angrenzenden Ungarn 1529 und öfter, zuletzt
1683, gehören zu den außerordentlichsten
kriegerischen Ereignissen, die mit den be¬
kannten allgemeinen Türkenkämpfen in den
östlichen Ländern Österreichs Zusammenhängen.
Besonders bemerkenswert erscheint der Eingang
des Protestantismus im Lande, der schon vor
Erzherzog Karls Regierung ungemein viele
Anhänger fand; Karls Nachfolger Ferdinand
beendete die religiösen Streitigkeiten durch die
sogenannte Gegenreformation in kräftiger, gegen
die evangelische Lehre energisch gerichteter
Weise.1 Der Franzosenkrieg zu Ende des
XVIII. und zu Anfang des XIX. Jahrhunderts
1 Über diese religiöse Bewegung im Lande vgl. meine
Darstellung in der Einleitung
zu dem Aufsatze über den
„Buchdrucker und Form¬
schneider Zacherias Bartsch
zu Graz“, Zeitschrift für
Bücherfreunde, VI. Jahrgang,
Januarheft von 1903, S. 393
und 394. — Besonders treff¬
liche Auskunft bietet das
Werk „Die Reformation und
Gegenreformation in den
innerösterreichischen Län¬
dern im XVI. Jahrhundert“
von Dr. jfohann Losert.
(Stuttgart, Cotta, 1898).
Abb. 3.'
Exlibris Jos. Stradner,
gez. von Emil Moser.
lenkte allgemeinere Aufmerksamkeit auch wieder
auf das Herzogtum, das von einer viermaligen
Invasion französischer Truppen im Jahre 1797,
1800, 1805 und 1809 viel zu leiden hatte. In
Steiermark wurde 1797 zu Leoben jener Prä¬
liminarfriede geschlossen, welchem der Friede
zu Campo Formio folgte. Napoleon selbst
war in dem genannten Jahre in die Landes¬
hauptstadt Graz eingezogen. Im Jahre 1809
fand die Belagerung des Grazer Schloßberges
durch die Franzosen statt; die Stadt wurde aber
nicht eingenommen, sondern auf ausdrücklichen
Befehl aus Wien von den heldenmütigen Ver¬
teidigern den Belagerern übergeben. Eine Zeit
des Friedens folgte nach der Besiegung des
Franzosenkaisers durch die Verbündeten, und
auch das schwer geschädigte Land begann
sich wieder zu erholen. Auf seine kulturelle
Entwicklung hat in der Folge namentlich ein
Abb. 4. Exlibris Friedrich Ritter von Wurzbach,
gez. von Emil Moser.
Schlossar, Steiermärkische Exlibris.
263
Fürst aus dem Hause Habs¬
burg segensreichen Einfluß
ausgeübt: es war dies Erz¬
herzog Johann, der Bruder des
Kaisers Franz. Seine beson¬
dere Vorliebe für die öster¬
reichischen Alpenländer und
namentlich für Steiermark, in
dessen Hauptstadt der Erz¬
herzog in der Folge seinen
bleibenden Wohnsitz aufge¬
schlagen hatte, erwies der
Fürst durch die Förderung
aller kulturellen Bestrebungen
auf wirtschaftlichem und
wissenschaftlichem Gebiete. 1
An dieser Stelle ist besonders
die Gründung des Museums
„Joanneum“ im Jahre 1811 zu
Graz hervorzuheben, welche
zugleich die Errichtung einer
Bibliothek in sich schloß, die
heute die zweitgrößte des
Landes ist und reiche Bücher¬
schätze enthält. Die größere
Bibliothek ist jene der 1586
gegründeten Grazer Jesuiten¬
universität: die heutige Uni¬
versitätsbibliothek zu Graz.
Die trotz der vorüber¬
gehenden reformatorischen
Bewegung in Steiermark stets
herrschend gebliebene katho¬
lische Religion, der auch sämt¬
liche Landesfürsten angehör¬
ten — aus der ältesten Zeit ist dies ja selbst¬
verständlich — , war die Veranlassung, daß eine
ganze Reihe von Klöstern und Stiftern schon früh¬
zeitig im Lande begründet wurden, die natürlich
bedeutende Büchereien besaßen und von denen
vier berühmte bis auf den heutigen Tag bestehen;
es sind dies die 1074 gegründete Benedik¬
tinerabtei zu Admont, die Benediktinerabtei
St. Lambrecht (gegründet 1096), das Zister¬
zienserstift Rein (Reun, gegründet 1 1 29) und
das Augustiner Chorherrnstift Vorau (gegründet
1163). Aber auch viele der übrigen Stifter,
die reichliche Bücherschätze aufwiesen, Stifter,
die bei der Klosteraufhebung durch Kaiser
Joseph II. aufgehoben worden sind, verdienen
hohe Beachtung, so das reg. Chorherrnstift
Seckau (gegr. 1143), das Chorherrnstift Stainz
(gegr. 1229), das Zisterzienserstift Neuberg
(gegr. 1327), das Chorherrnstift Pöllau (gegr.
1497) und andere ähnliche geistliche Anstalten
mehr. Es wird von ihnen weiter unten noch
öfter die Rede sein. Welche hervorragenden
literarischen Schätze sich in diesen Klöstern
fanden und noch befinden, haben die For¬
schungen in neuerer Zeit erwiesen , denen
wir z. B. die Auffindung der Kaiserchronik
in Vorau und anderer Denkmäler deutscher
Poesie in jenem Stifte verdanken, ferner jene in
1 Vgl. Erzherzog Johann von Österreich und sein Einfluß auf das Kulturleben der Steiermark. Originalbriefe des
Erzherzogs aus den Jahre 1810 — 1825 . . . von Dr. Anton Schlossar. (Wien, 1878.)
64
Schlossar, Steiermärkische Exlibris.
St. Lambrecht entdeckte Handschrift, die als
„Heinrichs Litanei“ herausgegeben wurde, die
Psalmenübersetzungen und andere poetischen
Stücke aus dem Stift Rein, und die sogenannte
„Cillier Chronik“ aus der Karthause Saiz, in
der Bruder Philipp sein „Marienleben“ verfaßte.
Auch das Kloster Seiz, die älteste deutsche
Karthause, wurde 1782 aufgehoben. Auf den
verschiedensten wissenschaftlichen Gebieten
wirkten in diesen Stiftern und Klöstern gelehrte
Männer seit den ältesten Zeiten. Man denke
nur an die Abte Gott¬
fried (f 1165) und
Irimbert (f 1 1 77) von
Admont, die zu den
Gelehrtesten ihrer Zeit
gezählt wurden. Zahl¬
reiche ausgezeichnete
Handschriften liegen
auch aus der Periode
vor Erfindung der
Buchdruckerkunst
noch heute teils in den
Büchereien dieser
Klöster, teils in den
Bibliotheken vor, in
welche die Stücke nach
der Klosteraufhebung
auf Anordnung der
staatlichen Behörden
gebracht wurden.
Aber nicht nur in
den geistlichen An¬
stalten, sondern auch
in den Schlössern der
adeligen Herren, beson¬
ders im XVI. Jahr¬
hundert und später,
wurden die Dichtkunst und Wissenschaft
gepflegt. Man braucht nur die Namen der
mächtigen Adelsgeschlechter zu nennen, von
denen so viele Glieder auch auf gelehrtem
Gebiete geglänzt, um zu begreifen, daß manche
reiche Büchersammlung den Räumen der
Schlösser einverleibt war. Man denke an die
uralten Geschlechter der Stubenberg, Liechten¬
stein, Herberstein, Teuffenbach, Trautmanns¬
dorff, Eggenberg und andere, von denen manche
allerdings schon ausgestorben sind, aber nicht
ohne in vorliegenden Bänden ihrer Büchereien,
somit sie sich erhalten haben, Spuren des
einstigen geistigen Strebens ihrer Angehörigen
hinterlassen zu haben.
Diese Spuren aber sowohl von der wissen¬
schaftlichen Tätigkeit und dem Sammeleifer
noch bestehender und aufgehobener Klöster
als auch von jenen der adeligen Herren und
selbst einzelner Privatpersonen, diese Spuren
von der Freude an Büchern und am Besitze
einer Bibliothek liegen vor allem in den Exlibris ,
in den Bücherzeichen,
sowie in den Super-
Exlibris vor, deren in
der nachfolgenden Dar¬
stellung zu gedenken
sein wird. Sind der aus
Steiermark stammen¬
den Exlibris auch nicht
allzu viele bisher (zu¬
meist, wie ich bei aller
Bescheidenheit sagen
kann , durch meine
eigenen jahrelangen
Bemühungen) aufge¬
funden worden, so er¬
scheinen doch die
meisten bedeutenderen
einstigen und heutigen
Stifts- und Klostcrbiblio-
theken und manche
hervorragende Adels¬
geschlechter und Ge¬
lehrte des Landes
durch solche vertreten.
Was die Verzeichnisse
von Bibliotheken aus
früheren Jahrhunderten
betrifft, so sind in der letzten Zeit einige
derselben veröffentlicht worden, die sehr inter¬
essante Streiflichter auf das Bibliothekswesen
jener Tage werfen. 1 So erweist den Bücher¬
bestand der protestantischen Schule in Graz
1570 das von dem Prediger daselbst, Georg
Ruen, verfaßte „Verzaichnus der Buecher“,
welche der Genannte in Verwahrung hatte und
die „khunftig zu der Liberey gebraucht werden
sollen“; von 1589, 1596, 1601 und 1615 liegen
kürzere Verzeichnisse aus Privatbibliotheken
Namentlich in J. v. Zahns „Steirischen Miszellen“ (Graz, Moser, 1899), denen obige Beispiele entnommen sind.
Schlossar, Steiermärkische Exlibris,
265
von Ulrich von Herbersdorf in Graz, von Hans
Jakob Falmhaupt auf dem Gute Mülhausen,
von Bernhard Drachsel auf Neuhaus, von Frau
Margareth von Wildenstein auf Schloß Wild¬
bach vor. Ein vortrefflich übersichtliches Bild
der Sammlung eines vornehmen Adligen gibt
das Verzeichnis des Büchernachlasses von Frei¬
herrn H. Kaspar von Herberstein aus dem
Jahre 1617, das ganz besonders die Vorliebe
des Freiherrn für die Reitkunst und das Pferde¬
wesen durch französische, italienische, deutsche
und andere Werke auf
diesem Gebiete darlegt,
aber auch geschicht¬
liche, naturwissen¬
schaftliche, medizini¬
sche und schönwissen¬
schaftliche Bücher ent¬
hält, als Zeichen der
religiösen Gesinnung
des Dahingeschiede¬
nen, z. B. die „Biblia
D. Martini Lutheri,
teutsch“ Leider ist es
unergründlich, ob die
Bücher der erwähnten
Verzeichnisse auch
durch ein Exlibris oder
sonstiges Eigentums¬
vermerk kenntlich ge¬
macht worden sind.
Welchen wertvollen
Anhaltspunkt hätte
man dadurch über die
Herkunft des einen oder
des anderen Stückes
erhalten können! —
In der Darstellung, der die aufgefundenen
und hier abgebildeten Exlibris aus der Steier¬
mark, höchst seltene, zumeist wohl bisher
ganz unbekannte Stücke, zugrunde gelegt wer¬
den, sollen in erster Linie die aus den geist¬
lichen Stiftsbibliotheken stammenden Bibliotheks¬
zeichen ins Auge gefaßt sein. Da unter den
vorgelegenen Büchern, die durch ihre Exlibris
als einst solchen Bibliotheken zugehörig ge¬
kennzeichnet erscheinen, sich viele aus den auf¬
gehobenen Klöstern befinden, so dürfte eine
kurze Darlegung über die Aufhebung der steier¬
märkischen Klöster im XVIII. Jahrhundert und
über die Behandlung der darin Vorgefundenen
Werke umso mehr am Platze sein, als diese
Darstellung erklärt, wie die Bücher an ihren
jetzigen Aufbewahrungsort gekommen sind.1
Kaiser Joseph II. hatte schon 1781 den Ent¬
schluß gefaßt, die überflüssigen Klöster seines
Reiches, zu denen er zunächst jene der be¬
schaulichen Orden zählte, der Aufhebung zu
unterziehen ; es erfolgte bald darauf das kaiser¬
liche Reskript vom
12. Januar 1782, das in
dieser Beziehung ge¬
naue Direktiven vor¬
schrieb. Weiter noch
gingen die Gesetze vom
18. Juni 1785 und vom
4. Januar 1786, welche
die Aufhebung aller für
die Seelsorge entbehr¬
lichen Klöster (und
geistlichen Stifter) ver¬
fügten, doch sollte da¬
mit „nicht auf einmal,
sondern nach und nach
vorgegangen werden“;
die eigentliche Auf¬
hebung währte daher
bis 1 790. Es wurde
dabei in der größten
Ordnung und nach
weiter ausgegebenen
Erlässen vorgegangen.
Eine Zentralkommis¬
sion für den amtlichen
Vorgang befand sich
ständig in Wien, andere
sogenannte geistliche Filialkommissionen wurden
in den Provinzen ernannt; sie befanden sich am
Sitze der obersten Verwaltungsbehörde der Pro¬
vinz, des „Guberniums“, und waren aus den
Räten der genannten Zentralbehörde des Landes
gebildet, in Steiermark also aus jenen des Gu¬
berniums zu Graz. Es wurden überall genaue
Vermögensin ventare aufgenommen und den
Konventualen bestimmte Pensionen bis zu ihrem
Lebensende ausgesetzt. Das Vermögen selbst
fiel an den Staat und daraus wurde der
Abb. 7. Super-Exlibris eines Lederbandes des einstigen Chor¬
herrenstiftes Stainz unter Propst Johann Anton (nach 1748.)
(Rückseite.)
1 Vgl. Adam Wolf, Die Aufhebung der Klöster in Innerösterreich 1782 — 1790. Wien, 1871.
266
Schlossar, Steiermärkische Exlibris.
Abb. 8 Das Chorherrenstift Stainz im XVII. Jahrhundert nach G. M. Vischers Topographia Duc. Styriae, dem sogen. ,, Schlösserbuch. • •
(Graetz 1681.)
sogenannte Religionsfond zusammengesetzt. Da
hier nur die Bücher- und Handschriftenschätze
ins Auge zu fassen sind und das Schicksal
derselben nach der Aufhebung der betreffen¬
den geistlichen Anstalt, so muß betont werden,
„daß die Regierung ehrlich bemüht war, die
wissenschaftlichen Schätze der Klöster zu er¬
halten“. Der Kommissär hatte die alten Codices
und Manuskripte in Verwahrung zu nehmen
und falls sich keine Kataloge vorfanden, zu
verzeichnen. Zur Untersuchung der Kloster¬
archive war ein „dem Werk gewachsener Mann“
zu verwenden. Es wurde das Bücher- und
Handschriftenverzeichnis hierauf an die Hof¬
bibliothek in Wien eingesendet, die berech¬
tigt war, einzelnes auszuwählen. Die übrigen
Stücke wurden den Lyceal- und Universitäts¬
bibliotheken der betreffenden Provinz überlassen,
kamen in Steiermark also in die frühere Lyceal-,
die heutige Universitätsbibliothek. Man ersieht
aus diesem ganz geregelten Vorgang, daß die
meisten Bücher und Handschriften der aufge¬
hobenen steiermärkischen Klöster, mit Ausnahme
der von der Wiener Hofbibliothek ausgewählten,
der Grazer Universitätsbibliothek ein verleibt
wurden, wie die daselbst ersichtlichen Exlibris
und Super-Exlibris sowohl als auch die in man¬
chen Klöstern üblichen schriftlichen Eintrag¬
ungen in die Bücher selbst am besten erweisen.
Von den 1782 aufgehobenen steiermärkischen
geistlichen Anstalten sind hier zu nennen: die
Frauenklöster der Karmeliterinnen und des Or¬
dens der Heil. Clara zu Graz, die Clarissinnen
in Judenburg, das Benediktiner-Frauenstift zu
Göß, die Dominikanerinnen in Studenitz bei
Cilli und in Mahrenberg, die Cölestinerinnen
in Marburg, das Paulinerkloster zu Ulimin in
Untersteiermark, und an dieser Stelle erscheinen
ganz besonders wichtig: die Karthause zu Seiz
in Untersteiermark und das Augustiner-Chor¬
herrenstift zu Seckau, das 1883 wieder auf¬
lebte, da es den Beuraner Benediktinern ein¬
geräumt wurde, die freilich ihre Bibliothek ganz
neu begründen mußten, denn der alte Bestand
war längst verteilt.
Noch wichtiger erscheinen die von 1783 bis
1790 zur Aufhebung gelangten Klöster und
Stifter. Es befanden sich unter den 18 An¬
stalten, die damals eingingen und deren Bücher¬
sammlungen somit aufgelöst und den genannten
Bibliotheken einverleibt wurden, als hervor¬
ragende : das Augustiner-Chorherrenstift in Stainz,
Schlossar, Steiermärkische Exlibris.
2 67
das Chorherrenstift Rottenmann, das Stift Pöllau,
das Zisterzienserstift Neuberg und das Benedik¬
tinerstift St. Lambrecht. Bezüglich des letzteren
sei bemerkt, daß Kaiser Franz I. im Jahre 1802
die Restitution des Stiftes wieder durchführte,
das es also heutzutage wieder eine Bibliothek
besitzt, freilich ebenfalls ohne die alten, nicht
mehr zurückgelangten Bestände. Die übrigen
aufgehobenen kleineren Klöster in Graz, Mar¬
burg, Pettau usw. sind hier umso weniger
namentlich anzuführen, als die Büchersamm¬
lungen derselben weder an Zahl noch an Wert
des literarischen Materials bedeutend waren.
Es ist aus dem Vorstehenden erklärlich,
daß die hier im Bilde vorgeführten Exlibris und
Super-Exlibris, soweit sie sich auf die aufge¬
hobenen steirischen Stifter beziehen, zumeist
dem Bestände der Grazer Universitätsbibliothek
entnommen sind, und nach dem Alter der be¬
züglichen Stifter sollen die von mir bisher auf¬
gefundenen Stücke ihre möglichste
Erläuterung erfahren.
wappen, den geteilten Schild mit Hermelinpelz¬
werk im oberen Teile, ein Wappen, das nach¬
weisbar der Gründer Adelram als Heerbanns¬
zeichen geführt hat. Das Wappen links ist
das des Probstes Franz Sigismund, dessen
Name und Titel die Umschrift des Super-Ex¬
libris bildet mit der Jahreszahl 1701. Sigismund
von Schrott wurde am 24. Mai 1700 zum Prä¬
laten erwählt; er hat den beinahe 200 Jahre
dauernden Streit betreffs der Befreiung der Dom-
pröbste aus der geistlichen Gerichtsbarkeit durch
ehrenvollen Vergleich beendet. Dem wirtschaft¬
lichen Aufschwung des Stiftes wendete er seine
volle Aufmerksamkeit zu, war aber auch ein
gelehrter Mann, Doktor der Theologie und ein
großer Bücherfreund. Lange vor seinem Tode
(8. Juli 1703) besaß er schon eine reiche Privat¬
bibliothek, zumeist in schönen gepreßten Per¬
gamentbänden, wie deren eine ziemliche Zahl in
der Grazer Universitätsbibliothek noch vorhanden
Das erste dieser Stifter ist das
Chorherrnstift Seckan in Obersteier¬
mark (Abb. 2). Es wurde von Adel¬
ram von Waldeck unter Bewilligung
des Erzbischofs Konrad von Salz¬
burg 1140 in St. Maria bei Knittel¬
feld durch Berufung von Augustinern
gegründet; da jener Ort sich zu
unruhig erwies, verlegte Adelram
den Sitz seiner geistlichen Stiftung
in ein nahes Waldgebiet, in dem
ihm der Sage nach auf der Jagd
die Gottesmutter erschienen war,
wobei eine Stimme ertönte: „Hic
secca!“ Die Axt wurde an die
Waldbäume gelegt und das Stift
erbaut, in dem schon 1142 die
Chorherrn ihren Einzug hielten und
das in der Folge seines 'mehr als
600jährigen Bestandes reich und an¬
sehnlich geworden war. Hervor¬
ragende Persönlichkeiten, zum Teile
dem hohen Adel angehörig, standen
dem Stifte vor. Die vorliegende
Abbildung eines Super- Exlibris der
Seckauschen Bücherei (Abb. 5)
zeigt (heraldisch) rechts das Stifts¬
Abb. 9. Exlibris des Propstes Johann Ernst des Stiftes Pöllau (gegen 1700.)
268
Schlossar, Steiermärkische Exlibris.
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Abb. io Chorherrenstift Pol lau im XVII. Jahrhundert Nach Vischers „Schloss erblich“ von s6Sl»
sind und wie auch die Wiedergabe des Super-
Exlibris nebst dem Einbande hier nach weist.
Das Super-Exlibris ist auf allen Bänden in Gold
aufgeprägt, während die übrigen Pressungen
des mit Schließen versehenen Einbandes in
Blinddruck aufgeprägt sind. Diese seine schöne
Bibliothek wurde nach des Prälaten Tode mit
jener des Stiftes vereinigt. 1 Unter den Büchern,
die mit des Prälaten Sigismund Super-Exlibris
bezeichnet sind, befindet sich auch die prächtige
sechsbändige Biblia sacra polyglotta, Londini,
Thom. Roycroft, in Großfolio.
Das Super-Exlibris Propst Johann Antons
des Augustiner Chorherrnstiftes Stainz, das in
den Abbildungen 6 und 7 wiedergegeben ist,
findet sich auf dem Vorder- und Rückendeckel
der Acta Sanctorum Venetiis, 1734 ff., deren
sämtliche Bände bis zum Septemberbande mit
diesem Eigentumszeichen versehen sind. Die
ganz in braunes Leder gebundenen Folianten,
auf denen die beiden Pressungen in Gold sich
wirkungsvoll und deutlich abheben, machen einen
stattlichen Eindruck. Das Stift Stainz (Abb. 8)
wurde 1228 durch Leutold von Wildon, der
hierfür reiche Schenkungen machte, begründet.
Das mächtige Haus der Herren von Wildon,
1 Vgl. Gregor Kettler, Abtei Seckau in Obersteiermark.
Graz, Styria, 1902.
welche die Erbmarschallwürde in Steiermark
bekleideten, erlosch 1314. Aber mächtig blühte
LC. _ _ — -
Abb. 11. Exlibris Hanns Löschnigg, gez. von D. Pauluzzi.
Schlossar, Steiermärkische Exlibris.
269
das Stift auf, dessen 35 Pröbste vielfach edlen
Familien angehörten, zur Vergrößerung und Ver¬
schönerung des stattlichen Stiftsgebäudes nebst
Kirche beitrugen. Die Aufhebung des Stiftes
erfolgte 1785 unter dem Probst Johann Anton
von Angelis, der seit 1748 dem Stifte Vorstand
und auch für die Bibliothek eifrig und sorgsam
tätig war. Dieser Probst ist es, dessen Super-
Exlibris uns hier vorliegt. Es zeigt auf der
einen Seite das Stiftswappen: ein gestürztes See¬
blatt (seit Leutold auch das Wappen der Wil-
doner, also des Gründers), auf der Rückseite
jedes Bandes des Probstes Johann Anton eigenes
Wappen.
Noch liegt ein Super-Exlibris aus Stainz auf
einem gepreßten Pergamentbande der „Actus
Apostolorum a S. Luca conscripti .... per
Barth. Petr. Lintrensen“, Duaci, 1722, 40 vor,
das aber nicht deutlich wiedergegeben werden
kann. Die Goldpressung zeigt auf der Vorder¬
seite das Doppelwappen von Stainz und des
Probstes Simon: Simon Praepositus Stainziensis
lautet die Umschrift. Auf der Rückseite ist
das Bild der Heil. Katharina, der'Kirchenpatronin
Abb. 13. Exlibris Jos. Bullmann, gez. von A. Ortwein.
Z. f. B. 1905/1906.
Abb. 12. Exlibris des Pöllauer Domdechanten
Johann Ernst Braun von ca. 1716.
mit dem Rade in ganzer Figur eingeprägt.
Außerdem findet sich die geschriebene Inschrift
auf dem Titelblatte: „Ecclesiae S. Catherinae in
Stainz Can. K. K. Ord. S. Augustini emptus a
D. Simone praeposito“. Es war nur ein Simon
(Eberhard) Probst von Stainz, der 1650 starb.
Ich kann aber dieses Super-Exlibris mit dem
späteren Druckzeichen des Buches nicht recht
vereinbaren; sollte auch der alte Stempel noch
später verwendet worden sein, so besagt doch
jene Inschrift den Kauf durch den Prälaten
Simon.
Das schöne Exlibris des Probstes Johann
Ernst des Augustiner Chorherrnstiftes Pollau
(Abb. 9) ist in einer Zahl von gepreßten Pergament¬
bänden wertvoller theologischer Werke enthalten,
darunter namentlich einiger seltenen Inkunabeln.
Das Stift Pöllau (Abb. 10) wurde durch Hans von
Neyperg, der ohne Erben als der Letzte seines
Stammes 1483 starb, testamentarisch gegründet.
Infolge von Erbstreitigkeiten zog sich die Grün¬
dung hinaus, bis sie 1505 durch Papst Julius be¬
stätigt wurde. Einer Reihe von Pröbsten ist die
Erweiterung und Verschönerung des Stiftes zu
verdanken sowie die Vermehrung seiner Ein¬
künfte. 1701 — 1725 wurde der prächtige, noch
bestehende Kuppelbau der Stiftskirche nach dem
Plane des Domes in Salzburg hergestellt; er
bildet eine der schönsten neueren Kirchenbauten
35
2 yo
Schlossar, Steiermärkische Exlibris.
Abb. 14. Handschriftliche Widmung des Andreas von Trautmannsdorffan den Prälaten Amandus von Admont
im Innendeckel eines Sammelbandes.
in Steiermark. Im Jahre 1785 wurde das Stift
aufgelöst. Der Probst Johann Ernst von Orten-
hofen, dessen Exlibris hier vorliegt, gelangte
1697 zur Oberleitung dieses schönen und be¬
deutenden Instituts. Nicht nur der prächtige
Neubau der Kirche wurde unter ihm begonnen
und vollendet, er war während seines 46jährigen
Waltens auch in ökonomischer Beziehung ein
Förderer der Anstalt und ein ganz besonderer
Freund und Kenner der Wissenschaften. Johann
Ernst starb 1743 als vorletzter Stiftsprobst. Sein
Exlibris zeigt rechts das Wappen des Stiftes:
oben den Heil. Veit (den Kirchenpatron), da¬
neben den nach links blickenden Adler und die
Gottesmutter mit dem Kinde. Im untern Felde
sieht man einen nach links springenden Wolf. Das
zweite Wappen ist jenes von Ortenhofen. Die
Unterschrift des Exlibris enthält im Namen und
Titel des Probstes nach der damals gern aus¬
geführten Weise das Chronogramm 1700. Dieses
Exlibris findet sich in einer Reihe schön in
gepreßtes Pergament gebundener Bände, von
denen die lateinische Bibel mit den Glossen des
Lyra, Nürnberg, A. Koburger, 1487, 40, und
Lyras „Glossa in universa biblia“, Norimbergae,
1481, 40 hier besonders genannt seien.
Ein Zufall fügt es, daß ich in der Lage bin,
noch ein zweites geistliches Wappen-Exlibris
aus Pöllau hier vorzuführen. Es ist jenes des
Pöllauer Dcchants Johann Ernst Braun (Abb. 1 2)
dessen Bücher später ebenfalls der Stiftsbibliothek
einverleibt wurden, aus der sie in die Grazer
Universitätsbibliothek gekommen sind. Die An¬
fangsbuchstaben, die das Wappen umgeben,
erklärt des Besitzers eigenhändige Eintragung
in den bezüglichen, schön in gepreßtes Perga¬
ment gebundenen Stücken (P. Fr. Modestus a
S. Joannae Evang: Elucidatio literalis .... in
Threnos Jeremiae. V eterae Pragae. 1715 — 1719.
3 Vol. Fo.). Diese Eintragung lautet: „Exlibris
Joannis Ernesti Braun Can. Reg. et Decani
Pöllensis. 1716 und 1719.“ Der Bucheigen¬
tümer ist wohl später im Stifte aufgenommen
worden.
Schließlich sei erwähnt, daß ein Exlibris mit
Wappen und dem Namen P. Carol. Syhnn 1688,
Schlossar, Steiermärkische Exlibris.
27I
Abb. 15. Exlibris des Abtes Anselm Luerzer von Admont (nach 1707).
(V3 der Originalgröße.)
wahrscheinlich eines Konventualen
des Zisterzienserstiftes Neuberg, sich
in einem Buche befand, das leider
nicht aufzufinden ist. Das Stift in
Neuberg wurde durch Herzog Otto
den Fröhlichen im Jahre 1327 ge¬
gründet, (der auch in der noch be¬
stehenden Stiftskirche begraben ist),
durch Kaiser Friedrich III. umge¬
baut und in der späteren Zeit noch
erweitert. Der Besitz dieses Zister¬
zienserstiftes vermehrte sich im
Laufe der Jahrhunderte bedeutend.
39 Äbte hatten ihm vorgestanden,
als es im Jahre 1786 aufgehoben
wurde.
Diesen aus den aufgehobenen
Anstalten mitgeteilten, erhaltenen
Exlibris und Super -Exlibris mögen
sich nun die erhaltenen Bibliotheks¬
zeichen aus den noch blühenden
geistlichen Stiftern der Steiermark,
und zwar nach dem Alter der be¬
treffenden Stifte anschließen.1 Zu¬
nächst kommt hier die Benediktiner¬
abtei Admont in Betracht. Sie wurde
infolge eines Verlöbnisses der from¬
men, vom Unglück heimgesuchten
Gräfin Hemma, der Gemahlin Wil¬
helms, Grafen von Friesach und Zeltschach, im
Jahre 1074 gegründet. Admont, eines der be¬
rühmtesten Benediktinerstifte, hat eine reiche
historische Vergangenheit aufzuweisen. Es be¬
saß schon frühzeitig eine prächtige Bibliothek,
die sich außerordentlich mehrte und in dem
von dem Abte Matthäus Offner (1751 — U79)
ausgebauten, prächtig geschmücktenBibliotheks-
saale ihre Aufstellung fand. Dieser Saal ist
einer der wundervollsten Räume, die Bücher
beherbergen, und zählt zu den größten Sehens¬
würdigkeiten, die Bibliothek selbst zu einer der
reichsten Sammlungen in Österreich. Als Prä¬
laten in Admont waren Männer aus den edelsten
Geschlechtern tätig. Die Beziehungen des ur¬
alten Adelsgeschlechtes der Trautmannsdorff
reichen bis in die ältesten Zeiten des Stiftes;
1466 finden wir einen Trautmannsdorffer als
Abt Johann, der 1483 starb. Aus der Zeit des
Abtes Amond Huenerwolf (1536 — 1545) hat sich
in der Admonter Bibliothek ein interessanter
Dedikations- und damit Eigentumsvermerk des
Stiftes in der geschriebenen Widmung des An¬
dreas von Tvautmannsdorjf an den Abt Amand
erhalten (Abb. 1 4). Obgleich dieselbe kein eigent¬
liches Exlibris im gewöhnlichen Sinne genannt
werden kann, möge die merkwürdige Einschrei¬
bung vom Jahre 1541 doch hier ihre Wieder¬
gabe finden. Der Sammelband, den Traut¬
mannsdorff mit dieser Widmung den Prälaten
schenkte, enthält „Des heyligen Römischen
Reichs Ordnungen. Sampt der Gülden Bull . . .
Wormbs 1536“ mit den Adligaten von Karls V.
„Peinlicher Gerichtsordnung“, Mainz 1533, und
der„Bambergischen Halsgerichtsordnung“, Mainz
1531. — Ein schönes Exlibris-Blatt liegt in dem
des Admonter Abtes Anselm vor (Abb. 15). Anselm
Luerzer von Zechenthal wurde 1707 zum Stifts¬
prälaten erwählt und starb 1718. Er war für die
ökonomischen Angelegenheiten des Stiftes über-
1 Für die Mitteilung derselben bin ich den Herren Stiftsbibliothekaren von Admont, Rein und Vorau zu großem
Danke verpflichtet.
272
Schlossar, Steiermärkische Exlibris.
aus vorsorglich, ebenso für Vervollkommnung
der schon lange bestehenden trefflichen Lehr¬
anstalten des Klosters. Das Wappen des von
ihm geführten Exlibris zeigt im oberen Teil die
zwei Rauten, das Wappen des Stiftes Admont,
in den vier unteren Feldern das Wappen Luerzers
von Zechenthal selbst. Da er ein grober Ver¬
ehrer von Büchern auf verschiedenen wissen¬
schaftlichen Gebieten war, bereicherte er die
Stiftsbibliothek mit zahlreichen kostbaren Werken.
Seine Freude am Bücherwesen erweist auch
der Umstand, daß er dem Kapuzinerkloster zu
Irdning unfern Admont eine reichhaltige Biblio¬
thek verehrte.1
Des Benediktinerstiftes St. Lambrecht ist
schon früher gedacht. Dieses Stift wurde vom
Herzog Marquard, dem Sohne des Grafen Adal¬
bert von Avelanz, Mürzthal und Eppenstcin,
begründet; Marquards Sohn Heinrich erwirkte
1096 die vom Kaiser Heinrich IV. zu Verona
1 Über die Geschichte Admonts und seiner Abte vgl.
die ausgezeichnete „Geschichte des Benediktiner Stiftes
Admont“ von R. Jakob Wichner, dem 7 gelehrten früheren
Bibliothekar des Stiftes. Sie erschien in 4 Bänden zu Graz
1874 — 1880, ein Werk ungemeiner Gelehrsamkeit dieses
bedeutenden Historikers.
Abb. 16. Super-Exlibris des Prälaten Franz von Kaltenhausen
des Benediktinerstiftes St. Lambrecht (1663).
gefertigte Bestätigung der Stiftung. Nicht lange
nach der Gründung dieses Stiftes erstand —
worüber verschiedene Legenden erzählen — der
Wallfahrtsort Mariazell, woselbst ebenfalls St.
Lambrechter Benediktiner die Seelsorge über¬
nahmen und sie bis auf den heutigen Tag
führen. Das Stift St. Lambrecht gelangte im
Laufe der Jahrhunderte zu großem Aufschwung;
seine Abte hatten später den Rang eines Fürsten.
Es besaß sehr großen Grundbesitz und eine mit
wertvollen Büchern und Handschriften prächtig
ausgestattete Bibliothek. Es ist schon bemerkt
worden, daß St. Lambrecht 1786 aufgehoben, aber
im Jahre 1802 wieder restituiert wurde. Die in
die Grazer Universitätsbibliothek nach der Auf¬
hebung einverleibten Bücher und Manuskripte
wurden freilich nicht wieder zurückgestellt. Man
berichtet, daß die Bibliothek vor der Aufhebung
des Stiftes in Unordnung gebracht worden sei,
da verschiedene Gelehrte und Pfarrer Bücher
ohne Vermerkung entlehnten und die Rück¬
stellung vergaßen, was zu Verlusten führte.
Obgleich mir kein Exlibris aus St. Lambrecht
vorliegt, bin ich doch in der Lage, ein Super-
Exlibris des Prälaten Frans von Kaltenhausen
Schlossar, Steiermärkische Exlibris.
Abb. 18. Exlibris des Chorherrn Albert Joseph Kraut
aus dem Augustinerstifte Vorau (vor 1715).
vom Jahre 1663 vorzulegen (Abb. 16). Es befindet
sich auf allen fünf Bänden eines in Pergament
gebundenen Exemplares von Siebmachers
Wappenbuch („Das Erneute und vermehrte
Teutsche Wappenbuch.“ Nürnberg. 1657 — 72.
Quer 40. 5 Thle.). Auf der Vorderseite zeigt
jeder der Bände das St. Lambrechter Stifts¬
wappen1 in Gold gepreßt, auf der Rückseite
das hier wiedergegebene Wappen des Prälaten
Franz mit der Umschrift seines Namens und
der Jahreszahl 1663. Dieser Abt war während
seiner 45 jährigen Regierung außerordentlich
tätig und rührig. Er sorgte für den äußeren
Glanz des Stiftes und war für die Lehranstalt
an demselben eifrig tätig. Auch die Bibliothek
aufs beste auszugestalten war er bestrebt. Bei
der Vermählung des Kaisers Leopold zu Graz
1673 erschien er mit unter den hohen Herren
der Empfangsdeputation vor dem Schlosse
St. Gotthard, in dem er den Kaiser bewirtete.
Er starb hochbetagt 1708.
Das weiterhin vorgelegte Exlibris- Wappen
(Abb. 19) ist jenes des Prälaten Marian aus dem
Zisterzienserstifte Rein (nahe bei Graz). Dieses
Stift wurde im Jahre 1129 von Ottokar des
1 Die Abbildung des Wappens findet sich in meinem
früher zitiertem Aufsatze über Zacharias Bartsch im Januar¬
heft 1903 der Zeitschrift für Bücherfreunde, S. 397.
VI. Sohne, dem Markgrafen Leopold dem Starken,
gegründet und hat eine große Reihe hervor¬
ragender Persönlichkeiten aufzuweisen, die ihm
als Prälaten vorstanden, viele aus den edelsten
Familien stammend. In der Gruft der Stifts¬
kirche ist der Stifter Markgraf Leopold be¬
graben. In einer Kapelle findet sich auch das
Grabdenkmal des Herzogs Ernst des Eisernen
von Steiermark (7 1424). Der Abt Marian
Pittreich, der das abgebildete, zierlich ge¬
stochene Exlibris anfertigen ließ, waltete in den
Jahren 1745 bis zu seinem Tode 1771 des
führenden Amtes. Die neue Stiftskirche wurde
von ihm 1747 eingeweiht und unter ihm mit
schönen Fresken von Mölkh geschmückt. Der
musterhaft gehaltenen Bibliothek wandte er
hohe Aufmerksamkeit zu; er vermehrte sie mit
dem Büchernachlasse des Erzherzogs Ferdinand.
Unter ihm wurde auch die vortreffliche Urkunden¬
sammlung der Reiner Chronik zusammengestellt.
Das Doppelwappen des Exlibris zeigt (heral¬
disch) rechts das alte Wappen des Stiftes
(Namen Mariae), links des Prälaten eigenes
Wappen mit dem Monogramm M. A. 1
Ein größeres gestochenes Exlibris aus dem
Augustiner Chorherrnstifte Vorau, das mir
1 Ich verdanke dasselbe der Liebenswürdigkeit der
Herren Bibliothekare P. Anton Weiß in Rein und P. Patriz
Gruber in Vorau, die mich auch durch höchst dankens¬
werte Mitteilungen unterstützt haben.
Abb. 19. Exlibris des Prälaten Marian Pittreich des
Zisterzienserstiftes Rein (nach 1745).
274
Schlossar, Steiermärkische Exlibris.
Abb. 20. Das Augustiner Chorherrenstift Vor au im XVII. Jahrhundert.
Nach Vischers ,, Schlösserbuch“ (1681).
freundlich zur Verfügung gestellt wurde, ist das
des Chorherrn Albert Joseph Kraut (Abb. 18).
Seine Gründung verdankt das Stift Voran (Abb.20)
dem Markgrafen Ottokar VII. von Steiern.
Welche Schätze an Handschriften in Vorau
erliegen, wurde schon eingangs angedeutet; die
Bibliothek weist hervorragende Werke aus allen
Wissenschaften auf und erfreute sich sorgsamer
Aufmerksamkeit. Auch die Prälaten Voraus
entstammten häufig hochangesehenen Adels¬
geschlechtern; Wissenschaft und Gelehrsamkeit
wurden stets im Stifte gepflegt. Ein Vorauer
Chorherr war der ausgezeichnete Historiker
Aquilin Julius Cäsar (geb. 1720, 7 1792), der
Herausgeber des Quellenwerkes „Annales Du-
catus Styriae“ (Graecii 1768 — 77), 3 Bd. Fo.,
das ihm den Namen „Vater der steiermär¬
kischen Geschichte“ eintrug. Der Chorherr
Kraut, von dem auf dem Exlibris-Blatte nur die
Anfangsbuchstaben des Namens gegeben sind,
war als Vorauer Stiftsangehöriger Pfarrvikar in
der dem Stifte inkorporierten Pfarre Dechants¬
kirchen1 und hat selbst ein „Eruditorium catho-
licum“ abgefaßt, dessen Plandschrift im Stifte
liegt; er starb 1715 und wird im Catalogus
Collegii Voraviensis ein nobilis Graecensis und
1 Nach Mitteilung des Herrn Bibliothekars Gruber in
staben bot. — 2 Vgl. J. Wastler, Steirisches Künstlerlexikon.
ein vir hilarius attamen pius genannt Sein
Exlibris findet sich nicht nur in theologischen
Werken, sondern auch z. B. in des Valerius
Maximus „Neun Bücher von namhafften wunder¬
baren Geschichten“, Frankfurt 1565, fo., in
Casalicchios „Utile cum dulci d. i. Anmuthige
100 Historien“, Augspurg 1702, 40, in Lans-
pergius „Opera omnia“, Coloniae, 1693, 40 usw.;
jedenfalls scheint er ein großer Bücherfreund
gewesen zu sein. Das zweite hier wiedergegebene
Vorauer Exlibris mit dem vollen Namen Joh.Bapt.
Kursky (Abb. 21) findet sich öfter in Büchern
der Grazer Universitätsbibliothek; es gehörte
dem also genannten Weltpriester und Archi-
diakon des Archidiakonats Vorau an, der
übrigens mit dem Stifte in keiner näheren Ver¬
bindung stand. Da der darauf genannte Stecher
C. Dietell zwischen 1735 und 1756 in Graz
tätig war, 2 so hat der Besitzer der mit diesem
Exlibris gekennzeichneten Bücher also um jene
Zeit gelebt. Von den Büchern, in denen Kurskys
Bucheignerzeichen angebracht ist, nenne ich u. a.
A. Sperellis „Ragionamenti pastorali“, Venetia,
1675, in 4°
»x*
Vorau, der mir auch die Enträtselung der Anfangsbuch-
Graz 1883, S. 14.
Schlossar, Steiermärkische Exlibris.
275
Abb. 2i. Exlibris des Vorauer Archidiakons Job. Bapt. Kursky (ca. 1730).
Haben sich, wie die bisher vor¬
geführten Exlibris, aber auch die
zahlreichen, aus den steirischen
Klöstern und Stiftern hervorge¬
gangenen gelehrten Männer er¬
wiesen, vorzüglich Angehörige der¬
selben mit wissenschaftlichen Ar¬
beiten, und zwar nicht nur auf
theologischem Gebiete beschäftigt
und dem Bücherwesen und Bücher¬
sammlungen ihre besondere Auf¬
merksamkeit zugewendet, so waren
doch auch in den Kreisen anderer
Berufsstände des Landes Bücher¬
sammler und -Liebhaber zu finden,
die Gelehrsamkeit oder Freude am
Besitze einer wertvollen Bibliothek
zeigten, wie zahlreiche Bücher mit
den Bucheignerzeichen der Be¬
treffenden nachweisen. Zumal er¬
scheinen in dieser Beziehung einige
Angehörige des Hochadels, von
denen solche Stücke von mir auf¬
gefunden wurden.
Obgleich es bisher noch nicht
gelungen ist, ältere Bibliotheks¬
zeichen der gräflichen Familie
Stubenberg zu erlangen, so be¬
stätigen mir die lebenden Ange¬
hörigen dieses berühmten Adels¬
hauses doch, daß solche bestehen.
Übrigens bin ich in der Lage,
das neue, bisher auch unbekannt
gebliebene Exlibris einer Dame aus diesem
angesehenen Geschlechte hier zuerst zu ver¬
öffentlichen, das nicht nur als Stubenbergisches
Bibliothekszeichen überhaupt, sondern auch
wegen der Eignerin hohes Interesse besitzt.
Denn Frau Gräfin Anna Stubenberg verehe¬
lichte Gräfi7i Buttler (Abb. 22) ist eine Persön¬
lichkeit, die durch ihr bedeutendes musika¬
lisches Kompositionstalent und ihre meisterhafte
musikalische Begabung ebenso wie durch ihren
in jeder Richtung bewährten außerordentlichen
Wohltätigkeitssinn sich das höchste Ansehen
und die allgemeine Dankbarkeit erworben hat.
Zunächst sei mit einigen Worten des Ge¬
schlechtes der Grafen von Stubenberg selbst
gedacht. Die Stubenberg sind zweifellos die älteste
Adelsfamilie der Steiermark und eines der ältesten
edlen deutschen Geschlechter überhaupt. In das
Jahr 1042 dürfte der Ahnherr Stubenberg zu
verlegen sein; ein Wülfing von Stubenberg ist
1128 historisch nachgewiesen, nach ihm finden
wir zahlreiche Stubenberger, die den Namen
Wülfing (Wolf) geführt habe. Mit diesem Namen
hängt auch der Wolf im ältesten Wappen des
Geschlechtes zusammen, ein Wappen, das später
abgeändert erscheint. Die Geschlechtsange¬
hörigen der Stubenberge, die sich „Herren
und Grafen von Stubenberg“ nennen, treten mit
den edelsten Familien schon frühzeitig in ver¬
wandtschaftliche Beziehungen, so mit den Ge¬
schlechtern von Ortenburg, Wildon, Pettau,
Pfannberg, Stadeck. Zur Zeit der Adels¬
erhebung in Steiermark für Rudolf von Habs¬
burg gegen den Böhmenkönig Ottokar waren
die Stubenberge und ihre Sippen Angehörige
des Bundes und erwarben sich dadurch
2/6
Schlossar, Steiermärkische Exlibris.
besondere Gunst und Gnade der Habsburger.
Das Geschlecht teilte sich im XII. Jahrhundert
in drei Aste, und viele Angehörige dieser Äste
bis in die neueste Zeit bekleideten hohe An¬
stellungen und waren namentlich als ritterliche
Kriegsleute ausgezeichnet. Es ist hier weder
nötig noch möglich, einzelne hervorragende
Persönlichkeiten dieses Adelsgeschlechtes zu
nennen; nahezu jedes Platt der
Geschichte Steiermarks und
auch Österreichs weist Ver¬
treter desselben auf, die
in die Politik, in die
Kämpfe und in das
öffentliche Leben ein-
griffen und die wich¬
tigsten Rollen dabei
spielten. Was die
Besitzungen und
das Eigentum der
Stubenberge in der
späteren Zeit be¬
trifft, so besaßen
sie reiche Güter in
Ober- und Unter¬
steiermark, eine
Menge von Schlös¬
sern und Burgen in
allen Gebieten des
Landes, aber auch
in Österreich, Böhmen,
Kärnten, Friaul usw.
Als Stammburg gilt
Stubenberg an der Feist rit.
(Abb. 23), das freilich längst
zerfallen ist, aber der noch
bestehende Bau des neuen
Schlosses in der Nähe des alten
kann gewissermaßen als das
auf jene Stammburg folgende Schloßgebäude,
in dem viele der ältesten Stubenberger hausten,
als Stammhaus der späteren Glieder des
Geschlechtes betrachtet werden und führt
ebenfalls den Namen Schloß Stubenberg.
Ulrich von Stubenberg hat im Jahre 1218
den Kreuzzug mitgemacht und starb dabei
in Damiette. Seitdem ist das Stubenbergsche
Wappen einer Änderung unterzogen worden.
Abb. 22. Gräfin Anna
Herrin und Gräfin
Es zeigt einen Anker mit dem Zopfe darunter,
worüber die Sage mannigfach berichtet. Tat¬
sächlich bestand das Wappen, nachdem die
steirische Linie den Wolf nicht mehr führte, in
einer Wolfsangel, einer Art Wurfgeschoß, das
einem umgekehrten Anker nicht unähnlich ist;
durch den unteren Ring der Angel ist der
starke gewundene dazugehörige Strick gezogen.
Diese Ähnlichkeiten mit Anker und
Zopf mögen die Bildung des
späteren und heutigen Wap¬
pens beeinflußt haben. Es
finden sich über das Ge¬
schlecht der Stuben¬
berge, seine Besitz¬
ungen, Schlosser und
Burgen überhaupt
zahlreiche in die
graue Vorzeit zu¬
rückreichende
Mären , die sich
vielfach als Volks-
sagcn eingebürgert
haben und die
allein schon von
dem außerordent¬
lichen Alter des
Geschlechtes Zeug¬
nis ablegen.1 Gräfin
Anna Stubenberg,
derzeit vermählte Grä¬
fin zu Buttler, ist
schon seit den fünfziger
Jahren des vorigen Jahr¬
hunderts als Komponistin von
Liedern und Tänzen hervor-
„ , , getreten; sie lebt mit ihrem
zu Buttler, geborene
zu Stubenberg. Gemahl in Graz, für die ruhm¬
vollen Traditionen ihres alten
Geschlechtes nicht minder begeistert als für
Kunst und Wissen, und hat, „eine unermüdliche
Wohltäterin und Förderin humanitärer Zwecke,
viele Herzen aufgerichtet, manche Not gelindert
und viele Tränen der Armut getrocknet“. Diese
Worte schrieb Wurzbach im Jahre 18/9 über
die Gräfin. Seitdem ist bis auf den heutigen
Tag ihr edles Wirken ununterbrochen dasselbe
geblieben, ja es hat sich noch womöglich
1 Vgl. in C. v. Wurzbachs Biogr.- Lexikon des Kaisertums Österreich, 39 Thl., Wien 1879: die Stammtafeln der
Familie und die vielen Artikel über Angehörige der Familie Stubenberg, namentlich auch S. 1 1 5 ff . daselbst die Biographie
der hier als Exlibris-Besitzerin angeführte Gräfin Anna Stubenberg, vermählte Gräfin Buttler.
Schlossar, Steiermärkische Exlibris.
277
Abb. 23. Schloß Stubenberg. Nach Vischers „Schlösserbuch“ (1681).
gesteigert, wie sie auch bis heute die ihr verliehene
schöne Gabe auf dem Gebiete der Tonkunst
pflegt. Das hier wiedergegebene Porträt der
Gräfin Anna ist vor einigen Jahren gemalt
und nach einer Photographie des Gemäldes
reproduziert worden. Ihr Exlibris (Abb. 24) zeigt
das Doppelwappen der Grafen von Stubenberg
und der Grafen ßuttler (eine Tragbutte).
Auf den berühmten Sprößling eines der
Steiermark entstammenden hohen Adelsge¬
schlechtes, dessen steirische Linie heute noch
blüht, weist das Exlibris des Johann Wilhelm
Grafen von Wurmbrand- Stuppach hin, dessen
Person allerdings der österreichischen Linie des
Geschlechtes angehört. Ein Ottomar von Wurm¬
berg erscheint im XII. Jahrhundert als Ahnherr
der Wurmbrand1, welchen Namen dessen Enkel
angenommen haben sollen. Schloß Wurmberg im
steirischen Unterlande (Abb. 25) dürfte also der
erste Stammsitz gewesen sein. Die Wappensage
erzählt, daß in uralter Zeit ein Lindwurm von
dem ritterlichen Wurmberg mit brennender Keule
erschlagen worden sei. Das Exlibris des Grafen
Johann Wilhelm von Wurmbad (Abb. 26) findet
sich — vermutlich rühren die Bücher von einer
Schenkung her — in verschiedenen Werken
der Grazer Universitätsbibliothek, von denen ich
namentlich das große Quellenwerk anführe
„Veterum aliquot scriptorum qui in Galliae
1 Über die Grafen von Wurmbrand vgl. in Wurzbachs
Lexikon 58 Thl. (1889), S. 290 ff., über den Grafen Johann
Wilhelm daselbst S. 306 ff.
Z. f. B. 1905/1906.
bibliothecis maxime Benedictinorum latuerunt,
Spicilegium . . . opera et Studio Lucae Dacherii
[d’Acheri] “, Parisiis, 1655 — 1677. 40. Es ist in
k .... FREMIN AUF 'BRANDENFELS,
Z) . GEB, HERRIN UND GRÄFIN' 2U STUBEN BERG
RTüTeJW F0RTiT(iI),N«
mawtinwiTO
Abb. 24. Exlibris der Gräfin Anna zu Butt ler,
geb. Herrin und Gräfin zu Stubenberg.
36
278
Schlossar, Steiermärkische Exlibris.
I lerberstein. 1 E
berühmtesten d
1 3 schönen braunen F ranzbänden gebunden. Auch
einige deutsche staatsrechtliche Schriften über
Böhmen weisen das erwähnte Bibliothekszeichen
Wurmbands auf. Der Eigner (Abb. 27) war ge¬
boren 1670 und starb 1750. Er gehört zu den her¬
vorragendsten österreichischen Staatsmännern
seiner Zeit, wurde 1728 Präsident des Reichs¬
hofsrates und war Ritter des goldenen Vließes.
Mit Leibniz hatte Graf Wurmbrand auch den
Plan der Gründung einer Akademie der Wissen¬
schaften in Wien besprochen, zu der es aller¬
dings nicht gekommen ist. Wurzbach erwähnt,
daß dem hochverdienten Grafen die Fürsten¬
würde angeboten worden sei, die er bescheiden
dankend abgelehnt habe. Auch auf genealogisch¬
wissenschaftlichem Gebiete erscheint dieser ge¬
lehrte Mann tätig; von seinen Veröffentlichungen
sind namentlich die anonym herausgegebenen
„Collectanea genealogica-historica“ (Wien 1705)
fo. hervorzuheben. Über den Verbleib der
jedenfalls bedeutenden Bibliothek dieses Staats¬
mannes und Gelehrten ist leider nichts bekannt
geworden. Nur die in der Universitätsbibliothek
zu Graz durch das vorgeführte Exlibris als Be¬
standteile derselben gekennzeichneten Bücher
geben einen beiläufigen Begriff von dem Charakter
dieser Sammlung.
Ein Exlibris und ein Super-Exlibris von
Angehörigen der rühmlichst bekannten Familie
1 Zeitschrift für Bücherfreunde VIII. Jahrgang, April¬
heft 1904, am Schlüsse meines Aufsatzes über: Sigmund von
Herberstein und seine „Moscovia“, woselbst ich kein Ex¬
libris des Sigmund von Herberstein beibringen konnte. Das
nunmehr hier abgedruckte verdanke ich der Freundlichkeit
des Herrn Stiftsbibliothekars in Admont, der mir das Blatt
zur Reproduktion überließ.
der Freiherrn und späteren
Grafen von 1 lerberstein, die
ich hier vorfuhren kann,
bieten gewissermaßen eine
Ergänzung der von mir an
dieser Stelle schon veröffent¬
lichten Bucheignerzeichen der
ist von den
Geschlech¬
tes, dem Frcihcrm Sigmund
zu Herberstein, bisher kein Ex¬
libris aufzufinden gelungen.
I lier erscheint nun ein solches
in vortrefflichem, kräftigen,
sorgfältigen Kupferstiche aus¬
geführt (Abb. 29). In bezug auf das Wappen
und die Helmkrönungen kann auf das in
meinem unten in der Fußnote zitierten Aufsatze
über den Freiherrn Sigmund und die Familie
Herberstein Gesagte verwiesen werden. Zu be¬
merken wäre noch, daß auf dem mehr als
doppelt so großen Originalblatte das Wort:
„Sigmund“ über dem Wappen offenbar vom
Freiherrn selbst mit Tinte geschrieben hinzu¬
gefügt erscheint. — Von Interesse ist auch das
Abb. 26. Exlibris des Joh. Wilh. Grafen von
Wurmbrand-Stuppach (ca. 1720).
Schlossar, Steiermärkische Exlibris.
279
aus späterer Zeit herrührende Super-Exlibris
des Grafen Johann Anton Seifried von Herber¬
stein (Abb. 28). Er findet sich auf einem schönen
braunen Franzbande der Grazer Universitäts¬
bibliothek, enthaltend „Dictionnaire oeconomique
. . . par Noel Chomel. III edit. rev. par J. Marcet“,
Amsterdam, 1732. Fo., 2 Teile in einem Band
gebunden. Graf Johann Anton Seyfried, geboren
1706, bekleidete 1762 — 1765 die hohe Stellung
eines Hofkammerpräsidenten in Wien. Früher
schon hat er sich um die Hebung des Seehafens
von Triest verdient gemacht. Daß er wirt¬
schaftlichen und Handelsgegenständen Aufmerk¬
samkeit zugewendet, erweist das genannte, früher
ihm gehörige Werk. Dieser Staatsmann starb
1771 in Graz.
An die alte steiermärkische Buchdrucker¬
familie der Beck-Widmanstetter erinnert das
weitere Exlibris mit Wappen des landschaft¬
lichen Sekretarius Gottfried von Bokh {Beck),
Herrn zu Moosbrunn (Abb. 32). Das Schloß
Moosbrunn (Abb. 33) liegt östlich von Graz in
der Nähe der Stadt; die Herrschaft wurde 1538
von König Ferdinand zu einem Freigute erhoben
Abb. 28 Super-Exlibris des Joh. Anton Seifried Grafen
von Herber tein (ca. 1750).
Abb. 27. Johann Wilhelm Graf von Wurmbrand-
Stuppach (1670—1750).
und war in den Händen verschiedener Besitzer.
Später besaß es die erwähnte Buchdruckerfamilie,
deren Angehörige schon von 1585 an in Graz die
schwarze Kunst ausübten. Etwa um 1690 kam
der Buchdruckereibesitzer, Advokat und Land¬
schaftssekretär Dr. Gottfried von Beck, ein den
Wissenschaften und Künsten überaus ergebener
Mann, in den Besitz des Gutes und nahm einen
Umbau vor, wie ihn die hier beigefügte Ab¬
bildung 33 darstellt. Dr. Beck starb 1706. Heute
noch heißt der längst in anderen Händen be¬
findliche Hof das Buchdruckerschlößchen. Das
Exlibris findet sich in einem Oktavpergament¬
bande der Grazer Universitätsbibliothek, der
von dem historischen Sinne des Besitzers Zeug¬
nis ablegt. Er enthält „Angerii Gislenii Busbe-
quii D. legationis Turcicae Epistolae quatuor .
Hanoviae Typ. Wechelianis 1605. Wer denkt
dabei nicht an die bei Lebzeiten Dr. Becks
neuerlich in Steiermark drohende Türkengefahr,
gegen die 1683 die umfassendsten Verteidigungs¬
maßregeln getroffen wurden!1
1 Über die Familie Beck-Widmenstetter vgl. den in¬
struktiven Aufsatz von Dr. Friedrich Ahn „Die Druckerpresse
Widmenstetters zu Graz“ in den „Mitteilungen des öster¬
reichischen Vereins für Bibliothekswesen. VIII. Jahrg., Wien
1904, S. 144 ff., worin Dr. Gottfried Beck als Leiter der
Buchdruckerei von 1705 — 1706 angeführt erscheint. Daselbst
finden sich auch reichliche weitere Literaturangaben.
28o
Schlossar, Steiermärkische Exlibris.
Der Vollständigkeit wegen sei, wennselbst
hier keine neuerliche Wiedergabe erfolgt, an¬
geführt, daß auch ein Exlibris eines Mitgliedes
der alten steirischen Adelsfamilie von Steinach
aufgefunden wurde. Es gehörte nach der In¬
schrift dem Johann Jakob von Stainach (Steinach)
und rührt aus dem XVI. Jahrhundert her. Es
findet sich abgebildet in der Exlibris-Zeitschrift,
Jahrgang XIV (1904), Seite 169. Die Familie
der Steinach stammt aus dem Oberlande der
Steiermark, wo noch der Ort Steinach mit dem
einfachen Schloßgebäude an sie erinnert. Übrigens
liegen die alten Gebäude der Ritter von Steinach
längst in Trümmern. Heutzutage finden wir in
den noch blühenden Grafen von Steinach die
Abkömmlinge der alten Familie.
Wenn auch wohl außer in den geistlichen
und adeligen Bibliotheken zu jener Zeit in
der Steiermark eigentliche Exlibris sehr selten
üblich waren, die ja auch anderwärts nur noch
einzelne Gelehrte und etwa reiche Bücherlieb-
haber führten, so pflegte doch mancher sein
Buch durch eine Eintragung auf der Innenseite
des Deckels zu bezeichnen, auch wohl dessen
I Ierkunft anzuführen. Eine solche Einzeichnung,
die zugleich als Eigentumsvermerk gilt, liegt
in der hier wiedergegebenen des Andr. Reinh.
Schubert (Abb. 30), Schulmeisters in Leoben
(Loiben, wie die Stadt heute noch im Volks¬
munde genannt wird) vor, die sich in dem Werke
Leonhard Rudolfs: „Beischreibung der Raiß . .
gegen Auffgang in die Morgenländer . . .“ Augs¬
burg, G. Willers, 1583, 40 befindet. Sic er¬
weist uns zugleich das Interesse des damaligen
Lcobener Schulmeisters für die
Kenntnis der fernen Länder und
zeigt seine klare, deutliche Schrift.
Dagegen kann hier ein wirkliches
Exlibris-Blatt eines Beamten derselben
alten Bergstadt Leoben in Obersteier¬
mark wiedergegeben werden, das von
Interesse sein dürfte. Es ist jenes
des Doktors beider Rechten, Johann
Franz Haydt (Abb. 34), der die
Stellung eines Syndikus, also eines
magistratlichen Rechtsvertreters der
Stadt, bekleidete. Er scheint ein
frommer Herr gewesen zu sein, wie
der bekannte Spruch des Psalmisten
über dem Wappen „Timor domini
initium sapientiae“ nachweist, sowie
auch die Krönung des W appens
mit dem heiligen Antonius, der das
Jesuskind auf dem Arme hat. Dr.
Haydt dürfte adeliger Abstammung
gewesen sein; daß er aus Ansbach
in Baiern gekommen, erweist der
seinem Namen und Titel beigefügte
Zusatz. Das Exlibris ist mit der
Jahreszahl 1676 bezeichnet; der Be¬
sitzer hat nach 1680 außerdem
selbst seinen Namen in die Bücher
eingetragen, in denen dieses Biblio¬
thekszeichen sich befindet und die auf
irgend eine Weise (Veileicht durch
Aufhebung des Stiftes Göß bei
Leoben) in die Grazer Universitäts¬
bibliothek gelangt sind. Näheres über
S/OiA<vn£>
Fkeyher^ ZV Hemjeulstatn .
Neiperg. vn> GVetemhag *
Abb. 29. Exlibris des Sigismund Freiherrn zu Herberstein (ca. 1560'.
(V-i der Originalgröße.)
Schlossar, Steiermärkische Exlibris.
28l
Abb. 30. Eintragung des Loebener Schulmeisters Andr. Reinh. Schubert in Rudolfs Reisebeschreibung von 1583.
^lirtjrrrri lioii Bolnjflcr
Abb. 31. Exlibris Peter Rosegger.
Abb. 32. Exlibris des Gottfried von Bökh (Beck)
zu Moosbrunn (ca. 1695).
282
Schlossar, Steiermärkische Exlibris.
worauf der Auerhahn
und die Gemse, sowie
unten Eispickel, Schnee¬
schuhe etc. Hinweisen.
Baumeister Bullmann,
ein froher Bücherlieb¬
haber, besitzt auch eine
erlesene Sammlung von
Werken über Steier¬
mark.
2. Exlibris des Med.
Dok tors II. Lösch nigg
in Graz (gezeichnet von
D. Pauluzzi), der alte
Werke und Antiqui¬
täten sammelt(Abb. 1 1 ).
Abb. 33. Schloß Moosbrunn. Nach Vischers ,, Schlösserbuch“ (1081). J Unter der Weiblichen
Figur zeigt sich im
ihn ist mir nicht bekannt geworden. Daß er Umriß das Wappentier des steirischen Panthers,
ein feiner Bücherkenner gewesen und ein sehr ( )ben hinter den Insignien der I leilkunst sehen
gebildeter, ja gelehrter Mann, zeigt das Vor- wir ebenfalls im Umrisse den Uhrturm des
handensein des Exlibris in einer schönen Oktav- Grazer Schloßberges, das Wahrzeichen der
ausgabe von Homers Ilias, Venetiis, Aldus et Stadt.
Andr. Asulamus Socer, 1524. Es findet sich 3. Exlibris des Rechtsanwaltes Dr. Friedrich
auch in einer Folioausgabe „Angeli Politiani Ritter von Wurzbach, von Professor Emil Moser
Opera“, Basileae, 1 553. — Beachtenswert erscheint ausgeführt (Abb. 4). Dr. von Wurzbach ist der
der auf dem Blatte genannte Stecher Manasser. Sohn des Verfassers des großen vielbändigen
Es ist dies derselbe tüchtige Kupferstecher
Johann Kasper Manasser (geb. 1640 in Graz,
gest. 1684 daselbst), den Wastler 1 aus der Künst¬
lerfamilie der Manasser besonders hervorhebt
und dessen bekannt gewordenen Stiche auch
daselbst einzeln angeführt werden. Dieses Ex¬
libris-Blatt kommt aber nicht darunter vor, er¬
gänzt somit das Verzeichnis.
Leider ist es mir nicht gelungen, Exlibris-
Blätter steiermärkischer Provenienz aus den
letzten Jahrzehnten des XVIII. Jahrhunderts
und solche aus dem XIX. Jahrhundert bis in
die achtziger Jahre zu erlangen. Eine Auswahl
neuester, sei es in Hinsicht der Ausführung, sei
es mit Rücksicht auf die Persönlichkeit be¬
merkenswerter Stücke möge die Darstellung
abschließen. Es sind dies die folgenden:
1. Exlibris des Baumeisters Josef Bullmann
in Graz (Abb. 13), gezeichnet von dem f Pro¬
fessor A. Ortwein. Es stellt zwischen dem
Zirkel die Villa Bullmanns dar; der Eigner
huldigt auch dem Touristen- und Jägersport,
1 Wastler, Steirisches Künstlerlexikon. S. 97.
Abb. 34.
Exlibris des Dr. Jos. Franz Haydt, Syndikus
der Stadt Leoben (1676).
Schlossar, Steiermärkische Exlibris.
283
„Lexikons des Kaisertums
Österreich“ Konstantin Rit¬
ters von Wurzbach. 1
4. Exlibris des Journa¬
listen und Redakteurs der
Grazer T agespost Joseph
Stradner von Emil Moser
(Abb. 3). Stradner ist durch
seine Publikationen „Rund
um die Adria“ als vortreff¬
licher Kenner des adriati¬
schen Ufergebietes bestens
bekannt. Aus diesem Grunde
hat er den Markuslöwen mit
dem Buche zum Vorwurfe
seines Bibliothekszeichens
gewählt.
5. Doppel -Exlibris der
Doktoren der Rechte: Adolph und Heinrich Traunsee mit dem Schlosse Orth bei Gmunden
Schoenwiese (Abb. 35). Dieses schön gestochene und die Felsmauer des Traunsteins.
Blatt eines jungen vielversprechenden Künstlers 6. Das schöne Kupferdruckexlibris des be¬
zeigt die Gestalten der Justitia und der Forestia. rühmten Dichters Peter Rosegger (Abb. 31), das
Dr. Adolph, mein alter, leider 1904 plötzlich vom ihm anläßlich seines 60. Geburtsfestes 1903 von
Tode ereilter Freund war Sekretär der steier- dem Zeichner gewidmet wurde,
märkischen Sparkasse zu Graz, sein Sohn 7. Das Exlibris des Museal-Direktors Carl
Heinrich ist wissenschaftlicher Forstbeamter in Lacher in Graz von Emil Moser (Abb. 1). Es
Gmunden. Man sieht im Hintergründe den zeigt in der Mitte den Schild mit dem steirischen
Panther, darüber den „Landschadenbund“ ge¬
nannten Pokal, das Prachtstück des Museums in
getriebener Silberarbeit, angeblich ein Werk
Wenzel Jamnitzers.
8. Exlibris des akademischen Bildhauers
Professor Hans Brandstetter von ihm selbst
entworfen (Abb. 17). Brandstetter, seinerzeit mit
Robert Hamerling befreundet, hat mehrere
Büsten des berühmten Dichters gefertigt; auch
eine Reihe schöner Grabdenkmäler, namentlich
das Grabdenkmal Plamerlings selbst, rühren von
ihm her, ebenso verschiedene Reliefs, Heiligen¬
statuen, Plaketten (zum Beispiel die Roseggers)
und andere plastische Kunstwerke.
9. Exlibris des Verfassers dieser Zeilen von
Emil Moser (Abb. 36), auf des Eigners biblio¬
thekarische Tätigkeit deutend und ebenfalls den
steirischen Panther aufweisend. Der über dem
Schlosse schwebende Aar bezieht sich rebus¬
artig auf den Namen des Eigners.
Damit sei die Aufzählung und dieser Ver¬
such, alle bemerkenswerten Exlibris eines kleinen
1 Das Lexikon ist auch in diesem Aufsatze öfter zitiert.
Abb. 36. Exlibris Anton Schlossar,
gez. von Emil Moser.
Ebstein, Gedichte Bürgers in ältester Fassung.
284
tibgegrenzten Ländergebietes in historischer
Folge darzustellen, geschlossen. Sollten sich
weitere wertvollere alte und neuere Blätter in der
Folge aus dem behandelten Gebiet vorfinden,
so durfte Gelegenheit geboten sein, noch einmal
zur Ergänzung des Vorliegenden darauf zuruck-
zukommen. Mitteilungen zur Sache werden
mir stets willkommen sein.
Gedichte Bürgers in ältester Fassung.
o o
Von
Dr. Erich Ebstein in Göttingen.
Eduard Grisebach zum 60. Geburtstage
(9. Oktober 1905) gewidmet.
er erste, der bereits 1872 auf den Text
der Biirgerschen Gedichtausgabe von
1789 zurückging, war Eduard Grise¬
bach ; ihm folgte August Sauer 1884 mit seiner
Da-
Arnold E. Berger (1891) seiner
kritischen Ausgabe von Bürgers Gedichten
gegen
legte
Ausgabe, in der er die Gedichte nach der Zeit¬
folge der Entstehung ordnete, überall die ältesten
vollständigen
Fassungen
zu gründe und
fügte
den vollständigen kritischen Apparat bei, sodaß
hier, wie Berger sich selbst ausdrückt, „die Ent-
wickelung des Textes wie des Dichters selbst
zum ersten Male bequem überblickt werden
kann.“
Da ich im folgenden bisher größtenteils un¬
bekannte Bürgersche Lieder in ältester voll¬
ständiger Fassung mitteilen werde, so beziehe
ich mich am bequemsten auf den in der Berger-
schen Ausgabe sehr sorgfältig behandelten, aber
leider Bürgers Orthographie nicht wiedergeben-
denText. Falls nichts anderes bemerkt ist, werde
ich des öftern verweisen auf Bertliold Hoenigs
vortreffliche Arbeit „Nachträge und Zusätze zu
den bisherigen Erklärungen Bürgerscher Ge¬
dichte“ (Zeitschrift für deutsche Philologie, Bd. 26.
1894, S. 493 — 540), welche ich in manchen
Punkten ergänzen kann. Die unbekannten
Stücke, jetzt im Besitze der Literatur- Archiv-
Gesellschaft zu Berlin1 (aus dem Nachlasse Karl
Weinholds) kann ich dank der zuvorkommenden
Liebenswürdigkeit des Vorsitzenden dieser Ge¬
sellschaft, des Herrn Professors Dr. Erich
Schmidt, veröffentlichen, wofür ich ihm auch
an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank
ausspreche.
Bürger hat bekanntlich in seiner ersten Ge¬
dichtausgabe von 1 778 einen großen Teil der
Stücke mit einer Jahreszahl versehen. Daß er
die chronologische Ordnung indes nicht streng
eingehalten hat, gesteht er uns selbst in seinem
an Boie gerichteten Briefe vom 6. April 1778,
wo es heißt (Strodtmann 2, 268): „Du wirst
manchmal über das Datum lächeln, das über
jedem Stücke steht Ich konnte mir nicht
helfen; ich mußte bisweilen lügen, oder nach
bloßem Ongefähr dasselbe bestimmen, weil ich
die Stücke, wovor Kupfer zu stehen kommen,
verhältnismäßig durch das ganze Werk ver¬
theilen mußte. Indessen wird sie doch ongefähr
größtentheils in der Ordnung verfertigt, wie sie
da stehen. Wer kan mich, außer dir, gros
Lügen strafen: Wir wollen uns nun an den
aesthetischen Narren belustigen, die aus dieser
Chronologie den Fortschritt meines Geistes dar-
zuthun sich bemühen werden.“
Indes können wir Bürger heute ganz gut in
seine Karten, d. h. in seine literarische Werk¬
statt gucken, und wir werden dabei sehen, daß
er uns nicht so sehr irre geführt hat mit seiner
Chronologie, wie wir bisher glaubten. Ein ganz
reines Bild des Fortschritts seines Geistes konnten
wir bisher nur darum nicht bekommen, weil
uns zu den von Bürger gegebenen Entstehungs¬
zeiten, die übrigens zumeist die erste Konzep¬
tion bezeichnen, die entsprechenden ersten
Fassungen fehlten. Und darin sind wir jetzt
Die betreffenden Stücke sind hier mit einem * gekennzeichnet.
Ebstein, Gedichte Bürgers in ältester Fassung.
285
— denke ich — ein gut Stück weiter gekom¬
men! Was die „aesthetischen Narren“ anlangt,
zu denen man sich nach Bürgers Ausdrucks¬
weise erniedrigt, so möchte ich hier nur an die
Worte Lessings im 19. Literaturbrief erinnern:
„Verbesserungen, die ein Dichter wie Klopstock
in seinen Werken macht, verdienen nicht allein
angemerkt, sondern mit Fleiß studiert zu werden“,
und an die von Goethe in bezug auf Wieland:
„Es ist . . . nicht zuviel gesagt, wenn wir be¬
haupten, daß ein verständiger fleißiger Literator
durch Vergleichung der sämtlichen Ausgaben
unseres Wielands . . . allein aus den stufenweisen
Korrekturen dieses unermüdet zum Bessern ar¬
beitenden Schriftstellers die ganze Lehre des
Geschmacks würde entwickeln können. Jeder
aufmerksame Bibliothekar sorge, daß eine solche
Sammlung aufgestellt werde . . .“ Sollte das
nicht auch für Bürger gelten, zu dessen letzter
Lebensaufgabe1 es gehörte, eine ausführliche
„Rechenschaft über die Veränderungen in der
Nachtfeier der Venus“ zu geben? (Vgl. Grise-
bach 1 894, S. 443 ff.) Erinnern wir uns noch
der Zeilen Bürgers aus dem Briefe an Philip¬
pine Gatterer (vom 5. Febr. 1781): „Ich habe
es gar keinen Hehl, daß ich die meisten meiner
Gedichte wohl 10 und zwanzigmal abgeschrieben
habe. Was sie an Präcision des Ausdrucks,
Leichtigkeit, Wolklang kurz an jeder Art poeti¬
scher Volkommenheit, es sey nun viel oder
wenig, an sich haben, das rührt lediglich von
diesem öftern Schreiben und abschreiben her.
Den Laien läßt sichs allenfals wohl weiß machen,
daß man in poetischer Begeisterung ein schönes
Gedicht, so wie es dasteht, ohne ein Wort
nachher zu ändern, auf das erste Blättchen
Papier hingeworfen habe. Allein die Geweihten
wissen, was sie davon halten sollen.“
„Oft, wenn es erst durch Jahre durchgedrungen,
Erscheint es in vollendeter Gestalt — “
und weiter in demselben Briefe schreibt Bürger:
„Ich habe noch ein andres Buch zur Kladde.
Hierin steht alles, was ich von Jugend auf ge-^
verselt habe. Dieses Buch ist mir theurer und
werther als irgend ein andres. Denn ich kann
daraus ersehen wie die anfangs rohen Bären
nach und nach geleckt und endlich das, was
sie nun sind geworden. Und das sind mir bis¬
weilen sehr interessante Rück -Erinnerungen.“
Von diesem Gesichtspunkte aus mögen, da
uns diese Gedichtkladde verloren ist, 2 die folgen¬
den Mitteilungen betrachtet werden.
Minnelied (Lust am Liebchen).
Mit Hoenig nehme ich Bürgers Datierung
vom Juni 176g an; zwar erst am 20. Sept. 1771
sendet er die früheste Fassung, die wir aus
W. v. Maltzahns Nachlaß kennen, an Gleim
(Gegenwart 1899, S. 70). Hier nur die erste
Strophe zur Orientierung:
Minnelied.
Wie seelig, wer sein Mädchen hat
Wie seelig lebt der Mann !
Auf jedem Dorf in jeder Stadt
Gefällt es ihm alsdann
usw.
„Übrigens“, bemerkt hierzu mit Recht der
Herausgeber (1. c. S. 71) „läßt ein Vergleich des
frischen ersten Wurfes erkennen, wie sehr A.
W. Schlegel und Hettner recht hatten, sich in
Bürgers Gedichten stets für die älteren Lesarten
zu entscheiden.“
Stutzerballade.
Das erste Gedicht Bürgers, das Boie kennen
lernt, ist die „Stutzerballade“3, die er im De¬
zember 1769 Gleim vorliest und von der er,
als es sich um die chronologische Ordnung der
Gedichte in der ersten Sammlung von 1778
handelt, bemerkt, daß sie sehr verändert werden
müßte, wenn sie an der Spitze stehen solle
(Strodtmann II, 250).
Gedruckt wurde das Gedicht bekanntlich
zuerst in den bei M. Ch. Bock erschienenen
Unterhaltungen, IX. Band, S. 231 f., anonym.
Als Zeit der Konzeption gibt Bürger den
August 176g an, und wir brauchen nicht daran
zu zweifeln. Die Fassung, die ich folgen lasse,
scheint mir jünger zu sein als die in den Ham¬
burger Unterhaltungen gedruckte, welch letztere
1 Vgl. das Gespräch Bürgers mit Matthisson am 26. Februar 1794 (E. Ebstein, F. v. Matthissons Aufenthalt in
Göttingen, Hannoversche Geschichtsblätter 1903, S. 358.)
2 Vgl. den Brief L. Chr. Althofs an Boie vom 23. Okt. 1797: „Das große Buch hat sich unter seinem Nachlasse
nicht gefunden“ (Mitteilungen aus dem Literatur-Archiv 1904. S. 237 ff.)
3 Hieß zuerst nur: ,,Ballad“(!); „Stutzer“ ist erst, wie aus der mir vorliegenden Handschrift ersichtlich, hinzugefügt.
Z. f. B. 1905/1906. 37
286
Ebstein, Gedichte Bürgers in ältester Fassung.
übrigens in allen Gedichtausgaben Bürgers, selbst
in der von A. E. Berger, textlich nicht berück¬
sichtigt worden ist; ich habe die Varianten nicht
besonders notiert; hier nur einige: Zeile 24:
„Beiindens“, Zeile 37: „Kleiner“, Zeile 48:
„vollen“, Zeile 54: „Ihr, neidenswerthe“. Die
Numerierung der einzelnen Strophen — mit
Überspringen von 8 — rührt von Bürger her.
Stutzcrballad. *
Freund Amor, kannst du machen;
Für einen hübschen Kuß
Daß mir Agneschen lachen
Aus frommen 1 Augen muß ?
2.
O allerliebste 2 Sachen,
Die ich kaum nennen kann,
Schenkt’ ich für dieses Lachen
Dir, lieber kleiner Mann.
3-
In manchen Spiel um Pfänder
Hab’ ich erobert mir
Viel schöne bunte Bänder,
Die alle gäb’ ich dir.
4-
Ja dies geraubte Müschgen
Empfiengest du so gar;
Und dieses Federbüschgen,
Aus Minnens blondem Haar.
5-
Und deinen Köcher schmückte
Aus gold durchwirktem Band
Ein Röschen, welches stickte
Amönens kleine Hand.
6.
Weckst du ihr süßes Lachen;
Sieh! so verdienst du dir,
Die Nymphen naß zu machen,
Die kleine Sprütze hier.
7-
Auch sollen dich belohnen,
Das sag’ ich ohne Spott
Vortreffliche Makronen
Und süßes Zuckerbrodt.
9-
Und siehst du dieses Gläschen
Voll Syrakuserwein ?
Erdenke nur ein Späschen !
Du bist ja sonst so fein.
10.
Ha! Knabe ich erfinde
Viel eher einen Plan.
Den höre mir geschwinde
Mit beyden Ohren an!
1 1.
In eine kleine Fliege,
Dies ists, was ich erfand,
Verwandle dich und (liege
Auf ihrer Schnür Brust Rand.
12.
Und gleite durch die Falte 3
Im wallenden Mußlin,
Bis zu dem tiefen Spalte
Des warmen Busens hin.
13-
Und wage du hernieder,
Geschickt nach Bergmanns Art,
Geschlossen dein Gefieder,
Die Wollust volle Fahrt.
M-
Da muß es dir gelingen,
Beneidenswerthe Müh!
Ein Lächeln abzuzwingen.
Da kitzle, kitzle sie!
Das stolze Mädchen.
Diesem Lied, das Bürger in den April i~jo
setzt, meint B. Hoenig, könne man zusammen
mit den Gedichten: Adeline, Huldigungslied,
An den Traumgott und An die Hoffnung den
Titel „Verschmähte Liebe“ geben. Nach der
Fassung, die ich hier mitteilen kann und die
ich übrigens für die früheste halte, die wir
kennen, mühte das Lied vielleicht die Über¬
schrift tragen:
[Das stolze Mädchen.]*
Ich sah so frey und wonnereich
Einst meine Tag’ entschlüpfen,
Wie Vögelchen von Zweig auf Zweig
Beym Morgenliede hüpfen.
Fragt jeden Sommerwind der hier
Gras Blum’ und Saat erfrischet:
Ob je ein Seüfzer sich von mir
In seinen Hauch gemischet.
Fragt nur den stülen Bach im Klee:
Ob er mich klagen hörte? —
Ob ich mit einem Thränchen je
Die kleinen Wellen mehrte?
1 Zuerst stand: „düstern“, das Bürger aber durchgestrichen. — 2 Zuerst: „was für schöne“.
3 Zuerst „Faltung“ und „Spaltung“.
Ebstein, Gedichte Bürgers in ältester Fassung.
287
Mein Auge schaute falkenhell
Durch meilenlange Räume;
Und wie das Eichhorn sprang ich schnell
Auf Felsen und auf Bäume.
Sobald ich auf mein Lager sank
Entschlief ich ungestöhret.
Des Wächters Horn und Nachtgesang
Hat nie mein Ohr gehöret.
Nun aber ist mein Muth gefällt;
Denn lechzendes Verlangen
Nach einem stolzen Mädchen hält
Mein armes Herz gefangen.
Nun hauch’ ich meine Seele schier
Erseüfzend in die Winde;
Und girre kläglich hin nach ihr
Gleich einem kranken Kinde.
Nun müssen Bach und Klee genung
Verliebte Zaren saugen;
Und graue Nebeldämmerung
Umzieht die matten Augen.
Nun härm’ ich ganze Nächte lang
Auf schlummerlosem Lager
Die welkenden Gebeine krank
Und meine Wangen hager.
An meinem Leben nagt die Wuth
Grausamer Seelen Geyer;
Nagt Eyfersucht die nimmer ruht
Und mein verschmähtes Feuer.
O weckte meine letzte Noth,
Ihr1 zärtliches Erbarmen! —
Ihr Götter welchen süßen Tod
Stürb’ ich [in] ihren Armen.
Diese Fassung zählt also nur 1 1 Strophen,
während bei den späteren mit 13 Strophen die
Strophen 11 — 13 hinzugefügt wurden. Strophe
1 1 unsere Fassung ist von Bürger mit anderer
Tinte und veränderten Schriftzügen offenbar
etwas später nachgetragen worden.
Trinklied.*
Die Konzeption des Trinkliedes fällt nach
Bürgers Datierung in den Oktober 1770. Die
hier mitzuteilende Fassung ist die früheste”; sie
enthält noch nicht die späteren Strophen 13 — 14,
dafür aber zwei andere Strophen, die als Nr. 4
und 9 zählen. (Vgl. auch die Varianten bei K.
Reinhard, Bürgers sämtliche Schriften. IV, 631.
Göttingen 1802.)
1 Zuerst „Mein“, dann durchgestrichen. — 2 Darübe
„Zwar drängt Don Phöbus sich voran“. — 4 Darüber steht
Herr Bachus ist ein braver Mann,
Das kann ich euch versichern.
Mehr als Apoll der Leyermann,
Mit seinen Notenbüchern.
Apollens ganzer Reichthum ist
Die Goldbemahlte Leyer,
Von der er prahlet, wie ihr wißt,
Sie sey entsetzlich theuer.
Doch borgt ihm auf sein Instrument
Kein Kluger einen Heller,
Denn schönere Musik ertönt
In Vater Evans Keller.
Scharf schießt Apollo, das ist wahr,
Wie Nimrods beste Söhne
Doch Bachus wirft auch auf ein Haar,
Die Flaschen 2 in die Zähne.
Drängt sich dem Phobus gleich voran, 3
Wenn ihn die Dichtkunst blähet,
So ist doch Bachus auch ein Mann,
Der seinen Vers verstehet.
Wie mag am waldigten Parnaß
Wohl sein Diskant gefallen?
Da müste Libers Kantor Baß
Gewiß viel besser schallen!
Ihn sollte man für den Apoll
Zum Dichter Gott erbitten
Denn er ist gar vortrefflich wohl
Bey großen Herrn gelitten.
Apollo muß gebückt und stumm
In Fürsten-Saale schleichen,
Allein mit Bachus gehn sie um,
Als wie mit ihres gleichen.
Auf ihr Poeten,4 setzt ihn ab!
Heiß ihn den Pindus meiden!
Was wird Lyäens Rebenstab
An süßern Quellen weiden.
Dann wollen wir auf den Parnaß,
Vor allen andern Dingen
Das große Heidelberger Faß
Voll Nierensteiner bringen.
Statt Lorbeer Haynen wollen wir
Dort Rebenberge pflanzen,
Und um gefüllte Tonnen, schier,
Wie die Bachanten tanzen.
Man lebte so nach schlechtem Brauch
Bisher dort alzu nüchtern,
Drum blieben die neun Jungfern auch
Von je und je so schüchtern.
r steht undurchgestrichen „Gläser“. — 3 Durchgestrichen
undurchgestrichen „Auf, liebe Brüder“.
288
Ebstein, Gedichte Bürgers in ältester Fassung.
ao> (Mein Amor).
Dieses Gedicht wird ebenfalls am 29. Sep¬
tember 1771 an Gleim gesandt (vgl. Gegenwart
1898, S. 70); daß die Fassung die ältere ist, gegen¬
über der offenbar von Reinhard überarbeiteten
(Göttinger Musenalmanach 1800, 153), ist leicht
ersichtlich. Die Zeit der Konzeption ist nicht
genauer anzugeben, ebensowenig die der sechs
Bürgerschen Verse, ohne Titel, die beginnen:
An Chloens Busen ....
(vgl. Gegenwart 1. c. S. 71.)
Nach dem Horatz (An Themiren).
Das Lied setzt Bürger in das Frühjahr 1773
(Ausgabe von 1778, S. 109), Sauer dagegen in
seiner Ausgabe in das Jahr i~~i, und wohl mit
Recht (Strodtmann I, 34). Nach einer Ab¬
schrift des Herrn Professors Dr. A. Sauer, die
dem Biirger-Goeckingkschen Briefwechsel (vgl.
Vierteljahrschrift für Litteraturgeschichte Bd. 3.
1890) entstammt, kann ich hier einige Varianten
mitteilen. Nach Papier und Schrift gehört diese
Handschrift Bürgers in die früheste Zeit des
Briefwechsels. Zeile 5 : „Wenn noch“, Zeile 1 1 :
„lose“, Zeile 41 : „Dich fürchten alle“, Zeile 42:
Heerd (Wehrt), Zeile 43 : „Tröpfgen“, Zeile 44:
„angehört“.
Das glückliche Leben (Das vergnügte Leben).
Im Jahr 1778 setzt Bürger dieses Lied ins
Jahr 1773; wie ich aber (in der Zeitschrift für
deutsche Philologie XXXV, S. 540 f.) gezeigt
habe, ist das Lied bereits im März iyji kon¬
zipiert worden. (Vgl. das Stammbuchblatt an
Leisewitz.)
Die erste vollständige Fassung steht in der
„Gegenwart“ (1. c. S. 70); die späteren Ände¬
rungen Bürgers sind wieder meist unglücklich
geraten.
Die erste Strophe der frühesten vollständigen
Fassung heißt:
Der Mensch muß denken; ohne Denken gleicht
Der Mensch dem Oechs- und Eselein im Stalle.
Das Herz muß lieben; ohne Liebe deücht
Er sich ein traurig Ding nach seinem Falle.
Ein Geschichtchen (Ein Romanzchen).
Das Gedicht wurde bekanntlich zuerst im
Göttinger Musenalmanach 1799 unter dem Titel
„Der Sprung, eine Romanze“ abgedruckt, dann
später gleichlautend im Heidelberger Taschen¬
buch Cornelia (1812, S. 6), diesmal aber unter
dem früheren Titel. Die letzte Strophe lautet
hier:
Wer immer so befiedert war,
Der könnte manches wagen
Und über Land und über Meer
Die schönen Mädchen tragen.
In der Gegenwart (1. c. S. 70), die die früheste
P'assung bringt, die ebenfalls dem Briefe Bürgers
an Gleim vom 29. Sept. 1771 beilag, heißt die
letzte Strophe:
Wer immer so befiedert war,
Dem müßt’ es leicht gelingen
Sich tausend Meilen übers Meer
Nach Mexiko zu schwingen.
Die Nachtfeier der Venus.
Der Anfang der „Nachtfeier der Venus“
(45 Verse) in erster Fassung findet sich in
Bürgers Brief vom 20. Oktober 1771 an Gleim
(herausgegeben von C. Sclniddekopf im 3. Er¬
gänzungsheft des Ivuphorion), in dem er sich
bereits vornahm, „in diesem Stück den Wohl¬
klang und die Korrektheit so weit zu treiben,
als in meinen Kräften stehet“.
Daß die Nachtfeier (Leipzig 1774) mit Ram-
lerschen Veränderungen in dessen „Lyrische
Blumenlese“ aufgenommen wurde, ist bekannt.
Ramler schrieb im Juli 1772 (Mitteilungen aus
dem Literatur- Archive, 1904, S. 296) an Boie
in dieser Angelegenheit:
„Ihre 3 Musenalmanache haben noch eine
Menge trefflicher Gedichtchen, die ich liebe,
ob ich sie gleich in meine schon mehr als voll¬
ständige Sammlung nicht einrücken kann. Die
Nachtfeyer der Venus, die mir der Herr v.
Kn(ebel) von Ihrer Hand zugeschickt hat, und
die vermuthlich der U. Ihres Musenalmanachs
gemacht hat (den ich für den Herrn Bürger
halte), ist ein ganz unvergleichliches Stück. Aus
dem lateinischen Chaos schöner Bluhmen hat
er einen herrlichen Garten geschaffen. Ich
habe mir so viel Mühe mit diesem Stückchen
gegeben, als wenn es mein eigenes wäre. Zu¬
erst schrieb ich es meinem Anonymus zu, und
wenn Sie mir nicht den Namen des Verfassers
nennen, so soll ers durchaus gemacht haben.
Haben einige andere Kritiker etwan schon vor¬
her Hand an dieses Gedichtchen gelegt? Ich
mochte gern alle Lesarten wissen, die ein so
Ebstein, Gedichte Bürgers in ältester Fassung.
289
trefflicher Verfasser gehabt hat. Wenn Sie ihm
die meinigen schicken, so ersuchen Sie ihn, in
meinem Namen, mir alles sobald als möglich
zukommen zu lassen, was er etwan noch zu
ändern Lust haben könnte. Und nun will ich
das Handwerk eines Pflegevaters auf immer
aufgeben. Ich könnte mit keinem schönem
Liede, als mit diesem, den Beschluß machen.
Ob es für unsre Schönen gleich nicht mehr
singbar ist, so will ich es doch, seiner starken
poetischen Schönheit wegen, als eine Kantate
in meine Sammlung setzen. Vielleicht findet
sich ein Musiker, der es mit einer würdigen
Musik beschenkt.“
„Indessen bleibt doch der Abdruck im Mus.-
Alm. immer der echtere“, schreibt Bürger am
14. August 1773 an Boie.
Minnelied.
Das Entstehen dieses Minnelieds, das als
„Winterlied“ in die späteren Ausgaben überging,
setze ich mit Hoenig in den Anfang des Jahres
1772-, es ist also noch in Göttingen entstanden.
Minnelied. *
Der Winter hat mit kalter Hand
Die Pappel abgelaubt;
Und hat das gruene Maygewand
Der armen Flur geraubt;
Hat Bluemchen, blau und roth und weiß,
Begraben unter Schnee und Eis.
Doch, liebe Bluemchen, hoffet nicht
Von mir ein Sterbelied!
Ich kenn’ ein minniglich Gesicht,
Worauf ihr alle blueht.
Blau ist des Augensternes Rund ;
Die rothen bluehen um den Mund.
Auch Rosenknöspchen weiß ich stehn,
Und Lilien herum
Gern gäb’ ein Ritter, Sie zu sehn,
Sein Rittergut darum.
Sie stehn — ihr lächelt schon? Ho! Ho!
Ihr guten Leute, rathet! Wo?
Was kümmert mich die Nachtigall
Im aufgebluehten Hain?
Ach ! Lilla trillert hundertmal
So sueß und silberrein.
Ihr Athem ist wie Mayenluft,
Erfüllt mit Hyazinthenduft.
1 Alle anderen Schriftstücke von Bürgers Hand,
Lettern geschrieben.
Wie wenn des Morgenwindes Hauch
Durch junge Meyen weht,
So säuseln ihre Bänder auch,
Wenn sie vorüber geht.
O May, was frag’ ich viel nach dir?
Der Frühling lebt und webt in ihr!
Die mit lateinischen Lettern geschriebene
Handschrift1, die ich hier mitgeteilt habe, scheint
nicht von Bürgers, sondern von Boies Hand
herzurühren. Vielleicht ist es die Abschrift, die
Boie am 29. März 1772 an Knebel (Band 2,
S. 124 und 126) sandte mit den Worten: „Ich
schreibe Ihnen ein Lied ab, das Ihnen gefallen
muß.“ Daß dieses Minnelied gemeint ist, geht
aus dem weiteren Briefe vom 1. Mai hervor,
in dem das alte „lebt und webt“ gelobt wird.
Boie selbst hat, wie Ramler am 14. November
(ebenda S. 40) an Knebel schreibt, an der
letzten Strophe dieses Liedes gekünstelt und
statt der unwesentlichen „Bänder“ die „Locken“
hingesetzt. (Vgl. Lloenig 1. c. S. 504.)
Am 9. März 1773 schrieb Joh. Chrn. Blum
an Boie — die Biirgerschen Lieder in dem
Göttinger Musenalmanach betreffend — (Mit¬
teilungen aus dem Literatur- Archiv, 1904, S.241):
„Bürger ist mein Mann. Er hat alle Vorteile
des Genies und der Kunst. Seine neue Manier
konnte nicht besser als durch solche Meister¬
stücke empfohlen werden. Ich möchte in allem
Ernst seine Minnelieder lieber gemacht, als
alles, was Klopstock, Denis und ihr ganzes Heer
von Nachahmern, im Bardentone gesungen
haben. Das nenne ich Natur und Wahrheit!
Das nenne ich einen wohlklingenden Vers! Das
nenne ich deutsche Sprache !“
Bekanntlich schrieb Goethe in den „Frank¬
furter Gelehrten Anzeigen“ vom 12. November
1772: „Das Minnelied von Herrn Bürger ist
besserer Zeiten werth, und wenn er mehr solche
glückliche Stunden hat, sich dahin zurückzu¬
zaubern, so sehen wir diese Bemühungen als
eins der kräftigsten Fermente an, unsre empfind¬
samen Dichterlinge mit ihren goldpapierenen
Amors und Grazien vergessen zu machen.“
Minnelied (Ich will das Herz mein lebenlang).
Dieses Minnelied, später der „Minnesänger“,
wird von Bürger in das Frühjahr 1772 gesetzt
(vgl. Hoenig, S. 504), obwohl die Schlußstrophen
die ich aus dem Literatur- Archiv erhielt, sind mit deutschen
Ebstein, Gedichte Bürgers in ältester Fassung.
29O
erst im Juli dazu kamen. In diesem Monat
sandte es Bürger an Gleim in Halberstadt, wo
es heute noch im Archive liegt. Die folgende
Abschrift verdanke ich der Freundlichkeit von
Anna Hey in Halberstadt, Städtisches Museum
(Gleimhaus). Es ist die früheste Fassung, die
wir kennen; sie ist leider noch nicht von
Berger, aber bereits von Hoenig herangezogen,
doch nicht genauer benutzt worden.
Minnelied.
Ich will das Herz mein lebenlang
Der trauten Minne weyhen;
Und den gefälligen Gesang
Verliebten Schmeicheleyen.
Denn, wahrlich! Keines Lobes Ton,
Auf keiner Flur, gewähret
Dem Sänger einen beßern Lohn,
Als wenn er Schönheit ehret.
Wohlan, o Laute, werde dann
Der Schöne, die gesellig
Und freiindlich ist und minnen kann,
Durch süßes Lob gefällig!
Dein Schmeicheln mildert die Natur;
Schon laßen Schäferinnen
Sich hie und da auf deutscher Flur
Durch Liederchen gewinnen.
Du sollst noch manche Sommernacht,
LTm stille Schäferhütten,
Das Mädchen, das im Bette wacht,
Von mir zu träumen bitten.
Mir danket dann ihr holder Gruß,
Ihr liebevolles Nicken;
Oft auch ein wonniglicher Kuß
Und sanftes Händedrücken.
Erwerben werd’ ich reiches Gut,
An schönen Minnepfändern;
Und prangen wird mein Stab und Huth
Mit Rosen und mit Bändern.
Dann soll am Feste sich kein Hirt
Im Lande besser zieren.
Im bunten Schellenbande wird
Mein lieber Hund stolzieren.
Das Mädchen wird den Blumenkranz
Von mir am liebsten tragen;
Und einen kleinen Ehrentanz
Wird keines mir versagen.
Zu ihren Spielen werden mich
Die Schönsten immer winken.
Die ich dann küsse, werden sich
Viel mehr, als andre, dünken. —
Auch wenn ich längst gestorben bin
Und unter Ulmen schlafe;
So weidet gern die Schaferinn
Noch um mein Grab die Schaafe;
Bricht junge Mayenglöckchen ab,
An der gewcyhten Stelle.
Und flattert zephyrlich hinab
Zur nachbarlichen Quelle;
Kömmt schön, wie eine Braut, zurück,
Von ihrem Wasserspiegel;
Und senket den betrübten Blick,
Und klagt an meinem Hügel:
,,Du, der so süße Lieder schuf,
So minnigliche Lieder!
O weckte dich mein lauter Ruf
Aus deiner Asche wieder!
Du wurdest mich nach deinem Brauch,
Gewiß ein wenig preisen.
Dann hätt' ich doch bey Schwestern auch
Ein Liedchen auf zuweisen.
Dein Minneliedchen säng' ich dann;
Sollt’ auch die Mutter schelten.
O lieber, lieber Leyermann !
Ich wollt’ es dir vergelten! — "
Dann will ich, mit der Sommerluft,
Aus meiner Ulme Zweigen,
Herab zum Mädchen auf die Gruft,
Sie anzmvehen, steigen;
Will durch des Baches grünes Rohr
Und Blätter, die sich kraüseln,
Ein Liedchen in ihr lauschend Ohr,
Zu ihrem Lobe, saüseln.
Minnelied (Hört von meiner Minniglichen).
Diese einzelne Minnestrophe, in der Grise-
bach mit Recht den Keim des Hohen Liedes
sieht, war zuerst an Dorette gerichtet. Ihr Ent¬
stehen setze ich mit Grisebach und Hoenig in
das Frühjahr i~~4-
Lied (Trautei).
Bürgers Datierung von „Trautei“ fällt in
den April 7775. Hoenig, und ich mit ihm,
hält an der Datierung fest. Grisebach glaubt
(1894, XXXII), Bürger habe falsch, d. h. zu früh
datiert, „um die Beziehungen der Gedichte auf
Molly zu verschleiern“. Der Varianten sind
wenige, die sich aus der mitgeteilten Fassung
ergeben.
Lied.*
Mein Trautei hält mich für und für
In festen Liebesbanden ;
Bin immer um und neben ihr;
Sie läßt mich nicht abhanden.
Ebstein, Gedichte Bürgers in ältester Fassung.
291
Ich darf nicht weiter, als das Band,
Woran sie mich gebunden.
Sie gängelt mich an ihrer Hand
Wohl Tag für Tag zwölf Stunden.
Mein Trautei hält mich für und für
In ihrer stiilen Klause.
Darf nie zum Tanz, als nur mit ihr,
Nie ohne sie zum Schmause.
Und ich bin gar ein guter Mann,
Der sie nur sieht und höret
Und aus den Augen lesen kann,
Was sie befiehlt und wehret.
Ich, Trautei, bin wohl recht für dich,
Und du für mich gebohren.
O Trautei, ohne dich und mich,
Sind ich und du verloren. —
Wenn einst des Todes Sense klirrt
Und mähet mich von hinnen,
Ach ! lieber lieber Gott ! was wird
Mein Trautei doch beginnen? —
Bürger.
Ballade (Ständchen).
Hoenig setzt nach Bürgers Datierung das
Ständchen in den Juli 1775; damit ist aber
schon die „Trallyrum larum“-Fassung gemeint,
deren Abschrift Boie am 2. Juli 1775 (Strodt-
mann I, 232) erbittet und die er am 29. Juni
für Goeckingk an den Musenalmanach sendet.
Die so interessante Fassung, die ich hier
mitteile, halte ich aus verschiedenen Gründen
für die früheste, die wir kennen. Die „Ballade“
hat noch acht, das spätere „Ständchen“ nur
sechs Strophen. Die Strophen 3 und 6 — 8
machen das Balladenmäßige des Stückes aus;
recht interessant ist das Anklingen an das
Lenorenmotiv.
Ballade.*
O süßes Mädchen, höre mich
Und meine sanfte Leyer!
Mit diesem Ständchen grüßet dich
Dein zärtlicher Getreüer.
Thu auf die lieben Aügelchen,
Und lausche meinen Liederchen!
Durch schweigend Dunkel kam ich her,
Zur Stunde der Gespenster.
Kein Lämpchen schien im Dorfe mehr
Durch stiller Hütten Fenster.
Mich wehte kaltes Grauen an ;
Und ängstlich rief der Wetterhahn.
Die Füße wurden bleyschwehr; mir
Stieg jedes Haar zu Berge.
Doch führte gleich der Weg zu dir
Durch leichenvolle Särge;
Ich wagte, so verzagt ich bin,
Mich doch zu meinem Mädchen hin,
Beym Weibchen ruht itzt jeder Mann,
Und streichelt ihre Wange;
Mit seiner Henne sitzt der Hahn
Vergnügt auf einer Stange;
Der Sperling unterm Dache sitzt
Bey der geliebten Sie anitzt.
Wann, Himmel! ist auch mir erlaubt
Daß ich an Sie mich schmiege?
Daß ich mein Liebetaumelnd Haupt
Auf Ihrem Busen wiege?
O Priesterhand, wann führest du
Mich meinem süßen Mädchen zu?
Horch auf, o Mädchen! Singet noch
Mein Liedchen dich nicht munter?
O Engel, lispele mir doch
Ein süßes Wort herunter!
O Weh! daß ich nicht fliegen kann;
So schwüng’ ich mich zu dir hinan.
Ach! aber Ach! Umarmt’ ich dich;
Käm’ ich auch angeflogen?
Verdacht hat zwischen dich und mich
Ein eisern Netz gezogen.
Warum erstarrte nicht die Hand,
Die Gitter, Schloß und Kett’ erfand?
Ihr nur könnt in ihr Kämmerchen,
Durchs Gitter hingelangen,
Umwallet dort, ihr Seüfzerchen
Die vollen runden Wangen
Befeuert dort in ihrer Brust
Die Triebe jeder süßen Lust,
X
Die Elemente.
Dieses Gedicht, von dem ich hier aus Bürgers
Handschrift nur die Strophen 1 — 4 und 13
geben kann (der Bogen mit den Strophen 5 — 12
ist offenbar herausgefallen und verloren ge¬
gangen), setzt Bürger in den Dezember 1776;
unsere Fassung bietet kaum bemerkenswerte
Varianten; der Vollständigkeit halber mögen
die fünf Strophen hier ihren Platz finden.
Die Elemente.*
Horch! Hohe Dinge lehr ich dich.
Vier Elemente gatten sich;
Sie gatten sich, wie Mann und Weib,
Voll Liebesgluth, in einen Leib.
Der Gott der Liebe rief: Es werde!
Da ward Luft, Feuer, Wasser, Erde.
292
Ebstein, Gedichte Bürgers in ältester Fassung.
Des Feuers Quell, die Sonne, brennt
Am blauen Himmelsfirmament
Sie stralet Wärme, Tagesschein;
Sie reifet Korn und Obst und Wein;
Macht alles Lebens Säfifte kochen
Und seine Pulse rascher pochen.
Sie hält den Mond in stillen Glanz
Und flicht ihm einen Sternenkranz.
Was leuchtet vor dem Wandrer her?
Wer führt den Schiffer durch das Meer
Viel tausend Meilen in die Ferne?
Ihm leuchten Sonne, Mond und Sterne,
Die Luft umfängt den Erdenball,
Weht hie und dort, weht überall ;
Ist Lebenshauch aus Gottes Mund,
Durchwandelt gar das Erdenrund,
Wo sie durch alle H Ölung webet
Und selbst des Würmchens Lunge hebet.
Das . . .
(Strophe 5 — 12 fehlen)
Du Bastard, der nicht lieben kann,
Was bist du ohne Liebe dann?
Ein todter Klumpen ist dein Herz;
Du bist ein eiteltönend Erz
Bist leerer Klinklang einer Schelle
Und Tosen einer Wasserwelle.
Die folgenden zwölf Epigramme Bürgers ,
von denen acht bislang ganz unbekannt ge¬
blieben sind, lasse ich in der Anordnung folgen,
wie sie von Bürgers Hand auf ein gefaltetes
Oktavblatt geschrieben wurden.
Amors Pfeil.*
Amors Pfeil hat Widerspitzen,
Wen er traf, der laß’ ihn sitzen;
Und erduld’ ein wenig Schmerz.
Welcher meinen Rath verachtet,
Und ihn auszureißen trachtet,
Der zerfleischet ganz sein Herz.
Zuerst gedruckt Göttinger Musenalmanach
1 773? S- 213, wo folgende Varianten: Zeile 2:
„trifft“, Zeile 6: „verwundet sich das“.
Bachus.*
Man rühmt, daß Bacchus Muth erschafft,
Und daß er jeder Nerve Kraft
Zu jeglichem Geschäfte mehre —
Zu jeglichem? fragt spöttisch mich Glycere.
Bisher ungedrucktes Epigramm.
Penelope.*
Die List Penelopens, des frommen Weibchens, lebe!
Um ihre Tugend her zog sie ein Schutz gewebe;1
Doch das* was sie bei Tage gut gemacht
Verdarb sie wieder in der Nacht.
Zuerst gedruckt im Göttinger Musenalmanach
1/73» 20 1. Die Quelle zu diesen Versen ist,
wie Otto Ritter (Herrigs Archiv, 1 1 1 . Band)
mitteilt, De Saint - Lamberts Epigramm „La
nouvelle Penelope“, das nach der Choix d’Anec-
dotes, de Contes etc., Paris 1827, Tome II,
S. 157 zitiert wird. Ich zitiere hier nach den
„Oeuvres melees de Saint-Lambert“, Paris 1795,
Bd. II, S. 14:
Epigramme.
La jeune Egld, quoique trü:s peu cruelle,
D’une Honesta vent avoir le renom;
Prüdes, pedants, vont travailler chez eile
A reparer sa rüputation.
Lä tout le jour un cercle, misanthrope
Avec Egle, mddit, fronde l’Amour.
Helas! Eglö, semblable ä Pdndlope
Defait la nuit tout l'ouvrage du jour.
Auf d[en] König v. Preußen.
Mein Friedrich braucht zu seinem ganzen
Regierungswesen lauter Franzen.
Nur ein Geschäft ist noch, das er durch Deutsche thut,
Zum Überwinden braucht er deutschen Heldenmuth.
Zuerst gedruckt in: Cornelia, herausgegeben
von Aloys Schreiber II (1817), S. 54, wo folgende
Varianten: Zeile i: „bei“; Zeile 4: „Im Siegen“.
Auf die altonaische Übersezzung der Iliade.*
Gries, deine Ilias ist fließendes Gewäsche,
Nicht bitter und nicht süß, matt, wie der Trank d[er]
Frösche.
Bislang unbekanntes Epigramm Bürgers.
Gemeint ist Homers Ilias, in deutsche Verse
übersetzt und mit Anmerkungen begleitet von
Johann Adolph Peter Gries, königlich dänischen
wirklichen Kanzeley-Rath und Syndico der Stadt
Altona. Erstes und zweytes Buch, Altona 1752.
8°. Johann Friedrich Degen (Litteratur der
deutschen Übersetzungen der Griechen I. Alten¬
burg 1797, S. 371) gibt an, daß die Übersetzung
in gereimten Versen gemacht sei, Gries bilde
nach Original etwas frei nach, suche aber doch
die Hauptzüge nicht ganz zu verlieren. Die
Sprache sei überhaupt genommen edel und
würdig. Außer diesen beiden Rhapsodien ist
sonst nichts erschienen. ^
1 „Kunst“ ist durchgestrichen. — 2 Vorher: „Allein. Jedoch“; beides durchgestrichen.
3 Vgl. auch Adalbert Schroeter, Geschichte der deutschen Homer-Übersetzung. Jena 1882.
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Nach dem Original im Besitze des
Dr. Erich Ebstein in Göttingen.
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Ebstein, Gedichte Bürgers in ältester Fassung.
293
Parabel.*
Der Pindus und das Himmelreich
Sind sich in manchen Stücken gleich;
Das was für dies der Satan ist,
Ist dort ein schlechter Journalist.
Dies Epigramm Bürgers ist bisher noch
nicht gedruckt worden.
Auf einen dürren Flucher.*
Der dürre Thrax ruft oft; der Teufel soll ihn hohlen
Wie kömts, daß er ihn nicht erhört?
Das Beingeripp’ ist nicht der Kohlen
Und nicht der Müh des Bratens wehrt.
Bislang unbekanntes Stück Bürgers.
Ludwig der Vielgeliebte.*
Wer sich nicht gern für ihn aus Liebe schinden läßt
Den setzt der Vielgeliebt’ in der Bastille fest.
Ebenfalls bisher unbekanntes Epigramm
Bürgers.
Amor und Hymen.*
Oft sind sie übern Fuß gespannt.
Der lenkt das Herz und der die Hand
Sehr rar erstreckt des einen Reich
Sich über Hand und Herz zugleich.
Zuerst gedruckt: Cornelia II (1817), S. 12,
wo es Zeile 3 abweichend heißt: „Nicht oft“.
Über den Gebrauch
der heydnischen Mythologie.*
An Ramler.
Du hast, o Ramler, zur Maschine manches Wesen,
Was dir so wenig hilft als schadet, auserlesen.
Ist wohl der Held, der oft von dir besungen ward,
Ein Wesen von derselben Art?
[Ohne Überschrift.]1
Leicht kann man zween Herren frohnen
Und Ganymed giebt den Beweiß hiervon.
Er diente Zevsen und Junonen
Und niemahls gabs Collision.
Auf Götzen.*
Um Satans Existenz mit dem Collegen zanken
Hört, rasender Zelot, hört die Gemeine dich.
Um ihn zu steinigen empört der Pöbel sich.
Dies, existirt er ja, dies muß dir Satan danken.
Bisher unbekanntes Epigramm Bürgers.
Prolog
gehalten
bei einer Privatvorstellung der Eulalia zu
Göttingen.
Dieser Prolog Bürgers, der Sprickmanns
fünfaktiges Trauerspiel „Eulalia“ einleitete, ist
zuerst gedruckt geworden - — d. h. in seiner
ältesten vollständigen Fassung — in der Berliner
Literatur- und Theaterzeitung aus dem Jahre
1781 vom 24. Februar (Nr. VIII, S. 113 — 1 1 5)
[Vgl. E. Ebstein, Gegenwart vom 19. Oktober
1901, Nr. 42. S. 246 f.]. Die Abfassung des
Prologs dürfte nach Bürgers Brief vom 27. Jan.
1780 gegen Ende 17 7g zu setzen sein.2
Des Pfarrers Tochter von Taubenhain.
1897 hat Carl Schüddekopf im dritten Er¬
gänzungsheft des Euphorion (S. 103) die sieben
ersten Strophen dieser Ballade in frühester
Fassung bekannt gegeben, die dadurch wichtig
ist, daß — außer sonstigen Varianten — hier
auf die zweite Strophe die beiden letzten der
endgültigen Gestalt (Vers 181 — 190) folgen.
Aufgegebene Liebeserklärung an Sophien.
Diese am 21. November 1784 von Bürger an
Sophie Schwarz geb. Becker „nach vor¬
geschriebenen Endreimen gegebene Liebes¬
erklärung“ erschien zuerst gedruckt, d. h. in
ältester Fassung, in dem „Briefe einer Kur-
länderin. Auf einer Reise durch Deutschland.“
Berlin 1791. Zwei Teile, wie ich (Beilage der
Allg. Zeitung vom 6. Sept. 1902, S. 462) ge¬
zeigt habe.3
Das hohe Lied
von der
Einzigen,
in Geist und Herzen empfangen
am
Altäre der Vermählung.
Erschien zuerst in Bürgers Gedichtausgabe
von 1789. Grisebach und Hoenig haben, wie
bereits erwähnt, gezeigt, daß die im Frühjahr
1774 entstandene Minnestrophe auf Dorette der
Keim des Hohenliedes ist; die Hauptarbeit fällt
indes in den Winter 1788 — 89, in welchem
Bürger mit A. W. Schlegel sehr vertraut war.
1 Beide Epigramme Bürgers sind bisher ungedruckt.
2 Beiläufig sei bemerkt, daß W. Raabe das Motto auf dem Titelblatt zu seinem „Schüdderump“ 2. Aufl. (Berlin,
Otto Janke 1894) diesem Prolog entnommen hat. (Ergötzet Ihr — Vielleicht und S. 97 an dem heitern Stück — belohnt.)
3 A. W. Bohtz, Göttingen 1835, S. 64, druckt in Zeile 3: „Bekannt mit meinem Muth“, statt „Wert“.
Z. f. B. 1905/1906. 38
2 94
Ebstein, Gedichte Bürgers in ältester Fassung.
Daß viel, besonders an dem Eingänge des Ge¬
dichtes, gefeilt wurde, hat uns Strodtmann
zuerst bekannt gemacht.
Ich bin nun in der Lage, von dem Hohen
Liede, das zwar nicht das Feurigste, auch nicht
das Mächtigste, was Bürger geschaffen, aber
doch sein erhabenstes Lied ist, die ersten vier
Strophen in einer offenbar jungem Fassung
mitzuteilen, nach einem Blatt von Bürgers Hand,
das sich in meinem Besitze befindet und wo¬
nach auch das Faksimile hergestellt ist.
Hört von meiner Ausenvählten,
Hört mein höchstes, schönstes Lied!
Ha! ein Lied des Neubeseelten
Von der süßen Unverwählten,
Die ihm endlich Gott beschied.
Wie aus tiefer Ohnmacht Banden
Wie aus Graus und Moderduft
In verschloßner Todtengruft
Fühlt er froh sich auferstanden
Zu des Frühlings Licht und Luft.
Zepter, Diademe Trohnen
Gold und Silber hab’ ich nicht,
Hätten gleich, ihr voll zu lohnen,
Silber, Gold und Perlencronen
Ein genügendes Gewicht.
Was ich habe, will ich geben —
Ihrem Nahmen, den mein Lied
Schüchtern sonst zu nennen mied
Will ich schaffen Ruhm und Leben
Durch mein höchstes Feyerlied.
Schweig, o Chor der Nachtigallen!
Mir nur lausche jedes Ohr!
Murmelbach hör auf zu wallen!
Winde laßt die Flügel fallen,
Halt in jedem Elemente,
Rasselt nicht durch Laub und Rohr!
Halt im Hain und auf der Flur
Jeden Laut der irgend nur
Meine Feyer stören könnte,
Halt den Odem an, Natur!
Herrlich wie der Regenbogen,
Weichgefiedert wie der Schwan,
Auf des Wohllauts Silberwogen
Leicht und schwebend fortgezogen
Wall’ o Lied des Ruhmes Bahn!
Denn bis zu den lezten Tagen,
Die der kleinste Laut erlebt,
Der von deutscher Lippe schwebt,
Sollst du deren Nahmen tragen
Welche mich zum Gott erhebt!
[Hört, Enkel, hört unglaubliches Bemühen!]
wurde von Adolf Strodtmann zuerst in der
Deutschen Revue, herausgegeben von R.Fleischer,
IILJahrgang, Heft i. Oktober 1878. Berlin, Verlag
von Otto Janke, S. 1 59 f. veröffentlicht Strodt¬
mann fand das Gedicht als „loses Blatt“ zwischen
Bürgers Nachlaßpapieren. Auf demselben Blatte
(vergl. das Faksimile), von dem ich eben den
Eingang des Hohen-Liedes mitteilte, steht auch
das satirische Gedicht Burgers, das recht viel
Varianten orthographischer Art, aber sonst keine
wesentlichen andern zeigt. Zeile 5 steht „Genien“
statt „Grazien“.
Gebet der Weihe.
Das „Gebet der Weihe“ findet sich in dem
Briefe Bürgers vom 18. Mai 1790 (Strodtmann
IV, 58); allerdings sind bei Strodtmann nur die
beiden ersten Zeilen abgedruckt. Der Brief mit
dem vollständigen Gedicht liegt seit kurzem
in der Städtischen Altertums - Sammlung in
Göttingen, wonach ich die Varianten, die sich
nach dem Abdruck in der „Akademie der
schönen Redekünste“ I, 1, 3 ergeben, mitteile:
Z. 3: „Britten“; Z. 4: „durchstralend“;
„ 5: „Wenigen baun“; Z. 8: „Beydes“;
„ 9: „Göttin wir baun dir ein Haus“;
„ io: „Dennoch, du Hehre, nur dir“;
„II: „Krämer“;
„13: „zu karren“; „Noth thut“;
„ 14: „Engt ein unzähliger Neugier“
„ 20: „Den“
„25: „würze düftendem“
„ 27: „drauf ein“;
„ 28: „Kindes des ewigen Ruhms voll Leben
und Odem gebierst“;
„ 29: „Endlich voll“; „Stral“;
„ 30: „erwärmest“;
„ 31 : „Herrliche“; „Bessere“;
„ 32: „Sey uns Wenigen“.
Freiheit.
Die Originalniederschrift dieser zuerst im Göt¬
tinger Musenalmanach 1794, S. 1 1 3 abgedruckten
Bürgerschen Verse konnte ich, dank der Liebens¬
würdigkeit des Ludwig Rosenthalschen Anti¬
quariates in München, einsehen; sie steht auf
einem kleinen Zettelchen, mit „G. A. Bürger“
gezeichnet, darunter steht: „Die Tode“, das ist
die Überschrift zu dem im Musen- Almanach
1 793, S. 71 abgedruckten Gedicht. Somit dürfte
„Freiheit“ sicherlich ins Jahr 1792, wie auch
Sauer und Berger annehmen, fallen. Der
Ebstein, Gedichte Bürgers in ältester Fassung.
295
Varianten sind außer einer Menge ortho¬
graphischer wenige. Zeile 5 : „nun“ statt „noch“.
Das Herz.
Ich kann zwar keine neue Fassung dieses
Bürgerschen Gedichtes geben; ich will aber her¬
vorheben, daß Grisebach als Quelle Boufflers
Gedicht „Le Coeur“ aufgefunden (Oeuvres
du Chevalier des Boufflers. A Geneve. 1782),
von dem Bürger das erste Drittel übertragen
hat. (Vgl. E. Grisebach, Welt-Literatur-Katalog.
2. Aufl. Berlin 1905, S. 235.) Ich zitiere nach
der in Paris 1827 erschienenen Ausgabe. Bd. I.
S. 43 £:
Le coeur est tout, disent les femmes.
Sans le coeur point d’amour, sans lui point de bonheur:
Le coeur seul est vaincu, le coeur seul est vainqueur.
Mais qu’est-ce qu’ entendent ces dames;
En nous parlent toujours du coeur?
En y pensant beaucoup, je me suis mis en tete
Que du sens litteral elles font peu de cas,
Et qu’on est convenu de prendre un mot honnete
Au lieu d’un mot qui ne Test pas.
Sur le lieu des coeurs en vain Platon raisonne,
Platon se perd tout seul et n’egare personne;
Raisonner sur l’amour, c’est perdre la raison;
C'est la nature qui la donne.
Nach Mitteilung der Bürgerschen Verse noch
ein unbekannt gebliebenes Stück Bürgerscher
Prosa .
In den von Christoph Girtanner heraus¬
gegebenen Politischen Annalen (Dritter Band.
July. August. September. Berlin 1793) findet
sich auf S. 463 folgende Notiz, auf die ich hier
hinweisen möchte:
„Im Monate Oktober, oder November dieses
Jahres, wird zu London Franklin , von ihm selbst
geschriebenes, Leben durch seinen Sohn heraus¬
gegeben werden. Der Herausgeber dieser
Annalen [Girtanner], welcher einst die Absicht
hatte, dieses höchst interessante Werk in die
deutsche Sprache zu übertragen, hat nunmehr
aus Mangel an Zeit, diesen Vorsatz aufgegeben;
und wird die Bogen des Originals, so wie er
dieselben posttäglich von London erhält, dem
Herrn Prof. Bürger zu Göttingen übergeben,
welcher die Übersetzung übernommen hat. Was
sich von diesem vortrefflichen Schriftsteller für
eine getreue, fließende und korrekte, Ver¬
deutschung jenes Meisterwerk[s] erwarten lasse;
davon zeugt der Anfang der Franklinschen
Lebensbeschreibung, welcher, mit dem Titel:
Franklins Jugendjahre, schon seit einiger Zeit
gedruckt erschienen ist.“
Ferner möchte ich hier aufmerksam machen
auf die sich an die eben mitgeteilte Notiz an¬
schließende Bemerkung Bürgers, die bisher im¬
bekannt geblieben ist, und die von nun an auch
unter die Prosa -Stücke aufgenommen werden
müßte. Sie befindet sich gedruckt im Intelligenz¬
blatt der Allgemeine Literatur-Zeitung (Nr. 20.
Mittwoch den 26. Februar 1794) und ist über¬
schrieben:
Erinnerung gegen eine Ankündigung des
F. S. Industrie Comtoirs in Weimar.
Es scheinet neuerlich Maxime, und zwar eine recht
gute Maxime, des literarischen Völkerrechts geworden
zu seyn, daß, wenn Jemand, und vollends ein namhafter
Schriftsteller, die Übersetzung eines ausländischen
Werkes occupirt und zuerst angekündigt hat, sodann
jeder andere Gelehrte und Buchhändler von einigem
Zartgefühl den ersten im ungestörten Besitze lasse.
Auch das F. S. Industrie Comtoir in W. scheinet diese
Maxime anzunehmen , weil es Ankündigungen macht,
um unangenehme Collisionen zu vermeiden. Die von
Franklins Leben und Schriften hätte es daher ver¬
mutlich nicht gemacht, wenn es ihm nicht entgangen
wäre, daß bereits in Hn. G. H. Hofr. Girtanners Polit.
Annalen Sept. N. 1. 1793. S. 463 gemeldet worden, wie
ich mich mit eben dieser Arbeit beschäftigen würde
und nun wirklich beschäftige.
Göttingen den 14. Febr. 1794.
Gottfried August Bürger.
Aus diesen beiden Bemerkungen geht her¬
vor, daß Bürger seit Herbst 1793 mit der Fort¬
setzung der Übertragung von Benjamin Franklins
Selbstbiographie (The life of Benjamin Franklin,
written by himself) beschäftigt war. Aus einem
Brief „an Herrn Voß, berühmten Buchhändler
in Berlin“, datiert vom 17. November 1793, — aus
R. Bertlings Katalog No. 44 im August 1903 ver¬
kauft; der Verbleib des ungedruckten Originals
ist mir leider nicht bekannt geworden 1 — geht
hervor, daß er ihm Franklins Leben in Verlag
geben wollte. „Benjamin Franklins Jugendjahre,
von ihm selbst für seinen Sohn beschrieben und
1 Da ich eine Sammlung von Briefen Bürgers (vergl. u. a. den Aufruf in der National- Zeitung vom 23. Sept. 1904)
vorbereite, so darf ich auch an dieser Stelle die Herren Autographensammler wohl freundlichst bitten, mir Mitteilung
von etwa in ihrem Besitz befindlichen Bürger- Autographen zu machen.
296
von Zobeltitz, Das Stammbuch Fritz von Steins.
übersetzt von Gottfried August Bürger. Berlin,
Rottmann 1792“ stellt, wie nie besonders her¬
vorgehoben worden ist, nur den ersten Teil der
bekannten Franklinschen Selbstbiographie dar.
Nach welcher Ausgabe Bürger übersetzt hat, läßt
sich nicht wohl sagen; den zweiten Teil der Selbst¬
biographie schuf Bürger offenbar nach der zu
London [1793J in zwei Bänden erschienenen
Ausgabe „Works of the late Doctor Benjamin
Franklin: consisting of bis life, written by him-
self, together with Essays, Humorous, Moral
and Literary, chiefly in the manner of the Spec-
tator. In two volumes. Vol. II. London. Prin-
ted for G. G. J. and J. Robinson, Tater - noster
Row (Der zweite Teil der Biographie beginnt
auf S. 191 .). Merkwürdig ist es, daß die Bürger-
sche Übertragung des ersten Teils, der Jugend¬
jahre, buchstäblich totgeschwiegen worden ist
in der Geschichte der Übersetzung der Franklin¬
schen Werke. In Burgers Werke wurde die
Übertragung nur in den Ausgaben von 1812
und 1813 abgedruckt; dann erst wieder in W.
v. Wurzbachs Ausgabe (Max Hesses Verlag)
Bd. IV, 186 — 247, im Jahre 1902.
Zum Schlüsse sei hier beiläufig erwähnt, daß
Franklin der erste Amerikaner war, der bereits
anno 1766 eine Entdeckungsreise nach deut¬
schen I lochschulen — und zwar nach Gottingen
— unternahm. Durch Franklin wurden also
die ersten Beziehungen zwischen amerikanischen
und deutschen Denkern und Gelehrten an-
geknüpft.
D as Stammbuch Fritz von Steins
nebst einigen Brieffragmenten an ihn.
o o
Von
Fedor von Zobeltitz in Berlin.
|| in Großonkel von mir, der Major a. D.
i ISoEs -^arl Theodor von Zobeltitz auf Gleinig
IfJlylll und Gustau (1792 — 1878), hatte sich
am 20. Oktober 1823 mit Maria Freiin von
Stein aus dem Hause Kochberg (1805 — 1876)
vermählt, der einzigen Tochter von Fritz von
Stein und Enkelin Charlottes, der Freundin
Goethes. Der Nachlaß meiner Tante Marie ist
leider seiner Zeit in alle Winde zerstreut worden.
Ich weiß, daß Düntzer ihn durchgesehen und
vielfach benützt hat; verschiedenes soll nach
Weimar gekommen, manches wird auch ver¬
kauft worden sein. Ein paar Konvolute Stein¬
scher Briefschaften gingen an die Königliche
Bibliothek nach Berlin, andere Briefe Charlottes
an Fritz befinden sich heute im Besitze der Ber¬
liner Literatur - Archivgesellschaft, eine dritte
S. 1. Eduard Grisebach zum 9. 10. 1905.
^unterlassene Briefsammlung, die einer Tochter
meines Onkels Karl, der Frau von Rappard, zu¬
fiel, bin ich im Begriffe zu sichten (auch aus ihr
hat Düntzer für seine Biographie Charlottes be¬
reits geschöpft). Eine zweite Tochter Karls von
Zobeltitz starb unverheiratet. Im Besitze ihrer
Adoptivtochter, der Frau Rosa Quehl, gebore¬
nen Howard von Zobeltitz, befindet sich das
Stammbuch1 Fritz von Steins, von dem ich hier
erzählen will; die Liebenswürdigkeit der Be¬
sitzerin hat es mir für kurze Zeit zur Durch¬
sicht überlassen. Die Eintragungen bieten
freilich nicht allzuviel neues. Es sind oft nur
Abschriften einzelner Bemerkungen aus früheren
Briefen, Sentenzen und Bekenntnisse, die Fritz
oder seine Mutter des Aufhebens für wert
erachteten; wo ich einen Quellennachweis führen
1 Düntzer (Charlotte von Stein, Stuttgart 1874) vermutet, Goethe habe Fritz das Stammbuch von seinem Ausflug
nachjena in der ersten Hälfte März 1785 mitgebracht, weil vom i7.Märzjenes Jahres sein bekannter Eintrag an den „glücklichen
Knaben“ datiert. Da aber die Eintragungen schon im Januar 1785 beginnen, so ist diese Vermutung hinfällig. Goethe
dürfte das Stammbuch (wenn es überhaupt, was immerhin wahrscheinlich, ein Geschenk von seiner Hand ist) viel eher
am Sylvesterabend 1784 oder am Neujahrstage 1785 Fritz verehrt haben; man braucht sich darüber freilich nicht den
Kopf zu zerbrechen.
von Zobeltitz, Das Stammbuch Fritz von Steins,
297
konnte, ist es geschehen. Das Ganze dünkt mich
immerhin der Mitteilung wert.
Das Stammbuch besteht aus einem braun¬
ledernen Karton in Oktavformat; eine einfache
Ornamentenpunzung bildet den äußeren Schmuck;
inwendig ist das Etui mit barock gemustertem
Papier beklebt, wie es derzeitig auch häufig als
Vorsatz zu Bucheinbänden benützt wurde. Das
Etui enthält ein paar Dutzend lockere Papier¬
blätter; einige sind unbeschrieben geblieben,
die übrigen enthalten Eintragungen, von denen
die interessantesten hier in chronologischer Folge
wiedergegeben werden sollen. Außerdem finden
sich auf verschiedenen Blättern Zeichnungen in
Bleistift, Tinte, Sepia und Aquarellfarben. So
hat Ulrike von Beulwitz eine Beistiftzeichnung
beigesteuert: Einsiedelei unweit Solothurn
— „zum Andenken gezeichnet von Ulrike
von Beulwitz, den 2. November 1786“; Char¬
lotte von Lengefeld, Schillers spätere Gattin,
gleichfalls eine Bleistiftskizze: Kapelle auf dem
Schlachtfeld bei Sempach (das sie auf ihrer
Schweizer Reise im Frühjahr 1783 kennen ge¬
lernt hatte), unterzeichnet „Rudolstadt den
31. August 1785“1; Friederike von Holleben,
„das Kleine“, eine Skizze „Im Hasle Thal, den
7. Dezember 86“; ein Aquarell von Frau von
Voß 1785, eine Zeichnung „Weimar den
10 Märtz 1785 v. Donop fecit“.
Die handschriftlichen Eintragungen2 beginnen
im Januar 1785 und zwar mit einer Inschrift
der Mutter Goethes. Fritz von Stein war (ge¬
boren am 26. Oktober 1772) 3 damals drei¬
zehn Jahre alt und wurde seit Mai 1783 in
Goethes Hause erzogen. Etwas später hatte
die Korrespondenz der Frau Rath mit Fritz als
ihrem „lieben Sohn“ begonnen. Am Tage der
Stammbucheintragung hatte sie auch einen Brief
an Fritz gerichtet, in dem die Inschrift indessen
nicht erwähnt wird. Sie lautet:
Dein Leben Bester, das bißher so heiter dir verfloß,
War wie ein reiner Quell, der sich im Blumenfeld ergoß.
Die Zukunft trüb es nie mit bangen schweren Leiden;
Nichts Wiedriges halte dir dein edles Leben auf.
Villmehr sei künftighin dein gantzer Lebenslauf
Ein Paradies voll engelsüßer reiner Freuden.
Frankfurth den 24. Jenner 1785.
Elisabethe Goethe.
Man weiß, daß die Frau Rat die Reimereien
von Louise von Göchhausen in Knittelversen
zu beantworten pflegte; die obigen Verse an
ihren lieben Fritz bilden dazu ein hübsches
Seitenstück.
Es folgt der Zeit nach in Fritzens Stamm¬
buch Karl Ludwig von Knebel. Sein Verhält¬
nis als Erzieher des ewig kränklichen, launischen
Prinzen Konstantin war damals bereits gelöst,
aber es war Goethe gelungen, den Freund we¬
nigstens von seinem Entschlüsse, Weimar zu
verlassen, abzubringen. Ein Vierteljahr nach
der Eintragung begleitete Knebel Goethe nach
Karlsbad.
An Fritz von Stein.
D. 15. Mertz 1785.
Merk’ auf die führende Hand des Freundes, und laß
Du von ihr
Blumen Dir pflücken die blüh’n wann auch der Frühling
entweicht.
Karl v. Knebel.
Zwei Tage später folgt Goethe selbst im
Stammbuch. Das Gedicht ist in die Werke auf¬
genommen worden. Erster Druck: I. I. H. Ebers
und A. Kahlert, Briefe von Goethe und dessen
Mutter an Friedrich Freiherrn von Stein (Leipzig
1846), S. 28. Im Stammbuch heißt es in der
letzten Verszeile „Und nur die Fröhlichkeit . . .“,
während im Abdruck das „die“ fehlt und die
Interpunktion ergänzt ist.
1 Von Kochberg aus, wo Lotte am 29. September desselben Jahres auf einige Tage zu Besuch eintraf, schickte sie
mit Brief vom 3. Oktober eine weitere Zeichnung für Fritzens Stammbuch ein.
2 Sie sind hier in ihrer ursprünglichen Schreibart, nicht nach moderner Normal-Orthographie und Interpunktion
wiedergegeben, wie Düntzer es liebte. Gerade bei den von Düntzer in seiner Biographie Charlotte von Steins zitierten
Briefstellen habe ich mich vielfach durch Vergleich mit den Originalen überzeugen können, wie ganz anders die ursprüng¬
liche Schreibart wirkt und wie sie in der Tat im Lesen suggestiv „gewisse Stimmungsnüancen“ auszulösen vermag. Auch
Köster hat in seiner prächtigen Ausgabe der Briefe der Frau Rat nichts geändert und beklagt sich mit Recht darüber, daß er
die Briefe an Fritz nach den Abschleifungen von Ebers und Kahlert drucken lassen mußte.
3 Nicht am 27. Oktober 1773, wie Ebers und Kahlert nach schriftlichen Aufzeichnungen von Fritz mitteilen.
Übrigens hielt sich Fritz tatsächlich für ein Jahr jünger, als er es wirklich war; auch seine Mutter gratuliert ihm an
seinem siebenunddreißigsten Geburtstage zum „sechsunddreißigsten“. Sein Bruder Karl schrieb einmal an ihn: „Ich
weiß nicht, wirst du heute 31, 32 oder 33 Jahre . . .“
298
von Zobeltitz, Das Stammbuch Fritz von Steins.
Unglück bildet den Menschen und zwingt ihn sich selber
zu kennen,
Leiden giebt dem Gemüth doppeltes Streben u. Kraft.
Uns lehrt eigener Schmerz der andern Schmerzen zu
theilen
Eigener Fehler erhält Demuth und billigen Sinn,
Mögest Du glücklicher Knabe nicht dieser Schule
bedürfen
Und nur die Fröhlichkeit Dich führen die Weege des
Rechts.
Weimar d. 17. März 1785. Goethe.
Im Herbst 1783 hatte Goethe mit Fritz von
Stein einen Ausflug nach dem Harz gemacht. Am
18. September trafen beide in Clausthal ein, am
21. ritten sie in Begleitung des Berghauptmanns
von Trebra auf den Brocken. Darauf bezieht
sich die folgende Eintragung:
Erinnern Sie sich zuweilen Ihres ersten Ritts nach
dem Brocken , des niedlichen Grauchens, dessen Sie
sich auf dieser Reise bedienten, und der sonderbaren
Nachricht des Försters Degen außm Commermion
Dorfhause; daß ein Mann auf dem Brocken an die, über
diesen Berggiganten wegziehenden Wolken angeklopft,
ein anderer die, vor seinem Stubenfenster vorüber¬
ziehenden Wolken, zum Zeitvertreibe mit der Hand
festgegriffen, und in ihrem Zuge aufgehalten habe:
So werden Sie nahe dran seyn, sich neben bey auch
zu erinnern,
Ihres ganz ergebenen Freundes
J. W. H. v. Trebra.
Halberstadt am Hartz 1785.
Auch Frau von Trebra hat sich einge¬
schrieben :
Nicht der Welt Glück, nicht Eigenliebe,
Nein, vom Himmel eingepflanzte Triebe
Lehren Tugend, und daß ihre Krone
Selbst sie belohne.
erinnern Sie sich hierbey
Ihrer Freundin
Augusta Sophia von Trebra
geb. v. Hartitzsch.
1786 beginnt mit folgendem Blatte Johann
Friedrich Kästners (1747 — 1812), des ersten Er¬
ziehers der Söhne des Oberstallmeisters von Stein
und späteren Weimarischen Professors: 1
Die Tugend lohnt sich selbst, das Laster straft sich
nimmer;
Dieß ist das ewige, nie fehlende Gesetz
Worauf das Wohl und Weh der sterblichen sich gründet.
Nie blende, Lieber! Dich der falsche flücht’ge Schimmer
Der böse That oft schmückt, entfliehe dem Geschwäz,
Das die Natur verkehrt, der Leidenschaft hoffirt, 2 3 —
Sophistisch Dich in Labirinthe führt;
Aus denen späte Reu den Ausgang selten findet.
Dieß sey ein Andenken
Weimar den 7. April Deines Freundes
1786. J. F. Kästner.
Ein paar Tage später in diesem selben Jahr,
das die Trennung Goethes von Charlotte bringen
sollte, schrieb sich die Mutter in Fritzens Stamm¬
buch ein:
Freude thront Dir liberal
Auf der Wiesen unter Bäumen
In den jugendlichen Träumen
An den silber’n Waßerfall.
Möge sie bey Dir verweilen
Mit dem Lenz nicht von Dir eilen
Feßle sie am Blumenband
Zwischen Tugend und Verstand.
Deine ertzgute Freundin
Den ii1, April Charlotte v. Stein
1786. geb. v. Schardt.
Selbstverständlich darf Lavater, der im Juli
1786 bei Goethe in Weimar wohnte, wenn
auch keineswegs zu dessen Freude, nicht fehlend
Such niemals außer Dir, was in Dir ist zu finden !
Sich selbst mißhandeln, ist — die schrecklichste der
Sünden.
Such nie den Schein vom Seyji / Seyn heißt sich selbst
empfinden,
Sich trennen, wo man will, sich, wo man will verbinden;
1 Ebers und Kahlert schreiben fälschlich Küstner. Als Emst von Stein, der Zweitälteste Bruder Fritzens, Page beim
Herzog wurde, erhielt Kästner die Stellung eines Pagenhofmeisters. Als Professor am Gymnasium in Weimar blieb er
der gelegentliche Vorleser Charlottes und ein ihr treu ergebener Freund.
2 Wahrscheinlich soll es „hoffirt“ heißen; das Wort ist unleserlich geschrieben.
3 Bei Ebers und Kahlert, Briefe, S. 177, mit Abweichungen abgedruckt. Es heißt dort:
Such’ niemals außer dir, ivas nur in dir zu finden,
Sich selbst mißhandeln ist die schrecklichste der Sünden.
Such’ nie den Schein vom Seyn. Seyn! Seyn heißt: sich empfinden,
Sich trennen, wo man will, sich, wo man will, verbinden;
Klar wissen, was man thut? wozu ? aus welchen Gründen?
Die Lust nach dem, was quält, mit Frohmuth überwinden —
So, edler Jüngling, sey, umhaucht vom Duft der Linden —
Umbraust von Wog’ und Sturm. Dein Seyn wird nie verschwinden.
Lavater.
von Zobeltitz, Das Stammbuch Fritz von Steins.
299
Klar wissen, was man thut? wozu? aus welchen Gründen?
Die Lust nach dem, was quält, mit Frohmuth über¬
winden —
So, edler Jüngling! Sey f umhaucht vom Duft der
Linden —
Umhaucht von Wog' und Sturm! — Dein Seyn wird
nie verschwinden.
Weymar, Donnerstagsmorgen
20. Jul. 1786.
Johann Caspar Lavater v. Zürich.
Auf dem folgenden Blatte läßt sich Fritzens
Vater vernehmen:
Fahre fort, lieber Sohn, Dich zu einem und recht¬
schaffenen Menschen zu bilden, so wirst Du dadurch
der süßen Hoffnung, in Dir eine Stütze meines Alters
zu finden, entsprechen, und die Glückseligkeit ver¬
mehren
Deines Dich zärtl. liebenden Vaters
Weimar 27 Juli 86. Frhr. v. Stein.
Diese Zeilen wurden geschrieben, als Char¬
lotte leidend in Karlsbad weilte und Ernst von
Stein schwer krank darniederlag. Um diese
Zeit hatte auch Karl, der älteste Sohn des
Oberstallmeisters, als Göttinger Student den
Eltern durch seine Schulden viel Kummer be¬
reitet. Wie Fritz der Liebling Charlottes war
(„Du einzige Poesie meines Lebens“ schreibt
sie ihm einmal), so war er auch der Verzug
des Vaters.
Herder fällt nichts anderes ein als ein Zitat
von Klopstock (aus den Oden 1750, erste Strophe
von „Der Zürchersee“).
Schön ist, Mutter Natur, Deiner Erfindung Pracht
Auf die Fluren verstreut, schöner ein froh Gesicht,
Das den großen Gedanken
Deiner Schöpfung noch einmal denkt.
Zum Andenken an
^ 2 ^AU^USt Gottfried Herder.
1786.
Der Herr Hofmusikus Eylenstein malt ein paar
zierliche Notenköpfe auf sein Eintragungsblatt:
# * 1
> — . — 1 — 5
l v i* 1 I m |
T - “ -
1 —
Lauter Consonanzen von keiner Dissonanz unter¬
brochen — So sey Dein Leben
Johann Friedrich Adam
Eylenstein
Weimar den Fürstl. Hof-Musicus und
I7ten Aug: 1786. Subst: Stadt-Organist.
Der treue Seidel schreibt:
Ein iunger Abentheurer, eilst Du ietzt
Voll Muth zu Schiff. Ein heitrer Himmel lacht
Und Deine Segel schwellt ein günstger Wind.
Kaum kannst Du es erwarten, biß man ab
Vom Lande stöst. — O sag mir doch mein Freund
Wohin geht denn — wenn Du es weißt — die Fahrt? —
Nach Otaheiti? nach der Felsenburg? -
Wohin’s auch sey, so steure frisch drauf zu!
Vergiß es iezt, daß des Geschickes Strafen
Daß Wind und Wellen unsrer Leidenschaft
Uns oft an Küsten treiben, wo wir dann — —
Doch davon iezo nichts! Fahr wohl mein Freund!
Zur Erinnerung an
Ph. Fr. Seidel.
Weimar den 24. Aug. 1786.
Karoline von Wolzogen, damals noch Frau
von Beulwitz, dichtet:
An Friedrich von Stein.
Deine Seel’ ist bespannt mit gefühligen Saiten. Der
Schönheit
Harmonie, die das All der Natur entgegen ihr tönet,
Bebt sie zurück. Wer die Stimme der liebenden Mutter
vernimmt, der
Fühlt selbst in Stürmen des Lebens sich blind im Hauße
des Vaters. —
Rudolstadt den Caroline von Beulwitz geb.
2 ten Novbr. 1786. von Lengefeld.
Gegen Ende des Jahres kehrt noch einmal
die Stimme der Frau Aja wieder, wenn auch
nur in der Abschrift einiger Zeilen aus
einem ihrer Briefe an Fritz1, der während der
1 Der Brief (Köster Nr. 125) ist datiert „Fr. den 17. Dezember 1786“. Ist das Tagesdatum richtig gelesen? — -
Köster gibt in seiner ausgezeichneten Sammlung die Briefe der Frau Rat an Fritz von Stein und seine Mutter nach Ebers
und Kahlerts Ausgabe von 1846 wieder, die nicht einwandsfrei und orthographisch „modernisiert“ ist. Auf dem Stamm¬
buchblatt heißt es „vorüber geht“, im Briefe „vorübergeht“, auf dem Blatt „Ey O Popey“, im Briefe „Eia Poppei“. Der
Brief beginnt: „Lieber Sohn! Hier schicke ich Ihnen ein Christgeschenk, um sich meiner beständig zu erinnern, ja,
lieber Sohn, thun Sie das, gedenken Sie an eine Frau, die sich immer noch mit Vergnügen die Zeit zurückruft, wo wir
so manchen frohen Tag zusammen lebten — nur, schade, daß . . .“
300
von Zobeltitz, Das Stammbuch Fritz von Steins.
italienischen Reise Goethes in das Haus seiner
Mutter zurückgekehrt ist:
Nur schade daß Alles so schnell vorüber geht,
und daß die Freuden des Lebens immer auf
der Flucht sind — darum soll man sie ja durch
Grillen nicht verscheuchen, sondern sie geschwind
haschen, sonst sind sie vorbei, und eilen
und schlüpfen ins Ey O Popey.
Franckfurt d. I4ten Decbr. 1786.
Elisabethe Goethe.
Das folgende Jahr wird im Stammbuch durch
Fräulein von Goechhausen eingeleitet, das liebens¬
würdige und lebenssprühende „Thusneldchen“
des Kreises um Anna Amalia. Sie schreibt:
Auf einem weiteren Blatt findet sich in
wenig veränderter Form ebenfalls ein Passus aus
einem Briefe der Frau Rat abgeschrieben, und
zwar aus dem, den sie am 10. Dezember 1785
an Fritz gerichtet hatte1:
Übrigens bin ich immer noch guten Humors —
bin mit mir gar wohl zufrieden und das
ist doch die Hauptsache — und so mar-
schirt man eben durch die Welt, und ge¬
nießt die kleinen Freuden und preten-
dirt keine große.
Elisabeth Goethe.
Frankfurt d. 4l*n Dezbr. 1788.
Ein größer Wohl, als Rang und Gold gewähren,
Hat Dir die Vorsicht zugedacht:
Ein fröhlich Herz, genügsam im Begehren,
Für dessen Glück, Verstand und Tugend wacht.
Zum Andenken, von
Louise Goechhausen.
Weimar d. 23ten Merz 1787.
Im September zeichnen sich die Rudol-
städter Prinzen ein; zunächst Ludwig Friedrich,
der spätere Fürst:
Wie schön ist es, der Menscheit Pflichten üben
Dem Nächsten willig beizustehn
Aufrichtig alle Menschen lieben
Und andre durch sich glücklich sehn!
Ein gutes Werk schafft allezeit
Die süßeste Zufriedenheit. —
Ludwig Friedrich Pz Schwarzburg R.
Rudolstadt den 8. September 1787.
Vom selben Tage datiert die Eintragung
des Prinzen Karl Günther:
So bild o! Jüngling Dein Herz schon in der Jugend,
Lieb nur die Gottesfurcht, die Freundschaft und die
Tugend,
Denk daß nichts glücklich macht als die Gewißensruh,
Und daß zu Deinem Glück, Dir Niemand fehlt als Du.
Karl Günther Pz Sch. Rudolstadt.
Den 8. September 1787.
Hübsch ist das I Iardenbergsche Blatt:
F.
L’esperance me soutient.
Holde Vergessenheit, und du, des Guten Erinnerung,
Liebliche Schwestern, o! macht beyde das Leben ihm
süß.
Du verdunkle das Böse mit deinem umhüllenden
Schleier
Du emeue das Glück Ihm mit doppelter Lust.
Zum Andenken Deines Dich
nie vergessenden Freundes
F. A. C. Graf Hardenberg.
Hannover d. 2o‘en April 1790.
Nochmals folgt die Mutter mit einigen Ein¬
tragungen; 1792 mit einem schönen Bekenntnis
aus einem Briefe von ihr an Fritz nach Jena,
der der leidenden Mutter Blumen geschickt hatte:
Es ist immer ein Zeichen freundlichen Gemüths wenn
man gern Blumen oder dem ähnliches geben mag u.
die Sprache einer fröhlichen Stimmung. Wenn man
kein liebendes Herz hat verdient man mehr Mit¬
leiden als Vorwurf, denn es ist die schönste aller
Empfindungen lieben zu können, die dem Unglücklichen
der sich in sich zurück zieht nicht mehr zu Theil wird.
Weimar d. 27ten Juni 92.
Ch. v. Stein
geb. v. Schardt.
1 Köster Nr. 117. Ebers und Kahlert S. 93. In dem Briefe heißt es: „ . . . Übrigens bin ich noch immer (oben „immer
noch“) guten Humors, und das ist die Hauptsache. In meiner kleinen Wirtschaft gehts noch immer so, wie Sie es gesehen haben,
nur weils der Sonne beliebt, länger im Bette zu bleiben, so beliebt es mir auch, vor 1/2 9 Uhr komme ich nicht aus den Federn
— könnte auch gar nicht einsehen, warum ich mich strapatzen sollte, — die Ruhe, die Ruhe ist meine Seligkeit, und da
sie mir Gott schenkt, so genieße ich sie mit Danksagung. Alle Sonntage esse ich bei Frau Reck, Abends kommen Frau
Hollweg Bethmann, ihre Mutter, Demoiselle Moritz, Herr Thurneisen, Herr Graf, da spielen wir Quadrille, L’hombre u. s. w.
und da jubeln wir was rechts. Die andern Tage bescheert der liebe Gott auch etwas, und so marschiert man eben
durch die Welt, genießt die kleinen Freuden und prätendirt keine großen (oben „pretendirt keine große“). Leben Sie
wohl, lieber Sohn . . .“
von Zobeltitz, Das Stammbuch Fritz von Steins.
301
Und weiter:
Eigentlich sind nur sanguinische Gemüther
fähig das angenehme Talent von Welt sich
eigen zu machen, die ernsthaftere Gemüths-
art kann es nur so weit bringen nicht dagegen
zu fehlen; ich rede vom erworbenen Talent
von Welt, ein natürlich Welt-Talent liegt
in einem richtigen moralischen Gefühl.
Weimar d. 2Öten Jan. 93.
Ch. v. Stein
geb. v. Schardt.
^4»
Ich habe wieder gesehen daß man bei dem Gang
seines Lebens, nur seinem eignen Bewußtsein von
innerm Beifall, oder Tadel, nachleben soll, indem oft
unsre Richter nicht den Verstand der Uebersicht haben;
und dann auch noch die Bemerkung gemacht, wenn
etwa eine dauerhafte Freundschaft sich einmal aus¬
zeichnet, sie mehr auf Nachsicht gegeneinander als
beiderseitige Vollkommenheit sich gründet; ich habe
lang in der Welt die letztere gesucht, endige aber mit
der erstem. Ch. v. Stein1
Weimar d. I5ten Decbr. 1793. geb. v. Schardt.
Die Stimmung, aus der heraus die oben
wiedergegebenen Worte geschrieben wurden,
läßt sich unschwer erkennen. Die Zeit war
noch nicht da, da Charlotte dem älter gewor¬
denen Freunde die Hand der Versöhnung reichen
konnte; die Worte spiegeln noch etwas von
dem Groll wieder, der in Charlotte lebte — sie
klingen wie eine Antwort auf die nie beant¬
worteten Briefe, die Goethe im Juni 89 an Frau
von Stein schrieb.
Endlich als letztes Stammbuchblatt von
Fritzens Mutter ohne Datum und Unterschrift:
Willst Du acht u. wahrhaft lieben,
Mußt Du Selbstverleugnung üben.
Freundliches Wohlwollen spende,
Dazu Wort u. Ausdruck wende;
Daß man Würde nicht vermisse,
Dich zurück zu halten wisse;
Anspruch nie an Andre mache,
Daß kein Zwangsgefühl erwache —
Sei zufrieden mit der Weise
Deiner Lieben, laut und leise. —
Herr von Fichard, der Freund aus Jena,
kommt im selben Jahre mit einem lateinischen
Zitat:
Interdum lacrymae pondera vocis habent.
Carl Fichard.
Jena
am 3osten Jan. 1793.
Und der junge Coudenhoven, dem. Fritz
näher steht als Frau von Coudenhoven der
Mutter2, schreibt die umfassende Weisheit ein:
Handle recht, und scheu niemand.
Jena 5. May Dein Freund Carl
1793 Coudenhoven.
Die Zeit geht dahin. Fritz tritt gegen den
Willen seiner Mutter und des herzoglichen Paars
in preußischen Staatsdienst, wird Ende 1798
als Kriegs- und Domänenrat in Breslau ange¬
stellt und kauft sich das bei Breslau gelegene
Gut Strachwitz, wo Charlotte ihn im Frühjahr
1803 besucht. Aus jener Zeit seien noch
einige Fragmente aus mir vorliegenden Briefen
Karl von Steins an Fritz mitgeteilt, die für das
Weimarer Leben jener Tage von Interesse sind.
Karl hat Kochberg übernommen und lebt in
glücklichster Ehe mit seiner Frau Amalie,
geborenen von Seebach. Im Januar 1802 ist
er mit den Seinen in Weimar und schreibt am
IO. an Fritz:
Heute habe ich mich erst an Hof melden lassen,
wo ich eingeladen bin. Es ist Trauer für den Erbprinz
von Baden. Der Hof giebt jetzt wieder alle Mittag zu
essen wie sonst, da die große Menge Fremde abge¬
nommen hat, die das sonst beschwerlich machte wie
ich glaube. Amalie Imhoff ihr adorateur ist jetzt der
Hauptmann Eggloffstein, vor dem sie vor einiger Zeit,
als er hinter ihr gieng, ein Bouquet verlohr, sagt man, be¬
stehend aus einer Passionsblume, Vergißmeinnicht und
Pensees, wie ich dir glaube, schon geschrieben zu haben
und womit sie viel geplagt worden ist. Sie ist artig,
aber noch hübscher das kleine Kätchen.
Den 11. Die Cour war gestern nicht sehr zahlreich,
ich habe mit der Herzogin Mutter gespielt, Helldorf
und Zobel und viel Geld gewonnen. Frau v. Kotzebue
ist gestern zum ersten Mal bey Hof erschienen, auch er
1 Wenig verändert aus einem Briefe vom gleichen Datum an Karl, den auch Düntzer (I, 385) wiedergibt. Einige
Tage nach dieser Niederschrift starb der Gatte Charlottes.
2 Am 16. November 1795 schrieb Charlotte an Fritz: „Vorgestern kam Frau von Feret, um Frau von Coudenhoven
hier abzuholen. Sie ist mir tausendmal lieber als die letztere. Die Coudenhoven ist mir unangenehm; es tut mir leid,
daß sie Deines so guten Freundes Mutter ist. Die zwei Damen haben so närrisch Zeug gemacht, solche Zweideutigkeiten
gesprochen, daß Herzogin Louise ganz erstaunt war. In der Oper haben sie so den Takt geschlagen, daß die übrigen
alle auf ihren Stühlen davon gewackelt haben. . . .“
Z. f. B. 1905/1906.
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302
von Zobeltitz, Das Stammbuch Fritz von Steins.
war wieder da und mir um so interessanter, weil ich
eben seine Reise nach Sibirien gelesen hatte, von
welcher übrigens Göthe behauptet, es sey das schlech¬
teste, was er noch geschrieben habe. Amüsant bleibt
sie indeß immer, wenn man gleich findet, daß er seine
Gesellschaft in Sibirien mit mehr Schonung hätte be¬
nennen sollen, da er doch bemerkt, daß sie sich für
ihn interessirte.
Den 12. Gestern früh habe ich dem Erbprinz meine
visite gemacht, der sich jetzt immer mehr zu seinem
Vorteil bildet und höflich und artig ist ohne praeten-
tion. Auch war ich bey der Wolzogen, die ich an fange
immer lieber zu haben , ich glaube die Rede ihres
Mario in ihren Zigeunern1 ist dran schuld. Sie hat meine
Gedanken gesprochen . . .
Den 13. Gestern Mittag zu Hof eingeladen war ich
der einzige Fremde exclusive die Fr. v. Staff, Carlsruher
Hofdame, die auf dem Schloß hier wohnt. Die Her¬
zogin und ihre Kinder waren wie gewöhnlich sehr artig,
ich saß zwischen ihr und der Prinzeß. Des Herzogs
Ausdruck von ennui und Verachtung der Menschheit
trug ihn ins Zimmer ohne mich anzusehen, und nach
einer Art Bewegung seines Körpers als wenn er ein
tiefes Kompliment eingesogen, stellte er sich vor die
Herzogin (die mit dem Erprinz und mir sprach) wie
eine Spanische Wand und drehte uns den Rücken zu.
Den Mittag nahm ich mir als der einzige eingeladene
männliche Gast einige Mal die Freyheit über die Tafel
hinüber meinen Wohlthäter für seine Speisen etwas zu
erzählen oder zu sagen. Ein paar fatale Blicke ver¬
setzten meine Beredsamkeit außer Cours, als wären es
übergebliebene Speisen. Ich kam nach Tafel mit ihm,
der Herzogin, dem Prinzen und Frl. Staff allein am
Camin stehend bey einem allgemeinen Stillschweigen
in den Fall, wieder aufs neue den discours von den
Todten erwecken zu müssen, bedauerte daß Serenissimus
jetzt keinen Spaß am Schlittenfahren 2 3 fänden, glaubte
sie nach Belvedere zum dejeuner haben reiten gesehen,
mit einer polnischen Pelzmütze auf dem Haupt. Res-
ponsum: „ich habe keine polnische Mütze, die Nation
will ich Ihnen übrigens überlassen!“ Ich bemerkte, daß
ich einmal eine polnische Mütze auf seinem Zimmer
gesehen, bestehend aus einem Stück Schwamm, womit
man die Pfeifen ansteckt, die sehr schön ist. Unter
seltenen Anzügen aus dem Pflanzenreich erwähnte ich
auch, daß man bey Schwarzburg ein so den weißen
Haaren ähnliches langes Moos fand, daß man zum Spas
Perruquen daraus machte. Responsum: „in den Fuchs¬
röhren kann man das auch aus den Fuchsbälgen“. Die
Miene, womit er, die Stirn voll Runzeln und die Unter¬
lippe der Nase nährend, mich abfertigte, und die
Stellung, vermöge welcher er beide Rockschöße hoch
aufgehoben seinem Caminfeuer eine Ehre erwieß, die
ich befürchtete mir auch wiederfahren zu können,
machten, daß ich aus Bescheidenheit ihn weder Worte
noch Blicke addressirte .... Die Herzogin sprach
noch allerhand, machte ihr Compliment und gieng. Er
blieb, und nachdem er mit Wollzogen auf und abge¬
gangen, ging er fort, ohne eine Seele zu grüßen, und
ließ mir nicht einmal die Ehre, durch eine Verbeugung
ihm meinen stummen Dank für seine ungastfreundliche
Mahlzeit abzustatten. Er soll es sehr übel nehmen,
wenn man absagen läßt, und doch ist es eine wahre De-
bauche für mich, mit übel gelaunten Gemiithcrn vis h
vis mich zu geniren, denn man consumirt seine Lebens¬
kräfte und Geisteskräfte bei ihnen, einen Genuß zu
finden, den sie nicht gewähren können.
Den 14. Gestern Mittag bey der Herzogin Mutter
eingeladen , haben wir erstlich uns alle wohl amüsirt.
Der Herzog war nicht da, und die Gesellschaft bestand
aus verschiedenen Einheimischen und Fremden, unter
ersteren die Mutter (Charlotte', unter letzteren Hell¬
dorffs, Kotzebues, Schwarzenfelsens, meine Frau und
ich. Zweitens haben wir sehr gut gegessen und ge¬
trunken . . .
Fritz ist an den Masern erkrankt und macht
der Mutter, die noch unter dem Verlust
ihres Sohnes Ernst leidet, große Sorgen. Am
30. Januar 1 802 schreibt Karl von Weimar aus
u. a. an Fritz:
Es haben mich gestern und vorgestern verschiedene
Leute gefragt, wie du dich befindest und ob deine
Krankheit in der Besserung sei. Das Gerücht von deiner
Maladie hat seinen Ursprung von meiner Mutter, der
ich deinen Brief mit der Nachricht von deinem Schnupfen¬
fieber vorlaß, worin du zugleich schreibst, wieder besser
zu seyn. Nun hat dich die Fama immer kränker ge¬
macht, welches dir als ein Zeichen der Theilnahme
deiner Landsleute angenehm seyn wird, da dein An¬
denken sie auf der Art doppelt beschäftigt, erstlich,
dich beynahe umzubringen, und zweitens dich nach den
von mir eingezogenen Nachrichten wieder zu erwecken.
Die gestrigeMasqueradeWerbarg in ihren Staubwolken
und emphitischen Dünsten zu Ehren der Herzogin Ge-
burthstag brillante Aufzüge und zu Versen gebrachte
Gedanken. Unter andern auch ein paar für dieses mal
sichtbar abgeschiedene Seelen, wie ich vermuthe von
armen Sündern oder Deliquenten in weißen Westen.
Göthens Produkte seiner Muse fehlten auch nicht und
erschienen theils gedruckt theils in der Person seines
Söhnleins geflügelt, welches letztere als Cupido von den
verschiedenen especen der Dichtkunst umgeben . . .
Inzwischen gibt Charlotte sich vergebliche
Mühe, ihren Fritz unter die Haube zu bringen;
ihre Schwägerin Sophie Schardt empfiehlt ihm
brieflich (am 31. August 02) das Fräulein von
Lassberg (sie habe zwar nicht viel Geist, aber
1 Karoline von Wolzogens „Die Zigeuner“ im Taschenkalender für Damen, Tübingen 1800 — 1802.
2 Am 9. hatte der gern mokante Karl über eine Schlittenfahrt des „dicken Geheimrath Goethe“ mit seiner
„Füchsin“ Christiane an Fritz berichtet. Diesen lustigen Briefpassus druckt Diintzer ab (II, 145).
3 Geburtstagsredoute bei Hofe, zu der Goethe wieder einen Aufzug gedichtet hatte; der kleine August Goethe
figurierte dabei als Amor, worüber Charlotte sich sehr entrüstet aussprach.
von Zobeltitz, Das Stammbuch Fritz von Steins.
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natürlichen Verstand, Herz und Gemüth und
„im Vertrauen gesagt“ 60000 Thaler Mitgift).
Im Herbst kommt Fritz selbst nach Weimar
und hält um Fräulein Tinette von Reitzenstein
an. Karl scheint nicht recht damit einver¬
standen gewesen zu sein, denn er schreibt Fritz
am 13. Oktober:
Was deine Vorwürfe betrifft, daß du mir einiges
Lob für deine Braut nur nothdürftig hättest abdrücken
müssen, so halte ich sie nur für eine ingenieuse Art
deiner Junggesellen Schamhaftigkeit, mir zu notificiren,
daß du einige dreiste Schritte gethan hast, dir eine
Braut anzuschaffen, wozu ich meine Gratulation abstatte,
einstweilen vorläufig. Die losen Vögel hatten mir ge¬
sagt, Du wolltest bis den 16. in Weimar bleiben, um
Dich den 15. erst noch in die Löwenstern zu verlieben.
Du selbst hattest mir geschrieben, daß Dir einstweilen
die [Marquise] Fumel und die [Gräfin] Reuß Fesseln
angelegt. Die arme Tinette, die hier wie im Triumpfe
hergeschleppt wurde, hat mich also gedauert, und wenn
ich sie nicht in eins weg gelobt habe, so habe ichs doch
aus Herzensgründe und ohne alle Rücksicht gethan,
ob du Don Juan der Zweite sie abschlachten würdest
oder nicht.
Aus der Heirat wird nichts, worüber sich
auch Goethe freut. Tinette wird auf Zureden
ihres Vaters und seiner Freunde die Braut eines
reicheren Verehrers, des Herrn von Schilden.
Karl schreibt an Fritz am 10. November in
seiner drastischen Ehrlichkeit:
Der Himmel konnte auch wohl kein possierlicheres
Paar zusammen vereinigen, die Verheirathung eines
jungen Mädgen zu beschwatzen und sich darein zu
mischen, als einen von seiner Frau verjagten Marquis
[du Fumel] und eine von ihrem Manne verjagte Närrin
wie die alte R. [Reitzenstein] ist, die ihre Tochter unter¬
richtet, sie müßte blos auf die Waden sehen (die Schilden
nicht hat). Fumel und Schilden sind jetzt zärtliche
Freunde, aber Schilden hängt den Kopf mehr als ge¬
wöhnlich. Du bist der halb begünstigte, bist es aber
ganz von Seiten der Leute, die Parthie in der Sache
nehmen. Es ist das arme Mädchen [Tinette] zu be¬
dauern, das nicht von sich abhängt. Aber gut, daß du
dem Alten aufgesagt hast, und ein Glück für dich.
Auch Sophie Schardt schreibt am 12. De¬
zember einen Trostbrief, in dem es u. a. heißt:
Daß es Ihnen im alten Vaterlande immer noch
wohl war, freut mich. Ihre gute Mutter verdient Ihre
ganze Liebe, von ihr hörte ich schon, daß Sie die
heitersten Tage in Kochberg zusammen zugebracht,
und wie konnten Sie auch anders, Carl und Amalie sind
die anmutigsten aller Wirthe; Göthe kommt leider
immer mehr von sich selbst ab, wie könnte er seinen
Freunden bleiben? . .
1 Ein Vetter am Hofe, der Baron Stein-Nordheim.
Anfang 1803 dringt nach Weimar das Ge¬
rücht, Fritz sei in einem Duell schwer verwundet
worden. Karl schreibt ihm deshalb am 24.
Februar:
Mutter ist sehr besorgt über eine, wie Du ihr hast
schreiben lassen, unbedeutende Verletzung am Arm,
und zwar glaubt sie, daß die Schillern darum weiß, weil
sie den Tag vorher, ehe die Mutter den Brief erhielt,
heimlich geweint hat. Sie will aber nichts eingestehen . . .
Gott gebe nur, daß der Schillern ihre Thränen und gar
keine Thränen dazu gehören . . .
Und am 14. März:
Die gangbarste Geschichte deines Duells in Weimar
ist die, daß Du auf einem Ball beym Minister [Grafen
Maltzahn] die Honeurs gemacht und genöthigt gewesen
wärst, einen betrunkenen unartigen Offizier, einen Hrn.
v. Breitenbach, einige Zurechtweisungen zu geben.
Dieser hätte dich am andern Tage zur Rede gestellt
und du hättest geantwortet: „Gestern waren Sie be¬
trunken und heute glaube ich sind Sie ein Narr“ . . .
Willst du etwas interessantes über das Weimarsche
Wappen lesen, so wirst du es in der Zeitung für die
elegante Welt finden, in dem Artikel über die Weimar¬
sche Kunstausstellung, die Göthen sehr geärgert und
den Herzog nicht minder. Ich kenne den Verfasser
vom Ansehn, doch nicht persönlich. Ich bin diesen
Winter nicht viel in Weimar gewesen . . . aber es hat
mir diesen Winter wohl da gefallen, und ist die Gesell¬
schaft weder zänkisch noch weise (das haß ich am
meisten) noch pretentieus, sondern lustig, gesellig und
unterhaltend. Reußens haben einen guten Ton einge¬
führt. Göthen sieht man selten. Stein1 geht wunderbar
mit ihm um. Auf einer redoute sagt er zu ihm: „schick
dein Mensch nach Hause, ich hab sie besoffen ge¬
macht.“ Also Göthe geht hin und deutet der armen
Vulpius an, nach haus zu gehen, die ganz nüchtern ge¬
wesen ist. Eben kommt der Weimarsche Bothe . . .
Fritz ist inzwischen genesen, und seine Mutter
besucht ihn in Strachwitz, wo sie sich für die
Neigungen ihres geliebten Jungen für zwei Kom¬
tessen Haugwitz und Burghaus interessiert, um
erst Johanni wieder heimzukehren. Am 15.
Juli schreibt Karl:
Mutter, der ich gestern in Weimar die Ankunfts
oder Wiederkunftsvisite machte, hat mir genaue Details
von dir erzählt. Du hast sie gut gepflegt, und sie sieht
recht wohl und vergnügt aus. Du hast überhaupt einen
freundlichen angenehmeren Charakter als ich. Viel¬
leicht komme ich mit meinen theorien einmal mehr
aufs Reine. Meine Mutter hat mich seit langer Zeit
einmal herzlich umarmt, und das hat mich fast bis zu
Thränen gerührt, und ich bin einmal recht vergnügt von
Weimar nach haus zurückgekehrt.
Im Oktober 1803 kommt die frohe Nach¬
richt zu Charlotte, daß ihr Fritz sich mit Helena,
der einzigen Tochter des Freiherrn von Stosch
304
von Zobeltitz, Das Stammbuch Fritz von Steins.
auf Gustau und Gleinig in Schlesien versprochen
habe. Ihr Bruder, der Onkel Schardt, gratuliert
Fritz, obwohl die Verlobung noch geheim ge¬
halten wird, und fügt allerhand Neues aus
Weimar hinzu:
Madame Stael, die seit 12 Tagen [dem 14. Dezem¬
ber] hier ist, besitzt die Kunst, aller Verständigen Bey-
fall sich zu verschaffen. Ich bewundere in ihr die ge¬
sunde und richtige Beurtheilung der Menschen. Tout
le monde est avec eile ä son aise, nur unsere Gelehrten
nicht, mich unterhält es sehr, diese Verlegenheiten
wahrzunehmen. Mit Schiller sprach sie von Kant. Ge¬
dichte, sagte sie, können nicht von einer Sprache in
die andere übergetragen werden. Aber Lehr Sätze,
Doktrinen, müssen in jeder Sprache verständlich ge¬
macht werden können, warum sind denn Kants Lehr¬
sätze nicht zu übersetzen? Im Französischen konnte er
[Schiller] dieses gar nicht beantworten; er gab solche
[Antwort] endlich in seiner Mutter Sprache, und meine
Frau mußte diese und mehrere Antworten auf der Stelle
übersetzen. Auch fragte sie, was das Wort heiße tran-
scendental, da war die Antwort: wer dieses Wort ver¬
stehe, verstehe auch die Kantischen Lehren. Seine
Lehren wären noch in der Kindheit, wenn solche ihre
vollkommene Reife würden erlangt haben, dann wür¬
den seine Worte zu verstehen und zu übersetzen seyn.
Goethe kommt mit ihr besser weg, dieser giebt zur
ersten Antwort immer ein Späsgen, und beruhigt sie
sich dabey nicht, so hat er doch Zeit gewonnen,
sachgemäß zu antworten. Alles was sie spricht, ver¬
dient aufgeschrieben zu werden. Sie singt, sie tanzt,
und alles was sie spricht, ist anspruchslos. Sie wird
noch 14 Tage hierbleiben, und bleibt sie das, was sie
jetzt ist, so nimmt sie unser aller Beyfall mit sich.1
Inzwischen kämpft Fritz um seine Liebe.
Sein Briefwechsel mit den Eltern Stosch und
mit Flelene ist ein ganz merkwürdiger. Helene
ist erst sechzehn Jahr alt (Goethe erklärte,
diese sechzehn Jahre seien die „beste Qualität
der Braut“, was Helene nicht verstehen will).
Der alte Stosch möchte sein einziges Kind nicht
gern fortgeben; so schreibt er u. a. an Fritz:
Als sich Lenchen für Sie erklährte und ich meine
Einwilligung gab, folgte ich, ich gestehe es Ihnen, mehr
den Vorschriften meiner Vernunft als den Neigungen
meines Herzens. Sie schienen meinen Kampf wenig
zu beachten, indeß die an Misbilligung grenzende Ver¬
wunderung fast aller meiner Bekannten über meinen
Entschluß, mein Kind so früh von mir zu lassen, die
Unruhe meiner nathürlichen Abneigung gegen eine so
zeitige Verbindung vermehrte. Lenchens Anlage ganz
in Ihrem Sinne kalter Rechtlichkeit zu entriren, ließ
mich höchstens pflichtgemäße Toleranz meiner, mit
zunehmendem Alter nicht abnehmenden Schwäche,
keineswegs aber warme Zuneigung, die mein Herz so
1 Unvollständig bei Düntzer (II, 186 Anmerkung).
sehr verlangte, hoffen. Konnte mich diese Aussicht
froh und glücklich machen? . .
Allmählich werden die Briefe herzlicher und
wärmer, aber die Wartezeit peinigt Fritz schwer.
Einer bestimmten Erklärung geht 1 lelene aus
dem Wege, ist aber überzeugt, „keinen Mann
zu finden, an den mich I lochachtung so fesseln
könnte als an Sie“. Im Mai findet endlich die
öffentliche Verlobung statt; auf den Anzeigen
werden „Gratulationen verbeten“. I lelene unter¬
zeichnet ihre Briefe an Fritz immer noch „Ihre
ergebenste Freundin“, erst am 15. August
schreibt sie zum ersten Male „Ihre Sie liebende
Helena“. Charlotte ist froh über die im Oktober
erfolgte Hochzeit und das junge Gluck ihres
Sohnes. Karl wünscht ihm soviel Glück wie
in Pastor Lafontaines „Armen Landprediger“,
„doch nicht soviel Verlegenheiten und Ruhrungs-
thränen, denn der Landprediger hat mit seiner
ganzen Familie nahe ans Wasser gebauet“.
Am 25. Dezember ist Charlottes zweiund¬
sechzigster Geburtstag. Die Kochberger sind
dazu nach Weimar gekommen und Fritz schreibt:
Liebe Mutter. Es giebt drey Dinge, die ich ängst¬
lich liebe: — Meines Königs Scepter — meinen
Schwiegervater — und meine Oeconomie. Drey andre,
die mir am Herzen liegen: Sie! — meine Frau! —
mein Glück ! Alles was mir durch letzteres zu Theil wird,
führt mich immer drauf zurück, daß ich es nicht hätte,
wenn Sie nicht so gnädig waren, mich wohlbehalten
zur Welt zu bringen, worüber ich mich alle Jahre herz¬
inniglich freue, und meine unterthänige Danksagung
und Glückwünsche an einem Tage verbinde, der, wenn
Sie mich liebhaben, Ihnen deßwegen selbst lieb seyn
muß, nehmlich Ihr Geburthstag. Mein Helenchen
vereinigt sich mit mir zu diesem festlichem Tag, die
fröhlichen Stimmen Ihrer Kinder zu vermehren, und wenn
auch die kleinen Geisterchen, die alle Sie Gro߬
mutter nennen und noch nennen werden, Sie in
Gedanken umschweben, in einem lichten Wölkchen
Ihrer Einbildungskrafft: so wird Sie das Erwachen aus
diesem vorbedeutenden Bild, nie das Ervachen zu
einem Tag, der uns allen so nothwendig war, gereuen
lassen, zumal diese Engelchen noch kein solch Getös
und Ihnen Kopfweh veranlassen, wie meine kleinen
neveux thun, was Sie aber so gnädig sind, nicht fühlen
zu wollen. Ach, soll ichs sagen? — und was werden
Sie denken? — — ! ich fürchte sogar Ihre gütige Gro߬
mütterliche Geduld bald auf eine neue Lärmprobe zu
stellen:
ich empfehle mich einstweilen zu Gnaden
Ihren unterthänigen Sohn Fritz.
Das angekündigte Enkelchen wurde am
20. Oktober 1805 geboren und Maria getauft.
Über die im November 1804 in Weimar ein-
von Zobeltitz, Das Stammbuch Fritz von Steins.
305
getroffene Erbprinzessin, die Großfürstin Maria
Paulowna, äußern sich Charlotte und Karl ganz
begeistert. „Warum sie so liebenswürdig ist,“
schreibt letzterer, „macht wohl, daß sie selbst
ein so liebevolles Herz hat und die Leute, mit
denen sie umgeht, damit ansteckt. Sie ist nicht
herablassend, um es zu scheinen und Lob¬
sprüche einzuernten, sondern um den Menschen
Freude zu machen. Sie ist so sanft in ihrem
Ausdruck, daß sie timiden Leuten alle Verlegen¬
heit benimmt, dabey ist sie fröhlich, lebhafft
und voller Anstand und sehr clecidirt in ihren
Handlungen. Sie ist jung, schlank und hübsch...“
Einem langen Brief der Gattin Karls an Fritz
über allerhand Neues aus Weimar sei Folgen¬
des entnommen:
. . . Goethe scheint mir mit Son Altesse imperiale
verlegen. Sie frug ihn nach den Regeln der Zeitent¬
fernung als auch der Ortsveränderung in den Akten
eines Stücks. Er hat sich bekanntlich nicht sehr daran
gebunden: ich stand neben ihm, er antwortete un¬
deutlich. Ich glaube, er spricht nicht gern französisch.
Ein für Weimar seit 1 bis 2 Jahren verblichener Litte-
rator ist wieder angelangt, als nicht weniger als Hom-
burgischer Geheimerath in einer prächtigen Uniform,
ich glaube, um die Abonement-Billets, Clubs-Umläufe
und Namensverzeichnisse zu Schanden zu machen, die
immer seinen Namen mit Gering statt Gerning1 ver¬
wechselten, trotz den der Königin von Neapel über¬
brachten Haaren der Königin von Frankreich. Er hat
noch immer die kleine tändelnde Musen Physiognomie.
Bertuch erhielt vor seiner Ankunft einen Kaufmanns¬
brief von ihm aus Frankfurth: „Ew. Edlen belieben
beykommendes Kästchen mit Gewelktem und 12 Bou-
teillen Wein bis zu meiner Ankunft in Verwahrung zu
nehmen und das Porto gefälligst auszulegen.“ Bertuch
hat ihm nun gleich ausgerechnet, daß Gerning als ein
guter Wirth alle Tage ein Spitzgläßchen voll zu trinken
und einige gewelkte Zwetschen [Backpflaumen] dazu zu
speisen hat, bis zu seiner Abreise den Gastwirthen keine
Rechnung zu veranlassen . . .
Am 31. Oktober gratuliert Charlotte ihrem
Fritz zu der Geburt seines ersten Kindes:
„Unendlich erfreut hat mich das kleine neue Enkel-
chen, sag das der jungen Mutter und daß es mir lieb
wäre, noch ein Töchterchen neben ihr zu haben.
Schreib mir bald, lieber Fritz, wie sich Mutter und Kind
befindet und auch, wie es mit deiner Gesundheit steht;
es ist gar zu kalt schon und du hast nicht die Gabe,
dich warm zu halten, und wenn ich beym niederlegen
an die armen Soldaten denke, mit Wunden in der
Witterung, kann ich garnicht schlafen: ich mag die Poeten
nicht mehr, welche die Eroberer besungen haben . . .
Morgen kommt der russische Kaiser, unsre Erbprinzeß
zu besuchen, ich habe eine heimliche Angst, die Fran¬
zosen könnten ihn in ihre Hände bekommen . . . Daß
der arme Herzog von Oels hier sein Grab gefunden2,
hat uns allen sehr leid gethan; der Erbprinz frug mich
ganz traurig, ob dies nicht von übler Bedeutung vor sein
Kind sein würde, mir wars auch in dem Bezug fatal,
doch was sind endlich die Dinge der Erden! . .
Die Briefe Charlottes vom November und
Dezember an F ritz hat Diintzer in seiner Biographie
im Auszuge mitgeteilt; sie seien hier teilweise
ergänzt:3
23. Novbr. 1805 . . . Die Schillern hatte zwey Sol¬
daten zur Einquartirung bekommen, welche sie aber
an Wohlzogens Kutscher verdingt hatte; einer davon,
Herr von Michalowitsch, so unterschrieb er sich, hat
ihr bittere Vorwürfe darüber gemacht, daß sie seine
Erwartung so gedämpft, da er sich so darauf gefreut
habe, in das Schillersche Haus zu logieren . . . Der
Erbprinz grüßt dich freundlichst. Der Kayser hat viele
schöne Geschenke ausgetheilt, sogar an alle Damens
vom regierenden und verwittibten Hof, auch der oncle
Louis [der neu ernannte Hofmarschall von Schardt,
jüngerer Bruder Charlottes] hat einen schönen Ring be¬
kommen. Die preußischen Officiers werden alle zur
Tafel geladen. Der Oberst Kalkreuth saß zwischen dem
Herzog und Prinzeß Caroline; er frug sie, was vor ein
Geschenk sie vom Kayser bekommen und nannte sie
immer mein Freulchen [Fräuleinchen]. Da sie ihm
dann erwiederde, sie habe keines bekommen, frug er sie
endlich, mit wem er die Ehre hätte zu sprechen. Dar¬
auf sagte sie ihm, die Tochter von seinem Nachbar,
darüber war der arme Mann sehr verlegen und konnte
nicht aufhören, ihr Entschuldigungen zu machen; es
geschieht der guten Prinzeß Caroline sehr oft, sich
selbst presentiren zu müssen. . . .
24. Novbr. . . . Die Boßen [Fräulein von Bose] ist
mir eigentlich gar keine Gesellschaft, denn sie giebt
Visitten von früh bis in die Nacht und versäumt keine
Comedie, wozu ihr Prinzeß das Abonement gegeben,
und was die Knebeln [die alte Freundin der Bose] mir
von ihr erwarten lies, finde ich gar nicht, auch hat sie
so ein ängstlich kränklicht Gemiith, sie sieht immer aus
wie eine Person, die eine Last trägt, so daß sie mich
dauert, mir aber nicht wohl macht. Die Knebeln hat
mich vis ä vis meiner Familie compromitirt, weil man
mir übel nahm, daß ich der Mutter Seebach das Quar¬
tier [im Hause Charlottes] aufkündigte, die ich auch
1 Gemeint ist Joh. Isaak Frhr. von Gerning, homburgischer Gesandter in Neapel.
2 Der Bruder der Herzogin - Mutter , der bei dem Sohne der Großfürstin Pate stehen sollte, aber am Tauftage
(8. Oktober) starb.
3 Düntzer ließ gern fort, was nicht in die Tendenz seiner Biographie passen wollte, vor allem die mannigfachen
bitteren Bemerkungen Charlottes über Goethe und Christiane, die schließlich doch nur auf ihre gereizte Stimmung zurück¬
zuführen waren.
30 6
von Zobeltitz, Das Stammbuch Fritz von Steins.
zwey Jahr nicht im Hauß sah und nunmehr an dieser
auch keine Gesellschafterin habe. Die Boßen ist von
früh an schon bei der Knebeln. Ich erzähle dir un¬
interessante Dinge, verzeih, ich wollte du könntest in
deinen Briefen auch so weitläufig seyn. Du schriebst
mir neulich, wie verächtliche Subjekte dir vorgezogen
würden; gewiß, wer sich nicht aufdrängt, nicht anmaß-
lich, den läßt die Welt bald dahinden; leege man nur
keinen Werth auf den frivolen Beyfall . . .
25. Dezbr. Den ersten Glückwunsch bekam ich heute
früh zu meinem Geburthstag, von Loulou 'dem Hünd¬
chen], ein Zettelchen an einem rothen Bändchen hing
an seinem Hals — es war von Fräulein Boße. Nun
bekam ich auch lieben Besuch von der Erbprinzeß,
dem Erbprinz und Prinzeß Caroline, die mir alle drey
recht wohl thaten, denn es sind gar gute Wesens;
einige Zeit waren wir fröhlich, bis wir doch wieder auf
die traurigen Zeiten Deutschlands kamen, die Erbprin¬
zessin hatte schöne Thränen in ihren assiatischen Augen
und versicherte mich, ihre Brüder würden immer mit
der Armee fechten, wenn der Krieg fortdauere.
Sie geht vielleicht mit ihrem Gemahl nach Berlin,
um dem Großfürst dort ein Rendezvous zu geben, denn
wie es scheint, kommt er nicht hierher. Du denkst
vielleicht heute an mich, guter Fritz; ich habe mich bey
Hof entschuldigen lassen, denn heute besuchen mich
allerhand gute Freunde. Die Wohlzogen, Schillern und
die Kanzler Schmitten gehören immer unter meine
Getreuesten. . . .
26. Dezbr. Die Einquartierungen fressen uns noch
auf ... Es ist unerhört, daß sich die Officiere, wenig¬
stens viele, mit ihren Weibern, Kammerjungfern, Garde¬
robe Mädchen von die Häuser, wo sie einquartiert er¬
nähren lassen. So hat es besonders general Zastro[w]
gemacht, der bey Helldorfs logirte, ja so gar sich noch
Wein auf den Weg ausgebeten. Den sämtlichen Bürger¬
meistern von den Weimarischen Landen wird dieEinqar-
tierung noch das Leben kosten, die armen Leute haben
keine Nacht mehr Ruh; in Jena hat neulich einen Bürger¬
meister vorArger der Schlaggerührt. Manche Preußische
Unter Officiere lassen sich bestechen und bringen die
Soldaten in Häuser wro ihnen beliebt . . . Wegen den
ersten Feyertag wurde der gestrige Tag [die übliche
Mittwochsversammlung] bey Goethen ausgesetzt auf
heute, aber er ist krank geworden. Die Schillern wird
auch recht von den Einqartierungen aufgezehrt . .
Am 15. Januar 1806 bedankt sich Charlotte
bei Fritz zunächst für dessen Geburtstagswünsche
und erzählt sodann:
Die Amelie schreibt mir von Kochberg, sie käme
sich wie eine Gastwirthin vor; zum Glück sind ihre Ein-
buartierung artige bescheydene Leute; die meisten
Preußen betragen sich bei ihren Wirthin hülfrcich,
außer einzelne. Letzt war ein Aufstand in dem Theater;
ein junger Artillerie Officier fing einen ungebührlichen
Zank an mit dem, so die Billets annimmt, zog den
Degen auf die Wachstehende Ordonnanz — es wurde
gerufen : Preußischer Offizier heraus, man glaubte, es sey
Feuer, der Vorhang mußte fallen. Endlich ging Stein
[-Nordheim] aus der Herrschaftsloge hinunter, wollte den
Officier zurecht weisen der Offizier sagte ihm, er werde
ihn Morgen sprechen; Stein otferirte ihm ein paar
Bouteillen Wein oben drein — drauf jener sagte, ich
werde noch zwey Officiers mitbringen. Das ganze
Regiment, wenn Sic w ollen, erwiederte Stein ; den andern
Tag bat er es den Stein aber ab, doch mußte er in
arrest. Die Theater Casse ist wohl die einzige, die bei
der Einquartierung gew innt; der armen Schillern kostet
es wohl schon auf 50 Ü/&. — es drückt alle, die Ver¬
mögen haben . . . Goethens Vorlesungen gehen alle
Mittwoche ihren Weg; ein Viertclstundchcn wird der
Politik gewidmet oder vielmehr den jetzigen Be¬
gebenheiten, doch hat er das nicht gern. Vor 8 Tagen
war seine Schwägerin, die jüngere Schwester seiner
Demoiselle, gestorben und zw'ar wie wir eben da waren;
aber alle Todesfälle in und außer seinem Hauß laßt er
sich verheimlichen, bis er so nach und nach dahinder
kommt. Doch soll er sie beweint haben, sie war schon
lange an der Auszehrung krank; sein Bube [August]
kommt mir auch nicht vor, als könnte er lange leben.
Gebe der Himmel, daß er nicht vor ihm stirbt, seine
Demoiselle sagt, man betrinkt sich alle Tage — der
arme Goethe, der lauter edle Umgebungen hätte haben
sollen! doch hat er auch zwey Naturen1 . . .
3. März. Goethe w ar wieder recht krank . . . Neu¬
lich wurde seine Stella gegeben, er hat aus dem Drama
eine Tragoedie gemacht, es fand aber keinen Beyfall.
Fernando erschießt sich, und mit dem Betrüger mag
man kein Mitleid haben; besser wär es gewesen, er
hätte Stella sterben lassen, er nahm mirs übel, als ichs
ihm tadelte . . .
16. März. Die Sonne scheint heute so freundlich,
daß ich an Dich denken muß, ich sehe Dich in Deinem
Garten mit Deiner Frau wandeln. Gestern wurde Don
Carlos von Schiller gegeben, ob wohl sein Geist da¬
von etwas weiß? Es hat mich sehr unterhalten, nur
spielte der Marquis von Bosa[Posa] eine rechte Carikatur ;
es w^ar Hayde, du kennst ihn wohl noch, der ehemalige
Liebhaber von Tante Schardt ihrer Kammerjungfer . . .
LTnser Erbprinz fängt an, mit großer Liebe zu geigen und
auf dem Clavier zu spielen, es freut mich vor ihm, daß
er etwas hat, so ihn angenehm beschäftigt und er nicht
vor Langerweile auf Thorheiten fällt; er ist ein gar
guter Mensch, ich muß ihn lieb haben und hätte ge¬
wünscht, er wäre nicht von Dir getrennt worden. . . .
[ Schlufs im nächsten He/t .J
Inkorrekt und unvollständig bei Ebers und Kahlert sowie bei Düntzer wiedergegeben.
Ein Fragment des Ardinghello.
Für Eduard Grisebach zum 9. Oktober 1905
in Druck gegeben
von
Dr. Carl Schiiddekopf in Weimar.
I.
komme nicht wieder. Habe mich
eine neue Sphäre gewälzt, Bruder,
d muß mir Platz machen, und Besitz
nehmen, mächtiges Gesindel aus dem Wege
räumen, oder in den Abgrund stoßen. Meine
Arbeiten beginnen, das Spiel hat ein Ende.
Schlummre du noch; bald wird auch der Tag
für dich anbrechen. Künftige Woche reis ich
nach Rom. Borgia. Florenz.
Du warst mir Licht und Leben. Das er¬
wartet ich nicht; es hat mich wie erschlagen.
O wie ist alles so leer um mich geworden!
Da lieg ich auf dem kühlen Rasen unter den
hohen Pappeln, an den Trauben, die von süsser
Fruchtbarkeit strotzen, in der Aussicht, wo wir
uns so glücklich ohantasierten; wie im Reiche
der Verwesung, der Abgeschiedenheit. Der
Fluß zieht wie ein Leichenzug vorbey. Aller
Sinn ist mir zum Genuß vergangen. Ich schäme
mich, dir zu sagen, daß ich wie ein Kind weine.
Orsino. Pisa.
Ich finde nirgends wieder Bestand. Die
Versammlung unsrer geheimen Akademie ist
wie ein Baum, dem der Giebel ausgebrochen
ist; kein Wind von Empfindung, Witz, und
Verstand bewegt sie hin und her. Selbst der
Poet von Dschirdschent maust sich, und sitzt
da, als ob er schon den Schwanz verlohren
hätte. Wie wirds deinen Mädchen und Wei¬
bern das Herz zerreißen, wenn sie vernehmen,
daß du nicht wieder körnst! Verlaßen und
ängstlich seh ich sie schon in die Meße schlei¬
chen. Die armen Dinger dauren mich; sie sind
ein Gesträuch, das nicht für sich bestehen kann,
und liegen gleich zu Gottes Boden, wenn der
Stamm, um den sie sich herum gewunden, ihnen
entrißen wird. Achte deßwegen aber auch ihrer
wenig; denn man kann sich in keiner Noth an
sie halten. Signora Bianca hat, hör ich, gestern
einen frischen Buben zur Welt gebracht, und
ihr alter Narr soll sich was darauf zu gute thun,
daß er nicht vergebens gespart hat. Sie war
noch die einzige, die Kraft gegen und für dich
hatte. Unsere Schulmeister, wenige ausge¬
nommen, werden froh seyn, daß du weg bist.
Ich sehe den Winter in der Ferne sich nähern,
wie die Häscher der heiligen Inquisition. Mich
schaudert’s schon vor der schrecklichen Langen¬
weile in seinem Gefängnisse; denn ich habe
keine Lust an irgend etwas. Orsino. Pisa.
II.
Anton Orsino an Caesar Borgia.
Meine Wunden sind heil, Caesar, und ich
bin wieder frey, aber es ist mir, als ob ich
ausser der Welt im leeren Raume wär. Ein
Mädchen hält mich fest, mit einer solchen
Allgewalt, daß ich nicht daran denke zu wider¬
stehen. Auch ist es eine von den reizendsten
Kreaturen, die je zur Liebe entstanden; jung
und zart und schlank und widerstrebend, und
voll süssen edlen Geistes; was wir wollen, und
mehr und darüber. Wenn du sie sähest, du
würdest mich ermorden. Einen Mund, blühend,
wie die schönste Rose, Zähne, wie Reyhen
von Perlen, und Augen lauter Unschuld und
Muthwillen und Sonnenlicht in der reinsten
Himmelsbläue. Mit einem Wort, aus ihr leuchtet
ganz alle die höchste Wonne der Erde.
Ich habe die Wärme ihres Lebens gefühlt,
und sie ist in mich gedrungen, wie Schlag und
Wetter, und hat mich im Innersten erschüttert,
und hat mich aufgeweckt von dem Todes¬
schlafe, worinn ich begraben lag.
Lieber, wir sind doch weiter nichts, als
Schatten ohne Leben, wenn wir kein Weib
haben, dessen Wesen in uns übergeht. Habe
Meer und Land, Berg und Thal, und Heerden
von Vieh und Menschen; und keine Unver¬
gleichliche, die dir mehr ist, als alles, die höchste
Schönheit und Güte der Natur, ein Bild Gottes,
eine Blüthe gleichsam unmittelbar aus Gott
3°8
Schüddekopf, Ein Fragment des Ardinghello,
entsprossen, Gott selbst, worinn du vergehen,
dich verlieren, und vollkommner wieder hervor¬
gehen kannst: und du hast nichts. Habe, wo
möglich, Schaaren von Freunden, mit keinem
kannst du so eins werden, keiner giebt dir die
volle Quelle wollüstigen Lebens. Habe Schlachten
gewonnen und Könige gestürzt; Habe Himmel
und Erde verschlungen und du bist nüchtern.
Fragst, wer das Wundergeschöpf sey? ach!
das ist es eben, was wie ein Stroom Alpcn-
schnee über mich kömmt, und mich von hinnen
reißt; es ist die Gräfin Colonna.
Seit meinem letzten Briefe hat sich alles das
zugetragen. Die Wunde von der Musqueten-
kugel heilte glücklich zu, aber mich überfiel
darauf ein so heftiges Fieber, daß man an
meinem Leben zweifelte. Nach dem Willen
meines Arzts, eines einnehmenden und grund¬
erfahrnen Mannes in seiner Kunst, brachte man
mich in ein anderes Zimmer, wo ich freye
lebendige Luft schöpfen konnte, und dabey die
Aussicht in eine der schönsten Gegenden hatte,
die vielleicht, innerhalb Landes, in Italien sind.
Ich muß es gestehn, die Colonnen sind meistens
edle Menschen, ob sie gleich von jeher unser
Geschlecht verfolgen, und der Haß gegen uns
ihnen angebohren ist. Sie haben für mich ge¬
sorgt, als ob ich ihr Kind und Bruder, und
nicht gefangner Feind wäre. Dieses Zimmer
gieng in einen Garten von weitem Empfange,
den die Vorfahren derselben angelegt. Hier
und da siehst du darinn grüne Plätze von alten
hohen kunstlosen Bäumen besetzt, wo im Som¬
mer unter und in ihnen ein heiliges kaltes
schauerliches Dunkel seyn muß. Während
meiner Krankheit wandelte verschiedenemahl
daselbst, mit einer ältlichen Dame, ein Frauen¬
zimmer von leichtem edlen Gang und himm¬
lischer Gestalt. Dieß war die junge Gräfin.
Ich weiß nicht, wie es kömmt, aber es ist
so im Innern eines Jeden; Reitze zu Hoch¬
achtung und Liebe bey Feinden würken weit
mächtiger auf uns, als bey Freunden, insonder¬
heit wenn die Feindschaft nicht unmittelbar
persönlich ist. Die junge Colonna lag mir Tag
und Nacht im Sinn, hatte sich meiner Phan¬
tasie und meines Herzens bemächtigt, und
machte meine einzige Beschäftigung.
Als ich wieder gesund geworden, sah ich
sie einst wieder da, gegen Abend, unbegleitet,
allein. Das Herz schwoll mir in der Brust voll
Sehnen und Ahnden, und es wurde mir auf
einmahl so warm, so heiß — ich konnte nicht
bleiben, mußte von der Stelle; die Einsamkeit
lag auf mir wie ägyptische Finsterniß. Durch
einen glücklichen Zufall fand ich Weg, ohne
gesehn zu werden, und traf sie an einem Bach
bey Bienen. Freuet euch, sagte sie, mit der
süssesten Mädchenstimme, in einem Muthwillen
von Gutherzigkeit, freuet euch Bienen, schon
brechen die Blumen hervor, bald werden die
Bäume blühn. Ich lag ihr zu Füssen, und
hielt ihre Hand schon im Feuer der Liebe, an
den Lippen. Sie that einen Schrey, und riß
sich los.
Ich faßte sie zärtlicher und mächtiger. Orsino!
rief sie noch ausser sich, aber das Schrecken
war Ueberraschung geworden. Sie widerstrebte
immer, aber doch nach und nach lässiger.
Art und Unschuld und Neigung kämpften in
ihr. Wir giengen. Wir sprachen. Was? das
läßt sich nicht erzählen. Wer will die leisen
Tönchen der Nachtigall, worinn just die Accente
der Liebe liegen, in Noten setzen? Wer mahlen
die höchste Geschwindigkeit und Stärke des
Adlerflugs? W ir verstanden uns, fühlten uns.
Sahen in einander, wie man etwas in der Nähe
sieht. Kannten uns von Ewigkeit Jedes Emp¬
findung gab Harmonie an im andern zum Ent¬
zücken. WTir verlangten einander entgegen, und
zwischen uns lagen Abgründe furchtbar und
schrecklich.
Es kamen plötzlich Weiber in den Garten.
Sie drückte mich zurück, erzürnt und furchtsam,
als ob sie Sünde gethan, und doch in Liebe;
und entwich. Die Sonne gieng eben unter’s
Gebürg, und machte ein herrliches Schauspiel
am Himmel; mir aber war’s, als ob ich in die
Hölle sollte, die Erde schwand unter meinen
Füssen. Ich schlich mich wieder auf mein
Zimmer, wo ich der Wache wie ein Gespenst
vorkam, die meine Ausflucht nicht gewahr ge¬
worden.
Seit dieser Zeit hab’ ich sie nicht wieder
gesehn, den dritten Tag darauf wurd’ ich aus¬
gewechselt mit Fabritzen; aber noch brennt
mein Wesen von den Blitzen ihrer Blicke, in
welchen so viel Seelenfeuer, eine solche weib¬
liche Liebesstärke flammte, als ich noch bey
keiner ihres Geschlechts empfunden. In den
Sicilianischen Meerstrudel wollt’ ich mich stürzen,
in den Kessel des Aetna, wenn ich das
Schüddekopf, Ein Fragment des Ardinglielk).
309
reizende Geschöpf nur eine Stunde lang in
meiner Gewalt haben dürfte.
Es ist aus mit mir; rette mich Freund,
wenn du etwas vermagst. Alles andre Weibs¬
volk ist mir nach ihr schaal und abgeschmackt;
und an eine öffentliche erlaubte Verbindung
mit ihr ist nicht zu gedenken. Capua. 493.
Caesar Borgia an Orsiuo.
Bist ein Kind geworden? Sprichst, wie
Plato im hitzigen Fieber, und rasest, wie wey¬
land Petrarca. Komm zu mir, ich will dir helfen,
und mache mir eine Freude daraus. Sollst
dich weder in das Sicilianische Loch, noch in
den Aetna stürzen. Es wäre wider das Recht
der Natur, wenn ein so schöner Bube, wie du,
lange seufzen sollte.
III.
Stephan Colonna an Hannibal Colonna.
Ich habe künftigen Donnerstag zu einem
allgemeinen Fest in unserm Hause bestimmt,
und lade dich dazu ein, Bruder, mit deiner
Frau, deinen Söhnen und Töchtern. Es soll
dir wohl bekommen und Freude machen. Ausser
unsern Angehörigen wird Niemand dabey seyn,
als Romanello da Forli mit einigen seiner
Freunde, der uns in diesem Kriege so treflich
geholfen. Er ist ein guter tapfrer Junge, be¬
hend in allem, was er thut, und doch, wo
möglich, alles ganz vollbringend, nichts übereilt,
einseitig. Ausserdem ein lustiger Gesellschafter,
bey dem und dessen Herrschaften eines Vaters
liebe Tochter sehr glücklich seyn könnte, wenn
er auch gleich nicht unter die Narcissen gehört.
Laß uns nun einmahl ausruhn, und uns ganz
dem Vergnügen überlaßen. Der Frühling geht
auf so schön, als ich ihn seit vielen Jahren
nicht gesehn. Alles steht gut und wohl bey
uns. Wir haben in dem Vergleich mit den
Orsinen mehr erhalten, als wir hoffen, haben
sie wieder gedemüthigt; Unsere Kinder sind
glücklich gebohren, und so gerathen, daß sie
unsre ganze Liebe verdienen; die Töchter schön
und der Tugend ergeben, und die Söhne groß
und berühmt in jeder ritterlichen Kunst. Wir
werden alt, laßen wir fahren die Sorgen. Sie
werden thun, was wir thaten. Alles auf der
Welt ist doch wandelbar und vergänglich, ausser
dem Guten, das wir uns selbst machen. Wohl
dem Manne, der sich edle Kinder gezogen!
Dem stehe der Himmel bey, der weiter nichts
hat, als Gut und Freunde.
An Eduard Grisebach.
Lieber Freund! Über das Wenige, was an Vor¬
arbeiten Heinses zum Ardinghello — der auch zu Ihren
Lieblingsbüchern gehört — in seinen Tagebüchern er¬
halten schien, habe ich im vierten Bande meiner Heinse-
ausgabe, Seite 400 — 407, Rechenschaft gegeben. Ein
glücklicher Zufall ließ mich diesen Sommer in der
Frankfurter Stadtbibliothek noch weitere Reste früherer
Fassungen finden, die jene lückenhafte Überlieferung
ergänzen und durch Schönheit und Kraft der Sprache
Ihr Interesse wecken werden. Sie bestehen zunächst
in einem ausgearbeiteten Schema zu einer Erzählung
„Adelheit und Heidenblut“, später „Gottlieb Heyden¬
blut und Adelheit Feyerabend“, endlich „Heydenblut
und Brunissenda“ betitelt, die aus dem Entwurf „Weib
undUnschuld, eine Geschichte“ (Heinse IV, 400) erwuchs
und zweiteilig, in 51 Briefen, die meisten Motive auch
zu „Hildegard von Hohenthal“ bereits in sich birgt.
Eine Hauptfigur, der „Sklavenhändler“ Romanello da
Forli leitet hinüber zu der Gruppe von Fragmenten,
die ich Ihnen hierzu Ihrem sechzigsten Geburtstage mit
herzlichstem Glückwunsch vorlege. Auch in dieser noch
unbetitelten Vorstufe sollte, wie es scheint, die Brief¬
form streng durchgeführt werden, im Gegensatz zum
Ardinghello, der als Ichroman durch Briefe belebt,
durch lange Gespräche und theoretische Auseinander¬
setzungen aber gesprengt wird. Die Handlung spielt
hier ungefähr gleichzeitig wie die des Ardinghello in
Mittel- und Unteritalien, knüpft aber direkt an die großen
Namen eines Cesar Borgia, einer Vittoria Colonna und
den Streit der feindlichen Häuser Orsino und Colonna
an — das Rom des Papstes Alexanders VI, wie es Fer¬
dinand Gregorovius meisterhaft dargestellt hat. Von
diesem großartigen Hintergründe sollte sich die Liebe
der Kinder aus den beiden feindlichen Häusern um so
wirkungsvoller abheben; in den Ardinghello ist nur
weniges in der Episode von Ardinghello Frescobaldi
und Cäcilia übergegangen oder weiter ausgeführt, wie
die Geschichte der Bianca Capello (IV, 335). Nähere
Nachweise und einen kritischen Apparat verspare ich
auf die Nachträge im letzten Bande meiner Ausgabe,
um Ihnen den reinen Genuß an diesen Fragmenten
nicht zu verkümmern. Sie werden mir zustimmen, daß
sie zu dem Schönsten gehören, was wir von Heinse
kennen. C. Sch.
Z. f. 13. 1905/1906.
40
Chronik.
Hohenzollern-Jahrbuch 1904.
Das groß angelegte Unternehmen (Verlag von
Giesecke & Devrientin Berlin und Leipzig) ist nunmehr
in seinen achten Jahrgang eingetreten, ein Beweis
dafür, daß diese „Forschungen und Abbildungen zur
Geschichte der Hohenzollern“ nicht nur die engere
historische Fachwelt interessieren, sondern auch in
weiteren Kreisen anerkennende Aufnahme finden.
Und in der Tat ist das Hohenzollern-Jahrbuch ein
Monumentalwerk, dem auf dem Gebiete der Ikono¬
graphie kaum etwas Ähnliches zur Seite zu stellen ist.
Das billige Wort von „Unterstützung des Byzantinis¬
mus“, mit dem ein sozialdemokratisches Blatt das Jahr¬
buch abfertigte, paßt gerade hierher durchaus nicht:
man müßte denn jedwede Forschung zur Geschichte
eines Herrscherhauses schlankweg als „byzantinisch“
bezeichnen. Im übrigen handelt es sich in dem Jahr¬
buch keineswegs um eine blinde Verherrlichung der
Hohenzollern, vielmehr um die Aufschließung historisch¬
diplomatischer Aktenstücke und um die Wiedergabe
seltener Abbildungen in mustergültiger Reproduktion.
Daß diesmal zu Ehren der Verbindung des deutschen
Kronprinzen mit der Herzogin Cecilie von Mecklen¬
burg-Schwerin ein Festartikel an die Spitze des Bandes
gestellt worden, ist nur natürlich und erklärlich.
Professor Dr. Paul Seidel , der Herausgeber des Jahr¬
buchs und kunstsinnige Direktor des Berliner Hohen-
zollern-Museums , zeichnet als Verfasser und gibt in
knappem Rahmen, durch zahlreiche Abbildungen unter¬
stützt, eine vortreffliche Übersicht über die mannig¬
fachen Berührungspunkte zwischen Preußen und den
mecklenburgischen Nachbarn im Laufe der Jahr¬
hunderte. Ein zweiter Artikel (von Wolfgang von
Oettingen ) beschäftigt sich mit Chodowieckis Arbeiten
für Friedrich den Großen und seinen Darstellungen
der königlichen Familie; manche bisher unbekannt
gebliebenen Bilder des Meisters sind beigegeben, so
u. a. die Emaillen, die er für eine Tabatiere König
Friedrichs gemalt hatte. Archivar Dr. Georg Schuster
versucht in die genealogische Wirrnis des Urstamms
Zollern einzudringen, Professor Dr. Rei?ih. Koser ent¬
wirft ein treffliches Bild der letzten Lebenstage Fried¬
rich Wilhelms I. , Paul Seidel gibt eine Zusammen¬
stellung der künstlerisch wie historisch wertvollsten
Hohenzollernporträts vom Großen Kurfürsten ab bis
zum regierenden Herrscher. Umfangreicher sind des
verstorbenen Professor Friedrich Wagner Unter¬
suchungen zur ältesten Geschichte des Domes und des
Domstifters zu Köln-Berlin (bis 1535). Melle Klinken¬
borg beschreibt die Siegel der brandenburgischen
Landesherrn von 1415—1688 an der Hand zahlreicher
Tafeln, Professor Ernst Berner die Brautfahrt des
Prinzen Heinrich (1751) an die Höfe des Reichs,
Professor Hans Droysen Friedrichs des Großen Privat¬
druckerei im Berliner Schlosse und die aus dieser
hervorgegangenen Druckwerke „au donjon du chäteau“
(ein besonders für die Bibliophilen interessanter Ab¬
schnitt). Oberlehrer Heitir. Borkowski schildert die
Erzieher und Erziehung Friedrich Wilhelms I. und gibt
dazu die Aufzeichnungen wieder, die Johann Friedrich
von Rebeur als Reformator dieses Fürsten nieder¬
geschrieben hat und die im Dohnaschen Majoratsarchiv
zu Schlobitten aufbewahrt werden. Endlich sei noch
die Fortsetzung der biographischen Skizze: Gustav
Adolfs Gemahlin Maria-Eleonore von Brandenburg
(1599 — 1655) von Dr. Fritz Arnheim erwähnt, die im
vorigen Jahrbuch begonnen wurde und hier zu Ende
geführt wird.
Der Folioband umfaßt 243 Seiten mit 40 Vollbildern
(darunter verschiedene in ausgezeichnetem Farben¬
druck) und vielen Abbildungen im Text; der Vignetten¬
schmuckrührt wieder von Professor Emil Doepler d. J.
her. Die ganze Ausstattung ist geschmackvoll und
würdig, ohne überladen zu sein.
Einen recht interessanten Beitrag zur Geschichte
der Romantik hat Herrn. Anders Krüger in seinem
Buche „ Pseudoromantik . Friedrich Kind und der
Dresdner Liederkreis“ (Leipzig, H. Haessel; geheftet M.4,
gebunden M. 5) beigesteuert, ln außerordentlich leb¬
hafter und anregender, auf ein weitschichtiges Quellen¬
material gestützter Schilderung entwirft der Verfasser
ein vortreffliches Bild jener Gruppe von „Trivial¬
romantikem“, wie Adolf Stern sie nennt, die sich in
dem Dresdner Wochenzirkel und Liederkreis vereinigt
hatten und deren Organ Theodor Hells allmächtige
„Abendzeitung“ war. Friedrich Kind bildete den
geistigen Mittelpunkt dieser weniger literarisch als
literargeschichtlich sehr interessanten Vereinigung, und
ihm fällt denn auch die Hauptpartie des Krügerschen
Buches zu. Die Charakteristik des Schaffens Kinds ist
dem Verfasserglänzend gelungen, vor allem die Analyse
jener Werke, die durch ihre Augenblicks wirkung einen
gewissen historischen Wert besitzen und die für den Geist
der Pseudoromantik besonders bezeichnend sind. Der
Nachweis, daß das Freischütz-Libretto tatsächlich nur
eine dramatische Verwässerung der Apelschen Novelle
gleichen Titels ist, scheint mir durchaus geglückt; auf
den Charakter Kinds wirft die Untersuchung ein wenig
günstiges Licht. Der zweite Teil des Buches beschäftigt
sich mit den einzelnen Mitgliedern des Liederkreises,
der Schlußabschnitt mit dem Auftreten Tiecks in
Dresden. — bl —
Nachdruck verboten. — Alle Rechte Vorbehalten.
Für die Redaktion verantwortlich: Fedor von Zobeltitz in Berlin W. 15.
Alle Sendungen redaktioneller Natur an dessen Adresse erbeten.
Gedruckt von W. Drugulin in Leipzig für Velhagen & Klasing in Bielefeld und Leipzig auf Papier der Neuen Papier-Manufaktur
in Straßburg i. E.
ZEITSCHRIFT
FÜR
BÜCHERFREUNDE.
4 Monatshefte für Bibliophilie und verwandte Interessen.
Herausgegeben von Fedor von Zobeltitz.
9. Jahrgang 1905/1906. - — Heft 8: November 1905.
Sweinheim und Pannartz.
Von
Dr. Kl. Löffler in Göttingen.
weinheim und Pannartz. Die
Firma klingt nicht besonders
fein. Und in die verwöhnten
italienischen Ohren klingt sie
gewiß noch weniger einschmei¬
chelnd als in unsere abge¬
härteten deutschen. Das hat aber einen be¬
geisterten Italiener, den Professor Francesco
Berlan, nicht abgehalten, sie ganz für Italien in
Beschlag zu nehmen und den Tedeschi und
Tedescofili wiederholt und nachdrücklich „nostri
sono“ entgegenzurufen. Am niederschlagendsten
ist es für uns poveri Tedeschi, wenn er uns
die Bestimmung des Corpus juris unter die
Augen hält: Potremmo citarvi la legge XVII.
Digest. De statu hominum, Constit. imper., che
dice: In orbe romano qui sunt, ex constitutione
imperatoris Antonini cives romani effecti sunt
— das heißt auf deutsch: Alle, die sich im
römischen Reiche auf halten, sind nach der Ver¬
ordnung des Kaisers Antonius römische Bürger
geworden.
Wir haben also, nachdem wir uns von den
schweren Streichen Berlans erholt haben, keinen
Grund, uns unserer Landsleute zu schämen.
Freilich ganz soviel, wie Berlan und einige
andere, bei denen die nationale Begeisterung
bedeutend größer ist als die Sachkenntnis, ihnen
zuschreiben möchten, haben sie nicht geleistet,
z. f. B. 1905/1906.
Sie haben den Druck mit beweglichen Typen
nicht erst erfunden, aber sie sind die ersten
gewesen, die mit Gutenbergs Kunst den fried¬
lichen Eroberungszug gegen das Ausland unter¬
nahmen und Italien und Rom gewannen.
Als sie über die Alpen zogen, waren etwa
zwanzig Jahre vergangen, seit Gutenberg die
Erstlinge seiner Erfindung hatte ausgehen
lassen. Denn zum wenigsten auf das Jahr 1444
können wir nach den neuesten Funden und
Forschungen den ersten Druck zurückdatieren,
und ich glaube, wir haben Aussicht, doch noch
auf 144.0 zu kommen und den Veranstaltern
der Jubelfeste von 1640, 1740, 1840 recht geben
zu können.
In den zwanzig Jahren war natürlich schon
mancherlei, wenn auch verworrene Kunde von
der neuen Kunst nach Italien hinübergedrungen,
und der eine oder der andere hatte auch wohl
schon eines ihrer Erzeugnisse zu Gesicht be¬
kommen. Aber die vornehmen Bücherliebhaber
des Landes waren verwöhnt durch die pracht¬
vollen Werke der Schreiber und Künstler. In
Italien verschmähten es die hervorragendsten
Gelehrten nicht, Bücher abzuschreiben und zu
korrigieren, die größten Künstler nicht, sie zu
verzieren. Die Drucke, ohne Titel und Rubriken,
ohne Ornamente und mit den gotischen Lettern,
die kein echter Humanist ausstehen konnte,
41
312
Löffler, Sweinheim und Pannartz.
waren nicht imstande, den Wettbewerb aufzu¬
nehmen. Ihr geringer Preis erregte eher ein
Gefühl der Verachtung, als daß er sie empfahl.
Als die Abgesandten des Kardinals Bessarion
bei Konstantin Laskaris das erste gedruckte
Buch sahen, spotteten sie über die „bei den
Barbaren in einer Stadt Deutschlands“ ge¬
machte Erfindung. Und noch 1482 sagte Ves-
pasiano da Bisticci von der urbinischen Biblio¬
thek: „In ihr sind alle Bände von untadelhafter
Schönheit, mit zierlichen Miniaturen und alle
auf Pergament mit der Hand geschrieben. Kein
gedrucktes Buch ist darunter; Herzog Federigo
würde sich eines solchen geschämt haben.“
Wir können uns über diese ablehnende Hal¬
tung der Italiener nicht weiter wundern, wenn
wir bedenken, daß sich sogar ein Landsmann
des Erfinders, der Abt Trithemius von Spon¬
heim, der sonst die Bedeutung der Buchdrucker¬
kunst wohl zu würdigen verstand, veranlaßt
fühlte, ein Buch „De laude scriptorum manualium“
(Mainz 1494) zu schreiben. „Die Schrift auf
Pergament“, meint hier Trithemius, „kann tausend
Jahre halten. Dagegen ist es schon recht viel,
wenn das auf Papier Gedruckte zweihundert
Jahre überdauert. Auch werden nicht alle
Bücher gedruckt. Die nicht gedruckten müssen
geschrieben werden. Wer wegen der Buch¬
druckerkunst aufhört zu schreiben, ist nie ein
Bücherliebhaber gewesen, weil er, nur auf die
Gegenwart bedacht, nicht für die Erbauung
der Nachkommen sorgt. Endlich vernachlässigt
der Druck gewöhnlich die Schönheit und ge¬
schmackvolle Ausstattung, während die Schrift
größere Sorgfalt darauf verwendet.“'
Von besonderem Interesse ist es, wie sich
die durch die Umwälzung zunächst Betroffenen,
die Schreiber, zum Druck stellten. Es ist doch
wohl ein bißchen übertrieben, wenn ein eng¬
lischer Bibliograph neuestens von einer großen
Krisis im wirtschaftlichen Leben der zahlreichen
Schreiberzunft spricht und die Einführung der
Dampfmaschine als Analogie heranzieht. So
schlimm war es nicht. Nicht wenige Schreiber
wurden einfach Buchdrucker. Auch waren
nicht alle gleich zu entbehren, an griechisch
schreibenden war z. B. noch längere Zeit Be¬
darf. Tatsächlich haben sich die Lohnschreiber
trotz des Buchdrucks noch ins folgende Jahr¬
hundert hineingerettet.
Mancher müde Schreiber jubelte der Be¬
freiung von seinen Muhen sogar fröhlich ent¬
gegen:
„Quis labor est fessis demptus ab articulis“
— „welche Mühsal ist von den ermatteten Gliedern
genommen“, heißt es in einer italienischen Hand¬
schrift, und ein anderer Schreiber zeigt das Ende
seiner Tätigkeit mit den Worten an: „L’arte mia
e finita per l’amore dei libri chi se fanno in
forma“ — „mit meiner Kunst ist es aus
wegen der Vorliebe für die gedruckten Bücher “.
Hier ist ja freilich nicht deutlich zu sehen, wie
es gemeint ist. Aber wenn es ein Schmerzens¬
schrei hätte sein sollen, wurde gewiß auch ein
kräftig Wörtlein gegen die bösen Drucker sich
eingestellt haben.
Dem Laurentius Valla wird ein Epigramm
zugeschrieben, das die deutsche Erfindung will¬
kommen heißt:
„Abstulerat Latio multos Germania libros.
Nunc multo plureis reddidit ingenio.
Et quod vix toto quisquam perscriberet anno
Munere Germano conficit una dies.“1
Der Vers, der sich in einem der ersten
römischen Drucke findet, klingt daran an:
„Premitur uno die quantum non scribitur anno.“2
Um den Ruhm, die erste Druckerstadt
Italiens zu sein, haben sich Venedig, Mailand
und Bologna gestritten. Keine von den Parteien
hat recht bekommen. In Subiaco, einem kleinen
Städtchen Latiums, östlich von Rom, am rechten
Ufer des Teverone, in einer wilden Schlucht
des Apeninn gelegen, hat die Wiege des italie¬
nischen Buchdrucks gestanden. Hier befand
sich ein berühmtes Benediktinerkloster, und in
der Nähe hatte sich einst der Stifter des Ordens
in einer Höhle seinen Bußübungen hingegeben.
Seit 1366 war die Abtswürde des Klosters
gewöhnlich einem Kardinal zur Kommende
übertragen worden. Von 1455 an war Johannes
von Torquemada oder Turrecremata, ein ge¬
borener Spanier, Kommendatarabt. Ihm wird
das Verdienst zugeschrieben, durch Vermitte¬
lung einiger deutscher Mönche seines Klosters
die beiden deutschen Drucker ins Land be¬
rufen zu haben. Schon hatte ein anderer und
1 Einst hatte Deutschland Latium viele Bücher genommen. Viel mehr hat es nun durch seine Erfindung zurückgegebeD.
Und was einer kaum in einem ganzen Jahre schreiben könnte, das bringt durch das deutsche Geschenk ein Tag fertig.
2 An einem Tage wird soviel gedruckt, wie in einem Jahre nicht geschrieben wird.
Löffler, Sweinheim und Pannartz.
313
zwar ein deutscher Kardinal, Nikolaus von Cues,
den Wunsch ausgedrückt, deutsche Drucker
nach Rom zu ziehen, aber er starb, ohne
einen italienischen Druck gesehen zu haben.
Konrad Sweinheim stammte aus Schwein¬
heim (heute Schwanheim), einem Dorfe am
Main zwischen Frankfurt und Mainz, Arnold
Pannartz aus Prag. Sonst läßt sich über ihre
Vergangenheit nichts ausmachen. Man nimmt
als wahrscheinlich an, daß sie aus der Werk¬
stätte Gutenbergs von Mainz kamen, das sie in¬
folge der bekannten Katastrophe von 1462 ver¬
lassen hätten. Eine große Auswahl hat man
ja in der Tat nicht: außer in Mainz war nur
in Straßburg und Bamberg der Buchdruck
schon eingeführt.
Der erste Druck, den Sweinheim und Pan¬
nartz im Kloster Subiaco, gewissermaßen um eine
Probe ihres Könnens zu geben, herstellten, war
ein Donat „pro puerulis“, wie sie später selbst
angeben, in dreihundert Exemplaren. Dieses
Schulbuch ist bekanntlich auch Gutenbergs
Vorlage bei seinen ersten Drucken gewesen.
Von diesem Donat ist aber kein Exemplar
mehr bekannt. Als das erste auf uns gekom¬
mene in Italien gedruckte Buch hat Carlo Fuma-
galli 1875 einen Cicero, „De oratore ad Quintum
fratrem libri tres“ nachgewiesen. Ein Exemplar,
das sich damals in seinem Besitze befand, hat
nämlich folgende handschriftliche Notiz: „Cor-
rectus et emendatus fideliter hic codex per
A. Tridentonem, conferente optimo et doctis-
simo patre meo fratre Johanne Tiburtino pridie
kal. octobres MCCCCLXV.“ 1 In dem Drucke
finden sich von derselben Hand zahlreiche
Notizen und Korrekturen. Es ist Fumagalli
gelungen, nicht nur die beiden genannten Per¬
sonen nachzuweisen, sondern auch die Über¬
einstimmung der Handschrift mit der Triden-
tones festzustellen. Das Buch muß also vor
dem 30. September 1465 gedruckt und, da es
die gleiche Type wie die anderen sublacenser
Drucke zeigt, aus der Druckerei von Sweinheim
und Pannartz hervorgegangen sein.
Das Exemplar Fumagallis befindet sich jetzt
in der Königl. Bibliographischen Sammlung im
Deutschen Buchgewerbehaus zu Leipzig. Der
Begründer der Sammlung, Heinrich Klemm, hat
es 1882 für 6275 Mark gekauft.
Das erste Werk mit gedruckter Datierung
ist eine Ausgabe des Laktanz: „Lactantii Fir-
miani De divinis institutionibus . . . sub anno
Domini MCCCCLXV, pontificatus Pauli pape II.,
anno eius secundo, indictione XIII, die vero
antepenultima mensis octobris, in venerabili
monasterio sublacensi. Deo gratias.“
Der Druck war also am 29. Oktober 1465
beendet. Damit sind die ersten festen Daten
für den Beginn des italienischen Buchdrucks
gewonnen, und hiervon müssen wir auch aus¬
gehen, wenn wir berechnen wollen, wann Swein¬
heim und Pannartz ihre Tätigkeit im Kloster
Subiaco eröffnet haben. Denn andere Nach¬
richten gibt es darüber nicht.
Wir können annehmen, daß die beiden
Drucker mit leichter Bürde in Italien eingezogen
sind. Denn mit der in Deutschland gebräuch¬
lichen gotischen Type konnten sie sich hier
nicht sehen lassen. Sie mußten sich eine neue
verschaffen und dafür an der Hand der Manu¬
skripte zunächst die Schriftformen prüfen und
auswählen. Rechnet man mit Fumagalli hier¬
für und für den Schnitt der Stempel, die Her¬
stellung der Matrizen und den Guß der Typen
sechs, für die ersten Versuche einen, für den
Donat zwei, den Cicero drei und den Laktanz
acht Monate, so ergeben sich für die Zeit
zwischen der Ankunft der beiden Typographen
im Kloster und dem Erscheinen des Laktanz
zwanzig Monate. Sie müßten also zu Anfang
des Jahres 1464 eingetroffen sein.
Sweinheim, der sich später, nachdem er
den Buchdruck aufgegeben hatte, als ein tüch¬
tiger Metallschneider erwies, schreibt man den
Schnitt der Stempel und den Guß der Typen
zu. Pannartz soll sich mehr mit dem Drucken
selbst befaßt haben. Die Mönche haben sich
vielleicht durch Auswahl, Revision und Korrek¬
tur der Texte am Werke beteiligt, schwerlich
aber beim Druck mit Hand angelegt.
Das vierte und letzte sublacensische Druck¬
werk von Sweinheim und Pannartz ist die
Schrift „De civitate Dei“ des Augustinus. Sie
hat eine ähnliche Schlußschrift wie der Lak¬
tanz, dann aber die rätselhaften Worte:
Deo gratias
GOD
ÄL ’
Von den älteren Biblio¬
graphen deuten sie manche als „Gott allein die
1 Dieses Buch ist treu verbessert und emendiert worden durch A. Tridentone am 30. September 1465.
314
Löffler, Sweinheim und Pannartz.
Ehre“, andere als „Godeskalcus oder Godefridus
Alemanus“, noch andere beziehen sie auf Jo¬
hannes von Laudenbach (A Laudenbachio),
einen angeblichen Gehilfen der beiden Drucker,
der sie später nach Rom begleitet haben soll.
Im XVI. Jahrhundert will man in Heidelberg
„in aditu auditorii theologici“ folgende Inschrift
gelesen haben:
Hans von Laudebach ist mein nam,
Die ersten bücher truck ich zu Rom.
Bitt vor mein Seel, Gott gibt dir lohn
Starb 1514 auff sanct Steffan. —
Die sublacensischen Drucke haben in der
Geschichte der typographischen Technik eine
besondere Bedeutung, weil sie die ersten sind,
die sich von der gotischen Type der deutschen
Frühdrucke abwenden. Die italienischen Huma¬
nisten hatten die schöne Antiquaschrift wieder
aufleben lassen, und Sweinheim und Pannartz
mußten sich ihrem Geschmack fügen. Eine
reine Antiqua haben sie freilich noch nicht zu¬
stande gebracht. Man bezeichnet die Type als
semiromanisch oder als romanisch mit Tendenz
zum Gotischen.
Besonders wichtig ist der Laktanz. Er ent¬
hält zum erstenmal längere mit griechischen
Lettern gedruckte Stellen. Sie machen aller¬
dings noch einen sehr plumpen Eindruck, und
man hat daher früher geglaubt, sie seien in
Holz geschnitten gewesen. Das ist aber nicht
der Fall. Als der Druck begann, hatte man
noch keine griechischen Typen und ließ daher
im ersten Viertel des Buches die griechischen
Stellen einfach offen, nach der Sitte mancher
des Griechischen unkundigen Schreiber (transeat,
graecum est). Dieses Griechisch hat noch
keinen Akzent und Spiritus, auch keine Liga¬
turen, wohl aber Kapitalbuchstaben. In dem¬
selben Jahre druckte auch Peter Schöffer in
Mainz in einem Cicero, de officiis ein paar
Wörter in griechischer Schrift. —
Noch in demselben Jahre 1467, in dem in
Subiaco der Augustin herauskam, finden wir
die beiden Drucker in Rom. Ciceros „Epistolae
familiäres“ waren das erste Druckwerk ihrer
römischen Offizin. Die Schlußschrift lautet:
Hoc Conradus opus Svveynheym ordine miro
Arnoldusque simul Pannartz una aede colendi,
Gente theutonica Rome expediere sodales.
In domo Petri de Massimo MCCCCLXVII.
Hatten sie in Subiaco wahrscheinlich im
Dienste des Klosters gestanden, so machten sie
sich nun selbständig und druckten auf eigene
Rechnung. Ihren Druckapparat, den sie sich
im Kloster Subiaco geschaffen hatten, haben
sie wahrscheinlich dort gelassen. Möglicher¬
weise haben ihn die Mönche für ihre eigenen
Zwecke w eiter gebraucht. Sicher ist jedenfalls,
daß Sweinheim und Pannartz ihn in Rom nicht
weiter verw endet, sondern dort eine ganz neue
Type gebraucht haben.
Daß sie diesen neuen Typenapparat erst in
Rom, in so kurzer Zeit hergestellt haben, ist
nicht recht wahrscheinlich. Der große Zwischen¬
raum zwischen den beiden letzten sublacensischen
Drucken (29. Oktober 1465 — 12. Juni 1467)
erklärt sich vielleicht so, daß Sweinheim und
Pannartz schon nach dem Laktanz daran dachten,
das kleine, schwer zugängliche Apenninstädt¬
chen mit der Hauptstadt zu vertauschen, wo
sich ihnen die Aussicht auf besseren Absatz
und reicheren Gewinn bot, und daß sie schon
in Subiaco an ihrem neuen Druckapparat ar¬
beiteten. Oder Swreinheim ist schon 14 66 nach
Rom übergesiedelt und hat dort die neue Offizin
hergerichtet, während Pannartz in Subiaco blieb
und dort noch wreiterdruckte, vielleicht mit
Hülfe eines anderen deutschen Genossen, der
möglicherweise doch hinter dem mysteriösen
GOD
AL
steckt.
Im November 1467 waren sie jedenfalls in
Rom schon eingerichtet. In diesem Monat
kaufte „Leonardus Dathus, episcopus Massanus,
de propria pecunia, aureis octo et grossibus
duobus papalibus, ab ipsis Theutonicis Romae
commorantibus, qui huiusmodi libros innumeros
non scribere sed formare solent,“ ein Exemplar
des Augustin.
In Rom genossen Sweinheim und Pannartz
die Gastfreundschaft der Brüder Pietro und
Francesco de’ Massimi, die ihnen in der Nähe
des Campo di Fiori ein Haus zur Verfügung
stellten. Die hier gelegenen Häuser der Massimi
wurden gegen Ende des XV. Jahrhunderts ab¬
gerissen, um dem heutigen Palazzo de’ Massimi
Platz zu machen. 1877 wmrde daran eine In¬
schrift angebracht, in der auch die Druckerei
erwähnt ist:
Avitas Maximorum aedes, ubi anno
MCCCCLXVII ars typographica primum in
Löffler, Sweinheim und Pannartz.
315
urbem invecta . . . Camillus Carolus Maximus
. . . in pristinum decus restituit . . .
Dem Cicero von 1467 folgten 1468 vier
weitere große Ausgaben. Größer noch war
die Produktion in den folgenden Jahren: 1469
kamen elf, 1470 zehn, 1471 sechs, 1472 neun,
1473 sieben Editionen heraus.
Bis zum März 1472 betrug die Zahl der ge¬
druckten Bände 46 in 12475 Abzügen. Die
Auflage hatte, wie auch in Subiaco, 275 — 300
Exemplare.
Zum großen Teil enthalten die Drucke
klassische Schriftsteller: Cicero, Apuleius, Plato,
Cäsar, Livius, Virgil, Strabo, Quintilian, Sueton,
Ovid, im übrigen kirchliche Werke: die Bibel,
Cyprian, Augustin, Hieronymus, Thomas von
Aquin, Nikolaus de Lyra usw.
Meist sind es Foliobände, häufig von un¬
gewöhnlicher Größe. Die neue Type hat mit
der in Subiaco gebrauchten einige Ähnlichkeit,
nähert sich aber mehr der römischen Form,
der Antiqua. In der Majuskel ahmt sie die
Kapitalbuchstaben der Epigraphik glücklich
nach. Andrerseits hat sie noch manche un¬
geschickte und häßliche Buchstaben, das kur¬
sive a, das i ohne Punkt, das lange s. Bei
diesem fällt besonders auf, daß es auch am
Ende der Wörter angewendet wird. Die Type
macht etwas den Eindruck übereilter Arbeit
und manche stehen nicht an, sie geradezu hä߬
licher als die frühere sublacensische zu nennen.
Immerhin aber macht sie einen großen Schritt
vorwärts zu der schönen runden Form. Der
neueste italienische Bibliograph, G. Fumagalli,
nennt sie caracteres assez beaux et elegants.
Der Druck zeichnet sich durch glänzende
Schwärze aus. Auch die äußere Ausstattung
ist vortrefflich: gutes und vorzüglich geleimtes
Papier, breite und große Ränder. Von mehreren
Drucken gibt es auch Pergamentausgaben.
In dem Cicero von 1467 machen wir die
Bekanntschaft des Korrektors der Druckerei.
Es war ein lombardischer Gelehrter, Johannes
Andreas de’ Bussi, ein Schüler des berühmten
Vittorino da Feltre, dann Bischof von Aleria
in Korsika, ein Freund des Cusaners, der ihm
einen Posten an der vatikanischen Bibliothek
verschafft hatte, im übrigen aber ein so armer
Teufel, daß er sich sogar das Rasieren ver¬
kneifen mußte — era vescovo, ma di quei di
c’erano i vescovi grassi ed i vescovi magri; e
Giovanni Andrea apparteneva alla prima (?) specie
(Berlan). 1
Von ihm stammen wahrscheinlich die vor¬
hin mitgeteilten Verse und auch die folgenden, die
zuerst 1469 im Bessarion stehen und dann häufig
wiederholt wurden und in denen die beiden
Drucker wegen ihrer Namen aufgezogen werden:
Aspicis, illustris lector quicumque libellos,
Si cupis artificum nomina nosse, lege
Aspera ridebis cognomina teutona ; forsan
Mitiget ars musis inscia verba virum.
Conradus Sweinheym Arnoldusque Pannarts magistri
Rome impresserunt talia multa simul.
Petrus cum fratre Francisco Maximo ambo
Huic operi aptatam contribuere domum.
Die meisten Drucke begleitete der Bischof
von Aleria mit Widmungsbriefen an den Papst
Paul II., der kein besonderer Liebhaber der
Neuerung war. Diese Briefe enthalten für die
Geschichte des Buchdrucks und des Buchhandels
eine Reihe von interessanten Bemerkungen
Nur eine Stelle aus dem ersten Bande des
Hieronymus sei hier wiedergegeben. „An
parva est haec tuae Sanctitatis gloria“, so wird
hier der Papst angeredet, „ut quae volumina
vix centum aureis emi poterant aliis tempori-
bus, viginti hodie ac minoris bene exarata et
non mendosissime facta redimantur? quae vix
viginti aureis lecturi mercabantur, quatuor et
vilius etiam nunc emantur? Adde, quod quid-
quid ingeniorum olim fuit, latebatque pene in
pulvere et tineis propter immensos labores ac
nimia describentium pretia, sub tuo principatu
coeptum est scaturire et per omnem orbem
uberrimo fonte diffluere. Eius modi est enim
impressorum nostrorum et characteres effingen-
tium artificium, ut vix inter hominum inventa,
non modo nova, sed ne vetera quidem, quid-
quid excellentioris inventi possit referri. Digne
honoranda saeculisque omnibus magni facienda
profecto Germania est, utilitatum inventrix maxi-
marum.“2
1 Er war Bischof, aber unter diesen gab es fette und magere, und Johannes Andreas gehörte zu der ersten (vielmehr
zweiten) Art.
2 Ist das ein geringer Ruhm für deine Heiligkeit, daß die Bücher, die man zu anderer Zeit kaum für hundert Gold¬
gulden kaufen konnte, heute gut und fehlerfrei gedruckt nur zwanzig und weniger kosten? Daß die Bücher, welche die
Leser kaum für zwanzig Goldgulden kauften, jetzt für vier und noch weniger gekauft werden? Dazu kommt, daß unter
3 iö
Löffler, Sweinheim und Pannartz.
Hier wird vor allem das am ehesten ein¬
leuchtende Verdienst der Erfindung, das Sinken
der Bücherpreise, hervorgehoben.
Aus dem Jahre 1470 ist uns in einer Ab¬
schrift Hartmann Schedels ein Verlagsverzeichnis
von Sweinheim und Pannartz erhalten, das
die Titel von 19 Werken mit beigesetzten
Preisen aufführt. Die Vorlage ist offenbar einer
jener damals üblichen Plakateinblattdrucke ge¬
wesen, die älteste und primitivste Form des
buchhändlerischen Verlagskatalogs. Leider ist
das wichtige Stück, das sich in der Münchener
Hof- und Staatsbibliothek befindet, noch nicht
herausgegeben.
Sehr häufig gedruckt ist dagegen ein zweites
Bücherverzeichnis unserer beiden Drucker aus
dem Jahre 1472. Es steht in einer Bittschrift,
die der Bischof in ihrem Namen an den Papst
Sixtus IV. richtete. Sie ist vom 20. März 1472
datiert und im fünften Bande der Bibelglosse
von Nikolaus de Lyra abgedruckt worden. Im
Eingang des Briefes werden die beiden Drucker
als die ersten Meister der nützlichsten bilden¬
den Kunst und die größten Handwerker der
Stadt Rom bezeichnet. Dann läßt sie der
Bischof selbst ihre Klage vortragen: „Wir haben
zuerst aus Deutschland diese so nützliche Kunst
mit vieler Mühe und großen Kosten zur Zeit
Deines Vorgängers an Deine Kurie herüber¬
gebracht. Wir haben die übrigen durch unser
Beispiel angefeuert, dasselbe zu wagen und
ihnen, die sich durch die Größe der Kosten
abschrecken ließen, mit frischem Mut und ver¬
doppelten Kräften mühsam Widerpart gehalten.
Nun aber sind auch wir am Ende unserer
Kräfte und flehen Dich um Deine erhabene
Hilfe an. Wenn Du das Verzeichnis unserer
Drucke durchsiehst, wirst Du Dich wundern,
daß für eine solche Menge Bücher überhaupt
das Papier ausgereicht hat . . . und wenn Du
die Namen so ausgezeichneter Schriftsteller
vernimmst, wirst Du uns ganz gewiß gleich zu
Hilfe kommen.“ Dann folgt das Verzeichnis
der Drucke von dem Donat, mit dem sie in
Subiaco anfingen, bis auf den Nikolaus de Lyra,
dessen fünfter Band vom März 1472 datiert ist,
während der zweite erst später als die übrigen,
im Mai, erschien. Bei jedem ist die Anzahl
der Exemplare angegeben, wobei aber mehrere
Auflagen und mehrere Bande desselben Werkes
zusammengefaßt sind.
„Die Summe aller dieser Bande,“ fahrt dann
die Bittschrift fort, „beträgt 12475, ge"'iß eine
ungeheure Masse und uns, soweit sie noch un¬
verkauft ist, unerträglich. Denn die zum I Lebens¬
unterhalt notwendigen bedeutenden Kosten
können wir, da sich keine Käufer finden, nicht
mehr aufbringen. Und daß keine Käufer da
sind, dafür gibt es keinen besseren Beweis, als
daß unser ziemlich großes Haus voll ist von
Druckbogen, aber leer an notwendigen Dingen.
Auf Dich setzen wir unsere Hoffnung, Du
kannst unserer Not abhelfen, damit wir nicht
zugrunde gehen. Gewähre uns Hilfe von dem
erhabenen Throne Deiner Majestät Wir sind
bereit, nach Deinem gnädigen Flrmessen von
unserer Ware, d. h. unseren gedruckten Bücher¬
bänden, Dir so viele zu geben, wie Du willst
und welche Du willst. Deine große Güte komme
uns durch eine Anstellung, von der wir uns
und die Unseren ernähren können, zuhilfe.
Allein für die Bände des Nikolaus de Lyra
haben wir soviel aufgewendet daß uns zum
Leben nichts mehr übrig bleibt. Wenn wir
unsere Werke verkaufen könnten, würden wir
nicht nur von Deiner Güte nichts erbitten, son¬
dern wir würden sogar in diesen schweren
Zeiten, wo Du, wie wir recht gut wissen, selbst
manches entbehrst, unser Scherflein Dir dar¬
bringen und wir werden es tun, sobald uns
durch Deine Hilfe das Glück wieder freund¬
licher zulächelt . .
Der Brief ist ein unmittelbares, urkundliches
Zeugnis für die durch die Erfindung der Buch¬
druckerkunst geschaffenen neuen Verhältnisse.
Vor allem zeigt er den gewaltigen Unterschied
zwischen der Leistungsfähigkeit der Feder und
der Presse. Hier ist das Exempel gemacht
auf das „Premitur uno die quantum non scribi-
tur anno“. Die 12475 Bände machen weit
über 124 Millionen bedruckte Blätter aus mit
etwa zehn Milliarden Ganzzeilen oder zwanzig
deiner Herrschaft alle die Werke der früheren Zeit, die unter Staub und Motten verborgen lagen, wegen der unermeßlichen
Mühe und der zu hohen Löhne der Abschreiber anfangen ans Tageslicht zu kommen und über den ganzen Erdkreis wie
aus einer überreichen Quelle sich zu ergießen. Denn derart ist die Kunst unserer Drucker, daß kaum unter den Erfindungen
neuer und alter Zeit eine ausgezeichnetere genannt werden kann. Würdig zu ehren und zu aller Zeit hochzuschätzen ist
Deutschland, das die nützlichsten Dinge erfunden hat.
Löffler, Sweinheim und Pannartz.
3i;
Milliarden Kolumnenzeilen. Wieviele tausend
Schreiber hätten dazu gehört, in sieben Jahren
dasselbe zustande zu bringen! Auf der anderen
Seite aber steht auch schon die Überproduk¬
tion und das wirtschaftliche Elend der beiden
Vertreter der neuen Weise. Gewiß trägt einen
Teil der Schuld daran die Konkurrenz der
anderen Drucker, die sich in Rom niedergelassen
hatten, besonders vielleicht des Ulrich Hahn.
Welchen Erfolg die Bittschrift hatte, dar¬
über erfahren wir nichts. Doch daß Sweinheim
und Pannartz ein Amt bekamen, ist kaum an¬
zunehmen. Vielleicht hat sie aber Sixtus mit
Geld unterstützt, wenn er auch, an den Schluß
ihres Briefes anknüpfend, die Antwort, die ihm
Berlan in den Mund legt, hätte geben können:
„Poveri voi, povero anch’io, come giä sapete.“
Wenigstens hat es den Anschein, als ob sie die
Schwierigkeit überwunden hätten; denn in dem¬
selben Jahre ließen sie noch neun andere Bände
ausgehen. Freilich erschienen im folgenden nur
noch sieben und manche Bibliographen wollen
an ihnen eine auffallende Verschlechterung be¬
merken, die sie sich mit der üblen Lage der
Drucker erklären.
1474 trennten sich Sweinheim und Pannartz.
Pannartz setzte die Druckerei im Hause der
Massimi fort. Solange der Bischof von Aleria
lebte — er starb am 4. Februar 1475 — blieb
er bei ihm Korrektor. Sein Nachfolger war
Domenico oder Domizio Calderini. 1474 druckte
Pannartz nur die Grammatik des Perottus.
Dieser Druck und mehrere spätere haben fol¬
gende Schlußschrift: „Presens . . . impressio in
alma urbe Roma in domo nobilis viri Petri de
Maximis non atramento, plumali calamo, neque
aereo stilo, sed artificiosa quadam adinventione
imprimendi, seu caracterizandi opus sicut effi-
giatum est ad dei laudem industrieque per
magistrum Arnoldum Pannartz Alamanum.“ Eine
andere lautet:
Nam, ne defuerint nostra exemplaria Romae,
Arnoldi artifices consuluere manus.
In quibus Andreas Aleriensis Episopus olim
Extremam imposuit nec sine laude linam.
Die Worte: „in domo . . . Petri de Maximis
iuxta campum Flore. Presidente magistro
Arnoldo Pannartz“ in dem Hieronymus von
1476 scheinen darauf hinzudeuten, daß die
Druckerei auf Kosten anderer betrieben wurde
und Pannartz nur der bezahlte Leiter war. Es
erschienen von ihm allein noch zwölf Drucke.
Der letzte war der erste Band der Briefe des
heiligen Hieronymus, beendet am 28. März 1476.
In demselben Jahre scheint Pannartz gestorben
zu sein. Den zweiten Band des Hieronymus
druckte drei Jahre später, im April 1479, Georg
Lauer aus Würzburg.
Sweinheim entsagte dem Buchdruck und
wandte sich dem Metallschnitt zu oder viel¬
leicht wieder zu. Er unternahm ein großes
Werk, die Herstellung von 27 Karten in Kupfer¬
hochschnitt für die Ausgabe der Cosmographie
des Ptolemäus. Aber nach drei Jahren starb
er, ohne es vollendet zu haben, vielleicht in
demselben Jahre wie sein früherer Kompagnon
Pannartz, jedenfalls aber vor 1478. Ein Lands¬
mann, Arnold Bücking, führte die Arbeit zu
Ende und publizierte sie am n. Oktober 1478.
Früher glaubte man allgemein, Arnold Bücking
und Arnold Pannartz seien dieselbe Person.
Das ist aber nicht möglich; denn in der Vor¬
rede heißt es: „magister vero Conradus Suueyn-
heym Germanus, a quo formandorum Rome
librorum ars primum profecta est, occasione
hinc sumpta, posteritati consulens, animum pri¬
mum ad hanc doctrinam capescendam appli-
cuit. Subinde, mathematicis adhibitis viris,
quemadmodum tabulis eneis imprimerentur edo-
cuit triennioque in hac cura consumpto diem
obiit. In cuius vigiliarum laborumque partem,
non inferiori ingenio ac Studio, Arnoldus
Buckinck e Germania vir apprime eruditus, ad im-
perfectum opus succedens ... ad unum perfecit.“
Mit der Cosmographie hat sich Sweinheim
ein großartiges Denkmal gesetzt. Sie ist das
erste Werk mit Karten dieser Art, und sie sind
ihm ausgezeichnet gelungen. Die Schrift, die sie
tragen, ist eine Kapitale von reinster epigra¬
phischer Form, und schon deshalb glaubt ihn
der Franzose A. Bernard höher stellen zu sollen,
als den berühmten französischen Drucker Niko¬
laus Jenson in Venedig.
Aber auch er hat den Erfolg nicht erlebt.
Die beiden ersten deutschen Drucker in der
ewigen Stadt haben das Los des Erfinders
ihrer Kunst geteilt. „Anche questa volta Pro-
meteo e punito perche in benefizio delP uma-
nitä seppe togliere un piccol raggio al sole“ —
auch diesmal ist Prometheus bestraft worden,
weil er zum Nutzen der Menschheit der Sonne
einen kleinen Strahl wegnahm.
Eine Lavater-Mappe.
Von
Karl Fr. Nowack in Berlin.
§avaters ein wenig selbstgefälligem
Ruhme und mehr noch seiner Me¬
thode, die selbst nach Goethes Tagen
da und dort in nicht geringem Ansehen stand,
hat Rudolf Virchow zuletzt das definitive Grab
gegraben. In seiner „Entwicklung des Schädel¬
grunds“ zeigt der moderne Forscher in dem
Abschnitt über Physiognomik und Phrenologie
mit kühler Wissenschaftlichkeit, wie richtig es
freilich war, wenn Lavater zur Stütze seiner
Theorien „feste, bestimmte“ Teile der mensch¬
lichen Physiognomie annahm, wenn er bei
seinen Betrachtungen immer wieder vom
Knochensystem ausgehen wollte, wie richtig
es ferner war, wenn er seine Schlüsse aus der
Betrachtung von Gesichtsgerüst und Schädel¬
dach zog, wie haltlos zugleich aber auch seine
ganze Arbeit bleiben mußte, so lange ihm die
Kenntnis des Verbindungsgliedes, die Kenntnis
der Schädelbasis, mangelte. Darüber haben
weder Lavaters wunderbare Einteilungen hin¬
weghelfen können, mit denen er das Gebiet
seines Schaffens genauer umgrenzen wollte,
seine reinliche Scheidung in Fundamental- und
Temperamentsphysiognomik, in medizinische,
moralische, intellektuelle und, weiß Gott, wie
viele andere Abarten, noch seine tiefe Mystik,
seine psychophysischen Seitensprünge, die sich
bis zu einem „inneren Leib der Seele“ ver¬
stiegen, der sich erst durch den äußeren greif¬
bar verbreitere, und seine ganze Arbeit mit
einem Schlage wieder zunichte gemacht hätten,
wäre sie ursprünglich sogar auf brauchbareren
Voraussetzungen aufgebaut gewesen.
Lavater war ein Phantast. Ab und zu fand
er wohl ein paar Körnchen goldiger Wahrheit,
aber sogleich schüttelte er sie wieder planlos
durcheinander, bald heftiger, bald minder
heftig, wie sein Gefühl ihm gerade riet. Gefühl
ersetzte Lavater, den Heinrich Maier in einem
geistvollen Buche den „philosophischen Re¬
präsentanten der Sturm- und Drangperiode“
nennt, immer und überall die Logik, Gefühle
gaben ihm seine Behauptungen, Gefühle waren
seine Beweise. Weise Menschenkenntnis, leb¬
hafte Geschicklichkeit im Festhalten von per¬
sönlichen Merkmalen, angeborener Spürsinn
und eine Kombinationsgabe, die in ihrem Sub¬
jektivismus keine Schranken kannte, machten
in glücklicher Mischung wohl vor allem jene
Individualität aus, die in der Zeit der Stürmer
und Dränger nicht allein überzeugte, vielmehr
auch zur Bewunderung hinriß und seinen Ver¬
kehr sogar fürchten machte. So mag sich
unsere Zeit bei seiner Wertung, die vornehm¬
lich die Wertung des interessanten Menschen
sein kann, am besten an die Worte halten, die
der von dem „physiognomischen Genie“ frei¬
lich auch noch überzeugte Goethe von ihm
schrieb: er war „durch den reinen Begriff der
Menschheit, den er in sich trug, und durch die
scharf-zarte Bemerkungsgabe, die er erst aus
Naturtrieb, nur obenhin, zufällig, dann mit
Überlegung, vorsätzlich und geregelt ausübte,
im höchsten Grade geeignet, die Besonder¬
heiten einzelner Menschen zu gewahren, zu
kennen, zu unterscheiden, ja auszusprechen...
Wirklich ging Lavaters Einsicht in die einzelnen
Menschen über alle Begriffe; man erstaunte,
ihn zu hören, wenn man über diesen oder jenen
vertraulich sprach, ja es war furchtbar, in der
Nähe des Mannes zu leben, dem jede Grenze
deutlich erschien, in welche die Natur uns
Individuen einzuschränken beliebt hat.“
Interessant war der Mensch Lavater in jeder
Hinsicht. Schon die Art, wie er, der Theologe,
seine wissenschaftliche Betätigung vor sich und
der Mitwelt zu entschuldigen versuchte, ist
merkwürdig genug. „Man denke bis in die
Sphären eines Staatsmanns, Seelsorgers, Pre¬
digers, Hofmeisters, Arztes, Kaufmanns, Freun¬
des, Hausvaters, Ehegenossen — hinein und
schnell wird man empfinden, wie mannig¬
faltigen, richtigen Gebrauch jeder in seiner
Sphäre von physiognomischen Kenntnissen
machen kann. . . Furchtbar ist die Physiogno¬
mik dem Laster! Laßt physiognomischen Sinn
erwachen und wirken in den Menschen, und
da stehen sie gebrandmarkt die Kammern und
Konsistoria und Klöster und Kirchen voll
heuchlerischer Tyrannei, Geizhälse, Schmer¬
bäuche und Schälke usw., die unter der Larve
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Physiognomische Zeichnungen Lavaters.
Zeitschrift für Bücherfreunde IX.
Zn Nowack: Eine Lavater-Mafpc.
Physiognomische Zeichnungen Lavaters.
iir Bücherfreunde IX.
Zu Nowack: Eine Lavatei -Mabbc.
Nowack, Eine Lavater - Mappe. 3^9
der Religion ihre Schande und Vergifter der
menschlichen Wohlfahrt waren.“ Er plädiert
also für die mannigfache Nutzanwendung der
Physiognomik und überzeugt förmlich die Kirche
selbst, daß sie durch seine Erkenntnisse alle
Bösen entlarven könne. Auf seinen philo¬
sophischen Seitenpfaden gelangt Lavater aller¬
dings häufig zu komischen Effekten. Sie gingen
einmal bekanntlich sogar so weit, daß er „hun¬
dert physiognomische Regeln“, zunächst nur
für sich — denn sie
waren nicht für den
Druck bestimmt — zu¬
sammenstellte, als deren
charakteristischeste
nur die eine angeführt
sei: „Hast du eine
lange, hohe Stirn, so
mache nie Freund¬
schaft mit einem bei¬
nah kugelrunden Kopf.
Hast du einen beinah
kugelrunden Kopf, so
mache keine Freund¬
schaft mit einer hohen,
langen, beinernen Stirn.
— Besonders taugen
solche durchaus nicht
zu Ehepaaren . . .“
Lavater mochte sich
ab und zu wohl ein
Album angelegt haben,
in das er gelegent¬
liche Sprüche und phy¬
siognomische Entdeck¬
ungen eintrug, wie er
es ja auch liebte, phy-
siognomischeldeen und
Eindrücke unmittelbar
durch Zeichnungen festzuhalten, die er dann
gleichfalls in Albis oder Mappen sammelte, um
sie an seine Freunde und Gönner weiterzugeben
oder auch zu behalten. Da er in seinen
späteren Lebensjahren nicht allzu begütert
war, beanspruchte er allerdings jeweilig ein
materielles Gegengeschenk. Ein ungedruckter
Brief Lavaters, durch den H. Funck dem
gegenwärtigen Besitzer der abgebildeten Mappe,
Herrn Buchhändler Otto Petters in Heidelberg,
deren Herkunft erklären konnte, gibt Aufschluß
auch darüber. Am 29. Juni 1797 schreibt
z. f. B. 1905/1906.
Lavater an seinen vertrauten Freund Karl
Mattei (eigentlich Karl Matthaei), landgräflich
hessischen Hofrat: „Den Louisdor für das
Futeral mit Zeichnungen vermisse ich. Ach
es thut mir so leid, daß ich’s nicht schenken
kann. Aber ich kann nicht. Willst du’s aber
nicht, so giebst du’s einer Stolberg, die ein
Louis hat.“ Für die Bibliothek Karl Matteis
waren die achtzehn Originale aus Lavaters
„Physiognomischen Kabinett“ ursprünglich be¬
stimmt, wie auch die
von Lavater eigen¬
händig in das Futteral
eingeklebte Titelvig¬
nette bezeugt. Mattei,
offenbar nicht im Be¬
sitze eines leicht ent¬
behrlichen Louisdor,
hat denn auch wirk¬
lich die Mappe an eine
Lavater gleichfalls be¬
freundete Gräfin zu
Stolberg - Wernigerode
weitergegeben, und
Lavater dürfte seinen
Goldfuchs erhalten
haben. In der Stoi¬
bergischen Schlo߬
bibliothek lag die kleine
Sammlung zwischen
anderen Denkwürdig¬
keiten vergessen, bis
sie Herr Petters bei
der genaueren Durch¬
sicht der von ihm ange¬
kauften Stoibergischen
Bücherei vorfand.
Künstlerisch betrach¬
tet bieten die achtzehn
Stücke nicht gerade Proben ungewöhnlicher
zeichnerischer Begabung. Im Banne der Antike,
der ja Lavaters ganze Zeit umfing, stand auch
er, selbst dort, wo er durchaus nicht künst¬
lerisch wirken wollte. Linien, nichts als Linien
sollen typische Gesichtsausdrücke wiedergeben,
für die wir eine völlig geänderte Technik ge¬
funden haben. Wie verzerrter griechischer
Marmor muten alle die Köpfe an, die recht
schablonenhaft gearbeitet sind und überdies
recht schlecht zu den schönen, eigenhändig
verzeichneten Hexametern passen, durch die
42
3 20
Geiger, Schauspielerbriefe aus dem Ifflandkreise.
Lavater sein Liniengewirr erklärte. Wir suchen
die Merkmale eines Irrsinnigen heute nicht
unbedingt in den krampfhaft verzerrten Ge¬
sichtsmuskeln: das Auge, das bei Lavater fast
ausdruckslos ist, belehrt uns besser, wenn wir
es nicht überhaupt vorziehen, aus streng ärzt¬
licher Untersuchung oder aus seinen Hand¬
lungen die sichersten Beweise seiner Krankheit
zu schöpfen. Schrecken, Dummheit und Schmerz
sind die Hauptmotive, die Lavaters Zeichnungen
immer wieder auf dieselbe Art variieren; Nase,
Stirn und Mund die Charakteristika, die ihm
vornehmlich Aufschluß über das Seelenleben
der Menschen geben. Freilich, uns scheint als
Kopf, der ihm vom „Schrecken eines nicht
dummen, dem außer dem Schrecken Vernunft
fehlt“ berichtet, weit eher der Kopf eines Jäh¬
zornigen zu sein; wenn Lavater den „Schrecken
eines Verrückten, der schwerlich mehr zum
Verstand kömmt“, symbolisiert, denken wir
eher an einen augenblicklichen vehementen
Schmerz eines durchaus nicht notwendig Ver¬
rückten, und wenn er von „Schlauheit, Schalk¬
heit, Narrheit, vermischt mit kraftloser Woll-
lust“ redet, zeigt er uns andererseits wieder
einen Kopf, den jedes gutmutige Philisterweib
in aller Ehrbarkeit aufsetzen könnte. An der
Krümmung der Nase mißt Lavater die Klug¬
heit. Aber wenn er eine besonders kluge
Nase gefunden hat, hindert ihn dies nicht, mit dem¬
selben Gesichtsvorsprung gleich darauf wieder
einen „Verrückten“ zu zieren oder mindestens
auf dessen kommende Verrücktheit hinzudeuten.
Dieselbe Willkür, die Lavaters Theorien zu
einem scheinbar glücklichen Gebäude inein¬
ander fügte, hat auch die Köpfe für Karl
Matteis Bilderbuch vereinigt, dem heute der
Psychologe kaum trauen dürfte, wenn es dem
Sammler auch wertvoll dünkt, dasselbe Bilder¬
buch als ein wichtiges Kulturdokument oder
als eine seltene Reliquie eines einst vielgefeierten
Mannes zu besitzen und aufzubewahren. Aus
diesem Grunde wird auch eine Schilderung der
Mappe von Interesse sein.
Schauspielerbriefe aus dem Ifflandkreise.
Herausgegeben und erläutert
von
Professor Dr. Ludwig Geiger in Berlin.
urch eine Reihe glücklicher Zufälle ist es
mir möglich geworden, unsere Kennt¬
nis von Ifflands äußerem und innerem
Leben, seinen Beziehungen zu seinen Familien¬
angehörigen und den Schauspielern seinerzeit zu
erweitern. Das Preußische Geheime Staatsarchiv
in Berlin und das Hausarchiv zu Charlottenburg
setzten mich in den Stand, Ifflands Berliner An¬
fänge und seinen Streit mit den Romantikern
aufzuhellen, die bisher so gut wie gar nicht
bekannte Wiener Reise 1802 klar zu beleuchten;
die Materialien der Gothaer Bibliothek gestatte¬
ten von seinem bisher ganz unbekannten Ver¬
hältnis zu Engel vor der Berliner Zeit Mit¬
teilung zu geben und die Kunde von seinen
Beziehungen zu Götter zu erweitern.1 Durch
die Benutzung und Veröffentlichung von Iff¬
lands Briefen aus dem Kürschnerschen Nach¬
laß (Schriften der Gesellschaft für Theater¬
geschichte, Band V. Berlin 1904) gelang es,
Iffland im Kreise der Seinen zu zeichnen,
vieles völlig Unbekannte aus seinem Freund¬
schafts- und Herzensleben zu erkennen, für
seine Gothaer und Mannheimer Zeit außer¬
ordentlich viel Unbekanntes mitzuteilen. Die
dadurch gewonnenen, bisher noch nicht be¬
nutzten Materialien lehrten nicht nur den
Künstler und Dichter, sondern besonders auch
den Menschen Iffland kennen, mitunter von
seinen schwachen Seiten, z. B. dem ewigen
Schuldenmachen, hauptsächlich aber zeichneten
sie sein inneres Leben und bekundeten seine
1 Die hier angedeuteten Aufsätze sind teils in den Sonntagsbeilagen der „Vossischen Zeitung“, teils in der „Neuen
Freien Presse“, teils in dem „Archiv für Theatergeschichte“ Band I, hauptsächlich im Jahre 1904 veröffentlicht worden.
Geiger, Schauspielerbriefe aus dem Ifflandkreise.
321
lebhafte Freundschaftsempfindung, vornehmlich
die innige, überschwängliche Anhänglichkeit an
seine Familie, in erster Reihe an seine Schwester
Luise Eisendecher, geborene Ififland. Diese
herrliche Frau, Ifflands guter Engel, seine an-
gebetete Schwester, erwarb sich aber nicht
nur um den Bruder große Verdienste, sondern
auch um die Literatur. Sie sammelte mit
einer rührenden Treue alle Briefe August
Wilhelms, ebenso die des anderen Bruders
Gottfried, die Schriftstücke, die sie während
eines langen Lebens von den Freunden des
Bruders, von seinen Kollegen aus Mannheim
erhalten hatte, wie die Briefe von ihren Kindern
und die an diese gerichteten, den Kindern, die
Wochen, Monate, ja Jahre bei dem Onkel in
Berlin lebten. Da Iffland kinderlos starb und
seine Gattin ihm bald, 1819, im Tode folgte,
so kamen auch seine Manuskripte, gedruckte
und ungedruckte Theaterstücke, Aufsätze und
Fragmente an die Schwester. Gleichen pietät¬
vollen Sinn wie sie besaßen ihre Kinder. Einer
der Söhne, Ernst Eisendecher, hob das ganze
handschriftliche Material auf, und von ihm
erbten es seine Töchter, zwei in hohem Alter
unvermählt gestorbene Damen. Von diesen
erlangte es ihre Nichte (eine Enkelin von
Ernst, die Urenkelin der Luise Eisendecher),
Frau Dora Auffschläger; die genannte Dame
hat mir in dankenswertester Weise das gesamte
Material zur Benutzung und Verwertung anver¬
traut. Aus dieser großen Handschriftenmasse
muß auch das oben erwähnte, von mir bereits
benutzte Material stammen; wann es aus der
Hauptmasse abgelöst und auf welchem Wege
es an Josef Kürschner gelangt ist, läßt sich
heute nicht mehr feststellen.
Über den Inhalt des quantitativ wie quali¬
tativ ungemein reichen Schatzes will ich an
dieser Stelle keine Einzelaufklärungen geben;
durch äußeren Anlaß wurde es nötig, den
größten Teil des Materials für den VII. Band
der Schriften der Gesellschaft für Theater¬
geschichte zu bearbeiten. Hier soll nur der
Versuch gemacht werden, eine Reihe von Schau¬
spielern und dramatischen Dichtern zum Wort
kommen zu lassen. Sie waren bisher durchaus
nicht unbekannt, auch ihre Beziehungen zu
Iffland waren in großen Zügen festgelegt; die
folgenden Mitteilungen sind aber nicht nur Nach¬
träge zu dem, was man bisher wußte, sondern
sind so liebenswürdige Berichte über das Leben
der Briefschreiber, über die theatralischen und
literarischen Verhältnisse jener Zeit, daß sie die
Berechtigung besitzen, losgelöst von jenem
größeren Werke zu erscheinen.
I.
F. W. Götter.
Friedrich Wilhelm Götter, 1746 — 1792, in
Schlossers fleißiger Monographie dargestellt,
bedeutet als Dichter nicht viel; aber Götter als
Mensch, als Theaterfreund, als begeisterter
und anspornender Gönner der Schauspieler
verdient eine außerordentlich große Wert¬
schätzung. Für Iffland war er neben Ekhof
der treueste Berater. Und da er nicht sein
Prinzipal, wie der Genannte war, und auch im
Alter dem Schauspieler viel näher stand, so
trat er persönlich in weit engere Beziehungen
zu ihm. Er wurde zusammen mit der schon
genannten Schwester, Ifflands wirklicher Ver¬
trauter. Viele Briefe des jugendlichen Schau¬
spielers (tagebuchartige Aufzeichnungen) sind
an beide gemeinsam gerichtet. Götter galt als
offizieller Ratgeber für den Mannheimer Theater¬
ausschuß, als Beichtvater für das Schauspieler-
Dreigestirn: Iffland, Beck, Beil, die sich gern
seine Schüler nannten, wenn sie auch nur in
dem Sinne seine Schüler heißen durften, daß
sie, von ihm angespornt und ermuntert, zu
ernster Auffassung ihrer Künstlertätigkeit an¬
geregt wurden. Heinrich Beck, von dem in
Folgendem noch ausführlicher die Rede sein
muß, hatte als Gothaer zu Götter besondere
Beziehungen; mit Iffland vereinte ihn nicht nur
das gemeinschaftliche, dem Theater gewidmete
Interesse, sondern auch die herzliche Vereh¬
rung, die Götter der ihm persönlich bekannten
Schwester Luise weihte.
Nach den Äußerungen der vorhandenen
Ifflandbriefe muß ein viel regerer Briefwechsel
zwischen Gotha und Mannheim stattgefunden
haben, als wir jetzt nachzuweisen vermögen;
die hier gebotenen Stücke sind nur wenige
Proben. Aber sie zeigen den Schreiber von
einer so liebenswürdigen Seite und bieten so
viele bedeutsame Personal- und theaterge¬
schichtliche Notizen, daß sie aus diesem
Grunde einer besonderen Veröffentlichung wert
sind.
322
Geiger, Schauspielerbriefe aus dem IfTlandkreise.
Gotters Briefe.
I.
An Iffland.
Gedankenlosigkeit — dein Nähme ist Ifland.
Mir die Rechnungen unversiegelt zu schicken,
damit die ganze Stadt von Ihrer nachahmungs¬
würdigen Wirthschaft Einsicht nehme. Doch
wer kennt die nicht? — Der Posten vom Bader
Heß fehlt und schon beläuft sich das Ganze
ungefähr auf 172 rth., eine un¬
geheure Summe! Ich muß sowohl
von jenem, als von den sonst
auf Ihrem Verzeichniß ange¬
gebenen Schulden die feh¬
lenden Belege haben, ehe
ich mich mit der Sache
befaßen, das heißt, ehe
ich Herrn Schröder den
wahren Zustand der
Sachen berichten kann.
So arg hätte ich mir
ihn doch nie vorgestellt.
Auch erwarte ich noch
Ihre schriftliche Er¬
läuterung, wie Sie mit
derTheaterkaße stehen
und was mittelst des
Abzuges, den Sie schon
seit Ostern leiden, binnen
hier und Michaeli abgeführt
werden kann. An Herrn Ekhof
haben Sie, laut seiner Handschrift
mehr nicht als die zulezt über¬
sendeten 50 rth. zu fodern.
Die ersteren müßen schon zu
Tilgung älterer Schulden ange¬
wandt seyn. Das wird sich aus
der von ihm mit möglichster
Pünktlichkeit geführten Rech¬
nung ergeben. Ich berge Ihnen
nicht, daß ich, nach der in des
Herrn Schröder lezten Briefe enthaltenen Äuße¬
rung, eine Zurüknahme seines Versprechens be¬
sorge und daß mir mein Gewißen nicht länger
erlaubt einem jungen Manne das Wort zu reden,
den ich zu tief in Unordnung, Verschwendung
und lockerem Leben versunken finde, als daß
sich seine Änderung, ohne ein Wunder des
Himmels, hoffen ließe.
Götter.
August Wilhelm Iffland.
Nach einem Stich von F. Bolt 1798.
An Iffland. 2.
Gotha Dienstags den 23. May (1779]
Kein Wort weiter, vielversprechender und
wenighaltender, böser, lieber, junger Mann, als
daß ich gestern eine halbe Stunde auf Ekhofs
Grabhügel gesessen und — Ihrer gedacht habe
Götter.
>
An Eisendecher.
Hochedelgebohrner Herr,
Geehrtester Herr Cammerschreiber
Wie tief mich die Nachricht
von dem unvermutheten Ab¬
leben Ihres würdigen Herrn
Schwiegervaters , des
I lerrn Kriegsregistra¬
tors Ifland, gerührt hat,
vermag ich Ihnen
nicht zu beschreiben.
Ich dünkte mich in
diesen Augenblicken
ein Glied der theuern
Familie zu seyn, die in
ihm ihr Oberhaupt, ihr
Vorbild, ihren Stolz be¬
weinet. Und giebt mir
die unzertrennliche,
genaue, wahre Freund¬
schaft, die mich mit Ihrem
jiingem Herrn Schwager ver¬
einigt, nicht einiges Recht mich
zu den Ihrigen zu rechnen? Kann
ihn ein Verlust treffen, den ich
nicht mitempfinden sollte? Aber
je mehr ich die Größe dieses
Verlusts fühle, um so weniger
kann ich etwas zu Ihrem Tröste
sagen. Nur in dem unbeflek-
ten Wandel des Seeligen, nur
in der nachahmungswerthen
Standhaftigkeit, mit der er
seiner Bestimmung entgegen gieng, nur in der
Überzeugung, daß Seelen seiner Art zu gut
für diese Welt und für ihre unsteten, unvoll-
kommnen nichtigen Freuden zu erhaben sind,
liegt Beruhigung. Ergreifen Sie diese. Genug
daß Er bey dem Wechsel gewann, unendlich
gewann! Die Lücke, welche durch seine Ent¬
fernung in Ihrer häuslichen Glückseeligkeit ent¬
stand, wird die Zeit ausfüllen. Das gebe Der,
in deßen Macht es steht, Wunden zu heilen
Gotha den 8. Aug. 78
Geiger, Schauspielerbriefe aus dem Ifflandkreise.
323
die er schlägt und Herzen, die er beugt, wieder
aufzurichten!
Herzlichst danke ich Ihnen für die Auf¬
bewahrung und Übersendung des Briefes, den
mir der Verstorbene in seinen lezten Tagen
bestimmte; für mich ein heiliges, unschäzbares
Andenken, das sich nur im Tode von mir
trennen soll. Ach es ist so wenig, so gar
wenig, was ich für meinen Freund thun konnte,
daß mich dieser überfließende väterliche Dank
eben so sehr beschämt, als rührt. Warum bin
ich fast außer Stande auch dieses wenige fort-
zusezen? Warum bleibt mir zur
Erfüllung der Pflichten, die
mir seine lezte Bitte auf¬
legt, kein anderes Mittel
übrig als die Feder?
Warum können meine
Augen nicht mehr
über unsern Freund
wachen? Warum
kann ihn meine
Stimme nicht
mehr auf dem
Pfade der Tugend
anfrischen — war¬
um kann ich jezt
nicht um ihn seyn,
wo meine Zusprache,
mein Mitleid ihm so
dringendes Bedürfniß wäre ?
Geschrieben hab ich ihm,
gleich nach Empfang Ihres
Briefes, aber auch noch keine
Antwort erhalten. Unglück¬
licherweise beobachten meine
übrigen Manheimer Korrespon¬
denten ein eben so hartnäckiges Schweigen.
Wegen seiner Gesundheit bin ich ohne Sorgen.
Sie ist Gottseydank! vest und dauerhaft. Aber
der Zustand seines Gemüths ängstigt mich.
Ich habe gesehen, was er litt, als seine Mutter
starb. Ich denke mir ihn ganz in seinem
Schmerze vergraben, unfähig seiner Empfindung
Luft zu machen — und zum vollen Maas des
Jammers, ohne einen Freund, wie er uns unter
solchen Umständen noth thut.
Seyn Sie übrigens versichert, daß ich diesen
unvergeßlich wichtigen Vorfall nicht ungenuzt
lassen werde, um ihn auf alles aufmerksam zu
machen, wozu ihn derselbe auffodert und
Frau Luise Eisendecher, geb. Ifi'land.
Pastellbild eines unbekannten Maleis (vielleicht
Klotz 1789) im Besitze des Herrn von Eisen¬
decher in Karlsruhe.
hoffen Sie das Beste von einem Jüngling, dem
der Himmel eines der gefühlvollsten Herzen
verlieh und der für die Verirrungen seiner
ersten Jahre schon so schwer und mannichfach
gebüßt hat.
Dieser Brief ist auch für Ihre liebenswürdige,
gute Frau geschrieben, mit der ich schon
manche Thräne im Stillen vergossen habe.
Auch Ihrem ältern Herrn Schwager empfehlen
Sie mich unter Bezeugung meiner aufrichtigsten
Theilnahme, gehorsamst.
Ich bitte um die Erhaltung Ihrer Gewogen¬
heit und Freundschaft als einer,
der die Verbindung mit so
rechtschaffnen, edeldenken¬
den, lieben Menschen ganz
zu schäzen weiß, als der
getreueste und red¬
lichste Freund Ihres
Bruders und Schwa¬
gers und endlich
als
Ihr ergebenster
Diener
Götter.
Ich lege Ihnen
die Bitte um Ihre
Freundschaft und
um Ihr unbegränztes
Vertrauen in allen un¬
sern Theuern Manheimer
betreffenden Angelegen¬
heiten nochmals ans Herz. Je
thätigere Beweise Sie mir hier¬
von geben wollen, um so mehr
werden Sie mich verpflichten.
Ich weiß nicht, ob ich mich
deutlich genug ausdrücke. Ich will so viel
sagen, daß ich keine Mühe für meinen Freund
scheue, und daß jeder Auftrag, zu dessen
Besorgung Sie mich geschickt glauben, mir
willkommen seyn wird.
4-
An Iffland.
G. den 3. März 81.
Der Himmel gebe Ihnen mehr so heitere
Stunden als die gewesen seyn muß, in der Ihr
lezter Brief auf das Papier kam! Er hat mich
unendlich belustigt. Ich hab ihn hundertmal
gelesen, ich weiß ihn auswendig, so oft Madam
Beck und ich uns sattlachen wollen, zitiere ich
324
Geiger, Schauspielerbriefe aus dem ItYlandkreise.
Stellen daraus und küssen möchten wir den
Teuf eil Das Gleichniß mit Le Brüns gemalter
Distel ist eines der treflichsten Epigramme,
die ich kenne. Jammer und Schade daß es so
ganz persönlich ist — der Fall der meisten
Epigrammen. Aber eine Stelle — werden Sies
meiner Dummheit verzeihen? — eine Stelle
hab ich nicht verstanden. Was sind Mathilden¬
augen, die die Königin so greßlich in die
Höhe drehet? Was heißt der edle Gehurt s-
kuchen, den sie zu suchen scheint? Yergeßen
Sie ja nicht mir beyde Stellen im nächsten
Briefe a la Warburton zu kommentiren.
Und woher glauben Sie wohl, daß ich Ihnen
diesen Brief schriebe? — Aus dem nehmlichen
Garten den Sie den lezten ach! den lezten
Sommer mit H. Beil und der dicken Majestät
theilten, in nehmlichen Sälchen, wo wir so
manche Stunde verplaudert haben. Ich weiß
nicht warum, aber noch hat kein Garten mir
so viel Freude gewährt. Sind es die Erinne¬
rungen die jede Stelle bezeichnen? Noch habe
ich nur ein Manzardenzimmer inne, weil Ihr
voriges, das mir bestimmt ist, erst frisch ge¬
malt werden soll. Sobald dieses fertig ist,
denk ich auch mein Bette herauszuschafifen.
Mein Gartenwirth hat seit einigen Wochen den
Hauptmannskarakter. Vielleicht bahnt er ihm
den Weg zu einer reichen Heurath. Wenigstens
schmeichelt er sich mit einem solchen Projekte.
Die Kinder schwärmen, wie weyland, herum,
vermehrt durch zwey Kinder eines Fabrikanten,
der auch in der Mansarde wohnt, aber, wie
mich dünkt, doch reinlicher als zu Lebzeiten
der Frau Mama. Bliz Donner und Hexen
läßt sich auch noch sehen. Ich lebe hier fast
als Junggeselle und auch das versezt mich leb¬
hafter in die alten guten Zeiten. Das Madam¬
chen kann theils wegen ihres kleinen begehr¬
lichen Mädchens, theils wegen des Zuwachses
unserer Hausgesellschaft, sich nur selten ab¬
müßigen; doch sind ihr beyde Abhaltungen
glücklicherweise gleich angenehm. Dieser Zu¬
wachs ist meine Schwester, Madam Mayer aus
Lion, mit Ihren Töchtern. Sie werden sich
schwerlich erinnern, daß Sie uns schon vor
vier Jahren besucht hat. Sie waren damals
noch zu fremd in Gotha und zu unbekannt in
meiner Familie.
Hat Seyler Ihnen geschrieben? Mir keine
Zeile. Ich höre er soll in Hamburg seyn und
beyde sollen dort auf ein Jahr Engagement
gefunden haben. Alles nur ein soll. Der Graf,
von dem ich gestern erst einen Brief erhalten
habe, gedenkt ihrer mit keinem Buchstaben,
doch das läßt sich begreifen. Er war zu voll
von eigenen Angelegenheiten. Ist es wahr,
daß Ihnen Seyler Auftrag gethan hat seine
Kupfersammlung zu verkaufen und meine For¬
derung davon zu befriedigen? Ist es wahr,
daß Sie auch bevollmächtigt sind mir eine
Kopie von Madame Seyler als Medea zu
verschaffen?
Der Graf oder vielmehr die Gräfin kömmt
also nach Manheim? Und sobald! so sehr
bald! Ich kann Ihnen nicht sagen wie will¬
kommen mir diese Nachricht ist. Eben so
willkommen, als unerwartet. Nun lebt das
Gothaische Theater dort fast ganz wieder auf.
Nur die unglückliche Dame fehlt und Madam
Schüler die seitdem eine zehnte Muse geworden
ist — Gott erbarme sich der neun übrigen! —
Aber der Graf — le Comte tout eracht! —
Er möchte gerne seinen Weg über Gotha
nehmen, wenn die Finanzen nicht wären; diesen
Anstand zu heben, schlägt er vor, seine Frau
soll Medea und Merope spielen und kapitulirt
schon von 15. und 12. Louisd’ors bis auf 10.,
merkt aber im P. S. noch an, ich möchte mich
a der durchlauchtigen Entschließung wohl
versichern , damit nicht hinterher Dukaten
daraus würden. Immer Rcdmungen und nego-
tia\ Immer so unglückliche, abentheuerliche
Projekte!
Gestern ist hier der Landtag eröfnet wor¬
den. Etikette die Menge; destoweniger Freude.
Ich glaubte vor einiger Zeit bey dieser Ge¬
legenheit abermals tragariren zu müssen. Die
Herzogin sprach davon. Aber sie scheint es
vergehen zu haben. Jezt wäre es just am
schicklichsten gewesen, weil Sulzer noch hier
ist und ein gewisser Küster aus Darmstadt,
der die Stüze des Göttinger Theaters gewesen
ist und sich hier so gerne produzirt hätte.
Sie werden ihn kennen lernen diesen Küster
und einen artigen und schönen Menschen an
ihm finden, so schön, daß Madam Beck ihren
Koridon in ihm wiederzusehen glaubt — über
alles das einen Theaterfreund, wie es wenig
giebt, wie ich selbst einst war! Er kehrt ehestens
in seine Vaterstadt zurück und denkt dann
noch diesen Sommer nach Manheim zu fliegen.
Geiger, Schauspielerbriefe aus dem Iff landkreise,
325
Schlik, der sich sechs Monate in Prag und
Wien aufgehalten, hat mir einen Brief von
Dauer und die Versicherung mitgebracht, daß
er dort sehr zufrieden ist und mit seiner
kleinen Frau herrlich lebt. Sagen Sie das
doch dem Herrn Direktor Meyer und der Frau
Garderobemeisterin.
Der Tod sollte irgend einen Lebenden be¬
neiden? Der Tod, dem der König von
Schweden für die Zueignung des Th. K. eine
goldne Medaille geschickt hat!
Sie müßen doch auch meine Gartennach¬
barn kennen lernen. Die Schülersburg hat
seit dem Tode des jungen Mevius H. Made¬
lung zum Herrn und im Zahnischen Garten
haust ein zweyter Theil vom Club, Unite ge¬
nannt, 50 Mann stark und drüber. Mir gleich¬
viel! Ich bin doch allein.
Ob ich die guten Sachen aus Bayern zu
haben wünsche? Allerdings, wenn Sie sie ent¬
behren können und wenn wir etwas Gutes
haben, das ich Ihnen im Wechsel schicken
könnte. Aber legen Sie doch Agnese Ber-
nauerin bey, die ich noch nicht habe auf¬
stöbern können.
Ist Ihr Baron noch bey Ihnen, so empfehlen
Sie mich ihm, als ihren Freund.
Tausend Grüße an H. Beil und den Kori-
don. Morgen soll ich tanzen! Die Revansche
für unsern Hochzeitball. Kömmt etwas spät
nach. Wie viel lieber sög ich die balsamische
Luft des Blütenmonds ein!
Leben Sie wohl, bester! Und machen Sie
nicht so lange Pausen! — Die Königin hat
Ihnen doch meinen Brief gegeben? Ich denke
jezt mehr als jemals an Sie und umarme Sie
bey jedem Gedanken. q
An Iffland. **'
G. den 20. Jul 81.
Zanken Sie mit sich selbst, liebster Ifland,
daß der zärtlichste Brief, den Sie mir jemals
geschrieben haben — doch nein! das heißt ihn
auf Kosten der übrigen loben. Sind sie nicht
alle der Abdruck Ihres Herzens? Athmen Sie
nicht alle so warme, innige, schwärmerische
Freundschaft? — also kurz, daß Ihr Brief vom
21. Jun so lange unbeantwortet geblieben ist
— Sie versprachen mir Ihr Stück mit dem
ersten Postwagen zu schicken — und gestern
erst hab ich es erhalten.
O daß ich — da es mir nicht vergönnt
war, Zeuge Ihres doppelten Triumphs als
Dichter und Schauspieler zu seyn — daß ich
es wenigstens hätte mit Ihnen lesen können —
um Sie bey jeder schönen Stelle an mein Herz
zu drücken und von dem tiefen Eindrücke leb¬
haft zu überzeugen, den das Ganze auf mich
gemacht hat! Alles was ich Ihnen darüber
schreiben könnte, scheint mir entweder zu kalt,
oder einer Schmeicheley zu ähnlich. So viel
kann und muß ich indeßen sagen, daß Sie
für den ersten Versuch eines Jünglings von
20 Jahren erstaunend viel geleistet haben.
Imagination in der Anlage, Kraft in den
Karakteren, Stärke und Geschmeidigkeit des
Dialogs — Richtigkeit, Adel - — - oft nur zuviel
Poesie im Ausdrucke — und über das alles
— woran es sonst Anfängern (verzeihen Sie
den Ausdruck) so sehr mangelt — Kenntniß
des Theaters, Gefühl des Schicklichen — noch
mehr des Ausführbaren und des Etwas , das
in der Vorstellung hundertmal mehr würkt,
als im Lesen. — Das ist mein Urtheil über¬
haupt und das würde es seyn, wenn ich Sie
auch nicht kennte, nie von Ihnen gehört hätte.
Aber da ich Sie Gottlob ! kenne — darf es
dabey nicht bleiben. Ich habe schon ange¬
fangen, meine Erinnerungen niederzuschreiben.
Sie sollen sehen, ob ich partheyisch bin. —
Bey der guten Aufnahme des Stücks in
Manheim, ist mir das nicht die kleinste Freude,
daß Sie sich selbst des Einflusses bewußt —
und darauf stolz sind, den die gute Meinung
vom Menschen auf das Urtheil vom Autor ge¬
habt hat. — Der Eifer Ihrer Mitschauspieler
durch ihr Spiel Ihren Triumph befördern zu
helfen, macht ihnen Ehre — Aber der König
und die alte Majestät, in aller Welt was sagten
die? — daß das Stück ganz artig wäre, wenn
nur Ifland nicht die Tollheit gehabt hätte,
den Turneisen selbst spielen zu wollen. —
Ich komme auf die Beylagen Ihres Briefes
— Schröder betreffend. Sie sind vollkommen
bey mir gerechtfertigt. Aber er! — ich kann,
ich mag mir sein Betragen nicht erklären. Ich
fühle Ihre Kränkung zu tief, bin selbst zu sehr
in Ihnen gekränkt, beleidigt. — Wußte Er
nicht um unsre Freundschaft ? Wußte er nicht
welchen Antheil ich seit Ihrem ersten Schritt
auf das Theater, an Ihrem Schicksal als
Künstler genommen habe? Hatte ich Sie ihm
Geiger, Schauspielerbriefe aus dem Ifflamlkreise.
326
nicht so angelegentlich empfohlen, ihn so
dringend um Nachsicht, Aufmunterung, Be¬
lehrung für Sie gebeten? — Und doch war er
damals noch mein Freund! Machte noch einen
Umweg um mich zu besuchen! Welch ein
Widerspruch! Geschehen ist geschehen — .
Noch einmal! ich mag nicht untersuchen —
aber daß mich dieser Vorfall lau gemacht hat,
daß ich wenigstens mich in die Änderung
seiner Gesinnungen gegen mich — die ich
aus seinem gänzlichen Stillschweigen besorgen
muß — leichter finden kann — das ist wohl
begreiflich und verzeihlich. Meine Verehrung
fiir den großen Mann in seiner Kunst bleibt
darum unveränderlich. Auch steht der Freund
noch in meinem Herzen — Aber das Bild hat
vom Wetter gelitten.
Ihre Karakteristik Seylers — wie treffend!
wie herrlich! Wißen Sie daß die Heurath
zwischen seiner Tochter und Leisewiz nun de-
klarirt ist? Der Bräutigam hat es dem alten
Schläger selbst gemeldet. Es soll ein sehr
liebenswürdiges Mädchen seyn.
Danken Sie Ihrer vortrefflichen Schwester
für das Andenken, deßen sie mich würdigt.
Sagen Sie ihr, daß ich es durch meine Freund¬
schaft für den Bruder zu verdienen glaube,
daß, nach ihr, diesen Bruder niemand mehr
lieben kann als ich. Wie angenehm wird sie
nicht durch den Zug von Bruderliebe über¬
rascht werden, den der Verfasser von Liebe
und Pflicht so geschickt im Turneisen ange¬
bracht hat! O diesen Turneisen — er schrieb
ihn ganz aus seiner Seele — das ist er selbst!
Das Gute, das Sie mir von Koridon sagen,
interessirt mich recht sehr, und daß Ihr guten
Seelen mich noch so herzlich liebt, euch nach
mir sehnt, mich zu euch wünscht, dafür dank
ich euch von ganzer Seele, dafür mögt ihr,
jeder in dem Andern, einen Freund finden,
wie ich euch war — noch, troz Entfernung
und Zeit, bin. Umarmen Sie den Koridon von
meinetwegen und empfehlen Sie mich Herrn
Beil und Meyer. — Fragen Sie doch leztern,
an wem die Schuld unsres unterbrochenen
Briefwechsels liegt?
Karls Schicksal ist doch bis Manheim er¬
schollen? H. Verrückt hat es mir zuerst in
hochtrabenden Ausdrücken berichtet und mir
die arme Wittwe empfohlen. Mussche Karl
wollte ohnezweifel bramarbarsiren — und kam
an den Unrechten. Anders läßt sich der Vor¬
fall nicht erklären.
Ist Svbillchen Z. wieder in Manheim und
auf welchem Fuß? Melden Sie mir doch,
wenn es möglich ist, etwas tröstliches von ihr,
das ich der Mutter mittheilen kann. Die Frau
hat gar zu köstliche Saure Milch — noch
zehnmal köstlicher, als die auf der Taubenburg.
Mein Hauptmann geht noch auf Freyer-
fußen. — Zum Empfange der Braut bekömmt
sogar das Haus endlich einen Mantel. Den¬
noch giebt es noch 1 Iartglaubige, die an dem
guten Ausgange seiner Projekte zweifeln.
Sie sind doch in des Grafen Hause wieder
zu Hause, wie hier?
Leben Sie wohl, Bester! — Ewig der
Ihrige G.
Ich dächte Sie wären mir noch Ihr Urtheil
von Demoiselle Baumann schuldig, die mir
Seyler und Madam als ein Wunder beschrieben
haben.
•x <»
Die Briefe 1 und 2 stammen aus der
Gothaer Zeit.
No. 1. Um den Brief zu verstehen, der in
einem etwas harten Ton geschrieben ist, ist
folgendes zu bedenken. Zunächst zur Entlastung
Ifflands, daß er entblößt von allem, auch durch¬
aus ohne Geld nach Gotha gekommen war
und dort ein so minimales Gehalt bezog, daß
er selbst bei der äußersten Sparsamkeit un¬
möglich auskommen konnte. Sodann daß, wie
wir wußten, Ifflands Anfänge dem großen
Schröder, der damals Leiter des Hamburger
Theaters war, so imponiert hatten, daß dieser
daran dachte, den jungen Menschen — er war
damals noch nicht neunzehn Jahre alt — unter
guten Bedingungen nach Hamburg zu ziehen,
ja auch bereit war, seine Schulden zu tilgen.
Aber im Mai 1778 diinkten ihn schon die 97
Taler Schulden zu hoch, und die fast doppelt
so große Summe mußte ihn und seinen Freund
und Unterhändler Götter gewaltig bedrücken.
Wirklich wurde damals aus Ifflands Hamburger
Engagement nichts.
Über das damalige Verhältnis Ifflands zu
Götter, sowie über seine Stellung in Gotha,
die Notwendigkeit nach Hamburg zu gehen,
und seine Auffassung des Schauspielerberufs
spricht Iffland in einem Briefe an seinen
Geiger, Schauspielerbriefe aus dem Ifflandkreise.
32 7
Schwager (Mai 1778). Nachdem er über die
erste Notwendigkeit gesprochen, sich anständig
zu kleiden, fährt er fort:
„Die zweite Notwendigkeit war, mich beim
Theater unentbehrlich zu machen. Ich suchte
zu jeder Rolle einen Charakter; um nicht ins
einerlei zu fallen, muß mir jeder Mensch, den
ich sehe, ein Teil meiner Dogmatik übers Theater
sein. Das ist mir so merklich geglückt, daß man
oft mein stummes Spiel beklatscht, ehe ich noch
rede. Doch das interessiert Sie nicht, also auf
was anders. Die Folge von allem diesen war, daß
ich mir erstlich die Freundschaft, die genaue
Freundschaft des Legationssekretärs Götter,
eines würdigen, allgemein geschätzten Mannes
zuzog, seinem Umgänge habe ich vieles, wo
nicht alles zu danken, sowie die Erfahrung be¬
stätigt, daß man sich auf hohen Bergen so
groß, so edel fühlt, weil man nicht in die
Projekte und Intriguen der Welt mit verwickelt
ist, sondern sie übersieht, wie die Flüsse auf
Landkarten. Immer in der Gesellschaft des
Mannes, wie könnte ich da schlecht denken?
Ohne das wäre vielleicht mein Vorsatz,
der seine Aufmunterung nur in sich selbst
suchen mußte, wahrscheinlich erloschen; aber
jetzt verhinderte das der Stolz, daß seine letzte
Idee von mir so sein möchte als seine erste.
Daß ich zuzeiten zur Herzogin gerufen werde,
daß Goethe mich seiner Aufmerksamkeit ge¬
würdigt hat. Ich will das nur als eine Folge
meiner theatralischen Bemühungen annehmen.
„Ehemals war der Verlust der Ekhofschen
Aufsicht der Einwurf, der Haupteinwurf, der
fällt weg und hätte auch damals wegfallen
können. Was liegt nun daran ohne Aufsicht:
ob in Gotha oder in Hamburg? Verführe¬
rischer sagen Sie mir, ist Hamburg, doch wohl
nicht mehr als Göttingen, und wie wenn ich
dort wäre? Das Hoftheater kann mir nur dann
nützen, wenn ich mich auf ewig engagiere und
alsdann Pension erhalte; würden Sie wohl einem
20jährigen Maler raten, sich auf zeitlebens fest¬
zusetzen, würden Sie ihm nicht raten zu reisen?
Und was ist mein Fall anders? So wenig Sie
einem Maler raten können, zeitlebens in Hameln
oder Hildesheim zu bleiben. Das Hamburger
Theater ist für den Schauspieler eben das,
was die Mannheimer und Dresdener Akademie
für den Maler ist. Beweise sind Brockmann,
Bök, Borchers, die beiden Dem. Ackermann usw.
z. f. B. 1905/1906.
Das Hamburger Publikum ist geizig mit seinem
Beifall, aber man kann stolz darauf sein.
Nennen Sie mir ein Theater, das so viele
große Leute gezogen hat, als das Hamburger.
Ferner wird nie vom Gothaischen Theater ge¬
schrieben, Ehrgeiz ist aber die Triebfeder beim
Schauspiel. Ich kann wegen Bök nie gute
junge Rollen haben. Ekhof spielt nicht mehr.
Was kann Sie also so sehr an Gotha binden,
daß Sie mich in meiner Laufbahn hindern
wollen, damit ich hier bleibe?..“
No. 2. Das undatierte Blättchen muß aus
dem Jahre 1779 stammen, denn es ist offenbar
von Haus zu Haus, nicht von Gotha aus nach
einem fremden Ort geschrieben. Deshalb kann
es nicht von 1780 und aus den folgenden
Jahren stammen, weil Iffland damals schon
Gotha verlassen hatte, und kann auch nicht
dem Jahr 1778 angehören, da Ekhof erst am
16. Juli desselben Jahres starb.
No. 3. Götter stand mit Ifflands hannover¬
schen Verwandten in brieflicher Verbindung.
Es gibt zwei Briefe von ihm an den Vater des
jungen Schauspielers, den er zu versöhnen
suchte, aus dem Jahre 1778 (siehe meine Iff-
landbriefe, Seite 235 ff.) und auch mehrere
Briefe an Luise 1779 (a. a. O. Seite 237, 239).
Diese letzteren Briefe lassen den Schluß auf
eine schon vorher gepflogene Korrespondenz
zu und zeigen jedenfalls, wie früh auch
Götter den hannoverschen Verwandten nahe¬
gekommen war. Daher erhielt er die Nach¬
richt von dem am n. März erfolgten Tode
des alten Iffland zugeschickt (31. März 1780,
a. a. O. Seite 245), zugleich mit vertraulichen Mit¬
teilungen über testamentarische Bestimmungen
des Verstorbenen. Auf diesen Brief ist der unsrige
die Antwort. Er kann, da zwischen Empfang
des Schriftstücks aus Hannover und der Ab¬
sendung des unsrigen ein Schreiben Gotters nach
Mannheim und die Erwartung einer Antwort von
dorther liegt, frühestens Mitte April geschrieben
sein. Der Tod von Ifflands Mutter war am
1 1. September 1779 erfolgt, fast unmittelbar nach
der Rückkehr Ifflands von einem ersten Besuche
der junge Mann der Seinigen in Hannover
nach Gotha, nachdem er am erstgenannten
Orte die Versöhnung mit der sehr gekränkten
Familie herbeigeführt hatte. Der erwähnte
Schwager ist der älteste Bruder, Philipp Iffland,
mit dem Götter gleichfalls schon vorher (April
43
328
Geiger, Schauspielerbriefe aus dem IlTlandkreise.
1779) in Verbindung gestanden hatte (Iffland-
briefe, Seite 238 ff.). Die überaus innige Art,
in der der Briefschreiber hier von der Freund¬
schaft zu dem jungen Schauspieler spricht,
kontrastiert außerordentlich mit der herben Aus¬
drucksweise der vorigen Briefe, entspricht aber
durchaus der verwandelten Gesinnung. Jeden¬
falls geht auch aus diesem Schreiben hervor,
daß Ifflands Bericht in seiner Selbstbiographie,
der unzählige Male nachgeschrieben worden
ist, von dem mit Beil und Beck in Gotha ge¬
schlossenen Herzensbunde irrig ist, und daß
wirklich das innig vertraute Verhältnis mit
Beck erst im Januar 1782 geschlossen wurde
(vergleiche übrigens Ifflandbricfe Seite 85, 255).
Wäre die Intimität der beiden damals schon
groß gewesen, so wären Gotters Worte un¬
verständlich; auch aus dem unten abge¬
druckten Briefe Seylers geht hervor, daß Iffland
damals fast gänzlich auf das Haus des eben¬
genannten angewiesen war, mit anderen
Kollegen aber nicht in besonderer Vertraulich¬
keit verkehrte.
No. 4. Dieser und der folgende Brief ent¬
halten so viele kleine Notizen mit Andeutungen,
wie sie intime Freunde untereinander zu brauchen
pflegen, daß es mit Benutzung der gedruckten
Literatur nicht möglich war, alle Einzelheiten
aufzuklären. Leider ist auch diese Zeit in den
bisher bekannten und den mir handschriftlich
vorliegenden Briefen Ifflands so gut wie gar
nicht vertreten. Die größere Innigkeit des
Verhältnisses zwischen ihm und Götter, die in
unserem Schriftstücke hervortritt, darf nach den
zum vorigen Briefe gemachten Bemerkungen
nicht Wunder nehmen. Götter als Schauspiel¬
dichter und Kritiker stand mit Mannheim in
enger Verbindung. Ob Iffland seit der An¬
nahme der Mannheimer Stellung schon einmal
Gotha wieder besucht hatte, unser Brief also
das erste briefliche Zeugnis nach dem Wieder¬
sehen der Freunde ist, bleibt fraglich (ver¬
gleiche Ifflandbriefe Seite 252).
Zur Erklärung des Einzelnen ist folgendes
zu sagen. — Mathildenaugen (Seite 324, Zeile 8)
möchte man auf die 1775 verstorbene Königin
Mathilde von Dänemark beziehen. Man weiß,
(Ifflandbriefe Seite 170 ff, 293), daß der Schau¬
spieler eine ganz besondere Sympathie für die
Königin hegte. — A la Warburton (Seite 324,
Zeile 13) bezieht sich auf William Warburton,
einen englischen Bischof, einen Zeitgenossen
Sternes, der die Waffen des Rationalismus
gegen die kirchliche Tradition wandte, als Auf¬
klärer, also besonders als Beispiel der Klar¬
heit angeführt werden konnte. — Mit der
dicken Majestät (Seite 324, Zeile 17) ist der
Schauspieler Bock gemeint (vergleiche Iffland¬
briefe Seite 95, wo Iffland seiner Schwester
Erklärungen eines andern Gotterschen Briefes
gibt). — Fast als Junggeselle (Seite 324, Zeile 36)
konnte sich der seit dem 30. März 1780 ver¬
heiratete Götter nennen, weil nach der Geburt
seiner Tochter Pauline (1781) seine Frau fast
ausschließlich sich dem Kinde widmete. —
Madame Maier (oder Meyer) in Lyon (Seite 324,
Zeile 44) war Gotters Stiefschwester, die er
1773 besucht hatte (vergleiche Schlösser,
Götter, Seite 52, 85). — Seyler (Seite 324,
Zeile 50), der schon oben genannte und später
nochmals zu nennende Schauspielleiter, hatte
nach dem Theaterskandal mit der Toskani am
3. Februar 1781 Mannheim verlassen müssen
und sich nach dem Norden, dem Schauplatz
früherer erfolgreicher Tätigkeit, gewandt; seine
Gattin, bekannter unter dem Namen Friderike
Mensel, hatte gerade in Gotters „Medea“ sehr
geglänzt. — Der Graf (Seite 324, Spalte 2, Zeile 2)
muß nach den ferneren Ausdrücken (ebenda,
Zeile 13 ff.) ein Schauspieler gewesen sein; an
Dalberg der übrigens kein Graf war, ist nicht zu
denken, weil er ausdrücklich später genannt wird
— es kann nur Rennschüb und Frau gemeint
sein, die bis 1779 in Gotha gewesen waren,
dann in Hamburg lebten und 1781 nach Mann¬
heim kamen (Koffka, Iffland und Dalberg,
Seite 107 fr.); letztere war für die großen Rollen
zum Ersatz der abgegangenen Frau Seyler
bestimmt. Bei der unglücklichen Dame (Seite 324,
Spalte 2, Zeile 19) könnte man an Madame
Hartmann denken (vergleiche „Bühne und Welt“
1905, Seite 664). — Frau Schüler (Seite 324,
Spalte 2, Zeile 20) war mit Mann und Kind
in Mannheim (vergleiche Walter, Mannheimer
Theater I, Seite 58). — Sjdzer (Seite 324, Spalte 2,
Zeile 40). In Gotha lebte (gestorben 1799) ein
Arzt Johann Kaspar Sulzer, der zwei Söhne
hatte. Doch ist es nicht leicht, an sie zu denken,
da sie sich selten in Gotha aufhielten (vergleiche
Reichard, Selbstbiographie passim). — Küster
(ebenda, Zeile 41) war nicht genauer zu be¬
stimmen.
Geiger, Schauspielerbriefe aus dem Iff landkreise.
329
Weder Schlick (Seite 325, Zeile 1) noch Dauer
(Seite 325, Zeile 3) werden in Teuber, Geschichte
des Prager Theaters , als dort engagierte
Künstler genannt; der letztere wird nur ge¬
legentlich als Gotters Bekannter erwähnt
(Schlösser, Seite 91).
Mit dem Tod (Seite 325, Zeile 8) muß
H. A. O. Reichard gemeint sein, so wenig er¬
klärlich auch die Bezeichnung ist. Er ist Her¬
ausgeber des Theaterkalenders, und so können
sich die folgenden Bemerkungen nur auf ihn
beziehen. Daß das Verhältnis beider, für das
Theater wirkenden Männer seit 1775 kühl ge¬
worden war, hat Reichard selbst bekannt
(Selbstbiographie Seite 93). — Der Klub
(Seite 325, Zeile 16) war eine Gründung von
1775, dem viele ähnliche gesellschaftliche Ein¬
richtungen folgten (vergleiche Reichard Seite
135). — Unter den guten Sachen aus Bayern
(Seite 325, Zeile 19) sind neue Theaterstücke
zu verstehen, die nach Mannheim von dem eng
verbundenen München aus gelangten , doch
läßt sich näheres nicht angeben. — Agnes
Bernauerin (Seite 325, Zeile 23) ist das fünfaktige
Trauerspiel von Törring, das am 6. Januar 1781
zuerst in Mannheim gespielt worden war. —
Der Baron (Seite 325, Zeile 26) ist Dalberg,
der Chef des Mannheimer Theaters. — Cory-
don (Seite 325, Zeile 28), so erläutert Iffland
seiner Schwester einen anderen nicht erhaltenen
Brief Gotters (Ifflandbriefe, Seite 95) „ist ein
gewisser Beck, dessen Schönheit und Eitelkeit
gleich groß sind“. Bei dieser Erklärung an
unseren Heinrich Beck zu denken, fällt unend¬
lich schwer, und doch kann auch Seite 326,
Zeile 35 niemand anders als dieser gemeint sein.
No. 5. Der Brief vom 21. Juni, für den sich
Götter so warm bedankt, war bisher nicht be¬
kannt. Ifflands erstes Stück (Seite 325, Zeile 3
von unten) ist „Albert von Turneisen oder
Liebe und Pflicht im Streit“, das am 27. Mai 1781
zuerst aufgeführt wurde; die Widmung des
Dramas an Luise und Götter ist Ifflandbriefe
Seite 251 gedruckt. — König und Majestät sind
nach der oben beigebrachten Bemerkung Boek
und Frau. — Schröder (Seite 325, Spalte 2,
Zeile 9 von unten) war zweimal in Mannheim
gewesen und hatte trotz seiner ehemaligen
Neigung, Iffland für Hamburg zu engagieren,
diesen weit weniger beachtet als seine Kollegen
(vergleiche Ifflandbriefe Seite 251 £). Iffland, der
in seinen an die Schwester gerichteten Briefen
die Anwesenheit Schröders überging, muß sich
bei Götter über die durch jenen erlittene Ver¬
nachlässigung beklagt haben. — I. A. Leisezuitz
(Seite 326, Zeile 20), der Schwiegersohn Seylers,
ist der bekannte Dichter des „Julius von
Tarrent“, Historiker und Bibliothekar; seine
Gattin Sophie überlebte ihren Vater lange Zeit.
— Der alte ScJdäger (Seite 326, Zeile 22) ist
der Gothaer Oberbibliothekar C. I. Schläger,
von dem Reichard (Seite 135 f.) ein sehr wenig
schmeichelhaftes Porträt entwirft. — Die Ver¬
ehrung Gotters für Ifflands Schwester (Seite 326,
Zeile 24 f.) ist schon oben erwähnt und auch
sonst vielfach bezeugt (vergleiche z. B. Iffland¬
briefe Seite 293). — Der Zug von Bruderliebe
(Seite 326, Zeile 30), der in dem oben ange¬
führten Drama angebracht wurde, läßt sich
nicht klar angeben. Leibliche Brüder kommen
nicht vor; gemeint ist vielleicht die brüderliche
Art, in der sich der Graf gegen seine ehe¬
malige Verlobte Sophie und den von dieser
Geliebten, zum Tode verurteilten Turneiser be¬
nimmt. Ebenso muß ich vollkommen darauf
verzichten, den Monsieur Carl (Seite 326, Zeile 5
von unten) einer bestimmten Familie einzureihen
und möchte auch bezweifeln, daß irgend ein
Mensch in Gotha damals den ominösen Namen
Verrückt (Seite 326, Zeile 4 von unten) geführt
habe. Endlich bleibt noch übrig, über zwei
Frauen ein Wort zu sagen. Aber wer Siby liehen
Z. (Seite 326, Spalte 2, Zeile 3) ist, bleibt recht
unklar. 1781 wurde nur eine Schauspielerin in
Mannheim engagiert, deren Namen mit Z. an¬
fängt, das ist Karoline Ziegler, die spätere Gattin
Becks. Da sie aber Mannheimerin ist und nicht
aus Gotha stammt, was Gotters Worte vermuten
lassen, so kann sie schwerlich gemeint sein. - — -
Fräulein Baumann (Seite 326, Spalte 2, Zeile 19)
ist Katharina Baumann, geboren 1766, die schon
seit 1780 auftrat, als erste Liebhaberin be¬
sonders gerühmt wurde und 1787 den Violon¬
cellisten Ritter heiratete, nachdem sie, wie Zeit¬
genossen behaupteten, Ifflands und Schillers
Bewerbung ausgeschlagen hatte. Sie blieb beim
Theater wirksam bis 1821 und wurde 1828 nach
langem Prozessieren pensioniert.
D as Stammbuch Fritz von Steins
nebst einigen Brieffraornenten an ihn.
ö O
Von
Fedor von Zobel titz in Berlin.
II.
inen interessanten Stimmungsbericht
über die feindlichen Durchmärsche
und die Einquartierungstrubel in Wei¬
mar sendet Karl von Stein am 9. November
1806 an Fritz:
. . . Meine Frau und Kinder hatte ich während
den schrecklichen Tagen gerade in Weimar. Bey uns
[in Kochberg] ist es vorübergezogen, das Ungewitter.
Doch sah ich mitten dazwischen, denn die Bataille
wo der Prinz Louis blieb am ioten, war bey Saal¬
feld und Rudolstadt, 'und ich in Rudolstadt. Der Hr.
v. Kirchbach von Karssorfsberg, eine colossalische
Figur, den Du vielleicht kennst, ist sehr gemißhandelt
worden, man hat ihn nackend ausgezogen, und auch
nicht einmal das Hemd und die Beinkleider gelaßen.
Der dicke Helldorf, der zu einer Weste sagt man
5 Ellen Tuch braucht, hat müssen als Pack Knecht
12 Wagens ins Lager transportiren, mit denen er ge¬
flohen war. Die Offizier sind größtentheils artig und
zum Schutz der Einwohner bereitw illig gewesen. Meine
Frau hat auf der Straße in Weimar, w o sie mit noch
ein paar Damen gieng, einer vorbeymarschierenden
Colonne auszuweichen sich an die Wand gedrückt.
Einer der Soldaten aber kriegt sie bey der Hand, und
sagt tenez Madame. Aus Schreck weiß sie gar nicht,
was sie bekommen hat. Sie sieht es an, und es ist
ein lebendiger Canarien Vogel. Die Riedesel hat ihn
jetzt. Ein ander mal will sie einer sauve garde, die
ihr ein Officier mitgegeben, um in ein andres Haus zu
gehen, etwas geben, allein der Soldat hat es schlechter¬
dings nicht angenommen, sondern geantwortet: C’est
ce que je fais avec bien du plaisir, Madame. Ein
ander mal, als alles drunter und drüber ging, hat ihr
ein officier den Arm offerirt und gesagt: pauvre dame,
n’ayez pas peur. Sie hat freylich über und über ge¬
zittert. Die Mutter [Charlotte] war sehr beherzt. Sie
hat mit Hülfe des General Metzsch und ihrer
Jungfer einen von 3 Kerls, der ihre Uhr von der Wand
riß, selbige wieder abgejagt. Er gab sie ihr endlich
mit den Worten zurück: tenez, Madame, mais gardez
la mieux, car si ce n’est pas moi, ce sera un autre qui
vous la prendre. Sie hat sie darauf in die Tasche ge¬
steckt, und es war eine von den wenigen Dingen, die
sie gerettet hat. Meine Frau fand ich nach 3 ängst¬
lichen Tagen zuerst auf dem Schloßhofe wieder . . .
Erbprinz, Prinzeß Caroline und Herzogin Mutter sind
wieder nach Weimar zurück. Man geht auch wieder
an Hof und läßt sich hinauf tragen, denn alle Pferde,
sowohl fürstliche als andre, sind größtentheils fort . . .
Fritz ist inzwischen ein zweites Kind, ein
Söhnchen — Lothar — geboren worden, wor¬
über sicli Mutter und Bruder herzlich freuen.
Erstere schreibt am 18. November an Fritz:
. . . Möge der Neugebohrene Sohn glücklichere
Zeiten erleben als wir; Deiner Frau tausend Glück¬
wünsche. Es ist mir sehr lieb, wenn die Altern von
Hautcharnoy [einem ihr von Fritz anempfohlenen
verwundeten preußischen Offizier kommen, so habe
ich eine Sorge weniger . . . Unser Erbprinz geht heute
nach Berlin, und er hofft, seinen Vater auch dort zu
finden, das Schicksal von Hohenlohe hat mir weh
gethan Wenn unser Herzog zurück kommt, wissen
wir noch nicht, er wird seine Unterthanen als Bettelleute
wiederfinden . . . Ich freue mich immer auf Deine
Briefe, Gott beschütze Dich . . .
Am ig. Novbr. Ich hoffe bald wieder auf Nach¬
richt, wie es der Wöchnerin geht und was mein Enkel-
chen macht, ob Du auch noch in Besitzthum von
Deiner Habe bist. Vorgestern kamen Briefe von des
Hautcharnoy Altern, auch ich bekam einen von der
Mutter. Was es mich schmerzt, daß sie nicht ahnden,
daß er wohl nicht zu retten ist: bis ins Frühjahr könne
er vielleicht sein Leben erhalten, sagt Hufeland . . .
Viel Ordnung ist bey der französischen Armee, die
Plünderers müssen die gestohlenen Sachen alle ihren
Obern abliefern und bekommen einen Schein darüber.
. . . In den Zeitungen schreibt man nichts von den
Greuelthaten, wie sie die alten Frauens und Mädchens
geschändet, Sodomiterey getrieben, stell Dir vor, daß
die alte Mundschenken, des Kästners Schwester, eigend-
lich ein Abscheu zur Lust, auch die ist mißhandelt
worden. Kästner hat mirs selbst erzählt, der arme
Kästner ist auch recht ausgeplündert, er hat noch
immer junge Leute bey sich, die er erzieht, dem einen
haben sie seine Flöte weggenommen, die er sehr hübsch
bläßt, ich hatte noch zwey von Deinem seeligen Vater,
wollte sie ihm geben, aber sie waren auch weg . . .
Grüß Deine liebe Frau, ich küsse Marie und das neu¬
geb. Söhnchen in Gedanken, Gott segne sie. In Dei¬
nem letzten Brief war kein Dadum, ich weis also nicht
eigendlich den Tag, da dieses liebe Enkelchen geboren
ist, vermuthlich der Ute oder I2te. Lebt wohl, gute
Kinder Deine treue Mutter.
Goethe läßt Dir Glück wünschen zum neugebohmen
Sohn, es schien ihm zu freuen, seine Besuche sind mir
nicht wohlthätig, ich kann nicht offen gegen ihn seyn,
manchmal ist er ganz wie verrückt.
von Zobeltitz, Das Stammbuch Fritz von Steins.
00
Die herben Worte der alten Freundin
Goethes werden verständlicher, wenn man be¬
denkt, wie tief ihre Seele durch die vier Wochen
vor jenem Briefe erfolgte Trauung Goethes
mit Christiane erschüttert worden war. Das ist
menschlich so erklärlich, daß man die Bitterkeit
Charlottes weder zu verschleiern noch zu ver¬
urteilen braucht.
Im Frühling 1807 besucht Fritz, der seine
Entlassung genommen hat, um nicht unter den
Franzosen dienen zu müssen, mit Frau und
Kindern die Mutter in
Weimar, kehrt auch im
August nochmals dort¬
hin zurück, muß dann
aber wieder nach
Strachwitz, wo ihn die
Last derEinquartierung
fast erdrückt. Ende
1807 und Anfang 1808
ist Zacharias Werner in
Weimar der Gefeierte;
auch Goethe hat ihn
gern. Charlotte schreibt
viel über Werners Vor¬
lesungen an Fritz, am
30. Januar 1808 auch
Onkel Schardt:
. . . Unser litterarisches
und unlitterarisches Publi¬
kum wird durch die
Gegenwart des Herrn
Werners sehr unterhalten.
Auch ich finde in seiner
Gesellschaft viel Ergözlich-
keit. Er hat eine ganz
eigene, aber schöne An¬
sicht der Dinge. Hast Du
seine Söhne im Thal, sein Kreuz an der Nordsee
gelesen? Er liebt das Mistische, dies gefällt nicht
allen Menschen, vieleicht nur wenigen, mich hat er
aber dadurch bestochen. Es ist nicht gut, wenn alles,
was geschrieben ist, von allen verstanden wird, weil die
Fähigkeit des Gebrauchs so ungleich ausgetheilet ist.
Heut ist der Geburtstag unserer nicht genug zu schätzen¬
den Herzogin. Werner hat zur Verherrlichung dieses
Tages eine romantische Tragödie mit Gesang geferdiget,
Wanda Königin der Sarmaten. Diesen Abend wird
es aufgeführt, und obgleich meine bösen Augen mir
nicht erlauben ins Theater zu gehen: so kann ich Dir
doch, ehe dieser Brief abgeht davon, wie dieses Stück
ausgefallen, Nachricht ertheilen, denn meine Frau wird
mir das Urtheil des Publici überbringen . . . Meine
Frau hält es für ein Meisterstück, wenn einige Stellen
gekürzt werden. Dein Bruder [Karl], der ebend mit
seinem ganzen Gefolge hier ist, sagt: das Stück komme
ihm vor, wie eine schöne ausländische Frucht, die
nicht ganz reif hier angekommen . . .
mit
der
bei
düng
Geburt
Ähnlich wie Schardt urteilt Charlotte,
der Goethe wegen der Hofstaatkostüme
sarmatischen Königin korrespondiert und
dem sie im Februar und März Werners „Attila“
vorlesen hört. An Fritz schreibt sie, Werner
werde in Weimar nur der „Liebesgesell“ ge¬
nannt, die Liebe sei wie ein Wahnsinn bei ihm,
„immer kommt er auf diese Unterhaltung“.
Helene , F ritzens
Gattin, sieht indessen
ihrer dritten Entbin-
entgegen. Die
Guidos kostet
ihr das Leben.
Deinen traurigen Brief
vom 18. erhielten wir
gestern früh [schreibt Karl
am 30. Juli 1808 an Fritz].
Meine Frau hat den gan-
tzen Tag darüber geweint,
und mein gutes Fritzgen
[der Sohn] auch. Gerade
vor vier Wochen schrieb
Deine Frau an die meinige:
„Meinen nächsten Brief
an Dich schreibe ich mit
schlanker Taille, oder es
ist ein leises Lispeln aus
jener Welt.“ Meine Mutter
hat indessen, und zwar
einige Tage früher, Deine
Nachricht bekommen. Sie
sendete sie mir gestern
Abend, mit dem hiesigen
Bothen. . .
Charlotte ist tief er¬
griffen und versucht
ihren armen Fritz zu trösten, schreibt ihm auch
von dem in Karlsbad weilenden Goethe und
fügt am 26. Juli hinzu:
Goethe trägt mir in seinem Briefe auf, Dir für die
Abdrücke von sehr interessanten Medaillen zu danken
und zwar aufs beste, was Du darüber zu wissen be¬
gehrst, will er Dir schreiben, wenn er wieder nach
Hauß kommt . . . (28.) Heute hat mich mein heftiger
Kopfschmerz verlaßen und so habe ich auch noch
Deinem Schwiegervater geschrieben. Was macht
denn Mariechen? der schon zum leiden gestärkte und
der fröhlige Lothar? Das arme Kleine, das seiner
Mutter das Leben kostete, weiß nicht, daß es an einer
fremden Brust sich nährt! Leb wohl guter lieber
Fritz, ich darf nicht lange schreiben, sonst erreg ich
wieder Kopfweh . . . (Am 15. August) Ich habe die
Charlotte von Stein.
Nach ihrem Selbstporträt von 1790.
332
von Zobeltitz, Das Stammbuch Fritz von Steins.
Denckrede der guten Helene an die Freunde vertheilt,
sie hat mir sehr gefallen und ich wundre mich über
Deine Fassung, so alles haben besorgen zu können.
Ich komme auf alten Volksglauben zurück. Den
Sterbetag von Deiner Frau hat mich eine ungewöhn¬
liche Traurigkeit überfallen, eine kleine Gesellschaft
ladede mich ein zum Mitglied, der Prinzei.) Caroline
in ihrem Gärtchen ihren Geburtstag zu feyern, denn
sie ist noch in Wilhelmsthal — auf den andern l ag,
welches der 18. war — ich weigerte mich erst und ge¬
stand, ich hätte einen unüberwindlichen Hang, einsam
zu seyn, endlich ging ich doch, um nicht absurt zu
scheinen, es war hübsche Musik im Garten, schöne
Kuchens pp., aber von allen genoß ich nichts und ich
ging endlich fort. Es war meine Traurigkeit nicht
auszuhalten, so daß die Gesellschaft es bemerkte und
sich nun jetzt diese Ahndung zu erklären weiß. Ich
weiß nicht, war es einige Nächte darauf oder die selbe
Nacht, als ich grad um Mitternacht mit Schrecken
aufwachte von dem Schrey einer Eule, die mir zum
Fenster, das ich aufgelassen hatte, weil es sehr heiß
war, herein schrie; die Bose hörte es auch, es hatte
uns beyden geschaudert, denn nie halten sich Eulen
da auf. Ich konnte nicht unterlaßen, mir zu sagen,
der Weißheits Vogel bedeutet mir nichts gutes. Ein
Traum hatte mir schon längst gesagt, daß mir ein
Verlust, der Dich anginge, bevorstünde, aber nimmer¬
mehr fiel mir ein, daß es die arme Helene seyn könnte;
sich ähnliche Geister wissen sich in geheimnißvoller
Sprache etwas zu sagen, das habe ich oft erfahren.
Deine Briefe habe ich besorgt. Noch ist alles ab¬
wesend, den 23 ten heißt es, kommen die Herrschaften
von Wilhelmsthal . . .
Am 18. August (unter Beischluß eines Briefes von
Knebel). Lieber Fritz! Da kommt schon wieder
ein Brief, wenn ich auch gleich nichts weiter zu sagen
habe, als daß ich immer an Dich denke. Knebels
Brief veranlaßte mich auch noch ihn mit einigen Zeilen
zu begleiten, da er so eine hübsche Theilnahme bezeigt.
Unser philosophischer Freund Goethe, welcher jetzt in
Eger ist, hat mir nichts erwiedert über Deinen Verlust,1
aber wohl Mama Seebach [Karls Schwiegermutter] mit
vielem Antheil, die auch jetzt mit Frifri Beust in Eger
ist. Ich gehe vielleicht schon übermorgen nach Ilmenau,
Schlackenbäder zu brauchen, da mich eine große
Schwäche überfallen, ich auch gestern einen sonder¬
baren Zufall bekommen, beynahe eine Stunde, auf dem
rechten Auge blind zu seyn, wo ich mich selbst und
andre nur halb sah. Dann bekam ichs Gesicht wieder.
Drey Wochen werde ich beynahe abwesend seyn,
wenn ich aber das entsetzliche Sausen im Kopf nicht
verliere, dann will ich den Schlag gedultig erwarten,
denn der ist immer das Ende vom Lied . . . Lebewohl,
lieber guter Sohn, Gott erhalte Dir die Kleinen gesund,
wollte Gott, Du könntest bald hierher reisen. Die
besten Grüße an die Schwiegerältern [Stoschens] und
Mlle. Gerstmeyer [die ehemalige Erzieherin Helenes].
Über die Fürstentage in W eimar und Erfurt
im September und Oktober 1808 schreibt Sophie
von Schardt u. a. manches nette Anekdotische
an Fritz:
Endlich ist auch bey uns der Sturm vorüber, mit
zwey Ballen nacheinander, die man dem russischen
Kaiser und der Prinzeß Stephanie gab. Der Kaiser
Alex, hat dieser Prinzeß so sehr die Cour gemacht, er
hat ihr so wohl gefallen, daß sie beym Abschied von
Weimar bitterlich «einte, doch will man dies nicht
allein auf des russischen Kaisers Rechnung ge¬
schoben haben, sondern die Magie, die Weimar eigen
ist und die Cordialite des Dux, ihres Onkels, soll auch
Antheil an dieser Rührung haben. Sie sieht eben
nicht touchant aus, aber wie ein junges französisches
Mädchen, bräunlich und mager, große Nase, Mund
und weiße Zähne, leichte Gestalt und sehr gut tanzend,
welches sie besonders in einer quadrillc zeigte, wo sie
mit Herrn Bethmann aus Frankfurth tanzte. Dieser
hat extra aus Frankfurth kommen müssen, um dem
russischen Kaiser Geld zu bringen, weil er sich wie es
hieß auf der Reise ganz ausgebcutelt hat. Der Kais.
Alex, ist sehr generös gewesen, Napoleon noch mehr,
besonders gegen Jena. Von allen Presenten, die ge¬
regnet haben, lassen Sie mich schweigen, es ist zu
vielerley. Napoleon hat Wielanden und Göthen den
Legion Orden gegeben, Alex, beyden den Annen Orden,
den kleinen an Wieland, den großen an Göthe . . .
Zu meinen Avanturen gehört noch, daß Talma bey der
Gräfin Beust gewohnt hat und ich also mit ihm ge¬
sprochen, Thee getrunken — und ihm mein Interesse
als Schauspieler gesagt habe, wogegen er denn auch
äußerst liebenswürdig und artig war . . . Eine drolligte
Anekdote: — wenn ein Kaiser [vom Schlosse] die Treppe
heraus ging, so trommelten zwey tambours voran, bey
den Königen nur einer. Einmal gingen aus Versehen
zwey Trommler vor dem König von Sachsen, da rief
der Offizier mit einem Fluch dem einen zu: Allez vous
en dont, ce n'est qu’un Roi! . .
Karl berichtet am 13. Oktober 1808 an
seinen Bruder:
. . . Auf dem Rückweg [von Naumburg] in Weimar
fand ich den Erbprinz von Mecklenburg-Schwerin und
habe mit ihm die Reise nach Erfurth gemacht, wo ich
nähere Gelegenheit hatte, in seiner suite die Kaiser
von Frankreich und Rußland und den Fürst Primas
und eine Menge Könige, Herzoge, Fürsten, Minister
und berühmte Generals zu sehen, auch das französische
Theater, was der Kaiser von Paris hat nachkommen
lassen. In Weimar hat die kleine Tante [Sophie] unter
anderm das Glück gehabt, von Napoleon angeredet zu
werden. Alle Leute finden an ihm einen Ausdruck
von Gutmüthigkeit und etwas sehr Humanes, was
übrigens mit der strengen Etiquette und mit seiner
Umgebung und Begleitung contrastirt . . .
1 Der Brief, datiert Karlsbad den 16. August 1808, in dem Goethe sein herzliches Bedauern über den Trauerfall
ausspricht, war schon unterwegs. Schöll und Wahle, Goethes Briefe an Frau von Stein, Frankfurt ä. M. 1900.
Band II, Seite 400.
von Zobeltitz, Das Stammbuch Fritz von Steins.
333
In Weimar ließ der Kaiser la mort de Cesar von
seinen Pariser acteurs aufführen. Der berühmte Talma
machte den Brutus. Mit Göthen und Wieland hat er
viel gesprochen. Mit Göthen schon in Erfurth. Ich
habe lange Göthen nicht von so gnädiger Laune ge¬
sehen. Was doch ein bischen Weihrauch nicht thut. . .
Noch allerhand Amüsantes aus den Kaiser¬
tagen folgt in den nächsten Briefen Karls:
4. Novbr. . . . Die Herzogin von Weimar hatte bey
der Kaiser Galla keine Brillanten an, weil sie sie nicht
leiden kann , doch aber ihren Brillanten Rußischen
Orden, weil sie ihn nicht anders tragen konnte. Sie war
in ein Goldgestickt Weiß Atlas Kleid hineingepfropft,
was ihr überall zu eng und doch zu lang schien, vor¬
züglich die Ärmel und die Taille . . . Plötzlich kam ein
junger dienstseelig eilender Cavalier heran, die Königin
v. Westphalen sey schon auf der Treppe: „Herr
v. Steiber! Herr v. Steiber!“ ruft die Herzogin leise;
ich meine, sie ruft mich, denn von dem Herrn v. Steiber
hatte ich noch nichts gehört, doch war er gleich da,
sie hinaus zu begleiten, ich hatte mich ihr aber doch
so genähert, daß ich im Gedränge nahe bey ihr blieb,
zwischen den Damen, die ihr folgten. Wir kamen bis
an das schöne eiserne Geländer oben an der Treppe,
der sich wieder zurückdrängende Zug der vorausge¬
laufenen Cavaliere öffnete sich, die Ankommenden
durchzulassen: ich sehe die Herzogin im Begriff, der
Königin [von Westphalen] um den Hals zu fallen, und
mit einmal — steht eine Person vor ihr, ziemlich groß
und dick, mit einem Pferdefuß und einem Hünerbein,
ä la Herisson frisirt, im Haarbeutel, mit einem breiten
langschoßigten gestickten hellrothen Couleur de Rose
Rock umbummelt. Der lebendige Teufel? Nein?
Der Prinz von Benevent [Tayllerand], und neben ihm
in kleinerem Format mit struppigter Stirn, der prince
de Neuchätel [Marschall Berthier]. Meine Herzogin
aber, in der Gefahr, sich ridicul zu geben, drehete sich
stolz herum, gieng wieder in ihr Zimmer, und die 2
Herren hinterdrein, mit denen sie erst anfing zu sprechen,
als sie im Marmor Zimmer ihr sich höflich näherten.
Mit diesem Benevent, dem der Kaiser nebst dem Neu-
chatel an seiner Tafel in Weimar den Rang über die
Herzoge v. Oldenburg und Weimar gab, sah ich in
Erfurth eine Menge altfürstliche und regierende Herrn
mit unendlich viel Bücklingen sprechen und sich vor
seine Loge hindrängen. Die tiefsten und lächerlichsten
machte ein alter Herzog von Baiern, den man glaube
ich auch die Ehre angethan hat, seine Cämmerchen
zu vermiethen. Der alte Herr ist daran Schuld, daß
man mir meinen Beutel aus der Tasche gestohlen hat,
weil er im Gedränge nicht von der Stelle ging . . . Die
Jungen sind 8 Tage in Weimar von Mutter ganz herr¬
lich bewirthet worden. Sie hat ihnen einen großen
Kinderball gegeben und eine expresse Köchin für sie
so lange angenommen . . .
j. Novbr. . . . Der Kaiser Alexander und sein
Bruder, vorzüglich der letzte, hatten eine besondere
Art, die Damen, mit denen sie walzten, abzusetzen. Sie
ließen sie mit einmal fahren, mitten im Saal stehen
und nahmen sich andre, denen sie es wieder ebenso
machten, als wenn sie nur ihre Nothurft hätten befrie¬
digen wollen. Unhöflich gemeint war es gewiß nicht,
denn sie waren höflich gegen jedermann. Die jungen
Russen hatten ein degageern Ton gegen den Kaiser,
wenn er mit ihnen sprach, die ältern einen sehr ernsten.
Sie rührten weder Hand noch Fuß, noch kam ihre
ernste Miene aus der ehrfurchtsvollen Spannung, und
als ich in einem solchen Zirkel wegen einer hinter mir
stehenden Säule mich nicht retiriren konnte und meinen
chapeau bas, der mir zu schwer wurde, in die andre
Hand nahm, was wohl in ihrer Meinung (da ich nur
2 Schritt vom Kaiser und ihm grade gegenüber stand)
unschicklich war, so sah ich ihnen den Ausdruck von
Mißbilligung deutlich aus den Augen leuchten. Der
Kaiser sieht sehr gutmiithig aus und hübsch. Der
Großfürst gewinnt durch die Länge der Zeit und hat,
ohne von Gesicht hübsch zu seyn (vom Körper ist ers)
etwas rechtlich vornehmes, aber eine heisere Stimme.
Er spricht viel und hastig. Je ne m’interesse point du
tout pour ce monsieur de Steen, sagte er eines Mittags,
wo ich ihm schräg gegenüber saß zu meinem größten
Erstaunen, bis ich gewahr wurde, daß er von dem
Minister Stein sprach und seinem Brief. Der Kaiser
ist sehr freundlich gegen ihn und bey seiner ersten
Ankunft in Weimar sprach er sehr lange mit ihm . . .
Den zweiten Tag nach Alexanders Ankunft war sein
Krönungstag. Es war den Abend Bai angesagt, der
Kaiser hatte aber bestellt, daß man alles zur vielleicht
möglichen Abreise parat machen sollte. Vermuthlich
war das Entgegenkommen auf der Erfurther Chaussee
schon im voraus verabredet, denn viele hatten immer
die Uhr in der Hand. Mit einmal fuhr der Kaiser
fort, und die Damen kriegten ihn also trotz ihrer Neu¬
gierde nicht zu sehen. Der Erbprinz von Mecklen¬
burg-Schwerin ging mit seinem Sohn, dem kleinen
Prinzen Paul, mit Herrn [Kammerherrn] von Oertzen,
Herrn Schmidt und mir denselben Tag auch nach
Erfurth. Oertzen und ich fuhren in meinem Wagen
voraus. Die ganze Stadt war erleuchtet, als wir an¬
kamen. Nach und nach kamen die fremden Fürst¬
lichkeiten, die in Weimar waren, auch nach. Der
Erbprinz von Strelitz, ein sehr guter Mensch, dann eine
Herzogin von Würtemberg, dann der Herzog von
Oldenburg, der sich zum russischen Kaiser hält, aber
dem Rheinbund nicht beygetreten ist. Ich habe einen
Mittag bei ihm gegessen. Der Herzog attachirte sich
sehr an den Erbprinz. Ich glaube aber, dies Attache¬
mentwar mehr politisch als persönlich, weil Oldenburg,
was nicht unter dem Protektorat von Napoleon steht,
eine bequeme acquisition für Mecklenburg werden
könnte . . . Ein Mann, auf den ich neugierig war in
Erfurth, war der Oestreichische Gesandte Vincenti.
Ich sah ihn in der französischen Comedie (oder wie es
Falk nennt Esthetischen Epilepsie) zum ersten mal
sehr nahe. Er sah so einfach, so bescheiden, so ganz
anspruchslos aus gegen alle die bebänderte, besternte
und bestickte Nachbarn, daß ich eine große idee von
seiner Solidität bekommen habe . . . Daß ich bei Cham-
pagni (S. E. Mrs. le Comte de Champagni Ministre
des affaires etrangeres) die Treppe hinausgestolpert
bin, meinen Federhut hingeschmissen, meine Hosen-
334
von Zobeltitz, Das Stammbuch Fritz von Steins.
träger zerplatzt, meinen Degen verlohren habe, stand
deucht mir in meinem letzten Briefe. Nachdem der
Schaden redressirt war, bekamen wir ein gutes Diner,
und ich machte die Bekanntschaft von einem Herrn
Hoberg, ein angenehmer Mann, der viel gereist und
sehr für die Fräulein Amalie v. Imhoff eingenommen
ist . . . Der Herzog von Weimar genoß bey diesem
Erfurther Congreß verschiedene distinctionen , theils
durch seine Russische und Preußische Verwandtschaft,
theils durch seine Jagd und Feten, seine Nachbarschaft,
seine Isabellen Equipage, seine Wohnung neben dem
Gouvernements Hause, theils durch sein anständiges
Benehmen und seine militärische Reputation. Sein
Schloß wurde nebst seinem guten Geschmack von den
Russen und Franzosen nicht sowohl gegen ihn selbst,
sondern auch von ihnen untereinander sehr approbirt.
Napoleon bewohnte den Flügel und die Zimmer der
Herzogin, die hinaus zu dem Herzog gezogen war.
Alexander bewohnte die Zimmer an dem Grossen Saal,
der Großfürst Constantin die Zimmer seiner Schw ester.
Der Erbprinz von Mecklenburg wohnte bey dem Erb¬
prinz von Weimar, der Herzog von Friaul (Duroc), der
Herzog v. Neuchatel und mehrere von der Suite beyder
Kaiser wohnten auch im Schloß. Der Herzog v. Bene-
vent wohnte neben meiner Mutter in der Gräfin Henkel
ihren Zimmern, der Herzog von Oldenburg bey Goulon,
der Primas bey Wolzogens, der König von Würtem-
berg bey Bertuch . . . Mein Schwager Fritz Seebach
hat von beyden Kaisern brillantene Dosen, mein
Schwager Louis Seebach dito eine von G. Fürst Con¬
stantin erhalten, ich glaube aber ohne Brillanten. Die
Presenten sind so herumgeflogen, daß sogar meiner
Frau ihre Cammerjungfer eines bekommen hat, weil
die Herzogin von Meiningen bey Fritzens Seebach
wohnte, wo gedachtes Jungferlein mit geholfen hat . . .
Deti 8. Novbr. ... In Weimar ist große Stänckerei
von wegen der Jagemann, der Herzog ist w'ie Wachs
in den Händen der Person, es heißt, Göthe will zurück¬
treten, wenn die Jag. nicht von ihren intriguen läßt.
Die Mutter hat ihn neulich auf der Straße getroffen,
schreibt sie, er sei ganz consternirt . . .
Am 23. April 1809 erzählt Charlotte ihrem
Fritz von der sächsischen Einquartierung, die
Bernadotte kommandierte (Diintzer II, 310), und
fährt dann fort:
Ich habe dem Cotta ein Bildchen für Dich mit¬
gegeben in der Hoffnung, es in Leipzig durch Breß-
lauer Kaufleute es Dir zustellen zu können, ich habe
das große Oelgemählte von Deinem Vater mit Silber¬
stift en mignature kopirt und ist recht ähnlich geworden.
Wielands Schwiegertochter Madame Stichling ist vor¬
gestern nach langwieriger Krankheit gestorben, als
eben den Tag vorher ihre Schwester die Reinholden
mit ihrem Manne aus Kiel angekommen waren, den
alten Papa Wieland zu besuchen. Ich weiß nicht, ob
ich dir schon geschrieben habe, daß der arme kleine
Schmidt, der nie eine Seele betrübte, verrückt geworden
ist; vor die Bibliothek ist es ein großer Verlust, und
ist kein so gefälliger Mensch mehr oben, der einem
ein Buch aufsuchte, wenn es schwer zu finden war.
Ich lese jetzt ein Buch Sur la litterature du i8me siede,
das sehr hübsch ist und wo mir manches aufstößt, das
ich noch nicht kannte, es ist erst dies Jahr heraus ge¬
kommen, von einem ungenannten; wenn ich auf die
Bibliothek schicke, so heißt es, es ist nicht da, und da
vermiß ich immer unser Schmitchen. Die Post geht,
leb wohl.
Übrigens fehlt auch Stichling im Stammbuch
Fritzens nicht. Die Eintragung lautet:
Leben ist nur ein wandelnder Schatten, ein armer
Schauspieler, der seine Stunde lang auf der Buhne
groß thut und hernach nicht weiter gehört wird.
Weimar den 28. July 85. Karl Stichling.
Im Dezember erhält Charlotte von Fritz
die Nachricht, daß er zum Generalrepräsen¬
tanten der schlesischen Landschaft gewählt
worden sei und schreibt ihm am 12.:
Es ist mir sehr lieb, daß Du bey der Landschaft
bist gewählt worden, weil ich glaube, es wird Dir an¬
genehm seyn. Die Schillern glaubt, Humbold [der
Fritz eine neue Staatsstellung verschaffen sollte] werde
wohl die preußischen Dienste verlaßen, weil er von
seinem Schwiegervater vermuthlich eine reiche Erb¬
schaft bekommt, Du wirst w-issen, daß er gestorben
ist . . . 4. Januar jSio. Wenn Du nur Dein Guth
erhalten kannst wegen der Stelle vom Landschafts¬
repräsentanten, Humbold hat der Schillern gesagt, es
werde kein andrer als Du die Vize Presidenten Stelle
bekommen, so bald sie zu haben und wenn er noch in
ministerio wäre — er werde auch in Dienst bleiben —
Dir gewiß dazu behülflich seyn. Er ist hier, aber ich
habe ihn noch nicht gesprochen. Vorgestern hatte
ich einen Besuch vom Obersten Burr, ein Amerikaner
aus den vereinigten Staaten, Du wirst wohl seine Ge¬
schichte aus den Zeitungen kennen, er mußte flüchtig
werden, doch nach Untersuchung seiner Pappiere hat
man ihn frey gesprochen; er brachte mir Briefe aus
Stockholm von Imhoffs, die Hehvig wird wohl jetzt in
Wochen liegen . . .
Fritz steht vor einer zweiten Ehe. Er ver¬
lobt sich im Januar 1810 mit der jungen Gräfin
Amalie von Schlabrendorff-Seppau. Am 20.
gratuliert ihm die Mutter, zugleich im Namen
Goethes, „der eben hereintritt“, und schreibt
am 27. April:
Ich habe lange nichts von Dir gehört, wie geht
Dirs, lieber Fritz? Bist Du wohl und glücklich? Ich
höre, daß den qte May die Oertein gedenkt, von hier
nach Schlesien abzureisen, von dieser kannst Du Dir
vieles von Weimar erzählen lassen. Unser Herzog
ist jezt in Dresden, die Prinzes Amalia von Baden ist
zu ihrer Mutter gereist mit 5 Wagen von Petersburg,
wo sie 6 Jahr war, hat sich einige Tage hier aufgehalten,
künftigen Sonnabend erwarten wir Prinzes Wilhelm
von Preußen. Ich lebe in der Stille, sehe nur Prinzes
Caroline, so viel möglich, da wir uns bald trennen
müssen. Goethe hält sich schon lange in Jena auf,
von Zobeltitz, Das Stammbuch Fritz von Steins.
335
schreibt mir nicht ein Wort, aber er ist wohl, hat sogar
in Drachendorf [Drakendorf] bey Zigesars getanzt,
wurde aber schwindlich, fiel hin, es hat ihn aber nichts
geschadet, es ist schade, daß eine so ausgezeichnete
Natur nicht immer jung bleiben kann. Was macht
Deine Braut, wird sie sich vor glücklicher halten als
Helene sich hielt? Das Blatt mit die bunten Bilder¬
chen, so ich Dir mitschicke, gieb Mariechen, grüß
alle meine alten schlesischen Bekannten - Deiner
Braut sag aber vorzüglich recht viel liebes und Gutes
in meinem Namen; ich hoffe sie noch kennen zu
lernen und freue mich drauf. Du glaubst, Frl. Bose
wohne nicht mehr bey mir, doch weis ich nicht, was
Dich dazu veranlaßt, sie wird auch so lange bey mir
bleiben, bis sie mit Frl. Knebel nach Mecklenburg
zieht. Denen Imhoffs will ich mein Qartier anbieten,
wo Marwitzens gewohnt haben, aber noch habe ich
den 2ten Brief nicht erhalten, der mir ihre Ankunft
noch einmahl bestimmen soll. Die Übersetzung des
Chalderons, so Goethe vorgelesen, ist vom Schlegel.
Seit gestern ist die Melisch [Frau von Mellish] hier,
nimmt von ihren Verwandten Abschied, um mit 4 Kinder
und ihrer Schwester Christiane zu ihren Mann nach
Amerika zu reisen, das giebt unendliche Thränen, wie
Du Dir vorstellen kannst mit den zwey hiesigen
Schwestern. Ich bin in Trennungen geübt und bin
auch recht allein in mir. Das Bildchen von Deinem
Vater schicke ich Dir. Lebe wohl guter Fritz.
Infolge der bevorstehenden neuen Vermäh¬
lung Fritzens wollen die Großeltern Stosch ihre
drei Enkel Lothar, Guido und Marie von Stein
zu. sich nehmen; Fritz hat vorläufig seine Zu¬
stimmung gegeben, was Charlotte gar nicht
recht ist (Düntzer II, 328). Am nächsten Tage
(10. Mai 1810) fügt sie sorgend hinzu:
Herr von Schelia aus Gotha erzählte mir, Deine
künftige Frau bekäme ihr Vermögen nicht eher, ehe
als bis sie ein Kind habe? Mich ängstet, daß Du bei der
großen Schuldenlast auf Deinem Guth viel Sorgen haben
mußt, besonders durch den großen Verlust vom Krieg,
so dazugekommen . . . Glaubst Du wirklich wieder im
Dienst angestellt zu werden und wozu hast Du die
Aussicht? Beantworte mir etwas meine Fragen. Recht
sehne ich mich, Dich einmal wieder zu sehen. Die
Frau von Beust, Stiefmutter der Frifri, ist einige Zeit
hier, sie hat Dich in Leipzig gesehen, als wir dort eine
Zusammenkunft hatten, sie sagt mir, daß Du ihr beson¬
ders Wohlgefallen und hätte ihr Dein artiges Betragen
gegen mich besonders gefreut; die arme Frau hat
einen einzigen Sohn, den sie sehr liebte, vor ein paar
Jahren verlohren . . . Künftigen Sonnabend geht unser
Herzog, Erbprinz, Gräfin Henckel nebst Frau von
Spiegel auf die Leipziger Messe, da kannst Du Dir,
wenn Breßlauer auf der Messe sind, etwas von die
Weymeraner erzählen lassen . . . (iß. Juni) Ich war
gestern krank an Keichhusten, bringe oft meine Zeit
in einer beständigen Betäubung zu, sonst hätte ich Dir
längst geschrieben; die Krankheit ist hier epidemisch,
die Großfürstin, das kleine Prinzeschen, alt und jung
Z. f. B. 1905/1906.
haben diesen Husten. Nun hast Du wohl wieder eine
liebe Gefährdin in Strachwitz, möget Ihr beyde liebe
Kinder recht glücklich seyn . . . (iß. Juni) . . Ich
schreibe Dir im Bett, früh 9 Uhr, vielleicht setze ich
heute Abend noch ein paar Worte hinzu, wenn ich auf
bin; schreib mir ja bald etwas von Deiner Amalie und
von Deinen Kindern; an Herrn von Stosch hatte ich
noch nicht die Kraft zu schreiben. Sind denn die
Münzen und das Bildchen angekommen?. . HeuteAbend
kommen Imhofs und die Helwig zumThee, die Helwig
hat hübsche Kinderchen . . . (22. Juli) . . Prinz Gustav
trug mir viele Grüße an Dir auf, ich weiß nicht, ob ich
sie ausgerichtet. — Die Helwig geht übermorgen nach
Schwalbach, wird sich das übrige Jahr in Rheingegen¬
den aufhalten und künftigen Sommer wieder nach
Schweden zurückgehen , wo alsdann Louischen zu Dir
ziehen will, Käthchen bleibt aber hier bey mir, bis ihr
Bräutigam Deron sie abholen wird und wird sich hier
oder in Kochberg erst trauen lassen. Die Helwig ist
sehr liebenswürdig und ihre Kinder wahre Engels.
Louischen gefällt mir auch sehr, Käthchen hat sich auch
zu ihrem Vortheil verändert. Ich hoffe, Frau von
Stosch [die in Weimar zu Besuch weilt] wird Dir alles,
was ich ihr vor Dich gab, überliefert haben; ich hätte
ihr gern eine Höflichkeit erwiesen, aber meyn ewiges
Kranksein vom Keuchhusten hat mich so verstimmt,
daß ich gar kein Antheil an nichts mehr nehmen
kann . . . Schreib mir doch, wie Deine Gesundheit
steht und ob Du glücklichen Tagen entgegen siehst,
nehmlich nicht in der Welt, sondern in Deinem Hauß.
Fritz wird nicht glücklich in seiner zweiten
Ehe. Schon am 7. Februar 18 11 schreibt ihm
seine Mutter, sie wolle zu ihm kommen, um auf
„die scheue Amalie“ einzuwirken. Ein Brief
vom 30. Januar hat ihr inzwischen mitgeteilt,
daß Amalie zu ihrer Mutter zurückgekehrt ist;
die Antwort Charlottes gibt Düntzer (II, 342)
wieder, schiebt aber einzelne Briefstellen durch¬
einander. Am 1. März schreibt Charlotte:
Deinen Brief vom 16. Febr.-, lieber Fritz, habe ich
erhalten, es fiel mir eben heute ein Brief von Dir vom
1 2ten Jan: vorigen Jahres in die Hände, wo Du mir
Deine Versprechung mit der nun schon wieder von Dir
Getrennten zu wissen thatst; noch bleibt mirs unbe¬
greiflich, da sie doch niemand gezwungen hat, Dich zu
heyrathen. — Wenn ich könnte nützlich seyn, so könnte
ich mich entschließen, nach Schlesien zu reisen . . .
Von Deron und seiner Frau [Kätchen] habe ich Briefe
aus Stockholm, sie schrieben mir beyde sehr glücklich
und sehr zufrieden vom neuen Kronprinz [Bernadotte] . . .
Ich habe heute durch ein Billet den Goethe an die
Münzen erinnert, die er Dir versprochen hat. Lebe¬
wohl. Deine treue Mutter.
Am 30. April kommt sie auf die Münzen
zurück und erzählt, daß Goethe seine Frau auf
die Jenaischen Studentenbälle schicke, wo die
Studenten ihr allerhand Schabernack spielten.
44
336
von Zobeltitz, Das Stammbuch Fritz von Steins.
Im Herbst ist Arnim mit seiner jungen Frau
in Weimar, und um diese Zeit spielt sich auch
jene Streitszene ab, da Bettina Christiane eine
„Blutwurst“ schilt (Brief Charlottes darüber bei
Düntzer II, 352); Weimar erstickte damals im
Klatsch. Den üblichen Geburtstagsbrief von
Fritz erwidert Charlotte noch am 31. Dezember:
Dein Brief, lieber guter Fritz, hat mich heute sehr
erfreut, und danke Dir für Deine guten Wünsche, die
meinem Herzen recht wohl thun. Mögte Dir das Neue¬
jahr Glück und Segen bringen; Du schreibst mir nicht,
ob sich die Schwangerschaft Deiner Frau bestätigt,
welche, ich hoffe, auf sie einen guten Einfluß haben
wird. Ich habe meinen Kochberger Kindern allen be-
scheeren lassen, groß und kleinen, aber sie waren nicht
hier; es thut mir immer leid, daß unsre große Entfernung
mich hindert, auch Dir und Deinen Kleinen so ein
Christgeschenk zu zuschicken; könnte es wohl Deine
Frau freuen, ihr einen Arbeitstisch zu schenken? —
Fritzens Briefe liest sie häufig Goethe vor.
Damals war Henrik Steffens nach Breslau
gekommen, und Goethe interessierte sich sehr für
das Urteil Fritzens über diesen; Charlotte be¬
richtet darüber (5. Dezember):
Goethe läßt Dir sagen, Du solltest Stephens Vor¬
lesungen als etwas außer Dir betrachten, wie es in des
Vorlesers Vorstellungen zusammenhängt, es nicht mit
der Deinigen vereinigen wollen; er lobte Stephens an
und vor sich, selbst in seiner Naturphilosophie, aber
nicht ganz die Art, wie er es andern überliefere
Im Frühling nächsten Jahres klagt Charlotte
viel. Die törichte Hochzeit ihres Bruders Louis,
des Kammerherrn, mit der Gräfin Frifri Beust
regt sie auf, der Tod Kästners betrübt sie tief;
auch der Weimarsche Klatsch findet neue
Nahrung. Am 19. April 1812 schreibt sie an
Fritz:
Deinen Brief, 1. F., vom 8. und den vorhergehenden
von der Gräfin Maltzan habe ich richtig erhalten, so¬
wie auch die jetzige Einlage an ihren Sohn [der in
Weimar erzogen wird], Maltzan ist ein guter Junge,
aber Kästner hat sehr geklagt, daß er nichts lerne.
Die Kästnersche Familie ist bis jetzt hülflos, noch habe
ich [wegen etwaiger Unterstützung] allerwegens ab-
schlägliche Antwort bekommen, wo ich mich hinge¬
wendet . . . (1. Mai) Ich hoffe, Du bist jetzt wohl, wenn¬
gleich durch neue Lasten mit Sorgen überhäuft. Wie
gehts mit Deiner [zurückgekehrten] Frau? Wäre ich
nicht so alt und der Krieg und Theuerung überall —
bey uns wird das Brot immer theurer — so käme ich
diesen Sommer nach Breßlau. Graf Maltzan hat ein
gutes Herz, er nahm mit Thränen von mir Abschied;
Goethe kann das Abschied nehmen nicht leiden, er ging
ohne Abschied neulich von mir, nun reißt er heute von
Jena aus, wo er einige Tage war, nach Carlsbad ab, in
der kalten Witterung. Er eilte so entsetzlich geschwind
zu meiner Thür hinaus, daß mir es wunderbar vorkam,
ich glaube ich sehe ihn nicht wieder. Ich weiß nicht,
ob ich Dir schon schrieb, daß Riemer an Schulzens
Stelle hier bey der Schule angestellt ist MUe. Jage¬
mann hat die fürstliche Familie wieder mit einem
Töchterchen vermehrt; man sagt, sie werde das Palais
von der Herzogin Mutter künftig beziehen oder be¬
kommen. Man hatte Stroh in die Straßen gestreut, wo
sie in Wochen lag, um das Lermen der Fuhren zu
dämpfen; darauf stand ein Pasquill an ihrem Hauß,
Huren müssen auf Stroh sterben, die Polizey nahms
geschwinde ab. Dieser kleine Hof soll mehr kosten wie
der große, es macht im Allgemeinen einen üblen Ein¬
druck. Ich lege einen Arbeitsbeutel bey, den schenk
in meinem Nahmen entweder Deiner Frau oder Marie-
chen. Deine Dich herzlich liebende Mutter v, Stein...
(18. September) Goethe ist zurück, war gleich bey mir,
er sieht gut aus, aber seine Augen sind nicht mehr die
alten. Es ist, als wenn er keine Ruhe habe, es treibt
ihn immer fort, jetzt will er nach Jena. Zu mir ist er
höflich und freundlich, manchmal als drücke ihn was
und dann wieder von schöner Heiterkeit . . .
Von nun ab werden die Briefe Charlottes in
meinen Konvoluten seltener. Am Geburtstage
der Grobfürstin 1813, der mit lebenden Bildern
gefeiert wird, entzückt Amalie von Stein, Karls
Frau, Goethe so, dab er ihr um den Hals fällt.
Wieland und die alte Frau von Seebach sterben;
das erste Exemplar der Trauerrede auf Wieland
sendet Goethe der Freundin. Der alte Knebel
wird noch durch einen Sohn beglückt; dazu
dröhnen die Kriegskanonen. Am Geburtstage
Charlottes ist Goethe einer der ersten Gratulanten,
macht ihr auch einen Neujahrsbesuch. Einem
Briefe vom 16. Juni 1814 fügt sie unter dem 18.
die Worte an:
„Goethe war eben einen Augenblick bei mir, kam
von Berka, wo er jetzt Schwefelbäder nimmt, um die
Prinzeß von Mecklenburg zu besuchen. Er ist blaß und
geht so vornüber, ich fürchte vor ihn.“
Auch in den folgenden Jahren ist Charlotte
viel krank. Am 8. März 1817 schreibt Karl
an Fritz, die Mutter habe ihm zum Geburtstag
allerhand Sübigkeiten mit folgenden Knittel¬
reimen aus Weimar geschickt:
Viele schöne gute Tage
Wünscht ein treues Mutterherz
Zu dem heutgen 8ten März —
Daß Dir alles wohl behage
Mögen künft’ge Enkel Dein
Lieblich wie die meinen seyn.
Zu dem Feste kommt hierbey
Auch etwras zur Leckerey.
Unter dem 12. März fügt Karl hinzu:
Gestern sendeten wir den gewöhnlichen Bothen,
weil aber meine Mutter zur Herzogin zum Frühstück
von Zobeltitz, Das Stammbuch Fritz von Steins.
337
war, so erfuhren wir wenig oder nichts, es müßte denn
das seyn, daß der „Schutzgeist“ [von Kotzebue] aber¬
mals aufgeführt wurde, welcher vorher mit seinen vielen
Akten allen zu lang war, jetzt aber durch die Be¬
schneidung, die Göthe sehr geschickt dran gemacht
haben soll, sehr gerühmt wird. Sein Freund Kotzebue
wird das sehr übel empfinden . . .
Charlotte erkrankt von neuem recht schwer.
Äußere Einflüsse wirkten mit: der Übertritt
ihrer Schwägerin Sophie zum Katholizismus und
zweifellos auch die Sorgen Goethes wegen der
Theaterintriguen, die sie teilte.1 Erst am 20. Juli
kann Karl Fritz melden:
Mit der Mutter ihrem Befinden geht es etwas
besser, nur sehr langsam, und der Artzt hat seine Noth,
daß sie nichts einnehmen will. Schreiben thut sie nicht,
allein sie ist sorgfältig für eine Menge Dinge, mit der
Thätigkeit, die sie immer hat, auch hat sie nicht ver¬
gessen, mir wie gewöhnlich Honigkuchen (den ich sehr
liebe) vom Weimarschen Jahrmarkt zu senden . . .
Karl [Charlottes Enkel] muß alle Wochen an den Erb¬
großherzog einen Bericht von dem Befinden der Mutter
nach Pyrmont senden, auf Verlangen des Prinzen, die
Fräulein Staff muß einen Bericht an die Herzogin
machen [nach Baden], und die Schillern einen an die
Großfürstin [nach Ems] . . .
Und ein paar Tage später als Schlußschrift
eines weiteren Briefes:
Der Theater Krakehl ist Mutter sehr nahe gegangen.
Göthe soll schwer darunter leiden, aber Carolinchen
[die Jagemann] brüstet sich als wie ein Pfau und würde
wohl Rad schlagen, wenn sie könnte. Es ist ein Skan¬
dal, verstehe den G. Herzog wer kann . . .
Am 29. August schildert Karl dem Bruder
seine Korrespondenz mit Goethe wegen der zur
Zeit in Gleinig bei der kleinen Marie von Stein
zur Erziehung weilenden Madame Vary, die sich
mit dem alten Herrn von Stosch nicht recht
vertragen konnte. Die Antwort Goethes ist in
der Weimarer Ausgabe (28,216) abgedruckt;
die Erläuterungen Karls sind indessen so amü¬
sant, daß sie hier folgen mögen. Er schreibt:
. . . Ich erhielt vor etwa 4 Wochen einen Brief von
Berlin, woraus eine Correspondenz entstand, die ich Dir
mittheilen muß. Sub rosa.
Adresse: „Sr. Hoch- u. Wohlgebr. den Hm. Bar.
v. Stein-Kochb. zu Kochb. bey Weimar frey incl. ein
kl. geheftetes Buch.
„Ein liebenswürdiges Kind nannte mir Ihren
Namen. Ich kenne niemand in Weimar, und da der
Hund des Aubrie mir Göthens Adresse geraubt hat,
so entschuldigen Sie, wenn ich vertrauensvoll bitte, den
Ort seines Aufenthalts auf beyliegenden Brief zu
schreiben und ihn abzusenden.
„Freymaurer erkennen sich am Zeichen! — mir
fehlt der Beweiß, daß ich Ihrer Gefälligkeit werth bin.
Ich bin eine Frau ohne Titel — ohne Schätze, aber
dennoch reich, denn ich besitze die Juwehlen der
Cornelia.“
Ich schrieb darauf an Göthen d. d. 6. Aug.
„E. E.
ersehen aus beyliegendem gestern er¬
haltenen Zettel und couvert timbirt von Berlin, daß
ein anonymes Begehren an mich ergangen ist, Ihnen
die Juwelen einer modernen Cornelia zuzusenden,
unter dem Vorwände, daß sie Ihre Adresse nicht weiß,
die doch der ganzen Welt bekannt ist. Da ich nun aber
diesen versiegelten Juwelen Kindern nicht ansehen
kann, ob es Kregel sind, für welche E. E. wohl kein
Findel oder Waisenhaus besitzen und da es eine gefähr¬
liche Beschäftigung ist, sich durch Bestellung anonymer
Briefe vielleicht einer darinn enthaltenen möglichen
Unart theilhaftig zu machen, so ersuche E. E. mir
wissen zu lassen, ob dieser Schmuck bey der hiesigen
Douane erst visitirt werden soll, indem ich nichts anders
als angenehmes Ihnen übersenden möchte, bey der
vieljährigten Anhänglichkeit und Verehrung, womit
ich bin
E. E. gehorsamster Karl v. Stein.“
Antwort.
„Ew. Hochwohlgbr. geprüfte Neigung und Freund¬
schaft erkenne vollkommen an der mir gezeigten neuer¬
lichen Aufmerksamkeit. Möchte die Douane von
Kochberg, nach vorgängiger Untersuchung des ver¬
dächtigen Paquets, wie damit weiter verfahren werden
sollte, pflichtmäßig beurtheilen und ihre Überzeugung
zur Ausführung bringen, so wird dadurch gewiß voll¬
kommene Zufriedenheit erreicht seyn.
„Der ich mit aufrichtigem Dank für Ihr geneigtes
Benehmen, unter den treuesten Wünschen für das
Wohl Ihres geschätzten und geliebten Hauses, zu ge¬
neigtem Andenken und Fortsetzung wohlwollender
Gesinnung mich angelegentlichst empfehle.
(unterschrieben)
„Weimar d. isten Aug. 1817 gehorsamst
Goethe.“
Du kannst Dir wohl denken, daß ich nunmehr eiligst
zur Eröffnung des meine Neugier reitzenden Paquets
schritt. Ich fand ein grünes Pappier, mit grünseidnen
Bändgen oder Fädgen übers Kreutz so mannigfaltig
umflochten, daß ich zur Scheere schreiten mußte, und
nun enthüllte sich erstlich ein in einem artigen weiß-
seidnen mit Sokrates Kopf auf der einen Seite und
mit einem Tempelchen auf der andern sauber gestickten
Einband ein geschriebenes Werkchen als Einleitung
zu einem größeren, was nemlich der beyliegende Brief
der Verfasserin erläuterte. Es war eine Mittheilung
von Natur und Zustands Gefühlen, eingekleidet in das
dem Fühlenden sich ereignenden Erscheinen allerhand
Genien in Menschlicher Gestalt. Dem Briefe der Ver¬
fasserin war ein Zeugniß eines gelehrten braven
1 Vergl. Goethes Brief an Charlotte vom 31. März 1817, den Düntzer (II, 445) nach dem Original aus Löpers
Besitz (jetzt im Goethe-Schiller- Archiv) zuerst mitgeteilt hat.
338
von Zobeltitz, Das Stammbuch Fritz von Steins.
Mannes aus Hamburg sehr vorteilhaften Inhalts über
ihre Moralität beygelegt. Der Brief selbst enthielt
eine Schilderung ihrer Verehrung für Göthe , aus¬
gezeichnet für Schiller und andre, dann den Wunsch,
ihre gegenwärtige Laufbahn zu verlassen, und durch
Göthe am Rhein oder sonst mittäglichem Deutschland
einen neuen Standpunkt zu erhalten, weil ihrem jetzigen
Würken zum Guten manche Hindernisse in dem Weg
liegen durch einen Großpapa [gemeint ist der alte
Baron Stosch]. Dann lobt sie sich auch ein bisgen rück¬
sichtlich ihrer talente, und durch die vorübergehende
Bemerkung, daß „wenn gleich so mancher Kummer ihr
Haar auch nicht gebleicht habe“, sieht man auch, daß
sie keine graue Haare hat, und ihre addresse: An
Mdme Vary, geb. (habe ich würklich vergessen) zu
Gleinich bey Hrn. B. v. Stosch pp.
Rapport an Göthe deswegen.
„Meine douanen inspection ist zu prosaisch, um die
artigen Parabeln einer klagenden Nachtigal, die E. E.
ihre Stückchen Vorsingen will und welcher Sie zu einem
Vogelbauer am Rhein verhelfen sollen, für contrebande
zu erklären. Ich habe die Ehre, sie hier zu überreichen
und bedaure nur, daß die grün seidne Faden, womit
das ganze sorgfältig umwickelt war, durchschnitten
werden mußten, um zu der wahren Nuß zu gelangen.
Vielleicht lag ein Mystischer Sinn in den geflochtenen
Quadraten, und der ist nun verlohren gegangen.
„Im ganzen bin ich doch der Madame Vary, die
ich nie nennen hörte, sehr dankbar, daß sie mir Ge¬
legenheit giebt, in E. E. gütige Erinnerung mich zurück¬
zurufen, wenn gleich sie die Fräulein [Marie von] Stein
(die vermuthlich meines Bruders Tochter und zugleich
das schöne Kind ist, was ihr meinen Namen sagte) mit
allen ihren sich bewußten Talenten böslich verlassen
will. Allein sie appellirt an E. E. protection, und da
hat sie meine Verzeihung. Verehrungsvoll
E. E.
K. 20. August 1817. ganz gehorsamster
C. v. St.“
Vermuthlich hat Göthe nun das Paquetchen, denn
ich habe es meinem Sohn Karl mitgegeben, welcher
mit seinem Bruder hier angeritten kam, nach ein paar
Tagen aber zu seinen Studien nach Weimar zurück¬
gekehrt ist . . .
Ich erzählte schon, daß Fritzens drei Kinder
bei den Großeltern Stosch lebten. Marie fühlte
sich dort nicht glücklich und hatte eine heiße
Sehnsucht nach dem Vater, die sich in rührenden
Kinderbriefen wie auch in dem folgenden Stamm¬
buchblatt kundgibt:
Guter Vater: Da wir durch eine traurige Ent¬
fernung so viel von einander getrennt sind, so denke
meiner oft, dann wird, wenn bange Sehnsucht mich
ergreift, der Gedanke, daß unsre Seelen doch keine
Trenung von einander scheiden kann, trösten
Deine Dich innig liebende
Breslau d. ioten Juni Tochter Marie.
1820.
Im Dezember 1819 finden wir auch Fritzens
Sohn Guido im Stammbuch eingetragen. Er
schreibt kurz, bündig und gelehrt:
Ama me.
Wratislavia Guido filius.
27 Decembris
1819.
Einer Neujahrsgratulation (13. Januar 1819)
für Fritz fügt die Tante Schardt u. a. folgendes an:
... Da giebt es Menschen, die von den Pfeilen
des trüben Schicksals verschont bleiben ihr Lebelang,
so z. B. Göthe, der so lange wir ihn kennen, alle Guter
des Lebens ohne Mühe erhielt, Ruhm und Ehre durch
Götter-Gabe, und immer nur seiner Neigung folgte in
seinem Leben und Thun; Kind und Enkel erheitern
sein Alter! — es beweist aber nichts, daß die Glück¬
lichen dieser Zeit auch in Wirklichkeit glücklicher sind.
Daß mir von Göthe hier in die Feder kam, ist dadurch
veranlaßt, daß ich an ihn dachte, wie uns durch ihn
neuerlich die Erinnerung von Weimars alter Herrlich¬
keit wieder aufgegangen ist, die auch Er erschaffen hat
Es ward der Kaiserin Mutter zu Ehren [die russische
Kaiserin war im Dezember 1818 in Weimar auf Besuch]
ein Masken Aufzug gegeben, den Göthe anordnete und
mit Gedichten begleitete — dieser führte die Verstor¬
benen, Wieland und Herder, zuerst vor — in der
legende, dem Cid pp., bey jedem waren passende Ge¬
dichte — Wieland, Herder, ihr Andenken wurde wie
schön, wie heilig zurückgerufen! nun kamen Göthes
Stücke, der Übergang der Verstorbenen auf ihn war
zart und rührend — indem er sich — für einen Moment
selbst aussprach: „Ich steh allein!“ — Diese Stelle er¬
innerte an die Zueignung des Faust, die Ilm wars, die
diese Rede sprach. Als der Zug der vorzüglichsten
Götheschen Stücke vorüber war, erschienen Schillers
— es kam mir mehr traurig als frölich vor, wie alle
diese Gestalten der Vorzeit vorüber schwebten — u.
war dies wie ein Schwanen Gesang des einzigen, übri¬
gen, der die Kette einer Zeit schließt, die nie wieder¬
kehren wird . . . Dieses Fest konnte auch nirgend als
nur in Weimar so gegeben werden . . . Warum mußte
das Schicksal Dich so wunderbar von uns wegnehmen,
wie gut wär es für die Deinen hier gewesen, wenn wir
Dich gehabt hätten! Ich glaube, es ruhte damals ein
Unsegen auf den Weimarschen Verhältnissen, daß es
so kommen mußte . . .
Fritz hat inzwischen neue Sorgen: sein armer
Lothar siecht an unheilbarem Leiden dahin.
Um den Vater herauszureißen, drängt Marie
auf die längst geplante Reise zur Großmutter
nach Weimar, wo Fritz mit ihr und dem alten
Herrn von Stosch Anfang Juni eintreffen. Am
18. bittet Goethe den „Breslauer Freund“ zu
sich; dann reist Fritz nach Kochberg und
nach Kosen. Im April 1821 bringt der Gro߬
vater Marie und Guido noch einmal nach Wei¬
mar, Ende des Jahres trifft auch Fritz nochmals
von Zobeltitz, Das Stammbuch Fritz von Steins.
339
ein, und Charlotte kann sich an ihrem Geburts¬
tage an der Anwesenheit beider Söhne erfreuen.
Einem Briefe an Fritz vom 15. April 1822
legt sie folgenden Zettel bei:
J/
<£-i.
'**^**'2^/
ff
/tfZ, 2—
A
']^U
Am 5. Oktober desselben Jahres meldet
Marie ihrem Vater in einem herzenswarmen
Briefe, daß der Hauptmann von Zobeltitz um
sie angehalten habe, und um die Mitte des
Monats erhält Charlotte die beglückende Nach¬
richt von der Verlobung ihrer Enkelin, der ein
Jahr später die Hochzeit folgt. Charlotte ist
wieder viel leidend und tritt mit geringen Hoff¬
nungen in das Jahr 1824. Am 3. Januar mel¬
det Karl seinem Bruder den Tod der alten Frau
von Lengefeld, „was dir vielleicht die Schillern
schon geschrieben hat“, am 27. Februar erzählt
er allerhand Neues aus Weimar:
... Zu den Geburthstagen habe ich mich nicht sehen
lassen. Des Erbgroßherzogs seiner wurde durch eine
Masquerade gefeiert, wovon die Großfürstin die Kosten
trug. Es ging aber auch nicht ohne disjust ab. Die
Jagemann als Frau von Heigendorff und Stroh meier
als Hofrath wollten durch den Hoffourier eingeladen
sein und schickten die Billets, die die Großfürstin für
die vornehmsten der Schauspieler ihnen hatte zu¬
kommen lassen, beleidigt zurück. Der Großherzog fand
sich mittelbar auch beleidigt, daß die Großfürstin
seine maitresse nicht nebst ihrem Strohmeier durch eine
expresse Einladung honoriren wollte, blieb daher nur
sehr kurze Zeit auf der Masquerade. Übrigens hat
Herr Riemer wie gewöhnlich die Aufzüge und alle¬
gorischen Verkappungen besungen, wodurch man er¬
fahren hat, was sie bedeuten sollten. Bald darauf wurde
die Masquerade auf dem Stadthaus noch einmal ge¬
geben, wo dann die beleidigten Personen und ihr An¬
hang sämmtlich weg blieben. Bey dem Schauspiel aber
zum Geburthsfest der Großfürstin hatte die Jagemann
als Directrice des Theaters bekannt machen lassen,
daß weder abonnement noch Freybillets gültig wären.
Darüber war es sehr leer, und bey dem gewöhnlichen
Beyfallsklatschen oder Respektklatschen, wenn die
Großfürstin erscheint, stemmte die Jagemann beide
Fäuste auf die Brustlehne ihrer
Loge und klatschte nicht mit . . .
In einem nicht datierten,
wohl aus dem Frühling 1825
stammenden Briefchen schreibt
Charlotte ihrem Fritz:
Lieber Fritz; hier nur ein Wort,
denn mein ewiger Kopfschmerz,
meine schwachen Augen und alle
übrigen Schmerzen erlauben mir
kein Schreiben. Mein Sekretär die
[Charlotte von] Alefeld, ist verreißt.
_ Du wirst doch der President
Schwendler Brief erhalten haben,
sie erbat sich Dir zu antworten auf
den Brief vom 29. April. Hier die
Quittung, die ich bezahlt habe. Viele
Grüße an Deine Kinder. Tausend
Glück und Segen sey mit Dir.
Deine Dich herzlich liebende Mutter Stein.
Dabei liegt noch ein Papierstreifen mit den
Worten: „Goethe hat mich neulich recht von
Hertzen erfreut.“ Vielleicht bezieht sich die
Äußerung auf das Medaillonporträt, das er ihr im
Sommer 1825 schenkte und das ihr, wie sie auch
an Knebel schrieb, große Freude bereitet hatte.
Fritz will die Mutter im September noch
einmal besuchen, wird aber verhindert, was
auch Goethe lebhaft bedauert (Schöll-Wahle II
No. 797). Er trifft erst am 23. September in
Weimar ein; die Freude Charlottes wird noch
erhöht durch die Nachricht, daß ihre Enkelin
Marie von Zobeltitz eines kräftigen Knaben
genesen ist. Der Tod von Charlotte Schiller
regt sie im Sommer 1826 heftig auf. Am
28. Juli schreibt sie an Fritz:
Hier, lieber Fritz, nur ein Wort. Danke für die
Vaterländische Cultur [die sie an Goethe weitergegeben.
Schöll-Wahle II, S. 462] und für Mariechens schöne
Arbeit; wenn mich das gute Kind nur auch pflegen
könnte wie ihren [erkrankten] Mann. Gutmüthige
Freunde nehmen sich meiner an. Ich bin recht ver¬
lassen; denn auch die reisen fort. Die Schwendlern
sieht mich mit partheiischen Augen an, sie ist gar zu
gut gegen mich. Die Kochberger leben glücklich in
ihrem Thal. Kaum war Amalie 8 Tage bey mir, und
daß ich so völlig taub, trennt mich von der Welt. Daß
die Schillern tod ist, hat mir sehr weh gethan. Mit Frl.
Staff muß ich im Dunklen sitzen, da ihre Augen noch
schwach sind. Daß ich mich in dem Universum immer
mehr verirre, macht mir die Welt confus.
340
von Zobeltitz, Das Stammbuch Fritz von Steins.
29. Bey der Stelle kam mir gestern eine visitte,
und heute ist mein Kopf so schwer, daß ich Dir, Ma-
riechen und Guido nur noch ein Lebewohl sagen kann.
Deine Dich herzlich liebende Mutter v. Stein.
Am 28. August d. J. folgt ihr letzter Brief
an Goethe, den er mit dem Gedicht „Den
Freunden“ und einem kurzen Billett (Schöll-
Wahle II No. 801) beantwortet. Im September
und November richtet sie noch zwei Briefe
an Fritz, die Düntzer wiedergibt (II, 513, 516).
Ende November will sie noch einmal ihrem
Liebling schreiben. Der (nicht datierte) Brief
beginnt:
Nach dem Worte „können“ ist der Leiden¬
den die Feder entsunken, und ihre liebe kleine
Pflegerin Luischen Stein muß den Brief voll¬
enden. Es waren wohl die überhaupt letzten
Zeilen, die Charlotte schrieb. Am 6. Januar 1827
in der siebenten Abendstunde erlöst sie der
Tod. Charlotte von Ahlefeld, Karls Schwägerin,
berichtet über ihr Hinscheiden eingehend an
Knebel. Ein Teil ihres Nachlasses wurde ver¬
auktioniert. Am 1. Juni schreibt Karl an Fritz:
Ich hoffte immer, Dir den Rechnungsabschluß der
Auktion zusenden zu können, allein Hr. Auktionator
Irrgang hat die Rechnung noch immer nicht abge¬
schlossen ... Es sind inclusive des Rings und der
kleinen Andenken eine Menge Dinge über, wovon ich
später Dir das Verzeichniß schicken kann. Es ist lang¬
weilig und wollte, Du wärest hier, um selber Deine
Meinung zu sagen hauptsächlich in Hinsicht der
Pappiere und Briefe . . . Der Erbgroßherzog ist wohl
20 Mal bey meiner Frau gewesen, um die zu ver-
auktionirenden Sachen zu besehen, bey dem darüber
von unserm Advokaten aufgenommenen general Ver¬
zeichniß waren zu allen, also auch zu den nicht zu ver-
auktionirenden Dingen Nummern gelegt. Der Prinz,
welcher bey ein paar zerbrochenen Vasen von Pappe,
die er selbst gemacht, und bey ein paar in Form von
Vasen geschliffenen Porphyr Dingen (die ein Geschenk
glaube ich von seiner Gemahlin sind) auch Numeros
liegen sähe, ereiferte sich, daß man sie verauküoniren
wolle. Meine Frau versicherte ihm das Gegcntheil.
Während der späterhin erfolgten Auktion verlangte
aber der Auktionator expreß die Porphir Vasen, weil
der Prinz sie kaufen wolle. Meine Frau hätte sie nicht
hingeben sollen, allein aus Respekt gab sie sie. Der
Prinz kaufte sie und zwey Majolica Teller und eine
Papp Vase und schrieb meiner Frau einen freundlichen
Brief und bat sie, diese Dinge von ihm zum Andenken
zu nehmen . . . Deine Büste [wohl
die von Tieck] steht in meiner
Wohnung und wirst Du sie schwer¬
lich von mir herausbekommen. Sie
hat was ähnliches vom Guido. Ich
wünsche sehnlichst Nachricht von
ihm zu erfahren . . .
Wenige Tage später schreibt
Karl u. a. nochmals:
... Ich wollte, Du kämst her
und hilfst, die Pappiere der Mutter
ordnen. Es ist viel darunter, wo¬
von fremde Leute nichts zu wissen
brauchen . . .
Auch um Fritz wird es ein¬
sam. Sein Sohn Lothar ist
von langem Siechtum durch
den Tod erlöst worden, der
Tod raubt dem armen Vater
auch seinen blühenden Guido.
Als letztes Kind blieb ihm nur noch seine
Tochter Marie, die an der Seite ihres Gatten
ein glückliches Dasein führte. Mit welcher
innigen Liebe sie an dem Vater hing, beweisen
ihre Briefe an ihn.
Aus der letzten Sammlung der an Fritz
gerichteten Briefe seien noch ein paar Auszüge,
die Goethes Tod betreffen, wiedergegeben. Am
23. März 1832 schreibt der fast neunzigjährige
Herr von Schardt, der letzte lebende Bruder
Charlottes, an Fritz:
Lieber Stein! In den Jahren unserer Jugend wird
der Verlust eines Freundes leichte ersetzt; die Beur-
theilung solcher ist keiner strengen Untersuchung
unterworfen, wohl aber wächst solche mit den Jahren;
die Prüfung wird strenger und am Ende der Verlust
unersetzlich. Dieses wirst Du, lieber Stein, besonders
wahr finden, wenn ich Dich von dem Verlust Deines
und unseres Freundes Göthe benachrichtige. Er ent¬
schlief gestern halb zwölf Uhr zu Mittag. Etwas Um¬
ständliches von seinem Ableben kann ich Dir nicht
von Zobeltitz, Das Stammbuch Fritz von Steins.
341
schreiben, weil ich selbst davon noch nichts erfahren
habe; doch vielleicht bald hiervon ein Mehreres. Vor
der Hand begnüge Dich, als geborener Weimaraner
und immer von Göthe geschätzt gewordener Freund,
daß alle hiesige Einwohner, jeder nach seiner Art, sich
eines großen Verlusts bewußt sind. Unbemerkt kann
ich nicht lassen, daß am 22. März 1825 unser Theater,
so seine Vervollkomnung Göthe zu danken, in Flammen
aufging. Unser Herzog wollte den Schlafenden noch
sehen, allein er ruhte schon sanft, und unser Herr ging
aus dem Göthischen Haus mit Thränen.
Karl an Fritz, Kochberg den 27. März 1832:
Daß Göthe starb , wird sich wie ein Leuchtfeuer
schon zu Dir verbreitet haben, ehe dieser Brief an¬
kommt. Es war am vorigen Donnerstag um 3/ auf 12.
Er schlief sanft auf seinem Lehnstuhl, nachem er sich
noch freundlich bey seiner Schwiegertochter Schwester
für ihre sorgliche Wartung während seynem dreitägigen
Unwohlseyn bedankt hatte. Doch hatte er schon den
Donnerstag vor 8 Tagen, als er die Großfürstin bei
ihrem ihm wie gewöhnlich gemachten Besuch die Treppe
herunter begleitete, sich etwas verkältet und über Frost
geklagt. Heute ist sein Begräbniß und wird er im
Großherzogi. Gewölbe neben die Großherzogin Luise
beygesetzt. Man ist über die zu beobachtenden Feierlich¬
keiten nicht einig geworden, da seine Wohnung keinen
Saal hat, zur Platz erfordernden Ausstellung. Am
Tage nach seinem Verscheiden wurde das Theater
geschlossen, und gestern sollte sein Tankred gegeben
werden . . . Mein Schmertz sitzt tiefer, als daß er durch
Theater Scenen verrauchen möchte, und wenngleich
überzeugt, daß das Verblühen der schönsten Blumen
Bedingung ihre Entstehung ist, so laufen mir doch
Thränen über die Backen, wenn ich an den alten Mann
denke, den die Natur so ausgezeichnet hatte mit einer
großen Seele, der Dich einst so lieb hatte, und der
mich an Zeiten jugendlicher Verhältnisse und aller seit
dort verlohrener Umgebungen erinnert. Ein Glück,
daß uns der Himmel (wenn wir ewig sind) das Gedächt-
niß raubt, was wir vorher gewesen sind, denn die Er¬
innerung gewährt nur Schmerz über die Entdeckung,
daß nichts unser Eigenthum ist noch bleibt als das
momentane Lachen und Seufzen . . . Der Großherzog,
höre ich, hat sich vorgenommen, für den heutigen Tag
nach Eisenach zu entfliehen. Ich würde an seiner
Stelle Göthens Begräbniß beygewohnt haben . . .
Weimar wird nun wieder in sein altes Nichts zurück
sinken, woraus genommen es ist, da sein Geist zu Gott
stieg . . . (Nachschrift) Eben erhalte ich Nachricht von
meiner Frau [aus Weimar], daß das Begräbniß schon
gestern war und sie Dir das Genauere darüber gleich
schreiben wird.
Dies geschieht auch. Aus Weimar, 26. März,
schreibt Frau Amalie an Fritz:
Ich habe Dir lange nicht geschrieben und da Du,
die Ursache kennst, die mich so stumm machte, brauche
ich mich nicht zu entschuldigen — aber heute, wo ich
Ihn zum letzten male sah, den Freund Deiner glück¬
lichen Kindheit, heute muß ich Dir schreiben, weil es
mich drängt und weil ich glaube, daß Dir meine Zeilen
lieb sein werden, denn ich will Dir von ihm erzählen.
Am vorletzten Donnerstag besuchte ihn die Hoheit wie
gewöhnlich, er soll äußerst anmuthig gewesen seyn und
sie gut unterhalten haben — als sie wegging, war er
warm und fuhr bald darauf bei rauhem Wetter
spazieren, schon auf der Treppe verspürte er einen
Frost und wurde unwohl — Sontag am Hof behauptete
der Großherzog, welcher keinem traurigen Gedanken
Raum geben mag, daß er besser wäre, aber es ging
langsam zu Ende, und Donnerstag um 3/4 12 erlosch
der schöne Stern, der so lange über Weimar gestrahlt.
Das Theater blieb verschlossen, auch war kein Hof und
ist heute an seinem Begräbnißtag noch so, wo ganz
Jena und viele von Erfurt zur Leichenfeier herüber
kommen werden. Er hatte sein volles Bewußtsein bis
eine Stunde vor dem Tode, der ihn sitzend in seinem
Lehnstuhl, umgeben von weichen Kissen, sanft hinüber¬
trug, in jenes unbekannte Land. Er war äußerst zärt¬
lich mit Ottilie, so erzählte mir die Vulpius, die immer
dort war, und sagte: „Mein liebes Töchtergen, setze
Dich zu mir, so recht nahe, so, so“, und zu dem jüngsten
Enkel, den er gern hatte, sagte er: „Wie geht Dirs,
mein Bübchen?“ und halb in der Fantasie sagte er zu
dem Bedienten: „Hast Du denn mein Lexikon verkauft
oder gar verschenkt?“ Dann schlummerte er langsam
ein, glaubte aber nicht zu sterben, denn Tags vorher
sagte er zu Hofrath Vogel: „Machen Sie nur, daß die
Nacht gut wird, dann will ich mir schon weiter helfen“,
auch bestellte er Krebse zu kaufen, weil Vogel sie liebte
und sie selbige zusammen verzehren wollten. — Heute
ist sein Begräbnißtag; von früh 8 Uhr an war Er aus¬
gestellt, und die Ahlefeld, welche ihn durch V ergünstigung
schon vor 7 Uhr sah, machte mir so eine schöne Be¬
schreibung, daß ich auch hinging. Mama Coventry und
Miß Charlotte begleiteten mich; da beide ihn nie lebend
gesehen, so wollten sie sich sein Bild im Tode noch
eindrücken. Als wir aber in der Ackerwand (der Ein¬
gang war durch den Garten) das Treiben und Toben der
unbündigen Menschenmasse erblickten, so wollten meine
timiden Engländerinnen umkehren, doch ich setzte
muthig meinen Plan durch; mit Hülfe eines gensdarm
fanden wir den Präsident Schwendler, der uns auf
geheimen Wegen trepp auf und ab in’s Heiligthum
brachte. Wo es war, weiß ich noch nicht, man
sagte im Küch Hause, das aber war einerlei, es war
in eine schwarze Wölbung verwandelt, alles drapirt,
Myrthen, Lorbeern und Cypressen standen an den
Wänden herum, Armleuchter mit vielen Kerzen be¬
strahlten sein Lager, wo er, ich glaube in florentinischem
Kostüm, fast wieTasso gekleidet, zu schlummern schien;
im Hintergründe ein Sternenkranz, Lyra mit Rosen
und mehrere Atribute, er selbst mit Lorbeerkranz, im
weißen Atlas Gewände, eine Hand lag nachlässig auf
der schwarz sammtenen Decke, als wenn er schriebe,
die andere auf der Brust; zu seinen Füßen auf gold
und silbernen Kissen waren seine Orden, und schwarz
gekleidete Männer umstanden zu beiden Seiten sein
Lager — der Anblick war erhebend und höchst impo¬
sant, auch traurig. Nun ging ich allein auf den Gottes¬
acker und glaubte ungestört da seyn zu können; die
342
von Zobeltitz, Das Stammbuch Fritz von Steins.
fürstliche Gruft war geöffnet, und nachdem ich mich
durch einen Wust von unbändigen Studenten durch¬
gedrängt hatte, machte mir ein guter bekannter Arbeits¬
mann auf. In dem runden Saal war im Hintergründe
seine Apotheose zu sehen, die Büste von Rauch, und
der Adler, den dieser ihm verehrte, schien sie in die
Wolken zu tragen — dann Leyer, Sterne und Rosen,
auch Lorbeerkränze unter dem Adler — vor diesem
allem stand der Altar, wo Röhr seine Rede halten
wird . . . De7i 2jsten. Um 4 Uhr läuteten die Glocken,
um halb 5 zum zweiten Signal, und um 5 Uhr setzte
sich der Zug in Bewegung; unzählige Menschen gingen
voran, dann kam der Leichenwagen des alten Fürsten¬
paares mit 4 schwarz umhüllten Pferden, auf dem Sarge
lagen Lorbeerkränze und der kleine Walter folgte ihm
zunächt, dann Doktor Vogel, voran gingen die Minister
und trugen seine Orden, und viele Wagen vergrößerten
den Zug. Was Röhr sprach, weiß ich nicht, ebenso¬
wenig was der Kanzler Müller sagte, doch wird es
wahrscheinlich gedruckt. Heute wurde Tasso gegeben,
und zu Ende des Stücks kamen die acteurs in schwar¬
zem costüm und sprachen in Bezug auf Ihn, manche
kamen vor Thränen nicht weiter; das Ganze war feier¬
lich und schön, so sagte die Ahlefeld, auch war das
ganze Publikum in Trauer . . . Noch muß ich Dir er¬
zählen, daß Göthe das Bild der schönen Gesandtenfrau
Gräfin Vandreuil wünschte; er bekam es von ihr am
Tage vor seinem Tode, wo sie es ihm mit einem Buch
schickte. Er sagte „Es ist doch gut, daß die Menschen
das nicht verdorben haben, was die Natur so schön
machte — aber das Buch kann ich nicht mehr lesen,
nur verehren“, und drückte es an seine Lippen. Ich
weiß nicht, ob sie es vielleicht gar selber geschrieben
hatte . . .
Damit will ich schließen. Die mir vorliegen¬
den Briefe an Fritz reichen noch bis in die
Tage kurz vor seinem Tode. Aber mit dem
Abtreten Goethes aus dieser Welt erlischt das
Interesse; es erlischt auch für den, der einst
sein bevorzugter Liebling war. Fritz von Stein
wurde ein Siebziger. Viele trauerten um ihn;
neben Tochter, Schwiegersohn und sechs Enkel¬
kindern die Kochberger Verwandten, die Freunde
und die armen Blinden, für deren Unterricht er
1818 in Breslau einen segensreich wirkenden
Verein gestiftet hatte. Fritz von Stein war ein
ganzer Mann, ein durch und durch vornehmer
Charakter, empfänglich für alles Gute und
Schöne — freilich „ohne Enthusiasmus“, wie
Körner — „ohne Genialität“, wie Schiller ihn
beurteilte. In der Tat: der Höhenflug reiner
Begeisterungsfähigkeit war ihm versagt, und
diesen Mangel zündender Wärme mag er selbst
schmerzlich gespürt haben, das zeigen manche
Briefe an seine ihn vergötternde Tochter Marie.
Die Briefe Goethes an Charlotte hatte er
vermutlich bei seinem Besuche in Weimar im
Herbst 1825 mitgenommen. Zwei Jahre vor
seinem Tode fragte er bei seiner Nichte Luise
von Stein an, was er mit diesen „wohl tausend
Briefen und Zettelchen“ beginnen, ob er sie
vernichten oder noch länger aufbewahren solle.
Bald darauf muß er sie an seinen Neffen Karl
geschickt haben, denn dieser schrieb ihm am
30. Oktober 1842:
. . . Die Götheschen Briefe sind richtig in meine
Hände gekommen und ich, sowie meine Dich innigst
liebende Frau fühlen uns gedrungen, Dir unsem auf¬
richtigsten Dank auszusprechen für das Vertrauen,
welches Du durch Überlieferung jener Briefe in uns
setzst, und es ist fast überflüssig noch hinzuzufügen,
daß wir gewissenhaft Deiner Weisung nicht nur selbst
nachkommen, sondern auch dafür sorgen werden, daß
nach uns Andere gedachte Briefe auf keine Weise pro-
faniren. Zur besseren Conservation habe ich vor, einige
gut gebundene Bücher mit weißen Blättern anfertigen
zu lassen und werde dann auf jedes Blatt nur eines
der kleinen Briefchen dergestalt befestigen, daß solches
beim künftigen Lesen nicht berührt zu werden braucht.
Dem ersten Bande sollen Deine beiden Briefe an meine
Frau [eine geborene von Stein-Altenstein] von 1828 und
1835 als Einleitung oder Vorwort angebunden werden,
und wir werden unsem Willen, der mit dem Deinigen
übereinstimmt, darunter niederschreiben. Diesen
Büchern werde ich sodann ein besonders verschlossenes
Schränkchen widmen, welches als Depositorium dieser
Briefe für immer bezeichnet werden soll . . .
Karls Gattin schreibt zum gleichen Thema:
Mein Herz strömt über von Liebe und Dank für
Dich, mein theurer Onkel! Was hast Du uns gegeben,
indem Du uns die Götheschen Briefe gabst! . . Wie
liebe ich aber auch Deine Mutter durch diese Briefe
— oft muß ich tief aufathmen, wenn ich ihr so ganz das
Glück nachempfinde, was ihr dies durch sie so rein
erhaltene Verhältniß muß gewährt haben! Daß mir
in meiner Freude oft der Wunsch kommt, nicht allem
zu genießen, begreifst Du . . . Mein Mann und ich sind
beschäftigt, die Briefe, die so wie sie jetzt geheftet sind,
durch öfteres Anfassen und Lesen sehr leiden würden,
auf weiße Bogen zu kleben, wo sie dann in Bücher ein¬
gelegt und bestens verwahrt werden sollen . . .
Aus beiden Briefstellen geht hervor, daß die
Annahme Wahles, Charlotte von Stein habe ihre
Goethebriefe zunächst wohl selbst geordnet,
wahrscheinlich ist, und daß der „unbekannte“
zweite Ordner, der sie in Foliobände zusammen¬
stellte, Karl von Stein, der Enkel Charlottes,
gewesen sein wird.
Die Weigelsche Manuskript- und Miniaturen -Sammlung.
lanuskripte mit Miniaturen aus dem frühen
i Mittelalter gelangen in unserer Zeit nicht
mehr allzu häufig in den Handel. Es
_ J sind meist die großen Bibliotheken und
Sammlungen, die wertvolle Handschriften besitzen
und sie als kostbaren Schatz sorgfältig hüten. Kommt
es daher nicht oft vor, daß illuminierte Manuskripte
von hohem Wert zum Verkauf gelangen, so muß
es als eine besondere Seltenheit bezeichnet werden,
wenn eine ganze große Sammlung herrlicher Bilder¬
handschriften auf den Markt gebracht wird.
Eine der bedeutendsten deutschen Miniatur¬
handschriftensammlungen, die den Bibliophilen
wohlbekannte Kollektion T. O. Weigel, wird gegen¬
wärtig zum Verkauf angeboten. Die mit großer
Liebe, unermüdlichem Fleiß und feinem Verständ¬
nis für die Kunst der Miniatur in der Hauptsache
in den Jahren 1810 — 1865 durch den 1881 ver¬
storbenen Buchhändler T. O. Weigel, dem Ver¬
fasser des 1866 erschienenen grundlegenden
Werkes „Die Anfänge der Druckerkunst in Bild
und Schrift“, angelegte, schon durch dessen Vater
begonnene Sammlung sollte bereits vor einigen
Jahren versteigert werden. Ein illustrierter Katalog,
bearbeitet von Professor Dr. Joh. Ficker (jetzt
Straßburg i. E.) unter der Leitung des bekannten
Kunsthistorikers Professor Springer (Leipzig), wurde
herausgegeben, doch unterblieb die Versteigerung
auf Wunsch einiger Miterben. Nach dem kürzlich
erfolgten Tode von Oswald Weigel, dem einzigen
Sohne T. O. Weigels, wurde die Sammlung von
dem Münchener Antiquar Jacques Rosenthal an¬
gekauft, der sie jetzt geschlossen in den Handel
bringt.
Die Handschriften und Miniaturen der Samm¬
lung bestehen aus Manuskripten deutschen Ur-
sprunges des XII. — XIV. Jahrhunderts, aus deut¬
schen Miniaturen auf Einzelblättern des X.— XIV.
Jahrhunderts, Manuskripten und Miniaturen bur-
gundisch-französischer Herkunft aus dem XIII. bis
XV. Jahrhundert, aus Manuskripten und Minia¬
turen italienischer Provenienz des XV. — XVI.
beziehungsweise des XIV. — XVI. Jahrhunderts,
niederländischen Miniaturen des XIV— XVI. und
schließlich aus Manuskripten und Miniaturen auf
Einzelblättern deutschen Ursprunges aus dem XV. _
XVI. Jahrhundert.
Wenn in öffentlichen oder privaten Samm¬
lungen nur sehr selten Gelegenheit geboten wird,
Proben von Miniaturen beisammen zu finden, die
erforderlich sind, um die Entwickelung der Miniatur¬
malerei zu verfolgen, so muß demgegenüber fest¬
gestellt werden, daß sich in der Weigelschen Samm¬
lung wahre Perlen der Illustrationskunst finden,
die dem Kenner und Forscher eine ungeahnte
Fülle von Genuß und Anregung zu bieten ver¬
mögen. Die Entwickelung der Kunst der Miniatur¬
malerei wird durch sie in überaus glänzender
Z. f. B. 1905/1906.
Weise zur Anschauung gebracht. Der Einfluß der
Antike auf die Ottonische Epoche in Deutschland,
die Blüte- und Glanzzeit der Miniaturmalerei der
burgundischen Schule im XV. Jahrhundert in Frank¬
reich, die Zeit der Früh- und Hochrenaissance in
Italien und die der Spätrenaissance in Deutschland
ist hier durch handschriftliche Prachtwerke mit
Charakter- und lebensvollen Kompositionen von
hervorragendster Schönheit erläutert.
Von frühen Manuskripten deutschen Ursprunges
zählen zu den wertvollsten:
Ein Psalterium , nach Dr. Ficker aus dem Anfang,
nach einem anderen bekannten Sachverständigen
aus der zweiten Hälfte des XII. Jahrhunderts stam¬
mend. Das reichilluminierte Manuskript enthält
neben dem Text zahlreiche Initialen, in Gold aus¬
geführt, und sechs blattgroße Miniaturen mit Dar¬
stellungen der heiligen Geschichte. Die scharfen
Konturen zeigen die künstlerisch hochstehenden
Leistungen eines ausgezeichneten Illuminators. Die
hier (auf dem dritten Einschaltblatt Abb. 3) in
Schwarz wiedergegebene Miniatur des kreuztragen¬
den Christus kann von der Schönheit des Originals
natürlich nur einen unvollkommenen Begriff liefern.
Das Lcctionanum , ein schön geschriebenes
Manuskript, stammt aus der ersten Hälfte des
XIII. Jahrhunderts und ist geschmückt mit neun
blattgroßen Miniaturen, deren charaktervolle Zeich¬
nungen einen ausgezeichneten Porträtisten verraten.
Die Miniaturen sind von breiten, in den Farben
wechselnden und mit weißen Linienornamenten
gehöhten Rahmen umgeben und sämtlich auf
Goldgrund in Deckfarben ausgeführt.
Ein reich ausgestattetes Psalterium. aus der
ersten Hälfte des XIII. Jahrhunderts, enthaltend
sieben blattgroße Miniaturen und sieben große
Initialen, deren in Deckfarben ausgeführte Kompo¬
sitionen sich von farbigem Untergründe mit glän¬
zendem, dick aufgetragenen Golde prächtig ab¬
heben, bildet ein weiteres Hauptstück der Sammlung.
Als ganz eigenartige und von der üblichen
Art der Miniaturmalerei bedeutend abweichende
Bilderhandschriften stellen sich zwei deutsche
Manuskripte dar , das eine mit Darstellimgen aus
dem Neuen Testament, das andere mit Dar¬
stellungen vo?i Heiligen. Wie neuere Untersuchungen
ergeben haben, entstanden diese Handschriften
etwa um 1200 und nicht um 1300, wie früher
angenommen wurde. Namentlich das erstgenannte
Manuskript mit acht Bildern ohne Text hat be¬
deutenden Wert.
Eine weitere Zierde der Sammlung ist eine
Bilderbibel, die von alter Hand die Jahreszahl 1322
trägt und auch aller Wahrscheinlichkeit nach in
der ersten Hälfte des XIV. Jahrhunderts entstanden
ist. Sie enthält in 285 Zeichnungen, die mit der
Feder ausgeführt und getuscht oder leicht koloriert
sind, die ganze Geschichte des alten und neuen
45
344
Die Weigelsche Manuskript- und Miniaturen- Sammlung.
Testamentes. Unter den Denkmälern deutscher
volkstümlicher Kunst behauptet die Handschrift
neben der Biblia pauperum, den übrigen bekannt
gewordenen Bilderbibeln, denen sie zeitlich vor¬
ansteht, und anderen ähnlichen Bilderfolgen hin¬
sichtlich der Auswahl wie der Auffassung eine
ganz selbständige Stellung. Einer Anzahl Bilder,
deren Erhaltung tadellos ist, sind ausführliche
Noten beigeschrieben.
Die Miniaturen auf Einzelblättern deutschen Ur¬
sprunges umfassen 20 Nummern. Als das älteste
Stück ist hervorzuheben eine Miniatur auf einem
Pergamentblatt eines Liber responsalis des X. Jahr¬
hunderts, darstellend die Verkündigung Murin. Das
Blatt ist von auberordentlicher Schönheit und zeigt
starke Einflüsse altchristlicher Kunst.
Ein kostbares Blatt ist auch der Christus am
Kreuz. Es ist aller Wahrscheinlichkeit nach Hildes¬
heimer Arbeit und dürfte um 1180 entstanden sein.
Die Darstellung ist meisterhaft, die künstlerische
Auffassung des hingeschiedenen Heilandes und
die charakteristische Porträtierung der Maria und
des Jüngers sind für spätere Miniaturmaler vor¬
bildlich geworden.
Perlen der Sammlung sind ferner sechs Manu¬
skripte burgundisch-französischen Ursprungs , näm¬
lich ein Pergamentheft biblischer und legendärer
Darstellungeti mit 42 Miniaturen, die sich durch
lebendige Charakteristik, gefällige Formen und in Um-
riß und Kolorit höchst künstlerische Darstellungen
auszeichnen. Diese außerordentlich interessante,
sehr schöne Sammlung stammt aus dem Anfang des
XIV. Jahrhunderts und ist möglicherweise kölni¬
schen oder wenigstens westdeutschen Ursprungs.
Ferner ein Psalterium mit reichen Bordüren und
Initialen und zahlreichen figürlichen Darstellungen.
Das Manuskript wurde anfänglich dem XV. Jahr¬
hundert zugeschrieben, doch konnte neuerdings
festgestellt werden, daß es dem XIII. oder spä¬
testens XIV. Jahrhundert entstammt. An drolligen
und phantastischen Einfällen unerschöpflich ist der
Illuminator hier in der Behandlung des Ornaments.
Die beliebte Kombination verschiedener Körper¬
teile verschiedener Tiere oder die Verbindung eines
menschlichen Kopfes mit einem Tierleibe wird in
den reichsten Variationen ausgeführt.
Eine außerordentlich interessante Handschrift
ist die des Catitionale. Sie stammt aus dern XIII.
Jahrhundert und gehört der Schule Ludwigs des
Heiligen an. Außer Musiknoten, zwei kleinen und
26 großen Initialen enthält sie drei größere Minia¬
turen und in den Bordüren eine Anzahl kleiner
Gemälde. Der künstlerische Schmuck ist ein her¬
vorragend schöner. Die Ausführung der ernsten
Gemälde wie der humorvollen Genreszenen ist von
gleicher Meisterschaft und der größten Sorgfalt und
Feinheit. Man vergleiche die beigegebenen Re¬
produktionen der Seite 6 des Cantionale (Abb. 1),
des Initial H in Original -Größe (Abb. 4) und
der nur wenig verkleinerten unteren Hälfte der
Seite 20 mit dem Initial O (Abb. 2).
Ein Prachtstück der Kleinmalerei bildet ein
Livre tf /teures aus der Mitte des XV. Jahrhunderts.
Das herrliche Manuskript enthält auf 253 Blatt
30 prächtige Miniaturen. Breite Bordüren, die
in reicher Abwechselung vegetabilische Motive
zeigen, verzieren die Außenränder, und zahl¬
reiche Initialen schmücken das auch im Schrift¬
text reich geschmückte Manuskript. Der Entwurf
und die Ausführung der einzelnen Miniaturen sind
künstlerisch hervorragend. Bei den im Freien sich
abspielenden Szenen kehrt mit leichten Varianten
ein bestimmter, reich ausgebildeter landschaft¬
licher Typus wieder : kahle, gewöhnlich nur mit
einer Baumgruppe bestandene Hügel oder Felsen,
die so angeordnet sind, daß man zwischen zwei
von ihnen einen weiten Ausblick auf Mauern und
Türme oder einen burggekrönten Berg hat. Bei
den Interieurs hat der Künstler als Hintergrund
für die Hauptpersonen Teppiche verwendet in ver¬
schiedenen Farben und mit goldenen Ornamenten.
Ein anderes Wertstück ist ein Livre d' /teures aus
der zweiten Hälfte des XV. Jahrhunderts. Mit
einzigartiger Feinheit sind die 15 verschiedenen
Miniaturen entworfen und ausgeführt, jede ein
Kunstwerk für sich bildend, während die Bordüren
mit bewundernswerter Sorgfalt, in reicher Abwechse¬
lung und vornehmer Gediegenheit gezogen sind
und für den sauber geschriebenen, reich geschmück¬
ten Text eine prächtige Umrahmung bilden. Bei
den Miniaturen ist hervorzuheben das bei der
Hälfte der Darstellungen für den Hintergrund ver¬
wendete Schachbrettornament, in dem Blau und
Rot, weiß gehöht, mit Gold wechselt. Ihren reich¬
sten Schmuck hat die auf feinstes Pergament ge¬
schriebene Handschrift aber in den Bordüren, die
die Schrift umrahmen, und die, bestehend aus
vegetabilischen Ranken, mitunter am oberen Rande
in eine Drachenfigur auslaufen. Ein bezeichnendes
Beispiel liefert die Miniatur Markus, die hier in
Schwarzdruck (Abb. 5) wiedergegeben ist. Der
Evangelist, in rotem Mantel, schreibt, in einem
gotisch stilisierten überdachten Stuhle sitzend,
neben ihm der geflügelte Löwe. Die Reproduktion
läßt die Schönheit und Pracht der Malerei ahnen,
ohne natürlich die stimmungsvolle Wirkung der
Farben veranschaulichen zu können.
Eine weitere kostbare Handschrift, ein Mis-
sale rotnanum, wurde noch vor kurzem als aus
dem XV. Jahrhundert stammend angesehen, doch
ist es jetzt zweifellos, daß die Entstehungszeit in
das Ende des XIV. Jahrhunderts fällt, jedenfalls
nicht später als um 1400. Wenn auch italie¬
nischer Einfluß zu erkennen ist, so neigen ver¬
schiedene Spezialisten doch zu der Meinung, daß
das Manuskript mehr einer burgundischen oder an¬
deren französischen Schule angehöre. Das Missale
ist in großen gotischen Minuskeln und in Doppel¬
kolumnen außerordentlich deutlich und sauber ge¬
schrieben und hat 25 Initialen mit figürlichem und
ornamentalem Schmuck und reichem, sich als Bor¬
düre über die Blattseiten verbreitenden Rankenwerk.
Aus der Weigelschen Miniaturensammlung.
Abb. i. Cantionale. (Burgundisch-französischen Ursprungs, XIII. Jahrhundert.) Seite 6 mit Initial H. Geburt Christi. (Etwa •/„ der Originalgröße.)
Zeitschrift für Bücherfreunde IX.
Zu: Aus der Weigelschen Miniaturensammlung .
t
Zeitschrift für Bücherfreunde IX.
Zu: Aus der Weigelschen Miniaturensammlung,
Zeitschrift Jür Bücherfreunde IX. Zu: Aus der Weigelschen Miniaturensammlwig.
^■OteUTUmmlnfamtlis
äfpmttülts Mt$ ttxvpM
toaiuti matinüimmmum
•hJ1
Aus der Weigelschen Miniaturensammlung.
Abb. 5. Livre d’Heures. (Burgundisch-französischen Ursprungs, XV. Jahrhundert.) Seite 21, Miniatur No. 4: Markus. (Originalgröße.
Zeitschrift für Bücherfreunde IX.
Zu-, Aus der Weigelschen Miniaturensammlung.
Die Weigelsche Manuskript- und Miniaturen-Sammlung.
345
Außer den in den Initialen gegebenen Darstellungen
sind drei besondere Miniaturen vorhanden.
Von den zwölf Nummern umfassenden Einzel¬
miniaturen burgundisch-französischer Herkunft sind
zu erwähnen: sieben Miniaturen des XIV. Jahr¬
hunderts, darstellend die Schöpfungsgeschichte in
sechs Miniaturen und als siebentes Bild Christus
am Kreuz, und zehn Miniaturen biblischen und
legendarischen Inhalts.
Das wertvollste Manuskript italienischen Ur¬
sprungs ist ein Ordo celebrandis Missale , das Ende
des XV. Jahrhunderts wahrscheinlich in Rom,
nach dem Wappen im Texte für den Kardinal
della Rovere, den nachmaligen Papst Julius II.,
ausgeführt wurde. Das Manuskript besteht aus
besonders fein geglättetem Pergament und ist in
überaus klaren gotischen Buchstaben geschrieben.
Außer einer Miniatur, die den rechten Rand einer
Seite in ganzer Höhe einnimmt, schmücken die
Handschrift 42 Initialen, drei mit bildlichen
Szenen, sechs mit figürlichen Einzeldarstellungen.
An die Initialen schließt sich im Charakter der
Initialornamente das Blatt- und Rankenwerk.
Die ganze Ausführung ist eine außerordentlich
feine, die bildlichen Szenen in individueller Dar¬
stellung und die im Rankenwerk benützten figür¬
lichen Motive sind von großer Anmut und Lieb¬
lichkeit.
Als Einzelminiaturen italienischen Ursprunges
verdienen Erwähnung drei orna?nentierte und figu¬
rierte Initialen aus dem Ende des XIV. Jahrhunderts,
deren figürliche Darstellungen in lebhaften Deck¬
farben mit großem Fleiß in charakteristischer Weise
ausgeführt sind. Ferner drei ornamentierte und
figurierte Initialen , aus derselben Zeit wie die erst¬
genannten stammend und aus einem Cantionale
herrührend. Die Initialen sind in breitem Ranken¬
werke auf starkem Goldgründe ausgeführt. Die
Miniaturen, Meisterwerke der Sienesischen Schule,
zeigen künstlerisch porträtierte Figuren von durch¬
weg fein durchdachtem physiognomischem Aus¬
druck.
Von wundervoller Feinmalerei, die, sorgfältig
auf sauberem Pergamente ausgeführt, dem Francesc-
antonio di Assisi zugeschrieben wird, ist ein Titel¬
blatt mit Wappen , Bordüren und Inschrift aus dem
Anfang des XVI. Jahrhunderts. Ein anderes Titel¬
blatt mit Miniaturen läßt künstlerische Auffassung
namentlich in bezug auf die figurale Komposition
erkennen und stellt ein schönes Erzeugnis vene-
tianischer Kunst dar.
Die Miniatureti niederländischen Ursprungs
sind in der Sammlung durch sechs verschiedene
Nummern vertreten. Interessant ist eine Miniatur
Christus am Kreuz, ein Pergamentblatt aus einem
Meßbuche vom Ende des XIV. Jahrhunderts.
Auch ein Blatt mit einer Initiale R aus einem
Cantionale des XV. Jahrhunderts ist höchstwertvoll.
Der Buchstabe ist prächtig ausgeführt, mit sehr
zarten weißen Ornamenten und dem Bilde der
heiligen Agnes geschmückt.
Die deutsche Kunst der Miniatur des XV. bis
XVI Jahrhunderts wird besonders gut charak¬
terisiert durch zwei Manuskripte, nämlich der Vita
Christi und der Hystoria von dem edlen Ritter
Petter von Profentz und der schönsten Magalona
des Kuenigs von Napplcs Tochter.
Die Vita Christi ist bis auf den Titel in deut¬
scher Sprache verfaßt. Die Handschrift gehört,
aus Oberdeutschland stammend, dem achten Jahr¬
zehnt des XV. Jahrhunderts an und ist schön und
deutlich in kräftigen gotischen Buchstaben ge¬
schrieben. Der illustrative Schmuck des Werkes
besteht in 89 Federzeichnungen mit Darstellungen
des Lebens Christi, die kräftig konturiert und mit
satten Farben koloriert sind. Die wertvolle Hand¬
schrift ist im allgemeinen vortrefflich erhalten und
der künstlerische Schmuck tadellos konserviert.
Die Hystoria von dem edlen Ritter Petter von
Profentz und der schönsten Magalona ist gleich¬
falls durchweg deutsch geschrieben und schon
deshalb von besonderem Interesse. Das Manuskript
stammt aus dem ersten Drittel des XVI. Jahrhun¬
derts und gehört wie das vorige Oberdeutschland
an. In den sprachlich interessanten Text sind 23
Federzeichnungen eingefügt, die, flüchtig hinge¬
worfen, das Wesentliche scharf erfaßt zum Ausdruck
bringen. Der bisweilen derbe Geschmack, die
charakteristische Gestaltung bei selbst flüchtiger
Skizzierung lassen mit ziemlicher Sicherheit auf
Hans Burgkmair oder auf einen ihm ebenbürtigen
Künstler schließen. Die Erhaltung auch dieser
Zeichnungen ist eine vortreffliche.
Die vorstehend erwähnten Manuskripte und
Miniaturen sind natürlich nicht die einzigen wert¬
vollen der reichen Sammlung und sie geben in
der kurzen Skizzierung auch nicht annähernd einen
vollständigen Begriff vom Wert des Ganzen. Es
wäre sehr zu wünschen, daß die kostbare Samm¬
lung, die ein leuchtendes Denkmal der Miniatur¬
malerei bildet, Deutschland erhalten bliebe.
A-k-i.
Chronik.
^aPjimtlc^Henbrucf
Bjcrausgegcbcn Dort paftor Lic. 0. Hlbrcd]t.
^allc a S. 1905.
Perlag ber Sud^anblung bes tPaifentjaufes.
Diese Ausgabe (8 Bogen Faksimiledruck mit einer
Tafel und 8 Bogen Text auf Büttenpapier; Preis ge¬
bunden M. 8.—) wird den Bücherliebhaber ebenso
wie den Lutherforscher erfreuen. Die phototypische
Wiedergabe in Rot- und Schwarzdruck auf gutem
Papier mit zahlreichen Holzschnitten und schönen
Randleisten ist ausgezeichnet gelungen. Ihr Wert
wird dadurch erhöht, daß gleichzeitige Drucke von
Luthers kleinem Katechismus zu den größten Selten¬
heiten gehören. O. Albrecht hat für die Weimarer
Lutherausgabe, deren Mitarbeiter er ist, bei über 400
Bibliotheken Umfrage gehalten und dabei festgestellt,
daß von 9 hochdeutschen Buchausgaben, die Nickel
Schirlentz in Wittenberg zu Luthers Lebzeiten besorgte,
nur 15 Exemplare bekannt sind, darunter nur 9
vollständige. Ganz verschollen ist noch immer
die erste Wittenberger Buchausgabe und der dieser
vorausgehende Tafeldruck. Wir erfahren aus einem
Briefe Rörers, daß er letzteren, der zum Aufhängen an
der Wand bestimmt war, beim Erscheinen im Januar
1529 mit 8 Gr. bezahlte, vier Wochen später (am
12. Februar 1529) ihn aber nicht mehr für einen Gulden
beschaffen konnte. Eine Vorstellung von den Tafeln
erhalten wir durch das einzige Exemplar des gleichzeitig
bei Schirlentz erschienenen «Altdeutschen Druckes,
der aus dem Besitz der Leipziger Universitätsbibliothek
zum erstenmal photographisch nachgebildet und
Albrechts Neudruck beigegeben worden ist. Da die
erste Wittenberger Buchausgabe für uns verloren ist,
erhalten die 1529 erschienenen Nachdrucke und Über¬
setzungen eine Bedeutung, die ihnen bei deren Vor¬
handensein nicht gebühren würde. Bei sorgfältigem
Abwägen ihrer Eigenheiten kommt Albrecht zu dem
Schluß, daß eine niederdeutsche Hamburger Buchaus¬
gabe auf dem verlorenen W ittenberger 'hochdeutschen)
Tafeldruck beruht, der eine von zwei Erfurter Drucken
aber auf dem ersten verlorencnWittenberger Buchdruck,
der wiederum selbst sich eng an die Tafeln anschließt,
während ein Marburger und der andere Erfurter Druck
von dem ersten Erfurter abhängig sind. Die beiden
vorhandenen lateinischen Übersetzungen «eisen schon
auf die ..gemehrte und gebesserte“ zweite Wittenberger
Buchausgabe hin. Dem Gewicht der von Albrecht mit
vielem Scharfsinn aufgestellten Beweisführung wird
man sich gegenüber den Resultaten anderer Forscher
nicht verschließen dürfen. Immerhin empfindet man
es als eine Wohltat, wenn man mit dem leider schmäh¬
lich verstümmelten Exemplar der zweiten Wittenberger
Buchausgabe, das in dem Germanischen Museum zu
Nürnberg sich befindet, wieder auf den Boden der
Wirklichkeit tritt. Diese Ausgabe in Kleinoktav ,, ge¬
mehrt und gebessert durch D. Mart. Luther" zeigt
bereits den Buchschmuck, der fortan in keiner der
Schirlentzischen Drucke fehlt, und die bessernde Hand
des Autors, die offensichtlich auch über späteren Aus¬
gaben derselben Offizin noch gewaltet hat. Daß
Albrecht hier für die Zuverlässigkeit von Schirlentz
gegen das von Kfioke geäußerte Mißtrauen eintritt,
halte ich für berechtigt.
Albrechts besonderes Verdienst besteht nun in der
Whederauffindung der zuerst durch den Ulmer Stadt¬
bibliothekar Veesettmeyer beschriebenen, dann ver¬
schollenen Wittenberger Ausgabe des Katechismus von
1536 in einem vollständigen Exemplar des Königlichen
Gymnasiums zu Thom und einem verstümmelten in
der Herzogi. Kunst- und Altertümersammlung auf der
Feste Koburg. Ferner hat er wieder ermittelt das
Schneiderscht Exemplar der Ausgabe 1531 in der Bod-
leiana zu Oxford, das Handexemplar des Herzogs
Albrecht von Preußen 1540 in der Königl. Bibliothek
zu Königsberg und ganz neu entdeckt einen Druck
von Schirlentz von 1543 in der Herzogi. Bibliothek zu
Dessau. In diesem würden wir den letzten Druck vor
uns haben, der zu Luthers Lebzeiten erschienen und von
seiner Autorität gedeckt ist. Wenn die in der Eisen¬
acher Konferenz vereinigten evangelischen Kirchen¬
regierungen Deutschlands vor 20 Jahren diese Ausgabe
gekannt hätten, hätten sie ihr bei der Aufstellung des
Normaltextes für den Kleinen Katechismus den Vorzug
geben müssen vor der von ihnen benutzten und als
letzte angesehenen von 1542.
In dem Thorner Exemplar, das unser Neudruck
wiedergibt, sind einige handschriftliche Eintragungen
nicht ohne allgemeines Interesse. Wir heben nur die
von Albrecht in der Einleitung (Seite 50) mitgeteilten
Chronik.
347
Dekaloglieder hervor, die Wackernagels Sammlung
in Band 2 und 3 des „Deutschen Kirchenliedes“ um
drei Stücke bereichern. Was den Text (1536) anlangt,
so ist er zwar abhängig von dem der Ausgabe 1535,
zeigt aber in mehreren Abweichungen die ordnende
und bessernde Hand des Autors oder seiner Freunde.
Für die Ausgaben 1537 und 1539 ist er bestimmend
gewesen. Eine Bemerkung von kulturgeschichtlichem
Wert knüpft Albrecht an das Schicksal einer Stelle des
Taufbüchleins „vn er selb da zu gethan hat“, welche
in den Wittenberger Drucken von 1540 ab verschwindet.
Sie erscheint aber wieder in dem altpreußisch-deutschen
Kleinen Katechismus mit der Randnote: „Wenn ein
Altes getauft wirt, soll man diese wort ,vnnd er (oder
sie) selbs darzu getan hat‘ hinzufügen.“ Es ist die
Rede von der Sünde , die der Täufling nicht nur von
Adam her ererbt, sondern selbst getan habe. Die Stelle
ist unverständlich für ein neugebornes Kind, aber wohl¬
verständlich unter der Voraussetzung, daß es im Herzog¬
tum Preußen noch Heiden gab, die als Erwachsene
getauft wurden. Aus den Schlußbemerkungen sei nur
kurz hingewiesen auf Albrechts Analyse des Titels,
ferner auf die für eine wissenschaftliche Auslegung
notwendigen Grundsätze grammatisch - historischer
Forschung, auf die Inhaltsübersicht und den Nachweis
des Charakteristischen. Sehr nachdrücklich wird uns
hierbei zu Gemüte geführt, welche gewaltige Leistung
der Reformation dieses Kinderbüchlein bedeutet. Da
Albrecht sich am Schluß gewissermaßen wegen der
Länge seiner Vorrede glaubt entschuldigen zu sollen,
so wird ihm der Leser gern bezeugt sehen, daß seine
Ausführungen an Knappheit nichts zu wünschen übrig
lassen.
Endlich wollen wir des Verfassers Wunsch weiter¬
geben, daß die Faksimiledrücke Anlaß würden, den
verlorenen Ausgaben eifrig nachzuspüren. Für die
Tafeln möchten alte Bucheinbände in Betracht kommen,
für die ältesten Buchdrucke von 1529 besonders Misch¬
bände in Sedez (Kleinoktav).
Magdeburg. g. Thiele.
Ausstellung graphisch-typographischer
Arbeiten.
Eine Ausstellung von Künstler drucksachen, die
viel lehrreiches und interessantes brachte, fand kürzlich
im Albrecht Dürerhaus in Berlin statt. Sie war arrangiert
von den „Monatsheften für graphisches Kunstgewerbe“.
Das Material bestand aus den Entwürfen, die im Laufe
von drei Jahren in der genannten Zeitschrift erschienen
sind. Diese macht es sich speziell zur Aufgabe, die
Kunst in die Praxis des alltäglichen Lebens zu bringen;
sie hat die Vermittlerrolle zwischen dem Produzenten^
dem Künstler und dem Konsumenten, den auftrag¬
gebenden und abnehmenden Firmen, übernommen.
Dabei verwertet sie äußerst geschickt die Erfahrungen'
die die in unseren Tagen neu aufblühenden graphischen
Künste uns gegeben haben. Sie bringt in das alltäg¬
liche, in das geschäftliche Leben ein bißchen Kunst,
eine reizvolle Linie, eine angenehme Farbe. Stets aber
halten sich die Leiter mit sicherem Gefühl innerhalb
der Grenzen des Erreichbaren. Sie wollen nur lehren,
was lehrbar ist. Sie übertragen die guten modernen
Tendenzen in die Praxis.
Der Prospekt der Ausstellung klingt freilich sehr
pessimistisch. Wer die Verhältnisse kennt, muß den
humorvoll beklagenden Worten recht geben. Die in
Frage kommenden Firmen, die Druckaufträge, sei es
für Reklame, sei es für Adressen oder sonstwas zu ver¬
geben haben, bleiben in der großen Mehrzahl mit hei¬
ligem Eifer und göttlicher Trägheit beim alten Schema
und bei der abgenützten Schablone. Wozu auch
Neuerungen? Es ist einfacher und vor allem, es ist
billiger so. Und allzu eindringlichen Vorstellungen
gegenüber verschanzt sich der Fabrikant hinter den
Einwand: „Wir können es nicht ändern, das Publikum
will es so.“ Darum soll in dieser Ausstellung dem
Publikum gezeigt werden, was es verlangen kann , da¬
mit dadurch ein Druck auf die Fabrikanten ausgeübt
wird. Auch die Lithographen und Drucker haben
einen Vorteil davon. Sie werden vor neue Aufgaben
gestellt, sie werden nicht nur in öder Fabrikarbeit
festgehalten, sie können anfangen, ihre Fähigkeiten
für diese neue Kunst zu üben.
Die Ausstellung gab in dieser Hinsicht gute
Winke. Sie zeigte, daß die Künstler — darunter Burger,
Cristophe, Grimm, Kleinhempel, Knab, Looschen,
Schnebel, Vogeler, Weiß — fast immer das Ziel im
Auge behielten, für das sie hier arbeiteten: praktisch und
zugleich künstlerisch zu sein. Das erreichen sie oft
durch ganz einfache, nur sinngemäße Anordnungen,
durch Weglassen unnötiger Schnörkel, durch verstän¬
diges Ausnützen des Materials, offenes Betonen der
Farbe, keckes Unterstreichen der Form. Jedes Blatt
zeigt die vernünftige Anwendung gewonnener Lehren
und Anschauungen.
Da finden wir z. B. originelle Gratulationskarten
der Bäckerjungen, Milchjungen und der Schornstein¬
feger — dann Etiketten für Bierflaschen, für Honig,
für Puddingpulver — Menükarten, Einladungsschreiben,
Firmenanzeigen, Weinkarten — Plakate, Ankün¬
digungen, Rechnungen, Kataloge — kurz — das ganze,
weite Gebiet der graphischen Kleinkunst, die praktisch
ins Leben eingreift, zeigt sich künstlerische Behandlung
zugleich und die Künstler zeigen dem Publikum allent¬
halben Beispiele: eine reiche Auswahl für die Firmen
und die Besteller, denen dargetan wird, was gut ist,
damit sie fernerhin diese Anregungen benutzen. Und
auch den weiter Stehenden interessiert diese Nutzbar¬
machung moderner künstlerischer Ideen für die prak¬
tischen Zwecke des Lebens.
Wir sehen die Künstler dabei die verschiedensten
Wege gehen. Sie bleiben rein zeichnerisch und geben
in Linien alles. Oder sie verwerten farbige Reize.
Wieder andere bleiben nicht bei dem Malerischen
stehen, sondern stilisieren die Farbe sowohl wie die
Linie, geben sinngemäße, logische Ornamente, die den
Text umrahmen. Lehrreich sind die Tafeln des Leiters
der Zeitschrift, A. Knab, auf denen er die dekorative
Benutzung der Form und Farbe eines bunten Schmetter¬
lingsflügels für die Zwecke der Buchkunst illustriert.
So gibt die Natur Anregungen, die der Künstler in
348
Chronik,
seinem Sinne verwertet und vieles, was uns in der mo¬
dernen dekorativen Kunst entzückt, ist als Nachahmung
von gesehenen Vorbildern in der Natur entstanden.
Ein durchsichtiges Blatt liefert dem ornamentalen
Zeichner Vorbilder. Die Adern eines bunten Gesteins
geben ihm farbige Motive. Von den einfachsten
Dingen bis zu komplizierten Erscheinungen liegt hier
ein reiches Material ausgebreitet.
Was speziell die Typendrucksachen anlangt, so
sind besonders die Blätter lehrreich, die nur durch
eigenartige Anordnung, durch besonders gewähltes,
farbiges Papier und eine einfache Umrandung künst¬
lerische Physiognomie erhalten. In dieser Hinsicht
ist auch der Prospekt der Ausstellung, der auf gelblich¬
grauem Papier einfach und zugleich elegant gesetzt
ist, ohne viel Aufwand zu machen, bemerkenswert.
Charlottenburg. Ernst Schur.
Eine Spur der verschollenen alten Bibliothek
der Stadt Braunschweig.
Gegen Ende des XIII. Jahrhunderts begründete
der Pfarrherr Mag. Jordan in der Stadt Braunschweig
eine Bibliothek, indem er seine aus 16 Büchern (d. h.
Handschriften) bestehende Büchersammlung der
Andreaskirche zum Geschenk machte, damit ihr Pfarrer
und dessen Kapelane sie benützten. Es waren meist
theologische Werke. Seine Nachfolger mußten bei
ihrem Amtsantritt dem Dechanten des Blasiusstiftes
Kaution leisten, daß sie keines jener Werke veräußern
oder verloren gehen lassen wollten. Dennoch ist manches
verloren. Unter Bruno (1310) und Ortghis (1336) zählte
die Bibliothek nur 14 Werke, Ludolf von Steinfurt
schenkte 12 neue hinzu; sein Nachfolger Johann von
Embern verdoppelte die Sammlung, sodaß Ludolf
Quirre 1424 etwa 50 Werke vorfand. Durch diesen
Zuwachs ward ein größeres Lokal nötig. Durch Meister
Heinrich Werners ließen die Provisoren 1412 am Kirch¬
hofe ein eigenes zweistöckiges Gebäude für diese Samm¬
lung erbauen, welches seitdem öfters unter dem Namen
der „Liberei zu St. Andreas“ erwähnt -wird. Durch
Schenkungen, z. B. Gerwins von Hameln, des Rektors
an der Kapelle zum heiligen Geist, mehrte sich die
Zahl der Bücher dieser Sammlung, für deren För¬
derung besonders die Pfarrer zu St. Andreas sorgen
sollten, wogegen die Kirche das Gebäude erhalten
wollte. Über das Schicksal dieser Bibliothek im
XVI. Jahrhundert ist bis jetzt nichts bekannt geworden.
Diese Darstellung verdanken wir Dürre, der sie in seine
Geschichte der Stadt Braunschweig (1861) S. 476 f. mit
Quellenverweisen in den Fußnoten gibt. Er berichtet
ferner S. 548 unter Zitierung der Urkunde, daß Gerwin
von Hameln die obenerwähnte Schenkung seiner Bücher
im Jahre 1495 machte.
Eins dieser damals geschenkten Bücher glaube ich
in dem 1480 in Lübeck bei Bartholomeus Ghotan und
Lukas Brandis gedruckten Missale eccles. Magdeb.
wiederzuerkennen, das sich im Besitze der Göttinger
Universitätsbibliothek befindet (H. E. Rit. 4ia fol).
Es ist bei Hain 11 321 beschrieben, doch ist das
Titelbild von Dante Gabriel Rossetti zu seinem
..Italian Poets“. (London, Mansell & Co.)
Göttinger Exemplar scheinbar 18 Blätter stärker
(298 Bll). Das erste Blatt zeigt die Worte: „Orate pro
Gherwino de Hamelen datore“, daneben sein Wappen.
Auf diesen Schenkungsvermerk gründe ich die Ver¬
mutung, daß wir hier einen Band der alten Librei zu
St. Andreas vor uns haben. Und wo der eine Band
hingekommen ist, da dürften sich vermutlich noch
weitere finden. Ich überlasse die Nachforschung be¬
rufeneren Händen, habe mich auch absichtlich nicht
in die Quellen der Dürreschen Darstellung vertieft. Es
gilt zunächst ein Verzeichnis des Bestandes der alten
Bibliothek ausfindig zu machen; und daß ein solches
vorhanden ist, davon bin ich überzeugt. An der Hand
dieses wäre dann die Göttinger Bibliothek zu durch¬
mustern. Ich gebe nur noch den Inhalt einer auf
Blatt 298b und 299a handschriftlich eingetragenen Ur¬
kundenabschrift wieder. Nach ihr erfolgte am 7. De¬
zember 1512 die Ablösung einer Fundation von seiten
des Rats zu Hannover und die Belegung des Kapitals
bei dem Rate der Neustadt zu Braunschweig. Das
Kapital war, wie die davor aufgenommene Urkunde
vom 7. Januar 1494 besagt, von Garwinus van hameln
gestiftet, um davon jährlich Memorien zu lesen in der
Kapelle des heiligen Geistes zu Braunschweig, wo er
selbst Rektor war.
Des Vergleichs halber sei darauf hingewiesen, daß
die jetzige Stadtbibliothek zu Hannover ihren Ursprung
Chronik.
349
Titelbild von Dante Gabriel Rossetti
zu Christina Rossettis „The Prince’s Progress“.
London, Macmillan & Co.)
in einer Schenkung von Handschriften hat, die 1440
der Pfarrer Conrad von Sarstedt der Marktkirche da¬
selbst machte. Diese Sammlung wurde 1533 mit den
1479 dem Rate von dem Lübecker Kanonikus Volkmar
von Anderten geschenkten Büchern und Handschriften
vereinigt.
Göttingen. Dr. Fr. Wichmann.
Verschiedenes.
Es sei mir gestattet, unsere Bibliophilen und Plakat¬
sammler auf eine neue Publikation aufmerksam zu
machen, die in Deutschland wenig oder gar nicht be¬
kannt ist und die sich würdig den einschlägigen Haupt¬
werken, — Les Maitres de l’Affiche, editee par l’im-
primerie Chaix, Paris, 1896, und Sponsel, Das moderne
Plakat, Gerh. Kuehtmann, Dresden, 1897 — anreiht.
Das Istituto italiano d’arti grafiche in Bergamo gibt
eine Folge von 6 Bänden heraus: Vittorio Pica , „ Attra -
verso gli albt e le cartelle'’1' ; der Einzelband zum bil¬
ligen Preis von 3 Fr. Während 5 Hefte verschiedene
Stoffe, wie unter anderem japanische, englische Kunst,
die Karikatur in Frankreich, holländische, deutsche
und skandinavische Aquafortisten, Pariser und Pariser¬
innen, französische Vignettisten des XVIII. Jahrhun¬
derts usw. behandeln, enthält fascicolo III. neben einigen
Umschlagzeichnungen und wenigen (4) Exlibris eine
vortreffliche Übersicht über die Plakatkunst der Jetzt¬
zeit und zwar in den Kapiteln: 1) Frankreich, 67 Abbil¬
dungen. 2) Amerika, England, Belgien und Holland mit
76 Abbildungen. 3) Skandinavien, Rußland, Deutsches
Reich, Österreich-Ungarn, Spanien und Italien mit 100
Illustrationen; Summa der durchweg gut gedruckten
Bilder: 243 auf 37 2 Seiten. Die Umrahmungen und
Kapitel -Initialen sind gezeichnet von S. Macchiati,
A. Hohenstein, H. Meunier, A. Donnay, E. Berchmanns,
M. Dudovich, G. M. Mataloni. Unter den Plakatkünstlern,
die illustrativ vertreten sind, finden sich alle berühm¬
teren einschlägigen europäischen und amerikanischen
Hauptmeister, sowie auch mancher, der noch minder
bekannt ist. Nur an Hauptnamen seien hier genannt:
J. Cheret, H. de Toulouse-Lautrec, A. Willette,E. Grasset,
Carlos Schwabe, A. Mucha; W.H.Bradley, L.J. Rhead,
H. Herkomer, W. Crane, J. Hassal, A. Beardsley, Mac
Nair und Mac Donald, R.A.Bell, A. Donnay, A.Rassen-
fosse, E. Berchmanns, Th. van Hoytema, J. Toorop;
A. Engström, I\. Rasmüssen, C.Larsson, S.S. Solomko;
J. Sattler, T. T. Heine, N. Gysis, O. Fischer, Fr. Stuck,
L. Sütterlin, K. Moser, H. Unger, A. Basch, A. de Riquer,
A. Villa, A. Hohenstein, G. M. Mataloni, A. Sezanne,
A. de Carolis usw. Die große Anzahl der 243 Abbildungen,
die ja bei einer derartigen Publikation die Hauptsache
sind, gibt einen vorzüglichen Einblick in die Plakat¬
kunst der letzten Jahre mit ihrem Streben, in künstle¬
rischen Grenzen auffallend zu wirken. Abgesehen von
manchen Kompositionen, die grotesk und bizarr sind —
und beides auch vielfach ihres Zweckes halber sein
sollen — sieht man viele edelschöne Bilder, zumeist
figürlichen Charakters, einiges landschaftliche und sehr
viel äußerst flott gezeichnetes. Recht charakteristisch
ist der Unterschied in den Zeichenmanieren und Rich¬
tungen der verschiedenen Nationen. Einzelne besonders
schöne Plakate hier zu besprechen, ist nicht der Zweck
dieser Zeilen, sondern nur der, auf diese neueste inter¬
essante Veröffentlichung hinzuwe’sen. Kleine Irrtümer
sind Seite 339: C. Roecheling statt richtig Roechling;
Seite 343: L. Satterlin statt richtig L. Sütterlin usw.
Ganz besonderes Interesse erwecken einige italienische
künstlerisch hochstehende Plakate.
K. E. Graf zu Leiningen- Westerburg.
Eine ausgezeichnete Würdigung von Dante Gabriel
Rossetti als Maler bietet Jarno Jessen in No. LXXVII
derVelhagen & Klasingschen Künstler -Monographien.
Den Maler Rossetti wird nur der völlig verstehen und
erfassen, der den Dichter Rossetti kennt, und so springt
als natürliches Ergebnis der Darstellung hervor, wie
stark seine Dichtung mit seinem Bildschaffen verwach¬
sen ist. Die Darstellung selbst scheint gleichsam durch
Rossetti beeinflußt zu sein: sie ist von bestechender
Feinheit der Form und wie in poetischen Duft getaucht.
In No. LXXVI derselben Serie behandelt Eduard
Heyck einen älteren Unvergessenen : Anselm Feuerbach.
Es ist meines Wissens das erste literarische Denkmal,
das diesem Künstler gesetzt worden ist, dessen un¬
mittelbare Eigensprache zu seinen Lebzeiten so wenig
verstanden werden sollte. — m.
350
Chronik.
Plakat von E. Kleinhempel für die Ausstellung „Fürs Kind.“
(Warenhaus Hermann Tietz in Berlin).
Unter dem Titel ,, Probefahrten “ gibt Professor
Dr. Albert Köster eine Sammlung von Arbeiten aus
dem deutschen Seminar in Leipzig heraus (Leipzig,
R. Voigtländer), die rege Beachtung verdienen. Im
ersten Bande schildert Conrad Hofer „Die Rudolstädter
Festspiele aus den Jahren 1663 — 67 und ihren Dichter“.
(M. 6). Köster hatte bereits 1897 in seiner Studie über
Filidor den Dorfferer den Beweis erbracht, daß der
Verfasser der „Geharnschten Venus“ identisch ist mit
dem Lexikographen Caspar von Stieler, dem ,, Spaten“
der Fruchtbringenden Gesellschaft. Er vermutete auch,
daß der Rudolstädter Filidor Caspar Stieler sei. An
diese Vermutung knüpft Höfer an und führt aus
äußeren Umständen, aus sachlicher Vergleichung der
Filidor-Schauspiele mit Stielers beglaubigten Werken
und den sprachlichen Eigentümlichkeiten seiner Stücke
den Erweis der Autorschaft Stielers für die Rudolstädter
Festspiele. Der zweite Teil behandelt ausführlich die
gesamten Stielerschen Dramen und ihre Aufführungen.
Angehängt ist eine ganz vortreffliche Bibliographie.
Die zweite Publikation der Serie führt uns in die
Romantik: ,, Die Gräfin Dolores. Ein Beitrag zur
Geschichte des deutschen Geisteslebens im Zeitalter
der Romantik“ von Friedrich Schuhe. (M. 3,80). Die
Arbeit gibt eine im hohen Grade interessante Unter¬
suchung über die Entstehungsgeschichtedes Arnimschen
Romans und die Einflüsse, die sich bei dieser geltend
gemacht haben, wobei der Verfasser zugleich das
gesamte dichterische Schaffen Arnims charakterisiert.
Goethe äußerte sich drastisch abfällig über das Buch,
auch die öffentliche Kritik verhielt sich ablehnend.
„Ewig schade, daß so viel Poesie nur dem historisch
Geschulten zugänglich sein soll“, klagt der Verfasser
am Schlüsse seiner Arbeit. Wilhelm Grimm fand in
der „Dolores“ einen reichen Geist und eine freie Ansicht
des Lebens, ohne die Schwachen der Komposition zu
übersehen; am wärmsten urteilten wohl Immermann,
Geibel und Heine über das Buch.
Der dritte Band (M. 4,80) der „Probefahrten“ be¬
schäftigt sich mit Johann lienjamin Michaelis , seinem
Leben und seinen Werken; Frust Reclam zeichnet als
Verfasser. Michaelis gehörte dem Gleimschen Dichter¬
kreise an, erfuhr auch durch Gleim eine rege F örderung
und hätte vielleicht Bedeutenderes schaffen können,
wenn ihn der Tod nicht schon im 26. Lebensjahre ab-
gerufen hätte. Heute ist er vergessen und verschollen;
aber immerhin zeigen seine vielverstreuten dichterischen
Arbeiten so starke poetische Ansätze und häufig auch
eine so interessante Physiognomie, daß man Herrn
Reclam für seine Veröffentlichung dankbar sein kann.
Ein weiterer Band behandelt die Dialogliteratur
der Reformationszeit nach ihrer Entstehung und Ent¬
wicklung (M. 3,60). Gottfried Kiemann, der Herr
Verfasser, setzt den Beginn der humanistischen Dialog¬
literatur auf das Jahr 1517 an, in dem Huttens „Phala-
rismus“ erschien. Hutten steht bis 1520 mit seiner
dialogischen Produktion ziemlich allein; dann, zur Zeit,
da er von der lateinischen zur heimischen Sprache
übergeht, tritt mit dem „Eckius didolatus“ und dem
„Philaletis dialogus“ ein neues Element in diese Lite¬
ratur ein: ein ausgesprochen Dramatisches, das sich
nicht mehr mit dem einfachen „Gespräch" begnügt,
sondern seinen Schwerpunkt auf die Entwicklung der
Handlung legt. Die Einwirkung des volkstümlichen
Dramas auf den Dialog und die Weiterentwicklung des
letzteren bis zum Ausgang der Reformation bilden die
Schlußabschnitte der Studie. Angehängt ist eine Chro¬
nologie und ein Doppelblatt Berichtigungen und Er¬
gänzungen zu dem entsprechenden Paragraphen in
Goedekes Grundriß. — bl —
Im South Kensington Museum zu London hat
man eine wertvolle Ausstellung alter ?iaturwissen-
schaftlicher Werke eröffnet, unter denen sich mehrere
Schriften ganz außergewöhnlichen Wertes befinden.
Als Perle gilt ein Plinius-Druck von 1469, wahrschein¬
lich als editio princeps zu betrachten. Sehr inter¬
essant ist ferner eine äußerst seltene Erstausgabe von
Merretts „British plants“, deren Originaldruck bei der
alten großen Feuersbrunst in Englands Hauptstadt
größtenteils vernichtet worden ist. Fl.
Nachdj-uck verboten. — Alle Rechte Vorbehalten.
Für die Redaktion verantwortlich: Fedor von Zobeltitz in Berlin W. 15.
Alle Sendungen redaktioneller Natur an dessen Adresse erbeten.
Gedruckt von W. Drugulin in Leipzig für Velhagen & Klasing in Bielefeld und Leipzig auf Papier der Neuen Papier-Manufaktur
in Straßburg i. E.
ZEITSCHRIFT
FÜR
BÜCHERFREUNDE.
Monatshefte für Bibliophilie und verwandte Interessen.
Herausgegeben von Fedor von Zobeltitz.
9. Jahrgang 1905/1906. - Heft 9: Dezember 1905.
Michel Greyff als Kalenderdrucker.
Von
Professor Dr. Konrad Haebler in Dresden.
elbst von den Bücherfreunden,
die sich eingehender mit dem
Zeitalter der Wiegendrucke be¬
schäftigen, werden sich wohl
nur wenige davon Rechenschaft
gegeben haben, welch ein be¬
deutender Teil der ältesten Druckerzeugnisse in
diejenige Kategorie gehört, die wir heute unter
dem Begriffe des Akzidenzdruckes zusammen¬
zufassen gewöhnt sind. Es ist allerdings hin¬
länglich bekannt, daß bereits in den Jahren 1454
und 1455 Formulare von Ablaßbriefen jedenfalls
doch wohl in der Werkstätte von Gutenberg
selbst hergestellt worden sind. Aber das ebenso
schwierige als interessante Kapitel des Abla߬
druckes harrt noch immer einer eingehenden,
zusammenfassenden Behandlung, und während
fast alle Antiquare und auch ein großer Teil der
Bibliophilen beinahe jedem derartigen Doku¬
mente fast gänzlich ratlos gegenüberstehen
haben nur wenige genauere Kenner festzustellen
vermocht, daß diese flüchtigen Blätter in einer
ganzen Reihe von Fällen die einzigen uns über¬
kommenen Denkmale völlig unbekannter Druck¬
werkstätten gewesen sind.
Die großartige Sammlung von Einblatt¬
drucken, die nach und nach in der Münchener
Hof- und Staatsbibliothek zusammengebracht
und über deren Inhalt wenigstens ein summa¬
rischer Bericht durch Wilhelm Meyer1 an die
Öffentlichkeit gelangt ist, hat es dann in den
Fachkreisen etwas bekannter gemacht, wie
reichhaltig und vielgestaltig diese kleinen und
kleinsten Druckerzeugnisse auch in der ältesten
Zeit des Buchdrucks schon gewesen sind. Aber
nur wenigen Gruppen ist das Glück zuteil ge¬
worden, einer so eingehenden und sorgfältigen
Untersuchung teilhaftig zu werden, wie der¬
jenigen der Bücher- Anzeigen, und doch sind
auch dazu mit der Zeit Nachträge und Er¬
gänzungen bedeutungsvoller Art ans Lieh
gekommen und werden sich jedenfalls noch
erheblich vermehren, wenn erst die syste¬
matische Inventarisierung der Inkunabeln in
allen deutschen Bibliotheken, die von dem
Preußischen Kultusministerium in Aussicht ge¬
nommen ist, weitere Fortschritte gemacht
haben wird.
Einen Anlauf in derselben Richtung be¬
deutet die kürzlich von der Firma Heitz &
Mündel in Straßburg veröffentlichte Sammlung
von „100 Kalender -Inkunabeln“. 2 Auch die
Kalenderblätter gehören zu den Gelegenheits¬
drucken, von deren Existenz wohl des öfterem
r Zentralblatt für Bibliothekswesen. Bd. II. S. 437 ff. — 2 100 Kalender-Inkunabeln. Herausgegeben von Paul
Heitz. Mit erläuterndem Text von Konrad Haebler. Straßburg, J. H. E. Heitz, 1905. Fol. Die Illustrationen unseres
Artikels sind mit Genehmigung des Herrn Verlegers nach diesem Werke reproduziert werden.
Z. f. B. 1905/1906.
46
352
Haebler, Michel Greyff als Kalenderdrucker.
einmal die Rede gewesen ist, deren Bedeutung
aber als Dokumente zur ältesten Geschichte
des Buchdruckes nur in vereinzelten Fällen
eine gebührende Würdigung gefunden hat.
Und doch sind gerade sie von ganz beson¬
derem dokumentarischem Werte. Zwar nennen
sich allerdings auf diesen flüchtigen Blättern
die Drucker selbst auch keineswegs mit Regel¬
mäßigkeit; aber schon der Hinweis darauf, daß
sich die Zeit des Druckes in jedem einzelnen
Falle mit absoluter Sicherheit feststellen läßt,
und daß vielfach die Berechnung der astro¬
nomischen Angaben auf einen bestimmten
Punkt auch für den Ort des Druckes einen
sehr bedeutungsvollen Anhalt bietet, dürfte ge¬
nügen, um eine Vorstellung davon zu erwecken,
welchen Wert diese Blätter, von denen wir
beiläufig bereits weit über 200 in ganzen
Stücken oder doch in bestimmbaren Frag¬
menten kennen, für unsere Kenntnis von der
ältesten Geschichte des Buchdrucks und seiner
Ausbreitung besitzen müssen.
Bei unserer Untersuchung hat es sich her¬
ausgestellt, daß die Jahresalmanache schon im
XV. Jahrhundert, ganz wie dies noch in
unsern Tagen üblich ist, zu Reklamezwecken
verwendet worden sind. Der wesentliche Unter¬
schied besteht nur darin, daß sie damals nicht
wie heute zu einer Reklame für alle erdenk¬
lichen, fernab liegenden Zwecke gemißbraucht
wurden, sondern daß sie Reklame zu machen
bestimmt waren für die neue Kunst des Lettern¬
druckes und für die neu entstehenden oder
mit neuen Materialien ausgestatteten Druck¬
werkstätten, die mit ihrer Hilfe sich einem ge¬
ehrten Publikum ins Gedächtnis riefen. Günter
Zainer in Augsburg, einer der ersten und viel¬
leicht von allen Fachgenossen der verhältnis¬
mäßig produktivste Kalenderdrucker — wir
kennen jetzt schon mindestens neun Blatt, die
er in den acht Jahren hergestellt hat, in denen
er überhaupt nur als Drucker tätig gewesen
zu sein scheint — hat uns das recht deutlich
verraten in den Unterschriften, die er seinen
ältesten, in den neu von ihm gegossenen An¬
tiqua-Typen hergestellten Kalendern mitge¬
geben hat, denn er weist ausdrücklich darauf
hin, daß er diese Typen hauptsächlich deshalb
erfunden habe, um zu zeigen, daß er der Kon¬
kurrenz der überwiegend mit Antiqua-Typen
arbeitenden italienischen Druckereien voll¬
kommen gewachsen sei. Zu den ältesten
Druckerzeugnissen Günter Zainers scheinen
allerdings seine Kalender, deren Reihe erst
mit dem Jahre 1470 beginnt, nicht zu gehören.
Es ist aber sicher kein Zufall, daß wir aus
einer größeren Anzahl von Druckwerkstatten
der Inkunabelzeit bereits Kalender für dasjenige
Jahr kennen, in welchem dieselben zu drucken
begonnen haben: wir dürfen vielmehr wohl mit
Sicherheit annehmen, daß in solchen Fällen
die betreffenden Blätter mindestens nebenbei
dem Zwecke zu dienen bestimmt waren, die
neu eröffnete Firma dem Kundenkreise zu
empfehlen.
Daß aber der Reklamezweck der ausschlie߬
liche oder auch nur der vorwiegende Anlaß
für den Kalenderdruck gewesen sei, dürfen wir
dennoch nicht annehmen. Der Umstand, daß
ein Kalenderblatt sogar in dem Verzeichnis
der Verlagsartikel auf einer Bücheranzeige des
Günter Zainer von 1476 erscheint, ist ein
sicherer Beweis dafür, daß die Blätter auch
einen Handelsartikel bildeten, und die zahl¬
reichen Falle, in denen nicht der Drucker selbst,
sondern der Verfasser des Kalenders sich und
sein Werk dem Leser empfiehlt, sprechen
gleichfalls gegen die obige Annahme, zum
mindesten, soweit der Drucker in Frage kommt.
Dagegen spricht aber auch der Umstand, daß
eine ganze Menge von Druckwerkstätten, und
zwar zum Teil solche von einer großen Pro¬
duktivität nicht nur vereinzelt, sondern alljährlich
Kalenderblätter herausgegeben haben mit einem
gleichartigen, stets auf dieselben Zwecke zu¬
geschnittenen Inhalte. Günter Zainer steht
darin vereinzelt da, daß er jede der vier ver¬
schiedenen Druckschriften, die er sich nach
und nach hergestellt hat, in seinen Kalendern
verwendet und dem Publikum ausdrücklich
empfohlen hat. Im allgemeinen überwiegt bei
den Kalender-Reihen, die aus ein und derselben
Druckwerkstätte hervorgegangen sind, unver¬
kennbar das Bestreben, an der einmal gewählten
Form so lange als möglich festzuhalten und
Änderungen selbst dann, wenn sie unzweifel¬
haft Verbesserungen waren, nur sehr allmäh¬
lich eintreten zu lassen, damit die wesentliche
Erscheinung möglichst festgehalten blieb. So
sehen wir an den Augsburger Kalendern des
Johann Bämler nur nach und nach die ursprüng¬
lichen, in der Konkurrenz veraltenden Formen
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O n!nn,#°rr famp?« P^Sfte naeb mittag ,> ftuno rn mmut-funn ,nn 3pn,ti„
potent inr De h18 na'b 7'"^ Xl l'Xrnrrmt-r.m i jpu.ImXm Fritag nacb
Ktn tn Snbt SUC °" D’C bjm ‘lm jmftaS «bani» Der m5 i puioer bequem
^Polmcn an fant Peitj tagPO? mittag ü ftuno plp minut funn im l:rebo • Das nuiateVlSß^-'
DcebtnulTj uo? mn-pi ftuno rrxmi minut-run im brebo-am metag nacb bomFaeii.mS in Der puau«
?.en,u,18c»?no«i«ioe.ooinftagFntaS naebwri-mö im orafTehnan bequem De altf
fant io banns Des tcFets aubent gut Den alten on Die boubt auoer Vw^monet»
jjpplmon an oer jnbotte tailug uo? mittag n ftuno >;lii minut- Tunn im anfang oes le^i?i><iNI)i~
rar n-,?h„.r m,m-,0rbe ,,3fb u/obl ^«tag , ftuno tl mmut Tun ,m lepufn.iüntagpnSmen
g arbpl.iri-moinccrpuag bequem Den lungcon Die lenoe am fritag nacb biliam-moirn febtrje
4L5lclmcn ampomftag uo: Der brtcerpuibr narb mittag p ftuno rtpii minut.f„nnim —
am Do?nftag nacb bartolemei narb mittag t ftmio p minut-funn^n oer ujnd?frcen*Tn fine fte^t
Fans oes bauft tag pnoam ncebftc Dar nacb m5 in oer vuaug brquemocniunrti nn o,el e 1
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Abb. i. Aderlaßkalender auf das Jahr 1478. (Universitätsbibliothek zu Tübingen.)
(‘/j Originalgröße.)
Zeitschrijt für Bücherfreunde IX.
Zu Haebler Michel Greyff als Kalenderdrucker.
Haebler, Michel Greyff als Kalenderdrucker.
353
verschwinden, und finden in den Leipziger
Kalendern die Entwickelung einer ganz be¬
sonderen Form allmählich sich vollziehen, die,
nachdem sie ihre charakteristischen Merkmale
herausgebildet hat, lange Zeit unverändert fest¬
gehalten wird. Und ähnliche Vorgänge wieder¬
holen sich fast überall da, wo eine Reihe von
jahreskalendern aus ein und derselben Werk¬
stätte hervorgegangen sind.
Unter diesen Verhältnissen nun ist es ganz
besonders auffallend, daß wenigstens einer der
alten Kalenderdrucker offenbar eine ganz ent¬
gegensetzte Praxis befolgt hat. Dieser eine
ist Michel Greyff, der erste Buchdrucker von
Reutlingen. Von seinen Lebensumständen
wissen wir so gut wie nichts, denn er gehört
nicht zu der Art der ruhmredigen Fach¬
genossen, die allerlei von sich und von ihren
Leistungen in den Unterschriften ihrer Drucke
zu erzählen wissen. Den größten Teil seiner
Druckerzeugnisse können wir ihm überhaupt
nur auf Grund von Vergleichungen und lo¬
gischen Schlüssen zusprechen; besonders in
den älteren Arbeiten hat er so gut wie nie
weder seinen Namen noch Zeit und Ort der
Vollendung angegeben. Erst von i486 ab
nennt er sich öfter als Drucker und verrät uns
gelegentlich auch einmal, daß er um jene Zeit
in Reutlingen das Bürgerrecht erworben habe.
Die Anfänge seiner Tätigkeit reichen aber be¬
deutend weiter zurück. Ein Druck, der mit
seinen Typen ausgeführt ist, wurde am Mitt¬
woch nach Sankt Ulrich (7. Juli) 1479 voll¬
endet, und handschriftliche Eintragungen in
einzelne Exemplare seiner älteren Bücher
machen es wahrscheinlich, daß jener datierte
Druck keineswegs seine älteste Arbeit gewesen
ist. Und zur Gewißheit macht dies sein ältestes
Kalenderblatt.
Die Universitätsbibliothek in Tübingen be¬
sitzt einen hochinteressanten Einblattdruck, der
einen Aderlaßkalender auf das Jahr 1478 dar¬
stellt. Dieses Blatt ist gedruckt mit der
ältesten Type des Michel Greyff. Es ist dem
Druck nach ein sehr einfaches, jedes äußeren
Schmuckes entbehrendes Blatt, das in 12 kurzen
Abschnitten den Termin des Neu- und Voll¬
mondes und die empfehlenswerten Tage zum
Aderlässen für jeden Monat des Jahres enthält.
Die Überschriften der einzelnen Abschnitte
sind je an den Schluß der meist nicht voll aus¬
gedruckten voraufgehenden Zeile gerückt. Ein
einleitender Abschnitt enthält in üblicherweise
die Jahresangaben: Goldene Zahl, Römerzahl,
Sonntagsbuchstabe usw. Der erste Buchstabe,
der ein D sein müßte, fehlt, aber es ist, um
ihn mit der Hand zierlich einzuzeichnen, ein
quadratischer Raum von acht Zeilen Höhe im
Satze ausgespart.
In diesen nüchternen Zustand, wie er aus
der Druckerpresse hervorgegangen ist , muß
man sich allerdings den Tübinger Kalender
erst zurückversetzen. So wie er tatsächlich
vorliegt (Abb. 1), gewährt er eine treffliche
Veranschaulichung dafür, wie auch in der
ältesten Zeit des Buchdrucks noch die mittel¬
alterliche Kunst des Buchschmucks fortlebte
und sich zur Geltung brachte. Wenn man
genauer zusieht, sind die Mittel äußerst einfach,
mit denen der Rubrikator aus dem kahlen
Kalenderdrucke einen der zierlichst geschmück¬
ten Almanache gemacht hat, die uns überhaupt
überliefert sind. Mit derselben braunschwarzen
Tinte, mit der er unter den gedruckten Text
die Worte: „Ain guth sälig nuw Jare“ — üb¬
rigens ein Beweis dafür, daß das Blatt wohl
noch Ende 1477 hergestellt ist — geschrieben,
hat er mit flotten Strichen eine blätterartige
Leiste um drei Seiten des Druckes herum
entworfen, die sich von dem kreuzweis schraf¬
fierten Grunde sehr kräftig abhebt. An den
Kopf des Blattes hat er ein paar weitere Orna¬
mente gesetzt, die im Stile übereinstimmen
mit dem Initial-D, welches die dafür im Druck
vorgesehene Lücke ausfüllt. Es ist der Stil,
der uns aus den Holzschnitt - Initialen des
Günter Zainer in Augsburg und seiner Nach¬
ahmer geläufig ist. Der eigentliche Buchstabe
aber ist rot eingemalt, ebenso wie die hand¬
schriftlich über das Blatt verstreuten Rubrik¬
zeichen, und diese geringfügige Farbigkeit genügt
vollauf, um in wohltuendster Weise die Ein¬
tönigkeit des Schwarz und Braun zu beleben.
Die Gesamtwirkung ist eine äußerst glückliche,
und das Blatt — das einzige Beispiel einer
durchgeführten handschriftlichen Almanachver-
zierung, das mir bis jetzt vorgekommen ist
— gehört zu dem Ansprechendsten, was auf
diesem Gebiete geleistet worden ist.
Auf diese Weise hat sich Michel Greyff zu
Reutlingen zu Neujahr 1478 als Kalender¬
drucker, vielleicht auch überhaupt als Buch-
354
Haebler, Michel Greyff als Kalenderdrucker.
Abb. 3. Aderlaßmann und Neujahrs wünsch auf einem Straßburger Kalender aus dem Jahre 1404.
(KgL Landesbibliothek zu Stuttgart.*
drucker eingeführt. Dafür aber, daß er etwa
auch in den folgenden Jahren in ähnlicher
Weise sich betätigt hätte, fehlt es bis jetzt an
jedem Anzeichen. Nach 1479, dem ersten
Jahre, aus welchem er uns einen datierten
Druck hinterlassen hat, finden wir erst
Anno 1483 wieder ein datiertes Lebenszeichen
von ihm : einen Druck der Legenda aurea, die
mit neuem Druckmateriale hergestellt ist. Und
siehe da, für dasselbe Jahr, und mit denselben
Typen hergestellt, ist uns auch wieder ein
Kalenderblatt des Michel Greyff erhalten ge¬
blieben. Allerdings nennt er sich hier so wenig
als Drucker wie auf dem Blatte von 1478, und
wenn man das Äußere der beiden Drucke
gegen einander hält, so findet sich auch nicht
der mindeste Anhalt dafür, daß beide Blätter
Erzeugnisse ein und desselben Meisters sein
könnten. Ja, die Angabe der Einleitung, daß
der Kalender auf Nürnberg berechnet sei,
könnte uns sogar auf eine falsche Fährte locken.
Und trotzdem läßt die außerordentlich eigen¬
artige Type nicht den mindesten Zweifel daran
zu, daß wir es auch hier wieder mit einem
Drucke des Michel Greyff zu tun haben.
Auch dieses Blatt (Abb. 2) ist unter seines¬
gleichen ein Unikum, und würde als solches
noch augenfälliger sein, wenn es in besserer
Erhaltung auf uns gekommen wäre. Es fehlt
ihm nämlich in der Wiedergabe zum mindestens
ein Viertel seiner ursprünglichen Große, und
die Bruchstücke des verlorenen Teiles schließen
es nicht aus, daß derselbe noch einen Inhalt
besessen hat, der sich nicht ohne weiteres aus
dem Erhaltenen erschließen läßt. Aber auch
so ist der Kalender höchst eigenartig. Die
Jahresangaben an der Spitze sind ganz kurz in
zwei Langzeilen zusammengefaßt; dann ist der
Text zunächst in zwei eng gedruckten Spalten
angeordnet , in deren Mitte in Holzschnitt
eine entblößte menschliche Figur dargestellt ist
zwischen zwei Scheiben, die die Finsternisse
des Jahres, eine partielle der Sonne und eine
totale des Mondes, veranschaulichen sollen.
Ohne Zweifel soll dies eigentlich der sogenannte
Aderlaßmann sein, doch fehlen ihm vollkommen
die üblichen Attribute: die Sternbilder, die durch
Linien mit denjenigen Körperteilen in Verbin¬
dung gebracht sind, deren Schröpfung unter
ihrem Zeichen anempfohlen wird. Wie ein
solcher Aderlaßmann und zwar in besonders
reicher Gestaltung sonst auf Kalenderblättern
üblich ist, bringt die einem Straßburger Kalen¬
der entnommene Abb. 3 zur Anschauung.
Die beiden Spalten enthalten indessen auf¬
fallenderweise nicht einen fortlaufenden Text,
sondern es gehören von jeder Kolumne je die
13 obersten Zeilen der Tabelle der Mondphasen
an, während auf der 14. Zeile der ersten
Spalte, ohne jegliches äußere Merkmal, die
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y. mcl; nacb niitra-vv.ltimo B:ucb am lamfrag vo:
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^actbccntag vno wn i.cdritcn Dar nach nurtd im vifcb .
tivi nitwod) vno Oonli.ig ift.bii Dar nach gilt 1111 wtwr an
fant 'calciitinr. tag vn tvn nahten Dir n.-.eb mitcl im Jwebe
itn fant Rctcro abent vno ra ; gi r in tvr wag.sln fanr’eliya
tbio abent vii rag nnrtej im Gieupioij.j.n mörag vn jniihg
nacbmatbic gilt mi fcbiitjcn«
S?crtj wirr neuw on (ant perpefue vnö fclicit anoabent vot
mittag-vi.lhmo-jctubim. Buicb am möt ag vo: BcncPKti
vormittag, viij.itun.du-minij.jlln mittag vn imttwocb nacb .
ß: cgo:t} mittclum KJcbo.jln fant30noictc rag.vii am neeb «
Ile oar nacb 9? fit m rer vag .3t m mirvoabcu vn oonltag oar
nacb mirrd iimC’Co:piö-;Ein freiyag vno famftag oar noch
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Jtpnll wirr new an fanr.stmb.’ofi9 tag nacb mittag-iiij .lliio
i'ini. _ Bsueb am jmltag vo: fanr- jjötge rag .nach mirtag
VC- tcÜD.rvvvt|.iiii.jtm mötag vij jmltag nach lant JEmbrofi9
rag mirtcilm krcb%;lm mötag vn jfnfrag vo: Ztburcu ßut
tii txr vag. ;t m nntvoeb vn Donfr.'ig.unrrel '.m.£>co:piö. am
frevrag vn lamfrag iiechit oar narcb-Cnit im Cchuncn .jtn
fanr-O^arv tag vfi tvi> nccblicn par nacb ßur im valtcrnian.
£Dav wirr nev an Wo bcilgcn erüntag nacb mirrag-vi-ftuo
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mirtcl.un krcbo. jtm funrag vn inolirag nacbfjnr.fbangrati
U8 tag ßivir^m ccr va.*.jtni Eintrag vn mirvodvn oar nacb
mittel. ini.öcorpioirjEn laut potent i.nu abent vno rag-23iir
im.i?.dnitjcift:tn fanr ilrbanS rag vfi am neebfun rag oar
nacb .83iit im wafTcrman. jtm famftag \-no funtag oar nacb
mittel im vifcb-
Tßracbmonat wirf nnv am freyrog vo: faju Äon« atmo tag
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vo: mitfag.v .ftunD.jriv.mi.. jtn fon }3onifariufl abent ^tln
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tag gut in wr wag jtn jmltag nutwoeb vo: ütri mitcl
1JIl:>’.c0?P1°,;“n witj rag vn nccblum oar nacli.ßnt im
-ochuric. «in nnltag vn nntwocb vo: fanr.^ob.ino tagü3ut
’'n «'Jncrmä.jtn Jant^obäiiß abent vn tag.inirrcl.iin. vifcb
rtm funtag vn motag nadi fant jjobäin» tag Ciir-im wiwr.
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wo nadirea wann co.v fcblccbt.rn.tvicviri
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dlSagoalcna rag nacb rtnrtjg.viii.ftiino.tviq.minutcn alm
funrjg vno monrng nacb faut tllncbo rag gut m txr wag*
Zlm jinftag vno nntwoeb’en nnrtel uh fco:plon.
ein fanr Margareten rag beben an Oie bnnoftag vno M?<
ren btt: vnfer trawen raj.jjn wn ilt mt giir acvrlalTcu vno
orcjiicyncilie'ii' cjinbolifmue.
23er viigcnant inonar wirr nenw am funtag Oacb fant 3a
coba tag nacb fuitr jg ir.irunP.hit).mniurcn 23:ucb an vn
Sv frowirajalofu jfi bymel für vo: mitfag.it.llunO-ttxbnit'
eliigft wirt ncy am jmltag nacb fant i^clagiuo tog vor
mirtag- viq.ftüo-vri.vrvi.mi. J3rucb an we bcilgcn Crcutj
obent nacb mirtag.i}:.fruiio nri mmu.:lim funrag vn montag
vo: vnler frowc burt-juirtcl.iin.Gco:piö. 3t m jmftagmitwo
cb vn oöftag vo: vnfer frowetag gurim.fcbnfjc-jlm fuiitjg
vn imjnrag nacb vnfer frowc tag ßut im w'affcrmä jtn jtn
(tag vno mirryeocja ve>: trs bcilge £rnt jtag tnittel.im.Krcb9
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vii am rag ßut.im.fcbutjc.etm famftag vn fiinrag nach fran
nfci.ßür im Nvafferinä-stn/ant Diomfiuo tag vn am neebde
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im^krcbo.jtm mirvocb vn oonritag vot öymonis vn 3k»oe
ßut m txr wag.
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3uw nach inirraG t).ifAo.vn.pitu.fn<. B:ucb an fant Marv
ne rag nacb mitr jg.vuj.ltjb.vmi im. 31m fnrag vii famftag
nach ollcrbcilgcrag.ßur nn watTermö ein fant liciibarre a*
benf vno tag mittel im jDifcb 3m jmltag vno mitwoch vot
Mar.im gut im wiwr. jtn fant ßtmarö abet vno tag inirtcl
im Jere' a-ani nutwoeb vfi Oonltag vo: fant Uarbrin tag ßGc
m ocr wag.
wintcrinonat wirr new an fjnr Cunrate tag vot mittag
•viij.ftüp-iq.mi. Brudj an mötag vot iucic.vot mittag -vj
ftfiD.ncic.minu. 31 n fnrag vn fauiftag nacb fant.£no:fot ag
ßür nn watTermä. sin laut Barblc abent vii am rag mitrel
im ifJifcb-sln fanr jQicIjuo fjg vii Jin.iiccbftcn tag oar uacb
ßfq im wiwr- sin fanr.Zncicn aber vü tag mittet nn krebs
sin fant jbomae abent vii am tag ßiir m wr woge.
«Cnftmonar wirf neuw an fant (teffana tag vot mittag
iuj ftuno-tv-inmutcn.
elm.vf»äg tto mertjc weniotgen* ßeo-v«
fchlecbr-vnO -vliiij .mmute wem Ofe otew
teyi txr fonnen vom mon beteekc.
9)
Abb. 4. Aderlaßkalender auf das Jahr 1485.
(V. Originalgröße.)
(Nationalbibliothek zu Paris.)
Zeitschrift für Bücherfreunde IX.
Zu Haebler Michel Greyjff als Kalenderdrucker.
Haebler, Michel Greyff als Kalenderdrucker.
355
Aderlaßtafel beginnt, die sich in der zweiten
Spalte von der 14. Zeile ab fortsetzt. Soweit
entspricht der Inhalt des Almanachs annähernd
dem, was wir in allen Aderlaßkalerndern zu
finden gewohnt sind.
Die zweite Spalte endet nun aber mit einem
Abschnitt, der eigentlich die Überschrift für
das Weitere bilden sollte. Er besagt nämlich:
„In diesem nachvolgenden kalender vindet man
die beweglichen fest, Als den ersten suntag
der vasten, den ostertag etcetera verzeichent
auf dem tag an dem sie geuallen. Desgleichen
die lenge des tags.“ Und daran schließt sich
eine Tabelle, die in sechs Spalten in der Tat
alle Tage des Jahres mit ihren Heiligennamen
aufführt, und bei den Tagen, auf welche eines
der beweglichen Feste fällt, eine bezügliche
Bemerkung enthält. Ebenso wird, so oft die
Zu- oder Abnahme des Tages eine volle
Stunde ausmacht, diesem Tage der Vermerk:
x vr, xi vr, xii vr usw. beigesetzt. Die Tabelle
ist für die ersten sechs Monate des Jahres
vollständig erhalten; von der zweiten sind nur
Bruchstücke vorhanden, die die Übereinstim¬
mung der Anordnung erkennen lassen. Der
Kalender ist damit der erste, welcher mit der
gegenwärtigen Form unserer Almanache darin
übereinstimmt, daß er ausnahmslos alle Tage
des Jahres nennt, während es vor- und nachher
bei der überwiegenden Mehrheit der Aderlaß-
und sonstigen Kalender üblich ist, nur diejenigen
Monatstage zu nennen, mit denen es irgend
eine astronomisch oder medizinisch besondere
Bewandtnis hat.
Mit diesem Inhalte muß der vollständige
Kalender bereits ungewöhnlich große Dimen¬
sionen gewonnen haben. Es ist aber gar nicht
unmöglich, daß sich an die Aufzählung der
Tage noch irgend welche andere Angaben
angeschlossen haben. Nur der Umstand, daß
der Kalender in seiner äußeren Gestaltung
durchaus eigenartig ist, macht es untunlich,
über seinen möglichen Inhalt weitere Ver¬
mutungen aufzustellen.
Robert Proctor, bekanntlich der erste, der
es versucht hat, die Tätigkeit der alten Drucker
auf Grund ihres Druckmateriales genauer zu
untersuchen und einzuteilen, meinte eine solche
Kluft zwischen den Arbeiten Michel Greyffs
vor und nach dem Jahre 1484 zu entdecken,
daß er zwischen einer ersten und zweiten
Tätigkeitsperiode (first press — second press)
dieses Druckers unterscheidet. Die Kalender¬
blätter, die aus der Werkstatt unseres Meisters
hervorgegangen sind, scheinen ihm aber darin
nicht recht geben zu wollen. Allerdings be¬
sitzen wir keinen Almanach auf 1484, aber
während der Kalender von 1483 noch mit den
Typen seiner älteren Drucke hergestellt ist,
erscheint Greyff bereits für 1485 abermals mit
einem solchen auf dem Plane, der mit seinen
neuen Materialien hergestellt ist.
Auch im Angesicht dieses Blattes (Abb. 4)
wird man sich allerdings zunächst verwundert
fragen, ob man es wirklich mit einer Arbeit
desselben Meisters zu tun, der die Kalen¬
der von 1478 und 1483 hergestellt hat. Von
äußerer Übereinstimmung findet sich auch
nicht die mindeste Spur. Der Aderlaßkalender
auf das Jahr 1485 ist in Form und Inhalt eine
getreue Nachbildung der Blätter, die aus den
Augsburger Druckwerkstätten in den Jahren
um 1480 hervorgegangen sind. Die Vignette
mit dem Neujahrswunsche ist zuerst von Hans
Bämler erfunden worden, in der hier verwen¬
deten Form aber mehr von Anton Sorg und
Johann Schönsperger weitergebildet worden.
Das recht geschmackvolle Initial J, welches
einer Randleiste gleich den Text auf der linken
Seite abschließt, ist eine getreue Nachbildung
eines Holzstockes, der, allerdings in der Form
einer Winkelleiste, die sich auch über den
oberen Rand des Blattes erstreckte, in den
Händen des Johann Blaubirer gewesen ist.
Auch Anordnung und Inhalt des Textes sind
genau den Augsburger Blättern entsprechend.
Wieder aber sind es die Drucktypen, die keinen
Zweifel darüber zulassen, daß das Blatt, dessen
Hersteller sich wie in den früheren Gegenstücken
nicht genannt hat, gleichfalls aus der Werk¬
stätte Michel Greyffs hervorgegangen sein muß.
Festgehalten hat der Drucker an diesem
Typus ebenso wenig als an den vorhergehen¬
den. Eine ganze Reihe von Jahren hindurch
scheint er überhaupt keine Kalender heraus¬
gegeben zu haben; wenigstens sind bis jetzt
keine solchen aufgefunden worden. Als er
aber wieder mit einem Almanach auf dem
Markte erscheint, ist es abermals ein Blatt von
vollkommen anderem Aussehen.
Zu den merkwürdigsten Stücken der Ka¬
lender-Sammlung der Königlichen Hof- und
356
Haebler, Michel GreyfT als Kalenderdrucker.
Staatsbibliothek in München gehört ein doppel¬
seitig bedrucktes Blatt, das auf der Vorder¬
seite einen Kalender für 1491, auf der Rück¬
seite aber einen solchen für 1492 enthalt
(Abb. 5 und 6). Eine solche Zusammen¬
stellung kommt unter den sämtlichen Kalender¬
blättern, die man bis jetzt kennt, höchstens
noch einmal bei einem Baseler Kalender des
Lienhard Ysenhut vor, trägt aber dort einen
wesentlich anderen Charakter. Es ist nämlich
nichts seltenes, daß Kalender auf Blätter ge¬
druckt worden sind, deren Rückseite bereits
bedruckt war. Möglicherweise haben wir es
dabei nur mit Probeabzügen oder mit ver¬
worfenen Stücken zu tun. Denn wir dürfen
nicht vergessen, daß der größte Teil der
Kalenderblätter nur dadurch auf uns gekommen
ist, daß sie von den alten Buchbindern
zum Verkleben der Einbanddeckel verwendet
worden sind. Zu diesem Zwecke konnte aber
alle mögliche Papiermakulatur dienen, und so
sind vielleicht auch die Kalenderblätter, wie
der Lübecker Almanach von 1493, der auf
einen Korrekturbogen der niederdeutschen
Bibel abgezogen ist, oder der Blaubirersche
Kalender für 1481, der auf einen von Günter
Zainer einseitig bedruckten Bogen abgezogen
war, nur Probedrucke, die vom Hersteller
selbst verworfen wurden und niemals in den
Handel gelangten. Dasselbe scheint auch bei
dem Ysenhutschen Kalender für das Jahr 1499
der Fall gewesen zu sein. Es ist dies ein
Almanach von großen Dimensionen, der aus
zwei Blättern zusammengesetzt wurde. Das
Blatt, welches die obere Hälfte des Kalenders
trägt, ist auf der Rückseite leer; die untere
Hälfte aber trägt auf der Rückseite wiederum
die untere Hälfte eines ähnlichen Kalenders,
der für das Jahr 1498 bestimmt war. Ich
glaube, daß es sich in diesem Falle nur um
einen Akt der Sparsamkeit gehandelt hat.
Wir wissen aus zahllosen Beispielen, daß die
alten Drucker mit ihren Papiervorräten sehr
haushälterisch umzugehen pflegten und daß
sie es sich oft erhebliche Mühe kosten ließen,
einen im Druck mißratenen Bogen noch mit
Tinte und Feder so weit nachzubessern, daß er
nicht verworfen zu werden brauchte. So haben
sie wohl, und vielleicht nicht einmal ausschlie߬
lich zu Probe- oder Korrekturabzügen, für die
Kalender, die nur auf einer Seite bedruckt
zu werden bestimmt waren, Bogen verwendet,
die bereits einmal mit anderem Satze auf der
Rückseite bedruckt gewesen waren. Von Bei¬
spielen, auf welche diese Erklärung nicht an¬
wendbar erscheint, ist mir außer dem Almanach
des Michel Greyff nur noch ein Blatt bekannt,
das gleichfalls der Münchener Sammlung an¬
gehört und auf der Vorder- und Rückseite je
einen Kalender für dasselbe Jahr trägt Es ist
das ein Almanach, den Anton Sorg auf das
Jahr 1478 hergestellt hat und der gleichfalls
dem Forscher ein schweres Rätsel aufgibt, mit
dessen Lösung ich mich hier nicht näher be¬
fassen will. Kalender, bei denen auch die
Rückseite bedruckt ist, kommen natürlich auch
in der Weise vor, daß der Text beider Seiten
eine beabsichtigte Einheit darstellt, so daß der
Kalender erst durch beide Seiten zu seiner
Vollständigkeit gelangt. Alle diese Eventuali¬
täten treffen aber nicht zu auf das Greyffsche
Blatt für 1491/92. Man muß unbedingt nach
der äußeren Behandlung beider Seiten darauf
schließen, daß der zweiseitige Druck ein beab¬
sichtigter gewesen ist. Beide Seiten tragen
nämlich einen, wenn auch auffallend wenig
künstlerisch behandelten Holzschnittschmuck,
der sich aus verschiedenen Elementen zu¬
sammensetzt, die uns aus der Kalendertechnik
des XV. Jahrhunderts geläufig sind. Dabei spielt
auf beiden Blättern die Zusammenstellung von
zwei Wappen eine erhebliche Rolle, deren eines
aus einem Winkelbalken besteht, das andere
aber einen horizontal in vier Felder geteilten
Schild aufweist. Wäre es dem Drucker nur
darum zu tun gewesen, in zwei aufeinander
folgenden Jahren je einen Kalender mit diesen
Wappen zur Ausgabe zu bringen, so würde er
wohl sicherlich den Holzstock, den er sich für
den Almanach auf 1491 schneiden ließ, auch für
denjenigen auf 1492 verwendet haben. Da nun
aber auf den beiden Blätterseiten beide Male
dieselben Elemente in durchaus verschieden¬
artiger Weise angebracht und verwendet sind,
so dürfen wir daraus wohl entnehmen, daß beide
Entwürfe wirklich gleichzeitig gemacht sind, daß
das Blatt absichtlich auf einmal auf beiden
Seiten bedruckt wurde und daß der Ver¬
fertiger in der Tat den einzigartigen Versuch
gemacht hat, auf einem Blatte gleichzeitig die
Almanache für zwei aufeinander folgende Jahre
zur Veröffentlichung zu bringen.
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Alb.
Doppelseitiger Almanach auf die Jahre 1491/92. (Hof- und Staatsbibliothek zu München.)
Vorderseite. (‘/2 Originalgröße.)
Zeitschrift fiir biicherfrennde IX.
Zu Haebler: Michel Greyff als Kalcnderdrucker.
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Peutani Tüug gilt crQiuy ulffcrley lUfjcit oitPr.ud)' X,oPvicrrcP0.im)T.ig 03tug vo; vrP.tm 5ifcb’ gtttPn?c cnjiiey )u pili jt PulVcu'i;
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r«g?unwc§ votmgiigTD-iggiitcrijiieyriJfertcy (itfTcfi 01t Poucbi ficyrng inicgPoiiifufi, ©cotpgüfertjucy m trücP vo; nut-tg X)c
0^‘iginicP vin 9ifd) gtirPayeiicrtjiiey |n p IPcu Pl.jtcit c*it fieß XoP vicrTePlcOut-ig inictyv rt TDiO' gutPu^m (li|]u onß p.utPt
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Pcvtiifticpüg 0ct)ui3 gut Pr.VcnP.i|)cit oii t>iccig>’ Xol' 2lmuPen? vu^ tag rtOr.rgnrctpc fifd>'giit InWcucrtjiuy jnpilPcii Pu|]cn ouö.t fy
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4 Pu?eit crcjiiey mPtitwcrgUfleii ouP;iiji Vol viertel Am tugXuac TDug gut ercjhey nllcrlcy Lffcit 011 Ptuicti ©öeug 1 n; cp' Xueie. (
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3CIHicrC0oi;tii2^OMiitas votmCprtjTag fifep gfltPu?cit erejuey jitpillcit Ißffcn ott tue fuß
Abb. 6. Doppelseitiger Almanach auf die Jahre 1491/92. (Hof- und Staatsbibliothek zu München.)
Rückseite. (‘/2 Originalgröße.)
Zeitschrift für Bücherfreunde IX.
Zu Haebler: Michel Greyfj als Kalenderdrucker.
Haebler, Michel Greyff als Kalenderdrucker.
357
Ich habe dem Doppelblatte, das wie ge¬
wöhnlich über seine Entstehung keinerlei Aus¬
kunft enthält, recht lange Zeit ratlos gegen¬
übergestanden. Da Augsburger, Ulmer und
Nürnberger Kalender nicht selten mit dem
Wappen der Stadt geziert sind, in der sie
entstanden, so vermutete ich zunächst auch
hier, daß die Heraldik mir zu einer Erklärung
behilflich sein sollte. Aber keine der ober¬
deutschen Städte, in denen die Druckerkunst
im XV. Jahrhundert ausgeübt worden ist, ließ
sich mit den beiden Wappen unseres Kalender-
Doppelblattes in Beziehung bringen.
Auch die Typen des Blattes boten in diesem
Falle wenig Hilfe Sie gehören einer Schrift¬
gattung an, die gegen Ende des XV. Jahr¬
hunderts sich einer außerordentlichen Beliebt¬
heit erfreut haben muß, denn wir finden sie
an den verschiedensten Stellen, in den ver¬
schiedensten Händen wieder, und fast alle die
großen Druckerfirmen, die um jene Zeit tätig
gewesen sind, haben sich einen Satz dieses
Typencharakters zugelegt. Kleine Unterschiede
ermöglichen aber dennoch fast immer eine
ziemlich saubere Scheidung der Zugehörigkeit;
kleine Unterschiede ließen sich denn auch in
den vorliegenden Kalenderblättern ausfindig
machen, nur daß dieselben leider zu keinem
der zahlreichen Typenalphabete dieser Gattung
passen wollten, deren Drucker uns bekannt
geworden sind.
Erst ein glücklicher Zufall brachte mich
auf die richtige Fährte. Unter der Menge von
Inkunabeln, die ich für die Herstellung meines
Typenrepertoriums der Wiegendrucke einer
näheren Untersuchung unterziehen mußte, be¬
fanden sich auch die „Statuta synodalia Eystet-
tensia“ vom io. März 1484, von denen Proctor
angegeben hatte, daß sie mit drei Typen des
Michel Greyff gedruckt seien. Diese Angabe
fand ich allerdings in dem Exemplare der
Hof- und Staatsbibliothek zu München vollauf
bestätigt; es zeigte sich jedoch, daß dem
Statutendrucke noch ein Bogen mit Ablaß-
Verheißungen angehängt war, der in einer
vierten Type, und zwar in derjenigen unserer
Kalender gedruckt war. Da diese Ablaß-An¬
gaben in sachlichem Zusammenhänge mit den
Statuten standen, war ihre zeitlich und örtlich
gemeinsame Entstehung zwar sehr wahrschein¬
lich, aber doch noch nicht zwingend erwiesen.
Der Beweis ergab sich erst bei näherer Unter¬
suchung aus der Tatsache, daß mit der gleichen
Type auch ein kurzer Abschnitt, ein paar
Seiten einer Lage, in der Mitte des Buches
hergestellt waren. Damit konnte es allerdings
als erwiesen gelten, daß auch diese bisher
herrenlose Type dem Michel Greyff in Reut¬
lingen zugehört haben mußte.
Und dieses Resultat fand eine erfreuliche
Bestätigung. Da es weder mir selbst noch
einigen meiner bibliothekarischen Freunde hatte
gelingen wollen, die Wappen des Kalenders
zu deuten, so hatte ich den Herrn Grafen von
Leiningen -Westerburg als einen der gewieg¬
testen Wappenkenner der Gegenwart um seine
freundliche Unterstützung angehen lassen und
durch dessen liebenswürdige Vermittelung erhielt
ich von Herrn G. A. Seyler die Mitteilung, daß
das eine Wappen, und zwar dasjenige mit dem
viergeteilten Schilde, der Familie der Herren
von Reichenau zugehörte, deren einer, Wilhelm
von Reichenau, von 1464 — 1496 Bischof von
Eichstätt gewesen war. Das stimmte vortreff¬
lich dazu, daß ich die Type unserer Kalender¬
blätter soeben in den Synodalstatuten von
Eichstätt wiederentdeckt hatte , die derselbe
Wilhelm von Reichenau dem Michel Greyff zur
Vervielfältigung durch den Druck übermittelt
hatte.
Die Kette der Beweise für die Urheber¬
schaft des Michel Greyff war damit geschlossen.
Um so größer aber wurde damit die Verwun¬
derung darüber, daß die Blätter abermals einen
anderen, von allen früheren gänzlich abweichen¬
den Stil tragen. Daß die Technik des Holz¬
schnitts in den beiden Blättern nicht eben auf
hoher Stufe steht, wurde schon erwähnt ; die
künstlerische Erfindung aber ist deswegen denn
doch nicht zu verachten. In diesen Blättern,
besonders in demjenigen für 1492 (Abbildung 6)
hat Michel Greyff sich am meisten von hei¬
mischer Kunst inspirieren lassen. Das Spruch¬
band am Kopf des Blattes und die Leiste an
der linken Längsseite, die von einem wappen¬
tragenden „wilden Mann“ ausgeht und in einer
Blüte endet, aus der die Gestalt des Christ¬
kindleins emporwächst, sind Motive, die zu¬
erst Hans Zainer von Ulm auf seinen Kalender¬
blättern eingeführt und die ihm schon Konrad
Fyner in dem Uracher Kalender von 1482 so
getreulich nachgebildet hat, daß man auf den
358
Haebler, Michel Greyff als Kalenderdrucker.
ersten Blick an einen gemeinsamen Ursprung
denken möchte. Greyffs Nachahmung ist bei
weitem freier, leichter und graziöser, und sie
würde in besserer Ausführung vielleicht das
Vorbild übertreffen. Sehr geschickt entworfen
ist auch die Querleiste, die Greyff am Fuße
des 1492 er Blattes angebracht hat. Das
Wappen des Bischofs bildet darin den Mittel¬
punkt einerKomposition, die sich durch Leichtig¬
keit und Schwung auszeichnet, nur leider, offenbar
erst in dem vollendeten Holzstocke, beider¬
seitig beschnitten ist. Im Vergleich damit sind
allerdings die Ausschmückungen des Almanachs
von 1491 (Abbildung 5) dürftig und plump,
haben aber wieder den Vorzug größerer Ori¬
ginalität; mir wenigstens ist kein Blatt bekannt,
dem sie nachgebildet sein könnten.
Aus den Blättern ergibt sich meines Er¬
achtens, daß Michel Greyff sie entworfen hat,
um sich seinem hohen Gönner, dem Bischof
von Eichstätt, zu empfehlen. In irgend einer
Beziehung müssen die Blätter wohl auch zu
den Eichstätter Synodal -Statuten stehen. Die
letzteren sind zwar 1484 zum Beschluß erhoben,
allein sicher nicht schon damals gedruckt
worden; dagegen spricht nicht nur die Kalender¬
type, die wir vorläufig überhaupt noch aus
keinem anderen datierten Druckerzeugnisse
kennen, sondern auch eine größere Auszeich¬
nungstype, die nicht vor i486 in anderen
Greyffschen Drucken gefunden wird. Das
Nächstliegende ist unzweifelhaft, daß die
Statuten um dieselbe Zeit wie die Kalender,
etwa 1490, gedruckt worden sind, und daß die
Kalender mit dem Wappen des Bischofs einen
Beweis dankbarer Huldigung von Seiten des
Druckers für seinen hohen Gönner darstellen
sollen.
Alle bisher erwähnten Kalenderdrucke haben
wir dem Michel Greyff nur auf Grund der darin
verwendeten Typen zuschreiben können. Das
einzige Blatt, des er mit seinem Namen
unterzeichnet hat, ist der Almanach für 1495
(Abb. 7), da er die Unterschrift führt: „Ge-
truckt zu Reutlingen durch michel Greyffen.
In dem M.cccc.lxxxxv. Jar.“, und da er keinen
Neujahrswunsch trägt, so scheint mir zunächst
daraus hervorzugehen , daß das Blatt nicht,
wie wir dies für manche andere nachweisen
können, schon Ende 1494, sondern wirklich
erst im Anfänge des Kalenderjahres hergestellt
worden ist. Daß auch dieses Blatt wieder
stilistisch von allen seinen Vorgängern abweicht,
kann uns nach dem, was wir bisher schon
kennen gelernt haben, nicht mehr verwundern.
Eigentlich originell ist allerdings auch der
Typus dieses Blattes nicht; ebensowenig aber
ist es eine sklavische Nachbildung, denn wäh¬
rend der oben und an der linken Längsseite
angeordnete Schmuck von 13 kleinen Holz¬
schnitten einem Bämlerschen Kalender von 1485
nachgebildet ist, beruht die Haupteigentümlich¬
keit des Textes, die Einleitung jeden Monats
durch den Ausspruch irgend eines klassischen
Lehrers der Heilkunst auf dem Vorbilde eines
Almanachs, den Johann Zainer in Ulm, aber
mit einem ganz anderen künstlerischen Schmuck
hergestellt hat. Der Eklektizismus, dem Michel
Greyff überhaupt durch den beständigen Wechsel
im Stile seiner Kalender huldigt, verleugnet sich
erst recht nicht in diesem Blatte, das trotz der
Anlehnung an das, was seine Vorgänger ge¬
schaffen haben, doch wieder das Zeugnis
eigenen Nachdenkens, eigener Gestaltungskraft
ablegt.
Einen weiteren Kalender des Michel Greyff
habe ich bis jetzt noch nicht kennen gelernt.
Da er möglicherweise noch bis 1514 zu drucken
fortgefahren hat, so könnte er sich recht wohl
auch einmal wieder auf diesem Gebiete ver¬
sucht haben. Wir dürften dann wohl mit
Sicherheit darauf rechnen, daß er abermals
mit etwas anderem an die Öffentlichkeit ge¬
treten sein würde. In dieser Beziehung steht
er unbedingt unter allen Kalenderdruckern
einzig da. Wir kennen gewiß Kalenderreihen,
in denen ein und derselbe Drucker wiederholt
Neues zu bieten versucht hat, etwa wie Hans
Bämler in Augsburg oder Martin Landsberg in
Leipzig; aber bei ihnen entwickelt sich das
Neue allmählich aus dem Gegebenen, und
eine ununterbrochene Verbindung reicht von
ihren Anfängen bis zu ihren spätesten Leist¬
ungen. In ihren Blättern liegt eine folgerich¬
tige Entwickelung, die vielleicht schließlich zu
höheren Zielen hinaufführt, als diejenigen sind,
die Michel Greyff mit seinen Almanachen er¬
reicht hat; aber einen Meister von gleicher
Vielseitigkeit hat es neben Michel Greyff im
XV. Jahrhundert sicher nicht gegeben.
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0cbüt5.güt ben alten on bie biecb- 0am(Tag vft fonrag vo: vo: Jb!cbaelie.©cbü^.0ÜD ben junge on bie biccbN^iVi fant
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t^tolomeue.fl: Jm Bpprillcn 3Ü ber leber laffen 3ym-' 0eneca «r Jm weinmont lajeit fcb:ep(fen vff ben
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Bppnll.^lbitwocb vo: amb:ofij. krepe. mittel ben jungen VCciumot ©onffagnacb micbaeke.vtfcb.mitel oe iunge on
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£>üt U alten 011 bie bam. Bfftennötag vno muwocl) nach nach gallt.fcbut3.m1td oe jungö 011 ote otecl) Bu fant fymö
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Buicdia.c Jm mayen laffen vff ö mcoian . nach 0ymon vft jnoe.wioer.güt de junge on oae boupt
0cb:epffenvff ben armen folt du mt vnoerwegen Ion. £ö(lantinuo.c Jm wiiitennöt iff böß laffen 5Üm bopt
0cb:epffcu vff oen febuhern bat er vno erlaupt.
Wintcrmöt.an fant lbnbart3tag.krepe.mitd 0 i alte on Die
/*?\ ^ay.dfftcrmötag vn mitwocl) nach oee b<ulgc creüt3 tag
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fr'fM waffermurt;ißut oen alten on Pie bam.affrcrmctag vft mit'- lciio.0ä(tag nacl) martim.fco:p.mitd oe alte onoie febatn
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Buerro10.tr Jm 3B:acbmorit laffen vft l)aiß baben
"(Pfeffer klein vifcb bit3lge fpcyß b:mgt Dir febaoen
r:-—-— 7ö:acb*at.^lß)onta0 afftermötag vo: dc pfingffag.wag.ßait
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©onffag uacb katbrftie.Bffcb.mud oen jungen on Die föt?
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£l)ütce not fo fcb:cpff anfuffenooer 3ÜU1 boupr.
_ _ _ _ . . „ £b:i(lmöt.anfantbarblenabenvntag.krepe.mitelDealttt»
pe alrö on'Die bam.0äjlag vo: viti.Bifci).initcl oen alte on on Die lüg Jfeitwocb böjlag fi ytag nach iFiicfay.wag.güt
1 Diefbß.affrei mötag nacl) viti.wfDcr.ßut oe alte on 05 bopt alte 011 bie lcnb.an f.lucicn aben vn tag.fco:p.imtel be alten
b.A Bfffcrinötagnacbpetri vfi^auh.wag.jBüt 0^ junge on Die on bie fcbam.0dllag vo: tbome.waffennä.jDüt be junge on
iRafie.tr Jm iföömont wiffeu tbür. ^ -.leno. bie batn.Bfftermörag vo: be £:ijlag.vffcb.mitcl be jungen
' £efcniDbunDetag nittlaußocm blär. ^ on bie fuß. Bm £bri(labent.wiö.güt ben junge oubJbOi^.
<t j^urgieiD Jm krepe mit £lectuarij. Jm 0co: pio mitt £ranck. Jnn vifeben mitt'i&iUulei».
ibetrukt 3ü iReütlibgen bureb micbd ßrevffcn. Jn oem-«ftS>.cccc.I]C):,n:v. Jar.
Abb. 7.
Aderlaßkalender auf das Jahr 1495. (Hof- und Staatsbibliothek zu München.)
(*/;, Originalgröße.)
Zeitschrift für Bücherfreunde IX
Zu Haebler : Michel Grcyff als Kal ender drucker .
'
Fälschungen und Neudrucke alter japanischer Holzschnitte.
Von
Friedrich Perzynski in Kyoto (Japan).
ie schönen Geschichten alter japanischer
Residenten, die vor zwanzig und dreißig
Jahren erstaunte Händler mit einigen
Yen für ganze Bündel köstlicher Farbenholz¬
schnitte, Moronobus, Harunobus, Koriusais, Uta-
maros, Hokusais beglückten, klingen denen
wie phantastische Märchen, die heute in Japan
auf Farbenholzschnitte Jagd machen. Es ist
eine Jagd, an der sich alle Nationen mit dem¬
selben zweifelhaften Glück beteiligen, mit dem
der Reisende in Italien objets d’art der Renais¬
sance nachspürt, wohlverstanden echten und
wertvollen, nicht lediglich altem Plunder.
Als Europa und Amerika den größten Teil
der Nishikiye, das heißt Brokatgemälde, in Sicher¬
heit gebracht hatten, begann Japan sich auf
das bislang mißachtete Genre zu besinnen. An
Dingen, die mit solchem Eifer gesammelt, die
in Büchern beschrieben und in teuren Repro¬
duktionen kopiert wurden, mußte etwas sein.
Man gab sich Mühe, sie zu entdecken, und man
findet stets, wo man mit Fleiß sucht. So wurde
aus dem Buntdruck des Plebs, dem „Gemälde“
der Handwerker, Bauern und Kaufleute, ein
künstlerischer Handelsartikel, dessen Wert von
Jahr zu Jahr, proportional der Nachfrage, stieg.
Hinzu kam, daß die Regierung den Holz¬
schnitt, das Werk der plebejischen Ukioye-
Meister, durch Aufnahme in kaiserliche Museen
rehabilitiert hatte. Der Versuch, eine Sammlung
guter Holzschnittproben aller bemerkenswerten
Meister zusammenzubringen, scheiterte: das
japanische Budget war zu klein, die europäische
z. f. B. 1905/1906.
Konkurrenz zu groß. In jedem anderen Kunst¬
zweige hätten die kaiserliche Familie oder die
Familien der Granden mit ererbten Schätzen
einspringen und die Lücken füllen können: doch
der japanische Adel besaß nur Setzschirme und
Kakemonos, aber keine Nishikiye. Im Zimmer
war nie Raum für sie gewesen; die Bildernische
(Tokonoma) wäre durch ein Werk der Holz¬
schnittmeister entweiht worden. So blieben die
Holzschnittsammlungen der kaiserlichen Museen
auf einen spärlichen Grundstock beschränkt, der
ein ungenügendes Bild der Entwicklung, ein
um so vortrefflicheres aber jahrzehntelanger
Geringschätzung gewährt.
Der Indifferentismus der japanischen Kauf¬
mannsseele vermochte dem doppelten Ansturm,
dem der eigenen Landsleute und dem der
nimmersatten Abendländer, nicht zu wider¬
stehen: aus dem Händler, der froh erstaunt
köstliche Drucke Harunobus und Kiyonagas
gegen ein paar blanke Münzen eintauschte,
wurde im Laufe weniger Jahre ein gewiegter
Exporteur. Nie sind systematischer und erfolg¬
reicher künstlerische Raubzüge in das Innere
eines Landes unternommen worden. Es waren
noch Schätze zu heben: an den Setzschirmen
der Provinzialen klebten Holzschnitte, die ab¬
gelöst wurden; wo kein Geld für Kakemonos
vorhanden gewesen, war das billige Nishi¬
kiye als Gemälde montiert und im Tokonoma
aufgehängt worden: jetzt fiel es dem Curio-Mann
in die Hände. Klebebücher mit Holzschnitten,
jahrzehntelang in modrig riechenden Schränken
47
Perzynski, Fälschungen und Neudrucke alter japanischer Holzschnitte.
360
auf bewahrt, wurden von Kindern ausgekramt:
der Händler erstand sie, etwas betrübt, daß die
kleinen braunen Finger vor dem Ankauf so viele
Korrekturen für nötig befunden hatten.
Jahre vergingen, und noch immer gab das
Inselreich hunderte schöner Drucke her. Dann
aber trat große Stille auf dem Markte ein.
Gewisse Stücke, in europäischen Büchern als
Marksteine der Holzschnittkunst aufgeführt,
kamen überhaupt nicht mehr vor oder nur noch
in unvollständigen oder beschädigten Exempla¬
ren. Da frische Drucke kaum zu erlangen waren,
ging man ans Reparieren. Ein zerknitterter, von
Insekten zerfressener, fleckiger Holzschnitt wurde
wie ein altes Kleid gereinigt und gebügelt; mit
kaltem Wasser gewaschen, mit gleichfarbigem
Papier unterlegt, mit heißem Eisen glatt geplättet.
In dieser Zeit der Surrogate verfiel man auf
die naheliegende Idee der Fälschung, oder, um
mich höflicher auszudrücken, des Nachdrucks.
Der Holzschnitt war nun einmal ein Ausfuhr¬
artikel geworden, und da der Konsum (man
verzeihe dieses poesielose Wort) nicht nachlassen
wollte, sondern wuchs wie die Nachfrage nach
„echten“ Lacken Korins, so blieb wenig anderes
übrig, als neues Gold mit altem Stempel zu
prägen.
Dies geschah auf mehr oder minder
vollkommene Art. Die minder vollkom¬
mene Art täuscht nur den Durchschnitts¬
globetrotter, jenen, der sich nicht scheut,
Beobachtungen wie die folgende in den
Smokingrooms großer japanischer 1 lotels
zum besten zu geben: „Ich sah heute in
einem Curio- Laden ein schönes altes
Stück. Preis 150 Yen. Als ich dem
Händler 125 Yen bot und bezahlte,
schien er ganz vergnügt.“ (Bemerkung
des Autors: Der Herr Globetrotter hat
noch 50 Yen zu viel bezahlt, da die mei¬
sten mit Europäern verkehrenden Curio-
händler 100% aufzuschlagen pflegen.)
Um die groben Fälschungen sogleich
zu charakterisieren: sie sind auf dünnem,
billigem Papier gedruckt, in brutalen
Farben und mit schlecht „deckenden“
Konturen. Wenn man den niedrigen Preis
(ein Blatt kostet wenige Pfennige) in
Erwägung zieht und den immerhin be¬
trächtlichen Müheaufwand, der diese
Holzschnitte weit über das künstlerische
Niveau unserer populären Buntdrucke erhebt,
fragt man verwundert nach den Motiven einer
solchen Spekulation. Es wäre in Deutschland
unmöglich, Drucke dieser Art für wenige Pfennige
das Stück herzustellen, und der billige japanische
Preis wird nur dem verständlich, der die außer¬
ordentlich bescheidenen Lebensansprüche eines
japanischen Handwerkers und seine Genugtuung
über den kleinsten Gewinn kennen gelernt hat.
In die hier geschilderte unschuldigere Kate¬
gorie wäre zunächst ein Satz von ca. 20 vor
etwa einem Jahrzehnt in Osaka gedruckten
Surimonos einzureihen; neben bekannteren
Blättern wie dem Surimono Hokusais: Kaki¬
frucht und Grille (in Abb. 1 hier reproduziert)
darstellend, finden sich merkwürdigerweise auch
unbezeichnete Arbeiten, die unsere Sammler
selbst dann kaum anzuziehen vermögen, wenn
es sich um echte alte Holzschnitte handelt.
Alles in allem hat man es hier mit einem plan¬
losen und schluderhaften Nachdruck zu tun, der
kein Unheil anrichten kann.
Bedenklicher präsentierten sich drei andere
Fälschungen Hokusaischer Surimonos, die mir
in Tokio von einem sonst nicht unehrlichen
Händler unter „Garantie der Echtheit“ für 4
Mark das Stück angeboten wurden. Es waren
Perzynski, Fälschungen und Neudrucke alter japanischer Holzschnitte.
361
Abb. 2. Hokusai: Die Nihonbashi-Brücke in Yedo.
sämtlich Stilleben; der Drucker hatte im Gegen¬
satz zu den früher aufgeführten Fälschungen
dickes, löschpapierartiges Papier benutzt, das
sich jedoch in seinem gelblichen Ton von dem
helleren der echten Surimonos unterschied.
Die Ausführung war, wenn auch peinlich sauber,
doch zu sparsam; die Metalltöne hatte sich der
Fälscher geschenkt.
Das Vorhandensein von metallischem Lüstre
bildet nicht immer ein Kennzeichen der Echt¬
heit. Ein Paar der besten Surimonos von Hok-
kei (die Bergfrau Yamauba und ihr Sohn Kintoki
mit einem Tengu und einem Hahn) wären ein
Gegenbeweis. Dem, der seinen Blick an der
exquisiten Arbeitsweise Hokkeis geschärft hat,
mag sofort die Ungleichmäßigkeit der Aus¬
führung und die Dumpfheit des Kolorits auf¬
fallen; auch das dünne Papier, Papier, wie es
niemals von bedeutenderen Surimonomeistern
verwandt wurde, läßt keinen Zweifel über das
Alter des Stückes. Von ihm sind aller Wahr¬
scheinlichkeit nach Dutzende an Laien abgesetzt
worden. Der Wert dieses Blattes beträgt 20 sen
-(40 Pfennige).
Nachdrucke ohne betrügerische Absichten
fertigten in den beiden letzten Jahrzehnten eine
größere Anzahl von Kaufleuten an. Ich nenne
den Verleger T. Hasegawa (den Herausgeber
der reizend illustrierten Krepp -Bücher), der
„Reproduktionen von Meisterwerken“ edierte:
Hiroshiges Regennacht (6 M.), Tokaido-Land-
schaften (Mishima, Kambara, Kakegawa, Fu-
kuroi, Goyu, Yokkaichi, Seki, Shono, Saka-
noshita, Shinagava usw., ä 1.20 M.), „Die schönen
Ansichten von Yedo“ (Gyotoku, Haneda usw., ä
2 M.), Hiroshiges Saruhashi (1 M.), Biva-See
(1 M.), Hokusais Welle (1 M.), seine Kikyo
(Platycodon grandiflorum, 1.50 M.), einzelne
Blätter von Utamaro, Yeishi und Harunobu
(Stück 2 — 3 M.). Kobayashi in Tokio druckte
und druckt noch jetzt erlesene Blätter der Holz¬
schnittmeister mustergültig nach (ich erwähne
nur seine Fuji- Ansichten des Hokusai und Utama-
ros, Papierhändler Jihei und die Sängerin Koharee
(abgebildet bei Seidlitz, Seite 155).
Die Zeitung Miyako Shimbun versandte vor
etwa zwanzig Jahren eine Gratiszugabe an ihre
Leser in Gestalt eines Druckes nach Harunobu
(zwei Frauen bei der Toilette; Format unge¬
wöhnlich schmal, jedoch kein Hashira-Kakushi).
Dieses Blatt wurde mir in Nikko von der Firma
Y. Hayashi, einem der bedeutendsten Curio-
Geschäfte der Stadt, für 20 Mark unter der
Garantie der Echtheit anvertraut. Es gelang mir,
die Entstehungsgeschichte dieses auf dünnerem
Papier gedruckten, verblaßten und modrig
riechenden Harunobu herauszufinden, und ich
remittierte das Stück, dessen Wert 10 Pfennige
362
Perzynski, Fälschungen und Neudrucke alter japanischer Holzschnitte.
betrug, nach einem sehr ergötzlichen Briefwechsel
mit dem Biedermann in Nikko.
Es sei mir gestattet, eine ähnliche Erfahrung,
die ich in der herrlichen Stadt Jyeyasus machte,
zu Nutz und Frommen anderer Reisenden hier
einzuflechten. Der Besitzer des größten Curio-
Geschäftes von Nikko, der die schönsten Wege
mit bombastischer Reklame in amerikanischem
Stil verunziert hat, verfolgte auch mich im
Hotel auf Schritt und Tritt. Da ich in Japan
niemals von einem Händler mit „schlechtem
Gesicht“ zu kaufen pflege, lehnte ich die Auf¬
forderung, seine Curios zu besichtigen, ab. Er
erwischte mich bald darauf auf der Straße, und
ich konnte seine höfliche Bitte nun nicht ab-
schlagen. Sein Curio-Laden, prächtig ausge¬
stattet und in einer verlockenden Natur gelegen,
enthielt alle jene Kunstgegenstände, die auf
amerikanische Augen eine unheimliche An¬
ziehungskraft ausüben, die aber japanischen
Schönheitssinn ebenso verletzen wie uns etwa
ein Bild Kiesels oder Nathanael Sichels. Der
Anblick so vieler barbarischer Dinge machte
mich traurig, und ich fragte, um einen letzten
Versuch zu machen, nach Nishikiye. Der
Händler brachte eilfertig seine Holzschnitt¬
mappen herbei. Er begann sehr geschickt
mit schlechten Yeizans und ging, als er sah,
daß ich die Materie einigermaßen verstand, zu
besserem über. Mir genügte nichts. Er dachte
nach. Dann sprach er geheimnisvoll:
„Wir besitzen noch ein Buch, das seit 80
Jahren in unserer Familie aufbewahrt wird. Es
sind elf Ansichten des Fuji von I lokusai. Aber
es ist sehr teuer.“
Und er rief umständlich-raffiniert, wie das
nur Curiohändler können, nach einem Ange¬
stellten, ließ das Werk bringen und entfaltete es.
Ich betrachtete die elf zu einem Bande ver¬
einigten Drucke und äußerte mein Entzücken.
Niemals hat Hokusai so schöne Fujiblätter
gedruckt. „Sind Sie sicher,“ fragte ich, „daß es
sich um keine Nachdrucke handelt?“
„Ich kann nicht dafür garantieren. Ich weiß
lediglich, daß dieses Buch seit vielen, vielen
Jahren in meinem Hause aufbewahrt wird . .
Der Preis der elf Blätter betrug etwas
über 500 Mark.
„Ich kann nicht glauben,“ bemerkte
ich, „daß die Drucke echt sind; so klare
und sanfte Farben habe ich nie auf
einem Fujiblatte gesehen. Es könnten
aber Abzüge sein, die für ein paar Lieb¬
haber gemacht sind, oder es sind die
besten — Fälschungen , die in Japan
existieren. . . “
Der Händler wiederholte noch einmal,
daß er die Blätter seit vielen Jahren
besäße, daß er sie aber zurücknehmen
würde, falls ich entdeckte, sie seien nicht
echt.
Ich ging darauf ein, gab ihm ein
großes Depot (das zu dem geforderten
Preise in einigem Verhältnis stand), band
den Curio-Mann durch ein Schriftstück,
das keine Hintertüren offen ließ, und
fuhr nach Tokyo.
Schon nach drei Tagen fand ich den
Urheber dieser „echten“ Hokusais heraus.
Sein Name war Okura, seine Adresse
Nihonbashi, Tori Ichome, Tokyo. Er hatte
vor etwa 15 Jahren eine Neuausgabe von
ca. 20 Ansichten des Fuji veranstaltet,
hatte jedoch, um jedem Mißbrauch vor-
(Eine Vision.)
Perzynski, Fälschungen und Neudrucke alter japanischer Holzschnitte.
363
zubeugen neben die Längsplakette der Hokusai-
schen Inschrift noch verschiedene erklärende
Zeilen in japanischen Lettern gesetzt, durch die
der Nachdruck vom Original zu unterscheiden
war. Der Preis der zwanzig Blätter betrug seiner
Zeit 2 Yen (4 Mark). Die mir von S. Kobayashi
in Nikko (dies ist der Name des Gentleman)
übergebenen elf Holzschnitte stellten dar:
I. Fujimini-no Hara (Faßbinder).
II. Die Nihonbashi-Brücke in Yedo (hier
wiedergegeben in Abb. 2).
III. Dach des Hongwanji-Tempels, Asa-
kusa, Yedo.
IV. Die Rioguku-Brücke in Yedo (dieses
Blatt war besonders delikat gedruckt).
V. Tatekawa, Yedo (Holzplätze).
VI. Senju, Yedo.
VII. Ushibori, Hitache (abgebildet bei Seid-
litz Seite 180).
VIII. Yamanaka-ko, Provinz Koshu.
IX. Eshimayawa, Provinz Koshi.
X. Isawa, Koshu.
XI. Fujipilger.
Bei der Vergleichung mit echten Hoku-
sais erwies sich, daß nicht nur Verschieden¬
heiten der Inschrift, sondern auch des
Papieres und der Farben bestanden; auf¬
fallend war besonders ein ganz modernes
europäisches Rot. Dagegen fehlten keines¬
wegs einige, den alten Drucken eigentüm¬
liche Insektenstiche. Als ich dem Ehren¬
mann in Nikko seine interessante Gabe
zurücksandte und ihm 1.10 Yen anstatt
250 Yen dafür offerierte, hatte er die
Stirn, mich auch fernerhin um meine Gunst
und Empfehlung zu bitten.
Die bedenklichsten Neudrucke sind vor
etwa 10 Jahren von Matsui, Maheda und
Hayashi bei Osaka in Tokyo veranstaltet
worden. Ein besonders glänzendes Ge¬
schäft haben gewissenlose Curiohändler
mit den Neudrucken der „Wasserfälle“
Hokusais gemacht, vor deren Ankauf
Laien ein für allemal gewarnt seien.
Aus Mahedas Werkstatt (Osaka)
gingen hervor:
Hokusais berühmte „Welle“ (aus den
36 Ansichten des Fuji; vortrefflicher
Nachdruck).
Hokusais Blumen- und Vogelstücke im
Querformat.
Hokusai, Fischer, von einem Felsvorsprunge
aus sein Netz einziehend (Blatt: Kajikasawa,
Provinz Kahi, aus den 36 Ansichten des Fuji).
Hiroshige , T okaido-Landschaften.
Kuniyoshi , Gewitter bei Hashidate.
Kuniyoshi , Der Urami-Wasserfall bei Nikko.
Kiyonaga , Inneres eines Badehauses mit
nackten weiblichen Figuren (zwei- oder drei¬
teilige Darstellung).
Utamaro , Die Oiran (Kurtisane) Miyabito
(den Mika-Perlmutterstaubgrund des Originales
hat sich der Nachdrucker geschenkt).
Utamaro , Junger Mann, auf Mädchen herab¬
sehend, die die Hände dem linken Auge nahe
bringt (zwei Halbfiguren).
Utamaro , Die Kurtisanen Kikukawa und
Kanobu aus dem Hause Matsubaya (zwei Halb¬
figuren).
Yeishi , Frau, ein Makimono (Rollbild) be¬
trachtend. Blatt aus der Serie: Sechs schöne
Blumen-Damen.
Preis jedes Blattes 10 sen (20 Pfennige), der
Hokusaischen Fujiblätter 50 sen.
Abb. 4. Hokusai: Aus den Hiaku Monogatari.
(Die Menschenfresserin.)
36 4
Perzynski, Fälschungen und Neudrucke alter japanischer Holzschnitte.
Abb. 5. Hokusai: Aus den Hiaku Monogatari.
(Totentasse mit Totentafel.)
Diese Liste wird schwerlich vollständig sein.
Mit Ausnahme der Fujiblätter, die nach einigen
Jahren, verräuchert und mit Insektenstichen ver¬
sehen, leicht als echte Drucke untergeschoben
werden können, dürften die Holzschnitte Ma-
hedas, kenntlich an ihren hellen Farben und
dem kreidigen Papier, kaum jemals ~ Anlaß zu
so schwierigen Untersuchungen geben wie die
Elaborate Matsuis.
Dieser Matsui, Nakadori, Tokyo, ist der
König der Nachdrucker. Er ist früher Xylograph
gewesen, kennt also alle Finessen des kunst¬
vollen Handwerks. Ein alter Kyoto-Resident,
der nun seit beinahe einem Dezennium Holz¬
schnitte sammelt, gestand mir kürzlich, daß er
mit zwei Hokusais, die ihm unter der Garantie
der Echtheit verkauft worden waren, lediglich
echte „Matsuis“ erstanden habe. Ich gebe hier
ihre Beschreibung:
I. Gezeichnet: Katsushika Hokusai Zwei
Samurais mit Lang- und Kurzschwert, den
Kirschblüten-Tanz imitierend. Einer der Krieger
hält einen Fächer vor dem Gesicht, der
andere trägt eine japanische Trommel über
der Schulter. Hinten großer Baumstamm.
Farben: stark verblaßtes Grün und Braun.
Format exzeptionell groß: 48,3 x26,6 cm.
II. Gezeichnet wie I. Arbeiter, die
Tochter eines Daimios auf der Schulter
tragend, vor einem Tempel. Rechts zwei
Frauen. Links oben fünf Sperlinge,
fliegend. Sehr verblaßtes Grün, Rot, Gelb.
Format wie I.
Beide Blätter sind über und über mit
Stockflecken bedeckt. Ob sie künstlich
hergestellt oder im Laufe der letzten Jahre
entstanden sind, ist schwer zu beurteilen.
Der tatsächliche Wert der beiden Holz¬
schnitte, für die mein Gewährsmann 145
Mark bezahlte, dürfte eine Mark betragen.
Von ungewöhnlicher Qualität sind
Matsuis Nachdrucke der Hiaku Monoga¬
tari (100 Erzählungen; Serie von 4 Blatt,
(hier in Abb. 3 — 6 wiedergegeben) die er
vor mehr als zehn Jahren schnitt und die
jetzt beinahe ebenso selten wie die kaum
noch zu erlangenden Abzüge aus Hoku¬
sais Zeit geworden sind. Nur das Papier
(Hokusai ließ die Hiaku monogatari auf
surimonoartigem Papier drucken) vermag
dem Laien einigen Aufschluß über das
Alter der Blätter zu geben. Ich kaufte in Tokyo
eines der fünf Stücke (das „Chawan mit der
Schlange“) als echten Hokusai und bezahlte,
obwohl ich Zweifel hegte, ca. 30 Mark dafür.
Der niedrige Preis machte mich sofort arg¬
wöhnisch, und ich stellte einige Bedingungen,
auf die der Händler einging.
Einige japanische Freunde, denen ich das
Blatt vorlegte, bestätigten mir die Echtheit des
Druckes. Mir genügte das nicht. Ich begab
mich zu einem Händler, dessen Ehrlichkeit und
Offenheit mir allein Sicherheit bieten konnten,
zumal er eine jahrzehntelange Erfahrung besitzt.
Er befühlte das Papier des Blattes wiederholt
mit seinen Fingern, beroch es und schwieg einst¬
weilen. Dann schob er das japanische Rauch¬
service heran, nahm einen unzweifelhaft echten
Druck älterer Zeit und hielt ihn über die glim¬
mende Asche. Die Farben erwärmten sich,
und wir sogen nun gemeinsam ihren eigentüm¬
lichen Duft ein, den wir mit dem der erwärmten
Farben des Pseudo-Hokusai verglichen. Das
Perzynski, Fälschungen und Neudrucke alter japanischer Holzschnitte.
365
Abb. 6. Hokusai: Aus den Hiaku Monogatari. (Traum eines Mörders.)
Resultat entsprach meinen Erwartungen: ich
hatte es mit einer Fälschung zu tun.
Doch auch diese Riechprobe befriedigte mich
noch nicht. Ich verschaffte mir die Adresse
Matsuis und fand in einem ärmlichen Buchladen
einen intelligent blickenden älteren Herrn, mit dem
ich mich japanisch zu verständigen hatte, um¬
geben von Kindern und Neugierigen beiderlei
Geschlechts, die den offenen Laden umstanden.
Nachdem ich einige Bücher gekauft hatte, um
den alten Fuchs geschmeidig zu machen, er¬
zählte ich ihm mit unschuldigstem Ausdrucke,
daß ich soeben einen vortrefflichen Hokusai-
Nachdruck erstanden hätte.
Matsui nahm das Blatt in die Hand, befühlte
es, hob es hoch, so daß das Licht hindurch
schien, und lächelte.
„Ist es ein Hokusai oder ein Matsui?“ fragte
ich und gab ihm sein Lächeln zurück.
„Es ist ein Matsui “, antwortete er stolz. Ge¬
lächter meines Kurumayas (Jinrikisha-Mannes),
der Passanten, Matsuis selbst und des Schreibers
dieser Zeilen, der sofort zu der ersten Quelle
zurückfuhr und die Fälschung zurückzugeben
versuchte. Der ungläubige Lieferant zählte
immer wieder und wieder die Schuppenglieder
der Schlange, verglich sie mit einem von mir an
demselben Tage für vier Mark erstandenen
Exemplar Matsuis der Hiaku Monogatari und
behauptete, beide Abzüge seien durchaus ver¬
schieden. Doch beide waren Matsuis. Auch die
Abzüge der Nachdrucker fallen nicht immer
völlig gleichlautend aus.
Dieser König der Nachdrucker ist, wie ich
höre, jetzt wieder eifrig am Werk. Er verkauft
seine Elaborate für eine Mark das Stück. Viele
gehen in die Provinz, werden an die Wand
geklebt oder auf einen Setzschirm und der
Sonne, dem Tabaksqualm und den Milliarden
japanischer Insekten ausgesetzt. Nach einer
Reihe von Jahren liest der Besitzer dieser Drucke
in seiner Zeitung die verlockenden Anerbietungen
der Curio-Händler für „alte Holzschnitte“. Mit
Stockflecken interessant bereichert, verblaßt,
zerlöchert und moderig riechend, fliegen die
falschen Vögel nun wieder in ihre Nester, nach
Tokyo, Kyoto, Osaka zurück, wo sie für blanke
Dollars unter Garantie der Echtheit an kunst-
freundliche Globetrotter veräußert und mit
rührender Begeisterung aufgenommen werden.
Schauspielerbriefe aus dem Ifflandkreise.
Herausgegeben und erläutert
von
Professor Dr. Ludwig Geiger in Berlin.
II.
He nirich Beck.
nter den Briefen Becks befindet sich
zunächst ein höchst sentimentaler un¬
datierter, der hier ausgelassen worden
ist, weil er nichts tatsächliches enthält, sondern
nur dem Gefühl der Sehnsucht Ausdruck gibt.
Die übrigen von 1782 bis 1797 werden in ihren
inhaltreichen Stellen wörtlich gegeben, die
andern werden wenigstens angedeutet.
Heinrich Beck ist den weiteren literarischen
Kreisen durch seine anmutigen, von Speidel
und Wittmann veröffentlichten Briefe an Schiller
bekannt; in der Theatergeschichte nimmt er
als Genosse Ifflands einen hervorragenden Platz
ein. Er war bereits in Gotha mit Ififland zu¬
sammen, schloß sich nach dessen Erzählung
schon dort eng an ihn an (Selbstbiographie, Seite
32 ff.), wahrscheinlicher jedoch erst in Mannheim
(vergleiche Ifflandbriefe, Seite 85 und 252).
Diese Intimität dauerte ohne Mißklang durch
das ganze Zusammenwirken in Mannheim hin¬
durch. Ififland trat der Familie des Freundes
nahe, er wurde intimer Hausfreund im schönsten
Sinne des Wortes. Er liebte die erste Gattin
des Genossen und beklagte ihren frühen Tod
(vergleiche Ifflandbriefe, sehr häufig, besonders
Seite 263); er trat wacker für dessen Schwester
ein, der, wie er meinte, in Mannheim unwürdig
mitgespielt wurde (daselbst Seite 191 und
304); er empfand freundliche Zuneigung auch
für die zweite Gattin Josepha, eine Künstlerin
wie die erste, eine Sängerin, von der Luise
Eisendecher einmal begeistert dem Gatten
schrieb (1788): „Du kannst keine so angenehmen
und hellen Flötentöne dir denken, als die
Stimme dieser kleinen zierlichen Frau ist . . .“
Einen so nahe verbundenen Freund mußte
Ififland auch mit den Seinen, die ihm so eng
vereint waren, bekannt machen. In seinen
Briefen sprach er häufig von ihm (Ififland-
briefe, Index); als er das erste Mal nach
dreijähriger Abwesenheit — er hatte in der
Zwischenzeit Vater und Mutter verloren, aber
infolgedessen sich nicht etwa seinen Verwand¬
ten entfremdet, sondern, wenn dies möglich
war, noch inniger an sie, vor allem an
seine Schwester angeschlossen — Vaterland
und Vaterhaus wieder besuchte, da nahm
er den Freund zum Zeugen seines Glückes
mit sich. 1
Schon vorher scheint zwischen Beck und
Ifflands hannoverschen Verwandten eine brief¬
liche Verbindung existiert zu haben. Wenig¬
stens kann ich einen undatierten Brief in keine
andere Zeit setzen als Ende März oder Anfang
April 1782. Aus diesem seien nur folgende
Worte hervorgehoben: „Soviel schwöre ich
Ihnen bey der Ehre eines rechtschaffenen
Mannes, vom unedlen Umgang mit Frauen¬
zimmer ist er völlig frey. Um jenen elenden
Wisch von Brief zu verstehen müßten Sie den
Ort kennen , wo wir leben, wo ein junger Mensch
nur einigemahl in ein Haus gehen darf, in
welchem ein lediges Frauenzimmer ist und sie
einmahl an einen öffentlichen Ort begleiten
darf, so ist gleich die Mariage geschlossen.“
Diese Äußerung ist von der höchsten Be¬
deutung für Ifflands sittliches Verhalten. Der
ausführliche Schluß knüpft an einen merk¬
würdigen Vorgang an, von dem Ififland in
seinen an die Schwester gerichteten Episteln
andeutungsweise spricht (Ifflandbriefe, Seite 90 f.,
vergleiche auch 255). Während des Zusammen¬
seins der Geschwister in Hannover (März 1782),
oder unmittelbar nachher war aus Mannheim
ein anonymer Brief gekommen, der Denun¬
ziationen gegen den Schauspieler, namentlich
in sittlicher Beziehung, enthielt.
Beck war ein eifriger Verteidiger seines Freun¬
des; er wurde daher, als er nach Hannover
kam, mit offenen Armen von Luise empfangen.
1 Ifflandbriefe, Seite 87, 254. Aus jener Publikation war nur sicher, daß Beck nach Gotha mitging; seine Begleitung
nach Hannover blieb eine Vermutung, wird aber durch mehrere Briefe zur Gewißheit.
Geiger, Schauspielerbriefe aus dem Ifflandkreise.
3 67
Unmittelbar nach der Rückkehr — der
1. April 1782 fiel auf einen Montag, also zwei
Tage nach der Ankunft — schrieb Beck an
Luise:
„Mannheim den 1. Apr. 82.
Am Sonnabend Nachmittag halb 3 Uhr
kamen wir, gesund an Körper und krank am
Gemüth hier an. Das Herz meines Freundes
ist noch bey den Seinigen; bey so guten
Menschen seyn können und nicht dürfen, das
scheint ihm hart. Es ist’s und ich kann ihn
nicht trösten, ich fühls selbst zu sehr, wie viel
er verliehrt. Was ist wohl für eine Glück¬
seligkeit, die ich der entgegensetzen könnte,
im Schoße einer solchen guten glücklichen
Familie zu leben. Ich hab auch ein Vaterland
und wo viele gute Menschen wohnen und doch
dünckt mich als ob der höchste Vater seinen
besten Seegen für jenes glückliche Land auf¬
gehoben habe, wo ich leider nur gerade so
lange seyn konnte, um jene patriarchalische
Glückseligkeit im ganzen Umfange kennen zu
lernen! Karge Zeit! fast nur ein Traum! aber
ein so süßer wohlthätiger Jakobstraum, dessen
ich mich allerdings nicht würdig fühle.
Dank Ihnen edle, fürtreffliche Frau, für
Ihre gütige Aufnahme eines Fremdlings, an
dem das gute Herz Ihres würdigen Bruders
mehr Gutes fand, als ich wirklich besitze. Ihr
fürtrefflicher Brief hat mich beinahe stolz auf
mich gemacht, ich bitte Gott in jeder guten
heitern Stunde aus offnen Herzen, mich so
vieler Liebe und Freundschaft werth zu machen ;
wüßt’ ich zur Vergeltung eine Glückseligkeit,
der Sie noch bedürften, o, ich wollte! — Doch
Weisheit, Güte des Herzens und häußliche
Glückseligkeit, — wem gab Gott dieß der noch
etwas gewünscht hätte.1 Was dieser Besuch
unsre Freundschaft befestigt hat, darf ich wohl
nicht erst beschreiben ; ich biethe dem Schick-
sahl Troz etwas zu finden, das uns trennen
könnte, er könnte mich verfolgen und ich
würde ihn bey allem, was ihm und mir theuer,
vom Bilde seines guten Vaters an bis zu den
Abschiedsträhnen Ihrer hoffnungsvollen Kinder
beschwören mir zu verzeihen, — wieder mein
Freund zu werden. [Nochmaliger Dank.]“
Der vorstehende Brief ist nicht nur höchst
merkwürdig zur Kennzeichnung der Rührselig¬
keit jener Zeit des Freundschaftsdusels, wie
man etwas respektwidrig diese bei Männern
immer seltene Schwärmerei bezeichnen kann,
sondern hauptsächlich wegen des Kultus, den
Beck und nicht er allein mit der außergewöhn¬
lichen Schwester seines Freundes trieb.
Ein andrer Brief Becks, auch an Luise ge¬
richtet, undatiert, soll nur andeutungsweise
gegeben werden. Seine Abfassungszeit läßt
sich aus zwei Angaben bestimmen: der einen,
daß der Vater gestorben, der andern, daß Beck
nach Ablauf der Trauerzeit in den Stand der
heiligen Ehe zu treten gedachte. Beck verlobte
sich am 3. Dezember 1783 (Ifflandbriefe
Seite 131); der Vater war kurz vorher ver¬
blichen, wie Iffland an derselben Stelle be¬
merkt. Charakteristisch für die Verehrung,
die er Luise zollte und für die eigne Weich¬
heit und Unselbständigkeit ist, daß er an sie
die Fragen richtet: „Wie ist man recht glück¬
lich? Wie muß man seyn, um ein tugend¬
haftes Weib glücklich zu machen? was muß
man thun? was vermeiden?“
Gleichfalls an Luise gerichtet ist ein fer¬
nerer Brief, ein hochbedeutsames Aktenstück.
Weniger wegen des am Anfang genannten
Karl Eisendecher, eines vielversprechenden,
frühverstorbenen jungen Mannes, der in preu¬
ßische Dienste trat und Hardenbergs besondere
Protektion genoß. Auch nicht allein wegen
der Charakteristik des Menschen Iffland, ob¬
gleich diese sehr hübsch und durch ihre
Wärme wohltuend ist. Hauptsächlich wichtig
sind vielmehr die Nachrichten über den Erfolg
von Ifflands Stück. Gemeint sind „Die Mündel“,
die am 9. März 1784 in Mannheim zuerst auf¬
geführt wurden. (Vergleiche Ifflandbriefe
Seite 149 und 276.) Der Brief lautet:
„Mannheim, d. 21. Mertz 1784.
Den 9. dieses waren es 9 Jahr, daß Ihr
Karl gebohren wurde, — segnen Sie diesen
Tag doppelt, glükliche Mutter, heute an eben
diesem Tage erlebte Ihr Bruder den höchsten
Triumph! Segen sey mit diesem Tage, glük¬
liche Schwester!
Wenn Menschen da vollkommen glüklich
sind, wenn daß Ziel aller ihrem Würkungskreiße
angemeßnen Wünsche erreicht ist, wenn nichts
noch fehlt, als die Zusicherung des Ewigen,
1 Der Sinn ist etwa: wer dies von Gott erhalten, hat nichts mehr zu wünschen.
Z. f. B. 1905/1906.
4§
368
Geiger, Schauspielerbriefe aus dem Ifflandkreise.
daß es nie aufhören werde, da Menschen dann
vollkommen glüklich sind — so freuen Sie
sich mit mir liebste Schwester!
Die Gesundheit Ihres Bruders ist vollkommen
hergestellt, seine Bedürfniße sind eingeschränkt,
seine Einrichtungen seiner gegenwärtigen Lage
gemäß gemacht. Seine Familie glüklich, sein
höchstes Gut, seine Schzvester wiederhergestellt,
über dieß alles er als Künstler , als Mensch
geachteter als jemahls. Und wodurch lezteres?
Durch ein Schauspiel, welches von jeder Seite
genommen mehr Beifall gehabt hat als eines
noch hier erhielt. Noch nie hat etwas so die
Stimme des Volks und die Stimme der Edlen
so für sich gehabt als dieß. Ohne irgend einen
theatralischen Kunstgriff, ohne irgend ein Spec-
takel hatte es durch wahre Darstellung echter
Menschen, Gefühle und Menschenhandlungen
so sehr auf alle Seelen gewürkt, daß die ge¬
fühllosten (!) gerührt wurden.
Nachdem der Vorhang gefallen war, be¬
gehrte das einstimmige Publicum den Autor
noch einmahl zu sehen. Ifland erschien und
unaufhörliches Händeklatschen ließ ihn kaum
zum Wort kommen; er hielt eine kurze paßende
Anrede und nach deren Endigung folgte ihm
wieder der lauteste Beifall, bis man ihn aus
dem Gesicht verlohren hatte. Einige Großen,
worunter der Hr. v. Dalberg kamen auf das
Theater und umarmten ihn unter häufigen
Thränen. Die Woche darauf wurde das Stück
wieder begehrt und erhielt abermahls den aus¬
gezeichnetesten Beifall. Daß ich im selben
Stück eine ausgeführt guthe Rolle hatte, ist
hier Nebensache, obschon sie in diesem Zeit-
punct sehr wesentlichen Vortheil schaffte. Die
Würkung dieses Stückes ist von ungeheuren
Vortheil: erstlich ist es durch den ga?iz mora¬
lischen Inhalt classisch geworden; jeder be¬
hauptet, daß ein Mann, der ein solches Stück
schreiben konnte durchaus ein guter Mensch
seyn müste, weil es so aus dem Herzen in das
Herz geht. Verzeihen Sie liebste Schwester!
— Freundin! — verzeihen Sie meine Weitläuf¬
igkeit, ich fürchte, ich werde nicht leicht
wieder solch wesentliche Triumphe zu be¬
schreiben bekommen. Seine oeconomischen
Vortheile haben und werden durch dieß einen
ungemeinen Zuwachs erhalten. Daß überlaß
ich Ihm Ihnen zu schreiben, ich hoffe, er wird
nicht unterlaßen, Ihnen genauen Bericht von
seiner jezt wahrhaften Beßerung, fast Genesung
von dieser Krankheit Bericht zu erstatten. Er
scheint in dem kleinen Zirkel wahrer stillen
Haußfreuden wenig Langweile und manchmahl
Unterhaltung zu finden, wenigstens thun mein
Weib und ich was wir können ihm einige Ab¬
wechselung in einfachen Vergnügungen zu ver¬
schaffen. Gott gebe, daß alles so bleibt! Daß
keine Stürme dazwischen kommen. [Schlu߬
formel.]“
Uber den im vorigen Briefe behandelten
Gesundheitszustand Ifflands spricht er selbst in
seinen eignen Briefen wiederholt (Seite 143 f.)-
Auch von dem Übelbefinden und der Genesung
der Schwester ist dort die Rede (Seite 14 1).
Zwei Jahre nach der zweiten Reise unter¬
nahm Iffland eine dritte zu den Seinigen nach
Hannover, 1785. Diesmal war der Zweck der
Fahrt nicht nur der Besuch der Seinen; mit
ihm verband sich ein an Ehren und Ertrag
reiches Gastspiel in Hamburg (Ifflandbriefe
Seite i7of.). Beck konnte ihn nicht begleiten
(dies zur Berichtigung der Ifflandbriefe
Seite 292); wirklich hegte (vergleiche daselbst
Seite 291) Iffland starke, übrigens unbegrün¬
dete Befürchtungen, daß die Seinen ihm übel
gesinnt seien.
Während dieser Reise, die viele Wochen
in Anspuch nahm, wünschte er von Haus, Be¬
kannten und besonders dem Theater unter¬
richtet zu werden. Der treue Beck tat dies in
tagebuchartigen Briefen, die menschlich und
theatergeschichtlich vom höchsten Werte sind.
Zunächst in einem Briefe, der so lautet:
„Mannheim den 22. August 1785.
Ich hätte wirklich erwartet, am Freitag
oder längstens am Sonntag Briefe von Dir zu
erhalten. Obwohl ich nicht glauben konnte,
daß zwischen Einbeck und Hannover sich ein
Unglück könnte zugetragen haben, obwohl die
Briefe der Deinigen an Dich eine Aufnahme
versprachen, wie sie sich von solchen Ge¬
schwistern hoffen ließe, so hätte ich doch ge¬
wünscht, so etwas darüber zu lesen. Du weißt,
die Einbildungskrafft wird verabschiedet, so
bald der wirkliche Genuß eintritt. Hätte ich
heute Morgen keine Briefe erhalten, so glaube
ich, dieser Brief würde sich so endigen, wie
ich jezt anfange, aber so — Du weißt, man
Geiger, Schauspielerbriefe aus dem Ifflandkreise.
369
entschuldigt die gerne, die man liebt — ich
höre auf, doch wundere ich mich, da Du unter
allen, die ich genau kenne, am wenigsten in
solchen Aufmerksamkeiten zu fehlen pflegtest.
Ich freue mich herzlich und aber herzlich,
daß alle die Befürchtniße von Unglük, Kälte usw.
der Deinigen gegen Dich nur Ausgüße einer
ungeduldigen Empfindlichkeit waren. Gott be¬
hüte Dich vor ähnlichen, denn nun sollst Du
von ganzer Seele ausgelacht werden von Dei¬
nem Freund Beck
Theater.
Die Römer in Deutschland übertrafen an
allgemeiner Infamie (ich bin kein Franzose)1
alles was bisher gesehen war. Infames Stück,
infames Publikum, infame Schauspieler. Boek
spielte mit Willen so schlecht, daß ihn alle
seine Freunde verließen und den andern Tag
bitter über ihn loszogen.
Beil wollte mehr als er konnte — sanseffect.
Die Rennschüb tragerirte sans esprit, sans
coeur2 et sans etc.
Ich — ließ bei Zeiten nach, da es nicht
gehen wollte — usw. Aber Rennschüb ver¬
wandelte das Trauerspiel in ein Lustspiel.
Zu Ende des 4. Acts erschien er mit feier¬
lichem Ernst an der Spitze von 20 herrlich
gerüsteten Römern. Wir gegenüber mit auf¬
gehobenem Schwerdt — den einen Fuß heroisch
ausgestrekt, den ganzen Leib vorgelegt auf den
Vorderfuß, den andern mit der Spitze in der
29. Position. Ausgerufen: „ Hai Verrätherl“
gings ihm wie Jefferey Latimer, — das Blut
erstikte das Gehirn: hm, hm, ver, ver — Ein
schallendes Gelächter durchs ganze Hauß —
die Soldaten giengen fort, Beil und ich lachten
heimlich mit und der Vorhang fiel. — Doch
hat dieser Vorfall nicht gut gethan, er ist
wieder das Stadt- und Kaffee Hauß Gespräch
geworden und der alte Haß ist unter der Asche
neu hervorgelodert.
Am Samstag kam ich auf die Probe deiner
Mündel und fand alles mit den Rollen in der
Hand, der Vorwand war, weil du so vieles ge¬
ändert hättest im gedrukten, aus welchem da
das Manuscript nach Berlin geschikt war, souff-
lirt werden mußte. Die Probe ging abscheu¬
lich. Ich trat auf und sagte: „Meine Herrn
und Damen! Als Freund des Verfaßers und
auf sein Ersuchen wünschte ich , daß sein Stück
in seiner Abwesenheit nicht schlechter gehen
möchte. Wir müßen morgen noch eine Probe
ohne Rollen haben und ich wünschte , daß wir
an einem guten Stück zeigen möchten , daß
jenes , wo wir uns sämmtlich prostituirt haben,
ein schlechtes Stük war.“ Auf diese besten
Worte bekam ich einen kleinen Disput mit
der Rennschüb, wo ich Gelegenheit nahm, in
aller Güte ihr einige Wahrheiten zu sagen.
Die Sonntags Probe gieng sehr gut. Nun
zur Vorstellung. Außer Figaro habe ich noch
niemahls eine Vorstellung so vollkommen gehen
sehen. Alles gieng so richtig und rasch als
möglich.
Von Seiten des Publicums volles Hauß,
Grabesstille, Wärme und äußerste Dankbarkeit.
Bök spielte weit beßer als jemahls, Beil den
Eintritt der Rolle meisterhafft , — den 3. Act
gut und den 4. vortrefflich. Leonhardt viel
beßer. Die Baumann wie immer außer die
Scenen mit mir — weit beßer. Die Rennschüb
beßer. Gern brav, wurde applaudirt und machte
einen großen Unterschied in der Wirkung des
Stüks. Von mir erlaube, daß ich viel sage!
Ich habe nicht nur die Rolle, sondern keine
Rolle so gespielt als das leztemahl Deinen
Philipp. Und noch in keiner Rolle so außer¬
ordentlichen Beifall gehabt wie in der. Der
Unterschied für mich selbst war wie Tag und
Nacht. Nach der Scene mit dem Kanzler
wollte das vollste Applaudissement fast nicht
aufhören, ich habe in Mannheim das noch nie
erlebt, die lauten bravo so darunter, — es war
eine angenehme Empfindung. Der Schluß des
Acts, den ich 5 mahl hatte probiren laßen,
machte schreckliche Sensation, fast nicht
weniger als derselbe in Verbrechen aus Ehr¬
sucht. Der Schluß des Stüks wurde gut aus¬
geführt und mit außerordentlicher Wärme auf¬
genommen. Außerdem habe ich noch hübsche
Scenen erlebt. An der Thüre der Garderobe
erwarteten mich die Witthöft, die Boudet und
Schäfern und empfingen mich mit Küßen und
Complimenten. An der Thür des Comedien
Haußes warteten Wendlings und meine Schwester
um mich gleichfalls zu überhäufen - Kurz
es war einer der schönsten Abende seit ich
Schauspieler bin.
1 Beck hatte gewiß Infamität geschrieben, da war das obige geändert.
2 Der gute Beck war wirklich kein Franzose, er schreibt: coer; tragerirte soll wol ein Scherz frei.
370
Geiger, Schauspielerbriefe aus dem Ifflandkreise.
Die Mündel haben gestern Deine übrigen
Stüke verdrängt.
Menagerie
Den 29. dieses früh starb mein Kanarien¬
vogel an der Auszehrung, er war im Schlafe
gestorben, ich fand ihn sitzend neben dem
Sauf Trog todt. Ich war recht betrübt und
laße ihn jezt ausstopfen.
Dein Vogel ist wohl. Die Pferde sind wohl
und ich reite fast alle 2 Tage spatzieren.
Der Hammel hat den Fripon so gestoßen,
daß sich dieser erschreklich hütet ihm zu nahe
zu kommen. Der Tard hat mich gestern
Abend am Rheinthor verlohren — war aber
eher zu Hause als ich, ist übrigens wohl und
empfiehlt sich. Loup und Fripon wollen sich
noch nicht vertragen, sie brummen einander
an, ich hoffe aber, daß sie bald Freunde
werden sollen. Auerhan ist wohl und die Zeit
über nur einmahl abwesend gewesen. Die
kleine Ladi (so heißt mein neuer Hund), über¬
trifft an Artigkeit, Munterkeit und Schmeigeley
alles, was ich in der Art gesehen habe. Aber
noch ein Thier ist angekommen, das Dich un¬
endlich freuen wird. Eine schwarze Katze mit
4 weisen Pfoten, weisen Bauch und einen oben
schwarzen und unten weisen Kopf bis auf das
untere Kinn, wo sie einen ganz schwarzen Bart
hat wie ein Hanswurst. Auerhan Mohr (so
heißt der neue Kater) und Ladi freßen morgens
bald einen Schoppen Milch aus einer Schüßel;
es sieht herrlich, wenn der kleine Hund
zwischen den 2 Katzen steht und frißt. Was
das aller wunderbarste ist — die 2 Thiere, der
kleine Hund und die kleine Katze spielen zu¬
sammen wie 2 kleine Hunde — sie jagen sich
— werfen sich übereinander auf die Erde, so
daß bald der Hund bald die Katze oben ist,
ohne einander das mindeste zu leide zu thun.
Sie machen mir viel Vergnügen!
Sartory
Hierbey folgt seine Quittung. Er läßt sich
empfehlen Dir und Deiner ganzen Familie und
sie möchten verzeihen, daß er noch nicht Rech¬
nung abgelegt hätte, er könnte es nicht eher
bis Du wieder da wärest Du müßtest sie
attestiren und ich so(I)1 auch dabey seyn.
Hr. v. Dalberg.
War 8 Tage zu Maynz, hat von „die
Römer“ gehört, hat gehört daß es Kabale ge¬
wesen wäre, hat an Bök geschrieben (den Inn-
halt weiß ich noch nicht) hat an Rennschüb
geschrieben, er sollte Beil trösten und auch
Verweise geben, daß er selbst gegen den Hatto
öffentlich declamirt — wird auf den Sonntag
in die Stadt kommen. Plagt mich, ich soll
ihm über die Kunst schreiben - das habe
ich gethan.
Brandes
Hat geschrieben um das Stück, wovon Du
ihm nur 3 Rollen mit der Briefpost geschikt
hattest — Du wirst nun schon Briefe von ihm
nach Hannover bekommen haben.
Das Einziehen ist geschehen und mit aller
Ordnung und Weitläufigkeit. Meine Schwieger¬
mutter ist recht sehr hübsch eingerichtet und
sehr vergnügt in ihrem neuen Qartier. Mit
meiner Mutter habe ich noch eine Unterredung
gehabt. Die Hanne habe ich aufs neue ge-
miethet, sie ist mit dem Accord sehr zufrieden
und alles ist jezt ruhig. Der Hammel ist heute
mit 3 Hunden und 4 Menschen auf dem Wall
spazieren gegangen.
Heute ist der Schmuk und ich furchte, er
wird nicht gut gehn.
Vergiß nun auch nicht, mein Lieber, ver¬
giß nicht zu bedenken, wie glüklich Du jezt bist!
Ich weiß keinen Deiner Hauptwünsche, der
nicht wäre erhört worden. Dein höchstes Glük,
das Ziel aller Deiner Wünsche — war — und
ist jezt die Reise zu Deinen Verwandten.
Lerne, lerne nun auch Dich auf den Wechsel
gefaßt halten! Ich hatte vor i*/2 Jahr Eltern,
Geschwister, Frau, Kind und war so glüklich!
Jezt habe ich Weib, Kind, Vater und Schwieger¬
vater in so kurzer Zeit verlohren! Mache Dich
gefaßt auf diesen Glükswechsel! Glüklich ist
der, deßen Herz viel Gegenstände zu um¬
schließen fähig ist! aber — wehe ihm, wenn
die Zornruthe Gottes über ihn kömmt! Gott
erhalte Dich! bringe Dich zufrieden von Ham¬
burg, noch einmahl in die Arme der Deinigen,
und dann heiter und 2 gesund in die Arme
Deines Freundes
Beck.“
1 Vielleicht soll. — 2 Beck hat zweimal „und“ geschrieben.
Geiger, Schauspielerbriefe aus dem Ifflandkreise.
371
Dieser lange Brief darf nicht ohne Kom¬
mentar bleiben. Ein solcher kann aber ziem¬
lich kurz sein, weil viele Menschen und Tiere
bereits in den Ifflandbriefen erwähnt sind und
Hinweise auf diese genügen. Dort (z. B. 177,
189, 193, 194 fr.) sind manche dieser Geschöpfe
genannt; eine Biographie der einzelnen wäre,
selbst wenn die Daten gegeben werden könnten,
eine Torheit, der ich mich nicht schuldig zu
machen gedenke. Für die etwas weitgehende
Neigung Ifflands zu den Vierfüßlern genüge es,
auf eine Stelle der später noch einmal anzu¬
führenden Schilderung hinzuweisen, die die treff¬
liche Frau Meyer von einer Szene bei Ifflands
Rückkehr von einer kleinen Reise gibt: die
Freude des Heimkehrenden über die Vierfüßler
ist mindestens so groß und äußert sich so leb¬
haft, wie die eines Vaters über seine Kinder.
Die erwähnten Menschen sind, wie es bei
Schreiber und Adressaten natürlich ist, meist
Schauspieler. Eine Ausnahme macht Hr. v. Dal¬
berg, der bekannte Chef des Theaters und
Sartory, der Kassierer. Der erstere ist durch
seine dichterische und dramaturgische Tätigkeit
bekannt genug; der letztere ist als überaus
tätiger, erfolgreicher Vermittler in Ifflands
Schuldenregulierung in den Ifflandbriefen ge¬
nügend gewürdigt. J. D. Beil, Joh. Mich. Boek,
Rennschüb und Brandes sind hervorragende
Mannheimer Kollegen, die zu bedeutend sind,
um mit kurzen biographischen Daten ab¬
gefertigt zu werden und doch in dem Briefe
nicht eingehend genug behandelt werden, als
daß es sich lohnte, eine ausführliche Würdigung
von ihnen zu geben. (Von allen ist in den
Ifflandbriefen vielfach die Rede.) Hier muß es
genügen, darauf hinzuweisen, daß Beil und Boek
in Mannheim starben, daß Rennschüb unter
seinem wirklichen Namen Büchner längere Zeit
den Regisseurposten in Frankfurt bekleidete
und daß Brandes sein Wanderleben weiter trieb
und zunächst in Hamburg das Direktorat führte ;
darauf bezieht sich die über ihn in unserm
Briefe handelnde Stelle.
Die im Briefe erwähnten Stücke sind: 1. das
fünfaktige Trauerspiel „Die Römer in Deutsch¬
land“ von Babo, das einmal und nicht wieder
am 18. August 1785 in Mannheim gespielt
wurde, ein „ritterliches Heldengedicht“, das
bereits 1780 im Druck erschienen war, in
Hamburg einen Preis gewonnen und die
Münchener 1779 — 1786 nicht weniger als acht¬
mal beglückt hatte (Legband, Münchener Bühne
und Literatur, Seite 518); 2. „Der Schmuck“,
fünfaktiges Lustspiel von Sprickmann, Reper¬
toirestück, in Mannheim neunmal aufgeführt
1782 — 1786; 3. „Figaro“; die Mozartsche Oper
kann es ebensowenig sein, wie Ifflands Stück
„Figaro in Deutschland“, denn beide entstanden
viel später, jene wurde zuerst 1790, dieses gar
nicht in Mannheim gespielt, — das gemeinte
ist weder im Mannheimer, noch im Münchener
Repertoire zu finden.
Gleichfalls während dieser Hamburger Reise
unseres Künstlers ist der folgende Brief ge¬
schrieben :
„Donnerstag den 1. Sept. 85 abends 10 Uhr.
Du hast mir heute abermahls einen schönen
süßen Abend gemacht mein Lieber und den
muß ich mit Dir theilen. Ich kan nicht zu
Bette ohne Dir im Gefühl der Liebe von der
meinigen gegen Dich und von den Pflichten
der Dankbarkeit Rechenschaft abgelegt zu
haben. Ich schreibe Dir am Abend nach der
abermahligen Vorstellung Deiner Mündel. Nun
die Veranlassung.
Der Herzog von Gotha in Begleitung des
Fürsten von Dessau des jüngern ist seit
gestern Vormittag hier. Er besuchte gestern
die Entführung aus dem Serail; vor der Come-
die begegnete ich ihm auf dem Platz; ich kan
Dir nicht beschreiben, was für ein Gefühl mich
ergriff — aber ich mußte stehen bleiben und
ihn grüßen. Er erkannte mich [erzählt dann
weiter das freundliche, aber nichtssagende Ge¬
spräch mit dem hohen Herrn]. Ich freute
mich sehr über dieß alles, besonders da Bök
abgewiesen worden war mit dem Bedeuten,
der Herzog wäre nicht für Hn. Bök nach
Mannheim gekommen. Henriette von Gro߬
mann war für heute angesezt, es lag mir aber
daran, mich in einer guten Rolle dem Horzog
zu zeigen — ich suchte meines Freundes Inter-
eße zu vereinigen und da Du selbst nicht zu¬
gegen warst, wenigstens eines von Deinen
Stüken dem Herzog sehen zu laßen; ich fiel
also auf die Mündel und es wurde mir nicht
schwer, Rennschüb dazu zu bereden. Neulich
wurde das Stük vortrefflich gegeben, heute
weit vortrefflicher. Beil, Leonhardt, die Bau¬
mann sogar spielten herrlich und wurden meh¬
rere Mahle applaudiert, ich — womöglich noch
372
Geiger, Schauspielerbriefe aus dem Ifflandkreise.
mehr als zu Frankfurth und was mich über
alles freute, der Herzog fieng bey 3 Abgängen
mit dem Fürsten von Dessau zuerst an mich
zu applaudiren. Beym Schluß des Stüks fieng
der Herzog und Prinz abermahls an und das
ganze Hauß (welches sehr voll war und mei¬
stens von Fremden) folgte wie ein Platzregen.
Als ich abdankte, war der Herzog schon in
der Logen Thüre, ich wurde mit außerordent¬
lichen Händeklatschen empfangen — der Her¬
zog wendete sich um zu sehen was das sey
und wie er mich erblikte, kehrte er sich noch
einmahl zum Theater und fieng an zu applau¬
diren. Das ganze Stük durch verwandte er
gar kein Auge vom Theater und gab mehrere
mahle durch Zeichen seinen äußersten Beifall
zu erkennen. Was er gesagt hat, will ich aus
dem Pfälzer Hof erfahren. Das Stük gieng
und gefiel weit beßer als je, Guthe, Fränzl und
meine Mutter sagten mir, daß die Fremden
extasirt hätten. Du und ich!! Zwey Triumphe
in einem Tage, auf die wir so lange gehofft
hatten!!!
Nun noch etwas das Dich nicht minder
freuen wird. Gestern war ich bey der F. v. Kalb.
Sie war vorgestern in Heidelberg gewesen und
hatte den Profeßor Jung lange gesprochen.
Sie sagte mir mit vieler Wärme: Jung ist ein
erstaunter1 Freund von Iffland. „Inwiefern?“
Von Seiten seines Kopfs und Herzens aus
seinen Schauspielen. Er sagte, wenn Ifflands
Wirkungskreiß nicht ihm selbst erlaubt, durch
seine Schrifften zum Besten der Menschheit,
soviel er könnte, zu wirken, so wird die Eigen¬
heit, die Neu- und Reinheit der Moral und
Empfindung, die in seinen Stüken herrscht,
dem Menschenbeobachter und Menschenfreund
ein neues Feld zur Wirksamkeit bahnen.
Wie stolz macht mich dieß auf meinen
Freund!
Möchtest Du so gut, so sanft schlafen nach
Lesung dieses, als ich nachdem ich es schrieb.
Gute Nacht! Mein Wilhelm!
Wegen dem Eßigmann ist mein Rath, daß
Du ihn nicht spielst. Es sind 99 Ursachen.
Erstlich glaube ich, daß dieß Stück zu jenen
gehört, die zu ihrer Zeit viel würkten, nun aber
mit ihrem Zeitalter verzehrt sind. Es dient
höchstens um Paralele zu machen und ich
weiß wie sehr Du Paraleien haßest. Niemand
als Du wird in dem Stük gut spielen, folglich
wird das Stük zu Grabe getragen. Wegen dem
Delomer wird es Streit absetzen. Hr. v. Dalb.
hat Rennschüb Vollmacht gegeben es zu be¬
setzen und dieser will Bök den Delomer geben,
um den Jullefort für sich zu behalten. Wie
unbillig dieses gegen Bök seyn würde siehest
Du ein. Deine Rolle ist nicht da, Rennschüb
wollte sie unter Deinen andern suchen; ehe
ich sie Dir schike wirds zu späth und wenn
aber wie könntest Du daran denken, im Genuß
des Vergnügens unter den Deinigen Deine
Rolle zu lernen. Noch eins. Beils Stük soll
bis zum I4ten dieses gespielt werden; was blieb
für Zeit zum Eßigmann? Auf jedem Kall rathe
ich Dir, lieber in einer andern Rolle aufzutreten
(mußts auch) denn das Stük wird nicht ein-
studirt bis dahin und in der Zeit wird ein an¬
deres gelernt, in welchem Du abermahls frey
seyn kannst. Wenn Du im Eßigmann nicht
auftreten willst,2 wie es denn fast unmöglich
ist, so such Dir eine andere Rolle aus und
schreib mirs vorher, daß ich Anstalten machen
kann. Fischer hat als Osmin in der Entführung
sich als — Hanswurst gezeigt — ärger als
Piloti — und sehr mißfallen. Das Stück hat
ausnehmend gefallen. Mehr als jemahls. Auf
den Sonntag ist Gerechtigkeit und Rache . . .
Den Urlaub zu verlängern ist unmöglich . . .
Die schöne schwarze Katze ist wieder fort,
aber Auerhan ist völlig heil und sieht so schön
aus wie Adonis. Der Hammel ist gesund.
Der Tard ist auch wohl und die kleine Ladi
allerliebst.“
Die kleine Menagerie ist schon aus früheren
Mitteilungen bekannt. Die einzelnen erwähnten
Theatralia sind leicht nachzuweisen: Beils Stück
ist „Die Schauspielerschule“, deren Premiere erst
am 30. September, nicht am 14. stattfand; der
Essigmann „mit seinem Schubkarren“ ist ein
Drama von Seb. Mercier („La brouette du
vinaigrier“). Nach Becks Äußerungen sollte man
meinen, daß man es mit einem ganz alten
Drama zu tun hätte: in Wirklichkeit wurde es
1 775 veröffentlicht und 1784 aufgeführt (Corr.
litt. XI, 84, XIV, 61), war also in des Worts
1 Im Sinne von erstaunlicher. — 2 Beck wollte gewiß schreiben „wirst“ oder „kannst“.
Geiger, Schauspielerbriefe aus dem Ifflandkreise.
373
wirklichem Sinne eine Novität. Vielleicht richtet
sich Becks Wiederspruch mehr gegen Ifflands
Auftreten darin, namentlich schon 1785» als
gegen das Drama selbst, denn dieses wurde
damals in Mannheim vorbereitet. Delomer
und Jullefort sind die Hauptpersonen des
Stücks (vergleiche die Analyse bei Beclard,
Mercier, 1903, Seite 241 f.), erst 1787 auf die
Bühne gelangte und sich bis 1796 (13 mal)
behauptete. Die Titelrolle wurde eine von
Ifflands Paraderollen, allerdings nicht in Wei¬
mar, aber an anderen Stätten seiner Triumphe,
und ward von ihm nach Berlin verpflanzt, wo
es sich unter dem Titel: „Der Essighändler“
noch Jahrzehnte nach seinem Tode erhielt.
(65 mal vom 26. Oktober 1796 bis 1849.) —
Die „Entführung aus dem Serail“, Mozarts be¬
rühmte Oper, war ein Glanzstück der Mann¬
heimer Bühne, wie ihre 49 Wiederholungen vom
18. April 1784 bis 6. November 1803 beweisen.
Die Vorstellung, auf die Beck anspielt, war am
31. August 1785; L. F. Fischer (1745 — 1825),
wenn dieser wirklich gemeint ist, war sonst ein
sehr anerkannter Sänger, der sich namentlich
später in Berlin größerer Beliebtheit erfreute.1
„Gerechtigkeit und Rache“ ist eine von Brömel
herrührende Bearbeitung von Shakespeares
„Maß für Maß“; seine Erstaufführung erfolgte
am 4. September 1785, es hielt sich bis 1793.
— Der Sänger Piloti, der im Anschluß an
Fischer kurz genannt wird, ist in den mir zu¬
gänglichen Mannheimer und theatergeschicht¬
lichen Werken nicht aufgeführt.
Die sonst erwähnten Personen können kurz
abgemacht werden: Güthe ist der Theaterarzt
(Walter II, 376), Fränzl Becks Schwester. Der
Herzog von Gotha ist Ernst II., der von 1772
an regierte, Becks Landesherr, der für den
Schauspieler aus diesem Grunde und weil Beck
früher in Gotha gespielt hatte, doppeltes Inter¬
esse haben mußte. Der Herzog kam durch
Mannheim bei Gelegenheit seiner Reise nach
Holland und England (A. Beck, Ernst II.,
Gotha 1854, passim). Sein Begleiter in Mann¬
heim war Leopold III., Friedrich Franz von
Dessau, gleichfalls ein Gönner von Kunst und
Wissenschaft. — Zwei andere angeführte Per¬
sonen gehören der deutschen Literaturgeschichte
an: Charlotte von Kalb und Jung- Stilling. Daß
jene, Schillers Freundin, auch mit den jungen,
jenem anhänglichen Schauspielern verbunden
war, läßt sich ohne weiteres vermuten; Becks
besondere Sympathie für sie geht auch aus
einem seiner Briefe an Götter hervor. — Da¬
gegen waren Jung-Stillings (der damals in
Karlsruhe lebte) Beziehungen zu den Mann¬
heimer Künstlern, speziell seine Wertschätzung
Ifflands, bisher nicht bekannt. — Die Forde¬
rung, Iffland müsse seine Urlaubsgrenze streng
innehalten, erhob Beck auch sonst (vergleiche
Ifflandbriefe, Seite 292), doch ist dort zugleich
bemerkt, daß der Schauspieler mit ausdrück¬
licher Erlaubnis Dalbergs den Urlaub um 14 Tage
überschritt. — Mit diesem Briefe hört die
einigermaßen zusammenhängende Reihe unserer
Schriftstücke auf. Ganz aus derselben Zeit, wie
der zuletzt mitgeteilte, ist der an Louise gerich¬
tete, von dem in den Ifflandbriefen Seite 292 f.
größere Auszüge gegeben sind.
1788 war Louise Eisendecher kurze Zeit in
Mannheim. Von diesem Besuche, der von dem
Bruder mit Jubel begrüßt und als ein Weihe¬
geschenk empfangen wurde, hat die Biographie
Ifflands eingehend zu berichten , denn er
war ein wichtiges Ereignis in dem Leben des
Schauspielers, das seine gesellschaftliche Stellung
hob und festigte — aber auch die Bemerkungen
zu den hier mitgeteilten Briefen dürfen nicht
achtlos daran vorübergehn. Auch für Beck
nämlich war dieser Aufenthalt von besonderer
Wichtigkeit; seine Intimität mit der trefflichen
Frau wurde größer, es war ihm eine Freude,
den Gast in seinem Hause aufzunehmen und
ihn mit den Seinigen bekannt zu machen. Nicht
gering war ferner der Einfluß, den sie auf den
Schauspieler übte. Dies bezeugt die gute
Meyern, die Witwe des Regisseurs, die in Iff¬
lands Hause Faktotum war, in einem Briefe
an Louise (20. Oktober 1788): „Beck ist ein
ganz anderer, weit liebenswürdigerer Mann als
er schon war, sowie seine kleine dicke Frau
und das Alles Ihr Werk.“
Trotzdem ist dieser Besuch und die dadurch
erfolgte Wirkung der inneren Beziehungen kein
Anlaß zu einer vermehrten Korrespondenz ; zum
mindesten sind die wenigen bis 1797 erhaltenen
Stücke von geringer Zahl und nicht eben von
großer Bedeutung.
1 Walter in seinem Hauptwerk (über Mannheim) erwähnt daher Fischer überhaupt nicht.
374
Geiger, Schauspielerbriefe aus dem Ifflandkreise.
In einem Briefe an Louise (25. Dezember
1789), die er zur Patin seines Kindes gewählt,
dankt Beck für ihre Glückwünsche und Lehren,
freut sich der Aussicht, Eisendecher im näch¬
sten Jahre in Mannheim zu begrüßen und
schreibt etwas verstimmt darüber, daß Iffland
während der Festtage in Dürckheim sei. (Schon
vorher, 8. Oktober, hatte sich Frau Josepha
für die guten Mahnungen bedankt.)
Aus den späteren Reisen Ififlands sind keine
Briefe vorhanden und auch aus den Jahren 1790 ff.
keine ferneren Briefe Becks an Louise, obgleich
durch deren Erscheinen in Mannheim der
Enthusiasmus für sie groß geworden war.
Nur ein einziger Brief — Berlin, 21. Januar
l797 — ist noch erhalten. So wichtig er aber
auch ist, soll er doch die Reihe der vorstehen¬
den nicht ergänzen. Er handelt über ganz
andere Dinge, hauptsächlich über Ifflands
Berliner Anfänge und seine Ehe. Sie bedürften
eines so ausführlichen Kommentars, daß sie den
hier zur Verfügung stehenden Raum bei weitem
überschreiten würden.
in.
Ein Schreiben Seylers und ein Aktenstück
Werners .
Von dem in der Theatergeschichte so
merkwürdigen Abel Seyler, der als Gatte der
berühmten Friderike Hensel hoffentlich glück¬
licher war denn als Schauspielunternehmer,
haben sich nur wenige Schriftstücke erhalten.
Schon aus diesem Grunde dürfte die Mitteilung
des nachfolgenden Briefes gerechtfertigt sein,
nicht minder aber durch seinen Inhalt.
Es ist ein sehr schön geschriebenes, vier
Quartseiten umfassendes Schriftstück mit etwas
wirrer Orthographie und Interpunktion: Seyler
schreibt häufigEigenschaftswörterundAdverbien
mit großen, Hauptwörter dagegen mit kleinen
Anfangsbuchstaben; er setzt am Anfang der
Sätze kleine Buchstaben und macht Punkte,
wo sie nicht hingehören, auch Semikolen statt
der Punkte; er schreibt: „villeicht, seyn, kan,
wohlgebohrner, hertzlichten“ und wechselt
zwischen deutschen und lateinischen Buch¬
staben ab. Alle diese Seltsamkeiten brauchen
hier nicht verewigt zu werden, weil sie nur aus
Flüchtigkeit hervorgehen.
Der Brief ist an Ifflands Schwager Eisen¬
decher gerichtet. Es ist ein Kondolenzschreiben
nach dem Tode des alten Iffland (f 11. März
1780). Man weiß, (Ifflandbriefe, Seite 54fr und
Seite 244 f.), daß der Schauspieler die Nach¬
richt vom Tode seines Vaters durch Herrn
und Frau Seyler so schonend als möglich
empfing: „Seylers“, so schrieb er, „Gott segne
sie dafür, gaben sich viel Mühe mich aufzu¬
heitern“. Es ist dasselbe Ereignis, über das
Götter sich schon vernehmen ließ.
Hier folgt nun des seltsamen Mannes Trost¬
brief selbst:
„Wohlgeborner
Hochzuehrender Herr!
Der Tod eines rechtschaffenen Mannes kann
einem andern ehrlichen Mann nicht gleichgültig
sein ; auch ich nehme den herzlichsten Antheil
an dem erlittenen Verlust. Glückseligkeit, in
soweit sie Menschen zu Theil werden kann, sei
der Ersatz desselben.
Soviel es bei solchen Gelegenheiten möglich
ist und meine geringe Menschenkenntniß mich
leitete, habe ich unserm jungen Freund die
traurige Nachricht hinterbracht. Er empfand
seinen Verlust alsein gefühlvoller Sohn und trug
ihn als ein Mann. Hat wahre Theilnehmung
ihn in etwas erleichtern können, so haben meine
Frau und ich vielleicht einiges Verdienst dabei.
Erlauben Ew. Wohlgeboren, daß ich diese Ge¬
legenheit ergreife, um Ihnen ein paar Worte
von meinem jungen Freund zu sagen. Ich
habe das Vergnügen, ihn zu meinen Tisch¬
genossen zu haben und so wenig wir auch an
Jahren gleich sind, so verläßt er mein Haus
nur da, wo ihn seine Geschäfte abrufen. Eben
durch diesen anhaltenden Umgang ist er mir
sowohl nach seinem Herzen als nach seinem
Kopf unendlich schätzbar geworden und ich
prophezei Ihnen mit Freuden einen unserer
besten Künstler und einen der sittlichsten
Menschen. Seine Aufführung ist untadelhaft
und erwirbt ihm allgemeine Achtung. Hat er
von seinen jüngeren Jahren etwas vergessen
zu machen, so eilt er mit schnellen Schritten
dieses zu bewirken. Kein Auftrag von ihm,
sondern bloße Gerechtigkeit und die Hoffnung,
theilnehmenden Verwandten Freude zu machen,
führen mir bei dieser Apologie die Feder. Ich
ersuche Ew. Wohlgeboren es so aufzunehmen
wie es gemeint ist. Auch bitte ich wegen
meiner Zudringlichkeit um Vergebung, wenn
ich rathe, ihn gegenwärtig wegen alter Schulden
Geiger, Schauspielerbriefe aus dem Ifflandkreise.
375
gänzlich in Ruhe zu setzen. Hier ist an den¬
selben wirklich schon abgetragen und auf Ehre
keine neuen gemacht worden. Ich denke, in
seiner gegenwärtigen Lage wäre dies für meinen
jungen Freund honorabel und ich wünschte,
daß er in aller Betrachtung auf jede Achtung
Anspruch machen könnte, — auch dies ist auf
Ehre mein eigener Gedanke.
Insofern es Ew. Wohlgeb. nur im Geringsten
angenehm sein kann, so empfangen Sie die
Versicherung, daß, solange ihr Herr Bruder es
uns erlauben wird, meine Frau und ich ihn
als unsern Sohn behandeln werden, — eigener
Herzensdrang knüpft diese angenehmen Bande.
Meine Frau und ich empfehlen uns Ew.
Wohlgeb. und dero Frau Gemahlin und ins¬
besondere habe ich die Ehre mit der unge¬
schminktesten Hochachtung zu sein
Mannheim, den 31. März 1780.
Ew. Wohlgeb.
gehorsamer Diener
A. Seyler.“
Man sieht aus dem Vorstehenden, daß der
eigentliche Trostbrief ziemlich kurz ist; der
Hauptinhalt unseres Schreibens — und gerade
darin liegt seine Bedeutung — ist eine Charak¬
teristik Ifflands. Sie ist besonders wichtig,
weil wir solche aus der Mannheimer Zeit kaum
besitzen. Freilich ist sie nicht ganz unpar¬
teiisch, verfolgt vielmehr den Zweck, den
„jungen Freund“ in den Augen der hannover¬
schen Verwandten zu erheben und diese für die
Schuldenregulierung günstig zu stimmen, —
ein Geschäft, das sie damals zum ersten, aber
lange nicht zum letztenmal zu besorgen hatten.
In dieser Absicht geht der Briefschreiber sogar
soweit, sein Ehrenwort mißbräuchlich zu geben,
denn gewiß hatte Iffland schon in Mannheim
Schulden gemacht (vergleiche Ifflandbriefe
Seite 64 ff.). Daß der Schauspieler bei Seylers
seinen Tisch hatte, ist aus derselben Quelle
Seite 35 — 65 bekannt.
26 Jahre liegen zwischen dem ersten und
zweiten Stücke dieses Abschnittes. Inzwischen
war der Anfänger ein Meister geworden und
der, der früher die Begünstigung anderer ge¬
nossen hatte, kam oft in die Lage, jüngeren
Gönnerschaft zu erweisen. Einigermaßen war
dies auch Zach. Werner gegenüber der Fall.
Das bekannteste Schauspiel dieses Dichters,
„Martin Luther oder die Weihe der Kraft“,
war für Iffland bedeutungsvoll. Es gewährte
ihm eine Rolle, die zu seinen Meisterleistungen
gehörte, es ward ihm aber auch eine Quelle
von Widerwärtigkeiten, da man ihm schon 1 806,
namentlich aber später sehr verdachte , das
protestantische Dinge behandelnde Drama eines
dem Katholizismus Zugeneigten auf die Bühne
zu bringen und auf ihr zu behaupten.
Das Drama wurde in Berlin zum erstenmal
am 11. Juni 1806 gegeben; vorher waren
zwischen dem Dichter und dem Schauspiel¬
direktor, der zugleich ein guter Vorleser war,
folgender Vertrag geschlossen worden:
„Zwischen dem Direktor1 des Königlichen
National Theaters Herrn Iffland und dem
Königl. Kammersekretair Herrn Werner ist
unter heutigem dato folgender Contract verab¬
redet und geschlossen worden.
§ J-
Der Herr Kammersekretair Werner williget
darin, daß der Herr Direktor Iffland das Ritter¬
schauspiel die Weihe der Kraft in Manuscript
und bevor es in Drucke erscheint, in ver¬
schiedenen Städten Deutschlands öffentlich
gegen Bezahlung der Zuhörer vorlesen dürfe.
S 2.
Der Herr Director Iffland verpflichtet sich
dagegen und verspricht bei seinem Ehrenworte,
von jeder Einnahme, welche er durch die öffent¬
lichen Vorlesungen besagten Schauspiels zu ge¬
winnen hofft, Herrn Werner zehn Thaler von
Einhundert Einnahme zu bezahlen.
S 3-
Eben in der Art macht sich Herr Iffland
auch verbindlich, Niemanden das Manuscript
zur eignen Durchlesung mitzuteilen.
S 4.
Die Zahlung der § 2 bestimmten 10 pro
Cent von den durch die öffentlichen Vorlesungen
gewonnenen Einnahmen geschiehet nach der
Zurückkunft des Herrn Iffland nach Berlin in
Einer Summe.
S 5-
Die Kosten, welche für jede Vorlesung an
Miethe des Locale (!), Beleuchtung, Billettirung,
1 Die verschiedene Schreibart des Wortes im Original ist im Abdruck beibehalten; dagegen ist in diesem der
häufige Wechsel zwischen deutscher und lateinischer Schrift nicht bemerkt.
Z. f. B. 1905/1906.
49
376
Hoffmann, Vergessene Verse.
Polizei und Militair Wache und so weiter ge¬
zahlt werden müssen, tragen beide Theile pro
Rata, das heißt Herr Iffland zu 9/10 und Herr
Werner zu X/I0.
S 6.
Beide Theile entsagen allen diesem Contract
zuwiderlaufenden Einwendungen und bestätigen
ihn durch eigenhändige Namens Unterschrift.
Berlin den 27. Juny 1806
Friedrich Ludwig Zacharias Werner.“
Skeptiker könnten aus dem Umstand, daß
der Kontrakt nur von einem Kontrahenten
unterzeichnet ist, seine Ungültigkeit schließen
wollen; doch dieser Schluß ist unrichtig. Viel¬
mehr wird Werner das für Iffland, dieser das
für jenen bestimmte Exemplar unterzeichnet
haben. (Nur die Unterschrift ist eigenhändig;
das übrige, ix/2 Seiten eines Bogens Konzept¬
papier, rührt von der Hand eines Kanzlisten her.)
Denn es ist aus mancherlei Nachrichten be¬
kannt, daß Iffland jenes Stück in der Tat an
einigen Orten vortrug. Freilich wird der Ertrag
nicht so groß gewesen sein, wie der geldbe¬
dürftige Dichter hoffte, zumal die Kriegsunruhen
den Rezitator an der rechten Ausnutzung des
Kontraktes hinderten.
Kulturhistorisch merkwürdig ist die Be¬
stimmung des ^ 5, daß außer der Polizei auch
eine Militärwache herbeigezogen und demnächst
bezahlt werden müßte; uns erscheint zur Auf¬
rechterhaltung der Ordnung die Polizei genügend.
Dagegen werden die Insertionskosten, die heut¬
zutage einen erheblichen Posten ausmachen
würden, nicht besonders aufgezählt, wenn sie
nicht etwa in dem seltenen Worte „Billettirung“
mit einbegriffen sind.
Die vorstehend abgedruckten und kommen¬
tierten, aus einer und derselben Quelle stam¬
menden Aktenstücke sind wichtige Beiträge
zur Theatergeschichte. Sie werfen neues Licht
auf bedeutende Schauspieler und Dramaturgen
jener Zeit und geben mancherlei neue Kunde zu
Ifflands Charakteristik und seinen Beziehungen
zu Menschen verschiedener Art.
Vergessene Verse.
Von
Paul Hoffmann in Frankfurt a. d. O.
le geniale Art, wie unsere beiden
größten Dichter sich einer Schar
kleiner Geister erwehrten, erregte in
manchem ihrer Mitlebenden die Lust, auch
seinerseits über seine Zeit zu Gericht zu sitzen.
Dafür wollen diese Zeilen ein Beispiel bieten.
Nicht allen aber kam zum Bewußtsein, daß zu
einem solchen Akte, der dem Urteilsspruch
des höchsten Richters, der Geschichte, gleich¬
kommt, nur Leistungen von bleibendem Werte
berechtigen. Von dem Gefühl einer Verpflich¬
tung zu solchen war auch in dem vorliegenden
Falle keine Rede.
Als ich vor kurzem bei einem Antiquar ein
Büchlein von 164 Seiten in sedecimo fand:
Distichen.
Erstes Hundert.
Ein neues Taschenbuch
für Freunde
des Scherzes und der Satyre
nicht von
Falk.
Germanien 1806
Hoffmann, Vergessene Verse.
377
führte mich, neben einem gleich zu erörternden
Grunde, die Ähnlichkeit des Titels mit einigen
seiner andern Schriften zu der Annahme, daß
Wilhelm Traugott Krug der Verfasser sei. Aus
C. G. Kaysers Bücherkunde (I. Teil, S. 285;
Leipzig 1825), die den Namen des Autors
allerdings verschwieg, ersah ich, daß „Germa¬
nien“ für Frankfurt an der Oder gesetzt worden
war und daß man die „Akademische Buchhand¬
lung“ als Verlag anzusehen habe. Das stützte
meine Vermutung und ließ früher Gelesenes
wieder lebendig in mir werden. Krug hat,
törichterweise als „Urceus“, seine „Lebensreise.
In sechs Stazionen zur Belehrung der Jugend
und zur Unterhaltung des Alters beschrieben“
(Leipzig 1825 ; erst die 2. Aut läge — 1842 — be¬
titelt sich: „Krugs Lebensreise“ usw.). Dort
erzählt er, nachdem er seine Lehrtätigkeit an
der Viadrina geschildert hat (S. 145): Ich hatte
in Frankfurt an der Oder „mehrere kleine
Schriften ausgearbeitet, unter welchen sich auch
eine satyrische (Distichen) befand, die der Ver¬
leger nachher in die Oder versenkte, weil sie
Ausfälle auf Napoleon enthielt, und der Ver¬
leger Palms Schicksal fürchtete.“ Bekanntlich
wurde Krug 1804 zum Nachfolger Kants be¬
rufen. „Indessen nötigte ihn eine Krankheit,
seinen Abgang nach Königsberg bis in den
Spätherbst des Jahres 1805 zu verschieben.“
Somit wäre das Jahr des Erscheinens jener
„Distichen“ vordatiert worden. Bei der unge¬
wöhnlichen Eitelkeit des Verfassers lag es nahe,
irgend einen Hinweis auf diese Jugendarbeit in
seinen späteren Werken zu suchen. Er fand
sich in einem Umfange, der meine Erwartungen
übertraf. Traugott Krug hat im 12. Bande
seiner „Gesammelten Schriften“ (Leipzig 1841)
an zwei Stellen einen Teil der Verse, wenn
auch selten unverändert, wieder abgedruckt.
Was er überhaupt am bezeichneten Orte den
Lesern in seinen Gelegenheitsgedichten, Stamm-
buchversen, patriotischen Liedern, Briefen und
Trinksprüchen zumutet, ist erstaunlich. Eine
Probe, die am Schlüsse dieser Ausführungen
steht, wird dies erweisen.
Unter den im angeführten Bande zusammen¬
gestellten kleinen Schriften steht als Nr. XXIII :
„Momus und Komus. Oder Spott- und Scherz¬
reden in gebundner und ungebundner Gestalt.“
Leichtfertig entschuldigt er seine Taten mit
einem Vers des Persius: „Quid faciam? sed sum
petulanti splene cachinno.“ Wenn dem Titel
die Bemerkung beigegeben wird: „Erschien zu¬
erst: Leipzig, 1824. 8.“, so versteht sich dies
von der ganzen Schrift; denn mehr als dreißig
der „Distichen“ vom Jahre 1806 finden sich
hier. Sie sind der „Dritten Dosis. Epigram¬
matische Ein- und Ausfälle“ zugeteilt. Über
ihren Charakter wie über formelle Neuerungen
gibt die „Anmerkung“ — wir würden sagen:
„Das Vorwort“ — (S. 246) Nachricht; es heißt
darin: „Die folgenden Kleinigkeiten fallen nicht
insgesamt unter den Begriff des Epigramms im
strengen Sinne. Manche sind bloße Gnomen,
Sentenzen oder Sinnsprüche, metrisch ein¬
gekleidet, um den Gedanken runder und
behältlicher zu machen. Unsere guten Alt¬
vordern nannten das auch Gedenkverse (ver¬
sus memoriales) und sie nahmen’s dabei
weder mit der Prosodie noch mit der eigent¬
lichen Poesie allzugenau. Übrigens sind einige
dieser Verse schon früher gedruckt, erschei¬
nen aber hier größtenteils verbessert und
von andern noch nicht gedruckten begleitet.
Mögen sinnige Leser in alle diese Epigramme
recht viel Sinn selbst hineinlegen! Dann werden
sie gewiß zu wahren Sinnsprüchen werden.“
Was ihm von den übrigen Distichen später
noch wertvoll erschien — und was von den
Erzeugnissen seines Geistes erschiene dem Pro¬
fessor Krug nicht unvergänglich — , das ver¬
wies er in den „Anhang“ zu Nr. XXIV des er¬
wähnten Bandes: „Mischlinge, gebunden und
ungebunden, zur Unterhaltung in Feierstunden.“
Gelehrt-spielerig bekennt er sich selbstgefällig
als Urheber:
Du fragst, wer uns erschaffen hat? —
Freund Kantharos in Lindenstadt
und geleitet sie mit dem Motto:
Auf des Lebens vielverschlungnen Wegen
Kommen Ernst und Scherz sich oft entgegen;
Daß der Ernst erscheine immer heiter,
Wird der Scherz ihm freundlicher Begleiter.
Selbst das: „Erschien zuerst: Leipzig, 1839. 8.“
ist nicht vergessen. Dort heißt es in einer
Fußnote — S. 487 — : „Der Verfasser gab
einst anonym eine kleine Schrift unter dem
Titel heraus: Distichen. Germanien [eigentlich
zu Frankfurt an der Oder] 1806. 16. Sie sollte
ein tragikomisches Gemälde des Zeitalters
in politischer, moralischer, literarischer und
ästhetischer Hinsicht sein, hatte aber selbst ein
378
Hoffmann, Vergessene Verse.
tragikomisches Schicksal. Denn weil die beiden
ersten Distichen gegen Napoleon (dessen Name
aus sv vartei Xscov = Löwe im Waldgebirge,
entstanden sein soll) und seine von ihm selbst
gekrönten Brüder gerichtet waren: so überfiel
den Verleger, als Napoleon zu jener Zeit sich
als Sieger auch der Stadt Frankfurt a. d. Oder
näherte, eine solche Angst vor dem Erschossen¬
werden wie der Buchhändler Palm in Erlangen,
daß er die ganze Auflage des Büchleins in die
Oder versenkte. Nur ein paar Exemplare
wurden gerettet, aus welchen .... einige Epi¬
gramme .... hier anhangsweise folgen. Die
übrigen wollte der Verfasser nicht aus dem
Odergrunde hervorziehen, weil sie Personalien,
Temporalien und Lokalien betrafen, für welche
die heutige Lesewelt sich wenig oder gar nicht
mehr interessieren dürfte. Mögen sie also der
Vergessenheit übergeben bleiben!“
Bleibt über der Autorschaft kein Zweifel
bestehen, so ist es nicht nur für den Biblio¬
philen interessant, sich das doch recht seltene
Büchlein genauer anzusehen. Auf den Haupt¬
titel folgt ein, später etwas im Ausdruck ge¬
änderter
Prolog.
Geht hinaus in die Welt, ihr kleinen rüstigen Spötter!
Strafet und necket, wie euch Vernunft und Laune ge¬
bieten!
Doch die Bosheit sey fern, die schändlich verhöhnet
des Menschen
Heiligstes Eigenthum und der Menschheit im Menschen
nicht achtet.
Dem eigentlichen Inhalt geht noch folgender
Nebentitel vorauf:
Distichen.
Erstes Hundert.
Enthaltend
ein tragi-komisches Gemälde
unsers Zeitalters
in
politischer, moralischer, literarischer
und ästhetischer Hinsicht.
Dieses „Erste Hundert“ ist wieder im „Ersten
Fünfzig“ allgemeiner Natur, während das „Zweyte
Fünfzig“ dann die „Personalien, Temporalien
und Lokalien“ bringt. Den Schluß macht ein
Epilog.
Basta, ihr kleinen Spötter! begebt euch nun friedlich
nach Hause,
Und vertändelt mir nicht des Lebens erhabne Be¬
deutung !
Wechseln nur darf der Scherz mit dem Emste des
menschlichen Strebens.
Drum wer beydes versteht, wird gern Verzeihung ge¬
währen.
Ungefahr siebzig Seiten „Anmerkungen in
Prosa für die, welche deren bedürfen“, erörtern
die Beziehungen der Verse, was wiederum in
einem „Dialog“, der „auch als Monolog be¬
trachtet werden kann“, gerechtfertigt wird. In
diesem fordert der Verfasser A seinen Freund
13 auf, seine Distichen mit „Noten“ zu begleiten,
da es „gar zu hübsch“ sei, „sich noch bei Leb¬
zeiten kommentiert zu sehen.“ In der Er¬
wägung, ob es überhaupt ratsam sei, die
Verse zu veröffentlichen, gelangt man zu dem
Ergebnis, es hätte bei den ersten Fünfzig sein
Bewenden haben sollen. Obgleich aber „sich
niemand“ ihre Satire „anzunehmen“ brauchte,
waren sie es doch, um derentwillen der Buch¬
händler die ganze Auflage vernichten zu müssen
glaubte. Für die letzte Hälfte mit dem „indi¬
viduell-persönlichen“ und deshalb „gehässigen“
Inhalt nimmt Krug, da sie „ja lauter literarische
und artistische Dinge“ berühren, das Recht
jedes Rezensenten „irgend eines kritischen
Journals“ in Anspruch. Auf die Frage, ob er
nicht mehr wisse, wie „die Xenien, berüchtigten
Andenkens, aufgenommen und wie übel den
Verfassern diese Spiele leichtfertigen und mut¬
willigen Witzes gedeutet wurden“, ist er um
eine Antwort nicht verlegen; hören wir die
beiden Freunde:
A. „Aber so macht ihr’s. Wenn ihr etwas nicht
aus Gründen verdammen könnt, so stellt ihr es mit
etwas anderem in Parallele, was schon in der Ver¬
dammnis begriffen ist, um es in gleiche Verdammnis
hinab zu ziehen. Es fragt sich aber noch, ob nicht
ein geschickter Advocatus diaboli auch zur Entschul¬
digung der Xenien etwas Vorbringen könnte. Doch
.... mit deiner Erlaubnis, ein Unterschied findet hier
doch statt.
B. Etwa, daß die Xenien ungleich witziger waren,
als deine Distichen? .... Oder daß die Xenien zu¬
weilen nicht bloß leichtfertig und mutwillig, sondern
auch ungezogen und pöbelhaft waren?
A. Auch das will ich jetzt nicht urgieren, ob ich
mich gleich mit Recht darauf berufen könnte, daß in
meinen Distichen weder von Ochsen und Eseln die
Rede ist, noch irgend jemand mit dem Staubbesen ge¬
züchtigt oder gar gebrandmarkt wird.
B. Nun, worin bestände denn sonst der Unter¬
schied?
A. Darin, daß die Xenien zu Gunsten der einen
Partey wüthend über die andre herfielen und jene auf
Hoffmann, Vergessene Verse.
379
Unkosten dieser erheben wollten. Das war es eigent¬
lich, was damals alle rechtlichen Leute gegen jene
Spötter empörte. Von dieser Schuld sind, denk’ ich,
meine Distichen frey. Sie züchtigen Thorheit und
Schwäche, wo sie sie antreffen, an Freund oder Feind,
oder vielmehr, sie haben in dieser Rücksicht weder
Feind noch Freund.“
Da er fürchtet, daß mancher von denen, die
ganz mit Stillschweigen übergangen sind, dies
noch übler aufnehmen wird, als wenn er „recht
tüchtig durchgezogen“ worden wäre, so schließt
er mit dem Versprechen: „Schenkt mir der
Himmel nur Leben und Gesundheit, und er¬
lauben es meine ernstem Berufsstudien, so
schick’ ich wieder einmal ein zweytes, drittes
oder viertes Hundert in die Welt, worin nach
und nach alle an die Reihe kommen sollen.
Mittlerweile will ich in einer gelehrten Zeitung
eine Subskripzion eröffnen, damit diejenigen,
welche gern zunächst erwähnt seyn möchten,
ihre werthesten Namen unterzeichnen können.“
Die „Anmerkungen“ leitet Krug durch eine
„Erklärung des Titels“ ein, in welcher er die
Etymologie des Wortes „Distichon“, wie sie
bei den Philologen üblich ist, scherzhaft ver¬
wirft, und den Ausdruck, da er um jeden Preis
geistreich und originell erscheinen will, auf
„Distel“ und „stechen“ zurückführt und „Dist-
stichen“ geschrieben sehen möchte. „Da nun
eine Distel“ — erläutert er — „ein sehr schlechtes
Gewächs und das Stechen eine sehr grobe
Realinjurie ist, so heißen Distichen so viel als:
sehr schlechte Verse, wodurch andre sehr grob
beleidigt werden. Diese nagelneue etymolo¬
gische Erklärung kann sowohl den Herren
Sprachfegern die Mühe ersparen, für jenes
Wort ein rein deutsches zu suchen, weil es
schon durchaus rein ist, .... als auch für eine
kurze Rezension gelten und so den hoch¬
geneigten Herren Rezensenten die ersprießlichen
Dienste leisten, indem sie in jener Erklärung
ein Thema haben, worüber sie die herrlichsten
Variazionen komponieren können, besonders
wenn etwa einer oder der andere von ihnen
auch mit gestochen sein sollte.“
Über das Wesen und den Wert der Satire
hat Krug schwerlich jemals weder ernstlich nach¬
gedacht, noch hat er die großen Satiriker mit
fühlender Seele gelesen. Wie hätte er sonst
seinen Versen so langatmige Erklärungen mit¬
geben können. Es ist doch wahrlich schlecht
bestellt um ein Spottgedicht, wenn man ihm
einen Reisepaß mitgeben muß, und es hilft
dem schlechten Schützen wenig, wenn er den
Namen dessen in den Pfeil ritzt, der von ihm
getroffen werden soll. Hieraus erhellt, daß es
lediglich zur Charakteristik Krugs geschieht,
wenn den folgenden Epigrammen seine Noten
hinzugefügt werden.
i. Der Lowe im Waldgebirge.
Lusnok will ich nicht heißen, zu bürgerlich klingt mir
der Titel;
Resyak soll mich die Welt nennen und zittern vor mir!
Über das Ziel dieses und des nächsten
Distichons ist schon das notwendigste mit¬
geteilt worden. In der letzten Fassung sind
die Zeilenanfänge in „Consul“ und „Caesar“ ge¬
wendet worden. „Was der Verfasser“ — be¬
merkt Krug dazu — „mit diesem Distichon
sagen will, begreif’ ich nicht. Es ist mir zu
hoch, und daher behaupt’ ich, es hat gar
keinen vernünftigen Sinn. Zwar fällt mir eben
ein, daß ein im Waldgebirge befindlicher Löwe
auf griechisch ev vcutei Xstov heißen würde;
ferner, daß in den Stellen alter Autoren, wo
diese Worte Vorkommen, einige Kritiker die
Lesart ava jtoLscov in Vorschlag bringen, wo¬
durch sie einen über Städte Herrschenden an¬
deuten wollen. Allein dieser gelehrte Krims¬
krams macht (wie gewöhnlich) die Sache nur
noch dunkler und verworrener. — Was die
Wörter: Lusnok und Resyak betrifft, so sind
sie, wie ihnen auch jeder Kenner gleich auf
den ersten Blick ansehen wird, ägyptischen
Ursprungs. Man hat sie erst kürzlich in der
dreyfachen Inschrift gefunden, welche neuerlich
bei Rosette in Ägypten entdeckt worden ist.
Aus dieser Inschrift erhellet nämlich, daß jene
Wörter Ehrentitel des Ptolemäus Epiphanes
waren, daß das erste ungefähr einen Berather
oder was wir etwa einen Bürgermeister nennen,
und das zweyte einen Befehler oder was die
Römer einen Imperator nannten, bedeutet, und
das, weil der gute Ptolemäus und seine Ge¬
mahlin nebst seinen und ihren Brüdern,
Schwestern, Vettern, Muhmen, Schwägern und
Schwägerinnen, desgleichen auch die ägyp¬
tischen Priester, der Meynung waren, es sey
leichter zu befehlen als zu berathen und im-
ponirender ein Oberbefehlshaber als ein Bürger¬
meister zu heißen, Ptolemäus den Titel Resyak
380
Hoffmann, Vergessene Verse.
annahm, statt des Titels Lusnok, den er vor¬
her geführt hatte. — Sollte nun etwa der Ver¬
fasser in diesem Distichon dem guten Ptole-
mäus jene so heilsame Maaßregel haben vor¬
rücken wollen, so hätte er es etwas früher
thun sollen, da jetzt der ägyptische Resyak mit
seiner ganzen Sippschaft längst vermodert ist,
und heutzutage solche Titelveränderungen ganz
aus der Mode sind.“ Besser als Krug es voll¬
bracht hat, kann niemand das ohnehin schon
stumpfe Versehen um den Rest von Wirkung
bringen.
2. Die Zaunkönige.
Wir vermögen nicht viel und schier erdrückt uns die
Krone;
Aber des Schöpfers Gewalt zeigt in dem Schwächsten
sich groß.
Daß dies Distichon auf die Brüder Napo¬
leons gemünzt war, vernahmen wir schon; in
den „Gesammelten Schriften“ trägt es daher
auch die Überschrift: „Die neugeschaffnen
Könige“. Im ersten Druck ist dazu bemerkt:
„Einige Naturforscher meynen, der kleine Vogel,
welchen wir Zaunkönig (regulus, al. passer tro-
glodytes) nennen, führe darum den Königstitel,
weil der Schöpfer an ihm seine Macht im
Kleinen habe beweisen wollen. Wieferne dieß
passend sey, wag’ ich nicht zu entscheiden.“
Für die nun ausgewählten Verse fehlen die
„Anmerkungen“ ganz, oder sie sind vollständig
belanglos.
j. Die Entarteten.
Herrmann’s Söhne sind wir! — Doch Herrmann’s
Geist ist verflogen;
Muthlos beugen wir uns unter des Fremden Gesetz.
Der zweiten Zeile gab er mit Hilfe einer
unverkennbaren Anleihe im letzten Druck die
Form:
„Von dem schäumenden Wein blieb nur das Phlegma
zurück.“
4. Das Krämervolk.
Uns gebürt die Gewalt auf des Ozeans weiten Gefilden;
All’ ihr übrigen müßt leeren den Beutel für uns.
5. Das Kriegervolk.
Mit dem Schwerd’ in der Hand entscheiden wir alle
Prozesse ;
Möchten wir über das Meer herrschen wie über das
Land!
6. Das Sängervolk.
Kitzeln nur unser Ohr mit süßem Gesänge Kastraten,
Lassen wir willig uns treten auf Nacken und Kopf.
7. Der Koloss.
Völker in Ost und West, in Süd und Nord mir ge¬
horchen;
Wüßt ich zu brauchen die Kraft, hätt’ ich den Löwen
besiegt.
8. Eisbär.
Brummen kann ich recht schön, auch wohl mich ge¬
berden recht grimmig;
Aber die Kraft mir gebricht, drum wird das Brummen
verlacht.
14. Die Beschnittenen.
Warum schmähet ihr uns, daß wir euch die Dukaten
beschneiden?
Habt ihr doch uns das Recht schmählich beschnitten
— au weil
26. Der Soldat.
Heldenthaten gethan! Das Schwerd aus der Scheide
gezogen!
Friedliche Menschen geplagt! muthig — die Weiber
verführt !
2 g. Der Student.
Jedermann biet’ ich Trotz! — Doch kommen die
Zeiten der Prüfung
Und des Dienstes Beginn, bin ich voll Demuth und
Angst.
In den „Gesammelten Schriften“ erhielt Nr. 29
den Titel: „Der Federheld.“
J5. Der Trinker.
Rund wie die Welt ist mein Glas; die Welt muß man
fleißig betrachten;
Darum guck’ ich so oft tief in das Gläschen hinein.
42. Die Mansfelder.
Hier muß das Monument des großen Luther sich zeigen ;
Denn hier lebt’ er als Kind — das war das Größte
an ihm!
In der letzten Ausgabe bemerkt Krug hier¬
zu: „Bezog sich ursprünglich auf den vormaligen,
nicht ohne Bitterkeit geführten Streit, ob Luthers
Denkmal, für dessen Errichtung in ganz Deutsch¬
land und selbst außerhalb subskribiert wurde,
in Eisleben oder in Wittenberg errichtet werden
sollte. Da nun jetzt (1841!) sich fast überall
eine wahre Denkmalswuth zeigt: so ist es kein
Wunder, wenn hin und wieder auch ein ähn¬
licher Streit sich vernehmen läßt.“ 1806 hatte
er sich also geäußert: „Da der Projekte zu
einem Denkmale für Luther schon so viele
gemacht worden sind und ein Projekt um so
besser ist, je weniger es ausgeführt werden
kann, so will ich auch folgenden Projektbeytrag
liefern: Man baue über die Elbe bei Witten¬
berg eine steinerne Brücke mit schönem eisernen
Hoffmann, Vergessene Verse.
381
Geländer, in der Mitte zwey Ausbiegungen auf
beyden Seiten, und hier stelle man auf der
einen Seite Luther’s, auf der andern Melanch-
thon’s Bildsäule in Bronze auf. An diesem
Platze, wo sich die Straßen zwischen Berlin
und Leipzig, Dresden und Magdeburg kreutzen,
könnte das Monument jährlich von tausend
Reisenden frey beschauet werden. Oder will
und kann man darum nicht erst eine neue
Brücke bauen, so stelle man jene Bildsäulen an
einem andern in oder um Wittenberg gelegenen
Platze auf. Denn dieser Stadt gehört das
Monument ohne alle Widerrede an . . . .“ Diese
Ansicht begründet er noch in einer Fußnote:
„Da Luther das Denkmal doch wohl bloß um
der Reformazion willen erhalten soll, diese aber
das Resultat der vereinigten Würksamkeit beyder
Männer ist, indem sie ohne Meianchthon’s Mit-
würkung schwerlich je zu Stande gekommen
seyn würde: so scheint mir jedes nur zu
Luther’s Ehren berechnete Monument eine Un¬
gerechtigkeit gegen das gleiche Verdienst zu
seyn. Vielleicht sind auch um deswillen die
Beyträge so sparsam eingegangen. Der gebil¬
dete Theil der deutschen Nazion weiß es sehr
wohl, daß er die Wohlthat der Reformazion
dem Pfälzer eben sowohl als dem Mansfelder
zu danken hat. Wo soll dann aber das Monu¬
ment stehen? Weder in Eisleben oder Mans¬
feld, noch in Bretten oder Pforzheim, wo jene
Männer geboren wurden und als Kinder lebten,
sondern da, wo sie als Männer gemeinschaft¬
lich lebten und würkten. Wollt ihr also große
Männer wahrhaft ehren, so gebt eure klein¬
lichen An- und Absichten auf, und die Nazion
wird euch dann auch unterstützen.“
45- Die Literaturzeitiingen.
Eine war nicht genug; jetzt hauset in mancherley Buden
Donna Kritik; so hat jede Partey ihr Asyl.
46. Die allgemeine deutsche Bibliothek.
Laßt mich ruhen, ihr Herrn! ich liege ja schon in agone.
Nun so ruhe denn sanft! Sünder, genade dir Gott!
Später hat er dieses Xenion der „neuen Con-
cordia“ gewidmet. Dem Organe Friedrich
Nicolais sagte er 1806 noch: „Da der Heraus¬
geber der allgemeinen deutschen Bibliothek ihr
bald bevorstehendes Gott gebe! seeliges Ende
selbst angekündigt hat, so ist nichts billiger,
als daß alle ihre kritischen Kolleginnen die
fünfte Bitte mit ihr am Sterbebette beten:
Und vergieb uns unsre Schuld usw.“
Aus dem „Zweyten Fünfzig“, deren Wesen
schon gekennzeichnet wurde, werden hier zum
ersten Male einige Distichen wiederholt. Ge¬
winnen wir doch aus ihnen etwas zur Erkennt¬
nis ihrer Zeit, und da sie nur „Personalien“
bieten, dürften sich, wenn wir uns auf die
Männer beschränken, denen heute noch ein
größeres oder allgemeines Interesse gilt, auch
für sie neue Gesichtspunkte ergeben. Ist es
für die richtige Einschätzung einer bestimmten
Periode wichtig zu wissen, welche Männer sie
zu ihren geistigen Führern erkor, so ist es
nicht weniger betrachtenswert, wie die Persön¬
lichkeiten, welche über Ort und Zeit erhaben
sind, während ihrer Wirksamkeit verstanden
wurden. Was dieser Künstler oder jener Ge¬
lehrte uns ist, vielleicht was er der Menschheit
geleistet hat, wissen wir genau; um aber zu er¬
messen, warum er ein Werk schuf oder es zu
vollenden unterließ, wird nicht selten nötig sein
zu berücksichtigen, wieweit seine Zeitgenossen
ihm Teilnahme bewiesen oder Beifall und För¬
derung versagten. Traugott Krug ist hierfür
freilich nur eine einzelne Stimme; als Schrift¬
steller und akademischer Lehrer hat er aber
Gelegenheit gehabt, zu Gehör zu kommen. Über
wen er sich äußerte, das sagen, wem es aus
den Versen selbst nicht klar werden sollte,
seine Anmerkungen. Man möchte allerdings
meinen, diese letzteren habe er geschrieben,
damit sie nicht gelesen würden, denn anders
ist nicht einzusehen, warum er seine Über¬
schriften nur chiffriert hat. Ich lasse die Er¬
klärung dem Text unmiff eibar folgen.
51. G-E.
Schlechtes schrieb ich mit unter; doch ist’s gut genug
für den Pöbel,
Und der Schmeichelnden Heer nimmt es für göttlich
doch hin.
„S. Goethe’s Epilog zu Schiller’s Todten-
feyer, und manches andre Produkt dieser
Meisterhand. Wer kann auch immer Gutes
liefern! Leute von Stand insonderheit dürfen
sich schon zuweilen gehen lassen.“
52. SS—LL.
Mühsam drechseln wir alles mit manchen Lizenzen;
und dennoch
Unsere Poesie ist die poetischeste.
„S. das Athenäum der Gebrüder Schlegel,
worin unter andern schönen Sachen auch eine
vortreffliche Theorie der Poesie enthalten ist,
Hoffmann, Vergessene Verse.
382
deren oberster Grundsatz das Postulat ist: Die
Poesie soll poetisch seyn! Nach dieser gründ¬
lichen Theorie ist auch die herrliche Elegie
von August Wilhelm Schlegel gemacht, welche
Rom überschrieben ist und in welcher Penta¬
meter wie folgende Vorkommen:
V. 28.
Vieles darum: nie gab’s eine gewaltigere.
V. 66.
Veji ins Antlitz bot, kommen gefährlichere.
V. 86.
Bildniss’ im Vorsaal euch; immer entartetere.“
Vermutlich hat sich der Verfasser der
Distichen in dieser Nummer jene wohllauten¬
den Pentameter zum Muster genommen. Glück¬
lich, wenn er hinter einem so erhabnen Muster
nicht zu weit zurückgeblieben ist! — I11 An¬
sehung des Titels jener Elegie ist noch zu be¬
merken, daß er eigentlich und vollständig
heißen sollte: Kompendium der römischen Ge¬
schichte als ein neuer Versuch poetischer Musiv-
Malerei in Hexameter und Pentameter gestellt
durch A. W. S. — Möchte sich doch irgend
ein Freund der lieben Schuljugend finden, der
dieses schöne Kompendium mit Noten ad
modum Minelli zum Nutzen und Frommen der¬
selben herausgäbe!
53- K-E.
Manchmal fehlt es mir wohl an Witz und Dezenz und
Erfindung;
Aber das Publikum klatscht und der Verleger bezahlt.
„S. Kotzebue’s Almanache dramatischer Spiele
und andre seiner Produkte, besonders Carolus
Magnus, in welchem sich die vis comica ganz
vorzüglich durch kräftige Zweydeutigkeiten aus¬
sprechen soll . . .
54. AI — L .
Hab’ ich die Wissenschaft und Kunst nur flüchtig be¬
rührt —
Thut nichts, bin doch gewandt, vieles zu sprechen davon.
„S. Merkel’s Briefe an ein Frauenzimmer
über die neuesten Produkte der schönen Lite¬
ratur, und dessen Aufsätze und Kritiken in
Ernst und Scherz und dem nun damit verbun¬
denen Freymüthigen . . .
55. y-N p-L.
Vieles, was ich euch biete, ist albern, platt und ge¬
schmacklos;
Aber ich bin ein Genie, drum ist mir alles erlaubt.
„S. Johann Paul Friedrich Richter’s Hes-
perus, Titan usw. usw. nebst dessen Vorschule
der Ästhetik, in welcher der Verfasser nur zu
bemerken vergessen hat, daß eine bizarre Manier,
weithergeholte Bilder und Vergleichungen, ein
überall, und darum oft sehr übel angebrachter
Prunk von Kollektaneen-Polyhistorie eben keine
ästhetischen Vorzüge eines Kunstwerkes sind.
Aber das sind Kleinigkeiten! Sind doch die
Damen recht entzücket über die vielen schönen
Sachen, von denen sie — kaum die Hälfte
verstehen !“
56'. F-K.
Wieland posaunte mich aus; da floß die satyrische Ader;
Aber die karge Natur hat sie bald wieder gestopft.
Die Bedeutung, welche Johannes Falk, dem
die vorstehenden Verse gewidmet sind, für unser
Büchlein hat, läßt es notwendig und gerecht¬
fertigt erscheinen, wenn hier über Krugs An¬
merkung hinausgegangen wird. Der Name
Falk findet sich schon auf dem Titel des
Buches, der eine Falksche Schrift verhöhnen
soll. ,. Johannes von der Ostsee“, wie Falk bis¬
weilen genannt wird, hatte zwei Satiren „von
ausgezeichneter Gelungenheit“, wie Merkel sagt:
„Die Gräber zu Rom“ und „Die Gebete“ an
Wieland gesandt. Diesem gefielen sie so gut,
daß er sie in seinem „Teutschen Merkur“ auf¬
nahm und den Verfasser als ein satirisches
Genie pries. Falk fand dadurch seinen Beruf
zum Satiriker beglaubigt und gab von 1797
bis 1806 ein „Taschenbuch für Freunde des
Scherzes und der Satyre“ heraus. Da für eine
solche Verpflichtung sein Talent nicht aus¬
reichte, und er, statt allgemeine Schäden und
Torheiten zu geißeln, persönliche Schwächen
mit wenig Witz lächerlich zu machen sich ge¬
nötigt sah, es auch vielfach an dem nötigen
Takt Personen und Instituten gegenüber fehlen
ließ, so fand sein Unternehmen bald ein un¬
rühmliches Ende. „Deswegen hat er auch“,
um Krugs Worte zu gebrauchen, „diese Taschen-
buchfabrikazion, welche alljährlich seinen Witz
in starke Kontribuzion setzte, aufgegeben und
versprochen .... herauszugeben: »Grotesken,
Satyren und Naivitäten . . . .« In diesem Maga¬
zine — so nennt es die Ankündigung auch —
sollen folgende Kuriositäten und Raritäten auf¬
geschüttet werden: »Beschreibungen lustiger
Volksfeste, Jahrmarktspossen, kleine originale
Stücke im schwäbischen und andern Volks-
Hoffmann, Vergessene Verse.
383
Dialekten, geistliche und weltliche Komödien,
Christmetten, Osterfeyern, Hofgalla, Anekdoten
von Hofnarren und Pritschmeistern aller Art,
Faschingslustbarkeiten, Masken, Schönbartspiele,
Erklärung lustiger alter Kupferstiche und Holz¬
schnitte.« Man sieht, Herr Falk versteht die
Kunst dafür zu sorgen, daß, da ihm der Scherz
und die Satyre ausgegangen, es ihm wenigstens
nicht an Stoff zur Füllung seines Magazins
fehle.“ Doch auch damit hat Krug nicht recht
behalten, da das neue Unternehmen schon im
Jahre 1807 einging.
59- W-F.
Was unächt ist, vermag ich mit spürender Nase zu
wittern ;
Wird auch das Ächte verbannt, zeig’ ich dabei doch
den Witz.
Der scharfsinnige Verfasser der „Prolego-
mena ad Homerum“ hatte vier Reden des
Cicero für unecht erklärt. Darauf bezieht sich
Krug, wenn er bemerkt: „S. F. A. Wolf ’s Aus¬
gaben von verschiedenen Reden des Cicero, be¬
sonders der pro Marcello, verglichen mit den
Bemerkungen darüber von Wormius und Weiske.
Diese Bemerkungen müssen wohl auch nicht
ächt seyn und das Brandmaal der Unächtheit
so offen an der Stirn tragen, daß sie keiner
Antwort werth sind.“
64. N—I.
Gundibert, dicker Mann und Herr Magister Sebaldus
Geben unsterblichen Ruhm, hat mich gleich Fichte
zermalmt.
„Die unsterblichen Romane des Herrn Nicolai,
welche in diesem Distichon etwas unchrono¬
logisch .... aufgezählt werden, und wovon die
beyden ersten sich besonders durch eine sehr
gründliche — böse Mäuler sagen: donkischot-
tische — Widerlegung der kritischen Philosophie
ausgezeichnet haben, sind hoffentlich unsern
Lesern eben so bekannt als die nicht minder
unsterbliche Schrift des Herrn Fichte: Friedrich
Nicolai’s Leben und sonderbare Meynungen,
durch deren Herausgabe gegen das grausame
V erbot der Berliner Zensur sich HerrA. W.Schlegel
ein großes Verdienst um die deutsche, an solchen
geistreichen Produkten so arme Literatur er¬
worben, und auf diese Art sich selbst eine eben
so unvergängliche Ehrenpforte errichtet hat,
als er einst seinem Busenfreunde, dem Herrn
von Kotzebue, bey dessen Transportazion nach
Sibirien errichtete. Es ist doch in der That
Z. f. B. 1905/1906.
recht herzerhebend mit anzusehen, wie die Gens
de lettres und Beaux esprits einander freund¬
schaftlich die Hände bieten, um sich gegenseitig
zu — verewigen!“
77. C — E.
Was für abscheuliches Deutsch spricht dieser erbärm¬
liche Witzling!
Hat er denn gar nicht gehört, wie ich die Sprache
gefegt?
„S. Campe’s sprachreinigende und berei¬
chernde Werke, als da sind: Proben einiger
Versuche von deutscher Sprachbereicherung —
Preisschrift über die Reinigung und Bereicherung
der deutschen Sprache — Versuch einer ge-
genauern Bestimmung und Verdeutschung der für
unsre Sprachlehre gehörigen Kunstwörter usw.“
73' H-D.
Kann ich auch nicht für euch, ihr Lieben, das Leben
verlängern,
So verläng’r ich’s für mich, wird mir die Mühe belohnt.
„S. Hufeland’s Makrobiotik oder die Kunst,
das menschliche Leben zu verlängern. Ein
Hauptmittel, sein Leben zu verlängern, hat aber
der Verfasser übersehen: nämlich: sich über
jedermann, und selbst über sein liebwerthestes
Ich, zu mokiren, um stets das Zwerchfell in
einer angemessenen Bewegung zu erhalten. Wir
wenigstens haben dieses leicht zu habende
Hausmittelchen als eine wahre Panazee befunden
und wollen es daher auch andern zum belie¬
bigen Gebrauche bestens empfohlen haben.“
Die nächsten drei Epigramme beziehen sich
nach einander auf Kant (81), die Kantianer (82)
und die Antikantianer (83); Krugs „Noten“ da¬
zu bieten nichts, was das Verständnis fördern
könnte.
81. K—T
Nichts ist der Raum und die Zeit als leere Form der
Erscheinung;
Bis zum Dinge an sich reichet nicht Sinn noch Verstand.
82. K — -einer.
Recht hat der Meister gesagt! drum schwör’ ich: Jeder
Gedanke,
Jeder Buchstab' ist wahr, hat ihn nur Kant produzirt.
83. A — aner.
Trügliches Blendwerk ist’s, was der Königsberger ge¬
lehret;
Was er erfand, ist nicht wahr, oder, was wahr ist,
nicht neu.
Im folgenden Xenion hat sich unser Sati¬
riker selbst bedacht. Da er, wie schon er¬
wähnt, ausersehen wurde, den Lehrstuhl Kants
50
3&4
Hoffmann, Vergessene Verse.
zu besteigen und später im Streite mit dem
Dramatiker Müllner von dessen Anhängern als
„Professor Kantchen“ verspottet wurde, muß es
hier wohl seinen Platz finden:
g4- H — G.
Aller Idealismus und Realismus ist eitel;
Synthetismus allein führet euch glücklich zum Ziel.
„S. Krug’s Entwurf eines neuen Organons
der Philosophie — dessen Schrift über die
Methoden des Philosophirens und die Systeme
der Philosophie — und dessen Fundamental¬
philosophie. Der Verfasser sucht darin sowohl
den Realism als den Idealism aus dem Felde
zu schlagen und ein anderweites System zu
begründen, welches er den transcendentalen
Synthetism nennt. Nur Schade, daß dieses
System nicht neu, sondern eben dasselbe ist,
welchem der gemeine Menschenverstand von
jeher anhing. Fi donc!“
gy. M — R.
Rund wie die Kugel ist mein System ; ihr könnt’s nicht
erfassen ;
Setzet ihr etwas, sogleich ist auch ein Gegensatz da.
„S. Adam Heinrich Müller’s Lehre vom
Gegensätze. Der Verfasser will seine Philosophie
weder mit einem Gebäude, noch mit einer
Pyramide, noch mit einem Kegel, noch mit
einer Kette, noch mit einem Stammbaume,
sondern mit einer Kugel verglichen wissen,
welches Gleichniß als das einzige immer
passende, alle übrigen von nun an verdrängen
soll. Daher kollert sich seine Philosophie auch
immer um und um, indem er nicht nur alles
aus dem Gegensatz erklärt und überall Gegen¬
sätze entdeckt (z. B. wenn einer als Redner
auftritt, so hat er Antiredner, nämlich Hörer,
und wenn einer dasteht und das Maul aufsperrt,
um alle Worte, die er hört, gleichsam zu ver¬
schlingen, so hat er seinen Antimaulaufsperrer,
nämlich den Redner, der die Worte, die jener
verschlingt, salva venia ausspeit) sondern auch
dem Gegensätze selbst — wer hätte das ge¬
dacht! — den Antigegensatz gegenüber stellt.
So kommt es in dieser kugelrunden Philosophie
nie und nirgend zum Satze, sondern immer und
überall herrscht nur der Gegensatz mit seinem
Antigegensatze. Darf man leugnen, daß dies
originell ist.“
Der Name Adam Müller weckt sogleich
die Erinnerung an seinen großen Freund Hein¬
rich von Kleist. Müller so wenig als Krug
haben irgend etwas zur Bereicherung der Philo¬
sophie beigetragen, sie erregen höchstens die
Teilnahme des Historikers. Dadurch aber, daß
beide in den Bannkreis Kleists getreten sind,
leben ihre Namen fort. Krug, dem nur der
Rang eines Trabanten am literarischen Himmel
zukommt, erhält von mehreren Seiten Licht.
Daß er nach Kants Tode an dessen Stelle trat,
ist schon gesagt worden; auf diesem Platze
folgte ihm Herbart; er bedeutet also kaum mehr
als ein Körnlein zwischen Mühlsteinen. Da er
Wilhelmine von Zenge geheiratet hatte, und diese
vordem die Braut Heinrichs von Kleist gewesen
war, so wird er auch um deswillen nicht ver¬
gessen. Ob seine Frau wohl jemals einen
Vergleich angestellt hat zwischen den Versen
ihres Mannes und den Gedichten und Dramen
Heinrichs von Kleist? Es ist nicht anzunehmen.
Da es ihr an Kraft des Geistes wie an Tiefe
des Gemütes gebrach, hatte sie Kleist nicht
begriffen, als er ihr noch seine von gährender
Leidenschaft erfüllten Briefe schrieb; wie sollte
sie seiner Muse gerecht werden, wenn diese
ihrem Zeitalter soweit vorauseilte! Das Letztere
könnte selbst Krugs innigster P'reund von seinen
Gedichten, auch von denen der späteren Zeit,
nicht behaupten. Dafür mögen folgende Beispiele
aus dem Jahre 1824 zeugen:
Der Mensch.
Zwittergeschöpf! demüthig und stolz, verwegen und
zaghaft,
Steigt es gen Himmel ein Aar, kriecht es am Boden
ein Wurm.
Die Ehre.
Bändchen und Kreuz und Stern — das ist die köstliche
Nahrung,
Die mir die Eitelkeit beut, mich zu ersticken im Fett.
Die Unsterblichkeit.
Jedermann ringt nach mir, der Künstler, der Held und
der Weise;
Sucht ihr ein höheres Ziel oder nur Ruhm auf Papier?
Die Hoffnung.
Immer getäuscht, und immer genährt durch Täuschung
beginn ich
Immer von vorn, und zuletzt sink ich mit dir in die Gruft.
Von den eingangs berührten Gelegenheits¬
gedichten dürfte das nachstehende eins der
besten sein. Man wird sich nicht verhehlen
können, daß Krug keine Vorstellung gehabt
Fred, Die Buchausstellung im Salon d’Automne zu Paris.
385
hat von dem gewaltigen Ereignis; sein Schmerz
über den Tod Goethes kann seine Verse weder
an Macht noch an Dauer überragt haben, sonst
wäre es ihm unmöglich gewesen, sie drucken
zu lassen.
Auf Goethes Tod, als die Nachricht davon
nach Leipzig kam.
Was hör’ ich klagen! — Klagen wie Trauersang
Am offnen Grabe, das den Geliebten soll
In seinen dunkeln Schooß aufnehmen,
Grausam entreißen der Freunde Blicken.
Was hör’ ich rauschen? — Rauschen wie Flügelschlag
Und Aeolsharfe. Seht, wie der Schwan sich hebt!
Er steigt gen Himmel, Theil zu nehmen
An der Unsterblichen Göttermahle.
Drum klage nicht mehr, edle Teutonia,
Um deinen Liebling, daß er entschwunden dir!
Er lebt, er lebt in tausend Liedern
Ewig gefeiert von Mit- und Nachwelt.
Die Buchausstellung im Salon d’Automne zu Paris.
Von
W. Fred in Paris.
lan hätte anderes erwartet. Was wir in
Deutschland Buchkunst nennen, aus
England an fruchtbaren Anregungen
und Traditionen übernommen haben,
scheint hier unbekannt. Die Ausschmückung der
Bücher geht nach anderen künstlerischen Wün¬
schen, Bedürfnissen, Neigungen vor sich. Wir be¬
mühen uns, die allgemeine Kultur des Drucks, des
Papiers, Einbands usw. zu heben, typographisch
mustergültige Exemplare in allen Preislagen zu
erzielen. Hier interessiert den Bibliophilen und
Künstler eigentlich nur die sogenannte Amateur-,
die Luxusausgabe. Das reguläre Exemplar der
ersten Auflagen ist schmählich anzusehen; jener
gelbe 3,50 Francs-Band, der zum Unglück bei
einzelnen unserer Verleger Nachahmung gefunden
hat — vielleicht weil die Armen glauben,
mit dem Umschlag auch die Höhe der darauf
verzeichneten Auflagen zu übernehmen — zeigt,
wie wenig sich das Publikum und auch die Über¬
zahl der Bibliophilen um eine durchgehend künst¬
lerische Ausstattung kümmern. Denn dieser gräuliche,
schlecht gedruckte, auf elendem Papier hergestellte
Band wird dann sehr schön gebunden. In keinem
Lande der Welt, auch nicht in England, ist das
Einbinden der Bücher in anständiges Leder und
durch gediegene Handarbeit so gang und gäbe wie
in Frankreich. Gerade weil es keine originellen
Einbände der Verleger für jedes einzelne Buch
gibt, wird im Franzosen die Lust am Einbande
wach, weil er Freude daran hat, zusammen mit
seinem Relieur jedesmal eine andere Art von Leder,
Verzierung, Farbe usw. zu bestimmen. Darum
gibt es hier eine große Tradition. Bucheinbände, wie
sie aus dem XVII. und XVIII. Jahrhundert im Louvre,
im Petit Palais und auch andern Orts (Chantilly) zu
sehen sind, stehen weit über den uns maßgeben¬
den englischen Ausgaben. Jeder Sammler be¬
kommt nicht einmal, sondern hundertmal für teures
oder geringes Geld hier Einbände aus vergangenen
Zeiten in die Hand, deren Geschmack, Zierlichkeit,
Eleganz scharmant sind. Wenn nun auch leider
die französische moderne Buchbinderei sich allzu
sehr simplifiziert, die neuen Ornamente den alten
in jeder Beziehung nachstehen, so wirken doch die
zahlreichen historischen Vorlagen noch so stark,
daß ein einfach schlechter Einband recht selten ist.
Soweit die Außenseite. (Daß leider die neue
galvanoplastische Technik und allerlei elende Re¬
produktionsverfahren auch hier Medaillons, Reliefs
übler Art usw. auf die Deckel gebracht haben,
ist hoffentlich nur Sache flüchtiger Mode.) Innen
aber? Wer sich nicht mit dem einfachen Buch
begnügt, und es ist schwer das zu tun, hat eine
Fülle von Abzügen auf allerhand Papieren zur
Verfügung. Doch besteht die ganze Buchkunst
dieser nach deutschen Begriffen unglaublich kost¬
spieligen Ausgaben in dem guten Papier, einem
sehr üppigen Rand und großen Druckcharakteren,
ohne daß selbst bei den besten Verlegern auf
ein schönes Satzbild, reine, besser geschnittene
Typen oder gar gewähltes Ornament — es
brauchten ja nur die alten Eisen vervielfältigt zu
werden ! — die nötige Obacht gegeben würde.
Man kann sich gar nicht vorstellen, wie selten die
Ausnahmen von dieser traurigen Regel sind. Und
zwar wird es von Jahr zu Jahr ärger. Eine Reihe der
besten Kunstrepro duktionswerke der letzten Zeit
386
Fred, Die Buchausstellung im Salon d’Automne zu Paris.
sind ohne jede Aufmerksamkeit der Schönheit
des Textes gedruckt, während die Reproduktionen
oft teuer und vornehm sind, trotzdem auch in
dieser Beziehung hier noch bei Werken hohen
Preises ein Überschwang des Autotypiedruckes
herrscht, der bei uns doch nur in billigen Büchern
seine langweilige, wenn auch unerläßliche Existenz
fristet. Man sieht auch im Salon d’Automne,
der den Anlaß zu diesen Bemerkungen gibt, eine
Reihe von Büchern, zu deren Illustration die
stärksten künstlerischen Kräfte des Landes herbei¬
gezogen wurden, Rodin, Carriere u. a. Und
man staunt, daß ihre Arbeiten dann einfach durch
Buchdruckklischees, nicht einmal besonders getönt,
wiedergegeben werden. Hier steht doch der
Werth des Originals in keinerlei gerechtem
Verhältnis zur Technik der Reproduktion. Aller¬
dings, der große Amateur Frankreichs trachtet
nur nach Unikas. Er will ein Werk haben, das
nicht einmal in 24 gleichen anderen Exemplaren
sonst existiert. Daher die aquarellierten, mit be¬
sonderer Marke des Radierers oder Lithographen
ausgezeichneten Exemplare; die Ausgaben, wo
zu jedem Exemplar eine Vorlage als Beiblatt im
Original gegeben wird usw. — kurz ganz andere
Tendenzen als in England oder Deutschland. Hier
die Exklusivität, die Liebe zur piece unique, zum
Bibelotbuch, zur stimmungsreichen Antiquität wrie
in allen anderen Kunstgebieten; in den Ländern
germanischer und keltischer Entwickelung der Zug
zu einer Hebung des Gesamtniveaus, zur Kunst für
alle. Darum gibt es bei uns in Deutschland für
eine Mark, für drei oder vier Mark Bücher, wie
sie in Paris nicht um das fünffache zu haben
sind, darum aber findet man auch in ganz
Deutschland nicht so viele Binder, die für zwei
Franken einen guten Privateinband hersteilen können,
wie in einem einzigen Arrondissement von Paris.
Übrigens: was jetzt einzelne französische Verleger
an billigen geschmückten oder illustrierten Aus¬
gaben in sichtlicher Anlehnung an deutsche, heute
längst überholte Bemühungen, herausbringen, ist
zumeist von kindlicher Kläglichkeit.
Wie gesagt: man hatte von der oft an¬
gekündigten Buchausstellung des Salon d’Automne,
der jetzt die der modernenKunst maßgebende Jahres¬
ausstellung bietet, mehr erwartet. In einigen Vitrinen
liegen die schönen Unika einzelner Bibliophilen,
höchstens zwei Seiten aufgeblättert. An den
Wänden einige Bogen mehr oder weniger be¬
kannter Ausgaben. Ein Tisch mit englischen
Werken, Morris u. a. Man fragt sich, warum
Deutschland dieser Möglichkeit, eigene und recht
erfolgreiche Absichten vorzuzeigen, so gründlich
ausgewichen ist. Vielleicht denken übers Jahr
unsere Kunstpolitiker an diese Chance . . . Sehen
wir uns nun einiges an. Der Buchschmuck steckt
noch ganz in der naiven Illustrationsweise;
Umschläge wie Textbilder trachten eine Szene,
einen Satz des Textes plastisch zu gestalten.
Sogar die altmodische Weise, die Legende unter
dem Bilde zu wiederholen, besteht fort. Man ist
froh, wenn statt des Klischees eine Lithographie
oder gar eine taille-douce, ein Farbenholzschnitt
einige Munterkeit in das Einerlei gezeichneter
oder — die Brutalität von gestern — nach ge¬
stellter, posierter Natur abphotographierter Schwarz¬
weiß-Bildchen bringt. Ein paar leichtsinnige Zeich¬
nungen von Forain, die rissigen Holzschnitt¬
versuche Rysselberghes verdienen Erwähnung.
Eine arge Neuigkeit ist als Illustration zu dem
Buche des Kunstkritikers Roger Marx über die
Tänzerin Lo'i'e Füller versucht worden: modellierte
Estampes. Ihr Autor Pierre Roche hat sich
ebensowenig wie der Verleger und der Buch¬
verfasser Rechenschaft darüber gegeben, daß jedes
Heraustreten aus der Fläche unbuchmäßig ist.
Überdies sind die auf diesen Relief bildern ver¬
wendeten Farben von einer unerträglichen Süße.
Man hätte sich gerade für die Lo’i'e Füller Farben¬
räusche gewünscht: Lithographien oder gar farbige
Radierungen von Odilon Redon, Degas, Renoir
— die Wahl würde hierzulande nicht schwer
fallen. In dieser Beziehung sind von Lunois
hübsche Sachen geschaffen worden.
Am stärksten hat auf mich von den hier
ausgestellten Büchern durch seine Bilder die
Ausgabe der Cinq Poemes von Victor Hugo
(Verlag Ed. Pelletan, der überhaupt Ausge¬
zeichnetes leistet) gewirkt. Die Illustrationen sind
von Rodin, Carriere, Willette, Steinlen u. a.; die
Originale der Carriereschen Arbeiten sind auch
zu sehen: dumpfe, dunkle Träume voll der kon¬
zentriertesten Stimmung. Hier ist eben in der
sogenannten Illustration geleistet, was sonst fehlt:
nämlich die persönliche Durchdringung des Stoffes
durch einen malerisch oder zeichnerisch Gestalten¬
den. Sonst ist die Tätigkeit des Illustrators zu¬
meist ein mechanisches Nachgehen der Gedanken¬
gänge des Textschreibers, ohne daß in der Produk¬
tivität des Künstlers ein eigener Ton ausgelöst wird.
Auf ähnlich hohem Niveau wie diese Ausgabe
stehen zwei inhaltlich ganz verschiedene Werke:
Clemenceaus „Au pied du Sinai“ von Toulouse-
Lautrec mit nervösen, oft überwältigenden Zeich¬
nungen versehen, die alle Kraft dieses genialen
Erkenners menschlicher Grotesken aufweisen (Ver¬
lag Floury), und in einigem Abstande, aber auch
glänzend: Octave Mirbeau „Dans l’Antichambre“
(Collection de l’Academie Goncourt). In diesem
Buche hat Edgar Chahine, ein pariserischer Ar¬
menier, Skizzen gegeben, in denen gewissermaßen
die Luft des Boulevards weht. Er hat ein paar
Dutzend Typen dieser Welt eingefangen, die
Frechheit, Verworfenheit, Anmut, Unglück, Schwindel
vereinigt und deren Lebenselement die Blague in
allen Nuancen vom Übermut bis zum Elend und
Verbrechen ist. Hat man noch Ed. Ferronds
von Chessa gravierte Zeichnungen zu Flauberts
„Madame Bovary“ (Verlag Richmond) erwähnt,
die scharmant und zart den Stil biedermeierischer
Sündhaftigkeit bringen, so bleibt kaum anderes
Chronik.
387
übrig, als mit der Nennung der mäßigen, mühsam
deutschen Bilder zum Goetheschen Erlkönig (Le
roi des Aules, schön übersetzt von Catulle Mendes),
die Bellery Desfontaines entworfen hat, abzu-
schließen.
Alles in allem: die Buchkunst Frankreichs steht
heute auf weit geringerer Stufe als vor 50 und 150
Jahren. Der Bibliophile findet an den alten Werken
weit mehr Freude als an den neuen. Jene große
Periode Pariser Kunst, die man in eben dem¬
selben Salon d’Automne durch die wundervollen
Werke Manets und Rodins angezeigt sieht, hat
ihre Wirkung auf die Kunst des Buches bisher
verfehlt. Ausnahmen gelten ja.
Chronik.
Zur Retzsch -Bibliographie.
Am Schlüsse meines kleinen Aufsatzes „ Ein Sil-
honettenfund“ im Märzheft 1904, Seite 401 und ff.
dieses Blattes hatte ich einen ersten lückenhaften Ver¬
such gemacht, aus den in meinem Besitz befindlichen
Stücken eine Retzsch- Bibliographie zusammenzustellen.
Die Ordnung geschah im großen und ganzen chronolo¬
gisch; die Zahl der verzeichneten Kupfer- beziehentlich
Stahlstiche betrug 291. Ich will nunmehr das, was im
Verlaufe von ix/2 Jahren zu meiner Sammlung hinzu¬
gekommen ist, fortlaufend nummeriert angeben, in der
Annahme, daß dies bei einem Teil der Leser Interesse
findet; wenigstens sind mir von mehreren Seiten dies¬
bezügliche Zuschriften geworden.
Sehr wichtig war mir eine Sendung von Frau
Schöller (Düren), die mir den offenbar ersten Druck
des „Fridolin“ zur Ansicht schickte. Das Jahr des Er¬
scheinens ist nicht angegeben; die Abdrücke jedoch,
das Format, sowie der Name des Verlegers (Dieterich,
Göttingen) lassen mit Bestimmtheit den Schluß zu, daß
das Werk gleichzeitig mit oder gleich nach dem „Kampf
mit dem Drachen“ (No. 1 — 16), also ca. 1810, erschienen
ist. Wir buchen deshalb diese erste „Fridolin“- Ausgabe
zunächst als:
292 — 299. Acht Umrisse zu Schillers Fridolin . Göt¬
tingen, in der Dieterichschen Buchhandlung, o. J.
Es folgen in chronologischer Reihenfolge:
300 — 302. Vergißmeinnicht ein Taschenbuch für 1820 ,
von H. Clauren. 3 Kupfer: „Gelobt sei Jesus Christ!“,
„Bei Männern, welche Liebe fühlen“, „Guten Abend!“ Von
Retzsch gezeichnet, von Eßlinger und Stölzel gestochen.
303. Vielliebchen. Historisch- romantisches Taschenbuch
für 1830. Von A. v. Tromlitz. 1 Kupfer „Albrecht Roser“.
Von Retzsch gezeichnet, von Wagner gestochen.
3°4 — 3°7- Dasselbe, für das Jahr 1831. 3 Stahlstiche
zu: „Das Mädchen von Eßlingen“. Von Retzsch gezeichnet,
von Axmann und Höfel gestochen.
308 — 3 1 1 . Dasselbe, für das Jahr 1832. 4 Stahlstiche :
„Philipp Artevelde“, „Alice“, „Das Bild“. Von Retzsch
gezeichnet, von Axmann, Beyer und Stöber gestochen.
312 — 3I4- Penelope. Taschenbuch für das Jahr 1832.
Von Theodor Hall. 3 Stahlstiche zu „Pfeffer-Rösel“ von
Ch. Birch-Pfeiffer, „Die feindlichen Brüder“ von Raupach,
„Der Templer und die Jüdin“ von Wohlbrück-Marschner.
Von Retzsch gezeichnet, von Axmann und Höfel gestochen.
315 — 317- Dasselbe , für das Jahr 1833. 3 Stahlstiche
zu „König Enzio“ von Raupach, „Des Malers Meisterstück“
von Weissenthum, „Der Bauer als Millionär“ von Raimund.
Von Retzsch gezeichnet, von Höfel und Beyer gestochen.
3l8 — 321. Dante Alighieri’ s Göttliche Komödie. Metrisch
übertragen von Philalethes. Dresden und Leipzig 1833 — 1840.
4 Kupfer -Umrisse, in 40: 2 Umschlagszeichnungen und
1 Titelkupfer zur „Hölle“, 1 Umschlagszeichnung zum
„Fegefeuer“.
322 — 324. Vielliebchen für das Jahr 1833, von A.
v. Tromlitz. 3 Stahlstiche zu „Der Ordensbruder“ und „Der
Zweikampf“. Von Retzsch gezeichnet, von Axmann und
Beyer gestochen.
325 — 327. Dasselbe, für das Jahr 1834. 3 Stahlstiche
zu „Die Günstlinge“ und „Schloß Rödelheim“. Von Retzsch
gezeichnet, von Axmann und Beyer gestochen.
328 — 33 1. Penelope für das Jahr 1834. 4 Stahlstiche
zu „Die Lichtensteiner“ von J. F. Bahrdt, „Garrick in
Bristol“ von Deinhardstein, „Das Liebesprotokoll“ von
Bauernfeld, „Robert der Teufel“ von Scribe-Meyerbeer.
Von Retzsch gezeichnet, von Plöfel gestochen.
332 — 335. Vielliebchen für das Jahr 1834. 4 Stahl¬
stiche zu „Die Morisken“, „Maria Offida“ und „Der Rebell
von Hoogstraten“. Von Retzsch gezeichnet, von Axmann
und Weiß gestochen.
336 — 338. Dasselbe für 1836. 3 Stahlstiche zu „Carl IX.
und die Bartholomäusnacht“, und „Die Wallfahrt“. Von
Retzsch gezeichnet, von Axmann und Weiß gestochen.
339 — 341. Dasselbe für 183p. 3 Stahlstiche zu „Der
alte Guerillo von Granada“ und „Christian II. von Däne¬
mark“. Von Retzsch gezeichnet, von Axmann und Kotterba
gestochen.
342 — 344. Dasselbe für 1838. 3 Stahlstiche zu „Hed¬
wig, Königin von Polen“ und „Ein Abend im Louvre“.
Von Retzsch gezeichnet, von Kotterba und Axmann ge¬
stochen.
345 — 347- Dasselbe für 183g. 3 Stahlstiehe zu „Die
Rechberge“ und „Maria Stuart“. Von Retzsch gezeichnet,
von Hoffmann, Kotterba und Axmann gestochen.
348 — 350. Dasselbe für 1840. 3 Stahlstiche zu „Die
Herzogin von Cleveland“, „Ugolino“, „Bruder Estevan“.
Von Retzsch gezeichnet, von Kovatsch, Hoffmann und
Kotterba gestochen.
351. Nachtrag zu No. 2go — 2g I. / Stahlstich (Viel¬
liebchen für 1841): „König Przemysl Ottokar II“. Von
Retzsch gezeichnet, von Kotterba gestochen.1
352 — 354. Vielliebchen für 1843. Von Bernd von
Guseck. 3 Stahlstiche: „Der Schwan der Nanna“, „Fürst
Alexander“ und „Der Hirtenkampf“. Von Retzsch ge¬
zeichnet, von Hoffmann, Duncan und Mahlknecht gestochen.
355, Dasselbe für 1844. 1 Stahlstich: „Prinz Arthur“.
Von Retzsch gezeichnet, von Mahlknecht gestochen.
356 — -360. Der Kampf des Lichtes mit der Finsterniß.
In 3 Platten, erfinden, gestochen und erläutert von Moritz
Retzsch. Ein Nebentitel in englischer Sprache. Leipzig,
Emst Fleischer. O. J. (1844): Sturz der Engel, Christus
der Gottgesandte, Reformation, Kampf zwischen Licht und
Finsterniß, Sieg des Lichtes über die Finsterniß. Von größter
Seltenheit.
361. Vielliebchen für 184p. 1 Stahlstich: „Hornach“,
gezeichnet von Retzsch, gestochen von Sichling.
Vielliebchen für 1841, 1842 siehe unter den Nummern
253, 254, 290 — 91 ; Vielliebchen für 1845 siehe unter den
Nummern 279 — 281.
Berlin. Dr. Leop. Hirschberg.
388
Chronik.
Ein neues illustriertes Geschichtswerk.
Von dem lange erwarteten neuen Geschichtswerk
Professor Dr. Ed. Heycks: Deutsche Geschichte. Volk,
Staat, Kultur und geistiges Leben ist soeben der erste
Band verausgabt worden (Bielefeld und Leipzig, Yel-
hagen & Klasing). Er umfaßt die Vorgeschichte und
die Geschichte Deutschlands von der Reichsgründung
ab bis zum Ausgang der Staufer und ist mit 1 1 Tafeln
in Farbendruck, 277 Textabbildungen und 5 Karten aus¬
gestattet.
Professor Heyck nimmt unter den modernen Histo¬
rikern eine achtunggebietende Stellung ein. Seine er¬
staunliche Beherrschung des Quellenstoffes kam ihm
gerade bei diesem kurz gefaßten (auf 3 Bände berech¬
neten) populären Geschichtswerk vortrefflich zustatten
und ermöglichte ihm eine Darstellung, die bei aller
Knappheit doch das Wesentliche durchaus ausschöpft
und dabei vor allem immer interessant bleibt. Es muß
das besonders betont werden; bei einem Werke wie
diesem, das sich an die weitesten Kreise der gebildeten
Welt wendet, das ein Haus- und Volksbuch zugleich
sein will, ist eine lebhaft anregende Darstellungsweise
Notwendigkeit. Im übrigen sei die Würdigung des ge¬
schichtlichen Textes fachmännischer Beurteilung über¬
lassen; wir wollen uns lediglich mit der äußeren Aus¬
stattung des Buches beschäftigen.
Der Großoktavband umfaßt VI und 526 Seiten. Der
in der Bielefelder Offizin des Verlags hergestellte Druck
ist glänzend; der kompresse Satz der Einschübe hat es
möglich gemacht, bei aller Vortrefflichkeit der Lesbar¬
keit in diesem ersten Bande eine stattliche Stoffülle zu
bewältigen. Bei der Auswahl der Illustrationen hat
man sich auf „authentische“ Vorlagen beschränkt und
phantasievolle Darstellungen völlig ausgeschlossen. Das
Material boten vor allem die großen öffentlichen und
privaten Bibliotheken; zahlreiche Bilder sind auch nach
photographischen Aufnahmen reproduziert werden. Der
saubere Druck der Autotypien verdient besondere Er¬
wähnung, höchstes Lob aber die ausgezeichnete Aus¬
führung des Farbendrucks, von denen wir hier eine
Probe einschalten.
In der Einleitung finden wir eine Anzahl nach Pho¬
tographien wiedergegebener Landschaftsbilder: Wälle,
Findlingssteine, Steinhäuser, Hünengräber und der¬
gleichen mehr, dazu Waffen, Schmuckgegenstände,
Münzen, Epitaphe u. a. aus der prähistorischen und
Wanderzeit. Ein ausgezeichnetes Beispiel für die Höhe
der Reproduktionstechnik bildet die Abbildung 27: die
Sardonyx-Kamee, auf der Germanicus vor Tiberius und
Livia dargestellt ist; die Abbildung gibt in der Tat die
köstliche Feinheit des Originals in bewundernswerter
Weise wieder. Hier treffen wir auch auf die ersten
Farbentafeln: Waffen und Schmuck aus der Bronzezeit
(nach Vorlagen aus dem Berliner Museum für Völker¬
kunde) und zwei Einzelstücke aus dem 1837 entdeckten,
gegenwärtig zu Bukarest verwahrten Goldfunde von
Petrossa aus der Zeit der dakischen Gotensitze; die
eigentümliche Technik der Granateinlagen in Gold ist
auf der Abbildung des Henkelkörbchens deutlich er¬
kennbar. Die Zustände in den germanischen Landen
werden durch zahlreiche Illustrationen veranschaulicht,
vor allem durch Bildwerke, Rekonstruktionen alter
Funde, Darstellungen auf Grabsteinen — die geogra¬
phischen Verhältnisse erläutern zwei Karten: die eine
Germanien zur Römerzeit, die andere den obergerma¬
nischen und raetischen Limes darstellend.
Zum zweiten großen Abschnitt: Reichsgründung
durch die Franken, hat das Germanische Museum in
Nürnberg mannigfache Vorlagen stellen können. Wir
finden auch hier wieder zwischen den Text verstreut
zahlreiche Abbildungen von Waffen und Schmuck¬
stücken: Speerreifen, Schwertern, Streitäxten, von Arm¬
reifen, Siegelringen, Schreibgriffeln, Goldmünzen und
kirchlichen Weihegeschenken aus der Zeit der Mero-
wingen und älteren Karolingen. Gewissermaßen den
Beginn einer neuen Epoche kündet die erste Wieder¬
gabe einer Handschrift aus der Frankenzeit an: einer
Urkunde Pippins, die im Marburger Staatsarchiv auf¬
bewahrt wird. Ihr schließen sich zwei prächtige Farben¬
drucke an: das Widmungsblatt jenes berühmten, ganz
mit Goldtinktur geschriebenen Psalters, den Karl der
Große an den Papst Hadrian schenkte und der heute
auf der Wiener Hofbibliothek liegt, sowie eine Wieder¬
gabe des Mosaikbildes vom Triclinium Leos III. im
Lateran, Petrus darstellend, wie er Karl die Fahne von
Rom und dem Papste die Stola überreicht. Als Schrift¬
proben des IX. Jahrhunderts sind zwei Seiten desWesso-
brunner Gebets und die charakteristische Abbildung
einer Taufszene aus derselben Handschrift beigefügt;
andere Faksimilien sind eine Seite aus dem Rothari-
schen Edikt vom Jahre 643 und eine Miniatur aus dem
Evangeliar Karls des Großen. Aus der Zeit des mittel¬
alterlichen Imperiums finden wir Proben aus den Stra߬
burger Eiden, dem Codex Aureus, dem Ludwigsliede,
dem Quedlinburger Evangeliar. Wundervoll ist die Re¬
produktion des goldenen Deckels von jenem kostbaren
Evangelienbuche, das Otto III. dem Kloster Eptemach
geschenkt haben soll und das sich heute im Museum
zu Gotha befindet, und ist ferner die schön illuminierte
Miniatur aus einem Missale des Bamberger Doms, Hein¬
rich II. darstellend, wie er von Aposteln und Engeln
Krone, Lanze und Schw-ert empfängt. Ein großes Ein¬
schaltblatt bringt ein Faksimile der Ausfertigung des
Wormser Konkordats von 1122, in der üblichen Weise
und dem Duktus der Königs- und Kaiser- L'rkunden
geschrieben, aber in den Schlußformeln von dem ge¬
wöhnlichen Kanzleistil der Zeit abweichend. Die stau¬
fische Epoche wird durch Siegel, Denksteine, Monu¬
mente, Münzen, Reliefs und Dokumente reich illustriert.
Die farbige Titelminiatur einer von einem bayrischen
Geistlichen (dem Propst Heinrich) 1188 an Friedrich
Barbarossa gerichteten Schrift, den Kaiser eigentüm¬
licher Weise mit ganz kurz gehaltenem Kinnbart dar¬
stellend, also abweichend von der typischen Schil¬
derung, werde dem Original in der Vaticana
nachgebildet. Wir finden hier ferner noch weitere
Miniaturen aus den Kaisergeschichten des Petrus de
Ebulo und eine schöne Reproduktion der ältesten
Königsurkunde in deutscher Sprache: des Vergleichs
zwischen Volkmar von Kemenathen und der Stadt
Kaufbeuren vom 25. Juli 1240, eines im Reichsarchiv
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aadagag fei lahd arid tagten, nnaana lim nlagiaad tend «aab n* nasa.d o,
abnn öabnndiaws Inaani a8nl marioil buda8 nanad nov nadambaa8
sdoiiiaßi a8nl aad |j oa*l SUm na (bnomuaH -) aalowoti au Mt daaMa
,-r^rv.o fnArUrirfoa-rftV Tßdfldho)
Erklärungsblatt.
Urkunde vom 25. Juli 1240,
wodurch Konrad IV. einen Vergleich zwischen Folkmar von Kemenathen und der
Stadt (Kaufjbeuren bestätigt. Im kgl. bayr. Reichsarchiv zu München.
(Zu nebenstehender Abbildung).
[In] namen Gotes amen. Wir Cunrat in Romschen kunc erwelt von der
Gotes gnade unde erbe des kuncriches ze Jerusalem tun kunt allen den die
disen brief jemmer gesehent daz wir Folcmaren von Kemenathen unde unser
stat ze Büeron alsus verschieden under ein ander. Folc mar hat gegebin den
burgaren unde der stat ze wider wehsei den hof, der hem Hermannes was des
phaffen, der da lit nidenan an der stat under den baumin, und als sin staingruebe
gat uf an den geworfen wec usw.
Schluß (Zeugen, Bekräftigung und Datierung):
Hier an was Conrad der Schenke von Wintherstet unser getruwer und
Conrad der Liutkirchar der amman von Bueron. Und daz diz staete belibe,
so hiezen wir disen brief besigeln mit unserm insigele. Dirre brief ist gegeben
und geschrieben von unsers herren gebürt lichem tage tusent zwaihundert unde
fierzech jar innan höwotse (= Heumond) an sante Jaco bes tage faeiliche
(offenbar verschrieben) amen.
/r
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Urkunde Konrads IV. vom 25. Juli 1240 für Kaufbeuren.
(Aus Ed. Heycks Deutscher Geschichte, erster Band.)
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Ein Blatt der Weltchronik des Abtes Ekkehard von Aura
in dessen eigenhändiger Niederschrift, mit Erwähnung der Kreuzzüge von 1096/97.
^Aus Ed. Heycks Deutscher Geschichte, erster Band).
Zeitschrift für Bücherfreunde IX.
Zu : Ein neues illustriertes Geschichtswerk ,
Chronik.
389
zu München aufbewahrten Dokuments (vergl. das Ein¬
schaltblatt).
Illustration soll nie Selbstzweck sein. Hier aber
gliedert sie sich harmonisch dem Texte ein, als künst¬
lerische Unterstützung und Erläuterung, als ein Ver¬
anschaulichungsbild von großer Schönheit und kultur¬
historischem Werte. -—bl —
Verschiedenes.
Eduard Grisebach in seinem Leben und Schaffen.
Zu seinem 60. Geburtstage am 9. Oktober 1905. Von
Dr. Hans Henning. Mit zwei Porträts. Berlin, Ernst
Hofmann & Co. 1905. 72 S. 2 M.
Vor den Lesern der „Zeitschrift für Bücherfreunde“
viel Worte über Eduard Grisebachs Bedeutung als
Sammler, Ordner, Beschreiber der schönsten Rara und
Kuriosa des Büchermarkts spezifisch-literarischer Farbe
verlieren, dünkt mich auch anläßlich seines jüngst ge¬
feierten Ehrentages überflüssig, dem die hier vorzu¬
stellende Schrift ihren Ursprung verdankt. Übrigens
hat der Herausgeber unserer Zeitschrift schon vor
Jahren in ihr als am passendsten Orte Grisebachs
Verdienste und Eigenart als Bibliophile ins rechte Licht
gesetzt und demnächst soll hier die Bibliographie aller
Artikel über den Bibliophilen Grisebach und was damit
zusammenhängt übersichtlich verzeichnet werden. In
dieser Hinsicht erfahren wir neugierigen Bücherfreunde
in Hennings Monographie nicht eben viel, wenn wir
sie auch als bisher einzige alle Gesichtspunkte wenig¬
stens streifende Sonderstudie mit Dank dafür begrüßen,
nun über jede Seite der erstaunlichen Grisebachschen
Vielseitigkeit an durchaus verläßlichem Borne reinen
Wein eingeschenkt zu bekommen. Abgesehen von
dem überaus solid angefertigten chronologischen Ver¬
zeichnis aller Grisebachschen Buch-Veröffentlichungen
Seite 67 — 71 und dem Schlußkapitel „Der Weltliteratur-
Katalog“ weise ich auf den Seite 17 — 19 wiedergegebe¬
nen Bericht über den Zufallsanlaß der Grisebachschen
Bibliophilie hin und erkläre das Büchlein in den
mannigfaltigen lebens- und auch buchgeschichtlichen
Einzelheiten für gewiß verläßlich; auf tieferes Erfassen
des persönlichen, schriftstellerischen, bibliophilen
Charakters zielt Henning ja kaum. Auch meinen Auf¬
satz „Ed. Grisebach der Bücherliebhaber“ in der
„Gegenwart“ vom 7. Oktober 1905 darf ich hier wohl
nennen.
München. Ludwig Fränkel.
Ein treuer alter Freund ist das bereits im fünften
Jahrgange vorliegende Klinisch' sehe Jahrbuch (Frank¬
furt a. M., Klimsch & Co.). Der stattliche, höchst ori¬
ginell gebundene Band enthält auch diesmal wieder
eine reiche Fülle durch anschauliche Illustrationsproben
unterstützte Abhandlungen und Berichte über die ver¬
schiedenen Neuheiten auf dem Gesamtgebiet der gra¬
phischen Künste. So untersucht Friedrich Bauer die
praktische Seite der modernen Druckschriften und
kommt zu dem Resultat, daß die gesuchte „Buchschrift
der Zukunft“ noch nicht gefunden sei, daß aber das
Schriftwesen für die Akzidenzausstattung sich ent¬
schieden auf neuen Bahnen bewege. R. Rübencamp
weiß über den Zeitungsdruck von heute wenig rühm¬
liches zu sagen und sieht in dem elektrischen Druck¬
verfahren den Zeitungsdruck der Zukunft. Sehr inter¬
essant sind auch die Aufsätze von P. Hennig über
Blindenschrift und -druck, von E. Heme über den
Druck auf Velourspapiere und Eiskartons und das Auf¬
trägen von Bronzen, Blattmetallen und dergleichen auf
diese, sowie Keilhacks Beitrag über die Behandlung
der Druckarbeiten durch den Buchbinder. Andere
Artikel beschäftigen sich mit dem Abziehbilderdruck,
dem Dreifarbendruck und das Gigantographie -Ver¬
fahren, den Lichtdruck und die Postkartenindustrie,
den Tonholzschnitt und die Glasradierung. Über die
Photographie im Dienste der graphischen Gewerbe
berichtet O. Mente, über die Herstellung von Raster-
Negative A. Brandw einer , über die photomecha¬
nischen Verfahren im Stoff- und Tapetendruck F. Fels¬
burg. Neuerungen wie die Schumachersche Blende
für Autotypie, die Holmströmsche Ätzmaschine, die
Lanston- Monotype, finden eingehende Besprechung
und Würdigung. Chronik, Literatur - Übersicht und
Patentliste beschließen auch diesmal den Band; dazu
kommt ein General-Index über die bis jetzt erschienenen
fünf Bände des vortrefflichen Jahrbuchs.
Bd. 10 von Meyers Großem Konversations-Lexikon
(Bibliographisches Institut, Leipzig) beginnt mit dem
Buchstaben I. Hier nehmen naturgemäß die Stoff¬
gebiete „Italien“ und „Japan“ den breitesten Raum
ein. Zu „Italien“ gehören allein 5 Kartenbeilagen; die
Darstellung der Geschichte des Landes reicht bis zum
Ende des Jahres 1903, die bibliographische Übersicht
ist vortrefflich. In dem Aufsatz, der die italienische
Literatur behandelt, fiel mir der Satz auf: „Der Meris-
mus wird zum Zynismus bei Lorenzo Stecchetti“. Da¬
mit ist Stecchetti aber nicht abzufertigen ; Stecchetti
ist auch nicht in einem Atemzug mit dem Schönheits-
Schaumschläger d’Anunzio zu nennen — er gehört viel
eher der Gruppe Carducci, Aleardi, Maffei an. Unter
„Japan“ finden wir die Schilderung des letzten Feld¬
zugs bis zur Schlacht bei Mukden mit dem Hinweis
„Alles weitere siehe den Artikel Russisch-japanischer
Krieg“; unter dem Buchstaben R wird man also jeden¬
falls die Fortsetzung bis zum Friedensschluß finden.
Der Buchstabe K beginnt im 10. Bande und füllt den
ganzen Band 11. Aus dem Reichtum der Bilderbeilagen
seien die ausgezeichneten Farbenblätter Kristalle,
Kostüme (3 Blatt), Korallen, Kolibris, Kirschen, Kera¬
mik hervorgehoben : Muster des Dreifarbendrucks. Der
Artikel „Kaufhäuser“ bringt als Beilagen Ansichten der
bedeutendsten Warenhäuser und ihre architektonischen
Grundrisse; zu Kiautschou ist eine neue Karte beige¬
geben worden; besonders umfangreich ist der Artikel
Kleidung, der auch ausführlich die Reform der Frauen¬
tracht berücksichtigt. Als glänzendes Beispiel für eine
literarisch-biographische Charakteristik auf knappstem
Raum sei der kleine Aufsatz über Heinrich von Kleist
erwähnt, der als Anhang eine fast lückenlose Biblio¬
graphie bringt.
390
Chronik.
Bei Otto Elsner in Berlin erschien eine zweibändige
Neuausgabe von Eduard Devrients „ Geschichte der
deutschen Schauspielkunst“ (in Halbfranz M. 25). Schon
hundert Jahre vor Devrient begann Ekhof mit einer
Geschichte des deutschen Theaters. Seine Aufzeich¬
nungen sind verschollen, aber die Anregungen, die er
gegeben, wurden von anderer Seite aufgenommen und
ausgeführt. Gewiß von J. F. Löwen in dem knapp ge¬
faßten Versuch, den er 1766 in den vierten Band seiner
Gesammelten Schriften aufnahm, der kürzlich in den
bei Ernst Frensdorfif in Berlin erscheinenden „Neu¬
drucken literarhistorischer Seltenheiten“ von Heinrich
Stümcke neu herausgegeben worden ist und der bei
allen ihm anhaftenden Mängeln doch tatsächlich „die
erste Pflugfurche auf jungfräulichem Boden“ war. Ob
Ekhof auch der Redaktion der Chronologie des deut¬
schen Theaters von Chr. H. Schmid nahegestanden
hat, ist zweifelhaft, dürfte aber nicht unwahrscheinlich
sein. Jedenfalls ist es richtig, wenn Hans Devrient im
Vorwort zu dem großen Werke seines Oheims sagt,
daß alle diese ersten Versuche, sich über den histo¬
rischen Zusammenhang klar zu werden, in dem die
Erscheinung und Betätigung der damaligen Bühnen¬
künstler mit der Vergangenheit stand, auf das innigste
mit den Bestrebungen zur Hebung des Standes und
seiner Kunstleistungen überhaupt zusammenhingen, wie
sie in den Tagen der Schauspieler -Akademie der
Schönemannschen Gesellschaft durch Ekhof ins Leben
gerufen waren. Einen ähnlichen Verein begründete
Eduard Devrient 1834 in Berlin, und dessen theater¬
geschichtliche Forschungen mögen ihm zuerst die An¬
regung zu seiner Geschichte der deutschen Schauspiel¬
kunst gegeben haben, wenn die Frucht auch erst viel
später zur Reife gedeihen sollte.
In den stürmischen Frühlingstagen des Jahres 1848
ließ er die ersten drei Bände seines Werkes in die
Welt gehen; nach zwölfjähriger Unterbrechung erschien
(1861) der vierte Band, und erst 1874 der letzte. Mate¬
rialien zu einer Neuausgabe hatte er unermüdlich ge¬
sammelt. Otto Devrient nahm die Arbeit des Vaters
auf, ließ sie aber unausgeführt wieder liegen. In¬
zwischen war das alte Werk auf dem Buchhändlerwege
kaum noch aufzutreiben; um so größer ist das Ver¬
dienst des Elsnerschen Verlags, dem die jüngste
theatergeschichtliche Forschung rege Förderung ver¬
dankt, sich zu einer wohlfeilen Neuausgabe entschlossen
zu haben. Hans Devrient ist mit pietätvollem Sinn an
die Herausgabe gegangen und hat dem Werk von dem,
was ihm seinen dauernden Wert sichert: der großen
Auffassung von der Kulturaufgabe der Bühne, nichts
genommen; er hat sich mit bibliographischen Hin¬
weisen begnügt, denen zugleich die zum Teil noch von
Eduard Devrient selbst herrührenden, zum Teil aus der
Feder seines Sohnes Otto stammenden Zusätze beige¬
fügt sind. So tritt Devrients Geschichte der deutschen
Schauspielkunst in alter Gestalt und neuem Gewände
abermals vor die Öffentlichkeit und wird hoffentlich
bei allen Theaterfreunden, insonderheit aber in den
Kreisen, für die es geschrieben wurde: in der Schau¬
spielerwelt, warmherzige Aufnahme finden.
Zu gleicher Zeit erschien, ebenfalls von Hans
Devrient herausgegeben, in Carl Krabbes Verlag (Erich
Gußmann) in Stuttgart ein zweites Devrientbuch: Die
Jugenderinnerungen der Therese Dez'rient (mit 12 Text-
und 8 Vollbildern). Die Gattin Eduards gibt hier in
köstlich frischen Schilderungen die Geschichte ihrer
Mädchen- und Liebeszeit und ihrer jungen Ehe wieder.
Viele ihrer Erlebnisse sind auch rein äußerlich höchst
interessant, wie die Persönlichkeiten, mit denen sie in
mehr oder weniger enge Berührung trat; aber reiz¬
voller noch sind die unmittelbar wirkenden Äußerungen
ihres erquicklichen Naturells, die diese „Erinnerungen
einer glücklichen Frau“ zu einem wahrhaften Hausbuch
stempeln. Der Verlag hat für geschmackvolle Aus¬
stattung Sorge getragen; die eingestreuten Bilder, teils
aus Eduard Devrients Skizzenbücher, teils aus Thereses
Schreibmappe und Album stammend, geben dem präch¬
tigen Buche erhöhten Wert. — bl —
Eine neue Bandserie des Frensdorffschen Verlags
(Berlin) bilden die ,, Berliner Kuriosa“, für deren
Herausgabe von No. 2 ab einer der besten Kenner
Alt-Berlins, Gotthilf Weisstein, zeichnet. Heft 1 um¬
faßt den Faksimiledruck einer 1785 erschienenen kleinen
Flugschrift „Nachricht von einer schönen That“ , als
deren Verfasser der bekannte Berliner Lokalschrift¬
steller Aug. Friedr. Cranz gilt. Ernst Frensdorff hat
dem mit seinen hübschen Vignetten und seinem
Porträtkupfer trefflich reproduzierten Heftchen ein paar
erläuternde Worte beigefügt. Heft 2 bringt Silvius
Landsbergers parodistische Puppenkomödie „Don Car¬
los, der Infantrist von Spanien, oder das kommt davon,
wenn man seine Stiefmutter liebt“ vom Jahre 1851.
Gotth. Weisstein gibt dazu eine sehr interessante Unter¬
suchung über den Verfasser und über die Berliner
Puppenspiele vergangener Zeit. — m.
Eine vortreffliche billige Volksausgabe von Eduard
Mörikes gesammelte?i Schriften verausgabt die G. J.
Göschensche Verlagshandlung in Leipzig (zwei Bände
in Leinen M. 5, in Halbfranz M. 6,50). Mörikesche
Erstausgaben stehen z. Z. bei den Bibliophilen hoch
im Preise. Aber auch unter den Nichtsammlern wächst
die Mörikegemeinde, und es wäre erfreulich, wenn die
vorliegende wohlfeile Ausgabe dazu beitragen wollte,
den Dichter des,,MalerNolten“ undso vieler stimmungs¬
voller Lieder auch in weiteren Kreisen bekannt zu
machen. — m.
Nachdmck verboten. — Alle Rechte Vorbehalten.
Für die Redaktion verantwortlich: Fedor von Zobeltitz in Berlin W. 15.
Alle Sendungen redaktioneller Natur an dessen Adresse erbeten.
Gedruckt von W. Drugulin in Leipzig für Velhagen & Klasing in Bielefeld und Leipzig auf Papier der Neuen Papier-Manufaktur
in Straßburg i. E.
ZEITSCHRIFT
FÜR
BÜCHERFREUNDE.
Monatshefte für Bibliophilie und verwandte Interessen.
Herausgegeben von Fedor von Zobeltitz.
9. Jahrgang 1905/1906. _ _ Heft 10: Januar 1906.
Die Illustrationen
in Stephan Arndes Bibel 1494 und andere Lübecker Holzschnitte.
Von
Axel L. Romdahl in Stockholm.
ie niederdeutsche Bibel, die im
Jahre 1494 aus Stephan Arndes
Offizin1 hervorging, bezeichnet
sowohl durch den Umfang der
Arbeit wie durch die typogra¬
phische und illustrative Aus¬
stattung den Höhepunkt der Lübecker Buch¬
kunst des XV. Jahrhunderts. Schon deshalb
dürfte eine Untersuchung und ein vergleichen¬
der Überblick über die lübische Buchillustration
von diesem Werk auszugehen haben, und im
folgenden wird, wie ich hoffe, diese Wahl des
Ausgangspunktes noch weitere Berechtigung
erhalten.
Die genannte Bibel ist wohl zuweilen als der am
besten illustrierte deutsche Druck des XV. Jahr¬
hunderts gerühmt und die Holzschnitte sind
hie und da auch zum Gegenstand andeuten¬
der Charakteristiken gemacht worden. Aber
einer eingehenden Analyse derselben hat bis¬
her niemand seine Zeit widmen wollen, viel¬
leicht weil man kein positives Ergebnis, das die
Mühe lohnte, erwarten konnte. Die Resultate,
die ich gewonnen zu haben glaube, sind denn
auch bescheiden, verdienen aber, meine ich
doch, veröffentlicht zu werden, wenn sie auch
nur den Zweck hätten, zu einer erneuten, scharf¬
sichtigeren und glücklicheren Behandlung der
interessanten Fragen, die sich hier der For¬
schung bieten, den Anstoß geben zu können.
Schon Richard Muther2 bemerkte, daß die
Holzschnitte sich weiterhin im Werke ver¬
schlechterten. Aber es handelt sich nicht nur
um eine rein technische oder qualitative Ver¬
schlechterung, um mangelhafteren Schnitt oder
weniger sorgfältige Zeichnung, sondern um
einen durchgreifenden stilistischen Unterschied,
der uns gestattet, die Bilder in zwei Gruppen,
A und B, zu teilen.
Das erste Bild der A-Gruppe ist „Kain und
Abel“, und zu dieser Gruppe gehören dann die
Zeichnungen sämtlicher Holzschnitte bis zum
1. Kapitel des 1. Buchs der Könige (1. Buchs
Samuelis) einschließlich, mit Ausnahme von
zweien: den Bildern zum 3. Buch Moses Kap. 10
und zum 4. Buch Moses Kap. 13, die zur
B-Gruppe gerechnet werden müssen.
Die A-Gruppe besteht aus zusammen fünfzig
verschiedenen Bildern: eine genügend große
Anzahl, um eine klare und bestimmte Auf¬
fassung ihrer künstlerischen Eigenart (siehe
Abb. 1) zu ermöglichen. Technisch ist diesen
1 Hain, Repert. Bibi. 3143. — 2 R. Muther, Die ältesten deutschen Bilderbibeln. München 1883, S. 14.
Z. f. B. 1905/1906. 51
392
Romdahl, Die Illustrationen in Stephan Amdes Bibel von 1494 etc.
Illustrationen eine gut angewandte Strichzeich¬
nungsmanier eigen, die sich geschickt den
Motiven anpaßt und bald breit und kräftig ist,
bald in minutiöse Punktierung übergeht. Die
Haltung ist stark malerisch, und die Brücke
ist vollständig abgebrochen zwischen diesen
Holzschnitten und der älteren für Illuminierung
bestimmten Art. Der Schnitt selber steht auf
demselben vorgeschrittenen Standpunkt wie die
Zeichnung. Die Gestalten in diesen Bildern
sind sicher und keck gezeichnet, nicht selten in
gewagter Verkürzung, und verraten eine offen¬
bare Liebe zur Menschenfigur um ihrer selbst
willen. Die Männer sind kraftvoll und sehnig,
mit markantem Gesicht, hochgewölbter Stirn,
Adlernase und spitzem Kinn; die Frauen treten
mit würdiger Anmut auf. Die Landschaft
ist mit großzügiger Breite behandelt, als Ein¬
heit gefaßt, gut zusammengehalten und wohl
abgewogen im Verhältnis zu der figürlichen
Komposition. In ihr ebenso wie in Trachten
und dem Drum und Dran ist eine glückliche
Mitte gehalten zwischen Dürftigkeit und naiver
Buntheit und Mannigfaltigkeit in den Details.
Das Feld und der Boden werden ohne kon¬
ventionelle und stereotype Formeln durch eine
freie und wechselnde Strichführung wieder¬
gegeben, die Bäume sind im Vordergründe ent¬
laubt, mit genau studierten Stamm- und Zweig¬
bildungen, im Hintergründe in voller Laubpracht
mit breitem Plan von Schatten und Lichtem
dargestellt. Die Komposition ist trotz des
kleinen Formats wahrhaft monumental, die
Gruppierung klar und zielbewußt, so daß die
Hauptsache immer hervorgehoben und das
Nebensächliche beiseite geschoben
wird. Die Polymythie, das Zu¬
sammenbringen mehrerer Erzäh¬
lungsaugenblicke auf einem Bilde,
ist im allgemeinen vermieden, und
wo sie mitunter vorkommt, be¬
herrscht doch immer eine Haupt¬
szene das Bild, während die andern
Episoden nur die Landschaft
staffieren. Hierin und auch in ihrer
Form, ihrem Wesen verraten
diese Holzschnitte Stil und Auf¬
fassung einer neuen Zeit und
neue Impulse, nicht zum wenigsten
aus der Kunst Italiens. Dem,
der sich nicht mit den Arbeits¬
methoden unter den Meistern des XV. und
XVI. Jahrhunderts vertraut gemacht hat, mag
es seltsam Vorkommen, daß diese Bilder von
einem Vorbild beeinflußt wurden, das von ihrem
Standpunkt aus schon altmodisch scheinen
müßte, nämlich von der Kölner Bibel vom
Jahre 1479. 1 Ikonographisch und hinsichtlich
der Komposition schließen sich verschiedene A-
Schnitte in der Lübecker Bibel an entsprechende
Illustrationen des erwähnten Druckes an — so
z. B. „die Jakobsleiter“, „Joseph wird ins Ge¬
fängnis geführt“, „Moses’ Wunder“ (2. Buch
Mose Kap. 7), „Der Übergang über das Rote
Meer“, 4. Buch Mose Kap. 10, Buch der
Richter Kap. 6. In einigen Fällen — und das
macht die Abhängigkeit um so deutlicher —
ist das Schema der Kölner Bibel mit Ver¬
tauschung von rechts und links benutzt.
Richten wir nun unsere Aufmerksamkeit
auf die B- Gruppe, so treffen wir
schon im Anfänge der Bibel in
dem großen St. Hieronymusschnitt,
in dem sphärischen Schöpfungs¬
bild und im Sündenfall einige
Proben derselben. Ferner stoßen
wir bei 3. Buch Mose Kap. 10, 4.
Buch Mose Kap. 13 und in dem
kleinen Hieronymusschnitt, der
zum erstenmal vor dem Buch
Josua angewandt wird und später¬
hin 28 mal in der Bibel vorkommt,
auf andere B-Illustrationen mitten
1 Über die Holzschnitte dieser siehe
R. Kautzsch, Die Holzschnitte der Kölner
Bibel von 1479, Straßburg 1896.
Abb. 2.
Kostümfigur aus
Jakobs Begräbnis,
die in umgekehrter
Kopie in Abb. 4
wiederkehrt.
Romdahl, Die Illustrationen in Stephan Arndes Bibel von 1494 etc.
393
in der sonst geschlossenen Reihe der A-
Gruppe. Erst mit dem 5. Kapitel des 1. Buchs
der Könige (1. Buchs Samuelis) beginnt ihre
zusammenhängende Folge und reicht darauf,
nur von ein paar aufs neue benutzten Schnitten
der A- Gruppe unterbrochen („Josua wird von
Moses gesegnet“, verwandt als „David wird von
Samuel gesalbt“, und „der Turmbau zu Babel“
als Illustration zum Wiederaufbau des Tempels,
Buch Esra Kap. 6 — in beiden Fällen wird
der neue Inhalt der Darstellung durch hinzu¬
gefügte gedruckte Namen bei den Haupt¬
personen verdeutlicht), bis dahin, wo die speziell
für die Bibel ausgeführten Illustrationen auf¬
hören, während nur drei aus einem 1485 von
Stephan Arndes herausgegebenen Plenarium
geliehenen Schnitte und ein kleines Bild mit
einem Apostel, der einem Boten einen Brief
übergibt, zur spärlichen Verzierung des Neuen
Testaments dienen.
Die B-Gruppe besteht aus vierzig verschie¬
denen Bildern. Sehr auffällig sind die stilistischen
Unterschiede zwischen den beiden Gruppen.
Sowohl die Zeichnung wie der Schnitt sind in
der B-Gruppe bedeutend gröber. Betrachten wir
deren Figuren, so tritt in ihnen ein eigentüm¬
licher Gegensatz hervor zwischen einem starken
Gebundensein an die Tradition und einem deut¬
lichen Ungeschick in der Zeichnung: Schwächen,
die sich namentlich in den Kostümfiguren und
in der Faltenbehandlung bemerkbar machen,
und andererseits einem unverkennbaren Streben
nach Lebendigkeit und eleganter Gestaltung,
ein Streben nach demselben entwickelten
Renaissancestil, der den A-Schnitten ihr Ge¬
präge gibt. Daß diese für die B-Gruppe von
vorbildlicher Bedeutung waren, geht mit voller
Sicherheit unter anderm
daraus hervor, daß eine
Kostümfigur (Abb. 2) im
Holzschnitte „Jakobs Begräb¬
nis“ (auch als „Arons Bestat¬
tung“ verwendet) in um¬
gekehrter Kopie auf der
Illustration zu „David und
Bathseba“ (Abb. 4) wieder¬
kehrt. Die ungleiche Quali¬
tät des Originals und der
Kopie sind für die beiden
Aus Sunte' Birgitten Gruppen besonders bezeich-
openbaringe 1496. nend. Die Ansätze der
B- Illustrationen zu einer freien und kühnen
Figurendarstellung, zur Wiedergabe von Be¬
wegung und Verkürzung machen alle ohne
Ausnahme den Eindruck von „Wollen, aber
nicht können“. Und dasselbe Urteil muß man
gerechterweise fällen über ihre Bemühungen,
durch zahlreiche Runzeln und Falten den Ge¬
sichtern eine kräftige Charakteristik zu geben.
Die Landschaft (siehe Abb. 7) ist auf diesen
Bildern äußerst konventionell: runde Berg¬
kulissen und überhängende Klippen, von Burgen
gekrönt, und zwischen ihnen sich schlängelnde
Wege. Bäume werden naiv so wiedergegeben,
daß jedes Blatt für sich gezeichnet ist. Das
Feld im Vordergründe ist in strenger Stilisie¬
rung dargestellt, mit Steinen, die wie ein kleiner
Halbkreis gezeichnet auf einer kahlen, ebenen
Fläche liegen, und steifen Pflanzen von zwei,
drei ständig wiederkehrenden Typen. Innen¬
räume, die infolge von Polymythie häufig auf
dem gleichen Bilde Vorkommen, auf dem Szenen
im Freien stattfinden, sind wie kleine Häuser
gestaltet, die sich dem Beschauer mit einem
geschmückten Tor öffnen. Die Architektur ist
immer spätgotisch, im Gegensatz zur A-Gruppe,
wo sie stets dasselbe, am ersten romanische
Gepräge hat, das die meisten niederländischen
Gemälde aus dem XV. Jahrhundert kennzeichnet.
Die Komposition ist in der B-Gruppe meistens
gehäuft und verworren, nicht zum wenigsten
infolge einer in ausgedehntem Maße ange¬
wandten Polymythie, durch die das Interesse
des Betrachters in hohem Grade zerstreut
wird. Die Darstellung zerfällt oft genug in
mehrere Felder mit einzelnen Episoden, durch
Häuser- und Bergkulissen bis an den oberen
Bildrand hinaufgeführt. Nach dieser ungünstigen
Charakteristik der B-Gruppe muß jedoch aner¬
kannt werden, daß ihre Bilder einer gewissen
Wirkung und einer frischen Erzählergabe nicht
entbehren. Durch den Vergleich mit der
A-Gruppe geraten sie in ein unvorteilhaftes
Licht, an sich aber sind sie keineswegs zu ver¬
achten. Nachdem wir nun mit der B-Gruppe
bekannt geworden sind, wird es uns klar, daß
auch einige Bilder, deren Zeichnung ihre Zu¬
gehörigkeit zur A-Gruppe unverkennbar ver¬
rät, im Schnitt mit der B-Gruppe Verwandt¬
schaft zeigen und eben beim Schneiden in einer
Reihe von Einzelheiten im Stile der letzteren
verändert worden sind — besonders muß auf
394
Romdahl, Die Illustrationen in Stephan Arndes Bibel von 1494 etc.
Abb. 4. David und Bathseba. Aus Arndes Bibel 1494.
(B - Gruppe.)
die Behandlung von Bäumen, Feld und Pflanzen
hingewiesen werden. Solche Bilder sind z. B.
„Die Arche Noah“, „Abraham und Melchisedek“,
„Abraham wird von den Engeln besucht“, „Der
Übergang durch das Rote Meer“, „Der Lob¬
gesang Moses“, „Das Mannapflücken“.
Um die Frage nach der Stellung der A-
und B-Gruppen zu einander noch mehr aufzu¬
hellen, müssen wir uns danach umsehen, ob
etwa unter andern Lübecker Holzschnitten etwas
mit den beiden verschiedenen Gruppen Zusam¬
mengehöriges zu finden ist. Vor allem wird es
uns dann deutlich, daß wir in dem berühmten
„Des dodes dantz“,1 2 3 in Lübeck im Jahre 1489
bei „dem Drucker mit den drei Mohnköpfen“
gedruckt, ein Werk vor uns haben, das stili¬
stisch vollständig mit der A-Gruppe überein¬
stimmt. Sowohl Landschaft als auch Gestalten
besitzen eine unbestreitbare Ähnlichkeit mit den
zu der genannten Gruppe gehörenden Bildern
in der Bibel. Auf den Zusammenhag zwischen
* W. L. Schreiber hat in dem Aufsatze „Die Toten¬
tänze“, Zeitschrift für Bücherfreunde 1898, S. 291 f., 321 ff.
über diese Totentanzillustrationen geäußert: „Diese Holz¬
schnitte erinnern auch an einen Kupferstich des in Bocholt
tätigen Goldschmieds Israel von Meckenem Ich möchte
im gleichen Zusammenhänge darauf hinweisen, daß mehrere
Figuren dieses Kupferstiches wirkliche Kopien nach Lübecker
Holzschnitten sind.
2 Adolph Goldschmidt, Rode und Notke, zwei Lübecker
Maler des XV. Jahrhunderts. Zeitschrift für bildende Kunst
1901» S. 33 ff., S. 55 ff.
3 Hain 9990; neue Auflagen 1492, 1499.
4 Abbildung einer ganzen Seite aus diesem Buche in
Schück och Warburg, Illustrerad Svensk Literaturhistoria I.
(Stockholm 1896 ff.)
5 Kongl. Bibliotekets (i Stockholm) handlingar 1884.
dem Totentanz und der Bibel
— diese hier als Ganzes ge¬
nommen — ist schon früher
ein I^orscher aufmerksam ge¬
worden, Adolph Goldschmidt.*
Irgend ein anderes Werk, sei
cs nun ein graphisches oder
Gemälde, das mit der A-Gruppe
in der Bibel Verwandtschaft
zeigte, habe ich, selbst mit Aus¬
dehnung des Forschungsge¬
bietes außerhalb des Bannkreises
der Lübecker Kunst, nicht zu
entdecken vermocht.
Dagegen hat ein Suchen
nach Bildern, die etwa mit der
B- Gruppe zusammengehörten, meine Erwar¬
tungen noch übertroffen. Im Passionale, von
Stephan Arndes 1488 gedruckt 3 (siehe Abb. 5
und 6), zeigen die Illustrationen, größtenteils
kleinere, quadratische Schnitte mit Heiligen und
Märtyrerszenen, dieselbe eigentümliche Mischung
von altertümlicher Ungeschicklichkeit im ganzen
und Versuchen zu einer neuen Lebendigkeit
und Eleganz in gewissen Figuren, besonders
Henkersknechten, Kriegern und Frauen, und
dieselbe bezeichnende Manier in der Land¬
schaft wie in den B-Bildern der Bibel. Deren
Stil erkennen wir ferner wieder in einem für
uns Schweden besonders interessanten Buche,
nämlich Birgittas Offenbarungen, gedruckt von
Bartholomäus Gothan in Lübeck 1492.4 5 Um
diese Ausgabe zu besorgen, fuhren demVadstena-
diarium zufolge 1491 zwei Mönche, Petrus
Ingemari und Gerardus, ersterer „sacerdos“,
letzterer „laicus“, nach Lübeck. Klemming hat
in seiner Birgittabibliographie* mit Berufung auf
ein paar Anmerkungen, daß der Deutsche
Gerardus, „qui novit sculpere et depingere“, im
Abb. 5. Birgitta. Aus dem Passionale 1488.
Romdahl, Die Illustrationen in Stephan Arndes Bibel von 1494 etc.
395
Abb. 7. David und Nathan. Aus Arndes Bibel 1494.
(B- Gruppe.)
Jahre 1487 als Laienbruder im
Vadstenakloster aufgenommen
wurde und bei seinem Tode
1515 das Zeugnis bekam „hic
fuit bonus pictor“, schließen
wollen, daß er die Illustrationen
des Werkes ausgeführt habe.
Dieser Schluß scheint mir doch
etwas übereilt. Man kann sich
denken, daß der kunstver¬
ständige Deutsche nach Lübeck
entsandt wurde mit einer an¬
dern Aufgabe als der, selbst
Birgittae Offenbarungen zu illu¬
strieren. Einmal konnte er ja
als geborener Deutscher hier
von Nutzen sein, ferner darf man die Ver¬
mutung wagen, daß er, da in den ikonogra-
phischen Traditionen vom Mutterkloster des Sal¬
vator-Ordens bewandert, die Illustrierung des
Kanons der Birgittiner leiten und überwachen
sollte, daß er der Kopf sein sollte, während es
den Fachleuten am Orte überlassen blieb, die
Hand bei dieser Arbeit zu sein. Eine solche
Hypothese, besonders ihr letztes Glied, wird
gestützt durch eine stilistische und vergleichende
Untersuchung der Bilder des Buches. Diese
unterscheiden sich allerdings vom Passionale
und der B-Gruppe der Bibel darin, daß sie ihre
Wirkung hauptsächlich durch kräftige Konturen
ohne mehr durchgeführte Schattierung erhalten.
Aber diese streng lineare Zeichnungsweise
findet ihre Erklärung darin, daß die Auflage
und insbesondere die sechzehn Exemplare, die
auf Pergament gedruckt wurden, wohl auf Illu¬
minierung berechnet waren. Beim Betrachten
des farbigen Pergamentexemplars in Skoklosters
Bibliothek gewinnt man die Auffassung, daß
diese Bilder dafür bestimmt waren, so wie es
Abb. 6. Birgitta. Aus dem Passionale 1488.
in diesem Falle geschehen ist, mit Gold, Azur¬
blau und Purpur ausgemalt zu werden.
Ein anderer Umstand, der bei einem Ver¬
gleich mit den oben behandelten Lübecker
Illustrationen mit in Betracht zu ziehen ist, ist
ferner der ungewöhnlich große Maßstab, in
welchem einige der Holzschnitte in Birgittae
Offenbarungen ausgeführt sind. Im übrigen
zeigen diese in der Tat eine ganz entschiedene
Übereinstimmung mit dem Passionale und der
B-Gruppe in Figuren, Landschaft- und Feld¬
behandlung. Durch eine Menge spezieller
Parallelen (Pferde, Teufelsgestalten, Engel usw.)
kann der Zusammenhang beleuchtet und über
allen Zweifel erhoben werden, aber der Raum
verbietet uns leider, das im Bilde zu tun, ob¬
wohl es sehr verlockend wäre.
Ebenso wie die B-Gruppe der Bibel suchen
auch die Illustrationen der Birgitta-Offen¬
barungen Weisheit zu holen aus dem vollen¬
deten Stil der A-Gruppe und haben gleichfalls
eine Gestalt aus einem zu ihr gehörigen Schnitt
entlehnt. Die kräftige Rückenfigur (Abb. 8)
am weitesten rechts in „Moses segnet den
Josua“, kehrt in umgekehrter Kopie (Abb. 9)
wieder am weitesten links in dem Schnitt mit
Kriegsleuten im zweiten Buche der Offen¬
barungen, und es ist recht bezeichnend für die
unüberlegte Art und Weise des Kopisten, zu
arbeiten, daß er nicht daran gedacht hat, daß
das Schwert bei der Umkehrung auf die un-
rechte Seite kam. Aus dem Faktum, daß sich
diese Kopie in diesem im Jahre 1492 erschie¬
nenen Buche befindet, läßt sich nur schließen,
daß zu diesem Zeitpunkte ein rechtes Bild - —
396
Romdahl, Die Illustrationen in Stephan Arndes Bibel von 1494 etc.
Zeichnung oder Holzschnittabdruck — von der
ebengenannten Figur existierte. Der Schnitt in
der Bibel wird nicht mit voller Sicherheit datiert.
Es liegt nicht in dem Plane dieser Ab¬
handlung, auf eine, wenn auch noch so
knappe Darstellung der lübischen Buchillustra¬
tion in ihrer Gesamtheit zur fraglichen Zeit
einzugehen; indes kann ich nicht umhin, zu er¬
wähnen, daß Holzschnitte, die mit der B-Gruppe
in der Bibel, dem Passionale und Birgittas
Offenbarungen übereinstimmenden Charakter
zeigen, überdies Vorkommen in „Dat Bok der
Medelynghe Marien“, gedruckt bei Stefan Arn¬
des 1494 (mehrere spätere Auflagen), „Sunte
Birgitten openbaringe“, gedruckt von dem un¬
bekannten Drucker mit den drei Mohnköpfen
1496 (Abb. 3) und in „Boek van dem Schack¬
speie“,1 2 3 Lübeck ohne Jahr. Das Ergebnis
unserer Untersuchung dürfte also folgendes
werden: An die A-Gruppe in der Bibel schließt
sich allein der Totentanz von 1489 an, und
der Stil in diesen Bildern ist etwas in ganz
Norddeutschland, ja Nordeuropa durchaus
Neues und Ungesehenes, worauf die vorauf¬
gehende Lübecker Kunst nicht vorbereitet und
das sie auch nicht fortsetzt. Dies Neue muß
einer ausgeprägten und ungewöhnlichen Künst¬
lerindividualität zugeschrieben werden, einem
Meister in des Wortes höchstem Sinne, der in
Lübeck ungefähr von 1488 an eine kurze Zeit
tätig war. Die B-Gruppe in der Bibel zeigt
ausgesprochene Stilgemeinschaft mit den Bildern
in den meisten und besten übrigen illustrierten
Druckwerken, die aus den verschiedenen Offi¬
zinen in Lübeck am Ende des XV. Jahrhunderts
hervorgingen. Zwar ist der Stil hier nicht so
stark individuell, aber doch zu fest und durch¬
gebildet, als daß man nur von einem allge¬
meinen Schulzusammenhang reden könnte. Im
Gegenteil, auch hier haben wir es noch mit
einem Meister zu tun, aber vielleicht in diesem
Falle mit einem mehr mittelalterlich-zünftigen,
dem eine Werkstatt von Holzschneidern und
Zeichnern zur Seite gestanden haben mag.
Da liegt es denn nahe
auf der Hand, auf einen von
denen zu schließen, welche,
wie urkundlich erwiesen, um
diese Zeit in Lübeck ge¬
arbeitet haben. Adolph
Goldschmidt wies in seinem
oben angeführten Aufsatz
auf gewisse bestimmte Ähn¬
lichkeiten zwischen den Bibel¬
illustrationen, die er „über
einen Kamm schert“, und
Bernt Notke hin, dem neben
Hermen Rode hervorragend-
Abb. 8.
Kostümfigur aus dem Bilde
,, Moses segnet den Josua."
sten uns bekannten Künstler der Stadt zu
dieser Zeit. Und nach einem Vergleich
zwischen der B-Gruppe und den mit ihr
zusammengehörenden Bildern sowie Notkes
großem authentischen Werk, dem Altarschrank
in Aarhus’ Domkirche (gemalt 1479)* und dem
Altarschrank in der Heiligengeistkirche in Reval
(gemalt 1483), 3 wie auch einigen ihm und
seiner Schule zugeschriebenen Arbeiten,4 5 er¬
scheinen mir die Ähnlichkeiten, welche Gold¬
schmidt hervorhob: in Gesichtstypen, Architek¬
tur, Feld, Landschaft und Komposition, in der
Tat schlagend. Ohne eine Behauptung auf¬
stellen zu wollen, möchte ich doch erwähnen,
daß ich Verwandtschaft gefunden zu haben
glaube zwischen den Bildern in Rudimentum
Novitiorum (bei Lukas Brandis 1475 gedruckt),
dem Aarhusaltar und der genannten Illustrations¬
gruppe. Gern sei zugegeben, daß die Unter¬
suchung hierüber in bedenklichem Maße durch
den langen Zeitabstand zwischen der Ent¬
stehung der verschiedenen Werke erschwert
wird. — Wie haben wir uns schließlich den Ver¬
lauf bei der Illustrierung der Bibel zu denken
und die Mitwirkung zweier so ungleicher Meister
zu erklären? Zunächst stellen wir fest, daß
Bilder beider Sorten mitunter in demselben
Bogen Vorkommen, s Durch Untersuchung der
Anbringung der Holzschnitte gelangen wir also
zu keinem Resultat. Wir müssen uns mit einer
1 In diesem letzten Falle stütze ich mich mangels Autopsie auf Dr. I. Collijns freundliche Mitteilung darüber.
2 Abbildungen in Francis Beckett, Altertavler i Danmark fra den senere Middelalder, Kopenhagen 1895.
Taf. VI bis XVI.
3 Abbildungen in W. Neumann, Werke mittelalterlicher Holzplastik und Malerei in Livland und Estland.
Lübeck 1892.
4 Siehe Adolph Goldschmidt, Lübecker Malerei und Plastik bis zum Jahre 1530* Taf. XXII.
5 Daß, wie Muther in seiner angeführten Arbeit angibt, gewisse Illustrationen in einer Anzahl Exemplaren fehlen,
dürfte dadurch zu erklären sein, daß die betreffenden Stöcke während des Drucks beschädigt wurden.
Romdahl, Die Illustrationen in Stephan Arndes Bibel von 1494 etc.
397
Mutmaßung begnügen, und da
dürfte es wohl am nächsten liegen,
zu vermuten, daß der Auftrag, die
Bibel zu illustrieren, zuerst dem
Meister der A- Gruppe zuteil
wurde und daß dieser später aus
irgendwelchem Anlaß, wahrschein¬
lich infolge seines Todes, vom
B-Meister abgelöst wurde.
Der Zweck dieser Zeilen war
in erster Linie, die A-Gruppe in
(in dem Bilde der der Bibel abzusondern und nach-
Knegsieute im 11. zuweisen welch einen großen
Buch der Offen- ’ =>
barungen) von und bemerkenswerten Künstler
Abb- 8- wir in dem Schöpfer dieser und
des Totentanzes kennen lernen. Sehen wir
uns in der damaligen Kunst nördlich der
Alpen nach einem ihm Ebenbürtigen um, so
erstaunen wir über seine Einsamkeit. Keiner
von den Malern und Illustratoren der Nieder¬
lande, Deutschlands und Frankreichs um diese
Zeit besaß seine Fähigkeit, derb und sicher
seine Gestalten zu zeichnen, großzügig harmo¬
nisch zu komponieren, Licht und Schatten,
Wasser und Land so einfach und so lebendig
wiederzugeben, wenige von ihnen seine drama¬
tische Phantasie und psychologische Sehergabe.
Und bei keinem von ihnen haben Geist und
Form der italienischen Frührenaissance so früh¬
zeitig und so vollkommen Eingang gefunden.
Seine Frauen erinnern an Carpaccio, seine
Männer an Mantegna, seine Gruppen bisweilen
an Plaquetten des Quattrocento (siehe „Kain
und Abel“, „Simson und der Löwe“)- Wer
mag er gewesen sein? War er ein junger
Norddeutscher — ein wenig von lokaler Tra¬
dition spürt man vielleicht hier und da in seinem
Werk — , durch Wanderjahre in fremden Län¬
dern, in Flandern und Italien geschult, und
wurde er durch ein unsanftes Geschick entrückt,
ehe er sein großes Werk vollendet sah, die
Illustrierung von Stefan Arndes Bibel? —
Der vorstehende Aufsatz ist zuerst in der
Zeitschrift „Allmanna Svenska Boktryckare-
föreningens Meddelanden“, April 1905, er¬
schienen, und zwar als erste Veröffentlichung
der Hauptergebnisse einer mehrjährigen Unter¬
suchung. — Erst im Spätsommer wurde ich
mit der im Jahre 1904 herausgegebenen Göt¬
tinger Dissertation „ Die Lübecker Buchillustra-
tion des XV Jahrhunderts “ von Dr. Adolph
Tronnier bekannt. Mit gespanntem Interesse
begann ich das Studium der leider bisher nur
teilweise gedruckten Arbeit. Vor allem wünschte
ich zu erfahren, wie der Verfasser das von mir
zur Behandlung aufgenommene Grundproblem
in der Geschichte der Lübecker Illustrationen
— sind alle Bilder der Bibel von 1494 von
demselben Meister gezeichnet oder nicht? —
beantworten würde. Auf Seite 22 wird die
Antwort in folgender Weise gegeben. Nach¬
dem der Verfasser die Ungleichheit der Holz¬
schnitte und ihre Verschlechterung vom ersten
Buch der Könige ab und dazu noch die Über¬
einstimmung der schwächeren Bibelbilder mit
dem Passionale von 1492 und den Werken
nach 1494 bemerkt hat, fährt er fort: „Hier
aber gleich einen zweiten Künstler anzunehmen,
ist nicht nötig und kaum erlaubt. Die Inten¬
tionen unseres Meisters und seine Arbeitsweise
scheinen überall durch. Im ärgsten Falle hätten
wir in den Rissen korrigierte Werkstattarbeit
anzunehmen. Wir werden uns aber, was die
Bibel anbetrifft, die Vorzeichnungen zu den
letzten Illustrationen annähernd adäquat denen
im Beginn des Buchs vorzustellen haben, wo¬
bei wir nur berücksichtigen, daß der Reißer aus
Zeitmangel nicht mehr die anfängliche Sorg¬
falt aufwenden konnte. Die schlechte Aus¬
führung indes wird Schuld des Formschneiders
sein. Die Vorzeichnungen sind von ihm ver¬
schnitten, verstümpert, zum Teil auf eine fast
unerträgliche Weise verschlechtert . . .“ Das
Resultat, zu dem Dr. Tronnier kommt, ist also
den in meinem Aufsatze entwickelten Ansichten
durchaus entgegengesetzt. Ich bin aber von der
Richtigkeit derselben immer noch völlig über¬
zeugt und glaube, daß jeder, der an stilkritischen
Beurteilungen gewöhnt ist, einsehen muß, daß
der Unterschied zwischen den besseren und
den schwächeren Schnitten nicht nur in der
schlechteren Schnitttechnik liegt, sondern vor
allem in der künstlerischen Qualität der Zeich¬
nung. Außerdem haben wir ja, wie ich schon
in meinem Aufsatze bemerkte, Gelegenheit fest¬
zustellen, wie sich Risse der A-Gruppe, wenn
sie in der groben Weise der B-Gruppe ge¬
schnitten sind, ausnehmen. Will man nun aber
davon ausgehen, der Totentanz, die ganze Bibel
und alle die Illustrationen, die der B-Gruppe
Abb. 9.
Umgekehrte KoDie
398
Schapire, Das Horarium von Chantilly.
verwandt sind, seien von einem einzigen Meister
gezeichnet, und will man, von allen diesen Werken
ausgehend, den Stil jenes Meisters analysieren,
so versucht man das Unmögliche. Scharfsinn
und Feinsinn sind vergeblich, und wie viele
treffliche Einzelbeobachtungen auch Vorkommen
mögen, das Totalbild bleibt doch schwebend
und unsicher. Die Qualität der A-Gruppe wird
herabgezogen und der Wert der B-Gruppe un¬
rechtmäßig erhöht. Und dies ist nicht wenig
bedeutungsvoll, denn so geht uns die Möglich¬
keit verloren, den vielleicht größten Künstler
auf deutschem Boden vor Dürer voll und klar
zu erfassen. Dafür ist die Möglichkeit nahe
gerückt, daß die Lübeckische Lokalkunst, wie
sie in den betreffenden anderen Holzschnitten
zum Vorschein kommt, in ihrer echten Eigen¬
art zur Geltung gelangt. Suum cuique!
Uber beide Themen ließen sich noch er¬
gebnisreiche Untersuchungen machen. Aus
Dr. Tronniers Buch sind dann auch gewiß viele
Anregungen zu holen. Durch meinen Beitrag,
der auf eine erschöpfende Behandlung des
Materialgebietes keinen Anspruch erhebt, wollte
ich vorläufig nur den Ausgangspunkt angeben.
Stockholm, im September 1905.
D as Horarium von Chantilly.
Von
Dr. Rosa Schapire in Hamburg.
er Herzog Jean von Berry (1345/1416)
war einer der ersten Kunstmäcene
großen Stiles im Norden und vielleicht
der größte Bücherliebhaber und -Sammler Frank¬
reichs. In den alten Inventaren von 1402, 1413
und 1416 — letzteres nach dem Tode des
Herzogs aufgenommen — sind über 300 illu¬
strierte Bücher verzeichnet, dem Sinne der Zeit
entsprechend geistlichen Inhalts. Aus verschie¬
denen Quellen stammt die herzogliche Bibliothek.
Bücher aus der Sammlung Karls V. sind nach
dessen Tode in Jean von Berrys Besitz über¬
gegangen, zahlreiche Illuminatoren waren un¬
ablässig tätig, seinem Bedürfnis nach Schönheit
und Luxus gerecht zu werden, und von frem¬
den Kaufleuten hat er viele reich geschmückte
Werke erworben. Daraus folgt zur Genüge,
daß seine Bibliothek Bücher verschiedener Zeit¬
perioden und verschiedenen stilistischen Ge¬
präges enthalten mußte.
Äußerlich unterscheiden sich die Hand¬
schriften des Herzogs von Berry schon dadurch
von den älteren, daß es nicht mehr namenlose
Werke sind. Nicht mehr sind Miniaturen das
Werk frommer Mönche, die bescheiden zurück¬
treten hinter dem Bilde, das allein zu Gottes
Ehre entstanden ist: ein neuer Geist und ein
neues Kunstwollen spricht aus den Bildern
weltlicher Männer, die am Hofe des Herzogs
Proben ihres Können ablegen und deren Namen
in Chroniken gefeiert werden.
Von Jehan le Noir (um 1380 gestorben),
Jean Muievre, der vielleicht mit Jean de Demay
identisch ist und Jean de Costances sind nicht
mehr als die Namen erhalten. Dagegen können
wir uns ein Bild machen von Andre Beauneveu
und Jaquemart de Hesdin, deren Werke in
Brüssel und Paris aufgehoben wrerden und für
die der Chronist Froissart überschwengliche
Worte des Lobes hat.
Das Brüssler Gebetbuch (Kat. Nr. 1 1060/61),
aus dem ein starkes Naturempfinden spricht,
steht den biblischen Darstellungen der Heures
von Chantilly schon ziemlich nahe. Schildert
der Künstler Mariä Flucht nach Ägypten, so
bringt er an Stelle des lieblichen Idylls, das
uiiC von Schongauer und Dürer her vertraut ist,
eine Winterlandschaft mit kahlen Bäumen.
Allerdings liegen hier nicht Naturbeobachtungen
zugrunde. Diese Kalksteinmotive bei Tuff¬
formen kommen in der Giotto-Schule und bei
den Sienesen vor und verraten, wo der Künstler
sich seine Anregung geholt hat. Auch der
Marientypus ist italienisch. Der sich von der
Stadtmauer herunterschlängelnde Weg ist ein
Motiv, mit dem die gesamte niederländische
Schapire, Das Horarium von Chantilly.
399
Kunst arbeitet und findet sich noch auf den
Hintergründen Memlingscher Madonnen sowie
beim Meister von Flemalle. Bemerkenswert ist
besonders die abenteuerliche, in eine abge¬
brochene Kuppe auslaufende Felsformation, die
in Melchior Broederlams Altar in Dijon und im
Horarium in Chantilly ähnlich wiederkehrt.
In Brüssel ist die Landschaft nicht mehr
Kulisse: sie wird Kompositionsfaktor, und so
groß ist das Verlangen, die Grenze des ge¬
schlossenen Raumes zu durchbrechen, daß bei
einer Geburt Christi über dem Dache in naiver
Weise Felsen aufgetürmt werden, auf denen
sich kleine Menschen bewegen. Dem Minia¬
turisten schwebt die Idee einer Verkündigung
an die Hirten vor. Auf der Kreuztragung fehlt
der Stadthintergrund nicht. Noch ist selbst der
Versuch nicht gemacht, Jerusalem darzustellen;
der Künstler begnügt sich mit einem ihm vor¬
schwebenden Stadtbild schlechthin. Auch hier
wieder, besonders in der Art, wie Figuren und
Raum miteinander verbunden sind, Anklänge
an die Sienesen. Die Streitfrage, ob im Brüsseler
Gebetbuch die Hand Beauneveus oder Jaquemart
de Hesdin’s zu erkennen ist, eine Streitfrage,
über die die Akten wissenschaftlich noch nicht
geschlossen sind, ist hier mit Absicht nicht ge¬
streift worden.
Kommt man aber von diesen mehr oder
weniger tastenden Versuchen, mit Hilfe ent¬
lehnter Formen dem Natureindruck nahe zu
treten, zum Livre d’heures in Chantilly, so
steht man vor etwas Unbegreiflichem. Es ist
ein Sprung geschehen, eines der ganz großen
Wunder in der Kunst: mit einem Schlage sind
die Menschen sehend geworden. Einem ge¬
nialen Künstler hat die Natur ihre Reize er¬
schlossen, und mit Meisterhand hat er sie fest¬
zuhalten gewußt. Er hat die Natur im Winter
gesehen, wenn sie unter der Schneedecke
schlummert, und die erwachende Landschaft
im Frühling, die sich mit den ersten Blüten
schmückt. Er hat den Duft frischer Heugarben
geatmet und Erdgeruch gespürt, wenn der
Pflug die Erdschollen aufwühlt und Samen
der Erde anvertraut wird. — Von den van
Eycks ist gesagt worden, daß ihre Kunst eine
höfische sei, die nur sonntäglich geputzte Men¬
schen kenne und die Natur im Feierkleide.
Höfische Kunst sollte die Miniaturmalerei mehr
als jede andere sein; sie wendet sich nicht an
Z. f. B. 1905/1906.
eine große gläubige Gemeinde, sondern zaubert
auf die kleinste Bildfläche Blättchen, die zur
Erbauung weniger Auserwählter dienen; aber
dieser Künstler hat mit sicherer Hand ins Leben
hineingegriffen : die lustig tafelnde Hofgesellschaft
hat er gesehen und die Bürger, die sich vor
dem Kaminfeuer wärmen, er weiß zu erzählen
vom Schiffer, vom Jäger und seiner Hundemeute,
die sich unter schmetterndem Halali auf den
Eber stürzt.
Das Horarium, das sich heute in Chantilly
befindet, wird im Inventar von 1416 als un¬
vollendet bezeichnet, jedoch auf 500 Pfund
taxiert. Dieser hohe Betrag für ein unfertiges
Buch beweist, welchen stolzen Rang es in der
Sammlung des Herzogs eingenommen hat. Ver¬
schiedene Miniaturen des Gebetbuches sind in
der Tat unverkennbar später entstanden und
liegen außerhalb des Rahmens dieser Betrach¬
tungen. Der Fall, daß ein Gebetbuch nach
etwa fünfzig Jahren von fremder Hand fertig¬
gestellt wurde, ist nicht vereinzelt. Aus ein¬
gestreuten Wappen von Montferrat und Savoyen
hat Delisle geschlossen, daß die ergänzten
Blätter im Aufträge savoyischer Prinzen ent¬
standen sind.
Im Inventar sind die Namen der ausführen¬
den Künstler erhalten: Paul von Limburg und
seine Brüder Hermand und Jehannequin werden
ausdrücklich genannt. Mehrere Künstlerhände
sind im Original zu unterscheiden, doch läßt
sich der Anteil der Brüder nicht genau be¬
stimmen. Mehrfach sind die drei Brüder, die
vielleicht Manuel hießen, in den Rechnungs¬
büchern mit besonderer Auszeichnung erwähnt.
Wahrscheinlich sind sie aus dem Dienst Philipps
des Kühnen in den des Herzogs getreten und
vielleicht wie Jan van Eyck zum „valet de
chambre“ ernannt worden. Hermands Name
fehlt einmal auf einer der Rechnungen; sollte
er in Italien sein? Ohne die Brücke einer
italienischen Reise kommt man hier nicht
mehr aus.
Die Monatsdarstellungen in Chantilly sind auf¬
fallenderweise ohne jedes Rankenwerk, während
selbst die Künstler der Heures de Turin nicht
darauf verzichten. Der Eindruck des Bildes
soll hier durch ornamentales Beiwerk nicht ge¬
trübt werden. Dagegen kommen die Embleme
des Herzogs von Berry: Bär, Schwan, seine
Lettern U. C., die wohl als Rebus Ursine (Ours
52
400
Schapire, Das Horarium von Chantilly
Cygne) zu deuten sind, und sein Wahlspruch
„Le temps vendra“ im Buche mehrfach vor.
Zwei Einflüsse kreuzen sich in den Heures
de Chantilly: neben dem Italienisierenden der
Bilder aus der Heiligenlegende das unbefangene
Herangehen an die Natur der Monatsdar¬
stellungen, das vielleicht eine bewußte Reaktion
gegen die italienische Strömung ist. Hier gab es
kein Vorbild, an das man sich anlehnen konnte,
weder in der Heimat noch in der Fremde; es
galt etwas absolut Neues zu schaffen, und der
Künstler hat aus Eigenem zu schöpfen gewußt.
Der Eindruck des Horariums von Chantilly war
auch ein so großer, daß das um Jahrzehnte
ältere Grimani-Brevier fast wörtliche Abschriften
der Monatsblätter bringt.
Sehr früh schon taucht der Gedanke auf,
ein Kalendarium Gebetbüchern voranzustellen.
Es gehört zum festen Bestandteil eines Livre
d’heures, wohl um damit den ewigen, für jede
Zeit und jede Stimmung geeigneten Charakter
eines Horariums zu betonen. Man beschränkt
sich aber in der Frühzeit auf einige andeutende
Bäumchen, die keine Vorstellung der im be¬
treffenden Monat vorwaltenden Beschäftigung
geben, geschweige denn den Stimmungszauber
der Natur festhalten. Vergleicht man das No¬
vemberblatt im Horarium der Königin Johanna
von Navarra (um 1330) mit dem gleichen Blatt
im Brevier von Belleville (um 1350), in den
Petites heures in Paris (um 1385; Kat. Nr. 180,
14) und den Beiles grandes Heures in Paris
(um 1409; Kat. Nr. 919), so ergiebt sich, daß
das gleiche Schema sich fast achtzig Jahre
lang erhalten hat; nur ganz geringe Variationen
kommen vor in dem immer üppiger werdenden
Rankenwerk und in einzelnen zur Hauptgruppe
hinzutretenden Personen.
In den Heures de Chantilly ist das italieni-
sierendste unter den Blättern der Marienlegende
die Darstellung im Tempel. Die Szene ist in
engster Anlehnung an Taddeo Gaddis Fresko
Mariae Tempelgang in der Baroncelli Kapelle
in Sta. Croce entstanden. Infolgedessen wurde
mit dem üblichen Schema gebrochen; die Szene
spielt nicht im geschlossenen Tempelraum, und
der Schwerpunkt liegt nicht auf der Überreichung
des Kindes an den Priester. Die Akzente sind
an anderer Stelle verteilt: Maria und das Kind,
beide durch den Heiligenschein kenntlich, lösen
sich kaum von der sie umgebenden Menge,
und im Mittelpunkt der Darstellung steht Marias
Begleiterin, die sich sonst bescheiden im Hinter¬
gründe hält Und doch hat sich der nordische
Künstler nicht sklavisch an sein Vorbild ge¬
halten. Aus dem von seiner Mission erfüllten,
ganz jungen Mädchen in einfach schleppendem
Kleide ist eine modisch geputzte Schöne ge¬
worden, die fast herausfordernd zum Bilde
herausblickt. Das bis auf den Boden fallende
Kopftuch, das ihrer Gestalt eine weiche Kon¬
tur gibt, betont das Feierliche des Augenblickes.
Auch der Priester hat an Würde gewonnen;
seine getragene I Iandbewegung deutet die Weihe
des Augenblickes an. Die drei Kinder an der
Treppe verraten ihre italienische Herkunft; auch
der architektonische Aufbau, der dem Miniatu¬
risten, augenscheinlich den größten Eindruck
gemacht hat, ist von Gaddi übernommen. Aber
die Tempelhalle ist klarer durchgeführt; der
störende unorganische Anbau rechts fehlt, der
linke ist besser angegliedert.
Auch in der Anbetung der Könige leben
italienische Züge. Die Verbindung zwischen
Maria, Christus und dem knienden König, der
dem Kinde demütig den Fuß küßt, erinnert an
die gleiche Szene auf Gentile da Fabrianos
Anbetung der Könige in der Akademie in
Florenz. Da diese das Datum 1423 trägt, die
Miniatur aber vor 1416 entstanden ist, müssen
beide Bilder auf ein gemeinsames, älteres, ver¬
lorenes Vorbild zurückgehen. Doch die Figuren
lösen sich in Chantilly viel freier vom Grunde
als dies bei Gentile der Fall ist, wenn auch
die Landschaft durchaus konstruiert ist. Auf¬
fallend ist, daß, während der Miniaturist sich be¬
müht, durch orientalische Typen und Trachten
der Szene ein südliches Gepräge zu verleihen,
er im Hintergründe das wohlbekannte Gebäude
der Ste. Chapelle anbringt. Aber selbst diese
lokalen Anklänge sind nicht räumlich wiederge¬
geben, sondern flächenhaft übereinandergestellt
Am ungenügendsten ist die Landschaft im
irdischen Paradies mit dem aufsteigenden Ter¬
rain und den schematischen Bergen, die das
Paradies einfassen. Die schlanke Architektur
hat Anklänge an Gebäude aus Orvieto und
Florenz. Die Darstellung setzt sich aus vier
kontinuierenden Einzelszenen zusammen. F. von
Duhn hat darauf hingewiesen, daß der kniende
Adam, dem Eva den Apfel überreicht, sich
in Haltung und Geberde eng anlehnt an
Schapire, Das Horarium von Chantilly.
401
den Torso eines kämpfenden Galliers aus der
Schule von Pergamon. Dieser Torso, heute
im Museum von Aix, befand sich im XV. Jahr¬
hundert in Florenz, wo unser Künstler ihn ge¬
sehen haben wird. Vielleicht ist es der erste
Fall einer direkten Entlehnung aus der Antike
in der nordischen Kunst; diese Statue muß den
niederländischen Malern einen starken Eindruck
gemacht haben; findet sich doch die gleiche
Gestalt wieder in Rogier van der Weydens
„jüngstem Gericht“ in Beaune.
Ein ganz anderer Geist als aus dem an¬
mutigen Paradies spricht aus der Höllendarstel¬
lung, der gewaltigsten unter den biblischen Szenen
in Chantilly. In Großzügigkeit und genialer Er¬
findung steht sie nicht zurück hinter den größten
Todesdarstellungen, die auf italienischem Boden
im XIV. Jahrhundert entstanden sind: dem
Triumph des Todes im Campo Santo zu Pisa
und Giottos Jüngstem Gericht in Padua. Was
dort einer Wand bedurfte, wurde hier auf ein
kleines Blättchen gebannt und ist dem größten
Maßstab gewachsen. Vielleicht war ein Natur¬
eindruck der Ausgangspunkt: der flammen¬
speiende Vesuv scheint dem Künstler vorge¬
schwebt zu haben. Auch die scharfen Felskegel
erinnern an die Silhouette des Vulkanes. Mag
immerhin der auf dem Rost liegende Teufel an
Gestalten erinnern, die bei Giotto Vorkommen:
empfangene Eindrücke sind hier zu einem
Ganzen und zu etwas durchaus Eigenem ver¬
arbeitet. Mit Aufgebot aller Kraft und wahr¬
haft satanischer Freude treten die beiden Teufel
rechts und links den Blasebalg, ziehen an den
Hebebalken, auf daß das Menschengezücht in
Flammen zugrunde gehe. Kein versöhnender
Schluß mildert den Eindruck, nichts von Auf¬
erstehung und Eremitenleben: nur Tod und
Verderben. Vor solchen Bildern begreift man,
daß der germanische Norden im XV. und XVI.
Jahrhundert zur Heimat der Totentänze werden
mußte.
Unmittelbare italienische Anklänge zeigt die
Ansicht Roms aus der Vogelperspektive, die
wie das irdische Paradies in ein Rundbild kom¬
poniert ist. Die einzelnen Gebäude sind kaum
wiederzuerkennen; zugrunde liegen mögen ihnen
selbstgemachte Beobachtungen, viel deutlicher
ist aber die Anlehnung an ein Fresko Taddeo
di Bartolos in Siena, das zwischen 1413/ 14 ent¬
standen ist.
Auf dem Kampf des heiligen Michael mit
dem Drachen zieht französische Architektur
ein. Im Hintergründe auf dem Mont St. Michel
erscheint mit Porträttreue die Abtei, die „Mer-
veille“, wie sie in der Normandie heißt, mit
ihren Strebepfeilern, dem Lisenenfries und der
vieltürmigen Anlage. Vorgelagert ist ihr ein
kleines Häusermeer. Die gleiche architekto¬
nische Anlage findet sich auf einem Blatte der
Heures de Turin (Nr. 30), nur tritt dort an
Stelle der Abtei ein Schloß. Der Mont St. Michel
spielt in französischen Miniaturen eine große
Rolle, auch im Livre d’heures des Herzogs von
Bretagne Pierre II. fehlt er nicht.
Der italienische Einfluß in den biblischen
Kompositionen — es sind hier nur einige heraus¬
gegriffen — ist zu groß, als daß er sich anders
erklären ließe denn durch den Aufenthalt eines
der Brüder von Limburg in Italien. Mit der
Annahme eines durch einen Dritten empfan¬
genen Skizzenbuches kann man hier nicht aus-
kommen, wo so bedeutende Entlehnungen aus
Fresken vorhanden sind. Und diese Reise hat gar
nichts Unwahrscheinliches. Vielfach waren die
Fäden geknüpft zwischen Frankreich und Italien.
Louis d’Orleans holt sich seine Frau Valentine
aus Mailand; nach Neapel verpflanzen die An¬
jous französiche Art und Sitte, in Avignon
halten die Päpste ihren Hofstaat. Pietro da
Verona, der Mailänder Miniaturist, wirkt als
Bibliothekar am Hofe des Herzogs von Berry;
italienische Miniaturmaler stehen in dessen
Diensten; französische Künstler wie Jacques Cone
werden nach Mailand berufen, in anderen wie
in Jean de Mignot und Andre de Compiegne
erwacht der uralte Zug nach dem Süden —
warum sollte nicht auch einer der Brüder von
Limburg über die Alpen gewandert sein? Ge¬
wiß nicht Paul, denn in ihm, der immer an
erster Stelle genannt wird, möchte man den
Urheber der zwölf Monatsbilder sehen.
Diese aber zeigen ein ganz anderes Gepräge.
Gemeinsam ist ihnen ein halbkreisförmiger Ab¬
schluß nach oben, in dem ein Sonnengott einen
von zwei Flügelrössen gezogenen, hohen Wagen
lenkt. Die Figur wird, soweit die Szenen im
Freien spielen, dem landschaftlichen Gesamtein¬
druck untergeordnet, ohne zur bloßen Staffage
herabzusinken. Den Abschluß gegen den Hori¬
zont bilden monumentale Gebäude; an Stelle
willkürlich zusammengesetzter Motive ist die
402
Schapire, Das Horarium von Chantilly.
Porträtlandschaft getreten, französische Schlösser
sind im Hintergründe wiederzuerkennen: der
Louvre auf der Aussaat im Oktober, auf der
Heumahd das alte Schloß von St. Louis und
die Ste. Chapelle, das Schloß von Vinccnnes
auf der Eberjagd, auf anderen Blättern die
Schlösser von Lusignan (März), Poitiers (Juli) >
Etampes (August), Bicetres (September).
Früher als in das Tafelbild oder in das
Fresko ist die Vedute in die Buchmalerei ein¬
gezogen. Den ersten erkennbaren Stadtprospekt
bringt Jan van Eyck als Hintergrund seiner
Rolin-Madonna: es ist das breit am Fluß hin¬
gelagerte, von Brücken überwölbte Lüttich.
Nicht viel später und unabhängig davon tritt
die Vedute auf deutschem Boden auf. Der
Genfer See und die steil ansteigende Silhouette
des Saleve bilden den Hintergrund von Conrad
Witzs „Wunderbarem Fischzug“. Am spätesten
tritt Italien auf die Wahlstatt: in Pinturicchios
Fresken der Libreria in Siena ist zum erstenmal
im Süden eine Stadt mit Porträttreue wieder¬
gegeben: Ancona und Siena bilden den Hinter¬
grund der Szenen aus dem Leben Pius II. In
allen diesen Prospekten zeigt sich die Neigung
der Quattrocentisten, die Vertikale auf Kosten
der Horizontale zu entwickeln. Die horizontalen
Dimensionen sind stark zusammengezogen, und
mit Mühe rekonstruiert man bei den vorhandenen
architektonischen Freiheiten das Bild einer Stadt.
Die Künstler des Horariums in Chantilly da¬
gegen interessiert das einzelne Architekturstück,
und sie lassen dem Einzelbau mehr Gerechtig¬
keit widerfahren.
Dem geradlinigen Abschluß des Bildes ent¬
sprechend wird auch die übrige Landschaft in
fast geometrisch regelmäßige, horizontale Zonen
zerlegt. Noch hält der Künstler keinen einheit¬
lichen Augenpunkt fest: im Wunsche, möglichst
viel auf das Blatt zu bringen, läßt er das Terrain
allmählich nach hinten ansteigen. Aber schon
sind Luft- und Linearperspektive beobachtet,
und die Dinge stehen weich nebeneinander, von
Licht umflutet. Die Überführung vom Vorder¬
in den Mittel- und Hintergrund erfolgt ohne
willkürlichen Zwang, den natürlichen Linien¬
zügen und Richtungsmotiven des Terrains ent¬
sprechend. Zu den wiederkehrenden Motiven
gehören Weidenbäume am Wasser, mit ver¬
blüffend sicherem Gefühl für ihren Habitus auf¬
gefaßt, den verkrüppelten Stamm und die
buschig zugestutzte Krone. Für den Wald hat
der Künstler noch keinen richtigen Blick und
doch bringt er ihn gern. Von waldigem Hinter¬
grund lösen sich die festlich geschmückten,
blumenbekränzten Damen und Herren, die im
Mai hinausziehen zu Spiel und Scherz. Die
große Eberjagd im Dezember findet in einer
Lichtung im Walde statt Das Konstruktive
des Baumes und seine mannigfachen Veräste¬
lungen sind richtig erfaßt, doch die Stämme
sind zu dicht nebeneinander gesetzt, um Raum
für die Krone zu lassen. Kein Sonnenstrahl,
kein Lüftchen könnte durchdringen. Aber die
Kunst ringt mit dem Problem „Wald“ sehr
lange; im Norden bringt Gerard David als erster
schattiges Walddunkel, und wenn in Italien,
wo die Figur dominiert, Fra Filippo Lippi rela¬
tiv schon sehr früh ein Waldinneres (Berlin:
Anbetung des Christkindes, Kat. Nr. 69) schafft
so bleibt er ohne Nachfolge und hat mehr
etwas Erdachtes als etwas Gesehenes gemalt —
besteht sein Märchenwald mit leuchtenden
Sonnenstrahlen und glitzerndem Tau aus Laub¬
oder Nadelbäumcn? —
Die Reihe der Monatsbilder in Chantilly be¬
ginnt mit einem Interieur im Januar. Der Her¬
zog von Berry — es ist eines seiner charak¬
teristischsten Porträts, das an Schärfe der Züge
vorwegnimmt, was die van Eycks später bringen,
— sitzt an reichbesetzter Tafel. Neben ihm, Profil
gegen Profil, ein schüchtern überredender Kano¬
nikus, dem er zuzuhören scheint. Im Hinter¬
gründe wärmen Höflinge ihre Hände vor lustig
prasselndem Feuer. Im Rücken des Herzogs
ein geflochtener Ofenschirm, den man ähnlich
auf Bildern des Meisters von Flemalle wieder¬
findet; dort erfüllt er eine doppelte Funktion —
dient er der Madonna doch auch als Heiligen¬
schein.
Bei den einzelnen Blättern der Monatsbilder
läßt sich eine Entwicklung beobachten, ein
Freienverden, und es ist nicht anzunehmen, daß
sie in der Reihenfolge der Monate entstanden
sind. Im März- und Juliblatte liegt etwas Be¬
fangenes; der Künstler zerlegt die Landschaft
in einzelne Gründe, preßt auf ein Blatt Wein¬
bau und Feldarbeit oder Schafschur und Ernte
und verzettelt damit die angestrebte Wirkung.
Demgegenüber erhebt er sich im Oktober auf
der Aussaat oder auf der Heumahd im Juni zu
einer Größe sondergleichen; ein Einklang herrscht
Hagelstange, Erhard Schöns Titelholzschnitt zum Nativität- Kalender des Leonhard Reymann.
403
hier zwischen Landschaft und Figur, der über
die Leistungen der gesamten flämischen Kunst
des XV. und XVI. Jahrhunderts hinausgeht
und die Wirkungen der großen holländischen
Landschaften des XVII. Jahrhunderts vorweg¬
nimmt. Und noch eins: es ist häufig betont
worden, daß es erst im XIX. Jahrhundert einem
Jean Francois Millet, einem Segantini Vorbe¬
halten war, den Landmann darzustellen als
Schaffenden, als Bringer neuer Werte. Die
Kunst eines Pieter Brueghel, Ostade, Jan Steen,
Brouwer, Teniers hatte im Bauer nichts anderes
gesehen als den geilen Trunkenbold, der von
Gelage zu Gelage taumelt. Nur als derber
Spaßmacher, als lustige Person hatte der Land¬
mann sich Heimatsrecht in der Kunst erobert.
In ein unbekanntes Land war Millet gegangen,
als er die Bauern bei ihrer Arbeit fand. Aber
alles das haben die Künstler des Horariums in
Chantilly schon gesehen: das Müde, Schwer¬
fällige einer arbeitenden Klasse, die ihr Leben
unter schweren Kämpfen der „Mutter Erde“
abringt. Es liegt in der eindringlich-feierlichen
Gebärde, mit der der Sämann Korn über den
Acker streut, im rhythmischen Takt, in dem die
Sense geführt wird und Heugarben mit dem
Rechen aufgenommen werden. Diese Über¬
einstimmung ist kein Zufall. Vielleicht kann
das Wesen des Landmannes erst gefaßt werden,
wenn sich der Blick erschließt für das Wesen
der Natur, mit der er eng verknüpft ist. Und
so sind Probleme, die um 1416 gestreift wurden,
erst Jahrhunderte später aufgenommen und ver¬
standen worden.
Erhard Schöns Titelholzschnitt
zum Nativität-Kalender des Leonhard Reymann.
Von
Dr. Alfred Hagelstange in Magdeburg.
as in der Überschrift genannte astro¬
logische Handbuch,1 das im Jahre 1515
bei Friedrich Peypus in Nürnberg er¬
schien, kündet uns billige Weisheiten, wie sie
heutzutage nur noch von gewissen Jahrmarkts¬
besuchern ernst genommen werden, die sich für
einige Pfennige beim Glücksbrief- Verkäufer ihre
zukünftigen Lebensschicksale deuten lassen.
Schon die einleitenden Verse auf der ersten
Seite des Buches zwingen uns ein Lächeln ab,
weil sie das kleine Werk im ernstesten Tone
als ein Universalmittel zur Erreichung aller ir¬
dischen Glücksgüter anpreisen. Es heißt da
nämlich:
Welcher woll sein leyb vnnd leben
Fursehen vnd bewarn eben
Auch allem vngluck entrynnen
Substantz hab vnd gut gewynnen
Glori lob vnd Er erlauffen
Der solle diß buchlin kauffen
$ Panzer, Annalen I, Seite 385.
Das weyset jn die rechte straß
Zu gluck vnnd hayl on vnderlaß
Nach naigung vnd einfluß der Stern
Was nützlich ist leyb gut vnd ern.
Mehr kann man von einem Buche schließlich
nicht verlangen, und es dürfte sich daher viel¬
leicht verlohnen, einmal einen Blick hineinzu¬
werfen. Wir tun es an der Hand des von uns
in Originalgröße wiedergegebenen Titelholz¬
schnittes, der sich auf der Rückseite des ersten
Blattes vorfindet und in prägnanter Weise die
Hauptfaktoren zur Darstellung bringt, die in
dem Büchlein eine Rolle spielen. Fast alles,
was wir da zu sehen bekommen, spielt sich
innerhalb vier konzentrisch sich erweiternder
Kreise ab, deren kleinster eine bergige Land¬
schaft umschließt, die als Repräsentantin des
Erdkörpers zu gelten hat. Der nächstfolgende
schließt die sieben Planetenbilder ein, der dritte
die Zeichen des Tierkreises und der vierte und
letzte die sogenannten himmlischen Häuser.
Außerhalb des letzten Kreises gewahren wir
404
Hagelstange, Erhard Schöns Titelholzschnitt zum Nativität • Kalender des Leonhard Reymann.
dann in den von der rechtwinkligen Bildum¬
rahmung und der Bogenlinie begrenzten unteren
Zwickeln zwei pustende Engelsköpfe, die an
den entsprechenden Stellen der oberen Bild¬
hälfte das zu ihnen gehörige Pendant aufweisen:
Personifikationen der vier Himmelsrichtungen.
Über dem Ganzen schließlich taucht aus Wolken
empor die Halbfigur des gekrönten Gottvaters,
der die Rechte segnend erhebt, während in
seiner Linken das Abzeichen seiner Herrscher¬
würde ruht. Über der Schulter aber schwebt
die Taube des heiligen Geistes, und zu beiden
Seiten schauen zwei geflügelte Engelsköpfe zu
ihm empor, während zwei andere Himmels¬
knaben seinen weithin wallenden Rauchmantel
halten.
Fragen wir uns nun, wie eine derartige
Darstellung als Eingangsbild zu einem Kalender
Verwendung finden konnte, so empfiehlt es sich,
zur Beantwortung einen Blick auf den eigen¬
artigen Charakter dieser Volksbücher zu werfen.
Sie waren auf dem Büchermarkt des XVI. Jahr¬
hunderts zweifellos die gangbarste Ware, so
daß, wie bezeugt ist, Sigmund Feyerabend in
Frankfurt allein in der Zeit der Oster- und
Herbstmesse des Jahres 1568 an die tausend
Stück derartiger Schriften absetzen konnte. Ein
solcher für die damaligen Zeiten außerordent¬
lich hoher Verbrauch wäre unerklärlich, wenn
die Kalender sich auf den Inhalt unserer heut¬
zutage gebräuchlichen Monatsweiser beschränkt
hätten. Allein sie waren auf Grund ihrer mehr
astrologischen Natur gewissermaßen Speku¬
lationen auf das in jeder Menschenbrust lebende
Sehnen nach einer Enthüllung dunkler Zukunfts¬
schicksale und wurden als solche um so mehr
begehrt, als der astrologische Aberglaube da¬
mals bei hoch und niedrig, gelehrt und unge¬
bildet in vollster Blüte stand.
Könige und Fürsten hielten sich ihre be¬
soldeten Astrologen, und selbst an den Uni¬
versitäten machte sich die Afterwissenschaft
breit, da die Astronomie ohne diese bedauer¬
liche Beigabe eine brotlose Kunst blieb. „Es
ist wohl,“ schrieb Kepler, „diese Astrologia ein
närrisches Tochterlin; aber du lieber Gott, wo
wollte ihre Mutter, die hochvernünftige Astro-
nomia bleiben, wenn sie diese ihre närrische
Tochter nicht hätte? Ist doch die Welt noch
viel närrischer und so närrisch, daß demselben
zu ihrem Frommen diese alte verständige Mutter
durch der Tochter Narrcntaydung eingeschwatzt
und eingelogen werden muß. Und seind der
Mathematicorum Salaria so gering, daß die
Mutter gewißlich Hunger leiden müßte, wenn
die Tochter nichts erwürbe“ (R. Wolf, Ge¬
schichte der Astronomie, Seite 82). Was
Wunder, daß unter diesen Umständen selbst
Männer wie Kepler sich dazu herbeiließen, Ka¬
lender zu veröffentlichen, in denen aus der je¬
weiligen Konstellation der Gestirne die Ereig¬
nisse des Jahres vorausgesagt wurden! Daß
dieser Unfug noch sehr, sehr lange andauertc,
bezeugt uns der Umstand, daß im Jahre 1699
ein Reichstagsbeschluß nötig war, der die
Aufnahme der Prognostica in die Kalender
verbot.
Doch kehren wir zu unserem speziellen Fall
zurück. Das Büchlein, dem unser Holzschnitt
vorangestellt ist, kündet sich schon im Titel
als ein rein astrologisches Elaborat an, das mit
dem nicht geringen Anspruch auftritt, jedem
Menschen das Horoskop oder die Nativität
stellen zu können; d. h. es lehrte die Kunst,
aus der Formation des Sternenhimmels während
der Geburtsstunde eines Menschen dessen
Lebensschicksale und Charaktereigenschaften
vorauszubestimmen. Dies geschah auf die ver¬
schiedensten Arten und zwar meist in einer
derartig weitläufigen, umständlichen Weise, daß
man sich ohne die genaueste Kenntnis vom
Standpunkte der astronomischen Wissenschaft
jener Zeit kaum ein anschauliches Bild davon
zu machen imstande ist. Die einfachste Me¬
thode war noch die, daß man den Planeten
ausfindig machte, unter dem der Mensch ge¬
boren war. An Anleitungen zu diesem Ex¬
perimente fehlt es in den alten Kalender¬
schriften nicht, und es sei deshalb hier willkür¬
lich eine herausgegriffen, die sich in einem
Werkchen findet, das den Titel trägt „Des
Himmles Lauffes Wirckung, vnd natürliche In-
fluentz der Planeten, Gestirn vnd Zeychen, auf
grund der Astronomei, nach jeder zeit, jar, tag
vnd stunden Constellation . “ (Frankfurt.
Chr. Egenolff. 1551).
Daselbst wird uns auf fol. 86 mit heiligem
Ernst folgende Methode als zuverlässig und
zielsicher angepriesen: „Nimm desselbigen Men¬
schen Namen, es sei Mann oder Weib, so
solchs zu wissen begehrt. Schreib den für dich
und schreib auch darzu seines Vaters Namen,
Hagelstange, Erhard Schöns Titelholzschnitt zum Nativität -Kalender des Leonhard Reymann.
405
doch daß die Namen vollkommlich und latei¬
nisch geschrieben werden. Darnach hab acht
auf die Tafel .
12 3 4 5 6 7 89 10 20 30
ABCDEFGHIKLM
40 50 60 70 80 90 100 200 300 400 500
NOPQRSTVXYZ
. und nimm daraus die Zahl eines jeden
Buchstaben und thu dieselbigen zusammen, daß
es eine Summa werd. Alsdann wirf allwegen
neun von der ganzen Summ, so oft als du
kannst. Was dir dann überbleibt, das behalt
und besiehe, über welchen Planeten dieselbige
überbüeben Zahl stehet. Unter demselben
Planeten ist der Mensch geboren. (Tafel der
überbleibenden Zahl, dadurch die Planeten dem
Menschen zugeeignet werden:
SATURN JUPITER MARS SONNE
VENUS MERCUR MOND).
Nimm dies zum Exempel: Es heißt einer Adam
und sein Vater Leo. Nun so ich jedem Buch¬
staben dieser zwei Namen die Zahl zusetze, so
stehts also:
1. 4. 1. 30. 20.5. 50.
ADAM LEO
So ich nun diese Zahlen zusammen thu, machts
in einer Summa 1 1 1 ; davon werf ich 9 so oft
ich mag, so bleiben 3. Daraus urteile ich dann,
daß der Mensch unter Mercurio geborn sei,
denn die überbleibend Zahl, als drei, find ich
über Mercurio gesetzt. Wann du aber die Zahl
also mit neun abziehst, und daß dir gar nichts
überbleibt, so soltu neun für die überbleibend
Zahl halten . . .“ Hatte man mit Hilfe dieser er¬
götzlichen Methode den Geburtsplaneten aus¬
findig gemacht, so begnügten sich die An¬
spruchsloseren damit, daß sie die dem Planeten
zugeschriebene Natur oder „Complexion“ ein¬
fach auf den Menschen übertrugen. Die Gründ¬
licheren aber stellten umständliche Beobach¬
tungen an, bei denen namentlich die „Aspecte“
eine außergewöhnlich große Rolle spielten.
Diese Aspecte, d. h. die Konstellationen des
jeweiligen Geburtsplaneten zu einem der übrigen,
konnten verschiedener Natur sein:
1. konnten die beiden in Frage kommenden
Planeten im Längengrade zusammenfallen, so
nannte man diese Stellung Konjunktion.
2. konnte die Entfernung der beiden von
einander 180 Grad betragen, so hieß man das
Opposition.
3. konnten sie 120 Grad von einander ab¬
stehn; so sprach man von einem Trigonum.
4. hieß die Konstellation bei einem Abstand
von 90 Grad: Quadratura oder Quadratum.
5. nannte man sie Sextiles oder Hexagonus,
wenn nur 60 Grad zwischen beiden lagen.
Für diese einzelnen, stets variierenden Stel¬
lungen, die man durch astronomische Rech¬
nungen für alle künftigen Zeiten vorherbestim¬
men konnte, gab es nun ganz bestimmte
Verhaltungsmaßregeln, die den verschiedensten
Situationen des menschlichen Lebens Rechnung
trugen. Demgemäß kann man z. B. in den
alten Kalendern lesen, daß man sich an dem
Tage, an dem der Mond eine Zusammenkunft
(Konjunktion) mit der Sonne habe, hüten müsse,
mit großen Herren oder alten Leuten zu reden.
Auch solle man an solch einem Tage weder
auf Reisen gehen noch Geschäfte mit Land¬
leuten abwickeln. Wenn Venus mit dem Monde
im dritten Scheine (Trigonum) stehe, sei es gut,
sich um die Liebe der Weiber zu bewerben
und Kinder zu zeugen. Ständen die letzt¬
genannten Planeten aber im Gegenscheine
(Opposition), so müsse man an das Heiraten
denken und das Mieten von Gesinde betreiben
usw. usw.
Neben den Planeten spielten bei der Be¬
stimmung der Nativität auch die zwölf Zeichen
des Tierkreises eine große Rolle. Daher be¬
gegnen wir auch in unserem Holzschnitte inner¬
halb des mittleren der drei konzentrisch ver¬
laufenden Kreisbänder einer Darstellung dieser
Zodiakus-Bilder, die annähernd unseren zwölf
ekliptischen Zeichen entsprechen und in ihrer
Zusammenordnung durch die astronomische
Wissenschaft schon recht alt sein müssen, da
uns schon von den Ägyptern berichtet wird,
daß sie Abbildungen dieser Zeichen in ihren
Tempeln angebracht hätten. Über die beste
Methode, um ausfindig zu machen, unter wel¬
chem Teile des Tierkreises ein Mensch geboren
ist, spricht sich das oben erwähnte kleine Werk
„Des Himmles Laufifes Wirckung“ folgender¬
maßen aus:
„Nimm desselben Menschen darzu auch
seiner Mutter Namen und nimm die Zahl der
Buchstaben aus der folgenden Tafel
Hagelstange, Erhard Schöns Titelholzschnitt zum Nativität- Kalender des Leonhard keymann.
406
3 3 22 24 25 3 13 6 13 15 13 12
ABCDEFGHIKLM
20 18 13 12 13 8 8 5 5 5 4
NOPQRSTVXYZ
und thu sie zusammen in aller Gestalt, wie du
vorn mit den Planeten zu erkunden gethan hast;
allein daß du die zusammen gethane Summa
mit 28 abziehest, so oft als du kannst. Was
dir dann überbleibt, das such in der Tafel der
12 Zeichen und über welchem Zeichen du die
überbleibend Zahl findest, dasselbig Zeichen
ist’s, nach dem sich derselbig Mensch artet.
Merk aber, so die Zahl gerad aufgeht, so mußt
du 28 für die bleibend Zahl halten.“ Die
Zahlentafel der zwölf Tierkreisbilder aber, die
hier in Anwendung kam, war folgende:
WIDDER STIER ZWILLING KREBS
XO. II. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19.
LÖWE JUNGFRAU WAAGE SKORPION
20. 21. 22. 23. 24. 25. 26.
SCHÜTZ STEINBOCK WASSERMANN
27. 28.
FISCH
Man sieht, es ist mutatis mutandis der
gleiche Unfug, wie er sich oben bei der Fest¬
legung des Geburtsplaneten breit macht. Auch
hier wird das gefundene Tierkreisbild der Ge¬
burtsstunde direkt als das Zeichen angesehen,
„nach dem sich derselbig Mensch artet“. Die
Art und Weise aber, wie man die Natur der
einzelnen Figuren des Tierkreises bestimmte,
war ebenso einfach wie einfältig. Die „wässe¬
rigen“ (Wassermann, Krebs, Skorpion und Fisch)
erklärte man schlechtweg für phlegmatisch, die
„irdischen“ für melancholisch, die „luftigen“ für
sanguinisch und die „feurigen“ für cholerisch.
Welches die luftigen und feurigen Zeichen ge¬
wesen sein mögen — die irdischen lassen
sich zur Not noch ausfindig machen — , das
werden die Herren Astrologen wohl selbst kaum
immer mit Bestimmtheit haben sagen können.
Jedenfalls haben sie stets so entschieden, wie
es für den jeweiligen Fall am besten paßte.
Nicht minder belustigend als diese mit Hilfe
der Tierkreis -Zeichen gefundenen Konstatie¬
rungen des Naturells oder der „Komplexion“
erscheint uns heutzutage auch der Versuch, an
der Hand der Konstellationen innerhalb der
Zeichen des Tierkreises die Geschicke der ein¬
zelnen Länder vorherbestimmen zu wollen, in¬
dem man, wie es üblich war, Städte und Lander
unter diese Zeichen verteilte, so daß z. B. nach
der allgemein üblichen Aufteilung unter das
Zeichen des Widders zu stehen kamen: Syrien,
Palästina, Frankreich, Deutschland, Dänemark
usw., und von Städten: Neapel, Capua, Ancona,
Lindau, Utrecht, Braunschweig usw. Recht
willkürlich und schwer verständlich mutet uns
auch die Zuerteilung der zwölf Zeichen zu den
einzelnen Gliedmaßen des menschlichen Körpers
an, so daß z. B. dem Widder das Haupt, dem
Stier der Hals, der Jungfrau der Bauch und die
Eingeweide, dem Skorpion die Scham zuge¬
sprochen wurde. War demnach jemand unter
dem Zeichen des Widders geboren, so weis¬
sagte man ihm mit gewichtiger Miene meinet¬
wegen, daß sein Kopf in seinem Leben eine
bedeutende Rolle spielen würde. Und wessen
Kopf hätte das wohl nicht schon getan! Bei
solcherlei Vieldeutigkeiten war es für die Herren
Astrologen natürlich eine Kleinigkeit, irgend
eine Beziehung ausfindig zu machen, die ihren
Prophezeiungen einen Halt gab, und wenn es
auch nur der Halt morscher und verfaulter
Krücken war.
In dem gleichen Maße wie die Planeten und
Zeichen des Tierkreises spielten bei Bestimmung
der Nativität endlich noch die sogenannten
himmlischen Häuser eine Rolle, die wir im
äußersten Kreisring unseres Titelholzschnittes
dargestellt finden. Unter einem derartigen
Himmelshaus verstanden die Astrologen den
jeweils zwölften Teil von der Fläche der Him¬
melskugel, der in zwei halbe Zirkel einge¬
schlossen ist, die durch die beiden Punkte gehen,
wo der Mittagszirkel und Horizont einander
durchschneiden und einen Bogen des Äquators
fassen, der 30° in sich hält. Jedes dieser Häuser
hat je nach der ihm von den Astrologen zu¬
gelegten Bedeutung seinen eigenen Namen. So
galt das erste von ihnen, das wir auf unserem
Holzschnitt durch eine Geburtszene charakteri¬
siert sehen, gemeiniglich als das Haus des
Lebens. Es bedeutet, wie unser Nativität-
kalender sagt, „den Leib, das Leben und alle
Zufäll derselben, als Gesundheit und Krankheit,
Freud und Traurigkeit, Weisheit, Torheit, Ver¬
nunft, Sinn, Gedenken, Gestalt, Form und den
Anfang aller Ding“. Das zweite war das Haus
des Reichtums, weshalb wir auch im Bilde an
zweiter Stelle einen sein Geld zählenden Mann
Titelholzs chnitt von Erhard Schön zu Leonhard Reymanns Nativität-Kalender.
(Nürnberg, Friedrich Peypus, 1515 )
Zeitschrift für Bücherfreunde IX.
Zu Hagelstange Erhard Schöns Titelholzschnitt zum Nativität-Kalender des Leonhard Reymann.
Hagelstange, Erhard Schöns Titelholzschnitt zum Nativität - Kalender des Leonhard Reymann.
407
dargestellt finden. Es „bedeut die Substanz
guter Narung und alle Gewerb des Guts kaufen,
verkaufen, Reichtum und Armut, Gewinn und
Verlust. Es ist auch ein Haus des Siegs, der
Helfer und Beiständer . . An dritter Stelle
kommt dann das Haus der Geschwister: „be¬
deut Bruder, Schwester, kurz Wege und Wall¬
fahrt, neue Mär Kloster und das ergeben geist¬
lich Wesen . . .“ Daher auch auf dem Holz¬
schnitt an der entsprechenden Stelle die zwei
frommen Schwestern.
Unter Nr. 4 dieser Bildserie erblicken wir
einen alten Mann, der einen jungen Burschen
in der Führung des Pfluges unterweist. Es ist
der Hinweis auf das Haus der Eltern, das in
sich begreift „Vater, Mutter, Erbschaft, liegende
Güter, Häuser, Wiesen, Äcker, den Bau der
Erden, Schatz, Bergwerk, das Ende des Lebens,
Kirchhof, die Begrebnus der Toten, Wasser,
Pfützen, Gruben und alle heimliche verborgene
Ding in der Erden“. Dann folgen zwei nackte
Kinder, von denen das eine auf einem Stecken¬
pferd reitet. Sie personifizieren das Haus der
Kinder, von dem es in unserem Kalender heißt,
es sei ein glückselig Haus und bedeute außer¬
dem noch „Kleider, Fried und Söhne, Bücher,
Brief, Buhlschaft, Wirthschaft, Freud und Ge¬
sellschaft . . .“ Das nun folgende, das uns
bildlich durch einen bettlägerigen, kranken
Menschen veranschaulicht wird, der von einem
teilnehmenden Pärchen Besuch erhält, galt da¬
gegen für um so unglücklicher; es war ein
Haus der Krankheit, Schande, Verräterei, Zau¬
berei und aller Ungerechtigkeit.
Das Haus der Ehe, unter Nr. 7 durch einen
Trauakt versinnbildlicht, prophezeite im An¬
schluß daran auch noch allerlei Widerwärtig¬
keiten, Zank, Streit, Diebstahl und Krieg, doch
wurde es an Unannehmlichkeiten noch übertroflen
von dem Hause des Todes (siehe Nr. 8), das
alle „Betrübnis Leibs, Ehrn und Guts“ an¬
kündigte. Nr. 9 hingegen zählte man wieder
zu den glücklichen Häusern. Es „bedeut lang
weit Reis und Pilgramschaft von eim Land zum
andern, bezeichnet auch den Glauben, den
Papst, die Cardinäl, Bischof, Kirchen, Pfründ,
das Gesetz, Kunst, Weissagung, Astronomei,
Alchimei und Traum . . .“ Auf unserem Holz¬
schnitt erblicken wir als Repräsentanten dieses
Himmelshauses den Papst, einen Bischof und
einen knienden Pilger. Auf Abb. 10 folgt
z. f. B. 1905/1906.
dann der mit den Insignien seiner Würde aus¬
gestattete Kaiser, der das Haus der Ehren
verkörpert, als Inbegriff aller Würden, Ämter
und Meisterschaften. Das an vorletzter Stelle
abgebildete Glücksrad hat als Symbol des
Hauses der Freundschaft und der Wohltaten
zu gelten, während der in den Block gelegte
junge Mann, der die Reihe beschließt, das Haus
der Feinde repräsentiert. Es war „ein unglück-
haftig bös Haus, bedeut Gefengnus, heimlich
Feindschaft, Verräterei, falsche Zeugnus, Lug,
Roß, Esel, Mäuler, Ochsen, Kühe und andere
große Tier, Angst, Not, Verzweiflung und alle
Traurigkeit.“
Um diesen ganzen Humbug, der schon aus
der Willkürlichkeit der Auslegung und der
mannigfachen Wiederholung einzelner Bedeu¬
tungen erhellt, leichter im Gedächtnis behalten
zu können, bediente man sich folgenden Memo-
rierverses :
Vita, Lucrum, Fratres, Genitor, Nati, Vale-
tudo, Uxor, Mors, Pietus, Regnum, Benefacta-
que Carcer.
Daß dieser Hexameter einem dringenden
Bedürfnis entgegengekommen sei, ist nicht ein¬
mal gut anzunehmen, denn es wird wohl auf
die Bedeutung der einzelnen Häuser in den
meisten Fällen garnicht so großes Gewicht
gelegt worden sein. Man definierte das Wesen
des jeweiligen Himmelshauses höchstwahrschein¬
lich immer so, wie es für den augenblicklichen
Zweck am passendsten schien.
Immerhin war die Bedeutung der einzelnen
himmlischen Häuser doch noch konstanter als
die der vier Himmelsrichtungen, die wir auf
unserem Holzschnitte durch pustende Engels¬
köpfe charakterisiert finden. Während im
ersteren Falle die Konstellation der Gestirne
nur die Frage zu entscheiden hatte, welches
Himmelshaus für den jeweiligen Fall von Wich¬
tigkeit war, so entschied im anderen der Ge¬
burtsstern über die mehr oder weniger günstige
Beschaffenheit der nach den Himmelsrichtungen
orientierten Gegenden. Um dies ein wenig zu
erläutern, sei eine Anweisung erwähnt, die unser
Kalender nach dieser Richtung hin gibt; sie
lautet folgendermaßen: „Welch Teil der vier
Quart der Welt dir glücklich sei oder schäd¬
lich seien usw. das erfahr also: Nimm wahr,
welch Zeichen in deiner Geburt ascendens ist
gewest. Der Widder, Leo oder Schütz die
53
408
Hagelstange, Erhard Schöns Titelholzschnitt zum Nativität- Kalender des Leonhard Reymann.
seien orientisch, so wird dein größt Glück Leibs
und Lebens auch deiner Natur aller bequem-
lichst das orientisch Quart von der Stadt an
zu rechnen, da du geboren bist, und Occident
wird dir unglücklich. Ist aber dein Ascendens
gewest der Stier, die Jungfrau oder der Stein¬
bock, so wird dir der mittäglich Teil gut und
der Teil gen Mitternacht schad und wider¬
wertig. Ist dein Ascendens der Zwilling, die
Wag oder der Wassermann, so wird dein Glück
in Occident und dein Unglück im Orient. Ist
aber dein Ascendens der Krebs, Scorpio oder
Fisch, so wird dein Glück in dem Quart gen
Mitternacht und dein Unglück gegen Mittag.“
Hätte man aber die Herren Astrologen auch
hier nach dem „warum“ gefragt, so würde man
jedenfalls eine Begründung gehört haben, die
an äußerlicher Oberflächlichkeit nichts zu wün¬
schen übrig gelassen hätte.
So gibt uns unser Holzschnitt Kunde von
einem auf recht schwachen Füßen ruhenden
Lehrgebäude, dessen ganze Hinfälligkeit wohl
nur der Fachastronom völlig zu würdigen im¬
stande ist, während der Kulturhistoriker sich
damit begnügt, das Gerüst eines ehemals stolzen
Gebäudes zu rekonstruieren, dessen Trümmer
noch in den volkstümlichen Kalendern unserer
Tage zerstreut liegen.
So sehr aber auch bei der Betrachtung
unseres Titelbildes das rein kulturhistorische
Interesse im Vordergründe steht, so dürfen wir
doch dabei auch das kunstgeschichtliche Moment
nicht ganz übersehen, wenigstens nicht insoweit,
als es sich um den Zeichner des nicht un¬
interessanten Blattes handelt.
Welchem Künstler wir es zuweisen, ist in
der Überschrift dieses Aufsatzes bereits gesagt.
Die Gründe, die uns veranlaßten, Erhard Schön
die Autorschaft an dem Holzschnitte zuzu¬
schreiben, liegen in den augenfälligen Überein¬
stimmungen, die Typenbildung und Zeichnungs¬
weise mit den etwa gleichzeitigen Illustrationen
zum Hortulus animae aufweisen. Hier wie dort
finden wir die für Schön geradezu typischen
Gesichter mit den schematisch gezeichneten
Augen und Nasen, die senilen und schwäch¬
lichen Gestalten und die in kleinem Format
wie Bretterzäune wirkenden Baumalleen seiner
Landschaftszeichnungen. An den großen Rosen¬
kranz (H. 2050. P. 35), das Hauptblatt unseres
Künstlers, erinnert ferner noch in ausgesproche¬
ner Weise die Fägur des segnenden Gott Vater,
die mit der gleichen Gestalt des großen Holz¬
schnittes so sehr zusammengeht, daß selbst die
Musterung der Pluviale-Bordüre in beiden Fällen
übereinstimmt. Rechnet man dann noch die
genugsam bekannten Beziehungen unseres
Künstlers zur Peypusschen Offizin hinzu, so
dürfte kaum mehr ein Grund vorhanden sein,
an der Autorschaft Schöns zu zweifeln. Wie
wir nachträglich sehen, weist übrigens auch
Dodgson in seinem Katalog der Holzschnitte
des britischen Museums unsern bislang unbe¬
schriebenen Holzschnitt dem Erhard Schön zu.
Die Künste bei Schillers hundertstem Geburtstage.
Von
Hugo Oswald in Breslau.
Jjndem wir auf die Einleitung zu unserem
bibliographischen Schillerversuch in Heft
2/3 (Seiten 124 — 138) des laufenden
Jahrganges dieser Zeitschrift verweisen,
können wir uns darauf beschränken, namens der
Wissenschaft dem Herausgeber und den Verlegern
der Zeitschrift für Bücherfreunde unseren Dank
dafür auszusprechen, daß sie uns die Gelegenheit
gewährt haben, das aufgenommene Schillerthema
bibliographisch gänzlich auszuschöpfen und einen
Torso, der wohl die Schönheit der deutsch¬
nationalen Begeisterung für Schiller im Jahre 1859
ahnen ließ, aber eben Torso gewesen wäre, zu
einem Ganzen zu gestalten.
I. Schiller 1859
in der Musik.
Damrosch , Leopold, Mittwoch den 9. November 1859 Abends
halb 8 Uhr zur hundertjährigen Geburtsfeier Friedrich
v. Schiller’s Vocal- und Instrumental- Concert unter
Leitung des Herrn Dr. Leopold Damrosch. — Breslau,
Grass, Barth. 1859. 2 Blatt. 4.
I. Festouverture von L. Damrosch. 4. Festcantate,
Gedicht von Pulvermacher, in Musik gesetzt für Soli,
Chor und Orchester von E. Richter.
Diese Pulvermacherische Festcantate ist nachzutragen in
der Zeitschrift für Bücherfreunde igof<igo6, Heft 2/3,
S- r35-
Erk, Ludw., Sechs Männerlieder für die Schillerfeier. Mehr¬
stimmig bearbeitet. — Berlin, Ad. Enslin. 1859. kl. 4.
- Schiller-Lieder. Für gemischten Chor bearbeitet.
Festgabe für Schule und Haus. — ebda. 1859. 16 S. 8.
S. a. Zeitschrift für Bücherfreunde igofigoß, Heft 2)3,
S. 133 : Märcker.
Gaulke &= Rohde , Zwölf Schiller-Lieder. Mit volkstüm¬
lichen Weisen für Schulen bearbeitet. — Berlin, F. Geel-
haar. 1859. gr. 8.
Hamm , J. Val,, Schillerfest-Marsch zur Gedächtniss-Feier
10. November 1859. Für Pianoforte. — Nürnberg,
Wilhelm Schmid. 1859.
Hauer, E„ Schiller’s Lieder: „Wahres Glück“ und „Lied
an die Freude“. Für mehrstimmigen Männer- Chor.
Componirt. — Berlin, Ferd. Geelhaar. 1859. qu. 4.
Jahncke, Gust., „An die Freude“. Gedicht von F. Schiller
für drei Knaben- und eine Männerstimme componirt.
Mit Schiller’s Porträt. — - Hamburg, F. Schubert. 1859.
Kretschmar, F. IV., opus 75. Schiller-Klänge. Potpourri
über Schiller-Lieder. Compositionen zur Erinnerung an
die hundertjährige Geburtstagsfeier des grossen Dichters
(am 10. November 1859) für das Piano componirt und
allen Schillerfreunden gewidmet. — Leipzig, Edm. Stoll.
1859.
Letvandowski, L., Festlied zur Schiller-Säcular-Feier am
10. November 1859- Gedicht von A. Horwitz. Ge¬
sungen von den Zöglingen der jüdischen Gemeinde-
Knabenschule. — Berlin, Stuhrsche Buchhandlung qu. 4.
Horwitz, A. mit seinem Gedicht nachzutragen in der
Zeitschrift für Bücherfreunde igoßjigoö, Heft 2/3,
S. 132.
Liszt, Franz, Zur Schiller- Feier 1859. Künstler- Festzug.
Partitur. — Weimar, Kühn. 1859. 58 S. Fol.
Liszt, Franz, Dasselbe. Clavier-Arrangement für 2 Hände. —
ebda.
- Dasselbe. Clavier-Arrangement für 4 Hände. — ebda.
Moses , A., Schiller- Fest-Klänge. Walzer für Pianoforte. —
Berlin, Ed. Bote & G. Bock.
Pfeil, Heinr., opus 2. „Die Heimkehr“. Gedicht von Her¬
mann Marggraff für Bass oder Bariton mit Begleitung
des Pianoforte componirt und dem Dichter hochachtungs¬
voll gewidmet. — Leipzig, Selbstverlag.
Marggraffs Gedicht nachzutragen in der Zeitschrift für
Bücherfreunde igofigo6, Heft 2/3, S. 134.
Reinthaler , K., Drei Lieder von Luther und Schiller
mit alten Volksweisen. Zusammengestellt. — Erfurt,
Kömer’sche Buchhandlung. 1853. 4.
Richter, E., s. Damrosch.
Rohde, s. Gaulke.
Romberg, Andr., s. Rosenberg, Schillerfest- Marsch.
Rosenberg, 0., op. 109. Charlotten- Walzer. Schnell-Walzer
zu Ehren der Gattin Schiller’s, gebornen Charlotte
von Lengefeld. Mit Fr. von Schiller’s Portrait. — Ham¬
burg, A. C. Lehmann.
- An die Freude. „Freude, schöner Götterfunken“.
Lied von Fr. v. Schiller. Volksmelodie, arrangirt mit
Pianoforte-Begleitung. Mit Fr. v. Schiller’s Portrait. —
ebda.
- opus 102. Der Jüngling am Bache. „An der Quelle
sass der Knabe“, Lied von Fr. v. Schiller. Neu com¬
ponirt für eine Singstimme mit Pianoforte-Begleitung.
Mit Fr. v. Schiller’s Portrait. — ebda.
- Schillerfest-Marsch, arrangirt nach Motiven aus
Schiller’s Glocke, Musik von Andr. Romberg. Mit
Fr. v. Schiller’s Portrait. — ebda.
Schnabel, Carl, s. Pulvermacher, Zeitschrift für Bücher¬
freunde igofjigoö, Heft 2/3, S. 135.
Taubert, Wilhelm, Schiller’s Morgenlied. „Verschwunden ist
die finstre Nacht“. Componirt.
1. Für I Singstimme mit Pianoforte.
2. Für 3 Soprane: Partitur und Stimmen.
3. Für gemischten Chor: Partitur und Stimmen. Auf¬
geführt im Königlichen Opernhaus, Berlin, 1 2. Novbr.
1859. — Berlin und Posen, Ed. Bote & G. Bock
(G. Bock), Kgl. Hofmusikalienhändler.
Welcher, C., Schiller-Fest-Marsch zur 100jährigen Geburts¬
tagsfeier eigens componirt und aufgeführt in Leipzig.
— Leipzig, C. F. Kahnt.
Anonym, Schiller’s, Joh. Cph. Fr., Lied an die Freude.
Zur Feier des I oojährigen Geburtstages in allen frohen
Kreisen zu singen. Mit Noten. (Original-Melodie.) —
Hamburg, H. Buhr. Fol.
II. Schiller 1859
in der Malerei.
Adler, C., s. Festzug, Hamburger.
Andenken an Friedrich von Schiller’s 1 oojährige Geburts¬
tagsfeier am 10. November 1859. (Abbildung der für
die neue St. Nicolai-Kirche gestifteten Glocke mit obiger
Inschrift und Schiller’s Portrait.) Lithographie. —
Hamburg, Chs. Fuchs. Fol.
• — , Zum, an den I oojährigen Geburtstag unsers Friedrich
Schiller am 11. November 1859. An die Freude. Ge¬
dicht von Fr. Schiller. (Enthält 4 Strophen und Schiller’s
Portrait.) Lithographie. — Hamburg, Druck von L.
Lang. 4.
Ansicht des Bremer Marktplatzes während der Schillerfeier
am 10. November 1859. Lithographie. 2 Ausgaben.
— Bremen, W. Jöntzen. 4.
Oswald, Die Künste bei Schillers hundertstem Geburtstage.
410
Ansicht der Schiller-Linde nebst dem Gedenkstein zu Blasewitz
bei Dresden. Tondruck in 1 un- und 1 kolorierten
Ausgabe. — Dresden, G. Täubert. 4.
Bartsch, G., s. 1. Jungfrau, 2. Maria Stuart, 3. Seid einig
Bauer, J., s. Karlsschüler.
Beck, J. y., s. Glocke.
Brückner, H., s. Schiller im Garten (unter Schillerstätten
[Weimar]).
Biirkner, H, s. Säcularfeier.
Chevalier, s. Schillerbildnisse (Weitsch).
Dannecker , s. Schillerbildnisse.
Dertinger, E., s. Schillerbildnisse (Guibal).
Diezmann, A., s. Schiller-Feier (Sammlung).
Elias, s. Schillerbildnisse (Schmidt).
Emminger, E., s. Schiller’s Geburtshaus und Schiller’s
Geburtsstadt (unter Schillerstätten).
Erinnerung, Zur, an die Schillerfeier in Hamburg am
13. Novbr. 1859 im Festzuge vertheilt. (Lithogr. Porträt
mit Faksimile.) — Hamburg. Folio.
— , Zur, an Fr. von Schiller’s 1 00 jährigen Geburtstag.
(Porträt, Geburtshaus, Faksimile.) Lithographie. ■ —
Hamburg, A. Sachs. 4.
Erinnerungsblatt an Schiller’s Saecularfeier in Frankfurt a. M.
am 10. Novbr. 1859: Festzug der Bierbrauer. Color.
Lithographie von F. Raer. — Frankfurt a. M., Frey & Co.
75:ioo cm.
— an den Schillerzug in Hamburg. Gezeichnet von O.
Speckter. Lithographischer Tondruck. — Hamburg,
Chs. Fuchs. Fol. (l3/4' hoch, i' breit).
— an die Feier des ioojährigen Geburtstages Friedrich
von Schiller’s herausgegeben von Wolfg. Bemhardi.
(Schillers Porträt umgeben von 6 Gedichten von Edg.
König, Konr. Müller, H. J. Landau, C. Oelkers, K.
v. Langen, Heinr. Mansfeld.) Buntdruck. — Hamburg,
F. Schlotke. Folio.
Diese 6 dichterischen Schillerbeiträge sind in der Zeit¬
schrift für Bücherfreunde igofjigoö , Heft 2jj,
S. 1 32 — 134 nachzutragen. Ebenso Bernhardis Beitrag .
— an die Schillerfeier in Kiel. Gezeichnet und componirt
von A. Soltau. Lithographirt bei Mohr in Kiel. Ton¬
druck. — Kiel, Akademische Buchhandlung. Folio.
— an die einhundertjährige Geburtstagsfeier Friedrich
von Schiller’s am 10. November 1859. (Allokution an
den Dichter mit Randzeichnungen in Scenen aus Schiller’s
Werken.) — Mainz, Friedrich Schott.
Erinnerungs-Blätter an die Feier von Schiller’s ioojährigem
Geburtstag am 10. Novbr. 1859.
Erstes Heft: 6 Blatt (in Holzschnitten). 1859. qu. 12.
Zweites Heft: 5 Blatt. 1880. qu. 12. Weimar, Kühn.
1859 u. 1860.
Facsimile von einem bisher ungedruckten und unbekannten
Briefe Schiller’s als dreizehnjährigen Knaben. — Berlin,
Plahn’sche Buchhandlung. 4.
— von: Unterthänigstes Promemoria an die Consistorialrath
Körnerische weibliche Waschdeputation in Loschwitz,
eingereicht von einem niedergeschlagenen Trauerspiel-
dichter (Fr. von Schiller). Lithographie von C. Ullrich.
In Couvert. — Berlin, G. Hempel. 1/8 Blatt, gr. 8.
Ealck, C., s. Gedenkblatt (Berngruber & Henning).
Faust, polygraphisch-illustrirte Zeitschrift: 1859 Nr. 20.
Enthält an artistischen Beilagen in Farbendruck:
a) Schiller als Karlsschüler — b) Charlotte Schiller
geb. von Lengefeld — c) Schiller’s Wohnung bei Jena.
— Leipzig, G. H. Friedlein’s Sequestration. Bern¬
hard Pfefferkorn.
Fendi, Peter, s. Scenen.
Festzug, Der, zur ioojährigen Geburtsfeier Friedrich
von Schiller’s zu Frankfurt a/M., den 10. November 1859.
Gezeichnet von F. C. Klimsch, schwarz und kolorirt.
Kartoniert. — Frankfurt a/M., H. Keller. Quer Folio
und quer 8.
— , Hamburger, zur Gedächtnißfeier des ioojährigen Geburts¬
tages Friedrich Schiller’s den 13. November 1859. Dem
Comitö für die Schillerfeier in dankbarer Anerkennung
ihrer Verdienste gewidmet von C. Adler. 33 litho-
graphirte Blätter, 5 Zoll hoch und zusammen 54 Fuß
lang. Mit 1 Blatt Text In illustriertem Umschlag. _
Hamburg, C. Adler.
— der Schülerfeier zu Hamburg auf dem Heiligengeistfelde
am 13. November 1859. Gezeichnet und lithographiert
von C. Zeidler. — Altona, G. F. Wurzbach. qu. Fol
Flegel, y. G., s. Neher.
Fleischmann, s. Lengefeld u. Schiller- Galerie.
Froer, s. Schiller-Galerie.
Fuchs, Chs., s. Schillerzug.
Gallerie zu Schiller’s Werken. I. Lieferung. — Stuttgart,
Göpel. 1860. 8.
Gedenkblatt zur ioojährigen Geburtsfeier Friedrich Schiller’s,
entworfen und auf Stein gezeichnet von Bcmh. Plock¬
horst. — Berlin, II. Schindler, quer Fol.
— zur Erinnerung an die Säcularfeier von Friedrich
Schiller’s Geburt. (Schiller’s Brustbild und Rand¬
ansichten). Lithographie. — Bremerhaven, L. v. Vange-
row. Imp. Fol.
— zur Erinnerung an Schiller’s Säcularfeier. Darstellend:
Schiller und seine Eltern, Schiller’s Geburtshaus in
Marbach, Wohnhaus und Studierzimmer in Weimar, die
Fürstengruft in Weimar. In Farben- und Tondruck. —
Frankfurt a. M., H. Keller. 4.
— zur Säcularfeier der Geburt Friedrich von Schiller’s.
(Porträt Schiller’s und 10 Randzeichnungen aus dessen
Werken.) Lithographie-Tondruck. Ohne Rand 17" hoch,
14" breit. — Fürth, G. Löwensohn. 1859. qu. Folio.
— an die 100jährige Schiller-Feier im November 1859.
(Porträt Schiller’s.) Gezeichnet von C. Zeidler, in Holz
geschnitten von C. Falck. — Hamburg, Druck von
Berngruber & Henning, gr. 4.
Geissler, yul., s. Schiller-Feier (Hamburg).
— , P., s. Schiller’s Apotheose.
Geyer, s. Schiller-Galerie.
Glocke, Die große, auf dem Münster zu SchafThausen. Auf¬
genommen von J. J. Beck. Lithographiert von C.
Groschwitz. Zur Erinnerung an die Säcular- Feier von
Schiller’s Geburt den 10. November 1859. Tondruck.
— Wiesbaden, Chr. Limbarth. Fol.
Goldberg, , s. Schiller- Galerie.
Golde, Moritz, s. Vorlesung.
Gonzenbach, s. Schiller-Galerie.
Goethe’s Brustbild en Face mit Faksimile. Nach Kolbe
unter der Direktion von Mandel gestochen von Knoll.
Pendant zu Schiller’s Portrait, als Erinnerung an das
Freundschaftsbündnis zur ersten Schiller-Säcular-Feier
herausgegeben. 20" hoch, 1 5 * breit. — Berlin, Alb.
Abelsdorff, gr. Fol.
s. a. Schillerbildnisse (Rietschel).
Graff, A., s. ebda.
Groschwitz , C., s. Glocke.
Grundsteinlegung , Die, zur Schillerstatue in Berlin am
10. November 1859. Photographisches Erinnerungs¬
blatt, nach der Natur aufgenommen. 10" : 12" gross.
— Berlin, J. Wilhelmi.
Guibal, N., s. Schillerbildnisse.
Hartmann, E., s. Schillerbildnisse.
Hoff7?iann, R., s. ebda.
Holzamer, Carl, s. ebda.
yagemann, M., s. Schiller im Leben und Schiller im Tode
(unter Schillerbildnisse).
yaquemot, s. Schiller- Galerie.
yungfrau , Die, von Orleans (Szene vor der Kirche in
Rheims). Gezeichnet und lithographiert von G. Bartsch.
Tondruck. — Berlin, Brigl & Lobeck. gr. qu. Fol.
(21" hoch, 28" breit.)
Karlsschüler , Die (Friedrich v. Schiller sein Trauerspiel
„Die Räuber“ vorlesend, 1 775)- Nach dem Gemälde
von Schams lithographiert von J. Bauer. Tondr. auf
chinesischem Papier. — Wien, F. Patemo. Fol.
Klimsch, F. C., s. Festzug — Frankfurt a/M.
Knoll, s. Goethe.
Kolbe, s. ebda.
Koska, F., Schiller’s 100 jähriger Geburtstag. (Allegor.
Zeichnung.) 1 Blatt. — Breslau, Lilienfeld. 4.
Kretschmer, R., s. Schiller’s Apotheose.
Oswald, Die Künste bei Schillers hundertstem Geburtstage.
411
Kugelgen, G. v., s. Schillerbildnisse.
Lämmel, s. Schiller- Galerie.
Langer, Th., s. Schiller und Goethes Portrait (unter Riet-
schel, Schillerbildnisse).
Laurens, s. Schillerbildnisse (Graff).
Lengefeld, Charlotte’ 's von , Portrait. Gezeichnet von F.
Pecht, gestochen von Fleischmann. (Separatabdruck aus
der Schiller-Galerie). — Leipzig, F. A. Brockhaus.
Imp.-Fol.
s. a. Schiller, Charlotte von, und Schillerbildnisse.
Leutemann, H., s. Neher.
Leybold, Franz, s. Scenen.
Löffler, Ludwig, s. Schiller’s Lied.
Mandel, s. Goethe.
Maria Stuart und Elisabeth. (Scene im Park zu Fothe-
ringhay.) Gezeichnet und lithographiert von G. Bartsch.
Tondruck. (21" hoch, 28" breit.) — Berlin, Brigl &
Lobeck. gr. qu. Fol.
May, s. Schillerbildnisse.
Merz, s. Schiller-Galerie.
Milster, s. Schillerbildnisse.
Müller, C., s. Schiller im Leben und Schiller im Tode
(unter Jagemann, Schillerbildnisse).
— W., s. Schillerbildnisse (Simanowiz).
Neher, Bernh., Schiller’s Lied von der Glocke in 40 Blättern
bildlich dargestellt. Nach den Entwürfen des Meisters
zu den Wandgemälden im Großherzoglichen Schlosse zu
Weimar auf Holz gezeichnet von H. Leutemann und
geschnitten von J. G. Flegel. Mit einem Vorworte von
C. Vogel. Neue Ausgabe. — - Leipzig, Rud, Weigel.
1859. Fol.
Vogel, C. ist in der Zeitschrift für Bücherfreunde
190 fp6, Heft 2/j, S. 137 nachzutragen.
Oer, Theobald von, s. I. Säcularfeier, 2. Vorlesung,
3. Weimar’s Musenhof.
Pecht, F., s. I. Lengefeld, 2. Schillerbildnisse, 3. Schiller-
Galerie.
Plockhorst, Bernh., s. Gedenkblatt (Schindler).
Preisei, s. Schiller- Galerie.
Raab, s. 1. Schillerbildnisse (Pecht), 2. Schiller- Galerie.
Ramberg, Arthur von, s. Schiller- Galerie.
Raer, B., s. Erinnerungsblatt — Frankfurt a/M.
Reinhart, J. C., s. I. Schillerbildnisse, 2. Schiller in
Karlsbad (unter Schillerstätten).
Reusche, F., s. Weimar’s Musenhof.
Reyher, R., s. Schillerbildnisse.
Rietschel, s. ebda.
Rohrdorf, s. Schiller- Galerie.
Säcularfeier, Zur, der Geburt Friedrich von Schiller’s am
io. November 1859. (Dannecker mit der Schillerbüste,
umgeben von Randbildern aus Schiller’s Leben). Er¬
funden und gezeichnet von Theobald von Oer. Archi¬
tektur von F. Wiedemann. Radirt von H. Bürkner.
Architektur von F. C. Schmidt. Auf Chinesischem
Papier. Ohne Rand 23" hoch, 18" breit. — Dresden,
Rudolf Kuntze’s Verlagshaus. gr. Fol.
Scenen, Sechs, aus Schiller’s Lied von der Glocke nach
Originalzeichnungen von Peter Fendi lithographirt von
Franz Leybold.
Nr. 1. Der Taufgang, Nr. 2. Die Rückkehr in’s Vater¬
haus, Nr. 3. Vor der Trauung, Nr. 4. Die Feuers¬
brunst, Nr. 5. Die Trauernden am Grabe, Nr. 6. Abend¬
gebet der heimkehrenden Landleute. — Wien, L. T.
Neumann. i/2 Colombier, quer Format,
Schams, s. Karlsschüler.
Scherff, C„ s. Schillerbildnisse (Graff).
Schiller , Charlotte von. Portrait mit Facsimile. In Stahl
gestochen von A. Weger. — Leipzig. Baumgärtner’s
Verlag. 1860. 4.
s. a. Faust und Lengefeld wie Schillerbildnisse (Ano¬
nyme Nr. 22).
Schiller, Friedrich von
a) Schillerbildnisse.
Dannecker : I. Von Berliner Buchhändlern als Gedenkblatt
ausgegebene Photographie nach der im Besitze des
Commerzienrathes C. Duncker befindlichen Dannecker-
schen Colossalbüste Schiller’s. Ausgeführt von G.
Schauer. — Berlin, Hermann Kaiser, Firma: E. H.
Schroeder. 1859. Fol.
2. Schiller’s Portrait in Relief-Medaillon nach Dann¬
ecker photographirt. — Dresden, Jul. Schwendler. gr. 8.
(21/s" hoch.)
Graff, A.: 1. Portrait, gemalt von A. Graff, gestochen von
Laurens im Jahre 1805. — Berlin, Nicolai’sche Verlags¬
buchhandlung (G. Parthey), gr. 4.
2. Dasselbe, gestochen von C. Scherff. — Coblenz.
K. Bädeker. 1860.
Guibal, Nie.: Schiller’s Jugendbild (Brustbild). Nach dem
Leben in Oel gemalt (um 1780) von Nie. Guibal. Ge¬
stochen von E. Dertinger. Zur I oojährigen Geburts-
Jubelfeier herausgegeben. In 2 Ausgaben: a) in Me¬
daillon und b) in Gross - Lexicon - Octav. — Stuttgart,
IC. Göpel.
Hartmann , E. : Schiller’s Portrait. Nach einer Original¬
zeichnung von E. Hartmann (in Holzschnitt). Beson¬
derer Abdruck aus Nr. 854 der Illustrirten Zeitung. —
Leipzig, Expedition der Illustrirten Zeitung. Fol.
Hoffi?iann, R. : Schiller’s Portrait. Lithographie von R.
Hoffmann. — Wien, F. Paterno. kl. Fol.
Holzamer, Carl: Schiller. Lebensgrosses Brustbild mit
Facsimile. Gezeichnet und lithographirt von Carl Holz¬
amer. Tondruck. — Leipzig, Rud. Weigel. Roy.-Folio.
Jagemann, M: I. Schiller im Leben. Gezeichnet 1818.
Gestochen von C. Müller. Punktirt. — Weimar, Hoff¬
mann. gr. Fol.
2. Schiller im Tode. Gezeichnet. Gestochen von C.
Müller. Gegenstück zu obigem. — ebda.
Kügelgen, G.v.: I. Schiller. Nach dem Original-Gemälde
von G. v. Kügelgen auf Stein gezeichnet von Fr.
Schwabe. 13" hoch', 10" breit. — Berlin, G. A.
Hoevel.
2. Dasselbe. Volks-Ausgabe mit darunter gedruckter
kurzer Biographie Schiller’s. — ebda.
May: Schiller’s Portrait, nach May’s Oelgemälde in Stahl
gestochen. — Stuttgart, A. Becher, gr. 4.
Milster: Schiller’s Portrait (Jugend-Portrait). Lithographie
von Milster. Mit einer Unterschrift Ad. Stahr’s als Er¬
klärung des Bildes. — Berlin, Milster’s Selbstverlag. Fol.
Dieser Stahrsche Beitrag noch nachzutragen in der
Zeitschrift für Bücherfreunde igofjigoö, Heft 2/j,
S. i37.
Pecht, Fnedrich : Schiller’s Portrait. Gezeichnet von F.
Pecht, gestochen von Raab. (Separatabdruck a. d.
Schiller-Galerie.) — Leipzig, F. A. Brockhaus. Imp.-
Fol.
Reinhart, J. C.: Schiller’s Portrait im sechsundzwanzigsten
Lebensjahre. Nach J. C. Reinhart’s Oelgemälde litho¬
graphirt von G. Schlick. — Leipzig, G. Keil. Fol.
Reyher, R.: Fr. Schiller. Brustbild in Oval. Gezeichnet
und gestochen von R. Reyher. — Berlin, E. H.
Schroeder’s Verlag. 1859. 4.
Rietschel: Schiller und Goethe’s Portrait auf einem Blatte,
nach dem Denkmal Rietschel’s in Weimar photographirt
und unter Mithülfe des Professor Rietschel gezeichnet
und gestochen von Th. Langer. — Leipzig, Fr. Brand¬
stetter. qu. Fol.
Schlick: Schiller’s Portrait. Gezeichnet von Schlick, in
Stahl gestochen von Sichling. — Leipzig, Otto Wigand,
kl. Fol.
s. a. Schillerbildnisse (Reinhart).
Schmidt, C. : Schiller’s Bildniss in ganzer Figur. Ge¬
zeichnet von C. Schmidt, lithographirt von Elias. —
Stuttgart, Eduard Fischhaber.
412
Oswald, Die Künste bei Schillers hundertstem Geburtstage,
Schwerdgeburth, C. A. : Brustbild. Nach den besten Hülfs-
mitteln gezeichnet und in Kupfer gestochen von C. A.
Schwerdgeburth. Punktirt. — Weimar, W. Hoffmann’s
Hofbuchhandlung, gr. 4.
Simanowiz, K S. L.: I. Brustbild, gemalt 1793. Ge¬
stochen in Stahl 1859 von W. Müller. — Weimar,
Landes-Industrie-Comptoir. Quarto und Octavo.
2. Dasselbe, in Kupfer gestochen von Fr. Schröder. —
Hamburg, D. H. Comelsen. 16.
3. Dasselbe, gestochen von A. Schultheiss. — Leipzig,
Breitkopf & Härtel. Fol.
Thorwaldsen : Friedrich Schiller. Statue von Thorwaldsen.
Lithographirt von P. Schulze. Tondruck. — New- York,
Schrickel. 1859. Fol.
Weitsch: Schiller’s Portrait. Nach einer Zeichnung nach
dem Leben von Professor Weitsch in drei Kreiden
lithographirt von Chevalier. — Berlin, L. Sachse & Co.
gr. Roy. Fol.
Anonyme: I. Schiller’s Portrait en miniature ovale. Kreide¬
zeichnung. — Baden-Baden, F. M. Reichel. 8.
2. Schiller’s Portrait. Eine nach dem besten Original-
Gemälde imitirte Photographie in ovalem Medaillon. —
Berlin, A. Sala.
3. Schiller’s Portrait mit Facsimile. Stahlstich. —
Leipzig, Baumgärtner’s Buchhandlung, gr. Fol.
4. Schiller’s Portrait. Photographie nach der eigens
für das Schillerfest in München modellirten Büste :
15 cm hoch, auf Karton aufgezogen. — München, E.
A. Fleischmann’s Buchhandlung.
5. — 21. s. Abt. I: 1. Jahncke, 2. — 5. Rosenberg,
Abt. II: 6. Andenken, 7. Zum Andenken, 8. Zur Er¬
innerung, 9. ebda., 10. Erinnerungsblatt (Schlotke),
II. Faust, 12. Gedenkblatt (Vangerow), 13. Gedenkblatt
(Löwensohn), 14. Gedenkblatt (Bemgruber & Hennig),
15. Schillerstätten, Marbach1, 16. Schiller-Feier (Illustrirte
Zeitung), 17. Schiller-Feier (Baumgärtner).
22. Schiller und Charlotte, dessen Gemahlin. Ein Por¬
trait auf einem Blatte. Lithographie. — Berlin, A.
Felgner. 1859. gr. Fol.
23. Schiller und seine Eltern, s. Gedenkblatt (H. Keller).
b) Schillerstättcn.
Gohlis: I. Schiller’s Wohnhaus in Gohlis. Schwarz und
koloriert. — Leipzig, F. Kunath.
2. Das Schillerhaus in Gohlis. Stahlstich. — Leipzig,
Ed. Wengler. 4. (7" hoch, 11" breit.)
3. Das Schillerhaus in Gohlis. Lithographie. Tondruck.
— Leipzig, Adolph Werl. 1860. gr. Fol.
Jena: Schiller’s Wohnung bei Jena 1797 — 1799* Litho¬
graphie. Tondruck. Schwarz tund koloriert. — ebda,
gr- 4-
s. a. Faust.
Kahndorf: Schiller’s Wohnung in Kahndorf bei Borna.
Lithographie. Tondruck. ----- ebda. qu. Fol.
Karlsbad: 1. Schiller in Karlsbad (auf einem Esel reitend).
Nach einer Originalzeichnung seines im Jahre 1847 zu
Rom verstorbenen Freundes Joh. Chr. Reinhart. Holz¬
schnitt in Tondruck. — Leipzig, J. J. Weber. 4.
2. Dasselbe. In Holzschnitt in Tondruck. — Stuttgart,
Ad. Becher’s Verlag. 4.
3. Dasselbe. In Kreidemanier mit Ton ausgeführt. —
Stuttgart, Fr, G. Schulz. 4.
Leipzig: Das Schillerhaus in der Hainstrasse zu Leipzig.
Lithographie in Tondruck. Fein colorirt. — Leipzig,
Adolph Werl. 4.
Loschwitz: Schiller’s Pavillon auf Kömer’s Weinberg in
Loschwitz, wo er den Don Carlos schrieb. Tondruck.
Schwarz und colorirt — Dresden, G. Täubert. 4.
Marbach: 1. Schiller’s Geburtshaus in Marbach nach der
Natur aufgenommen mit dessen Portrait. In 3 Tönen.
— Baden-Baden, F. M. Reichel, 4.
2. Das Schillerhaus in Marbach. Stahlstich. — Leipzig,
C. A. Haendel. 4.
3. Schiller’s Geburtshaus. Stahlstich. — Leipzig, C.
B. Polet. 16.
4. Schiller’s Geburtshaus in Marbach. Gezeichnet, litho¬
graphirt und gedruckt in der Artistischen Anstalt von
B. Levi. Doppel-Tondruck. — Stuttgart, C. H. Kettner.
qu. Fol.
5. Schiller’s Geburtshaus (wie es zur Zeit von Schiller’s
Geburt war). Gezeichnet und lithographirt von E.
Emminger. Doppeltondruck: 13" hoch, 10" breit. _
Stuttgart, Heinrich Müller. 4.
s. a. Gedenkblatt (Keller).
6. Schiller’s Geburtsstadt Marbach. Nach der Natur ge¬
zeichnet und lithographirt von E. Emminger. Doppel¬
tondruck: 15” hoch, 20 " breit. — ebda. qu. Fol.
Weimar : Schiller im Garten zu Weimar. Lithographirt von
H. Brückner. — Tondruck. — New-York, Schrickel.
Fol.
s. a. Gedenkblatt (Keller).
Schillers Apotheose. Gezeichnet von Rud. Geissler. Litho¬
graphirt von R. Kretschmer. Tondruck mit Textblatt.
— Leipzig, L. Rocca. gr. Fol. (24" hoch, 18" breit)
Schiller’s Lied „An die Freude“. Illustrirt von Ludwig
Löffler in Berlin. Holzschnitt ausgeführt von Schulze
und Schmetzer in Leipzig. 18 Blätter in Tondruck. In
Mappe. — Leipzig, Hermann Mendelssohn, gr. Fol.
Die 2. Auflage (1860) vermehrt durch Erläuterungen
von Dr. Max Schasler. (Diese Erläuterungen sind
nachzutragen in der Zeitschrift für Bücherfreunde
1905/1906, Heft 2I3, S. 136.)
Schiller-Feier zu Hamburg, auf dem Heiligengeist-Felde am
13. November 1859, von der Windmühle aufgenommen
(von Jul. Geissler). Lithographie. Tondruck. — Ham¬
burg. qu. Fol.
— . Eine Sammlung von Portraits und Ansichten zu Schiller’s
Leben und Werken. 20 Stahlstiche mit 1 1 Seiten Text.
I. und 2. Auflage. Von A. Diezmann. — Leipzig,
Baumgärtner’s Buchhandlung, kl. Fol.
— , Die. Artistisch-typographisches Gedenkblatt an die
Säkularfeier von Schiller’s Geburtstag 10. November
1859. Enthaltend 17 Abbildungen der Festfeier an
16 Orten und das Portrait Friedrich von Schiller’s.
Holzschnitt — Leipzig, Expedition der Illustrirten
Zeitung. Imp.-Fol. (2' 11" hoch, 4' breit)
- in Loschwitz bei Dresden 1859. Lithographie. 8.
Schiller-Galerie. Charactere aus Schiller’s Werken. Ge¬
zeichnet von Fr. Pecht und Arthur von Ramberg. In
Stahl gestochen von Fleischmann, Froer, Geyer, Gold¬
berg, Gonzenbach, Jaquemot, Lämmel, Merz, Preisei,
Raab, Rohrdorf, Schultheiss, Sichling u. A. Mit er¬
läuterndem Text von Fr. Pecht. (25 Bogen Text und
50 Blätter.) — Leipzig, F. A. Brockhaus. gr. 4 u. Fol.
Existiert in 3 Ausgaben.
Pecht’s Textbeitrag ist nachzutragen in der Zeitschrift
für Bücherfreunde ig05jl906, Heft 2/3, S. 135.
Schillerzug, Der, in Hamburg. Nach Photographien von
Chs. Fuchs lithographirt. Mit farbigem Tondruck. —
Hamburg, Chs. Fuchs, qu. Fol.
Das Ganze sollte 50 — 60 Blatt umfassen. Jedes Blatt
bildet eine Korporation von 25 — 30 Portraits.
Schlick , G., s. Schillerbildnisse (Reinhart und Schlick).
Schmetzer, s. Schiller’s Lied.
Schmidt, C., s. Schillerbildnisse.
— , F. C., s. Säcularfeier.
Schröder, Fr., s. Schillerbildnisse (Simanowiz).
Schultheiss, A., s. ebda, und Schiller- Galerie.
Schulze, s. Schiller’s Lied.
— , F., s. Schillerbildnisse (Thorwaldsen).
Schwabe, Fr., s. ebda. (Kügelgen).
Schwerdgeburth, C. A., s. ebda.
Seid einig, einig, einig! Gedenkblatt an die Säcularfeier
der Geburt Schiller’s, den Festtag gesammter deutscher
Nation 10. November 1859. Erfunden und gezeichnet
von G. Bartsch. Lithogr. Tondruck. — Berlin, Brigl
& Lohbeck. Roy. -Folio. (21 ' hoch, 28' breit)
Sichlmg, s. Schillerbildnisse (Schlick) und Schiller-Galerie.
Simanowiz, K. S. L., s. Schillerbildnisse.
Oswald, Die Künste bei Schillers hundertstem Geburtstage.
413
Soltau, A., s. Erinnerungsblatt (Kiel).
Speckter, 0., s. ebda. (Fuchs).
Thorwaldsen, s. Schillerbildnisse.
Ullrich , C., s. Facsimile (Hempel).
Vorlesung, Die erste, der Räuber von Schiller. Gemalt von
Theobald von Oer, lithographirt von Moritz Golde. Ge¬
druckt in der lithogr. Kunstanstalt von Franz Hanfstängl.
— Dresden, Rudolf Kuntze’s Verlagsbuchhdlg.
Existiert in einer großen Ausgabe (ohne Rand 21 hoch,
27" breit) und in einer kleinen (ohne Rand 14" hoch,
18" breit).
Weger, A., s. Schiller, Charlotte von.
Weimar’ s Musenhof. Zur 100jährigen Geburtstagsfeier
Friedrich von Schiller’s. Originalzeichnung von Theob.
v. Oer. Sep.- Abdruck in Tondruck. Holzschnitt von
F. Reusche. — Dresden, C. C. Meinhold & Söhne,
kl. qu. Fol. (13" hoch, 16" breit.)
Weitsch, s. Schillerbildnisse.
Wiedemann, F., s. Säcularfeier.
Wolzogen, Caroline Freifrau von, geb. von Lengefeld. Por¬
trait. Lithographirt. Chines. Papier. — Leipzig, F.
A. Brockhaus. kl. Fol.
— , Ludwig Freiherr von, königlich preussischer General
der Infanterie. Portrait. Lithographirt. Chines. Papier.
— ebda. kl. Fol.
Zeidler, C., s. Festzug (Wurzbach) und Gedenkblatt (Bem-
gruber & Hennig).
III. Schiller 1859
in den plastischen und dekorativen Künsten.
Da?inecker, s. Schiller’s Portrait (Dresden), Schiller-Büste
und Schiller-Medaille (diese Abteilung) und Schiller¬
bildnisse (Dannecker), Abt. II.
Denkmünze zur ioo jährigen Geburtsfeier Friedrich’s von
Schiller: 37/10 cm Durchmesser. In Britannia-Metall,
in Bronze, in Silber. Augsburg, Gravier- und Präge-
Anstalt des G. Drentwett. Sebald F. Drentwett D.
I. Schiller-Denkmünze, 2. Schiller-Goethe-Denkmünze.
— Leipzig, In Commission bei E. Wengler.
— zur Erinnerung an die Schiller-Feier in Bordeaux.
Hat der Hannoversche Konsul Klepper zu Bordeaux in
Paris gravieren und in der Kaiserlichen Münze prägen
lassen.
— (sogenannter Portugaleser) auf die Schiller-Feier in
Hamburg. Prägung von der Administration der Ham¬
burger Bank angeordnet. 19 Linien Durchmesser. (Ge¬
schnitten und geprägt in der L. Ostermann’schen vor¬
mals Loos’schen Medaillen-Münze in Berlin.) In Bronze,
Silber, Gold. Avers: F. Staudigel fec., Revers: G.
Loos dir. A. Fischer inv. C. Schnitzspahn F. — Ham¬
burg. 1859.
— auf das Schillerfest in Mannheim.
— auf die Schillerfeier in Prag, Wien. In Britannia-
Metall, in Bronze. — Prag, J. G. Calve’sche Univer¬
sitäts-Buchhandlung.
Dönscklag, C., s. Lampenschirm.
Drentwett, G., s. Denkmünze (Augsburg).
Fischer, A., s. ebda. (Hamburg).
— Karl, s. Medaille, Silberne.
Gedenkthaler zu Schiller’s ioojähriger Geburtsfeier. Ge¬
prägt von der freien Stadt Frankfurt.
Helfricht, s. Schiller-Medaille (Gotha).
Holzschur, s. Schiller-Büste.
Kullrich, W., s. Schiller’s Reliefportrait und Schiller-Medaille
(Berlin).
Lampenschirm in Farbendruck, darstellend Scenen aus
Schiller’s Lied von der Glocke, in Original-Stein¬
zeichnungen von C. Dönschlag. — Berlin, L. Gerschel.
Leigh, L., s. Schiller’s Portrait (Pforzheim).
Loos, G., s. Denkmünze (Hamburg).
Medaille, Silberne, mit Schiller’s Porträt, Rückseite ein
Lorbeerkranz mit der Inschrift: „Zum 10. November
1859“. In Grösse eines Zweigroschenstücks mit Öse,
als Medaillon zu tragen. Geschnitten von Professor Karl
Fischer.
Ausgestellt gewesen unter Nr. 23 im Saale der Kgl.
Akademie zu Berlin vom 12. — 22. November 1859.
„Schiller“. Deutscher Geschichts- und Comptoirkalender
für 1860. 2. Auflage. — Heidelberg. Sommer-Günther.
Schiller auf dem Dichter-Ross. Relief in Elfenbeingypsmasse :
1/2 Fuss Durchmesser. — Frankfurt a. M., H. Keller.
Schiller’s Bildniss mit Emblemen en medaillon, haut relief
in Gyps: T1^" hoch, 6" breit. — Berlin, C. G. Ende.
Auch in feinerer Masse (Stearin).
— Geburtshaus in Marbach als Modellir-Carton. — Stutt¬
gart, F. G. Schulz.
— Portrait. In Relief. Medaillon nach Dannecker photo-
graphirt. — Dresden, Jul. Schwendler. gr. 8. (2^8 "
hoch).
- . Erhaben in Bronze geprägt von L. Leigh. Mit
Schiller’s Facsimile. — Pforzheim. 16,
- in Relief-Manier ausgeführt. — Leipzig, C. W. B.
Naumburg.
Reliefportrait. Medaillon aus feinstem marmorweissem
Pariser Gyps von W. Kullrich. Durchmesser 63 f . —
Berlin, E. H. Schroeder.
Schiller-Büste, nach Dannecker’s Modell von Holzschur in
Gyps angefertigt. 2 Fuss hoch. — Cassel, G. Württen-
berger.
Schillerdenkmünze, in Britannia-Metall gegossen und ver¬
silbert, modellirt und ciselirt von G. Wilke in Berlin.
27/i0 cm Durchmesser (in Thalerformat: 37/IO cm Durch¬
messer). — Berlin, G. Rahn.
Schüler-Medaille. Nach Dannecker’s Büste geschnitten von
W. Kullrich. In Britannia-Metall und in Silber, in
einer kleineren (beide) und in einer grösseren Ausgabe
(die erste Medaille nur). — Berlin, Ernst & Korn und
E. H. Schroeder.
— Geschnitten von Helfricht. In Bronze, vergoldeter
Bronze, Silber. — Gotha, C. F. Thienemann in Com¬
mission.
Schiller-Spiel. Ein unterhaltendes, höchst interessantes und
belehrendes Glücks- und Gesellschaftsspiel für grössere
und kleinere Kreise. Mit Schiller’s Portrait. — - Berlin,
A. Streerath & Co.
Schnitzspahn, C., s. Denkmünze (Hamburg).
Sebald, C., s. ebda. (Augsburg).
Staudigel, F., s. ebda. (Hamburg).
Wilke, G., s. Schillerdenkmünze.
IV. Nachträge
zu den Abteilungen A — C.
(s. Zeitschrift für Bücherfreunde 1905/1906, Heft 2/3,
S. 124—138.)
Aniiel, Das Lied von der Glocke, deutsch und französisch.
2. Ausgabe. — Genf. 1860.
Bernhardi, Wolfg., s. oben Abt. II: Erinnerungsblatt
(Schlotke).
Fanden, Fr. v., Concordia; Constantia; victoria! oder
Triumphlied der deutschen Eintracht am Schillerfeste,
am 10. Novbr. 1859.
Horwitz, A., s. oben Abt. I: Lewandowski.
König, Edg., s. oben Abt. II: Erinnerungsblatt (Schlotke).
Landau, H. J., s. ebda.
Langen, K. v., s. ebda.
Mansfeld, Heinr., s. ebda.
Marggraff, Hermann, s. oben Abt. I: Pfeil.
Müller, Konr., s.. oben Abt. II: Erinnerungsblatt (Schlotke).
Oelkers, C., s. ebda.
Pecht, Friedrich, s. oben Abt. II: Schiller-Galerie.
Pulvermacher, s. oben Abt. I: Damrosch.
Schasler, Max, s. oben Abt. II: Schiller’s Lied.
Schillerfeiern :
I. Darmstadt , Vorfeier zu Schiller’s ioojährigem
Geburtstag.
414
von Roeslerstamm, Die Autographensammlung von Alexander Meyer Cohn.
2. Genf, Schiller-Feier in Genf. (Enthält u. a. Das
Lied von der Glocke, franz. und deutsch. Wohl von
Amiel!)
3. Heidelberg, Zur Schillerfeier. Vortrag.
4. Osnabrück, a) Schillerfeier zu Osnabrück. Programm
f. d. öffentlichen Festzug. Folio. — b) Schiller-
Feier des Handels-Instituts zu Osnabrück, Freitag,
d. ii./ii. 1S59. Gertrudenberger Kaffeehaus. Pro¬
gramm. Folio.
Stahr, Ad., s. oben Abt. II : Schillerbildnisse (Milster).
Sülze, E., Festrede am 1 00 jährigen Geburtstage Schiller’s
10. Novbr. 1859 in Osnabrück. 8.
Vogel, C., s. oben Abt. II: Neher.
Die Autographensammlung Alexander Meyer Cohn.
Von
E. Fischer von Roeslerstamm in Rom.
as wohlgelungene Porträt, das Gotthilf
Weißstein dem warmen Nachruf beifügte,
den er in den Spalten dieser Zeitschrift
dem Berliner Sammler widmete, schmückte
auch den von der Firma J. A. Stargardt in Berlin
würdig ausgestatteten und tadellos redigierten Ver¬
steigerungskatalog. Überdies hatte sich ein Mann
der Wissenschaft dazu herbeigelassen, das Buch,
das die Lebensarbeit eines Mannes vor Augen
führt, der doch nur Sammler war und niemals
etwas anderes sein wollte, mit einer Vorrede ein¬
zubegleiten. Professor Dr. Erich Schmidt schrieb sie
als Freund dem Freunde. Durch jede Zeile klingt
hier der Ton der Dankbarkeit hindurch, den die
Wissenschaft demjenigen Liebhaber schuldet, der
nicht auf seinen Schätzen sitzt wie der Geizhals
auf der Geldtruhe, sondern über seine Türe ge¬
schrieben hat: Kommt herein, die Ihr selber wissens¬
durstig seid und anderen Wissenswertes mitteilen
wollt, — ich will Euch erquicken ! —
Seit die Welt steht, sind auf einem Autographen-
Auktionstische noch nicht solche Schätze ausge¬
breitet worden, wie sie in der letzten Oktoberwoche
in der Königin Augustastraße in Berlin auslagen,
und im Februar wird sich dieses Schauspiel wieder¬
holen, wenn die neuere deutsche Literatur, die
im Oktober (dem Alphabete nach) nur bis Klinger
reichte, mit Zschokke zum Abschluß kommt und
aus dem Gebiete der bildenden Kunst und der
Musik nur die allerersten Namen, diese aber nahezu
vollständig und wieder in vorzüglichen Proben, auf¬
gelegt werden sollen. Reicher ausgestattete Auk¬
tionen hat es bisher nicht gegeben, als die von
1877 bis 1885 in Paris abgehaltenen von Fillon
und Bovet, über die zwei dicke Bücher erschienen
sind, deren Besitz nicht nur den Autographen¬
sammler erfreut, sondern auch die wenigen öffent¬
lichen Bibliotheken, die damit versehen sind.
Ihnen gesellt sich nun der vollständige Katalog
Alexander Meyer Cohn hinzu, und bald wird in
den Universitäts- und Hofbibliotheken auch dieses
Buch die Spuren häufiger Benutzung zeigen, die
die ebenso gut verfaßten, ebenso übersichtlich zu¬
sammengestellten Kataloge Fillon und Bovet aus¬
zeichnen, und die Namen dieser Drei als wackerer
Hilfsarbeiter werden nicht in Vergessenheit ge¬
raten, solange auf dem Gebiete der Historie über¬
haupt und besonders in Literatur-, Kunst-, Musik-,
Kulturgeschichte geforscht wird. Allmählich werden
auch von den 200 nur für Freunde gedruckten
Exemplaren des Katalogs Morrison etliche in den
Besitz öffentlicher Institute gelangen, wo sie aus¬
genutzt werden können. Vielleicht wird dann der
Name Morrison der Nachwelt geläufiger, als er
es seinen Zeitgenossen war, die ihn nur wie einen
Dalai-Lama verehrten, den nicht mehr als wenige
Geweihte zu sehen bekamen.
Darf auch ich etwas ad majorem gloriam
unseres Freundes „Alex“ beitragen, indem ich hier
ein Geschichtchen über Morrison einflechte, das
zum Vergleiche dienen kann, wrie verschieden von
zwei Autographenliebhabern gesammelt wurde,
deren äußere Verhältnisse sich ähnelten und die
miteinander wetteiferten in dem Bestreben, inhalt¬
lich bedeutende Schriftstücke von großen Persön¬
lichkeiten zu erwerben. Herr Morrison stand seiner
Zeit einem ausgedehnten industriellen Unter¬
nehmen vor und war stets so sehr in Anspruch ge¬
nommen, daß er den Einkauf von Autographen
seinem Hauptlieferanten Thibaudeau überlassen
mußte, demselben gelehrten Antiquar, der auch
den Katalog seines freigebigen Klienten in An¬
griff nahm. An einem Wintertage mußte Thibau¬
deau, der dem reichen Sammler wieder eine Kost¬
barkeit anzubieten hatte, diesen in einem Zimmer
der Wohnung Morrisons erwarten. Vor ein paar
Tagen erst war er aus einem ähnlichen Anlasse
ebendort gewesen, und das teure Stück hatte da¬
mals Morrisons Beifall gefunden. Thibaudeau er¬
staunte — erschrak, da sein Blick zufällig auf
den neben dem Kamin stehenden Holzkorb fiel,
in dem obenauf das vor wenigen Tagen zurück¬
gelassene Autograph lag. Natürlich wurde es von
dem ihm drohenden Flammentode, der ihm viel¬
leicht am selben Abend noch beim Feueranmachen
bereitet worden wäre, gerettet. Herr Morrison
mag wohl etwas verlegen gewesen sein, da er
das freudestrahlende Gesicht des Herrn Thibaudeau
von Roeslerstamm, Die Autographensammlung Alexander Meyer Cohns.
415
sah, als er ihm das wertvolle Autograph zum
zweitenmal überreichte. Vielleicht ist die Anekdote,
die mir als verbürgt erzählt wurde, doch nur gut
erfunden. Ich würde sie nicht wieder aufgewärmt
haben, wenn ich nicht überzeugt wäre, daß der
Leser die Erklärung und Entschuldigung für einen
solchen Mißgriff eines Domestiken selbst bereit hat.
Man kann sich ja nicht genug darüber freuen,
daß ein vielbeschäftigter Mann noch Erholung in
einem edlen Geistessport sucht, — und daß
Morrison nicht nur in dem Besitze einer herr¬
lichen Autographensammlung schwelgte, sondern
ihr auch so viel Zeit widmete, als ihm zu Gebote
stand, daran ist nicht zu zweifeln. Alex richtete
sich sein Leben anders ein und konnte es tun,
da sein ihm im Tode nur zu bald gefolgter Bruder
ihm viele Geschäftslasten treulich abnahm. So
war er denn selbst der alleinige Verwalter seiner
Sammlung, und wenn er im Laufe der vielen
Jahre, die sein Sammlerleben währte (wenn auch
sein Erdendasein früh endete), einmal einen volu¬
minösen Einkauf gemacht hatte, dann ruhte er
nicht und nahm die Nächte zu Hilfe, um den
Zuwachs fein säuberlich einzuordnen. Auch die
Auswahl für den 1886 von ihm herausgegebenen
„Katalog einer Autographensammlung zur Ge¬
schichte der deutschen Litteratur seit Beginn des
XVIII. Jahrhunderts“, — was ausgezogen, was
ganz mitgeteilt werden sollte, — traf er selber,
und nur seine strenge Gewissenhaftigkeit, daß er
nicht etwas als ungedruckt bezeichne, was doch
schon publiziert war, oder daß ihm eine Wendung
in einem Briefe vielleicht entgehen könne, die ein
Fachmann zu deuten wußte, gebot ihm, einen
solchen zur Mitarbeit heranzuziehen.
Es ist für uns wenig- oder doch minderbegüterte
Sammler, die wir beinahe Tag für Tag viele Stunden,
von Hilfsbüchern umgeben, bei unseren Autographen
sitzen und uns über einer unleserlichen Briefstelle,
besonders über vorkommende Orts- und Familien¬
namen, die der Briefschreiber als dem Empfänger
bekannt voraussetzen durfte, oder gar über Anonyma,
hinter denen wir ihrem Inhalte nach einen respek¬
tablen Verfasser wittern, den Kopf zerbrechen, —
es ist für uns sozusagen ein wohltuendes Gefühl,
zu wissen, solcher Arbeit habe sich auch ein sehr
reicher Mann gern unterzogen und sie nicht einfach
einem Sekretär aufgebürdet. Was uns nicht hindert,
uns auch bei aller Bescheidenheit mit Silvio
Pellico zu vergleichen, der freilich nicht selbst
Autographensammler war, aber die Sammlung
seiner Gönnerin, der Marquise Barol, ordnete und
an dieser Beschäftigung, wie man aus vielen aus¬
gedehnten Notizen erkennt, die er auf die Um¬
schläge schrieb, große Freude fand.
Freude, richtiges Sammlerbehagen, atmet der
Katalog Meyer Cohn auf jeder seiner bisher vor¬
liegenden 156 Seiten. Und diese Freude teilt
sich dem Leser mit. Nicht nur dem Gelehrten,
der hier und da Handhaben findet, die ihn in
seinen Ansichten bestärken oder ihm auch manch-
z. f. B. 1905/1906.
mal einen neuen Gesichtspunkt liefern, von dem
er ein Thema, das er gerade studiert oder das er
später einmal gründlich vornehmen will, zu be¬
trachten habe, — auch wir einfachen Sammler,
denen der Volksglaube andichtet, daß wir uns
vor Neid verzehren, freuen uns herzlich und auf¬
richtig, so viele schöne Dinge beieinander zu
wissen, — nur daß wir über das Zerstreutwerden,
dem gewöhnlich ernstgemeinte Tränen nachgeweint
werden, anderer Ansicht sind.
Die landläufige Forderung: was ein Sammler
Jahre hindurch mit großen Kosten zusammenge¬
bracht hat, solle als Ganzes, ungetrennt, nach
seinem Tode in den Besitz eines öffentlichen In¬
stituts übergehen, wird und ward für alle Arten
von Sammlungen, für Gemäldegalerien, für andere
Kunst- und Altertümer-Sammlungen, für wissen¬
schaftliche, selbst für naturhistorische Kollektionen
und für Privatbibliotheken usw. erhoben. Die
zumeist dabei interessierten Galerie-, Museums- und
Bibliothek-Vorstände wehren selbst ab. Ja, wenn
man ihnen erlaubte, einiges für sie Wünschenswerte
auszu wählen und das übrige durch Verkauf ab¬
zustoßen, wären sie gern Nehmer! Wenn aber
die Notwendigkeit vorliegt, der Vermehrung zuliebe
Zubauten zu machen oder wenigstens das Be¬
wachungspersonal und den wissenschaftlichen Stab
zu vergrößern, dann danken sie bestens. Mit
Autographen steht es insofern anders , als sie
nicht allzuviel Platz beanspruchen. Auf diesem
Gebiete hält also die Begehrlichkeit an und unter¬
stützt noch die als landläufig angeführte Forderung.
Doch wie denkt man sich ihre Erfüllung? Den
Erben eines Autographensammlers kann unmöglich
zugemutet werden, alles ohne Vergütung hinzugeben.
Da behielten sie es doch lieber selbst, schon aus
Pietät für den Verstorbenen. Also müßte die
Sammlung in Bausch und Bogen gekauft werden.
Ich verweise auf den Fall Radowitz. Der Kata¬
log, der 1864 die von dem bekannten Politiker
hinterlassene Sammlung leidlich gut beschreibt,
zählt 13000 Nummern und führt jede Ur¬
kunde, jeden Brief und jedes Briefchen, auch von
damals schon vergessenen Staatsmännern, Ge¬
lehrten, Dichtern usw. einzeln auf. Mit der In¬
drucklegung dieses Katalogs, der eine bevorstehende
Auktion anzukündigen schien, sollte eine Pression
auf die preußische Regierung ausgeübt werden , die
auch glücklich darauf — einging und die Samm¬
lung für die Königl. Bibliothek in Berlin für den
Preis von 15000 Talern erwarb. Wie hoch wären
der Berliner Bibliothek wohl diejenigen Stücke, auf
die es ihr allein ankommen konnte, bei der Auk¬
tion zugeschlagen worden, wenn die Regierung
diese nicht verhindert hätte! Sie hätte nicht den
vierten Teil jener Summe auszugeben gebraucht
und wäre von dem großen Ballast des Über¬
flüssigen befreit geblieben.
Daß eine Auktion Radowitz 1864 eine an¬
nähernd so große Summe gebracht hätte, wie der
Staat zu bezahlen hatte, ist zu bezweifeln. War
54
4i 6
von Roeslerstamm, Die Autographensammlung Alexander Meyer Cohns.
nun diese Staatshilfe angebracht? konnten die
Radowitzschen Erben sich für die Verdienste,
die der bekannte Führer der äußersten Rechten
der Paulskirche sich um Preußen erworben hatte,
nicht genügend belohnt fühlen, wenn die Kgl.
Bibliothek als kräftige Mitbieterin bei der Auk¬
tion auftrat? — In den seither verflossenen vier
Jahrzehnten ist vieles anders und besser geworden.
Bei der Versteigerung im Oktober traten zahlreiche
öffentliche Institute auf den Plan. Daß sie unter¬
einander kämpften und auch die Mitbewerbung
zahlreicher Sammler sich fühlbar machte, ist
nur recht und billig. Denn sollten nicht auch
die Sammlerkollegen des Verstorbenen zum Worte
kommen? Zugegeben, daß viele Stücke gebiete¬
risch verlangten, in eine öffentliche Sammlung
aufgenommen zu werden, wo sie von einem un¬
gewissen Schicksale in der Zukunft bewahrt bleiben,
— welcher vermögende Sammler würde sich aber
künftig noch bereit finden lassen, hervorragende,
sogenannte Museumsstücke zu erwerben, wenn er
voraussehen müßte, daß sie seinen dereinstigen
Erben durch Kartelle entwertet würden, die sich
auf den falschen Grundsatz stützen, man dürfe
dem Zunächstberechtigten die Erwerbung nicht
erschweren?
Die hochsinnige Witwe und die beiden Töchter
Meyer Cohns haben ohnehin der verpflichtenden
Noblesse des Gemüts und Verstandes die aller¬
weitestgehenden Konzessionen gemacht. Trefflich
beraten nicht nur von der die Auktion leitenden
Firma, sondern auch von Freunden des Verstor¬
benen, in erster Linie von dem Verfasser des
Vorwortes, waren sie gewiß darauf aufmerksam
gemacht worden, daß das Angebot so vieler
Goethe-, Schiller-, Kleist-, Wielandbriefe auf einmal
den Preis eines jeden einzelnen Autographs herab¬
drücken mußte, daß der Autographenmarkt über¬
haupt nicht für eine solche Menge teurer Stücke
im Laufe weniger Monate aufnahmefähig sei. Die
Pietät gegen den Gatten und Vater gebot aber,
daß mit einem Wurf gezeigt werde, woran der
Teure, außer an Frau und Kinder, sein Herz ge¬
hängt habe. Seite um Seite sollte erwiesen werden:
das ist die erlauchte Gesellschaft, in der Alex
verkehrte! Wundert Euch nicht, ihr modernen
Berliner, daß er ihr zuliebe Eure Geselligkeit mied,
daß er sich gern in die Einsamkeit seines Studier¬
zimmers zurückzog oder doch nur Leute bei sich
sah, die seinen Neigungen Verständnis entgegen¬
brachten oder die sich auf verwandten Gebieten
bewegten und überall, wie er, ein Herz für das
Allgemeine hatten! —
Wen von uns — ich meine diejenigen, die
häufig Gelegenheit hatten, in seine Schätze einen
Blick zu tun oder aus seinem Munde zu hören,
welche kostbaren Erwerbungen er neuerdings wieder
gemacht habe — hätte der Katalog nicht doch
überrascht mit seiner Fülle von Auserlesenem,
seiner Vollständigkeit in einzelnen Gebieten, so
besonders in der ersten Hälfte, im Goethekreis!
Die Familie hätte dem feinfühligen Sammler kein
schöneres Denkmal setzen können, als dieser
Katalog ist, beziehungsweise werden wird, wenn
uns auch die zweite Hälfte vorliegt. Um bei dem
Denkmals-Vergleich zu bleiben, so ist es ein Mo¬
nolith geworden, eine zum Himmel ragende ein¬
heitliche Säule, während die Rücksicht auf die
Kauflustigen verlangt hätte, daß man eine Reihe
von Jahren hindurch in jedem Jahre nur eine der
zahlreichen Sockelfiguren vollendet vorgeführt hätte
und zu der Hauptfigur, der deutschen Literatur,
im ersten Jahre nur der Grundstein gelegt worden
wäre, auf dem man dann weitergebaut haben würde.
Man wäre ja immer noch mit den vielen Urkunden
und Briefen von Fürsten, sowie mit den gleichfalls
oft in der Mehrzahl, um nicht Vielzahl zu sagen,
vertretenen Musikern ins Gedränge gekommen;
aber die Literaturgrößen wären doch dann wenig¬
stens verteilt worden, so daß der Markt nicht zum
Beispiel durch wohlgezählte 313 Goethe - Stücke
auf einmal überflutet werden konnte.
Die Noblesse der Erben (und des Auktionators,
dürfen wir hinzusetzen, der von einer anderen
Verteilung gleichfalls Nutzen gezogen hätte) blieb
aber dabei nicht stehen. Die betreffende öffentliche
Sammlung oder die Privatkäufer, die auf eine Serie
von Briefen, die alle an einen Adressaten gerichtet
waren, reflektierten, sollten nicht zu befürchten
haben, daß ihnen ein Brief oder mehrere Briefe
aus der geschlossenen Reihe entgehen könnten
durch einen ä tout prix bietenden Einzelkäufer.
So wurden denn zum Beispiel die Briefe Goethes
an E. H. Jacobi und an den Grafen Reinhard,
sowie die Briefe Heinrichs v. Kleist an Wilhelmine
Zenge in je eine Katalogsnummer gebracht.
Was das sagen will, erhellt aus folgenden
Rechenexempeln. Die 29 einzeln zum Verkauf
gekommenen mit „G.“ oder ,, Goethe“ und ähnlich
gezeichneten eigenhändigen Briefe wurden im
Durchschnitt mit 318 M. ein jeder bezahlt; das
Gedicht unter der Nr. 1172 mit 905 M.; die nur
Unterzeichneten Briefe erzielten im Durchschnitt
61 M. Von den an Jacobi gerichteten Briefen
waren 7 1 eigenhändig, 1 4 nur unterzeichnet ; ferner
waren zwei eigenhändige Gedichte „Wanderers
Sturmlied“ und „Morgenklagen“ dabei. So bezahlt
wie die Einzelstücke, hätte die Jacobi-Nummer
also 25242 M. bringen müssen, während sie in
der Tat bei 12 100 M. stehen blieb. Von den
68 Briefen an Reinhard waren nur drei eigen¬
händig; sie hätten aber doch 4919 M. bringen
sollen, während sie mit 2365 M. fortgingen. 13
Kleistbriefe — ich schließe die Nr. 1702 aus,
weil sie als der letzte Brief des vor dem Selbst¬
morde stehenden Dichters mit 1300 M. als Ku¬
riosität bezahlt wurde, sonst würde der Durchschnitt
noch höher werden — erzielten 3835 M., gleich
295 M. für einen. Die 34 Briefe an Kleists Braut
brachten aber nur 2970 M. , mithin 7060 M. zu
wenig. Noch greller wird der Abstand, wenn man
die Seitenzahl in Betracht zieht. Jene 29 Goethe-
von Roeslerstamm, Die Autographensammlung Alexander Meyer Cohns.
4i;
briefe wiesen 56 Seiten auf; es kommen also auf
die eigenhändig beschriebene Seite 182 M. Da
wäre der Preis für die 7 1 eigenhändigen Briefe an
Jacobi mit 166 Seiten schon höher als 30 000 M.,
und die ebenso berechneten 159 Seiten Kleists
an seine Braut gäben mit 142 M. pro Seite die
horrende Summe von 22578 M. — Nun werden
Dichterbriefe ja nicht mit der Schneiderelle ge¬
messen. Man wird mir aber zugeben, daß die
Schreiben Goethes an Jacobi, die bis 1 7 7 3 zu'
rückreichen, gewiß höher geschätzt werden können
als Kondolenz- und Gratulationsbriefe, die den
Durchschnittspreis herabdrücken, wie auch die
Briefe an Kleists Braut nicht nur ungewöhnlich
lang, sondern auch hochinteressant sind. Wer
also darauf gefaßt war, daß die Briefe einer Serie
einen weit geringeren Durchschnittspreis erzielen
mußten als die Einzelbriefe, hat den Erwerbern
ein bedeutendes Geschenk gemacht.
Wie die Besitzer und der Auktionator, so
standen aber auch die persönlich anwesend oder
durch Kommissionen vertretenen Käufer auf der
Höhe der Situation. Die tadellose Qualität der
Sammlungsstücke — darauf hielt „Alex“ mehr,
als irgend ein anderer — und der bedeutende
Inhalt beinahe eines jeden vorgelegten Briefes
sorgten dafür, daß an diese Versteigerung nicht
der gewöhnliche Auktions-Maßstab angelegt werden
konnte. In der Beilage des Novemberheftes hat
die Zeitschrift für Bücherfreunde schon eine lange
Reihe von Preisen mitgeteilt. Ich verzichte darauf,
nur einige von diesen hohen Notierungen mit einem
Kommentar zu begleiten. Unica und Rarissima,
wie sie unter den Urkunden von Potentaten zahl¬
reich vorkamen, oder wie die Schriftstücke von
Sebastian Brant, Sebastian Frank , Paul Gerhardt,
Thomas Murner und Konrad Peutinger hat jeder
Interessent sich schon selbst notiert, wie ihm auch
aus dem Goethekreise die allerseltensten Personen
nicht entgangen sein werden. Es fehlte nur Käthchen
Schönkopf und Graf Thoranc. Durch eigenhändige
Briefe waren vertreten: Christiane Vulpins (255 M.),
Minna Herzlieb (120 M.), Johann Konrad Seekatz
(300 M.) und Corona Schröter (300 M.) ; bei
Friederike Brion und Elise Schönemann (Lilli)
mußte sich auch Alex mit Stammbuchblättern
begnügen, die 780 resp. 250 M. brachten, bei
Susanne Klettenberg, der „schönen Seele“, mit einer
letztwilligen Anordnung für ihr Begräbnis, die
100 M. erzielte; dagegen war Marianne v. Willemer
(Suleika) durch zwei eigenhändige Briefe (195 M.)
vertreten, die allerdings eigentlich nur ein Schreiben
ausmachen. Franz Lerse, Aktuar Salzmann, Werther
und Werthers Lotte, Frau v. Stein, Ulrike v. Le-
vetzow u. a. , die nicht außerordentlich seltene,
aber doch gesuchte Persönlichkeiten sind, über¬
gehe ich; um aber zu zeigen, wie weit Alex in
seinen Bestrebungen, Goethe durch Handschriften
zu illustrieren, ging, erwähne ich, daß der Goethe¬
kreis von ihm ausgedehnt wurde bis zu einem
Frankfurter Kornhändler, der Hausfreund bei
Goethes Eltern war und den Knaben Wolfgang
im Schlittschuhlaufen unterwies. Ich gestehe, daß
ich dessen Namen (Joh. Kasp. Bölling) nicht nur
bisher nicht gekannt habe, sondern trotz ange¬
strengten Suchens auch nicht finden konnte, woher
Meyer Cohn diese Kenntnis hatte.
Sonst Namen aus dem Kataloge zu nennen
und hervorzuheben, wie hoch die betreffenden
Schriftstücke bewertet wurden, halte ich deshalb
nicht für angebracht, weil ohne Wiedergabe des
vollständigen Inhalts und immer erneute Hervor¬
hebung des tadellosen Zustandes, in dem sich
die Meyer Cohnschen Stücke befanden, falsche
Vorstellungen erweckt werden müssen. Ein Bei¬
spiel für viele: Grillparzer wird ja jetzt als Auto¬
graph unendlich hoch geschätzt; daß aber der
gewiß sehr schöne, vier Quartseiten füllende Brief
aus Rom vom Jahre 1819 bis auf 551 M. ge¬
trieben wurde: daraus Schlüsse für die Zukunft
ziehen zu wollen, muß man sich doch sehr hüten.
Als Einzelnummer erzielte den höchsten Preis
Goethes Shakespeare-Rede aus dem Jahre 1771,
ein Manuskript von acht Quartseiten (7000 M.).
Unter den Briefen wurde am teuersten bezahlt
der von Napoleon I. bald nach den Tagen von
Arcole aus Verona an die in Mailand zurück¬
gebliebene Josephine gerichtete, die ihm bei Be¬
ginn des Feldzugs angetraut worden war; dieses
Schreiben kam für 2 5 1 o M. in die Stadtbibliothek
von Frankfurt a. M., wo es schon seines zynischen
Inhalts wegen unter Schloß und Riegel verwahrt
werden möge, um erst wieder hervorgeholt zu
werden, wenn sich etwa neuerdings Schwärmerei
für den „großen Korsen“ breit macht. Die dritte
Stelle (1400 M.) kommt Luther zu; der hohe
Preis erklärt sich, weil Lutherbriefe immer seltener
werden und weil der Reformator (über den Nach¬
druck) an den Rat von Nürnberg in deutscher
Sprache schrieb. Beinahe ebensoviel (1360 M.)
erzielte ein Exemplar der Goetheschen Iphigenie,
in das der Altmeister eine Dedikation (4 Vers-
zeilen) an die Sängerin Frau Milder- Hauptmann
eingetragen hatte, die in seine Werke aufgenommen
ist. Den letzten Kleistbrief habe ich schon er¬
wähnt; die sechste Stelle nimmt das herrliche
Glückwunschschreiben Bismarcks an Kaiser Wil¬
helm I. ein, in dem er ihm dankt, daß er ihm
25 Jahre hindurch immer und ohne Wandel ein
gnädiger Herr gewesen sei und über seine Fehler
nie seine Treue vergessen hätte. Wie sehr, be¬
sonders in den letzten Jahren, der Inhalt eines
Autographs bei der Wertschätzung beurteilt wird,
erkennt man schon aus dem Vorstehenden, noch
mehr vielleicht aus hohen Notierungen für inhalts¬
reiche, als Geschichtsquellen zu verwendende
Briefe von Blücher, Gneisenau und Scharnhorst,
am meisten vielleicht daraus, daß ein Bericht
über die Schlacht von Leipzig, der in einem in
Weimar am 24. Oktober geschriebenen Briefe
von 6 Seiten enthalten ist, für 151 M. einen
Liebhaber fand, trotzdem über den Verfasser
von Roeslerstamm, Die Autographensammlung Alexander Meyer Cohns.
418
Klopstein das 60 bändige Lexikon von Wurzbach
nicht viel mehr zu sagen weiß, als daß er sich
in einem von ihm als Oberstleutnant geleiteten
Rückzugsgefecht bei Ebelsberg 1809 das Prädikat
„Ennsbruck“ erworben habe. (Wenn das so weiter¬
geht, wird man uns Autographensammlern nicht
mehr vorwerfen dürfen, daß wir Personenkultus
treiben, sondern uns loben müssen, daß es uns
um das Sachliche zu tun ist.)
Von Fürsten legte Meyer Cohn nur eigen¬
händige Briefe ein; bloß Unterzeichnete oder (in
älterer Zeit) mit dem Signum versehene Dokumente,
also besonders Schenkungsurkunden, Privilegien,
Adelsdiplome, Bullen usw., nahm er nur dann auf,
wenn ein Siegel angehängt war oder schöne Aus¬
stattung mit Miniaturen vorlag. Nach der Ab¬
stufung der Preise will es mir scheinen, als ob
den Schenkungsurkunden, die ja meistens Klöster
und fromme Stiftungen betreffen, von den Histo¬
rikern, welche die Dokumente prüften, das be¬
rechtigte Mißtrauen entgegengebracht wurde, daß
es sich häufig um Fälschungen handelte : natürlich
nicht um Falsifikationen jüngster Mache zur
Täuschung von Sammlern, sondern um Produkte
der Kunst schreibfleißiger Mönche, die ihrem
Kloster oder Orden einen pekuniären Vorteil zu¬
wenden wollten. Diese gefälschten Urkunden
wurden verfertigt oder vorgewiesen , wenn die
Aussteller oder die genannten Zeugen schon ge¬
storben waren, und haben für die Geschichts¬
forschung gewiß auch Wert. Autographensammler
sollten die Hand davon lassen, da auch der ge¬
wiegteste Diplomatiker, der die Handschriften der
Cancellare, echte Siegel u. dgl. zum Vergleich heran¬
ziehen kann, oft in Verlegenheit gerät. Wer aber nur
seinem künstlerisch gebildeten Auge vertraut und
beim Einkauf Kalligraphie, Miniaturen und sonstige
Ausstattung, vielleicht auch Einbände, wo sie vor¬
handen sind, berücksichtigt, wird nicht fehl gehen,
denn alle derartigen Stücke, wie auch die zahlreich
vorhandenen Silhouetten, deren häufige Reproduk¬
tionen einen Schmuck des Katalogs bilden, wurden
gut bezahlt.
Die Leser derjenigen Tagesblätter, die Aus¬
züge aus dem Kataloge brachten oder Berichte
über den Gang der Auktion veröffentlichten,
konnten sich nicht genug wundern, daß Briefe
hochgestellter Personen, die an ebensolche Per¬
sönlichkeiten gerichtet waren, im Besitze eines
Sammlers sich fanden und nun auf den Markt
kamen. Um die Briefe aus älterer Zeit haben
sich diese Zeitungsleser wohl weniger gekümmert;
an dieser Stelle aber kann ich darüber wohl
auch einiges anführen. In den Autographen¬
sammlungen fanden sich und finden sich noch
viele von Kaisern, Königen und anderen Regenten
an Päpste gerichtete Briefe (Meyer Cohn besaß
z. B. einen Brief Karls V. an Clemens VII.).
Diese Schreiben brauchen nicht immer im Vatikan
entwendet worden zu sein, obwohl dort mehr ge¬
stohlen wurde, als in irgendeinem anderen Archive,
— die Päpste empfingen ihre Post sozusagen häufig
in den Palästen der Familien, denen sie entstammten,
und dort blieben Briefe oft liegen, wurden ent¬
weder in das Familienarchiv gelegt oder kamen
schon früher unter die Leute. Zahlreiche nach Paris
gerichtete Briefe hochgestellter Schreiber gingen
bei der großen Revolution und auch später bei
Aufläufen verloren, indem aus den Fenstern der
von politischen Fanatikern erstürmten öffentlichen
Gebäude die Aktenbündel zu Hunderten aufdie Straße
geworfen wurden. Viele solche Bündel wurden aufge¬
sammelt und es kamen Stücke aus diesen geretteten
Konvoluten in Autographensammlungen; damals
kam aber auch das Autographenfälschen auf, und
von manchem Falsifikat wurde dann behauptet, es
sei 1793 auf der Straße gefunden worden. Was
von nichtfranzösischen ehemaligen Archivstücken in
den Autographenhandel und damit in Sammlungen
überging, rührt zu einem geringen Teile aus Unter¬
schlagungen ungetreuer Beamten oder Diebstählen
von Besuchern der Bibliotheken usw. her, — die
weitaus größere Zahl von Schriftstücken, die bei
den Liebhabern noch günstige Aufnahme fanden,
wurde seinerzeit aus Archiven ausgemustert, sollte
in die Papiermühle wandern, wurde aber von
Makulaturhändlern an Sammler, denen daraus zu
wählen gestattet war, verkauft.
Daß aber in der Autographensammlung, die
gerade jetzt besprochen wird, die an hochgestellte
Persönlichkeiten gerichteten Briefe sich so sehr
häufen, dafür habe ich Erklärungsgründe zur Hand,
die von meinen Sammelkollegen als stichhaltig
betrachtet werden dürften und, weil sie alles als
sehr natürlich geschehen erscheinen lassen, auch
von dem nach Phantastischem und Abenteuerlichem
dürstenden Sinn der Menge geglaubt werden mögen.
Der Reichtum der Sammlung Meyer Cohn an
Briefen, die an den 1883 verstorbenen Prinzen
Karl gerichtet sind, fiel besonders auf; herrliche
Briefe seines Vaters und seiner beiden Brüder
waren darunter. Nun war aber Prinz Karl, der
als eifriger Waffensammler selbst sehr wohl wußte,
womit man das Herz eines Sammlers erfreuen
kann, seinem Bankier, dem Vater von Alex, herz¬
lich zugetan. Für einen Sohn, der eine Lieb¬
haberei pflegt, zu der ihn der Vater, der ihm, als
Gymnasialschüler, einen Schillerbrief schenkte,
selbst verleitet hat, fällt auch dem strengsten
Geschäftsmanne eine Bitte nicht schwer, und zu
ferneren Ansuchen wird es der leutselige Prinz
gar nicht erst haben kommen lassen; nachdem
er die einmalige Bitte seines Bankiers erfüllt hatte,
hielt er für Alex in sich von selbst ergebenden
Pausen immer wieder Briefe bereit, die er ja bei
ihm in den besten Händen wußte. Und von einer
großen Kategorie von Briefen, die nicht durch
die Hände des Prinzen Karl gegangen sind, ist
mir die Provenienz ebensowenig zweifelhaft. Die
britische Prinzessin Victoria hatte aus ihrem Eltem-
hause, wo Prinz Albert und Königin Victoria
eine Autographensammlung angelegt hatten, die
von Roesierstamm, Die Autographensammlung Alexander Meyer Cohns.
419
Liebhaberei dafür nach Berlin mitgebracht. Ihren
Gemahl, den Kronprinzen, bestimmte sie, wenig¬
stens die an ihn selbst gerichteten Briefe nach
dem System einer Autographensammlung aufzu¬
bewahren. Sie selbst sammelte „universell“, d. h.
sie legte Briefe aller Zeiten, Nationen und Berufe
ein. Major v. Strantz hatte die Korrespondenz
des Kronprinzen zu ordnen; Dubletten seiner
eigenen Sammlung stellte er der Frau Kronprin¬
zessin zur Verfügung, mag wohl auch für sie
häufig Einkäufe besorgt haben. Natürlich bezeigte
sich auch die spätere Kaiserin Friedrich dankbar
und teilte Herrn v. Strantz mit. Ein anderer
Autographensammler, Herr v. Donop, bekleidete
jahrelang eine Vertrauensstellung bei dem Prinzen
Karl von Hessen-Darmstadt und dessen Gemahlin,
einer geborenen preußischen Prinzessin. Glaubt
man denn nun aber, unsere deutschen Prinzen
und Prinzessinnen seien so unnahbar steif, daß
sie einem Autographensammler, der tagtäglich mit
ihnen verkehrt, seinen Wunsch nach Briefen aus
ihrer Korrespondenz nicht gern an den Augen
abgelesen und daß sie ihm, wenn sie seinen stillen
Wunsch erfüllt, ihm die Verpflichtung auferlegt
hätten, davon ja nichts aus den Händen zu
geben? Ob die Herren v. Strantz und v. Donop
selbst noch mit Alex getauscht haben oder anderen
Tauschfreunden abgaben, was später in Meyer
Cohns Besitz gelangte, darüber weiß ich nichts
zu sagen; jedenfalls hat er aber, als ihre Samm¬
lungen zur Versteigerung kamen, bei den Auk¬
tionen gekauft. Wahrscheinlich ist mir auch, daß
die vielen Männer der Kunst und Wissenschaft,
die in dem kronprinzlichen Palais in Berlin aus-
und eingingen, zu Kontributionen für die Samm¬
lung der Kronprinzessin aufgefordert wurden und
dafür wieder ähnliche Gegengeschenke empfingen ;
dann wäre es aber wieder sehr leicht möglich,
daß einer oder mehrere dieser Herren mit den
kronprinzlichen Xenien nichts besseres anzufangen
wußten, als sie ihrem Freunde und Genossen bei
mancher kulturfördernden Arbeit, Alexander Meyer
Cohn, abzutreten. — Dabei kann ich noch immer
annehmen , daß Kaiser Wilhelm I. den Brief
Bismarcks aus Friedrichsruh vom2 9.Dezember 1886,
in dem der große Mann eingesteht, daß er Fehler
haben könne, aber seine unwandelbare Treue
betont, so hoch würdigte, daß er, vielleicht zu
Tränen gerührt, ihn alsbald seinem Sohne „hin¬
über“ schickte. Dort geriet er zu den Dubletten
der Kronprinzessin, wo vielleicht der beinahe
ebenso schöne Brief schon lag, in dem drei Jahre
vorher der Reichskanzler dem Kronprinzenpaar
zur silbernen Hochzeit gratuliert hatte. Es muß
doch zugegeben werden, daß wir heute, sieben
Jahre nach dem Tode des großen Staatsmannes,
durch den Wortlaut der beiden Briefe mehr er¬
griffen werden, als die Empfänger und Weitergeber
derselben, die ihm im Tode vorangingen, — denn
der Brief von 1883 ist an den Kronprinzen allein
adressiert. Ich will damit sagen, daß es der Ver¬
ehrung für alle Beteiligten, dem politischen Ver¬
ständnis und der patriotischen Begeisterung gar
nichts schadet, wenn solche Briefe in eine Privat-
Autographensammlung gelangen , gegebenenfalls
publiziert werden, wie jetzt geschehen ist, und
dann in ein öffentliches Institut wandern, statt
daß sie von vornherein zum Vergessenwerden in
einem königlichen oder kaiserlichen Palaste ver¬
urteilt würden.
Ich komme endlich zu dem Fazit, dem Ge¬
samtresultate. Es war ja absolut gewaltig hoch,
ca. 135000 M. Es wurden also an 6 Tagen
ca. 45 000 M. mehr erzielt, als bei der flottesten
Versteigerung, die jemals in Paris abgehalten wurde,
bei der Auktion Bovet, in drei Abschnitten, die
zwischen Februar 1884 und Juni 1885 lagen, her¬
eingebracht wurden. Überdies waren zahlreiche
Zuschläge bei Bovet fingiert, denn ein Jahr darauf
wurden viele als verkauft bezeichnete Stücke immer
noch ausgeboten, während bei Meyer Cohn nur
drei Katalogsnummern unverkauft blieben. Nicht
zu vergessen, daß die zweite Hälfte der Samm¬
lung, für die der Katalog demnächst verschickt
werden soll, erst im Februar an die Reihe
kommen wird.
Zweimal 135000 M. (nehmen wir an!) ist eine
hohe Ziffer. Aber entspricht sie dem, was Alex
für seine Sammlung ausgegeben hat? Mitnichten!
Schon vor etwa 25 Jahren erzählte er mir, ohne
daß ich ihn darüber interpelliert hätte, in einer An¬
wandlung von moralischem Katzenjammer, wie er
jeden Sammler zuweilen überfällt: „Ich muß jetzt
einhalten mit Kaufen, meine Sammlung kostet
mich bereits 300000 Mark!“
Als ich ihn wenige Jahre darauf wieder sah
und er mir abermals von solchen neuen Käufen
berichtete, warf ich hin: „Nun, dann haben Sie
wohl die halbe Million erreicht?“ — „Weit über¬
schritten“, gab er mir zur Antwort. Alex kam
auch wiederholt auf das künftige Schicksal seiner
Sammlung zu sprechen. „Ich kann sie ja nicht,“
rief er klagend aus, „nach Weimar schenken! Meine
zukünftigen Schwiegersöhne würden mich ver¬
fluchen!“
Seine Angehörigen wissen, welchen treuen
Gatten, welchen liebenden Vater sie an ihm ge¬
habt haben. Sie haben sein Andenken geehrt
durch die würdige Weise, in der sie seine Samm¬
lung wieder der Allgemeinheit zur Verfügung ge¬
stellt haben. Daß sie bewußt den Weg wählten,
auf dem sie Summen verlieren mußten, die für
andere Leute ein großes Vermögen wären, war in
dem Geiste des Verstorbenen gehandelt.
Bibliothek und Öffentlichkeit.
Von
Dr. Hans Schmidkunz in Berlin -Halensee.
frischer Zug geht heute durch die Ent-
icklung unserer Bibliotheken.“ Mit die-
m Worten beginnt eine Broschüre über
as angeregte Thema, die wir unten noch
näher würdigen werden. Allerdings besteht manch¬
mal dieser frische Zug mehr nur aus gegenseitigen
Ärgereien. In Berlin kommt das bibliotheksfreu¬
dige Publikum über die Königliche Bibliothek nicht
zur Ruhe. Eine außerordentlich verschärfende und
einengende Abänderung der Benützungsverhältnisse
an dieser Bibliothek hat in den letzten Monaten
viel böses Blut gemacht, obwohl ihr die Kenner
die Berechtigung wenigstens zu einem großen Teile
nicht abstreiten konnten. Das heißt: die vielbeklagten
Schäden der Königlichen Bibliothek gehen im
wesentlichen nicht auf bureaukratische Beschränkt¬
heit, auch nicht auf Mängel der Bestände und der
Mittel, schließlich auch nicht etwa auf persönliche
Unfähigkeiten zurück, sondern vielmehr darauf, daß
diese Bücherei, mag sie sich drehen und wenden,
wie sie will, dem Anstürme der großen Bildungs¬
armee nicht in richtiger Weise Stand halten kann.
Es wird kaum irgendwo eine Bibliothek geben,
die so sehr wie sie überflutet ist von tausend
und tausend Besuchern, die teils eines Entgegen¬
kommens würdig, teils eines solchen recht wenig
würdig sind. Diese Besuchermassen mögen nun
vielleicht sonstwo ganz wohl am Platze sein: in
einer wissenschaftlichen Bibliothek, wie der für den
Staat Preußen und für die deutsche Reichshaupt¬
stadt weitaus voranstehenden Berliner Königlichen,
ist es ganz einfach unmöglich, allen bisher ge¬
stellten Ansprüchen gerecht zu werden. Der Hin¬
weis auf die Liberalität, mit der anderswo, z. B.
in München, die Bibliotheken dem Publikum ent-
gegenkommen, ist hier durchaus nicht am Platze,
da er relativ idyllische Verhältnisse mit geradezu
stürmischen vergleichen will.
Weitaus der größte Teil der jene Bibliothek
bedrängenden Besucher würde in Bibliotheken von
anderer Art viel besser befriedigt werden können.
Sehen wir von der Spezialfrage ab, inwiefern die
Studenten außer der Universitätsbibliothek noch
weitere Gelegenheiten zur Bücherbenützung nötig
haben, so ist es ganz besonders das sozusagen
städtische Publikum, das hier seine literarische
Nahrung sucht. Weit wohler würde es sich fühlen,
weit glücklicher würde es mit Nahrung bedacht
werden können, wenn ihm eine Bibliothek zur Ver¬
fügung stünde, die zwischen einer wissenschaftlichen
Weltbibliothek vom Range der hier besprochenen
einerseits und den sogenannten Volksbibliotheken
andererseits die richtige Mitte halten wollte.
Nun wird man verwundert fragen, ob denn die
Riesenstadt Berlin wirklich noch keine Stadtbiblio¬
thek besitzt, während doch zahlreiche, ihr an Größe
und Bedeutung nachstehende Städte bereits seit
längerem über eine solche verfügen. Genau ge¬
nommen muß die Antwort lauten, daß Berlin eine
solche Einrichtung leider tatsächlich nicht besitzt
Es besteht zwar etwas, das bereits den Namen
einer Stadtbibliothek führt, und bibliotheksspezia-
listisch genommen ist dieses Etwas keineswegs zu
mißachten. Wir meinen die aus vielen tausend
Bänden bestehende und gerade für Geschichte und
Geographie sehr wertvolle Sammlung, welche die
Stadt Berlin besitzt und auch mit Ach und Krach
ergänzen will.
Seit 1815 existiert hier eine eigene „Magistrats¬
bibliothek“. Seit 1899 wurde ihre Neugestaltung be¬
absichtigt. Zunächst trennte man die mehr prak¬
tischen, den Verwaltungsgeschäften dienenden Be¬
stände der Bibliothek von den mehr theoretischen,
auf weitere Interessen gehenden. Das Ausgeschie¬
dene wurde samt der im folgenden zu erwähnenden
Göritz -Lübeck -Bibliothek in dem städtischen Ge¬
bäude, Zimmerstraße 90 — 91, untergebracht, als
Kern einer künftigen Stadtbibliothek. Das Zurück¬
gebliebene ist jetzt die eigentliche Magistratsbiblio-
thek, das heißt die Handbibliothek für die Magi¬
stratsgeschäfte. Ein „Katalog der Bibliothek des
Magistrats zu Berlin“ wurde in erster Auflage 1884
und in zweiter Auflage 1902 herausgegeben, jetzt
756 Seiten stark, mit beträchtlichem Titel- und
Sachregister. In diesem Katalog ist eine eigen¬
tümliche historische Sammlung nicht enthalten, die
vielmehr im folgenden Verzeichnis katalogisiert ist:
„Magistratsbibliothek zu Berlin, Verzeichnis der
Friedländerschen Sammlung zur Geschichte der Be¬
wegung von 1848“ (1897). Das Vorwort gibt Auf¬
schluß über die Schenkung, die der Stadt Berlin
von dem Arzte Dr. George Friedländer (1829 —
1892) gemacht worden war; die Sammlung selbst
ist von Dr. Arend Buchholtz auch in der Zeitschrift
für Bücherfreunde gewürdigt worden (im II. Jahr¬
gang, Band I).
Schmidkunz, Bibliothek und Öffentlichkeit.
421
Jener ausgeschiedenen Sammlung ist eine andere
Schenkung angegliedert, die veröffentlicht vorliegt
in dem „Katalog für die Bibliothek der Göritz-
Lübeck-Stiftung zu Berlin“ (1886— 1893). Samm¬
lung und Katalog zerfallen in zwei Gruppen: Zur
deutschen Literatur und Zur vaterländischen Ge¬
schichte; jede Gruppe hat wieder zwei Abteilungen,
so daß der Katalog aus vier Buchbänden besteht.
Im Vorworte zu dem ersten von ihnen ist über
den Ursprung und die Rechtsverhältnisse Aufschluß
gegeben, in den Vorworten der drei folgenden
Bände über Erweiterungen und dergleichen be¬
richtet worden.
Auf diesen Grundlagen können die neuerlichen
Anstrengungen zu einem Weiterbau immerhin eine
günstige Zukunft erhoffen lassen. Trotzdem ist alles
das hier Angeführte noch immer so gut wie nichts.
Ehe nicht für diesen Zweck ein eigenes großes
Gebäude vorhanden ist, mit einer Einrichtung, Do¬
tierung usw., welche allen anderen Stadtbibliotheken
mindestens gleichkommt, solange hat alles Anhäufen
wertvoller Spezialitäten in der hinteren oder
vorderen Ecke eines städtischen Gebäudes wenig zu
bedeuten.
Es gibt heutzutage bereits eine nicht mehr
geringe Anzahl maßgebender Personen, die Ver¬
ständnis für den großen und auch materiellen Vor¬
teil der in eine öffentliche Bibliothek hineingesteck¬
ten Gelder besitzen. Im Vertrauen darauf könnte
die Stadt Berlin ruhig eine oder die andere Million
in die Hand nehmen, um endlich das zu schaffen,
was sie ihren Einwohnern auch in dieser Beziehung
schuldig ist. Der Staat, dem dadurch eine beträcht¬
liche Last abgenommen sein würde, könnte sich
ganz wohl ebenfalls als verpflichtet betrachten, das
seinige dazu beizusteuern.
Unterdessen nehmen die den elementareren
Bedürfnissen dienenden Bibliotheken, die soge¬
nannten Volksbibliotheken , einen immer größeren
Aufschwung. Wir wollen hier auf keine Statistiken,
Beschreibungen usw. eingehen, zumal Nachrichten
über diese Dinge regelmäßig durch die Zei¬
tungen laufen. Auch die der Zeit nach erste und
bisher im Deutschen Reich anscheinend noch immer
einzige von einem Privaten ausgehende Volks¬
bibliothek ist bereits gut bekannt. Wir meinen
die „Öffentliche Bibliothek und Lesehalle“ in
Berlin SW. 13, Alexandrinenstraße 26. An dieser
Stelle möchten wir lediglich auf ihr Bücherverzeich¬
nis hinweisen, das im Verlage des Eigners, Berlin
1904, erschienen ist und zwar bereits in zweiter
Auflage.
Der Schöpfer dieses Unternehmens, Herr Stadt¬
verordneter Hugo Heimann, hat mit ihm eine
Bibliotheksleistung geschaffen, die nicht nur in
weiteren Kreisen des Publikums, sondern auch
in der bibliothekarischen Fachwelt lebhafte An¬
erkennung gefunden hat. Wer nicht dazu gelangt,
das Institut selber zu benutzen oder zu besichtigen,
wird bereits an jenem Katalog Befriedigung seines
Bildungsinteresses finden. Die zweite Auflage hat
die bequeme Einrichtung der ersten Auflage noch
um einiges vermehrt, besonders durch ein Register
der Verfasser einschließlich einiger Titel; außer¬
dem ist der Umfang des Buches von 687 Seiten
auf 769 angewachsen. Zu dem im Kataloge
verzeichneten Bestand an Literatur kommen noch
mehr als 500 Zeitungen und Zeitschriften hinzu.
Der Gesaratbestand der Bibliothek dürfte bereits
gut 20000 Bände betragen. Die Auswahl der
Werke ist allerdings ersichtlich den Bedürfnissen
des Ortes und des Publikums angepaßt. In Dingen
der schönen Künste geht die Bibliothek ziemlich
weit: zwei eigene Abteilungen sind der Kunst und
Kunstgeschichte und der Musik und Musikgeschichte
gewidmet. Allerdings handelt es sich hier nicht
um eigentliche Musikwerke usw., sondern fast ledig¬
lich um theoretische Literatur über die Künste,
ausgenommen einige Vervielfältigungen von Bildern,
ein und das andere Liederbuch und dergleichen
mehr.
Damit kommen wir zu einer der heikelsten Art
von Spezialbibliotheken: zu den musikalischen.
Wollten wir die Klagen über allgemeines Biblio¬
thekswesen nach dieser Richtung zusammenfassen,
so würde des Jammers kein Ende sein. Zwar
bestehen nicht wenige Anhäufungen alter und
hie und da auch neuer Schätze an Noten werken;
und eine oder die andere von diesen Anhäufungen
ist sogar in etwas bequemerer Weise zugänglich.
Das heißt soviel als : wir haben noch keine Musik¬
bibliotheken. Einstweilen besitzen wir allerdings
etwas nicht ganz Belangloses: die Anwartschaft auf
eine Reichsmusikbibliothek. Tatsächlich besteht
diese Anwartschaft nicht bloß in dem Gerüchte,
daß etwas derartiges im Entstehen begriffen sei,
und namentlich bürgt die Energie des darin führen¬
den Mannes für ein Weiterreifen des bereits Ent¬
sprossenen. Auch der junge Berliner Volkschor
hat seine Aufmerksamkeit der Anlegung einer
Vereinsbibliothek zugewendet und damit zwar noch
keine Reichsmusikbibliothek geschaffen, aber doch
ein Etwas erreicht, das nicht erst der Zukunft
bedarf, um überhaupt vorhanden zu sein.
In viel glatteren Bahnen hat sich eine Biblio¬
thek entwickelt, deren Gestaltung sie trotz ihrer
relativen Kleinheit zu einer der bedeutendsten
Sammlungen macht und ihr den Ruhm verschafft,
vielleicht die bestverwaltete Bibliothek weit und
breit zu sein: die Büchersammlung des König¬
lichen Kunstgewerbemuseums in Berlin. Der Er¬
weiterungsbau des bisherigen Unterkommens der
Schätze jenes Museums hat jetzt die öffentliche Auf¬
merksamkeit auch wieder auf dessen Bibliothek
gerichtet. Schon im alten Gebäude waren die Ver¬
hältnisse ihrer Benützung so günstig, daß man sich
allein schon wegen der Vernünftigkeit und Annehm¬
lichkeit der Benützungsweise die Freude machen
konnte, sie zu besuchen. Die Art und Weise, wie
sie ihre Kataloge dem Publikum zur Verfügung
stellt, bedeutet zugleich eine recht scharfe Kritik
der Rückständigkeit an anderen Stellen.
422
Schmidkunz, Bibliothek und Öffentlichkeit.
Nun hat sie in einem Neubau eine noch aus¬
gedehntere Unterkunft gefunden. Auf mehreren
breiten Pulten lagern jetzt die verschiedentlichen
Kataloge so bequem, daß sie zu einer Vertiefung
in die Literatur und in die vorhandenen Kunst¬
blätter förmlich herausfordern. Von den sonstigen,
mit ausgesuchter Treffsicherheit auf den Bedarf
des Benutzers eingerichteten Spezialitäten der
Bibliothek, einschließlich der hygienischen, gar
nicht erst zu reden!
Wir haben im bisherigen bereits von mehreren
Bibliotheksarten gesprochen: von den großen
wissenschaftlichen, von den städtischen, von den
sogenannten Volksbibliotheken und von ver¬
schiedentlichen Fachbibliotheken. Daneben wird
recht wenig an eine Besonderheit gedacht, die
uns doch gerade bei der reichlichen Ausbildung
unseres politischen Verwaltungswesens nahe liegen
sollte. Wir meinen die „Territorialbibliotheken“,
allerdings ohne zu wissen, ob dieser Gattungsname
bereits ebenso in weiteren Kreisen geläufig ist,
wie er es zu sein verdient. Wie nämlich die
einzelnen Provinzen oder Landstriche ihre staat¬
lichen Sondereinrichtungen, ihre Schulkollegien, im
gewissen Sinne auch ihre Universitäten oder
sonstigen Hochschulen besitzen: ebenso könnte
für jedes „Land“ eine eigene Landesbibliothek
geradezu selbstverständlich sein. Es ist dies keine
müßige Einschiebung zwischen die Kategorien
einer Stadtbibliothek und einer Staatsbibliothek.
Das Land Brandenburg oder die Rheinlande sind
nun einmal eine Individualität in kultureller, geo¬
graphischer, historischer und wohl auch künstleri¬
scher Beziehung. Die einzelne Stadt hat für sich
zu sorgen, und der Staat hat für mehr zu sorgen
als für ein einzelnes Land.
Es liegt nahe, daß eine Hauptstadt oder sonst
eine hervorragende Stadt eines Landes in ihrer
Stadtbibliothek zugleich eine Territorialbibliothek
darbietet. Berlin könnte mit einer erhofften Stadt¬
bibliothek ganz wohl auch die Leistung einer
„märkischen“ Bibliothek verbunden und besitzt in
den oben erwähnten Beständen auch einen, über
den Bereich der Stadt selber hinausgehenden,
nicht unbeträchtlichen Ansatz dazu. Übrigens
dürfen wir uns an dieser Stelle vielleicht die,
nicht sehr weit abschweifende Bemerkung er¬
lauben, daß es in Berlin (Alte Jacobstraße 20 — 21)
auch eine „Bibliothek zur Frauenfrage“ gibt,
wöchentlich sechsstündig geöffnet, mit Leihgebühr
und auf Wunsch mit Zusendung der Bücher.
Vorläufig gibt es erst eine große Stadtbiblio¬
thek, die zugleich eine Territorialbibliothek ihres
Landes sein will und ist, leider ohne daß die
Regierung der betreffenden Provinz das Nötige
dazu tut. Wir meinen die Stadtbibliothek in Köln,
die also zugleich den Namen einer „rheinischen“
Bücherei verdient. Sie ist in weiteren Kreisen
durch verschiedentliche Verdienste bekannt ge¬
worden. Ihre Formulare für die Kataloge usw„
entworfen von ihrem jetzigen Direktor, haben,
wenn wir nicht irren, auf der Weltausstellung in
Chicago einen Preis bekommen. Außerdem hat
sie seit längerer Zeit, und zwar in früheren Jahren
noch mehr als jetzt, Veröffentlichungen geboten,
die nicht nur in der Bibliotheksliteratur eine Rolle
spielen. Es sind dies historische und biblio¬
graphische Fachschriften, dann Spezialkataloge von
Ausstellungen, weiterhin einige, jetzt leider ein¬
gestellte Zugangsverzeichnisse, und ganz besonders
eine Broschüre „Mitteilungen“, die zuerst 1902,
dann in zweiter Auflage erweitert 1903 heraus¬
gekommen und zugleich von der Bibliothek aus
ein „Führer für ihre Besucher“ ist. Namentlich
die letztgenannte Publikation könnte anderen Biblio¬
theken als Muster dienen.
Die treibende Kraft dieser Bibliothek ist seit
längerem ihr jetziger Direktor Dr. Adolf Keysser.
Man wird das Walten dieses Mannes wohl erst
dann genügend würdigen können, wenn man die
prächtige Einrichtung seines Institutes bis hinein
in die intimeren Winkel mit eigenen Augen ge¬
sehen hat. Doch schon seine Veröffentlichungen
geben ein einigermaßen anschauliches Bild von
dieser kleinen Welt. So hat er z. B. gegen die
vielberufene Vernachlässigung der Belletristik in
den Bibliotheken eine mit schlagenden Gründen
arbeitende Broschüre geschrieben: „Die öffentlichen
Bibliotheken und die schöne Literatur mit be¬
sonderer Beziehung auf die Kölner Stadtbibliothek“
(Köln, M. du Mont Schauberg, 1903).
Nun ist soeben eine neue Broschüre des Ge¬
nannten erschienen, die einen Mahnruf an die
öffentlichen Organe bedeutet: „Das Bibliotheks¬
wesen als Gegenstand der öffentlichen Verwaltung“
von Prof. Dr. Adolf Keysser , Direktor der Kölner
Stadtbibliothek. Köln 1905. Druck und Verlag
der Kölner Verlags- Anstalt und Druckerei, A.-G.
(51 Seiten Oktav). In fünf Abschnitten behandelt
sie die hier in Betracht kommenden Hauptpunkte.
Zuerst spricht sie von der „Fachmännischen Ver¬
waltung“ und setzt damit den bereits nicht mehr
neuen Kampf um Selbständigkeit und spezifische
Fachbildung des Bibliothekarstandes fort, tritt auch
energisch für lebenslängliche Anstellung eines jeden
bewährten Beamten und für möglichstes Verbleiben
desselben bei der ihm nun einmal gründlich be¬
kannten Bibliothek ein. „Auch Frauen, für deren
Ausbildung in Berlin zwei besondere Fachschulen
bestehen, sindim Bibliotheksdienste gut zu verwenden ;
sie haben sich vielfach im Verkehr mit dem Publikum,
in der Führung von Geschäftsbüchern und ähnlichen
Arbeiten vortrefflich bewährt. Ihre Zulassung zum
höhereti Bibliotheksdienste wird, wie zu hoffen ist,
nicht lediglich aus sozialpolitischen Rücksichten
erfolgen, sondern nur bei dem Nachweise einer
vollen bibliothekarischen Vorbildung .“
Weiterhin kommt die „Geldwirtschaft“ an die
Reihe. Auffallend ist dabei, daß nicht mehr über
völlige Zurückhaltung Privater gegenüber dem
Geldbedarfe der Bibliotheken geklagt wird, ob¬
wohl diese Privathilfe, wie der Verfasser bemerkt,
Schmidkunz, Bibliothek und Öffentlichkeit.
423
noch wenig für diejenigen wissenschaftlichen
Bibliotheken tut, die bereits einen populären
Charakter erhalten haben und deshalb jener Hilfe
besonders bedürftig sind. Jedenfalls aber ist der
Verfasser vollständig im Rechte, wenn er es ab¬
lehnt, daß eine anerkannt wichtige Bildungsanstalt
in der Bestreitung des als notwendig anerkannten
Minimums ihrer Bedürfnisse auf private Wohltätig¬
keit angewiesen sein sollte.
Der Abschnitt „Bücherbestände und Sammel¬
arbeit“ geht nun ganz besonders auf die Forderung
der „Territorialbibliotheken“ ein und überhaupt
auf die Notwendigkeit einer territorialen Gliederung
der Sammelarbeit. Diese allein gebe die Gewähr,
daß gewisse Literaturzweige da zu finden seien,
wohin sie gehören; allerdings bedürfe sie auch
einer entsprechenden Arbeitsteilung zwischen den
verschiedentlichen Sammlungen oder sonstigen
Bildungsanstalten. Dabei wird wiederum auch
darauf hingewiesen, wie ungerecht und gefährlich
die Vernachlässigung der zwar gedruckten, aber
nicht veröffentlichten Literatur ist. Es handelt
sich um den „Privatdruck“. Er bekommt erst
dann seinen richtigen Wert für die Literatur, wenn
seine Erzeugnisse in umfassender Weise gesammelt
werden. Versäumnisse in der Sammelarbeit sind
gerade auf diesem Gebiete nicht wieder gut zu
machen. „Theaterzettel, Programme von Festlich¬
keiten und künstlerischen Darbietungen, Stamm¬
bäume und Nekrologe, selbst Totenzettel“ werden
so zu einem wichtigen Quellenmateriale; allein
sie verfliegen bekanntlich in der Regel auf un¬
widerbringliche Weise, wenn sie nicht beizeiten
festgehalten werden.
Sowohl für diese wie auch für manche andere
Literatur, die nur eben nicht ohne weiteres zu¬
gänglich ist, empfiehlt der Verfasser mit Recht
etwas wie Agenturen zum Aufspüren von Literatur¬
schätzen, die man schließlich nicht allzuschwer
bekommt, wenn man sie nur in findiger Weise
sucht. Ja, er geht so weit, selbst der Polizei
eine nützliche Tätigkeit in dieser Richtung zuzu¬
muten. „Die Polizei bildet heute ein über das
ganze Land gebreitetes Netz, dessen Fäden in der
Hand einer zentralen Verwaltung zusammenlaufen.
Es wäre gewiß nicht schwierig, den berufsmäßig
ausgebildeten Spürsinn ihrer Organe, die ohnehin
in stetiger Berührung mit der Bevölkerung Er¬
mittelungen' mannigfachster Art vorzunehmen
haben, an der Sammelarbeit der Bibliotheken zu
beteiligen und damit auf ein Gebiet der öffent¬
lichen Wohlfahrtspflege zu lenken, das bisher eine
systematische Fürsorge nicht gefunden hat.“ — Hier
dürfen wir einschalten, daß der Gedanke einer
eigenen Sammlung von gedruckter, aber unver¬
öffentlichter Literatur seit ungefähr zwei Jahren
verwirklicht worden ist, und zwar zu Berlin. Als
Eigentum der „Gesellschaft für deutsche Literatur“,
die seit längerem auf die Gefahren des Ver¬
lustes unveröffentlichter Druckschriften aufmerksam
gemacht hat, ist jetzt in unserer Königlichen Biblio¬
thek die „Bibliothek deutscher Privat- und Manu¬
skriptdrucke“ aufgestellt worden. Wie der betreffende
Anschlag besagt, enthält die Sammlung nur in den
Handel nicht gekommene lyrische und epische
Dichtungen, Memoiren, Briefwechsel, Festschriften
und dergleichen, besonders aber einen großen Teil
unserer dramatischen Literatur seit etwa 1840, ein¬
schließlich der Übersetzungen ausländischer Bühnen¬
werke. Der Verwalter und anscheinend die Seele
des Instituts ist Professor Dr. Max Herrmann.
Die Benutzung geschieht nur zu wissenschaftlichen
Zwecken und insbesondere mit Vorsicht gegen die
Gefahr einer Verletzung des Urheberrechtes, da
namentlich Dramen gerade aus solchen Gründen
häufig nur als Manuskripte gedruckt werden. Der
Katalog jener Sammlung ist vorläufig weiteren
Kreisen unzugänglich.
Aus Keyssers Broschüre erfahren wir sodann
das nötige über „Unterbringung und Erschließung
der Bücherbestände“. Hier und auch sonst tritt
der Verfasser in einer unseres Erachtens doch
etwas zu weit gehenden Weise für zentralisierende
Bibliotheksarbeiten des Staates und des Reiches
ein. Zwar hat er Recht, einen sorgsam ausgearbeiteten
„Führer durch die Bestände der deutschen Biblio¬
theken“ zu fordern. Allein seine Begeisterung für
den bereits beschlossenen gedruckten Gesamt¬
katalog der preußischen (Keysser wünscht: aller
deutschen) Bibliotheken wird vielleicht nicht ein¬
mal von den meisten seiner Kollegen geteilt. Gar
erst ein „Universal-Katalog“ schlechtweg würde doch
wohl Kräfte absorbieren, die anderswo besser zu
verwenden sind. So scheint uns auch Keyssers
Meinung zu weit zu gehen, daß es kaum ein
Gebiet gebe, das so sehr der Zentralisation
bedürfe als die wissenschaftliche Bibliographie.
Dagegen ist sein Drängen nach einer zentralisieren¬
den Vereinfachung der Titeldrucke von Büchern
sehr berechtigt, solange nicht, was noch weit be¬
rechtigter ist, die Verleger selber ihre Bücher
mit genauen Titelabdrücken einliefern. Am aller¬
wenigsten möchten wir mit dem Verfasser mit¬
gehen, wenn er auf eine „Gesamtorganisation des
deutschen Bildungswesens“ oder gar auf ein
„Reichsbildungsamt“ hofft. Eine andere Sache ist
freilich der Gedanke einer besonderen „Reichs¬
bibliothek“, der mit Unrecht zu den Akten gelegt
worden ist.
Mit diesen Andeutungen haben wir auch bereits
den Schlußabschnitt des Büchleins „Gesamtorgani¬
sation“ markiert. Wenn wir nunmehr von der
vorliegenden Veröffentlichung Abschied nehmen,
so möchten wir mit dem Wunsche schließen, daß
zwar noch recht viele derartige Erscheinungen der
Bibliotheksliteratur in unsere Hände kommen, daß
aber die durch sie angeregten Schöpfungen und Ver¬
besserungen von Bibliotheken noch zahlreicher seien.
Z. f. B. 1905/1906.
55
Das Eisenbartlied in Frankreich.
Von
Dr. P. Mitzschke in Weimar.
Hn den Aufsätzen über Eisenbart (vergl.
auch Zeitschrift für Bücherfreunde VII,
Seite 217 ff. und 469 sowie VII, Heft 9
Beiblatt) findet sich gelegentlich erwähnt,
das Lied „Ich bin der Doktor Eisenbart“ sei auch
nach Frankreich gedrungen und man singe dort
den französischen Text nach einer besonderen
Melodie. Das „Daheim“ brachte auch einmal die
ersten Zeilen einer freien französischen Übersetzung
des Liedes und diese sind meinem Artikel „Eisen¬
bart“ in der „Allgemeinen Deutschen Biographie“
(Band 49, Seite 315) mit eingefügt worden. In¬
zwischen ist es mir durch freundliche Vermittelung
des Herrn L.-G. Gensollen in Besan^on gelungen,
einen vollständigen französischen Text zu erhalten,
der aus 6 Versen und einem zweizeiligen Nachge¬
sang besteht. Eine Vergleichung zeigt, daß diese
Übersetzung verschieden ist von jener, deren An¬
fang das „Daheim“ veröffentlicht hatte, denn nur
die erste Zeile des ersten Verses stimmt in beiden
überein. Die vorliegende Übersetzung hält sich im
ersten Verse ziemlich getreu an das deutsche Lied,
geht aber in den folgenden Versen meist ihre eigenen
Wege, indem sie mit ebenso großem Behagen und
noch geringerem Witz wie der deutsche Text dem
Wundermann andere Abgeschmacktheiten andichtet.
Nur der Katarrhalische aus Tombuktu im vierten
Verse erinnert durch seine Hinüberbeförderung an
den „Koch des großen Friederich“, und der Langen-
salzaer mit dem „zentnerschweren Kropf am Hals“
feiert im fünften Verse als „Marguiller von Flagistral“
seine Auferstehung. Ob mit diesen Benennungen
und mit Erwähnung der Blinden von Montmedy im
sechsten Verse Anspielungen auf tatsächliche franzö¬
sische Verhältnisse beabsichtigt sind, kann ich nicht
entscheiden. Hier der Wortlaut:
Le Docteur Isambart.
Je suis le docteur Isambart,
De gudrir je possede l’art,
Je rends les jambes aux boiteux,
Aux aveugles je rends les yeux.
Approchez tous, grands et petits,
Ecoutez bien ce que je dis:
Je n’ai qu’un but, un seul dösir,
C’est le ddsir de vous servir.
Une Anglaise de qualite
Ne pouvait plus prendre le thö.
Elle avale maintenant sans respect
Le the et la thdiere avec.
Un catarrheux de Tombouctou
Toussait ä ne pas rester debout.
Je le tuai du premier coup,
Maintenant il ne tousse plus du tout.
Le Marguiller de Flagistral
Avait un goitre d’un quintal.
Je le pressai si fortement,
Qu’il sortit la langue d’un pan.
A l’aide d’un tout petit lock
Que je fis composer ad hoc
A deux avengles de Montm6dy
Je fis voir l’6toile en plein midi.
Je n’ai qu’un but, qu’un seul espoir,
C’est le bonheur de vous revoir.
Die französische Melodie für eine Singstimme
bietet keine Anklänge an die deutsche und ist sehr
eintönig:
i=e
fr fr - frl-=fr:=fr —
Je suis le doc - teur I - sam • bart,
aux a - veug - les je rends les yeux.
Etwas Abwechselung kommt dadurch hinein, daß
wie beim deutschen Liede auch in der französischen
Übersetzung nach jeder Textzeile eine Zeile mit
Interjektionen folgt, die in schnellerem Tempo und
weniger eintönig gesetzt sind. Von einer Wieder¬
gabe dieser Noten ist hier abgesehen.
Das Ganze stellt sich dar als ein Couplet
(„Chansonnette comique“) für einen Gesangskomiker
und ist zum Vortrag in einer Singspielhalle oder
in einem Variete-Theater bestimmt. Den Versen
ist eine Prosaeinleitung mit zahlreichen Wortspielen
vorangeschickt; der Sänger stellt sich darin den
Zuhörern vor und erzählt seine Herkunft. Als Ver¬
fasser des ganzen Textes nennt sich Joseph Keim,
als Komponist ein Vicomte von Flaroß. Erschienen
ist der zweiblätterige Druck bei L. Labbe in Paris
als eine Nummer der „Grandes scenes de charlatan,
parades et boniments“, wie es auf der Titelseite
heißt. Am Fuße der zweiten Seite findet sich
außerdem die Angabe: „Les echos du theätre,
99e livraison“.
Chronik.
Shakespeare und kein Ende.
Mit dem Titel „Kaiserliche Akademie der Wissen¬
schaften“ verbindet man gewöhnlich den Begriff gründ¬
licher Forschung und Sachkenntnis. Und wenn nun
die Schrift eines Ehrenmitglieds einer ausländischen
Akademie der Übersetzung ins Deutsche gewürdigt
wird, so setzt man um so mehr voraus, daß ihr Inhalt
auch für uns Deutsche belehrend sein muß, daß wir
aus ihr wirklich Neues, den deutschen Fachgenossen
Unbekanntes oder von ihnen nicht mit genügender
Gründlichkeit Behandeltes in wissenschaftlicher Weise
durchgearbeitet finden werden.
Als ich nun eine Schrift „ Über Shakespeares
Kaufmann von Venedig uud das Shylok-Proble?n. Von
Wladimir Stassow, Ehrenmitglied der Kaiserlichen
Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Au¬
torisierte Übersetzung aus dem Russischen von Wil¬
helm Henckel“ (München, 1905) angekündigt fand,
beeilte ich mich, sie mir kommen zu lassen. Und
gewissermaßen war ich auch verpflichtet, von ihr Kennt¬
nis zu nehmen — habe ich doch vor zwölf Jahren eine
große Abhandlung über den „Kaufmann von Venedig“
in der Beilage der Münchener Allgemeinen Zeitung
veröffentlicht, und da mußte ich zu erfahren suchen,
was für neue Entdeckungen und Ideen darüber uns
der russische Akademiker zu bieten hat.
Ich will nicht das bekannte Urteil Lessings von
dem vielen Guten und Neuen wiederholen, denn
Neues habe ich in dieser Schrift überhaupt nicht ge¬
funden und es dürfte sie auch, wer meine erwähnte Ab¬
handlung gelesen hat, kaum finden. Übrigens scheint
es mir, daß der Verfasser weder diese noch die vielen
Bände des Jahrbuchs der deutschen Shakespeare-
Gesellschaft kennt.
Dagegen ist ihm Grätzens „Shylock in der Sage,
im Drama und in der Geschichte“ noch eine wichtige
Quelle und der Doktor Lopez noch die Veranlassung
zu Shakespeares Drama. Ebenso erzählt er Grätz die
Anekdote von Papst Sixtus V. nach.
Komisch wirkt der Ärger und die naiv-prosaische
Weise Stassows, wo er von dem Testament von Portias
Vater und der Freierwahl spricht. In der Beurteilung
von Jessicas Charakter stimmt er mit mir überein.
Wo er aber erfahren hat, daß Jessika oder Jiska „die
Aufpasserin, Beobachterin“ bedeutet, weiß ich nicht.
Raschi (Jarchi), der geschätzteste mittelalterliche
jüdische Bibelkommentator, erklärt (zu Genesis XI, 29)
sie für identisch mit Sara und bezieht den Namen
auf ihre Schönheit und Gottgefälligkeit. Von letzterer
ist freilich bei der Tochter Shylocks nichts zu finden.
Übrigens brauchte Shakespeare den Namen nicht
erst aus der Bibel zu holen, wenn es auch zu seiner
Zeit keine Juden in England gab. Wie vor einiger
Zeit in „Notes and Queries“ mitgeteilt wurde, kam
der Name Jessica bei Jüdinnen in England im
XIII. Jahrhundert vor. In Schottland fanden sich,
wie aus einer Urkunde von Robert Bruce ersichtlich
ist, einzelne Juden auch nach ihrer Vertreibung aus
England. Auch könnte der Name sich bei Konver¬
tierten erhalten haben. M. Grunewald („Hamburgs
deutsche Juden“, Hamburg 1904) fand den Namen Jiska
Fränkel auf einer jüdischen Grabschrift aus dem
Jahre 1770.
Daß Shakespeare kein Judenfeind war und sein
Merchant keine judenfeindliche Tendenz hatte, ist
schon von mir und dann von John W. Haies (in Eng-
lish histor. Review 1894, S. 652 — 61) nachgewiesen
worden. Stassow sagt also auch da nichts Neues, aber
seine weitläufige Auseinandersetzung darüber hat als
Polemik gegen den russischen Antisemitismus ihren
Wert. Und diesen relativen Wert mag auch das
Werkchen haben, wenigstens für die russischen Leser.
Die Übersetzung in das Deutsche lohnte wahrlich nicht.
Wozu aber einem solchen geringwertigen Schrift-
chen eine so eingehende ernsthafte Besprechung wid¬
men? fragt hier vielleicht der Leser.
Ich könnte mich mit der Antwort begnügen,
daß ich es aus Menschenliebe tue, um andern die
426
Chronik.
Exlibris, gezeichnet von Ilse Schütze.
Anschaffung und Lektüre zu ersparen; aber ich möchte
damit auch einen Vorschlag verbinden, zu dem mich
mehr als die Stassows eine andere Schrift über den
Kaufmann von Venedig veranlaßt hat. Es ist dies
G. Azzolinis schon vor mehr als einem Jahrzehnt er¬
schienene „Shylock e la leggenda della libbra di carne“
(Reggio dell’Emilia 1893), die glücklicher Weise nicht
ins Deutsche übertragen wurde. Azzolini polemisiert
hauptsächlich gegen Ihering, und das entschuldigt zum
Teil seine fast vollständige Unbekanntschaft mit der
Shakespeare-Literatur. Er kennt selbst die „Quellen
des Shakespeare“ von Symrock (sic) nur aus einem
Aufsatz Chiarinis.
Mein Vorschlag geht also dahin: es sollen künftig
Bücher über die Werke großer Dichter, besonders
Dante, Shakespeare, Goethe, nur von solchen Männern
veröffentlicht werden, die sich ausweisen, daß sie
alles gelesen haben, was bereits von andern darüber
geschrieben wurde. Ich glaube, es würde dadurch das
Einstoßen vieler offener Türen vermieden werden und
nur das wirklich Neue und Originelle zur Veröffent¬
lichung gelangen.
Die Ausführung meines Vorschlags erscheint frei¬
lich etwas schwierig; aber ich meine, die Verleger
könnten viel dazu tun, und das Publikum würde ihnen
für die Verminderung der Attentate auf seine Zeit und
Augen dankbar sein.
Wien. Dr. M. Landau.
Die englischen Bücherversteigerungen
1904/05.
„The Connoisseur“ gibt auch dieses Jahr eine Liste
derjenigen Bücher, welche auf den Bücherversteige¬
rungen in London in der Saison 1904/5, die mit dem
Juli zu Ende gegangen ist, mit £ 100 oder mehr be¬
zahlt worden sind. Die allgemeinen Betrachtungen,
welche die englische Monatsschrift für Sammler ihren
Aufstellungen vorausschickt, sind diesmal nicht weiter
interessant: es ist natürlich, daß außer Geld auch der
Zufall und die Geschicklichkeit für den Sammler eine
Rolle spielt. Nur einen Passus wollen wir als charak¬
teristisch übernehmen. „The Connoisseur“ wundert
sich, daß die Preise der allergrößten Seltenheiten nicht
noch höher gegangen sind; denn wo ein Wettbewerb
unter einem halben Dutzend außerordentlich reicher
Leute stattfindet, könnten doch ein paar Hundert
Pfund Sterling mehr oder weniger keine Rolle spielen.
Wenn ein Multimillionär in Pfunden ein Buch haben
will und haben kann, sei es doch ganz einerlei, ob er
£ 2000 oder £ 5000 dafür zahle; hängt sein Herz daran,
das Buch zu bekommen, so darf er wohl sein Ein¬
kommen von ein paar Tagen dafür opfern. Daß dieser
Wettbewerb die Preise nicht noch höher geschraubt
hat, liegt aber auch viel daran, daß die großen Käufer
und Sammler es lieben, anonym aufzutreten. Man liest
jetzt meistens, wenn es sich um ein mit einer großen
Summe bezahltes Buch handelt: „der Name des Käufers
ist nicht durchgedrungen“ oder: „ein Händler habe es
für jemand gekauft, der absolutes Stillschweigen an¬
befohlen habe“. Der anonyme Käufer bleibt ganz
natürlicherweise eher von noch größerer Preisforde¬
rung bewahrt und wird dann nicht mit sensationellen
Preisen identifiziert, was ihm auch die Ermahnungen
von guten Freunden und Moralisten erspart, die ent¬
weder sagen, er habe zu teuer gekauft, oder das Geld
hätte für irgendeinen öffentlichen Zweck besser ange¬
wandt werden können.
Zurzeit sind in England und Amerika Shakespeare-
ana die gesuchtesten und am schwersten zu erlangen¬
den Bücher. Tatsächüch existieren viel mehr Früh¬
ausgaben der Shakespeareschen Werke als z. B. von
denen Marlowes ; aber die größte Zahl der ersteren
liegt sicher in den Bibliotheken, aus denen sie nie mehr
herauskommt. Und dennoch sind Shakespeare-Folios
und -Quartos nicht unerreichbar. Immer werden noch
hier und da Exemplare ausgegraben, und es sind noch
viele zu entdecken. Gewiß sind die letztbezahlten Preise
für diese Seltenheiten so geartet, daß ein Sammler der
alten Schule, wie z. B. Mr. Halliwell-Philipps, der seiner¬
zeit die Quartos mit einigen Guineen pro Stück be¬
zahlte, auf den Rücken fallen würde; aber der Preis
spielt ja für denjenigen, der etwas haben will, gar keine
Rolle mehr. — Über hundert Pfund wurden in der
Saison 1904/5 für Folios und Quartos gezahlt (die Liste
des „Connoisseur“ gibt noch die sehr wichtige Größe
der Kopien, Druckernamen und Datum des Verkaufs):
I Quarto Titus Andronikus
Quarto Richard III. etwas be¬
gedruckt 1594 £
2000,—
schädigt
»
1605 „
175°) —
Quarto Heinrich IV. 1 Teil
))
1608 „
1000, —
Quarto König Lear
>>
1608 „
900, —
III Folio in Juchtenband
n
1664 „
500,—
Quarto Heinrich IV. 2. Teil
M
1605 „
500, —
I Folio in Extramarokkoband
n
1623 „
255 —
Quarto Richard II.
jf
1605 „
250, —
Chronik.
427
II Folio in Marokkoband gedruckt 1632 £
225,—
Gedichte in Originalschafleder ,,
1640 „
205 —
Quarto Kaufmann von Venedig ,,
1652 „
200, —
IV Folio Originalkalblederband ,,
1685 „
13°,—
Quarto Romeo und Julia, ungeb. ,,
1637 „
120, —
do. „
1637 „
1 19, —
IV Folio Originalkalblederband ,,
1685 „
1 10, —
II Folio in Extramarokkoleder „
1632 „
108, —
IV Folio Altkalblederband „
1685 „
101, —
Viele Shakespeareana kamen auch fast an die £ 100-
Grenze heran und die Quarto „The true Chronicle
History of King Lear“ 1605, des Shakespeareschen
Dramas Vorläufer, wurde mit £ 480 bezahlt.
Topographische Werke, Bücher über Kunst, Natur¬
geschichte, Reisen und Entdeckungen, sind in dieser
verflossenen englischen Saison weder sehr gesucht noch
viel am Markte gewesen. Stark gewichen sind die
Preise für Ansichten von Gegenden und Städten und
ebenso für „Fiction“ (Prosa- und poetische Dichtungen).
Gründe gibt es dafür nicht. Während im Vorjahr die
Liste des „Connoisseur“ nur 29 mit über £ 100 bezahlte
Bücher aufweisen konnte, sind es dieses Jahr außer
den 17 Shakespeareana noch 49, also zusammen 66
derartig hoch bezahlte Bücher, während die Zahl der
nicht mit £ 100 bezahlten, aber doch mit verhältnis¬
mäßig hohen Preisen bewerteten Bücher in die Tau¬
sende von Nummern geht. Das Resultat der Lon¬
doner Bücherversteigerungen war also für die ver-
flossene Saison ein sehr günstiges.
Im folgenc
en die (in
der Beschreibung gekürzte) Liste des „Connoisseur“:
Exlibris, gezeichnet von Ilse Schütze.
Fust und Schöffers zweiter Psalter gedr. 1459
£ 4000, —
Familienbibel von Robert Burns
,1 *766
» 1560,—
Spenser, „The Faeerie Queen“, 40
gedr. 1590/6 £ 160, —
Caxtons Book called ,,Caton“
„ M83
n 1350 —
Redford, Art sales (mit hand-
Tyndales Pentateuch
n 1530
» 940,—
schriftl. Zusätzen)
„ 1881 „
160, —
Turners „Liber Studiorum“
„ 1812/9
„ 566,—
Scott, „Waverley“ (Erstausgabe)
„ 1814 „
150 —
Der Gräfin von Pembroke „Tra-
Blake, „Marriage of Heaven and
gedie of Antonie and a dis-
Hell“
undatiert „
150,—
course of life and death“
>, 1 595
» 560,—
Hamilton, „Catechisme“
» 1552 „
141, —
Sidney, der Gräfin von Pembroke
Breydenbach, „Peregrinatio“
„ i486 „
141, —
„Arcadia“
» lS9°
» 450 —
Royal Society, Transactions (102
Vignier, „La Biblioth^que histo-
Bände und Index)
,, 1665 — 1861 „
138 —
riale“. Einband von Clovis Eve
„ 1588
.. 305 —
Scott, „Waverley“ (Erstausgabe,
Chaucers Werke auf Pergament
gebunden)
» 1814 „
I3L—
(Keimscott)
„ 1896
» 300,—
Bible. Autorisierte engl. Über-
Glanville, „De Proprictatibus re-
Setzung. In Seide gebunden
.. 1633 »
I3L—
rum“
undatiert „ 251, —
Horne, „History of Napoleon“ mit
Defoe, „Robinson Crusoe. Farther
besonderen Illustrationen
.> 1 840/ 1 „
130.—
adventures etc.“
„ 1719/20
n 250,—
Lesley, „Defence of Mary Quene
Spenser, „The Faeerie Queene“. 40
» 1590/6
„ 220 —
of Scotland“
» 1569 „
127,—
Barkers Bibel mit zwei handschr.
Confessione of the Fayth
,, 1561 „
126, —
Eintragungen Shakespeares
„ 1611
„ 210,—
Th. a Kempis, „Imitatio Christi“
Cockburn, „In dominicarum ora-
(Zainer)
„ca. 1471 „
125-
tionum pia Meditatio“
„ 1655
201,—
Spenser, „Faerie Queene and
Higden, „Polychronicon“, folio
Colin Clout“
» 1590/6 „
122, —
(Caxton)
» 1483
» 201,—
Defoe, „Robinson Crusoe and
Valturius, „De re militari“
,» 1472
„ 200,—
farther Adventures“
)! 1719 „
121
Bayley and others, „Practice etc.“
„ 1636/40
» 200 —
Haden, „Etudes ä l’eau forte“
„ 1866 „
120, —
James I „Basilicon doron“ (Ori-
Discourse de la Mort de Marie
ginalband)
„ 1599
» 174 —
Stouard
undatiert „
1 14, —
Metastasio, „Opere“ (Wappen
Purchas, „His Pilgrimes“
» 1625/6 „
110, —
der Marie Antoinette)
„ 1780/2
.1 165,—
John Knox, „Liturgy“
» 1 575 „
109,—
428
Chronik.
Curtis, „Botanical Magazine“ (109
Bände) gedr. 1787— 1903 £ 105, —
Blake, „Visions of the Daughters
of Albion“ „ 1793 „ 105, —
Bible, Autorisierte englische Über¬
setzung „ 1675 .1 io4. —
Stubbs, „Discoverie of a Gaping
Gulf“ „ 1579 ,, io',—
Shelley, „Prometheus Unbound
and others“ (Dedikationsexem-
plar) „ 1820 „ 101 , —
Harangue de Marie d’Estuart ,, 1563 ,, 101, —
Painter, „Palace of Pleasure“ ,, 1569 ,, 100, —
Berlinghieri, „Geographia“, folio ,, 1480 ,, 100, —
Caxton, „Myrrour of the World“ ,, 1481 ,, 100, —
Marston, „TheWonder of Women“
(unaufgeschnitten) ,, 1606 „ ioo, —
Voltaire, „La Henriade“, Original¬
einband von Padeloup „ 1741 ,, 100, —
M.
Neue Bestrebungen in Buchkunst und
Bibliophilie in Schweden.
Das in Schweden, wie viele Symptome erkennen
lassen, lebhaft steigende Interesse am Buch- und
Schriftwesen kommt auch in Fachzeitschriften zum
Ausdruck. So hat ,, Nordisk Boktryckarekonst ", das
einzige illustrierte größere Buchdruckerblatt Skandi¬
naviens, neuerdings seinen Umfang erweitert und dient
der Kunst seines Faches mit gediegenen Beiträgen von
Fachleuten und Abbildungen von modernem nationalem
Buchschmuck und Buchumschlägen , unter anderem
dekorative Rahmen, Initialen nordischen Stiles, die uns
in die Wikingerzeit zurückversetzen, und Satzproben,
die meisten entworfen von dem Künstler Arthur Sjögren.
Wendet sich dies Blatt in erster Linie an Fach¬
genossen, so will dagegen das im X. Jahrgange stehende
Organ des schwedischen Buchdruckervereins ,,All-
7nänna svenska boktryckereföreningens Meddelande?i“
von jetzt an, dem Mangel eines nordischen Fachblatts
für Bücherfreunde und Bibliotheken abhelfend, diesen
Exlibris, gezeichnet von Ilse Schütze.
ein Führer sein. Der tüchtige Redakteur, A. Hassel-
quist, zugleich Sekretär des schwedischen Buchgewerbe¬
vereins, hat sich dabei der Unterstützung nicht nur von
Gelehrten und Sammlern, sondern auch der Bibliotheks¬
verwaltungen erfreuen können, wie der Inhalt der
ersten stattlichen Hefte des Jahrgangs beweist. Carl
Fr. Bernström bringt darin u. a. einen Vorschlag zur
Gründung einer historischen Sammlung schwedischen
Buchdrucks und hat als Grundstock dafür schon eine
Kollektion älterer Drucke dem Verein geschenkt. Von
Dr. Collijns Artikel über Deckel-Exlibris ist an anderer
Stelle dieses Blattes die Rede gewesen ; ihn begleiten zwei
prachtvolle Tafeln aus Almquist & Wicksells Druckerei
in Upsala: trotz der Schwierigkeit, die in Bucheinbände
gepreßte Stempel der Wiedergabe natürlich entgegen¬
stehen, wohlgelungen. Eine weitere Beilage besteht in
einem Originalbogen des von W. Zachrisson in Göte¬
borg im Auftrag eines Kreises von Buchkunstfreunden
in 250 numerierten Exemplaren gedruckten „Psaltaren ",
einer schwedischen Übersetzung der Psalmen. Die
dazu verwandte gotische Schriftart lehnt sich an Morris
Chaucer-Type an.
Über Dziatzkos Forschungen betreffend den Drucker
mit dem bizarren R, Ad. Rusch in Straßburg, berichtet
wieder Dr. Collijn und verzeichnet die in Schweden
vorhandenen 13 Drucke seiner Werkstatt. Einen ganz
besonderen Wert verleiht dem Aufsatz die große Folio¬
beilage; ein Originalblatt (also in jedem Exemplar der
Zeitschrift ein anderes) der von Rusch vor 1479 ge¬
druckten Biblia latina, eine kostbare Gabe, welche die
Verwaltung der Universitätsbibliothek in Upsala durch
Schenkung ihres defekten aber wohl erhaltenen Du-
blettenexemplares ermöglicht hat. Auf noch völlig
festem starken Papier steht in zwei Kolumnen der
Text, in Druck von tiefschwarzer Farbe, links und
rechts am Rande von Kommentaren in kleinerer Schrift
umgeben. Die erste Zeile jedes Kapitels ist in großen
Typen gesetzt, die Initialen sind in Rot oder Blau ge¬
malt und auch die Versalien des Textes durch roten
Vertikalstrich hervorgehoben. Kolumnentitel geben
Buch und Kapitel der Bibel an.
Dieser und andere Drucke Ruschs waren auch in
einer auf A. Hasselquists Anregung zustande
gekommenen, zahlreich besuchten Ausstellung von
Inkunabeln zu sehen, die „Föreningen för Bok-
handtverk“ vor wenigen Monaten im Saale der
Königl. Bibliothek zu Stockholm aus den Schätzen
dieser und der Upsala-Bibliothek veranstaltet hatte.
Die Auswahl hatte Dr. J. Collijn getroffen und
einen Katalog ausgearbeitet (47 S. 4° Verlag des
Vereins), der die 31 1 ausgestellten Paläotypen nach
Ländern und Druckstätten und hier nach Drucke¬
reien geordnet aufzählt, oft mit beschreibenden
und historischen Bemerkungen, stets mit Hinweis
auf ihre Nummern bei Proctor, Hain und Copinger
bezw. für die n holländischen und 9 belgischen
Inkunabeln auf Campbells „Annales de la typo-
graphie neerlandaise“, für die 21 schwedischen auf
Klemmings „Sveriges bibliografi“. Dankenswert
sind ferner die Literaturnachweise über Drucker¬
geschichte der einzelnen Orte. — Unter dem
Chronik.
429
Ausgestellten befanden sich solche Schätze wie das
erste in Schwedisch gedruckte Buch von 1495 : Gerson,
aff dyäfwlsens frästilse, 40 (von Johannes Smedh [FabriJ
in Stockholm gedruckt, jetzt in Upsala) und der erste
Druck in schwedischer Sprache , ein Einblattdruck
von 1488 „Articuli abbreviati“, Folio, mit Gothans Typen,
anscheinend in Stockholm hergestellt (jetzt in zwei
Exemplaren in Upsala); ferner die kürzlich neu aufge¬
fundenen 3 niederdeutschen Einblattdrucke, Kalender
für 1492 und 1493, in Lübeck von Gothan resp. von
Stephan Arndes gedruckt, über welche Dr. Collijn eine
kleine Schrift besonders herausgegeben hat (Leipzig
1905, Otto Harrassowitz, mit Faksimiles).
Endlich muß in diesem Bericht noch von dem 1904
erreichten Abschluß der 2. Auflage von C. M. Car¬
landers Werk ,,Svenska bibliotek och exlibris“ gemeldet
werden (Stockholm, Iduna. Kr. 150). Ursprünglich
1889—94 erschienen, machte sich eine neue Auflage
schon 1896 nötig. Sie ist bedeutend vermehrt und be¬
steht aus 4 Teilen auf 6 Bände verteilt, mit insgesamt
über 3000 Seiten und 483 Illustrationen, und enthält eine
Darstellung von allem, was Schweden an königlichen,
öffentlichen und privaten Büchersamml ungen besitzt, mit
Abbildungen von Schlössern, hervorragenden Samm¬
lern und Exlibris in verschiedenen Reproduktionsarten.
Neu hinzugefügt sind ein Verzeichnis der Buchbinder
in Schweden bis zum Jahre 1900 (T. IV, S. 767— 887 )
mit 30 Vollbildern von Einbänden, die sich von Kloster¬
bänden aus Vadstena 1526 bis auf Proben neuester
Zeit erstrecken, sowie eine Liste der Zeichner und
Graveure von Exlibris (T. IV, S. 888-896). B.
Verschiedenes.
Daß in unseren Tagen, da die Vorliebe auch für
halb vergessene Romantiker neu erwacht, das Interesse
für Loeben wieder rege zu werden beginnt, nimmt nicht
wunder. Da kommt denn die erste erschöpfende Bio¬
graphie des Dichters und Charakteristik seines Schaffens
gerade zur rechten Zeit: Otto Heinrich Graf von Loeben
( Isidorus Orientalis). Sein Leben und seine Werke
von Raimund Pissin. Mit dem Bildnis des Dichters
von Wilhelm Hensel. Berlin, B. Behrs Verlag (Gr 8°
326 S., M. 8).
Schon bei der ersten Durchsicht des Buches fällt
auf, daß der Verfasser sich mit dem dichterischen
Entwicklungsstadium Loebens ungleich intimer und
eingehender beschäftigt als mit der späteren Epoche
erhöhter Produktivität. In der Vorbemerkung gibt
Dr. Pissin selbst eine Erklärung für diese Behandlungs¬
art. Ausschlaggebend für ihn war der Grund, daß
Loebens Schaffen der zweiten Periode, also von etwa
1815 ab, der Verflachung entgegenging. Dagegen
läßt sich nichts einwenden, denn die Tatsache ist richtig.
Nichtsdestoweniger wäre wohl eine etwas mehr in die
Tiefe gehende Beleuchtung der letzten zehn Lebens¬
jahre Loebens am Platze gewesen; ich halte gerade die
Dresdener Zeit für eine recht interessante und durchaus
nicht für eine „an sich gleichgültige Epoche“, schon
deshalb nicht, weil sie für den mählichen Verfall der
Romantik von zweifelloser Wichtigkeit ist.
Dr. Pissin teilt meine Ansicht nicht, aber das soll
mich nicht hindern, dem umfangreichsten Teil seiner
Arbeit warmherziges Lob zu zollen. Die Quellen über
Loeben flössen bisher ziemlich spärlich; um so mehr
ist die nicht geringe Mühe anzuerkennen, mit welcher
der Herr Verfasser sein Material zusammengebracht
hat. Es ist ihm gelungen, die Tagebücher wie den
handschriftlichen Nachlaß Loebens ausfindig zu machen,
er hat auch den zahlreichen, in Almanachen, Taschen¬
büchern und Zeitschriften verstreuten Beiträgen des
Dichters mit großer Sorgfalt nachgespürt und konnte
so nicht nur eine ausgezeichnete Biographie geben,
sondern seiner Arbeit auch eine (wohl lückenlose)
Bibliographie und eine chronologische Zusammen¬
stellung der Briefe Loebens nach den gedruckten und
handschriftlichen Quellen anreihen. Die Knappheit des
Raumes verbietet mir eine weitergehende Würdigung
des Werkes, das ich allen Freunden Loebens bestens
empfehlen möchte.
Im Anschluß an sein Buch hat Dr. Pissin im gleichen
Verlag eine Auswahl der Gedichte von Otto Heinrich
Graf v 07i Loeberi (8°, XVII und 1 7 1 Seiten; M. 3) er¬
scheinen lassen: die künstlerisch gelungensten Poesien
des Dichters, der zwar keinen hervorragenden Platz auf
dem Parnaß einnimmt, dessen Lyrik aber viel innerstes
Fühlen und Wärme des Empfindens aufweist. „Du,
gern Dich spiegelnd in dem bunten Glanze der Dichter¬
gärten“ — so beginnt das Sonett, das Fouque dem
einstigen Freunde weihte; und es ist wahr: die besten
der Lieder Loebens sind ein Spiegelbild seiner Seele,
die in schwärmender Sehnsucht verging.
— bl—
Unter den letzten Neudrucken des Leipziger Insel-
Verlags nimmt die stattliche Simplicissimus- Ausgabe
eine gewichtige Stelle ein, obgleich die Einrangierung
von Bildern späterer Editionen in den Textabdruck
früherer Ausgaben mir vom bibliophilen Standpunkte
aus nicht ganz einwandfrei erscheinen will. Dem Druck¬
vermerk zufolge lag für den Text die erste, beide Teile
umfassende Ausgabe des Simplicissimus zugrunde:
„Mompelgart, Gedruckt bey Johann Fillion. Im Jahr
MDCLXIX“, und zwar das auf der Leipziger Univer¬
sitätsbibliothek befindliche Exemplar. Diese Ausgabe
ist indessen nur ein Nachdruck des „Abentheuerlichen
Simplicissimus Teutsch“ (Buch I — V) und der „Conti-
nuatio“ (Buch VI), der ebenfalls 1669 erschienenen
Erstausgaben des Romans. Der Nachdruck ist zweifel¬
los überarbeitet und dadurch erklären sich auch die
mannigfachen Abweichungen von dem Neudruck Kögels.
Vielleicht wäre es zweckmäßiger gewesen, die Ausgabe
letzter Hand zugrunde zu legen, den „Gantz neu ein¬
gerichteten allenthalben viel verbesserten“ Simplicissi¬
mus von 1672, die gegen die editio princeps wieder
vielfache Änderungen und Hinzufügungen zeigt, von
allen zu Lebzeiten Grinmelshausens erschienenen Aus¬
gaben mir aber die beste und korrekteste zu sein scheint.
Aus der Erstausgabe wurde der Vortitel übernommen,
430
Chronik.
für die Textbilder bildeten die Abbildungen des ,,Aus
dem Grab der Vergessenheit wiedererstandenen Sim-
plicissimus“, Nürnberg 1684, die für diese erste posthume
Ausgabe eigens gefertigt wurden, die Vorlage.
Der Neudruck ist ein prachtvoller Großoktavband
von 390 Seiten, in gelbes Ganzleder gebunden, mit
starken Rückenbünden und dem Titel in Blindpressung.
Als Papier wählte man ein kräftiges M aschin enbütten, von
dem sich der ausgezeichnete Druck (Pöschel & Trepte)
schön und klar abhebt. Zu dem Vortitel und den Voll¬
bildern hat Walter Tiemann sehr reizende ornamen¬
tierte Umrahmungen gezeichnet; auch der Entwurf
des Haupttitels, der Untertitel und der ersten Initiale
stammen von ihm. Wie dankenswert und begehrt diese
Sonderpublikationen des Insel-Verlags sind, geht schon
daraus hervor, daß die 400 gedruckten Exemplare
des Simplicissimus bereits bei Schluß der Subskription
vergriffen waren.
Bei dieser Gelegenheit sei auf den wunderhübschen
Insel-Almanach für das fahr 1906 aufmerksam gemacht,
den der Verlag soeben verausgabt: eine Mischung von
Kalender und Verlagskatalog, sehr zierlich in grüne
Pappe mit Goldaufdruck gebunden und mit einem
bunten Inhalt an Gedichten und ästhetischen Plau¬
dereien. — bl —
Unter den uns letzthin zugegangenen neuen Ka¬
lendern befindet sich auch der Berliner Kalender auf
1906 } herausgegeben vom Verein für die Geschichte
Berlins, redigiert von Professor Dr. Georg Voß (Berlin,
Martin Oldenbourg). Den illustrativen Schmuck und
die sonstige Ausstattung hat auch diesmal wieder
Georg Barlösius übernommen, den Druck die treffliche
Büxensteinsche Offizin. Das Titelbild zeigt uns die
Königin Luise, dann folgen ein Prospekt der Stadt
Berlin unter Kurfürst Friedrich I. und zwölf den ent¬
sprechenden Monatsblättern gegenüberstehende Voll¬
bilder. Sie sind alle in der kräftigen und starkzügigen
Manier Barlösius’ gehalten, die ausgezeichnet zu der
typographischen Seite des Kalenders paßt. Am ge¬
lungensten scheinen mir die Bilder: der Große Kurfürst
wird (als Kurprinz von Leyden zurückkehrend) an der
Langen Brücke vom Rat der Stadt begrüßt — die
Gertraudtenkirche zur Zeit Friedrich Wilhelms II. —
Schiller und Iffland und die „gleichgültigsten Ecken
Berlins“. Der Text bringt Beiträge von Georg Voß,
Wolfgang von Öttingen , Paul Seidel, Julius Lessing,
E. Friedei und E. Frensdorff und zahlreiche Textbilder.
Ganz besonders hübsch ist das originelle Verlegersignet
auf der letzten Seite.
Eine Neuheit ist der Goethe- Kalender , den Otto
fulius Bierbaum bei Theodor Weicher in Leipzig her¬
ausgibt: ein Heft von über hundert Seiten, in einem
Umschlag von Tapetenpapier, wie man es vor einem
Säkulum liebte und charakteristischem Ornamenten-
schmuck von E. R. Weiß. Bierbaum hat die Kalender¬
form gewählt, um Goethe in seinem äußeren wie inneren
Leben durch Aussprüche, Mitteilungen von ihm und
über ihn, Schilderungen seiner Persönlichkeit, Anek¬
dotisches und Monumentales sozusagen der deutschen
Familie nahe zu bringen. Der Gedanke ist gewiß ein
sehr glücklicher. In jeder Familienbücherei stehen
Goethes Werke, aber zu der intimeren Kenntnis des
Menschen Goethe gehört ein eingehendes Studium.
Der Kalender versucht Ähnliches wie Bodes Viertel¬
jahrsschrift „Stunden mit Goethe“; er hilft im Herzen
des Volks feste Grundlagen schaffen für eine ewige
Erinnerung an den Größten unter uns. Es ist ein Anfang,
und wir wollen hoffen, daß demVerlag die Fortsetzung
möglich gemacht wird. Die Ausstattung des Kalenders
(Preis M. 1, Luxusausgabe M. 3) ist vortrefflich; außer
einem Dreifarbenbilde (Empfangszimmer in Goethes
Hause, nach dem Ölgemälde von M. A. Stremei)
schmücken ihn noch zahlreiche weitere Illustrationen.
Auch die „ Altfränkischen Bilder " haben sich mit
einem neuen Kalenderjahrgang (für 1906) eingefunden
(H. Stürtz, Würzburg). Die Reproduktionen auf den
Umschlagdeckeln bringen diesmal die getreue Wieder¬
gabe des schönen Einbands zu einem, der Gräflich
Schönbornschen Bibliothek in Pommersfelden ange-
hörigen Evangeliar aus dem IX. Jahrhundert. Die Text¬
abbildungen stellen wieder berühmte Kunstdenkmäler
Frankens dar: so u. a. das Neustättersche Grabdenkmal
im Würzburger Dom, das Fürstenportal am Dom zu
Bamberg, Einzelheiten aus der Aschaffenburger Stifts¬
kirche, alte Kunstwerke in Karlstadt und dergleichen
mehr. DieBilder sind wie immer vortrefflich ausgeführt.
Im dritten Jahrgang erscheint der ganz prächtige
Leipziger Kalender. Illustriertes Jahrbuch und Chronik.
Herausgegeben von Georg Merseburger (Leipzig, G.
Merseburger): mit flotten Monatsbildem von Hugo L.
Braune, der auch den übrigen Buchschmuck geliefert
hat, und einer reichen Fülle mannigfaltiger, meist auf
Leipzig Bezug nehmender und von Leipziger Schrift¬
stellern stammender Beiträge. Unter den vortrefflich
reproduzierten Illustrationen befinden sich Zeichnungen
von Bruno Heroux, Max Heiland, Richard Grimm,
Georg Schuster, Otto Greiner, Carl Werner u. a.
— bl—
Von den hier wiedergegebenen vier Exlibris rührt
das eine von dem unsem Lesern wohlbekannten Zeich¬
ner Theodor Crampe her, der auch das diesem Heft bei¬
gelegte Neujahrs wunschblatt entwarf. Die drei anderen
Bücherzeichen stammen von der Malerin Ilse Schütze.
Es liegt ein eigener Stil in ihnen, von Nachahmung
und Schwächlichkeit gleich weit entfernt wie von über¬
triebener Modernisierungssucht; auch die gute und
gründliche Zeichnung und die treffliche Schwarzwei߬
wirkung der Blätter verdienen Beachtung.
Nachdruck verboten. — - Alle Rechte Vorbehalten.
Für die Redaktion verantwortlich: Fedor von Zobeltitz in Berlin W. 15.
Alle Sendungen redaktioneller Natur an dessen Adresse erbeten.
Gedruckt von W. Drugulin in Leipzig für Velhagen & Klasing in Bielefeld und Leipzig auf Papier der Neuen Papier-Manufaktur
in Straßburg i. E.
ZEITSCHRIFT
FÜR
BÜCHERFREUNDE.
Monatshefte für Bibliophilie und verwandte Interessen.
Herausgegeben von Fedor von Zobeltitz.
9. Jahrgang 1905/1906. _ Heft 11: Februar 1906.
Franz Graf Pocci.
Von
Dr. Leopold Hirschberg in Berlin.
I.
rei Männer sind es, an deren Wiege
drei gütige Feen gestanden haben.
Die Fee der Dichtkunst berührte ihr
Haupt mit dem goldenen Zauberstabe, die Fee
der Malerei machte ihre Hand stark
und gelenkig, die Fee der Tonkunst
goß in ihr Herz die Fülle musi¬
kalischer Phantasie, so daß sie
ausströmte in Akkorden und
Harmonien. Ernst Theodor Ama¬
deus H offmann, Franz Kugler
und Franz Pocci sind diese drei
Lieblinge der huldreichen Göt¬
tinnen; und ihr ganzes Wesen
ist aufgegangen in den Gaben,
die ihnen verliehen worden sind.
Das Bewunderungswürdigste aber
bleibt dabei, daß alle drei neben der
wahrhaft genialen Ausübung ihrer
Kunst unermüdlich in einem bürger¬
lichen Berufe tätig gewesen sind:
Hoffmann als Jurist, Kugler als aka¬
demischer Lehrer, Pocci als Theater-
Intendant. Zahllos sind die Werke, die be¬
sonders Pocci geschaffen hat, gewürdigt nicht.
Die größte Schuld an diesem Mangel der
Würdigung tragen zweifellos die sogenannten
Literatur- und Kunstgeschichten. In dem Be-
z. f. B 1905/1906.
streben, möglichst viel zu
bringen
und dabei
Abb. 1. Franz Graf Pocci.
Nach einer Photographie aus
dem Verlage von F. Finsterlin
in München.
doch voller Sorge, ja nicht das von dem Ver¬
leger vorgeschriebene Maß zu überschreiten,
gehen die Verfasser über zahlreiche künstler¬
ische Erscheinungen teilweise ober¬
flächlich hinweg, teilweise beten sie
nach, was die Weisen vor ihnen
gesagt haben. Am übelsten ist
in dieser Hinsicht dem genialen
Hoffmann von diesen Literatur¬
schreibern mitgespielt worden.
Sie haben wohl das eine oder
andere Werk des Mannes ge¬
lesen, sind aber nicht fähig, sich
diesem phantastischen Geiste
zu assimilieren. Nur der, welcher
so gut wie alles, was ein Künstler
eieistet, in sich aufgenommen hat,
vermag ein gültiges und abschließen¬
des Urteil über ihn zu fällen. Zumal
um Erscheinungen, wie diese drei
Männer es sind, zu verstehen, dazu
gehört ein lebendiges Empfinden für
die Gesamtgebiete der Kunst. Wie will jemand
Hoffmann kritisch beleuchten, der nichts von
Musik und Malerei versteht? Wie kann ein
solcher Hoffmanns wundervolle Aphorismen über
Musik begreifen, die ein Robert Schumann hoch
56
432
Hirschberg, Franz Graf Pocci.
über alles bis dahin Geschriebene stellt, und wie
darf er sich erlauben, eine kritische Beurteilung
des Künstlers zu geben, nachdem er gleichwie
mit einem Seziermesser das scheinbar rein
Dichterische herausgeschält hat? —
Wie in jeder Wissenschaft, so ist auch in der
Geschichte der Künste infolge des übergroßen
Reichtums an Material eine Spezialisierung das
einzig Richtige. Alle Kompendien sind für den,
der ernst belehrt sein will, vom Übel. Hier hat
die Monographie in ihre Rechte zu treten, und
dies besonders dann, wenn unter dem Wust
von Namen und Büchertiteln, mit denen wir in
derlei Lehrhandbüchern regaliert werden, her¬
vorragende Erscheinungen nur flüchtig oder gar
nicht Platz gefunden haben. Letzteres ist der
Fall bei Franz Kugler, noch mehr aber bei Franz
Pocci, dem diese Zeilen geweiht sein sollen.
Der Name des Künstlers ist der Gilde der
Bibliophilen wohl bekannt, seine Werke kennen
nur wenige. Und hier befindet sich der Forscher
leider in einer traurigen Lage. Es ist nämlich so
gut wie unmöglich, sich eine auch nur einiger¬
maßen vollständige Sammlung dieser schier
zahllosen Werke zu verschaffen. Man mag so
findig sein, wie man will, man mag sich die größte
Mühe im Suchen geben: schon vor dreißig
Jahren (Pocci starb 1876) war, wie H. Holland,
des Künstlers Freund und Biograph, erzählt,
nicht daran zu denken. Diese kostbaren Bücher
sind eben tatsächlich verschwunden, unter¬
gegangen auf Nimmerwiedersehen; nur relativ
wenige haben sich erhalten.
Aus diesem Grunde wird auch wohl an eine
Gesamtausgabe der Werke, etwa zu Ehren des
hundertsten Geburtstages, kaum zu denken sein,
wiewohl dies eine eben so dankbare als wert¬
volle Aufgabe wäre; dankbar darum, weil kaum
ein zweiter wie Pocci in derartigem Umfange
als Illustrator tätig gewesen ist, wertvoll des¬
halb, weil dadurch speziell die Literatur der
Jugendschriften in unvergleichlicher Weise be¬
reichert werden würde. Vielleicht sind wir im
Lauf der folgenden Jahre so glücklich, unsere
Sammlung in dieser Hinsicht zu ergänzen.
Die Besprechung der rein musikalischen Werke
des Künstlers, deren Zahl gleichfalls nicht unbe¬
trächtlich ist, kann an dieser Stelle nicht er¬
folgen; ich habe sie mir, da dies bisher überhaupt
noch nicht geschehen ist (in sämtlichen Lexikas
und Geschichten der Musik fehlt Poccis Name),
für ein Fachblatt Vorbehalten. Nur diejenigen
sollen hier Erwähnung finden, deren künstle¬
rische Ausstattung es erheischt.
Franz Graf von Pocci { Abb. 1 ) wurde am 7. März
1 807 zu München geboren, als Sohn des aus Ita¬
lien stammenden, aber in den bayrischen Militär¬
dienst getretenen Grafen Fabricius Pocci und
der Gräfin Xaveria Pocci, geb. Baronin von
Posch. Letztere hat ihr ungewöhnlich großes
Zeichen- und Maltalent auf den Sohn über¬
tragen; sie war es, welche die Begabung des
Knaben dafür rechtzeitig erkannte und ihm
einen tüchtigen Lehrmeister bestellte. Dies war
zuerst der später als Erzgießer berühmt ge¬
wordene Stiglmayr und dann der Maler Schlott-
hauer. Die überreiche Phantasie der Erfindung,
die Pocci sein ganzes Leben hindurch nicht ver¬
ließ, dokumentierte sich schon in seiner frühesten
Jugendzeit; sie fordert einerseits unsere uneinge¬
schränkte Bewunderung heraus, andrerseits aber
zeitigte sie den Übelstand, daß der künstlerische
Eifer, der an der Ausfeilung und Vollendung des
Kunstwerkes zu arbeiten hat, bei Pocci relativ
schnell erlahmte. Diese Eigenschaft der ruhe¬
losen Hastigkeit, sich der überquellenden Produkte
der Phantasie zu entledigen, gereicht manchem
köstlich empfundenen und entworfenen Ge¬
danken der späteren Lebensperiode zum Nach¬
teil und verleiht Pocci eine gewisse Ähnlichkeit
mit Meister Karl Maria von Weber, von dem
man auch weiß, daß er immer seine ganze
Energie aufbieten mußte, um eine große Par¬
titur fertig zu stellen. Schlotthauer, der diese
Quecksilbernatur schnell durchschaute, durch
unangebrachte Strenge und Pedanterie die zarten
Triebe diese Künstlerreises aber nicht knicken
wollte, übte eine Art Gegendruck dadurch aus,
Abb. 2.
„Merkt wohl auf! Wann Ihr den seht,
oder den da — Die sind meine Feinde". ..
Aus ,, Ludwig Schwanthalers Reliquien" von Franz
Trautmann. München 1858. Fleischmannscher Verlag.
Hirschberg, Franz Graf Pocci.
433
daß er den Knaben mit größter Regelmäßig¬
keit in das Kupferstichkabinett führte und seinen
Geschmack an den Werken der alten Meister
bildete und läuterte.
In Poccis väterlichem Hause hatte ein Knabe
bürgerlicher Abkunft liebevollste Aufnahme ge¬
funden und mit dem jungen Franz einen Freund¬
schaftsbund geschlossen, der für das ganze
Leben Dauer hatte: Ludwig Schwanthaler. In
dem originellen, übrigens längst vergessenen
Buche Franz Trautmanns „ Ludwig Schwan¬
thalers Reliquien “ (München 1858), mit zahl¬
reichen Holzschnitten von Poccis Hand ge¬
schmückt (Abb. 2 und 3), wird in anziehendster
Weise von dieser glücklichen Jugendepisode be¬
richtet. „Jener Gespiele war ein junger Graf. Auch
er war schon in Knabenzeiten vom Zauber ver¬
gangner Jahrhunderte angeweht, auch er glühte
für Kunst, er zeichnete, musizierte, auch er liebte
Geschichte und Sage, war der Mitempfindung
jedes Humors fähig, und zu allem fügte es sich
so, daß er mit seiner höheren Bildung wohltätig
auf den bürgerlichen Genossen einwirkte.“ In
diesem kurzen Satze ist so ziemlich alles ent¬
halten, was wir noch über diese frühe Lebens¬
periode unseres Meisters zu sagen haben. Er
schildert uns diese so vielseitigen geistigen
Bestrebungen, die das ideal angelegte Gemüt
des Knaben und Jünglings erfüllten. Dabei litt
die Schule nicht; denn schon 1825 konnte Pocci
die Universität Landshut beziehen, um daselbst
nach dem Willen des Vaters Jura zu studieren.
„Gar tiefer Sinn liegt oft im kind’schen Spiel“ —
auf niemanden läßt sich das bekannte Dichterwort
treffender anwenden als auf Pocci. Aus seiner
Knabenzeit existiert eine Zeichnung, auf der
„Jäger, Ritter, Tod und Teufel“ in einer Gruppe
vereinigt sind. Dieses Blättchen bedeutet ein
ganzes Programm. Muß man nicht dabei un-
Abb. 3. Schwanthaler als Lokomotive.
Aus „Ludwig Schwanthalers Reliquien“ von Franz
Trautmann. München 1858. Fleischmannscher Verlag.
willkürlich an des Meisters so berühmt gewordene
„Jägerlieder“, an seine anmutigen Kinder-, Ritter¬
und Puppenspiele, endlich an die grandiosen
„Todtentänze“ und den so oft und so mannig¬
fach behandelten „Gevatter Tod“ denken? —
Das erwähnte Trautmannsche Buch, dessen
Studium wir nicht genug empfehlen können,
bietet mehrere wertvolle Beiträge zu der über¬
mütig verlebten Jugend Poccis und seiner
Kumpane. In glücklich getroffenem alter-
tümelnden Chroniken -Tone geschrieben, führt
es uns den „Meister Ludwig“ in allen seinen
Lebenslagen und seiner künstlerischen Bedeu¬
tung vor. Durch Pocci wurde König Maximilian
auf die eminente Bedeutung Schwanthalers auf¬
merksam gemacht. Pocci gehörte auch der von
letzterem 1819 konstituierten „Humpenau“ an,
die auf der „Humpenburg“ (Abb. 4) ihre Ver¬
sammlungen hielt und später in die „Bären¬
genossenschaft“ verwandelt wurde. Die Humpen¬
brüder erschienen daselbst stets in mittelalter¬
lichen Kostümen; es wurde wacker pokuliert,
vom Jahre 1824 an in der Behausung von
Poccis Vater, der großmütig den Bierstoff
häufig in edlen Wein verwandelte. Jeder der
Teilnehmer hatte seinen Namen: Schwan¬
thaler hieß der „Storchenauer“, der Poet Friedrich
Beck ward der „Brezenheimer“ benamst, unser
Pocci wurde „Diepolt“ und sein Vater als
„Ehrenbär“ (ursus honorarius) „Evaristus“ ge¬
tauft. Da wurden Fehden beschlossen, Klagen
vor das Vehmgericht gebracht, nach Scheiben
geschossen, die Schwanthaler und Pocci bald
„voll schauerlicher Invention“, bald voll froher
Laune gemalt hatten. Dabei wurde auch viel von
den beiden gezeichnet, so z. B. einmal ein ellen¬
langes Bild, einen ritterlichen Festzug mit hundert
Trompetern darstellend. Pocci wurde für seine
Verdienste feierlich zum „Kunstherren“ ernannt.
„Im Garten des alten Pocci-Evaristus aber wurde
viel gesungen. Da wiegt’ und wogte es oft in
Liedern aus der Zeit der Minnesänger, oder es
waren ritterliche Kraftgesänge, Lanzknechts-
weisen — kühne, süße aus dem Liebesieben.
Auch Weidmannslieder waren zu vernehmen.
Oft war die Melodie alt und echt; oder neu,
aber wie echt heraufklingend aus längst ver¬
gangenen Jahrhunderten. In solchen Fällen
dankte man die Melodie, häufig auch die
Dichtung Pocci-Diepolt. Oft mitten unterm Ge¬
lage sprang der Storchenauer vom altdeutschen
434
Hirschberg, Franz Graf Pocci.
Stuhl auf und bannte den Ritter Diepolt ans
Klavier. Da war der klangsangreiche Diepolt
in seinem Element, beanspruchte seine reiche
Phantasie in vollstem Maße und brachte nach
Angabe seines Freundes, oder wie er selbst
wählte und wollte, in Melodien und Tonmassen
ganze Rittergeschichten vor. Schlachtennot,
Siegesfreuden, Liebesglück, Festzüge — da¬
zwischen wiegte und träumte es, wie in fern
klingenden Chorgesängen.“ Verschiedene Ritter
und Sänger verflossener Zeiten wurden von den
„Bären“ mit dem Namen „Speci“ bedacht und
in Dichtung und Gesang, zumeist durch Pocci-
Diepolt, verherrlicht. Aus dieser Zeit stammt
unter anderen ein durch seine schlichte Grad-
heit besonders anmutendes Gedicht Poccis auf
die Nibelungen - Speci, das Trautmann voll¬
ständig zitiert. Auch dramatische Aufführungen
wurden veranstaltet; ein höchst komisches
Personenverzeichnis der „Zauber-Oper“, genannt
„Die letzten Ritter“, läßt Schwanthaler als
einen „quieszierten bayrischen Raubritter“,
Pocci als „Graf Bobo von Amerland, der
den Haftbefehl gegen diesen mit sich
führt“, figurieren. Schwanthaler war immer
aufgelegt zu tollen Streichen und von
einer bewunderungswürdigen Erfindungs¬
gabe, und Pocci sekundierte ihm treulich.
So wurde ein besonders abergläubisches
Mitglied der Humpengesellschaft durch
Geistererscheinungen bedrängt; die Polizei
wurde in der lächerlichsten Weise gefoppt,
der Burgherr Xaver mußte sogar sehen,
wie der Teufel einer ihm täuschend nach¬
gebildeten Figur das Herz aus dem Leibe
riß, in dem alsdann ein Fäßchen „Braunes“
zum Vorschein kam. Die definitive Heimat
der Humpenburg (der Auszug aus der
alten ward durch eine große Zeichnung
Schwanthalers und Poccis verewigt) wurde
die Werkstatt des erstem, in welcher
man ein besonderes Zimmer in schönster
Weise ausstattete. Mit welcher innigen
Liebe Schwanthaler dem jüngern Freunde
zugetan war, zeigt vielleicht am deutlich¬
sten eine Zeichnung Schwanthalers, von
der Trautmann Bericht gibt. „Pocci-Diepolt
spielt als ritterlicher Musikus die Orgel.
Über der Orgel weg schwebt die gesamte,
heilige Ritterschaft — St. Hubertus mit
dem Hirsch und St. Georg voran — unter
frohem Knappengetümmel nächst über den
Tasten dahin. Unweit lugt ein Dom hervor.
Man hört wohl das Geläute einer mächtigen
Salve- oder Dominikaglocke. Dort ziehen Ritter
mit Bannern und Stechstangen in eine Burg.
Links zur Seite klettern mystische Gestalten —
koboldartig die einen, geisterartig die andern
— in ein Glockenhaus. Rechts sind Tannen
und Waldeslust. Allüberall wundersame Vision.
Diepolt im Rücken aber stehen, aufs Schwert
gestützt, Ludwig der Storchenauer und ein Ge¬
nosse, sinnend, lauschend, träumend — es ist eine
Welt von Empfindung, eine gesungene Zeich¬
nung.“ Und als der edle Meister zum Sterben
kam, da mußten sich alle Freunde, woran der
Diepolt, in alter Rittertracht in der Humpenburg
versammeln, damit diese noch einmal ertöne
von Gläserklang und traulichem Gespräch . . .
Humpenau, Humpenburg, Bärengenossen¬
schaft, Storchenauer, Diepolt und alles andere
4-0/
~ 20
/W.
3
(J^o^-^ $*&CCL4.
u /Z±' £~^L &e&Atf 3
Abb. 5. Autograph von Franz GrafPocci. Brief an König Ludwig I. von Bayern.
Zeitschrift für Bücherfreunde IX.
Zu Hirschberg-. Franz Graf Pocci.
435
Hirschberg, Franz Graf Pocci.
— das waren aber nur Bezeichnungen für Ein¬
geweihte; offiziell hieß diese ritterliche Tafel¬
runde, in der nicht nur alle schönen Künste und
Lustbarkeiten gepflegt, sondern auch „Gottes¬
furcht und Religiosität geübt und gelehrt wurde“
(ein Mitglied, der frühere Jurist Heinrich Hof-
stetter, wurde nach seinem Übergang zur Theo¬
logie sogar Bischof und eine Säule der Kirche)
„Gesellschaft für deutsche Altertumskunde zu
den drei Schilden“ (Abb. 5). Daß derartige
Bestrebungen bestimmend auf den Charakter
der künstlerischen Produktionen Poccis wirken
mußten, ist natürlich. Und so entstanden denn
als sein erstes Werk (die Jahreszahl ist nicht
zu ermitteln, jedenfalls 1824 oder 1825) „Vier
Spruchblätter“ , als erster Versuch in der Kunst
der Lithographie. Die Kinderwelt und der
Heiland — ein Thema, dem wir noch in den
mannigfachsten Variationen begegnen werden —
in Bildern und kleinen, anmutigen Verslein,
bilden die Grundidee dieser Blätter. Sie sind
ebenso wahre Inkunabeln geworden wie die
10 Illustrationen zu Ivanhoe , aus derselben
Zeit stammend (1825): sämtlich figurenreiche
Kompositionen mit schönem landschaftlichen
Hintergründe, die Ritter in Idealkostümen („wie
man damals überhaupt die Ritter machte“).
Einen wesentlichen Eortschritt bedeutet das aus
dem Jahre 1829 stammende, lithographierte
Titelblatt zu den ,, Gedichten vo7i Friedrich Beck “
(Abb. 6). Vorwiegend beschäftigten Pocci zu die¬
ser Zeit auch musikalische Kompositionen, die
er dann, mit eignem Bilderschmuck geziert, her¬
ausgab. Ich erwähne hier die „Blumen- Lieder
für Knaben und Mädchen “ (Abb. 8), 6 anspruchs¬
lose kleine Gesänge, unter denen namentlich das
vierte („Schneeglöckchen“) durch seine Erfindung
hervorragt, ebenso wie die Singweisen zu „ Ma߬
manns Lieder für Knaben und Mädchen“, 1832
erschienen, vor allem aber die „Sechs Altdeutschen
Minnelieder als Frühlingsgruß 1835“ (Abb. 7) und
die „Bilder- Töne für Klavier “ (Abb. 9) aus dem¬
selben Jahre. Namentlich die „Minnelieder“ sind
von hohem künstlerischem Werte. Ist schon die
Idee, eine Anzahl verschollener deutscher Ge¬
dichte in das Hochdeutsche zu übertragen und
entsprechend zu komponieren, für die damalige
Zeit eine durchaus neue und originelle gewesen,
so ist es noch mehr die zeichnerische Ausstattung.
Zwei der Lithographien: die zum „Maylied von
Christian Hamle“ und zum „Falken von dem
Abb. 6. Titelbild zur ersten Ausgabe der Gedichte von
Fr. Ch. Beck. München 182g.
Original in Lithographie.
von Kiurenburg“, sind durch Anmut der Stellung
und Feinheit der Ausführung besonders be¬
merkenswert; in dem „Wächterlied von Mark¬
graf von Hohenburg“, im „Minnelied von Jacob
von der Warte“ ist namentlich der landschaft¬
liche Hintergrund hübsch entworfen und von
trefflicher Perspektive. Ein reizendes Wald¬
idyll (ritterlicher Jäger im Schatten der Bäume
kummervoll sinnend) zeigt die „Trennung“, wäh¬
rend der „Abendstern“ am flüchtigsten gezeich¬
net, fast skizzenhaft ist und auch in der Er¬
findung nicht anspricht. Bei den „Bilder-Tönen“
umrahmen reich gruppierte Zeichnungen die
zierliche Notenschrift der kleinen Klavierstücke;
unter ihnen möchte ich als am gelungensten
die „Kirche“ mit ihren in den Wolken musi¬
zierenden Engeln und die „Nachtmusik“ hervor¬
heben, wo ein verliebter Ritter auf der Guitarre
436
Hirschberg, Franz Graf Pocci.
ein Ständchen bringt, während zu seinen Füßen
ein Page mit brennender Pechfackel sitzt, zu
seinen Häuptern aber Eule, Fledermaus und
Mond gar merkwürdige Gesichter schneiden.
Von den zahlreichen kleineren künstlerischen
Produktionen, die gewissermaßen so nebenher
liefen, verdient die eine besondere Beachtung,
weil dadurch der Anstoß zu einem neuen größe¬
ren Unternehmen gegeben wurde, das Poccis
Namen mit einem Schlage bekannt und berühmt
machen sollte. Der Künstler pflegte nämlich in
jedem Jahre als Gabe für die Kinderwelt ein
Weihnachtsbild (Abb. io) zu zeichnen, welches
das Christkindlein, die heilige Familie, die drei
Könige, die Hirten und die Engel
in immer neuen Stellungen und
Gruppierungen zeigte. Das
Weihnachtslied (ein Gedicht
von Guido Görres), das
1833 in lithographischer
Reproduktion erschien,
machte in den beiden
Verfassern den Gedanken
rege, alle Fest- und Feier¬
tage des Jahres in ähn¬
licher Weise zu behandeln,
daneben aber Erlebnisse
und Taten von Heiligen
und berühmten Männern, end
lieh auch allerlei in Scherz und
Ernst für die Jugend zu be¬
arbeiten. Und so entstand
die erste illustrierte Jugend-
Zeitschrift, die auf künst¬
lerische Qualitäten An¬
spruch erheben durfte (denn das Pfennig-
und Heller-Magazin der damaligen Zeit hatte
ein grausiges Aussehen): der „Fe st- Kalender
in Bildern und Liedern geistlich und weltlich
von F. G. v. Pocci, G. Görres und ihren Freun¬
dend Dieses köstliche Werkchen, das 1834 im
Cottaschen Verlage zu München und in Wien
„bey den Mechitaristen“ zu erscheinen begann
und heftweise mehrere Jahre hindurch aus¬
gegeben wurde, bildete schließlich ein recht
stattliches Bändchen, bestehend aus 15 Heften,
von denen wieder immer je 5 durch einen be¬
sonderen Umschlag zu einem Teile vereinigt
wurden. Die Herausgeber hatten sich der
Mitwirkung namhafter Künstler versichert: Luise
Wolf, Alexander Strähuber, Thomas Guggen-
Abb. 7.
„W ä c h t e r 1 i e d von Markgraf von Hohenburg“
Aus „Sechs altdeutsche M i nn e 1 i e d e r“.
München 1835. Liter.-artist. Anstalt.
Im Original Lithographie.
berger, Friedrich Hoffstadt, Ulrich Halbreiter,
Karl Ballenberger, Feodor Dietz u. a. lieferten
ihre Beiträge, vor allem aber auch Ludwig
Schwanthaler, Eduard Steinle, 1 1 ilhelvi Kau/-
hach und Peter Cornelius. Das Gebotene zeugt
von einer schier unerschöpflichen Fülle der
Phantasie; doch würde es zu weit fuhren,
wenn ich eine genaue Besprechung jedes ein¬
zelnen Blattes, wiewohl sie verdient wäre, geben
wollte. Von den Beiträgen Poccis, der natür¬
lich den größten Anteil an der Sammlung
hat, sind folgende hervorzuheben : llubcrtus-
lied (Abb. ii: der jugendliche Heilige in Jäger¬
tracht, den göttlichen Hirsch an der Hand
führend); Neujahr (ein famoser
dicker Nachtwächter, dem ein lieb¬
liches Mägdelein ein Blumen¬
körbchen darreicht); Karl
der Große (der alte Kaiser
auf dem Thron, auf der
einen Seite hoffartige und
faule Pagen fortjagend,
auf der andern brave und
fleißige Kinder); Früh¬
ling (ein junger, lorbeer¬
bekränzter Harfner auf
einem Felsblock in reicher
Landschaft); St. Michael
(der Erzengel, dem Drachen
den Speer in den Rachen stoßend,
im Hintergründe das Meer
mit schroffen Klippen);
Stabat Mater (ein in seiner
Einfachheit tief ergreifendes
Muttergottesbild) ; Dante
(unten Verona, zu beiden Seiten das Bild des
Dichters und des Narren); St. Meinrad (die
von zwei Raben verfolgten Mörder des Heiligen
in furchtbarer Prägnanz); Die Kinder im
Walde (Abb. 12); St. Benno (eine Froschpredigt,
als Analogon zur Fischpredigt des heiligen
Antonius) ; Der Fischzug von Stahlau (eine höchst
spaßige Karikatur); Die Wiener Meerfahrt (ge¬
schmückter Kahn mit phantastischen Faschings-
Gestalten) ; Der liebe Schüler (Illustration zu
einem Rückertschen Lehrgedichte); Der Mori-
thaten-Sänger (Titelblatt zum 12. Heft, Selbst¬
porträt des Künstlers als Drehorgelspieler, im
Hintergründe das feine Gesicht von Guido
Görres, im Vordergründe jauchzende Kinder);
endlich Die Münchner Bierbeschau (hoch oben
Zeitschrift für Bücherfreunde IX.
Zu Hirschberg : Franz Graf Pocci.
Abb. 8. Aus „Blumen-Lieder für Knaben und Mädchen'
O. O. u. J. (ca. 1830).
Abb. g. Aus ,,Bil de r-T ö n e für Klavier“.
O. O. u. V. 1835.
Hirschberg, Franz Graf Pocci.
437
das Münchner Kindl mit Bratwurst und Ma߬
krug, unten eine fidele Zechergesellschaft mit
charakteristischen Physiognomien). Daneben
finden sich noch viele kleinere Zeichnungen,
Gedichte, Lieder und Klavierstücke, ein un¬
erschöpflicher Reichtum in Poesie, Malerei und
Musik.
Der „Festkalender“ erregte nicht nur Ent¬
zücken in der Kinderwelt, der beste Beweis für
sein vollkommenes Gelingen, sondern auch von
Schulmännern und Kunst -Kritikern wurde er
mit Beifall begrüßt. In seiner „Geschichte der
neuern deutschen Kunst“ äußert sich Graf
Raczynski, daß Poccis Talerjt keiner der be¬
stehenden Richtungen angehöre, sondern ganz
allein eine Richtung für sich bilde. Und Meister
Ludwig Richter hat immer dankbar anerkannt,
daß er gerade durch Poccis Festkalender zu
seinen Schöpfungen angeregt worden sei.
Alle diese so mannigfaltigen und so erfolg¬
reichen künstlerischen Bestrebungen aber füllten
nur die Mußestunden Poccis aus. Er war nach
Beendigung seiner juristischen Studien in den
Staatsdienst getreten. Nach kurzer amtlicher
Tätigkeit in Starnberg und Dachau wurde er
als Akzessist an die Regierung in München
versetzt. Nicht nur die glückliche Erkenntnis
seiner künstlerischen Bedeutung, sondern auch
die Absicht, den amtlichen Fleiß Poccis zu be¬
lohnen, veranlaßten König Ludwig I., den jungen
Mann aus der trocknen Rechtssphäre heraus in
seine unmittelbare Umgebung zu ziehen. Pocci
wurde zum Hof-Zeremonienmeister ernannt und
gleichzeitig mit der kleinen Besitzung Ammer¬
land am Starnberger See belehnt. Durch diese
Großmut aller materiellen Sorgen und Quis-
quilien enthoben, durch seine im Jahre 1834
mit der Reichsgräfin Albertine Marschall ge¬
schlossene Ehe in einer beglückenden Häus¬
lichkeit lebend, konnten seine vielen Talente
frei ihre Schwingen regen. Neben reichster mu¬
sikalischer Tätigkeit — er komponierte Sona¬
ten, ein- und mehrstimmige Gesänge, die zum
großen Teil im Verlage von Breitkopf und
Härtel erschienen sind — begann er auch
die Kunst der Radierung zu üben. Holland
gibt ein sehr genaues Verzeichnis dieser ersten
Blätter, deren Auffindung heutzutage wohl un¬
möglich sein dürfte; es sind teilweise mittelalter¬
liche Stoffe, teilweise niedliche Kinderbilder u. a.
Zugleich ging es auch mit den Steinzeichnungen
rüstig weiter; neben dem obligatio rischen, dies¬
mal in Golddruck ausgeführten Weihnachtsbilde
erschienen 1836 noch „Sechs Lieder, gedichtet
von Friedrich Beck, als Weihnachtsgab ecl mit
Arabesken, Figuren und reichem landschaft¬
lichen Hintergrund: ein „Fischer-“ und ein „Mäher¬
knabe“, ein „Ave Maria“ und eine „Sternennacht“,
eine „Gebirgslust“ und ein „Wasserfall und See“,
während das Titelblatt mit Architektur und
singenden Engeln geziert ist.
Im Jahre 1837 begann Pocci ein Gebiet zu
bebauen, auf welchem er einzig dastehen dürfte.
Es sind dies die Sonderausgaben der verschieden¬
sten Kindermärchen , die er neu erzählte und mit
zahlreichen Zeichnungen schmückte. Der Wert
dieser Erzeugnisse der Jugendliteratur ist in jeder
Hinsicht ein großer; sie sind, was die Bildung des
kindlichen Schönheitssinnes anbetrifft, schlecht¬
hin vollkommen; vom Standpunkte der Biblio¬
philie aus betrachtet sind sie wahre Kleinodien
einer jeden Sammlung.
Den Reigen eröffnet das „Mährlein vom
Schneewittchen11 . Auf 19 Seiten finden wir 38
Vignetten und Initialen; der Titel ist ebenfalls
illustriert, und am Schlüsse sehen wir die in
Golddruck glühenden Pantoffeln, in denen sich
die schlimme Stiefmutter zu Tode tanzen mußte.
Noch in demselben Jahre erschien „Hänsel 7ind
Grethel (Abb. 13), gleichfalls auf das reichste
ausgestattet (21 Vignetten und Titelumschlag).
Bald folgte das „Märlem von Einem , der auszog
das Fürchten zu lernen “ (Abb. 14) mit 32, zum
größten Teil meisterhaft ausgeführten lithogra¬
phierten Vignetten; namentlich hübsch ist das
Arrangement des Titelblattes, das gewissermaßen
eine gedrängte Inhaltsangabe der Geschichte ist:
mehrere gespenstische Erscheinungen und end¬
lich das kleine Fischchen, das dem Burschen
doch endlich das Gruseln beibringt. Beson¬
ders schön sind ferner die 68 Illustrationen und
der farbige Titelumschlag zu dem Guido Görres-
schen Märchen „Schön Röslein “ (Abb. 17), die
von W. Neuer in Holz geschnitten wurden. Im
Laufe der folgenden Jahre (1839 — 1845) kehrte
Pocci immer wieder zu diesen Arbeiten zu¬
rück; erneutes Schaffen auf diesem Gebiete
scheint ihm gewissermaßen eine Erholung von
größeren Arbeiten, auf die wir noch zu sprechen
438
Hirschberg, Franz Graf Pocci.
Abb. io.
Weihnacht. Gedicht von Friedrich Beck.
Um 1834.
Original in Lithographie.
kommen werden, gewesen zu sein. So entstand
zunächst das „Lustige Märlein vom kleinen Frieder
mit seinem Vogelrohr und Geige “ (Abb. 16), ver¬
sehen mit 23 Initialen und Vignetten, das ebenso
wie der „ Fundevogel “ (Abb. 15) später teilweise
in die „Münchener Bilderbogen“ aufgenommen
wurde. Zwei feine Geschichten enthält das
1839 erschienene Büchlein „ Legende vom Sand
Hubertus. Und: das Märlein von Schneewei߬
chen und Rosenroth “ (Abb. 20), in dem in schlicht¬
anmutiger Weise, begleitet von 37 Illustrationen,
Lehrreiches und Bekanntes erzählt wird. Dann
kam das „ Mährlein von Hubertus und seinem
Horn “ mit 37 Radierungen in Stein, frisch ent¬
worfene Zeichnungen, unter denen besonders
eine Burg hervorragt, mit einem niedlichen Ge-
dichtchen am Ende:
„Im Königshaus
Das Rehlein springt,
Der Fink der singt,
Das Hörnlein klingt,
Die Mähr’ ist aus.“
Den Schluß bildet der ganz in
Reimen erzählte „Blaubart*1 (Abb. 19),
der auf jeder der 16 Seiten eine fast
immer die Hälfte des Blattes ein¬
nehmende Zeichnung trägt; trefflich
ist hier namentlich das Titelblatt ent¬
worfen, das den grimmen Ritter mit
seinen spitzen Schnabelschuhen aus
dem finstern Burgverlies heraus über
den Leichnam einer der Frauen
schreitend zeigt; am Boden liegt
der verhängnisvolle Schlüssel.
Der wachsende Ruhm Boccis be¬
wirkte, daß viele Schriftsteller, speziell
Herausgeber von Märchensamm-
lungen, sich um seine künstlerische
Mithülfe bewarben. Der unermüd¬
liche Mann ließ sich zu allem bereit
finden. Nach den Illustrationen zu
„Schön Röslein“ von Görres, von
denen wir schon gesprochen haben,
folgten zunächst acht Radierungen zu
den „ Kindermärchen von Albert
Ludwig Grimm“ (Heidelberg 1839),
durchweg reizend ausgeführt. Nach
dem Titelbilde, * die „erzählende
Mutter“ darstellend, folgen zwei Illu¬
strationen zum „Schneewittchen“,
ferner „die Königin und die Köhler¬
frau“, der „Fischer Dudeldee“ (Abb. 18), der
„Prinz und der Entenkönig“, das „Schneiderlein
Thäddel und die Alte“, die „arme Wittwe und
ihr Kind“. Sieben Radierungen lieferte Pocci
für die „Sechs Mährlein für Alt und Jung von
Rudolf Schreiber “ (Landshut 1842), aus denen
wir „Prinz Zizi und Prinzessin Coco“ als am
besten gelungen hervorheben möchten. Seine
zeichnerische Mitwirkung bei der von Reuscher
bearbeiteten deutschen Übersetzung von „Ander¬
sen' s Märchen11 , bei der auch Theodor Hosemann
und Ludwig Richter vertreten sind, ist bekannt ;
aber auch zu der englischen Übersetzung
einer Auswahl derselben „ The Dream of little
Tick and other tales“, die von seinem Freunde
Charles Boner besorgt wurde, steuerte er ver¬
schiedenes bei.
Mt IV.
f v r ^ -»■ * *
fljuberfus- ritt mit SpetcuJ&wnö zti jagen trfrlj tt.
ilie ffläliler aus die fläaBer ein lutn apxegelbeltett
3ee roie frbaUtfo laut äae ftillrZThal bau Huf it.1|örne<
klang dralajeHfpnngrgrnejt&er raeijTe utrm bßljtn
iFelffTt fyang nom fyofyen JFelfen fjan^
Das Sage« if* -öubertuS £u{%
Gr iagt unb jagt ibmnad)
ltnb jagen m&4>t er fuc unb für
53i$ an ben jungfien Sag.
(SS cetyi 95etg auf unb geht IBerg ab,
Söoroel bie fteile 5Banb, (Xrala)
35iS in ber engen ^IfeHffaft
Der Jpitf<b gefangen jfanb.
Hubertus jielf mit fdjarfem ,©pee£
tJtedjf nad) “beS «£irfcbe$ SSrufl,
Da jtnfet if>m bie ftarfe #anb,
Da bridjt bie rotlbe ßuft;
Denn fycü t>om £aupt beS S^tereS Micff
3« tf)m ein ÄreujeSbilb,
Unb fdjicft ii>m einen ipfetf infi Qetj
Unb mad)t baS roilbe milb.
Jpubertuö beugt ftef) ttot bem #errn,
©ein Sagen ift gefHOt,
Die Groigfeif, bie ©eligfeit
3ft feun fein einzig SDilb;
Gin 35<3*** ©otfeS roarb er ba,
öeefcrt im #immelreid?, (Srala)
Drum fromme Sa 3er ruft ty« ö»,
Gr betet trort für (tueb.
Abb. ii. Aus dem Festkalender von F. G. v. Pocci, G. Görres und ihren Freunden.
1834. München, Cotta, und Wien, bei den Mechitaristen.
Zeitschrift für Bücherfreunde IX.
Zu Hirschberg -. Franz Graf Pocci.
Die fitn&cr im Cöalbf.
©ß blieben etnfl brei Äinbet flet^n.
Die gra$ jur Sdjule füllten gepn,
Sie bauten bieß unb bacpten baß,
Daß fernen fep ein fcplecpfer Spafj.
Unb fpvacpen bann mit leicptem ©inn :
<§i lafjt unß bocp jum ©albe pin,
Dad Spielen iji ber Xpierlein Braucp,
ßafU fpielen unß mit ipnen autp.
Sie luben bann im ©albe ein,
3um Spiel bie liiere groß unb Plein ;
Doep [praßen bie: eß ift unß leib,
®ir Ijaben jefco feine 3<it-
Der^äfer brummte: baß mär fcpon,
©eilt i<p mit eud) fo müßig gepn,
3<P muß auß ©raß ein Brucflem bdu’n,
Dem alten ift nicpt mepr $u trau’n.
2m ßtmcißpaufen fcplicpen fle
©an} leiß vorbei, icp nmß nicpt mie,
Unb liefen oor bem '-öienlein fcpier,
2H märe eß gar ein giftig Xpier.
Daß fSKüußlein fprad? $u ipnen fein:
3<P fammle für ben ©inter ein,
Unb icp, baß reelle Xäubcpen, fpracp:
3um Kefle bürre Keifer trag.
Daß £dßcpen minFte freunblicp bloß:
3$ fbnnte um bie ©eit nicpt loß;
3pr fept, mein Scpnaujcpcn ijf nidp£ rein,
Daß muß im gemäßen fepn.
2ucp ISrbbeerblütpcpcn fpracp :
3$ nüpe biefetr fcp6nen Xag,
3u reifen meine fuße §ruc pt,
Die bann ber arme Bettler fucpt.
Da fam ein junger £apn baper,
Sie riefen : liebfter fERonfieur <5r,
ift pat becp maprlicp nicptß $u tpun,
Unb fann ein bißcpen bei unß rupn.
'Parbon! id) pab »on 2bel QJdfl,
Unb arrangite peut ein §eff,
So fpricpt ber -^apn »oä (3ra»it&f,
Verneigt fiep fteif unb Ealt unb gepf.
Drauf bacpten fte in iprem Sinn,
Du Bäcpfem platfcperff bocp fo pin,
$omm, fpiel mit unß, fep mit unß frop;
Daß Bäcpfem fpracp erffaunt: ©fe fc?
(£i fept bie faulen Äinber. fcpr,
3$ ©eiß nicpt mo Der ßopf mit fiept
Sie meinen, icp pätt nicptß 3U tpunP
Unb fann bocp lag unb jfacpt nicpt rupn.
©enfcpen, Xpiere, ©arten, halber,
liefen, Xpal unb 'Berg unb Selber,
2Qe muß baß Bacplein tränfen,
Unb bie Xopfe aucp nocp fcproenfen.
Äinber micgen, 'JDRüplen treiben,
Bretter fcpneibcn, <5r j verreiben,
©olle fpmnen, Scpiffe tragen,
Seuer lofcpen, Jammer fcplagen.
3$ fann eucp aließ fagen nicpt,
©eil mir baju bie ße ir gebticpt;
So fpracpß unb fprang »on Ort ju Drt,
Unb pufcp n?ar gleicp baß Bacplnn fort.
Da mar ipr 'X^utp bem Smfen nap,
2116 einer einen 5'nfen fap,
Der auf bem 2lfle fafe in Kup,
Unb pfiff fein ßieb unb frap baju.
Sie riefen: acp -perr Biebermann !
Der aH Die fcpbncn ßieber fann,
Du pafl gemip recpt oiele Beit,
Unb bijl mit unß jum Spiel bereit.
'Po^ taufenb pab icp fcplecpt gepöi ,
3pr Ätnber fepeint mir reept betport;
3^ pab gejagt ben langen Xag
Den 'JÜRucfen fie |U fangen naep,
9iun moQen noep bie 3un9tn mein,
3m Sdjlafe eingefungen fepn;
Drum pfeif icp mit bem Brubercpor,
Den kleinen meine ßieber »or.
3<p fing bem ©alb jur popen ßufl,
(§in müber ßORann auß froper Brujl,
Dem Herren gibt mein ÜlRunb ben Preiß,
Unb lobt bie Arbeit unb ben Scproeijj.
Docpfpretpt maß pabtbenn ipr gemaept
Die alfo ftplecpt »on mir gebaept-
Äeprt um ipr fBRü^iggänger ipr,
Unb flort bie ßeut niept langer pier.
Bon allen Xpierlem fo beleprt,
©inb brauf bie ßinber frop gefeprt,
Unb rcajjten, bag bem allein
Deß ©pleleß ßnff ein Preii fann
Abb. 12. Aus dem Festkalender von F. G. v. Pocci, G. Görres und ihren Freunden.
1834. München, Cotta, und Wien, bei den Mechitaristen.
Hirschberg, Franz Graf Pocci.
439
Nachdem Pocci nun an dem „Festkalender“
und den Märchen bewiesen hatte, daß er wie
selten einer berufen sei, die Jugend-Literatur auf
eine hohe Stufe zu heben, dehnte er diese
seine Arbeiten weiter aus und ersann immer
wieder Neues, um die Herzen der Kleinen zu
erfreuen. Eine nicht geringe Unterstützung
und Anregung dazu bot ihm der Verkehr mit
gleichgesinnten befreundeten Dichtern. In erster
Linie war es der geist- und gemütvolle, in
München, wo er Ende der dreißiger Jahre
weilte, eifrigsten Sagen- und Märchenstudien
obliegende Ludwig Beckstein , der zu Poccis
vertrautestem Freundeskreise zählte; weiterhin
nenne ich Justinus Kerner, Clemens Brentano
und Gustav Schwab ; von weniger bekannten,
darum aber nicht unbedeutenden Poeten, die
dem neuen Werke ihre Kraft weihten, ist zu
erwähnen Ludwig Aurbacher, der viel zu wenig
gewürdigte Schöpfer des „Volksbüchleins“, Karl
Fernau und endlich Friedrich Beck , dessen
„Geschichte eines deutschen Steinmetzen“ neben
Novalis’ „Ofterdingen“ und Tiecks „Sternbald“
mit allen Ehren bestehen kann. Das von diesen
Männern ins Leben gerufene Werk, an dem
der Löwenanteil Pocci zufällt und unter dessen
Namen es auch erschien, waren die „Geschichten
und Lieder mit Bildern “ (Abb. 21 und 22). Sie
sind als Fortsetzung des „Festkalenders“ gedacht,
erschienen innerhalb der Jahre 1840 — 1845 in
drei Bänden und sind noch verschwenderischer
mit Poccischen Zeichnungen und Kompositio¬
nen ausgestattet als ihre Vorläufer. Auf jeder
der 92 Seiten eines jeden Bandes findet sich ein
Bild oder ein Lied oder beides, dabei der Text
in schönen antikisierenden Lettern. Legenden,
Märchen, Gedichte, kleine volkstümliche Er¬
zählungen, Lebensbeschreibungen wechseln in
bunter Reihe, und man wird nicht müde, immer
von neuem das anmutige Buch zu durchblät¬
tern. Wie allerliebst tragen die Kinder das
tote Vögelchen („Vögleins Begräbnis“ von
Ludwig Bechstein) auf der Stange daher ! Den
Zug eröffnet ein marschierender Hosenmatz
mit einer Fahnenstange und einem Papierhelm,
dann kommen die kleinen Leichenträger, ein
Knabe und ein Mädchen, neben denen mit
traurig hängenden Ohren der treue Dachshund
läuft, und zum Schluß die Leidtragenden,
ebenfalls ein Pärchen, dessen weiblicher Teil
bitterlich weinend die Schürze vor die Augen
Z. f. b. 1905/1906
hält. Ein kleiner Trauermarsch für Klavier
schließt sich an. Wie kühn und sicher mit
wenigen Strichen sind Goliath und David ge¬
zeichnet! Der Hanswurst, dem mehrere Seiten
gewidmet sind, ist ein Vorläufer Kasperles,
den Pocci später in ausgiebigster Weise zum
Helden seines „lustigen Komödienbüchleins“
gemacht hat. Höchst charakteristisch sind
Bilder und Verse der „Monate“, die auch als
besonderes Büchlein erschienen sind; beim
Februar-Fasching erkennt man deutlich Pocci
selbst mit der Narrenkappe unter den andern
fidelen Leuten, die zweifellos alle porträtähn¬
lich dargestellt sind (zur Entschuldigung trägt
Pocci-Hanswurst einen Bogen mit der Auf¬
schrift „Hony soit qui mal y pense“ unter dem
Arm). In schöner Landschaft schreitet der
„Heilige Joseph von Cupertino“ einher. Auch
„Schattenspiele“ sind vorhanden, ferner ein
ganzer Zyklus von Weihnachtsliedern, ein „Pup¬
penspiel“, eine Geschichte der Jungfrau von
Orleans und vieles, vieles andere, so daß man
nur bedauern muß, solche herrliche Kinder¬
bücher nicht mehr erlangen zu können.
Was bei dieser großen Arbeit noch alles
nebenher ging, ist so recht deutlich ein Beweis
für die Leichtigkeit und Genialität von Poccis
Schaffen. Unter den Steinzeichnungen sind als
besonders hervorragend zu nennen die 1838
erschienenen „ Trifolien “, sechs reizende kleine
Gedichte, für eine Singstimme mit Klavierbe¬
gleitung komponiert und mit hübschen Arabes¬
ken versehen. Das erste „Trifolium“ besteht
aus einem Wald-, Schlummer- und Almlied,
das zweite aus drei ritterlichen Gedichten. Zu
Neujahr 1838 hatte Pocci einen besonderen
„Neujahrswalzer“ auf Stein radiert: aus einer
Tür tritt das eine Fackel tragende neue Jahr
heraus, während rechts der Nachtwächter, links
eine mystische verhüllte Gestalt sitzt. Mit das
Reizendste aber schuf der Künstler in zwei
kleinen Heftchen, die leider nie in den Handel
gekommen und infolgedessen gar nicht mehr
aufzutreiben sind und die er „Fliegende Blätter “
nannte. Das erste Heftchen enthält sechs treff¬
liche Radierungen zu ebensovielen kleinen Ge¬
dichten von Ludwig Bechstein , von denen eines
bereits in meinem Bechstein- Aufsatze (Zeit¬
schrift für Bücherfreunde 1901, Heft 7, Seite 267)
reproduziert worden ist, außerdem noch eine
siebente als Titelblatt: ein fröhlich springendes
57
440
Hirschberg, Franz Graf Pocci.
Abb. 13. Die Hexe aus „Hansel und Grethel“.
München 1838. Zachs Lithogr. Kunstanstalt.
Knäblein, das die Blätter einfängt. Das zweite
Heftchen dieses Kleinodes der Bibliophilie ist
ganz analog angeordnet; die sechs Gedichte
(in oberbayrischer und pfälzischer Mundart)
stammen von dem bekannten Dialektdichter
Franz von Kobell ’ der Zeit seines Lebens zu
Poccis intimsten Freunden zählte. Ganz vortreff¬
lich ist hier — sämtliche sieben Blätter sind zum
Unterschiede von den ersten in Lithographie
gefertigt — das Titelblatt gelungen, das
uns unter einem die Titelbezeichnung tragen¬
den aufgerollten Blatte den Maler mit Feld¬
stuhl und Mappe und den (dem Beschauer den
Rücken kehrenden) Dichter mit Büchse und
Jagdtasche zeigt. Schon vorher hatte Pocci
zwei geistvolle Radierungen zu zwei Bechstein-
schen Gedichten verfertigt, und zwar den „ Tod,
mit einem Ritter Karten spielend “ („Saßen
einstmal zwei Gesellen“) und die „ Heilige Nacht“
(„An der Krippe ward geboren“). Das erste
der beiden Blätter, die aus dem Jahre 1838
stammen, ist 1876 unter dem Titel „ Trumpf
ans!“ (Abb. 24) bei Griesbach in Hildburg¬
hausen neu gedruckt worden.
Wenn wir auch den bei weitem größten
Teil der von Pocci angefertigten Gelegenheits¬
zeichnungen (vergl. Abb. 23) nicht kennen, da
er von diesen das meiste sofort in großmütig¬
nachlässiger Weise verschenkte, so ist es doch
dem Eifer H. Hollands zu danken, daß eine
nicht unbeträchtliche Anzahl davon erhalten
blieb, freilich immer nur in einem oder wenigen
Exemplaren. Die verschiedenen Weihnachts- und
Burgen- Bilder einzeln aufzuführen, wäre ver¬
gebliche Liebesmüh; schrieb doch der Meister
selbst unter eine solche Zeichnung, die er in
allerkürzester Zeit gleichsam hingezaubert hatte:
„Und hätt’ ich wohl an hundert Hand,
Mit Burgen kam’ ich nie zu End !“
Holland verzeichnet z. B. ein Gelegenheits¬
blatt , , Kinder reyeti ', mit dem allerliebsten Dop¬
pelsinn von „Kindereien“ und „Kinder-Reihen“,
auf dem Chinesen, fröhliche Burschen und ein
Hanswurst bunt herumwimmeln; ferner aus dem
Jahre 1840 eine Reihe von neun lithographierten
Blättern „ Erinnerungen an die Fahrt nach Ammer -
gau “ mit allerlei heiteren Szenen und Versen. Aus
der Liebhaberei Poccis, zu festlichen Gelegen¬
heiten, Gelagen und Unterhaltungen karrikierte
Blätter zu entwerfen, auf denen die betreffenden
Personen immer deutlich, aber nie verletzend
abkonterfeit wurden, ging auch ein ganz köst¬
licher „Bilderbogen“ hervor (1840), bezeichnet
„Das Turnwesen in Berlin Unter den sechs
mutwilligen Karikaturen ist die dritte besonders
gelungen: die Hasen in der Hasenhaidc laufen bei
Aufrichtung der Turngerüste davon; ebenso das
vierte Bild, auf dem die Häslein, von der Wichtig¬
keit des Turnens durchdrungen, durch eine an
Maßmann abgesandte Deputation um Unterricht
für ihre Jungen bitten lassen. Interessant ist
es auch, etwas über die Zahl der Radierungen
aus den Jahren 1833 — 1849 zu erfahren. Hol¬
land verzeichnet im ganzen 58 Stück, darunter
Werke von hervorragender Schönheit, in erster
Linie ein „Altdeutscher Meiste r“ mit Wappen¬
schild, der in einer mächtigen Säulenhalle steht;
durch die weiten offenen Bogen schimmert ein
klarer Bergsee. Weiterhin ist ein als „ Devise “
bezeichnetes Blatt zu erwähnen: ein Fräu¬
lein in altdeutscher Tracht steht auf einer
Abb. 14. Aus dem ,, Märlein von Einem der auszog,
das Fürchten zu lernen.“
München 1838, G. Franz.
Hirschberg, Franz Graf Pocci.
441
J^IÄntiwjä
fitttitt
Blume, zu ihren Füßen
ein die Laute spielender
Ritter, rechts ein Bäum¬
chen, im Hintergründe
ein Fluß mit einer Burg.
Hübsch erdacht ist auch
„Der Kinder Weihnachts-
fest “ : auf einem von zwei
Engeln gezogenen und
drei Engeln mit Weih¬
nachtsbaum, Harfe und
Mandoline begleiteten
Wagen fährt das Christ¬
kind daher, in der einen
Hand einen Palmzweig,
in der andern die Weltkugel tragend;
den Zug führen drei Knäblein, von
denen zwei Flöte und Trompete blasen,
der dritte ein schlangenumwundenes
Kreuz trägt; beschlossen wird er von
zwei niedlichen Mädchen. End-
. 777 1 Abb. 15. Titelblatt zum „Fundevogel“.
llCil Sei Hoch die RÜckkcIlV d£V München 1845» Chr. Kaiser.
Unterbergszwerge “ genannt: Original m Lithographie,
eine langsam dahertrollende
Zwergenschar, die ihren Kaiser in den Berg
zurückgeleitet.
Der Schwerpunkt der Arbeiten Poccis ver¬
blieb zunächst noch immer in seinen illustrierten
Kinderschriften. Etwas ganz Neues bot er in den
mannigfaltigsten „ Spruchbüchlein “, von denen
innerhalb kürzester Zeit eine ganze Menge er¬
schien. Sie haben sämtlich ein kleines hand¬
liches Format und enthalten immer, außer dem
Titelblatt, 31 Zeichnungen mit kleinen Verslein,
für die Anzahl der Monatstage berechnet:
„Lernst du aus diesem Büchlein
Alltäglich nur ein Sprüchlein,
Weißt du im Monat dreißig:
Nun, liebes Kind, sey fleißig.“
Den Anfang machte
das „Spruchbüchlein
mit Bildern, den Kin¬
dern gewidmet “ im
Jahre 1838, das bereits
im nächsten Jahre eine
neue Auflage erlebte;
1 845 folgte ein „Neues
Spruchbüchlein mit
Abb. 16. Bildern 1 846 erschie-
vom kleinen Frieder”. ^ die „Sprüchlein Mit
München 1839. Lit.-artist. Anstalt. Bildern für Kinder*' ,
in welchen die Reime
teilweise von Friedrich
Güll verfaßt sind und das
mehrfach aufgelegt wurde
(zuletzt 1 860) ; und endlich
1851 ein „Allerneuestes
Spruchbücldein“ (Abb. 26).
Im Gegensatz zu den drei
ersten, die Steinzeich¬
nungen enthalten, sind
die Blätter des letzteren mit kolo¬
rierten Holzschnitten bedeckt.
Wenn auch die Technik durchaus
nicht immer mit der Kraft und
Leichtigkeit der Erfindung Hand
in Hand geht, so zeigen doch fast
alle diejenigen Skizzen (denn das
Ganze ist durchweg skizzenhaft
gehalten), in denen das Land¬
schaftliche vorherrscht, eine be¬
merkenswerte Feinheit der Aus¬
führung.
In diese Zeit rastloser Tätig¬
keit (1846) fallen auch die be¬
rühmt gewordenen Illustrationen zu der „ Kinder -
heimath in Liedern und Bildern “ von Friedrich
Güll (Abb. 25). Nicht weniger als 61 Holz¬
schnitte und Vignetten hat der Künstler dazu
geliefert. Da bringt ein auf einer Wolke
schwebender Engel einen Brief vom Christ¬
kindlein; da reitet ein kleiner Knirps als Post¬
knecht das Horn blasend auf einem sporen¬
tragenden Stulpenstiefel, der so groß ist wie er
selbst; da macht der Schneemann, den die
Sonne bescheint, ein ganz elendes Gesicht, als
ihm das Wasser aus Augen, Nase und Mund
herausläuft; da wandert das Fröschlein mit
seinem dicken Bauch, Jägerhütlein und Ranzen
tragend, keck und lustig durch das Schilf. Und
dann hat jedes der wunderschönen Kinder¬
gedichte, die wir ja durch die Kompositionen
Emil Tauberts genugsam kennen, sein Bild¬
chen: der „Rettig und die Rüben“, der „Bauer
und sein Taubenhaus“, der „kleine Rekrut“, das
„kluge Mäuslein“ usw.: ein würdig-edles Trifo¬
lium von Dichter, Zeichner und Komponist.
Ganz ähnlich wurden die „ Kinderreime “ von
Traugott Loschke (München 1847) illustriert
(Abb. 28). Die Dichtungen dieses längst ver¬
schollenen Jugendschriftstellers, für den auch
Ludwig Richter vieles gezeichnet hat, haben
442
Hirschberg, Franz Graf Pocci.
unverdientermaßen nur geringe Verbreitung ge¬
funden. Die 30 Bildchen von Pocci sind in
derselben schlichten Manier gehalten wie die
zu dem Giillschen Buche.
Auch ein (katholisches) Kinder-Gebetbiichel-
chen hat unser Meister mit seinen Skizzen ge¬
schmückt. Es erschien unter den Titeln „ Rosen -
gärtlein“ und „Jardinet de Roses“ (Abb. 27) in
deutscher und französischer Sprache und hat
zahlreiche Auflagen, sogar bis in die aller-
neueste Zeit hinein, erlebt. Auf dem Titel¬
blatte sehen wir einen Engel, ein kleines Knäb-
lein führend zu einem umfriedeten Rosengarten,
der sich am Fuße eines von einer Kirche ge¬
krönten Hügels befindet. Das Vater -Unser
ist durch zwei eine Bandrolle tragende Engel
versinnbildlicht. Beim Ave Maria haben wir
eine „Verkündigung“ nach alt- italienischer
Weise; das Apostolikum weist am Schlüsse
eine trefflich entworfene gotische Kirche auf.
Die Holzschnitte der neuesten Ausgabe sind
äußerst minderwertige und willkürlich veränderte
Reproduktionen der feinen alten Lithographien.
Für „Jung und Alt“ berechnet sind Poccis
Beiträge zu dem „deutschen Volksbüchlein“
für 1845 von Gustav Nieritz; hier bringt er
„ Prosaisches , Poetisches und Bildliches “ zu glei¬
cher Zeit. Höchst witzig, Lichtenbergschen
und Hogarthschen Geist atmend, ist darin die
Abhandlung,, Über J erbeugungen {Komplimente)“,
eine auf „mathematischen Berechnungen“ ba¬
sierende Satire. „Es bildet sich nämlich durch
die Verneigung ein Winkel, unter dem sich der
Oberteil des Körpers von der Hüfte an auf
den senkrecht stehenden Beinen vonvärts beugt
und bezeichnet gewissenmaßen den Grad der
Untertänigkeit des komplimentierenden Indi¬
viduums. Je spitzer, desto mehr, je stumpfer,
desto weniger Respekt wird
ausgedrückt. Das Feld, auf
welchem sich die Ver¬
neigung bewegen dürfte,
kann vom spitzen Winkel
zu 70° bis zum stumpfen
zu 1600 angenommen wer¬
den, nach welchem letz¬
teren dann nur das simple,
gnädige Kopfneigen aller-
Abb. 17. initiale höchster und höchster Per-
aus „Schon Rosiem“ sonen übrig bleibt.“ Die bei-
München 1837. gegebenen originellen Illu¬
Abb. 18. „Der Fischer Dudeldee". Aus den Kinder-
mährchen von Albert Ludwig Grimm.
Heidelberg 1839, Winter.
Im Original Lithographie.
strationen zeigen den „demütigen Supplikanten“
oder „untertänigen Diener“ mit einem Winkel von
etwa 8o°, einen respektvollen, aber weniger unter¬
würfigen Bittsteller mit einem solchen von 1180,
wobei ein „Manuskript in der Tasche etwas
mehr Gewicht gibt; der „Elegant“ verneigt sich
„mit freundlicher Ergebenheit und graziöser
Leichtigkeit“ im Winkel von 130°, der vor¬
nehme Mann mit dem Ordensstern (eine deut¬
liche Vorahmung des famosen „Staatshämor-
rhoidarius“) unter dem von kaum 160° Dann
folgt (bei der Illustration wird man unwillkürlich
an einige heutzutage höchst beliebte Schweizer
Ansichtspostkarten erinnert) das Märchen
vom ,, König Watzinann“, ferner ein rührendes
Pendant zu Rückerts bekanntem „Des fremden
Kindes heiliger Christ“, nämlich das Gedicht
„ Das Waisenkind“; eine neu ersonnene Illustra¬
tion zu Bechsteins „Vögleins Begräbnis“, das
wir schon aus den „Geschichten und Liedern“
her kennen, und noch verschiedenes andere;
die Hauptillustration zu dem ebenfalls in dem
Buche enthaltenen „Gevatter Tod“ ist bereits
in meiner Arbeit über Ludwig Bechstein in
diesen Heften reproduziert worden.
Die wundernetten und allbeliebten „ Schnada -
hüpfle und Sprüchln “ von Franz von Kobell
(München 1845) haben in unserm Meister einen
Hirschberg, Franz Graf Pocci.
443
Abb. 19. Titelblatt zu ,, Blaubart“.
München 1845, Chr. Kaiser.
Im Original Lithographie.
adäquaten Illustrator gefunden. Schon das
Titelblatt, eine veritable Defregger-Gruppe,
ist ein erneuter Beweis für die Leichtigkeit und
Sicherheit, mit der Pocci seine Einfälle zu Papier
brachte. Weiter verdienen unter den 27 Holz¬
schnitten erwähnt zu werden: der andächtig in
den Maßkrug guckende Mann, als wenn’s ,,a’
Kapelle halt sey“, der zur Flötenmusik eines
kleinen, auf einer Tonne stehenden Engelchens
tanzende Jodler und endlich die ärger wie ein
Wasserfall „raatschende Fra’ Bas’“.
Hervorragend war auch Poccis Mitarbeiter¬
schaft bei einem groß angelegten herrlichen
Werke, das Guido Görres in den Jahren 1846
und 1847 herausgab (der geplante dritte Band
erschien wegen des unruhigen 48 er Jahres nicht).
Es ist dies das „Deutsche Hausbuch“, zu dem
wieder die mannigfachsten Künstler, wie beim
„Festkalender“, ihr Bestes beisteuerten. Das
Motto des prächtig ausgestatteten Buches wurde
voll erfüllt:
„Zu des Wissens Erweiterung,
Zu des Lebens Erheiterung,
Deutscher Jugend zur Lehre,
Deutscher Tugend zur Ehre,
Deutschem Lande zum Schutze,
Seinen Feinden zum Trutze,
Gott, dem Höchsten, zum Preise,
Mach dich frisch auf die Reise.“
Das Bedeutsamste daraus ist zweifellos der
Abdruck von Clemens Brentanos „ Chronika
eines fahrenden Schülers “ mit den 12 Pocci-
schen Vignetten. In den edelsten Linien ge¬
halten ist das Bildnis des Scholaren selbst
(Abb. 31), eine schlanke Jünglingsgestalt mit
lockigem Haar und knappanliegendem Ge¬
wände, der das samtene Barett mit der langen
Feder ungezwungen über den Schultern hängt.
Weiterhin sind das brünstige Gebet des reich¬
gekleideten Jünglings an dem Marien-Altar und
die verlassene Waldeshütte prächtig erfundene
und ausgeführte Darstellungen. Es zeigt sich
auch hier schon eine ganz besondere Kunst¬
fertigkeit Poccis, auf die wir später noch zu
sprechen kommen werden, eine eigene Spe¬
zialität, nämlich die sinnige Anbringung von
Buchstaben-Initialen. Wie schön ist z. B. gleich
zu Anfang das „V“ von dem emsig schrei¬
benden Chronisten ausgefüllt (Abb. 33), wie
hübsch das „J“ einmal von dem alten Ritter
und dem jungen Edelknaben, das andere Mal
von einer wetterfesten Ritterburg! Voll Witz
und Laune ist die kleine illustrierte Skizze
„ Das Flaschenkonzil in der den Reformatoren
des XIX. Jahrhunderts der gute Rat er¬
teilt wird, ihre Konferenzen, bei denen die
Trinksprüche immer die Hauptsache bilden
(wie heute), lieber gleich zur Ersparung des
Abb. 20. Titelblatt zum
„Märlein von Schneeweißehen und Rosenrot“.
München 1839, Jos. Lindauer.
444
Hirschberg, Franz Graf Pocci.
Der Ötailer CuJrtng ,30p ,3ur Sc+(Lacl\t
i&inau» mit leinen ^Treuen ,
iDen gegen Ocltmcfi» tlbertnadg
JffluJk’er5cn Stampf erneuen,
©cn flflütyJorf 30g er rafrli tioran ,
flHtt il\m "5er alte rSdpticppermarm.
,, Jfp- Teyb ein bied rer frommer IßelJ ,
„Ü5en Sieg min) (Sott cucfy fcl^cnkm,
„ibnim macK'rer |Freun5' ttne’s eudj gefällt,
„flflögt ilp- 5a? Treffen lenken,”
So rpraef] 5er Slatfer, „ffülp-t una an,
„Jlp- mrtn getreuer Sc^meppermann1 *
Un5 tiefer ordnete 5ie Scklae^t
Itlcil ce 5er Rätter f\etfcfxte.
Ruf Rlleatnar er mofjl be5ad\t.
tDafi ilpt 5er ffcuiJ nictg taufekte
iDocfy cif 5aa Rtrcjfen nun begann,
£5a betete 5er Sct^mepp ermann,
Un5 blutig tuar5er Strxeg urt5 fcf{n>er,
<&ar mandjer Tank ?ur (Fr5e,
(Ea klangen Schilber, feelm unb Speer’,
(Es toieljerten 5u ]3fer5e,
Ö)ocl\ rul^tg folgte feinem fllan
iDcr alte Kluge Sctyoepperrnamt.
Abb. 2i; Aus den „ Geschichten und Lieder mit Bildern*
München 1840—1845, Literarisch-artistische Anstalt.
Katzenjammers von den Flaschen abhalten
zu lassen. Erwähnung verdient ferner die
als Beigabe zu einem Erinnerungsblatte ge¬
gebene, meisterhaft gezeichnete Charakterfigur
Lorenz Westenrieders , gleich bewunderungs¬
würdig durch die Schärfe der Auffassung wie
durch ihre absolute Porträt-Ähnlichkeit, trotzdem
ihr nur eine frühe Jugenderinnerung zugrunde
lag. Auch das Christkind in den verschieden¬
sten Gestalten, bald mit dem Kreuzesstab durch
den beschneiten Wald schreitend, bald im
kurzen Hemdchen mit offnen Armen aus Schilf
und Binsen hervortretend, Weihnachts- und
Engelbilder mannigfachster Art, kleine Gedichte
und Erzählungen, immer mit Bilderschmuck
versehen, finden sich in dem schönen Buche.
Die Liedersammlungen.
Ich gebe diesen Werkchen, die
ich im Zusammenhang besprechen
möchte, trotzdem sie zeitlich teil¬
weise recht beträchtlich auseinander
liegen, eine besondere Überschrift,
weil die geradezu epochemachende
Wirkung derselben dies mir zu er¬
heischen scheint. Auf ihrer Grund¬
lage hat später Ludwig Richter , der
Poccis Einfluß auf seine Schöpfungen
jederzeit anerkannt hat, weitergebaut
und ist damit der Liebling des
deutschen Volkes geworden.
Zum Preise von 4 Sgr. oder
14 Kr. Rh. ließen im Jahre 1842
F. Pocci und A. Jürgens ein 48 Seiten
umfassendes Heftchen „Alte und
neue Soldaten- Lieder. Mit Bildern
und Singweisen“ erscheinen. Wacker
und kräftig steht auf dem Titelblatte
ein Landsknecht, in der erhobenen
Linken das den Buchtitel tragende
Banner haltend, am Fuße einer
Ritterburg; ein geharnischter Ritters¬
mann zu Pferde, ein Soldat mit
Rüstung und Gewehr, endlich ein die
Trommel schlagender Tiroler Bub’
bilden seine Umgebung (Abb. 38).
Zu den 31 Liedern sind von Pocci
36 Holzschnittzeichnungen gefertigt
worden. Da faßt der tapfere Prinz
Eugen einen zitternden Türken beim
Schopfe, da reitet ernst und ergeben
auf prächtig gezäumtem Rosse, das „Morgen¬
rot! Morgenrot!“ singend, ein Rittersmann
daher, da sitzt in tiefem Nachdenken ein alter
Krieger und apostrophiert seinen Mantel mit
„Schier dreißig Jahre bist du alt“. Da marschiert
ein keckes Bürschchen mit Federhut und Fahne
und singt das Grenadierlied; da steht Fridericus
Rex in charakteristischer Haltung auf einer
großen Trommel, deren Sockel drei fürchter¬
lich dreinschauende und grimmig die Augen
rollende Soldaten verschiedener Waffengattungen
bilden (Abb. 36). Die „Soldatenlieder“ sind
heute selten geworden und unterliegen bereits
phantastischen Antiquariatspreisen.
Noch zündenderwirkten die „Alten und neuen
Jäger- Lieder“, im Verein mit Franz von
Kobell 1843 herausgegeben. Das zu dem Liede
Hirschberg, Franz Graf Pocci.
445
„Leidvertreib“ gezeichnete Bild des Meisters
Reinecke Fuchs (Abb. 30) erlangte bald eine un-
gemeine Popularität; als Biermärkel, auf Pfeifen¬
köpfen und Tassen erschien der listige Bursche.
Er ist aber auch zu originell, wie er zweibeinig
daherstolziert, im knapp anliegenden Jäger-
röckchen, unter dem der Schwanz hervor¬
guckt, das Gewehr, an dem ein paar stibitzte
Hühner hängen, geschultert, den Försterhut
keck auf den schmalen, arglistigen Schädel ge¬
stülpt. Den Anfang des Ganzen bildet natür¬
lich der Schutzpatron des edlen Weidwerks,
ein prächtiger Sankt Hubertus. Trefflich er¬
dacht sind die Bilder zu dem oberbayrischen
„Scheibenschützenlied“ Kobells, zum „Jäger aus
Churpfalz“, zum Jägerchor aus dem „Freischütz“
(in der Mitte Samiel in höllischen Flammen,
oben ein Uhu, unten der trauernde Max), na¬
mentlich auch die beiden Waldlandschaften
(Seite 34 und 42 zu den Gedichten „Im Wald“
und „Jägers Farbe“).
Den Dritten im Bunde bildeten die „Alten
und neuen Studentenlieder ‘ ‘ (1844); auf dem
Titel figuriert Pocci als einziger Herausgeber;
Kobell hatte die Lieder gesammelt. Die vier
Hauptbeschäftigungen der Musensöhne füllen
das sinnvoll gruppierte Titelblatt aus: Mensur,
Kneipe, Mädchen, Kolleg; das Ganze wird von
einer Eule gekrönt, während der gedruckte
Titel gleichsam aus einem Pokale hervorquillt.
Unter den 34 Holzschnitten ist gleich der erste
(zu „Ubi bene ibi patria“) sehr glücklich ge¬
troffen; ein lustiger, fahrender Scholare mit
Federhut und Degen. Drei holde Knaben be¬
kränzen den „lieben, vollen Becher“ mit Laub;
die Sonne sinkt strahlend ins Meer. Wie rüh¬
rend ist das Antlitz des jungen Studio, der
das aufgeschlagene Buch auf den Knien hält
und sein „Lauriger Horatius“ singt! Ein fröh¬
licher Bursche, von seinem Mädchen um¬
schlungen, erhebt einen Kranz und ein volles
Glas; er stimmt das „Gaudeamus“ an, und
unten eilt der Knochenmann mit der Sense
daher. Der tanzende Kneipbursche sieht die
Straße und die Laternen schief; der Mond mit
der Tabakspfeife im Munde schaut ihn recht
verschmitzt an mit einem offenen und einem ge¬
schlossenen Auge. Die hübscheste Vignette ist
zweifellos die zum „Landesvater“: ein Herolds-
Jüngling in altdeutscher Tracht, mit erhobenem
Schläger fromm zum Himmel blickend (Abb. 29).
Abb. 22 Aus den ,, Geschichten und Lieder in Bildern".
München 1840 — 1845, Literarisch- artistische Anstalt-
Den Schluß der Reihe machen die 1852
von Pocci und K. von Raumer edierten „Alten
und neuen Kmder-Lieder“ . Zu 46 Liedern hat
der Meister 48 Holzschnitte gezeichnet, die
fast durchweg die Zeichen höchster Reife tra¬
gen. Im Gegensatz zu den bisweilen fein ge¬
glätteten und frisierten Bildern der ersten
drei Sammlungen, zeigen die Illustrationen der
„Kinderlieder“ breiteste Anlage und keckste
Manier. Wer muß nicht innig erfreut sein
über das herzige Bild vom weinenden „Häs-
lein“, das, mit dem Taschentuch vor den
Augen, dem ganz erstaunt und bekümmert zu¬
hörenden Kinde seine Leiden klagt: wie zuerst
die Jäger ihre Hunde auf ihn hetzen, wie sie
es dann schießen, wie es in der Küche mit
Speck gespickt und wie es schließlich bei der
Tafel in viele Stücke zerschnitten und dann
verspeist wird? Wer muß nicht lachen über
die konfiszierten Gesichter des „Fischhändlers“
und des „Schmiedes“, letzteres eine kleine
boshafte Kopie eines muckerischen Schul¬
mannes? Der „Schnitter Tod“, „Jung Siegfried“,
446
Hirschberg, Franz Graf Focci.
die „Ammenuhr“, das „buckliche Männle“
(Abb. 35) und noch vieles andere sind aus¬
gezeichnete Blätter. Ein namhafter Pädagoge
(L. Kellner) äußert über das Heftchen: „Diese
Sammlung ist nach Wahl und Ausstattung ein
wahres Kleinod, und ich wünsche sie in die
Hände aller Lehrer, auch solcher, welche etwa
keinen Kindersinn mehr haben, denn sie ist
vollständig geeignet, uns wieder die längst ver¬
schwundene Kindheit ins Andenken hervorzu¬
rufen. .
Der Marktpreis aller dieser Heftchen ist in
den letzten Jahren sehr bedeutend gestiegen.
In vielen Katalogen wird man jedoch diese
reizenden Büchlein, wenn man sich nur die
Mühe nimmt, aufmerksam zu lesen, noch zu
mäßigen Preisen angezeigt finden.
Zu der Schererschen Neuausgabe der
„Studentenlieder“ (unter dem Titel „ Deutsche
Studentenlieder “ erschienen) zeichnete Pocci
nicht weniger als 30 neue Illustrationen, zu den
„ Kinderliedern , Fabeln , Sprüchen und Rath sein“
desselben Autors neben fünf Gedichten 1 1 Holz¬
schnitte.
<*
Der Huld seines Königs erfreute sich Graf
Pocci unverändert. Zweimal war er der offi¬
zielle Begleiter des Kronprinzen Maximilian und
des Königs Ludwig I. auf ihren Reisen nach
Italien, von denen er immer reichste künst¬
lerische Ausbeute in seinen Skizzenbüchern mit¬
brachte (Holland). Er wurde 1847 zum König¬
lichen I Iofmusik-Intendanten ernannt und erwarb
sich durch seine immer gleichbleibende Beschei¬
denheit und Gutherzigkeit die Liebe und Ver¬
ehrung seiner Untergebenen. Diese Ernennung
war zugleich eine deutliche Anerkennung seiner
musikalischen Leistungen und Werke, von
denen eine beträchtliche Anzahl (Sonaten, Lie¬
der, Duette, Terzette, Quartette usw.) zumeist
im Verlage von Breitkopf und 1 lärtel erschienen.
In dieser Zeit ungetrübten Glückes und
emsigster Schaffensfreudigkeit wandte sich
Pocci nun auch der Dichtkunst zu, die
bisher meistens nur in leicht hingeworfenen
Versehen zu den vielen Kinderbilderbüchern
sich gezeigt hatte. Auffallend und bemerkens¬
wert ist es, daß die reinen Dichtwerke Poccis
jeglichen Buchschmuckes entbehren. Wie
Richard Wagner in seinem Bayreuther Fest-
spielhause nichts anbringen ließ, was die
Aufmerksamkeit der Zuschauer von seinem
Werke hätte abziehen können, so gibt uns
auch Pocci nur seine Dichtungen als solche
und will sie mit dem gebührenden Ernste
gelesen und aufgefaßt wissen. Einzelne
Gedichte finden sich in der „ Charitas “
für 1842 und 1845. Auf das 1843 er"
schienene „Büchlein für Kinder “ folgten
noch in demselben Jahre und Verlage
(Hurter in Schaffhausen) die „ Dichtungen“ %
Der überwiegende Teil der Gedichte und
Märchen des ersteren ist aus früheren
Werken mit Bedacht ausgewählt und im
Zusammenhänge gegeben. Dagegen ist
die zweite Sammlung ein stattlicher Band,
in dem neben rein Lyrischem in bunter
Reihe Balladen, Romanzen, Fabeln und
Märchen erscheinen. Einige besonders
schöne Gedichte sind duftige Erinnerungs¬
blätter von der italienischen Reise; da
rauscht es geheimnisvoll in den Pinien,
da schaukelt die Gondel sacht auf den
dunklen Wogen. Sinnig und anmutig sind
auch die poetischen Erklärungen zu be¬
rühmten Bildern alter Meister, so zu
Abb. 23. Privatdruck.
(Von Gräfin Maria Pocci freundlichst für diese Arbeit überlassen.)
Trumpf atte!
get>td)tet t>on
Ludwig Beclistcin;
erfunöen unt> rat>irt von
4^ tan} tion fJotci.
i.
Sagen efnftmais groet ©efellen
Sei einanber, mit gar gelten
Silberbldttem in ber .£>anb.
©iner fftts $um Anbern fchielenb,
Älüglid) recfjnenb, mifdjenb, fpielenb,
©pielent bis ber Sag entfdjwanb,
Unb bie gatben bitten
Son ben Dielen ©tiefen ;
©einen Steifter jeher fanb.
2.
Unerfdjüttert fejt ber ©ine
©aß — gewann, unb fat> baS ©eine
©lücftjaft warfen, frei) gemehrt,
©ünft’ ifjm fafl, ber ©egner weidje,
©et baS fh'Ue, fdjattenbleidje
Antti§ non tyrn weggefehrt.
„Srumpf auS! alter Änabe!
Sangt für ©eine £abe
®ir, bag mein ©eminn ©id) ftirt ?"
4.
gort unb fort bie ©pieler fpfelen,
gort unb fort bie Trümpfe fielen,
Unb — es manbte fid) baS ©lütf.
Smmer drmer warb ber ©ine,
2Bünf$te nun im ©dmmerfdjeinc
©en entfdjwunbnen Sag jurücf.
„Jf>eute rott) unb morgen
Sobt — woju bas ©orgen?
Stumpf! 3dj tröge bem ©efdjicf!"
5.
MeS ©olb — es rollt Ijfnüber;
Srüb wie ©chatten, immer trüber,
®eS ©efellen Anttig war.
Unb ber ©egner (tragen SoneS
©pridjt mit Cddjeln leifen £ol)neS:
„Srumpf aus I Salb nun blant unb bar.
£ei, bein ©olb! es rollte,
SBeil id)’S haben wollte.
SebeS ©olbflüct — war ein 3af>r."
3.
„■fteifa! lag uns weitet (arten,
SBeil baS Caub nod) grün im ©arten,
Sod) bie BebenSeidje ragt !
Sod) beS ^terjenS rafdje SBellen
Hüpfen; lag ber greube ©gellen
Älingen, bis ber SOtorgen tagt!
£eute mir, ©ir morgen!
Sur Derfpielt bie ©orgen
Unb was weiter nagt unb plagt!"
7.
„„#at fid? fo baS Statt gewenbet!
Ad) wie fdjnel l baS ©piel fid) enbet!
ffieh — mein ^>erg — fdjon wirb es (alt,
Son ber (rdft’gen CebenScidjc
gdllt mein Caub, baS weite — blefdje.
£ord) ! bie ©terbegloefe fdjallt. —
gern oom 3iel — beim ©pfele. — ""
„©pielgefell! 3um 3iele!"
Unb ein legtet ©eufjer Ijallt. —
6.
„Äametab, ®u tjafl ©ein Beben
©anj Derfpielt, bi(t mir gegeben}
©terbenSreif, nicht lebenSfatt.
All ©efn ©anb, et ift Derronnen,
All ©ein ©ut — ich gewonnen;
©pielgefetle, ®u bift matt!
Srumpf auS! SJtein!" — „„Serloren!
3um Setluft geboren!""
„Stumpf! Srumpf! ®aS legte Statt!"
Abb. 24. Der Tod mit einem Ritter Karten spielend.
Zuerst 1838, dann Hildburghausen i8jö.
Zeitschrift für Bücherfreunde IX.
Zn Hirschberg: Franz Graf Pocci.
Hirschberg, Franz Graf Pocci.
447
„Ritter, Tod und Teufel“ von Dürer, zum „Mönch“
von Rubens. Auch ein ganzer Zyklus freund¬
licher „Waldlieder“ ist eingestreut, von denen
eines, „Waldmusik“ überschrieben, lautet:
„Ich höre Stimmen ohne Zahl,
Sie ziehen durch das stille Tal
Und hallen fort und fort.
Von einem wunderbaren Chor
Tönt aus dem Walde dort hervor
Manch schmelzender Akkord.
Wer mögen wohl die Sänger sein?
Es sind die lieben Engelein,
Im dichten Haine dort.
Es sind die lieben Engelein,
Die singen mit den Vögelein,
Sie singen fort und fort.“
Eine große Zahl „Kinderlieder“ durfte nicht
fehlen; ebenso ist erfreulicherweise manches
schöne Gelegenheitsgedicht, mancher poetische
Trinkspruch auf bewahrt worden.
Erwähnenswert aus dieser Zeit ist ferner
das „ Schattenspiel “, 1847 erschienen, aus 29
lithographierten Blättern und dazu gehörigen
Reimen bestehend. Auch hier wieder welche
Fülle der Phantasie, welche Keckheit in der
zeichnerischen Ausführung! Offenbar ist das
Ganze als Bilder-Unterlage für eine Laterna
magica gedacht. Ein von sanfter Musik be¬
gleiteter Prologus eröffnet die Vorstellung, dann
rauscht der Vorhang empor und die mannig¬
fachsten Szenen und Bilder gleiten an uns vor¬
über. Zuerst ein Engel, der das Kind vom
Sturze in den Abgrund rettet; dann ein Gärt¬
ner, der die Blumen gießt; ein geschmückter
Kahn mit einer fröhlichen Sängergesellschaft;
ein gepanzerter Ritter hoch zu Roß; ein Postillon
und dann wieder ein trüber Leichenzug;
Abb. 25. „Vom Fr ös chl ein".
Aus „Kinderheimat in Liedern und Bildern" von
Friedrich Güll und Franz Pocci. 2. Aufl. 1846.
Z. f. B. 1905/1906.
ein unter dem Schutze
eines Gnomen arbeiten¬
der Bergmann; ein
betender Eremit; eine
bei ihrem kranken
Kinde wachende Mut¬
ter u. a. Dazwischen
höchst lustige, ja tolle
Bilder : ein schauder¬
hafter Geizhals mit einer
Brille auf der langen
Nase, umflattert von
einer Fledermaus, beim
trüben Lampenschein
sein Geld zählend; ein
Nachtwächter, eine Zi¬
geunerschar, ein Sonn¬
tagsreiter; ein Kranker,
dem der bezopfte Medi¬
kus den Inhalt einer
Arzneiflasche in den
hinten der satanisch
Abb. 26.
Aus „Allerneustes Spruch¬
büchlein".
München, Braun & Schneider,
1851.
Mund gießt, während
lächelnde Barbier die
Klistierspritze in Bereitschaft setzt (Abb. 40);
ein in einer Sänfte getragener dicker Herr, unter
dessen Gewicht der Boden eingedrückt wird;
ein Maler, der eine spitznasige alte Jungfer
konterfeit. Traut und anheimelnd sind die reli¬
giösen Bilder, z. B. eine Dorfprozession mit
Kindern, Schulmeister, Pfarrer, Küster und
Bauern ; die drei Könige, dem Stern von Betlehem
folgend; die Flucht nach Ägypten usw.
Einer der besten und beliebtesten Mitarbei¬
ter war unser Künstler bei den weltberühmt
gewordenen „Münchner Bilderbogen“ , die im
Jahre 1849 zu erscheinen begannen. Es ist
unmöglich, im Rahmen dieser Abhandlung auch
nur eine annähernd umfassende Besprechung
von Poccis Beiträgen zu diesem Unternehmen
zu geben; wir müssen uns deshalb auf das
Wichtigste beschränken. Und dies sind die
großen Kompositionen zu verschiedenen Mär¬
chen. Ich nenne hier den „ Riesen Fratz-
fressius“, der in der Mitte des Bogens in höchst¬
eigner, fürchterlicher Person dargestellt ist, wie
er auf einem knorrigen Baumstamm sitzt in
zottigem Gewände, mit einer großen Troddel¬
mütze, einem Riesendolch im Gürtel, und dicke
Wolken aus der Tabakspfeife blasend. Dann
kommt der „Blaubart“, der vielfach an die
Darstellungen aus dem schon besprochenen
Werkchen erinnert. Ein Prachtstück an
58
443
Hirschberg, Franz Graf Pocci.
Lebhaftigkeit des Ausdrucks ist die
große (29 cm breite, 23 cm hohe)
Zeichnung zum Märlein vom „ Kleinen
Friedet. Alles ist hier Leben und
Bewegung. Auf der Leiter des
Galgens steht der kleine krumm¬
beinige Bursch, auf seiner Wunder¬
geige spielend; der dicke Richter
muß ebenso tanzen wie der spindel¬
dürre Ankläger; Wachen und Lands¬
knechte schwingen die Beine; ein
Bauernbursch dreht sich mit einem
Hökerweibe, dem die Eier aus dem
Korbe fallen; der Henkersknecht im
Schalksnarrenkostüm streckt tanzend
die Beine aus; selbst zwei Kaninchen
im Vordergründe heben die Pfötchen.
Auch der „ Fundevogel “ hat hier
wieder seinen Platz. Welcher Adel
in der Gestalt des Jägersmannes, der
den kleinen Fundevogel in den
Zweigen des Baumes unter den Vög-
lein findet, welche Hexen-Physiogno-
mie der alten Sanne, die den Kleinen
im Wasser sieden will, welche Dumm¬
heit und Bosheit in den Gesichtern
der drei Knechte, die die Spur des Flüchtigen
verfolgen! Aus vier prächtigen Zeichnungen,
die den Eindruck alter Freskogemälde machen,
ist der „ König Drosselbart “ zusammengesetzt.
Dann haben wir den „Schwarzen Mann “ (Spozzo-
camino heißt er), der die Kinder, die ihn
ärgern, tüchtig mit der Rute verhaut, ferner
„ Bilder und Sprüche “, das „ Einmaleins in
Reimen und Bildern “, ein „Bilderbogen- Alphabet1
(vortrefflichste Initialen), „ Sprichwörter “ und
„Kindersprüche“ . Sehr originell ist das „Gaukel-
Linchen“, ein Pendant zu dem Struwelpeter-
Paulinchen, nur viel lustiger. Besonders sind
die komischen Gesichter der Lichtflamme
eine ureigne Erfindung Poccis: die ruhig
brennende Flamme lächelt behaglich; dann
neigt sie sich warnend, aber noch freundlich
zu dem Linchen herab, macht aber ein
grimmig-zerfahrenes Gesicht, als das Kind
zu „gaukeln“ beginnt. Bitterböse sieht die
Lichtputz aus, die das Linchen schließlich
auffrißt. Pocci hat diese Idee übrigens noch
einmal verwertet.
„ Der Osterhas “, den Pocci und Scherer
gemeinsam 1849 herausgaben, ist eine neue
schöne Festgabe für Kinder. An
der Spitze thront natürlich das graue
Osterhäslein, das die bunten Eier
in den Garten gelegt hat, jubelnd
von der Kinderschar begrüßt. Ein
Seebild mit allerlei Wassertieren und
Pflanzen (Abb. 39), eine Waldmühle,
eine Sennhütte, ein Turnierbild mit
schöner Ritterburg und stilgerechten
Pagenkostümen, Italien mit Bettel¬
mönchen und Lazzaronis, ein Pelz¬
märtel, der die bösen Kinder im
Sacke fortträgt, alles dies wird den
Kleinen vorgeführt. Aber auch ein
ernster F'riedensengel im Stil Fra
Angelicos und ein köstlicher Don
Quixote nebst Sancho Pansa und
Dulcinea von Toboso, ein lustiger
Bauerntanz mit obligatem Klavier¬
stück sind vorhanden, und endlich
noch ein reizendes Abendbild. Frau
Sonne hüllt sich in Wolkenkissen
begibt sich auf die Suche und beauf¬
tragt Herrn Mond, auf die Kinder
zu wachen. Dieser zieht sich seinen
gestirnten blauen Schlafrock an und
bläst mächtige Wolken aus seiner Pfeife an
den Himmel, damit für den nächsten Tag er¬
quickender Regen falle. Der untere Teil des
Bildes zeigt uns die Kinderstube; der Chinesen-
Pagode ist schon todmüde und brummt ärger¬
lich dem Lichte zu, die Kinder zu brennen
und in die Betten zu jagen. Dies tut es aber
ebensowenig wie das Löschhörnlein, das sich
durch seine zeitweise Verwertung als Soldaten¬
helm bei den Spielen der Kinder sehr geehrt
fühlt. Doch die krummnasige Lichtschere, bei
Abb. 28. ,,Die Hirten bei der Krippe“.
Aus ,, Kinderreimen“ von Traugott Löschke.
München, Chr. Kaiser, 1847.
1 1 (a iSrnciiiftum 1
Abb. 27.
Aus „Jardinet de Roses“
Landshut, Vogel, 1842.
Original in Lithographie.
Hirschberg, Franz Graf Pocci.
449
der die Kleinen manches auf dem
Kerbholz haben, richtet sich zornig
auf und jagt alles ins Bett . . .
Auch in den folgenden Jahren
gab es eine reiche Ausbeute für die
Kinder-Literatur. Auf eine, mit sechs
schönen Holzschnitten gezierte lehr¬
reiche Kindergeschichte „ Die Nacht
im Walde “ (1852) folgte das „ Lustige
Bilderbuchu mit 57 kolorierten Holz¬
schnitten. Daß dieses Kinderbuch
nicht weitere Verbreitung fand, heute
sogar vollkommen in Vergessenheit
geraten ist (es ist bei Braun und
Schneider in München noch zu
haben), ist völlig unerklärlich. Den
„Struwelpeter“, mit dem es beim
ersten Anblick eine flüchtige Ähn¬
lichkeit hat, überragt es sowohl in
den Bildern als in den Versen. Den
reichen, abwechslungsvollen Inhalt
auch nur annähernd wiederzugeben,
wäre vergebliche Mühe. Aber wie
fein sind die Zeichnungen des Ritters,
des Landsknechts, des Rübezahl; wie
drastisch -komisch ist der Knecht
Ruprecht, der Türke mit seinem
Mohrendiener, der Kaiser von China, der Nacht¬
wächter dargestellt! Auch der unbesiegbaren
Lust des Karikierens hat der Künstler freien
Lauf gelassen. In dem Kabinettsstückchen „Die
Zwerge“, wo sich die kleinen Männchen an den
Resten gütlich tun, welche die Ritter nach
ihrem Zechgelage in den Humpen übrig ge¬
lassen haben, erblickt man Franz von Kobell,
Der berühmte Reineke aus den „Alten und neuen Jager-
1 iedern“.
Landshut, Vogel, 1843.
behaglich das Champagnerglas aus-
schliirfend; im „Blumengarten“ be¬
kommt Professor Ringseis in grau¬
siger Fratze eine unvermutete Douche
aus der Gießkanne des Gärtners;
und auch die köstlichen Philister¬
gesichter in den „Sieben Schwaben“
dürften flüchtige Porträtähnlichkeiten
aufweisen. Eine prächtige Satire ist
„Der Dieb“: zuerst der hilferufende
Bestohlene in der Nachtmütze, dann
die tollen Gesichter des nachsetzen¬
den Dienstpersonals, ferner das auf
den Zehen bedachtsam und behut¬
sam herbeischleichende Trio der
Polizeibeamten, der fliehende und
vom Gensdarmen ergriffene Spitz¬
bube, und endlich der Galgen mit
finstern Wolken und flatternden
Raben.
Ein Analogon zu diesem 1852 er¬
schienenen Buche ist ein viel später
(1867) in demselben Verlage heraus¬
gegebenes, das sich „ Lustige Gesell¬
schaft11 nennt. Hier nehmen die 31
kolorierten Holzschnitte die ganze
Seite ein. Da sieht man fürchter¬
liche Waldriesen im Kampfe mit züngelnden
Drachen, wilde Zwerge mit allerhand Mord¬
instrumenten, den „türkischen Sultan Muösmaschi
mit seinem Großvezier Bimburibaschi“, Zigeuner
und anderes verdächtiges fahrendes Volk, den
Einzug des Winters auf einem Schlitten mit
einem Gefolge von Schneemännern, einen
zwerchfellerschütternden Chinesen-Aufzug, das
Rotkäppchen, den gestiefelten Kater, einen un¬
geheuren Menschenfresser, einen Eremiten in
traulichster Waldeinsamkeit. Von Karikaturen
erblicken wir Pocci selbst als „bösen Jäger“:
„Der scheint mir von sehr verdächtiger Art,
Vor dem man am besten sich hütet und wahrt.“
Da geht er mit einer mehrere Zentimeter
langen Nase, einem spitzigen Ziegenbockbart
und desgleichen Ohren, einem Teufelsschwänz¬
chen und einer roten Hahnenfeder. Weitere
Karikaturen finden sich (nach Holland) auf den
Blättern „Zauberer und Hexenmeister“. Der
Gesundheitsapostel Mahner in einem schwarz¬
weißen Popanz -Aufzuge, und der gutmütige,
vielschreibende August Lewald als frierendes
Abb. 29. „Landesvater“.
Aus „Alte und neue
Studentenlieder“.
Landshut, Vogel,
1844.
450
Hirschberg, Franz Graf Pocci,
Teufelchen, das die Hände in
einen Muff steckt.
Viel Ähnlichkeit miteinander
haben vier ganz vortrefflich aus¬
geführte, durch den sinnreichen
Text besonders wertvolle Büch¬
lein. Ich hatte schon einmal
auf die besonders ausgeprägte
Kunstfertigkeit Poccis, die Ini¬
tialen auszuzeichnen, aufmerk¬
sam gemacht. Das „Güldene
Weihnac/its-AB C“ (1854) zeigt
die Buchstaben des Alphabets
in Goldfarbe, kleine farbige
Bilder der biblischen Geschichte
umrahmend. So enthält das „B“
ein hübsches Panorama von
Betlehem, das „D“ die drei
Könige zu Rosse, das „G“ ein
schönes Gloria, das „H“ ein
Hirten-Idyll usw. Die Verslein
stammen von dem späteren
Missionar J. B. Bach, der damals Hauslehrer in
Poccis Familie war. Weit bedeutender ist das
„Bauern- AB Cu (1856) mit durchwegs meister¬
haften unkolorierten Holzschnitten und ausführ¬
lichem Prosa-Text, der niemals über den be¬
scheidenen Bildungsgrad und die Fassungskraft
des Landmannes hinausgeht und doch immer
wohltuend und belehrend wirkt (Abb. 37). Auch
kleine Gedichte, teils aus alten Chroniken ent¬
nommen, teils selbständig erfunden, sind ein¬
gestreut, so daß die angenehmste Abwechselung
und eine nicht ermüdende Aufmerksamkeit
erzielt wird. Im folgenden Jahre (1857) folgte,
da sich das „Bauern ABC“ großer Beliebtheit
erfreute, „Das Büchlein A bis Z“, dessen Titel
folgende Widmung trägt:
Abb. 31. Aus
Brentanos ,,Chronika
eines fahrenden
Schülers“. Im
Deutschen Hausbuch
von Guido Görres.
1847, Heft 1.
München, Lit.-art.
Anstalt.
„Dies ist das Büchlein A bis Z,
In welchem nach dem Alphabet
Zu lesen ist in einer Reih’
Für Jung und Alt gar mancherlei.
Und der das Büchlein hat erdacht,
Hat Bilder gleich dazu gemacht;
So mög’s denn allen — Groß und Klein,
VVie’s vor euch liegt, willkommen sein!“
Inhalt und Text sind dem „Bauern- ABC“ sehr
ähnlich; die Holzschnitte sind noch vollkomme¬
ner und auch größer. Den Schluß bildet das
„Bunte ABC von Tante Ernestine “ (1860 in Wien
erschienen), das Pocci zu den Textworten der
Gräfin Thekla Baudissin
mit 26 Holzschnitt -Illu¬
strationen zierte.
Besondere Beachtung
seitens der Eltern, die ihre
Kinder mit passender
Lektüre versehen wollen,
verdient das Büchlein
„ Was Du zvi/lst“, dessen
zweite Auflage noch von
Braun und Schneider in
München bezogen werden
kann. Es ist dies ein wahrer Schatzbehälter an
Geschichten und Bildern, an Scherz und Ernst,
an Erzählungen und Dichtungen. Was der Titel
verspricht, hält der Inhalt. Eine kleine Skizze
„Der Morgen“ eröffnet das Ganze. Die dicke
Frau Sonne, umgeben von einer Strahlenhaube,
lehnt sich behaglich auf das IAnsterbrett an
des Bübchens Stube und weckt den Lang¬
schläfer. Der sagt sein Morgengebet, wäscht
und kämmt sich, läuft zu den Eltern, ihnen
einen guten Morgen zu wünschen, und trollt
dann in die Schule. Alles dies ist in sanft be¬
lehrendem Tone geschrieben, wie wenn ein
Vater zu seinen Kindern spricht. Dann kommt
eine halb prosaische, halb poetische Abhandlung
über die Blumen, über den Wald, wobei die
Sage vom heiligen Hubertus erzählt wird, über
den Winter, den Lenz, die Berge, die Ernte,
den See usw. Dazwischen wieder ein paar aller¬
liebste Gedichte wie das „begrabene Vöglein“,
das „Christkind“, der „gestirnte Himmel“, oder
spannende Märchen und Sagen vom „Wunder¬
seckel“, vom „fremden Herrn“, vom „Ritter
Hans“. Und alles mit
so freigebig hineinge¬
streuten Bildern, bald
groß, bald klein, bald
Tiere, bald Menschen,
bald Landschaften!
Über die nicht minder
bedeutsamen drama¬
tischen Spiele, die in
diesem Buche ent¬
halten sind, sprechen
wir weiter unten im
Zusammenhänge.
Verzeichnen wir noch
pflichtschuldigst die
„Frühlings- Laube für
Abb. 33. Aus Brentanos
„Chronika eines fahrenden
Schülers“. Im deutschen Haus¬
buch von Guido Görres. 1847,
Heft 1.
München, Lit.-art. Anstalt.
Abb. 32. Initiale zu den
„Totentänzen“. 1857.
Stuttgart und München,
Gebr. Scheitlin.
Hirschberg, Franz Graf Pocci.
451
Abb. 34. Initiale zu den
Totentänzen. 1857.
Stuttgart und München,
Gebr. Scheitlin.
gute Kinder “ mit vielen
Lithographien ; „ Glorias“
(zu Weihnachten 1848
bis 1854 erschienen,
sämtlich in Steindruck
und verschieden getönt),
verschiedene Tanz - und
Jubiläumskarten, , humo¬
ristische Speisezettel,
zahlreiche Musikstücke
mit Zeichnungen , und
^ehen dann gleich über zu einem merkwürdigen
Werke „Altes und Neues“, von Pocci und Reding
^on Biberegg (Pseudonym für H. Holland) 1855
n zwei Bänden herausgegeben. Wie letzterer
selbst hervorhebt, wurde dieses aus der harm-
osen Freude an alten Geschichten herausge-
vachsene Unternehmen seltsamerweise vom
Publikum gar nicht begriffen und von der
Kritik sehr übel und erbittert beurteilt. Die da¬
malige Zeit war offenbar für derartige Aus¬
grabungen von „viel kostbar Edelgestein und
Perlen“ aus alter Zeit noch nicht reif; denn
schon Poccis Neubearbeitung eines ganz ver¬
schollenen und vielgesuchten alten Romans
von Görg Wickram (aus „Des jungen Knaben
Spiegel“, Straßburg 1554, entnommen) unter
dem Titel „Willibald der Sackpfeifer“ allein
hätte Beachtung verdient; sicheres, unaufdring¬
liches Treffen der Zeitsprache und angeneh¬
mer Erzählerton sind hier miteinander ver¬
bunden. Sehr hübsch sind auch die sechs
„Handwerks- und Gesellenlieder“, von höchster
poetischer Schönheit jedoch das „Lied vom
armen Sängerlein“, die in schlichter Einfach¬
heit erzählte traurige Geschichte eines vater-
und mutterlosen fahrenden Sängerknaben. Ein
„fürnehm Weib“ war die Mutter, die in Liebe
zu des Waldhüters Sohn entbrannte und, als
Abb. 36. „Fridericus Rex“.
Aus „Alte und neue Soldatenlieder*
Leipzig, Mayer und Wigand, 1842.
sie dem Knaben das Leben gegeben, in Jam¬
mer und Leide sterben mußte; der Vater aber
ward meuchlerisch erschlagen:
„Ich hatte gelernt von der Mutter mein
Das adelig Lautenspiel,
Dazu von den lieben Waldvögelein
Der freien Lieder gar viel.
Der freien Lieder im Waldeston
Und in frisch duftender Weis’
Möcht singen ich euch um geringen Lohn
Wie Nachtigall, Amsel und Meis’!
Und wie das Vöglein von Ast zu Ast
Tagsüber gar fröhlich schwebt,
Hab’ ich armer Sänger auch keine Rast,
Wie das Vöglein im Walde lebt.
Ist gesungen mein Lied, zieh’ ich wieder fort,
Meines Bleibens ist nirgendwo:
Wie die Waldsänger muß ich von Ort zu Ort
Frei singen und wandern also.“
Abb. 35. Vom bucklichen Männle*
Aus „Alte und neue Kinderlieder*
Leipzig, G. Mayer, 1852.
Dabei sind die beiden Bändchen mit reizenden
Holzschnitt -Initialen von Poccis Hand ge¬
schmückt, unter denen der zu dem eben er¬
wähnten Gedichte gehörigen, die Palme ge¬
bührt.
So wenig Pocci auch sonst in weiteren Kreisen
bekannt geworden ist — eines hat seinem Ta¬
lente jedesfalls einen großen Ruf verschafft: seine
452
Hirschberg, Franz Graf Pocci.
Mitarbeiterschaft an den „ Fliegenden Blättern
Die von ihm geschaffene typische Figur ist
der „ Staats/iämorrhoidarijis “, ein Gebilde von
unwiderstehlicher Komik und treffender Lebens¬
wahrheit. Ein Extrakt der zahlreichen Beiträge
ist von Pocci in der Separatausgabe „ Der Staats-
hämorrhoidanus von F. P.“ (München, 1857) ge¬
geben worden, und in dieser Fassung ist das
Werkchen eine Satire, die sich den besten
ihrer Art gleichstellen kann. Der von Pocci
geschilderte Staatshämorrhoidarius (Abb. 41) ist
keine aus dem Leben gegriffene spezielle Persön¬
lichkeit, sondern das Prototyp einer ganzen Gat¬
tung. „Für Subsumtionen oder Abstraktionen pro
concreto können wir nicht verantwortlich sein“,
so beschließt der launige Mann seine kurze
Einleitung. Das Ganze ist eine Biographie; das
Bild des Helden ist so drollig, die Physio¬
gnomie in den Grundzügen zwar immer dieselbe,
doch während der einzelnen Lebensphasen so
abwechselungsreich gestaltet, daß man über
dem Lachen häufig die große Kunst des ge¬
nialen Zeichners vergißt. Der Gesichtsausdruck ist
schon nicht zu verkennen, als die Hebamme den
Neugeborenen dem beglückten Vater, dem Land-
gerichtsregistraturfunktionärsgehülfensubstituten
Maier, präsentiert; er wird deutlicher während
der Schulzeit des edlen Jünglings und ist völlig
ausgeprägt bei dem Studiosus, trotz Sporen-
Abb. 37. Titelblatt zum „ßauern-AJBC“.
München 1856.
Abb. 38. Titelblatt zu „Alte und neue Soldatenlieder".
Leipzig, Mayer und Wigand, 1842.
stiefeln und Tabakspfeife. Er ist den Unter¬
suchungsrichtern stets der liebste Protokoll¬
führer; nach der „nur“ vier Wochen dauernden
Prüfung läßt die Anstellung als „Staatsdiener“
mit offiziellem Dreimaster nicht lange auf sich
warten. Nun ist der Aktentisch das eigent¬
liche Paradies, der Himmel des Staatshämor¬
rhoidarius. Die Folgen der zwar weltbeglücken¬
den, aber aufreizenden Tätigkeit äußern sich
in „Unterleibsbeschwerden, die sich zu bedenk¬
lichen Anschoppungen im kleinen Gedärm ent¬
wickeln und selbst das Samengeflecht alterie-
ren“. Ein vom Arzte sofort diagnostizierter
„Gastrizismus“ der in ein „Gallenfieber“ über¬
geht, wirft den Unseligen aufs Krankenlager
und gibt nach erfolgter Genesung Veranlassung,
ein heilkräftiges Mineralbad aufzusuchen; aber
selbst in der Badewanne dienen dem pflicht¬
getreuen Staatsdiener Gesetzblätter als Lektüre.
Nach der Rückkehr Durcharbeiten durch Mauer¬
wälle von Retardatsakten, abermalige Schwel¬
lung des Unterleibes, der Hämorrhoidarius ist
fertig. Bei dem ärztlich verordneten Reitunter¬
richt verliebt sich unser Held in die weiland
berühmte Kunstreiterin Pauline; ein Rüge der
Hirschberg, Franz Graf Pocci.
453
Abb. 39. Aus „Der Osterhas“ von Georg Scherer.
Nördlingen, Beck, 1850.
„Equitationsgelüste, als für die Stellung eines
Staatsdieners unwürdig“ bleibt ebensowenig
aus wie ein hitziges Fieber, als „Folge unter¬
drückten Beamtengrams“ Die Hydrotherapie
mit ihren Douchen, Abreibungen und Sitzbädern
steigert die Körperkraft derart, daß der Staats-
hämorrhoidarius imstande ist, die schwersten
Aktenfaszikel mit Leichtigkeit zu handhaben.
Ein komisches Intermezzo in dem Lebenslaufe
ist seine Tätigkeit als Untersuchungsrichter.
Ein Verhör von fünfzig
Personen, die von dem
ganzen Vorfall nichts
wissen, Anwachsen der
Akten derart, daß der
Richter sie nur mit Hilfe
eines Stuhles erklimmen
kann, definitive Aufgabe
der Untersuchung wegen
Beweismangel und —
Inquirent erhält trotz acht¬
zehnmonatlicher Arbeit
einen Verweis quo ad for-
malia. Ein abermaliges
gastrisches Fieber soll
durch Fußtouren im Ge¬
birge völlig beseitigt wer¬
den. Ein Gewitterregen
überrascht den Ärmsten;
in einem Bauernhause
muß er seine durchnäßten
Kleider mit denen einer
mitleidigen Bauersfrau
vertauschen; das ländliche
Kostüm gefällt ihm so
gut, daß er sich eine
richtige Bergfex -Tracht
zulegt und eine Spitzen¬
besteigung wagt. Ein
Liebesabenteuer mit einer
Sennerin endigt mit einem
formidabeln Hinauswerfen
seitens einiger Holz¬
knechte. Um den alljähr¬
lichen, vom Arzt ver-
ordneten Landaufenthalt
bequem zu ermöglichen,
kauft der Staatshämor-
rhoidarius ein Gütchen und
wird während seines Ur¬
laubs Ökonom; einige
von ihm erfundene Düngerbereitungsmethoden
werden durch Verleihung der Düngerbereitungs¬
verdienstfahne und einen Lorbeerkranz belohnt.
Die rastlose Tätigkeit und aufopfernde Berufs¬
treue werden durch Beförderungen gewürdigt,
im Traume sieht er den juristischen Himmel
offen, von Pocci in meisterhaftester Weise dar¬
gestellt: Zu Häupten des Schlafenden steht die
Justitia und spiegelt ihm alle Zelebritäten der
Rechtsgelehrsamkeit vor; sein Lager umstehen
454
Hirschberg, Franz Graf Pocci.
Abb. 40. „Arzt und Bader“. Aus „Schattenspiel“ von Franz Pocci.
München, Literar.-artist. Anstalt, 1847.
Fabricius, Odofredus, Polician; eine Etage höher
schreitet Justinian leibhaftig einher, gefolgt von
einem den Mantel tragenden Negerlein und
schreitende „Christuskind“ und
„St. Alto“, als illustrative Bei¬
gabe 7. u der Geschichte dieses
Heiligen. Ebendaselbst findet
sich auch eine von Pocci er¬
zählte Anekdote aus Beethovens
Leben, „Musikalischer Sonnen¬
aufgang“ betitelt, deren Be¬
sprechung einem speziell musi¬
kalischen Artikel über Pocci
zugewiesen werden muß. Der
Vollständigkeit halber sei noch
des trauten Gedichtes „Früh¬
ling“ gedacht in dem gleichfalls
zu wohltätigen Zwecken heraus¬
gegebenen „ Dresdner Album “
vom Jahre 1847.
begleitet von Sklaven mit unglaublichen assyri¬
schen Gesichtern, die das Corpus juris schleppen;
in der obersten Etage steht eine Horde fossiler
Juristenphysiognomien des Gaius, Manilius,
Appius u. a. Ein andrer Traum führt ihn in
die Türkei zum Großsultan, wo er ebenfalls hohe
Ehrenstellen erklimmt. Den Schluß bildet
die Errichtung eines Denkmals für den „Un¬
sterblichen“ auf dem Wege der Subskription
mit Festreden, Festessen und feierlichen Auf¬
zügen.
Weitere speziell satirische Werke sind leider
nicht veröffentlicht worden, wiewohl Poccis
Laune und Geist auf diesem Gebiete uner¬
schöpflich waren. So hat er nach Hollands
Angabe einen ganzen Zyklus „ Pfahlbaustudien “
gezeichnet, als Karikatur auf die damals ein¬
gerissene Manie (vergleiche in dem berühmten
Vischersche Romane „Auch Einer“ die „Pfahl¬
dorfgeschichte“). Die Reproduktion eines „prä¬
historischen Hausknechts“ in Band 3, Seite 34
der „Bayerischen Bibliothek“ (Bamberg 1890)
läßt es aufs höchste bedauern, daß dieses Werk
dem Publikum vorenthalten worden ist.
Von Poccis Beiträgen zu wohltätigen Zwecken
verdienen zwei aus dieser Zeit besondere Er¬
wähnung: das „ Münchener Album “ (München
1856) mit drei warm empfundenen Gedichten
des Herausgebers, und zwei anmutige Holz¬
schnittzeichnungen im „ Katholischen Volks¬
kalender für 1858“: das mit ausgebreiteten
Armen durch den winterlichen Tannenwald
Eine derartig rastlose, unermüdliche Tätig¬
keit (denn auch seine amtlichen Pflichten waren
keineswegs eine bloße Pfründe) mußte zu einer
nervösen Abspannung und Überreiztheit führen.
Diese äußerte sich durch den häufig plötzlichen
Eintritt einer melancholischen Stimmung nach
Stunden voller Fröhlichkeit. Aus dieser Geistes¬
verfassung sind denn auch die mannigfachen
„ Totentänze “ (Abb. 32 und 34) geboren, Ergüsse
eines elegischen und über die Nichtigkeit des
Irdischen grübelnden Gemütes. Ich erlaube mir,
die freundlichen Leser betreffs dieses wichtigen
Gebietes Poccischcr Dicht- und Zeichenkunst
auf einen früher von mir erschienenen Artikel
„Totentänze des neunzehntenjahrhunderts“ (Zeit¬
schrift für Bücherfreunde 1903, Heft 6) hinzu¬
weisen, in welchem ausführlich darüber berichtet
Abb. 41. Der Staatshämorrhoidarius.
München, Braun & Schneider, 1857.
i -u lUffU1 » »f.'i/.rmi" ■
IQ'ö rocbt berUJiub unb ift so Kalt,
(bs KnaiTt ber §rijnrc im bürrc n tfhilb,
Jl teSte rn eg ltui|m b*li barem,
Wa nabet »irti rin Jtinbelein.
pßfin ISnabe lieb urti) umnberbolb ,
pbUtfnnrmlPjimrlfclifin oou Ö>otb
erbieDunkelheit
=ünb (tmut Segen tont unö breit.
|$r briebt so manches ü^äumetein
pm. dunkelgrünen Samten baut.
Sind bringt» ö en HÜind em.b ie beglnrfct
1 pa» äüäumle in fchaum oiet^eübmürkt.
Jllir Kmnt bas Muablrrn alljugut,
This opferte srin eigen U» l nt
Unb gab »ein ?rbrn bin für cur l),
(Einleit(tern in bas if)unrb:eu'b.
J^>o betet denn gtinliiniV, fronum
Du lieber J<e(u. Komm, o Komm
Und jieb tnnns re Hirnen ein ,
3xi jH)enlien uns brn Ineben Dem,
I)en ifrirdrn beut" öen G'nqrl bort
örrhündigfm am (ttUrn Ört,
D m ifried e n, d en 3 u uns gebracht
Jln jener brifgrn erften ltarljt.
l fl F P d 2
Abb. 42. Weihnachtsblatt für 1842. Zeichnung und Gedicht von Pocci.
Zeitschrift für Bücherfreunde IX.
Zu Hirschberg: Franz Graf Pocci.
Jordan, Das Verleihen von Büchern im Mittelalter.
455
worden ist. Lange Zeit hindurch hatte der
Künstler mit diesem Übel zu kämpfen; Nord¬
seebäder und verschiedene Kurorte wurden
ohne Erfolg gebraucht; allmählich wich
aber das Leiden und verschwand schlie߬
lich spurlos. Besonders viel beschäftigte sich
Pocci in jener Zeit mit Philosophie; die Frucht
dieser Studien war die treffliche Übersetzung
von Joseph Jouberts „ Gedanken , Versuche und
Maximen “ (1851 erschienen).
[Schlujs folgt in Heft i2.\
Das Verleihen von Büchern im Mittelalter.
Von
Dr. Leo Jordan in München.
nm Mittelalter stand das Bücherwesen
unter einem ganz anderen Sterne als
heute, wo der einzelne für wenig Geld
eine Bibliothek zusammenbringen kann.
Jedes, auch das kleinste Buch, repräsentierte da¬
mals eine monate-, ja jahrelange Arbeit seines
Abschreibers. Um 1450 wird z. B. einem Chro¬
nisten nachgerühmt, er habe vier Spalten in der
Stunde schreiben können.1 Da brauchte er zu
einem Manuskript von 300 Blättern seine 300 Stun¬
den. Und doch war damals die Schrift schon flüssiger
geworden, die Buchstaben waren untereinander
verbunden, während, wenn wir in frühere Jahr¬
hunderte zurückgehen, die Buchstaben immer größer
werden, stets einzeln stehen und mehr gemalt als
geschrieben sind. Damals hatte wohl mancher an
einer Spalte seinen Tag und mehr zu malen, und
ein ganz eigenartiges Gefühl klingt aus den
Schlußworten, die ein solcher Abschreiber ge¬
wöhnlich unter sein Skriptum setzt, ob er nun
seiner übergroßen Freude über die endliche Be¬
endigung in einem dreifachen „Amen“ Ausdruck
gibt, oder ,, finito libro laudemus Jesum Christum !u
ruft, oder sich selbst irgend einen Lohn wünscht.
Der Fromme denkt an sein Seelenheil, wobei das
Versehen:
Qui scripsil scribat,
Semper cum domin 0 vivat!
zum Gemeinplatz geworden ist. Ein anderer
variiert :
Pagina finitur,
Scribenti gloria delur .2 *
Der lustige Bruder aber hofft sich bei Mädels und
Wein gehörig entschädigen zu können:
Detur pro pena scriptoris pulchra puellaS
Unter diesen Umständen konnten natürlich
nur Klöster und reiche fürstliche Bibliotheken eine
größere Anzahl von Manuskripten zusammenbringen.
An Vollständigkeit war auch da nicht zu denken.
Und wenn man eine Lücke ergänzen wollte, konnte
man das Fehlende nicht beim Buchhändler be¬
stellen, wie heute, sondern man war darauf an¬
gewiesen, das gewünschte Buch irgendwo zu leihen
und für sich abschreiben zu lassen. Infolge der
Dauer dieser Prozedur und infolge des hohen Wertes
des Buches kamen dabei sehr oft Unregelmäßig¬
keiten vor, ja, der Bücherdiebstahl spielte im
Mittelalter ungefähr dieselbe Rolle, wie der Pferde¬
diebstahl bei Nomaden und Urvölkern: er er¬
schwerte den Verkehr und verleidete manchem
den Besitz.4
Die Freigebigkeit der Bibliotheken rächte sich
auf das empfindlichste durch immer wachsende
Verluste, und man sah sich genötigt, häufig be¬
gehrte Bücher als Handbibliothek an Ort und
Stelle zu behalten, und damit sie nicht doch einen
Liebhaber fänden, an Ketten zu legen („ Catenati “).
Für die königliche Bibliothek in Paris sind diese
Dinge untersucht und dargestellt worden im
1 Ripalta in Muratori Rer. It. XX. S. 915. „ Data erat sibi gratia, ut de facili columnas 4 lecturarum scriberet in
hora! Zur Methode: Wotke, „Wie verfuhr man beim Abschreiben der Handschriften im Mittelalter“ in der „Zeitschrift für
österreichische Gymnasien“ 42. 296.
2 Arsenal Nr. 884. fo. 136. Sec. XII. — 3 Arsenal Nr. 901. fo. 195. vo. 1415.
4 Eine Legende des Hl. Bernhard, auf Bücherdiebstahl bezughabend. S. Histoire Litier. XXIV. S. 329.
Z. f. B. 1905/1906. cq
456
Jordan, Das Verleihen von Büchern im Mittelalter.
vierundzvvanzigsten Bande der ,, Histoire Litteraire
de la France Das Resultat ist, daß trotz aller
Anschaffungen die Anzahl der Bücher in den er¬
haltenen Katalogen immer mehr abnimmt.
Nun ist mit dem grundlegenden Werke von
Th. Gottlieb , „ Über ?nittelalterliche Bibliotheken “,
Leipzig 1890, ein Fundament für jede diese Biblio¬
theken betreffende Frage geschaffen. Über den
Privatbesitz kann eine Materialsammlung notwen¬
digerweise wenig Anspruch auf Vollständigkeit er¬
heben. Ich will es versuchen, ein Bild von dem
Bücherverkehr unter Privatleuten zu entwerfen.
War ein einzelnes Buch für eine Bibliothek
wertvoll, so war es für einen Privatmann unschätz¬
bar. Die Kosten beliefen sich auf für das Mittel-
alter recht hohe Summen. Der frühere Besitzer
des Manuskripts der Pariser Nationalbibliothek
„ Fonds frangais “ Nr. 2063: Jaques Bane haut
sergant du Roy en la prevoste de Saint Quentin en
Vermendois “ trägt auf fo. 107 v. ein: „c/tils livres
... li cousta a Noyon . III . flourins (T or qui va-
loient surtout XL VIII deniers par[i\sis.u Aber
drei Florin ist billig im Vergleich zu folgendem
Buche, das sich in derselben Bibliothek befindet
(Nr. 14 771): „Le livre cy est a Estienne Char-
moy (dem Apotheker Ludwigs XI.) et lui couste
de mestre Pierre I Espaignol . ////. escus dl or
et . VI. escus de drogueries a luy baillieesT Das
macht zusammen zehn Golddukaten. Und der
Preis war immer noch gering im Verhältnis zum
wirklichen Werte, den ein solches Buch für seinen
Besitzer hatte. Ging es verloren, so war es in
den meisten Fällen auch mit größtem Aufwand
nicht zu ersetzen, ein Kontrast zwischen Geld¬
wert und wirklichem Werte, den ein Florentiner
in ganz naiver Weise in dem schönen Codex Lat.
15453. fo. 412 v. der Pariser Nationalbibliothek
folgendermaßen ausdrückt : Die vorliegendenSchriften
hätten ihn dreißig Florin gekostet: „pretio inesti-
mabilia cum in eis veritas physicae naturalis . . .
contineatur tota perfecta “ — unschätzbar in Wirklich¬
keit, weil die ganze Naturgeschichte darin ent¬
halten sei.
Bei Bürgerfamilien mag so ein Sammelkodex
meist das einzige Buch, ja vielleicht das einzige
Papier oder Pergament im ganzen Hause gewesen
sein. Und wie heute noch in den Familienbibeln,
finden wir Einträge von Ereignissen, Krankheiten,
Todesfällen in solchen: so z. B. daß die Eng¬
länder Anno 1369 durch das Land gezogen
wären,1 oder daß des Besitzers Mutter gestorben
sei.2 3 4 Die stete Furcht vor dem Bücherdiebstahl,
ja die Furcht, man könne in den Verdacht
kommen, selber das Buch gestohlen zu haben,
gaben Anlaß zu allen möglichen Einträgen. So
bestätigt ein Arzt, daß er das betreffende Buch
aus einer Kirchenbibliothek entliehen habe und
dasselbe dorthin zurückgebracht werden müsse,
wahrscheinlich, damit im Falle seines Todes der
Band in die richtige Hand wieder zurückkäme
( Valenciennes 321. fo. 1. v. S. Katalog.) Ein anderer
setzt unter das „Anathema /“ irgend einer Kloster¬
bibliothek, das in seinem Buche von früherer
Besitzerhand stand: „ Ego . . . ncscio ubi est domus
praedicta, ncc hunc librum abstuli , sed modo legi-
timo acquisivi“ A
Immer war es das Bestreben eines jeden Be¬
sitzers, Namen und Wohnort einzutragen. Vor¬
nehme Leute, für die ein Buch abgeschrieben
wurde, ließen sich auf die erste Seite ihr Wappen
malen, verwiesen wohl auch in einem Versehen
auf dieses:
Errantem si quis rcpperil hunc forte libellum
Sunt posscssoris cognita signa sui. 4
Witzig eingekleidet ist ein solches „Memento!“
in einem Buche der Straßburger Familie von Esch,
die eine Guimbarde — eine eigenartig geformte
Trompete im — Wappen hatte:
„ Tonics tu es JR tromperontP
Alle ihre „Trompeten“ werden blasen, —
wenn ihnen nämlich einer das Buch entwendet. 5
Das sind die ältesten „ Ex-libris
Auch geistliche Körperschaften pflegten auf
die Innenseite des Deckels und auf freie Blätter
ihr Signum und Anathema anzubringen, meist in
der Form:
Jste liber est Sancti . . . Quicumque eum fuerit furatus ,
anathema sit ! 6
Bürgersleute waren freilich schlechter daran.
Sie schrieben auf jedes freie Blatt ihren Namen,
und fürchterliche Drohungen gegen den etwaigen
Dieb vervollständigten, was ihr geringer Einfluß
minderte. Ganz kühl und juristisch schreibt der
erwähnte Jaques Bauchant in sein Buch: „Wer es
findet oder wem er es borgt, der gebe es ihm
wieder: denn keiner hat einen Rechtsgrund frem¬
des Eigentum zurückzuhalten.“ 7 Ein anderer
schreibt schon energischer: „Wer mir mein Buch
1 Bibi. Nat. Lat. 15171. fo. 175. v. „Lan mie CCC.l XIX environ la samt denis passer ent /es angloys par ce pays.
2 Paris, Bib. Nat. Lat. 14070. fo. 2. Anno 1288 in Geheimschrift.
3 Mitgeteilt: „Histoire Litteraire“ XXIV, S. 329-
4 Bib. Nat. 10468. fo. 308: repperiat statt repperit. „Errare“ — herumfahren, vgl. „Chevalier erranl“. Schlechtes
Latein, da errer in diesem Sinne von iterare kommt.
5 Nachgewiesen und heraldisch erklärt: Romania. XV, S. 165.
6 Z. B. : Cambrai 508. Angers 312. (S. die Kataloge.)
7 Bib. Nat. fr. 2063 fo. 107 v. „Qui le troeve ou qu’il (= cui il) le prester a se li rende si fera ce que il devera . ..
(auf dem letzten Blatte :) . . . qar nulz n’a cause de droit de retenir l’autrui cose “ A. 1 366.
Jordan, Das Verleihen von Büchern im Mittelalter.
457
entwendet — Der soll es mir bezahlen!“ 12 Und
ein dritter halb ernst, halb scherzhaft: „Wer es
stiehlt, den lasse ich am Galgen von Nevers auf¬
hängen.“ 1
Andere wieder sehen ein, daß mit Drohungen
nichts zu erreichen sei und lassen sich zu Ver¬
sprechungen herab, wie man heute für den ehr¬
lichen Finder eine Belohnung aussetzt: „Wer es
findet, der gebe es seinem Besitzer zurück und
man wird ihm so guten Wein dafür geben, daß
er zufrieden sein wird.“2 Oder länger aus¬
gesponnen: „Dies Buch gehört Peter Acquary,
Müller in der Mühle vor Maignil Scellieres. Der
oder die, welche das vorliegende Buch wieder¬
findet, gebe es dem gen. Acquary zurück und
gern wird er es mit Wein bezahlen, und wenn
sie es ihm nicht zurückerstatten, so möge sie
der Teufel holen. Joseph und Maria. — Peter
Acquary.“3
Genau dasselbe Bild entrollt sich, wenn wir
uns nach Italien wenden. Vornehme und frei¬
gebige Humanisten machen immer und immer
wieder schlechte Erfahrungen beim Verleihen. Ein
beliebtes Verfahren war hier, seitdem man alle
möglichen Dinge zu sammeln anfing, die Minia¬
turen aus den Manuskripten herauszuschneiden,
wohl auch durch minderwertige zu ersetzen,4 eine
Art des Diebstahls, die auch in Frankreich üblich
war und uns manche Lücke im Text eingebracht
hat, da ja die Rückseite mitging.
Man darf sich freilich unter diesen Übeltätern
keine Diebe von Profession vorstellen, denn solche
würden ein geborgtes Buch niemals in ihre Hände
bekommen haben: es sind vielmehr, wie man so
sagt, „Liebhaber“, und es bleibt frei, ob man sich
mehr über die Naivität oder über den geringen
Grad von Gewissenhaftigkeit wundern will. Auch
Dantes Lehrer Brtinetto Latini klagt in seinem
,, Tesoretto “, dem italienischen Auszug aus seinem
französischen „Li livres dou tresour “, wie leicht¬
sinnig die Leute mit geborgten Büchern und Wert¬
gegenständen umgingen, und verwünscht es, wenn
es ihm mit seinem Werke ebenso gehen sollte.5
Diese allgemeine Unsicherheit büßten natürlich
diejenigen, die als Fachleute eines bestimmten
Buches wirklich bedurften und es nur leihweise
erhalten konnten. Ein Bittgedicht Pertrarcas 6
bestätigt uns dies. Bei Abfassung eines Werkes,
wahrscheinlich seiner „De remediis utriusque for-
htnae “, das antiken und modernen Geist und
Sprache verbinden sollte, fehlte ihm eine Schrift
des Augustinus, der Besitzer derselben aber hatte
ihm wohl auch nach schlechten Erfahrungen das
Buch verweigert. So sandte ihm der Dichter
folgendes Sonett:
Sind Liebe oder Tod mir nicht entgegen
Bei neuem Faden, den ich fleißig spinne,
Noch andrer Aufenthalt, dieweil ich sinne,
Verbindungswege zu uns anzulegen
Aus alter Zeit; — wohl scheint solch Werk verwegen! • —
So glückt’s mir noch, das Römische zu einen
Mit seiner Tochtersprache. Ich will meinen,
Daß es bis Rom die Geister wird erregen.
Nur fehlt mir, noch, das Große zu vollenden,
Ein Einziges von jenen feinen Dingen,
Die mein geliebter Augustin geschrieben.
Verschlossen doch ist mir die Hand geblieben,
Die sonst so edel war in geist’gen Spenden,
Ach öffne sie und laß mein Werk gelingen.
Ob seine Bitte ihm gewährt wurde, und er das
Buch erhielt, wissen wir nicht. Aber wer hätte
auch einem Sonette Petrarcas widerstehen können?
Wie übrigens dem Dichter bei diesem Gesuch zumute
war, können wir uns am besten vorstellen, wenn
wir bedenken, daß er selbst eine recht schlechte
Erfahrung gemacht und durch Verleihen ein
Unikum verloren hatte, dessen Verlust noch jetzt
beklagt wird. Er verborgte nämlich die einzige
Handschrift von Ciceros „ De gloria “ und erhielt
dieselbe nicht zurück, so daß das Werk bis auf
den heutigen Tag unbekannt geblieben ist.7
Im übrigen finden wir in Italien dieselben Ver¬
suche, wie in Frankreich, durch Einträge an das
Gewissen der Entleiher oder Diebe zu appellieren.
Bald sanft, wie in den „ Fioretti “ des Hl. Fran¬
cisco der Markusbibliothek (it. I. 9 ): „Findet einer
das Buch, soll er es dem Besitzer um Gottes willen
zurückerstatten.“8 Oder in klassischer Knappheit
und Grobheit:
1 Bib. ATat. N. Acq. Fr. 10035. „Qui aquest romans volra ... si li costarci.“
2 Bib- Nat. f. fr. 4276. fo. 143. v. (S. Katalog.) „Ce romant est a Htigues Guiot; qui l'amblera pendu sera au
forches de Nevers“ — Arsenal 181. „Ciz romanz est a Jaques de Paris — Haut soit pendus qui 1' emblera en finP
3 Bib. Nat. fr. 1166. fo. 112. v. „quj le trouvara sy luy rande et on luy randera sy tres bon vin qui (= qu’il)
s’en tara (= tendra) pour contensP
4 Bib. Nat. f. fr. 1822. 45. v. „Ce present liure appartient a pierre Acquary munier dem [eurant\ au molin a avant
(ä vent?) Du Maignil Scellieres, celuy ou celle qui retrouvera le pnt (present) liure kar le rande au d\it ] acquary <S° voul.
lautiere paisa (paira) du vin & en faulte de ne randre au d\it\ Acquary le grand diable les puisse empörter, Joseph o°
Marie. (Unterschrift.) Pierre acquary “.
5 Jakob Burckhardt , Beiträge S. 300 — 301. Über die Bibliothek des Vittorio da Feltre: Kultur der Renaissance S. 329.
6 Tesoretto, Vers 101. (In der „Zeitschrift für Rom. Philologie“ Bd. VII.) Chosse di gran asse/to . . . L’o date a
charo amicho, — Pot, chon dolor lo dicho — Le vidi in man di fand — E rasenprati tanti — Che si ruppe la bolla —
E nmase per nulla — S’aven cosi di questo — Si dicho che sia pesto, — E di charta in quaderno — Sia gittato in inferno.
1 Petrarca ,, Soneiti e Canzone di vano ArgonentoP (Ed. Rigutini. Milano, Hoepli, 96. Nr. 7.)
8 S. Histoire Liiteraire XXIV, S. 327. — 20 }>Si quls invenerit rendat ei — pro amore dei.“
458
von Zobeltitz, Zwei alte Stammbücher.
„Der du dies Buch von mir entliehst
Hüt es vor Feuer und vor Licht,
Vor Kindern, und behalt es nicht !“*
Ein origineller Geist spricht schließlich aus
dem Sonette jenes Quattrocentisten, das auf dem
inneren Deckel des Codex Marciana C/asse
VIII. 17. eingetragen ist.1 2
Ein Einz’ger schadet oftmals hundert andern;
Gerecht erscheint mir’s nicht, doch sagt man so.
Ich werde meiner Bücher nicht mehr froh,
Seit sie von einem zu dem andern wandern.
Wenn ich ein Buch verborgte, — mir ein Kummer! —
Und man es durchstudiert und ausgelesen
Und mir zurückgebracht, ist’s recht gewesen,
So fand auch ich am Ende ruhigen Schlummer.
Doch niemand soll ein Buch von mir entführen,
Mit dem’s mir geht, wie’s meist das Schicksal bringt,
Dali ich am End muß Freund und Buch verlieren.
Und ist’s ein guter Freund, daß er mich zwingt,
Will ich an sein Gedächtnis appellieren,
Daß er’s am Ende mir auch wiederbringt.
Das Unrecht doch will gar mir nicht behagen:
Ihr lernt umsonst, ich muß die Kosten tragen!
Ich will dem gelungenen Bibliophilen wün¬
schen, daß er die ältesten Drucke erlebt und im
Geiste wenn auch nicht vollkommene Heilung, so
doch Linderung aller Entleiherqualen voraus¬
gesehen hat.
Zwei alte Stammbücher.
Von
Fedor von Zobeltitz in Berlin.
wei höchst interessante Stammbücher
sind mir zur Ansicht zugegangen. Das
erste befindet sich im Besitz von Herrn
Jacques Rosenthal in München, Karl¬
strabe 10. Über den ursprünglichen Inhaber ver¬
mag die genannte Antiquariatsfirma wenig mit¬
zuteilen. Das Stammbuch gehörte einem gewissen
Brak , auch Brack, Brake und de Braek geschrieben,
der (Franzose, vielleicht auch Holländer von Ge¬
burt) Erzieher eines vornehmen jungen Mannes
war, mit dem er in der Zeit von 1782 bis 1783
eine Reise unternahm, die ihn über Mannheim,
Göttingen, Dessau, Weimar, Berlin, Leipzig, Dresden,
Mailand, Padua, Verona, Genua nach Rom führte.
Aus allen diesen Städten (auch noch aus
Lyon und Montpellier) finden sich Eintragungen
berühmter Gelehrten, Dichter und Künstler. Ent¬
weder hat der klangvolle Name jenes unbekannten
Zöglings des ersten Stammbuchbesitzers diesem
überall die Türen geöffnet, oder der Besitzer ge¬
hörte zu jenen gewandten Autographenjägern, die
sich nicht leicht ab weisen lassen (ein Geschlecht,
das heute noch lebt). Das Stammbuch, ein schöner
Lederband in Queroktav, enthält ferner eine An¬
zahl von Porträtsilhouetten (15), 74 Kunstblätter
und 10 eingeklebte Originalradierungen.
Eine Auswahl aus den Eintragungen möge
hier folgen.
Johann Christoph Gatter er (1727 — 1799), der
bekannte Geschichtsforscher, 1759 Professor der
Geschichte in Göttingen, wo er 1764 das Historische
Institut begründete, dessen Direktor er seit 1767
war, nennt die Geschichte die Führerin des Lebens
und den Weg zur Wahrheit:
Historia vitae dux, veritatis via.
Honoris et memoriae causa
Goettingae d. i. Martii scripsit
A. 1783. J. C. Gatterer.
Das folgende Blatt gehört dem Chemnitzer
Leinewebersohn Christian Gottlob Heyne , der ein
berühmter Altertumsforscher wurde und von 1763
bis zu seinem Tode im Jahre 1812 als Professor
der Beredsamkeit in Göttingen wirkte:
1 Flor. Bib. Naz. II. II. 49. (Im Katalog gedruckt:)
non s'acguffi — Rendimel’ presto e guardal' da fanciulli“.
2 Sempre si disse che un[o] fa danno a ciento
Benche a me non pare pero dovuto
Per uno inghanno ch io o ricevuto
Seguire uitendo tal ordinamento.
Prestai a[a] uno ond io 77iolto mi pe7ito
Un(o ) libro e quando el ebe assai tenuto
E[i\ mi provo che mel a a7ica renduto.
,,Tu che con questo lib7-o ti trastulli — Fa che co7i la lucer7ia
Pero nessuno mi chiegha piii m presla?iga
A 7710 che no7i m’ avengha come s7iole
Ch' io perda il libro e[d]a7icor l’ amistanga.
E s’egli e a77iicho che sforgar(e) mi vuole
Arechi a 771 e si fatta ricordanga
Che facia in pie te7ier le sue parole.
Per cio no7i senga schole
Nessuno imparera alle 7nie spexe
Sara villano dove io era cortese.
von Zobeltitz, Zwei alte Stammbücher.
459
Each day a Life!
Saepe miratus, quam bene teneres illud,
lucrum esse nullum maius quam excedo
temporis usu, adscripsi haec in perpetuam
mei memoriam
Goettingae Chr. G. Heyne,
d. 3. Martii 1 7 §3 -
Ein anderer berühmter Göttinger folgt: der
Staatsrechtslehrer Joh. Stephan Pütter (1725 — 1807),
der notorisch schon in seinem dreizehnten Lebens¬
jahre die Universität bezog und auf das Staats¬
recht seiner Zeit von maßgebendem Einfluß wurde.
Vielleicht, weil seine Hauptbedeutung auf dem
Gebiete des Privat/wrr/^rechts lag, schrieb er:
Deo et reipublicae.
Honoris et memoriae causa
scripsit
Joannes Stephanus Pütter
Goettingae d. 8. Mart. 1783.
Nun kommt Lichtenberg an die Reihe:
Iunatum est cunctis sublimia plurima scire
utque scias brevis est: regula scire velis.
Honoris ac memoria
causa scribebat
G. C. Lichtenberg, Prof, philos. P. O.
Goettinga d. 11. Martii 1783.
August Ludwig Schlözer (1735 — 1809), der
Historiker und Publizist, Großvater unseres ersten
preussischen Gesandten am päpstlichen Stuhl,
Ende der sechziger Jahre des XVIII. Säkulums
Professor der Politik zu Göttingen, hat ein Zitat
aus dem Euripides in das Stammbuch eingetragen.
Der Mathematikprofessor und Epigrammatiker
Abraham Gotthelf Kästner ist weitläufiger; er
dichtet sogar:
Welch Volk, Thuiskons Volk, gestehst den Rang Dir zu?
Der Wälsche singt und mahlt vortrefflicher als Du?
Witz, Höflichkeit, Geschmack, sich putzen, Kochen, Tanzen,
Und manches Beßre noch lernst Du vom muntren Franzen;
Stolz geht des Britten Blick auf alles Land umher,
Wo denkt man tief und stark? wo spricht man frey wie Er?
Und Du, mein armes Volk, ist was von Dir zu melden?
Giebst Du Europen was? — Regenten, Weise, Helden.
Des Herrn Besitzers Andenken
empfiehlt sich hiermit
Abraham Gotthelf Kästner
aus Leipzig
Göttingen Prof, der Physik und Mathematik,
d. 8. May 1783.
Der Oheim des Freihern Karl von Martens,
Verfassers des berühmten „Guide diplomatique“ :
der Diplomat und Publizist Georg Friedrich Martens ,
1783 außerordentlicher Professor der Rechte in
Göttingen, gibt ein Zitat aus
Metastasio
11 viver si misura
Dali’ opre, e non dai giorni.
Misurando cosi la Sua vita in Gottinga la
trovo lunga, che altramente al mio decio pare
brevissima. 11 serbarmi la Sua amicitia e
l’unica via per allegiar il dolore che sento
del Sua partire, e dunque la pregho sincera-
mente di sceglierla
in Gottinga Geo. Frd. Martens.
il XI. di Mart.
I7S 3-
In Runenschrift hat sich unter sein trefflich in
Sepia ausgeführtes Porträt der in Schweden
wirkende dänische Künstler Karl Gustav Pilo
eingetragen.
Jean Pierre Erman , der Prediger der franzö¬
sischen Gemeinde in Berlin und Direktor des
dortigen französischen Gymnasiums, Verfasser
(mit Reklam) der „Histoire des Refugies“, trägt
sich wie folgt ein:
Vous me paroissez, monsieur, etre cet homme lä et
joindre au merite d’avoir vu, le mente aggrandit (un¬
leserlich) d’avoir bien vu. Je suis tres- Hatte que vous
m’admettez dans ce Souvenir. J’en infere que je ne serai
pas etranger ä un autre souvenir bien plus interessant pour
moi. Aidez votre jeune Aiglon ä ne pas oublier dans son
vol rapide et etendu quelautre sur lequel il a fait la plus
vive impression.
Erman. Conseiller du Consistoire superieur
Pasteur de l’Eglise francoise Professeur d’eloquence
et Principal du College Royal Franqois
Berlin le 16. Septembre 1783.
Das folgende Blatt zeigt gegenüber zweier ein¬
geklebter, in Kupfer gestochener Vignetten die
Eintragung des Künstlers, der sie gefertigt: des
Kupferstechers Professors Johann Friedrich Bause
(1738—1814), dessen nach Graff und Öser ge¬
stochenen Porträts besonders geschätzt werden:
Treu sich den Künsten weyhn,
Macht unsre Sitten mild und lehrt uns menschlich seyn.
Leipzig Zum Andenken geschrieben von
den 2. Oktober 1 783 Joh. Fr. Bause.
Eintragung Goethes in das Braksche Stammbuch. (Etwas verkleinert.)
460
von Zobeltitz, Zwei alte Stammbücher.
Zeichnung von Henry Tresham in dem Brakschen Stammbuch.
Einfach^mit „Huber“ unterzeichnet sich Ludwig
Ferdinand Huber , der Freund Schillers und Chr.
Gottfried Körners. Als geborener Pariser schreibt
er französisch:
Ceux qui se plaignent de la fortune, n’ont bien souvent
ä se plaindre que deux-memes.
Souvenez-vous quelquefois
Leipzig, le 2. 8br. 1783. de votre serviteur & ami
Huber.
„mendelson“ hat Moses Mendelssohn ein paar
für mich nicht entzifferbare Zeilen in hebräischer
Sprache unterzeichnet. Basedow , der grobe Pä¬
dagoge, schreibt in Dessau, wo er 1774 sein
Philanthropinum errichtet, seine Eintragung in das
Stammbuch:
Mr. de Haller.
Qui pense librement, pense bien.
Un autre.
Qui ose dire ce qu’il pense, pense librement.
Dessau, le 29. Sept. 1783. Jean Bernard Basedow.
Auch Zollikofer , der Pastor der reformierten
Gemeinde in Leipzig und berühmte Kanzelredner,
schreibt sich französisch ein:
Sois ce que tu parois etre, & ne crains pas de paroitre
ce que tu es. G. J. Zollikofer.
Leipzig, 2. Okt. 1783. Bast. eccl. reform.
Es folgt Wieland mit einem Popeschen Zitat:
The proper study of mankind is Man.
Zum Andenken geschrieben
von
C. M. Wieland.
Weimar d. 4h Octob. 1783.
Will der Knabe nicht hören was der erfahrene Mann
spricht?
Muß der Jüngling steets irren? und schwerbetrogen die
Männer
Wieder zu Knaben sich wünschen nur um sich selber zu
folgen.
d. 1 2. Oktbr. 83. Goethe.
Diese Goetheschen Stammbuchverse sind bisher
noch ungedruckt geblieben: wenigstens in dieser
Form und in Goethes Werken. Ich halte sie für
eine Übersetzung aus einem antiken, vermutlich
griechischen Schriftsteller.
Herder zitiert gern; diesmal den Opitz:
Ich lernte täglich was aus meinem Leben nehmen
was nicht hinein gehört — —
Opitz.
Zum Andenken schriebs
Johann Gottfried Herder.
Weimar den 13. Octob. 1783.
Die folgenden Blätter enthalten Zeichnungen
in Bleistift, Feder und Sepia. Auch hier tritt uns
mancher berühmte Name entgegen. Giovanni
Fiorelli stiitet eine hübsche Bleistiftskizze, Georg
Melchior Kraus in Weimar eine Tuschzeichnung.
Anton Graff hat sein Selbstporträt beigesteuert
und eigenhändig unterzeichnet und datiert („Dreßden
den 23. Okt: 1783“). Es folgen Johanti Casa¬
nova mit einer Vignette, der Bruder des Memoi¬
renschreibers und Direktor der Akademie der
schönen Künste in Dresden — J. Ph. Sueur
mit einer Federzeichnung — Henry Tresham mit
zwei Sepiaskizzen — Jea?i Bapt. Tierce mit fünf
Aquarellen — A. L. T. Vaudoy er, der berühmte
französische Architekt, mit einigen Zeichnungen,
die ein ganz närrisches Haus in Kugelform dar¬
stellen — Andrea Appiani, der „Maler der Grazien“
Und nun Goethe:
von Zobeltitz, Zwei alte Stammbücher.
461
— Le Monnier mit einem Porträt der Corilla, dem
Urbild der „Corinna“ der Frau von Stael — der
Genueser Giovantii David mit einem Aquarell
M. de Montgolfier mit schönem Porträt von J. Roques
usvv. Auch zahlreiche Silhouetten sind eingeklebt:
die von Gatterer, Heyne, Lichtenberg, Kästner u. a.
Dazwischen liegt noch manches interessante Schrift¬
stück, so eine Eintragung aus Mailand von Cesare
Beccaria Bonesano, dem berühmten philanthropischen
Schriftsteller und Verfasser der „Delitti e pene“.
Auch das zweite Stammbuch, von dem ich hier
sprechen will, ist in hohem Grade interessant. Es
gehörte in den dreißiger Jahren vorigen Jahrhunderts
einem Fräulein Fanny von Wangenheim und be¬
findet sich gegenwärtig im Besitze des Herrn
Hoher Geist und edler Sinn
Ward für tausende Gewinn.
Milde mit der Menschheit Schwächen,
Tiefer Einsicht zugetan,
Rinnt allein in Segensbächen
Durch des Lebens Dämmerbahn,
Ja, ein lichter Stern erscheint,
Wo sich Kraft und Liebe eint.
Lange leucht’ er noch den Seinen,
Und der Freund’ umschlingend’ Band,
Geistig, herzvoll zu vereinen,
Bringe Zeit dem Vaterland.
Hoffnung, ewig, jung und grün,
Möge jeden Tag umblülni !
Der Wert der Kinder bringt den Eltern das
reinste Glück. In Achtung und Liebe bleibt
Ihnen für immer ergeben; Ihre
Caroline von Wolzogen, geb. Lengefeld.
Eintragung Moses Mendelssohns im Brakschen Stammbuch.
Ludwig Rosenthal in München, Hildegardstraße 16.
Gegenüber einem Aquarell, das Schönemannsche
Haus in Frankfurt a. M. darstellend, in dem
Goethes „Lili“ das Licht der Welt erblickte, finden
wir folgenden Eintrag:
Mögen Sie, mein gnädiges Fräulein, bei dem Lesen
dieser Zeilen sich stets mit derselben Güte und demselben
Wohlwollen, welches Sie ihm früher erwiesen haben, dessen
erinnern, der sich mit der ausgezeichnetsten Hochachtung zu
nennen die Ehre hat
Ihr
ganz ergebener
Weimar Carl Alexander,
den 29. April 1838. Erbgroßherzog zu Sachsen-Weimar.
Karoline von Wolzogen , Schillers Schwägerin,
hat sich mit folgendem Gedicht verewigt:
An Fanny von Wangenheim
am 14. May 1838.
Zu des theuren Vaters Feste
Nimm des Herzens treuen Gruß.
Die Natur gab ihm das Beste
In der Vorsicht weisen Schluß,
Die gutgemeinten Verse sind für den fünfund-
sechszigsten Geburtstag des Vaters der ehemaligen
Stammbuchbesitzerin gedacht: des Freiherrn Karl
August von Wangenheim, der 1816 wiirttem-
bergischer Kultusminister war und 1817 als württem-
bergischer Gesandter beim Bundestage an der
Spitze der liberalen Opposition gegen das Metter-
nichsche Reaktionssystem stand. 1823 wurde er
auf Metternichs Drängen abberufen. Er starb hoch¬
betagt 1850 zu Coburg.
Auch ein mit „K. v. W. fecit 11. Dzbr. 1827“
signiertes Blatt des Stammbuchs, eine Sepiazeichnung,
scheint mir von Karoline von Wolzogen (die ihren
Vornamen sehr verschieden, bald mit C, bald
mit K schrieb) herzurühren.
Der berühmte Theologe Karl August von
Hase , der 1830 als Leser der Dogmatik und
Kirchengeschichte nach Jena gekommen war,
läßt sich also vernehmen:
Da Sie sich vorgenommen haben, einst einmal in Ihren
alten Tagen eine Kirchengeschichte zu lesen, so kommen
46 2
von Zobeltitz, Zwei alte Stammbücher.
Sie vielleicht bis zu der Stelle, wo über Angela von Bres¬
cia gesagt ist, sie sey eine von den Seelen gewesen, die
nur als tröstende Engel über die Erde gehen, nur in Sorgen
um fremde Sorgen und glücklich in fremdem Glück. Es
ist nicht gemeint, Sie mit dieser heiligen Jungfrau zu ver¬
gleichen, welche einen Orden gründete zu „Liebesdiensten
innerhalb des Familienlebens14, denn Sie, mein Fräulein,
sind keine barmherzige Schwester, sondern nur eine gute
Schwester und Tochter; indeß fallen Sie einem doch dabei
mit ein. Ach, Sie werden Ihren Jenaischen Freunden nur
zu oft ein fallen!
Jena, d. 21. Mrz. 1S38. Dr. Karl Hase.
Ein Zitat aus Goethe hat Johanna Schopenhauer
eingetragen, ein Herdersches Zitat Adele Schopen¬
hauer. Weiter finden wir Eintragungen von Luise
Schwarz , der Tochter von Wilhelm Gesenius, und
ihrem Gatten, von Mathilde , Emilie und Julia
Marezoll , von Luise von Ziegesar , der Schwägerin
Charlottes von Stein, ihrer Tochter und ihrem
Gatten, sowie ferner folgende Verse des bekannten
„ersten deutschen Improvisators“, unermüdlichen
Schriftstellers und Übersetzers O. L. B. Woljf:
Was ist das Leben? Wunderbares Wort!
Ein stetes Finden und ein stetes Scheiden! —
— Ein Rätselspiel. — Ist, wer da bleibt, am Ort?
Ist, wer ihn lassen muß, mehr zu beneiden ?
Erinnerung löst diese Fragen auf:
In Friede ward man froh den Vater segnen,
Denn himmlisch wirkt in Erdenwanderlauf
Auf alle Herzen: Freundliches Begegnen.
Jena am II. May 1838. O. L. B. Wolff.
Ein paar liebenswürdige Worte hat auch der
berühmte Jurist Wilhelm Francke eingetragen, der
seinerzeit in Jena lehrte ; interessant ist ferner eine
mit „Fr. J. Frommann“ Unterzeichnete Eintragung:
zweifellos Friedrich Johann Frommann , der Be¬
sitzer der weitbekannten Waisenhaus-Buchhandlung
in Züllichau, der bis 1838 als Vertreter seines
Vaters viel in Jena lebte und später von der
dortigen Universität zum Ehrendoktor der Philo¬
sophie ernannt wurde. Auf das Schlußblatt ist
ein herzenswarmer Brief des Ministers von Wangen¬
heim an den Hofprediger Jacobi geklebt.
Neuere Exlibris-Literatur.
Von
K. E. Graf zu Leiningen-Westerburg in München.
a sich in letzter Zeit die Literatur über
Bibliothekzeichen bedeutend vermehrt hat,
andrerseits an dieser Stelle seit längerem
| nichts über den Gegenstand berichtet
wurde, so sei heute dieses Thema in Kürze hier
behandelt.
Die vornehmste Quelle aller Exlibris-Literatur
ist nach wie vor die Deutsche Exlibris - Zeitschrift
(Verlag: C. A. Starke in Görlitz), die 1906 in ihrer
künstlerischen bilderreichen Ausstattung bereits im
sechszehnten Jahrgang erscheint; in ihr werden
alte wie neue Exlibris nicht nur besprochen, sondern
auch in farbigen Beilagen, Radierungen und un¬
endlich vielen Klischeedrucken reproduziert. Die
österreichische Exlibris -Gesellschaft gab soeben
ihr drittes vortreffliches Jahrbuch heraus und bringt
ebenfalls alte und neue Bibliothekzeichen zur Be¬
sprechung und Wiedergabe.
Die Schweizer recht gut redigierte Exlibris-Zeit¬
schrift ist nach zweijährigem Bestehen hauptsäch¬
lich am Kostenpunkt gescheitert und eingegangen;
ihr folgte demnächst, auch nach nur zweijährigem
Leben, die spanische , vorwiegend aus Mangel an
Material und Beteiligung.
Dagegen ist eine italienische Exlibris-Zeit¬
schrift jüngst entstanden, die bisher zwei Monats¬
lieferungen ausgegeben hat (Virgilio Burti, Genua,
Via Trebisonda4 — 11; 12 Nummern im Jahre, 12
Francs); sie beschäftigt sich naturgemäß in erster
Linie mit italienischen Exlibris, berücksichtigt aber
auch das Ausland. No. 1 zählt 16 Seiten und 4 Ex¬
libris-Abbildungen, No. 2: 15 beziehungsweise 7;
der Text ist italienisch, doch findet sich auch ein
Artikel in französischer Sprache. Falls die Be¬
teiligung am Abonnement und der Textlieferung
anhält, kann die Publikation ganz interessant wer¬
den, namentlich wenn sie die Bertar elfischen Ver¬
öffentlichungen über italienische Exlibris ergänzt.
Charakteristisch ist, daß die Umschlagzeichnung —
ein altdeutscher Holzschneider bei der Arbeit in
seiner mit Butzenscheiben versehenen Werkstatt —
von N. Zanolio in Genua einer Zeichnung von
Professor E. Doepler d. J. in Berlin „nachemp¬
funden“ ist.
An selbständigen Exlibris -Veröffentlichungen
nenne ich, von 1902 beginnend, nachstehende
Publikationen, ohne jedoch raummangelshalber
alle anzuführen; ich bringe hier nur das Haupt¬
sächlichste zur Sprache.
Deutsches Reich:
Zu den bei Fischer und Franke in Düsseldorf
erschienenen Sonder -Exlibris -Werken Bernhard
Wenigs und Hermann C. Hirzeis trat „ Ephraim
Mose Lilien , sein Werk “, Verlag von Schuster und
Löffler in Berlin (10 Mark); unter 100 Bildern
Z. f. B. 1905/1906.
sind 21 Liliensche Bibliothekzeichen, eigenartige
Blätter, meist für jüdische Besitzer und mit Be¬
ziehungen auf die jüdische Religion. Ferner: das
„ Exlibris - Werk Willi Geigers “, Verlag von Friedrich
Rothbarth in Leipzig (10 Mark); Text von Arthur
Roeßler in Wien: 36 Exlibris von der ganz be¬
sonderen Eigenart dieses häufig bizarren, aber
begabten Stuckschülers, der seiner oft wilden
Phantasie hier üppig die Zügel schießen läßt.
Über ,, Moderne Münchner Exlibris-Zeichner “
schreibt Arthur Roeßler in „Kunst und Hand¬
werk“, der Zeitschrift des bayrischen Kunstgewerbe-
Vereins zu München (LV., 2; Einzelheft: 2 Mark)
und bespricht an der Hand von 71 Abbildungen
Exlibris von A. Welti (4), H. Volkert (8),
W. Geiger (12), Emmy Walter (1), R. Schiestl
(6), F. W. Voigt (1), O. Graf (1), J. Diez (n),
H. Völkerling (3), V. v. Belanyi (4), J. J. Vries-
lander (3), F. G. Parin (2), W. Caspari (4),
H. G. Weineiß (2), F. Nockher (3), Fr. Hegen¬
bart (2), P. Haustein (1), E. Kreidolf (1), W. Ehring-
hausen (2). Die Mehrzahl der Blätter war bisher
noch nicht wiedergegeben.
In ,, Über La?id und Meer “ 1905 (93,1 5) plaudert
Adolf Schrey (Pseudonym) über „ Bibliothekzeichen
deutscher Dichter “: vier Seiten Text, 32 Abbil¬
dungen deutscher und österreichischer Dichter¬
und Schriftsteller-Exlibris; ein interessantes Sonder¬
kapitel aus dem großen Buche der Exlibris-Kunde.
Ohne alle erwähnen zu wollen, seien hier nur
einige Namen angegeben: Fischart, Gottsched
Kotzebue, Goethe, Ganghofer, Hartleben, Lauff,
Busse-Palma, Frieda Schanz, Carl Busse, Halbe,
Alberta v. Puttkamer, Fedor v. Zobeltitz, Suder¬
mann, Lingg, Jul. Wolff, Grisebach, Rosegger,
Tovote, Marie Ebner von Eschenbach, Blüthgen,
D. v. Liliencron, Lindau, Nordhausen, Stucken, Bier¬
baum. In der Exlibris-Zeitschrift XV. S. 44 wurde
eine kleine Ergänzung zu diesen Dichter -Exlibris
gegeben.
Eine interessante Exlibris-Monographie lieferte
Dr. Bogdan Krieger im „Hohenzollernj ahrbuch“
VII., 1903, über „Die Hohenzollern und ihre
Bücher “: 29 Seiten mit Abbildungen von 25 Ex¬
libris, 54 Super-Exlibris, 19 Stempeln und 9 eigen¬
händigen Eintragungen — alle von Angehörigen
des Hauses Hohenzollern; vertreten sind u. a.
Exlibris aus dem XVI. Jahrhundert, König Fried¬
rich L, Kaiser Wilhelm I. und II., die Kaiserinnen
Augusta, Victoria und Auguste Viktoria, Kaiser
Friedrich III., Prinz Heinrich, Kronprinz Wilhelm,
die Prinzen Oskar, Adalbert, August Wilhelm,
Eitel Friedrich, Albrecht usw. ; das mit großer
Sorgfalt zusammengetragene Material bietet viel
Neues und Unbekanntes.
60
464
zu Leiningen -Westerburg, Neuere Exlibris - Literatur.
Über „ Elsässische Exlibris “ handelt Wilhelm
Scheuermann in der „ Straßburger Post“, No. 237
vom 6. III. 1904 und No. 264 vom 13. III. 1904:
ein wertvoller Beitrag zu der heute so beliebten
Heimatkunst; der Verfasser vertilgt über eine
Liste von 500 elsässischen alten und neuen Ex¬
libris, deren er viele erwähnt. Ebenfalls über
elsässische Exlibris schreibt Marcel Moeder in
einem „ Essai sur les Exlibris alsacietis “ (Libraire
Clement Drioton, Dijon, 1905); 16 Seiten Text,
4 Abbildungen; eine kleine Plauderei, die keinen
Anspruch auf Vollständigkeit macht.
Ab und zu brachten Exlibris-Wiedergaben die
schöne Zeitschrift „Deutsche Alpen- Zeitutig“ (München,
alpine Exlibris), „ Der deutsche Heroldf (Berlin),
die „ Deutschen Gaue “ (Kaufbeuren); das ,, Buch -
händler-Börsen-Blatt “ (Leipzig) erwähnt wieder¬
holt Buchhändler-Exlibris (ohne Abbildungen).
Unsere ,, Zeitschrift für Bücherfreunde “ brachte
drei bemerkenswerte Exlibris-Sonderartikel; so in
VIII. 5 Odave Uzannes „ Die französischen Ex¬
libris von heute“, 14 Seiten mit 37 Abbildungen;
in IX. 7 Dr. Anton Schlossars „ Steiermärkische
Exlibris “, 23 Seiten mit 31 Abbildungen und in
VIII. 9 Dr. Stephan Kekules von Stradonitz Artikel
„ Über Stiper-Exlibris “, die erste größere und
Hauptarbeit über dieses Thema: 23 Seiten Text
mit 33 Reproduktionen vorwiegend alter, oft
prächtiger Super-Exlibris eine äußerst interessante
Monographie.
Hie und da begegnet man auch in unseren
zahlreichen deutschen Kunstzeitschriften Exlibris-
Abbildungen, doch würde es zu weit führen, sie hier
einzeln anzugeben; es genüge, festzustellen, daß das
Interesse für unsere Exlibris-Kleinkunst bei allen
deutschen Kunstzeitschriften rege ist.
Österreich :
Außer den 3 trefflichen fahrbüchern der Oester-
reichischen Exlibris-Gesellschaft und Dr. Schlossars
oben genannten „Steiermärkischen Exlibris “ ist hier
noch die fleißige Einzelschrift des Pfarrers Ludwig
von Nemethy über die Exlibris der Metropolitan-
Bibliothek zu Gran, 315 Stücke, kurz zu erwähnen:
1 Farbensteindruck (Exlibris des Königs Matthias)
und 12 Stichneudrucke; 56 Seiten in ungarischer
Sprache. Ferner eine Veröffentlichung Etnilij
Laszowskis in Agram über „Kroatische Exlibris “,
beginnend in der kroatischen heraldischen Monats¬
schrift „Vitezovic“, 1904, Heft I; in kroatischer
Sprache, mit Abbildungen.
Schweiz:
Emanuel Stickelberger, „ Das Exlibris in der
Schweiz und in Deutschand“ , Verlag von Helbing
und Lichtenhan, Basel (12 M.); 300 Seiten,
200 Abbildungen. Ein fleißig geschriebenes
Buch, das sich in der Einteilung und sachlich
häufig an mein, 1901 erschienenes Exlibris-Werk
hält, aus der Zeit von 1901 an aber manches
Neue aus früherer wie jetziger Zeit bringt und be¬
strebt ist, möglichst viele Exlibris abzubilden, die
noch nicht wiedergegeben worden sind.
Italien :
Seit dem früher schon besprochenen bedeuten¬
den Werke BertareUis über italienische Exlibris er¬
schien nur ein Artikel facopo Gellis im „Empo¬
rium“, XVII., 100 (Bergamo), „Gli Exlibris “,
10 Seiten, 41 Abbildungen — sowie eine
Broschüre (in italienischer Sprache) des Conte
Emilio Budan „Saggio di Bibliografia degli Ex¬
libris“, 14 Seiten, die eine Bibliographie von 208
Werken, Einzelschriften und Artikeln über Exlibris
der ganzen Welt enthält. Dieser Versuch hat
sich inzwischen zu einem Buche verdichtet, das
derselbe Verfasser im Dezember 1905 unter dem
Titel „Bibliographie des Exlibris “ bei Karl W.
Hiersemann in Leipzig in hübscher Ausstattung
herausgab: 61 Seiten Text in deutscher, fran¬
zösischer und englischer Sprache, 34 Abbildungen
alter und neuer, hauptsächlich deutscher Exlibris;
387 Angaben von Exlibris-Publikationen aller Länder
(Preis: 15 M.).
Frankreich :
L. Bouley de Lesdain in Dünkirchen schrieb
in der „Kraue höraldique, historiquc et nobiliair f,
Paris, 1904, tome XIX, einen Aufsatz „Notes sur
IVstampe htlraldique en Allemagne et en SuissP, in
dem er hauptsächlich deutsche heraldische Biblio¬
thekzeichen bespricht und abbildet und solche von
Ad. M. Hildebrandt, O. Hupp, G. A. Cloß, L. M.
Rheude, Ed. L. L. Meyer, Al. Frh. v. Dachen¬
hausen und aus der Schweiz Pr. E. A. Stückelberg,
A. Balmer und R. A. Nüscheler — also nur gute
Muster — auswählte und seinen Landsleuten als
empfehlenswerte Beispiele vorführt.
Schweden:
„ Svenska Bibliotek och Exlibris, von C. M.
Carlatider , Stockholm; 6 Bände, 3102 Seiten, 483
Bilder (150 Kronen). Dieses Riesenwerk, eine Frucht
enormen Sammler- und Forscherfleißes, ist die II. Aus¬
gabe des 1889— 94 erschienenen dreibändigen gleich-
namigenWerkes, das aber damals nur 16 40 Seiten und
196 Abbildungen aufwies; in schwedischer Sprache
geschrieben. Hier sind nicht nur alle dem Ver¬
fasser bekannten schwedischen Exlibris besprochen,
sondern auch alle bedeutenderen schwedischen
Bibliotheken, wodurch das Werk für den Biblio¬
philen erhöhten Wert gewinnt. Unter den 483
Bildern finden sich 304 Bibliothekzeichen und 86
Super-Exlibris.
Das Neuste aus Schweden ist ein achtseitiges
Heftchen: „Svensk Exlibris- Bytesförening“ —
Schwedischer Exlibris -Tauschverein, No. 1, De¬
zember 1905 (No. 2 erscheint im Sommer 1906),
das 5 Abbildungen schwedischer neuer Exlibris
und 93 Adressen Exlibris-Tauschlustiger enthält.
Wer in diese Tauschlisten aufgenommen sein will,
muß sein eigenes Exlibris und eine Reichsmark
zu Leiningen -Westerburg, Neuere Exlibris - Literatur.
465
an Herrn Hasse W. Tullberg, Hamngatan, Stock¬
holm, einsenden.
Rußland:
Udo Iwask Issako , „ Über russische Exlibris “,
400 Textabbildungen (Preis 20 Mark), Verlag
M. J. Paradeloff, Moskau, Nikitskaja. Dieses vor¬
trefflich ausgestattete und reich illustrierte Werk
in Großfolioformat übertrifft das erste russische
Exlibris- Werk von Wassili Andrej ewitsch Werescht-
schagin (M. 0. Wolff, St. Petersburg, 105 Ab¬
bildungen, 7, 70 Mark) an Inhalt, Bildmaterial
und Ausstattung ganz bedeutend; obwohl es in
russischer Sprache geschrieben ist, klärt es auch
den dieser Sprache nicht Mächtigen infolge seiner
Bildmenge (400 Exlibris -Reproduktionen) ganz
genügend über die russische Exlibris-Kleinkunst
auf, die zwar nicht sehr alt, aber reichhaltiger, als
man dachte, ist. Besonders interessant sind in
dem Werke die Bibliothekzeichen des kaiserlichen
Hauses und die modernen im reinrussischen Stile.
Polen :
„ Exlibris’ y Bibliotek Polskich “, XVII. und
XVIII. Jahrhundert, von Wiktor Wittyg; 100 Gro߬
quartseiten, 117 Abbildungen (Preis 12 Mark).
Von wissenschaftlichem Werte für die, die polnisch
verstehen. Alle polnischen Exlibris sind nicht auf¬
gezählt, doch soll ein II. Band später erscheinen.
Außer vielen polnischen Namen begegnet man
hier auch manchem deutschen, deren Träger
früher zu ehemals polnischen Territorien in Be¬
ziehung standen.
Spanien :
Alexander de Riquer, „Exlibris“, Verlag von K.
W. Hiersemann in Leipzig: n Seiten, 64 Exlibris-
Originaldrucke (14 Radierungen und 50 Klischee¬
drucke; Preis 20 Mark); eine ganz prächtige Exlibris-
Veröffentlichung dieses bedeutenden katalonischen
Künstlers, der seine Landsleute wie manchen ande¬
ren Exlibris-Zeichner weit überragt; die Radierungen
sind zumeist bei Giesecke und Devrient in Leipzig
gedruckt — eine indirekte Anerkennung deutscher
Kunst auf diesem Gebiete des Kupferdrucks. Die
feinen Kompositionen modernen Charakters zeigen
weibliche Ganz- und Halbfiguren, landschaftliche,
Blumen- und Pflanzen-Motive.
Ferner gab R. Miquel y Planas ein Heft heraus:
„ Los Exlibris y su aduel florecimiento en Espagna“
— „Das Exlibris und seine jetzige Blütezeit in
Spanien“; Barcelona, Rambla Sta Monica 21;
32 Seiten, 74 Abbildungen (13 alte, der Rest
neue spanische und einige fremde Exlibris).
Portugal:
Joaquim de Araujo , portugiesischer Konsul in
Genua, gibt seit 1901 eine Monographie in Heften
„Arabivo de Exlibris portugueses“ heraus, die die
bis jetzt bekannten portugiesischen Exlibris mit
Abbildungen, biographischen und literarischen No¬
tizen behandelt (XVIII. — XX. Jahrhundert); nur
118 Exemplare zu 56 Franken im Jahre; jährlich
12 Nummern.
Ferner: Antdbal Fernandes Thomaz , „Os Ex¬
libris ornamentaes Portuguezes“ , Porto: 83 Seiten,
175 Abbildungen (nur 6 5 Exemplare ; vergriffen) ; 1 o 9
alte und neue (2 9 beziehungsweise 80) portugiesische
Exlibris, 22 Stempel, 21 Super-Exlibris, 15 von
Ausländern in Portugal; Nachtrag: 12 Exlibris;
XVII. — XIX. Jahrhundert. Diese Monographie über¬
trifft an Brauchbarkeit und Interesse die vor¬
genannte von Araujo.
England:
„Catalogue of British and American book-
plates“ — der Franksschen Exlibris - Sammlung
im britischen Museum zu London, von E. R. J.
Gambier Howe; Band I: 458 Seiten, 7 Ab¬
bildungen (1 Stich, 6 Photogravüren); Band II:
443 Seiten, 6 Abbildungen (Photogravüren);
Band III: 387 Seiten, 6 Photogravüren. (Jeder
Band 21 Mark.) Das Werk ist die bis jetzt voll¬
ständigste Liste englischer und amerikanischer Ex¬
libris und umfaßt fünf Jahre fleißigster, wenn auch
trockenster Arbeit, nämlich die Katalogisierung
von 35098 Exlibris. Die in genannter Sammlung
befindlichen deutschen Bibliothekzeichen sollen —
auf deutsche Anregung hin — ebenfalls registriert
werden. Enthält doch gerade die deutsche Ab¬
teilung Blätter, die um hundert Jahre älter sind
als die englischen und die vielfach auch künst¬
lerisch höherstehend sind.
Ferner: Harold Nelson, „His book of bookplates “,
Verlag von Otto Schultze & Co., Edinburg; 24 Nel-
sonsche Exlibris bester Zeichnung (5 sh.); ein ganz
reizendes Heft, dessen Zeichner getrost neben
R. A. Bell, W. West und J. W. Simpson bestehen
kann.
Weiter: James Guthrie, „A little book of book¬
plates“, Verlag von Otto Schulze & Co. in Edin¬
burg; 40 Guthriesche Exlibris (5 sh.); in dem
Guthrie eigenen, englisch-modernen Stil, der in
manchen Blättern anspricht, während ein anderer
Teil steif und monoton erscheint.
Amerika:
Zella Allen Dixson, „Concerning bookplates“,
Wisteria Cottage Press, Chicago ; 217 Seiten,
1 Stich, 2 Radierungen, 28 Klischeedrucke (3 $
50c.). Behandelt amerikanische und andere Ex¬
libris, sowie jetztzeitliche Exlibris - Künstler, die
Exlibris-Gesellschaften und -Sammlungen (250)
mit Adressen usw., ferner Listen der Exlibris von
Hopson, Lister, Spenceley, Williams.
Mexico :
Im „Boletin del Instituto bibliografico Mexi -
cano“, 1903, Nr. 2, veröffentlichte Dr. Nie. LPon
„Los Exlibris simbolicos de los bibliofilos Mexi-
canos 21/ 2 Seiten mit 25 mexikanischen Exlibris,
davon 13 alte und 9 neuere abgebildet. Die
466
Chronik.
älteren (des XVIII. Jahrhunderts) tragen durchaus
spanischen Charakter; im „B ölet in del Museo
Nacional de Mexico II. ep., I., 9, 10, 12 steht ein
kleiner Nachtrag vom gleichen Verfasser: 2 Ex¬
libris des XVIII. Jahrhunderts; vom XIX. 3, vom
XX. 3; 8 Abbildungen.
Australien :
Seit einem Jahre regt sich auch dort das In¬
teresse für Exlibris, und die Neu -Süd -Wales -Zeit¬
schrift vArt a?id Architecture “, Wm. Brookes and
Brookes and Co., 1 7 Castlereaghstr., Sydney, bringt
in II. 3 einen Artikel ,, Some Australian bookplates‘\
geschrieben von John Latte M ullins : 7 Seiten, 9 Ab¬
bildungen modern ausgestatteter Exlibris der austra¬
lischen Zeichner Sid Eong, Thea Proctor, Fred Leist,
Syd. Smith, Eirene Mort, Dr. H. Souter und P. F. S.
Spence; alle Blätter tragen englischen Charakter.
Zum Schlüsse sei noch bemerkt, daß die
französische und englische Exlibris-Zeitschrift noch
fortbestehen und daß sie im Gegensatz zur deut¬
schen vorwiegend nur ältere (meist Wappen-) Ex¬
libris behandeln, während die jetztzeitliche Exlibris-
Kleinkunst der beiden Länder, die ja allerdings
mit wenigen Ausnahmen nicht bedeutend ist, sehr
in den Hintergrund tritt, d. h. wenig gepflegt
wird. In beiden Zeitschriften mub im Gegensatz
zu Deutschland, Österreich und der Schweiz der
Freund heutiger Exlibris-Kunst vor dem „Nur“-
Sammler zurücktreten.
Chronik.
G. C. Lichtenberg bei seinem Verleger
J. Chr. Dieterich zu Gaste.
Seit Eduard Grisebach die Briefe G. C. Lichten¬
bergs an seinen Verleger Dieterich in einem schmucken
Bändchen herausgegeben hat, ist der Freundschafts¬
bund, der zwischen dem „größten Satiriker der
Deutschen“, wie ihn Fr. Chr. Schlosser nannte, und
Dieterich, den Lichtenberg „seinen liebsten, besten
Freund“ anredete, weiteren Kreisen bekannt gemacht
worden, und es ist wahrlich ein Vergnügen, zu sehen,
wie Autor und Verleger damals miteinander ver¬
kehrten.
Die Briefe Dieterichs scheinen selten zu sein;
wenigstens erwähnt Grisebach nur 3 Stück, 2 aus dem
Jahre 1799 (den einen an Jean Paul, den anderen an
Lichtenbergs jüngsten Bruder Ludwig Christian ge¬
richtet); der dritte stammt aus dem Jahre 1773.
Aus eben diesem Jahre, vom 20. April 1773 ,
stammt der Brief Dieterichs an Lichtenbergs zweit¬
jüngsten Bruder, Friedrich Christian Lichtenberg, den
damaligen Ober-Appellationsrat in Darmstadt, der vor
kurzem in meinen Besitz übergegangen ist.
Der Brief ist besonders dadurch wertvoll und inter¬
essant, daß Dieterich über seinen intimsten Freund
selbst plaudert, und dadurch, daß der Brief eine Er¬
gänzung zu bieten vermag zu den Briefen Lichten¬
bergs (3 Bände, herausgegeben von A. Leitzmann und
C. Schüddekopf, Leipzig 1901— -1904).
Es sei nur noch erwähnt, daß Dieterich (1722—1800),
ehe er 1766 nach Göttingen seine Verlagshandlung
verlegte, in Gotha die Meviussche Buchhandlung be¬
saß, die er 1760 unter eignem Namen weiterführte.
In Gotha bezw. in Darmstadt wird Dieterich G. C.
Lichtenberg und dessen Brüder kennen gelernt haben.
Unter den „Meyerschen“ Schriften sind die Werke
von Johann Tobias Mayer (geb. 1723), des Begründers
der wissenschaftlichen Selenographie verstanden, dessen
nachgelassene Sachen Lichtenberg in einem ersten
und einzigen Band unter dem Titel „Opera inedita.
Göttingen 1775“ herausgab. Dort erschien auch die
Mondkarte, die von Kaltenhofer gestochen wurde.
(Vgl. Lichtenbergs Briefe I, 142.) Über Lichtenbergs
Aufenthalt in Stade, Hamburg und Hannover siehe
ebenda S. 120 ff.
Hier ist der Brief, ein großer Bogen (20:32 cm),
drei Seiten sind beschrieben.
„Wohlgebohrner
Hochgelahrter Herr Ober Appellations Rath
Sagen Sie mir doch ob Sie Ungehalten auf
mich sind, ob ich Ihnen worin beleidigt habe?, mit
meinem Wißen und Willen weiß ich nichts.
Sie haben mich so lange ohne die Ehre Dero
sehr angenehme Befehle gelaßen und ich weiß nicht
woran ich bin.
Ich freue mich ordentlich, durch einen Jungen
Lichtenberg durch Ihres Seel. Bruders Sohn von
Ihren Wohlbefinden benachrichtiget zu werden. Ihr
Herr Bruder der Herr Profeßor Klagt und Krenckelt
mir zu viel, Er hat grausame Arbeiten vor, alleweil
Sitzt Er mitten unter denen Meyerschen Schriften
die er unter seinen Nahmen auf Königs Verlanghen
ausgeben würd, auf Michaelis sollen Sie schon einen
Band davon bekommen, auch läst Er, die Meyerische,
schon längst gewünschte Mondentafel stechen, und
theilt solche nunmehro der ganzen Welt mit.
[S. 2.] Diese Tafel hat so lange als einer rarite auf
daß hiesige Observatorium vergeblich gelegen, und
niemand hat sich daran gewaget, ich armer Schelm
muß nun durch Ihren Herr Bruder noch Verleger
da von werden.
Ewr. Wohlgeb. verzeihen daß ich Ihnen gegen
wärtig mit Dero Rechnung incommodirte, ich habe
Chronik.
alles zusammen gezogen wo von Sie schon einzeln
die Rechnung Spec: erhalten, daß jenige waß Sie
auß meiner Gothaischen Handlung bekommen
beträgt I3 gr-
daß wenige waß Sie von hier be¬
kommen 48 3 Sv-
und Mr. Hennemann seine Rech¬
nung _ 43 8 gr-
Sumrna 277: S?S- —
als diese letztere Ewr. Wohlgeb. zu übernehmen ver¬
langt haben.
Da ich nun dieses alleweil benöthiget bin, auch
allbereits darauf looß gesündiget habe, in dem ich
4. Ohme Wein von Herrn Müller ausgelehrt wo
von manche Gesundheit in Gesellschaft Ihres Herrn
Bruders nach Darmstadt hin geflogen, so will ge-
horsamst bitten dem Herrn Müller in Hochheim
da von 20 Stück Ld’or Sage Zwanzig Stück Ld’or
zu bezahlen, welcher sich nechstens vermuthlich da
mit melden würd. Den über Rest von I77-1%- aber
bitte die Madame Wittimer in Pfurt(?) welche darauf
auch angewiesen güttigst zu entrichten [S. 3] als
welche Gefälligkeit mit dem grösten Danke erkennen
werde.
Dero Herr Bruder welcher heut abend mit mir
ein Butter Broot verlieb nimmt, würd in wenig
Tagen wieder nach Hannover gehn, von da auf
Hamburg, und in Stade sich einige Monathe auf
Königs Kosten auf halten und observiren. Wir
trinken Ihr Wohlseyn vom Müllerischen Wein, Ihr
Herr Bruder ist so güttig und nimt mit mir leichten
Wein verlieb, hier sind wir keine Schweren ge¬
wohnt, können solche auch nicht bezahlen in er-
wartung Dero fernem und bald sehr angenehme
Befehle, habe daß Vergnügen lebenslang zu seyn
Ewr. Wohlgeb.
Göttingen Dero
d 20 April gehorsamster Diener
1 773. J. C. Dieterich.“
Aus späterer Zeit (1797 und folgende) hören wir
Johann Georg Zimmer (und die Romantiker. Frank¬
furt a. M. 1888. S. 5. f.) von Johann Christian Dieterich
plaudern: „Der alte Dieterich war ein stolzer brum¬
miger Mann, den man selten sah, außer bei Tisch, wo
er nicht zankte. .. . Neben ihm zur Linken saß seine
Schwiegertochter, ... ihr zur Seite ihr Mann, der so¬
genannte junge Dieterich, wie er bis an sein Ende ge¬
nannt wurde.“ An diesen schloß sich der Hofmeister
des schwachsinnigen zweiten Sohnes; der dritte Sohn
arbeitete in der Druckerei des Vaters. Außer den
Handlungsgehilfen, zu denen auch Zimmers gehörte, aß
mit die alte französische Gouvernante einer Enkelin
des Herrn Dieterich mit dieser selbst. „Ihr folgte die
liebe alte gebrechliche Hausfrau, ganz bescheiden und
demüthig, und neben ihr schloß die Reihe ihre Tochter,
Frau Köhler, die Mutter der gedachten Enkelin. Daß
Essen war einfach aber gut; nur das Lauchgemüs, das
das zuweilen auf den Tisch kam, wollte Zimmers nicht
schmecken. Sonntäglich wurden zwei Bouteillen Wein
aufgetragen, wovon jeder zwei Gläser erhielt.“
467
Im Dieterichschen Hause wohnten damals Bou-
terweck und Lichtenberg. Lichtenberg starb noch
während Zimmers Lehrzeit bei Dieterich in Göttingen.
Zum Schlüsse sei noch erwähnt, daß ein Dieterich
darstellender Schattenriß sich in dem vor kurzem er¬
schienenen prächtigen Buche „Chr. H. Eßmarch und
der Göttinger Dichterbund. Nach neuen Quellen aus
Eßmarchs handschriftlichen Nachlaß. Von Adolf Lang-
guth. Mit 60 Schattenrissen aus Eßmarchs Sammlung
und seinem Bilde. Berlin, H. Paetel 1903“ befindet. —
Ein Schattenriß Dieterichs war mir bisher nicht be¬
kannt geworden; auch eine Silhouette G. C. Lichten-
bergs findet man dort.
Berlin. Dr. E. Ebstein.
Vom heiligen Franciscus.
Blütenkranz des heiligen Franciscus von Assisi.
Fioretti di San Francesco. Aus dem Italienischen
übersetzt von Otto Freiherr von Taube. Mit Einführung
von Henry Thode. Initialen von F. H. Ehmcke. Ver¬
legt bei Eugen Diederichs, Jena und Leipzig 1905.
XXVI und 247 Seiten.
Es ist ein nach Inhalt und Ausstattung gleich
wundervolles Buch, das uns der Diederichssche Verlag
hier darbietet und das von neuem Zeugnis von dem
erlesenen Geschmack ablegt, mit dem der hochver¬
diente Herausgeber seine reformatorische Tätigkeit auf
dem Gebiete der deutschen Buchkunst verfolgt.
Der „große Liebende“, der „Pater seraphicus“ der
katholischen Kirche, ist, wie Thode in seiner Einleitung
sehr schön bemerkt, „ein von aller Welt Verehrter,
ein Heiliger der Protestanten so gut wie der Katholiken
geworden; seine Gestalt erhebt sich versöhnend über
dem Widerstreit der Konfessionen als die strahlende
Gewißheit einer christlichen Gemeinschaft, welche aller
Verschiedenheit religiöser Lehrmeinungen zum Trotz
besteht.“ Seinen Ausdruck hat dieses Verhältnis, wie
hier hinzugefügt sei, schon darin gefunden , daß sich
die Vertreter der entgegengesetztesten Weltanschau¬
ungen, Dante und Goethe, Schopenhauer und selbst
Nietzsche, in gleicher Weise vor der sittlichen Hoheit
und der alles überwindenden Liebeskraft des Mannes
aus Assisi beugen — wobei Nietzsche allerdings mürrisch
von „der brutalen Tugend der christlichen Heiligen“
spricht, „als welche das Leben nur mit dem Gedanken
ertrugen , daß beim Anblick ihrer Tugend einen jeden
die Verachtung seiner selbst anwandelte“.
Neben seiner religiös - sittlichen Bedeutung besitzt
der heilige Franciscus eine nicht minder hohe in all¬
gemein kulturgeschichtlicher Hinsicht. Thode findet
dafür beredte Worte. „In der geistigen Befreiung und
künstlerischen Inspiration, die Franz seinem Volke und
damit der Welt gab“, sagt er, „liegt seine ewige Be¬
deutung. So gewiß wir nicht berechtigt sind, ihn von
seiner Zeit zu lösen und ihm heute herrschende An¬
schauungen zuzuerkennen, so gewiß dürfen wir ihn als
den religiösen Verkündiger eines die frühmittelalterliche
Welt ablösenden Verhältnisses zu Gott und der Natur
verehren. Auf seine Liebestat ist die religiöse Dich¬
tung des dreizehnten Jahrhunderts, ist der bis auf unsere
468
Chronik.
Tage nachwirkende, „neuen Lebens“ volle, künstlerische
Gehalt der Danteschen Schöpfungen zurückzuführen
(Dante war selbst Tertianer des Franziskanerordens),
aus ihr ging der Drang und die Kraft des Schauens
eines Menschlich-Göttlichen hervor, dem die Kunst der
italienischen Renaissance erhabensten Ausdruck verlieh.
Durch sie ward dem Denken der Anstoß gegeben,
welcher die großen Franziskanergelehrten, wie Alex¬
ander von Haies, den doctor irrefragabilis; Roger Bacon,
den doctor mirabilis; Joh. Duns Scotus, den doctor
subtilis ; Wilhelm von Occam, den venerabilis inceptor,
zu ihren die neuere Philosophie vorbereitenden Ge¬
danken ermutigte.“ Thode konstatiert sogar einen
unverkennbaren inneren Zusammenhang zwischen dem
gesamten geistigen Geschehen der folgenden Jahr¬
hunderte, selbst dem scheinbar unabhängigen Huma¬
nismus, und der religiösen Bewegung, die in Franz
gipfelt und durch ihn zu bestimmtester Gestaltung ge¬
bracht wird. Die Erklärung für dieses Phänomen
findet Thode darin, daß Franciscus dem weltflüchtigen
Wahne, als verdamme das Christentum die Natur als
unheilig, ein Ende gemacht und durch diese Versöh¬
nung zwischen Mensch und Natur, diese Einbeziehung
des Menschlichen in alle Kräfte und Geschöpfe des
Kosmos den Grund zu der neueren Weltanschauung
gelegt habe. In der Tat erstreckt sich der universelle
Liebesdrang, von dem Franciscus beseelt ist, nicht nur
auf die Menschheit, sondern auf die ganze Natur, von
der „Schwester Sonne“ und dem „Bruder Mond“1 bis
herab zum „Bruder Wolf“ und dem geringsten Lebe¬
wesen. Schopenhauer findet in dieser Liebe zu aller
Kreatur einen Beweis für die Verwandtschaft des Hei¬
ligen mit dem indischen Geiste.2
Franciscus erfreute sich bei seinen Zeitgenossen
einer beispiellosen Verehrung, und schon bei seinen
Lebzeiten begann die Legende sein Leben mit einer
Menge Wundererzählungen auszuschmücken. Neben
der von Bonaventura verfaßten und von der Kirche
als offiziell beglaubigten Biographie des Heiligen ent¬
wickelt sich die volkstümliche Anschauung zu immer
höherer künstlerischer Bedeutung, bis, wie sich Thode
ausdrückt, „das durch seine Einfalt, Zartheit und Sinnig-
keit bezaubernde Buch“ entsteht, das dem deutschen
Volke hier in einer Übersetzung geboten wird: die
„Fioretti di San Francesco“. Es besteht aus mehreren
Legendenzyklen; seinen Kern bilden die 53 Kapitel der
eigentlichen „Blümlein“, die im vierzehnten Jahrhundert,
wahrscheinlich vom Bruder Hugolino von Monte Giorgio
lateinisch aufgezeichnet und noch in demselben Jahr¬
hundert ins Italienische übersetzt wurden; diesen reihen
sich die „Betrachtungen über die hochheiligen Wund¬
male“ nebst den später entstandenen Legenden über
das Leben Bruder Ginepros — der lustigen Person des
Franziskanerordens — und jenes des heiligen Frater
Egidio sowie sieben außerhalb der genannten Zyklen
stehende einzelne Legenden an.
„Noch heut ein Brevier des italienischen Volkes“,
so urteilt Henry Thode am Schluß seiner Einleitung
über das Buch, „sind die Fioretti, wenn auch nicht
geschichtliche , so doch Zeugnisse von unschätzbarem
Werte für unsere Kenntnis des großen Liebenden, denn
sie zeichnen dessen Bild, wie es in der Anschauung
aller fortlebt, und so enthalten sie jene tiefe innere
Wahrheit, welche der dichtenden Schauenskraft des
Volkes verdankt wird.“
Die Übersetzung gibt diesen volkstümlichen Cha¬
rakter des Originals meisterhaft wieder, und auch auf
die künstlerischeAusstattung des in 1750 handschriftlich
numerierten Exemplaren hergestellten Buches ist von
seiten des Verlegers und des Zeichners außergewöhn¬
liche Sorgfalt verwandt worden. Der Umschlag zeigt
in ovaler Einfassung die Gestalt des Heiligen im Ordens¬
habit der Franziskaner, den Knotenstrick um die Lenden
geschlungen, mit den aus Giottos F resken wohlbekannten,
von einem schwachen dunklen Bart umrahmten milden
Zügen; der auf zwei Seiten verteilte Haupttitel weist
eine reichere, im Charakter der italienischen Früh¬
renaissance gehaltene Einfassung auf und enthält in den
oberen Feldern beider Seiten den rot gedruckten Titel;
das untere Feld der inneren Seite trägt einen sehr
schön gezeichneten Rosenkranz, das der äußeren Seite
im Mittelfelde eines aus vier Linien gebildeten Kreuzes
den Marzocco, das bekannte Diederichssche Verleger¬
zeichen; die Initialen zu Beginn der einzelnen Kapitel
bilden entweder figürliche, den Inhalt des betreffenden
Kapitels erläuternde Darstellungen oder Linienoma¬
mente.
Leipzig-Gautzsch. Paul Seliger.
Verschiedenes.
Bei R. Piper & Co. in München und Leipzig er¬
scheint unter dem Titel „ Die Frucktschale“ seit kurzem
eine Serie von Neudrucken, die wir reger Beachtung
empfehlen möchten. Die ersten handlichen Bände
liegen uns vor. Zunächst ein Auszug aus Platens Tage¬
büchern von Erich Petzet (mit Porträt, Abbildung des
Grabmals und Faksimile der beiden letzten Tagebuch¬
seiten), jenen höchst merkwürdigen Dokumenten, die uns
einen tiefen Einblick in das Tragische und Selbstverzeh¬
rende der Seele des Dichters gewähren, die gewisser-
1 Der „Cantico del sole“ ist in seiner uns überlieferten Fassung, in dem diese Ausdrücke Vorkommen, allerdings
erst gegen das Ende des dreizehnten Jahrhunderts entstanden. Es unterliegt aber keinem Zweifel, daß er in seinem
Gedankeninhalte auf ein verloren gegangenes Gedicht des Heiligen selbst zurückgeht. Von diesem Originale, das übrigens
von Franciscus selbst in Musik gesetzt wurde, wissen wir freilich nicht das mindeste, nicht einmal, ob es in italienischer
oder französischer Sprache abgefaßt war; nur die Vermutung erscheint begründet, daß es eine regelmäßige strophische
Form besessen hat, während das Gedicht in der uns überlieferten Fassung freie Rhythmen aufweist.
2 Vergl. hierzu Henry Thode, Franz von Assisi und die Anfänge der Kunst der Renaissance in Italien. 2. Auf!.
Berlin 1904, und Stephan Beissel, Die kulturgeschichtliche Bedeutung des hl. Franz von Assisi, in den „Stimmen aus
Maria-Laach“ 33 (1887).
Chronik.
469
maßen eine Geschichte seines inneren Lebens sind. Den
psychologischen Gesichtspunkt hat denn auch der Her¬
ausgeber bei den gegebenen Auszügen vorangestellt. Der
Text beruht auf sorgsamer Vergleichung der Hand¬
schriften, die mancherlei Berichtigungen ergab.
In dieselbe Serie gehören Friedrich Schlegels
Fragmente und Ideen, denen Franz Deibel eine höchst
lesenswerte Einleitung beigegeben hat. Schlegels Apho¬
rismen enthalten eine so große Fülle von Anregungen,
sind so reich an kühnen Einfällen und Erkenntnissen,
so überraschend in ihrer kecken Form, daß der Her¬
ausgeber sie nicht mit Unrecht den Blitzlichtern eines
andern „Bacchanten des Geistes“, des armen Nietzsche,
zur Seite stellt. Der Band bringt alles, was an „Frag¬
menten und Ideen“ im „Athenäum“ und „Lyceum der
schönen Künste“ verstreut war und zwar in derselben
Reihenfolge auf der Grundlage von Minors Ausgabe
der Jugendschriften Schlegels.
Einen weiteren Band der „Fruchtschale“ bilden die
Tagebücher Henri Frederic Amz'els, deutsch von Dr.
Rosa Schapire. Amiel ist bei uns wenig bekannt ; er
starb 1881 als Professor der Ästhetik in Genf. Seine
Gedichtsammlungen und Essais brachten ihm keine
Erfolge; seine Tagebücher aber verdienen weiteste
Verbreitung. Ein reicher Geist offenbart sich in ihnen
und ein Sprachkünstler ersten Ranges. Das Aphoristi¬
sche herrscht auch hier vor, und es wird dem Leser
nicht leicht, das Buch in einem Zuge durchzulesen.
Die Form und Auswahl machen das auch nicht nötig.
Man wird den Band oft vornehmen können und sich
immer wieder mit gleichem Genuß in diese Spring¬
fluten eines tiefen und doch auch blendenden Geistes
versenken. Die Übersetzung ist glänzend. — bl —
Die von Philipp Stern herausgegebene, bei Otto
Elsner in Berlin erschienene Auswahlsammlung von
Goethe- Briefen ist mit Band 7 und 8 abgeschlossen
worden. Band 7 enthält Goethes Porträt nach der be¬
kannten Büste Rauchs und umfaßt textlich die Zeit von
1815 — 1822. Es wird still um den alten Olympier. Im
Sommer 1816 ist Christiane gestorben; die Intrigen der
Jagemann haben es durchgesetzt, daß Goethe sich von
der Leitung der Hofbühne zurückzieht; neben dem
Unfrieden in der Ehe seines Sohnes wirken die
politischen Ereignisse der Zeit verstimmend auf ihn.
Aber auch aus der Einsamkeit wettert der Alte gegen
die Torheiten der Welt und auch aus der Zurück¬
gezogenheit des Studierzimmers kommen immer noch
Briefe, die Zeugnis von seiner Universalität ablegen
und die heller als vordem von seinem Innenleben
sprechen. Werthers Schatten taucht auf, das Frühlings¬
wunder seiner Liebe zu Ulrike von Levezow beginnt
zu blühen. Die Briefe an sie eröffnen den Schlußband,
den das Bildnis nach der Zeichnung Schwerdtgeburths
vom Jahre 1832 schmückt. Doch auch neue Fäden
werden in seiner Korrespondenz angeknüpft, so mit
Carlyle, und gerade diese Briefe des letzten Jahr¬
zehnts seines Lebens gewähren so viele aufhellende
Rückblicke auf seine Geistesentwicklung, daß sie einen
wundervollen Ausklang bilden, einen Akkord von ein¬
ziger Harmonie.
Der Herausgeber hat sich seine Arbeit nicht leicht
gemacht. Aber das Ziel, das ihm vorschwebte: in
seiner Briefsammlung eine Selbstbiographie Goethes
zu geben, das hat er erreicht. Mit sicherem Blick und
großem Feingefühl hat er die Auswahl aus einem
überreichen Material getroffen und so einen Schatz für
das deutsche Haus geschaffen, für den man ihm warmen
Dank zollen muß. Der Verlag hat das Gesamtwerk
auch in Geschenkkartons vereinigt; in Leinewand ge¬
bunden M. 32, in Halbfranzbänden M. 40. — bl —
Der Buchhändler und Antiquar Friedrich Meyer
in Leipzig hat das Verzeichnis seiner inzwischen an die
Stadt Düsseldorf verkauften Heine-Sammlung drucken
lassen und der Öffentlichkeit übergeben (Leipzig, Dyk-
sche Buchhandlung). Die Bibliographie, die auf Elsters
Heineausgabe fußt, ist von höchstem Werte und in
bezug auf die Erstausgaben und die für die Textkritik
wichtigen Publikationen wohl annähernd vollständig.
Hervorgehoben sei namentlich die große Anzahl meist
längst verschollener Zeitschriften mit Gedichten und
kleineren Aufsätzen Heines. Die bibliographische Be¬
schreibung ist fachmännisch genau, ohne daß sie sich
in Kleinlichkeit verliert. —
Sehr interessant und von praktischem Nutzen ist
auch der Katalog einer Wietier Grillparzer-Sammlung
von Adolf Weilheim (Wien, Wilh. Braumüller; M. 2,50),
der Sauers vortreffliche Arbeit in Goedekes Grundriß
mannigfach ergänzt. Das im Anhang gegebene Ver¬
zeichnis über die wichtigsten bekannt gewordenen Bild¬
nisse Grillparzers ist der erste Versuch dieser Art, ein
Fundament, auf dem sich weiter bauen läßt. Die
Proben aus der Übersetzungsliteratur sind um so wert¬
voller, als die Übertragungen meist nicht im Druck er¬
schienen und schwer zugänglich sind. — bl —
Aus der Gießerei der Gebrüder Klingspor in Offen¬
bach ist uns schon manches gute Neue gekommen.
Ihre letzte Darbietung baut gutes Altes mit Erfolg aus.
Ihre beiden Leiter haben die schöne Frakturschrift,
die uns von der Hand J. G. J. Breitkopfs aus der
Mitte des XVII. Jahrhunderts überkommen ist und
sich wie keine andre für Klassiker ausgab en sowohl
chronologisch als charakterisierend eignet, erworben.
Dem Bedürfnis entsprechend sind den kraftvollen alten
Typen geringe Auffrischungen zuteil geworden, und ein
ganzes Zahlensystem wurde von Otto Hupp dazu ge¬
schaffen. Um die Interessentenkreise mit dieser erfreu¬
lichen Wiederbelebung bekannt zu machen, hat die
Klingsporsche Gießerei ein geschmackvolles Muster¬
heft herausgebracht. Von dem mattchamoisfarbigen,
rauhstreifigen Papier hebt sich der schwarze wie der
bunte Druck kräftig ab. Vogeler-Worpswede schuf eine
ganze Reihe von Buchschmuckornamenten und Vig¬
netten, die sich dem Charakter der Fraktur prächtig
einfügen, sowie auch farbige Initialen genau in den
Konturen der alten Majuskeln. Alle Schriftgrößen sind
470
Chronik.
vorhanden, von dem markigen Vorsatztitel bis zum zier¬
lichsten Duodezbanddruck und eine Reihe von Menüs,
Exlibris, Familien- und Literaturanzeigen beweisen die
vielseitige elegante Verwendbarkeit der Breitkopf
Fraktur. Besonders gelungen in Raumverteilung,
Rahmenornament und Farbwirkung erscheint eine
kleine beigelegte Einladungskarte zur Buchschmuck¬
ausstellung in Düsseldorf. Auf weitere Neuheiten der
Firma und die anderer großer Gießereien kommen wir
damnächst in einem ausführlicheren Artikel zurück.
— m.
Wolfram Waldschmidt : Dante Gabriel Rosetti,
der Maler und der Dichter. Die Anfänge der Prä-
raffaelitischen Bewegung in England. Verlegt bei
Eugen Diederichs, Jena und Leipzig 1905.
Die so verworrene Entstehungszeit der „schlanken“
Kunstära in England, die nach kurzer Flochblüte ohne
auszureifen in Nichts enden sollte, ist eng mit dem
Namen Rosetti verknüpft. Waldschmidt zeigt uns den
Dichtermaler, wie er auftaucht unter den P. R. B., wie
er bald sich loslöst von jeglicher künstlerischer Ge¬
meinschaft, wie er seinen eignen somnambulen Weg
wandelt, der über unheimlich phosphoreszierende
Höhen in die Nacht führt: in die ewige Nacht, der
eine lange künstlerisch impotente Abenddämmerung
voranging. Das große Publikum kennt eigentlich
nur zwei Dinge von Rosetti: den Typus seiner Frauen¬
gesichter mit den Augen und Stirnen eines Seraphs
und den krankhaft sensuellen Lippen eines Succubs.
Und zweitens die abenteuerlich geschmacklose Ge¬
schichte seiner Sonette, deren Manuskript er in den
Haaren seiner toten Frau mitbegraben und nach 7
Jahren exhumieren ließ — aus Ehrgeiz, sagen die
einen, aus Sehnsucht nach dem, was einst sein Ur¬
eigenstes gewesen, sagen die andern. Waldschmidt
steigt in die Tiefe. Mit liebevollem Bemühen legt er
bis zu den feinsten Tauwurzeln das Mysterium dieses
fremdartig blühenden und duftenden träumerischen
Baumes bloß, in dessen Mark der Wurm übersinnlicher
Schauer seit der Kindheit fast nagte. Die Bilder und
Verse als Abglanz der Entwicklung Rosettis, seine Ent¬
wicklung an der Hand der Bilder und Verse: so ent¬
hüllt der Autor die intime Wechselwirkung im Sein des
seltsamen Kunstträumers, dessen Morbidezza eben nur
noch zum schwachen Widerschein gewollter großer
Schöpfungen reichte.
Das Buch Waldschmidts ist in blühender facettierter
Sprache geschrieben; es liest sich selbst wie ein Gedicht.
Fast wie eine Totenklage. Es gibt auch denen, die
sich wenig mit der sonderbaren Kunstströmung der
Präraßaeliten beschäftigt haben, ein interessantes
klares Bild und regt zum Nachdenken an.
30 Exemplare des schönen Buches wurden zum
Preise von je 20 M. auf Büttenpapier abgezogen, in
Pergament gebunden und handschriftlich numeriert.
Die gewöhnliche sauber gedruckte Ausgabe ist in einem
violetten Umschlag mit Aufdruck in silber und gold
broschiert. A
In seinem prächtigen Werke „Das Buch der Mario¬
netten. Ein Beitrag zur Geschichte des Theaters aller
Völker“ (Verlag von Ernst Frensdorff, Berlin) unter¬
nimmt es Herrn. Siegfr. Rehrn zum ersten male, ein
möglichst vollständiges und übersichtliches Bild der lite¬
rarischen und künstlerischen Entwicklung zu geben, die
die Marionettenbühne bei den Kulturvölkern des Mor¬
gen- und Abendlandes aufzuweisen hat. Der Verfasser,
der sein Gebiet glänzend beherrscht und weitgehende
Studien gemacht haben muß, führt uns nach einer kurzen
Einleitung zunächst zu den Orientalen, bei denen das
Schattentheater in seinen Anfängen zweifellos in einer
sehr alten Kuhurperiode wurzelt; am eigenartigsten und
vielseitigsten hat es sich wohl bei den Türken entwickelt,
und wer sich mit der türkischen Volksliteratur bekannt
machen will, muß unbedingt auf diese Spiele zurück¬
greifen, von denen eine Anzahl auch im Drucke erschie¬
nen ist. Eine bedeutend verfeinerte Kunst tritt uns im
,,Nang“ der Siamesen entgegen, das seine Handlung
lediglich dem „Ramajana“, dem Nationalepos des Lan¬
des, entnimmt. Einen ähnlichen Charakter besitzt
das „Wayang Purwa“, das Schattenspiel der Javaner,
das sich vielleicht aus dem alten malayisch-polynesi-
sclien Kultus entwickelt hat. Auch bei den Chinesen
geht die Marionettenbühne auf eine der ältesten Kul¬
turperioden zurück und steht hier auf einer hohen Stufe
künstlerischer Vollendung, ebenso wie in Japan, wo
sie an originellen und fesselnden Einzelheiten besonders
reich ist. Eine aparte Kleinkunst verkörpern die birma¬
nischen Marionettenspiele, während sie in Persien außer¬
ordentlich primitiv sind. Ein umfangreiches Kapitel ge¬
hört den Puppenspielen in Frankreich, wo sie heute in
den Cabarets auf dem Montmartre eine literarische
Weihe empfangen haben. Berühmt waren von jeher
die Marionettentypen Italiens, allgemein behebt die spa¬
nischen Puppenspiele. In Deutschland haben sie be¬
sonders in Hamburg, Berlin, Frankfurt a. M., Köln, Mün¬
chen freundliche Aufnahme gefunden und sich auch in
Österreich als altüberliefertes volkstümliches Unter¬
haltungsmittel bewährt.
Das Rehmsche Buch ist reich an interessanten
Schilderungen; der Verfasser, der zugleich ein höchst
begabter Zeichner ist, hat es mit einer Fülle reizvoller
Illustrationen geschmückt und auch den sehr geschmack¬
vollen Einband entworfen. Unter den Zeichnungen
sind besonders die Vignetten und Kapitelstücke außer¬
gewöhnlich hübsch ausgeführt und phantasievoll belebt:
ein „Buchschmuck“, der sich dem Rahmen des Ganzen
vertrefflich einpaßt. —bl —
Nachdruck verboten. — Alle Rechte Vorbehalten.
Für die Redaktion verantwortlich: Fedor von Zobeltitz in Berlin W. 15.
Alle Sendungen redaktioneller Natur an dessen Adresse erbeten.
Gedruckt von W. Drugulin in Leipzig für Velhagen & Klasing in Bielefeld und Leipzig auf Papier der Neuen Papier-Manufaktur
in Straßburg i. E.
ZEITSCHRIFT
FÜR
BÜCHERFREUNDE.
Monatshefte für Bibliophilie und verwandte Interessen.
Herausgegeben von Fedor von Zobeltitz.
9. Jahrgang 1905/1906. _ Heft 12: März 1906.
Franz Graf Pocci.
Von
Dr. Leopold Hirschberg in Berlin.
II.
irklich Bedeutendes hat Pocci
auf dramatischem Gebiete ge¬
leistet, so daß es wohl das
Richtigste sein dürfte, diesen
ganz unbekannten Gegenstand
im Zusammenhänge zu be¬
handeln. Man hat drei Gruppen Poccischer
Dramen zu unterscheiden : die eigentlichen
Kinderspiele, sodann die eine eingehende Wür¬
digung erfordernden Puppenspiele und endlich
die Volksschauspiele. Dazu kommt dann noch
ein romantisches Schattenspiel (nicht für Kinder
berechnet) und eine dramatische Novelle , die
am Schluß dieses Abschnittes ihre Stelle finden
werden.
I. Die Kinderspiele.
Die Veranlassung zu dem ersten Versuche
kurzer dramatischer Spiele gab Graf Pocci der
alljährliche Sommeraufenthalt auf dem Lande
mit seinen Kindern. Diese „ Dramatischen
Spiele für Kinder “, die 1850 mit Bildern und
Singweisen erschienen, sollten zwar „nicht den
mindesten Anspruch auf poetischen Gehalt“
erheben; daß sie aber trotzdem von einem
eigentümlichen poetischen Dufte umwoben sind,
gereicht ihnen keineswegs zum Schaden. In
glücklicher Erkenntnis, daß die gewöhnliche
Art trockner und moralisierender Jugenddramen
Z. f. B. 1905/1906
eine schwere, unverdauliche Kost für die Kin¬
der bildet, hat Pocci den Stückchen eine oft
märchenhafte phantastische Färbung verliehen
und übt dadurch einen ganz eignen Reiz aus.
Der „Prolog“ zu den sechs Spielen wird vom
Hanswurst, der unter fortwährenden Bücklingen
eintritt, gesprochen; passend hat der Dichter
dazu ein freies, leise an die köstlichen „Makamen
des Hariri“ gemahnendes Versmaß in Anwendung
gebracht, wodurch das Ganze den Anstrich der
Improvisation erhält. Dann folgt ein kleines
Geburtstagsfestspiel, „ Waldleben “ genannt, in
dem das Waldmännchen Eichel zuerst recht
böse über die kleine, Zweige von den Bäumen
brechende Marie ist, dann aber, als es hört,
daß der Kranz für Mutters Geburtstag bestimmt
ist, durch seine Zauberkunst die schönsten
Blumen herbeischafft. Einem ähnlichen Zwecke
dient das zweite Stück „ Am See“, während das
dritte, „Der Klausner“, eine lustige Humoreske
ist, in welcher der Einsiedler Nikolaus den un¬
nützen Buben Jäkel bestraft, weil dieser das
Mittagessen, das die Schwester dem alten Manne
bringt, selbst verzehrt, indem er Röschen durch
den Überwurf der alten Kapuze täuscht. Ein
„Frühlingstraum“ ist das Märchenspiel „Die
Blumen“, zweifellos das dichterischste der kleinen
Dramen, besonders bemerkenswert durch die
61
472
Hirschberg, Franz Graf Pocci.
eingestreuten Lieder. Dem
fleißigen Gärtner¬
schnell mit einem
burschen Felix, der die ganze Arbeit für den
faulen alten Gärtner Brummtopf tun muß, er¬
scheint Centifolia, die Königin der Rosen, im
Traume, umgeben von einem Chore hold singen¬
der Blümelein, und verheißt ihm Glück auf
Erden. Ein Nachstück, „ Das Bergwerk “, be¬
handelt die Rettung eines frommen, auf Gott
vertrauenden Knaben aus einem tiefen Schacht.
Das letzte Stücklein endlich, „Das fremde
Kind“, bringt ein Pocci besonders liebes
Thema: die Speisung des Christkindes durch
zwei arme Kinder und deren
Belohnung. Er hat es später in
den „Jugendblättern“ der Isabella
Braun und in besonderem Ab¬
druck in seinen „Jahreszeiten“
gebracht. Der „ Epilog “ ist ein
launiges Zwiegespräch zwischen
dem Nachtwächter und dem
Hanswurst.
Die 1856 in prächtiger Aus¬
stattung erschienenen „Jahres-
zeiteji “ enthalten neben dem
„fremden Kind“ noch vier andere
Stücke. Das erste ist ein Weih¬
nachtsspiel, „Des Winters Sieg “
betitelt. In die Wirtshausstube
kommen nacheinander der Jäger
und der Winzer mit dem Be¬
richte, daß ihnen im Walde ein
weißbärtiger Mann begegnet sei,
der sie recht grob und nach¬
drücklich bedeutet habe, daß
Abb- l-
SIC dort nichts mehr ZU schaffen Aus ,, Schnadahüpfln und Sprüchln“
hätten. Sie beschließen, mit ver- von Franz von Kobelb
einten Kräften den , alten Grämler4
zu bezwingen und wandern mit einer
Schar von Genossen in den Wald zurück.
Der alte Wintergreis hält sich die mit Weid-
Er schildert ihnen die Freuden der Weihnachts¬
zeit und läßt sie ein Lied zum Preise des
Jesusknaben anstimmen. Ein koloriertes Bild
zeigt die Vertreibung des Jägers und Winzers;
der Greis ist im Pelze, mit Schlittschuhen, Schnee¬
ballen werfend; in der Höhe leuchtet der goldne
Stern von Bethlehem. — Voller Abwechselung
ist das Osterspiel „Des Frühlings Einzug Der
gemütlich vor einer Höhle seine Tabakspfeife
rauchende Winter hört fernes Glockenläuten;
er ruft den Schalksnarren der denn auch
_roßen Kalender herbei¬
springt. Es ist wahr — der
Feind des Winters rückt
heran. Drei als Schnee¬
glöckchen gekleidete Kinder
singen sacht und lieblich ihr
Liedchen; sie sind die ersten
„Boten und singen aus dem
Stegreif ohne Noten“. Während
beide sich in die Höhle begeben,
um alles für ihre Reise zu rüsten,
treten vier Landsknechte auf,
Herberg suchend. Ganz wunder¬
bar ist ihr Gesang: wie sie bis
heute Nacht am heiligen Grabe
Wache gehalten hätten, jetzt
aber, da es Auferstehung geläutet
und der Heiland mit Purpur¬
mantel und weißer Fahne aus
dem Grabe gestiegen wäre, den
Abschied bekommen hätten:
(München, Braun und Schneider.
großen
eindringenden
und Winzermessern auf ihn
Menschlein dadurch vom Leibe, daß er ihnen
Schneeballen an die Köpfe wirft; ihm kommt
dann noch eine Schar lustiger Knaben auf
Schlitten zuhilfe, so daß die Gegner weichen
müssen. Nun spricht der Alte zu den Kindern:
„Die Blätter alle sind vom Baum gefallen,
Kein Lied soll in dem Haine schallen;
Denn also hat’s der liebe Gott gemacht,
Dali auch der Winter habe seine Pracht.“
„Vier Engelein haben uns abgelöst,
Dali die armen Seelen sei’n getrost’,
Nun suchen wir Herberg überall
Beim Ostermorgenglockenschall.“
Freundlich nimmt der Winter sie
auf, ebenso zwei ungeschlachte Riesen, Reif
und Schnee, die sich durchaus nicht mehr wohl
fühlen. Da tritt ein Herold ein, mit Schnee-
glöcklein gekrönt, den Wappenrock gestickt mit
Veilchen und Schlüsselblumen; mit dem Stabe
stößt er an das Tor und ruft den Winter mit
seiner Genossenschaft „Reif, Schnee und
Faßnachtsnarretei“; alles bannt er mit seiner
Kraft. Diese ziehn denn auch, ihr Schicksal
mit Humor tragend, ab, die Landsknechte mit
Trommel und Pfeife voraus. Nun ist die Bahn
frei, nun kann der Jüngling im hellgrünen
Gewände mit Frühlingsmusik und Blumenkindern
einziehen. Das ist so sinnig gemacht, daß selbst
Hirschberg, Franz Graf Pocci.
473
der Erwachsene sich an dieser Dichtung er¬
götzen kann, von der künstlerischen Charakte¬
ristik des zugehörigen Bildes ganz zu schweigen.
Es folgt „Des Sommers Einkehr11. Ein kleines
Idyll leitet das Stück ein. Schmetterlinge um¬
tanzen den schlafenden Frühling; als er erwacht
sendet er sie fort, um seinen Mundschenken,
den Waldmeister, herzubescheiden. Ihm selbst
ist so beklommen zumute; ist es der süße
Blumenduft, der ihm die Sinne berückt? Ein
Knabe mit goldener Laute, als Minnesänger
gekleidet, zieht vorüber, ein Lied singend;
die Schmetterlinge kommen mit froher Nach¬
richt zurück — da ver¬
tritt der mit Kornblumen
geschmückte Sommer
dem Frühling den Weg.
Nicht in Unfrieden wollen
sie auseinander gehen;
der Frühling, „sanft von
Natur“, bietet die Hand
zum Vergleiche und
einen kühlen Trunk.
Auf einen Wink seines
Blumenzepters zieht Herr
Waldmeister mit seiner
Gattin, der Frau Gundel¬
rebe, ein; Waldzwerge
bringen ein goldnes
Faß herbei. Sie sagen
sich gegenseitig große
Schmeicheleien, daß der
eine nicht ohne des
andern Hilfe bestehen
könne; ein wehmütiges
Abschiedslied — dann macht der Frühling
dem Sommer Platz. Eine Kinderprozession
mit wehenden Fahnen tritt auf und preist
die Freuden des Sommers; diese letzte
Szene ist auf der kolorierten Lithographie dar¬
gestellt.
Den Schluß bildet „ Der König Herbstu. Zu
einem frommen Einsiedler stürmt ein Jäger mit
seinem Hunde herein; lange gönnt er sich nicht
Rast, denn die Hörner rufen aus der Ferne.
Interessant ist die dichterische Ausgestaltung
des Monologes, den der Klausner nach dem
Abgänge des Jägers spricht. Erinnern die
folgenden Worte nicht unwillkürlich an jenen
allbekannten berühmten Monolog Hans Sachsens
aus dem dritten Akt der „Meistersinger“?
„Fürwahr! Ist nicht der Menschen Tun ein Jagen
Und gleicht dem Weid werk wohl zu allen Tagen?
Ein jeder hetzt und treibt sein halbes Leben
In rastlos mühevoller Gier Bestreben,
Will sich erjagen, was er dennoch lassen muß,
Wenn oft verfehlt das Ziel des Bogens Schuß!“
Landleute, von der Ernte kommend, Winzer
mit Traubenkörben treten auf — da hört man
Hundegebell und Hollaschreien: derKönigHerbst
in reicher Jägertracht naht mit seinem Gefolge.
Ein Edelknabe kredenzt dem von der Jagd
Kommenden besten Rheingauer, und der König
läßt alle davon kosten. Zum Schlüsse ruft er
noch die Knechte Nebel,
einen Zwerg im grauen
Kleide, und Wind, als
Leibnarr mit Flügeln
erscheinend, herbei und
trägt ihnen auf, ihres
Amtes zu walten. Präch¬
tig ist in der Zeichnung
die Gestalt des könig¬
lichen Jägers ebenso
wie die herzgewinnende
Anmut des Edelknaben
wiedergegeben ; im
Hintergründe, nur in
dämmerigen Umrissen
entworfen, schweben
Nebel und Wind daher.
Ein würdiger Neu¬
druck gerade dieses so
gehaltvollen und ge¬
dankenreichen Büchleins
würde sicherlich vom
schönsten Erfolge gekrönt sein.
II. Die Puppenspiele.
In seiner Vorrede zu dem von ihm nach
Jugenderinnerungen aufgezeichneten Puppenspiel
„Dr. Johannes Faust“ äußert sich Karl Simrock
in folgender bemerkenswerten Weise: „Ich
kann diese Gelegenheit nicht vorübergehen
lassen, ohne den Wunsch auszusprechen, daß
man den Puppentheatern, die vormals einen
Schatz guter alter Stücke besaßen, doch mehr
Aufmerksamkeit schenken möchte. Das Meiste
wird freilich jetzt schon untergegangen und
durch moderne Opern und gehaltlose Possen
verdrängt sein; aber das Wenige, was sich hier
und da noch erhalten haben mag, verdient um
Abb. 2. „Der Winter“. Aus „Was Du willst.“
(München, Braun und Schneider.)
474
llirschberg, Franz Graf Pocci.
Abb. 3. „Postillon“. Aus „Schattenspiel“ von Franz Pocci.
(Stuttgart, Cotta, 1847.)
so mehr aufgezeichnet und veröffentlicht zu
werden. Schon bloße Berichte über Inhalt und
Verlauf der Stücke würden unsern Dank ver¬
dienen. Lebte ich selbst an einem Orte, wo
ein Kasperletheater oder ein sogenanntes Hen-
neschen, wie sie am Niederrhein heißen, noch
alt überlieferte Stücke gäbe, so würde ich mir
dies Verdienst nicht entgehen lassen. Volks¬
lieder, Volksmärchen und Volkssagen fängt
man endlich an eifrig zu sammeln ; der deutschen
Volksbühne hat man bisher noch fast gar nicht
gedacht.“
Ist nun auch das hier Gesagte in gewissem
Sinne bereits zur Tat geworden, indem verdiente
Gelehrte eifrige Studien auf diesem Gebiete ge¬
macht haben, wiewohl eine zusammenhängende
Geschichte dieser einfachen Dramatik meines
Wissens noch nicht existiert, so gebührt Pocci
doch das nicht hoch genug anzuschlagende Ver¬
dienst, als erster und völlig ohne Vorgänger die
Puppenkomödie zu einer Stellung emporgehoben
zu haben, in der sie mit den Kindermärchen
in Wettbewerb treten kann und diese ergänzt.
Für den Kulturhistoriker ist es von höchstem
Interesse, jenen urwüchsigen und urkräftigen
Regungen des Volksgeistes nachzuspüren; für
die Kinderwelt aber dürfen die meist sehr derben,
häufig rohen und blasphemischen Späße des
Kasperle im ganzen nur ein wenig geeignetes
Objekt der Unterhaltung sein. Hat doch selbst
der alte berühmte Puppenspieler Geißelbrecht
am Schluß seines Manuskriptes in bezug darauf
geschrieben: „Alles, was unterstrichen ist, bewegt
mich, daß ich Fausten nie wieder aufführen
werde.“ Es kam also darauf an,
diese Dramatik durch den Zau¬
ber holder Poesie zu verklären,
ohne ihr Grundwesen dabei zu
zerstören; und diese schwere
Aufgabe hat Pocci in geradezu
glänzender Weise gelöst.
Ein von dem, in seinen
Mußestunden als Maler und
Techniker ganz Hervorragen¬
des leistenden Generalmajor
von I leydeck gefertigtes Mario¬
netten -Theater gelangte durch
Kauf in die Hände des Herrn
Joseph Schmid in München,
der sich für diesen Kunst¬
zweig lebhaft interessierte. Das
Theater selbst war, nach dem Berichte Hol¬
lands, mit allen technischen Requisiten ver¬
sehen und in seiner ganzen Ausstattung und
Szenerie ein wahres Kunstwerk. Nach ver¬
schiedenen Verbesserungen, die der zweite Be¬
sitzer anbrachte, kam es darauf an, geeignete
Stücke zu finden. Da aber gab es so gut
wie nichts anderes als das oben erwähnte
Simrocksche Puppenspiel. Schmid wendete
sich vertrauensvoll an Pocci, und umgehend
schrieb der allezeit bereitwillige und doch so
bescheidene Dichter seine freudigste Zusage.
In diesem Briefe vom 17. September 1858 heißt
es u. a.: „Allerdings fehlt so etwas in München
für die Kinderwelt. Jedenfalls dürfte es darauf
zunächst ankommen, der Jugend nur Gesundes
und Frisches zu bieten, da eine etwa super-
feine Sentimentalität ebenso schädlich auf die
Gemüter wirkt als die Roheit des Dult-Kasperl,
dem ich aber stets selbst als der aufmerksamste
und teilnehmendste Zuschauer angehöre . . .“
So entstand dennPoccis „Liistiges Komödien-
biichlein Im Jahre 1859 war der erste Band
erschienen, 1861 folgte der zweite, im Laufe
der nächsten Jahre weitere, bis es 1877 (ein
Jahr nach des Dichters Tode) seinen Abschluß
mit dem sechsten Bande fand. Die mannig¬
fachen Prologe abgerechnet enthält es nicht
weniger als vierzig Stücke. Eine schier uner¬
schöpfliche Fülle von Humor, der sich bisweilen
in leichter Satire auf allerlei Zeitfragen und Per¬
sonen gefällt, ist über das Ganze ausgegossen;
dabei entbehrt keines der kleinen Dramen des
sittlichen Ernstes, der dem kindlichen Gemüte
Hirschberg, Franz Graf Pocci.
475
Abb. 4. Umschlagszeichnung zu Schlönbachs
„Was sich der Wein erzählt.“
(München, Fleischmann, 1862.)
die rechten Wege weist, und der Poesie,
die die trocknen und staubigen Pfade der
Moral mit erquickendem Tau besprengt.
„Auch hab’ ich noch einige Überbleibseln
von einer halben Portion sogenannter ro¬
mantischer Poesie im Sack, die ich aufm
Tandelmarkt selber um 12 Kreuzer gekauft
hab und die meinen alten, guten, guten
Freund, den Herrn Klemens Brentano, Gott
hab’n selig, umgebracht hat. Eine herr¬
liche, miserabelverkannte Verlassenschaft,
die er mit in’s Grab hat nehmen wollen;
aber eh’ er g’storb’n ist, hat er’s doch
wieder da lassen und hat sich gedacht:
vielleicht klaubt’s doch noch eine sym¬
pathetische Seele auf! Ha! Diese sympatheti¬
sche Seele hat sich gefunden und die Ko-
mödienstückl, die ich da mitgebracht hab’,
enthalten den Abdruck des Ausdrucks des
Eindrucks eines Mondscheinstrahles aus der
romantischen Zeit, wo die Ritter noch beim
helllichten Tag herumgeritten sind und die
Zauberer noch als solche haben gelten
können . . .“ Diese Worte Kasperls aus dem
Prolog zum zweiten Bande des Komödien¬
büchleins sind wirklich ein Programm.
Die Hauptperson der weitaus meisten
Stücke ist der Kaspar Melchior Balthasar
Larifari , kurz der Kasperl genannt, dessen
Geburtsort „zwischen St. Niklas und Nimmer¬
mannstag grad eine Viertelstunde hinter
dem ersten April“ liegt, der „im Schnecken-
gaßl Numero 13 über fünf Stiegen hintennaus
zu ebener Erd“ logiert und dessen Haupt¬
beschäftigung es ist, zwölf paar Bratwürstel
mit Sauerkraut und Knödeln und sechs Maß
Bier zu vertilgen. Meist ist er betrunken,
soviel ihn auch seine etwas strenge, aber
immer doch so brave und seelensgute Frau
Grethl davon abzubringen sucht. Er tritt in
den verschiedensten Gestalten auf; er spricht
französisch, türkisch, leuwutschisch, am
komischsten aber hochdeutsch. Fremdwörter
kann er überhaupt nicht richtig wiedergeben,
und auch sonst mißversteht er die meisten
Worte derart, daß sie ihm als Beleidigung seiner
Person erscheinen müssen und ihm Veranlassung
geben, seinen Prügelstock zu gebrauchen. So
erscheint er uns im ersten Stücke als Knappe
des Prinzen Rosenroth, der die in eine Blume
verwandelte Prinzessin Lilienweiß aus der Ge¬
walt des bösen Negromanticus mit Hilfe der
Fee Liebinniglich erlöst. Alle diese Zauberer
und Hexenmeister Poccis sind ganz köstliche
Figuren. Der Negromanticus hat einen Leo¬
parden als Wächter, den er dreimal in der
Woche mit sechs Pfund Rattenfleisch beköstigt
und ihm dadurch „Tigerthränen“ auspreßt;
mit der bösen Fee Schlangenblitz hat er den
erschrecklichen Drachen Feuerrachen erzeugt,
der sich selber für einen „furchtbaren Kerl“
erklärt und lieber der Papierdrache sein will,
der er in seiner Kindheit war. In einem „kultur¬
historischen Drama“ erscheint Kasperl unter
den Wilden und begegnet dem Professor Gerstl-
maier, der bereits achthundert Bogen der Frage
gewidmet hat, ob die Exkremente der
Sepia annulata aus rein animalischen oder
vegetabilischen Atomen bestehen; er be¬
gegnet einem alten Krokodil, das folgende
Arie singt:
4/6
Hirschberg, Franz Graf Pocci.
„Gemütlich ist mein Lebenslauf,
Was mir in Weg kommt, fress ich auf,
Und mir ist es ganz einerlei,
In meinem Magen wirds zu Brei.
Schon hundert Jahre leb ich jetzt,
Und wenn ich sterben muss zuletzt,
Leg ich mich ruhig in’s Schilf hinein,
Und sterb im Abendsonnenschein.“
Und als er dann nach langen Irrfahrten
nach Hause zurückkehrt, läßt er seine Grethl
durch folgende tragischen Worte auf seinen Be¬
such vorbereiten, da er selbst vorher noch im
„Blauen Bock“ einkehren muß: „Sag ihr, ja sag
ihr, wölchen unsäglichen Gefahren ich ent¬
gangen bin. Sag ihr, wie mein gattliches Herz
ihr aus dem blauen Bock entgegenschlägt ! Sag
ihr, ihr sag, sag ihr, ihr sag, wie ich zittere und
ziböbe im Hinnblick auf den Rückblick des
Wiederblicks unseres zörtlichen Wiedersöhens
und der Umschlingung der weitausgebreiteten
Umspannung der liebenden Armee treuer ver-
hältnißmäßiger Gattenliebe und öhnlicher Um¬
stände.“ — In der Türkei kommt Kasperl als
reisender Botanikus zum Sultan Schurimuri, der
seinen Sklaven Pfeifistopfiri durch den Hof-
profoß Murmurikarbatschi fünfzig auf die Fu߬
sohlen geben läßt, weil er die Pfeife hat aus¬
gehen lassen. Die Prozedur geht im „ Wichszimmerl
Numero 1 2 1 “ vor sich. Kasperl hat einen Spazier¬
gang am „Phosphorus“ gemacht und wird
vor den Sultan gebracht, den er „erhabener
Türkenkopf“ anredet. — In dem „furchtbaren
Spektakelstück aus dem finstern Mittelalter“, in
dem Kasperl Knappe beim Ritter Blaubart ist, be¬
dauert erlebhaft, in einem solchen Trauerspiele
mitspielen zu müssen und freut sich sehr, daß
die Geschieht noch gut ausgeht.
Unmöglich und ermüdend wäre es, auf diese
Weise jedes einzelne der Stücke durchzu¬
gehen. Den hervorstechenden Eigenschaften
des Kasperl haben wir bereits ein paar flüch¬
tige Worte gegönnt. Wie sehr er auf sein liebes
Ich und die Sorge für seine erhabene Person
bedacht ist, schimmert überall hindurch. In der
„Undine“ trotzt Ritter Huldbrand allen Unbilden
der Elemente; sein Knappe Kasperl „hüllt sich in
sein Parapluie“. Dem Eremiten Klaus teilt er
hochpathetisch mit, daß er „von der Natur, die ihn
hervor gebracht, die einem gebildeten Manne ent¬
sprechende Sustentation verlange“. Ein andermal
sucht er „einen Dienst, aber allein nur seiner
Xalifixation angemessen und einen der Be¬
friedigung seiner Substanz entsprechenden
Aufenthalt“. Er dient dem fahrenden Ritter
Hans von Elend; aber, wenn der ein „ordent¬
licher Ritter“ sein will, dann soll er „eine
Eklipage haben und in einer Kutschenchaise
sitzen.“
Wenn es gar erst ans Essen und Trinken
geht, dann gerät Kasperl ganz aus dem
Häuschen. „Auweh“, schreit er, als er zu armen
Fischersleuten kommt; da gibts ohne Zweifel
nur Fastenspeisen, von einer „Andeutung auf
Kalbsbraten“ sieht er keine Spur. Voller Ent¬
rüstung fragt er den Herzog: „Und Eure
Durchlauchtigkeit wagen es, eine diplomatische
Person, die ich bin, eine halbe Stunde so da
stehen zu lassen, ohne ihr eine Magenstärkung
anzubieten r“ Im Keller beschäftigt er sich am
liebsten mit „Versteinerungen“, z. B. dem
Nierensteiner und dem Hörsteiner. Gegen
Abend verbindet er gern mit einem Spaziergang
die „bescheidene Löschung seines alltäglichen
Durstes“. Oder er nimmt „aus Zufall so von
Ungefähr mit Fleiß im Vorbeigehen ein paar
warme Schmalznudeln aus purer Gefälligkeit“
mit. Seine „angeborne Gewohnheit, seine be¬
sondere Vorliebe für Flüssigkeiten“ verursachen
ihm bisweilen eine kleine Betäubung. Als auf
der Ritterburg alles in Angst und Sorge schwebt,
ruht in des Torwarts Kasperl Magen wohl-
versorgt „ein halbes Pfund Kas“ und „schwimmt
auf einem künstlichen Weiher, den er durch
ein paar Maß Flüssigkeit angelegt hat“. Als
er gezwungen ist, italienisch zu sprechen, ver¬
langt er „Salami, Maccaroni, Nierenbratl und
Abb. 5.
Doktor Sassafras aus „Lustiges Komödienbüchlein."
(München, Lentner, 1801.)
Abb. 6. Aus , .Minnelieder“, ein Pfingstgruß von R. B. und F. P.
(München 1855, Lithographische Anstalt von Dr. Wolf und Sohn.)
Zeitschrift für Bücherfreunde IX.
Zu Hirschberg •• Franz Graf Pocci.
Hirschberg, Franz Graf Pocci.
477
Sauercrautico, Maraschino, Rossini“ usw. Und
die brave Frau Grethl erkennt ihn trotz aller
Vermummung am Essen und Trinken: „Denn
so wie mein Kasperle kanns Keener!“
Bisweilen verfällt Kasperl in einen tra¬
gischen, pathetischen Ton, oder er will sich
gebildeter Ausdrücke bedienen; immer aber
bringt er damit eine komische Wirkung hervor.
Das Schicksal „lispelt ihm mit leiser Donner¬
stimme“ einmal ins Ohr, daß er „ein zu Grund
gegangenes Objekt“ sei. Voll Schrecken ge¬
wahrt er, daß er durch einen artesischen
Brunnen zu den „Antipopoden“ hindurchge¬
rutscht ist. Ja, als Knappe des Ritters Huld¬
brand bringt er den Herzog sogar eine Absage
mit den Worten: „Mein Herr ist in andern
Umständen und dadurch verhindert.“ — Noch
viel häufiger aber versteht er falsch; aus einem
„Sack mit Dukaten“ macht er einen „Frack
mit Oblaten“, aus einem „verzauberten Ritter“
einen „vermauerten Widder“ usw.; oder er wird
infolge einer „Renunziation“ amtlich „klistirt“;
endlich versetzt er dem Zauberer Crocodilus
einen „tüchtigen Puffer auf den magischen
Schedl“, weil dieser Weib und Kind „eigen¬
händig zu fressen“ belieben wollte.
Unzählig sind die närrischen Ausdrücke
des Burschen. Er wird, da er als deutscher
Staatsbürger nicht mehr leben kann, „einjährig
freiwilliger Menschenfeind“. Er ist ein „un¬
glücklicher kinderloser unverheirateter Familien¬
vater und zugleich Doppelwaise“. Ängstlich
schaut er sich im dunkeln Walde um, ob dieser
nur keine „schwurgerichtlichen Subjekte“ be¬
herbergt. Immer, wenn er an das Schicksal
eine Frage tut, gibt dieses einen „rechten
Abb. 7.
Maske Poccis aus ,, Lustiges Komödienbüchlein.“
(München, Lentner, 185g — 1877.)
Pumpser“ und er fällt „auf seine Gesäßmuskeln“.
Er findet „eine ihm bisher ganz unbekannte
Fünfguldennote in dem hintersten rechten
Winkel seiner vordersten linken Hosentaschen
in der liederlichen Gesellschaft einiger kränkender
unbezahlter Rechnungen“. Er beklagt sich,
daß er „wirklicher provisorischer Leibhausknecht
mit 365 Tag Jahreslohn“ geworden ist. Ein¬
mal „schoint“ es ihm, daß „diese beiden Froileins
woiblichen Geschlechtes sind, wenn sie nicht
schon verheiratet sind“. Als Arzt erklärt er
die „Indischestion“ für eine „indische Krankheit“
und verordnet „Transprentation“. Einem Ritter,
der ihm den Fehdehandschuh hinwirft, entgegnet
er: „Ich brauch kein’ Handschuh mehr; ich hab
schon a Paar!“ Seine Frau drückt er an seinen
„geschwollenen Busen“ und geht mit ihr Hand
in Hand „auf der Bahn dieses rätselhaften
Lebens“.
In allen nur möglichen Varianten läßt Pocci
seine Magier und Zauberer, seine Hexenmeister
und Menschenfresser auftreten. Die Offenheit,
mit der diese Individuen ihr ungesetzliches
Gewerbe treiben, ist von einer köstlichen
Naivität. „Die Zauberkunst ist angenehm, man
lebt zufrieden und bequem“, singt der Magier
Anselmus Katzenberger, dessen Ahnen „in der
Tiefe der ägyptischen Pyramide Mandschelmusa
bis zur nächsten Seelenwanderungsperiode im
Mumienschlummer“ ruhen, die ihm die Ge¬
heimnisse der Magie in einer „versiegelten
Opodeldokblechbüchse“ hinterlassen haben und
auf deren Wohl er den Wein von seinem
Tischleindeckdich trinkt. Die „Moosmayerin“ war
dreiviertel Jahr beim Herrn Dr. Justinus Kerner
in Diensten, und hat bei diesem, der die Geister
alle „nur so am Schnürl g’habt hat“, ihre Kunst
erlernt. Der Magier Crocodilus wird im Schlafe
von Nilfischern gebunden, an einen europä¬
ischen Menageriebesitzer verkauft und in einer
vergitterten Badewanne produziert. Der alte
privatisierende Magier Sarastro muß wegen
seines Unterleibes alljährlich eine Kissinger
Kur gebrauchen und in Ägypten „Kaktussuppen“
essen, wogegen ein Bär sich dem Kasperl als
der „verzauberte Zauberer und Taschenspieler
Strizlmajer, gebürtig aus Deggendorf“ vorstellt
und die Liebe der Fee Waltrudis zurückweist,
weil er „in Passau bereits verlobt war mit der
Anna Maria Hintermajerin, Obstlerstochter“.
Sehr übel in jeder Beziehung geht es auch dem
478
Hirschberg, Franz Graf Pocci.
Aus Birlingers „Nimm mich mit!“
(Freiburg, Herderscher Verlag.)
Zauberer Negrocephalus, dem rein gar nichts
mehr gelingen will, vielleicht weil er „nicht das
richtige Blattl in sei’m Zauberbuch erwischt“
oder „sein Zauberstaberl vom feuchten Wetter
sich etwas verbogen“ hat, und der wegen der
schlechten Zeiten Torf im Laboratorium brennen
muß, weil das Holz zu teuer ist. Die Fee Zirnba-
rimbimba ist die Tochter des großen Zauberers
Califonius, der sich „an Werktagen mit Zaubern,
an Sonn- und Feiertagen mit Korbflechten“
beschäftigt. Ein furchtbarer Kerl gar ist der
Professor Fleischmann, Naturforscher und
Menschenfresser zugleich; er hat eine so feine
Nase, daß er „den Duft der Waldspireen und
Wachholder etwas durch Menschenfleischgeruch
alteriert“ findet und schnell „etwas mehr wittert
als die gewohnte Hautausdünstung seiner Haus¬
hälterin Katharine“, an der er sich noch nicht
„vergriffen hat, um seinen anthropophagischen
Tendenzen Genüge zu leisten“. Der Berggeist
Cuprus kann gar nicht mehr beißen, weil „der
letzte Plombierte vorgestern auch ausgefallen
ist“. Vielleicht noch ein „miserableres Leben“
führt ein „Riese aus der Urzeit“, Schlafdorn ge¬
nannt, der als Wächter nicht schlafen darf und
den, so oft er sich hinlegt, der sich herab¬
beugende Zipfel seiner Nachtmütze unter der
Nase kitzelt. Unter die Sippschaft der Menschen¬
fresser ist auch ein gefangener Turko und der
Garibaldi zu zählen, bei deren bloßer Namens¬
nennung den Bauern schon alle Haare zu Berge
stehen und die sich verbarrikadieren, wenn sie
wirklich ankommen und zweihundert Kinder auf
einmal auffressen.
Poccis Lust an der Satire brachte es mit
sich, daß er im „Lustigen Komödienbüchlein“
bisweilen auch Zeitfragen in humorvollster
Weise streifte. Der Darwinismus, das Frei-
maurertum, besonders aber die Zukunftsmusik
bekommen ihr Teil ab. Reizend ist das Märchen
vom „Dornröslein“ dramatisiert. Der darin
auftretende Dichter Lautenklang ist die Per¬
sonifikation der Romantik; als Hofpoet des Königs
Purpur, des Vaters Dornrösleins, preist er Minne
und Phantasie in einem fort und wirkt schlie߬
lich ebenso langweilig wie der frühere Minne¬
sänger, der an „Mittelaltersschwäche“ gestorben
ist. Als aber das Schloß im verzauberten Schlafe
liegt, da wird er nicht müde, den Prinzen Minna-
muet, den Erlöser, mit seinen Liedern herbei¬
zurufen; er ist zum Greise gealtert, als dieser
erscheint. Nun erhält er den Lohn für sein
Seherlied; in rührenden Worten nimmt er Ab¬
schied und sinkt tot zusammen:
„Lebt wohl! Im Reich der ew’gen Poesie
Sehn wir uns wieder! Heil Euch, lebet wohl!“
Keineswegs aber sind alle Stücke des Komö¬
dienbüchleins nur lustig und amüsant; viele sind
durchaus ernster und sinniger Natur. Hierher
gehören der „ Prinz Herbed “ und der „ Waldkönig
Laurin im ersten wird die Fabel von dem durch
Hochmut verführten Königssohne, der durch
die Rose der Demut und Liebe auf den rechten
Weg geleitet wird, dargestellt. Das bedeutsamste
der kleinen Dramen ist zweifellos der „ Doktor
Sassafras “. In seiner Gier nach Geld und
Ruhm schließt Doktor Sassafras mit dem Teufel
einen Pakt dahin, ihm gegen seine unsterbliche
Seele den Tod in seine Gewalt zu geben. Dies
geschieht; der Tod wird auf einen Stuhl ge¬
bannt und kann nicht loskommen, wie sehr er
auch daran rüttelt. Nun hört das Sterben
unter den Menschen eine zeitlang auf; aber ein
mit der Weltordnung im Widerspruch stehendes
Bündnis kann keinen Bestand haben. Satan
selbst zerreißt den Kontrakt, und der Tod be¬
mächtigt sich des vermessenen Sterblichen.
Auf eine dramatische Technik legt der
Dichter — und er zeigt sich in diesen kleinen
Hirschberg, Franz Graf Pocci.
479
J. Schunds Marionelten'Theaier
im ^lenjcprtni.
Abb. 9. Theaterzettel mit einer Zeichnung von Pocci.
Gaben immer als echter Dichter — wenig
Wert; dagegen arbeitet er stark auf theatralische
Effekte hin. An die Maschinerie werden die
größten Anforderungen gestellt. Blitz, Donner,
Sturm und Regen, leuchtende Morgen- und
Abendröte, Verwandlungen mannigfachster Art
müssen so bei der Hand sein, als ob wir uns
in einem wirklichen Märchenreiche befänden.
Mauern und Berge tuen sich auf; Vögel,
Krokodile, Bären und Leoparden reden wie
Menschen; Blumen öffnen und schließen sich,
Flammen schlagen aus dem Boden; aus Pasteten
und Maßkrügen springen Teufel und Kobolde
heraus. Pocci wollte durch seine „Freischützkas¬
kadenfeuerwerksmaschinerie“ auf Kinder und
Volk wirken.
Die Ausstattung des Buches ist ganz reizend:
ein handliches Sedezformat, schöner Druck und
bildliche Verzierungen. Das Haupttitelblatt eines
jeden Bandes zeigt eine Schalksnarrengestalt
mit einer komischen Maske, aus der Poccis
Gesicht deutlich hervorschimmert; jedes der
einzelnen Stücke hat wieder seine besondere,
in Holzschnitt ausgeführte Vignette.
Wie Holland angibt, hat Pocci auch zwei Ein¬
trittskarten für das Schmidsche Marionetten¬
theater gezeichnet; auf der ersten bewillkommnet
z. f. B. 1905/1906
Kasperl die eintretenden Kinder, auf der zweiten
tritt er aus den Vorhängen der Bühne. Eben¬
so entwarf der Meister ungefähr 20 Stein¬
zeichnungen zum Anheften über dem Straßen¬
zettel. Alle Stücke gingen mit dem glänzendsten
Erfolge über die Bretter — auch heute noch
hat München dies vor der Reichshauptstadt
voraus.
Unter die Puppenspiele gehört auch ein
ganz merkwürdiges, in seiner Art vielleicht
einzig dastehendes Stück, das in dem früher
besprochenen Kinderbüchlein „Was du willst“
zum Abdruck gelangt ist, nämlich ein „ Krippen¬
spiel Der Gedanke, der Pocci zum Ver¬
suche dieser Dichtung veranlaßte, war, daß
neben der Christbescheerung eine Weihnachts¬
krippenfeier mit Puppenfiguren um so zweck¬
mäßiger sei, als diese Spiele aus früherer Zeit zu
Hanswurstiaden herabgesunken waren. Un¬
streitig kann das Werkchen in seiner sinnreichen
Anordnung und durch die Schönheit der Sprache
einen hohen Wert beanspruchen; dazu kommt
noch, daß mit ganz eigner Kunst ein Spannungs¬
reiz erzeugt wird, der für Poccis Befähigung als
Dramatiker ein glänzendes Zeugnis ablegt. Ein
Vorspiel eröffnet das Stück; zu dem unerbittlich
waltenden Tod tritt der Engel des Lebens, der
62
480
Hirschberg, Franz Graf Pocci.
ihm gebietet, Einhalt zu tun mit seinem ver¬
derblichen Wirken: ein neues Gestirn hat sich
entzündet, das der Welt des Lebens Sieg ver¬
kündet. Grimmig windet sich unter Flammen
Satan als Schlange aus dem Boden empor;
der Tod weicht willig der höheren Macht,
Satan erst nach heftigem, ohnmächtigen Kampfe
mit dem Engel. Und nun folgt eine der
reizendsten Szenen, ein Idyll voller Lieblichkeit
und Anmut. Die Sonne geht unter, ein Hirten¬
chor preist Gott den Herrn und fleht um die
Sendung des verheißenen Messias. Zwei junge
Hirten, Joel und Hebron, bleiben allein als
Wächter zurück; anfangs erzählen sie sich
biblische Geschichten, dann singen sie ein
Hirtenlied mit Flötenbegleitung. Plötzlich rauscht
und donnert es, ein
wunderbares Licht er¬
füllt den Raum, er¬
schrocken stößt Joel
ins Horn und weckt
die andern — da er¬
scheint der Engel im
Strahlenglanze und ver¬
kündet Christi Geburt.
Unter frommen Ge¬
sängen ziehen die
Hirten gen Betlehem.
Die folgende Szene
spielt im Palaste des
Herodes, der von seinen
Trabanten die Nach¬
richt erhalten hat, daß Fremde aus dem Morgen¬
land gekommen wären und nach einem Könige
gefragt hätten:
„Ich auch sah’s, wie allenthalben
Gleich dem Frühlingszug der Schwalben
Sich die fremden Gäste regen,
Mann und Roß auf allen Wegen.
Alles Volk ist auf den Beinen
Und die Großen wie die Kleinen,
Dies und das ins Ohr sich raunend
Stehen auf den Straßen staunend.
Herodes befragt seinen Astrolog, der niemand
anders als Satan ist und der ihm rät, das
wunderbare Kind suchen und morden zu lassen.
Wie schön ist der Zug der drei Könige dar¬
gestellt, die dem herrlichen Sterne folgen, der
sich in ein Tal hinabsenkt und über einem
Häuschen stehen bleibt! Den Text des sich
jetzt anschließenden Zwischenspiels würde ich
gerne missen; dagegen ist die Vignette, einen
jungen, mit Tierfellen bekleideten Hirten, der
Stab und Schalmei in Händen hält, darstellend,
von hervorragender Schönheit Den Schluß
bildet die Anbetung des Kindes durch die
Könige und Hirten; von wunderbarer Anmut
und Innigkeit sind Marias Worte durchtränkt. Ein
Holzschnitt am Anfang (der Weihnachtsengel)
und am Ende (Anbetung und Gloria) gereichen
der Dichtung zur besonderen Zierde.
III. Die Volksschauspiele.
Auch auf dem Gebiete des ernsten deutschen
Volksschauspiels hat Pocci den ersten Schritt
getan und zwar, wie Moritz Carri'ere sich
gelegentlich der Uraufführung des „ Gevatter
7 od“ ausdrückte, indem
er das bekannte Volks¬
märchen dramatisierte
und zwar nicht wie
Tieck, um das Stück
selbst zu ironisieren
und die Personen zu
Trägern moderner An¬
spielungen zu machen,
sondern vielmehr die
der Sage zugrunde
liegende Idee klar her¬
aus zu gestalten. Das
Werk, mit zwei glän¬
zenden Holzschnitten
von Poccis Hand ge¬
schmückt, erschien 1856. Das Vorspiel gibt
die Vorgeschichte, die Gevatterschaft des
Todes bei dem jüngsten Kinde des armen
Bauern. In glücklichster Weise ein abge¬
rundetes Ganze darstellend, schließt es mit
dem seltsamen Taufzuge; der Tod erscheint
als reichgekleideter, ritterlicher Herr, dem
das kecke Barett und das spanische Mäntelchen
vortrefflich stehen, und nur in dem hageren,
fahlen Gesicht erkennt man den gefürchteten
Gast. Zwischen dem Vorspiel und dem eigent¬
lichen Drama liegen Jahre. Albertus, der Pate
des Todes, ist durch des letzteren Kunst und
Gunst ein berühmter Arzt geworden und wird
als solcher an den Hof des Herzogs Wolfgang
gerufen, dessen Tochter Rosamunde, die Braut
des Prinzen Andrea, an unheilbarer Schwermut
erkrankt ist, seit sie von einem schönen un¬
bekannten Jüngling aus großer Gefahr gerettet
Abb. 10. „Namenbild“ von Franz Pocci.
(München, F. Finsterlin.)
Hirschberg, Franz Graf Pocci.
481
wurde. Dieser Retter ist niemand anderes als
Albertus; ihn erkennt sie auf den ersten Blick
und sinkt ohnmächtig zusammen. Während
Albertus sich sorgsam um sie beschäftigt, tritt
mahnend und warnend, ihm nur sichtbar, der
Tod aus der Tiefe. Nun sie ihren Liebling
wiedergefunden, erblüht Rosamunde bald wieder
in Jugend und Schönheit; Albertus wird mit
Ehren überhäuft und vergißt, von neuer Liebe
entbrannt, völlig der geheimnisvollen Waldfrau
Belladonna, seiner früheren Geliebten. Mit dieser
tritt nun der schlaue Diener des verschmähten
Prinzen Andrea in Verbindung und ihm gibt
das von rasender Eifersucht getriebene Weib
einen Schlaftrunk und einen Gifttrank. Un¬
bewußt reicht Albertus der Geliebten den
letzteren, während er
selbst den Schlaftrunk
genießt; die Prinzessin
stirbt, und er ruft, von
unsäglichem Jammer
niedergeschmettert, den
Tod herbei, auf daß er
ihn in seinen Palast
führe, wo die Lebens¬
lichter der Menschen
brennen. Rosamundens
Kerze ist erloschen, und
Albertus ergreift seine
eigne, um das Leben
der Geliebten neu anzu¬
fachen. Verzweifelt ringt
er mit dem Tode — da schleudert dieser des
Albertus Lebensflamme zornig zu Boden; der
kühne Sterbliche sinkt zusammen und mit einem
ernsten Memento mori des Todes schließt das
Stück. Es errang bei einer Aufführung im
Münchener Hoftheater einen ehrenvollen Ach¬
tungserfolg; die Neuheit und das Unheimliche
des Stoffes ließ das Publikum zu keiner freudigen
Wärme kommen. Daß es neben vielen dichter¬
ischen Schönheiten und einem unverkennbaren
Talent dramatischer Gestaltungskunst auch
manches Unfertige zeigt, soll nicht geleugnet
werden; vielleicht wirkt heute, wo „realistische
Märchen“ an der Tagesordnung sind, auch
Poccis „Gevatter Tod“ nachhaltiger als vor
fünfzig Jahren.
Ebenfalls auf einem bekannten Stoffe auf¬
gebaut ist das zweite der Volksdramen „ Der
Karfunkel“ , nach Peter Hebels gleichnamigem
allemanischen Gedichte frei bearbeitet und 1860
erschienen ist. Wie der „Gevatter Tod“, so ist
auch der „Karfunkel“ als echtes Volksstück mit
musikalischen Einlagen (Liedern und kleinen
Chören) ausgestattet. Gegen das erste Drama
zeigt es, was Zuspitzung der dramatischen
Konflikte und bühnengerechte Technik anlangt,
einen entschiedenen Fortschritt. Das böse
Prinzip vertritt der Jäger Lux, der den reichen
Feldbauer Michel zum Spiele verführt, so-
daß Michel sein treues, braves Weib Katharin
täuscht und der einmal geweckten Leidenschaft
weiter fröhnt. Der Blitz schlägt in sein Haus,
während sie im Wirtshaus spielen; es wird neu
aufgebaut, ist aber mit Schulden belastet; trotz
Arbeit und Gelöbnisses, sich zu bessern, waltet
kein rechter Segen mehr
im Hause Michels. Die
Ankunft des früheren
Liebhabers seiner Frau,
des Soldaten Martin,
noch mehr aber die
Kündigung der Hypo¬
thek durch einen Gläu¬
biger versetzen ihn in
eine derartig gereizte
und verzweifelte Stim¬
mung, daß er den Lock¬
ungen des teuflischen
Lux von neuem Gehör
schenkt. Er empfängt
von diesem einen Kar¬
funkelring, der ihm immerwährendes Glück im
Spiele bringen soll. Schnell erprobt er in einer
gräulichen Spelunke die magische Kraft des
Kleinods; als er aber von einem der Bauern
als Falschspieler bezichtigt wird, übermannt ihn
die Wut und er ersticht seinen Ankläger.
Michel sitzt nun im Gefängnis und erwartet
sein Urteil; als sein treues Weib ihn besucht,
vergeht er in Reue und Zerknirschung und
widersteht sogar Lux, der ihn befreien will.
Erst die Verdächtigung seines Weibes durch
den bösen Dämon, daß sie es mit dem Martin
halte, bewirkt, daß Michel dem Verführer folgt.
Unvermutet tritt er hinzu, als Katharin den
Martin gerade mit einem Briefe zu einem großen
Rechtsgelehrten in die Stadt schicken will; er
verlangt von ihr den Sparpfennig der Kinder,
um damit nach Amerika entfliehen zu können,
und ersticht sein Weib. Auf öder Haide trifft
Abb. 11. „Namenbild“ von Franz Pocci.
(München, F. Finsterling
482
Hirschberg, Franz Graf Pocci.
der ruhelose Flüchtling mit Lux zusammen;
dieser beredet ihn zum Selbstmord, da ihm
nichts weiter übrig bleibe — der Teufel hat
sein Spiel gewonnen. Neben den Hauptper¬
sonen finden sich noch einige charakteristisch
gezeichnete Figuren, vor allem der Buchen¬
bauer, der sein Hab und Gut versoffen hat
und zum vollkommenen Lumpen geworden ist,
am Anfang des Stückes als warnendes Bei¬
spiel für Michel. Sehr richtig bemerkt ein
Kritiker: „Wir denken uns die Wirkung dieses
Stückes, wenn es auf einem Dorftheater wie
in Oberammergau aufgeführt werden könnte,
von einer erschütternden Gewalt und heilsamer
als zwanzig Polizeigesetze gegen Spiel, Trunk,
Rauferei usw., denn die Wahrheit ist hier fast
größer als die Kunst . . .“
Das vieraktige Schauspiel „ Der wahre Hort
oder die Venediger Goldsucher“ (1864) beruht
auf freier Erfindung Poccis. Der Grundzug des
Dramas, das mehrmals unter rauschendem
Beifall im Münchener Volkstheater aufgeführt
wurde, ist der dämonische Hunger nach Gold.
Ein junger Kaufmann erhält zum Lohne für
eine edle Tat von einem sogenannten Vene¬
diger (der der Sage nach in den Bergen Gold
zu heben versteht) die Mittel zur Begründung
eines Geschäftes. Über seiner Geldgier vergißt
er seine reine und schöne Braut, wird jedoch
schließlich zu der Erkenntnis bekehrt, daß nicht
Gold und Reichtum, sondern die Liebe einer
edlen Seele der „wahre Hort“ sei.
Von feiner Originalität ist auch „ Odoardo “,
ein romantisches Schattenspiel. Der Dichter
begibt sich hier wieder auf das Gebiet des
rein Märchenhaften, um seine Tendenz durch¬
zuführen. Über sie werden wir nicht im Un¬
klaren gelassen; denn der „Explikator“, dem
das Amt zufällt, alle Geschehnisse des Schatten¬
spieles zu erläutern, enthüllt sie uns am Schlüsse:
einmal ist in Odoardo der nach einem Ideale
strebende Mensch gemeint, der schließlich an
seinen absurden Ideen zugrunde geht, außerdem
aber wird „in allegorisch-symbolischer Weise auf
das Ende oder Verschwinden der romantischen
Poesie im allgemeinen bei dem derzeit vorherr¬
schendem Realismus schmerzlich hingedeutet“.
Odoardo, der Sohn des Königs Baldrianus, liebt
die Fee Tilia, die in einen Lindenbaum gebannt ist
und nach den Gesetzen des Geisterreichs keinen
Sterblichen mit ihrer Liebe beglücken darf. Da
Abb. 12. Buchzeichen von Franz Pocci.
(München, F. Finsterlin.)
sie von ihm scheidet, verfällt Odoardo in schweres
Siechtum; im Fieberwahn verläßt er das Königs¬
schloß, eilt an die Stelle, wo er die Geliebte
zuerst gesehen und stirbt dort sanft unter dem
Gruß der Geister. Neben holden Gedichten von
Duft und Zartheit finden sich auch Szenen von
überwältigender Komik, z. B. ein Minister- Anti-
chambre, bei dem jeder sein Ressort für das
wichtigste erklärt und für seinen Vortrag die
Priorität beansprucht; ferner die drastisch ge¬
zeichnete Figur des Leibarzts Elixirius, der nach
483
Hirschberg, Franz Graf Pocci.
Abb. 13. Buchzeichen von Franz Pocci.
(München, F. Finsterlin.)
der Melodie „O Isis und Osiris“ (Zauberflöte)
den Äskulap anfleht, ihm „der Diagnose Gunst“
zu gewähren u. a. Der Prolog des Stückes
ist vielleicht das schönste Gedicht, das Pocci
geschrieben hat.
In Pereis „Deutscher Schaubühne“ (1871,
Heft 2 und 3) ist „Giovannina“, eine dramatische
Novelle in einem Aufzuge, erschienen: ein
kleines erschütterndes Gemälde voller Realistik.
Giovannina ist ein reizendes römisches Modell,
dem von einem alten Wüstling nachgestellt wird
und das sich zu dem Maler Antonio, den es
liebt, flüchtet. Bei dem Zweikampf zwischen
ihrem Liebsten und ihrem Verfolger schützt
das Mädchen jenen und erleidet dabei selbst
den Tod.
Nachdem Graf Pocci im Jahre 1854 in An¬
betracht seiner Verdienste von der Münchener
Universität einstimmig zum Ehren-Doktor der
Philosophie ernannt worden war, erfolgte zehn
Jahre später von seiten König Ludwig II. die Ver¬
leihung des Oberstkämmereramtes. 1860 finden
wir ihn als fröhlichen Teilnehmer des Univer-
sitäts- Studiengenossenfestes zu Landshut, zu
dem er voller Liebe ein stattliches Bändchen
„ Gedenkblätter “, versehen mit einem hübschen
emblematischen Holzschnitte, sammelte; als
fliegendes Blatt und Ehrengabe wurde Poccis
Lied „Wenn ich ein Vöglein wär“ unter dem
Titel „Flug der Liebe “ in den Farben der
„Isaria“ neu gedruckt. Schier unmöglich er¬
scheint es, alle seine Beiträge künstlerischer
und wissenschaftlicher Natur aus dieser Lebens¬
periode auch nur annähernd wiederzugeben.
Er lieferte z. B. prächtige Titelhohschnitte zu
Fr. Becks „Lother und Maller“, zu „Was sich
der Wein erzählt“ von Arnold Schloenbach
(dem erstaunten, kupfernasigen Küfer erscheint
in einem Dunstnebel der wohlgemästete Wein¬
geist mit Talar, Käppchen und Perücke), zu
Franz Trautmanns Volksbüchern und Romanen
(das „Plauderstüblein“, „Chronika des Herrn
Petrus Nöckerlein“, die „Abenteuer Herzogs
Christoph von Bayern“) und vieles andere mehr.
Zu Anton Birlingers Kinderbüchlein „ Nimm mich
mit “ zeichnete er nicht weniger als 30 Illustra¬
tionen, unter denen namentlich drei Buben in den
Gewändern der heiligen drei Könige von präch¬
tiger Originalität sind; auch die mannigfachen
Tierbilder erregen unser Interesse (Storchnest,
Rotkäppchen) und der fürchterliche Menschen¬
fresser. Für die „Münchener Zeitung“ hat er
eine lange Reihe kulturhistorischer Studien ge¬
schrieben, für die „Augsburger Allgemeine
Zeitung“ regelmäßige Konzert- und Kunst¬
berichte, für das „Oberbayrische Archiv“ des¬
gleichen; namentlich aber stand Pocci den
„Jugendblättern“ der Isabella Braun jahrelang
mit Rat und Tat treu zur Seite.
Einen wirklichen Einblick in das fabelhafte
Schaffen des Künstlers konnten nur nahe-
484
Hirschberg, Franz Graf Pocci.
stehende Freunde gewinnen, und so ist es im
höchsten Grade dankenswert, was Holland in
seiner Biographie (Bamberg 1 890) davon erzählt.
Pocci pflegte seine künstlerischen Einfälle, gleich
nachdem er sie geschwind zu Papier gebracht
hatte, ebenso schnell wieder in den Papierkorb
zu praktizieren, bis seine Tochter dahinter kam
und die wertvollen Blätter sorgfältig sammelte.
Holland hat mit solchen Blättern drei Bände zu¬
sammengestellt. Ein 90 cm breites und 1 */2 m
hohes Aquarell, das in einer Arbeitszeit von
höchstens zehn Stunden entstand, befindet sich
im Handzeichnungen -Kabinett der alten Pinako¬
thek: In einer alten, verfallenen Burg haust an
Stelle des früheren Rittergeschlechts ein Gesindel
von Buschkleppern; schwerbeladen kommen sie
von ihrem Raubzuge heim und bergen den Schatz
hinter den steilen Steinwänden und zinnen¬
besetzten Mauern. Ein anderes Blatt berichtet,
wie „her Cuonrat“ seinen Feind und Neben¬
buhler aus der Welt geräumt und noch vor
Sonnenaufgang heimlich begraben und „sin hus
unde burc an sich genommen“ habe, wie
aber der Einsiedel, so heimlich doch Zeuge
gewesen, „die untat dem Kaiser angezeigt und
jungherr Wolfgangs mord“ gerächt worden sei.
Eine „armselige Burg“ ist die des „alten Kreuz-
nachers, so in seiner jugend ain arger schalck
war, nunmehro aber mit seinem knecht kümmer¬
lich in einem stüblein hauset“ (anno domini 1504),
dieweil sie in der kalten Winterszeit nicht mehr
Gemächer heizen können. Auf einer anderen
heiter strahlenden Landschaft heißt es:
„Hier steht die Burg im Sonnenlicht;
Wie heißt sie denn? Ich weiß es nicht.“
Auf wieder einer: „Dieß ist die burc Rotenstein
und ist erpawt worden 1443 vom ersten Roten-
steiner, so in Nürnberg a. d. 1481 auf dem
Turnier starb.“
Die in den Jahren 1863 und 1864 edierten
„ Namenbilder “ zeigen den Meister abermals von
einer neuen Seite. Es ist dies eine Sammlung
von 100 in photographischer Reproduktion ver¬
vielfältigten Zeichnungen, die, abgesehen von
ihrer künstlerischen Durchbildung, schon durch
ihre ganz einzig dastehende Originalität das
lebhafteste Interesse erwecken müssen. Leider
ist auch diese kostbare Sammlung nicht mehr
zu haben, sondern verschwunden — wer mag es
wissen, wohin. Pocci hatte die Visitenkarten
seiner Freunde häufig mit ornamentalem
Schmucke versehen und kam auf den Gedanken,
sich darin weiter zu versuchen. Es dauerte
nicht lange, und das Hundert war voll; was
er darin geleistet, ist wahrhaft bewunderungs¬
würdig. Der apfelspendende Bischof Nikolaus
mit dem rutenschwingenden Pelzmärtel im Ge¬
folge, der riesige Christophorus, der Zug der
weisen Magier: alles das sind Bilder ganz im
Stile der lieblichsten, altdeutschen Legenden¬
dichtung. „Mit seinen Rittern, Burgen und
Landschaften versetzt der geistreiche Verfasser
den Beschauer häufig in jene erquickliche Stim¬
mung, welche die Betrachtung Memlings und
Benozzo Gozzolis liebevoller Bilder hervorrufen,“
schreibt ein gleichzeitiger Münchener Kritiker.
Wir erwähnen noch den mit seinen Getreuen
fröhlich reitenden Kaiser Maximilian, Hubertus in
wundersamer Landschaft, Ludwig den From¬
men, den heiligen Michael, ein Ave Maria, die
Jungfrau von Orleans. Die Feder des Be¬
schreibers kann hier mit dem Übermaß dessen,
was der Schöpfer geboten, nicht Schritt halten.
Zu gleicher Zeit erschienen die „ Buch¬
zeichen “, 2 1 an der Zahl, in Photographien von
4j/2 cm Breite und 16 cm Höhe. Trotz dieses
scheinbar höchst unbequemen Formats ist über
alle Bildchen eine Fülle von Phantasie ergossen,
sowohl im komischen als romantischen Genre.
Die turnende Engelschar auf der Jakobsleiter,
der griesgrämige Winter mit seinen hellen
Freuden, welche Prachtstücke! Der Einsiedler
in der Klause, der Ritter auf dem hohen
Schlosse der Romantik, welcher Adel, welche
Noblesse!
Das sehr genaue Verzeichnis Hollands über
die durch Photographie vervielfältigten Zeich¬
nungen Poccis umfaßt die Nummern von 336
bis 526, eine Zahl, zu der jeder Kommentar
überflüssig sein dürfte.
Im reifen Alter, als der himmelstürmende
Übermut einer abgeklärten Ruhe gewichen war,
hat uns der edle Graf noch mit zwei Gedicht¬
sammlungen beschenkt. Die erste derselben
betitelt sich „Der Landsknecht“ (München, 1861).
Kräftig, von echt deutschem Schrot und Korn
wie der herrliche Titelholzschnitt, sind die Lie¬
der des braven Kriegsmannes. Der nie er¬
loschene Funken der Begeisterung für die
Schönheiten des Mittelalters entzündet sich
schon in der Widmung zu heller Flamme:
Abb. 14. „D ie Facul täten“. Aus Franz Poccis „Viola tricolor“.
(New York, Ströfer & Kirchner, 1876.)
Zeitschrift für Bücherfreunde IX.
Zu Hirschberg; Franz Graf Pocci.
Hirschberg, Franz Graf Pocci.
485
„Allen treuen deutschen Herzen,
Die noch aus verklung’ner Fern
Bei der trüben Zeiten Schmerzen
Ihren Trost sich holen gern,
Die noch fromm im Buchenvvalde
Auf der Burgen Trümmern stehn,
Und dort von der grünen Halde
Über alt’ Gemäuer sehn —
Allen, die noch etwas haben,
Was die and’ren nicht versteh’n,
All’ den alten deutschen Knaben
Mög’s aus diesen Blättern wehn!“
Da wechseln Marsch- und Trinklieder mit Kla¬
gen und religiösen Bedenken ; ja der reisige
Mann ist sogar zwei Monate lang Klausner ge¬
wesen. Aber er folgt aufs neue dem alten
Frundsberg; er ficht mit ihm in der mörderi¬
schen Schlacht von Pavia und fällt an seiner
Seite bei Mindelheim. Und da der Feldherr
gnädige Aufnahme beim heiligen Petrus findet,
so steigt auch der Landsknecht nach und wird
mit zweitausend seiner Genossen in den Him¬
mel eingelassen. Einen holden Gegensatz zu
der kräftigen Poesie dieser Lieder bildet das
Büchlein des „ Edelfräuleins von Fünfstetten “.
Das „poetische Testament“ Poccis, wie
Holland sie sehr treffend bezeichnet, sind die
1866 erschienenen „ Herbstblätter “. Ohne jeden
bildnerischen Schmuck, spiegeln diese Gedichte
die reife Lebensanschauung eines Mannes wie¬
der, der sich sein Urteil über alle Fragen des
Lebens selbst gebildet hat. Die meist reim¬
losen fünffüßigen Jamben gestatten eine ge¬
wisse Beschaulichkeit, ein Insichgehen, das aber
niemals in trocknem, lehrhaften Tone zutage
tritt. Wiewohl vom Scheitel bis zur Sohle
Aristokrat, legte der edle Herr doch immer
den meisten Wert auf den Adel, den der
Mensch sich selbst zu geben vermag.
Wie herb geißelt er das Geckentum, aber
nicht das jener unschädlichen Wesen, die vor
dem Spiegel stehen und ihre Haare kräuseln,
sondern derer, die sich ihren Gott in der eignen
Weisheit suchen und auf dem „Eritis sicut
deus“ wie auf einem Schein bestehen! Welche
Töne findet er zum Preise der Musik, der herr¬
lichen Kunst, die sein ganzes Sein stets uner¬
meßlich durchdrang! Herzerquickend sind die
Gedichte „Mutterliebe“ und „Gottes Sonnen¬
strahl“, von höchster Philosophie die „Mühle“.
Wer die innere Kraft hat, Riickerts „Weisheit
des Brahmanen“ in ihrer ganzen Bedeutung zu
würdigen, der wird auch durch dieses Buch
Poccis erbaut und erhoben werden.
Ziemlich das letzte Werk des Meisters war
die „ Viola tricolor “, ein Beweis, daß der Quell
der Erfindung und der unverwüstlichen Laune
des Dichtermalers noch so ungetrübt floß wie
in früherer Zeit: acht große Karikaturen in
Farbendruck, die auf dem Kunststück beruhen,
daß die Gesichter aller Gestalten Stiefmütterchen
sind. Bei einer Wanderung durch seinen Garten
war ihm diese Eigentümlichkeit der Blume auf¬
gefallen, und sein an seltsamen Einfällen so reicher
Geist führte ihn dazu, zu einer Reihe dieser ge¬
preßten und getrockneten Visagen Körper zu
zeichnen.
Am 7. Mai 1876 erlag Pocci einem plötz¬
lichen Schlaganfall.
Mit schwacher Feder haben wir versucht,
einen ungefähren Überblick über dies seltene
Leben zu geben. Wie Blätter im Winde ist
das meiste verweht. Gräfin Maria Pocci, die
Tochter des Meisters hütet in kindlicher Pietät
das Erbe des Vaters und hat auch mir vieles
Wertvolle teils geliehen, teils geschenkt, wofür
ich ihr an dieser Stelle meinen aufrichtigen Dank
abstatte. Ein Gleiches gebührt dem lieben alten
„Papa Schmid“, dem zweiundachtzigjährigen, noch
immer tätigen Direktor des weltbekannten
Münchener Marionetten-Theaters.
Ein Beitrag zu Chr. D. Grabbes Krankengeschichte.
Von
Dr. Erich Ebstein in Göttingen.
ie Krankengeschichten von großen
Männern haben in den letzten zehn
Jahren vielfach das Interesse sowohl
von Ärzten als auch von Literarhistorikern
erregt. Ich brauche hier nur an die vier
„Pathographien“ von Möbius zu erinnern, die
sich mit Rousseau, Goethe, Schopenhauer und
Nietzsche befassen. Was Möbius mit diesen
„Pathographien“ will, das hat er erst jüngst
( 1 903) in seiner Einleitung zu Band I auseinander¬
gesetzt und muß da nachgelesen werden; sein
Standpunkt ist übrigens hinlänglich bekannt. Er
sagt u. a., früher habe die Fable convenue ge¬
lautet: Entweder ist einer gesund oder er ist
verrückt. Richtiger aber heiße es: „Niemand ist
gesund, in jedem von uns ist Gesundes mit
Krankhaftem gemischt, und je weiter sich einer
vom Durchschnitt entfernt, um so mehr ent¬
fernt er sich von der Normalität“.
Es kann hier nicht der Ort sein, den
Möbiusschen Auseinandersetzungen zu folgen;
es mag nur gesagt sein, daß die Literar¬
historiker keinen Grund haben, darüber zu
spotten, „daß auch der Gesundeste der Ge¬
sunden der ungünstigen psychiatrischen Diag¬
nose verfallen ist“.1 Jedenfalls ist es sehr zu
bedauern, daß eine große Reihe von Lebens¬
beschreibungen bedeutender Männer auf deren
körperliche Zustände so wenig Rücksicht nimmt.
So heißt es z. B. in einer vielgelesenen Goethe¬
biographie : „Mit Schönheit, Kraft und Gesund¬
heit reich ausgestattet“. Mit Bezug auf die
Gicht Goethes bemerkte W Ebstein („Die Gicht
des Chemikers J. Berzelius und anderer hervor¬
ragender Männer“, Stuttgart 1904) vor kurzem:
„Für die Beurteilung großer Männer sind der¬
artige Dinge keineswegs gleichgültig. Gerade
die Gicht gehört zu den Krankheitszuständen,
welche den betreffenden Individuen einen eigen¬
artigen Stempel aufdrücken und zu ihrem Nach¬
teil von nicht Sachkundigen gedeutet und als
Charakterfehler aufgefaßt werden.“
In dieser Art war die Arbeit von Max
Morris über „ Heinrich von Kleists Reise nach
Würzburg1' (Berlin 1899), die übrigens in Walter
Bonuann und seinem leider lange übersehenen
Aufsatze „Neueres über Heinrich von Kleist“
(Unsere Zeit, herausgegeben von R. v. Gottschall,
1886, Heft 4, 549 — 567) einen Vorgänger hat,
mit Freuden zu begrüßen; ich habe diese beiden
Studien natürlich nur aus der großen Menge
herausgegriffen; denn allein die Literatur über
„Medizinisches bei Goethe“ usw. ist bereits so
sehr angewachsen, daß sie sich kaum mehr
übersehen läßt.
Nach diesen einleitenden Bemerkungen
möchte ich im folgenden einen kleinen Beitrag
liefern zu der Krankengeschichte Christian
Dietrich Grabbes , die die Literarhistoriker bis¬
her offenbar sehr, die Mediziner merkwürdiger¬
weise aber fast gar nicht interessiert hat. Es
ist bekannt, daß Grabbe jung gestorben ist —
er ist nur 34 Jahr 9 Monat und einen Tag alt
geworden. Die meisten seiner Biographen haben
sein frühes Ende darauf zurückgeführt, daß er
ein Trinker gewesen, der am Alkohol zugrunde
gegangen sei. Duller läßt Grabbe an der
„Magenschwindsucht“ sterben, H. Döring an
„verbrannten Eingeweiden“ und Ziegler an einer
„förmlichen Rückenmarksschwindsucht“. Diese
Diagnose, so meint Grisebach, der feinsinnige
Herausgeber der Grabbeschen Werke, sei jeden¬
falls gestützt auf den Ausspruch des Grabbe
behandelnden Arztes Piderit gestellt worden.
Nun hat im Jahre 1898 ein Literarhistoriker
Carl Anton Piper in seinen Beiträgen zum
Studium Grabbes den Dichter als eine psycho¬
pathische Erscheinung geschildert, d. h. ihn
mit der Diagnose „Psychopathische Minder¬
wertigkeit“2 belegt, einem Ausdruck, den Piper
dem ebenso betitelten Buche des Psychiaters
J. L. A. Koch (Ravensburg 1891) entnommen
1 Ich darf an dieser Stelle wohl kurz auch auf meine im „Janus“, November 1905, Seite 572 — 574» veröffentlichte
historische Notiz verweisen: „Über das Pathologische bei Nietzsche nach Th. Ziegler, P. y. Möbius und A. Bilharz'1.
2 Besser „Psychopathische Degeneration “ nach Möbius (Schmidts Jahrbücher, Jahrgang 1892, S. 102).
Ebstein, Ein Beitrag zu Chr. D. Grabbes Krankengeschichte.
487
hat. Professor Roethe in Berlin hat über das
Pipersche Buch eine beachtenswerte Kritik
(Deutsche Literaturzeitung 1901, No. 4) ge¬
schrieben, der ich mich völlig anschließe. So
legt Piper einen besonderen Wert auf die
„verblüffende Vollzähligkeit“, in der bei Grabbe
die Symptome der sogenannten psychopathi¬
schen Minderwertigkeit auftreten. „Aber was
kreidet Piper nicht alles an,“ bemerkt Roethe
mit Recht. „Er wittert Unrat, wenn Grabbe als
Knabe leidenschaftlich sich in die Illusionen seines
Bohnenspiels vertieft, wenn er unreife Pflaumen
den reifen vorzieht; daß er die Einsamkeit liebt,
ja daß er in keine Burschenschaft eingetreten
ist, wird ihm verdacht; daß er fast ausschlie߬
lich Dramen geschrieben hat, verrät eine psycho¬
pathisch gravierende Einseitigkeit.“ Weiter be¬
tont Roethe, daß ihn „weder das Material der
Untersuchung, das gutenteils in unsicheren und
mehrdeutigen biographischen Kleinigkeiten be¬
steht“, noch die Methode Pipers befriedige.
Sehr zu bedauern ist, daß für Grabbes
Leben nicht genügend sichere und zuverlässige
Quellen fließen. Seit Eduard Grisebachs vier-
bändiger Grabbe-Ausgabe sind wir allerdings
schon ein Stück weiter gekommen in der Kennt¬
nis von Grabbes Leben und Werken. Be¬
sonders Grabbes Briefe und der durch Grise-
bach wiederhergestellte Urtext der Grabbeschen
Dramen sind uns ein wertvolles Hilfsmittel ge¬
worden. Die Zeiten sind wohl vorüber, da
W. Scherer (Geschichte der deutschen Literatur.
3. Auflage, Berlin 1885, S. 776) den Ernst nicht
begreift, mit dem Literarhistoriker und Heraus¬
geber (Gottschall, 2 Bände, Leipzig 1 869; Blumen¬
thal, 4 Bände, Detmold 1874) den Dichter Grabbe
behandelten. Scherer gibt zu, ihm müsse wohl
das Organ fehlen, da er ihn „bloß lächerlich“
finden könne.
Jedenfalls — - und das soll hiermit betont
werden — dürfen wir, wie bei allen anderen
Dichtern — so auch bei Grabbe — nicht auf¬
hören, alles das zusammenzubringen, was uns
für die Kenntnis seines Lebens und seiner
ganzen Persönlichkeit Aufklärungen bringt.
Mir war es nun sehr interessant, daß ich
gelegentlich anderer Studien auf einen Mann
in Grabbes Leben hingeleitet wurde, der allen
Literarhistorikern und besonders den Grabbe-
Forschern merkwürdigerweise entgangen zu
sein scheint.
Ich meine Grabbes Verhältnis zu Theodor
von Kobbe (1798 — 1845). Wer war Kobbe ?
„Ein deutscher Humorist“ lautet die Antwort.
Krause (Allgemeine Deutsche Biographie, Band
16, S. 344 f.) zählt ihn zu den besseren Humo¬
risten unserer Literatur und lobt sein eigen¬
artiges, anregendes und dabei der gutmütigen
niedersächsischen Derbheit nicht entbehrendes
Wesen. Für Kobbes volkstümliches Wesen
spricht, daß er lange Zeit — selbst von seinen
Verwandten — für den Verfasser von „Swin¬
egels Wettlopen up de Buxtehuder Heid“ ge¬
halten werden konnte, ein Büchlein, das in
Wirklichkeit von Wilhelm Schröder verfaßt war,
der sich erst nach langen Jahren nannte.
Adolf Stahr hat seinem Freunde Theodor
von Kobbe einen „Denkstein“ in seinen kleinen
Schriften gesetzt, und wer sich dafür interessiert,
den muß ich darauf verweisen. Über Grabbes
Verhältnis zu Kobbe findet man dort allerdings
nichts: ich entnehme meine Mitteilungen aus
Kobbes „Humoresken aus dem Philisterleben“.
Zweites Bändchen. Bremen 1841 (Seite 11 — 24).
Kobbe verdankte die Bekanntschaft Grabbes
Immermann; er hatte zwar selbst schon einige
Jahre vorher an Grabbe geschrieben, „beseelt von
dem Wunsche, seine Person kennen zu lernen“.
Grabbes Antwort, die selbst E. Grisebach
entgangen ist, 1 lautete wörtlich wie folgt (dieser
Brief wäre bei Grisebach in Band IV als Nummer
109a einzureihen):
Geehrtester Herr!
Ich danke für Ihren Brief. — Verzeihen Sie meine
flüchtige Antwort auf Schreibpapier. Ich schreibe sie,
während Untersuchung angeblich Dienstuntauglicher
Militärs, und kann, da meine Stube von ihnen belagert
ist, Niemand nach Briefpapier aussenden.
Meine Poesien sind alle flüchtig geschrieben, und
nicht so gut als Sie wollen. Mein ansprechendstes
Werk muß der Barbarossa2 sein. Damals schien mir
1 In Grisebachs Ausgabe fehlen ferner Grabbes Briefe an F. W. Gubitz vom 22. Dezember 182 7 und vom 7. März
1828. (Vgl. F. W. Gubitz, Erlebnisse. Zweiter Band. Berlin 1868. S. 253 — 260.) Auf die anderen Auslassungen über
Grabbe im „Gesellschafter“ (1827, Bl. 205; 1829, Bl. 78; 1830, Bl. 80; 1836, Bl. 173) kann hier leider nicht eingegangen
werden.
2 Gemeint ist „Kaiser Friedrich Barbarossa“. Eine Tragödie in fünf Akten [bei Grisebach II, 119 — 239], wurde
am 18. April 1829 im Manuskript an den Verleger abgeliefert.
Z. f. B. 1905/1906.
63
488
Ebstein, Ein Beitrag zu Chr. D. Grabbes Krankengeschichte.
die Sonne des Glücks, seit zwei Jahren [1830] aber
nichts, als Geschäfte, Undankbarkeit, Armbruch,1 alle
drei Wochen infolge eines frühem wüsten Lebens einen
mich immer mehr ermattenden Krankheitsangriff,2 3 4 seit
7 Monaten [Juli 1831], wo ich, um ordentlicher zu
werden, mich häuslich ketten wollte, eine angeblich
vor meiner Geistesschwäche von hier entwichenen
Braut ,3 an der ich noch hänge, und wieder eine andere ,*
die ich wohl schätze, aber an der ich nicht hänge, sie
jedoch an mir, daß alles muß anders werden, oder in
diesem Jahre [1832] so oder so endigen.
Die Zeit und ihre Trompeter, die Poeten, haben
etwas Krampfhaftes an sich. Niemand benutzt ein
Talent recht. Bruchstücke von vielen einzelnen Bruch¬
stücksmenschen sind da, aber keiner, der sie im Drama,
oder Epos zusammenfaßt. Wahrscheinlich kommt aber
doch einmal der Messias, der diesen Jammer im
Spiegel der Kunst erklärt. Wie ist’s mit unseren be¬
rühmten Tagesautoren ? Haben sie Mut? Haben sie
Lebensfrische? Kennen sie die Welt? Geldjuden und
feige - sind sie zum Teil. — Ich kenne einige.
Werfen Sie sich mir nicht an den Hals. Meine
Person würde Sie schwerlich ansprechen. Mein bester
Freund findet mich entweder wüst und wild, oder
stumm und langweilig, oder in Geschäftslaunen, und
dabei stets nachlässig im Betragen. Meine Blüten¬
stunden sind nicht mehr. Ich habe durchgelebt, und
lache, obgleich ich keine Feder mehr ansetze, über
die in meinen frühem Sachen bewiesene schlechte
Menschenkenntnis.
Lebe ich so lange, so reise ich vielleicht nächsten
Sommer auf einige Tage nach Hamburg. Ich glaube
aber es kommt auch zu dem „vielleicht“ nicht,5 6 sonst
könnten wir uns da sprechen.
Ich bin Hochachtungsvoll
Ew. Hochwohlgeboren
Detmold, den 10. Februar 1832 gehorsamer
Grabbe.
Persönlich lernte Kobbe den Dichter erst
etwa 3j/2 Jahre später kennen, also im Sep¬
tember 1835?
Es sei hier nur daran erinnert, daß Grabbe
seit Anfang Dezember 1834 in Düsseldorf in
regem Verkehr mit Immermann7 lebte. Durch
Immermann hatte Grabbe bereits im Januar
1835 die Bekanntschaft der Gräfin Elise Ahle¬
feld gemacht, mit der er auch später Briefe ge¬
wechselt hat.
Kobbe ging nun — und damit folge ich
seiner Schilderung — „zu Immermann, der,
etwa zwanzig Minuten von Düsseldorf entfernt,
vor dem Ratinger Tor lebte. Er bewohnte die
untere Etage, während die Eigentümerin des
geräumigen Landhauses, die Gräfin Afhlefeld],
den oberen Stock bezogen hatte. Ich hatte
die Ehre, dieser Dame, von der es mir un¬
gewiß ist, ob ich mehr ihren Geist, ihr Herz,
oder die schöne Harmonie beider bewundern
soll, Immermanns treuester Freundin vorgestellt
zu werden. Sie war Holsteinerin, wenigstens
dort erzogen, wir hatten durch unsere Familien¬
verhältnisse manche Berührungspunkte. Das
holsteinische Heimweh überkam uns beide, wir
plauderten in einem fort, ohne Immermann zu
berücksichtigen. Als mir dies endlich in den
Sinn kam, und sich das Gespräch abbrach,
mich gegen den Dichter entschuldigend, ver¬
setzte dieser lächelnd: „Wenn Holsteiner Zu¬
sammenkommen, so ist das Gespräch über ihr
Land, über ihre Heimat ein unsterbliches, wenn
aber zufällig das Gespräch auf die Rantzaus,
Reventlows und Brockdorfs kommt, so ist der
Knoten gar nicht zu durchhauen.“
„Wo der Grabbe wohl bleibt?“ bemerkte
Immermann nach einer Pause. „Ich hatte ihn
eingeladen, er äußerte auch den Wunsch, Sie
zu kennen, setzte aber hinzu, ohne dafür Gründe
1 Am 3. Aug. 1830 schreibt Grabbe an W. Menzel (IV, 290 f. bei Grisebach) : „Folgen eines zerschmetterten Armes,
Gicht, Biß eines tollen Hundes, der hoffentlich nicht schaden wird, weil Tollheit auf Tollheit wenig wirken kann. Blut¬
speien und Geschäftsdrang lassen mich nicht mehr und besser schreiben, als hier geschehen....“ Einen Tag später
schreibt er an Kettembeil (IV, 292): „Ich habe sehr viel zu tun, auch Gicht und Podagra dabei.“
2 Am 15. Januar 1831 an Menzel (IV, 301): „Die Gicht ist fort, aber Nervenschläge treffen mich doch noch alle
vier Wochen mit schauderhafter Kraft.“
3 Gemeint ist Henriette Meyer, die Grabbe im Frühjahr 1830 im Hause des Detmolder Kaufmanns Husemann
kennen lernte; im September 1831 verließ sie plötzlich Detmold und schrieb ihrem Bräutigam (von Stolzenau aus)
definitiv ab, weil sie sich anderweit verlobt hatte.
4 Am 20. Februar 1832 schreibt Grabbe (IV, 328): „Mittlerweile habe ich wieder eine mögliche Braut“; es war
die einzige Tochter des Archivrats Clostermeier, Luise Christiane (15. August 1791 bis 17. Oktober 1848). — Am 6. März 1833
wurden Grabbe und „Lucie“ Clostermeier kirchlich getraut; Grabbe war 32, seine Frau 42 Jahre alt.
5 Es kam auch wirklich nicht dazu.
6 Diese Datierung ergibt sich sehr einfach aus dem Briefe Grabbes an die Gräfin von Ahlefeld in Düsseldorf
vom 25. September 1835 (Grisebach IV, 485).
7 Über das Verhältnis Grabbes zu Immermann vgl. Grisebach IV, XLIX ff. und Adolf Stahr, Kleine Schriften
II. Bd., 1872 (über Immermann S. 94 ff.).
Ebstein, Ein Beitrag zu Chr. D. Grabbes Krankengeschichte.
489
anzuführen: ,Wenn ich Kobbe kennen lernen
soll, so muß dies durchaus in Uniform1 ge¬
schehen/ Sie können sich darauf etwas ein¬
bilden, denn er trägt seine Uniform, wie andere
Leute ihren Bratenrock, hauptsächlich bei für
ihn festlichen Gelegenheiten.2 — Er soll seinen
Abschied als Auditeur in Detmold von dem
gütigen Fürsten 3 mit den merkwürdigen Wor¬
ten schriftlich verlangt haben:
„Ich habe kein Fischblut und bitte um
meinen Abschied.“
Immermann ließ sich dann noch ein weiteres
über ihn aus. Erfüllt von seinem hohen Ta¬
lente, das Grabbe erst kürzlich in seinem
Hannibal 4 manifestiert, beklagt er dessen Hang
zur Crapule und zu einer geistig subordinierten
Gesellschaft, in der er Spott und Scherz nach
Herzenslust treiben konnte. „Ich rechne nicht
auf seinen Dank, obgleich ich wie ein Bruder
für ihn gesorgt habe. Grabbe ist gegen Tieck
undankbar gewesen, und wird es auch gegen
mich sein“, endete er.
„Die Tür ging auf“ — so fährt Kobbe fort
zu erzählen — „der uniformierte Ex-Auditeur
trat herein, einige Bücher in der Hand, mich
folgendermaßen anredend:
[Grabbel: Sind Sie Kobbe?
[Kobbe]: Der bin ich.
[Grabbe]: Theodor von Kobbe?
[Kobbe]: Auch der Vorname ist richtig.
[Grabbe]: Theodor von Kobbe, der mal an
mich geschrieben hat?5
[Kobbe]: Ja, dem Sie antworteten: „Die Zeit
und ihre Trompeter, die Poeten, haben etwas
krampfhaftes an sich — “
„Nun schenke ich Ihnen etwas. Hier sind
meine letzten Werke. Mein Hannibal ist, Gott
verdamm’ mich, nicht schlecht. Die Druck¬
fehler6 * habe ich alle selbst mit der Bleifeder
korrigiert.“
Mit diesen Worten überreichte er mir seinen
„Aschenbrödel“, ^ seinen „Hannibal“ und sein
„[Das] Theater zu Düsseldorf mit Rückblicken
auf die übrige deutsche Schaubühne“.8 9
Es sind falsche Gerüchte 9 über Immer¬
manns Benehmen gegen Grabbe in Umlauf
gebracht. Wer, wie ich, beide Poeten zu¬
sammengesehen, der wird eher Immermanns
Nachsicht gegen Grabbe bewundern, als den
krähwinkligen deutschen Vorurteilen, daß der
Landgerichtsrat den verabschiedeten Auditeur
über die Achsel angeschaut habe, — als etwas
für einen Immermann Unmöglichem den ge¬
ringsten Glauben schenken. Für Männer von
solchen geistigen Rangklassen können keine
Abstufungen in der bürgerlichen Welt, Maul¬
wurfshügeln vergleichbar, keine scheidende
Mauer werden. Immermanns Tisch und Biblio¬
thek standen Grabbe jederzeit zu Dienste, und
er hat gewiß noch mehr mit der linken für
ihn getan, wovon die rechte nichts weiß. —
Es hat wohl kaum ein anderer Dichter so
ganz entgegengesetzte Urteile erfahren, wie
Grabbe. Während Vischer ihn als „Schnaps¬
lump“ bezeichnet, versetzt Gutzkow ihn unter
die „Götter“.10 Und doch sind beide Männer
ohne allen Zweifel vorzügliche Kritiker, welche
eigentlich auf dasselbe Resultat, nicht aber auf
ein diametralisch entgegengesetztes Urteil11
kommen mußten. Vielleicht rührt dieser
1 Gemeint ist die Uniform, die Grabbe in seiner Stellung als Auditeur zu tragen pflegte.
2 Piper (a. a. 0. S. 39) sieht in dem Tragen der Auditeuruniform das Aufleben von Grabbes „Sucht nach dem
Auffallenden“. — 3 Damals Leopold Fürst zu Lippe (nach Grisebach IV, XL).
4 Hannibal erschien 1835 iQ Düsseldorf bei J. H. C. Schreiner. — Immermann nahm übrigens den stärksten Anteil
an Grabbes Hannibal (vgl. Werner Deetjen, Zu Grabbes Hannibal. Sonntagsbeilage zur Vossischen Zeitung 1902, Nr. 22,
S. 176, wo ein bisher ungedruckter Brief Immermanns an Grabbe vom 20. Februar 1835 abgedruckt ist. Daran schließt
sich unmittelbar an Brief Nr. 162 bei Grisebach [Bd. IV, 1. c.]).
5 Aus dieser Unterredung ist doch ersichtlich, daß das Gedächtnis Grabbes nicht so sehr gelitten hatte, wie Piper
(1. c. S. 41) bemerkt.
6 In der bereits erwähnten bei Schreiner erschienenen Ausgabe waren unter den „Berichtigungen“ sieben Druckfehler
verzeichnet. — 7 Dramatisches Mährchen von Grabbe. Düsseldorf bei J. H. C. Schreiner. 1835.
8 Düsseldorf bei J. H. C. Schreiner. 1835.
9 Vgl. A. Ploch, Grabbes Stellung in der deutschen Literatur. 1905. S. 32.
10 Gutzkow gab 1838 eine Sammlung von Kritiken unter dem Titel: „Götter, Helden, Don Quixote“ heraus. Die
Götter sind Shelley, Büchner und Grabbe, der auf S. 51 — 58 abgehandelt wird. Das Zitat von Fr. Th. Vischer konnte
mir selbst Prof. R. Vischer in Göttingen, dem ich an dieser Stelle bestens danke, nicht nachweisen.
11 Vgl. den lesenswerten Aufsatz R. M. Meyers über Grabbe in der „Nation“ vom 7. und 14. Dezember 1901, in
dem er demselben Gedanken Ausdruck verleiht.
490
Ebstein, Ein Beitrag zu Chr. D. Grabbes Krankengeschichte.
Kontrast daher, daß der eine den Poeten zu
subjektiv, der andere denselben zu objektiv auf¬
gefaßt hat.
Die Poesien Grabbes zeugen von einer
seltenen Phantasie, von einem gründlichen ge¬
schichtlichen Studium und sind in einem gro߬
artigen Stile angelegt. Nichtsdestoweniger
erfaßt alle seine Leser, je mehr sie sich in den
Dichter vertiefen, ein gewisses Mißbehagen, ja
einen Schmerz um den Sänger selbst, der sich
bei allen seinen Bekannten auf das Peinlichste
steigert. Eine tiefe edle weibliche Schöpfung
ist Grabbe, nach meinem geringen Ermessen
nie gelungen.1 2 3
Grabbe lebte und starb auf dem Stand¬
punkte der Ironie, * von wo aus er das Höchste
untergehen ließ und sich nur selbst genoß. Er
vertiefte sich nicht in den Ernst der sittlichen
Objektivität, und alle Götter, welche auf seinen
gewaltigen Ton erschienen, verschwanden auch
wieder bei irgend einer verzweifelnden ego¬
istischen Anwandlung auf seinen schrillenden
Ruf. Galt dies schon von seinen Schriften, so
zeigte sich dies noch mehr im täglichen Leben.
In das interessanteste Gespräch, in die be¬
geisternde Rede warf er oft, selbst in Gegen¬
wart der anständigsten Damen, fast wie dazu
geprickelt, irgend ein schmutziges Wort, über
das er dann, wenn es ihm verwiesen wurde,
nach einer höflichen Entschuldigung, fast wie
ein Wahnsinniger, der irgend ein Schelmen-
stück verübt hat, still zu lächeln pflegte. Der
Gedanke, daß alles Höchste leere und eitle Ein¬
bildung sei, zertrümmerte ihm die großen
kolossalen Gestalten, die im wunderbarsten
Kontraste mit der Zerstörung sein großer
poetischer Meißel fortwährend schuf.
Wir wurden jetzt 3 zum Tee gerufen,
welcher in einer Laube des Gartens serviert
wurde, zu welchem sich einige Familien Düssel¬
dorfs cingefunden hatten. WasGrabbehier sagte,
konnte meines Erachtens nicht den Anspruch
darauf machen, geistreich zu sein. Manche
Plattheiten wurden ihm von Immermann ver¬
wiesen, worauf er sich, wie oben angegeben,
benahm, und von Immermann sogar durch
Drohungen zum Schweigen gebracht werden
mußte. 4 5
Ohne mich mit einem Heiligenschein um¬
geben zu wollen“ — fahrt Kobbe fort, denn ich
folge seiner Schilderung getreu — „darf ich
behaupten, daß ich nie unanständige Reden in
Gesellschaften von Herren geduldet habe, in
Gegenwart von Damen bringen sie mich aber
vollends zur Verzweiflung. Sie haben mich
schon oft aus dem Theater gejagt, weil ich
bei dem Anblick junger Mädchen und anstän¬
diger Frauen, welchen man solchen Schmutz
zu bieten wagt, in ihrer Seele zu sehr erröte.
Ich mahnte daher Grabbe zum Aufbruch,
und ließ mich nicht länger halten. Er nahm
mich unter den Arm, oder ich vielmehr ihn,s
und wir wanderten der Stadt zu. —
In des geistreichen und edlen Dullers No¬
tizen über Grabbe zu dessen Hermannsschlacht,6
findet sich der ungeheure Vorwurf gegen
Grabbes Mutter, als habe diese Frau schon
das vierjährige Kind zum Branntweintrinken
1 Dasselbe betont O. Blumenthal in: Aus Grabbes Leidensgeschichte S. II. (Für Alle Wagen- und Menschen-
Klassen. Leipzig, E. J. Günther.)
2 Vgl. R. M. Meyer a. a. O. S. 155: „Grabbe ist ein Romantiker, bei dem die Ironie tötlicher Emst geworden ist.“
3 Das war also an demselben Tage, an dem Kobbe Grabbe kennen lernte: im September 1835.
4 Der Bericht über dieses Benehmen Grabbes ist ein sehr wertvoller Beitrag zu seiner Krankengeschichte. Weder
Immermann, Ziegler, Piper noch andere haben darüber irgend eine Notiz gebracht. — Ich zitiere hier nur den bei
Grisebach (IV, XXXVIII) abgedruckten Vers Grabbes:
Wer nicht Zoten reißen kann, Ist fürwahr kein Ehrenmann.
5 Bereits etwa im Dezember 1834 schreibt Immermann (1. c. S. 45 f.) von Grabbe : „Zuweilen kam er auch zu mir,
wenn die verdrossenen Füße ihm den Gang nach meiner entlegenen Wohnung erlauben wollten. Da gab es denn den
lächerlichsten Anblick. Weil er sich nämlich nie in den Weg finden lernte, so mußte ihn seine Magd jederzeit zu mir
begleiten. Auf diese Weise aber langte das Paar in meinem Garten an: Grabbe mit ernsthaftem Gesichte hinter der
Magd unsicher einherschreitend, die Magd aber ihr erröthendes Antlitz halb in der Schürze verborgen, sich schämend,
daß sie einen so großen Herrn bei Tage über die Straße führen müsse. — In derselben Zeit (Dezember 1834) schreibt
Immermann (1. c. S. 14) von Grabbe: „Hinterher Grabbe an meiner Seite mit hohen und wankenden Schritten das Pflaster
tretend,“ und ebenda S. 15: „Nichts stimmte in diesem Körper zusammen. Fein und zart — Hände und Füße von
solcher Kleinheit, daß sie mir wie unentwickelt vorkamen — regte er sich in eckichten, rohen und ungeschlachten Be¬
wegungen; die Arme wußten nicht, was die Hände thaten, Oberkörper und Füße standen nicht selten im Widerstreite.“
6 Die Hermannsschlacht. Drama von Grabbe. Grabbe’s Leben, von Eduard Duller. Düsseldorf bei J. H. C.
Schreiner. 1838. S. 7 f.
Ebstein, Ein Beitrag zu Chr. D. Grabbes Krankengeschichte.
491
verführt und auf diese Weise einen langsamen
Verwandtenmord begangen, — dadurch be¬
wahrheitet und begründet, daß Grabbe dies
selbst eingestanden habe. Es hat sich bis jetzt
kein Verteidiger für die hart angeklagte Mutter
erhoben,1 auch vermag ich nicht, den Gegen¬
beweis für sie zu übernehmen. Soviel aber
bleibt gewiß, daß Grabbes eigene Behauptung
keineswegs ein gültiges Zeugnis gibt. In apa¬
thischen Momenten zeugte seine Ironie oft
Kinder mit dem Lügengeist, die in späteren
Tagen für ihn unbezweifelte „Münchhausensche
Wahrheiten“ wurden.
Dahin gehörte auch eine Klage, die er wider
mich erhob. „O, ich Unglücklicher,“ rief er aus,
„denken Sie sich, meine Frau hält mir mein
ganzes Vermögen vor, von dem ich meine alte
Mutter ernähren muß!“
Grabbe sprach dies in einem so wahr¬
haftigen Tone, daß ich anfangs, darüber empört,
ihm meinen juristischen Rat aufdringen wollte,
den er übrigens mit einem : „Es hilft alles
nichts“ beantwortete.
Am andern Tage aber erfuhr ich von
Immermann, daß dies gerade eine fixe Idee
Grabbes sei, der an das Vermögen seiner Frau
überall keinen Anspruch habe, sich aber ein¬
bilde, daß es sein Eigentum sei.
Während dieser Reden hatte ich bemerkt,
daß Grabbe sehr blaß wurde und sich rück¬
wärts zu krümmen anfing. Berauscht war er
nicht, denn er hatte mehrere Stunden hindurch
nur etwa ein einziges Glas Wein, mit Wasser
vermischt, getrunken. Ich fragte ihn, er sei
doch nicht der verkappte Teufel, welcher, an¬
getan mit den vielen Westen seiner Gro߬
mama, zur Zeit der Hundstage, in der Sonne
erfriert, den er in irgend einer Erzählung2 3 4 5 so
köstlich geschildert hat. - Der Gedanke
beschäftigte ihn lebhaft, er überließ sich dem¬
selben ganz und gar, mir aber seinen Körper,
den ich mühsam und im Schweiß gebadet, vor
das Ratinger Tor brachte, wo ich ihn auf einen
Stuhl, der vor einer Honigkuchenbude stand,
sich ganz erschöpft niedersetzen ließ.
Ich konnte ihn aber so, in seiner Uniform,
nicht lange in conspectu omnium lassen, ich
bestellte daher eine Sänfte, da diese näher bei
zu haben war, als ein Wagen. Sehr häufig
muß nun freilich der Gebrauch einer Porte¬
chaise in Düsseldorf nicht sein, denn die ver-
gelbten Vorhänge konnten das Zusammen¬
gezogenwerden keineswegs ertragen, sondern
fielen bei der Berührung, wie manche im
Schutt von Herculanum und Pompeji ge¬
fundenen Figuren, zusammen. — Dies hatte die
schlimme Folge, daß die verwünschte Auditeur-
Uniform fortwährend aus dem Glaskasten
blinkte. —
Ein Heer von Gassenjungen begleitete die
Sänfte. — „Ein Offizier, der die Cholera 3 be¬
kommen hat“, hieß es allgemein. Der mensch¬
liche Mückenschwarm mehrte sich von Minute
zu Minute. — Da fiel mir die durchlauchtige
Prinzessin Medea ein, die dem sie verfolgenden
Vater, die einzelnen Glieder des Bruders vor¬
warf, um den frommen Aetes durch Aufsamm¬
lung der Gebeine von der richterlichen Nach¬
eile abzuhalten, ich zog den Geldbeutel aus der
Tasche und warf von dem steilen Düsseldorfer
Wall einen Silbergroschen nach dem andern
hinab. Nachdem ich so siebzehn geopfert, ge¬
lang es mir, daß der gute Grabbe ohne eine
sehr auffallende Suite in dem Weinhause 4
anlangte, wohin er nach seiner letzten Äußerung,
beim Eintritt in die Sänfte, gebracht zu werden
gewünscht hatte.
Grabbe wurde auf das Sofa gelegt, wo er
in einen halb totenähnlichen Zustand verfiel.
Mehrere seiner Bekannten, unter denen ich als
wohl den vorzüglichsten den ehrenwerten Doktor
Runkel , späteren Redakteur der Elberfelder
Zeitung, s nenne, fanden sich ein. Von der
Nachricht seines Todes erschreckt, eilte auch
1 Heinrich Heine führte in den „Memoiren“ die Verteidigung der Mutter (S. 103 u. 107 nach Grisebacli
IV, LVIII).
2 Ich wüßte nicht, was für eine „Erzählung“ von Grabbe gemeint sein sollte.
3 Bekanntlich dehnte sich die Cholera während der Jahre 1826 bis 1837 über den größten Teil der Erde aus;
im Jahre 1835 ist sie in Deutschland allerdings nicht aufgetreten — erst 1837 in geringer Verbreitung in Mittenwald
und München — , sondern hauptsächlich in Nord-Italien (A. Hirsch). — Auf die sogenannten „Choleraanfälle“ (vgl.
Grisebach IV, 480) Grabbes werde ich an anderer Stelle ausführlicher zurückkommen.
4 Das in der Rheinstraße in Düsseldorf gelegene „Weinhaus“ hieß „Zum Drachenfels“ und der Wirt Stange; in
der Wirtschaft hing später Grabbes Bild über dem Platze, wo er gesessen (vgl. Grisebach IV, LII).
5 Dr. Martin Runkel, vgl. E. Duller a. a. O. S. 73*
492
Ebstein, Ein Beitrag zu Chr. D. Grabbes Krankengeschichte,
der Verleger1 der noch nicht ausgeführten 2 * 4 5
Hermannsschlacht herbei.
Ich nahm während der Zeit das mir ge¬
schenkte „Aschenbrödel“ * zur Hand, blätterte
darin und teilte dem Doktor Runkel einige
Stellen mit.
Da ich dieses Gedicht ebensowohl wie den
Hannibal kannte, erlaubte ich mir, den letzteren
ein wenig auf Kosten der ersten zu loben, wie
denn Aschenbrödel eine unendlich viel geringere
Produktion ist als der Hannibal.
Jedoch kaum hatte Grabbe einen Tadel
vernommen, als er sich urplötzlich aufrichtete,
das Buch mir aus den Händen riß und zur
Verteidigung seiner Aschenbrödel dieselbe mit
lauter Lippischer Stimme 4 vorzulesen begann.
Mein Lächeln darüber, daß Grabbe so wenig
seine eignen Poesien vorzulesen verstand, schien
ihn fast zu erzürnen. Er meinte, es ging mir
wie Tieck und Immermann, welche ihn um
seine schöne Stimme beneideten. 5 Ich suchte
ihn mit dem Geständnis des eignen Unver¬
mögens im Vorlesen zu beruhigen. Am andern
Morgen war Grabbe ernstlich erkrankt. Seinem
Wunsche gemäß brachte ich die wenigen Tage
meines Aufenthalts in Düsseldorf größtenteils
vor seinem Bette zu, wohin Immermann, der
anderweitig sehr beschäftigt war, und den ich
nur selten sah, mich einige Male begleitete.
Grabbe, der während dieser Zeit nichts als
Wasser genoß, schien mir um vieles besinnlicher
als am ersten Tage. Zuweilen drang die Liebe
in sein Herz, - er ward dann weich und
nannte seine Bestimmung eine verfehlte; wollte
dann auch wohl mit herzlichem Händedruck
sagen, er sei in meiner Umgebung ein Anderer,
ein Besserer, ein Glücklicher geworden. Meine
Arbeiten6 7 versprach er durch einen besonderen
Aufsatz zu verherrlichen. Erst meine Hermanns¬
schlacht beendigen, 7 dann will ich eine Kritik
Ihrer Bücher schreiben,8 und dann sterben,
so lautete wiederholt seine Rede. — Ich be¬
merkte ihm lächelnd, daß es auf den Mittelsatz
in dieser Phrase nicht ankommc, daß meine
1 Der Buchhändler J. H. C. Schreiner; bei ihm erschien 1838 die „Hermannsschlacht“.
2 Am 25. September 1835 schreibt Grabbe der Gräfin Alilefeldt: „Die Hermannsschlacht ist fertig, ich feile nur
noch“. (Vgl. Grisebach IV, 420.) — 3 Vgl. Seite 489 Anmerkung 7.
4 Vgl. hierzu: F. Dingelstedt, Wanderbuch. Leipzig, 1839 (Eine Mitternacht in Lippe-Detmold), darin S. 87 — 94
Bemerkungen über Grabbe. Dingelstedt wollte hier einen Blick tun in die Stellung Grabbes zu seinen Landsleuten.
Dingelstedts Reisegefährte wollte die Geschichte, daß ihm der Auditeur Grabbe einen Militäreid, den er bei ihm zu
schwören gehabt hätte, in Unterhosen abgenommen habe, selbst erlebt haben. (Vgl. diese Erzählung bei Dingelstedt
mit der bei Ziegler.)
5 Vgl. Kobbe a. a. O. S. 1 1 : „Grabbe war dermalen einige Monate von Dresden zurückgekehrt, wo er, wie später
Tieck mir selbst erzählt hat, sich als einen vortrefflichen Schauspieler angekündigt hatte. Tieck war freilich nicht wenig
erstaunt, als er bei einer Leseprobe den abscheulichsten Lipper Dialekt, der sonst in Deutschland und namentlich hier
im Norden, hauptsächlich von den Ziegelbrennem gehört wird, vernommen hatte. Er hatte dann wenigstens von Tieck
verlangt, daß er seine starke, kräftige Stimme bewundern solle, dieser aber gelächelt, und da er ihn als Acteur nicht
empfehlen konnte, ihm wenigstens eine andere kleine Stelle verschafft.“
6 Ich nenne nur (vgl. auch Allg. Deutsche Biographie a. a. O.): „Die Schweden im Kloster zu Ütersen (1830)“,
„Humoristische Skizzen und Bilder (1831)“, „Die Leier des Meisters in den Händen des Jüngers (1826)“, „Reiseskizzen
aus Belgien und Frankreich (1835)“, „Wesernymphe (1831)“. — Um diese Arbeiten dürfte es sich vielleicht hier gehandelt
haben. Spätererschienen: „Briefe über Helgoland“ (1840), „Humoristische Erinnerungen aus meinem akademischen Leben
in Heidelberg und Kiel“ (2 Bändchen, 1840) [daraus S. (13 — 16) veröffentlichte ich in den Heidelberger Familienblättem
vom 13. Juli 1904 eine Notiz: Zu Goethes Aufenthalt in Heidelberg]. Aus den „Humoresken aus dem Philisterleben“
(2 Bändchen, Bremen 1841) schöpfte ich die Notizen über Grabbe.
7 Ende September 1835 war sie fertig, sie wurde aber von Grabbe oft umgearbeitet.
8 Sie ist meines Wissens nicht erschienen; jedenfalls kennt sie Grisebach nicht. Die einzige Stelle, wo Kobbe
bei Grabbe erwähnt wird, ist der bereits oben zitierte Brief Grabbes an die Gräfin von Ahlefeldt (Düsseldorf, den 25. Sep¬
tember 1835) [Grisebach IV, 485]. Er lautet:
Hochgeborene, Hochgeehrteste Frau Gräfin!
Kobbe’s Werke, welche anbei zurückerfolgen, will ich recensieren. Ich danke für die gütige Mitteilung. Der Kobbe
hat mir neulich auf dem Rückweg von Derendorf [ein Vorort im Norden von Düsseldorf], wo ich denn doch nur vor
altem Gram und alten Erinnerungen krank werden konnte, indem wir da nur Kaffee getrunken hatten, recht geholfen.
Immermann vermuthet’s immer schlimm, und meint, der Wein oder spirituosa thäten’s. Nein, mein böses spiri-
tuosum ist mein eigner Geist.
Die Hermannsschlacht, welche Sie erwähnen, ist gegen Hannibal ein Koloß. Sie ist fertig. Ich feile nur noch
sinke wohl auch an ihr nieder, wenn sie vollendet ist, — auf ewig.
(Ein Packet Bücher beian.)
Ebstein, Ein Beitrag zu Chr. D. Grabbes Krankengeschichte.
493
Werke keine Adresse an die Unsterblichkeit
hätten, daß er viel besser daran tue, anstatt
solche Allotria zu treiben, sein Bruchstück aus
Marius1 zu einem Ganzen zu vollenden, er
rief aber nicht ohne Grimasse: „Nur noch die
Hermannsschlacht, 2 3 4 5 dann will, dann muß ich
sterben. Ich bin unfähig zu ferneren Dich-
tungen.“
Ich sah ihn nicht wieder. Schon im folgen¬
den Jahre [am 12. September 1836] starb er
in Detmold. Ich fürchte aber nicht durch diese
kleine Erzählung, welche ich zur Steuer der
Wahrheit niedergeschrieben habe, mich bei
unsren Bekannten einer Lieblosigkeit gegen
einen Mann, der mir so viele Beweise von
Anhänglichkeit gegeben hat, wie er dies nach
seiner Individualität nur vermochte, schuldig
zu machen. Aber solche kleine Erlebnisse von
und mit großen Männern gehören der Ge¬
schichte an und sind nicht sorgsam genug
aufzusuchen. Hätten wir bessere Spezialge¬
schichten von einigen Ländern, wie viel besser
würde sich die allgemeine Weltgeschichte dabei
stehen.“
Damit endigen die Mitteilungen Kobbes über
Grabbe, und ich glaube, sie können einen kleinen
Beitrag liefern zu seinem Leben, seinem Cha¬
rakter und seiner Krankheit. Es wäre ver¬
messen, wollte ich in dieser kleinen Studie, die es
sich nur zur Aufgabe macht, einen bescheidenen
Beitrag zu Grabbes Krankengeschichte zu liefern,
annähernd versuchen, die Urteile zu be¬
leuchten, die Grabbe im Laufe der Zeiten bis
auf unsere Tage erfahren hat. Aber erinnern
muß ich an Heines Urteil über Grabbe, der
ihm in Berlin nahe getreten ist. Und wie fast
immer, wenn Heine einen Menschen kennen ge¬
lernt hat, findet sich bei ihm auch das treffendste
und geistreichste Wort über diesen.3 Heine 4
sagt, als er von ihm als demjenigen spricht,
der die meiste Verwandtschaft mit Shakespeare
habe: „Er hat dieselben Plötzlichkeiten, die¬
selben Naturlaute, womit uns Shakespeare er¬
schreckt, erschüttert, entzückt. Aber alle seine
Vorzüge sind verdunkelt durch eine Geschmack¬
losigkeit, einen Zynismus und eine Ausgelassen¬
heit, die das Tollste und Abscheulichste über¬
bieten, das je ein Gehirn zutage gefördert.
Es ist aber nicht Krankheit, etwa P'ieber oder
Blödsinn, was dergleichen hervorbrachte, sondern
eine geistige Intoxikation des Genies. Wie Plato
den Diogenes sehr treffend einen wahnsinnigen
Sokrates nannte, so könnte man unsren Grabbe
leider mit doppeltem Rechte einen betrunkenen
Shakespeare nennen.“ — „Glauben Sie mir,“
sagte einst ein naiver westfälischer Landsmann
Grabbes zu Heine, „der konnte viel vertragen
und wäre nicht gestorben, weil er trank, sondern
er trank, weil er sterben wollte; er starb durch
Selbsttrunk.“ Hierher gehört auch die Antwort,
die Immermanns denen gab, die Grabbe zuriefen:
„Wenn er nur gewollt hätte, er hätte schon
anders sein können“: „Er konnte gar nicht anders
sein, als er war, und dafür, daß er so war, hat
er genug gelitten.“ Mit einem gewissen Schau¬
dern liest man, wie Immermann 6 eines Morgens
in früher Stunde, da Grabbe sich keines Besuches
versah, auf einem Tische mehrere große Gläser,
angefüllt mit den stärksten geistigen Getränken
fand. Dabei glaubte Grabbe, daß er sich dieses
furchtbaren Reizmittels bedienen müsse, um
dem Physischen Spannung zu geben, um es
überhaupt nur noch zusammenzuhalten. Immer¬
mann sprach daraufhin mit einem Arzte über
1 „Marius und Sulla“ erschien im Druck in Band 1 der dramatischen Dichtungen von Grabbe. Frankfurt a. M. 1827.
2 Im August 1904 habe ich auf der Kgl. Hof- und Staatsbibliothek in München zwei Blätter (4 S. 40) von Grabbes
Hand aus der Hermannsschlacht eingesehen, die Grisebach offenbar unbekannt geblieben sind: diese Fassung weicht
von der bei Grisebach gegebenen stark ab. So sagt Amelang z. B. : „Jenes Weib ist seit zehn bis elf Jahren meine
Frau. Heut erfahr ich und kann leider beweisen, sie brach im ersten Monat unsrer Heirath die Ehe.“ — Andere
Stellen weichen vollständig ab. (Vgl. Grisebach III, 337.)
3 Vgl. Leo Berg, Zum hundertsten Geburtstage Christian Grabbes. (Sonntagsbeilage zur Vossischen Zeitung, 1901.
No. 49 und 50. [S. 385 f. und 394— 397-1)
4 Vgl. G. Karpeles, Heinrich Heine. Leipzig 1899. (Über Grabbe, S. 69—80.) „Grabbesmuse ! Shakespeare,
zum andermal geboren, wäre nochmal eben nochmal original Shakespeare ! Daß der große Britte, der Stern, nicht Irrlicht
geworden, fehlwandernde Camöne!“ S. 348 in „Hessisches Album für Literatur und Kunst“. Herausgegeben von Franz
Dingelstedt. Cassel 1838 (München, Hof- und Staatsbibliothek) in der interessanten Plauderei: „Die Musen. Aus den
noch ungedruckten Denkschriften der stillen Akademie. Von Ch. E. von Bentzel-Sternau.“ — Vgl. auch Wolfgang Menzel,
Geschichte der deutschen Dichtung. 3 Bände. Leipzig, 1858 — 1860.
5 Memorabilien. II. Band. Hamburg 1843, S. 61. — 6 1. c. S. 59-
494
Ebstein, Ein Beitrag zu Chr. D. Grabbes Krankengeschichte.
seinen Zustand und brachte Grabbe endlich
dahin, daß er wenigstens mit gelinderen Mitteln
sich hinhielt. Sein Körper war bereits so herab¬
gekommen, daß er gegen alle festen Speisen
einen unbeweglichen Widerwillen empfand 1 und
er sich fast nur mit Getränk ernähren mochte.
Vom Rum ist er also in dieser Zeit durch
Immermanns Bemühungen abgekommen; als
Kobbe den Dichter sah, trank er offenbar
häufiger Wein mit Wasser untermischt; in der
letzten Zeit in Detmold scheint er mehr Bier als
Wein getrunken zu haben. Bereits auf dem Gym¬
nasium soll Grabbe stark dem Alkohol gehuldigt
haben. Auch während der Zeit von 1822 an, als
Grabbe sich Gubitz durch Vermittlung von
Heinrich Heine und Karl Köchy nahte, wurde sein
glutdichterischer Geist leider fortdauernd ver¬
trauter mit der Trunksucht. Dies Unheil und
dessen Einwirken berührt er selbst wie unbewußt
in brieflichen Andeutungen, z. B. (nicht in der
Grisebachschen Ausgabe): „Ich bin Auditeur,
Advokat, Dichter, habe in allen drei Sachen
viel zu tun, lebe aber doch gern wüst und träge;
dabei die unruhige Natur, die mich keine zwei
Stunden schlafen läßt.“ — „Ich habe gestern
den Wagen zerschmettert, die Pferde fast zer¬
malmt, und liege heute krank!“ usw. „Ich mag
das Jammerbild in seinen Ausschweifungen“ —
fährt Gubitz2 fort — „nicht bis zur Vollständig¬
keit leibhaft schildern, bemerke nur noch, daß
ich ein paarmal von dem Schreckensanblick
und den Folgen dieser, den Manneswert selbst¬
mörderisch entwürdigenden Trunksucht er¬
schüttert worden bin.“
Diese Exzerpte sollen nichts weiter als
zeigen, wie sehr doch Grabbes Leben unter dem
Zeichen des Alkohols gestanden hat. Ich kann
hier nicht wieder des längeren auf die Fabel
eingehen, „wie eine rohe dämonische Mutter“ das
Kind an geistige Getränke gewöhnt habe. Ich
glaube, H. Margraff (Allg. Theater- Lexikon,
S. 89) hatte nicht Unrecht, wenn er bereits im
Jahre 1846 betonte: „Grabbe ist ein psycho¬
logisches, pathologisches und poetisches Phä¬
nomen, das meist einseitig entweder vollkommen
selig oder bis in den tiefsten Abgrund einer
wegwerfenden Kritik verdammt wird.“ Das war
zehn Jahre nach seinem Tode. „Mit der Zeit
wurde der ganze Grabbe zu einem pathologi¬
schen Präparat zugerichtet, als Warnung für
den Nachwuchs.“ So schrieb Dingelstedt in
seinem Wanderbuch vom Jahre 1877 (S. 343);
heute ist der dunkle Mythus einigermaßen auf¬
geklärt worden.
Grabbes Leben spiegelt sich sozusagen auch
in seiner persönlichen Erscheinung ab, im Porträt,
das, wie Dingelstedt (a. a. O. S. 345) bemerkt,
„einen wohlgebildeten, eher feinen als starken
Kopf zeigt, nur die Stirn unverhältnismäßig
hoch und breit gewölbt, an Shakespeare und
an Hebbel erinnert ; dazu aber kleine gekniffene
Gesichtszüge, scharfe Falten um Mund und
Augen, hervorspringende Backenknochen und
ein schwaches, zurücktretendes Kinn; die ganze
Physiognomie ohne Energie, unsicher im Aus¬
druck, erschlafft und verwelkt, nicht unter der
Hand des Alters, sondern infolge langsamer,
von innen kommender Auflösung . . .“
Das beste Porträt Grabbes scheint mir das¬
jenige zu sein, das Grisebach dem ersten Bande
seiner vierbändigen Ausgabe vorgesetzt hat, und
das der seltenen Zeitschrift „Rheinisches Odeon“
(Düsseldorf 1838) entnommen ist. Sein Kopf
macht auf ihn einen etwas hydroephalischen
Eindruck. Sein Äußeres hat Grabbe in der
letzten Szene von „Scherz, Satire, Ironie und
tiefere Bedeutung“ karikiert: „Das ist der ver¬
maledeite Grabbe, oder wie man ihn eigentlich
nennen sollte, die zwergichte Krabbe, der Ver¬
fasser dieses Stücks! Er ist so dumm wie ein
Kuhfuß, schimpft auf alle Schriftsteller und taugt
selber nichts, hat verrenkte Beine, schielende
Augen, und ein fades Afifengesicht !“ Auf der
Straße pflegte Grabbe meist jenes gelangweilte
verdrießliche Gesicht zu machen; begegnete ihm
dann ein Bekannter und fragte: wie geht’s, so
pflegte er zu antworten: „is sauer“ (Ziegler a.
a. O. S. 70).
Grabbes Äußeres führt uns auch dazu, einen
Blick auf seinen Gang zu werfen. Immermann
schreibt (Memorabilien II, S. 14) bei Gelegenheit
eines Umzuges, den Immermann mit Grabbe zu¬
sammen vollzog: „Voran der Karren mit dem
Koffer und Mantelsack, auf dem der Auditeur¬
degen, lose angebunden, hin und her schwankte;
hinterher Grabbe an meiner Seite mit hohen und
wankenden Schritten das Pflaster tretend 3
Griesebach betont a. a. O. (S. LIX), daß diese
Vgl. auch K. Ziegler, 1. c. S. 187; bis dahin hatte er noch keine ärztliche Hilfe aufgesucht,
a. a. O. S. 256 f. — 3 Vgl. Anmerkung 5 auf Seite 490.
Wh*?*»? 'in* a**4^^£* ^ ^c^tf '^/x, w.
Faksimile eines Blattes aus der Handschrift
von Grabbes „Hermannsschlacht“,
abweichend von dem Drucke von 1838.
JL
U-U-f* t/*~^j
tc -
Ebstein, Ein Beitrag zu Chr. D. Grabbes Krankengeschichte.
495
in den unteren Extremitäten auftretenden
Schwächezustände mit der Diagnose der Tabes
dorsalis durchaus stimmten. Daraufhin allein wird
man aber nach den heutigen modernen Anschau¬
ungen diese Diagnose nicht stellen dürfen. Aus
Immermanns Berichten scheint hervorzugehen,
daß Grabbe einen ataktischen Gang gehabt hat.
Nun haben aber nicht nur die Tabiker Ataxie,
sondern auch die mit einer Polyneuritis alcoho¬
lica behafteten Kranken können sehr ausgeprägte
ataktische Erscheinungen zeigen. Diese alkoho¬
lische Polyneuritis kann sogar der wahren Tabes
dorsalis, der grauen Degeneration der Hinter¬
stränge, täuschend ähnlich sein: es kann motori¬
sche Schwäche in solchem Maße bestehen, daß
die Patienten nicht einmal mit einem Stock
gehen oder stehen können; beim Versuche, mit
geschlossenen Augen zu stehen, schwanken sie
oder fallen um; die Muskulatur ist schlaff und
atrophisch; die Patellarreflexe sind erloschen;
die Pupillen reagieren träge auf Lichteinfall;
außerdem bestehen schwere Sensibilitäts¬
störungen. Doch ergeben dann schließlich das
Fehlen von Blasen- und Mastdarmstörungen
und nicht zum mindesten die rasche Besserung
nach Alkoholentziehung, daß es sich nur
um eine sogenannte Pseudotabes alcoholica
gehandelt hat.
Aus dem eben Mitgeteilten geht hervor,
daß durch die Annahme einer Polyneuritis al¬
coholica die Symptome, welche Grabbe dar¬
bot, — soweit dies überhaupt nach der immerhin
recht unvollständigen und von einem Laien ge¬
gebenen Krankheitsgeschichte möglich ist —
nicht nur in befriedigendererWeise erklärt werden
könnten als durch die Annahme einer Tabes
dorsalis, sondern daß auch die eine Polyneuritis
veranlassende Ursache in ausgiebigster Weise
vorhanden war. Denn Grabbe trank jede Art
von Alkohol, die ihm zu Gebote stand, und
sicher auch konzentrierte fuselreiche Spirituosen,
die erfahrungsgemäß dem Zustandekommen von
Neuritiden Vorschub leisten. Daraus erklärt sich
ferner, daß in Grabbes Leiden zeitweise Besse¬
rungen eintraten, wie wir solche bei der Alkohol¬
neuritis in den Perioden beobachten, in denen
der Alkoholgenuß spärlicher ist.
Daß Grabbe während des Verlaufs seiner
Krankheit Zittern (Ataxie) der Hände hatte, habe
ich nirgend erwähnt gefunden. Seine Handschrift
war bis in seine letzte Lebenszeit (vgl. die fak¬
similierte Beigabe aus der „Hermannsschlacht“,
die ich der großen Liebenswürdigkeit des Herrn
Theodor Apel verdanke, wofür ich ihm auch
an dieser Stelle meinen Dank ausspreche) fest,
klar und deutlich.
Übrigens ist mit dieser Neuritis nur eine
Seite der Krankheit Grabbes berührt; die andre
Seite betrifft die geistige Degeneration, die wohl
zum größten Teil auch auf Alkoholmißbrauch
zurückzuführen ist. Wir brauchen uns nur den
dritten Typus der Degenerierten anzusehen,
wie er von E. Mendel in seiner Studie „Geistes¬
krankheiten und Ehe“ (Sonderabdruck S. 5)
treffend geschildert wird. Danach gehört Grabbe
zu denen, die „durch ihr Auftreten in der
Gesellschaft, ihre absonderlichen Gewohnheiten,
ihre Bizarrerien, ihre eigentümlichen Auffassungen
und Ansichten, welche nicht selten mit Geschick
vorgetragen und verteidigt werden, während
sie den allgemein akzeptierten diametral ent¬
gegenstehen, im Volksmund als , Originale'
oder als , verrückte Genies' bezeichnet werden.“
Wer erblickt in dieser Charakteristik der
Degenerierten nicht ein getreues Konterfei des
unglücklichen Grabbe ? Wie sehr Grabbe de¬
generiert war, läßt nachstehende Mitteilung
erkennen, die ich Herrn Gymnasiallehrer
Wilhelm Osterhaus in Detmold verdanke. Er
schreibt: „Daß Grabbe sich oft sehr herab¬
würdigte, ist ein bekanntes Ding. Etwas überaus
Widerliches erzählte mir vorJahrzehnten ein alter
Rechtsanwalt in L. — Grabbe war geradezu
ein Sch. . . .! Mehrere junge Juristen, machten
wir einen Spaziergang auf dem Detmolder
Stadtbruche. Da es dämmerte, liefen Mäuse
hin und her. Plötzlich warf sich Grabbe auf
die Erde, haschte wie ein Kater nach den
Tieren, erhaschte eins und nahm es zwischen
die Zähne. Einer rief: , Trägst du es so zur
Stadt F'rankfurt hin, gebe ich so und so viel aus.'
— Grabbe gab sich auch hierzu her.“ —
Schließlich bin ich noch in der Lage, den
Konfirmationsvers Grabbes mitteilen zu können;1
er befindet sich in einem acht Druckseiten
starken Heftchen, das jetzt gerade der fürst¬
lichen Bibliothek in Detmold übergeben werden
soll. Es ist datiert vom 26. Mai 1816. Grabbes
1 Diese Mitteilung verdanke ich gleichfalls Herrn W. Österhaus ; das Büchelchen selbst fand sich im Nachlasse des
Herrn Th. Bruno.
Z. f. B. 1905/1906. 64
496
Ebstein, Ein Beitrag zu Chr. D. Grabbes Krankengeschichte.
Konfirmationsvers scheint nicht ohne Absicht
gewählt zu sein und lautet:
Erfülle mich mit wahrer Reu,
Wenn ich dich, Gott, betrübe;
Gib, daß ich alles Böse scheu;
Und stets das Gute liebe.
Laß mich doch nicht, Herr, meine Pflicht
Mit Vorschrift je verletzen,
Der Seele Heil, mein bester Teil,
Laß mich mit Würden schätzen.
Seit ich im September 1904 vorstehende
Mitteilungen niederschrieb, habe ich eine große
Menge von Notizen gesammelt, die ich des
Raummangels wegen auf das mindeste Maß
einschränken will und darf, da uns vor kurzem
Arthur Ploch in seinem Buche ., Grabbes Stellung
in der deutschen Literatur“, Leipzig 1905
(224 Seiten; der erste Teil des Buches erschien
unter dem Titel „Grabbe als Mensch und
Dichter“. Hallenser Dissertation 1904) mit einer
Arbeit beschenkt hat, für die wir ihm dank¬
bar sein müssen. Ich kann seine Auffassung
von Grabbes Persönlichkeit, die der Kobbeschen
Darstellung entspricht, im ganzen nur teilen.
Ich habe hier auch noch zu erwähnen, daß
inzwischen W. Deetjen unabhängig von mir in
der Sonntagsbeilage der „Vossischen Zeitung“
vom 13. November 1904 die Kobbeschen
Mitteilungen gebracht, d. h. nur einfach wie-
dargegeben hat, ohne sie mit kritischen ver¬
gleichenden Anmerkungen zu versehen, die uns
erst ihren Wert klar machen können.
Sowohl Deetjen als Ploch u. a. sind merkwür¬
digerweise Albert Elmenreichs „Erinnerungen an
Karl Immermann“ entgangen, die im „Deutschen
Wochenblatt“ (herausgegeben von H. Rippler
und Carl Busse), XII. Jahrgang, No. 1 und 2
(vom 6. und 13. Januar 1899) erschienen sind
und die einige recht bemerkenswerte Daten über
Grabbe enthalten; ferner zitiere ich noch
//. H. Houbeu, „Karl Immermann und das Düssel¬
dorfer Stadttheater“ (Die Rheinlande 1901. I,
No. 10); y. Wolter, „Immermanns Leitung
des Düsseldorfer Stadttheaters“ (Jahrbuch des
Düsseldorfer Geschichtsvereins, 1902, XVII,
S. 217 — 238) und die literarische Beilage des
„Staatsanzeigers für Württemberg“, Stuttgart,
Jahrgang 1876, S. 476 — 478, die eine Charakte¬
ristik des Dichters (ohne Unterschrift) enthält
Arthur Moeller van den Bruck hat in seinem
vor kurzem erschienenen Werke „Verirrte
Deutsche“ ebenfalls Grabbes als des „tragischsten
unter allen problematischen Naturen“ gedacht
(S. 95 — 11 3). Seine Betrachtungsweise hat uns
aber über den Dichter nichts Neues kennen
gelehrt
Über die Krankheit Grabbes haben sich in¬
zwischen mannigfache neue interessante Anhalts¬
punkte auffinden lassen, die es mit einer an
Gewißheit grenzenden Wahrscheinlichkeit sicher
machen, daß Grabbe wirklich an Tabes dorsalis
gelitten hat. Nachdem ich in den obigen Mit¬
teilungen nur einige differentialdiagnostische
Momente in Erwägung gezogen habe, behalte
ich mir vor, die weitere Begründung der Diag¬
nose und die Symptome der Krankheit aus¬
führlich in einer medizinischen Zeitschrift zu
geben. Daraus dürfte ersichtlich werden, wie
viel wir bei der Beurteilung Grabbes seinem
körperlichen Leiden Schuld geben müssen.
Exlibris von Bühnenangehörigen.
Von
K. E. Graf zu Leiningen- Westerburg in München.
uf Anregung von verschiedenen Seiten
hin bespreche ich hier ein Thema, das
sowohl in dieser Zeitschrift wie anderwärts
noch nicht berührt worden ist und das
manchem unsrer Leser neues bringen wird.
Daß wir bei Schauspieler-Exlibris nicht auf sehr
alte Blätter stoßen, ist einleuchtend; denn wer in
früheren Jahrhunderten als
Darsteller mit der Bühne
zu tun hatte, war meist nicht
in der pekuniären Lage,
sich ein Exlibris anschaffen
zu können; bei der un-
stäten Wanderlust früherer
Bühnen war auch die An¬
lage einer schwertranspor¬
tablen Büchersammlung
nicht möglich. Selbst heute
noch ist bei dem oftmaligen
Wechsel des Engagements
an größere Bibliotheken
und damit an Exlibris ver¬
hältnismäßig selten zu
denken, aber Ausnahmen
gibt es dennoch genug.
An darzustellenden Motiven
fehlt es bei allen Arten
von Bühnenkünstlern des
Schau- und Lustspiels, der
Oper, der Vortrags- und
Gesangskünstler usw. nicht;
außerdem allgemeinen Rüst¬
zeug wie Büchergruppen,
Tintenzeugen, Federn,
Studierlampen, Eulen, Lieb¬
lingstieren, Lieblingsblumen,
alpinen und anderen land¬
schaftlichen Anklängen fin¬
den wir auf den hier einschlägigen Exlibris beson¬
ders: Theatermasken, Geigen, Leier, Harfe, Flöte,
Rollenhefte, Bücher der Klassiker, Musikalien,
Büsten von Dichtern und Komponisten, Toten¬
schädel, Waffen, die Pritsche Harlekins, die Lärm¬
trommel, Genien, symbolische Idealgestalten, den
verdienten oder erstrebten Lorbeer; ferner An¬
deutungen auf bekanntere Szenen, bestimmte
Figuren aus klassischen und anderen Stücken,
Zitate, Verse aus berühmten Dramen, Melodien
aus Opern oder Liedern, eigene und fremde Verse
oder bedeutungsvolle Sinnsprüche — Material
genug, um immer wieder neue Gruppen zu
neuen Bibliothekzeichen zu ersinnen und sich zu
passenden Ideen anregen zu lassen. Das nach¬
stehende soll keineswegs eine lückenlose Liste
aller Exlibris von Bühnenangehörigen geben;
dazu fehlt Zeit und Raum. Aber die hier er¬
wähnten Blätter werden das Gesagte erläutern
und somit zum allgemeinen Verständnis genügen.
Erwähnt sei, daß — die nicht selten vorkommenden
— Exlibris von Bühnenschriftstellern, Komponisten
und Orchestermitgliedern im allgemeinen nicht mit
berücksichtigt wurden.
Deutsches Reich.
Das wohl älteste ein¬
schlägige Exlibris ist das
des Hofschauspielers und
Regisseurs Carl Fischer
in Darmstadt vom Jahre
1810, der 1853 starb. Das
hier abgebildete, reichlich
einfache Blatt, ein Kupfer¬
stich, zeigt eine Muse mit Stab
und Theatermaske (Abb. 7).
Wolf gang Quincke , Ober¬
regisseur, Frankfurt a. M.,
1901, von Bernhard Wenig-
Hanau : Vortragender
Schauspieler im Affekt mit
Buch vor zwei Lorbeer¬
bäumen (Abb. 10). Me¬
lanie Dorny , 1901 Schau¬
spielerin zu Nürnberg, von
Bernhard Wenig -Hanau:
Dornen (Anklang an den
Namen) umgeben schützend
eine Büchergruppe; mit dem
Spruch: „Wer mir was
stehlen will, den stech ich.“
Nelly Brodmann, Hofopern-
sängerin, Wiesbaden, 1898,
von Hermann Hirzel-Lodz:
Waldwiesen und Apollo¬
statue in stilisierten Blumen. Emil Gerhäuser ,
Kammersänger, München, 1896, von Fritz Erler-
München: nacktes Weib mit Harfe. Lise Linden ,
1901, Hofopernsängerin, München, von Sigmund
vonSuchodolski-Berlin : Lorbeerkranz, obenTheater-
maske, aus deren Rosenkrone ein Genius wächst.
Matthieu Lützenkirchen, Schauspieler, München 1897,
von Emil Orlik-(Prag)-Berlin: Buch, Maske, Eule.
Hermann Knispel, Hofschauspieler und Theater¬
historiker, Darmstadt 1899, vom Theatermaler
Kurt Kempin-Darmstadt: Totenschädel mit Lor¬
beer auf Büchern. Rudi Stehle , Hofschauspielerin,
Schwerin, hat zwei Exlibris, 1901, von Walter
Schulte vom Brühl-Wiesbaden: 1. Zimmer-Innen-
raum mit Bildern und Büchern. 2. Vers, Maske
und Blumen. Hedwig Lange (Baronin Wrangel),
Schauspielerin, Frankfurt a. M., hat drei Exlibris,
Abb. 1. Nach einer Radierung von Bruno Heroux.
498
zu Leiningen -Westerburg, Exlibris von Bühnenangehörigen.
Abb. 2. Unbekannter Zeichner.
davon zwei von Walter Schulte vom Brühl-Wies¬
baden: i. 1897, Buch mit Masken, um diese 12
Köpfe, die 12 Hauptrollen der Dame darstellen;
2. 1899, Vase mit Blumen; „lange“ Form des
Exlibris; 3. 1899, Radierung von Hofrat Moritz
von Weittenhiller-Wien: zwei Theatermasken, eine
Hand mit Veritas-Spiegel und Lorbeerzweigen.
Dr. Hermann Rauch, Direktor des Residenztheaters
in Wiesbaden, 1899, von Walter Schulte vom Brühl-
Wiesbaden: Buch mit Theatermasken, Eule, Flöten
und Lorbeerkranz. Marcella Sembrich ( - Stengel),
Konzertsängerin, Dresden, 1892, von Professor
Adolf M. Hildebrandt-Berlin: unter einem Sing¬
vogel (Nachtigall) und einer Melodie drei Wappen¬
schilde, Frankfurt a. M., Harfe und Leier; Lor¬
beer und Tuba. Paul Lindau , Theaterintendant
a. D., 1877, von Professor Emil Doepler d. J. -Berlin:
Schild mit Theatermaske und Feder nebst Spruch
„Tibi omnia“. Ein sogenanntes Universal-Exlibris
lieferte Otto Hupp -Schleißheim für alle, die mit
Musik in Verbindung stehen, also auch für Sänger:
Arion mit Harfe auf einem Seeungeheuer. Franz
Naval (Pogacnik), herzoglich sächsischer und
österreichischer Kammersänger, Berlin, 1905,
Radierung von Felix Malz -Berlin: Landschaft,
Veldeser See in Krain, seine Heimat, mit Dorf
und Bergen. Georg Altmann, Regisseur, München
1904, von Benno Berneis, Berlin: tragische Maske;
ihr Schatten bildet eine komische Maske (Abb. 4).
Franz Herterich , Schauspieler, Zürich, New York
1904, von Wilhelm Müller- München : Goethe als
Theaterdirektor, auf einen Säulenstumpf gestützt
(Abb. 5). Arthur Vollmer , Schauspieler, Berlin
1902, von Georg Winckelmann-Berlin: Shakespeare-
Porträt, Leier, Masken, oben Schrift und Eisenbahn,
Eule, Buch. Friedl Fester , russischer Hof¬
schauspieler, München 1903, von Max Kleiter-
Tutzing: Kopf (Maske), darüber Dolch mit Toten¬
schädel und Lorbeer; Idee: Fluch und Tod allem
Gemeinen. Georg Otto Koctiig, Hofschauspieler,
München, 1903 von Max Kleiter- Tutzing: Kopf
mit Schlangenornament aus dem Munde, hinten
Landschaft. Otto Falckenberg , einer der „Elf Scharf¬
richter“ und Schriftsteller, München, führt zwei
Exlibris: 1. 1901 von Willy Örtel- München :
nacktes Weib mit Harfe über altem Schiff; 2.
1901 von Wilhelm Lefebre- Paris: Halbfigur mit
Harfe. Alois Hofmann , stellvertretender Direktor
und Oberregisseur der Oper, Dortmund, 1902
vom Regierungsbauführer Rudolf Hofmann-Darm¬
stadt: in einem mit Theatermasken verzierten
Aufbau Altar mit Lyra und einem Lorbeermuster
(Abb. 8). Anton IVoworsky, Opernsänger, Berlin,
1898 von Josef Sattler-Straßburg: zwei Musiker in
einem Buche. Paul Hilden (- {-), Schauspieler, 1894
in Augsburg, von Clemens Kissel-Mainz: Weibliche
Idealfigur mit zwei Schilden einer Loge und der
Schlaraffia. Ludwig Heller , Schauspieler am
Schauspielhaus München, 1903 von Ferdinand
Goetz-München: in einem „H“ Eule, die ein Buch
trägt, unten altgeformter Schuh (Abb. 9). Robert
(und Aenny) Volkner , Schauspieler und Direktor
der vereinigten Leipziger Stadttheater, Leipzig, 1905,
Stich-Radierung von Bruno Heroux- Leipzig: männ¬
licher und weiblicher Akt, die Figuren der Schau¬
spielkunst und Malerei, reichen sich die Hand;
unten vor der männlichen Figur Maske, Schwert
und Lorbeerkranz (Abb. 1). Max Grube, Ober¬
regisseur, Berlin, 1898 von Franz Stassen-Berlin:
klassische Gestalt mit Maske, die tragische Muse
am Opferaltar; oben und unten Maskenköpfe;
hinten Gestalten der dramatischen Dichtkunst.
Siegfried Raabe, Oberregisseur und Direktor des
Schauspielhauses, München, 1905 von H. E.
(= Frau Hedwig Esslair): redendes Wappen mit
Rabe. Honrad Dreher, Hofschauspieler in München,
von Ernst Zimmermann -München -Bonn (Abb. 3):
Schalk streut aus seinem reichen Vorrat Blumen
unter das Publikum. Wilhelm Holtz , erster Lieb¬
haber vom Stadttheater zu Aschersleben, von
Lorenz Stumm -München: Hamletfigur. George
Fergusson, Opern- und Konzertsänger, Berlin, von
Georg Otto-Berlin: singender Bär (Spitzname) mit
schottischen Heimatanspielungen.
zu Leiningen -Westerburg, Exlibris von Bühnenangehörigen. 499
Kon ra5 Dreher
(Srlibriö i
Abb. 3. Zeichnung von Ernst Zimmermann.
Als teilweise hier einschlägig
sind die Exlibris zu nennen von:
Hermann Levi (f), Hofkapellmeister,
München, 1898 von Hans Thoma-
Karlsruhe: Jüngling mit Buch,
Schlange und Löwe. Ebenfalls von
Hans Thoma ist das Exlibris des
Kommerzienrats Adolf von Gross-
Bayreuth, 1896, des treuen Für¬
sorgers der Wagner-Festspiele : Jüng¬
ling, einen Drachen lenkend, Alle¬
gorie eines feierlichen Vorkomm¬
nisses. Anton Beer- Walbrunn , Lehrer
der Tonkunst-Akademie München
und Komponist der Oper „Don
Quixote“, 1905 Radierung von
Alois Kolb -Magdeburg: vorn der
Komponist am Harmonium, hinten
gewissermaßen als Vision Don
Quixote zu Pferd in Berglandschaft.
Siegfried Ochs , Dirigent des phil¬
harmonischen Chors, Berlin, 1899
von Frau Kathinka Ochs-Frank¬
furt a. M. : über einer Landschaft
dirigiert eine Hand mit Taktstock
singende Engelsköpfchen, die ein
Notensystem bilden. Dr. Ludwig
Weber , Dramaturg vom Stadttheater
und Schriftsteller, Leipzig; Radierung
von Bruno Heroux-Leipzig; die
Darstellung, Kain an einem Felsen,
nimmt Bezug auf das Hauptbühnen¬
werk Webers „Kain“, letzterer als
trotzig grübelnde Faustnatur auf-
gefaßt — keine Blustration zu diesem
Buch, sondern ein Versuch, Inhalt
und Stimmung des Werkes wieder¬
zugeben. Max Laurence , Berlin, 1900, von ihm:
Mädchen mit antiker Harfe. Josef Lauff, Major
a. D. und ehemaliger Dramaturg am Hoftheater
Wiesbaden, 1899 von Walter Schulte vom Brühl-
Wiesbaden: Bücher, Vase, Leier, Vogel Phantasus
und Blume der Romantik. Hans Heinz Ewers ,
früher beim Überbrettl, Berlin, besitzt drei Exlibris :
1. 1900 von John Jack Vrieslander-München:
Vase mit stilisierten Blumen, Tintenfaß, Feder,
Buch; 2. 1901 von Horst Schulze-Leipzig: Brust¬
bild eines alten Griechen mit Lanze; 3. Zeichner
mir unbekannt, 1904: Mädchen mit Puppe auf
einer Bank, auf der auch eine Schreibfeder, als
Mann gezeichnet, sitzt. Paul von Ebart, herzog¬
lich-sächsischer Hoftheater-Intendant, von Georg
Barloesius-Charlottenburg: Familienwappen, be¬
seitet von zwei aus Theatermasken entsprossenden
Lorbeerbäumen, die die Hoftheatergebäude von
Koburg und Gotha tragen (Abb. 11).
Österreich - Ungarn.
Josef Lewinsky, Hofburgtheater zu Wien, 1890
von J. Macket-Wien: in einer Nische unter dem
Namen ein Kissen mit den drei Ringen aus
Lessings Nathan dem Weisen, Kranz, Maske
und Lorbeerzweig; Hugo Thimig vom Hofburg¬
theater Wien, Oberregisseur, 1890, Radierung von
William Unger-Wien: Rollen, Theatermaske,
Bücher, Pritsche, Räuberhut (Abb. 6). „Z. MS,
von Emil Orlik-(Prag)-Berlin, 1898: Buch, zwei
Theatermasken und Monogramm „Z. MS. Fer¬
dinand Gregori, Hofburgschauspieler, Wien 1901,
von Theodor Johannsen-Tondern-Berlin: Shake¬
speare-Herme vor Gebüsch. Georg Reimers , Hof¬
burgschauspieler, Wien, 1902 von Architekt Karl
Graeber: oben St. Georg mit dem Drachen in
Eichenkranz, unten das Hofburgtheater zwischen
den Wappenschilden von Hamburg und Wien.
Caroline von G omperz- Bettel hei m, Kammersängerin
von der Hofoper Wien, 1901 von Mizi Schlesinger-
Wien: Lyra mit Lorbeer. Josef Kainz, k. k. Hof¬
schauspieler, Wien, 1903 von der Redaktion des
„Weltspiegels“ zu Berlin ihm überreicht, gezeichnet
von Max Hübener-Berlin : Mädchen hinter einer
großen Theatermaske; unten der Künstler- (richtiger
Maler-) Schild (Abb 12). — Ungarn. Joszef Hajdu,
Schauspieler in Ofen-Pest, von Tibor von Bottlick
in Fehertemplom: die Figur eines Deklamators.
500
zu Leiningen- Westerburg, Exlibris von Bühnenangehörigen.
Ferenc Doby , Schauspieler, Ofen- Pest, 1905
von Artur Lakatos-Ofen-Pest : vor einer Theater¬
bude Tod in Polischinell-Kostüm mit grober Lärm¬
trommel.
Frankreich.
Elisa Rachel gen. Felix, Schauspielerin der
Comedie fran^aise in Paris (geboren im Aar¬
gau 1820, -J- 1858): ein einfaches, schmuckloses
„R“ in ovaler Schleife, auf der die Worte ,,Tout
ou rien“ stehen. Faul Biussc de St. Victor , Paris,
Theaterkritiker und Schriftsteller, Generalinspektor
der schönen Künste (geboren 1825, J- 1881),
Stich von Stern-Paris: siegelförmig, in Um¬
schrift zwei antike Theatermasken. Alphonsc
Royer , Direktor der Opera, Inspektor der schönen
Künste, Paris, Stich von Stern-Paris, 1870: Mono¬
gramm „A. R.“, in runder Bandumschrift und qua¬
dratischer Rahme. Jules Clarctie , von der Comedie
fran^aise, Kunst- und Theaterkritiker, Schriftsteller,
Paris, 1899 von Max Esterle-(Paris)-Miinchen:
Weib mit Schwert; Clareties Sohn Georges hat
ebenfalls ein theatralisch angehauchtes Exlibris
von Max Esterle : weibliche Figur mit zwei Theater¬
masken.
Schweden.
Nils Personne , Schauspieler und Regisseur,
Stockholm: 1. Buch mit Spruch, Leier, Maske,
Gitarre, Narrenstab, Schwert, Lorbeer; 2. sprin¬
gendes Kind mit zwei Masken. Fredrik Nycander ,
Schauspieler, 1899 von Artur Sjögren-Stockholm:
Tempel in Hain, darunter Lyra, Tyrsusstab, Maske,
Panspfeife und Traube. Johannes Svatiberg , Schau¬
spieler, Stockholm: zwei Schildhalter im Kostüm
eines Edelmanns und eines Ritters in Rüstung
halten eine von einem „J“ (Johannes) umgebene
Tartsche, darin ein Schwan auf einem Berge
(,, redendes“ Wappen); oben zwei Theatermasken.
Ludwig Bergström, Zollbeamter und Dramen¬
sammler, der selbst auf Liebhabertheatern spielt:
Bühne mit ihm als Darsteller.
GEORG niTMnni
OittAlU/. Qi
Abb. 4. Zeichnung von Benno Berneis.
EX LI0RIS
FRANZ HER7ERICH
Abb. 5. Zeichnung von Wilhelm Müller.
England.
David Garrick , der berühmte Schauspieler
von Drury Lane und Covent- Garden, London
(geboren 1716, -J- 1779), von J. Wood-London,
1760: Rokokorahmen, geziert mit Rosen und
Lorbeer, darin „David Garrick“, oben Shakespeare¬
büste, unten Krone, Leier, Tuba, Zepter, Schwert,
links Maske, Rolle und Hanswurststab, rechts
Köcher, Bogen, Pansflöte ; unten der bekannte,
wiederholt angewandte Mahnspruch zur Bücher¬
rückgabe: „La premiere chose, qu’on doit faire,
quend on a emprunte un livre, c’est de le li(v)re,
ahn de pouvoir le rendre plustöt.“ Sir Henry
Irving , Schauspieler vom Lyceum-Theater, London
(-{- 1905): leicht heraldisch stilisierter Adler mit
Namensband; schwarz und rot (Abb. 2). Ellen
Terry , Schauspielerin, London, 1898 von ihrem
Sohn Gordon Craig-London: Ortsplan mit ihrem
Besitztum Tower Cottage in Winchelsea. Sir
Squire Bancrojt Bancrojt , Schauspieler und Theater¬
direktor, London: nur Yollwappen mit Schild,
Helm, Zimier und Helmdecken; unten Wappen¬
devise.
Amerika.
Lidu Glaser , Boston, Schauspielerin und große
Kinderfreundin, 1898, Radierung von Sidney
L. Smith-Boston : vorn Kind mit zwei Theater¬
masken, hinten Kind mit Lorbeerkranz, daneben
musizierende Kinder, oben eine Lyra in Strahlen¬
kranz. Francis Wilson, Schauspieler, New Ro-
chelle, Radierung: lesender Schalk in Bücherei.
J. Jefferson , Schauspieler, Boston, 1897 von C. A.
Walker-Boston: Theatervorhang mit Blick auf
Bühne und in Kulissen, darunter zwei Theater¬
masken, oben Shakespearebüste, Tintenfaß, Buch,
Schwert, Lorbeer, unten Porträts von Sheridan
Trommsdorff, Das Auskunftsbureau der deutschen Bibliotheken.
501
und Washington, Irving, sowie Jeffersons Auto¬
graph. Frederik IV. Bancroft, Sänger, Boston,
1899 von Rachel Robinson: Der Sänger im Grase
unter einem Baum, in der Mitte Melodie „Summer
is acoming in loudly sing cuck-oo“. Frank
Jeati Pool, Cleveland, Theaterblättersammler, 1902
von Thomas Tryon-New York: Lesender in römi¬
scher Tracht in einem Fensteroval.
Das Auskunftsbureau der deutschen Bibliotheken.
Von
Dr. Paul Trommsdorff in Berlind
[ährend Frankreich in der Bibliotheque
Nationale, England in der Bibliothek
des Britischen Museums und jetzt auch
die Vereinigten Staaten von Nord¬
amerika in der Kongreßbibliothek1 2 3 eine National-
und Zentralbibliothek besitzen, die die übrigen
Bibliotheken dieser Länder an Bedeutung weit
überragt, nimmt die Königliche Bibliothek in
Berlin trotz ihres Bestandes von 1 230000 Bänden,
mit dem sie sogar die Hof- und Staatsbibliothek
in München noch um eine Viertel Million Bände
übertrifft, eine ähnliche Stellung in Deutschland
nicht ein. 3 Dagegen hat Deutschland eine statt¬
liche Reihe selbständig erwachsener und nach
eigenen Gesichtspunkten gepflegter Büchersamm¬
lungen, deren Bestände sich gegenseitig ergänzen,
da jede Sammlung zahlreiche Werke besitzt, die
in den anderen Bibliotheken nicht zu finden sind.
Die fehlende Gesamtbibliothek muß daher bei uns
ersetzt werden durch das Zusammenwirken aller
einzelnen Bibliotheken. Das vollzieht sich bekannt¬
lich in der Weise, daß fast jede öffentliche Biblio¬
thek mit größter Bereitwilligkeit auch nach aus-
1 Bei der Zusammenstellung dieser Mitteilungen hat
mich Herr Oberbibliothekar Dr. R. Fick in jeder Weise
freundlich unterstützt.
2 Vgl. Herbert Putnarn , The Library of Congress as
a national library. The Library Journal, Vol. 30, No. 9.
Sept. 1905, S. 27—34.
3 Daß die Königliche Bibliothek in vielen Fächern
bedeutende Lücken aufweist, ist seit lange anerkannt. Der
wärmste Dank gebührt daher der Königlichen Staatsregierung^
daß sie zur Ausfüllung der Lücken in den Bücherbeständen
der Königlichen Bibliothek 350000 Mark in den Entwurf
des preußischen Staatshaushaltsetats für 1906 eingestellt hat.
4 Im Jahre 1904/5 verlieh z. B. die Königliche
Bibliothek in Berlin nach auswärts 22256 Druckschriften,
die_Landesbibliothek in Stuttgart 18591, die Kaiser-Wilhelm-
Bibliothek in Posen 8995, die Universitäts- und Landesbiblio¬
thek Straßburg 8530, die Universitätsbibliothek Göttingen
7586 Bände.
5 Seit dem Herbst 1904 hatte bereits die Geschäfts¬
stelle des Gesamtkatalogs über die in den preußischen
Bibliotheken vorhandenen Druckschriften Auskunft erteilt;
wärts Bücher verleiht.4 Bei dem Fehlen eines
gedruckten Gesamtkatalogs war es aber für jeden,
der ein bestimmtes, nicht überall erhältliches Buch
zu benutzen wünschte, bisher äußerst schwierig,
in Erfahrung zu bringen, in welcher Bibliothek es
zu finden ist. Dieser Übelstand ist jetzt beseitigt
worden durch die Begründung des Auskunfts-
bureaus der deutschen Bibliotheken, das bei der
Geschäftsstelle des Gesamtkatalogs der preußischen
Bibliotheken am 1. April vorigen Jahres ein¬
gerichtet worden ist.
Das Auskunftsbureau der deutschen Biblio¬
theken (Berlin W 64, Behrenstraße 70) hat die
Aufgabe, auf alle eingehenden Anfragen Aus¬
kunft darüber zu erteilen, ob und wo ein von
den Fragestellern gesuchtes Buch vorhanden ist.5
Exlibris von B ü h n e n a n g e h ö r i g e n.
Abb. 6. Nach einer Radierung von W. Unger.
502
Trommsdorff, Das Auskunftsbureau der deutschen Bibliotheken.
Exlibris von B üh n e n an g e h ö r i g e n.
Abb. 7. Unbekannter Zeichner.
Zur Mitwirkung bei dieser Auskunftserteilung haben
sich 288 deutsche Bibliotheken bereit erklärt; sie
sind im ,, Zentralblatt für Bibliothekswesen“ (Jg. 22,
1905, S. 196 und 374) und im vierten Jahr¬
gang des „Jahrbuchs der deutschen Bibliotheken“
(S. 124 ff.) aufgeführt. Fast alle öffentlichen
Bibliotheken von seiniger Bedeutung sind hier
vertreten, in erster Linie natürlich sämtliche
deutschen Universitätsbibliotheken und die meisten
Hof-, Landes- und Stadt-Bibliotheken. Ferner
haben sich die Bibliotheken vieler gelehrter
Gesellschaften und Vereine, wissenschaftlicher
Institute und staatlicher Behörden, darunter 51,
die ihren Sitz in Berlin haben, dem Unter¬
nehmen angeschlossen.* 1 Endlich sind 1 1 7 preu-
vgl. Jahrg. 8 dieser Zeitschrift S. 407/8 und 492. — Der
Gedanke, in Berlin eine Zentralstelle einzurichten für den
Nachweis gesuchter Druckschriften und zur Vermittelung
der direkten Versendung von Büchern aus einer Bibliothek
in eine andere, wurde schon vor dreißig Jahren von einem
Herrn Dr. Landgraff in Heidelberg in einem Briefe an
Mommsen ausgesprochen; vgl. Zentralblatt für Bibliotheks¬
wesen, Jahrg. 22, 1905, S. 323. — Eine ähnliche Einrich¬
tung, wie sie durch die Begründung des Auskunftsbureaus
für Deutschland geschaffen worden ist, wurde in Italien von
Desiderio Chilovi im Jahre 1S91 ins Leben gerufen; vgl.
L(6on) D(orez): Note sur la circulaire de recherches biblio -
graphiques employee par la bibliotheque Nationale de Flo-
rence. Revue des bibliotheques, T. 6, 1896, S. 140 ff.
1 Die meisten derjenigen Sonderbibliotheken, die nur
für die Mitglieder des betreffenden Instituts bestimmt sind,
haben sich in dankenswerter Weise bereit erklärt, die Be¬
nutzung eines nach Ausweis des Auskunftsbureaus sonst
nicht erhältlichen Buches auch anderen Personen zu ge¬
statten. Die Senckenbergische Bibliothek in Frankfurt a. M.
hat erst kürzlich — anscheinend infolge der Begründung
des Auskunftsbureaus — ihre Bibliotheksordnung dahin ge¬
ändert, daß gegen Bürgschein eines in Frankfurt wohnen¬
den Mitgliedes Bücher auch an Nichtmitglieder verliehen
werden dürfen. Hoffentlich werden bald noch andere
Spezialbibliotheken ihre Schätze weiteren Kreisen benutzbar
machen, insbesondere indem sie in Ausnahmefällen ein Buch
auch nach auswärts versenden.
bische höhere Lehranstalten mit umfangreichen
und älteren Beständen um ihre Mitwirkung gebeten
worden. Auberdem haben unaufgefordert mehrere
Besitzer von hervorragenden Privatbibliotheken
ihre Schätze zur Verfügung des Auskunftsbureaus
gestellt. Ihr Anerbieten ist mit besonderer Freude
und grobem Danke angenommen worden, da
solche auf bestimmte Gebiete beschränkten und
mit der ganzen Liebe des Besitzers gepflegten
Sammlungen oft wissenschaftlich wertvolle Bücher
enthalten, die in keine öffentliche Bibliothek ge¬
langt sind. Einer dieser Bibliophilen, Herr Pro¬
fessor Moriz Grolig in Wien, hat sich auberdem
erboten, nach Druckschriften, die sonst nicht auf¬
zufinden seien, Nachforschungen in den öster¬
reichischen Bibliotheken anzustellen. Da er seine
Bemühungen auf alle Universitäts- und Studien¬
bibliotheken , die Bibliotheken der technischen
Hochschulen, die Hofbibliothek in Wien, die Fidei-
kommibbibliothek, die Bibliotheken der Hoch¬
schule für Bodenkultur, der geologischen Reichs¬
anstalt und der Landesmuseen in Prag, Graz,
Brünn und Innsbruck ausgedehnt hat, so ist tat
sächlich durch seine Vermittelung der Anschlub
aller groben öffentlichen Bibliotheken Österreichs
erreicht worden. Es liegt nahe, zu wünschen,
Exlibris von Bühnenangehörigen.
Abb. 8. Zeichnung von R u d o 1 f H o fm an n.
Trommsdorff, Das Auskunftsbureau der deutschen Bibliotheken.
503
daß nun auch die schweizerischen Bibliotheken
an der Auskunftserteilung mitwirken möchten.
Wer ein Buch durch das Auskunftsbureau
suchen lassen will, hat den Titel und insbesondere
Ort und Erscheinungsjahr so genau als möglich
anzugeben, sonst wenigstens die Stelle, wo er das
Buch zitiert gefunden hat. Außerdem sind für
jedes gesuchte Buch zehn Pfennig in Freimarken
der deutschen Reichspost einzusenden.1 Dienst¬
liche Anfragen der mitwirkenden Bibliotheken sind
selbstverständlich gebührenfrei. Die Ermittelung
der Bibliothek, die im Besitz des Buches ist, ge¬
schieht dann auf folgende Weise. Es wird zunächst
festgestellt, ob das Buch in einer der großen
Staatsbibliotheken Preußens, der Königlichen Biblio¬
thek zu Berlin oder einer der zehn preußischen
Universitätsbibliotheken, vorhanden ist. Die Druck¬
schriften dieser elf Bibliotheken, mit vorläufiger
Übergehung der Universitäts- und Schulschriften,
Karten, Musikalien und der orientalischen Lite¬
ratur, werden bekanntlich in dem preußischen
Gesamtkatalog2 einheitlich verzeichnet. Gehört
nun ein Buch nicht gerade zu den vom Gesamt¬
katalog zunächst ausgeschlossenen Schriften, und
fällt das Ordnungswort des Titels in den bereits
fertig gestellten Teil des Katalogs, so läßt sich
durch einen Blick in diesen Katalog sofort die
Frage beantworten, ob eine der preußischen Biblio¬
theken das Buch besitzt. Bis jetzt ist freilich der
Gesamtkatalog nur für die Buchstaben A, B und
den Anfang von C, mit Ausnahme einiger noch
nicht völlig erledigten Abschnitte, vollendet; es ist
aber einleuchtend, wie sehr seine möglichst schnelle
Fortführung erwünscht ist, um immer mehr An¬
fragen aus dem Katalog direkt beantworten zu
können, für deren Erledigung jetzt noch das ziem¬
lich viel Mühe, Zeit und Kosten erfordernde um¬
ständliche Anfrageverfahren notwendig ist. Läßt
sich nämlich ein gesuchtes Buch durch den Gesamt¬
katalog noch nicht ermitteln, so wird zunächst
nachgesehen, ob die Königliche Bibliothek in Berlin
es besitzt. Ist es hier nicht und kann es auch
von der Verwaltung nicht umgehend erworben
werden, so prüft das Auskunftsbureau, ob der
von dem Fragesteller angegebene Titel richtig ist,
läßt dann den Titel auf Suchkarten hektographisch
vervielfältigen und sendet diese Karten an alle
preußischen Universitätsbibliotheken. Hat sich in
keiner dieser Anstalten das Buch auffinden lassen,
(ÜDW'C tttSküS
Exlibris von Bühnenangehörigen.
Abb. 9. Zeichnung von Ferdinand Goetz.
so wendet sich das Bureau nun erst an andere
deutsche Bibliotheken, in deren Besitz es am
ehesten vermutet werden kann. 3 Endlich werden
die Titel der Bücher, die sich auf diese Weise
noch nicht haben nachweisen lassen, sobald eine
genügende Zahl beisammen ist, in einer Suchliste
gedruckt, die allen beteiligten Bibliotheken zu¬
geht.
In den ersten neun Monaten, vom 1. April
bis zum 31. Dezember 1905, sind an das Aus¬
kunftsbureau 815 Schreiben gerichtet worden, durch
die 2270 Bücher gesucht wurden. Davon konnten
bis zum 31. Januar d. J. 1330 (= 59 Prozent)
aufgefunden werden, und zwar 778 oder 34 Pro¬
zent in den preußischen Staatsbibliotheken und
davon wieder 476 oder 61 Prozent (21 Prozent
1 In nachahmenswerter Weise kommt die Universitätsbibliothek Greifswald ihren Benutzern entgegen. Sie übermittelt
nämlich alle Anfragen kostenlos nach Berlin, indem sie die mit dem Vermerk „nicht vorhanden“ versehenen Bestell¬
zettel nebst der zugehörigen Gebühr ohne besonderes Begleitschreiben an das Auskunftsbureau sendet, wogegen dieses
die Interessenten direkt benachrichtigt.
2 Vgl. Fritz Milkau , Centralkataloge und Titeldrucke. Leipzig 1898 (20. Beiheft zum Centralblatt für Bibliotheks¬
wesen) und R. Fick , Der Preußische Gesamtkatalog (Preußische Jahrbücher, Bd. 118. 1904, S. 318 ff.)
3 Zahlreiche Bibliotheken haben dem Auskunftsbureau ihre gedruckten Bücherverzeichnisse als Geschenk überwiesen.
Diese Kataloge werden selbstverständlich, soweit es irgend zweckmäßig erscheint, zu Rate gezogen, bevor an die be¬
treffende Bibliothek eine Anfrage ergeht. Viele sind außerdem als bibliographische Hilfsmittel höchst wertvoll,
so daß sie bei den Nachforschungen des Auskunftsbureaus wie bei den Arbeiten am preußischen Gesamtkatalog oft be¬
nutzt werden.
Z. f. B. 1905/1906.
65
504
Trommsdorff, Das Anskunftsbureau der deutschen Bibliotheken.
von der Gesamtzahl) in der Berliner Königlichen
Bibliothek. Von den 302 Büchern, die hier
fehlen, aber in einer Universitätsbibliothek Preußens
vorhanden sind, wurden 88 in Göttingen nach¬
gewiesen, 62 in Breslau, 28 in Halle, 24 in
Bonn, 23 in Kiel, 22 in Marburg, 18 in Münster,
je 16 in Königsberg und Greifswald und 5 in
der Berliner Universitätsbibliothek. Bei diesen
Angaben ist aber jedes Buch, selbst wenn mehrere
Bibliotheken es besitzen, nur einmal gezählt
worden. Dasselbe gilt auch von den folgenden
Zahlen. Von den 552 Büchern, die nur in außer¬
preußischen Bibliotheken vorhanden sind, konnten
84 in der Hof- und Staatsbibliothek in München
festgestellt werden; 62 wies die Königliche Biblio¬
thek zu Dresden in ihren Beständen nach, 52 die
Universitäts- und Landesbibliothek in Straßburg,
27 die Hofbibliothek in Darmstadt, 26 die Mün¬
chener Universitätsbibliothek, 2 1 die Stadtbibliothek
Hamburg, 19 die Universitätsbibliothek Leipzig,
je 17 die Universitätsbibliothek Rostock und
die Landesbibliothek in Stuttgart, 16 die Heidel¬
berger, 13 die Jenaer, je 9 die Bamberger und
Tübinger Bibliothek. Je 8 Bücher wurden in
EXLIBRIS
Exlibris von Bühnenangehörigen.
Abb. io. Zeichnung von Bernhard Wenig.
den Universitätsbibliotheken Erlangen, Freiburg
und Würzburg und in der Kommerzbibliothek in
Hamburg nachgewiesen, je 7 in der Stadt¬
bibliothek zu Breslau, der Großherzoglichen Biblio¬
thek zu Weimar, der Universitätsbibliothek Wien
und der Wolfenbütteier Bibliothek. 6 Bücher
besaß die Universitätsbibliothek Gießen; je 5
entfielen auf die Landwirtschaftliche und die Tier¬
ärztliche Hochschule in Berlin, die Stadtbibliothek
Frankfurt, die Provinzialbibliothek Hannover und
die Landesbibliothek Kassel; je 4 fanden sich
in der Bibliothek der Technischen Hochschule
Berlin, der Senckenbergischen Bibliothek in Frank¬
furt a. M. und der Regierungsbibliothek zu Schwerin;
je 3 Bücher hatten die Bibliotheken des Kaiser¬
lichen Gesundheitsamts und des Kunstgewerbe-
Museums in Berlin, die Stadtbibliothek Braun¬
schweig, die Hof- und Landesbibliothek Karlsruhe,
die Kaiser-Wilhelm-Bibliothek in Posen und die
Stoibergische Bibliothek in Wernigerode. Je 2
Bücher endlich fanden sich in zwölf, je eins war
in zweiunddreißig verschiedenen Bibliotheken.
In wie vielen Exemplaren ein nachgewiesenes
Buch in der Gesamtheit der deutschen Bibliotheken
vorhanden ist, kann im allgemeinen nicht an¬
gegeben werden, da, sobald eine der befragten
Anstalten den Besitz gemeldet hat, nach wei¬
teren Exemplaren nicht geforscht wird. Nur von
den durch die Suchlisten ermittelten Büchern läßt
sich feststellen, wie viele sich in mehreren, und
wie viele sich in nur einer Sammlung finden, da
die hier aufgeführten Titel mit dem Bestand sämt¬
licher 288 Bibliotheken verglichen worden sind.
Nun sind bis zum 31. Dezember 1905 achtzehn
Suchlisten gedruckt worden, in denen 570 Bücher
verzeichnet sind. Hiervon konnten 84 aufgefunden
werden, darunter 63, die je eine einzige der
Benutzung zugängliche Bibliothek besitzt. Folgende
in nur eitlem Bibliotheksexemplar vorhandene Schriften
seien angeführt:
Ältere deutsche Schriften.
Wahrhaftige Beschreibung des jüngsten Gerichts im Thal
Josaphats. Gedr. im Jahr Christi. Nümb. [J. Görres, Die
teutschen Volksbücher. Heidelberg 1807. S. 257] : Graz U.-B.
Michael Placopoeus (Kuchenbecker) : Historica narratio
de laudatissimo Imp. Constantino, boni principis officium
continens, in honorem nuptiarum Joach. Friderici et sponsae
. . . Catharinae. Leipzig 1570: Kassel L.-B.
David Herlicius: Prodromus vel primum specimen ac
delineatio fastorum vel Calendarii historici Pomeranici
Erster Vortrab oder Muster des großen Pommerischen
Historischen Calenders. In alten Stettin in der Rhetischen
Druckerey (1617): Breslau U.-B.
Joh. Balthas. Schupp: Promus condus, revisus, auctus
et...Joh. a Berenklo, Suevo, inscriptus. o. O. 1650:
Weimar Gr. B.
Joachim Lütkemann: Epistelpredigten. Mit einer Vor¬
rede von Heinrich Müller in Rostock. Frankfurt u. Rostock
1668: Braunschweig St.-B.
Neuer und alter astronomischer und magischer Kunst-
und Wunder Calender hrsg. von Joh. Bellator [Krieger].
Auff d. J. 1697. Hamburg: Dartnstadt H.-B.
Trommsdorff, Das Auskunftsbureau der deutschen Bibliotheken.
505
Ältere französische Schriften.
Francois le Metel de Boisrobert: Le couronnement de
Darie, tragi-comedie. Paris 1642: Metz St.-B.
- : Theodore, reine de Hongrie, tragi-comedie. Paris
1658: Kassel L.-B.
Louis Hector de Villars: Mömoires. T. 1.2. Amsterdam:
Aux ddpens de la Compagnie 1735. T. 3. La Haye:
P. Gosse 1736: Breslau St.-B.
Voltaire: CEuvres diverses. Vol. 1. 5- Londres:
Nourse 1 746 : Bamberg K. B.
Alexander Pope: Essai sur l’homme. Trad. par Claude
Francois Xavier Millot. Paris 1762: Trier St.-B.
Deutsche Literatur von 1700 — 1800.
(Veramor:) Die deutsche Aventuriere 0. O. 1725:
Jena U.-B.
Der siebenbürgische Avanturier. (Langensalza I749-)
Frankfurt u. Leipzig 1750: Breslau St.-B.
Der curiöse Aventurier. Frankfurt 17 52 : Weimar Gr. B.
Die gaskonischen Avanturiers. Glogau 1769: Donau-
eschingen Fürstl. B.
Gespräche im Reiche der Todten zwischen Sim. Lord
Lovat u. Jac. Fiz-Roi. London 1748: Rudolstadt Fürstl. B.
Franz Joh. Dan. Tanck: Er soll Alexander heißen.
Bayreuth 1790: Hannover Prov.-B.
[Ludw. Schubart:] Libussa, Herzogin von Böhmen.
Leipzig 1791 : Neustrelitz Gr. B.
Nonne und Äbtissin im Wochenbette oder die Frucht
der Schwärmerey , eine Geschichte einzig in ihrer Art.
Vom Mann im grauen Rocke. Meißen 1797: Jena U.-B.
Alexander Pope : Philosophisches Lehrgedicht vom
Menschen. Aus d. Engl, von J. G. E. Schmidt, hrsg. von
F. G. Freytag. Leipzig 1756: Ba?nberg K. B.
[Joh. Wilh. Karl Adolph Frh. v. Hüpsch :] Beschreibung
eines Mittels . . . Feuersbrünste zu löschen. Köln 1777 :
Düsseldorf L.- u. St-B.
[Friedr. Eberh. v. Rochow:] Versuch eines Ent¬
wurfs zu einem deutschen Gesetzbuche nach christlichen
Grundsätzen zum Behuf einer besseren Rechtspflege.
1780: Wernigerode Stoib. B.
[ - :] Durch den ohnmaßgeblichen Grundriß
eines Planes zur Aufhelfung des Credits d. d. Berlin den
9. Martii veranlaßtes Gutachten. (2 Bog.) 40 : Wernige¬
rode Stoib. B.
Neuere deutsche Literatur.
Chr. Anton Moebius: Observationes criticae in lusus
Anacreonticos et Theocriti idyllia. Susati 1803: Stra߬
burg U. u. L.-B.
Karl Wilh. Brumbey: Bekehrungsgeschichte des
John Bunian. Berlin 1814: Berlin Mark. Mus.
Der Kettenträger. Neue unveränd. Ausg. 2 Bde.
Leipzig 1815: Braunschweig Leihb. v. C. E. Meyer sen.
(Friedrich Schleiermacher:) Zum Ehrengedächtnis
des . . . Herrn G. A. L. Hanstein, im Namen der Berlini¬
schen Kreissynode. Berlin 1821 : Bromberg Gymn.-B.
A. Cohnfeld: Die Wundererscheinungen des Vitalis¬
mus. Bremen 1853 (Die wandernden magnetisierten Tische
und die Klopfgeister. N. F. H. 1): Braunschweig St.-B .
F. W. Wedekind: Der amerikanisch-norddeutsche
Vertrag. Stuttgart 1868: Mainz St.-B.
Programm der Oberrealschule in Bielitz [Preuß.
Ober-Schlesien]. 1875: Wien U.-B.
Neuere französische, italienische und griechische
Literatur.
Le Publiciste. 1807. 1809. Paris: Stuttgart L.-B.
[Gotthilf Fischer v. Waldheim:] Notice des monu-
ments typograph. qui se trouvent dans la bibliotheque
du comte Razoumoffsky. Moscou 1810 : Hannover Prov.-B.
Gerard Labrunie de Nerval: Les Illuminüs , röcits
et portraits. Paris 1852: München H- u. St.-B.
Codes ögyptiens prdcedds du regiement d’organisation
judiciaire pour les proces mixtes en Egypte. Le Caire 1883:
Leipzig Reichsger.-B.
Octave Uzanne: Son Altesse la femme. Paris 1885:
Gr. Lichterfelde Priv.-B. des Herrn Kekule von Stradonitz.
Filippo de Filippi: Regno animale. Milano 1852:
Frankfurt a. M. Senckenb. B.
Carta litologica ed idrografica dei bacini dei fiumi
Fiora, Ombrone, Bruna, Peccora, Cornia, Cecina ed altri
minori. Maßst. 1:250000. Roma 1904: Berlin Kais.
Stat.-Amt.
A. Christidis: 'Apycua £\\r|VlKfi T^vaiKoXopia. Con-
stantinopel 1894: Freiburg U.-B.
Neuere englische Literatur.
Charles Hamilton Smith : Selections of the ancient cos-
tume of Great Britain and Ireland from the 7*h to the iöth
Century. London 1814 : Darmstadt H.-B.
The Athenaeum. Journal of literature, Science and the
fine arts for the year 1831. London 1831 : Kassel L.-B.
William Robson Arrowsmith: Shakespeare’s Editors
and Commentators. London 1865: Weimar B. der Shake¬
speare- Gese lisch .
David Masson: Wordsworth, Shelley, Keats and other
essays. London 1874: Bremeti St.-B.
Cooper Curtice : The animal parasites of sheep.
Washington 1890: Berlin Kais. Gesundheitsamt.
Notes on political economy from the colonial point
of view. By a New Zealand colonist. London 1897:
Freiburg U.-B.
George Paston [d. i. Miss E. M. Symonds]: Little
memoirs of the l8th Century. New York 1901 : Freiburg
U.-B.
Exlibris von Bühnenangehörigen.
Abb. 11. Zeichnung von Georg Barlösius.
5 o6
Trommsdorff, Das Auskunftsbureau der deutschen Bibliotheken.
Von den Werken, die nach dem Ergebnis der
Suchlisten in nur zwei Bibliotheken vorhanden sind,
nenne ich von älteren deutschen Schriften:
Franc. Köhne: Disp. Resp. Baltzers de Ratione Status.
Bremae 1 677: Berlin B. des Kammergerichts; Hannover
Prov.-B.
Neue Entrevue d. Gespräche im Reiche der Todten
zw. Eberhard Ludwig u. Carl Alexander. Frankfurt u.
Leipzig 1737: Karlsruhe H- u. L.-B.; Stuttgart L.-B.
Der schweizerische Avanturier. Frankfurt u. Erfurt
17 50: Kassel L.-B.; Weimar Gr. B.
Von ausländischen Werken waren beispielsweise
nur zweimal vorhanden:
Louis Hector de Villars: Mdmoires. London 1739:
Stuttgart L.-B.-, Tübingen U.-B.
Poinsinet: Tom Jones, comödie lyrique en 3 actes.
Paris 1765: Gotha Hzgl. B. ; Rostock
U.-B.
Pierre Jean Baptiste Choudard
Desforges: Tom Jones ä Londres.
Paris 1782: Darmstadt H.-B.; Gotha
Hzgl. B.
Honore Balzac: Le dernier
Chouan ou la Bretagne en 1800.
Paris 1829: Oldenburg Gr. B
Schwerin Reg.-B.
Nich. Barbon: A discourse
concerning coining the new money
lighter. London 1696: Oldenburg
Gr. B. ; Posen K.-W.-B.
James Dallaway: Inquiries into
the origin and progress of the
Science of heraldry in England.
Gloucester 1793: Darmstadt H.-B.;
Leipzig U.-B.
Von nachstehend verzeich-
neten Büchern ist es zwar
nicht ausgeschlossen, daß sie
noch eine andere deutsche
Bibliothek besitzt j doch sind
sie nur in einer mittleren,
kleineren oder Sonder-Biblio-
thek aufgefunden worden und
sind jedenfalls weder in einer
preußischen noch in einer der
übrigen größten Bibliotheken.
Guilelmus Saphonensis : Perutilis epistolandi modus.
Lipsiae: Arnoldus de Colonia 18. Juli 1493 [Hain 8223]:
Zwickau Ratsschul-B.
Paul Creusing, Gebeth um Behütung für Feuers-Noth
für die Jugend zu Belitz. Witteberg 1569: Wolfenbüttel
Hzgl. B.
Christ. Ockelius: Oratio in laudem Pomeraniae , illius
situm, incolas, magistratus . . . breviter describens. Stetini
1626: Danzig St.-B.
Johann Heermann: Christliche Taufif-Sermones . . . mit
einer Zugabe Geistlicher Poetischer Erquickstunden. Nürnberg
1656. Nürnberg St. Bd
Martin v. Cochem: Exempelbuch. Augsburg u. Dil¬
lingen 1700: Dillingen Kreis-B.
Anton Bernhard Thiele: Das Steinbartsche System der
reinen Philosophie geprüft. Küstrinl782: Neustrelitz Gr. B.
C. R. Termo [d. i. Rudolf Brommv]: Skizzen aus dem
Leben eines Seemanns. Meißen 1832: Schwerin Reg.-B.
Bei einigen der hier angeführten älteren
Schriften handelt es sich wohl um Seltenheiten
ersten Ranges. Jahrzehntelang mögen sie un¬
beachtet und verstaubt auf den Bücherbrettern
gestanden haben, bis sie durch die vereinten Nach¬
forschungen aller deutschen Bibliotheken ans Licht
gezogen wurden. Ist nicht die
Auffindung solcher Bücher, die
als verschollen gelten mußten,
fast auf eine Stufe zu stellen
mit der Entdeckung einer ver¬
loren geglaubten Handschrift?
Jetzt erst weiß der Biblio¬
thekar, daß der „alte
Schmöker“, den er bisher nur
als Ballast betrachtete, ein
Schatz ist, um den ihn andere
Bibliotheken beneiden werden,
und mit besonderer Befriedi¬
gung wird er das Buch dem
Gelehrten, der lange danach
gefahndet hatte, zur Benutzung
übergeben. Wie oft mag
jemand ein Werk, das er
weder auf buchhändlerischem
Wege noch in den ihm zu¬
nächst zugänglichen Biblio¬
theken hatte erhalten können,
in den verschiedensten aus¬
wärtigen Bibliotheken bestellt
haben, um schließlich nach
einer „unglaublichen Masse
nutzloser Schreiberei“1 2 und
verlorener Zeit auf die Benutzung des Werkes ver¬
zichten zu müssen. Die Vermutung, daß ein Buch
wegen seines Inhalts oder des Orts seines Er¬
scheinens in dieser oder jener Bibliothek vorhanden
sei, ist eben, namentlich für den mit den beson¬
deren Beständen der einzelnen Bibliotheken zu
wenig vertrauten Laien, sehr häufig unzutreffend.
Dazu kommt, daß auch Bücher aus der eine
Bibliothek speziell angehenden Literatur (Landes-
Exlibris von Bühnenangehörigen.
Abb. 12. Zeichnung von Max Hübener.
1 J. Mützell (Geistl. Lieder d. evang. Kirche aus d. 17. . . . Jh. Bd. 1. Braunschweig 1858, S. 149) erwähnt ein
Exemplar ohne die Zugabe im Besitz der Stadtbibliothek in Stralsund. Nach dem vollständigen Exemplar der Nürnberger
Stadtbibliothek hat Herr C. Hitzeroth in Marburg, wie er mir gütigst mitteilt, festgestellt, daß das den Tauff- Sermones
angefügte Werk ein Abdruck der ferneren Fortsetzung Poetischer Erquickstunden ist, die in demselben Jahre bei Endter
erschien (vgl. Mützell a. a. O. S. 163). Es liegt also eine buchhändlerische Zusammenstellung vor, die das Werk leichter
verkäuflich machen sollte. — In demselben Sammelbande der Nürnberger Bibliothek sind auch die Leichenpredigten auf
Heermann enthalten, darunter die Predigt von Holfeld Heermann, die älteste Quelle für das Leben Johann Heermanns.
2 Diesen Ausdruck gebrauchte Heinrich von Treitschke in seinem Aufsatz über die Königliche Bibliothek (in den
Preußischen Jahrbüchern, Bd. 53, 1884, S. 473 ff.), in welchem er für die Zentralisierung unserer Bibliothekskataloge eintrat.
Trommsdorff, Das Auskunftsbureau der deutschen Bibliotheken.
507
künde und ähnliches) durchaus nicht mit Sicher¬
heit in der betreffenden Bibliothek erwartet werden
dürfen, 1 dagegen durch Zufall in eine Bibliothek
gelangt sein können, an die der Betreffende nie
gedacht hätte. Die in Kassel 1542 erschienene
Schrift von Johann Byngel: Verantwortung einer
erdichteten , falschen und unwahrhaftigen Auflage,
so einer, genannt Hermann Schwan , dem . . .
Fürsten . . . Fhilipsen, Landgrafen zu Hessen ver-
messentlich unterstehet zuzumessen war weder in
den Bibliotheken von Gießen, Kassel, Darmstadt
und Marburg, noch in dem Staatsarchiv zu Mar¬
burg gefunden worden; dagegen besitzen sie von
43 deutschen Bibliotheken Weimar und Straßburg.
Das Buch von J. F. Roell: De abdicationibus et
renuntiationibus principum. Lugduni 1821 war
in Berlin (KB und UB), Bonn, Göttingen und Würz¬
burg schon gesucht worden; durch das Auskunfts¬
bureau wurde es in der Hofbibliothek zu Darm¬
stadt und der Universitätsbibliothek München nach¬
gewiesen. Die Agenda secundum ritum ecclesie
Swerinemis eorrecta. 1521 hatte ein Fragesteller
in Berlin, Bonn, Breslau, Dresden, Leipzig, Mün¬
chen und Posen nicht bekommen können; sie ist
im Besitz der Universitätsbibliothek Rostock.
Nach ( Horace Walpole) : Die Burg von Otranto.
Deutsch von F. L. W. Meyer. Berlin 1794 war in
den Bibliotheken von sieben Städten erfolglos
nachgefragt worden: das Buch fand sich in der
Hof- und Staatsbibliothek in München. Ein
Gießener Professor brauchte die in Frankfurt a. M.
im Jahre 1805 herausgekommene Zeitschrift Pano¬
rama der Zeit. Er konnte sie in Gießen nicht
bekommen und wandte sich daher an die Stadt¬
bibliothek zu Frankfurt. Auch hier ist die Zeit¬
schrift nicht vorhanden; dagegen ergab die An¬
frage des Auskunftsbureaus bei 22 Bibliotheken,
daß die Öffentliche Bibliothek in Bamberg sie
besitzt. Viel Mühe verwendete ein wissenschaft¬
liches Institut in Breslau, um einen Katalog der
Firma C. Ch. Heinr. Rost in Leipzig aus dem
Jahre 1786 zu erlangen. Es suchte den unter
dem Titel Anzeige aller Kunstwerke der Rostischen
Kunsthandlung in drei Abteilungen veröffentlichten
Katalog zunächst in der Universitätsbibliothek und
in der Stadtbibliothek zu Breslau, dann in der
Königlichen Bibliothek und in der Bibliothek des
Kupferstichkabinetts in Dresden und in der Uni¬
versitätsbibliothek, der Stadtbibliothek, der Biblio¬
thek der deutschen Gesellschaft und der des
Museums der bildenden Künste in Leipzig. Das
Auskunftsbureau brauchte nur bei den preußischen
Bibliotheken anzufragen, um zu erfahren, daß der
Katalog in Göttingen vorhanden ist.
Macht es nun oft schon große Schwierigkeiten,
ein in Deutschland erschienenes Buch ausfindig
zu machen, so weiß der Gelehrte, der ein seltenes
ausländisches Buch benutzen möchte, erst recht
nicht, an welche deutsche Bibliothek er sich wohl
wenden soll. Nach vergeblichem Nachfragen bei
einigen der größten Sammlungen versucht er da¬
her, das Buch in einer ausländischen Bibliothek
aufzutreiben, um es sich im glücklichsten Falle
mit erheblichen Unkosten von dort kommen zu
lassen, obwohl vielleicht eine deutsche Bibliothek
es ihm hätte zur Verfügung stellen können. Ein
bezeichnendes Beispiel für solche Art des Vor¬
gehens ist folgendes. Roman Woerner hat in den
„Germanistischen Abhandlungen, Hermann Paul zum
17. März 1902 dargebracht“ (Straßburg 1902,
S. 259 ff.) eine Untersuchung über „die älteste Maria
Stuart-Tragödie“ veröffentlicht. Dieses Stück, des
Adriani Roiderii Insulani Stuarta Tragoedia sive
Caedes Mariae Serenissimae Scot. Reginae in
Anglia perpetr ata. Duaci 1593 dürfte, wie er
meinte, nur wenigen — und auch ihnen nur dem
Titel nach — bekannt sein. Weder das Britische
Museum, noch die großen Bibliotheken Paris,
München, Berlin, Straßburg besäßen das Buch.
Das von ihm benutzte Exemplar gehöre zu den
Zimelien der Stadtbibliothek in Douai und sei nur
auf diplomatischem Wege erhältlich gewesen. Als
kürzlich das Auskunftsbureau um den Nachweis
dieses Buches ersucht wurde, konnte es durch
Anfrage bei 39 deutschen Bibliotheken in wenigen
Tagen feststellen, daß die Herzogliche Bibliothek
in Wolfenbüttel es besitzt.
Überblickt man die hier angeführten Bücher¬
titel, so mag man vielleicht die Empfindung haben,
daß die aufgewandte große Mühe doch wohl haupt¬
sächlich der Liebhaberei eines Bibliophilen oder
den entlegenen Studien eines Philologen, Histo¬
rikers usw. zugute komme. Daß dies nicht der
Fall ist, daß durch das Zusammenarbeiten der
Bibliotheken Arbeiten der allerverschiedensten Art,
auch medizinische und naturwissenschaftliche Unter¬
suchungen und rein praktische Zwecke, erheblich
gefördert werden können, zeigt die große Menge
der durch das Auskunftsbureau nachgewiesenen
modernen wissenschaftlichen und technischen Zeit¬
schriften. Aus der ins Unermeßliche wachsenden
Zahl von Zeitschriften, namentlich der für jedes
Sondergebiet jetzt begründeten Fachzeitschriften,
können die meisten deutschen Bibliotheken kaum
die wichtigsten inländischen halten. Von den aus¬
wärtigen vollends, insbesondere den Zeitschriften
aus dem Gebiet der exakten Wissenschaften, muß
sich fast jede Bibliothek auf die Anschaffung der
allerwichtigsten beschränken. Das Auskunftsbureau
wurde daher besonders häufig nach dem Fundorte
solcher Zeitschriften gefragt. Ein Chemiker in
München erbat z. B. den Nachweis von nicht
weniger als achtundzwanzig von ihm gesuchter
Periodika. Ich will hier einige wenige Zeit-
1 Die Schuld daran liegt, wenigstens so weit es sich um neuere Bücher handelt, an dem Mangel eines ganz
Deutschland umfassenden wirksamen Pflichtexemplargesetzes, durch das allein die Erhaltung der gesamten Literatur für
die Zukunft gesichert werden könnte.
5°8
Trommsdorff, Das Auskunftsbureau der deutschen Bibliotheken.
Schriften namhaft machen, die sich nach Ausweis
der Suchlisten größtenteils nur in einer einzigen
deutschen Bibliothek auffinden ließen.
Allgemeine Zeitschriften.
Hermann [Fortges. als: „Londoner Zeitung“.] Jg. 1859:
Mainz St.-B.
The Century. Illustrated monthly magazine. London,
New York. Yol. 45 (= N. S. Vol. 23). 1892/93: Hamburg
St.-B.
The World’s Work. Vol. 3. New York 1903: Wien U.-B.
Temple Bar. Vol. 2. London 1861 : Frankfurt a. M.
Rotschildsche B.
Naturwissenschaftliche Zeitschriften.
Journal of the Franklin Institute of the State of Penn¬
sylvania. Vol. 147. 148. Philadelphia. 1899: Straßburg
U.- u. L.-B.
Irish Naturalist. Vol. 5. Dublin 1896: Halle Leoßold.-
Carolin.-Akad.
Le Naturaliste (Forts, von: Petites Nouvelles entomo-
logiques). Annee 25. Paris 1903: Berlin Kais. Gesund¬
heitsamt.
National geographical magazine. Vol. 7. Washington
1896: Frankfurt a. M. Senckenb. B.
Annales d’dlectrobiologie. Vol. 3. Paris: Wien U.-B.
Revue internationale scientifique et populaire des falsi-
fications des denrees alimentaires. Annde I. Amster¬
dam 1887: Berlin Kais. Patentamt.
Medizinische Zeitschriften.
Presse medicale. Annee 1899. Paris: Jena U.-B.
Annee 1 900. 2. Sem. : Frankfurt a. M. Senckenb. B.
Albany medical annals. Vol. 22. Albany N. -Y.
Gießen U.-B.
The Journal of comparative medicine and veterinary
archives. 13. Philadelphia 1892: Berlin Tierärztl. Hoch¬
schule.
Oesterreichische Zeitschrift für Stomatologie. Tg. I.
1903: Halle Zahnklinik d. Univ.; Wien U.-B.
Mit Nachdruck sei endlich darauf hingewiesen,
daß dem Auskunftsbureau häufig ungenau oder
unvollständige Titelangaben eingesandt wurden,
die manchmal stundenlange Nachforschungen nötig
machen. 1 In einzelnen Fällen wurde erst durch
die speziellen Kenntnisse eines Kollegen an einer
auswärtigen Bibliothek eine ungenaue Angabe be¬
richtigt, und damit die Auffindung eines gesuchten
Buches ermöglicht. Mehrfach wurde z. B. nach
einem Werk unter dem Namen des Verfassers
vergeblich gesucht, bis sich schließlich ergab, daß
es anonym veröffentlicht worden war. So wurde
das in Münster i. W. bei Perrenow 1774 heraus¬
gekommene Lustspiel Die natürliche Tochter der
Angabe des Fragestellers zufolge, die durch Meusels
Gelehrtes Teutschland (Bd. 75, S. 592) bestätigt zu
sein schien, in allen anderen Bibliotheken unter
Matthias Sf rickmann gesucht, während die Bibliothek
der Landesschule Pforta mitteilte, daß der Autor
sich auf dem Titelblatt nicht nenne, und das Buch
dort vorhanden sei. Die von Karl Ernst Jarcke
verfaßte Schrift Die französische Revolution von
1830. Berlin 1831 , die auch in dem Neuen Ne¬
krolog der Deutschen (Jg. 30. 1852. Th. 2, S. 845)
nicht als anonym und noch dazu unter dem
Titel „Die Juliusrevolution in Frankreich (Berlin
1830)“ angeführt wird, wurde in der Königlichen
Bibliothek in Berlin noch gefunden, nachdem die
Universitätsbibliothek Göttingen darauf hingewiesen
hatte, daß sie anonym erschienen sei. Ein Beispiel
eines ganz ungenügenden Zitates ist folgendes. Es
wurde Auskunft über den Fundort eines Buches
erbeten, als dessen Titel angegeben wurde: „Be¬
gebnisse eines Vielgereisten. 1833“, mit dem
Hinzufügen, daß die Schrift so angeführt werde
in der Personalhistorisk Tidsskrift R. 4, Bd. 3. 1900.
S. 7, Anm. 3. Das in Leipzig in drei Büchern anonym
erschienene Werk hat aber den Titel: Schilderungen
und Begebnisse eines Vielgereisten, der ausruht , ist
von Johann IVit gen. von Dörring verfaßt und
z. B. im Besitz der Hof- und Staatsbibliothek in
München. Als nicht vorhanden wurde von allen
preußischen Bibliotheken ein Buch bezeichnet, das
unter dem Titel „De celeri et tardo naturae et
armonim“ mit Hinzufügung des Verfassemamens
„Gasparo Alessio Francesco Silesio“ in einem Briefe
des Ingenieurs Giovanni Pieroni an Galilei vom
19. 4. 1636 (Le opere di G. Galilei. T. 10. Fi¬
renze 1853, S. 152) erwähnt wird. Wiederum
gelang es aber der Göttinger Bibliothek, das Buch
bibliographisch nachzuweisen. Es handelt sich
um die bei A. de Bäcker (Bibliotheque de la
Comp, de Jesus. Nouv. ed. par C. Sommervogel
P. 1, T. 5. Bruxelles 1894, Sp. 1318) angeführte
Schrift : Fropositiones mathcmaticac de celeri et tardo
naturae et armorum, demonstrandae in .. . Uni-
versitate Pragensi a D. Gasparo Alexio Francq
nobili silesio Wartenbergensi, . . . Fraeside Theodoro
Moreto . . . 1633. Durch erneute Anfrage bei den
preußischen Universitätsbibliotheken ergab sich nun,
daß die Universitätsbibliothek Breslau die Schrift
besitzt. Solche Beispiele zeigen deutlich daß die
unendlich mühevolle Kleinarbeit, die täglich an
den Katalogen der Bibliotheken und vor allem
beim Gesamtkatalog in der peinlich genauen Auf¬
nahme jedes Titels und der bibliographischen Er¬
gänzung seiner wichtigsten Bestandteile geleistet
wird, nicht bloß „der Wissenschaft halber“ ge¬
schieht, sondern bisweilen einen recht greifbaren,
in Minuten oder Stunden gesparter Zeit zu berech¬
nenden Gewinn bringt.
1 Selbstverständlich trifft dieser Vorwurf nicht immer die Fragesteller, sondern noch häufiger die Verfasser der
Werke, denen die Titel der gesuchten Bücher entnommen sind. Der Übelstand wird übrigens in allen Bibliotheken
lebhaft empfunden. Es wäre daher sehr zu wünschen, daß namentlich die Studierenden mehr bibliographische Schulung
erführen. Das Beispiel des Professors L. Scherman in München, der Vorlesungen über „bibliographische Methodik als
Anleitung zu philologischen, insbesondere literarhistorischen Arbeiten“ hält, kann nicht dringend genug zur Nachahmung
empfohlen werden.
Trommsdorff, Das Auskunftsbureau der deutschen Bibliotheken.
509
Welche Dienste die vereinten Bemühungen des
Auskunftsbureaus und der deutschen Bibliotheken
der wissenschaftlichen Forschung schon geleistet
haben, ist schwer festzustellen, da Untersuchungen,
die erst mit Benutzung der auf diese Weise nach¬
gewiesenen Bücher zustande gekommen sind, noch
nicht vorliegen. Es liegt aber nahe, anzunehmen,
daß sich die Yermittelungstätigkeit des Bureaus
oft recht nützlich erwies, wenn man bedenkt, daß
manchen Gelehrten nicht nur der Fundort eines
einzelnen wichtigen Werkes, sondern aller oder
fast aller für eine bestimmte Arbeit erforderlichen
Bücher angegeben werden konnte. Einem Frage¬
steller, der mit einer Doktorarbeit über den
Cevennenkrieg beschäftigt war, konnten z. B.
binnen vier Wochen die zehn Bücher, die er in
Berlin nicht hatte bekommen können, in zehn ver¬
schiedenen anderen Bibliotheken nachgewiesen
werden , nämlich den Universitätsbibliotheken
Breslau, Göttingen, Halle, Kiel, Heidelberg, Leipzig,
Tübingen, der Breslauer Stadtbibliothek, der König¬
lichen Bibliothek in Dresden und der Hof- und
Staatsbibliothek in München. Für einen anderen
Gelehrten wurden die meisten der von ihm ge¬
suchten Aventurier-Geschichten aus der Mitte des
XVIII. Jahrhunderts in den Bibliotheken zu Berlin,
Breslau (StB), Donaueschingen, Erfurt, Jena, Kassel,
München (UB), Weimar und Würzburg ermittelt.
Ein Marburger Professor, der Auskunft über das
Vorhandensein einiger seltener, zum Teil wohl
durch die Zensur unterdrückter Zeitschriften aus
den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts
erbeten hatte, erhielt wenigstens die meisten der
gewünschten Jahrgänge in den Bibliotheken zu
Bonn, Breslau, Darmstadt, Frankfurt, München und
Würzburg nachgewiesen.
Daß die vermittelnde Tätigkeit des Auskunfts¬
bureaus nicht ohne Wert war, dürfte auch daraus
hervorgehen, daß viele Fragesteller sich zu wieder¬
holten Malen an das Bureau wandten, ja daß sich
mit manchen Anfragenden und besonders einigen
öffentlichen Anstalten ein ganz regelmäßiger Ver¬
kehr herausbildete. Für eine nutzbringende Tätig¬
keit spricht ferner der Umstand, daß immer mehr
Personen die Hilfe des Bureaus in Anspruch
nehmen. Denn während in den ersten drei
Monaten, von April bis Juni 1905, 239 Schreiben
mit der Bitte um den Nachweis gesuchter Bücher
an das Bureau gerichtet wurden, liefen von Ok¬
tober bis Dezember v. J. 357 solcher Gesuche
ein, und die Zahl der verlangten Bücher stieg in
der gleichen Zeit von 498 auf weit über das
Doppelte, nämlich auf 1125. Die Anfragen kamen
nicht nur aus allen Teilen Deutschlands, sondern
auch häufig aus dem Ausland, namentlich aus
Österreich (Brünn, Graz, Prag, Wien) und der
Schweiz (Neuchätel, Winterthur, Zürich), andere
aus Preßburg, Genua, Paris, Rennes, Brüssel,
Luxemburg, London, Lund, St. Petersburg, Wor-
cester (Mass.), Ponape (Ostkarolinen). Die meisten
Fragesteller gehörten den gelehrten Berufskreisen
an, und die überwiegende Zahl aller Werke der
älteren Literatur wurde offenbar für wissenschaft¬
liche Arbeiten gesucht; manche ältere Bücher
wurden zu Familienforschungen gebraucht, einige
auch, z. B. von Antiquaren, für geschäftliche Zwecke
verlangt. Bei den Anfragen nach neuerer Literatur
lagen noch manche andere, durchaus berechtigte
Beweggründe vor. So wünschte ein Fragesteller
in einer kleinen Stadt Posens ein sehr teures
modernes Werk zu entleihen, aus dem er sich
über die landwirtschaftlichen Verhältnisse in Süd¬
amerika unterrichten wollte. Ein Herr aus Mün¬
chen erbat mit möglichster Beschleunigung den
Nachweis eines neueren französischen Buches, das
in einer Patentangelegenheit, in welcher die Be¬
rufungsfrist bald abliefe, gebraucht werden sollte.
Außer diesem unmittelbaren Nutzen, den das
Auskunftsbureau durch Erfüllung seiner Aufgabe
leisten kann, erweist es auch den beteiligten Biblio¬
theken manche nicht zu unterschätzende Dienste.
Ich will hier nur einen andeuten. In jeder Biblio¬
thek wird bei Bestellungen von Büchern, die dort
fehlen, geprüft, ob die Bücher mit Recht in der
Bibliothek hätten erwartet werden dürfen, und es
wird erwogen, ob ihre nunmehrige Anschaffung
wünschenswert und möglich ist. Als wertvolle
Hilfsmittel zur Ermittelung der Lücken im Gesamt¬
bestand der deutschen Bibliotheken können daher
die Anfragen des Auskunftsbureaus betrachtet
werden, insbesondere die von dem Bureau ver¬
sandten Suchlisten, da aus der Aufnahme eines
Titels in diese Listen zu entnehmen ist, daß das
betreffende Buch in den dreißig bis fünfzig größten
oder nach ihren Beständen am ehesten in Betracht
kommenden Bibliotheken sich nicht befindet. Die
allergrößte Beachtung verdienen aber natürlich die
Bücher, die auch durch die Suchlisten sich nirgends
auftreiben ließen, und das sind leider außerordent¬
lich viele. Von den in den ersten achtzehn Such¬
listen verzeichneten Büchern konnten 486 oder
85 Prozent noch nicht nachgewiesen werden.
Neben neueren Werken und Zeitschriften, die noch
auf buchhändlerischem Wege erreichbar sind, und
neben ausländischen Büchern, die natürlich nur
in einer auf das literarisch und wissenschaftlich
Wertvollste beschränkten Auswahl in den deutschen
Bibliotheken vertreten sein können, befinden sich
recht viele Schriften der älteren und neueren
deutschen Literatur, die entweder im Buchhandel
schon vergriffen sind oder als Privatdrucke, Ver¬
einspublikationen, amtliche Druckschriften oder
andere für einen beschränkten Kreis gedruckte
Veröffentlichungen gar nicht in den Buchhandel
gelangten. Selbstverständlich werden alle Biblio¬
theken bemüht sein, von diesen Werken die zu
erlangen, die für sie besonders wichtig sind. So¬
weit es sich dabei um Bücher handelt, die beim
Sortimenter einfach bestellt zu werden brauchen,
entstehen Schwierigkeiten nur insofern, als die
Mittel wohl nirgends erlauben, alles zu kaufen,
was man für notwendig erachtet. Was aber die
5io
Trommsdorff, Das Auskunftsbureau der deutschen Bibliotheken.
bereits im Buchhandel vergriffenen Bücher und
die ältere Literatur anlangt, so wird jede Bibliothek
durch aufmerksame Beachtung des antiquarischen
Marktes und genaue Durchsicht der Auktionskataloge,
vielleicht auch durch Erbitten von Offerten dieses
oder jenes Werk zu erwerben suchen, sei es
auch zu einem verhältnismäßig hohen Preise,
damit es nur vor der Vernichtung gerettet wird.
Auch wird man immer die Hoffnung festhalten
müssen, daß durch Geschenk oder Vermächtnis,
die leider den deutschen Bibliotheken in weit
geringerer Zahl zuteil werden, als manchen aus¬
ländischen Schwesteranstalten, besonders in Nord¬
amerika, ein fehlendes Buch noch einmal in den
Besitz einer öffentlichen Bibliothek gelangt.1
Leider muß ich mir versagen, die wichtigsten der
in keiner deutschen Bibliothek befindlichen Werke
aufzuführen, da die Antiquare zweifellos die Gelegen¬
heit benutzen würden, was ihnen ja auch nicht
zu verdenken wäre, diese Bücher vorkommenden-
falls so im Preis heraufzusetzen, daß sie nur von
begeisterten Bibliophilen, doch nicht mit den im
allgemeinen bescheidenen Mitteln einer deutschen
öffentlichen Bibliothek gekauft werden könnten.
Das Auskunftsbureau aber wird bei dem Bemühen
der Bibliotheken, diese der allgemeinen Benutzung
noch nicht zugänglichen Werke anzuschaffen,
namentlich innerhalb Preußens, nützliche Dienste
leisten können, indem es auf eine zweckmäßige
Verteilung der Bücher auf die einzelnen Biblio¬
theken hinwirkt. Es würde auf diese Weise auch
verhindern können, daß solche kostspieligen älteren
wie neueren Werke, deren Vorhandensein auf einer
oder einigen wenigen Bibliotheken vollauf genügt,
mehrfach erworben werden.
Von großer Wichtigkeit ist endlich folgendes.
Die Herstellung des preußischen Gesamtkatalogs
ist ein Unternehmen von weitreichender Bedeutung;
die Schaffung eines deutschen Gesamtkatalogs würde
wertvoller sein.2 Das ist allgemein anerkannt, eine
Resolution der sechsten Versammlung deutscher
Bibliothekare gab im vorigen Jahre dieser Über¬
zeugung nachdrücklich Ausdruck. Durch die Tätig¬
keit des Auskunftsbureaus der deutschen Biblio¬
theken ist aber ein solcher Katalog in der Ent¬
stehung begriffen. Er wird gebildet durch die
alphabetisch geordneten Titel der von dem Aus¬
kunftsbureau gesuchten Bücher und hat zunächst
den Zweck, zu verhindern, daß ein bereits nach¬
gewiesenes Buch, nach dem zum zweiten oder
dritten Male gefragt wird, nochmals von dem Bureau
gesucht wird.
Ob und wie es möglich sein würde, diesen
jetzt planlos sich vergrößernden Katalog zu
einem umfassenden Gesamtkatalog der deutschen
Bibliotheken auszugestalten, soll hier nicht erörtert
werden. Vorläufig wird jedenfalls noch für lange
Zeit das Auskunftsbureau die Kenntnis der in den
deutschen Bibliotheken vorhandenen Bücherschätze
vermitteln müssen. Daß ihm die Möglichkeit ge¬
geben wurde, dieser Aufgabe gerecht zu werden,
verdankt es nächst der Initiative der preußischen
Unterrichtsverwaltung, dem bereitwilligen Ent¬
gegenkommen aller deutschen Bibliotheken, die
sich hier zum ersten Male zur Erreichung eines
bedeutenden Zieles einmütig zusammengeschlossen
haben. Die Arbeit, die von vielen dieser Biblio¬
theken durch die Erledigung der zahlreichen ihnen
beständig zugehenden Anfragen geleistet wird, ist
recht erheblich. Besonders wertvoll ist für das
Auskunftsbureau die ganz besondere Sorgfalt, mit
der manche Anstalten sich die bibliographische
Ermittelung der Bücher, die sie selbst nicht be¬
sitzen, angelegen sein lassen. Oft wurden von
einer solchen Bibliothek Angaben gemacht, die
schließlich doch noch zur Auffindung des Buches
in einer anderen Bibliothek führten oder für den
Fragesteller sonst von erheblichem Wert waren.
Der Gesamtheit der deutschen Bibliotheken also ge¬
bührt der Dank aller derer, die durch Vermittelung
des Auskunftsbureaus sich in ihren wissenschaft¬
lichen oder geschäftlichen Arbeiten gefördert sehen.
1 Es ist nicht zu erwarten, daß jeder Gelehrte oder Bücherfreund, der genötigt ist, sich von seiner mit großen
Kosten zusammengebrachten Bibliothek zu trennen, oder eine letzte Bestimmung darüber treffen will, seinen gesamten
Bücherbesitz einer öffentlichen Bibliothek als Geschenk überweist. Mit den vielen Dubletten, welche die Bibliotheken
durch den Empfang einer geschlossenen Sammlung zu erhalten pflegen, ist ihnen in der Regel auch wenig gedient. Es
wäre aber sehr erwünscht, wenn die Besitzer solcher Privatbibliotheken einer öffentlichen deutschen Bibliothek diejenigen
Bücher als Geschenk oder zu einem Vorzugspreis oder auch nur mit dem Vorkaufsrecht anbieten wollten, welche die
betreffende Bibliothek noch nicht besitzt.
2 Vgl. das Verzeichnis der in den preußischen Bibliotheken vertretenen Schriften von Ernst Moritz Arndt und seine
Ergänzung durch die in den anderen deutschen Bibliotheken vorhandenen Arndtdrucke. Zentralblatt für Bibliothekswesen
Jg. 21, 1904, S. 499 ff. und Jg. 22. 1905, S. 27 ff.
Chronik.
Der „Almanach du Bibliophile“ für 1903.
Es scheint Herrn Edouard Pelletan noch immer
nicht gelingen zu wollen, den Erscheinungstermin
seiner Almanache mit der Jahreszahl in Einklang
zu bringen, für welche sie bestimmt sind. So hinkt
auch der neueste sechste Band dieser sympathischen
Publikation wiederum um über zwei Jahre nach.
Bei dem nicht allzu aktuellen Inhalt der Almanache
hat die ständige Verspätung allerdings keine große
Bedeutung, aber die obligate Einschaltung des
Kalendariums erscheint alsdann rein formal und
anderseits läßt sich kaum verschweigen, daß z. B.
eine Besprechung der im Jahre 1902 erschienenen
Editions de luxe anno 1905 nur im bescheidenen
Maße interessieren kann. Größere Pünktlichkeit
dürfte daher im eigenen Interesse des Verlegers
ratsam sein.
Das Programm des letzten „Almanach du
Bibliophile“ weicht von dem seiner Vorgänger
ziemlich stark ab. Während für jene irgendein
Feld allgemeiner menschlicher Tätigkeit, so die
Arbeit, die Intelligenz, die Bodenkultur — vor¬
wiegend in bezug auf Frankreich — das Leitmotiv
bildete, beschäftigt sich dieser mit einem etno-
graphisch begrenzten Gebiet. Er ist der Stadt
Genf, als Freistätte menschlichen Geistes und freier
wissenschaftlicher Forschung gewidmet, in welcher
Eigenschaft die Stadt, trotz der öffentlichen Ver¬
brennung des Rousseauschen „Emile“, auch den
Bücherliebhabern teuer sein muß. Wie Herr
Pelletan ankündigt, sollen auch die künftigen Jahr¬
gänge des „Almanach“ eine ähnliche etno-
graphische Note anschlagen und der Reihe nach
Paris, die Normandie, Spanien, das Land Shake¬
speares usw. behandeln, für die als Illustratoren
Bejot, Huard, Lunois und Laulan bereits fixiert
sind. Warum gerade mit Genf der Anfang ge¬
macht wurde, erklärt der Verleger nicht; wollte er
vielleicht auf diese Weise der Gruppe schweizerisch¬
französischer Künstler — Steinlen, Grosset, Dunki,
Florian — , denen das Verlagshaus so vieles
verdankt, eine Aufmerksamkeit erweisen? —
Trotz des neuen Programms ist die Text¬
einteilung und äußere Ausstattung des Bandes die
Z. f. B. 1905/1906.
gleiche wie früher geblieben. Der Text umfaßt,
wie gewohnt, zwölf der Monatszahl entsprechende
Aufsätze. Nach einer pathetischen, „Geneve, terre
de liberte!“ betitelten Einleitung aus der Feder
Jules Clareties erweckt Anatole France die Er¬
innerung an die berühmte „Escalade“ (1 1. Dezember
1602), die heldenhafte Verteidigung der Republik
Genf gegen das Heer Karls Emanuel von Savoyen ;
Henry Fazy entwirft eine kurzgefaßte Geschichte
Genfs, und Paul Hyacinte Loyson widmet einen
warm geschriebenen eigenartigen Essay dem be¬
deutenden Hugenotten Agrippa d’Aubigne , der
ALMANACH DU
BIBLIOPHILE
SIXI EME ANNEE8®»
tDITIONS D ART. feDOUARD PELLETAN. iij. BOULEVARD SAINT-GERMA1N. PARIS
66
512
Chronik.
am Lemansee eine zweite Heimat gefunden hatte.
Es folgen alsdann erschöpfende Aufsätze über die
öffentlichen und privaten Kunstsammlungen Gents
(Jules Crosnier), seine Bibliotheken (Alfred Cartier),
sowie die lange Reihe von Gelehrten, die es
im Laufe der letzten beiden Jahrhunderte hervor¬
gebracht hat (Emile Yung). In das Gebiet der
historischen Novelle fallen die Beiträge Jerome und
Jean Tharands ,,Les freres ennemis“, sowie Charles
Bourgeauds „Visite de Bonaparte au College de
Calvin“, die den allgemeinen Teil des Almanachs
beschlieben. Der rein bibliophile Teil besteht
aus der gewohnten Übersicht der editions de
bibliophiles, welche die scharfe und kundige Feder
Clement-Jonins verdienter Weise Spießruten laufen
läßt, einem Rückblick desselben Verfassers auf
die allerdings bereits etwas vergessene Holzschnitt-
Ausstellung in der Pariser Ecole des Beaux-Arts
1902 und dem obligaten Bericht über die Bücher¬
auktionen des gleichen Jahres.
Wie aus der Inhaltsangabe ersichtlich, ist
die Bedeutung der Stadt Genf von vielseitigen
Gesichtspunkten gewürdigt worden ; umsomehr ist
man verwundert, daß ihre Kunst mit keinem Worte
erwähnt ist, obgleich ja gerade vor nicht langer
Zeit eine diesbezügliche Monographie Baud-Bovys
erschienen ist. Noch unverzeihlicher für ein speziell
bibliophiles Jahrbuch erscheint uns das Fehlen
jedweder Auskunft über moderne Buchdruckkunst
in Genf und der französischen Schweiz überhaupt.
Über das Buchgewerbe der letztem ist ja, falls wir
nicht irren, bisher sehr wenig geschrieben worden;
umso dankbarer wäre die Aufgabe, die im ge¬
gebenen Falle gradezu notwendig war.
Die künstlerische Ausstattung des Bandes hat
der Genfer Zeichner L. Dunki übernommen,
der für den gleichen Verlag bereits früher
Hegesippe Moreaus „Petites contes ä ma soeur“
und die beiden Bände von Alfred de Vignys
„Servitude et grandeur militaires“ prächtig illustriert
hat. Sein Buchschmuck, von Perrichon vorzüglich
in Holz geschnitten, hält sich, wie schon bemerkt,
im traditionellen Rahmen der früheren Pelletanschen
Almanache und besteht aus einem farbigen Um¬
schlag, vier hors-textes, zwölf halbseitigen Zeich¬
nungen für die Kalenderblätter und der gleichen
Anzahl von Schlußvignetten für jeden Aufsatz, so¬
wie einer ganzen Reihe kleiner Porträts, die in
der Art von Initialen die Kapitelanfänge zieren.
L. Dunki ist zweifellos ein ausgezeichneter
Illustrator, der sich mehr an die ältere zeich¬
nerische als an die modern-stilistische Manier
hält, ohne jedoch dabei auf dekorative Wirkung
zu verzichten. Er ist ein trefflicher Zeichner, ver¬
steht den Charakter einer historischen Epoche
entsprechend zu erfassen und einen geschichtlichen
Vorgang in lebendiger Weise plastisch darzustellen.
Aber er ist keine starke künstlerische Individua¬
lität, besitzt keine packende Eigenart und man
würde bei ihm vergeblich den bezwingenden Ernst
und die unbestechliche Treue des historischen
Moments suchen, die einem Menzel eigen sind.
Am meisten erinnert er wohl an den verstorbenen
Daniel Vierge, mit dem er die Vorliebe für das
Pittoresque und Malerische in der Illustration ge¬
mein zu haben scheint. Sämtliche Zeichnungen
im Almanach behandeln Motive aus der Geschichte
Genfs im XVI. und XVII. Jahrhundert und ge¬
hören im großen und ganzen zu jener Sorte
wirklich guter, künstlerischer Buchillustration, die
zwar auf den ersten Blick nicht gefangen nimmt,
aber stets den Beifall des künstlerisch gebildeten
Lesers finden wird. Ganz reizend und wohl das
Wirkungsvollste im ganzen Buch sind die bereits
erwähnten, einige Zentimeter großen dekorativen
Porträts historischer, mit der Geschichte Genfs
verbundener Persönlichkeiten, die, geschmack¬
voll in den Text eingerückt, oft die ganze Seite
beleben. Ein schwerer Vorwurf kann jedoch dem
Buchschmuck des Almanachs nicht erspart bleiben —
der geringe Zusammenhang zwischen einem großen
Teil des Texts und den Illustrationen. Während
im Text die verschiedenen Seiten des Genfer
Lebens in ihrer historischen Entwicklung beleuchtet
werden, gibt Dunki ausschließlich Szenen aus den
Kriegs- und Religionskämpfen der Republik,
die häufig direkt Dissonanzen zu den be¬
treffenden Aufsätzen bilden und jedenfalls in gar
keiner Beziehung zu dem besprochenen Thema
stehen. Was haben Bücherauktionen mit am
Galgen baumelnder Menschen, was die Genfer
Gelehrten mit Lesdiguieres gemein? Selbst die
Porträts, so effektvoll sie rein künstlerisch sind,
sind willkürlich mit dem Text in Verbindung ge¬
bracht, so z. B. Philipp II. beim Aufsatz über die
Genfer Kunstsammlungen.
Diese mangelnde innere Harmonie des neuesten
„Almanach du Bibliophile“ dürfte wohl weniger
der Künstler als hauptsächlich der Verleger und
Herausgeber verschuldet haben. Ja, man hat
sogar direkt den Eindruck, daß die Zeichnungen
Dunkis für etwas ganz anderes, etwa einen
historischen Roman, bestimmt waren und von
Herrn Pelletan zufälligerweise für sein Jahrbuch
benutzt worden sind. Man merkt die Absicht
und wird verstimmt.
Moskau. P. Ettinger.
Dührens Retif- Monographie.
Ein neues Werk von Eugen D Uhren (Dr. Iwan
Bloch) wird immer die Welt der Bibliophilen inter¬
essieren. Der ausgezeichnete Forscher hat uns diesmal
mit einem Seitenstück zu seinen vortrefflichen Sade-
Werken beschenkt, mit „Retif de la Brdtonne. Der
Mensch, der Schriftsteller , der Reformator“ (Berlin,
Max Harrwitz; 8°. XXII + 515 S.). Wie der Marquis de
Sade, so führt der Verfasser im Vorwort aus, in seiner
Person und seinen Schriften alleTendenzen der höheren
Gesellschaft Frankreichs im XVIII. Jahrhundert zu¬
sammenfaßt und als äußerster Auswuchs ihrer
Korruption erscheint, so stellt sich uns in Retif de la
Chronik.
513
Bretonne der Geist des französischen Volks gewisser¬
maßen in einem einzigen Menschen verkörpert dar.
Retif lehrt uns in seinen zahllosen Schriften Leben,
Leiden, Wesen und Sitten des Volkes kennen, dem
im letzten Grunde der Geist des Rokoko immer fremd
geblieben war, liefert auch zur Geschichte des Natur¬
gefühls seiner Zeit beredte Belegstücke und zeigt sich
zugleich in seinen philosoph-politischen Schriften als
ein wahrhaft reformatorisches Genie.
Wie interessant Retif als Mensch ist, welche
eigentümlichen Charakterprobleme dieser seltene und
seltsame Mann darbietet, wissen wir bereits aus ge¬
legentlichen Bemerkungen Wilhelm von Humboldts,
Goethes, Schillers und anderer, die in dem „Monsieur
Nicolas“ eine „schleierlose“ Autobiographie von un¬
schätzbarem Wert sahen. Andere Werke Rötifs bilden
gewissermaßen Ergänzungen zu diesem Lebensbe¬
kenntnis: in ihrer Gesamtheit aber sind sie das denk¬
barst erkenntnisreiche Dokument zur Psychologie des
französischen Charakters, das es gibt.
Es ist merkwürdig genug, daß wir in Deutschland
noch keine Monographie über Retif besaßen, obwohl
sein Hauptwerk auch auf unsere Romantiker von Ein¬
fluß gewesen ist. Selbst die fränzösischen Schriften
über ihn sind mehr oder weniger nur bibliographische
Zusammenstellungen; das gilt ebenso von Monselets
Skizze wie von Cubieres’ Mitteilungen, wie auch von
Nervals romanhaft gefärbter Darstellung; das große
Werk von Lacroix ist aber lediglich Bibliographie
(und zudem keine ganz vollständige und zuverlässige).
Dührens Retif-Buch ist also tatsächlich die erste
umfassende kritische Würdigung dieser eigenartigen
Erscheinung und schon deshalb von höchstem Wert.
Die bibliographischen Quellen sind Retifs eigene
Schriften: vor allem der „Monsieur Nicolas“ und das
„Drarne de la Vie“. Dazu kommen die sonderbaren
Steininschriften „Mes Inscriptions“, die Göttin heraus¬
gegeben hat, die „Lettres inedites“, der „Paysan“ und
die „Paysanne pervertie“, die „Derniere avanture“ und
die „Nuits de Paris“. Aber auch in den übrigen
Werken finden sich zahlreiche autobiographische
Einzelheiten, selbst in der Schandschrift ,,L’ Anti-Justine“.
Alle diese, in den Originalausgaben meist ungemein
seltenen Werke Rötifs hat Dlihren seiner Arbeit zu¬
grunde gelegt.
Dühren ist von Beruf Arzt; seine literarischen
Neigungen gravitieren nach der Kultur- und Sitten¬
geschichte hin. Der Mediziner und der Historiker
kommen in dem Buche zu gleicher Geltung. Den
Arzt interessiert vor allem das Liebesieben Retifs, seine
Ars am an di, sein Erotismus, seine sexuellen Verirrungen.
Für mich noch interessanter ist Dühren als Kultur¬
historiker. Seine Belesenheit ist geradezu erstaunlich.
Mit der Entwicklung Rötifs schildert er uns zugleich
das Sacy, Courgis, Auxerre und Paris des XVIII. Jahr¬
hunderts, das Leben in den Schulen, Seminaren und
Pfarrhäusern , in der Kleinstadt und dem modernen
Babel, das Treiben in den Tanzsälen und öffentlichen
Häusern, die Vergnügungen des Volkes, der Boheme,
der literarischen Welt und der Gesellschaft. Mit den
meisten Berühmtheiten seinerzeit war Retif persönlich
bekannt; wir treffen Voltaire, Nougaret, Piron, Duclos,
Rousseau, Diderot; im Hause der kleinen Schau¬
spielerin Quinault, der Erfinderin der „diners litteraires“,
ferner Destouches, Mariveaux, Crebillon fils, Voisenon,
Caylus, den Maler Boucher, d’Alembert, Grimm; wir
begleiten Retif zu Beaumarchais, zu dem geistreichen
Schwätzer Pidansat de Mairobert, zu Mercier, der
Madame de Stael und Fanny Beauharmais, zu Dorat
und Buffon. Ein langes Leben rollt sich auf, voll
höchster geistiger Regsamkeit, widerspruchsvoll in den
Einzelheiten, wechselnd zwischen stiller Beschaulich¬
keit und grotesken Orgien, zwischen Arbeit und zügel¬
losen Ausschweifungen, Lieben und Leiden; es spielt
sich auf dem Lande ab, im Internat, in der Pfarrei, im
tollen Treiben der Regentschaft, zur Revolutionszeit,
unter dem Direktorium: es umspannt ein gewaltiges
Stück Geschichte.
Das Buch ist der Lebensroman eines merkwürdigen
Mannes und der Roman des französischen Volks in der
zweiten Hälfte des XVIII. Säkulums: ein glänzend ge¬
schriebenes Sittenbild, gleich anziehend in stofflicher
wie darstellerischer Hinsicht und gleich interessant für
den Forscher, den Bibliophilen und den gebildeten
Laien. Es schwebt über dem Ganzen ein gewisser in¬
tensiver Bildungsduft, das anregende Fluidum eines
reichen vorurteilslosen Geistes, der die Geheimnisse
der Physis ebenso gut kennt wie die Tiefen der
Seele.
Der Verlag hat für würdige Ausstattung gesorgt.
Außer der gewöhnlichen Ausgabe (M. 10, gebunden
M. 12) sind hundert Exemplare auf Bütten gedruckt,
numeriert und mit einer Radierung geschmückt, dem
Porträt Retifs nach Binet (M. 20). Eine Retif Biblio-
graphie (Originalausgaben, Nachdrucke, Übersetzungen,
Arbeiten über Retif) läßt der gleiche Verlag in Kürze
folgen. — bl —
Zeitschriften.
Die Monatshefte für Graphisches Kunstgewerbe
haben im Dezember ihr erstes Sonderheft unter dem
Titel „ Wintersonnenwende“ erscheinen lassen. Als
Herausgeber zeichnet Albert Knab , als Schriftleiter
Carl Matthies , als Verleger Carl Flemming , A.-G.
in Glogau. Zum Buchschmuck haben verschiedene
Künstler mit bestem Gelingen beigetragen. Von
Fidus stammt u. a. die Titelrahmung, ein Algenmotiv
in feinen blauen Strichen auf lila- braunem Whatman¬
papiergrund. Weniger schön wirkt hierbei die schmutzig
gelbe Strahlensonne, die, als Mittelpunkt des Titel¬
spiegels gedacht, wiederum unregelmäßig zu den Titel¬
zeilen steht. Die Titelrahmung wiederholt sich bei dem
in schönen Typen dunkel-violett gedruckten Einleitungs¬
gedicht von Matthies, dem ein Artikel desselben Autors
über Fidus folgt. Die verschiedenen Rahmen und
Initialen, sowie ein augenscheinlich für Vorsatzpapier¬
zwecke gedachtes geometrisches Stemmuster sind dem
neuen Gedichtbuch von Karl Henckel „Mein Lied“
entnommen. Es folgt eine Betrachtung über „Eisblumen
und Kristalle“ von Johannes Meru, deren Sujet auch
5i4
Chronik.
Herrn A. K. (Albert Knab?) zu Vignette und Rahmen
in russisch-grün und wasserblau und in zwei Tönen rot
das Material geliefert hat.
Von größerer Bedeutung, schon durch den text¬
lichen Inhalt, ist der Original-Entwurf für die Monatshefte,
den Ed. Liesen in Berlin zur Frithjofs-Sage des alten
Tegner geschaffen hat. Nordische Drachenschnittmotive
auf rötlichem Grund, denen hier und da an der unteren
Querseite kleine schwarz-weißeVignetten eingefügt sind,
rahmen die Seiten ein. Der Textspiegel besticht durch
seine originellen Typen. Bald aber wird man des Buch-
stabierens müde; da alles mit den gleich großen Buch¬
staben gedruckt ist und der leere Raum etwaiger Ab¬
sätze vermieden wurde , so stempelt die Unübersicht¬
lichkeit das Buch zu einer künstlerischen Spielerei.
Ernst Schur gibt in einer interessanten Abhandlung
über „Nordische Formen una Farben“ sozusagen einen
Kommentar dazu.
Der nun folgende Brief wird unsere Leser besonders
interessieren. Es ist der bekannte Brief über Gutenbergs
Ruhm von Johann Andreas , Bischof von Aleria, an
Papst Paul II., von Konrad Sweynheim und Arnold
Pannartz 1468 in Rom gedruckt. Die großzügigen
Arabesken der Rahmen in russisch-grün und mastix-rot
von Albert Knab erinnern an schöne, kräftige Intarsien¬
arbeit. Zu einer Reihe von seinen Gedichten in violettem
Druck hat Carl Matthies auch den Buchschmuck in
violett und gold und in nordischen geometrischen
Formen geschaffen, während bei einer Betrachtung
desselben Verfassers über „Die Nacktheit“ — als Er¬
läuterung zu zwei Aktphotographien von Herdis Dupont
in Oldenburg — wieder Vignetten von Fidus Ver¬
wendung fanden.
Der zweite Teil des Heftes ist der Reproduktion
von Studien aus den Mappen norddeutscher Maler
gewidmet, die bisher noch nicht veröffentlicht wurden.
Baumgruppen von Eugen Bracht; Genrestudien von
Max Liebermann und Ludwig Dettmann, Entwürfe
von Ludwig von Hofmann, Walter Leistikow — von
diesem u. a. eine ausdrucksvolle stilisierte Feder¬
zeichnung — von Carl Saltzmann sind darunter; ferner
ein paar Aktstudien von Cornelia Paczka und zwei
entzückend feine Pflanzenstudien von Heinrich Vogeler.
Alle Reproduktionen sind en flottant auf rotge¬
fasertes graugrünes Papier geheftet. Kurze biographi¬
sche Notizen — zum Teil von den Malern selbst ver¬
faßt — und hier und da ein paar Verse, die an dieser
Stelle wohl besser unterblieben wären, stehen in sauberem
bläulichem Druck den Bildseiten gegenüber.
Das Sonderheft, das mit soviel offenbarer Sorgfalt
vorbereitet ist, würde noch größere Wirkung erzielen,
wenn es nicht durch die Vielheit seiner Typen und
Illustrationsmanieren etwas Ungeschlossenes, Probe¬
heftartiges bekäme, das in Zukunft vielleicht zu ver¬
meiden wäre. — m.
The Burlington Magazine for Conoisseurs heißt eine
englische illustrierte Monatsschrift, die sich in weit¬
gezogenen Grenzen mit allen Kunstfragen beschäftigt.
Wenn auch Architektur und Malerei im Vordergrund
stehen, so finden doch auch unsere Leser so manche
Abhandlung von Interesse für sie selbst in den reich
illustrierten Heften.
So enthält die September-Nummer einen Aufsatz
von Roger E. Fry über zwei Miniaturen von de Lim-
bourg. Pol de Limbourg und seine Brüder waren in
Frankreich, wie Pisanello in Italien und Hubert van
Eyck in Flandern, die ersten Vertreter einer gewisser¬
maßen naturalistischen Schule. Die in Frage stehenden
Miniaturen sind wohl schon durch Champeaux und
Gauchery beschrieben, aber noch nicht reproduziert
worden. Sie tragen in besonders deutlicher Form die
Eigenart ihres Meisters und erinnern stellenweise an
das berühmte ,,Tr£s riche Heures“ zu Chantilly. Die
gewählten Abbildungen stellen 1. das Frontispice aus
dem M. S. 166 der Biblioth&que nationale (dem H. Hiero¬
nymus in seiner Zelle, den Löwen ihm zu Füßen) dar,
2. Szenen aus dem Marienleben aus dem M. S. Nr. 62
des Fitzwilliam-Museums in Cambridge, 3. zwei Text¬
seiten aus dem Donce-M. S. Nr. 144 der Bodleian
Library zu Oxford. Der Rand des letzteren ist reich
mit Zeichnungen von Limbourg übersponnen. Endlich
sind noch zwei Blatt dem „Book of Hours“, ebenfalls
Nr. 62 des Fitzwilliam-Museums, entnommen: eine
Visitation und eine Madonna mit dem Kind, von Peter
und Paul flankiert und von der heiligen Dreieinigkeit
überstrahlt. Die Deduktionen und Vergleiche, zu
denen ein eingehendes Studium ihn berechtigen,
machen Roger E. Frys Artikel sehr interessant: die
Miniaturen müssen tatsächlich von hoher Schönheit
sein. —
In der gleichen Nummer fragt Dr. C. Hofstede de
Groot nach dem verloren gegangenen siebenten Brief
Rembrandts an Constantijn Huygens, der seit der
Auktion von 1871, auf der Ellis und Green in London
ihn erstanden, verschwunden ist. Er handelt von der
„Grablegung“, der „Auferstehung“ und der „Himmel¬
fahrt“ und einigen neuen Stichen, die der Künstler
Huygens anbietet. Vielleicht kann einer unserer Leser
Dr. Hofstede einen Fingerzeig über den Aufenthalt des
Briefes geben.
In der Oktobemummer wird auf die wunder¬
hübschen kleinenKinder-BucheignerzeichenvonUardzw'
C. Teall hin gewiesen, deren Nachbildungen in der
Charterhouse-Press zu New- York unter dem Sammel¬
titel „The Child' s Book-Plate“ erschienen sind.
Das einzelne Heft der vielseitigen und sehr inter¬
essanten Monatsschrift stellt sich für Deutschland porto¬
frei auf 2,80 M. netto und kann bei Fr. Ludwig Herbig
in Leipzig bestellt werden. — m.
Nachdruck verboten. — Alle Rechte Vorbehalten.
Für die Redaktion verantwortlich: Fedor von Zobeltitz in Berlin W. 15.
Alle Sendungen redaktioneller Natur an dessen Adresse erbeten.
Gedruckt von W. D ru gu 1 in in Leipzig für Velhagen & Klasing in Bielefeld und Leipzig auf Papier der Neuen Papier- Manufaktur
in Straßburg i. E.
C3©SBGJ®i(©G25S©C5S^iE!G2öE)G2öE)GSÖ»E)5S^i!E)C3QfcBG^SE)G2ökE)G5QlliBGSQkE)G^QiE)v®^3
dtfcbnft für Bücherfreunde fff
Organ der ©efellfchaft der Bibliophilen.
BEIBLATT
IX. Jahrgang. Siebentes Heft.
Oktober 1905.
Abonnemeiitspreis für den Jahrgang 36 M. (21,60 Fl. ö. W., 45 Fr., 36 sh., 21,60 Rb.), für das Quartal (drei Hefte) 9 M.
7i Seite •
I/2 Seite
Anz
60 Mark.
30 Mark.
igen
7 4 Seite
78 Seite
15 Mark.
8 Mark.
Kleine Anzeigen (Desiderata und Angebote): die gespaltene Petit- Zeile 50 Pf. (für Mitglieder der Gesellschaft
der Bibliophilen und Abonnenten der Z. f. B. nur 25 Pf.).
Beilage-Gebühr 40 Mark. — Schluß für die Anzeigenannahme jedes Heftes am 10. des vorhergehenden Monats*
Redaktionelle Sendungen: Manuskripte, Bücher, Kataloge etc. gefl. zu richten an den Herausgeber: Fedor von Zobeltitz, Berlin IV. iß.
Uhlandstr. 33 (Sommer: Spiegelberg bei Topper, Rgbz. Frankfurt a. O.).
Anzeigen an die Verlagshandlung: Velhagen & Kinsing, Abteilung für Inserate, Leipzig, Hospitalstr. 27.
Gesellschaft der Bibliophilen.
Wir beehren uns, hierdurch die Mitglieder unsrer Gesellschaft zur diesjährigen Generalversammlung
einzuladen, welche in Leipzig , Sonntag , den 12. November 1905, Mittags 12 Uhr im Sachsenzimmer des
Deutschen Buchgewerbehauses (Dolzstraße 2) stattfinden wird.
Die Vorstandssitzung beginnt daselbst um 10 Uhr.
Tagesordnung:
1. Anprache des Vorsitzenden.
2. Begrüßung durch den Vorsteher des Deutschen Buchgewerbevereins.
3. Erstattung des Jahresberichts und Ablegung der Jahresrechnung durch den Sekretär.
4. Beratung des neuen Satzungs- Entwurfs.
5. Anträge, sofern sie bis zum 12. Oktober beim Sekretariat angemeldet sind (nach § 7 der
Satzungen).
Nach der Versammlung: 1. Besichtigung der Bibliothek des Börsenvereins der deutschen Buch¬
händler nach einem einleitenden Vortrag des Bibliothekars, Herrn K. Burger. 2. Besichtigung der
Biedermannschen Goethe -Sammlung im Geschäftshause der Firma C. G. Boemer, Nürnbergerstr. 44.
Nachmittags 4 Uhr: Diner im Hotel Häufte. Abends 7 Uhr: Vorstellung im Neuen Stadttheater,
„Die neugierigen Frauen“, Oper von E. Wolf-Ferrari, unter Leitung von Arthur Nikisch. Nach der Vor¬
stellung geselliges Beisammensein im Foyersaale des Neuen Theaters. Die Teilnahme von einge¬
führten Damen und Gästen ist, mit Ausnahme der Generalversammlung selbst, höchst erwünscht.
Anmeldungen mit Angabe der gewünschten Zahl der Gedecke zum Diner (zu 6 Mark) und der
Plätze zur Theatervorstellung (Mittelbalkon Mk. 6.30, Parquet Mk. 5.30) sind bis zum 5. November an
den stellvertretenden Vorsitzenden der Gesellschaft, Herrn Professor Dr. Georg Witkowski (Leipzig,
Gottschedstr. 2) zu richten. Die bestellten Theaterbilletts liegen am 12. November beim Portier des
Hotels Häufte zum Abholen bereit.
Am Vorabend der Versammlung, den 11. November, 8T/2 Uhr, hält der Leipziger Bibliophilen-
Abend im Foyersaale des Neuen Theaters eine Festsitzung ab, zu der die Teilnehmer der General¬
versammlung freundlichst eingeladen sind.
Der Vorstand der Gesellschaft
Weimar, Grunstedterstr. 16.
I. A. . Dr. Carl Schüddekopf
Sekretär der Gesellschaft.
Z. f. B. 1905/1906. Beiblatt 7.
1
I
Beiblatt.
Rundschau der Presse.
Von Arthur L. Jellinek in Wien.
Die nachfolgende Übersicht versucht, die in Tagesblättem, Wochen- und Monatsschriften enthaltenen Aufsatze und Abhandlungen,
soweit sie für die Leser unserer Zeitschrift in Betracht kommen, in sachlicher Anordnung zu verzeichnen. Nur das Wichtigere aus den Ver¬
öffentlichungen der letzten Monate kann berücksichtigt werden. Absolute Vollständigkeit zu erreichen liegt für den einzelnen Bearbeiter
außerhalb des Bereiches der Möglichkeit. Die Zeitschriften sind nach Bänden, Jahrgängen, Heften oder Seiten, je nach der leichteren Auf-
findbarkeit, citiert. Gleichmäßigkeit ist hierin nicht angestrebt. Zusendung von Separatabdrücken und Ausschnitten an die Adresse des
Bearbeiters (Wien VII, Kirchengasse 35) erbeten.
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Archiv f. Buchgewerbe . 1905. XLII, S. 325—331.
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Wackenroder: Cohn, A. F., w. H. Wackenroders
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linger.
National- Ztg. 1904. Sonntagsbeilage No. 47
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Allgemeine Ztg. Beilage. 1904. No. 267.
Waldau: Geiger, Max Waldau und Adolf Stahr.
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Weber: Dembski, M., Zur Erinnerung an Wilhelm
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National- Ztg. 1904. Sonntagsbeilage No. 43
(23. X.).
Werner: Fränkel, J., Zacharias Werners Luther-
Drama in Berlin.
Vossische Ztg. 1904. Sonntagsbeilage No. 21, 22
(22., 29. V.).
Wieland: Steinberger, J., Autobiographische Pläne
und Versuche Wielands.
Vossische Ztg. 1904. Sonntagsbeilage No. 31
(31. VII.).
Wilde : Gamberale, L., II processo e l’estetica di
Oscar Wilde.
Rivista d' Ltalia. 1904. VII, 1, S. 901 — 924.
Zorilla: Diercks, G., [Zorillas] Don Juan [Tenorio]
als Erzieher zu moralischem Leben.
Tägliche Rundschau. Unterhaltungsbeilage. 1904.
No. 265.
Z. f. B. 1905/1906. Beiblatt 7.
9
2
Beiblatt.
(Von den Auktionen.)
Von den Auktionen.
Die Bibliothek Biedermann. Mitte November ge¬
langt eine der größten und bekanntesten Goethebiblio¬
theken bei C. G. Boerner in Leipzig unter den Hammer:
die hinterlassene Sammlung des am 6. Februar 1903 ver¬
storbenen Gustav Woldemar Freiherr von Biedermann.
Die Anfänge der umfangreichen Sammlung gehen
noch in das XVIII. Jahrhundert zurück, doch als
eigentlicher Gründer darf wohl Dr. Gustav Heinrich
Freiherr von Biedermann auf Niederforchenheim
(1789 — 1862) bezeichnet werden. Von diesem erbte G.
W. von Biedermann die Sammlung, um sie weiterhin
nach allen Richtungen hin auszubauen. Über Gustav
Woldemar von Biedermann ist schon so viel Treffliches
gesagt worden, daß ich mich an dieser Stelle mit
dem Hinweis auf den würdigen Nachruf, den Adolf
Stern ihm im 24. Bande des Goethe-Jahrbuches widmete,
begnügen darf. Die hinterlassene Bibliothek, die nahe¬
zu 6500 Nummern umfaßt, ist in dem vor anderthalb
Jahren erschienenen Gesamtkatalog ausführlich ver¬
zeichnet. Der Hauptanteil füllt natürlich Goethe und
der Literatur über ihn zu; diese Abteilungen allein um¬
fassen ca. 2000 Nummern.
Man wird, ohne zu irren, behaupten können, daß
seit Hirzel keine derartig reichhaltige Privatsammlung
über Goethe existiert hat. Den Reigen der Kostbar¬
keiten eröffnen die „Wöchentlichen Nachrichten und
Anmerkungen, die Musik betreffend“ (herausgegeben
von Ad. Hiller im Jahre 1767), in denen das Ehrenge-
dichtchen an Demoiselle Schroeder abgedruckt ist. Da
der sagenhafte Einblatt-Druck sogar dem Spürsinn
eines Hirzel verborgen blieb, so darf man wohl den
„Nachrichten“ mit Recht den Ruhm überlassen, den
ersten Goethe-Druck gebracht zu haben. Ihm folgt eine
sehr seltsame Radierung Goethes nach Alex. Thiele mit
Widmung in französischer Sprache an Assessor Dr.
Hartung, die gleichfalls Hirzel fehlte. Da Hirzel und
Biedermann zur selben Zeit sammelten, so war es selbst¬
verständlich , daß sie sich gelegentlich scharfe Kon¬
kurrenz machen mußten. Während jedoch Hirzel von
Zeitschriften nur diejenigen Nummern interessierten,
die die betreffenden Abdrucke Goethescher Arbeiten
enthielten, so war Biedermann auch in diesen Punkten
bestrebt, größtmögliche Vollständigkeit zu erreichen.
Am besten wird dies durch folgendes Beispiel illustriert.
Die sehr seltenen „Unterhaltungen“, herausgegeben von
Ebeling 1766 — 70, enthalten im 8. Bande das „Neujahrs¬
lied“, in Musik gesetzt von Löhlein. Hirzel fand eines
Tages ein Exemplar prachtvoll gebunden, behielt aber
nur den achten Band. Es muß wohl für Biedermann eine
schmerzliche Enttäuschung gewesen sein, als er endlich
ein Exemplar auftrieb, daß gerade darin der wichtigste
Band' fehlte. Der Hergang erklärt sich, da wir wissen,
daß zu dem schönen Biedermannschen Exemplar der
achte Band paßt, der in der Hirzelschen Sammlung steht.
Es gelang auch Biedermann, noch diesen Band auf¬
zutreiben, aber auf die Musikbeilage mußte er Verzicht
leisten. Als erstes selbständiges Werk Goethes er¬
schienen 1770 die „Neuen Lieder“, in Melodien ge¬
setzt von Bernh. Theodor Breitkopf. Um diese 20
Lieder wird sich wohl ein heißer Kampf entspinnen,
denn schon jahrelang war Sammlern keine Gelegenheit
geboten, ein Exemplar zu erstehen. In einem vor mir
liegenden Antiquariats-Katalog aus dem Jahre 1860
findet sich ein Exemplar mit der Bemerkung „Das
Buch gehört anerkannt zu den größten literarischen
Seltenheiten“. Der Preis betrug damals 45 Thaler.
Dem folgt ein vollständiges Exemplar der „Frankfurter
gelehrten Anzeigen“, deren Jahrgänge 1772 und 1773
zahlreiche Rezensionen aus Goethes Feder enthalten.
Auch die 26 Kleinoktav-Seiten des „Buch des Pastors
zu ** an den neuen Pastor zu ***“ dürften zahlreiche
Bieter finden. Von theologisch satirischen Traktaten
ist noch der „Prolog zu den neuesten Offenbarungen
Gottes“ anführungswert, der auch nur in wenigen
Exemplaren erhalten geblieben scheint. Die Erstaus¬
gaben des „Goetz“ und „Werther“, deren Liebhaber
sich, man möchte beinahe sagen, täglich mehren, sind
natürlich ebenfalls vorhanden. Die Farce „Götter,
Helden und Wieland“, sowie das „Puppenspiel“, die
später im „Rheinischen Most“ wieder gedruckt worden
sind, liegen in den Erstdrucken vor. Da fast sämt¬
liche Erstausgaben der einzelnen Dramen und Prosa¬
schriften vorhanden sind, so würde es zu weit führen,
alles aufzuzählen. Die Zeitschriften mit Beiträgen
Goethes sind beinahe vollzählig und vollständig
wenigstens, soweit sie für die Goethe-Literatur in Frage
kommen: „Olla Potrida“, „Merkur“, „Chaos“, „Journal
des Luxus und der Moden“, „Morgenblatt für gebildete
Stände“, „Mitternachtsblatt“u.s.w. Auch dieAlmanache,
von denen besonders die frühen Jahrgänge komplett
recht selten sind, finden sich fast vollzählig vor. Nicht
unerwähnt möchte ich eine große Anzahl von Privat¬
drucken, etwa 60 an der Zahl, lassen. Sie beginnen
mit Goethes Dankgedichten anläßlich seines Geburts¬
tages und reichen bis zu dem im Jahre 1899 erschienenen
Bibliophilen-Druck der „Mitschuldigen“, den Professor
G. Witkowski in Leipzig herausgab. Eine große Anzahl
von ihnen waren für die „Stille Gemeinde“ bestimmt.
Hirzel, Loeper, Maltzahn, Biedermann, Meyer-Cohn,
Weisstein, Brockhaus und andere haben diese schöne
Sitte bis auf den heutigen Tag fortgesetzt. Die Lite¬
ratur über Goethe bietet für den Bibliophilen außer
ihrer Reichhaltigkeit nichts bemerkenswertes und ich
kann es dem demnächst erscheinenden Katalog über¬
lassen, dem unermüdlichen Sammler ein würdiges
Denkmal zu setzen. N.
Sammlung Franz Trau. Bei Gilhofer Sr3 Ransch-
burg in Wien kommt am 27. und 28. Oktober eine
der schönsten Privat- Sammlungen von Handschriften,
Miniaturen und seltenen Druckwerken Österreichs
zur Versteigerung. Der ausgezeichnet redigierte und
vortrefflich ausgestattete Katalog umfaßt 653 Nummern.
Wir erwähnen daraus: eine ausgewählte Kollektion
von Miniaturen auf Einzelblättem aus dem XII. bis
XVI. Jahrhundert, der sich eine ganze Reihe aus
späterer Zeit anschließt, ferner einige siebzig zum Teil
überaus wertvolle Handschriften mit Miniaturen, die
10
Beiblatt.
der Katalog eingehend beschreibt und aus denen er
auch verschiedene Reproduktionen bringt. Aus den
Inkunabeln seien hervorgehoben: „Vom joch der
harten eygenschaft der Lieb“, Nürnberg, FrCreussner,
ca. 1473, ein kaum bekannter Druck von hoher Selten¬
heit, wahrscheinlich Creussners erster Druck; Äsops
Fabeln, deutsch von H. Steinhövel, mit altkolorierten
Holzschnitten, eine Ausgabe, die mit keiner der bisher
beschriebenen identisch ist und der aus G. Zainers
Offizin in Augsburg (Hain 331) vorhergeht: Mayster,
Ayn gut ertzney Buch, Ulm, Joh. Zainer, 1500, nicht
bei Hain und Proctor und nicht identisch mit Copinger
224 und Wegener 83; die erste Ausgabe der Tabulae
Alphonsinae, Venedig, Erh. Ratdolt 1483; Thomas
Aquino, Scriptum in IV. librum sententiarum, Mainz,
Schöfifer, 1469, mit der Durandustype und am Schlüsse
mit der Bibeltype von 1462 gedruckt; Ars memorativa,
Köln, Joh. Guldenschafif, 1480; Auslegung des Lebens
Christi, Ulm, Joh. Zainer, ca. 1470 ; Bergomensis, De
Claris mulieribus, Ferrara 1497; Eggesteyns Bibel,
Straßburg 1466, Prachtexemplar; die fünfte deutsche
Bibel, Augsburg 1475; Biblia latina, Venedig, Jenson,
1479, mit prachtvollen Miniaturen und Initialen; Bidpay,
Buch der Weißheit, Ulm, L. Holl, 1483; Boccaccio,
De Claris mulieribus, Ulm 1473; Chronicarum et histo-
riarum epitome, Lübeck, L. Brandis, 1475, der erste
Lübecker Druck ; Cicero, Officia et Paradoxa, Mainz,
Fust und Schöfifer, 1465, Prachtexemplar in erstem Ab¬
druck auf Pergament; die sieben Curs, Ulm, Konr.
Dinckmut, 1491, bisher unbeschrieben; Durandus,
Rationale, Augsburg, G. Zainer, 1470; Von der gefengk-
nuss des Römischen Künings, Augsburg, P. Berger, 1488,
ein fast unbekannter Augsburger Druck; Hieronymus,
Epistole volgare, Ferrara 1497, mit prächtigen Holz¬
schnitten; Hieronymus, Leben der Altväter, Augsburg,
A. Sorg, 1482, die erste datierte deutsche Ausgabe der
Vitae patrum; Künigklich Landtfriden, O. O., Dr. und
J., unbeschrieben, wahrscheinlich zu der von Schöfifer
in Mainz gedruckten Serie von Reichstagsbeschlüssen
gehörig (Hain 9864, 12064); Mirabilia urbis Romae,
Rom, St. Planck, 1500; Missale Bursfeldense, Speyer,
P. Drach, 1498, ohne die Erwähnung Trithemius’ in der
Schlußschrift; Officium B. Mariae virginis, unbeschrieben,
vielleicht aus der Offizin des Matthias Moravus in
Neapel (Bibliofilia IV, 104 f); Psalterium, unbeschrieben,
wahrscheinlich von F. Creussner in Nürnberg gegen
1477 mit der Donatustype gedruckt; Retz, Defensorium
castitatis Mariae, O. O., Dr. u. J. (? Speyer und Hist,
1843); Schatzbehalter, Nürnberg 1491 ; Spiegel der
menschlichen Behaltniß, Basel, B. Richel 1476, der erste
illustrierte Baseler Druck; Turrecremata, Contempla-
tiones devotissimae, Rom, St. Planck, 1484, unbe¬
schrieben, schönes Exemplar; Turrecremata, Expositio
super psalterio, Mainz, Schöfifer, 1474; Vocabüarius ex
quo lat.-teuton., Augsburg, G. Zainer, ca. 1470 — 73; Zeit-
glöcklein, Nürnberg, Creussner, 1493.
Von den illustrierten Werken des XVI. Jahrhunderts
seien angeführt ; Adelphus, Barbarossa, Straßburg 1535;
Amman, Geschlechter-Buch, Frankfurt a. M. 1580; Apia¬
nus, Vnderweysung aller Kaufifmanss Rechnung, Ingol¬
stadt 1527; Bergwerksbüchlein, Worms, P. Schöfifer,
(Von den Auktionen — Inserate )
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11
Beiblatt.
(Von den Auktionen — Kleine Mitteilungen — Inserate.)
1518; Bock, Speiszkammer, Straßburg 1550 ; Buch des
Glücks, O. O. Dr. u. J. (ca. 1512; Weller 696); Caoursin,
Historia von Rhodis, Straßburg 1513; Eck, De materia
iuramenti, Augsburg 1518; Etterlin, Kronika von der
lobl. Eydtgenoschaft, Basel 1507; Gailer, Das Buch
granatapfel, Augsburg 1510; Das Buechlein ist genant
der Gilgenart, Augsburg, Hans Schönsperger, 1520,
eminent selten und wohl Unicum, mit acht blattgroßen
Holzschnitten (Schäuffelin oder Spinginklee?); Lands-
perg, Rosenkrantz des leuens vnd lijdenns Jesu christi,
Köln (ca. 1535), mit 56 Holzschnitten von Ant. Woen-
sam, Unicum von prächtiger Erhaltung; Melusina,
Straßburg 1516 (Z. f. B. I, 139 No. 13); Das Tauffbuch
Deutsch Breslisch, Breslau 1528; Vita divi Vuolfgangi,
Landshut 1516, mit Holzschnitten von Lucas Alantsee,
höchst selten.
Im übrigen verweisen wir auf den Katalog, dessen
bibliographischen Beschreibungen mustergültig sind.
A
Unmittelbar vor Schluß des Heftes geht uns die
Nachricht zu, daß der erste Teil der weltberühmten
Autographensammlung des verstorbenen Alexander
Meyer-Cohn vom 23. — 26. Oktober d. J. bei J. A.
Stargardt in Berlin versteigert werden soll. Wir
können also nur auf den soeben erschienenen, mit
glänzender Sorgfalt bearbeiteten und vornehm ausge¬
statteten Katalog aufmerksam machen, zu dem Professor
Erich Schmidt eine interessante Einleitung geschrieben
hat, die auch das Andenken des lieben Freundes
feiert.
Kleine Mitteilungen.
Albert Cohn f. Am 24. April starb in Berlin der
Buchhändler und Antiquar Albert Cohn im neunund¬
siebzigsten Lebensjahre. In der Welt der Bibliophilen
war er so bekannt und geschätzt, daß sein Andenken
in Ehren gehalten werden wird, wenn auch der Tod
den bis zuletzt rüstigen Mann abgerufen hat. Bei
Springer und Ascher in Berlin lernte er den Buchhandel
und das Antiquariatswesen, katalogisierte die Bibliotheca
Tieckiana und übernahm später selber die Aschersche
Buchhandlung, bis er 1874 ein eigenes wissenschaft¬
liches Antiquariat eröffnete. Seine literarische und
bibliophile Arbeit galt vor allem Shakespeare, Goethe
und Schiller. Sein „Shakespeare in Germany“ hat der
Shakespeare-Forschung neue Wege gewiesen, seine
Schiller- und Goethe-Publikationen hat er meist als
Sonderdrucke an Freunde verschenkt. Eine warm¬
herzige, ganz vortreffliche Würdigung des Forschers,
Sammlers und Menschen brachte Gotthilf Weisstein
in No. 523 vom 16. September 1. J. der „National-
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Fichte, Werke 1845 — 46.
Gaben der Milde 1817 — 18.
Gessner Schriften 1777 — 78.
Goethe, Werther 1784.
— Hermann und Dorethea 1898.
— Faust 1790 und 1808.
Gottsched, Gedichte 1751.
Hegel Werke 1832 — 40.
Keller, neue Gedichte 1851.
— Leute von Seldwyla 1874.
Lessing, Nathan 1779.
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Schiller, Don Carlos 1787.
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IX. Jahrgang. Achtes Heft.
November 1905.
Abonnementspreis für den Jahrgang 36 M. (21,60 Fl. ö. W., 45 Fr., 36 sh., 21,60 Rb.), für das Quartal (drei Hefte) 9 M.
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der Bibliophilen und Abonnenten der Z. f. B. nur 25 Pf.).
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Rundfragen.
An dieser Stelle kommen die aus den Kreisen der Gesellschaft der Bibliophilen und der Leser der Zeitschrift
für Bücherfreunde eintreffenden Anfragen, sowie die Antworten darauf zum Abdruck. Einsendungen für diese
Rubrik an: Arthur L. Jellinek in Wien VII, Kirchengasse 33.
Fragen.
181. a) Wo und bei wem ist erschienen: CudnoudJ.,
Sur la litterature immorale et sur la criminalite. Ver¬
ausgabt 1894 oder 1895.
b) Welche Publikationen gibt es sonst noch über
den Gegenstand?
H. Falkenberg, Königswinter.
182. Welche Dichtungen beschäftigen sich mit
Paracelsus ? Mir sind bekannt:
Fabre d’Olivet, übersetzt von Liber 1812.
Vincenz Weber 1851.
Julius von der Traun 1858.
Hans v. Lingg 1872.
Theod. Curti 1894.
Arthur Schnitzler 1898.
Rob. Browning 1835.
E. Heinrich, Cassel.
183. Welche Bibliothek besitzt und kann den Ver¬
fasser angeben von folgenden beiden Werken:
a) Die schöne Bäckerin, eine Legende nebst einer
Apologie an den ehrwürdigen Pater S. in M. Dessau,
in der Buchhandlung der Gelehrten. 1781. Kl. 8°. 48 S.
b) Lebensgeschichte eines Miethpferdes. Nach¬
erzählt von Ambr. Speckmann, berühmter Pferdever¬
leiher in Göttingen. Bremen. 8 Bl. + 143 S.
E. Ebstein, Göttingen.
184. Wer ist Verfasser, und wann ist erschienen:
F. S.***, Klänge der Vorzeit , enthaltend romantische
Erzählungen. Znaim.
Fr. S. Krauß, Wien.
Z. f. B. 1905/1906. Beiblatt 8. —
Antworten.
178. 2) Ich besitze: Biographisches Denkmal
Risbecks, Verfassers der Briefe eines reisenden Fran¬
zosen und anderer Schriften. Kempten 1786. 8V 54 S.
Gotthilf Weisstein, Berlin.
178. 2) Eine Rezension des Buches „Biographisches
Denkmal Risbecks“, Kempten 1786, dessen Verfasser
Pezzl ist, steht in der „Allgemeinen deutschen Biblio¬
thek“ Anhang IV zu Band 53 — 68. S. 2263 — 2268.
M. Kohn, Hamburg.
180. Die Literatur über Poggio verzeichnet W.
Shepherd, The life of Poggio Bracciolini. Liverpool.
1802; italienische Übersetzung von Tonelli, Florenz 1825.
Dazu:
J. Lenfaut, Poggiana ou la vie, le caractere, les
sentences et les bons mots de Pogge Florentin avec
son histoire de la republique de Florence. Amster¬
dam 1720.
C. de I (mecourt) , Bibliographie des ouvrages relatifs
ä l’amour, aux femmes et au mariage. 4. öd. Lille 1899.
T. III, S. 2 18 f.
Medin, Giomale storico della Lett. Italiana 1884.
IV, S. 259 — 263. (Ausführliche Anzeige der neuesten
Ausgabe Poggios von Somaruga, Rom 1884.)
L. Geiger, Tardif als Poggioübersetzer. — Viertel¬
jahrsschrift für Kultur und Literatur der Renaissance.
1886. I, S. 309 — 322.
Beiblatt.
(Rundfragen — Rundschau der Presse.)
Die Literatur zu den einzelnen Schwänken:
R. Köhler , Kleine Schriften. II, S. 566, 631, 633,
642. III, S. 16.
Montanus , Schwankbücher, herausgegeben von
J. Bolte. Tübingen 1899. S. 622 f.
A. L. Jellinek, Wien.
182. Paracelsus in der Dichtung:
Dazu noch:
E. H. Costa, Theophrastus Paracelsus im Gewände
der Sage, im Lichte der Wahrheit. — Zeitschr. f.
Kulturgeschichte. 1856. I, S. 477—491.
C. F. Meyer, Huttens letzte Tage. 1871. (Vgl. A.
Langmesser, C. F. Meyer. Berlin 1905. S. 245 ff.)
Wittmann- Bauer, Die 7 Schwaben. Operette mit
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Neue Fr. Presse. 1899. No. 12485 [5. III.]).
Neueste Literatur über Paracelsus von R.J. Hart¬
mann und Franz Strunz, besprochen von G. Landauer
im Litterar. Echo. VII. Sp. 1559 — 1562.
A. L. Jellinek, Wien.
Rundschau der Presse.
Von Arthur L. Jellinek in Wien.
Die nachfolgende Übersicht versucht, die in Tagesblättern, Wochen- und Monatsschriften enthaltenen Aufsatze und Abhandlungen,
soweit sie für die Leser unserer Zeitschrift in Betracht kommen, in sachlicher Anordnung zu verzeichnen. Nur das Wichtigere aus den Ver¬
öffentlichungen der letzten Monate kann berücksichtigt werden. Absolute Vollständigkeit zu erreichen liegt für den einzelnen Bearbeiter
außerhalb des Bereiches der Möglichkeit. Die Zeitschriften sind nach Bänden, Jahrgängen, Heften oder Seiten, je nach der leichteren Auf-
findbarkeit, citiert. Gleichmäßigkeit ist hierin nicht angestrebt. Zusendung von Separatabdrücken und Ausschnitten an die Adresse des
Bearbeiters (Wien VII, Kirchengasse 35) erbeten.
Schrift-, Buch- und Bibliothekswesen.
Buchdruck , Buchhandel.
Ballinger, J., The Trevecca Press.
The Library. 1905. 2. Ser. VI, S. 225—250.
Böttcher, K., Lohnkämpfe der Buchdrucker im Jahre
1848.
Die Neue Zeit. 1905. XXIII, 1, S. 139— 145.
Bourdillon, F. W.} Early printing at Lyons.
The Library. 1905. 2. Ser. VI, S. 257—264.
Conrad, Br., Autoren und Verleger in Amerika.
Börsenbl. f. d. deutschen Buchhandel. 1905. No. 200.
Conrad, Br., Vom Bücherlesen und Bücherkaufen in
England.
Börsenbl. f. d. deutschen Buchhandel. 1905. No. 201.
Conrad, Br., Etwas über den Buchhandel in Kanada
und Indien.
Börsenbl. f d. deutschen Buchhandel. 1905. No. 2 15.
Delstanche, Alb., Un incunable de la xylographie
imprime sur une reliure.
Revue des Bibliotheques et Archiv es de Belgique.
1905. III, S. 171 — 195.
Eckardt, J. H., Etwas vom Buchdruck und Buch¬
handel in Schleswig-Holstein.
Börsenbl. f. d. deutschen Buchhandel. 1905. No.
209 — 21 1, 217.
Hauck, K., Der deutsche Buchhandel vor 100 Jahren.
Börsenbl. f.d. deutschen Buchhandel. 1905. No. 205.
Hildebrand, G., Das Kartell der Buchhändler.
Die Neue Zeit. 1904. XXII, 2, S. 125-127.
Kellen, T., Zur Geschichte der Buchdruckerkunst und
des Buchhandels in Frankreich.
Börsenbl. f. d. deutschen Buchhandel. 1905. No.
164, ..165.
[Über P. Mellottee, Histoire dconomique de l’imprimerie I.
Paris, Hachette 1905.]
Kleemeier, F. I., Der Buchhändler vor 100 Jahren.
[Nach Christian Gottlieb Täu bei, Allgemeines theo¬
retisch-praktisches Wörterbuch der Buchdrucker¬
kunst und Schriftgießerey. Wien 1805.]
Börsenbl.f. d. deutschen Buchhandel. 1905. No. 188.
Kunz, M., Der Hochdruck für Blinde.
Archiv f. Buchgewerbe. 1905. XLV, S. 36 8—377.
P, Vom russischen Buchhandel.
Börsenbl. f. d. deutschen Buchhandel. 1905. No. 205.
Schwenke, P., Die Rabattfrage.
Zentralbl.f .Bibliothekswesen. 1905. XXII, S. 445— 446.
Steinlein, St., Die photomechanischen Reproduktions¬
mittel als Verderber des Stilgefühls.
Archiv f. Buchgewerbe. 1905. XLII, S. 361-368.
Thron, I., Das Buchgewerbe auf der Lütticher Welt¬
ausstellung.
Börsenbl. f. d. deutschen Buchhandel. 1905. No.
193, 202—204.
Buchausstattung, Miniaturen.
Braun, E. W., Die Miniaturenausstellung im Kaiser
Franz Josef-Museum in Troppau.
Neue Freie Presse. 1905. No. 14673 (30. VI.).
Kellen, T., Das Buch von außen. Einige Kritiken und
Wünsche.
Börsenbl.f. d. deutschen Buchhandel. 1905. No. 198.
Matthies, C., Von der Ausstattung der Zeitungen.
Archiv f. Buchgewerbe. 1905. XLV, S. 378 — 379.
K. v. R., Die T. O. Weigelsche Miniaturensammlung.
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1904. S. 38—44, 148—155, 196 — 201, 401 — 404,
552 — 557, 621 — 625, 678 — 682.
1905. S. 86— 93 , 134-138, 234—249, 284—291,
337— 341,^ 4oo—4 18.
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Österreichische Rundschau. 1905. 111,5.462—464.
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Tirols und Vorarlbergs. 1905. II, S. 72 — 73.
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Aurbacher: Scapinelli, K., Ludwig Aurbacher.
Borromaeus-Blätter. 1904. II, S. 46 — 48.
Bembo: Meie, E. , Di alcune imitazione e traduzioni
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Fanfulla della Domenica. 1904. XXVI, No. 22.
Boccaccio: Morici, M., Le opere geografiche del
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La Nuova Parola. 1904. III, 5, S. 227—231.
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und die religiöse Bewegung der Waldenser und
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Allgemeine Ztg. Beilage. 1905. No. 1 13 — 115.
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deutscher Gruß an Spanien zum dritten Jahrhundert¬
feste des Romans.
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Cinthio: Van Bever, A. et E. Sansot - Orlanc.
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et po&te Ferrarais du XVIe siede.
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Vossische Ztg. 1904. No. 605 (25. XII.).
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Berliner Tageblatt. 1904. No. 189 (14. IV.).
Harsdörffer: Karsten, G. E., Ein Faßritt und ein
Dantelied bei Harsdörffer. [Gesprächsspiele, Mün¬
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National-Ztg. 1904. Sonntagsbeilage No. 33 (14.
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Die Neue Zeit. 1904. XXII, 1, S. 321—326, 385
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— : Seliger, P., Herder-Schriften.
Das lilterar. Echo. 1905. VII, Sp. 1562 — 1564.
Herwegh: Rüegg, R., Zu einer Herwegh-Biographie.
Die Neue Zeit. 1904. XXII, 2, S. 492 — 496.
Victor Hugo: Lhomme, F., Victor Hugo.
L'Art. 1904. LXIII, S. 125 — 128.
Hume: Jentsch.V., Der lachende Philosoph (David
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Jahn: Herrmann, O., Der Turnvater Jahn.
Preußische Jahrbücher. 1904. CXVIII, S. 19 — 37.
Jordan: Spiero, H., Wilhelm Jordan.
Die Zukunft. 1904. XL IX, S. 83—87.
Keller: Bonus, A., Zur Charakteristik Gottfried Kellers.
Preußische Jahrbücher. 1904. CXVIII, S. 452— 466.
[Über Storm-Keller. Briefwechsel, hrsg. von A. Köster.
1904. J
Laclos: Caussy, F., Les „Liaisons dangereuses“.
L Ermitage. 1904. XV, 3, S. 241—258.
Lavater: H. B., Ein Jugendbrief von Joh. Kaspar La-
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Berner Taschenbuch auf d. J. 1904. S. 138 — 143.
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Mandeville: Chiabra, G., La „favola delle api“ di G.
Mandeville.
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[I. Le Catalogue Rabelaisien de la bibliotheque de
l’Abbaye de St. Victor et le „Dialogus Epithalmicus de
Henri Geldorp“. — II. „Romip&tes“ et „Torcoulx“.
Janus Pannonius, Erasme et Rabelais. — III. Maistre
Jehan Lunel.]
— : Thuasne, L., Rabelaesiana.
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1905. xv, s. 99—139.
[I. Note sur une lettre autographe de Rabelais. — II.
Un passage de la Correspondance d’Frasme rapproch^
de passages similaires de Rabelais. La lettre de Gar-
gantua ä Pantagruel.]
— : Thuasne, L., La lettre de Rabelais k Erasme.
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6
Beiblatt.
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Bänfulla della Domenica. 1904. XXVI, No. 19, 20.
— : Haag, F., Die Lausanner Ausgabe von Voltaires
sämtlichen Werken 1770 — 1781. Ein Beitrag zur
Geschichte der Bernischen Censur.
Neues Berner Taschenbuch auf d. f. 190g. S.
191—238.
— : Haag, Die Lausanner Ausgabe von Voltaires
sämtlichen Werken. (Aus den Jahren 1770 — 1781.)
Ein Beitrag zur Geschichte der Bernischen Censur.
La Suisse Universitaire. 1904. X, S. 65 — 96.
— : Lanson,G., L’afifaire des „lettres philosophiques“
de Voltaire d’aprös des documents inedits.
Revue de Paris. 1904. XI, 4, S. 367— 386.
Walther von derVogelweide: Brachmann, F., Walther
von der Vogelweide.
Der Türmer. 1905. VII, 2, S. 101 — 113.
— : Michael, E., Walther von der Vogelweide und
seine Sprüche gegen die Päpste.
Zeitschr. f. kath. Theologie. 1905. XXIX, Heft 2.
Wedde: Kreowski, E., Johannes Wedde als Dichter.
Die Neue Zeit. 1904. XXII, 1, S. 771—773.
Yeats: Potez, H., W. B. Yeats et la Renaissance
poetique en Irlande.
Revue de Paris. 1904. XI, 4, S. 597—618, 848—866.
Zimmermann : Ische r, R., J. G. Zimmermanns Briefe
an Haller 1751 — 1752. Nach dem Manuskript der
Stadtbibliothek Bern.
Neues Berner Taschenbuch auf d. f. IQ04. S. 1 — 57.
— : I scher, R., J. G. Zimmermanns Briefe an Haller
1753 — 1754-
Neues Berner Taschenbuch auf d. f. 190g. S.
123— 173.
Neuerwerbungen der Münchener Bibliothek.
Die an Zahl der Bücher seit kurzem von der König¬
lichen Bibliothek zu Berlin um eine Kleinigkeit ge¬
schlagene, an Bedeutung des Bücherbestandes jener
beträchtlich überlegene Kgl. Hof und Staatsbibliothek
zu München hält ihren großen Vorsprung in Quantität
und Qualität der Handschriften vor jener unverändert
aufrecht. In letzter Zeit sind ihr auf diesem Felde,
jedoch auch an Büchern, etliche sehr respektable Stif¬
tungen von weiterem Interesse zugefallen. Auf dem
Handschriftengebiete der Nachlaß ihres vorigen
Direktors, des berühmten Latinisten Karl v. Halm
(1809 — 82), der ja selbst von 1865 bis zu seinem Tode
7
Beiblatt.
(Neuerwerbungen der Münchener Bibliothek — Katalog Martin Breslauer.)
den groben „Handschriftenkatalog der Bibliothek zu
München“, in acht Bänden, überwacht hatte. In diesen
einverleibten Halmschen Papieren steckt, außer man¬
cherlei Schriftstücken zur Geschichte der großen staat¬
lichen Zentralbücherei Baierns, besonders Halms aus¬
gebreiteter philologischer Briefwechsel, dessen Krone
einige hundert Stück von Theodor Mommsen und
Friedrich Ritschl sind. Sodann erwarb die Staatsbiblio¬
thek die handschriftliche Hinterlassenschaft Christian
Konrad Schads (1821 — 71), des weniger als Dichter
und Schulmann denn als Herausgeber des „Deutschen
Musenalmanachs“ zu Geltung gelangten Literaten,
nach dem nunmehrigen Ableben von dessen Sohn,
dem unterfränkischen Arzt Dr. Georg Schad. Größte
Wichtigkeit kommt darunter den teilweise in den
Original-Niederschriften vorliegenden Manuskripten
der ,,Musenalmanach“-Jahrgänge 1850, 1852 — 59 sowie
des 1868 mit Ignaz Hub herausgegebenen „Freiligrath-
Albums“ zu, nebst der zu beiden gehörigen ausgedehn¬
ten Korrespondenz, in der kaum ein deutscher Poet
der Periode unvertreten ist.
Das auf den genialen Direktor der Münchner
Akademie der bildenden Künste zurückgehende
Wilhelm von Kaulbach-FxCdw birgt neben vielen
Familienbriefen reichhaltige Dokumente zu Kaulbachs
(1805 — 74) Leben und Schaffen, sowohl handschriftliche
wie gedruckte. Deren Benutzung haben die stiften¬
den Hinterbliebenen des Meisters für 30 Jahre
an ihre ausdrückliche Erlaubnis gebunden. Aus der
Bibliothek des neuerdings für das volkstümliche Drama
in München („Münchner Volkstheater“) eifrig tätigen
Dramaturgen und Dramatikers August Fresenius
(geb. 1834 zu Frankfurt a. M., nicht mit seinem gleich¬
namigen Vetter, 1886 — 91 Herausgeber der „Deut¬
schen Literaturzeitung“, zu verwechseln) ist die fran¬
zösische Abteilung hergeschenkt worden. Neben einer
Reihe größerer geschichtlicher und literarhistorischer
Werke befindet sich darunter in erster Linie seine
einzigartige Sammlung älterer französischer Theater¬
literatur, die in Deutschland ohne jedes Seitenstück
dasteht und um so stärkere Teilnahme beansprucht,
als sie dem bisherigen Besitzer sichere Unterlagen
für seine nicht nach Gebühr gewürdigte Wirksamkeit
bei König Ludwigs II. vielberufenen Separatvor¬
stellungen an die Hand gegeben hat. Man erkennt
schon aus diesen kurzen Andeutungen, in welchem her¬
vorragenden Maße diese neuerlichen Zuwendungen,
abgesehen von ihrer allgemein inhaltlichen Bedeutung
besonders für die süddeutsche Kultur-, Literatur-, Kunst
und Gelehrtengeschichte wichtig, das Eigentum der
Hof- und Staatsbibliothek bereichern. Hier ist Anlaß,
auf eine etwas ältere Schenkung zurückzukommen,
nämlich auf Wilhelm Hertz\ des ausgezeichneten
Dichters und Germanisten, Forschemotizen. Wir
tun dies am besten mit O. B.’s kundigen Worten
in seinem warm nachdrucksvollen Referat über
W. Hertz’ „Gesammelte Abhandlungen“ (aus dem
Nachlaß oder entlegenen Druckstellen; Stuttgart-Berlin,
Cotta, 1905), in der Beilage zur „Allgemeinen Zeitung“
Nr. 221 vom 24. September 1905: „Wie viele Früchte
dieser unermüdlichen wissenschaftlichen Tätigkeit
ruhen noch uneingeemtet in den Kollektaneen, die der
Forscher hinterlassen hat und die jetzt, in 80 Kästen,
jeder mit überreichem Inhalt, auf der Münchener
Staatsbibliothek verwahrt werden! Auch nur eine
Übersicht über diesen Reichtum zu geben oder Aus¬
wahlen daraus zu veröffentlichen , würde jahrelange
Arbeit in Anspruch nehmen. Und wie viele nach¬
kommende Sagenforscher können wohl von diesen
Schätzen zehren, deren Fülle selbst das übertrifft, was
Reinhold Köhler und Felix Liebrecht, die großen
Sammler auf diesem Gebiete, hinterlassen haben!“
München. Ludw. Frankel.
Katalog Martin Breslauer.
Herr Martin Breslauer, einer unserer jüngsten, fein¬
gebildetsten und tatkräftigsten Berliner Buchhändler,
hat sich seit Auflösung der Firma Breslauer & Meyer
gänzlich dem Antiquariat gewidmet und unter eigenem
Namen ein Geschäft Unter den Linden 16 begründet.
Für jeden Bücherfreund wird es schon eine Freude
sein, diese Geschäftslokalitäten zu betreten, die mit
dem vornehmen Geschmack eines Mannes ausgestattet
sind, der nicht nur Händler und Vermittler, sondern
zugleich ein passionierter Bibliophile ist, der nicht allein
aus kaufmännischem Interesse sammelt, sondern mit
dem wissenschaftlichen Eifer des Forschers. Eine Frucht
gewissenhafter Forschung ist auch der kürzlich ver¬
ausgabte erste Katalog Martin Breslauers: ein statt¬
licher Oktavband von VIII und 236 Seiten in aus¬
gezeichneter typographischer Anordnung mit über hun¬
dert Faksimilereproduktionen und zahlreichen litera¬
risch-bibliographischen Anmerkungen. Der Katalog
(Preis 4 cdl) umfaßt in 720 Nummern eine Anzahl zum
Teil hervorragend seltener Werke; der Raum erlaubt
uns nur, einiges wenige daraus anzuführen.
Aus den Ablaß- und Beichtbriefen: der von Richard
Fakes in London 1519 gedruckte Indulgenzbrief, dann
das einzige bekannte Exemplar des Ablasses von 1482,
von dem es noch nicht feststeht, ob er in Lübeck oder in
Rostock gedruckt worden ist, ferner die Bulle Sixtus IV.,
für die Schöffer 1480 die ältesten Typen Gutenbergs
benützte, auch eine große Rarität, da von ihr nur noch
drei andere Exemplare existieren. Es folgen eine An¬
zahl Aldinen und Americanas (unter denen die Cosmo-
graphie des Maurolycus, Venedig Junta 1543, und die
deutsche Vespucci-Ausgabe, Nürnberg 1508, erwähnt
werden mögen), eine Auswahl seltener Volksbücher
(Ludecus, Heilige Blut zu Wilsnack, Wittenberg 1586),
Bücher mit Widmungen und berühmtem Vorbesitz
(Flavius Blondus, Historia Romanorum, Venedig 1483,
mit Marginalien von der Hand Konrad Peutingers; ein
Sammelband aus dem Besitze Pirkheimers mit Dedi-
kationen von Eobanus Hessus und Chr. Scheurl), ferner
als interessante Kuriosität des Crispus de Montibus
Repetitio tituli institutionum de haeredibus, Venedig
1490, mit dem ersten Dreifarbendruck (als zweiter folgte
der Dreifarbenholzschnitt in Ratdolts Missale Pata-
viense). Unter den Einblattdrucken seien angeführt:
die erste, ungemein seltene Ausgabe von Fischarts
Kuttenstreit, der sog. „lange zeddul“, o. O. u. J. (um
8
Beiblatt.
1 577)» ferner der Bericht der deutschen Kaufleute aus
dem Stahlhof in London vom 3. März 1526 an den
Rath von Cöln über das Verbot lutherischer Schriften,
den man wohl als Unikum bezeichnen kann. Sehr
interessant ist die Flugschriftensammlung, die Bekkers
„Bezauberte Welt“ hervorrief, 47 holländische Ab¬
handlungen aus den Jahren 1692 — 1721, weiter die
deutsche Erstausgabe von Leonhard Fuchs’ Kräuter¬
buch (Basel 1543), dann Geilers Emeis, Straßburg 1516,
und die Brösamlein, ebda. 1517, sowie Luthers Kercken
Postilla, Wittenberg 1563, mit ihren 80 halbseitigen
Holzschnitten eines unbekannten Meisters.
Aus der Abteilung der Inkunabeln verdient Er¬
wähnung eine Passio domini, die zwar (Biel) von 1509
datiert ist, in der aber Gutenbergs älteste Typen Ver¬
wendung gefunden haben. Die Hypnerotomachia des
Poliphilus von 1499 fehlt nicht, ebensowenig Schedels
Chronik von 1493 und der Speyghel der Dogede,
Lübeck 1485. Daneben steht manches bisher un¬
bekannt Gebliebene: so ein Lucian von ca. 1470
(Straßburg, Eggesteyn) und ein Erfurter Druck von
ca. i486 (zwei Traktate von Johannes von Dorsten).
Ferner seien notiert das höchst seltene Doctrinale
Grosses, Straßburg ca. 1478, des Ludolphus de Saxonia
Leben Christi von 1495, Thomas Murners Erstlingswerk,
Kirchheim i/E. 1499, und ein Probedruck aus Schön-
spergers Offizin, wohl aus dem Jahre 1493. Zu einer
Prachtkollektion ist eine Anzahl Schriften über den
Kölnischen Judenbücherstreit vereinigt. Wir finden
dort die Traktate Victor von Carbens über die Jung¬
frauschaft Mariä, Ecks Judenbüchlein, die Epistolae
clarorum virorum Reuchlins und vier Drucke der Epi¬
stolae obscurorum virorum, ferner die Schriften Hoch-
stratens und Pfefferkorns, Sickingens Erwiderung in
zwei Drucken und unter den Werken Reuchlins auch
dessen berühmten Augenspiegel von 1511. Eine Schul¬
wandtafel von 1495, die Glaubensgebote für Kinder
enthaltend, ist wohl Unikum ; von der lateinischen Über¬
setzung des Kleinen Katechismus, dem Enchiridion
piarum precationum, Wittenberg 1529, kennt man nur
noch das Wolfenbütteler Exemplar, ebenso ist Luthers
Betbüchlein von 1 523 eine erlesene Rarität. Das führt
uns seiner Illustrationen wegen auf die Schlußabteilung
des Katalogs: das Werk des Hans Weiditz, von dem
nicht weniger als 29 Bücher aufgeführt sind, darunter
der Boccaccio von 1545, der Cicero von 1531 in erster
und zweiter Auflage, Huttens Exhortatorium (Augsburg
1519), der Justinus von 1531 und der berühmte Petrarca.
Viel Seltenes weisen auch die Monumenta paedagogica
des Verzeichnisses auf, aber es ist leider nicht möglich,
auf die Einzelheiten näher einzugehen. A
Autographenauktion Meyer Cohn.
Die Versteigerung des ersten Teils der köstlichen
Handschriftensammlung Alexander Meyer Cohns fand
vom 23. bis 28. Oktober bei J. A. Stargardt in Berlin
statt und nahm einen glänzenden Verlauf. Wir müssen
uns für heute auf die Mitteilung der Hauptanziehungs¬
punkte beschränken, machen aber darauf aufmerksam,
(Katalog Martin Breslauer — Autographenauktion Meyer Cohn.)
daß Interessenten den auf besseres Papier abgezogenen
Gesamtkatalog mit eingetragenen Preisen (für M. 20)
von der genannten Firma beziehen können.
Fürsten. Otto I., Pergamenturkunde a. d. J. 941
mit eigenhändigem Signum M. 300 ; Friedrich Barba¬
rossa, Pergamenturkunde von 1166, eigenhändiges
Signum, M. 600 ; Karl V., eigenhändiger Brief an Papst
Clement VII. Augsburg 30. 10. 1530 M. 700; zwei
weitere Briefe Karls V. an seinen Sohn Philipp M. 1990 ;
Friedrich der Große, 20 Briefe aus dem Jahre 1785 an
den Herzog von Braunschweig- Lüneburg M. 1600 ;
Kaiser Wilhelm I. an Prinz Karl 30. 6. 1814 M. 560;
Wilhelm der Eroberer von England, Schenkungsur¬
kunde M. 250; Catharina von Aragonien 22. 6. 1531 an
ihren Gesandten Mendoza in Portugal M. 1150; Königin
Elisabeth L. s. sousc. aut. 17. 5. 1594 an den Herzog
von Württemberg M. 1150; Napoleon an Josefine nach
der Schlacht von Arcole M. 2510; Napoleon an Barras
M.800; Josephine 27. 5. 1810 anHortense M. ui; Herzog
von Reichsstadt Wien 17. 3. 32 an Maria Louise M. 425
(gegen M. 660 im Jahre 1886); Marie Antoinette 31. 7.
86 M. 820; Elisabeth Charlotte 26. 1. 19 M. 400 ; Lud¬
wig XIV. 12. 7. 1672 an Turenne M. 300; der Große
Kurfürst 23.3. 1671 M. 560; Erbprinzeß Wilhelmine von
Bayreuth 6. 8. 1757 an Friedrich den Großen M. 300 ;
Königin Luise an Prinz Heinrich M. 350; Briefe Fried¬
rich Wilhelms III. M. 310 und 361 ; Zeichenheft Wil¬
helms I. aus Memel 1807 M. 400; König Ludwig II. an
Kainz 25. 9. 82 M. 350; Kaiserin Katharina II. 22. 2.
1760 M. 400 ; Johann II. von Spanien Doc. s. Madrid
1424 M. 231 ; Philipp II. 23. 12. 1593 M. 300.
Kriegs- und Staatsmänner. Gneisenau 4. 10. 14
M. 425; Blücher 27. 2. 15 M. 36 1 ; Bismarck 29. 12. 86
an Kaiser Wilhelm M. 1000-— ebenso 27. 12. 82 M. 810 —
ebenso an den Kronprinzen 15. 1. 83 M. 550; Andreas
Hofer 27. 9. 09 M. 455; Camille Desmoulins 5. 4. 1794
M. 41 1; Marat 4. 7. 93 M. 370 ; Robespierre M. 350 ;
Saint -Just 20. 7. 92 M. 225.
Schriftsteller. Sebastian Brant 1505 M. 440 ; Paul
Gerhardt 12. 9. 1668 M. 405; Murner 13. 1. 1521 an
Brant M. 701 ; Luther 1525 M. 1400; 114 Briefe von Bert-
hold Auerbach M. 155; 8 Briefe von Anastasius Grün
M. 161; Bodenstedt M. 30 und 17. 50; CI. Brentano M.
120; Bürger M. 39, 81, 65, 30 ; Chamisso, Korrespon¬
denz mit Hitzig, M. 132; Freiligrath, 24 Briefe M. 160 ;
Geibel, 22 Briefe M. 130, Briefe an Hemsen M. 71 ;
Goethes Urgroßvater Textor, Stammbuchblatt M. 30.;
Goethes Großvater M. 105; Goethes Vater M. 161;
Goethes Mutter, 2 Briefe ä M. 400 an Krespel und Frau
von Stein; Goethes Briefe an F. H. Jacobi M. 12100;
81 Briefe Goethes an Reinhardt M. 2305; Goethe, 9
Briefe an Einsiedel M. 550; Goethe an Schönborn Juli
1774 M. 2100; an die Karschin 28. 8. 75 M. 510; an die
Branconi 16. 10. 80 M. 801 ; Manuskript „Satyros“ M.
351 ; an seinen Sohn August M. 245; Manuskript „Zum
Shakespeare Tag“, 8 Seiten, M. 7000 ; ein 1772 — 73
in Darmstadt entstandener dramatischer Scherz M. 905 ;
ein Exemplar der „Iphigenie“ mit Widmungsgedicht
an Mad. Milder M. 1360; Christiane Vulpius M. 225;
August Goethe 16. 11. 16 M. 150 ; Behrisch, Dessau
1776, M. 60.50; Friederike Brion, Albumblatt M. 780;
Z. f. B. 1905/1906. Beiblatt 8.
9
2
Beiblatt.
(Autographenauktion Meyer Cohn — Kataloge — Inserate.)
die Hendel-Schütz 22. n. 08 M. 85; K. W. Jerusalem,
Wetzlar 8. 10. 70, M. 306; Charlotte BufF-Kestner3i . 5 . 21
M. 202; ihre Silhouette M. 170; Susanne Klettenberg
11. 8. 72 M. 100; 200 Briefe von Elisabeth Oeser M. 450;
Corona Schroeter 15. 2. 1784 M. 275; Lili Schönem ann-
Türckheim, Albumblatt M. 250; Maler Seekatz 20. 9.
1763 an Rath Goethe mit dessen Antwort M. 300 ; 5 Briefe
von Hauff an Moritz Pfaff und Th. Hell M. 930 ; 80
Briefe Hebbels M. 80; E. T. A. Hoffmann 18. 7. 15 M.
170; Kleist, 34 Briefe an Wilhelmine von Zenge M.2970;
sein Abschiedsbrief an den Kriegsrat Peguillhen 21. 11.
11 M. 1300, ein Brief an Iffland über die Ablehnung
des „Käthchen“ 12. 8. 10 M. 490, Gedicht an Kaiser
Franz M. 610 ; Klinger an Boie 30. 1. 1778 M. 175.
A
Kataloge.
Zur Vermeidung von Verspätungen werden alle Kataloge an die Adresse
des Herausgebers erbeten. Nur die bis zum 25. jeden Monats ein¬
gehenden Kataloge können für das nächste Heft berücksichtigt werden
Deutschland und Österreich-Ungarn.
Heinrich Lesser (Ph. Brand) in Breslau II. No. 308.
Kulturgeschichte , Vergriffenes.
K. Th. Völcker in Frankfurt a/M. No. 257. Geschichte
und H Hilfswissenschaften. VI. Abt.
Max Harrwitz in Berlin W. 35. No. 103 a uud 103 b.
Alte Medizin, Psychopathia sexualis. — No. 10 1.
Deutsche Literatur von 1730 an (L — Z).
A. Buchholz in München. No. 42. Philosophie, katho¬
lische Theologie.
F. Malota in Wien IV. No. 3. Rechts- und Staats¬
wissenschafte?} .
Alfr. Lorentz in Leipzig. Leipz. Antiquar-Büchermarkt
No. 65. Philosophie, Pädagogik, Kunst, Geschichte,
Literatur, Varia.
Gilhofer Ranschburg in Wien I. Anz. No. 75. Varia,
Seltenheiten.
Rieh. Bertlmg in Dresden A. No. 56. Kunst und
Kunstgeschichte (Menzel, Rethel, Richter, Hand¬
zeichnungen, Aquarelle, Ölbilder).
M. Edelmann in Nürnberg. No. 32/33. Bayern. An¬
sichten, historische Blätter, Kostüme, Porträts etc.
List (F Francke in Leipzig. No. 372. Musikliteratur ,
Musikalien, Theater u?id Tanz, Autographen von
Musikern und Bühnenkiinstle?'n. — No. 374. Kunst¬
geschichte und Kunstgewerbe.
F. Waldau in Fürstenwalde (Spree). No. 3. Deutsche
Literatur , illustrierte Bücher, Kultur u?id Sitte ,
Kuriosa.
Ottosche Buchhandlung in Leipzig. No. 558- Deutsche
Sprache und Literatur bis zum Ausgang der
klassischen Periode.
Th. Acker?nann in München. No. 543. Rechtswissen¬
schaft. — No. 545. Deutsche Belletristik seit 1840.
R. Levi in Stuttgart. No. 160. Varia.
Jos. Baer Co. in Frankfurt a/M. No. 518. Folklore. —
No. 519. Münzkunde. — No. 514. Englische Literatur.
— Frankfurter Bücherfreund IV, 5/6. mit Essai:
Das Lied von der Schlacht bei Hemmingstedt
(Lübeck, Arndes, um 1500).
Exlibris-
Die Aufnahme einer Adresse kostei
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10 Mk., Halbjahres -Abonnement
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Schumannstr. 34
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(Chodowiecki, Dore, Grandville, Hosemann, Menzel,
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M. Glogau jr. in Hamburg. No. 69. Kulturgeschichte,
Kuriosa, Varia.
G. Pietzsch in Dresden A. No. 13. Belletristik, Zeit¬
schriften, Varia.
Matth. Mittermiiller (A. H. Huber) in Salzburg. No. 32.
Musik und Theater.
Jiirgensen &•* Becker in Hamburg. No. 21. Aus allen
Gebieten, Hamburgensien. — No. 22. Kultur und
Sitte, spanische Literatur , Varia.
Heinrich Kerler in Ulm. No. 343. Nationalökonomie,
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Sprachkunde.
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lische Theologie.
Adolf Weigel in Leipzig. No. 83. Theater, Musik und
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Heinr. Saar in Wien IX. No. 3. Literatur.
Lipsius Tischer in Kiel. No. 81. Die Bibliothek
Maximilian Wolfgangs von Goethe.
C. G. Boerner in Leipzig. Auktionskatalog der Goethe-
Bibliothek Biederma?in (13. 10. 05 ff.).
Max Perl in Berlin. No. 65. Varia.
Ernst Frensdorff in Berlin. Bücher Angebot (mit ab¬
gekürzten Titeln) No. 1. Berlin, Friedrich der Große,
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Bibliotheca Historica I: Historische Hilfswissen¬
schaften.
O. Gerhardten. Berlin W. 50. No. 51. Gelehrtengeschichte.
Ausland.
M. Labadille in Paris. No. 4. Französische Literatur,
Kuriosa.
Fr. Perrella in Neapel. No. 20. Musik , Theater, schöne
Einbände, Varia.
A. Geering in Basel. No. 305. Theologie.
J. Gamber in Paris. No. 31. Kunst, Bibliographie,
Folklore, Verschiedenes.
E. /. Brill in Leyden. No. 67. Sanskrit .
Inhalt des Hauptblattes.
(Heft 8 — November 1905.)
Sweinheim und Pannartz. Von Kl. Löffler. — Eine
Lavater-Mappe. Von K. F. Nowack. Mit 3 Abbildungen.
— Schauspielerbriefe aus dem Ifflandkreise. I. F. W.
Götter. Von L. Geiger. Mit 2 Porträts. — Das Stamm¬
buch Fritz von Steins. II. Von F. v. Zobeltitz. Mit
1 Porträt und 2 Faksimiles. — Die Weigelsche Manu¬
skript- und Miniaturensammlung. Von A— i. Mit 4 Ein¬
schaltblättern. — Chronik. Mit 4 Abbildungen.
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Deutsche Literatur
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Katalog No. 1 14: Kunstblätter, Kuriosa
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bilder. Historische Blätter. Inter, und seltene Porträts.
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Antiquariatskatalog No. 270
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Katalog No. 68
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4421 Nummern.
Katalog No. 69
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Medizin, Geschichte u. Geographie, Schleswig-Holstein,
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Edmond des Robert in Nancy und Jean Grellet, Präsident der „Schweizerischen heraldischen
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Band 16
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Preis 3 Mark.
Für einen erstaunlich billigen Preis, 3 Mark, wird
hier zum ersten Male eine meisterliche, frische Ge¬
schichte des Holzschnitts geboten, die sich nicht auf
das Wort beschränkt, sondern dieses — und gerade
das war hier notwendig — in überraschender Weise
durch die Illustration begleitet. Der überwältigend
reiche Bilderschmuck — der Band bringt 13g Ab¬
bildungen und nicht weniger als 16 Kunstbeilagen —
gestaltet daher das Buch zu einer kleinen kunst¬
geschichtlichen Encyklopädie, die das Schaffen der
großen Meister von Jost Amman, Dürer, Holbein,
Altdorfer, Cranach usw. über Menzel und Schwind
bis zur Gegenwart verfolgt, in der der Holzschnitt
zwar als Illustrationsmittel zurücktritt, aber als selbst¬
ständiges Kunstmittel neue Erfolge zu erringen sich
anschickt. In Verbindung mit der früher in derselben
Sammlung erschienenen Monographie „Der Kupfer¬
stich“ von Prof. Hans Singer bildet das Buch eine
famos orientierende, vielfach anregende Geschichte der
graphischen Kunst, und man möchte unwillkürlich
wünschen, daß es jeder Kunstfreund auf seinem
Weihnachtstisch fände.
Verlag von Velhagen & Klasing
in Bielefeld und Leipzig.
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Verlag von Velhagen & Klasing in Bielefeld und Leipzig.
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Preis gebunden in Halbfranz 32 Mark.
Diese Jubiläumsausgabe darf gleich der ersten Auflage vor fünfund¬
zwanzig Jahren als ein Ereignis auf dem Gebiete des Atlantenverlages
bezeichnet werden.
Die Zahl der Karten ist von 186 auf 207 Seiten gestiegen. Gleichen
Schritt mit dieser räumlichen Erweiterung hat der innere Ausbau des
Werkes gehalten: Inland wie Ausland sind je nach der Bedeutung der ein¬
zelnen Länder und Staaten in mustergültigen Darstellungen vertreten.
Eine Spezialität des Andree’schen Atlas, die allgemeine und sta¬
tistische Geographie, hat durch neue Karten ihren weiteren Ausbau
erfahren, und auf dem Gebiete der Handels- und Wirtschafts¬
geographie bringt die neue Auflage Darstellungen, wie sie kein
anderer Handatlas der Welt aufweisen kann.
Durch alle Buchhandlungen zu beziehen. ■+
1' ür die Anzeigen verantwortlich: K. Dieckmeyer, Leipzig, Hospitalstr. 27. Verlag von Velhagen & Klasing, Bielefeld und Leipzig.
Druck von W. Drugulin in Leipzig.
Mit Extrabeilagen von G. J. Göschen’sche Verlagshandlung Leipzig, Dleterlch’scheVerlagsbucbhandlung
Theodor Welcher, Leipzig und Franz Hanfstaengl, Hof-Kunstanstalt, München.
[G5öiEG5ö!E)G<SöhE>G2öiE)G5®E)GS^E>G5ökE)C5S^EiC^®©O®kEi(^ÖIE)G2öiIE)GS^E)GSQE>>5i0
eitfchnft für Bücherfreunde t $ $
Organ der öcfcüfcfoaft der BibUopbüetir
BEIBLATT
IX. Jahrgang. Neuntes Heft.
Dezember 1905.
Abonnementspreis für den Jahrgang 36 M. (21,60 Fl. ö. W., 45 Fr., 36 sh., 21,60 Rb.), für das Quartal (drei Hefte) 9 M.
Anzeigen
Vi Seite . 60 Mark.
x/2 Seite . 30 Mark.
v4
Vs
Seite . 15 Mark.
Seite . 8 Mark.
Kleine Anzeigen (Desiderata und Angebote): die gespaltene Petit- Zeile SO Pf. (für Mitglieder der Gesellschaft
der Bibliophilen und Abonnenten der Z. f. B. nur 25 Pf.).
B ei läge - G e b ühr 40 Mark. — Schluß für die Anzeigenannahme jedes Heftes am IO. des vorhergehenden Monats.
Redaktionelle Sendungen: Manuskripte, Bücher, Kataloge etc. gefl. zu richten an den Herausgeber: Fedor von Zobeltitz, Berlin IV. iß.
Uhlandstr. 33 (Sommer: Spiegelberg bei Topper, Rgbz. Frankfurt a. O.).
Anzeigen an die Verlagshandlung : Vellingen & Klasing, Abteilung für Inserate, Leipzig, Hospitalstr. 27.
Rundschau der Presse.
Von Arthur L. Jellinek in Wien.
Die nachfolgende Übersicht versucht, die in Tagesblättern, Wochen- und Monatsschriften enthaltenen Aufsätze und Abhandlungen,
soweit sie für die Leser unserer Zeitschrift in Betracht kommen, in sachlicher Anordnung zu verzeichnen. Nur das Wichtigere aus den Ver¬
öffentlichungen der letzten Monate kann berücksichtigt werden. Absolute Vollständigkeit zu erreichen liegt für den einzelnen Bearbeiter
außerhalb des Bereiches der Möglichkeit. Die Zeitschriften sind nach Bänden, Jahrgängen, Heften oder Seiten, je nach der leichteren Auf-
findbarkeit, citiert. Gleichmäßigkeit ist hierin nicht angestrebt. Zusendung von Separatabdrücken und Ausschnitten an die Adresse des
Bearbeiters (Wien VII, Kirchengasse 35) erbeten.
Schrift-, Buch- und Bibliothekswesen.
Buchdruck , Buchhandel.
Austin, St. E., The History of Engraving.
The Printseller. 1903. I, S. 31 — 34, 67 — 7 2, 217 —
222, 249-257, 303— 310, 351—359, 393— 398, 425—430,
479—486, 533 — 541- 1904- II, S. 21—27, 61—67,
104 — 110, 142— 147, 188—197, 241—243.
Federici, V., Pel centenario di Aldo Manuzio.
Fanfulla della Domenica. 1904. No. 44. 30. X.
Kühl, G., Anti-Larisch.
Archiv f. Buchgewerbe. 1905. XLII, S. 202—205.
Pastor, W., Fraktur oder Antiqua?
Die Zukunft. 1905. LI, S. 13 1 — 135.
Pollard, A. W., Recent Caxtoniana.
The Library. 1905. VI, S. 337—353.
Schwenke, P., Neue Donatfunde.
Zentralbl. f Bibliothekswesen. 1905. XXII, S.
529—535-
Thron, J., Ein belgisches Buchgewerbemuseum in
Brüssel. — Das Plantin-Museum, Antwerpen. — Der
Streit um die ,, Livres de prix“. — „Imagerie popu-
laire“. — „Einige Wahrheiten über die Academie
frangaise.“
Börsenbl. f. d. deutschen Buchhandel. 1905. No.
224, 225.
Autograph en-Preise der XXXV. Autographen-Auktion
von Leo Liepmannssohn, Berlin.
Börsenbl.f.d. deutschen Buchhandel. 1905. No. 142.
Z. f. B. 1905/1906. Beiblatt 9. — I
Eckardt, J. H., Nachträgliches zum Buchdruck und
Buchhandel in Holstein.
Börsenbl. f. d. deutschen Buchhandel. 1905. No.
217, 226, 227.
Hauck, K., Der deutsche Kunsthandel vor 100 Jahren.
Börsenbl. f. d. deutschen Buchhandel. 1905. No.
20 7, 208.
Kleemeier, Fr. J., Kunst und Kunsthandel [mit Biblio¬
graphie der wichtigsten Nachschlagewerke].
Börsenbl. f d. deutschen Buchhandel. 1905. No. 206,
207, 228, 229.
Kellen, T., Ernstes und Heiteres aus der Welt der
Verleger und der Schriftsteller.
Börsenbl. f. d. deutschen Buchhandel. 1905. No. 221.
[Anknüpfend an F. Maillard, La Cite des Intellec-
tuels. Paris, Daragon 1905.]
Plomer, H. R., Westminster Hall and its Booksellers.
The Library. 1905. VI, S. 380 — 390.
Rinder, Fr., Book sales of the past season.
The Burlington Magazine. 1904. V, S. 589 — 592.
Röthlisberger, E., Die geistige Produktion der
Schweiz.
Börsenbl. f. d. deutschen Buchhandel. 1905. No. 220.
Schmersahl, E., Vom Buchhandel in Amerika.
Börsenbl. f. d. deutschen Buchhandel. 1905. No. 219.
Weisstein, G. , Buchhändler und Gelehrter [Albert
Cohn].
National-Ztg. 1905. No. 523 [16. IX.]; Börsenbl.
f. d. deutschen Buchhandel. 1905. No. 219.
1
Beiblatt.
(Rundschau der Presse.)
Bibliographie.
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The Library. 1905. VI, S. 403— 41 1.
Cottin, P., Loredan Larchey(i83i — 1902). Etüde bio-
bibliographique.
Bulletin du Bibliophile. 1904. S. 227—243, 305 —
312, 353-362, 413-434, 520-528, 595-605, 657-662.
1905. S. 17—24, 72— 79, 126—133, 175-184.
Dauze, P., La Definition des editions originales.
Revue biblio-iconographique. 1905. X 1 1 , S. 157—160.
Haebler, K., Bericht über den Plan eines Gesamt¬
katalogs der Wiegendrucke.
Zentralbl. f. Bibliothekswesen. 1905. XXII, S.
509-517.
Laquer, B., Neuere Amerika-Literatur.
Blätter f. Volksbibliotheke?i. 1905. VI, S. 49—52.
Bibliothekswesen.
Ballinger, J., The Library Association at Cambridge.
The Library. 1905. VI, S. 428 — 437.
Bishop, W. W., Some considerations on the cost of
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The Library Jownal. 1905. XXX, S. 10—14.
Bromios, Wölkenkuckucksheim. (Aus der biblio¬
thekarischen Praxis.)
Die Grenzboten. 1905. LXIV, S. 468— 477.
[Gegen den Vorschlag einer „Zentralisierung der
Katalogarbeit“.]
Friedrich, Ph., Lesezirkel und Volksbibliotheken.
Borrojnaeus-Blätter. 1905. II, S. 226—229.
Fritz, G., Bücherauswahl und Musterkataloge.
Blätter f. Volksbibliotheken. 1904. V, S. 69— 73.
Gottlieb, Th., Alte Bibliothekskataloge.
Deutsche Geschichtsblätter. 1904. VI, S. 24—27.
H allier, E., Betrachtungen über „Oeffentliche Bücher¬
hallen“.
Blätter f. Volksbibliotheken. 1904. V, S. 105 — 1 10.
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The Library Journal. 1905. XXX, S. 72—80.
Herz, H., Etwas über Blindenbibliotheken.
Borromaeus-Bätter. 1905. III, S. 13 — 14.
H ortzschansky, A., Otto Hartwig
Blätter f. Volksbibliotheken. 1904. V, S. 33—36.
Kroeger, A. B., Reference books of 1904: supple-
menting the A. L. A. „Guide“.
The Library Journal. 1905. XXX, S. 5—10.
Nörrenberg, C.. Neue Bibliotheks-Kataloge.
Blätter J. Volksbibliotheken. 1904. V, S. 36—38.
Philip, A. J., Raphael Trichet.
The Library. 1905. VI, S. 354—359.
Pietsch mann, R., Wissenschaftliche Arbeitsbiblio¬
theken.
Preußische Jahrbücher, 1905. CXXII, S. 69 — 76.
Schnoor, Ueber die Statistik in Volksbibliotheken
und Bücherhallen.
Blätter J. Volbsbibliotheken. 1904. V, S. 175 — 177.
Schulze, A., Zu Ermans Reformprojekt. [Einheitliche
Katalogisierung und Zetteldruck.]
Zentralbl. J. Bibliothekswesen. 1905. XXII, S.
517-522.
Schul tze, E. , Musterverzeichnis von Büchern der
schönen Literatur für Volksbibliotheken.
Blätter f. Volksbibliotheken. 1904. V, S. 143— 1 5 1.
1905. VI, S. 3—10, 44-49, 82-86, 116-120.
Seerig, R., Volksvorlesungen und freie öffentliche
Bibliotheken.
Blätter f. Volksbibliotheken. 1904. V, S. 39—40.
Stainer, L., Congr£s International pour la Rdproduc-
tion des Manuscrits, des Monnaies et des Sceaux.
Compte rendu sommaire des seances.
Revue des Bibliotheques et Archiv es de Belgique.
1905. III, S. 322-340.
Strohmeyer, O., Das Bücherverzeichnis als Erzieher.
Blätter J. Volksbibliotheken. 1904. V, S. 9 — 10.
Bishop, W. W., A decade of library progress in
America.
Populär Science Monthly. 1904. S. 131 — 138.
Reichel, E. , Ein Wort zum Thema: Königliche
Bibliothek in Berlin.
Die Gegenwart. 1905. LXVIII, S. 13 — 14.
Lelong, E., Les bibliotheques universitaires alle-
mandes depuis trente-cinq ans. [ Deutschland '.]
Revue internationale de /' enseignement. 1905.
XLIX, S. 396-398.
Hanauer, J., Von der Musikalien-Frei-Bibliothek in
Frankjurt a. M.
Blätter J. Volksbibliotheken. 1905. VI, S. 145 — 148.
Diegerick, A. Les Archives de l’Etat ä Gand et le
Chateau de Gerard le Diable.
Revue des Bibliotheques et Archives de Belgique.
1905. III, S. 267—280.
van H uffel, A. J., Die holländischen Volksbibliotheken
im verflossenen Jahre.
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Taine: Lac ombe, P., Notes sur Taine. I. Le milieu en
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Uhland : Proelß, J., Des Sängers Fluch.
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Wernher, Bruder: Schönbach, A. E., Die Sprüche
des Bruder Wernher. (I). (Beiträge zur Erklärung
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Kais. Akademie d. Wissenschaften. Wien 1904.
CXLVIII Abh. 7, S. 1-90.
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Wilde: Dietz, C., Oscar Wilde.
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— : Hauser, O., Oscar Wilde als Lyriker.
Die Nation. 1905. XXII. No. 52.
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Die Nation. 1905. XXII No. 44.
Zauper: Münz, B., Erinnerungen an einen Zeitgenossen
Goethes [Josef Stanislaus Zauper].
Die Nation. 1905. XXII No. 48.
Zedlitz: Freiherr von Zedlitz.
Montagsrevue (Wien). 1905. No. 37.
Von den Auktionen.
Auktion Franz Trau.
Am 27. und 28. Oktober kamen in Wien bei Gil-
hofer & Ranschburg die Manuskripte und Druckwerke
der berühmten Sammlung Franz Trau zur Versteige¬
rung, und eine Schar der bedeutendsten Sammler und
Antiquare war in den Auktionssälen der genannten Firma
versammelt, um hier sich in heißem Kampfe die Kostbar¬
keiten und Seltenheiten, an denen diese hervorragende
Sammlung so reich ist, streitig zu machen.
5
Beiblatt.
(Von den Auktionen.)
Den Anfang bildeten die ersten zwanzig Nummern
der Manuskripte, und bereits um Nr. 2 entbrannte der
Streit; es war ein Pergamentmanuskript aus dem
XIII. Jahrhundert, die vier Evangelien in lateinischer
Sprache mit hervorragend illustrativem Schmuck, das
schließlich Herr Jacques Rosenthal aus München für
Kr. 2300 ersteigerte. Ein wahres Prachtstück war Nr. 7,
eine italienische Bilderhandschrift auf Pergament aus
dem XIV. Jahrhundert mit 48 Darstellungen aus der
Lebens- und Leidensgeschichte Christi, bezüglich ihrer
künstlerischen Ausführung eines der schönsten Pro¬
dukte der italienischen Trecentokunst; sie erreichte
einen Preis von Kr. 4400. Nr. 8, Biblia latina mit reichem
Bilderschmuck, erstand Herr Bemard Quaritch aus
London für Kr. 1700, und No. 9, ein reizendes Livre
d’heures mit herrlichem Buchschmuck der französisch-
burgundischen Schule des XIV. Jahrhunderts, Herr
Jacques Rosenthal-München für Kr. 5240. Ferner mögen
noch folgende Hauptstücke hervorgehoben werden:
Nr. 10, ein schön ausgestattetes Livre d’heures, eine
Art Pendant zu dem vorhergehenden und wohl von
demselben Meister stammend, Kr. 2300 (Karl W. Hierse-
mann-Leipzig); Nr. 13, ein Kalender mit sehr inter¬
essanten Miniaturen aus dem XIV. Jahrhundert, Kr. 2400
(derselbe); Nr. 14, Psalterium liturgicum aus dem
XIV. Jahrhundert, Kr. 5000 (Quaritch); Nr. 15,
Vaticinia Sibyllina, Pergamenthandschrift aus dem
XIV. Jahrhundert mit 15 höchst interessanten Minia¬
turen, Kr. 2000 (Ludw. Rosen thal - München); Nr. 22,
Breviarium ad usum dioecesis Ultrajectensis, Kr. 1020
(Halle-München). Die reizend ausgestatteten Gebet¬
bücher, Nr. 32, Officium beatae Mariae, Nr. 38, Getey-
Book der hl. Maagd, und Nr. 39, ebenfalls ein hollän¬
disches Gebetbuch aus dem XV. Jahrhundert, erzielten
Kr. 1180, Kr. 1020 und Kr. 1720. Durch ihr winziges
Format, 38X45 mm, wahre mikroskopische Bücher
und in ihrer Art wohl bisher kaum dagewesen, waren
die unter Nr. 47 und 48 verzeichneten Gebetbücher,
Pergamenthandschriften des XV. Jahrhunderts, deren
Miniaturen trotz ihrer winzigen Größe minutiös fein
ausgeführt waren; ersteres wurde mit Kr. 800, letzteres
mit Kr. 1440 verkauft. Nr. 51, Officium beatae Mariae
Virginis sec. usum eccles. Sarisburensis mit 25
prächtigen Miniaturen, darunter die Ermordung des
Bischofs Thomas Beckett von Canterbury, erwarb
Herr J. Halle für Kr. 4020; Nr. 52, ein anderes Officium
beatae Mariae Virg. aus dem XV. Jahrhundert mit
herrlichen Miniaturen der florentinischen Schule, brachte
Kr. 3600; Nr. 58, ein Missale des XVI. Jahrhunderts
mit hervorragend schöner Ausschmückung, erstand Herr
B. Quaritch für Kr. 4600. Von den Manuskripten möge
last not least noch auf Nr. 66 hingewiesen werden, ein
Schmetterlingsbuch mit 500 Abbildungen auf 50 Tafeln
in einer unvergleichlich schönen naturgetreuen Farben¬
gebung, vom Königlichen Hofmaler Georg Hoefnagel
für Kaiser Rudolf II. gemalt, das Kr. 1700 erzielte.
Die Abteilung der einzelnen Miniaturen wies auch
eine große Anzahl künstlerisch hochbedeutender Ar¬
beiten des XII. bis XVI. Jahrhunderts auf. Unter
dem vielen Schönen möge besonders hervorgehoben
werden: Nr. 80, Christus am Kreuz, eine Miniatur auf
Pergament aus dem XIV. Jahrhundert, dem in
der Reichen Kapelle zu München befindlichen byzan¬
tinischen Goldemail aus dem IX. Jahrhundert nach¬
gebildet; sie erzielte Kr. 540; Nr. 81, Christus als
Weltrichter, Arbeit des XII. Jahrhunderts, Kr. 360 ;
Nr. 82, sechs äußerst interessante Darstellungen in
lavierter Federzeichnung, das Leben der heiligen Jung¬
frau Maria darstellend, mit 6 Spalten Text, Arbeit des
XIV. Jahrhunderts, Kr. 920 ; ähnlich in dieser Art
Nr. 84, Christus am Kreuz mit Maria und Johannes,
Kr. 500. Nr. 83, eine farbenreiche typologische Dar¬
stellung der Auferstehung von einem deutschen Minia¬
turisten des XIV. Jahrhunderts, wurde für Kr. 1600
verkauft. Nr. 84, Christus am Kreuz, rot und grün
lavierte Federzeichnung aus dem XIV. Jahrhundert,
Kr. 500. Nr. 91, Christus als Weltrichter, eine deutsche
Arbeit des XIV. Jahrhunderts von vorzüglicher Aus¬
führung, Kr. 320. Nr. 98, Messelesender Priester, Kr. 520.
Nr. 100, die 3 heiligen Jungfrauen Klara, Margarete und
Juliana, ein farbenprächtiges Stück von hervorragender
Schönheit, Kr. 420. Nr. 101, Maria mit dem Kinde,
eine herrliche Miniatur, Kr. 540. Nr. 104, das Porträt
Petrarcas innerhalb eines goldgehöhten Initials E, ein
hervorragendes Stück der italienischen Quattrocento¬
kunst, sowie die unter Nr. 105 — 108 verzeichneten aus
demselben Kodex stammenden Blätter erzielten ins¬
gesamt Kr. 910, gingen aber leider nicht an denselben
Besitzer über. Nr. m, das Porträt eines Papstes,
Miniatur aus dem XV. Jahrhundert, erreichte einen
Preis von Kr.330. Nr. 131, die Anbetung des Jesuskindes,
deutsche Arbeit des XVI. Jahrhunderts, wurde für
Kr. 284 verkauft. Zu den Hauptstücken der ganzen
Sammlung zählten drei höchst wertvolle Holztafel¬
drucke; der kostbarste war Nr. 164: Apocalypsis
S. Johannis Evangelistae in einem wunderbar schön
erhaltenen Exemplare. Die Entstehungszeit verlegt
man in die Jahre 1445— 1460: die mit lateinischen
Überschriften versehenen Darstellungen waren mit dem
Reiber nur einseitig bedruckt, die Rückseiten dagegen
leer gelassen, das Ganze in einen sehr interessanten
gewebten Stoffband des XVII. Jahrhunderts gebunden.
Der Ausrufspreis von Kr. 4000 stieg rasch zur Höhe
von Kr. 16000; die beiden Antiquare Mr. Bemard
Quaritch und Herr Ludwig Rosenthal stritten um den
Besitz dieser Seltenheit, und nach langem interessantem
Wettstreit wurde Mr. Quaritch der glückliche Besitzer
der Cimelie um den Preis von Kr. 27200. Der nächste
der Holztafeldrucke war die Biblia pauperum, Nr. 165,
von der 19 Blatt, darunter das letzte mit der Jahres¬
zahl 1470, vorhanden waren, ebenfalls, wie die Apokalypse,
vorzüglich koloriert und sehr gut erhalten; sie erzielte
einen Preis von Kr. 12200. Die Ars moriendi, Köln
1474 — 1478 (Nr. 166), die erste mit beweglichen Lettern
gedruckte Ausgabe, mit 11 blattgroßen Holzschnitten
und mit Spruchbändern innerhalb der Darstellungen,
erreichte einen Preis von Kr. 5600. Beide Stücke erwarb
Herr Leo S. Olschki in Florenz.
Reich an Kostbarkeiten war auch die vierte und
größte Abteilung, die Inkunabeln, und von diesen
wiederum das herrlichste und von der ganzen Samm¬
lung das wertvollste Stück Nr. 229, der Erstlingsdruck
6
Beiblatt.
von Cicero, Officia et paradoxa, Mainz, P. Schöfifer et
J. Fust 1465. Die nur in wenigen Exemplaren be¬
kannte Inkunabel wurde hier in einem ganz exzep¬
tionellen Prachtexemplar angeboten, wahrscheinlich
das Dedikationsexemplar für den Erzbischof von Mainz,
auf feinstes Pergament mit Gutenbergs Typen
von dessen beiden Nachfolgern Peter Schoeffer und
Johannes Fust gedruckt und mit herrlichen Rand¬
bordüren geschmückt. Mit Kr. 6000 begonnen, ent¬
spann sich nun ein heißer Kampf um die Cimelie;
Gebot auf Gebot erfolgte — 18000 Kr., 20000 Kr.,
24 000 Kr., 30 000 Kr. — schließlich rivalisierten London,
Paris und Florenz um den Erwerb, und gespannt und
atemlos erwarteten alle Anwesenden den Ausgang
dieses Kampfes, bis endlich Mr. Quaritch als Sieger
hervorging und das herrliche Stück für Kr. 45 200 er¬
stand, ein kolossaler Preis, wie er höher auch nicht in
der Metropole des Antiquariatshandels, in London,
hätte erzielt werden können; ein Beifallsrufen erhob
sich, als Herrn Quaritch das Buch zu diesem Preise zu¬
gesprochen wurde. Aus der Offizin von Fust-Schoeffer
stammte ferner Nr. 192, Thomas de Aquino, Scriptum
in IV. librum sententiarum 1469, das ebenfalls Mr.
Quaritch für Kr. 2800 erstand. Gutenberg selbst war
in den Nrn. 200, 201, 202, drei einzelnen Blättern aus
Baibus’ Catholicon, und in Nr. 211, einem Blatt aus der
42-zeiligen Bibel, vertreten; erstere erzielten Kr. 290,
Kr. 360 und Kr. 300, letzteres Kr. 1640. Aus dieser
großartigen Inkunabelsammlung mögen noch folgende
Stücke genannt werden: Nr. 169, eine seltene deutsche
Übersetzung von Äsops Fabeln mit 140 altkolorierten
Holzschnitten, Kr. 1700 (Quaritsch); Nr. 198, Auslegung
des Lebens Jesu Christi mit 92 Holzschnitten aus der
Schule Schongauers, Kr. 2000 (derselbe); Nr. 205,
Bergomensis, De Claris mulieribus, Ferrara 1497,
Kr. 1040. Die erste deutsche Bibel, gedruckt in Stra߬
burg von Heinrich Eggesteyn ca. 1466, seit Jahrzehnten
nicht im Handel vorgekommen, wurde hier in einem
kompletten Prachtexemplar angeboten und von Mr. Qua¬
ritch für Kr. 7400 erworben. Eine weitere Perle war die
unter Nr. 212 verzeichnete Biblia latina, Venetiis, Nico¬
laus Jenson 1479; nicht allein als Druckwerk äußerst
selten, sondern infolge seines von einem florentinischen
Meister gemalten hervorragenden Bilderschmucks (eine
herrliche Miniatur mit prächtiger, reich ornamen¬
tierter Rankenbordüre und 80 minutiös fein ausge¬
führten Porträts) etwas ganz Außergewöhnliches; Herr
C. G. Boerner- Leipzig erstand die Kostbarkeit für
Kr. 1640. Nr. 214, Bidpay, Buch der weiszhait der
Alten weisen, Ulm 1483, eins der schönsten Holzschnitt¬
werke, erwarb Herr M organ d aus Paris für Kr. 3720.
Nr. 215, Boccaccio, De Claris mulieribus, Ulm 1473,
Kr. 1620 (Ludw. Rosenthal). Der erste Lübecker
Druck von 1475: Chronicarum epitome (Nr. 227) erzielte
Kr. 1240. No. 236, Damascenus, Geschichte von Josa¬
phat und Barlaam, ein kostbares Holzschnittwerk vom
Jahre 1478, kaufte Herr Joseph Baer-Frankfurt a. M.
für Kr. 1840. Nr. 238, Dialogus creaturarum, Gouda
1480, mit merkwürdigen, Holzschnitten, wurde für
Kr. 1100 verkauft. Die erste Ausgabe des Therapeu¬
ticon von Galenus, Venedig 1500, (Nr. 246) ganz in
(Von den Auktionen.)
griechischen Typen gedruckt, mit einer prächtigen
Porträtminiatur, erstand Herr Morgand aus Paris für
Kr. 1000. Nr. 255, S. Gregorius, deutsch, enthaltend u. a.
die hier zum ersten Male in deutscher Sprache gedruckte
Tondaluslegende, Augsburg 1473, Kr.iooo (Quaritch). Ein
herrliches Holzschnittwerk war ferner Nr. 261 : Hiero¬
nymus Epistole volgare, Ferrara 1497, in tadelloser Er¬
haltung, das Herr Olschki für Kr. 3200 erwarb. Nr. 287,
Megenberg, Buch der Natur, Augsburg 1481, Kr. 1000.
Das erste in Basel gedruckte illustrierte Buch: Spiegel
der menschlichen Behaltniss, 1476 (No. 324), mit 277
großen Holzschnitten, erstand Herr Ludw. Rosenthal
für Kr. 1610. Nr. 329, Suso, das Buch das der Seusse
heißt, mit schönen, altkolorierten Holzschnitten, erzielte
Kr. 1500. Eine Kostbarkeit ersten Ranges war schlie߬
lich Nr. 332, Turrecremata, Contemplationes, Rom,
Plank, 1484, eine von keinem Bibliographen erwähnte
Ausgabe mit einem blattgroßen und 32 halbblattgroßen
äußerst interessanten Holztafeldrucken, die nach län¬
gerem Kampfe Herr Morgand für Kr. 6020 erwarb.
Die nächste Abteilung enthielt Holzschnittwerke
des XVI. Jahrhunderts der deutschen, französischen,
italienischen, niederländischen und spanischen Schule.
Hervorzuheben sind: Nr. 385, Caoursin, Historia von
Rhodis mit 36 schönen Holzschnitten, Kr. 170. Nr. 408,
Faber, Musicae rudimenta, 1516, Kr. 170. Nr. 412,
ein herrliches Exemplar des originellen Ritterromans
Fierrabras in der ersten deutschen Ausgabe von 1533
mit 20 Holzschnitten, Kr. 520 (C. G. Boerner, Leipzig).
No. 425, Der Gilgengart, Augsburg, Schönsperger 1520,
1. Ausgabe, seit Jahrzehnten nicht auf dem Markt
gewesen und wohl eine der größten Seltenheiten der
deutschen Literatur des XVI. Jahrhunderts, erwarb
Herr Martin Breslauer aus Berlin für Kr. 940. Nr. 449,
Lansperg, Rosenkrantz, Köln ca. 1535 mit 56 Holz¬
schnitten von Anton von Worms, bisher unbekannt und
vielleicht Unikum, erzielte Kr. 720 (Breslauer). Nr. 471,
Eyn Missiue ader santbryf, ca. 1 502, in dem die berühmten
Fugger erwähnt werden, Kr. 200 (F. Halle). Ein merk¬
würdiges Buch: Murners logica memorativa, Straßburg
1509 (Nr. 474), enthaltend unter den 53 Holzschnitten
ein komplettes Kartenspiel, wurde von Herrn Boerner-
Leipzig für Kr. 700 erworben. Nr. 484, Passio domini
Jesu Christi, Straßburg 1513, mit 26 blattgroßen Holz¬
schnitten von Urs Graf, erstand Herr Morgand für
Kr. 220. Die Nrn. 504 und 505, zwei sehr seltene Ausgaben
von Röslin, Der schwangeren frawen Rosengarten,
ca. 1513 und 1541, mit zahlreichen Holzschnitten, Kr. 310
und Kr. 74. Nr. 506, die erste Ausgabe des geschätzten
Rüxnerschen Thurnierbuches von 1530 mit 356 altkolo¬
rierten Holzschnitten, erzielte, trotzdem der doppelblatt¬
große Holzschnitt fehlte, Kr. 470. Nr. 531, Die sieben
Tagzeit von dem Fronleichnam Christi, mit 9 alt¬
kolorierten Holzschnitten, Kr. 184. Nr. 549, Wirrich,
Beschreybung der Fürstlichen Hochzeyt des Wilhelm
Pfaltzgraf beim Rheyn, 1578, mit interessanten Ab¬
bildungen von Maskenzügen, Turnieren usw., erwarb
Herr Ludw. Rosenthal für Kr. 330. Nr. 561, Vita divi
Wolfgangi 1516, ein sehr seltenes Holzschnittwerk, kaufte
das Germanische National-Museum in Nürnberg für
Kr. 250 an.
.7
Beiblatt.
(Von den Auktionen — Inserate.)
Den Schluß bildeten Kuriosa, Jocosa usw. aus der
deutschen, französischen und englischen Literatur des
XVII. — XIX. Jahrhunderts, von denen hier genannt
werden mögen: Nr. 556, ABC-Buch von 1772 mit
Kupfern in der Art Chodovvieckis, Kr. 150. Nr. 569,
Brentanos Gockel, Hinkel und Gakeleja, Frankfurt
1838, erste Ausgabe in einem absolut unbeschnittenen,
ganz tadellos erhaltenen Prachtexemplar, erwarb Herr
C. G. Boerner für Kr. 28o.(!) Nr. 573, Courses de Testes
et de Bagues, 1670, Kr. 190. Nr. 576, Dorat, Les
Baisers, mit den reizenden Kupfern von Eisen, Kr. 410.
Nr. 594, Fischer, Probenächte der teutschen Bauer¬
mädchen, 1780, Prachtexemplar der seltenen Original-
Ausgabe, Kr. 120. Nr. 606, Jungfer- Anatomie, ca. 1660,
mit zahlreichen beigebundenen interessanten Schriften,
Kr. 160. Nr. 624, Le Miroir des plus belles courtisanes
de ce temps, Amsterdam 1631, 40 Porträts englischer,
französischer, holländischer und deutscher Hofdamen
enthaltend, Kr. 132.
Wenn man den außerordentlichen Erfolg dieser
Auktion bewundert, so ist dieser nicht zum geringen
Teile der hervorragenden Katalogisirung zu verdanken,
und so wird denn auch der in jeder Beziehung muster¬
gültige Auktionskatalog infolge seiner mit wissenschaft¬
licher Gründlichkeit durchgeführten bibliographischen
Beschreibungen bei Sammlern und Antiquaren jeder¬
zeit ein schätzenswertes Nachschlagewerk bleiben.
Wien. Heinrich Fiedler.
Auktion Biedermann.
Eine Auktion bei C. G. Boerner in Leipzig ist für
die Welt der Bücherfreunde und -händler fast immer
ein Ereignis. So hatten sich denn auch am 13. No¬
vember und den folgenden Tagen zahlreiche Käufer
eingefunden, die des verstorbenen Geheimrats von
Biedermann köstliche Sammlung angelockt, die aber
freilich kaum mit der frohen Hoffnung gekommen waren,
einmal billig einkaufen zu können. In der Tat gingen
die Preise für Manuskripte, Stammbücher und Erst¬
ausgaben denn auch wieder recht hoch, während sie
sich für die glossierendeGoetheliteratur, dieErläuterungs-
und Ergänzungsschriften , Briefe, Biographien, all¬
gemeinen Beziehungen, verhältnismäßig niedrig hielten.
Nachfolgend eine Übersicht.
Handschriftliches , Stammbücher, Widmungen.
Briefgedicht an Merck, 5. 12. 1774, M. 460; L. a. s.
Weimar 12. 6. 1805 an Göschen (ungedruckt), M. 130;
„Sah gemalt in Gold und Rahmen“, eigenhändig unter¬
zeichnet, M. 105 ; „DesMenschenTage sind verflochten“,
eigenhändig unterzeichnet, M. 61 ; Zur Morphologie,
mit Widmung an Nicolovius, M. 205 ; Sur la metamor-
phose des plantes, trad. par F. Soret, mit Widmung an
Boisseree (eingeklebt), M. 180; Tagebuch der Gräfin
Häseler 1828 — 34 mit Eintragung von Goethe, Johanna
Schopenhauer und Tochter Adele, Grf. Schönburg,
Ottilie und Walter v. Goethe, Anna von Egloffstein,
Familie Einsiedel u. a., M. 395; Stammbuch von Karl
Friedr. Müchler mit Eintragungen von Friedrich Wil¬
helm III., Garve, J. J. Engel, der Karschin, C. Ph. Moritz,
Exlibris
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Ramler, Moses Mendelssohn, Gleim, Bahrdt, und Zeich¬
nungen von Graff, Chodowiecki, Bolt, Meil u. a., M. 810;
Stammbuch eines Mitglieds der Familie Wieland,
M. 145; Silhouetten-Album von ca. 1770, M. 290;
Leipziger Stammbuch 1752 — 75 (Geliert, Hamberger,
Falck, Martens), M.130; Stammbuch J. F. Meil, M. 100;
Stammbuch eines Adligen um 1780, M. 1 1 5 ; Manu¬
skript Eichendorffs zu seiner Geschichte der roman¬
tischen Poesie, M. 460; Vier Briefe Fouques an Rochlitz
M. 21; Notiz Goethes auf einer Spielkarte, M. 31 ;
Briefe Ottilie v. Goethes M. 17,50, 15 und 10 ; eigen¬
händiges Gedicht von Herder, M. 25; H. v. Kleist an
Reimer über den Kohlhaas, M. 71 ; Albumblatt von
Ulrike v. Kleist, M. 88; eigenhändiges Gedicht Klop-
stocks, M. 47; Widmung von Felix Mendelssohn-
Bartholdy, M. 40 ; Charlotte v. Stein an Knebel, M. 56;
eigenhändiges Gedicht Wielands an Anna Amalia,
M. 125; die Ankündigung der Horen, eigenhändig von
Schiller ausgefüllt, wohl Unikum, M. 210.
Bildnisse. Goethe und Schiller, 2 Wachsreliefs,
M. 240 ; Byron, engl. Miniatur, M. 210; Gleim, Kreide¬
zeichnung von Caroline Tischbein, M. 95; E. T. A.
Hoffmann, Bleistiftzeichnung von Friedr. Müller, M. 280;
Kant, Miniatur auf Elfenbein, J. B. Breysig fec., M. 280;
Caroline Kummerfeld- Schulze, Pastell, M. 240 ; Jean
Paul, Kreide und Tusche, von A. F. Semmler, M. 52;
Porträt einer Dame von Frl. v. Göchhausen, Blei und
Tusche, M. 23.
Buchwerke. Goethe, Schriften 1775 — 77, etwas
defekt, M. 45; Schriften 1787 — 90, M. 120; Neue
Schriften 1792 — 1800, M. 39; Werke 1806 — 10, M. 65;
Ausg. letzter Hand, M. 51; Sophien- Ausgabe in Gr.- 8°,
M. 250; Brief des Pastors zu ***, 1773, M. 410; Römische
Karneval, M. 290; Clavigo 1774, M. no; Epimenides
Erwachen 1815, M. 23; Erwin und Elmire 1775, M. 39;
Faust 1790 „Ächte Ausgabe“, M. 410; Götter, Helden
und Wieland 1774, M. 105; Goetz 1773 im Selbstverlag,
M. 455; Goetz 1774, erster Druck der 2. Aufl., M. 30;
Hermann und Dorothea, Taschenbuch 1798, M. 85;
Ilmenauer-Bergwerk, Konvolut, M. 81 ; Sammlung zur
Kenntnis der Gebirge, Karlsbad 1870, mit Stein¬
sammlung, M. 205; Anekdote zu den Freuden des
jungen Werthers, von Seidels Hand, von Goethe unter¬
zeichnet, M. 1 1 5 ; Hottinger, Menschen Tiere und
Goethe, M. 65; Wagner, Prometheus, M. 1 80 ; Leipziger
Liederbuch 1770, M. 1950; Prolog zu den neuesten
Offenbarungen Gottes 1774, M. 220; Puppenspiel 1774,
M. 130; Tasso 1790 M. 90.
Die Privatdrucke wurden allsamt ziemlich hoch
gesteigert. Ich erwähne nur: Iphigenie 1825, M. 32;
„Sah gemalt in Gold und Rahmen“ 1825, M. 44; „Des
Menschen Tage“ 1826, eigenhändig unterzeichnet,
M. 81 ; Biedermanns Druck der Anekdote zu den
Freuden des jungen Werthers 1862, M. 91 ; Korrektur¬
abzug der XII. Venetian. Epigramme, M. 82.
Almanach der deutschen Musen 1770— 76, M. 50 ;
Chaos, Jahrg. I und II (9 fehlende Nummern), M. 315 ;
Ephemeriden 3. — 6., Bd. M. 43; Frankfurter gelehrte
Anzeigen 1772 — 88, M. 720; Gaben der Milde, M. 37;
Gesänge für Freimaurer 1813, M. 21 ; Gesänge der
Liedertafel I. Bdchn. 1811, M. 51 ; Journal des Luxus
Z. f. B. 1905/1906. Beiblatt 9. — -
(Von den Auktionen — Inserate.)
Autographen-Versteigerung.
Sammlung AlexanderMeyerCohn's
Der zweite Teil des Kataloges erscheint im Januar
1906 und steht gegen Einsendung von I Mark zur
Verfügung.
Derselbe enthält:
1) Deutsche Literatur Teil II (Klopstock, Körner,
Lessing, Mörike, Schiller, Wieland etc. etc.)
2) Ausländische Literatur (Bums, Byron, Locke,
Pope, Balzac, Beaumarchais, Chenier, Descartes,
Föndion, La Fontaine, Le Sage, Montesquieu,
Prevost, Rousseau, Voltaire, Spinoza, Calderon
de la Barca etc. etc.).
3) Maler und Bildhauer (Michelangelo, Carracci,
Cranach, Giulio Pippi, Guido Reni, Rembrandt,
Rubens, Raphael, Tizian etc. etc.).
4) Musiker (Beethoven, Gluck, Haydn, Orlando
Lasso, Mozart, Schubert etc. etc.)
5) Schauspieler und Sänger (Doebbelin, Ekhof,
die Neuberin etc.).
6) Stammbücher.
7) Nachtrag.
Der Katalog umfaßt 158 Seiten, 4°, mit vielen
Facsimiles.
Versteigerung: vom 5. bis 10. Februar 1906.
Besichtigung: am 1. bis 3. Februar 1906.
Eine gedruckte Preisliste zum 1. Teil steht für
2 Mark zur Verfügung.
Berlin w. 10. j. A. Stargardt,
Königin Augustastr. 22. Verlagsbuchhandlung
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Dürers Handzeichnungen
herausg. von F. Lippmann, Bd. I — IV, statt M. 1000
für M 500 abzugeben. Gutes Exempl. Unter X. Y.Z.300
an die Expedition der „Z. f. B.“, Leipzig, Hospitalstr. 27.
Auktionskatalog Franz Trau
nebst
Preisliste
mit kurzer Titelangabe und Käufern
M. 8.50
Ausgabe mit farbiger Tafel M. 10. — .
Die Preisliste allein M. 5. — .
Kataloge ohne Preisliste werden nicht mehr abgegeben,
und ist der Vorrat an Katalogen überhaupt nahezu
erschöpft.
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Bognergasse 2.
9
2
Beiblatt.
(Von den Auktionen — Kataloge — Inserate.)
und der Moden, 22 Jahrgänge, M. 195; Iris Bd. 1 — 8,
M. 245 ; Lavater, Physiogn. Fragmente 1775 — 78, M. 185 ;
Literatur- und Theaterzeitung 1778 — 84, M. 85; Mercier,
Versuch über die Schauspielkunst 1776, M. 125; Morgen¬
blatt 1807 — 59 und 1865, M. 100; Schillers Musen-Al-
manach für 1796, M. 49; für 1797, M. 61 ; für 1798,
M. 31 ; Olla Potrida 1778 — 97, 20 Bde., M. 370; Samm¬
lung theatral. Gedichte, Leipzig 1776, M. 82; Reichards
Theater-Kalender 1778— 94, 96 — 1800, M. 165.
Cornelia Goethe, Von der verliebten Schwärmerei
der Alten, 1773, M. 43; Chronik des Wiener Goethe-
Vereins, 1.— 17. Bd., M. 3 1 ; Euphorion, 1. — 9. Bd.,
M. 56; Goethe-Jahrbuch 1. — 23. Bd., M. 100; Schriften
der Goethe-Gesellschaft 1. — 18. Bd., M. 71.
Klassiker und Romantiker. Arnim, Werke, Bd.
1 — 21, 1857, M. 220; Arnim, Dolores, M. 15, 50; Predigten
des Magisters Mathesius, 1817, M. 31 ; Wunderhorn
(Th. I in 2. Aufl.), M. 130 ; Schlegel, Athenaeum, M. 52;
Baggesen, Karfunkel, 1810, M. 28; Brentano, Schriften,
M. 125; Uhrmacher Bogs, M. 53; Frühlingskranz,
M. 17; Bürger, Gedichte 1778, M. 40 ; Lenardo und
Blandine 1783, M. 85; Chamisso, Gedichte, 2. Aufl. 1834,
M. 32; Schlemihl 1814, M. 29; Eichendorff, Taugenichts
und Marmorbild 1826, M. 52; Fouque, Jahreszeiten:
Frühlings- und Sommerheft, M. 21 ; Friedrich II., Poesies
diverses 1760, große Ausg., M. 45; Grillparzer, Ahnfrau
1817, M. 31 ; Heine, Buch der Lieder 1827, M. 63; Ge¬
dichte 1822, M. 145; Tragödien 1823, M. 115; Hoff-
mann, Elixire 1815/16, M. 52; Fantasiestücke 1814/15,
M. 43; Keller, Grüne Heinrich 1854/55, M. I55; Kleist,
Käthchen 1810, M. 31 ; Penthesilea (1808), M. 135;
Schröter, Hamburg. Theater 1. — 3. Bd., M. 55 ; Lessing,
Dramaturgie 1767/9, M. 36; Noverre, Briefe über die
Tanzkunst 1769, M. 38; Mereau, Gedichte 1800/02,
M. 31; Deutscher Merkur 1773 — 1810, M. 1 1 5 ; Schiller,
Anthologie, Tobolsko, M. no; Horen in 36 Heften,
M. 105; Kabale und Liebe 1784, M. 81 ; Rheinische
Thalia, Heft 1 in Originalumschlag, M. 71 ; Wallenstein
1800 auf Velin, M. 50 ; Teil 1805, gr. Ausg., M. 40 ;
Tieck-Bernhardi, Bombacciaden, M. 36; Tieck, William
Lovell 1795/96, M. 76; Peter Lebrecht 1795/96, M. 36;
Phantasus 1812/16, M. 41 ; Franz Stembald 1798, M. 32;
Wagner, Kindermörderin 1776, M. 160.
Kataloge.
Zur Vermeidung von Verspätungen werden alle Kataloge an die Adresse
des Herausgebers erbeten. Nur die bis zum 25. jeden Monats ein¬
gehenden Kataloge können für das nächste Heft berücksichtigt werden.
Deutschland und Österreich-Ungarn.
Max Jaeckel in Potsdam. No. 13. Seltenere Bücher
aus allen Fächern.
H. Kerler in Ulm.. No. 346. Holland, Belgien , Luxem¬
burg.
Gust. Budinsky in Graz. Bücherfr. No. 38. Natur¬
wissenschaften, Reisen.
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Für die Anzeigen verantwortlich: K. Dieckmeyer, Leipzig, Hospitalstr. 27. Verlag von Velhagen & Klasing, Bielefeld und Leipzig.
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Organ der Gefellfcbaft der Bibliophilen
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IX. Jahrgang. Zehntes Heft.
Januar 1906.
Abonnementspreis für den Jahrgang 36 M. (21,60 Fl. ö. W., 45 Fr., 36 sh., 21,60 Rb.), für das Quartal (drei Hefte) 9 M.
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Kleine Anzeigen (Desiderata und Angebote): die gespaltene Petit- Zeile SO Pf. (für Mitglieder der Gesellschaft
der Bibliophilen und Abonnenten der Z. f. B. nur 25 Pf.).
Beilage-Gebühr 40 Mark. — • Schluß für die Anzeigenannahme jedes Heftes am 10. des vorhergehenden Monats.
Redaktionelle Sendungen: Manuskripte, Bücher, Kataloge etc. gefl. zu richten an den Herausgeber: Fedor vo?i Zobeltitz, Berlin IV. 75.
Uhlandstr. 33 (Sommer: Spiegelberg bei Topper, Rgbz. Frankfurt a. O.).
Anzeigen an die Verlagshandlung : Velhagen & Klasing, Abteilung für Inserate, Leipzig, Hospitalstr. 27.
Gesellschaft der Bibliophilen.
Die satzungsgemäße Generalversammlung unsrer Gesellschaft für das Jahr 1905 fand unter
lebhafter Beteiligung am Sonntag den 12. November im Buchgewerbehause zu Leipzig statt; voraus
ging eine Yorstandssitzung, zu der die Herren Baensch-Drugulin, Jellinek, Schüddekopf, Witkowski und
v. Zobeltitz erschienen waren. Die Versammlung selbst wurde im Sachsenzimmer des Buchhändler¬
heims, das uns zu diesem Zwecke gütigst überlassen war, von dem Vorsitzenden der Gesellschaft,
Herrn Fedor von Zobeliitz, mit einer Begrüßungsansprache eröffnet, in der er die Entwicklung unseres
jetzt größten Vereins dieser Art seit der ersten Vorstandssitzung in Leipzig vor nunmehr fünf Jahren
darlegte. Mit berechtigtem Stolze konnte er darauf hinweisen, daß durch die von ihm begründete
„Zeitschrift für Bücherfreunde“ der Sinn für das schöne Buch, für künstlerische Ausstattung im Buch¬
gewerbe sich in ungeahnter Weise gehoben und verbreitet habe und daß die vor sechs Jahren nicht ohne
mancherlei Bedenken gegründete Gesellschaft deutscher Bibliophilen nunmehr die namentlich in England
seit Jahrzehnten in hoher Blüte stehenden Klubs verwandter Art der Zahl nach weit überflügelt habe. Den
feinsinnigen Ausführungen des Vorsitzenden über den künstlerischen Gewinn unsrer Bestrebungen stellte
Herr Dr. Volkmann, der Vorsteher des deutschen Buchgewerbevereins, in seiner Bewillkommnungsrede
den nicht minder bedeutenden wirtschaftlichen Wert einer Vereinigung von Bücherfreunden entgegen, die
zum Ausgleich der in letzter Zeit heftig aufgetretenen Gegensätze zwischen Produzenten und Konsumenten
des Buchs nicht unwesentlich beitrage. — Der Geschäftsbericht des Sekretärs für die Jahre 1904/5 konnte
wiederum einen erfreulichen Fortschritt feststellen; die Mitgliederzahl hat 800 überschritten und unsre
Einnahmen für 1905 werden einen noch höheren Überschuß aufweisen als die für 1904, welche sich
laut Kassenbericht auf Mk. 743.58 beliefen. Im übrigen ist auf dem Geschäftsbericht des VI. Jahr¬
buches für 1904 zu verweisen, welches (in der Stärke von sechs Bogen) zugleich mit dem III. Bande
des Deutschen Anonymen- Lexikons, die Buchstaben L — R umfassend, Ende November 1905 zur Versendung
gelangte. Dagegen ist die Vollendung des zweiten Teils von „Schillers Persönlichkeit“ leider nicht
ermöglicht worden, sodaß die Lieferung desselben auf spätere Zeit verschoben werden mußte. —
Da die für den 1. Oktober 1905 ausgeschriebene Preisaufgabe über „Das deutsche Buch im Zeitalter
des Barok und Rokoko“ eine Bearbeitung nicht gefunden hat, so wird unsern Mitgliedern für das
Jahr 1906 als Publikation eine andere Gabe dargeboten werden: ein Nürnberger Schönbartbuch mit
etwa 100 farbigen Tafeln nach einer Handschrift des XVI. Jahrhunderts, die besonders durch die
kolorierten Kostümbilder einen hohen Wert beanspruchen darf. — Nachdem darauf als Ort der
nächstjährigen Generalversammlung Frankfurt a. M. gewählt worden war, gelangte der neue Satzungs¬
entwurf, auf Grund dessen die Gesellschaft in das Vereinsregister eingetragen werden soll, zur Beratung;
die von der Generalversammlung einstimmig angenommene Fassung wird den Mitgliedern im Laufe
des nächsten Quartals gedruckt zugehen.
Nach Schluß der Generalversammlung folgte die Besichtigung der Bibliothek des Börsenvereins
der deutschen Buchhändler und einer ausgewählten Sammlung von Handschriften und Drucken, bei
der Herr Bibliothekar Konrad Burger in liebenswürdiger Weise die Führung übernahm.
Z. f. B. 1905/1906. Beiblatt 10.
I
I
Beiblatt.
(Gesellschaft der Bibliophilen — Rundfragen.)
Das Festmahl im Hotel Hauffe verlief, wie die früheren geselligen Vereinigungen der Bibliophilen,
in angeregtester Stimmung und brachte den Teilnehmern wiederum eine reiche Fülle stattlicher Privat¬
drucke, die hier mit dem Bemerken verzeichnet werden, daß sie nur in beschränkter Anzahl für die
beim Diner Anwesenden gedruckt wurden:
Ein Brief der Henriette Sontag vom 9. Februar (1852). Der Gesellschaft der Bibliophilen zu ihrer
Generalversammlung Leipzig den 12. November 1905 gewidmet vom „Berliner Bibliophilen -Abend“ . . .
4 Bl. 40, mit Portrait und Faksimile.
Christian Reuter / Letztes Denck- und Ehren-Mahl der Ehrlichen Frau Schlampampe / Leipzig /
12. Novembris 1905. (Faksimile mit einer Dedikation von BfernhardJ L.\iebischj und G.feorgj
Wfitkowski ']) 6 Bl., 42 S. 8°.
E. T. A. Hoffmann in Dresden und Leipzig Frühling 1813 bis Herbst 1814 Briefe von ihm, an
ihn und über ihn zusammengestellt und aus den Tagebüchern erläutert von Hatis von Müller . . .
In Leipzig am 12. November 1905 verteilt an die Teilnehmer des siebenten Bibliophilentages. VIII S.,
S. 109 — 216 (Ausschnitt).
Goethes Visitenkarte (reproduziert von den Leitern des Insel -Verlags). 2 Bl. 8°.
Blätter aus der Reproduktion des Breviarium Grimani des Beroaldus, gewidmet vom Verleger
Karl W. Hiersemann.
Der größte Teil der Besucher der Generalversammlung nahm an den folgenden Tagen an der
Auktion v. Biedermann teil, über deren Verlauf im Dezemberhefte des Beiblattes bereits berichtet ist.
Weimar, Grunstedterstr. 16. I. A.-. Dr. Carl Schüddekopf
Rundfragen.
An dieser Stelle kommen die aus den Kreisen der Gesellschaft der Bibliophilen und der Leser der Zeitschrift
für Bücherfreunde eintreffenden Anfragen, sowie die Antworten darauf zum Abdruck. Einsendungen für diese
Rubrik an: Arthur L. Jellinek in Wien VII, Kirchengasse 35.
Fragen.
185. Wo befindet sich derzeit der Nachlaß von
Heinrich Stieglitz, insbesondere seine „Denktafeln“, und
der Nachlaß von Karl Eitner (J* 1884), insbesondere
die Regis-Manuskripte „Schweizerreise“ und „Apho¬
rismen“, oder wo findet sich eine Mitteüung darüber?
G. Pfeffer, Frankfurt a. M.
186. Wer kennt den Verfasser von: Vier Lieder
zur Oktoberfeier. Burg Friedberg gedruckt bey P. L.
Feuchtner. 1815. Kl. 8°, 12 S. Das Vorwort ist ,,B.
im Oktober 1815. R.“ unterzeichnet.
Alexander Burger, Nie der- Ingelheim.
187. Der bekannte Almanach der Heiligen auf das
Jahr 1788 mit den 13 Kupfern (von Meil), gedruckt zu
Rom, wird von Weller in dem Repertorium der falschen
und fingierten Drucksorte sowie in dem Anonymen-
lexikon unter No. 1204 als herausgegeben von H. G.
(von) Bretschneider bezeichnet, während Goedeke in
Band IV2, S. 327 unter No. 51 Karl Fr. Bahrdt als
Verfasser bezeichnet. Was ist richtig, und wo findet
sich näheres darüber, was Goedekes Annahme stützt?
Max Harrwitz, Berlin.
188. Wer ist der Verfasser von: Görres, Athanasius,
die Bettelprobe. Ein dramatischer Schwank nach einer
wahren Begebenheit. Mit Zueignung an das XIX. Jahr¬
hundert. Mit einem schönen Bilde geziert. [Fuchs im
Hühnerstall.] Im Verlag der neuetablierten Buchhand¬
lung 1839. Max Jaeckel, Potsdam.
189. Welche dramatischen Bearbeitungen gibt es
von alten deutschen Märchen, besonders den be¬
kannten. Gustav Eskuche, Düsseldorf.
Antworten.
178. Von Joh. Pezzls Vertraute Briefe über Katho¬
liken und Protestanten 1787 befindet sich ein Exemplar
in der Königlichen Bibliothek in Berlin.
R. Seippel, Göttingen.
17g. K[ühn ], Henriette , Verbildung und Leicht¬
sinn, 1800, war von den Buchhandlungen Taussig, Prag,
Katalog 1 1 4 , No. 441, und M. Edelmann, Nürnberg,
Katalog 20, No. 329 angezeigt. Vielleicht können diese
Herren den jetzigen Besitzer nachweisen.
Alfred N. Gotendorf, Niederlößnitz.
183 a) Von „Die schöne Bäckerin, eine Legende.
Dessau 1781“, besitzt jetzt das Freie Deutsche Hochstift
in Frankfurt a. M. ein Exemplar.
183 b) Von Ambr. Speckmann, Lebensgeschichte
eines Miethpferdes , besitze ich ein Exemplar. (Kata¬
log 101, No. 667 a.) M. Harrwitz, Berlin.
2
Beiblatt.
(Rundschau der Presse.'
Rundschau der Presse.
* Von Arthur L. Jellinek in Wien.
Die nachfolgende Übersicht versucht, die in Tagesblättern, Wochen- und Monatsschriften enthaltenen Aufsätze und Abhandlungen,
soweit sie für die Leser unserer Zeitschrift in Betracht kommen, in sachlicher Anordnung zu verzeichnen. Nur das Wichtigere aus den Ver¬
öffentlichungen der letzten Monate kann berücksichtigt werden. Absolute Vollständigkeit zu erreichen liegt für den einzelnen Bearbeiter
außerhalb des Bereiches der Möglichkeit. Die Zeitschriften sind nach Bänden, Jahrgängen, Heften oder Seiten, je nach der leichteren Auf-
findbarkeit, citiert. Gleichmäßigkeit ist hierin nicht angestrebt. Zusendung von Separatabdrücken und Ausschnitten an die Adresse des
Bearbeiters (Wien VII, Kirchengasse 35) erbeten.
Schrift-, Buch- und Bibliothekswesen.
Buchdruck , Buchhandel.
Anselmi, A., II costo di stampa di uno Statuto Muni-
cipale nel Cinquecento. (A proposito della progettata
stampa dello Statuto di Roccacontrada.)
La Bibliofilia. 1905. VII, S. 104 — 108.
Brugmann, K., Eine typographische Thorheit.
Allgemeine Ztg. Beilage. 1905. No. 156.
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Keller: Rosenfeld, W., Gottfried Keller.
Westermanns Monatshefte. 1905. XCIX. S. 220 — 331.
KlopstOCk : Kinzel, K., Klopstocks Liebeslyrik.
Aus Höhen u. Tiefen. E. Jahrbuch f d. deutsche
Haus. 1904. VII, S. 3 — 25.
Kleist: Steffen, E., Ein deutsches Drama: „Kleists
Hermannsschlacht“.
Zeitschr. f. d. deutschen Unterricht. 1905. XIX,
S. 545—57L 618—640.
Kurz: Kurz, I., Erinnerungen an Hermann Kurz.
Allgemeine Ztg. Beilage. 1905. No. 237, 238.
Lamartine: Doumic, R., Le Mariage de Lamartine.
Lettres du pode ä sa fiancee.
Revue des deux mondes. 1905. LXXV, 28, S. 825
—849, 29, S. 152—176.
Lamennais: Lettres inedites de Lamennais ä Alexis
Gerard. (1848—1852.) Avec Preface et Notes de
Ed. Champion et Louis Thomas.
Revue Bleue. 1905. 5. Ser. IV, S. 129 — 132, 161
— 164, 199 — 201.
Lenz: Freymann, K. v., Laster und Leidenschaft in
J. M. R. Lenz’ Dichtung.
Baltische Monatsschrift. 1905. XLVII,39,S. 25 — 40.
Lessing: Sprenger, R., Ein Gedicht Lessings [Die
blaue Hand] in J. P. Hebels Erzählungen des
Rheinischen Hausfreundes.
Zeitschr. f d. deutschen Unterricht. 1905. XIX,
S. 457 — 458.
— : Consentius, E., Der Denunziant der Literatur¬
briefe. [J. H. G. v. Justi.]
Allgemeine Ztg. Beilage. 1905. No. 194.
Ludwig: Schapire, R., Otto Ludwigs „Das Fräulein
von Scuderi“.
Zeitschr. f d. deutschen Unterricht. 1905. XIX,
S. 650—663.
Meyer: Geiger, L., Zur Charakteristik der Menschen
des XVIII. Jahrhunderts. [F. L. W. Meyer.]
Archiv f. Kulturgeschichte. 1904. II, S. 71 — 77.
Michelet: Monod, G., Jules Mich eiet et son pde.
Revue Bleue. 1905. 5. Ser. III, S. 225—227, 260
—263.
Molina: Das Grabdenkmal des Komturs [Tirso de Mo-
lina, El burlador de Sevilla].
Die Grenzboten. 1905. LXIV, 2, S. 593—596.
Montesquieu: Metzen, H. v., Montesquieu.
Die Grenzboten. 1905. LXIV, 4, S. 321 — 327.
Mörike: Maier-Pfullingen, Mörikes Testament.
Allgemeine Ztg. Beilage. 1905. No. 228.
Nerval: Ernest-Charles, J., Gerard de Nerval et
l’Allemagne.
Revue Bleue. 1905. 5. Ser. III, S. 247—250.
— : Küchler, W„ Gdrard de Nerval. L60 Burckart.
Vossische Ztg. 1904. Sonntagsbeilage. No. 34.
(21. VIII.)
(Rundschau der Presse.)
Novalis: Prost, J., Zur Novalis-Literatur.
Allgemeine Ztg. Beilage. 1905. No. 191.
Pascal: Prudhomme, S., Pascal.
Revue Bleue. 1905. 5. Ser. III, S. 129 — 133, 161
-165, 193-197-
Phillips: Meyerfeld, M., Stephen Phillips.
Das litterarische Echo. 1905. VIII, Sp. 16 1 — 174.
Preseren: Prijatelj, J., Franz Preseren.
Oesterreichische Rundschau. 1905. IV, S. 276 — 278.
Reinick: Langer, L., R. Reinick als Erzieher. Zur
Hundertjahrfeier seiner Geburt.
Zeitschr. f. d. deutschen Unterricht. 1905. XIX,
S. 609—617.
Rusinol: Merimee, E., EI „Mistico“ de Santiago
Rusinol.
Annales de la fac. des lettres de Bordeaux. Bulle¬
tin Hispanique. 1905. VII, No. 1.
Ruskin: Bond, R. W., Ruskin’s views of literature.
The Contemporary Review. 1905. LXXXVII,
S. 844—860.
Sachs: Hans Sachs und sein Verleger.
Oesterreichische Rundschau. 1905. IV, S. 598 — 599.
[Gerisch Georg Corwins aus Frankfurt a. M. an Kaiser
Rudolf II. um Privileg gegen Nachdruck von Hans
Sachs nachgelassenen Schriften von 1580.]
Sainte-Beuve : Sorel, A., Sainte-Beuve. Les Lundis et
Port Royal.
Revue Bleue. 1905. 5. Ser. III, S. 1 — 5, 33 — 39.
Saillt-Pierre : Doumic, R., Le veritable Bernardin de
Saint-Pierre.
Revue des deux mondes. 1905. LXXV, 28, S. 445
-456.
Schede: Habbicht, H., Paul Schedius Melissus.
Herald. — Genealog. Blätter. 1904. I, 40 — 42.
Scheffel: Poschinger, H. v., Victor von Scheffel und
Anton von Werner.
Deutsche Revue. 1905. XXX, 4, S. 62—67.
Schubart: Sadger, J., Ein genialer Trunkenbold. [Chr.
Fr. D. Schubart.]
Allge7neine Ztg. Beilage. 1905. No. 176, 177,
Shakespeare: Collins, J. Ch., Old and new lights on
Shakespeare’s Hamlet.
The Conternporary Review. 1905. LXXXVIII,
S. 649 — 664.
— : Eidam, Chr., Zu Shakespeares „Romeo and Juliet“.
I, 2, 93—96.
Allgemeine Ztg. Beilage. 1905. No. 183.
— : The domination of Shakespeare. Harvest of ori¬
ginal MSS.
The Daily News. — La Bibliofilia. 1905. VII.
S. 194—199-
Spencer: Oder, E., Herbert Spencer.
Neue Jahrbücher f. d. klass. Altertum, Geschichte
u. deutsche Litteratur. 1905. XV, S. 588—608.
Sprenger: Fränkel, L., Robert Sprenger f.
Allgemeine Ztg. Beilage. 1905. No. 210.
Stael : Une correspondance inedite de Madame de
Stael. Lettres ä Nils von Rosenstein. Commentaires
de Luden Maury.
Revue Bleue. 1905. 5. Ser. III, S. 641—646, 673
—676, 705— 708, 737— 740.
7
Beiblatt.
(Rundschau der Presse — Kleine Mitteilungen.)
Stendhal: Lütz ow, Stendhal. — A study.
The North American Review. 1905. CLXXX,
S. 829—841.
Stifter: Fürst, R., Adalbert Stifter.
Wester manns Monatshefte. 1905. XCIX, S. 311
-320.
— : Hauffen, A., Einführung in das Stifter-Heft.
Deutsche Arbeit. 1905. No. IV, S. 7 56—762.
— : Hock, St., Adalbert Stifter.
Oesterreichische Rundschau. 1905. IV, S. 521—525.
— : Horcicka, Ad., Adalbert Stifter und die Schiller¬
feier in Linz im Jahre 1889.
Deutsche Arbeit. 1905. IV, S. 794 — 797.
— : Jungbauer, G., Die Quelle zu A. Stifters Studie
„Der beschriebene Tännling“. (Zwei Beiträge zur
Literatur des deutschen Böhmerwaldes. 2.)
Deutsche Arbeit. 1905. IV. S. 792— 793.
— : Kienzl, H., Adalbert Stifter.
Allge7neine Ztg. Beilage. 1905. No. 245.
— : Kosch, W., Luise Freiin von Eichendorff in ihren
Briefen an Adalbert Stifter.
Deutsche Arbeit. 1905. IV, S. 779 — 786.
— : Schlossar, A. , Adalbert Stifter und Mariam
Tenger. Mit ungedruckten Briefen Stifters.
Deutsche Arbeit. 1905. IV, S. 764— 778.
— : Schlossar, A., Adalbert Stifter und Gustav
Heckenast, sein Freund und Verleger.
Deutsche Arbeit. 1905. IV, S. 798 — 81 1.
Stifter: Wukadinovic, Sp., Neues über Stifter.
Das litterarische Echo. 1905. VIII, Sp. 174— 177,
Tansillo: Rosalba, G., Nuovi documenti sulla vita di
Luigi Tansillo.
Studi di letteratura Italiana. 1903. V, S. 166 — 225.
Vernaleken : Gild, A., Theodor Vemaleken, ein hes¬
sischer Kämpfer für Deutschtum und Schule in der
Ostmark. Hessenland. 1904. XVIII, S. 235 — 237.
Vigny : Lettres d Alfred de Vigny ä Auguste Barbier.
Commentaires d’Alfr£d Rdbelliau.
Revue Bleue. 1905. 5. Ser. III, S. 676—681.
Voltaire: Droysen, H., Unvorgreifliche Bemerkungen
zu dem Briefwechsel zwischen Friedrich dem Grolien
und Voltaire.
Zeitschr. f. französische Sprache und IJtteratur.
1905. XXVIII, S. 169 — 190.
— : Fueter, Ed., Voltaire als Historiker.
Allgemeine Ztg. Beilage. 1905. No. 210, 21 1.
— : Mangold, W., Noch einige Aktenstücke zu Vol¬
taires Frankfurter Haft.
/Zeitschr. f. französische Sprache und Litteratur.
1905. XXVIII, S. 191 — 199.
— : Sakmann, P., Voltaire über das klassische Alter¬
tum.
Neue Jahrbücher f d. klass. Altertum, Geschichte
u. deutsche Litteratur. 1905. XV, S. 569—587.
— : Lettres inedites de Voltaire ä Turgot. Avec com-
mentaire de Louis Thomas.
Revue Bleue. 1905. 5. Ser. IV, S. 353— 355
Kleine Mitteilungen.
Katalog XIX von Fr. Strobel in Jena, der viele für
Bibliophilen interessante Werke verzeichnet, zeigt auch
zwei jener Bücher des XV. Jahrhunderts an, die Zeug¬
nisse der Erfindung der Druckkunst durch Gutenberg
enthalten : das Chronicon des Eusebius, Venedig, Erh.
Ratdolt 1483, mit der Fortsetzung des Matth. Palmerius
und dessen Bericht: Quantü litteraru studiosi Germanis
debeant / nullo satis dicedi genere exprimi posset.
Naqz / a Joanne Gutenberg Züiunge equiti Magü. / tie
rheni solerti igenio librox Imprimedox / ratio 1440.
inventa (sic!): hoc tepe i öes fere orbis par- / tes ppagat:
q omnis ätiquitas paruo ere cöpa- / rata: posteriorib’ infi-
nitis voluminib’ legitur. j Palmer spricht hier also von
1440, während in der Eusebius-Ausgabe von 1512 (No. 14
des Strobelschen Katalogs) anStelleder Null in der Ziffer
vorsichtig ein Punkt gesetzt ist („Imprimendor’ ratio 144.“)
Vielleicht mag der Autor inzwischen erfahren haben,
daß Gutenberg 1440 gar nicht in Mainz war.
Der Verlag von S. Fischer in Berlin hat soeben
einen Katalog über die bei ihm erschienenen Werke
herausgegeben: ein stattliches Heft in Oktav, das, von
Emst Rudolf Weiß geschmückt, sich schon äußerlich
hübsch und vornehm präsentiert und des Interessanten
viel enthält: außer der Bibliographie Bildnisse der be¬
kanntesten Autoren des Verlages, bemerkenswerte Kri¬
tiken und eine große Anzahl von literarischen Beiträgen,
in Vers und Prosa.
Höchst reizvoll ist das Ankündigungsheft von Oscar
Bies neuer Monographie ,,Der Tanz“ (Bard, Marquard
& Co. in Berlin): ein Büchlein für sich mit Vignetten
und Lunrahmungen von Karl Walser und zwei Kunst¬
blättern. Bies Werk, auf das wir zurückkommen w'erden,
erscheint auch in einer Luxusausgabe: 30 Exemplare
auf Japan ä 100 Mark. — Ein anderes Prachtwerk,
gleichfalls mit Buchschmuck und 10 Radierungen von
Karl Walser: Liebesbriefe der Ninon de Lenclos, wird
bei Bruno Cassirer in Berlin angekündigt (250 Exem¬
plare in Leder gebunden ä M. 25).
Im Leopold Hoesch-Museum zu Diirett ist im De¬
zember eine Sonderausstellung „Die Kunst im Buch¬
druck des XV. und XVI. Jahrhunderts“ eröffnet worden,
die ausschließlich aus den reichen Beständen der Samm¬
lung einer kenntnisvollen Bibliophilin, der Frau Guido
Schöller in Düren, arrangiert wurde. Frau Schöller hat
auch zu dem Führer durch die Ausstellung ein recht
interessantes Vorwort geschrieben. Die Kollektion bie¬
tet zunächst eine Reihe wertvoller Handschriften, der
sich eine Anzahl Blockbücher in Nachdrucken und viele
Original-Frühdrucke anschließen: so die Chronik von
Kölln, Breydenbachs Reisen, Kobergers Lateinische
Bibel, der Schatzbehalter, Schedels Chronik, die Werke
der Hroswdta, mancherlei von Dürer, Pirckheimer, Geiler,
die erste und vierte Theuerdank-Ausgabe, der Weiskunig,
viele Lutherdrucke u. a. m.
8
Beiblatt.
Zwei interessante neue Kataloge verausgabt die
Firma Joseph Baer & Co. in Frankfurt a. M. Zunächst
eine Sammlung Schopenhaueriania-. Originalhandschrif¬
ten Schopenhauers, 166 Bände aus seiner Privatbiblio¬
thek, seine Schriften, Briefe und Gespräche und die
Literatur über ihn. Die Manuskripte umfassen teils
eigenhändige Zusätze zu seinen Werken, teils eigen¬
händige Briefe; auch die Bücher seiner Bibliothek sind
vielfach mit Randbemerkungen, Notizen und Zeich¬
nungen versehen. Eine Rekonstruktion von Schopen¬
hauers Bücherei hat Grisebach versucht; die Baersche
Sammlung, die nur als Ganzes verkauft werden soll,
bringt dazu reiches neues Material. Den Katalog
schmückt das Schopenhauersche Exlibris. - — Auch der
Lagerkatalog No. 522 des gleichen Antiquariats: Alma-
nache, Kalender, Taschenbücher verdient Erwähnung.
Er bringt 1624 Nummern, nach den Verlagsorten ge¬
ordnet, und enthält eine Fülle von Seltenheiten.
Katalog No. 1 57 : Instrumental-Musik von Leo Liep-
mannssohn in Berlin notiert u. a. ein großes Rarum:
Hans Gerles Musica Teusch, Nürnberg 1523, und des¬
selben Tabulatur auff die Laudten, ebenda 1533. Von
der „Musica Teusch“ von 1532 waren bisher nur drei
Exemplare bekannt (Kgl. Bibliothek, Berlin, Wolfen¬
büttel, British Museum), von der „Tabulatur auff die
Laudten“ nur ein einziges, erst vor wenigen Jahren auf¬
gefundenes Exemplar, dem jedoch der Titel fehlte;
das von Liepmannssohn angezeigte ist demnach das
einzig vollständige. Über die Wichtigkeit und Selten¬
heit der Werke Gerles vergleiche den Aufsatz von
W. Tappert in den Monatsheften für Musikgeschichte
1886 No. 11. Das defekte Exemplar wurde s. Z. für
6600 fl. ausgeboten und ist jetzt im British Museum.
Kataloge.
Zur Vermeidung von Verspätungen werden alle Kataloge an die Adresse
des Herausgebers erbeten. Nur die bis zum 25. jeden Monats ein¬
gehenden Kataloge können für das nächste Heft berücksichtigt werden.
Deutschland und Österreich-Ungarn.
Jos. Jolowicz in Posen. No. 155. Deutsche Literatur.
Hugo Streisand in Berlin W. 50. Gelegenheitsangebote.
H. Hugendubel in München. No. 24. Deutsche Lite¬
ratur und Sprache, Musik und Theater.
F. Raabe s N'achf. in Königsberg i. Pr. No. 222. Prussica.
Jos. Baer är3 Co. in Frankfurt a. M. No. 527. Auto¬
graphen deutscher Dichter und Schrijtsteller (A— K).
— No. 524. Natiotialökonomie.
M. H. Schaper in Hannover. No. 92. Deutsche Lite¬
ratur. — No. 91. Klassische Philologie.
Max Perl in Berlin W. No. 67. Kunst.
C. G. Boerner in Leipzig. No. 3. Märchen, Sage, Volks¬
buch (Grimm und Görres).
Hugo Helbing in München. No. 15. Porträts. Kupfer¬
stich, Radierung, Buntdruck, Holzschnitt, Litho¬
graphie.
Edmund Meyer in Berlin W. No. 2. Almanache, Berlitz,
deutsche Literatur, illustr. Werke des Auslands.
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2
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wissenschaften, Philosophie.
Rud. Merkel in Erlangen. No. 151. Protestantische
Theologie.
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gogik, Okkultismus , Freimaurerei.
Otto Harrassowitz in Leipzig. No. 290. Indische Philo¬
logie und Altertumskunde.
Rieh. Bertling in Dresden- A. No. 57. Kultur- und
Sittengeschichte.
K. Th. Völcker in Frankfurt a. M. No. 260. Kultur¬
geschichte.
Frz. Stöpel in Leipzig. No. 2. Porträts, Städteansichten,
Kunstblätter.
Gust. Fock in Leipzig. No. 272. Geographie und Reisen.
— No. 273. Medizin (Zeitschriften und Dissertationen).
— No. 270. Chemie und Pharmazie. — No. 269. Haus¬
musik. — No. 268. Theologie. — No. 267. Mathe¬
matik und Physik. — No. 264. Deutsche Literatur.
— No. 263. Für Volks- und Schulbibliotheken. —
No. 266. Rechts ge schichte. — No. 265. Klassische
Philologie.
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geschichte, schöne Wissenschaften.
R. Levi in Stuttgart. No. 161. Literatur, Kunst,
Wissenschaft.
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Autoren. — No. 5. Predigten und Vorträge.
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Druck von W. Drugulin in Leipzig.
Mit einer Extrabeilage von Jacques Rosentba!, Buchhandlung, München.
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eitfcbrift für Bücherfreunde
Organ dev Gefellfcbaft dev Bibliophilen»
BEIBLATT
IX. Jahrgang. Elftes Heft.
Februar. 1906.
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der Bibliophilen und Abonnenten der Z. f. B. nur 25 Pf.).
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Redaktionelle Sendungen: Manuskripte, Bücher, Kataloge etc. gefl. zu richten an den Herausgeber: Fedor von Zobeltitz, Berlin IV. 15.
Uhlandstr. 33 (Sommer: Spiegelberg bei Topper, Rgbz. Frankfurt a. O.).
Anzeigen an die Verlagshandlung : Velhagen & Klasing, Abteilung für Inserate, Leipzig, Hospitalstr. 27.
Rundschau der Presse.
Von Arthur L. Jellinek in Wien.
Die nachfolgende Übersicht versucht, die in Tagesblättern, Wochen- und Monatsschriften enthaltenen Aufsätze und Abhandlungen,
soweit sie für die Leser unserer Zeitschrift in Betracht kommen, in sachlicher Anordnung zu verzeichnen. Nur das Wichtigere aus den Ver¬
öffentlichungen der letzten Monate kann berücksichtigt werden. Absolute Vollständigkeit zu erreichen liegt für den einzelnen Bearbeiter
außerhalb des Bereiches der Möglichkeit. Die Zeitschriften sind nach Bänden, Jahrgängen, Heften oder Seiten, je nach der leichteren Auf-
findbarkeit, citiert. Gleichmäßigkeit ist hierin nicht angestrebt. Zusendung von Separatabdrücken und Ausschnitten an die Adresse des
Bearbeiters (Wien VII, Kirchengasse 35) erbeten.
Schrift-, Buch- und Bibliothekswesen.
Buchdruck , Buchhandel.
Aarland, G., Die photomechanischen Vervielfäl¬
tigungsverfahren im Jahre 1905.
Archiv f Buchgewerbe. 1905. XL1I, S. 473— 476.
Bauer, Fr., Die Schriftgießerei im Jahre 1905.
Archiv f. Buchgewerbe. 1905. XL II, S. 468-469.
Das Buchgewerbe auf der Weltausstellung in St. Louis.
1. A. W oernlein, Die Vorarbeiten für die Deutsche
buchgewerbliche Gruppe. 2. L. Volkmann, Die
außerdeutschen Länder.
Archiv f. Buchgewerbe. 1905. XLI, S. 415 — 426.
Dorn, L., Die Druckfarbenfabrikation im Jahre 1905.
Archiv f. Buchgewerbe. 1905. XLII, S. 463—465.
Eiser, J., Zwei „große“ Buchdrucker [Wilhelm Maria
Anne Brune (1763 — 1813) und Louis Fauche-Borel
(1768 — 1829)].
Archiv f. Buchgewerbe. 1905. XLII, S. 426—428.
Fritz, G., Verbesserungen des galvanoplastischen
Prozesses.
Archiv f Buchgewerbe. 1905. XLII, S. 136 — 139.
Fritz, G., Der Buchdruck im Jahre 1905.
Archiv f. Buchgewerbe. 1905. XLII, S. 465 — 468.
Husnik, J., Druckfarben für Dreifarbendruck.
Zeitschrift f. Reproduktionstechnik. 1905. VII,
S. 49-50.
Kellen, T., Die Buchkunst-Ausstellung in Düsseldorf.
Börsenbl. f. d. deutschen Buchhandel. 1905. No. 241.
Z. f. B. 1905/1906. Beiblatt II. —
Kellen, T., Neue Werke über die Buchausstattung.
Börsenbl. f d. deutschen Buchhandel. 1905. No. 297.
Kunz, M., Der Hochdruck für Blinde.
Archiv f. Buchgewerbe. 1905. XLII, S. 368 — 377,
405 — 412.
Le Petit, J., Des livres armories.
Revue biblio-iconographique. 1905. XII, S. 53 — 59.
Mai, J., Die Autographie.
Archiv f. Buchgewerbe. 1905. XLII, S. 420 — 424.
Schlieper, C., Die Lithographie und der Steindruck
im Jahre 1905.
Archiv f. Buchgewerbe. 1905. XLII, S. 469—472.
Schwarz, H., Die typographischen Gesellschaften im
Jahre 1905.
Archiv f. Buchgewerbe. 1905. XLII, S. 494 — 496.
Spohr, W., Neue künstlerische Bilderbücher, Jugend¬
schriften und Wandbilder.
Archiv f. Buchgewerbe. 1905. XLII, S. 480—486.
Thron, ]., Ein belgisches Buchgewerbemuseum.
Archiv f. Buchgewerbe. 1905. XLII, S. 424—426.
Willrich, E., Die Ausstellung buchgewerblicher Ar¬
beiten deutscher Kunstschulen im Deutschen Buch¬
gewerbehause zu Leipzig.
Archiv f. Buchgewerbe. 1905. XLII, S. 451—459.
Zedier, G., Die Eltviller Frühdrucke in textlicher Be¬
ziehung.
Zentralbl.f. Bibliothekswesen. 1905. XXII, S. 577
-581.
Zur Westen, W. v., Neue deutsche Plakate.
Archiv f. Buchgewerbe. 1905. XLII, S. 486—494.
1
Beiblatt.
(Rundschau der Presse.)
Buchhandel.
Bargum, G., Vertriebsarten dänischer Verlage.
Börsenbl.f d. deutschen Buchhandel. 1 905 . N o. 2 5 1 .
Conrad, B., Die Leihbibliotheken Londons.
Börsenbl.f .d. deutschen Buchhandel. 1905. No. 254
^ _255-
Conrad, B., The „Standard Book Club“ in London.
Borsenbl.f.d. deutschen Buchhandel. 1905. No. 270.
W. H., Der Times Bookclub und die Londoner Buch¬
handlungen.
Allgemeine Ztg. Beilage. 1905. No. 278. (I. XII.)
Schultze, R., Eine Revolution auf dem Büchermarkt.
(Book-Club der Londoner Times.)
Die Nation. 1905. XXIII, S. 87—90.
E., Die Hundertjahrfeier der Firma F. A. Brockhaus.
Börsenbl.f. d. deutschen Buchhandel. 1905. No. 247.
Fuld, L., Zur Beurteilung älterer Verlagsverträge.
Borsenbl.f.d. deutschen Buchhandel. 1905. No. 169.
Die meistgelesenen Bücher.
Das litterar. Echo. 1905. VII, No. 958 — 962.
Stock mann, A., Die verbreitetsten Romane des letz¬
ten Jahres.
Stimmen aus Maria Laach. 1905. LXVIII,
S. 548-567.
Kellen, T., Jugendliteratur, Buchhandel und Schüler¬
bibliotheken.
Börsenbl.f. d. deutschen Buchhandel. 1 905 .No. 230.
Kellen, T., Bücher, Schriftsteller und Verleger.
1. Werther in den Niederlanden. 2. Grabbe und
der Buchhandel. 3. Scheffel und der Buchhandel.
4. Verbreitung russischer Bücher,
Börsenbl.f. d. deutschen Buchhandel. 1905. No. 293.
Neumaier, J. B., Versteigerung in London durch
Sotheby, Wilkinson & Hodge.
Borsenbl.f.d. deutschen Buchhandel. 1905. No. 293.
R [odenberg], J., Ein deutscher Verleger.
[Das Leben Georg Joachim Göschens.]
Deutsche Rundschau. 1906. CXXVI, S. 150-154.
Urgiß, J., Peter Tschaikowsky und sein Verleger
Jurgenson.
Börsenbl.f d. deutschen Buchhandel. 1905. No. 242.
Bibliophilie.
Falgairolle, P., Les Bibliophiles du Bas-Languedoc.
(CI. A. E. T. de Balincourt et Fr. M. A. de Rovene
de Cabrieres.)
Archiv es de la Soc. des Collectionneurs d’ Ex-libris.
1904. XI, S. 1 15— 120.
Kleemeier, Fr. J., Die Goethe-Bibliothek des Frhrn.
W. v. Biedermann.
Borsenbl.f.d. deutschen Buchhandel. 1905 No. 253.
Kleemeier, Fr. J., Wie soll man Bücher sammeln?
Borsenbl.f.d. deutschen Buchhandel. 1905. No. 264,
265, 266, 267.
Perrier, E., Un Bibliophile vauclusien, Elzear Pin.
Archives de la Soc. des Collectionneurs d' Ex-libris.
1904. XI, S. 195 — 198.
Bibliothekswesen.
Linnig, B., Jean-Baptiste Lauwers. Bibliothdcaire de
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Archives de la Soc. des Col/eclionneurs d' Ex-libris.
1904. XI, S. 74—76.
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Giefel, Nachtrag zur Gründungsgeschichte der König¬
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Württemberg. Vierteljahrshefte. 1905. XIV, S. 418
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Verliest, L., Un Inventaire du XVe siede du tresor
des chartes de Tournai.
Revue des Bibliotheques et Archives de Belgique.
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Entwurf eines Gesetzes betreffend das Urheberrecht
an Werken der bildenden Künste und der Photo¬
graphie.
Börsenbl.f . d. deutschen Buchhandel. 1905. No. 287.
[Fuld, Das neue Kunstschutzgesetz, ebenda No. 291.]
Fuld, L., Empfiehlt sich der Abschluß eines neuen
Literarvertrags zwischen Deutschland und Frank¬
reich?
Borsenbl.f.d. deutschen Buchhandel. 1905. No. 222.
Fuld, L., Zur Revision der Berner Literar-Konvention.
Börsenbl. f.d. deutschen Buchhandel. 1905. No. 235.
F uld, L., Urheberrechtsschutz in denVereinigten Staa¬
ten von Amerika.
Zeitschr. f. internationales Privat- u. Öffentliches
Recht. 1905. XV. Börsenbl. f. d. deutschen Buch¬
handel. 1905. No. 245.
Fuld, L., Unterlassungsklagen zum Schutze des Ur¬
heberrechts.
Börsenbl. f.d. deutschefi Buchhandel. 1905. No. 273.
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Le Droit d’ Auteur. 1905. S. 121 — 13 1. Börsenbl.
f. d. deutschen Buchhandel. 1905. No. 258, 259, 260.
Ollivier, E., La liberte de la presse au corps legis-
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Osterrieth, A., Zur Revision der Berner Konvention.
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Schaefer, K., Die neuen Urheberrechtsbeziehungen
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The North American Review. 1905. CLXXX,
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Allgem. Ztg. Beilage. 1905. No. 275. (28. XI.)
[Gegen H. Pfitzner, Süddeutsche Monatshefte.]
Bulle, O., Der „moderne“ Roman und die Volks¬
erziehung.
Allgemeine Ztg. Beilage. 1905. No. 227.
[Über die Schrift von Fr. Hashagen, Nefanda-Infanda.
Der „moderne“ Roman und die Volkserziehung.
Wismar 1905.]
Corday, M., L’image scientifique en litterature.
Revue de Paris. 1904. XI, 5, S. 837—853.
Hart mann, K., Ende des humanistischen Klassi¬
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Allgemeine Ztg. Beilage. 1905. No. 298. (27. XII.)
Henckel, W., Eine neue Geschichte der russischen
Litteratur [von Al. Brückner].
Allgemeine Ztg. Beilage. 1905. No. 260. (10. XI.)
J. R. H., Das geistliche Leben in Leipzig bis zum Be¬
ginn der Reformation.
Die Grenzboten. 1905. LXIV, 4, S. 584 — 594*
Landau, M., Die Erlösung aus der Unterwelt.
Allgemeine Ztg. Beilage. 1905. No. 298, 299. (27.,
28. XII.)
Molhuysen, P. C., De Cyrillus-handschriften van
B onaventura- V ulcanius.
Tijdschr. voor boek-en bibliotheekwezen. 1905. III,
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Molsdorf, W., Eine Handschrift des Speculum
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(Rundschau der Presse.)
Muncker, Fr., Wandlungen in den Anschauungen
über Poesie während der zwei letzten Jahrhunderte.
Allgemeine Ztg. Beilage. 1905. No. 270. (22. XI.)
Wolynski, A., Die moderne russische Poesie. Über¬
setzung von J. Melnik.
Deutschland. 1905. III, 6, S. 357—373.
Einzelne Schriftsteller.
Balzac: Ransohoff, G., Honore de Balzac.
Die Natioji. 1905. XXIII, S. 185 — 188, 201 — 203.
Beranger: Marechal, Chr., Lamennais et Beranger.
La Quinzaine. 1905. (16. IV.)
Beyle: Oppeln-Bronikowski, Fr. v., Ein Selbst¬
bildnis Henry Beyles (de Stendhal).
Allgem. Ztg. Beilage. 1905. No. 291, 294.
Bilfingen Kapff, P., Georg Bernhard Bilfinger als
Philosoph.
Wiirttembergische Vierteljahrshefte. 1905. XIV,
S. 279 — 288.
ChamiSSOI G. E., Aus Chamissos Frühzeit.
Allgemeine Ztg. Beilage. 1905. No. 278. (1. XII.)
— : Proffen, Die Quelle von Chamissos Gedicht
Mateo Folkone, der Korse.
Zeitschrift f d. deutschen Unterricht. 1906. XX,
S. 65—66.
[F. O. Renucci, Novelle storiche Corse. Bastia 1827.]
Cervantes: Narsy, Le troisifeme centenaire de Cer¬
vantes. La Quinzaine. 1905. (16. V.)
Coninck: Zuidema, W., Abraham de Coninck.
Oud Holland. 1904. XXII, S. 155—176.
Feuchtersieben: A. F. S., Dem Andenken eines Halb¬
vergessenen. (Aus ungedruckten Briefen von Ernst
Frhr. v. Feuchtersieben.)
Neue Freie Presse. 1905. No. 14712, 13. (8., 9.
VIII.)
Goethe: Andler, Ch., Interpretation nouvelle de la
sc&ne de la „profession de foi“ dans le „Faust“ de
Goethe.
Revue germanique. 1905. I, S. 312 — 319.
— : Ar n au Id, M., La sagesse de Goethe.
L Ermitage. 1905. n. S. 15. I.
— : Caspari, W., Einige Bemerkungen zu den ersten
und letzten Versen des „Faust“.
Der alte Glaube. 1905. VI, No. 50, 51.
— : Chantavoine, J., Goethe musicien ä propos
d’une publication recente.
Revue gemnanique. 1905. I, S. 431— 445.
[Anknüpfend an Goethe-Zelters Briefwechsel 1799 bis
1832. Herausgegeben von L. Geiger, Leipzig, Reclam.]
— : Dembski, M., Zu Goethes I25jährigem Maurer¬
jubiläum. National-Ztg. 1905. No. 515.
— : Gerhardt, L., Goethe und Clodius.
D. Türmer. 1905. VII, 2, S. 596 — 602.
— : Gerok, G., Goethes Ausspruch von einer Christus¬
ähnlichkeit bei Schiller.
Monatsschrift-Pastoraltheologie. 1905. II, Heft 3.
— : Goebel, J., The etymology of Mephistopheles.
Transactions and Proceedings of the American
Philological Association Boston. 1904. XXXV.
— : Goethes Weislingen-Drama.
Frankfurter Ztg. 1905. No. 270.
3
Beiblatt.
(Rundschau der Presse.)
Goethe: H., Goetheana.
Die Grenzboten. 1905. LXIV, 3, S. 566 — 567.
[Neudruck des Goetheschen Gedichtes „Sprachver¬
wirrung“ aus B. Niebuhrs Nachlaß.]
— : Harnack, O., Hochgebirgs- und Meerespoesie
bei Goethe.
Stunden mit Goethe. 1905. I, S. 273— 291.
— : Henkel, H., Zu „Goethe und die Bibel“.
Studien zur vergleichenden Litteraturgeschiclite .
1905. V, S. 354—355-
— : Jaffe, R., Die Frau Rath Goethe.
Die Gegenwart. 1905. LXVII, S. 374—377.
— : Jahn, K., Goethes Reisen.
Tätliche Rundschau. 1905. Unterhaltungsbeilage.
No. 271.
— : Jonas, Fr., Des jungen Schillers Kenntnis Goethe¬
scher Werke.
Euphorion. 1905. XII, S. 523 — 534.
— : K. D., Einfluß Pindars auf Goethes Jugendlyrik.
Zeitschr. f. d. deutsche?i Unterricht. 1905. XIX,
s. 530—531.
— : Kestner, A., Bei Goethe auf der Gerbermühle.
(Aus dem Tagebuche, 30. August 1815.)
Das litterarische Echo. 1905. VII, Sp. 1604 — 1609.
— : Münz, B., Erinnerungen an einen Zeitgenossen
Goethes. [Josef Stanislaus Zauper.]
Die Nation. 1905. XXII, No. 48.
— : [Payer, v. Thurn, R.J Goethe nach Jens Juel.
Chronik des Wiener Goethe -Vei'eins. 1905. XIX,
S. 55-56.
— : Pirker, P., Schiller in Goethes Tagebüchern.
Chronik des Wiener Goethe -Vereins. 1905. XIX,
s. 45—46.
— : Pissin, R., Frau Rath.
Die Nation. 1905. XXII, No. 16.
[Über Briefe der Frau Rath , herausgegeben von
A. Köster 1904.]
— : Prack, A., Goethe über Schelling.
Österreichisch-Ungarische Revue. 1905. XXXIII,
s. 65-79, 143-159-
— : Riethmueller, R., Frankfort and Cassel in
Goethe’s time. A contemporary’s opinion on Gott¬
sched. From an unpublished letter of Johann Mat¬
thias Dreyer to Joh. Wilh. L. Gleim.
German American Annals. 1905. VII, S. 404 — 409.
— : Siebert, A., Wirtschaftlich-ethische Motive in
Goethes „Faust“.
Allgemeine Ztg. Beilage. 1905. No. 204.
— : Sprenger, R., Zu Goethes Faust. (I, V. 880,
II, V. 1236.)
Zeitschr. f. d. deutschen Unterricht. 1905. XIX,
S, 720.
— : Teichl, R., Goethe und Georg Graf von Buquoy.
Chronik des Wiener Goethe -Vereins. 1905. XIX,
S. 17—30.
— : Widm an n, J. V., Beim Durchblättern Goethescher
Briefe.
Neue Freie Presse. 1905. No. 1471 5. (11. VIII.)
— : Witkowski, G., Goethes „Ewiger Jude“.
Österreichische Rundschau. 1905. III, S. 252 — 259.
[Über Minor, Goethes Fragmente vom ewigen Juden.
1904.]
Goethe: Der Zweikampf bei Goethe.
Die Grenzboten. 1905. LXIV, 3, S. 139—146,
192—198.
Grillparzer: Benzmann, H., Grillparzer als Mensch
nach seinem Tagebuch und seinen Briefen.
Nord und Süd. 1905. CXV, S, 421—429.
— : Wilhelm, G., Grillparzer als Kurgast.
Neue Freie Presse. 1905. No. 14745. (10. IX.)
[V. Ruß, ebenda. No. 14752. (17. IX.)]
Groth: Sieper, E., Klaus Groth.
Allgemeine Ztg. Beilage. 1905. No. 254.
Grün: Schlossar, A., Anastasius Grün und die Tages¬
post. Tagespost. 1906. (1. I.)
Hahn-Hahn: Stockmann, A. S. J., Die Werke der
Gräfin Hahn-Hahn.
Stimmen aus Maria Laach. 1905. LXIX, S. 424
—439, 542-556.
Hauff: Meier, Herzog Ulrich auf dem Lichtenstein.
Württemberg. Vierteljahrshefte. 1905. XIV, S. 205
— 217.
[Zu Hauffs Erzählung.]
Hebbel: Gurlitt, L., Hebbels Bedeutung als Erzieher.
Deutsche Monatsschrift. 1905. IV, 8, S. 675 — 682.
Heine: Biadego, G., Giacomo Zanella, traduttore di
Heine.
Atti del R. Istituto veneto. 1905. LXIV, No. 5.
— : Karpeles, G., Neue Mitteilungen über Heinrich
Heine.
Neue Freie Presse. 1905. No. 14682. (9. VII.)
Heinzei: Jellinek, M. H., Richard Heinzei.
Zeitschrift f. d. österreichischen Gymnasien. 1905.
LVI, S. 577-591-
— : Kraus, C. v., Richard Heinzei.
Österreichische Rundschau. 1905. IV, S. 241 — 253.
Herwegh: B., Georg Herweghs Schweizer Bürgerrecht.
Schwäbischer Merkur. 1904. No. 502, 1.
Holtei: Briefe Karl v. Holteis an Prof. J. Caro.
Nord und Süd. 1905. CXIV, S. 263 — 268.
Hugo: Deschamps, G., Ad£le Hugo, Victor Hugos
Frau.
Neue Freie Presse. 1905. No. 14708. (4. VIII.)
Humboldt: Gleichen-Rußwurm, A. v., Wilhelm und
Caroline von Humboldt in ihren Briefen.
Die Nation. 1905. XXIII, S. 157- 159.
Isla: Baumgartner, A., Der spanische Humorist
P. Joseph Franz de Isla S. J.
Stimmen aus Maria Laach. 1905. LXVII I, S. 82
—92, 182 — 205, 299 — 316.
Kerner: Geiger, L., Briefe Justinus Kerners über
magische Gegenstände.
Süddeutsche Monatsschrift. 1905. II, 2, S. 509—51 5-
— : Weizsäcker, P., Uhland und Schwab bei Justi¬
nus Kerner.
Blätter d. schwäb. Albvereins. 1904. XVI, S. 23 — 26.
Kirpicnikow: Alexander Ivanovic Kirpicnikow (mit
Bibliographie seiner wichtigen Schriften).
By zantin. Zeitschrift. 1904. XIII, S. 715 — 7*6-
Kleist: Eichhorn, A., Zu Kleists Katechismus der
Deutschen.
Allge7nei?ie Ztg. Beilage. 1905. No. 295. (22. XII.)
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Beiblatt.
Kleist: Schütz, Fr., Kleist und seine Komödie ,,Der
zerbrochene Krug“.
Neue Freie Presse. 1905. No. 14784. (19. X.)
Kostomarow: Wosnjak, M., Nikolaus Kostomarow.
Ruthenische Revue. 1905. III, S. 69 — 73.
Kurz: Kurz, J., Erinnerungen an Hermann Kurz.
Deutsche Rundschau. 1905. CXXIV, S. 249 — 266,
373—3 90.
— : Kurz, J., Hermann Kurz in der Zeit seines
Werdens.
Süddeutsche Monatshefte. 1905. 11,2, S. 221— 240,
329-340.
Laube: Detschy, S., Erinnerungen an Heinrich Laube.
Velhagen Klasings Monatshefte. 1906. XX, I,
s. 529-534-
Meyer: Frey, Ad., Aus meinem Verkehr mit Conrad
Ferdinand Meyer.
Süddeutsche Monatshefte. 1905. II, 2, S. 154 — 161.
— : P. L., Die Geschichte einer Dichterfreundschaft.
(Louise v. Frangois und C. F. Meyer.)
Allgemeine Ztg. Beilage. 1905. No. 285. (10. XII.)
Meysenbug: Beer, L., Malvida von Meysenbug.
Die Nation. 1905. XXIII, No. 2—4.
Moscherosch: Stauf V. d. March, O., Hans Michel
Moscherosch.
Deutschland. 1905. III, 6. S. 594 — 599.
Müllner: Rosner, L., Adolf Müller und Schreyvogel.
Ungedruckte Briefe 1815 bis 1819.
Neue Freie Presse. 1905. No. 14731,38. (27. VIII.,
3. IX.)
Müsset: Haape, W., Alfred de Müsset in deutschem
Gewände.
Allgemeine Ztg. Beilage. 1905. No. 293. (20. XII.)
Otway: Richter, H., Ein Vorläufer des „Don Carlos“
[v. Thomas Otway].
Neue Freie Presse. 1905. No. 14752. (17. IX.)
Platen: Sadger, J., August von Platen. Eine patho¬
logische Studie.
Nord und Süd. 1905. CXV, S. 103—118, 222 — 237.
— : Woerner, R., Platens Tagebücher.
Allgemeine Ztg. Beilage. 1905. No. 231.
Poe: P oppenberg, F., Poe-Probleme.
D. Türmer. 1905. VII, 2, S. 674 — 679.
Puschkin: Haumant, E., Don Juan ou l’Invite de
pierre de Pouchkine; Traduction en vers frangais
p. M. de Berwick.
Revue des Etudes Franco-Russes. 1905. V, S. 174
— *75-
Rämelin: Schneider, E., Ein Brief Gustav Rümelins
an Heinrich v. Treitschke (21. XII. 1885).
Württemberg. Vierteljahrshefte. 1905. XIV, S. 64
—70.
Sainte-Beuve: Deschamps, G., Adöle Hugo und
Sainte-Beuve.
Neue Freie Presse. 1905. No. 14820. (24. XI.)
Scheffel: Eine Dichterliebe. (Josef Viktor Scheffel und
Emma Heim.)
Neue Freie Presse. 1905. No. 14794. (29. X.)
(Rundschau der Presse.)
Schüz: Weishaupt, M., Theodor Schüz, ein schwä¬
bischer Malerpoet.
Der alte Glaube. 1905. VII, No. 10.
Shakespeare: Axon, W., Romeo and Juliet before and
in Shakespeare’s time.
Transactions of the royal society of literature.
1905. XXVI.
— : Conrad, H., Kennen wir Shakespeares Entwick¬
lungsgang ?
Preußische Jahrbücher. 1905. CXXII, S. 388—426.
— : Eidam, Ch., Die Neubearbeitung des Schlegel-
Tieckschen Shakespeare durch H. Conrad.
Deutsche Revue. 1905. XXX, 4, S. 353 — 359.
— : M e y e r , K., Das Shylockproblem und das moderne
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Deutschland. 1905. III, 6, S. 276 — 282.
— : Petsch, R., Die Volksszenen in Shakespeares
Dramen. Frankficrter Ztg. 1905. No. 260.
— : Vinycomb, J., Shakespeare’s coat of arms.
Journal of the Exdibris Society. 1905. XV, S. 41
. “ 43>
Simrock: Sprenger, R., Die Quelle von Simrocks
Gedicht „Habsburgs Mauern“.
Zeitschr. f. d. deutschen Unterricht. 1906. XX,
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[Grimm, Deutsche Sagen II3 No. 5 II.]
Spillmann: Ko pp, K., Spillmanns Werke.
Liter ar. Handweiser. 1905. XL III, No. 18.
Stäudlin: Krauß, R., Zu Gotthold Stäudlins Ausgang.
Württemberg. Vierteljahrshefte. 1905. XIV, S. 81
-84.
Stifter: Bruchmann, K., Adalbert Stifter.
Die Grenzboten. 1905. LXIV, 4, S. 470 — 480.
— : Hackemann, A., Adalbert Stifter als Schul¬
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Zeitschr. f. d. deutschen Unterricht. 1906. XX,
S. 39—49-
— : Schlossar, A., Zum 100. Geburtstage Adalbert
Stifters.
Neue Freie Presse. 1905. No. 14787. (22. X.)
Traun, V. d.: Berger, A. v., Julius von der Traun.
Neue Freie Presse. 1905. No. 14678. (5. VII.)
Uhland: Ein Brief über Uhland und Lenau.
Neues Tagblatt (Stuttgart). 1904. No. 227, 1.
Usener: Wendland, P., Hermann Usener.
Preußische Jahrbücher. 1905. CXXII, S. 373 — 387.
Wachsmuth: Müller, Br. A., Zur Erinnerung an Curt
Wachsmuth.
Allgemeine Ztg. Beilage. 1905. No. 284. (8. XII.)
Wieland: Ungedruckte Wielandbriefe.
Staatsanzeiger f. Württemberg. 1904. Bes. Beilage.
No. 179 — 186.
Wilde: Dannegger, Ad., Oskar Wilde.
Deutschland. 1905. III, 6, S. 695 — 704.
Zelter: Münz, B., Neue Streiflichter auf Zelter.
Die Nation. 1905. XXIII, S. 106 — 108.
[Aus: Therese Devrient, Jugenderinnerungen. 1905.]
5
Beiblatt.
^on den Auktionen.)
Von den Auktionen.
Ein fast unerschöpfliches Interesse des Publikums
bekundete sich für die dreitägige, am 19. Dezember
beendete Auktion der Bibliothek des kürzlich ver¬
storbenen Schauspieldirektors Sir Henry Irvmg. Die
Räume bei Christie in London boten insofern ein gegen
sonst sehr verschiedenes Aussehen, als die professio¬
nellen Käufer, Liebhaber und Sammler fast ganz fehlten,
dagegen Freunde und Bekannte des einstigen Besitzers,
vornehmlich Thespisjünger, die Bietenden waren. In¬
folgedessen herrschte bei der Versteigerung mehr der
Wille und das Gefühl vor, sich um jeden Preis in den
Besitz eines Andenkens zu setzen, als kühle Wert¬
schätzung der angebotenen Werke. Diese wurden da¬
her im allgemeinen mit etwa 50 Prozent über ihren
eigentlichen Marktwert bezahlt. Unter den verauktio¬
nierten Büchern nahmen diejenigen wiederum einen be¬
vorzugten Rang ein, die besonders für die Lyceum-
Bühne gedruckt und von Irving für letztere arrangiert
worden waren, sowie eigenhändige Anmerkungen oder
Änderungen enthielten. Die wichtigsten unter den
Dramen Shakespeares waren: ,, König Richard III“,
19. Dezember 1896, 280 M. (Price); ein anderes
Exemplar, 29. Januar 1877, 290 M. (Cotes); „Much Ado
about Nothing“, 11. Oktober 1882, 290 M. (Sotheran);
„König Heinrich VIII“, 5. Januar 1892, 260 M. (Sotheran);
„Coriolanus“, 1901, 270 M. (Sotheran); „Cymbeline“,
1896, 270 M. ; „Merchant of Venice“, 440 M. (Price).
Fast keiner der genannten Händler kaufte diesmal für
eigene Rechnung, sondern nur im festen Aufträge der
Kundschaft. Quaritch erwarb nur zwei oder drei
Bücher.
Von andern Autoren sind zu bemerken: B. Antier,
„Robert Macaire“, 1888, 260 M.; Comynes Carr, „King
Arthur“, 1895, 210 M. (Sotheran); Sardou, „Madame
Sans-Gene“, 280 M. (Miss Johnson) ; Lord Lytton,
„Richelieu“, 220 M.; M.G.Wills, „Karll“, ein schwaches
Stück, 420 M. (Miß Gladstone); Watts Phillips, „The
dead Heart“, 1889, 270 M.; Herman Merivale „Ravens¬
wood“, 270 M. (Miss Barton); Lord Byrons „Werther“
500 M. (Partridge). Da die genannten Werke im
Durchschnitt Sir H. Irving nur wenige Schilling ge¬
kostet hatten , sind die gezahlten Preise als außer¬
ordentlich hohe zu bezeichnen.
„Charles I, A Book of Selections“, auf Velin ge¬
druckt, illuminiert mit Miniaturen des Grafen von
Strafford, Karls I, Henrietta Marias und anderer, mit
der Inschrift „To Henry Irving from Eleanor Taylor
9. März 1879“, 560 M.; Charles Dickens „Sikes and
Nancy“, eine Lesart von „Oliver Twist“, privatim ge¬
druckt mit Autograph von Adeline Billington, 325 M.
(Miss Price); Horace, „Opera“, Glasgow, 1796, ehemals
J. P. Kemble gehörig, 250 M. (Sotheran); John
Philip Kemple, „Memoirs“, von James Bonder, 1825,
extra illustriert durch 250 Porträts, 370 M.; F. Kirk-
man, „The Witts“, 1662, mit Innenansicht des „Red
Bull Theatre“ 340 M. (Pearson); Alfred Lord Tennyson,
„Becket“, 1884, erste Ausgabe mit vielen Bleistift¬
anmerkungen des Verfassers, 220 M.
Das Hauptinteresse am zweiten Auktionstage
wendete sich namentlich nachstehenden Werken zu:
John Försters, „Life of Charles Dickens, 1812 — 1870“,
mit 200 Porträts, 137 Ansichten und Stichen, 8 Bände,
7600 M. (Captain Knowles); ,,A Memorial“, illustrierte
Lebensbeschreibung von David Garrick, 577 Porträts
von ihm, in vielen seiner Rollen dargestellt, 66 Theater¬
zettel, 4400 M. (Quaritch); ein ähnliches „Memorial“
für Edmund Kean mit 343 Porträts und 334 Theater¬
zetteln nebst Zeitungsausschnitten in 5 Bänden, 2600 M.
(Sotheran); „Memorial“ für William Charles Macready
mit 272 Porträts und 261 Originaltheaterzetteln, 1900 M.
(Pearson).
Die vierte Ausgabe von „Othello“, 1655, mit Wid¬
mung an Irving von F. A. Marshall, 4000 M. (Jackson);
Edmund Keans Exemplar des „Othello“, 1818, mit
durchschossenen Blättern und Korrekturen, ein Ge¬
schenk der Baronin Burdett Coutts, 620 M.; Macreadys
Exemplar des „Hamlet“ mit Direktiven für die Bühne,
1820, 540 M.; Charles Kembles Exemplar des „King
Henry VI“, 350 M. (Baronin Coutts); „Macbeth“, zur
Leseprobe arrangiert für Irving und Miss Ellen Terry,
420 M. Ein Brief David Garricks, 4 Seiten, Quart, in¬
dem er sagt: „I have been very near buying the patent
lease of Drury Lane“, 330 M. (Pearson); ein Brief von
Sarah Siddons, 600 M. Außer einer beträchtlichen
Anzahl Reliquien und Porträts berühmter Schauspieler
und Schauspielerinnen erregte jedenfalls das meiste
Interesse das von Whistler angefertigte Bildnis Irvings
in der Rolle als Philipp II. von Spanien, das für
108,000 M. verkauft wurde. Der Preis von Sargents Por¬
trät der Ellen Terry als Lady Macbeth betrug 25,200 M.
Mitte Dezember beendigte Sotheby die Auktion
mehrerer Bibliotheken, in denen einige seltene Quart-
Ausgaben von Shakespeare zum Angebot kamen.
„Much Ado About Nothing“, 1600, wurde von Mr.
Jackson mit 31,400 M. bezahlt. „A Midsomer Night’s
Dreame“, gleichfalls die Ausgabe von 1600, erstand
Mr. Stevens für 9600 M. Beide Exemplare gehen
aller Wahrscheinlichkeit nach den Weg über das
Wasser, nach Amerika. Andere wertvolle Bücher er¬
zielten folgende Preise: „General History of Virginia“,
1584 — 1624, von Smith, 2540 M. ; Dibdins „Bibliotheka
Spenceriana“, 255 M.; Froissarts „Chronicles of Eng¬
land, France and Adjoining Countries“ 250 M.; „The
Decades of the New World of West India“, 882 M.
Ein Brief von George Washington, der über die Be¬
ziehungen Amerikas zu Frankreich und England handelt,
kam auf 2900 M. Die Originaldokumente Thackerays,
betreffend eine Vorlesung über Congreve und Addison,
wurden mit 2000 M. bezahlt. Die erste Ausgabe der
gesammelten Werke von Beaumont und Fletcher,
1647 — 1652, erreichte den hohen Preis von 2040 M.
(Jackson).
Eine der ausgezeichnetsten Spezialbibliotheken Eng¬
lands über militärische und mathematische Wissen¬
schaft, aus dem Besitz des königlichen Militärinstituts
in Camberley, gelangte durch die Firma Hodgson unter
den Hammer. Zunächst muß der angegebene offizielle
Grund der Auflösung der Büchersammlung im höchsten
6
Beiblatt.
Grade befremden: die alten Werke sollten verkauft
werden, um neue anzuschaffen. Bei den großen Mitteln,
die der englischen Verwaltung zu Gebote stehen, hätte
sich wohl ein befriedigerender Ausgleich zwischen „alt“
und „modern“ hersteilen lassen. Nun ereignete sich
aber zum Schluß folgendes: Aufmerksam gemacht
auf eine ganze Reihe sehr seltener Werke in der be-
(Von den Auktionen — Kleine Mitteilungen.)
treffenden Kollektion blieb dem Kriegsministerium
nichts weiter übrig, als dieselben von dem oben er¬
wähnten Institut zu enormen Preisen in der Ver¬
steigerung zu kaufen. So z. B. ein Manuskript, das über
die militärischen Operationen im amerikanischen Un¬
abhängigkeitskrieg handelt, mußte von der Behörde
für 6000 M. zurückerworben werden. O. v. S.
Kleine Mitteilungen.
Eine „ Ausstellung moderner Buchkunst im Waren¬
haus“ (München) mag auf manchen ernsten Freund
schöner Buchdarbietung und -ausstattung zunächst
abstoßend wirken. Doch dürfte sich bei unparteiischer
Würdigung der so veränderten Konsumtionsverhältnisse
auch des Buchgewerbes schlechterdings nicht einsehen
lassen, weshalb man etwaige von jener rein geschäft¬
lichen Seite kommende nachdrückliche Verbreitung
des Verständnisses für unsere Ideen ablehnen oder
ignorieren soll. Das neue große „Kaufhaus Ober-
pollinger“ in der Neuhauserstraße zu München hat in
einer besondern Vitrine jetzt — Dezember 1905 — eine
solche Ausstellung unternommen, die meistens Buch¬
einbände und künstlerische Sonderdrucke aus Privat¬
besitz vereinigt.
Neben sehr hübschen englischen und französischen
Leistungen, die aber durchaus nicht überwiegen, steht
eine abwechslungsreiche Reihe buchgewerblicher
Schöpfungen deutscher Künstler. In materialgerechter
Hinsicht wahrhaft musterhaft weiß Rudolf Bosselt das
Leder zu behandeln mit Einbänden zu Gottfried Kellers
„Grünem Heinrich“ und zu Jean Paul. Ledermosaik
auf Weiß mit handgemaltem Vorsatz, Handvergoldung
und Ornamentschnitt zeigt ein Deckel zu Goethes
„Faust“, desgleichen handgepunzten Goldschnitt ein
Einband der „Gedichte“ Michelangelos: beides stammt
von Cissarz. Auf extrem-neugeistige Literatur wirft
sich Paul Bürck mit einem Deckel zu Nietzsches „Also
sprach Zarathustra“ und einem zu Häckels „Welt¬
rätseln“. Dagegen liefert einen solchen zu A. v. Hum¬
boldts „Kosmos“ sowie eine originelle große Mappe der
eigen wüchsigste Sonderling der, .Darmstädter“, Olbrich.
Nichts weniger als alltäglich stellt sich der Einband dar,
mit dem W. Rauch, Kunstbuchbinder in Hamburg,
Jules Lemaitre’s „Contes blancs“ schmückt: durch¬
brochenes, gitterartig bearbeitetes Leder auf Seide mit
Handvergoldung.
Auf anderes Gebiet führen uns die nicht nur
wunderbar fein, sondern dabei wirklich anmutig hand¬
gemalten Miniaturen von E. Malassis in einer neuen
(Paris 1903, Verlag Conard) Prachtausgabe der „Belle
Imperia“des allmählichzu frischer Geltunggelangenden
Balzac. Ähnlich wirken Doucets kleine, geradezu
zierliche Radierungen bei X. Lemans Übersetzung
des altrömischen Sittenschilders Petron ins Französische.
Den Gipfel subtiler Einkleidung erstrebt die durch
Rickett ausgeführte der „Sphinx“ Oskar Wildes in
Pergament. In der Zuweisung der Krone stimmen
wir aber dem sehr kundigen Fachmann bei, der seine
Notiz über die ganze höchst dankenswerte Sammlung
und öffentliche Vorführung in den „Münchener Neuesten
Nachrichten“ (1905 Nr. 570) wie folgt schließt: „Alle
überragt die geradezu hieratisch-feierliche Ausstattung
der von Stefan George übersetzten „Herodias“ Stephane
Mallarmes, die von Melchior Rechter mit herrlichen
Handmalereien geziert und unter seiner Leitung bei
O. v. Holten in Berlin gedruckt wurde und zwar nur
in sieben numerierten Abzügen auf kaiserlichem Japan,
der Text in Blau, die Personennamen in Rot. Als
Ganzes eine wahrhaft magistrale Schöpfung, die auch
hinter den besten alten nicht zurückzustehen braucht.“
Kein Vorurteilsloser dürfte leugnen, daß diese
durch das Münchener Kaufhaus Oberpollinger im
wesentlichen uneigennützig vollzogene Inszenierung mit
ungleich glatterem Beifall begrüßt werden kann als
die für Ausdehnung des Geschmacks am schönen und
originellen Buche recht fragwürdig wirkende Einrichtung
eines öffentlichen Leseraums nebst eines Leih -Lese¬
zirkels für Novitäten, wie beides ebenjenes Warenhaus
in der Kunst- und Bildungsmetropole München und da¬
mit wohl in Süddeutschland überhaupt 1905 zuerst be¬
gründet hat.
München. Ludwig Fränkel.
Der zweite Teil der Autographensammlung Meyer
Cohn gelangt vom 5. bis 10. Februar bei J. A. Stargardt
in Berlin zur Versteigerung. Wir werden über den
Verlauf der Auktion ausführlich berichten. — m.
Die Grazer Tagespost feierte am 1. Januar das
Jubiläum ihres fünfzigjährigen Bestehens, die Berliner
Tägliche Rundschau das ihres fünfundzwanzigjährigen.
Beide Blätter brachten aus diesen Anlässen reich¬
haltige Jubiläumsnummern. — m.
Katalog No. 152 von Bernhard Liebisch in Leipzig
zeigt einige recht interessante Seltenheiten an. So
einen Sammelband von Erstdrucken Christian Reuters,
darunter das „Letzte Denck- und Ehrenmahl der Ehr¬
lichen Frau Schlampampe“ (1697), das wohl als Unikum
gelten darf. Ferner einen weiteren Sammelband von
Reformationsschriften, u. a. mit dem Originaldruck
von „An den christlichen Adel deutscher Nation“, des
„Passional Christi und Antichristi“, vor allem aber mit
der einzigen bekannten Einzelausgabe von Luthers
„Ein kurze vnnd gute / ausslegung des hayltgen Vater
vnnsers“ (4 Bll. in 160 mit Titelholzschnitt: die Drei¬
einigkeit. O. O. u. J., vielleicht Otmar in Augsburg).
Schließlich notiert der auch sonst sehr reichhaltige
7
Beiblatt.
kleine Mitteilungen — Inserate )
Katalog eine Originalausgabe des Spiesschen Faust¬
buchs von 1587 in guter Erhaltung. — m.
Max Harrwitz in Berlin hat seine letzten, einzeln
verausgabten Kataloge zu einem hübschen Gesamt¬
katalog No. 101 „ Deutsche LiteraUtr seit 1750“ vereinigt
(mit Register und Anhang: Porträts). — m.
Die Londoner Bibliographische Gesellschaft hielt
am 8. Dezember vorigen Jahres ihre regelmäßige
Jahressitzung in Hanover Square unter Vorsitz ihres
Präsidenten Mr. K. S. Faber und Mitwirkung des Ehren¬
sekretärs Mr. A. W. Pollard ab. Der erstere gab eine
Übersicht der seit dem VII. Jahrhundert von be¬
deutenden Männern in der Grafschaft Durham ins
Werk gesetzten Bestrebungen, um Licht und Ge¬
lehrsamkeit in England zu verbreiten. So unternahm
der Benediktiner Biscop 5 Reisen nach Rom — kein
kleines Unternehmen für damalige Zeit — , um für seine
beiden Klöster in Wearmouth und Jarrow dort Manu¬
skripte zu beschaffen. Der Genannte kann als der erste
Büchersammler in England angesehen werden. Im
folgenden Jahrhundert war es hauptsächlich Bede, der
sich in dieser Richtung hin verdient machte, während
nach einer längeren Intervalle der Name des Bischofs
Richard de Bury vornehmlich glänzt. Diesem, dem
Verfasser des „Philobiblon“, ist durch sein Vermächtnis
an das Durham College die Gründung der ersten
Bibliothek in Oxford zu verdanken. Von anderen Biblio¬
philen sind dann noch zu erwähnen: der Bischof von
Mildert, der letzte Fürstbischof in England und der
Bischof Cosie, der eine noch seinen Namen tragende,
sehr bedeutende Bibliothek in Durham errichtete.
O. v. S.
Aus Chicago erhalten wir das Jahrbuch der Biblio¬
graphischen Gesellschaft 1902 — 03. Es enthält Protokoll¬
auszüge der Sitzungen, Nachrichten über römische
Bibliotheken und die Möglichkeit, sie sich zugänglich zu
machen, mehrere bibliographische Abhandlungen und
einen interessanten Artikel über italienische Kommunal¬
historie von A. M. Wolfson. Ein Mitglieder- Verzeichnis,
die Vereinsstatuten und eine Liste der eingelaufenen
Bücher ist angehängt. — m.
A Catalogue of about 130 Selected French Alma-
nacs from a Complete Collection (1694 — 1883). Illu¬
strative of French Binding during this period. Exhibited
at The Grolier Club, December 7 to December 23, 1903.
Schon der geschmackvoll bedruckte Umschlag¬
bogen mit seiner eleganten blauschwarzen Initiale und
den gut geschnittenen Typen geht über den gewöhn¬
lichen Katalograhmen hinaus. Die Umschlagzeichnung
wiederholt sich im Innentitel, auf Büttenpapier wie das
ganze Heftchen gedruckt.
Die mehrseitige, leider nicht signierte Einleitung
gibt eine kurze Übersicht über die Könige unter den
Buchbindern, die Eves, die Padeloups, die Le Gascons,
die Thouvenins u. a. m.
Dr. R. W. Carl, Düsseldorf
(Zeichnung von Otto Eckmann.) Schumannstr. 34
Prof. Dr. Gustav Dirner, Budapest
(Radierung v. J. Faragö) tauscht nur geg. Bestes. Kigyotör I
Buchhändler Emil Jaensch, Blasewitz-Dresden
(Zeichnung von W. Witting, Dresden.) Schillerplatz 7 II
Frau Kommerzienrat Klasing, geh. Quenteil,
Bielefeld
Frau Hedwig Klasing, Leipzig-Eutritzsch
Bleichertstr. n
Josefine Lechner, Reichenberg, Böhmen
Radierungen von Orlik u. Naish nur gegen Gleichwertiges.
Oberleutnant Reichard, früher Sauvage bei Metz,
jetzt München, Gabelsbergerstr. 76.
E. P. Riesenfeld, Karlsruhe in Baden
Lithographie von K. Gruber. Gottesauerstraße IO
Frau Pastor Schreiber, Leipzig-Gohlis
Wilhelmstraße
Karl Siegismund, Verlagsbuchhändler,
Radierung v. H. Bastanier. Berlin SW., Dessauerstr. 13
Georg Starke, Königlicher Hoflieferant.
Görlitz
Theo Strassner, Ingenieur, Aachen
Beguinenstr. 24
Sutter, Friedr. Berthold, Stud. phil. et jur.,
Heidelberg, Schloßberg 17
Gesucht
Keller, „Der grüne Heinrich“, erster Band, Braun¬
schweig 1854. — Arnim, Sämtliche Werke, Band 9,
11, 12, 16—18, 20 — 22 in ersten Ausgaben. Offerten
unter „K. 100“ an die Zeitschrift für Bücherfreunde,
Leipzig, Hospitalstraße 27 1.
Bücher kleinsten Formats
nicht über 6 Zentimeter hoch und vor 1800 gedruckt
suche ich zu kaufen. Auch Bibeln und Psalmen, jedoch
keine Gebetbücher u. Kalender. Off. mit Preisangabe
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Erschienen. Antiquariats-Katalog VI:
Städteansichten, Karten, Pläne. 2700 Nm.
Ferner noch gültig Katalog V:
Kupferstiche, Holzschnitte, Lithographien älterer und
neuerer Meister deutscher Schule. 2283 Nm.
G. Walther Gasch, Kunstantiquariat
Dresden-A. VII., Schweizerstr. 6.
8
Beiblatt.
(Kleine Mitteilungen — Kataloge — Inserate.)
Der eigentliche Katalog nennt das Material des
Bucheinbands, das Jahr, irgendein charakteristisches
Detail, wie z. B. das Wappen, das den Umschlag ziert
und, wo bekannt, den Buchbinder, oft freilich mit
einem Fragezeichen dahinter. Der zweite Abschnitt,
den der Bearbeiter unter dem ominösen Titel: „Period
of Unrest and Decadence“ zusammenfaßt, beginnt zu
Ende des XVIII. Jahrhunderts. Erst mit den sech¬
ziger Jahren des XIX. Jahrhunderts nimmt der Auf¬
schwung zu, der erfreulicherweise bis zum heutigen
Tage andauert. — bl —
Der Berliner Bibliophilen- Abend hielt am 1 8. Januar
seine erste Jahressitzung ab. Er zählt gegenwärtig 58
Mitglieder. Zu Vorsitzenden wurden wiedergewählt:
Fedor von Zobeltitz und Gotthilf Weißstein; anstelle
des wegen Arbeitsüberlastung leider aus dem Vorstande
austretenden Herrn Frensdorfif übernimmt Herr Martin
Breslauer das Amt als Schriftwart und Säckelmeister und
in seiner Vertretung Herr Erich Reiß. Vorträge hielten
im Vorjahre u. a. G. Weißstein, Dr. J. Loubier, Ober¬
lehrer Paul Müller, Dr. L. Hirschberg, Eduard Fuchs,
Dr. H. Stümcke, Assessor W. von Zur Westen, Martin
Breslauer, F. Fr’nr. v. Biedermann, Edm. Clement, Dr.
P. Träger undDr. P.Trommsdorfif. Als Sonderdruck des
Vereins soll Ende Februar ein Faksimile des Karika¬
turenbuches von Franz Freiherrn Gaudy erscheinen.
— m.
Kataloge.
Zur Vermeidung von Verspätungen werden alle Kataloge an die Adresse
des Herausgebers erbeten. Nur die bis zum 25. jeden Monats ein¬
gehenden Kataloge können für das nächste Heft berücksichtigt werden.
Deutschland und Österreich-Ungarn.
Joseph Baer <S° Co. in Frankfurt a. M, No. 528. Ge¬
schichte der graphischen Künste. — No. 526. Waffen,
Fecht-, Reit- und Pferdekunde (Bibliothek Gimbel).
— No. 525. Rheinland- Westfalen und angrenzende
Gebiete.
Roßbergsche Buchhandlung (Jäh & Schunke) in Leipzig.
No. 5. Deutsche Sprache und Literatur bis zur Mitte
des XIX. Jahrhunderts (aus der Bibliothek Kürschner).
J. Scheible in Stuttgart. No. 362. Holzschnitt- und
Kupferwerke , Jagd und Sport , Bibliographie und
Bibliophilie, Okkultismus, Seltenheiten, Kuriosa.
Gilhofer ör3 Ranschburg in Wien I. Anz. No. 76. Alte
Drucke, Varia.
Jos. Jolowicz in Posen. No. 155- Deutsche Literatur.
H. L. Schlapp in Darmstadt. Anz. No. 45. Hessen,
Hessen-Nassau, Varia.
Wilh. Jacobsohn dr3 Co. in Breslau V. No. 205. Katho¬
lische Literatur. — No. 207. Protest. Theologie. —
No. 208. Medizin.
Rud. Merkel in Erlangen. No. 152. Deutsche Literatur,
Musik und Musikliteratur , Kunst und Kunstge¬
schichte.
Julius Koppe in Nordhausen. Anz. No. 26. Mathematik.
Martin Boas in Berlin NW. No. 56. Varia.
W. Junk in Berlin W. 15. Desiderata No. 16.
Z. f. B. 1905/1906. Beiblatt II. —
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Antiquarkatalog 64:
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Seltenheiten, besonders aus den Gebieten der Kultur¬
geschichte, Kunst und Literatur.
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(E. Reinhardt)
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Kürzlich gelangte zur Ausgabe: ■■
Katalog 65:
Deutsche Literatur
und Übersetzungen
von der Reformationszeit bis zur Gegenwart.
Dieser Katalog verzeichnet ca. 1700 Nummern,
darunter etwa 1
500 seltene, teilweise kaum jemals wieder vor¬
kommende erste Drucke der klassischen Periode,
der Romantiker und des jungen Deutschland.
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2
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Friedrich Meyer in Leipzig. No. 71. Deutsche Lite¬
ratur, Almanache , Musik , illustrierte Bücher.
Ernst Frensdorffvtx Berlin SW. 11. Anz. No. 12. Li¬
teratur, Kunst, Geschichte: Berliner Künstlerfeste,
Brandenburg, deutsche Literatur, Frankreich, Frauen,
Friedrich der Große, Privatdrucke.
List <5r» Francke in Leipzig. No. 378. Saxonica.
Heinr. Kerler in Ulm a. D. No. 348. Bavarica. —
No. 347. Württemberg.
Anton Creutzer in Aachen. No. 92. Kuriosa, Geschichte ,
Literatur, Kunst.
M. &T3 H. Schaper in Hannover. No. 93. Almanache,
Biographien, Memoiren, Exlibris, Kultur und Sitte,
Genealogie, Varia.
Bernh. Liebisch in Leipzig. No. 152. Deutsche Literatur
von der Reformation bis zur Gegenwart.
Dietrichsche Universitäts-Buchhandlung in Göttingen.
No. 34. Deutsche Literatur und Sprache , Kunst
und Musik.
Heinr. Hugendubel in München. No. 24. Deutsche
Literahtr und Sprache, Musik und Theater.
Karl W. Hiersemann in Leipzig. No. 319. Sprache
und Literatur der romanischen Völker. — No. 320.
Klass. Philologie und A Itertumskunde (aus der Biblio¬
thek Bachofen-Basel).
Gustav Fock in Leipzig. No. 264. Deutsche Literatur
tind Sprache.
Oswald Weigel in Leipzig. No. 120. Der dreißigjährige
Krieg in Flugschriften.
Th. Ackermatin in München. No. 548. Germanistik.
Ludwig Rosenthal in München. No. 106. Katholische
Theologie (M — R).
Ausland.
M. Labadille in Paris IX. No. 5. Französische Ge¬
schichte, Kultur und Sitte, Kuriosa.
Bernardo SeeberinFlorem. Bull. No. 1. Aldinen, italien.
Literatur, Varia.
N. Kymmel in Riga. No. 65. Deutsche Literatur und
Übersetzungen von der Reformation bis zur Gegen¬
wart.
H. H. J. Lynge U5 Sön in Kopenhagen. No. 19. Blan-
det Litteratur.
Ad. Geering in Basel. No. 309. Geschenkwerke.
T. de Marinis &* Co. in Florenz. No. 3. Livres rares ,
Autographes et Manuskriptes (illustr.).
Inhalt des Hauptblattes.
(Heft 11 — Februar 1906.)
Franz Graf Pocci. I. Von L. Hirschberg. Mit
41 Abbildungen. Das Verleihen von Büchern im
Mittelalter von L. Jordan. — Zwei alte Stammbücher.
Von F. v. Zobeltitz. Mit 4 Abbildungen. — Neuere
Exlibris-Literatur. Von K. E. Graf zu Leiningen-Wester-
burg. — Chronik : G. C. Lichtenberg bei seinem Verleger
J. Chr. Dieterich zu Gaste. — - Vom heiligen Franciscus.
Von P. Seliger. — Verschiedenes.
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Italiens. Dante- Literatur.
Soeben erschien: Periodischer Anzeiger über Neu
erwerbungen meines Antiquariats, No. 1 : Erst¬
ausgaben ital. Klassiker — Aldinen — Elzevierdrucke —
Geschichte — Kunst etc.
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Gegründet im "Jahre ,844
Für die Anzeigen verantwortlich: K. Dieckmeyer, Leipzig, Hospitalstr. 27. Verlag von Velhagen & Klasing, Bielefeld und Leipzig.
Druck von W. Drugulin in Leipzig.
eitfcbnft für Bücherfreunde fff
Organ der 6efellfchaft der Bibliophilen,
BEIBLATT
IX. Jahrgang. Zwölftes Heft.
März 1906.
Abonnementspreis für den Jahrgang 36 M. (21,60 Fl. ö. W., 45 Fr., 36 sh., 21,60 Rb.), für das Quartal (drei Hefte) 9 M.
Anzeigen
x/i Seite . 60 Mark. x/4 Seite . 15 Mark.
x/2 Seite . 30 Mark. x/g Seite . 8 Mark.
Kleine Anzeigen (Desiderata und Angebote): die gespaltene Petit -Zeile SO Pf. (für Mitglieder der Gesellschaft
der Bibliophilen und Abonnenten der Z. f. B. nur 25 Pf.).
Beilage-Gebühr 40 Mark. — Schluß für die Anzeigenannahme jedes Heftes am IO. des vorhergehenden Monats.
Redaktionelle Sendungen : Manuskripte, Bücher, Kataloge etc. gefl. zu richten an den Herausgeber: Fedor von Zobeltitz , Berlin IV. 75.
Uhlandstr. 33 (Sommer: Spiegelberg bei Topper, Rgbz. Frankfurt a. O.).
Anzeigen an die Verlagshandlung : Velhagen & Klasing, Abteilung für Inserate, Leipzig, Hospitalstr. 27.
An unsere Leser!
Am 1. April beginnt die Zeitschrift für Bücherfreunde ihren zehnten Jahrgang.
Der Kreis unserer Freunde hat sich längst zu einer festen Gemeinde zusammengeschlossen,
die uns kennt und der wir keine Versprechungen zu geben nötig haben. So sei nur bemerkt,
daß uns auch für den neuen Jahrgang ein überaus reichhaltiges Material an Beiträgen unserer
ersten Bibliographen, Literarhistoriker, Bibliophilen und Buchkünstler vorliegt, das — zum
größten Teil durch illustrative Beigaben unterstützt — der Veröffentlichung harrt.
Wir bitten unsere Freunde, für die rechtzeitige Erneuerung des Abonnements sorgen und
nach Möglichkeit für unsere Zeitschrift, das einzige deutsche Organ für bibliophile Interessen,
werben zu wollen.
Berlin ; Bielefeld ; Leipzig.
Verlag und Redaktion.
Gesellschaft der Bibliophilen.
Seit Ausgabe des sechsten Jahrbuchs sind unsrer Gesellschaft als neue Mitglieder beigetreten :
30. Dr. phil. Ernst Reclam, Verlagsbuchhändler, Leipzig,
Egelstr. 4 I.
41. Bruno Dietert, Oberleutnant zur See, Kiel, Gerhard¬
straße 43 p.
43. Stadtbibliothek, Breslau.
90. Gustav Feibelsohn , Referendar, Berlin W. 15, Uhland-
straße 27.
135. Friedrich Otto Wild , Kaufmann, Magdeburg, Breite¬
weg 246.
161. Dr. phil. Leo Baer, Buchhändler, Frankfurt a. M.,
Hochstr. 6.
191. Manfred Seng, Stud. d. Maschinenbaus, Berlin NW. 23,
Schleswiger Ufer 9.
228. Emil Hirsch, Antiquar, München, Karlstr. 6.
230. Eugen Marquardt , Verlagsbuchhändler, Berlin W. 62,
Lützowplatz 8.
248. Lipsius Tischer , Buchhändler, Kiel.
265. Oscar Walter Kießmann, Buchhändler, Leipzig, Lampe¬
straße 12 p.
Z. f. B. 1905/1906. Beiblatt 12. —
266. Dr. Hans Henning, Schriftsteller, Leipzig, Wettiner¬
straße 32.
305. Dr. phil. A. Warburg, Privatgelehrter, Hamburg, St.
Benedictstr. 52.
317. Alexander Liebisch, Frankfurt a. M., Koselstr. 41 II.
322. Alfred von Ramin , cand. jur. , Leutnant a. D.,
Berlin W. 15, Uhlandstr. 146 I.
388. Assessor a.D. Manipe, Charlottenburg, Bleibtreustr. 53.
402. Dr. jur. Paul Posener, Charlottenburg 4, Schlüter¬
straße 47 p.
534. M. Maul, London W. C. (durch Rudolph Hartmann,
Leipzig, Thalstr. 7).
598. Adolf Askani, Buchhändler (i. H. Karl W. Hierse-
mann), Leipzig, Königsstr. 3.
601. Arthur Mayer , Kaufmann. Abtnaundorf bei Leipzig.
608. Hemnann Schaffstein, Verlagsbuchhändler, Cöln a. Rh.
646. Josef Grünfeld, Buchhändler, Wien I, Herrengasse 2.
688. Leo Liepmannssohn, Antiquar, Berlin W.,Marburgerstr. 5.
— I
Beiblatt.
(Gesellschaft der Bibliophilen — Rundschau der Presse.)
802. Mur hard' sehe Bibliothek der Stadt Cassel.
803. Theodor Rudolph, Vorstand der Deutschen Verlags¬
aktiengesellschaft, Leipzig, Hospitalstr. 21.
804. Otto Frömmel, Buchhändler, Berlin W. 50, Pragerst. 33.
805. Erich August Greeven, Kunsthistoriker, Bonn, Bering¬
straße 4.
806. Dr. Waldemar Conrad, Halle a. S-, Mühlweg 13.
807. Al/red Flechtkeim, Kaufmann, Düsseldorf, Neander-
Straße II.
Die Mitgliederzahl betrug demnach am 15. Februar 1906: 807.
Weimar, Grunstedterstr. 16.
I. A.: Dr. Carl Schüddekopf
Rundschau der Presse.
Von Arthur L. Jellinek in Wien.
Die nachfolgende Übersicht versucht, die in Tagesblättem, Wochen- und Monatsschriften enthaltenen Aufsätze und Abhandlungen,
soweit sie für die Leser unserer Zeitschrift in Betracht kommen, in sachlicher Anordnung zu verzeichnen. Nur das Wichtigere aus den Ver¬
öffentlichungen der letzten Monate kann berücksichtigt werden. Absolute Vollständigkeit zu erreichen liegt für, den einzelnen Bearbeiter
außerhalb des Bereiches der Möglichkeit. Die Zeitschriften sind nach Bänden, Jahrgängen, Heften oder Seiten, je nach der leichteren Auf-
findbarkeit, zitiert. Gleichmäßigkeit ist hierin nicht angestrebt. Zusendung von Separatabdrücken und Ausschnitten an die Adresse des
Bearbeiters (Wien VII, Kirchengasse 35) erbeten.
Buchdruck. Buchgewerbe.
A. B. C., Bucherzeugung in England.
Börsenbl.f d. deutschen Buchhandel. 1906. No. 8.
[Aus Publishers Circular.]
B arg um, Eine niederdeutsche Bücheranzeige aus dem
Ende des XV. Jahrhunderts [nach J. Collijn, Ett-
bladstryck. Stockholm 1905].
Börsenbl.f d. deutschen Buchhandel. 1906. No. 12.
Brentano, H., Die Anfänge des illyrisch-orientalischen
Buchdrucks und Buchhandels in Wien im XVIII.
Jahrhundert.
Börsenbl. f. d. deutschen Buchhandel. 1906. No. 10.
Conrad, Br., Robert Bowes, Booksellers’ Associations
past and present.
Börsenbl.f. d. deutschen Buchhandel. 1906. No. 7, 8.
Cr ü well, G. A., Die niederösterreichische Reforma¬
tionsdruckerei.
Zentralbl.f. Bibliothekswesen. 1906. XXIII, S. 71 — 74.
Eisold, R., Der Abziehbilderdruck.
Archiv f. Buchgewerbe. 1906. XLIII, S. 21—24.
v. Erdberg, Die Verbreitung guten Lesestoffs,
Concordia. Zeit sehr. d. Central st eile f. Arbeiter-
Wohlfahr ts - Einrichtungen. 1905. XII, No. 23.
Börsenbl. f. d. deutschen Buchhandel. 1906. No. 1.
Hase, E. v., Plantin-Moretus. Ein Alt-Antwerpener
Patriziergeschlecht. Nach dem Katalog des Mu¬
seums von M. Rooses.
Börsenbl. f. d. deutschen Buchhandel. 1906. No. 28.
Hölscher, G., Die neue Veröffentlichung der Guten¬
berggesellschaft. (Das Mainzer Catholicon, heraus¬
gegeben von G. Zedier 1905.)
Börsenbl. f. d. deutschen Buchhandel. 1906. No. 4.
Huffschmid, M., Die Buchdruckerei von Gotthard
Vögelin in Ladenburg 1605.
Mannheimer Geschichtsblätter. 1905. VI, Sp.
159 — 161.
— i, Eine Firmen- und Familiengeschichte [über F. A.
Brockhaus von H. Eduard Brockhaus. Leipzig 1905].
Börsenbl.f. d. deutschen Buchhandel. 1906. No. 32.
Kohut, Ad., Benjamin Franklin als Buchdrucker und
Buchhändler. Zu seinem 200. Geburtstag, 17. Januar
1906.
Börsenbl. f d. deutschen Buchhandel. 1906. No. 5. •
Mühlbrecht, O., Nachweise über den auswärtigen
Handel des Deutschen Zollgebiets mit Gegenständen
der Literatur und Kunst. (1905.)
Börsenbl. f. d. deutschen Buchhandel. 1906. No. 31.
Internationale Statistik der Druckwerke im Jahre 1904.
Börsenbl. f.d. deutschen Buchhandel. 1906. No. 20,
21, 26. (Nach Droit d’Auteur. 1905. No. 12.)
Stein, H., Nouveaux documents sur Wolfgang Hopyl,
Imprimeur ä Paris.
Le Bibliographe Moderne. 1905. IX, S. 178 — 193.
Werke von und über Benjamin Franklin.
Börsenbl. f. d. deutschen Buchhandel. 1906. No. 11.
Zobeltitz, Fedor v., Kostbare Blätter.
Hamburger Nachrichten. 1905. No. 775.
[V ersteigerung der Autographensammlung von Alexander
Meyer Cohn.]
Bibliographie.
Arnold, R. F., Ein verschollenes Buch. [Wundersame
Erzehlungen aus dem Reiche derer Todten, als
Telemaque des Ulyssis Sohn und der berühmte
Engellander Robinson Crusoe, einander daselbst an¬
getroffen . . . Franckfurt und Leipzig, bey Adam
I. Felßecker sei. Erben 1793.]
Mitteilungen des Österr. Vereins für Bibliotheks¬
wesen. 1905. IX, S. 205 — 21 1.
[In der Bibliothek des Stiftes Admont aufgefunden.
— Zur Geschichte der Totengespräche.]
C lernen, O., Bibliographica zur Reformations¬
geschichte. I. Ein verschollener Druck von Matthes
Maler in Erfurt. II. Zur Datierung einiger Drucke
von 1521.
Zentralblatt f. Bibliothekswesen. 1906. XXIII,
S. 26 — 29.
Fairon, F., Notes de bibliographie lidgeoise.
Revue des Bibliotheques et Archives de Belgique.
1905. III, S. 361— 367.
Frankfurter, S., Unrichtige Büchertitel. Mit einem
Exkurs über hebräische Büchertitel.
Mitteilungen d. Österr. Vereins f. Bibliotheks¬
wesen. 1905. IX, S. 230 — 244.
Hortzs chan sky, Ad., Allerhand von verschollenen
und wiedergefundenen Büchern [des Jahres 1905].
Vossische Ztg. 1905. No. 475. (10. X.)
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Börsenbl. f d. deutschen Buchhandel. 1905. No. 147
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Börsenbl. f d. deutschen Buchhandel. 1906. No. 33.
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Is. Taylor, L. W. F ulcher, The best books of 1904.
I. Philosophy and Religion. II. Bibliography and
Library Science. III. Sociology. IV. Science.
The Library Association Record. 1905, VII,
S. 494 -5°i» 637-663.
Magnus, H., Die geschichtliche Entwickelung der
augenärztlichen Literatur.
Börsenbl. f.d. deutschen Buchhandel. 1905. No. 276.
Mühlbrecht, O., Übersetzungen aus dem Deutschen
in die dänische, englische, französische, holländische,
italienische, norwegische, schwedische und spanische
Sprache. 1905.
Börsenbl. f.d. deutschen Buchhandel. 1905 No. 175,
176; 1906 No. 33, 34.
Pech, T., Übersetzungen aus dem Deutschen in die
slavischen , die magyarische und andere ost¬
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Exlibris. 1905. XV, S. 106 — 107.
L einingen-Westerburg, K. E. Graf zu, Martin
Kortmann-B erlin. Exlibris. 1905. XV, S. 127— 129.
Leiningen- Westerb urg, K. E. Graf zu, Zwei Ex¬
libris von Conrad Witzmann [ca. 1550—1580].
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L einingen-Westerb urg, K. E. Graf zu, Zum
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setzung von Alfr. Brieger. Berlin 1905.]
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Boccaccio : H e s s e , H., Giovanni Boccaccio als Dichter
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Bodel: Cloetta, W., Jean Bodels Nikolausspiel.
Österreichische Rundschau. 1905. V, S. 200 — 208.
Börne: Hoffmann, C., Börne als Liebhaber.
Die Zeit. 1905. No. 1154. (10. XII.)
Caro: Frati, L., Lettere inedite di Annibal Caro.
Rivista delle Biblioteche e degli Archivi. 1905.
XVI, s. 134-135-
Fontane: Meyer, R. M., Theodor Fontane.
Die Nation. 1906. XXIII, S. 236 — 237.
Fournival: Langlois, E., Quelques ceuvres de Richard
de Fournival.
Bibliotheque de l'öcole des chartes. 1904. LXV,
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Frey: Münz, B., Justus Frey.
Vossische Ztg. 1905. No. 419. (7. IX.)
Freytag: Petzet, E., Gustav Freytag.
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flöte“. Wiener Abendpost. 1905. No. 232. (10. X.)
[T. Ph. v. Gebier, „Thamos, König von Ägypten“,
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— : Heine, G., Egmont.
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Westermanns Monatshefte. 1906. XCIX, S. 714
-723.
Grillparzer: Bruckner, Fr., Ein ungedruckter Brief
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Wiener Abendpost. 1905. No. 154. (8. VII.)
Hamerling: Ehlen, O., Ein Brief von Robert Hamer-
ling [v. 28. VII. 1888] an Ottilie Ehlen,
Die Zeit. 1905. No. 1140. (26. XI.) Sonntagszeit.
Hebbel: Nentwich, M., Hebbel und das Publikum.
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Hoffmann v. Fallersleben: Walter, Fr., Hoffmann v.
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Holberg: Kahle, B., Dänischer Volksglaube in Hol¬
bergs Schriften.
Neue Jahrbücher f. d. klass. Altertum, Geschichte
und deutsche Literatur. 1905. XV, S. 7 11—722.
Humboldt: Meyer, R. M., Das Brautpaar Humboldt.
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Deutsche Rundschau. 1906. CXXVI, S. 310 — 313.
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Kleist: Weisstein, G., Neue Kunde vom Leben und
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Kurz: Krieg, M., Isolde Kurz.
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LeSSing: Dilthey, W., Die Weltanschauung Lessings.
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(Rundschau der Presse.,
Linbart: Radies, P. v., Der krainische Dichter und
Geschichtschreiber Anton Linhart.
Wiener Ztg. 1905. No. 282. (10. XII.)
Meyer, C. F.: P oppenberg, F., AufConrad Ferdinands
Sonnenseite. Die Nation. 1906. XXIII, S. 237— 240.
— : Widmann, J. V., Louise v. Francois und Conrad
Ferdinand Meyer.
Neue Freie Presse. 1905. No. 14840. (14. XII.)
Mickiewicz: Schulz-Labischin, G., Adam Mieckie-
wicz. National-Ztg. 1905. No. 645. (26. XI.)
Mistral: Benzmann, H., Frederi Mistral. Zum 75. Ge¬
burtstage des Dichters der Provence.
Wiener Abendpost. 1905. No. 205. (7. IX.)
Modrevius: Caro, J., Andreas Fricius Modrevius.
Seine Lehr- und Wanderjahre.
Zeitschr. d. Historischen Gesellschajt f. d. Pro¬
vinz Posen. 1905. XX, S. 55 — 109.
Paul: F ürst, R., Der junge Jean Paul.
Vossische Ztg. 1905. No. 610. (30. XII.)
Phillips : Meyerfeld, M., Stephen Phillips.
Vossische Ztg. 1905. No. 499. (24. X.)
Pichler: Meyer, R. M., Adolf Pichler.
Die Nation. 1906. XXIII, S. 235 — 236.
Raimund: Brukner, Fr., Raimund Reliquien.
Wiener Abendpost. 1905. No. 234. (12. X.)
Ruskin: Meyer, R. M., John Ruskin.
Die Nation. 1906. XXIII, S. 220—221.
Schede: Habbicht, H., Paul Schedius Melissus.
Heraldisch-genealog. Blätter. 1904. I, S. 40—42.
Schlegel: Benn, J., Der junge Friedrich Schlegel.
Vossische Ztg. 1905. No. 577. (9. XII.)
Shakespeare: Fit ge r, A., Klassische Dunkelheiten
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Die Nation. 1906. XXIII, S. 253-256.
— : Kilian, E., Der revidierte Shakespeare [von
H. Conrad]. Die Zeit. 1905. No. 1171. (29. XII.)
— : Shakespeares Beziehungen zu den dramatischen
Dichtern seiner Zeit.
Vossische Ztg. 1905. No. 521. (5. XI.)
[Über R. Genee, W. Shakespeare in seinem Werden
und Wesen. Berlin, Reimer, 1905.]
— : Schipper, J., Neue Beiträge zur Shakespeare-
Bacon-Hypothese.
Österreichische Rundschau. 1905. V, S. 102— 121,
279—280.
Stendhal: Kohn, M., Stendhals deutsche Freundin.
Hamburger Fremdenblatt. 1905. (30. IX.)
Stifter: Fuchs, K., Adalbert Stifter.
Österr. -Ungar. Revue. 1905. XXXII, S. 354—357.
— : Fürst, R., Adalbert Stifter.
Vossische Ztg. 1905. No. 497. (22. X.)
— : Höffner, J., Adalbert Stifter.
Der Türmer. 1905. VIII, 1, S. 247 — 252.
— : Prem, S. M., Stifter und Adolf Pichler.
Wiener Abendpost. 1905. No. 253. (4. XI.)
— : Sauer, A., Adalbert Stifter.
Die Zeit. 1905. No. 1105. (22. X.)
Storm: Ein ungedrucktes Gedicht Theodor Storms.
Mitgeteilt von Gertrud Storm.
Deutsche Rundschau. 1906. CXXVI, S. 293—295.
5
Beiblatt.
(Rundschau der Presse — Von den Auktionen.)
Storm: Tiechl, Fl-., Über Theodor Storms „Pole
Poppenspäler“.
Die Zeit. 1905. No. 1122. (8. XI.) Pädagog. Zeit.
Tasso : Langen, P., Die Tasso-Legende.
Vossische Ztg. 1905. No. 449. (24. IX.)
Varnhagen: Geiger, L., Varnhagens Denkschrift an
den Fürsten Metternich über das junge Deutsch¬
land. 1836.
Deutsche Revue. 1906. XXXI, 1, S. 183— 197.
Voltaire: Stein, L., Voltaire.
Neue Freie Presse. 1905. No. 14829. (3. XII.)
Weidmann: Payer, R. v., [Weidmanns] „Faust“ auf
dem Josefstädter Theater [27. XII. 1800].
Österreichische Rundschau. 1905. V, S. 321.
Wieland: Koch, G., Die Felsbildung „Mönch und
Nonne“ bei Eisenach in Wielandischer Beleuchtung.
Eine literargeschichtliche Studie.
Thüringische Monatsblätter. XII, S. 82— 84, 93 f.,
106— 108, 115 — 118, 129 h
— : Seuffert.B., Nur ein Klassiker [Wieland],
Die Zeit. 1906. No. 1017. (26. VII.)
Von den
Bei J. A. Stargardt in Berlin fand vom 5. bis 10.
Februar die Versteigerung des zweiten Teils der
Autographensammlung Alexander Meyer Cohn unter
außerordentlich lebhafter Teilnahme statt. Nachstehend
die Preisliste im Auszuge:
Klopstock , drei Briefe ä M. 40, 42, 71 ; Meta Klop-
stock, drastischer Brief aus der Brautzeit, M. 86;
Th. Körner , zwei Briefe ä M. 80 und 141; derselbe an
seinen Vater über seine Zukunftspläne, Wien 6. 1. 12,
M. 218; Sophie Laroche, verschiedene Briefe ä M. 37,
10, 15 ; Lavater, schöner Brief an Chr. G. Körner,
M. 75; Lenau, über die Zensur, M. 110; Lenz, Weimar
16, 4. 1776, erwähnt Goethe, Wieland, Ekhof, M. 105;
derselbe, M. 90; Lessing , Wolfenbüttel 29. 7. 71, an
Heyne über Laokoon, M. 1900; derselbe 25. 6. 72.
„ä Mr. Voß ä Berlin“ über Emilia Galotti, M. 1555;
derselbe 4. 5. 76. an Heyne, M. 1950 ; Silhouette
Lessings, M. 250 ; Lessings Vater an seinen Sohn,
Camentz 4. 7. 70, M. 1050 ; Lessings Mutter an ihren
Sohn, Camentz 28. 2. 71, M. ino; Moses Mendelssohn
an Friedr. Nicolai, 8. 7. 79, M. 255; Conr. Ferd. Meyer
über seine Novellen, M. 41 ; Mörike , 20 Briefe an
W. Hemsen, M. 250 ; derselbe, einige Gedichte, M. 125;
Maler Müller aus Rom über Goethe, M. 32; derselbe
an Therese Huber über seinen und Lessings Faust,
M. 61 ; Musaeus , zwei Briefe ä M. 30 und 34; Nietzsche
an Carl Fuchs, M. 205; Platen, Manuskript des
Gläsernen Pantoffel, M. 275; Raimund, zwei Briefe ä
M. 161 und 181; Rückert, Ebern 28. 10. 14., über seine
Gedichte, M. 82; Joh. Casp. Schiller, Solitude 8. 12. 82
an Buchhändler Schwan über seinen Sohn, M. 365 ;
derselbe an seinen Schwiegersohn und Christophine,
M. 455; Schillers Mutter an ihren Sohn 10. 11. 92,
M. 635; dieselbe an ihren Schwiegersohn, M. 120;
Friedrich Schiller, Weimar 5. 11. 81. an Crusius über
die Niederländische Rebellion, M. 225; derselbe an
Körner, Dresden 18. 12. 86., M. 121; derselbe an Körner
über Don Carlos 20. 12. 86., M. 31 1; weitere Schiller¬
briefe ä M. 240, 261, 261, 401, 681, 300, 410, 920 (an
Körner, Jena 24. 12. 89, in Erwartung seiner Verlobung),
210, 401, 910 (an Körner über seine neuen Entwürfe),
401,430, 411, 232, 316, 451, 480, 325, 360, 355, 250, 386,
321, 201, 415, 431, 196, 166, 310, 308, 310 und 351 ;
Christophine Reinwald an ihre Schwester Luise, M. 62 ;
VC. F. H. Reinwald, an Christophine über Schiller,
M. 121; Nanette Schiller an Christophine, M. 107;
Charlotte v. Schiller an Fischenich, M. 145; dieselbe
Auktionen.
an Karoline v. Wolzogen über Schillers Krankheit und
Tod, M. 305; Baggesen an Schiller, Kopenhagen 10. 1.
92, M. 61 ; Heinrich Beck an Schiller aus Mannheim,
M. 108; IV. G. Becker, vier Briefe an Schiller, M. 121;
Luise Brachmann, drei Briefe an Schiller, M. 350;
Dalberg an Schiller, M. 121; Dannecker an Schiller,
über seine Kolossalbüste, M. 715; Einsiedel an Schiller
M. 125; Fichte an Schiller, Oßmannsstädt 27. 1. 95.,
M. 705; Gentz an Schiller über die Jungfrau von
Orleans, M. 141; Novalis an Schiller, Töplitz 23. 7. 98.,
M. 605; Hölderlin an Schiller, M. 600 ; Hcruen an
Schiller, M. 95 ; Iffland an Schiller über Wallensteins
Lager und Piccolomini, M. 305 ; Gräfin Hohenheim an
eine Frau v. Quitzow, M. 100 ; Körners Vater an Schiller,
M. 106, 90 und 78; Herzogin Luise von Sachsen-
Meiningen an die Hofrätin Reinwald über eine be¬
absichtigte Heirat Schlegels mit Charlotte Schiller,
M. 106 ; Schelling an Schiller, M. 96; Seurne an Schiller,
M. 13 1 ; Verleger Unger an Schiller, M.240; L.v. Wolt-
mann an Schiller, interessanter Brief, M. 260; Zumsteeg
an Schiller, M. 121; Schopenhauer, 29. 1.60, an den
Schauspieler Clemens Rainer, M. 181 ; Dan. Schubart,
Geißlingen 13. 5. 67., M. 360; derselbe an Kayser, Ulm
24. 3. 76., M. 75; derselbe, Asberg 2. 9. 83. an seine
Tochter, M. 540 ; Emst Schulze, M. 80 ; Stifter über
Hebbel, M. 120; Tieck an Wackenroder, Göttingen
28. 12. 92., M. 1 16 ; J. H. Voß, M. 11, 18, 8; Heinrich
Voß, an Solger, M. 101 ; Wieland, 12 Briefe an Reinhold,
M. 365; weitere Wielandbriefe M. 40, 44, 42, 52, 58, 57,
40, 50, 62, 61, 46, 106 (an Schwan), 85, 93, 60, 14, 90
86, 120.
England und Amerika: Robert Burns , M. 700 ;
Byron , Ravenna 31. 3. 20., M. 530 ; Carlyle , M. 40 ;
Coleridge, M. 41 ; John Locke , 26. 7. 1778., M. 200;
Alex. Pope, M. 200 ; Matthew Prior , M. 210; Walter
Scott, M. 80. — Frankreich-, d’ Alembert, M. 30 ; Louis
Guez de Balzac , 1. 4. 1644, M. 345; Honori Balzac,
M. 170; Baudelaire, M. 66; Beaumarchais, 2. 2. 1778,
M. 205; Boileau, M. 425; Andre Chenier, M. 780;
Rene Descartes, M. 620; Fenölon, M. 190; Flaubert,
M. 51 ; Lafontaine, 29. 2. 1656, M. 600 ; La Rochefou¬
cauld an Mad. de Scudery, M. 350 ; Lesage, 18. 6. 1715,
M. 955; Montesquieu , 10. 8. 1731, M. 230; Perrault ,
M. 181 ; Prevost, M. 390 ; Rousseau, M. 140; George Sand,
M. 230 ; Frau v. Sta'el, M. 60 ; Voltaire, M. 81 und 90.
Spinoza, Haag, 18. 11. 1675, M. 1175. — Italien
und Spanien: Aretino, M. 131; Calderon, 30. 4. 1635,
6
Beiblatt.
M. 14 IO; Manzoni, M. 50 ; Pico della Mirandoli,
M. 45-
Künstler: Michelangelo, Empfangsbestätigung, 26.
10. 1521, M. 1000 ; Verojiese, M. 450 ; Carracci, M. 190;
Lucas Cranach, M. 810; Jakob Jordaens, an Const.
Huygens, 19. 10. 1649, M. 1150; Le Brun , M. 130;
Lorenzo Lotto , M. 510; Giulio Romano , Mantua 5. 4.
1541, M. 910; Pallajuolo , M. 270; Guido Reni, M. 210;
Rembrandt , 13. 2. 1639, M. 7000; Salv. Rosa, M. 220;
Rubens, 1. 7. 1627, M. 1500; Raffael, Quittung 1. 11.
1514, M. 1010; Tizian an Kaiser Ferdinand I., 20. 10.
1548, M. 1910 ; Perugino, M. 360.
Boecklin, Doppelbrief mit Lenbach, Rom 1864,
M. 100 ; Chodowiecki (mit Federzeichnung), M. 305;
Cornelius , M. 29; Courbet, M. 86; Dannecker, M. 80 ;
Defregger (Bleistiftskizze, unterzeichnet), M. 51 ; Feuer¬
bach, M. 50; Griitzner (Selbstbiographie mit Röthel¬
zeichnung), M.325 \ Haller, M. 145 \ Hosemann (Aquarell),
M. 61 ; Angelica Kauffmann , M. no; Kröner (mit
Aquarell), M. 151; Mannfeld (mit Aquarell), M. 160;
Lossow (mit Bleistiftzeichnung), M. 100; Menzel (mit
sechs Karikaturen), M.625; Toby Rosenthal (mit Tusch¬
zeichnung), M. 505; Schlüter, M. 100; Stuck (mit
Aquarell), M. 910; Tiepolo, M. 200; Thorwaldsen,
M. 105; Vautier (mit Zeichnungen), M. 231 und 155.
Musiker: Sebastian Bach, Stammbuchblatt,
M. 620; Emanuel Bach, Verlagsanerbieten, M. 205;
Beethoven an Zelter, M. 750 und 800; Bellini, M. 150;
Berlioz , M. 160, 65, 125; Bizet, M. 160 ; Brahms , M. 100
und 200; Bülow , 33 Briefe, M. 200 ; Chopin an Breit¬
kopf & Härtel, M. 1000; Dittersdorf, M. uo; Gluck an
Kaunitz, Wien 31. 12. 1769, M. 4000; Haydn, 6. 7. 1776,
M. 1760; Orlando Lasso, München 1581, M. 2050 ;
Mendelssohn-Bartholdy , M. 220, 350, 84 und 130; Meyer¬
beer, M. 30, 105, 47, 34; Monteverde , M. 301 ; Mozart,
Wien, Juni 1788, M. 1105; Mozarts Vater, M. 400 ;
Mozarts Mutter , M. 465; Paganini, M. 87; Quantz,
M. 160 ; Schubert, M. 1600 und 1510; Wagner , M. 360,
360, 358, 310; Weber, M. in.
Schauspieler: Döbbelin, M. 90 ; Ekhof, M. 46;
Neuberin, köstlicher Liebesbrief, M. 305.
Stammbücher: Stammbuch Löwe (1618 — 23) mit
fürstlichen Eintragungen, Wappen und Bildern, M. 1000;
Stammbuch Mich. Brack (mit Goethe), M. 610 ; Stamm¬
buch des Schauspielers Beck (mit Goethe, Corona
Schröter, Wieland, Ififland, Lavater, der Jagemann,
Unzelmann, Seyler u. a.), M. 1900; Stammbuch Iff-
lands (mit Schiller, Goethe, Herder, Wieland, Thümmel,
Haydn, Graff, Dalberg, Tiedge, Beck, Kotzebue),
M. 8100; Stammbuch Feuerlein-Nürnberg (mit Lessing,
Wieland, Mendelssohn, Claudius, Lavater, Musäus,
Gleim, der Karschin), M. 1105; Stammbuch eines Un¬
bekannten (mit Elisabeth Goethe, Eulogius Schneider,
Bürger, Lichtenberg, Klopstock, Merck), M. 610;
Stammbuch Heinrich Beer (Weber, Mozarts Sohn,
Mendelssohn-Bartholdy, Meyerbeer), M. 426; Stamm¬
buch Heim (Schadow, Rückert, Varnhagen, Fouque,
Eichendorff, Kugler, Tieck, Alexis, Holtei, Herwegh,
Cornelius, Bettina Arnim, Laube u. a.), M. 430; Stamm¬
buchjulius Rietz (Spohr, Glaeser, Liszt, Henriette Sontag,
Fanny Hensel, Grillparzer, Rubinstein, Franz, Tichat-
(Von den Auktionen )
schek, Mendelssohn-Bartholdy, Rossini, Schumann —
vielfach mit Kompositionen, Ludwig Richter (mit einer
Zeichnung), M. 2350. 7^
Vom 26. bis 28. März findet bei C. G. Boerner in
Leipzig eine neue Versteigerung von Werken aus der
klassischen und romantischen Periode statt. Die aus
der Bibliothek eines bekannten Bibliophilen stammende
Sammlung ist reich an Seltenheiten. Von Bettina und
L. A. von Arnim liegt fast alles in schön erhaltenen
Erstausgaben vor, u. a. die Kantate „Nachtfeier“
(Berlin 1810), „Des Knaben Wunderhom“ (Heidelberg
1806—08) und die „Trost Einsamkeit“ (Heidelberg
1808). Wir nennen ferner; Baggesens Satire „Der
Karfunkel“ (Tübingen 1810), von Bre?itano der „Uhr¬
macher Bogs“ (1807), „Godwi“ (Bremen 1801/02),
„Gockel Hinkel, Gackeleja“ (Frankfurt 1838), „Das
Lied vom Corporal“ (Berlin 1815), „Der Philister“
(Berlin 1811); von Sophie Brentano außer den Ge¬
dichten die „Bunte Reihe“ (Frankfurt 1805); von Bürger
die Gedichte 1778 und die „Ehestandsgeschichte“ von
1812. Weiter: Eichendorff „ Ahnung und Gegenwart“
(Nürnberg 1815), Försters „Sängerfahrt“ (Berlin 1818),
Fouquös „Musen“ und „Dramatische Spiele“ (Berlin
1804); eine fast vollständige Sammlung von Arnds und
Geibels Erstdrucken; Gerstenbergs „Ugolino“ (Bremen
1768); viel von Gleim, Geßner und J. Görres; von
Goethe u. a. „Der römische Cameval“ von 1789,
„Clavigo“ 1774, „Hermann und Dorothea“ 1798, der
„Werther“ von 1774, Wagners „Prometheus“, das
„Puppenspiel“, die „Propyläen“, die „Frankfurter Ge¬
lehrte Anzeigen“ von 1772/73, die „Liedertafel“, der
„Rheinische Most“. Alles von Grillparzer, die „Ge¬
dichte und Phantasien“ und „Fragmente“ der Gündei--
ode, fast der ganze Hebbel und Heine in Originalaus¬
gaben, zahlreiches von Herder und Hippel; von Hoff-
mann u. a. die mit Fouque und Contessa heraus¬
gegebenen „Kinder-Mährchen“(Berlin 1817), Hölderlins
Übersetzung der Trauerspiele des Sophokles (Frank¬
furt 1804), Kants Erstlingswerk „Von der wahren
Schätzung der lebendigen Kräfte“ (Königsberg 1746),
Kellers „Neue Gedichte“ und „Grüner Heinrich“. Von
Kleist „Penthesilea“ (Widmungsexemplar), „Familie
Schroffenstein“, „Germania an ihre Kinder“, „Käthchen“
und ein Prachtexemplar des „Phoebus“. Wundervoll
ist die Klinger-Saxnmlmig mit ihren zahlreichen Erst¬
ausgaben. Es folgen Klopstock , die „Anmerkungen
übers Theater“, „Der Hofmeister“, „Menoza“, „Pandae-
monium“, „Petrarch“, „Die Soldaten“ und „Ver¬
teidigung des Herrn W.“ von Lenz, vieles von Lessing,
darunter „Die Gefangenen“, die erste „Minna“, die
Übersetzung von „Trois lettres au public“ Friedrich
des Großen, die „Beyträge zur Historie und Aufnahme
des Theaters“. Von Mörike u. a. „Maler Nolten“,
Mösers „Harlekin“, Maler Müllers „Situation aus
Fausts Leben“, Novalis „Heinrich von Ofterdingen“
(Berlin 1802), die meisten Erstausgaben Fritz Reuters,
fast alles von Rückert, viel von Scheffner. Von Schiller:
die erste „Anthologie“, der erste „Dom Kariös“,
„Kabale und Liebe“ von 1784, die Musenalmanache,
Horen, Thalia, die drei ersten „Räuber-Ausgaben und
7
Beiblatt.
(Von den Auktionen — Kleine Mitteilungen.)
„Der Venuswagen“j von Fr. Schlegel „Europa“ und
die „Lucinde“ von 1799, von Schopenhauer die
Originalausgaben von „Über das Sehn und die Farben“
(1816), „Die Welt als Wille und Vorstellung“ (1819) und
„Über die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden
Grunde“ (1813); von Tieck u. a. „Franz Stembald“,
„William Lovel“, „Der gestiefelte Kater“, die „Minne¬
lieder“, „Blaubart“, „Ein Schurke über den andern“,
die „Kraft- und Kniffgenies“; Wackenroders „ Demokrat“
(1796); von H. L. Wagner die „Confiscablen Er¬
zählungen“, „Die Kindermörderinn“ von 1776, „Mac¬
beth“, „Die Reue nach der That“, „Tagebuch eines
Weltmanns“, „Der wohlthätige Unbekannte“, „Theater¬
stücke“. Viel von Waiblinger , Wekhrlin, Werner,
Wieland.
Im Anschluß an die Bücherauktion sollen noch
Originalporträts von Heine (vermutungsweise von
Fr. August oder Jul. Elsässer), Grillparzer (von A.
Haenisch) Kerner, Schlosser und Marianne von
Willemer (Kreidezeichnung von C. l’Allemand) zur
Versteigerung kommen, sowie Autographen von
Bettina und Gisela von Arnim, Blumauer, Börne,
Chamisso, Förster, Fouqud , Goethe, Gottschedt,
Grabbe, Heine, Kant, Mörike, Schiller u. a. A
Eine weitere Auktion von Kostbarkeiten findet bei
Gilhofer Sr3 Ranschburg in Wien vom 15. bis 17. März
statt. Der schön ausgestattete, mit 42 Textillustrationen
und 28 Abbildungen geschmückte Katalog ist für 3 Kr.
von genannter Firma zu beziehen. Die Sammlung ge¬
hörte dem Hofrat von Emich und umfaßt eine Anzahl
prachtvoller Manuskripte aus dem XI. bis XIX. Jahr¬
hundert, die der vortrefflich redigierte Katalog in 55
Nummern genau beschreibt, ferner eine reiche Kollek¬
tion von Miniaturen auf Einzelblättern, Initialen, Bor¬
düren usw. und zahlreiche Inkunabeln, Volksbücher
und Holzschnittwerke des XV. und XVI. Jahrhunderts.
Wir führen nur an: Aeneas Sylvius, Von Höfen, Hoff-
leuten vnd dienern, 1529; Albertus Magnus, De secretis
mulierum, Köln 1492; Amadis, Frankfurt 1583; Aquino,
Catena aurea, Augsburg 1470; Aretinus, De duobus
amantibus, ca. i486; Ars moriendo, ca. 1500; Astecanus
de Astis, De casibus conscientiae, Nürnberg 1482;
Turrecremata, De efficacia aquae benedictae, Augs¬
burg 1475; Beroaldus, Orationes, 1491 ; Biblia latina,
Venedig 1480; Breviarium Romano-Germanicum, Ve¬
nedig 1518; ein Catholicon-Blatt von 1460; Buch der
Liebe, Frankfurt 1587; Donatus de octo partibus ora-
tionis, Mainz 1447 ( — 1457); Gregorius. Von den Heiligen,
Augsburgi473; Haimonskinder, Simmern 1535; Helden¬
buch, Frankfurt 1560; Der Hungern Chronica, Wien
1534; Leben Jesu, Nürnberg 1514; Necker, Stamm-
und Gesellenbüchlein, Wien 1579; Reymann, erkätnus
des wetters, Nürnberg ca. 1520; Richenthal, Constanzer
Conzil, Augsburg 1536; Rudolff, Künstliche Rechnung,
Wien 1526; Theuerdank, Augsburg 1519; Thuröcz,
Chronica Hungarorum, Augsburg 1488; Trimberg,
Renner, Frankfurt 1549; Lambranzi, Tantz-Schul, Nürn¬
berg 1716. Das sind nur wenige Proben. Die Schlu߬
abteilung umfaßt an 800 Nummern bibliographischer
Publikationen, zum Teil höchst wertvolle Werke: ein
Handapparat, um den es ewig schade ist, daß er
zerschlagen und zerstreut werden soll. A
Kleine Mitteilungen.
In den Aufsatz von Friedrich Perzynski „Fälsch¬
ungen und Neudrucke alter japanischer Holzschnitte “
haben sich zwei Druckfehler eingeschlichen, die wir zu
berichtigen bitten: Seite 363, Zeile 13 v. u. muß es
heißen „in Osaka beziehungsweise Tokyo“ statt „bei
Osaka in Tokyo“; Seite 364, Zeile 21 v. o. „Serie von
5 Blatt“ statt „von 4 Blatt“. Wie uns der sich noch in
Japan aufhaltende Verfasser mitteilt, unterscheiden sich
die echten Hiaku Monogatari Hokusais von den Nach¬
drucken Matsuis ferner durch das etwas größere Format
sowie durch das herrliche tiefe Blau, das Hokusai be¬
sonders für die Augen der Gespenster anwandte.
Matsuis Blau ist viel fader. — bl —
In Berlin hat sich eine Graphische Gesellschaft mit
dem Zwecke gebildet, ihren Mitgliedern Nachbildungen
von seltenen Werken des alten Bilddrucks zu liefern.
Der Jahresbeitrag ist auf 30 Mark festgesetzt worden;
die Geschäftsführung hat Herr Bruno Cassirer,
Berlin W., Derfflingerstraßeiö übernommen; die Herren
Geheimrat Dr. Max Lehrs, Direktor Dr. Max Fried¬
länder und Dr. Paul Kristeller bilden das Redaktions¬
komitee. Zunächst sind folgende Veröffentlichungen
in Aussicht genommen; Biblia pauperum. Deutsches
xylo-chirographisches Blockbuch (Unikum der Uni¬
versitäts-Bibliothek zu Heidelberg); Exercitium super
Pater-Noster. Xylo-chirographisches Blockbuch, nieder¬
ländisch (Unikum der Bibi. Nat. zu Paris); Die sieben
Planeten. Deutsches Blockbuch um 1450 (Heidelberg,
Univ.-Bibl. und Prince d’Essling, Paris); Bonner. Der
Edelstein. Bamberg, Pfister, erste undatierte Ausgabe
(vor 1461), ältestes typographisch gedrucktes illu¬
striertes Buch in deutscher Sprache (Unikum der
Kgl. Bibliothek zu Berlin) ; Terenz. Eunuchus, deutsch.
Ulm i486; Äsopus. Verona 1479; Totentanz. Lübeck
1489 (Unikum im German. Museum); Flor di virtu.
Florenz 1498; Boccaccio. Kinfale Fiesolano. Florentiner
Holzschnitte des XV. Jahrhunderts; Jacopo de Cessolis.
Libro degli Scacchi. Firenze 1493; Die Kupferstiche des
Boccaccio- Meisters ; Welt- und Landkarten in Kupfer¬
stich aus den beiden Ausgaben von Ptolemäus Cosmo-
graphie (Rom 1478 und Bologna 1462?) und aus
Berlinghieris Geographie (Florenz um 1480); Die ältesten
Kupferstich- und Holzschnitt-Illustrationen zw Petrarcas
Trionfi ; Das Werk des Giulio Campagnola; Albrecht
Altdorfers Landschaftsradierungen; Die Kupferstiche
des italienischen Meisters von /J/J; Hans Sebald
Behams Bibelholzschnitte; Der „Trionfo Deila Fede“.
Fünf Holzschnitte in Friesform nach Tizians Vor¬
zeichnung ausgeführt; Die Holzschnitte des Domenico
Campagnola \ Die Radierungen Adam Elsheimers.
— bl-
8
Beiblatt.
Man teilt uns mit: Im Nachlaß des verstorbenen
Prokuristen N. G. Jongebloed befindet sich eine große
Sammlung von Zeitschriften und Revuen aus allen
Ländern mit Zettelkatalog. Sie bietet ein wertvolles
Material für eine Geschichte der Presse. Auskunft er¬
teilt Frau M. Jongebloed in Wien I. Wollzeile 33.
—m.
Im Januar und Februar dieses Jahres fand im
Kunstindustriemuseum in Kopenhagen eine umfang¬
reiche Ausstellung alter in Ganzleder ausgeführter und
künstlerisch dekorierter Bucheinbände statt. Von
dauerndem Wert ist der von Emil Hannover verfaßte
Ausstellungskatalog, der ein ausführliches Verzeichnis
der 469 Bände der Ausstellung und eine Übersicht über
die ältere Geschichte künstlerischer Buchausstattung
enthält. D.
Das Deutsche Buchgewerbemuseum in Leipzig weist
bekanntlich hinsichtlich der Einbände eine bedauer¬
liche Lücke auf. Die schönen alten Drucke der Kgl.
Sächs. Bibliographischen Sammlung, die dem Museum
anvertraut sind, haben leider nicht mehr ihre ursprüng¬
lichen Einbände, sind vielmehr von dem ehemaligen
Besitzer Klemm in neue, nichts weniger als schöne
Decken gebracht worden. Diese bedauerliche Trennung
hatte ihren Grund wohl in der früher herrschenden
Spezialisierung des Sammelwesens: dem Sammler von
Drucken lag am Einbande nichts, umgekehrt dem von
Einbänden am Drucke nichts. Heute aber empfinden
wir ein derartiges Zerreißen der künstlerischen Einheit
des Buches, eines Gegenstandes überhaupt als be¬
klagenswerten Unverstand. Um nun diesem schwer
empfundenen Mangel, der so bald auch nicht zu be¬
seitigen sein wird, einigermaßen abzuhelfen, hat die
Museumsleitung beschlossen, von Zeit zu Zeit Einband¬
ausstellungen zu veranstalten. So ist für Februar und
März eine stattliche Anzahl sehr schöner Bände aus
der wertvollen Sammlung des Herrn Dr. med. Becher
in Karlsbad ausgestellt. Man findet dort die Haupt¬
typen des Einbandes vom XVI. bis zum XVIII. Jahr¬
hundert in guter Vertretung vor. Für Freunde sächsi¬
schen Kunstgewerbes werden namentlich einige aus
der zweiten Hälfte des XVI. Jahrhunderts stammende
kursächsische Einbände von Interesse sein.
Kataloge.
Zur Vermeidung von Verspätungen werden alle Kataloge an die Adresse
des Herausgebers erbeten. Nur die bis zum 25. jeden Monats ein¬
gehenden Kataloge können für das nächste Heft berücksichtigt werden.
Deutschland und Österreich-Ungarn.
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Oberleutnant Reichard, früher Sauvage bei Metz,
jetzt München, Gabelsbergerstr. 76.
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Ernst Frensdorff in Berlin SW. 11. Anzeiger No. 13.
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Ernst Carlebach in Heidelberg. No. 280. Biblische
und exegetische Theologie, Hebraica, Orientalia.
Adolf Weigel in Leipzig. Mitteilungen No. 26. Al-
chemie, Badeschriften, Bistnarck, Catharina II.,
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poleon, Studentica, Theater.
K. Th. Völcker in Frankfurt a. M. No. 259. Inkunabeln,
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schriften, deutsche Literaturgeschichte , klassische Pe¬
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Dr.H. Lüneburg in München. No. 64. Bibliothekswerke,
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C. G. Boerner in Leipzig. No. 4. Theater, Musik,
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Ludwig Rosenthal in München. No. 110. Dänemark ;
Schweden und Norwegen ; Invasion der Schweden
in Deutschland-, Schleswig- Holstein bis 1864; Polar¬
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logie, Archäologie, alte Geschichte, englische und
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Köln, 13. Januar 1906.
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neuerer Meister deutscher Schule. 2283 Nm.
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Letzterer enthält eine große Anzahl seltener Erstaus¬
gaben aus der klassischen Periode.
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(Heft 12 — März 1906.)
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14 Abbildungen. — Ein Beitrag zu Chr. D. Grabbes
Krankengeschichte. Von E. Ebstein. Mit Faksimile¬
beilagen. — - Exlibris von Bühnenangehörigen. Von
K. E. Graf zu Leiningen- Westerburg. Mit 12 Abbildung.
— Das Auskunftsbureau der deutschen Bibliotheken.
Von P. Trommsdorf. — Chronik: Der „Almanach du
Bibliophile“ für 1903. Mit Abbildung. — Dührens Retif-
Bibliographie. — Verschiedenes.
Teutonia-Verlag, Leipzig, Mühlgasse 10.
Soeben erscheint die 2. und 3. Auflage von:
Max Müller-Melchior, Galante Musenkinder.
Sammlung verschollener und wenig bekannter deutscher Liebes¬
und Scherzgedichte aus früheren Jahrhunderten. Bieg, brosch.
M. 3. — , eleg. geb. M. 4.50. Luxusausgabe num. 1— 125 in
Ganzpergament M. 12. — . Die erste Auflage war vor Er¬
scheinen bereits vergriffen.
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Erlebtes mid Geschichtliches. ( Reich illustriert .) Von ADRIAN
POLLV. Durchgesehen von einem hohen Staatswürdenträger
des russ. Kaiserreiches. Das aktuellste und sensationellst e
Buch über Russland. Preis ca. 3. — . M.
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Schilderungen aus Klein-Paris. Hocheleg brosch. ca. M. 2. — .
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Subskriptions-Preis der Lieferungen 1 bis 219 ä 6 M., der
Lieferungen 220 u. flg. ä 9 M., der Sekt. 1—66 ä 18 M„
Sekt. 67 u. flg. ä 27 M.
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Archivrat von Mülverstedt,
Hauptmann Heyer von Rosenfeld, Premier -Leut.
Grltzner, L. Clericus, Prof. A. M. Hildebrandt,
Min.-Bibliothekar Seyler und Anderen.
Ist nun bis Lieferung 510 gediehen, weitere 50 — 60 werden
es abschließen.
Subskriptions-Preis für Lieferung 1— in ä M. 4,80,
für Lieferung 112 und flg. ä 6 M.
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Monographie einzeln ab, ebenso von dem Wappenbuch jede
Lieferung und Abteilung, und empfehlen wir, sei es zum
Behufe der Auswahl oder Kenntnisnahme der Einteilung etc.
der Werke, ausführliche Prospekte, die wir auf Verlangen
gratis und franko per Post versenden.
Anschaffung der kompletten Werke oder Ergänzung
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Thorwaldsen (1770—1844)
Reinhold Begas (geb. 1831)
Adolf Hildebrand (geb. 1847
Eberlein (geb. 1847) . .
Schinkel (1781 — 1841). .
Philipp Veit (1793 — 1877)
Ludwig Richter (1803 — 1884
M. v. Schwind (1804 — 1871)
Feuerbach (1829 — 1880)
Meunier (1831 — 1905)
Lenbach (1836 — 1904)
Defregger (geb. 1835)
Leibi (1844 — 1900) .
Grützner (geb. 1846)
Gysis (1842 — 1901) .
F. A. v. Kaulbach (geb. 1850)
4- —
3. —
3- —
3- —
3-
3-
3 ~~
4- —
4- —
4- -
4.—
3-~
3- —
4.—
4- —
Uhde (geb. 1848) .... 4
Stuck (geb. 1863) .... 4
Böcklin (1827 — 1901) ... 4
Thoma (geb. 1839) .... 4
Hans von Bartels (geb. 1856) 4
A. v. Werner (geb. 1843). • 4
Adolf Menzel (1815 — 1905) . 3
Liebermann (geb. 1847) • • 3
Klinger (geb. 1857). ... 4
Prell (geb. 1854) .... 3
M. v. Munkacsy (1846 — 1900) 3
Koner (geb. 1854) .... 3
Knaus (geb. 1829) .... 3
Vautier (1829—1898) ... 3
Rethel (1816—1859) ... 3
Gebhardt (geb. 1838) ... 3
Ludwig Dill (geb. 1848). 3
Adolph Hölzel (geb. 1853) 3 Ja
Arthur Langhammer | ^
(1854—1901). . . / ö
Mackensen (geb. 1866)
Moderson (geb. 1865)
Vogeler (geb. 1872)
Hans am Ende (geb.
1864) .
Overbeck (geb. 1869) .
L. v. Hofmann (geb. 1861)
Canova (1757 — 1822) . .
Segantini (1858—1899) .
Millet(i8i4 — 1875) undRous-
seau (1812—1867)
Wereschtschagin (1842 bi
1904) .
G. Fr. Watts (1817— 1904*
Rossetti (1828 — 1882) . .
Burne-Jones (geb. 1833) .
Walter Crane (geb. 1845).
Herkomer (geb. 1849) .
Hokusai (1760 — 1849) . .
Er 4-~
3 —
4 —
4- —
3 —
4-—
4 —
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4-—
4-—
4 —
Vorrätig in allen Buchhandlungen.
Für die Anzeigen verantwortlich: K. Dieckmeyer, Leipzig, Hospitalstr. 27. Verlag von Velhagen & Klasing, Bielefeld und Leipzig.
Druck von W. Drugulin in Leipzig.
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