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iAhtütt-J.
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in 2018 with funding from
Getty Research Institute
https ://arch ive.org/detai Is/zeitsch riftf u rbu 1 909gese
ZEITSCHRIFT FÜR BÜCHERFREUNDE
ZEITSCHRIFT
FÜR
BÜCHERFREUNDE
ORGAN DER GESELLSCHAFT DER BIBLIOPHILEN
BEGRÜNDET VON FEDOR VON ZOBELTITZ
NEUE FOLGE
HERAUSGEGEBEN
VON
CARL SCHÜDDEKOPF und GEORG WITKOWSKI
ERSTER JAHRGANG
ERSTE HÄLFTE
VERLAG UND DRUCK VON W. DRUGULIN IN LEIPZIG
1909
Inhaltsverzeichnis.
I. Hauptblatt.
Seite
Blümml, E. K.: Briefe von und an Ludwig Uhland. Ein Beitrag zur Kenntnis Uhlands
als Volksliedforscher . 209
Cf.: Exlibris von Walter Schiller. Mit 7 Abbildungen . 216
Deneke, Otto: Die Einzeldrucke Goethe’scher Werke bei Goeschen 1787 — 1790 . 161
Fgl.r Eine neue Eichendorffausgabe . 40
Häbler, Konrad: Zur Typenkunde des XV. Jahrhunderts . 136
Hennig, Paul: Biedermeier- Wünsche. Mit 14 Abbildungen auf 4 Tafeln und im Text . 33
— — Griechische und lateinische Klassiker, nach den Handschriften photographiert.
Mit 2 Abbildungen . 145
Hirschberg, Leopold: Aus der Brieftasche von Otto Friedrich Gruppe. Mit 5 Ab¬
bildungen . 183
Ihringer, Bernhard: Quirinus Kuhlmann. Mit einer Abbildung . 179
Kekule von Stradonitz, Stephan: Über Zeitungsmuseen . 1
Löffler, Klemens: Papst Nikolaus V. als Bücherfreund . 174
Luther, Johannes: Zwitterdrucke der Reformationszeit . 109
Lux, Josef August: Was der Bibliophile vom Bucheinband wissen muß . 152
Mägr, Anton Stanislav: Bucheinbände von Carl Sonntag jun. Mit 7 Abbildungen ... 36
Mayer, Friedrich Arnold: Ein Stammbuchblatt von Iffland. Mit einer Abbildung .... 208
Milcke, F.: Ein wertvoller niederösterreichischer Kodex des XIII. Jahrhunderts. Mit 2 Ab¬
bildungen . 18
Minde-Pouet, Georg, und Schmidt, Erich: Abwehr . 220
Minor, Jacob: Die Luftfahrten in der deutschen Literatur. Ein bibliographischer Versuch . 64
Pudor, Heinrich: Das Papier als kunstgewerbliches Material . 217
— — Die Raumlehre im Buchdruck . 24
Sachs, Hans: Moderne Buntpapiere und ihre Verwendung. Mit 3 Abbildungen und
5 Tafeln . 73
Saß, Johann: Eine seltene Ausgabe von „Hermann und Dorothea“ . 221
Schiller, Walter: Über die Märchen von Tausend und ein Tag. Mit 16 Abbildungen . . 41
Schleinitz, Freiherr Otto von: Deutsche Werke in englischer Sprache . 203
VI
Inhaltsverzeichnis.
Seite
Schmidt, Fritz: Die Technik und Entwicklung des Dreifarbendruckes . 26
Schneider, Karl: Die Bibliothek Petrarcas und ihre Schicksale . 157
— — Ein Kupferstichdieb des XVIII. Jahrhunderts . 222
Schulz, Hans: Adam Weishaupt. Mit einer Abbildung . 194
Schulz-Besser, Ernst: Das Ahnenkreuz. Ein unbekanntes Jugendwerk Adolph Menzels.
Mit einer Abbildung . 150
Seile, Friedrich: Deutsche Buchkünstler der Gegenwart. I. Hugo Steiner- Prag. Mit
2 Beilagen und 44 Abbildungen . 81
Steiner, Emanuel: Zur Technik des Goldschnittes . 115
Volkmann, Ludwig: Musikalische Bibliophilie. Mit 18 Abbildungen und einer Tafel ... 12 1
Westheim, Paul: Wir brauchen Illustratoren . 160
Zaretzki, Otto: Eine unbekannte deutsche Ausgabe der Horae B. M.V aus dem XV. Jahr¬
hundert. Mit einer Abbildung . 22
Beilagen.
Biedermeier -Wünsche, 4 Tafeln mit 8 Nachbildungen . 8, 16, 24, 36
Bröker, Wilhelm: Flachland (Dreifarbendruck) . 32
Eine Tafel in Vierfarbendruck und 4 Tafeln aufgeklebte Originalbuntpapiere zu Sachs, Moderne Bunt¬
papiere . 41, 48, 56, 64, 72
Eine dreifarbige Tafel zu Volkmann, Musikalische Bibliophilie . 128
Zwei Tafeln zu Seile, Hugo Steiner-Prag . . . 88, 104
Ein Kupferstich- Faksimile zu Schulz, Adam Weishaupt . 196
II. Beiblatt.
Von den
Seite
Amsler und Ruthardt-Berlin, 22. — 24. April . . . Mai 2
Ernst Carlebach-Heidelberg . Juni 4
Christie-London, 7. — 14. Juni . Juli 2
Karl Groß, Nachfolger-Heidelberg, 27. April bis i.Mai.
April 4
J. Halle-München, 15. — 18. Juni . Mai 3
Richard Härtel-Dresden, 23. — 24. April .... April 3
— — — , im Mai . April 4
„Index to Book-Prices Current“ für die Jahre 1897 —
I9°6 . . . August- September 3
Leo Liepmannssohn-Berlin, 21. — 22. Mai . Juni 2
Max Perl-Berlin, 8. — 10. März
— — — - 7. — 8. Mai
Auktionen.
Seite
Sardous Bibliothek-Paris' . Juni 4
Sotheby-London, 18. — 19. Februar . April 3
— — 22. — 23. Februar . April 3
— — Ende Februar . Mai 2
— — 18. März . Mai 2
— — 19. März . April 3
— — 29. März . Mai 3
— — 6. Mai . Juni 3
— — 23. — 24. Mai . Juni 3
— — 14. Juli . August-September 2
Sotheby, Wilkinson & Hodge, Auktionskatalog von
1885 — 1909 . August- September 2
Oswald Weigel-Leipzig, Anfang Mai . April 4
April 2
April 4
Neue Bücher und Bilder.
Boccaccio, de casibus illustrium virorum. Französische »Die sechzehnte Ehefreude“ bei R. Ludwig -Wien. April 9
Bearbeitung. (J. Rosenthal- München) . . . April 8 Fr. Blei, „Die Puderquaste“ bei H.v. Weber- München. April 10
Hyperion, herausgegeben von Fr. Blei, II. Jahrgang (bei E. Wasserzieher, „Briefe deutscher Frauen“ bei Ehler-
H. v. Weber-München) . April 8 mann-Dresden . • . April II
Inhaltsverzeichnis.
VII
Seite
Rieh. Zoozmann: „Dante in Deutschland“, Bibliographie.
April ii
„Magister Laukhards Leben und Schicksale“ . . April 12
„Taschenbuch des Bücherfreundes für 1909“, heraus¬
gegeben von G. A. E. Bogeng . Mai 7
Peter Schöffers Liederbuch, Ausgabe der Gesellschaft
Münchener Bibliophilen . Mai 8
Aus dem Frankfurter Goethe-Museum. I. Bildwerke. Mai 8
Meyers kleines Konversationslexikon. 5. Band (N-Sch.)
Mai 9
Helmolt, Weltgeschichte, Band IX . Mai 9
„Die Bücher der Bibel“, herausgegeben von Rahlwes
Mai 9
Deutsche Shakespeare - Ausgabe, herausgegeben von
Friedrich Gundolf . Mai 10
Prätorius, Exlibris-Werk und Illustration zuLuckas Roman :
„Isolde Weißhand“ . Mai 10
Scarrons Komödiantenroman, Übersetzung von Fr. Blei.
Juni 8
Fouques Werke, herausgegeben von Walther Ziesemer. Juni 8
Die Mode im XIX. Jahrhundert, Band I (1790 — 1817)
und Band III (1843 — 1870) Juni 8
„Notes from a Painters Life“, by C. C. Halle . . Juni 9
Goethes Briefe an Philipp Seidel, 2. Auflage1 . . Juni 10
Faksimile -Drucke alter Meister . Juni 10
Hermann Müller-Bohn, die deutschen Befreiungskriege.
Juni 1 1
Dr. Martin Luthers erste deutsche Auslegung des Vater¬
unsers von 1518, Faksimiledruck . Juni II
„Vom Christlichen abschied aus diesem tödlichen leben
des Ehrwürdigen Herrn D. Martini Lutheri (1546)“,
Faksimile . Juni II
„Manuel de Bibliographie biographique et d’Icono-
graphie des femmes c&ebres, par un vieux Biblio¬
phile“ (Ungherini) . Juni II
Seite
Fonk, „Die Parabeln des Herrn im Evangelium exe¬
getisch und praktisch erläutert“, dritte Auflage.
Juli 12
„Hohenzollem- Jahrbuch“, XII. Jahrgang .... Juli 13
Salzer, Illustrierte Geschichte der deutschen Literatur,
30. Lieferung . Juli 7
Heinses Werke, herausgegeben von Schüddekopf,
7. Band . Juli 7
Deutsch- Österreichische Klassiker- Bibliothek, heraus¬
gegeben von Rommel . Juli 8
Briefwechsel zwischen Clemens Brentano und Sophie
Mereau . Juli 8
Ullstein, Weltgeschichte: Mittelalter . Juli 8
Ebner, „Magister, Oberlehrer, Professoren“ . . . Juli 9
Klausner, „Die Gedichte der Bibel“, 2. und 3. Auflage.
Juli 9
Leisching, Katalog der Sammlung Lanna-Prag . . Juli 10
Katalog der Bibliothek Knaake . Juli 10
„Original und Reproduktion“, herausgegeben von Loose.
Juli 10
Birkedal: „William Morris og hans Betydning“.
August-September 10
Gregg, Katalog der früheren Shakespeare- Ausgaben.
August- September 10
Kersten, „Der exakte Bucheinband“. August- September 10
Deutsche Balzac-Ausgabe des Inselverlags, 7. Band.
August- September II
Festschrift zum 50jährigen Bestehen des Leipziger
Künstlervereins . August-September 12
„Faust, I. Teil“; „Frau Rat in ihren Briefen“; „Schillers
Liebesfrühling“ bei Amelang . August-September 12
Pohle, „P. Angelo Secchi“, 2. Auflage.
August-September 12
OGDC3SD
Kleine Mitteilungen.
Caran d'Ache (Emanuel Poird) f . April 8
Bücherdiebstahl . April 8
Angebot der Firma E. Appelhans & Co. - Braun¬
schweig . April 8
„Der Bibliothekar“, Monatsschrift für Arbeiter-Biblio¬
theken . April 9
Osw, Weigel -Leipzig, Nachtrag zum Knaakekatalog.
April 10
J. Scheible - Stuttgart, Antiquariat, Katalog . . . April 10
Diebstahl einer Bibelhandschrift aus dem XIII. Jahr¬
hundert . April I
„Nachtwachen von Bonaventura“, Autorschaft. . April II
Achim von Arnims Werke, Neudruck von Band IV
und XII der 22 bändigen Gesamtausgabe . . Mai II
Kritische Gesamtausgabe der mittelalterlichen Hand¬
schriftenverzeichnisse Deutschlands .... Mai II
Soci6t6 de rdproduction des dessins de Maitres . Mai II
Dante-Ausstellung in der Rylands-Bibliothek in Man¬
chester . Mai II
Deutscher Bibliothekartag am 3. und 4. Juni 1909. Mai II
Bibliothek des Yildiz-Palastes in Konstantinopel . Mai 11
Albert Langen f . Mai 1 1
Ein unbekanntes Erzeugnis des frühen Oxforder Buch¬
drucks . Mai 11
Beschlagnahmungen . Mai 12
Diebstahl eines Miniatur-Porträts . Mai 12
Angebot zur Ordnung und Katalogisierung von Samm¬
lungen und Bibliotheken ... • . Mai 12
Neue Faustausgabe bei E. Diederichs-Jena .... Mai 12
Friedrich Ebrard, Jubiläum . Mai 12
Moliere- Ausgabe 1773 . * . Mai 12
„Erste internationale Jagdausstellung“ in Wien von
Mai bis Oktober 1909 . Juni 12
Preisausschreiben des „Vereins zur Verbreitung guter
volkstümlicher Schriften“ . Juni 12
„Vereeniging voor Letterkundigen“-Amsterdam, Jahres¬
versammlung . • .... Juni 12
Bibliothek Niccolö Anziani-Florenz . Juni 12
Darmstaedter, „Autographen-Sammlung zur Geschichte
der Wissenschaften“ . Juni 12
Bibliothek Moritz Heyne-Göttingen . Juni 12
Ed. Engel über Frau von Stein . Juni 13
Ein nubisches Manuskript des Britischen Museums
Bücherverbote in Österreich .
Samuel Heinicke- Ausstellung zu Leipzig vom I.
Gutenberg-Museum in Mainz . . Juli
Juni
13
Juni
13
Juni
14
“—IO.
Juli
IO
Juli
11
Juli
11
vm
Inhaltsverzeichnis.
Seite
Ludwig Traube (f), lateinische und griechische Fach¬
bibliothek und paläographischer Apparat . . Juli 1 1
Zwei Blätter der von Fust und Schöffer in Mainz 1462
gedruckten lateinischen Bibel . Juli 1 1
Über die Vorgeschichte des Volksbuchs „Eulenspiegel“.
Juli 12
Urteil wegen Verbreitung einer unzüchtigen Schrift.
Juli 12
Montaignes Bibliothek (Pierre Villey). August-September 13
Piderit, „Beyträge zur Vertheidigung und Erläuterung
des Canons der Heil. Schrift Und der Christlichen
Religion überhaupt.“ Zweyter Beytrag 1776.
August-September 14
Kopenhagener Kgl. Bibliothek, Permanente Ausstellung.
August-September 14
Zum Schicksal der Baskervilleschen Typen.
August-September 16
Akademie-Preise . August-September 16
Jan Veth, Aufsatz in der „Kunstchronik“.
August-September 16
Ein Manuskript Gottfried Kellers, Faksimileausgabe.
August-September 17
Heinrich Seidels Büchersammlung. August-September 17
Niederländische Buchausstellung in Amsterdam, Juni
1910 August-September 18
Seite
Beschlagnahmungen . August-September 18 u. 19
Urteil wegen Verbreitung einer unzüchtigen Schrift.
August- September 19
Ausstellung von Bucheinbänden und Buntpapieren im
Prager Technologischen Gewerbemuseum
August-September 19
Rundschau der Presse.
April Seite 4; Mai Seite 3; Juni Seite 4; Juli Seite 3;
August-September Seite 3.
Kataloge.
April Seite 12; Mai Seite 13; Juni Seite 15; Juli
Seite 14.
Angebot.
April Seite I ; Mai Seite 1 ; Juni Seite I ; Juli Seite I ;
August-September Seite I.
Nachfrage.
April Seite I; Mai Seite I; Juni Seite I; Juli Seite 2;
August-September Seite I.
N amen - Register
zur
Zeitschrift für Bücherfreunde
Neue Folge. 1909/1910
Band I.
Cg'
Die kursiv gedruckten Zahlen verweisen auf das Beiblatt.
A.
Abdul Hamid II, n.
Ache, Caran d’ I, 8.
Achelis, Thomas II, 9.
Achleitner, Arthur 71.
Adamek-Wien 35.
Adelaide, Madame III, 4.
Adelung 180.
Ademar von Chabannais 147, 150.
Adrianus Valerius 215.
Aelius Adrianus IV, 13.
Aeschylus 148.
Aesop 59, 147, 150.
S. Afra 22.
Ahlefeld, Charlotte von IV, 8.
Albergati 174, 175.
Albert, E. 28, 32.
Albert, Joseph 31.
Alberto Enoche 176.
Albertus Magnus 70.
Aldus 160.
Alexander Aphrodiseus 176.
Alexander d. Gr. 44, 180.
Alexander II. (Papst) IV, 9
Alfarage Bada Alschidda 49.
Alkuin III, 14.
Allon, W. 150.
Alpertus Mettensis 150.
Alxinger 69,
Ambrosius 160.
Amelang, C. F. II, 13; V, 12.
Amelung, Heinz IV, 8.
d’ Amfreville 44.
Amherst, Lord II, 3.
Amman, Jost 109.
Amsler & Ruthardt II, 2.
d’ Andelot V, 16.
Andersen, Anna V, 10.
Andersen, Ch. V, 10.
Andersen, H. Christ. 59, 85—87,
89. 92, ioi, 103, 104, 106; V, 14.
Andrea 201.
Angerer-Wien 31.
Anicia Juliana 148.
Anonymus Bernensis 119.
Antonello da Messina III, 11.
S. Antonius 91.
Anziani, Niccolö III, 12.
Aphrodite 64, 65.
Appelhans & Co. 1, 8.
Apuleius 158.
Archimedes 65.
Archytas 65.
Aretino /, 2.
Arezzo, Guido von 127.
Aristides 178.
Aristophanes 65, 148, 161.
Aristoteles 42, 175, 176, 178 ; II, 12.
Arlequin 58.
Arndt, Ernst Moritz 191; IV, 14.
Arnhold III, 14.
Arnim, Achim von 40, 70; I, 2;
II, 11; IV, 8; V, 17.
Arnim, Bettina von 35; I, 11 ;
IV, 8.
Arnim, Hans von 65.
Artaria-Wien 35.
Assemani 177.
Athanasius 175.
Athos-Mönchen, Paul V, 14.
August von Sachsen-Gotha 197.
S. Augustinus 22, 148, 159, 174,
175.' 177-
Aulnois, Madame d 42.
Aurifaber, Joh. III, 11.
Auvergne, Jacques d’ 44.
Averroes 175.
Avicenna 55, 175.
B.
Baggesen, Jens 198; V, 14.
Bach, J. 194.
Bach, Joh- Seb. III, 2.
Bachem, J. P. 222,
Bachenschwanz /, 12.
Bachmann III, 2.
Baedecker 209.
Baensch, de IV, 13.
Baer & Co. II, 3.
Baif V, 13,
Bakes II, 3.
Baldelli 157.
Baldini, B. II, 11.
Baldovinetti, Alessio 208.
Balke, Franz III, 12.
Balzac I, 2; V, 11.
Barbaro, Francesco 158.
Bard, Julius 38.
Bardua, Karolina II, 9.
Bargum, G. V, 15
Barth (Mystiker) 180.
Barth-Leipzig 84.
Barthold, F. W. 2.
Bartholome 74.
Barthut 181.
Bartsch 35.
Basedow 40,
Basilius 175, 178.
Baskerville, John V, 15.
Bassi, Andrea de V, 2.
Bayly, William IV, 2.
Baudissin II, 10.
Baudius III, 2.
Bauernfeld, Eduard von 34.
Bayros, Franz von /, 10.
S. Bazile 62.
Beatrice /, 11.
Beauloy, Henry IV, 2.
Beaumarchai V, 15.
Beccadelli 177.
Beck 210,
Beck, K. IV, 8.
Becker, Phil. Aug. 40.
Beethoven, Ludwig van III, 2.
Behrens, Lilli 40/41, 48/49, 79.
Behrens, Peter 73, 79.
Beil 210.
Beitel, Karl 77.
Belani 71.
Bellay, du V, 13
Bellerophon 64.
Bellmann, Karl IV, 10.
Benda 66.
S. Benedict 22.
Benintendi 157, 158.
Bensserade 59.
Benz, Richard 60.
Berger, A. von 71.
Berger, E. 117, 118.
Bergerac, Cyrano von 65.
Bergler, 35.
Bergomensis, J. P. IV, 2.
Berlit, Georg V, 12.
Bermann-Wien 35.
Berneke, Gustav von 193.
Bernhard 175.
Bernhart, Joh. Bapt. 137.
Bernsteen, Simon V, 10,
Bernsteen, Valborg V, 10.
Bernus, Alex, von I, 4.
Berri, Herzog von IV, 2.
Berthold (Musiker) III, 2.
Bertuch 162, 165, 170.
Bessarion 177, 178.
Bethe, E. 148, 150.
Bidpai 62,
Bierbaum, Otto Julius 80.
Birkedal, UfFe V, 10.
Fürst Bismarck III, 2, 9.
Bismarck, Graf von I, 4.
Björnbo, A. A. V, 15.
Blaen, Willem Jansz. V, 15.
Blaimhofer, Maximilian 68.
Blair, David IV, 3.
Blake, William ///, 3.
Blanchard 66, 67.
Blei, Franz 37; III, 8; V, 17.
Blum, Hans 71.
Blum, Max III, 12.
Blum, Rob. III, 2.
Blumauer 69.
Blümml, E. K 211 — 217.
Boccaccio 38, 59, 158, 159; I, 8;
IV, 2; V, 13.
Böcklin 74.
Bode, Wilhelm III, 10 ; V, 16.
Bodemann 140.
Bodenstedt 100.
Bodmer, J. J. 65.
Bodoni IV, 2.
Boethius 175.
Bogeng, G, A. E. II, 7, 8.
Bohatta, H. 22.
Bohle 74.
Böhme, F. M. 213, 214.
Böhme, Jacob 180, 182.
Böhmer, A. II, 11.
Bohse, August 60.
Boileau-Despreaux 42; IV, 2
Boltz von Rufach 116, 119.
Bonaparte, Louis IV, 3.
Bonaventura 160 ; I, it.
Bondi, Georg II, 10.
Bong & Co. III, 8.
S. Bonifacius 22.
Bork IV, 14.
Bormann 193.
Bornowsky, Theodor 191.
Borromeo, F. 159.
Böttger, Adolf 193.
Botticelli II, 3, 11.
Bouterweck, Fr. 69.
Bradshaw, Henry 136, 137, 139.
Brahms, Joh. III, 2.
Braid, James 208.
Bramantes II, 2.
S. Brandanus 22.
Brandenburg, Hans 70.
Brassano, Francesco da 160.
Bratring, Fr. W. Aug. 69.
Braun, Placidus 137 — 139.
Brehn, Max v. III, 9.
Breitkopf, Christoph Gottlob 133,
135.
Breitkopf, Joh. Gottlob Immanuel
129.
Breitkopf & Härtel 131, *33»
13S > V, 12.
Bremen, Adam von V, 14.
Brentano, Clemens von 40, 70;
I, 2; IV, 8; V, 17.
Brentano, Sophie von I, 2.
Bretzner, Chr. Fr. 68.
II
Namenregister. Band I.
Breughel, Pieter III, io.
Breuil /, 8.
Bridport, Graf III, 3.
Brigida Willibrordus 22, 23.
Bröker, W. W. 32, 32/33.
Browning, III, 9, xo.
Bruckmann-Dresden 35.
Bruckmann, F. (A. G.) III, 9.
Brückner 66.
Brückner, A. (Historiker) IV, 8.
Brueninghaus, Meta 105, 108.
Brugmanns, P. A. 215.
Bruhns 67.
Brunelleschi 208.
Brunet I, 4.
Brunsvig 59.
Bube, Wilh. III, 12.
Bucholz 67.
Buddha 222
Budge III, 13.
Bülow, Gabriele von 207.
Burger, Fritz 72
Bürger, Gottfr. August 210 ; I, 2;
V, 12.
Burger, Konrad 138, 141, 142.
Burgmaier II, 2.
Burkhardt, C. A. H. III, 10.
Burleigh II, 12.
Burne-Jones III, 9, 10.
Burns, Robert I, 3 ; II, 3 ; IV, 3.
Burton 53
Busch-du-Fallois Söhne 79.
Büsing 70.
Busoni, Ferruggio 131, 135.
Byron IV, 3.
c.
Caesar 44.
Cagliostro 194.
Cailhava, de 59
Calvary & Co. IV, 9.
Calvo, Fabio II, 2.
Campanella 65.
Campbel 136, 137.
Campe-Nürnberg 35.
Canova III, 9.
Canzoniere 159, 160.
Cardonne 61 — 63,
Carl IV. IV, 9. j
Carlebach, Ernst III, 4.
Carlstadt, Andreas Bodenstein
von X13, 114.
Carrara, Francesco da 158, 159.
Casanova 2; I, 2.
Castagno, Andrea del 208,
Castiglione V, 13.
Catullus 160.
Cavallo, T. 66.
Caxton, William II, 2.
Caylus 61, 62, 63.
Cazotte , Jean Jaque 43, 61, 62.
Celius, Michael III, 11.
Celsus 175,
Cennini 116, 119.
Chamisso , Adalbert von 183,
185, 188, 193, I, 2.
Charles 66, 67.
Charvis 61.
Chaucer /, 3; V, 2.
Chavis, Dom Denis 62.
Chodowiecki 40, 161, 164; I, 4.
Choffard 50, 61.
Chopin III, 2.
Christian II. v. Dänem. V. I4.
Christian III. v. Dänem. V, 14.
Christin 181.
Chrysostomus 175, 178.
Cicero 159 ; III, 3.
Claudin 139-141, 143, 145.
Clauren 71.
Cobden-Sanderson 152.
Cobet 148.
Cockerell 152.
Coelde, Dietrich 23.
Colbert 44.
Colchester, Bischof von II, 2.
Coligny, Familie V, 16.
Collignon, Jules 53. 54, 56, 57, 63
Collijn, Isak 144, 145.
Colnaghi, Martin 111, 10.
Colombine 58.
S. Columba 23.
S. Columban IV, 9.
Columnas, Francisco de V, 2.
Colvin, Sidney 207, 208.
Comparetti, Dom. 150.
Congreve 209.
Constable 208
Constantin 180.
Cook IV, 2
Cordara, G. Ces. 66.
Corydale III, 3.
Cossel, Luisa von 209.
Cotta 58.
Coup, Pierre de 57
Cranack, Lukas II, 3 ; III, 10.
Crane, Walter, V, 10,
Cuppy, Henry II, 11.
Cyrus 180.
Cziak 68.
D.
Dädalus 65, 67, 70.
Dahn, Felix 192.
Dalberg, K. Theod. Ant. M. von
201, 203 — 203.
Dalberg, Wolfg. Heribert von 204.
Daniel 180.
Dannecker II, 9.
Dante-Alüghieri 160 ; /, 1 1 ; ///, 3.
Darmstacdter, Ludw. III, 12, 14.
David 180; IV, 9.
David I. I. IV, 8.
Debschitz 87.
Debucourt IV, 2.
Decazes 43.
Dedicus, Johannes II, 12,
DefFinger II, 12.
Deloe, D. III, 3.
Degen 69, 70.
Dehmel, Rieh. 72, 98, 99.
Deinhardstein IV, 8.
Delff, W. I. V, 16,
Delvaux 61.
Demosthenes 176, 178.
Deneke, Otto 161 — 173.
Denis 69.
Derkinderen III, 12.
Desbillon 59.
Dessauer, Alois 74, 77.
Deutrocolles 62.
Deutschmann von Grimmburg,
Frau 33.
Deveria, A. 61.
Devrient, Ludw. V, 17.
Dickens 85, 87, 102; V, 2, 14.
Didot, Pierre V, 15.
Diederichs, Eugen 37, 81, 89, 97,
98, 199; II, 12.
Dietrich, Albert ///, 2.
Dietter, Chr. Lndw. 69.
Dighton I, 3.
Dinarzade 60.
Dingelstedt, Fr. von 191.
Diogenes Laertius 175.
Dionysius (Pseudoareopagite) 182.
Disraeli 205.
Ditfurih, F. W. von 212.
Dominique 60.
Donatelio 208.
Dönniges 191.
Donville, F. de 63.
Dore II, 10.
Dorer-Egloff 173.
Dorgerloh 151.
Dormer, Lord III, 3.
Drabitz 180, 181.
Draebyn III, 2.
Drieberg, von 63,
Drucker, A. 206.
Drugulin, W. II, 13,
Dryden 209.
Ducos du Hauron 31.
Duff, Gordon 140.
Dülberg, Franz II, 10.
Dünn, George 142.
Düntzer III, 13.
Duquesne 44.
Duquesnel 43.
Duytschlender 24.
E.
Ebner, Eduard IV, 9.
Ebner-Stuttgart 33.
Ebrard, Friedr. II, 12.
Eck, Johann 113.
Eckhardt, Gottl. Wilh. 66.
Eckmann, Otto 77
Egerton, Fr. H. V, 15.
Eggestein, Heinrich 137.
Ehrmann, Fr. L. 66.
Ehrmann, Theoph. Fr. 68.
Eichendorff, Joseph von 40, 70,
187, 193 5 4 2.
Eichendorff, Karl von 40.
Elias 180.
Elisa 180.
Ellinger, Georg 91.
Ellis, William Ashton 209.
Elsheimer, Adam III, 10.
Elsner 73.
D'Elvaux, 48.
Enea Sdvio 176.
Engel, Eduard III, 12.
Engel, Karl 172.
Engel, Leopold 194.
Engelmann 161, 164.
Enschede 139.
Erasmus von Rotterdam 150, 180;
HI, 2.
Erdmann, Otto II, 10.
Erk-Böhme 217.
Erler 74.
Erlichshaustn , Konrad von 176.
Ernst, Otto 72.
Ernst, Paul 63.
Ernst-Weimar II, ix.
Ernst II. v. Gotha 194.
Essee, Fedor III, 14.
Este, Nicolaus von V, 2.
Ettlinger, Carl II, 12.
Ettmüller, Ludwig 213.
Eugen. Prinz I, 3.
Eugen IV. (Papst) 175.
Euklid 33, 173.
Eusebius 175.
van Eyk ii6j III, 10.
Eyth, Max 72.
Ezechiel 64.
F.
Farinata /, ix.
Farrukhnaz 46, 51, 52, 56.
Faujas de St. Fond 66.
Fechenbach , Karl Freiherr von
10.
Fechner, M. Joh. 179.
Fehrenberg 214.
leige, Emilie 13t.
Felder, Fr. M. IV, 8.
Feldmaier, Joseph 197.
Feldmann, W. 73.
Fichte, Joh. Gottl. I, 12.
Figdor, Albert (Wien) 33.
Finiguerra, Maso 207, 208.
Fischart 216.
Fischei, O. III, 9.
Fischer (Kupferstecher) 35.
Fischer, H. 211.
Fischer, Kuno III, 4.
Fischer, S. -Berlin II, 10.
Fischer, Th. 37.
Fischer & Franke III, 10, 11.
Fitchner 206.
Flammarion< C. 71.
Fleischel-Be’rlin 72.
S. Florian 22.
Florio V, 2.
Flower, R, V, 15.
Flügel 48.
Fonck, L. IV, 12.
Fontane. Theodor 183, 186, 189,
192 ; /. 2.
Forckenbeck, Oskar von 9, 10.
Foucquet, Jean I, 8.
Fouque 70; III, 8.
Francesca da Rimini I, 11.
Franke 15.
Frankfurter, Rieh. O. 72.
Franz I. v. Frankr ///, 3; IV, 3.
Fränzl, Ferdinand 68.
Franzos, K. E. 214.
Fred, W. 33.
Fregosi 158.
Freiligrath, Ferdinand 183, 214.
Frey, Adolf V, 16.
Frey tag, Gustav 97, III, 10.
Friedensburg, W. IV, 8.
Friedländer, Ludwig 209.
Friedländer, Max III, 10.
Friedmann, Oskar 72.
Friedr. Christian von Schleswig-
Holstein 197 — 205.
Friedr. von Sachsen- Weimar///, 2.
Frtedr. /. (König) IV, 13, 14.
Friedrich der Gr. /, 3; III, 4 ;
V, 14.
Friedr. Wilh. der gr. Kurfürst
III, 2 ; IV, 13.
Friedrich Wilh. II. IV, 13.
Friedr. Wilhelm III. 207.
Friedr. Wilh. IV. 207 ; IV, 14.
Friedrich, Woldemar III, 11.
Frisch-Berlin 31.
Fritzsch, Th 40.
Froebel 206.
Fuchs 40/41.
Fuhrmann, Otto 72.
Fulda 67.
Fust IV, 11.
Fyner, Konrad 137.
G.
Gädertz, K. Th. 71.
Gabler 190.
Gatnsborough 208 ; I, 3.
Gaismaier 70, 71.
Galenes 148.
Galland 41—44, 49. 53, 35. 57,
61.
Garrik IV. 2.
le Gascon 37.
Gcibel, Emanuel 183. 186, 192.
Geiger- Augsburg 35.
Geiger, K. //, 11.
Geiger. Willy 74.
St. Gelais, Mcllin de 159.
Gelber, Adolf
Geliert, Chr. Fürchtegott 59.
Gellius, Aulus 160.
Gemmingen 09.
George, Stefan II, 10.
S. Gereon 23.
Geyscr 164.
Ghenett, de 43, 61.
Gianozzo 70
Giesecke & Devrient IV, 13.
Gildemeister, Frau 54.
Gillray /, 3.
Gilm, H. von IV, 8.
Ginzkey, Karl Franz 72.
Gladstone I/I, 9, 10.
Gleim, Joh. Wilh. Ludw. /, 21
IV* 7-
Gnad, Milcna 72.
Göchhausen, Frl. von 165;
III, 10; IV, 13.
Godefroy 46, 61.
Godwin 65.
Goedecke 68, 71, 162.
Goethe, Joh. Wolfg. 34, 38, 67,
69. 92.95.98. 133. »5«. >61-173.
191, 194, 206; I, 2, 12; II, 8,
9. 12, 13; III, 2, 10, 13; IV, 7 j
V, 13, 15.
Goethes Eltern (Bild) II, 9.
Goethes Mutter 67: I, 11 : //, g;
V, 12.
Goethes Schwester II, 9.
Golden, Berta II, 12.
Görres, Joseph III, 13.
Göschen, Georg Joachim 161—173.
Gottfried v. Straliburg IV, 9.
Gottsched, Joh. Christof I. 2.
Götz 1, 2.
Gounod /, 3.
Gourmont, R. de 38.
Gozzi 52, 57, 58, 63.
Graesse 42, 55 ; I, 4.
Graham, G. F. II, 3.
Granier, Herrn. IV, 13.
Gras, Franz 138.
Graupe, Paul V, 17.
Green, Kurt 71.
Gregg, Walter W. V, 10.
Gregor VII. IV, 9.
Gregor IX. V, 2.
Gregor von Nazianz 175, 176, 178.
Greif, Martin II, 13.
Greve, Felix Paul 63.
Grieben 209.
Griesheim, Philippine von /, 11.
Griffenfeld, Peter V, 14.
Grillparzer, Franz 57; I, 2; IV, 8.
Grimm, Alb. Ludw. 63.
Grimm, Jacob 216; I. 2; V, 14.
Grimm, Richard V, 12.
Grimm, Wilhelm 216; I, 2; V, 14.
Grimm, Hermann I\T, 8.
Grimmelshausen 65, 70.
Grisebacher 171.
Gropius, George 151, 152.
Gross, Karl /, 4.
Grote-Berlin 82, 88/89, 90—94,
95, 100, 101.
Grote-Wansee, Otto von I, 2.
Grotius 180.
Gruber-Wien 35.
Grün, Anastasius IV, 8.
Grunenberg, Johannes 112.
Grüninger 142.
Gruppe, Otto Friedr. 183 — 193.
Gryphius 180.
Gubitz-ßerlin 35.
Namenregister. Band I.
III
Guericke, Otto von IV, 13.
Gueullette 42, 43.
Guicciardini V, 13.
Guiclet, Claude 45.
Guiffrey, Jean II, 11.
Guillerague 44.
Gulhaar 179, 181.
Gulliver 63.
Gundelfinger, Friedr. 97.
Günderode 70.
Gundolf, Friedr. II, xo.
Gustav Adolf, I, 3.
Gutenberg IV, 11.
Gutknecht, Jobst 114.
Gutzkow /, 2.
Gwinner, von III, 14.
Gyges III, 2.
H.
Haase, Prag 35.
Habbel-Regensburg 40.
Häbertlin, K. L. 71.
Häbler, Konrad 136—145.
Häckel 82.
Hadschi Chalfa 48,
Haessel-Leipzig /, 12 ; V, 16.
Hagemann, Fr. Gust. 68.
Hagen, Fr. H. v. der 58, 61.
Hain 138.
Haibon, L. M. 49, 61.
Halle, C. C. III, 9, 10.
Halle-München, J. II, 3-
Halling. Karl 216, 217.
Halm. Friedrich IV, 8.
Ham 182
Hambök, J. 32.
Hamilton, Lady /, 3; II, 2.
Hammer-Purgstall, Jos. von 48,
49» 55-
Hanschmann 200.
Hantzsch, Victor II, 9.
Harden /, 2.
Hardouyn III, 3.
Harnack, Adolf III, 14.
Harrisse 141.
Harrwitz, Max II, 7.
Harsdörffer V, 17.
Hart, Julius I, 12.
Harte, Bret V, 2.
Härtel, Richard I, 3.
Hartleb, Herman V, 17.
Hartmann, Moritz IV, 8.
Hartwig, O. 146.
Harun al Raschid 48, 52, 53, 55.
Haslewood, William IV, 3.
Hauff, Wilhelm 55, 70.
Hauptvogel, M. 69.
Haydn, Joseph IV, 3.
Haym 209.
Hebbel, Friedrich /, 2; III, 2.
Heer, J. C. 71.
Hegel, G. W. F. 206.
Hegler Müller 193.
Hegner, Jaques II, 12.
Heigelin I, 12.
Heine, Heinrich 34; /, 2; IV, 10;
V, 17.
Heinicke, Samuel IV, 10.
Heinrich III. III, 4.
Heinse, Wilhelm I, 2; IV, 7.
Heitz 33.
Heitz-Straßburg I, 12.
Hejermanns 72.
Helmholtz 208, 209.
Helmolt II, 9.
Hemsterhuis IV, 7.
Hendriksen, Fr. V, 10,
Henkel von Donnersmark ///, 14.
Hennig, Gustav I, 9.
Hennig, Paul 33—36» 145— 150.
Hennig Witten 180.
Henoch 180.
Hensbroeck, Boelle van 140.
Hentze, Gudmund V, 10.
Heraclius 116, 119.
Herbelot 41, 43, 47.
Herder, Gottfried 194; I, 12:
II, 9; V, 14.
Herdijk, Pijancker 150.
Herlossohn 71.
Hermes 64.
Hermogenes 178.
Herodot III, 2.
Heroux, Bruno V, 12.
Hesekiel, Georg 192, 193.
Hesse, Hermann IV, 9.
Heuer, O. II, 8.
Heymann, E. (Wien) 33.
Heyne, Moritz ///, 12.
Heyse, Paul 72, 195.
Hidber 212, 213.
Hieber, Max 128/129.
Hieronymus 150, 160, 175.
Hiersemann, K. W. 19; IV, 10.
Hilarius 175.
Hilger, J. 178.
Hippokrates 55 .
Hirsch, Paul 131.
Hirschberg, Leopold 183 — 193.
Hirzel 164; III, 10.
Hochdanz, Emil 64/65, 79.
Hochstetter 69.
Hoffmann, Alois 199, 201.
Hoffmann, E. Th. A. 38, 90, 91,
93—96; I, 2, 12; V, 17.
Hoffmann, Joseph 77.
Hoffmann, Oskar, 72.
Hoffmann v. Fallersleben 211,
214 — 2x6.
Hofmann, Hans 70.
Hofmannswaldau V, 17.
Holbein II, 2.
Holbein, Hans 135.
Holberg, Ludwig V, 14.
Hölderlin, Friedrich 70, 72; I, 2.
Hollond, Robert 71.
Holtei 71.
Holten, Otto von II, 10.
Holtrop 136, 138 — 140.
Holzrichter, Emma 106, 107.
Homann, G. II, 10.
Homer 64, 70, 72, 148, 159, 178;
III, 2; IV, 2.
Hoorn 214 — 216.
Horatius 159, 775; V, 13.
Horatius Bernensis 146, 148.
Horn, Franz 217.
Horner 73.
Hort, IV, 12.
Hostrup V, 14.
Houssaye, A. 43.
Hub. Ignaz 183.
Huber, Franz Xaver 68.
Hubert, Friedr. 110.
Humboldt, Alex, von 67, 222.
Humboldt, Wilh. von 207.
Hunt, Holman III, 9, 10.
Husnik & Häusler-Prag 31.
Huygens, Constantyn V , 16.
I.
Ibn Sina 55.
Ibsen, Henrik V, 14.
Icarus, Mr. 72.
Iffland 210.
Ignatius 175.
Ihering 206.
Ihringer, Bernhard 179 — 182.
Ikaro-Menippos 65.
Ikaros 65, 71.
Illgen 179, 181.
Isabella von Arragonien III, 3.
Isidor von Rußland 178.
Isidor 175.
Isle-Adams, Villiers de 1’ 37.
J-
Jacobi, Fritz und Betty IV, 7.
Jacobsen, J. P. V, 14.
jacoby, Daniel 194.
Jaeschke, E. II, 11.
Jaffe 73.
Jaggard, William V, 3.
Jannet, P. I, 10.
Jansa, Friedr. III, 11.
Japhet 182.
Jessen, Christian 197.
Jessen P. 78.
Le Jeune, J. C. W. 214 — 216.
Jocanus 180.
Jocosio Hilario 66.
Johann II. von Trier II, 3.
Johannes 180.
Jokai 72.
Jonas, Justus III, 11.
Jonson, Ben V, 2.
Jordan, Charles- Eienne IV, 14.
Jordan, Leo 65.
Joseph 180.
Josephus 159.
Josua 180.
Jovinianus 55.
Julianus (Pelagianer) 174.
Junker, Hermann II, 9.
Juvenal, 160, V, 14.
IC.
Kahna, R. 55.
Kaiserer, Jacob 69, 70.
Kalixt III, 178.
Kämpen, N. G. van 215.
Kannegießer I, 12.
Kant, Imanuel 194, 2C0, 202 ;/, 2,12.
Karl August v. Sachsen-W. 194.
Karl V. IV, 3; V, 14.
Karl VII. IV, 2.
Karl d. Gr. III, 14.
Karl Theodor v. Bayern 194.
Karl von Hessen 194.
Karl-Emil, Prinz IV, 13.
Karslake, Frank V, 2.
Katharina v. Rußland V, 15.
S. Katharina 22.
Kauffmann, Angelika I, 11.
Kaufmann, G. IV, 8.
Kaulbach III, 9.
Kays, John IV, 11.
Kayser, Bücherlexikon 68.
Kekule von Stradonitz, Dr. Ste¬
phan 1 — 18; IV, 13.
Keller, Gottfried 71 ; 2 ; V, 16, 17.
Kelliher & Co. 207.
Kemble, J. P. IV, 2.
Kerner, Justinus 70, 187, 189.
Kersten, Paul (Berlin) 75, 80 ; V,
10, 11.
Kesaya 56.
Keyserling, E. von 79.
Kiesling, Ernst V, 12.
Kinkel, Gottfried 183, 184.
Kinnaird, Douglas IV, 3.
Kircher, Athanasius 181, 182.
Kistemaeker, Henry 72.
Kittel, Paul III, 11.
Klausner, Judith IV, 9.
Klausner, M. A. IV, 9, 10.
Klein 35.
Kleist, Heinrich von 70, 102, 209;
/, 2, 11 ; III, 2 ; V, 18, 19.
Kleist, Ulrike von V, 18, 19.
Klinger, Max 121, 135, 136; /, 4;
V, 1 2.
Klinger, Maximilian I, 2.
Klopstock 67, 72; V, 14.
Kluckhohn, August 194.
Knaake 113, 114; I, 10.
Knapp, William V, 10.
Knebel 166; III, 10.
Knigge, Adolf Freih. v. 67, 69, 19p
Knoekel, Hermann II, 8.
Knotet, Richard III. 11.
Koberstein 61.
Koch, C. IV, 9.
Koettgen, Hanna 104/105, 108.
Kofer, Reinhold IV, 13.
Köhler, Hubert II, 8.
Kolb, Alois 74.
Kolbe II, 9.
Komorczynski 68.
König, Ludw. III, 12.
Kopisch, August 183, 187, 189-191.
Körner, Gottfried 58.
Kosch, Wilhelm 40.
Köster, Albert 52, 67; V, 12
Kotter 181.
Kotzebue 70.
Kramp, Chr. 66.
Kratenas 148.
Kratzenstein, L. G. 66.
Krieger, Bogdan IV, 13.
Krüger, H. II, 11.
Krüger, J. C. 161,
Kruse 210.
Kuczynski IV, 10.
Kügelgen II, 9.
Kugler 183, 186.
Kuhlmann, Quirinus 179—182.
Kulmans Klavierfrüchte, 1696,
Titel 128.
Külpe 206.
Kumpf, Heinr. II, 9.
Kunze, K. II, 11.
Kürnberger IV, 8.
Kürschner, Joseph 3, 8.
Kurt, Rombach III, 14.
Kurz, Heinrich 213.
Kyiter, Anker 77.
L.
Lactantius 160, 175; II, 3.
Lafontaine 59; /, 2; III, 4.
Laharpe, J. Fr. 51.
Lambert (Paris) 31.
La Motte 59.
Lämmle-München 33.
Lana 65, 66.
Landsberg, Martin 144.
Lang & Co. III, 12.
Langen, Albert, Verlagskatalog
78; II, 11.
Langles, M. 47.
Langlois jeune 47, 61,
Larsen 39.
Lasswitz, Kurd 71.
Lauber, Diebold 40.
Laukhard /, 12; IV, 9.
Laumen, Maria II, 10.
S. Laurentius 22.
Lavater, Joh. Caspar 67, 194.
Leistikow, Ernst 77, 80.
Lechter, Melchior II, 10.
Lederer, Felix 101.
Leeuwen, J. van 150.
Lehrs, Max IV, 10.
Leibnitz V, 14.
Leisching, Julius IV, 10.
Leisewitz I, 2.
Leitzmann, A. 67, 68.
Lelio pere et fils 60.
Lenau 88, 89, 100, 103 ; IV, 8.
Lengefeld, Karoline V, 12.
Lengefeld-Schiller, Charlotte V,i2.
Lentner-München 33.
Lenz, J. M. Reinhold I, 2.
Leontius Pilatus 159.
Lepsius, K. Richard 9.
Lesage 50, 58 — 60, 62.
Lesowsky 73.
Lessing, G. Ephraim 59; I, 2.
Leszcynska, Marie III, 4.
Levy- Philadelphia 32.
Leyde, Ernst 151, 152.
Libanius 178.
Lichtenberg 67 — 69.
Lichtenberger II, 3.
Liebermann, E. 74.
Liebeskind 131.
Liebig, Justus von 84, 98, 192.
Liepmannssohn, Leo III, 2.)
Lilien, E. M. II, 9.
Liliencron, R. von 213, 214.
Linke-Leipzig 68.
Linnenmeyer, August 40/41.
Lippmann 207.
Lips, Kreidezeichnung von Goethe
II, 9.
Liselotte I, ir.
Liszt, Fr. von I, 4.
Livius 146, 150, 158, 159, 176, 1 77.
Lochner, Stephan III, 10.
Loder 35.
Loeben, Graf 70.
Löffler, Karl 174 — 179.
Loftus, Lord 207.
Lohenstein, C. von V, 17.
Loiseleur Deslongchamps, A. 49,
52, 62.
Loose, Hans IV, 10.
Lorenz, Ottokar 213.
Lortzing 96, 98; III, 2.
Loth de Haes 179, 181.
Lothar, Kaiser III, 13.
Lotther, Melchior 112, 113.
Loubier 80.
Luca della Robbia 208.
Lucanus 160, 175.
Lucas IV, 12.
Lucka, Emil II, 10.
Lucretius V, 13.
Ludwig II., (Bayern) 192.
Ludwig XII. 159.
Ludwig XIV. 41, 44, 45, 5°» I59»
Ludwig XVI. 78.
Ludwig der Deutsche III, 13.
Ludwig-Wien /, 9.
Luise Eleonore v. Wreesch IV 14.
Luise, Königin IV, 13.
Lukian 65.
Lunardi, Vinzenz 66.
Luther, Johannes 109— 114.
Luther, Martin 110, 112— 114, 179
— 181 ;/, 3 ;//, 2,9;///, 11 ; V, 14.
Lux, Jos. Äug. 152— 157.
M.
Macaulay 1, 2.
Macco, Alexander IV, 13.
Macco, Herrn. Friedr. IV, 13.
Machiavelli V, 13.
Machlinia V, 2.
Macrobius 160.
Maeterlinck 39.
S. Magdalena 22.
IV
Namenregister. Band I.
Magnus, Leonhard A. 209.
Mägr, Anton Stanislav 36 — 40.
Mahomet 46.
Maintenon III, 8.
Makart III, 9.
Malet, Edward 207.
Manetti 177.
Mansfeld 33.
Mantuani, Jos. 150.
Mantzius, Karl 203.
Marenholtz, Frau von 206.
S. Margareta 2 2 .
Margarete v. Burgund IV, 11.
S. Maria 22.
Maria Theresia I, ix.
Maria Antonie Walpurgis von
Sachsen 131.
Marillier ^5 — 50, 61.
Martin, Atme 62.
Masius 71.
Maßmann, H. F. 2x1.
Masuccio 52.
S. Matthäus 174, 176; IV, 9, 12.
Maude, Captain 207.
S. Mauritius 23.
Maxwell 31.
Mayer, Anton 68.
Mayer, Frau Karl 33.
Mayer, Friedr. Arnold 210.
Mayer, Karl 70, 187, 213.
Mayer. Richard II, 9.
Maynyal, Guillaume IV, 11.
Maximilian Joseph von Bayern 194.
Medea 64, 65.
Medici, Cosimo 174.
Meil, J. W. 161.
Meisenbach-München 32.
Mehl, Karl 69.,
Melanchton V, 14.
Mellan /, 4.
Memmi, Simone 159.
S. Mena III, 13.
Mendelsohn-Bartholdy, Fel. III, 2.
Mendelsohn, Robert von III, 14.
Mennbier 73.
Mensing, Ant. V, 16.
Mentelin, Johann 137.
Menzel, Adolf 35, 133, 150 — 152,
160; I, 2; IV, 8.
Mereau, Sophie IV, 8.
Meredith III, 9, 10; V, 2.
Merkur 69.
Merlin 214.
Merseburger, Georg 96.
Metternich 34.
Meusebach, K. Hartwig Gregor
von 216.
Meusel, Friedr. IV, 13, 14.
Meyer, C. F. I, 2.
Meyr, Melchior 190 — 192.
Michelozzi 208.
Miereveit V, 16.
Mieville L. 211, 212.
Milchsack, Gustav in.
Milke, F. 18 — 22.
Millais III, 9, 10.
Milton V, 2.
Minckwitz 193.
Minde-Pouet, Georg V, 19.
Minor, Jacob 64, 72, 166, 210; IV, 7.
Minos 65.
Mirabeau IV, 3.
Mocles 46—50, 56, 58.
Moerkerken, P. H, van III, 12.
Moliere II, 12.
Molitor, K. II, 11.
Molitor, Matthieu V, 12.
Mommsen, Hans 197.
Mommsen, Theodor 179.
Moncrif, Paradis de 42.
Monk-Mason, Th. 71.
Montaigne V, 2, 12, 13.
Montgelas, Maxim. Joseph von
200, 202.
Montgolfier 66, 67.
Moreau d. J. II, 12; III, 4.
Morelli 157.
Möricke, Eduard 71, 189; I, 2.
Morris, May V, 10.
Morris, Max 67.
Morris, William 37, 39, 132, 153,
221; III, 9; IV, 11; V, 2, 10.
Mortimer, Rieh. V, 16.
Moscherosch IV, 9.
Moser, Kolo 77.
Moses 180.
Moses, Rabbi (Maimonides) 175.
Motte, Benjamin /, 3.
Mouhy, de 42.
Mouryd 47.
Mozart, Leopold III, 2,
Mozart, Woifg. Amad. 184; III, 2.
Müchler, Karl 54.
Mühlthaler, Eduard 32.
Müller, C. F. V, 15.
Müller, Georg (Leipzig) I, 12.
Müller, Georg (München) II, 13;
III, 8; IV, 8.
Müller, Hans von 38.
Müller-Bohn, Herrn. III, 11.
Müntz-Fabre 175, 176, 178.
Muretus 180.
Murner, Thomas IV, 12.
Murr, C. G. von 66.
Musäus, J. K. A 54; I, 2.
Musaeus-Müller-Tieck I, 2.
Muther, Richard 208.
N.
Nadler, Jörge 110.
Napoleon I. 39, 15g, 204, I, 3.
Nelson /, 3; II, 2; IV, 3.
Nestle (N. Testam.) IV, 12.
Nestroy IV, 8.
Neubronner, W. 179.
Neuhäuser, Katharina III, 12.
Neumann, Marianne 104 105. t< 6.
Newsidler, Hans (Lautenbuch)
126.
Niccoli, Niccolo 158, 175, 178.
Niceron 57.
Nicolai, Friedr. 194; /, 2; V, 13,
Nicolaus V. (Papst) als Bücher¬
freund 158, 174 — 179.
Niemann, August 72.
Niendorf, Anton 193,
Niese, Hansi 218, 220.
Nietzsche, Friedrich 207; /, 2;
III, 2.
Nieuwenhuys III, 12.
Nijhoff, Martinus 140.
Nikolaus von Kues 175.
Nikolaus von Lyra 175,
S. Nikolaus 22.
Nointel, de 44.
Nolhac, Pierre de 157; V, 2.
Nordlinger, Clara 207.
Nordmann 179.
Nougaret 43.
Novalis 40; I, 2.
o.
Obernetter-München 31.
Oberstetter, Hans Edgar 128/129*
Oehlenschlaeger, Adam V, 14, 13.
Oesterheld und Co. 72.
Olbrich, Hugo 74.
Omont, H. 146, 150.
Opitz 180.
Orlik, Emil 74.
Orologio, Dondi dell’ 159.
S. Oswald. 22.
Othello II, 10.
Otmar, Silvan 110; III, 11.
Ovidius 148, 160, 172 ; V, 13.
P.
Paalzow, Hanz 16.
Padeloup 37, 39.
Paganini III, 2.
Painter, Michael 66.
Pajot de St. Croie 62, 63.
Pallainolo 208.
Pancatantram 56, 59.
Panneau II, 9.
S. Pantaleon 23.
Panzer 136.
Paponsek 73.
Parceval, Caussin de 62.
Parmenides 65.
Pascal 59.
Paul, Bruno 74.
Paul, Jean 69.
Pauli, Gustav IV, 10.
Paulsen, Friedrich 20b.
Paulus IV, 11.
Le Pautre, Jean I, 3.
Pazaurek 33, 34, 36.
Pegnitzschäfer V, 17.
Penicaud II., III, 10.
Perl, Max I, 2, 4.
Perles, Adele 221.
Perotti, Nikolaus 176.
Perrault 42.
Perseus 64,
Perthes, Friedrich 197.
Peter der Gr. V, 14.
Peters 131.
Petersen 108.
Petis de la Croix 42—44, 46 — 50,
52. 53. 55—63-
Le Petit, Jean Fr. IV, 2.
Petrarca 157-160 ; V, 13.
Petri, Adolf IV, 11.
Petrucci 129.
Petrus Alphonsus 62.
Petrus Lombardus 160.
Pfistermeister, von 192.
Pfizer 187, 189.
Pfiugk-Harttung, J. v. IV, 8.
Pfuel, Ernst von V, 18.
Pfülf, Otto 11-14.
Phaeton 64, 65.
Phaidros 65.
Phelipeaux 47.
Philo 178.
Piderit, J. R. A. V, 13.
Pieper & Co., IV, 8.
Pierrot s8.
Pilätre tle Rozicr 66, 67.
Pilsburg 206.
Pirro, Antonio di 169.
Pius II. 177.
Planer-Wagner, Minna 209
Plato 65, 148, 178.
Plautus 148, 160.
Plinius 117, 159.
Plutarch 178.
Poe, Edgar Allan 72.
Poeschel & Trepte. 36; //, it;
/', 12.
Poggio 37. 38, 158, 177.
Pohle, Joseph 222.
Poire, Emanuel I, 8.
Polcelli, A. IV, 3.
Poltard, A. W. II 11.
Polwarth II, 2.
Polykarp 175.
Pompadour, Marquise von l V, 3.
Pomponius Mela 160.
Pongratz, Andr. III, 12.
Pope II, 2.
Posse 5.
Pourville 44.
Praetorius, F.mil II, 10
Practorius, Johanna II, 10.
Prean, Josephus Jacobus 48.
Premerstein, Ant. de. 150.
Prierias, Silvester 112.
Prochaska, Karl IV, 8.
Proctor 24, 137, 141, 142.
Propertius 160.
Psautier de St-Louis 150.
Ptolemäus 175.
Pudor, Heinrich 24— 26, 219— 222.
Puppini 73.
Purry-Szechenyi II, 12.
Putnam 208.
Pynson II, 12.
Q*
Quaritsch 207.
Querelles, Chevallier dt IV, 2.
Quir, F. de III, 3.
R.
Raffael II, 2.
Rahbek, Kamma V, 15.
Rahbek, Knud Lyne 210.
Rahmer , Sigismund V, 18 — 20.
Rahlwes, F. II, 9.
Raimund, Ferdinand 34, 69 ; IV , 8.
Ramberg 58, 164.
von Ransonnet 31.
Ratdolt, Erhard 142.
Rauch, Wilh. 56/57, 79-
Ravenna, Giovanni da 159.
Raymond, Pierre III, 10.
Reber-Sander, Erna 107, 108.
Recke, Elisa von der 198.
Reclam, H. H. 98 . 99.
Redwitz 191.
Reffaa-Effendi 62.
Regener, Erich IV, 13.
Reger, Philipp III, 2.
Reichardt /, 2.
Reichhold-München 79.
Reichmann, C. 207.
Reimer 187.
Reimer, Georg 109.
Reinard, M. 49.
Reinecke, Kinderlieder 135.
Reinhard, Marcus 22.
Reinhold. Karl Leonhard 197.
Reinhold & Lang 72, 73.
Reinick I, 2.
Rembrandt V, 16.
Renard 37.
Renner, taul III, 8.
Reuß. Ed. II, 9.
Reuß, Peter j. 08.
Reuter, Fritz 17.
Reynolds 208.
Riccoboni, Luigi 60.
Rtchmond, John //. 3.
Richter, Friedrich II, 9.
Richter, Ludwig 135.
Riemann 69.
Riemann, H. 126.
Kteuzi 159.
Rieu, du 146, 148.
Rinck 67.
Ritschl. Fr. Wilh. 146.
Robcspierre 198.
Rochholz. E. L. 212. 213.
Röchling, Carl III, n.
Roder, C. G. 126.
Rodin III, 9.
Rohdc 42.
Romagnesi Co.
Rommel, Otto IV, 8.
Rommey ;o3.
Ronsard V, 13.
S. Rosalia 91.
Rosenbaum, A. 68, 69, 7t.
Rosen hal-München /, 8 ; UI, 13 .
Rosetti Ul, 9.
Rossini Ul, 3.
Rostagne.^Enr. 150.
Roth, Johann 179 — 181.
Rowlandson I, 4.
Rüben, R. 72.
Rückert, Friedr. 183 — 187, 189.
Ruskin 207.
s.
Saadi 59. 62.
Saar, Ferdinand von 72.
Sachs, Hans 209.
Sachs-Berlin, 73 — 80.
Sade I, 2.
Sadeh, Scheikh 62.
Sakleim, Arthur I, t2.
Salle, Antoine de la I, to.
Salmasianus 146.
Salomo 53 — 55, 180; IV, 9.
Salomon, L. 1.
Salzberger 55.
Salzer, Anselm IV, 7.
Sandt, Emil 72.
Sardou, Victorien III, 4.
Sattler, Joseph 135.
Sauer, August 40.
Scaliger II. 180.
Scarano 160.
Scarron III, 8.
Schacht 68.
Schacht, Gust Ferd. II . 10
Schack, A. F. von 192.
Schack, H. E. V. 14-
Schahriar 51.
Scheele 67.
Scheherazade 46, 51-
Scheible-Stuttgart I, i°-
Schelling 190.
Scherenberg, Ch. Fried. 186, 193*
Scherl. August III, 14-
Schiegg, Ulbrich 66.
Schiff, Hermann 71.
Schiffmann, Konr. IV. n-
Schikaneder, Eman. 68.
Schill 5.
Schiller, Friedrich von 5*. 57
58, 61, 63. 162, 191. \92> *99
209; /, 2. 12 ; II, 9i 2» ®
IV, 7.
Schiller, Lotte von 67; I,
Schiller, Walter 41—63, 218, 221.
Schilling, Dieb. 197-
Schimper, Karl 192.
Schirlentz, Nickel n3* , ,
Schlegel, August Wilhelm 64; /,
2 ; II, 10.
Schlegel, Caroline IV, 8.
Schlegel, Fr. /, 2 ; II, 10.
Schleinitz ,0. von 205— 209 ; U, 3 >
III, 4, 10, 13 \ IV, 3 S V> 2-
Schlesinger, Max 10.
Schlössel-Leipzig, 72.
Schmeller II, 9.
Schmettow, Adelheid Amaha IV,
Schmid, C. H. I, 2.
Namenregister, Band I.
V
Schmidt, Erich 69. 70, 167, 214,
IV; 8; V, 20.
Schmidt, Fritz 26 — 32.
Schmidt (Kiamer) 67.
Schmidt von Werneuchen 192.
Schnebel, Carl 160.
Schneider, K. V, 13, 15.
Schneider, Louis IV, 14.
Schnierer, Josef 218.
Schodeler, Werner 213.
Schöffer, Peter //, 8; IV, n.
Schopenhauer III, 2.
Schorsch, S. 61
Schott, Arthur 187, 189.
Schröder, F. L. 197, 203, 204, 210.
Schröder-Göttingen IV, 12.
Schubart III, 2 ; IV, 7.
Schubert, Franz III, 2, 3.
Schüddekopf 62, 73; IV, 7.
Schueren, Gerardus de 24.
Schulz, Hans 194 — 205.
Schulz-Besser, Ernst 150 — 152 ;
V, 14.
Schulze, Berthold 70.
Schultz, Ad. 187.
Schultz, Franz I, 11.
Schumacher 179, 181.
Schumann, Paul IV, 11.
Schumann, Robert III, 3.
Schur, Ernst III, 9.
Schuster, Georg 194.
Schütz, Ch. IV, 3.
Schwab, Gustav 183, 187, 189,
214, 216, 2x7.
Schwarz, Ignaz 69.
Schwarzkopf, Joachim von 1, 2.
Schwenke, P. II, xi.
Schwerin, Freifrau von IV, 13.
Schwerin, Otto von IV, 13.
Scott, Walter II, 3; V, 14.
Sealsfield, Charles IV, 8.
Secchi, P. Angelo 222.
Seckendorf 67.
Seekatz II, 9.
Seeliger Ew. Gerh. 72.
Seemann. E. A. 32; V, 16.
Seidel 69; V, 17.
Seidel, Paul IV. i3> I4-
Seidel, Philipp III, 10.
Seidl, Joh' Gabriel IV, 8.
Seitz, Otto III, 11.
Seliger, Paul 222.
Seile, Friedr. 81 — 108.
Sem 182.
Seneca 160, 175.
Senefelder 130, 150.
Serin, Graf Niclas von 214.
Servius 148.
Sessa 71.
Seta, Lombardo della 158.
Seuffert 164, 167.
S Severin 22.
Seymour de Ricci IV, ix.
Sforza, Alexandro 174.
Sforza, G. 175.
Sforza, Ludovico (II. Moro) 159.
Shakespeare 52, 57, 206; I, 3;
II, 2. 10 ; V, 10.
Shelley II, 3.
Sickenberger IV, 13.
Siddons, Mrs. /, 3.
Sijthoff, A. W. 145-147, 149.
Silko III, 13.
Simrock, Karl 52, 187, 190.
Sinibaldi, Antonio III, 3.
Sixtus IV. 179.
Smith, Eider & Co. 207.
Smith, John III, 3.
Snell, Johann V, 15.
Solinus 160.
Somadeva 56, 59.
Someren, R. H. van 199.
Sonnenschein & Co. Swan 206.
Sonntag, Carl.jun. 36—40; V, 11.
Sotheby-London 139; I, 3 ; II, 2 ;
III, 3; IV, 3; V, 2.
Spahn, Martin 1— 10; 16 — 18.
Spamer-Leipzig 84.
Spelterini 71.
Sperling-Leipzig 90, 92, 95, 98.
Speronte 133, 134.
Speth, M. v. 71.
Speyer, Frau III, 14.
Stainberger, Joh. Bapt. 137.
Stassen, Franz III, 11.
Statius 175.
Steffens, Henrik 97, 98.
Steigenberger, Gerhoh 137—139
Stein, Frau von 67; III, 13.
Stein, Fritz von 67.
Steiner, Emanuel 115 — 120
Steiner, Hans Rudolf 212.
Steiner, Hugo (Prag) 81 — xo8.
Steiner, Joh. Rod. 212.
Steiner, Wernher 212, 213.
Steinlen, Aime 212, 213.
S. Stephan 22.
Sterne, Carus I, 4.
Stifter, Adalbert 71 ; IV, 8.
Stock, Eliot V, 3.
Stockerau 22.
Stoddards, J. /, 3.
Stöger 73. .
Stolberg- Stolberg, Luise 193.
Straparola 59.
Strauch, Ph. 214.
Strauß, Richard III, 3.
Streckfuß I, 12.
Stuck, Franz IV, 9.
Studer, G. 214.
Suetonius 150.
Sussex, Herzog von IV, 2
Sutlumene 46, 51, 52, 56, 60, 61
Sütterlin, L. V, 11.
Swift, Jonathan 65; /, 3; II, 2;
V, 12.
Swinburne III, 3, 9, 10.
T.
Tacitus 146, 148, 150; V, 13.
Talbot 32.
Talleyrand IV, 2.
Tasso IV, 3.
Tatham, Edw. H. R. 157.
Taubmann 180.
Techackert, Paul 182.
Tegner, Hans V, 10.
Tennyson I, 3; II, 3; III, 3-
Terentius 146, 148, 149, 160; IV, 3.
Tertullian 175.
Teutenberg, Adolf 67,
Theodoricus 24.
Theophilus 118, 120.
Therhoernen, Arnold 23, 24.
Thevenot 43, 47.
Thiele, Georg 150.
Thierry-Poux 140.
Thirsis Minnewit 214 — 216.
Thomas, C. 209.
Thomas von Aquino 160, 174.
Thomson, George V, 2.
Thoranc II, 9.
Thrud 71.
Thurn, Graf von 214.
Tieck, Dorothea II, 10.
Tieck, Ludwig I, 2; IV, 8.
Tiele-Winkler III, 14.
Tiemann 38.
Tille, Alex. II, 9.
Tille, Arnim 5, 8.
Tobler, L. 212, 213.
Tommaso Parentucelli 174.
Tortello, Giovanni 177.
Tory, Gottfr. III, 3.
Tolstoi, Leo 64.
Traube, Ludw. IV, 11.
Trautmann II, 9.
Trenkwald, H. v. 135.
Treuttel, Carl Friedr. III, 2.
Trowitzsch (und Sohn) -Frank¬
furt a. O. 35.
Trübner 74.
Truth 65.
Tschudi 213.
Tschudi, H. von IV, 10.
Turner 208.
Tycho Brahe V, 14, 15.
u.
Ubisch, Edgar von IV, 13.
Uccello, Paolo 208.
Ugherini III, 11.
Ugolino I, ix.
Uhland, Emma 211.
Uhland, Ludwig 69, 70, 09, 100,
187, 189, 193, 211— 217; /, 2.
Ullstein & Co. 160; IV, 8.
Ulrich, Emil 31.
Urbino, Herzog von 174, 178.
S. Ursula 23.
Uzanne 38.
V.
Valerius Maximus 160.
Vanderhoeck & Ruprecht 110.
Varro 160.
Vasari 119, 208.
Veber 43.
Vedel, A. Sörensen V, 15.
Brüder Veith-Augsburg 137.
Venus 69.
Vergilius 146, 157, 159, 175; VI, 2;
IV, 3; V, 13.
Vergilius Mediceus 146.
Vergilius (Zauberer) 55.
Verlaine 80.
Verne, Jules 71.
Verovio, Simone 129.
Vespasiono da Bisttcci 174, 175»
I77, U8-
Vestcott IV, 12.
Veth, Jan 16.
Viadu, Octavio V, 15*
Victoria, Königin I, 3.
Vierordt, Heinr. 72.
Vilion, Franqois 38.
Villey, Pierre V, 12, 13.
Visconti, Gian Galeazzo 158, 159
Vitruvius 160; II, 2.
Vitulo 175.
Vogel, H. W. 30, 31.
Vogel-Kurtz (Neuyork) 32.
Vogel-Ulrich 32.
Vogeler, Heinrich 39; I, 11.
Vogl, Joh. Nep. IV, 8.
Vogler 80.
Voigt, G. 176.
Voigtländer-Leipzig 95.
Volhard, Jacob 84.
Volkmann, Ludwig 121 — 136.^
Voltaire 67, 193; /, 2; 1 V, 3 ;
V, 13.
Voss 67.
Voullieme 144, 145.
Volz, B. G. IV, 14.
Vries, Dr. de 148, 150.
Vulpius, Christiane III, 13.
Vulturius, K. IV, 3.
w.
Wackenroder /, 2.
Wagenknecht, Karl III, 12.
Wagner, H. L. I, 2.
Wagner, Richard /, 4.
Wagner, Richard 133, 192, 209;
III, 2.
Wahrmund (Freyburg) 65.
Waiblinger 70.
Wallot, Otto II, 10.
Walton, Isaak I, 3; II, 2.
Warnfried, Paul V, 14.
Wasserzieher I, 11.
Watteau III, 4.
Watts III, 9, 10.
Weber, Carl Maria von III, 3.
Weber, Hans von 37, 38.
Wedekind, Frank IV, 9.
Wedekind, Georg Freih. von
II, 10.
Wegener, Joh. 143.
Weger, Thomas (Brixen) 138.
Weichmann I, 2.
Weidmann 60.
Weigel 182.
Weigel, Oswald 172; I, 4, 10;
1 V, 10.
Weilen 68.
Weise, Christian IV, 9.
Weishaupt, Adam 194 — 205.
Well, H. G. 72.
Wendeier, C. 216, 217.
Wenzel 172.
S. Wenzeslaus 22.
Werner, Alice 209.
Werner, Fritz IV, 13.
Werner, Zacharias 70.
Werthauer III, 14.
Werthes 58.
Wessely, Car. 150.
Westen, Walter von zur 75, 135.
Westermann, George II, 9.
Westbeim, Paul 160.
Wetterstrand, Otto 208.
Wetzel, Fr. G. /, 11.
Weule, Karl 209.
Weygand-Leipzig 164.
Whistler /, 3.
Widmann, J. v. 71, 72.
Wiegandt, Ernst 40.
Wielaad, Chr. M. 39, 67; II, 9;
V, 14.
Wieland der Schmied 65.
Wienbarg, Ludolf 215, 216.
Wiener, Richard 218, 219.
Wilde, Oskar 38.
Wilhelm I. IV, 13.
Wilhelm II. III, 14.
Wilhelm von Nassau 214, 215.
Wilkinson & Hodge V, 2.
Williams & Norgate 209.
Willibald 22.
Wilmans V, 17.
Winter-Heidelberg 72.
Wissowa, Georg 150.
Wohlrabe IV, 9.
Wolf, Ferdinand 214.
Wolf, Nie. 139.
Wolff, Elisabet 105, 108.
Wolff, O. L. B. 215, 216.
S. Wolfgang 22.
Wolkan, R. 2x4.
Worde, Wynkyn de II, 12.
de Worde, Wynken IV, 11.
Wychiff II, 3.
Wyss, Rudolf 212, 213.
X.
Xenephon Epesiacus 52.
z.
v. Zach-Gotha 201.
Zachariae, A. W. 71.
Zamagna 65, 66 (Navis aeria).
Zangemeister, Carl 150.
Zangl, Joseph 137.
Zani, Abbe 208.
Zapp, Arthur IV, 12.
Zaretzki, Otto 22—24.
Zedlitz IV, 8.
Zeiller IV, 3.
Zeissig, Hans V, 12.
Zeitler 38 — 40.
Zeppelin 72, 128/129, 135.
Ziegler, J. IV, 3.
Ziesemer, Walther III, 8.
Zobeltitz, Fedor von II, 8.
Zola I, 3; V, 11.
Zoozmann, Richard I, 12.
Zschokke 71.
A.
„Aachener Zeitungsmuseum“ 9,
10.
Ablaßbrief v. 1454 V, 14.
Academie für graphische Künste
und Buchgewerbe Leipzig,
Kgl. 87.
Achatmarmor 76.
Aerostatik 66.
,, Agent, Der“ (Zeitschrift) 65.
Ahnenkreuz, unbekanntes Jugend¬
werk A. Wenzels. 150— 152.
Akademiepreise V, 15, 16.
„Album deutscher Kunst und
Dichtung“ 100.
Album Palaeographicum 150.
Allgemeine deutscheBibliothek 68.
Allgemeine deutsche Biographie
182, 194; V, 13.
,, Allgemeine Zeitung“ (Cotta) 17.
Altbüchermarkt II, 8.
Altertumskunde, Verein für Nas-
sauische 66.
Ambrosiana (Mailand) 157, 159.
Amherster Bibliothek V, 2.
Anastatischer Druck II, 11.
Angewandte Kunst 83.
Anonyme II, 8.
Antarroman 48.
Anthologia Graeca Heidelb er-
gensis 148.
Antiphonarien 122, 128.
Aquarelle II, 3.
Arabische Quellenschriften 116.
Archiological Institute of America
148.
Ardinghello IV, 7.
„Arena“ 83.
,, Armee Friedrichs des Gr." 150.
Assisa 118.
Ätzen 30, 32.
Auktionen 171; I, 2—4; II, 2;
III, 2 — 3; IV, 2 — 3; V, 1.
Autographen 131, 133, 184, 185,
187—189, 193, 210; I, 3, 4;
II, 2, 3, 8 ; III, 2 — 4, 12 ; 1 V, 3 ;
V, 2, 14, 15.
Autographie 125.
Autotypie 25, 28, 29, 31—33, 98,
146.
Autotypieklischees 30, 31.
B.
Bachgesellschaft III, 2.
Badeplatten 28.
Ballone volante, il 69.
Baskervillesche Typen V, 15.
Basler Universitätsbibliothek 182. *
Bastpapier V, 15.
Behrens-Antiqua 36.
Berliner Abendblätter 70.
Berliner Bibliophilenabend 136.
Berliner Blau 76.
Berliner kgl. Bibliothek 77,
112— 114; III, 12, 13; IV, 8, 11.
Berliner kgl. Kunstgewerbemu¬
seum 74, 78.
Berliner Kupferstichkabinett 207.
Berliner Literatur-Archiv , Mit¬
teilungen 70.
„Berliner Lokalanzeiger“ 5, 8.
„Berliner Presse“ (Verein) 17.
Berliner Secession 77.
Berner historischer Verein, Archiv
212 — 214.
Schlagwort- Register
o o
zur
Zeitschrift für Bücherfreunde
Neue Folge. 1909/ 1910.
Die kursiv gedruckten Zahlen verweisen auf das Beiblatt.
Berner Stadtbibliothek 212.
Beschlagnahmungen II, 12;
IV, J2; V, 17, 18.
Bibel, Franz Stassen- I, 9.
Bibelausgabe. Pariser 1567 129.
„Bibliographical Society“ IV, 11.
Bibliographie universelle 62.
Bibliographisches Institut II, 9.
Bibliophilie, musikalische 121
bis 136.
Bibliothek Petrarcas und ihre
Schicksale 157 — 160.
Bibliothekar, Der (Monatsschrift)
/’.S-
Bibliothekartag, Deutscher II, 11.
Bibliothekswesen, Zentralblatt für
178.
Bibliotheque orientale (1667) 41.
Biedermeier-Wünsche 33 — 36, 74,
78.
Bildblätter 85.
Biographie universelle 47.
„Blaauwe boekjes“ 215.
Blois, Kgl. Bibliothek zu 159.
Blattgoldschnitt 156.
Blinddruck 115.
Bogennorm 162 — 166, 172.
Bolusauftrag 115, 117, 118
„Book of Hours“ II, 2 ; IV, 2 ;
V, 2.
Bookram 156.
Bordüren I, 4.
Börsenblatt /, 3; II, 12, 13;
III, 4; IV, ix, 12; V, 18.
Brahmsphantasie 121, 136.
Brailletypen V, 2.
Braunschweigisch herzogl. Biblio¬
thek I, 9.
Braunschweigisches Magazin 67.
Brevarium Benedictum III, 2.
Breviarum Othinense V, 15.
, .Briefe aus Italien“ (Goethe) 38.
Briefe von und an Uhland 211 — 217.
Briefzeichen 101.
British Museum 113, 114, 207;
II, 12 ; III, 13 ; IV, 9.
British Museum Catalogue 136,
137, 142
Bromsilb. Gelatinetrockenplatten
27—29.
Bromsilberkollodiumemulsion 28,
29.
Bucheinband, Was der Biblio¬
phile wissen muss 152 — 157.
Bucheinbände von Carl Sonntag
jun. 36 — 40.
„Bücher der Bibel“ II, 9.
,, Bücher des deutschen Hauses“
85, 87, 102.
, .Bücherlexikon" 68.
Bücherliebhaberei, Geschichte
der II, 8.
Buchgewerbehaus, Deutsches, in
Leipzig 12 1; IV, 10.
Buchgewerbemuseum in Leipzig
123—125, 130.
Buchkünstler der Gegenwart,
Deutsche 81 — 108.
Buchschmückler 83. 86.
Buchschmückung als organischer
Vorgang 83.
Buntpapier zum Umschlag 154.
Buntpapiere, moderne und ihre
Verwendung 73 — 80.
Büttenpapier und büttenartiges
75. 156, 166, 167, 170, 171J
IV, 10; V, 10.
Byzantinische Tafelmalerei 115,
117, 119, 120.
c.
„Cabinet des Fees" 42, 43,
45—5°. 61, 62.
Caxtonbibliographie IV, 11.
Caxtondruckerei ///, 3.
Chaucerausgaben 152.
Chinesisches Papier 124.
Christenspiegel 23.
Chromo — direkt 32.
Chronik 40, 222—
Chronik, Dieb. Schillingsche 213.
Claudine von Villa Bella 162, 163,
167.
Clavigo 161, 163, iU>, 167.
Codex Ambrosianus 148, 149.
Codex Bernensis 148.
Codex Dioscurides (Wien) 148.
Codex Hannoveranus 150
Codex Heidelbergensis 148.
Codex LaurentianusMediceus 148.
Codex Leidensis 150.
Codex, niederösterreichischer des
XIII. Jahrh. 18-22.
Codex Oxoniensis Clarkianus 148.
Codex Ravennas 148.
Codex Sarravianus 148.
Codex Vindobonensis 150.
Codex venetus A Marcianus 148.
Codex Vossianus 147, 150.
Collotype 142, 207.
Comeniusgesellschaft, Monats¬
hefte 297.
Concordia-Berlin 72.
„Contes de Fees“ 42.
„Contes de ma mere l'Oye“ 42.
„Contes Tartares“ 42.
„Copperfield, David“ V, 2.
Cordiale quattuor novissimorum
23-
Cottasche Ausgabe von Goethes
Werken 171, 172.
Culs de lampe 63.
D.
„Dädaleon“ 65.
„Daheim“ 70.
Delfter Mädchen 74, 77.
„Denkmäler deutscherTonkunst“
131-
Deutsche Arbeit (Verlag) 99, 102.
Deutsche Bibliothek, Allgem. 68.
Deutsche Literaturzeitung V, 19.
Deutsche Werke in englischer
Sprache 205 — 209.
„Deutscher Literaturkalender“ 8.
Deutscher Orden 177.
Deutscher Parnaß (Minckwitz) 193.
Dictionnaire historique des Hom-
mes celebres 62.
Directoire III, 9.
Discretion des Vorsatzpapieres 80.
Divina Commedia 159.
Doppeldrucke 111, 114.
Dracopie 32.
Drahtheftung 37.
Drehkarten 35.
Dreifarbendruck, Technik und
Entwicklung 26 — 32, 146.
Dresdener Abendzeitung 71.
Dresdener Kupferstichkabinett
I5I-
Druckermarken 139, 140, 143.
Druckfarben 30.
Drucktechnik als Bildmalerei 25.
E.
Ecole nationale acrostatique 7a
Ecrase 80.
Edda V, 14.
Egmont 161 — 163, 166, 170—172.
Ehefreude. Die sechzehnte I, 9.
Einblattdrucke II, ..
..Einhangen“ der Bücher 156.
Entsagen der Bücher 153.
Einzeldrucke Goethe'scher Wetke
bei Goschen (1787 — 1790)
161-173.
„Eirene“ 65.
Elias 64.
„Elixiere des Teufels“ 82. 88 ''7,
9°. 9*. 93—95. 97. 98. 101.
Email translucides 208.
Emaillierung 29.
„Erbauungsbuch, Weltliches“ 95,
98.
Erotika II, 8.
Erwin und Elmire 162, 167.
Esther, Buch IV. 9.
Eton College- Bibliothek V, 10.
Eulenspiegel, Volksbuch IV, 12.
Euphorion 194, 214.
Exlibris 83, 85, 104/105, 105 — 108.
135, 218; /, 4; II, xo.
Exlibris von Walter Schiller 218.
F.
Fächerkarten 35.
„Fachkunde für Büchersammler"
II, 8.
Faksimilia und Faksimiledrücke
20, 21, 23, 33—36. 65, 122—126,
129, 130, 133, 140, 141, 144,
147— 140, 181, 184, 185, 187—189,
222; UI, 10, 11, 13.
Faltkarten 35. _
Farbenautotypie 31.
Farbenholzschnitt 26.
Farbenlichtdruck 146.
Farbenlithographie 26.
Farbenreproduktion 26.
Farbensensibilisatoren 30.
Farbstrahlen 27. _
Fassadendekoration 24.
Faust 65, 67; II, 12; III, 11;
V, 12.
Faustfragment (von 1790) 162, 163,
166—173.
Faust-Helenasage 54.
Feinätzung 30.
Fiesoie, Bibliothek zu 174.
Figaro I, 8.
Flächengliederung im Buchdruck
24-
„Flatöbuch“ V, 14.
Fleckmittel II, 8.
Fliegender Holländer 71.
„Flora Danica-Initialen“ V, 10.
Flüssigkeitsfilter 28.
Foliodruck 110.
Forckenbecksche Sammlung, In¬
halt 10.
„Fortnightly Review“ 157.
Frankfurter Goethemuseum 172;
II, 8.
F rankfurterKunstge werbemuseura
I35-
Frankfurter Stadtbibliothek II, 12;
IV, 7.
„Frankfurter Zeitung“ 17.
Schlagwortregister. Band I.
VII
Freiligrath-Album 183.
„Fridericus Rex“ (Zeitler) 39.
Füllslücke 25.
G.
Gads Danske Magasin V, 15.
Galvanisierung der Klischees 30.
Gästebücher 38, 39.
Gebrauchsgraphik 74.
„Gelegenheitskunst“ 83.
„Gemeinnützige Wochenschrift“9.
Genghiz-Can, Histoire du grand
44.
Gerlachs Jugendbücherei 85—89,
92, 99, 103, 104, 106, 108.
Gerlachs Kinderbücherei 80
Germania 213.
„Geschichte einer Mutter“ iot,
103, 104, 106.
Geschwister, die 161, 166.
Gesellschaft der Bibliophilen 121.
Gesellschaft für Typenkunde 143.
Gesellschaft für vervielfältigende
Kunst in Wien I, 12.
Gesta Romanorum 55.
Giessener Bibliothek 67.
Gil-Blas 50.
Glanzvergoldung 117, 118.
Glasfilter 31.
Glasraster 32.
„Glückhaftes Schiff von Zürich“
(Fischart) 216.
Glückwunschkarten 8/9, 16/17,
24/25. 33-36, 36, 37, 74.
Goethegesellschaft 69.
Goethehaus (Frankfurt) II, 8.
Goethesammlung 131.
Goethes Werke, Einzeldrucke bei
Göschen 161—173.
Goldene Bulle IV, 9.
Goldgrundtechnik 116.
Goldschnitt, zur Technik des
115— 120, 156.
Götz von Berlichingen 161, 162,
163, 165.
Grauplatte 31.
Grenzboten 67.
Griffigkeit des Papiers 219.
„Grosveuor- Gallery“ III, 9.
Grundfarben 27.
Grundfarbensystem für den Drei¬
farbendruck 30.
Grundgesetz, biogenetisches 82.
Gustavmarmor 76.
Gutenbergbibel 152; V, 15
Gutenbergmuseum-Mainz IV, 11.
H
Hadernpapier (Zeitungen) 4.
Hagada 55.
Halbtonbilder 29.
Halbtondiapositive 29.
Halbtonnegative 29.
Hamburger Stadtbibliothek 113.
Hamilton- Auktion III, 3.
„Handbibliothek“ zum Zeitungs¬
archiv 18.
Handbuch der Presse 3.
Händelsammlung 131.
Handschriftenkonservierung 5.
Handschriftenverzeichnisse
Deutschlands, mittelalterliche
II, 11.
Handvergoldung 40, 41, 74, 116,
152, 153, 155.
Hannoversche kgl. öffentl. Biblio¬
thek 140.
Hannoverscher Kurier 67.
Hanseatischer Geschichtsverein-
Münster IV, 12.
Hebekarten 35.
Heidelberger Bibliothek 148.
Heiland, wiederkehrender 68.
Hell-dunkel-Kontrast 25.
Hempels Klassiker III, 8.
Heraldik I, 3.
Hermann und Dorothea 34.
Hesar Efsane 48.
Hexen, Luftfahrten der 65.
„Hie gut Württemberg allewege !“
(Jahrbuch) 211.
Himburg’sche Sammlung (Goethe)
161.
Hiob, Buch IV, 9, 10.
Histor.-pol. Blätter f. d. kath.
Deutschland 194.
Historische Wissenschaften, inter-
nat. Kongreß für /, 4.
Hochstift, freies deutsches II, 8.
Hohelied IV, 9.
Hohenzollernjahrbuch IV, 13.
Holländisches Papier (Göschen)
170— 172
Holzintarsia 155.
Holzpapier (Zeitungen) 4.
Holzschnitte 23, 24, 63, 109, 135,
140, 143 ; I, 4; II, 2 ; IV, 2, 3;
V, 2,10.
Holztafeldruck 125.
Horae ad usum Galliae II, 2.
Horae B. M. V., Deutsche Aus¬
gabe des 22 — 24.
Horn-books II, 8.
Hortus deliciarum 38.
Hradschin 84.
Hyperion (Zs.) I, 8.
Hyperion 70.
I
Ilias Homeri 148, 176.
Illinois, Universität von III, 12.
Illuminatenorden 194, 197, 199,
201, 202, 204.
Illuminiertes II, 2; III, 3 ; V, 2.
Illuministen 116.
Illustratoren 160.
Illustration 88, 92, 99, 102.
„Illustrierte Märchen“ 72.
„Imitatio Christi“ II, 3.
Imprimerie Nationale 141.
Industrieband 152, 153, 155.
Initialen 19, 21, 23, 81, 83, 85, <9
124, 128, 136, 139: I, 4, 10; II,
10 ; III, 14 ; IV, 9; V, 10.
Incunabeln 18, 24, 136 — 140, 142
bis 144; V, 15.
Innentitel 91, 97.
Inselverlag 37, 39, 63; /, 8; IV,
7, 8; V, 11.
Intimes Theater (Wien) 72.
Iphigenie auf Tauris 161 — 163, 165,
166.
Irrgarten der Liebe 38.
J
Jagdausstellung, internationale
III, 12.
Jahrbuch deutscher Nachspiele
(Holtei) 71.
Jahrbuch für Bücher- Kunde und
-Liebhaberei //, 7.
Jahrbücher der Literatur (Wien) 48.
JapanischesHandpapier2i9 ; V,\n.
Jenaer allg. Litteraturzeitung 162.
Jery und Bätely 162, 163, 173.
Jubiläumsmappe für Reclam 98.
Jude, ewiger 68.
K
Kalenderbilder 98, 99.
Kanonbild 19.
Kapitelköpfe 82, 83, 85, 95. 97, 101.
Kapitelschlüsse 85, 95, 96.
Karikaturen (Originale) I, 3, 4.
Karlsruher Künstlerbund 78.
Katalog Hauser 172.
Kattundruckerei 77.
Kaufmann von Venedig II, 10.
Kiebitzmarmor 76.
Klappkarten 35.
Klassiker, griech. und lat, nach
Hss. photographiert 145 — 150.
„Klassikerbibliothek, Deutsch-
österreichische“ IV, 8.
Klavierfrüchte 128.
Kleisterpapiere 76, 79.
Kleistertechnik 154.
Knaake-Bibliothek IV, 10.
Knaakekatalog I, 10.
Kochs Studien 70
Kollodiumemulsion 29, 32.
Kölner Stadtbibliothek 22, 23.
Kölnerschule 117.
Kölnische Zeitung 5, 8.
Komplementärfarben 27, 28.
Kongreß, internationaler für hi¬
storische Wissenschaften 1, 4.
Kopenhagener Kgl. Bibi. 198; ^,14.
Kopfleisten 83, 88, 92, 95, 96.
Kopierraster 32.
Koran 41, 55.
,, Korrespondenzen“ derZeitungen
3, 8.
Kreuz-Zeitung 193.
Kühlpsalter (Kuhlmann) 182.
Kulissenkarten 35.
Kulturgeschichtliches Allerlei /, 4.
Kunstgewerbemuseum, Kgl., zu
Berlin 74, 78.
Kunstgewerbemuseum in Frank¬
furt a. M. 135
Künstlers Erdenwallen 15 1.
Kunstmarkt I, 3.
Kupferstich (Noten) 129.
Kupferstiche 124, 128, 129, 136,
1 37, 151, 161, 163, 164, 170, 207;
/, 4; II. 3; IV, 10; V, 15.
Kupferstichkabinett , englisches
208.
L
Lanna- Sammlung IV, 10.
Lasurfarben 30.
Laurentiana 146, 148, 159.
„LebenFriedr. d.Gr.“(Kugler) 150.
Lebzeltertechnik 78.
Ledereinband, flexibler 155.
Leidener Bibliothek 148.
„LeipzigerKalenderi909“96,98,99.
Leipziger Künstlerverein, Fest¬
schrift V, 12.
Leipziger Stadtbibliothek 129.
Leipziger Tageblatt III, 2.
Leydener Papyrus 118.
, Liber sacerdotum“ 116, 117.
„Librairie Morgand“ III, 4.
Licht, farbiges 27.
Lichtdruck28, 31, 33, 145.
Lichtdruckätze 29.
Lichtfilter 28.
„Liedboekje“ (Hoorn) 214 — 2x6.
Liederchronik,eidgenössische 212,
2I3-
Liederhandschrift, Wernher Stei-
nersche 212, 213.
Lila 162, 163, 167.
Linienraster 29.
Linoleumschnitt 76.
Linzer Studienbibliothek IV, 11.
Lisztsammlung 131.
Literarisches Echo 71.
Literaturzeitung, Allgem. 68.
Lithographie 76, 78, 79, 99, 100,
106, 124 — 126, 130, 139, 150; 7,4.
Livres d’heures 22.
Lohengrin, Brautlied 133.
Lohgerbung 155.
Lübecker Frühdruck 144.
Lufifahrten in der deutschen Li¬
teratur, Die 64—73.
„Luftmaschine, die“ 68.
Lügendichtungen 65.
Lumierefarbreproduktion 32.
M
Magasin Encyclopediqne 47.
Magazin der Wissenschaften und
Lit. (Gemmingen) 69.
Magna Charta IV, 9.
Majuskeln 138, 142, 143.
,, Maltechnik“ 117.
Mannheimer Nationaltheater 204.
Mannskopfsche Sammlung 131.
„Manuel de Bibliographie“ III, 11.
Marburger Staatsarchiv V, 13.
Marciana-Venedig 174, 177.
Maria-Laach, Stimmen aus 11.
Marianne, Schwester, und ihre
Liebesbriefe 39.
Marionettentheater 64.
Marmorierkunst, türkische und
französische 77.
„Marseillaise der Geusen 215.
„März“ II, 11.
Maschinenheftung 153.
Mattvergoldung 117.
Mehrdruck 112 — 114.
Meister, die sieben weisen 62.
Memoiren Casanovas 2 ; I, 2.
Mensuralnoten 127, 129.
Menzelsammlung II, 2.
Merkur, teutscher 67.
Messingwalzendruck 78.
Meyer , Kl. Konversationslexikon
II, 9-
MikroskopischeD rucke//, 8-,V,i$.
,, Mille et une Faveurs“ 42.
„Mille et une Folies, les“ 43.
,, Mille et une Heures“, les 43.
,, Mille et un quart d'heures“ 42,
43, 60.
„Mille et une Soirees“, les 43.
Miniaturen, Miniatoren, Minia¬
turmalerei 19, 21, 115— 119, 123,
128, 135, 148, 150, 174; j, 3, 8,
10; II, 2, 12; III, 3, 13, 14; IV,
2, 9J V, 15.
Minuskeln 138, 143
„Missale mixtum Beati Isidori“
V, 2.
Missalien 124, 128.
Mitschuldigen, Die 161, 163, 165.
Modeldrucke 77, 78,
Model- und Walzenpapiere 76 — 78.
Montierung der Klischees 30.
Mopsje, das Hoornsche 215.
Mozart-Bibliothek 131.
von MülinscheBibliothek(Bern'!2i3.
Münchener Akademie der Wissen¬
schaften II, 11.
Münchener Allg. Verlagsgesell¬
schaft IV, 7.
„Münchener Bibliophile“ II, 8.
Münchener Kgl. Hof- und Staats¬
bibliothek /, 8 ; II, 8.
Münchener Kurfürstl. Bibliothek
„ 1 37 •
MünchenerNeuesteNachrichten65.
Münchener Universitätsbibliothek
lr3*
Münzenkunde /, 3.
Musenalmanach (Chamisso-
Schwab) 186, 187.
Musenalmanach (Gruppe) 184,
186 — 192.
Musikbibliothek v. Peters 131.
Musiksammlung, Deutsche, in
Berlin 122.
N
Nassauische Altertumskunde, Ver¬
ein für 66.
„The Nation“ IV, 11.
„National Lending Library for
the Blind“ V, 2.
Nationalzeitung IV, 12.
Neapeler Codex 116, 118, 119.
Nederlandtsche Gedenckclanck
214, 215.
Neubegeisterter Böhme (Kühl-
mann) 179 — 182.
Neue Freie Presse 68, 69, 71.
„Neue Rundschau“ 53.
Neumen 19, 122, 126, 127, 129.
„New Gallery“ III, 9, 10.
Nibelungenlied 209.
Niederländ. Buchausstellung in
Amsterdam V, 17.
Nieritzscher Volkskalender 191.
Nordd. Allg. Zeitung IV, 11.
Notendruck (Technik) 122 — 126.
Notenhandschriften 123, 128.
Notenschrift, Veränderungen 126
bis 127.
Notenstich 122.
Notentypendruck 126, 127, 129,131.
Nubisches Mskr. III, 13.
Nürnberger Stadtbibliothek 114.
Nürnberger Typendoppeldruck
124.
o
Ochsengalleverfahren 76, 77, 154.
Odyssee 176.
Österreichische Rundschau.
Österreichischer Verein lür Biblio¬
thekswesen 22.
Ölvergoldung 117.
„Original und Reproduktion“ Zs.
IV, 10.
Orlandos di Lasso Titelblatt 132.
Orthochromatische Platten 27.
Oxforder Buchdruck II, 11.
P
Paläographisches Album 150.
Paläographie IV, 11.
„Pan“ /. 8.
Panchromatische Platten 27.
Pantheon Litteraire 62.
Papier als kunstgewerbliches Ma¬
terial 219 — 222.
Papyros 25.
Pariser Anthologia Latina 146.
Pariser Nationalbibliothek 159.
Pariser Kgl. Bibliothek 48, 49.
VIII
Schlagwortregister. Band I.
Paullini Philos. Feierabend, Frz.
179.
Pegasus 64.
Perfektibilistenorden 194.
Pergamentmalerei 118.
Pflichtexemplare 5, 15, 16
Philologenversammlung zu Gotha
1840 146.
Phoebus (Kleist) I, 11.
Photogravüre 146.
Photolithographie 31, 146.
Photomechanik 139.
Phototypie 148.
Pigmentfarben 27, 31.
Plakate 135.
Planetenromane des XVII. Jh. 65.
Planetenremane des XIX. jh. 71.
Plattendruck II, 9.
Polieren desGoldschnitts 115 — 120.
„Politische Registratur“ in Lan-
denbach 10, 11 — 14.
„Prag zur Zeit unserer Gro߬
eltern“ 102.
Prägepapiere 75.
„ Prager Phantasien“ 99, 102.
Prager technologisches Gewerbe¬
museum V, 18.
Prediger Salomo IV, 9.
„Presse als Quelle der neuesten
Geschichte und ihre gegenwär-
tigenBenutzungsmöglichkeiten“
1 — 18.
Frißkarten 33.
Propyläenausgabe von Goethes
sämtl. Werken II, 13.
Provinzialzentrale für Zeitungen 8.
Psaligraphie 35.
Psalmen II, 9; IV, 9.
Psalterium (1457) IV, 11.
Pseudonyme II, 8.
Punkturen 109.
Punzieren des Schnittes 115, 117,
120.
„Puppenspiel“ Goethe V, 13.
Q-
Quartdruck 109, 110.
Quodlibet, Theatralisches 69.
R.
Radierungen I, 4.
Rahmenvergoldung 115, 116, 119.
Randleisten 23.
Raster 29, 32.
Raumlehre im Buchdruck 24 — 26.
„Reformationsbibliographie und
Geschichte der deutschen
Sprache“ 109, 110.
Register, Prototypographisches
II, 8.
Reichsanzeiger, Kaiserlich priv.
201.
Reichsdruckerei, Kaiserliche 141,
207.
Reichspost (Wien) 66.
„Reichszeitungsinstitut“ 9.
Reichszeitungsmuseum 1 , 4 — 9,
Reliefprägung 77.
Renaissance 115, 120; III, 3.
Reproduktionstechnik 26.
Requisiten der Biedermeier¬
wünsche 34.
Restauration III, 9.
Retusche 29—31.
Revue des Bibliotheques 146.
Revue retrospective 49.
Rheinisch-Westphälische Zeitung
70, 71.
Romantik 70, 97, 169; III, 9.
Romantik, Märchendichtung der
60.
Romeo und Julia 52; II, 10.
Rostocker Theater 68.
Rotdruck 23, 24 ; II, 10.
Rückenvergoldung, Maschinelle
J54
Ruth, Buch IV, 9, 10.
„Rylandsbibliothek“ II, 11.
s.
Sachsenspiegel IV, 9.
Santo Spirito (Florenz) Bibliothek
*74v .
Satzbild 25, 26.
Schabkunstblätter I, 4.
Schablonentechnik 76.
Schafpergameut 154.
Scherz, List und Rache 162, 163,
I73-
Schiller-Archiv 210.
Schlemihl, Peter 150.
„Schloß am Meere“ 99, 100.
Schlußornamentstück 95, 96.
Schöndruck 108, 110, in, 114.
„Schrank, Der oflne 99, 103
Schweizerchronik, Schodelers 197.
Seemanns Kunstgewerbeblatt 135.
Seitensatz 85.
SeitenzifFern 26.
„Seleduladiversarum artium“ 116.
,, Sermon von dem Ablaß“ 112.
Shakespeare-Folioausgabe V, 2.
Silhouetten II, 10.
Simplicissimus II, 10.
Sinnornament 89.
„Societe de reproduction“ etc.
II, 11.
Society for the Promotion of
Helenic Studics 148.
„Sommernacht“ 99, I02.
Spektralfarben 27.
Spitzenkarten 35.
Sprachverein, Allgem. deutscher
73-
Stammbuchblatt von Iffland 210.
Stammbücher 39 s /, 4 j III, 2.
„Standesamt“ für Zeitungen 10.
Steindruckpapiere 76, 78, 79.
Stella 162, 163.
Stempelvergoldung 115.
Stettiner Staatsarchiv V, 19.
Stoibergische Bibliothek, Fürst¬
lich, Wenigerode 113.
Straßburger Mscr. 116, 119.
Strathmore-Japan /, 10.
Streich- und Sprengpapiere 76.
Strichätzung 141.
Stuartepoche, Kunst der III, 9.
Sturm und Drang 169.
T.
Tabulaturen 126, 129.
Tafelmalerei 116 — 119.
„Tag", der I, 12.
„Tägliche Rundschau“ 8.
Talmud 55, 59.
,, Taschenbuch des Bücherfreun¬
des“ II, 7.
Tasso, Torquato 162, 163, 167,
168, 170 — 172.
Tausend und ein Tag, erste
deutsche Ausgabe 51, Co.
Tausend und ein Tag, über die
Märchen von 41 — 63.
Tausend und eine Nacht 41, 42,
44-46, 48, 51, 53, 55, 57, 62.
„Technik der Fresko-, öl- und
Temperamalerei des Mittel¬
alters“ it8.
Technik des Buchdrucks im
XVI. Jahrh. 109.
Tcilbilder (Dreifarbendruck) 27,
28.
Temperamalerei 117, 118.
Ternto 113, 114.
Testament, Altes 64. 148.
Textbilder 85.
Theatre de la Foire 51, 58, 63.
Tierformen, Stilisierte 21.
Titelblätter und Titelzeichnungen
42—44, 51, 91, 93, 9t. 97. 99.
128, 129. 132, 134, 135. 139. 140,
143, 151, 161 — 173, 18t.
„Tonic- sol-fa“ Notenschrift, eng¬
lische 126, 129.
Tragantgummi 76.
Transparentkarten 35.
Trionfo della fedeltä 131.
Triumph der Empfindsamkeit 161,
163, 166.
Trockenfilter 28.
Tübinger Gelehrte Anzeigen 68.
Tübinger kgl. Universitätsbibi.
211, 212, 214, 216.
Tudorperiode, Kunst der III, 9.
Tunk- und Marmorpapiere 79.
Türkischmarmor 76.
Type Facsimile Society 13^,142,
144, 145.
Typenalphabete 137, 139.
Typendoppeldruck, Nürnberger
124.
Typenkundc des XV, Jahrh , zur
136—I45-
U.
Überdeckungsfehler 31.
Umdruckfarbe 29.
Uncialhandschriften 146, 149, 150.
Ungerfraktur /A 13; .
Upsalacr Universitätsbibliothek
144.
V.
Vatikanische Bibliothek 146, 148,
i59i 174. 175. 178. 179-
Venetianische Einbände 116.
„Vereenigung voor Letterkundi¬
gen" ///, 12.
„Versammlung deutscher Philo¬
logen und Schulmänner ‘ (44)
109.
„Der Verschwender“ 34.
Victoriaepoche, Kunst der III, 9.
Vierfarbendruck 31.
Vignetten 63, 85, 8;, 89, 98, 99,
108, 136, 161, 163, 164; IV, 2.
Visconti. Bibliothek zu Pavia 158,
159, 178.
Vögel, die (Goethe) 161, 163, 166.
Volksbühne 64.
Vorsatz, Vorsatzpapier 48)49, 64/65,
72/73» 79/So, 154, 156; IV, 10,
II.
Vossische Zeitung 73; Illy 13.
w.
Wachstafelkladdebuch V, 14.
Wallraf-Richartz-Museum III, 11.
Watteau-Stiche /, 3.
Weihnachtsevangelium des Lukas
39. 40.
Weimarer Au-gabc von Goethes
Werken 161, 164, 166, 167;
/// 10.
Weimarisches Jahrbuch für
deutsche Spr., Lit. und Kunst
214.
Weimarer I utherausgabe 110.
Werkschulbücher 116.
Werther» Leiden t6i — 164; V, 13.
von zur Westensche Sammlung
rsx.
Westermanns Monatshefte 7t.
Weygandsche Buchhandlung
(Leipzig) 164.
Widerdruck 10-) — zu.
WienerFideikommißbibliothek 69-
Wiener Jahrbücher der 1 it. 48.
Wiener K.. K. Hofbibi. othek 18,
48, 148. 150, 210; f/', 9.
Wiener kaufmännischer Verein
Wiener Kongreß 34.
Wiener Musenalmanach 69.
Wiener Volkstheatcr 69.
Wiener „Zeit“ 69
Wilhelm, Meister ///. 10.
Wochenschrift, internationale für
Wissenschaft. Kunst und Tech¬
nik 1 ; V, 16.
Wochenzeitung, Deutsche für d.
Nicderl. und Belgien V, 17.
Woellmer-Antiqua //, 10.
WoeflTenbüttlcr Archiv /, 9.
Wolfenbüttler herzogl. Bibliothek
1 *3-
Wooley Photographs 142, 144.
„Worte Napoleons“ 47.
Wörterbuch der Bücherkunde
II, 8.
Wunderhorn, Des Knaben 316
217 ; I, 2 j /V, 8.
X.
Xenien 67.
Y.
Vilditz-Palast II, 11.
z
Zapon, Zaponierung 5 — 9, 15—17
Zauberflöte 194.
Zeitschrift d. deutschen morgen¬
ländischen Gesellschaft 55.
Zeitschrift f. Bücherfreunde 135.
Zeitungsarchiv 18.
Zeitungsmuseen, über 1 — 18.
„Zeitungsmuseum, Das“ ; Zeit¬
schrift f. Zeitungswesen 10.
Zeitungswesen, Deutsches (Ge¬
schichte) 1.
Zentralbibliothek für Blinde V, 2,
GrafZeppelinmarsch(Titel)i28 129.
Zierbuchstaben 143.
Zierleisten 83. 85, 89, 92, 143 ;/, 4.
Zinkdruckrotationsmaschine 125.
Zinkographie 146.
Ziselierung des Schnitts 115.
Zornscher Luftballon 135.
Zugkarten 35.
Zukunft /, 2.
Züricher antiquarische Gesell¬
schaft, Mitteilungen 213.
Zwitterdrucke in derReformations-
zeit 109 — 114.
Über Zeitungsmuseen
von
Dr. Stephan Kekule von Stradonitz in Groß - Lichterfelde.
ie Geschichte eines Volkes
ist in seinen Zeitungen zu
finden, hat kein Geringerer
als der englische Ge¬
schichtsschreiber Macau-
lay gesagt, und schon im
Jahre 1795 schrieb der
Königlich Großbritanni¬
sche und Kurfürstlich
Braunschweigische Ge¬
heime Kanzlei- und Lega¬
tionssekretär in Berlin,
^später Ministerresident in Frankfurt a. M., Joachim
von Schwarzkopf, in einer zu Frankfurt erschie¬
nenen Schrift „Über Zeitungen“: „Nur die Un¬
kunde kann eine solche Quelle verschmähen.
Einzelne Blätter haben oft einen so ausgezeich¬
neten Wert, daß deren Verlust für die Ge¬
schichte beinahe unersetzlich wäre. Von ge¬
wissen Hauptereignissen, von Papstwahlen,
Kaiserkrönungen usw. sind die Zeitungen oft die
einzigen archivarischen Depositäre.“ Auch L.
Salomon hat in seiner „Geschichte des deutschen
Zeitungswesens“, Oldenburg 1900 — 1906, man¬
ches gute und zutreffende Wort über den
Wert der Presse als Geschichtsquelle gesagt
Allein diese und andere Rufe verhallten, in
Deutschland wenigstens, ungehört.
Nun hat ganz neuerdings Dr. Martin Spahn,
ordentlicher Professor der neueren Geschichte an
der Universität zu Straßburg i. E., und zwar beim
z. f. B. 1909/1910.
letzten „Internationalen Kongreß für historische
Wissenschaften“ zu Berlin (6. — 12. August 1908)
unter dem Titel: „Die Presse als Quelle der
neuesten Geschichte und ihre gegenwärtigen
Benutzungsmöglichkeiten“ einen trefflichen und
anregenden Vortrag gehalten, der mittlerweile
in der „Internationalen Wochenschrift für Wissen¬
schaft, Kunst und Technik“, Beigabe zur „Mün¬
chener Allgemeinen Zeitung“, 2. Jahrgang, No. 37
und 38 vom 12. und 19. September 1908 in er¬
weiterter Form erschienen ist.
Der Widerhall, den dieser Vortrag und die
in ihm enthaltene Forderung eines „Reichs¬
zeitungsmuseums“ bei der Presse selbst gefunden
haben, läßt es gegenwärtig als aussichtsreicher
wie früher, erscheinen, von dem Werte nicht
nur der Zeitungen für die Wissenschaft, sondern
auch von der Notwendigkeit ihrer Sammlung,
Aufbewahrung und Erhaltung zu sprechen.
Manches, was mit diesen Dingen im Zu¬
sammenhänge steht, hat mein Nachdenken seit
Jahren beschäftigt. Insofern meine Arbeiten
sich auf dem Gebiete der Familiengeschichts¬
forschung bewegten, hatte es mir nämlich nicht
verborgen bleiben können, daß die alten Zei¬
tungen, um zunächst von diesen allein zu reden,
wobei unter „alt“, aus zweierlei nachher ersicht¬
lichen Gründen, die Zeit vor 1848 oder 1860
verstanden werden mag, als Quelle für die
Familiengeschichtsforschung von unschätzbarem
Werte sind. Und zwar kommen in den „alten“
1
2
Kekule, Über Zeitungsmuseen.
Zeitungen hierfür nicht nur die Familiennach¬
richten im engeren Sinne, also die Nachrichten
über Geburten, Vermählungen und Sterbefälle,
sondern auch Familiennachrichten im weiteren
Sinne, wie Nachlaßteilungen, Erbschaftsprozesse
usw., und endlich die personalgeschichtlichen
Nachrichten, wie Ernennungen und Beförde¬
rungen, Entlassungen vom Amte, Eigentums¬
verkäufe, Zwangsversteigerungen, Bekannt¬
machungen über Aufgebote Verschollener, Un¬
glücksfälle, Bestrafungen, sonstige Prozeßnach-
richten usw. usw. in Betracht. Kurz — und das
ist eine von vornherein wichtige Feststellung
gleichgültig, von welchem Gesichtspunkte der
Benutzung der Zeitungen aus sie gewonnen
wird — es ist nicht ausschließlich der amtliche
und der sogenannte „redaktionelle“ Teil der
Zeitungen, der wichtig ist, sondern teilweise
auch der Anzeigeteil.
Die Erkenntnis über den Wert der alten
Zeitungen für personalgeschichtliche Unter¬
suchungen ist nun ebenfalls keineswegs neu.
Ich verweise zum Belege hierfür nur auf eine
Stelle in der Einleitung zu F. W. Bartholds
Buch „Die geschichtlichen Persönlichkeiten in
Jacob Casanovas Memoiren“ mit dem Unter¬
titel: „Beiträge zur Geschichte des achtzehnten
Jahrhunderts“ (Berlin 1846, Verlag von Alexan¬
der Duncker), wo es (Bd. 1, S. 5f.) heißt: „es
bietet aber neben den allgemeinen Hilfsmitteln
der Geschichte, Genealogie, Chronologie und
den Encyklopädien und Zeitungen, die Gegen¬
seitigkeit und die soziale Befreundung der Nota-
bilitäten des XVIII. Jahrhunderts einen so un¬
übersehbaren Stoff für diese Art der ver¬
gleichenden Kritik . daß man bei einigem
Geschick und literarischer Spürkraft auch weni¬
ger bedeutende Personen jener Tage während
ihrer ganzen Bahn fast polizeilich im Auge be¬
halten kann, ohne gerade die französischen
Zeitungen, die Leidener, den Reichspostreiter,
die Fremdenlisten und Gerichtsakten zu Hilfe
zu rufen.“
Für kultur-, kunst- und kunstge werbe - ge¬
schichtliche Zwecke war ich ebenso zu der
Überzeugung von der Bedeutung der Zeitungen
allgemein einerseits, von der Bedeutung nicht
nur ihres amtlichen und redaktionellen, sondern
auch ihres Anzeigeteils andrerseits gelangt.
Als „Bibliophile“ hatte ich bei Arbeiten auf
den vorbezeichneten Gebieten reichlich Gelegen¬
heit, mich von der Mangelhaftigkeit der Be¬
nutzungsmöglichkeiten hinsichtlich alter Zei¬
tungen, selbst in den größten öffentlichen Bücher¬
sammlungen Deutschlands zu überzeugen. Ich
hielt aber meinerseits die Zeit noch nicht für
gekommen, diese P'ragen zur Sprache zu bringen,
und begnügte mich mit dem Sammeln von
Stoff dazu. Auch dieses seit Jahren. Nun hat
Spahn das unleugbare Verdienst, sie von einem
besonderen Gesichtspunkte aus in Pluß gebracht
zu haben, nämlich von dem der Erforschung
des innerpolitischen Lebens, der Geschichte der
öffentlichen Meinung und der politischen Par¬
teien. Dieser Gesichtspunkt ist offenbar un¬
gleich wichtiger, als der Schwarzkopfs, und
nähert sich anscheinend der Ansicht Macaulays.
Er ist aber sicher ebenso ungleich wichtiger,
als der Gesichtspunkt des Kultur-, Kunst- und
Kunstgewerbe-Historikers, des Biographen und
des F amiliengeschichtsforschers.
Diese Seite der P'rage ist so bedeutsam, der
Schwierigkeiten sind unleugbar so viele, daß
eine Beleuchtung von den verschiedensten Seiten
her eintreten muß.
Das deutsche Zeitungswesen ist, so führt
Spahn aus, in seiner gegenwärtigen Entfaltung
ein Erzeugnis der Jahre 1859 bis etwa 1890.
Von 1859 an erblühte die Presse ungehindert.
Ihre bevorzugte Aufgabe war von nun ab, un¬
ermüdlich und erfolgreich die öffentliche Mei¬
nung zu bearbeiten, den Gefühlen, die in der
Nation aufwallten, den Bestrebungen, durch die
die Nation politisch und sozial vorwärts will,
überall Gehör zu verschaffen. Darüber ver¬
banden sich die Zeitungen aufs engste mit den
politischen Parteien und wurden gleichsam Or¬
gane — das Wort nicht nur im übertragenen
Sinne genommen — der Parteiverbände, auf
deren Tätigkeit der Lebensprozeß der Parteien
wesentlich mitberuhte. Dieser Zusammenhang
von Presse und Partei ist für das Wachstum
der deutschen Presse bis zur vollen Entfaltung
von der größten Bedeutung.
Wenn Spahn dabei allerdings einflicht, daß
sich „nach dem Jahre 1890 der Zusammenhang
von Presse und Partei anscheinend wieder ge¬
lockert hat,“ so ist das eine Ansicht, die ich
für meine Person, nach eigenen Beobachtungen,
nur für bedingt richtig ansehen kann, doch
kommt hierauf in diesem Zusammenhänge
wenig an.
Kekule, Über Zeitungsmuseen.
3
Es soll aber bei dieser Gelegenheit der Um¬
stand wenigstens berührt werden, daß seit dem
Jahre 1890 etwa neben die große Zahl der
Nachrichtenblätter, die zugleich politische Blät¬
ter sind, und neben einige große „unabhängige“
Zeitungen, eine erhebliche Anzahl „parteiloser“
Blätter („General -Anzeiger“) getreten ist, die
selbstverständlich für die Geschichte der Par¬
teien ohne Wichtigkeit sind, aber in bezug auf
Kultur-, Kunst- und Kunstgewerbegeschichte,
Geschichte der öffentlichen Meinung usw. ebenso¬
große Bedeutung beanspruchen können1. Das
Verhältnis der „politischen“ Blätter zu den Par¬
teien hat sich meines Erachtens seit 1890 nicht
verschoben.
Nachdem Spahn so das Wechselwirken
zwischen Partei und Presse und die gegenseitigen
Beziehungen zwischen der Geschichte der Par¬
teien und der Geschichte der Presse sehr gut
dargestellt hat, schildert er, davon ausgehend,
die Presse aber immer nur als Quelle der inner¬
politischen Geschichte ins Auge fassend, sehr
anschaulich die inneren, im Wesen der Sache
liegenden Schwierigkeiten, die sich dem Ver¬
treter der neueren Geschichte, wenn er die
Presse als Quelle benutzen will, entgegentürmen.
Er steht einer ungeheuren Menge von Stoff
gegenüber, mit dem er vorerst gar nichts an¬
zufangen weiß.
„Es ist,“ so sagt Spahn, „völlig unmöglich,
die nach Hunderttausenden und Millionen zäh¬
lenden bedruckten Blätter großen und größten
Formates, welche die Presse der Forschung dar¬
bietet, sämtlich durchzusehen. Eine Auswahl
zu treffen ist unvermeidlich. Für eine solche
Auswahl aber sowohl, wie auch für die dem
Forscher aus jeder Zeitung entsprudelnde Über¬
fülle von Einzelheiten, Nachrichten und Urteilen
fehlt es vorderhand an zureichenden Kriterien
der Sichtung und Bewertung. Die Verbindung
zwischen Presse und Partei in Deutschland ist
eine primäre, deshalb sind diese Kriterien erst
in langer Beziehung zu suchen.“ Deshalb muß,
„außer bei Forschungen durch Meisters Hand,
auf die Benutzung der Presse vorläufig ver¬
zichtet werden, wo es sich um Beiträge zu
nationalgeschichtlichen oder gar noch über das
nationalgeschichtliche Gebiet hinausgehenden
Problemen allgemeiner Art handelt. Für solche
umfassende Untersuchungen muß die Presse
als wissenschaftliches Werkzeug erst brauchbar
gemacht werden. Ihr selbst, der Klarstellung
ihrer eigenen Entwicklung und in Verbindung
damit der Geschichte unserer Parteien müssen
unsere gemeinsamen Anstrengungen demnächst
gelten. Dabei ist aber zu beachten, daß auch
die Geschichte der Parteien in wesentlichen
Zügen noch ebenso unklar ist wie die der Presse“.
Und weiter: „Beide müssen gleichzeitig und
können auch nur die eine durch die andere
aufgehellt werden, denn beide sind miteinander
geworden und ihr Wachstum hat sich gegen¬
seitig bedingt. In beiden Fällen haben wir es
mit sehr verwickelten und regelmäßig genau zu
analysierenden geschichtlichen Gebilden zu tun.
Jede Partei beruht auf dem Zusammenwirken
oder ringt mit dem Gegeneinanderwirken man¬
nigfaltiger Bewegungen in der Bevölkerung, und
ihre Politik unterliegt fortwährend dem Wider¬
spiel vielfach auseinanderstrebender Persönlich¬
keiten. So ist auch an dem Inhalte einer Zei¬
tung das persönliche geistige Eigentum der
Zeitung, die Beiträge der Redakteure und der
ständigen Korrespondenten, von dem zu unter¬
scheiden, was sie aus vervielfältigten Korrespon¬
denzen aufnahm und aus anderen Blättern
ausschnitt, sowie von dem, was ihr einerseits
aus offiziösen Quellen im Verborgenen zufloß
und was ihr andrerseits aus der Partei durch
gelegentliche Mitarbeiter, vorzüglich aber durch
führende Männer zukam. Namentliche Zu¬
weisungen sind, sofern sie erfolgen können, da¬
bei regelmäßig von großem Werte.“ Und ferner:
„Je vollkommener eine Zeitung gewissermaßen
in ihre organischen Bestandteile aufgelöst werden
kann, je besser es gelingt, jeden einzelnen zu
isolieren, desto verwendbarer wird sie als ge¬
schichtliche Quelle. Denn in demselben Maße
wird es möglich, da sich Presse und Partei ja
niemals decken, nur gegenseitig illustrieren, die
Art ihrer Beziehungen, die Umstände und die
Schranken ihres Einflusses aufeinander klar zu
1 In dem „Alphabetischen Verzeichnis“ der „politischen, lokalen, Anzeige-Blätter und dergl.“ (von dem also die
„Fachzeitschriften und Verwandtes“ ausgeschlossen sind) in Joseph Kürschners „Handbuch der Presse“, Berlin, Eisenach,
Leipzig 1902, Vierter Teil, II, nehmen die deutschen parteilosen Zeitungen allein 283/4 Spalten zu je 80 Zeilen ein. Das
vorbezeichnete Werk ist für manche einschlägige Fragen noch heute unübertroffen. Für vielerlei Ausführungen in der
vorliegenden Darstellung hat es als Unterlage gedient.
4
Kekule, Über Zeitungsmuseen.
bestimmen, beide für die Zwecke wissenschaft¬
licher Untersuchung deutlich voneinander ab¬
zurücken. Damit werden wir instand gesetzt,
vergleichend, wie alle unsere methodologische
Tätigkeit in letzter Zeit ist, der Presse für die
Partei und dem Parteileben für die Presse
die Kriterien zu entnehmen, mit deren Hilfe
wir sowohl die aus den Zeitungen, wie auch
die aus dem Parteileben uns zuströmenden
Einzelnachrichten und Einzelurteile sichten und
bemessen können.“ Und endlich: „Werden wir
erst mit unsern preß- und parteigeschichtlichen
Untersuchungen weiter fortgeschritten sein und
der Presse dadurch als geschichtlicher Quelle jene
Geschmeidigkeit verliehen haben, die unseren
anderen Quellen schon eigen, so ist kaum zu
zweifeln, daß sie allen Geschichtschreibern
der jüngsten Geschichte die wertvollste Quelle
von allen werden wird. Sie hat Vorzüge, in
denen keine andere Quellengattung mit ihr wett¬
eifern kann. Ihr Nachrichtennetz ist unver¬
gleichlich dicht und fast lückenlos. Unzählige
wichtige Vorgänge bringt sie, fast sogleich nach¬
dem sie sich vollzogen haben, unter der Wir¬
kung verschiedenartiger Beleuchtung von allen
Seiten her. Vor allem aber ist die Presse außer¬
ordentlich sensibel. Kaum daß sich im Volks¬
oder Staatsleben ein neues regt, daß die ersten
feinen Ursprünge einer kommenden nationalen
Bewegung tropfenweise zu fließen beginnen,
reagiert die Presse darauf. Was gäben wir
darum, die Vorbereitungen gewaltiger nationaler
Begebenheiten unserer nationalen Vergangen¬
heit von der Art der Reformation genau fest¬
stellen zu können! Für die ähnlich starken all¬
gemeinen Bewegungen des XIX. Jahrhunderts
werden wir dank der Presse schwerlich dasselbe
Bedauern zu empfinden brauchen.“
Ich kann den geistvollen Ausführungen
Spahns nur im wesentlichen zustimmen, wes¬
halb ich mir auch erlaubt habe, sie zum Teil
wörtlich anzuführen.
Jedenfalls für die Geschichte der inneren
Politik seit etwa 1850, die durch die Parteien
entscheidend beeinflußt worden ist, und, wenn
nicht alles trügt, auch weiter entscheidend be¬
einflußt werden wird, ist die Presse die vorzüg¬
lichste Geschichtsquelle und wird es auch für
die Zukunft sein, soweit man überhaupt die
weitere Entwicklung der Dinge vorauszusehen
vermag.
Daraus ergibt sich nun von selbst die drei¬
fache Forderung, daß die Erzeugnisse der Presse
seit mindestens 1850 in geeigneter Weise dau¬
ernd erhalten und vor Vernichtung geschützt,
daß sie gesammelt, vereinigt und zusammen¬
gefaßt, daß sie endlich der wissenschaftlichen
Benutzung leicht zugänglich gemacht werden.
Wie sieht es nun, diesen Forderungen gegen¬
über, damit gegenwärtig aus, mit anderen Wor¬
ten: wie sind die gegenwärtigen und, bis zur
Schaffung neuer Einrichtungen und Maßnahmen,
zukünftigen äußeren Bedingungen für eine
Sammlung, Erhaltung und wissenschaftliche Be¬
nutzung der Presse ?
Die Antwort fällt, auch abgesehen von dem
sehr wichtigen Gesichtspunkt des Sammelns und
Aufbewahrens, trübe genug aus.
Seit der Mitte des XIX. Jahrhunderts, unge¬
fähr dem gleichen Zeitpunkte also, in dem die
Presse anfängt, für die innere Geschichte und
namentlich die Geschichte der Parteien, wichtig
zu werden, werden die Zeitungen allgemein auf
Holzpapier und nicht mehr auf Hadernpapier,
jedenfalls nicht auf reines Hadernpapier, ge¬
druckt. Das Holzpapier weiht aber den auf¬
gedruckten Inhalt der Zeitung nach kurzer Zeit,
höchstens 2 — 3 Menschenaltern, der Vernich¬
tung. Dieser Vernichtungsprozeß kann zwar
durch sachgemäßes Auf bewahren, d. h. ein
solches, das möglichst vor Feuchtigkeit und
Luftzutritt, völlig vor Licht schützt, eine Weile
aufgeschoben, nicht aber verhütet werden. Die
Gefährlichkeit des Lichts für das Holzpapier ist
eine so große, daß die wissenschaftliche Be¬
nutzung, wenn sie erst mehrere Jahrzehnte nach
Erscheinen der betreffenden Nummern und in
größerem Umfange erfolgt, trotz der geschützte¬
sten Aufbewahrung in der Zwischenzeit, nur
mit dem Zerfall des Papierstoffes und damit
der Zerstörung der betreffenden Nummern er¬
kauft werden könnte.
Spahn fordert deshalb für die Zukunft und
das von ihm vorgeschlagene „Reichszeitungs¬
museum“, daß von jeder Zeitung, die in diesem
Museum aufbewahrt werden soll, mindestens
je zwei Stück auf beständigem, nämlich holz¬
freiem Papier gedruckt werden sollen, das heißt,
er forderte dieses in seinem mündlichen Vor¬
trage vor dem Historikerkongreß. In dem er¬
weiterten Abdruck des Vortrages kann ich die
Stelle nicht finden. Wahrscheinlich hat sich
Kekule, Über Zeitungsmuseen.
5
Spahn zwischen Vortrag und Abdruck von der
Undurchführbarkeit dieser Forderung überzeugt
Ich habe mich, um ein Bild von der Mög¬
lichkeit und den Kosten einer solchen Maßregel
zu bekommen, mit dem „Berliner Lokal -An¬
zeiger“ in Verbindung gesetzt, und folgende
Auskunft erhalten.
Um die gewünschten Sonderabzüge des
Blattes auf holzfreiem Papier täglich herstellen
zu können, müßte zunächst holzfreies Papier in
Rollen beschafft werden. Nachdem die ein¬
zelnen Formen die, für die gewöhnliche Aus¬
gabe erforderliche, Auflage ausgedruckt haben,
müßten die, bis dahin benutzten Rollen des ge¬
wöhnlichen Papiers gegen die Rollen des holz¬
freien Papiers ausgewechselt werden. Die
Drucklegung auf einer Schnellpresse würde gar
nicht durchzuführen sein (folgt nähere Begrün¬
dung und Angabe, wie es gemacht werden
könnte). Die Arbeit wäre eine sehr schwierige,
die störend auf den sonstigen Betrieb einwirken
würde und die Gesamtkosten der beiden holz¬
freien Exemplare würden sich allein für den
„Berliner Lokal -Anzeiger“, also abgesehen von
den anderen Erzeugnissen des August Seheri¬
schen Verlages, auf fünfzig Mark täglich stellen.
Fünfzig Mark täglich, das sind 18250 Mark
jährlich. Mit dieser Feststellung, die allerdings
in bezug auf eine hinsichtlich der Sonntags¬
nummer ganz besonders umfangreiche, aber
hinsichtlich der Wochentagsnummern nicht
einmal so besonders umfangreiche Zeitung,
getroffen wurde, ist also der Gedanke, die Zei¬
tungen zu veranlassen, täglich je zwei (oder
drei; zwei „Pflichtexemplare“ für das „Reichs¬
zeitungsmuseum“ ein Exemplar für den Verlag
selbst!) auf holzfreiem Papier herzustellen, ein¬
fach erledigt. Es ist klar, daß man die Zeitungen
nicht zwingen kann, diese Herstellung auf eigene
Kosten vorzunehmen. Ebenso klar, daß ein
„Reichszeitungsmuseum“ derartige Kosten nicht
würde tragen können, denn die gesamten lau¬
fenden Ausgaben hierfür würden sich, bei nur
dreißig verschiedenen Zeitungen auf über
500000 Mark jährlich belaufen. Die erst¬
erwähnte Einrichtung würde überdies nur durch
Gesetz, und zwar durch ein Reichsgesetz, durch
eine reichsgesetzliche Regelung von Verpflich¬
tungen, Pflichtexemplare auf holzfreiem Papier
zu liefern, erfolgen können und daß ein der¬
artiger Gesetzes Vorschlag, nach dem Vorstehen¬
den, unter keinen Umständen auf Annahme im
Reichstage würde rechnen können, erscheint
mehr als gewiß. Außerdem würde aber eine
zukünftige Herstellung der Zeitungen auf holz¬
freiem Papier für die Erhaltung der Zeitungen
von rund 1850 bis zum Augenblicke der Verkün¬
dung des betreffenden Gesetzes auch gar nichts
mehr helfen und gerade für die Zeit von 1859
bis 1890 sind ja die Zeitungen, nach Spahn,
für die Ergründung der inneren Geschichte
Deutschlands und der Geschichte der Parteien
ganz besonders wichtig.
Es gilt also, auf ein anderes Mittel zur Er¬
haltung des Vorhandenen seit der Zeit der An¬
wendung des Holzpapiers und des Zukünftigen
zu sinnen, und das scheint mir die Grundlage
für alle weitere Überlegung zu sein.
Ein solches Mittel ist nun in der Tat bereits
vorgeschlagen worden, und zwar zum ersten
Male, wenn ich nicht irre, von Dr. Armin Tille,
in der „Kölnischen Zeitung“, Nr. 715 vom
12. September 1899. Es ist die Verwendung
von „Zapon“.
Dieser farblose, dickflüssige Lack, eine Lö¬
sung von Zelluloid in Amylacetat und Aceton,
liefert einen durchsichtigen, nicht spröden, aber
sehr harten , kaum mit dem Fingernagel ritz¬
baren Überzug, der eine Biegung verträgt, da¬
bei nicht rissig wird oder abspringt, sich auch
niemals trübt und an den Gegenständen, auf
denen er angebracht wurde, kaum sichtbar ist.
Er haftet auf Holz, Metall, Papier und Perga¬
ment. Holzstoffpapier wird durch ihn dauernd
haltbar. Die Anbringung ist einfach und ver¬
hältnismäßig billig. Für die Erhaltung alter und
wertvoller Handschriften ist die „Zaponierung“
bereits vielfach in Gebrauch. Näheres hierüber
ist den Schriften von Posse, Handschriften¬
konservierung, und Schill, Anleitung zur Er¬
haltung und Ausbesserung von Handschriften
durch Zaponimprägnierung, beide zu Dresden
1899 erschienen, zu entnehmen.
Damit ist die Frage, wie die auf Holzpapier
gedruckten Zeitungen der letzten Menschen¬
alter und der Zukunft vor dem Verderben
dauernd bewahrt werden können, beantwortet.
Für die vorhergegangenen Zeiten erledigt sie
sich, da das holzfreie Papier jener Zeiten be¬
kanntlich außerordentlich dauerhaft und, bei
sachgemäßer und zweckentsprechender Auf¬
bewahrung, fast unverwüstlich ist.
6
Kekule, Über Zeitungsmuseen.
Immerhin scheint mir auch bei Anwendung
dieses Erhaltungsmittels die Kostenfrage im
allgemeinen und die Art und Weise, wie die
„Zaponierung“ vorzunehmen ist, auf die ich hier
nicht näher eingehen kann, darauf hinzuweisen,
daß in einem Zeitungsmuseum nicht eine fort¬
währende „Zaponierung“ der vollständigen Jahr¬
gänge aller aufbewahrungswürdigen Zeitungen
vorgenommen werden kann, daß vielmehr eine
Auswahl, sei es nach Nummern, sei es nach
Bestandteilen des einzelnen Blattes, stattfinden
müßte.
Damit gelange ich zu der zweiten Frage,
die eine eingehendere Erörterung verdient, als
sie ihr von Spahn zuteil geworden ist, der Frage,
was von den Zeitungen gesammelt, erhalten
und dauernd aufbewahrt werden muß.
„Gesammelt sollten in Zukunft alle Zeitungen
werden. Blätter rein lokaler Bedeutung sind
sofort von dem Plane eines Reichszeitunrrs-
o
museums auszuscheiden.“ „Damit wären dann
aber auch die Möglichkeiten einer Auswahl er¬
schöpft, alle übrigen Zeitungen sind für die
Vereinigung im Reichszeitungsmuseum in Aus¬
sicht zu nehmen.“ Das sind die Leitsätze, die
sich bei Spahn finden.
Auf das „Reichszeitungsmuseum“ selbst
komme ich weiter unten.
So einfach und so allgemein, wie von Spahn,
lassen sich aber meines Erachtens die , hier
gleich grundsätzlich klarzustellenden, Fragen
nicht beantworten.
Um zu richtigen Antworten zu gelangen
wird man:
1. allgemein sich den theoretischen und ide¬
alen Zustand zu vergegenwärtigen suchen müssen,
der zu erstreben;
2. ebenso allgemein Zusehen müssen, was
hiervon praktisch durchführbar und erreich¬
bar ist;
3. weiter sich klar zu machen haben, womit
etwa zu beginnen wäre;
4. speziell, um zur Beantwortung dieser drei
Fragen gelangen zu können, als Vorfrage, sich
einerseits die Arten vor Augen führen müssen,
die bei den Zeitungen sachlich zu unterscheiden
sind, andrerseits die Teile, in die jede Zeitung
inhaltlich zerfällt.
Über die zur Erledigung dieser Vorfrage
in Betracht kommenden Gesichtspunkte, hat
sich Dr. Armin Tille in trefflicher Weise am
16. März 1908 in einem Vortrage im Gewerbe¬
verein zu Dresden (Bericht über das Vereins¬
jahr 1907 — 1908 des Gewerbevereins zu Dres¬
den, Dresden 1908, S. 71 ff.) geäußert.
Sachlich unterscheidet er: allgemeine poli¬
tische Parteiblätter für das ganze Sprachgebiet.
Provinzialzeitungen und Ortszeitungen. Diese
Dreiteilung ist nach ihm, wie auch unzweifelhaft
richtig ist, seit der Mitte des XIX. Jahrhunderts
an die Stelle der alten Zweiteilung zwischen
Zeitungen und Intelligenzblättern getreten.
Nun ist es ja ganz gewiß richtig, daß für
die Erforschung des innerpolitischen Lebens, der
Geschichte der öffentlichen Meinung und der
politischen Parteien nur die allgemeinen poli¬
tischen Parteiblätter für das ganze Sprachgebiet
und die großen Provinzialzeitungen in Betracht
kommen, nicht aber die kleinen Provinzial¬
zeitungen und die Orts- (und Kreisleitungen-
Die vorbezeichneten Zwecke erschöpfen aber
die Bedeutung der Zeitung keineswegs, und,
wenn man die kultur-, kunst-, kunstgewerbe-,
orts-, familien-, personal- und, was sehr wichtig
ist, wirtschaftsgeschichtlichcn Seiten der Frage
mit würdigt und überhaupt einmal die „Auf¬
bewahrungsfrage“ ins Auge faßt, und an „ganze
Arbeit“ denkt, zeigt sich sofort, daß auch die
„Blätter von (bloß) lokaler Bedeutung“ der Auf¬
bewahrung und Erhaltung nicht so ohne wei¬
teres und von vorneherein entzogen werden
dürfen. Daß man vielmehr, da eine oder we¬
nige „Aufbewahrungszentralen“ das alles, aus
Gründen des Raumes, nicht aufbewahren können,
an eine Verteilung und verschiedene Orte der
Aufbewahrung wird denken müssen (siehe
unten).
Etwas anders fällt das Ergebnis aus, wenn
man den Inhalt der einzelnen Zeitung ins Auge
faßt. Inhaltlich sind in jeder modernen Zeitung,
wie Tille gleichfalls sehr zutreffend ausgeführt
hat, drei ihrem Wesen nach grundverschiedene
Dinge vereinigt: Leitartikel und alle politische
Kritik; Nachrichten von Ereignissen und alle
Kundgebungen zur Beeinflussung der öffent¬
lichen Meinung (beides als „redaktioneller Teil“)
persönliche Mitteilungen (wirtschaftlicher Art
und Familiennachrichten) und Annoncen („In¬
seratenteil“).
Da als ein Mittel für die dauernde Erhal¬
tung vorläufig nur die „Zaponierung“ jedes einzel¬
nen Blattes einer Zeitung in Betracht kommt,
Kekule, Über Zeitungsmuseen.
7
auch die Raumfrage, wie noch zu zeigen sein
wird, eine große Rolle spielt, kann das nicht
alles aufbewahrt werden, wenigstens nicht dau¬
ernd. Die Annoncen sind von der Aufbewahrung,
sowohl von der zeitweiligen, wie der dauernden,
offenbar völlig auszuscheiden. Umgekehrt sind
die Leitartikel, die politische Kritik, die Nach¬
richten von Ereignissen und alle Kundgebungen
zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung, also
der ganze „redaktionelle Teil“, offenbar mög¬
lichst lange aufzubewahren und das Wichtigste
davon müßte sogar dauernd erhalten, also „za-
poniert“ werden.
Hinsichtlich der persönlichen Mitteilungen
(wirtschaftlicher Art und Familiennachrichten)
wäre gewiß im Interesse der Wirtschafts- und
der Kulturgeschichte einerseits, der Personal-
und Familiengeschichte andrerseits, eine dau¬
ernde Erhaltung, also „Zaponierung“, gleichfalls
sehr erwünscht. Allein in Rücksicht auf die
Raum- und teilweise auch auf die Kostenfrage
(Kosten der „Zaponierung“!) wird man sich hier
bescheiden müssen und sich befriedigt erklären
können, wenn diese persönlichen Mitteilungen
der beiden vorbezeichneten Gattungen ohne
durch „Zaponierung“ dauernd haltbar gemacht
zu werden, so lange aufbewahrt werden, bis
das Holzpapier, auf das sie gedruckt sind, zu¬
grunde geht.1
Man gelangt also auf diesem Wege der Be¬
trachtung des Inhaltes jeder einzelnen Zeitung
zur Unterscheidung von drei Gattungen:
1. Stoff, der dauernd zu erhalten, also zu
„zaponieren“ ist;
2. Stoff, der möglichst lange, das heißt bis
das Holzpapier zugrunde geht, zu erhalten,
aber nicht zu „zaponieren“ ist;
3. Stoff, der gar nicht zu erhalten ist.
Als Schluß dieser Gedankenreihe gewinne
ich also das, da die Raumfrage eine so große
Rolle spielt, sehr wichtige Ergebnis: zu sammeln
und vollständig aufzubewahren ist, in einem
ersten Stadium, sehr viel; abgesehen von den
„Annoncen“ fast alles; dauernd zu erhalten, also
zu „zaponieren“, ist nur eine Auswahl. Während
der späteren Jahrzehnte des Sammelns hat also
eine Verarbeitung' des Gesammelten aus den
vergangenen Jahrzehnten, verbunden mit einer
„Zaponierung“ zur dauernden Erhaltung des
Geeigneten, stattzufinden. Nur bei einer Be¬
folgung derartiger Leitsätze kann der Raum¬
frage bei allen zeitungsmusealen Plänen über¬
haupt ins Auge gesehen werden.
Nachdem so versucht wurde, derFrage näher
zu kommen was aufzubewahren, was dauernd,
was vorübergehend aufzubewahren ist, kann
auch an die Untersuchung des „Wo“ der Auf¬
bewahrung herangegangen werden.
Spahn verlangt bekanntlich ein „Reichs¬
zeitungsmuseum“ und macht zu dieser Forderung
folgende näheren Ausführungen.
„Gäbe man dem Museum in territorialer Hin¬
sicht als Reichszeitungsmuseum die höchstmög¬
liche Ausdehnung, so würde dadurch eine Aus¬
wahl unter den Zeitungen nach ihrem wissen¬
schaftlichen, politischen und volkswirtschaftlichen
Werte erforderlich. Alle deutschen Zeitungen
lassen sich, da es ihrer mehrere Tausend gibt,
nicht in einem einzigen Gebäude vereinen. Es
ist auch nicht geboten. Gesammelt sollten in
Zukunft alle Zeitungen werden. Da jedoch ihre
große Masse nur lokale Bedeutung hat, für den
Politiker späterhin gar nicht mehr, für den
Volkswirtschaftler kaum noch, für den Histo¬
riker vorwiegend zu Zwecken der Lokalhistorie
in Betracht kommt, ist der gegebene Ort für
ihre Aufbewahrung die Stadt, wo sie erscheinen.
Damit wären dann aber auch die Möglichkeiten
einer Auswahl erschöpft, alle übrigen Zeitungen
sind für die Vereinigung im Reichszeitungs¬
museum in Aussicht zu nehmen. Gewiß werden
auch unter ihnen noch Wertunterschiede sicht¬
bar, aber sieht man genau zu, so können
höchstens einzelne Jahrgänge einer Zeitung,
nicht die ganze Zeitung als entbehrlich gelten.“
Mit diesen Sätzen kann ich mich nicht be¬
freunden. Die Gründe sind aus dem bereits
Ausgeführten ohne weiteres zu entnehmen.
Entsprechend der oben gewonnenen Er¬
kenntnis, daß sachlich drei Gattungen von Zei¬
tungen zu unterscheiden sind, wird man meines
Erachtens vielmehr auch dreierlei Gattungen
von Orten für die Sammlung, Aufbewahrung
und Erhaltung ins Auge fassen müssen: eine
Zentrale für den Gesamtstaat, also das „Reichs¬
zeitungsmuseum“ Spahns; je eine Zentrale für
1 Dieser Ausweg dürfte sich auch schon deshalb als ausreichend erweisen, weil ein Teil solcher „persönlicher
Mitteilungen“, soweit sie nämlich wichtig und von allgemeinem Interesse sind, seinen Niederschlag auch im redaktionellen
Teil, in den „Nachrichten von Ereignissen“ finden dürfte.
8
Kekule, Über Zeitungsmuseen,
die Provinzial- oder, bei Klein- und Mittelstaaten,
für die Landespresse; endlich den Ort des Er¬
scheinens für die Ortszeitungen.
Dabei wird man aber nicht daran denken
dürfen, daß die eine örtliche Art der Auf¬
bewahrung die andere immer auszuschließen
hätte. Manche Zeitungen müssen sowohl am
Ort des Erscheinens, wie in der Provinzial¬
zentrale, wie im „Reichszeitungsmuseum“ ihre
Stätte finden; andere am Ort des Erscheinens
und in der Provinzialzentrale; für keine würde
die Aufbewahrung in der Provinzialzentrale und
im „Reichszeitungsmuseum“ ausreichen, die Auf¬
bewahrung am Orte des Erscheinens aber ent¬
behrlich sein; für fast kein Blatt würde es sich
empfehlen, sie zwar am Orte des Erscheinens
und im „Reichszeitungsmuseum“ aufzubewahren,
die Provinzialzentrale aber zu übergehen.
In das „Reichszeitungsmuseum“ gehören alle
„allgemeinen, politischen Parteiblätter“; wie sie
Tille nennt, ferner diejenigen großen und weit¬
verbreiteten Zeitungen, die keine bestimmte
politische Parteirichtung verfolgen, wie z. B. der
„Berliner Lokal -Anzeiger“ und die „Tägliche
Rundschau“.
In das „Reichszeitungsmuseum“ gehören aber
auch, was äußerst wichtig ist und deshalb keines¬
wegs vernachlässigt werden dürfte, alle „ver¬
vielfältigten“ (wie Spahn sagt) „Korrespon¬
denzen“, die allgemein wichtig sind.
Diese, den täglichen Bedarf der Zeitungen
zum Teil deckenden „Korrespondenzen“, die
durch Druck oder irgendein Umdrucksverfahren
vervielfältigt werden, bedürfen eines näheren
Eingehens. Die erste ist im Anfang der 30er
Jahre entstanden. Allmählich hat sich ihre Zahl
außerordentlich vermehrt und der Außenstehende
würde staunen, wenn er genau verfolgen könnte,
wie stark auch die ganz großen Zeitungen unter
Benutzung von Korrespondenzen herausgegeben
werden. Außer den Mitteilungen der großen
„Telegraphenbureaus“ (Wolff, Reuter, Havas,
Assoziated Press, Stefani usw. usw.) gibt es
politische und parlamentarische Korresponden¬
zen, herausgegeben von den Regierungen selber
oder von den Parteien, Korrespondenzen be¬
sonderer Gruppen oder Interessenten, Korre¬
spondenzen privater Personen, die aber von
Ministern, Parteien, Parteiführern, Interessenten¬
gruppen, einzelnen Interessenten usw. beein¬
flußt sind. Dann gibt es Handels-, Börsen- und
volkswirtschaftliche Korrespondenzen. Endlich
gibt es allgemein-wissenschaftliche und allgemein¬
gewerbliche. Alle diese Gattungen von Korre¬
spondenzen gehören meines Erachtens in das
„Reichszeitungsmuseum“.
Nicht in diese große Zentrale für den Ge¬
samtstaat gehören meines Erachtens die ört¬
lichen Korrespondenzen und zwar gleichgültig,
ob sie offiziell wie die Polizeiberichte, oder offi¬
ziös, wie die magistrats offiziöse Berichterstattung,
die in fast allen größeren Städten besteht, oder
private Unternehmungen von Lokalreportern
sind. Diese sämtlichen örtlichen Korrespon¬
denzen würden meines Erachtens die einzig
richtige Stätte ihrer Sammlung, Erhaltung und
Aufbewahrung am Urte des Erscheinens finden.
Einige, und zwar die wichtigsten, müssen außer¬
dem in die zentrale Aufbewahrungsstelle der
betreffenden Provinz oder des betreffenden
Einzelstaates gelangen.
Nicht in das „Reichszeitungsmuseum“, aber
auch nicht in die Provinzial- usw. Zentralen ge¬
hören die rein fachlichen und endlich die rein
belletristischen Korrespondenzen. Beide Gat¬
tungen dürften überhaupt von dem Plane der
Sammlung, Erhaltung und Aufbewahrung gänz¬
lich auszuscheiden sein.
Um einen Begriff von den Zahlen zu geben,
die hier in Betracht kommen, führe ich an, daß
der bekannte „Deutsche Literatur - Kalender“
von Kürschner über fünfzig „allgemeine, poli¬
tische und volkswirtschaftliche“, etwas weniger
als ein Dutzend „örtliche“, zehn Korrespon¬
denzen für „Gewerbe, Handel und Verkehrs¬
wesen“, sechs für „Kunst und Wissenschaft“,
vier für „Rechtswissenschaft“, 1 x/2 Dutzend rund
für „Unterhaltung und Verwandtes“ und end¬
lich ein knappes Dutzend Korrespondenzen für
„Verschiedenes“ verzeichnet, daß aber alle
diese Zahlen, wie ich aus eigener Wissen¬
schaft bekunden kann, noch viel zu niedrig ge¬
griffen sind.
In die provinzialen Zentralen oder die Zen¬
tralen der Einzelstaaten gehören neben den
großen, in der betreffenden Provinz erscheinen¬
den „allgemeinen, politischen Parteiblättern“ alle
Provinzial- oder Landeszeitungen, ferner die¬
jenigen Korrespondenzen derjenigen vorbezeich-
neten Gattungen, die nicht in die große Zentrale
für den Gesamtstaat brauchen und innerhalb
der betreffenden Provinz usw. erscheinen.
ttdü$ tütrb Gur em GMtttf, nid>t3 Gttrem
Seben fehlen,
©eltebte 93epbe ! freuet Gud>!
1 $eiu Selb »ergälP e$ Gud^! Äcin llnmutb
nriifT Gttcfe quälen ! j||§
1 @ef)b ftet» an trabren ©titern reid)!
Abb. i.
Im Original ist die Füllung des Rahmens auf Seide gedruckt.
Abb. 2.
Glückwunschkarten aus der Biedermeier-Zeit.
Z. f. B. 1909/1910. Heft 1.
Zu Hennig: Biedermeier-Wünsche.
Kekule, Über Zeitungsmuseeii.
9
Am Orte des Erscheinens selbst wäre der
ganze Rest aufzubewahren.
Dieses also die Grundzüge. Im einzelnen
wäre dazu noch folgendes zu bemerken:
Die große Zentrale für den Gesamtstaat,
also das „Reichszeitungsmuseum“, hätte ein
Institut seiner und eigener Art zu sein, dessen
Inhalt, Aufgabe und Arbeitsplan durch das
Wort „Museum“ nicht erschöpft wird. Eher
könnte man es vielleicht „Reichszeitungsarchiv
und -Bibliothek“, am richtigsten wohl „Reichs¬
zeitungsinstitut“ nennen. Hierüber und die Einzel¬
heiten hierzu wird nachher noch besonders und
im Zusammenhänge zu sprechen sein.
Die provinzialen Zentralen wären wohl am
besten an die Landes- oder die Provinzial-
Archive, in einzelnen Fällen, da auch hier die
Raumfrage (siehe unten) äußerst wichtig ist
und noch andere Gesichtspunkte in Betracht
kommen können, an die „Landes-“ oder „Pro¬
vinzial-“ oder die „Universitätsbibliotheken“ an¬
zugliedern. Bei beiden Arten von Stellen wären
die zur Verwaltung und Verarbeitung (Ausschei¬
den des Entbehrlichen [siehe oben und nachher
unten], „Zaponieren“, Kontrahierung der Ein¬
gänge, Registrierung, Katalogisierung usw. usw.)
erforderlichen, sachkundigen Arbeitskräfte an
sich vertreten. Daß ohne weiteres nicht in ge¬
nügender Zahl vertreten, kann ebenso, wie das
Nichtvorhandensein des erforderlichen Raumes,
füglich nicht bezweifelt werden.
Für Mittel- und Kleinstaaten fielen diese
Aufgaben dem „Landesarchiv“, der „Landes¬
bibliothek“ oder der betreffenden Universitäts¬
bibliothek zu.
Es darf nun gerade in diesem Zusammen¬
hänge nicht unerwähnt gelassen werden, daß
Karl Richard Lepsius, der berühmte Ägypto¬
loge, seit 1873 Oberbibliothekar der Königlichen
Bibliothek zu Berlin, sich im Winter 1879, also
wenige Jahre vor seinem Tode, „im Laufe einer
Unterredung über die periodische Presse“ dahin
geäußert hat, daß er sich „mit dem Gedanken
beschäftige, Provinzial-Mittelpunkte zu schaffen
zur Unterbringung und dadurch ermöglichten
wissenschaftlichen Verwertung der, ihrer Natur
nach, flüchtigen Preßerzeugnisse, von den größten
Organen aller Parteien bis hinab zu den klein¬
sten Lokal- und Winkelblättern, deren Massen-
haftigkeit es durchaus untunlich mache, sie, was
bei Büchern allenfalls realisierbar sei, an einem
Orte zu konzentrieren.“1
Es zeigt sich also, daß ein Fachmann, wie
Lepsius, bereits die planmäßige Verteilung, wenn
auch nicht Gliederung der Sammelstätten ins
Auge gefaßt hat, und daß, worauf ich noch
weiter zurückkomme, auch er bereits die Un¬
möglichkeit der Durchführung bloß einer„Reichs-
zentrale“ erkannte, so wie sie von Spahn ge¬
dacht zu sein scheint.
Als Aufbewahrungsstätten „am Ort des Er¬
scheinens“ können, sobald man sich die Orga¬
nisation bis in alle Einzelheiten durchgeführt
denkt, nur die Rathäuser oder besonderen städ¬
tischen Archive bei städtischen, die Landrats¬
ämter oder die Kreishäuser bei ländlichen Ge¬
meinwesen in Betracht kommen.
Das wäre also der theoretisch zu erstrebende
und ideale Zustand.
Wendet man sich nun der Frage der Durch¬
führbarkeit und Erreichbarkeit zu, so ist leicht
einzusehen, daß der Gedanke, in dieser drei¬
fachen Gliederung an Sammelstellen der vor-
bezeichneten drei Gattungen die vollständigen
Jahrgänge aller in Betracht kommenden Zei¬
tungen dauernd, das heißt in „zaponiertem“ Zu¬
stande aufzubewahren, an der Raumfrage und
auch an der Kostenfrage scheitern muß. A11
der Raumfrage sowohl bei dem „Reichszeitungs¬
museum“, wie bei den provinzialen, wie bei den
einzelstaatlichen Landeszentralen, wie bei den
städtischen Zentralen großer Städte, in denen
viele Zeitungen erscheinen. Belanglos wäre die
Raumfrage nur an solchen Orten, an denen
bloß ein paar Lokalblätter erscheinen.
Es muß also eine Auswahl stattfinden.
Und diese Auswahl kann naturgemäß, wenn
sie befriedigend sein soll, nicht derart erfolgen,
daß hier und da oder auch in einem „Reichs¬
zeitungsmuseum“ einige, die sogenannten „wich¬
tigsten“ und „größten“ Zeitungen gesammelt,
aufbewahrt und erhalten werden, sondern es
müßte eine Auswahl nach sachlichen, nach
inneren Gesichtspunkten sein, eine Verarbeitung.
Um zur Klarheit hierüber zu gelangen, dürfte
es der richtige Weg sein, die Ansätze zeitungs¬
musealer Natur zu untersuchen, die bereits vor¬
handen sind.
1 Ich entnehme diese interessante Tatsache der „Gemeinnützigen Wochenschrift“ (Würzburg), Jahrgang 1886, No.
und 12 („Aachener Zeitungs-Museum“ von Forckenbeck).
Z. f. B. 1909/1910.
2
IO
Kekule, Über Zeitungsmuseen.
Es sind zwei Versuche, die hier, soweit
Deutschland in Frage steht, allein in Betracht
kommen: Oskar von Forckenbecks Zeitungs¬
museum in Aachen, auf das Dietrich Schäfer
beim Historikerkongresse in der an den Spahn-
schen Vortrag sich anschließenden Aussprache
verwies und das infolgedessen auch Spahn
nunmehr im Abdrucke seines Vortrages er¬
wähnt (Sp. 1208), und des verstorbenen Frei¬
herrn Karl von Fechenbach „Politische Re¬
gistratur“ zu Schloß Laudenbach bei Aschaffen¬
burg, die Spahn merkwürdigerweise gar nicht
zu kennen scheint und die auch auf dem Kon¬
gresse bei der Aussprache von keiner Seite
erwähnt wurde, trotzdem sie mir wenigstens
für die Erkenntnis der hier zur Erörterung
stehenden Gesichtspunkte ebenso bedeutsam er¬
scheint, wie die Schöpfung Forckenbecks.
Letztere, das Lebenswerk eines weitblicken¬
den Mannes, deren Dasein er erst im Jahre
1886 der Öffentlichkeit bekanntgegeben hat,
verdankt ursprünglich einer bloßen Sammellieb¬
haberei, die sich diesesmal auf Zeitungen rich¬
tete, ihr Entstehen. „Kuriose“ Zeitungsnummern
zu sammeln, war wohl der erste Gedanke.
Dabei schwebte dem Sammler aber doch
schon frühe eine Art „Standesamt“ für Zeitungen
vor, daß die erste Nummer jedes deutschen
Blattes, die Nummer des Überganges zu einem
größeren Formate, besonders ausgestattete Fest¬
oder Jubiläumsnummern (zu Festen oder Ge¬
denktagen des betreffenden Blattes), endlich,
eintretenden Falls, die letzte Nummer enthalten
sollte, und so „entwickelte sich allmählich der
Gedanke eines Zeitungsmuseums. Forckenbeck
erkannte, wie gerade die Zeitungen in seiner
Zeit ein getreues Spiegelbild des gesamten
Lebens eines Volkes bieten, und seine Sammel¬
absicht erweiterte sich demgemäß dahin, durch
Sammlung und planmäßige Aufbewahrung von
Zeitungsnummern, die über außergewöhnliche
und denkwürdige Ereignisse, sei es aus der
Geschichte des deutschen Volkes, sei es aus
dem Leben der Städte oder hervorragender
Männer, berichten, für zukünftige Historiker
und Kulturhistoriker reiches und, weil unmittel¬
bar aus den Tatsachen geschöpft, wertvolles
und verläßliches Material zusammenzutragen.“ 1
Wesentlich anregend wirkte hierbei auf ihn
Max Schlesinger, seit 1885 sein ständiger Mit¬
arbeiter, der seit Forckenbecks Tode bis zur
Gegenwart der alleinige Leiter des Aachener
Zeitungsmuseums ist.
So erwuchs neben der vorbezeichneten „zei¬
tungsstatistischen“ Abteilung der Forckenbeck-
schen Sammlung die „zweite und ihrer Wich¬
tigkeit nach hauptsächlichste“ Abteilung des
Museums: die historische und kulturhistorische.
Dabei wurde die Presse auch des Auslandes
insofern mit in Betracht gezogen, als „sie in
ihren Spalten deutsche Männer, deutsche Ver¬
hältnisse und in Deutschland stattgehabte Er¬
eignisse behandelt oder über weltgeschicht¬
liche Ereignisse berichtet“. So sind „umfang¬
reiche Hohenzollern-Mappen entstanden, die in
l ausenden von Nummern Beiträge zur Zeit und
Geschichte von drei deutschen Kaisern liefern;
Stöße von Hunderten von Zeitungen, die sich
auf das Papstjubiläum oder das Haus Wettin
und seine Jubelfeier anläßlich des 800jährigen
Bestehens“ beziehen. „Kein bedeutender Mann
aus unseren Tagen fehlt, von dessen Leben
und Taten nicht die im Museum vorhandenen
Blätter beredtes Zeugnis ablegen.“ Besonders
wichtige Bismarck- und Moltke - Sammlungen
sind angelegt worden. „Kein wichtiges Ereignis
vollzog sich, ohne daß seine von Augenzeugen
entworfene und in den flüchtigen Tageszeitungen
niedergelegte Schilderung im Museum auf¬
bewahrt wurde.“ „Die dritte Abteilung des
Museums umfaßt die , Kuriosa', allerlei Seltsam¬
keiten und Abnormitäten, wie sie ja auch das
Zeitungswesen zuweilen zutage fördert.“2
Im Oktober des Jahres 1892 hatte das „Zei¬
tungsmuseum“ einen Sammlungsbestand von
rund fünfzigtausend Nummern. Dabei konnte
mit dem Museum im Anfang Mai 1890 die Ein¬
richtung einer großen Lesehalle derart ver¬
bunden werden, daß im großen Saale des Stadt¬
theaters zu Aachen alle diejenigen Zeitungen,
Zeitschriften und Fachblätter, die dem Museum
aus allen Weltteilen regelmäßig zugingen, über
hundert an der Zahl, zur unentgeltlichen Be¬
nutzung auslagen.
Nach dem am 29. Juli 1898 erfolgten Tode
Oskars von Forckenbeck übergab seine Witwe
Herausgeber
1 Das Zeitungs - Museum. Zeitschrift für Zeitungswesen. Organ des Zeitungs - Museums in Aachen,
und Redakteur: Max Schlesinger. IV. Jahrgang, Nr. 3 vom Oktober 1902, Seite 2.
2 Das Zeitungsmuseum usw. II. Jahrgang, Nr. 2 vom I. April 1890, Seite 2.
Kekule, Über Zeitungsmuseen.
II
die gesamten Bestände des Zeitungsmuseums
der Stadt Aachen mit der Bedingung, daß es
fortgesetzt und der Forschung zugänglich ge¬
macht werde. Da die Stadt mangels der er¬
forderlichen Räumlichkeiten und Geldmittel bis¬
her nicht in der Lage war, dieser Verpflichtung
nachzukommen, ruhen die Bestände der Samm¬
lung auf dem Speicher der Aachener Stadt¬
bibliothek. Neue Zeitungsnummern, die ein-
gehen, kommen ebenfalls dorthin. In wirklicher
Blüte steht also eigentlich nur noch die eben¬
falls von Max Schlesinger geleitete „Lesehalle“
des Zeitungsmuseums, deren jährlich rund 2000
Mark betragende Kosten von der Stadt be¬
stritten werden.
Soviel hierüber.
Über die „Politische Registratur“ des Frei¬
herrn von Fechenbach hat Otto Pfülf, S. J., in
den „Stimmen aus Maria -Laach“, Jahrg. 1902,
Heft 9, unter dem Titel: „Die Rüstkammer
eines modernen Politikers“, mit dem Untertitel:
„Des Reichsfreiherrn von Fechenbach -Lauden¬
bach Politische Registratur“, eingehend berichtet.
Ich entnehme das Nachfolgende dieser Dar¬
stellung :
Mehr als 25 Jahre hat der Freiherr gesammelt.
„Für jede der obschwebenden wirtschaftlichen
und sozialen Fragen wurde zunächst die Fach¬
literatur in möglichster Vollständigkeit be¬
schafft, desgleichen die gesamte einschlägige
Broschürenliteratur. Ständig wurden 21 Zeit¬
schriften für die „Registratur“ in Kontribution
gesetzt; 20 Zeitungen (so viele wenigstens bis
zum Tode Bismarcks; später 15) gehörten zum
„eisernen Bestände“; 85 andere, darunter die
angesehensten Blätter des Auslandes, wurden
periodisch gehalten, so daß bald ganze Quar¬
tale, bald ganze Jahrgänge zur Beleuchtung
eines einzigen Gegenstandes der Registratur
einverleibt wurden. Enthielt die Nummer einer
Zeitschrift oder Zeitung Wichtiges für mehrere
verschiedene Fragen, so wurden für gewöhnlich
so viele Nummern nachbestellt, als Gegenstände
des Interesses vorhanden waren, manchmal bis
zu zehn Exemplaren. Es versteht sich von
selbst, daß auch die stenographischen Berichte
der Verhandlungen des Reichstages, des preu¬
ßischen Abgeordnetenhauses und der bundes¬
staatlichen Landtage Aufnahme fanden, die
Beratungen der preußischen Generalsynoden,
des Oberkirchenrates und dergleichen. Auch
die Berichte der Kongresse durften nicht fehlen,
der Wortlaut wichtiger Reden bei öffentlichen
Versammlungen, desgleichen die Berichte über
Enqueten (z. B. über Sonntagsruhe, Kohlen¬
arbeiterstreik, die internationale Arbeiterschutz¬
konferenz usw.).“
Das Mindestmaß täglicher Arbeit des Frei¬
herrn an der „Registratur“ betrug in ruhigen
Zeiten zwei bis drei Stunden täglich. In er¬
regten Wochen waren oft bis zehn Stunden
intensiver, täglicher Arbeit notwendig.
„Beginnt irgendeine wichtigere Frage die
öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen,
so wird .... die Stellungnahme der verschie¬
denen Parteien verfolgt. Für jede der Parteien
wie auch für die Reichs- oder Staatsregierung
dient dann ein eigener Umschlag oder eine
Mappe, in welcher Zeitungsblätter und Bro¬
schüren sich sammeln. Handelt es sich um
eine wichtige Gesetzesvorlage, so erhält zuerst
die Materie der Vorlage ihre Mappe. Besondere
Umschläge dienen für die Behandlung derselben
in den betreffenden gesetzgebenden Körpern,
und zwar in allen drei Lesungen, eventuell in
den Beratungen der Kommission. Dann werden
die Stimmen der Presse und der Parteien für
die Vorlage und jene gegen die Vorlage mit
aller erreichbarer Vollständigkeit zusammen¬
gestellt und auch hier wieder nach den Parteien
geordnet. Zusammengehörige Umschläge, alle
genau etikettiert, werden vereinigt in Mappen,
die gleichfalls eine sorgfältige und detaillierte
Inhaltsangabe übersichtlich auf der Außenseite
tragen. Drei bis fünf solcher oft zum Zer¬
springen angefüllten Mappen werden in starker
Pappumhüllung zu einem Bande zusammen¬
getan, der Band hinwieder ist nach Hauptab¬
teilung, Abteilung, Nebenabteilung auf dem
Rücken bezeichnet, numeriert und oft auch mit
Jahreszahl versehen.“
Soweit Pfülf über die von Fechenbach an¬
gewendete Sammel- und Arbeitsmethode. Den
Inhalt schildert Pfülf folgendermaßen :
Es sind 29 Hauptabteilungen vorhanden. Die 2gste
enthält den gesamten politischen, publizistischen, sozial¬
politischen Schriftwechsel des Freiherrn, scheidet also
für die vorliegende Betrachtung aus.
Von den übrigen Hauptabteilungen erscheint jede
als eine vollständige, in sich abgerundete Spezial¬
sammlung.
Ich greife einige allgemein interessierende Beispiele
heraus.
12
Kekule, Über Zeitungsmuseen.
Die Hauptabteilung I führt die Bezeichnung:
„Wirtschaftspolitik“. Sie zerfällt in fünf Abteilungen.
Das Weitere ergibt nachstehende Übersicht.
1. Die Handwerkerfrage. Handwerkerbewegung
seit Aufhebung der Zünfte. — Literatur über die Be¬
wegung. — Handwerker-Vereinigungen. — Einwirkung
durch die sozialkonservative Vereinigung. — Der West-
und Ostdeutsche, der Bayrische Handwerkerbund. —
Handwerkertage (Statuten, Programme, Adressen). —
Stellungnahme innerhalb der parlamentarischen Körper¬
schaften. — Gesetzgebung. — Korrespondenz mit den
Handwerkerführern. — Diversa über die Bewegung.
2. Die Arbeiterfrage. Die Bewegung seit 1848. —
Literatur zur Arbeiterfrage. — Produktiv- Genossen¬
schaften, französische und andere. — Anteil am Netto-
Gewinn. — Arbeiter-Vereinigungen. — Gewerkschaften,
englische und deutsche. — Literatur und Statistik über
die Gewerkschaften. — Die Arbeiter der Großindustrie.—
Die der Klein- und Hausindustrie. — Kinder- und Frauen¬
arbeit. — Der Achtstundentag. — Die Streiks. — Litera¬
tur und Geschichte derselben. — Die Streiks im Alter¬
tum. — Englische, außerdeutsche, deutsche Streiks
(sämtliche seit 1880 mit allen Details und allen Phasen
ihres Verlaufs). — Die Kartelle undTrutz-Vereinigungen
der Großindustrie. — Arbeiterschutz, Versicherungs¬
gesetze, deren Geschichte und Verhandlung im Reichs¬
tag. — Die kaiserlichen Erlasse vom 4. Februar 1890. —
Der internationale Arbeiterschutz-Kongreß zu Berlin. —
Die Arbeiterschutz-Gesetzgebung im Staatsrat. — Die
Versicherungen im einzelnen: Kranken-, Unfall-, Alters¬
und Invaliden -Versicherung. — Sistierung der Arbeiter¬
schutz-Gesetzgebung. — Bismarck— Stumm oder Hinz-
peter? — Berlepsch, Rottenburg. — Die Arbeiterpresse.—
Arbeitervereine, katholische, protestantische.
3. Die Agrarfrage. Bewegung der landbautrei¬
benden Bevölkerung. — Literatur. — Geschichtliches
über die Entwicklung der bäuerlichen Verhältnisse,
sozial, politisch, wirtschaftlich. — Bauernvereinigungen,
ihre Programme und Statuten. — Die Vereinigungen
im einzelnen: der Westfälische, Rheinische, Schlesische,
Hessische, Fränkische, Bayrisch-christliche, Schwä¬
bische Bauernverein; die Bauernbündler ; der Bund
der deutschen Landwirte. — Die Presse der deutschen
Agrarbewegung. — Die Gesetzgebung. — Differential-
Tarife. — Identitätsnachweis. — Verschuldung des länd¬
lichen Grundbesitzes. — Vorschläge zur Grundent¬
lastung. — Kreditverhältnisse. — Wucher auf dem
Lande. — Körner-, Mehl- und Brotpreise. — Produk¬
tionskosten. — Schutzzölle. — Produktenbörse. —
Ländliche Arbeiterfrage (Leutenot). — Die moderne
liberale Gesetzgebung zur deutschen Landwirtschaft. —
Konkurrenz mit dem Auslande. — Statistisches. —
Verschiedenheiten in den landwirtschaftlichen Verhält¬
nissen auf deutschem Gebiet.
4. Deutsche Industrie. Großindustrie. —Statistik. —
Presse. — Kartelle, Schutzvereinigungen, Syndikate. —
Gesetzgebung. — Handelsverträge. — Geschäft unbe¬
rührt von Ehre und Patriotismus (vier Bände behandeln
hier nur konkrete Fälle von größtem Interesse auch in
politischer und sozialpolitischer Hinsicht). — Gro߬
industrie und Sozialdemokratie. — Einfluß auf die mora¬
lischen, religiösen, wirtschaftlichen, sanitären Verhält¬
nisse der Bevölkerung. — Auffallender Mangel der
Gesetzgebung. — Vorschlag einer stufenweisen Ver¬
staatlichung der Großindustrie. — Die Klein- und Haus¬
industrie. — Das Berg- und Hüttenwesen.
5. Staats- und Privatmonopole. Staatsmonopole. —
Gesetzvorlage über Branntweinmonopol. — Reichstags¬
verhandlungen 1885— 1886. — Literatur für und gegen. —
Projekt eines Petroleummonopols. — Literatur über
alle .Stadien, welche diese Frage bis jetzt durchlaufen.
Die Hauptabteilung VII führt die Bezeichnung:
„Parteien im Reiche“. Sie enthält folgende Abteilungen:
1. das Zentrum, dessen ganze äußere und innere
Geschichte von Anfang bis jetzt (Windhorst allein sind
vier Bände gewidmet); 2. die Deutschkonservativen
seit 1876; 3. die Nationalliberalen; 4. die Freikonser¬
vativen; 5. die Freisinnigen; 6. die Antisemiten; 7. die
Christlich-Sozialen; 8. die Sozialnationalen; 9. die Süd¬
deutsche Volkspartei ; 10. die Rechtspartei; 11. die
Elsässer und Dirnen; 12. die Polen; 13. Agrarier;
14. Vereinigungen verschiedener Art. Letztere Ab¬
teilung enthält folgende Neben- oder Unterabteilungen :
„Evangelisch-soziale“ und „Kirchlich-soziale“ Vereini¬
gung; Bimetallisten - Bund ; Alldeutscher Verband;
Kolonialverein; Evangelischer Bund; Gustav Adolf-
Verein; Protestantenverein; Judenschutz-Truppe; Ka¬
tholischer Volksverein; Windhorstbund; „Freie Ver¬
einigung der Frondeure“; Sozialkonservative Vereini¬
gung; Deutsche Adelsgenossenschaft; Vereinigung
katholischer Edelleute (in Rheinland-Westfalen, Schle¬
sien, Baden - Hessen-Unterfranken); die Vereinigung
„Deutscher Landwirtschaftsrat“; der Deutsche Flotten¬
verein (für Inland, für Ausland); Verein für Sozialpolitik
(Katheder-Sozialisten); Verein der Berg- undHüttenleute.
In der Hauptabteilung VIII „Die Hohenzollem“
gibt es eine Abteilung 3, die dem jetzt regierenden
Kaiser gewidmet ist. Sie gliedert sich in drei Unter¬
abteilungen: „Prinz Wilhelm“; „Kronprinz Wilhelm“
und „Kaiser Wilhelm“. Eine „Nebenabteilung“ ent¬
hält die sämtlichen kaiserlichen Erlasse an Volk, Armee
und Marine. In den übrigen 76 Bänden dieser Ab¬
teilung finden sich „alle Reden und Ansprachen des
Kaisers, die Thronreden eingeschlossen . . . , die Kom¬
mentare in den öffentlichen Blättern und die Beurtei¬
lung durch die verschiedenen Parteiorgane . . . Alles
ist vorhanden, was überhaupt an Reden des Kaisers
irgendwie in die Öffentlichkeit gedrungen ist, auch
noch so kurze und gelegentliche Ansprachen. Des¬
gleichen sind über alle Reisen des Kaisers, alle Aus¬
flüge, Empfänge, Besuche fremder Höfe, Jagden und
sonstwüe nennenswerte tägliche Erlebnisse die Berichte
einregistriert. Die Urteile aller Parteien und Partei¬
richtungen über Worte und Taten des Kaisers sind
ebenso eingeordnet, wie die im Laufe der Zeit über
die allerhöchste Person in der Presse Frankreichs,
Englands, Rußlands und des Auslands überhaupt her¬
vorgetretenen Urteile. Kurz alles, was über den Kaiser
öffentlich gesagt und geschrieben wurde, sowie alles,
was der Monarch selbst gesagt oder getan hat, findet
sich hier für die Zukunft aufbewahrt auf Grund der
Berichte von 30—35 Tageszeitungen, aller bedeutenderen
Kekule, Über Zeitungsmuseen.
13
Wochen- und Monatsschriften und der gesamten
Broschürenliteratur.“ (Pfülf.)
Die Hauptabteilung X enthält: „Kulturhistorisches“.
Die erste Abteilung dieser Hauptabteilung z. B. enthält
die sämtlichen Weihnachts-, Neujahrs-, Oster- und
Pfingstartikel aus etwa 100 Tagesblättern während der
letzten 20 Jahre.
Die Hauptabteilung XI enthält ausschließlich „Per¬
sonalien“. „Da sind zunächst die Nekrologe aller be¬
deutenderen Männer Europas, die seit den achtziger
Jahren des vorigen Jahrhunderts aus dem Leben ge¬
schieden sind, d. h. überhaupt aller, welche irgendwie,
wenn auch unrühmlich, vor der großen Öffentlichkeit
sich bekannt gemacht haben. Daran reihen sich die
Biographien, biographische Notizen und persönliche
Angelegenheiten von Staatsmännern, Generalen-, Künst¬
lern, Gelehrten, Politikern, auch von dunkeln oder
schwierigen Existenzen der verschiedensten Art. Hier
figurieren an der Spitze, mit Milan von Serbien und
Ferdinand von Bulgarien, Crispi und Baron v. Hirsch
(der „Türkenhirsch“), neben Rektor Ahlwardt der ehe¬
malige Kreuzzeitungs- Redakteur Freiherr v. Hammer¬
stein ; neben Gestalten wie den Herren v. Tausch,
v. Lützow und Leckert (4 Bände) die beiden Thümmel
(2 Bände), Pastor Schwalb, Dr. Hans Blum; endlich . . .
Dr. Karl Peters, Kanzler Leist, Assessor Wehlan, Herr
Schröder usw.“ (Pfülf.)
Die Hauptabteilung XII betrifft „die Sozialdemo¬
kratie“. Sie enthält folgende Abteilungen und Unter¬
abteilungen :
jO;fTi. Für und gegen die Sozialdemokratie. — Ursachen
der Entstehung und Weiterentwicklung. — Geschichte
der Sozialdemokratie, in Deutschland, in anderen Län¬
dern. — Mauserungen. — Personalien ihrer Führer. —
Alte, neue und neueste Differenzen.
2. Die Parteitage: Alle einzeln, vom Tag zu Wyl
in der Schweiz bis zu dem von Lübeck 1901. — Offizielle
Berichte. — Beurteilung durch die Presse im In- und
Ausland.
3. Der Weltfeiertag (1. Mai). — Ursprüngliche Be¬
deutung. — Zunehmende Teilnahmslosigkeit.
4. Die Finanzen der Sozialdemokratie (Quittungen).
5. Statistisches.
6. Verhältnis zur Religion.
7. Sozialdemokratie und Heer.
8. Sozialdemokratie und Berufsstände. — Die Pro¬
duktivstände. — Die Arbeiter der Großindustrie —
dersonstigen Gewerbe. — Erd- und Gelegenheitsarbeiter.
— Landwirtschaftliche Arbeiter. — Besitzende Bauern.—
Die kleinen Handwerksmeister. — Die Bazar-Sklaven. —
Gelehrten-Proletariat. — Niedere Beamte in Staats-,
Kommunal-, Privatdiensten. — Akademische Jugend. —
Kaufmännisches Proletariat. — — Agitation unter
Handlungskommis — unter den Lehrern — unter den
Kellnern — unter den Seeleuten.
9. Die Gewerkschaften. — Sozialdemokratische. —
Unabhängige. — Katholische, Protestantische. — Die
„christlichen“ Gewerkschaften. — Gewerkschaften in
England. — Streiks derselben. — Der Londoner Dock-
arbeiter-Streik und Kardinal Manning. — Der große
Metallarbeiter-Streik.
10. Die Sozialdemokratie außerhalb Deutschlands.
11. Sozialdemokratische Unterhaltungslektüre.
12. Sozialdemokratische Poesie.
13. Sozialdemokratie und Juden.
14. Sozialdemokratie und Frauenfrage.
15. Sozialdemokratische Presse.
16. „Unter dem neuen Kurs“ (Verurteilungen und
Straffälle).
17. Arbeiter-Sanitätskommissionen.
18. Sozialistengesetz (die Reichstagsverhandlungen
in allen Stadien, Preßurteile, Agitationen).
Die Hauptabteilung XIII betrifft „Die anarchistische
Bewegung“, sie enthält folgende Abteilungen; Literatur
über Anarchismus. — Geschichte. — Die Attentate —
in Deutschland (Polizeirat Stumpf in Frankfurt; auf dem
Niederwald) — im Ausland. — Die Anarchistenattentate
Frankreichs seit zwanzig Jahren. — Attentate in Italien,
England, Irland, Spanien, Amerika, Rußland, Schweiz. —
Anarchismus und Sozialdemokratie. — Der Nihilismus.
— Der Materialismus als Vorfrucht. — Die Nietzsche-
sche Philosophie.
Ich erwähne noch die Hauptabteilung XXIII, die
dem deutschen Adel gilt, die Hauptabteilung XXV,
die, als solche, die Aufschrift „Diversa“ hat und in zwei
Abteilungen: „Politische Diversa“ und „Unpolitische
Diversa“ zerfällt. Die Abteilung „Politische Diversa“
enthält sechs Bände über den Grafen Caprivi, ebenso-
viele über den Reichskanzler Fürsten Hohenlohe, Stoff
über den Freiherrn Marschall von Bieberstein, den
jetzigen Botschafter am Goldenen Horn, Bötticher, den
Reichskanzler Fürsten von Bülow, den Grafen Posa-
dowsky usw. In der Abteilung „Unpolitische Diversa“
ist die ganze Kotze -Schräder- Affäre, die Kiderlen-
Wächter-Sache mit dem entsprechenden Bande des
Kladderadatsch“ und allen Berichten über das daraus
erfolgte Duell zu finden.
Die Hauptabteilung XXVI betrifft die „protestanti¬
schen Angelegenheiten“, die Hauptabteilung XXVII
die „katholischen Angelegenheiten“. Von der zuerst
genannten verwahrt Abteilung I nur die Bekennt¬
nisse, Klagen und Schilderungen über die Mißstände
des heutigen Protestantismus, ausschließlich aus
protestantischem Munde und von berufener Stelle, aus
den Verhandlungen der General- und Landes-Synoden,
des Kirchenrates und anderer streng konfessioneller
Versammlungen. Diese Klagen allein füllen fünf Bände
mit zwanzig Mappen, jede Mappe mit gegen sechs Um¬
schlägen, in deren jeder fünf bis sechs Nummern, im
ganzen 600 bis 800 Nummern. Diese erste Abteilung
wird an Umfang noch weit übertroffen durch die
zweite, welche die von protestantisch-kirchlicher Seitein
Presse, Versammlungen, Kundgebungen ausgehenden
„Angriffe gegen die Katholiken verwahrt“ . Sechs
solcher Abteilungen eine interessanter als die andere,
machen diese Hauptabteilung aus.
Die dritte dieser „Abteilungen“ ist ganz ausschlie߬
lich dem Hofprediger Dr. Stöcker gewidmet. Es sind fünf
Bände mit zwanzig Mappen, „und die ganze Abteilung,
in zwölf Unterabteilungen eingeteilt, zählt über 15 Bände,
welche Stöckers ganze politische und soziale Tätigkeit
während der letzten 25 Jahre umschließt“. (Pfülf.)
14
Kekule, Über Zeitungsmusetn.
Zum Schlüsse gebe ich noch eine vollständige Über¬
sicht über die Hauptabteilung XXVIII die den Fürsten
Bismarck betrifft. Sie gliedert sich in folgende acht
Abteilungen:
1. Geschichtliches über dieFamilie und denFürsten.
Die Bismarck in Stendal als Gewandschneider und
Geldwechsler. — Entwicklung der Familie. — Familien¬
geschichte. — Biographien des Fürsten. — Bismarck-
Literatur in chronologischer Ordnung. — Bismarck und
die Produktivstände (Landbautreibende, Bund der
deutschen Landwirte, Handwerker, Arbeiter.) — Bis¬
marck, Protestantismus und Landeskirche. — Bismarck
und die katholische Kirche vor dem Kulturkampf. —
Anfang und Verlauf des kirchlichen Kampfes. — Feind¬
seligkeiten und Verdächtigungen gegen die Katholiken
nach erfolgter Amtsentlassung. — Bismarck und die
Sonntagsruhe. — Selbstwidersprüche und objektive
Unwahrheiten. — Überhebungen Bismarcks: Selbst¬
überhebung und Beräucherung durch die dienstbare
Presse (die ,,Tinten-Kulis‘‘).
2. Bismarck und Sozialdemokratie. Grundirrtum
und Hauptfehler. — Bismarck und Lassalle. — Von
Lassalles Tod bis zum Tag von Eisenach 1864 — 1S69.
— Nach den Attentaten. — Vorlage und Durchbringung
des Sozialistengesetzes. — Verlängerungen desselben. —
Aufhebung resp. Zurückziehung. — Nach Bismarcks
Entlassung. — Die Scharfmacherpartei. — Anreizung
zur akuten Revolution.
3. Bismarck und der Parlamentarismus. Vor der
Ernennung zum Minister. — Die Konfliktszeit. — Nach
dem Kriege 1866. — Als Reichskanzler. — Nach der
Amtsentlassung.
4. Die Geburtstage (von 1S85 — 1898). Der 70. Ge¬
burtstag: Ehrungen, Schenkungen, der Silberschatz der
rheinisch- westfälischen Großindustriellen. — Der Stamm¬
baum. — Poetische Verherrlichungen. — Der Otto-
Pfennig. — Geschichte und Literatur dieser Spende. —
Verwendung der Spende. — Ursprüngliche Absicht,
spätere Änderung. — Das zweite Gut Schönhausen. —
Renitenz des württembergischen Landeskomitees. —
Stiftung für unterstützungsbedürftige Akademiker. —
Zuwendungen derselben. — Der achtzigste Geburtstag.
— Unter dem Zeichen der Versöhnung.
5. Die Fronde gegen den Kaiser. Fronde des
aktiven Kanzlers. — Versuche, die kaiserliche Sozial¬
politik zu kontrekarrieren. — Die Situation unmittelbar
vor der Entlassung. — Die Entlassung, ihre Umstände
und unmittelbare Folgen. — Abreise von Berlin. —
Friedrichsruhe. — Das wirkliche Heim. — Bon mots
des Herzogs von Lauenburg. — Die Fronde des Kanzlers
a. D. — Die Organisation der Fronde. — Die „unter¬
irdische Taktik“. — Der Stilicho-Artikel im „Deutschen
Tageblatt“. — Die Aera der Interviews. — Reihenfolge
der Interviewer. — Redseligkeit des Herzogs von
Lauenburg. — Erlasse an sämtliche deutsche Bot¬
schafter und Gesandten am 23. Mai 1890. — Die
„Versöhnungspolitik“. — Die Kölnische Zeitung. —
Lage vor der Wiener Reise. — Die Hochzeit des Grafen
Herbert. — Weg über Berlin-Dresden. — Auf dem
Potsdamer Bahnhof. — Erlaß vom 9. Juni 1892 an den
Botschafter Prinzen Reuß. — Wirkung auf Bismarck.
— Die Uriasbriefe. — Rückreise über Munchen-Augs*
burg-Weimar-Jena. — Rede auf dem Marktplatz zu
Jena. — Die Kur in Kissingen. — „Vergnügungszuge“
und Ovationen. — Reden des Fürsten. — Krankheit
im Herbst 1893. — Der Kaiser läßt durch Dr.
Schwenninger berichten. — Chronologie der Fronde
bis zu den Präludien der Versöhnung. — Die „Ver¬
söhnung“. — Die Flasche alten Stein. — Der neue
graue Mantel. — Einladung zur Feier des Militär
jubiläums. — Besuch in Berlin. — Gegenbesuch des
Kaisers in Friedrichsruhe. — Bismarcks sonderbare
Tischrede. — Die „schleichende Fronde“. — Verrat
des deutsch russischen Abkommens. — Der Reichs¬
und Staatsanzciger. — Stadien der Fronde bis zu
Bismarcks Tod. — Nach dem Tode. — Nachträgliches.
6. Diversa. Die Bismarckpressc. — Bismarck als
Reichstagsabgeordneter. — Geschichte der Wahl. —
„Tätigkeit“ als Abgeordneter. — Nichtpolitisches:
Familie, Fürstin Bismarck, Gräfin Rantzau usw. — Graf
Wilhelm. — Graf Herbert.
7. Artikel unter Chiffre F. L. (Fechcnbach-Lauden-
bach) „aus zwölf politischen Tagesblättern, 1883 — 1893;
chronologisch geordnet, alle direkt auf Bismarck be¬
züglich, unter Anknüpfung an konkrete Vorkommnisse“.
(Pfülf.)
8. Bismarck nach dem Tode. „Alles, was seit dem
Ende des ersten Kanzlers in Preßorganen überdenseiben
geschrieben wurde (bis 1899 waren es acht Bande),
überdies alle Werke, Bücher und Broschüren.“ (Pfulf.)
Ich kann hiermit die Übersicht über diese,
zweifellos großartig angelegte und durchgefuhrte,
„politische Registratur“ schließen und will nur
noch bemerken: einmal, daß deren Schöpfer
am 14. Marz 1907 zu Würzburg gestorben ist
Er hat seine Sammelarbeit bis zu seinem Tode
eifrig fortgesetzt, während die Pfülfsche Über¬
sicht, wie angegeben, aus dem Jahre 1902
stammt. Es ist also offenbar noch eine be¬
trächtliche Vermehrung eingetreten. Sodann,
daß sich die Sammlung noch gegenwärtig im
Schlosse Laudenbach bei Aschafifenburg be¬
findet und, mit Erlaubnis der Witwe des Frei¬
herrn, benutzt werden kann. Endlich, daß ich
im vorstehenden selbstverständlich überall die
eigenen Bezeichnungen des Sammlers für die
Hauptabteilungen, Abteilungen und Unterab¬
teilungen in ihrem Wortlaute wiedergegeben
habe, soweit mir dieser zugänglich war.
Jedenfalls scheinen mir diese beiden Samm¬
lungen, die Forckenbecksche und die Fechen-
bachsche, zu beweisen, daß eine „Verarbeitung“
der Presse möglich ist. Sie scheinen mir weiter
wesentliche Fingerzeige darzubieten, wie sie
stattfinden kann. Schlechthin als Muster für
eine derartige „Verarbeitung“ in „Zeitungs-
Kekule, Über Zeitungsmuseen»
iS
museen“, wie sie hier skizziert werden, wird das
in ihnen angewendete Verfahren kaum dienen
können. Läßt sich das Forkenbecksche Ver¬
fahren vielleicht als eine „Auswahl (im wesent¬
lichen) nach Nummern“, das Fechenbachsche
vielleicht als eine „Auswahl nach Ausschnitten“
kennzeichnen, so würde vielleicht eine Verbin¬
dung beider Verfahren eintreten müssen. Ab¬
gesehen selbstverständlich von den besonderen
Zwecken, die Forckenbeck und Fechenbach,
jeder in seiner Weise, verfolgt haben.
Auf alle Fälle wird das „Reichszeitungs¬
museum“, wenn es zustande kommt, Sorge
tragen müssen, die Bestände beider Sammlungen
so schnell als möglich zu erwerben.
Nachdem nun so in einem Exkurs die „Mög¬
lichkeit“ einer zeitungsmusealen „Verarbeitung“
erwiesen ist und dem „Wie“ dieser Verarbeitung
durch die Betrachtung der Versuche Forcken-
becks und Fechenbachs näher zu kommen ge¬
sucht wurde, nehme ich den Faden der geord¬
neten Betrachtung wieder auf.
Es trifft sich glücklich, daß das Holzpapier
der heutigen Zeitungen wenigstens ungefähr
zwei Menschenalter lang der Vernichtung stand¬
hält und wenigstens ein paar Jahrzehnte hin¬
durch in einem Zustande verbleibt, daß mit
der „Zaponierung“ erst nach Ablauf dieser
Jahrzehnte begonnen zu werden braucht. Es
liegt also die Möglichkeit vor, zunächst einige,
etwa zwei bis drei, Jahrzehnte hindurch ledig¬
lich zu sammeln und aufzubewahren, während¬
dessen „einzurichten“ und dann gleich mit der
Verarbeitung hinsichtlich der Auswahl und
dauernden Erhaltung des Ausgewählten durch
„Zaponierung“ zu beginnen und so wieder Raum
für die Eingänge neuer Jahrzehnte zu gewinnen.
Auswahl und „Zaponierung“ hätten nach den
bereits dargelegten Gesichtspunkten zu erfolgen.
Nun darf man sich aber keiner Täuschung
darüber hingeben, daß es für alle Zeiten eine
Utopie sein wird, die Schaffung solcher Ver-
arbeitungs- und „Zaponierungs“- Möglichkeiten
auch an den kleinen örtlichen Zentralen zu er¬
hoffen. Hier, am „Orte des Erscheinens“, wird
man sich also, abgesehen von den großen
Städten, die eigene „Zeitungsmuseen“ einrichten
oder mit dem städtischen Archiv oder der
Stadtbibliothek verbinden können, lediglich dar¬
auf beschränken müssen, die ganzen Jahrgänge
vollständig zu sammeln und aufzubewahren und
es Orts- und Familienhistorikern usw. zu über¬
lassen, den gesammelten Stoff vor dem Zerfall
im spezialgeschichtlichen Interesse zu verwerten.
Es ist nun leicht einzusehen, daß die Schaf¬
fung derartiger Zeitungssammelstätten in der
angegebenen dreifachen Gliederung, auch ab¬
gesehen von der Schaffung oder Bereitstellung
der Räumlichkeiten, der Bestellung oder Ver¬
mehrung des Personals, der Bewilligung der
nötigen Mittel usw., allein schon von dem Ge¬
sichtspunkte der Herbeischaffung des Stoffes
aus, eine gesetzliche Regelung der Lieferung
von „Pflichtexemplaren“ erfordern würde. Und
zwar könnte eine Pflichtexemplarspflicht für ein
„Reichszeitungsmuseum“, die sich also über
das ganze Reich erstreckt, nur reichsgesetzlich
geschaffen werden, selbst wenn das „Reichs¬
zeitungsmuseum“ selbst und alle Mittel zu seiner
Erhaltung und Verwaltung durch Spenden der
beteiligten Kreise (Verleger usw.) aufgebracht
werden. Die Pflichtexemplarspflicht für die
Provinzial- oder Landeszentralen und ebenso
für die Ortszentralen, ebenso, wie die Schaffung
selbst dieser Provinzial- oder Landeszentralen
und der Ortszentralen könnte nur auf dem
Wege der Landesgesetzgebung in ebensovielen
Ländern erfolgen, als das Deutsche Reich Einzel¬
staaten besitzt. Erst, wenn das alles geschaffen,
geregelt und eingerichtet wäre, könnte man von
einer vollkommenen Organisation für den Ge¬
samtstaat sprechen.
Der gegenwärtige Zustand im Deutschen
Reiche, in bezug auf die Abgabe von Pflicht¬
exemplaren, über den die Schrift von Franke,
die Abgabe der Pflichtexemplare von Druck¬
erzeugnissen, Berlin 1889, eingehende Auskunft
gibt, ist den oben dargelegten Forderungen
gegenüber, man kann nur sagen, höchst mangel¬
haft, weil die Ablieferung von Pflichtexemplaren
nicht einmal allgemein und einheitlich vorge¬
schrieben ist.
Das Deutsche Reich als solches, kennt die
Abgabe von Pflichtexemplaren noch gar nicht.
In Preußen müssen in den sogenannten „alt¬
preußischen“ Provinzen die Verleger je ein
Pflichtexemplar an die Königliche Bibliothek zu
Berlin und an die Universitätsbibliothek der
betreffenden Provinz abgeben. In den „neuen“
Provinzen je ein Exemplar an die Universitäts¬
und an die Provinzial- oder Landesbibliothek.
In Schleswig- Holstein liefert der Verleger ein
1 6
Kekule, Über Zeitungsmuseeo,
Exemplar an die Universitätsbibliothek in Kiel,
der Drucker ein solches an die königliche Biblio¬
thek zu Berlin. Bayern, Württemberg, Hessen,
Anhalt, Schwarzburg- Sondershausen und Lü¬
beck haben gleichfalls die Abgabe von Pflicht¬
exemplaren. In anderen Einzelstaaten fehlt sie
gänzlich. Nicht einmal in Preußen ist also die
Frage einheitlich geregelt, aus den „neuen“
Provinzen erhält die Königliche Bibliothek nichts,
und in einer ganzen Reihe von Einzelstaaten
fehlt es an entsprechenden Maßnahmen gänzlich.
Diese Andeutungen müssen hier genügen.
Sie ergeben jedenfalls schlagend, daß der
Gedanke, in verhältnismäßig kurzem Zeitablauf
in ganz Deutschland den Instanzenzug, um
es so auszudrücken, von örtlichen, Provinzial¬
oder Landeszentralen und endlich einer Reichs¬
zentrale, mit dem planmäßigen Hand-in-Hand-
arbeiten dieser drei Instanzen, wie es doch
unerläßlich wäre, verwirklicht zu sehen, nicht
so schnell ausführbar ist.
Dazu käme dann weiter noch die Schaffung
der Räume und die Bestellung des Personals,
nenne man es kurz: die verwaltungstechnische
Seite der Sache mit den erforderlichen Mitteln.
Es soll auf diese Dinge im einzelnen nicht
weiter eingegangen werden. Die Verwirklichung
solcher Wünsche wird sicher, wenn sie in Deutsch¬
land überhaupt je erfolgt, mehrere Menschen¬
alter auf sich warten lassen. Was als schnell
und nach Möglichkeit den Bedürfnissen ent¬
sprechend schaffbar und überhaupt erreichbar
übrig bleibt, ist: das „Reichszeitungsmuseum“
und die reichsgesetzliche Lieferung von Pflicht¬
exemplaren für ein solches. Hier trifft also
mein Ergebnis mit der Forderung Spahns nach
einem „Reichszeitungsmuseum“ wieder zusam¬
men und solange die reichsgesetzliche Lieferung
von Pflichtexemplaren das „Reichszeitungs¬
museum“ nicht von allen Sorgen um die Her-
beischafifung des Stoffes befreit, müßte die Ehren¬
pflicht aller Zeitungen und Korrespondenzen
vollständige Jahrgänge und, nach Möglichkeit,
Reihen vom ersten Erscheinen an, an das
„Reichszeitungsmuseum“ abzuliefern , aushelfen.
Dazu würde aber vor allem gehören, daß auch
alle Zeitungen und Korrespondenzen sich der
Ehrenpflicht erst einmal bewußt werden, sich
selbst in vollständigen, guten, gebundenen Exem¬
plaren aufzuheben. Ich verhehle nicht, daß es
ein Lieblingsgedanke von mir ist, daß die
Schriftleitungen oder die Herausgeber oder die
Verleger aller Zeitungen, Korrespondenzen usw.
dazu erzogen oder noch besser, durch Kund¬
gebungen von maßgebenden Stellen aus dazu
veranlaßt werden müssen, diese Ehrenpflicht
zu erfüllen. Noch mehr: daß sie dazu erzogen
und veranlaßt werden müssen, den zukünftigen
Zeitungsmuseen in der oben geschilderten, drei¬
fachen Gliederung vorzuarbeiten, indem sie ihre
Erzeugnisse in mindestens je sechs vollstän¬
digen Exemplaren auf heben, von denen zwei
für das „Reichszeitungsmuseum“, ein weiteres
für die zukünftige Provinzial- oder Landeszen¬
trale, das vierte für die Ortszentrale, das fünfte
und sechste für das Archiv oder die Bibliothek
der betreffenden Schriftleitung selbst zu be¬
stimmen sind. Daß alle diejenigen Blätter,
Korrespondenzen und Zeitschriften, bei denen
es auf die Kosten nicht so sehr ankommt,
mindestens eines dieser sechs Exemplare voll¬
ständig „zaponieren“ lassen und in diesem Zu¬
stande aufheben müßten. Daß alle Zeitungen
usw., bei einem etwaigen Eingehen, diese sechs
Exemplare, oder wenigstens ein „zaponiertes“,
oder allermindestens ein vollständiges un-„zapo-
niertes“ Exemplar, je nachdem, solange das
„Reichszeitungsmuseum' noch nicht besteht,
an die betreffende Universitäts- oder Provin¬
zial- oder Landesbibliothek freiwillig schenken
müßten, wenn die Lieferung von Pflichtexem¬
plaren nicht vorgeschrieben ist. Wenn es wahr
ist, was Dr. Hans Paalzow in seinem Aufsatz
„Der Plan eines Reichszeitungsmuseums“ (Die
Woche, Heft 43 vom 24. Oktober 1908) ver¬
sichert, daß jede Redaktion alle Nummern ihrer
Zeitung sammelt, daß „in jeder größeren Re¬
daktion mehrere Exemplare des eigenen Blattes
gebunden werden“, so wäre ein wesentlicher
Teil der vorstehenden Forderungen in der
Praxis ja schon erfüllt und der übrige Teil
nicht allzuschwer erfüllbar. Allerdings muß
mit Nachdruck betont werden, daß das bloße
Einbinden die Erhaltung nur für einige Zeit
gewährleistet, aber nicht für die Dauer, daß
vielmehr die „Zaponierung“ hinzutreten muß,
wenn die Erhaltung für die ferne Zukunft ge¬
sichert sein soll.
Leider will es mir aber scheinen, als ob
das Verständnis für die innere Berechtigung
der Forderung des „Selbstaufhebens“ mindestens
eines, und zwar „zaponierten“ Exemplares einem
Abb. 3.
Das Original ist mit einem Bande versehen, durch dessen Zug die Blumen
aus den Vasen an Streifen mit Devisen emporwachsen.
Glückwunschkarten aus der Biedermeier-Zeit.
Z. f. B. 1909/1910. Heft 1
Zu Hennig- Biedermeier-Wünsche
Kekule, Über Zeitungsmuseen.
1 7
großen Teile der in den Schriftleitungen ma߬
gebenden Personen noch fehle, denn als ich
den Versuch machte, diese Forderung in der
Ballspende der diesjährigen Ballfestlichkeit des
Vereins „Berliner Presse“ in scherzhafter Form
zum Ausdruck zu bringen, wurde dieser Beitrag
nicht abgedruckt, obgleich ich zu einem solchen
ausdrücklich aufgefordert worden war.
Ich wende mich nun noch zu einigen Einzel¬
heiten in der Einrichtung des geforderten
„Reichszeitungsmuseums“ selbst.
Bleibt als zunächst erhoffbar nur dieses
übrig, so muß es, falls nicht unwiederbring¬
licher Schaden geschehen soll, das Gebiet seiner
Sammeltätigkeit für den Anfang weiter aus¬
dehnen, als es notwendig wäre, wenn daneben
schon Provinzial- oder Landes -Zentralen und
Orts -Zentralen bestünden. Von den Zeitungen
müßte es sammeln: nicht nur alle „allgemeinen
politischen Parteiblätter“ und die großen und
weit verbreiteten Zeitungen, die keine bestimmte
politische Parteirichtung vertreten, sondern alle
wichtigen Provinzialzeitungen. Von den Korre¬
spondenzen müßte es alles, außer den rein fach¬
lichen und den belletristischen Korrespondenzen,
auf bewahren. Alles in vollständigen Jahrgängen,
ohne zunächst, nach Verarbeitung, etwas aus-
scheiden zu dürfen. Daneben hätte eine Ver¬
arbeitung und „Zaponierung“ aus Doppelexem¬
plaren stattzufinden. Zeitschriften wären in die
Verarbeitung mit einzubegreifen, aber, sie da¬
neben vollständig aufzubewahren, dürfte sich
erübrigen, da dieses in den großen Bibliotheken
schon stattfindet und nicht aufhören dürfte.
Das wäre der Übergangszustand, so lange
keine Provinzial- oder Landeszentralen oder ört¬
liche Zentralen bestehen, und es müßte gehofft
werden, nach höchstens einem, allerhöchstens
zwei Menschenaltern infolge der Schaffung von
diesen Sammelstätten „erster“ und „zweiter In¬
stanz“ und durch den dann erst möglichen
Beginn der Ausschaltung ganzer Jahrgänge,
nach Verarbeitung im „Reichszeitungsmuseum“
nach den oben dargelegten Grundzügen, letzteres
entlasten zu können.
Ich kehre nun noch zu dem zurück, wie
Spahn sich das „Reichszeitungsmuseum“ denkt.
Außer seinen, schon oben im Wortlaut
wiedergegebenen Sätzen kommen hier noch
die nachfolgenden Ausführungen von ihm in
Betracht.
Z. f. B. 1909/1910.
Über die Notwendigkeit, daß ein Zeitungs¬
museum für das ganze Reich gefordert werden
muß, daß große Landes- oder Provinzialzentralen
nicht ausreichen würden: „Die Presse ist ihrer
ganzen Entwicklung nach als deutsche Presse
erwachsen. Sie trug am meisten dazu bei, daß
unser Volk sich von den Banden des ihm an¬
erzogenen partikularistischen Denkens befreite.
Man würde ihr Gewalt antun, wenn man sie
bei ihrer Sammlung wegen der Zugehörigkeit
ihrer Druckorte zu den Einzelstaaten sogleich
wieder auseinanderrisse, und man würde ihre
Benutzung dadurch sogleich der Gelehrtenwelt,
wie allen anderen ohne triftigen Grund er¬
schweren. Einerseits lassen sich Zeitungsbände
ihres Gewichtes wegen nur schwer und kost¬
spielig versenden; ihr Papier würde bei häu¬
figer Versendung noch schneller vernutzt wer¬
den, als es ohnehin unvermeidlich ist. Andrer¬
seits macht das Studium der Zeitungen wegen
der Überfülle an Einzelheiten, mit der es zu
kämpfen hat, wünschenswert, daß der Benutzer
soviel Vergleichsstoff wie möglich zur Stelle
hat, um sich über jede Frage sofort allseitig
Aufklärung zu verschaffen. Die Cottasche
, Allgemeine Zeitung' nur in einem süddeutschen,
die frankfurter Zeitung' nur in einem nord¬
deutschen Zeitungsmuseum — man braucht die
beiden Möglichkeiten sachkundigen Männern
bloß vorzulegen, um sie zu überzeugen, daß
eine Teilung der Zeitungen eine unpraktische
Maßregel sein würde.“
Soweit diese Sätze Spahns für ein „Reichs¬
zeitungsmuseum'' plädieren, sind sie vortrefflich.
Soweit sie gegen die Schaffung von Provinzial¬
oder Landeszentralen und Ortszentralen neben
dem „Reichszeitungsmuseum“ verwendet werden
können, kann ich sie nicht billigen und muß
auf das bereits Gesagte verweisen.
Über die Beibringung der Mittel zur Be¬
gründung und Verwaltung des „Reichszeitungs-
museums“ sagt Spahn: „Sollte der Plan eines
Reichszeitungsmuseums verwirklicht werden, so
würde die Begründung wie die Verwaltung des
Museums beträchtliche Summen beanspruchen.
Darüber ist keine Täuschung möglich. Es ist
kaum zu erwarten, daß der Staat in absehbarer
Zeit den notwendigen Betrag völlig beschafft.
Möge also der Staatshilfe die Initiative Privater
voraneilen, der die anderen Völker ihre Zeitungs¬
sammlungen verdanken.“
3
i8
Milcke, Ein wertvoller niederösterreichischer Kodex des XIII. Jahrhunderts.
Über ein, dem „Reichszeitungsmuseum“ an¬
zugliederndes, „Zeitungs- Archiv“ sagt er: „Auf¬
gabe dieses Archivs wäre es, eine umfassende,
nach Schlagwörtern geordnete Registratur aller
Zeitungsartikel und -Nachrichten, die zu fach¬
männisch-journalistischer Beurteilung beachtens¬
wert erscheinen, zu Nachschlagezwecken her¬
zustellen. Sie würde vorzüglich den Redak¬
tionen, dem Politiker und Volkswirtschaftler,
zur Orientierung jedoch auch dem Historiker
zugute kommen. Auch sie wäre ein nützliches
und bisher versäumtes Werk. Denn die Re¬
gistrierung sogar des Inhalts der eigenen Zeitung
liegt bei fast allen unseren Redaktionen im
argen.“
Und über die mit dem Museum wie mit
dem Archive zu verbindende „Handbibliothek“
sagt er endlich: „in sie gehören alle Bücher
und Aufsätze zur Geschichte und Technik des
Zeitungswesens, ferner alle noch aufzufindenden
vervielfältigten Zeitungs -Korrespondenzen, so¬
dann alle Parlamentsberichte und Drucksachen
der Parlamente, wie der öffentliche Zwecke
verfolgenden Gesellschaften und Vereine, end¬
lich die Flugschriften des XIX. Jahrhunderts und
der Gegenwart. Das Ideal wäre, wenn auch
eine Handschriftensammlung nicht fehlte. Sie
wäre die rechte Heimstätte insbesondere für
den Nachiah von Journalisten und Parlamen¬
tariern, der heute noch zum unersetzlichen Ver¬
luste für unsere Wissenschaft, nur zu oft dem
Untergange preisgegeben wird.“
Abgesehen davon, daß die „Handschriften-
Abteilung“ eine besondere, von der „Hand¬
bibliothek“ völlig getrennte „Abteilung“ sein
müßte; abgesehen davon, daß Spahn hier als
Bestandteile der „Handbibliothek“ Dinge an¬
führt, die meines Erachtens in das Zeitungs¬
museum selbst gehören, stimme ich auch diesen
Gedanken vollkommen bei. Durchweg gibt
Spahn treffende Anregungen, wenn auch daran
im einzelnen Verschiedenes auszusetzen sein
mag, wie auch die vorstehenden Ausführungen
nur von neuem weitere Anregungen geben
sollen, während die Ausarbeitung detaillierter
Pläne den Vertretern der Bibliothekswissenschaft
zu überlassen sein dürfte.
Die Initiative und Opferwilligkeit der be¬
teiligten Kreise möge aber bald das „Reichs¬
zeitungsmuseums“ ins Leben rufen!
Ein wertvoller niederösterreichischer Kodex des XIII. Jahrhunderts.
Von
F. Milcke in Leipzig.
Mit zwei Abbildungen.
mie Aufhebungsprotokolle österreichi¬
scher Klöster aus den ersten Regie¬
rungsjahren Josephs II., wie sie hie und
da in geschichtlichen Sammelwerken veröffent¬
licht sind, müssen den Bücherfreund geradezu
wehmütig stimmen. Es ist ja sicherlich man¬
ches wertvolle Buch damals aus den Kloster¬
räumen, in denen es begraben lag, in die
Wiener Hofbibliothek oder in die würdigen
Hände eines Kenners und Forschers gelangt,
und viele Tausende von Bänden, die damals
zugrunde gingen, mögen ja auch noch heut als
belanglos und überflüssig gelten; aber ebenso
sicher ist es, daß unzählige Pergamenthand¬
schriften und Inkunabeln verzettelt und ver¬
nichtet wurden, und zwar nicht durch rohe Sol¬
daten- oder Bauernhorden, sondern durch rechts¬
gelehrte kaiserlichkönigliche Kommissarien und
vereidigte Taxatoren. Was fragten diese biedern
Rationalisten und treuen Beamten eines zentra¬
listischen Staatssystems nach den alten theologi¬
schen und liturgischen Folianten r Das Papier
mochte in die Stampfmühle wandern und das
Pergament wurde für wenige Kreuzer an den
Goldschläger und den Buchbinder verkauft. Viel¬
leicht hat manch ein Kommissär doch ein wenig
gestutzt und gezögert, wenn ihm beim flüchtigen
Durchblättern der Handschriften die farbenpräch-
Milcke, Ein wertvoller niederösterreichischer Kodex des XIII. Jahrhunderts.
19
tigen Miniaturen und Initialen auffielen, — aber
nein, das war ja gotisch, und „gotisch“ war
gleichbedeutend mit „barbarisch“. So ist es denn
gekommen, daß von den Pergament-Manuskrip¬
ten und den reichen Bücherschätzen, welche
die österreichischen Klöster und Kirchen einst
besaßen, so sehr wenig auf unsere Zeit ge¬
kommen ist.
Ein höchst wertvoller liturgischer Perga¬
mentkodex niederösterreichischer Herkunft, aus
der Blütezeit frühmittelalterlicher Kunstübung
ist vor kurzem in den Besitz des Herrn Karl
W. Hiersemann in Leipzig gelangt. Es ist dies
ein Missale mixtum, eine lateinische Pergament¬
handschrift aus der Mitte des XIII. Jahrhunderts
(ca. 1240), aus Stockerau, 274 Bll. in folio,
linksseitig beschrieben, mit einem blattgroßen
und einem etwas kleineren Kanonbilde, einer
7 y2 cm hohen Miniatur, mehreren gleichfalls in
Gold und Farben gemalten Prachtinitialen, ferner
50 großen, im Stil der Schottenmönche orna¬
mentierten mehrfarbigen Initialen und zahllosen
kleineren von 3 bis 6l/2 cm Größe, sowie mit vielen
Neumen und einzelnen Lesezeichen für den
liturgischen Vortrag. Der Text ist von mehreren
Schreibern des XIII. Jahrhunderts geschrieben,
mit späteren Zusätzen, Eintragungen und Rand¬
bemerkungen. Querstehende Randnoten am
äußersten Rande, Inhaltsangaben in ganz win¬
ziger Schrift enthaltend, sind schon bei der
Herstellung des ersten Einbandes teils ganz ab¬
geschnitten, teils mehr oder minder vom Messer
berührt worden. Seit dem XV. Jahrhundert ist
der Band, wie die späteren Randnoten bezeugen,
nicht beschnitten worden. Gegenwärtig befin¬
det sich der Kodex in einem modernen, ge¬
diegenen englischen Maroquin-Einband (ca. 1850)
mit Goldpressung und einer dem „Schatz-
behalter“ entlehnten Kreuzigungsszene auf dem
vorderen Deckel.
Die Handschrift ist ein Meßbuch, welches
neben den Messen, Lektionen, Antiphonen usw.
der gesamten Kirche die für die spezielle
Diözese geltenden Festtagslektionen und son¬
stige Zusätze umfaßt. Als solches ist die Hand¬
schrift von seltener Vollständigkeit und ganz
ungewöhnlichem Umfange. Die 556 Seiten
bilden ein wohlgeordnetes, unteilbares Ganzes,
trotz der verschiedenen Hände, die daran ge¬
arbeitet haben. Der Canon missae, der die
Mitte des Bandes einnimmt, ist, wie immer, in
größerer Schrift ausgeführt und hebt sich auch
durch seine reichere künstlerischeAusschmückun^
o
vom übrigen Text ab. Man kann bemerken,
daß alle größeren Anfangsbuchstaben, ab¬
gesehen von den drei zum Kanon gehörigen,
durchaus demselben scharf charakterisierten
Stil angehören. Der Text ist in der Haupt¬
sache als von zwei Schreibern herrührend zu
bezeichnen, von denen der eine den ersten Teil,
bis zum Kanon geschrieben hat; fremde Zusätze
von späteren Händen finden sich hier nur
auf dem ursprünglich weiß gebliebenen ersten
und letzten Blatt des Kalendariums; von dem
anderen Schreiber, dessen Schrift im Verfolg
der Arbeit allmählich kleiner und eleganter
wird, rührt der zweite, hinter dem Kanon be¬
ginnende Teil des Manuskriptes her, in welchem
die mit XLII, XLVIIII und LVI bezifferten Blätter
spätere Zusätze aufweisen, ebenso in dem mit
Neumen versehenen Exultet, gleich hinter dem
Kanon, und in einigen daran anstoßenden
Partien.
Beide Schriften liegen jedoch kaum einige
Jahrzehnte auseinander, und sind jedenfalls am
gleichen Orte entstanden.
Das ältere Kanonbild (Abb. 1) auf Blatt
3a des Kanon unten, i8i/2XX4 cm, zeigt auf
dem etwas abgeriebenen Goldgründe in blauem,
roten und grünen Rahmen Christus am Kreuze
mit Maria und Johannes in prächtiger Aus¬
führung. Ungewöhnlicherweise hat das Kreuz
die Gestalt eines grünen Baumstammes mit
zwei herabgebogenen und abgeschnittenen
Asten. Die Heiligenscheine sind, um sie vom
Goldgrund abzuheben, in Farben gehalten, die
Gewänder in wundervoll matten und gegen
einander abgestimmten Tönen. Maria in wasser-
farbenem, grünbläulichen Untergewand mit
Goldsaum, über welches ein mattfleischfarbener,
innen hellgrüner Mantel herabfällt. Der Mantel
ist auf dem Kopfe über einen Hut von alt¬
griechischer Form (wie bei den Tanagrafiguren)
gezogen, so daß er nicht nur das ganze Gesicht,
sondern auch das blonde Haar, welches in
Wellen auf die Schultern fällt, sehen läßt. Maria
blickt mit gefalteten Händen zu dem Gekreuzig¬
ten auf. Johannes trägt ein langes, hellgrünes,
goldbordiertes Gewand, mit einem kurzen
wasserfarbenen, innen hochroten Mantel dar¬
über; er hält den Kopf geneigt, doch ist
seine Gebärde lebhaft schmerzerfüllt, fast leiden-
20
Milcke, Ein wertvoller niederösterreichischer Kodex des XIII. Jahrhunderts.
Abb. i. Kanonbild auf Blatt 3a.
schaftlich. Während Gewandung und Falten- rücken ansetzen. Realistisch, in etwas harten
wurf bei beiden Figuren an die Antike erinnern, Formen ist auch der Körper des Gekreuzigten
ist den Gesichtern in sehr realistischer Weise modelliert, mit herausgedrückter Hüfte und
der Ausdruck der Trauer durch stark hervor- mageren Gliedmaßen, die Beine in der Stellung
gehobene Stirnrunzeln verliehen worden, die als etwas verdreht, wie man dies gerade in den
schmale, belichtete Bögen direkt an den Nasen- deutschen Schulen der Zeit findet. Christus
21
Milcke, Ein wertvoller niederösterreichischer Kodex des XIII. Jahrhunderts.
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Abb. 2. Initiale W.
trägt ein grünes, innen matt-fleisch¬
farbenes Lendentuch. Neben der
Prachtinitiale T (Te igitur) findet sich
am Rande eine zweite Miniatur,
7t/2 cm hoch: ein knieender Geist¬
licher in der Tonsur, in weißem,
gelb schattierten Kleide und rotem,
hellgrün gefütterten Überwurf, mit
betend erhobenen Händen; auch
dieses Bild von ungemein sorgsamer
und gelungener Ausführung. — Ein
ziveites Kanonbild , wenig später als
das erste und wohl am selben Orte
entstanden, findet sich zwischen dem
Kalendarium und den mit Neumen
versehenen Messen am Anfang und
mißt 2gX2öl/2 cm. Dieses hervor¬
ragende Stück mittelalterlicher Ma¬
lerei hat zunächst einen Goldrahmen
mit farbigem Blattschmuck, Akanthus-
gewinde in Grün, Blau, Zinnober und
einem mattgelblich getönten Rosa,
sodann einen gestanzten Bildgrund
von kleinen, goldenen und farbigen
Karrees. Auf dem grünen Rasen des
Vordergrundes steht links Maria, blau
gekleidet mit weißem Kopftuch, die
Hände vor der Brust zusammenge¬
legt, das tränenreiche Antlitz etwas
geneigt ; rechts die etwas zu ge¬
drungen geratene Gestalt desjohannes
mit flachsblondem, gewellten Haupt¬
haar, vorschreitend, mit einer Geste der rechten
Hand, unter dem linken Arme ein Buch haltend;
karmoisinfarbenes Untergewand und weinroter
Mantel. Die Gestalt des Gekreuzigten ist etwas
konventionell in den mageren Formen der ro¬
manisch-gotischen Schule behandelt, dagegen
zeigt sein Haupt mit einer grünen Dornenkrone
und halbgeschlossenen Augen die Kunst des
Malers in einem weit vorgeschrittenen Stadium
der Entwicklung. Die Köpfe sind von großen,
goldenen, blau ornamentierten Heiligenscheinen
eingerahmt. Die Rückseite dieses bedeutenden
Miniaturblattes, das ursprünglich wohl für ein
anderes, vielleicht unvollendet gebliebenes Me߬
buch bestimmt war, ist leer.
Das im Kanon übliche W (= vere dignum)
ist neunmal am Eingang der Abschnitte wieder¬
holt, noch einmal kleiner über der ersten Seite
und ganz groß bei den Worten vere dignum
des Sanktus, auf blauem und goldenen Grunde
in der Art der übrigen Prachtinitialen, welche
diesen Abschnitt zieren, das heißt mit rosa¬
farbigen Buchstaben und ebensolchen symme¬
trischen Ranken, die in dreiteilige, grüne, stili¬
sierte Blätter endigen (Abb. 2). Die zahlreichen
übrigen, durch den ganzen Kodex zerstreuten
Initialen sind Produkte einer Kunstübung, die
von den missionierenden Iren, Angelsachsen und
Schottenmönchen ausgegangen war. Charak¬
teristisch für diese Art der Buchornamentik ist
die mannigfache Verwendung stilisierter Tier¬
formen: Raubtiere, Vögel, Drachen bilden den
Buchstabenkörper oder schmücken ihn in Ver¬
bindung mit Laub, Rankenwerk und Trauben.
(Fische kommen nur auf der primitivsten Stufe
dieser Kunst vor.) Eigentümlich ist auch der
hellgrüne Grund dieser Initialen, ein Charakteristi¬
kum, das sich in der nordischen Kunst bis nach
22
Zaretzki, Eine unbekannte deutsche Ausgabe des Horae B. M. V. aus dem XV. Jahrhundert.
Island hinauf wiederfindet. — Daß die Schreiber
des Missale etwa in einem der zahlreichen
Schotten-(Benediktiner-)Klöster Südost-Deutsch¬
lands oder der deutschen Ostmark zu suchen
seien, geht nicht nur aus der Ornamentik hervor,
sondern auch aus den Namen der Heiligen, die
im Kalender und in den liturgischen Abschnitten
aufgeführt werden (Bonifacius, Willibald, Oswald,
Brigida Willibrordus, Brandanus usw.). Daneben
Heilige der Diözese Regensburg, zu der die
Schottenklöster gehörten. Da jedoch weder die
Feste des heiligen Benedikt noch die anderer
Ordensheiliger besonders hervorgehoben sind,
kann das Missale nicht zum Gebrauch eines
Klosters selbst bestimmt gewesen sein. Be¬
sondere Berücksichtigung finden dagegen die
Heiligen Florian, Margareta, Maria, Magdalena,
Afra, Laurentius, Augustinus, Katharina, Niko¬
laus und Stephan, die in Süddeutschland vielfach
als Kirchenpatrone Vorkommen. Weisen schon
diese Namen deutlich auf das alte Norikum
(ebenso wie die Heiligen Severin, Wolfgang u. a.),
so deutet die mehrfache Erwähnung des heili¬
gen Wenzeslaus auf die Nähe von Böhmen.
Unter dem 13. Oktober und in einigen Partien
des ersten, ältesten Teiles findet sich „Cholo-
mannus conf.“ (schon die Schreibung des
Namens ist für Österreich charakteristisch!) —
nicht zu verwechseln mit dem ungarischen
Könige Koloman. Die Leidens- und Grabes¬
stätten dieses Bekenners sind Stockerau und
Melk (Molk) an der Donau. Da die Abtei
Melk aus dem oben erwähnten Grunde nicht
in Betracht kommen kann, ist wohl die Pfarr¬
kirche von Stockerau mit Sicherheit als die¬
jenige zu bezeichnen, für deren Gebrauch das
Meßbuch bestimmt war. Es findet sich auch
unter dem 5. Juni eingetragen: Dedicatio cap¬
pelle Sei. Laurentij super Danubium, ein weiterer
sicherer Anhaltspunkt für die Heimat des Kodex.
Für die Entstehungszeit des Missale, resp.
seiner ältesten Bestandteile, kommt der Um¬
stand in Betracht, daß der Kalender den
heiligen Franziskus von Assisi (1 228 kanonisiert),
aber noch nicht das Fronleichnamsfest (zuerst
1246, allgemeiner 1264 gefeiert) aufführt. Die
Handschrift dürfte also vor der Mitte des
XIII. Jahrhunderts ( etwa 1240) entstanden und
vollendet sein. — Der Gedächtnistag eines
Laien unter dem 6. Februar ist leider fast ganz
ausradiert und nicht mit Sicherheit zu lesen;
vielleicht: „Hainricus dictus Heligmannus“, wahr¬
scheinlich ein Donator oder Wohltäter der
Kirche.
Ein unbekannte deutsche Ausgabe des Horae B. M. V.
aus dem XV. Jahrhundert.
Von
Dr. Otto Zaretzki in Köln.
Mit einer Abbildung.
jn den Mitteilungen des Österreichischen
Vereins für Bibliothekswesen Jahr¬
gang 11 (1907) hat H. Bohatta eine
Zusammenstellung der Livres d’heures (Horae
B. M. V., Horas, Getijden) des XV. und XVI.
Jahrhunderts mit Ausnahme der für Salisbury
und York gedruckten gegeben, soweit sie in
den gedruckten Bibliographien und Katalogen
aufgeführt sind. Der Verfasser hat in dieser
verdienstlichen Übersicht 992 Ausgaben ver¬
zeichnet. Unter diesen findet sich nur eine
einzige in deutscher Sprache, die von Marcus
Reinhard zu Kirchheim (Klein Troyga) 1491
gedruckt worden ist. Die Stadtbibliothek in
Köln besitzt nun eine frühe deutsche Ausgabe
der Horae, die bisher allen Bibliographen un¬
bekannt geblieben ist. Sie entstammt der Biblio¬
thek der katholischen Gymnasien in Köln
und ist anscheinend vordem in Kölner Privat¬
besitz gewesen. Es ist ein Büchlein in 8°, das
Zaretzky, Eine unbekannte deutsche Ausgabe des Horae B. M. V. aus dem XV. Jahrhundert.
23
in unversehrtem Zustande wenigstens 192 Blätter
enthalten muß (a4 — u4. x4 — z4. e4), die Seite
mit 18 Zeilen. In dem vorliegenden Exemplare
fehlen: Blatt 1 (Titel?), 4 Blätter in Bl.-Lage 8
(bi und ij mit den zugehörigen Blättern), und
am Schluß mindestens 1 Blatt. Ich gebe zu¬
nächst die Beschreibung, soweit das nach dem
unvollständigen Exemplare möglich ist.
Bl. 2a m. Holzschnitteinfassung Z. 1 rot:
ffye begynnent nufer lieruer || t>raumen ge^ijbe.
De metten. || Schwarz: (f?)<£re boe Dp my ||
lippen ... Bl. 41 a m. Sign, e i [verdruckt
für fi] Z. 8: bis in emid^eit 2tmen.||Bl. 4ib
Holzschnitt: Christus am Kreuz, Maria
und Iohannes, mit Einfassung. Bl. 42a Z. 1
rot: fjye begynnen be formte || cruifi ge^ijbe.
De metten. || Schwarz: (ff) <£re boe Dp my||
ne lippen. ... Bl. 5ia m. Einfassung Z. 1
rot: ffye begynne bes tilgen geifte || ge=
fiijbe. Dye metten. || Schwarz: (ff)<£re bo
Dp my || ne Iyppen ... Bl. 88a Z. 10: bijt
in emiefieit hinten. || Bl. 88 b Holzschnitt:
Büßer vor Christus, mit Einfassung.
Bl. 89a m. Einfassung Z. 1 rot: fjye
begynne be feuen pfalmen || ber peni=
tencien fco buyteffd]e. || Schwarz:
(ff) <£re in binre d’|| bolgenfyeit [!] en ||
ftraiffe mycb || neit ... Bl. 1 1 2a
leer, Il2b Holzschnitt: Fegefeuer,
mit Einfassung Bl. 113a m. Sign,
pi Z. 1 rot: ffyr begynt be üigilie in
buyt || fdien. Dilejri quouia eyaubiet. ||
Schwarz: (3) €1] mynbe mant ber
here fal d’ || fioeren be (tymme myns
gebebes||. . . Bl. 191h Z. 18: mit allen
ben gfyene bie bidj lieff ||
Die Heiligen - Litanei, die u. a. S.
Gereon, S. Mauritius, S. Pantaleon, S.
Brigida, S. Columba und S. Ursula auf
führt, weist uns auf Köln hin; die
Sprache ist kölnisch und auch der
Buchschmuck ist es, wenigstens finden
sich die Randleisten und Holzschnitte
zum Teil in der deutschen Ausgabe des
Cordiale quattuor novissimorum, Köln,
Koelhoff 1487, und den gleichfalls von
Koelhoff zwei Jahre später gedruckten
Christenspiegel Dietrich Coeldes wieder.
Die Horae enthalten die Randleisten
unversehrter und vollständiger, als die
Drucke Koelhofifs, in denen überall die
zum Textanfang nicht passenden großen Initialen
entfernt worden sind; die Randleisten sind offen¬
bar für den Druck der Horae hergestellt worden.
Daraus dürfen wir schließen, daß die Horae
älter sein werden, als die Drucke Koelhofifs.
Ein Kalender, der auf die Zeit der Entstehung
einen Rückschluß gestattete, scheint der Kölner
Ausgabe, wenigstens nach den Signaturen und
dem im alten Einbande erhaltenen Exemplare
der Kölner Stadtbibliothek zu urteilen, nicht
beigegeben zu sein.
Der ganze Druck ist mit einer Type her¬
gestellt, die auf den ersten Blick mit der von
Arnold Therhoernen oft gebrauchten Type 1
(Burger, Tafel 180.1) identisch zu sein scheint.
Der bei allen Teil- und Kapitelüberschriften,
und sogar auch bei kleineren Abschnitten des
Textes angewandte Rotdruck, wie ihn Ther¬
hoernen in seinen Drucken bis zum Jahre 1475
liebte, verstärkt noch den Eindruck, daß wir
es hier mit einem Therhoernenschen Druck¬
erzeugnis zu tun haben. Allein bei genauerer
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24
Pudor, Die Raumlehre im Buchdruck.
Prüfung stellt sich heraus, daß die Type der
Horae mit der Therhoernens nicht identisch
sein kann, da sie schärfer ist und Charaktere
enthält, die sich bei Therhoernen nicht nach-
weisen lassen. Zu diesen gehört besonders
das charakteristische kleine z, das sich be
Therhoernen nicht findet, auch nicht in den
deutschen Teilen des Duytschlenders von
Gerardus de Schueren, ferner das kleine, eigen¬
artig geformte s. 20 Zeilen der Type der I lorae
messen 89/90, von der Type 1 Therhoernens
dagegen 98 bis 100 mm. Vielleicht aber ist
die Type der Horae identisch mit der bei
Theodoricus vorkommenden, die Proctor meines
Erachtens mit Recht von der Type Therhoer¬
nens getrennt hat. Die zur Vergleichung zu
Gebote stehenden Proben dieser Typengattung
sind jedoch nicht ausreichend, um eine sichere
Entscheidung treffen zu können.
Die Kölner Ausgabe der I lorae enthält auch
noch drucktechnische Eigentümlichkeiten , wie
ich sie in den mir zu Gesicht gekommenen
Kölner Drucken des XV. Jahrhunderts sonst
nicht wiedergefunden habe. Während bei den
größeren Abschnitten die Initialen handschriftlich
(rot) eingetragen sind, sind bei den Satz-
anfängen im Text fast durchweg die ersten
Buchstaben rot gedruckt und zwar mit Ver¬
salien, die von dem Schriftcharakter der Text¬
type abweichen. Merkwürdigerweise ist der
Rotdruck zuerst hergestellt und dann der übrige
Text hinzugedruckt. Das Ineinanderfügen des
zweifachen Satzes ist dem Drucker nicht immer
ganz gelungen, an zahlreichen Stellen ist der
schwarze Druck auf den roten geraten. — Nach
allem zählt das seltene Büchlein zu den inter¬
essantesten Kölner Inkunabeln, die uns erhalten
sind.
Die Raumlehre im Buchdruck.
Von
Dr. Heinrich Pudor in Leipzig.
on Raumlehre und Raumkunst pflegt
man heute auch in denjenigen Ge¬
bieten der Kunst und des Kunstge¬
werbes zu sprechen, welche es im Grunde nur
mit der Fläche, nicht mit dem Raume zu tun
haben, also in der Malerei, in der Graphik, in der
Textilkunst und im Buchgewerbe. Die Gesetze
der Flächenverteilung kommen andererseits in
den Raumkünsten insoweit in Frage, als es sich
dort um die Dekoration der Flächen handelt,
denn Räume werden begrenzt durch Flächen. In
den Raumkünsten steht freilich die Flächenfrage
erst in zweiter Linie, in erster kommt es dort
auf den Körper, auf die Maße, auf den Raum an
und nur in Verfallzeiten der Kunst werden auch
hier Flächenfragen in den Vordergrund gestellt,
wie in der Barockzeit die Fassadendekoration.
Wir haben es hier mit der Raumlehre als
Flächenverteilung im Buchdruck zu tun. Die
zur Verfügung stehende Fläche ist die Seite
eines Blattes. Diese Seite hat eine bestimmte
Größe in der Form eines Rechteckes. Die
Druck- und Farbenwerte, die auf diese Seite
gesetzt werden, ordnen sich der Gesamtfläche
unter und zwar einmal der P'arbe nach und
zweitens der Fläche nach. In letzterer Beziehung
teilen sie die Gesamtfläche in mehrere kleinere
Flächen oder bilden Ruhepunkte, Sammelpunkte,
Zierpunkte auf der Fläche. Flächen werden
begrenzt durch Linien, Linien durch Punkte.
Linien und zu Linien zusammengesetzte Punkte
oder Schriftzeichen teilen die Hauptfläche und
schaffen kleinere Felder oder Flächen, wie wir
in diesem Falle besser sagen wollen, die in
einem gewissen Verhältnis zur Gesamtfläche
stehen. Dazu kommt die Wirkung der Farbe.
In den meisten Fällen handelt es sich hierbei
um schwarze oder doch dunkle Druckfarbe auf
weißem oder hellem Papier. Jedes auf die helle
Fläche einer Seite gesetzte Druckzeichen läßt
eine Schwarzweiß - Wirkung und einen Hell¬
dunkel-Kontrast entstehen, welcher eine ganz
bestimmte ästhetische Wirkung auf den Gesichts¬
sinn und auf das Gefühl hervorruft.
Beide Momente, die Flächengliederung in
Felder durch Linien und Punkte, und der Hell-
Abb. 5.
Im Original nei^t sich, durch Ziehen an einem Papierbande
das Mädchen zum Kusse herab.
Abb. 6.
Die Vorderwand des Häuschens ist aufklappbar, man erblickt darin ein Liebespaar.
Glückwunschkarten aus der Biedermeier-Zeit.
z. f. B.
1909/1910. Heft 1
Zu Hennig: Biedermeier-Wünsche.
25
Pudor, Die Raumlehre im Buchdruck.
dunkel -Kontrast wirken nun zusammen. Außer
der Flächengliederung muß jede Seite auch
eine bestimmte Schwarz-weiß-Wirkung ergeben.
Welcher Art diese Wirkung ist, hängt von dem
Verhältnis der schwarzen und weißen, der
dunklen und hellen Werte ab. Für die Kunst
dieser Flächengliederung und des Flächen¬
schmuckes Regeln aufstellen zu wollen, wäre
— wenigstens soweit die Illustration als Bild
in Betracht kommt, nicht viel anders, als
wollte man dem Maler vorschreiben, wie er
die Fläche seines Tafelgemäldes gliedern solle.
Nicht nur, daß es unzählige Möglichkeiten
dieser Flächengliederung gibt, so kommt es
auch ganz und gar auf die Absichten an, die
der Künstler in ästhetischer und vor allem
psychischer Richtung auf den Beschauer aus¬
üben will. Wohl aber darf gefordert werden,
daß derjenige, welcher durch Schwarzweiß-
Wirkung künstlerische Werte herstellen will, vor
allem eben den Kontrast von Schwarz und
Weiß, von Hell und Dunkel, und zwar einmal
innerhalb der Zeichnung selbst und zweitens
im Verhältnis zu dem Papierrand und der Größe
der umgebenden Papierfläche vor Augen habe.
Es kommt also darauf an, einmal die Zeich¬
nung in die Papierfläche hineinzukomponieren
und zweitens innerhalb der Zeichnung ein ästhe¬
tisch wirkendes Verhältnis der schwarzen und
weißen Werte herzustellen. Die ideale Illustra¬
tionsart ist der Holzschnitt, weil er in sich selbst
dem Typendruck am nächsten kommt. Die
Autotypie schafft eine Art Seitenfläche zweiter
Ordnung, beim Holzschnitt allein wirkt die Illu¬
stration so, als ob der Künstler in die weiße
Fläche der Seite zeichnet oder malt. Dies
letztere ist aber eben nun in höherem Maße
beim Typendruck der Fall, der das Handmalen
und Zeichnen in nahezu vollkommener Weise
auf maschinellem Wege ersetzt. Typendruck,
der heute fast immer in gedankenloser Weise,
rein dem Zopf und Herkommen nach, ausgeübt
wird, kann eine Kunst sein und ist es im Grunde
so gut als der Holzschnitt. Abhängig aber ist
diese künstlerische Behandlung des Typen¬
druckes nicht nur von den Typen selbst, son¬
dern vor allem von der Art und Weise, wie
die Typen auf der Fläche der Papierseite ver¬
teilt werden und welche Schwarzweiß -Wirkung
sie auf der Fläche der Seite ergeben. Wenn
nicht der Holzschnitt künstlerisch im allgemeinen
Z. f. B. 1909/1910.
so herunter wäre, würde ich sagen, man solle
jede Seite so setzen, als ob man es mit Holz¬
schnitten zu tun habe. Oder man kann auf die
Japaner, Chinesen, Assyrer, Ägypter hinweisen,
denen das Schriftzeichen noch als ein Bild galt,
das sie auf den Papyros malten, mit Pinsel und
Tusche, nicht wie wir mit Feder und Tinte.
Von diesem Gesichtspunkt aus sehen wir,
wie viel Berechtigtes in der neuen Bewegung
auf dem Gebiete des Buchdruckes trotz vieler
Unklarheiten und Exzentrizitäten enthalten ist.
Früher ließ man z. B. den Satz einer Seite da
enden, wo der Gedanke endet, also mitten in
der Zeile und mitten in der Seite. Der Setzer
setzte die Typen lediglich als Elemente der
Worte, Begriffe und Gedanken, nicht aber zu¬
gleich als Bilder, als Zeichnungen, als Schwarz¬
weißwerte. Die neuen Bestrebungen, die Zeile
zu füllen, das Satzbild zu schließen, das Seiten¬
bild abzurunden, haben noch manches Unklare
und Pedantische, aber zugrunde liegt ihnen
die Erkenntnis oder die mehr oder weniger
dunkle Ahnung, daß der Buchstabe ein schwarzes
Bild, eine Silhouette auf der weißen Fläche der
Seite schafft, daß auch die Drucktechnik, um
es scharf auszusprechen, eine Art Bildvialerei ist.
Wenn wir den Buchdruck in dieser Weise
als Bildmalerei auffassen, müssen wir jede rein
konventionelle Satzgruppierung ablehnen. Die
Auszüge müssen gefüllt werden, nicht zwar mit
Schmuckstücken, die völlig anders geartet sind,
als die Buchstaben, wohl aber mit Füllstücken,
die im Charakter der betreffenden Schrifttype
gehalten sind und nicht herausfallen. Und des¬
gleichen müssen die Seitenausgänge gefüllt
werden oder aber abgegrenzt werden, am ein¬
fachsten durch Linien, deren Stärke und Platz
aber mit feinem Gefühl bestimmt werden müssen.
Die Größe der Type muß der Größe der Seiten¬
fläche entsprechen, die Ausschließung muß eine
derartige sein, daß das Satzbild eine das Auge
befriedigende Harmonie der stehenbleibenden
weißen Papierwerte und der deckenden schwarzen
Schriftwerte ergibt. Die Schrift selbst soll wie
Holzschnitt wirken, sie soll aussehen, als ob sie
nur dazu da wäre, die weiße Papierfläche in
einzelne helle Flächen und Linien aufzulösen.
Sie soll aber zugleich „knapp“ sein und scharf,
durchaus sachlich, die sinnvolle Form eines
Buchstabens so knapp als möglich darstellen,
während alle rein dekorativen Schnörkel und
4
2 6
Schmidt, Die Technik und Entwicklung des Dreifarbendruckes.
Anhängsel, wie man sie leider auch an modernen
Schriften vielfach findet, durchaus zu verwerfen
sind. Und die Schrift soll nicht eigentlich auf
der Seite stehen, sondern in der Seite stehen,
d. h. die Schriftfarbe soll vom Papier aufgesogen
sein, so daß es scheint, als ob die aufgedruckte
Schrift dem Papiere eingemahlen sei.
Was nun das Satzbild einer Seite betrifft,
so entsteht die Frage, ob es einer Zusammen¬
fassung bedarf, derart, dass die Satzfläche durch
umrahmende Linien zusammengeschlossen wird.
Diese Linien können aber natürlich nicht eng
an den Satz geklebt werden, sondern sie stehen
ein oder mehrere Zentimeter ab. Dazwischen
ist Papierfläche. Also fassen diese Linien, wie
man sieht, nicht eigentlich das Satzbild zu¬
sammen — dieses wird vielmehr durch die gleich¬
bleibende Höhe und Breite der Zeilen schon
genügend zusammengeschlossen — sie bilden
auch nicht eigentlich eine Umrahmung des Satz¬
bildes — denn sie stehen ja außerhalb des
Kolumnensatzes — sondern sie vorbereiten ledig¬
lich in vergrößertem Maßstab das Satzbild seinen
Ausmessungen nach und vermitteln zwischen
den Ausmessungen der Seitenfläche und denen
der Satzfläche. Sie sind also offenbar keineswegs
notwendig, vielmehr oft hinderlich — letzteres
dann, wenn sie zu fett sind — und für den
strengen Stil jedenfalls zu verwerfen. Sie sind
aus demselben Grunde auch dann zu verwerfen,
wenn sie den Zweck haben, die Seitenziffern zu
umschließen. Die Seitenziffern stellen der Kunst
des Buchdruckers fast immer ein Bein. Wohin
soll er sie setzen? Es bleibt nichts übrig, als
sie in die Mitte der ersten Zeile der Kolumne
zu setzen und die Zeile rechts und links von
den Ziffern mit Füllstücken im Charakter der
Schrift zu schließen, so daß die oberste Zeile als
Ziffernzeile das Kopfstück der Kolumne bildet.
Im allgemeinen muß der Setzer, wie gesagt,
vor allem beachten, daß sein Material nicht nur
Type und Farbe, sondern vor allem das Papier
ist, in dessen helle Fläche er die dunklen Schrift¬
zeichen hineinsetzt. Von dem Verhältnis der
hellen Werte des freibleibenden Papieres zu den
dunklen Werten der Buchstaben wird daher
die ästhetische Wirkung der bedruckten Seiten¬
fläche abhängen.
Die Technik und Entwicklung des Dreifarbendruckes.
Von
Professor Fritz Schmidt in Karlsruhe.
ie Reproduktionstechnik steht im Zei¬
chen der Farbe. Man kann heute
kaum ein Buch mit Abbildungen oder
eine illustrierte Zeitschrift aufschlagen, ohne auf
eine oder mehrere farbige Beilagen zu stoßen.
Selbst die Mehrzahl der Witzblätter beschränkt
sich nicht mehr auf einfarbige, schwarze Bilder,
sondern bietet ihren Lesern die wertvolleren oder
interessanteren in mehr oder weniger guter far¬
biger Ausführung. Und überall strebt und ver¬
langt man nach möglichst vollkommener, natur¬
getreuer, bildlicher Wiedergabe farbiger Objekte
zu mäßigem Preise. In edlem Wettstreit bemüht
sich eine stattliche Anzahl graphischer Kunst¬
anstalten, ausgerüstet mit allen erdenklichen
technischen Hilfsmitteln, unter Benutzung der
von emsigen Forschern gefundenen Verbesse¬
rungen und unterstützt durch einen Stab gut
geschulter, äußerst geschickter Mitarbeiter, die
Palme zu erringen und die Fach- und Laien¬
welt durch immer bessere Erzeugnisse in Atem
zu halten. Es ist geradezu erstaunlich, was
heute auf dem Gebiete der Farbenreproduktion
geleistet wird.
Lange bekannt und sehr viel angewendet
sind für farbigen Bildschmuck in Büchern, Zeit¬
schriften und einzelnen Kunstblättern der Farben¬
holzschnitt und die Farbenlithographie. Handelt
es sich dabei um wenige Farben, in denen die
Ausführung namentlich in großen Formaten,
geschehen soll, so geben diese Verfahren wohl
Resultate, die mäßigen Ansprüchen genügen;
Schmidt, Die Technik und Entwicklung des Dreifarbendruckes.
2 7
sobald indes die Ansprüche an die Wieder¬
gabe vieler gebrochener Farben steigen, wird
die Herstellung zu umständlich und daher zu
zeitraubend und zu teuer. Von anderen Ver¬
fahren hat in den letzten Jahren der Dreifarben¬
druck festen Fuß gefaßt und gewinnt immer
mehr an Boden, ein Verfahren, das von größter
Bedeutung ist, weil damit nicht nur eine gute,
sondern auch schnelle und billige Reproduktion
farbiger Originale möglich ist. Sehen wir, in
welchem Maße es den Bedürfnissen und An¬
forderungen Rechnung trägt.
Der Dreifarbendruck beruht auf der Tat¬
sache, daß der Eindruck sämtlicher Farben
mit all ihren Abstufungen durch drei richtig
gewählte Grundfarben und deren Mischungen
hervorgerufen werden kann. Um die für solche
drei Grundfarben genau abgestimmten Klischees
für den Druck zu erhalten, müssen zunächst
die Farben der Vorlage zerlegt werden. Diese
ebenso wichtige wie schwierige Aufgabe über¬
nimmt die Photographie.
Wir wollen versuchen, uns eine Vorstellung
davon zu machen, doch zuvor einige allgemeine
Betrachtungen vorausschicken. Es darf als be¬
kannt vorausgesetzt werden, daß das weiße
Licht aus farbigen Bestandteilen besteht, deren
charakteristische wir im Spektrum als Violett,
Blau, Grün, Gelb, Orange und Rot empfinden
und Spektralfarben nennen. Die Summe aller
farbigen Strahlen gibt also Weiß. Es läßt sich
dies aber auch aus einer viel kleineren Zahl
von Farbstrahlen bilden, z. B. aus nur drei, etwa:
Rot, Grün und Blau. Manchem Leser mag es
merkwürdig und unglaublich erscheinen, daß
durch Mischung von Rot, Grün und Blau Weiß
entstehen soll. Allerdings würde eine Mischung
von Körper- oder Pigmentfarben, wie wir sie
in den Aquarell- oder Öl- oder sonstigen Maler¬
farben besitzen, niemals Weiß, sondern in voller
Sättigung ein mehr oder weniger unreines
Schwarz ergeben. Aber es handelt sich im
obigen Beispiele um farbiges Licht und dieses
verhält sich in vielen Stücken ganz anders als
Pigmentfarben. Tatsächlich kann man sich
von der Richtigkeit der Behauptung überzeugen,
wenn man Licht von zinnoberroter, gelbgrüner
und marineblauer Farbe im richtigen Verhältnis
auf einer weißen Fläche in einem einzigen Punkte
zusammenfallen läßt. Nimmt man aus diesem,
Weiß ergebenden rot- grün- blauen Strahlen¬
gemisch eine der Farben, z. B. Blau, heraus, in¬
dem man sie einfach abdeckt oder mit einem
diese Lichtart verschluckenden, vorgeschalteten
Glas- oder Flüssigkeitsfilter abfängt, so bekommt
man von dem übrigbleibenden Grün und Rot
den Eindruck von Gelb. Grüne und rote Strah¬
len liefern sonach gelbes Licht. Farben, die
sich zu Weiß ergänzen, heißen Komplementär-
(Ergänzungs-)Farben. Gelb (gebildet aus Grün
und Rot) ist demnach in dem angeführten Falle
die Komplementärfarbe von Marineblau u. s. f.
Von drei zu Weiß sich ergänzenden Farbstrahlen
sind je zwei zusammen die Komplementärfarbe
zu dem dritten.
Beim Dreifarbendruck haben wir es einerseits
mit Farbstrahlen (bei der Aufnahme') anderer¬
seits mit Pigmentfarben (beim Druck) zu tun.
Denken wir uns weiter das ganze Spektrum
in drei Teile geteilt, so können wir davon mit
Hilfe der Photographie drei Aufnahmen machen,
von denen jede ein Drittel des ganzen Spek¬
trums darstellt und damit die Unterlage für
den Dreifarbendruck abgibt. Die Farbenzer¬
legung geschieht derart, daß die eine Teilauf¬
nahme der Hauptsache nach alle violetten und
blauen Töne der Vorlage, eine zweite die Farb¬
töne von Grün und Gelb und die dritte alle
Töne von Orange und Rot umfassen. Die
Schwierigkeit der glatten Lösung liegt darin,
daß nur dann befriedigende Dreifarbendrucke
zu erwarten sind, wenn nicht nur die drei Teil¬
bilder die sämtlichen Farbentöne richtig wieder¬
geben, sondern wenn die Negative auch genau
gleichen Charakter haben. Der ersten For¬
derung werden vorläufig die lichtempfindlichen
photographischen Platten nicht völlig gerecht.
Selbst die Verwendung von besonderen Licht¬
filtern bei der Aufnahme ist nicht imstande,
die den Platten fehlende Blaugrün- Empfind¬
lichkeit zu ersetzen.
Die in Betracht kommenden Platten des
Handels sind: die gewöhnlichen, fast nur violett
und blau empfindlichen Bromsilbergelatine-
Trockenplatten, ferner die sogenannten farben¬
empfindlichen oder orthochromatischen Platten,
die sich von den gewöhnlichen dadurch unter¬
scheiden, daß sie durch Zusatz besonderer
Farbstoffe auch für Grün und Gelb empfindlich
gemacht sind und schließlich die rot empfind¬
lichen oder die panchromatischen Platten, die
für das ganze Spektrum, also auch für Orange
28
Schmidt, Die Technik und Entwicklung des Dreifarbendruckes.
und Rot empfindlich sind. Da die käuflichen
farbenempfindlichen Platten aber nicht immer
den hohen Anforderungen genügen, so werden
häufig in den Reproduktionsanstalten die ge¬
wöhnlichen Platten durch Baden in geeigneten
Farblösungen sensibilisiert (Badeplatten). Aber
auch dabei gelingt es zurzeit noch nicht, die
Platten für Blaugrün empfindlich zu machen —
ein Übelstand, dem es mit zuzuschreiben ist,
daß bei den fertigen Drucken das Rot iiber-
wiegt. Außer den Trockenplatten hat sich in
Reproduktionsanstalten die Bromsilberkollo¬
diumemulsion, namentlich die von Dr. Albert-
Miinchen, eingebürgert, die vorzüglich farben¬
empfindlich gemacht werden kann. Mit dieser
Kollodiumemulsion werden sorgfältig gereinigte
Glasplatten kurz vor Gebrauch übergossen. Zu
den Aufnahmen darf man jedoch nicht ab¬
wechselnd Trocken- oder Badeplattcn und Kol¬
lodiumemulsion verwenden, sondern es müssen
die drei Teilnegative entweder nur mit dem
einen oder dem anderen Präparat hergestellt
werden, weil die Abstufung der mit den beiden
Materialien erzielten Negative verschieden ist,
für den Dreifarbendruck aber, wie eben gesagt,
Negative von ganz gleichem Charakter un¬
erläßlich sind.
Zur Unterstützung der besseren Farben¬
spaltung werden bei den Aufnahmen noch
Lichtfilter verwendet, die als Trocken- oder
Flüssigkeitsfilter vor oder hinter dem Objektiv
oder in der Blendenebene oder unmittelbar vor
der Platte angebracht werden. So wird zur
Aufnahme mit gewöhnlicher Platte entweder
gar kein oder ein blaues oder violettes Filter,
zur Aufnahme mit gelbgrünempfindlicher (ortho¬
chromatischer) Platte ein grünes oder gelbes
Filter und zur Aufnahme mit rotempfindlicher
Platte ein orangerotes Filter verwendet. Diese
Filter lassen die Strahlen der Eigenfarbe
ungehindert hindurchgehen , während sie die
anderen Lichtstrahlen mehr oder weniger stark
zurückhalten. Trockenfilter sind entweder in
der Masse gefärbte planparallele Glasscheiben
oder weiße Spiegelscheiben, die mit gefärbtem
Kollodium oder Lackschichten überzogen sind.
Zuweilen sind es gefärbte Gelatine- oder Kollo¬
diumhäutchen. Flüssigkeitsfilter bestehen aus
Glaskuvetten mit planparallelen Wänden, die
mit geeigneten Farbstofflösungen gefüllt werden.
Ob man Trocken- oder Flüssigkeitsfilter ver¬
wendet, ist gleichgültig, nur ist es nötig, da die
Filter die Bildgröße beeinflussen, bei allen drei Teil¬
aufnahmen Filter von gleicher Dicke zu wählen.
In welcher Weise übrigens die Platten sensi¬
bilisiert und die Filter gewählt werden müssen,
hängt von dem Farbensystem der zum Druck
bestimmten Farben ab. Theoretisch richtig
wäre die Wahl: Gelb, Purpur, Blaugrioi. Am
meisten gebräuchlich sind jedoch, aus später
zu erörternden Gründen, die Druckfarben Gelb,
Rot und Blau. Selbstverständlich werden die
drei Aufnahmen bei gleicher Stellung des
Apparates bei derselben Beleuchtung hinter¬
einander gemacht.
Die so gewonnenen schwarzen, negativen
Teilbilder repräsentieren jetzt in ihren Schwärzen
einerseits den Violett- und Blaugehalt, anderer¬
seits den Grün- und Gelb-, bezw. Orange- und
Rotgehalt des Originals. Die durchsichtigen
oder halbdurchsichtigen Stellen der Negative
repräsentieren dagegen den Anteil der bei den
Aufnahmen jeweils ausgeschalteten Farbstrahlen,
die in ihrer Gesamtheit durch die Komplemen¬
tärfarben vertreten werden. Kopiert man solche
Negative, so stellen deren Bilder von der ge¬
wöhnlichen Platte den gelben Anteil, von der
gelbgrünempfindlichen Platte den roten Anteil
und von der rotempfindlichen Platte den blauen
Anteil dar. Es müssen folglich auch beim
späteren Pressendruck die gelbe Farbe zum
Druck vom Klischee des erstgenannten Negativs,
die rote Farbe zum Druck vom Klischee der
gelbgrünen Platte und die blaue Farbe zum
Druck vom Klischee der rotempfindlichen Platte
genommen werden.
Als Drucktechniken sind für den Dreifarben¬
druck lediglich zwei von praktischer Bedeutung:
der Lichtdruck und die Autotypie. Der Licht¬
druck ist jenes Verfahren, das auf der Ver¬
wendung von Gelatineschichten als Druckstock
beruht. Diese Schichten werden hergestellt
durch Auflösen von Gelatine in Wasser und
Zusatz von Kaliumbichromat, Aufgießen dieser
Flüssigkeit auf dicke Glasplatten und Trocknen
in einem geheizten Kasten, wobei die Schicht
eine wurmförmige Struktur erhält, ein Runzelkorn,
das für das normale unbewaffnete Auge kaum
wahrnehmbar ist und die Aufgabe hat, die gleich¬
mäßigen Tonflächen in kleine, druckfähige Ele¬
mente zu zerlegen. Das Kopieren dieser nun¬
mehr lichtempfindlichen Platte erfolgt hinter
29
Schmidt, Die Technik und Entwicklung des Dreifarbendruckes.
einem seitenverkehrten Negativ, dann wird
gewaschen und schließlich getrocknet Un¬
mittelbar vor dem Druck wird das fertige Licht¬
druckklischee mit einer Flüssigkeit, der Licht¬
druckätze, bestehend aus einer Mischung von
Glyzerin, Wasser, Ammoniak und anderen Zu¬
sätzen, schwach befeuchtet, wodurch die beim
Kopieren unbelichtet gebliebenen Bildstellen
Wasser annehmen, die belichteten nicht. Wird
ein solches gefeuchtetes Klischee mit fetter
Farbe eingewalzt, so haftet die fette Farbe nur
an den Stellen, wo die Gelatine kein Wasser
angenommen hat, während sie an den anderen
Stellen abgestoßen wird. Der Lichtdruck liefert
bei kleinen Auflagen sehr geschlossene, fein
abgestufte Drucke. Da jedoch die Gelatine
von der Temperatur und der Luftfeuchtigkeit
des Arbeitsraumes und anderen Zufälligkeiten
stark beeinflußt wird, auch keine große Zahl
brauchbarer Drucke von einer Platte gibt und
namentlich bei größeren Auflagen Drucke von
recht erheblicher Ungleichheit liefert, so ist der
Lichtdruck, obschon sich prächtige Dreifarben¬
drucke damit herstellen lassen, doch kein dafür
besonders geeignetes Verfahren.
Anders verhält es sich mit der Autotypie.
Sie ist für den Dreifarbendruck wie geschaffen.
Man versteht unter Autotypie ein Hochdruck¬
verfahren, wobei Zink- oder Kupferklischees
mit in Punkte und Linien zerlegten Halbton¬
bildern verwendet werden. Unter Halbton sind
die Mitteltöne verstanden.
Die Auflösung eines Bildes mit Halbtönen
in feine Punkte oder Linien geschieht bei der
photographischen Aufnahme durch Einschalten
eines Systems von auf einer Spiegelglasplatte
eingravierten und dann geschwärzten, sehr feinen
parallelen oder sich kreuzenden Linien, eines
sogenannten „Rasters“ dicht vor der lichtempfind¬
lichen Platte. Das Licht muß also erst den
Raster durchdringen, ehe es auf die licht¬
empfindliche Platte fällt. Hierbei bildet sich
der Halbton nicht mehr als geschlossene Fläche,
sondern in größere und kleinere Punkte, bezw.
Linien aufgelöst, ab. Wird ein einfacher (kein
Kreuz-)Linienraster benutzt, so erfolgt die Zer¬
legung durch Drehen des Rasters während der
Aufnahme um dreißig und mehr Grad. Ist der
Raster richtig gedreht, auch sein Abstand von
der Platte angemessen, ferner die Form und
Größe der Blende gut gewählt und die Expo¬
sition richtig getroffen, so zeigt die Aufnahme
in den Lichtern weit auseinanderstehende, sehr
feine Punkte, in den Halbtönen etwas größere
und in den Schatten so große Punkte, daß sie
sich berühren und so Linien bilden, die sich
kreuzen. Andernfalls, wenn die Verhältnisse
nicht stimmen, bemerkt man eine durchweg
scharfe, gleichmäßige, harte Kreuzliniatur oder
eine moireartige Musterung.
Für Rasteraufnahmen sind Gelatinetrocken¬
platten unbrauchbar und Kollodiumemulsions¬
platten geben im allgemeinen nicht die erforder¬
liche Schärfe. Man macht daher meist die
Dreifarbenaufnahmen zunächst ohne Raster,
stellt von den Halbton-Negativen mit gewöhn¬
lichen Gelatinetrocken- oder nassen Kollodium¬
platten Diapositive her und macht davon erst
auf nassem Wege (mit Jodsilberkollodium) die
Aufnahmen mit Raster. Darin liegt zugleich
ein besonderer Vorteil — man kann die Halb¬
ton-Negative und -Diapositive ausgiebig retu¬
schieren, was beim Dreifarbendruck von größter
Bedeutung ist.
Die Raster- Negative werden nach dem
Trocknen auf völlig ebene, hochpolierte Zink¬
oder Kupferplatten kopiert, die zuvor mit einer
Mischung von Ammoniumbichromat mit Eiweiß
oder Fischleim oder mit einer Asphalt- Benzol¬
lösung übergossen und dann getrocknet wurden.
Diese Überzüge sind im trocknen Zustande licht¬
empfindlich und werden bei Belichtung unter
dem Negativ bei Tages- oder starkem elektrischen
Bogenlichte an den vom Licht getroffenen
Stellen unlöslich, während die Schicht an allen
unbelichteten Stellen löslich bleibt. Nach dem
Kopieren wird das Bild mit Umdruckfarbe dünn
überwalzt, dann die Platte in kaltes Wasser
gebracht und mit einem Wattebausch so lange
überfahren, bis die nicht festhaftende Farbe
entfernt ist und das Bild rein und scharf da¬
steht. Nach leichtem Abbrausen und Trocknen
staubt man mit feinstem Asphalt- oder Kolo¬
phoniumpulver ein und entfernt den Überschuß
mit einer weichen Bürste oder einem Pinsel und
erwärmt schließlich die Platte so lange, bis der
Asphalt eben schmilzt. Die lichtempfindliche
Mischung von Fischleim und Bichromat, auf
Kupferplatten aufgetragen, dient als Grundlage
für das Emaille- Verfahren, wobei das Bild nach
dem Kopieren, Waschen und Trocknen ein¬
gebrannt (emailliert) wird. Der belichtete oder
Schmidt, Die Technik und Entwicklung des Dreifarbendruckes.
30
angeschmolzene Asphalt bezw. die Emailleschicht
dienen als Schutzmittel bei der weiteren Be¬
handlung des Klischees.
Es gilt jetzt, die Lichter des Bildes in die
Zink- oder Kupferoberfläche einzugraben. Zu
diesem Zwecke wird die Platte in verdünnte
Salpetersäure bezw. Eisenchloridlösung gelegt,
geätzt. Überall da, wo das Metall von dem
Asphalt oder dergleichen bedeckt ist, kann die
Ätzflüssigkeit nicht angreifen; dagegen löst sie
das Metall dort, wo es blank liegt, mehr und
mehr auf, es entstehen Vertiefungen.
Das Atzen geschieht außer dem Anätzen
mindestens noch zweimal, bis die nötige Tiefe
erreicht ist. Nach jedem Mal wird die Flatte
abgewaschen, mit Gummilösung übergossen,
getrocknet, mit Ätzfarbe überwalzt, mit einem
in Wasser getauchten Schwamm überwischt,
abgespült, getrocknet, mit Kolophoniumpulver
eingestaubt und dieses angeschmolzen. Nach
der letzten Feinätzung, wobei die genügend
geätzten Stellen vorher abgedeckt wurden, wird
das Bild mit Petroleum und feinem Holzsä<re-
o
mehl oder mit Pottasche und Borstenbürste
gründlich gereinigt. Zum genauen Passen für
das Übereinanderdrucken wurden von Anfang
an Paßkreuze eingeätzt. Weisen die Andrucke *
Mängel der Farbenwiedergabe auf, so werden
die Platten stellenweise einer Nachätzung und
später einer Retusche mit Stichel, Roulette und
Polierstahl unterworfen.
Sollen die Klischees große Druckauflagen
aushalten, so werden sie, weil das Zink zu weich
ist, auf galvanischem Wege verkupfert, verstählt
oder vernickelt. Zur Vervielfältigung der teueren
Drei- oder Vierfarben- Autotypieklischees ver¬
wendet man dünne, weiche Bleiplatten. Die
Klischees werden weiter hergerichtet, indem
man sie montiert: die Ränder der Platten werden
mit der Kreissäge abgesägt und das ganze
Klischee wird bis auf 4 bis 5 mm vom Bild
entfernt, sauber rechteckig gehobelt und rings
herum mit dem Facettenhobel oder der Frais¬
maschine bearbeitet. Nunmehr wird es auf ein
entsprechend großes Stück Eichen- oder Maha¬
goni- oder Weißbuchenholz aufgenagelt, die
Holzplatte auf der Hobelbank sauber und recht¬
winklig gestoßen und schließlich das Ganze auf
die genaue Schrifthöhe untersucht, die gleich
derjenigen der Buchdrucklettern 22 mm be¬
tragen muß.
Der Pressendruck erfolgt durch Einwalzen
der Klischees mit fetter Farbe, die nur an der
ebenen Oberfläche des Metalls haften bleibt
Legt man das Papier, das eine glatte, saug¬
fähige Oberfläche besitzen muß, wie sie die
Kunstdrück-, Kreide- und Chromopapiere be¬
sitzen, auf und läßt das Ganze durch die Buch¬
druckpresse laufen, so wird die Farbe an das
Papier abgegeben. Es entsprechen also bei
diesem Hochdruck die eingewalzten Stellen den
Schatten, die von Farbe freigebliebenen Ver¬
tiefungen des Metalls den Lichtern des Bildes.
Bezüglich der Druckfarben stellte Professor
II. W. Vogel den Satz auf: „Jeder Farbstoff ist
komplementär zu denjenigen Farbstrahlen, die
er verschluckt. Daher solle man mit denselben
Farben drucken, die zum Sensibilisieren der
Platten benutzt werden.“ Da aber die Farben¬
sensibilisatoren keine geeigneten Druckfarben
sind, so suchte man ähnliche Pigmente. Man
fand solche für den Dreifarbendruck in Chrom¬
gelb, Krapplack und Pariser- oder Miloriblau.
Dieses Grundfarbensystem ist deshalb gewählt,
weil sich durch Mischen von Körperfarben kein
reines Gelb erzielen läßt. Es muß deshalb
Gelb eine der Grundfarben sein und daraus
ergibt sich die Wahl der beiden übrigen.
Die- zum Druck bestimmten Farben sollen
äußerst transparent sein, in gesättigtem Ton
übereinandergedruckt Schwarz, bei gleicher und
abnehmender Sättigung alle Stufen des neu¬
tralen Grau geben. Dieser Forderung genügen
aber die Farben in bezug auf das neutrale Grau
nicht. Sie werden in der Reihenfolge Gelb, Rot,
Blau von den entsprechenden Klischees auf
einem und demselben Papier genau passend
übereinander gedruckt. Maßgebend für diese
Reihenfolge ist der Umstand, daß selbst die
durchsichtigsten Lasurfarben, sobald sie ziemlich
satt aufgetragen werden, die Wirkung der unter
ihnen liegenden Schicht bedeutend beeinträch¬
tigen. Das auffallende weiße Licht wird beim
Durchgänge durch die Farbschichten in dem
Maße verändert, wie die einzelnen Farben Licht
absorbieren. Es gelangt also nur der Rest des
von der Papierunterlage zurückgeworfenen und
von neuem filtrierten Lichtes in unsere Augen.
Eine der wesentlichsten Schwierigkeiten beim
Dreifarbendruck ist das Ausgleichen der Un¬
vollkommenheit bei der Mischung übereinander
liegender Farbstoffschichten, der sogenannte
Schmidt, Die Technik und Entwicklung des Dreifarbendruckes.
31
„ Überdeckungsfehler Die obenliegende Farb-
schicht drängt sich stets auf Kosten der unten¬
liegenden vor, daher müssen die ersten zwei
Drucke viel gesättigter in der Farbe ausgeführt
werden, als es das Mischungsgesetz verlangt.
Da Chromgelb die deckendste der drei Farben
ist und andererseits das Überwiegen des zu¬
letzt gedruckten Blau am wenigsten stört, so
ergibt sich die erwähnte Reihenfolge der Drucke
von selbst. Der Überdeckungsfehler ist be¬
sonders bei Wiedergabe der gebrochenen Töne
unangenehm fühlbar. Er kann nur durch sorg¬
fältige Retusche gemildert werden. Bei der
Farbenautotypie liegen die Verhältnisse insofern
günstig, weil neben der Substanzmischung auch
teilweise Strahlenmischung zustande kommt,
wodurch ein reinerer Farbeneindruck hervor¬
gerufen wird. Substanzmischung entsteht durch
Vereinigung von Pigmentfarben durch Mischen
oder durch Übereinanderlegen in transparenten
Schichten, Strahlenmischung durch Nebenein¬
anderstellen der Pigmentfarben in Form feiner
Linien oder Punkte. Sind die Linien oder
Pünktchen sehr klein, so ist das Auge unfähig,
sie einzeln wahrzunehmen, wohl aber empfindet
es die Strahlenmischung als Mischfarbe. Druckt
man von den Autotypieklischees, die mit vor¬
teilhafter Rasterwinklung hergestellt sind, die
Bilder in den drei Farben übereinander, so
liegen an den hellen Stellen verschieden ge¬
färbte Punkte nebeneinander und erzeugen eine
Strahlenmischung. An den dunklen Stellen
überdecken sich aber die verschiedenen Farben
und bilden eine Substanzmischung. Die Auto¬
typie ist aus diesem Grunde besonders für den
Dreifarbendruck geeignet. Gegenüber dem
Lichtdruck bietet sie die weiteren Vorteile, daß
die Arbeit des Feuchtens wegfällt, die Klischees
gegen äußere Einflüsse unempfindlich sind und
eine große Auflage aushalten und daß eine
große, gleichmäßige Druckauflage möglich ist.
Mit dem Dreifarbendruck erzielt man keine
befriedigenden Resultate, wenn im Original rein
grüne neben rein violetten Farbtönen vorhanden
sind. In solchen Fällen wendet man den Vier¬
farbendruck an unter Benutzung von vier Platten,
nämlich für Gelb, Rot, Blau und Grün. Sind im
Original viel neutrale graue Töne vorhanden, so
wird eine mit neutralem Grau zu druckende Platte
als vierte herangezogen. Die Grauplatte mildert
die oft aufdringliche Farbigkeit der Drucke,
bewirkt dadurch einen ruhigeren, vornehmeren
Eindruck und gibt zugleich sattere Schwärzen.
Die Mißerfolge beim Druck sind mannig¬
facher Art: ein einziges Versehen bei der Farben¬
gebung kann die ganze Auflage verderben,
ebenso können schlechte Eigenschaften der
Druckfarbe zu unangenehmen Überraschungen
führen und ferner können allerhand Ursachen,
z. B. Verschieben der Formen, Dehnen des
Papiers durch ungleiche Luftfeuchtigkeit usw.,
das genaue Passen der Formen untereinander
verhindern. Neuerdings sind Maschinen zum
Drucke von Drei- und Vierfarbenautotypien
in einem einzigen Arbeitsvorgänge konstruiert
worden z. B. die von Lambert-Paris. Sie eignen
sich aber nur zur Herstellung billiger Massen¬
auflagen.
Was die geschichtliche Entwicklung des
Dreifarbendruckes anbelangt, so sind die Prin¬
zipien wohl erstmals von Maxwell 1861 aus¬
gesprochen worden. Er schlug vor, von einer
farbigen Vorlage drei verschiedene photogra¬
phische Negative durch Ausschalten bestimmter
Farben herzustellen. Freiherr von Ransonnet
empfahl 1865 drei photographische Aufnahmen
unter Benutzung von gelben, roten und blauen
Filtern zu machen, danach drei geeignete Stein¬
druckplatten herzustellen und dann mittelst
Photolithographie die drei einfarbigen Bilder in
den geeigneten Farben genau passend über¬
einander zu drucken. Ducos du Hauro7i war
der erste, der 1869 auf photographischem Wege
erzeugte Dreifarbenbilder vorlegen konnte. Diese
Resultate waren naturgemäß noch recht mangel¬
haft, weil es dazumal noch keine farbenempfind¬
lichen Platten gab. Erst als 1873 von H. W
Vogel die sensibilisierende Wirkung von Farb-
zusätzen zur photographischen Schicht gefunden
wurde, konnte etwas Besseres erwartet werden.
Joseph Albert -München, der Vater des Licht¬
drucks, stellte 1874 als erster in Deutschland
Dreifarbenlichtdrucke mittels photographischer
Teilnegative und Glasfilter ohne die geringste
Retusche her. Von Ende der siebziger bis
Ende der achtziger Jahre vorigen Jahrhunderts
zeichneten sich durch treffliche Farbenlichtdrucke
aus die Anstalten von Obernetter- München,
Albert Frisch- Berlin, Hus?iik & Häusler- Prag
und Angerer -Wien. 1889 stellte Chromolitho-
graph Emil Ulrich in Berlin Naturfarbendrucke
in drei Farben aus, die Aufsehen erregten und
32
Schmidt, Die Technik und Entwicklung des Dreifarbendruckes.
1892 zur Gründung einer Farbenlichtdruck¬
anstalt Vogel -Ulrich führten.
Die Autotypie wurde für den Dreifarben¬
buchdruck zuerst von Dr.E. Albert- München,
dem Sohne Jos. Alberts, 1886 benutzt, doch
kam es damals zu keinem Auflagedruck, son¬
dern nur zu Probedrucken. Die erste Auflage
in Farbenbuchdruck wurde nach dem Verfahren
von Vogel- Kurtz in Neuyork 1889 hergestellt.
An der Ausbildung der Raster, die Talbot
im Jahre 1852 in Gestalt schwarzer Gaze zum
Kopieren verwendete und die später aus Seiden¬
oder Drahtgewebe und schließlich als Linia-
turen auf Glas hergestellt wurden, haben be¬
sondere Verdienste: Meisenbach - München und
Max Z^jz-Philadelphia. Seit 1873 werden die
Glasraster in Amerika bei der Aufnahme vor
der Platte verwendet. 1891 erhielt Dr. Albert
ein Patent auf eine Rasterdrehung um 30 Grad,
womit alle Vorbedingungen für die weitere Ent¬
wicklung des Dreifarbenbuchdruckes gegeben
waren. Ein bekannter Dreifarben -Buchdruck,
der seinerzeit sehr beachtet wurde, ist der
von Eduard Mühlthaler (Firma: J. Hamböck-
München) 1900 angefertigte Bismarckkopf nach
einem Original von Lenbach. 1907 versuchte
Dr. Albert die Verwendung von Filtern durch
seine Kollodiumemulsion „Chromo direkt“ auf¬
zuheben. Noch sei erwähnt, daß Dr. Albert
1893 ein Patent auf einen Kopierraster erhielt,
der dazu dient, die drei Teilaufnahmen, die zu¬
nächst ohne Raster gemacht werden, im Kopier¬
rahmen auf Metall zu kopieren und in Raster
zu zerlegen. 1909 erschien ebenfalls von Albert
eine Verbesserung des Kopierrasters und eine
neue Erfindung, die „Dracopie“. Bei der Dra-
copie werden die Kupfer- oder Zinkplatten vor
dem Auftrag der lichtempfindlichen Schicht mit
einem Überzug vorpräpariert, der sich beim
Entwickeln der kopierten Platten an den un¬
belichteten Stellen, wo die Säure später ein¬
wirkt, löst und den Zweck hat, das öftere Ein¬
walzen der Platten zu vermeiden, indem diese
Schicht die verschiedenen Ätzungen aushält.
Das Jahr 1907 brachte insofern einen tech¬
nischen Erfolg, als es Mühlthaler im September
desselben Jahres gelang, die ersten Lumiere-
Farbreproduktionen in sehr befriedigender Weise
in Dreifarbenautotypie herzustellen. Seit dieser
Zeit hat sich diese Technik weiter verbessert.
— So hochentwickelt sich nun gegenwärtig
die Dreifarbendrucktechnik zeigt und so sehr
wir die ausgezeichneten Leistungen vieler gra¬
phischer Kunstanstalten bewundernd anerkennen,
so müssen wir doch der Wahrheit die Ehre
geben und die bittere Tatsache nicht ver¬
schweigen, daß der Dreifarbendruck wirklich
naturgetreue Bilder nicht ohne weiteres liefern
kann, daß vielmehr alles, was Hervorragendes
auf diesem Gebiete geleistet wird, der Haupt¬
sache nach äußerst geschickter Bearbeitung der
Aufnahmeplatten und Klischees usw. zu ver¬
danken ist. Man bedenke nur, daß die P'arben-
wiedergabe schon dadurch falsch wird, wenn
bei der Herstellung der drei Negative und der
drei positiven Drucke die Abstufungen auch
nur eines einzigen Teiles von der Norm ab¬
weichen; dadurch werden aber sämtliche Farben
im fertigen Bilde störend verändert. Ob es
je gelingen wird, auf diesem Wege ohne be¬
deutende manuelle Nachhilfe naturwahre Bilder
zu erzielen, ist zum mindesten fraglich. So
lange sich die einzelnen Stufen des Verfahrens
nicht zwangsläufig abwickeln, ist die Aussicht
dazu nicht vorhanden und es wird wohl nach
wie vor die geschickte Hand helfend eingreifen
müssen, um die Unvollkommenheiten der photo¬
mechanischen Erzeugnisse zu beseitigen. Nichts¬
destoweniger haben wir alle Ursache, den Drei¬
farbendruck als einen wichtigen Kulturfaktor
freudig zu begrüßen, denn er ist dazu berufen,
billige farbige Reproduktionen der Meisterwerke
der Malerei und des Kunstgewerbes in wenigstens
annähernder Treue in breite Schichten des
Volkes zu tragen und so auch dem einfachen
Manne Gelegenheit zu geben, sich an den
Kunstschöpfungen zu erfreuen und am geistigen
Leben der Gegenwart teilzunehmen.
Zum Schluß sei noch auf den, diesem Auf¬
satz beigegebenen vorzüglichen Dreifarbendruck,
die Reproduktion des Gemäldes „Flachland“
von W. IV. Broker hingewiesen, der uns größte
Hochachtung abnötigt. Er entstammt dem Ver¬
lage von E. A. Seemann, der durch seine um¬
fangreichen Sammlungen „Alte Meister“, „Die
Galerien Europas“ und „Meister der Farbe“ das
Meiste für die Verwertung des Dreifarbendruckes
zur Förderung der Kunstbildung geleistet hat.
Biedermeier -Wünsche.
Von
Paul Hennig in Charlottenburg.
Mit 14 Abbildungen auf vier Tafeln und im Text.
ie Neujahrskarte, der Glückwunsch mit
Bildzier und Reimspruch, ist heute ent¬
artet zum banalen, häufig unsauberen
Spaß niederer Klassen. Den Menschen
höherer Kulturschichten mangelt die naive Hin¬
gabe an das, was sich von vornherein als nur
adoptierte Erfindung des Herstellers kundgibt;
sie verschmähen das Massenprodukt, weil es
ihrer Differenziertheit keinen Widerhall entgegen¬
tönt, und wählen lieber die nüchterne Formel und,
wenn möglich, den sichersten und — bequemsten
Weg: das Schweigen, wenn das profanum vulgus
durch sein „Prosit Neujahr!“ empfindlichere Ohren
langweilt und verletzt.
So ist es gekommen, daß die bildgeschmückte
Glückwunschkarte verkommen mußte. Aber es hat
eine lange Zeit gegeben, in der sie als liebens¬
würdiges Erzeugnis einer unverächtlichen Klein¬
kunst in zahlreichen Einzelwerkchen alljährlich auf
dem Markte erschien.
Von den Neujahrswünschen des XV. Jahr¬
hunderts, die uns Heitz durch glücklichen Sammel¬
eifer wieder zugänglich machte, bis gegen die Mitte
des XIX. Jahrhunderts hat ihre Entwicklung alle
Stadien der großen Kunst begleitet, charakteri¬
stischer für das Fühlen der einzelnen Epochen als
Abb. ge
manches Werk monumentaler Meisterschaft, weil
hier genau der Geschmack der Masse getroffen
werden mußte, um den Erfolg zu gewährleisten.
Und zwar in Bild und Wort, so daß hier auch
ein kleines Kapitel jener noch nicht geschriebenen
Kunst- und Literaturgeschichte des Niveaus zu
konstruieren wäre, die historischer Erkenntnis der
Wandlungen des deutschen Volksgeistes besser
dienen würde, als die vornehme, bisher viel zu
ausschließlich kultivierte Betrachtung der Höhen¬
kunst.
Das letzte Stadium des bildlichen Glück¬
wunsches, der noch als künstlerische Leistung
gelten darf, führt uns ein neues, feines Werk vor.1
Ein Bilderbuch zum beschaulichen Betrachten
in Mußestunden, zugleich ein Medium, um uns im
Geiste in jene schönen Zeiten der Großeltern ver¬
setzen zu können, wo man von der heutigen Un¬
rast noch keine Spur empfand, wo man immer
Zeit, viel Zeit hatte zu beschäftigtem Müßiggang
und zu Gevatterschnack, eine köstliche Gabe.
Pazaurek hat in Reichenberg 1904 und in
Stuttgart 1907 Ausstellungen von Neujahrkarten
veranstaltet; aus ihnen ist dies Werk hervor¬
gegangen, das in erster Linie Schätze des vor¬
nehmsten Sammlers der Gegenwart, des Herrn
Dr. Albert Figdor in Wien, ferner solche aus
den Kartensammlungen der Frau Karl Mayer,
der Frau Deutschmann von Grimmburg und
des Herrn Dr. A. Hey mann in Wien, sowie
der Herren Lämmle und Lentner in München
heranziehen konnte.
Das Buch bietet durch mehrere hundert
Abbildungen in Autotypie und Lichtdruck
eine reiche Auswahl des Erfreulichsten, was
das kleine Genre hervorgebracht hat; nur
bedürfte es, um den richtigen Eindruck zu
erwecken, der Farbe, die als unentbehrlicher
Faktor überall mitspricht und mit den gefühl¬
vollen Devisen und den niemals derben Sujets
der Bildchen gemeinsam die beabsichtigte
Wirkung auch in uns auszulösen vermag.
Leider hat der Verlag nur eine farbige
Tafel beigegeben; wir haben deshalb für
unsere kolorierten Abbildungen andere Vor¬
lagen (aus einer Leipziger Privatsammlung)
gewählt.
1 Biedermeier-Wünsche , herausgegeben von Pro¬
fessor Dr. Gustav E. Pazaurek. Kleinfolio-Tafeln in
Licht- und Farbendruck nebst illustriertem Text. Stutt¬
gart, Julius Hoffmann, Verlag. In Kalikomappe, Quer¬
format. (Preis 40 M.)
Z. f. B. 1909/19 10.
5
34
Hennig, Biedermeier-Wünsche.
Abb. io.
Immerhin kann man durch umfangreiche be¬
schreibende Bücher nicht intimer mit dem Leben
zur Biedermeierzeit vertraut werden , als durch
das hingebende Betrachten dieses Albums und
die Lektüre des vorangeschickten Textes des
Herausgebers.
In der Sorglichkeit der Ausführung groß, in
der äußern Erscheinung bald anmutig, bald be¬
scheiden, auch etwas unbeholfen, viel Handarbeit
voll Mühseligkeit aufweisend, bilden diese Karten
einen Gegensatz zur heutigen Kraftbetonung und
der Sucht nach Effekt um jeden Preis, und be¬
rühren uns auch darum so ungemein sympathisch.
Alle die mitwirkenden Kräfte : Dilettanten, Maler,
Kupferstecher, Radierer, Illuminierer, Lithographen
und die Kunstgewerbler der „Papierkonfektion“
kann man sich lebhaft vorstellen in ihrer behag¬
lichen, sinnigen Tätigkeit; wahrhaft nervenberuhi¬
gend wirkt die Betrachtung der kleinen Gebilde
aus jener Blütezeit des Philistertums.
Pazaurek setzt die Zeit der Biedermeier-
Wünsche an das letzte Ende des XVIII. Jahr¬
hunderts und bis 1833, also etwa in die Periode
vom Erscheinen von Goethes „Hermann und Doro¬
thea“ bis zu Raimunds „Verschwender“. Das
Regime des Fürsten Metternich, das dem harm¬
losen Bürger die Tabakspfeife konfiszierte oder
den Bart gewaltsam rasieren ließ, bildete in Öster¬
reich den Hintergrund. Die politischen und sozialen
Verhältnisse waren nichtsweniger als rosig, man
wollte nach den glanzvollen Tagen des Wiener
Kongresses, der Wien zum ersten und letzten Male
zum Mittelpunkt der ganzen Kulturwelt gemacht
hatte, kein kraftvolles Geschlecht heranwachsen
lassen, man brauchte nur widerspruchslosen Ge¬
horsam gegen die „von Gott eingesetzte Obrigkeit“.
Um des lieben Friedens halber gab der „be¬
schränkte Untertanenverstand“ nach, konzentrierte
sich ganz auf den Beruf und die bescheidene
Häuslichkeit und wurde verschüchtert, bescheiden,
unendlich genügsam. Man fand die höchste Selig¬
keit in einer behaglich angerauchten Meerschaum¬
spitze; auch der Horizont der sittigen Hausfrau
ging über die lavendelduftige gute Stube, in der
alles fein säuberlich zugedeckt war, nicht viel
hinaus. — „In Wien geht nichts vor. Nun denn
— aus nichts wird nichts“ meint Bauernfeld, und
Heine sagt (1822): „Berlin ist ein großes Kräh¬
winkel“. Selbst Goethe, der doch allen großen
Problemen gewiß nicht fern stand, ist die personi¬
fizierte Bescheidenheit, wenn er sagt „wüßte nicht,
was sie besseres erfinden könnten, als wenn die
Lichter ohne Putzen brennten“. Der Glaube an
alles Großzügige war verloren gegangen, nur der
Sinn für solide und ruhige Schlichtheit war ge¬
blieben. Eine solche Stimmung wird in uns aus¬
gelöst, wenn wir die Biedermeier-Wünsche be¬
trachten.
Freundschaft und Liebe, die erstere häufig als
Deckmantel der letzteren benutzt, bildeten das weit¬
aus überwiegende Thema der Wunschkarten. Amo¬
retten als Helfershelfer wurden stark beschäftigt,
Urnenaltäre und Freundschaftstempel waren viel
benutzte Requisiten. Die Poesie mit Gänsefüßchen
kam stark in Anwendung.
„Was war aus dem Xeujahrswunsch des Meisters
E. S. vom Jahre 1466 im Laufe der Zeit gewor¬
den!“ ruft Pazaurek mit Recht aus, wobei er die
Technik im Auge hat. Gerade weil man in vielen
Fällen noch den Kupferstich anwendet, in dem
aber die weichliche Punktiermanier den charakter¬
vollen Linienstich verdrängt hat. Handzeichnung
und Handmalerei auf Papier, Pergament, Seide,
ja in seltenen Fällen wunderlicherweise auf
förmliche Spinngewebe oder Eihaut sind beliebt,
Putten finden viel Anwendung. Damen sticken in
Seide oder — wie wir schon aus den Briefen der
Äbb. 11
Hennig, Biedermeier-Wünsche.
35
&()' 2th*g Je&j&h/j'i _b!
Abb. 12.
Bettina von Arnim wissen — „mit Flitter und
Goldbouillon“; auch flechten sie Papierstreifen und
Stoffbändchen , Kinder benutzen die Ausstech¬
nadel für die Umrisse. Daß dabei viele herzlich
schwache Leistungen herauskamen, läßt sich denken.
Verleger benutzten daher bald die herrschende
Liebhaberei, indem sie den Kupferstichabdruck
oder ein gedrucktes Gedicht auf Seidenstoff oder
rosa Gelatinepapier, seltener Spitzenkarten aus
Papier oder Prägedruckkarten, ähnlich den dama¬
ligen Besuchskarten und damit im Durchschnitt
vielfach Besseres in den Handel brachten. Den
geprägten Papierkarten folgten bald geprägte Atlas-
und Staniolkarten, die der Festigkeit halber mit
starkem Karton unterklebt wurden. Dies geschah
bereits zu Ende des XVIII. Jahrhunderts; auf den
geklebten Karten fußt die ganze weitere Entwick¬
lung der Technik.
Nachdem erst einmal die Scheu vor dem Ein¬
griff der Schere überwunden war, kam man auch
bald dahin, Seidenbändchen mit Aufdruck, z. B.
zur Verbindung zweier Amoretten oder zur Ein¬
rahmung eines Mittelfeldes, anzuwenden. Die
Scherenarbeit (Psaligraphie genannt) war sehr
mühsam und erforderte viel Übung und Geschick¬
lichkeit, aber es kam den Dilettanten ja nicht
darauf an, eine Arbeit öfter vorzunehmen, bis sie
gelang.
Klapp-, Hebe- und Faltkarten, Press-, Kulissen-
und Spitzenkarten werden beliebt. Transparent-,
Zug-, Fächer- und Drehkarten wie auch zahlreiche
andere Kombinationen kommen in den Verkehr.
Die Mode begehrte ferner bewegliche Figuren mit
einem oder mehreren Hebeln, bezw. Zügen und
Gelenken. Selbst kompliziert ausgeschnittene und
kunstreich zusammengelegte Täschchen kommen
vor. Häufig wird mit Hilfe dieser Gelenke der
Kuß als vorübergehender angenehmer Moment
sinnig dargestellt. Die Herzen werden stark stra¬
paziert, sie müssen sich teilen, hämmern lassen
und in Flammen aufgehen.
Der Spaß beruht dabei auf der Überraschung.
Beim Ziehen des herausragenden Papierbandes
flattern aus dem Baum, vor dem der Liebende
steht, Vögel auf, die der Geliebten auf Papier¬
streifen seine Gefühle künden. Oder Rosen blühen
aus den Vasen und sagen der Freundin, was im
zarten Busen des Mädchens ihr zugewünscht wird.
Oder das Häuschen unter Weiden klappt seine
Vorderwand zurück und zeigt ein eng um¬
schlungenes Paar. Oder ein Gelatineblättchen
deutet das Wasser des Flusses an, in dem das
Antlitz der Geberin sich spiegelt, umgeben von
sinnigen Worten. Auf diese kleinen Überraschungen
müssen freilich unsere Bilder verzichten. Sie
können nur eines der beiden Stadien dieser Ver¬
wandlungskarten wiedergeben. Aber der Humor
und die bescheidene Anmut bleiben auch so
gewahrt, und die Freude daran wird durch den
nicht gerade erheblichen Wert der Leistung kaum
getrübt.
Denn im Durchschnitt waren es höchstens
kunstgewerbliche Erzeugnisse, doch wurden auch
bisweilen wirklich tüchtige Kupferstecher wie
Bartsch, Bergler, Fischer, Klein, Loder, Mansfeld
für die Wunschkarten herangezogen. Sie schufen
ein Genre, dem selbst der jugendliche Menzel
noch bisweilen gern seinen Zeichenstift zur Ver¬
fügung stellte.
Als Verleger findet man auf den Wunschkarten
u. a. folgende Firmen angegeben: J. Adamek, Wien
— Artaria, Wien — J. Bermann, Wien — Bruck¬
mann, Dresden — Fr. Campe, Nürnberg — Ebner,
Stuttgart — Jos. Geiger, Augsburg — G. Gruber,
Wien — C. F. Gubitz, Berlin — J. Haase, Prag
— Trowitzsch (auch Trowitzsch & Sohn), Frank¬
furt a. O. und Küstrin. Nachbildungen herüber
und hinüber gehörten damals zur straflosen Selbst¬
verständlichkeit, ganze Serien wurden ungeniert
Abb. 13.
36
Mägr, Bucheinbände von Carl Sonntag jun.
entlehnt, durch schlechte Abklatsche bisweilen
stark vergröbert.
Immerhin sagt Pazaurek mit vollem Recht:
„Eine geradezu staunenswerte Ideenfülle, viel An¬
mut und Grazie, mitunter wirklich nette Wortspiele,
überall schlicht bürgerliche Liebenswürdigkeit, bis¬
weilen echte Gemütstöne — das ist der Inhalt
der Biedermeier- Wunschkarten, — die uns manch¬
mal zu kindlich, ja kindisch anmuten. Aber wir
dürfen nicht vergessen, daß unsere Zeit mit jenen
Tagen in ihrem Urteil nicht ganz übereinstimmt . . .
Und bleibt als Bodensatz ein Teilchen schlichter
Alt-Wiener Liebenswürdigkeit und milder Grazie
übrig, so könnte dies als Ferment für die Weiter¬
entwicklung in Kunst und Kunstgeschichte nicht
gerade schaden."
Abb. 14.
Bucheinbände von Carl Sonntag jun.
Von
Anton Stanislav Mägr in Leipzig.
Mit sieben Abbildungen.
Menn man die Bestrebungen des zeit-
genössischenKunstgewerbes prüfend über¬
schaut, so erkennt man, daß sich das
Niveau der gewerblichen Arbeit wesent¬
lich gehoben hat. Aber noch gibt es ungezählte
Dokumente von Geschmacklosigkeit und Stilwidrig¬
keit auf allen Gebieten gewerblicher Tätigkeit. Was
das Buchgewerbe anlangt, so scheint es, als habe
gerade die neuere Zeit eine Reaktion auf den Plan
gerufen. Imitiertes Leinen, Pergament und Kunstleder
sind Produkte unserer Tage, und die Maschinenarbeit
hat nur zu oft minderwertige Erzeugnisse zutage
gefördert. Dazu kommen noch Mißverständnisse
und Karikaturen der wirklich wertvollen Ten¬
denzen. So ist denn jede Kraft, die sich in den
Dienst der guten Sache stellt, dankbar zu begrüßen,
denn die beste Propaganda ist die der Tat; über¬
zeugend wirken nur handgreifliche Beispiele guter,
solider Arbeit, die die schlechte Ware verdrängen
muß. Einen solchen Mitarbeiter begrüßen wir in
Carl Sonntag ju?i ., der, von Haus aus Buch¬
händler und Antiquar, vor einem Jahre in Leipzig
eine Buchbindewerkstatt eröffnet hat und nun einen,
hier bereits angezeigten, Katalog veröffentlicht. Von
Poeschel & Trepte in der neuen schönen Behrens-
Antiqua gedruckt, präsentiert er sich äußerlich
überaus vornehm und gibt eine programmatische
Übersicht über die Tätigkeit der jungen Firma.
Abb. 7.
Abb. 8.
Glückwunschkarten aus der Biedermeier-Zeit.
Z. f B. igo9/r9io. Heft 1.
Zu Hennig: Biedermeier- Wünsche.
Mägr, Bucheinbände von Carl Sonntag jun.
37
In einer „an
die Bücher¬
freunde“ ge¬
richteten Vor¬
rede enthält er
zunächst eine
prinzipielleDar-
legung, die mit
einem histori-
schenÜberblick
beginnt. Jeder,
der mit Büchern
zu tun hat,
schätzt die buch¬
gewerblichen
Erzeugnisse der
Vergangenheit.
Auch ohne
gerade an die
besten Leistun¬
gen der Pade-
loup, le Gascon
u. a., an die
Grolier- und
Maioli- Bände
zu denken, wird man zugeben, dab auch die
gewöhnlichen Arbeiten in Material und Technik
von hoher Qualität sind.
Die neue Zeit räumte hier wie auch ander¬
wärts gründlich auf. Der Großbetrieb und die
Maschine traten die Herrschaft an; man begann
schnell zu arbeiten und erzielte billige aber
schlechte Ware. Das Material wurde minder¬
wertiger, das Leder wurde mit zerstörenden Säuren
gegerbt, gespalten oder gar imitiert. Die Massen¬
fabrikation führte zur Drahtheftung, dem Schrecken
aller Bücherfreunde ; der Buchkörper wurde in
Decken gehängt, die schablonenmäßig vorher her¬
gestellt wurden. Dabei aber sollte der Schein ge-
gewahrt werden. Die Bünde wurden nachgeahmt;
ein protzenhaft - barbarischer Geschmack feierte
wilde Orgien in Ornamenten aller Zeiten und Stil¬
arten.
Es mußte eine Reaktion kommen. Und sie
kam. Aus England, wo man die gute Hand¬
werktradition nie ganz verloren hatte, und wo
das Buchgewerbe sich immer auf achtbarer Höhe
hielt. Eugen Diederichs konnte noch 1904 be¬
haupten, die englischen Bücher stünden turmhoch
über dem Niveau der deutschen. Morris und
seine Schüler formulierten die Prinzipien, denen
das Gewerbe zu folgen habe und traten durch
Wort und Tat für sie ein. Die Bewegung griff auf
das Festland über und zeitigte erfreuliche Früchte.
Auch Carl Sonntag jun. ist bei den Engländern
in die Schule gegangen und bekennt sich zu ähn¬
lichen Anschauungen. Am Schluß seiner Vorrede
gibt er Rechenschaft über die Aufgabe, die er sich
gestellt hat. Er will in derselben gediegenen, hand¬
werklichen Weise arbeiten, dabei aber den mo¬
dernen Anforderungen und Verhältnissen durchaus
Rechnung tragen. Das ist zu betonen. Morris
und seine Freunde standen zum Teil aus sozial¬
ethischen Motiven der Maschine skeptisch gegen¬
über. Wir aber wollen keine Romantik treiben
und die Zeit nicht zurückschrauben. Die Maschine
ist da, wir wollen sie nicht beseitigen, sondern sie
richtig gebrauchen, ihr nicht „Arbeit zumuten, die
sie nicht leisten kann“. „Es ist nicht die Maschine
an sich, die die Arbeit minderwertig macht“, heißt
es in der Rede, die Professor Th. Fischer während
der Verhandlungen des Deutschen Werkbundes
hielt. Es kommt in erster Linie auf die Güte des
Materials an; alle Materiallüge ist zu verwerfen,
wie auch jede Imitation technischer Einzelheiten
zu vermeiden ist. Carl Sonntag hat insbesondere
den Versuch gemacht, die alte bestbewährte Me¬
thode, die Bünde durchzuziehen, handgestochene
Kapitale zu verwenden und das Leder direkt auf
den Rücken zu kleben, wieder zu Ehren zu bringen.
Die so entstehenden Bünde sind nicht nur deko¬
rativ, sie wirken schön als konstruktive Formen.
Besonderen Wert legt er auf sauberen und ge¬
schmackvollen Titelaufdruck.
Wer seine Bücher binden läßt, wird immer
darnach trachten, ihnen einen dem Wert, Inhalt
und Zweck entsprechenden Einband zu geben. Es
gibt nun eine Menge von Büchern geringen Um¬
fanges und wenig bedeutenden Inhaltes, für die der
Katalog Pappbände vorschlägt. Man ist in letzter
Zeit vielfach auf Pappbände zurückgekommen,
so der Insel -Verlag mit seinen Zwei-Markbüchern
u. v. a. Sie sind billig, hübsch und auch haltbar.
Hans von Weber in München hat einige seiner
letzten Veröffentlichungen: Renards Doktor Lerne ,
Villiers de l’Isle- Adams Edisons Weib der Zukunft
und Bleis Puder¬
quaste in dieser
Art bei Carl
Sonntag binden
lassen. Die
bunten Bänd¬
chen sehen sehr
gefällig aus.
Dauerhafter
als Pappbände
sind naturge¬
mäß Ganz¬
leinenbände, sie
eignen sich gut
für vielge-
brauchteBücher
mittleren Um¬
fanges. Als
jedem zugäng¬
liches Beispiel
eines solchen
Struktur - Ganz¬
leinenbandes,
der ja an sich
nichts Neues
darstellen will, Abb. 2.
38
Mägr, Bucheinbände von Carl Sonntag jun.
Abb. 3.
mögen R. de Gourmonts Komödien einer Fr an
(bei Hans von Weber) erwähnt werden. Nach
diesen immerhin einfachen Arbeiten verzeichnet der
Katalog weitere aus wertvollerem Material: Halb¬
pergament- und Halblederbände mit farbigem oder
Goldschnitt und buntem oder einfarbigem Überzugs¬
papier. Der Titel wird auf ein ebenfalls farbiges
Lederschild gedruckt. Es sind Entwürfe von
solchen von Carl Sonntag gezeichnet und auch
ausgeführt worden. Auf der Ausstellung im
Leipziger Buchgewerbehaus (Dezember 1908) war
Boccaccios Dekameron (in der Insel -Ausgabe) zu
sehen. Die Zeichnung des Rückens, ein Pflanzen¬
motiv mit sparsam verteilten Blättern, konnte zwar
die Tiemannsche des Original¬
bandes nicht ersetzen, wirkte in
ihrer Einfachheit aber doch
recht gut.
„Halbleder-“ und „Ganz¬
leder - Bibliotheksbände“ sind
wohl vorwiegend für größere
wissenschaftliche Werke gedacht,
und wie die Abbildung zeigt,
äußerlich sehr einfach gehalten.
Auch ihnen wird Haltbarkeit
— bei der genannten Art von
Büchern sehr erwünscht ! —
nachgerühmt, eine Eigenschaft,
die jeder zu würdigen weiß,
der viel mit Büchern arbeitet,
nämlich die, daß sie sich flach
bis zum Rücken aufschlagen. Es
wird das durch die Methode
auf Bänder zu heften und das
Leder direkt auf den Rücken
zu arbeiten erreicht.
In dieser Weise sind übrigens
alle bisher erwähnten Einbände
hergestellt, wenigstens was das
Abb. 4.
Heften anlangt. Sie unterscheiden sich von den nun¬
mehr zu beschreibenden, dadurch, daß weniger kost¬
bares Material verwandt wurde. Als Ganzpergament¬
band mit farbigem oder Goldschnitt und farbigem
Rückenschild hat Carl Sonntag für Julius Bard in
Berlin die Luxusausgaben der letzten Bände des
Hortus deliciarum sowie die numerierte Ausgabe
von Hoffmanns M nster Floh (für den gleichen Verlag
von Hans von Müller herausgegeben) so gebunden.
Auf der Leipziger Ausstellung wurde eine ähnliche
Arbeit vorgelegt. — Es waren Meister Francois
Vi/ions Werke (bei Zeitler), die mit ihrem ziegel¬
roten Rückenschild und den durchgezogenen Bün¬
den mit Glück eine dem Inhalt entsprechende Alter¬
tümlichkeit anstrebten. Das
Pergament gestattet auch den
Titel schwarz oder zwei- und
mehrfarbig zu schreiben.
Immer aber haben Perga¬
mentbände neben dem Vorzug
großer Dauerhaftigkeit einen
massiven, gediegenen Charakter,
etwas Marmornes und Kühl-
Strenges im Gegensatz zu Leder¬
bänden, die weicher, zarter,
wärmer möchte man fast sagen
anmuten. Die Ausstellung zeigte
auch hiervon bemerkenswerte
Proben, Bände, die jeden
überflüssigen Schmuckes ent¬
behren, aber mit großer Sorg¬
falt gearbeitet sind. Zu nennen
wären: ein Exemplar einer fran¬
zösischen Ausgabe von Poggios
Facetien (Abb. 1) (in schiefer¬
blauem Seehundleder), Goethes
Briefe aus Italien (bei Bard),
(Abb. 5) Wildes Dorian Gray
(bei Zeitler) und Uzannes Physio-
Magr, Bucheinbände von Carl Sonntag jun.
39
\Y KARL L ARSEN \b
y SCHWESTER MARI ANNA V
UND »IRR LIEBESBRIEFE
LEIPZIG IM INSRL-
v VERLAG 1905 /
Abb. 6.
logie desjquais de Paris , sämtlich in dunkelblaues
Saffian auf Bünde gebunden. Dünne Goldlinien
teilen die Vorderflächen auf und bilden Rahmen
für die Titel. Ebenso schlicht präsentierten sich
Wielands Oberon und Verseerzählungen (Insel -Ver¬
lag), das eine in olivgrünes Maroquin mit rotem
Rückenschild, das andere in tiefrotes Maroquin
gekleidet.
Bei allen diesen Arbeiten lag der Hauptton
auf solider Technik und bestem Material. „Of all
things not wanted at the present day, the thing
that is least wanted is Ornament“
meint Morris. Damit ist aber der
Schmuck nun nicht überhaupt ver¬
worfen. Es ist nur anzuerkennen, wenn
zu den fundamentalen Bedingungen
noch die erläßlichen treten.
Carl Sonntag hat auch in dieser
Richtung Versuche angestellt und eine
Anzahl von Luxuseinbänden ange¬
fertigt , die ein schönes Können
verraten. So hat er die Liebesbriefe
der Schwester Marianne von Larsen
(Abb. 6) in ein Niger-Maroquin von
stumpfem Rot gebunden. Die natür¬
liche Narbung gestattet dem Licht
ein bewegtes Spiel auf der Fläche.
Die Einbandzeichnung, ein stilisiertes
Pflanzenornäment mit je einer Blüte
in den vier Ecken ist reich und ge¬
schmackvoll. In dem ovalen Feld,
das sie freiläßt, steht in einer Antiqua
von klaren und angenehmen Formen
der Titel. In ein ähnliches Maroquin sind die Worte
Napoleons (bei Zeitler) (Abb. 2) gekleidet. Der
Schmuck mit dem N in der Mitte des Vorder¬
deckels ist sehr hübsch und steht dem reicheren
des Originalbandes kaum nach. Trefflich gelungen
mit seiner Verwendung von Rokokomotiven auf dem
Rücken ist der grüne Maroquinband des Zeitlerschen
Fridericus Rex. Dasselbe gilt für den gleichfalls
grünen Einband der neuen Ausgabe von Bierbaums
Irrgarten der Liebe (Abb. 4). Die zierlich gezeich¬
nete einfache Herzmotive aufvveisende Titel¬
vergoldung paßt sehr gut zu der Ausstattung des
Buches von Heinrich Vogeler und wirkt vornehmer
als die des Verlegereinbandes.
Ein Exemplar der heute selten gewordenen
ersten, von Lechter geschmückten Ausgabe von
Maeterlincks Schatz der Armen hat einen dunkel¬
grünen Saffianeinband erhalten, dessen drei blind-
gepreßte Kelche an den Schmuck des Buches
anklingen. Besonderes Interesse heischen einige
Gäste- und Stammbücher (Abb. 3). Das eine
der Gästebücher, dessen Titelzeichnung durch
Lederauflage verziert ist, erscheint besonders an¬
sprechend. Die Stammbücher in Queroktav, wie
sie zur klassischen und romantischen Zeit üblich
waren, sollten für die, die dem Kultus des Stamm¬
buches noch huldigen, die einzige Möglichkeit
dazu bilden. Noch weiter in die Vergangenheit
reicht die auf Seite 18 abgebildete schöne Kopie
eines Padeloup-Einbandes zurück. — Wie in allem
Historismus, so liegt auch hier zweifellos eine Klippe
verborgen: wir sollen aus den Bedingungen unserer
Zeit heraus schaffen und empfinden und alle Stil¬
meierei meiden. Doch hegt hier die Sache insofern
etwas anders, als alte Bücher oft nicht einen nur
antiquarischen Wert haben, so Werke der schönen
Literatur. Und da ist nicht einzusehen, warum
man sie nicht entsprechend binden lassen sollte.
Wenn es gut und verständig gemacht wird, ent-
Abb. 7.
40
Chronik.
steht gewiß etwas Wertvolles. — Ähnlich liegen
die Dinge bei dem geschriebenen Evangeliar (Abb. 7)
und einem zweiten, das auf der mehrfach erwähn¬
ten Ausstellung zu sehen war. Vom Standpunkt
der Typengußmaschine kann man ja die Kunst
des Bücherschreibens als Anachronismus ablehnen.
Und in der Tat wird niemand daran denken,
eine allgemeine Rückkehr zum Zeitalter der Mönche
und Diebold Laubers zu predigen. Aber in be¬
sonderen Fällen kann man schon darauf zurück¬
greifen. Der Liebhaber erlesener Dinge — und
warum sollte man es nicht sein? — ist in der Lage,
das eine oder das andere Buch, das ihm beson¬
ders wert ist, in einem einzigen Exemplar her-
stellen lassen zu können. Das kann aber nur in
dieser Form geschehen, denn ein in einem Exem¬
plar gedrucktes Buch ist genau genommen eine con-
tradictio in adjecto. Überdies sei daran erinnert,
daß auch für die Titel gedruckter Werke geschriebene
Vorlagen benutzt werden, und Dr. '/.eitler meint, daß
klassische Schönheit nur einem solchen zukommt.
Allen kann man es nie recht machen, und
mancher wird hie und da etwas bemängeln. Im
großen und ganzen aber wird man der von Carl
Sonntag jun. geleisteten Arbeit und dem darin
bewiesenen Können seine Anerkennung nicht ver¬
sagen, vielmehr gern zugeben, daß mit Erfolg
versucht wird, Gutes zustande zu bringen und
die gewerbliche Arbeit zu veredeln. Wenn er —
was man nur wünschen kann — Auftraggeber in
genügender Zahl findet, so darf man wohl noch
manchen schönen Band von ihm erwarten.
<#£>
Chrom k.
Eine neue Eichendorffausgabe.
Ein äußerst verdienstvolles Werk wird jetzt durch
den Verlag von J. Habbel in Regensburg unternommen.
Unter Mitwirkung von Philipp August Becker heraus¬
gegeben von Wilhelm Kosch und August Sauer ge¬
langen in diesem Verlage ,, Sämtliche Werke des Frei¬
herrn Joseph von Eichendorff“ zur Ausgabe. Das
Werk ist als historisch -kritische Gesamtausgabe des
Dichters geplant und wird, mit einer Biographie, Ein¬
leitungen und Anmerkungen versehen, in zwölf Bänden
erscheinen. Mehr als mancher andre Romantiker
lebt Eichendorff mit seinen nie welkenden Liedern im
Herzen des Volkes, das immer wieder seine schlichten
Weisen singen und seinen Taugenichts lesen wird. An
einem vollwertigen literarischen Denkmale, das ihm
wohl in gleichem Maße wie etw-a Novalis, Brentano,
Arnim usw. gebührt, hat es aber bis heute gemangelt.
Dem soll nun die große in zwölf Bänden erscheinende
kritisch -historische Gesamtausgabe abhelfen, die zu
veranstalten der obengenannte Verlag als eine längst
gebotene Ehrenpflicht betrachtet. Jeder Band soll für
sich abgeschlossen sein, der Inhalt den strengsten
literarisch -kritischen Anforderungen entsprechen. Ein
vollständiges Namen- und Sachregister, sowie sämtliche
Lesarten soll der Schlußband enthalten. Zahlreiche
bisher unbekannte Handschriften liegen dieser Aus¬
gabe zugrunde, die einzusehen dem Herausgeber
Wilhelm Kosch u. a. durch die Mithilfe des Freiherrn
Karl v. Eichendorff ermöglicht wuirde. Der 1. Band
(der 11. Band in der ganzen Reihe) ist bereits er¬
schienen und enthält zum ersten Male in Vollständig¬
keit die Tagebücher Eichendorffs. Keine schönfärbe-
rischen Schilderungen, keine kunstvollen Perioden,
vielfach nicht einmal zusammenhängende Sätze stellen
sich uns in den schlicht und ursprünglich geschriebe¬
nen Tagebüchern Eichendorffs dar. Dennoch ent¬
halten sie, wie der Herausgeber Kosch mit Recht sagt,
eine Fülle vornehmlich kulturhistorischen Materials,
aus den vergilbten Blättern steigt die ganze Tauge¬
nichtsromantik lebendig und bezaubernd empor. Auf
diese Tagebücher wird noch in ausführlicherer Weise
zurückzukommen sein. Einstweilen sei darauf ver¬
wiesen, daß der vorliegende Band sehr gut ausgestattet,
gediegen gebunden, auf gutem Papier und in schönen
Lettern gedruckt ist. Er ist mit einer Reihe von Bild¬
nissen geschmückt, darunter einer prächtigen farbigen
Kopie nach einem im Besitze des Freiherrn Karl v.
Eichendorff in Wiesbaden befindlichen Bilde, und mit
vielen anderen Beilagen versehen; nebstbei enthält er
zum Schlüsse ein ausführliches Personenregister, sowie
selbstverständlich auch die nötigen das Verständnis
der Tagebücher erleichternden Anmerkungen. Jeder
Band, durchschnittlich 500 Seiten stark, kostet bei
Subskription auf alle 12 Bände geheftet M. 2.50, in
Leinen M. 3, in Halbfranz M. 3.75. Einzelne Bände
geheftet M. 4, in Leinen M. 4.50, in Halbfranz M. 5.25.
Der Preis des einzelnen Liebhaberbandes in Ganz¬
pergament stellt sich auf M. 10. Außerdem soll noch
eine Volksausgabe zum Preise von ca. M. 2 für den
Band veranstaltet werden. Die Gesamtausgabe soll
nach dem Herausgeberplane im Jahre 1911 vollständig
vorliegen. Wir begrüßen dieses Unternehmen, das in
dem Verlage Habbel eine so werktätige Unterstützung
findet, aufs Beste und wmnschen der schönen Ausgabe
recht viele Freunde aus dem Kreise der Bibliophilen.
Fgl
Im Verlag von Ernst Wiegandt in Leipzig wird
Anfang Juni erscheinen: Basedows Elementarnverk mit
100 Kupfertafeln von Chodowiecki u.a., herausgegeben
von Dr. Th. Fritzsch. Der Subskriptionspreis ist bis
zum 1. Mai 18 Mark, dann 28 Mark für das gebundene
Exemplar, für Luxusdrucke 40 Mark.
Alle Rechte Vorbehalten. — Nachdruck verboten.
Für die Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Carl Schüddekop /-Weimar, Grunstedterstr. 16. Druck u. Verlag v. IV. Z>rttg-«/frc-Leipzig, Königstr. io
Fuchs, die Frau in der Karikatur, Kleisterpapier von Lilli Behrens,
Rücken blaues Saffianleder mit Pergamentauflage und Handvergoldung, gebunden von Buchbindermeister
August Linnenmeyer, Berlin.
Z. f. B. 1909/1910.
Heft 2. Tafel 1.
Zu Sachs : Moderne Buntpapiere und ihre Verwendung.
Über die Märchen von Tausend und ein Tag.
Von
Walter Schiller in Wien.
Mit 16 Abbildungen.
Der erste Band von Les Mille et une Nuit,
i Contes Arabes erschien im Jahre 1704
I in Paris , es war die erste Ausgabe
in einer europäischen Sprache und
Galland, der Übersetzer und Bearbeiter, er¬
hoffte einen großen Erfolg. Durch zwei Eigen¬
schaften vor allem andern, so führt er in der
Vorrede aus, sollten die neuen Märchen das
Gefallen der Leser erregen; durch die Phan¬
tastik der wunderbaren Begebenheiten, die sich
in bunter Fülle durchweben und verflechten,
und durch die Treue der Sittenschilderungen)
die die Bräuche und Gewohnheiten des Morgen¬
landes vorführen.
Und wirklich hatte sich Galland über die Ge¬
schmacksrichtung des französischen Publikums
nicht getäuscht. Das Interesse für den moham¬
medanischen Orient war einerseits durch die
kriegerischen Unternehmungen an der Nordküste
Afrikas, die in dem dreimaligen Bombardement
Algiers gipfelten, anderseits durch den lebhaften
überseeischen Handel, der sich von der Türkei
über Kleinasien bis tief nach Persien erstreckte,
z. f. B. 1909/1910.
erregt worden und in der zweiten Hälfte des
XVII. Jahrhunderts hatte man auch begonnen,
sich eingehender mit den orientalischen Sprachen
zu beschäftigen.
Ludwig XIV. hielt an seinem Hofe eine
Anzahl gelehrter Orientalisten , die als Dol¬
metscher im mündlichen und schriftlichen Ver¬
kehr mit den Souveränen des Morgenlandes
dienten, nachdem sie sich durch jahrelange
Studienreisen die Sprachen im Mutterlande an¬
geeignet hatten. Von diesen Männern stammen
die ersten gelehrten Arbeiten über die Litera¬
turen des Orients, so beispielsweise die Biblio-
theque orientale, die Herbelot 1667 in Paris her¬
ausgab, von ihnen stammen auch die ersten
bedeutenderen Übersetzungen, wenn man von den
Bestrebungen der Renaissance auf diesem Gebiete
absieht, die sich übrigens selbst in ihren hervor¬
ragendsten Leistungen, wie etwa in der italie¬
nischen Übersetzung des Koran, die 1547 i*1
Fano gedruckt wurde, nicht lange erhielten.
Der Zeitpunkt, in dem Galland mit seiner Über¬
setzung auftrat, war für die Aufnahme der orienta-
6
42
Schiller, Über die Märchen von Tausend und ein Tag.
lischen Dichtungen besonders günstig; denn sie
mündeten in einem Augenblicke in die literarischen
Strömungen Frankreichs ein, in dem sie nicht
nur historisches Interesse, sondern auch Be¬
deutung für die Gegenwart gewinnen konnten.
Der Kampf, den Perrault für den Wert und
die Freiheit der zeitgenössischen Literatur gegen
den antikisierenden Formalismus Boileaus auf¬
genommen hatte, war auf seinem Höhepunkte
angelangt, und Perrault hatte als praktisches
Beispiel für seine Ansichten im Jahre 1697 die
„ contes de ma mere l'Oye “ herausgegeben.
Damit hatte er eine Dichtungsgattung einge¬
führt, deren Form frei von allen aristotelischen
Regeln war und deren Vollendung seinem Zeit¬
alter Vorbehalten zu sein schien; denn die an¬
tiken Werke dieser Art waren damals fast un¬
bekannt, sie wurden erst im XIX. Jahrhundert
von Grässe bibliographisch erschlossen und von
Rohde literarisch gewürdigt.
Die neue Gattung erwarb sich bald einen
großen Anhang und neben den französischen
Volkserzählungen dienten die orientalischen
Märchen, die nach und nach in den Über¬
setzungen bekannt wurden, als willkommene und
viel bewunderte Vorbilder. Eine der vielen
Nachfolgerinnen, die Perrault unter den vor¬
nehmen Damen des französischen Adels fand,
Madame d'Aulnois, vereinigte mit glücklicher
Hand in den „ contes de Fees “ die einfachen Vor¬
gänge der heimischen Erzählungen mit dem phan¬
tastischen Apparat der orientalischen Märchen.
Immerhin zählten aber die Werke, die man
bis zu jener Zeit übersetzt hatte, nicht zum be¬
deutendsten, was die persische oder arabische
Literatur zu bieten vermag. Als daher die
Märchen von Tausend und einer Nacht er¬
schienen, die alle die charakteristischen Schön¬
heiten, die man an den orientalischen Märchen
schätzen gelernt hatte, in höchster Vollendung
zeigten, da errangen sie einen großen und nach¬
haltigen Erfolg, sodaß bis zum Jahre 1729 die
5. Auflage erscheinen konnte (Abb. 3).
Es ist natürlich und begreiflich, daß diese bei¬
fällige Aufnahme eine Schar von Nachahmungen
Contes Tartares.
Abb. 1. Titelkupfer der dritten Ausgabe von Gueullette,
Les mille et un quart d'heure.
hinter sich zog. Dichter und Literaten be¬
mühten sich, Form und Inhalt des vielbewun¬
derten Originals nachzuahmen, und wie groß
die Zahl dieser Kopien ist, zeigt eine Übersicht
über jene Werke, welche selbst den Titel von
Galland entlehnen, ganz abgesehen von allen
contes Ar ab es , Turcs , Persans, Orient anx , die
sich inhaltlich mehr oder weniger eng an ihr
Vorbild anschließen. Da ergibt sich folgende
stattliche Liste:
Les mille et un jours, contes persans, trad.
en frangais par Petis de la Croix, Paris 1710 — 12,
5 vol.
Les mille et un quart d'heures , contes tar¬
tares (par Gueidlette ), Paris 1715, 2 vol.
Les mille et une Faveurs (par Paradis de
Mo?icrif), Paris 1716. 1
1 Bei diesem Werk zeigt sich besonders deutlich, wie der Titel bei solchen Büchern ohne inneren Grund, nur der
Nachahmung halber, gewählt wurde. Es erschien zum erstenmal 1715 als „Avantures de Zdloide et Amanzarifdine“*
Erst bei der zweiten Auflage 1716 gab ihm Paradis de Moncrif, — pour se mettre ä la mode, wie es in der Einleitung
des 32. Bandes des Cabinet des Fees treffend heißt — den Titel „les mille et une Faveurs“. Ein später erschienenes,
gleichbetiteltes Buch: Les mille et une Faveurs, contes de cour, tires de l’ancien gaulois par la reine de Navare (le Che¬
valier de Mouhy), Londres, 1740 in 4, 1783 in 5 und 1784 in 8 Bänden hat mit dem Werke Moncrifs nichts zu tun.
Schiller, Über die Märchen von Tausend und ein Tag.
43
LES MILLE
E T U N
QIJ ART- D’H EURE.
CONTES TARTARES,
Ornes de Figures en
Tailles-Douces.
TOME L
A UTRECHT,
Chez ETIENNE NEAULME,
M. DCC. XXXVII.
Abb. 2. Titel der dritten Ausgabe von Gueullette,
Les mille et un quart d’heure.
Les mille et une Henres, contes peruviens
(par Gueullette ), Amsterdam 1733 — 34, 2 vol.
Les mille et une Soirees (par Gueullette ). La
Haye (Paris) 1749, 3 vol.
Les mille et une Folies, contes frangais, par
M. N. (. Nougaret ) Paris 1771, 4 vol.1
Fast alle diese Werke sind in Frankreich
entstanden und die exotische Abstammung auf
dem Titel ist nur fingiert. Während Galland die
orientalischen Märchen für französische Leser
bearbeitete, suchten die andern, wenn sie auch
manchmal die Motive der Erzählungen dem
großen Sagenschatz des Morgenlandes ent¬
nahmen, ihre durchaus französischen Erzeug¬
nisse in orientalisches Kostüm zu kleiden und mit
orientalischem Aufputz zu verbrämen.
Darum wurden diese Werke auch bald ver¬
gessen und sind heute verschollen, beinahe Rari¬
täten. Nur zwei von ihnen bilden eine Ausnahme.
Das Buch von Thomas-Simon Gueullette, „Les
mille et un quart d’heure“, wurde 1723 in Paris
bei Saugrain, 1737 in Utrecht bei Neaulme
(Abb. 1 und 2) und 1786 im „cabinet des
Fees“ wieder abgedruckt (diesen Erfolg verdankt
das Werk hauptsächlich dem Umstande, daß
es einerseits wirklich, wenigstens teilweise, auf
alte , meist italienische Quellen zurückgeht,
andrerseits aber nirgends eine gewisse ironische
Anmut verleugnet); das zweite Werk sind die
„ mille et un jours “ von Petis de la Croix. Sie
sind vielfach abgedruckt und übersetzt worden
und haben sich so, in immer neuen Ausgaben,
beinahe il/2 Jahrhunderte erhalten. Franzö¬
sische und italienische Dramatiker haben sie
für die Bühne bearbeitet und manche Er¬
zählung, die sich in den heutigen Kinderbüchern
als herrenloses Märchengut findet, geht auf
Tausend und einen Tag zurück. Dieses Fort¬
leben in mannigfacher Gestalt danken die
Märchen ihrem Alter und ihrer Abstammung;
sie sind nicht späte, farblose Nachahmungen,
sondern uraltes Sagengut; darüber kann kein
Zweifel bestehen, wenn man auch über die Einzel¬
heiten ihrer Herkunft vielleicht nie genaueres
erfahren wird.
Der Herausgeber Petis de la Croix war kein
phantasiebegabter Schriftsteller wie Gueullette
oder Nougaret, er war ein ebenso emsiger wie
nüchterner Gelehrter. Schon sein Vater, neben
Tlievenot und Herbelot einer der bedeutendsten
Orientalisten jener Zeit, bekleidete seit dem
Jahre 1652 das Amt eines secretaire interprete
du roi für Arabisch und Türkisch; letztere
Sprache beherrschte er so weit, daß er eine
„histoire de France“ ins Türkische übersetzte,
was seine Zeitgenossen als ein besonders ge¬
eignetes Mittel anerkannten, um den Ruhm
1 Auch ein Werk von Cazotte, dem Verfasser von „Biondetta ou le diable amoureux“ und „Le Lord impromptu“
gehört hierher, nämlich : „Les mille et une Fadaise“. Andere Bücher wieder entlehnen nur den formelhaften Titel, ohne
inhaltlich etwas mit den Märchen zu tun zu haben, so z. B. „Les mille et une Calomnies, ou Extraits des correspondances
privees dans des journaux anglais et allemands pendant le ministere de M. le duc Decazes, Paris, Dentu 1822'*; ein
seltenes Erotikum ist: „Tausend und eine Ausschweifung oder Bekenntnisse einer vornehmen Standesperson, Paris 1 792/93-‘ ‘
Der neueren Zeit gehören an „Les mille et un nuits parisiennes par A. Houssaye“ und eine Parodie „Contes des dix
mille et deux nuits par Felix Duquesnel“ mit ausgezeichneten Illustrationen von Veber.
44
Schiller, Über die Märchen von Tausend und ein Tag.
Frankreichs bis in die entferntesten Länder zu
verbreiten.
Von Colbert , der durch die gelungene
Übersetzung eines türkischen Gedichtes auf ihn
aufmerksam geworden war, angeregt, verfaßte
er, nach Vorarbeiten, die sich über zehn Jahre
erstreckten, eine Geschichte des großen Tschingis-
kan, für den man damals bedeutendes Interesse
hegte, weil man ihn ebenso wie Alexander den
Großen und Cäsar als Vorläufer des Sonnen¬
königs in der Weltherrschaft auffaßte.
Die Vollendung dieses, seines Hauptwerkes
hat Petis allerdings nicht mehr erlebt; das
reiche Material, das er bei seinem Tode
hinterließ, wurde von seinem Sohne, der eben¬
falls Frangois mit dem Vornamen hieß, gesichtet
und verarbeitet, und im Jahre 1710 unter dem
Titel „ Hi s toi re du gr and Genghiz-Can, Premier
empereur des Mogols et Tartares“ herausge¬
geben.
Dieser Francois Petis de la Croix, der
Abb. 3. Titelkupfer des vierten Bandes der
, .Mille et une nuit (5. ed. A la Haye 1729).
Jüngere , folgte in Beruf und Stellung seinem
Vater, übertraf ihn aber bald an wissenschaft¬
licher Bedeutung und staatlichen Ehren. Er
war 1653 in Paris geboren; kaum sechzehn Jahre
alt, wurde er auf Veranlassung Colberts, der
schon der Gönner des Vaters gewesen war, zu
Studienzwecken nach dem Orient gesandt. In
Alep hielt er sich volle drei Jahre auf, die er
dazu verwendete, um Arabisch und Türkisch
zu lernen; er beherrschte diese Sprachen bald
in so hohem Grade, daß ihn die französische
Regierung damit betraute, einen Staatsvertrag,
den der Gesandte de Nointel mit der Pforte
geschlossen hatte, zu übersetzen — ein Zeichen
ehrenden Vertrauens für den jungen Gelehrten.
Der weitere Verlauf seiner Studien führte ihn
nach Arabien, von wo er nebst Pflanzen und
Samen für die königlichen Gärten auch eine
Anzahl von Manuskripten und Medaillen und
200 Maroquinhäute für die königliche Bibliothek
nach Paris sandte. Über Mossul und Bagdad
gelangte er nach Ispahan, wo er im August
1674 ankam; dort hielt er sich so lange auf, bis
er das Persische samt seinen Dialekten erlernt
hatte, und begab sich dann über die Türkei auf
die Rückreise. In Konstantinopel wurde er von
Guilleragues freundlich empfangen und in seinen
Studien tatkräftig unterstützt.
Es ist dies derselbe Guillerague, dessen T ochter,
der Marquise d’O Galland seine mille et une nuit
mit begeisterten Worten der Dankbarkeit gegen
sie und ihren Vater widmete; denn auch er hatte
bei seinem Aufenthalt in Konstantinopel die
Unterstützung Guilleragues in reichem Masse
genossen.
1680 kam Petis de la Croix nach Frank¬
reich zurück und wurde dauernd damit be¬
traut, die Schriftstücke des diplomatischen Ver¬
kehrs mit den mohammedanischen Mächten
zu übersetzen; so übersetzte er z. B. 1 68 1 den
wichtigen Vertrag zwischen Frankreich und
Marokko. Im Jahre 1682 wurde er secretaire
interprete pour les langues orientales; als secre¬
taire de l’ambassade au roi de Maroc kam er
nach Nordafrika, wo er als Dolmetsch im Ge¬
folge der französischen Feldherrn Duquesne,
Pourville und dAmfreville vortreffliche Dienste
leistete und sich auch durch Unbestechlichkeit
und Unparteilichkeit auszeichnete.
Nach Paris zurückgekehrt, wurde er, als im
Jahre 1692 Jacques di Auvergne starb, als dessen
Schiller, Über die Märchen von Tausend und ein Tag.
Abb. 4. Geschichte des Abulcasem.
Aus dem Cabinet des Fees Bd. XIV.
Gez. von Marillier, gest. von De Ghendt.
Nachfolger Professor der arabischen und syrischen
Sprache, später auch secretaire interprete du roi
wie einst sein Vater. In seinem Alter zog er sich
vom Hofe, wo er infolge seines stillen Wesens
und seines bescheidenen Auftretens sich keine
entsprechende Stellung hatte schaffen können,
ganz zurück, um nur seinen Studien zu leben.
Noch in späten Jahren lernte er bei Gelegen¬
heit eines Briefes, den der König von Äthiopien
an Ludwig XIV. schrieb, äthiopisch und fertigte
Übersetzungen aus dieser Sprache. Er starb,
60 Jahre alt, am 4. Dezember 1713 in Paris.
Von seinen historischen und geographischen
Schriften sind die wichtigsten: Voyage en Syrie
et en Perse (1670— 1680), Canon du Sultan
Soliman II ou Etat politique et militaire des
archives des Princes ottomans , Paris 1725, aus
45
dem Türkischen, und eine Jdstoire de Lotus XI V“,
die er nach dem Vorbild seines Vaters in ara¬
bischer Sprache ausarbeitete.
Der schönen Literatur gehören an „Histoire
de la Sultane de Perse et des vizirs, contes turcs ,
Paris 1707“ und das Buch, das seinen Namen
berühmt gemacht hat, „les mille et un jours,
contes Persans , Paris 1710 — 12“.
Ein großangelegtes Geschichtswerk ,,1’histoire
du Timur Bec“ wurde erst nach seinem Tode
im Jahre 1722 von seinem Sohne heraus¬
gegeben. Dieser, ebenfalls Frangois mit Namen,
hatte Fleiß und Begabung von seinem Vater
geerbt und folgte ihm in allen Stücken. Auch
er studierte sechs Jahre lang in der Türkei und
in Kleinasien die Landessprachen und wurde
nach seiner Rückkehr Jahre hindurch mit der
Übersetzung aller Verträge zwischen Frankreich
und den orientalischen Staaten betraut. Er
wurde secretaire interprete de la marine, ein
Amt, das früher schon ein Onkel seines Gro߬
vaters, Claude Guiclet, bekleidet hatte, später
interprete des langues orientaux ä la Bibliotheque
du Roi, und 1744 Professor der arabischen
Sprache am College royal. Wenn er auch
hauptsächlich im Staatsdienste tätig war — zu¬
meist fungierte er als Dolmetsch bei Audienzen — ,
so verdanken ihm doch einige interessante Werke,
hauptsächlich Übersetzungen aus dem Tür¬
kischen, ihre Entstehung. Erstarb 175 r, kaum
fünfzig Jahre alt, in Paris; und da er keinen
Sohn, sondern nur zwei Töchter hinterließ, so
erlosch mit ihm dieses Orientalistengeschlecht,
das, an die Dynastien der Hofbeamten im alten
Ägypten erinnernd, beinahe zwei Jahrhunderte
lang durch vier Generationen im Dienste Frank¬
reichs und seiner Plerrscher gewirkt hatte.
Die erste Ausgabe von Tausend und ein
Tag erschien in den Jahren 1710 — 1712 in Paris;
sie führt den Titel: Les Mille et un Jour | Con¬
tes Persans | Traduits en Frangois j Par M. Petis
de la Croix | Doien des Secretaires Interpretes
du | Roi, Lecteur & Professeur du j College
Royal. 5 Bände in 12. Schon die äußere Aus¬
stattung zeigt die Abhängigkeit von Tausend
und einer Nacht; nicht nur Format, Papier und
Typen stimmen überein, auch die innere Ein¬
teilung und die Anordnung der Überschriften
ist genau kopiert. Eingeleitet wird das Werk
durch eine Vorrede, die sich nahezu in allen
spätem Ausgaben, wiederholt findet ; sie ist für
46
Schiller, Über die Märchen von Tausend und ein Tag.
die Art des Verfassers
so charakteristisch und
für die Entstehungs¬
geschichte der Mär¬
chen so wichtig, daß
eine wörtliche Wieder¬
gabe gerechtfertigt er¬
scheint. Sie lautet:
„Nous devons ces
contes au celebreDervis
Mocles, que la Perse
met au nombre de ses
grands personnages.
II etait chef des sofiis
d’Ispahan et il avait
douze disciples qui por-
taient de longues robes
de laine blanche. Les
grands et le peuple
avaient pour lui une
veneration singuliere ä
cause qu’il etait de la
race de Mahomet, et
ils le craignaient parce
qu’il passait pour un
savant cabaliste. Le roi
Schah Soliman meme
le respectait ä un point
que si par hasard il le
rencontrait sur son
passage, ce prince des-
cendait aussitöt de che-
val et lui allait baiser
les etriers.
Mocles etant encore fort jeune s’avisa de
traduire en persan des comedies indiennes, qui
ont ete traduites en toutes les langues orien¬
tales ; et dont on voit ä la bibliotheque du roi
une traduction turque sous le titre de Alfarage
Bada Alschidda ce qui signifie „la joie apres
l’affliction“. Mais le traducteur persan, pour
donner ä son ouvrage un air original mit ces
comedies en contes, qu’il appela Hezaryek-Rouz ,
c’est-ä dire Mille et un jours. Il confia son
manuscrit au sieur Petis de la Croix, qui etait
en liaison d’amitie avec lui ä Ispahan en 1675,
et meme lui permit d’en prendre une copie.
Il semble que les Mille et un Jours ne soient
rien autre chose qu’une imitation des Mille et
une Nuits. Effectivement, ces deux livres ont
la meme forme. Il y a dans leurs desseins un
contraste comme dans
leurs titres. Dans les
Mille et une Nuits , c’est
un prince prevenu con-
tre les femmes, et dans
les Mille et un Jours ,
c’est une princesse
prevenue contre les
hommes. Il est ä croire
que l’un de ces ouv-
rages a donne l’occa-
sion de faire l’autre ;
mais comme il n’y a
point d’epoque aux
contes arabes, on ne
saurait dire s’ils ont
dte faits avant ou apres
les contes persans.
Quoi qu’il en soit,
les Mille et un Jours
doivent divertir les per-
sonnes qui ont lu avec
plaisir les Mille et une
Nuits, puisque ce sont
les niemes mceurs et la
meme vivacite d’imagi-
nation. Mais les lec-
teurs qui, dans les
contes arabes, ont
trouve mauvais qu’on
n’ait pas donne ä
Scheherazade une in-
tention de persuader
par ses fables ä Schah-
riar qu’il y a des femmes fideles, car veri-
tablement eile parait n’avoir pour but que de
prolonger sa vie sans chercher ä detromper le
sultan des Indes ; ceux, dis-je, qui ont fait cette
critique ne feront pas le meme reproche ä
Dervis Mocles. Sutlumene se propose de com-
battre la prevention de la princesse et va tou-
jours ä sa fin. Dans tous ses contes il y a
des epoux ou des amans fideles. On voit qu’elle
s’applique ä guerir Farrukhnaz de son erreur,
sans toutefois que la necessite qu’elle s’impose
de ne se point detourner de son but fasse tort
ä la variete d’evenemens que demandent ces
sortes d’ouvrages.“
Der Derwisch Mocles ist also nach der An¬
gabe von Petis der Verfasser, oder wenigstens
Bearbeiter der Märchen. Obwohl Petis sonst
Schiller, Über die Märchen von Tausend und ein Tag.
47
unbedingt glaubwürdig
ist — er hat sich, im
Gegensätze zu seinen
Fachgenossen, die über
den Orient meist in der
phantastischen Art des
Orients selbst berich¬
teten, immer streng an
die T atsachen gehalten,
wahrscheinlich aus
Nüchternheit und
Mangel an Phantasie
— so ergeben sich hier
begründete Zweifel.
Es läßt sich nir¬
gends über den Der¬
wisch Mocles etwas
Näheres erfahren, nicht
einmal sein Name in
irgendeinem orienta-
listischen Werke ermit¬
teln. Die Angaben, die
die Biographie univer¬
selle über ihn macht,
entstammen zum Teil
dieser Vorrede, zum
Teil sind sie dem Be¬
richt von Petis de la
Croix über seine Orient¬
reise entnommen, der
unter dem Titel „Ex-
trait du Journal du sieur
Fr. Petis fils, professeur
en arabe, et secretaire
interprete entretenu en la marine, renfermant
tout ce qu’il a vu et fait en Orient, durant
dix annees qu’il y a demeure par l’ordre de sa
Majeste“ im 5. Band des Magasin Ency-
clopedique 1808 von M. Langles veröffentlicht
wurde.
In dem Kapitel über seinen Aufenthalt in
Ispahan erzählt Petis von seinen Bemühungen,
das Persische zu erlernen: „Je cherchai quelqu’un
qui le süt mais je n’en pus trouver pour de
l’argent, et je fus oblige de m’adresser ä un
grand superieur ä l’ordre des Mevlevy. J’y fus
conduit par un de ses amis et je ne lui eus
pas plutöt fais mon compliment, qu’il m’offrit
ses soins pour l’intelligence du Mesnevy; et il
me permit durant quatre ou cinq mois de le
voir tres-souvent pour l’apprendre; cet etude
me reussit, et enfin ce
religieux n’etant pas
homme ä prendre de
l’argent de moi, je lui
fis present de trois
grands bassins de por-
celaine qu’il accepta.
II se nommoit Dervycli
Moqles, et il travailloit
ä etablir une nouvelle
secte pour les moins
de douze disciples nom-
mes Mouryd qu’il avoit
en particulier et qui
etoient autres que les
religieux du couvent ;
j’ai ecrit ailleurs quel
homme c’etait et ce
qu’il savoit faire;
comme il avoit la capa-
cite d’etre chef de parti,
je sus que la cour le
faisoit observer; et ainsi
j’eus des mesures ä
prendre pour le voir.“
Das ist alles, was
sich über den Derwisch
Mocles ermitteln läßt,
und man muß immer¬
hin die Möglichkeit zu¬
geben, daß Petis den
Derwisch erfunden und
als Urheber der Mär¬
chen unterschoben hat,
wenn auch die Annahme einer Fiktion
etwas Merkwürdiges und Befremdliches hat,
zumal bei dem Umstand, daß Langles die
Schilderungen und Berichte des Journals
genau geprüft und auf Grund eines Vergleichs
mit den Werken Herbelots, Thevenots und
späterer Forscher für wahrheitsgetreu befunden
hat. Auch hätte die Fiktion kaum großen Wert
gehabt, da das Journal zu Lebzeiten seines
Autors nicht veröffentlicht wurde.
Petis überreichte es im Jahre 1694 dem Staats¬
sekretär Phelipeaux und konnte also auf ein Be¬
kanntwerden im Publikum nicht rechnen; es ist
auch kaum anzunehmen, daß er 16 Jahre vor der
Herausgabe der Märchen schon daran dachte,
die Fiktion ihres Ursprunges durch eine Stelle
in seinem Reisebericht zu stützen.
48
Schiller, Über die Märchen von Tausend und ein Tag.
Abb. 7. Geschichte des Prinzen Seyfel Mulouk.
Aus dem Cabinet des Fees Bd. XV.
Gez. von Marillier, gest. von D’Elvaux.
Von dieser Seite her läßt sich also nichts be¬
stimmtes über die Abstammung der Märchen und
in zweiter Linie über ihre Echtheit ermitteln ; es
bleibt noch eine zweite Angabe Petis, die eine
Prüfung zuläßt, das in der Vorrede zitierte Manu¬
skript in der königlichen Bibliothek zu Paris. Aber
auch diese Untersuchung gibt keinen sicheren
Aufschluß über die Märchen. Der österreichische
Orientalist Josef v. Hammer- Pur gstall entdeckte
unter den orientalischen Manuskripten der Wiener
Hofbibliothek eine Handschrift, die in Titel und
Inhalt mit der erwähnten in Paris befindlichen
cenau übereinstimmt. In dem Catalonus Co-
dicum arabicorum persicorum turcicorum Biblio-
thecae Caesareae Regiae Vindobonensis, den er
im zweiten Band der „Fundgruben des Orients“
veröffentlichte, beschreibt er sie folgendermaßen:
171, Gaudium post afflictionem Collectio narra-
tionum fabulosarum turcicarum de 1001 nocti-
bus et aliis. Hadschi Chalfa duo alia opera
arabia sub hoc titulo refert, quae cum nostro
nihil commune habent ; codex sub eodem
titulo existit in Bibliotheca Regia Lutetiensi
Nro. CCCLXXXII sed nullum herum quatuor
operum, nobis hucusque cognitorum continet
fabulas a Petis de la Croix sub nomine 1001
dierum vulgatas, quas hoc titulo inscriptas af-
firmat; et quas donec textum originalem ali-
cubi existere nobis non constabit, apocryphas
ab autore solummodo ex variis fontibus con-
gestas aut in imitationem 1001 noctium com-
positas fuisse, censemus. 1
Hammer faßte also die Märchen als eine
Fälschung auf und gab dieser Ansicht noch
öfter Ausdruck. Im 6. Band der Wiener „Jahr¬
bücher der Literatur“ 1819 bespricht er eine
Neuausgabe des arabischen Antarromanes und
macht in einer Anmerkung darauf aufmerksam,
daß sich bei den Literarhistorikern des Orients
zwei voneinander unabhängige Märchensamm-
lungen als Tausend und eine Nacht verzeichnet
finden; er fährt dann fort: „Um der Vermutung
keinen Raum zu geben, daß unter einem der zwey
Hesar Efsane betitelten Werke vielleicht die unter
dem Titel der tausend und eines Tages bekannten
Mährchen gemeint seyen, wiederholen wir hier
die schon zweymal (im Kataloge der orientalischen
Handschriften der Wiener Bibliothek Nr. 17 1
und im Morgenblatte) öffentlich zur Sprache ge¬
brachte Anklage literarischen Betruges, dessen
sich Petis de la Croix durch Zusammenstoppe-
lung der persisch sein sollenden Mährchen des
tausend und eines Tags, aus dem Türkischen
mit französischen Zusätzen bearbeitet, schuldig
gemacht hat; indem sowohl der Derwisch Mocles,
den er als Quelle anführt, eine lügenhafte Er¬
findung ist, als das Buch Freude auf Leid, das
1 In dem letzten Katalog der orientalischen Handschriften der Wiener Hofbibliothek von Flügel, 1865 — 67, findet
sich das Manuskript als Nr. 798: „Das Buch der Freude nach der Bedrängnis“, von unbekanntem Verfasser und nirgends
eine Spur von Identität mit dem von Hadschi Chalfa erwähnten türkischen Werk dieses Titels in dreizehn Kapiteln von
Muhammed Bin ‘Umar al Halabi. — Das vorliegende enthält gegen zwanzig größere und kleinere Erzählungen aus der
Zeit Harun-al Raschids und später, ein Kaffeehausexemplar usw. Bl. 139 lautet eine Inschrift: „Josephus Jacobus Prean
a Zallauzen hunc librum a castris Turcarum Dornum portavi. Anno quo a nostris liberata de Turcis Vienna.“
Schiller, Über das Märchen von Tausend und ein Tag.
49
er als die auf der königlichen Bibliothek befind¬
liche Quelle angibt, ganz andern Inhalts ist.“
Wenn man den Forschungen Hammers
Glauben schenkte, wäre Petis de la Croix selbst
der Verfasser der Märchen und somit ein litera¬
rischer Betrüger; dem widerspricht aber seine
vielgerühmte Ehrlichkeit ebenso wie seine oft
gerügte Phantasielosigkeit, und auch gegen die
Untersuchungen Hammers läßt sich mancher
Einwand erheben.
Wenn die Märchen wirklich mit der 'Hand¬
schrift nichts zu tun hatten, so setzte sich
Petis durch den Hinweis auf sie der Be¬
schämung aus, daß ein Sprachkundiger, der
türkisch zu lesen vermochte — und solche gab
es damals in Paris viele — , die Fälschung hätte
aufdecken können. Die Literaturgeschichte zeigt,
daß die Fälscher mit Vorliebe an verloren ge-
gangeneUrkunden und Handschriften anknüpfen,
aber die Berufung auf ein Manuskript, das in
einer öffentlichen Bibliothek der allgemeinen
Benützung freisteht, wäre unglaubhaft plump.
Es ist viel wahrscheinlicher, daß das Manu¬
skript, welches Hammer in der Pariser Bibliothek
gelesen hat, garnicht dasjenige ist, auf das sich
Petis in der Vorrede bezieht, zumal es nicht
die geringste Ähnlichkeit mit den Märchen hat.
Das richtige Manuskript scheint auch A. Loise-
leur Deslongchamps, ein Pariser Orientalist, der
1838 „Les mille et un jours“ neu herausgab,
nicht gefunden zu haben; im Vorwort seiner
Ausgabe schreibt er:
La plupart de ces contes se retrouvent dans
le roman turc intitule Alfarage Bada Alschidda,
que Petis indique comme ayant servi au der-
viche Mocles, et dont il existe au departement
des manuscrits de la bibliotheque du roi des
traductions partielles composees par des jeiines
de langue\ d’autres contes se retrouvent dans
un recueil en langue persane, ainsi que M. Rei-
naud a eu l’occasion de la reconnaitre ; plusieur
enfin ont une origine indienne bien constatee
1 Auch Galland hat ein gleichbetiteltes Werk gekannt.
Im „Journal de Galland pendant son sejour dans le Levant
(T 6 73)“ veröffentlicht in der Revue retrospective , seconde
serie, tome XII findet sich folgende Stelle: „Je lus dans le
livre intitule Farage bada alchidda (la joie apres le chagrin)
l’histoire ou fable d’un architecte de la ville de Bim etc. . .
Die nun folgende Geschichte zeigt aber keine Ähnlichkeit
mit einem der von Pötis veröffentlichten Märchen; es scheint
also auch dieses Buch nichts mit dem von Petis genannten
zu tun zu haben.
Z. f. B. 1909/1910 .
ainsi qu’on le verra dans les notes. L’authen-
ticite de ces charmans recits ne peut peut donc
pas etre revoquee en doute.“ Durch den Nach¬
weis der Märchen in alten Werken ist ihre Echt¬
heit bestätigt; da aber hier nur von Teilen einer
Übersetzung die Rede ist und Loiseleur ein
genauer Kenner der Pariser Bibliotheken war,
kann man wohl annehmen, daß das Original¬
manuskript verloren gegangen ist,1 und damit
schwindet die letzte Möglichkeit, je etwas Ge¬
naueres über den Ursprung der Märchen zu
erfahren.
Wenn auch alle von Petis angegebenen
Quellen versagen, so bleibt doch noch ein letztes
Auskunftsmittel, die Untersuchung des Werkes
selbst. Eine eingehende Betrachtung der Mo¬
tive der einzelnen Märchen und der Komposi¬
tion des ganzen muß erkennen lassen, ob es
Abb. 8. Geschichte des Bedreddin Lolo.
Aus dem Cabinet des Fees Bd. XV.
Gez. von Marillier, gest. von L. M. Haibon.
7
50
Schiller, Über das Märchen von Tausend und ein Tag.
Abb. 9. Geschichte der Geisterbrüder Ady und Dahy.
Aus dem Cabinet des Fees Bd. XV.
Gez. von Mariliier, gest. von Choffard.
sich um eines jener altorientalischen, planvoll
aufgebauten Sammelwerke handelt, oder ob
Petis unzusammengehörige Erzählungen aus ver¬
schiedenen Büchern entnommen und zusammen¬
gestellt hat.
Freilich wird auch das Ergebnis dieser
Prüfung durch zwei Umstände in seinem Werte
vermindert, wenn nicht überhaupt in Frage
gestellt. Den ersten gibt Petis selbst an: das
Werk ist unvollständig; den zweiten, daß es
überarbeitet ist, verschweigt er. Zu Beginn
des 5. Bandes der ersten Ausgabe findet sich
ein Avertissement du Traducteur: Comme Der-
vis Mocles s’est sans doute propose de rendre
son Ouvrage aussi utile qu’agreable aux Musul-
mans, il a rempli la plupart de ses Contes de
faux Miracles de Mahomet, ainsi qu’on le peut
voir dans quelques-uns de ce Volume; mais je
n’ai pas voulu traduire les autres, de peur
d’ennuyer le Lecteur. II y a des Contes encore
qui sont si licencieux, que la bienseance ne m’a
pas permis d’en donner la traduction. Si les
Moeurs des Orientaux peuvent les souffrir, la
purete des nötres ne sauroit s’en accommoder.
J’ai donc ete oblige de faire quelque de-
r angement dans l’Original, pour suivre toujours
la meme liaison des Contes. On passe tout
d’un coup du 203° Jour au 960°. Mais ce pas-
sage se fait de maniere cju’il ne sera senti que
de ceux qui s’amuseront ä compter les Jours.
Pour les autres Eecteurs, ils ne s’en apper-
cevront pas, et ils liront le Livre entier sans
faire reflexions que les Milles et un Jours n’y
sont pas tous employes.“
Durch die große Lücke in der Mitte muß
notwendigerweise die Komposition durchbrochen
werden; es fehlen ja über 750 Tage und das
ist mehr als drei Viertel des ganzen Buches.
Die beiden unzusammenhängenden Bruchstücke
können nur eine ungenaue Vorstellung vom Auf¬
bau des Werkes geben. Aber auch der Ein¬
blick in die Einzelheiten der Form, in die stili¬
stischen Eigenheiten der Darstellung ist sehr
erschwert durch die Tatsache, daß nicht eine
getreue Übersetzung, sondern eine Bearbeitung
vorliegt, von der sich kaum mehr ermitteln läßt,
wie weit sie vom Original abweicht.
Petis de la Croix, der in der Angabe der
Quellen so ausführlich und genau ist, hat doch
etwas mitzuteilen unterlassen, daß er nämlich einen
Mitarbeiter hatte. Durch den langen Aufenthalt
im Auslande und die andauernde Beschäftigung
mit fremden Sprachen war ihm die Übung im
Französischen, zumal in der Schrift, soweit ab¬
handen gekommen, daß er, wie seine Zeit¬
genossen berichten und seine Übersetzung der
Geschichte Ludwig XIV. beweist, das Türkische
und Persische besser beherrschte als seine
Muttersprache.
Er hatte daher nicht den Mut und das
Selbstvertrauen, die Märchen, so wie er sie
übersetzt hatte, vor die Öffentlichkeit zu bringen
und gab sie deshalb Lesage, der sich durch
die Übersetzung des Gil-Blas großes litera¬
risches Ansehen errungen hatte, zur Durch¬
sicht. Dieser nun erledigte seine Aufgabe mit
solcher Gründlichkeit, daß, wie es in einer zeit¬
genössischen Kritik heißt, beinahe ein neues
Schiller, Über das Märchen von Tausend und ein Tag.
51
Werk entstand. Er war so bescheiden, seinen
Namen auf dem Titel nicht nennen zu lassen;
doch entschädigte er sich dafür, indem er in
der Folgezeit einige Märchen als Vaudevilles
für das Theatre de la Foire bearbeitete, ohne
jedoch die Quelle anzugeben; davon soll später
noch die Rede sein.
So wie es bei Tausend und einer Nacht, beim
persischen Papageienbuch, bei der Geschichte
von den vierzig Vezieren und überhaupt bei
den meisten orientalischen Sammlungen der
Fall ist, sind auch bei Tausend und einem Tag
die einzelnen Märchen von einer Rahmenerzäh¬
lung umfaßt.
Ihr Inhalt ist folgender. Die junge und
schöne Prinzessin von Kaschmir Farrukhnaz
hat eines Nachts einen merkwürdigen Traum;
sie sieht, wie ein Hirsch, der sich in einer
Schlinge gefangen hat, von einer Hirschkuh be¬
freit wird und unmittelbar darauf erscheint ihr
die Hirschkuh, wie sie, im Netz verstrickt und
vom Hirsch im Stich gelassen, hilflos zugrunde
geht. Nach diesem Traum ist F'arrukhnaz von
der Untreue alles Männlichen überzeugt und
schlägt unerbittlich jeden Prinzen aus, der sich
als Freier naht. Der König, ihr Vater, bietet
alle Mittel auf, um ihren Sinn zu ändern, doch
vergebens; endlich macht sich Sutlumene, die
greise Amme der Prinzessin, erbötig, sie durch
die Erzählung alter Märchen umzustimmen.
Der König gibt erfreut seine Erlaubnis und so
erzählt Sutlumene jeden Tag der Prinzessin,
wenn sie aus dem Bad steigt, im Kreise der
Mägde ein Märchen, tausend und einen Tag
hindurch.
Dieser Rahmen bietet nun freilich nicht
die Schönheiten wie in Tausend und einer
Nacht die Erzählung der Erlebnisse des Königs
Schahriar. Vor allem fehlt die Spannung, die
die Gefahr, in der Scheherazade immer schwebt,
erzeugt; sie kämpft um ihr Leben und es ge¬
lingt ihr, den König so zu fesseln, daß er mit
Ungeduld von Nacht zu Nacht die Folge der
Märchen erwartet. Sutlumene hingegen muß
jedesmal die Prinzessin um Erlaubnis bitten,
wenn sie eine neue Erzählung beginnen will.
Auch wirken die Märchen, in der Enge des
Abb. 10. Titelkupfer der ersten deutschen Ausgabe von
Tausend und ein Tag (Leipzig 1745).
Schlafgemachs erzählt, tiefer auf die Phantasie
als im freien Garten, sie heben sich vom Dunkel
der Nacht farbiger und lebendiger ab, als vom
lichten Tag und am Schlüsse erscheint die Be¬
kehrung des gereiften Königs, der durch Er¬
fahrung verbittert wurde, viel bedeutender als
die Zähmung eines spröden Mädchens, dem ein
Traum den Kopf verwirrt hat.1
Um so genauer ist aber innerhalb des Rahmens
die Komposition gewahrt; trotzdem ein großes
Stück aus der Mitte fehlt, läßt sich deutlich sehen,
1 J- Fr. Laharpe vertritt in seiner Kritik die entgegengesetzte Ansicht: les mille et une nuits n’ont d’autre but que
d’amuser un sultan par des contes pour l’empecher de faire mourir sa femme qui ies lui raconte. Le but des mille et
un Jours est plus raisonnable: II s’agit de prouver ä une princesse prevenu contre les hommes qu’ils peuvent etre fideles
en amour.
52
Schiller, Über das Märchen von Tausend und ein Tag.
wie die Märchen in Form einer Steigerung anein¬
andergereiht sind. Das ergibt sich schon aus den
Einwürfen, die Furrukhnaz nach jedem Märchen
macht; sie ist nie befriedigt von den Beispielen
männlicher Treue und Sutlumene muß immer noch
schönere, noch überzeugendere Fälle anführen.
Die erste Geschichte berichtet von dem
Jüngling Abulcasem, der so reiche Schätze be¬
saß, daß ihn selbst Harun al Raschid beneidete,
und dennoch unglücklich war, weil er die Ge¬
liebte seiner Jugend verloren hatte und sie doch
nicht vergessen konnte (Abb. 4). Hier handelt
es sich noch um zeitlich begrenzte Treue und
Furrukhnaz ist unzufrieden, weil Abulcasem ein
einzigesmal durch die Versuchungen eines schönen
Mädchens in seiner Treue zur Entschwundenen
schwankend wird.
Daraufhin erzählt nun Sutlumene die Ge¬
schichte des Königs Ruzvanschad, der seine
Liebe zur Prinzessin Cheheristany bis in den
Tod bewahrte; auch die folgenden Geschichten
enthalten ähnliches, nur kommt noch ein Motiv
hinzu: die Frauen sind spröde abweisend und
lohnen die Liebe der Männer mit Undank.
Die Bekehrung einer solchen Männerfeindin
bildet den Inhalt des Märchens vom Prinzen
Kalaf und der Prinzessin von China (Abb. 6);
diese Geschichte, die mehr den Charakter einer
Novelle trägt, steht mit Absicht in der Mitte der
ganzen Reihe, hat sie doch eine Königstochter
zur I Ieldin, die von grundlosem 1 2 Männerhaß zur
mitfühlenden Liebe geführt wird, in deren YVand-
lungFarrukhnaz ein Abbild ihres eigenen kommen¬
den Schicksals voraussehen kann (Abb. 7).
Es folgt nun eine größere Gruppe von Er¬
zählungen, die wieder in einen eigenen Rahmen
eingefügt sind : der König Bedreddin Lolo
sucht einen vollkommen glücklichen Menschen,
um seinen pessimistischen Vezier zu widerlegen,
der die Möglichkeit, daß es einen solchen
Menschen überhaupt gibt, bestreitet* (Abb. 8).
Zuerst forscht er bei den hervorragenden Männern
seines Gefolges, dann begibt er sich an den I Iof
des Hormoz, der den Beinamen „der König
ohne Kummer“ führt, und dort trifft er auch
Abuluaris, den großen Reisenden. Alle, mit
denen er zusammenkommt, befragt er, ob sie
vollkommen glücklich seien, und sie erzählen
1 „Cette fiere princesse, ä qui tous les hommes paraissaient meprisables, tant sa beaut£ l’a rendu vaine etc. . . .“
Bei Gozzi sagt Turandot:
Aborrimento estremo,
Ch’ ho al sesso vostro, fa ch’io mi difenda
com’io so, com’io posso, a viver lungi
da un sesso, che abborrisco.
Bei Schiller lautet die Stelle:
Ich sehe durch ganz Asien das Weib
Erniedrigt und zum Sklavenjoch verdammt,
Und rächen will ich mein beleidigtes Geschlecht
An diesem stolzen Männervolke, dem
Kein andrer Vorzug vor dem zarten Weibe
Als rohe Stärke ward.
Schiller gibt also eine Motivierung. Siehe auch A. Köster, Schiller als Dramaturg.
2 Sehr interessant ist die Lebensgeschichte des Veziers, die er selbst dem König erzählt: als Page am Hofe zu
Schiras verliebt er sich in die Prinzessin und wird von ihr wieder geliebt; angesichts der Aussichtslosigkeit dieser Liebe
verfällt die Prinzessin auf ein verzweifeltes Mittel. Sie will sich durch ein giftiges Blatt, das sie sich ins Ohr steckt, in
einen mehrere Tage dauernden Scheintod versenken; dann würde man sie als tot betrauern und feierlich aufbahren, ihre
vertraute Freundin aber würde sie wecken und sie könnte dann ungehindert mit dem Geliebten entfliehen. Der Plan
gelingt nur zum Teil; Zelica hat dem Pagen, um ihn zu überraschen, nichts von ihrem Vorhaben mitgeteilt und so ge¬
schieht es, daß er auf die Kunde von ihrem Tode, in der Verzweiflung des ersten Schmerzes, aus Schiras flieht; die
Prinzessin, die nach ihrem Erwachen davon vernimmt, macht sich auf, ihn zu suchen. Erst nach jahrelangen Irrfahrten
finden die Liebenden einander. Wie man sieht, stimmt diese Erzählung in ihren Motiven mit Shakespeares „Romea und
Julia“ überein. Die Fabel dieses Stückes geht aber über eine altitalienische Novelle des Masuccio auf den Roman
„Anthia und Habrokomes“ des Xenophon Epesiacus zurück. Da nun Xenophon in Kleinasien lebte und wirkte, ist es
leicht möglich, daß sein Roman und das von Pötis übersetzte Märchen aus derselben Quelle stammen. Auf diesen inter¬
essanten Zusammenhang, den Simrock in den „Quellen Shakespeares“ nicht erwähnt, hat zuerst A. Loiseleur-Delongchamps
aufmerksam gemacht. Übrigens kommt das Motiv des künstlichen Scheintodes noch in einem anderen Märchen von
Tausend und ein Tag vor, nämlich in der Geschichte des Abulcasem; der Vezier Abulfatah versetzte den Abulcasem
durch ein Pulver, das er ihm in den Wein schüttet, in einen todesähnlichen Schlaf. Er läßt ihn unter Trauerfeierlich¬
keiten in eine Gruft bringen, dort erweckt er ihn durch Waschungen mit heißem Wasser, und sucht ihm dann durch
Foltern das Geheimnis seines Schatzes abzupressen.
Schiller, Über das Märchen von Tausend und ein Tag.
53
Abb. ii. Les mille et un jours (Paris 1844).
Introduction. Holzschnitt von Collignon.
ihm daraufhin die Geschichte ihres Lebens.
Und da ergibt es sich denn, daß sie alle trotz
dem äußerlichen Schein unglücklich sind, am
tiefsten der „König ohne Kummer“; der Grund
des Leides ist bei den einen die Untreue, bei den
anderen der Verlust der unwandelbar Geliebten;
nur ihre eigene Treue ist ihr Unglück.
Nach dieser Gruppe von Märchen kommt
die große Lücke. Die drei abschließenden Er¬
zählungen hängen wieder dadurch zusammen,
daß sie von zwei Männern dem Kalifen Harun
al Raschid erzählt werden; sie führen ein neues
Motiv ein, eine Umkehrung des Grundmotivs,
doch von gleicher Tendenz: auch wenn ein Mann
untreu ist, kann ihn weibliche Treue bekehren.
So werden in dem ersten Märchen die Geister¬
brüder Ady und Dahy (Abb. 9) von dem Fluch
ewigen Greisentums, dem sie infolge ihres Ver¬
rates verfallen sind, durch zwei liebende Mädchen
befreit und im letzten triumphiert die treue Repsima
über vier treulose Männer und führt sie auf den
rechten Weg. So schließt die Komposition des
Werkes, nachdem jedes Märchen von irgend¬
einem Sieg der Treue berichtet hat, in voll¬
kommener Weise mit einer Apotheose der aus¬
harrenden Liebe.
Der Stolz, mit dem Petis de la Croix
in der Vorrede vom Aufbau seines Buches
spricht, ist ganz begründet
und gerechtfertigt. Auch der
Vorwurf der Planlosigkeit,
den er gegen die Aneinander¬
reihung der Märchen in
Tausend und einer Nacht
erhebt, war der Galland-
schen Ausgabe gegenüber
am Platze; er hat sich auch
so lange erhalten wie diese
Ausgabe und ist nicht eher
geschwunden als bis man
durch Burton das Original
in seiner wahren Gestalt
kennen lernte. Erst auf
Grund dieser Fassung hat
Adolf Gelber in den letzten
Jahren die Komposition von
Tausend und einer Nacht
überzeugend nachgewiesen.1
Wenn man die Märchen
von Tausend und ein Tag nach Ort und Zeit
der Handlung untereinander vergleicht, so
zeigen sich bedeutende Verschiedenheiten. Die
große Abwechslung in den Schauplätzen drängt
sich dem Leser geradezu auf; denn alles Geo¬
graphische und Ethnologische ist mit beson¬
derer Ausführlichkeit und Genauigkeit behan¬
delt; die berühmten Eingangssätze von Tausend
und einer Nacht, die die Sassaniden in China
regieren lassen, finden kein Analogon. Oft
wird der Gang der Erzählung durch eingehende
Schilderungen der Länder und ihrer Sitten
unterbrochen und aufgehalten; manche Ge¬
bräuche, die jedem Orientalen selbstverständlich
sein müssen, werden ausführlich beschrieben
und erklärt, ein Beweis dafür, daß diese Stellen
auf Petis zurückgehen, der hier dem franzö¬
sischen Leserpublikum zuliebe, das zur Unter¬
haltung auch die Belehrung wünscht, seine
Gelehrsamkeit ausbreitet.
Die meisten Märchen spielen auf mohamme¬
danischem Boden in Basra, Damaskus, Bagdad
oder Kairo, ein kleiner Teil in China; der
Schauplatz der Rahmenerzählung ist Kaschmir.
Auch zeitlich sind die Märchen durchaus ver¬
schieden.
Am ältesten dürften diejenigen sein, die im
Zusammenhang mit der salomonischen Legende
1 So in einem Vortrag im Wiener kaufmännischen Verein am 27. Januar 1908. Siehe auch die „Neue Rundschau“,
9. Heft, Sept. 1907 : W. Fred, Die Erzählungen aus tausend und ein Nächten.
54
Schiller, Über das Märchen von Tausend und ein Tag.
Mit dem Sagenkreis Salomons verwandt
ist auch ein anderes Märchen, wenn er
selbst auch darin nicht genannt ist, näm-
stehen; Salomo spielt in ihnen eine ähnliche
Rolle, wie in den älteren talmudischen Sagen;
er erscheint vor allem als oberster Herr aller
Geister. Auch sein Ring kommt in einem der
Märchen vor und zwar in folgendem Zusammen¬
hang. Der Prinz Seyh-el Muluk verliebt sich
in das Porträt eines schönen Mädchens, er zieht
aus, um das Urbild zu suchen und gelangt
nach vielen und fruchtlosen Abenteuern in den
Besitz des Ringes Salomonis. Er befragt einen
der Geister, die ihm nun untertan sind, über das
Bildnis und erfährt zu seinem Kummer, daß es
die Prinzessin Bedi al Jemal darstellt, die, zu
Lebzeiten die Geliebte Salomos, schon vor
langen Jahren gestorben ist.1 Die Ähnlichkeit
dieses Märchens mit der Faust-Helenasage ist
auffallend; in beiden Fällen handelt es sich um
die ziellose Liebe zu dem Phantom einer längst
Dahingeschwundenen.
lieh die Geschichte von Ladlallah, die in
die Geschichte Kalafs eingeschoben ist :
König Ladlallah erfahrt von einem Derwisch
das Geheimnis, aus dem eigenen Leib
heraus und in fremde tote Körper hinein¬
zufahren. Zur Probe schlüpft er vor den
Augen des Derwisch in ein erlegtes Reh,
aber diesen Augenblick benützt der Der¬
wisch, fährt in den herrenlosen Leib des
Königs und begibt sich als solcher in
den Palast. Während er nun in der Gestalt
des Königs dessen Stelle beim Volk und
bei der Königin einnimmt, irrt Ladlallah im
Walde als Reh umher. Bald findet er
aber eine tote Nachtigall und schlüpft in
sie; er fliegt zum Palast, beobachtet das
Treiben des falschen Königs und weiß
durch seinen Gesang die Aufmerksamkeit
der Königin zu erringen. Sie laßt den
Vogel fangen, hält ihn in einem Käfige in
ihrem Gemach. Da stirbt eines Tages ihr Hund;
Ladlallah nimmt die Gelegenheit war und schlüpft
aus dem Vogelleib in den Leichnam des Hundes,
die Nachtigall fallt tot zu Boden. Die Königin
ist über den Verlust ihres Lieblingsvogels un¬
tröstlich; um sie zu beruhigen, verspricht ihr
der König, der ja in Wirklichkeit der Derwisch
ist, den Vogel wenigstens zeitweise zu beleben.
Er schlüpft in die Vogelleiche; aber diesen
Moment nimmt F'adlallah wahr, er verläßt den
Hundeleib und fahrt wieder in seinen alten (ihm
angehörigen) vom Derwisch verlassenen Körper;
er tötet sofort die Nachtigall und in ihr den
Derwisch und nachdem er so seinen Gegner
aus der Welt geschafft hat, regiert er noch lange
Jahre ungestört und in Erieden.2
Dieses Märchen ist wahrscheinlich eine durch
die Lehre von der Seelenwanderung beeinflußte
Abzweigung der Sage von der Heimsuchung
1 Eine Stelle in diesem Märchen — die Erweckung der Malika, die ein Dämon aus verschmähter Liebe durch einen
Marmortalismän in tiefen Schlaf versetzt hat, — hat auffallende Ähnlichkeit mit dem Beginn des dritten Buches der
„Chronika der drei Schwestern“ von I. K. A. Musäus. Das ist wahrscheinlich keine Zufälligkeit; wenn Musäus die Märchen
auch als Volksmärchen veröffentlichte, so hat er doch getrachtet, sie durch mannigfache Zutaten, die er meist den orien¬
talischen Märchen entnahm, der Mode anzupassen. Er schreibt 1780 in einem Briefe an Frau Gildemeister: „Ich sammle
dazu (zu den Volksmärchen) die trivialsten Ammenmärchen, die ich aufputze und noch zehnmal wunderbarer mache, als
sie ursprünglich sind“. Ein solcher Aufputz dürfte auch die erwähnte Stelle sein, zumal es sehr wahrscheinlich ist, daß
Musäus bei seiner großen Belesenheit die Märchen von Tausend und ein Tag kannte.
2 Eine freie, aber sehr geschickte Nacherzählung dieses Märchens enthält das Büchlein: Kleine Märchen aus dem
Morgenlande; herausgegeben von Karl Müchler, Berlin bei C. Guien, 1802, unter dem Titel „Fadallah“.
Schiller, Über das Märchen von Tausend und ein Tag.
55
Salomos, die in den älteren semitischen Legenden
ziemlich verbreitet ist. Im Talmud findet sie sich
Gittin 68b; der König der Dämonen Aschmedai
entlockt Salomo durch eine List den Ring. Sobald
er das Kleinod in seinem Besitz hat, schleudert
er den König, über den er nun Macht hat,
400 Parasangen weit fort und setzt sich an seine
Stelle; Salomo aber muß als Bettler in der
Fremde irren und nur durch eine List gelingt
es ihm wieder, Aschmedai zu vertreiben.1 Das
Somadeva enthält eine ähnliche Sage; im 4. Ka¬
pitel des 1. Buches verläßt Indradatta seinen
Körper und fährt in den Leichnam des Königs
Nanda. Auch im Koran findet sich etwas ähn¬
liches und zwar 38, 33: Wir haben auch den Sa-
lomon weiter probiert und auf seinen Thron
einen Körper (ein Geistergespenst in Menschen¬
gestalt) gesetzt. Ein letzter Ausläufer dieser
Legende ist das Märchen „Kalif Storch“ von
Wilhelm Hauff.
Einer späteren Zeit gehören die Erzählungen
an, die sich um die Gestalt des Harun al Ra¬
schid gruppieren. Sie unterscheiden sich in
keinem Punkte sonderlich von den entsprechen¬
den Märchen in Tausend und einer Nacht; auch
hier finden wir Dschafar den Vezier, Sultanum,
die Favoritin und die übrigen wohlbekannten
Figuren, auch hier macht Harun in verschiedenen
Verkleidungen seine Streifzüge.
Eine weitere Gruppe von Märchen, die Aben¬
teuer des großen Reisenden Abuluaris enthaltend,
gehört wahrscheinlich zu den Reisen des Sindi-
bad, die sich auch in einer sieben Reisen um¬
fassenden Redaktion in Tausend und einer Nacht
finden.
Am spätesten entstanden dürfte die Geschichte
des Avicenna sein ; daß hier wirklich der große
Arzt gemeint ist, zeigen die verschiedenen Über¬
einstimmungen mit dem historischen Ibn Sina.
So wie dieser wird der Avicenna des Märchens
in Afchena geboren; er studiert in Bochara,
beschäftigt sich mit Medizin, Chemie, Mathe¬
matik und Theologie, liest Euklid und Hippo-
krates und schreibt als Großvezier an hundert
Bücher über die verschiedensten Materien. Erst
im weiteren Verlauf der Geschichte gewinnt er
legendäre Züge und wird schließlich zu einem
mächtigen aber wankelmütigen Magier, der Herr
über alle Geister ist, eine ähnliche Figur, wie
etwa der Zauberer Vergilius im christlichen
Mittelalter.
Aus einer späteren Zeit dürfte auch die
Geschichte von Culuf und der schönen Dilara
sein, da in einer Aufzählung neben Griechen¬
land, der Türkei, China und anderen Ländern
auch Deutschland erwähnt wird. Es ist aber
möglich, daß das nur eine nachträgliche ana¬
chronistische Einschiebung ist, wie auch eine
andere Stelle in derselben Geschichte, in der
von Violinen erzählt wird.
Wenn man das ganze Werk in seiner Mannig¬
faltigkeit und Vielgestaltigkeit überblickt, so
kann man auch hier fragen, wie Galland in der
Vorrede von Tausend und einer Nacht: com-
ment pourra-t-on croire qu’un seul homme ait
eu l’imagination assez fertile, pour suffire ä tant
de fictions? Ganz gewiß hat Petis die Märchen
nicht erfunden, wie es Hammer annimmt; man
kann dem stillen und trockenen Gelehrten, als
der er übereinstimmend geschildert wird, nicht
diese Fülle von Gestaltungskraft, diesen Reich¬
tum an Phantasie zuschreiben. Auch sprechen
die Motive, die in dem Werke verwendet sind,
und die Art ihrer Verbindung untereinander für
das hohe Alter der Märchen ; man muß sie nur
mit den ungefähr gleichzeitigen pseudoorien¬
talischen Märchendichtungen, etwa mit den
voyages de Zulma dans les pays des Fees ver¬
gleichen, um den großen Unterschied zwischen
Nachahmung und Original zu sehen.
1 Siehe auch Dr. Salzberger, Die Salomosage in der semitischen Literatur, Berlin, Nikolassee, 1907, ferner auch
M. Grünbaum, Neue Beiträge zur semitischen Sagenkunde, Leiden 1893; ausführlicher noch behandelt M. Grünbaum diese
Sage in der Zeitschrift der deutschen morgenländischen Gesellschaft, 31. Band, 1877, in einem Aufsatz, Beiträge zur
vergleichenden Mythologie aus der Hagada; er zieht zum Vergleiche eine Stelle aus der Pesikta des R. Kahna heran:
Zur selben Stunde stieg ein Engel hernieder, nahm die Gestalt Salomons an und nahm dessen Thron ein. Salomon irrte
umher, von der Türe eines Lehrhauses zu der eines andern wandernd, und sagte : Ich, Kohelet, war König über Israel.
(Koh. I, 12.)
In diesen Kreis gehört auch die Sage vom Kaiser Iovinianus aus den gesta Romanorum, Kap. 59, die Graesse in
seiner Ausgabe (in den erklärenden Anmerkungen) merkwürdigerweise mit einem andern Märchen von 1001 Tag, mit der
histoire du jeune roi de Thibet et de la princesse des Naimans, in Zusammenhang bringt. — Kap. 17 1 der gesta Roma¬
norum ist verwandt mit der histoire de Nasiraddote roi de Moussel, d’ Abderrahmane , marchand de Bagdad et de la
belle Zeyneb, 1001 Tag, 976. Tag.
56
Schiller, Über das Märchen von Tausend und ein Tag.
Es bliebe noch die Annahme, daß Petis die
Märchen aus verschiedenen Quellen gesammelt,
redigiert und durch die Rahmenerzählung zu
einem einheitlichen Werke verbunden hat. Dem
widerspricht aber die streng durchgeführte Kom¬
position; es wäre kaum möglich gewesen, so
viele Märchen zu finden, die dieselbe Tendenz
haben; und wäre selbst dies gelungen, so hätten
die Märchen immer den inneren Zusammen¬
hang entbehrt und nie eine solche Steigerung
gebildet.
Darum ist jeder Zweifel an der Echtheit der
Märchen, soweit sie von Sutlumene erzählt
werden, ausgeschlossen ; hingegen ist es mög¬
lich, daß Petis die Rahmenerzählung, die beim
Original vielleicht fehlte oder verstümmelt war,
aus seinem eigenen geringen Gestaltungsver¬
mögen gebildet, oder aus anderen, minder¬
wertigen Werken ergänzt hat. Denn abgesehen
davon, daß diese Erzählung durch ihre gequälte
Erfindung von der ungezwungenen Fügung der
übrigen absticht, birgt sie zwei auffallende Wider¬
sprüche: der eine, daß Sutlumene der Prinzessin,
die doch eine eifrige Verehrerin des Gottes
Kesaya ist, unausgesetzt Geschichten erzählt,
in denen der Mohammedismus verherrlicht wird,
und der andere, daß die Prinzessin schließlich
garnicht durch Sutlumene und ihre Märchen
bekehrt wird, sondern durch den Oberpriester des
Kesaya, an den sie sich, erschüttert durch eine
Abb. 13. Les mille et un jours (Paris 1844).
Geschichte Maleks. Holzschnitt von Collignon.
schwere Krankheit ihres Bruders, wendet Von
ihm erfährt sie, daß ihr Kesaya wegen ihres
Männerhasses zürnt ; aber das vermag sie noch
nicht umzustimmen, erst der Anblick zweier
Bilder, die der schlaue Oberpriester im Tempel
hatte anbringen lassen und von denen das eine
eine Hinde von einem I lirsch aus der Schlinge
befreit, das andere einen Hirsch von einer 1 linde
verlassen darstellt — also gerade umgekehrt,
wie in ihrem Traum — bewirkt den Umschwung.
Sie tut Buße und bald stellt es sich heraus,
daß der Oberpriester der Freund eines in die Prin¬
zessin verliebten Fürsten ist und die Verkleidung
nur angenommen hat, um die Werbung besser
zu vollbringen. Farrukhnaz lernt den Fürsten
selbst kennen und lieben und heiratet ihn auch
schließlich.
Dieser alberne Schluß, der das Werk um
seine ganze Wirkung bringt, weil er die Er-
zählung der Märchen als ganz zwecklos und
überflüssig erscheinen läßt, und so dem Haupt¬
teil des Buches seine Berechtigung raubt, ist
sicher eine späte Plrgänzung, und es ist mög¬
lich, daß man Petis de la Croix dafür verant¬
wortlich machen kann.
Aber man wird ihn entschuldigen in An¬
betracht des großen Verdienstes, das er sich
durch die Übersetzung der Märchen erworben
hat, die sicher zum schönsten und interessantesten
gehören, was der Märchenschatz des Orients
nur bieten kann.
Ein Umstand wäre noch zu erwähnen; auch
wenn man davon ausgeht, daß die ioci Tage
wirklich in Persien entstanden sind, der Zeit¬
punkt, an dem die uns überlieferte Fassung
redigiert wmrde, läßt sich auch nicht annähernd
feststellen. Nur eines ist sicher: die 1001 Tage
sind jedenfalls später entstanden, als die beiden
großen indischen Sammlungen, das Somadeva,
und das Pancatantram; vergleicht man nun
diese beiden Bücher mit den 1001 Tagen, so
ergibt sich, daß viele der persischen Märchen
um Erweiterungen oder Lokalisierungen der in¬
dischen Erzählungen sind. Wenn man daraus
auch nicht schließen darf, daß wirklich ein
Mocles die Märchen nach indischen Dramen
bearbeitete, so erscheint doch der indische Ur¬
sprung der iooi Tage sichergestellt.
Das Buch hatte beim Publikum einen recht
günstigen Erfolg; das geht aus einem Aver¬
tissement hervor, das den 2. Band einleitet:
Schiller, Über die Märchen von Tausend und ein Tag.
57
Lorsqu’on a fait imprimer le premier
tome de ces contes on n’en avait pas
traduit davantage, et avant que d’en
donner d’autres, on voulait täter le
goüt du public. Apres tous les Contes,
qui avaient dejä paru, on craignait d’en
hazarder de nouveaux, quoiqu’on n’ig-
norät pas que ces sortes de livres sont
toujours de debit quand ils sont amu-
sants; mais le succes qu’il en a a excite
le traducteur ä entreprendre ce travail
dans ses momens de loisir, de sorte
que, malgre les occupations qu’il a
d’ailleurs, nous esperons qu’il nous fouf-
nira tous les mois un volume de ses
Mille et un Jours.
Für den Erfolg des Werkes spricht
auch der Umstand, daß es noch während
des Erscheinens nachgedruckt wurde,
und zwar durch den Buchhändler Pierre
de Coup in Amsterdam in den Jahren
17 II — 13. Dieser Nachdruck hat eben¬
falls fünf Bände und ist in jeder Be¬
ziehung eine genaue Kopie der Original¬
ausgabe. Auch von der literarischen Kritik
wurden die Märchen freundlich aufgenommen. So
schreibt Niceron in seinen „Memoire s pour ser-
vir ä l'histoire des komme s illustres dans la
republiqne des lettres “ bei der Besprechung von
Tausend und einer Nacht: M. Galland n’a pü
decouvrir en quel temps, ni par qui cet ouvrage
a ete compose. Les Contes qu’il renferme
pechent presque toujours par le defaut de vrai-
semblance, ceux des Mille et un Jour dont M.
Petis de la Croix a traduit une partie du Per-
san sont bien plus ingenieux et plus vraisem-
blables, quoique le merveilleux y regne aussi
quelquefois, suivant le goüt des Orientaux.
Es ist merkwürdig, daß diese Beurteilung dem
Buche auch in der Folgezeit treu geblieben ist.
Während man anTausend und einer Nacht, wie es
Galland gehofft hatte, die Phantastik bewunderte,
fand Tausend und ein Tag immer nur Anerken¬
nung wegen der Wahrscheinlichkeit und Möglich¬
keit der Vorgänge, und des Mangels an wunder¬
baren und unglaubwürdigen Vorkommnissen.1
Abb. 14. Les mille et un jours (Paris 1844).
Conclusion. Holzschnitt von Collignon.
Diese Vorzüge, die wir heute eher als
Mängel empfinden, haben in der Folgezeit auch
Gozzi bewogen, das Märchen von Kalaf und der
Prinzessin von China für die Bühne zu bearbeiten.
So schreibt er in der Vorrede zu seiner Turan-
dot, fiaba Chinese teatrale tragicomica, nach¬
dem er die Anschauung seiner Gegner über
den Erfolg des „Corvo“2 „che’l faceto della
valenti maschere che avevan pochissima parte
e’l mirabile delle apparizioni e delle trasforma-
zioni d’un uomo in istatua e d’una statua in
uom fossero le sole cause della resistenza for-
tunata di quell opera“ widerlegt hat, folgendes:
Cotesti ingrati furon cagione ch’io scelsi dalle
Fole Persiane la ridicola Fola di Turandot per
formarne una Rappresentazione, bensi colla
maschere, ma appena fatte vedere e col solo
fine di sostenerle e spoglia affatto del magico
mirabile, — und weiter, colla semplicitä di questa
ridicola Fiaba, senza malie e transformazioni
proccurai di scemare un discorso sul merito
delle trasformazioni, che non mi piaceva quan-
tunque lo scorgessi senza riflesso alla veritä, ....
1 Merkwürdig ist dabei, daß manche Märchen beiden "Werken gemeinsam sind; so findet sich z. B. die Geschichte
der schönen Amya aus 1001 Tag in 1001 Nacht, 593. Nacht.
2 Grillparzer schreibt in seiner Selbstbiographie über dieses Stück: „Meiner ganzen Einbildungskraft bemächtigte
sich Gozzis Rabe in deutscher Übersetzung, den ich Goethes, Schillers und Shakespeares Dramen weit vorzog.“ Unter
den dramatischen Fragmenten Grillparzers finden sich Bruchstücke von zwei verschiedenen Übersetzungen des Raben.
Z. f. B. 1909/1910. 8
58
Schiller, Über die Märchen von Tausend und ein Tag.
la Fiaba di Turandot, Principessa Chinese, posta
in apparecchio di que casi impossibili, que si
vedranno, e che con poco impiego delle valenti
maschere, e senza il mirabile magico di appa-
rizioni e trasformazioni . . .
Von Gozzi hat Schiller das Stück übernommen
und auf diesem Umwege haben die Märchen Petis’
auch Eingang in die deutsche Literatur gefunden.
Über die Absichten, die Schiller bei der Über¬
setzung und Bearbeitung der Fiaba tragicommedia
verfolgte, geben zwei Briefstellen den besten Auf¬
schluß»; die eine aus einem Schreiben an Gottfried
Körner vom 1 6. November 1801: „Obgleich ich
an der Handlung nichts zu ändern weiß, so
hoffe ich doch, ihm (dem Stück) durch eine
poetische Nachhilfe bei der Ausführung einen
höheren Wert zu geben. Es ist mit dem größten
Verstand komponiert, aber es fehlt ihm an einer
gewissen Fülle an poetischem Leben. Die
Figuren sehen wie die Marionetten aus, die am
Draht bewegt werden; eine gewisse pedantische
Steifigkeit herrscht durch das Ganze, die über¬
wunden werden muß. Ich habe also Gelegen¬
heit, mir einiges Verdienst zu erwerben, und
die 6 — 7 Wochen, die auf dieses Geschäft gehen
mögen, werden nicht verloren sein.“ Die andere
Stelle vom 2. Januar 1802: „Er1 kann sich ganz
nach der prosaischen Übersetzung des Gozzi
richten, welche Werthes gemacht hat, weil in
dem wesentlichen nichts von mir geändert ist.“
Gozzi war nicht der erste, der einen Teil
von Tausend und einen Tag dramatisierte; schon
vor ihm waren einige von den Märchen für die
Bühne bearbeitet und erfolgreich aufgeführt
worden und zwar durch den Mitarbeiter Petis
de la Croix’, durch Lesage . F. H. von der Hagen
hat zuerst darauf aufmerksam gemacht, daß auf
diese Weise die Märchen, die vor der Be¬
arbeitung durch Mocles indische Dramen waren,
durch die Umarbeitung für die Bühne wieder
ihre alte ursprüngliche Form erlangt haben.
Lesage war Jahre hindurch mit Feuereifer für
das neuentstandene Theatre de la Foire be¬
schäftigt, das sich aus den Marktproduktionen
von Seiltänzern und anderem fahrenden Volk
zu einer überaus beliebten und besuchten Vaude¬
villebühne entwickelt hatte. Für dieses Theater
lieferte er eine große Anzahl von Stücken, im
ganzen über 88; sie halten die Mitte zwischen
Komödie und Singspiel und zeichnen sich alle
durch ihre burleske Komik aus. Eine derbe
Lustigkeit erfüllt die buntabwechselnden Szenen,
in denen teils nach volkstümlichen Melodien
gesungen, teils in kurzen Reimen gesprochen
wird. Als handelnde Personen sind zumeist die
altgewohnten Masken der Stegreifkomödie ver¬
wendet; neben Pierrot und Colombine tritt als
Hauptperson Arlequin in den verschiedensten
Kostümen auf, einmal als König oder Minister,
dann wieder als Abenteurer oder Bettler, immer
aber als der alte Spaßmacher, der durch seine meist
pantomimischen Scherze für Heiterkeit sorgt.
Die Stoffe zu den Stücken hat Lesage
bald den italienischen Komödien, bald den grie¬
chischen Heldensagen, bald wieder den orienta¬
lischen Märchen entnommen und neben Tausend
und einer Nacht hat ihm auch Tausend und
ein Tag als Quelle gedient. So ist eines seiner
frühesten Stücke „ Arlequin Mahomet, Piece d’un
Acte, representee ä la Foire de Saint Laurent
1714“ eine Bearbeitung der „histoire de Malek
et de la Princesse Schirine“ aus Tausend und
ein Tag. Der Inhalt des Märchens ist folgen¬
der: die Prinzessin Schirine wird von ihrem
Vater auf einem Turm, getrennt von jedem
Verkehr mit der Außenwelt, eingeschlossen ge¬
halten, um eine alte Prophezeiung zu vereiteln,
daß einst ein Mann sie betrügen werde. Aber
der Prinz Malek kommt auf einem Wunderkoffer
durch die Luft zur ihr geflogen; er gibt sich
als Mohammet aus, bittet um ihre Hand, die ihm
der alte König mit Freuden gewährt. Am Vor¬
abend der Hochzeit fliegt er hoch über die
Stadt und brennt von oben ein Feuerwerk ab,
um den begeisterten Einwohnern das Schau¬
spiel des auf flammenden Wolken thronenden
Propheten zu gewähren. Dann senkt er sich
wieder zur Erde und versteckt seinen Koffer
wie bisher, an einem verborgenen Platz im
Walde; als er aber nach kurzer Zeit dorthin
zurückkehrt, da hat ein Funken, der vom
Feuerwerk zurückgeblieben war, den Koffer an¬
gezündet und zu Asche verbrannt. So hat der
Prinz das notwendige Requisit, um weiter den
Propheten spielen zu können, eingebüßt; so muß
er der Prinzessin für immer entsagen, ohne sie
doch je vergessen zu können ; er ist einer jener
Männer, die dem Könige Bedreddin, der das
1 Ramberg, der die Zeichnung für einen Kupferstich liefern sollte. Der Stich kam aber nicht zu stände und die
erste Ausgabe, 1802 bei Cotta, erschien unillustriert.
Schiller, Über die Märchen von Tausend und ein Tag.
Glück sucht, die Geschichte ihres Mißgeschicks
erzählen.
Das Märchen ist indischen Ursprungs; das
Motiv von der eingesperrten Königstochter, zu
der der Geliebte durch die Luft geflogen kommt,
ist angedeutet im Somadeva, i. Buch, 3. Kap.;
das Pancatantram enthält eine mit der per¬
sischen Fassung nahezu übereinstimmende Er¬
zählung: der Weberin Visnu’s Gestalt, i.Buch, 8;
nur daß hier Visnu, aus Angst, ein Mißerfolg
seines betrügerischen Doppelgängers könnte ihn
selbst um alles Ansehen bei den Menschen
bringen, gute Miene zum bösen Spiel macht
und dem Weber schließlich zum Sieg über die
Feinde des Königs und damit zur Königstochter
verhilft. In einer mit der persischen Fassung
übereinstimmenden Form findet sich dasselbe
Märchen bei Andersen, und zwar unter dem Titel
„Der fliegende Koffer“; es ist nahezu unverändert,
nur ist sich in der Mitte noch das Märchen
von den Schwefelhölzchen eingeschoben. Es
ist wahrscheinlich, daß Andersen Tausend und
ein Tag gekannt und auch benützt hat. So ist
das bekannte Märchen „Der Reisekamerad“
nichts als eine freie Bearbeitung der Historie
vom Prinzen Kalaf; die grausame Prinzessin,
die jedem Freier drei Fragen stellt, der gut¬
mütige, alte König, der mit jedem neuen Opfer
Mitleid empfindet, der kühne Jüngling, der sein
Leben an seine Liebe wagt, sie alle finden sich
bei Andersen wieder. Ein andres Andersensches
Märchen, die Geschichte vom bösen Fürsten,
stimmt in seinen Grundzügen mit der Geschichte
von Dakianos und den sieben Schläfern überein,1
die ihrerseits wieder auf den Rosengarten des
Saadi zurückgeht; sie findet sich abgedruckt in
59
der Ausgabe von Tausend und ein Tag aus dem
Jahre 1828.2
Was Lesage betrifft, so hat er das Märchen
von Malek und der Prinzessin Schirine ziemlich
frei bearbeitet. An die Stelle des Malek tritt
Arlequin, als bankerotter Kaufmann, der auf
seinem Koffer den Häschern, die ihn gefangen
nehmen wollen, vor der Nase wegfliegt; dazu
singt er: „Un petit moment trop tard, La Justice
est venue.“ Er wirbt nicht selbst um die Prin¬
zessin, sondern befreit sie hur im letzten Mo¬
ment als deus ex machina mit seinem P'euer-
werk von einem lästigen Freier, einem lächer¬
lichen „Khan der Tartaren“, den der alte König
ihr aufzwingen will. Der Kupferstich, der in
der Ausgabe des Theatre de la Foire aus dem
Jahre 1721 dem Stück vorangeht, zeigt Harle-
quin in der Mitte des Hintergrundes schwebend,
wie er nach allen Richtungen Feuerstrahlen
entsendet, im Vordergrund rechts entsetzt und
bestürzt den König und den Prinzen, links die
Prinzessin und ihre „suivante“. Auch ein anderer
Autor hat dasselbe Märchen zu einem Stück ver¬
arbeitet, M. de Cailhava in seinem Cabriolet volant.
Lesage hat noch aus Tausend und ein
Tag entnommen „Arlequin Hiilla“, das ist die
Geschichte von Kuluf und Dilara, dann „la prin-
cesse de Carisme“ , die Geschichte des Königs
Hormoz und schließlich noch „ Le Jeune vieillard“,
die Geschichte der Geisterbrüder Ady und Dahy.
Alle diese Stücke wurden vom Publikum
beifällig aufgenommen und oft aufgeführt; wie
beliebt diese Gattung war, zeigt folgender
Umstand: im Jahre 1726 führten die come-
diens Italiens du Roy ein Schauspiel auf, das
den Titel „ Les cornediens Esclaves“ führte,
1 In dieser Geschichte fragt der Jüngling Dschemlicha: „Hat ein Mensch, der sich nicht einmal von einer Fliege
befreien kann, wohl viel Gewalt über die Natur?“ Das Märchen von Andersen schließt mit den Worten: sie trieben
ihren Spott mit dem wahnsinnigen Fürsten, der Gottes Reich stürmen wollte und schon von einer einzigen kleinen Mücke
überwunden wurde.
Eine ähnliche Geschichte in den talmudischen Legenden findet sich auch Baba Bathra 73 b; Raba bar Chana
erzählt von einem Meerungeheuer, das ein kleiner Wurm, der ihm in die Nase gekrochen war, tötete; es war so groß,
daß es im Todessturze sechzig Städte zerstörte, die aber aus seinen Knochen wieder aufgebaut wurden. Es handelt sich
hier um ein weitverbreitetes Fabelmotiv; es findet sich bei Aesop. CXLIX, bei Bensserade CV, bei La Motte, 3. Buch,
Fabl. 9, bei Lafontaine Lib. II, Fabl. IX, bei Desbillon, Lib. III, Fabl. XVII, bei Geliert, I. Buch, „Das Pferd und die
Bremse“, und, mit der entgegengesetzten Moral, bei Lessing, „Der Löwe und die Mücke“.
Interessant ist eine Variante der Fabel, die sich bei Desbillons, Lib. XI, Fabl. 2 6 findet: die Entscheidung im
Kampf zweier großer Heere wird durch Fliegenschwärme herbeigeführt, die die Elefanten des im Unrecht befindlichen
Teiles verscheuchen. Auch in dieser Form findet sich die Fabel bei La Motte livre 3, fabl. 9. Pascal spielt in einem
seiner Fragmente (367 der Ausgabe von Brunsvig) auf sie an: „La puissance des mouches; elles gagnent les batailles“.
2 Andere Märchen Andersens gehen auf italienische Quellen zurück, so der Rosenelf auf Boccaccio, IV, 5j »der
kleine Klaus und der große Klaus“ stimmt zum Teil mit der Geschichte vom Priester Scarpacifico, I, 3, aus den notti
piacevoli des Straparola überein.
6o
Schiller, Über die Märchen von Tausend und ein Tag.
mit folgendem Inhalt: eine kleine Truppe fran¬
zösischer Schauspieler erleidet Schiffbruch und
wird an eine fremde Insel verschlagen; die Ein¬
wohner nehmen die Fremden sofort gefangen
und der König der Insel fragt sie nach ihrem
Beruf. Sie antworten mit Stolz, sie seien come-
diens du roy; das versteht aber der Wilde nicht,
weil er noch nie ein Theater gesehen hat und
daher auch nicht weiß, was ein Schauspieler ist.
Um ihm das zu erklären, führen die Komödianten
sogleich vor ihm drei kleine Stücke auf, die
die drei Hauptgattungen ihrer Kunst repräsen¬
tieren sollen; und zwar „Arlequin tourjours
Arlequin“, ein Stück im italienischen Geschmack,
dann „Arcagambis“, eine Tragödie im alten Stil
und schließlich „L’Occasion“, eine opera comique.
Der Erfolg der comediens Esclaves, in
denen der alte Theaterkniff „die Bühne auf der
Bühne“ in geschickter und amüsanter Weise
verwendet ist, war so groß, daß die Autoren
— es sind ihrer vier, Dominique, Romagnesi,
Lelio pere1 et fils — eine Fortsetzung schrieben,
die im März des Jahres 1728 aufgeführt wurde.
Sie enthält ebenfalls drei Einakter; der mittlere,
„Arlequin Hulla“, ist nur eine gekürzte Neu¬
bearbeitung des gleichnamigen Stückes von
Lesage. Daß man als typischen Vertreter für
die ganze Gattung der „piece Italienne“ gerade
eine von den Märchenbearbeitungen Lesages
gewählt hat, ist ein Zeugnis für die Beliebtheit
dieser Stücke; wie auch der Titel, in dem das
Fremdwort „Hulla“ ohne Erklärung gebraucht
ist, zeigt, daß man beim Publikum eine genaue
Kenntnis der Märchen und Vertrautheit mit
ihren Ausdrücken voraussetzte. —
Trotzdem „les mille et un jour“ allgemeine
Anerkennung fand und, wie es scheint, auch
viel gelesen wurde, kam es später nur zu wenigen
Neuausgaben, die überdies durch lange Zwischen¬
pausen voneinander geschieden sind. Zeitlich
die nächsten sind die beiden folgenden: Les
milles et un jour, contes persans trad. en fran-
gois par Petis de la Croix, Utrecht 1732, 160,
5 tomes und Les mille et un jour, Contes Per¬
sans, traduits en Frangois par M. Petis de la
Croix, a Paris par la Compagnie des Libraires,
MDCCLXVI, 5 tomes. Textlich ist der ersten
Ausgabe gegenüber nichts verändert, nur die
Einschaltungen zwischen den einzelnen Er¬
zählungen sind weggelassen, ebenso die Ein¬
teilung des Ganzen in Tage aufgegeben.*
Zwischen diese beiden französischen Aus¬
gaben fällt eine deutsche: | Tausend | und | Ein
Tag | Das ist: | Persianische 1 Iistoricn | und aller-
ley Liebes. | Intriguen, | Anfangs aus der Per-
sianischen | Sprache in die Frantzösische über¬
setzt | von | Hm. Petis de la Croix, | Decan der
Königl. Dollmetzscher j und Prof, des Königl.
Colleg. | zu Pariß; | Anietzo ins Hoch-Teutsche
gebracht. | Leipzig, in Weidmännischen Buch¬
laden | 1745, ein Band in 8A Die etwas un¬
beholfene Übersetzung hält sich ungemein ge¬
nau an den französischen Text; besonders die
ersten Erzählungen sind beinahe wörtlich über¬
tragen, oft ist sogar der französische Ausdruck
beibehalten; es finden sich Stellen wie: „Kann
ein so mechanter Vater eine so gar genereuse
Tochter gezeuget haben?“ oder „Abandonirt
Madame, so encouragirte er sie, eure Sorgen“;
im weiteren Verlauf wird die Übersetzung aller¬
dings freier und auch etwas gewandter.
Als Titelkupfer enthält diese Ausgabe, die
heute schon recht selten ist, eine rohe Kopie des
Titelkupfers der ersten französischen Ausgabe:
durch eine architektonische Umrahmung blickt
man in den Park des königlichen Palastes von
Kaschmir; rechts vorne im Vordergrund sitzt
Sutlemene und erzählt der Prinzessin, die in
1 Der Theatername von Luigi Riccoboni aus Modena, dem ersten Liebhaber der Truppe.
2 Mit der Begründung: parce que cela ne sert qu’ä la (la narration) faire languir et qu’ä ennuyer le lecteur, qui
par ce retranchement lira les contes sans s’appercevoir qu’ils sont interrompus. Auch diese Weglassung ist nur eine
Nachahmung. Vor dem 7. Band der ersten Ausgabe mille et un nuits steht ein Avertissement: Les Lecteurs de deux
Premiers Volumes de ces Contes, ont dte fatiguez de l’interruption que Dinarzade apportoit ä leur lecture. On a rem£die
ä ce ddfaut dans les Volumes qui ont suivi. On ne doute pas qu’ils ne soient encore plus satisfaits de celui-ci, oü ils
ne seront plus arretez par les autres interruptions ä chaque nuit. II suffit qu’ils soient instruits au dessein de l’Auteur
Arabe qui en a fait le Recueil.
3 Bei demselben Verlage erschien später auch eine Übersetzung von mille et une quart d’heure: Die Tausend und
Eine Viertel -Stunde, bestehend in artigen und lesenswürdigen Tartarischen Geschichten, Mit Kupfern gezieret Leipzig,
In der Weidmännischen Handlung. 1753» 2 3 Bänden. Eine deutsche Übersetzung, die Richarch Benz in seinem Buch
„Märchendichtung der Romantik“ zitiert, „August Bohse, Tausend und ein Tag, Lpz. 8°, 1730“, war mir leider nicht
erreichbar.
Schiller, Über die Märchen von Tausend und ein Tag.
6 1
einem steineingefaßten Teich badet, die Märchen;
im Hintergrund sieht man einige phantastisch
gekleidete Gestalten, die im Parke spazieren
gehen. (Abb. i o.)
Im Jahre 1788 erschien wieder eine deutsche
Übersetzung: Tausend und ein Tag, persische
Erzählungen aus dem Französischen des Petis
de la Croix übersetzt von S. Schorch, Leipzig
1788, 3 Bde., 8; Koberstein zitiert diese Aus¬
gabe im zweiten Band seines Grundriß der Ge¬
schichte der deutschen National-Literatur.
In dem großen einundvierzigbändigen Sam¬
melwerk: Cabinet des Fees ou collections choisie
des contes des fees et autres contes merveil-
leux, Amsterdam, Geneve et Paris, 1785 — 89,
das alle bedeutenderen Märchen enthält, die im
Laufe des XVIII. Jahrhunderts in Frankreich
erschienen sind, fehlt auch Tausend und ein
Tag nicht. Die Bände XIV und XV bringen
einen getreuen Nachdruck der ersten Ausgabe.
C. P. Marillier, der das ganze Werk illustrierte,
lieferte zu jeden der beiden Bände drei blatt¬
große Kupferstiche, die von de Ghendt, Gode-
froy, Langlois, Delvaux, Haibon, und Choffard
gestochen wurden. Sie gehören zu den besten
des ganzen Werkes und zeigen alle die charak¬
teristischen Eigenheiten, die die Zeichnungen
Marilliers kenntlich machen; die puppenhaften
Figuren mit den zierlich-kleinen Händen und
Füßen und den großen theatralischen Gebärden,
die zu der Starrheit der Gesichter in einem
merkwürdigen Widerspruch stehen; die pein¬
liche Sorgfalt und Sauberkeit in der Durch¬
führung aller Details, namentlich bei der Stoff¬
behandlung, und die Vorliebe für merkwürdige
Beleuchtungseffekte, die das meist seitlich ein¬
fallende Licht hervorruft. (Abb. 4 — 9.) Am
interessantesten ist vielleicht der Kupfer zur
Geschichte des Prinzen Kalaf. Marillier hat den
Vorwurf seiner Darstellung nicht der Haupt¬
handlung, sondern derVorgeschichte entnommen.
Es ist die Szene dargestellt, wie Kalaf dem Khan
von Berlas seinen wieder eingefangenen Falken
überreicht.1 (Abb. 6.)
Im Jahre 1826 erschien eine Ausgabe in drei
Bänden Großoktav in Paris bei Bechet aine.
Jeder Band enthält eine Radierung von A. De-
veria; zum Schlüsse sind noch die contes Turcs
angefügt.
Wesentlich verschieden von den bisherigen
Ausgaben ist die nächste: Les mille et un jours,
contes orientaux, traduits du turc du persan et
de l’arabe, par Petis Delacroix, Galland, Car-
donne, Charvis et Cazotte, Paris, Rapilly 1828,
5 Bände in 8°. Auch sie wurde ins Deutsche
übersetzt und zwar von Heinrich Friedrich von der
Hagen , dem Verfasser der Gesamtabenteuer;
der Titel der Übersetzung lautet: Tausend und
ein Tag, Morgenländische Erzählungen. Aus
dem Persischen, Türkischen und Arabischen
nach Petis de la Croix, Galland, Cardonne,
Charvis und Cazotte, dem Grafen Caylus und
anderen übersetzt von H. F. von der Hagen.
Prenzlau, zweite wohlfeile Ausgabe, 1836. Im
Verlag von F. W. Kalbersberg in 1 1 Bänden.
Wie schon der Titel zeigt, handelt es sich
hier nicht um einen bloßen Nachdruck der von
Petis herausgegebenen Märchen, sondern um
eine stark vermehrte und erweiterte Ausgabe;
die alten „mille et un jours“ bilden nur den
Grundstock des etwa auf den vierfachen Um¬
fang erweiterten Werkes. Zwischen die letzte
Erzählung der Sutlumene und den abschließen¬
den Teil der Rahmenerzählung ist eine große
Anzahl der verschiedensten orientalischen Mär¬
chen eingeschoben, die aber in gar keinem Zu¬
sammenhang mit dem ursprünglichen Werke
stehen. Daher fehlt auch jede Komposition
und die konsequent durchgeführte Einteilung in
Tage erscheint als sinn- und zwecklos, zumal
das Ganze schließlich doch nicht 1001, sondern
nur 761 Tage hat.
In dieser erweiterten Fassung ist das Werk
wirklich, was man von der alten Ausgabe mit
Unrecht behauptet hatte, eine Anthologie ohne
inneren Zusammenhang. Allerdings sind die
Märchen sehr gut ausgewählt; dafür sprechen
schon die Namen der Übersetzer, die fast alle
eine bedeutende Rolle in der Märchenforschung
des XVIII. Jahrhunderts gespielt haben. Der
Anteil der einzelnen Übersetzer an dem Buche
läßt sich mit Sicherheit nur bei jenen Märchen
bestimmen, die auch anderweitig erschienen sind,
was bei der Mehrzahl der Fall ist.
1 Bei Schiller I, 1. Kalaf: Dem Khan von Berlas war ein edler Sperber
Entwischt, den er in hohem Werte hielt.
Ich fand den Sperber, überbracht ihn selbst
dem König.
62
Schiller, Über die Märchen von Tausend und ein Tag.
Auf Chavis und Cazotte gehen dreißig Mär¬
chen zurück, die sich unter dem Titel „suite
des mille et une nuits“ als Fortsetzung des
cabinet des Fees, Band XXXVIII bis XLI
finden. Dom Denis Chavis, ein Araber von Ge¬
burt und Priester der congregation de St. Bazile,
hatte die Märchen übersetzt und, weil er das
Französische nur mangelhaft beherrschte, die
Übersetzung Jean Jaque Cazotte, dem Autor von
Biondetta ou le Diable amoureux und Le Lord
Impromptu , zur Ausarbeitung übergeben, ein
Vorgang, der an das Zusammenarbeiten von
Petis und Lesage erinnert. Die Mehrzahl dieser
Märchen hat Caussin de Parceval im Jahre 1806
in den 8. und 9. Band seiner Ausgabe von
Tausend und eine Nacht aufgenommen.
Einen weiteren Teil des Werkes bilden die in
der Geschichte des Königs Moradbak vereinigten
Märchen; sie stammen vom Grafen de Caylus, der
sie zum Teil frei erfunden, zum Teil auf seiner
Orientreise in den Jahren 1715 — 1717 gesammelt
hat. Sie finden sich in seinen oeuvres badines
complettes, Amsterdam et Paris 1787 Band VII
und im cabinet des Fees Band XXV.
Ein abgeschlossenes Ganzes bilden auch die
Geschichten der „vierzig Veziere“. Sie gehen
auf eine türkische Bearbeitung eines arabischen
Romanes von Scheikh Sadeh zurück und haben
eine große Ähnlichkeit mit der Geschichte des
Königs Sindibad, der auch in 1001 Nacht und
zwar in der fünften Nacht erwähnt wird, und
mit der im Mittelalter sehr verbreiteten Sage
von den sieben weisen Meistern.
Der erste, der einen Auszug aus der Ge¬
schichte der 40 Veziere übersetzte, war Petis
de la Croix; das Buch erschien 1717 in Paris
als „Histoire de la sultane de Perse et des visirs,
contes turcs composes en langue turque par
Chez Zade et traduits en Frangois“ und wurde
später ebenfalls in das Cabinet de Fees, Band
XVI, aufgenommen.
Außer den genannten in sich geschlossenen
Märchensammlungen findet sich in dieser Aus¬
gabe von „Mille et un jours“ noch eine reiche
Anzahl selbständiger Märchen, Fabeln, Legenden
und Sagen der verschiedensten Art; sie ent¬
stammen zum größten Teil den „melanges de
la litterature orientale“ von Cardonne, die 1770
in Paris erschienen sind.
Im Jahre 1838 erschien wieder ein Neudruck
der alten, ursprünglichen Fassung und zwar im
Pantheon Litteraire, einer großangelegten, alle
Wissensgebiete umfassenden Sammlung, die sich
bis heute im regulären Buchhandel erhalten hat.
Das Buch führt den Titel: „Les mille et un
jours, contes Persans traduits en Frangais par
Petis de la Croix, suivis de plusieurs autres
recueils de contes, traduits des langues orien¬
tales. Nouvelle edition, accompagnce de notes
et de notices historiques par A. Loiseleur Des -
longchavips , publice sous la direction de M. Aimö
Martin. Paris, Auguste Desrez, MDCCCXXXVIII.
Es ist ein genauer und unveränderter Abdruck
der Ausgabe von 1710, nur vermehrt durch
einige Anmerkungen und eine ausgezeichnete
Einleitung, in der Loiseleur Delongchamps die
Angaben der Bibliographie universelle und des
Dictionnaire historique des Hommes celebres
über Petis de la Croix vielfach berichtet und
ergänzt. Diese Ausgabe, die außer mille et un jour
noch die historie de la sultane de Perse et des
Vizirs, die Fables Indiennes de Bidpai, den „jard
in des roses“ des Saadi und eine reiche Sammlung
indischer, persischer, türkischer und chinesischer
Novellen enthält, ist eine der wenigen, die heute
noch im Sortimentsbuchhandel Vorkommen.
Noch einmal ist es zu einer neuen Bearbeitung
des Werkes gekommen. Die Veranlassung dazu
bot ein Manuskript, das ein junger Orientalist,
Pajot de St. Croix, während eines Aufenthalts
in Kairo von einem Gelehrten namens Reffiaa-
Effiendi geschenkt bekommen hatte. Es enthielt
neben einigen Märchen aus 1001 Nacht eine
Fülle unbekannter und noch unveröffentlichter
Erzählungen, die Pajot sämtlich als erster über¬
setzte. Die besten und passendsten unter ihnen
wurden ausgewählt und in Tausend und ein
Tag eingefügt, 1 ebenso auch einige kleinere
Geschichten von Cardonne, Caylus und Deut-
rocolles, wogegen mehrere von den alten Er¬
zählungen entfielen; das ganze wurde in sechs
Serien und jede Serie wieder in einzelne Tage
geteilt. Das Werk, daß auf diese Weise ein
ganz verändertes Aussehen bekam, erschien als
1 Unter ihnen ist besonders die Geschichte der Moschee von Theilun bemerkenswert, die eine interessante Fassung
der Sage von der Messingstadt enthält (siehe auch Tausend und eine Nacht, 566. bis 578. Nacht); eingeschoben ist die
„Geschichte der leichtgläubigen Frau“, die sich auch in 1001 Nacht, 584. Nacht und in der „disciplina clericalis“ des
Petrus Alphonsus cap. XIV findet.
Schiller, Über die Märchen von Tausend und ein Tag.
63
„Les mille et un jours contes Persans, Turcs
et Chinois traduits par Petis de la Croix, Car-
donne, Caylus etc., augmentes de nouveaux con¬
tes traduits le l’Arabe par M. Pajot Sainte-Croix“,
1843 in zwei Bänden, 1844 und 1848 in einem
Band. Die beiden letzteren Ausgaben hat Jules
Collignon mit einer großen Anzahl von Holz¬
schnitten geschmückt. Es sind teils größere
Illustrationen, deren Wirkung aber durch eine
gewisse Steifheit im Figuralen beeinträchtigt
wird, teils Vignetten und culs de lampe, die sich
besonders durch anmutige ornamentale Erfin¬
dung auszeichnen. (Abb. n — 14, Anfangs- und
Schlußvignette.)
Noch wäre eine moderne Ausgabe zu er¬
wähnen: Les Mille et un Jours, contes orientaux
traduits par Petis de la Croix, notices et notes
par F. de Donville, Paris, Garnier freres, 1899.
Weder die Einleitung, die im Tone einer Causerie
gehalten ist, noch die Anmerkungen, die sich
zumeist auf die Übersetzung persischer Aus¬
drücke beschränken, bringen neue Aufschlüsse
über das Werk. Auch verliert die Ausgabe
dadurch an Wert, daß einige Märchen, darunter
gerade die schönsten, wie z. B. die Geschichte
von Kalaf und Turandot, weggelassen sind. —
Eine moderne deutsche Ausgabe fehlt bis jetzt.
Heutzutage sind die Märchen fast vergessen
und auch von den vielen Bearbeitungen hat sich
kaum eine behauptet; das Theatre de la Foire
besitzt höchstens noch kulturhistorischen Wert,
die habe dramatiche von Gozzi sind trotz ihrer
einstigen Beliebtheit und Verbreitung eine anti¬
quarische Seltenheit geworden und selbst Schillers
Turandot wird kaum mehr aufgeführt. Nur in
Kindernbüchern 1 findet sich noch hier und da
ein oder das andere Märchen, bearbeitet und
verstümmelt bis zur Unkenntlichkeit.2
1 Als trauriges Beispiel dieser Art nenne ich: Märchen aus tausend und ein Tag, für die Jugend bearbeitet von
Albert Ludwig Grimm, Leipzig o. J. Bezeichnend für diese „Bearbeitung“ ist die Einleitung:
„Kommt herbei! kommt herbei, Kommt und vertraut Euch meiner Führung!
Ihr meine lieben, fröhlichen, jugendlichen Freunde! In einen neuen Wundergarten will ich Euch begleiten.
So ruft Euch der alte Gärtner zu, den Ihr wohl noch kennet. Es ist derselbe, der Euch einst den Wundergarten der
arabischen Märchenwelt der iooi Nacht eröffnete, nachdem er zuvor alles schädliche Gewürm, alle giftigen Pflanzen und
Blumen daraus vertilgt und jede Gefahr sorgfältig abgewendet hatte.“ — So hat’s der „alte Gärtner“ auch mit iooi Tag
gemacht. Aber er hat sich nicht begnügt nur die „giftigen Pflanzen“ zu vertilgen, sondern er hat an ihre Stelle seinen
eigenen Kohl gepflanzt; der arme „Wundergarten“ ist kaum wiederzuerkennen.
2 Während der Drucklegung dieses Aufsatzes zeigt der Inselverlag in Leipzig eine neue Ausgabe von Tausend
und ein Tag, ausgewählt und eingeleitet von Paul Ernst, übersetzt von Felix Paul Greve, in 4 Bänden, an; sie wird, so
wie die Hagensche Ausgabe, nebst iooi Tag eine Auslese der besten orientalischen Märchen enthalten und sich in Aus¬
stattung und Format an die schöne Ausgabe der iooi Nächte des Inselverlags anschließen.
Die Luftfahrten in der deutschen Literatur.
Ein bibliographischer Versuch.
Von
Professor Dr. Jacob Minor in Wien.
uft, Wasser, Feuer und Erde müssen
poetisiert werden! So hat vor ioo
Jahren W. Schlegel ausgerufen; und
das XIX. Jahrhundert hat dann zunächst
ein ungeheures Heer von Elementargeistern
in der Dichtung gesehen, ehe man anfing,
die Natur von innen heraus zu poetisieren.
Im XX. Jahrhundert wird die Parole lauten:
Die technischen Errungenschaften, welche die
Elemente bezwungen haben und durch die
unser ganzes modernes Leben völlig umge¬
wandelt worden ist, müssen poetisiert werden!
Die Poesie des Posthorns muß durch eine Poesie
der Eisenbahn, des Rades, des Automobils und
des Flugschiffes ersetzt werden. Ob und in¬
wieweit das den Künstlern gelingen wird, ist
eine der wichtigsten Fragen der Poetik der
Zukunft. Von dem Gelingen oder Nichtgelingen
wird es abhängen, ob die Dichtung der Zukunft
eine realistische Verkörperung der Gegenwart
sein wird; oder ob die Menschen im XX. Jahr¬
hundert die Befriedigung ihrer künstlerischen
Bedürfnisse wieder in der idealen Ferne oder
in der romantischen Vergangenheit suchen
werden. Vorausbestimmen läßt sich darüber
gar nichts. Doch darf darauf hingewiesen wer¬
den, daß in der bildenden Kunst die Darstel¬
lung rein technischer Objekte schon wiederholt
von einem echten künstlerischen Erfolg be¬
gleitet war.
Heute schon kann man kaum mehr eine
Zeitung in die Hand nehmen, ohne dem Flug¬
problem in dichterischer Verwertung zu be¬
gegnen. Wiederholt ist man dabei auch schon
auf die Vergangenheit aufmerksam geworden,
indem man bei Schriftstellern früherer Jahr¬
hunderte auf vereinzelte Stellen stieß, welche
die dichterische Verwertung der neuesten tech¬
nischen Erfindungen vorwegzunehmen schienen.
Die Erkenntnis aber, daß diese letzte Errungen¬
schaft der Technik gerade die erste war,
die in der Literatur benützt worden ist, ist
noch nirgends zutage getreten. Als kürzlich
auf einer Wiener Bühne ein Luftschiff erschien,
waren Autoren, Publikum und Kritik der Mei¬
nung, daß sie etwas ganz neues geboten hätten;
während das Luftschiff doch schon am Anfang
des XIX. Jahrhunderts auf der Volksbühne
und sogar im Marionettentheater ein garnicht
seltenes Spektakel gewesen ist. Auch in der
Literatur gehört es im letzten Viertel des
XVIII. Jahrhunderts bereits zu den stereotypen
Motiven und Requisiten.
Jede große Erfindung beruht auf einem
Bedürfnis der Menschheit und auf einem Wunsche
der Menschen. Es wird wohl kaum je einen
Menschen gegeben haben, dem der Wunsch,
fliegen zu können, nicht wenigstens im Schlafe
beigekommen ist. Von dem jungen Tolstoi
erzählt man sich, daß er sich mit neun Jahren
einbildete, fliegen zu können: mit den Händen
flatternd warf er sich aus dem dritten Stock¬
werk hinaus, glücklicherweise ohne erheblichen
Schaden zu nehmen. Und daß dieser Wunsch
und das Bedürfnis auch den Menschen der
Urzeit und der Vorzeit nicht unbekannt war,
davon zeugen die Mythen und die Sagen
der verschiedensten Nationen. In der Bibel,
die ja einen regen Verkehr zwischen der Erde
und dem Himmel zur Voraussetzung hat, findet
man im Alten Testament bei dem Propheten
Ezechiel (Kap. i) die Schilderung eines Luft¬
schiffes, das uns ganz moderne Vorstellungen
erweckt; und im Neuen Testament fährt Elias
in einem feurigen Wagen gegen Himmel. Bei
Homer sind alle Götter des Fluges mächtig;
Hermes bedient sich der Flügel, Aphrodite
eines Taubengespannes. Die Zauberin Medea
fährt auf einem Drachenwagen davon ; das be¬
deutet aber keinen modernen Drachenflieger,
sondern einen Wagen, der von Drachen als
Zugtieren gezogen wird. Helios (oder wie er
auch sonst heißt: Titan, Hyperion) lenkt den
Sonnenwagen, mit dem sein Sohn Phaethon
verunglückt. Bellerophon hat sein Flügelroß
Pegasus (aber der Poeten-Pegasus ist bekannt¬
lich keine griechische Vorstellung), Perseus be¬
dient sich wie Hermes der Flügelschuhe.
pRi
Minor, Die Luftfahrten in der deutschen Literatur.
65
Phaethon und Ikaros, der mit seinem Vater
Dädalos aus der Gefangenschaft des Minos
entfliegt, aber der Sonne zu nahe kommt und
mit geschmolzenen und verbrannten Flügeln
stürzt, sind die ältesten verunglückten Luft¬
schiffer, welche die Welt kennt. Dädalos aber,
der für sich und seinen Sohn Flügel aus Federn
hergestellt hat, die durch Wachs und Garn
verbunden waren, ist der erste Mensch, der
einen Flugapparat erfunden hat; es war nur
schuldiger Dank, wenn Herr von Drieberg seine
neue Flugmaschine „das Dädaleon“ (1845) ge_
nannt hat. Aus der griechischen Dichtung
kommen Aristophanes als Begründer des Vogel¬
staates und Lukian in Betracht, der in seiner
„Wahrhaftigen Geschichte“ den Luftkrieg
zwischen den Seleniten und den Sonnenbewohnern
schildert1. In der germanischen Mythologie
finden wir ein genaues Seitenstück zu dem
Griechen Dädalos in Wieland dem Schmied,
der gleichfalls aus der Gefangenschaft in einem
selbstgeschaffenen Federkleid entflieht; nach
einer andern Version freilich verdankt er die
Flugkraft dem Schwanring, durch den er in
die Gestalt eines Schwanes verwandelt und
des Fliegens mächtig wird. Bei den Luft¬
fahrten der Hexen dagegen, die sich der un¬
möglichsten Vehikel (Besen, Bock usw.) be¬
dienen, und in den Lügendichtungen wird die
technische Seite ganz unberücksichtigt gelassen;
weniger ist das bei dem Mantel des Doktor
Faust der Fall, den man sich als ein weit aus¬
gebreitetes, von der Luft getragenes Tuch zu
denken hat, auf dem Faust und der gewichtlose
Teufel stehend dahinfahren.
In der schönen Literatur erscheint das Luft¬
schiff zuerst in einer Gattung, mit der es auch
später in genauer Verbindung geblieben ist:
nämlich in der der Planetenromane, unter denen
zunächst die Reisen nach dem Mond die belieb¬
testen waren. Um dahin zu gelangen, erfindet
sich der Held bei Cyrano von Bergerac ver¬
schiedene Arten von Flugmaschinen2. Schon
zwanzig Jahre früher (1638) hatte aber der Eng¬
länder Godwin eine Mondreise geschrieben, die
zehn Jahre später von dem Franzosen Baudoin
und zwanzig Jahre später von unserem Grim¬
melshausen (Der fliegende Wandersmann nach
dem Mond 1659) bearbeitet wurde: hier werden
in Nachahmung des Taubengespannes der
Aphrodite und des Drachenwagens der Medea
Adler und Geier als Zugtiere verwendet, aber
auch der Magnetismus wird zu flugtechnischen
Zwecken ausgenützt, wie später in der Erzählung
von Truth.
Alles das sind Träume und Wünsche, die
sowohl der ersten wissenschaftlichen Begründung
des Flugproblems als den ersten technischen
Versuchen vorausgehen. Es verdient aber doch
Beachtung, daß Cyrano von Bergerac in der
Verwertung des archimedischen Prinzips mit
der ersten theoretischen Begründung des Luft¬
ballons durch den Jesuiten Lana (1670) genau
zusammentrifft. Cyrano denkt an einen Flug¬
apparat aus mit Tau gefüllten Flaschen; Lana
an ein Luftschiff, das von luftleeren Metall¬
blechkugeln getragen wird. Wie aktuell am
Anfang des XVIII. Jahrhunderts die Frage
war, das beweist ein Artikel über die Erfindung
eines Luftschiffes in der folgenden Zeitschrift:
„Der von Haus aus neu bestellte Agent, mit
allerhand kurieusen Missiven, Briefifen, Me-
morialen, Staffeten, Correspondencen und Com¬
missionen nach Erfordernis der heutigen Staats¬
und gelehrten Welt. Der dritten Fonction erste
bis zwölfte Epoche. Freyburg bey Wahrmund“
1708. Auf den ersten wirklichen Aufstieg in
Lissabon 1709 bezieht sich die in einem Fak¬
similedruck vorliegende Schrift: „Nachricht von
dem fliegenden Schiffe, so aus Portugal den
24. Junii in Wien mit seinem Erfinder glücklich
angekommen. Vom neuen nach dem allbereit
gedruckten Exemplar in die Naumburger Meß
gesandt Anno 1709“. Die Ankunft in Wien
ist Fiktion oder Ironie; denn der Ballon blieb
an dem Königspallast in Lissabon hängen.
Bodmer, der in seinem „Noah“ (1750) dem
Patriarchen das Fernrohr nicht vorenthält,
nimmt natürlich auch an dem Anachronismus
des Luftschiffes keinen Anstoß. Swift aber
hatte im Anschluß an Godwin und Cyrano in
Gullivers Reisen (1726) nicht bloß ein Luftschiff,
1 Auch in der Eirene des Aristophanes, in dem Ikaro-Menippus von Lukian, im Phaidros von Plato und bei Par-
menides kommt das Motiv vor, wie mich Hans von Arnim belehrt; und des Archytas als des ältesten Flugtechnikers
gedenkt schon Zamagna im XVIII. Jahrhundert.
2 S. Leo Jordan, München, Neueste Nachrichten 1908, Beil. 84. — Ob Cyrano nicht von Campanellas Sonnenstaat
beeinflußt ist.
Z. f. B. 1909/1910.
9
66
Minor, Die Luftfahrten in der deutschen Literatur.
sondern eine fliegende Insel, ein von Menschen
bewohntes Eiland, vorgeführt. In lateinischen
Versen feierte ein Jesuit in Rom genau nach
seines Ordensbruders Lana Programmschrift
das Luftschiff: Zamagna Bern. (S. J.) Navis
aeria et elegiarum monobiblos, Romae 1768
(neu herausgegeben von Michael Painter, Wien
1784; siehe Wiener Reichspost vom 19. Februar
1909, Nr. 50); und nach Brückners Monographie
über den Komponisten Benda (S. 45) soll es
sogar schon 1759 in der Oper eine Rolle ge¬
spielt haben.
Das technische Zeitalter beginnt für die
Luftschiffahrt mit den achtziger Jahren des
XVIII. Jahrhunderts. 1782 ließ in England
Cavallo Papierballons steigen (vgl. T. Cavallo,
Geschichte und Praxis der Aerostatik, aus dem
Englischen übersetzt, mit 2 Tafeln, Leipzig,
1786). 1783 folgten in Frankreich die Brüder
Montgolfier, ihres Zeichens Papierfabrikanten,
mit ihren Heißluftballonen, und gleich darauf
der Physiker Charles mit seinen Wasserstoff¬
ballonen, die alle zuerst ohne Bemannung auf-
stiegen. In Deutschland wurden diese Ver¬
suche namentlich durch den Bericht des P'ran-
zosen Faujas de Saint Fond bekannt, der nicht
weniger als dreimal ins Deutsche übersetzt
wurde. Noch im Jahre 1783 erschien eine
Übersetzung in Wien: Faujas de Saint Fond,
Beschreibung der Versuche mit der Luftkugel,
welche sowohl die Herren Montgolfier, als
andere gemacht haben, mit 9 Kupfern, Wien
1783“. Am meisten gelesen und am weitesten
verbreitet war die Bearbeitung von C. G. von
Murr: „Der Herren Stephan und Joseph von
Montgolfier Versuche mit der von ihnen er¬
fundenen aerostatischen Maschine. Auszug aus
der französischen Beschreibung von Faujas de
Saint-Fond. Mit 8 Kupfern, Nürnberg 1784“.
Eine dritte Übersetzung erschien zu Leipzig:
„ Faujas de St. Fond , Beschreibung der Ver¬
suche mit den aerostatischen Maschinen der
Herren von Montgolfier. Aus dem Französischen
übersetzt mit 8 Kupfertafeln. Leipzig 1784“.
Außerdem gab ein Deutscher, Fr. L. Ehrmann,
eine besondere Schrift unter dem Titel heraus:
„Montgolfier’sche Luftkörper oder aerostatische
Maschinen. Nebst Beschreibung der zwo ersten
Reisen durch die Luft, mit 2 Kupfern, Stra߬
burg 1784“. In Versen wurde Montgolfier von
Gottlieb Wilhelm Eckhardt gefeiert: „Mongol-
fiers Luftball, eine poetische Declamation,
Berlin 1784“; aber auch ein Satiriker ließ sich ver¬
nehmen: „Simon Magus mit der Blase, oder:
eine feine lustige Historia, wie die Menschen¬
kinder auf Erden getrieben haben große Zau¬
berei mit allerhand Blasen, darauf sie haben
wollen von dannen ziehen ... Von einem böh¬
mischen Leiermann vor vielen Iuirsten und
Herren besungen in zierlichen Reimlein ver¬
fasset und letztlich herausgegeben von Jocosio
Hilario“ (o. O. 1784, 54 S.). Hier wird das
Luftschiffen also im Spaße als Zauberei aus¬
gegeben, wie spater von Kerner als Teufelswerk.
Zu gleicher Zeit ließ auch in Deutschland
der Benediktiner Ulrich Schiegg im Reichsstift
Ottobeuren Luftballons steigen und ein paar
Memminger Bürger folgten seinem Beispiel.
Jenseits des Kanals aber arbeitete Vinzenz
Lunardi, der über seine Fahrten zwei Jahre
später selber berichtete: „Vinc. Lunardi, An
account of the aerial voyages in Scotland in
a series of letters, London 1786“; sein Aufstieg
wurde noch im Jahre 1784 in einem Kupfer¬
stich verewigt. Das fieberhafte Interesse, das
ganz Europa damals ergriffen hat, wird auch
noch durch die folgenden Titel bezeugt: „G.
Ces. Cordara, Capitolo sopra il pallone volante,
Roma 1784“; „Kurz gefaßte Beschreibung der
ersten aerostatischen Maschinen nebst Be¬
schreibung der zwo ersten Reisen durch die
Luft, mit 3 Kupfern, Lyon 1784“; „L. G.
Kratzenstein, l’art de naviguer dans l’air, Copen-
haven 1784“; (Chr. Kramp) „Geschichte der
Aerostatik, historisch, physisch und mathe¬
matisch ausgeführt, 2 Theile, Straßburg 1784“
(mit dem Bilde Montgolfiers).
Während aber die Montgolfiers ihren Ballon
von Pilätre de Rozier in die Luft führen ließen,
der bald darauf mit ihm verunglückte, und auch
Charles selber erst einmal aufgestiegen war,
hatte sich inzwischen Blanchard bereits der
Charliere, des Feuerluftballons, zu Berufszwecken
bemächtigt und durch seine kühne Überfliegung
des Kanals am 7. Januar 1785 ungeheures
Aufsehen gemacht. Er verstand es, die Zeit¬
genossen nicht bloß durch sein Experiment,
sondern auch durch seine kühne Persönlichkeit
zu fesseln, die von allen Seiten die größte Be¬
wunderungerfährt. Seine Luftreisen imjahre 1785
sind neuerdings in den Annalen des Vereins
für nassauische Altertumskunde (XXXVI. Band
Minor, Die Luftfahrten in der deutschen Literatur.
1906) beschrieben worden; Fritz von Stein sah
ihn in demselben Jahre in Frankfurt aufsteigen
(Charlotte von Schiller und ihre Freundei, 415).
Er selber hat seine Luftfahrten meines Wissens
erst 1787 beschrieben: „Blanchard aeronaute,
Abrege de mes avantures terrestres depuis le
mois de janvier 1787, au pays de la liberte“,
Novembre 1787. Seinen Aufstieg in Nürnberg
am 12. November 1787, den er irrtümlich als
den ersten in Deutschland bezeichnet, hat
G. Freytag in den „Bildern aus der deutschen
Vergangenheit“ (IV. Band, 6. Kapitel = Werke
XXI, 299 ff.; zuerst in den Grenzboten 1864, II,
336 ff.) auf Grund einer zeitgenössischen Flug¬
schrift geschildert. Den Braunschweiger Auf¬
stieg vom 10. August 1788 behandeln Knigges
Roman „Die Reise nach Braunschweig“ (Hann¬
over 1792) und zahlreiche Einzelschriften (un¬
vollständig verzeichnet im Braunschweigischen
Magazin 1908, Nr. 5). In Berlin hat ihn am
29. Sept. 1788 der junge Alexander von Hum¬
boldt aufsteigen sehen, der zwei Tage später
in einem Brief an Wegener ausführlich über
seine Persönlichkeit und über seine Maschine
berichtet (Briefe an Wegener, herausg. von
A. Leitzmann, Leipzig 1896, S. 26. 1 03 f. ; Bruhns’
Biographie I, 72). Mit Versen hat sich schon
am 30. Januar 1785 der Halberstädter Klamer
Schmidt „An Blanchard, als er seinen Flug
über den Kanal getan hatte“ gewendet (Leben
und auserlesene Werke, Stuttgart und Tübingen
1827, II, 129.) Fulda, der Verfasser der „Tro¬
galien zur Verdauung der Xenien“, hat den
Luftschiffer noch 1797 gegen die Xeniendichter
in Anspruch genommen (Nr. 44):
„Leicht ist das Werk, doch enthälts viel Plumpes.
Also fuhr Blanchard
Mit dem leichten Ballon über den Pas de Calais“;
und Voß verspottete die alten Metriker mit
folgendem „feurigen Satz für die Baßgeige“:
„Freund, komm heut Nachmittag her, sieh Herrn
Blanchards neu Luftschiff hoch aufziehn“,
der einen Hexameter vorstellen soll. In feier¬
lichen lateinischen Distichen hatte dagegen
Seckendorff schon 1785 den Sturz von Blan¬
chards Rivalen Pilätre de Rozier besungen, der
bei dem Versuch den Kanal von Boulogne
aus zu überfliegen durch Platzen des Ballons
mit seinem Genossen Romain in die Tiefe
stürzte : „Polydaei Nemaei Carmina Varia Selecta,
Latina et Graeca 1785“ S. 65 (Bibliothek in
67
Gießen; Mittheilung von Rita Minor): Epita¬
phium Pilastri Romanique unä sepultorum.
Daß in der Totenklage um diesen ersten ver¬
unglückten Luftfahrer Daedalus oft genug
herangezogen wird, versteht sich von selbst.
Um diese Zeit begann das Luftschiff auch
die Großen unserer Literatur zu interessieren.
Auch hier geht Wieland, der jeder Neuigkeit
seine Aufmerksamkeit schenkte, voran : er schrieb
im Teutschen Merkur 1783 (IV, 69 f.) über „die
Aeropetomanie“ (d. h. die Kunst zu fliegen)
und 1784 (I, 69 f. und i4of.) über die Aero¬
nauten. Aber auch Klopstock sagte in einem
Gespräch mit Rinck (Tagebuch 183), er freue
sich sehr, daß er das noch erlebt habe; mit
Charles ginge er selbst gleich in die Luft, wie
er im Schlafrock und in der Mütze dastehe,
käme aber Montgolfier, so würde er sich vorher
anziehen und bedenken — er war also für den
Wasserluftballon von Charles gegenüber dem
Heißluftballon von Montgolfier. Mit heller und
fast kindlicher Freude begrüßte Goethe, wie
seine gleichzeitigen Briefe an Lavater und die
Frau von Stein zeigen, die neue Erscheinung;
und noch aus später Erinnerung hat er sie als
„weltbewegend“ anerkannt. Er hat auch gleich
im Faust von ihr Gebrauch gemacht und den
Mephisto ein bißchen „Feuerluft“ bereiten lassen,
worunter aber nicht, wie Morris meint, erwärmte
Luft, sondern Brenngas zu verstehen ist, wie
sich aus Lichtenbergs Briefen, wo die Erfin¬
dung dem berühmten Scheele in Schweden
zugeschrieben und ihre Darstellung ausführlich
geschildert wird (II, 26), deutlich ergibt; auch
Goethe war also für die Charlieren gegenüber
den Montgolfieren, wie Klopstock. Der Grund
wird wohl gewesen sein, daß Dr. Bucholz, der, wie
wir aus denselben Briefen erfahren (II, 104), den
Weimarischen Herrschaften Experimente mit
den Montgolfieren vormachte, mit ihnen kein
Glück hatte. Auch später hat Goethe bekannt¬
lich im Faust von den Luftfahrten wiederholt
Gebrauch gemacht; und er vergleicht nicht
bloß Voltaire mit einem Luftballon, das Bild
von den Montgolfieren blieb ihm auch in Schriften
und Briefen geläufig. Seine Äußerungen über die
Luftschiffahrt hat Adolf Teutenberg im Hannover¬
schen Kurier (1908, Nr. 27691) keineswegs
vollständig zusammengestellt. Daß auch die
Frau Rat mit Leib und Seele bei der neuen
„Kunst“ (denn als solche erschien sie den Zeit-
68
Minor, Die Luftfahrten in der deutschen Literatur.
genossen des Berufsluftschiffers) war, würden
wir nicht anders erwarten, auch wenn es nicht
durch ihre Briefe (Ausgabe von Köster I, 132
150, 187; II, 224) bezeugt wäre. Von der tech¬
nischen Seite mußte sie natürlich am meisten
Teilnahme und Verständnis bei dem Physiker
Lichtenberg finden, dessen Briefe und Schriften
aus jenen Jahren fast auf jeder Seite davon
Zeugnis geben und den Laien auch heute noch
über die wissenschaftlichen Prinzipien am besten
orientieren, die damals in Frage standen.1
Wie man nun im XVIII. Jahrhundert ge¬
wohnt war, an die Wanderungen des ewigen
Juden oder des wiederkehrenden Heilands oder
irgend einer erfundenen Person Schilderungen
geschichtlicher und geographischer Zustände
zu knüpfen, so konnte das Luftschiff un¬
möglich zu solchen Zwecken unbenützt bleiben.
Es war ja nicht bloß die Eroberung der Luft,
sondern auch die Erhöhung und Erweiterung
des Gesichtskreises, die man sich von ihm ver¬
sprechen durfte. In England erschien schon
1785 in 2 Bänden: „The aerostatic Spy: or
Excursions with a Ballon . . . By an aerial
Traveller. London, Symonds“. Dieses Werk
wurde in den folgenden Jahren wiederholt ins
Deutsche übersetzt; freilich scheint es sich dabei
meistens nur um Titelauflagen zu handeln. Kaysers
Bücherlexikon (6, 351) verzeichnet: „Der aero-
statische Zuschauer, oder Streifereien mit einem
Luftschiffe, aus dem Englischen, Leipzig 1787,
Schneider (2 Theile)“. Eine spätere Ausgabe:
„Der aerostatische Zuschauer oder Beschreibung
einer Luftreise nach verschiedenen Weltgegen¬
den, besonders in Rücksicht auf ihre Bewohner.
Aus dem Englischen, Leipzig, Schneider 1788
(2 Theile, 296 S.)“ ist in der Allg. Literatur¬
zeitung 1787, IV, 616 f., in der Allg. Deutschen
Bibliothek 1789, II, 596, und in den Tübinger
Gelehrten Anzeigen 1788, S. 584 besprochen.
Eine bloße Titelauflage scheint auch zu sein:
„Wie gehts auf der Welt, oder Besuche in
allen vier Welttheilen, unter Führung eines
Genius. Aus dem Englischen, Leipzig, Schneider
1789, 2 Theile, 296 Seiten“, angezeigt in der
Allg. Literatur-Zeitung 1790, I, 460 (bei Kayser
6, 227 unter: Leipzig, Linke, 1790). Weniger
Glück scheint ein weibliches Seitenstück des
Aeronauten, in Versen, gehabt zu haben; es
ist nicht übersetzt worden: „The female Aero¬
naut, a poem, dedicated to Mrs. Errington.
London, Swift 1785. 4“. 2
Für die Schnelligkeit, mit der sich die
niedere Literatur sofort des volkstümlichen
Stoffes bemächtigte, sprechen die folgenden
Titel:
Friedrich Gustav Hagemann, Die Luftkugel.
Ein Beitrag zur Bibliothek theatralischer Schnur¬
ren, aus einer Geschichte unseres aerostatischen
Jahrhunderts. Hamburg 1784.
Anton Mayer, Die Luftkugel, Ballett, Köln
o. J. (Riemann, Opernlexikon: ca. 1796).
Theophilus Friedrich Ehr mann, Der Luft-
ivagen oder die Reise in den Mond. Aus dem
Französischen, Straßburg 1785 (nach Kayser
auch schon: Leipzig 1784).
(Anonym): Die Lufttnaschine oder die ent¬
führte Jüdin, Ballett, in Rostock am 4. Juli 1784.
gegeben (Schacht, Gesch. des Rostocker
Theaters 62).
Emanuel Schikaneder: Der Luftballon, Sing¬
spiel, Musik von Benedikt Schack (Cziak), Salz¬
burg 1786 (Riemann; fehlt bei Komorczynski
und bei Weilen, Gödeke V, 310).
Christoph Friedrich Bretzner: Die Luftbälle
oder: Der Liebhaber ä la Montgolfier , Leipzig
1786 (= Schauspiele von Bretzner III; in Rostock
nach Schacht 62 u. d. T.: „Die beiden Luftbälle“
gegeben); als Singspiel, mit Musik von Fer¬
dinand Fränzl, Straßburg 1788. (In der Neuen
Freien Presse vom 23. Dezember 1908 Nr. 15928
wird im Hinblick auf Schiller Brief an Huber vom
16. Mai 1786 die Vermutung ausgesprochen,
daß Schiller für dieses Singspiel Fränzls einige
Arien gedichtet habe.)
Peter Reuß, der Sohn : Der Luftballon. Sing¬
spiel, Augsburg o. J. (Fernbach).
(. Maximilian Blaimhofer): Die Luftschiffer
oder der Strafplanet der Erde, Singspiel.
Augsburg, Stage 1786 (auch Leipzig 1787 und
Köln, Imhof 1787).
{Franz Xaver Huber): Die Luftfahrt in
1 Ich gebe die Stellen nach der Ausgabe von Leitzmann und Schüddekopf, Leipzig 1901 — 4, genau an: II 94, 98,
104, Io6f., HO — Il6, 121 — 6, I28f., 134, 139, 176, 181, I92f., 208, 235. 237, 238, 249 f. (Anmerkungen 393 ff., 400,
405). III 40 ff., 204 f., 249, 251 (Anmerkung 306). In den sehr sorgfältigen Anmerkungen findet man auch die ein¬
schlägigen Schriften Lichtenbergs verzeichnet.
2 Die Mitteilungen über die beiden englischen Werke und die Übersetzungen verdanke ich A. Rosenbaum.
Minor, Die Luftfahrten in der deutschen Literatur.
69
Augsburg , ein komisches Heldengedicht. Ge¬
druckt im Monde 1787.
(Anonym): II Ballone volante , l’asino e il
cavallo; Apologi Borgiani, Napoli 1789.
(A. Rosenbaum.)
Christian Ludwig Dietter: Der Luftballon,
Singspiel, Stuttgart (Riemann: ca. 1789).
Friedrich B ( outerweck ) : Der Luftball. (Ge¬
dicht in Bürgers Akademie der schönen Rede¬
künste, ersten Bandes, drittes Stück S. 342, 1791.)
Adolf Freiherr von Knigge : Die Reise nach
Braunschweig. (Roman.) Hannover 1792 (s.oben).
{Friedrich Wilhelm August Bratring) 1 ; Die
Luftjagd , am 22. Mai von Berlin gesehen und
bewundert. Ein komisches Gedicht. Berlin 1800.
Teilweise abgedruckt bei Geiger, Berliner Ge¬
dichte, Berlin 1890, S. 15 1 bis 156, wo S. i5of.
auch ein Gedicht: „ Der AeronauC von Seidel.
In Wien war man von Anfang an den Be¬
strebungen der Luftschiffer mit Aufmerksamkeit
gefolgt; und Hochstetter hat in Gemmingens
Magazin der Wissenschaften und Literatur
(1784 und 1785) darüber berichtet.2 Schon in
Alxingers „Doolin von Mainz“ (1787) bedient
sich der Held Bertrand des Luftschiffes. Im
Wiener Musenalmanach wird 1790 (S. 108) die
Liebe mit einem Lufballon verglichen, der
zuerst hoch über dem Irdischen dahinschwebt,
sich aber bald wieder auf die Erde senkt.
Blumauer verwendet es zu parodistischen
Zwecken in der Aeneide. In würdigerer Form
stellt der greise Denis in seinem Schwanen¬
gesang „Die Aeonenhalle“ (1800; Lit. Nachlaß,
Wien 1801, S. 100 ff.) die neue Erfindung mit
den größten Erfolgen des scheidenden Jahr¬
hunderts zusammen. Zu Anfang des neuen
Jahrhunderts, als das Interesse für die Luft¬
schiffahrt in Deutschland schon stark in Ab¬
nahme begriffen war, haben hier bald nach¬
einander zwei seltsame Köpfe mit „neuen Ge¬
danken“ eine Zeitlang Aufsehen gemacht. Ohne
von den Planetenromanen des XVII. Jahr¬
hunderts eine Ahnung zu haben, ließ der
biedere Jacob Kaiserer seine Erfindung zur
Wahrung der Priorität im Universitäts-Archiv
versiegelt niederlegen, ehe er sich, durch einen
französischen Bürger in seinem Anspruch be¬
droht, zur Veröffentlichung entschloß. Seine
Schrift „Über meine Erfindung, einen Luftballon
durch Adler zu regieren, Wien bei Löschen¬
kohl, 1801, mit 1 großen Tafel, 16 S. 40“,
ist einUnikum der Wiener Fideikommißbibliothek;
nach einem Katalog von M. Hauptvogel in
Gotha (Nr. XXX) muß aber ein Faksimiledruck
in letzter Zeit veranstaltet worden sein. Einige
Jahre später machte der Wiener Uhrmacher
Degen mit seiner Flugmaschine Aufsehen auch
außerhalb von Österreich: Goethe wurde auf
ihn aufmerksam gemacht (Schriften der Goethe¬
gesellschaft 18. Band, S. 219, 380); Uhland
schreibt am 23. April 1812 an Kölle (Erich
Schmidt S. 22): „Was die Flugmaschine betrifft,
so bewahre der Himmel den Almanach vor
ihrem Schicksal; sie ist bereits zusammenge¬
schlagen, nachdem angesehene Personen die¬
selbe in Augenschein genommen; die Gerüchte
darüber sind sehr mannigfaltig und unsicher“.
Über seine Flugversuche ist neuerdings in der
Neuen Freien Presse vom 9. August 1908,
Nr. 15793 und in der Oesterreichischen Rund¬
schau XVI. Band, 3. Heft, S. 209 ff. berichtet
worden. Wie wenig Vertrauen man damals
der Frage nach der Lenkbarkeit des Luft¬
ballons entgegenbrachte, das beweist eine in
einer Berliner Zeitschrift erschienene, mir nur
aus einem Separatabdruck bekannte Abhand¬
lung: „Kurze Geschichte der Luftschiffkunst
und Übersicht der Ursachen, warum es nie
möglich seyn wird, Luftbälle . . . mit mensch¬
lichen Kräften nach Willkür zu lenken“ (1809,
86 S. 12°). Das Wiener Volkstheater ließ
sich dadurch nicht abhalten, den Luftballon für
seine Zwecke auszunützen. Karl Meisl läßt
in seiner mythologischen Karikatur: „die Ent¬
führung der Prinzessin Europa“ (1816) den
Merkur im Luftballon und die Venus in ihrem
Taubenwagen auf die Bühne kommen (Thea¬
tralisches Quodlibet, Pesth 1 820, I, I ff.) und in
Raimunds „Diamant des Geisterkönigs“ wird
der Luftballon von einem Kolibri kutschiert.
Unter den Schriftstellern, die am Beginn
des XIX. Jahrhunderts obenan standen, hat
sich keiner so sehr für das Luftschiff inter¬
essiert, wie Jean Paul. Schon in seiner „Aus¬
wahl aus des Teufels Papieren“ (1789) kommt
es vor. Die Stelle im Kampanerthal (1798),
wo der Chiaur in den Luftball steigt, hat
Lichtenbergs Bewunderung erregt; der Titan
1 Den Verfasser hat A. Rosenbaum ermittelt.
2 Vgl. Iganz Schwarz in der (Wiener) Zeit vom 15. November 1908, Nr. 2208.
70
Minor, Die Luftfahrten in der deutschen Literatur.
(1801) enthält in seinem komischen Anhang
die Geschichte des Luftschiffers Gianozzo; und
ein Jahr später finden wir das Luftschiff in der
„wunderlichen Gesellschaft in der Neujahrsnacht“
(1802) wieder. (Vgl. Hans Brandenburg in der
Rheinisch-WestphälischenZeitungi9o8, Nr. 1242;
mir unzugänglich.) Für die Romantiker hätte
es freilich recht nahegelegen, ihren sehnsüch¬
tigen Trieb ins Weite anstatt an die Wolken
oder an das rauschende Bächlein an den Luft¬
ballon zu knüpfen. Das ist aber, so viel ich
sehe, nirgends geschehen. Eichendorff hat zwar
einen Luftballon aufsteigen gesehen (Tagebücher
72 f.), aber in seinen Dichtungen kommt er
nicht vor. Doch ist das Luftschiff von den
Romantikern keineswegs unbeachtet gelassen
worden. Einer von den vielen Brüdern Bren¬
tanos scheint sich im Traum für den Erfinder
des Luftballons gehalten zu haben, wie Clemens
in dem Terzinengedicht erzählt, mit dem er die
Rosenkranzromanzen einleitet.
„Seht hin,
Spricht er: ,Seht hin, Geliebte, seht, es schwebet
Der Luftball hoch, ich habe ihn erfunden!1
Dann wirft er sich im Bette, hoch erhebt
Die Füße er, das Haupt hängt er nach unten.“
In dem zweiten Teil der Kronenwächter von
Arnim macht sich der Bruder des Grafen von
Stock wie Dädalus Flügel, um zur Geliebten in
das gegenüberliegende Nonnenkloster zu fliegen;
und in der Päpstin Johanna begegnet man einem
Luftschiff. Auch bei der Günderode kommt das
Motiv vor (Büsing, Reihenfolge der Gedichte
der Günderode S. 1 10 und Anm.). Wenn Fouque
am 22. September 1812 an A. Wagner schreibt
(Mittheilungen aus dem Berliner Literatur- Archiv
1898, S. 104): „Es gibt eine Geschichte, wie
ein Mann mehrere Adler an sich festgeknüpft
habe und so im Stande gewesen sei zu fliegen“,
so denkt er wohl an Grimmelshausen, nicht an
Kaiserer. In den „Hesperiden“ des Grafen
Loeben (1816) findet sich ein Sonett von
(Zacharias) Werner: „Die Luftschiffahrt“ (S. 102).
Am meisten hat sich bekanntlich Kleist in den
Berliner Abendblättern mit dem Flugproblem
beschäftigt; die Artikel von Kleist selber findet
man in der Ausgabe von Erich Schmidt, IV,
201 — 207 (vgl. die Literatur in den Anmer¬
kungen und die Wochenschrift Daheim 1908,
XLIV,Nr. 52). Berthold Schulze in Kochs Studien,
VII, 35 8 ff. verweist gelegentlich der Kleistischen
Artikel auch auf das „Russisch-Deutsche Volks¬
blatt“ von Kotzebue, wo „Der I limmelsbotc“,
d. h. der Luftballon zur Versendung geheimer
Briefschaften, ein stehender Artikel sei.
Bei keinem anderen deutschen Stamm war
der Drang sich in die Luft zu erheben und zu
fliegen so stark, wie bei dem phantasievollen
Volk der Schwaben. I Iier konnte Kerner den
Ludwigsburger Totengräber beobachten, der
sich einbildete, fliegen zu können (Gaismaier,
IV, 224 f.); hier war auch der Schneider von
Ulm zu Hause, auf den der Vers gemacht wurde:
„Der Schneider von Ulm,
Hat’s fliag’n probiert,
No hat en der Teufel,
In d' Donau nei g’führt.“
Unter den Schwaben hat Hölderlin einen
Hyperion geschrieben und Waiblinger einen
Phaethon; beide haben ihren Helden einen
Beinamen des Helios, des Lenkers des Sonnen¬
wagens, gegeben. Und es sind wohl eigene
Worte des wahnsinnigen Hölderlin, welche
Waiblinger seinem Phaeton in den Mund legt:
„Möcht’ ich ein Komet sein? Ich glaube. Denn
sie haben die Schnelligkeit der Vögel, sie
blühen von Feuer und sind wie Kinder an
Reinheit. Größeres zu wünschen kann nicht
des Menschen Natur sich vermessen.“ Wilhelm
Hauff hat eine humoristisch-satirische Rede
geschrieben, in welcher der Held „sich zu der
Luft-Gondel-Compagnie versetzen läßt, welche
damals, da die Kunst, in der Luft zu fechten,
noch in der Wiege lag, für die gefährlichste,
aber auch ruhmvollste galt“ (1827; Hans Hof¬
mann, W. Hauff, S. 73 und 225!.); keine Phan¬
tasterei, denn in Frankreich bestand in der Tat
eine Ecole nationale aerostatique zu Meudon seit
1794, nachdem der Luftballon schon in der
Schlacht bei Fleurus militärischen Zwecken
gedient hatte. Uhland in seinem Drama „Ludwig
der Bayer“ führt einen Fahrenden Albertus (seil.
Magnus) ein, der den Österreicher mittels eines
Faustmantels aus der Gefangenschaft befreien
will. Am interessantesten ist wohl das wider¬
spruchsvolle Verhalten des Romantikers Kerner
zu der neuen Erfindung. In seiner Jugend
hatte er mit Vergnügen einen Luftballon auf
dem Marionettentheater gesehen (Mayer, Uhland,
I, 1 5 1 f.) ; in den Reiseschatten stichelt er nicht
bloß auf die Degenische Flugmaschine, sondern
er führt in dem „Totengräber von Feldberg“
Minor, Die Luftfahrten in der deutschen Literatur.
7 1
einen Luftfahrer ein, der im Traum zu fliegen
glaubt (Gaismaier, III, 213 fl; 139 fl). 1826 hat
er dann dieses Stück in die Gedichte auf¬
genommen und mit der warnenden Überschrift
„Ikarus“ versehen ; 1845 endlich ist im Morgen¬
blatt sein Gedicht „Unter dem Himmel“ (später:
„Im Grase“) erschienen, wo den Dichter, der
wieder geträumt hat, daß er fliege, sein Liebchen
belehrt, daß die Kunst zu fliegen vom bösen
Feinde komme. Also genau so, wie in dem
volkstümlichen Spruch auf den Schneider von
Ulm! Darauf hat bekanntlich Gottfried Keller
(Werke X, 128 ff.) mit den Versen geantwortet:
„Dein Lied ist rührend, edler Sänger“. In neuerer
Zeit hat sich A. von Berger auf die Seite Kellers
(Neue Freie Presse 19. VII. 1908), J. V. Widmann
(a. o. O. 12. VIII. 1908) auf die Seite Kerners ge¬
schlagen. Mörike knüpft die Sehnsucht gern
an das Bild vom Luftschiff, dessen er sich in
Briefen (I, 53, 101) und auch in der Mozart-
Novelle bedient; in den Regenbrüdern läßt er
den Schulmeister eine Luftfahrt auf einer Wolke
machen.
In der Unterhaltungsliteratur begegnet das
Luftschiff wiederum öfter in den 20er Jahren:
Holteis’ Erzählung „Der Luftball“ in der Dres¬
dener Abendzeitung 1819 (17. September);
Sessa, Die Luftschiffer, Posse in 1 Akt (zuerst
in Holteis’ Jahrbuch Deutscher Nachspiele,
3. Jahrgang 1824); H. E. R. Belani (= K. L.
Häbertlin, Gödeke, VI, 415), Das Runenhaus
und die Luftfahrten, eine Doppel-Novelle 1825
(nach A. Rosenbaums Mitteilung zuerst in
Zschokkes Erheiterungen 1825, dann in Beianis’
Schriften, Braunschweig 1827, Band X); Herloß-
sohn (= Clauren), „Der Luftballon oder die
Hundstage in Schilda“, ein glück- und jammer¬
volles Schau-, Lust- und Thränenspiel in be¬
liebigen Akten, Leipzig, 1827“.
Es wird nun, in den Zeiten der Juli- und
der Februarrevolutionen, in der Literatur recht
still über die Luftschiffahrt oder, wie man
damals auch sagte, die Luftschwimmkunst
(A. W. Zachariae, Geschichte der Luftschwimm-
kunst von 1783 bis zu den Wendelsteiner Fall¬
versuchen, Leipzig 1828). Sogar die berühmte
Ballonfahrt von London nach Weilburg im
Jahre 1836 hat in der Literatur nur eine offi¬
zielle Beschreibung erhalten: F— c und Sch.
„Die Reise der Herren Kurt Green, Robert
Hollond und Thomas Monk — Mason von Lon¬
don nach Weilburg am 7. und 8. November
1836 in dem Luftschiffe Royal-Vauxhall-Nassau.
Mit einer Geschichte der Aeronautik und einer
Lithographie (das Niedergehen des Ballons),
Weilburg 1837“; doch hat Mörike Greens Luft¬
ballon noch 1851 aufsteigen sehen (Briefe an
M. v. Speth, S. 63). Stifter in seiner Erzählung
„Der Kondor“ (zuerst in der Wiener Zeitschrift
1840) charakterisiert ein über die Grenzen der
Weiblichkeit hinausstrebendes Mädchen durch
den Wunsch, an einer Ballonfahrt zu wissen¬
schaftlichen Zwecken teilzunehmen; sie sinkt
aber in Ohnmacht, als das Luftschiff sich er-
erhebt, denn „das Weib verträgt den Himmel
nicht“. Daß sich Fritz Reuter in den „Ollen
Kamellen“ über die Luftschiffahrt unterhält,
darauf hat K. Th. Gädertz jüngst in der
Rheinisch- Westphälischen Zeitung 1908, Nr. 971
aufmerksam gemacht. Dagegen dürfte der
Titel: „Luftschiffer, Roman von Hermann Schiff,
Hamburg, Hoffmann und Campe 1854“ bei
Reher verdruckt sein; denn überall sonst lautet er:
„Luftschlösser“. In dem „Fliegenden Holländer“
aber findet sprachlich dieselbe Verwechslung
der Elemente statt, die wir umgekehrt soeben
in der „Luftschwimmkunst“ gefunden haben.
Eine neue Periode beginnt mit den Planeten¬
romanen des XIX. Jahrhunderts, die ein Motiv
des XVII. wieder aufgreifen. Luftfahrten kommen
in den Romanen von J. Verne, C. Flammarion
und Kurd Laßwitz allenthalben vor; aber nicht
immer ist das Vehikel ein Luftballon, wie in
J. Vernes „Cinc semaines en ballon“ (1863)
oder in Laßwitz’ „Auf zwei Planeten“. Dieser
Gattung gehören wohl auch noch Masius’
„Luftreisen und Ballonfahrten“ ( 1 884) an. Durch
seine Beschreibung der mit dem Kapitän Spel-
terini unternommenen Luftfahrten ist J. C. Heer
zuerst bekannt geworden (Im Ballon 1892). In
der Novelle finden wir das Motiv etwas später
in Hans Blums „Versuchsballon“ (Westermanns
Monatshefte, Dezember 1898) und in Thruds
„Das lenkbare Luftschiff“ (Neue Freie Presse,
5. Februar 1902), im Romane erst wieder nach
fünfzehn Jahren: Arthur Achleitner, „Die Luft¬
schiffer“ (Berlin 1904).
Dieser Roman gehört schon der letzten
Periode an, der Zeit der neuesten technischen
Erfolge, wo jeder Zweifel an der Möglichkeit
verstummte und man an die Erfüllung der viel¬
tausendjährigen Sehnsucht zu glauben begann.
72
Minor, Die Luftfahrten in der deutschen Literatur.
Seit dem Jahre 1906 ist das Luftschiff aus
der Literatur nicht mehr verschwunden; es
herrscht eine ähnliche Hochflut, wie in den
80er Jahren des XVIII. Jahrhunderts. An der
Spitze steht des Dichter-Ingenieurs Max Eyth
posthumes Werk: „Der Schneider von Ulm,
Geschichte eines zweihundert Jahre zu früh Ge¬
borenen“, (2 Bände, Stuttgart 1906). Komische
Verwertung findet das Motiv in Emil Sandts
„Cavete! Eine Geschichte, über deren Bizarrerien
man nicht ihre Drohungen vergessen soll“
(1907); und in den Dichtungen für Kinder:
Richard Dehmel, Fitzebutze, Traumspiel in
5 Aufzügen (Berlin 1907) und Karl Franz Ginz-
key, Hatschi-Bratschis Luftballon. Die zahl¬
reichen dichterischen Grüße, die die Fahrten
des Grafen Zeppelin im August 1908 begleitet
haben, verzeichnet das Literarische Echo im
X. Jahrgang, Sp. 1643 f. Auf ihn bezieht sich
auch Otto Ernsts „Tartuff der Patriot, ein
satirischer Schwank in 3 Akten“ (1908) und
Otto Fuhrmann, „Von Eulenburg zu Zeppelin“,
Zeitroman (Berlin 1908). In dem Stil des
Planetenromanes bewegt sich August Niemann:
„Aetherio, eine Planetenfahrt“ (Regensburg 1909).
Als Zukunftsromane geben sich: Dr. Oskar
Hoffmann, „Die Eroberung der Luft, Kultur¬
roman aus dem Jahre 1940“, Berlin und Leipzig
1908, und (anonym) „Luftschiff Nr. 13, ein
Zukunftsroman“ (Leipzig, bei Schlössel 1908).
Etwas früher dürften Ewald Gerhard Seeligers
„Der Schrecken der Völker, ein Weltroman“,
der mir erst in der vierten Auflage (Berlin,
Concordia 1908) bekannt geworden ist, und
Richard O. Frankfurters „Das Heil der Höhe“,
Roman, Berlin (Oesterheld & Cie.) 1908, er¬
schienen sein. Die letzten Dichtungen, von
denen ich erfahren habe, sind Milena Gnads
„Hans Christoffs Luftschiffahrt nach Amerika“
(in den „Illustrierten Märchen“) und der Schwank
„Das Entführungsbureau“ von Oskar Friedmann
und Fritz Burger, der Anfangs 1909 im Intimen
Theater (Wien) aufgeführt wurde und in dem
man „das erste lenkbare Luftschiff auf der
Bühne“ zu sehen bekam.
Daß die Männer der älteren Generation auch
jetzt noch mit zwiespältigen Empfindungen in
die Zukunft blickten, darf uns nicht Wunder
nehmen. Ferdinand von Saar, der die Flug¬
maschinen 1899 als fin de siede betrachtete,
sagt zwei Jahre später: Automobil und Luftschiff
gehören der Jugend und einer glücklichen Zu¬
kunft (Ausgabe von Minor III, 65, IV, 42). Auch
PaulHeyse (Menschen und Schicksale, Charakter¬
bilder, Stuttgart 1908) wird der neuen Zeit
völlig gerecht. Heinrich Vierordt dagegen
spottet in seinen „Deutschen Hobelspänen“
(Heidelberg, Karl Winter 1908) über die „Luft¬
schiftriesendrachenzigarre“ mit einem wahrhaft
Klopstock’schen Wortungetüm. J. V. Widmann
hat in einem schönen und warmen Artikel
(s. oben) um Schutz für den „heiligen Aether“
Hölderlinischen Angedenkens gebeten.
Auch fremdländische Dichtungen, die diesen
Lieblingsstoff der letzten Jahre behandeln, haben
in Deutschland mehr Beachtung gefunden, als
ihnen ohne die lebhafte Bewegung des Tages
zuteil geworden wäre. So hat man auf Jokais
älteren „Roman des künftigen Jahrhunderts“
und auf Edgar Allan Poe wieder hingewiesen.
Viel gelesen wurden im Original und in der
Übersetzung die beiden Romane H. G. Wells:
„Der Luftkrieg“ (The war in the air, deutsch:
Minden 1908 und Stuttgart 1909) und Tono-
Bungay (London 1909), von denen der erste den
Weltkrieg der Zukunft durch die deutschen Luft¬
schiffe entscheiden läßt. In den Niederlanden
hat sich Hejermanns mit dem Flugproblem
satirisch befaßt: „Geflügelte Thaten, einige ent¬
setzenerregende, herzbeklemmende, aber keines¬
wegs unmoralische Familienabenteuer“ (deutsch
von R. Rüben, Berlin, E. Fleischel 1907) und
neuestens auch unter dem Pseudonym Mr. Icarus
Forens in „De groote vlucht“ (Der große Flug),
Satire in 4 Aufzügen. Zuletzt hat Henry Kiste-
maeker, bekannt als Spezialist in Automobil¬
romanen, in französischer Sprache den Stoff
behandelt: Aeropolis, komischer Roman 1909.
Mit der literarischen hängt endlich auch die
sprachliche Seite des Themas zusammen. Wie
jede neue Kunst oder Erfindung, so muß sich
auch die Eroberung der Luft ihre neue Sprache
schaffen. Wie schwankend sie bis in die
neueste Zeit war, haben uns schon die Bücher¬
titel der früheren Jahrhunderte gezeigt. In der
Luft fahren, in der Luft fliegen, in der Luft
schiffen oder schwimmen : nach drei Elementen
wird die neue Kunst benannt; und wenn man
noch die Feuerluft zum Auftrieb hinzunimmt,
dann hat man gar alle vier Elemente beisammen.
In neuerer Zeit beginnt man hier bereits zu
unterscheiden begonnen; man redet von Fliegen
Sachs, Moderne Buntpapiere und ihre Verwendung.
73
bloß bei den Flugapparaten, mit denen sich
ein Mensch in die Luft erhebt, und bei den
Flugmaschinen, die sich aus eigner Kraft in die
Luft erheben; man redet aber von Luftschiffen,
die Menschen in die Luft zu tragen vermögen.
Über die sprachliche Seite der Frage hat zu¬
erst W. Feldmann in der Vossischen Zeitung
1907, Nr. 31 1 gehandelt; später hat sich die
Zeitschrift des Allgemeinen Deutschen Sprach-
vereines in ihrem XXII. und XXIII. Jahrgang
wiederholt mit ihr beschäftigt und auch die
technische Literatur hat natürlich oft genug
die Notwendigkeit erkannt, auf sie einzugehen.
Es fällt mir selbstverständlich nicht ein,
diese Bibliographie für vollständig zu halten. Wer
seine Kinderschuhe in der Literaturgeschichte
einmal ausgetreten hat, weiß, daß Vollständig¬
keit in solchen Dingen überhaupt nicht zu er¬
reichen, aber auch gar nicht zu wünschen ist.
Es tritt bei solchen Stoffsammlungen an einem
gewissen Punkt immer eine Sättigung ein, wo
man weder mehr an Umsicht noch an Einsicht
gewinnt, wo es sich dann nur mehr um die An¬
häufung von Titeln und Zitaten handelt. Einen
ungefähren Überblick über das Thema und
über die verschiedenen Seiten seiner bisherigen
poetischen Verwendung werden diese Blätter
doch gegeben und den Leser überzeugt haben,
daß es sich nicht um vereinzelte und zusammen¬
hangslose Erscheinungen handelt. Größere
Lücken auszufüllen, wird den Lesern dieser
Zeitschrift wie dem Schreiber dieser Zeilen in
Jahr und Tag Gelegenheit genug geboten
werden. Ist nur erst einmal eine Rubrik er¬
öffnet, dann weiß man auch, wo man seine
Lesefrüchte unterbringen kann. 1
Moderne Buntpapiere und ihre Verwendung.
Von
Dr. Hans Sachs in Berlin.
Mit 3 Abbildungen und einer Tafel.
er Kunst des Buchbindens ist im XIX.
Jahrhundert durch die sich immer mehr
vervollkommnende Maschinenarbeit ein
arger Feind erwachsen. Sie erleichterte
dem Publikum durch die in tausenden von Exem¬
plaren hergestellten Fabrik- und Verlegereinbände
die Anschaffung bereits gebundener Bücher; die
Aufträge fiir kunstvoll mit der Hand hergestellte
Bucheinbände wurden immer seltener und blieben
schließlich auf einen Kreis von Bibliophilen und
Liebhabern eines künstlerischen Bucheinbandes be¬
schränkt, deren Zahl noch vor etwa 20 — 30
Jahren bei uns in Deutschland eine erschreckend
geringe war. Seit dieser Zeit ist der Luxusbuch¬
einband wieder mehr zu Ehren gekommen, durch
neue Ornamentik, neue Techniken, neue Aus¬
drucksformen wurde die Kunst des Buchbindens
wieder frisch belebt und heute wächst die Zahl
derer, die ihr eine sorgsame Pflege und künst¬
lerisches Interesse entgegenbringen, wieder in er¬
freulicher Weise.
Das Material für diese Luxuseinbände ist das¬
selbe geblieben, seit man überhaupt darauf bedacht
war, dem Buche eine feste und solide Hülle zu
geben, die es vor Beschädigung aller Art schützt.
Es ist Pergament oder das mit Handvergoldung
verzierte Leder, das uns in den verschiedensten
Sorten, in mannigfachster Bearbeitung entgegen¬
tritt. So erfreulich auch die Leistungen sind, die
wir namentlich in Deutschland hier zu verzeichnen
•haben, nachdem uns England und Frankreich in
der Neubelebung des Luxuslederbandes um bei¬
nahe zwei Jahrzehnte vorausgegangen sind, so
haftet diesen Einbänden doch der große Fehler
ihres verhältnismäßig hohen Preises an. Ohne
den Besitzern wertvoller Bucheinbände zu nahe
treten zu wollen, muß ich gestehen, daß ihr Besitz
in meinen Augen manchmal eher einen Schluß
auf die Mittel des Besitzers als auf seine künst¬
lerische oder ästhetische Kultur zuläßt. Diese
prägt sich viel eher, viel bezeichnender in den
hunderten von scheinbar nebensächlichen Kleinig¬
keiten aus, die der Einzelne zu seinem täglichen
Gebrauche bestimmt. Es ist die „Ästhetik des
Unbedeutenden“, wie ich mich ausdrücken möchte,
an der man vielleicht den künstlerischen Ge¬
schmack des Einzelnen bemessen darf. Man setzt
sich an eine reich besetzte Tafel, die in herr¬
lichstem Blumenschmuck prangt, speist von Tellern,
deren Muster und Verzierung Peter Behrens’ oder
1 Einige auf der Korrektur gemachte Zusätze verdanke ich den Damen Elsner, Horner und Puppini, und den
Herren Jaffe, Lesowsky, Mennbier, Paponsek, Stöger und C. Schüddekopf.
Z. f. B. 1909/1910. IO
74
Sachs, Moderne Buntpapiere und ihre Verwendung.
Bruno Pauls Kopf entstammt, schlürft den Sekt
aus Gläsern, deren kühner Schwung in Hugo Ol¬
brichs Künstleratelier geboren wurde, viel mehr
als alles das kann das Aussehen der Menukarte
verraten, die, als ob sie garnicht dazu gehörte,
ihr papiernes Dasein dazu mibbraucht, um unser
Auge mit den süßlichsten Rosenranken, einem
goldverzierten Rokokodurchbruch, einem lieb¬
lichen Tannenzäpfchen oder einer sinnlosen Mond¬
landschaft zu beleidigen. Und während der Gast¬
geber erzählt, welches erlesene Kunstwerk von
Erler oder Bohle er aus der letzten Ausstellung
für seinen Salon rettete, während er über Bartho¬
lome und Liebermann, Böcklin und Triibner nach¬
schwatzt, was ihm seine Tageszeitung, was ihm
der Kunstkritiker, der natürlich an seiner Tafel
saß, vorher berichtete, da lohnt es sich einmal
einen Blick auf seinen Schreibtisch und die Neu¬
jahrskarten zu werfen, die er alljährlich zu ver¬
schicken pflegt. Sie erheben schwere Anklage
gegen ihren Käufer, denn sie sind schauderhaft,
süßlich, geschmacklos bis zum äubersten. Ich
möchte übrigens nicht mibverstanden werden und
darf vielleicht deshalb meine kleine Exkursion in
die Ästhetik des Unbedeutenden noch einen Augen¬
blick weiterführen. Ich verlange natürlich nicht,
dab nun jeder, dem nur ein bißchen künstlerisches
Gefühl eigen ist, für jede Menukarte, die die
Speisen eines Diners verraten soll, einen Ernst
Liebermann oder Emil Orlik bemüht und ihre ad
hoc gelieferten Arbeiten in Drei- oder Vierfarben¬
druck übertragen läßt. Ich verlange nicht, dab
nun jeden Briefbogenkopf, jede Familiennachricht,
die in die Welt hinausgeht, eine Radierung von
Alois Kolb oder Willy Geiger ziert. Es kann
jemand sicherlich ein grober Kunstfreund, ein
verständnisvoller und feinsinniger Förderer der
schönen Künste sein, er richtet aber nur sein
Interesse auf die großen Werke der Malerei und
Plastik und spricht — und auch seinen Stand¬
punkt müssen wir achten — der Kunst die Be¬
rechtigung ab, ein alltägliches Ereignis, die Be¬
kanntmachung einer Familienangelegenheit mit
ihrem Geiste zu erfüllen, er sieht vielleicht nur
Spielerei in jeglicher Art von Gebrauchsgraphik.
Was ich verlange, ist nur, daß unsere gebildeten
Kreise aufhören, die Industrie der Millionen ge¬
schmackloser Erzeugnisse, die Industrie der Stil-
losigkeiten und Banalitäten zu unterstützen. Es
gibt genügend Künstler, und es gibt schon genug
gutes Material für Menukarten, Glückwunsch¬
karten und ähnliches, und wem es überflüssig er¬
scheint, die Kunst hier ein Wort mitsprechen zu
lassen, der wähle das Nichtssagende und Unper¬
sönliche, das Unaufdringlichste und Ruhigste, lasse
dem Papierhändler seine Kirschenbouquets, die
Delfter Mädchen und unverstandenen Biedermeier¬
schnörkel und begnüge sich mit Monogramm und
Goldrand.
Ich kam von meinem eigentlichen Thema
scheinbar weit ab und doch führt mich der Gast¬
geber mit seinen Menu- und Glückwunschkarten
wieder darauf zurück. Ich selbst nehme nämlich
sehr gern eine ähnliche Gelegenheit wahr, um
mich von dem künstlerischen Empfinden eines
Menschen zu überzeugen. Es ist die Besichtigung
einer Büchersammlung, mag sie groß sein, mag
sie nur ein paar Dutzend Werke enthalten. Nicht
die Prachteinbände der Verlegerwerke, nicht die
kostbarsten Lederarbeiten mit Goldverzierung sind
es, die meinen Blick zuerst fesseln und mein Ur¬
teil über das künstlerische Empfinden des be¬
treffenden Besitzers beeinflussen, sondern die ein¬
fachen schlichten Bände, die auf seinen persönlichen
Wunsch entstanden und von ihm selbst beim
Buchbinder bestellt der ganzen Bibliothek eine
höchst charakteristische Note verleihen können.
Sicherlich haben es alle, die wirklich bestrebt
sind, ihren liebgewordenen Büchern ein dem In¬
halt angemessenes und würdiges Äußere zu geben,
auf dem das Auge mit Wohlgefallen haften bleiben
kann, und denen doch die Mittel fehlen, ein
jedes Buch in einen Ganzlederband mit Handver¬
goldung einzubinden, mit großer Freude begrüßt,
daß eine schon in früheren Jahrhunderten ge¬
pflegte Handwerkskunst von der Industrie des
XIX. Jahrhunderts wieder aufgenommen und von
Künstlern und Kunsthandwerkern von neuem be¬
lebt worden ist, die Fabrikation der Buntpapiere.
Bei verständigem Gebrauch, harmonischer Zu¬
sammenstellung und diskreter Auswahl ihrer Er¬
zeugnisse setzt sie auch den minder bemittelten
Bücherfreund instand, seine geistigen Kostbar¬
keiten in gediegener und feierlicher, dabei durch¬
aus individueller, seinem ureigensten Geschmacke
entsprechender Weise aufzuheben. Es war ein
bemerkenswertes Verdienst der Leitung des Kgl.
Kunstgewerbe-Museums zu Berlin, dab sie vor zwei
Jahren eine Sonderausstellung von Buntpapieren
veranstaltete, die durch reiches Material über Ge¬
schichte, Wesen und Technik der Buntpapiere auf¬
klärte und zeigte, wie viel Gutes auf diesem Ge¬
biete schon geleistet worden ist.
Nicht alle unserem Auge bunt, das heißt farbig
erscheinenden Papiere können wir als „Bunt¬
papiere“ bezeichnen. Vielmehr verstehen wir dar¬
unter nur solche, die nach der Fabrikation des
Papieres mindestens auf einer Oberfläche verziert
sind, und zwar durch Aufträgen von Farben, Bronzen,
Lacken, gleichviel ob durch Handbearbeitung oder
Maschinendruck. Ist hingegen bereits während
der Papierfabrikation ein Farbstoff hinzugesetzt, so
haben wir nur „gefärbte Papiere“ oder „farbige Roh¬
papiere“ vor uns, die uns hier nicht interessieren.
Als das Geburtsjahr der Buntpapierindustrie
pflegt man das Jahr 1808 zu nennen, in dem der
Bankier Alois Dessauer in Aschaffenburg die Pa-
pierfärbeeinrichtung eines kleinen Buchbinders
übernehmen mußte. Von dort verbreitete sie sich
weiter und fand bald auch in anderen Städten
eine Heimat, wie Fürth, Dresden, Breslau, Kassel,
namentlich seit dem Beginn der Maschinenpapier-
Sachs, Moderne Buntpapiere und ihre Verwendung.
75
Abb. x.
fabrikation im Jahre 1820, die etwa 20 Jahre
später auch in der Buntpapierindustrie das hand¬
gefertigte Papier zu verdrängen begann. Trotz¬
dem wissen wir, daß alte Kunsthandwerker schon
lange vor dem Jahre 1808 eine Reihe guter Bunt¬
papiere ersonnen und fabriziert haben, ja, daß
diese in manche Registratur und Gerichtsschreiberei,
als Aktendeckel oder Hüllen von Kirchenrech¬
nungen, eine muntere Fröhlichkeit, eine lustige
Farbensymphonie gebracht haben, die gegen das
Grau oder Blau unserer heutigen Kanzleien merk¬
würdig absticht.
Da hatte man früher Prägepapiere, ähnlich
den Ledertapeten, welchen durch gravierte Messing¬
platten echte Metalle aufgeprägt wurden, nachdem
die Papierbögen, die aus handfestem Büttenpapier
bestanden, mit einer dunklen Grundfarbe gestrichen
waren. Wir kennen aus jener Zeit reizvolle
Muster im Ranken- und Bänderwerk des deutschen
Barockstiles, Blumen und graziöse Schnörkel im
zierlichen Rokoko, zwischen denen sich Heilige
oder Tiere tummeln; auch Deckel und Vorsätze
türkischer Einbände aus dem XVII. Jahrhundert,
in denen übermütige Farbenfreudigkeit mit zarter
inniger Beschaulichkeit abwechsek, sind uns er¬
halten geblieben. Von diesen Zeichen einer
früheren Buntpapierkunst soll hier nicht ge¬
sprochen werden. Nur von den neueren Erzeug¬
nissen der Buntpapierfabrikation und ihrer Ver¬
wendung möchte ich heute einiges berichten, wo¬
bei sich naturgemäß mancher historische Rückblick
ergeben wird.
Nach ihrer Fabrikation unterscheidet man sehr
viele Arten. Kersten, der in dieser Zeitschrift im
76
Sachs, Moderne Buntpapiere und ihre Verwendung.
Jahre 1900 einen sehr lesenswerten größeren Ar¬
tikel über das Buntpapier und seine Verwendung
veröffentlichte, kennt an 100 von einander ab¬
weichende Arten der Herstellung. Für uns dürften
wohl heute nur fünf nach der Art ihrer Fabri¬
kation von einander verschiedene Papiere in Be¬
tracht kommen:
1. Streich- und Sprengpapiere, denen sich die
Aufsprengpapiere anschließen,
2. Tunk- und Marmorpapiere,
3. Model- und Walzendruckpapiere,
4. Steindruckpapiere,
5. Kleisterpapiere.
Neuere Bestrebungen haben daneben noch den
Linoleumschnitt eingeführt, von dem die Bogen
farbig abgezogen werden; auch die Schablonen¬
technik hat neuerdings reizvolle Flächenmuster
aufzuweisen.
Die einfachste und wohl älteste Art, Papier
farbig zu verzieren, dürften wir in der Streich- und
Sprengtechnik sehen, bei der die Farben mittels
Pinseln oder Bürsten auf das Papier aufgetragen
wurden; auch feine Gittersiebe wurden verwendet,
mit deren Hilfe man kleine Tropfen andrer Farbe
dunkel auf hell oder hell auf dunkel aufsprizte,
ähnlich wie wir noch heute mit den bekannten
Spritzapparaten allerhand Muster und Ornamente
auf glattem Papier hervorbringen. Wir brauchen
es kaum zu bedauern, daß die Industrie des
XIX. Jahrhunderts auch diese Handtechnik in
Maschinenarbeit übernahm. Das in endlosen
Rollen von der Papierbereitungsmaschine ab¬
laufende Papier wird heute mechanisch mit Bürsten,
Pinseln und Sieben, mit Säuren und Salzen gleich¬
artiger, regelmäßiger und sauberer bearbeitet, als
dies die Handtechnik vermochte. Auf diese Weise
stellt man heute den Kiebitzmarmor, den Türkisch¬
marmor und viele andere her, die wegen ihrer
großen Billigkeit z. B. sehr viel zu Schulbüchern
verwandt werden. Und ich glaube, daß es man¬
chem Leser ähnlich ergeht wie mir, der ich mit
dem Begriffe meiner lateinischen Schulgrammatik
stets auch gleich den Gedanken an ein hellbraun¬
dunkelbraun gesprenkeltes Papier verbinde. Die
Technik dieser Papiere hat sich in kaum mehr zu
übertreffendem Grade vervollkommnet, doch stehen
sie künstlerisch auf einem bedauerlich niedrigen
Niveau. Ich meine, daß die P'ortschritte der mo¬
dernen P'arbenchemie und -technik genügend neue
Mittel bieten, um auch saft- und kraftvollere, im
Muster nicht so öde und langweilige Papiere an¬
zufertigen.
Nach ganz ähnlichem Verfahren wird auch die
Gruppe der sogenannten Aufsprengpapiere herge¬
stellt, nur mit dem Unterschiede, daß hier die
Farbe selbst erst im Augenblicke des Aufspritzens
entwickelt wird. Ein Beispiel soll dies verständ¬
licher machen. Allgemein bekannt ist ja das Ge¬
heimnis der „sympathetischen“ Tinte: Man schreibt
mit einer wässrigen Lösung von gelbem Blut-
laugensalz, welches so schwach gelb gefärbt ist,
daß nach dem Eintrocknen von einer Schrift
nichts mehr zu sehen ist. Überfährt nun aber der
Eingeweihte hernach den Bogen mit einem Pinsel,
den er in eine ebenfalls nur ganz schwach ge¬
färbte Eisenchloridlösung taucht, so tritt die Schrift
dunkelblau hervor; es hat sich durch Vermengen
der beiden chemischen Substanzen eine dritte,
neue gebildet, das Berliner Blau, welches tief
dunkelblau gefärbt ist. Genau das Gleiche voll¬
zieht sich bei der Herstellung der Aufspreng¬
papiere, die ebenfalls chemischen Prozessen ihre
Entstehung verdanken: Nachdem die Bogen mit
einer Abkochung von Kreuzbeeren, den bekannten
Früchten des Kreuzdornes, oder anderen Säften
bestrichen sind, werden mit Pinseln oder Sieben
Tupfen gewisser Eisensalzlüsungen aufgesprengt.
Es entsteht nun überall da, wo diese Salze mit
der noch nicht ganz trockenen Kreuzbeerenbrühe
auf dem Papier in Berührung kommen, eine neue
chemische Verbindung, die sich deutlich durch
andere Farbe markiert. Stets sind die so ent¬
stehenden Flecken scharf konturiert und außerdem
mit einem dunklen Saume umgeben, woran sie
als Aufsprengpapiere leicht kenntlich sind. Hier¬
her gehört der Gustav- und der Achatmarmor.
Künstlerisch weit höher steht die zweite Gruppe,
die der Tunk- oder Marmorpapiere, da selbst bei
ausgedehntester Verwendung und Vervollkommnung
der Maschinenarbeit ihre Fabrikation ich möchte
sagen persönlicher, individueller ist, und charak¬
teristische Handarbeit aufweist. Der Geschmack
des Fabrikanten, die Fähigkeiten seiner künst¬
lerischen und technischen Angestellten und nicht
zuletzt das Geschick eines geübten Arbeiters geben
hier den Ausschlag für das gute Gelingen.
Der Name Marmorpapiere kennzeichnet die
Technik durchaus nicht, obwohl er von alters her
für diese Art der Buntpapiere gebraucht wird.
Wir sprechen, wie wir vorhin sahen, heute auch
bei der Streich- und Sprengtechnik von Marmor¬
papieren (Türkisch-Marmor usw.) und ersetzen bei
dieser zweiten Art von Buntpapieren den Namen
Marmorpapiere weit besser durch den der Tunk¬
papiere. Zu ihrer Herstellung wird ein flaches
Becken mit einer schleimigen Masse aus Wasser
und isländischem Moos oder Tragantgummi gefüllt.
Auf diesen schleimigen Grund wird mittels eines
Pinsels Farbe aufgetropft, die mit Ochsengalle
oder einem anderen Treibmittel versetzt ist. Die
Farben schwimmen nun auf der Oberfläche und
werden durch das Treibmittel mehr oder minder
stark auseinander und gegeneinander getrieben,
ohne sich zu vermischen. So entstehen marmor¬
artige Muster. Man kann mit dem Pinsel oder
einem Reisstrohbesen neue Tropfen darauf und
dazwischen spritzen und die buntesten Farbenbilder
hervorrufen. Durch mechanische Eingriffe kann
man die Farben auch bestimmter mustern. Mit
einem hölzernen Stift, einem Pinselstil, durch
Kämme von verschiedener Weite, durch Dreh¬
ungen und andere Bewegungen, die man mit dem
Sachs, Moderne Buntpapiere und ihre Verwendung.
77
Becken ausführt, kann man andere Muster ziehen
und neue Motive zeichnen. Nun legt der Hand¬
werker auf die Farbschicht einen Bogen weißen
Papiers, der die Farbe ansaugt, hebt ihn schnell
wieder ab, läßt die überschüssige Flüssigkeit ab¬
tropfen und hängt ihn zum Trocknen auf. Jeder
Bogen wird einzeln, von der Hand des Arbeiters
getunkt. Und die Farbschicht ist jedesmal zer¬
stört, muß von dem Schleimgrund abgestrichen
und für den nächsten Bogen ganz neu hergestellt
werden. Hier haben wir charakteristische Einzel-
und Handarbeit; kein Bogen gleicht völlig dem
anderen. Die Technik scheint aus der Türkei zu
stammen, denn die eingangs schon erwähnten
türkischen Einbände und Vorsätze des XVII. Jahr¬
hunderts, deren die hiesige Königliche Bibliothek
prachtvolle Beispiele besitzt, zeigen diese Kunst
in hoher Blüte. Auch die Franzosen des XVIII.
Jahrhunderts haben die Marmorierkunst mit
Meisterschaft geübt. Der schon erwähnte Bankier
Alois Dessauer begründete in Aschaffenburg durch
fabrikmäßige Herstellung dieser Handpapiere eine
Industrie, die heute tausende von Arbeitern be¬
schäftigt und dem deutschen Werkfleiß auch auf
dem Weltmärkte alle Ehre macht. Man bereicherte
die alten Muster und ging, ermutigt durch die
Fortschritte der modernen Farbenchemie, zu neuen
Farbenkompositionen über. Der durch sie natur¬
gemäß bedingten Verflachung und Verödung un¬
seres Farbengefühls, das in den siebziger und
achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts einen
bedauerlichen Tiefstand erreichte, sind erfreulicher¬
weise einzelne Künstler und Kunsthandwerker ent¬
gegengetreten, die durch neue Motive und Farben¬
kompositionen diese Handwerkskunst von neuem
belebten und dem Bücherfreunde und Buchbinder
neue Anregung gaben. In Deutschland hat Otto
Eckmann, der feinsinnige Zeichner und Kolorist,
die ersten anziehenden Experimente mit neuartigen
Tunkpapieren gemacht. Wundervolle Farbenkom¬
positionen, changierende Muster, regellos ver¬
laufende und doch wieder wirkungsvoll in den
Rahmen eines kleinen Blattes gespannte Motive
finden wir in seinen Tunkpapieren, Muster und
koloristische Wirkungen, die sich schwer be¬
schreiben lassen. Einmal hat er in übersprudelnder
Laune den farbigen Schleimgrund mit einem
dicken Schwamm bearbeitet, ein andermal mit
zartesten Kämmen die Oberfläche gefurcht, hat
hier ein Pfauenauge, da zierliche Blüten, dort
spinnwebenartige Fäden aus seinem toll durchein¬
ander gewirbelten Arbeitsfelde, dem farbigen
Schleimgrunde, förmlich herausgefischt.
In ähnlichem Sinne hat Ernst Leistikow, der
Bruder des verstorbenen Führers der Berliner
Secession, in Bromberg gearbeitet; wenn sie uns
heute auch schon etwas wild und unruhig er¬
scheinen und an die Zeit der sich gewaltsam
bahnbrechenden ersten Bestrebungen des modernen
Kunstgewerbes erinnern, so verdienen sie doch
als erfreuliches Zeichen einer wiedererwachenden
individuellen Handwerkskunst Beachtung. Leisti¬
kow arbeitete mit Ölfarben, die in ähnlicher Weise
verwandt wurden wie die Ochsengallefarben, ist
aber ohne jede Kenntnis dieser Technik zu seinem
eigenen Verfahren gelangt. Meist ist das Blatt
von einer dunkleren Farbe, von der sich hellere
wild durcheinander wirbelnde Wellen abheben, die
in harmonischem Farbenkontrast zu der Grund¬
farbe stehen. Leistikow erinnert mich in diesen
Arbeiten oft an den Dänen Anker Kyster, den
bekannten Meister in der Technik des Lederbandes
und der Handvergoldung, dessen Arbeiten auf
dem Gebiete der Buntpapiere ich allerdings nicht
sonderlichen Geschmack abgewinnen kann. Sie
sind trotz eines feinen Farbensinnes etwas aus¬
druckslos oder im Muster zu grob.
Eine besondere Farbenfreudigkeit spiegeln die
Arbeiten der Künstler und Kunsthandwerker wieder,
die sich in Wien in den Wiener Werkstätten zu
gemeinsamer Arbeit vereinigt haben. Kolo Moser,
Joseph Hoffmann, Karl Beitel, deren kunstgewerb¬
liche Tätigkeit ja allgemein bekannt ist, verwirren
uns in ihren Vorsatz- und Einbandpapieren oft
durch das kunterbunte, bisweilen bis zur Exzentrik
gesteigerte, das Auge irritierende Spiel von Farben
und drolligen Einfällen. Polypenartige Gewächse,
Tupfen von der Form eigenartig gestalteter Ge¬
bilde, die wie Mikroben aussehen, verschlungene
Faserbildungen, leuchtend rote und blaue Kugeln
auf gesprenkeltem Grund, Fische oder Vögel, die
sich aus buntverschlungenen Ornamenten lösen,
alles das sind nur Worte, die die Eigenart dieser
Arbeiten kaum wiedergeben können. Man muß
diese Papiere, dieses Gewirr von Farben in der
Verwendung bewundert haben, um die richtige
Schätzung dafür zu haben. So sah ich jüngst ein
einfaches Notizbuch, in schwarzweiß gesprenkeltes
Papier gebunden, auf das große blaue Tupfen auf¬
gesprengt waren; dieselbe blaue Farbe kehrte in
einem schmalen Bande wieder, das den daran
hängenden Bleistift umschlang. Erst solche Bei¬
spiele illustrieren wirksam den künstlerischen Wert
dieser Papiere.
Über den Model - und Walzendruck, der um
die Mitte des XVIII. Jahrhunderts aufkam und die
bis dahin fleißig geübte Reliefprägung ersetze, läßt
sich nicht viel sagen. Ein Vorbild gab die Kattun¬
druckerei, die mit sogenannten Holzmodeln ihre
Muster aufdruckte. Diese Model sind Hartholz¬
klötze, meist aus Buchsbaum hergestellt, in die
mit dem Stechzeug des Holzschnitzers die Zeich¬
nung vertieft und negativ eingeschnitten wurde.
Man fand, daß die Holzmodel, mit der man
den Baumwollenstoff musterte, sich ebenso gut
auch auf Papier abdrucken ließ. Man druckte
einfarbig oder mittels mehrerer Blöcke mehrfarbig,
auf weißes oder gefärbtes Papier, selbstverständlich
mit der Hand, und hielt sich an die bis dahin
gepflegten farbenfreudigen Flächenmuster der
Kattundruckerei mit dem bewegten großblumigen
Rokoko oder den Streifen, Streumustern und
73
Sachs, Moderne Buntpapiere und ihre Verwendung.
gleichen Arbeitswerkzeuges, der Holzmodel. —
Mit den Fortschritten der Industrie ging man
dann in der Buntpapierfabrikation allmählich
zu den billigeren Messingwalzen über und be¬
druckte mit ihnen endloses Rollenpapier. # Wir
kennen diese frühen Walzendruckmuster noch
von den ausdruckslosen, üden Rückseiten der
Spielkarten, wo es erst in den letzten Jahren
ganz allmählich von geschmackvolleren Fabri¬
katen abgelöst wird. Trotzdem mub ich ge¬
stehen, dab ich persönlich es bedaure, daß
diese Herstellungsart der Buntpapiere, wie mir
Fachleute versicherten, vollkommen eingeht.
Denn sie erzielen mit ihren simplen antikisieren¬
den Mustern manchmal höchst ansprechende
Wirkungen, die von anderen Techniken kaum
erreicht werden können und würden sicherlich bei¬
spielsweise für Vorsatz und Einbandpapiere kleiner
Notizbücher weit erfreulicher wirken als die nur
leider allzubekannten blauroten Tunkpapiere.
Die gröbere Vervollkommnung unserer Druck¬
verfahren seit dem Beginn des XIX. Jahrhunderts
hat auch der Buntpapierindustrie manches Neue
gebracht. Am wichtigsten ist wohl der Stein¬
druck geworden, der sich zu einer ausgedehnten
Industrie entwickelt hat und für Deutschland
technisch und wirtschaftlich von hoher Bedeutung
geworden ist. Mit ihm begannen allmählich wieder
frische leuchtende Farben das Buntpapier aus
seiner farblosen Langweiligkeit herauszureiben.
Jessen, der verdienstvolle Leiter der Bibliothek
des Königlichen Kunstgewerbe-Museums in Berlin,
hatte für die eingangs erwähnte Ausstellung einen
kleinen höchst instruktiven Führer herausgegeben,
in welchem er von dieser Art der Buntpapiere
folgendes sagt: „Welche Motive im einzelnen ge¬
wählt sind, ist gleichgültig; man kann in alten
und in neuen Ornamenten geschmackvoll und ge¬
schmacklos arbeiten. Gegen Modetendenzen und
Modenamen, deren die Industrie noch immer zu
bedürfen glaubt, wie etwa die sogenannte Bieder¬
meierei, sei man auf der Hut. Nur wenn statt
dessen die künstlerischen Grundsätze wieder zu
Worte kommen, wird auch bei den Buchbindern
der alte Sinn für Farbenwerte und Flächenzeich¬
nung sich wieder herstellen.“
Vom künstlerischen Gesichtspunkte nehmen
heute unter den lithographierten Buntpapieren
zweifellos die Arbeiten des Karlsruher Künstler¬
bundes die erste Stelle ein. Seine Mitglieder
wissen seit langem, dab es nicht mehr genügt,
neue Erfindungen nur zu zeichnen oder zu malen
oder gar unzureichende Skizzen in die Werkstatt
zu schicken. Die rechte Grundlage aller Formen¬
bildung im Kunstgewerbe geben vielmehr die
Technik und das Material. Deshalb übertragen
sie selbst seit langem die Druckmuster für Bunt¬
papiere selbst auf den Stein. Auch im übrigen
Deutschland fehlt es nicht an künstlerischem
Nachwuchs für diese neuen Ansprüche unserer
Zeit. An verschiedenen Orten sind ältere und
kleinen Blumen des Stils Louis XVI. Oft betrieben
sogar die Kattundruckereien selbst eine kleine
Nebenfabrikation von Buntpapieren unter Ver¬
wendung ihrer Model, so in Augsburg, Wien, Ve¬
nedig. Auch diese fröhlichen Modeldrucke finden
wir am Ende des XVIII. Jahrhunderts im Re¬
gierungsbezirk Frankfurt a. O. als Aktendeckel
oder Umschläge alter Kirchenrechnungen. Eine
reizvolle Abwechslung brachte man noch in die
Muster hinein, indem man eine grobe Anzahl
kleiner Messingstiftchen in die Model hineinschlug,
die nur wenig aus dem Holz herausragten und
vor dem Druck mit einer Bronze bestrichen wurden.
Sie musterten den Hintergrund des später farbig
abgezogenen Bogens in eigenartiger Weise.
Noch in einem anderen Gewerbe hat man
übrigens, um dies hier einmal kurz zu streifen,
solcherlei Holzmodel in ausgedehntem Mabe ver¬
wendet, in dem der Honigbäcker oder Lebzelter,
wie sie damals noch hieben. Das Muster, das
der runde, rautenförmige oder sechseckige Kuchen
später zeigen sollte, wurde recht tief aus der
Buchsbaummodel herausgearbeitet, sodann prebte
der Lebzelter den dichten, zähen, gewöhnlich aus
Roggenmehl bereiteten Honigteig hinein , nahm
ihn dann vorsichtig heraus, trocknete ihn und ging
nun erst ans Backen, wobei freilich die schönen
scharfen Konturen der Holzmodel zum Teil wieder
verloren gingen. Es ist jedenfalls interessant zu
beobachten, wie damals die Kattundruckerei, die
Buntpapierfabrikation und die Honigbäckerei
Hand in Hand gingen, unter Ausnützung des
Abb. 2
Sachs, Moderne Buntpapiere und ihre Verwendung.
79
jüngere Kräfte voll Eifer und Begabung dabei,
die Kunst des lithographischen Buntpapieres zu
pflegen, so in den Kunstgewerbe- und Handwerker¬
schulen in Berlin, Düsseldorf, Dessau, Magdeburg,
Elberfeld usw. Von großen Firmen, welche die
Buntpapierindustrie mit Steindruck auf eine künst¬
lerisch höhere Stufe zu bringen bestrebt sind,
möchte ich ganz besonders die Anstalten von
Emil Hochdanz in Stuttgart, von Busch-du-Fallois
Söhne in Crefeld und Reichhold in München
nennen. Bedeutende Künstler haben es nicht ver¬
schmäht, durch Entwerfen von Vorwürfen für litho¬
graphische Buntpapiere diese Industrie künstlerisch
zu beeinflussen, ich nenne nur Sattler, E. R. Weiß,
Hupp, Pankok.
Als letzte Gruppe endlich will ich noch die
Kleisterpapiere kurz besprechen. Nicht als ob ihre
Anfertigung ein Erfolg der Neuzeit wäre. Im
Gegenteil. Schon im XVIII. Jahrhundert ist diese
Kunst in primitiver Weise von den alten Buch¬
bindern gepflegt worden. Aber ich sehe gerade
in ihnen, in ihrer Neubelebung, ein Wieder¬
erwachen individueller ästhetischer Handwerkskunst,
eine Rückkehr zur künstlerischen Durchbildung
des wohlfeilen Bucheinbandes. Ja, noch mehr;
die rasche Vertrautheit mit dem Material, die
technisch einfachen Handwerksmittel ermöglichen
es, dem künstlerisch veranlagten Bücherfreunde
selbst diese Kunst in kurzer Zeit zu erlernen
und seiner Bibliothek eine durchaus persönliche
Note zu verleihen. Auch diese Papiere hat
man bereits maschinell herzustellen versucht.
Daß der feine Reiz, der gerade hier in der
Anfertigung durch die Hand liegt, gänzlich
verloren gehen muß, zeigen die Erzeugnisse
dieser Industrie. Man bedarf nur eines ein¬
fachen Buchbinderkleisters, der mit einer soge¬
nannten Erdfarbe zusammengerieben wird. Be¬
streicht man den Papierbogen mit diesem Ge¬
misch, legt zwei derartig vorbereitete Bogen mit
der Farbseite aufeinander, und bestreicht oder
beklopft nun mit einer Bürste oder anderen
Instrumenten gleichmäßig die Rückseite, so
erhält man nach dem vorsichtigen Abziehen der
Bogen voneinander eine eigenartige Musterung.
Man kann natürlich in der farbigen noch
feuchten Kleistermasse allerhand Zeichnungen
anbringen, mit einem Kamm, Streichhölzern
oder gezahnten Brettchen, mit Pinsel oder
Finger, mit Schwamm und Hasenpfote, durch
Eindrücken von Holzstempeln oder Spitzen
und Borten.
Zahllos sind die Möglichkeiten, nach eigenem
Geschmack auf diese Weise ornamentale oder
pflanzliche, stilisierte oder naturgetreue Muster
dem Papiere aufzuprägen, durch Kombination ver¬
schiedener Farben neue Effekte hervorbringen.
Die freie, oft dem Zufall überlassene Willkür im
Zusammenfließen der Farben, die wir bei den
Tunkpapieren kennen lernten, macht hier einem
zielbewußten Streben nach den von der künst¬
lerischen Eigenart des Einzelnen diktierten Aus¬
drucksformen Platz, es bleibt echte Handarbeit.
In diesem Sinne müssen auch die Papiere von
Frau Lilli Behrens, der Gattin von Professor Peter
Behrens, und Wilhelm Rauch in Hamburg beurteilt
und geschätzt werden. Mit gutem Recht dürfen
wir in Frau Behrens die Wiederbeleberin dieses
Kunstwerkes sehen, die mit reicher Phantasie und
zartem Farbengefühl die verschiedenartigsten
Blätter geschaffen hat. Halbgeöffnete Muscheln,
in wenigen Exemplaren auf graugrünem Meeres¬
grund regellos gestreut, hellbraune Blüten aus
dunkelrotem Geäst sich lösend, zierliche grüne
Zweige mit den Ansätzen kleiner rosafarbiger
Knospen, zarte Wolkenmuster, sie alle verraten
feinen Farbensinn und innige Liebe zum Handwerk.
In den Blättern Wilhelm Rauchs feiert diese
Kunst ihre höchsten Triumphe. Sie beschreiben
hieße auch hier ihre Wirkung beeinträchtigen. So
ungemein fein und zart wirkt sein Tannenzweig-,
Kätzchen-, oder Rosenmuster, daß man über die
mit ihnen gebundenen Bücher die Hand mit
derselben Andacht, mit demselben Frohgefühle
der Schönheit gleiten läßt, wie über den schönsten
feinsten Lederband. Auch Kersten in Berlin übt
diese Kunst in vollendeter Weise.
Schließlich sei der Vollständigkeit halber auch
auf die bekannten japanischen Vorsatzpapiere hin¬
gewiesen. Sie sind, wie es scheint, mit gravierten
Holzwalzen gedruckt und können mit ihren zum
Abb. 3.
8o
Sachs, Moderne Buntpapiere und ihre Verwendung.
Teil recht reizvollen Mustern wie dem grauen mit
den Seerosen auch gewissen Anspruch auf unser
Interesse machen. Sie sind allerdings nicht japa¬
nisch, sondern japanisierend, d. h. für europä¬
ischen Geschmack hergerichtet. In japanischen
Büchern habe ich sie bisher nicht gefunden.
Unter der Flagge der Buntpapiere segeln seit
vielen Jahren schließlich eine Unmenge schauder¬
hafte Surrogate, Imitationen von Leder, Seide,
Leinen, Holz usw. Wir müssen sie mit allen
möglichen Mitteln bekämpfen. Denn das echte
Buntpapier ist ein Papier und will nichts anderes
sein, nichts anderes Vortäuschen. Es soll das ge¬
färbte individuell, eigenartig und für seine Be¬
stimmung besonders behandelte Papier sein und
sich nicht schämen, „nur“ Papier zu sein.
Was nun die Verwendung der Buntpapiere zu
Bucheinbänden betrifft, bei der freilich der per¬
sönliche Geschmack noch ein gewichtiges Wort
mitspricht, so hat man zwischen Vorsatz und
Uberzugpapier wohl zu unterscheiden; freilich wird
gelegentlich manches Papier der einen Art auch
für den anderen Fall zu brauchen sein. Die
Hauptsache ist, daß Überzug und Vorsatz sowohl
zueinander wie auch zu dem Rücken und den
Ecken des Buches harmonisch abgestimmt sind.
Dies gilt in gleicher Weise von der Farbe, von
der Größe des Musters, von seiner Stilart und
ähnlichen Erwägungen. Hat man z. B. ein in
zartem Braun gehaltenes Blumenmuster der Rauch-
schen Papiere als Überzug bestimmt, dann wird
man den Vorsatz möglichst ebenfalls in braun
oder braunrot wählen, doch stets so, daß einmal
die Farben zueinander passen und weiter der Vor¬
satz in Farbe und Muster diskreter und bescheidener
ist als der Überzug und nicht etwa mit diesem
wetteifern will. Den Rücken und die Ecken,
welch’ letztere natürlich eventuell fortfallen können,
denke ich mir in passendem braunen sämischen
oder verkehrten Kalbleder, den ein goldgerändertes
Rückenschildchen von tiefdunkelbraunem Ecrase
oder Saffian ziert. So wird auch das Buchäußere
zu einem einheitlichen Ganzen werden. Ganz
besonders muß man darauf achten, daß das Muster
der Buntpapiere im richtigen Verhältnis zu der
Größe des Buches steht. Wir werden ein Ver-
lainesches Gedichtwerk nicht mit den Riesenwellen
eines Leistikowschen Papieres umgeben und werden
ein großes Mappenwerk nicht in das zierliche
leichte Rankenwerk eines Voglerschen Papieres
einbinden. Nicht ganz einverstanden bin ich mit
den Andeutungen Kerstens in dem vorhin er¬
wähnten Aufsatze, in welchem er für jede Art
Buch oder Heft, sei es Gebetbuch, Schreibheft
oder Geschäftsbuch eine Norm für die Wahl des
Bandes und Bezugpapieres vorschlägt. Ich meine,
daß sich Regeln da überhaupt nicht aufstellen
lassen; ein geübtes und künstlerisch empfindendes
Auge wird stets das Rechte finden. Die hier ab¬
gebildeten Bücher, die ich meiner eigenen Biblio¬
thek entnommen habe, zeigen wohl am besten,
wie ich mir die Verwendung künstlerischer Bunt¬
papiere vorstelle und in welcher Weise ich diese
verwerte. Auch Otto Julius Bierbaums Ansicht
kann ich mich nicht anschließen, der einmal sagt:
„es ist stilwidrig und geschmacklos, wenn der Vor¬
satzschmuck den Inhalt des Buches deutlich illu¬
striert“. Man wird freilich nicht versuchen, für
ein medizinisches Werk durchaus ein aus Schädeln
oder stilisierten Knochen bestehendes Vorsatzpapier
ausfindig zu machen, doch finde ich z. B. Kinder¬
bücher, deren Vorsätze Kinderreigen, Tierbilder usw.
— man denke nur an die reizende Ausstattung
der Gerlachschen Kinderbücherei — zeigen, sehr
reizvoll.
Was von der Diskretion des Vorsatzpapieres
gesagt wurde, gilt in verstärktem Maße von dem
Buchschnitt. Er nimmt das kleinste und be¬
scheidenste Plätzchen in der äußeren Erscheinung
des Bucheinbandes ein und muß als solcher sich
in seiner Farbe durchaus unaufdringlich verhalten,
er darf weiß oder vergoldet oder einfarbig ange¬
strichen sein, der Farbe von Überzug und Vorsatz
natürlich entsprechend. Ganz reizvoll kann es
gelegentlich sein, ihn in demselbem Muster zu
marmorieren wie das Papier des Deckels. Recht
merkwürdig aber nimmt sich eine kürzlich auf den
Markt gebrachte Erfindung aus, mit deren Hilfe,
wie es in dem Prospekt heißt, es nunmehr mög¬
lich ist, eine „ungeteilte Harmonie zwischen Decke,
Vorsatzpapier, Schnitt und Gedankenwelt des
Autors herzustellen“, und zwar durch Aufdrucken
und Aufprägen von Ornamenten, Vignetten, Em¬
blemen, Symbolen aller Art auf die Schnittfläche
des betreffenden Buches. Nun, man kann in dem
Bemühen, dem Buche ein individuelles Gepräge
zu geben oder den Künstlern ein neues Feld ihrer
Betätigung zu eröffnen, auch über das Ziel hinaus¬
schießen. Es gibt Dinge, denen man beim besten
Willen nicht mit der Kunst beikommen darf.
Was Loubier in seinem bekannten Werke über
den Bucheinband sagt, gilt auch hier: „Der Fabrik¬
einband des Verlegers kann den Einzeleinband
der Handbuchbinderei niemals ersetzen. Der
letztere behält seinen höheren Wert wegen der ge¬
diegeneren dauerhaften Arbeit und wegen des edleren
Materials“ und wie ich selbst hinzufügen möchte,
wegen der persönlichen Note, die der Besitzer,
der Besteller nach eigenem Geschmacke, selbst
hineinlegen kann. Die Fabrikation der Buntpapiere
gibt uns die beste Gelegenheit zur künstlerischen
und ästhetisch wertvollen Ausgestaltung unserer
Bibliothek. Die liebevolle Beschäftigung mit un¬
seren Bucheinbänden gibt uns reiche, künstlerische
Anregung, sie stärkt unser Stilgefühl und erweist
unseren Büchern die ihnen zukommende Achtung.
Alle Rechte Vorbehalten. — Nachdruck verboten.
Für die Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Carl Schüddekopf-Vt eimar, Grunstedterstr. 16. Druck u. Verlag v. IV. Drugulin-Le'vpzig, Königstr. io.
Kopfleiste. „Arena“, Berlin.
Deutsche Buchkünstler der Gegenwart.
I. Hu^o Stein er -Prass
o o
Von
Dr. Friedrich Seile in Leipzig.
Mit zwei Beilagen und 44 Abbildungen.
enn ihrs nicht
fühlt, ihr wer-
det’s nicht er¬
jagen! Einen
Künstler kann
man erleben
oder man kann
unfähig sein, ihn
zu erleben, nie
aber kann man
über einen
Künstler ent-
giiltig schreiben.
Ebenso ist’s mit
Büchern, man
kann nicht ent-
gültig darüber
schreiben, man
kann nur ein Er¬
lebnis darstellen,
das man mit einem Buche gehabt hat, wie man
einen Künstler nur als Erlebnis darstellen kann.
Auch die neue Buchkunst ist etwas, worüber
man nicht entgültig schreiben kann, denn sie
ist etwas Lebendiges, Werdendes. Für jeden
wird sie ein anderes Erlebnis darstellen, denn
jedem begegnen andere Bücher, andere Buch¬
künstler in anderer Gruppierung, anderer Folge.
Nun will ich hier anderen Menschen, be¬
sonders kultivierten Menschen , die Bücher¬
freunde sind, darstellen, wie ich die buch-
Z. f. B. 1909/1910.
schmückende Kunst Hugo Steiners-Prag schaf¬
fend und in ihren Schöpfungen vor mir sehe. Ich
muß vorausschicken, daß ich mich nicht Bücher¬
freund nennen darf. Ich kann mit Büchern
nicht Freundschaft halten. Ich vermeide den
geselligen Verkehr mit Büchern. Mir entartet
jede kultivierte Beziehung zu Büchern sofort zu
persönlichem Lieben oder Hassen.
Wenn ich mich an meine Aufgabe mache,
die Arbeit eines Buchkünstlers darzustellen,
wird also wohl nur ein sehr persönliches
Stimmungsbild herauskommen. Aber ich habe
in jener persönlichen Reizbarkeit einen äußerst
wachen Instinkt dafür, ob ein Buch, das ich
liebe, durch seinen Schmuck meine Zuneigung
steigert, oder ob ein gehaßtes Buch seine
Häßlichkeit im Schmuck noch betont. Ich
glaube, daß alle Kritik, die einigermaßen et¬
was taugt, nur ein durch Allgemeinbildung
temperiertes Lieben oder Flassen sein muß, und
der beste Kritiker wird noch immer der mit den
schärfsten, wachsten ästhetischen Instinkten sein.
Wenn diese Instinkte auch im Verlauf der
Betrachtungen mitsprechen werden, so kann
ich nichts dazu und dagegen tun, meine Auf¬
gabe und Absicht ist einzig die, die schaffende
Arbeit eines Achtundzwanzigjährigen darzu¬
stellen. Diese Arbeit ist eine lebhafte Entwick-
lung und steht als solche in einer andern höhe¬
ren Entwicklung, die wir die neue deutsche
Buchkunst nennen. Sie ist in dieser eine Kraft
1 1
82
Seile, Hugo Steiner-Prag.
und ein Trieb, und niemand überschaut heute
die Gesamtheit der Kräfte und Triebe des
großen Entwicklungsganges der neuen Buch¬
kunst. Ich habe vor mir eine Kraft, gekräftigt
und kräftigend, einen Trieb, treibend und ge¬
trieben im Unübersichtlichen, im Unbeschreib¬
lichen, das jeder anders sieht, jeder anders be¬
wertet. Ich werde mich hüten , die Arbeit
Steiners-Prag zu bewerten; ich habe gefunden,
daß Buchhändler das immer am ersten und
besten tun.
Aber ich habe doch etwas sehr Wichtiges,
Allgemeingültiges gerade an der Künstlerarbeit
Steiners herausgefunden, sie bietet in auffallend
lückenloser Durchführung eine Bestätigung des
bekannten lio genetischen Grundgesetzes für das
wichtige Gebiet der Ästhetik, zu dem sie gehört.
Das Gesetz lautet: Die Entwicklung des
Einzelnen ist eine kurze und schnelle Wieder¬
holung der Entwicklung des Ganzen. Es ist
von Hiickel als Grundgesetz der Entwicklung
alles Organischen gefunden worden. Hier sei
es auf die Buchkunst und einen Buchkünstler,
einen beliebigen Buchkünstler als gutes Bei¬
spiel, angewendet. Ich glaube, es ist dies der
beste, vielleicht der einzige Weg, sich in den
Organismus einer Kunst, einer Künstlerpersön¬
lichkeit hineinzufinden, sich in die wirkenden,
webenden Kräfte eines Ganzen oder eines Ein¬
zelnen einzufühlen. Jedenfalls ergibt dieser Weg
immer ein darstellbares, mitteilbares Erlebnis in
Kunstdingen ; denn jenes Gesetz ist der ruhende
Mittelpunkt in dem flirrenden Kreisen und
Wechselspiel der ästhetischen Nuancen. Von
ihm aus kann man zu jeder künstlerisch indi¬
viduellen Peripherie gelangen.
Seile, Hugo Steiner-Prag.
83
Die neue Buchkunst dient keinem Stil, stellt
selbst keinen Stil dar, das heißt, sie begreift
sich heute als etwas Organisches, Schöpferi¬
sches, ist nicht in einer in Gesetzen gebundenen
Form erstarrt. Sie hat für sich selbst den Be¬
griff : Gelegenheitskunst gefunden. Ich möchte
einen scharfen Unterschied zwischen diesem
Begriff und dem Ausdruck: angezvandte Kunst
machen.
Die angewandte Kunst war ein Anfang, ein
Übergang für die zur besonderen Kunstart:
Raumkunst, Buchkunst, Szenenkunst usw. über¬
gehenden Gruppen freier Künstler, die sich mit
ihrem Können an gestellte Gelegenheitsaufgaben
banden: einen Raum, ein Buch, eine Szene usw.
zu schmücken. Sie wandten die Kunst bei
solchen gelegentlichen Aufgaben an. Die Leute
des Übergangs waren dann Dekorateure, Buch-
schmücker, Kulissenmaler. Sie waren Künstler
und für die Gelegenheit „angewandte Künstler“.
Was sich in rascher Entwicklung heute zur
Raumkunst, Buchkunst, Szenenkunst ausgebaut
hat, ist etwas für sich, hat zu seinen Zwecken
neuartige künstlerische Kräfte und Einzelne
ausgebildet: die Gelegenheitskünstler. Ich unter¬
scheide also scharf zwischen Buchschmückler
und Buchkünstler, zwischen Buchschmuck und
Buchkunst.
Die Gelegenheiten der Buchkunst sind die
Wortkunstwerke jeder Art, die für die Allge¬
meinheit vervielfältigt werden sollen; das heißt
also, daß eigentlich jedes Manuskript eine Auf¬
gabe für die Buchkunst darstellt. Daß es
Schriftsteller und Verleger gibt, die das noch
nicht einsehen, ist bedauerlich, und jedes Manu¬
skript, das (geschäftlich betrachtet) die Arbeit des
Buchkünstlers nicht tragen kann, ist (kulturell
betrachtet) nicht wert, daß es gedruckt wird.
Weil also die Buchkunst ein Organisches
und jedes Buch (als Manuskript) ein Organis¬
mus ist, so ist jede Buchschmückung ein orga¬
nischer Vorgang, eine Befruchtung der Buch¬
kunst durch das Buch. Jedes literarische Werk
hat im Titel seinen Kopf, in der Einteilung
seine Gliedmaßen, im Stoff das Blut, in der
Stoffbehandlung den Herzschlag. Das Ganze ist
ein Eigenes. Keins gleicht dem andern, jedes
hat andere Beziehungen seiner inneren Funk¬
tionen, andere Wirkungen nach außen.
Es ist eine Gemeinheit, das Eigene zu kaser¬
nieren, uniformieren zu wollen; der neuen Buch¬
kunst danken wir diese Erkenntnis; in ihr ver¬
einen sich die Bestandteile und Schmuckteile
der Buchform zu immer neuen ästhetischen
Einheiten. Einband, Exlibris, Titel oder Dop¬
peltitel, Schnitt, Vorsatzpapier, Bilder, Bilder
im Text, Kapitelköpfe, Zierleisten, Initialen,
Typen — , nur als in Wechselwirkung vonein¬
ander abhängige Teile einer lebendigen Einheit:
des Buchs, versteht sie die neue Buchkunst.
Sie entwickelt diese ihre Einheiten immer freier,
mannigfacher, verfeinerter in Auslese zahlloser
Betätigungen, versuchender Wirkungen, für die
sie kein anderes Gesetz anerkennt, als das der
organisch wechselwirkenden Einheit. Innerhalb
dieses Gesetzes sind die Wirkungsmöglichkeiten,
die formfindenden Versuche so zahlreich wie
die Gelegenheiten der neuen Kunstbetätigung
überhaupt, das heißt, sie sind unendlich und un¬
endlich variabel.
Es ist ein hoher ästhetischer Genuß, dieses
innerlich Lebendige einer neuartigen künstleri¬
schen Schöpfung heute in auserlesenen Biblio¬
theken zu fühlen. Man fühlt sich von einer
Anzahl vollkommner künstlerischer Bildungen
umgeben, deren jede ihr eigengeprägtes Wesen
und Wirken in sich trägt nach jenem einen
grundlegenden ästhetischen Lebensgesetz. Mit
einem Handgriff nach dem und jenem Buch,
mit tastendem Prüfen des Materials, mit einem
Kopfleiste.
„Arena“, Berlin.
Seile, Hugo Steiner-Prag.
84
Pergamentband mit Goldpressung. Verlag von Johann Ambr. Barth in Leipzig.
Ausgeführt von der Spamerschen Buchbinderei, Leipzig.
gleitenden Durchblättern und einem nur an¬
schauenden Blick, der nicht lesen will, fühlt
man dann das Wirken der neuen Buchkunst.
Ein neues künstlerisch geschaffenes Buch er¬
leben, heißt also die künst¬
lerische Gelegenheit seiner
Schöpfung begreifen.
Jede Begegnung wird da
anders sein, denn die Ge¬
legenheit wird immer an¬
ders sein. Ein Manuskript
ohne derart differenzierte
Individualität ist keine
Gelegenheit für ein künst¬
lerisches Buch; dies ist
gegeben in unserer indivi¬
dualistisch differenzierten
Kultur.
Dies ist nicht etwa
nur ästhetische Theorie,
sondern glücklicherweise
heute schon praktische
Geschäftskunde der besten
Verlagsfirmen. Zeitgemäß
wird sich hier jedem
Bücherfreund der Einfühlungskreis beschränken.
Die Individualität eines literarischen, überhaupt
irgendeines Schriftwerks erfordert naturgemäß
eine individuelle Verwandtschaft dessen, der
das Werk an sich und in
seinem künstlerischen
Eigenleben als Buch aus¬
schöpfen will. Es bilden
sich freie Gruppen von
künstlerischen Büchern
und von modernen
Bücherfreunden. Es ist
wahrscheinlich, daß sich
die Gruppen noch mehr
und mehr zerteilen. Dafür
wird das Erlebnis mit
jedem einzelnen Buch
immer intensiver. Der
„Bücherwurm“ wird mehr
und mehr zur historischen
Monstrosität.
Die Tatsache, daß in
den letzten Jahren eine
ganze Reihe glücklicher
Schöpfungen an Druck-
Seile, Hugo Steiner-Prag.
35
typen entstanden sind, ist eine Ent¬
wicklungsnotwendigkeit in dieser
Richtung. Wir genießen heute mit
wahrem ästhetischen Gefühl die
Harmonie eines Buchinhalts mit der
Kraftstufe und Ausprägsamkeit der
Type, in der er gesetzt ist, wir
haben einen sicheren Instinkt, ob
ein Werk, das eindringlich zu
unserem Hirn oder Herzen redet,
uns in den Maßverhältnissen der
Spatien, der Zeilen, des Seitensatzes,
der Seiten hemmungslos im Gleich¬
takt der intellektuellen Arbeits¬
leistung oder der Stimmungspulse
trägt, ob uns die Auftakte wieder¬
kehrender Zierleisten erfrischen, ob
eine Initiale uns stärkt im kräftigen
Atemholen zum nächsten Sprunge
des Gedankens oder der Vorstellung,
ob Kapitelkopfe und Schlüsse nötig
oder gefällig sind, um uns die
Pausen des Aufnehmens mit spie¬
lender Zerstreuung oder sammeln¬
der Bildsymbolik zu füllen, ob uns
Textbilder die Anschauung lücken¬
los und kräftig gestalten, ob Bild¬
blätter die Flucht der Kapitel zu
einer Anschauungseinheit des Gan¬
zen auf bauen, ob mit Titel und
Vorsatz ein thematisches Präludium
harmonisch anklingt, ob da der
Einbanddeckel einklingen darf, oder ob er nur
mechanischen Zwecken der Handhabung und
allgemein ästhetischen und qualitätachtenden
Wünschen des Besitzers Rechnung tragen soll
und ob schließlich unser Exlibris wie ein Familien¬
dokument der Buchindividualität mitzugeben ist.
Über all dem Einzelnen muß aber immer
als sicheres Fühlen, als ästhetischer Genuß das
Bewußtsein herrschen, daß ein Organisches,
Einheitliches, in sich Einziges geschaffen ist,
dessen Teile alle in ihren Funktionen in Wechsel¬
wirkung stehen, um den lebendigen Eindruck
zu geben, der sich zur zusammenklingenden
Doppelindividualität mit dem Werkinhalt eint,
so daß Leser, Buchinhalt und Buchform einen
reinen Dreiklang bilden.
Dem Leser begegnet im künstlerischen
Buche Geschaffenes , der Buchkünstler erlebt
in sich das künstlerische Schaffen, den Ent-
stehungsprozeß des Buches. Wenn er ihn nicht
als einen organischen Prozeß begreift, in dem
alle Teile die Lebenskraft des Ganzen bedingen,
Vignette aus „Andersen“. Gerlachs Jugendbücherei.
86
Seile, Hugo Steiner- Prag.
ihre Wirkungskraft selber nur als Teil des
lebendig entstehenden Ganzen gewinnen, dann
ist er kein neuer, kein rechter Tuchkünstler.
In dieser Bedingung ist aber auch das allein¬
gültige Gesetz seines Schaffens gegeben,
innerhalb desselben hat er völlige individuelle
Freiheit.
Zunächst die Freiheit der Wahl seiner Ge¬
legenheit für eine Schöpfung. Es muß jedesmal
eine kulturelle Zuchtwahl sein. Es liegen eine
Menge lebensunfähiger Mißgeburten auf dem
Büchermarkt, die aus der wahllosen Zuchtlosig¬
keit unfähiger Buchschmückler stammen. Die
Spezialisierung der Produktion ist nicht nur eine
Tatsache der volkswirtschaftlichen, sondern auch
der kulturschaffenden Entwicklung. Die besten
Buchkünstler bauen durchaus nicht alle Gebiete
der Bücherei an; sondern nur noch die ihnen inner¬
lich eigenen bauen sie aus. Die individuellen
Mannigfaltigkeiten der Verfeinerung und Ab¬
klärung im Ausbau jedes Gebiets sind völlig
unbeschränkt, das wissen wir heute. Individu¬
elle Klotzigkeiten betören heute nur noch die
unreife Jugend. Die Verfeinerung und Aus¬
gleichung jeder künstlerisch organischen Buch¬
schöpfung bleibt aber immerdar bestimmt und
individuell unterschieden durch dreierlei: erstens
durch die gewählte Gelegenheit der Aufgabe,
zweitens durch die Harmonie dieser Aufgabe
mit der intimen kulturellen Persönlichkeit des
Buchkünstlers, drittens — und das ist das
schöpferisch Wesentlichste — durch die indivi¬
duelle Formensprache des Buchkünstlers.
Zur Übergangszeit der Buchschmückler war
der dritte Punkt noch vernachlässigt. Wenn
da ein Künstler nur ein Buch fand, dem er
innerlich als Kulturmensch nahe stand, dann
„stattete er es aus“ — wie eine Schwieger¬
mutter die Braut — „wie es Mode war und so
schön wie möglich“. Aber der lebendige
Leib ist schöner und wichtiger als zwei Dutzend
Nachthauben mit Spitzen. I leute hat der Buch¬
künstler das Bewußtsein, daß er das Eebendig-
Schöne, das künstlerische Buch schaffen muß,
und hat sich selbst die Empfindung dafür ge¬
schärft, ob ihm die eine Gelegenheit nicht etwa
nur den lebenvortäuschenden Aufbau einer
Strohpuppe gestattet, während eine andere,
seiner Formensprache und seinem Formgefühl
wahlverwandt, ihm eine Schöpfung in organi¬
scher Plinheit und natürlichem reinem Ebenmaß
auslösen muß. Denn die P'ormkeime mit allen
individuellen Gestaltungsmöglichkeiten ruhen in
seinem Künstlertum.
Von der Gelegenheit einer schöpferischen
Aufgabe befruchtet, entwickelt sich Teil an Teil,
differenzieren sich Teilgruppen zu schmücken¬
den Funktionen, zu ordnenden Funktionen, alle
Teile sind wirkend zu einander bezogen, das
Ganze lebt als ein Organismus, der in individu¬
eller Vollkommenheit die Möglichkeiten der
Formkeime ausgebildet hat; ein Buchkunstwerk
ist entstanden. Die künstlerische bewußte Zucht¬
wahl besonders auch in Hinsicht auf die Mög¬
lichkeiten individueller künstlerischer Formgebung
führt natürlich zu einer ganz besonders kräfti¬
gen, klaren Ausbildung der Eigenform in den
Schöpfungen eines solchen neuen Buchkünstlers.
So wäre nun ein Urbild des neuen Buch-
ktinstlers gewonnen, dem durchaus nichts sche¬
matisch Gesetzliches oder Stilistisches anhaftet,
was die Entwicklung der Einzelindividualität
in freiem Kräftespiel stören könnte. Der Name
Steiner-Prag ist hier des längeren nicht mehr
gefallen. Der Buchkünstler Steiner-Prag kann
als sehr eindrucksvolles Beispiel der lebendigen
37
Seile, Hugo Steiner-Prag.
individuellen Möglichkeit dargestellt
werden und kann nur so dargestellt
werden.
Nichts liegt mir ferner, als
behaupten zu wollen, daß Steiner-
Prag ein vollkommenes Beispiel,
sozusagen die Individuation des
Idealbildes selbst sei, aber er stellt
ein bewußtes Streben nach dem
neu Typischen dar. Eine künstleri¬
sche Entwicklung schöpferischer
Darstellungs- und Anschauungs¬
elemente aus systematischem Stu¬
dium, wie bei einer freikünstleri¬
schen Persönlichkeit, erübrigt sich
bei Steiner -Prag, denn er ist mit
seinen buchkünstlerischen Gelegen¬
heiten gewachsen ; ich habe bei
persönlichen Begegnungen mit ihm
immer mit Interesse beobachtet,
wie er ganz in eine neue schöpferi¬
sche Gelegenheit eingelebt, frühere
Buchschöpfungen eigner Hand
scharf kritisierte, weil im neuen
Erlebnis kein Raum für frühere
Ergebnisse vorhanden war.
Daß er in Prag geboren ist,
in Prag und München Kunstschüler
war, ist tatsächlich fast spurlos in
seiner Werkkunst. Was er gelernt
hat, war einzig freie und klare
Ausdruckssicherheit für das, was er
an individueller Formensprache später gegeben
hat. In München hat er dann an den Versuchs¬
ateliers von Debschitz als Lehrer einige Zeit
gewirkt, darauf in Barmen, und jetzt ist er
Lehrer an der Königlichen Akademie für
graphische Künste und Buchgeiverbe Leipzig.
Da in seinem individuellen F'ormgefühl, in
seiner eigenartigen Formensprache auffallend
mitteilbare Elemente liegen, so war sein Einfluß
bei Debschitz und in Barmen sehr ausgeprägt
in der dekorativ formalen Art der Arbeiten
seiner Schüler; dasselbe hat sich in gewissem
Grade auch in Leipzig gezeigt, jedoch gibt hier
die glänzende Organisation der Lehranstalt, die
ganz und gar auf die neue Buchkunst, wie wir
sie oben darzustellen versuchten, eingestellt ist,
Gelegenheit, daß Steiner nicht nur in schmücken¬
den Formentwicklungen sondern in organischer
Schlußvignette aus „Andersen“.
Gerlachs Jugendbücherei.
88
Seile, Hugo Steiner- Prag.
Der Lenz.
Illustration als Kopf für ein Gedicht von Lenau.
Gerlachs Jugendbücherei.
Vereinigung aller buchkünst¬
lerischem Lebenselemente
zum Gelegenheitswerk vor¬
bildlich wirken kann. Die Be¬
deutung Leipzigs als Bücher¬
markt und Sitz moderner
buchtechnischer Großbe¬
triebe unterstützt natürlich
auch praktisch Steiners
eignes Wirken und vermittelt
liehen künstlerischen Leben
erhalt.
Die Lebenselemente jedes
künstlerischen Buches sind
die Typen seines Satzes.
Es sind gleichsam die Zellen,
deren Gewebe die Grund¬
lage des organischen Auf¬
baus bilden. Steiner- Prag
hat noch nicht die eminente
Aufgabe gelöst, eine Schrift
zu entwerfen, die über alle
technischen , psycho - physio¬
logischen und formal-ästheti¬
schen Grunderfordernisse
hinaus seine persönlichsten
Künstlercharaktere in der
formstrengen Beschränkung
der Eigentype kristallisiert.
Steiner betont heute mit
Recht, daß in den alten
Schriften schon die vollen¬
dete Formmöglichkeit ge¬
geben ist, und mit einer per¬
sönlich-ästhetischen Abwäg¬
ung das vorläufig Wünsch¬
bare ihm bieten kann, bis er
auch einmal aus Eigenem
auch seinen Schülern Gelegenheiten zu wirken¬
der Arbeit.
Um ihn selber darzustellen, möchte ich und
muß ich einzig seine buchkünstlerischen Ge¬
legenheitswerke hier aufzeigen : es ist notwendig
so, daß die menschliche Persönlichkeit dort zu¬
rücktritt, wo jede Aufgabe so mit der Persön¬
lichkeit verschmelzen muß, daß diese in jener
aufgegangen zu sein scheint. Das gezeigte
Material ist aus verschiedenen Bucherscheinun¬
gen herausgenommen. Wäre Steiner ein voll¬
kommenes Beispiel neuer Buchkunst, so wäre
eine solche Auslese undenkbar, denn es würde
ein Zerreißen von Organismen bedeuten, man
müßte denn in Reproduktionen ein Einzelwerk
in seinem Gesamteindruck zu rekonstruieren
versuchen. Steiner ist jetzt auf dem Wege,
bald solche Forderung stellen zu können. Heute
lest er uns noch Buchteile im einzelnen
vor, und es mag meine Aufgabe sein, so¬
weit die Darbietungen zusammenzuschließen,
daß das, was vorgezeigtes Präparat in Repro¬
duktion ist, wieder etwas von seinem ursprüng-
eine lebensechte Schrift entwirft. Er betont mit
ebensoviel kritischer Schärfe wie Berechtigung,
daß die Schöpfung einer Schrift ein künstleri¬
sches Entwicklungsende, kein Anfang sein darf,
und verwendet für seine persönlich-künstlerischen
Bedürfnisse, soweit das jeweilige Gelegenheits¬
werk eine geschriebene Schrift in Reproduktion
tragen darf und soll, eine schlanke strebende
Antiqua, deren Nuancen mit den Anwendungs¬
gelegenheiten variieren.
Unter den Schmuckteilen eines Buches wird,
je mehr das Ganze organisches künstlerisches
Leben hat, um so reichlicher die Ornamentik
des Buchkünstlers das Ganze durchwachsen.
Steiner-Prag hat nun einen wundervoll eigen
ausgeprägten Ornamentsinn. Das Ornament ist ja
überhaupt das Sinnbild künstlerisch organischen
Wachsens: ich kenne keinen größeren Genuß bei
Werkstättenbesuchen, als einen Künstler bei
ornamentalem Entwerfen zuzuschauen, ganz im
Gegenteil empfinde ich das Zuschauen bei der
Entstehung eines Gemäldes eines Bildwerks
gerade bei großen Künstlern fast peinlich.
Vollbild aus „Die Elixiere des Teufels“.
Verlag G. Grote, Berlin.
Z. f. B. 1909/1910. Heft 3. Tafel x.
Zu Seile • Hugo Steiner-Praj
Seile, Hugo Steiner- Prag.
89
Vignette aus „Andersen*
Das Ornament ist das
Sinnbild nicht nur des künst¬
lerisch organischen Wach¬
sens, sondern alles organi¬
schen Wachsens überhaupt;
eine einzige Bruchstelle, die
das Zirkulieren lebendiger Kräfte im Ornament
hemmt, ist der Tod des Ganzen, andererseits ist
der laterale Bau jedes Ornaments, der bilaterale
Bau des gezeichneten Ornaments , die künstleri¬
sche Verklärung natürlichen Wachstums.
I ie Ornamentik Steiners -Prag
möchte ich besonders ausführ¬
lich darstellen, wie ich sie als
ästhetischen Genuß erlebe.
Steiner nimmt das Linien- und
Formenspiel weder rein als
konstruktives Element, noch
rein als naturalistisches Ele¬
ment, er nimmt die figürliche
Form weder rein dekorativ noch rein illustrativ
im Ornamentstück, er vereinigt vielmehr, oder
besser gesagt: ihm vereinen sich vielmehr diese
vier elementaren Arten des Ornaments zu einem
Organon, das ein ewig veränderliches Spiel be¬
lebter Zier, zierlichen Lebens scheint und jedes¬
mal zu seiner Bestimmung im Gelegenheitswerk
erst erwächst, wobei das eine oder andere jener
vier Elemente bald die Formen bedingend, bald
in den andern Formen bedingt erscheint.
Dieses scheinbar selbständige Wachsen des
Ornaments zu seinem Gelegenheitszweck ist
bei Steiner ganz eigenartig und sehr augen¬
fällig, seine Lebensbedingungen fließen völlig
aus dem Sinn der Werkgelegenheit, wachsen
Gerlachs Jugendbücherei.
ganz in das Organische des Buchinhalts selbst
hinein. Die rein ästhetische Wirkung empfindet
man unnachdenklich als schön, aber gleich¬
zeitig klingt aus den Formen halb suggestiv,
halb gedanklich symbolisiert der Sinn des Werks.
Man begegnet gleichzeitig
dem Geistigen
und
Initial für
Eugen Diederichs
Verlag, Jena.
Ästhetischen des Buchkünstlers und gleichzeitig
auch dem Geistigen und dem Wollen des
Schriftwerks in Steiners Gelegenheitsornamentik;
ich möchte das Wesen seines Ornaments in
dem Charakter als „ Sinnornament “ zusammen¬
fassend bezeichnen.
Es werden dieser Abhandlung eine Fülle von
Beispielen von Steiners Ornamentkunst beige¬
geben. Da sind zunächst die Initialen. Wenn
auch heute noch nur in seltenen Glücksfällen
dem neuen Buchkünstler sein Recht wird, auf
die Gestaltung des Satzes einzuwirken, die Be¬
tonung der Abschnitte, der Kapitelköpfe und
Enden, der Seitenform ist doch schon seinem
künstlerischen Bedürfnis Gelegenheit zur Ge¬
staltung. Die wenigen Initialen hier im Text
sind übernommene Beispiele, die eben nur das
Leben der Ornamentform Steiners in Initialen
zeigen sollen in der schönen
zwischen Maß , Ornamentsinn und
für Satz und Buchinhalt.
Steiner liebt es, die Textseiten mit Zierleisten
zu schmücken. Da betont er im fortlaufenden
Text nur die Breite des
Satzes, und elegantes Linien¬
werk spannt sich schlicht
zu einer mittleren Betonung
feinbewegter dekorativer
Form, die um die Seiten¬
zahl wächst oder mit Natur¬
formen, zuweilen gar
Abwägung
Bedeutung
zart Figürlichem
mit
in den
Textsinn einklingt. Er ist
dabei Meister jeden Form¬
lebens der bewegten, jeder
Formbildung der unbelebten
Welt, ihm stehen schon für
solche wenig auffällige Zier¬
stücke Gestirne, Pflanzen,
12
Luxusband, schwarzes Leder mit roter Auflage und Goldprägung. Ausgeführt von der Buchbinderei H. Sperling in Leipzig. Verlag G. Grote, Berlin
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Innentitel.
Verlag G. Grote, Berlin
92
Seile, Hugo Steiner-Prag.
Klassikerband, Grünes Leder mit Goldprägung. Verlag G. Grote, Berlin.
Ausgeführt von G. Sperling in Leipzig.
Pflanzenteile, Tierisches, Menschliches, Land¬
schaftliches, Symbolisches so unendlich mannig¬
fach in Maß und Formnuance zu Gebote, daß
er sie organisiert, ohne daß der Leser empfindet,
daß da ein eigenwilliges Leben nebenher wirkt,
für ihn kommt daraus nur ein unbewußtes
ästhetisches Behagen beim Wandern des Auges.
Sobald eine Textseite oben einen Abschnitt¬
anfang bringt, unten einen Abschnitt endet,
genügt der bescheidenste Raum dem Künstler,
die Zierleiste stärker als Sinnbild zum Text zu
bewußtem Bild -Erleben für den Leser zu
formen. Ich bringe da ein paar sehr frühe
Arbeiten Steiners-Prag. Zwei Winternächte sind
landschaftlich ebenso eindrucksvoll gestimmt
wie linear und in Schwarz -Weiß -Wirkung klar
und kräftig.
Auch aus den kleinen Bändchen, die Steiner
vor mehreren Jahren schon für Gerlachs Jugend¬
bücherei gearbeitet hat, möchten wir einige
Beispiele heranziehen. Da ist eine sehr schmale
Leiste: eine Burg in der Ebene auf hohem Wall,
vorn ein Weg mit hellen lustigen Bäumchen;
in Baumgruppen endet das Zierstück, ein
Schlußstück zu einer einzigen kleinen Seite von
Andersens alternder Weltfriedenstimmung: Ein
Bild vom Burgwall ans. PA ist beileibe keine
Illustration; Andersens Stimmung ist herbstlich,
Steiners Ornamentleiste ist lustiger Lenz, aber
sie ist ein tragendes Parallclglied im künst¬
lerischen Buchwerk und will nicht mehr sein.
Ebenso ist’s mit dem Tannenbauin. Die Ge¬
schichte Andersens erzählt eine Moral, Steiners
Kopfleiste gibt eine Formimpression aus der
Natur und zwei groteske Raben. Sind diese
mehr ornamentales Stückchen oder mehr Mär¬
chenmoral ? Das lebendige persönliche Mit¬
schwingen des künstlerischen Schmucks im
Inhaltseindruck, das ist jedenfalls das Feine.
Die Beispiele bringen weiterhin den Bieder¬
meierteetisch zu Andersens Geschichte einer
Teekanne. Es ist noch fast eine Leiste, nimmt
allerdings die Hälfte der kleinen Buchseite ein,
ist in seiner künstlerischen Lebendigkeit fast
Illustration, vermeidet alle plumpsende Märchen¬
bildmanier, denn es ist nur eine Teekanne, kein
zappelndes Märchending. Der Text läuft auf
der nächsten Seite weiter, es ist also kein
Schlußstück — was ist’s: Ein Teil eines
künstlerischen Buchs, fein und lustig lebendig.
Seile, Hugo Steiner-Prag.
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Verkleinerte Titelseiten aus E. T. A. Hoffmanns „Elixiere des Teufels“ Verlag G. Grote, Berlin.
Verkleinerte Titelseiten aus E. T. A. Hoffmann ,,Die Elixiere des Teufels
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Seile, Hugo Steiner-Prag.
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Seile, Hugo Steiner-Prag.
95
Ich möchte gleich
hier weitergehen zum
künstlerischen Wesen
Steiners in Kapitelkop-
fen und Schlußstücken.
Die Gedächtnissäule
Vergiß mein nicht ist
Schlußstück zu dem
traurigen Ende der Tee¬
kanne als Scherbe.
Andersens poetischer
Sinn wird dort nach¬
denklich und von
blasser Schwermut. In
Steiners Schlußstück
ist das Märchen schon
längst vorbei und das
poetische Sinnieren
feinsten Empfindens er¬
hält Bildform, Zierform.
Doch das sind alles
Arbeiten von 1904,
sind Steiners Anfänge,
sind buchkünstlerische Präludien.
Ich muß, um Steiners Ornamentik gerecht
zu werden, jetzt auf sein erstes großes Gelegen¬
heitswerk hinweisen,auf
sein Buchkunstwerk:
Die Elixiere des Teufels
von E. T.A. II (ff manu,
mit Zeichnungen von
Hugo Steiner -Prag.
Berlin 1906. Grote sehe
l Verlagsbuchhandlung.
Ich bringe in Repro¬
duktion vier vollstän¬
dige Seitenbilder. Die
erste Seite (280) gibt
eine Kopfleiste, die
einem fast rein linearen
Bewegungssinn Aus¬
druck findet, und dann
ein streng- und fein-
gliedriges Schlußorna¬
mentstück. Ich möchte
dabei besonders nur auf
die elegante Gesamt¬
wirkung der Seite hin-
weisen und auf das
Vibrierende im Schlußstück, das ganz streng
ornamental aufgebaut, zwischen wucherndem
Aufstreben und breitem Ruhen schwebt; das
Brauner Lederband mit Blind- und Goldprägung.
Ausgeführt von H. Sperling in Leipzig.
R. Voigtländers Verlag, Leipzig.
Halbpergamentband. Hellgrünes Überzugpapier, Goldprägung. Ausgeführt von H. Sperling in Leipzig.
Verlag G. Grote, Berlin.
96
Seile, Hugo Steiner-Prag.
Monatsbild (Mai) aus „Leipziger Kalender 1909“.
Verlag Georg Merseburger, Leipzig.
scheinbar streng pflanzlich elementar konstruiert
ist und doch etwas von Tierkopfform an¬
klingen läßt. Das Lebendige dieses formal
ganz strengen Ornaments wird erst der ganz
fühlen, der einerseits den christkatholisch mysti¬
schen Charakter von Hoffmanns malerisch
phantastischer Dichtung erlebt und anderer¬
seits Steiners künstlerische Durchgestaltung
dieses Charakters im Buchkunstwerk des Grote-
schen Verlags.
Die andre Seite (283) ist das Ende des
Werks. Die Kopfleiste ist im Linearen sehr
still, im Mittelstück sehr reich und edel bei
aller Schlichtheit. Das Schlußstück trägt auf
pflanzlichen und figürlichen Vertikalstrebungen
eine köstliche Kurve, die sich ganz vorsichtig zum
Kreis in den Raum vortasten möchte; das
Sinnbildliche , die Abgeschlossenheit der Heiligen
im Blütenhain, drängt sich garnicht vor, ordnet
sich willig dem ornamentalen Liniensinn unter.
Seile, Hugo Steiner- Prag.
Hier findet sich auch eine ganz einfache Probe
geschriebener Schrift.
Als weitere Seitenbilder möchte ich noch
die Köpfe der ersten Kapitel vorweisen;
ziemlich schwer liegt auf den Seiten der stark
bildhafte Kopf, gefaßt in einem ebenso formen-
reichen wie elegant disponierten Ornament¬
rahmen. Man möchte mit sich streiten, ob der
Rahmen dekorativer ist oder das Bild. Das
Heiligenbild vorn, mit dem baumumstandenen
Klostervorplatz oder die Steinbank, es ist doch nur
fast zur Naturfrische belebtes dekoratives Stück.
Ehe ich wieder zu loser Beispielfolge zurück¬
kehre, aus der doch schließlich lebendig die
Idee des Gesamtbuchkunstwerks erkennbar sein
soll, wie sie aus der künstlerischen Persönlich¬
keit Steiners wachsen möchte, möchte ich
noch das Gelegenheitswerk der „Elixiere“
möglichst durch Beispiele gerundet darstellen.
97
Die Reproduktion des schönen Buciititels kann
trefflich die detaillierte sinnomamentale feinste
Vornehmheit der Durchführung wiedergeben,
und die lebendige Einheit des Ganzen aus un¬
zähligen Organen ornamentaler Elemente. Der
Buchsinn erscheint hier konzentriert in einer in
allen Abwägungen geklärten Sinnkunst eines
wesentlichen Buchteils, des wesentlichsten
inneren Teils des Buches.
Die Einbanddecke zu den Elixieren erscheint
formal strenger, in sinnvollem Ausdruck deut¬
licher wirken wollend und gleichzeitig auf edle
Materialverwendung im Entwurf konstruiert.
Endlich hat Steiner für dies Buch auch noch
große Blätter geschaffen, die wie ein phantasti¬
scher Zyklus der Griffelkunst den großen Rhyth¬
mus der Hoffmannschen poetischen Mystik der
„Elixiere“ für die Anschauung wiederholen. Diese
Blätter sind die Hauptglieder des Buchkunst-
Sebenserinnerungen
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Innentitel.
Z. f. B. 1909/1910.
Eugen Diederichs, Verlag, Jena.
13
98
Seile, Hugo Steiner-Prag.
Luxusband, dunkelbaues Leder mit Goldprägung.
Ausgeführt von H„ Sperling, Leipzig.
werks, fast selbständig in ihrem künstlerischen
Eigenleben und doch auch Sinnbilder des
Romans, geschöpft aus dessen reinster seeli¬
scher Kontemplation. Ich gebe eins nach dem
Original in Autotypie : Im Beichtstuhl.
Das auffallende Wachsen der eigen charak¬
terisierten Buchkunst Steiners durch die Ab¬
klärung und Wesenserneuerung in neuen Wir¬
kungsgelegenheiten soll weiterhin zunächst ein
zu einem eigenartigen Organismus erschaffener
doppelseitiger Innentitel in Reproduktion zeigen,
es ist der Doppeltitel zu: Henrik Steffens (Verlag
Eugen Diederichs , Jena), eine Arbeit Steiners
aus jüngster Zeit. Zu Steffens ist auch der
Bucheinband reproduziert und außerdem weitere
Bucheinbände , die in neuerer Zeit entworfen und
ausgeführt wurden. Goethes Werke (zweimal) und
ein Weltliches Erbauungsbuch, ein Band Justus von
Liebig und eine Mappe zum Jubiläum des Verlags
Reclam (Erscheinen des 5000. Bändchens).
Bei allen diesen Bucheinbänden ist das
Lebendige des Ornaments streng gebändigt, nur
in bedeutenden Kurven und Raumteilungen zu¬
meist ausdrucksvoll spielend, bewußt auf Mit¬
wirkung vornehmen Eindrucks der Material¬
verwendung und Prägung berechnet, und alle
Zier deutlich zu Dienst der Schrift gestellt, die
in Kraft und Fluß der Formen auf den Buch¬
zweck und den Flächenraum des Deckels be¬
messen wird. Für die Reclamsche Prunkmappe
hat Steiner noch eine Rahmenzeichnung eines
Einlageblattes gearbeitet, die hier als Rahmen
einer Widmungsinschrift Dehmels mit dieser
reproduziert ist. Ein Vergleich dieses Rahmens mit
dem Buchtitel der „Elixiere“ gibt eine Fülle von
dekorativen Wesensparallelen, andererseits auch
mit Deutlichkeit die Wesensänderungen im buch
künstlerischen Ausdruck, deren unter verschie¬
denen Werkgelegenheiten eine adapte aber in
sich selbst gegründete Buchkünstlernatur fähig ist.
Was an künstlerischer Arbeit von Steiner
in Entwürfen von Schmuckstücken geleistet ist
o 9
für Aufgaben, die außerhalb der eigentlichen
Buchkunst liegen, wohl aber ihr wesensverwandt
bleiben, erweisen Kalenderbilder. Aus dem
Leipziger Kalender K/Off sei hier nur ein Maibild
reproduziert, das gleichzeitig eine Huldigung für
den Leipziger Tondichter Lortzing darstellt. Es
ist augenscheinlich, wie in solch ein Bild von Zeit-
und Jahresstimmung der ganz persönlich lebendige
Sinn und Ausdruck dekorativer Formcngebung
eingedrungen ist, so innig die Naturstimmung an
sich auch künstlerisch gefühlt ist; ich möchte fast
sagen, daß auch hier in jedem Striche der Buch¬
künstler lebendig ist und das Wesen seinerForm-
anschauung der Natur aufprägt. Umgekehrt ist
in der wunderschönen Titel Vignette: In Memo-
Jubiläumsmappe, Pergament mit Goldprägung
Ausgeführt von Hübel & Denck, Leipzig.
Seile, Hugo Steiner-Prag.
99
Umrahmung für ein Gedenkblatt.
riam W. P. (zur Edition einer Traueransprache)
die Naturharmonie des Blühens und Sterbens
in einer völligen Empfindungskeuschheit aus¬
gedrückt, obgleich die Naturformen alle eine
edle ornamentale Durchgestaltung zeigen.
Man erfährt bei Steiner die rasche Entwick¬
lung zu ausgeprägt eigenwilliger Formgebung
recht deutlich bei einem kurzen Überblick über die
nicht in dem hier entwickelten Sinne buchkünst¬
lerischen , sondern mehr illustrativ buch-
selimückenden Arbeiten, die er in verschiedenen
Verlagsaufträgen ausführte. Steiner kann die
Natur sehr wohl natürlich-lebendig, aber er will
sie dekorativ-lebendig. Bis dieser Wille sich
schaffensfrei und ausdrucksklar durchsetzen
konnte, bedurfte es einer lebhaften intensiven
schöpferischen Kräfteanspannung.
Aus ganz früher Zeit der Kunstarbeit Steiners
stammt Das Schloß am Meere . Es ist eine
Bildbeigabe zu Uhlands bekanntem Gedichte.
Die Naturphantasie des Künstlers übertrumpft
weit den Dichter, der das Schloß nur als
Staffage eines hehren Familiendramas nimmt.
Steiner erlebt in dem Blatte einen Tagesab¬
schied in Einsamkeit und Glut, und alle Formen
wachsen in der Kraft der Stimmung, wurzeln
aber im Grunde ihrer Naturwahrscheinlichkeit.
Späterhin hat Steiner in farbigen Lithographien
diese phantastischen Steigerungen der Natur¬
formen noch weiter ins Grandiose getrieben.
Hier mögen weiter zwei Proben aus einer
größeren illustrierenden Arbeit aus den Prager
Phantasien, Verlag der Deutschen Arbeit , Prag
1905, folgen. Hier ist auch die Natur der
Phantasie vermählt, aber die Phantasie ist
poetisch verinnerlicht ins Stimmungsvolle ver¬
senkt, so daß sie aus der Natur ein Stimmungs¬
gedicht oder einen Traum vergangner Zeit leicht
und in verblassender Wirklichkeit formt. Die
Sommernacht ist ein Gedicht aus Nacht, Sternen
und Mondlicht, die Großvatergestalten in dem
kleinen Stadtivinkel erwachen zu einem ver¬
späteten Leben und haben es Steiner für immer
angetan, haben auch immer etwas preziös Un¬
wirkliches an sich (zum Vergleich: die Leipziger
Kalenderbilder).
Zu einem Band Lenau aus Gerlachs Jugend¬
bücherei gehört die kleine bunte Interieurecke,
sie steht vor dem Gedicht Der offene Schrank.
Was wir eben über das Auf leben der guten
alten Zeit sagten, bleibt hier bestätigt bestehen,
Titelvignette für eine Trauerrede.
100
Seile, Hugo Steiner-Prag.
Uhland, „Das Schloß am Meere“. Verlag G. Grote, Berlin.
Illustration aus Bodenstedt „Album deutscher Kunst und Dichtung“.
das Gestaltungssentiment Steiners hat sich mit
Lenaus zager Schwermut gefunden.
Die Farbigkeit hat für Steiner immer nur
die Bedeutung des Tragenden, Stimmenden,
Stillenden für graphische Arbeit gehabt. Er
verwendet die Farbe gern, aber nie laut, nie
lebhaft, seine Farbe ist keines Schreis, keiner
Aufdringlichkeit fähig. Die verblassenden Mög¬
lichkeiten farbiger Lithographie sind ihm daher
besonders lieb, die Höhung einer Zeichnung
mit nur einem delikat eingewebten Farbton ge¬
lingt ihm zu vibrierender Lebendigkeit. Neben
dem ebengesagten Allgemeinen über Steiners
Steinkunstneigung bleibt zu den lithographischen
Originalblättern, die im Handel sind, im be-
sondern nicht mehr viel zu sagen. Mir liegt nur
Seile, Hugo Steiner-Prag.
IOI
daran, deutlich auf das Sinnbildliche der Natur¬
stimmung in Naturformen und Gestalt hinzu¬
weisen, und wie sich auch hier daraus die
organisch einheitliche dekorative Wirkung solcher
phantastischer Blätter ergibt, die ihnen einen
lebendigen künstlerischen Eigenwert sichert.
Als ein glänzendes Beispiel einfarbig gehöhter
Zeichnung ( technisch gesehen ), als glänzendes
Beispiel buchkünstlerischen individuellen Lebens
hoch über den kleinen Zwecken der Illustration
( ästhetisch erlebt) möge das Blatt zu Andersens:
Geschichte einer Mutter betrachtet werden,
das zu der Stelle der Erzählung führt, wo
dem Leser „die alte Totengräberfrau, die das
große Treibhaus des Todes beaufsichtigt“, be¬
gegnet. Es ist ein nachtbläuliches Aufwachsen
und kristallisches Anschießen von architektoni¬
schen Massen aus dem Erdinnern in die Nacht-
Briefzeichen.
fernen der Sterne; hierzu geht Farbe und
Formenkraft in Eins, und im Naturlebendigen
Kapitelkopf aus „Elixiere des Teufels“.
Verlag G. Grote, Berlin.
102
Seile, Hugo Steiner- Prag.
psycho - physischen Groteske Kleists : Marquise
von 0. zuerst aufgeführt. Die theatralisch ver¬
schärften Komplikationen einer Skandalanekdote
läßt Steiner in greller Lebendigkeit eines Bühnen¬
lichts aufzucken, in dem alle Feinheiten seines
belebten Schaffens in einigermaßen masken¬
hafter Schärfe verhärten.
Wie ganz verändert lebt derselbe Künstler,
dieselbe persönliche Kunstform sich in Dickens
Weihnacht s ge schichten ein! Der behagliche
sinnierende englische Erzählergeist selber er¬
scheint in den Bildern lebendig; unsichere
Visionen nächtlicher Räume, durch ein schwer¬
blütiges Temperament gesehen, das sucht sich
Steiner heraus und lebt sich dort in ein fremd¬
völkisches Geistesleben ein, das seine Lebens¬
wirklichkeit anders, dämmernder begreift, so
lustig und alltäglich es sich gebärden mag.
Aus einem Zyklus „Prag zur Zeit unserer Großeltern“. . . . .
Ein Huschen von Schatten, ein sich gespenstisch
wurzelnd, treibt die künstlerische Lebenskraft der gestaltendes Mondlicht, gibt Steiner fast greif-
Anschauung eine den Bildraum sprengende Phan- bar, und man erlebt mehr als ein Gelegenheits-
tasie. Das Wuchernde der Formelemente er- bild zu einer Erzählung, nämlich das Einleben
scheint nur teilweise, die Starre des
Todesgedankens nicht brechend.
Anders ist das in dem Blatt zur
gleichen Erzählung: Die Mutter läßt den
frierenden Dornbusch von ihrem Herzblut
trinken. Das Organische triumphiert im
poetischen Gedanken wie in der strebenden
zerbrechlichen Form eisiger Dürre des
Dornbuschs, die Naturformen sind zu einer
wundervollen ornamentalen Kraft der
Schwarz- weiß- Wirkung künstlerisch um
gedacht und zum Sinnbild des Gefühls
gesteigert.
Von hier aus, wo Steiner-Prag schon
sein Eigenstes , wo er seine lebendige
Welt der Zierform gefunden hat und für
ihn alles nach dem immanenten Gesetze
der Kunst, der Graphik im besonderen,
sein bildhaftes und sinnbildliches Eigen¬
leben in jeder Werkgelegenheit entwickelt,
ist der reine Illustrator Steiner-Prag nicht
mehr denkbar, der Buchkünstler wird in
jeder Aufgabe neu und doch sich immer
selber gleich lebendig und erlebenswert.
Wenn überhaupt ein Auftrag an sich
rein illustrativ genommen werden konnte,
so war es der, den Steiner 1907 vom ' ^D!((ltIlM()( '
Verlag der Bücher des deutschen Hauses ion aui ei„B Zyklll« ,.P„äer Ph>„»,i=„-.
erhielt. Es sei hier Steiners Blatt zu der (Deutsche Arbeit, Verlag )
Seile, Hugo Steiner-Prag.
103
Lenau, „Der offene Schrank“ Gerlachs Jugendbücherei.
Andersen, „Geschichte einer Mutter'1
Gerlachs Jugendbücherei.
Andersen, , .Geschichte einer Mutter“.
Gerlachs Jugendbücherei.
des Künstlers in die neuen Charaktere einer
Dichtung; dabei gewinnt das entstehende Kunst¬
werk ein seltsames Eigenleben, das organisch
aus der Dichtung wächst, aber gleichzeitig ein
künstlerischer Eigenorganismus wird.
Es ist nicht möglich über die Arbeit eines
noch nicht Dreißigjährigen einen Abschluß zu
finden. Aber ein schönes Kapitel am Ende
dieser Betrachtung bieten die Arbeiten Steiners,
die er als Exlibris geschaffen hat.
Wenn man die neue Buchkunst so erlebt,
wie sie sich heute mehr und mehr zum schöp¬
ferischen Organismus entwickelt, der seine
Kräfte in Einzelschöpfungen künstlerischer Buch¬
individualitäten ausströmt, dann entwickeln sich
für das Exlibris auch ganz neue organische
Funktionen. Der deutsche Kaiser hatte sich für
die verschiedenen Abteilungen seiner Bibliothek
neuerdings verschiedene Exlibris bestellt und
einen ziemlich unpersönlich heraldisch -sche¬
matischen Charakter jedesmal vorgeschrieben.
Solche Rücksicht auf Charaktere von Buch¬
gruppen und Büchern unter rücksichtsvoller
Anpassung des Persönlichen des Besitzers an
die Wesensart der Bücherinteressen entspricht
durchaus nicht dem modernen Brauch der
neuerwachten lebhaften Interessen am Exlibris,
bringt aber doch Erwägungen, die für die
Zukunft der Buchkunst fruchtbar werden müssen.
Die Wünsche und großen und kleinen Eitel¬
keiten der Besteller haben uns in den letzten
Jahren eine Art von Exlibris beschert, in denen
die Künstler um jeden Preis auf die Ideenjagd
und auf den Originalitätsmarkt um jeden Preis
gehen. Es hat sich selbst unter den Händen
der allerbesten Buchkünstler, die Maß und
Geschmack zu wahren wußten, doch eine Art
„Schlagerkunst für Exlibris“ entwickelt, die die
Persönlichkeit des Bestellers in einer meist
unnatürlichen Charakterschärfe oder Berufs¬
reklame symbolisieren und den schaffenden
Künstlern selbst eine plakatartige Abbreviatur
Seile, Hugo Steiner- Prag.
105
Z. f. ß. 1909/1910.
14
• 'JTEINER-P«AC> 1907
i o6
Seile, Hugo Steiner-Prag.
Andersen, Geschichte einer Mutter. Gerlachs Jugendbücherei.
für innerlich und äußerlich
Kurzsichtige abnötigen, so
daß die Exlibrissammler
heute ganz außerhalb der
Kreise der Bibliotheksbe¬
sitzer und Bücherfreunde
denkbar werden, daß gleich¬
zeitig allmählich das Exlibris
selbst seinen organischen
Zusammenhang mit der
Entwicklung der Buchkunst
verliert. Wenn das Problem
heute noch nicht eklatant
ist, latent ist es jedenfalls,
und das Entwicklungstempo
der Buchkunst ist heute sehr
rasch, wird durch Buch¬
künstlerpersönlichkeiten wie
Steiner -Prag lebhaft ge¬
fördert.
Steiner-Prag hat in seinen
Exlibris zunächst die Persön¬
lichkeit des Auftraggebers
nur soweit symbolisch oder
phantastisch aufleben lassen,
wie diese mit seiner eignen
schöpferischen Künstlerart
harmoniert, der führende
Gedanke liegt dabei zu¬
grunde, daß der Besteller das Werk nur erleben
kann, wenn er sich in die Künstlernatur des
Ausführenden einleben kann und die Bücher
liebt, die den Künstler zu organischen Schöp¬
fungen neuer Buchkunst innerlich verwandt
anregen, daß weiter die Bibliothek des Exlibris¬
besitzers auf diese lebendige Buchkunstart
ungefähr gestimmt ist.
Es ist auch tatsächlich eine Lebensfrage
des Exlibris, daß es das Persönliche des Buch¬
eigentümers nur soweit anklingen läßt, wie dies
im lebenden ornamentalen Organismus des
Blattes aufgeht; daß ferner alle seine ästheti¬
schen Abwägungen der Formen und der
Schmuckcharaktere in dem einen Gesetze sich
gründen, daß die Buchkunst das Gelegenheits¬
werk zu einem organischen Ganzen erschaffen
möchte, dessen Funktionen das Exlibris be¬
reichern aber nicht stören oder gar zerstören
darf.
Steiner nun hat weiterhin auch das Exlibris
formal so ausgebildet, daß alle Elemente seines
ornamental lebendigen Einfühlens in die Natur
spielend Zusammengehen und künstlerisch fein¬
lebendige Ausdruckseinheiten bilden, die ihre
starke dekorative Wirkung ganz vorsichtig aus
Schrift, Bild und Ornament entwickeln.
Die lithographische OngmaXboigdibc Marianne
Neumann mag besonders glücklich einer solchen
Vereinigung noch zarte Farbigkeit hinzufügen,
im allgemeinen vermeidet Steiner Farbigkeit
im Exlibris und höht auch nur selten mit einer
Farbe die reine Schwarz- Weiß- Wirkung. Diese
an sich ist ihm ja unerschöpflich, der Form-
und Linienreichtum möchte überfließen, wenn
ihn nicht das Gesetz der organischen Wechsel¬
wirkung aller Teile zu bewundernswürdiger
Strenge dekorativer Geschlossenheit bändigte.
Im Exlibris Emma Holzrichter könnte man
vorwiegend Stilstrenge suchen, wenn nicht so¬
fort die lebendige Fülle in allen Teilen dem
betrachtenden Blick das phantastische Natur¬
erlebnis der Landschaft aufgehen ließe. Noch
strenger, in den Teilen, dafür individueller
io8
Seile, Ilugo Steiner- Prag.
empfunden ist das Exlibris Elisabet lYolff\
Persönliches klingt deutlich in Vase und Noten¬
buch, um so strenger ist die Landschaft in
dekorativen Linien geführt, auf Schwarz- Weib-
Wirkung bedacht. Die beiden Exlibris Meta
Brüninghaus und Erna Reber- Sander sind
eigentlich nur freiere Äußerungen der Lebens¬
anschauung des Künstlers Steiner, dessen
Lebenstraum dieser Rosenstrauch, bltitenübersät,
die Welt duftend umspannend, darstellt; archi¬
tektonische Sinnbilder vollendeter Form ragen
schlank und klar in der Ferne. Damit trägt
einfach der Künstler sein Buchkünstlertum in
die Bibliothek eines ihm innerlich nahestehen¬
den Menschen.
Die beiden letzten Exlibris endlich Hanna
Koettgen und Felix Lederer sind üppig wuchernde
phantastische Naturstücke; das eine weiblich
zart, das andre männlich vollkräftig in seinem
kleinen Format empfunden. Jedes könnte
wieder Grundlage einer erschöpfenden Betrach¬
tung der zu jedem Zwecke organisch leben¬
digen Arbeit Steiners sein. Genug!
Nur noch einen Wunsch zum Plnde. Steiner-
Prag hat viele gelegentliche Aufgaben gelöst,
hat auch vor sich eine Menge Gelegenheiten
zu buchkünstlerischer Betätigung, mögen ihm
immer die rechten künstlerischen Gelegen¬
heiten zur Entwicklung sich bieten, denn er ist
noch jung genug, um von wesentlicher Be¬
deutung auch in der Zukunft deutscher Buch¬
kunst zu bleiben.
Schlußvignette. Gerlachs Jugendbücherei.
Zwitterdrucke in der Reformationszeit.
Von
Dr. Johannes Luther in Greifswald.1
ie heutzutage scheinbar schon bis an
die Grenze der Leistungsfähigkeit vor¬
gedrungene Technik des Buch- und
Zeitungsdruckes mit ihrem Walzendruck, ihren
selbsttätigen Setz- und Ablegemaschinen, läßt
uns kaum noch ein Bild der Anfänge, in und
mit denen diese Kunst groß geworden, vor die
Augen treten. Eine Reihe von Abbildungen
indessen, die aus früherer Zeit erhalten sind,
machen uns die Technik der Druckerei vor den
Erfindungen der Neuzeit anschaulich; im be¬
sonderen wird uns die Tätigkeit des Buch¬
druckers des XVI. Jahrhunderts auf einem
(wiederholt reproduzierten) Holzschnitte des
Jost Amman aus dem Jahre 1568 dargestellt.
Darnach war der Hergang beim Drucken
folgender: Auf eine (weiche) Unterlage wird der
für den Druck bestimmte Papierbogen mit Hilfe
zweier ihn durchlochenden Spitzen (Punkturen)
so befestigt, daß er sich nicht verschieben kann;
auf ihn wird ein dünner Rahmen gelegt, der
in der Art einer Schablone nur die für den
Druck bestimmten Stellen, den Schriftspiegel,
offen läßt; die von dem Rahmen gedeckten
und vor der Berührung mit Druckerschwärze
geschützten Stellen bilden die Ränder der Druck¬
seiten; der so gedeckte und gleichzeitig fest¬
gehaltene Bogen wird dann auf den inzwischen
geschwärzten Satz umgeschlagen, die ganze
Form unter die „Presse“ geschoben, und dann
„gedruckt“. In noch früherer Zeit mögen die
Handleistungen noch einfachere gewesen sein;
indessen führen uns die aus jener ältern Zeit
erhaltenen Darstellungen von Druckpressen die¬
selben nur in dem Augenblick vor, in welchem
bereits „gedruckt“ wird, so daß die vorangehen¬
den Handgriffe nicht daraus ersichtlich sind.
Bei dieser Druckweise konnte natürlich immer
nur eine Seite des für den Druck bestimmten
Bogens bedruckt werden, und erst, nachdem
dieses vollendet, auch die andre Seite; den
Druck der ersten nannte man den Schöndruck,
den der zweiten den Widerdruck. Im Folioformat,
bei welchem der Bogen zu zwei Blatt, gleich
vier Blattseiten, bedruckt wird, wurden dem¬
entsprechend zuerst Blattseite eins und vier,
später, wenn dieses beendet, Blattseite zwei und
drei bedruckt (vgl. Fig. 1). Im Quartformat
wurden auf diese Weise im Schöndruck zuerst
Seite eins, vier, fünf, acht, im Widerdruck Seite
zwei, drei, sechs, sieben hergestellt (vgl. Fig. 2).
Bei kleineren Formaten wurde die Verteilung
natürlich entsprechend umständlicher.
Es fragt sich nun, in welcher Weise der
Satz für einen ganzen Bogen hergestellt wurde.
Hierfür lagen hauptsächlich zwei Möglichkeiten
vor. Erstens konnte der Text, in der Weise
wie es heute Brauch ist, erst in Fahnen gesetzt,
und dann durch das Umbrechen auf die einzelnen
Seiten verteilt werden; in diesem Falle konnte
man, wie wir es heutzutage gar nicht anders
gewohnt sind, eine völlige Ebenmäßigkeit in
der Höhe des Schriftspiegels, also bei gleich¬
mäßiger Type gleiche Zeilenanzahl für jede
Seite erreichen. In diesem Falle mußte, wenn
nicht zwei Pressen für den Druck eines Bogens
gleichzeitig zur Verfügung standen, der Satz
für den Widerdruck so lange unbenutzt liegen
bleiben, bis der Schöndruck vollendet war. Die
zweite Möglichkeit war die, daß man den Text
des Manuskriptes auf Grund von Zeilen- und
Silbenzählung oder ähnlicher Berechnungsweise
einteilte, dann, um möglichst bald mit dem
Drucke beginnen zu können, zuerst die lür den
Schöndruck bestimmten Seiten setzte, und
während dieser bereits unter der Presse war,
nunmehr die Form für den Widerdruck herstellte.
Für letzteres Verfahren spricht die Mehrzahl
der Anzeichen, vor allem aber der Umstand,
daß in der weitaus überwiegenden Mehrzahl der
1 Dieser Aufsatz, der vor fast zwölf Jahren geschrieben wurde, und auf dessen „bevorstehende“ Veröffentlichung
in dieser Zeitschrift ich bereits in meiner Schrift „Die Reformationsbibliographie und die Geschichte der deutschen
Sprache. Vortrag, gehalten auf der 44. Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner in Dresden. Berlin, Georg
Reimer. 1898“ Seite 29 hinweisen konnte, gelangt erst jetzt zum Abdruck. Indessen ist der Gegenstand auch bis
heute noch von keiner Seite behandelt. J. L.
I IO
Luther, Zwitterdrucke in der Reformationszeit.
Schöndruck. Widerdruck.
4 ; 1 2:3
Figur 1.
Reformationsdrucke die Zeilenzahl der einzelnen
Seiten, selbst wenn sie gleichmäßig mit der
gleichen Texttype bedruckt sind, selten auf
mehreren aufeinanderfolgenden Seiten überein¬
stimmt, ein Mangel, der bei vorangehendem
Fahnensatz vermieden worden wäre.
Noch eines dritten Weges muß indessen
gedacht werden, der bei Foliodrucken wohl in
Anwendung gelangen konnte. Die Foliodrucke
der Reformationszeit sind zum größten Teile
in Lagen von je drei Bogen, also zu sechs
Blättern mit zwölf Seiten, hergestellt. Hier war
die Möglichkeit des gleichzeitigen Satzes für
alle zwölf Seiten selbst in großen Druckereien
ziemlich ausgeschlossen, aber auch die berech¬
nende Verteilung des Manuskriptes wäre hier
auf erheblich größere Schwierigkeiten gestoßen
als etwa im Quartdruck. Daher ist die An¬
nahme nicht zu umgehen, daß in diesen Fällen
die Blattseiten einzeln nacheinander gesetzt und
ebenso einzeln in die Presse gewandert sind,
indem der Bogen in der Mitte gefalzt und nur
mit der einen Blattseite dem Drucke ausgesetzt
wurde. Bei dieser Druckweise konnte der
Schriftspiegel mit Leichtigkeit die gleiche Höhe
für das ganze Werk innehalten, und sie hat
zweifellos schon in ältester Zeit Anwendung
gefunden.
Das „einseitige“ Druckverfahren brachte es
nun ganz von selbst mit sich, daß, wenn der
Schöndruck eines Bogens vollendet war und
der Widerdruck bereits begonnen hatte, der
Satz des Schöndrucks alsbald wieder ausein¬
andergenommen und „abgelegt“ wurde, um für
den Satz des nächsten Bogens Verwendung zu
finden. Diesem Verfahren entspringt eine Reihe
von Drucken , die trotz ihrer Wichtigkeit für die
Bibliographie der Refonnationszeit bisher noch
nicht besonders behandelt sind , und die ich mit
dem Namen „ Zwitterdrucke“ belegt habe.1
Der Aufschwung, den das Buchdruckerge¬
werbe in der Reformationszeit nahm, war gewaltig.
Die Ideen, denen der wittenbergische Mönch
Ausdruck verliehen hatte, versetzten die ganze
Welt, Hoch und Niedrig, in Aufregung. Ein
Lesebedürfnis, wie man es vordem nicht gekannt,
stellte sich ein. In rascher Folge ging Flug¬
schrift auf Idugschrift von dem sächsischen
Ländchen aus, Freunde und Feinde griffen
gleichfalls zur I^eder. Was am meisten begehrt
wurde, wurde natürlich am meisten gedruckt,
und vor allen Dingen schnell. Da es keinen
Schutz des geistigen Eigentums gab, so wurden
die Bücher der Reformatoren, besonders ihres
Führers Martin Luther, allerorten, sobald ein
Exemplar angelangt war, nachgedruckt. Da
der Nachdruck kein Diebstahl war, so handelten
große und kleine Druckereien gleicherweise; ein
Silvan Otmar in Augsburg druckte in schönen
Ausgaben ebenso ruhig lutherische Schriften
nach wie sein Landsmann Jörge Nadler in unan¬
sehnlichen. So ging eine Hochflut von Büchern
plötzlich über die Lande.
Bei der Eile, die Druckern sowohl wie Nach¬
druckern geboten erschien, war es namentlich
in kleineren Druckereien um so mehr nötig,
den Satz, sobald er nach dem Drucke einer
Bogenhälfte wieder frei wurde, sofort für den
weiter folgenden Text zu verwenden.
Nun geschah es, daß der Drucker, nachdem
er einen Teil der Schrift gedruckt hatte, merkte,
daß das unter der Presse befindliche Buch
1 Die Bezeichnung „Zwitterdrucke“ ist, nachdem ich sie in meiner oben genannten Schrift „Die Reformations¬
bibliographie“ a. a. O. gebraucht hatte, bereits in die Literatur übernommen. Zuerst verwandte sie daraufhin Friedrich
Hubert in seinem Buch „Die Straßburger liturgischen Ordnungen im Zeitalter der Reformation. Göttingen, Vandenhoeck
& Ruprecht. 1900“ Seite XVII, später auch die Bibliographie in der Weimarer Lutherausgabe.
Luther, Zwitterdrucke in der Reformationszeit.
I I I
Schöndruck.
Widerdruck.
einen größeren Absatz finden würde, als er
ursprünglich berechnet hatte, er also eine größere
Anzahl von Exemplaren drucken dürfe, als er
für den bis dahin fertigen Teil aufgelegt hatte.
Das Richtigste war in diesem Falle, wenn das
Geschäft Gewinn versprach, sofort mit dem
Druck einer neuen Auflage zu beginnen. Und
das geschah auch. Aber die Berechnung ging
noch weiter. Es wurde gleich von dem Augen¬
blicke an, in welchem der Drucker eine größere
Auflage für wünschenswert und vorteilhaft hielt,
sowohl von dem, was ge?' ade unter der Presse
war, als von dem Rest des Buches die be¬
schlossene größere Anzahl von Exemplaren ge¬
druckt, während der bis dahin nur in geringerer
Auflage gedruckte erste Teil neu gesetzt und neu
gedruckt , und dann mit den mehr ge druckten
folgenden Bogen ebenfalls zu einheitlichen Exem¬
plaren verbunden wurde.
Nehmen wir an, ein Buch in Quartformat
ist auf vier Bogen berechnet. Die beiden ersten
Bogen sind gedruckt, und zwar in einer Auflage
von hundert Exemplaren; der Druck des dritten
Bogens hat begonnen. Bei diesem dritten Bogen
wird die Erhöhung der Auflage um weitere
hundert Exemplare beschlossen. Es werden
daher Bogen drei und vier sofort in der höheren
Auflage von zweihundert Stück gedruckt; Bogen
eins und zwei, deren Satz längst abgelegt war,
werden neu gesetzt und in der Anzahl derjenigen
hundert Exemplare, um welche die Auflage
vermehrt wurde, in dieser neuen Form gedruckt;
und diese hundert neugedruckten Exemplare
werden dann mit den hundert mehr gedruckten
Bogen drei und vier zu vollständigen und ein¬
heitlichen Exemplaren der betreffenden Schrift
verbunden.
Solche nebeneinander entstandenen Drucke
habe ich mit dem Namen „Zwitterdrucke“ belegt,
und zwar erstens aus dem Grunde, weil sie
weder ganz gleich noch ganz verschieden von¬
einander, sondern beides zum Teil sind, dann
aber auch zum Unterschied von den durch
Gustav Milchsack zuerst in ihrem Wesen auf¬
deckten und beschriebenen „Doppeldrucken“,
welche Druckpaare vorstellen, die anscheinend
völlig gleich, in Wirklichkeit aber völlig ver¬
schieden sind, und die in ihrer Art ebenfalls im
XVI. Jahrhundert bereits Vorkommen.1
Die Zwitterdrucke zerfallen in zwei Arten.
Bei der einen von ihnen schließt der Unter¬
schied wie in dem eben angeführten Beispiel
mit dem Abschluß eines Bogens; bei der anderen
aber mitten im Bogen selbst, d. h., schon beim
Drucken des Widerdrucks, als der Schöndruck
dieses Bogens bereits vollendet und dessen Satz
schon wieder auseinandergenommen war, wurde
die Mehrauflage beschlossen und ausgeführt.
In letztem Falle wurde also der Widerdruck erst
in der ursprünglichen Auflage vollendet, dann
aber seinerseits als Schöndruck für die be¬
schlossene Mehrauflage verwendet. Ist die erstere
1 G. Milchsack in den Erläuterungen und Beispielen zur „Instruktion für die Bearbeitung des alphabetischen Zettel¬
katalogs in der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel. Wolfenbüttel, Julius Zwissler i. K. 1893“ Seite 29 ff.
Luther, Zwitterdrucke in der Reformationszeit.
I 12
Art der Zwitterdrucke schwerer zu erkennen,
so ist die letztere dafür um so interessanter.
Bei jener ersten Art, bei der also der Mehr¬
druck mit einem neuen Bogen begann, muß
nämlich in Betracht gezogen werden, daß man
durchaus nicht, wenn man zwei Drucke an¬
scheinend dieser Art vor sich hat, sofort auf
Zwitterdrucke schließen darf. Es kann sehr
wohl der Fall vorliegen, und er tritt häufig
genug ein, daß das eine von beiden Exemplaren
nur künstlich aus zwei verschiedenen Auflagen
der betreffenden Schrift zusammengesetzt ist,
was bei der äußeren Ähnlichkeit verschiedener
Auflagen einer Schrift aus derselben Druckerei
nicht schwer war, sei es nun, daß ein Liebhaber,
dem es nur um den Text zu tun war, oder
jemand, der neue Werte schaffen wollte, aus
zwei defekten Exemplaren verschiedener Auf¬
lagen einen einheitlichen Text zusammenstellte.
Bei dieser Art der Zwitterdrucke kann stets erst
die Auffindung eines zweiten Exemplars für
jeden der beiden Drucke oder, wenn nur für
den einen Druck ein zweites Exemplar vorhanden
ist, der Nachweis, daß der erste Teil des anderen
Druckes mit keinem sonst bekannten Drucke
übereinstimmt, die Erklärung als Zwitterdruck
sichern. Bei der zweiten Art aber, bei der der
Mehrdruck mit einer Bogenhälfte beginnt, genügt
natürlich schon ein einziges Paar für die Er¬
klärung als Zwitterdruck; von dieser ist auch
die Entdeckung ausgegangen.
Einige Beispiele mögen die gegebene Dar¬
stellung sichern und erläutern.
Ich gebe zunächst einige Beispiele aus der
zweiten, leichter erkennbaren Gruppe.
Am interessantesten und kennzeichnendsten
sind hier solche Druckpaare, welche nur einen
einzigen Druckbogen umfassen, dessen erste
Bogenseite also verschiedenen Satzes ist, während
die zweite gleichen Satz aufweist.
Solch ein Fall liegt z. B. vor von der Schrift
Luthers „Ein Sermon von Ablaß und Gnade“
aus dem Jahre 1518. Der Titel lautet gleich¬
mäßig in beiden Drucken:
<£ynn Sermon non bem 2tbla§ || ernnb gnabe/
burd] beit toirbigen boctozü || 2T(artinü Cutter
2Iuguftiiter || tju tt)itfenbergf. ||
Der Drucker ist laut Impressum Johannes
Grunenberg [alias KhauJ in Wittenberg; die letzte
Seite, Seite acht, ist nicht bedruckt. Dieses
Zwitterpaar hat, obwohl der Titel in beiden
Drucken buchstäblich übereinstimmt, auf Seite
eins (dem Titelblatt), Seite vier und fünf (Seite
acht ist, wie angegeben, leer) verschiedenen Satz,
dagegen auf der ursprünglichen Widerdruckseite,
d. i. Seite zwei, drei, sechs, sieben, gleichen Satz.
Man stellt verschiedenen oder gleichen Satz am
leichtesten fest, wenn man auf den zwei zu
vergleichenden Seiten je einen und denselben
Buchstaben der ersten Zeile mit einem solchen
der letzten Zeile verbindet, und nun untersucht,
ob alle an dieser Linie gelegenen Buchstaben
in beiden Drucken genau untereinander stehen.
Ist es der Fall, so ist der Satz derselbe, ist es
nicht der Fall, so ist er verschieden; denn ein
Verschieben des Satzes während des Druckes
war ohne besondere Eingriffe nicht möglich,
da er ebenso fest eingeschraubt wurde, wie dies
heutzutage geschieht. 1 In der Kegel erleichtern
auch einzelne kleine Textabweichungen, die in
jener Zeit bei neuem Satz sehr leicht genommen
wurden, die Bestimmung für Verschiedenheit
des Satzes. So weichen die beiden obenge¬
nannten Drucke z. B. auf der dem verschieden¬
artigen Satz zugehörigen Seite vier darin ab,
daß der eine Druck in Zeile drei biffe gegen
bijjc des anderen Druckes, gute gegen guten, in
Zeile fünf Heunbe gegen Hennben aufweist usw.
Beide Drucke befinden sich auf der Königlichen
Bibliothek in Berlin.
Ein anderes, gleichfalls nur einen Quart¬
bogen umfassendes Paar von Zwitterdrucken
ist die Schrift eines Gegners Luthers, des Sil¬
vester Prierias, die Luther nicht besser erwidern
zu können glaubte, als indem er sie selbst noch¬
mals drucken ließ, und ihr nur eine dringende
Empfehlung an den Leser hinzufügte, dies Mach¬
werk doch ja zu lesen. „Has Syluestri mei
Replicas, tibi: optime lector: enixe commendo.
Commendatione enim mirum in modum in-
digent“, sagt Luther auf dem Titel seiner, der vor¬
liegenden Ausgabe. Sie ist hergestellt, allerdings
ohne daß der Drucker sich genannt hat, von
Melchior Lotther in Leipzig, der in der ersten
Zeit vielfach Druckaufträge von Luther erhielt.
Auch bei diesem Paar ist Seite eins (das Titel¬
blatt), vier, fünf, acht verschieden, Seite zwei,
drei, sechs, sieben gleich. Es genügt daher
die Wiedergabe der Titel:
1 Siehe auch Milchsack a. a. O. Seite 31 f.
Luther, Zwitterdrucke in der Reformationszeit.
Eepltca. 5- Syluefilftri prieriat^, (acri Pa=
latij 2lpofto= || lict ETagiftri, 2lö. 5* ETartinum ||
Cutter ©rbinis <£rmitaru. || MARTINVS
LVTHER, OPTIMO || LECTORI SALV-
TEM. || Has Sylueftri mei Replicas . . .
und:
Hepliea. 5- Sylue=||ftri prieriat^, (acri Pa=
latij 21 po= ||(tolici ETagiftri, 2lö. 5. 2T(artinü ||
£utl]er 0:binis <£remitaru. || ETartinus Cutter,
optimo Cectori || Salutem. || Has Sylueftri
mei Replicas . . .
Exemplare des ersteren Druckes befinden
sich auf der Königlichen Bibliothek in Berlin,
in der früheren Luthersammlung des Pfarrers
Knaake und auf der Herzoglichen Bibliothek
in Wolfenbüttel, des zweiten in der Sammlung
des Pfarrers Knaake und auf der Bibliothek
des British Museum in London.
In diesen eben beschriebenen Fällen war,
wie aus der Untersuchung hervorgeht, und wie
es auch eigentlich zu erwarten ist, die mit der
Blattseite eins als dem Titelblatt beginnende
Bogenseite zuerst gedruckt, und mußte daher
für den Mehrdruck erneuert werden. Der um¬
gekehrte Fall, daß die mit der Blattseite zwei
beginnende Bogenhälfte zuerst im Satz fertig¬
gestellt war und daher auch zuerst gedruckt
wurde, liegt vor in einem Paar von Zwitter¬
drucken derjenigen Predigt, welche Luther auf
seiner Reise zum Reichstag in Worms im Jahre
1521, auf dem er seine Lehre vor Kaiser und
Fürsten verteidigen sollte, in Erfurt gehalten
hat. Luther hatte sie, wie in der Mehrzahl
der überlieferten Drucke angegeben, „auf Bitten
vortrefflicher und gelehrter Leute ohne vorher¬
gehenden Fleiß oder sonderliche Studierung ,in
der Eile‘ getan“, und ebenso eilig und vielfach
ist sie dann gedruckt worden. In dem vor¬
liegenden Zwitterdruck dieser Predigt also haben
Titelblatt und Seite vier und fünf (Seite acht
ist leer) gleichen Satz, Seite zwei, drei, sechs,
sieben dagegen verschiedenen. Der Titel lautet
dementsprechend gleichmäßig in beiden Drucken:
<£yn Sermon V. ETar||tini Cutters (0 er auff
bem fyynerceg 3U || K. ET. gen Woimhfy 3U
3yfyen/ auf || bit poztrefticher rmb rnl gelarter/ 1|
ane uozgefjebe fleyf/ aber fun=||berlid]e (hu
btrung in ber eyle || 3U (Erffurbt getfyan . . .
[In Einfassung.]
Für die Verschiedenheit des Satzes auf der
Kehrseite des Bogens mögen als Beispiel die
z. f. B. 1909/1910.
1 13
Abweichungen genügen, die sich schon in der
ersten Zeile auf Seite zwei zeigen, wo der eine
Druck mit Sermon T). ETartin Sutfyer, der andere
mit Sermon V. ETartini Cutters beginnt. Ich
kenne noch vorhandene Exemplare dieser bei¬
den Drucke für den einen im Besitze der König¬
lichen Bibliothek zu Berlin sowie in der früheren
Luthersammlung des Pfarrers Knaake und in
der Bibliothek des British Museum in London,
für den anderen Druck auf der Universitäts¬
bibliothek in München, auf der Fürstlich Stoi¬
bergischen Bibliothek zu Wernigerode und eben¬
falls im Besitze des British Museum.
Bei umfangreicheren Werken gestaltet sich
die Untersuchung auf Zwitterdrucke naturge¬
mäß etwas schwieriger. Ein solcher Fall liegt
vor in dem Bericht über die Leipziger Dispu¬
tation des Jahres 1519, deren Streitpunkte zu¬
erst zwischen Johann Eck und Carlstadt, zum
Schluß aber auch zwischen Eck und Luther
ausgefochten wurden. Der, wieder ohne Drucker¬
angabe, von Melchior Lotther in Leipzig, bei
welchem Luther während der Zeit der Dispu¬
tation auch abgestiegen war, gedruckte Bericht
über diese Disputation umfaßt fünfzehn Bogen in
Quarto. Aber schon beim zweiten Bogen merkte
der findige Melchior die größere Absatzfähigkeit
und begann mehr zu drucken. So kommt es,
daß nur Bogen 21, ein Ternio, also von sechs
Blättern, und die Vorderseite von Bogen 23 neu¬
gedruckt zu werden brauchten, während die
Rückseite von Bogen 3 und mit ihr die folgen¬
den Bogen gleich in höherer Anzahl hergestellt
wurden. Trotz des verschiedenen Satzes ist
allerdings der Titel in beiden Drucken gleich¬
lautend; er beginnt:
T)i(putatio || excellentium. D. doctorü Io-
hannis Eccij & || Andrej Caroloftadij q cepta
eft Lipi? || XXVII. Iunij. AN.M.D.XIX.|| . . .
Ein Exemplar des ersten Druckes befindet
sich auf der Königlichen Bibliothek in Berlin,
des zweiten auf der Stadtbibliothek in Hamburg.
Noch interessanter gestaltet sich die Sach¬
lage bei einem Buche von fünf Bogen in Quarto.
Es ist die Schrift Andreas Bodensteins von
Carlstadt „Von Abthuung der Bilder“, durch
Nickel Schirlentz zu Wittenberg im Jahre 1522
gedruckt, dem Jahre, in welchem Luther in
seiner erzwungenen Muße auf der Wartburg die
Übersetzung der Bibel begann, und Carlstadt
inzwischen in Wittenberg gerade durch vor-
15
Luther, Zwitterdrucke in der Reformationszeit.
114
liegende Schrift den Bildersturm heraufbeschwor.
Der Druck der Schrift wurde gleich an zwei
Stellen, dem Anfang und der Mitte, Bogen 21
und Bogen T>, begonnen. Auch hier war zuerst
eine zu geringe Auflage in Aussicht genommen,
die dann während des Druckes vergröbert wurde.
Daher waren von zwei Seiten, dem Schöndruck
von Bogen 21 und demjenigen von Bogen T>,
zu wenig Exemplare abgezogen. Auf diese
Weise ist der Doppeldruck sowohl beim ersten
Bogen 2f wie beim vierten Bogen D zu kon¬
trollieren. Die Vorderseite des Bogens 21 ist
in dem Zwitterpaar verschieden, die Rückseite
und Bogen 23 und Bogen T sind gleich im Satz;
ebenso ist die Vorderseite des Bogens X> ver¬
schieden, die Rückseite desselben und Bogen £
aber gleich. Der Titel des einen Druckes lautet:
Don abtuhung ber 23ylber/ || Dnb bas feyn
23etbler || tmtfyer ben £fyT||ften feyn fall. ||
Carolftatt, in ber CI]ri[tlid]c || ftatt IDittenbcrg. ||
[In Einfassung.]
Der Titel des zweiten weicht ziemlich er¬
heblich ab:
Don abtufyung bei* 23ylber/ 1| Dnb bas fcyn
23etbler || untrer ben <0}rb||ften fcyn fob||
len. || v || £aroI[tatt in ber (Cfyriftlicfie || ftatt
IDittcnbcrg. || [In der gleichen Einfassung.]
Schließlich möge auch noch von den un¬
gleich schwieriger zu erkennenden und nur auf
Grund umfangreicheren Materiales zu sichern¬
den Zwitterdrucken der ersten Gruppe, bei
welcher der Mehrdruck mit einem neuen Bogen
beginnt, noch ein Beispiel hier Platz finden.
Es ist eine Ausgabe von Luthers Großem Sermon
gegen den Wucher, erschienen in beiden Drucken
unter dem Titel:
(£in ferrnon non bem || roucher. Doctozis 2ITar=
tini Cutter || 21uguftincr 311 mittenbergf. ||
Er ist zwar ohne Angabe von Ort und Jahr
und Drucker erschienen, aber wahrscheinlich
von Jobst Gutknecht in Nürnberg 1519 gedruckt.
Die beiden Drucke, die mir vorliegen, sind in
Quarto gedruckt, Bogen 21 und 23 haben je
vier Blätter, Bogen £, der letzte, ist ein Ternio,
hat also sechs Blätter. Solche Ternionen wurden
in der Weise gedruckt, daß in der einen Form
ein gewöhnlicher Quartbogen, welcher Blatt eins,
zwei, fünf, sechs des Ternio umfaßte, gedruckt
wurde, der Rest, Blatt drei und vier umfassend,
in einer neuen Form. Der Ternio darf also
technisch in zwei Bogen zerlegt werden. In den
vorliegenden Drucken ist nun außer den zuletzt
gedruckten zwei Blättern, also Blatt £3, £4,
alles Übrige, Bogen 21 und 23 sowie Blatt eins,
zwei, fünf, sechs von Bogen £ verschiedenen,
und nur die Einlage, Blatt £ 3, £4, gleichen
Satzes. Die oben erörterte Möglichkeit einer
bloß äußerlichen Einschiebung aus einer neuen
Auflage des Buches wird in diesem Falle da¬
durch ausgeschlossen, daß ich von beiden
Gestaltungen des Druckes je drei Exemplare
kenne, von dem einen auf der Königlichen
Bibliothek zu Berlin, in der früheren Sammlung
des Pfarrers Knaake und in London auf dem
British Museum, von dem andern Druck außer
auf der Königlichen Bibliothek zu Berlin und in
der früher Knaakeschen Sammlung auch auf
der Stadtbibliothek zu Nürnberg.
Diese Beispiele mögen für den Nachweis
der Zwitterdrucke in der Reformationszeit ge¬
nügen. Die Erkenntnis derselben ist nicht nur
für die Technik der Buchdruckerei jener Zeit
von Wert, sondern sie gibt auch einen Finger¬
zeig, welchen Schriften und Literaturströmungen
die Gunst und das Lesebedürfnis des Volkes
besonders lebhaft zuteil wurden, da naturgemäß
nur bei solchen Schriften eine Vermehrung ihrer
Auflage noch während des Druckes stattfand.
Zur Technik des Goldschnittes.
Von
Emanuel Steiner in Basel.
s scheint noch niemandem ernstlich auf¬
gefallen zu sein, daß die Freude am
Goldschnitte eines beliebigen Buches
ein Überbleibsel jener noch mehr oder
weniger barbarischen Freude am Metalle an sich
ist, welche wir bei den Miniaturen des Mittelalters
und bei der byzantinischen Tafelmalerei finden.
Während die beiden letzteren Techniken nicht
mehr geübt werden, scheint es den Anschein
zu haben, daß die erstere noch lange nicht aus¬
sterben wird. Aber nicht um Kritik zu üben
möchte ich diese Tatsache konstatieren — das
ästhetische Moment beschäftigt mich nicht — sondern
versuchen möchte ich, zu zeigen wie, trotz ihrer
Selbständigkeit und Verschiedenheit, diese Tech¬
niken auf einen Ursprung mehr oder weniger
zurückgehen.
Ich bitte den Leser, sein teures Buch (vielleicht
und wahrscheinlich in zweifachem Sinne) zur Hand
zu nehmen und sich vor allem zu erfreuen an
dem Glanze des edeln Metalles, das der Schnitt
des Buches trägt. Die Last ist allerdings keine
große, aber es ist echtes Gold, so echt wie das
Gold am Ringe das der Finger trägt und das
nur einen Prozentsatz unedeln Metalles duldet und
diesen nicht ohne Ausweis. Wie kommt das Gold
nun aber auf den Schnitt? Die Sache wäre einfach,
wenn man, wie viele Leute irrtümlich meinen, das
Gold aufstreichen könnte. Aber die Mühe ist eine
große und schier unglaubliche um die Freude am
Glanze des Goldes zu befriedigen.
Bevor ich auf die Hauptsache eingehe, will
ich kurz den Hergang dieser Vergoldetechnik
schildern, einmal um das weitere verständlicher
zu machen und dann, weil diese Technik allein
noch in Übung (ausgenommen die für Rahmen¬
vergoldung) und für manchen Leser vielleicht ihre
Vorführung von um so größerem Interesse ist.
Das Buch, das einen Goldschnitt erhalten soll,
wird in einem bestimmten Zustande in der Schneide¬
maschine glatt geschnitten. Darauf wird es zwischen
Brettern in einer Handpresse so fest eingepreßt,
daß der Schnitt eine Fläche und einen Wieder¬
stand bildet, welcher jegliches eventuelle Ein¬
dringen von Wasser verhindert. Für die Ver¬
goldung ist der Schnitt nun aber noch lange nicht
glatt genug. Er wird nun mit einer Schabklinge
so lange behandelt, bis die Fläche einen elfenbein¬
artigen Glanz erhält. Der Staub, der sich bei
dieser Arbeit gebildet hat, wird nun weggebürstet,
und ein Korn-Kleister mit einem feuchten Schwamme
auf dem Schnitt verrieben und sofort mit feinen
Papierspänen der mattgewordene Schnitt ab¬
gerieben und poliert. Auf die glänzende Fläche
folgt nun der Bolusauftrag als Untergrund für die
Vergoldung. Wenn er trocken ist, wird er ab¬
gebürstet. Das Gold wird nun in entsprechend
große Stücke geschnitten und mit verdünntem Ei¬
weiß aufgetragen. Dies geschieht auf verschiedene
Weise und erfordert in jedem Falle Geschick und
große Übung. Das Eiweiß ist so reichlich auf-
getragen worden, daß das Gold mehr oder weniger
darauf schwimmt. Die Presse wird nun so gewiegt,
daß das Eiweiß, das sich entweder auf die eine
oder andere Seite mehr geneigt hat, noch
einmal auf der Fläche läuft; dann wird die Presse
schnell umgedreht, um das Eiweiß unter dem Golde
ablaufen zu lassen. Wäre die Bewegung un¬
geschickt, so würde der Abfluß auf den einen der
andern Schnitte fallen. Nun gilt es den richtigen
Zeitpunkt abzuwarten um die weitere Behandlung
vorzunehmen. Die Temperatur spielt eine große
Rolle. Es handelt sich um das Polieren des Gold¬
schnittes. Ist der Schnitt noch zu naß, oder die
Bretter, an die er stößt, so rächt sich die Täuschung
schwer und in einer Sekunde ist die Hoffnung,
anstandslos über die Fläche zu kommen, zerstört,
und die Arbeit muß von vorne angefangen werden.
Doch wir sind an der anstandslosen Entwicklung.
Ein gewachstes Papier wird auf die Schnittfläche
gelegt und mit einem Achate, den man in einer
Führung fest in die Schulter lehnt, darüber ge¬
fahren. Dies geschieht in vorsichtigem Hin- und
Herschieben des geschliffenen Steines. Nun wird das
Papier weggehoben und der Schnitt mit einem
seidenen, mit feinem Wachs bestrichenen Lappen
abgewischt. Dies geschieht einige Male mit Unter¬
bruch durch erst sanfterem, dann immer kräftigerem
Drücken und Polieren mit dem Achatstein. Es
folgt nun noch ein eventuelles Ziselieren und
Punzieren des Schnittes, und willig erduldet die
Fläche das Schlagen mit Punze und Hammer.
Über den Ursprung dieser gewiß eigenartigen
Technik läßt uns die einschlägige Literatur voll¬
ständig im Stiche. Wir kennen wohl die Ent¬
wicklung des Bucheinbandes und seiner Einzel¬
heiten, aber bei der Vergoldetechnik angelangt
bleibt die Forschung immer stehen, auch da, wo sie
eine streng wissenschaftliche ist. Und dies liegt
meines Erachtens an dem sehr heikein Stoff, der
zu seiner Behandlung Kenntnisse voraussetzt, die
scheinbar abseits liegen. Nun möchte ich nicht
behaupten das Problem gelöst zu haben, doch
glaube ich in folgendem zu zeigen, wie es gelöst
werden muß.
Die Übung, den Buchschnitt zu vergolden, fällt
wohl zusammen mit der neuen Technik, welche
die Renaissance der Buchbinderei brachte, und
die aus dem Orient kam — der Stemp z\vergoldung.
Im Gegensatz zu dem Blinddruck wurden die
1 1 6
Steiner, Zur Technik des Goldschnittes.
Ornamente auf den Buchdecken vergoldet. Die
Technik des Goldschnittes ebenfalls dem Morgen¬
lande zuschreiben zu wollen^ halte ich nicht für
richtig und zwar aus verschiedenen Gründen.
Vor allem weisen die orientalischen Einbände
nur weihen oder farbigen Schnitt auf. Auch finden
sich keine venetianischen Einbände mit gold¬
verzierten Buchschnitten, die auf orientalischen
Einfluß deuten könnten. Bei diesen Einbänden
fragt es sich überhaupt, wie weit man gehen darf
mit der Zuschreibung selbst der Handvergolde-
technik. Die orientalische Technik der Dekorations¬
weise ist heute noch ein Rätsel, in jedem Falle
weicht sie ab von der noch heute üblichen des Abend¬
landes. Daß diese Einbände die frühesten sind,
die wir kennen, bei denen als Dekorationsmittel
auf der Buchdecke Gold auftritt, ist für unsere
Technik nur insofern maßgebend, als sie den An¬
stoß zu einer neuen Verzierungsweise gegeben
haben kann. Die Technik des Morgenlandes ist
uns bis heute fremd geblieben und hat sich bei
ihrem Auftreten lokal begrenzt. Sie kann auch
damals nur von orientalischen Meistern ausgeführt
worden sein und gehörte nur einer vorübergehenden,
vorbereitenden Periode an.
Die Aufgabe ist noch ungelöst, zu untersuchen
wo der Goldschnitt zuerst auftritt. Es ist möglich
aber nicht sicher, daß er in Italien zuerst in
Übung war. Bekannt sind italienische Vorsatz¬
papiere mit Vergoldung; aber die Vergoldung des
Buchschnittes ist schon in der Idee einer Möglich¬
keit eine weit größere Leistung als die Vergoldung
eines Blattes Papier.
Näher liegt es, an die in ihren Anfängen aller¬
dings viel weiter zurückliegenden Miniaturmalereien
zu denken, wo die metallische Wirkung des
Goldes auf wunderbare Weise auf dem Pergament¬
blatte festgehalten wurde. Und von diesen Kunst¬
werken der Illuministen werden wir immer weiter
zurückgeführt mit der Goldgrundtechnik in der
Tafelmalerei bis zu ihren Anfängen. Selbst in
der Technik der Rahmenvergoldung finden wir
verwandtschaftliches und wir kommen schließlich
zu dem Resultat, daß» es nur der genialen Idee
brauchte, um das Rezept auf den Buchschnitt zu
übertragen.
Ob sich noch irgendwo Werkbücher finden, in
denen Rezepte für den Buchschnitt aufgezeichnet
sind, weiß» ich nicht. Ich kann mich darum nur
an Handschriften halten, welche unsere Sache
mehr oder weniger berühren und in einer Über¬
setzung, soweit diese nötig ist, vorhanden sind.
In erster Linie haben wir uns an die arabischen
Quellenschriften zu halten, nicht etwa allein aus
dem Grunde, weil die frühesten Einbände, bei
deren Dekoration Gold auftritt, morgenländische
sind, sondern weil die arabischen Quellen die ur¬
sprünglichsten sind.
Die späteren Handschriften des Mittelalters,
die für uns in Betracht kommen, gehen alle mehr
oder weniger auf diese arabischen Quellenschriften
zurück und wir werden in der Folge sehen, wie
im Norden und Süden die technischen Mittel ähn¬
liche, wrenn nicht gar dieselben sind.
Als Quelle arabischen Ursprunges kommt für
uns das „Liber sacerdotum “ des XIII. Jahrhunderts
in Betracht. Auch die „ Seledula diversarum Ar-
tium “ des deutschen Mönches Theophilus ist für
uns von Interesse (XI. — XII. Jahrhundert). Ebenso
die Bücher des Heraclius des XIII. Jahrhunderts.
Dem XIV. Jahrhundert gehört der Neapeler
Kodex an, den wir zu zitieren haben werden.
Für den Süden kommt dann noch das Traktat
Cenninis „von der Malerei“ in Betracht (XV. Jahr¬
hundert). Für den Norden ist für uns das Stra߬
burger Manuskript vom Ende des XIV. Jahrhunderts
von Wert, dann die Rezepte des Boltz von Ru-
fach (XVI. Jahrhundert).
Was später an Rezepten in Büchern auftritt,
ist in der Regel nichts als Wiederholung, der oft
die Begründung in der Praxis mangelt.
Es ist bekannt, welch große Rolle der Aber¬
glaube in den früheren Rezeptbüchern spielt. In
den zitierten Büchern werden wir allerdings wenig
damit zu tun haben. Um so mehr sind diese von
Wichtigkeit hauptsächlich in bezug auf die früheren
Techniken der Malerei. Ohne sie würde noch
mehr in Dunkel gehüllt sein, was zu wissen von
größter Bedeutung ist. Denn gerade auf dem
Gebiete der Malerei herrscht heute eine beispiel¬
lose Unsicherheit in der Beherrschung der tech¬
nischen Mittel, und vergeblich hat sich die Wissen¬
schaft bis heute bemüht, das Geheimnis zu ent¬
decken, das z. B. die Bilder der Brüder van Eyck
so wunderbar erhalten auf unsere Zeit gebracht hat.
Ist in bezug auf die reinen Maltechniken das
Ergebnis kein so dankbares wie es zu erhoffen
war, da ein wichtiger Faktor, das Bindemittel, in
seiner Darstellung oft unklar und unsicher ist, so
ist dagegen die Ausbeute um so reicher, wo es
sich um die Techniken handelt, die teilweise
auch als Vorarbeiten für den Maler dienend, für
unsere Studie von großem Interesse sind.
Es ist für mich sehr wahrscheinlich, daß der
Goldschnitt seine Anwendung erstmalig einem
Mönche verdankt. Die Miniaturmalereien haben
die bedeutendsten Schöpfer im Kloster gefunden.
Der Einband zu den Handschriften wurde im
Kloster hergestellt. Die Mu߻e, mit der die Arbeit
ausgeführt wurde, ließ es zu, alle gewünschten
Proben eingehend anzustellen. Die gewonnenen
Resultate wurden in Form von Rezepten nieder¬
geschrieben, und fortwährend ergänzt und erweitert
kamen sie auf spätere Generationen.
So wurde z. B. die Behandlung des Leders
aus arabischen Handschriften genommen und ging
in die späteren, mittelalterlichen über.
Eine ähnliche Bedeutung kommt den Werk¬
schulbüchern zu, die gewöhnlich als Geheimnis
sorgfältig aufbewahrt wurden.
Wenn man diese Sammlungen von Rezepten
verfolgt, so steigt einem überhaupt das Gefühl
Steiner, Zur Technik des Goldschnittes.
ii 7
auf, daß unsere Leistungen in mancher Beziehung
doch recht bescheidene sind. Es ist keine undank¬
bare Mühe, sich durch die Fülle dieser Erfahrungen
hindurchzuarbeiten, und oft ist man erstaunt ob
der Eigenart und Beharrlichkeit mit der so wunder¬
same Werke geschaffen wurden.
Das Gold, das edelste aller Metalle, hatte nicht
nur erstlich die Bestimmung, rein als solches zu
wirken, es diente bald auch zu kostbarer Ver¬
kleidung und als Folie einer bildmäßigen Dar¬
stellung. In letzterer Beziehung ist die byzan¬
tinische Technik und Manier bis ins späte Mittelalter
— zuletzt von der Kölnerschule geübt worden.
Wir können nur die Hauptmomente dieser
ganz raffinierten Techniken berühren, wie sie für
die Tafelmalerei Verwendung fanden, um nicht
von unserer Sache allzusehr abzukommen. Wenn
dies scheinbar dennoch geschieht, so muß zur
Entschuldigung gesagt werden, daß es sich hier
um eine Untersuchung handelt, bei der es darauf
ankommt den Ursprung einer Technik zu finden,
daher denn auch mehr Anhaltspunkte als positive
Ergebnisse gegeben werden können.
Das Gold spielte also eine bedeutende Rolle
in der Malerei, und darum sind auch die Rezepte
zu seiner Darstellung sehr zahlreich.
Der Aberglaube hat sich von jeher bis auf
unsere Zeit naturgemäß am meisten mit der Her¬
stellung dieses edeln Metalles befaßt. So finden
wir, um einige kleine Kuriositäten anzuführen, z. B.
im Uber sacerdotum “ ein Rezept um Gold zu
machen, das sich in späteren Manuskripten mehr
oder weniger verändert findet und dessen eines
Berger zitiert.1 Es heißt da: „Item wiltu gold
machen damit man vergulden mag, so nym einer
schwarzen hennen aij und mach es durch an einen
ort gar wenig und geuß das wasser daruß und
laß den dottern darinne beleihen, und geuß gleich
als vil quecksilbers hinwider ein als des weißen
ist gewesen und vermach das loch mit wachs und
leg es under ein pruthennen und laß gleich als
lang under ir ligen als dise ayr, so prut sich der
totter und das quecksilber under einander und
wirt gleich als gut als zerlassen gold, dann das
es dick ist. Das nym dann und raib es mit
vischgallen oder mit angstein (Bernstein) der gel
ist und mit dem besten den man finden kan, und
mag untz das gleich dünn werd, daß man damit
schreiben mag und wirt schön goldin geschrift,
man mag auch damit vergülden und malen was
man wil das es njemant erkennen mag von anderem
gold.“
Noch mehr von dieser arabischen Phantasie
bringt das älteste in deutscher Sprache gedruckte
„Kunstbüchlin, gerechten gründlichen Gebrauchs
aller kunstbaren Werckleut, Augspurg 1535.“ Um
Gold zu gewinnen ist es dort nötig, Molche zu
fangen, diese dann mit Messing zu füttern, wodurch
sich dieses in Gold verwandelt (!).
Nicht nur in der Goldgewinnung, sondern
auch bei der Behandlung mit Gold war für den
Maler die Arbeit bedeutend komplizierter.
Die Rezepte für Vergoldung bei der Tafel¬
malerei variieren in den verschiedenen Manu¬
skripten. Sie beziehen sich in der Hauptsache
auf Matt- und Glanzvergoldung. Wie bei unserer
in Frage kommenden Technik spielt der Bolus
und das Ei eine große Rolle. Das letztere war
schon bei Plinius für alle Vergoldungen ohne
Feuer in Gebrauch. In der Temperamalerei hat
es von jeher und auch heute noch eine wichtige
Rolle.
Was die Tafelvergoldung anbelangt, so müssen
wir, wie schon betont, absehen von ihrer inter¬
essanten Mannigfaltigkeit in bezug auf Modellierung
oder Belebung durch Punzen, durch Unterlegen
von Zinnfolien usw. und hier nur kurz den Her¬
gang der Arbeitsweise der einfachen Vergoldung
darstellen.
Die Holztafel wird sorgfältig nach den ver¬
schiedenen Vorschriften mit Leim und Gips grun¬
diert. Nachher wird sie geschabt und geschliffen.
Es folgt nun die Aufzeichnung mit Silberstift, Kohle
oder Tusche. Nun folgt, der Bemalung voraus, als
der wichtigste Teil der Arbeit die Vergoldung.
Die Tafel wird für Glanzvergoldung mit Bolus,
von Eiweiß aufgenommen, überfahren.
Dieser Bolus war bei den byzantinischen
Meistern armenischer, der, nicht wie unser heutiger,
im Handel erhältlicher sogenannter französischer
eine Fett- oder Seifenmischung hatte. Ein solcher
Fettgehalt war für die Haltbarkeit schon in der
Grundierung berücksichtigt. Das rötliche Boliment
hatte natürlich dieselbe Aufgabe wie bei unserer
Vergoldetechnik, nämlich das Feuer des Goldes
zu erhöhen. Es folgt nun das Auflegen des
Goldes. Dies geschieht mit einem „Anschießer“.
Der Grund wird Stück für Stück entsprechend
angefeuchtet wiederum mit Eiweiß oder Wasser
und Branntwein.
Das Gold wurde oft zwei- bis dreifach auf¬
gelegt. Nach dem Glätten folgt das eventuelle
Punzieren.
Eine andere Art von Vergoldung will ich nur
andeuten. Es handelt sich um die Mattver¬
goldung mittelst Beizen. Es ist die Ölvergoldung,
wie sie in den zitierten Manuskripten erwähnt und
veranschaulicht ist. Im Gegensatz zur Glanz¬
vergoldung erfolgt hier die Arbeit nach der Be¬
malung.
Auch der Vergoldung der Rahmen sind
Notizen gewidmet, doch sind die Methoden der
für Tafelvergoldung so ähnlich, daß sie wohl über¬
gangen werden können.
Viel näher unserer Technik führt uns die
Technik der Miniaturmalerei. Die Rezepte, wenn
auch ohne starke Abweichungen, sind in ungleich
größerer Zahl vorhanden. Dies hat seinen Grund
1 Berger, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Maltechnik, München 1897.
1 1 8
Steiner, Zur Technik des Goldschnittes.
hauptsächlich darin, daß die Maler und Hand¬
werker des Schreibens nicht so kundig waren wie
die Mönche, welche die Miniaturmalerei haupt¬
sächlich pflegten. Während bei den Maler-
Handwerkern die Überlieferung mehr mündlicher
Natur war und somit leichter verloren ging,
nahmen sich die Mönche gerne die Gelegenheit
ihre Rezepte zu fixieren.
Die Rezepte für Goldschrift, welche schon in
den ältesten Manuskripten zahlreich sind — auch
der Leydener Papyrus bringt schon solche —
haben für unsere Untersuchung weniger Interesse.
Wir haben uns vielmehr mit den vergoldeten Aus¬
zierungen zu beschäftigen, wo Blattmetall in Frage
kommt. Bei der Verfolgung des Entwicklungs¬
ganges bei der Arbeit sind wir nicht wenig erstaunt,
dieselbe Technik, wie sie bei der Tafelarbeit geübt
wurde, zu finden.
Das Pergament erhält an der zu schmückenden
Stelle einen Gipsgrund, wie die zu vergoldende
Tafel. Es kommen wohl auch Abweichungen vor
wie bei der Behandlung der Tafeln, wie wir noch
sehen werden, aber im allgemeinen ist im Mittel-
alter wenigstens die Technik überall dieselbe.
Es handelt sich bei der Pergamencmalerei um
die Glanzvergoldung; die Vergoldung mittelst der
Beizen beschränkt sich auf die Tafel- und Wand¬
malerei, wo sie vornehmlich Anwendung findet.
Es kommen zwei Methoden in Betracht, ein¬
mal die ältere von Theophilus beschriebene als
nasses Verfahren und die spätere, ausschließlich
angewandte, das trockene Verfahren.
Theophilus benützt für die Stellen, die Glanz
erhalten sollen, kein Blattmetall, sondern das Gold
in Pulverform. Bei ihm mangelt der Kreidegrund.
Er nimmt Minium mit Zinnober, fügt diesen Farben
Wasser und Eiweiß bei und trägt es auf die zu
vergoldenden Stellen. Das Goldpulver wird dann
mit dünnem, warmem Hausenleim angerührt und
mit dem Pinsel aufgetragen. Nachher wird das
Gold mit einem Zahne geglättet.
Im Neapeler Kodex, welcher in bezug auf die
Darstellung der Technik der Miniaturmalerei von
hohem Interesse ist, kommt die Methode des Theo¬
philus schon nicht mehr in Betracht, und es wird
nur das trockene Verfahren, mit Blattmetall und
terris (Grund) erwähnt.
Einen Auszug dieses Kodex in deutscher Über¬
setzung bringt Berger in seinem Buche „Quellen
und Technik der Fresko-, 01- und Temperamalerei
des Mittelalters“ (München 1897). Unter Rubrik
XIII (De Assisa ad ponendum aurum in carta)
übersetzt er:
„Die Assisa, um Gold aufzusetzen, wird auf
vielfache Art gemacht. Doch gebe ich eine er¬
probte und gute Anweisung: Nimm gebrannten
und sorgfältig bereiteten Gips (gessum coctum et
curatum), welchen die Maler auf Bildern benutzen,
nämlich den feineren, soviel du magst, dazu */,
Teil vom besten armenischen Bol, reibe dies sorg¬
fältig bis zur größten Feinheit auf dem Steine
und lasse es trocknen; nimm davon einen Teil
(und bewahre den anderen auf); reibe Hirschleim
oder Pergamentleim dazu und füge etwas Honig
bei, soviel als zum Süßwerden (dulcificare, ver¬
süßen) nötig ist. Trachte weder zu viel noch zu
wenig von dem Honig beizumischen, sondern der¬
art, daß, wenn du eine Quantität auf die Zunge
bringst, du kaum den Geschmack des Süßen
habest. Und wisse, daß für ein kleines Gefäß,
wie es die Maler haben, zwei Messerspitzen
genügen, mehr würde die Masse verderben. Ist
es gut gerieben, so gib es in ein glasiertes Gefäß,
schütte Wasser darauf, so daß es bedeckt ist,
ohne sich mit der Masse zu vermengen. Vor
dem Gebrauch schütte das Wasser ab und gib
acht, die Materie nicht zu vermischen, und jedes¬
mal, wenn du Assisa legen willst, versuche auf
einem besonderen Blatte, ob es gut ist und trocknet.
Lege etwas davon auf* und versuche, ob es sich
gut glätten läßt. Merke: wenn es zu viel Tempera1 2
oder zu viel Honig enthielte, so verbessere mit
etwas gewöhnlichem Wasser in dem Gefäß; es
wird desto besser, wenn es einige Zeit steht und
schütte das Wasser dann sorgsam ab. Ist aber
stärkere Tempera nötig, gib etwas Leim oder
Zucker oder Honig nach Bedarf hinzu. In diesen
Dingen gilt mehr die Erfahrung, als die geschriebene
Anleitung; ich erspare mir deshalb ein Weiteres.
Dem Wissenden genügt das Wenige.“
Rubrik XIV (De modo utendi ea) bringt die
Verwendung:
„Sobald die Buchstaben usw. aufgezeichnet
sind, müssen die Stellen, auf welchen man Gold
aufsetzen will, erst mit Leim bestrichen werden.
Erweiche ein kleines Stück Hirschleim oder Fisch¬
leim im Munde, bis es weich wird und streiche
die Stellen gut damit ein, das Blatt (Pergament)
wird für die Assisa empfänglicher. Manche geben
über die ganze Malerei vorher eine Lage Leim;
das ist aber nicht nötig, wenn das Pergament
rauh ist. Man kann dasselbe weicher machen
mit Leim und Honigwasser. Nimm dann die
Assisa mit Wolle oder besser mit einem besonderen
Pinsel und gib eine Lage davon; wenn diese fast
trocken ist gib eine zweite und wiederhole dies
zwei- oder dreimal und sorge dafür, daß der
Grund weder zu dünn, noch zu dick ist, sondern
entsprechend. Ist das trocken, so schabe mit
einem Messer und reinige mit der Hasenpfote.
Nimm dann geschlagenes oder mit dem Feder¬
brech bereitetes Eierklar, wie es die Maler haben;
wenn alles ganz zu Schaum geworden, gieße
Wasser zu, oder guten weißen Wein, oder ein
wenig Lauge (lixivio), oder ohne etwas; entferne
den Schaum von der Oberfläche und die untere
1 Wahrscheinlich ist das Gold gemeint. Anm. d. V.
2 Hier ist das Bindemittel für Gips und Bolus gemeint. Anm. d. V.
Steiner, Zur Technik des Goldschnittes.
Flüssigkeit ist gut. Überstreiche damit sorgfältig
den Assisagrund. Schneide das Gold in Stücke
und drücke dieselben in den Grund, wenn nötig
mit Wolle, an. Sobald es trocken ist um den
Glättstein zu ertragen, glätte mit dem Zahn oder
dem Amethyst, wie die Maler die Bilder auf
Buchsbaum oder anderem Holze vergolden. Man
kann auch Linien ziehen und punktieren (lineare
aut granectare). Fehlerhafte Stellen bessere mit
Eiklar aus und drücke mit der Wolle die Stelle
fest. Sobald alles geglättet ist1 reinige mit der
Hasenpfote und glätte die fehlenden2 Stellen, bis
alles gut ist.
Es gibt noch andere Methoden, aber diese ist
bei den Miniaturisten die gebräuchlichste.“
Auch wir wollen es mit der vollständigen An¬
führung dieses Rezeptes bewenden lassen, da es
für unsere Zwecke genügend Aufschluß gibt, und
nur noch einige kleine kurz berühren, die für uns
von mehr oder weniger Interesse sind.
Der Honig spielt eine wichtige Rolle, um das
Gold geschmeidig zu halten und das Brechen zu
verhindern. Auch Ohrenschmalz dient zu diesem
Zwecke. Der Eiweißbereitung wird natürlich oft
gedacht.
Im Neapeler Kodex übersetzt der verdienstvolle
E. Berger unter Rubrik XVI (de clara ovorum
et quomodo praeparatur) folgendes:
„Das Klare von Hühnereiern wird am besten
so gemacht: nimm frische Eier, eines, zwei oder
mehr, je nachdem du nötig hast, schlage sie vor¬
sichtig auf, trenne das Weiße von dem Gelben,
ohne sie zu vermischen, entferne den „Hahn“
(gallaturam) aus ihnen, und schütte es in eine
gläserne Schüssel. Am besten mit einem neuen
Meerschwamme, oder wenn du keinen hättest, mit
einem gut ausgewaschenen, den du mit der Hand
zusammenquetschest, lasse dann das ganze Eierklar
in den Schwamm sich einsaugen und sorge dafür,
daß der Schwamm so groß ist, um die Menge in
sich aufzunehmen. Hernach drücke so lange die
Masse in der Schale aus und nimm sie wieder
mit dem Schwamme auf, bis es schaumig wird
und wie reines Wasser abläuft; damit wird ge¬
arbeitet. Und wenn du es längere Zeit konser¬
vieren willst, ohne daß es riecht und in Fäulnis
gerät, so gib es in eine Glasflasche mit etwas rotem
Realgar (risalgallo), ungefähr eine Bohne groß
oder höchstens zwei, ein wenig Kampfer, oder
zwei Gewürznelken, damit erhält es sich.
Wenn du Gold mit Ei auf legen willst, dann
schlage es zu Schaum mit dem Federbrecher
oder gespaltenem Schilfrohr, wie es oben gesagt ist.“
Unter Rubrik XVIII (De aqua mellis vel zuc-
chari) ist folgendes übersetzt von Honig- oder
Zuckerwasser :
1 r9
„Dieses ist zum Mischen des Leimes oder Ei¬
weiß sehr wichtig; nimm Honig, so rein und hell
wie möglich, köll ihn in einem breiten Gefäß,
auf schwachem Feuer; entferne den Schaum, bis
es ganz klar ist; dann erst gib Wasser hinzu und
lasse aufschäumen. Gib etwas Eierklar mit Wasser
hinzu, wie es die Apotheker machen; ganz wenig
Honig genügt. Lasse den Honig nebst dem Eier¬
klar kochen, bis das Wasser fast verdampft ist
und filtriere in eine Flasche. Ebenso bereite die
Zuckertempera.
Man kann sich die Arbeit auch ersparen und
Zucker oder Honig mit oder ohne Wasser ver¬
wenden, es ist aber besser, die Flüssigkeit ist
klar; Kandiszucker ist besser als gewöhnlicher.“ 3
Bei Heraclius wird das Eiweiß mit Wasser¬
zugabe 7 — 8 mal durch einen leinenen Filter
gelassen.
Der Anonymus Bernensis verwirft dieses Re¬
zept, weil das Bindemittel von der Hand des¬
jenigen, der es durchdrückt, Schmutz annimmt,
und gebraucht das zu Schaum geschlagene Eiklar.
Bei dieser Methode wird vorgeschrieben, den
Schaum über Nacht stehen zu lassen, während
das Rezept bei Heraclius eine sofortige Benutzung
gestattet.
Das Rezept Vasaris bei Cennini, wo dem
Bindemittel junge Feigentriebe beigefügt werden,
welche eine schnelle Lösung des Eiklar herbei¬
führen, bezieht sich nicht auf die Vergoldung son¬
dern auf die Temperamalerei. Das Eigelb wird
nämlich mit verwendet.
Das Straßburger Manuskript nimmt zur Kon¬
servierung des Eiweiß Essig und Salmiak. Boltz
nimmt Rosen- oder Lilienwasser, Gewürznelken
und Realgar, wie es das Neapeler Manuskript
vorschreibt.
Während die Techniken der Tafel- und Miniatur¬
malerei verloren gingen und nicht mehr geübt
werden, so übt der Buchbinder eine Technik un¬
bewußt, welche er in ihrem Ursprünge grauen
Zeiten verdankt. In der Rahmenvergoldung ist
es ebenso.
Denn diese Techniken, die einander so ähnlich
sind, daß in der oft ungeordneten Reihenfolge
der Rezepte schwer zu unterscheiden ist, für wel¬
chen Zweck das Rezept bestimmt ist — diese
Techniken gehen alle auf einen Ursprung zurück.
Die Goldauszierungen der Miniaturen sind nur
die Konsequenz der Technik, wie wir sie in den
ältesten Zeugen der Tafelmalerei, der byzantini¬
schen, kennen. Aber die Technik ist auch dort
nicht neu, wenn auch erweitert, sondern geht zurück
bis auf die Verzierungen wie sie an ägyptischen
Mumiensärgen und Mumienmasken der späteren
Zeit figurieren.
1 Soll wohl heißen „trocken ist“. Anm. d. V.
2 Soll wohl heißen „Fehler-Stellen“. Anm. d. V.
3 Der letzte Absatz spricht deutlich dafür, daß das Präparat als Bindemittel für die Farben oder für den Grund
bestimmt ist. Anm. d. V.
120
Steiner, Zur Technik des Goldschnittes.
Aus leicht verständlichen Gründen kann die
Anwendung des Goldschnittes nicht so weit zurück¬
gehen und erst da in Frage kommen, wo die
Niederschrift in Buchform gefaßt wird. Dazu
kommt die Bedingung einer guten Bindetechnik,
von einer künstlerischen Absicht ganz abgesehen.
Beide Faktoren haben in der Renaissance erst
ihre Höhe erreicht, welche Zeit eine Glanzperiode
nicht nur der großen Künste, sondern auch des
Kunstgewerbes war.
Es ist kein Zweifel, daß der erste Goldschnitt¬
macher die Rezepte kannte, welche für die Tafel-
und innere Buchvergoldung am Tageslichte lagen.
Sehr wahrscheinlich ist es ferner, daß er sich selbst
versuchte in der Goldauszierung der Bücher. Als
Klosterbruder hat er sie vielleicht geschrieben,
gemalt und eingebunden.
Es war eine ganz geniale Idee, den Versuch
zu wagen und den Buchschnitt mit Gold zu be¬
legen. Wir können uns wohl denken, daß dieses
Experiment nicht gleich von Erfolg gekrönt war.
Vielleicht wurde zuerst versucht durch Aufstreichen
von flüssigem Gold, dessen Herstellung wohl be¬
kannt und geübt war, ein Resultat zu erzielen.
Dann wird der Versuch gemacht worden sein, den
Buchschnitt zu glätten, und die Einsicht mußte
kommen, daß dies nur durch festes Zusammen¬
pressen der Blätter möglich sei. Damit war schon
viel gewonnen, und es konnte der große Schritt
gewagt werden, und der Buchschnitt mit Blattgold
belegt werden.
Daß eine möglichst glatte Fläche die Vor¬
bedingung zu dem Experiment war, wußte man
von der Tafelvergoldung wie von der Buchver¬
goldung. Wenn wir heute Papierspäne zum
Polieren der Schnittfläche benutzen, so muß gesagt
sein, daß man schon bei der byzantinischen Tafel¬
vergoldung ein ähnliches Mittel benutzte, nämlich
getrocknete Schachtelhalme. Schon bei Theo¬
philus finden wir eine Stelle, die darauf hinweist.
C. XIX bringt folgende Anweisung: „nach diesem
(Bereitung des Leimes) nimm wie Kalk gebrauten
Gips oder Kreide, mit der die Häute weiß ge¬
färbt werden und vermahle sie sorgsam mit Wasser
auf dem Steine, dann gib es in einen Scherben,
gieße Leim von jenem Leder darauf und stelle
es auf Kohlen, daß der Leim flüssig werde und
streiche es so sehr dünn auf das Leder.1 Dann,
wenn das trocken wurde, trage etwas dichter auf,
und wenn nötig, ein drittes Mal. Sobald es
vollkommen trocken ist nimm das Kraut Schachtel¬
halm, welches den Binsen ähnlich wächst und
Knoten hat; nachdem du es im Sommer gesammelt
hast, dörre es an der Sonne und reibe mit diesem
den weißen Grund, bis er gänzlich glatt und hell ist.“
War einmal der Versuch von Erfolg gekrönt
— die Überraschung wird keine kleine gewesen
sein — so lag es nahe, das auf dem Goldschnitte
zu üben, was auf den Goldgründen der Tafeln
geübt wurde: das Punzieren des Goldschnittes war
das nächstliegende. — Es wäre eine interessante
Aufgabe zu untersuchen, wo und zu welcher Zeit
der Goldschnitt zuerst auftritt.
Was ich in diesem kleinen Beitrage gebracht
habe bezweckt nur, zu zeigen wo die Anhalts¬
punkte gesucht werden müssen und zugleich die
interessante Tatsache zu illustrieren, wie Techniken
verschiedener Erzeugnisse ineinander gegriffen haben
und es teilweise auch heute noch tun und wie
die Berührungspunkte viel größere gewesen sein
müssen, als dies heute bei unserer Arbeitsmethode
möglich ist. Was bei der Kunst der Renaissance
auffällt, wird uns auch bei unserer Betrachtung
bewußt: Der Mensch jener Zeit wrar universaler
und nicht so exklusiv wie wir. Eine solche Zeit
ist ihrer Vorzüge wegen zu beneiden.
1 Es handelt sich um Gipsgrund auf Leder und Holz.
Alle Rechte Vorbehalten. — Nachdruck verboten.
Für die Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Carl SchüddekopfNf eimar, Grunstedterstr. 16. Druck u. Verlag v. IV. Dritgitlin-Leipzig, Königstr. io.
Max Klinger, Das Fest. Aus der Brahmsphantasie.
Musikalische Bibliophilie.
Von
Dr. Ludwig Volkmann in Leipzig.1
Mit 18 Abbildungen.
Das musikalische Druckerzeugnis ist
i gegenüber dem literarischen leider
J heutigen Tages noch ein Stiefkind ,
wenigstens was das Interesse an seiner
äußeren Erscheinung und an seiner bloßen
Existenz als solcher betrifft. Es sei deshalb ge¬
stattet, die Aufmerksamkeit der Bücherfreunde,
oder doch der musikliebenden unter ihnen, auf
dieses schöne und noch recht dankbare — weil
relativ unbebaute — Feld der Betätigung und
des Sammelns in besonderer Weise hinzulenken,
wobei es sich natürlich nicht um eine wissen¬
schaftliche Erschöpfung, sondern nur um einige
praktische Hinweise, Mitteilungen und An¬
regungen zu weiterer eigener Beschäftigung
handeln kann. Wie sehr das gedruckte Musik¬
werk dem Literaturwerk im allgemeinen Be¬
wußtsein nachsteht, ergibt sich schon schlagend
aus dem Gebrauch unserer Sprache; wenn wir
für das Gebiet der Musik nach einem gleich¬
wertigen Ausdruck für das kurze und so um¬
fassende, charakteristische Wort „Buch“ suchen,
so bemühen wir uns vergebens und müssen
uns schließlich wohl oder übel mit dem schreck¬
lichen Ausdruck „ Notenheft “ begnügen, wobei
uns denn sogleich allerlei zerfahrene und zer¬
flederte Jammerexistenzen ins Gedächtnis flattern,
wie sie in jedem „besseren“ Hause und wohl
1 Nach einem am 29. November 1908 bei der Generalversammlung der Gesellschaft der Bibliophilen im Deutschen
Buchgewerbehause zu Leipzig gehaltenen Vortrage, der durch eine besondere Ausstellung erläutert wurde. Gleichzeitig
war die v. zur Westensche Sammlung von Notentiteln usw. ausgestellt.
Z. f. B. 1909/1910. 16
I 22
Volkmann, Musikalische Bibliophilie.
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Neumen. Aus einem um das Jahr 1000 geschriebenen Antiphonar.
gar bei uns selbst ihr kümmerliches und un¬
ästhetisches Dasein fristen, während das Buch
in starkem, schönen Gewände immer mehr den
Stolz des Gebildeten zu bedeuten beginnt. In
der Tat, das lose oder nur leicht broschierte
Notenheft scheint wenig geeignet, schon um
seiner Erscheinung willen begehrt oder geliebt
und gepflegt zu werden, und bei solchen Zu¬
ständen ist es vielleicht fast etwas kühn, an eine
„musikalische Bibliophilie“ zu denken; denn ge¬
wiß muß zunächst überhaupt erst einmal der
Begriff des musikalischen Buches, der musika¬
lischen Bibliothek zum Allgemeingut werden,
wovon wir leider noch weit entfernt sind. Aber
im Wunsche kann man ja gern schon etwas
weiter greifen, besonders einem Publikum gegen¬
über, das in diesen Dingen
voranzugehen gewöhnt ist ;
und wenn es nach der Be¬
gründung der Deutschen
Musiksammlung in Berlin
vielleicht in absehbarer Zeit
zum guten Ton gehören
wird, eine leidliche und prä-
sentable musikalische Biblio¬
thek aufweisen zu können,
so werden wohl auch die
wenigen musikalischen Biblio¬
philen, die Deutschland jetzt
zählt, nicht mehr ganz so
vereinzelt bleiben.
Mit der stiefmütterlichen
Behandlung der Musikalien
im allgemeinen hängt es
nun besonders zusammen,
daß auch die Kenntnis der
Technik des Notendruckes
weit weniger verbreitet ist
als diejenige der Buchher¬
stellung; auch gibt es ja in
der Tat nur eine kleine An¬
zahl von Musikdruckereien,
während jedermann leicht
Gelegenheit findet, einmal
einen Blick in eine typo¬
graphische Anstalt zu werfen.
So mag hier ein kurzes
Wort über die Herstellung
der Noten vorausgeschickt
werden. — Weitaus über¬
wiegend ist heute bekannt¬
lich der Notenstich. Auf sorgfältig polierten
Platten, die aus einer Mischung von Zinn und
anderen Metallen bestehen (seltener aus Zink),
wird die betreffende Komposition erst mit
einem Stift flüchtig skizziert, nachdem die Noten¬
linien mit dem „Rastral“, einem fünfschneidigen
Instrument, vorgezogen sind. Dabei muß natür¬
lich alles verkehrt, also von rechts nach links,
stehen, um dann beim Druck richtig zu
kommen, was erhebliche Übung erfordert Nun
werden die verschiedenen gleichartigen Zeichen:
Schlüssel, Vorzeichnungen, Notenköpfe, Tempi,
Textworte usw. mit Stahlstempeln durch einen
leichten Hammerschlag in das Metall eingeprägt,
die Taktstriche, Balken und Bindebogen aber
aus freier Hand mit dem Stichel graviert. Der
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Notenhandschrift des XV. Jahrhunderts mit Miniaturen. fBuchgewerbemuseum, Leipzig.)
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Volkmann, Musikalische Bibliophilie.
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Aus einem Missale von 1492. Nürnberger Typen-Doppeldruck mit eingemalten Initialen.
(Buchgewerbemuseum, Leipzig)
Druck erfolgt selten direkt von den so erhaltenen ausgaben verwandt wird. Meist nimmt man
Platten, da dieser Prozeß — der genau wie bei vielmehr nur einen direkten Abzug mit sehr
einem Kupferstich auf der Handpresse vor sich strenger Farbe von jeder Platte, und zwar
geht — zu umständlich und teuer ist, und nur auf Blätter chinesischen Papieres, die dann
noch für gewisse Monumentalwerke und Luxus- gleich zu 4 oder 8 auf einen lithographischen
Volkmann, Musikalische Bibliophilie.
125
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Aus ..Etlich christlich Lobgesang“ Wittenberg 1523. Holztafeldruck.
(Buchgewerbemuseum, Leipzig.)
Stein (neuerdings auch Zinkplatte) gelegt und Überdrucken aufbewahrt. Als billigerer Ersatz
auf diesen „übergedruckt“ werden, worauf der für den Stich greift auch die AutograpJiie mehr
Druck vom Stein in der Schnellpresse bogen- und mehr um sich ; die Noten werden auf
weise erfolgt, wie bei jeder anderen Litho- präpariertes Papier mit fetthaltiger Tinte ge-
graphie. 1 Der Stein wird nach dem Druck schrieben, auf Stein übertragen und so gedruckt,
jedesmal abgeschliffen, die Platte zu neuen wobei jedoch das Original zerstört wird, so daß
1 Für sehr große Auflagen dient die Zinkdruck-Rotationsmaschine, auf die hier nicht näher eingegangen werden
kann.
126
Volkmann, Musikalische Bibliophilie.
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Aus Hans Newsidlers Lautenbuch.
(Deutsche Lauten-Tabulatur.) Nürnberg, 1536.
für jeden neuen Druck neu geschrieben werden
müßte, was die Anwendung des Verfahrens
beschränkt. — Der Noten-Typendruck (Huch¬
druck) ist wegen der großen Umständlichkeit
der vielen kleinen typographischen Teilchen
und Zeichen verhältnismäßig teuer, und wird mit
Vorteil besonders für Werke mit vielem Text
(Liederbücher usw.) verwandt. Unsere bei¬
gegebene Probe erläutert dies ohne weiteres,
indem einmal die geschlossene Notenzeile ab¬
gedruckt ist, und darüber dieselbe Zeile in
ihre Teilchen zerlegt, so daß man erkennt, wie
jedes Zeichen noch die entsprechenden kurzen
Linienansätze haben muß, damit sich das Ganze
dann zusammenfügt. Der Druck erfolgt auf
der gewöhnlichen Buchdruck-Schnellpresse, und
da hierfür eine zeitraubende „Zurichtung“ er¬
forderlich ist, die beim Steindruck wegfällt, so
lohnt sich der Noten-Typendruck auch aus
diesem Grunde mehr für Liederbücher usw.,
die in großen Auflagen gedruckt werden,
während man von eigentlichen Notenwerken
weit geringere Mengen herzustellen pflegt. Die
Titelblätter werden gleichfalls entweder in
Steindruck oder in Buchdruck hergestellt;
während der Buchdruck mit Schrift und
Ornament schöne, einfach-vornehme Wir¬
kungen zu erzielen vermag, ist die freiere
Lithographie naturgemäß für bildliche Aus¬
schmückung aller Art das bevorzugte Ver¬
fahren.
Dies also die heutige Technik der
Notenherstellung, die sich freilich erst ganz
allmählich zu diesen Formen ausgebildet
hat; ein Blick auf die historische Entwick¬
lung, die zuvor durchlaufen werden mußte,
bietet dem Bücherfreund manches Inter¬
essante.1 Dem Druckwerk geht natürlich
auch auf diesem Gebiete die Handschrift
voraus, wie beim Buch; die Notenschrift selbst
aber hat im Laufe der Zeit weit größere Ver¬
änderungen erlitten, als die Buchstabenschrift.
Im Altertum bediente man sich zur schriftlichen
Fixierung der Noten der Buchstaben des Alpha¬
betes, die über die Worte geschrieben wurden
und so in einem allmählich immer komplizierter
ausgebildeten System die Höhe der Töne be-
zeichneten. Doch ging diese Art der Noten¬
schrift mit der übrigen griechischen Kultur
durch die Völkerwanderung so vollständig
verloren, daß im VII. Jahrhundert n. Chr.
ein gelehrter Bischof die Ansicht aussprechen
konnte, es sei überhaupt unmöglich, Töne
schriftlich festzuhalten. Aber schon bald da¬
nach hatte man die Aufgabe auf neuem Wege
gelöst, und zwar diesmal nicht mit Hilfe von
Buchstaben, sondern durch besondere, haken¬
artige Zeichen, die als „ Neumen “ bekannt sind
und durch das ganze frühere Mittelalter in Übung
blieben. Die Neumenschrift war freilich ein
sehr unzulängliches Ausdrucksmittel, und brachte
lediglich die relative Höhe der verschiedenen
1 Näheres darüber findet sich in der ausgezeichneten Abhandlung von Prof. H. Riemann über „Notenschrift und
Notendruck“ in der Festschrift der Firma C. G. Röder in Leipzig, 1896.
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Englische „Tonic-sol-fa“ Notenschrift. (Buchstaben-Noten.)
Volkmann, Musikalische Bibliophilie.
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Töne zueinander, nicht aber den Zeitwert usw.
zur Anschauung. Sie wurde über den Text
geschrieben, und es traten als Hilfsmittel erst eine,
dann zwei Linien hinzu, bis Guido von Arezzo
um das Jahr 1026 ein System von vier Linien
einführte — die Vorläufer der heutigen fünf
Notenlinien. Die Neumen selbst nahmen gleich¬
zeitig mehr und mehr eine quadratische Gestalt
an, und unmittelbar hieran schlossen sich in der
äußeren Form die eckigen Mensuralnoten an,
welche zuerst im XI. Jahrhundert auftraten und
nun als wichtigen Fortschritt die Bezeichnung
der Tondauer neben der Höhe brachten. Hiermit
war prinzipiell das noch heute geltende System
der Notenschrift gefunden, und an demselben
ist seither nur noch in Einzelheiten ausgebaut,
nicht aber grundsätzlich geändert worden. So
traten im XIV. Jahrhundert die Taktstriche
hinzu, die eckige Form ging in neuerer Zeit
(XVII. Jahrhundert) in die runde über und
dergleichen mehr, was hier zu weit führen
würde. — Wie die Buchmanuskripte, so wurden
auch die Notenhandschriften reich und prächtig
mit Initialen und Miniaturen geschmückt, und
namentlich die Kirchen und Klöster wetteiferten
in der Herstellung besonders kostbarer Missalien,
Antiphonarien usw. Als dann die Drucker¬
kunst auftauchte, versuchte man, wiederum
wie beim Buch, auch in der Musik möglichst
getreu den Eindruck der Handschrift zu wahren
und wiederzugeben, ja man begegnete der
Schwierigkeit des gleichzeitigen Druckes von
Titel zum Graf Zeppelin-Marsch von Oberstetter.
Verlag von Max Hieber, München.
Z. f. B. 1909/1910. Heft 4. Tafel 1.
Zu Volkmann: Musikalische Bibliophilie.
Volkmann, Musikalische Bibliophilie.
129
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Pariser Bibelausgabe 1567. Einfacher Notentypendruck.
(Stadtbibliothek, Leipzig.)
Linien und Noten zuerst sogar dadurch,
daß man die Linien allein druckte, und
die Noten mit der Hand hinein schrieb.
Später druckte man auch die Noten,
und zwar meist in anderer Farbe,
nämlich die Linien rot und die Noten
schwarz. Die ältesten Notendrücke
erfolgten wohl von Holztafeln, auch
Metallplatten, aber fast gleichzeitig
wurde auch die eigentliche Typo¬
graphie, d. h. der Druck mit beweg¬
lichen Lettern, auf die Wiedergabe der
Musik angewandt, ein Verfahren das
im XVI. Jahrhundert zuerst von Petrucci
in Venedig in umfassenderer Weise ge¬
übt und von Johann Gottlob Immanuel
Breitkopf im XVIII. Jahrhundert auf das
vollkommenste technisch durchgebildet
wurde, so daß es seitdem möglich
wurde, Linien und Noten in Buchdruck
gleichzeitig zu drucken (siehe S. 127). —
Während nun die Neumen und die
sich daraus entwickelnden Mensural-
noten vorwiegend für Vokalmusik Ver¬
wendung fanden, war nebenher für die
Instrumente (namentlich Orgel und
Laute) seit dem XV. Jahrhundert noch
eine andere Notationsweise in Übung,
die sogenannten Tabulaturen, worin
die Töne mit Buchstaben oder Ziffern
bezeichnet, die Zeitwerte aber durch
besondere Zeichen ava-eben sind. Diese
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letzteren bestehen häufig in senk¬
rechten Strichen mit einem oder
mehreren kurzen Querstrichen zur Be¬
zeichnung der Viertel, Achtel, Sech¬
zehntel, und es leuchtet auf den ersten
Blick ein, daß gerade diese Elemente, kombiniert
mit der Mensuralnotierung, einen wichtigen Be¬
standteil der heutigen Notenschrift ausmachen.
Reste von Ziffern- oder Buchstaben-Notierung
finden sich übrigens auch heute noch, freilich
mehr als „Eselsbrücken“ für Leute die keine
Noten lesen können. Es sei nur an die eng¬
lischen „ Tonic-Sol-fa- Ausgaben“ für Chöre, an
die Noten für Harmonika, Akkordzither und der¬
gleichen erinnert. Sonst aber scheint die Noten¬
schrift zu einem entschiedenen Abschluß ihrer
Entwicklung gelangt zu sein, und alle Neuerungs¬
versuche — die fast jedes Jahr regelmäßig wieder¬
kehren — sind bisher völlig erfolglos geblieben,
Z. f. B. 1909/1910.
was zur Warnung für erfindungslustige Leser
hier bemerkt sei.
Kehren wir indes zur historischen Entwick¬
lung des Notendruckes zurück. Bis zum Ende
des XVI. Jahrhunderts blieb der Typendruck
allein herrschend; im Jahre 1586 aber ließ
Simone Verovio in Rom sein erstes Musikwerk in
Kupferstich folgen, und dieser wurde bald außer¬
ordentlich beliebt für den Notendruck, namentlich
wegen der leichten und freien Art in der sich
dabei allerlei Ornamente und Illustrationen mit
anbringen ließen. Steht doch die Graphik des
XVII. Jahrhunderts überhaupt unter dem Zeichen
des Kupferstichs! Um 1725 wurde dann in
17
130
Volkmann, Musikalische Bibliophilie.
England der weitere Fortschritt gemacht, daß
man statt Kupferplatten solche aus Zinn und
Blei usw. benutzte, wodurch man fast gleich¬
zeitig auf den Gedanken kam, die feststehenden
Zeichen mit Stempeln einzuschlagen und nur
noch die Linien, Bogen usw. zu gravieren (siehe
oben). Um 1800 endlich erfand Alois Sene-
felder den Steindruck , der alsbald auch für die
Herstellung von Noten angewandt wurde, und
zwar in der Weise, daß man direkt auf den
Stein schrieb und davon druckte. Senefelder
selbst hat Musikstücke in dieser Weise verviel¬
fältigt, die heute zu den größten Seltenheiten
gehören. Wirklich fruchtbar wurde der Stein¬
druck erst, als man ihn durch das Überdruck¬
verfahren mit dem Stich kombinierte, und seit
1863 die Steine auch auf der Schnellpresse
drucken konnte, womit das noch heute übliche
Verfahren erreicht war.
Schon aus diesen kurzen Andeutungen über
die historische Entwicklung der rein technischen
Seite der Musikherstellung geht hervor, daß
hier ein interessantes und sehr fruchtbares
Spezialgebiet für einen echten und rechten
Bibliophilen gegeben ist, wobei wir zunächst
vom inhaltlichen, künstlerischen Interesse, von
der Musik selbst, noch ganz abstrahiert haben.
Tatsächlich gehören musikalische Erst- und
Frühdrucke der verschiedensten Art zu den
größten Seltenheiten, was namentlich auch
durch die durchschnittlich überhaupt kleineren
Auflagen des Musikdruckes gefordert wird;
die Antiquarkataloge weisen bereits recht er¬
hebliche Preise für solche Dinge auf, und wer
sich manches davon noch sichern will, tut gut
es bald zu versuchen. Wie anders noch stellt
sich nun gar die Frage dar, wenn wir auch
das eigentlich musikalische und musikhistori¬
sche Interesse mit in Betracht ziehen, und
dabei bedenken, daß die Musik keine engen
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„Der Brand von Altötting“. Von Alois Senefelder auf Stein geschriebene Noten.
(Buchgewerbemuseum, Leipzig.)
Volkmann, Musikalische Bibliophilie.
131
geographischen Grenzen kennt,
sondern ein völkerverbindendes
Kulturelement, eine überall ver¬
ständliche internationale Welt¬
sprache bildet! Um so mehr ist
es zu verwundern, daß unter
den Bibliophilen so gar ein¬
seitig das Interesse für das
eigentliche Buch überwiegt, daß
die Zahl der Liebhaber und
Sammler, die sich auch oder
sogar vorherrschend mit Musik
beschäftigen, eine so überaus
geringe ist. An die musikali¬
schen unter den Bibliophilen
ergeht daher der Ruf, dies
schöne und anregende Sonder-
gebiet mehr als bisher als
solches zu erkennen und zu
pflegen, im Interesse der Sache
und zu ihrer eigenen Freude
und Förderung. Wie und nach
welchen Gesichtspunkten dies
etwa in ganz verschiedener
Weise geschehen könne, dafür
seien zum Schluß noch einige
kurze, praktische Hinweise
gegeben.
Der nächstliegende und
selbstverständlichste Gesichts¬
punkt wird immer der rein
historische sein, ob man nur
die musikgeschichtliche Ent¬
wicklung speziell ins Auge faßt
oder diejenige der Noten¬
herstellung. Dafür kommen
natürlich vor allem Frühdrucke
und Erstausgaben in Betracht,
aber auch Neudrucke älterer Musik, wie sie
namentlich in den ,, Denkmälern Deutscher
Tonkunst “ und verwandten musikgeschicht¬
lichen Publikationen anderer Länder vorliegen.
Die großen Gesamtausgaben der Klassiker der
Musik werden dabei den Grundstock bilden;
die ganze einschlägige historische und bio¬
graphische Literatur wird nicht zu umgehen
sein, und auch Porträts, Abbildungen von
Instrumenten, endlich Autographen und der¬
gleichen können zu schöner Bereicherung des
Gesamtbildes dienen (Musikbibliothek Peters in
Leipzig; Sammlung Manskopf in Frankfurt).
Porträt der Kurfiirstin Marie Antonie Walpurgis von Sachsen.
Sie hält die Partitur ihrer Oper „Trionfo della fedeltä“, von Breitkopf 1754 als erstes
größeres Werk mit seinen verbesserten Notentypen gedruckt.
(Original im Besitz von Breitkopf & Härtel in Leipzig.)
Der Privatsammler kann das Gebiet etwas
enger fassen, indem er sich auf die Werke eines
einzelnen Meisters je nach seiner Lieblings¬
neigung beschränkt, und hier möglichste Voll¬
ständigkeit der Ausgaben sowie alles biographi¬
schen Materiales anstrebt. Ein Beispiel hierfür
ist etwa die Mozart-Bibliothek des Herrn Paul
Hirsch in Frankfurt a. M., die Liebeskindsche
Händel-Sammlung in Leipzig, die Lisztsamm¬
lung des Pianisten Busoni u. a. m. — Andere
wieder werden versuchen, sämtliche Kompo¬
sitionen von Texten eines Dichters zu erlangen,
wie denn z. B. die Goethesammlung des Herrn
i32
Volkmann, Musikalische Bibliophilie.
LIBRO
DE VILLANELLE, MORESCHE,
ET ALTRE CANZONI,
A. 4. j. 6. &c 8. voci.
2fr
DI ORLANDO DI LASSO.
CANTO.
IN A R I G 1.
"Ter Adrianoie Roy & Roberto Ballard.
Stampatori Regij
M. D. LXXXI.
Con priuileggio de fua Magefta per dieci annj.
Titelblatt Orlandos di Lasso. 1581,
Volkmann, Musikalische Bibliophilie.
133
Richard Wagner, Brautlied aus Lohengrin.
Autograph im Besitz von Breitkopf & Härtel in Leipzig
Dr. A. Kippenberg in Leipzig auch in dieser
Hinsicht sehr reich ist. Es ist bekannt, wie
selten und wertvoll etwa das erste Liederheft
Goethes mit den Kompositionen des jungen
Breitkopf geworden ist! — Nicht reizlos wäre
es auch, den musikalischen Schöpfungen von
Fürstlichkeiten besonders nachzugehen, die be¬
kanntlich gerade auf diesem Gebiete gelegent¬
lich weit über den Dilettantismus hinausge¬
gangen sind.
Auch nach musikalischen Gruppen kann das
Interessengebiet begrenzt und dadurch ent¬
sprechend vertieft werden — es sei nur etwa an
die Sondergebiete der Oper, der Volksweisen,
der Kirchenmusik, oder der erst neuerdings
recht gewürdigten exotischen Musik erinnert.
Dabei wäre wiederum den verschiedensten
Ausgaben des gleichen Werkes Beachtung zu
schenken, wofür etwa Sperontes’ ,, Singende
Muse an der Pleiße “ ein klassisches Beispiel
bietet, die seinerzeit alsbald in einer ganzen
Reihe von Nachdrucken erschien und neuerdings
mehrfach wieder publiziert worden ist. — Nicht
vergessen dürfen wir hier auch die Gelegen¬
heitskompositionen, die so überaus zahlreich sind,
daß man fast die gesamte politische Geschichte
134
Volkmann, Musikalische Bibliophilie.
Titelblatt von Speronte, Singende Muse an der Pleiße. 1736.
Volkmann, Musikalische Bibliophilie.
135
der neueren Zeit an ihrer Hand durchwandern
kann; ja eine moderne Notendruckerei kann
bestimmt darauf rechnen, daß jedes einigermaßen
wichtige Tagesereignis nach kürzester Frist sich
in einem Druckauftrag auf den entsprechenden
Marsch oder Hymnus widerspiegelt, ob es sich
nun um die Einnahme von Port Arthur, um
den Grafen Zeppelin1 oder die holländische
Thronerbin handelt. In früherer Zeit war dies
schon ebenso, und die Kompositionen aus Anlaß
von Friedensschlüssen, fürstlichen Hochzeiten
und dergleichen sind Legion. Erst kürzlich war
in München Gelegenheit, die Festkantate zur
Eröffnung der Nürnberg-Fürther Eisenbahn
wieder zu hören!
Endlich — last not least — die künstlerische
Ausstattung, ein Gesichtspunkt, der natürlich
bei allen anderen Gruppen gleichzeitig mit be¬
achtet und gepflegt werden kann, und der hier
besonders hervorgehoben zu werden verdient. 2
Titelblatt von Josef Sattler zu Busoni, Geharnischte Suite
Es ist nicht möglich, dieses reiche und schöne
Gebiet hier auch nur annähernd zu erschöpfen,
und einige Andeutungen müssen ge¬
nügen. Allein schon die Notentitel
haben ja von altersher den Künstlern
so viel Gelegenheit zur Betätigung ge¬
boten, daß man in ihnen eine ganze
große kunstgeschichtliche Entwicklung
sich deutlich widerspiegeln sieht, so bei
uns in Deutschland von Hans Holbein
über Ludwig Richter und Adolf Menzel
bis auf Max Klinger und Josef Sattler,
gewiß ein lohnendes Sammelgebiet so
gut wie Exlibris oder Plakate! Sodann
der innere, ornamentale oder bildliche
Schmuck. Da sind die mit Miniaturen
gezierten Handschriften und ältesten
Drucke, dann tritt der Holzschnitt in
1 Schon im Februar 1784 wurde nach den
Büchern der Firma Breitkopf & Härtel in Leipzig
ein von Christoph Gottlob Breitkopf selbst kom¬
ponierter „Englischer Tanz auf den Zornschen
Luftballon“ in 200 Exemplaren gedruckt, wovon
leider nichts mehr vorhanden ist. Welches Ver¬
gnügen für einen Bibliophilen wäre es, einen
solchen Druck heute zu finden !
2 Im Januar 1909, also nach Abhaltung
des diesen Zeilen zugrunde liegenden Vortrages,
hat gerade im Kunstgew'erbemuseum zu Frank¬
furt a. M. eine schöne Ausstellung illustrierter
Notenwerke stattgefunden, worüber H. v. Trenk-
wald im Maiheft des Seemannschen Kunstgewerbe¬
blattes berichtet (mit Abbildungen.) Über AToten-
titel vgl. den Aufsatz von W. v. zur Westen im
XII. Jahrgang dieser Zeitschrift, Seite 104 ff.
Titelzeichnung von Ludwig Richter zu Reinecke, Kinderlieder.
136
Häbler, Zur Typenkunde des XV. Jahrhunderts.
sein Recht , der später vom Kupferstich ver¬
drängt wird. Vignetten, Initialen usw. tragen
jeweilig, ernst oder graziös, den Stilcharakter
der Zeit; Opern werden mit reichen Szenen¬
bildern illustriert, Tänze durch Darstellungen
erläutert, Musiker und Instrumente abgebildet,
bis in neuerer Zeit auch eine freiere bildliche
Begleitung des musikalischen Inhaltes sich ein¬
stellt, als deren bisher wohl höchste Leistung
Max Klingers Brahmsphantasie gelten darf, die
nicht sowohl eine Illustration , als vielmehr eine
kongeniale bildnerische Nachschöpfung bedeutet.
Und wie auf allen Gebieten des Lebens heute
die „Kunst im Leben des Kindes“ eine besondere
Rolle zu spielen begonnen hat, so auch hier:
die Zahl künstlerisch geschmückter Noten- und
Liederbücher für Kinder ist schon jetzt in den
verschiedenen Kulturländern eine nicht geringe,
und noch ständig im Wachsen begriffen. Dato
schließlich dem Einband entsprechende Be¬
achtung zu schenken ist, bedarf kaum be¬
sonderer Erwähnung, denn Schale und Kern
gehören zusammen und dürfen einander zum
mindesten nicht widersprechen.
Was hier gegeben werden konnte, sind, wie
vorausgeschickt, nur Grundlinien, flüchtige Um¬
risse, die ein jeder nach Wunsch und Neigung
sich weiter ausfüllen mag. Ihr Zweck ist nicht,
zu belehren, sondern anzuregen und gewisser¬
maßen den Appetit zu Weiterem zu reizen;
und dieser Zweck dürfte schon dann als teil¬
weise erreicht gelten, wenn überhaupt der Be¬
griff einer „Musikalischen Bibliophilie “ als fest
umrissenes Sondergebiet allgemein zum Be¬
wußtsein gelangte und demgemäß in den
Sammlungen, Katalogen, Diskussionen, Abhand¬
lungen, Zeitschriften nicht allenfalls als ge¬
duldete Nebensache, sondern als gleichberech¬
tigter Zweig neben die altgefestigte eigentliche
Bücherliebhaberei träte.
Zur Typenkunde des XV. Jahrhunderts.'
Von
Direktor Prof. Dr. Konrad Häbler in Berlin.
ährend die Beschäftigung mit den
Wiegendrucken unleugbar in allen
ihren Formen eine starke Beimischung
von Bibliophilie an sich hat, gibt es natürlich
weite Kreise der Bibliophilen, die den Inkuna¬
beln durchaus kein Interesse abzugewinnen ver¬
mögen. Wenn ich es trotzdem, einer Auf¬
forderung des Vorstandes folgend, unternehme,
Sie von einem Gegenstand der Inkunabel¬
forschung zu unterhalten, so bin ich mir bewußt,
daß das für manche von Ihnen eine Zumutung
bedeutet, und ich werde mich bemühen, Ihre
Geduld auf keine zu harte Probe zu stellen.
Der jüngst erschienene erste Band des
Catalogue of books prmted in thc XVth Century
now in the British Museum nimmt in seiner Ein¬
leitung für das Kleeblatt Bradshaw-Campbell-
Holtrop das Verdienst in Anspruch, zuerst auf
1 Vortrag, gehalten am Berliner Bibliophilen-Abend,
im März 1909.
die Erforschung der Wiegendrucke die, wie er
sich ausdrückt, naturwissenschaftliche Methode,
wir würden wohl eher sagen die Methode der
exakten Wissenschaften, zur Anwendung ge¬
bracht zu haben. Als ein Vorläufer von ihnen
wird lediglich Panzer anerkannt, der mit der
Gruppierung der Inkunabeln nach Druckorten
und Druckern den Weg zu einer vergleichen¬
den Methode geebnet habe. Ich kann nicht
umhin, in diesem LTrteile eine gewisse Unge¬
rechtigkeit zu erblicken. Gewiß erkennen alle
modernen Inkunabelforscher mit Bereitwillig¬
keit an, daß Henry Bradshaws in so beschei¬
dene Formen gekleidete, sachlich aber so aus¬
gezeichnete Untersuchungen über einzelne
Gebiete des Frühdruckes den Ausgangspunkt
gebildet haben für diejenige Entwickelung, die
die Inkunabelforschung hauptsächlich im letzten
Jahrzehnt genommen hat. Auch daß Holtrops
Werk trotz technischer Unzulänglichkeit in der
Häbler, Zur Typenkunde des XV. Jahrhunderts.
137
gleichen Richtung vorbildlich gewesen ist, wird
niemand bestreiten wollen, und Campbells
Annalen des niederländischen Frühdruckes,
wenn sie auch nach verschiedenen Richtungen
hin beträchtlich hinter den Arbeiten seiner be¬
rühmten Fachgenössen zurückstehen, haben
immerhin das Verdienst, den Stoff eines be¬
stimmt abgegrenzten und deshalb wirklich in¬
tensiv zu überschauenden Gebietes zusammen¬
fassend und mit der notwendigen Vertiefung
behandelt zu haben. Wo es sich aber, wie bei
dem Katalog des Britischen Museums, um
einen Überblick über die Vorgänger Bradshaws
und Proctors auf dem Gebiete der Erforschung
der Frühdrucke durch - die Untersuchung ihrer
Typen handelt, hätten meines Erachtens die
Namen der Forscher nicht verschwiegen werden
dürfen, die zuerst den Versuch gemacht haben,
die alten Drucke in ihre kleinsten Bestandteile,
die einzelnen Lettern, aufzulösen, und aus
deren Beschaffenheit und Verwendung zurück
zu dem Gesamtwerk der ganzen Druckstätte
vorzudringen.
Im allgemeinen gilt Placidus Braun als der
erste, der die alten Drucke in dieser Weise
behandelt hat. In Wirklichkeit ist er wohl
nur der Nachahmer eines Beispieles, das frei¬
lich des geringen Umfanges wegen, über den
es sich erstreckt, ziemlich in Vergessenheit ge¬
raten ist. Ich muß gestehen, daß ich selbst
die Bekanntschaft damit erst den Vorarbeiten
zu diesem Vortrag verdanke, und die über¬
raschende Entdeckung hat mich unsicher ge¬
macht, ob nicht etwa auch dieses Werkchen
schon noch einen früheren Vorgänger gehabt
haben mag. Sagen wir also nicht: „die
älteste“, sondern nur die älteste mir bekannt
gewordene Probe von Typen der Wiegendrucke
findet sich in der „Literarisch-kritischen Abhand¬
lung über die zwo allerälteste gedruckte
deutsche Bibeln, welche in der kurfürstlichen
Bibliothek in München aufbewahrt werden. Mit
Anhang und vier Kupfertafeln. Von Gerhoh
Steigenberger, reguliertem Chorherrn von
Polling, kurfürstlichen wirklichen geistlichen Rat
und Hofbibliothekar, der kurfürstlichen Akade¬
mie der Wissenschaften frequentierendem Mit-
gliede. München, gedruckt bei Joseph Zangl,
bürgerlicher Stadtbuchdrucker 1787“ in 40. Aus
dem Vorwort dieses Schriftchens, dessen In¬
halt uns heute nicht näher berührt, geht her-
Z. f. B. 1909/1910.
vor, daß die Reproduktionen von Herrn Joh
Bapt. Bernhart herrühren, „so in diesem Fache
eine besondere Geschicklichkeit besitzt, und die
Alphabete der ersten Buchdrucker sammelt“.
Gestochen sind die Tafeln von einem Herrn
Zimmermann, über den ich nähere Angaben
nicht beibringen kann. Zeichner und Stecher
haben jedenfalls auf den vier, dem Buche bei¬
gegebenen Tafeln recht Tüchtiges geleistet,
und die Art und Weise, in der die Reproduk¬
tionen gestaltet sind, verdient unsere höchste
Anerkennung. Es werden nämlich von zwei
Typen des Johann Mentelin, von drei Typen
des Heinrich Eggestein — das eine Alphabet ist
zweimal in verschiedener Vollständigkeit auf¬
genommen — und zwei Typen des Konrad
Fyner nicht nur die vortrefflich nachgezeich¬
neten Alphabete wiedergegeben, sondern es
sind ihnen auch auf jeder der vier Tafeln
Textproben beigefügt, wenn auch von geringem
Umfang und mehr aus sachlichen als typologi-
schen Gründen, die es aber doch ermöglichen,
die in ihre Bestandteile aufgelöste Type auch in
Bezug auf ihre Gesamtwirkung zu beurteilen.
Wir finden also eigentlich hier, wenn auch mit
den Unzulänglichkeiten, die die freihändige
Übertragung auf ein anders geartetes Repro¬
duktionsmittel — die Kupferplatte — bedingt,
schon die Forderungen erfüllt, die, wie wir
sehen werden, erst in den modernsten Werken
der Inkunabelforschung zu voller Anerkennung
gelangt sind.
Es scheint mir zweifellos, daß von diesen
Tafeln Placidus Braun die Anregung dazu er¬
halten hat, seiner „Notitia historico-litteraria de
libris ab artis typographicae inventione usque
ad annum MD impressis in bibliotheca liberi
ac imperialis monasterii ad SS. Udalricum et
Afram Augustae extantibus. Augustae Vin-
delicorum, sumptibus Fratrum Veith biblio-
polarum 1788 und 89.“ 40, auf 11 Kupfertafeln
75 Alphabete von Typen der Wiegendrucker
beizugeben. Auch diese Typenalphabete —
sie sind von Joh. Bapt. Stainberger gestochen,
ein Zeichner wird nicht besonders namhaft ge¬
macht — sind ausgezeichnet gearbeitet. Natür¬
lich gewinnen die Buchstaben durch das Über¬
tragen auf die Kupferplatte einen besonderen
Charakter, eine Eleganz und Schärfe, wie sie
beim Typendruck mit seiner wechselnden Ein¬
färbung und unsichereren Abpressung nicht
18
138
Häbler, Zur Typenkunde des XV. Jahrhunderts.
möglich ist. Aber die charakteristischen Eigen¬
arten der zahlreichen, überwiegend aus deut¬
schen Drucken entnommenen, dem Inkunabel¬
forscher wohl vertrauten Schriftarten sind ganz
vorzüglich zu erkennen. In Bezug auf die
Methode bleiben aber die Braunschen Tafeln
doch schon hinter denen von Steigenberger
zurück. Von einer Wiedergabe von Textproben
hat Braun vollkommen abgesehen. Er gibt
allerdings die Alphabete der Majuskeln und
Minuskeln, aber ohne Berücksichtigung von
Ligaturen und Akzentbuchstaben, während
Steigenberger doch wenigstens einige der häu¬
figer auftretenden Spezialzeichen in seine Alpha¬
bete aufgenommen hatte.
An Steigenberger und Placidus Braun
schließt als dritter sich an Franz Gras mit
seinem „Verzeichnis typographischer Denkmäler,
welche sich in der Bibliothek des regulierten
Chorherrenstiftes des heiligen Augustin zu Neu¬
stift in Tyrol befinden“. Das Buch besteht aus
zwei Teilen und einem Nachtrage, von denen
der erste Teil ganz dem XV., der zweite dem
XVI. und XVII. Jahrhundert gewidmet ist,
während der Nachtrag zwar beiden Teilen gilt,
sich aber überwiegend mit Frühdrucken be¬
schäftigt. Erschienen ist das Buch in „Brixen,
gedruckt bey Thomas Weger, hochfürstlicher
Hofbuchdrucker“, im Jahre 1789 — 91, also fast
gleichzeitig mit Braun. Der erste und zweite
Teil enthalten je sechs, der Nachtrag noch
zwei Tafeln mit insgesamt 12 1 Alphabeten,
die fast ohne Ausnahme aus Wiegendrucken
entnommen sind. Gras hat dieselben nicht nur
selbst gezeichnet, sondern auch eigenhändig in
Kupfer gestochen. Es ist das gewiß eine
höchst anerkennenswerte Leistung für den
jugendlichen Bibliothekar, als den er sich im
Vorwort bekennt, und manche seiner Alpha¬
bete sind ihm gar nicht schlecht ge¬
lungen. In ihrer Mehrzahl aber reichen sie an
seine Vorgänger bei weitem nicht heran. Die
kräftigen, satten Buchstabenformen unserer
oberdeutschen Frühdrucker sind in den dünnen
Konturen der Gras’schen Kopien kaum wieder¬
zuerkennen. Er hat sich auch an Alphabete
von weitverbreitetem Charakter herangewagt,
hat aber in ihnen die besonderen Merkmale
entweder nicht zu erfassen oder wenigstens
nicht herauszuarbeiten vermocht. Jedenfalls
haben seine Tafeln im Gegensatz zu den vor¬
genannten heute für die Forschung gar keinen
Wert mehr.
Es wird manchen der Herren erinnerlich
sein, daß Konrad Burger der Jahresveröffent¬
lichung für 1900 der Type Facsimile Society
die Abzüge von drei Gras’schen Tafeln als
Kuriosa beigegeben hat, die er aus Neustift
erhalten hatte. Er hielt sie alle drei für un¬
bekannt, das trifft aber nur für Tafel I zu.
Diese ist offenbar ein erster Versuch, den
Gras schließlich selbst ob seiner Unzulänglich¬
keit verworfen hat. Nr. 2 und 3 der von Burger
gestifteten Tafeln stimmen aber ganz mit den
beiden überein, die Gras in dem 1791 erschie¬
nenen Nachtrage gebracht hat.
Das Studium der Inkunabeln auf Grund
ihrer Typen, wie wir ihm in dieser Gruppe
begegnen, ist dann für lange Zeit eingcschlafen.
Es mag vielleicht sein, daß eine oder die an¬
dere Monographie der nächsten Jahrzehnte, die
etwas der Art enthält, mir entgangen ist Mit
Sicherheit läßt es sich aber behaupten, daß
das Verfahren der Steigenberger-Braun-Gras
nicht Schule gemacht hat, und daß diese Be¬
trachtungsweise der Wiegendrucke in den
Hintergrund trat. Der Altmeister der In¬
kunabelforschung, Hain, hat sich bekanntlich
nicht in dieser Richtung betätigt, und seine
Typenbestimmungen, auch bei den Drucken,
die er wirklich selbst gesehen hat, sind keines¬
wegs seine starke Seite. Tatsächlich müssen
wir bis auf das in den Jahren 1857 — 68 er¬
schienene Werk von Holtrop herabgehen, um
von einem Wiederaufleben der Inkunabeltypen¬
forschung berichten zu können.
Die „Monuments typographiques des Pays-
Bas au quinzieme siede“ sind nun allerdings in
mehr als einer Richtung den Versuchen des
XVIII. Jahrhunderts bei weitem überlegen.
Dort war man darüber nicht hinausgegangen,
aus dem zufälligen Besitz einer einzelnen
Sammlung Typenproben zu geben, die im
Grunde doch ohne ernstliche leitende Gesichts¬
punkte aus einem Stoff von schier unerme߬
licher Fülle herausgegriffen waren. Holtrop
beschränkte sich auf das ziemlich eng begrenzte
Gebiet des niederländischen — belgischen und
holländischen — Frühdruckes. Auf diesem
beschränkten Gebiete aber suchte er vollständig
zu sein, und er hat dies erstrebte Ziel auch
wirklich so weit erreicht, daß wir nach fast
Häbler, Zur Typenkunde des XV. Jahrhunderts.
139
einem halben Jahrhundert intensiver Arbeit auf
diesem Felde nur eine ganz kleine Zahl von
Schriftarten haben ausfindig machen können,
die ihm entgangen waren. Ein erster Wurf
mit einem derartig glänzenden Ergebnis ist der
Beweis für die überaus große Gediegenheit der
hier geleisteten Arbeit. Obwohl nun Holtrop
bewußt das Ziel vor Augen hatte, Typenproben
von allen in den Niederlanden während dem
XV. Jahrhundert zur Verwendung gelangten
Schriftarten zu geben, so hat er doch von der
Wiedergabe von Typen alphabeten so gut wie
vollständig abgesehen ; die drei bis vier Proben
dieser Art machen den Eindruck, als seien sie
rein zufällig entstanden, und betreffen auch
keine Typen, an die sich besondere Probleme
knüpfen. Überhaupt reicht Holtrops Werk für
das detaillierte Studium der Unterschiede der
fast gleichartigen Typen nicht aus. Gerade
unter den niederländischen Drucken gibt es
drei bis vier Gruppen, in denen Typen von fast
gleicher Beschaffenheit in den Händen von
einer Anzahl verschiedener Drucker Vorkommen.
— Bei der Gelegenheit möchte ich gleich be¬
merken, daß ich mit Enschede nicht überein¬
stimmen könnte, wenn er in seinem neuesten
Werke, in das ich bis jetzt nur einen flüchtigen
Blick zu werfen vermochte, etwa wirklich, wie
es mir schien, den Beweis versuchen sollte, eine
der verbreitetsten Gruppen der Art gemein¬
sam auf den Hendrik Lettersnider zurück¬
zuführen. Der Umstand, daß ein paar Drucker
sich als Typengießer bezeichnen, hat mehr als
einen Forscher, z. B. auch Claudin in bezug
auf Nie. Wolf in Lyon, zu ganz falschen Auf¬
fassungen geführt. Die Versorgung fremder
Druckereien mit fertigem Typenmaterial ist bis
zum Ausgang des XV. Jahrhunderts eine durch¬
aus ungewöhnliche Erscheinung. Wer jemals
Gelegenheit gehabt hat, Verträge zwischen
Druckern und Auftraggebern aus dem XV. Jahr¬
hundert zu studieren, der wird finden, daß jede
Druckerei einen Typengießer als unentbehr¬
lichen Bestandteil ihrer Mannschaft aufwies,
schon deshalb, weil die Typen der ältesten
Druckzeit offenbar aus ziemlich weichem Metall
hergestellt wurden, sich rasch abnutzten, und
deshalb sehr oft erneuert werden mußten.
Aber kehren wir zu Holtrop zurück. Die
eben angedeuteten Probleme hat Holtrop, trotz
der Freundschaft mit Bradshaw, der sie ja mit
besonderer Schärfe formuliert hatte, nicht zu
lösen versucht. Er gibt nur ZEtVproben — im
Gegensatz zu Typenalphabeten — wieder, und
zwar in recht verschiedener Reichhaltigkeit, je
nachdem ihn die Vorlagen interessierten. Be¬
sonderes Augenmerk widmete er dagegen dem
Buchschmuck. Von den Initialen reproduziert
er, wo immer möglich, die ganzen Serien, und
seine Sammlung von Druckermarken und Titel¬
holzschnitten ist relativ entschieden reicher aus¬
gestattet, als die Typenproben.
Was uns heute besonders die inneren Vor¬
züge von Holtrops Werk zu verschleiern ge¬
eignet ist, das ist die Reproduktionstechnik.
Holtrops Monuments sind auf lithographischem
Wege hergestellt, aber natürlich nicht auf
photomechanischem Wege, sondern durch
Pausen auf den druckenden Stein. Für den
damaligen Stand der lithographischen Technik
mag das Werk vielleicht eine hervorragende
Leistung bedeutet haben. Heute sind wir
durch die photomechanischen Verfahren so
verwöhnt, daß uns die unsichere Linienführung
der Holtropschen Lithographien an allen Enden
stört, und es läßt sich gar nicht leugnen, daß
die Feinheiten, die gelegentlich zu Hilfe ge¬
nommen werden müssen, um zwei anscheinend
identische Typen doch noch als Original und
Nachschnitt zu unterscheiden, mit einem Re¬
produktionsmaterial wie das von Holtrop nicht
zu erkennen sind. Es wäre aber ungerecht,
daraus einen Vorwurf gegen Holtrop zu kon¬
struieren. Die Schuld trägt ausschließlich der
Stand der Technik, und ich nehme keinen An¬
stand zu behaupten, daß Holtrops Monuments
als Gesamtleistung das Beste sind, was wir bis
zum Ausgang des XIX. Jahrhunderts auf diesem
Gebiete besessen haben.
Holtrops Beispiel, das Studium der In¬
kunabeltypen auf geographische resp. politische
Gruppen zu beschränken, hat nun in einem
ganz anderen Umfange Schule gemacht, als die
universelleren Anläufe von Steigenberger und
Braun. Es ist nicht meine Absicht, Sie durch
Aufzählung aller der Monographien zu ermüden,
die die Druckergeschichte einer Stadt, oft auch
nur einer einzelnen Offizin mit Hilfe der Re¬
produktion von Typenproben — allerdings fast
ausschließlich in der Form von Textproben —
zu fördern gesucht haben. Auch diejenigen
allgemeineren Werke, die wie Sothebys Typo-
140
Häbler, Zur Typenkunde des XV. Jahrhunderts.
graphy of the fifteenth Century (London 1845)
oder Bodemanns Xylographische und typogra¬
phische Inkunabeln der Königlichen öffentlichen
Bibliothek zu Hannover, 1 866, oder selbst Lipp-
manns Druckschriften des XV. — XVIII. Jahr¬
hunderts, Berlin 1884 — 87, nur mehr oder we¬
niger von dem zufälligen Bestände einer
einzelnen Sammlung ausgehen, oder von be¬
stimmten nicht unmittelbar von der Erforschung
der Wiegendrucke entnommenen Gesichts¬
punkten aus zusammengestellt sind, will ich
übergehen, obwohl ich anerkenne, daß ihre
Faksimilia für die Fortschritte der Reproduk¬
tionstechnik vielfach interessant und dem In¬
kunabelforscher in einzelnen Fällen auch heute
noch von Nutzen sind. Aber ich möchte mich
jetzt darauf beschränken, Ihnen nur diejenigen
allgemeinen Werke vorzuführen, die die Er¬
forschung der Typen der ältesten Drucker nach
bestimmten wissenschaftlichen Gesichtspunkten
zu fördern unternommen haben.
Als erster nach Holtrop erschien im Jahre
1890 Thierry-Poux auf dem Plane mit seinen
„Premiers monuments de l’imprimerie en France
au XV. siede“. Es ist das erste Werk zur
Typenkunde, das sich die Fortschritte der
Photographie zunutze gemacht hat, und seine
vorzüglichen Aufnahmen sind noch heute —
besonders da Claudins großes Werk noch
immer keinen Vollender gefunden hat — für
den Inkunabelforscher von höchstem Werte.
Aber auf 40 Tafeln, auch wenn sie 280 ein¬
zelne Faksimilia enthalten, war natürlich die
Fülle des Stoffes nicht zu erschöpfen. Für
die provinzialen Pressen, die ja selten über ein
reichhaltiges Typenmaterial verfügten, ist
Thierry-Poux noch heute fast ausreichend. Wer
sich aber darauf verlassen wollte, mit seiner
Hilfe Drucke von Paris und Lyon, oder auch
nur von Rouen auf ihren Ursprung zu be¬
stimmen, der würde sich den größten Irre¬
führungen aussetzen. Eine Vollständigkeit, wie
Ploltrop sie anstrebte, hat allerdings Thierry-
Poux wohl nicht beabsichtigt; anderseits ist er
aber auch dabei nicht stehen geblieben, nur
die premiers monuments jeder Presse zu geben;
er bietet so viel, daß man unwillkürlich auf die
Forderung der Vollständigkeit gedrängt wird;
sie zu erreichen hat er aber doch niemals
einen ernstlichen Anlauf genommen.
In weit glücklicherer Lage befand sich da
sein englischer Nachfolger Gordon Duff. Die
Druckertätigkeit Englands im XV. Jahrhundert
war eine so beschränkte, über die Hauptpunkte
fand er das Feld so gut vorbereitet, daß er
mit den 65 Abbildungen seines Buchs: „Early
English printing, London 1896“, nicht nur sämt¬
liche Typen englischer Wiegendrucke — mit
Unterscheidung der unbedeutenderen Varietäten
— durch Reproduktion ganzer Textseiten ver¬
anschaulichen, sondern sogar noch einige be¬
sonders nahe verwandte ausländische Typen
zum V ergleich heranziehen konnte. Aber wäh¬
rend Thierry-Poux noch reichlich Titelblättern
und dergleichen auf seinen Tafeln Platz ge¬
gönnt hatte, hat Duff sich schon ganz auf die
Druckermarken beschränkt. Auch seine Ab¬
bildungen sind, wie die von Thierry-Poux, photo¬
graphisch hergestellt.
Dem Erscheinungsjahr nach müßte ich hier
Claudins Monumentalwerk einreihen; im Ernste
ist aber meine „Tipografia Iberica“ nicht nur
früher abgeschlossen, sondern auch früher be¬
gonnen worden. Meine Tipografia steht in
reproduktionstechnischer Beziehung entschieden
hinter den meisten Werken dieser Gattung
zurück. Wenn das im Vorworte nicht deut¬
licher ausgesprochen ist, so geschah dies dem
Pierausgeber, Herrn Boele van Plensbroek, dem
Schwiegersöhne und Kompagnon von Martinus
Nijhoff zuliebe, der selbst nach Spanien ge¬
fahren war, um dort die von mir bezeichneten
Aufnahmen zu machen. Ich muß gestehen,
daß es in meiner Laufbahn als Inkunabel¬
forscher ein schwarzer Tag gewesen ist, als
Herr Boele nach Dresden kam, und mir nicht
etwa seine photographischen Aufnahmen, son¬
dern — die Abzüge der fertigen Klischees
vorlegte. Da es aber natürlich ein Ding der
Unmöglichkeit war, die vielfach unter den un¬
günstigsten Bedingungen auszuführenden Auf¬
nahmen zu wiederholen, und da durchaus keine
Gewähr dafür vorhanden war, daß mit den
großen finanziellen Opfern tatsächlich Besseres
erreicht werden würde, so hieß es eben, sich
bescheiden. Doppelt hart war es aber unter
diesen Umständen, daß die Firma Martinus
Nijhoff sich auch dazu nicht bewegen ließ, die
Tafeln etwas mehr unter Berücksichtigung
ästhetischer Gesichtspunkte zu arrangieren,
sondern auf der Überfüllung der einzelnen
Blätter mit bis zu fünf Klischees bestand. Aber,
Häbler, Zur Typenkunde des XV. Jahrhunderts.
wenn der Autor die Ausstattung seines
Werkes nicht aus eigenen Mitteln bezahlen
kann — und in der glücklichen Lage bin ich
leider noch nie gewesen — so ist er eben dem
Verleger auf Gnade und Ungnade überliefert.
Da war freilich Mr. Claudin in einer wesent¬
lich günstigeren Lage. Die „Histoire generale
de l’imprimerie en France“ war nämlich zunächst
weit weniger als große wissenschaftliche Leistung
geplant, sondern sie sollte in erster Linie Zeug¬
nis ablegen für die Leistungsfähigkeit der Im-
primerie Nationale auf dem Gebiete der mo¬
dernen Reproduktionstechnik. Und das hat sie
getan. Die farbigen Tafeln des Claudinschen
Werkes erscheinen wenigstens für meinen von
intimster Sachkenntnis ungetrübten Blick als
etwas, was ich in gleicher Vollkommenheit
jedenfalls in keinem Werke gefunden habe, das
wissenschaftlichen Zwecken dienen will. Leider
war Mr. Claudin bei aller Begeisterung und
Hingabe für das Werk in Bezug auf Typen¬
kunde der Aufgabe nicht voll gewachsen, die
er sich stellte. Wie er einst Mr. Harrisse
aufs Eis gelockt hat mit dem Aufsatz über
die „Quelques alphabets d’imprimeurs bälois et
leurs derives en France“, so hat er auch selbst
niemals den scharfen Blick erlangt, um in
mehreren anscheinend gleichartigen Typen die
unterscheidenden Punkte zu erfassen. Ich be-
daure, behaupten zu müssen, daß einzelne
seiner Klischees durch Retuschierung an ihrer
Authentizität Einbuße erlitten haben, und daß
seine Alphabete keineswegs alle auf unbedingte
Zuverlässigkeit Anspruch erheben können. Aber
was in den drei erschienenen Bänden — auch
der vierte ist zum größten Teile noch vom
Autor selbst im Satz durchkorrigiert hinter¬
lassen worden — an wissenschaftlicher Arbeit
steckt, ist denn doch etwas ganz Hervorragen¬
des. Allerdings ist Claudin zu spät sich darüber
klar geworden, daß es seine Pflicht gewesen
wäre, sich mit Proctors Index auseinanderzu¬
setzen. In den beiden Paris betreffenden Bänden
fehlt manche von Proctor nachgewiesene Type,
werden manche Ergebnisse von Proctors
Forschungen nicht verwertet. Im dritten Bande
zahlt Claudin die Schuld einigermaßen heim,
indem er in bezug auf die ältesten Lyoner
Drucke Proctor unzweifelhaft ins Unrecht setzt.
Der Hauptwert von Claudins Werk liegt aber
überhaupt nicht in den wissenschaftlichen Er¬
141
gebnissen, sondern in der Methode, in der er
das Typenstudium behandelt hat. Zum ersten
Male wird in großem Umfange der Grundsatz
durchgeführt, daß zu jeder Gruppe von Repro¬
duktionen ein Alphabet der Type gehört, in
der die Druckwerke hergestellt sind. Indem
dies Alphabet einem bestimmten Drucke ent¬
nommen wurde, ergaben sich aus der Ver¬
gleichung alle die Wandlungen, die die Type
durchgemacht hat. Claudin hat öfter mehrere
Alphabete zeichnen lassen, die sich nachträg¬
lich nur als Phasen ein und derselben Type
herausgestellt haben. Und da er in der glück¬
lichen Lage war, Faksimilia geben zu können,
so viel er nur wollte, hat er der Forschung
selbst da, wo er einmal irrte, meistens selbst
das Korrektiv für seine Fehler an die Pland
gegeben. Jedenfalls ist Claudins Werk unbe¬
dingt monumental, und es ist nur zu beklagen,
daß es wohl niemals dazu kommen wird, daß
auch andere Gebiete des Frühdruckes in so
glänzender Weise durch zahllose Reproduk¬
tionen vor unseren Augen neu erstehen können.
Neben diesen landschaftlich begrenzten
Illustrationswerken zur Typenkunde der Wiegen¬
drucke gingen seit 1892 eine Reihe von anderen
her, die einen allgemeineren Charakter trugen.
Wenn die Imprimerie Nationale sich bei Ge¬
legenheit der Pariser Weltausstellung von 1900
veranlaßt fühlte, mit einem Werke wie das
von Claudin vor die Öffentlichkeit zu treten,
so war dabei wohl ohne Zweifel die Rivalität
gegen die deutsche Reichsdruckerei nicht un¬
beteiligt, die eben seit 1892 die „Monumenta
Germaniae et Italiae typographica“ herausgab,
deren Auswahl in den Händen von Konrad
Burger lag — und noch immer liegt. An sich
verdient diese Publikation die unbedingteste
Anerkennung. Auf die Auswahl der wieder¬
zugebenden Proben ist die größte Sorgfalt ver¬
wendet worden, und die Leistungen der Reichs¬
druckerei in der Technik der Strichätzung sind
in hohem Grade anerkennenswert. Die Monu¬
menta sind nur dadurch ein wenig in Mißkredit
gelangt, daß der Herausgeber sich gewaltig in
der Berechnung der zu bewältigenden Aufgabe
verrechnet hat und darüber bis jetzt nicht hat
dazu gelangen können, die Veröffentlichung zu
einem Abschluß zu bringen. Der Gedanke, auf
300 Tafeln sämtliche Druckertypen Deutsch¬
lands und Italiens zu veranschaulichen, war
142
Häbler, Zur Typenkunde des XV. Jahrhunderts.
allerdings unausführbar; mehr und mehr hat
sich der Herausgeber auf Deutschland allein
zurückziehen müssen. Auch da kann er natür¬
lich mit 300 Tafeln nicht vollständig sein; er
würde aber sich und der Forschung am besten
dienen, wenn er wenigstens die noch ausstehen¬
den 100 Blatt so rasch und so schön wie
möglich herausbrächte.
Als Proctor seine Typenforschungen in Eng¬
land begann, entstanden fast gleichzeitig zwei
neue Unternehmungen, die sich die Reproduk¬
tion von Typenproben der Wiegendrucke zur
Aufgabe stellten. Proctor selbst gründete die
Type Facsimile Society , die alljährlich einen
Band von ca. 50 Reproduktionen nach Inku¬
nabeldrucken an ihre Mitglieder verteilt hat.
Sie sind in „collotype“ hergestellt, einem mir
nicht näher bekannten photomechanischem Ver¬
fahren. Daneben hat der glückliche Besitzer
einer der größten und interessantesten Samm¬
lungen von Wiegendrucken, Mr. George Dünn
auf Woolley House bei London, nach Inkuna¬
beln, die sich in seinem Besitze befinden, eine
Sammlung von nicht weniger als 500 Repro¬
duktionen in photographischer Wiedergabe in
kleiner Auflage in den Handel gelangen lassen.
Beide Unternehmungen sind insofern neuer¬
dings verschmolzen, als Mr. Dünn es über¬
nommen hat, die letzten Hefte der Type Fac¬
simile Society, die sich aufzulösen beschlossen
hat, zu redigieren.
Während die Type Facsimile Society haupt¬
sächlich seltene, vielfach sogar nach ihrem Ur¬
sprung nicht bestimmbare Typen veranschau¬
lichte, haben die Woolley Photographs mehr
darin ihre Aufgabe gesucht, möglichst zahlreiche
Proben aller Typen der bekannten Drucker zu
geben. Beide Unternehmungen aber, ebenso
wie die Monumenta von Burger, haben durch¬
gängig nur einzelne Textseiten, und zwar meist
reine Textseiten, ohne illustratives Beiwerk zur
Anschauung gebracht.
Den allerneuesten Versuch von wissen¬
schaftlichen Typenproben des XV. Jahrhunderts
hat der im Eingang erwähnte „Catalogue of
early printed books in the British Museum“
unternommen. Konrad Burger hat im ersten
Hefte der Monumenta typographica ein von
ihm entdecktes Blatt des Erhard Ratdolt aus
seiner Augsburger Tätigkeit wiedergegeben, auf
welchem dieser Drucker Proben von allen den
Schriftarten zusammengestellt hat, die sich in
seinem Besitz befanden, und die er damit seiner
Kundschaft zur Verfügung stellte. Mit diesem
Blatt lassen sich am besten die Illustrationen
vergleichen, welche die 1 lerausgeber des British
Museum Catalogue ihrem Werke beigegeben
haben. Sie reproduzieren eine Probe von jeder
Type der Wiegendrucker, die in den Beständen
des British Museum vertreten ist, aber diese
Proben sind allerdings von so bescheidenem
Umfange, daß ihrer zehn bis zwölf auf einer
Polioseite Platz haben. Auch diese Tafeln sind
mit großer Sorgfalt und wissenschaftlicher Ge¬
wissenhaftigkeit zusammengestellt. So weit es
irgend möglich war, haben die Herausgeber
stets solche Stellen zur Wiedergabe gewählt,
in denen das Majuskcl-M, das Ordnungsprinzip
meines Typenrepertoriums, vorkommt. Und da
die Engländer das Typenmaß von 20 Zeilen
ganz allgemein zur Bezeichnung der Typen
jedes einzelnen Druckers angewendet haben,
erhalten ihre Tafeln entschieden etwas von
dem Charakter eines universellen Typenatlas.
Allerdings aber mit zwei Einschränkungen: auf
ihren Tafeln fehlen alle die Typen, die im
British Museum nicht vertreten sind. Was für
ein beträchtlicher Prozentsatz aller bekannten
Typen das schließlich doch ist, darüber wird
man sich erst klar, wenn man Proctors oder
mein eigenes Verzeichnis z. B. der Grüninger-
schen Typen mit den Tafeln des British Mu¬
seum Catalogue vergleicht. Und dann: diese
Textproben von wenigen Zeilen reichen ja ge¬
wiß dazu aus, festzustellen, mit welchen Typen
eines bestimmten Druckers man es zu tun hat,
wenn dieser als Hersteller des Druckwerkes be¬
kannt ist. Aber die Ermittelung, wer einen Druck
in irgend einer der weitverbreiteten deutschen,
italienischen, französischen oder niederländischen
Schriftarten hergestellt haben könnte, ist mit
dem Illustrationsmaterial des englischen Kata-
loges ein Ding absolutester Unmöglichkeit. Was
die Engländer entschuldigt, ist eben nur, daß
etwas der Art auch gar nicht in ihrer Absicht
gelegen hat. Und wenn man die Tafeln des
endgültigen Kataloges vergleicht mit dem, was
Rob. Proctor dem ersten Bande seines Kata¬
loges der Drucke von 1501 — 1520 als orien¬
tierendes Hilfsmittel für die Erkennung der
Typen beigegeben hatte, wird man noch zu
einem besonders wohlwollenden Urteil gelangen;
Häbler, Zur Typenkunde des XV. Jahrhunderts.
143
denn diese Tafeln, bei denen ein klares metho¬
disches Prinzip beim besten Willen nicht heraus¬
zuerkennen ist, boten allerdings noch viel
weniger eine Handhabe für die intensive Art
der Forschung, die Proctors System der Typen¬
vergleichung im allgemeinen doch unbedingt
erforderte.
In den letzten Jahren des XIX. Jahrhunderts
hatte ich, durch Proctors Index veranlaßt, das
System des Typenstudiums, das ich mir zu¬
nächst für die spanischen Drucker zurecht¬
gemacht hatte, zu dem Typenrepertorium der
Wiegendrucke ausgestaltet. Eigentlich schwebte
mir dabei die Absicht vor, die Notwendigkeit
der Faksimilia überhaupt zu beseitigen, und ich
glaube allerdings auch heute noch, daß man
sich unter den ca. 60 Repräsentanten nur aus
dem XV. Jahrhundert der oberrheinischen Type,
die Joh. Wegener monographisch behandelt
hat, bei weitem rascher mit Hilfe des Typen¬
repertoriums zurecht finden wird, als mit eben-
sovielen Reproduktionen. Meine Mitforscher
aber waren davon nicht zu überzeugen, und
wenn ich es auch selbst zunächst abgelehnt
habe, eine Gesellschaft für Typenkunde des
XV. Jahrhunderts ins Leben zu rufen, so habe
ich ihr doch, seit sie zur Tatsache geworden
ist, die wärmsten Sympathien entgegengebracht,
nicht deshalb, weil sie sich als letztes Ziel ge¬
steckt hatte, einen vollständigen Atlas zu den
Tausenden von Schriftarten zu bringen, die
mein Typenrepertorium nachweist, sondern
deshalb, weil ich anerkenne, daß mit ihr und
durch sie auf dem Wege der Erforschung des
Frühdrucks über meine eigenen Arbeiten
hinaus eine Förderung der Wissenschaft zu
erreichen ist.
Die Gesellschaft für Typenkunde ist von
der Überzeugung ausgegangen, daß die Repro¬
duktion einer einzelnen Seite eines Wiegen¬
druckes unmöglich genügen kann, ein vollstän¬
diges Bild der darin zur Verwendung gelangten
Drucktypen zu vermitteln, auch dann nicht,
wenn mit peinlicher Sorgfalt darauf Bedacht
genommen wird, daß eine möglichst große An¬
zahl von charakteristischen Elementen in das
Faksimile aufgenommen wird. Um in den
großen Gruppen völlig gleichartiger Schrift¬
formen eines gemeinsamen, scharf ausgeprägten
Typus noch unterscheidende Merkmale heraus¬
zufinden, muß man das ganze Letternalphabet
jedes einzelnen Druckers vor Augen haben,
und zwar nicht nur das Alphabet der Majuskeln
und Minuskeln, sondern auch die Ligaturen,
Akzentbuchstaben und Spezialzeichen, mit einem
Worte den ganzen Lettern Vorrat, über den der
Drucker bei der Herstellung seiner Erzeugnisse
verfügt hat. Die Gesellschaft erkannte es des¬
halb als eine Verpflichtung an, von jeder Type,
die sie veranschaulicht, ein Alphabet zusammen¬
stellen und kopieren zu lassen. Diese Aufgabe
ist nicht ganz einfach. Um die Verwendungs¬
möglichkeiten einer Inkunabeltype zu er¬
schöpfen, wird in den meisten Fällen ein ein¬
zelner Druck nicht ausreichen. Die Type
bedarf verschiedener Zeichen, wenn sie für
einen lateinischen Text oder für einen Text in
den Vulgärsprachen verwendet wird; die Ak-
zessoria der Type werden große Verschieden¬
heiten aufweisen, wenn sie in einem juristischen
oder wenn sie in einem liturgischen Werke
Verwendung findet. Aus diesem Grunde sieht
die Gesellschaft in den Claudinschen Alpha¬
beten, die immer nur auf einem Einzeldruck
beruhen, noch nicht das Ideal der Wiedergabe
des Alphabetes einer Inkunabeltype. Viel¬
mehr sucht sie, wenn auch nicht immer gleich
im ersten Anlaufe, jede Type durch möglichst
alle ihr zugänglichen Drucke zu verfolgen,
auch deshalb, um die Wandlungen, die sich
etwa im Laufe der Zeit in einer Type nach-
weisen lassen, nicht nur aufzuspüren, sondern
auch festzulegen und zu veranschaulichen.
Ebenso wie die Lettern, sucht sie das übrige
Druckmaterial jedes Typographen zusammen¬
zustellen und zur Darstellung zu bringen, vor
allem die Zierbuchstaben, Zierleisten, Drucker¬
marken, Titelbilder. Es würde allerdings zu
weit gehen, wollte man auch in der Wieder¬
gabe der illustrativen Holzschnitte Vollständig¬
keit anstreben; aber Proben, und zwar da, wo
verschiedene Holzschneider am Werke gewesen
sind, Proben von der Eigenart eines jeden von
ihnen, gehören unbedingt in den Rahmen dessen
hinein, was die Gesellschaft bringen will.
Neben der Auflösung des Druckes in seine
Bestandteile, der Wiedergabe des Materiales
jedes einzelnen Druckers soll aber auch der
Gesamteindruck der Type vorgeführt werden,
und deshalb bringt die Gesellschaft gerade so,
wie es alle ihre Vorgängerinnen getan haben,
für jede Type auch eine oder nach Bedarf
144
Häbler, Zur Typenkunde des XV. Jahrhunderts.
mehrere ganze Seiten. Denn die Verschieden¬
heit beruht nicht immer in der Verschieden¬
heit der Bestandteile, sondern vielfach auch in
der verschiedenen Art ihrer Zusammensetzung.
Die Wiedergabe bloßer Alphabete, wie bei
Braun und Konsorten, würde die Gesellschaft
genau so dem Vorwurf der Einseitigkeit aus¬
setzen, wie sie ihn wegen der Wiedergabe
bloßer Textseiten gegen die Monumenta typo-
graphica, die Woolley Photographs, die Type
Facsimile Society erhebt. Die Gesellschaft
macht es sich jetzt schon zur Regel, wenn
irgend möglich jedes Typenalphabet wenigstens
auf zwei Tafeln in Verwendung zu zeigen: ein¬
mal in einem lateinischen und das andere Mal
in einem deutschen resp. anderen vulgärsprach¬
lichen Text.
Neben dem Alphabet und dem Faksimile
einer Seite enthält aber jedes Blatt auch noch
einige Notizen, die seine Brauchbarkeit erhöhen
sollen. Selbstverständlich trägt es den Namen
des Druckers und die Bezeichnung der Type
mit der Ziffer des Typenrepertoriums. Ebenso
selbstverständlich die Angabe, welcher Vorlage
(nach Druck und Seite desselben) und welchem
Exemplare dieser Vorlage das Faksimile ent¬
nommen ist. Außerdem aber ist in der rech¬
ten oberen Ecke die typische Form des M,
die dem Alphabete eigen ist, und das Maß von
20 Zeilen angegeben, d. h. die Bezeichnungen,
unter denen das Typenrepertorium die Schrift¬
art registriert. Es geschieht dies, damit der
Benutzer die Blätter nicht nur nach der Pro¬
venienz, nach Druckorten und Druckern, son¬
dern beliebig sich auch nach stilistischen Ge¬
sichtspunkten ordnen kann. Endlich wird am
Fuße des Blattes mit einigen Worten auf die
charakteristischen Eigentümlichkeiten der Type
hingewiesen, und es werden besonders diejenigen
Punkte hervorgehoben, durch die sich die Type
von den nächstverwandten Schriftarten unter¬
scheidet. Jedes Blatt stellt also auch eine ge¬
wisse Summe von wissenschaftlicher Arbeit dar,
und zu dieser bekennt sich denn auch immer
einer der Mitarbeiter der Gesellschaft mit seinem
Namen.
Die Prinzipien, wie ich sie Ihnen hier ent¬
wickelt habe, sind nun allerdings nicht von
Anfang an in vollem Umfange zur Richtschnur
genommen worden, sondern sie haben sich
zum Teil erst schärfer herausgebildet in der
zweijährigen Tätigkeit, die die Gesellschaft jetzt
hinter sich hat. Die ersten Hefte waren selbst¬
verständlich mehr oder weniger Versuche, an
denen die Gesellschaft technisch, wirtschaftlich
und wissenschaftlich ihre Kräfte und Methoden
erproben mußte. Diese Arbeit hat fast ganz
allein der erste Sekretär der Gesellschaft, Dr.
Isak Collijn von der Universitätsbibliothek von
Upsala, auf sich genommen; seiner schier un¬
erschöpflichen Arbeitskraft, seiner begeisterten
Hingabe an die Sache und seiner außerordent¬
lichen Geschäftsgewandtheit ist das Zustande¬
kommen der Gesellschaft auf durchaus inter¬
nationaler Basis in allererster Linie zu danken.
Er hat auch im ersten Jahre der Gesellschaft
die Lasten der Arbeit ganz allein getragen;
erst später haben sich zu der Arbeitszentrale
in Upsala-Stockholm weitere Arbeitsstellen in
Kopenhagen und in Berlin, vorübergehend
auch schon in Paris hinzugesellt, und es steht
zu hoffen, daß sich nach Bedarf noch weitere
Arbeitsstätten werden bilden lassen.
In den ersten Heften war ein fester Arbeits¬
plan noch wenig ausgeprägt, doch verdankten
auch da nur vereinzelte Blätter dem Zufall ihre
Aufnahme. Einesteils verfolgte — und verfolgt
noch heute — die Gesellschaft den Zweck,
solche Typen zur Anschauung zu bringen, die
erst nach dem Abschluß meines Typenreper¬
toriums bekannt geworden waren oder einem
bestimmten Drucker hatten zugesprochen wer¬
den können. Anderseits zieht sich durch die
meisten der bisherigen Hefte eine Untersuchung
hindurch, die darauf gerichtet ist, den Lübecker
Frühdruck nach seinen Wurzeln, seinen Er¬
scheinungen und seinen Derivaten zu erforschen.
Jedenfalls wird jetzt schon keine Type — es
sei denn, daß es sich um eine neue Entdeckung
handelt — aufgenommen, die nicht in irgend¬
einer logischen Beziehung zu schon Gebotenem
oder gleichzeitig Erscheinendem steht. Wie in
meiner Untersuchung über die Identität des
Capotius-Druckers mit Martin Landsberg, so
liegt stets der Zusammenstellung der Typen
irgend ein wissenschaftliches Problem zugrunde.
Es braucht dies aber nicht ein rein typen-
kundliches zu sein. Mit großer Genugtuung
hat die Gesellschaft das Anerbieten von Herrn
Prof. Voullieme angenommen, das gesamte
Material der Kölner Inkunabeldrucker zu be¬
arbeiten. Das letzte Heft für 1908 hat den
Hennig, Griechische und lateinische Klassiker nach den Handschriften photographiert.
145
Anfang dieser Arbeit gebracht, ein zweites, für
1909 bestimmtes Heft ist fast vollendet. An
Stelle der typenkundlichen Gesichtspunkte sind
also hier historisch-geographische getreten, und
die Gesellschaft hat die Freude erlebt, daß
dieses Vorgehen nicht nur allseitige An¬
erkennung gefunden, sondern bereits zur Nach¬
ahmung anspornend gewirkt hat. Jedenfalls ist
in dem Kölner Hefte die wissenschaftliche
Durcharbeitung ganz besonders gewissenhaft
gehandhabt worden, und da wir in der glück¬
lichen Lage sind, hier in Berlin in der Hilfs¬
arbeiterin, die das Zeichnen der Typen über¬
nommen hat, die beste Kraft unter den gegen¬
wärtig für die Gesellschaft tätigen gewonnen zu
haben, so ist das Heft auch nach dieser Rich¬
tung hin besonders gut ausgefallen. Ich hoffe,
daß das zweite Kölner Heft, das, wie gesagt,
schon weit vorgeschritten ist, dank der peinlich
sorgfältigen und strengen Überwachung durch
Professor Voullieme und dank der fortschreiten¬
den Fertigkeit unserer Zeichnerin sich noch
wirkungsvoller gestalten wird, als das erste.
Die Gesellschaft hat im Jahre 1907 zwei
Hefte mit 60, im Jahre 1908 drei Hefte mit
90 Blatt an ihre Mitglieder ausgegeben. Das
ist gewiß eine beachtenswerte Leistung, wenn
man in Betracht zieht, daß der Mitgliedsbeitrag
nur 25 Mark beträgt. Die Type Facsimile
Society mit einem Beitrag von einem Pfund
hat es niemals über 50 Blatt gebracht. Bei
dem Vergleiche ist aber zu bedenken, daß die
Type Facsimile Society nur Faksimilia, keine
Alphabete gebracht hat. Nun kosten uns ja,
Gott sei Dank, unsere Alphabete nicht ganz
so viel, wie Herrn Claudin, der mir anvertraute,
daß er für jedes Alphabet 25 Franks bezahlen
müsse. Immerhin sind die Kosten des Zeich¬
nens recht erheblich, ganz davon abgesehen,
daß jedes Alphabet doch auch ein Klischee
von beträchtlichen Dimensionen erfordert. Die
finanzielle Frage ist denn auch für die Gesell¬
schaft für Typenkunde eine noch nicht völlig
gelöste Schwierigkeit. In dem Prospektus war
der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß die Ge¬
sellschaft ihren Mitgliedern alljährlich 100 Blatt
für ihren Beitrag werde liefern können, und es
bestehen im Schoße der Gesellschaft noch
mancherlei schöne Pläne, wie die Veröffent¬
lichungen noch wissenschaftlich wertvoller zu
machen, technisch noch vorzüglicher zu ge¬
stalten sein möchten. Aber zu alledem gehört
Geld und wieder Geld. Mit 167 Mitgliedern
kann die Gesellschaft selbst mit einem Ver¬
waltungsgenie wie Dr. Collijn an der Spitze
vorläufig an eine Erhöhung ihrer Leistungen
nicht denken. Aber wir hoffen, daß je mehr
das, was bisher geleistet worden ist, bekannt
und gewürdigt wird, desto mehr auch sich
Interessenten und Freunde finden werden, die
der Gesellschaft durch ihren Beitritt zur Er¬
reichung ihrer hochgesteckten Ziele helfen
wollen, und wenn mein Vortrag in dieser Rich¬
tung auch einen kleinen Erfolg erzielen könnte,
so würde ich mir das als eine besonders will¬
kommene Belohnung anrechnen.
Griechische und lateinische Klassiker
nach den Handschriften photographiert.
Von
Paul Hennig in Charlottenburg.
Mit zwei Abbildungen.
odices graeci et latini photographice
depicti duce Scatone de Vries“ (Leiden,
Verlag von A. W. Sijthoff) — ■ so lautet
der schlichte Titel eines großartigen
Unternehmens, das, seit vielen Jahren von Ge¬
lehrten gewünscht und erstrebt, nicht an die Öffent¬
lichkeit treten konnte, bis 1896 ein opfermutiger
Z. f. B. 1909/1910.
Verleger das ganze Risiko und eine gewaltige
Arbeit auf sich lud. Heute liegen elf Foliobände
im Umfange von insgesamt 2598 Blatt und fünf
Supplemente Lichtdruckreproduktionen nebst be¬
schreibendem Text vor. Wenn man von Büchern
im allgemeinen schon sagen zu dürfen glaubt
„habent sua fata libelli“, hier trifft es ganz gewiß
19
146
Hennig, Griechische und lateinische Klassiker nach den Handschriften photographiert.
zu. Die Schwierigkeiten, derartige Handschriften
in möglichster Vollständigkeit ausfindig zu machen
und die Erlaubnis zu erlangen, sie photographisch
aufnehmen lassen zu dürfen, wie auch die Um¬
ständlichkeiten und Risiken der Aufnahmen selbst
an Ort und Stelle kann sich der Laie unmöglich
vorstellen. Es ist selbstredend ausgeschlossen,
daß solche kostbare Handschriften die Mauern
der Bibliotheken, deren unschätzbaren Besitz sie
bilden, verlassen dürfen. Die enormen Kosten
einer Publikation, wie die „Codices graeci et latini“
aber in Einklang zu bringen mit einem Verkaufs¬
preise, der bei der beschränkten Absatzmöglichkeit
und den dadurch bedingten kleinen Auflagen die
Anschaffung möglichst erleichtert, das gehört zu
den verlegerischen Kunststücken, die nur selten
gelingen. Auch der Leidener Verleger der Codices
graeci et latini wird vielleicht noch ein Jahrzehnt
und mehr Zeit brauchen um nur seine Anlage¬
kapitalien hereinzubringen, hat er doch den Laden¬
preis so niedrig bemessen, daß auf das Blatt im
Durchschnitt wenig mehr als eine Mark entfällt.
Inzwischen ist kürzlich soeben ein Auszug aus
dem großen Werke, 54 Tafeln in Großfolio mit Text
unter dem Titel: „Album palaeographicum, Tabu-
lae LIV selectae ex cunctis iam editis tornis codi-
cum graecorum et latinorum, photographice de-
pictorum, duce Scatone de Vries, bibliothecae
universitatis Leidensis praefecto“ erschienen (Preis
24 M.), welcher wohl geeignet sein dürfte, dem
großen Werke den Weg zu weiterer Verbreitung
zu bahnen.
Der große Nutzen, den die Reproduktion alter
Handschriften für das wissenschaftliche Studium
haben kann, wird seit langem anerkannt. Schon
im XVII. Jahrhundert sind verschiedene derartige
Nachbildungen zustande gekommen, die für jene
Zeit sehr merkwürdig waren. Das Bedeutendste
davon wird angeführt in den „Listes des recueils
de facsimiles et des reproductions de manuscrits
conserves ä la Bibliotheque Nationale“, zusammen¬
gestellt von Omont in der Revue des Biblio-
theques, Mai-Juin 1903.
Diese Art der Nachbildungen ist jedoch jetzt
als veraltet zu bezeichnen, seitdem im XIX. Jahr¬
hundert auf diesem Gebiet eine allgemeine Um¬
wälzung durch die Erfindung und Entwickelung
der Photographie, vor allem aber durch die aus
dieser hervorgegangenen mechanischen Verviel¬
fältigungsverfahren entstanden ist; man denke an
die Photolithographie, die Photogravüre, die Zinko¬
graphie und Autotypie, samt dem Dreifarbendruck.
Erst als es ermöglicht wurde, auf rein mecha¬
nischem Wege getreue Abbildungen direkt nach
den Originalen herzustellen und durch den Druck
zu vervielfältigen, konnte man Handschriften so
wiedergeben, daß sie ein getreues Bild des Ur¬
sprünglichen ohne irgendwelche Irrtümer oder
Verstümmelungen darstellen. Wie hoch die
Leistungen auf diesem Gebiete gediehen sind,
davon liefern die Farbenlichtdruck-Reproduktionen
im Breviarium Grimani, das demnächst mit Lie¬
ferung 12 vollständig vorliegen wird, den ekla¬
tantesten Beweis.
Friedrich Wilhelm Ritschl, der in so mancher
Hinsicht seiner Zeit weit voraus war, hat schon
vor 70 Jahren daraufhingewiesen, welchen großen
Nutzen zuverlässige Reproduktionen haben können
und welche Handschriften in erster Linie dadurch
zu allgemeiner Kenntnis gebracht werden sollten.
Auf der Philologenversammlung zu Gotha am
30. September 1840 machte er Mitteilung von
seinen Plänen für einen „codex palaeographicus“
und für die vollständige lithographische Faksitni-
lierung ganzer Codices. Infolge Zusammentreffens
ungünstiger Umstände aber ist aus diesen Projekten
nichts geworden. Nur ab und zu gab in den
folgenden Jahren eine große Bibliothek ein Bei¬
spiel, indem sie eine oder mehrere ihrer Kostbar¬
keiten durch Reproduktion zugänglich machte,
aber für die meisten öffentlichen Bibliotheken und
vor allen Dingen für Privatgelehrte war es fast
unmöglich, auch nur das Wichtigste anzuschaffen.
Selbst die energischen Bemühungen des Dr.
O. Hartwig in Halle, eine internationale Gesell¬
schaft für Herausgabe der wichtigsten Codices zu
begründen, hatten nur geringen, bei weitem für
die Verwirklichung unter Deckung der Selbstkosten
unzureichenden Erfolg. Auch ein Rundschreiben
des Dr. du Rieu in Leiden hatte wohl zahlreiche
rühmende Anerkennungen von Gelehrten aus aller
Welt, aber nur sehr ungenügende Anmeldungen
für Mitgliedschaft zur Folge. Erst das Angebot
des bekannten Leidener Verlegers A. W. Sijthoff,
ganz auf eigenes Risiko photographische Verviel¬
fältigungen einer Serie von zwölf der berühm¬
testen klassischen griechischen und lateinischen
Handschriften nach Angabe von Dr. du Rieu zu
publizieren und zwar ohne den Abnehmern eine
Verpflichtung zum Abonnement aufzuerlegen, führte
zur Verwirklichung der so lange angestrebten
Ziele. Dr. du Rieu sollte die wissenschaftliche
Leitung übernehmen und jedes Jahr ungefähr ein
Band erscheinen. Die Herausgabe sollte sofort
und energisch in Angriff genommen werden.
Solche hochherzigen Vorschläge und Aner¬
bietungen konnten wohl Annahme finden. Dr. du
Rieu ging ungesäumt energisch an die Vorberei¬
tungen.
Den Plan, den ältesten Terentius und den
besten Virgilius aus dem Vatikan, beide Uncial-
Handschriften, in die erste Serie aufzunehmen,
konnte man fallen lassen, da bekannt wurde, daß
diese vorzüglichen vatikanischen Codices auf
Kosten des Papstes vervielfältigt werden sollten.
Man wählte den Virgilius Mediceus aus dem
V. Jahrhundert und den Berner Horalius aus dem
IX., die Pariser Anthologia Latina aus dem \ II.
oder VIII., den Salmasianus, den Livius derselben
Bibliothek aus dem V. und VI. Jahrhundert und den
einzigen Tacitus der Laurentiana aus dem IX.
Jahrhundert. Die Schrift aller dieser Codices ist
Hennig, Griechische und lateinische Klassiker nach den Handschriften photographiert.
147
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Aus dem illustrierten lateinischen Aesop in der Handschrift des Ademar, Codex Vossianus. Reprod. Sijthoff, Leiden.
148
Hennig, Griechische und lateinische Klassiker nach den Handschriften photographiert.
durch Faksimilia bekannt, sie sind auch von den
tüchtigsten Herausgebern als die ehrwürdigsten
und vorzüglichsten anerkannt, so daß das Studium
der Klassiker durch sie sehr gefördert werden
wird.
Dasselbe gilt von den griechischen Codices,
die Dr. du Rieu in erster Linie auswählte, von
dem Aeschylus der Laurentiana aus dem X. und
XI. Jahrhundert, der Ant/iologia Graeca der
Heidelberger Bibliothek, wovon ein Teil in Paris
auf bewahrt wird, dem Wiener Dioscuridcs des
VI. Jahrhunderts mit sehr merkwürdigen Minia¬
turen, der Ilias Homers des Codex Ambrosianus,
der auch Zeichnungen enthält und der Oxforder
Platohandschrift von 895, die Professor Cobet
weit über den Pariser Plato stellte.
Für den ersten Band ward eine der ältesten
und besten griechischen Handschriften des alten
Testaments , der Codex Sarravianus gewählt, wovon
ein Teil (260 Seiten) in Leiden, ein anderer
(44 Seiten) in Paris und ein Blatt in Petersburg
aufbewahrt wird. Diese berühmte Bibelhandschrift
als Ganzes in einem Bande wiederzugeben als
erstes Stück der grobartigen Publikation der
„Codices graeci et latini“ erscheint in der 'Fat in
hohem Grade sinnreich.
Als zweiter Band erschien der Codex Bernensis
363 Hora tii earmina, Ovidii Mctamorphoses, frag-
nentirn Servii et aliorum opera grammatica, S.
Augustini de dial. et de rhetor. Es ist die älteste
und beste Handschrift des Horaz, der Fragmente
der Metamorphosen Ovids usw., der einen Schatz
mittelalterlicher Gelehrsamkeit enthält.
Beim Erscheinen dieses zweiten Bandes mubte
die Anzeige von dem Ableben des Dr. du Rieu
erfolgen. Zugleich wurde mitgeteilt, dab dessen
Nachfolger im Amte an der Leidener Bibliothek,
Dr. de Vries, die Leitung des Unternehmens über¬
nommen habe. Seitdem ist die Veröffentlichung
in dem von Dr. du Rieu angedeuteten Sinne stetig
fortgeschritten.
Als Band III und IV erschien Platos Codex
Oxoniensis Clarkianus von 895. Es ist dies eine
der wertvollsten und besten Handschriften von
griechischen Klassikern, die auf uns gekommen
sind.
Den Band V bildet des Plautus Codex Heidel-
bergensis von 1613 Palatinus C., der verviel¬
fältigt, zusammen mit den in Professor Lindsays
Buche „The Codex Turnebi of Plautus“ veröffent¬
lichten Faksimilia ein Material bilden wird, wie
es ein solches in derselben Vorzüglichkeit kaum
für einen andern klassischen Schriftsteller gibt.
Band VI brachte Homeri Ilias, Codex venetus
A. Marcianus; die Reproduktion dieses hoch¬
berühmten Kodex wurde ermöglicht durch persön¬
liche Unterhandlungen des Herausgebers Dr. de
Vries mit dem italienischen Unterrichtsminister
und dem Bibliothekar des Marciana.
Der erste Teil des Tacitus , Codex Lauren-
tianus Mediceus 68 II erschien als Band VII.
Die berühmten Codices Medicei bilden die Grund¬
lage des Textes der Annales und Historiae des
Tacitus und sind von hervorragender Bedeutung
für textkritische und palaeographische Studien.
Als VIII. Band erschien Terentius , Codex
Ambrosianus H. 75. Bei der Vorarbeit zu den
Reproduktionen dieses illustrierten Kodexes erfuhr
man, dab die Verwaltung der Vatikanischen Biblio¬
thek eine Reproduktion der Miniaturen ihrer
eigenen Handschrift vorbereitet. Man entschloß
sich daher, diese Gelegenheit zu benutzen, um
ein Werk zustande zu bringen, das nicht nur für
die Kenntnis der genannten Handschrift selbst
wertvoll sein würde, sondern auch von höchstem
Interesse für das Studium aller noch vorhandenen
illustrierten Terentius-Handschriften weiden könnte.
Zu diesem Zweck wurde eine grobe Anzahl Photo¬
graphien angefertigt aus sämtlichen bekannten
Handschriften des Terenz, welche Bilder enthalten,
einschlieblich des berühmten Codex Vaticanus
waren es fünf Codices: ein Pariser, zwei Leidener,
ein Oxforder und ein Römischer. So hat man
den Codex Ambrosianus möglichst ergänzt und
eine Übersicht dieser ganzen Gruppe illustrierter
Handschriften gegeben, die durch die Einleitung
aus der Feder des Professor Bethe, alle bekannten
illustrierten Terentius-Handschriften behandelnd,
einen ganz besonderen Wert erhalten hat.
Aristophanis Codex Ravennas bildet den
IX. Band. Dieser Kodex war nur selten zu¬
gänglich, er bildet aber mit dem Codex venetus
zusammen die Grundlage für den Text der Komö¬
dien des Aristophanes. Schon vor etwa sechs
Jahren hat Dr. de Vries in Italien persönlich die
vorbereitenden Schritte getan, um diese beiden
kostbaren Handschriften, oder wenigstens eine
durch Phototypie allgemein bekannt zu machen.
Mittlerweile fabten das Archiological Institute of
America und die englische Society for the Promo¬
tion of Helenic Studies einen ähnlichen Plan.
Sie haben sich aber in anerkennenswerter Weise
mit dem Herausgeber und dem Verlage der Leidener
Publikation dahin verständigt, dab die beiden
Gesellschaften den Codex Venetus zur Repro¬
duktion wählten, der Codex Ravennas dagegen in
der Leidener Ausgabe erscheinen sollte.
Als Band X erscheint der Codex Dioscurides.
Codex Aniciae Julianae picturis illustratus, nunc
Vindobonensis. Dieser berühmte, kostbar aus¬
gestattete Dioskurides- Kodex der Wiener Hof¬
bibliothek, um das Jahr 512 n. Chr. für die
Kaisertochter Anicia Juliana in Byzanz geschrieben
und gemalt, ist der älteste Zeuge für Text und
Illustrationen der sogenannten alphabetischen
Rezension der dioskurideischen Pflanzenbeschrei¬
bungen, welchen auch Fragmente des Krateuas
und Galeties beigefugt sind, sowie eine Reihe
kleinerer, reich mit Text, Tier- und Pflanzen¬
bildern illustrierter Schriften. Nicht nur textkritisch
ist dieser Kodex von hervorragender Bedeutung,
sondern auch als einzigartiges Denkmal zur
Hennig, Griechische und lateinische Klassiker nach den Handschriften photographiert.
149
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Aus dem Terentius: Codex Ambrosianus H. 75. Reprod. Sijthoff, Leiden.
Geschichte der Botanik , indem seine bisher so gut
wie unbekannten Pflanzenbilder zum großen Teile
auf Originale des ersten Jahrhunderts v. Chr.
zurückgehen. Fast auf das Jahr datierbar, enthält
dieser Kodex unschätzbares Material für die Paläo-
graphen , welche ihre Kenntnis der Unzialschrift
des beginnenden VI. Jahrhunderts hauptsächlich
aus ihm schöpften. Den Kunsthistoriker interessieren
außer den Pflanzenbildern, welche durch Jahrhun¬
derte die Illustrierung botanischer Werke beeinflußt
Schulz-Besser, Das Ahnenkreuz.
150
haben, namentlich die berühmten, zum Teil auf
bester antiker Tradition fußenden Einleitungs¬
miniaturen, welche jetzt zum erstenmal in der
Größe des Originals reproduziert wurden. Für
die Erforscher des Mittelgriechischen und die
Orientalisten sind die nachträglich beigeschriebenen
vulgärgriechischen, arabischen, türkischen und per¬
sischen Ptlanzennamen von großer Wichtigkeit.
Livius , Codex Vindobonensis Lat. 1 5 erscheint
als XI. Band. Es ist ein Uncialkodex aus dem
V. Jahrhundert, jetzt im Besitze der K. K. Hof¬
bibliothek in Wien, früher im Kloster zu Lorsch,
welcher die einzige Quelle bildet für die fünfte
Dekade des Livianischen Geschichtswerks. Aus
ihm wurde die Editio princeps jener Bücher 1531
mit Einleitung des Desiderius Erasmus von Rotter¬
dam bei Froben in Basel hergestellt. Seit der
Zeit war die Handschrift für die Textkritik und
für paläographische Studien wiederholt Gegenstand
eifriger Forschungen.
Neben der vorstehend erwähnten großen Serie
von elf umfangreichen Bänden erschien seit dem
Jahre 1902 eine Folge von kleineren Supplement¬
bänden, von denen bis jetzt vorliegen:
Suppl. 1. Hicronymi Chronicorum Codicis
Floriacensis uncialis fragmenta Leidensia, parisiana,
Vaticana. Praefatus est Traube.
Suppl. II. Les Miniatures du Psautier de Saint-
Louis. Manuscrit de Leyde Preface de Omont M. H.
Suppl. III. Der illustrierte lateinische Acsop
in der Handschrift des Ademar, Codex Vossianus Lat.
Einleitung und Beschreibung von Dr. Georg Thiele.
Suppl. IV. Taciti Germania et Dialogus de
oratoribus. Suetoni de viris illustribus fragmentum
Codex Leidensis. Praefatus est Georgius Wissowa.
Suppl. V. Alpertus Mettensis de diversitate tem-
porum und de Theodorico 1 episcopo Mettensi.
Codex Ilannoveranus. Einleitung von Dr. C Pi-
jancker Herdijk.
Wir wollen nur zu Suppl. III noch bemerken,
daß diese im Anfang des XI. Jahrhunderts im
Kloster St. Martial bei Limoges vom Presbyter
Ademar von Chabannais entstandene Handschrift
neben dem paläographischen und textkritischen
Wert noch einen besonderen durch die beigefügten
Illustrationen besitzt, die hier zum ersten Male voll¬
ständig reproduziert sind und überall antike Tra¬
ditionen zeigen. An die Fabeln schließt sich un¬
mittelbar eine Sammlung von Rechenrätseln von
stark humoristischer, zuweilen volkstümlicher Fär¬
bung an, welche bisher noch ganz unbeachtet
blieben, jetzt vollständig publiziert, viel Interesse
beanspruchen werden.
Die Einleitungen zu den elf großen Codices
lieferten: II. Omont, IV. Alton , Carl Za tigernd st er,
Dom. Comparetti , Enr. Rostagnc , E. Bethe , J. van
Lecuwen, Ant. de Premer stein, Car. Wessely und
Jos. Mantuani.
Dureh dieses großartige Verlagswerk sind über
2600 Blatt ko d barster Handschriften dem Studium
der Gelehrten erschlossen , aber auch nach mensch¬
lichem Ermessen für alle Zeiten vor der Vernich¬
tung bewahrt worden.
Zur Orientierung über das wert- und verdienst¬
volle Unternehmen sei der vorerwähnte, im gleichen
Formate und derselben Ausstattung erschienene
Auszug unter dem Titel: „ Album Palaeographicum1
mit erläuterndem Text von Dr. de Yries empfohlen,
den wohl jede gute Buchhandlung zur Ansicht zu
beschaffen in der Lage sein dürfte.
<#£>
D as Ahnenkreuz.
Ein unbekanntes Jugendwerk Adolph Menzels.
Von
Ernst Schulz-Besser in Leipzig.
Mit einer Abbildung.
Inter den illustrierten Büchern des XIX.
Jahrhunderts stehen die von Adolph
Menzel geschmückten in der Gunst der
Bibliophilen mit an erster Stelle. Die
„Armee Friedrichs des Großen“ in Lithographien
mit der Feder, seine berühmten Holzschnitte zu
Kuglers „Leben Friedrichs des Großen“, 1839' — 42
entstanden, die Illustrationen zum Peter Schlemihl
und andere Meisterstücke sind so bekannt, daß
ihre Nennung genügt, um alle diese Werke eines
gottbegnadeten Künstlers vor unsern Augen er¬
stehen zu lassen. Menzel hat vor allem in seinen
jungen Jahren eine rege graphische Tätigkeit ent¬
faltet. Er begann als Lithograph. Schon als
sechzehnjähriger Jüngling sah er sich gezwungen,
nicht nur für sich, sondern auch für die des
Vaters beraubte Familie den Lebensunterhalt zu
schaffen; dazu mußten seine Kenntnisse in der
Kunst Senefelders dienen, die er bereits in der Werk¬
statt des Vaters in Breslau erlernt hatte. Da galt es
denn, häufig sehr gleichgültige Gelegenheitsarbeiten
auszuführen, und die Bitterkeiten des Künstler-
Schulz-Besser, Das Ahnenkreuz.
151
berufes schildert der erst Achtzehnjährige in
dem berühmten Zyklus „Künstlers Erden¬
wallen“ in Anlehnung an Goethes Dichtung.
Aber zu der Not, der er gehorchen muhte,
kommt der eigene Trieb, er arbeitet auch
die weniger interessanten Aufträge mit voller
Hingabe seines geistigen und technischen
Könnens. Sein Ruhm wächst, und nun ent¬
stehen eine Reihe kostbarer Schöpfungen,
die dem Graphiker Menzel einen Ehrenplatz
für alle Zeiten sichern.
Zu seinen interessantesten Jugendarbeiten
gehören die 30 Illustrationen zu einem Kinder¬
buche der Emilie Feige (der Name ist Pseu¬
donym), das 1836 bei Gropius in Berlin unter
dem Titel „Der kleine Gesellschafter“ erschien.
Man kennt davon ungefähr sechs Exemplare.
Fleißige Kinderhände haben dafür gesorgt,
daß es tüchtig zerlesen und der Preis
gehörig in die Höhe getrieben wurde. Das
Büchelchen, das ursprünglich einen Taler
gekostet hat, brachte bereits im Jahre 1898,
als es das Dresdener Kupferstichkabinett auf
einer Berliner Auktion erwarb, 900 Mark,
und des bekannten Menzel -Bibliographen
Dorgerloh Exemplar erzielte kürzlich, ob¬
gleich im Texte nicht ganz vollständig, den
ansehnlichen Betrag von 750 M.
Das graphische Jugendwerk Menzels ist
nun kürzlich um ein hochinteressantes Stück
vermehrt worden, das vor wenigen Wochen
in Leipzig auftauchte und auf welches ich
bereits im „Kunstmarkt“ hingewiesen habe.
Es ist der mit der Feder auf Stein gezeich¬
nete Titel einer romantisch angehauchten
Jugendschrift :
Das Ahnenkreuz oder die Wege der
göttlichen Fürsehung. Eine Erzählung für
die Jugend von Ernst Leyde. Mit einem
Titelkupfer. Berlin, Verlag von George
Gropius, 1838 (Lithogr. Titel, 3 Blätter,
101 und 3 Seiten Anz.)
In dieser entzückenden Zeichnung, die
wir hier in Originalgröße wiedergeben, zeigt
sich des Künstlers eminente Meisterschaft in
Wiedergabe momentaner Beobachtung, seine
glänzende Beherrschung der Verkürzungen, die
außerordentliche Genauigkeit , mit der er alle
Einzelheiten darzustellen wußte, bis zu den Falten
in den Gewändern und im Zaumzeug der Pferde.
Die Anordnung der Hauptmomente dieser Er¬
zählung in Form eines Kranzes, der den Titel
umgibt, ist ihm vollkommen gelungen, und originell
ist die Idee, die drei wichtigsten Personen in Form
eines Kreuzes unten hinzustellen. Dadurch, daß
alle Pferde sich im schnellsten Tempo bewegen,
bekommt die ganze Zeichnung etwas ungemein
Lebendiges.
Die Erzählung selbst ist sehr einfach. Auf
einem Schlosse lebt im Kreise seiner noch immer
eines Stammhalters entbehrenden Familie ein edler
der
Graf, verehrt von den „Untertanen“. Als der
langersehnte Sproß eintrifft, herrscht große Freude,
besonders bei der Komtesse, die sich nicht von
ihrem Bruder trennen kann (Wiege links unten);
der Diener reitet in das Dorf (die Darstellung
geht links weiter), um allen die Nachricht zu über¬
bringen; die Mutter des Grafen kommt vierspännig
gefahren. (Der fromme Sinn der Familie wird
durch die Bibel oben symbolisiert.) Das Kind
wird geraubt, aber für ertrunken gehalten und be¬
trauert. Der im Wasser gefundene Hut des Knaben
mit dem Trauerkranz .steht oben an der Spitze
des Bildes. Inzwischen wird der Junge als Seil¬
tänzer von seinem Entführer ausgebildet (rechts
oben). Die Schwester verfällt einer langen Krank¬
heit (Medizinflaschen) und gründet nach ihrer
Genesung eine Warteschule (Kinder, rechts). Nach
152
Lux, Was der Bibliophile vom Bucheinband wissen muß.
einer Reihe von Jahren reist die gräfliche Familie
nach dem Süden (rechts) und findet dort den
totgeglaubten Knaben wieder. Auch das Erbstück
des Hauses, das Ahnenkreuz, welches als Er¬
kennungszeichen dient, ist noch vorhanden. Vater,
Sohn und der Räuber als Hauptfiguren stehen
unten, in Kreuzform angeordnet, zusammen. —
So also hat der junge Menzel eine fromme, ro¬
mantisch angehauchte Jugendschrift illustriert! Sein
graphisches Werk ist um ein wertvolles Stück
bereichert worden.
Das mir vorliegende scheint das einzige, noch
erhaltene Exemplar zu sein; so erklärt sich auch
der Umstand, daß diese reizende Arbeit Menzels
bisher unbekannt bleiben konnte. Ich möchte
bei dieser Gelegenheit darauf himveisen, daß in
der gleichen Zeit im Gropiusschen Verlage noch
mehrere andere Jugendschriften Ernst Leydes er¬
schienen sind, bei denen es in den damaligen
Ankündigungen auch nur heißt „mit einem Titel¬
kupfer“. Leider habe ich von diesen noch kein
Exemplar feststellen können. I)a aber Menzel in
den betreffenden Jahren für Gropius arbeitete, so
ist es gar nicht ausgeschlossen, daß auch diese
Titelkupfer von seiner Hand herriihren.
Was der Bibliophile vom Bucheinband wissen muß.
Von
Joseph August Lux in Dresden.
e große Tradition der deutschen Luch¬
kunst ist den Deutschen von einem Eng¬
länder wieder ins Bewußtsein gerufen
worden. William Morris war es, der, ent¬
zückt von der Schönheit der 42zeiligen Gutenberg¬
bibel, als Dilettant gleichsam daran ging, ein neues
Buchwerk zu schaffen, das in Papier, Druck, Aus¬
stattung und Bucheinband die hohe Tradition wieder
aufzunehmen und fortzuentwickeln imstande war. Er
schnitt zum Beispiel die Lettern seiner berühmten
Chaucer- Ausgaben selbst, überwachte die Herstellung
des Papiers, besorgte den Druck in seiner eigenen
Presse und verlegte sich aufs Buchbinden. Ein
Freund William Morris, der Advokat Cobden-
Sanderson, wurde Buchbinder und begann nach
den berühmtesten Mustern der alten Buchbinde¬
kunst herrliche Einbände mit reicher Hand¬
vergoldung herzustellen. Eine große Schule ging
von diesen Männern aus. Cockerell, ein Schüler
Cobden-Sandersons beschrieb in seinem, auch in
Deutschland bekannten Handbuch die Technik
des handwerklichen Einbandes. Viele Frauen in
England wendeten sich seither der Buchbindekunst
zu, bildeten dortselbst Innungen und Schulen und
fanden, ein sehr wichtiges Moment, lohnenden Ab¬
satz für ihre Kunsterzeugnisse. Denn in England
hat keineswegs, geradeso wie in Frankreich, der
Kunstliebhaber aufgehört eine Kulturaufgabe zu
erfüllen. Diese Leute sammelten nicht nur gute
Erzeugnisse des persönlichen Kunstfleißes, sondern
sie bezahlten auch einen angemessenen Preis
dafür. Für einen guten, künstlerischen Buch¬
einband bezahlt der englische Kunstfreund Preise,
die in Deutschland fabelhaft erscheinen würden.
Auch der französische Kunstfreund zahlt in gleicher
Angemessenheit. Wenngleich in Frankreich die
Buchbindekunst einem weniger historisch diszipli¬
nierten Geschmack, sondern mehr der bizarren
Laune folgt. Es muß aber hervorgehoben werden,
daß Frankreich seit jeher über die vorzüglichsten
kunstgewerblichen Kräfte verfügt hat. Diesen
Kunstliebhabern zu Dank, konnte ein hochquali¬
fizierter, künstlerisch inspirierter Gewerbestand
immer bestehen. Die Leistungen in jenen Län¬
dern sanken niemals auf jenes schauderhafte Ni¬
veau herab wie in Deutschland, wo den Künstlern
im Gewerbe jenes materielle Rückgrat fehlte und
der Billigkeit wegen die Industrie alles machen
mußte. In der Bucheinbandkunst herrschte der
fürchterliche Prachteinband, ein durchaus industri¬
elles Surrogat, das lächerliche Produkt eines zur
Protzenhaftigkeit und Unechtheit verkommenen
Geschmackes. Erst seitdem die englische Be¬
wegung und ihre Erzeugnisse auf dem Kontinent
bekannt wurden, es ist kaum mehr als ein Jahr¬
zehnt her, begann auch in Deutschland ein neuer
Aufschwung im Buchgewerbe. Einige bekannte
Verleger legten auf Type, Papier und Druck¬
ausstattung erhöhtes Augenmerk, der industrielle
Einband verbesserte sich, seitdem die deutschen
Ornamentkünstler für Bucheinbände und Buch¬
ausstattungen zeichneten, einzelne Amateure, die
sich der Buchbindekunst zuwandten, eröffneten
kleine Werkstätten, und wir erlebten nach und nach
einen, wenn auch bescheidenen Aufschwung der
Buchbindekunst in Deutschland, dem schon zu¬
nächst deshalb kein außerordentliches Gedeihen
beschieden sein kann, weil es hier an Liebhabern
fehlt, die ein entsprechend hohes Geld für Ein¬
bände anlegen, um wirklich seltene Kunstwerke
hervorzurufen. Trotzdem hat sich die Zahl der
Bibliophilen und derjenigen, die dem Bucheinband
Lux, Was der Bibliophile vom Bucheinband wissen muß.
153
ein erhöhtes Interesse zuwenden und gelegentlich
einen handwerklich durchgeführten Bucheinband
ihr eigen nennen wollen, sehr vermehrt. Es ist
mit Vergnügen festzustellen, daß ihre Zahl eigent¬
lich wächst, und daß diejenigen, die sich aus der
Buchbindekunst eine Lebensaufgabe gemacht haben,
nach und nach einen Abnehmerkreis erreichen
können, der ihnen die Wahrung künstlerischer
Grundsätze bei einem halbwegs gesicherten, wenn
auch bescheiden gefristeten Dasein gewährt. Ich
weiß nicht, ob die Museen und Mustersammlungen
der Kunstgewerbeschulen in Deutschland schon
so weit sind, zu verstehen, daß ein kostbarer, mit
reicher Handvergoldung versehener Einband, minde¬
stens auf mehrere hundert Mark zu stehen kommt,
wenn nur die monatelange Arbeitsmühe des Her¬
stellers gerechnet wird, der somit noch lange
keinen Künstlerpreis fordert. Erst kürzlich wurde
mir ein Fall bekannt, daß eine deutsche Kunst¬
gewerbeschule samt Museum ein Preisausschreiben
für einen kunstgewerblichen Einband zu einem
Gesangbuch erließ, der den Betrag von 25 Mark
nicht übersteigen durfte. Das nennt man Kunst¬
förderung . . . Wie soll dabei etwas herauskommen,
das wesentlich über dem Industrieeinband steht?
Damit soll nicht gesagt sein, daß sich für 25 Mark
nicht ein anständiger Kunsteinband hersteilen läßt,
ein Pappband etwa mit eigenen Buntpapieren.
Oder ein kleiner Pergamentband mit etwas Hand¬
vergoldung. Die Masse der Buchfreunde wird ja
allerdings sich an mäßige Preise halten müssen, wenn
es sich um schöne Einbände für eine größere
Zahl von Büchern handelt, wenngleich es nicht
ausgeschlossen und sogar sehr wünschenswert ist,
daß auch der Buchliebhaber dahin kommt, gelegent¬
lich für ein einzelnes, ihm besonders wertvolles
Buch einen höheren Betrag auszusetzen, um einem
Buchkünstler eine größere Aufgabe zu geben.
Damit es dahin komme ist Voraussetzung, daß
der Buchfreund ein mehr als oberflächliches Urteil
über die Eigenschaften des handwerklich gebun¬
denen Buches besitzt und namentlich wisse, worin
sich ein solches Buch von dem Industrieband
unterscheidet. Diesem Zweck sind die folgenden
Zeilen gewidmet.
Vorerst möchte ich feststen en, daß für den
billigen Massenbedarf der Industrieeinband, wie er
von guten Verlegern für billiges Geld geliefert
wird, seinen Zweck vollständig erfüllt. Er hat
sich in geschmacklicher Hinsicht durch Klischee¬
aufdruck nach guten, modernen Entwürfen und
anständigen Typen sehr vervollkommnet. Nach
der Billigkeit stellt er das Äußerste dar, das man
verlangen kann, und nach der Qualität das
Höchste, das für eine solche Billigkeit erreichbar
ist. Es muß anerkannt werden, daß die Industrie
unter solchen Bedingungen mehr zu leisten nicht
imstande sein kann. Es gibt natürlich auch
in diesen modernen Massenerzeugnissen ein Mehr
und ein Weniger an gutem Geschmack, wenn
man aber in seiner Wahl vorsichtig ist, so kann
Z. f. B. 1909/1910.
man es dahin bringen, daß die Bücherreihen im
Schrank ein durchaus solides Aussehen erlangen.
Aber irreführend ist es, wenn Einbände von M. 1 —
oder M. 2 — den Vermerk tragen: „Mit der Hand
gemacht“. Immer steckt im wesentlichen ein
Maschinenprodukt dahinter. Der unbefangene Käufer
läßt sich allerdings täuschen und glaubt, was be¬
sonderes zu bekommen, ohne zu bedenken, daß
für M. 2 — nicht gegeben werden kann, was ver¬
sprochen und daher erwartet wird. Selbstver¬
ständlich sind die inneren Bedingungen der Her¬
stellung vollständig anders als beim handwerklichen
Einband. Die inneren Bedingungen aber sind
für den äußeren Unterschied der Erscheinung
maßgebend.
Der Unterschied beginnt schon bei der Hef¬
tung der Bogen. Während es der Kunstbuch¬
binder unter Umständen in der Hand hat, die
gedruckten Bogen selber zu falten und die Druck¬
spiegel von je zwei gegenüberliegenden Seiten
genau aufeinanderzupassen, kann sich der Industrie¬
buchbinder um diese Feinheiten nicht kümmern.
Wir finden oft ganz anständige Bücher, in denen
die Druckspiegel der beiden gegenüberliegenden
Seiten verschoben erscheinen, die eine Druckseite
ein wenig höher oder vom inneren Rand ein
wenig weiter entfernt, oft ein klein wenig schief,
die ersten Merkmale einer nicht persönlich genau
abgestimmten Arbeit. Freilich kann daran auch
die Druckerei schuld sein. Nach dem Beispiel
der altdeutschen Buchdruckkunst, von William
Morris erneuert, soll der innere Rand des Seiten¬
paares am schmälsten sein, dann folgt mit zu¬
nehmender Breite der obere Rand, der seitliche
äußere und schließlich als der breiteste der untere
Rand. Französische Bücher beachten diese Regel
gewöhnlich nicht; auch bei den neuen deutschen
kommt es selten vor.
Ein großer Übelstand der Maschinenheftung
besteht darin, daß Kopf und Schwanz jeder Lage
von dem Faden, der herumgehen muß, eingerissen
wird. Bei der Handheftung ist das Einreißen
durchaus vermieden. Im gebundenen Zustand
macht sich dieser Übelstand nicht sofort bemerk¬
bar. Wir beklagen ihn erst, wenn wir dem Buch
einen neuen, besseren Einband geben wollen und
kostspielige und zeitraubende Ausbesserungen an
den eingerissenen Blättern vorgenommen werden
müssen. Handelt es sich von Haus aus um ein
wertvolles Buch, so ist der Gedanke peinlich, daß
jedes Blatt durch die Maschinentechnik eingerissen
werden soll. Wir würden schon aus diesem
Grunde den Kunstbuchbinder aufsuchen, um bei
seltenen und kostbaren Büchern über diesen Punkt
beruhigt zu sein. Bei ganz billigen und schleuder¬
haft gebundenen Industriebüchern kommt auch die
Drahtheftung vor, von der unter allen Umständen
abzuraten ist, auch wenn es sich um verzinkte
Drähte handelt, die das Rosten verhüten sollen.
Eine große Unsitte ist das Einsägen der Bücher,
was leider auch vielfach von Handbuchbindern
20
154
Lux, Was der Bibliophile vom Bucheinband wissen muß.
geschieht, wenn sie ihre Bücher auf Bünde heften.
Damit diese Bünde im Rücken nicht hervorstehen,
wird das Papier eingesägt und der Bund in den
Hohlraum versenkt. Das geht natürlich auf Kosten
der Unversehrtheit des inneren Zustandes und
wird zum Gegenstand des Bedauerns, wenn solch
ein Buch einmal umgebunden werden muß. Bei
handgebundenen Büchern ist der Wunsch be¬
rechtigt, auf Band zu heften, um das Einsägen zu
ersparen, und auf Bünde nur dann zu heften,
wenn es sich um einen Lederband handelt, bei
dem die Bünde außen sichtbar bleiben sollen.
Der gewöhnliche Buchbinder von heutzutage
gibt zwar seinen Lederrücken den Anschein von
erhabenen Bünden, die in der Tat eingesägt sind
und dem Buch keinen anderen Werkcharakter
geben, als ihn die gewöhnlichen Leinenbände haben.
Diese sogenannten falschen Bünde sind eine
Täuschung, die bereits seit hundert Jahren ein¬
geführt ist. Bei echten Bünden wird natürlich
durch das Öffnen des Buches der Lederrücken
eingeknickt, wodurch die Rückenvergoldung sehr
hergenommen wird. Mit dem Aufkommen ma¬
schinell gedruckter Rückenvergoldungen, die eine
starke Inanspruchnahme überhaupt nicht ver¬
tragen, wurde das Einbiegen des Rückens als
lästig empfunden, und sie wurden steif gemacht
wie jeder andere billig gebundene Leinenband.
Um aber dennoch den dekorativen Charakter der
erhabenen Bünde zu wahren, der auch ein will¬
kommener Ausgangspunkt für die Dekoration ist,
wurden falsche erhabene Bünde angebracht, die
indessen gar keinen funktionellen Wert haben.
Der heutige Kunstbuchbinder wird nicht mehr
das Herz zu solchen Fälschungen haben. Er
wird bei Lederbänden erhabene und somit echte
Bünde machen, wenngleich zugegeben wird, daß
ein solcher Band sich nicht so glatt aufschlägt
wie der Maschinenband. Dafür hat er die Merk¬
male der unvergleichlich höheren Solidität und
Meisterlichkeit. Man muß sich eben daran ge¬
wöhnen, ein solches Buch als eine Persönlichkeit
zu behandeln, die ihre Vorzüge und auch ein
ganz klein wenig ihren Eigensinn hat, den Eigen¬
sinn, der unter solchen Umständen immer noch
eine Tugend ist. Der Maschineneinband dagegen
ist tot. Totes Massengut. Es verlangt keine
individuelle Behandlung. Er ist Dutzendware, eine
Nummer. Der handwerkliche, altmeisterliche Ein¬
band dagegen ist ein Charakter. Und wer Bücher
liebt und versteht, wird seine Freude an den
Besonderheiten des Charakters haben. Denn
diese Besonderheiten, dieses Charakteristische,
dieses Individuelle, das sind ja die Fundamente
seiner künstlerischen Wesenheit.
Der Buchliebhaber wird auch dem sogenannten
Kapital, das ist jenes farbige Endchen an Kopf
und Schwanz des Buches, sein Interesse zuwenden.
Wenn es beim Industrieeinband oder beim ge¬
wöhnlichen Buchbindereinband überhaupt vor¬
kommt, so ist es eine gewebte Borte, die an¬
geklebt wird, und die zur Toilette des Buches
gehört wie etwa Hemdkragen und Manschetten
zur städtischen Männerkleidung. Beim Kunst¬
einband ist dieses Kapital handgenäht in mehreren
Farben, die koloristisch zur übrigen Buchausstattung
gestimmt sind und daher künstlerisch mitwirken.
Dieses handgenähte Kapital ist nicht bloß an¬
geklebt, sondern wird wie bei der altmeisterlichen
Technik mit mehreren Stichen an den äußeren
Bogen befestigt.
Für die farbige Erscheinung des Buches ist
besonders das Vorsatzpapier maßgebend und beim
Pappband natürlich auch das Buntpapier, das für
den Umschlag verwendet wird. Diese Buntpapiere
stellt sich der Kunstbuchbinder selbst her, ent¬
weder im Wege des Ochsengalleverfahrens oder
der Kleistertechnik, denn der Ehrgeiz des Kunst¬
buchbinders strebt danach, lauter Unika zu er¬
zeugen und seine Werke dadurch vorteilhaft von
der Industrieuniform zu unterscheiden. Es gibt
auch maschinell hergestellte Buntpapiere dieser
Art, die sich dem Kenner jedoch sofort verraten,
weil sie in ihrem Aussehen maschinentot sind,
während die handgefertigten Papiere, davon jedes
einzelne Blatt Original ist, nicht nur farbig eine
köstliche Frische und ein starkes Eigenleben be¬
wahren, sondern der Phantasie des Herstellers
immer wieder Anregung zu neuen Erfindungen
geben. Dafür genügt allein schon der Hinweis,
daß diese handgefertigten Buntpapiere in ihrem
Muster niemals ganz gleich ausfallen können,
selbst wenn diese Gleichheit, aus was immer für
einem Grunde, angestrebt wäre. Der Kunst¬
buchbinder wird diese Gleichheit nicht im Muster,
sondern bloß in der Farbe anstreben, in dem
Ausnahmefall, da er eine größere Anzahl zusammen¬
gehöriger Bücher als Pappbände zu binden hat.
Und der Liebhaber wird ihm für die leichten
Variationen dieser bloß koloristisch zusammen ge¬
stimmten Bände viel Dank wissen. Wenn es dem
Kunstbuchbinder gelingt, in Farbe und Muster
seiner von ihm für jeden Zweck eigens gefertigten
Buntpapiere ein annäherndes charakteristisches Ver¬
hältnis zum Buchinhalt zu erreichen, so ist der
Gipfel der Wünsche erstiegen. Daß auch Leinen¬
bände farbig behandelt werden können wie diese
Buntpapiere, soll in diesem Zusammenhang an¬
gedeutet werden.
Pergamentbände kommen auch im industriellen
Herstellungswege vor und werden namentlich von
Buchhändlern bevorzugt, die eine sogenannte
Bibliophilenausgabe neben der gewöhnlichen Aus¬
gabe des Werkes veranstalten wollen. In der
Regel aber ist diese in Pergament gebundene
Bibliophilenausgabe durch kein anderes Merkmal
von der gewöhnlichen industriellen Herstellung zu
unterscheiden, als dadurch, daß als Pergament
der Billigkeit wegen das mindere Schafpergament
gewählt wird. Dazu kommt ein goldener Klischee¬
aufdruck, und die Sache ist fertig. Die Sache ist
immer ihren Preis wert. Wir dürfen uns aber
Lux, Was der Bibliophile vom Bucheinband wissen muß.
155
nicht verhehlen, daß dem wirklichen Buchliebhaber
und der Buchkunst auf diese Weise gar nich
geholfen ist. Der Industrie-Pergamentband ist
genau so tot wie jeder gewöhnliche Leinen- oder
Pappband. In seiner maschinenmäßigen Härte
unterscheidet er sich oft auf den ersten Blick gar
nicht von einem kartonierten Umschlag aus weißem
Papier. Der kunsthandwerkliche Pergamenteinband
ist mit größeren Finessen gearbeitet. Der Kunst¬
buchbinder verschmäht gewöhnlich die billigen
Sorten des Pergaments; er heftet das Buch auf
Pergamentstreifen, läßt diese Pergamentstreifen in
den Fälzen das Buchdeckels sichtbar hervortreten
und zieht sie oft noch vorn heraus, damit sie als
Verschluß des Buches dienen können. Irgend¬
einen Verschluß muß ein solcher Pergamentband
immer haben, sei es, daß er zum Binden ein¬
gerichtet oder mit einer Schließe versehen ist.
Ein guter, handwerklich gearbeiteter Pergament¬
band würde sich immer werfen. Er gibt niemals
Ruhe. Pergament ist launisch wie das Wetter,
macht alle Temperatur- und Feuchtigkeitsunter¬
schiede mit und würde, wenn das Buch nicht mit
Schließen oder Bändern versehen wäre, sich immer
verziehen, wenn der Einband überhaupt gut und
fest sitzt.
Der Kunstbuchbinder wird Lederbände niemals
anders als mit erhabenen und daher echten Bün¬
den anfertigen. Der sogenannte flexible Leder¬
einband, der in der Industrie vorkommt, genügt
nur sehr geringen Anforderungen, sowohl was
Technik als Qualität und Haltbarkeit betrifft.
Der flexible Ledereinband ist eigentlich gar kein
richtiger Einband. Er ist gearbeitet wie ein
provisorischer Kalikoeinband, nur mit dem Unter¬
schied, daß statt Kaliko irgendein sehr dünn
geschabtes minderwertiges Leder, das die Narbung
einer besseren Sorte vortäuscht und mit Mode¬
farben gefärbt ist, verwendet wird. Die innere
Beschaffenheit des Buches, die Heftung, die ganze
technische Herstellung ist genau dieselbe wie bei
dem industriellen Durchschnittseinband. Es ist vor
allem fürs Auge gemacht. Kein Kunstliebhaber
wird sich mit einem solchen flexiblen Ledereinband
begnügen, wenn es sich darum handelt, einem be¬
sonderen Werk eine erhöhte künstlerische Aus¬
zeichnung durch den Einband zu gewähren. Daß
der Kunstbuchbinder bei seinen Lederbänden
trachten wird gute lohgegerbte Ledersorten zu er¬
langen, würde sich zwar von selber verstehen,
allein es ist dabei zu berücksichtigen, daß solche
Sorten im Preise sehr hoch stehen. Die gang¬
baren Sorten, die obendrein die marktgängige
Wohlfeilheit haben, sind in ihrer Qualität selten
einwandfrei. Das erklärt sich schon aus dem
chemischen Verfahren der Gerbung, dem nach
wenigen Jahrzehnten der allergrößte Teil der in
den letzten 20 — 30 Jahren gebundenen Bücher
zum Opfer fallen wird. Der gesteigerte Bedarf an
guten, dauerhaften Ledersorten wird auch darin
eine Besserung herbeiführen. Einstweilen hat
diese Besserung eine sehr langsame Gangart. Für
den Kenner ist es ein Greuel, in minderen Leder¬
arten den Charakter besserer Ledersorten imitiert
zu sehen, was leider noch fast ganz allgemein
der Fall ist. Anstatt dem Leder seine charakte¬
ristische Oberfläche zu erhalten, wird Schafleder
wie Kalb-, Saffian- oder Schweinsleder bearbeitet
oder so geglättet, daß es keinen bestimmten
Charakter mehr hat, während Ziegenleder mit
allen möglichen Narben versehen, und Schweins¬
leder wie Levant-Saffian genarbt wird. Alles dies,
sowie der Gebrauch mineralischer Säuren, nament¬
lich der Schwefelsäuren, beim Färben, das Prägen
des Leders unter schwerem Druck, um die künst¬
liche Narbung herzustellen, das Schaben dicker
Häute, wobei die zähen Fasern des inneren Teiles
der Häute weggeschnitten werden, sind die wesent¬
lichen Ursachen der Herabminderung des Leder¬
bandes. Nachdem aber diese Surrogate allgemein
vorherrschend und die Ledersorten von unver¬
fälschter, guter Qualität Ausnahmen sind, so ergibt
sich, daß diese Ausnahmen nur um einen teuren
Preis erhältlich sind. Man verwundert sich daher
mit Unrecht über den unverhältnismäßig hoch
scheinenden Preis, der für einen solchen gediegenen
Kunsteinband verlangt werden muß. Oft ist an
einem solchen soliden Werk gar kein äußerer
Schmuck, wodurch das Staunen über diese „sünd¬
hafte“ Teuerung noch größer wird. Mit Unrecht.
Die Sache wird erst wirklich teuer, wenn der
Kunstbuchbinder den Einband, nachdem technisch
und handwerklich das Beste geschehen ist, zu
schmücken anfängt. Er sucht entweder durch
mühsames Einlegen andersfarbiger Ledersorten ein
Muster hervorzubringen, das in der Technik der
Holzintarsia verwandt ist, oder er bedeckt Rücken
und Deckel mit einer Handstempelvergoldung,
die darin besteht, daß ein mehr oder minder
reiches Muster mit Hilfe kleiner Handstempel,
Linien, Punkte oder sonstigen ornamentalen For¬
men aufträgt und sonach seine mehr oder minder
reiche und verschlungene Zeichnung aus kleinen
Ornamenten aufbaut. Dadurch erhebt sich der
Bucheinband immer mehr auf die Höhe der Kunst
und wird den Werken der alten Goldschmiede¬
kunst immer mehr vergleichbar und ebenbürtig.
Es gibt zwar zahlreiche Menschen, die viele
hunderte, ja sogar tausende von Mark auf einen
modernen, aber durchaus maschinell gearbeiteten
Schmuck mit Brillanten ausgeben, aber es gibt
außerordentlich wenig Liebhaber, die mehrere
hundert Mark für ein Werk der Buchbindekunst
dieser Art übrig haben, wenngleich es feststeht,
daß eine solche Schöpfung, vorausgesetzt daß sie
gelungen ist, einen unvergänglichen Kunstwert
besitzt. In England und Frankreich gibt es be¬
stimmt solche Kunstfreunde. Ob auch in Deutsch¬
land, habe ich noch nicht in Erfahrung bringen
können.
In Deutschland sagt uns jeder Gebildete, daß
solche Vergoldung, als Klischee auf dem Buch-
Lux, Was der Bibliophile vom Bucheinband wissen muß.
156
deckel aufgepreßt, dieselben Dienste leiste, daß es
billig zu stehen käme und daher vorzuziehen sei.
Das ist der allgemeine Standpunkt. Ich wüßte
nicht, was dagegen einzuwenden wäre. Man kann
mit Leuten nicht über eine Sache diskutieren, die
sie von vornherein für einen Wahnsinn halten.
Wir müssen uns sagen, daß wir von dem
Kunstbuchbinder auch einfache Leinenbände haben
können, die alle Merkmale der persönlichen
meisterlichen Herstellung haben und dennoch
verhältnismäßig billig zu stehen kommen, weil das
Material nicht kostspielig ist und keine beson¬
deren Schwierigkeiten bereitet. Für den gewöhn¬
lichen Bibliotheksband werden wir, wenn wir nicht
Liebhaber von Pappbänden sind, dem Leinen¬
band unbedingt den Vorzug geben. Er kann
trotz seiner Billigkeit die persönliche Marke der
Meisterlichkeit im guten handwerklichen Sinn
haben. Wir können unsere Einbände sogar in
weißer Leinwand binden lassen mit einem spar¬
samen, geschmackvollen Aufdruck versehen, wenn
wir das englische Bookram verwenden, das ab¬
waschbar ist. Einen weißen Leinenband zu haben,
der mit einem feuchten Lappen abzuwischen ist,
falls er beschmutzt wurde, das ist eine reizvolle
Aussicht. Es muß aber konstatiert werden, daß
es deutsche Fabrikate dieser waschbaren Leinwand
in nicht empfehlenswerter Güte gibt. Der ge¬
wöhnliche Kalikoeinband, der uns an englischen
Buchausgaben besticht, hat eigentlich nicht die
Geltung eines Einbandes, wenngleich eine reiche
Goldverzierung nach dem Entwurf bekannter und
moderner Künstler aufgeprägt ist. Das Buch ist
in einen solchen Kalikoband nur eingehängt, und
harrt der Möglichkeit, einmal durch einen guten,
dauerhaften Einband ausgezeichnet zu werden.
Broschürte Bücher nach Art der deutschen gibt
es in einer guten englischen Buchhandlung kaum.
Das nach englischen Begriffen broschürte Buch
ist entweder in einem solchen Kalikoband oder
in einen provisorischen Pappband „eingehängt“.
Über das „Einhängen“ ist ein Wort zu ver¬
lieren. Der deutsche Buchbinder, sowohl der
industrielle wie der kunsthandwerkliche, pflegt alle
seine ernst gemeinten Einbände bloß einzuhängen.
Das heißt, es werden die Bünde oder Bänder des
gehefteten Buches an die inneren Decken des
Einbandes angeklebt und von dem umgeklebten
Vorsatzpapier festgehalten. Es versteht sich von
selbst, daß ein solches eingehängtes Buch nicht
gerade sehr solid im Buchdeckel sitzt. Die alte,
heute nur mit seltenen Ausnahmen geübte Meister¬
technik hat sich mit dem Einhängen nicht begnügt.
Sie hat die Bänder ohne Bünde durch die Buch¬
deckel mehrmals durchgezogen und dann fest¬
geklebt, so daß ein unzerstörbarer Zusammenhang
zwischen Buch und Buchdeckel erzielt wurde. Es
wäre zu wünschen, daß diese Praxis für jeden
ernst gemeinten, kunsthandwerklichen Einband und
seien es auch nur Leinen- oder Pappbände, die,
namentlich was die letzteren betrifft, nichtsdesto¬
weniger auf einer außerordentlichen, künstlerischen
Höhe stehen können, wieder allgemein auf¬
genommen werden würde. Natürlich von Kunst¬
buchbindern. Bei den anderen ist nicht daran
zu denken, schon wegen der maschinell tech¬
nischen Verschiedenheit. Daß dieses „Ein¬
ziehen“ statt des „Einhängens“ sehr viel müh¬
samer, zeitraubender und daher kostspieliger ist,
versteht sich von selbst. Aber die erhöhte innere
Gediegenheit rechtfertigt diesen Mehraufwand.
Daß die Industrie auch Bücher mit Gold¬
schnitt liefert, ist bekannt. Über die Minder¬
wertigkeit solcher Goldschnitte ist kein Wort zu
verlieren. Etwas anderes ist es mit dem Gold¬
schnitt, den der Buchbinder mit Blattgold erzielt,
wenn wir es von ihm verlangen. Der durch¬
schnittliche Geschmack sieht sein Ideal in einem
Goldschnitt, der hart und glänzend ist wie eine
metallische Fläche. Der Kunstbuchbinder hin¬
gegen will seinem Goldschnitt doch den Papier¬
charakter wahren. Er wird, wenn es die Aufgabe
verlangt, die Blätter vor dem Heften vergolden,
so daß auch, ungeachtet einer leichten Verschie¬
bung der Lagen, die etwa tiefer liegenden ein¬
zelnen Blätter noch ihren Goldschnitt haben. Da
sich bei dem Vergolden vor dem Heften niemals
die Blätter wieder so scharf aneinanderstoßen
lassen, so wird man nie den Eindruck verlieren,
daß man es mit Papierlagen zu tun hat, deren
Kanten mit Gold bedeckt sind. Erst so hat man
den rechten Materialausdruck gewonnen.
Die Qualität des Papieres hat der Buchbinder
selbstverständlich nicht in der Hand. Es kann
oft Gegenstand allgemeinen Bedauerns sein, daß
die Mehrzahl der Bücher heute, noch selbst bei
guten Verlagsanstalten, an Qualität mehr als genug
zu wünschen übrigläßt. Eine Untersuchung will
festgestellt haben, daß infolge der chemischen
Prozesse bei der modernen Papierfabrikation gut
neun Zehntel der heutigen gedruckten Literatur
binnen einem halben Jahrhundert in Staub zer¬
fallen sein wird. Der übergroße Teil des gegen¬
wärtigen Literaturschaffens hat somit nicht Aus¬
sicht einer ferneren Nachwelt überliefert zu werden.
Das mag beklagenswert erscheinen oder im
Gegenteil, jenachdem man Ursache hat. Natür¬
lich freuen sich in gleicher Weise der Buchlieb¬
haber und der Kunstbuchbinder, wenn sie es
ausnahmsweise einmal mit guten Papierqualitäten
zu tun kriegen. Moderne Verlagsanstalten haben
ja die anerkennenswerte Gewohnheit, von ihren
neuen Werken eine bestimmte Anzahl von Exem¬
plaren auf Bütten abzuziehen und damit die Un¬
sterblichkeit zu retten. Die Bibliophilen wachen
eifrig auf Erhaltung des Büttenrandes und ver¬
bieten in der Regel dem Kunstbuchbinder, der
einen soliden Einband besorgen soll, das Buch
zu beschneiden, es sei denn die obere Kante, die
mit einem Goldschnitt versehen wird. Die Er¬
haltung des Büttenrandes hätte einen Sinn, wenn
die Blätter für die Größe des Buches eigens
Schneider, Die Bibliothek Petrarcas und ihre Schicksale.
157
angefertigt wären, nur einmal in der Mitte gefaltet
werden brauchten, so daß jedes Blatt seinen
eigenen Büttenrand besitzt. Das ist nun aber
gewöhnlich keineswegs der Fall. In der Regel
wird der Büttenbogen auf acht oder auf 16 Blätter
gefaltet, so daß bestenfalls auf vier Blätter mit
Büttenrand, vier Blätter kommen, die aufgeschnitten
werden müssen und daher keinen echten Bütten¬
rand haben. Dazu kommt, daß der unregelmäßig
verlaufende Büttenrand das saubere und gleich¬
mäßige Aussehen des Buches sehr stört. Außer¬
dem läßt sich nur schlecht blättern, die unregel¬
mäßig vorstehenden Blätter erweisen sich als vor¬
zügliche Staubsammler und sind bei dem er¬
schwerten Blättern naturgemäß der Anfettung
durch die Finger und somit der Beschmutzung
ausgesetzt. Kurz gesagt, es ist schwer möglich,
einem solchen Buch dauernd das gute Aussehen
zu erhalten. In solchen Fällen wird es sich un¬
bedingt empfehlen, den Büttenrand nach allen
Seiten zu beschneiden und den Goldschnitt nach
allen drei Seiten herumzuführen, wenn das Buch
einen guten Kunsteinband empfängt.
Daß der Buchbinder seinen Bänden eine Lage
Schutzblätter vorheftet, hat seinen guten Grund.
Beim Öffnen des Buches hat die erste Lage immer
die Neigung sich ein wenig vorzuschieben. Damit
nicht das Buchinnere davon betroffen wird, heftet
der Buchbinder diese Lage vor. Der Industrie¬
buchbinder tut dies nicht.
Der Bücherfreund, der seine Einbände schont,
lege sie, wenn sie nicht im Schrank stehen, nach
Gebrauch auf das Gesicht. Bei der starken In¬
anspruchnahme der ersten Lagen eines Buches
hat dieses leicht die Neigung nach oben auf¬
zuklappen. Dem kann auf diese Weise wirksam
entgegengearbeitet werden.
Es gibt natürlich noch eine Menge feinere
Unterschiede in der künstlerischen Qualität, die
man aus der Erfahrung heraus allmählich kennen
lernt. Diese allgemeinen Grundsätze, die über
die handgreiflichen Unterschiede unterrichten, zu
schließen, sei als allgemeine Regel nicht vergessen,
daß ein Buch erst dann geschmückt zu werden
verdient, wenn hinsichtlich der handwerklichen
Qualität und der Materialqualität das Äußerste
geschehen ist. Wenn dann noch Geld und Zeit
übrigbleibt, dann möge zur Verschönerung ge¬
schehen, was in den Kräften liegt.
Die Bibliothek Petrarcas und ihre Schicksale.
Von
Karl Schneider in Berlin.
leber das Schicksal der Bücherschätze,
die der berühmte italienische Humanist
und Sänger der unvergänglichen Can-
zonen an Laura hinterlassen hat, hat in
der „Fortnightly Review“ (Juni 1908) Edward
H. R. Tatham im Anschluß an Pierre de Nolhacs
ausgezeichnetes Werk „Petrarque et l’Humanisme“
und in teilweiser Ergänzung desselben, einen län¬
geren Artikel veröffentlicht. Da die darin mit¬
geteilten Forschungsergebnisse manche irrige An¬
sichten, die bisher über das Schicksal der Biblio¬
thek des berühmten Humanisten bestanden, zu
berichtigen geeignet sind und überhaupt eine
Menge interessanten Materials zur Geschichte des
italienischen Bücherwesens enthalten, dürfte ein
kurzer Auszug aus diesem Aufsatz wohl auch den
Lesern dieser Zeitschrift nicht ohne Interesse sein.
Es ist lange angenommen worden, daß Petrarca
seine Bibliothek als den Grundstock zu einer
öffentlichen Bibliothek der Stadt Venedig hinter¬
lassen habe, wo sie an der Westseite der Markus¬
kirche untergebracht worden wäre und 260 Jahre
lang unbeachtet gelegen hätte, bis nach Ablauf
dieser Zeit ein bloßer unbedeutender Rest — 17
Stück — in hoffnungslos zerstörtem Zustand auf¬
gefunden worden wäre. Diese Annahme trug
natürlich nicht gerade zum Ruhme Venedigs unter
den Literaturfreunden bei, und es fehlte nicht an
einzelnen Stimmen italienischer Gelehrter, wie
Morelli und Baldelli, die geneigt waren sie zu be¬
zweifeln, und sie fanden eine Stütze für ihre Ver¬
mutungen solcher Tatsachen in der Erhaltung des
Petrarcaschen Virgil in der Ambrosiana zu Mai¬
land; allein die alte Ansicht über den Untergang
der Bibliothek blieb doch die herrschende —
merkwürdigerweise genau ebenso lange wie die
vermutete Vernachlässigung seiner Bücherschätze
in der Markuskirche — nämlich 260 Jahre.
Was läßt sich nun aber über die Verfügungen
des Dichters bezüglich seiner Bibliothek und
deren letzte Schicksale wirklich feststellen? Im
Sommer 1362, als Petrarca durch die Pest von
Mailand nach Padua und von da weitergetrieben
wurde, faßte er, da Krieg und schlechte Wege
eine Reise nach Frankreich oder Deutschland un-
rätlich erscheinen ließen, den Entschluß, nach
Venedig überzusiedeln, wo er vor Krieg und Pest
gleichzeitig sicher war. Er besaß dort in dem
Kanzler der Republik, Benintendi, einen Freund;
und es wurde zwischen ihnen vereinbart, daß
i58
Schneider, Die Bibliolliek Petrarcas und ihre Schicksale.
Petrarca seine Bücher der Markuskirche als Ver¬
mächtnis hinterlassen würde, falls ihm der Rat
der Stadt bis zum Eintritt dieses Ereignisses eine
passende Wohnung in der Stadt zur Verfügung
stellte. Das Memorandum, in dem dieser Vor¬
schlag gemacht wurde, wird heute noch im Archiv
von Venedig aufbewahrt. Der Grobe Rat ging
auch auf den Vorschlag ein und stellte Petrarca
den Palazzo di Due Torri an der Riva degli
Schiavoni zur Verfügung, ein noch heute stehendes,
wenn auch gegen damals sehr verändertes Ge¬
bäude, in dem Petrarca, soweit es seine Unbe¬
ständigkeit zuließ, von 1362 bis 1367 wohnte; er
scheint diese Wohnung endgültig erst 1369 ver¬
lassen zu haben, als er sich das bekanntlich noch
völlig wohl erhaltene Haus zu Arqua erbaute.
Die Gründe, die Petrarca zur Aufgabe von Venedig
bewogen, sind nicht ganz aufgeklärt. Von mancher
Seite wird der Grund darin gesucht, daß einige
junge averroistische Freidenker in Venedig, die
ihn als einen guten, aber unwissenden Mann an¬
gegriffen hatten, und gegen deren Überhebung er
dann ein sarkastisches Pamphlet richtete, ihm den
Aufenthalt in der Stadt verleidet hätten: doch hat
diese Annahme wenig für sich, wahrscheinlich ist,
daß Petrarca aus Gesundheitsrücksichten und wegen
seiner Freundschaft mit Francesco da Carrara,
dem Herrn von Padua, dorthin übersiedelte. Sein
Freund Benintendi war damals schon tot, und ob¬
wohl er zahlreiche andere Freunde in Venedig
hatte, so mochte er sich doch dort seit dessen
Tode in geistiger Hinsicht vereinsamt fühlen. Man
hat häufig angenommen, daß damit alle Beziehun¬
gen Petrarcas zum Rat Venedigs aufgehört hätten,
doch trifft diese Annahme nicht zu; denn Petrarca
wurde vier Jahre später, als Carrara gute Be¬
ziehungen zur Republik erwünscht sein mußten,
von Francesco als Gesandter nach Venedig ge¬
schickt, muß also noch persona grata bei den
Nobili gewesen sein. Bedeutungsvoller aber noch
ist die Tatsache, daß Petrarca in seinem 1370
niedergeschriebenen Testament, das sehr viele
minutiöse Angaben enthält, seiner Bücher keinerlei
Erwähnung tut, außer eines kleinen Breviariums,
das er in Venedig gekauft hatte und das er darum
als in jenem Vermächtnis nicht inbegriffen er¬
achten mochte. Sicherlich ist diese Unterlassung
auffällig, -doch beweist sie nicht, daß die Bücher
schon in den Verwahr der Republik übergegangen
waren. Es ist vielmehr zweifelsfrei festgestellt,
daß Petrarca seine Bücher mit sich in Arqua hatte.
Wahrscheinlich ist vielmehr, daß er sich durch
den vollkommen rechtsgültigen Vertrag mit Venedig
gehindert fühlte, eine Verfügung hinsichtlich seiner
Bücher zu treffen; daß aber Carrara, der stark
literarische Neigungen hatte, und im Jahre 1370
mit Venedig in wenig guten Beziehungen stand,
der Meinung war, daß diese Vertragsbestimmung
nicht zur Wirklichkeit werden solle, und daß daher
das Schweigen des Testaments in bezug auf Pe¬
trarcas Bibliothek das Ergebnis eines Kom¬
promisses zwischen diesem und Francesco ist. Es
sind keine Anzeichen vorhanden, daß Venedig
seine Erbschaftsansprüche jemals ausdrücklich
geltend machte; doch erklärt sich dies zur Genüge
aus dem gespannten Verhältnis der Republik mit
Carrara, der in dem Krieg mit Chioggia, bald
nach Petrarcas Tode, beinahe den Untergang der
Stadt herbeigeführt hätte.
Was aber war dann das wirkliche Schicksal
dieser Bücher? Obwohl ihr Besitzer sie in jenem
Venediger Memorandum als ,, weder sehr zahlreich
noch wertvoll“ beschrieben hat, war ihr Schicksal
doch der Gegenstand ängstlicher Sorge unter den
literarischen Freunden des Dichters, hauptsächlich
weil sie einige der dichterischen Werke Petrarcas,
wie das lateinische ,,Africa“ und die italienischen
,,Trionfi“ enthielten, die nie in die Öffentlichkeit
gedrungen waren. Wir erfahren aus einem Brief
Boccaccios an den Schwiegersohn des Dichters, im
November 1374, daß dieser, damals selbst am
Rande des Grabes stehend, Gewißheit haben
möchte, daß bezüglich der Petrarcaschen Bibliothek
keine vorschnelle Entscheidung getroffen würde.
Er scheint dabei vor allem Petrarcas angeblichen
Wunsch im Auge gehabt zu haben, daß „Africa“
den Flammen übergeben würde. Diesem Wunsche
Boccaccios wurde hinsichtlich der Originalwerke
Petrarcas entsprochen, und Carrara betraute Pe¬
trarcas Freund, Lombardo Deila Seta, als eine
Art literarischen Testamentsvollstreckers mit der
Aufgabe, die Bücher von den berühmten Männern
(De viris illustribus) nach dem Plane des Ver¬
fassers zu vervollständigen. Über das Schicksal
der eigentlichen Bibliothek Petrarcas fehlen uns
dagegen zuverlässige Angaben. Sechzig Jahre
nach dessen Tode stellte Poggio in seiner Grab¬
rede auf den Gelehrten Niccolo Niccoli fest, daß
diese Bücher verkauft und unter verschiedene Be¬
sitzer zerstreut worden seien. Der Livius des
Petrarca war in Sarzana, dem Wohnsitz des ge¬
nuesischen Herzogshauses der Fregosi; der Apuleius
gehörte dem Humanisten Papst Nikolaus V.; an¬
dere Bücher können um diese Zeit in Florenz,
Mailand, Mantua und Padua nachgewiesen werden.
Von den 69 Manuskripten des Dichters war nur
eines in Venedig, aber nicht, wie heute, in der
Bibliothek von San Marco, sondern im Besitz des
Humanisten Francesco Barbaro.
Die weitaus größere Anzahl der heute vor¬
handenen Bücher des Dichters war gegen das
Ende der XIV. Jahrhunderts in der Bibliothek der
Visconti zu Pavia; und dieser Umstand kann
nahezu als ein Beweis dafür gelten, daß sie nach
des Dichters Tode von Carrara erworben worden
waren. Dieser war im Jahre 1388 von dem
Herrn von Mailand, Gian Galeazzo Visconti, im
Bunde mit der Republik Venedig geschlagen,
Padua von den Mailändern genommen und er
selbst als Gefangener nach Verona gebracht
worden. Sein Besieger war wieder selbst ein
Freund der Literatur und der Schriftsteller, und
i59
Schneider, Die Bibliothek Petrarcas und ihre Schicksale.
so ist es begreiflich, wie auch durch die halb
verwischten Inschriften auf den Pavianer Manu¬
skripten erwiesen wird, daß auch Carraras Biblio¬
thek einen Teil der Beute bildete. Unter diesen
Büchern waren sehr wertvolle Stücke, wie die
Übersetzung des Homer in lateinische Prosa von
Leontius Pilatus, die auf Kosten Petrarcas und
Boccaccios hergestellt worden war. Dieses jetzt
verschollene Buch, das an seinem Rand Anmer¬
kungen von Petrarcas eigener Hand trug, wurde
von den italienischen Humanisten des XV. Jahr¬
hunderts, die wohl wußten, daß es von Petrarca
stammte, eifrig studiert.
Die weiteren Schicksale dieser Pavianer Pe¬
trarca-Bibliothek sind gleichfalls der Erwähnung
wert. Als Ludovico Sforza (II. Moro), der letzte
Herzog von Mailand, im Jahre 1500 von Lud¬
wig XII. gefangen genommen wurde, wurden sie
wiederum die Beute eines Eroberers, und wurden
zuerst in der Königlichen Bibliothek zu Blois,
nachher zu Fontainebleau, und zuletzt in der
Nationalbibliothek zu Paris untergebracht. Dort
blieben sie lange unbeachtet, obwohl der König¬
liche Bibliothekar, Mellin de St. Gelais, — selbst
ein Dichter, der lange Zeit an italienischen Uni¬
versitäten studiert hatte und von dort das Sonnet
nach Frankreich einführte, — der 1544 ihre Ver¬
bringung nach Fontainebleau beaufsichtigte, den
Namen Petrarcas auf den Vorsatzblättern wohl
bemerkt hatte. Ein Jahrhundert später, unter
Ludwig XIV., wurden viele dieser Bücher neu ge¬
bunden; und es ist zu befürchten, daß dabei viele
von Petrarcas eigenhändigen Anmerkungen, die
für die Chronologie seines Lebens oft so große
Bedeutung haben, zugrunde gegangen sind.
Immerhin ist wenigstens eines der Petrarca-
Bücher in der herzoglichen Bibliothek zu Pa via
den plündernden Händen Ludwigs XII. entgangen,
da es von einem Bürger, Antonio di Pirro, der
den Wert dieses Buches kannte, in Sicherheit ge¬
bracht wurde. Es war das kostbarste von allen
— der berühmte Virgil der Ambrosiana — , der
mit einem Bilde von Petrarcas Freund Simone
Memmi geschmückt ist, und die Aufzeichnungen
des Dichters über den Tod Lauras und anderer
ihm Nahegestandener enthält. Im Laufe der langen
und unfruchtbaren Erörterungen über Lauras
Identität, deren Existenz als reale Person sogar
bekanntlich in Zweifel gezogen wurde, ist die
Echtheit dieses Eintrags ebenfalls heftig angegriffen
worden; sie kann aber jetzt als einwandfrei er¬
wiesen gelten. Die Überlieferung besagt, daß das
Buch nach Petrarcas Tode entweder als Geschenk
oder durch Kauf in den Besitz seines Freundes
und Arztes Dondi deH’Orologio gelangte; von dort
verkaufte es wahrscheinlich Dondis Neffe und Erbe
an Carrara, denn es taucht schon sehr früh in
der Bibliothek von Pavia auf. Im XVI. Jahr¬
hundert wechselte es mehrfach seine Besitzer, bis
es im Jahre 1600 vom Cardinal F. Borromeo für
die damals im Entstehen begriffene Bibliotheca
Ambrosiana erworben wurde. Von Napoleon
wurde es 1796 nach Paris verbracht, kam aber
alsbald nach seinem Fall, 1815, wieder nach
Mailand zurück. Es war eines der frühesten und
seinem Besitzer wertvollsten Bücher Petrarcas, denn
es trägt eine lateinische Anmerkung von des
Dichters eigener Hand: „Dieses Buch wurde mir
am 1. November 1326 gestohlen und am 1. April
1338 zu Avignon wieder zurückerstattet.“
Einige der Bücher Petrarcas, die sich jetzt in
Paris befinden, haben augenscheinlich nicht zur
Pavianer Sammlung gehört. Dies sind der Livius,
die Naturgeschichte des Plinius — ein Buch, das
im XIV. Jahrhundert außerordentlich selten war — ,
und die Altertümer des Josephus. Diese Bücher
befinden sich nämlich nicht in dem noch vor¬
handenen Katalog der Pavianer Bibliothek ver¬
zeichnet, der 1426 für den letzten Visconti her¬
gestellt wurde, und auf Grund dessen die übrigen
Stücke leicht als Teile dieser Sammlung erwiesen
werden können. Von diesen Büchern ist besonders
der Livius von Interesse, ein reich illustrierter
Band aus dem Ende des XIV. Jahrhunderts, der
auf dem ersten Blatt den eigenhändigen Vermerk
des Dichters trägt: „In Avignon 1351 gekauft,
aber lange vorher in meinem Besitz.“ Im ganzen
sind in Paris 25 Stück Petrarcascher Manuskripte;
außer den zwei bereits erwähnten in Venedig und
Mailand gibt es noch neun, die erwiesenermaßen
einst in Petrarcas Besitz waren, davon sechs in
der Vatikanischen Bibliothek, die anderen in
Padua, Florenz und Troyes. Das Manuskript von
Troyes ist besonders interessant, weil es ver¬
schiedene Werke Ciceros enthält — sechs Reden
und elf philosophische Abhandlungen — , eines
Schriftstellers, den Petrarca nicht weniger eifrig
als den Virgil studierte. Unter den Handschriften
des Vatikan sind zwei besonders kostbare Schätze
— eine Abschrift der Divina Commedia, wahr¬
scheinlich dieselbe, die Boccaccio einst schrieb und
Petrarca zum Geschenk machte, und eine des
Canzoniere, die unter des Dichters eigenen Augen
von dem nachmals als Humanist zu Ruhm ge¬
langten Giovanni da Ravenna angefertigt wurde.
In Padua ist Petrarcas Handschrift von Augustins
Schrift „De civitate Dei“, eines seiner frühesten
Besitzstücke, sie trägt am Kopf die Bemerkung:
„Ich kaufte dieses Buch im Februar 1325 zu
Avignon von den Testamentsvollstreckern des
Cantor Cinthius von Tours um 17 Gulden.“ In
der Laurentiana zu Florenz endlich befindet sich
eine Handschrift des Horaz aus dem X. Jahr¬
hunderts, mit einer Anmerkung von Petrarcas
Hand, daß er dieselbe am 28. November 1347
zu Genua kaufte, als er seine vergebliche Reise
dorthin unternahm, um Rienzi zu treffen. Auf
der Rückseite des Blattes steht gleichfalls ein inter¬
essanter Eintrag von seiner Hand, nämlich die
Worte: „Liber Francisci Petrarce laureati, qui post
obitum ejus remaneat penes heredem suum“.
Dieser Erbe war natürlich sein Schwiegersohn,
i6o
Westheim. Wir brauchen Illustratoren.
Francesco daBrossano, und der Eintrag will sicher¬
lich besagen, daß dieses Buch in das Venediger
Vermächtnis nicht einbegriffen sein sollte.
Die heute noch vorhandenen Manuskripte aus
Petrarcas Besitz, deren Geschichte hier flüchtig
skizziert wurde, stellen allerdings nur die Trümmer
aus der Bibliothek des großen Humanisten dar.
Wir wissen, daß er von der altklassischen Literatur
Aulus Gellius, Catullus, Juvenal, Lucan, Macrobius,
Ovid, Plautus, Pomponius Mela, Propertius, Seneca,
Solinus, Terenz, Valerius Maximus, Varro und
Vitruvius studierte, und doch ist kein einziges
Werk dieser Verfasser unter seinen heute noch
erhaltenen Handschriften zu finden. In seinen
späteren Jahren war Petrarca ein eifriger Leser
der lateinischen Kirchenväter, besonders des Lac-
tantius, des Ambrosius und Hieronymus, und doch
sind auch diese in dem Teil der Bücher, die auf
uns gekommen sind, nur sehr spärlich vertreten.
Weniger verwunderlich ist es, daß sich gar keine
Werke der Scholastiker unter seinen Büchern
finden, denn er machte sich oft genug über die
Scholastiker und ihre Logik lustig. Immerhin
kannte er die Werke des Petrus Lombardus, des
Thomas von Aquin und des Bonaventura, denen
er ein schwaches Lob zollt. Vermutlich war
seine Bibliothek auch reich an Werken der Trou¬
badours und der italienischen Dichter vor Dante,
da es ja seit den Untersuchungen von Scarano
außer jedem Zweifel steht, daß Petrarcas Canzoniere
sehr erheblich von den Liedern der Troubadours be¬
einflußt worden ist. Im Zusammenhang mit diesen
Darlegungen über Petrarca und seine Bücher darf
übrigens auch ein wichtiger Einfluß nicht über¬
gangen werden, der von diesen Büchern ausging,
daß nämlich die Schrift, die zum erstenmal von
Aldus im XV. Jahrhundert als das Modell zur
„italienischen“ oder ,,Cursiv“-TyPe genommen
wurde, nichts anderes als die überaus schöne
Schrift ist, in der in Petrarcas Büchern von seiner
sorgsamen Hand die Anmerkungen und kritischen
Noten geschrieben sind.
Wir brauchen Illustratoren.
Von
Paul Westheim in Berlin.
Der Zeitscliriften-Illustrator steht auf der Aussterbe¬
liste. Die Maschine, die Kamera, die so fix, so präzis,
so exakt arbeitet, hat ihn aus Amt und Brot gejagt.
Er war nicht mehr gewandt und nicht mehr konkurrenz¬
fähig genug im Wettbewerb mit dem Momentknipser.
Oder war er vielleicht zu unfähig, zu banal, zu kitschig
geworden? 1 Denjenigen Zeichner, der ein Stück unseres
Daseins geistvoll erfaßt, erlebt, der seinem persönlichen
Erlebnis den überzeugenden Ausdruck zu verleihen ver¬
mag, verdrängt eine simple Lichtbildmaschine nicht
so ohne weiteres. Daß der stereotype Bilderreporter,
der anno dazumal die Spalten der Familienzeitschriften
füllte, unmöglich gemacht wurde durch die Photo¬
graphie, die wenigstens nicht fad, nicht süßlich war,
ist verständlich. Doch nun beginnt ein Widerwillen
gegen ihre leblose Starrheit sich zu regen. Auf die
Dauer befriedigt der unverfälschte Naturabklatsch nicht;
das Geistige , Psychische , Menschliche fehlt. Und nie¬
mand ist da, der diese Lücke zu füllen vermöchte.
„ Wir brauchen eben Illustratoren“ , erklärt Carl
Schnebel , der ja als Fachmann mitten im Markt steht,
in einer kleinen Broschüre1, die einem „Menzelpreis¬
ausschreiben“ des Verlages Ullstein cU Co. als Be¬
gründung beigegeben ist. Menzel wird als Vorbild auf¬
gestellt. Der Menzel, der jedes Begegnis, jegliche
fesselnde Situation mit der vollen Kraft seines zeich¬
nerischen Könnens aufs Blatt zu schmettern wußte.
Dieser Menzel liebte, suchte und gestaltete das Charak¬
teristische, das spezifisch Persönliche eines Vorganges.
Ob er aber eine Monarchenentrevue oder einen Parla-
mentsdebatter mit der erwünschten „Noblesse der Ob¬
jektivität“ zufriedenstellend geliefert hätte?! Schließlich
spitzt sich die ganze Angelegenheit zu einem kunst¬
pädagogischen Problem zu. Ein Gedächtniszeichnen
großen Stiles wäre notwendig. Hand und Auge des
Zeichners sind heute — im ophthalmologischen Sinne —
auf ein „fixiertes Sehen“ eingeschult, während das „be¬
wegte Sehen“ hier Voraussetzung wäre. Der Illustrator
hätte sich durch stete Übung einen Ausdrucksschatz
von typischen Erscheinungen und Vorgängen anzu¬
eignen, so daß ihm im Einzelfalle nur das Besondere
zu erfassen und zu skizzieren übrig bliebe. Das war auch
die Methode jener früheren lllustratoren-Generation;
nur pflegte das Besondere bei ihnen unbedeutend, das
Typische klischeeartig fad zu bleiben. Ob die Kunst¬
zuchtanstalten das lehren wollen, ob sie überhaupt
lehren können, was eigentlich interessant, schlagend,
packend ist, mag eine offene Frage bleiben. Die seichte
Reportergraphik zu einem frischen Feuilletonesprit
emporzukultivieren, ist letzten Endes eine Frage der
Persönlichkeit. Die Ergebnisse des Menzelpreisaus¬
schreibens werden ja zeigen, auf wieviel Beseelung und
Belebung, auf wieviel echte Leidenschaft bei dem Tanz
mit der Photographie zu rechnen ist.
i Carl Schnebel, Wir brauchen Illustratoren. (Berlin, Ullstein & Co., Privatdruck.)
Alle Rechte Vorbehalten. — Nachdruck verboten.
Für die Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Carl Schiiddekopf-Weimax, Grunstedterstr. 16. Druck u. Verlag v. W Drugu/in-Leipz'ig, Königstr. io.
Die Einzeldrucke Goethe’scher Werke
bei Göschen 1787—1790.
Von
Dr. jur. Otto Deneke in Göttingen.
Die erste rechtmäßige von Goethe selbst
besorgte Sammelausgabe seiner Schriften
erschien wie bekannt in den Jahren 1787
bis 1790 in acht Bänden bei dem nachmals
so berühmt gewordenen, damals in seinen ersten
Anfängen stehenden Verleger Georg Joachim
Göschen zu Leipzig.
Neben dieser Sammlung der Schriften er¬
schienen bei Göschen in den gleichen Jahren
eine Reihe von Dichtungen Goethes als Einzel¬
ausgaben, deren bibliographisches Verhältnis zu
den Schriften hier im Zusammenhang erörtert
werden soll.
Von solchen Einzeldrucken sind folgende
vorhanden, aufgezählt in der Reihenfolge, wie
sie in der Sammlung der „Schriften“ gedruckt
und sicherlich auch erschienen sind.
i. Leiden des jungen Werthers. Von Goethe.
(Vignette von J. W. Meil: weinender Genius und Amor.)
Leipzig, bey Georg Joachim Göschen, 1787. Titelkupfer
(Chodowiecki fc. 1787, Werther mit Lotte und Mal-
chen am Brunnen, Engelmann 577), Titelblatt, 310 SS.
2. Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand.
Ein Schauspiel. Von Goethe. Ächte Ausgabe. Leipzig,
Z. f. B. 1909/1910.
bey Georg Joachim Göschen, 1787. Titelblatt und
240 SS. Das in W A Bd. 8, S. 313 zu dieser Ausgabe
angeführte Kupfer J. C. Krüger sc. (Bruder Martin
und Götz) gehört nicht zu dieser Ausgabe. Es ist aus
Bd. 2 der 1. oder 2. Auflage der Himburg’schen Samm¬
lung genommen worden.
3. Die Mitschuldigen. Ein Lustspiel. Von Goethe.
Ächte Ausgabe. Leipzig, bey Georg Joachim Göschen,
1 787. Titelbl. und 128 SS.
4. Iphigenie auf Tauris. Ein Schauspiel. Von
Goethe. Ächte Ausgabe. Leipzig, bey Georg Joachim
Göschen, 1787. Titelblatt, 136 SS.
5. Clavigo. Ein Trauerspiel. Von Goethe. Ächte
Ausgabe. Leipzig, bey Georg Joachim Göschen, 1787.
Titelbl., 112 SS.
6. Die Geschwister. Ein Schauspiel. Von Goethe.
Ächte Ausgabe. Leipzig, bey Georg Joachim Göschen,
1787. Titelblatt u. 44 S., 2 weiße Blätter.
7. Der Triumph der Empfindsamkeit. Eine dra¬
matische Grille. Von Goethe. Ächte Ausgabe. Leipzig,
bey Georg Joachim Göschen, 1787. Titelblatt, 118SS.,
i weißes Blatt.
8. Die Vögel. Nach dem Aristophanes. Von
Goethe. Ächte Ausgabe. Leipzig, bey Georg Joachim
Göschen, 1787. Titelblatt, 64 SS.
9. Egmont. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen. Von
Goethe. Ächte Ausgabe. Leipzig, bey Georg Joachim
Göschen, 1788. Titelblatt, 198 S., 1 weißes Blatt.
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IÖ2
Deneke, Die Einzeldrucke Goethe’scher Werke bei Göschen 1787 — 1790.
10. Claudine von Villa Bella. Ein Singspiel. Von
Goethe. Ächte Ausgabe. Leipzig, bey Georg Joachim
Göschen, 1788. Titelblatt, 126 SS.
11. Erwin und Elmire. Ein Singspiel. Von Goethe.
Ächte Ausgabe. Leipzig, bey Georg Joachim Göschen,
1788. Titelblatt, 64 SS.
12. Torquato Tasso. Ein Schauspiel. Von Goethe.
Ächte Ausgabe. Leipzig, bey Georg Joachim Göschen.
1790. Titelblatt, 222 SS.
13. Faust. Ein Fragment. Von Goethe. Ächte
Ausgabe. Leipzig, bey Georg Joachim Göschen, 1790.
Titelblatt, 168 SS.
14. Jery und Bätely. Ein Singspiel. Von Goethe.
Ächte Ausgabe. Leipzig, bey Georg Joachim Göschen,
1790. Titelblatt, 56 SS.
15. Scherz, List und Rache. Ein Singspiel. Von
Goethe. Ächte Ausgabe. Leipzig, bey Georg Joachim
Göschen, 1790. Titelblatt, 96 SS.
Diese Aufzählung ist vollständig. Es exi¬
stieren also keine Einzeldrucke Göschens von
Stella (trotz Goedekes Angabe) und von Lila,
sowie von den kleineren Stücken, die den Band 8
füllen.
Für die richtige Beurteilung dieser Einzel¬
drucke ist von Bedeutung der Brief Göschens
an Bertuch, seinen stillen Teilhaber bei dieser
Ausgabe, vom 22. Dezember 1787. Zu dieser
Zeit lagen die vier ersten Bände der Schriften
vor, der fünfte mit Egmont war wohl im Druck.
„Sie wissen, daß ich das 4te Tausend von
Goethe einzeln gedruckt habe, wenigstens die
Leiden Werthers, Götz von Berlichingen und
alle neuen Stücke und diese verkaufe. Von
Egmont wollen wir 2000 drucken. Das Publi¬
kum weiß schon davon und ist darauf gespannt.“
Göschen hatte ursprünglich die Absicht, die
Schriften Goethes in einer Auflage von 4000
Exemplaren zu drucken. Diese Absicht ist mit
einer Modifikation ausgeführt: er druckte die
Schriften in 3000 Exemplaren und daneben die
einzelnen Stücke in Separatdrucken von je
1000 Exemplaren. Da Goethe dem Verleger
in der Höhe der Auflage völlig freie Hand ge¬
lassen hatte, kann man dieses Verfahren
Göschens nicht als inkorrekt bezeichnen. Er
hat auch niemals ein Hehl aus dem Vorhanden¬
sein dieser Einzeldrucke gemacht, sie vielmehr
zusammen mit den Schriften öffentlich ankündi¬
gen lassen. Im Eingang der berühmten Egmont-
Rezension Schillers in der Jenaer Allgemeinen
Litteratur-Zeitung vom 20. September 1788
wird eigens darauf hingewiesen, daß der Egmont
auch besonders zu haben sei.
Bibliographisch ist über diese Einzelausgaben
vor allem zu sagen, daß sie keine selbständigen
Drucke darstellen, sondern von demselben
Drucksatze abgezogen worden sind, von dem
die „Schriften“ gedruckt sind. Die einzige
Änderung ist die, daß die Bogennorm, die bei
den Schriften durchweg lautet: Goethe’s W. 1.
[ — 8 ] B., beseitigt ist. Die Einzeldrucke tragen
keine Norm. (Nur Werthers Leiden, der erste
der Pfinzeldrucke, hat in dieser und in anderen
Beziehungen eine Sonderstellung und wird des¬
halb unten besonders beschrieben.) Die Einzel¬
drucke tragen sämtlich (außer Werther) die
Bezeichnung „Ächte Ausgabe“ auf dem Titel.
Diese Bezeichnung „Ächte Ausgabe“ (die dem
Kampfe gegen die Nachdrucker dienen sollte)
ist das bequemste Erkennungsmerkmal dieser
rechtmäßigen Göschen’schen Ivinzel-Ausgaben.
Wo diese Bezeichnung fehlt oder in der Form
„aechte“ oder „echte“ Ausgabe auftritt, liegt die
richtige Einzelausgabe nicht vor, die der Ver¬
leger als das vierte Tausend der Auflage aus¬
gedruckt hat.
Der Text der Titelblätter ist nach einheit¬
lichen Grundsätzen hergestellt, wie die obige
Beschreibung zeigt. In der Verteilung des
Titelwortlauts auf die Zeilen sind die ächten
Ausgaben alle übereinstimmend.
Die Einzeldrucke haben (außer Werther)
keine Kupfer, sind überhaupt ziemlich unan¬
sehnlich. Das Papier scheint noch eine Note
schlechter zu sein, als das „ordinäre Schreib¬
papier“ der Schriften. Jedenfalls gibt es heute
wohl keine Exemplare, die nicht mehr oder
weniger stockfleckig wären. Das von Göschen
für die Iphigenie, den Tasso, den Faust ver¬
wendete Papier erinnert in keiner Weise an
die Unsterblichkeit der Dichtungen, die auf
ihm zum ersten Male der Menschheit geschenkt
worden sind.
Die Frage, ob man den Abdruck der ein¬
zelnen Dichtungen in der Sammlung der
Schriften oder den Einzeldruck als die „Erst¬
ausgabe“ anzusehen hat, halte ich für gänzlich
müssig. Das Verlagsunternehmen im Ganzen
ist von Göschen darauf angelegt, von demselben
Satze sowohl die Sammlung der Schriften als
auch die Einzelausgaben herstellen zu lassen.
Es ist zwar anzunehmen, daß von dem herge¬
stellten Drucksatze zunächst die Bogen für die
Schriften abgezogen sind, dann nach Beseitigung
Deneke, Die Einzeldrucke Goethe’scher Werke bei Göschen 1787 — 1790.
163
der Bogennorm und Neupaginierung derjenigen
Stücke, die in dem betreffenden Bande der
Schriften nicht an erster Stelle standen, die Bogen
für die Einzelausgaben abgezogen sind. Indessen
ist doch schon bei Herstellung des Satzes für
die Schriften auf die Vorbereitung der Einzel¬
ausgaben Bedacht genommen. Die Verteilung
der Einzeldichtungen auf die Druckbogen eines
Bandes, der mehrere Dichtungen enthält, ist so
gewählt, daß jede Dichtung mit einem vollen
Bogen beginnt. Füllte das vorhergehende Stück
den vorhergehenden Bogen nicht ganz aus, so
wurde dieser Bogen entsprechend verkleinert,
sodaß er statt 8 Blatt etwa nur 4 Blatt enthält,
oder es wurden Blätter des Bogens leer, un¬
bedruckt gelassen.
Bei Band 1 kommt dieses nicht in Frage,
da der Band nichts als Werthers Leiden ent¬
hält.
Bei Band 2 schließt Götz mit der letzten
Seite des Bogen P, die Mitschuldigen beginnen
mit Blatt 1 des Bogens Q.
In Band 3 beginnt Clavigo mit Blatt 1 des
Bogens K, der vorhergehende Bogen J enthält
nur 4 Blätter, weil der Text der Iphigenie
nicht ausreichte, um 8 Blätter dieses Bogens
zu füllen.
In Band 4 füllt Stella vom Bogen G nur
drei Blätter. Der Bogen enthält vier Blätter,
von denen das letzte unbedruckt ist. Der
Triumph der Empfindsamkeit beginnt mit dem
vollen Bogen H, er füllt Bogen H — O und vom
Bogen P 3 Blätter. Bogen P hat deshalb nur
4 Blätter, von denen das letzte weiß ist und bei
der Paginierung nicht mitgezählt wird. Die
Vögel beginnen das erste Blatt von Bogen Q.
Bei Band 5 füllt der Text des Egmont nur
12 volle Bogen (A — M) und vom Bogen N
3 Blätter. Bogen N besteht wieder nur aus
4 Blatt, von denen das vierte freigelassen (und
nicht mitpaginiert) ist, so daß es beim Binden
hätte weggeschnitten werden müssen. Es ist
aber, ebenso wie die anderen hier erwähnten
weissen Blätter, noch vielfach vorhanden. Clau-
dine von Villa Bella beginnt mit Blatt 1 des
Bogen O. Sie würde mit ihren 126 SS. 7 volle
Bogen und von dem achten 7 Blätter füllen.
Das achte Blatt des achten Bogens X ist hier
nicht unbedruckt geblieben, sondern zum Neu¬
druck des fehlerhaften Personen -Verzeichnisses
verwendet.
Bei Band 6 füllt Tasso mit seinen 222 SS.
13 Bogen und 7 Blätter. Das achte Blatt des
14. Bogens O ist hier nicht freigelassen, sondern
trägt das erste Blatt (Titel und rückseitig das
Personenverzeichnis) von Lila. Hier war das
sonst beobachtete Verfahren, jedes neue Stück
auf einem neuen vollen Bogen im Druck zu
beginnen, nicht geboten, da von Lila keine
Einzelausgabe geplant war. Bei der ächten
Einzelausgabe des Tasso ist dieses achte Blatt
des Bogens O leer oder nicht vorhanden. Nach
dem Ausdruck der für die Schriften bestimmten
Bogen entfernte man den Satz von S. 223/4
und druckte dann (nach Beseitigung der Bogen¬
norm) die Bogen für die Einzelausgabe. Bei
den unechten Ausgaben, die aus den Bogen
der Schriften bestehen, wird man in der Tasso-
Ausgabe meist noch das Blatt finden, das
den Titel und das Personenverzeichnis von Lila
enthält.
Bei Band 7 füllt Faust mit 168 SS. io1//
Bogen. Bogen 1 1 (L) besteht demnach aus
4 Blättern. Jery beginnt mit dem vollen Bogen
M und füllt mit 56 S. 3I/2 Bogen, also M, N,
O, P, wovon P wieder nur 4 Blatt hat. Scherz,
List und Rache beginnt den vollen Bogen Q.
Nach diesem Befunde ist anzunehmen, daß
die einen Band füllenden Einzeldichtungen
einzeln gesetzt und ausgedruckt sind, ohne
Rücksicht darauf, ob das Stück den letzten
Bogen ganz oder nur teilweise füllte. Ich er¬
kläre mir dieses Verfahren damit, daß Göschen,
wie aus der Korrespondenz mit Goethe zu
ersehen ist, das Manuskript der Dichtungen,
die einen Band bilden sollten, vom Dichter
einzeln erhielt und dementsprechend die einzelne
Dichtung fertig ausdruckte, ehe er das Manu¬
skript zu dem weiteren Inhalte des Bandes
erhalten hatte.
Dieser, bibliographisch genommen, völlig
klare Sachverhalt wird nun dadurch kompliziert,
daß es neben diesen ächten Einzelausgaben
allerlei andere, ähnliche Drucke gibt, die im
einzelnen zu betrachten sind.
1. Werthers Leiden. Für den Werther ist
zunächst noch nachzuholen, daß die echte Aus¬
gabe hier nicht den oben angegebenen Merk¬
malen der „ächten Ausgaben“ entspricht. Die
Besonderheit des Werther liegt einmal in dem
Vorhandensein einer Titelvignette und eines
Titelkupfers. Die Titelvignette ist dieselbe wie
IÖ4
Deneke, Die Einzeldrucke Goethe’scher Werke bei Göschen 1787 — 1790.
in Band I der Schriften (der ja nichts weiter
als den Werther enthält); das Titelkupfer ist
nicht das des Bandes 1 der Schriften (Ramberg
del., Geyser sc.), sondern das von Göschen ver¬
worfene Chodowiecki’sche Kupfer zum Werther
(Engelmann 577). Dieses Kupfer ist einem
Teil der „Schriften“ in Band 1 als Zugabe
(zweites Kupfer) beigelegt worden, ist aber auch
für den Einzeldruck (und zwar als Titelkupfer)
verwendet worden.
Eine weitere Besonderheit des Werther-
Einzeldrucks gegenüberdenandernEinzeldrucken
ist einmal das Fehlen der Bezeichnung ächte
Ausgabe. Sodann trägt hier Bogen A noch
die Bogennorm Goethe’s W. 1. B.; erst bei
Bogen B fg. ist die Bogennorm beseitigt. Die
Angabe Hirzeis, daß der [ganze] Band die
Bogennorm trüge, halte ich für irrtümlich. Ich
habe kein derartiges Exemplar gesehen.
Diese Sonderstellung des Werther -Einzel¬
drucks gegen die anderen Einzeldrucke erklärt
sich ungezwungen dadurch, daß Werther das
zuerst gedruckte Stück war, und daß erst bei
der Herstellung dieser Sonderausgabe sich die
Grundsätze ergeben haben, die bei den folgen¬
den Drucken durchweg befolgt sind.
Zu dieser ächten Ausgabe, die sich also
durch die Titelvignette (weinender Genius und
Amor) und durch die nur auf dem ersten
Bogen vorhandene Bogennorm Goethe’s W.
1. B. kennzeichnet, treten nun einige andere
unechte Drucke mit der Jahreszahl 1787.
a) Leiden des jungen Werthers. Von Goethe.
Leipzig, bey Georg Joachim Göschen, 1787. Titelblatt,
310 SS.
Ein Nachdruck mit gleichem Titel, wie die
ächte Ausgabe, ohne Titelvignette und ohne
Titelkupfer, mit der Bogennorm auf allen Bogen:
Goethe’s W. i. B. Diese Bogennorm ist aber
irreführend. Der Satz stimmt nicht mit dem
Satze der Schriften, er ist ein gänzlich anderer,
wenn auch ähnlich. Charakteristisch für den
Druck der „Schriften“ und damit die ächten
Einzelausgaben ist eine typographische Kleinig¬
keit. In den Schriften ist stets ä ö ü zu lesen,
nicht a b u. Diese Art der Diphthonge findet
sich nur bei den ächten Göschen’schen Drucken.
Die Umkehrung des Satzes: daß alle Drucke
mit a b u nicht Göschen’sche Drucke seien,
ist allerdings nicht richtig. Die Göschen’sche
sogenannten geringere Ausgabe von Goethes
Schriften in vier Bänden ist mit Lettern gedruckt,
die durchweg a b ü geben.
Dieser Wertherdruck a) zeigt a 0 u, ist
also nicht von demselben Satze wie die Schriften
gedruckt. Die Bogennorm Goethe’s W. 1. B.
bezweckt wohl eine Täuschung, ebenso wie die
Gleichheit der Seitenzahl und sonstige Über¬
einstimmungen. Als kennzeichnend für diesen
Druck ist noch hervorzuheben, daß meist Uibel
für Übel, uiber für über gedruckt ist. (z. B. S. 6.)
Es besteht kein Grund für die Annahme,
daß dieser Nachdruck von Göschen selbst ver¬
anstaltet sei; Seuffert in W A hält es für un¬
wahrscheinlich. Auffällig ist allerdings, daß ein
fremder Nachdrucker auch die Firma des echten
Verlegers mit nachgedruckt haben sollte. Es
ist das meines Wissens nicht die Art der Nach¬
drucker des XVIII. Jahrhunderts.
b) Die Leiden des jungen Werthers. Erster Theil.
Mottovers. Aechte vermehrte Auflage. Kupfermedaillon.
(S. 1 1 3 : Zweyter Theil. Mottovers. Kupfermedaillon.)
Leipzig, in der Weygandschen Buchhandlung. 1787.
252 SS.
Weygand war der rechtmäßige Verleger
der ersten Fassung des Werther. Mindestens
sechs Drucke dieser ersten Fassung waren bei
ihm in den Jahren 1774 und folgende erschienen.
An dem durch das Neuerscheinen des Werther
in umgearbeiteter Fassung in Aussicht gestellten
Geschäfte wollte auch Weygand seinen Anteil
haben. Er veranstaltete diesen Druck, wagte
aber die neue Fassung nicht nachzudrucken,
richtete sich vielmehr aus seiner alten Fassung
und der neuen Göschenschen Fassung ein Ge¬
misch her, das für die Textkritik gänzlich wert¬
los ist. Die Mottoverse und die Kupfer¬
medaillons auf den Titeln sind dieselben, wie
bei den Weygand’schen Ausgaben des Werther
von 1 775-
c) Leiden des jungen Werther. Von Goethe. Leip¬
zig, bei Georg Joachim Göschen, 1787. Titelblatt. 3 10 SS.
Kein Kupfer. Bogennorm: auf Bogen i: keine. Auf
Bogen 2 fg.: W. Leid.
Die Bogen sind nicht mit den Buchstaben
des Alphabets, sondern mit fortlaufenden Ziffern
gezählt. Danach gehört der Druck sicher erst
ins XIX. Jahrhundert.
Eine Ausgabe vom Werther, die aus den
unveränderten Bogen des Band 1 der Schriften
(achtbändige Ausgabe), unter Beibehaltung auch
Deneke, Die Einzeldrucke Goethe’scher Werke bei Göschen 1787 — 1790.
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der Bogennorm, bestände, wie wir sie bei anderen
Werken finden werden, gibt es nicht.
Wohl aber hat Göschen aus seiner vier¬
bändigen Ausgabe die den Werther enthalten¬
den Bogen unverändert, mit einem neuen Titel¬
blatt versehen, herausgegeben:
d) Leiden des jungen Werther. Von Goethe.
Leipzig, bei Georg Joachim Göschen, 1787. Titelblatt.
196 SS. Norm: Goethe’s W. 1. Band.
2. Götz. Neben der ächten Ausgabe gibt
es hier eine unrechtmäßige „aechte“ Ausgabe.
Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand. Ein
Schauspiel von Göthe. Aechte Ausgabe. Leipzig, bey
Georg Joachim Göschen 1787. Titelblatt, 221 SS.
Norm: Götz. v. Berlich. Bogensignatur : 1 — 14.
Nach der Bogensignatur in Ziffern kann
dieser Druck erst aus dem XIX. Jahrhundert
stammen.
3. Von den Mitschuldigen gibt es nur die
ächte Ausgabe.
4. Iphigenie. Neben der ächten Ausgabe
der Iphigenie gibt es eine ganze Reihe von
unechten Ausgaben mit den Jahreszahlen 1787
und 1790, deren bibliographische Beschreibung
bisher nirgends versucht ist. Ich beschreibe die
Drucke, die mir zugänglich sind, ohne dafür einzu¬
stehen, daß nicht noch andere Drucke existieren.
Die Drucke zerfallen in zwei Gruppen, solche
mit 136 Seiten und solche mit 134 Seiten. Die
ächte Ausgabe hat 136 Seiten. Die vielfach
vertretene Meinung, daß die Ausgabe mit
134 Seiten den zweiten rechtmäßigen Druck
darstelle, ist grundfalsch. Die Drucke mit 134
Seiten, von denen ich vier verschiedene kenne,
zählen sämtlich die Bogen nach Ziffern, ge¬
hören also ins XIX. Jahrhundert.
a) Iphigenie auf Tauris. Ein Schauspiel von Goethe.
Leipzig bei Georg Joachim Göschen, 1787. Titelbl.,
136 SS.
Keine Norm. Im Druck der ächten Aus¬
gabe ähnlich, aber (ebenso wie in allen folgen¬
den Drucken) a, 0, ü, nicht ä, ö, ü. Der Druck
ist, verglichen mit den weiter beschriebenen
Drucken, noch ziemlich korrekt. Kennzeichen:
S. 4. Z. 11 Geschwi-stern.
In einem Exemplar dieser Ausgabe fand
ich die handschriftliche Notiz: Dieses ideale
Stück Goethes erhielt ich in dessen Abwesen¬
heit vom Verleger Göschen zugesandt. Weimar,
18. Oktober 1787. L. von Göchhausen.
Danach scheint dieser Druck von Göschen
herzurühren. Bestätigt wird diese Annahme
durch das Schreiben Göschens an Bertuch vom
22. Dezember 1787. „Noch weiß ich nichts
von dem Nachdruck der Iphigenie. Der Kerl
sollte durch eine Druckpapier -Ausgabe, die
ich gleich machen ließ, den Teufel kriegen.“
Immerhin bleiben einige Zweifel. Warum
stellte Göschen neben dem vorhandenen Einzel¬
drucke (ächte Ausgabe) einen Neudruck her,
dessen Kosten sicherlich höher waren, als die
der ächten Ausgabe (zu der er den Satz ja
von den Schriften her gehabt hatte)? Im Papier
ist kein Unterschied. Die ächte Ausgabe war
auch nicht etwa verkauft und deshalb ein Neu¬
druck nötig. Von den 1000 Exemplaren des
Sonderdrucks waren im Jahre 1789 erst 312
Exemplare verkauft. Die Briefstelle Göschens
könnte sich möglicherweise auf die ächte Aus¬
gabe beziehen, die auch als Druckpapier-Aus¬
gabe bezeichnet werden kann. Damit wäre
allerdings die angeführte Eintragung in dem
Exemplar des Fräuleins von Göchhausen nicht
erklärt.
b) Iphigenie auf Tauris. Ein Schauspiel von Goethe.
Leipzig bei Georg Joachim Göschen 1790.
Derselbe Druck wie a, nur mit einem neuen
Titelblatte.
c) Iphigenie auf Tauris. Ein Schauspiel von Goethe.
Leipzig, bey G. J. Göschen, 1790. Titelbl., 136 SS.
Dieser Druck trägt auf allen Bogen die
Norm: Goethes W. 3. B. Der Druck ist
aber nicht identisch mit dem Druck der
Schriften (es gibt von der Iphigenie ebenso¬
wenig wie vom Werther eine Ausgabe, die aus
den unveränderten Bogen der Schriften mit
einem Vorgesetzten Titelblatt bestände). Kenn¬
zeichen: in der Verlagsfirma auf dem Titelblatt
sind die Vornamen des Verlegers nicht aus¬
geschrieben, sondern G. J. Göschen abgekürzt.
Seite 4, Zeile io: Ge-schwistern.
d) Iphigenie auf Tauris. Ein Schauspiel von Goethe.
Leipzig bei Georg Joachim Göschen 1790. Titelbl.,
136 SS.
Auch hier die Norm: Goethes W. 3. B.
Trotzdem nicht aus den „Schriften“ und auch
anderer Druck als c. Kennzeichen: Seite 4
Zeile 1 1 : Geschwistern. Der Druck ist bereits
recht inkorrekt. Seite 35 Pylades statt Orest.
1 66
Deneke, Die Einzeldrucke Goethe’scher Werke bei Göschen 1787 — 1790.
e) Iphigenie aufTauris. Ein Schauspiel von Göthe.
Leipzig, bey Georg Joachim Göschen 1790. Titelbl.,
134 SS. Norm: Iphigenie. Kennzeichen: Im Titel fehlt
hinter Göschen der Punkt.
f) Iphigenie aufTauris. Ein Schauspiel von Göthe.
Leipzig, bey Georg Joachim Göschen. 1790. Titelbl.
134 SS. Norm: Iphigenie. Kennzeichen: Seite 3, Zeile
ii: Denn ach mich trennt das Meer von dem Ge¬
liebten.
g) Iphigenie auf Tauris. Ein Schauspiel von Göthe.
Leipzig, bey Georg Joachim Göschen. 1790. Titelblatt,
134 SS. Norm: Iphigenie. Kennzeichen: Seite 76 ist
fälschlich 44 bezeichnet.
h) Iphigenie aufTauris. Ein Schauspiel von Goethe.
Leipzig, bey Georg Joachim Göschen. 1790. Titelbl.,
134 SS. Norm: Iphigenie. Kennzeichen: Seite 24, Z. 4
seinem (statt seinen).
Diese letzten vier Drucke sind auf jeder
Seite von häßlichen und groben Druckfehlern
entstellt. Ob sie nicht trotzdem auf die Druck¬
geschichte eingewirkt haben, bleibt zu unter¬
suchen.
Daß die Drucke e — h wegen der Bogen¬
zählung in Ziffern aus dem XIX. Jahrhundert
stammen müssen, ist schon hervorgehoben.
5. Von Clavigo gibt es keine unechten Aus¬
gaben des Jahres 1787. Bei der Zurichtung
des Satzes von Band 3 der Schriften für den
Abdruck der Sonderausgabe mußten die Seiten¬
zahlen der Schriften 137 — 248 in Seite 1 — 112
umgeändert werden. Dasistzunächst nicht korrekt
geschehen, indem auf den Seiten 50 — 63 die
Seitenzahlen der Schriften (186 — 199) teilweise
stehen blieben. Während des Druckes hat man
den Fehler bemerkt und verbessert, so daß
Abzüge mit dem Fehler und ohne den Fehler
existieren. Übrigens beweist dieser Sachverhalt,
daß von dem Drucksatze zuerst die Bogen der
Schriften und dann, nach den erforderlichen
kleinen Änderungen (Beseitigung der Bogen¬
norm und Neupaginierung) , die Bogen der
Einzelausgaben abgezogen worden sind.
6 — 8. Von den Geschwistern , dem Triumph
der Empfindsamkeit , den Vögeln sind mit
Göschens Firma nur die ächten Ausgaben be¬
kannt.
9. Egmont. Beim Egmont tritt als Neben¬
ausgabe neben der ächten Ausgabe diejenige
Druckform auf, die sich dann beim Tasso und
beim Faust (und nur bei diesen) wiederholt:
Das Buch besteht aus den unveränderten Bogen
der Schriften mit einem davor gesetzten Titel¬
blatt. Und zwar sind die Bogen auf grünlichem,
quer gerippten, starken, büttenartigen Papiere
gedruckt, das erheblich besser ist, als das Papier
der gewöhnlichen Schreibpapier-Ausgabe der
Schriften und weit besser als das Papier der
ächten Sonderausgabe.
Das diesen Bogen der Schriften (also mit
der Bogennorm: Goethe’s W. 5. B.) Vorgesetzte
Titelblatt kommt in folgenden Formen vor:
a) Egmont. Trauerspiel von Goethe. Leipzig bei
Georg Joachim Göschen 1788. Titelbl., 198 SS.
b) Egmont. Ein Trauerspiel von Goethe. Leipzig
bei Georg Joachim Göschen 1790.
c) Egmont. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen von
Goethe. Leipzig, bey Georg Joachim Göschen, 1790.
d) Egmont. Ein Trauerspiel von Goethe. Leipzig,
bey Georg Joachim Göschen. 1798.
e) Egmont. Ein Trauerspiel von Goethe. Leipzig,
bey Georg Joachim Göschen. 1803.
c, d und e habe ich nicht gesehen. Sie
werden in W A Bd. 8, S. 340 zitiert.
Aus viel späterer Zeit, XIX. Jahrhundert
(Bogenzählung durch Ziffern), stammen dann
zwei äußerlich gleiche Drucke mit dem Titel:
e) Egmont. Trauerspiel von Göthe. Leipzig, bey
G. J. Göschen 1788. Titelblatt, 177 SS. Kennzeichen:
S. 81 Z. 14: rednische (statt rednerische).
f) Egmont. Trauerspiel von Göthe. Leipzig, bey
G. J. Göschen 1788. Titelblatt, 177 SS. Kennzeichen:
S. 19. Z. 15: Maiavell (statt Machiavell).
Die Annahme Minors in W A, daß der erste
dieser beiden Drucke die Vorlage für die ge¬
ringere Ausgabe der Schriften, Band 3, 1791,
abgegeben habe, ist ganz unmöglich. Dieser
Druck stammt frühestens von 1820. Er wird
aus der geringeren Ausgabe von 1791 nach¬
gedruckt sein.
Auch die Vorstellung Minors über das zeit¬
liche Verhältnis des ächten Einzeldrucks zum
Abdruck in den Schriften ist nicht zutreffend.
Er bezeichnet den Einzeldruck als den „ältesten
Druck, liegt schon am 24. Mai 88 vor“. Goethes
Brief an Knebel, aus dem Minor diese Be¬
hauptung herleitet, spricht aber nur vom Egmont.
Damit ist sicher der Band 5 der Schriften und
nicht der Einzeldruck gemeint.
Demgemäß kommt Minor zu der Annahme,
daß nach dem Fertigdruck der Einzelausgabe
man dem Satze die Bogennorm beigefügt und
dann die Bogen der Schriften ausgedruckt
habe. Daß diese Vorstellung irrig ist, beweist
Deneke, Die Einzeldrucke Goethe’scher Werke bei Göschen 1787 — 1790.
167
das hier zum Clavigo Ausgeführte. Die Reihen¬
folge ist umgekehrt.
10— 11. Von Claudine von Villa Bella und
von Erwin u?id Elmire gibt es mit Göschens
Firma nur die ächten Ausgaben.
12. Tasso. Vom Tasso gibt es neben der
ächten Ausgabe zwei Nebenausgaben, die beide
aus den unveränderten Bogen der Schriften mit
Vorgesetztem Titelblatt bestehen.
a) Torquato Tasso. Ein Schauspiel. Von Goethe.
Aechte Ausgabe. Leipzig, bey Georg Joachim Göschen.
1790. Norm: Goethes W. 6. B.
Die zu dieser Ausgabe verwendeten Bogen
haben wieder das beim Egmont beschriebene
grünliche, quer gerippte, starke Papier.
b) Torquato Tasso. Ein Schauspiel von Goethe.
Leipzig bei Georg Joachim Göschen 1790. Norm:
Goethes W. 6. B.
Diese Bogen der Schriften sind auf dem
ordinären Schreibpapier, das wie Druckpapier
aussieht, gedruckt. In manchen Exemplaren
dieser Ausgaben findet sich als Bl. 8 des
Bogens O das Titelblatt (auf der Rückseite
das Inhaltsverzeichnis) von Lila.
Die Göschen’schen Ausgaben des Tasso
von 1816 (in vier Drucken!) und 1819 stellen
neue Drucke dar, die mit dem Drucksatz der
Schriften nichts mehr zu tun haben.
13. Faust. Die Angaben über die Druck¬
verhältnisse des Faustfragments von 1790 sind
meistens, auch in wissenschaftlichen Hand¬
büchern, recht verworren, obwohl schon Seuffert
1882 den Sachverhalt gründlich und vollständig
(wie stets) aufgeklärt hat. Auch Erich Schmidt
im Lesarten-Apparate zu W A Band 14 gibt
eine völlig zutreffende knappe Darstellung. Bei
anderen Faustforschern findet man jedoch An¬
gaben wie: Das Faustfragment erschien teils
im siebenten Bande der Schriften, teils separat
in sieben verschiedenen Ausgaben. Andere
sprechen von drei verschiedenen Drucken.
In Antiquariatskatalogen, auch solchen, die
sonst wertvolle bibliographische Hinweise zu ent¬
halten pflegen, herrscht in den Beschreibungen
des Faust-Fragmentes hoffnungsloser Wirrwarr.
Der wahre Sachverhalt ist auch hier ziem¬
lich einfach.
Die ächte Ausgabe des Faustfragmentes
von 1790 zeigt genau dieselben Merkmale, wie
die anderen ächten Einzelausgaben aus den
„Schriften“, also die Bezeichnung „ächte Aus¬
gabe“ auf dem Titel, keine Bogennorm, im
übrigen denselben Drucksatz wie Band 7 der
Schriften Seite 1 — 168.
Band 7 der Schriften liegt nun in zwei
verschiedenen Drucken vor. Das ist seit laneem
bekannt; im einzelnen besteht aber noch manche
Unklarheit. Es ist deshalb eine ausführliche
Darstellung hier am Platze.
Die Druckverschiedenheit bezieht sich nicht
auf die Bogen A — E, Seite 1 — 80 des Bandes.
Diese Bogen sind in beiden Ausgaben von
demselben Satz abgezogen. Dagegen liegen
Bogen F — X, Seite 81 — 320, in zwei Drucken
vor, die sich allerdings nicht durch textliche
Varianten, sondern nur durch Druckfehler und
sonstige Kleinigkeiten unterscheiden. Als Unter¬
scheidungsmerkmal wird meist angeführt die
Zeilenwiederholung auf Seite 144/5. Bei dem
einen Drucke (S1, wir verwenden die Siglen
aus W A Bd. 13) sind die drei Zeilen
Der ganz allein
Ihr seligmachend ist, sich heilig quäle,
Daß sie den liebsten Mann verloren halten soll.
die den Schluß von Seite 144 bilden, auf
Seite 145 oben noch einmal gedruckt, sodaß
sie zweimal hintereinander erscheinen. (Der
Fehler wird damit Zusammenhängen, daß mit
S. 145 der neue Bogen K beginnt.) In dem
anderen Druck, S2, ist dieser Fehler ver¬
mieden. Der Druck ist aber nicht so einge¬
richtet, daß die Verse auf Seite 145, wo sie
fälschlich zum zweiten Male sich finden, be¬
seitigt sind. Vielmehr beginnt auch in dem
neuen Drucke die Seite 145 mit den drei be-
zeichneten Versen, so daß Seite 145 des zweiten
Druckes denselben Inhalt hat, wie im ersten
Druck. Seite 144 dagegen hat in dem neuen
Drucke drei Verse weniger; die drei letzten
Zeilen des ersten Druckes sind in dem zweiten
weggelassen, der frei gewordene Raum ist
durch größeren Durchschuß zwischen den Zeilen
gefüllt.
Schon die Beschreibung dieser einen Druck¬
verschiedenheit läßt erkennen, wie das Ver¬
hältnis der beiden Drucke zu einander zu be¬
urteilen ist: S2 ist gegenüber S1 der berichtigte
Druck. Das bestätigt sich bei näherem Zu¬
sehen durchaus. In S1 finden sich noch eine
Reihe anderer zum Teil recht ärgerlicher
Druckfehler:
Seite 89 leseni statt lesen
i68
Deneke, Die Einzeldrucke Goethe’scher Werke bei Göschen 17S7 — 1790.
Seite 89 Wargrethlein statt Margrethlein
Seite 106 Margarethe statt Mephistopheles
Seite 128 Verzweislung.
Alle diese Fehler sind in S2 verbessert
und außerdem, offenbar nach bestimmten
Korrektor- Grundsätzen, gewisse Änderungen
getroffen. Viermal ist ’was geändert in was
und ähnliches. Danach ist kein Zweifel, daß
der Druck S 2 (ohne die fehlerhafte Zeilen¬
wiederholung) ein verbesserter und deshalb
später als S1 hergestellter Druck ist. Ich
möchte annehmen, daß Goethe auf die Druck¬
fehler aufmerksam geworden ist und Her¬
stellung eines fehlerfreien Druckes verlangt hat.
In dem Verkehr mit seinem Verleger ließ
Goethe wenig freundliche Nachsicht walten,
behandelte das Verhältnis vielmehr rein ge¬
schäftsmäßig. Er ließ solche Entstellungen
des Druckes, wenn er sie bemerkt hatte, gewiß
nicht passieren. Schon beim Druck des Tasso
hatte er dem Verleger allerstrengste Fürsorge
bei den Korrekturen empfohlen. „Die vorigen
Bände sind leidlich, doch nicht ohne Mängel;
bei diesem Stück werde ich auch den gering¬
sten Fehler durch einen Carton zu verbessern
bitten. Bei der höchsten Sorgfalt, die ich auf
dieses Stück gewendet, wünsche ich auch, daß
es ganz rein in die Hände des Publikums
komme.“ Beim Faust wird Goethe gewiß nicht
weniger penibel gewesen sein als beim Tasso.
Um dem (vermutlichen) Verlangen Goethes nach¬
zukommen, blieb dem Verleger, da der Drucksatz
inzwischen wohl wieder abgesetzt war, nichts
anderes übrig, als diejenigen Bogen, auf denen
die schlimmsten Fehler vorkamen, neu setzen
und drucken zu lassen. Bogen A — E, in denen
nur geringe, kaum merkbare Versehen Vor¬
kommen , konnten bleiben. Die anderen
Bogen wurden neu gesetzt und gedruckt,
anscheinend aber nicht in der vollen Auflagen¬
höhe, sondern nur für einen Teil der Auflage,
etwa die Hälfte. Die Hälfte der Auflage ließ
Göschen unverändert, bei der anderen Hälfte
wurden die fehlerhaften Bogen F — X beseitigt
und durch die neu gedruckten Bogen ersetzt.
Wer nicht genau zusah, merkte gar nicht, daß
zwei verschiedene Drucke Vorlagen. Die
Gleichheit in der Umbrechung der Seiten war
fast durchweg genau gewahrt, auch auf Seite 144
oben und S. 145 unten, obwohl hier die drei
Zeilen ausfallen mußten.
Die naheliegende Annahme, daß Göschen
nach erfolgtem Ausverkäufe der ersten (fehler¬
haften) Auflage einen Neudruck veranstaltet
und dabei die Fehler berichtigt habe, ist um
deswillen ausgeschlossen, weil bei einer Nach¬
schußausgabe sämtliche Bogen hätten neu
gesetzt und gedruckt werden müssen. Es
steht aber fest, daß die Bogen A — E in S*
und S2 durchaus identisch, von demselben
Satze abgezogen sind. Das Vorliegen des
Doppeldrucks nur in den Bogen F — X ist nur
so zu erklären, daß für einen Teil der Auflage
diese Bogen neu gedruckt sind, während in
dem anderen Teile der Auflage die alten Bogen
F — X blieben.
Diesem Befunde bei Bd. 7 der Schriften
genau entsprechend gibt es vom Einzeldruck
des Faustfragments zwei Drucke (Sa und Sb),
bei denen wieder Bogen A — E identisch (von
demselben Drucksatze abgezogen) sind. Bogen
F — L liegen einmal in dem fehlerhaften Drucke
vor, der sich unter anderm durch die Zeilen¬
wiederholung auf Seite 144/5 kennzeichnet. Der
andere Druck hat die Zeilemviederholung und
andere Fehler des erstgenannten Drucks ver¬
mieden.
Man hat nun die Frage aufgeworfen, welche
von diesen beiden Ausgaben die ältere sei. Die
Herren Bibliophilen wollen absolut den allerersten
Druck des Faust festgestellt sehen, um ihn
dann als die wirkliche einzig richtige „Erstaus¬
gabe“ in Reih und Glied stellen zu können.
Da Bogen A — E in Sa und Sb von demselben
Satze abgezogen sind, kann man in Ansehung
dieser Bestandteile des Buches wohl nicht von
einem früheren und einem späteren Drucke
reden; denn soweit geht ja wohl der Erst¬
ausgabenfanatismus auch des passioniertesten
Bibliomanen nicht, daß er die am Vormittage
abgezogenen Druckbogen höher bewertet, als
die am Nachmittage abgezogenen. Sollte es
Bibliophilen geben, die auch diese Unter¬
scheidung noch für wichtig halten, so werden
diese sich allerdings mit einem ignorabimus
begnügen müssen. Doch kann ich ihnen
vielleicht mit einem Hinweise doch noch helfen.
In allen mir bekannten Exemplaren vom Band 7
der Schriften, erster und zweiter Druck, und
vom Einzeldruck des Faust-Fragments, erster
und zweiter Druck, ist das Ausrufungszeichen
hinter Stoßt zu! auf Seite 60 nur mit der
Deneke, Die Einzeldrucke Goethe’scher Werke bei Göschen 1787— 179°-
169
oberen Hälfte vorhanden. Die untere Hälfte
ist in der Letter wohl abgesprungen. Sollte
nun einer von den ganz konsequenten Erstaus-
gaben-Sammlern ein Exemplar finden, in dem
das Ausrufungszeichen noch ganz und heil vor¬
handen ist, so kann er sicher sein, daß sein
Exemplar von' einem der allerersten Abzüge
des Druckes stammt, aus der ersten [Vormit¬
tags-] Zeit des Druckes, da die Letter noch
nicht beschädigt war.
Für die Bogen F — L ist oben ausgeführt,
daß der Druck ohne die Zeilenwiederholung
ein verbesserter, von Satz-Fehlern gereinigter
Druck ist. Es ist wohl kein Zweifel, daß er
der jüngere Druck ist. Dennoch glaube ich
nicht, daß man von einer früheren und einer
späteren Ausgabe sprechen kann. Ich bin über¬
zeugt, daß beide Variantdrucke gleichzeitig in
den Handel gegeben worden sind. Dafür
spricht zwar nicht ganz schlüssig die Tatsache,
daß Bogen A — E von einem und demselben
Satze stammen, also doch wohl sicher uno
actu hergestellt, abgezogen worden sind. Denn
man muß den Hergang sich doch wohl so
vorstellen, daß der Drucker zunächst die ganze
Auflage (3000 + 1000 Stück) in dem Druck¬
satze von S1 (Sa) gedruckt hatte. Dann wurde
Göschen auf die störenden Fehler in den Bogen
F — L aufmerksam und veranlaßte einen neuen
Druck dieser Bogen, aber nicht für die ganze
Auflage von 4000, sondern nur für etwa die
Hälfte. Bei 2000 Exemplaren ließ er die
Bogen F — L makulieren und durch die neu¬
gedruckten Bogen ersetzen, bei 2000 Exem¬
plaren ließ er die fehlerhaften Bogen bestehen.
Als Grund für diese halbe Maßregel wüßte
ich nur anzugeben, daß 2000 neue Bogen
billiger herzustellen sind als 4000, und daß die
alten 2000 Bogen für weniger aufmerksame
Leser ja immer noch brauchbar, jedenfalls ab¬
satzfähig waren. Diesen Austausch der Bogen
F — L in einem Teile der Auflage denke ich
mir aber geschehen vor der Ausgabe des Buches.
Denn das Titelblatt, das für den Einzeldruck
besonders herzustellen war, ist bei allen Exem¬
plaren, sowohl von Sa wie von Sb, wieder identisch,
von demselben Drucksatze abgezogen, also in
allen Exemplaren uno actu hergestellt. Da das
Titelblatt der zuletzt hergestellte Teil des
Buches zu sein pflegt, der erst unmittelbar
vor der Ausgabe des Buches fertig wird, muß
Z. f. B. 1909/1910.
man annehmen, daß beide Drucke gleichzeitig
zur Ausgabe fertig gemacht und in den Handel
gebracht sind. Immerhin soll die Möglichkeit
nicht ganz von der Hand gewiesen werden,
daß die Exemplare von S1 und Sa schon aus¬
gegeben und zum Teil verkauft waren, als
Göschen auf die Fehler aufmerksam wurde,
und dann bei den noch in seinen Händen be¬
findlichen Exemplaren die Änderung durch
Beseitigung der fehlerhaften und Einfügung
der berichtigten Bogen vornahm.
Weiteres wüßte ich über die beiden Drucke
der ächten Ausgabe nicht zu berichten. Der
Tatbestand ist, wie man sieht, gar nicht sehr
kompliziert und entspricht durchaus dem
Sachverhalt bei den anderen echten Einzel¬
ausgaben.
Einige Verwirrung haben nun die neben
der ächten Ausgabe vorkommenden unechten
Ausgaben hervorgebracht. Doch lassen sich
auch diese unechten Ausgaben auf einen ein¬
fachen Tatbestand zurückführen.
Alle unechten Einzelausgaben des Faust¬
fragmentes bestehen aus unveränderten Bogen
A — L der Schriften, mit der Bogennorm
Goethe’s W. 7. B. Es gibt keinen Druck
des Faustfragmentes, der einen anderen
Druck aufwiese als Band 7 der Schriften.
Alle die sogenannten unächten Ausgaben sind
ebenso wie die ächte Einzelausgabe von dem¬
selben Satze abgezogen worden, von dem die
„Schriften“ gedruckt sind. Einen Einzeldruck
des Faustfragmentes von einem anderen Druck¬
satze gibt es weder vom Jahre 1790 noch von
irgend einem anderen Jahre (oder anderen Ver¬
leger!). Es ist merkwürdig genug, daß zwischen
den beiden rechtmäßigen Ausgaben von 1790
und 1808 keine weiteren selbständigen Drucke,
berechtigte oder unberechtigte, liegen. Die
Teilnahme der deutschen Leserwelt am endlich
erschienenen Faust, auf den die um 1775 junge
Generation mit so leidenschaftlicher Anteil¬
nahme vergeblich gewartet hatte, war bei der¬
selben fünfzehn Jahre älter gewordenen Gene¬
rationen um 1790 sehr gering. Nicht die alt
gewordene Generation des Sturm und Drangs,
sondern die damals junge neue Generation der
Romantiker hat dem Faust die Stellung bereitet,
die er als höchste deutsche Dichtung heute ein¬
nimmt.
Die außer den beiden Varianten der ächten
22
170
Deneke, Die Einzeldrucke Goethe’scher Werke bei Göschen 1787 — 1790.
Ausgabe vorhandenen Ausgaben des Faust¬
fragmentes sind also zusammengesetzt aus den
unveränderten Bogen A — L der Schriften und
einem nun in den verschiedensten Variationen
vorkommenden Titelblatte. Die Titelblätter
werden unten beschrieben. Hier erhebt sich
die Frage: woher kommen denn alle diese Bogen
A — L des siebenten Bandes der Schriften?
Hat Göschen etwa von diesen den Faust ent¬
haltenden Bogen einen erheblichen Posten
überzähliger Exemplare abdrucken lassen, um
davon Einzelausgaben des Faust herstellen zu
lassen? Undenkbar. Göschen hat doch sicher¬
lich von seiner ächten Ausgabe des Einzel¬
drucks von vornherein soviel Exemplare her¬
stellen lassen, als ihm erforderlich erschien,
und diese Herstellung der Bogen für die ächte
Ausgabe war für ihn genau so bequem und
billig, wie die Herstellung solcher überschüssiger
Bogen gewesen wäre.
Ja die Herstellung derjenigen Bogen der
Schriften, die wir zu den unechten Ausgaben
verwendet finden, muß sogar nicht unerheblich
teurer gewesen sein, wie die der Bogen der
Einzelausgabe. Während die ächte Einzel¬
ausgabe auf recht geringem Druckpapier ab¬
gezogen ist, zeigen die Bogen der unechten
Ausgaben fast durchweg wieder jenes starke
grünliche quergerippte Papier, das wir schon
bei den unechten Ausgaben des Egmont und
des Tasso fanden.
Um zu der richtigen Antwort zu gelangen,
müssen wir aus der Druckgeschichte der acht
Bände der Schriften (die von mir an anderer
Stelle dargestellt ist) einiges heranziehen.
Von seiner achtbändigen Ausgabe der
Goetheschen Schriften hatte Göschen die ganze
Auflage von 3000 Exemplaren auf Schreib¬
papier herstellen lassen, abgesehen von 20 Frei¬
exemplaren für den Autor, die auf hollän¬
dischem Papier abgezogen wurden. Hollän¬
dische Exemplare hatte Göschen im August
1787, nach Erscheinen der vier ersten Bände
der Schriften, nicht zur Verfügung (Brief vom
21. August 1787 an Bertuch, Goethejahr¬
buch II, 403). „Aber doch frägt man häufig
nach Exemplaren auf holländischem Papier.“
Nach einigen Zweifeln entschloß sich deshalb
Göschen, 500 Exemplare auf holländischem
Papier herstellen zu lassen. Die vier ersten
Bände der Schriften waren bereits erschienen,
ihr Drucksatz nicht mehr vorhanden. Sie
mußten also für eine holländische Ausgabe neu
gesetzt werden. Bei den erst in Zukunft noch
herauszugebenden Bänden 5 — 8 der Schriften
konnten dagegen die Abzüge auf holländi¬
schem Papier von dem für die allgemeine Auf¬
lage hergestellten Drucksatze mit abgezogen
wurden.
Das Projekt ist dann nur zu einem Teile aus¬
geführt worden. Von Band 5 — 8 der Schriften,
die in den Jahren 1788, 1789 und 1790 er¬
schienen, hat Göschen zur Vorbereitung der
holländischen Ausgabe die in Aussicht ge¬
nommenen 500 Exemplare (vielleicht auch
mehr) auf holländischem Papiere gleich mit
abdrucken lassen. Nach Vollendung der Aus¬
gabe, Ostermesse 1790, kündigte er dann an,
daß nach einem Jahre eine holländische Aus¬
gabe erscheinen würde. Bis dahin wollte er
also die vier ersten Bände neu setzen und auf
holländischem Papiere abdrucken, auch die
Kupfer neu stechen lassen. Das ist dann
unterblieben. Die geringe Teilnahme des
Publikums hat Göschen veranlaßt, den Plan
der holländischen Ausgabe fallen zu lassen.
Aber für Band 5 — 8 lagen die Abzüge auf
holländischem Papier bereits fertig da. Für
sie war keine Verwendung mehr. Sie konnten
nicht als Band 5 — 8 der Schriften verkauft
werden, weil Band 1 — 4 in entsprechender
Ausstattung nicht vorhanden waren.
Die bestimmungsgemäß nicht verwendbaren
holländischen Bogen der Schriften sind
dann in der Weise noch nutzbar gemacht
worden, daß man aus ihnen Separat-Ausgaben
vom Egmont, vom Tasso und vom Faust her¬
stellte. Diese drei Stücke eigneten sich hierzu
ohne weiteres, da sie im Beginne ihres Bandes
stehen, ihre Paginierung von 1 beginnend
also auch für eine selbständige Existenz außer¬
halb der Schriften paßte. Man brauchte zu den
Bogen nur ein Titelblatt herstellen zu lassen.
Die anderen Teile der Schriften Band 5 — 8
waren zur Herstellung von Einzelausgaben nicht
geeignet, teils weil ihre Paginierung nicht von
1 an begann, teils weil nach ihrem Inhalte
(Band 8) eine Einzelausgabe nicht am Platze
zu sein schien.
So erklären sich also die unechten Einzel¬
ausgaben vom Egmont, Tasso und Faust zu¬
meist als die Überreste einer geplanten und
Deneke, Die Einzeldrucke Goethe’scher Werke bei Göschen 1787 — 179°*
171
halb fertiggestellten, dann aber aufgegebenen
holländischen Ausgabe. Das grünliche, starke,
quergerippte Papier ist das von Göschen für
seine Liebhaberausgabe gewählte holländische
Papier. So erklärt es sich auch, daß von
Werther, Götz, Iphigenie und den anderen
Stücken der vier ersten Bände der Schriften
solche aus unveränderten Bogen der Schriften
gebildeten Seitenausgaben nicht existieren: von
diesen Bänden waren keine nachher über¬
flüssig gewordenen Bogen gedruckt worden.
Zu den auf diese Weise entstandenen un¬
echten Ausgaben des Faustfragmentes ist noch
zu sagen, daß die Bogen auf holländischem
Papiere dem ersten Satze entstammen, also
die Zeilenwiederholung auf Seite 144/5 und die
sonstigen Druckfehler des Druckes S1 aufweisen.
Das gilt ohne Ausnahme. Alle Abzüge der
Schriften auf holländischem Papiere sind von
dem ersten Satze genommen, nicht von dem
berichtigten zweiten. Das stimmt zu der Vor¬
stellung, die wir uns von dem Verhältnis von
S1 und S2 gemacht haben. Die Abzüge auf
holländischem Papiere sind natürlich zuerst
abgezogen, nicht etwa zuletzt von dem schon
abgenutzten Satze. Damit sind die Fehler des
ersten Satzes alle in die holländische Ausgabe
eingegangen. (Ob Göschen etwa von dem
neuen berichtigten Satze die Autorexemplare,
von denen Goethe 20 Stück auf holländischem
Papiere erhielt, abgedruckt hat, kann ich nicht
feststellen, da ich keins dieser Goetheschen
Freiexemplare auf holländischem Papier ein-
sehen konnte.)
Diese Bogen A — L des siebenten Bandes der
Schriften auf holländischem Papiere haben auf
den Lägern ihrer jeweiligen Besitzer nun ziem¬
lich lange ausgedauert und das ist die Crux
der Faust-Bibliographie geworden. Fast alle
Ausgaben des Faustfragmentes, soweit sie nicht
die oben beschriebene ächte Ausgabe sind, be¬
stehen aus diesen Bogen auf holländischem
Papiere, denen im Laufe eines Jahrhunderts
mehr oder weniger gutgläubig hergerichtete,
unter einander abweichende Titelblätter vor¬
gesetzt sind. Ich nehme an, daß sämtliche
auf holländischem Papier ausgedruckten Bogen
von Band 5—8 der Schriften von Göschen als
Makulatur abgegeben worden sind, und zwar
wohl erst längere Jahre nach 1790, als Göschen
den Plan einer holländischen Ausgabe endgültig
aufgegeben haben wird. (Jedenfalls mit dem
Erscheinen der Cotta’schen Ausgabe von
Goethes Werken 1806 war für die Göschen-
schen „Schriften“ der weitere Absatz so gut
wie ausgeschlossen.) Daß Göschen die den
Egmont, Tasso und Faust enthaltenden Bogen
von der Makulierung zurückgehalten und selbst
zu Sonderausgaben dieser Werke hergerichtet
hätte, ist mir nicht wahrscheinlich, da Göschen
ja seine ächten Sonderausgaben hatte und
diese wahrscheinlich nicht sobald vergriffen
gewesen sind. Die von dem Erwerber der
holländischen Makulatur geretteten und auf¬
bewahrten Bogen des Egmont, Tasso und
Faust haben dann scheinbar ein wechselvolles
Schicksal gehabt. Die aus ihnen hergestellten
Sonderausgaben sind sehr wahrscheinlich nicht
auf einen und denselben Unternehmer zurück¬
zuführen. Auch die Bogen allein ohne Titel¬
blatt sind schließlich im Antiquariatsbuchhandel
verkauft worden, jedenfalls die Faustbogen.
Ich habe noch vor einigen Jahren aus einem
süddeutschen Kataloge diese Bogen ohne Titel¬
blatt für 3 Mark gekauft (sie trugen einen
Blaupapier -Umschlag, der etwa von 1890
stammte) und habe dann später gelegentlich
erzählen hören, daß diese Bogen vor 15—20
Jahren in einem Frankfurter Antiquariat für
1,50 Mark pro Stück verkauft seien. In der
Auktion Runze 1904 wurde für die Bogen
(„Leider fehlt das Titelblatt“) 31 Mark ge¬
zahlt.
Die holländischen Bogen des Faustfrag¬
mentes waren also während des ganzen
XIX. Jahrhunderts noch zu bekommen. Durch
Vorsetzen eines immer wieder anderen Titel¬
blattes ist dann aus diesem Makulaturreste die
Fülle der „bislang nirgends beschriebenen“
Faustausgaben entstanden, von denen die
Antiquariatskataloge zu melden wissen.
Von solchen verschiedenen Titelblättern
kommen, soweit mir bekannt, folgende vor:
*1. Faust. | Ein Trauerspiel | von | Gothe. ) Leipzig, |
bey Georg Joachim Goschen.] 1787.
2. Faust. | Ein Trauerspiel | von ] Goethe. | Leipzig |
bei Georg Joachim Göschen 1787. (Grisebach Nr. 1652.)
*3. Faust. | Ein Fragment. | Von | Goethe. | Aechte
Ausgabe. | Leipzig, | bey Georg Joachim Göschen, |
1787.
4. Faust. Eine Tragödie. Von Goethe. Leipzig,
bey Georg Joachim Göschen, 1787. Angeblich früher
in Sabells Besitz (Nach Engel 703.)
172
Deneke, Die Einzeldrucke Goethe’scher Werke bei Göschen 1787 — 1790.
*5. Faust. | Fragment | von | Goethe. | Leipzig, | bey
Georg Joachim Goeschen. I 1789.
6. Faust. Ein Fragment. Von Goethe. Aechte
Ausgabe. Leipzig, bey Georg Joachim Göschen, 1790.
W A Bd. 14, S. 250.
*7. Faust | von | Goethe. | Ein Fragment. | Aechte
Ausgabe. | Leipzig, | bey Georg Joachim Göschen, |
1790.
*8. Faust. | Ein Fragment | von | Goethe. | Aechte
Ausgabe. | Leipzig | bei Georg Joachim Göschen 1790.
*9. Faust. | Ein Trauerspiel | von| Goethe. | Leipzig, |
bei Georg Joachim Göschen 1790.
10. Faust. Ein Trauerspiel von Goethe. Leipzig,
bey Georg Joachim Göschen. 1798. Kat. Hauser
(1905) 1009.
Von den sechs, mit * bezeichneten Nummern
habe ich Exemplare selbst in der Hand gehabt.
Von ihnen kommen 1, 3 und 9 am häufigsten
vor. Jedenfalls gibt es eine ganze Reihe
Exemplare, die diese Titelblätter tragen. Alle
mir bekannten Exemplare bestehen aus den
oben beschriebenen Bogen auf holländischem
Papier.
Die Ausgaben 2, 4, 6, 10 habe ich nicht
gesehen, kann also nicht angeben, ob sie aus
den holländischen Bogen bestehen. Jedenfalls
bestehen sie aus unveränderten Bogen der
Schriften mit der Bogennorm.
Die Ausgaben 5, 7, 8 haben die Bogen
nicht auf holländischem Papier. Hierbei scheint
aber besondere Reserve in der Beurteilung ge¬
boten zu sein. Bei 5 und 7 möchte ich mit
Sicherheit behaupten, daß die „Ausgaben“ nur
in einem Exemplare dadurch hergestellt sind,
daß man aus einem gewöhnlichen Exemplare
der Schriften Band 7 die Bogen A — L heraus¬
genommen und für sie ein einzelnes Titelblatt
eigens hergestellt hat. Das Titelblatt von 5
wird nach meiner Schätzung um 1850 gedruckt
sein. Das einzige Exemplar, von dem ich weiß
wurde 1907 von Oswald Weigel in der von
ihm sogenannten Auktion Göschen I versteigert.
Es wird identisch sein mit dem früher in
Wenzels Besitz gewesenen. Das Titelblatt von
Nr. 7 ist vielleicht um 1860 gedruckt. Das
einzige Exemplar, das ich kenne, stammt aus
Karl Engels Besitz und befindet sich jetzt im
Frankfurter Goethemuseum. Ich bin überzeugt,
daß es von Engel auf die angegebene Weise
künstlich hergerichtet ist. Übrigens hat er bei
dieser Manipulation ein Exemplar des Drucks
von S 2 erwischt , in dem also die Zeilen¬
wiederholung Seite 144/5 nicht vorhanden ist.
Natürlich haben aber die Bogen die Norm
Goethes W. 7. B.
Bei Nr. 8 könnte das Titelblatt von ca. 1820
stammen. Ich halte es für nicht unmöglich,
daß diese Ausgabe (und ebenso Egmont c und
d, Tasso b) aus den Bogen der Schriften ge¬
bildet sind, nachdem Göschen den nicht mehr
absatzfähigen Rest der veralteten (durch die
neuen Cottaschen Ausgaben der Werke über¬
holten) Ausgabe der Schriften von 1787 bis
1790 makulierte. Jedenfalls sind diese Ausgaben
erst im XIX. Jahrhundert zusammengestellt
worden.
Die Seltenheit der ächten Ausgabe des
Faustfragmentes von 1790 hat in den Fällen
5 und 7 einen Sammler oder Händler, der der
ächten Ausgabe nicht habhaft werden konnte,
dazu geführt, unter Aufopferung eines Band 7
der Schriften die Einzelausgabe künstlich her¬
zustellen. Möglicher Weise verhält es sich
ähnlich mit den von mir nicht gesehenen Aus¬
gaben 2, 4, 6, 10. Bei der großen Mehrzahl
der von mir eingesehenen Exemplare dieser
illegitimen Faustausgaben bestand aber der
Buchblock aus den Bogen der Schriften (S1)
auf holländischem Papiere. Die anderen Exem¬
plare (wie 5 und 7) sind natürlich „exorbitant
selten“, weil sie eben nur in einem einzelnen
Exemplare von einem skrupellosen Liebhaber
hergestellt worden sind.
Noch weit bedenklicher als dieses Verfahren
erscheint nun allerdings eine in den letzten zwei
Jahren wiederholt von mir festgestellte Mani¬
pulation, die sich der modernsten und leistungs¬
fähigsten Reproduktionstechnik bedient, um die
seltene und teure „richtige Erstausgabe“ des
Faust künstlich herzustellen. Es gibt immer
noch für billiges Geld gelegentlich ein Exem¬
plar der holländischen Bogen des Faustfrag¬
ments aus den Schriften und es gibt immer
noch einzelne Bände vom Band 7 der Schriften,
aus denen man die Bogen des Faustfragments
herausnehmen kann. Das fehlende Titelblatt
dazu liefert die Kunstanstalt in täuschend nach¬
gemachtem Faksimile auf altem zeitgemäßen
Papiere. Vor kurzem habe ich das dritte
Exemplar gesehen, daß auf diese Weise durch
eine kecke Urkundenfälschung entstanden war.
In allen drei Fällen bestand das Buch selbst
aus den unveränderten Bogen der Schriften,
einmal aus den titelblattlosen holländischen
Deneke, Die Einzeldrucke Goethe’scher Werke bei Göschen 1787 — 1799.
173
Bogen, zweimal aus dem gewöhnlichen Papier
der Schriften, offenbar also aus einem Bande
der Schriften herausgelöst. Und davor befand
sich ein Titelblatt, das beim ersten Zusehen
recht echt aussah. Bei dem ersten Exemplare
dieser Mache, das ich sah, war allerdings ein
für den Kenner verräterischer Fehler passiert.
Der Fälscher hatte geglaubt, eine Ausgabe von
1787 sei doch offenbar früher als eine von
1790, und hatte deshalb, als er den Titel der
ächten Ausgabe (von 1790) in der Kunstanstalt
reproduzieren ließ, Weisung gegeben, daß die
Zahl 1790 durch die Zahl 1787 ersetzt werde.
Das wurde sehr geschickt besorgt und so gab
es eine „ächte Ausgabe“ des Faustfragments von
1787, die gewiß heute als gänzlich unbekannter
wirklich allererster Druck von Goethes Faust
den Cimelienschrank eines Sammlers ziert. Der
Preis war, wenn ich nicht irre, 750 Mark. Als
der glückliche Fälscher dann wieder ein
Exemplar des siebenten Bandes der Schriften
erworben hatte, ging er an die Herstellung
eines zweiten Exemplars der ächten Ausgabe.
Er hatte .inzwischen aber zugelernt und wußte,
daß die wirkliche erste Ausgabe vom Faust
1790 erschienen ist, daß die Jahreszahl 1787
in manchen der illegitimen Ausgaben auf
Unkenntnis des damaligen Veranstalters be¬
ruhte. Er ließ deshalb nach einem von der
Bibliothek geholten Exemplare das ächte
Titelblatt mit der Jahreszahl 1790 reprodu¬
zieren und das gelang wieder so ausgezeichnet,
daß er das Büchlein mit 600 Mark ausbieten
konnte.
Danach ist es allerdings höchste Zeit, daß
die Merkmale der wirklich ächten Ausgaben
des Faustfragmentes auch in Sammlerkreisen
allgemeiner bekannt werden, als sie es heute
zu sein scheinen.
Eine Separatausgabe des Faustfragmentes
aus der geringeren Ausgabe der Schriften,
Band 4 1791, die in dem Auktionskataloge
Dorer-Egloff 1868 Nr. 2329 (und nirgends sonst)
zitiert wird, ist wahrscheinlich auf dieselbe
Weise entstanden: ein Sammler, der nur Band 4
der Schriften von 1791 besaß, lieber aber eine
Einzelausgabe des Faust besitzen wollte, nahm
die den Faust enthaltenden Bogen heraus und
ließ sich ein Titelblatt eigener Mache dazu
drucken.
Zusammenfassend wäre zu den hier unter
der Bezeichnung „unechte Ausgaben“ behandel¬
ten Drucken des Faust-Fragmentes noch einmal
zu sagen, daß sie als rechtmäßige Ausgaben
ebensowenig angesehen werden können, wie
etwa ein selbständig gebundener Ausschnitt
aus einem Sammelwerke. Die Bogen, die die
Ausgabe bilden, waren zu einer selbständigen
Existenz nicht bestimmt. Als unechte Drucke
kann man sie dagegen wohl nicht bezeichnen.
Ihr Druck ist derselbe wie der der ächten
Ausgaben. Wem es also nur darauf ankommt,
einen Text der ersten Ausgabe des Faust¬
fragmentes unverfälscht zu benutzen, der
kann sich auch mit einer der unechten Aus¬
gaben oder mit Band 7 der Schriften begnügen.
Da es den Büchersammlern aber meist nicht
nur auf den richtigen Text ankommt, so wird
die in der Tat sehr seltene ächte Ausgabe
doch wohl ihren Vorzug in der Wertschätzung
der Bibliophilen behalten.
14 und 15. Von den Einzeldrucken von
Jery und Bätely und Scherz, List und Rache
ist nur zu sagen, daß sie entsprechend dem
Doppeldrucke dieser Bogen des siebenten
Bandes der Schriften in zwei Drucken vor¬
liegen, dem früheren S1 und dem späteren S2.
Kennzeichen bei Jery und Bätely
S1: Seite 52 Zeile 2: Zurücktretend
S2: Zurück tretend
Kennzeichen bei Scherz, List und Rache
S1: Seite 37 u.: Er ist bitter
S2: Es ist bitter.
Unechte Einzelausgaben dieser beiden
Singspiele mit Göschens Firma gibt es nicht.
Papst Nikolaus V. als Bücherfreund.
Von
Dr. Klemens Löffler in Breslau.
Inter den um Literatur und Kunst
mannigfach verdienten Renaissance¬
päpsten ist Nikolaus V. (1447 — 1455)
derjenige, der sich als Bücherfreund besonders
betätigt hat. Ihm verdanken Welt und Wissen¬
schaft die Gründung der vatikanischen Bibliothek,
und schon das würde genügen, um das Urteil
des bekannten großen Bücherkenners und Buch¬
händlers Vespasiano da Bisticci zu rechtfertigen,
der den Papst „das Licht und den Schmuck der
Kirche und seines Jahrhunderts“ nennt.
Bücherfreund war Nikolaus schon lange,
ehe er noch die Mittel hatte, dieser Neigung
in größerem Umfange nachzugehen. Denn
Tommaso Parentucelli oder Tommaso von Sar-
zana, wie er früher hieß, war mit Glücksgütern
nicht gesegnet und scherzte als Papst selbst
darüber, daß ein Priester, der vorher die Glocken
geläutet habe, zu dieser Würde gelangt sei.
Aber ein freigebiger Mäcen werden zu können,
war stets sein lebhaftester Wunsch gewesen.
Käme er je zu Reichtum, so wollte er für
zwei Dinge sein Geld ausgeben, für Bücher und
Bauten.
Sein vertrauter Freund, der schon genannte
Vespasiano da Bisticci, ist dafür der beste Ge¬
währsmann; er weiß nicht nur Bescheid, sondern
hält sich auch von den Übertreibungen eines
humanistischen Lobredners frei. „Tommaso“,
so erzählt er, „brauchte mehr Geld für Bücher
als er konnte, denn er hatte mehrere der
tüchtigsten Schreiber, die aufzutreiben waren,
und sah nicht auf den Preis. Er vertraute auf
sein gutes Glück und hoffte, es könnte ihm
nichts fehlen. Obgleich er damals noch arm
war, mußten dennoch die Bücher, die er für
sich schreiben ließ, in jeder Beziehung schön
sein. Manchmal kam es vor, daß Magister
Tommaso kein Geld mehr hatte und Bücher
auf Kredit kaufte, und um Schreiber und
Miniatoren bezahlen zu können, mußte er
Schulden machen, die er erst später beglich.
Am häufigsten sah man ihn bei den Buch¬
händlern der Arnostadt. Zu ihnen wanderte
alles Geld, das er auftreiben konnte. Er be¬
saß Bücher aus allen Wissensfächern, so die
Werke des hl. Augustin in zwölf sehr feinen
Bänden, alle ganz neu geschrieben und in der
besten Ordnung. Ebenso hatte er Werke der
alten Väter wie der neuen Gelehrten. Soviel
ihm nur immer möglich war, verausgabte er
für Bücher. Er hatte aber wenige, die er nicht
fleißig durchstudierte und mit Anmerkungen ver¬
sah in seiner schönen Handschrift, die zwischen
antiker und moderner die Mitte hielt In der
Bibliothek bei Santo Spirito in Florenz findet
sich eine Handschrift, die er den Mönchen
schenkte, die Schrift Augustins gegen den
Pelagianer Julianus und andere Irrlehrer, und
dieses Buch ist ganz mit Anmerkungen von
seiner Hand versehen in jener Schrift, von der
ich sprach. Nie zog er aus Italien weg auf
Gesandtschaft mit dem Kardinal Albergati
(dessen steter Begleiter er war), ohne irgend
ein neues Buch heimzubringen, das man in
Italien noch nicht kannte. Dazu gehörten die
Reden des Papstes Leo sowie die Postille zum
Evangelium des hl. Matthäus von Thomas von
Aquin, ganz ausgezeichnete Handschriften, die
man bis dahin in Italien nicht kannte, und
außerdem neuere Werke. Es gab keinen
Schriftsteller in irgend einem Fache, von dem
er nicht Kunde besaß, und er kannte alle latei¬
nischen wie griechischen Autoren. Und um
eine Sammlung von Büchern aus allen Gebieten
des Wissens einzurichten und zu ordnen, gab
es keinen, der es besser verstanden hätte, als
Magister Tommaso. Als deshalb Cosimo de’
Medici die Bibliothek von San Marco einrichten
wollte, schrieb er an Magister Tommaso, er
möchte ihm doch einen Kanon aufsetzen, wie
eine Bibliothek anzuordnen sei. Und dieser
setzte ihn mit eigener Hand auf und sandte
ihn an Cosimo. Und darnach wurden die
beiden Büchereien eingerichtet bei San Marco
und im Kloster von Fiesoie. Ebenso verfuhr
man in der Bibliothek des Herzogs von Urbino
und in der Alessandro Sforzas. Wer aber
jemals eine Bibliothek anlegen will, kann nicht
ohne diesen Kanon fertig werden/1
1 Vespasiano da Bisticci, Vite di uomini illustri del secolo XV, ed. Frati, Bologna 1892 ff., Vol. 1 S. 28 ff.
Löffler, Papst Nikolaus V. als Bücherfreund.
175
Diese bibliotheksteclmische Arbeit Tommasos
ist uns erhalten.1 Sie ist aber keine Anweisung,
eine vorhandene Bibliothek zu ordnen, sondern
zählt vielmehr die Werke auf, die Tommaso
für eine Klosterbibliothek als notwendig oder
wünschenswert ansieht. An erster Stelle steht
natürlich die Bibel, dann folgt eine große Reihe
von Kirchenvätern und Bibelerklärern bis her¬
unter auf Nikolaus von Lyra. Die philosophi¬
sche Abteilung verlangt Aristoteles und seine
Kommentatoren, dann Averroes und Avicenna
sowie den Rabbi Moses (Maimonides) und
lateinische Übersetzungen griechischer Philo¬
sophen. Von Mathematikern werden Boethius,
Euklid, Vitulo und Ptolemäus empfohlen. An
den Schluß stellt Tommaso die Literatur „de
studiis humanitatis“, Grammatik, Rhetorik, Poetik
und Moral mit der Bemerkung, daß das
Wesentliche daraus seinen Auftraggebern ohne¬
hin gewiß bekannt sei. „Wenn ich aber eine
Bibliothek zu gründen hätte, so würde ich,
wenn ich schon nicht alles bekommen könnte,
wenigstens die folgenden nicht entbehren
wollen.“ Und nun kommen in bunter Reihe
römische Philosophen, Historiker, Redner,
Grammatiker, von Dichtern Vergil, Ovid, Sta-
tius, Horaz, Lukan. Epiker, Satiriker und
Dramendichter (außer Seneca) fehlen.
Es ist für Tommasos Bücherleidenschaft
sehr charakteristisch, daß außer diesem Biblio¬
thekskanon von ihm nichts Schriftliches hinter¬
lassen ist als ein Brief an den berühmten
Büchersammler Niccolö Niccoli, und dieser
Brief2 handelt auch bloß von Bücherforschung
und zeigt uns, wie er in Klosterbibliotheken
nach Werken der Kirchenväter stöbert und
allerlei Verbindungen ankniipft, um Abschriften
nehmen und Kollationen machen zu können.
Er berichtet über Werke und Handschriften
von Gregor von Nazianz, Basilius, Ignatius,
Polykarp, Laktanz, Eusebius, Celsus, Isidor,
Hilarius, Hieronymus, Bernhard, Chrysostomus,
Athanasius und Diogenes Laertius.
Was dem Magister Tommaso von Sarzana
lange gefehlt hatte, das fiel ihm nachher in
überraschend kurzer Zeit zu: in drei Jahren
(1444—47) wurde er Bischof, Kardinal und Papst.
Er beschloß, der edlen Leidenschaft seiner
Jugend treu bleibend, im Vatikan eine Biblio¬
thek zu schaffen, die alle anderen übertreffen
sollte.
Den Grundstock bildete die von seinem Vor¬
gänger Eugen IV. hinterlassene, aus etwa 350
Handschriften bestehende Sammlung. 3 Dazu
kamen die Bücher, die Nikolaus selbst bereits
besaß und hauptsächlich auf seinen Gesandt¬
schaftsreisen mit dem Kardinal Albergati ge¬
sammelt hatte. Vespasiano hat uns bereits
berichtet, wie er sich um die Sammlung und
Rettung von seltenen Handschriften bemühte.
Besondere Freude machte ihm die Entdeckung
eines vollständigen Tertullian in Deutschland.
Von den Briefen Augustins, der bei den älteren
Humanisten besonders beliebt war, brachte er
216 zusammen, wie er in dem Bibliothekskanon
selbst bemerkt. So war die Büchersammlung,
mit der er in den Vatikan einzog, wenn auch
vielleicht nicht gerade groß, so doch jedenfalls
auserlesen.
Mit beispiellosem Eifer ging nun der Papst
an den Ausbau seiner Bibliothek. Das Jubiläums¬
jahr von 1450 mit seinen reichen Einnahmen bot
ihm die Mittel, um das Kaufen und Suchen von
Büchern immer weiter auszudehnen. Nach allen
Seiten, bis nach Griechenland, England, Dänemark
und Preußen gingen seine literarischen Send-
linge, um aufzuspüren, zu kaufen und abzu¬
schreiben. Auf den Preis brauchen sie nicht
zu sehen, und je mehr sie bringen, desto lieber
ist es dem Papste. Auch die päpstlichen
Legaten stellten sich in den Dienst seines
Bibliotheksinteresses. So fand Nikolaus von
Kues im Kloster Egmond ein Buch des Rabbi
Moses, und auf seine Bitte ließ es der Abt
„ganz sorgfältig in schönster Schrift auf eigene
Kosten abschreiben und dem Papste als will¬
kommenes Geschenk überreichen“. Gewiß hat
auch mancher Prälat, der an der Kurie Ge¬
schäfte hatte und unter einer anderen kirch¬
lichen Regierung hätte tief in den Beutel greifen
müssen, jetzt mit Büchern den Papst sich ge¬
neigt zu machen gesucht.
Von einem Reiseforscher, der in den hohen
Norden entsandt wurde, wissen wir Näheres,
1 Archivio storico italiano, Serie terza, Tomo 21, Seite 103 — 106 und vollständig bei G. Sforza, La patria, la
famiglia e la giovinezza di papa Niccolö V., Lucca 1884, Seite 359—381.
2 Sforza Seite 159 fr. — 3 Ein Verzeichnis von 1443 bei Müntz-Fabre, La bibliotheque du Vatican au XVe siede,
Paris 1887, Seite 9 ff.
176
Löffler, Papst Nikolaus V. als Bücherfreund.
Schon früher hatte man vergeblich einem voll¬
ständigeren Livius nachgejagt, der sich irgend¬
wo in Dänemark oder Norwegen gefunden
haben sollte. Jetzt tauchte das Gerücht von
neuem auf, und der Papst schickte den Alberto
Enoche aus Ascoli aus, um den Livius zu
suchen. Er bekam Empfehlungsschreiben mit,
die ihm die Bibliotheken öffnen sollten. Das
an den Hochmeister des deutschen Ordens
Konrad von Erlichshausen, vom 30. April 1451,
ist noch vorhanden.1 Es wird darin versichert,
daß kein Buch weggenommen werden soll,
sondern man bloß eine Abschrift zu erlangen
sucht. Wo Enoche überall gewesen ist, wissen
wir nicht genau. Man sprach von Dänemark,
Skandinavien und „den fernsten Inseln im
Norden Deutschlands“. Er kehrte erst nach
vier Jahren zurück. Den Livius hatte er nicht
gefunden, und der Papst erlebte überhaupt
nicht mehr die Freude, die Ergebnisse seiner
Nachforschungen zu sehen.
Umfangreich und bedeutend war der Er¬
werb griechischer Bücher, die in Konstantinopel
und im türkischen Orient vor und nach der
Eroberung Konstantinopels durch die Türken
von geheimen Bücheragenten aufgekauft wur¬
den. „Beinahe zahllose Bände,“ erzählt Filelfo,
„wurden zu ungeheuren Preisen erstanden und
nach Italien eingeschifft. In der Tat, man darf
mit vollem Recht sagen: Griechenland ist nicht
untergegangen, sondern nach Italien, das ja
einst Großgriechenland hieß , ausgewandert,
dazu vermocht allein durch die Güte und Frei¬
gebigkeit des einen Papstes Nikolaus.“
Auch hebräische Bücher wurden gesucht.
Besonders lag dem Papste an dem Urtexte
des Matthäusevangeliums. Er setzte einen
Preis von 5000 Dukaten für die Auffindung
aus, fand aber keine Gelegenheit, ihn zu ver¬
geben.
Wie die Bücheragenten mit ihrem Mäcen
verkehrten, zeigt ein Brief des Nikolaus Perotti
aus Trapezunt.2 „Schuld an meiner Liebe“,
heißt es da, „trägt Ew. Heiligkeit selbst und
Ihre unbegrenzte Freigebigkeit. Eine solche
Summe Goldes hat mir Ew. Heiligkeit in zu
großer Huld übersandt. Keinem meiner Mit¬
bürger ist es unbekannt. Alle aber, die davon
hörten, wurden zu Staunen und Bewunderung
hingerissen und allen ward dadurch Ihre gro߬
herzige Freigebigkeit und Güte kund . . . Aber
genug hiervon. Da ich den Auftrag Ew. I Eilig¬
keit nach besten Kräften erfüllen wollte und
um wenigstens teilweise meine Schuld abzu¬
tragen, so sende ich an Ew. Heiligkeit durch
die Vermittlung des Kardinals von Nicäa vier
Bücher, von denen das erste die vier Evan-
gelien enthält, das zweite die Reden des hl.
Gregor von Nazianz, der, wie Ew. Heiligkeit
wohl weiß, die Liebe den süßen Tyrannen
nennt. Das dritte enthält die Problemata des
Aristoteles und zwar mehr, als ich bisher sah,
dazu noch die Problemata des Alexander
Aphrodiseus, der aus derselben Schule ist.
Und das vierte endlich umfaßt die Privatreden
des Demosthenes. Diese Handschriften, ob¬
gleich mit der größten Sorgfalt gesucht, wurden
erst nach unendliclver Mühe gefunden. Ich
sende sie aber an Ew. Heiligkeit in der Hoff¬
nung, alljährlich so viele oder noch mehr an
Ew. Heiligkeit schicken zu können. Viele zu¬
gleich zu finden, wird zu schwierig sein, da¬
gegen nicht unmöglich, vier oder fünf aufs
Jah r gleich wie eine Abgabe und Steuer an
Ew. Heiligkeit zu senden.“
Neben diesen aus der Ferne herbeigeschafften
Schriften gehen die Werke her, die Nikolaus
selbst anregte und die eine wesentliche Be¬
reicherung seiner Bibliothek ausmachten. Ein
ganzer Musenhof war um den Papst ver¬
sammelt, und „von den gelehrtesten Männern
wurden ihm so viele Bücher gewidmet, wie
weder einem seiner Vorgänger noch einem der
Kaiser“. So urteilt Enea Silvio. Die eigent¬
liche Liebhaberei des Papstes und eine sehr
ergiebige Bücherquelle waren die Übersetzungen
aus dem Griechischen. Sein Plan, die ganze
griechische Literatur auf diese Weise in Italien
heimisch zu machen, ist freilich nicht durch¬
geführt worden. Besonders die Erfüllung seines
sehnlichsten Wunsches, einer metrischen Über¬
tragung der Ilias und Odyssee, erlebte Nikolaus
nicht. Doch ist eine lange Reihe von sehr
verdienstlichen Übersetzungen zustande ge¬
kommen.
Wo der Papst nicht die Originale selbst
erlangen konnte, mußte er sich mit Abschriften
begnügen, und da die wichtigsten Funde von
1 Mitgeteilt von G. Voigt, die Wiederbelebung des klassischen Altertums 23. 200.
2 Müntz-Fabre Seite 113 t.
Löffler, Papst Nikolaus V. als Bücherfreund.
1 77
Klassikern wie Kirchenvätern bereits gemacht
waren, so mußten tatsächlich die Abschriften
in seiner Bibliothek die Überzahl haben.
Scharen von Abschreibern, besonders Deutsche
und Franzosen, waren fortwährend mit der
Kopierung unverkäuflicher Handschriften und
der Vervielfältigung und Verbesserung neu er¬
worbener beschäftigt. Nach dem Berichte
Vespasianos hatte der Papst die tüchtigsten
Schreiber, die er haben konnte, im Dienst und
zwar nicht nur in seiner Residenz, sondern
„es gab wenige Orte, wo seine Heiligkeit nicht
Abschreiber gehabt hätte“. Als der Papst 1450
wegen der Pest nach Fabriano zog, nahm er
seine Übersetzer und Schreiber mit sich, damit
sie ihm nicht wegstürben, ein Zeichen, wieviel
ihm an ihnen lag.
Da Nikolaus nach dem Zeugnis seines
Freundes Vespasiano selbst Kalligraph war, so
sah er natürlich auf schöne Handschrift , und
wie er in allem Schönheit und Prunk liebte,
so sorgte er auch für glänzende Ausstattung
der Bücher. Als Material wurde fast aus¬
schließlich Pergament verwendet. Die Ein¬
bände, mit dem Wappen des Papstes versehen,
wurden prächtig aus Samt, Seide, Leder in
verschiedenen Farben, Pergament hergestellt
und mit kunstvoll gearbeiteten Beschlägen
von Email-, Silber- oder Goldarbeit versehen.
Die Bücherpreise der Zeit zeigen, daß der
Papst keine Kosten gescheut hat. In der
Marciana in Venedig befindet sich eine unvoll¬
ständige Augustinusausgabe von neun Bänden aus
dem Nachlaß des Kardinals Bessarion. Für acht
von diesen Bänden hat der Kardinal im Jahre
1472 an Vespasiano 487 Golddukaten gezahlt.
Poggio hatte einen Livius abgeschrieben, den
er für 120 Zechinen dem Dichter Beccadelli
abtrat. Dieser mußte, um bezahlen zu können,
eine Villa veräußern, wogegen sich Poggio
für den Erlös ein Grundstück bei Florenz
kaufte.
Nach einer Berechnung der Assemani hat
Nikolaus 40000 Scudi für Bücher ausgegeben,
nach einer anderen Schätzung 30000 Gold¬
gulden.
Seine reichen Mittel und sein unermüd¬
licher Sammeleifer brachten in der Tat seinem
Plan nach in kurzer Zeit eine Büchersammlung
zusammen, die einzig dastand. Wäre er nicht
vor der Zeit gestorben, „und hätte seine Ab¬
sichten vollständig ins Werk setzen können, so
würde die Bibliothek etwas Wunderbares geworden
sein“, meint Vespasiano. Sie sollte, eine
Zentralstelle der Bücherwelt, allen Gelehrten
zugänglich sein1 und Rom zum Mittelpunkte
der Wissenschaften machen. Unter den gro߬
artigen Bauplänen des Papstes ist auch die
Bibliothek — ingens et ampla, transversalibus
utrimque fenestris, an schönster Stelle ge¬
legen, von ewig sprudelnden Springquellen um¬
geben.
Einstweilen war Nikolaus selbst ihr eifrigster
Benutzer. Es war ihm eine Freude, unter den
Büchern umherzuwandeln, sie zu ordnen und
zu stellen, dies oder jenes durchzublättern und
zu beschauen. Es entspricht vollkommen seiner
Eigenart, daß er in einem Saale der Vaticana
dargestellt ist, wie er Bücher ordnet.
Bibliothekar war Giovanni Tortello, ein in
Florenz und in Griechenland gebildeter, theo¬
logische und klassische Bildung vereinigender
Gelehrter. Es versteht sich von selbst, daß
unter diesem Papste die Bibliothekarstelle ein
Hof- und Vertrauensamt ersten Ranges war.
Tortello vermittelte den Verkehr mit den
Schriftstellern und Übersetzern, den Buch¬
händlern und Bücherschreibern. Seine Be¬
scheidenheit, sein Takt und seine Humanität
waren ebensogroß wie seine wissenschaftliche
Bedeutung. Sein Werk über Orthographie,
eine Enzyklopädie von historischen, geographi¬
schen und mythologischen Notizen, war ein
geschätztes Hilfsmittel für die Übersetzer und
Bücherabschreiber, für die besonderen Ver¬
hältnisse der vatikanischen Bibliothek, also
eine sehr zeitgemäße und nützliche Arbeit.
Die Angaben über die Bändezahl sind auf¬
fallend verschieden. Die höchsten Zahlen
nennt der wiederholt zitierte Vespasiano da
Bisticci, aber er widerspricht sich: im Leben
Tortellos sagt er, dieser habe ein Inventar mit
9000 Bänden aufgestellt, in der Biographie des
Papstes dagegen redet er von 5000 Büchern.
Diese Zahl gibt auch Manetti in seinem Leben
Nikolaus’ V. an. Pius II. schätzte die Samm-
1 Operam damus, ut pro communi doctorum virorum commodo habeamus librorum omnium tum latinorum tum
graecorum bibliothecam condecentem Pontificis et sedis apostolicae dignitati“ heißt es in dem Empfehlungsschreiben an
den Hochmeister des deutschen Ordens.
Z. f. B. 1909/1910.
23
i;8
Löffler, Papst Nikolaus^V. als Bücherfreund.
lung nur auf 3000 Bände. Alle diese Zahlen
sind zu hoch gegriffen. Wir haben nämlich
ein Inventar der lateinischen Handschriften,
das noch vor der Krönung des Nachfolgers
Kalixt III. aufgenommen wurde.1 Es zählt
794 Nummern. Dazu kommen die griechischen
Handschriften, deren Katalog2 353 Stück auf¬
führt. Ausgeliehen waren eine lateinische und
61 griechische Handschriften, wodurch die Zahl
der griechischen Codices auf 414 steigt. Die
Gesamtzahl ist demnach 1209.3
Sie ist immer noch, an der kurzen Regie¬
rungszeit des Papstes und den damaligen Ver¬
hältnissen gemessen, sehr hoch. Die Bücher¬
sammlung Niccolö Niccolis, die größte und
beste in Florenz, an die Niccoli sein ganzes
Leben gewendet hatte, enthielt 800 Bände, die
der Visconti in Pavia 988 Bände. Herzog
Federigo von Urbino, der 30000 Dukaten da¬
für ausgegeben haben soll, brachte 772 Hand¬
schriften zusammen, Kardinal Bessarion 900.
Abgesehen von der Gesamtzahl konnte die
vatikanische Bibliothek besonders durch ihren
Reichtum an griechischen Handschriften die
erste Stelle unter allen Büchersammlungen
des 15. Jahrhunderts in Anspruch nehmen.
Die vorhin genannten Kataloge gewähren
uns auch einigen Einblick in die Ordnung und
Aufstellung.
Die Bücher standen in zwei gesonderten
Räumen. Der gröbere Teil bildete den Grund¬
stock einer öffentlichen Bibliothek, für die noch
ein würdiger Bau geschaffen werden sollte, die
andern standen im Privatgemach des Papstes.
Hier fand man nach seinem Tode 56 Bände,
fast lauter Klassiker, besonders die Über¬
setzungen, in den Prachtbänden, wie sie ihm
gewidmet waren, meist in Carmoisin und mit
Silber beschlagen.
Die Hauptmasse war in acht großen
Schränken in einem Zimmer mit einem Fenster
aufgestellt und so geordnet, daß sechs Schränke
zur Rechten, zwei zur Linken des Fensters
standen. Von jenen enthielt der erste die
Bibeln und Bibelkommentare, der zweite die
Kirchenväter, der dritte und vierte scholastische
Theologie, der fünfte neben theologischen und
historischen Werken die ersten Klassiker, der
sechste wieder theologische und kanonistische
Schriften.
Auf der linken Seite standen die Bücher,
die der Papst selbst bevorzugte: im ersten
Schranke Philosophie, Astronomie, Mathematik
und überwiegend Klassiker, im zweiten P'ort-
setzung der Klassiker und in bunter Mischung
kirchliche und profane Schriftsteller.
Unter den griechischen Handschriften
nehmen die Werke des Chrysostomus mit
40 Nummern die erste Stelle ein. Dann folgen
Basilius mit 18, Gregor von Nazianz mit 11.
Daran reihen sich in über 1 50 Banden weitere
biblische, exegetische, patrologische, asketische,
liturgische Sachen. Die philosophischen Bücher,
so Aristoteles, Plato, Philo, Plutarch, machen
etwa 30 Bände, die Libri rhetorices, Demos¬
thenes, Libanius, Aristides, Hermogenes usw.,
33 Bände aus. Unter dem T itel Libri gram-
matices sind etwa 15 grammatische Werke,
hauptsächlich aber 22 Nummern der griechi¬
schen Klassiker untergebracht, die sich auf
15 Autoren verteilen. Fs sind vor allem die
Dichter mit Homer an der Spitze.
Von den ausgeliehenen griechischen Hand¬
schriften erhielt der Kardinal Isidor von Ru߬
land von Kalixt III. in sehr übertriebener
Liberalität 51 auf Lebenszeit. * Fs sind eine
ganze Reihe der größten Kostbarkeiten dar¬
unter, und sie sind, obwohl sie zurückgegeben
werden sollten, wie es scheint, auf dem Wege
geblieben.
Auch sonst ist unter Kalixt III. manches
abhanden gekommen. Doch ist die Erzählung,
er habe die vatikanische Bibliothek verschleudert,
bloß eine üble Nachrede. Ein großer Teil
der Erwerbungen Nikolaus V. findet sich heute
noch vor. Charakteristisch für Kalixt, der ganz
in der Abwehr der Türkengefahr aufging, ist
dagegen, was Vespasiano von ihm erzählt:
„Als Kalixtus die Regierung antrat und so
viele treffliche Bücher sah, von denen 500 in
Einbänden von Karmesin-Sammet mit Silber¬
beschlägen prangten, wunderte er sich sehr,
da er, ein alter Jurist, nur geheftete Papier¬
bücher zu sehen gewohnt war. Statt die Ein¬
sicht seines Vorgängers zu loben, sprach er
beim Eintritt in das Büchergemach: „Seht doch,
1 Müntz-Fabre Seite 48 ff. Dazu die Verbesserung von J. Hilgers, Zentralblatt für Bibliothekswesen 1 9>5 • Bd. *9>
Seite 5. — 2 Ebenda Seite 316 ff. — 3 Begründet von Hilgers a. a. O. Seite 1 — 11.
4 Müntz-Fabre Seite 340 ff.
Ihringer, Quirinus Kuhlmann.
179
dafür hat er die Schätze der Kirche ver¬
schwendet!“ Er ließ die kostbaren Einbände
zum Teil entfernen und für den Türkenkrieg
nutzbar machen. Auch die nächsten Päpste
haben für die Bibliothek nichts geleistet. Erst
Sixtus IV. (1471 — 1484) hat dafür gesorgt, daß
der große Gedanke Nikolaus’ V. für die Nach¬
welt Früchte trug und die vatikanische Biblio¬
thek, wie Mommsen sagt, „ein Eckstein der
Wissenschaft“ wurde.
'Quirinus Kuhlmann.
Von
Bernhard Ihringer in Basel.
Mit einer Abbildung.
urch Zufall gelangte ich vor einiger
Zeit in den Besitz eines ebenso seltenen
wie sonderbaren Büchleins. Es ge¬
währt einen so bezeichnenden Einblick in das
Treiben der Schwarmgeister nach dem 3ojäh-
rigen Kriege, daß ich es unternehme, hier über
seinen nicht minder sonderbaren Verfasser das,
was ich in alten Quellen fand, in Kürze zu¬
sammenzutragen.
Das in Kleinoktav sauber und nett ge¬
druckte Bändchen führt den langatmigen Titel:
„A. Z.! | Quirin Kuhlmans | Neubegeisterter
Böhme/ | begreifend | Hundert funftzig Weis¬
sagungen / 1 mit der Fünften Monarchi oder dem |
JESUS REICHE j des Holländischen Propheten j
Johan Rothens übereinstimmend/ j Und mehr als
1000000000 Theosophische j Fragen/ allen
Theologen und Gelehrten j zur beantwortung
vorgeleget; wiwohl | nicht eine eintzige ihnen
zu beantworten/ 1 wo si heutige Schulmanir
sonder | Gottes Geist folgen / 1 Darin zugleich
der so lang verborgene j Luthrische Antichrist
abgebildet wird, j Zum allgemeinen besten der
höchstverwirrten Christenheit / in einem [ freund¬
lichsanftem und eifrig feurigem Liebesgeiste j
ausgefertiget | an des Luthertums j Könige /
Churfürsten/ Printzen und j Herren/ wi auch
allen Hohschulen j und Kirchengemeinen Euro-
pens. — I Zn Leiden in Holland, | Gedrukt vor
den Autor , und ist zu bekommen j bei Loth de
Haes, 1674. [32 BL, S. 1—225, Bl. 226— 256,
S. 257 — 4x5]-“ Dieser Titel ist in meinem
Exemplar umrahmt von den Namen der früheren
Besitzer: „Schumacher 1 8 14 Mannheim d. 5. Juni.“
— „Illgen, 1843, Lipsiae.“ „Gulhaar, 1845, Basel“
Ein begeisterter Inhaber — der Schrift na£h
aus dem 18. Jahrhundert — hat darunter be¬
merkt: „Liber rarissimus vid. Jo: Vogtii catal.
libr. Varior: pag. 387. const. 3 fl.“ Damit sind
aber die handschriftlichen Zeugnisse noch nicht
erschöpft. Auf der zweiten Vorsatzseite findet
sich noch folgender Eintrag. „Quirinus Kuhl¬
mann aus Breslau starb auf Antrieb des russi¬
schen Patriarchen 1689 zu Moskau auf dem
Scheiterhaufen. Diese Schrift gehört unter die
Libri rarissimi. W. Neubronner in Ulm bot
1852 ein Exemplar für 6 fl. 48 kr. an. Das
gegenwärtige erhielt ich aus der Verlassenschaft
des bekannten Theologen Illgen“. — Nach
„Dr. Chrst. Frz. Paullini Philosophisch Feier¬
abend, Frkft. 1700“ wurde Kuhlmann am 10. Juli
1652 zu Breslau von geringen Eltern geboren,
und zeichnete sich im dortigen Gymnasium durch
spitzige Fragen bereits so aus, daß der Rektor
M. Joh. Fechner einst sagte: „Entweder wird ein
großer Theolog oder ein Erzketzer aus dir
werden“. Studierte seit 1668 fünf Jahre lang in
Jena in großer Zurückgezogenheit. Von da
begab er sich in die Niederlande und gab zu
Leiden 1674 seinen Prodromum quinquennii
admirabilis heraus. Hierauf ging er nach Kon¬
stantinopel, um für die fünfte Monarchie zu
wirken, von welcher Joh. Roth zu Amsterdam
und Kuhlmann behaupteten: 1674 werde die
goldene Zeit, das Reich Christi seinen Anfang
nehmen, und 1677, drei Jahre später, werde
man den großen Fall Babels sehen. In Kon¬
stantinopel wollte er Böhmens in die Arabische
Sprache übersetzte Schriften dem Sultan über¬
reichen, lief aber übel damit an. Endlich
kam er 1689 nach Moskau, wo er 1690, 3. Ok¬
tober samt noch einem Gefährten Nordmann,
i8o
Ihringer, Quirinus Kuhlmann.
der seine Schriften verbreitet hatte, „lebendig
verbrannt wurde“. Dankbarer Stoff zu einem
Roman! Wer will ihn aufgreifen?
Der „Neu begeisterte Böhme“ tritt sehr stolz
auf. Er beginnt mit einem Sendschreiben an
alle Könige und Fürsten, in dem er ihnen nach-
weisen will, „daß ihr Lutertum eine antichrist¬
liche Sekte, ihr vermeintes ewiges Evangelium
ein nichtiges Evangelium oder Babel sei“. „Ihr
müßt euch aus eurem Lutertum“, schreibt er,
„als aus einem Babel herausbegeben, nicht irgend
in eine alte oder neue Sekte, sondern aus eurem
falschen Leben in ein heiliges Leben, aus eurem
Zanken und Streiten in die Sanftmut und Ge¬
lassenheit Gottes, aus euer eigen geformte
Lehre in die würkliche Geist und Wahrheits¬
lehre, in das ewige Evangelium, wo ihr nicht
wollt mit Babel anbrennen, und sonder ver¬
brennen ewigst verbrennen . . . Was höret
ihr länger euer unsinnigen Doktoren Glaubens¬
zänkereien? Antichristen zanken miteinander.
Christen lieben einander . . . Ein Quintchen
des Thatchristentums gilt mehr in des Höchsten
Augen, als tausend Zentner des Wortchristen¬
tums.“ Was dünkt euch? Der Schwärmer
hatte doch auch recht lobenswerte Gedanken.
Seine Biographen heben besonders hervor, er
habe sich während seiner Jenaer Studienzeit
von allen akademischen Disputationen fernge¬
halten, bei denen die protestantischen Schola¬
stiker ihre Künste leuchten ließen. Wir können
daraus entnehmen, daß auch Kuhlmann letzten
Endes, geradeso wie Drabitz und Roth, durch
die Versteinerung der lutherischen Religion zum
Mystizisten wurde. Geführt von einsichtigen
Lehrern, in einer einigermaßen freien Atmo¬
sphäre, hätte er gewiß einen trefflichen Diener
am Wort abgegeben. Nun aber wetterte er
auf die „ruhmsüchtigen Schriftlinge“, auf ihre
„boshaftige Wissenschaft“, auf ihre Dogmen¬
reiterei, nicht ahnend, daß er selbst im Begriffe
stand, mit einem bizarren Dogmengebäude aus
Schriftstellen und hochtönenden Worten sie zu
übertrumpfen.
Eine Natur wie Kuhlmann gehört nicht, wie
der gute Adelung gemeint hat, so schlankweg
in eine „Geschichte der menschlichen Narrheit“.
Solche Geister markieren das Gewissen ihrer
Zeit , indem sie das Unterste zu oberst kehren
und dadurch ihre sanft eingelullten Zeitgenossen
nötigen, sich selbst wieder einmal gründlich
klar zu werden über das, was sie so lange
schon als liebes Erbe unbesehen mitschleppten.
Die lutherische Theologie machte zu Kuhl-
manns Zeiten eine große Krisis durch; es
zeigte sich, daß sie mit den päpstlichen Formen
nicht den scholastischen Geist abgelegt hatte.
Erst durch die „Schwarmgeisterei“ wurde sie
wieder in offenes Fahrwasser getrieben.
Quirinus Kuhlmann stand ihr mit all dem
Haß gegenüber, dessen ein offenes Gemüt, das
statt Brot Steine empfangen, fähig ist. Indem
er selbst leere Äußerlichkeiten, wie die Doktor-,
Magister- und Lizentiatentitel zum Gegenstand
ingrimmiger Tiraden machte, zeigte er deutlich,
daß er sich auf keine Kompromisse einlassen
wollte. Sich selbst durch flagellantisches Wort-
gcstammel beständig anpeitschend, landete er
schließlich gänzlich bei einem reinen Chiliasmus,
der von Jakob Böhme nichts als Begriffs¬
spielereien und beliebig hcrausgerissene Zitate
an sich trug. Desto selbstbewußter traten
phantastische Prophezeiungen hervor, die eine
schlecht gelungene Paraphrase der Apokalypse
darstellten. Weherufe im Kassandrastil („O,
Deutschland, Deutschland! Wann du ver¬
stündest, was schon über dich für ein grau¬
sames Wetter aufzeucht, du würdest in Sack
und Asche Buße tun!“) wechselten damit ab.
Der Stolz des „Propheten“ fehlte natürlich auch
nicht; so soll er sich sehr darüber gewundert
haben, daß Böhme so manches aussprach, was
Gott doch nur ihm, dem Quirinus Kuhlmann,
geoffenbart habe. Daß er auch seine Ver¬
ehrer sehr in Respekt zu halten verstand, be¬
weist die Unterschrift auf seinem Porträt-Stich,
die uns Hennig Wittens Diar. Biogr. II, pag. 168
überliefert:
Alter Scaligerus, Taubmanus, Grotius, Opitz,
Barthius, Jocanus, Gryphius, Muretus, Erasmus!
Henoch, Josephus, Davides, Josau, Moses,
Elias, Daniel, Salomon, Elisa, Johannes!
Cyrus, Alexander, Constantin, Karl, Fridericus!
Liligerus, Juvenis, Frigerans, Artista, Sophata!
O pater haec tua sunt! Haec ad te cuncta reflexit.
Jedoch Kuhlmann wollte sich nicht mit
schriftstellerischen Lorbeeren begnügen. Trotz
seiner Versicherungen, keine neue Sekte gründen
zu wollen, entwarf er einen festen Plan zur kirch¬
lichen Vereinigung seiner Anhänger. Er gab
ihnen den Namen „Jesueliter“ und erklärte sich
formell zu ihrem Oberhaupt. Mit Joh. Roth
Ihringer, Quirinus Kuhlmann.
181
ging er ein inniges Schutz- und Trutz¬
bündnis ein, indem er zugleich diejenigen
verfluchte, die nicht an dessen Prophe¬
zeiungen glauben wollten. Das von ihm
selbst fixierte Glaubensbekenntnis der
neuen Kirche lautete:
„Wir glauben an den Gott des Israels und
Christen
Und halten beyde Schrift als Gottes Wort
und Schrift
Doch nehmen wir dazu Kotter, Christinen,
Drabitz,
Als Jesu neuen Bund, den Gott durch Kühl¬
mann stellt.“
Dem treten würdig die Phantasien zur
Seite, mit denen er seinen chiliastischen
Zukunftsstaat ausschmückt Sein Schüler
Barthut hat uns eine Stelle aus der be¬
treffenden lateinischen Schrift — die kaum
noch aufzutreiben sein wird — übersetzt,
die so bezeichnend ist, daß ich sie hier
unmöglich unterdrücken kann: „O was für
ein Thron aus dem Centro der siebenzig
Völker erbauet!“ ruft der neue Völker¬
papst begeistert aus. „O was für ge-
duppelte Globi auf jeden der zehen Stufen
des Königlichen Thrones? Was für ein
Schloß? Was für ein Haus? Was für ein
königlich Gemach? Dieses alles ist ge¬
macht nach dem zehen-einigen Vorbild der
himmlischen Struktur! Wie viel Schätze!
Wie viel Diener! Wie viel Adepti und
fürnehmste Magi! Wie viel Seeflotten!
Wie viel Gesandschaften! Wenn alle
heutige Könige ihren Reichtum und Klein¬
odien möchten zusammen legen; o, wie
geringes Vermögen wäre es doch, diesem zu
vergleichen! Also schrie ich aus, da der König
Salomon mir lieblich zu stimmte und mit aus¬
rief: dieses war mein zehenfach, das ich dir
neulich ins Ohr rufte. Weile dieses alles meine
Magnifizenz und Herrlichkeit zehnfach, ja zehn¬
mal zehen zehenfach übertrifft. Dann die Zeit,
da alle Creatur wird frey werden von der Eitel¬
keit, lauft herzu. Gehabt euch wohl! So weit
schreibt höchstgemeldter Mann Gottes.“ Das
hat doch wenigstens noch Schwung und ist
nicht so hanebüchen fad wie die ethymologi-
schen Spielereien, mit denen er seinen Namen
in „Kohlmann“ verwandelte, um zu beweisen,
er und seine Lehre sollten wachsen und groß
CBumtt ÄuijIitMtie
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Stagen / allen Theologen mit ©eichten
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nic^C fine einige tbnen gu fceam roerten/
wo fi fjeutige @cfcu!manir fonbec
©offeö @ei(t folgen/
sugfeief) b<rfo fang
£utl)rifd?e 2tnti4)rifi fibgefölbet trirö*
©törutc ror ben Aupor , onb ü? §u
bei Lotfi de Haes, 1674. ,
l vUa CciixiL CiW
werden wie der Kohl, wie das Senfkörnlein des
Evangeliums.
Eine hübsche Episode für sich bilden die
Bemühungen des Jesueliter-Stifters, den Papst
für seine Sache zu gewinnen. Zu diesem
Zwecke schrieb er an den berühmten Jesuiten
Athanasius Kircher zwei Briefe, die dieser mit
höflicher Ironie beantwortete. Kuhlmann ver¬
stand diesen Ton nicht, lies den Briefwechsel
im Druck erscheinen und dabei die sarkastischen
Lobsprüche Kirchers, so z. B. wenn dieser von
einer „incomparabili ingenii tui vastitate“ oder
von „scientiae tuae tarn sublimis“ „opus ad-
mirabile“ „vir magne“ spricht, besonders her¬
vorheben.
Ehe dieses „Kuhlmannstum“ sich zu so
ein
182
Ihringer, Quirinus Kuhlmann.
krassen Formen entwickelte, gab es einmal
eine Zeit, wo der Name Kuhlmann für die
deutsche Literatur mehr als ein Versprechen
bedeutete. Im Jahre 1671 erschienen die „Himm¬
lischen Liebesküsse“ ferner die „Grabschriften“,
zwei Werke, deren Wert für die Entwicklung
der Lyrik über das Schulmäßige hinaus noch
eine besondere Untersuchung verdient. Die
„Grabschriften“ soll Kuhlmann mit 15 Jahren
geschrieben haben, wenn man seinen Verehrern
trauen darf. Nicht lange nach der Ver¬
öffentlichung der beiden Werke folgte der
ekstatische Eklat, hervorgerufen durch die
Lektüre von Böhmes Schriften. Er schwur
die Dichtkunst ab, obwohl er sich kurz zuvor
noch den Titel eines poeta laureatus erworben
hatte, was aber nicht allzuviel heißen will, da
man ihn um zehn Taler kaufen konnte. Er
raffte sich nur noch zu hundertfünfzig „Kiihl-
psaltern“ auf, zu Ehren seines neuen Weltreichs,
der fünften Monarchie, des Kuhlmannstums.
Dieses „berühmteste und seltenste seiner Werke“,
wie der frühere Besitzer des Exemplars der
Basler Universitätsbibliothek auf dem Vorsatz¬
blatte meint, führt den Titel: „A. Z. Der
Kühlpsalter. Oder Die Funffzehngesaenge.
Amsterdam Im Jahre Jesu Christi 1684 im Oc-
tober.“ Es ist ein sehr sorgfältiger Druck im
kleinsten 8° geschmückt mit vier Kupfern, die
schon auf die Art hindeuten, mit der später
gleichfalls von Amsterdamer Druckern Böhmes
und Weigels Schriften ausgestattet wurden.
Der Ton der „Psalmen“ bewegt sich ganz und
gar in jener schwülstigen Wortstammelei, die
schon in der ältesten mystischen Literatur, z. B.
bei dem Pseudoareopagiten Dionysius vor¬
bereitet ist. Paul Tschackert meint in seinem
Aufsatz in der Allgemeinen deutschen Bio¬
graphie, manches grenze direkt an Verrücktheit
und gibt dafür folgende hübsche Probe:
„Liebquelle Jesus Liebe lieber
Je mehr sie quillet ewigst über,
Je mehr sie ewigst dich liebküßt,
Liebküssend ewigst dich durchsüßt,
Durchsüssend ewigst dich umherzet,
Umherzend ewigst in dich sterzet.“
Ich glaube, die Strophe ist bezeichnend für
die kalte Phantastik, das unbewußte Spielen
mit Worten und Begriffen, das alle Kuhl-
mannschen Schriften so ungenießbar macht.
Namentlich unter den 1000 theosophischen
Fragen finden wir dafür viele Beispiele; man hat
die Empfindung, als sei ein von Natur schon
schwerfällig veranlagter Geist durch aufgelesene
und mißverstandene Böhmesche Termini um
alle begriffliche Klarheit gekommen, wenn es
z. B. gleich zu Anfang heißt: „Was ist doch die
Unewigkeit, welche der Ewigkeit unanfänglichen
Anfang und unendliches Ende beschleußt?“
Der „Kühlpsalter“ bietet dafür übrigens
noch schönere Exempel. In der Vorrede zum
sechsten Buch wird in der kuriosesten und
verschnörkeltsten Weise eine Reise des Ver¬
fassers geschildert, worin es z. B. heißt: „Wir
betraten zum virdenmahl unser Engelland eben
an dem Roemischem unbeweglichem Kuhl-
mannsfeste zur aufbauung des wahren Kühl¬
mannsthums, als gleich der Kohlmannische
Jacob gefährliche kohlen an di lunden vor
Londen leget . . . Von nun an weichen di
Kaiser den Kohlmannern, di Virreiche der Kühl-
monarchi im Wunder der Wunder.aller Wunder . .
Di Israeliten wäehrten bis auf die Christen, di
Christen bis auf die Jesueliten; vor welche zu-
foerderst der Japhet, Sem, Ham der Christen¬
heit wird eingeladen. Wer ohren hat zuhoehren
der hoehre! Hosana! Triumf! Hallelujah.
Gegeben zu Islington an Londen, der Jesueliter
Figurstad, an seinem zurückkunffts, und der
Prophetin Christinen Fortschreibungstage den
16. October 1682. Quirin Kuhlmann, ein ge-
ruffener Printz Gottes der Israeliten, Christen,
Jesueliten.“
Schade, daß wir von dem furchtbaren
Schlußakt dieser menschlichen Tragikomödie
nur das dürre Faktum überliefert haben! Wir
wissen nicht, wie der Begründer des Kuhl¬
mannstums, der erste und letzte Weltmonarch
fünften Gliedes gestorben ist. Wir wissen nur,
daß es nicht die kleinste von den vielen grau¬
samen Dummheiten und dummen Grausam¬
keiten des heiligen Synods war, diesen harm¬
losen Schwärmer zum Schluß noch mit der
Märtyrer-Gloriole zu umgeben.
Aus der Brieftasche von Otto Friedrich Gruppe.
Von
Dr. Leopold Hirschberg in Berlin.
Mit 5 Abbildungen.
achfolgende, zum erstenmal dem Druck
Li überantwortete Briefe und Gedichte hat
mir die (leider vor einiger Zeit ver¬
storbene) Witwe des Dichters überlassen, zu
dessen ioo. Geburtstag ich in dieser Zeitschrift1
eine längere Abhandlung veröffentlicht hatte.
Der freundliche Leser möge nun nicht Dokumente
von hervorragender literarhistorischer Bedeut¬
samkeit erwarten. Wiewohl Inhalt und Stil
der Briefe an sich vieles Interessante darbieten,
so haben mich doch vorzugsweise die Namen
der Schreiber zu der Publikation veranlaßt.
Auch ohne daß der Inhalt ein besonders präg¬
nanter und wichtiger ist, verlohnt es sich, un¬
bekannte Schriftstücke eines Rückert, Chamisso ,
Kinkel , Schwab , Kopisch , Kugler, Geibel, Fon¬
tane usw. bekannt zu machen. Gruppe war
ein feingebildeter, äußerst vielseitiger Mann:
in seinem Hauptberufe Professor der alten
Sprachen an der Berliner Universität, außer¬
dem ein geschätzter Kunsthistoriker (seine
Monographie über Schinkel ist noch heute
mustergültig), Philosoph (als Antihegelianer be¬
kannt), und Politiker. Kein Wunder, wenn
seine Korrespondenz eine sehr ausgedehnte
war und ihn mit den verschiedensten nam¬
haften Persönlichkeiten zusammenführte. Mit
vielen derselben verband ihn innigste Freund¬
schaft; bei allen aber war er hochgeachtet und
geehrt.
Über seinen Ruf als Dichter möge der
warme, ausführliche Brief von Ignaz Hub ent¬
scheiden, der als Herausgeber der „Deutschen
Dichter Gaben; Album für Ferdinand Freilig-
rath“ (Leipzig 1868) sich einen Namen ge¬
macht hat:
Würzburg, 16. Juli 1867.
Hochgeehrter Herr Professor!
Unser Aufruf an die deutschen Dichter, ein Freilig-
rath- Album betreffend, wird Ihnen wohl aus Kitzingen
vor Wochen zugangen seyn.
Ich kann mir nicht versagen, Ew. Hochwohl¬
1 1904. Heft 1.
geboren das Unternehmen zu gütiger Berücksichtigung
zu empfehlen, Sie werden durch Ihren Beitritt durch
den Klang und die Bedeutung Ihres Namens den
Werth dieses, dem Genius Freiligrath’s zu widmenden
Dichterbuchs ungemein erhöhen und so den schönen
Zweck um so sicherer uns erreichen helfen.
Unsere in die Materie versunkene Zeit ist freilich
den Musen wenig hold, aber der Dichter ist das Herz
der Welt, und die Poesie muß am Ende die Zeit erlösen.
Dieses Denkmal für den Lebenden, diese Ehren¬
halle, errichtet von Meistern des deutschen Parnasses
und um unsere Nationalliteratur wohlverdienten
Männern dürfte mehr als alles Andere dazu beitragen,
die Kummerfalten des Verbannten zu glätten, ihn empor¬
zurichten und zu beglücken.
Nur aus der wahren Dichter kleinem Kreis,
Nicht aus dem Trosse hohler Reimenschmiede,
Erfreut den echten Künstler auch ein Preis
In antheilvollem, geistverwandten Liede;
Ja, stolzer macht ihn solch ein Lorbeerreis,
Als wenn das Glück ihm Fülle Gold’s beschiede
Wie leicht ist dieser Flitterglanz entflohn!
Der Besten Dank im Lied ist ew'ger Lohn.
Ich vertraue, daß Sie, hochverehrter Herr Professor,
unserer Werbung um der guten Sache willen gern und
freundlich willfahren. Auch die kleinste Spende aus
Ihrer Meisterfeder wird uns zu innigem Dank verpflichten.
Indem ich Sie bitte, den Ausdruck meiner besonders
ausgezeichneten Hochachtung zu genehmigen, habe
die Ehre zu geharren
Ew. Hochwohlgeboren
ganz ergebenster
Ignaz Hub.
Gruppe war stets bereit zu geben. So hatte
er Gottfried Kinkel ein großes Gedicht „Wanda“
für das „Album vom Rhein“ überlassen. Kinkel
weilte als Flüchtling in der Fremde. Tiefe,
innige Schwermut atmet das kurze und doch
so rührende Schreiben. (Abb. 1.)
Gruppe dagegen hatte oft genug Gelegen¬
heit, Absagen von andern Dichtern zu be¬
kommen. Ja, Adalbert von Chamisso beklagt
sich außerdem noch — im Glashause sitzend
und mit Steinen werfend — über Gruppes
schlechte Handschrift. (Abb. 2.)
Eine wirkliche Kunst ist es auch, Friedrich
Rückerts Schrift zu entziffern. Graphologen von
Fach werden mit Recht aus diesen Schrift-
184
Hirschberg, Aus der Brieftasche von Otto Friedrich Gruppe.
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Abb. 1
Zeichen auf die feine Filigran-Arbeit in seinen
Gedichten schließen. (Abb. 3.)
Da keinem der Leser zugemutet werden
kann, sich an diesen winzigen Lettern die
Augen zu verderben, andrerseits aber der Brief
interessant und lesenswert ist, so möge er hier
in Druckschrift folgen:
Neuseß den 311 Pfingsttag 50
Verehrtester Herr und Freund
Es war mir eine angenehme Überraschung, ein
Brief von Ihnen, nachdem ich Sie in meinen zwei letzten
einsamen Winterhaften in Berlin ganz aus dem Auge
verloren hatte. Ich bin meiner dortigen mir unerträg¬
lichen Stellung nun glücklich quitt, und könnte hier
in meiner allgeliebten Einsamkeit, obgleich stark be-
rupft u. zu Einschränkungen genöthigt, nach Menschen¬
art ganz glücklich seyn, wenn mich die Politik
nicht kneipte. Sie geht mir nicht zu Wunsch, und Ihre
Trostreden wollen nicht anschlagen. Wie ist doch der
auflodernde Muth von Berlin gegen Frankfurt schnell
wieder so zahm geworden! Wie großartig ist diese
Einung, von der jeder einzelne sagt: wir sind der Pfeil¬
bund in der Idee, in der Wirklichkeit aber jeder ein
Rohr für sich. Wir protestiren gegen das Plenum und
kommen um das leere Plenum zum vollen zu machen
usw. Weg davon vom geschändeten Deutschen Reich
ins Reich der Poesie!
Wer nur mit Ihnen könnt in den Musenalmanach,
zu dem ich von Herzen Glück wünsche, aber nichts
auch gar nichts beizutragen habe; mein Sect ist ein¬
gefroren, wie man hier zu sagen pflegt. Wollen Sie nicht
mich einmal hier besuchen? Von Herzen lädt Sie ein
Ihr
Rückert.
Gruppe gab vom Jahre 1851 — 1855 einen
„Deutschen Musenalmanach“ heraus; darauf
bezieht sich der obige und der bald folgende
Brief Rücke rts:
Neuseß, d. 12. Aug. 50.
Ich bedaure durch meine wie es scheint nicht
deutlich genug ausgedrückte Ablehnung der Teilnahme
an Ihrem M. Alm. Sie in die Unkosten eines aber¬
maligen Briefes gebracht zu haben, doch mich tröstet,
daß einen Brief zu schreiben Sie (oder sagen Sie Ihnen?)
vermutlich nicht halb so viel kostet als mich (oder sagen
Sie mir?) Daß ich gefragt haben sollte „wo hinein-
kommen“?1 wie Sie schreiben, kommt mir unglaublich
vor; ich muß unleserliches geschrieben, oder Sie selbst
Es ist dies eine ganz besonders unleserliche Stelle, die Gruppe nicht richtig gedeutet hat.
Hirschberg, Aus der Brieftasche von Otto Friedrich Gruppe.
1S5
Abb. 2.
gelesen haben, denn das konnte ich wißen, daß nur weiß ich nichts, u. kann mich zu keinem solchen be¬
vortreffliche Leute u. vortreffliche Sachen hinein- kennen, noch weniger es unter meinem Namen drucken
kommen. Von einem ältern Geburtstagsgedicht für den lassen.1 Im Jahr 48 hab ich allerdings ein solches
König v. Pr., das Sie sogar in Händen haben wollen, gemacht, das ich dem König zugeschickt; wenn er das
1 Im Nachlaß Gruppes befindet sich, von unbekannter Kanzleihand geschrieben, eine „Rede, gesprochen am
15. Oktober 1841 von Frau Crelinger“, mit einer Notiz von Gruppes Hand „Friedrich Rückert.“ Dieselbe atmet so
wenig Rückerts Geist, daß man obige Ablehnung des Dichters vollkommen versteht und sich ihr Abdruck völlig erübrigt.
Z. f. B. 1909/1910. 24
1 86
Hirschberg, Aus der Brieftasche von Otto Friedrich Gruppe.
Ihnen zum Druck geben sollte, so hab ich nichts da¬
gegen einzuwenden, doch wird es schwerlich der Fall
seyn. Damals zwar hat ers ungemein wohl aufgenommen,
hätte es aber eigentlich sehr übel nehmen sollen, wie
ich jetzt sehe, denn es schließt mit den hochverräterischen
Worten:
Der Name der dich ziert
Sei künftig umgewandt;
Fr. W. der viert
Sei erster umgenannt.
Vorm Jahr hab’ ich ihm keines gemacht, u. werde
ihm auch heuer keines machen, wenigstens keins zu¬
senden, u. überhaupt nicht eher wieder etwas Fürstliches
besingen, als bis auf Oestreichs Kaisergebot die beiden
widerspenstigen Könige v. Preußen u. Württemberg
sich den Bruderkuß geben. Das will ich dann zu einem
folgenden Jahrgang Ihres M. Almanachs beisteuern.
Für diesen aber habe ich gar nichts, gar nichts, gar
nichts; aber einen herzlichen Glückwunsch zu Ihrem
mutigen, männlichen Entschluß in solch Tagen ein Weib
zu nehmen, wie eben mein Sohn in Jena auch thut ;
seine Erwählte ist eine Schleswigerin, was meine
sonstigen Sympathien für den schmachvoll verratenen
deutschen Volkstamm noch steigert. Gestern hat man
im hiesigen Wirtshause* für diese verlassenen Brüder
gesammelt und mehr zusammengebracht, als wie ich
höre bis jetzt in Berlin. Meine Einladung wiederhole
ich samt den Grüßen meiner Frau.
Ihr Ergebenster
Rückert.
* Die Einrichtung war sinnreich. Einige Koburger Wirte
lieferten verschiedene Fäßlein Bier unentgeltlich, das dann
an die Liebhaber zu doppeltem und dreifachen oder beliebig
hohem Preisen verzapft wurde.
Es ist bei dem bloßen Versprechen Rückerts
geblieben; er hat zu Gruppes Almanach, der
nach fünfjährigem Bestehen einging, nichts bei¬
gesteuert. Glücklicher scheint Gruppe mit einer
Bitte an Rückert um ein Gedicht zu wohl¬
tätigem Zwecke gewesen zu sein, wie folgender
Brief (ohne Datum) schließen läßt:
Hochgeehrter Herr und Freund!
Ihren freundlichen Gruß erwiedr’ ich auf’s freund¬
lichste und bin sehr gern bereit für das Brandschaden¬
löschwerk mein Tröpflein kastalischen Wassers bei¬
zutragen. Es wird damit nicht so sehr eilen; wirklich hat
mir der hier sehr spröde Frühling bis jetzt fast noch
gar nichts neues gebracht, und Altes seh’ ich nicht
gern an. Wenn es drängen sollte, bitte ich mich durch
einen meiner Söhne mahnen zu lassen. Indem ich
wünsche, daß diese Zeilen Sie wieder vollkommen
genesen und Thiergartenspaziergangfähig antreffen
mögen, mit der Bitte Freund Schubert gelegentlich
zu grüßen Ihr
ergebenster Rückert.
Ebenfalls eine Absage, aber eine derb¬
komische, urwüchsige, wie man es von dem
trefflichen Dichter von „Leuthen“, „I lohen¬
friedberg“, „Ligny“, „Waterloo“ usw., dem Vor¬
arbeiter Fontanes, nicht anders erwartet, ent¬
hält dieses Schreiben:
Mein liebenswürdigster aller Freunde
ich bin in Verzweiflung! ich kann die verfluchten Dinger
nicht finden und nebenbei so beladen mit einer unauf¬
schiebbaren Arbeit, daß ich augenblicklich gar keinen
Kopf habe, etwas andres ihrem Buche Würdiges zu¬
sammen zu stellen. Haben Sie Erbarmen mit
Ihrem
Montag Ch. Frid. Scherenberg,
aber kein blauer.
Auch in dem schönen Briefe von Geibel
ist eine Absage enthalten:
Schon im Spätherbst des vorigen Jahres, werthester
Freund, sagte mir Kugler von Ihrem Vorhaben den
ehemaligen Chamisso-Schwabschen Musen Almanach
zu erneuern, und ich hatte bereits, täglich ein Wort
von Ihnen erwartend, eine kleine Reihe im letzten
Sommer entstandener Gedichte für Sie zurückgelegt.
Da ich jedoch bis zum Ablauf des Jahres nichts Weiteres
von der Sache hörte, glaubte ich das Unternehmen
von Ihnen aufgegeben, und schickte die dafür bestimmten
Verse an das Morgenblatt, wo sie wahrscheinlich be¬
reits vor einigen Wochen abgedruckt worden sind.
Leider habe ich nun in diesem Augenblick nichts
von einiger Bedeutung vorräthig. Kleinere Sachen
liegen zwar noch manche da, aber so sehr diese ge¬
eignet sein mögen als Beigaben mitzugehn, so wenig
möchte ich in einem deutschen Musenalmanach meinen
Namen ausschließlich durch sie repräsentirt sehen.
Es bleibt mir daher nichts andres übrig, als zu erwarten,
ob mich nicht wie gewöhnlich, der nahende f rühling
aus meinen dramatischen Arbeiten herausreißen, und
mir Frische und Stimmung für lyrische Produktion
bringen werde. Wächst dann irgend etwas an meinem
Baum, was ich ohne Scheu vor der Welt aufzuweisen
vermag, so will ich dies mit Freuden zu Ihrem Unter¬
nehmen beisteuern, dem ich von Herzen alles Heil
wünsche.
Ihre Königin Bertha1 besitze ich längst. Ich habe
viel Freude daran gehabt, wenn ich auch an einzelnen
Stellen mit Ihrer Auffassung nicht ganz übereinstimme.
Wie oft habe ich beim Lesen der Zeit denken müssen,
da Sie mir als blutjungem Studenten die ersten Stücke
des Gedichtes mittheilten, und da uns oft der dämmernde
Morgen zum Aufbruch mahnen mußte. Die Theude-
linde2 habe ich noch nicht gelesen, doch soll das
nächstens nachgeholt werden. Ich arbeite gegenwärtig
an einem Drama aus der Albigenserzeit, ein Lustspiel,
das ich schon vor ein Paar Jahren schrieb, und vor
Königin Bertha. Von O. F. Gruppe. Berlin 1848.
Theudelinde, Königin der Lombarden. Von O. F. Gruppe. Berlin 1849.
Hirschberg, Aus der Brieftasche von Otto Friedrich Gruppe.
iS/
Kurzem überarbeitete, soll nächstens in Ham¬
burg zur Aufführung kommen.
Wann ich wieder einmal nach Berlin
komme, wissen die Götter, wahrscheinlich in
einigen Monaten, da ich im Sommer nach
Carlsbad soll.
Mit herzlichem Gruße
der Ihrige Emanuel Geibel.
Lesenswert sind auch drei in der
Sammlung enthaltene Briefe von Gustav
Schwab :
Verehrter Herr Doktor!
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Ihre gütige Zuschrift vom i8ten des vorigen
Monats ist vor wenigen Tagen mit dem Ge¬
schenke, das Ihre große Güte mir bestimmt,
in meine Hände gekommen und ich beeile
mich Ihnen meinen lebhaftesten Dank für die
Freude zu sagen, die Sie mir bereitet haben.
Auch ich fühle mich wohler unter den Dichtern
als unter den Recensenten; bei den letzten
ist mir oft zu Muthe, als sähe ich einen Abon-
nirten in einer Speiseanstalt, dem man zum
hundertsten mal dieselbe, vielleicht vor¬
treffliche Speise vorstellt, die Nase rümpfen,
und das Gericht für absolut unausstehlich
erklären.
Ihre und Kopischs Beiträge habe ich, wie¬
wohl ohne viel Hoffnung, da der Druck des
Almanachs schon in die 2oger Bogen vor¬
geschritten ist, noch nachträglich an Reimer
gesandt.
Kommen sie, wie ich fürchte dort zu spät,
so nimmt das Morgenblatt mit Freuden,
(soviel) es thunlich ist, davon auf.
So gar poetisch dürfen Sie sich unser
Schwabenleben auch nicht denken, es schlie¬
ßen sich im Grunde doch nur wenige, Uhland,
Kerner, Mayer, Pfizer, ichu. a. aneinander an.
Das Beste ist, daß wir uns wenigstens nicht,
einige Wenige ausgenommen durch Feind¬
schaften das Leben sauer machen. Simrock
hat mich auch mit seinem Wieland erfreut.
Eichendorf ist mir einer der liebsten Dichter, bei dem
ich in meiner Jugend schwelge und lese, was ich einst
empfand und nicht aussprechen konnte.
Erlauben Sie mir, schließlich, daß ich Ihnen für
vielfachen Genuß, den mir Ihre Ariadne1 verschafft hat,
danke. Daß mich auch manches verletzt hat, davon
sollte ich schweigen. Ihre Gegner des Buchs haben
diese Seite des Buchs schon genug ausgebeutet.
Mit ausgezeichneter Hochachtung
Stuttgart, den I3ten G. Schwab.
Aug. 1835.
Später bot Gruppe, als er mit der Absicht
umging, den früheren Chamisso-Schwabschen
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Abb. 3.
Musenalmanach zu erneuern, Schwab selbst
die Mitredaktion an. Darauf bezieht sich der
Brief aus
Stuttgart, den 30. Dec. 1849.
Verehrter Herr Professor!
Unsere Briefe haben sich gekreuzt; während die
Lieder von Arthur Schott und Ad. Schultz zu Ihnen
wandern, flog Ihre freundliche Zuschrift vom 19. Dez.
zu mir und ich danke Ihnen herzlich für dieselbe. Aus
meiner Sendung werden Sie ersehen, daß ich mich des
Musenalmanachs bereitwillig und soviel als möglich
thätig annehme; daß Sie aber ohne Weiteres voraus¬
setzen ich alter ausgedienter Literat, der längst der
1 Ariadne. Die tragische Kunst der Griechen in ihrer Entwicklung und in ihrem Zusammenhang mit der Volks¬
poesie. Berlin 1835.
1 88
Hirschberg, Aus der Brieftasche von Otto Friedrich Gruppe.
Abb. 4.
stürmischen See des literarischen Verkehrs abgesagt und
uvida
vestimenta maris Deo
aufgehängt, werde wohlgemuth noch einmal ans Steuer¬
ruder treten — das ist mir schwer aufs Herz gefallen
und daran hat meine Seele während unserer kurzen
Unterredung auch wirklich nicht gedacht und ich
erinnere mich nur, Ihnen, wenn ich ja in den nächsten
Monaten von der Muse überrascht würde, das Produkt
einer so unerwarteten Gunst für den Musenalmanach
zugesagt zu haben.
Bedenken Sie doch, verehrter Mann 1. daß ich
selbst somit schwerlich mit irgend einer ins Gewicht
fallenden Produktion einstehen könnte; 2. daß ich ver¬
gessen und aus der Mode, 3. bei dem genus irritabile
vatum von Alters her unbeliebt 4. mit dem Repertoir
unserer lyrischen Literatur gar nicht mehr auf dem
laufenden; 5. mit dem modernen Geschmack nicht ein¬
verstanden 6. durch zwei alle meine Zeit in Anspruch
nehmende Kollegialämter ganz in Anspruch genommen
bin, 7. jeden anderen Grund, wie das Burschenlied sagt.
Ist es also möglich, so verschonen Sie mich mit
dem Duumvirat! Unter der Hand will ich ja sehr
gerne für das Werk thätig seyn. An ein Redactions¬
honorar haben Chamisso und ich auch nie gedacht;
nur unsere Beiträge sind uns, wie allen Dichtern die
ihren, honorirt und einige Freiexemplare gereicht
worden.
Das Jahr, glaube ich, sollte man nicht weglassen,
wenn auch nicht alle Jahre einer kommt; der nächste
käme einmal für 1851. Da der Almanach doch patriotisch
zeitgefärbt werden wird, so soll auch das Zeitstadium
bezeichnet werden, in welchem er läuft.
Was ich also unter der Hand aus dem Süden be¬
komme, will ich einschicken, aber eine Mitregentschaft
u. Durchsicht des Ganzen und eine Verantwortlichkeit
dafür bei meinem Mangel an Zeit und Ueberfluß an
Alter; lieber Freund, ich weiß zu gut
Hirschberg, Aus der Brieftasche von Otto Friedrich Gruppe.
189
quid valeant humeri, quid ferre recusent !
Erlaßen Sie mir das; es findet sich gewiß ein Jüngerer
und Beßerer!
Mit Riickert stehe ich in keiner Verbindung mehr,
unsere Straßen sind frühzeitig auseinander gegangen
und er hat eine Rancune gegen uns Süddeutsche, die
er nicht verbirgt. Ich könnte nicht an ihn schreiben,
denn die repulsa wäre sicher. (Doch dieß unter uns.)
Gegen mich ist die Erkältung wohl auch durch einige
öffentlich von mir ausgesprochene Urtheile gewachsen.
Von Uhland ist absolut nichts zu erhalten; an Just.
Kerner und Mörike will ich gerne gehen.
Ein edler Dichter scheint mir Herr Fontane in
Berlin zu seyn, nach den Beiträgen im Morgenblatt
und einigen Liedern zu schließen, die er mir kürzlich
gelegentlich mitgetheilt. Ich weiß sonst gar nichts
von ihm. Ist er ein Pseudonymus?1
Soviel von dieser Angelegenheit.
Meinem Freund Pfizer habe ich den Brief sogleich
überschickt und er hat Ihnen wohl schon geantwortet.
Mit Ihrem Briefe kam Ihr gütiges neues Geschenk
gleichzeitig an, doppelt willkommen, weil eine mir den
Mit den herzlichsten Glückwünschen zum neuen
Jahr, für Sie und uns alle, und die deutsche Sache, für
die sich hier bis jetzt eine edle Minderheit (haben Sie
[unleserliche Stelle] gelesen?) vergeblich abmüht. —
Gott erhalte Ihr Ministerium, und es selbst fest. Sonst
sehe ich nichts voraus, als die sociale Revolution.
Ganz der Ihrige
G. Schwab.
Eine Ergänzung dieses Briefes bildet der
dritte :
Stuttgart den 23. März 1850.
Verehrter Herr Professor!
Vor einigen Wochen besuchte mich Herr Arthur
Schott und sagte mir, daß seine Gedichte unerwartet
gedruckt wurden ; er bitte daher die Mehrzahl der mir für
den Musen-Almanach übergebenen ungedrucktzu lassen.
Dafür brachte er mir die beifolgenden, die ich nicht
länger liegen lassen will, sondern Ihrer Auswahl nach
Belieben anmit übergebe.
Je länger ich mich besinne, je klarer wird es mir,
daß ich zu einem Mitredackteur verdorben bin. An
J?
Mund schließende catarrhalische Heiserkeit mich über
diese Feiertage (nachdem ich 6 Wochen lang tägliche,
oft doppelte Kollegialsitzung in unserer Synode, im
Consistorium und im Studienrath gehabt) an Zimmer
und Bett gefeßelt und noch festhält, da hat mich die
Lesung Ihrer Theudelinde recht erquickt. Ich stelle
sie in der künstlerischen Ausführung noch über die
Bertha, denn ihr starker Strom quillt schon im Ur¬
sprung mächtig und gleichmäßig hervor, während die
Königin Bertha gar zu lange, bilderlos und blos referi-
rend gleichsam zu Fuße geht und erst, dann aber
mächtig, in der Mühle und von der Wonne jener
zeugenden Mondnacht an sich erhebt. In der „Theu¬
delinde“ hat mich auch nichts gestört als S. 94 die
Gleichgültigkeit, mit der sie vom gelobten Lande den
Vater erzählen hört u. über den Palmen nur an den
Geliebten denkt, und später einmal (aber wo?) ein
fehlendes Comma, wodurch der Sinn unklar wird. In
der Bertha haben mir einige moderne Wendungen,
die gegen den einfachen Stil des Ganzen abstachen,
mißfallen.
Das Alles nur zum Zeugniße, daß ich gewißenhaft
gelesen habe. Nehmen Sie den innigsten Dank für
beide Geschenke und Genüße.
Wenn Sie meinen Christoph sehen, grüßen Sie ihn.
Kerner (?) habe ich mich gewandt; an Uhland ver¬
gebens: an Möhricke will ich schreiben; aber über alle
Jüngeren vermag ich nichts und was die Hauptsache
ist, ich selbst könnte mich mit keinem erklecklichen (?)
Beitrag ausweisen.
Pfizer wäre eine weit frischere Kraft. Warum
sollte er nicht mit Ihnen an die Spitze treten wollen?
Aus der Allgemeinen Zeitung werden Sie sich über¬
zeugt haben, daß ich eine herzliche Freude an Ihren
Gaben habe. Die Theudelinde las ich kürzlich in einer
Gesellschaft vor, und werde es nächstens wieder thun.
Sie fand warmen und allgemeinen Beifall.
Entschuldigen Sie diese flüchtigen Zeilen, die nur
A. Schotts Sendung begleiten und einführen sollen.
Freundschaftlichst und
der Ihrige
G. Schwab.
Eine Anzahl reizender, familiär gehaltener
Briefe läßt uns einen Blick tun in den trauten
Freundeskreis unseres Dichters. Wir greifen
nur einiges heraus. Obenan steht der bei Alt
und Jung beliebte Dichter, der prächtige Mensch
August Kopisch. Der erste der Briefe gratuliert
1 Es ist interessant, wie der greise Dichter schon in den Erstlingswerken den Genius Fontanes erkennt und lustig,
daß er in dem etwas ungewöhnlichen Namen gleich ein Pseudonym wittert.
Hirschberg, Aus der Brieftasche von Otto Friedrich Gruppe.
190
in launiger und herzlicher Weise zur Verlobung
Gruppes, der nicht mehr ganz jung (46 Jahr)
war, als er diesen bedeutsamen Schritt tat:
Lieber alter Freund Gruppe,
Ohne alle Gefahr konnten Sie „Postvorschuß" auf
meine herzlichen Glückwünsche nehmen, da Sie sicher
waren, daß Sie bezahlt würden.
Zu Ihrer „Veränderung" gebe ich Ihnen um so
mehr meinen freundlichsten Segen, als ich weiß, daß
sie unsrer alten und erprobten Freundschaft nichts ver¬
ändern wird.
Ihre liebenswürdige Braut, der ich mich glück¬
wünschend zu empfehlen bitte, ist Ihnen wie Sie Ihr,
von Jugend auf bekannt, es sind demnach keine Irrun¬
gen und Übereilungen zu fürchten, ebenso sind Ihre
Schwiegeltern für Sie keine fremden Leute und haben
so viel gute Seiten, daß, wenn sie schlimme haben,
letztere zeitlebens von keinem Menschen bemerkt
worden. Großer Hauslärm wird daher von dieser
Richtung her nicht entstehn und Sie ein geruhiges
und gelehrtes Leben zum Nutzen der Wissenschaft und
Seelenzahl fortführen können.
Die Philosophie ist, wie sich an Schelling und
Gabler zeigt, nicht immer auf dürrer Weide und giebt
mitunter wie Oldenburger Race bis 18 Quart Milch
täglich. Nach richtig gehender Universitäts Uhr wird
für Ihre Philosophie auch die gute Stunde schlagen,
um so eher, als Sie die philosophische Astronomie der
Alten in Ordnung gebracht haben. Das sind alles gute
Constellationen, deren ich mich als Freund mit erfreue.
Der Himmel fördere das Weitere.
Was meine Almanachbeiträge betrifft, so werde
ich sie in dieser oder der nächsten Woche persönlich
überreichen und mich sehr freuen, Ihr Bräutigams¬
gesicht zu sehen, von dessen Verklärung mir Meyer
Melchior1 bei meinem neulichen flüchtigen Umtrieb in
Berlin viel erzählt hat.
Ebenso werde ich nicht versäumen Ihrem künftigen
Herrn Schwiegervater und dessen Familie glück¬
wünschend die Hand zu schütteln. Grüßen Sie einst¬
weilen herzlich!
In alter Freundschaft
Sanssouci Ihr treuergebener
d. 9. Aug. 1850 Kopisch.
In geradezu köstlicher Weise hält er bei
der Hochzeitsfeier des Freundes einen
Toast zum 18. Oktober 1850.2
Freund Gruppe, der heut mit Recht stolzirt,
Hat, wie wir wissen, viel studirt:
Autoren erklärt und exponirt
Politisirt und polemisirt,
Romanzen und Epen producirt,
Landschaft gemalt und philosophirt
Und endlich nach manchen Grübelstunden
Sich selber halb unrichtig befunden:
Er sah mit einem male ein
Gruppe kann nicht aus einem allein,
Und muß zum wenigsten aus zwein
Gruppirt und komponiret sein.
Da eilt er, ungleich andern Professern,
Sich selbst totaliter zu bessern
Ließ fallen vom Auge jede Schuppe,
Holt sich ein Bräutchen wie eine Puppe,
Und ist nun endlich wirklich Gruppe!
Stoßt an! die Gruppe soll floriren
Lrnd immer mehr sich drum gruppiren:
Epen und Philosopheme und Kinder,
LTnd Ehren und Füchse im Kasten nicht minder.
Stoßt an! die Gruppe soll floriren,
Und was wir wünschen sich drum gruppiren!
Ein Jahr drauf kann er schon zum Erst¬
geborenen Glück wünschen:
Lieber Freund Gruppe!
Anliegend die versprochnen Gedichte, freilich etwas
spät. Sie werden indeß hoffentlich noch Platz finden.
Das Abschreiben war für einen, der eine lahme Hand
und ohne dies viel zu skribeln hat keine kleine Auf¬
gabe; daher bitte ich um freundliche Nachsicht. In
einigen Tagen komme ich mir Ihren Jungen ansehn:
er soll ein ganz derbes Exemplar für einen Psilosophen-
sprößling sein, die sonst immer „behender“ ausfallen
wie man in der Mark für „mager“ sagt.
Einstweilen tausend Grüße an Ihre liebe Frau und
Verwandte !
Mit alter Freundschaft ergeben
Sanssouci Ihr
d. 15. Sept. 1851. Kopisch.
Gruppe selbst zeigt, was er für den Freund
fühlte, in folgendem (ungedrucktem) Gedicht:
An Kopisch.
Wir haben edler Freund gelebet
Mitsammen wohl ein gutes Stück,
Mitsammen tapfern Muths gestrebet,
Getheilet Leid, getheilet Glück.
Manch stiller Seufzer, der verschlossen
Geblieben wär in fester Brust,
Hat sich in Freundesherz ergossen:
Unsagbares ward uns bewußt.
Ich grüße dich, du lieber, treuer,
Herz meinem Herzen freundlich nah,
Laß glühen deiner Seele Feuer,
Denn unsre Zeit, noch ist sie da.
Zu den Intimen gehörte auch Karl Simrock.
In dem hier mitgeteilten Briefe schüttet er dem
Freund sein Herz aus; der revolutionär gesinnte
1 Gemeint ist natürlich Melchior Meyr. — 2 Ungedruckt.
Hirschberg, Aus der Brieftasche von Otto Friedrich Gruppe.
Referendar, der seinen Abschied nehmen mußte,
verläugnet sich selbst noch nach 25 Jahren
nicht ganz.
Lieber Gruppe!
Einliegend was Arndt gespendet hat, es gehört
nicht zu seinem schwächsten, der Schluß wird wirken
und allen Parteien gefallen. Redwitz will nichts geben,
das ist zu verschmerzen. Fräulein Jakobi gäbe gewiß
gern etwas, aber Du solltest Dich doch selber schriftlich
an sie wenden, sie mag es mir dann schicken, oder
besser unmittelbar Dir: ich hasse die gelehrten Damen
wie die Pest und hüte mich daher auch mit ihr in Be¬
rührung zu kommen. Ich lege noch eine Reihe Ge¬
dichte von Theodor Bornowsky bei, hoffentlich gefällt
Dir doch eins oder das andere. Etliche habe ich mit
einem f bezeichnet, davon sind die ersten eben so
eigenthümlich, ja sogar auffallend, als die meisten un-
bezeichnet gebliebenen unbedeutend und gewöhnlich.
Was mich selber betrifft, so habe ich nichts und was
ich hatte, ist weggegeben an den Nieritzschen Volks¬
kalender, an das Düsseldorfer Album. Es sind aber
nur die Sachen, die Du im vorigen Jahr verschmäht
hast und die Du in diesem Jahr auch nicht zu Gnaden
aufnehmen kannst, weil nun über sie anders verfügt ist.
In diesem Jahre ist nichts entstanden, weil ich mit
meinen Vorlesungen die Hände voll zu thun hatte.
Ich hatte vier Vorlesungen zu halten und nicht leichte,
deutsche Literatur, deutsche Mythologie, mittelhoch¬
deutsche Grammatik usw. Das war keine Kleinigkeit,
zumal für einen, der zum ersten Mal liest, und schon
in den Jahren ist, wo man anfängt bequem zu werden.
Bequem habe ich mirs nun freilich nicht gemacht, aber
ein schwereres Jahr habe ich noch nicht erlebt, als das,
welches nun bald, in einem Monat beginnen hier schon
fast die Ferien, vorüber sein wird. Und wofür habe
ich mir diese furchtbare Anstrengung zugemuthet? Ich
bin Professor ohne Gehalt, und dieses schwere Jahr
ist das erste seit 1827, wo ich nichts geschrieben, also
auch nichts erworben habe. Ich bezahle also die Ehre
Prof, vor meinen Namen zu schreiben mit dem Verlust
einer baaren Einnahme und mit dem Ruin meiner
Verhältnisse, denn mich und die meinigen zu erhalten,
reicht mein kleines Vermögen nicht aus, namentlich
seit dem großen Verlust womit das Jahr 1848 mich als
erste Errungenschaft beschenkte. Daß es mir unter
solchen Umständen nicht ums Dichten war, wirst Du
begreifen. Wenn aber noch etwas entsteht, bevor der
Druck Deines Almanachs beendigt ist, so sollst Du es
haben, darauf kannst Du zählen. So blitzböse auf
mich zu sein, wie mir Kaufmann schreibt, hattest Du
also nicht Ursache.
In alter Liebe
Bonn Dein
den z/7 51. K. Simrock.
Lustig und guter Dinge schreibt Melchior
Meyr, der Verfasser der „Gespräche mit einem
Grobian“ und der „Erzählungen aus dem Ries“:
19t
München 11. Mai 54.
Louisenstraße N 32
Lieber Freund!
Ich weiß nicht, bin ich Ihnen einen Brief schuldig
oder hab’ ich einen einzunehmen — gleich viel! Jetzt
muß ich Ihnen schreiben, obwohl nur wenig, weil ich
allzuviel zu sagen hätte. Von den Erfolgen meines hier
„vaterländisch“ genannten „H. Albrecht“ 1 haben Sie
wohl aus Zeitungen erfahren. In der schlimmsten
Theaterzeit Winters, wo hier alles tanzt, machte es
zweimal ein volles Haus und hätte gestern ein noch
volleres gemacht, wenn der Intendant Dingelstedt mich
(ohne allen Grund!) nicht wieder vom Repertoir gesetzt
hätte, weil er am 14. d. dem Kaiser von Oesterreich
sein eignes Stück „Das Haus Barneveit“ zu kosten
geben will, das ohne diese Absicht erst auf den 21.
kommen sollte. Es hat sein Bedenkliches, wenn Inten¬
danten selber Stücke schreiben und nicht Schiller oder
Goethe sind! Doch das im Vertrauen! Sie sind ein
Freund von Dönniges, und Dönniges ist ein Freund
von Dingelstedt! Ich werde hier doch wohl die Auf¬
führung meiner fernem Stücke durchsetzen. Durch
den König Max, der am Schluß der ersten Vorstellung,
als ich allseitig wieder gerufen wurde, selber beklatschte
und mir seinen mündlichen Beifall über die „milde
und versöhnende Behandlung des verfänglichen Stoffes“
in einer Audienz gezollt — wenn man bei einem König von
Zollen reden darf. Die nächsten Monate bleib’ ich jetzt
noch hier. Ich arbeite an der schließlichen Vervollstän¬
digung meiner Gedichte (immer noch!) dann geh ich an
andre Projekte. Meine geselligen Verhältnisse sind sehr
angenehm: daß ich auf der Bühne „Lorbeern“ errungen,
giebt mir hier glücklicherweise so viel Autorität, wie
ich sie neben alten Freunden, die unterdessen Re¬
gierungs- und Ministerialräthe geworden sind, nicht
wohl entbehren könnte. Das gute Gewissen und Selbst¬
bewußtsein ist eine schöne Sache, aber als Mensch mit
verfehlter Carriere vor Andern herumzulaufen, ist fatal.
Hab’s lange getrieben um das zu wissen und kann
mir nun gratuliren, daß die Münchner meinen Erfolg
so ernsthaft nehmen und mich letzthin ein alter Geheim¬
rath einlud und in gutem Bordeaux — nicht mein poeti¬
sches Talent, aber meine Beharrlichkeit leben ließ, die
endlich zum Ziel geführt habe! (höchstens zum Zielen !)
Warum ich Ihnen schreibe, ist aber nicht gerade
um dergleichen zu erzählen, obwohl ich Ihrer und der
Ihrigen freundschaftlicher Theilnahme sicher bin. Ich
möchte erfahren, wie es mit der Herausgabe der Werke
unsers verewigten Freundes Kopisch steht! Schreiben
Sie uns das, bester Mit- freund! Und wie steht es mit
dem projektirten Denkmal? Lassen Sie michs erfahren,
damit ich sehe, was ich thun kann ! —
Als ich — diese letzten F ragen auf dem H erzen — bei
meinem letzten Besuch Dönniges fragte, ob ich von ihm
nichts an Sie gelegentlich melden sollte, erwiederte er
mir: er habe die Aufforderung, die Sie an ihn gerichtet,
bis jetzt noch nicht erfüllen können, dasselbe werde
aber geschehen. Sollten Sie in Bezug hierauf einen
Wunsch haben, den Sie ihm nicht gerade schreiben
„Herzog Albrecht“. Vaterländische Dichtung. Stuttgart 1862.
Hirschberg, Aus der Brieftasche von Otto Friedrich Gruppe.
I92
wollten, so erbiete ich mich, den mir mitgetheilten an
den Mann zu bringen, denn ich werde dann wieder zu
ihm gehen; auch sind wir Mitschüler bei Liebig.' Bin
letzthin ein großer Gelehrter geworden, was den Saner-
•sA^betrifift und hoffe heute 6 — 8 den Wasserstoff in die
Tasche zu kriegen. Sagen Sie das Dove, so wird er
gewiß lachen. Trauerspiele und Wasserstoff geben
Sauerstoff: exempla sunt odiosa. — ä propos! letzthin
erhielt ich einen Brief mit der Adresse: ,,An M. M.
Wohlgeboren, den gefeierten Dichter des Herzog Al-
brecht in München.“ Natürlich ist nur ein Mensch
unter den Lebendigen dieser Narrheit fähig und das
ist der Naturforscher und Lyriker Karl Schimper in
Schwetzingen. Er beklagte sich über den Zustand, in
welchem ich ihm seine Gedichte zurückgeschickt, worin
eben die in den Musen-Almanach aufgenommnen Stücke
fehlten. Kann ihm nicht helfen, und Sie wohl auch
nicht mehr!
Nun leben Sie wohl, lieber Collega, in verschie¬
denen Dingen! Grüßen Sie die verehrten Ihrigen und
alte Freunde, die sich meiner noch erinnern! Schreiben
Sie auch über Ihre häuslichen, ehemännlichen und
papalichen Glückseligkeiten. Sie kennen ja mein theil-
nehmendes, gemüthlich neidisches Herz.
Ihr alter getreuer
Melchior Meyr,
der Bayer
(in München nämlich).
Ein Brief des Grafen Schack betrifft Gruppes
Bearbeitung des Schillerschen Demetrius, welche
dadurch vor allen ähnlichen bemerkenswert ist,
daß sie sich nicht streng an die Schillerschen
Skizzen hält, in der richtigen Annahme, daß
es sich dabei nur um einen vorläufigen Ent¬
wurf des Dichters handelt, der bei der Aus¬
führungmannigfache Änderungen erfahren hätte:
Verehrter Freund!
Zu meiner großen Freude kann ich Ihnen mit¬
theilen, daß Ihr Demetrius von der hiesigen Intendanz
angenommen worden ist. Da ich, seit einem halben
Jahre beständig krank, außerdem noch durch eine Be¬
schädigung am Fuße an das Zimmer gebannt bin, so
bat ich Geibel, die nöthigen Schritte zu thun, um dem
Stücke zur Aufführung zu verhelfen. Dieser hat die
Sache denn auch mit allem Eifer betrieben und den
König selbst dafür zu interessiren gewußt. Nachdem
nun das Stück auf ausdrücklichen königlichen Befehl
von der Intendanz angenommen worden ist, hat zwar
der Regisseur Dahn geäußert, es hätten sich bei der
Rollenbesetzung Schwierigkeiten ergeben, indem die
Zahl der auftretenden Personen so erstaunlich groß
sei, daß das hiesige Personal nicht dazu ausreiche; in¬
dessen wird dieser Umstand hoffentlich durch Streichen
einiger Nebenrollen gehoben werden, und so denke
ich, daß wir die Darstellung des Stückes auf der
hiesigen Bühne bald erleben werden.
Sie sehen hieraus, daß eine weitere Überreichung
Ihres Demetrius an den König zwecklos sein würde,
da derselbe gut genug empfohlen ist. Übrigens hat
der König mich im vorigen Jahre, als ich die literari¬
schen Werke eines andern Freundes überreichen
wollte, ein für alle Male wißen lassen, daß eine solche
Überreichung stets streng auf dem einmal vorgeschrie¬
benen Wege durch den Autor selbst geschehen müßte.
Ich bin demnach, so gern ich auch möchte, völlig außer
Stande, in dieser Sache etwas zu thun; wenn Sie andere
ihrer Werke, etwa den Minos,1 dem König zu über¬
senden wünschen, so ist es nöthig, daß Sie vorher durch
den Hofrath von Pfistermeister,* Geheim-Secretair Sr.
Majestät, die Erlaubniss dazu einholen.
Meine seit Jahren leidende Gesundheit hat mich
leider in meinen literarischen Arbeiten sehr gestört,
jedoch habe ich einige größere poetische Sachen ge¬
schrieben, deren Publikation ich indeßen noch ver¬
schiebe. Augenblicklich bin ich mit einem ,, Romanzero
der Spanier und Portugiesen“ beschäftigt, den ich in
Gemeinschaft mit Geibel herauszugeben denke.
Wollten Sie mir unter Kreuzband noch ein Exem¬
plar des Demetrius schicken, so würde ich Ihnen dafür
dankbar sein. Geibel läßt Sie grüßen.
Mit dem Wunsche eines recht glänzenden Erfolges
des Demetrius
München Ihr treuer
7. Febr. 1860. A. F. v. Schack.
Von allen, die ihn näher kannten, wurde
Gruppes reiches Wissen in Anspruch genommen,
ebenso seine schöne Bibliothek, welche un¬
verändert die Zimmer der überlebenden Gattin
schmückte. So von Fontane für seine „Wande¬
rungen durch die Mark Brandenburg“:
Hochzuverehrender Herr Professor!
Neue Wanderungen habe ich nach Uetz, Döbnitz,
vor allem nach Fahrland, dem Geburtsdorfe Schmidts
von Werneuchen geführt und ich bin in der Lage mich
wieder mit meinem alten Liebling, an einigen Stellen
auch mit seinen Versen beschäftigen zu müssen. He-
sekiel sagt mir, Sie hochzuverehrender Herr Professor,
wären glücklicher Besitzer der opera omnia unsres märki¬
schen Poeten und so frage ich denn ganz ergebenst
bei Ihnen an, ob Sie mir wohl auf einige Wochen das
anvertrauen möchten, was Sie von ihm besitzen. Ich
würde es Ihnen persönlich mit meinem besten Dank
zurückstellen. Diese Zeilen könnten bis dahin vielleicht
als Schuldverschreibung gelten.
Mich Ihnen und Ihrem Hause angelegenlichst
empfehlend, hochzuverehrender Herr Professor Ihr
ganz ergebenster
Berlin Th. Fontane.
18. August 1869
Königgrätzerstr. 25.
Minos. Über die Interpolationen in den römischen Dichtem. Leipzig 1859.
Genugsam bekannt als erster Bote König Ludwig II. an Richard Wagner.
Hirschberg, Aus der Brieftasche von Otto Friedrich Gruppe.
Den Schluß mögen zwei herzliche, humo¬
ristische Briefe der Dichter Adolf Böttger und
Georg Hesekiel bilden, die in einem, wenn auch
losen, Zusammenhänge mit dem Zustande¬
kommen gegenwärtiger Autographen -Samm¬
lung stehen:
Leipzig, den 16. März 61.
Hochgeehrter Herr und Freund!
Sie hatten vor Jahresfrist die Güte, mir meine Bitte
zuzusagen, die Ihnen entbehrliche Autographen betraf.
Ich nehme an, daß Sie es freundlich und lächelnd ver¬
zeihen, daß ich nochmals mit einem Wunsche anklopfe.
Uhland und Chamisso wären mir die liebsten Andenken.
Legen Sie noch etwas bei wie Paul Heise oder Scheren¬
berg, so nehm’ ich des durchaus nicht übel.
Kann ich Ihnen mit andern Autographen dienen,
bin ich gern bereit, ich bitte nur mir die Namen an¬
zugeben, vielleicht findet sich doch der Eine oder der
Andere, den ich Ihnen einhändigen kann. Freilich
weiß ich nicht, ob Sie ein Sammler von dergl. Reli¬
quien sind.
Neulich hab’ ich zufällig „Minckwitz’ deutschen
Parnaß“ in der Hand gehabt. Der hats uns Beiden —
und nebenbei auch noch den meisten Andren — ge¬
sagt! Ein Prachtkerl! werth, daß er bei Lebzeiten aus¬
gehauen wird ! -
Mit dem Wunsche bald von Ihnen zu hören und
mein Gesuch in Etwas gewährt zu sehen empfehle ich
mich Ihnen und den lieben Ihrigen.
Mit herzlichem Gruße Ihr
ergebener
Adolf Böttger.
Gerberstr. 31.
Theuerster Professor, Ihre Gedichte sind in
den letzten Tagen meine einzige Freude gewesen, denn
acht Tage lang hat mich ein grimmiger Podagraanfall
an’s Zimmer gefesselt und ich habe gelitten, wie ein
Verdammter; heute hat mich Ihr Brief erfreut, ich
bin zum ersten Mal ausgegangen d. h. am rebellischen
Fuß einen Pantoffel, auf mein Büreau gewankt. Der
Flazutist (Flötenspieler) mit dem unaussprechlichen
Namen hat in der heut erschienenen Nummer der
-JZeitung, nach Wunsch einen ehrenvollen Platz gefunden.
Spielen mag ich ihn nicht hören, ich habe den großen
Friedlich nicht gehört, also kann ich die andren auch
193
missen, aber zu Ihnen komm ich, sobald ichnur erst wieder
einen Stiefel über mein Piedestal bringen kann. Ich
bin stolz, daß meine kleine Leontine einen milden
Richter an der Frau Prof, gefunden, aber wer kann
Ihnen vorgespiegelt haben, daß ich meine Stoffe aus
Voltaire mause? Dieser ist in sofern gewiß mein Eigen¬
thum als ich ihn ganz u. gar erfunden habe. Auf den
Verbannten jener „conte sans rime et sans raison“, nicht
auf mein unschuldiges Haupt komme der Staub jener 70
Bände, die Sie, werther Freund, meinetwegen durch-
durchblättert. Für die Frau Prof, lege ich (Sie sehen
ich bin eine dankbare Seele wenn man meine Ge¬
dichte lobt) einige Handschriften bei, die ihr vielleicht
noch fehlen
1) Luise Gräfin Stolberg Stolberg (Dichterin der
Königslieder)
2) Anton Niendorf (ziemlich unbedeutender Lyriker)
u. Hegler Müller
3) Bormann (bedeutendster Schulrath unter allen
Dichtern und bester Dichter unter allen Provinzial-
schulräthen)
4) Gustav v. Berneke (was unter dem Namen
Bernd v. Guseck in Novellen macht und nebenbei
Rittmeister).
Entschuldigen Sie die Handschrift, denn ich muß
in wagerechter Stellung schreiben, da mein Fuß noch
immer zum „Hangen u. Bangen in schwebender Pein“
verurtheilt ist.
Meine besten Empfehlungen der Frau Professorin,
ich bin wie immer, liebster Professor ihr dankbar er¬
gebener Diener
Berlin 6. März 1854 Georg Hesekiel.
Und ganz zum Ende ein paar kostbare
Blättchen von Eichendorff und Uhland. Das
EichendorfFsche Gedicht ist bereits veröffent¬
licht (Sämtl. Werke 1864, Band I, p. 527),
doch wird man seine Faksimilierung nicht
verübeln. (Abb. 4.)
Ob die zwei Zeilen, die Ludwig Uhland auf
den Wunsch der Professorin nach einem treff¬
lichen Mittagessen niedergeschrieben, von ihm
selbst gedichtet sind, wage ich nicht zu ent¬
scheiden; möge diese Reproduktion in An¬
betracht der Seltenheit Uhlandscher Auto¬
graphen entschuldigt werden. (Abb. 5.)
Z. f. B. 1909/1910.
25
Adam Weishaupt.
Von
Dr. Hans Schulz in Leipzig.
Mit einer Abbildung.
ls Mozart seine ,, Zauber flöte“ kom¬
ponierte, in der ein geheimnisvoller
Kreis von „Eingeweihten“ unter einem
edlen Führer die Geschicke Suchender und
Strebender lenkt, da war die deutsche Welt
voll von ähnlichen Geheimnissen, so daß jede
Anspielung auf verständnisvolle Hörer traf.
Große und kleine Betrüger hatten sich das zu
nutze gemacht, die verschiedenartigsten Cha¬
raktere, ein Cagliostro und ein Lavater, trafen
sich in der Pflege eines derartigen Mystizismus.
Der Freimaurer- Orden war in wenigen Jahr¬
zehnten zu großer Blüte und Ausdehnung ge¬
diehen — aber schon war ein Orden, der un¬
geheures Aufsehen erregt hatte, vernichtet, und
sein Stifter aus dem Vaterlande vertrieben.
Eine merkwürdige Furcht hatte sich der im
katholischen Bayern regierenden Mächte vor
dem Illuminaten- Orden bemächtigt. Man fürch¬
tete für den Bestand der Staaten, der Souveräne,
der Kirche. Und doch war Adam Weishaupt,
der Gründer dieses Ordens, ein Jesuitenzögling.
Im Jahre 1748 war er in der Hochburg der
Jesuiten, in Ingolstadt geboren, begabt und
eifrig wurde er noch in jungen Jahren als erster
Nichtjesuit nach der Auflösung des Jesuiten¬
ordens Professor des Kirchenrechts an dieser
Universität. Die Aufklärung, die in Bayern
unter Maximilian Joseph Eingang fand, sah bald
in ihm einen gelehrigen Jünger.
Ein amtlicher Auftrag, über Philosophie zu
lesen, nötigte ihn, Bücher zu studieren und in
sich zu verarbeiten, die seinen theologischen
Kollegen ein Greuel waren. Durch sie wurde
er angeregt, in einer Gemeinschaft Gleichge¬
sinnter nach Vervollkommnung zu streben, und
gründete mit jungen Leuten den Orden der
Perfektibilisten, der bald zu dem der Illuminaten,
der Erleuchteten, wurde. Die Anfänge waren
kümmerlich und der Orden hätte nie eine
nennenswerte Bedeutung erlangt, wenn er nicht
durch Adolph v. Knigge in enge Verbindung
mit den Freimaurern getreten wäre und sich
diesen Orden zu nutze gemacht hätte. Fast
jeder Mann von irgendwelcher geistigen Be¬
deutung in Deutschland ist damals einmal Illu-
minat gewesen, F'ürsten wie Minister, Dichter,
Gelehrte und sogar Kleriker. Ernst II. von
Gotha, Karl von Hessen, Karl August von
Sachsen- Weimar , Goethe, Herder, Friedrich
Nicolai — um nur einige zu nennen. Aber sie
traten wieder aus, „nicht, weil es etwas Böses
war“, wie Nicolai schreibt, „sondern weil sie
mit Grillen nicht die Zeit verderben wollten“.*
Es war ein schulmeisterlicher Betrieb in den
Anfangsgraden, fast das wichtigste waren Emp¬
fehlungen von Büchern, die in protestantischen
Ländern längst allgemein verbreitet waren.
Kleine Menschlichkeiten, Herrschsucht, Eigen¬
sinn und Stolz mögen sich breit gemacht haben.
Das ganze, auch nach der Erweiterung durch
Knigge, nennt Kluckhohn phantastisch zuge¬
stutzte Fortbildungsschulen, worin zu fleißigem
Studium angehalten, an unbedingten Gehorsam
gewöhnt und nebenbei spioniert wurde.
So harmlos dies — bis auf den letzten Zug
— erscheinen mag, unter der Regierung Karl
Theodors, der unter der Herrschaft von Weibern
und Pfaffen stand, begann ein Kreuzzug gegen
den Orden, weil er staatsgefährlich und kirchen¬
feindlich war. Haussuchungen wurden gehalten,
Papiere beschlagnahmt, Beamte abgesetzt, Ge¬
fängnisstrafen zuerkannt, ja man spricht von
heimlichen Hinrichtungen. Weishaupt floh zu¬
erst nach Regensburg, dann nach Gotha, dessen
Herzog Ernst II. ihn einst durch den Hofrats-
Titel an sich geknüpft hatte. Die bayrische
Regierung gab die beschlagnahmten Briefe und
1 Vgl. August Kluckhohn, Vorträge und Aufsätze. München u. Leipzig 1894 S. 344 ff. — Daniel Jacoby in der Allg.
Deutsch. Biographie Bd. 41, 1896, S. 539 ff. und im Euphorion 10, 1903, S. 9 1 ff . — J. Bach, Adam Weishaupt als
Gegner des Königsberger Philosophen Immanuel Kant. Historisch-politische Blätter für das katholische Deutschland
Bd. 127, 1901, S. 94 ff. — Georg Schuster, Die geheimen Gesellschaften, Verbindungen und Orden. Band 2. Leipzig,
1906, S. 144 ff. — Leopold Engel, Geschichte des Illuminaten- Ordens. Berlin 1906.
Schulz, Adam Weishaupt.
*95
Ordenspapiere durch den Druck bekannt,
Weishaupt verteidigte sich, andere ergriffen das
Wort, es ergossen sich Fluten von Drucker¬
schwärze, der Orden bekam plötzlich eine Be¬
deutung, die er bei Lebzeiten nie besessen
hatte. Als die französische Revolution ausbrach,
sollte er nach der Meinung ängstlicher Gemüter
auch an diesem Unheil schuld sein und es
wurden ihm neue Schreckenslorbeeren gewun¬
den. Der Urheber all dieser Unruhe lebte ruhig
mit Frau und sieben Kindern in Gotha, unter
dem Schutze des Herzogs, ein besonderer
Günstling der Herzogin und des geistvollen,
sarkastischen und kränklichen Prinzen August.
Die Schriften, die nach der Vernichtung des
Ordens über ihn erschienen, brachten ihm einen
neuen Jünger und Gönner, der dann zwei
Jahrzehnte hindurch seine sicherste Stütze ge¬
wesen ist. Am 22. September 1787 schrieb in
der Christiansburg zu Kopenhagen der gerade
zweiundzwanzigjährige Erbprinz Friedrich Chri¬
stian von Sohle sivig- Holstein aus der Linie
Sonderburg- Augustenburg an seine Schwester
Luise: „Es ist seit kurzem eine Apologie des
Illuminaten-Ordens von dem Stifter desselben,
Weishaupt, herausgekommen, ein vortreffliches
Buch, welches ich dir sehr empfehle. Die Idee,
durch die Lüsternheit des Menschen nach Ge¬
heimnissen ihn auf die hier angenommene Weise
zur Weisheit und edlen Tätigkeit zu führen, ist
groß. Hat Weishaupt wirklich nur die edle
Absicht, und keine Nebenabsicht gehabt, so ist
er ein edler großer Mann; ein scharfsichtiger,
vielumfassender Kopf bleibt er immer. Ich
glaube, dies Buch wird dir vielen Stoff zum
Denken geben. Es verrät viele Menschen¬
kenntnis. In der Folge der Zeit, wenn diese
Gesellschaft sich nur etwas ausgebreitet hätte,
wäre sie wahrscheinlich von üblen Folgen ge¬
wesen, so wie das mehrste Gute in dieser sub¬
lunarischen Welt seine böse Folgen hat.
Herrschsucht und Eigennutz, die durch geheime
Gesellschaften so sehr leicht befriedigt werden
können, hätten sich auch vielleicht dieser be¬
mächtigt. Immer müssen wir glauben, daß die
Menschheit zu diesem großen Plan noch nicht
reif genug gewesen ist, da es der Vorsehung
gefallen hat, ihn zu vereiteln.“
Durch viele Monate sind seine Briefe voll
der Begeisterung über den Orden, dessen Zweck
er einmal so bestimmt: „Große edle über alles
Schicksal erhabene und äußerst tätige Menschen
zu bilden, Menschen, deren Größe aus erhabenen
Grundsätzen entspringt.“ Aber erst einige Jahre
später soll er auf einer Reise durch Deutsch¬
land eine flüchtige Begegnung mit ihm gehabt
haben.1 Im März des folgenden Jahres 1791
hat er ihn, ob auf seine Bitte hin ist ungewiß,
zum ersten Male mit 100 Louisdors unterstützt.2
Das war der Anfang einer Hilfeleistung, die
bis zum Jahre 1813 nachzuweisen ist, 1814
ist der Herzog gestorben. Niemand am däni¬
schen Hofe, wo die Illuminaten-Furcht gleich¬
falls herrschte, durfte etwas von dieser Ver¬
bindung ahnen. Weishaupts Briefe gingen zu¬
erst an den Kaufmann Hans Mommsen in
Augustenburg, ein innerer Umschlag trug die
Adresse des dortigen Hofpredigers Christian
Jessen , und erst dieser übermittelte die Schrei¬
ben dem Herzoge. Manchmal schrieb Weis¬
haupt auch durch den sogenannten „vornehmen
Freund“, den Prinzen August von Sachsen-Gotha,
den auch Friedrich Christian gelegentlich neben
dem Philosophen Karl Leonhard Reinhold in
Jena als Vermittler gebrauchte, andere Mittel¬
glieder waren die Joseph Feldmaierische Hand¬
lung in Gotha und der Buchhändler Friedrich
Perthes in Hamburg, auch der Schauspiel¬
direktor und Freimaurer Friedrich Ludwig
Schröder.
- Weishaupts Briefe an Friedrich Christian, die
vom August 1793 an fast vollständig erhalten
sind, geben einigen Aufschluß über seine Schick¬
sale und seine Schriftstellerei während dieser
Zeit. Wie es leicht kommen mußte in Schrei¬
ben an den fürstlichen Gönner, dessen Unter¬
stützung er brauchte, ist ihr Ton ein wenig
wehleidig, besonders gegen Ende des Jahres in
den Neujahrsbriefen, die, wenn auch nicht im
Wortlaut, so doch durch ihr Erscheinen eine
Bitte um Fortsetzung der Zahlung bedeuteten.
Ein gewisses Kokettieren damit, daß er in seiner
jammervollen Lage nicht mehr lange leben,
nicht lange zur Last fallen werde, wird dadurch
beleuchtet, daß er erst im 83. Lebensjahre 1830
gestorben ist.
Als es schien, als ob von Wien her gegen
ihn vorgegangen werden sollte, schrieb er am
1 Vgl. Monatshefte der Comenius- Gesellschaft Band 16, 1907, S. 85.
2 Die wichtigsten Briefe Friedrich Christians an Weishaupt werden in meiner Biographie dieses Herzogs abgedruckt.
196
Schulz, Adam Weishaupt.
10. September 1793P „Es kann mir nichts ärgers
widerfahren, als was ich schon seit vielen Jahren
erfahren und erdulden muß. Und wenns auch
der Tod selbst wäre, so macht doch dieser
aller Verachtung und Verleumdung, einem ganz
prekairen Leben, so vielen bittern Sorgen für
den Unterhalt einer zahlreichen Familie, und
den traurigen Aussichten auf ein noch elenderes
hülfloses Alter, mit einem Mal ein Ende. Eine
ewige Gefangenschaft, in welcher mir ein Großer
dieser Erde samt meiner Familie den nötigen
Unterhalt geben, und um allem Mißtrauen vor¬
zubeugen, für die Zukunft festhalten wollte,
würde ich als eine größere Wohltat betrachten,
als die unruhige sorgenvolle Freiheit, deren ich
nur zu meiner Quaal genieße. Ich bin in der
Welt für künftig und allezeit eine Nulle. Ich
kann ihr auch durch nichts weiter nützen als
durch mein Beyspiel. Ich bin einmal wider
Willen auf die Bühne dieser Welt hervorge¬
zogen worden. Da stehe ich nun dem Urteil
und der Beobachtung ausgesetzt, und mir liegt
es ob, die mir zugeteilte Rolle mit Würde und
Anstand zu vollenden. Es geschehe daher,
was da wolle, ich bin zu allem gefaßt und be¬
reit. Vielleicht ist das ärgste, was mir wider¬
fahren wird, das beste für die Sache, um derent¬
willen ich leide.“ Es sollte nicht dahin kommen,
die Gewitter grollten nur in der Ferne. Und
für die Selbstbeschränkung, nur noch durch
sein Beispiel auf die Welt zu wirken, war Weis¬
haupt noch zu jung und zu tatkräftig. Seine
Feder ruhte nicht. Am 12. Oktober 1793 schrieb
er seinem Gönner: „Dieser Tage ist endlich
einmal mein Buch über die Selbstkenntnis an
E. D. abgegangen.1 2 Das Buch ist zwar klein,
aber ich denke sein Inhalt soll um so wichtiger
sein. Es soll E. D. beweisen, welch ein zu¬
sammengesetztes schwer erkennbares sich selbst
unbekanntes Wesen der Mensch ist; wie schwer
es hält, den Menschen wahrhaft zu kennen,
wie nötig es ist, daß hierin mehr geschehe,
wie wankend und unzuverlässig aller Verkehr
mit Menschen ist, auf welchen seichten Gründen
unsere Moralität beruht, wie natürlich es daher
ist, daß alles was bisher für und um der
Menschen willen geschehen ist, verfällt und auf
keine Art gelingen will. Es soll beweisen, daß
auch künftighin alles ebensowenig gelingen
werde, wenn nicht der Grund tiefer gelegt und
zweckmäßiger gearbeitet wird.“ „Wo immer
ein Verband von Menschen ist, da muß ein
gemeinschaftliches Geschäft sein, ein Geschäft,
dessen sich kein Mensch zu schämen hat,
welches sogar Pflicht für jeden Menschen und
der Grund von allem ist, wenn er anders mit
Erfolg arbeiten und auf andere wirken will.“
„Es muß die Lücken ausfüllen, welche der
Staat und die Kirche in der Bildung des Men¬
schen übrig lassen, und sie ausfüllen können.
Es muß daher diesen beiden in die Hand ar¬
beiten und sich eben dadurch um beide ver¬
dient machen. Es muß den Erfolg, welchen
andere sogleich wollen, unmerklich und durch
eine Reihe von Generationen herbeiführen. Es
muß machen, daß der Mensch sich selbst sage,
was andere ihm vergeblich sagen würden. Es
muß ihn überdies durch eignes Beobachten und
Nachdenken auf Resultate führen, welche nie
so gut als auf diesem Weg verstanden, und von
jedem vorzüglich geschätzt werden, weil er
sozusagen Schöpfer eines Systems ist.“ Ein
solches „Geschäft“ scheint ihm die Selbstkennt¬
nis zu sein, sie soll daher der ausschließliche
und einzig wahre Gegenstand einer solchen
Verbindung sein. Er schlägt dem Prinzen
Übungen vor, die ihn fördern sollen. Dieser
allerdings ist über den Brief etwas erstaunt ge¬
wesen. Am 23. Oktober 1793 schreibt er seinem
Freunde, dem Dichter Jens Baggesen: „Vor¬
gestern erhielt ich von Pythagoras einen sehr
sonderbaren Brief. Er spricht in demselben
von der Selbstkenntnis in dem Ton eines Auf¬
schneiders, empfiehlt das Studium derselben aus
den bekannten Gründen und verspricht nach
einer Übung von 2 bis drey Jahren Resultate,
die mich in Erstaunen setzen werden. Wenn
ich nicht diesem Briefe einen versteckten Sinn
unterlegen darf, so muß ich bedauern, daß ich
mit dem Manne nach einer Correspondenz von
beynahe 3 Jahren noch nicht so weit gekommen
bin, daß er mich über die Schülerjahre hinaus¬
glaubt. Elisa [von der Recke, die als Gast bei
ihm weilte], meine Frau und meine Schwester,
denen ich diesen Brief seiner Sonderbarkeit
wegen vorgelesen habe, haben ihn teils mit
1 Abschrift von der Hand Friedrich Christians in Kopenhagen, Königliche Bibliothek, Baggesens Briefwechsel Nr. 33.
2 Über die Selbstkenntnis, ihre Hindernisse und Vortheile. Regensburg 1794.
Adam Weishaupt
Z. f. B. 1909/1910. Heft 5/6. Tafel 1.
Zu Schulz: Adam Weishaupt.
Schulz, Adam Weishaupt.
197
Lächeln theils mit lautem Lachen angehört.“
Auf die Übungen ging er anfangs ein, sie ge¬
diehen aber nicht weit
Dem Buche über Selbstkenntnis folgte bald
ein weiteres. Am 23. Februar 1794 schreibt
Weishaupt: „Künftige Ostern erscheint von
meinem Buch über Wahrheit und sittliche Voll¬
kommenheit der zweyte Teil.1 Die beyde erste
Abhandlungen enthalten vieles was zu unserm
Zweck gehört. Der dritte Theil wird aber ganz
dafür gemacht seyn. Nur kann ich ihn so bald
nicht in die Welt schicken, weil ich mich erst
wieder in etwas erhohlen, und noch mehr dar¬
über denken und sammeln muß. Habe ich
dieses Buch vollendet, so will ich gern von der
Bühne abtretten und meine Rolle andern Schau¬
spielern überlassen. Ich bin mir sodann be¬
wußt, daß ich mein Tagewerk vollendet habe.“
Am 1. Mai 1794 überreichte er diesen 2. Teil:
„Euer Durchlaucht erhalten hier abermals eine
neue Frucht meiner Arbeiten, ein neues Kind
meines Geistes, dessen Urheber Sie Selbst sind,
weil ich ohne Sie, ohne ihre grosmüthige Unter¬
stützung nur mit Nahrungssorgen würde ge¬
kämpft, und folglich die zu einer solchen Arbeit
nöthige Heiterkeit des Geistes nie würde ge¬
habt haben. Ich wünsche daher, daß dieses
Werk von Euer Durchlaucht sowohl als dem
Publikum so gut aufgenohmen werde, als ich
es meine. Aber so viel letzteres betrifft, so
hoffe ich wenig. Wenige werden es lesen, und
noch weniger Menschen werden es durchdenken.
Die Weltleute werden darüber lachen, und die
kantische Schule wird einen bemitleidenden mit
Hohnlächeln verbundenen Blick darauff werffen.
Dies ist nun freilich für einen Schriftsteller,
welcher so zu sagen vom Bücherschreiben leben
mus nicht sonderlich ermunternd. Ich fühle es
auch nur zu stark, wie sehr sich mit jedem
Tag alle Lust zum Schreiben bey mir vermindert.
Meine gegenwärtige Geistesstimmung ist daher
nicht die beste. Dazu tragen die heutige Welt¬
vorfälle auch das Ihrige bey. Mein Glauben
an ein Besser werden steht zwar in der Theorie
noch unerschütterlich fest. Aber das, was unter
meinen Augen geschieht, reißt zuweilen meine
Vernunft mit sich fort, und ich fühle es, daß
ich ein Mensch bin, welcher unter Menschen
lebt. Auch Sie Gnädigster Erb-Prinz! haben
gelitten: auch Sie haben die Gewalt des Schick¬
sals erfahren müssen. So wie sich die Sage
bis zu uns verbreitet, hat die Bosheit der Men¬
schen den grösten Antheil daran gehabt.2 3 Sie
können Sich vorstellen, was ich dabey gedacht,
und wenn ich die Wahrheit gestehen soll, was
ich dabey gelitten habe! Quo ruimus? Was
wird aus uns werden? Wenns so fort geht, so
sind unsere schönen Tage, und die Tage der
Ruhe auf lange Zeit vorbey. Wir schweben
zwischen zwey Übeln, deren das eine ärger als
das andere ist — zwischen Anarchie und Des¬
potismus. Der Plimmel wolle, daß ich unrecht
habe, aber mir scheint es, Europa nähert sich
seinem Verfall.“ Der Brand des Schlosses hatte
Friedrich Christian schwer betroffen, bekannt¬
lich sind außer den Illuminaten-Büchern und
den Briefen über das „Geschäft“ auch Schillers
Briefe an ihn damals ein Raub der Flammen
geworden. Er antwortete nicht, so daß Weis¬
haupt in einem neuen Briefe vom 28. Oktober
1794 fürchtete, seine Gnade verloren zu haben.
Er berichtet darin von Schmähungen des be¬
rüchtigten Aloys Hoffmann gegen ihn und
schreibt: „Meine wenigen Freunde werden da¬
durch scheu gemacht: Sie verkehren sich nach
und nach, und ich bin mir selbst beynahe ganz
überlassen. Da noch überdies meine Art zu
Philosophieren nicht mehr von der Mode ist
so finden meine Schrifften wenig Abgang, und
folglich keinen Verleger.“
Das Letzte war eine Übertreibung. Am
io.November 1795 konnte er schreiben : „mitkünf¬
tiger Ostermesse wird, wie ich hoffe, mein Bucli
über die Finalursachen erscheinend Ich stehe
in der Meinung, daß dieses das wichtigste
meiner Bücher sey, und ich wünschte es zu
diesem Ende einem Manne zuzueignen, gegen
welchen ich vor allen andern Menschen die
größte Verbindlichkeit habe, durch dessen
Hülffe und Unterstützung dieses Werk geschrie¬
ben werden konnte. Wer dieser Mann sey, läßt
sich leicht errathen. Dies alles ist zwar Pflicht
1 Der 1. Teil war 1 793 herausgekommen. Teil 2 trägt auch den Titel: Über die Lehre von den Gründen und
Ursachen aller Dinge.
2 Dies bezieht sich auf den Brand der Christiansburg. Vgl. aber Friedrich Christians Brief darüber an Schiller
bei Hans Schulz, Schiller und der Herzog von Augustenburg. Jena bei Eugen Diederichs, 19°S> S. 139-
3 Über die Zwecke, oder Finalursachen. 3. Band von „Über Wahrheit und sittliche Vollkommenheit“.
198
Schulz, Adam Weishaupt.
von einer Seite, aber es scheint auch Pflicht zu
seyn, daß man seine Wohlthäter nicht unnöthiger-
weise compromittire und in Verlegenheit seze,
wie dies hier sehr leicht der Fall seyn kann.
Zu diesem Ende geht meine Anfrage, von
meinem besten Willen, und von meinen eifrig¬
sten Wünschen begleitet, voraus . . . Der Gegen¬
stand, welcher darin behandelt wird, ist der
Schlüssel zu aller Practischen Philosophie, zur
Moral und Politic, und was eigentlich alle Philo¬
sophie seyn sollte, zur Weisheit des Lebens.
Ich vermuthe, daß E. D. indessen sich mit
dem kantischen System bekannt gemacht
haben.1 Selbst in diesem Falle kann es doch
noch ihre Aufmerksamkeit verdienen. Denn es
ist doch billig und vernünftig, daß auch der
Gegentheil gehört werde, und die Vergleichung
mit einem andern Systeme kann der Wahrheit
nie schaden; sie wird dadurch gewinnen und
bestärkt werden. Überhaupt hätte sich hier
etwas großes leisten lassen, aber unglücklicher
weise war dies ganze Jahr mein Kopf durch
die Gicht bis zur Blödsinnigkeit mitgenohmen.
Ich konnte selten mehr als ein Blatt schreiben,
ohne daß ich genöthigt gewesen wäre, der
Schwäche meines Kopfs durch Waschen mit
frischem Wasser zu Hiilffe zu kommen. Dies
dauert noch fort, und ich werde leider gewahr,
daß es mit mir zum Ende geht; oder was ist
ein Leben, in welchem man blos vegetirt.“
Auch über die allgemeine Lage äußert er
sich: „Ich bestehe darauf: Europa ist in seinem
Verfall, und der Despotismus, den man stürzen
wollte, wird darin befestigt und allgemein werden.
Wir sind noch nicht reif für eine freiere und
unabhängigere Verfassung. Wir haben Vernunft
genug, um die Mängel der gegenwärtigen
Formen einzusehen, um einzureißen. Aber wir
haben noch zu viel Leidenschaft, um uns dar¬
über zu vereinigen, wie das neue Gebäude be¬
schaffen seyn soll. Nicht die beste sondern
die Ranckvollste schwingen sich an die Stelle
der ehemaligen Gewalthaber. Dies beweist die
Geschichte des Tages.“ Am 22. Dezember des¬
selben Jahres schreibt der Lehrer der Menschen¬
kenntnis: „Ich vertraue auf Menschen um so
weniger, je älter ich werde, und je mehr ich
sie kennen lehrne. Die Ränckevollste werden
sich immer voran drängen und für sich das¬
1 Darin irrt Weishaupt. — 2 Diesen Ausspruch hatte
schauungen und Erscheinungen. Nürnberg 1788, gesetzt.
jenige benüzen, was zum allgemeinen Wohl
bestimmt war. Dies ist es, was Neuerungen
verhaßt und gefährlich macht, und den alten
noch so fehlerhaften Formen eine Art von
Sanction giebt. Ich habe darüber mehr als
eine Erfahrung. Ich finde sogar, daß dies der
Fall bey der neuesten Revolution in der Philo¬
sophie sey. Die Herrn, welche sich hier des
Throns und der öffentlichen Stimme bemächtigt
haben, und jedem der nicht ihres Sinnes ist,
mit der Litterarischen Guillotine (der allg. D.
L. Z.) drohen, sind wahrlich, wie die neuste
Vorfälle beweisen, nicht die klügsten und besten.
Auch hier stürzt ein Robespierre den andern,
und die ganze Fehde wird sich nach vielen
scandalosen Auftritten mit einer allgemeinen
Verachtung der Philosopie, oder mit dem Scep-
ticismus endigen. Ich aber gehe meinen weg
unverdrossen fort, und halte es mit Boerhavens
Ausspruch: Simplex sigillum veri.“2
Der Druck des angekündigten Buches hatte
sich infolge des Vordringens der Franzosen
gegen Sulzbach und Regensburg hin, wo es ge¬
druckt und verlegt wurde, verzögert. Erst am
31. Dezember 1796 konnte Weishaupt es über¬
senden: „Möchte es doch so glücklich seyn,
Ihre Aufmerksamkeit zu verdienen. Aber kaum
wage ich es zu hoffen, obgleich das Thema
von der Art ist, daß jeder Mensch sich nach
Kräfiften bestreben sollte vor allem über diesen
Gegenstand ins reine zu kommen. Alles wissen
ist Thorheit, so lange wir in dieser Materie
nicht hell sehen. Wenn daher mein Buch mis-
fallen sollte, so liegt die Schuld nicht an der
Sache, sondern ganz allein an mir. Ich habe
mich vielleicht bey der Ausarbeitung schlecht
benohmen, aber die Sache selbst ist groß und
so wichtig, daß es sogar Pflicht für jeden
denkenden Mann ist, sich davon die möglich
größte Überzeugung zu verschaffen; Denn die
ganze Ruhe und Glückseeligkeit seines Lebens
hangt davon ab. Um sich in Kürze zu über¬
zeugen, welcher Geist in dem Buche weht,
wage ich es Euer Durchlaucht vor allen die
Anmerkungen zu empfehlen, unter diesen vor¬
züglich die Noten von S. 143. 162. 170. 198.
mehr aber als irgend eine andere die Anmerkung
von S. 298. Ich möchte noch beysetzen die
von S. 281. 399. So viel die Note von 297.
er als Motto vor seine Schrift: Über die Kantischen An-
Schulz, Adam Weishaupt.
199
betrifft, hangt es ganz allein von dem Befehl
von Euer Durchlaucht ab, ob ich an ihrer
eigenen Person den Versuch machen und [den]
versprochenen Stammbaum verfertigen soll. Sie
sollen ihn sogleich erhalten, so bald mein zu
geschwächter Kopf wieder einigermaßen in
Ordnung ist.“
Es ist keine Antwort des Herzogs mehr
vorhanden; auch keine Äußerung von ihm,
andern gegenüber getan, ist auf uns gekommen.
Wohl aber ein paar Worte eines anderen
Gönners, der in Weishaupts Erwartungen eine
große Rolle spielte. Als im Jahre 1793 in Wien
gegen die Illuminaten mobil gemacht wurde,
hatte er bald zu bemerken geglaubt, daß das
eigentliche Ziel der Angriffe nicht er selbst,
sondern der kurmainzische Coadjutor Karl
Theodor Anion Maria von Dalberg in Erfurt
war. Dieser war Illuminat gewesen mit dem
Ordensnamen Baco von Verulam, man kannte
in Wien seine gemäßigten Gesinnungen und er
war für die „Obskuranten-Partei“, wie Dalberg
und Weishaupt sie nannten, auf keine Weise
zu gewinnen gewesen. Sein ehemaliger Sekre¬
tär Andrea verriet dem Herausgeber der Wiener
Zeitschrift, Alois Hoffmann, Listen der Illumi¬
naten, und die daraufhin angesponnenen In-
triguen hatten, wie Dalberg zu Weishaupt
äußerte, den Zweck, ihn von der Kur zu ver¬
drängen. Aber der Sturm ging vorüber. Weis¬
haupt hoffte, wie manch anderer in der Nach¬
barschaft, auf Dalberg. „Er ist verhältnismäßig
ärmer als ich; er wird in der Zukunft das
Seinige thun: aber auch hier verschlimmern
sich mit jedem Tag seine Aussichten und Mittel.“
Das Vordringen der Franzosen ließ es zweifel¬
haft erscheinen, ob Dalberg jemals in den Besitz
seiner Bistümer kommen würde. Auf die Über¬
sendung von Weishaupts Buch antwortete er
aus Erfurt dem „Selbstdenker“: „Mit Nuzen und
Vergnügen lese ich Ihr Werk von Zwecken,
in welchem edle Gesinnungen und gründliche
Einsichten mit einer seltenen Deutlichkeit der
Darstellung vereinigt sind. Die Bestimmung
des Unterschieds zwischen Zweck und Absicht
ist besonders lehrreich. Auch dasjenige, was
von Ideen gesagt wird, ist merkwürdig. Möcht
ich doch bald ein Werkzeug der Vorsehung
werden, um Ihr Schicksal zu lindern! In diesem
1 Abgedruckt bei Engel a. a. O. S. 381 ff.
Augenblicke sind meine Freunde und Anver¬
wandte verarmt. Die Stifter Maynz, Worms
und Constanz verheert, und meine wenigen
Zuflüsse vertrocknen in Franken, Schwaben,
und am Rheinstrom. Muth, Munterkeit, Pflicht
Erfüllung und Liebe zu Wissenschaften erhalten
mich.“
In den nächsten Jahren ist, einige Rezen¬
sionen in der Zeitschrift des Gothaer Astro¬
nomen v. Zach abgerechnet, von Schriftstellerei
nicht die Rede, wohl aber vom Schicksal
Deutschlands, seiner Freunde und den An¬
feindungen, denen er selbst ausgesetzt ist.
„Euer Durchlaucht muß dies sonderbar auf¬
fallen, daß der Mann, welcher Könige zittern
macht, weil sie sich vor Fantomen fürchten, an
Ihrer Thüre um Unterhalt bettelt.“ Auf Buch¬
händlerwege schickte er dem Herzoge in Ab¬
teilungen allmählich alles, was er noch an
Illuminaten-Papieren besaß, zur Durchsicht; „der
größte und übrige Theil der dahin einschlagen¬
den Papiere ist theils in Wien, theils in München,
Neuwied und andern Orten zerstreut, ich weiß
aber nicht, wo und in welchen Händen er sich
dermal befindet.“ Unterdessen tat Weishaupt
einen öffentlichen Schritt zur Klärung seiner
Sache, er ließ im Kaiserlich priv. Reichsanzeiger
vom 26. April 1799 eine „endliche Erklärung“
erscheinen.1 „Die unaufhörlichen Anfälle meiner
Feinde, verbunden mit der nahen und sehr ge¬
gründeten Hoffnung in mein Vaterland zurück-
beruffen zu werden, haben mich zu diesem
Schritt genöthigt.“ Ohne Erfolg. „Was ich
gethan habe, war ich meiner Ehre, meiner per¬
sönlichen Sicherheit, meinen Freunden und
Kindern schuldig, der Erfolg sey auch, welcher
er wolle“, schrieb er drei Vierteljahre später.
Friedrich Christian mußte wieder helfen. „Man
sollte freilich glauben, ein Mann der einst mit
so vielen Regierenden Fürsten und Großen in
Verbindung gestanden, könne nicht darben.
Aber leider ist dies nicht mein Fall. Die Men¬
schen sind nun einmal so, wer kann sie ändern.
Hätte ich sie gekannt, wie ich sie nun erfahren
habe, ich würde vielleicht nie in diese Lage
gekommen seyn. Mein erster und gröster
Fehler bleibt immer dieser, daß ich mir die
Menschen besser vorgestellt habe als sie sind,
daß ich sogar geglaubt habe, sie ließen sich
noch besser ..machen. Dieser Glaube mag Ein¬
falt heißen, aber ich sehe darin kein Verbrechen,
200
Schulz, Adam Weishaupt.
Wäre mein Kopf noch in Ordnung, und könnte
ich mich von meiner Arbeit nähren, so würde
ich gleichgültig bey dem allen seyn. Aber
leider bin ich beynahe das ganze Jahr hindurch
unfähig etwas ernsthaftes zu arbeiten . . . Die
Herren aus der kantischen Schule schaden mir
mehr als alle Gegner der 111., mehr als alle
Höfe. Seit ihrer Übermacht bin ich ganz außer
stände mit Schriftstellerey etwas zu verdienen.
Denn ihres Sinnes kann und werde ich nie
seyn.“
Einer seiner Briefe sei angeführt als ein Bei¬
trag zur Frage nach dem Beginne des neuen
Jahrhunderts. Am 17. Dezember 1800 schreibt
er: „Bey dem Schlüsse des gegenwärtigen
Jahres müssen für diesmal unsere gewöhnlichen
Gliickwünschungsformeln ganz bey Seite gesetzt
werden. Denn da sich nicht ein Jahr sondern
ein ganzes Jahrhundert schließt, so ist die Ver¬
anlassung feyerlicher und edler. Ich enthalte
mich aller Declamationen gegen das achtzehnte
Jahrhundert. Denn es war, was es unter einer
solchen Verbindung von Ursachen und Wirkung
seyn konnte, aber den Wunsch kann ich doch
nicht verbergen, es möge das kommende Jahr¬
hundert so viele Glückliche machen, als das
gegenwärtige Elende gemacht hat.“
Bei der Übersendung der Illuminaten-Papiere
lag es nahe, nun nach anderthalb Jahrzehnten
kritisch zurückzublicken. Am 30. September
1801 schreibt der Ordens-Stifter: „Man sage mir
nicht, daß es den Menschen wahrhaft ernst sey,
dem Übel in der Welt auf diesem Wege zu
steuern. Ich habe daran allen Glauben ver-
lohren. Ein Theil derselben will tändeln und
spielen, und der andere bösartigere Theil will
andere ehrliche wohlmeinende Menschen zu
seinen eigennützigen Absichten benutzen. Ich
erwarte nichts mehr von dem Menschen, am
allerwenigsten von unseren gegenwärtigen in
Eitelkeit und Sinnlichkeit versunkenen Zeit¬
genossen, und noch weniger erwarte ich von
unserer süffisanten altklugen Jugend. Gnädig¬
ster Herzog! Die Großen der Erde haben von
unsern Zeiten wahrlich nichts zu fürchten. Mit
solchen Egoisten errichtet man keine Republiken.
Ich getraue mich zu verbürgen, daß der Despo¬
tismus, den man in Frankreich und so vielen
Orten stürzen wollte, nur mehr befestigt worden,
und es scheint, daß außer der Alleinherrschaft
keine andere so gut für uns Menschen passe.
Denn alle democratischen Verfassungen führen
am Ende doch dahin. Dies war in Frankreich
der Fall, wo man heut zu Tage gute Augen
nöthig hat, um eine Republikanische Verfassung
zu entdecken. Denn allda ist nun völliger
Militair gouvernement; und man muß sogar
dessen froh seyn, damit doch einmal die Sachen
in Ordnung kommen. Mir für meinen Theil
kann es gleich viel seyn, denn ich bin gewiß
kein Feind der Monarchischen Verfassung;
aber es ärgert mich um unsrer Schreyer willen,
welche sich die Menschen schon so gut und
vollkommen dachten, daß sie mit einemal allen
Regierungen den Untergang prophezeiten und
den Mund nicht voll genug nehmen konnten.
Es ärgert mich, daß Philosophen, welche über
die Menschen und Staaten so dicke und hoch¬
studierte Bücher schreiben, die Menschen und
den Gang der Dinge so wenig kennen.“ Einer
seiner früheren Ordensmitglieder, Maximilian
Joseph von Montgclas , einst wegen seines
Illuminatentums des Amtes entsetzt, wurde jetzt
der Erneuerer des bayrischen Staates, erntete
aber nicht den Beifall des früheren Ordensoberen:
„In meinem Vaterlande geht es sonderbar zu.
Wie froh bin ich, daß ich nicht darin bin!
Mongellaz macht tolles Zeug, und empört alle
Welt gegen sich. Seine Dragonermäßige Auf-
klärungswuth, welche so sehr nach den Schätzen
der Kirchen trachtet und alles übereilt, wird
allen spätem Aufklärern auf ewige Zeit das
Spiel verderben. Solche violente Reformationen
können unmöglich von Dauer seyn.“ (10. De¬
zember 1803.)
Er glaubte in diesen Zeiten „auf manche
sehr interessante Entdeckungen und Aufschlüsse
über die menschliche Natur“ geführt worden zu
sein. „Ich habe darüber manches gesammelt“,
heißt es am 18. Januar 1803, „und wenn ich
anders Leben und Gesundheit behalte, so sollen
Euer Durchlaucht, vielleicht ehe noch ein Jahr
vergeht, von mir eine Schrift im Druck erhal¬
ten, worüber man sich in der Welt von mir
andere, und wie ich hoffe günstigere Begriffe
machen soll. Ich will wenigstens meine Ehre
für die Zukunft sichern, wenn ich auch so lange
ich lebe, keinen Urtheil haben sollte. Sie
werden sich wundern, was ich da alles zu Markt
bringe. Das Werk könnte sehr leicht vollendet
seyn, wenn nicht meine elende Gesundheit mir
oft Monath lange Pausen nothwendig machte.
Schulz, Adam Weishaupt.
201
Doch hoffe ich, daß ich noch damit zustande
kommen werde, und dann habe ich das Ziel
meiner Wünsche erreicht. Die Parcen mögen
sodann immerhin den Faden meines elenden
kummervollen Lebens entzwey schneiden. Ich
hoffe wenigstens für die Zukunft gerechtfertigt
zu seyn.“
Das Jahr 1803 brachte ihm viel Krankheit,
er schrieb sein Buch „mit dem Arzneyglaß in
der Hand“. Am 10. Dezember schrieb er:
„Ob dieses Buch, während ich lebe, das Licht
der Welt erblicken wird, bin ich noch nicht
entschlossen, und kann mich auch nicht wohl
entschließen, bevor ich nicht den Rath und die
Meinung von Euer Durchlaucht über den Inhalt
desselben erfahren habe. Ich wünschte zu
diesem Ende Höchstdero Erlaubniß zu erhalten,
um das, was davon bereits fertig ist, über¬
schicken zu dürften. Es ist freilich eine große
Zudringlichkeit, einem Großen zuzumuthen, daß
er aller Schwierigkeiten meiner schlechten
Schrifft ungeachtet,1 seine ihm kostbare Zeit
verschwende, um sich durch ein Werk durch¬
zuarbeiten, von welchem die Eigenliebe den
Author beredet, daß es der Aufmerksamkeit
eines Großen würdig sey. Aber es giebt auch
Fälle, wo die Eigenliebe nicht allzeit täuscht,
sondern die Vernunft auf ihrer Seite hat. Ich
würde diese Zumuthung nie an Sie bringen,
wenn das Thema nicht ein Staatsgegenstand,
folglich ganz ihrer würdig wäre. Es ist nicht
allein eine Staats sondern eine Angelegenheit
der Menschheit.“
Der Herzog schickte wieder Geld, das
Manuskript ließ er sich aber nicht kommen.
So wanderte es im Januar 1804 in den Druck.
„Es enthält sonderbare Sachen, und ich hoffe
Euer Durchlaucht sollen damit nicht ganz un¬
zufrieden seyn. Erreiche ich diesen Zweck,
so mag die übrige Welt dazu sagen, was sie
will. Paucis placere, sed bonis. — Dies ist es
was ich suche.“ Erst am 1 1 . Mai konnte er
schreiben: „Endlich einmal bin ich im stände
Euer Durchlaucht ein Exemplar meiner Schrift
zu überschicken.2 3 Sollte diese das Glück haben
von Höchstdenenselben ganz durchgelesen zu
werden, so hoffe ich in ihrer Achtung nichts
zu verliehren. Da ich aber dies mit Grunde
nicht erwarten kann, so bitte ich Euer Durch¬
laucht die Stellen S. 106 wüßten doch alle bis
S. 1 1 5 und dann vorzüglich S. 328 — 335 eini¬
ger Aufmerksamkeit zu würdigen.“ Seite 328ff.
heißt es 3; „Auf mir ruht der Geist einer
zentnerschweren Verleumdung, welchen, unge¬
achtet meines wiederholten öffentlichen Flehens,
kein Richterstuhl der Erde durch eine gesetz¬
mäßige Untersuchung vernichten will. Dieser
Geist der Verleumdung legt mir zur Last, daß
ich die Religion sowohl, als die oberste Gewalt
und das Wohl der Staaten mit dem Untergang
bedroht habe. Ich habe nichts von dem Allen
gewollt. Ich habe nicht seit heute erst, sondern
so lange ich lebe, die oberste Gewalt und Re¬
ligion als wesentliche, unabänderliche Bedürf¬
nisse des Menschen betrachtet, aber ich habe
zu einer Zeit, wo des Spielens und Mißbrauchens
an geheimen Gesellschaften kein Ende war, ge¬
wollt, daß diese Schwäche des Menschen zu
reellen und würdigen Absichten, zum Wohle
der Menschheit benutzt werde. Ich habe ge¬
wollt, was die Vorsteher der kirchlichen und
weltlichen Gewalt kraft ihres Amtes thun wollen
und sollen — und habe es gewollt, weil diese
es unterlassen.“ Mitte Dezember hatte er noch
keine Antwort vom Herzoge; einen 2. Band,
den er ihm ankündigte, hat er nicht ge¬
schrieben.
„ Die erwartete Unterstützung vom Kurerz¬
kanzler v. Dalberg war immer noch nicht er¬
schienen, so daß sich Weishaupts ein starker
Mismut bemächtigte. Er wußte wohl, daß es
nicht Abneigung Dalbergs gegen ihn war, „der
Grund davon liegt in seinem sanguinischen
Temperament. Er ist zu leichtsinnig, und hat
aller Welt, und mehr versprochen, als er zu
halten vermag. Die welche zunächst um ihn
sind, ziehen ihn aus, denn er ist sehr gut und
wohlthätig, aber nicht aus Prinzipien, sondern
aus Schwäche. Er kann dem gegenwärtigen
Eindruck nicht widerstehen, vergißt dagegen
alles, was er nicht vor Augen hat.“ Auf Weis¬
haupts Anregung bei Friedrich Christian wandte
1 „Der Mann schreibt wirklich über die Erlaubnis schlecht“, heißt es in einem Briefe Fr. L. Schröders an Friedrich
Christian. Rellingen, 26. Februar 1805.
2 Sie trägt den Titel: Die Leuchte des Diogenes, oder Prüfung unserer heutigen Moralität und Aufklärung. I. Band,
Regensburg 1804.
3 Angeführt von J. Bach a. a. O. S. 112.
Z. f. B. 1909/1910.
26
202
Schulz, Adam Weishaupt.
sich Fr. L. Schröder in einem Schreiben an
Wolfgang Heribert v. Dalberg, den Intendanten
des Mannheimer Nationaltheaters, damit dieser
sich bei seinem Bruder für Weishaupt verwende.
Im Sommer 1805 bekam dieser dann eine ein¬
malige Beihilfe. Friedrich Christian war mit
der Höhe der Summe und der Art der Zu¬
weisung nicht recht zufrieden und schrieb dar¬
über an Schröder. Dieser antwortete am
10. September 1805: „Dalberg haben Ew. Durchl.
sehr richtig beurtheilt; ich kenne ihn durch
glaubwürdige Männer sehr genau, ohne ihn
persönlich zu kennen. Er federte Jeden, der
etwas drucken lassen konnte, um einen Namen
zu bekommen. Schon seine genaue Verbindung
mit den Illum. bezeichnete den künftigen Chur¬
fürsten v. M. als einen inconsequenten Kopf.
Aber auch ich glaube nicht, daß er sich die
Verbindlichkeit aufgelegt hat, W. fortdauernd
zu unterstiizzen — und wer weiß, was er schon
für ihn gethan hat!“
Geraume Zeit ist von Schriftstellerei nicht
mehr die Rede. Napoleon beherrschte die
Gemüter. „Der Mann, dem die Königreiche
sozusagen aus der Tasche fallen, ist gegen¬
wärtig zu allmächtig, als daß ihm jemand
widerstehen könnte.“ Kriegsgetümmel und
Einquartierungs- Lasten lernte man auch in
Gotha kennen. „In den folgenden Zeiten wird
ohne Zweifel das Gute nicht ausbleiben, welches
aus der gegenwärtigen Zerrüttung hervorgeht;
aber wir Lebende nous sommes les Enfanz
perdus de la Revolution.“ Die Kaiserzusammen¬
kunft in Erfurt machte es möglich, daß Weis¬
haupt sich dem neuen Könige von Bayern
nahen konnte. Er schreibt am 4. Dezember 1808:
„Ich bin nicht in Erfurt gewesen. Es war mir
der Aufenthalt allda zu kostbar und ich habe
dadurch gar nichts versäumt. Ich habe darum
doch hinlängliche Gelegenheit gehabt meine
Bemerkungen zu machen. Die königliche Würde
hat durch diese Zusammenkunft in der Achtung
der Menschen mehr verlohren als gewonnen.
Es waren der Großen und Vornehmen so viele
an einer Stelle angehäufft, daß im Grunde
Niemand groß oder vornehm war, daß so manche
Größe als Nichts erschien. Die opinion, welche
den Ersten der Welt zu ihrer Aufrechterhaltung
so nothwendig scheint, ist auf diesem Weg
gewaltig erschüttert worden. Wenn die Großen
der Erde klug sind, so denke ich, werden sie
Bedenken tragen, ihr Ansehen und Einfluß noch
einmal bey einer ähnlichen Gelegenheit aufs
Spiel zu setzen. Ich habe hier bey seiner Nach
Haus Reise dem König von Bayern aufgewartet.
Aber leider! war es nur so lang als das Um¬
spannen der Pferde gedauert, und noch dazu
auf offner Straße vor dem Mohren in Gegen¬
wart einer Menge des umherstehenden auf¬
lauernden Volks. Er für seine Person hat mich
außerordentlich gnädig aufgenohmen. Aber
MJontgelas] der bey ihm an seiner Seite saß,
schien über meinen Besuch sehr verlegen, und
es dauerte ziemlich lang, bis er mich einer
FVage würdigte. Den P'ürst Primas [Carl Theo¬
dor von DalbergJ welcher ebenfalls zweymal
hierdurch passierte, habe ich nicht gesprochen.
Ich that es aus Delicatesse für ihn selbst, um
ihn nicht in Verlegenheit zu setzen.“ Am
14. Januar 1809 fügt er hinzu: „Euer Durch¬
laucht erlauben, daß ich zur Bestätigung meiner
letzten Behauptung, wie sehr die Majestät durch
den Zusammenfluß so vieler Majestäten gelitten
habe, ein sehr sprechendes Beyspiel anführe.
Als in Erfurt bey Anschauung einer König¬
lichen Equipage die Wache zum Gewehr ge-
ruffen worden, und die Soldaten sehr eilig
hinausstürzten, sagte diesen die Schildwache:
Ne partez pas si vite, ce n’est qu’un Roi. Ich
dächte, anschaulicher könnte ich meinen Satz
nicht beweisen. Auch der König von Bayern
sah ein, was sie alle vorstellten. Er verglich
sich und seine Collegen mit einer Ordonnanz.
Und in der That, selbst den Kaiser von Ru߬
land nicht ausgeschlossen, stellten sie samt und
sonders nichts besseres vor.“
In demselben Briefe ist wieder von einer
Schrift die Rede, die gegen die Mitte des
Jahres erscheinen solle. Am 30. August 1809
kündigt er sie an1: „Ich habe darin ohne ein
Schmeichler zu seyn, den Monarchien und
ihrem Stande das Wort gesprochen, wie noch
kein Mensch vor mir in diesem Grade und mit
solchen Gründen gethan hat. Möchte ich doch
dadurch zur Ruhe unserer Zeiten nur in etwas
beytragen! Die folgenden Hefte werden noch
bedeutender seyn, wenn sie anders erscheinen
können. Denn ich bin mit dem Verlag meines
* Materialien zur Beförderung der Welt- und Menschenkunde. Eine Zeitschrift in zwanglosen Heften. Heft I.
Gotha, Steudel, 1809.
v. Schleinitz, Deutsche Werke in englischer Sprache.
203
Buchs in sehr böse und unsichere Hände ge¬
fallen.“ Am 29. Januar 1810 konnte er aber
doch ein 2. und letztes Heft übersenden: „Ich
überzeuge mich mit jedem Tage mehr, daß
Bücher dieser Art nicht nach dem Geschmack
der heutigen Welt sind, in welcher es sehr bunt
durcheinandergeht, und wo uns allem Anschein
nach noch ärgere Dinge bevorstehen.
Would, I were dead
for what is in this world, but grief and woe.“
Aber am 5. Dezember 1810 heißt es mit
einer Drucksache: „Da mein Verleger wieder
so weit zu Kräften gekommen, daß er den Ver¬
lag davon unternehmen konnte, so glaubte ich
mich in diesen trübseligsten aller Zeiten auf
keine bessere Art zerstreuen zu können, als
wenn ich noch ein drittes Heft ausarbeite.
Daß ich dadurch die Welt nicht ändern werde,
weiß ich nur zu gut. Indessen kann es auch
nicht schaden, wenn nicht alles Vertrauen und
Glauben an Tugend, Wahrheit, Recht, und
Menschenwürde zu Grunde geht.“
Über das erste Heft schrieb Dalberg an
Weishaupt, Aschaffenburg, den 9. September
1809: „Ich danke ihnen für die Mittheilung ihres
gründlichen Werkes. Gewiß ist Außbildung der
Vernunft für die Menschheit von hohem Werth!
Ihr wohl wird vollständig erzielt: wenn zugleich
die Neigungen des Herzens eine gute richtung
1 Eine goldene Medaille im Werte von 10 Dukaten.
erhalten. Vernunft bestirnt anhaltend den
Willen, wenn sie mit Wünschen des guten
Herzens einstimt: im entgegengesetzten Fall
wird so mancher Mensch in seinem innersten
sagen: video meliora proboque, deteriora sequor.
Güte des Herzens ist liebe: Q welle der Liebe
ist Gott! innige Gotes Verehrung berathen
durch Wahrheit der Vernunft: erzeugt tugend¬
haften Willen, der sich in guten Werken äußert.
So bildet sich der zusammenstimmende Drey-
klang der Vernunft, des Herzens und des Willens!
So bildet sich geistige sitliche Schönheit: Ver¬
gleichbar mit dem vollkomnen musicalischen
accord. Ich biete nun allen Kräften auf dem
gestürmten geplünderten abgebranten Regens¬
burg aufzuhelfen. Aufbietung aller Kräften ist
meine Pflicht. Ich bitte beyliegendes Ebenbild1
freundschaftlich aufzunehmen.“
Weishaupt hat dem Herzoge Friedrich
Christian keine Schrift mehr überreicht. Die
Gefährlichkeit der Zeitläufte und die Unsicher¬
heit der Person bewogen ihn, nicht einmal für
sich selbst zu Schriftstellern, damit solche Auf¬
sätze nicht etwa bei Haussuchungen gefunden
würden. Als er nach der Beruhigung Europas
wieder einiges im Druck erscheinen ließ, war
der Herzog schon tot. Was hier aus seinen
Briefen abgedruckt ist, dürften die einzigen
Selbstzeugnisse über seine schriftstellerische
Tätigkeit sein, die auf die Nachwelt gekommen
sind.
Deutsche Werke in englischer Sprache.
Von
Professor Freih. Otto von Schleinitz in London.
s kann für uns als ein erfreuliches
Zeichen der Wertschätzung unserer Lite¬
ratur angesehen werden, daß die Über¬
setzungen deutscher Bücher in die eng¬
lische Sprache sich stetig mehren. Besser wäre
es freilich noch, wenn die Briten soviel in unserm
Idiom lesen möchten, wie wir dies umgekehrt in
dem ihrigen tun. Nichts scheint mir geeigneter
die Nationen einander zu nähern, als ein Geistes¬
produkt, welches beide seinem innern Gehalt nach
verstehen und zu würdigen vermögen. Der ver¬
storbene Disraeli behauptete mit Recht: „Ein gutes
Buch ist mehr wert wie eine gewonnene Schlacht.“
Ich möchte hinzusetzen: „Es ist der einzig Über¬
lebende der Schlacht.“ Nachdem Jahrhunderte
vergangen, und die streitenden Geschlechter ins
Grab gesunken, ja, weder von Freund noch
Feind eine nachweisbare Spur übrig blieb, haben
die Werke der großen Historiker, welche über
diese Kämpfe handelten, sich als das Dauernde
in der Flucht der Zeit erhalten. Ich greife
aus der großen Zahl der übersetzten Bücher
einige heraus, die mehr oder minder alte Bekannte
für uns sind, weil bei diesen vornehmlich jeder
204
v. Schleinitz, Deutsche Werke in englischer Sprache.
einzelne imstande ist, das englische Urteil zu kon¬
trollieren. Durchschnittlich zeigt die englische
Kritik sich diesen Werken günstig, eine Tatsache,
die zu erwarten stand, denn wenn keine berech¬
tigte Aussicht auf die hiesige Anerkennung Vor¬
gelegen hätte, würden sie erst gar nicht übersetzt
worden sein. Mitunter wächst eine Kritik hinaus
über den Wert des kritisierten Buches, und macht
es eigentlich zu dem, was es hätte werden können,
aber ungleich seltener kommt es vor, daß die
Übersetzung dies zuwege bringt. Vielfach wird
behauptet: Durch die Übersetzungen der Werke
Shakespeares und Goethes hat sich schließlich
das beste Verständnis für jenen bei uns, und für
letzteren in England herausgebildet. Jedenfalls
läßt sich über diesen Punkt weit mehr streiten,
als darüber, daß es schwierig ist, eine wirklich
gute Übersetzung zu machen, noch schwieriger
eine objektive Kritik zu verfassen, und das Meister¬
stück stets bleibt und bleiben wird, selbst ein
gutes Buch zu schreiben. Hinsichtlich der Kritik
sagt Goethe: „Ich kann wohl versprechen auf¬
richtig sein zu wollen, aber nicht unparteiisch.“
Wenn ich selbst die beste Übersetzung der Schiller-
schen Glocke lese, so beschleicht es mich mit
Wehmut. Da die Übertragungen in fremde Sprachen
sich naturgemäß aus dem verschiedensten stoff¬
lichen Inhalt zusammensetzen, so liegt es nicht in
meiner Macht das ziemlich krause Material unter
einheitliche Titel wie etwa „Philosophie“ oder
„Kunst“ usw. zusammenzufassen und zu ordnen.
„The Evolution of the Aryan. By Rudolph
von Ihering. Translated from the German by
A. Drucker, M. P. London: Swan Sonnenschein
& Co.“ Dies Buch wird in England nicht von
der großen Menge gelesen, aber diejenigen Per¬
sonen, für die der Inhalt Interesse besitzt, studieren
es aufrichtig, weil die vorgetragenen Tatsachen
und die daran geknüpften Schlüsse des Autors
als Quellenstudien und Beweismaterial in jeder
Hinsicht für die eigenen Zwecke weiter benutzt
werden. In der gesamten englischen Tages- und
Fachpresse herrscht eine seltene Einmütigkeit über
den Wert dieser bedeutenden kulturhistorischen
Arbeit. Die von dem Übersetzer, Mr. A. Drucker,
der zugleich Parlamentsmitglied, verfaßte Vorrede
ist nirgend auf Widerspruch gestoßen. Weil die¬
selbe am besten das englische Urteil widerspiegelt,
so möge sie hier folgen: „Als ein Exemplar von
Iherings „Vorgeschichte der Indo-Europäer“ in
meine Hand gelangte, beeilte ich mich es zu lesen,
obgleich ich beinahe fürchtete, es möchte dies
wiederum einer der schon so zahlreich gemachten
Versuche sein, die Abstammung von den Ariern
durch linguistische Methoden zu beweisen. Zu
meiner Überraschung und meinem Entzücken fand
ich, daß von Ihering seine Hypothesen bei weitem
mehr auf Tatsachen und Gewohnheiten, als aufWorte
und Ausdrücke gestützt hatte. Selbst diejenigen,
welche nicht an die arische Abstammung glauben,
müssen die praktische Methode und die juristische
Art der Schlußfolgerung Iherings anerkennen. Er
war ein wunderbar vielseitiger Mann. Als Pro¬
fessor des Römischen Rechtes war er eine der
größten Autoritäten, die je gelebt haben. In seinen
Mußestunden beschäftigte er sich mit dem Studium
der alten Geschichte, namentlich mit denjenigen
Gewohnheiten, die sich auf das Recht bezogen, und
ihm inkongruent mit dem Stande der von den
Römern erreichten Zivilisation zu sein schienen.
Dies Werk hier bildet das Resultat seiner Unter¬
suchungen. Da diesem Lobe kaum noch etwas
hinzugefügt werden kann, so will ich persönlich
nur an einen der mir unvergeßlichen Fundamental¬
aussprüche Iherings erinnern: „Das Bestehende
hat kein Recht auf Erhaltung nur deshalb, weil es
alt ist, sondern einzig und allein dann, wenn es
die Bedingung des Werdens in sich schließt.“
In dem gleichen Verlage erschien: „Kiilpes
Introduction to Philosophy“ mit einer Einleitung
von Professor Paulsen, übersetzt in die englische
Sprache von Pilsbury und Fitchner. Vor allem
wird hier an dem gedachten Werk gerühmt, daß
es leicht verständlich und ohne jeden doktrinären
Ton geschrieben sei. Die Fassung des Monismus
und der dualistischen Lehre, so behaupten eng¬
lische angesehene Kritiker, wäre für viele in aus¬
führlicherer Behandlung erwünscht gewesen. Wras
hinter diesem Urteil, im Hegelschen Sinne ge¬
sprochen, „wirklich“ steckt, wird für die Fach¬
männer leicht zu erkennen sein: Man verlangt
nichts Geringeres vom Verfasser als daß er hinsicht¬
lich des Dualismus die Schwierigkeiten besiegen
solle, welche die Erklärung der gegenseitigen Ein¬
wirkungen des Materiellen und Immateriellen bieten.
Diejenigen aber, welche sich zum monistischen
Phänomenalismus bekennen, sehen sich noch immer
enttäuscht, daß die metaphysische Realität als ein an
sich Unbekanntes behandelt wird, und im unauf¬
geklärten Widerspruch mit sich selbst von innerer
und äußerer Erfahrung die Rede ist. Schließlich
sind die Engländer über einen in dem Buch Vor¬
kommen sollenden Ausspruch verstimmt, der etwa
lautet: die englische Philosophie ist eine aus¬
drücklich empirische. Je nach dem Standpunkt
kann aber Lob oder Tadel in der Sentenz ent¬
halten sein.
Bei Swan Sonnenschein & Co. ist endlich ein
drittes Werk erschienen, betitelt: „The Kinder¬
garten System: Its Origin and Development. Trans¬
lated and adapted from Hanschmann by Fanny
Franks. Das Buch stellt eine abgekürzte Über¬
setzung dar von Hanschmanns „Das Leben Froe-
bels“. Am meisten erregt es in England Staunen,
daß 1851 in Preußen alle derartigen Anstalten ge¬
schlossen werden konnten, weil die Grundsätze
Froebels als gefährlich bezeichnet wurden. Man
war damals der Ansicht, das christliche Element
sei nicht genug in der Erziehungsmethode be¬
rücksichtigt. Infolge der in den maßgebenden
Kreisen Deutschlands mißgünstigen Stimmung, ging
Frau von Marenholtz nach England, und gelang
v. Schleinitz, Deutsche Werke in englischer Sprache.
205
es ihr hier im Jahre 1854 mehrere Kindergärten
zu eröffnen. Jeden Deutschen heimelt es an, wenn
er, in den Straßen Londons wandelnd, sich un¬
erwartet einem Schilde gegenüber befindet mit
der Inschrift in deutschen Buchstaben: Kinder¬
garten.
Weil jedermann bei uns nach der Schule, wenn
auch nicht direkt aus dem Kindergarten, zum
Vaterlandsverteidiger berufen ist, so lasse ich über
militärische Erziehung ein Werk folgen. Da es
über Kavallerie handelt, hat es sogar einen ge¬
wissen Zusammenhang mit dem Kindergarten und
der Schule. Ersterer ist allerdings nur ein ide¬
eller, und zwar insofern: je jünger die angehenden
Vaterlandsverteidiger sind, desto mehr sind sie
geneigt und entschlossen, die Kavallerie als ihre
eigene Spezialwaffe zu bezeichnen. Je mehr sie
dann in den Wissenschaften fortschreiten, desto klarer
wird ihnen der Satz von dem umgekehrten quadrati¬
schen Verhältnis, welches ins Praktische übersetzt
sicherlich lautet: Viele sind berufen, aber nur wenige
auserwählt. In militärischen Kreisen ist die Schrift
,,Conversations of Cavalry, by Kraft, Prinz zu
Hohenlohe Ingelfingen“, sehr günstig aufgenommen
worden. Die Übersetzung wurde von C. Reich¬
mann bewirkt, und der Captain Maude hat zu den
bei J. J. Kelliher & Co. erschienenen kavalleri-
stischen Unterhaltungen eine geeignete Vorrede ver¬
faßt. Er sagt: „Der Autor erhebt keinen An¬
spruch auf eine rein wissenschaftliche Auseinander¬
setzung. Aber das Werk ist ein außerordentlich
interessantes und voller nützlicher Mitteilungen,
die einen großen Beitrag zur Belehrung und zur
Unterrichtung von Fachmännern liefern können.“
Captain Maude hat im Jahre 1890 den Kavallerie¬
manövern in Deutschland beigewohnt, und berichtet
mit Enthusiasmus nicht nur über die vorzügliche
Ausführung des Felddienstes, sondern auch über
den inneren Dienst, Stallvorschriften und andere
Reglementsbestimmungen der deutschen Kavallerie.
Der Übergang von der Armee zur diplomati¬
schen und andern Laufbahnen, sowie zur Ver¬
wendung bei Hofe wird oft nur durch einen
kleinen Schritt vollendet. Ich glaube deshalb hier
an passender Stelle die von Miss Clara Nordlinger
übersetzten Memoiren von Gabriele von Biilow
mit um so mehr Berechtigung erwähnen zu können,
als die Namen Hohenlohe und Bülow einer ge¬
wissen Ideenassoziation nicht entbehren. Es sind
allerdings nur Namensanklänge, aber die Ver¬
fasserin beschreibt eine Periode, die trotz großer
Verschiedenheiten dennoch viel Gleichartiges mit
unserer Zeit aufzuweisen hat. Natürlich nicht in
dem Sinne wie Nietzsche von der Wiederkehr des
Gleichen spricht. Wie bekannt, handelt es sich
um Erzählungen und Denkwürdigkeiten aus dem
diplomatischen und englischen Hofleben. Gabriele
von Bülow, die Gemahlin des preußischen Ge¬
sandten und Tochter Wilhelm von Humboldts,
hatte Gelegenheit zu beobachten, und tat dies mit
Verstand. Die Memoiren des Lord Loftus und
dies Buch hier ergänzen sich derart, daß man erst
durch beide ein vollständiges Bild der gegenseitigen
Beziehungen des Hofes von St. James zu dem
unsrigen und eine interessante Skizze der gesell¬
schaftlichen Verhältnisse von London und Berlin
erhält. Lord Loftus hatte 50 Jahre seiner diplo¬
matischen Tätigkeit in der Hauptsache an deutschen
Höfen zugebracht. Zu dem obigen in London
bei Smith, Eider & Co. erschienenen Buche hat
Sir Edward Malet eine Vorrede geliefert.
Wenn in den letztgenannten Memoiren es sich
um die Zeit König Friedrich Wilhelm III. und IV.
handelt, so wird in dem jetzt hier folgenden Werke
zwar von unserer heutigen Zeit, wesentlich aber
doch von einer Epoche die Rede sein, welche
über 400 Jahre hinter uns liegt. Räumlich von den
Statuen Friedrich Wilhelm III., IV., und von Hum¬
boldt, sowie dem Schlosse in Berlin, bis zu jenem
Institut, zu welchem wir nun unsere Schritte zu
lenken haben, und das die Überschrift trägt:
„Artem non odit, nisi ignarus“ ist es nicht gar
weit. Aber auch intellektuell hat Dr. Lippmann,
der verstorbene Direktor des Berliner Kupferstich¬
kabinetts, und die Kaiserliche Reichsdruckerei zum
Gelingen der betreffenden Arbeit in so hohem
Grade beigetragen, daß die technische Hälfte jeden¬
falls von hier stammt, und somit der Ausspruch
„made in Germany“ nicht ganz abzuweisen sein
dürfte. Da man bei Zeichnungen und Kupferstichen
nach den Originalen von großen Meistern, von der
Wiedergabe, der Übertragung oder der Übersetzung
in Schwarz und Weiß spricht und diese Repro¬
duktion zu einem englischen Werke seitens Deutsch¬
lands ausgeführt wurde, so glaube ich berechtigt
zu sein, dasselbe hier zu erwähnen. Der Buch¬
händler Mr. Quaritch versandte den Prospekt eines
Werkes, das er benennt: „A Florentine Picture
Chronicle: Being a Series of Ninety-nine Drawings
representing Scenes and Personages of Sacred and
Profane History by Maso Finiguerra, Reproduced
by the Imperial Press, Berlin, with a Critical and
Descriptive Text by Sidney Colvin, M. A., Keeper
of the Prints and Drawings in the British-Museum.“
Die Collotype-Abdrücke der Werke Finiguerras
wurden in Berlin unter besonderer Aufsicht von
Dr. Lippmann hergestellt. Zur interessanten Ent¬
stehungsgeschichte des Werkes dürften nachstehende
Daten willkommen sein.
Im Jahre 1889 erwarb die Verwaltung des
British Museum von dem bekannten englischen
Kunsthistoriker Ruskin einen Band italienischer
Zeichnungen, den letzterer etwa 18 Jahre in seinem
Besitz gehabt hatte. Diese höchst eigenartigen
Zeichnungen gehören einer der interessantesten
Perioden Florentinischer Kunst, das heißt etwa
dem Jahre 1460 an. Sie stellen in der Phantasie
des Künstlers Personen und Ereignisse dar, aus
der heiligen und profanen Geschichte, bis zur
Gründung von Florenz. Es sind im Ganzen 99
Blätter, jedes 13X9 englische Inchen groß, die
sich durch Reichtum der Erfindung, durch Trachten,
20 6
v. Schleinitz, Deutsche Werke in englischer Sprache,
sowie in Mannigfaltigkeit der Dekoration und des
Zierates auszeichnen. Vor allem erkannte man,
daß sie die Arbeit eines Mannes sein mußten,
der in erster Linie Goldschmied war. In archi¬
tektonischen und dekorativen Motiven zeigt sich
der Künstler unter dem starken Eindruck der¬
jenigen Meister, die Florenz damals umgestalteten:
Brunelleschi, Michelozzi, Donatello und seines
Nachfolgers Luca della Robbia. Hinsichtlich
seines Stils und der Empfindung der Figuren ge¬
hört der Zeichner zu jener energischen Gruppe
von Realisten, welche ihre Hauptvertreter in den
Malern Andrea del Castagno, Paolo Uccello,
Alessio Baldovinetti und den Brüdern Pallaiuolo
finden. Kein Autor konnte mit genügender Sicher¬
heit bestimmt werden, bis Mr. Sidney Colvin eine
Menge übereinstimmender Beweise erbrachte, daß
die quaest. Zeichnungen tatsächlich die Arbeit
des berühmten Florentiner Goldschmieds und
Kupferstichers Maso Finiguerrra (1426 — 1464)
waren. Die kleinen, dem nun herausgegebenen
Werk beigefügten Illustrationen sind hauptsächlich
Reproduktionen von zeitgenössischen Skulpturen,
Bildern, Architekturen und Dekorationen. Diese
wurden zum vergleichenden Studium ausgesucht,
um den künstlerischen Einfluß zu beweisen und
zu erklären, der Finiguerra umgab und durch den
er inspiriert wurde. Mr. Colvin hofft durch seine
erläuternde Schrift die künstlerische Persönlichkeit
des genannten Meisters in einem ganz neuen Licht
zu zeigen. Vor allem ist der Direktor des eng¬
lischen Kupferstichkabinetts der Ansicht, daß Fini¬
guerra durch Vasari und ebenfalls durch die zwar
Aufsehen erregende, aber irreleitende Entdeckung
des Abbe Zani in Paris verdunkelt worden sei.
Als Goldschmied gehört Finiguerra zu denjenigen
Meistern des XV. Jahrhunderts, die diese Kunst
zur höchsten Vollendung brachten. Namentlich
zeichnen sich seine Arbeiten in durchsichtigem
oder transluciden Email aus, von denen sich im
Bargello zu Florenz und im Museum zu Wien
schöne Beispiele vorfinden.
Zu dem Kapitel „Kunst“ mögen noch einige
Worte erlaubt sein für „The History of Modern
Painting by Richard Muther. London. Henry &
Co.“ In Deutschland hat seiner Zeit die Kritik
durch obiges Werk so reiche Gelegenheit erhalten,
ihre Tätigkeit zu entfalten, daß Neues wohl kaum
gesagt werden kann. Die Engländer haben alle
Veranlassung mit dem Buche zufrieden zu sein. Der
verstorbene Verfasser hat die britische Kunst unter
der Führung des großen Dreigestirns der Porträtisten
Reynolds, Gainsborough und Romney, des Land¬
schafters Turner und von Constable, den man als
den Vater der modernen Stimmungslandschaft an-
sehen kann, so wahr und richtig geschildert, und
ihren maßgebenden Einfluß mit soviel Verständnis
gewürdigt, daß Albion sich gewiß nicht über ihn
beklagen kann. Trotzdem erhalten wir von einem
der ersten hiesigen Kritiker einen kleinen indi¬
rekten Hieb ausgewischt. Er sagt: „In jedem
Falle ist es eine Quelle der Genugtuung zu er¬
sehen, daß selbst ein deutscher Professor die Tat¬
sache nicht zu leugnen vermag, daß England der
Ruhm gebührt, die große Bewegung in der Kunst
des XIX. Jahrhunderts geleitet zu haben.“ Der¬
selbe Zensor bezeichnet die Illustrationen zu Pro¬
fessor Muthers Werk als nicht genügend ausgeführt.
Weiter berichte ich über ein Buch, das mit
Enthusiasmus in England aufgenommen wurde, und
welches aus diesem Grunde, und weil sich am
meisten über dasselbe sagen ließe, auch an erster
Stelle hätte stehen können. Es handelt sich aber
um eine exotische Treibhauspflanze, die in Deutsch¬
land nicht recht gedeihen will: den Hypnotismus.
Der Boden zum Fortkommen und Aufgehen der
Saat ist in England und Frankreich stets günstiger
als bei uns gewesen. Die Art und Weise wie
wir im allgemeinen den Hypnotismus und alles,
was damit zusammenhängt, behandeln, ist zu
wissenschaftlich um große Aufregungen auf die
Dauer hervorzurufen. Da aber die Engländer be¬
ginnen mehr und mehr in dieser Spezialität in
wissenschaftliche Bahnen einzulenken, so wird das
Wunderbare als solches, namentlich durch Über¬
setzung deutscher Fachwerke, sich sehr bald in
Natürliches auflösen. Es gibt in jedem Lande
Leute, denen man soviel einreden kann, daß sie
täglich über dieselbe Sache dreimal ihre Ansicht
ändern, und noch dazu, ohne daß sie glauben
es getan zu haben. Wir drücken das heute
am kürzesten aus: Eigensuggestion ist durch die
Fremdsuggestion ersetzt. Aus dem Wesen der
Sache heraus sind deshalb sogenannte Vorstellungs¬
oder Autosuggestionskrankheiten am leichtesten
durch den Hypnotismus zu bekämpfen. Dr. Peter-
sen hat das bei Putnam herausgekommene Werk
von Otto Wetterstrand übersetzt: „Hypnotismus,
and its Practical Application to Medicine“. Es
war ein Unglück, daß durch Schwindeleien hinsicht¬
lich der Lehre über den tierischen Magnetismus
schon die einfache Beschäftigung mit derartigen
Experimenten als etwas Unreelles betrachtet wurde.
Das Vorurteil bestand so festgewurzelt, daß die
ernstlichen Forschungen James Braids, des ein¬
zigen englischen Arztes, der in den vierziger Jahren
den ganzen Stoff richtig anfaßte, bis auf die
neueste Zeit fast gänzlich verloren gingen. Es ist
hier nicht der Ort, um über die Entwickelungsfähigkeit
unseres Gehirns Spekulationen anzustellen. Jeder
vernünftig denkende und gebildete Mensch wird
niemals a priori scheinbar unaufgeklärten Tatsachen
gegenüber nur deshalb sich ablehnend verhalten,
weil sie einen wunderbaren oder metaphysischen
Beigeschmack haben. Von vielen Urteilen über
den Gegenstand, die mir zur Gesicht kamen, haben
mich zwei besonders interessiert. Das eine stammt
von Helmholtz und verrät mit knapp gesetzten
Worten den Ernst zur Sache. Die andere Aus¬
führung rührt von dem Professor Fuchs aus Bonn
her, und behandelt die Frage scherzhaft. Ich bin
überzeugt, der geneigte Leser wird mit mir er-
v. Schleinitz, Deutsche Werke in englischer Sprache.
20^
heitert sein, letzteren zu hören: „So viele eifrige
Verteidiger die Hypnose unter den ernsten Männern
der Wissenschaft auch haben mag, so hat von
diesen meines Wissens noch keiner behauptet,
daß er selber der hypnotischen Eingebung zugänglich
sei. Die Fähigkeit haben anscheinend nur Leute,
denen der Ulk eine heilige Herzensangelegenheit
ist, und das große Geschlecht der dummen Kerle,
welche — nach einer richtigen Bemerkung des
alten Haym — sich sonderbarer Weise trotz der
überwiegenden Zahl der klugen Kinder fortdauernd
in der Mehrheit befinden.“ — Helmholtz sagte:
„Ich kenne aus langer Erfahrung die Wundersucht
des XIX. Jahrhunderts und die Hartnäckigkeit,
mit der solcher Glauben auch die handgreiflichsten
Nachweise grober Täuschungen überwindet. Denn
meine Jugend reicht noch in die Zeit zurück, wo
der tierische Magnetismus blühte. Seitdem sind
viele verschiedene Phasen derselben Geistes¬
richtung einander gefolgt. Jede einzelne hatte
nur eine beschränkte Lebensdauer; häufen sich
die Enttäuschungen zu sehr, so ändert sich die
Methode.“
Unter den Werken rein literarischer Natur
hebe ich hervor „A History of German Literature
by C. Thomas. London 1909. Heinemann.
6 Shilling“. In 400 Seiten ist hier eine tausend¬
jährige Literatur komprimiert. Besonders sym¬
pathisch wurde das Nibelungenlied und Hans Sachs
behandelt, gleichzeitig aber mit viel Selbstbefrie¬
digung der Einfluß Englands auf unsere Literatur
nachgewiesen. Viel Lob wird den Versen Schillers
gezollt und Kleist gerühmt, dagegen die zeit¬
genössische Literatur zu kurz gewürdigt. Die An¬
ordnung des Verfassers ist klar und sein Urteil
überzeugend. Wagner findet in dem Werke keine
Erwähnung, weil bei ihm Text und Musik untrennbar
zusammenfallen.
Andrerseits ist von dem Dichter-Komponisten
hauptsächlich die Rede in „Richard to Minna Wagner.
Letters to his first Wife. Translated, Prefaced by
William Ashton Ellis. 2 Vols. H. Grevel & Co.
London 1909.“ In dieser sehr bedeutenden und
gut kommentierten Schrift, in der im übrigen Ri¬
chard Wagner allein zu Worte kommt, teilen sich
beide Ehegatten so ziemlich gleichmäßig in die
Schuld kein Verständnis für einander besessen zu
haben. Es darf wohl als beinahe sicher angenommen
werden, daß Minna Planer keinen Schimmer von
der Entwickelungsfähigkeit der in ihrem Gatten
ruhenden großen Eigenschaften gehabt hat.
Vom Meister bis zur Bühne ist nur ein Schritt:
„A History of Theatrical Art. By Karl Mantzius.
Translated by Luisa von Cossel. Duckwort & Co.
London 1909“, hat sowohl beim größeren Publi¬
kum als auch in Fachkreisen, sowie bei der Presse
ungeteilten Beifall gefunden. Als einzigen Tadel
kann man allenfalls die Bemerkung autfassen, daß
Dryden und Congreve zu sehr als Amateure auf-
gefaßt worden sind. Gleichfalls spendet die Kritik
einmütiges Lob dem von Ludwig Friedländer ver¬
faßten und von Leonard A. Magnus übersetzten
Buch „Roman Life and Manners under the Early
Empire“ (Routledge. London 1909).
Schließlich will ich zwei auf Reisen bezügliche
und hier sehr günstig aufgenommene Werke
hervorheben. Beide sind hinlänglich genug bei
uns bekannt, so daß sie keiner wiederholten Kri¬
tik bedürfen. Das eine betitelt sich im Eng¬
lischen: „Native Life in East Afrika. By Dr. Karl
Weule. Translated by Alice Werner. Pitinan &
Sons. London 1909“. Es verdient hervorgehoben
zu werden, daß dies Buch besonders gut über¬
setzt ist. Dann hat die Londoner Firma Williams
& Norgate in diesem Jahre eine Reihe von Grie-
bens Reiseführern in die englische Sprache über¬
setzen lassen. Diese Bücher waren bisher so gut
wie unbekannt, da das Gros des britischen reise¬
lustigen Publikums fast ausschließlich Baedeker
benutzte.
Ein Stammbuchblatt von Iffland.
Von
Dr. Friedrich Arnold Mayer in Wien.
Mit einer Abbildung.
jiese kleine Erinnerung an den großen
Mann, dessen 1 50. Geburtstag das deut¬
sche Theater am 19. April gefeiert hat,
gehört, wie man sieht, in Ifflands Mann¬
heimer Zeit, 1779 — 1796. Das Zitat kann ich
leider nicht nachweisen (Geliert ? Die Red.), die Sil-
ist der wohlbekannte dänische Schriftsteller, Dichter,
Literarhistoriker, Kritiker, lebhaft fürs Theater inter¬
essiert. Bereits 1784 war er auf einer Kunstreise,
gleichsam als Agent F. L. Schröders, in Mannheim,
in engem Verkehr mit Iffland, Beil, Beck, aber
auch in Beziehungen zu Schiller, und 1789 hielt
houette zeigt stark ausgebildetes Kinn und vor¬
springenden Mund, eins wie das andere weisen
auch andere Bildnisse Ifflands.
Auf der Rückseite des Blattes steht eine aus
Mannheim, 6. September d. J. datierte Einzeichnung
von [Knud Lyne] Rahbek mit einem Zitat aus
Bürger, auch mit Silhouette. Rahbek (1760 — 1830)
er sich von Ende August bis Mitte September
wieder hier auf. 1
Unser Stammbuchblatt gehört der K. K. Hof¬
bibliothek zu Wien, deren Vorstehung ich für die
freundliche Erlaubnis der photographischen Auf¬
nahme des Stückes zu danken habe.
1 Vgl. Rahbeks „Erinnerungen“, ins Deutsche übertragen von Kruse, Band 2, Seite 65 fr. (1784), Seite 236 ff. (1789)-
Dazu Minor, „Aus dem Schiller- Archiv“, S. 29 ff.
Briefe von und an Ludwig Uhland.
Ein Beitrag zur Kenntnis Uhlands als Volksliedforscher.
Mitgeteilt von
E. K. Blümml in Wien.
jjudwig Uhland, dessen leider Frag¬
ment gebliebene Abhandlungen zum
deutschen Volkslied heute noch unent¬
behrlich sind, hat als Volksliedforscher noch
immer nicht die eingehende Würdigung gefun¬
den, die er verdient. Jede Uhlandbiographie
begnügt sich mit der Konstatierung, daß Uhland
auch deutsche Volkslieder herausgab, ohne aber
näher Uhland als Herausgeber, Sammler und
Erforscher des Volksliedes zu betrachten. Frei¬
lich fließen die Quellen nicht allzu reichlich, so
daß das Schweigen der Biographen begreiflich
ist. Auch was H. Fischer (Alte hoch- und
niederdeutsche Volkslieder von L. Uhland.
I 3 [1893] 1 1 ff.) darüber sagt, ist nicht sehr ein¬
gehend. Ich will hier keine umfassende Studie
zu Uhlands Volksliedbestrebungen geben, denn
dazu ist noch viel zu wenig Material bekannt,
sondern will nur aus bisher unbekannten
Briefen von und an Ludwig Uhland das zu¬
sammenstellen und erläutern, was sich darauf
bezieht.
1. Uhland und H. F. Maßmann.
Professor H. F. Maßmann besorgte für
Uhland Abschriften von Volksliedern (s. Alte
hoch- und niederdeutsche Volkslieder. II. [1845]
980; 1008 No. 89 und 1014 No. 133) und dar¬
auf bezieht sich auch folgende Stelle eines
Tübingen, 3. Februar 1858 datierten Briefes
Uhlands an Maßmann in Berlin:
2. UJdand und Hoffmann von Fallersleben.
Uhland unternahm im Frühjahr 1843 eine
Volksliederreise nach Nürnberg, Zwickau und
Leipzig (s. Emma Uhland, Ludwig Uhlands
Leben. Stuttgart 1874 S. 30 7 ff), wobei er
von Zwickau mit Hoffmann von Fallersleben
am 30. Mai nach Dresden fuhr. Am 4. Juni
bestellte letzterer, wie aus dem Brief Uhlands
an seine Frau vom 4. Juni 1843 (Emma Uhland,
a. a. O. S. 313) ersichtlich ist, Uhland zu sich,
damit er seine Volksliedersammlungen besehe.
Aus einem Schreiben Hoffmann von P'allers-
lebens an Uhland (Hds. Md. 525 Nr. 15 der
Universitätsbibliothek in Tübingen) geht jedoch
hervor, daß dieser schon am 2. Juni morgens
bei jenem erschien, ihn aber nicht antraf. Hoff¬
mann besorgte Uhland auch Volkslieder¬
abschriften (s. Alte hoch- und niederdeutsche
Volkslieder. II. [1845] 1004 Kr. 62 und 1026
Nr. 248).
Dresden, 2. Juni 43, 8 Uhr morgens.
Soeben, verehrter Freund, bringt mir der Kellner
Ihre Karte mit der Nachricht: Sie seien bei mir ge¬
wesen. Wahrscheinlich waren Sie an einer Unrechten
Thür, ich wohne Nr. 6.
Um Ihretwillen hatte ich gerade meine Kisten
öffnen lassen, um Ihnen meine Sammlungen zu zeigen.
Ist es Ihnen möglich, so wiederholen Sie morgen
früh Ihren Besuch. Es liegt mir sehr daran, damit
auch ich Ihr schönes Unternehmen unterstützen kann.
Herzlich grüßt Ihr
H. v. F.
„Nehmen Sie, theuerster Freund, meinen herzl.
Dank für die alten Lieder, die mir sehr willkommen
sind und mich nur das bedauern lassen, daß die eigen¬
händige Abschrift Ihre Zeit und Mühe in Anspruch ge¬
nommen hat . . ."
Das eigenhändige Konzept Uhlands zu die¬
sem Brief ist erhalten (Hds. Md 525 No. 23
der Kgl. Universitätsbibliothek in Tübingen).
Einen anderen Brief Uhlands an Maßmann vom
Dezember 1853 enthält das Jahrbuch „Hie gut
Württemberg allewege!“ I. (Heilbronn 1889)
54 f.
3. Uhland und Prof. L. Mieville in Bern.
Im Sommer 1859 war Uhland in Bern ge¬
wesen (s. Emma Uhland, a. a. O. S. 461) und
hatte dort, seiner Gewohnheit gemäß, auch den
Volksliedern Aufmerksamkeit geschenkt. Vor
seiner Abreise betraute er seinen Berner Be¬
kannten, Professor L. Mieville damit, ihm ver¬
schiedene Volksliederhandschriften und histo¬
rische Lieder aufzuspüren. Daraus entspann
sich ein Briefwechsel über diese Gegenstände,
welchen ich hier vorlege. Zwei Briefe sind von
27
Z. f. B. 1909/1910,
210
Bliimml, Briefe von und an Ludwig Uhland.
Professor L. Mieville (Tübingen, Universitäts¬
bibliothek, Hds. Md 525 No. 25 und 26), einer
(ebd. No. 24), nur im Konzept erhalten, von
Uhland.
a)
Berne, le 21 septembre 1859.
Monsieur,
Je me suis occupe d£s le lendemain de votre depart
d’ici de la comission, dont vous m’avez honord et j’ai
le plaisir de vous annoncer, qu’effectivement il se trouve
ä la biblioth^que de la ville de Berne le manuscrit
suivant et note corame suit: V. 89 Miscell. Histor. Dr.
VVernheri Steineri de propria manu conscripti trinepos
suus Joh. Rod. Steinerus Helvetio-Tigurinus — Anno
MDCCLXVII. En outre: VI. 6 7 — 73 Collect, v. Hans
Rud. Steiner.1 Darin Lieder von 1656 über Vilmergen
,,Ein reine Magd ihr Krätz noch tragt.“2
De plus, il y a dans une biblioth^que privde une
collection en 8 grands (volumes) in-quarto, ecrits ä la
main et qui contient tout ce que feu le prof. Wyss a pu
trouver en fait de vieilles chansons, chants guerriers,
hymnes, ballades etc. etc. Ces 8 volumes paraisscnt
avoir et 6 inconnus ä Rocholz. 3 Je ne doute pas, qu’ils
ne soient une mine abondante ä explorer, aussi quel¬
ques uns de nos litterateurs sont ils ü la piste de cet
ouvrage, qui n’est pas ä la portee de tout le monde,
mais qui certainement ne serait pas inaccessible au
po&te aimable et profond, qui fait les delices de toutes
les ames d’elite. Ces huit(s) volumes ont passe entre
les mains de Msr- l’expresident Wyss, qui aussi est mort
et c’est entre les mains de ses heritiers, qu’il faudrait
aller relancer ce tresor.
Les informations, que je vous donne ici, je les tiens
d’abord de Mr. le Dr. Hidber et plus encore avec de
precieux details et la promesse de me donner une liste
des titres de Mr. Steinlen, qui s’occupe lui-meme de
recherches de ce genre, dans le but de s’en servir pour
son histoire de la litterature suisse. Je vous enverrai
cette liste, dbs que je l’aurai regue, ainsi que de plus
amples informations sur la collection de feu Mr. Wyss.
Je vous envoie ceci en attendant par l’occasion de
Mme Luthard, qui a en la bonte de m’offrir ses Services.
Veuillez, monsieur presenter mes compliments em-
presses ä Madame votre epousse tant de ma part que
de celle de ma femme, qui se joint ä moi pour vous
repeter, combien votre aimable visite nous a fait de
plaisir. Saluez aussi bien cordialementnosparents Meyer,
si vous avez l’occasion de les voir et agreez l’assurance
de tout mon respect et de ma entier devouement.
Ls. Mieville.
Anmerkungen . 1 Über die Wernher Steiner-
sche Liederhandschrift aus 1315, die bis ins
XVII. Jahrhundert fortgesetzt wurde, vergl.
man E. L. Rochholz, Eidgenössische Lieder¬
chronik 2 (1842) S. XVI und L. Tobler, Archiv
des historischen Vereins des Kantons Bern. VII.
2 (1869) 307.
2 Das Lied „Eine reine Magd ihr Krätz
noch hat“ bezieht sich auf die Schlacht bei
Villmergen (1656). Es lautet eigentlich „Ein
reine Magd ihr Kranz noch tragt“ (vergl. dar¬
über L. Tobler, Schweizerische Volkslieder. I
[1882] LIX. b. 2. Ein Abdruck des Liedes bei
Tobler a. a. O. II. [1884] 130 ff. und bei F.
W. Freiherrn von Ditfurth, Deutsche Volks-
und Gesellschaftslieder des XVII. und XVIII.
Jahrhunderts. [1872] S. 83 ff. No. 79).
3 Über die 8 Bände der Rudolf Wyßschen
Sammlung berichten E. L. Rochholz a. a. O.
XVI und L. Tobler, Archiv VII, 2 (1869) 309.
Danach berichtigt sich die Angabe, daß sie
Rochholz unbekannt war.
b)
Berne, le 27 octobre 1859.
Monsieur,
Je vous envoie l’original des notes, que Mr. Aim£
Steinlen a en la complaisance, malgr^ ses occupations
multipliees, de me communiquer ä votre adresse. Elles
m’ont tout l’air d’avoir faites par un conaisseur, qui
se fait, comme il le dit lui-meme, un honneur de vous
les communiquer.
Je sais, que Mr. Steinlen s’occupe lui-meme de faire
un recueil des nos vieux chants suisses. Il nous a dorm6
pendant deux hivers cons^cutifs, un cours, qu’il a in-
tituld : „Cours de litterature suisse“ oü il a pass£ en
revue tous nos auteurs nationaux, tant allemands que
frangais. Dejh alors il nous a lu et analys^ les plus
remarquables de ces chants, surtout ceux, qui de leur
temps etaient devenus chants populaires. Un Suisse ne
peut que desirer l’impression de cet ouvrage con-
scienceux et remarquable sous tant de rapports, pr^sent^
avec autant de talent que de profondeur et d’amour de
la chose.
Monsieur Hidber continue aussi ä me donner tous
les renseignements, qu’il peut, mais comme ils sont
identiques ou ä peu pres ä ceux de Mr. Steinlen, je ne
les rdp£te pas ici.
J’esp&re, que vous avez regu ma premi£re lettre
par Mme Luthard, dans laquelle je vous parle de ces
deux Messieurs et de leur empressement ä me donner
les notes, qu’ils croient pouvoir vous interesser; .
Ls. Mieville.
c)
Herrn Professor L. Midville,
Gerechtigkeitsgasse No. 100
in Bern.
Entschuldigen Sie, geehrtester Herr Professor, daß
ich Ihre freundlichen Schreiben vom 21. Septemb. und
27. Octob. nicht längst mit meinem lebhaften Danke
beantwortet habe. Zu mancherlei andern Abhaltungen
kam im vorigen Monat noch eine kleine Reise nach
Stuttgart. Auch mit Zurückgabe der gütigen Mit¬
theilungen von Herrn A. Steinlen, für die ich demselben
aufrichtigst dankbar bin, ist auf diese Weise Verzug ein¬
getreten.
Blümml, Briefe von und an Ludwig Uhland.
21 1
Das vollständige Inhaltsverzeichnis der Steiner’schen
Liederhandschrift war mir besonders schätzbar u. ich
erlaubte mir, von dem wohl noch wenig bekannten
Liede auf die Schlacht von Kappel1 Abschrift zu neh¬
men. Auf das Werk von Kurz1, in welchem die übrigen
Lieder größtentheils abgedruckt sind, bin ich erst durch
die beigestellten Hinweisungen aufmerksam gemacht
worden. Sonst kannte ich die Drucke bei Ettmüller
(Eidgenössische Schlachtlieder) 3 und anderwärts. Meh-
reres habe ich selbst in Handschriften und alten Druck¬
blättern eingesehen, da ich diesem Liederwesen so
viele Jahre lang nachgegangen bin. Ich vermuthe nun
auch, daß die handschriftl. Liedersammlung in der
v. Mülinen’schen Bibliothek dieselbe sei, die mir bei
meinem Besuche in Bern im Jahr 1839 mit großer Zu¬
vorkommenheit zur Benützung gegeben wurde * u. in
der sich namentlich pag. 15 ein reformatorisches Ge¬
sprächlied zwischen einem Pilger und St. Michael s, so¬
dann pag. 223 ein Gespräch zwischen Buchsbaum u.
Felbinger6 befindet, von welchen beiden ich nachmals
für meine „Alte hoch- und niederdeutsche Volkslieder
(1844)“ Gebrauch machte. Schon geraume Zeit früher
standen mir die 8 Bände der Rud. Wyss’schen Samm¬
lung zu näherer Einsicht.
[Darf ich nun, nach so sehr gefälliger Auskunft, mir
noch einen Wunsch gestatten, so ist es folgender. Der
berühmteste unter den schweizerischen Schlacht¬
gesängen, das Sempacher Lied, hat auch mich be¬
sonders beschäftigt. Dasselbe schien mir 7, so wie es in
der vollsten Strophenzahl vorliegt, aus zwei verschiede¬
nen Bestandtheilen, einem vorherrschend heraldischen
und einem mehr epischen, zum Ganzen geworden zu
sein. Darum war ich besonders bemüht, Texte mit
weniger Strophen kennen zu lernen. Unlängst fand ich
wieder einen solchen mit 39 Str. in einer Handschrift
von Schodelers Schweizerchronik8, während es z. B. bei
Tschudi deren 66 sind. Nach einer Bemerkung von
Rochholz (Eidgenöss. Liederchronik S. 49) sollen es bei
Schodeler 40 Str. sein.]
Die ausnehmende Bereitwilligkeit, mit der Sie u.
Ihre gelehrten Freunde Steinlen und Hidber meinen
Anfragen entgegengekommen sind, gibt mir die Hoff¬
nung, vielleicht auch weiterhin gefälligst benachrichtigt
zu werden, wenn Ihnen bei Anlaß eigener Forschungen
Einiges Vorkommen sollte, was Sie für meine Studien im
Gebiete des älteren deutschen V olkslieds geeignet fänden.
Von meinem Freunde Mayer u. seinen hier an¬
wesenden Töchtern sind mir an Sie u. die Ihrigen herz¬
liche Grüße aufgegeben. Er dankt für die gute Auf¬
nahme, die dem jungen Schott in Ihrem Hause ge¬
worden ist. Der Hingang der vortrefflichen Frau
Pfarrerin Drück ist der Familie und Allen, die sich
Ihrer wohlwollenden Gesinnung erfreuen durften, ein
schmerzlicher Verlust. — Ihnen und Ihrer verehrten
Gemahlin empfehlen wir uns angelegenst in die Fort¬
dauer freundschaftlichen Andenkens, sowie der trauliche
Abend, den wir in Ihrem häuslichen Kreis zugebracht,
uns in der angenehmsten Erinnerung steht,
Hochschätzend
Ihr ergebenster
Tübingen, 11. Decemb. 1859. L. U.
Anmerkungen. 1 Über das Lied auf die
Schlacht bei Kappel 1531 gibt L. Tobler,
Schweizerische Volkslieder I. (1882) XL ff. eine
Literaturzusammenstellung. Nach der Werner
Steiner’schen Liederhandschrift ist das Lied ab¬
gedruckt bei R. von Liliencron, Die historischen
Volkslieder der Deutschen vom XIII. bis XVI.
Jahrhundert. IV (1869) 41 f. No. 433.
2 Heinrich Kurz, Ältere Dichter, Schlacht-
und Volkslieder der Schweizer. Zürich 1860;
Die Schweiz in ausgewählten Dichtungen. Bern
1859.
3 Ludwig Ettmüller, Eidgenössische Schlacht¬
lieder. Mittheilungen der antiquarischen Gesell¬
schaft in Zürich. II 2 (1844) 65 ff.
4 Vergl. Alte hoch- und niederdeutsche Volks¬
lieder. II (1845) 974.
5 Das Gesprächslied zwischen einem Pilger
und St. Michael ist abgedruckt: Alte hoch-
und niederdeutsche Volkslieder. II. (1845) 80 yi.
No. 304, vergl. S. 1034. Man vergleiche auch:
Schriften zur Geschichte der Dichtung und
Sage. IV (1869) 3 1 6 ff.
6 Buchsbaum und Felbinger abgedruckt in
Alte hoch- und niederdeutsche Volkslieder. I
(1844) 30 ff. No. 9a.
7 Diese Ansicht schon ausgesprochen in
Alte hoch- und niederdeutsche Volkslieder. II.
(1845) loi6 f. No. 160, ein Abdruck des Liedes
ebd. I. (1844) 404 ff. Über dieses Lied vergl.
man E. L. Rochholz, Schweizerische Lieder¬
chronik 2 (1842) S. 28 ff, besonders 45 ff.
(Scheidung in vier Romanzen); Ottokar Lorenz,
Leopold III. und die Schweizer Bünde. Wien
1860, S. 36 ff. und Germania VI (1861) 161 ff;
(in vorliegender Form Rezension mehrerer
älterer Gedichte, wovon die zwei kleineren und
volkstümlichen nur den Kampf ins Auge fassen,
während das dritte ein historisches Epos ist) ;
Liliencron a. a. O. I. (1865) 109 ff. besonders
142 ff; F. M. Böhme, Altdeutsches Liederbuch.
(1877) S. 456 C; L. Tobler, Archiv des histo¬
rischen Vereins des Kantons Bern VII, 2 (1869)
341 ff. Eine Zusammenfassung aller Ansichten
bei L. Tobler, Schweizerische Volkslieder I
(1882) XXIII f.; ein Abdruck ebd. II, (1884)
10 ff, bei L. Ettmüller a. a. O. 65 ff und H. Kurz
a. a. O. 39 ff
8 Die Chronik Werner Schodelers ist nur
eine mit geringfügigen Vermehrungen versehene
Abschrift der Dieb. Schillingschen Chronik
212
Blümml, Briefe von und an Ludwig Uhland.
(s. G. Studer, Archiv des historischen Vereins
des Kantons Bern. VII. 2 [1869] 396 ff.).
4 • Uhland wid Ferdinand Wolf
7 Briefe Ludwig Uhlands an den bekannten
Romanisten Ferdinand Wolf in Wien hat Ph.
Strauch (Deutsche Dichtung. Hg. von K. E.
Franzos. III. 4 [1887] I26 ff) mitgeteilt. Bei¬
nahe jeder davon (No. 1 — 6) enthält einiges auf
Uhlands Volksliedbestrebungen bezügliche. Auf
Uhlands Brief vom 4. September 1839 (a. a. O.,
S. 128, No. 3) antwortete Wolf unterm 22. Jänner
1840 (Hds. M d. 525 No. 12 der Universitäts¬
bibliothek in Tübingen). In diesem Brief ist
folgende Stelle wichtig:
Wien 22. Jänner 1840.
Sehr verehrter Herr und Freund,
Ihr liebes Schreiben vom 4. Septemb. v. J. hat mir
viele Freude gemacht; ist es mir doch ein theurer Be¬
weis, daß Sie, Verehrtester, meiner noch freundlich ge¬
denken. Auch hätte ich es längst beantwortet; ich
wollte Ihnen aber zugleich das Resultat der Durch¬
musterung der Fehrenberg’schen Sammlung melden
und diese ist erst vor kurzem beendet worden. Es war
in der That nicht der Mühe werth, darauf zu warten;
denn es haben sich wohl folgende drei Volkslieder
darin gefunden: ,Der Bundtschu disz biechlein sagt von
dem bösen fürnemen der Bundtschuher wye es sich
angefengt, geendet vnd auskumen ist. 1514.1 — Lieb |
Lied ; Layd. Von dem Böhaimbischen Tumult auch
vermessenen anzug auff Wienn vnnd spöttlichen Ab¬
zug darvon des Grafen von Thurns sambt seinen vnd
den Mährischen Soldaten. Im Thon wie man den
Graff Niclas von Serin singt J etc. Gedruckt im Jar
1619.2 — Extra ordinari Postilion. Zu suchen den von
Prag verlohrnen Palatin. Erstlich gedruckt zu Antorff
im Jahr 162 1 3 ; aber keines hat, meines Erachtens, den
mindesten poetischen Werth, das letzte ist noch das
frischeste darunter. Sollten Ihnen jedoch Abschriften
davon wünschenswerth scheinen, so bin ich mit dem
größten Vergnügen dazu erbötig4. Überhaupt würde
es mir eine große Freude machen, zu Ihrem Werke
über die Volkslieder auch mein Scherflein beitragen
zu können; mit welcher Sehnsucht sehe ich demselben
entgegen, wie vortheilhaft würde es für meine gegen¬
wärtige Arbeit über die Lais sein, wenn ich es noch
dazu benützen könnte! .... Ferdinand Wolf.
Anmerkungen. 1 Man vergl. darüber Lilien-
cron, a. a. O. III (1867) 133 ff No. 284.
2 Vgl. R. Wolkan, Deutsche Lieder auf den
Winterkönig (1898) S. 330, No. 20 (37
Strophen). Über den Graf Serin-Ton s. F. M.
Böhme, Altdeutsches Liederbuch (1877) S. 491
und 5 1 o f.
3 Wolkan a. a. O., 378 ff. No. 154. Ein
Abdruck eines solchen Liedes durch Hoffmann
von Fallersleben, Weimarisches Jahrbuch für
deutsche Sprache, Literatur und Kunst V
(1856) 237 fr.
1 Solche Lieder sammelte Uhland nicht,
denn er nahm in seine Volkslieder nur histo¬
rische Lieder auf, die schon sagenhaften Cha¬
rakter aufwiesen; vergl. seine Bemerkung in
einem Briefe vom 28. Juli 1837 an Wolf (Strauch
a. a. O. 127 f.).
5. Uhland und Ferd. Freiligrath .
Erich Schmidt (Euphorion II [1895] 129fr.)
teilte einen Brief L. Uhlands an Freiligrath (d.
d. Tübingen, 10. August 1835) mit, worin sich
ersterer für verschiedene Aufschlüsse über das
holländische Volkslied bedankt. Dieser Brief
ist, wie aus der Erwähnung des Nederlandt-
schen Gedenckclanck (S. i3of.), der kleinen
Monographien über Wilhelm von Nassau (S. 1 3 1 )
von Thirsis Minnewit (S. 1 3 1 f.) , der Freund¬
lichkeit des Hausherren (S. 132), von Hoorns
Liedboekje (S. 132) und der Mißverständnisse
bei Le Jeune (S. 132) hervorgeht, die Beant¬
wortung des weiter unten abgedruckten Briefes
von Freiligrath an Uhland. Dieser Brief ist
leider nur fragmentarisch erhalten (Universitäts¬
bibliothek Tübingen, Hds. Md. 525 No. 10). Er
ist, wie aus einer Stelle im Uhlandschen Brief
(S. 129: Wie sehr haben Sie, verehrter Herr,
durch ihr freundliches Schreiben vom 18. v. M.
und dessen Beilagen mich überrascht und er¬
freut!) hervorgeht, mit 18. Juli 1835 zu datieren.
Woblgebomer Herr,
Hochgeehrter Herr Doctorl
Indem ich es unternehme, Ihnen mit wenigen Wor¬
ten Rechenschaft abzulegen über die Ausführung Ihres
mir über Alles schätzbaren kleinen Auftrages, kann ich
mich kaum des Gedankens erwehren, als sei ich in
einem Traume befangen. In der That: — Ihnen , dem
deutschen Dichterfürsten unserer Zeit, nahen zu dürfen,
Ihnen aus vollem Herzen meinen Dank für Ihre Lieder
und für Alles, was Sie in mir gewirkt haben und wirken
aussprechen zu können — es ist einer der schönsten
Momente in meinem Leben und um so ergreifender
für mich, je unerwarteter er mir kommt! — Mir ist, wie
einem Horcher vor dem Walde, der lange den Liedern
Merlins gelauscht habend, nun plötzlich Dank und
Gruß in die laubige Wüste hineinrufen darf und weiß,
daß man seinem Rufe nicht zürnt.
Herr Professor Schwab wird die Güte haben, meine
holländischen Raritäten an Sie zu befördern. Da meines
Wissens keine umfassende ältere Sammlung holl. Volks-
Blümml, Briefe von und an Ludwig Uhland.
213
lieder besteht, so hielt ich es für’s Beste, dasjenige,
was ich von ältern Sachen durch Zufall erhaschte,
sammt Le Jeunes1, Hoffmanns von Fallersleben Werk2
vielleicht hin und wieder ergänzender, Sammlung mit
einander an Sie abgehen zu lassen. Ich glaube freilich
mit Grund vermuthen zu können, daß nicht Alles nach
Ihrem Sinne ist und bitte Sie daher, das, was etwa
keinen Werth für Sie hat, ohne Umstände durch Buch¬
händlergelegenheit an mich zurückgehen zu lassen, da
ich sowohl den Nederlandscher Gedenk- Klank (Preis
5 Gulden holl.) 3 als auch Le Jeune’s Buch (Preis
3 Gulden) nur zur Ansicht aus dem Laden habe. Die
kleineren Sachen, das Hoornsche Mopsje4 — welch
ein Name! — u. s. w. brauchen den Rückweg übrigens
auf keinen Fall anzutreten. — Ihr ehemaliger Besitzer,
mein Hauswirth, ein ehrbarer, ruhiger Mann, der sich
auch zuweilen an einem deutschen Liede ergötzt, findet
sich hoch geehrt, daß sie seinen Schrein verlassen und
zu Ihnen pilgern dürfen. — Ich hatte Anfangs vor,
meine Sendung in einer besondern Beilage des Breitem
zu commentiren und ein paar Übersetzungsn beizu¬
fügen, — da mir aber vor Abgang meines Boten zu
wenig Zeit dazu bleibt und ich eigentlich auch nichts
Besseres zu sagen weiß, als was Wienbarg5 im 2ten
Theile seines Buch’s über Holland, Wolff6 in seinen
Proben Altholl. Volkslieder, Le Jeune (der freilich
manchmal gar nicht zu wissen scheint, was eigentlich
ein Volkslied ist) 7 u. Hoffmann v. F.8, dessen Horae
Belgicae ich leider nicht kenne, darüber schon gesagt
haben, so unterlasse ich es lieber und beschränke mich
auf folgende, flüchtige Bemerkungen. — Die politische
Volkspoesie der Holländer aus der Zeit des Abfalls
wird, glaub ich, durch des Adrianus Valerius Nederland-
schen Gedenkklank genügend repräsentirt. Das merk¬
würdigste Lied dieser Familie ist unstreitig das Wil-
helmus van Nassouwen9, die Marseillaise der Geusen,
wie sie N. G. van Kämpen 10 nennt. Es hat sich bis
heute erhalten und ich höre es fast täglich auf den
Gassen. — Die beigelegte Abhandlung von van Some-
ren11 über Alter u. Verfasser des Liedes ist Ihnen, trotz
dem philiströsen Versuch des Mannes, der alten Weise
einen neuen, übrigens von Niemanden gesungenen, Text
unterzulegen (pag. 55) vielleicht nicht unwillkommen.
Die edelsten Perlen der alten nichtpolitischen Volks¬
poesie — ihrer sind wenige — finden sich zerstreut in
den, nach der Farbe ihres Umschlags blaauwe boekjes
genannten Heften. Die besten derselben Na Ooster-
land wil lk varen12, Het daghet uit den Oosten V Daar
reed er een ridder14 u. s. w. hat Le Jeune schon gefischt
u. Wolff u. Wienbarg haben sie übersetzt. Ich werde
mir aber einen Stoß dieser Hefte zu verschaffen suchen
u. Ihnen, was mir von dem Unbekannten darin echte
Poesie scheint, alsbald mittheilen. — Über die später
unter verschiedenen, meist abgeschmackten Titeln, ver¬
anstalteten Sammlungen finden Sie Näheres in Le
Jeune’s Vorbericht. Das wenige Gute, was sich in die¬
sen Sammlungen vorfindet, ist aus blauen Büchern,
das neu hinzugedichtete ist meist so, daß man es kaum
lesen kann. — Als Probe dieser Art Bücher schicke
ich Ihnen das große Hoornsche Mopsje (von Le Jeune
Seite 39 und 40 besprochen) und eine jüngere Samm¬
lung vom Jahre 1752, Thyrsis Minnewit15. — Das erstere
enthält u. A. auch das von Le Jeune in der Vorrede
nur seinem besten Theile nach mitgetheilte u. von Wolff
auch so übersetzte Trinklied: Viva le bon Prins Hen-
derik16 — ganz und der Schluß bezieht sich wahr¬
scheinlich auf die Sitte des Ausläutens des Königs von
Spanien. Man hatte nämlich Kelche mit Klöpfeln drin,
die nach dem Trinken umgekehrt wurden, um dem
Spanier ein Pereat zu bringen, meist mit dem Spruche:
Duc d’Alf die heeft het zwaar verbruid,
Wy luyen den Koning van Spanje uit! —
Im Thyrsis Minnewit sind viele derbe, zum Theil auch
noch gesungene Gassenhauer. Das Lied darin: Ik voer
al over Zee1? scheint mit dem im Mopsje: Ik voer al
over den Ryn18 verwandt zu seyn. Das von Anke von
Trare19 ist deutsch u. das Gleichniß darin vom Palm¬
baum poetisch. — Das beste von den unbekannten in
dieser Sammlung ist wohl das: Wy willen nog niet
scheyden, I. 56 2°. — Le Jeune hat es nicht.
Hier bricht der Brief ab.
Anmerkungen . 1 J. C. W. Le Jeune, Letter¬
kundig overzigt en proeven van de nederland-
sche volkszangen sedert de XVde eeuw. ’s Graven-
hage 1828.
2 Heinrich Hoffmann von Fallersleben, Hol¬
ländische Volkslieder (Horae belgicae. Pars II.)
Breslau 1833; 2. Ausgabe, Hannover 1856.
5 Neder-Landtsche Gedenck-Clanck. Kor-
telick openbarende de voornaemste geschiede-
nissen van de seventhien Neder-Landsche Pro-
vintien, ’t sedert den aenvang der Inlandsche
beroerten ende troublen, tot den Jare 1625.
Door Adriänum Valerium. Tot Haeriem 1626.
- 4 ’t Nieuw Groot Hoorns Lied-Boekje, Be-
staande in veel Stigtige en Vermakelyk Bruy-
lofts Liedekens. Te Hoorn o. J.
5 Ludolf Wienbarg, Holland in den Jahren
1831 und 1832. II. (Hamburg 1833) 149 ff.,
besonders 152 (über Mopsjes) und i5of. (über
die blauen Bücher).
6 O. L. B. Wolff, Proben altholländischer
Volkslieder. Greiz 1832. S. IX ff. (über das
Volkslied der Holländer).
i Le Jeune a. a. O., S. 9 und 1 1 ff.
8 Hoffmann von Fallersleben a. a. O. S., VII ff.
= 2VIIff.
9 Abgedruckt: Gedenck-Clanck S.4Öf. ; Hoff¬
mann v. F., S. 96 ff.
10 Beknopte Geschiedenis der letteren en
wetenschappen in de Nederlanden I (Haag
1821) 1 15 ff.
11 R. H. van Someren, Over het Volkslied
Wilhelmus van Nassouwen met eene Bydrage
door P. A. Brugmans. Utrecht 1834.
214
Blümml, Briefe von und an Ludwig Uhland.
12 Hoffmann von F. 170 fr. — 22o8f. No. 104;
Thyrsis Minnewit I, 102 ff.; Le Jeune 236 ff.
No. 63; Wienbarg S. 175 ff.; Wolfif S. 25 ff.
*3 Hoffmann von F. ior ff. = 2 65 ff. No. 16;
Le Jeune 100 ff. No. 5; Wolff S. 10 ff.
Hoffmann von F. 162 ff. = 2 92 f. No. 29;
Le Jeune 292 b No. 92; Wienbarg S. 178 ff.;
Wolff S. 39 ff.
Thirsis Minnewit. Bestaande in een ver-
zameling der moyste en aangenaamste Minne-
Zangen en voysen. 3 Teile. Amsterdam 1735.
Es gibt auch spätere Ausgaben von 1750, 1752.
L. Uhland erwähnt die Sammlung öfter in seinen
Schriften zur Geschichte der Dichtung und Sage.
IV. (1869) 28 (zu No. 22b seiner Sammlung),
31 f. (zu No. 29), 200 (zu No. 212), 242 (zu
No. 260).
16 Le Jeune S. 40 f.; Wolff S. 61 f.; Hoorns
Lied-Boekje S. 113.
17 Bei Uhland, Schriften IV (1869) 242
(zu No. 260), teilweise abgedruckt; vollständig:
nach Thirsis Minnewit II (1750) 76 ff.; eine
Erwähnung desselben auch bei Hoffmann von
F., S. 76.
18 Hoorns Lied-Boekje. S. 240 ; Bruchstücke
gedruckt bei Uhland, Schriften IV, (1869) 242
(zu No. 260).
19 Thirsis Minnewit I (1752) 1 1 1 f.
20 Thirsis Minnewit I (1752) 56 f.
6. Uhland und Karl Halling.
Karl Halling (1806 — 1837), der im Frühjahr
1827 (nicht Sommer, wie C. Wendeier, Brief¬
wechsel des Freiherrn Karl Hartwig Gregor
von Meusebach mit Jacob und Wilhelm Grimm.
Heilbronn 1880, S. LVII. meint) als junger
Theologe nach Tübingen kam, widmete sich
dort unter Uhlands Leitung dem Studium der
deutschen Schriftsteller des XVI. und XVII.
Jahrhunderts. Eine Frucht dieser Studien ist
seine Ausgabe des Fischartschen glückhaften
Schiffes von Zürich (Fischarts glückhaftes
Schiff von Zürich. In einem treuen Abdruck
herausgegeben und erläutert durch Karl Halling.
Tübingen 1828), wozu Uhland eine wertvolle
Einleitung „Zur Geschichte des Freischießens“
schrieb. Durch seine Fischartstudien kam
Halling mit Meusebach in Beziehungen; die¬
selben waren anfangs kühl, dann, als das per¬
sönliche Kennenlernen hinzutrat , von kleinen
Trübungen abgesehen, sehr herzlich, wurden
jedoch in der letzten Zeit, als sich Halling mit
Forschungen über die Skythen abgab, derart
kühl, daß ein offener Bruch eintrat (man vergl.
darüber Wendeier a. a. O., S. LVII — LXXXV.)
Halling starb zu Wiesbaden am 19. Juni 1837
an der Brustkrankheit. Seine Beziehungen zu
Uhland, die aus der Tübinger Zeit (1827 bis
1829) stammen, scheinen Zeit seines Lebens
freundliche gewesen zu sein, denn noch 1836
erwähnt er in einem Briefe an Meusebach (s.
Wendeier S. LXXXV), daß ihm Uhland jüngst
über seine „Geschichte des Volksliedes“ ge¬
schrieben habe. Wir sehen, das letzte, was
wir von Halling und Uhland wissen, bezieht
sich auf das Volkslied und auch das erste
Schriftstück, das wir von Halling an Uhland
besitzen, hat das Volkslied zum Gegenstand.
Es ist ein Brief (Universitätsbibliothek Tübingen
Hds. Md 506, X. Bl. 72), den Halling am
28. Mai i827an Uhland richtete und worin jene
Variante des Morgensternliedes enthalten ist,
die Uhland „Alte hoch- und niederdeutsche
Volkslieder. II. (1845) 1007 No. 76 D als von
Halling auf der schwäb. Alb aus dem Volks¬
mund aufgezeichnet erwähnt, aber nicht ab¬
druckt.
Innigst verehrter Herr Doctor!
Dem Rath des Herrn Professor Schwab1 zu folge,
wanderte ich gleich nach meiner Rückkehr von Stutt¬
gart nach der Alp um das Fest in der Nebelhöhle2
mitzufeiern und wahrlich, es wird mir eine süße Er¬
innerung bleiben. Durch diese meine Wanderung er¬
litt nun die Sendung des glückhaften Schiffes einen
kleinen Aufschub und es erfolgt daher jetzt mit allem
Danke zurück.
Meine Wanderung nach der Alp ist vielleicht nicht
ganz ohne Nutzen gewesen, denn ich benützte die Ge¬
legenheit zum Sammeln von Volksliedern und mein
Unternehmen wurde von einem bessern Erfolg gekrönt
als ich dachte. Neben zwei von Bauer(n)burschen ge¬
schriebenen Liederbüchern, die mir aber nur geliehen
wurden, erhielt ich durch mündliche Überlieferung
mehrere treffliche Lieder und ich glaube, es wird Ihnen
vielleicht nicht ganz unangenehm sein, wenn ich mir
die Freiheit nehme, Ihnen einige mitzutheilen. Das im
Wunderhorne B. 1, S. 292 abgedruckte Lied vom „eifer¬
süchtigen Knaben“ lautet in dieser meiner Überlieferung
so: 1) Es glänzen zwei Stern am blauen Himmel, Sie
geben der Welt einen Schein, Liebreicher Gott vom
Himmel! Wo stell ich mein Pferd hinein? — 2) Nimm
du es, dein Pferd, beim Zügel, beim Zaum Und häng
es an den Feigenbaum, Und setz dich eine kleine Weil
nieder, Eine kleine Weil nieder und ruh. — 3) Darf
auch nicht sitzen, darf auch nicht ruhn, Darf auch nicht
fröhlich sein, Mein Herze möcht mir zerspringen, Herz-
Blümml, Briefe von und an Ludwig Uhland.
215
liebste, von wegen dein! — 4) Was zog er aus seiner
Taschen? Ein Messer so scharf und spitz: Er stach es
der Liebsten durchs Herze, das rothe Blut gegen ihn
spritzt. — 5) Und da ers wieder heraußerzog, Von Blut
war es so roth; Liebreicher Gott vom Himmel, Wie
bitter ist mir der Tod! — 6) Was zog er ihr abe vom
Finger? Ein rothes Goldringelein, Er warfs in fließend
Wasser, Es gab seinen klaren Schein. — 7) Schwimm
hin, schwimm her, Goldringelein, Bis an den tiefen
See! Mein Feinslieb ist mir gestorben, Jetzt hab ich
kein Feinslieb mehr! - 8) So gehts wenn ein Mädel
zwei Schätze will haben, Thuts wunderselten gut. Wir
beide, wir habens erfahren, Was falsche Liebe thut. —
9) Und wenn man Stroh ins Feuer legt, Wie bald ist es
verbrannt, So geht es mit der Liebe, Wie bald ist sie
verbrannt. — 10) Wer hat denn dies Lied erdacht?
Wer hat es denn gemacht? Es habens gesungen zwei
Jägersjungen Zu guter Nacht! — 3
Um wie viel schöner ist hier nicht der ganze Zu¬
stand des Knaben aufgefaßt! - Vers 6 und 7 fehlten
ganz in zwei verschiedenen Überlieferungen und diese
mußte ich denn, vielleicht auch nicht mit Fug, aus
dem Wunderhorn ergänzen.
Ein anderes: 1) Ach in Trauern muß ich leben,
Sag woran hab ichs verschuld, Ich soll und muß meinen
Schatz aufgeben! — Alles leid ich mit Geduld. —
2) Vater und Mutter wollens haben, Gelt, mein Schatz,
das weißt du wohl, Sag mir nur die gewisse Stunde,
Wann ich zu dir kommen soll. — 3) Herziger Schatz,
bleib nur beständig, Bleib beständig bis in Tod, Laß
keine Falschheit an dir spielen, Herziger Schatz, nun
lebe wohl! — 4) Spielets auf, ihr Musikanten, Spielets
auf ein Saitenspiel, Meinem Schatz zum Wohlgefallen,
Weil ich Abschied nehm von ihr. — 5) Es leuchten
zwei Sterne am Himmel, die leuchten wie das klare
Gold, Der eine leucht zu meinem Schätzchen, der
andre in das Fenster hold! — 6) Du bist mir aus mei¬
nen Augen, Aber nicht aus meinem Sinn, Du darfst
mir es kecklich glauben, Daß ich ganz getreu dir bin. —
7) Geh ich aus auf fremden Straßen, Schauen mich die
Leute an, Meine Äuglein fließen Wasser, Gar kein
Wort mehr reden kann. — 8) Meine Augen sind die
Feder, Meine Wangen das Papier, Meine Thränen
sind die Tinten, Womit ich dir schreiben will.
So viel für heute. Haben die Lieder Ihren Beifall,
soll es mich freuen; vielleicht bin ich bald noch glück¬
licher, denn ich werde wahrscheinlich noch mehrere
geschriebene Liederbücher bekommen.
Mich gehorsamst empfehlend, bin und bleibe ich
in tiefster Verehrung
Ihr
dankbarer Diener
Tübingen den 28. Mai 1827. Karl Halling.
Anmerkungen. 1 Halling hatte von Franz
Horn in Berlin Empfehlungen an Schwab (s.
Wendeier, S. LVII).
2 Alljährlich findet in der Nebelhöhle (in
der Nähe des Lichtenstein) am Pfingstmontag
ein Volksfest statt.
3 Vergl. Erk-Böhme, Deutscher Liederhort.
I (1893) 163 fr. No. 48 ab; Lit. S. 169.
4 Vergl. Erk -Böhme II (1893) 523 ff'. No.
y -9 <9 a — d
Exlibris von Walter Schiller.
Mit 7 Abbildungen.
ie sieben Blätter, welche dieses Heft aus
Wien bringt, verdienen schon deswegen
Beachtung, weil ihr Zeichner, Student
der Medizin — worauf sein eignes Ex¬
libris deutet — , Autodidakt ist. Sein Streben,
die Schwarz-Weiß-Wirkung möglichst ausgeglichen
das Blatt bedeutet etwa: selbst der einsame Adler
auf Bergeshöhe ist froh, wenn die komische Kunst,
dargestellt durch den Narren mit lachender Maske,
zu ihm dringt. Das Biedermeier-Exlibris gehört
einer jungen Sängerin, die beiden für Richard
Wiener gezeichneten Blätter zu einer Bibliothek
zur Geltung zu bringen, ist unverkennbar; daneben
fehlt es seinen phantastischen Erfindungen, auch
wo sie sich an bekannte Muster anlehnen,
nicht an eigner Prägung. Das Exlibris „Hansi
Niese“ gehört der großen Volksschauspielerin an,
die auch außerhalb Wiens Triumphe gefeiert hat;
von Curiosis; sie sind Gegenstücke und können
etwa „der tückische Mörder“ und „der heitere
Flötenspieler“ genannt werden. Weiteren Zeich¬
nungen des jungen Künstlers sehen wir mit Inter¬
esse entgegen. cf.
Das Papier als kunstgewerbliches Material.
£^V°nj
Dr. Heinrich Pudor in Leipzig.
Materialfreude, die auf so vielen Ge-
1 ® bieten des Kunstgewerbes und der In-
f|j|f dustrie wieder erwacht ist, hat auch
LM1 der Papierbranche neue fruchtbare An¬
regungen gegeben Wir beginnen nunmehr auch das
Papier als ein kunstgewerbliches Material anzusehen,
das, wenn es darnach ist, an sich ästhetisch wirken
und einen Sinnengenuß bereiten kann, so gut als
ein schön gemasertes Birkenholz, so gut als Zinn
oder Silber. Die eigentliche Materialeigenart und
-Schönheit des Papieres wurde freilich bei der in
Europa seither üblichen Eabrikationsmethode durch
die maschinenmäßige Herstellung, die enge Bin¬
dung der Fasern, die Leimung und Satinage in
den Hintergrund gerückt, während das ungeleimte
japanische Handpapier die ganze Schönheit des
Rohfasermaterials erkennen läßt. Dies aber eben
gerade muß man sich bei der Betrachtung des
Papieres als eines kunstgewerblichen Materiales
vor allem vor Augen halten, daß es sich hierbei
um ein Fasermaterial handelt. Wenn wir diesen
Gesichtspunkt einnehmen, erkennen wir sofort, daß
die Richtung, welche die europäische Papier¬
fabrikation bis vor kurzem eingeschlagen hat, nicht
eigentlich die richtige war. Sie lief darauf hinaus,
den wahren Grundcharakter des Papieres als eines
Fasermateriales gänzlich zu verwischen. Sie dachte
nicht daran, die Fasern, also den eigentlichen
Materialstoff des Papieres, zu schonen. Die Ja¬
paner verwendeten früher, um die Fasern bei der
Aufweichung unbeschädigt zu erhalten, eine aus
Asche gekochte Lauge, während sie jetzt Soda
oder Kalk anwenden, Hand in Hand gehend mit
der zunehmenden Verschlechterung des japanischen
Papieres. Auch die Festigkeit des japanischen
Papieres wurde früher durch die den Fasern eigene
Festigkeit und deren Länge bedingt, nicht durch
die Verfilzung der Fasern. In dünnerem japani¬
schen Papier liegen die Fasern nur in einer Rich¬
tung und in dickerem Papier nur in zwei einander
entgegengesetzten Richtungen.
Es sind aber nun deutliche Anzeichen vor¬
handen, daß auch in der europäischen Papier¬
fabrikation der Charakter und die Eigenart des
natürlichen Rohstoffmateriales wieder mehr zur Gel¬
tung gebracht wird. Und dies in Einklang mit
der Hauptströmung der modernen kunstgewerb¬
lichen Bewegung darauf hinauslaufend, durch Tech¬
nik, Form und Dekor die natürliche Schönheit
eines jeden Materiales zur Geltung zur bringen,
statt sie zu verwischen und zu verfälschen.
Beim Papier wird durch diese Hervorhebung,
Schonung und Veredelung des Rohstoffmateriales
erst die bedeutsame Eigenschaft der „Griffigkeit“
ermöglicht. Von dieser Wirkung auf den Gefühls¬
und Tastsinn konnte bei den seither üblichen
Zu Schiller, Exlibris.
28
2l8
Pudor, Das Papier als kunstgewerbliches Material,
Papieren kaum die Rede sein, obwohl sie gerade
beim Papier von so grober Wichtigkeit ist, und
früher ja auch wirklich jeder gute Drucker von
einem Papiere verlangte, daß es auch „griffig“ ist.
Die Zeitungspresse ging hier mit einem bösen
Beispiel voran, denn wer Sinn und Geschmack
für Papier hat, erleidet einen physischen Schmerz,
wenn er das Papier der meisten Zeitungen in die
Hand nimmt. Und doch könnte das Papier ge¬
rade in diesem Betrachte, wie es als Material auf
unseren Gefühlssinn wirkt, gleich hinter der Seide
kommen, und auf der anderen Seite gibt es über¬
haupt sehr wenige kunstgewerbliche Materiale,
welche nicht nur auf den Gesichtssinn, sondern
auch auf den Gefühlssinn eine ästhetische Wirkung
ausüben können. Wenn man nun bedenkt, wie
viele tausende Male fast jeder Mensch täglich in
die Lage kommt, mit Papier in Berührung zu
kommen, wie man deshalb schon gesagt hat,
freilich mit einem ironischen Beigeschmack, daß
wir im papiernen Zeitalter leben, so erhellt zur
Genüge, wie gerade das Papier ästhetisch erziehend
auf die Massen wirken könnte, wenn man anfangen
würde, es als kunstgewerbliches Material anzusehen,
welches es doch ist, und zwar namentlich natürlich
seitens der Fabrikanten. Aber die Menschen
haben sich daran gewöhnt, das Papier als etwas
anzusehen, was man entweder zum Schreiben oder
zum Drucken oder zum Einwickeln gebraucht,
das aber an sich an den Schönheitssinn nicht
appellieren könne. Selbst die Buchkunst hat sich
ja viele Jahre damit begnügt, schöne Illustrationen
in die Bücher drucken zu lassen, vielleicht auch
ein hübsches Exlibris anzubringen — statt beim
Material anzufangen, welches doch überall die
Grundlage bildet, von der man aus¬
geht, also in diesem Falle vom Papier.
Ganz schüchtern nur und verzagt fangen
die modernen Buchkünstler und ihre
Führer an, auch an das Papier gewisse
ästhetische Forderungen zu stellen.
Der Staat hat in dieser Richtung
wertvolle Aufgaben zu erfüllen. Er
könnte mit Hilfe materialschöner Papiere
ästhetisierend und schönheitsbildend auf
die großen Massen wirken. Ich denke
dabei nicht etwa nur an die Wertpapiere,
obwohl gerade auf diesem Gebiete viel
versäumt wird und obwohl auf der
anderen Seite die Eigenschaft der
Griffigkeit gerade hier in vorderstem
Range steht. Ich dachte aber mehr
an die Reichspost, welche zum Teil
ein ganz unwürdiges Papier verwendet,
das verrohend, nicht bildend auf die
Sinne des Volkes und abstumpfend
auf die Sinne des ästhetisch Gebildeten
wirken muß.
Es kann auch dem Buchhandel
der Vorwurf nicht erspart werden, daß
er sich beim Einkauf seiner Papiere in
der Hauptsache nur um die Stärke und Farbe und
um die relative Holzfreiheit, allenfalls noch um die
Reißfestigkeit kümmerte, daß er aber für die Schön¬
heit seines Papieres keinen Sinn hatte. Das kam
natürlich in besonders krasser Weise beim Um¬
schlagpapier zum Ausdruck. War das Papier
einmal gewählt, so begnügte sich der Buchhändler
damit, das Papier bedrucken zu lassen und zwar
so, daß möglichst viel Schrift auf eine Seite ging.
Daran, das Papier in seiner Materialschönheit zum
Auge sprechen zu lassen, es zur Wirkung zu
Zu Schiller, Exlibris.
Pudor, Das Papier als kunstgewerbliches Material.
219
EX LIBRIS WALTER SCHILLER
Zu Schiller, Fxlibris.
bringen, dachte er nicht. Auch für
den Drucker existierte so etwas wie
Materialschönheit des Papieres nicht,
und er machte den Buchhändler kaum
darauf aufmerksam, daß er aufsaugende
Papiere, die die Druckfarbe willig in
sich aufnehmen, brauche. Bei Morris
erst dämmerte die Einsicht, daß man
nicht nur Satz und Schrift, sondern
auch das Papier zur Geltung bringen
müsse und daß der Satz nicht das
Papier ersticken dürfe. Aber es war
ihm und seinen Nachfolgern eigentlich
mehr darum zu tun, den Papierrand
und die weiße Fläche des Papieres
im Gegensatz zur schwarzen Schrift
wirken zu lassen, als das Papier als
Material sprechen zu lassen. Die Ver¬
leger der Kunstzeitschriften wiederum,
welche am ersten in der Lage gewesen
wären, auf die Schönheit des Papieres
ihr Augenmerk zu richten, wurden
durch die Einführung des glänzenden
Kunstdruckpapieres davon abgebracht.
Denn alles, was etwa bei der modernen
Fabrikation des Papieres von Material¬
schönheit und -Eigenart noch übrig¬
geblieben war, das polierte der Glanz dieses Kunst¬
druckpapieres fort, und das Papier hörte beinahe,
möchte man sagen, auf, Papier zu sein. Die Kreide
übte eine geradezu verheerende Wirkung aus. Das
Publikum ließ sich bestechen durch diese Art von
Glanzwichse, es ,, guckte“ nur auf die Illustrationen
und fand die Ausstattung dieser modernen Zeit¬
schriften wunderschön. Wir sehen hier, wie zwei¬
schneidig das Schwert war, welches die moderne
Chemie der Papierfabrikation in die Hand drückte.
Vielgestaltig, interessant, billig wurde die Papier¬
fabrikation, aber etwas Künstlerisches und Ästheti¬
sches trat nur selten und in beschränktem Umfang
zutage. Der Gerechtigkeit wegen muß aber
gesagt werden, daß das Ausland uns in diesem
Betrachte vielfach ein rühmliches Beispiel hätte
geben können, denn namentlich in England und
auch in Amerika hatte man für Papierqualität
weit mehr Sinn und Verständnis als bei uns.
Auch bezüglich des Briefpapieres. Selbst hier
scheute man nicht davon zurück, glänzendes Papier,
welches das Material der Tinte obenauf stehen
ließ, wie Öl auf dem Wasser, zu verwenden, und
das Publikum hatte nicht genügende ästhetische
Bildung, um sich an materialschönem Papier so
erfreuen zu können, daß es gern ein paar Pfennige
mehr dafür ausgegeben hätte.
Dachten doch selbst die eigentlichen Künstler,
wenn sie auf Papier zeichneten oder in Pastell
malten, viel zu wenig daran, daß sie es hier mit
einem kunstgewerblichen Material zu tun hatten,
das sie bei der künstlerischen Wirkung in erster
Linie berücksichtigen mußten. Die Japaner haben
es getan, und zum soundso vielten Male muß
man den Künstlern empfehlen, bei den Japanern
in die Schule zu gehen, diesmal also bezüglich
des ästhetischen Verständnisses für schöne Papiere.
Die Japaner haben freilich einen wesentlichen
Vorsprung vor uns auch dadurch, daß sie nicht
mit Stahlfedern und Tinte das Papier beim
Schreiben bearbeiten, sondern mit Pinsel und
Tusche darauf malen: dadurch kam schon bei
220
Pudor, Das Papier als kunstgewerbliches Material.
der alltäglichen Beschäftigung des Schreibens ein
künstlerisches oder mit Kunst in naher Beziehung
stehendes Moment zur Geltung, während unsere
Schreibweise eine starke Leimung des Papieres
nötig macht und eine starke Aufsaugungsfähigkeit
als antunlich erscheinen läßt.1
Was zuerst not tut, ist eben dies, daß wir
lernen, das Papier auf unsere Sinne wirken zu
lassen und zwar bewußt, nicht wie jetzt unbewußt,
unter der Schwelle des Bewußtseins liegend, und
daß wir an das Papier, so gut als an irgendein
anderes Material, gewisse ästhetische Anforderungen
stellen. In neunundzwanzig von hundert Fällen
übersehen wir heute das Papier und behandeln es
als Luft — das Papier als Material ist noch nicht
eigentlich in unser Bewußtsein getreten. Es war
für uns durchaus eine quantite negligeable. Es
mußte als kunstgewerbliches Material und die
Papierfabrikation als Kunstgewerbe erst wieder
entdeckt werden. Ist dies erst einmal geschehen,
dann wird das Weitere überraschend schnell
folgen.2
Abwehr.
Im Vorwort seines Buches „ Heinrich von Kleist
als Mensch und Dichter “ wagt Herr Dr. Sigismund
Rahmer die Behauptung, durch unsere Kleistausgabe
sei ihm manches wertvolle und in mühsamer Arbeit
gewonnene Resultat „hinterrücks aus den Händen ge¬
wunden worden“. Er rechnet hierzu „vor allem“ —
was er sonst noch dazu rechnet, sagt er nicht — die
drei an Ernst von Pfuel gerichteten Briefe Kleists und
hat die Kühnheit, von einem „einzigartigen Verfahren
geistiger Entwendung“ zu sprechen. Er scheut sich
ferner nicht, auf seine Anzeige unserer Ausgabe der
Briefe Kleists in der Zeitschrift „Deutschland“ (Februar
1907) zu verweisen, in der er dieselben sogar auf
Kleists Briefe an Ulrike ausgedehnten Anschuldigungen
erhoben hat, und ist so verblendet, unser Schweigen
auf diese Angriffe als „Vogel-Strauß-Politik“ auszulegen.
Daß seine erste entstellende Auslassung nicht so¬
fort von uns in die rechte Beleuchtung gerückt worden
ist, hat seinen Grund darin, daß dieser törichte Angriff
zu deutlich als kleinliche Rache für die in der „Deut¬
schen Literaturzeitung“ (1904, Nr. 51/52) geübte Kritik
seiner leichtfertigen Ausgabe der Briefe Kleists an
Ulrike erkennbar war. Nachdem er nun aber seine
Behauptung in verschärfter und ehrenrühriger Form
wiederholt hat, haben wir keinen Anlaß mehr, ihn zu
schonen. Wir könnten ihn für diesen Schimpf vor Ge¬
richt ziehen, begnügen uns aber vorläufig mit folgender
Erklärung:
Herr Dr. Rahmer hat allerdings das Glück ge¬
habt, die Besitzer der Originale der Briefe Kleists an
seine Schwester und an Pfuel vor uns ausfindig zu
machen. Unwahr aber ist seine Behauptung in der
Zeitschrift „Deutschland“, er habe uns die „Briefquelle“,
d. h. den Besitzer angegeben auf Grund vereinbarter
gemeinsamer Bearbeitung dieses Teiles der Brief¬
sammlung, und wir hätten uns dieser Verpflichtung
später entzogen. Er hat, weit entfernt von ehrlicher
Förderung der Kleistforschung, mit dem offenkundigen
Wunsche, daß die Briefe an Ulrike in dem von ihm
ängstlich gehüteten Verstecke uns verborgen bleiben
möchten, und mit der sichtlichen Absicht — wie seine
am Schlüsse angeführten eigenen Worte klar sagen — ,
die noch unbekannten Blätter an Pfuel erst nach un¬
serem Briefbande triumphierend zu Markte zu bringen,
die Namen der Besitzer hartnäckig verschwiegen.
Trotz dieser schnöden Geheimtuerei haben wir, im In¬
teresse der Ausgabe, versucht, ihn als Mitarbeiter für
diesen Teil der Briefe zu gewinnen, und in übertriebenem
Entgegenkommen die Verhandlungen selbst da noch
weitergeführt, als auch wir unterdessen völlig selb¬
ständig mit Hilfe der Herren des Stettiner Staatsarchivs
den Besitzer der Briefe an Ulrike ermittelt hatten,
weil wir in Übereinstimmung mit dem Herrn Besitzer
loyalerweise ihm sein Vorrecht wahren wollten und
ihn nur so zur Beisteuer der Briefe an Pfuel zu be¬
wegen hoffen konnten. Unter steter Zurückschiebung
eigenster Interessen sind ihm die weitgehendsten Zu¬
sagen gemacht worden. Er stellte aber die anmaßende
Forderung, für seinen verhältnismäßig ganz geringen
Anteil Herausgeberrechte für alle fünf Bände unserer
Ausgabe zu erhalten. Daraufhin wurden die Verhand
lungen mit ihm abgebrochen, nachdem ihm selbst jetzt
noch das Vorrecht der Veröffentlichung der Briefe an
Ulrike zugesichert worden war, das auch gewahrt
worden ist. Dieses Verhalten des Herrn Dr. Rahmer
hatte auch den Herrn Besitzer der Briefe an Ulrike,
der über die gesamte Korrespondenz unterrichtet war,
zu dem Urteil geführt, daß Herr Dr. Rahmer nicht im
Interesse der Ausgabe gehandelt habe, und er sandte
uns daher selbständig und unaufgefordert die Original¬
briefe ins Haus.
Nun mußten wir auch die Spur der Briefe an Pfuel
von neuem selbständig verfolgen, und wir hatten jetzt
auch hier Erfolg. Wir konnten den Herrn Besitzer,
allerdings zu unserer großen Genugtuung, leicht davon
überzeugen, das Interesse einer vollständigen Edition
1 Wir sehen hier davon ab, daß in jüngster Zeit auch in Japan große Fabriken mit modernen Maschinen gegründet
worden sind, in denen das Papier auf europäische Art hergestellt wird. In ebensoweit ist das japanische Papier an
Qualität zurückgegangen. Bei dieser Gelegenheit sei erwähnt, daß das erste auf Papier geschriebene Buch von Buddha im
Jahre 285 aus Korea nach Japan gebracht wurde und daß schon seit 570 in Japan gutes Papier aus der Rinde des
Maulbeerbaumes, desselben Baumes also, von dessen Blättern sich die Seidenraupe nährt, hergestellt wurde.
2 Über die Farbe des Papieres, welche bei alledem von fast ebensogroßer Bedeutung ist, als das Material des
Papieres an sich, müssen wir uns an besonderer Stelle auslassen.
Saß, Eine seltene Ausgabe von „Hermann und Dorothea“.
221
sei größer als der selbstische Anspruch des Herrn Dr.
Rahmer. Auch diesmal wurden uns die Originale aus
freiem Entschluß zur Abschrift und Veröffentlichung
nach Berlin gesandt. Wie darf Herr Dr. Rahmer da
wagen, von „geistiger Entwendung“ zu sprechen!
Der Briefwechsel über alle diese Verhandlungen
ist lückenlos in unseren Händen und Herrn Dr. Rahmer
bekannt. Darum sind seine Behauptungen eine dreiste
und böswillige Verdrehung der Tatsachen. Daß eine
derartige Böswilligkeit seinem Wesen nicht fremd ist,
bezeugen seine eigenen Worte, die sich in einem Briefe
vom 24. Juli 1904 finden: „Wenn ich Ihre Publikation
abwarte und dann mit meinem Buch herausrücke, dann
können Sie gewiß sein, daß ich den Vogel abschieße
und Sie wissenschaftlich wie buchhändlerisch lahm¬
lege“.
Dr. Georg Minde-Pouet, Bromberg.
Prof. Dr. Erich Schmidt, Berlin.
Eine seltene Ausgabe von „Hermann und
Dorothea“.
Das Büchlein, von dem im folgenden kurz die Rede
sein soll, stammt aus der Bibliothek des 1853 ver¬
storbenen, auch als Dichter bekannten Pastors an St.
Nikolai zu Hamburg, Nicolaus Freudentheil.1 1907 ge¬
langte es in meinen Besitz. Für seine Seltenheit spricht
die Tatsache, daß es sich in keiner der an das Aus¬
kunftsbureau der deutschen Bibliotheken angeschlos¬
senen Büchereien hat nachweisen lassen. Das einzige
mir noch bekannt gewordene Exemplar befindet sich
in der Goethe -Bibliothek von Friedrich Meyer in
Leipzig.2 Bibliographisch erscheint die Ausgabe nur
bei Wenzel, -5 während Goedeke und Hirzel sie nicht
kennen. Der Titel lautet:
Herrmann und Dorothea von J. W. von Goethe.
Ausgabe zum Besten der durch die Wasserfluthen
in der Nacht vom 4ten auf den 5ten Februar* 1825
Verunglückten. Braunschweig, bei Friedrich Vie¬
weg. 1825.
Dem Titel voran geht ein Blatt, das unter der
Überschrift: „Dem Leser der Herausgeber“ nachstehen¬
des Gedicht enthält:
Wir sahn vor übermächt’ger Feinde Scharen
Einst Tausende die teure Heimat fiiehn,
Und, nur den Leib errettend aus Gefahren,
Verarmt das reiche Nachbarland durchziehn,
Wo ihnen, als sie ganz verlassen waren,
Der Menschenfreund, ein Himmelsbot’, erschien;
Wir sahn in einer trüben Zeit der Zähren
Den Heldenmut, die Liebe sich verklären.
Der Meister sang's. Das Lied wird nie verhallen;
Er hat für alle Zeiten es geweiht
Den edlen, lieberfüllten Herzen allen,
Zum Opfer für die Brüder stets bereit.
Doch rührender muß sein Gesang erschallen
In der von neuem Unglück schweren Zeit,
Da Tausende dem Element erlagen,
Zu schwach, den Kampf mit der Natur zu wagen.
Durchbrochen hat der Ozean die Schranken,
Und weiter sich das wilde Reich gewühlt,
Daß Flur und Haus in seinen Abgrund sanken;
Der Schatz der Heerden ist hinweggespült,
Und selbst der Hoffnung letzte Stützen wanken,
Wo dieser Schlag des Schicksals wird gefühlt.
Dir, dem das Mitleid hat das Herz durchdrungen,
Dir ward des Meisters hohes Lied gesungen.
Über den Autor dieser Verse hat sich nichts er¬
mitteln lassen. Es muß dahingestellt bleiben, ob Vie¬
weg selbst sie verfaßt hat — die Überschrift scheint
darauf hinzudeuten — oder ob er sich das Gedicht
von anderer Seite für diesen bestimmten Zweck an¬
fertigen ließ. — Hinter dem Titel folgt zunächst die
Elegie und darauf der mit neun Vignetten, welche die
neun Musen darstellen, geschmückte Text, insgesamt
239 Seiten in zierlichem Taschenformat.
Über die Entstehung der Ausgabe ist folgendes
zu bemerken:
In der Nacht vom 3. zum 4. Februar 1825 wurden
die deutschen Nordseeküsten von jener gewaltigen
Sturmflut heimgesucht, die namentlich auch in den
Elb- und Wesergegenden zu einer verheerenden Über¬
schwemmungskatastrophe führte. Unmittelbar nach
dem Unglück setzte in Norddeutschland eine allge¬
meine Hilfsaktion ein. In allen größeren Städten bildeten
sich Komitees, die Sammlungen zum Besten der Über¬
schwemmten veranstalteten. Besonders rege waren die
Wohltätigkeitsbestrebungen auch in Braunschweig, und
unter den Männern, die hier die Sache führten, stand
in erster Reihe der Verlagsbuchhändler Friedrich Vie¬
weg. Über die von ihm gesammelten Gaben ließ er
eigene Listen drucken, die als Beilagen zu den „Braun¬
schweigischen Anzeigen“ veröffentlicht wurden. Am
Schluß der am 13. April erschienenen Gabenliste steht
folgende Notiz: Für 100 Exemplare von Goethes Her¬
mann und Dorothea 100 Taler. Braunschweig, 8. April
1825. Friedr. Vieweg.
Hier haben wir den Beitrag, den Vieweg persön¬
lich zu seiner Sammlung beisteuerte, und erfahren zu¬
gleich, daß unsere Ausgabe seinerzeit nur in 100 Exem¬
plaren erschien, eine Tatsache , welche die heutige
Seltenheit des Büchleins hinreichend erklärt.
Die Frage, ob der Druck überhaupt nur in 100
Exemplaren abgezogen wurde oder ob es sich um 100
Exemplare einer größeren Auflage handelt, die in
dieser besonderen Weise für jenen wohltätigen Zweck
ausgestattet wurden, ist dahin zu beantworten, daß der
Verleger die 100 Exemplare nicht besonders für sich
drucken ließ, daß sie vielmehr zu einer größeren Auf¬
lage gehören und nur mit einem besonderen Titelblatt
1 Goedeke, Grundriß, Bd. III, 2. 1881. S. 1255. — 2 Fr. Meyer, Verzeichnis einer Goethe -Bibliothek. 1908.
S. 147, Nr. 1513* — 3 C. G. Wenzel, Aus Weimars goldenen Tagen. 1859. S. 91.
4 Das Datum ist falsch angegeben. Die Sturmflut fand in der Nacht vom 3. zum 4. Februar 1825 statt. Vgl.
W. Müller, Beschreibung der Sturmfluthen am 3. und 4. Februar 1825. Hannover 1825.
222
Schneider, Ein Kupferstichdieb des XVIII. Jahrhunderts.
und jenem Geleitgedicht versehen wurden. Die übrigen
Exemplare dieser Auflage erschienen als „Neue Aus¬
gabe“ Braunschweig 1826. 1 Sie stimmen bis auf Titel¬
blatt und Titelbild mit den anderen vollständig überein.
Goethe, dem Vieweg am 20. April 1825 mit einem
überaus höflichen Schreiben ein Exemplar übersandte,
war keineswegs damit einverstanden. In einem am
24. Mai 1825 nach Braunschweig abgegangenen Briefe
erhob er einen ungemein scharfen Protest gegen diese
so wohlgemeinte Ausgabe und das von ihrem Verleger
geübte Nachdruckverfahren, „das auch fromme Ab¬
sichten nicht rechtfertigen“.2
Steglitz. Dr. Johann Saß.
Ein Kupferstichdieb des XVIII. Jahrhunderts.
Bibliotheken und Museen sind zu keiner Zeit in
höherem Maße ein beliebter Gegenstand der Tätigkeit
der Langfinger gewesen als in unserer Zeit, wo der
außerordentliche Wert, den das Liebhabertum be¬
sonders seltenen Stücken dieser Sammlungen mit Recht
zuerkennt, und der in der Regel auch materiell um¬
wertbar ist, naturgemäß für eine gewisse Menschen¬
klasse einen Anreiz zur Aneignung bilden muß. Von
Zeit zu Zeit kommt es sogar vor, daß der Entwender
nicht zu den Dieben von Beruf oder doch wenigstens
zu den Leuten gehört, die mit der bestohlenen Samm¬
lung durch keinerlei Beziehung verbunden sind, son¬
dern daß es ein Beamter der betreffenden Sammlung
selbst ist, der seine Vertrauensstellung zur Entwendung
der ihm anvertrauten Schätze — sei es aus ganz
niedrig materiellen oder aus anderen Beweggründen
— mißbraucht. Der „Fall Libri“, aber auch manche
Ereignisse, die in jüngerer Zeit und in uns näher
liegenden Zentren als Paris spielten, sind berühmte
Beispiele für diese Fälle, die sich aller Vorsicht zum
Trotz immer wieder zu ereignen pflegen und den Be¬
obachtern der menschlichen Natur das bekannte „psy¬
chologische Rätsel“ aufzulösen geben. Ein typischer
Fall dieser Art, der allerdings in bezug auf die psycho¬
logische Wurzel recht wenig „rätselhaft“ ist, und der
sich bereits im Jahre 1735 Paris zugetragen hat, wird
soeben im „Amateur d’Autographes“ mitgeteilt.
Zu jener Zeit war der Abbe Jean-Paul Bignon, ein
berühmter Prediger und geschätztes Akademiemitglied,
Vorstand der Königlichen Bibliothek, die damals eben¬
sowohl gedruckte Bücher wie Flandschriften, Stiche,
genealogische Tafeln und ähnliche Erzeugnisse der
graphischen Kunst enthielt. Einer der Neffen des
Abbe war von einem Amtsbruder Bignons, dem Abbe
von Chancey, erzogen worden, und um sich für diesen
seiner Familie geleisteten Dienst besonders erkenntlich
zu zeigen, setzte Bignon es durch, daß Chancey zum
Vorstand der Sticheabteilung in der Bibliothek ernannt
wurde. Es dauerte nicht lange, so liefen über den
neuen Vorstand Beschuldigungen der Unterbeamten
ein, daß Chancey, der notorisch stets in Geldverlegen¬
heit war, die ihm anvertrauten Schätze veruntreue und
den Erlös zu seinem leichtsinnigen Lebenswandel mi߬
brauche; aber Bignon wollte von diesen Beschuldigun¬
gen gegen einen Mann, dem er volles Vertrauen
schenkte, nichts wissen, bis eines Tages der Skandal
so offenkundig geworden war, daß die Polizei in meh¬
reren Straßen der Stadt ganze Depots aufdecken
konnte, wo Chancey die aus der Bibliothek entwende¬
ten Stiche durch Vermittler billig aber nur gegen baar
sowohl ins Inland wie ins Ausland verkaufen ließ.
Diese Entdeckung ließ auch bei den oberen Behörden
über die Schuld des Mannes keinen Zweifel mehr zu,
und Chancey wurde auf königlichen Befehl am 30. Mai
1795 in die Bastille gebracht. Von dort aus versuchte
er durch Schmeicheleien, Leugnen und Bitten auf den
Minister Fleury einzuwirken, während er gleichzeitig
Bignon beschuldigte, daß dieser von all seinen Taten
gewußt und ihn absichtlich in die Versuchung, der er
erlegen sei, geführt habe, um ihm auf diese Weise eine
Entschädigung für die an seinem Neffen geleistete
Arbeit zu bieten. Indessen vermochten weder Drohun¬
gen noch Bitten das Schicksal zu seinen Gunsten zu
wenden. Allerdings verließ Chancey am 13. November
1736 die Bastille, aber nicht, um, wie er gehofft hatte,
die Freiheit wieder zu erlangen, sondern um die Ba¬
stille mit einem anderen, in solchen Fällen auch bei
uns manchmal zur Anwendung gelangenden Aufenthalt
zu vertauschen. Während seiner Haft machte er näm¬
lich dem Polizeileutnant, der die Aufsicht über die
Bastille führte, allerhand Angaben über schreckliche
Zustände, an denen er litte, und die seine Entlassung
aus der Bastille unbedingt notwendig machten, wenn
er nicht vor Schmerz und Wahnsinn sterben solle.
Diese natürlich schwindelhaften Angaben machten sich
die Behörden gern zu Nutz, um Chancey als Geistes¬
kranken und Unzurechnungsfähigen in die „Petites
Maisons“ zu bringen, die damals den Irrsinnigen und
Schwerkranken zum Aufenthalt dienten, und so den
immerhin peinlichen Fall auf die wenigst ärgerliche
Art aus der Welt zu schaffen. Vergebens beteuerte
Chancey, daß er nur den Skorbut habe; man hielt
daran fest, daß er ein Geisteskranker sei, der unter
dem Einfluß seiner durch seinen Lebenswandel ent¬
standenen Krankheit zu seinem Vergehen gekommen
sei, und behielt ihn in Gewahrsam. Im Februar des
folgenden Jahres gelang es ihm allerdings zu entfliehen,
aber er wurde alsbald wieder ergriffen und wieder in
ein Irrenhaus, diesmal das von Charenton, gebracht.
Von da ab sind keine Aufzeichnungen über Chancey
mehr erhalten. Die von ihm begangenen Entwendun¬
gen hatten übrigens nicht ganz so schlimme Folgen
als im ersten Augenblick befürchtet worden war.
Allerdings war die Zahl der von ihm veruntreuten
Stücke sehr erheblich ; aber seinem Nachfolger Coypel
gelang es, den größten Teil davon wieder in den Be¬
sitz der Bibliothek zu bringen. Auch von privater
Seite -wurden manche Lücken ausgefüllt, vor allem
durch Bignon selbst, der, um nach Kräften den durch
seine Fahrlässigkeit entstandenen Schaden wieder gut
zu machen, der Bibliothek die 50000 Bände seiner
eigenen Büchersammlung letztwillig hinterließ.
K. Schneider.
1 Hirzel, S. 97 ; gleichfalls in meinem Besitz, auch vorhanden in der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel.
2 Goethes Tagebücher (Weimarer- Ausgabe), Bd. io, S. 59 und 316; Briefe, Bd. 39, S. 352.
Alle Rechte Vorbehalten. — Nachdruck verboten.
Für die Redaktion verantwortlich Prof. Dr. Carl Schiiddekpfif-Vf eimar, Grunstedterstr. 16. Druck u. Verlag v. IV, Vruguli »-Leipzig, Königstr. xo.
BEIBLATT DER
ZEITSCHRIFT FÜR BÜCHERFREUNDE
NEUE FOLGE
I. Jahrgang. April 1909. Heft 1.
Für diesen Teil verantwortlich Prof. Dr. Georg V/itkowski, Leipzig- Gohlis, Ehrensteinstr. 20, Manuskripte erbeten an diesen.
Inserate direkt an den Verlag W. Drugulin, Leipzig, Königstraße IO.
Inserat Bedingungen:
Vx Seite . 60 Mark I/4 Seite . 15 Mark
V2 Seite . 30 Mark | x/8 Seite . 8 Mark
Kleine Anzeigen (Desiderata und Angebote): die gespalt. Petitzeile 50 Pf., für Mitglieder der Gesellschaft der
Bibliophilen 30 Pf. — Beilagegebühr 50 Mark. — Insertionsschluß für Heft 2 am 15. Mai. — Abonnenten haben
pro Quartal, gegen Einsendung der Abonnementsquittung, 10 Zeilen unter Nachfrage oder Angebote frei.
Zum Beginn.
jie Leser der „Zeitschrift für Bücherfreunde“ wissen bereits durch das Nachwort Fedors
von Zobeltitz im letzten Hefte, daß Redaktion und Verlag mit dem Anfang des neuen
[Jahrgangs auf die Unterzeichneten übergehn. Sie werden bestrebt sein, die Zeitschrift
im alten Kurs weiterzuführen, und bitten ihr das bisherige Vertrauen zu bewahren.
Um noch mehr als früher das Beiblatt den Interessen der Sammler dienstbar zu machen,
soll von jetzt an jedem Abonnenten gegen Einsendung der Abonnementsquittung vierteljährlich
ein Raum von io Zeilen für Angebot und Nachfrage unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden.
Wir hoffen, daß von diesem Angebot recht häufig Gebrauch gemacht werden wird, und verbleiben
hochachtungsvoll
Die Herausgeber: Prof. Dr. Carl Schüddekopf und Prof. Dr. Georg Witkowski.
Der Verlag W. Drugulin.
Angebot.
Martin Opitz, Deutsche Poemata 1625, Pergam. 30 M.
Gottsched, Gedichte, 2. Aufl. Leipz. 1751, 2 Bde., un¬
beschnitten, unberührtes Exemplar. 20 M.
Goethe , Clavigo 1774, 1. Druck, Papierband. 120 M.
Schiller, Musen- Almanach 1799, Orig.-Umschl. 30 M.
Tieck, Franz Stembalds Wanderungen, 1798, 1. Ausg.
2 Bde. Pappband. 45 M.
Reflektanten werden gebeten, ihre Aufträge an
W. Drugulin, Leipzig, Königstr. 10 zu senden.
Nachfrage.
Alles von und über Goue.
Amaranthes (Corvinus), Proben der Poesie, Franckfurt
und Leipzig 1710. — Reifere Früchte der Poesie,
Leipzig 1720.
Z. f. B. 1909/1910. I. Beiblatt. —
Gleim, Versuch in scherzhaften Liedern, Berlin o. J.
(1744), erste der beiden Ausgaben. — Zweeter Teil,
Berlin 1745.
Goethe, Faust. Ein Fragment. 1790. 1. Druck.
Geliert, Leben der schwedischen Gräfin. Alle Ausgaben.
Le Cabinet de Lampsaque. Paphos 1784.
Het Leeven enBedryf van de hedendaagsche Haagsche
en Amsterdamsche Zalet-Juffers. Amsterdam 1696.
Les amants frangois ä Londres ou les delices de l’Angle-
terre. Londres 1780.
Monumens de la Vie privee des douze Cesars. Caprde
1780.
Nugae venales 1648 oder andere Ausgabe.
Angebote mit Preisangabe an W. Drugulin, Leipzig,
Königstr. 10 erbeten.
Beiblatt.
Von den Auktionen.
Die Versteigerung, in der Max Perlxn Berlin vom
8. bis io. März die schöne Bibliothek des Freiherrn Otto
von Grote-Wannsee zum Verkauf brachte, gestattete
wertvolle Vergleiche mit der kurz vorhergehenden
Auktion Hewett (bei C. G. Boerner in Leipzig, siehe
das Schlußheft des vorigen Jahrgangs). Wir nennen:
Amors Verlegenheit (Wien 1785) M. 41 ; Berlinisches
Archiv der Zeit und ihres Geschmacks (1795) M. 33;
Aretmo, Ragionamenti (Bengodi 1584) M. 71 ; Ar¬
nim, Hollins Liebesieben M. 27; Des Knaben Wun¬
derhorn (Heidelberg 1806—08, 3 Bände, Pracht¬
exemplar) M. 125; Balzac, Oeuvres completes (Paris
1855, 20 vol.) M. 125; CI. Brentano, Gockel (Frankfurt
1838, unbeschnitten) M. 160; Sophie Brentano, Fiametta
M. 29; Bürger, Gedichte (1 778) M. 41, (1789) M. 27,
Macbeth (1783) M. 5; Casanova, Memoiren herausge¬
geben von Buhl (Berlin 1850 — 51) M. 31 ; Cha?nisso,
Gedichte (1831) M. 12; Musenalmanach auf 1804 M. 24
und M. 18, zweiter Jahrgang M.20; Eichendot'ff, Werke
(Berlin 1842) M. 30 ; Gedichte (1837) M. 28; Fontane,
Balladen (1861) M. 85; Gleim, Preußische Kriegslieder
(Berlin 1758) und Der Grenadier an die Kriegsmuse
(1759) M. 31 ; Goethe: Musenalmanach für 1800 mit eigen¬
händiger Widmung an Amalie von Imhof M. 375,
Schriften (Himburg 1775 — 79, U 2-, 4- Teil) M. 135,
Schriften (Leipzig 1787 — 90, 8 Bände) M. 580, Schriften
(Leipzig 1787 — 91, 4 Bände) M. 60; Der Bürgergeneral
(1793) M. 11 ; Das römische Carneval (Insel-Neudruck)
M. 26; Claudine von Villa Bella (Berlin 1776) M. 37;
Faust (1808) M. 240, zweiter Teil (1833) M. 91 ; Die
Geschwister (1787) M. 34; Werther (1. Ausgabe) M. 505,
zweyte ächte Auflage (1775) M. 36; Deyverduns Über¬
setzung M. 81 ; Die Leiden des jungen Werthers, ein
Trauerspiel in drei Aufzügen (Frankfurt 1776) M. 125;
Nicolai, Freuden M. 20 ; Wagner, Prometheus Deuka-
lion (Freystatt 1775) M. 26; Schillers Musenalmanach
1796— 99(die Musikbeilagen 1797/98 fehlen) M. 64; Kunst
und Alterthum (mit allen Umschlägen, unbeschnitten)
M. 14; Wahlverwandtschaften (1. Ausgabe, schlechtes
Exemplar) M. 6; Wilhelm Meisters Lehrjahre (1. Aus¬
gabe, eine Musikbeilage fehlt) M. 35; Wanderjahre
(1. Ausgabe) M. 35; Briefwechsel mit Zelter M. 66;
Götz, Geliebte Schatten M. 17; Reichardt, Lieder ge¬
selliger Freude (Leipzig 1796) M. 22; Musik zu Goethes
Werken (1.— 3. Band, Berlin 1793—95) M. 400; H. L.
Wagner, Neuer Versuch über die Schauspielkunst
(Leipzig 1776) M. 70; Gottsched, Gedichte (1736) M. 15;
Grillparzer, Ahnfrau (1. Ausgabe) M. 31 ; J. und W.
Grimm, Kinder- und Hausmärchen (Berlin 1812 — 13)
M. 680; Gutzkow, Wally (1. Ausgabe) M. 20; Hebbel,
Gedichte (1842) M. 9; Heine , Buch der Lieder (1827)
M. 75; Gedichte (1822) M. 71 ; Neue Gedichte (1844)
M. 8; Heinse , Begebenheiten des Enkolp (Rom 1773)
M. 35; Laidion (Lemgo 1774) M. 26; E. T. A. Hoff-
mann, Elixiere des Teufels (1. Ausgabe) M. 16; Meister
Floh (1. Ausgabe mit Umschlag, unaufgeschnitten) M. 12;
Nachtstücke (1. Ausgabe) M. 16; Hölderlin, Gedichte
(1826) M. 18; Kant, Kritik der reinen Vernunft (1. Aus¬
gabe) M. 76; Keller, Der grüne Heinrich (Braunschweig
1854—55, gutes Exemplar) M. 120; Die Leute von Seld-
wyla (1856) M. 40; H. von Kleist, Erzählungen (Berlin
1810 — 11, 2 Teile) M. 81 ; Das Käthchen von Heilbronn
(1. Ausgabe) M. 27; Der zerbrochene Krug (1. Ausgabe)
M. 16, mit Menzels Illustrationen (Photographien) M.22;
Klinger, Die neue Arria M. 51, Plimplamplasko M.61 ;
La Fontaine, Contes et Nouvelles (Edition des Fermiers
gen^raux, Einband Derome) M. 810; Leisewitz, Julius
von Tarent (Leipzig 1776) M. 6; Lenz, Die Freunde
machen den Philosophen M. 66; Die Soldaten M. 33;
Lessing, Emilia Galotti (1. Druck) M. 21 ; Hamburgische
Dramaturgie (1. Ausgabe) M. 23; Laokoon (1. Ausgabe)
M. 21; Minna von Barnhelm (1. Ausgabe) M. 300; Na¬
than der Weise (1. Ausgabe, fleckig) M. 21 ; Liederbuch
dreier Freunde M. 360; Menzel, Aus König Friedrichs
Zeit (1856) M. 60 ; Geschichte Friedrichs des Großen
(1. Ausgabe) M. 175; C. F. Meyer, Balladen (1864) M. 10;
Mörike , Vier Erzählungen (1856) M. 1 2 ; Jahrbuch schwä¬
bischer Dichter und Novellisten (1836) M. 16; Maler
Nolten (1. Ausgabe) M. 1 70 ; Musaeus , Volksmärchen
der Deutschen (nur teilweise 1. Ausgabe) M. 1 1 5 ;
Nietzsche , Also sprach Zarathustra (Chemnitz 1883—84,
Leipzig 1891, 4Teile) und Dionysos-Dithyramben M. 105,
elf andere Erstausgaben M. 11 bis M. 31 ; Novalis ,
Schriften (1. Ausgabe) M. 22 ; Heinrich von Ofterdingen
(1. Ausgabe) M. 12; Reinick , Lieder eines Malers (Ori¬
ginalausgabe) M. 14; Sade, Justine (1791) M.96; Schiller ,
Anthologie auf das Jahr 1782 M. 105; Don Carlos (1787)
M. 85; Historischer Calender für Damen 1791 — 93
(mäßiges Exemplar) M. 27; Die Horen M. 170; Kabale
und Liebe (1. Ausgabe) M. 75; Musenalmanach 1798
(sehr schönes Exemplar) M. 44, 1797 (ebenfalls sehr
schön) M. 23, 1798 (ohne Kalendarium) M. 20, 1799
(unbeschnitten) M. ii; 1800 (unbeschnitten) M. 15;
Thalia, 1. Heft (mit Umschlag) M. 135, Thalia (voll¬
ständig) M. 105; Der Venuswagen M. 200; Fiesko
(1. Ausgabe) M. 105; Wallenstein (1. Ausgabe, Kupfer¬
druckpapier) M. 31 ; Antrittsvorlesung, I. Druck M.90,
zweiter Druck M. 42; A. W. und Fr. Schlegel , Athe-
naeum M. 67; Fr. Schlegel , Lucinde (1. Ausgabe) M. 34;
C. H. Schmid , Chronologie des deutschen Theaters
(1775) M. 51 ; Simplicissimus, Jahrgang II— XII, Luxus¬
ausgabe (3 Nummern fehlen) M. 160 ; Musaeus-Müller-
Tieck , Straußfedern M. 69 ; Tieck , Abdallah (1795) M. 9 ;
Der gestiefelte Kater (1797) M. 27; Peter Lebrecht
(1795 — 96) M. 25; Poetisches Journal M. 31 ; Taten und
Feinheiten renommierter Kraft- und Knififgenies (1790
bis 1791) M. 29; Die sieben Weiber des Blaubart (1797)
M. 24; Tieck und Wackenroder , Phantasien über die
Kunst (1799) M. 15; Uhland , Gedichte (1815) M. 23;
Voltaire , La Pucelle d’Orleans (1. Ausgabe, 1755) M. 9;
Romans et contes (Bouillon 1778) M. 300 ; Wacken¬
roder , Herzensergießungen (1797) M. 24; H. L. Wagner,
Macbeth (1779) M. 51 ; Der Schubkarn des Essighänd¬
lers (1775) M. 60; Weichmann , Poesie der Niedersachsen
(1725 — 38, 6 Bände) M. 10; Die Zukunft (Harden) Jahr¬
gang 1 — 16, M. 30.
2
Beiblatt.
Am 19. März fand bei Sotheby in London eine Ver¬
steigerung seltener Bücher, illuminierter Handschriften
u. a. m. in etwa 100 Nummern statt, die bei guter Kauf¬
lust einen Gesamterlös von 3908 Pfund 13 Schilling
6 Pence brachte. Das wichtigste Stück war ein voll¬
kommenes Exemplar der ersten Ausgabe von Isaak
Waltons „Compleat Angler“ aus dem Jahre 1653 im
Original -Kalblederband; die Gebote begannen mit
100 Pfund, bis es mit 1085 Pfund von Quaritch erworben
wurde. Dieses Buch, dessen ursprünglicher Preis nicht
ganz 2 Schilling betragen hatte, gehört seit langer Zeit
zu den gesuchtesten Büchern auf dem englischen Markt;
im Jahre 1887 wurde noch ein Exemplar um 87 Pfund
verkauft, seitdem aber stiegen die Gebote für gute
Exemplare außerordentlich, bis auf der Versteigerung
Van Antwerp vor zwei Jahren für das vorher in der
Rowland-Bibliothek befindlich gewesene Exemplar mit
1290 Pfund der höchste bisher dafür gebotene Preis
erreicht wurde. Der jetzt erzielte Preis war der zweit¬
höchste; der dritthöchste wurde im vorigen Monat bei
der Versteigerung Heckscher in New York mit 3900 Dol¬
lars für ein Exemplar bezahlt, das vor wenigen Jahren
von Pickering und Chatto in London mit 375 Pfund ver¬
zeichnet worden war. Ein anderes sehr seltenes Buch
der Versteigerung war ein bis auf das Titelblatt aus¬
gezeichnet erhaltenes Exemplar der Ausgabe der Shake-
speare sehen Gedichte von 1640, das gleichfalls von
Quaritch um 310 Pfund erworben wurde. Wahrschein¬
lich war dies der höchste Preis, der für das Büchlein
bisher bezahlt worden ist. Etwa um 1683—85 war der
Preis dieses Büchleins 6 Pence; im Jahre 1826 wurde
ein Exemplar bereits mit 4 Guineen bezahlt, und seit¬
demstiegen die Gebote ununterbrochen bis auf205 Pfund,
die, ebenfalls bei Sotheby, im Jahre 1905 für den Band
bezahlt wurden. Beide Bücher stammten aus dem Be¬
sitz eines Obersten Sanford.
Zu den interessanten Nummern der Versteigerung
gehörte auch das berühmte vierbändige Werk „Mis-
cellanies in Prose and Verse“, 1723 — 1732 von Benja¬
min Motte veröffentlicht, aus dem Besitz von Jonathan
Swift : die Bände enthielten mehrere hundert hand¬
schriftliche Einträge, persönliche Bemerkungen,
Verse usw. von der Hand des Verfassers von „Gullivers
Reisen“. Die Bände wurden erst vor einigen Wochen
in Dublin mit dem Rest der Bibliothek Lord Powers¬
courts versteigert; doch entgingen sie merkwürdiger¬
weise fast ganz der Aufmerksamkeit der zahlreich dort
anwesenden Buchhändler, bis sie zuletzt von einem
Londoner um weniger als 1 Pfund erworben wurden.
Diesmal wurden die vier Bände, deren jeder das Power-
scourtsche Exlibris trägt, von Quaritch um 117 Pfund er¬
steigert. Unter den andern bemerkenswerten Büchern
war zu erwähnen ein Exemplar der „Gedichte“ von
Bums, Edinburg 1787, das überall dort, wo in der
Originalausgabe die Namen durch Sternchen ange¬
deutet sind, die ausgeschriebenen Namen in Burns’
eigener Handschrift, sowie eine Zusatzstrophe zu der
Elegie auf „Tarn Samson“ gleichfalls von des Dichters
eigener Hand enthielt; es wurde um 75 Pfund von
Spencer erworben. Eine sehr seltene Ausgabe des
Psalters aus dem Jahre 1549 wurde um 55 Pfund von
Quaritch erworben. — Bemerkenswert reich war die
Versteigerung auch an schönen Stundenbüchern und
anderen illuminierten mittelalterlichen Handschriften.
Zwei der schönsten davon stammten aus dem Besitz
eines Obersten Cotes, nämlich ein Stück „Horae Beatae
Mariae ad usum Ecclesiae Galliae“ auf 208 Blättern,
das von einem englisch -französischen Schreiber und
Illuminator im XV. Jahrhundert hergestellt und mit 41
Miniaturen und sehr reichem sonstigen Zierat ge¬
schmückt war, sowie ein sehr schön geschriebener und
geschmückter englischer Psalter aus dem XIII. Jahr¬
hundert, von denen das erste um 400 Pfund von Frank¬
lin, das zweite um 420 Pfund von Quaritch erworben
wurde. Aus anderem Besitz stammte ein Stundenbuch
aus dem Anfang des XVI. Jahrhunderts „ad usum
Romanum“ auf 92 Seiten von einem französischen
Schreiber mit 18 größeren und kleineren Miniaturen,
sowie ein anderes von 114 Blättern aus gleicher Zeit,
ebenfalls von einem französischen Schreiber hergestellt
und mit 15 feinen Miniaturen sowie sonstigem Zierwerk
versehen; sie wurden in der Reihenfolge der Auf¬
zählung von Quaritch um 245 Pfund und von Edwards
um 225 Pfund erworben. (Börsenblatt.)
In einer Auktion, die Sotheby in London am 18.
und 19. Februar abhielt, wurden folgende Preise er¬
zielt: Acht erste Ausgaben von Gedichten Tennysons,
50 £; ein Exemplar des Keimscott „ Chaucer 1896,
42 £; Jean Le Bautre, „Oeuvres d’Architecture“, 1751,
3 Bände, 42 £; „Twenty Plates Illustrating Shake¬
speare“, gestochen von Bartolozzi, Tomkins u. a., farbig,
47 £ 10 s; ein Sammelbuch mit Originalkarikaturen
von Gillray, Dighton u. a. , 48 £ und ein anderes mit
Watteau-Stichen 26 £. (Kunstmarkt.)
Am 22. und 23. Februar versteigerte Sotheby in
London Mr. J . Stoddards Autographensammlung, ein¬
schließlich einiger historischer Dokumente und Hand¬
schriften, 404 Nummern. Der Gesamtertrag war 776 £
17 s, darunter beinahe 200 Briefe, Porträts, Zeichnungen,
die Nelsons Leben, Tod und Begräbnis illustrieren,
145 £ ; ein kurzer Brief Nelsons an Lady Hamilton,
23. März 1801, 31 £ ; ein Brief Lady Hamiltons an
Mrs. Lambert, 10 £; ein Brief Mrs. Siddons an Mrs.
Piozzi, 12 £ 10 s; ein Brief Gainsboroughs an seinen
Bruder, 10 £ 10 s; ein Brief Mendelssohns an Prof.
Fischhof, 3 £ 12 s 6 d; Autograph-Partitur für Gounods
Nazareth, 12 £ 10 s; ein Brief Whistlers mit einer
Radierung, 1859, 2 £ 5 s; ein Brief Zolas , 1882, 1 £
1 s und ein Brief der Königin Victoria, 1880, 5 £.
(Kunstmarkt.)
Richard Härtel in Dresden wird am 23. und 24.
April eine reichhaltige historische Sammlung verstei¬
gern. Vertreten sind vor allem: Friedrich der Große,
Napoleon und seine Zeit, Luther, Amerika, Rußland,
Polen, Sachsen -Thüringen, Münzenkunde, Genealogie,
Heraldik, Urkunden, auch eine Anzahl Autographen,
dabei Gustav Adolph, Prinz Eugen usw.
Beiblatt.
Dasselbe Antiquariat verauktioniert ferner im Mai:
i. Kulturgeschichtliches Allerlei (Curiosa, alte Medizin,
alte Kochbücher, alte Jugendschriften, Jagd, Sport,
Spiele, Studentica, Turnen, Philosophie, Magie, Galan¬
terien und vieles andere), ferner eine prächtige Kol¬
lektion von Karikatureti (meist englische kolorierte
Kupferstiche von Rowlandson u. a.), sodann Kunst¬
geschichte, Architektur, illustrierte Werke, Theater,
Musik, Liederbücher, Dramatisches, Bibliographie
(dabei Graesse, Brunet usw.), Buchdruck und Buch¬
handel, einige Erstausgaben deutscher Literatur, zum
Schluß Stammbücher, Almanache und Taschenbücher.
Der Katalog erscheint Ende April. (Siehe Inserat.)
Vom 27. April bis 1. Mai wird die Universitäts¬
buchhandlung Karl Groß Nach/, in Heidelberg eine
Bücher- und Kunstauktion (ca. 2500 Nummern) ver¬
anstalten, Teile der Sammlungen des verstorbenen
Barons Alexander von Bernus, des Grafen von Bismarck
und anderer Sammler enthaltend. Der erste Teil um¬
faßt die verschiedensten Literaturgebiete, der zweite
graphische Kunst, der dritte Gemälde.
Das bekannte Buch- und Kunstantiquariat von Max
Perl in Berlin veranstaltet am 7. und 8. Mai d. J. eine
Kunstauktion, in der eine große Anzahl von Kupfer¬
stichen, , Radierungen, Holzschnitten , Handzeichnungen,
Lithographien, Schabkunstblättern sowie besonders
auch eine interessante und wertvolle Ex libris- Samm¬
lung versteigert werden sollen. Die Kunstblätter
stammen zumeist aus dem XVIII. und XIX. Jahrhun¬
dert; Meister wie Chodowiecki , Klinger , Menzel — um
nur einige herauszugreifen — sind mit besonders schönen
Schöpfungen vertreten. Der Katalog befindet sich in
Vorbereitung und wird Interessenten gern zugestellt.
(Siehe Inserat.)
Anfang Mai werden bei Oswald Weigel in Leipzig,
Königstraße 1, zwei Versteigerungen stattfinden, welche
in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert sind. Die erste
(Neue Folge 15) bringt in einer sehr gut katalogisierten
Blattsammlung prächtigen Buchschmuck von den ersten
Zeiten des Buchdruckes bis gegen Ende des X\ III. Jahr¬
hunderts. Frühe, blattgroße Holzschnitte, Titel und
Textillustrationen und eine Fülle von Buchornamentik,
Bordüren, Initialen, Signete, Vignetten, Zierleisten usw.,
geben in großen Zügen ein gutes Bild wertvoller Buch¬
kunst Italiens, Frankreichs, Deutschlands, der Schweiz
usw. Dem illustrierten Kataloge geht ein orientieren¬
des Vorwort voraus, während ein sorgfältig bearbei¬
tetes Register dessen Wert erhöht und ihm dauernde
Beachtung sichert.
Die andere Auktion (Neue Folge 16) zerfällt in drei
Hauptgruppen: Kunstblätter, Autographen, wertvolle
Weike aus verschiedenen Wissenschaften. Die Kunst¬
blätter und Bücher stammen zum Teil aus der Samm¬
lung des allbekannten Schriftstellers Carus Sterne
(Professor Dr. Ernst Krause), die Autographen aus dem
Nachlasse eines schon länger heimgegangenen Leip¬
ziger Theaterkritikers und Rezensenten. Unter den
Kunstblättern dürfte der prachtvolle Christuskopf Mel-
lans besondere Anziehung ausüben, gute Abdrücke
dieses seltenen Blattes werden sehr gesucht. Bei den
Autographen begegnen wir Namen besten Klanges,
und namentlich Autographensammler, die auf solche
von Musikern {Liszt, Wagner usw.), Dramatikern,
Schauspielern usw. fahnden, werden auf ihre Rechnung
kommen. (Siehe Inserat.)
Rundschau der Presse.
Von Professor Dr. Adalbert H ortzschansky in Groß-Lichterfelde.
Die nachfolgende Übersicht versucht, die wichtigeren in Zeitschriften und Zeitungen enthaltenen Aufsätze und Abhandlungen zu
verzeichnen, soweit sie für die Leser unserer Zeitschrift in Betracht kommen. Zusendung von Sonderdrucken und Ausschnitten an die Adresse
des Bearbeiters in Groß-Lichterfelde bei Berlin, Moltkestr. 40, erbeten.
Schrift-, Buch- und Bibliothekswesen.
Allgemeines.
Deutsche Kommission. Bericht der HH. Burdach,
Heusler, Roethe und Schmidt (über die Inventari¬
sation der literarischen deutschen Handschriften).
Sitzungsberichte der Kgl. Preuß. Akademie der
Wissenschaften. 190g. Bd. 1. Nr. V. S. 137 — 149.
Kemmerich, M. , Das deutsche frühmittelalterliche
Porträt bis zum Ausgang des romanischen Stils.
Zeitschrift für bildende Kunst. N. F. 44. 1908/9.
S. 88 — 100 mit 14 Abbildungen.
Kleinschmidt, B,, Die Miniaturen der Exultet-Roller.
Ihre kunstgeschichtliche Bedeutung. Mit 8 Abbild,
im Text.
Christliche Kunst. 5. 1908/9 (März). S. 177 — 185.
Bibliophilie. Exlibris.
Beaulieu, H. v., Der Leser. Eine Studie.
Literarische Neuigkeiten. (Leipzig, Koehler.) 9.
1909. Nr. 1. S. 3—6.
Bell, A., Books on the fine arts.
The Bibliophile. 3. 1909. S. 26 — 36 mit 8 Ab¬
bildungen.
Esdaile, K., English book Illustration in the eigtheenth
Century. P. II. 1760 — 1800.
The Bibliophile. 2. 1908/9. S. 305 — 317 mit
13 Abbildungen.
Pollak, F., Habsburger Cimelien- Ausstellung in der
k. k. Hofbibliothek zu Wien.
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Scholderer, V., The Schreiber Collection.
The Bibliophile. 3. 1909. S. 37— 44 mit 6 Abbild.
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Beiblatt.
Wheeler, H. F. B., Notable private collections. No. i.
The Ashley Library.
The Bibliophile. 3. 1909. S. 3—18 mit 16 Abb.
Widdows, G. H. , The Study. Its building and
equipment.
The Bibliophile. 2. 1908/9. S. 318—322 mit
I Tafel.
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Die deutschen Bibliotheken 1908. (Vermehrungs¬
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Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 1909.
S. 2180 — 81. 2283 — 84 nach: Daniel Burckhardt-
Werthemann in: Basler Kunstverein, Berichterstat¬
tung über 1907.
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(1733-1797). Fin.
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A Commonwealth Booksellcr, William London, of
Newcastle - on - Tyne , the first English bibliographer
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Prager, R. L., Bibliographie und Bibliophilie. Vor¬
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meinen Vereinigung Deutscher Buchhandlungs¬
gehilfen . . .
Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 1909.
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Roeper, A. , Otto Protzen und sein Werk. (Biblio¬
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Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 190-;.
S. 2389— 2393-
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Petrarque, de l'Arioste, etc.
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1909. S. 1 — 40.
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— Ernst — Bab.)
Eckart. 3. 1908/9. S. 31 1— 321.
Gleichen-Ru ß wurm, A. von, Eros in der antiken
Dichtung.
Das literarische Echo. 11. 1909. Sp. 541 — 551.
Grützmacher, G., Das moderne Drama im Lichte
der christlichen Weltanschauung.
Konservative Monatsschrift. 1909. März. S. 519
—529.
Heyfelder, E., Elektra in „klassischer“ und „moder¬
ner“ Dramatik.
Deutsche Literatur zeitung. 30. 1909. Sp. 453
—459-
Kopp, A. , Über ältere deutsche Liedersammlungen.
Archiv für das Studium der neueren Sprachen
und Literaturen. Jg. 62. Bd. 121. 1908. S. 241— 279.
Reader, M., Les influences etrang£res dans la nou-
velle litterature russe.
Bibliotheque universelle et revue suisse. 1909.
März. S. 449 — 473. (Wird fortges.)
Sahr, J., Friedrich Kummers Deutsche Literatur¬
geschichte des 19. Jahrhunderts.
Zeitschrift für den deutschen Unterricht. 23. 1909.
S. 30-49-
Schläger, G., Etwas vom deutschen Kinderliede.
Zeitschrift für den deutschen Unterricht. 23. 1909.
S. 1—29.
6
Beiblatt.
Schroeter, Adalbert, Beiträge zur Geschichte der
neulateinischen Poesie Deutschlands und Hollands.
Aus seinem Nachlasse hrsg. mit Unterstützung der
kgl. preuß. Akademie der Wissenschaft.
Palaestra. 77. 1909. IV, 332. S.
Sittenfeld, L., Die Geschichte des Vereins „Bres¬
lauer Dichterschule“.
Der Osten. Literarische Monatsschrift hrsg. vom
Verein Breslauer Dichterschule. 35. 1909. Februar/
März. S. 28 — 49 mit 8 Tafeln.
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Schleswig- Holsteinische Rundschau. 3. 1908/9.
S. 226—230.
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in the Spanish Peninsula in 1809.
Annales de la Faculte des Lettres de Bordeaux.
Bulletin hispanique. ir. 1909. Jan. /Mars. S. 55 — 95.
(Wird fortges.)
Chenier: Charlier, G., Andre Chenier et Lamartine,
poötes de la nature. (Fin.)
Revue de Belgique. 1909. Febr. S. 148 — 164.
Frapan: Ilse Frapan-Akumian *f*.
Schleswig- Holstemische Rundschau. 3. 1908/9.
S. 238—242.
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Vossische Zeitung. 1909. Sonntagsbeilage Nr. 9
und 10 vom 28. Februar und 7. März.
— : Engel, E., Christiane Goethe.
Vossische Zeitung. 1909. Sonntagsbeilage Nr. 11
und 12 vom 14. und 21. März.
— : Gloel, H., Ungedruckte Briefe von Charlotte
Kestner.
Tägliche Rundschau. 1909. Unterhaltungsbeilage
Nr. 42 und 44 vom 19. und 22. Februar.
Jahn, O., Goethe und Oeser.
Xenien. 1909. Nr. 2. S. 65 — 70.
— : Leverkühn, A., Das Harfnerlied „Wer nie sein
Brot mit Tränen aß.“
Stunden 7nit Goethe. 5. 1908/9. S. 109— 1 14.
— : Rosenberg, F., Goethes Werther in Frankreich.
Vossische Zeitung. 1909. Sonntagsbeilage Nr. 7
und 8 vom 14. und 21. Februar.
— : Schneidereit, G., Goethes Verhältnis zur Philo¬
sophie. Stunden mit Goethe. 5. 1908/9. S. 1 — 13.
— : Witkowski, G., Goethe-Schriften.
Das literarische Echo. 11. 1909. Sp. 473— 482.
Hamerling: Ehlen, O., Briefe Robert Hamerlings über
seine satirische Dichtung „Homunkulus“.
Österreichische Rundschau. 1909. Februar. S. 315
“322.
Hauptmann: Krause, A. F., Neues von Carl Haupt¬
mann.
Das literarische Echo. 11. 1909. Sp. 482—485.
Hebbel: Schapire-Neurath, A., Friedrich Hebbel.
Aus Natur und Geisteswelt. 238. 1909. 135 S.,
1 Porträt.
— : Walzel, O. F., Hebbelprobleme.
Untersuchungen zur neueren Sprach- und Lite¬
ratur-Geschichte. N. F. 1. 1909. 123 S.
Heine: Carniol, F., Heinrich Heine, ein Requiem.
Zum Todestage. Xenien. 1909. Nr. 2. S. 71 — 74.
— : Kräh, K. , Heinrich Heine. Eine literarische
Skizze.
Baltische Mo?iatsschrift. Bd. 66. 1908. S. 83—90.
Kleist: Minde-Pouet, G., Kleist-Schriften.
Literar. Echo. n. 1909. Sp. 698— 707.
Lessing: Henneberg, R., Zum Todestage Lessings.
Vossische Zeitung. 1909. Nr. 75 vom 14. Februar.
Maupassant: War war, M., Die Mutter Maupassants.
Vossische Zeitung. 1909. Nr. 1 1 5 vom 10. März.
Menander: Bethe, E„ Der Chor bei Menander.
Berichte über die Verhandlungen der Kgl. Sächs.
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— : Monval, J„ Catulle Mendes et Frangais Coppee.
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Meyer: Schmidt, E. , Conrad Ferdinand Meyer in
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Deutsche Literatur zeitung. 30. 1909. Sp. 325
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Mistral: Charpin, F„ Le Poeme de Mireio. (A propos
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Xenien. 1909. Nr. 2. S. 82—98.
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National- Zeitung. 1909. Sonntags-Beilage Nr. 11
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Österreichische Rundschau. 1909. Februar. S. 322— 325.
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Revue d’histoire litteraire de la France. 15. 1908.
S. 610—619.
Strindberg: Coussanges, J. de, Les dernEres oeuvres
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La Revue. 1909. Mars 1. S. 104 — 113
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Das literarische Echo. n. 1909. Sp. 616 — 629 mit
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Tieck: Wolf, J., Les allusions politiques dans le Chat
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Revue Germanique. 5. 1909. S. 158—201.
Turgeniev: Lettres de Tourgueneff a ses amis d'Alle-
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Revue politique et litteraire. Revue bleue. 1909.
Nr. vom 6., 13., 20. und 27. Februar, 6. März.
Wedeklnd: Kerr, H., Frank Wedekind. Eine Studie.
Beiträge zur Literaturgeschichte. 56. 1908. 48 S.
Wette: Petsch, R., Hermann Wette.
Das literarische Echo. 11. 1909. Sp. 551 — 559 mit
I Porträt.
Wildenbruch: Arminius.W., Ernst von Wildenbruch.
•J- 15. 1. 1909. Eckart. 3. 1908/9. S. 294—311.
— : Kienzl, H., Ernst von Wildenbruch.
Nord und Sud. 1909. Februar. S. 343—352.
— : Marschner, C. W., Wie ich Wildenbruch kennen
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National-Zeitung. 1909. Sonntags-Beilage Nr. 10
vom 7. März.
— : Muret, M., Les Drames d’E. de Wildenbruch.
Revue de Paris. 16. 1909. Febr. 15. S. 788—800.
— : Schmidt, E., Ernst von Wildenbruch in memo-
riam.
Das literarische Echo. 11. 1909. Sp. 613 — 615.
— : Voss, R., Ernst von Wildenbruch.
Velhagen 6° Klasings Monatshefte. 1909. März,
s. 369— 374-
Kaiser Wilhelm I.: Braumann, F., Kaiser Wilhelm
der Erste als Schriftsteller.
Grenzboten. 68. 1909. Nr. 11 und 12. S. 531— 539,
589-595.
Kleine Mitteilungen.
Am 28. Februar starb in Paris der vortreffliche,
in seiner Manier unserm Oberländer verwandte Kari¬
katurzeichner Caran d’ Ache, mit seinem eigentlichen
Namen Emanuel Poire. Er ist als Enkel eines in
Rußland zurückgebliebenen Kriegers der großen Armee
1853 in Moskau zur Welt gekommen; daher auch sein,
aus dem russischen Worte für „Bleistift“ gebildetes
Pseudonym Caran d’Ache. Er war als Zeichner der
gesuchte Mitarbeiter politischer Blätter, am längsten
des „Figaro“, weil er leicht den schlagenden, dabei
niemals unfeinen bildlichen Ausdruck für die Schwä¬
chen der Tagesgrößen, der zeitgenössischen Gesell¬
schaft und ihrer Typen fand. Eine große Anzahl von
Albums enthalten Zusammenstellungen seiner, meist
harmlosen, zuweilen auch vom esprit gaulois durch¬
tränkten Blätter: Les lundis de Caran d’Ache — Nos
soldats du siöcle — Les courses dans l’Antiquite —
Les joies du plain air — Album Caran d’Ache (3 vol.) usw.
Der Franzose Breuil, der schon auf der Leipziger
Universitätsbibliothek Siebmachers „Wappenbuch“ ge¬
stohlen und in Stockholm für 30 Kronen verpfändet
hatte, wurde in Upsala wegen ähnlicher Vergehen am
1. März zu fünf Monaten Strafarbeit verurteilt. Später
sieht er seiner Bestrafung in Leipzig entgegen. Schon
früher ist er für Bücherdiebstähle in Berlin und Paris
bestraft worden. — i.
Zu den Kostbarkeiten des Cimeliensaales der
Münchener Hof- und Staatsbibliothek zählt der Codex
Gallicus 369, die französische Bearbeitung von Boccac¬
cios „De casibus illustrium virorum“ enthaltend. Die
schönsten der 91 Miniaturen dieses Bandes werden all¬
gemein Jean Foucquet, dem berühmten französischen
Illustrator des XV. Jahrhunderts, zugeschrieben. Von
Jacques Rosenthal in München geht uns ein Prospekt der
Ausgabe dieser Miniaturen zu, die Graf Paul Durrien
mit aller wissenschaftlichen Sorgfalt veranstaltet hat.
Der begleitende Text (130 Seiten) erscheint zugleich
deutsch und französisch. Die Reproduktionen sind von
Meisenbach, Riffarth & Co. hergestellt und, nach der
Probetafel zu urteilen, wohl gelungen. Die Auflage
beträgt 300 Exemplare auf holländischem Bütten (Preis
100 Mark) und 25 Exemplare auf japanischem Shizuoka-
Bütten (Preis 240 Mark). Der Druck des Prospekts
(und vermutlich auch des Werkes selbst) ist in Chartres
bei der Imprimerie Durand hergestellt. Ist es nötig,
daß ein deutscher Verleger eine französische Offizin mit
der Herstellung eines monumentalen Werkes betraut?
— i.
Die Zeitschrift „ Hyperion " (Verlag Elans von
Weber in München) beginnt mit dem Märzheft ihren
zweiten Jahrgang, herausgegeben von Franz Blei, im
Bildteil redigiert von Alfred Walter Heymel. Die
ersten sechs Zweimonathefte haben den Beweis er¬
bracht, daß sie die Erbschaft von „Pan“ und „Insel“
im Sinne einer anders gearteten Zeit, aber mit dem¬
selben Bewußtsein künstlerischer Pflichten angetreten
hat. Da sie die einzige ihrer Art im heutigen Deutsch¬
land ist, so muß denen, die gleiches Bewußtsein em¬
pfinden, ihr Dasein erfreulich und notwendigerscheinen.
Die Verlagsbuchhandlung E. Appelhans 6z3 Comp.
in Braunschweig ging infolge Ablebens des Besitzers
im vorigen Jahre in den Besitz der Herren Rud. Stolle
und Gust. Roselieb über. Der genannten Firma war
früher auch der Verlag C. A. Schwetschke & Sohn
8
Beiblatt.
Zu verkaufen:
Hauff, Wilh., Phantasien im Bremer Rathskeller;
ein Herbstgeschenk für Freunde des Weines.
Stuttgart, bei Gebr. Franckh 1827. Schönes Ex.
der sehr seltenen 1. Ausgabe in altem Pappband.
M. 26. —
Lettres de Ninon de L’Enclos au Marquis de
Sevigne. 2vols. in 160. Amsterdam 1752. Mit
schönem Porträt u. gestochenen Titeln. Hübsche
Ausgabe in 2 alten Halbfrzbdn. M. 18. —
F. Nicolai. Das Leben und die Meinungen des
Herrn Magister Sebaldus Nothanker. 3 Bde.
Berlin und Stettin 1775 — 76. Gleichzeitige Ganz¬
lederbände m. T. M. 28.—
Kleinstes Format: Horatius, opera omnia rec.
Filon. London 1828. Größe 7x4^2 cm.
Reizender Ganzlederbd. von rotem Maroquin mit
prächtiger Handvergoldung. Sehr schönes Stück.
M. 30. —
Leipzig-R.,
Crusiusstr. 2a
H. Kempert, Buchhändler.
Eine Bibliothek,
größere Anzahl meist in einmaliger numerierter Auflage
gedruckter Erotica enthaltend, zu verkaufen. Inter¬
essenten wollen Verzeichnis von der Hofbuchhandlung
von Eugen Crusius in Kaiserslautern verlangen.
„Deutsche Rundschau“ v. Julius Rodenberg
Jahrg. I — XXXIV in Orig.-Bänden m. Register
vollkommen tadellos erhalten fürM. 200. — zu verk. Ang.
an Buchhändler Hugo Schikaneder, Kitzingen a. M.
In München ist am 20. März a. c. von einer Rollfuhre
Eine lateinische Bibel in modernem Lederband,
510 Blatt Handschrift auf Pergament, mit 80
Miniaturen französischen Ursprungs aus dem
XIII. Jahrhundert, Größe ca. 25x35 cm, 10 cm
Dicke, Gewicht 7—8 Kilo
abhanden gekommen. Sachdienliche Mitteilungen an
die Königl. Polizeidirektion, Mönchen dringend erbeten.
Gesucht.
Carus Sterne, Frühlingsblumen,
auch antiquar., möglichst gebunden. Adresse mit Preis
unt. W. H. an die Expedition dieser Zeitschrift erbeten.
Z. f. B. 1909/1910. 1. Beiblatt. —
angegliedert, dieser wiederum ist aus der alten Firma
Carl Hermann Hemmerde (gegründet vor 1750) her¬
vorgegangen, die zuerst in Helmstedt, dann in „Halle
im Magdeburgischen“ domiziliert war und später in
Hemmerde und Schwetschke umgeändert wurde. Auf
den Verlagsböden obengenannter Firma Appelhans
fand sich nun ein sogenanntes Archivlager der Firmen
Hemmerde und C. A. Schwetschke & Sohn vor, d. h.
von allen seit ungefähr 1760 verlegten Werken 1—5
Exemplare, zum Teil noch in rohen unberührten Exem¬
plaren, unter denen sich mancherlei Raritäten befinden.
Die neuen Besitzer der Firma Appelhans haben darauf
verzichtet, diese alten Bestände zu Gelde zu machen,
sie stellten dieselben vielmehr Bibliotheken und Samm¬
lern kostenfrei zur Verfügung. Von dieser nicht oft
vorkommenden günstigen Gelegenheit haben denn
auch die Herzogliche Bibliothek und das Archiv in
Wolfenbüttel ausgiebigen Gebrauch gemacht, ebenso
das Archiv in Braunschweig, wie auch Bibliophilen aus
Stadt und Land Braunschweig. Trotzdem ist noch eine
große Menge von Werken aus allen Wissenschaften
vorhanden, die vielleicht noch manches Sammlerherz er¬
freuen würden. Wer also in der Nähe von Braunschweig
wohnt oder zufällig nach der alten Weifenstadt kommt,
versäume es nicht, sich das Lager anzusehen. Die
Firma E. Appelhans & Comp., die zurzeit mit ihrem
umfangreichen Schulbuchverlag, mit der Herausgabe
einer neuen illustrierten Ausgabe der Heiligen Schrift,
der „Franz Stassen-Bibel“ , und vielen anderen Werken
sehr in Anspruch genommen ist, lehnt es deshalb grund¬
sätzlich ab, schriftliche Auskunft zu geben oder gar
Kataloge zu übersenden; sie will keinen Nutzen aus
den Vorräten ziehen, aber auch möglichst wenig Arbeit
davon haben. Ausgeschlossen von der Gratisausgabe
sind eine große Anzahl von Jahrgängen der sehr inter¬
essanten Jenaer Allgemeinen Literatur- Zeitung, die
1785 bis 1849 erschienen ist; diese sind zum Verkauf
gestellt.
Seit dem 1. April erscheint in Leipzig „Der Biblio¬
thekar'1 , Monatsschrift für Arbeiterbibliotheken. Für
die Redaktion zeichnet Gustav Hennig, der sich um
das Arbeiterbildungswesen in Leipzig schon so man¬
ches Verdienst erworben und durch seine Zusammen¬
stellung „Sozialistische Literatur“ einen praktischen
Führer durch die ernst zu nehmenden Werke sozial¬
demokratischer Richtung geschallen hat. Ihm gebührt
wohl auch in erster Linie das Verdienst um die Ent¬
wicklung der Arbeiterbibliotheken Leipzigs in den Jahren
1907 und 1908, die wahrhaft erstaunlich ist. Stieg doch
die Zahl der Leser von 8743 (1907) auf 12347 (1908),
der ausgeliehenen Bände von 70835 auf 121563. Im
Januar 1909 ist die Zahl der ausgeliehenen Bände wieder
von 13 534 im gleichen Monat 1908 auf 15954 gestiegen,
ln D/4 Jahren sind 47 Kataloge mit einem Kostenauf¬
wand von 6203 Mark hergestellt worden. Der Wert des
Bücherzuwachses betrug etwa 15000 Mark.
Im Verlage von Dr. Rud. Ludwig in Wien ist „Die
Sechzehnte Ehefreude“ , eine Satire auf die „fünfzehn
9
2
Beiblatt.
Freuden der Ehe“ erschienen, und zwar in deutscher
Übersetzung und im Urtext. Die Übersetzung dieser
Satire auf Antoine de la Salles „Quinze joyes de ma-
riage“ besorgten E. K. Blüml und J. Latzenhofer, den
Buchschmuck zeichnete Franz von Bayros , den Text
druckte Hesse & Becker in Leipzig auf Strathmore-
Japan in einer Auflage von 600 numerierten Exem¬
plaren; die Luxusausgabe No. 1 — 25, vom Künstler
signiert, band die Wiener Werkstätte in Ganzperga¬
ment, die übrigen Nummern in Halbpergament. Der
Preis der gewöhnlichen Ausgabe beträgt M. 6. „La
seiziesme joye de mariage“ dürfte im Jahre 1866 von
P. Jannet zum ersten Male herausgegeben worden
sein. Wenigstens nehmen das die deutschen Übersetzer
an, da bisher kein früherer Druck dieser Abhandlung
des anonymen Verfassers bekannt geworden ist, der,
ein Widersacher Antoine de la Salles und dessen freier
Liebesthesen, in Form einer Satire zur Verteidigung der
rechtsamen Ehefreuden ausrückt. Im Anhang zu einer
Handschrift der „Quinze joyes“ gegen Ende des sech¬
zehnten Jahrhunderts hat der unbekannte Autor diese
Gedanken niedergelegt. Die Übersetzung, die das
reizend ausgestattete Büchlein bietet, läßt vom Charme
und der Grazie des im Anhänge beigegebenen Urtextes
nichts vermissen. Fgl
Das Antiquariat Oswald Weigel in Leipzig wird
demnächst zu seinem bekannten Knaake- Katalog einen
wertvollen Nachtrag bringen. Er umfaßt die Samm¬
lung des verstorbenen Felix Oswald Weigel, ebenfalls
wertvollen Stücke der Reformations-Litteratur, die zum
großen Teil bei Knaake fehlen und somit eine will¬
kommene Ergänzung der früher versteigerten großen
Kollektion bilden.
J. Scheibles Antiquariat in Stuttgart versendet
soeben seinen ungewöhnlich reichhaltigen Katalog
Nr. 367. Er enthält auf 220 Seiten 2435 Nummern,
fast durchweg selten und ungewöhnlich schöne Werke
(siehe Inserat).
Der Münchener Polizeibericht meldet: Am 20. März
wurde von einem Transportwagen einer hiesigen Spe¬
ditionsfirma ein Gepäckstück gestohlen, das eine auf
etwa 10000 Mark bewertete handschriftliche Bibel fran¬
zösischen Ursprungs, angeblich aus dem XIII. Jahr¬
hundert, enthält. Die Bibel ist in lateinischer Sprache
auf 510 Pergamentblättern geschrieben und enthält ge¬
malte alte Miniaturen, welche biblische Begebenheiten
darstellen, und 17 gemalte Initialen. (Siehe Inserat.) Am
24. oder 25. März ist, nach den Berichten der Leipziger
Lokalblätter, die Handschrift einem dortigen Antiquariat
von zwei Schulknaben im Alter von 12 bis 13 Jahren zum
Kauf angeboten, aber nicht gekauft worden, weil diese
Buchhandlung sich nicht mit theologischen Werken
befaßt (!). Die beiden Knaben haben ausdrücklich er¬
klärt, daß sie das Werk von einem unbekannten Mann
erhalten hätten, um es zu verkaufen.
Eine Neuigkeit von Franz Blei: „ Die Puderquaste.
Ein Damen- Brevier. Aus den Papieren des Prinzen
Exlibris-Tausch
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für jedes Heft i. — Mk. (2 Zeilen), Jahres- Abonnement
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Friedrich d. Gr., Napoleon, Rußland, Polen, Sachsen,
Thüringen, Amerika, Genealogie, Wappen, Urkunden,
Autographen (dabei Gustav Adolph u. a.) usw.
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Allerlei (Curiosa, alte Medizin, alte Kochbücher,
alte Jugendschriften, Jagd, Sport, Spiele, Studentica,
Turnen, Philosophie, Magie, Galanterien und vieles
andere), ferner eine prächtige Kollektion von
Karikaturen (meist engl, kolorierte Kupferstiche),
sodann Kunstgeschichte, Architektur, illustrierte
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graphie, Buchhandel, einige Erstausgaben
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10
Beiblatt.
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Das vorstehende Werk ist der Katalog des kunst¬
gewerblichen Teiles der weltberühmten Kunstsammlung
des Freiherrn Adalbert von Lanna in Prag und umfaßt
das beschreibende Verzeichnis von 2240 Gegenständen.
Die Sammlung soll im Herbst ds. Js. zur Ver¬
steigerung gelangen, worauf ich besonders auf¬
merksam machen möchte.
Interessenten können das Werk von jeder Buch- und
Kunsthandlung beziehen, eventuell direkt vom Verlag
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Hippolyt“ München, Hans von Weber (B. 4.50, gebd.
M. 5.50, in Ganzleder auf Bütten K. 15) enthält eine
Anzahl geistreicher Plaudereien des Vielgewandten und
immer Amüsanten, die auch vor kleinen gesellschaft¬
lichen Indiskretionen nicht zurückschrecken und viel¬
leicht gerade deshalb um so interessierter gelesen
werden dürften. Das Büchelchen präsentiert sich reizend
in seinem feinen, klaren und anmutigen Druck mit der
Ungertype. — bl —
„Die Meister des Briefstils sind die Frauen“ sagt
E. Wasserzieher im Vorwort seiner „Briefe deutscher
Frauen “ (L. Ehlermann, Dresden; geb. 5 M.). Und er
hat insofern recht, da ihnen wie das Plaudern mit dem
Munde, so auch das Plaudern auf dem Papier leichter
fällt als dem Manne und sie gemeinhin mehr Zeit
haben als dieser. Zwölf Frauen haben zu diesem Brief¬
bande beisteuern müssen — und keine schlechten. Wir
finden die Frau Rath (der man hier gottlob ihre Ortho¬
graphie gelassen hat), Schillers Lotte und die Liselotte,
Philippine von Griesheim, deren Bräutigam zu den von
Napoleon erschossenen Schillschen Offizieren ge¬
hörte, Maria Theresia, Bettina, Angelika Kauffmann
und manche andere. Und immer sehen wir hinter den
Briefen die Persönlichkeiten, die uns zudem noch in wohl¬
gelungenen Abbildungen vor Augen geführt werden.
Der Band, der sich besonders zu Geschenken empfiehlt,
ist von Vogeler- Worpswede hübsch ausgestattet wor¬
den; namentlich das Titelbild ist sehr reizend.
Die „Nachtwachen von Bonavetitura“ haben die
Literarhistoriker oft genug beschäftigt. Auch jetzt
meldet sich wieder ein junger Forscher zum Wort, der
den Schöpfer des umstrittenen Werkes entdeckt zu
haben glaubt. Der Bonner Privatdozent Franz Schultz
hielt in der Berliner „Gesellschaft für deutsche Lite¬
ratur“ einen Vortrag über die Nachtwachen. Seiner
Meinung nach verbirgt sich unter dem Decknamen
Bonaventura der sächsische Literat Friedrich Gottlob
Wetzel, der bisher nur als Mitarbeiter an Kleists
Zeitschrift „Phoebus“ die Aufmerksamkeit der Literar¬
historiker erweckt hat. Ein äußeres Dokument, das
ihn als Verfasser beglaubigt, vermag Schultz nicht
beizubringen. Aber eine Fülle von Parallelstellen aus
Wetzeis Schriften verbürgt eine gewisse Verwandtschaft
mit dem Ideenkreis, mit den Kunstmitteln, mit dem
poetischen Stil des geheimnisvollen Bonaventura. In
einer bald erscheinenden Schrift sollen die überzeu¬
genden Nachweise des Vortrags ausführlicher ent¬
wickelt werden.
Ich arbeite an einer umfangreichen Bibliographie
Dante in Deutschland, die alle Übersetzungen (auch
von Teilen der Komödie, der Prosaschriften und ein¬
zelner Gedichte), Romane, Dramen, Novellen oder
Gedichte umfassen soll, die sich mit Dante selbst oder
Personen aus der Komödie (Francesca da Rimini,
Beatrice, Farinata, Ugolino usw.) beschäftigen, und
auch die in Deutschland gedruckten italienischen oder
anderssprachigen Werke Dantes erwähnt. Für Hin-
11
Beiblatt.
weise auf weniger bekannte und schwer zugängliche
Übersetzungen, Dramen, Dichtungen usw., auch auf den
Fundort von Bildnissen älterer Übersetzer (Bachen¬
schwanz, Heigelin, Kannegießer, Streckfuß usw.) wäre
ich den Herren Bibliothekaren und Kollegen zu auf¬
richtigem Danke verbunden. Schließlich bitte ich alle,
die Hölle V, 97 — 142 verdeutscht haben, mir eine Kopie
(einseitig geschrieben) mit Erlaubnis zur Veröffent¬
lichung einzusenden. Richard Zoozmann
Berlin, O. 17. Schriftsteller.
Diesem Hefte liegen Prospekte der Gesellschaft
für vervielfältigende Kunst in Wien und der Verlags¬
buchhandlung f. H. E. Heitz ( Heitz 6° Mündel') in
Straßburg bei. Wir weisen auf die darin angekündigten
Publikationen „Die graphische?i Künste “ und „ Einblatt¬
drucke des fünfzehnten Jahrhunderts “ auch unsrerseits
besonders hin. Ferner zeigt der Verlag H. Haessel
in Leipzig Arthur Sakheims ,,E. T. A. Hoffmann“
durch eine reizvoll ausgestattete Beilage an und
Georg Müller in München fügt ein Verzeichnis neu
erschienener Bibliothekswerke und Liebhaberdrucke bei.
„Wenn wir von Goethe, Schiller und Herder reden,
von Kant und von Fichte, so dürfen wir von Magister
Laukhard nicht schweigen ! Er müßte in Erz gegossen
auf dem Sockel des Goethe-Schillerdenkmals in Weimar
zu den Füßen der Großen sitzen“. So urteilt Julius Hart
im „Tag“ über Magister Lankhards Leben und Schick¬
sale. Über dieses eigenartige Buch bringt unsere
heutige Nummer einen Prospekt, der auch noch An¬
kündigungen von anderen interessanten Memoiren aus
der bekannten Lutz’schen Memoirenbibliothek enthält.
Kataloge.
Zur Vermeidung von Verspätungen werden alle Kataloge an die Adresse
des Herausgebers erbeten. Nur die bis zum 25. jeden Monats ein¬
gehenden Kataloge können für das nächste Heft berücksichtigt werden.
Deutschland und Österreich-Ungarn.
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ausländische Literatur, Varia.
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Mayer Müller in Berlin NW. No. 240. Theater¬
geschichte, Kostümkunde, Musikgeschichte.
Gilhofer <S° Ranschburg in Wien I. Anz. No. 84.
Austriaca, Lnkunabeln, alte Holzschnittbücher, Varia.
Lipsius 6r= Tischer in Kiel. No. 92. Deutsche Literatur
und Sprache.
Heinr. Hugendubel in München. No. 40. Deutsche
Literatur.
List & Francke in Leipzig. No. 410. Autographen.
Alfr. Lorentz in Leipzig. Antiquar. Büchermarkt No. 72.
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Sprache und Literatur.
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Deutsches Künstleralbum. Jahrgang IV. Gebunden
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Cervantes. Don Quixote, illustr. von Dor£. 2 Bände,
1884. Gebunden M. 9. — .
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„Von wem
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Ein Titelbuch zur Auffindung von Ver-
fassernamen deutscher Literaturwerke.
Bearbeitet von Dr. phil. MAX SCHNEIDER,
Bibliothekar an der Hamburgischen
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Luthers.
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* bereiten auf die Reise vor, erhöhen als
auernd die Erinnerung an das Gesehene
Stätten Nr. 1 — 38
Florenz. — Kairo. — Augsburg. — Verona.
Sizilien I. — Sizilien II. — Padua. — Mai¬
land. — Hildesheim u. Goslar. — Neapel I.
Neapel II. — Braunschweig. — St Petersburg.
Genua. — Versailles. — München. — Krakau.
Mantua. — Köln.
38 haben das bisherige größere Format.
REMBRANDT
und seine Zeitgenossen
von WILH. BODE,
Wirkl. Geh. Oberregierungsrat, Generaldirektor
der Königlich Preußischen Museen
Zweite vermehrte Aufl. 21 Bg. mit einem Titelbild
Brosch. M. 6. — . In Leinenbd. M. 7.50. In Hlbfrnz. M. 9. —
Inhaltsverzeichnis Rembrandt — Hals - Maes -
An das Leben
Gedichte v. FRANZ LANGHEINRICH
Mit künstlerischen Beiträgen und Buchschmuck
von Max Klinger und Otto Greiner
Ein Band in Groß-Oktav. 216 Seiten mit 4 Kunstbei¬
lagen und vielen Vignetten. Geheftet M. 4. — , in Leinen
gebunden M. 5. —
Einband und Vorsatz von Otto Greiner
I. Von himmlischen und irdischen Seeligkeiten. — II. Am Flusse. —
III. Stille Winkel. — IV. Tage und Nächte am See. — V. Winter¬
sonnwende. VI. In der Fremde. — VII. Auf Sirmione. — VIII. Jahres¬
ringe. — IX. Und hätte der Liebe nicht . . .
Künstlerworte
Gesammelt von KARL EUGEN SCHMIDT
Ein Oktavband von 300 Seiten
Ausstattung von Walter Tiemann
Elegant gebunden M. 4. —
Ein sehr originelles Unternehmen, das jedem Kunstfreunde einen
gediegenen Genuß bereiten wird.
Königsb erg-Hartungsche Zeitung.
Dies Buch darf in der Bibliothek keines Kunstfreundes fehlen, es
ist ein Schlüssel, der Schätze erschließt.
Norddeutsche Allgem. Zeitung.
Das kleine, als Liebhaberband ausgestattete Werk stimmt nach¬
denklich und reizt sehr zur Diskussion.
Altonaer Nachrichten.
TerBorch — Steen - — Segers — Goyen — S. van Ruys-
dael — J. van Ruisdael — Hobbema — Aert van der
Neer — Cuyp — Potter — Adriaen van de Velde —
Wouwermans — De Heem — Kalf — Beijeren —
Brouwer — Rubens — Van Dyck.
Die Frankfurter Zeitung schreibt: Es ist schwer, das
Buch zu charakterisieren. Es ist kein gelehrtes Buch im schul¬
meisterlichen Sinne, aber von hoher, wissenschaftlicher Bedeutung;
es ist kein literarisches Buch, aber eine genußreiche Lektüre, und
zwar für den Laien genau so, wie für den Forscher und Liebhaber.
Es gibt in der Tat ein ganzes Bild der niederländischen Malerei
des 17. Jahrhunderts in Einzelschilderungen ihrer hervorragendsten
Meister. Die psychologische Vertiefung in die Persönlichkeit der
einzelnen Meister, die schlagenden Beobachtungen und Analysen
der Techniken und Manieren, die oft ganz neuen, stets scharf¬
sinnigen Versuche ihrer entwicklungsgeschichtlichen Einordnung
und der Datierung ihrer einzelnen Werke bieten dauernden Gewinn.
14
Beiblatt.
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LUXUSAUSGABEN
GERHART HAUPTMANN:
DIE JUNGFERN VOM BISCHOFSBERG
Auflage 30 Exemplare auf handgeschöpftem Bütten¬
papier, numeriert und in Ganzpergament gebunden.
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HERR WENZEL AUF REHBERG
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papier, numeriert und in Ganzpergament gebunden.
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GRIECHISCHER FRÜHLING
Auflage 100 Exemplare auf holländischem Bütten¬
papier, numeriert und in Ganzpergament gebunden.
Preis 15 Mark.
GERHART HAUPTMANN: ELGA
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numeriert und in Ganzpergament gebunden. Preis
12 Mark. Vorrat nur noch einzelne Exemplare.
GERHART HAUPTMANN:
KAISER KARLS GEISEL
Auflage 30 Exemplare auf handgeschöpftem Bütten¬
papier (davon 25 zum Verkauf gestellt), numeriert und
in Ganzpergament gebunden. Preis 12 Mark. Vorrat
nur noch einzelne Exemplare.
HUGO von HOFMANNSTHAL:
DIE PROSAISCHEN SCHRIFTEN
gesammelt in vier Bänden
Auflage 60 Exemplare (davon 50 zum Verkauf ge¬
stellt) auf holländischem Büttenpapier, Van Gelder,
numeriert und in Ganzpergament gebunden. Preis
12 Mark der Band bei Subskription auf das vier¬
bändige Gesamtwerk; Einzelbände nicht im Handel.
(Zwei Bände bisher erschienen.)
JOHANNES V. JENSEN:
„DIE WELT IST TIEF . . “
Auflage 25 Exemplare auf handgeschöpftem Bütten¬
papier, numeriert und in Ganzleder gebunden. Preis
10 Mark.
ARTHUR SCHNITZLER:
DÄMMERSEELEN
Auflage 25 Exemplare auf handgeschöpftem Bütten¬
papier, numeriert und in Ganzleder gebunden. Preis
10 Mark.
KARL VOLLMOELLER:
DES AISCHYLOS ORESTEIA
Auflage 50 Exemplare auf holländischem Bütten¬
papier, numeriert und in Ganzpergament gebunden.
Preis 10 Mark.
JAKOB WASSERMANN:
DIE SCHWESTERN
Auflage 25 Exemplare auf handgeschöpftem Bütten¬
papier, numeriert und in Ganzleder gebunden. Preis
io Mark.
In der PANTHEON- AUSGABE sind folgende
Liebhaber- Ausgaben auf handgeschöpftem Bütten¬
papier erschienen; Preis je 6 Mark in Ganzpergament:
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EICHENDORFF: GEDICHTE
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GOETHE: FAUST II
GOETHE: GEDICHTE I
GOETHE: GEDICHTE II
HEINE: BUCH DER LIEDER
HEINE: ROMANZERO
MÖRIKE: GEDICHTE
SCHILLER: GEDICHTE
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In meinem Verlage ist soeben erschienen:
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für 1909 (Jahrgang I.)
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Das Taschenbuch enthält zunächst eine schematische Buchführung, deren Ausführung
nicht nur eine vollständige Übersicht über den Wert und Inhalt einer Bibliothek oder
Sammlung ermöglicht, sondern auch die Ausgaben für jeden Zeitabschnitt feststellen läßt.
Ersteres ist wichtig für die Feuerversicherung oder bei beabsichtigter Ver¬
äußerung, letzteres für die Beschlußfassung über weitere Ankäufe usw.
Wertvoll ist ferner die Möglichkeit, leicht festzustellen,
von wem und zu welchem Preise ein Buch bezogen wurde (z. B. zwecks Reklamation),
wann Auktionstermine, Vereinsabende usw. stattfinden,
welche Dubletten vorhanden sind, welche Desiderata besonders gesucht werden;
an wen ein Buch verliehen wurde; von wem ein Buch entliehen ist und wann;
ferner welcher Buchbinder dies und jenes Buch zum Binden erhielt;
Preis wie vereinbart usw. usw.
Ferner erteilt das Taschenbuch Auskunft über Vereine, Zeitschriften, Münz-
werte, Posttarif, gibt Bezugsquellen usw.
Ein Beiheft, betitelt Jahrbuch, bringt Abhandlungen von besonderem Wert für jeden
Bücherfreund.
Vorliegender erster Jahrgang, der mit einer Abbildung: ,,F. v. Zobeltitz in seiner
Bücherei“ geschmückt ist, enthält von diesem als Begründer und Vorsitzenden der Gesell¬
schaft der Bibliophilen einen Bericht über diesen Verein.
Es folgt dann aus der Feder eines der besten Kenner der Wissenschaft vom Buch und
seiner Geschichte, des Dr. jur. Bogeng, der Umriss einer Fachkunde für Büchersammler,
welcher im nächsten Jahrgang fortgesetzt und abgeschlossen wird. Ein außerordentlich umfangreiches
Sachregister wird dann das Nachschlagen in diesem sehr inhaltreichen Überblick über alles, was
das Buch betrifft, bedeutend erleichtern. In vorliegendem ersten Teil berichtet der Ver¬
fasser in gedrängter Darstellung in 354 Artikeln, wie das Buch einst entstand und
wie es jetzt hergestellt wird, über die Art Bücher zu sammeln, über berühmte Spezial¬
sammlungen, über die Einrichtung einer Bücherei, über ihre Verwaltung, Buchpflege und
Bucheinband, wobei als besonders praktisch die Anleitung zum Korrekturlesen, eine
Tabelle für die Formatbestimmung (mit Beilage : Formatmaßstab) , und Katalogi¬
sierungsregeln, Rezepte für die Reinigung von Büchern und Kunstblättern, sowie unter
Assistenz des Kunstbuchbinders P. Kersten eine Erläuterung der hauptsächlichen Fachausdrücke
des Buchbinders hervorgehoben seien. Eine ganze Bibliographie der wichtigsten Biblio¬
graphien ist an den zugehörigen Stellen im Text verteilt; eine Fülle von historischen Daten
aus der Geschichte der Buchdruckerkunst, des Buchhandels und der Bibliophüie
findet sich hier übersichtlich vereinigt.
Um dies alles in ein Taschenbuch unterzubringen, wurde die Form eines Beiheftes
gewählt, das herausnehmbar ist. Der freigewordene Raum kann mit Hilfe einer beigegebenen
Tasche Skripturen usw. in großer Zahl aufnehmen, so daß das eigentliche Taschenbuch den
Besitzer stets begleiten kann und die sofortige Notierung aller Büchereiangelegenheiten (wie es
der Verlegerprospekt, welcher der Z. f. B. im Februarheft 1909 beilag, erläuterte) auch auf
der Reise gestattet.
Die folgenden Jahrgänge sollen den Wünschen der Interessenten gemäß weiter aus¬
gebaut werden, damit das Taschenbuch ganz und voll die hohen Erwartungen, die an dieses
Unternehmen sich knüpfen, erfüllt.
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Umschlägen. M. 325.- —
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27. Geh. Hofrat Professor Dr. Hans Meyer , Chef des
bibliographischen Instituts, Leipzig.
10 1. Dr. Adolf Schmidt, Direktor der großherz. Hofbiblio-
thek, Darmstadt, Heidelbergerstr. 12.
108. Prof. William A. Coofer, Stanford (California), U. S. A.
129. Stadtbücherei, Erfurt.
201. Dr. med. Arthur Olletidorjf, Breslau V, Gartenstr. 36.
244. Fräulein Käte Glockmann , Assistentin an der Stadt¬
bibliothek, Bromberg.
329. Referendar Hans Rambke, Hannover, Wedekindstr. 15.
362. Josef Faltin, Kandidat des höhern Schulamts, Frei¬
burg i. B., Franziskanerstr. II.
430. Professor Dr. Ernst Küster, Halle a. S., Cecilienstr. 6.
507. Georg Collin, Inhaber der Hofbuchbinderei "W. Collin,
Berlin W., Leipzigerstr. 19 II.
WEIMAR, Grunstedterstr. 16.
587. Hermann G. Stachow, Ingenieur, Hamburg 39, Sierich-
straße 42.
652. Otto Reicht, Verlagsbuchhändler, Berlin W. 69, Nürn-
bergerstr. 65.
656. Dr. Richard Benz, Freiburg i. B., Burgunderstr. 19.
687. Hugo Streisand, Antiquar, Berlin W. 50, Augsburger¬
straße 53.
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741. Brutto Neumann, Hof buchhändler (i. Fa. Keyser’sche
Buchhandlung), Erfurt, Anger II.
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Zeitschrift für Bücherfreunde, J ahrgang' I, II (inOriginal-
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frühen Arbeiten M. 105; Nr. 1 M. 63; Nr. 2 M. 70 ;
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Nr. 8a — c M. 86; Nr. 9 M. 61 ; Nr. 11 M. 125; Nr. 12
M. 125; Nr. 1 2 i M. 63; Nr. 13 — 19 M. 70; Nr. 20—29
(vollständiges Exemplar der Jahrgänge 1831—32 des
„Preußischen allgemeinen Hausfreunds“) M. 245 ; Nr. 42
M. 130; Nr. 43 M. 55 ; Nr. 46 M. 130; Nr. 49—61 M. 370;
Nr. 62 M. 105; Nr. 66 M. 410; Nr. 105 M. 120; Nr. 106
M. 130; Nr. 120 — 122 M. 205; Nr. 132 — 161 M. 750;
Nr. 176 M. 1 1 5 ; Nr. 188 I M. 135; Nr. 189 M. 1 50 ;
Nr. 191 M. 170; Nr. 633h M. 235; Nr. 638—644 I
M. 1220, einzeln M. 180—720, Nr. 645 M. 700 ; Nr. 1057
— 1257 (Ausgabe Berlin 1882) M. 510, Nr. 1297 — 1308
(Berlin 1856) M. 260; Nr. 1328 — 1357 (Probedrucke auf
China) M.265; Nr. 1363—1369 M. 160; Nr. 1370 M. 545;
Nr. 1378 II M. 505; Nr. 1382 I M. 315; Nr. 1383 I
M. 305; Nr. 1385 III M. 120; Nr. 1386 I M. 205; Nr.
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London. Im allgemeinen hielten sich zwar in diesem
Jahre die Bücherpreise für wertvolleres Material auf
den bisherigen Durchschnittsniveau, indessen macht
sich eher eine Tendenz nach unten wie nach oben be¬
merkbar. Selbst erstklassige Unika haben keinen Fort¬
schritt in der Preissteigerung zu verzeichnen. Die Ein¬
leitung zu den bedeutenderen Bücherauktionen der
Londoner Saison bildete die Ende Februar bei Sotheby
verkaufte Bibliothek von Lord Polwarth. Die Speziali¬
tät derselben bestand in einer Sammlung von Bro¬
schüren, Zeitungen, Proklamationen und Einblatt¬
drucken aus der Zeit der Bürgerkriege (1649), im
ganzen 121 Nummern, die mit 26900 Mark bezahlt
wurden. Unter den Einzelwerken erzielte den höchsten
Preis ein unvollkommenes Exemplar von Virgils
„Äneide“, ursprünglich aus dem Lateinischen in Fran¬
zösisch, und dann von William Caxton in Englisch
übersetzt und 1490 von ihm gedruckt. In Blades Ver¬
zeichnis ist der von Mr. Quaritch mit 6600 Mark be¬
zahlte Band, nicht erwähnt. Der Totalerlös für die
Bibliothek betrug 88200 Mark. — Dieselbe Firma ver¬
äußerte gleichfalls gegen Ende Februar eine wichtige
Sammlung von autographischen Briefen, historischen
Dokumenten und Manuskripten aus dem Besitz von
Mr. J. Stoddart. Die interessantesten Objekte und die
dafür gezahlten Preise waren folgende: Eine auf das
Leben, den Tod und Begräbnis Nelsons sich beziehende
Kollektion von 200 Briefen, Porträts und Zeichnungen
kam auf 2900 Mark (Linton). Ein Brief Nelsons an
Lady Hamilton am 23. März 1801, kurz vor der Schlacht
von Kopenhagen geschrieben, lautet: ,,My dearest
friend — Now we are sure of fighting I am sent for.
When it was a joke was kept in the background. To
morrow will be a grand day for England. To have
it so no exertion shall be wanting from your most
attached and affectionate friend tili Death — Nelson.“
Das Schriftstück wurde von Mr. Flynn für 620 Mark
erworben. Mr. Stanhope honorierte Nelsons „Order
of Battle and Sailing for Trafalgar“, datiert den 29. Sep¬
tember 1805, mit 2500 Mark.
Einige Tage nach obigem Verkauf, verauktionierte
die Firma Sotheby eine Bibliothek und einzelne Werke
aus verschiedenem Besitz und infolgedessen sehr ge¬
mischten Inhalts. Die erwähnenswertesten Bücher und
namentlich illuminierte Manuskripte sind die nach¬
stehenden: Ein schönes Exemplar von Waltons „Com-
pleat Angler 1653, die sehr seltene erste Ausgabe im
Originaleinband, erreichte 21700 Mark (Quaritch). Im
Jahre 1907 wurde das gleiche Werk mit 25800 Mark
bezahlt. Ein nur wenig unvollkommenes Exemplar
von Shakespeares „Poems“, 1640, erstand Quaritch
für 6200 Mark, das im Jahre 1798 nur 26 Schilling auf
einer Versteigerung einbrachte. Ebenso erwarb Qua¬
ritch zum Preise von 2334 Mark Swifts und Popes,,Mis-
cellanies in Prose und Verse“, vier Bände, heraus¬
gegeben von 1727— 1732. Ein Ereignis bildeten an
diesen Tagen mehrere sehr schön illuminierte zum Ver¬
kauf angebotene Manuskripte. Unter diesen ist hervor¬
zuheben: „Horae ad usum Galliae“, 208 Blätter, aus
dem XV. Jahrhundert, enthaltend 41 große und gut
ausgeführte Miniaturen, 8000 Mark (Franklin). Ein
frühenglischer Psalter, 194 Blätter mit vorzüglichen
Illuminationen, 8400 Mark (Quaritch). Ein „Book of
Hours“, Anfang des XVI. Jahrhunderts, 92 Blätter mit
18 reich ausgestatteten Miniaturen, 5000 Mark (Quaritch),
und endlich ein „Book of Hours“ aus dem XV. Jahr¬
hundert, von einem französischen Schreiber herrührend,
1 14 Blätter mit 15 schönen Miniaturen, 4500 Mark
(Edwards). — Da Briefe von Raffael zu den größten
Seltenheiten gehören, so ist es nicht zu verwundern,
daß einem solchen, datiert den 15. August 1514, be¬
sondere Aufmerksamkeit geschenkt wurde. 1514 war
das Jahr, in welchem der Maler das Freco „Galatea“
in der Halle der Villa Chigi an der Tiber vollendet
hatte, und kurz darauf seine Wahl als Nachfolger
Bramantes zum Architekten für St. Peter erfolgte. Der
bezügliche, an Fabio Calvo gerichtete Brief Raffaels,
enthält das Versprechen, einige Entwürfe für den in
Italienisch übersetzten „Vitruvius“ zu liefern. Dieses
autographische Schreiben wurde von Mr. Meylen mit
820 Mark honoriert. —
Eine für uns besonderes Interesse bietende Auktion
war die, am 18. März bei Sotheby abgehaltene, die
Bibliothek des Bischofs von Colchester betreffend.
Der Schwerpunkt dieser Sammlung lag in den vor¬
handenen kleineren Druckschriften Martin Luthers,
meistens erste Ausgaben mit schönen Holzschnitten
von Holbein, Cranach, Burgmaier u. a., in 110 Nummern
verteilt. Im Durchschnitt erreichten diese Seltenheiten
nur einen zwischen einigen Schillingen bis zu 2 £
variierenden Preis. Zwei Nummern der Kollektion
machte hiervon allein eine Ausnahme: ,,Eyn geystlich
edles Büchleyn“, 1516 in Wittenberg gedruckt, und
dann „Disputatio D. Martini Luther Theologi pro Decla-
2
Beiblatt.
ratione Virtutis Indulgentarium“, 1517 hergestellt, die
beide Mr. Butler für je 420 Mark erwarb. Wenn man
hingegen die im Verhältnis ungerechtfertigt außer¬
ordentlich hohen Preise für zwar nicht uninteressante,
aber meiner Ansicht von den Zeitgenossen bedeutend
über ihren wirklichen Wert überschätzten beiden,
weiter unten angeführten englischen Werke vergleicht,
so bestätigt sich die schon mehrfach ausgesprochene
Erfahrung, daß englische Drucke und Manuskripte
auf dem hiesigen Büchermarkt, sowohl absolut wie
relativ stets ihre Vorherrschaft behaupten werden! Es
scheint durchaus unratsam, selbst erstklassige Biblio¬
theken vom Kontinent zum Verkauf hierherzusenden,
da bisher alle solche Versuche in bezug auf ihr
Resultat, als gescheitert betrachtet werden müssen.
Die oben erwähnten Werke sind: Blakes „Songs of
Innocence and of Experience“, von Mr. Dobell mit
3420 Mark, und ein kleiner Band von Tennyson, ent¬
haltend „The Falkon“, „The Cap“ und „The Promise
of May“, von Quaritch mit 1200 Mark bezahlt. Ganz
besonders hoch wird zurzeit jedes nur mit wenigen
Zeilen beschriebene Blättchen von der Hand der Poeten
Shelley und Robert Burns bewertet, ja höher wie gute
Autographen von Walter Scott. So wurde nur ein Teil
eines Briefes des ersteren an G. F. Graham, bei Christie
für 1040 Mark, und ein Schreiben des Dichters Burns an
John Richmond, von Mr. Sabin für 740 Mark angekauft.
Den Kulminationspunkt auf dem Büchermarkt für
den verflossenen Jahresabschnitt bildete die Versteige¬
rung der Bibliothek von Lord Ä7nherst bei Sotheby am
29. März und den beiden folgenden Tagen, zu der sich
die ersten Buchhändler Londons, aber ein nur wenig zahl¬
reiches Privatpublikum eingefunden hatte. Ein ca. 1400
vonWycliff verfaßtes Manuskript, seine Originalversion
des Neuen Testaments enthaltend, erstand Mr. Quaritch
für 28200 Mark. Derselbe erwarb gleichfalls die editio
princeps von Lactantius „Opera, de Divinis Institutioni-
bus“ zum Preise von 7000 Mark. Lichtenberger „Pro-
gnosticatio“, 1526 in Köln gedruckt, in einem Grolier-
Originaleinband mit „Jo Grolier et amicorum“ und
dem Motto „Portio mea Domine sit in Terra Viven-
tum“ versehen, wurde Mr. Quaritch für 1720 Mark
zugeschlagen. Die editio princeps der „Imitatio
Christi“ erreichte 4000 Mark (Delauney). „Ponti-
ficale Trevirense“, ein vom Kurfürsten und Erzbischof
Johann II. von Trier verfaßtes Manuskript kam auf
1800 Mark (Ellis). „Rudimentorum Novicorum“, 1475
das erste in Lübeck gedruckte und eine Weltkarte
enthaltende Buch, wurde mit 800 Mark bezahlt. „Monte
Sancto di Dio“, mit Kuperstichen nach Entwürfen
Botticellis gelangte für 1520 Mark in den Besitz von
Baer&Co. (Frankfurt). Für zwei Originalblätter ausFust
und Schoeffers 1457 gedrucktem „Psalmorum Codex“
bewilligte Mr. Quaritch 1620 Mark. Im ganzen betrug
der Erlös in runder Summe 290000 Mark. Hierzu
müssen noch 400000 Mark gezählt* werden, die Mr.
Pierpont Morgan für die in der Bibliothek befindlichen
Drucke von Caxton aus freier Hand anlegte, sowie die
Summe von 360000 Mark, welche der Verkauf des
ersten Teils der Bibliothek im vorigen Dezember ein¬
brachte. Das Gesamtresultat beträgt demnach Eine
Million und fünfzig Tausend Mark.
O. von Schleinitz .
Das Antiquariat J. Halle in München versteigert
vom 15. — 18. Juni eine kostbare Sammjung von Stichen
der englischen und französischen Schule desXVIII. Jahr¬
hunderts, Handzeichnungen und Aquarellen, sowie
seltene englische Sport- und Jagdblätter. Der reich
illustrierte Katalog erschien Mitte Mai.
Rundschau der Presse.
Von Professor Dr. Adalbert H ortzschansky in Groß-Lichterfelde.
Die nachfolgende Übersicht versucht, die wichtigeren in Zeitschriften und Zeitungen enthaltenen Aufsätze und Abhandlungen zu
verzeichnen, soweit sie für die Leser unserer Zeitschrift in Betracht kommen. Zusendung von Sonderdrucken und Ausschnitten an die Adresse
des Bearbeiters in Groß-Lichterfelde bei Berlin, Moltkestr. 40, erbeten.
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Münchner Neueste Nachrichten. 1909. Beil. Nr. 61
vom 14. März.
— : Müll er, H. von, Drei Theaterbriefe E. T. A. Hoff-
manns.
Neue Revue. 1909. Nr. 14. S. 509 — 513.
Hofmannsthal: Bach, D. J., Elektra.
Österreichische Rundschau. 1909. April I. S. 58
— 60.
Hovey: Ende, A. von, The ethical message of Richard
Hovey’s poem in dramas.
Poet Lore. 20. 1909. S. 69 — 76.
Huch: Schellenberg, E. L., Ricarda Huch.
Xenien. 1908. S. 149 — 15 7*
Hugo: Vauthier, G., Victor Hugo et la Maison du Roi.
Nouvelle Revue. 1909. März 15. S. 267 — 276.
6
Beiblatt.
Jean Paul: Berend, E., Jean Pauls Ästhetik.
Forschungen zur neueren Literaturgeschichte. 35.
1909. XV, 294 S.
Keller: P olheim, K., Die zyklische Komposition der
sieben Legenden Gottfried Kellers.
Euphorion. 15. 1908. S. 753—765.
Kleist: Fischer, O., Mimische Studien zu Heinrich
von Kleist. 3. Mimische Details.
Euphorion. 15. 1908. S. 716—725.
— : Herzog, W., Paris in Kleists Briefen und in
Tiecks „William Lovell“.
Euphorion. 15. 1908. S. 713 — 716.
— : In der Vaterstadt Heinrich von Kleists. (VonA.K.)
Vossische Zeitung. 1909. Nr. 147 vom 28. März.
Knoll : Strzemcha, P., Die Olmützer Dichterschule.
I. Josef Leonard Knoll und seine Schüler.
Zeitschrift des deutschen Vereins für die Geschichte
Mährens und Schlesiens. 12. 1908. S. 278 — 294.
Milton: Forsyth, P. T., Milton’s God and Milton’s
Satan.
Contemporary Review. 1909. April. S. 450—465.
Mistral: Samo sch, S., Frederi Mistral.
Literarisch. Echo. 11. 1909. Sp. 981 — 985 m.
1 Portr.
Mundt: Draeger, O., Theodor Mundt und seine Be¬
ziehungen zum Jungen Deutschland.
Beiträge zur deutschen Literaturwissenschaft. 10.
1909. V, 179 S.
Müsset: Des Isles, R., Alfred de Müsset, critique
litteraire, d’apres les lettres de Dupuis et Cotonet.
(Article 1.)
Revue des facultes catholiques de l’Ouest. 18.
1909. S. 519— 531.
Nietzsche: Briefe Friedrich Nietzsches aus dem Jahre
1885 an seine Angehörigen.
Österreichische Rundschau. 1909. April 15. S. 115
—128.
— : Jentsch, C., Nietzsche noch einmal.
Grenzboten. 68. 1909. Nr. 15. S. 72 — 82.
Poe: Dyke, H. van, Edgar Allan Poe.
Revue de Paris. 1909. März. S. 349 — 363.
— : Ewers, H. H., Edgar Allan Poe.
Nord und Süd. 1909. März. S. 501—507.
Renard: Clement, F., Jules Renard.
Literarisch. Echo. ir. 1909. Sp. 985—993 mit
1 Porträt.
Scheffel: Proelß, J., Scheffel und Eggers; eine Dichter¬
freundschaft. Mit bisher ungedruckten Briefen Schef¬
fels und seiner Mutter an Friedrich Eggers. (Schluß.)
Deutsche Rundschau. 1909. März. S. 406 — 436.
Schiller: Knippei, R., Schillers Verhältnis zur Idylle.
Breslauer Beiträge zur Literaturgeschichte. 18.
1909. 86 S.
— : Leitzmann, A., Schillerliteratur des Säkular¬
jahres 1905. (Schluß.)
Euphorion. 15. 1908. S. 767 — 792.
— : Petzet, E., Schillers Ahnen.
Frankfurter Zeiticng. 1909. Literaturblatt vom
14. März.
— : Simon, Ph., Schillers „Spaziergang unter den
Linden“.
Vossische Zeitung. 1909. Sonntagsbeil. Nr. 15 vom
11. April.
Schoenaich-Caroiath : Kammerhoff, E., Prinz Emil
von Schoenaich-Caroiath. II. III.
Die Heimat. 18. 1908. S. 2 — 10. 14 1 — 151.
Shakespeare: Eidam, Ch., Über den Monolog des
Brutus (Shakespeares „Julius Cäsar“) II, 1, 63 — 69.
Deutsche Revue. 1909. April. S. 1 1 5 — 1 2 1
— : H eimann, M., Der wahre Shakespeare.
Die neue Rundschau. 1909. April. S. 534 — 539.
— : Sullivan, E., The defamers of Shakespeare.
(Concluded.)
Nmeteenth Century. 1909. April. S. 630 — 647.
Shaw: Herr Bernard Shaw. (Von G. K. C.)
Hyperion. H. 7. 1909. S. 54 — 59-
Spieihagen: Mauthner, F., Friedrich Spielhagen.
Literarisches Echo. 11. 1909. Sp. 852—855.
Storni: Lobsien, W., Theodor Storms Novellen. I. II.
Die Hehnat. 18. 1908. S. 165 — 172. 192— 197.
Thompson: Sillard, P. A., A great catholic poet.
Westminster Review. 1909. April. S. 423—431.
Wildenbruch: Friedrich, P., Ernst von Wildenbruch.
Xenien. 1909. S. 129 — 136, 1 Porträt.
— : Litzmann, B., Ernst von Wildenbruch zum Ge¬
dächtnis. Erinnerungsworte.
Westermanns Monatshefte. 1909. April. S. 107
— 112.
Wolfram von Eschenbach: Pohnert, L., Kritik und
Metrik von Wolframs Titurel.
Prager deutsche Studien. 12. 1908. 99 S.
Zahn: Krauß, R., Ernst Zahn.
Eckart. 3. 1908/9. S. 365 —380. (Schluß folgt.)
Neue Bücher.
In dem Taschenbuch des Bücherfreundes für 1Q09
(herausgegeben von G. A. E. Bogeng , Verlag von
Max Harrwitz , Nikolassee bei Berlin, in Batist geb.
6 M., in Ganzleder 7,50 M.) begrüßt unsere Zeitschrift
mit Freude einen Genossen, der mit ihr gemeinsam
der deutschen Bibliophilie dienen will. Das eigentliche
Taschenbuch enthält in praktischem, nur für die nor¬
malen Brusttaschen etwas zu großem Format ein Kalen¬
darium für 1909 mit Raum zum täglichen Einträgen
aller Notizen über das Dasein der Bibliothek des
Eigentümers. Angehängt sind Schemata für Adressen¬
liste, Buchbinder-Bestellungen (mit zwei Seiten zu klein
bemessen), Desiderata, Dubletten, entliehene und ver¬
liehene Bücher (schwerlich für ein Jahr ausreichend),
Fortsetzungen, Defekte, endlich eine kleine Zusammen¬
stellung praktischer bibliographischer Nachweise. Diese
greift schon hinüber auf die besonders gebundene Bei¬
gabe, das „Jahrbuch für Biicher-Kunde und - Liebhaberei .
Herausgegeben von G. A. E. Bogeng. Erster Jahr¬
gang“. Das Büchlein enthält auf 137 Seiten in Perl-
7
Beiblatt.
schrift (bei einer Höhe von ig cm die Kolumne zu 64
Zeilen!) zunächst einen liebenswürdig geschriebenen
Aufsatz von Fedor von Zobeltitz , dessen wohlgetrof¬
fenes Bildnis, inmitten seiner Bücherei aufgenommen,
den Band schmückt. Zobeltitz plaudert von der Gesell¬
schaft der Bibliophilen und schweift dabei in die Ge¬
schichte der deutschen Bücherliebhaberei weit hinaus.
Dann bietet Bogeng reiche und vielseitige Belehrung,
den ersten Teil des „Umrisses einer Fachkunde für
Büchersammler“. Er zeigt sich durchweg in der Litera¬
tur über alle Zweige der Bücherkunde wohl beschlagen ;
er beschränkt sich nicht darauf, die selbständigen
Schriften zu nennen, sondern verzeichnet auch zahl¬
reiche Aufsätze, zumal das gesamte Material, das unsere
Zeitschrift bisher geboten hat.
Die Einteilung in fünf Kapitel und 354 Paragraphen
gliedert den Stoff mit scharfer Systematik; aber für
die Benutzung wären besondere Überschriften der ein¬
zelnen Abteilungen erwünscht gewesen, etwa Auto¬
graphen (*25* — *37*). Geschichte der Buchherstellung
(*38* — *55*), Druckschriften und Drucktechnik (*56* —
*77*), Formate und Signaturen (*78* — *92*), Mikro¬
skopische Drucke (*93*), Auflage, Ausgabe, Abdruck
(*100* — *108*), Privatdrucke (*109* — *114*) usw.
Mindestens bis zum Erscheinen des für den zweiten
Jahrgang in Aussicht gestellten Registers ist die Be¬
nutzung der mühsamen und für jeden Sammler sehr
nützlichen Arbeit ohne diese Überschriften recht schwie¬
rig, da man oft, um bestimmte Nachweise zu finden,
größere Abschnitte durchlesen muß. Wer wird z. B. so
bald die Literatur über die Anonyme und Pseudonyme
unter den Katalogisierungsregeln (*269*) entdecken Da
muß man lange suchen, bei der Kleinheit der Schrift
gerade kein Vergnügen. Über das Maß des Gebotenen
läßt sich streiten wie bei jeder Darstellung, die sich an
einen so weiten Kreis verschiedenartiger Sammler
wendet. Wer kein Interesse für Erotika hat, wird *i73*ff.
entbehrlich finden, wer sich besonders auf ABC-Bücher
legt, mag es tadeln, daß in *235* der Horn-books nicht
gedacht ist, und zumal die Bibliographien der gesamten
Bibliophilie und ihrer Untergebiete mögen schwerlich
irgend einen Leser völlig befriedigen. Im allgemeinen
hat Bogeng überall in erster Linie dem Sammler der
neueren Literatur, zumal der deutschen, das nötige
Material in genügender Fülle geliefert, und damit in¬
sofern das Richtige getroffen, als dieses Gebiet bei
uns weitaus am stärksten kultiviert wird.
Mit besonderem Danke werden diejenigen, die nicht
Berufsbibliothekare sind, alle die technischen Anwei¬
sungen und Ratschläge des Verfassers begrüßen, für
die Bestimmung der Formate, für Katalogisierung (sehr
ausführlich im Anschluß an die bekannte preußische
Instruktion), den Einband (mit Erläuterung vieler Fach¬
ausdrücke des Buchbinders) und die Ausbesserung,
wobei eine Tabelle über „Fleckmittel“ von besonderem
Nutzen sein wird.
Der zweite Jahrgang soll noch eine Geschichte der
Bücherliebhaberei und der Entwicklung des Altbücher¬
marktes, sowie ein kurzes Wörterbuch der Bücher¬
kunde bringen, auch ein alphabetisches Inhaltsver¬
zeichnis beider Teile ergänzt durch mannigfache wert¬
volle Nachweise, wie eine Liste lateinischer Ortsnamen
inVerbindung mit einem prototypo^raphischen Register,
ein Verzeichnis üblicher Abkürzungen und weitere
Wort- und Sacherklärungen. Wir erhoffen das Er¬
scheinen dieses zweiten Jahrgangs, der die notwendige
Ergänzung zum ersten bieten wird; denn wir werden
dann ein Handbuch unseres Sammelgebiets besitzen,
wie wir es uns längst wünschten. Bogeng hat sich durch
den Anfang bereits als der geeignete Mann dafür ge¬
zeigt und wir wollen ihm die Freude an der Fort¬
führung seines Unternehmens nicht durch nörgelnde
Ausstellungen am einzelnen vergällen. Sollte es zu
einem Neudruck des ersten Jahrgangs kommen, wird
er selbst am besten wissen, wo überall die bessernde
Hand anzulegen ist.
Im allgemeinen empfehlen wir ein etwas kleineres
Format und Verzicht auf den großen Umfang des
Kalendariums. Wer wünschte wohl, die Titel aller
Bücher, die er erwirbt, ein Jahr lang in der Tasche
bei sich zu tragen? Für gelegentliche Notizen lassen
sich leicht ein paar Blätter einlegen; im übrigen ge¬
nügen die im Anhang gebotenen Tabellen, die dann
auch noch reichlicher bemessen werden können.
Dringend raten wir dazu, das Jahrbuch völlig von
dem Notizbuch zu trennen. Die typographischen
Schwächen beruhen vornehmlich auf der gewaltsamen
Zusammenfügung beider Teile. Das Jahrbuch gehört
in die Bibliothek und soll so gedruckt sein, daß es
durch handschriftliche Nachträge auf dem Laufenden
gehalten werden kann, wozu jetzt gar keine Möglich¬
keit besteht.
Und nun zum Schluß ein herzliches Glückauf! zur
Fortsetzung. Mit den geäußerten Wünschen soll nur
der verdiente Erfolg des Unternehmens gefördert
werden, der hoffentlich schon dem ersten Jahrgang be-
schieden sein wird. G. W.
Die Gesellschaft Münchener Bibliophilen publiziert
so eben in einer Auflage von sechzig Exemplaren für
Nichtmitglieder „Peter Schöpfers Liederbuch {Mains
I5I3) Tenor , Discantus, Bassus, Altus nach dem ein¬
zigen bekannten Exemplar auf der Königl. Hof- und
Staatsbibliothek zu München (Subskriptionspreis 36 M.).
Die photochemische Reproduktion, durch Hubert
Köhler in München hergestellt, gibt die Vorlage mit
absoluter Treue wieder und kann als vollgültiger Ersatz
für sie dienen. Bei der Wichtigkeit des Werkes für die
Geschichte des deutschen Liedes nach der literar- und
musikhistorischen Seite hin, bedarf es nicht erst der
Hervorhebung des Verdienstes, das sich die Münchener
Bibliophilen durch diese schöne Publikation erworben
haben. G. W.
Aus den Schätzen des Freien deutschen Hochstifts,
das dem Goethehause zu Frankfurt a. M. ein auser¬
lesenes Museum angegliedert hat, sind auf vierzehn
Tafeln in Imperial-Folio (60 X 77 cm) Gemälde und
Zeichnungen erschienen. Die Sammlung führt den
Titel „Aus dem Frankfurter Goethemuseum“ I. Bild¬
werke. Mit kurzem erläuterndem Text von 0. Heuer.
8
Beiblatt.
Kunstverlag Hermann Knoeckel , Frankfurt a. M. (in
Leinwandmappe 150 M., Einzelblätter 15 M.).
Das Hochstift und der Verlag verdienen für die
schöne Gabe den Dank der Goethefreunde und der
Kunstsammler. Denn sie enthält in erster Linie vier
hervorragende Goethebilder, darunter das nach meiner
Ansicht überhaupt beste: die Kreidezeichnung von
Lips aus dem Jahre 1791 in einer Größe, Tiefe und
Klarheit, wie nie zuvor, dann die Ölgemälde Kügelgens
(1808, nach der Kopie von Karolina Bardua) Kolbes
(1822) und Schmellers (1826 — 27), jedes in seiner Art
ein wichtiges Dokument der Persönlichkeit Goethes.
Als ein solches sprechen wir auch das Bildnis Schillers
von Kügelgen an, trotzdem es nicht nach dem Leben
gemalt ist. Denn er hat wie Dannecker den toten
Schiller „lebig“ gemacht; mit überzeugender Wahrheit
spricht das Bildnis die heldenhafte Größe des Dichters
aus.
Ohne solche heroische Eigenschaften werden die
von Hermann Junker gemalten Pastellbildnisse von
Goethes Eltern doch viele traulich anmuten, denen
zumal die Frau Rat ans Herz gewachsen ist, und gern
erblickt man die vornehme Erscheinung des Königs¬
leutnants Thoranc, nach der dem Hochstift gehörigen
Kopie des Originalporträts so prächtig reproduziert, daß
das Blatt den ganzen Reiz des Originals atmet. Ebenso
gelungen ist auch ein anonymes, sprechend wahres
Wieland-Bildnis aus den letzten Lebensjahren, das aus
Jenaer Privatbesitz stammt. Dagegen erscheint der
technische Aufwand und das Format zu bedeutsam für
die zwei Zeichnungen Goethes, die zwar gewiß stofflich
interessant sind, aber in ihrem Dilettantismus so an¬
spruchsvoller Veröffentlichung kaum würdig erscheinen.
Von den Bildern, die Frankfurter Maler für das Schloß
des Königsleutnants in Grasse malten und die nun
an ihren Entstehungsort zurückgekehrt sind, bietet die
Mappe auf zwei Blättern sechs Monatsbilder von See-
katz , hebt in größerem Format auf einer besonderen
Tafel aus dem Aprilbild die beiden Gestalten Goethes
und seiner Schwester heraus, und gibt von den Dar¬
stellungen aus der Geschichte Josephs, die T?'autmann
unter dem Beirat des Knaben Goethe malte, die wert¬
vollsten wieder. Hier hätte, mindestens für die Monats¬
bilder, die Farbe als wünschenswerte, fast notwendige
Ergänzung hinzutreten müssen, um den Eindruck der
Originale hervorzurufen. Bei der verhältnismäßig ein¬
fachen koloristischen Art der Panneaus wäre das wohl
ohne Schwierigkeit zu ermöglichen gewesen. Freilich
sind auch ohnedies die Bilder von hohem Reiz und,
wie die ganze Mappe, ein rühmliches Zeugnis für das
Können der süddeutschen Lichtdruckanstalt von Hein¬
rich Kumpf in Frankfurt a. M., die nach einem neuen
heliographischen Verfahren die Blätter in mehrfachem
Plattendruck herstellte. — i.
Von Meyers, für den Handgebrauch ganz vortreff¬
lichem Kleinen Konversations-Lexikon (Leipzig, Biblio¬
graphisches Institut) ist jüngst der fünfte Band er¬
schienen, die Buchstaben N — Sch (Artikel „Nordkap“
bis „Schönbein“) umfassend. Auch in diesem Bande
Z. f. B. 1909/1910. 2. Beiblatt. —
zeigt sich die übersichtliche Anordnung des Ganzen
und die Zweckmäßigkeit der Hinweise. Wir haben hier
schon betont, daß es sich bei dem „Kleinen Meyer“
keineswegs um eine verkürzte Ausgabe des großen
Lexikons handelt, sondern um eine völlig neue Be¬
arbeitung aller Stoffgebiete, nur in knapperer Fassung.
Die Darstellung ist eine musterhaft klare, die Literatur¬
angaben sind durchweg auf den Stand des Jahres ge¬
bracht worden. Die Illustrierung, bei der natürlich auch
praktische Zwecke die maßgebenden sind, zeigt nament¬
lich in den Farbentafeln den hohen Stand der Repro¬
duktionstechnik in der Meyerschen Offizin. Z\
Mit dem neunten Bande der Helmoltschen Welt¬
geschichte (Leipzig, Bibliographisches Institut) liegt
das große Werk, die erste Weltgeschichte nach ethno¬
graphischer Anordnung, abgeschlossen vor. Band IX
enthält zunächst zwei Nachträge zu früheren Bänden.
Alexander Tilles „Großbritannien und England“ wird
bis auf die Gegenwart ergänzt, und Richard Mayer
fügt seiner Darstellung des Bildungswesens West¬
europas noch die Schlußkapitel über die bildenden
Künste, die Naturwissenschaften und die Geisteswissen¬
schaften des XIX. Jahrhunderts an. Weitere will¬
kommene Ergänzungen: „Die deutsche Auswanderung“
von Viktor Hantzsch und ein „Methodologischer Rück¬
blick auf die Ergebnisse der Weltgeschichte“ von
Thomas Achelis folgen. Den Abschluß bilden zwei
wichtige Beigaben: die Quellenkunde und das General¬
register, beide von Pastor Friedrich Richter besorgt.
— tz.
Wir haben schon früher auf das bei George Wester¬
mann in Braunschweig erscheinende große Bibelwerk
„Die Bücher der Bibel“, herausgegeben von F.Rahlwes,
mit Zeichnungen von E. M. Lilien, hingewiesen. Da¬
mals waren erst einige Lieferungen verausgabt worden;
jetzt aber liegt uns der ganze erste Band dieser pracht¬
vollen Laienbibel vor und ermöglicht eine eingehendere
Beurteilung. Herder und Goethe haben die Bibel als
Literaturwerk in die moderne Welt eingeführt, und in
ihrem Sinne ist auch die Westermannsche Bibel ge¬
meint: als eine Klassikerausgabe der Heiligen Schrift,
die den Text in aufrichtiger Pietät gegen die großen
Überlieferungen, aber doch unter rücksichtsloser An¬
erkennung der kritischen Forschung wiedergibt und
die ihrer äußeren Ausstattung nach auf der vollen Höhe
des heutigen Buchgewerbes steht. Die Einleitungen
halten sich von allen dogmatischen Streitigkeiten fern
und führen den Leser in knapper Darstellung in das
Verständnis der einzelnen Bücher, ihren religiösen Ge¬
halt und ihre literarische Eigenart ein. Dem Alten
Testament liegt die ausgezeichnete Übersetzung des
Dr. Ed. Reuß zugrunde; ob es richtig ist, daß man
das Neue Testament, wenn auch unter möglichster
Schonung des kräftigen Luthertextes, ebenfalls in mo¬
derner Übertragung geben will, scheint mir zweifel¬
haft.
Der Buchschmuck Liliens zeigt den Künstler von
seiner besten, gewissermaßen seiner Spezialseite. Die
Beiblatt.
Vorstudien zu diesem Werke hat er in Palästina selbst
gemacht, und so sind denn die landschaftlichen Szene¬
rien von besonderem Reiz. Im Figürlichen zeigt sich
hie und da eine gewisse Einseitigkeit; aber in allen
Bildern liegt doch zweifellos ein großer Zug. Er hat
auch Phantasie : nicht die Dores, dessen Bibelbilder in
Balletorgien schwelgen und sich wie Vorlagen zu einem
Ausstattungsstücke ausnehmen, sondern eine künst¬
lerisch gezügelte, wenn sie zuweilen auch in Stilisierung
verfällt.
Der Druck (Westermann) ist sauber und geschmack¬
voll; als Type wurde die schön geschnittene und klare
Woellmer-Antiqua verwandt. Das Werk erscheint in
Lieferungen zu M. 1,50; je 5 — 7 Lieferungen bilden
einen Band. Der Preis ist also ein sehr mäßiger im
Verhältnis zu dem Gebotenen. — bl —
Von der prächtigen deutschen Shakespeare- Ausgabe
des Verlags Georg Bondi in Berlin gingen uns die ersten
beiden Bände zu. Zunächst ein paar Worte über die
Ausstattung dieser „Prachtausgabe“ in bestem biblio¬
philem Sinne. Melchior LechterhaX die Ausschmückung
und Drucküberwachung übernommen. Aber er ist dies¬
mal nicht so feierlich und zugleich so preziös wie sonst:
der Buchschmuck ist vielmehr einfach und edel und
beschränkt sich auf eine Anzahl Initialen und Umrah¬
mungen. Als Rahmen haben zwei Muster Verwendung
gefunden, ein Laubgewinde schwarz auf weiß und eine
Dornengirlande weiß auf schwarzem Grunde. Dazu
treten für die Titel der Dramen und die Personen¬
verzeichnisse im ersten Bande, der die Römerdramen
enthält, schlanke Säulen von klassischer Form, im
zweiten (mit „Romeo“, „Othello“ und „Kaufmann“) ein
Renaissance-Portikus: das alles sehr fein in der Zeich¬
nung und in harmonischem Einklang zum Typenbilde.
Ebenso schlicht vornehm ist der Gesamttitel gehalten ;
eine doppelte Säulenstellung rechts und links der Seite
mit einem Ausblick in die sterndurchschimmerte Nacht
und einer schwebenden Harfe über den Wolken. Ganz
ausgezeichnet ist das typographische Arrangement
(Druck Otto von Holten in Berlin) mit seiner diskreten
Verwendung des Rotdrucks und seiner wundervollen
Antiqua, die trefflich zu dem Großoktav der Bände
paßt.
Die Aufgabe des Herausgebers Friedrich Gundolf
war eine sorgfältige Revision der Schlegelschen Über¬
tragung und eine Neuübersetzung der von Dorothea
Tieck und Baudissin besorgten Verdeutschungen.
Gundolf gehört als Poet dem Kreise um Stefan George
an, dessen Formsicherheit und rhythmisches Sprach¬
gefühl auch ihm eigen ist. In seiner Um- und Durch-
feilung sind die Schlegelschen Übertragungen garnicht
wiederzuerkennen; sie haben erst jetzt Farbe be¬
kommen, und ich zweifle nicht daran, daß auch die
Bühnen nach ihnen greifen werden, selbst auf die Ge¬
fahr hin, daß die Philologie mit ihren Aussetzungen
nicht zurückhalten wird. Denn die Bühne bedarf nun
einmal mehr des Dichters als des Fachgelehrten. Lag
in den Übersetzungen Schlegels zweifellos noch eine
starke eigene Schöpferkraft, so hielten Dorothea Tieck
und Graf Baudissin sich im allgemeinen ganz an das
gegebene Wort. In der Epigonenzeit wurden die
Übersetzungen noch dürftiger; sie wurden „idealisiert“,
wie Gundolf in seiner kurzen Vorrede richtig sagt, sie
sollten ihn verschönern und verdünnten ihn. Die Proben,
die Gundolf gibt, verdienen alles Lob. Er übersetzt
mit großer Treue, aber immer als Dichter. Er dringt
in die Melodik des Originals ein und gibt sie wieder,
er findet in unsrer Sprache die Ausdrucksmittel, die
ein „deutscher“ Shakespeare verlangt. So ist denn
innerlich wie äußerlich ein Werk entstanden, auf das
stolz zu sein wir alles Recht haben. Die Ausgabe soll
10 — 12 Bände umfassen. Der Subskriptionspreis (der
später erhöht wird) beträgt M. 6 für den broschierten,
M. 7,50 für den grünen Leinen-, M. 12,50 für den
Saffianband. — bl —
Von Emil Praetorius, dem trefflichen Buchkünstler,
gingen uns zwei Neuheiten zu. Zunächst sein Exlibris-
Werk (Darmstadt, G. Homann). Franz Diilberg hat
dazu ein Vorwort geschrieben, aus dem wir ersehen,
daß der Künstler 1883 geboren wurde, noch vor zwei
Jahren praktischer Jurist war, sich nun aber gänzlich
der Kunst zugewandt hat. Was auch uns Bibliophilen
nur freuen kann. Es gibt nicht viel Exlibriszeichner, die
mit einfachen Linien so viel zu geben verstehen wie
Praetorius, die vor allem einen so geschmackvollen
Humor besitzen wie er. Er vermeidet geflissentlich
alles langweiligWappenmäßige und das feierlich Heral¬
dische der älteren Schule; er ist immer amüsant und
am meisten da, wo seine liebensw'ürdige Ironie zur
Sprache kommt. Köstlich ist gleich das erste Blatt
(Georg Frhr. v. Wedekind): der bezopfte Pedant, der
eine Zeitung liest. Bei Maria Laumen kriecht ein grin¬
sendes Tintenteufelchen aus der gefüllten Schreibtisch¬
tasche, bei Otto Erdmann hat ein Mäuschen die
Schnauzenspitze in die Tintenflasche gesteckt, bei
Otto Wallot schreibt ein Jurist mit vor Paragraphen¬
angst sich sträubenden Haaren auf einen Aktenbogen,
bei Johanna Praetorius schaut ein Dackel mit groß
verwunderten Augen einen Rohrspatz an, der auf der
Visitenkarte sitzt, die hier die Banderole für den
Namen ersetzt. Der Witz seiner Zeichenkunst liegt in
der frappierenden Wirkung des Schwarzen zum Weißen
und des Weißen zum Schwarzen. Die Silhouette über¬
wiegt, aber sie ist modernisiert und mit Raffinement
ausgebildet.
Von einer anderen Seite zeigt sich der Künstler in
Emil Luckas Roman „Isolde Weißhand“ (Berlin,
S. Fischer), dem er zehn Vollbilder beigefügt hat, nur
Umrißzeichnungen, aber von prachtvoller Charak¬
teristik und stark in ihrer Einfachheit. Auch die Zeich¬
nung des Titels ist sehr gelungen und das schlichte
Verlagssignet auf dem rückwärtigen Deckel des Buchs
dünkt mir hübscher als das sonst von der Firma Fischer
verwendete. —bl —
10
Beiblatt.
Kleine Mitteilungen.
Von der 22 bändigen Gesamtausgabe von Achim
v. Arnims Werken sind die einzelnen Bände verschieden
häufig; zwei Bände (IV, Kronenwächter 2 und XXII,
Gedichte 1) sind aber derartig selten, daß es eine große
Menge von Exemplaren der Werke geben muß, welche
bis auf diese beiden Bände komplett sind. Band IV
kommt gelegentlich einmal mit ca. 100 M. in den Kata¬
logen vor, Band XXII habe ich überhaupt noch nicht
einzeln getroffen. Um diese Exemplare zu vervoll¬
ständigen, will ich einen Neudruck der beiden Bände in
73 Exemplaren auf Subskription veranstalten. Derselbe
wird bei Poeschel & Trepte mit den alten Typen (also
nicht anastatisch) Seite für Seite auf einem sehr ähn¬
lichen Papier hergestellt ; das Papier der alten Bände
zeigt auch einige leichte Verschiedenheiten, da sich der
Druck etwa 20 Jahre lang hinzog, so daß das Papier der
neuen Bände nicht auffallen wird. Um etwaigen späteren
Betrügereien vorzubeugen, wird auf dem Titelblatt an
Stelle des Verlages bemerkt: „Auf Kosten von fünfund¬
siebzig Bücherfreunden“. Die Numerierung geschieht
auf der letzten Seite. Ein derartig komplettiertes
Exemplar würde nicht verschieden sein von den häufig
vorkommenden vielbändigen Werken, die aus ver¬
schiedenen Auflagen zusammengestellt sind.
Der Preis des Bandes stellt sich auf 23 Mark, für
Mitglieder der Gesellschaft der Bibliophilen auf 20 Mark.
Werden nicht 75 Exemplare subskribiert, so kann ich
den Druck nicht machen lassen. Kommen mehr Sub¬
skribenten zusammen, so werden zuerst diejenigen
berücksichtigt, welche auf beide Bände zeichnen.
Dr. Paul Ernst, Weimar, Am Horn 47.
Die vier deutschen Akademien der Wissenschaften
bereiten unter Führung der Münchener Akademie seit
1906 eine Kritische Gesamtausgabe der mittelalterlichen
Handschriftenverzeichnisse Deutschlands vor.
Die dafür eingesetzte Kommission hat jetzt eine
Arbeitsanleitung erscheinen lassen, und wir weisen gern
daraufhin, um alle, die mittelalterliche Bücherverzeich¬
nisse auffinden und mitteilen können, zur Unterstützung
des höchst wichtigen wissenschaftlichen Unternehmens
aufzufordern.
Die Adresse für alle Zuschriften lautet; Kommission
für Herausgabe der mittelalterlichen Bibliothekskata¬
loge Deutschlands bei der k. b. Akademie der Wissen¬
schaften München, Herzogspitalstr. 18.
In Paris hat sich unter dem Vorsitz des Konser¬
vators am Louvre Jean Guiffrey eine Societe de repro-
duction des dessins de Maitres gebildet, die Handzeich¬
nungen alter Meister aus französischen Sammlungen
für ihre Mitglieder publizieren will. Jährlich sollen fünf
Hefte mit je fünf Blättern erscheinen. Der Beitrag be¬
trägt 25 Frank, Anfragen sind an Herrn Jacques Doucet,
17 rue Spontini, Paris zu richten.
In der berühmten „Rylands-Bibliothek“ in Man¬
chester findet zur Zeit eine vorzügliche „Dante-Ausstel¬
lung“ statt. Die dortige Sammlung enthält in ihrer
Dante- Abteilung fünf wichtige Manuskripte und etwa
6000 Drucke. Von diesen wurde für die Ausstellung
eine engere, namentlich die „Divina Commedia“ her¬
vorragend vertretende Auswahl getroffen. Der dortige
Bibliothekar, Mr. Henry Cuppy glaubt, daß das in
seiner Sammlung befindliche, 1481 in Florenz gedruckte
Exemplar der „Divina Commedia“, das einzige sei,
welches die vollständige Illustration des „Inferno“ von
20 Blättern nach Zeichnungen Botticellis und B. Baldinis
aufweist! — O. v. S.
Der „Deutsche Bibliothekartag“ wird am 3. und
4. Juni in Münster i. W. abgehalten werden. An Vor¬
trägen sind angemeldet: K. Molitor (Münster): Über
Universitätsbibliotheksbauten. Bemerkungen im An¬
schluß an den Neubau in Münster. — A. Böhmer
(Münster); Handschriftenschätze westfälischer Biblio¬
theken. — H. Krüger (Münster): Bücherbestellungen
mit abgekürztem Titel. — E. Jaeschke (Elberfeld):
Vorbildung und Ausbildung weiblicher Hilfskräfte im
Bibliotheksdienste. — P. Schwenke (Berlin): Die Ber¬
liner Zetteldrucke. — K. Kunze (Hannover): Die Neu¬
katalogisierung der Königlichen und Provinzialbibliothek
Hannover. — K. Geiger (Tübingen): Bibliotheks¬
schenkungen.
Au6 Konstantinopel wird berichtet: Die Absicht,
den Yildiz-Palast künftig der Öffentlichkeit zugänglich
zu machen, wird auch eine der kostbarsten Bibliotheken
wieder ans Licht bringen, die lange Zeit der allgemeinen
Benutzung entzogen war. Denn die Bibliothek des
Yildiz-Kiosk birgt reiche Schätze von alten griechischen,
arabischen und persischen Handschriften. Diese Hand¬
schriften, die jetzt der Wissenschaft erschlossen werden
sollen, wurden im XIV., XV. und XVI. Jahrhundert in
den griechischen Klöstern gesammelt und der Biblio¬
thek des alten Serails einverleibt. Abdul Hamid ließ
die Bibliothek später in den Yildiz-Kiosk überführen,
und für die Forschung war sie damit einstweilen ver¬
loren. (Nationalzeitung.)
Am 30. April starb in München Albert Langen ,
der Verleger des „Simplicissimus“, der Halbmonat¬
schrift „März“ und einer großen Zahl von Büchern,
die derselben scharfen Tonart angehörten und auch in
ihrem Äußeren die Familienzüge nie verleugneten. Ein
Stilbewußtsein nicht gewöhnlicher Art schuf so aus
dem Verlag Langen ein geschlossenes Ganzes, das, wie
man auch über die Inhalte denken mag, doch für die
deutsche Buchkunst eine seltene und erfreuliche Er¬
scheinung bedeutet.
Auf ein bisher unbekanntes Erzeugnis des frühen
Oxforder Buchdrucks macht im letzten Heft der „Li¬
brary“ A. W. Pollard aufmerksam. In einem Sammel-
11
Beiblatt.
band des Britischen Museums (c. 37, c. 44) zwischen
einem „Libellus sophistarum ad usum Oxonien“, das
von de Worde gedruckt ist und an dem wenigstens
das letzte Blatt fehlt, und einem von Pynson gedruckten
„Tractatus de quinque vniuersalibus“ liegt ein bisher
unbeachtetes Oxforder Buch, das zu den frühesten Er¬
zeugnissen der zweiten Oxforder Presse gehören muß,
ja vielleicht das älteste erhaltene davon darstellt. Wie
die beiden genannten Drucke ist auch dieser unvoll¬
ständig und zwar fehlt ihm das letzte Blatt, sodaß es
in früheren Zeiten mit dem titellosen Pynsondruck, der
ihm folgt, für ein Buch gehalten wurde. Sein eigener
Titel ist glücklicherweise erhalten; er lautet: „Compi-
latü est hoc opusculum insolubilium secundü || vsum
isignis Schole parisii alma vniuersitate. Oxonie || pro
nouellis studentibus in sophistica et eorum ingeni || orum
acumina subtili inuestigatione dirigenda.“ Ferner ent¬
hält das Büchlein einen Holzschnitt mit dem Wappen
der Universität, der nach der Art der Ausführung vom
selben Block gedruckt sein muß wie Burleys „Tractatus
expositorius super libros posteriorum Arestotilis (1517)
und des Johannes Dedicus „Questiones moralissime
super libros Ethicorum“ (1518). Doch ist das Wappen
hier schärfer herausgekommen, so daß der Druck kaum
später erst als das Burleysche Buch (4. Dezember 1517),
das bisher als der erste Druck dieser Presse galt, an¬
gesetzt werden darf. Der Druck sollte offenbar aus
vier Blättern bestehen, von denen indessen nur drei
erhalten geblieben sind; es ist in verschiedenen Typen
gedruckt , von denen einige mit den im „ Dedicus "
gebrauchten übereinstimmen und möglicherweise von
Wynkyn de Worde stammen. (Börsenblatt.)
Folgende Bücher sind vom Amtsgericht Berlin-
Mitte auf Grund des § 184 Str.-G.-B. mit Beschlag be¬
legt worden:
Die Heilung. Aus dem Leben eines praktischen
Arztes.
Die Freuden der Liebe. Praktischer Ratgeber für
junge Mädchen und Männer. Rom 1905. Gedruckt im
Vatikan.
Die Gebrechen und Unarten der Kinder. Eine
ernste Mahnung für Mütter. Von Frau Berta Golden.
Leipzig. Verlag von Georg Müller. Innentitel: die
Wonne der Grausamkeit. Szene zwischen Vater und
Tochter im Walde, von einem versteckten Zeugen be¬
lauscht. Der in Leipzig unbekannte V erlag Georg Müller
hat nichts mit der angesehenen gleichen Firma in
München zu tun.
Durch rechtskräftiges Urteil der Strafkammer des
hiesigen Landgerichts ist für Recht erkannt:
Die Abbildungen auf Seite 1 bis 10, 15 und 16 des
Buches „die Reglementierung der Prostitution“ und
derjenige Teil der Platten und Formen, auf denen sich
diese Abbildungen befinden sind unbrauchbar zu
machen.
Das Buch hat folgendes Titelblatt: „Die Regle¬
mentierung der Prostitution, ihre Gegner und Für¬
sprecher von Carl Ettlinger. Dritte Auflage. Leipzig-
Reudnitz. Magazin-Verlag Jacques Hegner.“
Altona (Elbe), 16. April 1909.
Der Erste Staatsanwalt.
(Deutsches Fahndungsblatt Stück 3068 vom 23. April
1909.)
In Wien wurde am 3. April ein viereckiges Miniatur¬
porträt von Deffinger (9,5 X 7, 5 cm), Brustbild der
Frau Purry-S zecheny i , in vergoldetem Bronzerahmen,
entwendet. Auf HerbeischafFung des Bildes, das 4000
Kronen wert ist, wird eine Belohnung von 200 Kronen
ausgesetzt.
Ein höherer Beamter , der sich bereits als fach¬
kundiger und sorgsamer Bearbeiter von Katalogen be¬
währt hat, wünscht Bibliotheken oder andere Samm¬
lungen zu ordnen und zu katalogisieren, und ist ge¬
gebenen Falls mit freier Station zufrieden. Die Re¬
daktion des Beiblatts wird gern auf Anfragen nähere
Auskunft erteilen.
Eugen Diederichs in Jena versendet den Prospekt
einer neuen Ausgabe von Goethes „Faust“, die in 1000
numerierten Exemplaren zum Subskriptionspreis von
30 Mark demnächst erscheinen wird. Wir kommen
später auf diese typographisch eigenartige Erscheinung
zurück.
Ein warmer Freund der Gesellschaft der Biblio¬
philen und zugleich einer der verdienstvollsten unter
den Bibliothekaren Deutschlands, Herr Geheimrat
Prof. Dr. Friedrich Ebrard begeht am 1. Mai die fünf¬
undzwanzigste Wiederkehr des Tages, wo er zum
Leiter der Frankfurter Stadtbibliothek ernannt wurde.
Wir bringen ihm im Namen der Gesellschaft der Biblio¬
philen und unserer Zeitschrift den wärmsten Glück¬
wunsch dar.
Am 24. März wurden im Hotel Drouot in Paris bei
einer Auktion die sechs Bände einer Moliere-Ausgabe
von 1 773 für nicht weniger als 177500 Franks verkauft.
Allerdings waren diese sechs Bücher, abgesehen von
ihrem Alter, noch von besonderem Wert. Sie enthielten
33 Originalzeichnungen des Malers Moreau d. /., die
zur Illustrierung dieser Moliere -Ausgabe angefertigt,
von einem unbekannten Liebhaber gesammelt und den
Büchern um 1773 einverleibt worden waren. Von wem
diese Moliere-Ausgabe herstammt, weiß man nicht.
Sie tauchte erst im Jahre 1820 in einer Auktion auf
und wurde damals für 1200 Frank erworben. Im Jahre
1844 erschien sie aufs neue unter dem Hammer in der
Auktion von Soleines, und ein Herr de Jauzd kaufte
sie für 900 Frank, der kürzlich starb. Obwohl dieser
sie wie ein Kleinod bewahrte, hatte man doch genug
von ihr gehört, und es entbrannte ein heißer, •wenn
auch kurzer Kampf um die seltenen Bände. Er dauerte
nur fünf Minuten. Der Auktionator teilte mit, daß ihm
125000 Frank geboten worden seien; 80000 Frank
war das erste Gebot; bis 140000 Frank wurde Schlag
12
Beiblatt.
auf Schlag um 5000 Franks höher geboten und schlie߬
lich die erwähnte Summe erreicht. Der neue Besitzer
des „Moliere“ ist nicht bekannt geworden.
(Börsenblatt.)
Als Beilagen bringt dieses Heft Prospekte von
C. F. Amelangs Verlag in Leipzig, aus dem wir Martin
Greifs gesammelte Werke in vier Bänden hervorheben,
und von Georg Müller in München über eine vierzig¬
bändige, chronologisch geordnete und von W. Drugulin
in der alten Ungerfraktur auf reinem Hadernpapier
gedruckte Propyläen-Ausgabe von Goethes sämtlichen
Werken, auf die wir nach Erscheinen der ersten Bände,
die zu Weihnachten 1909 vorliegen sollen, zurück¬
kommen werden.
Kataloge.
Zur Vermeidung von Verspätungen werden alle Kataloge an die Adresse
des Herausgebers erbeten. Nur die bis zum 25. jeden Monats ein¬
gehenden Kataloge können für das nächste Heft berücksichtigt werden.
Deutschland, Österreich-Ungarn,
Deutsche Schweiz:
Fr. Karafiat in Brünn. Nr. 42. Mähren und Schlesien.
Adolf Geering in Basel. Nr. 205. Neueste Erwerbungen.
Simmel Co. in Leipzig. Nr. 228. Schriftwesen und
Buchdruck, Bibliographie und Literargeschichte,
Bibliothekswissenschaft.
K. Th. Völcker in Frankfurt a. M. Nr. 276. Neuere
deutsche Literatur (seit 1750), Almanache.
Ferdinand Schöningh in Osnabrück. Nr. 100. Wissen¬
schaftliche und belletristische Litteratur des XIX.
und XX. Jahrhunderts.
Fr. Klübers Nachf. in München. Nr. 164. Bavarica,
Abt. I A-München.
f. St. Goar in Frankfurt a. M. Nr. 102. Deutsche Ro¬
mane des XVIII. und XIX. Jahrhunderts.
Lipsius cF Tischer in Kiel. Nr. 92. Deutsche Literatur
und Sprache.
Felix Oswald Weigel in Leipzig. N. F. Nr. 138. Collec-
tio Weigeliana, wertvolle Werke der Reformations¬
literatur.
Otto Harrassowitz in Leipzig. Nr. 32 3. Historische
Wissenschaften.
Alfred Lorentz in Leipzig. Nr. 73. Neuerwerbungen.
Franz Malota in Wien. Nr. 62. Germanistik, Deutsche
Sprache und Literatur bis zum Jahre 1750. — Bio¬
graphien und Memoiren berühmter Männer und
Frauen.
C. Teufens Nachf. in Wien. Nr. 21. Kulturgeschichte,
Curiosa.
Max faeckel in Potsdam. Nr. 32. Hundert Jahre deut¬
schen Romans (1750— -1850).
Victor Eytelhuber in Wien. Anzeiger Nr. 39.
Gustav Fock in Leipzig. Nr. 344. Deutsche Literatur
von der Mitte des XVIII. Jahrhunderts bis zu Goe¬
thes Tode.
C. G. Boerner in Leipzig. Nr. 13. Autographen.
Max Perl in Berlin. Nr. 86. Neuerwerbungen.
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für jedes Heft 1.— Mk. (2 Zeilen), Jahres-Abonnement
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Bibliophilen 30 Pf. — Beilagegebühr 50 Mark. — Insertionsschluß für Heft 4 am 20. Juli. — Abonnenten haben
pro Quartal, gegen Einsendung der Abonnementsquittung, 10 Zeilen unter Angebote oder Nachfrage frei.
An unsere Leser!
Infolge des Übergangs unserer Zeitschrift an den neuen Verlag und die neue Redaktion
sind die ersten Hefte des laufenden Jahrgangs verspätet erschienen, und bei dem vorliegenden
Hefte haben technische Schwierigkeiten eine weitere Verzögerung bewirkt. Wir bitten unsere
Leser, dies wohlwollend zu entschuldigen, und hoffen, daß ihnen nach dem übernächsten Heft,
das als Doppelnummer für August- September ausgegeben wird, fernerhin pünktlich mit Beginn
jeden Monats die Zeitschrift zugehen wird.
Hochachtungsvoll
Verlag und Redaktion der „Zeitschrift für Bücherfreunde“.
Gesellschaft der Bibliophilen.
Die diesjährige Generalversammlung der Gesellschaft findet am Sonntag den 26. September
in München statt. Alles Nähere darüber wird den Mitgliedern durch besondere Einladung
bekannt gegeben.
Anträge für die Generalversammlung sind nach § 9 der Satzungen mindestens einen
Monat vorher bei dem Unterzeichneten Sekretariat anzumelden.
Der Vorstand
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lische Ausgaben. London 1792. 1795. Tadell. Exem¬
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der Bremischen neuen Beyträge. Leipzig 1748 — 1757-
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(In dieser Abteilung stehen jedem Abonnenten vierteljährlich zehn Zeilen zur Verfügung.)
Z. f. B. 1909/1910. 3. Beiblatt. — I —
I
Beiblatt.
Von den
Am 21. und 22. Mai wurden bei Leo Liepmanns-
sohn in Berlin 9 37 Nummern, hauptsächlich Musiker-
Autographen, versteigert. Dem „Leipziger Tageblatt“
wird darüber aus Berlin geschrieben: 1200 M. wurden
für ein Stammbuch gezahlt, das einem Straßburger
Buchhändler Carl Friedrich Treuttel gehörte und zahl¬
reiche wertvolle Eintragungen, darunter solche von
Goethe und Schubart enthält. Und 1200 M. brachte
auch ein lateinisches Epigramm des Humanisten Eras¬
mus. Ein Autograph Friedrich Wilhehns, des Großen
Kurfürsten, erzielte 465 M., ein früher Brief Bismarcks
vom Jahre 1851 420 M. Ein Goethe-~E>r\t{ vom Jahre
1830, an den Großherzog Friedrich von Sachsen- Weimar
gerichtet, erreichte 295 M., ein Brief Hebbels an
Ziegesar in Weimar 68, ein zweiter Brief des Dichters
65 M. In diesem letzteren Brief finden wir folgende
charakteristische Stelle: „Über meinen Gyges kann ich
Ihnen nur sagen; halten Sie Sich an das Bild selbst
und vergegenwärtigen Sie Sich die Welt, der es ange¬
hört. Daß das Weib selbst für die Griechen nur Sache
war, wissen Sie aus dem Homer; Helena ging von
Hand zu Hand und man schlägt sich um sie, nicht um
sie zu züchtigen, sondern um sie, wie einen entflogenen
Vogel, wieder zu bekommen. Daß diese Sache sich
aber doch selbst unter den barbarischen Lydiern zu¬
weilen in eine Person verwandelte, zeigt die Fabel des
Herodot, die mir als Stoff diente. Dies einfach auf¬
genommen, wie es geboten wird, und die Tragödie
ergibt sich ohne weitere Zutat, die beiden Situationen
aber, in denen sie gipfelt, sind doch gewiß eben so
unausweichbar notwendig, als erschütternd. Oder ist
es nicht im höchsten Grade tragisch, daß zwei Männer,
die sich lieben und ehren, sich auf Tod und Leben
bekämpfen müssen, wenn nicht untergehen soll, was
sie noch mehr, als sich selbst, zu ehren und zu lieben
haben?“ . . . 160 M. brachte ein Manuskript von
Kleist mit Überschrift: „Die Bedingung des Gärtners.
Eine Fabel.“ Das interessante Prosastück schließt:
„Landwehren von Österreich! Warum wollt ihr bloß
innerhalb eures Landes fechten?“ Dieser Appell an
die Österreicher, wie die Moral der ganzen Fabel ist
auf die Tatsache gemünzt, daß am 9. Juni 1808 die
Errichtung einer Landwehr, jedoch nur zur Verteidigung
des „vaterländischen Bodens“ angeordnet worden war.
Eigenhändige Widmungen Nietzsches kamen 50 und
55 M., Autographen von Schopenhauer auf 130, 140
und 350 M. Beachtung verdient das Stammbuch eines
vermutlich aus Schweden stammenden Leipziger Stu¬
denten der Medizin Draebyn , das für 100 M. unter den
Hammer kam. Das Stammbuch enthält etwa 50 Ein¬
tragungen von Freunden, Studiengenossen und Pro¬
fessoren hauptsächlich aus Leipzig (Wintersemester
1 774/75) und ist darum nicht unwichtig für die Ge¬
schichte Leipzigs und seine Universität. Der Schluß
der Autographenauktion ergab beachtenswerte Preise
für Musikmanuskripte und Musikerbriefe. Ein vier
Seiten starkes Manuskript von Johann Sebastian Bach
— eine (unbezififerte) Gontinuo-Stimme zu der Kantate
„Alles nur nach Gottes Willen“ (für den 3. Sonntag
Auktionen.
nach Epiphanias; Ausgabe der Bach-Gesellschaft
Nr. 72), deren Entstehung Spitta in die erste Leipziger
Zeit (1725 oder 1726) setzt, erzielte 400 M., ein Manu¬
skript Beethovens , das aus der frühen Wiener Zeit des
Meisters stammt, 500 M. Dieses Beethoven-Werk
enthält Studien verschiedener Art: Ein Bruchstück
eines Adagio, sowie verschiedene andere Entwürfe
für Klavier, ein Allegro mit folgender handschrift¬
licher Bemerkung: „das schwere hiebey ist diese gantze
passage so zu schleifen, daß man das aufsetzen der
Finger garnicht hören kann, sondern als wenn mit
dem bogen gestrichen würde so muß es klingen“.
Es findet sich ferner ein Entwurf zu einem Rondo zum
Konzert in Es mit Triolen (bemerkenswert als aus so
früher Zeit stammend), das aber mit dem berühmten
Klavierkonzert in Es in keinem Zusammenhang steht,
sodann eine Skizze zu dem Lied: „Ohne Liebe lebe
wer da kann, wenn er auch ein Mensch schon bliebe,
bleibt er doch kein Mann.“ Für den Entwurf der
16 letzten Takte von Beethovens op. 133: Große Fuge
(B Dur) für 2 Violinen, Bratsche und Violoncell (mit
einer humorvollen Nachschrift an den Verleger Artaria)
wurden 620 M. gezahlt. Brahms „Sonate für Piano,
Seinem lieben Albert (Dietrich) zur Erinnerung an
Johs. Brahms“ kam auf 4000 M. und eine von
Brahms’ Hand stammende Abschrift von Schuberts
„Das Geheimnis“ mit eigenhändigen Eintragungen auf
800 M. Für das vollständige Musikmanuskript: „Der
Abend. Fr. Schiller. J. Brahms“ (am Schluß datiert
10. Juli 74 Rüschlikon) gab man 1500 M. und für
Briefe von Brahms 25 bis 100 M. Das „Breviarium
Benedictinum Completum IX. — X. Saeculi“ erreichte
den Preis von 4000 M., drei Chopin- Manuskripte wurden
für 800 und für je 1500 M. versteigert, ein Haydn-
Manuskript für 700 M., ein Lortzing- Manuskript („Ein¬
lage zu den beiden Schützen Contre-Tanz Nr. 7“. Am
Ende: Leipzig, den 17.— 18. Juni 1839) für 280 M.
Ein aus Leipzig vom Mai-Juni 1844 datierter Lortzing -
Brief scn. Philipp Reger in Frankfurt a. M. (5a/3 Seiten)
brachte 165 M. Lortzing erwähnt hier eine Anzahl
Leipziger Kollegen , wie: Rob. Blum, Bachmann,
Berthold, Baudius, u. a. und berichtet dann über seine
„Undine“, an der er gerade arbeite. Er schreibt:
„(Die Zeit) vergeht mir — in Bezug auf meine Oper,
mit der es gar nicht (wie gewöhnlich) vom Flecke
will, fast zu geschwinde. Den Tag über arbeite ich.
Abends gehe ich entweder allein oder mit meiner
Familie an schönen Tagen spatzieren . . . Am
liebsten gienge ich, wie schon mehrmals, Abends zu
Riedel, denn wenn ich von Morgens fünf bis Abends
fünf Uhr geoxt, so brummt mir förmlich der Kopf,
und die Riedel’sche Kneipe ist — wie bekannt — ganz
dazu geeignet einen auf andere Gedanken zu bringen;
aber es kostet zu viel . . .“ Zwei Handschriften von
Mendelssohn-Bartholdy fanden für 345 M. einen Lieb¬
haber; drei Briefe von Leopold Mozart, dem Vater
Wolfgangs Amadeus’, ergaben 555 M., drei Musik¬
stücke des großen Mozart selbst zusammen 685 M.
Ein Musikmanuskript von Pagatiini kam für 350 M.
2
Beiblatt.
unter den Hammer, ein Rossini für 85 M., ein
Schubert („An eine Quelle. Februar 1817“) für 555 M.,
ein zweiter Schubert für 710 M. Für zwei prächtige
Schumann- Manuskripte zahlte man 995 und 1000 M.
und für einen an Dr. Töpken in Bremen gerichteten
Jugendbrief des Meisters — er ist aus Leipzig 6. F ebruar
1835 datiert — 155 M. 16 Briefe von Richard Wagner
erzielten zusammen 1295 M., zwei Briefe von Karl
Maria v. Weber 200 M., während ein Webersches
Manuskript für 325 M. verkauft wurde. Schließlich
sei noch erwähnt, daß das Manuskript des Liedes
„Lob des Leidens“ von Richard Strauß 180 M. brachte.
Strauß hat dieses Lied im Alter von 22 Jahren
geschrieben.
Die Firma Sotheby in London versteigerte am
6. Mai eine prachtvolle Sammlung illuminierter Manu¬
skripte, zum größten Teil dem XV. und XVI. Jahr¬
hundert entstammend. Der verstorbene und nicht ge¬
nannte Besitzer dieser mit außerordentlichem Ge¬
schmack und Verständnis angelegten Kollektion muß
jedenfalls ein sehr bedeutender Fachkenner gewesen
sein. Seit der vor etwa 20 Jahren stattgehabten „Ha¬
milton-Auktion“ wurde kein so wertvolles Material an
Bilderhandschriften hier an den Markt gebracht. Die
meisten der letzteren sind auf Pergament niederge¬
schrieben, und zeugt die gute Erhaltung und fürsorg¬
liche Art der Aufbewahrung von dem Interesse und
der Liebe des Sammlers für seine Buchschätze.
Fast alle Bände waren sogenannte „Books of
Hours“, und unter diesen das Juwel ein reich illumi¬
niertes Manuskript aus dem XVI. Jahrhundert, ein Bei¬
spiel aus der Periode Franz I. vor Frankreich dar¬
stellend und im besten Renaissancestil gehalten. Das
Werk enthält im ganzen 138 Oktavblätter mit 15 vor¬
züglichen Miniaturen nebst anderen dekorativen Zu¬
taten, und erinnert mehrfach an die Kunst Gottfried
Tory’s, so daß es diesem Meister — mit Recht oder
Unrecht — im Katalog zugeschrieben wird. Besonders
die erste der Miniaturen „der Verrath Christ“, ist
reich in der Farbe, edel und dramatisch im Entwurf
aufgefaßt. Entgegengesetzt den Miniaturen ernsteren
Charakters finden wir in den Bordüren des beigegebe¬
nen Kalendariums heitere Lebensszenen veranschau¬
licht. Mr. Sabin erwarb dies Manuskript für den Preis
von 15840 M. Den nächst höchsten Betrag von
10000 M. zahlte Mr. Quaritch für ein aus dem XV. Jahr¬
hundert herrührendes Manuskript ein Book of Hours
„ad usum Romanum, pro ecclesiam Tornacum“
(Tournay), 334 Seiten, sehr reich, namentlich in den
dekorativen Elementen, mit grotesken Tiergestalten
und halbmenschlichen Figuren von einem französischen
Künstler ausgestattet. Unter den übrigen, im XV. Jahr¬
hundert hergestellten Handschriften sind vornehmlich
folgende zu erwähnen: Eine französische mit elegantem
Blumenschmuck versehene Arbeit, 6400 M. Ein Book
of Hours „ad usum Parisiensem“, 2000 M. (Robson).
Ein italienisches Manuskript „Officium Mortuorum“,
dem Antonio Sinibaldi zugewiesen, der das Werk im
Aufträge der Königin Isabella, Gemahlin Friedrichs III.
von Arragonien, angefertigt haben soll, 4100 M.
(Quaritch). Eine franco-flämische, 410 Blätter und
33 Miniaturen enthaltende Handschrift, erstand, Mr.
Mac Farlane für 7100 M. Ein Book of Hours ,,ad
usum Ambianum“ (Amiens) mit brillant ausgeführten
Miniaturen kam auf 3000 M. (Quaritch). Eine ähnliche
Bilderhandschrift „ad usam Trecam“ (Troyes) wurde
von Mr. Sabin mit 4100 M. honoriert. Ein Brevier mit
15 schönen bildlichen Darstellungen, von einem flämi¬
schen Miniator verfaßt, erzielte 8000 M. (Sabin). Im
ganzen betrug der Erlös für 33 Nummern 161120 M.
Dieselbe Firma beendigte am 21. Mai durch
Auktion den Verkauf von Büchern und Manuskripten
aus den Bibliotheken von Lord Dormer, dem ver¬
storbenen Grafen Bridport und aus anderem Besitz.
Das bemerkenswerteste Objekt war ein Erzeugnis der
„Caxton-Druckerei“, bestehend aus fünf verschiedenen
Fragmenten, die sich in einem alten Originaleinband
zusammen eingebunden befanden. Diese sind: „The
Mirrour of the Worlde“, 1481, 100 Blätter; „Dictes or
Sayings of the Philosophers“, 1478, 76 Blätter; Cicero
„Cato on old Age“, 1481, 48 Blätter; Cicero „De Ami-
citia“, 1481, 48 Blätter und Corydale „Memorare Novis-
sima“, 1479, 75 Blätter. Mr. Stanley erwarb dies
Unikum für den Preis von 52000 M. Die vollständig
ungerechtfertigt hohe Wertbemessung, der weder
schönen noch guten Drucke Caxtons, dokumentierte
sich gleichfalls in dem gezahlten Preise von 6000 M.
(Tregaskis) für „The Ryal Book“, 1478, aus Caxtons
Officin in Westminster, defekt und durch 16 Blätter in
Faksimile ersetzt. Ferner erzielten D. Defoe „The Life
and Strange Surprising Adventures of Robinson Crusoe“
mit den „Farther Adventures“, in einem Band, 1719,
erste Ausgabe, 610 M. (Maggs), F. de Quir „Terra
Australis Incognita“, 1617, 740 M., Dante „Comedia“,
Brescia 1487, 1660 M., John Smith „The Generali
Historie of Virginia, New England and the Summer
Isles“, 1632, 1200 M., ein „Book of Hours“, in Paris
gedruckt von G. Hardouyn „Ad Usum Sarum“ (Salis¬
bury), sehr selten, 1720 M.
Sotheby verauktionierte ferner am 23. und 24. Mai
erste Ausgaben von Werken des kürzlich verstorbenen
Dichters Swinburne. Die überaus hoch gespannten
Erwartungen, die sich an diese Versteigerung knüpften,
realisierten sich nicht, vielmehr bewegten sich die
Preise innerhalb der gewöhnlichen Grenzen. Swinburne
wurde bisher als Dichter von den Zeitgenossen unge¬
bührlich überschätzt, und weil es überhaupt an wirk¬
lichen dichterischen und literarischen Größen fehlte,
wurde zuerst Tennyson bis in den Himmel erhoben
und, als sein Stern zu erblassen begann, Swinburne an
seine Stelle gesetzt. Die vorliegende Auktion bildet
jedenfalls ein Anzeichen für den beginnenden Um¬
schwung in der Meinung des größeren, sich mit Lite¬
ratur beschäftigenden Publikums. Die hervorragendsten
Bücher — sämtlich erste Ausgaben — und die hierfür
gezahlten Preise waren folgende : „Atalanta in Caly-
don“, 1865, mit der autographischen Unterschrift des
Verfassers, 260 M. (Spencer). „Poems and Ballads“,
1866 — 69, im Originaleinband, 167 M. (Shepherd).
„Songs before Sunrise“, 1871, kam auf 30 M. (Rapa-
port). „William Blake“, eine kritische Studie, 1868
3
Beiblatt.
veröffentlicht, 60 M. (Robson). ,,Dead Love“, 1864,
nur 15 Seiten stark, 140 M. (Rapaport). „Infelicia
Poems“, 1868, mit Autograph des Dichters, 245 M.
(Rapaport). „Cleopatra“, 1866, im Originaleinband,
105 M. (Quaritch). Zwei Broschüren „Unpublished
Verses“, 1866, und „Dolorida“, in französischer Sprache,
jede nur zwei Blätter stark, mit Autograph, 105 M.
(Rapaport). „Under the Microscope“, 1872, nur als
Privatdruck hergestellt, 135 M. (Maggs) und „Dolores“
gleichfalls nicht für den öffentlichen Vertrieb be¬
stimmt, 1867 gedruckt, 95 M. (Cohen). Der Gesamt¬
erlös betrug in runden Zahlen 18000 M.
O. v. Schleinitz.
Versteigerung von Sardous Bibliothek. — Die
Bibliothek Victorien Sardous wurde am 25. und 27. Mai
in Paris versteigert. Einzelne Werke erzielten dabei
recht stattliche Preise. Eine Originalausgabe der
„Oeuvres de Frederic le Grand“ von 1750 mit dem
Wappen Marie Leszczynskas brachte 5310 Fr., ein
Exemplar der „Sermons du Pere Masso“, (1584), das
Heinrich III. gehört hatte, 4100 Fr., ein „Brantome“
(1740) mit dem Wappen von Madame Adelaide
3005 Fr., „Daphnis et Chloe“, (1745) mit Bildern des
Regenten 3310 Fr. In der zweiten Auktion erwarb die
,, Libraine Morgand“ eine Sammlung von 99 Mode¬
tafeln aus dem XVIII. Jahrhundert, genannt „Galerie
des Modes“, für 5105 Fr. Die Sammlung „Cris et
Costumes de Paris“ mit 6 Tafeln von Watteau fand
für 4010 Fr. einen Liebhaber. Eine Sammlung der
Modezeitung „Journal des Dames et des Modes“ von
1798 — 1843 wurde für 2505 Fr. , ein Exemplar der
„Chansons de Laborde“, illustriert von Moreau d. J.,
für 5000 Fr., ein illustriertes Exemplar der Fabeln La
Fontaines von 1765 für 2015 Fr. zugeschlagen. Eine
Sammlung von iS Zeichnungen von Ballettkostümen
des XVIII. Jahrhunderts wurde mit 2820 Fr. bezahlt.
Die beiden Auktionen ergaben zusammen 136015 Fr.
(Börsenblatt.)
Am 29. Juni versteigert Ernst Carlebach in Heidel¬
berg Biographien, Briefe, Memoiren, Porträts aus dem
Besitze Kuno Fischers. Der Katalog zählt 907 Nummern.
Rundschau der Presse.
Von Professor Dr. Adalbert H ortzschansky in Groli-Lichterfelde.
Die nachfolgende Übersicht versucht, die wichtigeren in Zeitschriften und Zeitungen enthaltenen Aufsatze und Abhan Hungen zu
verzeichnen, soweit sie für die Leser unserer Zeitschrift in Betracht kommen. Zusendung von Sonderdrucken und Ausschnitten an die Ad
des Bearbeiters in Groß-Lichterfelde bei Berlin, Moltkestr. 40, erbeten.
Schrift-, Buch- und Bibliothekswesen.
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Forschungen zur neueren Literaturgeschichte. 35.
1909. 294 S.
Keller: Preitz, M., Gottfried Kellers dramatische Be¬
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Beiträge z. deutschen Literaturwissenschaft. 12.
1909. 185 S.
Kleist: Rahmer, S., Neue Studien zu Heinrich v. Kleist.
10. Der Graf O. H. v. Loeben und Kleist. 11. Joseph
von Collin über Kleist. 12. Kleists „Abendblätter“
über die Berliner Universität. 13. Die Quellen zu
Kleists Novelle Michael Kohlhaas. 14. Die Kämpfe
um den „Prinz Friedrich von Homburg“ in Berlin.
15. Die Gründung von Kleists Wochenblatt „Ger-*
mania“.
Vossische Zeitung. 1909. Sonntagsbeil. Nr. 16 u. 17
vom 18. u. 25. April.
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Vossische Zeitung. 1909. Sonntagsbeil. Nr. 19 v.
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Rivista d’ Italia. 1909. April. S. 587 — 635.
Moliere: Silbermann, A., Moliöre als Schauspieler
und Theaterdirektor.
Vossische Zeitung. 1909. Sonntagsbeil. Nr. 20 u. 21
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Novalis: Visan, T. de, Novalis et le romantisme alle-
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Revue politique et litteraire. Revue bleue. 1909.
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Grenzboten. 1907. Nr. 17. S. 179 — 187.
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Beiblatt.
Raabe: Rustenbach, R., Wilhelm Raabes Geburts¬
haus.
Braunschweigisches Magazin. 1909. S. 37 — 40 mit
1 Abbild.
Rousseau: Vallette, G., La folie de Jean- Jacques
Rousseau.
Bibliotheque universelle et revue suisse. 190g.
April. S. 12 — 38.
Sardou: Schoen, H., Victorin Sardou et son principal
interprete.
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Schiller: Berger, K., Schiller-Schriften.
Literarisches Echo. 11. I9°9- Sp. 1061 — 1069. 1142
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— : Farinelli, A., II „Don Carlos“ dello Schiller.
Studi di filologia moderna. 1. 1908. S. 167 — 185.
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— : Ludwig-Lichtenb erg, A., Schiller und die Zeit
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Tägliche Rundschau. 1909. Unterhaltungsbeil.
Nr. 107 und 109 vom 8. und n. Mai.
— : Roedder, H. C.. Selbstanleihe und Wiederholung
in Schillers dramatischem Nachlaß. (Forts, zu Vol. 7,
No. 4.)
Journal of English and Germanic Philology. 8.
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Schlaf: Schellenberg, E. L., Johannes Schlaf der
Lyriker. Xenien. 1908. S. 216 — 224.
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ces, d’apres le „Kajütenbuch“.
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inszenieren?
National- Zeitung. 1909. Sonntags-Beil. Nr. 19 v.
9. Mai.
Shakespeare: Sch olderer, V., The development of
Shakespeare’s fools.
Library. N. S. 10. 1909. S. 201 — 207.
— : Schröer, A., Die deutsche Shakespeareüber¬
setzung. Grenzboten. 1909. Nr. 20. S. 322 — 328.
— : Thum m -K in tz e 1, M., Shakespeare Bacon und
das Promus-Manuskript.
Der Menschenketiner. Monatsschrift f. praktische
Psychologie. 1. 1908. Nr. 11.
— : Voigt, E., Shakespeares Naturschilderungen.
Anglistische Forschungen. 28. 1909. 146 S.
Swinburne: Chassd, Ch., AlgernowCharlesSwinburne.
Mer eure de France. 1909. Mai I. S. 5 — 13.
— : Nie oll, R., Algcrnon Charles Swinburne.
Contemporary Review. 1909. Mai. S. 527 — 538.
Thennyson: Faguet, E., The centenary of Tennyson.
Quarterly Review. 1909. April. S. 305—328.
Tllierscll : Adrian, G., Bernhard Thicrsch. (Dichter
des Preußenliedes u. a. m.)
Dortmundisches Magazin. Mitteilungen der Wil¬
helm Auguste Viktoria-Bücherei. 1. 1909/10. S. I — 4,
11 — 14 mit 1 Portriit und 1 Faksimile.
Voltaire: Ballien, F., Voltaire und die Frauen.
Vossische Zeitung. 1909. Sonntagsbeil. Nr. 19 v.
9. Mai.
— : Fournier, A., Voltaire und sein Arzt.
Xenien. 1909. S. 207—216.
Wells: IL G. Wells, ein sozialistischer Phantast.
Grenzboten. 1909. Nr. 18. S. 222 — 227.
— : Prilipp.B., Ein Romantiker der Wissenschaft.
(Henry George Wells.)
Der Zeitgeist. Beiblatt z. Berliner Tageblatt. 1909.
Nr. 17 vom 26. April.
Wienbarg: Ho üben, H. H., Wienbarg-Reliquien.
Vossische Zeitung. 1909. Sonntagsbeil. Nr. 18 vom
2. Mai.
Zahn: Krauß, R., Emst Zahn. II.
Eckart. 3. 1908/9. S. 417 — 433 mit I Portr.
Neue Bücher und Bilder.
Franz Blei, der Unermüdliche, hat Scarrons
Komödianten- Roman neu in das Deutsche übertragen
(München, Georg Müller). Das ist ihm gut gelungen.
Die älteren Übersetzungen lassen zu wünschen übrig.
Blei klammert sich nicht sklavisch an das Original; er
scheut sich, wie mir scheint, auch nicht vor gelegentlichen
Kürzungen und Zusammenziehungen, die der „Roman
comique“ ohne weiteres verträgt. Eine knappe, sehr hüb¬
sche Einleitung ist beigefügt. Die äußere Ausstattung
ist wieder, wie bei den meisten Werken des Müllerschen
Verlags, recht gediegen; das Papier gut, der Druck in
Antiqua vortrefflich, der Einband in rotem Halbfranz
mit reichem Golddruck auf dem Rücken (nach einem
Entwurf Paul Renners) sehr geschmackvoll. So dürfte
das Weik des kleinen Abbes, den man seinerzeit in
Frankreich schnell vergaß, weil er einmal der Gatte
der Maintenon gewesen war, sich neue Freunde er¬
werben. — bl —
In der bei Bong & Co. in Berlin erscheinenden
aufgefrischten Ausgabe der alten Hempelschen Klassiker
hat Walther Ziesemer die Werke Fouqufs neu ediert.
Es konnte sich natürlich nur um eine Auswahl handeln:
um eine Anzahl Gedichte (in der „Schillers Totenfeier“
nicht fehlt), um die Erzählungen „Undine“, „Sintram“,
„Galgenmännlein“, „Rose“, die Trilogie „Der Held des
Nordens“ und den Roman „Der Zauberring“. Immer¬
hin ist die Auswahl charakteristisch; an die Stelle der
ziemlich nüchternen „Rose“ hätten vielleicht ein paar
kleinere Arbeiten treten können. Das dem Buche
vorangestellte kurze Lebensbild Fouques und die
knappen Einleitungen Ziesemers zu den einzelnen
Stücken sind nur zu loben. — m.
Die Mode im XIX. Jahrhundert. Bd. I (1790 bis
1817). Bd. III (1743— 70). Nach Auswahl von Doktor
8
Beiblatt.
O. Fischei ; mit Text von Max von Brehn. München,
F. Bruckmann A.-G. Gebd. 6 M. und M. 6,70.
Von dieser Publikation, die es unternimmt, die
Menschen und Moden eines ganzen Jahrhunderts in
der Aufeinanderfolge der Stilwandlungen vorzuführen,
sind nun die beiden Bände erschienen, die das Werk
abschließen.
Der erste Band behandelt die Direktoire- und Em¬
pirezeit und führt bis zu den Befreiungskriegen. Der
politische Rahmen wird gezogen (die Revolution und
ihre Folgeerscheinungen), innerhalb dessen die Gesell¬
schaft auftritt (Empfindsamkeit, Romantik). Die Kunst
fügt sich ein (Nachahmung der Antike, Canova, die
Architektur und die Ladenkunst). Die Mode (Schnür-
brust, antikes Kleid); die Geselligkeit (Teegesellschaften,
Theater, Hausmusik, Lesekränzchen). Diese neue Zeit
setzt mit dem Jahr 1790 ein: eine Entwicklung, die von
der Revolution an beginnend, bis in unsere Tage nach¬
wirkt. Eine neue Gesellschaft bildet sich, die nach und
nach alles reformiert, was als Kulturerscheinungen für
sie von Wert ist. Das Bürgerliche gibt diesem neuen
Ideal seinen Stempel. Der „römische Bürger“ er¬
scheint als Vorbild; so kommt man zur Antike; die
Griechen, die Römer, ihnen wetteifert man nach. So
kommt in die Kunst das Element der Nachahmung
der Antike, und Kleidung, Handwerk, Möbel machen
diese Stilwandlung mit. Diese Wandlung vollzog sich
allmählich und so gründlich, daß selbst die Sitten und
und Gebräuche davon beeinflußt wurden. So tritt uns
zum Schluß ein einheitlicher Stil entgegen, ein Stil des
Lebens und der Kunst, der uns vor Augen steht, wenn
wir an jene Zeit denken. Das geschieht so folgerichtig,
daß selbst das Extravaganteste begründet und selbst¬
verständlich erscheint.
Band II behandelt die Restaurations- und Bieder¬
meierzeit und wurde hier schon besprochen.
Band III setzt mit dem Jahr 1848 ein und führt
bis zur Gründung des Reichs. Die politischen Ereig¬
nisse: die Revolution von 1848 und das zweite Kaiser¬
reich, Revolution, Reaktion, Bismarck, sind im allge¬
meinen bestimmend; Kaulbach und Makart geben
in der Kunst den Ton an. Die Kunstvereine kommen
auf. Die Photographie tritt auf den Plan. Die Zeit
der Denkmäler setzt ein. Das Renovieren und
Restaurieren ist beliebt. Dies die Signatur der Kunst.
In der Mode herrscht die Krinoline; das Prinze߬
kleid; die Turnüre. Eisenbahn und Telegraph be¬
herrschen die Entwicklung; die Witzblätter florieren.
Die Börse beeinflußt die Industrie; es beginnt der Tanz
um das goldene Kalb. Spiritismus und Magnetismus
als Gegenpole des Materialismus tauchen auf. Der
Typus des „Parvenü“ erscheint.
So zieht eine ganze Welt lebendig an dem Leser
vorüber. Ist das nur eine Kostümgeschichte? Es ist
eine Kultur- und Kunstgeschichte und man wird kaum
ein Gebiet anführen können , für das diese Bändchen
nicht lehrreichen Aufschluß gäben! Vor allem sei die
Literatur angeführt, deren Entwicklung hierdurch eine
unmittelbare Begründung erfährt. Der Kunstfreund
wie der Literaturfreund werden wertvolle Bereicherung
mitnehmen.
Es ist wie ein lustiges, graziöses Spiel. Die Ge¬
schichte des Kostüms erweitert sich zum Gesamtkultur¬
bilde. Ernst Schur.
Notes from a Painters Life. By C. C. Hallt! , Lon¬
don, igog. Murray. 6 Shillings.
Die vorliegende mit neun Illustrationen versehene
Autobiographie bildet zweifellos eins der interessantesten
Jahresereignisse auf dem literarischen Gebiete Eng¬
lands. C. C. Halle ist der Sohn des berühmten Musi¬
kers Sir Charles Halle. Als Direktor der „New Gallery“,
durch seine stets bewährte sowie anerkannte Objekti¬
vität seinen Mitkünstlern gegenüber, und endlich als
hervorragender Maler nimmt Mr. Charles Halle hier-
selbst eine ausgezeichnete Sonderstellung ein. Diese
wird dadurch noch erhöht, daß er mit fast allen zeit¬
genössischen Größen verschiedenster Art in nähere Be¬
ziehung, ja, oft in enge Freundschaft getreten war.
In bezug auf den letztgenannten Punkt ist zu den
Staatsmännern namentlich der alte Gladstone, zu den
Schriftstellern und Dichtern Swinburne , Meredith und
Browning, zu den Künstlern vor allem: Watts, Holman
Hunt, Millais, Rossetti, Burne-Jones und William Morris
zu rechnen. In Halle’s Buche spiegelt sich daher nicht
nur ein Stück der inneren Verhältnisse der modernen
englischen Kunstgeschichte ab, sondern wir erhalten
durch dasselbe auch einen Einblick in die intimsten sozia¬
len Verhältnisse der Hauptstadt. Mit unvergleichlicher
Schärfe, aber auch mit witzigem Humor vergleicht der
Autor die Ansichten, das Leben und Treiben englischer
Künstler im Gegensatz zu französischen. Das Hauptver¬
dienst Hailös liegt in der Tatsache, daß, als die alte
akademische Schule sich überlebt hatte, er durch
Gründung der „Grosvenor-Gallery“, allen aufstrebenden
und von der Akademie unberechtigt zurückgewiesenen
Talenten in seinem Institut Aufnahme verschaffte. Sämt¬
lich oben genannte und nachmals als erste Künstler
geschätzte Männer gehören hierher. Ausgenommen
hiervon ist nur Watts insofern, als er gleich anfangs
auch von der Akademie akzeptiert wurde, da er sehr
hone Verbindungen besaß, ganz abgesehen davon, daß
seine Werke eine solche Berücksichtigung verdienten.
Dagegen wurde z. B. zuerst der französische Bildhauer
Rodin von der Akademie abgelehnt. Aus jenen gegen¬
sätzlichen, zur Akademie als Konkurrenzinstitut Stellung
nehmenden Auffassungen, entstand zunächst die „Gros¬
venor-Gallery“ , sozusagen als eine Art Sezession in
unserem, jedoch englisch nüancierten Sinne. Aus
letzterer ging alsdann die „New-Gallery“, mithin eine
Sezession der Sezession hervor, deren Direktor noch
heute Mr. Charles Halle ist. Fast die gesamte zeit¬
genössische, moderne Künstlerschaft Englands, ge¬
ringe Ausnahmen abgerechnet, hatte hier überhaupt
zuerst die Gelegenheit sich bekannt zu machen. Hallö
gebührt ferner das Verdienst in seiner Galerie eine
Reihe retrospektiver Ausstellungen allerersten Ranges
veranstaltelt zu haben, unter denen ich als Beispiel nur
diejenigen spanischer Kunst, die der Tudorperiode, der
Stuart- und Viktoriaepoche hervorheben will.
Obgleich selbst ein Maler, der kein unvollendetes
Bild aus der Hand gibt oder zu einer Ausstellung sendet,
Z. f. B. 1909/1910. 3. Beiblatt.
9
2
Beiblatt.
so hat er doch solche von jungen Künstlern zugelassen,
wenn eine charakteristische Note sich in ihren Gemälden
bekundete. Das Gleiche gilt für jede Richtung irgend
einer Kunstbetätigung. Ja, er hat selbst solche Werke
aufgenommen, die zwar ein gewisses Talent erkennen
lassen, aber seiner innersten Natur widerstrebten und
unter der Flagge des Impressionismus — man möchte
sagen ausgesprochen und absichtlich häßlich — schon an
und für sich nicht besonders sympathische Sujets Wieder¬
gaben. Sein künstlerisches Temperament ist eben für die
Darstellung des Schönen und solcher Szenen veranlagt,
die uns erfreuen, oder zum mindesten Lichtblicke ge¬
währen können. Trotzdem sind alle Nuancen des
„Impressionismus“ in der ,,New-Gallery“ vertreten ge¬
wesen. Mit Watts und Holman Hunt ist Halle der
Ansicht, daß der Name „Impressionismus“ eigentlich
überflüssig und nicht zutreffend erscheint, da Jeder¬
mann auf seine Art durch ein Kunstwerk möglichst
Eindruck zu machen wünscht (!), und daß ferner ein
charakteristisches Merkmal — ein Generalnenner —
für diese Schule überhaupt fehlt, da in ihren nicht ein¬
mal deutlich erkennbaren Grenzen, kein einheitliches
Prinzip herrscht.
Zahlreiche und wirklich pikante Anekdoten ver¬
leihen dem Buche einen ebenso heiteren wie abwechseln¬
den Charakter und zwar umsomehr, als sie persönlich
Erlebtes schildern. Solche Begebenheiten werden
namentlich aus Halles Verkehr mit dem Dichter
Browning, Swinburne, Meredith, dem Präsidenten der
Akademie Lord Leighton, Millais, Burne-Jones und dem
Premierminister Gladstone erzählt. Dieser hielt — wie
so manche Größe — seine Befähigung für irgend eine
Nebenbeschäftigung höher, wie die Begabung für sein
Hauptamt. So hielt sich Gladstone für einen besseren
Theologen, Bücher- und Kunstkenner als Staatsmann.
Als Halle eines Tages zum Besuch bei Gladstone
anwesend war, bemerkte Mrs. Gladstone ihr Gatte
habe kürzlich eine schöne, alte, emaillierte, von Pierre
Raymond hergestellte, Schüssel erworben, aber Martin
Colnaghi, eine anerkannte Fachautorität weise diese
Arbeit dem gleich ausgezeichneten Meister Penicaud II.
zu. In demselben Augenblicke trat Gladstone ein
und seine Gemahlin wiederholte Colnaghis Aus¬
spruch, zu dem ersterer bemerkte: „Das bedaure ich,
denn ich glaubte bisher Colnaghi verstände etwas von
diesen Dingen !“ O. v. Schleinitz.
,, Goethes Briefe an Philipp Seidel“ , lautet der Titel
eines vornehm ausgestatteten Buches, das im Verlage
von L. W. Seidel und Sohn , k. u. k. Hofbuchhändler
in Wien, kürzlich erschienen ist. Es trägt den Ver¬
merk zweite Auflage; die erste erschien vor fünfzehn
Jahren, und die Briefe Goethes an Seidel sind zum ersten
Male in der von Gustav Freytag redigierten Zeitschrift
„Im neuen Reich“ 1871 und zwar nach dem im Besitze
des damaligen Chefs der Firma L. W. Seidel & Sohn
befindlichen Originalen veröffentlicht worden. Auch
in der Weimarer Goetheausgabe sind sie, um zwei
Stücke aus der Hirzelschen Sammlung vermehrt, ent¬
halten. In selbständiger Buchform erscheinen sie jetzt in
einer den höchsten Ansprüchen genügenden äußeren
Gewandung. Der überaus geringe Preis (Kr. 2. — geb.)
läßt vermuten, daß die Verlagshandlung damit nur einen
Akt der Pietät gegenüber einem ihrer Vorfahren er¬
füllen wollte. Nach dem Tode Ludwig Seidels, des
Enkels Philipp Friedrich Seidels, sind die Briefe in
den Besitz der Frau Marie Tachauer, der Tochter
L. Seidels, übergegangen. Rechtschreibung und Inter¬
punktion wurden unverändert beibehalten, auch die
Einleitung zu der im Jahre 1871 veröffentlichten
Zeitschriftausgabe von C. A. H. Burkhardt ist der
gegenwärtigen Buchedition beigegeben. Die Briefe
stammen aus den Jahren 1786 bis 1794, fallen also zum
größten Teil in die Zeit der italienischen Reise des
Dichters. Die irrige Annahme, als wäre Seidel eine
Art Diener oder Schreiber Goethes gewesen, hat ja
Burkhardt schon vor Jahrzehnten zerstört. Die Briefe
selbst lassen deutlich erkennen, daß Goethe Seidel, der
später zum Rentamtmanne in Weimar befördert worden
ist, nicht als eine untergeordnete dienende Person, son¬
dern mehr als einen vertrauten Freund behandelt hat.
Welcher Wertschätzung sich Seidel im Goetheschen
Kreise erfreute, dafür zeugen auch zwei dem Buche im
Anhänge beigegebene Briefe, die Knebel und Fräulein von
Goechhausen an den „Sekretär“ und „Rcnt-Comissär“
richteten. Das, wie gesagt, auch äußerlich vortrefflich
wirkende Buch wird allen Goethefreunden und Samm¬
lern Freude machen. Fgl.
Mit ihrem einzig dastehenden Unternehmen, Ge¬
mälde alter Meister in absolut getreuem Faksimile zu
reproduzieren, haben Fischer & Franke in Berlin einen
unerhofiften Erfolg erzielt. Wer hätte gedacht, daß die
Niederländer, mit denen sie den Anfang machten, — bei
einem Subskriptionspreise von icoo M. für fünfzig
Blätter! — bereits vor Erscheinen in der deutschen
Ausgabe vergriffen sein würden? Aber die Verwunde¬
rung schwindet beim Betrachten irgend einer beliebig
herausgegrififenen Probe dieser Reproduktionen. Denn
was hier für das Kunststudium und den Genuß des
Liebhabers geboten wird, erscheint nach beiden Seiten
hin so wertvoll, daß der an sich hohe Preis als gerecht¬
fertigt angesehen werden muß. Die Niederländische
Malerei von Vati Eyck bis Pieter Breughel zieht in
fünfzig, fein ausgewählten Meisterstücken an uns
vorüber, als wandelten wir durch die Galerie eines
Kenners, dem es vor allem darauf ankam, die
Werke kleineren Formats zum intimsten Schmecken
jeder ihrer Schönheiten um sich zu versammeln. Noch
ehe diese erste Sammlung ganz vollendet ist, beginnen
Fischer & Franke jetzt mit einer zweiten und
dritten gleich beschaffenen Reihe: Die italienische
Malerei des XV. und XVI. Jahrhutiderts. Nach¬
bildungen von 75 Hauptwerken, ausgewählt und her¬
ausgegeben von Wilhelm Bode (15 Lieferungen zu je
100 M.) und Die deutsche Malerei von Meister Wilhelm
bis Adam Elsheimer , 50 Hauptwerke, herausgegeben
von Max Friedländer (10 Lieferungen zu je 100 M.).
Aus den uns vorliegenden Lieferungen beider
Kollektionen erteilen wir den höchsten Preis Stephan
Lochners „Madonna in der Rosenlaube“, dem wunder-
10
Beiblatt.
samen Meisterwerke des Wallraf-Richartz Museums in
Köln. Es grenzt an das Unglaubliche, wie hier der
emailleartige Schmelz der Farbe, die Süßigkeit des
Inkarnats, die Harmonie der Farbenskala ohne Rest
wiedergegeben ist. Das Bild ersteht mit allen seinen
Werten in dieser Wiedergabe und man betrachtet es
fast als selbstverständlich, daß neben den höchsten
Qualitäten auch die geringeren Eigenheiten derTechnik,
die kleinen Sprünge und Risse des Alters, nicht fehlen.
Gleichen Lobes sind alle die andern Blätter würdig;
wenn auch hier und da eine leise Frage sich regt: ob
nicht z. B. das Rot in Cranachs ,,Ruhe auf der Flucht
nach Ägypten“ etwas zu kräftig, der Teint in Antonello
da Messmas „Bildnis eines jungen Mannes“ zu blaß aus¬
gefallen ist.
Solche Zweifel erwachen wohl unsern Lieblingen
gegenüber, mit denen wir seit langem vertraut sind.
Aber der Dank dafür, daß uns nun nicht mehr nur kalt
staunender Besuch dieser großen Schöpfungen erlaubt
ist, daß wir, ummitFausts Worten fortzufahren, in ihre
tiefe Brust wie in den Busen eines Freunds schauen
dürfen, überwiegt sogleich wieder.
Sicherlich sind noch niemals der Kunstfreude und
Kunstbelehrung so vollkommene Hilfen gewährt worden,
wie in diesen Gaben des Verlags Fischer & Franke.
Soweit überhaupt die Reproduktion Ersatz gewähren
kann, geschieht es jetzt. Die Frage, inwieweit damit für
den, der die Orginale nicht kennt, ein wirklicher Er¬
satz geboten wird, bleibt freilich unbeantwortet, muß
es bleiben, weil das von der Fähigkeit jedes Einzelnen
abhängt, die Werke der vollendetsten mechanischen
Technik in die Sprache der Maler zurückzuübersetzen.
Doch das ist ein weites Feld, — und führt zu den
letzten Bedingungen alles Kunstgenießens. — i.
Als ein Prachtwerk der alten, heute fast ausge¬
storbenen Gattung gibt Paul Kittel , Historischer Verlag
in Berlin , heraus : Die deutschen Befreiungskriege ,
Deutschlands Geschichte von 1806 — 1815, von Her7nann
Miiller-Bohn , zwei starke Bände in Lexikon- Oktav,
Bilderschmuck von Carl Röchling , Richart Knötel,
Woldemar Friedrich und Franz S fassen, gewidmet dem
Kronprinzen des Deutschen Reichs. Der Verleger
erklärt in der Vorrede, daß der Verfasser mit klar¬
blickender Sicherheit das wesentliche der gewaltigen ge¬
schichtlichen Vorgänge erfaßt und in schwungvoller und
begeisternder Darstellung ein förmlich plastisches Ge¬
mälde geschaffen hat, daß seine Schlachtschilderungen
geradezu dramatisch und packend, ja hinreißend sind,
daß die Illustrierung mit dieser hervorragenden Dar¬
stellung gleichen Schritt hält , indem hunderte mit be¬
sonderer Sorgfalt (auch das noch !) hergestellte Original¬
bilder durch fortwährende Veranschaulichung der ge¬
schilderten Ereignisse den Eindruck heben und den
Text beleben usw.
Das ist alles ja ganz richtig; aber an Stelle des
Verlegers hätte ich doch dem Leser und der Kritik das
Lob Vorbehalten, das er zu verdienen glaubt. Denn
was ist nun zu tun? Tadelt man, so zeiht man Herrn
Kittel der Unwahrheit, preist man ihn und seine Helfer,
so muß doch jedes freundliche Urteil unterhalb der Be¬
geisterung bleiben, mit der das Werk von seinem
geistigen Vater begrüßt wurde. Und lehnt man gar
das Ganze vom Standpunkt unsrer Zeitschrift aus ab,
weil der Bücherfreund sich mit solchen Büchern nun
einmal nicht befreunden kann und den Aufwand für
vertan hält, — was sagt da Herr Kittel, nach dessen
Worten die „deutschen Befreiungskriege" bei alt und
jung begeisterte Aufnahme finden sollen? G. W.
Dr. Martin Luthers erste deutsche Auslegung des
Vaterunsers von 1318 , die nach den Worten des Titels
„nit für die gelerten“ geschrieben war, hat bei Friedrich
Jansa in Leipzig als Faksimiledruck mit Übertragung
in die heutige Schreibweise der Pastor Otto Seitz
herausgegeben. Es war ein guter Gedanke, dieses
Hauptdenkmal Lutherischer volkstümlicher Exegese
in solcher Treue zu erneuern; der ehrwürdige, unver¬
altete Inhalt erscheint so in dem Gewand, das sich ihm
am allerbesten anschmiegt und das ihm einst der treff¬
liche Drucker Silvanus Otmar zu Augsburg umgelegt
hat. — Ebenso erwünscht ist die Erneuerung der
Schrift ,, Vom Christlichen abschied aus diesem tödlichen
leben des Ehrwürdigen Herrn D. Martini Lutheri
(1346).“ Justus Jonas, Michael Celius und Johannes
Aurifaber schildern als Augenzeugen die letzten Stun¬
den des Gottesmannes und alle, bis zur Gegenwart
wiederholten Versuche der Gegner, das Ende Luthers
zu umdunkeln, fallen vor dieser klaren Darstellungin sich
zusammen. Der Verlag Friedrich Jansa verdient Dank
dafür, daß er das wohlgelungene Faksimile für den
geringen Preis von 50 Pfennigen darbietet.
Es sei gestattet, die deutschen Bibliophilen an ein
Werk zu erinnern, das zwar nicht mehr ganz neu ist,
aber bis jetzt nicht nach Verdienst beachtet wurde —
wenigstens bei uns in Deutschland: der Manuel de
Bibliographie biographique et d’ Lconographie des femmes
cö leb res par un vieux Bibliophile (1. Band Turin L.
Roux & Co., Paris Nilsson 1892, 2. Band Turin Roux &
Viarengo, Paris Nilsson 1900, 3. Band Rome-Turin
Roux & Viarengo, Paris Honore Champion 1905, jeder
Band 25 Fr,).
Der „alte Bibliophile“, dessen Namen Ugherini wir
wohl verraten dürfen, hat allerdings eine Arbeit unter¬
nommen, der die Kraft eines Einzelnen nun und nimmer
gewachsen sein kann. Die Literatur über alle berühmten
Frauen der Welt von Eva bis zu Madame Steinheil
konnte auch in den drei Anläufen des Hauptwerks und
der beiden Supplemente nicht vollständig zusammen¬
getragen werden.
Aber wer das Unmögliche nicht fordert oder er¬
wartet, der wird diese große Kompilation mit aufrich¬
tigem Danke begrüßen. Stichproben überzeugen uns,
daß der Verfasser mit umfassender Belesenheit eignes
Urteil und — was für den Bibliographen eine ebenso
nötige wie seltene Eigenschaft ist — , praktischen Sinn
verbindet. Der große Index am Schlüsse des dritten
Bandes bringt auf 330 Spalten außer den Hinweisen
11
Beiblatt.
auf den Inhalt des ganzen Werkes noch eine Fülle von
Nachträgen. Für jede der femmes celebres werden
nicht nur außer der Literatur über sie die Geburtsdaten
und die Porträts gegeben, auch die Preise der Auto¬
graphen verzeichnet, soweit solche im Handel vor¬
gekommen sind. Hier und da bemerkt man, daß der
Verfasser sich abgeleiteter Quellen bedient; aber wo er
seiner Sache nicht gewiß ist, mahnt er selbst durch
beigesetzte Fragezeichen den Benutzer zur Vorsicht.
So können wir mit den angegeben Einschränkungen
das Werk warm empfehlen, zumal da es das erste und
einzige seiner Art ist und wohl auch vorläufig bleiben
wird. □
Kleine Mitteilungen.
Die Erste Internationale Jagdausstellung in Wien,
Mai bis Oktober 1910, will auch eine systematische
Vorführung des älteren literarischen, auf die Jagd be¬
züglichen Materials bieten. Das Sub-Komitee für
Literatur und Buchhandel der Ersten Internationalen
Jagdausstellung ( Wien III, Lothringerstraße 16) bittet
alle Freunde des Waidwerks um gütige leihweise
Überlassung geeigneter Bücher und Bilder.
Der ,, Verein zur Verbreitung guter volkstümlicher
Schriften“ hatte ein Preisausschreiben zur Gewinnung
von Musterlisten für Volks- und Hausbüchereien er¬
lassen. Für Listen von Volksbüchereien erhielten den
1. Preis (1000 M.) Herr Wilhelm Bube, Tonndorf-
Lohe; den 2. Preis (500 M.) Herr Max Blum , Lehrer
und Leiter der Volksbibliothek des gemeinnützigen
Vereins zu Dresden-Plauen; den 3. Preis (300 M.)
Herr Franz Balke , Lehrer und Schriftsteller, Mülsen
St. Jacob. — Für Listen von Hausbüchereien erhielten
den 1. Preis (700 M.) die Herren Lehrer Ludwig
König und Andr. Pongratz , München; den 2. Preis
(500 M.) Fräulein Katharina Neuhäuser, Leipzig; den
3. Preis (200 M.) Herr Volksschullehrer Karl Wagen¬
knecht , München. Das durch dieses Preisausschreiben
gewonnene wertvolle Material beabsichtigt der Verein
demnächst zu veröffentlichen. Die Geschäftsstelle
(Berlin W. 57, Mansteinstr. 6) erteilt bereitwilligst Aus¬
kunft.
Am 5. Juni hielt in Amsterdam die ,,Vereeniging
voor Letterkundigen “ ihre Jahresversammlung. Herr
P. H. van Moerkerken sprach über „das Buch und
seinen Schmuck“, und tadelte aufs schärfste die
deutsche Buchkunst, die unter der Leitung von Kunst¬
professoren (wo denn?) geschmacklos und überladen
sei. Sie schienen nichts von den neuesten Leistungen
der Holländer zu wissen, der durch Nieuwenhuys be¬
sorgten Perk-Ausgabe und Derkinderens „Gijsbreght
van Aemstel“. Die Hoffnung für Hollands Buchkunst
sieht der Redner in ruhigem Gleichgewicht, einfachen
Lettern und logischer Verteilung von Schwarz und
Weiß. Es möge durch eine Vereinigung der Schrift¬
steller eine eigene Druckerei errichtet werden mit
einem Leiter an der Spitze, der nicht durch deutsche
Modernität verdorben ist.
Wie uns aus Rom mitgeteilt wird, ist die Biblio¬
thek des früheren Präfekten der Biblioteca Lauren-
ziana in Florenz. Professors Niccolo Anziani soeben
in den Besitz der Antiquariatsbuchhandlung C. Lang
&-> Co. in Pom übergegangen. Diese Bibliothek dürfte
eine der reichsten und bedeutendsten bibliographischen
Sammlungen repräsentieren, die in letzter Zeit — und
zwar nicht nur in Italien — in den Handel gekommen
sind. Abgesehen davon, daß die Bibliothek fast alle
wichtigen allgemeinen Bibliographien und Werke über
Handschriftenkunde enthält, beruht ihre besondere
Bedeutung auf der großen Zahl italienischer Spezial¬
arbeiten über einzelne Drucker, Druckorte, Autoren
und Materien, von denen viele nur in kleiner Auflage
gedruckt wurden, nie in den Handel kamen und heute
fast unauffindbar geworden sind. Eine besondere Ab¬
teilung bilden die kunstwissenschaftlichen Werke. Ein
sorgfältig gearbeiteter Katalog wird voraussichtlich zu
Beginn des nächsten Jahres erscheinen.
Prof. Dr. Ludwig Darmstaedter hat, wie bekannt
sein dürfte, in langer und eifriger Sammeltätigkeit eine
gewaltige Autographensammlung zusammengebracht,
die nur Dokumente zur Geschichte der Wissenschaften,
besonders der Naturwissenschaften im weiteren Sinne,
enthält. Bestrebt, die Sammlung auch nach seinem
Tode geschlossen zusammenzuhalten und gleichzeitig
nutzbar zu machen, hatte er schon unter dem 31. De¬
zember 1907 durch Stiftungsakt die Sammlung der
Königlichen Bibliothek zu Berlin bestimmt und hat
sie nun, zur Eröffnung des neuen Gebäudes der Biblio¬
thek bereits überwiesen, hat sogar einen gut gedruckten
Katalog dazu herstellen lassen, so daß die Sammlung
in jeder Beziehung fertig und benutzbar in das Eigen¬
tum der Bibliothek übergegangen ist. Der hochherzige
Stifter ist bei der Anlage der Sammlung davon aus¬
gegangen, durch Vereinigung von Briefen der be¬
deutendsten Forscher ein Bild der Entwicklung der
Wissenschaften vom XVI. Jahrhundert an zu geben.
So ist die Sammlung auch nach wissenschaftlichen
Fächern geordnet [z. B. D. Bauwesen und dazu ge¬
hörige Industrien, 5. Holz, Möbel, Schlösser oder
F. Physik, 2 technische, a 3 Gas], während der gedruckte
Katalog die Autoren in alphabetischer Reihe aufführt
und die Ordnungsnummern der realen Einteilung dazu
setzt. Zur Fortführung der Sammlung stellt der Stifter,
so lange er lebt, einen jährlichen Betrag von 1500 M.
zur Verfügung. Hy.
Die ganze Bibliothek des verstorbenen Professors
Moritz Heyne in Göttingen ist von der Universität von
Illinois angekauft worden. Sie enthält ungefähr
5200 Bände zur germanischen Literatur und Philologie
12
Beiblatt.
und ist speziell reich an wertvollen deutschen Aus¬
gaben des XVI., XVII. und XVIII. Jahrhunderts.
Diititzer hat in seinem Lebensbilde der Charlotte
von Stein versucht, die Freundin Goethes in einem
idealistischen Lichte zu zeichnen , das durchaus
falsch war. Neuerdings verfolgt Professor Eduard
Engel das entgegengesetzte Verfahren. Er hält Vor¬
träge über Charlotte, in denen er sie als das unwür¬
digste, verlogenste und klatschsüchtigste Weib des
Hofes von Alt-Weimar darstellt. Düntzer unterschlug
in seiner Publikation die Stellen in den Briefen Char-
lottes, die zu der Tendenz seines Buches nicht passen
wollten. Engel dagegen reißt alle Stellen aus dem
Zusammenhänge heraus, die ihm für sein Charakterbild
der Charlotte geeignet erscheinen und schweißt sie zu
einem Gesamttableau von abschreckender Häßlichkeit
zusammen. Die Basis für seine Vorträge sind in
zwei Aufsätzen aus seiner Feder zu finden, die in
der Sonntagsbeilage der „Vossischen Zeitung“ er¬
schienen; und um der verlogenen Aristokratin ein
bürgerlich -demokratisches Gegenspiel zur Seite zu
stellen, gliedert er dem Pamphlet über Charlotte einen
Panegyrikus über Christiane Vulpius an. Daß diese
Methode genau so unwissenschaftlich ist wie die
Düntzers, darüber ist kaum ein Wort zu verlieren.
Engel will die große „Selbsttäuschung“ Goethes auch
noch zu einem Buche verarbeiten. Es wird sich dann
Gelegenheit finden, seine Fälschungen gebührend
zurückzuweisen. Denn wenn ein Literarhistoriker zu
ersichtlich tendenziösen Zwecken briefliche Äußerungen
zusammenstellt, die aus dem Menschlichen , der Situa¬
tion, der Augenblicksstimmung begriffen werden wollen,
so begeht er nichts anderes als eine gewollte Ver¬
zerrung der Wahrheit. F. v. Z.
Unter den mannigfachen, in letzterer Zeit von den
Behörden des „i British Museums “ erworbenen literari¬
schen Schätzen, wird von den Fachmännern keinem
ein höherer Wert beigemessen, als einem nubischeti
Manuskript, das schon in Faksimile-Reproduktion von
Budge herausgegeben w orden ist. Es erscheint zweifel¬
los, daß das betreffende Werk einst zu einer Bibliothek
eines in der Nähe von Edfu gelegenen Klosters ge¬
hörte. Rundherum um die uralte, volkreiche ober¬
ägyptische Stadt Edfu, befanden sich zahlreiche
selbständige koptische Kirchen und Klöster, die in
Wort und Schrift die altchristliche Tradition aufrecht
erhielten. Die Erbauung der Stadt Edfu selbst fällt
noch in die prä-dynastische Periode , ihre Blütezeit ist
aber in das VII. bis X. Jahrhundert zu setzen, während
ihr Verfall und die Verdrängung der koptischen Ein¬
wohner durch die Verbreitung des Islams im XI. und
XII. Jahrhundert stattfand. Um diese Epoche wird
es gewesen sein , daß irgend ein frommer Priester die
Bibliothek seines Klosters in einer Felsenhöhle am
Rande der Wüste zu retten suchte. Hier wurde die¬
selbe kürzlich durch Zufall von einem seine Herde
weidenden sudanesischen Hirten entdeckt, und fand
so durch Vermittlung von ägyptischen Händlern als
wertvollstes Objekt obiges Buch seinen Weg in das
„British-Museum“.
Sämtliche angekauften Werke mit Ausnahme eines
einzigen, waren in koptischer, dagegen letzteres in
nubischer Sprache abgefaßt. Das Merkwürdige be¬
steht nun darin, daß die Buchstaben griechische, aber
untermischt mit eigentümlichen Zeichen sind , die
herangezogen werden mußten, um phonetisch durch
griechische Buchstaben nicht wiederzugebende Laute,
auszudrücken. Es ist dies das einzig bekannte voll¬
ständige Buch dieser Art, und befinden sich außerdem
in derselben Schreibweise nur noch Fragmente von zwei
anderen Handschriften in der königlichen Bibliothek zu
Berlin. Nur äußerst mühsam und nach und nach gelingt
es in den Text der Schrift einzudringen, da die Sprache
selbst bisher ganz unbekannt geblieben war. Auf Grund
vieler Anzeichen wreiß man jedoch, daß es sich hierum
die verloren gegangene nubische Sprache handelt, das
Idiom der ältesten Christen des Sudan. Als eine Nation
treten diese zuerst unter Silko, etwa 550 v. Chr. auf.
Obwohl die Übersetzung vollständig bisher nicht
zustande kam, so hat man doch durch die vielen
eingestreuten Worte mit griechischen Buchstaben so
viel entziffern können, daß der erste Teil dem Heiligen
und Märtyrer St. Mena gewidmet ist, der zweite über
das Konzil von Nicäa handelt. Ersterer war in seiner
Jugend römischer Soldat, dann Eremit in Phrygien
und wurde schließlich um 307 enthauptet. Sehr inter¬
essant wird die Handschrift ferner dadurch, daß sich
auf einem Blatt eine Federzeichnung befindet, die
St. Mena zu Pferde, einen Speer in der Hand in römi¬
scher Soldatentracht darstellt. Über seinem Haupte
befinden sich drei Märtyrerkronen nebst der Inschrift
„St. Mena“. Im ganzen enthält das Buch 18 intakte, mit
schwarzer und roter vegetabilischer Tinte beschriebene
Pergamentblätter. Die ungefähr aus dem VII. bis
VIII. Jahrhundert herstammende Schrift ist durchweg
gut leserlich und bietet als Unikum ihrer Art in mehr¬
facher Beziehung ungewöhnliches Interesse.
- O. v. Schleinitz.
Eine ungewöhnlich wertvolle Erwerbung ist der
Berliner Königlichen Bibliothek gelungen. Es handelt
sich um das Evangelienbuch, das Kaiser Lothar, als er
852 als Mönch in das Kloster Prüm in der Eifel ein¬
trat, seinem Kloster schenkte. Dieses Evangeliar war
von Prüm nach Trier gekommen, in den Stürmen der
französischen Revolution von Joseph Görres erworben
worden und kam wieder an das Tageslicht, als dessen
Bibliothek (1902) zum Verkauf gelangte. Es war in dem
Verkaufskatalog nicht aufgeführt und wurde von dem
bekannten Antiquar Jacques Rosenthal erworben, wäh¬
rend die in dem Verkaufskataloge genannten Hand¬
schriften meist von der Königlichen Bibliothek in
Berlin erstanden wurden.
Die Berliner Bibliothek sah sich mit Schmerz ge¬
nötigt, aus Mangel an Mitteln damals auf den Ankauf
dieser kostbaren Karolingischen Miniaturhandschrift zu
verzichten. Sie wäre von besonderem Werte gerade
für diese Bibliothek gewesen, weil diese Anstalt nur
eine Karolingische Prachthandschrift besitzt, die aber
keine Miniaturen hat, das für Ludwig den Deutschen
13
Beiblatt.
geschriebene Psalterium. Der Generaldirektor der
Berliner Bibliothek, Prof. Adolf Harnack, faßte nun den
Plan, die große für den Ankauf nötige Summe durch
private Gönner aufzubringen, zumal die Gefahr des
Verkaufs an eine auswärtige Bibliothek immer dringen¬
der wurde. Die Aussicht, den verlangten sehr hohen
Betrag durch freiwillige Gaben aufzubringen, erschien
zunächst nicht allzugroß. Gleich der erste Beitrag, der
von dem Fürsten Henckel von Donnersmarck gespendet
wurde, erhöhte aber die Hoffnung auf das Gelingen,
weitere Beiträge spendeten Geh. Kommerzienrat Arn-
hold , Robert von Mendelssohn , August Scherl, Frau
Speyer-Frankfurt, Prof. Darmstaedter , v. Gwinner,
Graf Tiele-Winckler, Geh. Hofrat Werthauer; der
Verkäufer trug ebenfalls dazu bei, die Erwerbung zu
ermöglichen, indem er den Preis ermäßigte. Die dann
noch fehlende, immer noch erhebliche Summe deckte
der Kaiser durch Bewilligung aus dem Dispositions¬
fond, um diese Prachthandschrift kaiserlicher Herkunft
einer deutschen Bibliothek zu erhalten.
Die Handschrift stammt aus der unter Karl dem
Großen von Alkuin gegründeten Schreibschule von
Tours. Bei ihrer Herstellung ist alles aufgeboten
worden, was diese Schule, eine der hervorragendsten
des ganzen Mittelalters, an Schönheit der Schrift und
kunstvoller und prächtiger Ausschmückung zu ver¬
wenden wußte: Goldschrift auf Purpur wie auf weißem
Pergament, farbige Initialen wie Einzelbuchstaben im
Texte, ganzseitige Miniaturen usw. Es finden sich auch
Darstellungen römischer Goldmünzen als Schmuck ver¬
wendet, die ein besonderes Interesse bieten. Der
Künstler hat augenscheinlich die Kaiserporträts einfach
kopiert, die Kaisernamen aber durch andere ersetzt.
Es findet sich z. B. ein „David rex imperator augustus“.
Besonders merkwürdig — auch technisch — sind
vier winzige Abbildungen aus der Geburtsgeschichte
Jesu. Es sind Miniaturbildchen in Gold, bei denen
die Farbe so behandelt ist, daß sie aussehen, wie aus
Goldblättchen geschnitten.
Die Handschrift wurde der Bibliothek gerade bei
dem Umzuge in das neue Gebäude überwiesen. Diese,
man darf sagen ganz unverhoffte Erwerbung gibt
mancherlei Lehren. Erstens, daß es für eine deutsche
Bibliotheksverwaltung keine falschere Taktik geben
kann, als von kostbaren Erwerbungen abzustehen, weil
man mit dem ausländischen Wettbewerbe doch nicht
mitkönne. Zweitens — was schon vor drei Jahren die
Erwerbung des Psalteriums von 1459 durch dieselbe
Bibliothek zeigte — daß auch in Deutschland die pri¬
vate Freigebigkeit für Bibliothekszwecke zu haben ist,
wenn nur der richtige Mann in der richtigen Weise sie
anregt. - Hy.
Folgende zwei Bücher wurden laut der „Öster¬
reichisch-ungarischen Buchhändler-Korrespondenz“ in
Österreich verboten ;
Rombach, Kurt: Meine grausame, süße Reitpeitsche.
Enthüllungen einer Wiener Baronin. Verlag von
Hermann Hartleb in Preßburg.
Esse e, Fedor: Geschichte von der Birkenrute. Das
Tagebuch einer Masseuse von Clara M. Verlag
von G. Grimm in Budapest.
Soeben erschien:
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Deutsche Literatur in Erstausgaben, Französische,
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Ausgaben der „propheties“ des Nostradamus (nur
XVI. Jahrhundert) ihn durch Übermittelung einer
genauen und ausführlichen Kollation der betreffenden
Exemplare bei einer bibliographischen Arbeit über
diesen Gegenstand zu unterstützen. Es ist mir nur mit
autoptischen Angaben gedient.
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14
Beiblatt.
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garn, Siebenbürgen, Kroatien, Dalmatien, Bosnien,
Herzegowina, Rumänien, Bulgarien, Serbien, Monte¬
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725 Nrn.
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Wissenschaften 1654 Nrn.
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Kreis, Porträts. 990 Nrn.
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Als neue Mitglieder sind der Gesellschaft beigetreten :
160. Wilhelm Baensch, Verlagsbuchhändler u. Buchdruckerei -
besitzer (i. F. W. Drugulin), Leipzig, Königstr. 10.
172. Dr. Erich Ludwig Sclmiidt, Oberlehrer am Kgl. Luisen-
Gymnasium, Berlin NW. 5, Stefanstr. 61 I.
269. Dr. Fritz Behrend , Archivar der deutschen Kommission
der Akademie der Wissenschaften, Groß- Lichterfelde W.,
Knesebeckstr. 8 a.
284. Karl Hamm, k. k. Bezirksrichter und Gerichtsvorsteher,
Mondsee (Oberösterreich).
383. Wilhelm Langewiesche- Brandt, Schriftsteller, Eben¬
hausen bei München.
405. Mr. Th. B. Pleyte, Amsterdam, Koningslaan 52.
46 1 . Herbertv. Garvens ■ Garvensburg, Hannover, Jägerstr.T 2A.
489. Emil Felber, Verlagsbuchhändler, Berlin W. 57, Elß-
holzstr. 19.
513. Ernst Rowohlt, Bremen, Osterdeich 55.
608. Hermann Böer, Kaufmann, Leipzig, Leibnizstr. 27.
657. Dr. Willy Wygodzinski, Universitätsdozent, Bonn,
Blücherstr. 2.
692. Paul Aderjahn, Verlagsbuchhändler (i. F. Deutschherren-
Verlag), Königsberg i. Pr., Paradeplatz 6.
732. Prof. Carl Flesch, Berlin-Wilmersdorf, Kaiserallee 200.
828. Arthur Warda, Amtsrichter, Königsberg i. Pr., Trag¬
heim, Pulverstr. 21.
843. Wilhelm ' Cahn , Gerichtsassessor, Duisburg, Kettenstr. 2.
857. Dr. Werner Wolffheim, Berlin-Grunewald, Paulsborner-
straße 4.
Die erste diesjährige Publikation (Anonymen- Lexikon, Band V) gelangt mit dem Jahrbuch IX (für
1907/8) Anfang September zur Versendung; die zweite (Schillers Persönlichkeit , Band III) folgt
voraussichtlich zum 150. Geburtstage des Dichters.
Der Vorstand
WEIMAR, Grunstedterstr. 16. I. A.
Prof. Dr. Carl Schüddekopf.
Angebote.
Ancient and modern Scottish Songs. Edinburgh 1776.
(Glasgow 1869.) Large Paper. M. 35. — .
Maler Müller, Adams Erwachen. 1. Ausgabe. Starkes
Papier. M. 30. — .
Tieck, Minnelieder. 1. Ausgabe. M. 40. — .
F ables de Lafontaine avec 27b figures gravees par Simon
et Coin. Paris 1796. 6 Bände unbesch. Prachtexempl.
3 Halbmaroquin. M. 250.—.
J. M. R. Lenz, Gesammelte Schriften. Herausgeg. v.
L. Tieck. Berlin 1828. 3 Halbfranzbände, sehr gut
erhalten. M. 30. — .
Z. f. B. 1909/19 10. 4. Beiblatt. —
Kl. Groth, Quickborn. Hamburg 1856. Broschiert,
stockfleckig. M. 20. — .
J. Meursius, Elegantiae latini sermonis, Lugd. Batav.
1774, 2 Bände, Kalbleder, M. 15, — .
E. Ramiro, Catalogue descriptif de l’oeuvre de F. Rops.
2me ed. Brux. 1893. Halbmaroquin. M. 35. — .
Ant. de Herrera, Novus orbis s. descr. Indiae Occident.
Amstelod. 1622. Folio. Pergament. M. 15.—.
Reflektanten werden gebeten, ihre Aufträge an
W. Drugulin, Leipzig, Königstr. 10 zu senden.
Beiblatt.
Nachfrage.
Gedichte von Chaulieu, Gresset , Prior , Waller , Einzel-
und Gesamtausgaben.
Berliner Musenalmanach 1830 und folgende. Nur schöne
Exemplare.
Goethes Werke, Weimarer Ausgabe, komplett oder
einzelne Abteilungen. Brosch.
Delius, Shakespeare. 2 Bde.
Karwath, Erotik in der Kunst.
Bildersaal deutscher Gesch.
Rosegger, Schriften.
Jordell, Repert. bibliographique 1900—08.
Bibliographie de la France 1900 — 08.
Friedländer, ostfries. Urkundenbuch.
Bliimner, Gesch. d. Leipziger Theaters. 1822.
Fuchs, Gesch. d. Erotik in d. Kunst.
Monogr. d. Kunstgew.; Bode, ital. Hausmöbel.
do. : Luthmer, deutsche Möbel.
Leipziger Illustr. Zeitg. 3441.
Burckhardt, der Cicerone. 9. A.
Justi, Michelangelo. 1900.
Gabelentz, kirchl. Kunst i. ital. M.-A. 1907.
Jacobsen, das Quattrocento in Siena.
Bienkowski, die Darstell, d. Gallier in d. hellen. Kunst.
1908.
Casanova, übers, v. Vemi.
Andersen, H. Chr., sämtlche Werke.
Johannes Secundus, Küsse und Elegien.
Heines Werke. Hoffmann & Campe. 21 Bde.
Heine, letzte Gedichte und Gedanken, hcrausgegeben
von Strodtmann. 1869.
Bahr , Ibsen.
Bodmer, krit. Abh. v. d. Wunderbaren in d. Poesie.
Goethes Faust, von Diederichs. Lcderbd. u. Pergtbd.
Nietzsche, Ecce Homo.
Angebote mit Preisangabe an W. Drugulin, Leipzig,
Königstr. 10 erbeten.
(In dieser Abteilung stehen jedem Abonnenten vierteljährlich zehn Zeilen unentgcldlich zur Verfügung.)
Von den Auktionen.
London. Am 7. Juni begann die, eine ganze Woche
dauernde Versteigerung der Bibliothek des verstor¬
benen Mr. Henry Beaufoy , durch die Firma Christie.
Der Katalog der Büchersammlung enthält 2033 Num¬
mern, und waren die am ersten Tage gezahlten Preise
für die bemerkenswertesten Objekte folgende: Bocca¬
ccio ,,I1 Decamerone“, Paris 1757, mit der Serie der
„estampes galantes“, 1120 M. (Quaritch). „Selectarum
Stirpium Americanorum Historia“, Wien zirka 1780,
mit 264 kolorierten Zeichnungen, 2000 M. (Quaritch).
„Peintures de Manuscrits Franqais“, Paris, 1734 — 46,
mit 164 schönen Stichen, 2 Foliobände, 1400 M. (Qua¬
ritch). Die Herstellung dieses privatim gedruckten
Buches hatte 1 600000 M. gekostet, und betrug der Sub¬
skriptionspreis für ein Exemplar 20000 M. Homer „Ilias
Graecö, edente Aloysio Lamberti“, Bodonis Ausgabe,
1808 in Parma gedruckt, 600 M. (Sotheran). J. P. Bergo-
mensis „De Plurimis Claris Sceletisque [Selectisque]
Mulieribus“, 1497, Ferrara, 800 M. (Leighton). „Oeuvres
de Boileau-Despreaux“ für den Herzog von Berri ge¬
druckt, mit den Originalzeichnungen der Vignetten,
2040 M. (B. F. Stevens). „Le Cabinet du Roi“, 1666 — 89
hergestellt, 1600 M. (Batsford).
In dem fortgesetzten Verkauf der Bibliothek zahlte
Mr. Quaritch 1000 M. für eine Sammlung von 208, auf
die Anfangsperiode der französischen Revolution be¬
züglichen Aufsätzen. Diese Kollektion war von T alleyrand
begründet und befand sich später im Besitz des Her¬
zogs von Sussex. Eine andere, in den Jahren 1788 — 1800
angelegte und sich gleichfalls auf die französische
Revolution beziehende Broschüren-Sammlung erreichte
960 M. (Quaritch). Eine vollständige Sammlung der
Porträts aller in der „Assemblee Nationale de 1789“
sitzenden Deputierten bezahlte Mr. Parsons mit 520 M.
„Nouvel Abregö Chronologique de l’Histoire de
France“, 1752, 820 M. (Brown). Das von William Bayly,
dem Astronomen und Begleiter des Kapitäns Cook
auf seinen Seereisen, an Bord des Schiffes „Adven-
ture“ geführte Journal, 2000 M. (Edwards). „The Mili¬
tary Costumes of Europe“, 1822, 540 M. (Parsons).
„Habitus Praecipuorum Populorum“, Nürnberg 1577,
520 M. (Quaritch). Ein „Book of Hours“ aus dem
XI V. Jahrhundert, 2520 M. (Goldschmid). Ein anderes
„Book of Hours“ französischen Ursprungs aus dem
XV. Jahrhundert, mit 12 großen und 21 kleineren Minia¬
turen, erwarb Mr. Quaritch für 3500 M.; ebenso ein
aus der gleichen Periode herrührendes, mit 70 vorzüg¬
lichen Miniaturen versehenes „Book of Hours“ für
4300 M. Eine Sammlung von 500, auf die Bühne be¬
züglichen Porträts, von der Zeit Garricks bis zu J. P.
Kemble einschließlich, kam auf 3670 M. (Sotheran).
Im weiteren Verlauf der Auktion erregte besonderes
Interesse das sehr selten vollständig vorkommende
Werk „La Mer des Histoires, traduite du Latin de
Columna et continuee par Brochart“, 1488 von Pierre
le Rouge in Paris gedruckt und mit schönen Holz¬
schnitten versehen, für das Quaritch 4200 M. be¬
zahlte. Andere bemerkenswerte Objekte waren:
„Psalterium Davidis et Preces Piae“, 450 Seiten, eine
schöne aus dem XIV. Jahrhundert herstammende fran¬
zösische Bilderhandschrift. Wahrscheinlich wurde das
Buch für Karl VII. ausgeführt, da sein Porträt die Titel¬
seite ziert. Mr. Leighton zahlte für das reichilluminierte
Werk 14000 M. Le Chevallier de Querelles „Hero et
Leandre“, Paris, 1801 von Didot l’aine hergestellt und
mit acht schönen kolorierten Stichen Debucourts ver¬
sehen kam auf 900 M. (Bescombes). „Les Quinze Joies
de Mariage“, Paris 1837, künstlerisch dekoriert, 1240 M.
(Lemaillier). Jean Fr. Le Petit „La grande chronique
ancienne et moderne de Hollande“, 1601, mit dem
2
Beiblatt.
Wappen der Marquise von Pompadour, 460 M. (Ed¬
wards). Unter den am letzten Auktionstage dem Publi¬
kum zum Kauf angebotenen Büchern soll noch hervor¬
gehoben werden: Voltaire „Oeuvres Completes, 1758
bis 59, siebzig Bände, aus der Bibliothek von Louis
Bonaparte, Ex-König von Holland, 1120 M. (Parsons).
„Therence en Francois", ein schönes Exemplar der
ersten Übersetzung dieses Autors, zirka 1500 in Paris
von A. Verard gedruckt, 2000 M. (Quaritch). K. Vul-
turius „De Re Militari, lib. XII“, 1472, die editio prin-
ceps, mit 82 prachtvollen Holzschnitten; drei Blätter
fehlen. Dies Werk ist das zweite in Verona gedruckte
Buch und wurde von Mr. Leighton mit 1600 M. be¬
zahlt. Eine Sammlung von 87 Ansichten Wiens und
seiner Vorstädte, gestochen von Ch. Schütz und J. Zieg¬
ler, schön koloriert, erwarb Hornstein für 2900 M.
Virgil „Opera Omnia“, Venedig, 1475, die erste Aus¬
gabe Virgils, cum servii Mauri Honorati commentariis,
kam auf 1200 M. (Maggs). Zeiller „Topographiae“,
mit er. 2000 Stichen von Städten, Palästen und öffent¬
lichen Gebäuden, 27 Foliobände (Frankfurt a. M.
1642 — 63), erzielte 1020 M. (Edwards). Der Gesamt¬
erlös für die „Beaufoy Bibliothek“ betrug 212960 M. — In
der am 9. Juni bei der Firma Sotheby begonnenen
Auktion von Manuskripten, Briefen, Dokumenten und
anderen Autographen, zahlte der Graf Crawford 5200 M.
für eine auf die französische Revolution bezügliche und
von bedeutenden Persönlichkeiten herstammende
Kollektion von Briefen. Mr. Meyer bewilligte 700 M.
für einen Brief König Franz I. von Frankreich an Kaiser
Karl V., in welchem er nach seiner Freilassung dem
letzteren seinen Dank ausspricht und seine Unter¬
stützung zusichert. Ein von Tassos eigner Hand
geschriebenes Poem und gerichtet „Al Signor Don
Vicenzo Carriciola“, erreichte 410 M. (Sabin). M. La-
croix erwarb eine über Mirabeau handelnde Samm¬
lung von Briefen, von denen 10 bisher nicht publiziert
sind, für den Preis von 1500 M. Ein Brief des schotti¬
schen Dichters Robert Bums, 4 Seiten, datiert 25. Au¬
gust 1795, gerichtet an David Blair, kam auf 1220 M.
(Quaritch). Ein in feiner Hand geschriebener kleiner
Gesang, von Burns, betitelt „To a wood lark“‘ 4 Stanzen
von 4 Zeilen, erzielte den außerordentlich hohen Preis
von 2940 M. (Sabin). Ein eigenhändiger Brief von
Joseph Haydn an Mad. A. Polcelli, 1792 datiert, brachte
700 M. (Meylen). 6 Briefe Lord Byrons an Douglas
Kinnaird wurden mit 2000 M. bezahlt (Sabin). Eine
Anzahl Briefe von Nelson oder über ihn handelnd,
und an seinen Rechtsanwalt und Testamentsexekutor
Mr. William Haslewood gerichtet, brachten 2420 M.
(Sabin).
O. v. Schleinitz.
Rundschau der Presse.
Von Professor Dr. Adalbert H ortzschansky in Groß-Lichterfelde.
Die nachfolgende Übersicht versucht, die wichtigeren in Zeitschriften und Zeitungen enthaltenen Aufsätze und Abhandlungen zu
verzeichnen, soweit sie für die Leser unserer Zeitschrift in Betracht kommen. Zusendung von Sonderdrucken und Ausschnitten an die Adresse
des Bearbeiters in Groß-Lichterfelde bei Berlin, Moltkestr. 40, erbeten.
Schrift-, Buch- und Bibliothekswesen.
Allgemeines.
Ehrle, F. , In Sachen der internationalen Konferenz
von St. Gallen (1898). (Betr. Erhaltung und Aus¬
besserung von Handschriften.)
Zentralblatt für Bibliothekswesen. 26. 1909. S. 245
—263.
Gardthausen, V., Ursprung und Entwickelung der
griechisch-lateinischen Schrift.
Germanisch-romanische Monatsschrift. 1. 1909.
S. 273— 283. 337—349-
Neckel, G., Zur Einführung in die Runenforschung.
1. Die Runen paläographisch und sprachgeschicht-
lich. — 2. Die Runen kulturhistorisch betrachtet.
Germanisch- romanische Monatsschrift. 1. 1909.
S.7-I9- 81 — 95.
Bibliophilie. Exlibris.
Darmstaedter, L., Wie meine Autographensamm¬
lung entstand.
Die Woche. 1909. H. 23. S. 973— 976 mit 3 Faks.
P(az)y M(elia), A., Biblioteca del Conde de Haro,
fundada en 1455. (Conclusiön.)
Revista de archivos, bibliotecas y museos. 13. 1909.
S. 277—289.
Bibliothekswesen.
Arnauldet, P. , Inventaire de la librairie du Chateau
de Blois en 1518. (Suite).
Bibliographe moderne. 12. 1908. S. 295 — 323.
Bailey, E., Concerning the library assistant.
Library Association Record. 11. 1909. S. 229 — 236.
Bogun, K. , Die Stammbücher in der Bibliothek zu
Königsberg. (Fortsetzung aus Bd. 1904. S. 36 — 96.)
Vierteljahrs Schrift für Wappen -, Siegel- und Fa¬
milienkunde. 37. 1909. S. 17 — 96.
Brassinne, J., Les manuscrits du Monastere de la
Paix-Notre-Dame, ä Liege.
Societe des bibliophiles liegeois. Bulletin. 8. Fase. 2.
1909. S. 65 — 80 mit 3 Taf.
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thekare.
Frankfurter Zeitung. 1909. Nr. 161 vom 12. Juni.
Erst. Morgenblatt.
Coutts, H. T., The subject Classification.
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Dokkum, J. D. C. van, Eenheid in ons Bibliotheek-
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Entwurf eines Reglements für den direkten Leihver¬
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staaten und des Auslandes.
Zentralblatt für Bibliothekswesen. 26. 1909. S. 275— 278.
3
Beiblatt.
Er man, W. , Bestand und Vermehrungsfonds der
öffentlichen wissenschaftlichen Bibliotheken des
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Zentralblatt für Bibliothekswesen. 26. 1909. S. 263
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Girault, A., Publications officielles et bibliothcques
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Revue internationale de l' enseignement. 29. 1909.
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Nachträgliches zur neunten Versammlung deut¬
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in Oberschlesien.)
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Peplow, F. J., Some tentative proposals for the Com¬
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Vaticana. Seguono 5 app. con testi inediti, poco
conosciuti o mal pubblicati, 2 tav. dopp.
Studi e testi. 20. 1908. X, 250 S.
Vierling, A. , Die Bußbücherhandschriften d. K. B.
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Oberbayerisches Archiv Jür Vaterland. Ce Schichte.
54. 1909. S. 247 — 282.
Buchdruck und -Gewerbe.
Baudrier, J., Acquisition en 1582 d’un matericl d'im-
primerie ä Lyon par Hugolino Martelli, dvdque de
Glandöves. (Atelier d'Entrevaux en Provence, 1581
—1583-)
Bulletin du bibliophile. 1909. S. 217 — 225 mit
3 Abbild.
Burger, C. P. , Oude Hollandschc zeevaart-uitgaven.
Met twee facsimiles. (Slot.)
Tijdschrift voor bock- Ir* bibliotheekwezen. 7. 1909.
S. 49—60.
Hölscher, G.( „Deutsche“ oder „lateinische“ Druck¬
schrift für deutsche Bücher.
Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 1909.
S. 6891 — 92.
Lepreux, G., Notes additionnclles et documents in-
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Bibliographe moderne. 12. 1908. S. 269 — 286.
Martin, J. B., Incunablcs de bibliothcques privdes.
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R ent sch, E. , Zur Geschichte des Papiers. (Nach
Harold Bayley, A new light on the renaissance.)
Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 1909.
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Verheyden, P., Over Ypersche boekdrukkers. II.
Tijdschrift voor boek- er* bibliotheekwezen. 7. 1909.
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Buchhandel.
La Codi fication des lois americaines sur le Copyright
et la Convention de Berne. (Suite et fin.)
Droit d’ Auteur. 21. 1909. S. 81 — 82.
Delalain, P., Un inspecteur de la librairie au Pecq
(bei Saint-Germain-en-Laye) au 18. si£cle.
Bibliographie de la France. 1909. Chronique.
S. 114 — 1 16.
Vereinigte Staaten von Nordamerika. Gesetz be¬
treffend Abänderung und Vereinheitlichung der Ur¬
heberrechtsgesetzgebung. Deutsche Übersetzung von
Ernst Röthlisberger.
Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 1909.
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Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 1909.
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schen Verzeichnissen.
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schen Zeitung Westfalens. (Ordinarie Lippstädter
Zeitung, 1710.)
Dorttnundisches Magazin. 1. 1909/10. S. 23 — 27.
Kleemeier, Fr. J., Das Anzeigenwesen in rechtlicher
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Börsenblatt für deti Deutscheti Buchhandel. 1909.
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Zeitschriftenwesen.
Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 1909.
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Atlantic Monthly. 1909. Mai. S. 650—657.
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Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 1909.
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1909. S. 289—307.
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und Buchwesens. 5. Jahrgang. 1908.
Zentralblatt f Bibliothekswesen. Beiheft 36. 1909.
158 S.
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S. 223 — 232.
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(Neuere österreichische Literatur.)
Literarische Neuigkeiten. Eine Rundschau für
Bücherfreunde. (Leipzig, Köhler.) 9. 1909. Nr. 2.
S. 4— 11.
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Literarisch. Echo. 1909. H. 17. Sp. 1197 — 1206.
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Gertnanisch-roynanische Monatsschrift. 1. 1909.
S. 292 — 307.
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des Mittelalters und der neuen Zeit.
National- Zeitung. 1909. Sonntags-Beilage Nr. 23
vom 6. Juni.
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N ational- Zeitung. 1909. Sonntags- Beil. Nr. 24
vom 13. Juni.
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Neue fahrbücher f. d. klassische Altertum. 23.
1909. S. 147—158.
Roethe, G., Nibelungias und Waltharius.
Sitzungsberichte der preußischen Akademie der
Wissenschaften. 1909. Nr. XXIV. XXV. S.649 — 691.
Schlesier, E., Der Volksschullehrer in der deutschen
Literatur. Versuch einer politisch-literarischen Dar¬
stellung.
Zeitschrift für den deutschen Unterricht. 23. 1909.
5. 163— 178. 225—233.
Einzelne Schriftsteller.
Arndt: Müsebeck, E., Eine Immediateingabe E. M.
Arndt’s an den König Friedrich Wilhelm III.
Vossische Zeitung. 1909. Sonntagsbeil. Nr. 23 v.
6. Juni.
Blirns; Hecht, H., Robert Burns.
Germanisch- romanische Monatsschrift. 1. 1909.
S. 169—186.
Byron: Ackermann, R., Neuere Forschungen über
Byron.
Germanisch- romanische Monatsschrift. 1. 1909.
S. 368—380.
— : Churchman, Ph. H., Lord Byron's Experiences
in the Spanish Peninsula in 1809 (suite).
Annales de la Faculte des lettres de Bordeaux.
Bulletin hispanique. 11. 1909. S. 135 — 171.
Carducci: Finzi, G., Impressions sur Carducci. (Tra-
duction de Mme Thierard-Baudrillart.)
Annales de la Faculte des lettres de Bordeaux.
Bulletin italien. 9. 1909. S. 164 — 177.
Edda: Leyen, F. von der, Die Entwicklung der
Göttersagen in der Edda.
Germanisch- romanische Mo?iatsschrift. 1. 1909.
S. 284 — 291.
Eichendorff: Fuchs, G., Joseph von Eichendorff.
Zeitschrift für de?i deutschen Unterricht. 23. 1909.
S. 209 — 224.
Euripides: Croiset, M., Euripide et ses plus recents
critiques. Article I.
fournal des Savants. 1909. Mai. S. 197 — 205.
Fontane : P n i o w e r . O., Sieben Briefe Theodor F ontanes.
Vossische Zeitimg. 1909. Nr. 249 v. 30. Mai.
Goethe: Denecke, A., Der Sinn des Tassodramas.
Zeitschrift für den deutschen Unterricht. 23. 1909.
S. 81 — 92.
— : Graf, H. G., Neue Goethe-Briefe. 1. 2.
Grenzboten. 1909. Nr. 24 und 25. S. 534 — 540.
580—589.
- — : Hausmann, S., Goethes amtliche Stellung und
amtliche Tätigkeit.
Vossische Zeitung , 1909. Sonntagsbeil. Nr. 24 v.
13. Juni.
— : P e 1 1 z e r , A., Zum Thema „Goethe und die bildende
Kunst“.
Repertorium für Kunstwissenschaft. 33. I9°9-
S. 172 — 181.
— : Petsch, R., Vom Weimarer Goethe.
Germanisch - romanische Monatsschrift. 1. I9°9-
S. 95-103.
Greif: Benzmann, H., Martin Greif. Zum siebzigsten
Geburtstage des Dichters.
Der Türmer. 1909. Juni. S. 380—386.
5
Beiblatt.
Greif: Rath, W., Ein lyrischer Lyriker. Zu Martin
Greifs 70. Geburtstag (18. Juni).
Tägliche Rundschau. 1909. Unterhaltungsbeilage
Nr. 139 v. 17. Juni.
— : Warburg, E., Martin Greif. Zu seinem siebzigsten
Geburtstage (18. Juni 1909).
Westermanns Monatshefte. 1909. Juli. S. 586 — 590,
1 Portr.
Grillparzer: Hock, St., Der innere Werdegang der
Dramen Grillparzers. Nach einem in der Wiener
Grillparzer-Gesellschaft gehaltenen Vortrage.
Vossische Zeitung. 1909. Sonntagsbeil. Nr. 22 und
23 vom 30. Mai und 6. Juni.
Halm: Schneider, H., Friedrich Halm und das spa¬
nische Drama. Palaestra. 28. 1909. VIII, 258 S.
Hauptmann: Clarke, H. A., 'Pippa passes1 and'Pippa
dances\ Poet Lore. 20. 1909. S. 122 — 128.
— : G rummann, P. H., Hauptmann’s view point in
'Und Pippa tanzt1.
Poet Lore. 20. 1909. S. 129— 134.
— : Hindrichs, O., Gerhart Hauptmann.
Bücherwelt. 6. 1908/9. S. 173— 178. (Schluß folgt.)
Hearn: Smet, J. de, Lafcadio Hearn. (Suite.)
Revue de Belgique. 1909. Mai. S. 71—88.
Hebbel: Löwenstein, A., The sources of Hebbel’s
'Agnes Bernauer1. (Wird fortges.)
Modern Language Review. 4. 1909. S. 302—322.
— : Petsch, R., Zur Einführung in das Studium Fried¬
rich Hebbels.
Germanisch- romanische Monatsschrift. 1. 1909.
S. 20 ff.
— : Schlaikjer, E., Hebbel als Lyriker.
Tägliche Rundschau. 1909. Unterhaltungsbeil.
Nr. 136, 137 und 138, vom 14., 15. und 16. Juni.
— : Zehme, A., Über die Tragik in Hebbels „Nibe¬
lungen“.
Zeitschrift für den deutschen Unterricht. 23. 1909.
S. 241 — 251.
Herder: Müller, O., Handschriftliches zur Geschichte
und Textgestaltung von Herders ^rutus1 und der
Übersetzung der Vorrede von Sadis Rosenthal1.
(Wird fortges.)
Archiv für das Studium der neueren Sprachen.
Bd. 122 = N. S. 22. 1909. S. 1—25.
— : Unger, R., Zur neueren Herderforschung.
Germanisch-romanische Monatsschrift. 1. 1909.
S. 145 — 168.
Hölderlin: Berger, H. v., Hölderlins Hyperion.
Werdandi. 2. 1909. Mai. S. 20—25.
Hoffmann: Laquer, L., Erinnerungen an Heinrich
H oft mann. Zum 100. Geburtstage des „Struwwel¬
peter1 '-Dichters: 13. Juni.
Frankfurter Zeitung. 1909. Nr. 161 vom 12. Juni.
Erst. Morgenblatt.
Homer: Gercke, A., Homer und seine Zeit.
Deutsche Rundschau. 1909, Juni. S. 344 — 359.
Hugo: Heiss, H., Neuere Literatur über Victor Hugo. 1.
Germanisch- romanische Monatsschrift. 1. 1909.
s. 381—392.
Hugo: Waldmann, E., Victor Hugo und sein Ver
leger Lacroix.
Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 1909.
S. 6745—49.
Kernstock: Pöllmann, A., Ottokar Kernstock.
Bücherwelt. 6. 1908/9. S. 178 — 188.
Kotzebue: Kienzl, H., Kotzebues letzter Wille.
Vossische Zeitung. 1909. Nr. 267 vom 11. Juni.
Leopardi: Persico, F., Una questione Leopardiana.
Rivista cC Italia. 1909. Mai. S. 693 — 708.
Lessing: Stemplinger, E., Lessings „Rettungen des
Horaz“. Ein Beitrag zur Entwickelungsgeschichte
Lessings.
Neue fahrbüclier f. d. klassische Altertum. 23.
1909. S. 261—274.
Lindau: Aus Paul Lindaus Flegeljahren.
Grenzboten. 1909. Nr. 23. S. 473 — 482.
— : Klaar, A., Paul Lindau.
Nord und Süd. 1909. S. 405 — 418, 1 Portr.
— : Vom jüngsten Siebziger.
Vossische Zeitung. 1909. Nr. 253 vom 3. Juni.
Lope de Vega: Klausner, G., Die drei Diamanten des
Lope de Vega und Die schöne Magelone.
Literarhistorische Forschungen. 39. 1909. 178 S.
Maupassant: Friedrich, P., Guy de Maupassant.
Der Zeitgeist. Beiblatt z. Berliner Tageblatt. 1909.
Nr. 21 vom 24. Mai.
Nietzsche: An dl er, Ch., Nietzsche et Jacob Burck*
hardt: Leur philosophie d’histoire. 2.
Revue de synthese historique. 1909. April. S. 137
— 171.
— : Bernoulli, C. A., Nietzsches Welt.
März. 1909. H. 12. S. 458 — 475. (Wird fortges.)
— : Richter, R., Nietzsches „Ecce homo“. Ein Doku¬
ment der Selbsterkenntnis und Selbstverkenntnis.
Deutsche Revue. 1909. Juni. S. 31 1—320.
Scheffel: Frankel, L., Von Scheffels Liebesieben und
Fortleben.
Zeitschrift für den deutsche7i Unterricht. 23. 1909.
S. 118 — 122.
Schiller: Sadee, L., Neue Untersuchungen über
Schiller.
Zeitschrift für den deutschen Unterricht. 23. 1909.
S. 178 — 183.
— : Das Schillerhaus in Weimar.
Vossische Zeitung. 1909. Nr. 257 v. 5. Juni.
— : Sprengel, J. G., Karl Bergers Schillerbiographie.
Konservative Monatsschrift. 1909. Mai. S. 712
— 721.
Schröder: Hofmiller, A., Schröder.
Süddeutsche Monatshefte. 1909. Juli. S. 93 — 105.
Shakespeare: Aronstein, Das königliche Knaben¬
theater unter Königin Elisabeth.
Vossische Zeitung. 1909. Sonntagsbeil. Nr. 25 v.
20. Juni.
— : Conrad, H., Eine neue Methode der chrono¬
logischen Shakspere-Forschung.
Germanisch- romanische Monatsschrift. 1. 1909.
S. 232 — 248. 307 — 320.
6
Beiblatt.
Shakespeare: Eulenspiegel, Shakespeare and the
modern German stage.
Contemporary Review. 1909. Juni. S. 726 — 737.
— : Greenwood, G. G., The vindicators of Shake¬
speare: a reply to Sir Edward Sullivan.
Nineteenth Century. 1909. Juni. S. 1038 — 1055.
— : Oliphant, E. H. C., Shakspere’s plays: an exami-
nation. IV.
Modern Language Review. 4. 1909. S. 342— 351.
— : Schröer, A., Die deutsche Shakespeareüber¬
setzung. 2. Grenzboten. 1909. Nr. 22. S. 425 — 431.
Shelley: Raaf, K. H. de, Shelley-Critiek.
Nieuwe Gids. 24. 1909. Mai. S. 579 — 591.
Sidney: Maynadier, H., The Areopagus of Sidney
and Spenser.
Modern Language Review. 4. 1909. S. 289 — 301.
Sophocles : Navarre, O., Sophocle imitateurd’Eschyle:
les Choephores et l’£lectre.
Annales de la Faculte des Lettres de Bordeaux.
Revue des etudes anciennes. 11. 1909. S. 101 — 128.
Storni: Biese, A., Die Dichtung Theodor Storms.
Konservative Monatsschrift. 1909. April. S. 589 — 605.
Strauß: Hi eher, H., David Friedrich Strauß als
Denker und Dichter.
Ludwigsburger Geschichtsblätter . 5. 1909. S. 27— 94.
Strindberg: Mongre, P., Strindbergs Blaubuch.
Die neue Rundschau. 1909. Juni. S. 891 — 896
Swinburne: Gosse, E., Swinburne: Personal recol-
lections.
Fortnightly Review. 1909. Juni. S. 1019 — 1039.
— : Rhys, E., A tribute to Swinburne.
Nineteenth Century. 1909. Juni. S. 965 — 979.
Tolstoi: Helbig, N., Ein Besuch beim Grafen Leo
Tolstoi im Jahre 1887.
Deutsche Revue. 1909. Juni. S. 348 — 357.
Vigny: Gunnell, D., Quelques amis anglais d’Alfred
de Vigny, avec des lettres inedites.
Mercure de France. 1909. Juni 1. S. 443 — 454.
Voltaire: Koser, R., Voltaires Besuche bei Friedrich
dem Großen.
Tägliche Rundschau. 1909. Unterhaltungs-Beilage
Nr. 130, 131 und 132 vom 7., 8. u. 9. Juni.
Wedekifld: Heuß, Th., Frank Wedekind.
Kunstwart. 1909. Juni r. S. 262 — 269.
Wildenbruch: Frenzei, K., Ernst von Wildenbruch.
Ein Blatt der Erinnerung.
Vossische Zeitung. 1909. Sonntagsbeil. Nr. 25 v.
20. Juni.
Neue Bücher.
Die letzterschienene (30.) Lieferung der in der
„Z. f. B.“ zu öfterem angezeigten Illustrierten Ge¬
schichte der deutschen Literatur von Professor Dr.
Anselm Salzer (München, Allgemeine Verlags- Gesell¬
schaft m. b. H.) ist dem jungen Schiller gewidmet.
Verständnisvolles Eingehen auf die geistige Entwick¬
lung des Dichters paart sich mit bibliographischer
Genauigkeit, wie sie nicht immer in den Literaturge¬
schichten zu finden ist. Nur über die Gedichte der
Anthologie, die Salzer Schiller zuschreibt, wird sich
hier und da streiten lassen. „Die Alten und die Neuen“
stammt in der Handschrift zwar aus Christophinens
Nachlaß, von Reinwald kopiert; ich möchte aber doch
mit Minor glauben, daß das Epigramm aus Petersens
Feder herrührt. Die „Aufschrift einer Fürstengruft“
klingt, trotz der „Schlimmen Monarchen“, mehr nach
Schubart als nach Schiller, dessen Autorschaft an der
Galgenschrift jedenfalls auch zweifelhaft ist. Die Ana-
lysierung der Anthologie ist übrigens sonst vortrefflich.
Auch die Abschnitte über die „Räuber“, „Fiesko“,
„Kabale und Liebe“ geben mancherlei neue An¬
regungen. — bl-
Von der Heinse- Ausgabe Carl Schüddekopfs (Leip¬
zig, Insel -Verlag) liegt uns der siebente Band vor,
die Tagebücher von 1780—1800 enthaltend. Schüdde-
kopf hat (nach den Handschriften in der Frankfurter
Stadtbibliothek) nur die in sich abgeschlossenen
Tagebücher in diesen Band aufgenommen, während
die Vorarbeiten, die kleineren Notizen und verein¬
zelten Beschreibungen dem Aphorismen-Bande ein¬
verleibt werden sollen. Am interessantesten sind
natürlich die „Hieroglyphen zur Rückerinnerung“, die
die italienische Reise betreffen, weil man hier un¬
willkürlich Goethes italienische Reiseblätter zum Ver¬
gleich heranziehen wird, die drei Jahre nach Heinses
Rückkehr einsetzen. Allerdings war Heinse ein andrer
Arbeiter. Er schrieb seine Tagebücher meist am
Schluß jedes Tages im Nachtquartier mit flüchtiger
Hand und gab sich nicht sonderlich Mühe, sie stilistisch
zu durchfeilen. Es fehlt ihnen daher das Ausgeglichene,
obwohl die unmittelbare Wirkung entschieden stärker
wird. Neben ihrem kunstgeschichtlichen Wert haben
sie auch noch einen kulturhistorischen, den ich fast
höher stellen möchte: Heinse war der Entdecker
Italiens für das deutsche XVIII. Jahrhundert.
Mancherlei aus den Tagebüchern ist in die Briefe
Heinses übergegangen: die vom Rhein und aus der
Schweiz in die gleichzeitigen Briefe an Fritz und Betty
Jacobi, die aus Neapel teilweise in die Briefe an Gleim,
Stückwerk auch in den „Ardinghello“. Der kritische
Anhang des Bandes gibt Ausweis über die Hand¬
schriften, deren undeutliche Bleistiftschrift dem Her¬
ausgeber die Entzifferung nicht leicht gemacht haben
mag, und über die eigenen Korrekturen, bringt auch
kurze Aufzeichnungen über einen Besuch Heinses bei
der Fürstin Gallitzin in Münster, Adelheid Amalie, ge¬
borene Gräfin Schmettow, der „Diotima“ in Hemster-
huis’ „Lettre sur l’atheisme“. Der Besuch läßt sich
chronologisch nicht genau fixieren, muß aber in den
achtziger Jahren erfolgt sein; die Aufzeichnungen sind
nur flüchtig, aber nicht ohne Interesse: sie charakteri¬
sieren die merkwürdige Frau gut. — bl —
7
Beiblatt.
Unter dem Titel „Deutsch-Österreichische Klassiker-
Bibliothek“ ist im Verlage von Karl Prochaska , Wien
und Tetschen eine, wie es scheint, ziemlich sorgfältig
vorbereitete Unternehmung ins Leben getreten. Als
Herausgeber zeichnet Dr. Otto Rommel. Die Samm¬
lung, die gut gedruckt ist, soll nicht vollständige Aus¬
gaben der einzelnen Dichter bringen, sondern nur
eine Auslese der bedeutendsten und interessantesten
Schöpfungen der deutsch-österreichischen Literatur, die
ja zum Teile nicht in dem Maße bekannt und gewürdigt
wird, als sie es verdient. Überflüssig, erst nachweisen zu
sollen, daß die Deutschösterreicher auf allen Gebieten
dichterischen Schaffens Großes und Unvergängliches
geleistet haben. Namen wie Grillparzer, Lenau, Grün,
Stifter, Raimund, Kürnberger haben den dichterischen
Ruhm des deutschösterreichischen Stammes in alle
Lande getragen. Doch auch andre Dichter, wie Joh.
Gabriel Seidl, Halm, die Erzähler Charles Sealsfield,
Moritz Hartmann, Fr. M. Felder, ferner Deinhardstein,
Nestroy, die Lyriker Zedlitz, Joh. Nep. Vogl, K. Beck,
der Tiroler H. v. Gilm usw. sind, zum Teil eingesargt
in kostspielige und selten gewordene Ausgaben, einer
höchst unverdienten Vergessenheit anheimgefallen, aus
der sie — unter Ausscheidung des für die beabsichtig¬
ten Zwecke unnötigen Ballastes — zu retten, der Verlag
als seine Aufgabe betrachtet. Einen Namen vermissen
wir in der Reihe der aufgezählten Autoren allerdings,
den des erst vor ungefähr zwei Jahren verstorbenen
hochbegabten J. J. David, dessen gesammelte, in
7 Bänden bereits vorliegenden Werke bei Piper &
Cie. in München erschienen sind. Unseres Erachtens
wären die Schwierigkeiten, die im Verlagsrecht wurzeln,
durch ein Übereinkommen mit der Münchener Firma
wohl zu überwinden. Von der „Deutschösterreichischen
Klassikerbibliothek“ sind bisher erschienen Halm (No¬
vellen), Lenau (Novellen), Raimund, Grillparzer (2 Bänd¬
chen) und Joh. Gabr. Seidl (Altwiener Novellen). In
der biographischen Einleitung zu des Letztgenannten
ausgewählten Werken stört die Zitierung eines völlig
poesielosen, recht flachen Altersgedichtes Seidls, das
durchaus nicht, wie der Herausgeber meint, ergreifend
wirkt, und besser nicht, insbesondere an dieser Stelle,
erwähnt worden wäre. Sonst ist die Ausgabe zu loben,
insbesondere die nette Ausstattung, die ihr der Verlag
zuwendete. Die erste Serie wird 20 Bände umfassen,
deren jeder elegant gebunden nur 1 Kr. (85 Pfg.) kostet.
Die Liebhaberausgabe in zierlichen Halbfranzbänden
wird zum Preise von Kr. 3.60 (M. 3) für den Band ab¬
gegeben. - — Fgl.
Im Salon Caroline Schlegels zu Jena lernte Clemens
Brentano die Dichterin Sophie Mereau kennen. Das
muß bald nach seiner Ankunft in Jena, im Frühling
1798, gewesen sein, und der neunzehnjährige Student
verlor denn auch schleunigst sein leicht entzündbares
Herz an die zierliche blauäugige Frau. Er las ihr
Partien aus seinem „Godwi1’ vor und arbeitete an
Sophiens „Kalathiskos“ mit; es war ein herzlicher und
inniger Verkehr, dem auch die Würze mancher
„Mißverständnisse“ nicht fehlte, die Sophie getreulich
ihrem Tagebuch anzuvertrauen pflegte. Dann kam für
sie die Scheidung von ihrem Gatten, die sie nötigte.
Jena zu verlassen. Auch in die Ferne flogen die Briefe
Brentanos, die aber ablehnend beantwortet wurden,
bis sich an einem Maitage in Weimar die Herzen
fanden. Am 29. November 1803 ließen sich die Beiden
in ihrem neuen Wohnort Marburg trauen.
Die Ehe war nicht sonderlich glücklich. Sie um¬
faßte „Himmel und Hülle"; so schrieb Sophie an
Charlotte von Ahlefeld, aber die Hölle sei vorherr
sehend. Dennoch zeigte sich gerade in den ersten
Dichtungen Clemens’ der wohltätige Einfluß seiner
Frau; in der „Chronika", mehr noch in den „Romanzen
vom Rosenkranz". Charakteristisch vergleicht Arnim
(1805) das Ehepaar mit zwei Meistern auf der Orgel,
„die beyde recht spiellustig sind, doch fällt es erst dem
einen ein zu spielen, wenn schon der andere angesezt,
da zieht er ihm die Pfeifen aus und will sie stimmen".
In die Heidelberger Zeit fallen als Tage reinster
Freude die Arbeiten am „Wunderhorn". Nun folgt
eine ruhigere und glücklichere Epoche. Mitte 1806
schreibt Clemens an Arnim : „Wir leben in einer
wunderschönen, einigen Ehe“. Arnim soll im Herbst
zum drittenmal Pate bei ihm werden; aber die Geburt
dieses Kindes tötet die Mutter.
Der Briefwechsel zwischen Clemens und Sophie
kam durch Bettine an Varnhagen, dessen Nachlaß die
Berliner Königliche Bibliothek aufbewahrt. Dort lag
er lange unbenützt, da Hermann Grimm merkwürdiger¬
weise seine Sekretierung beantragt hatte. Mit Unter¬
stützung von Erich Schmidt ist es nun Heinz Ame/ung
gelungen, das Verbot aufzuheben, und so liegt uns
denn endlich der vollständige „ Briefwechsel zwischen
Clemefis Brentano und Sophie Mereau“ vor (Leipzig,
Insel -Verlag ; 2 Bände, M. 7). Er beginnt mit einem
Billet Sophiens vom Dezember 1798 und schließt mit
j enem Briefe von Clemens, den er am 24. September 1 806
von Frankfurt aus an seine Frau schrieb, wohin er
Tieck begleitet, der eben aus Rom gekommen war
und sich ein paar Tage in Heidelberg aufgehalten
hatte. Die sämtlichen Briefe sind wortgetreu nach den
Originalen wiedergegeben; eine Anzahl Briefe von
Clemens, die Sophie in ihrem Tagebuch erwähnt, fehlt
freilich, da sie sie in einem Anflug böser Laune in
Kamburg verbrannt hatte. In den Anmerkungen hat
der Herausgeber sich knapp gefaßt. Das ist besser
als unnötige Wortschwulst; alles Wissenswerte ist
jedenfalls gesagt worden. Für die neue Gesamtaus¬
gabe der Werke Brentanos, die im Verlage von Georg
Müller in München zu erscheinen begonnen hat, wird
auch diese schätzenswerte Publikation in Betracht
kommen. — bl —
Von Ullsteins Weltgeschichte (Berlin, Ullstein & Co.)
ging uns kürzlich der Band zu, der die Geschichte des
Mittelalters behandelt. Er gliedert sich in vier Ab¬
teilungen: „Völkerwanderung und Frankentum“ von
J. v. Pflugk-Harttung, „Kaisertum und Papsttum" von
G. Kaufmann, „Der Ausgang des Mittelalters“ von W.
Friedensburg und „Eintritt der Slawen in die Welt¬
geschichte“ von A. Brückner und ist für uns Biblio¬
philen vor allem wieder durch seine glänzende Illu¬
strierung interessant. Von den ganzseitigen Tafeln und
cS
Beiblatt.
Bilderbeilagen seien nur folgende erwähnt: die irische
Miniatur des Evangelisten Matthäus aus dem „book of
kells“, das der Überlieferung nach aus dem Besitze
des Heiligen Columban stammen soll, — die Artikel
der Barone in der Magna Charta nach dem Perga¬
mentexemplar im British- Museum, — die Bulle des
Papstes Alexander II. mit der Unterschrift des da¬
maligen Archidiakonus Hildebrand, des späteren Papstes
Gregor VII., — die Seite aus den „Statuten des Ordens
vom heiligen Geiste“ mit den Vorschriften für die
Kreuzzugsritter, — eine Seite des Sachsenspiegels
nach dem Dresdner Original, — endlich die Wieder¬
gabe einer Seite aus der Goldenen Bulle Karls IV.
nach der Pergamenthandschrift in der Wiener Hof¬
bibliothek. Alle diese Faksimilien sind musterhaft re¬
produziert (was auch den Dreifarbendrucken nach¬
gerühmt werden muß) und zeigen von neuem, wie
himmelhoch die sogenannte authentische Illustration
über der phantastischen steht, mit der man ehemals
auch wissenschaftliche Bücher zu schmücken pflegte.
Die ganze Ausstattung des Werks mit seinen farbigen
Kapitalstücken und alten Miniaturwerken entnommenen
Initialen, seinem sauberen Druck und der geschmack¬
vollen Einreihung der Textbilder zeugt von feinem
Takt; nur für den Einband kann ich mich nicht
erwärmen, obwohl die Deckelzeichnung von keinem
Geringeren als Franz Stuck herrührt. — z.
Magister, Oberlehrer, Professoren — Wahrheit und
Dichtung in Literaturausschnitten aus fünf Jahrhunder¬
ten betitelt sich ein Buch, das im Verlage von C. Koch
in Nürnberg kürzlich erschienen ist und Herrn Dr.
Eduard Ebner zum Verfasser hat. Es verfolgt eine
ähnliche Absicht, wie das vor einigen Jahren veröffent¬
lichte Werk Wohlrabes „Der Lehrer in der Literatur“,
nur daß Ebners Arbeit mehr die literarische Zeichnung
der sogenannten höheren Lehrer im Auge hat, während
Wohlrabe zum größten Teile sich mit dem Stande der
Volksschullehrer beschäftigte. Der Verfasser will mit
seinem Buche die Auffassung kennzeichnen, die im
Volke von der Art und dem Wesen des höheren Päda¬
gogen herrscht. Zu diesem Zwecke zieht er die deutsche
poetische Literatur, bis ins Mittelalter zurückgehend,
heran, in der sich diese Auffassung widerspiegelt. Denn
die Verfasser von Dichtungen, in denen Lehrergestalten
auftreten, formen nach Ansicht Ebners diese Figuren
nach eigenen erlebten Jugendeindrücken, die freilich
von Gunst und Haß oft verwirrt sein mögen. So wie
der Lehrer einst, als sie in der Schulbank saßen, vor
ihnen stand, so bilden sie ihn in ihren Werken nach.
Erscheint der Pädagog in den früheren Jahrhunderten
noch spärlich in den Erzeugnissen der Dichtung, so ist,
insbesondere am Ende des XIX. Jahrhunderts, die
Zahl der poetischen Werke (und nur diese, nicht wissen¬
schaftliche oder reine Tendenzschriften erscheinen in
Ebners Buche berücksichtigt), die sich mit dem
höheren Lehrer irgendwie auseinandersetzen, beinahe
unabsehbar geworden. In der fleißigen, wenn auch
begreiflicherweise nicht Vollständigkeit erreichenden
Arbeit Ebners marschieren sie alle auf: der Humanist
Z. f. B. 1909/1910. 4. Beiblatt. —
der Reformationszeit, der Lehrer des XVIII. Jahr¬
hunderts mit Zopf, kurzen Hosen und schwarzen
Strümpfen, der gelehrte, weltfremde Humanist, und
schließlich, damit das Bild umfassend werde, auch noch
der „schneidige“ Oberlehrer der Gegenwart. Wir finden
Frank Wedekind mit seinem „Frühlingserwachen“ oder
Hermann Hesses „Unterm Rad“ genau so heran¬
gezogen wie Gottfried von Straßburgs „Tristan und
Isolde“, Moscherosch, Laukhard oder Christian Weise.
Ein Überblick über das Verzeichnis der in Ausschnitten
verarbeiteten Werke zeigt, daß es insbesondere inner¬
halb der modernen Literatur sehr wenige irgendwie
bedeutungsvolle Erscheinungen gibt, die sich nicht mit
dem Lehrer oder Professor auseinandersetzen. Das
Buch ist gut ausgestattet. Fgl.
Die Gedichte der Bibel. In deutscher Sprache
von M. A. Klausner. Berlin, S. Calvary & Co. Mit
Buchschmuck von Judith Klausner. Zweite und dritte
Auflage.
Die „Gedichte der Bibel“ umfassen drei Bände. Der
erste Band enthält die Prophetenworte und die Sprüche
Salomos, der zweite die Psalmen, der dritte das Hohe¬
lied, das Klagelied, das Buch Hiob, das Buch Esther,
das Buch Ruth, den Prediger Salomo. Die Liebe zur
Heiligen Schrift, so sagt Klausner im Vorwort, habe
ihn zu dieser Neudichtung veranlaßt. Der Leser muß
natürlich von vornherein beim Lesen den Gedanken
ausschalten, daß an derartigen Kulturdenkmälern, wie
der Bibel des alten Bundes, nicht korrigiert werden
sollte. Gelingt es dem Nachfahren, hie oder da die
Wirkung des Originals zu übertreffen, so hat er Recht
getan: der Erfolg allein entscheidet. Klausner hat in
seinen verschieden skandierten Versen oft die Volks¬
tümlichkeit und auch oft die Lieblichkeit recht gut
getroffen: die Größe aber, das Grausig-Unversöhnliche
ist er uns schuldig geblieben. Wo die alten Judäer zu
Heroen werden, wo sie den Mord aus Vaterlandsliebe
feiern, wo sie ausgesprochen vorchristlich fühlen und
handeln, da ersetzt der Klausnersche Rhythmus nicht
die monumentale Sachlichkeit, die knappe Wucht der
Bibelsprache. Die kurzen, epigrammatisch zugespitz¬
ten Sprüche sind am besten gelungen; sie sind zu¬
weilen von einer geradezu unheimlichen Modernität:
„Zur Weisheit gelangt, wer sich Weisen gesellt;
Wer den Toren anhangt, wird zerschellt!“
„Leer wirst du die Tenne sehn,
Wenn im Stall nicht Rinder brüllen;
Kräftge Rinder nur verstehn,
Scheune und Scheuer dir zu füllen!“
„Es spricht der Träge :
Ein Löwe ist im Gehege,
Ein Mörder ist auf dem Wege!“
Hier stört der Reimzwang nicht, der die pathetischen
Stellen häufig um ihre Wirkung bringt. Die Psalmen
sind teils in freiem Streckvers, teils in Reimstrophen
übertragen. Auch hier sind mir im Durchschnitt erstere
lieber, doch auch unter den gereimten ist viel wahrhaft
Beiblatt.
Sangbares und hie und da eine fortreißende rhyth¬
mische Bewegung.
Natürlich mußte wie kein zweites das ewige Liebes¬
lied Salomonis den Autor reizen; daß er zeitweilig in
Heinesche Rhythmen fällt, ist kein Schade. Sehr glück¬
lich ist der epische Ton getroffen, z. B. beim Buch Hiob,
das also anhebt:
„Es lebt’ ein Mann in Ur, mit Namen Ijob.
Untadlig war er, redlich, gottesfürchtig,
Und mied das Böse.“
Am wenigsten gelungen ist das Buch Ruth, dessen
originale Lieblichkeit wie ein Feldblumenstrauß zwischen
den düsteren Lorbeerzweigen des alten Testaments
blüht. Herr Klausner hat — und das ist bei dem
großen Interesse, das ein derartiger Versuch stets
weiteren Kreisen einflößt, recht schade — sich immer
noch zu sklavisch an den Urtext gehalten. Die neun¬
tausend Schafe und das Epha Gerste und die verschie¬
denen Stammbäume, alles muß mit hinein. Herr
Klausner hat meiner Ansicht nach seine Ehrfurcht vor
dem überlieferten Wort seiner Ehrfurcht vor der Poesie
vorangestellt und das Erstgeburtsrecht der Bibel allzu
sehr gewahrt.
Der Buchschmuck ist keineswegs weiblich-weichlich,
sondern kraftvoll und originell. Die Deckelzeichnung:
schwarze Opferbecken, aus denen ockergelber Weih¬
rauch zum Zeichen Davids, dem Pentagramm, empor¬
quillt, rahmt den gut gezeichneten Titel ein und steht
auf grau-braunem Grund. Glattes ockergelbes Vor¬
satzpapier leitet zum Elfenbeinton des büttenartigen
Druckpapiers über. m.
Die berühmte Sammlung La?ina in Prag , deren
Kupferstiche in diesem Frühjahr versteigert wurden,
umfaßt auch eine glänzende kunstgewerbliche Ab¬
teilung. Über diese erscheint jetzt im Verlag von
Karl IV. Hiersemann in Leipzig ein großer beschreiben¬
der Katalog, verfaßt von Julius Leisching. Der erste
Band (Preis ioo Mark) liegt uns vor. Nach einer
Einleitung des Herausgebers von 49 Seiten mit 53
Illustrationen folgt die musterhafte knappe Beschreibung
von 2240 Objekten, darunter 1256 Arbeiten in Ton.
In der Porzellansammlung (661 Stücke) ist Meißen
und Wien besonders gut vertreten; aber auch die
andern Werkstätten werden durchweg mit auserlesenen
Stücken von unzweifelhafter Echtheit repräsentiert.
Dasselbe gilt von den weniger zahlreichen Arbeiten
in Metall, den Emaillen, Geweben, Stickereien und
Lederbänden. Die hervorragendsten 102 Gegenstände
hat die Prager Kunstanstalt Carl Bellmann auf vierzig
schwarzen und zehn farbigen Lichtdrucktafeln unüber¬
trefflich wiedergegeben. So sichert dieser Katalog, wenn
die Sammlung Lanna im Herbst dieses Jahres durch
die Auktion zerstreut sein wird, ihrem Besitzer ein
ehrenvolles Andenken und wird zugleich für alle Zeit
den Keramikern und den kunstgewerblichen Sammlern
wertvolle Hülfen gewähren. — i.
Während der Katalog der Bibliothek Knaake er¬
schien, haben wir wiederholt auf diese große Samm¬
lung von Reformationsschriften hingewiesen und von
den Ergebnissen der Versteigerungen bei Oswald
Weigel in Leipzig berichtet. Durch die musterhaften
bibliographischen Aufnahmen und den Reichtum an
Seltenheiten werden die Kataloge zu einem sehr wert¬
vollen Seitenstück des älteren„Thesaurus“vonA'«rrj«j^/’,
als Nachschlagebuch ebenso unentbehrlich für Samm¬
ler und Historiker der Reformationsliteratur. In einem
stattlichen Leinenband (Preis 12 Mark), versehen mit
Namenregister und vollständigen Preislisten, vereinigt
Oswald Weigel jetzt die sechs Abteilungen und erwirbt
sich damit einen Anspruch auf den Dank der Forscher
und Bibliophilen. G. W.
Eine neue Monatsschrift „Original und Repro¬
duktion" , herausgegeben von Hans Loose beginnt mit
dem Juli 1909 im Verlag von Gustav Ferd. Schacht
in Leipzig zu erscheinen. Neben größeren Artikeln
über Graphik und Graphiker will sie die neuerschei¬
nende Kunstliteratur, Vorträge, Auktionen, Erwer¬
bungen der Museen und sonstige Nachrichten aus dem
weiten Gebiete der graphischen Künste bringen. Als
eigenartige Neuerung erscheint ein Verzeichnis zeit¬
genössischer Originale, die von Max Lehrs-Dresden ,
Gustav Pauli- Br e?nen, H. von Tschudi- Berlin begut¬
achtet sind. Ob aber Künstler und Laien sich willig
den Urteilen fügen werden? Zumal da die Gründe
nicht mitgeteilt sind, wie es doch jeder Verurteilte
sonst fordern darf. Immerhin ist der Versuch lehrreich
und anerkennenswert. □
Kleine Mitteilungen.
Bei Gelegenheit der 8. deutschen Taubstummen¬
lehrer-Versammlung soll vom 1. bis 10. Oktober d. J.
im Deutschen Buchgewerbehause zu Leipzig eine
Samuel H einicke- Ausstellung veranstaltet werden. Sie
soll alles umfassen, was sich auf die Person Samuel
Heinickes bezieht, der 1778 in Leipzig die erste Taub¬
stummenanstalt Deutschlands begründete, — also seine
Manuskripte, Briefe, Druckschriften und sämtliche über
ihn und seine Anstalt handelnden Bücher und Aufsätze,
außerdem auch alle sonstige auf Taubstummenunter¬
richt bezügliche Literatur. Das Komitee der Aus¬
stellung bittet um Darleihung des auf diese Gegen¬
stände bezüglichen Materials (Adresse: Deutscher
Buchgewerbe -Verein für die Samuel Heinicke-Aus-
stellung, Leipzig ), sichert sorgsame Aufbewahrung und
Feuerversicherung zu und wird bei der Rücksendung
eine etwa zehn Bogen umfassende Schrift über Samuel
Heinicke mit einer Heinicke-Bibliographie als Ersatz
der Zusendungsspesen beifügen.
Noch nicht aufzufinden waren folgende Schriften
Heinickes: Biblische Geschichte Alten Testaments.
Hamburg 1775. Über Apostel ohne Gott, für
Conventionsmünze. Frankfurt und Leipzig 1 787. Grund¬
lage des allgem. deutschen Verwahrungsjournals.
10
Beiblatt.
Copenhagen 1786. Der Kritiker. Eine Monatsschrift.
3 Stücke. Leipzig u. Dessau 1784. Mitteilungen darüber
erbittet Dr. Paul Schumann. Leipzig, Schleußiger
Weg 1 a.
Unter dem Titel „Census of Caxtons“ hat die New
Yorker „Bibliographical Society“ unlängst eine von
Seymour de Ricci verfaßte überaus sorgfältige Caxton-
Bibliographie unter ihre Mitglieder zur Verteilung ge¬
bracht. Die Arbeit gibt nicht nur eine möglichst voll¬
ständige Liste der aus Caxtons Presse hervorgegangenen
Bücher, sondern auch, soweit möglich, eine vollständige
Geschichte jedes vorhandenen Bandes oder Bruch¬
stücks mit Hinweisen auf solche Stücke, die in älteren
Versteigerungs-Katalogen u. a. m. verzeichnet sind,
aber heute nicht mehr nachgewiesen werden können.
Die Namen der ältesten Besitzer sind hauptsächlich
aus Vorsatzblättern oder handschrifdichen Anmer¬
kungen entnommen, die der späteren durch Hinweise
auf Versteigerungskataloge unter Angabe der Seiten¬
zahl und Nummer nachgewiesen ; selbstverständlich fehlt
auch die Angabe der gegenwärtigen Besitzer nicht.
Die bibliographische Beschreibung ist außerordentlich
sorgfältig und gibt nicht nur über Titel, Seitenzahl,
Alter usw., sondern auch über den Erhaltungszustand
der Drucke genaue Auskunft. Die Liste von unauffind¬
baren Drucken ist ziemlich groß ; doch darf man wohl
annehmen, daß viele davon mit den aufgeführten
Drucken identisch sind. Außer den Büchern, die Caxton
selbst in Brügge und Westminster druckte, sind auch
drei erwähnt, die nach Caxtons Rückkehr nach Eng¬
land in Brügge mit Caxtons Typen hergestellt wurden,
ferner zwei in Paris von Guillaume Maynyal für Cax¬
ton hergestellte Drucke, fünf Bücher, die nach Caxtons
Tode Wynken de Worde , doch mit Caxtons Typen,
druckte, und endlich das Buch eines unbekannten
Druckers (John Kays „Siege of Rhodus "), das wahr¬
scheinlich mit Caxtons Typen hergestellt wurde. Im
ganzen sind m Bücher und Blätter beschrieben, von
denen genau 100 von Caxton selbst hergestellt wurden.
Das Titelblatt des Bandes enthält die Wiedergabe des
vlämischen Stiches, der die Chatsworthsche Ausgabe
des „ Recuyell of the Hy story es of Troye“ schmückt und
der, wie man annimmt, Caxton selbst darstellt, wie er
ein Exemplar seines Buches der Herzogin Margarete
von Burgund überreicht.
(Börsenblatt nach „ The Nation“).
Das Gutenberg- M useum in Mainz hat im ver¬
flossenen Jahre wieder einen reichen Zuwachs erfahren.
Vor allem hat es die Haupterzeugnisse an Schrift¬
neuheiten und mustergültigen Arbeiten der modernen
Drucktechnik erhalten, ferner englische Preßerzeug-
nisse, an erster Stelle Drucke der Keimscott Preß von
William Morris, und ein Schöfferscher Einblattdruck,
von dem nur 4 Exemplare bekannt sind. Ein be¬
sonderes Augenmerk ist auch dem Ausbau der
sogenannten „Gutenberg-Bibliothek“ zugewandt ge¬
wesen,
Die Zahl wertvoller Fachbibliotheken ist in Berlin
wieder um eine neue vermehrt worden. Der bekannte
Münchener Philologe Professor Dr. Ludwig Traube
(f 20. Mai 1907), der mit besonderem Eifer das Latein
des Mittelalters pflegte, hatte sich planvoll und unter
Anwendung bedeutender Geldmittel eine Arbeits¬
bibliothek geschaffen, die die griechische und besonders
die römische Literatur, die lateinische Literatur, die
allgemeine Geschichte und Kulturgeschichte des Mittel¬
alters bei besonderer Betonung der Überlieferungs¬
geschichte, Paläographie und Handschriftenkunde
umfaßt. Dazu gesellt sich ein paläographischer Apparat
von etwa 3500 photographischen Blättern. Um diese
kostbare Bibliothek der deutschen Wissenschaft zu
erhalten, hat eine Vereinigung von Freunden des
verstorbenen Gelehrten die Bibliothek erworben und
dem Deutschen Reiche hochsinnig als Geschenk
vermacht. Dieses hat sie der Zentraldirektion der
Monumenta Germaniae historica übergeben, die sie in
dem Reichsdienstgebäude in der Luisenstraße 33 unter¬
gebracht hat. Dort stehen nun die Bücherschätze, ver¬
waltet vom Bibliothekar an der Königlichen Bibliothek
Dr. facobi , den Gelehrten leicht zugängig zur Ver¬
fügung. (Nordd. Allg. Ztg.)
Der Vorstand der Studienbibliothek in Linz, Pro¬
fessor Dr. Konrad Schiffmann, schreibt der „Linzer
Zeitung“: Die vielen wertvollen Funde, die ich während
meiner bisherigen Amtswirksamkeit an der hiesigen
Studienbibliothek gemacht habe, überragt an Bedeu¬
tung die Entdeckung von zwei Blättern der von Pust
und Schöpfer in Mainz im Jahre 1462 gedruckten latei¬
nischen Bibel. Sie hatten als Deckelbekleidung eines
1522 bei Adolf Petri in Basel gedruckten Buches
(„Tafel der Kaiser und Könige“) gedient und wurden
von mir im Mai dieses Jahres gefunden und abgelöst.
Nachdem Gutenberg im Jahre 1455 den Prozeß mit
seinem Mitarbeiter Fust verloren und diesem sein gan¬
zes Druckmaterial hatte abtreten müssen, verband sich
Fust mit dem sehr tüchtigen Peter Schöffer, und diese
beiden druckten dann gemeinsam, mit Gutenbergs
Materialien und Pressen, das berühmte Psalterium vom
Jahre 1457, das erste datierte Druckwerk der Welt.
Fünf Jahre später, am 14. August 1462, vollendeten
Fust und Schöffer den Druck der ersten vollständig
datierten Bibel, zwei Bände in Großfolio, die wegen
dieses Umstandes, mehr aber noch wegen ihrer her¬
vorragenden typographischen Schönheit unter allen
gedruckten Bibeln den höchsten Rang einnimmt. Kurz
nach Vollendung dieses Prachtwerkes, in der Nacht
vom 27. auf den 28. Oktober 1462, wurde die Stadt
Mainz von feindlichen Scharen in Brand gesteckt und
die Druckoffizin zerstört. Fust überlebte die Katastrophe
nur vier Jahre. Seine zahlreichen Gehilfen zerstreuten
sich in alle Winde und trugen so, obgleich sie eidlich
zur Geheimhaltung des Kunstgeheimnisses verpflichtet
waren, die Kunst der Buchdruckerei in nahe und ferne
Länder. Der erwähnten ersten datierten lateinischen
Bibel Fust und Schöffers also gehören die von mir ent¬
deckten zwei Blätter an, die aus einem Exemplar auf
Pergament stammen und Teile der Paulinischen Briefe
— 11
Beiblatt.
enthalten. Von ihrem materiellen Werte gibt die Tat¬
sache eine Vorstellung, daß größere Bruchstücke aus
dieser Bibel wenn sie überhaupt im Handel auftauchen,
um 2000 Kronen ausgeboten werden. Die wenigen voll¬
ständigen Exemplare, die noch erhalten sind, mußten
um enorme Beträge erworben werden. Schon im Jahre
1823 galt ein schönes Exemplar auf der Perry-Auktion
4300 Kronen, im Jahre 1873 aber wurde das Perkins-
Exemplar für 15600 Kronen verkauft, und acht Jahre
später wurde das Sunderland-Exemplar, auch auf
Pergament, für 32000 Kronen versteigert.
Auf der diesjährigen Tagung des hanseatischen Ge¬
schichtsvereins in Münster i. W. machte Prof. Schröder-
Göttingen interessante Angaben über die Vorgeschichte
des alten Volksbuchs „Der Eulenspiegel“ . Das Braun¬
schweiger erste Exemplar des Buches, das auf ungefähr
1500 zu setzen ist, ist bekanntlich unwiderbringlich ver¬
loren gegangen. Von ihm existieren Straßburger Nach¬
drucke von 1515 und 1519. Wer der Straßburger Be¬
arbeiter war, ist ganz unsicher, jedenfalls war es nicht
Th. Murner. Von den Geschichten in diesen Stra߬
burger Ausgaben sind etwa 85 niedersächsischen Ur¬
sprungs. Sie sind zum kleinen Teil literarischer Ab¬
kunft und als solche in noch älteren Schwankbüchem
nachzuweisen, zum überwiegenden Teile handelt es sich
um bodenwüchsige niederdeutsche Geschichten. Wahr¬
scheinlich wird sich aus alten Chroniken der Ursprung
dieses oder jenes Schwankes noch feststellen lassen.
Nach Prof. Schröder geht z. B. die Historie von Eulen-
spiegel als Türmer wahrscheinlich auf einen Vorfall
zurück, der sich in Hildesheim im Jahre 1411 wirklich
abgespielt hat. Und die Geschichte von der Katze im
Hasenfell , die Eulenspiegel den Kürschnern verkauft,
hat ihren Ausgang sicher von einem Streich, welchen
der Ratsbüchsenschütz Ernst Bock zu Braunschweig
1446 den dortigen Kürschnern spielte. Wenn derartigen
Lokalgeschichten weiter nachgespürt werde, so hofft
Professor Schröder, daß man wahrscheinlich noch
weitere Verbindungen zwischen diesen und den Schwän¬
ken Eulenspiegels aufdecken könne. (Nat.-Ztg.)
Wegen Verbreitung einer unzüchtigen Schrift sind
vom Landgerichte II in Berlin der Verlagsbuchhändler
Hermann Krüger zu 150 M. und der Romanschrift¬
steller Artur Zapp zu 50 M. Geldstrafe verurteilt worden.
Es handelt sich um das „ Tagebuch der Madame Violet“,
das von einer hochstehenden Berliner Dame verfaßt
sein soll. Zapp hat die anstößigsten Stellen daraus ent¬
fernt und die Veröffentlichung veranlaßt. Als die
Eulenburg-Sache, namentlich in England, schadenfrohe
Preßstimmen erschallen ließ, wollte die Verfasserin
den Engländern einen Spiegel Vorhalten und stellte
eine Reihe höchst bedenklicher Szenen aus dem eng¬
lischen Hofleben zusammen. Das Gericht hat in dem
Werke trotz der Tätigkeit des Zappschen Rotstiftes
eine unzüchtige Schrift erblickt. — Die beiden Ange¬
klagten hatten Revision eingelegt. Krüger behauptete,
er sei sich der Strafbarkeit seines Tuns nicht bewußt
gewesen; er habe geglaubt, sich auf Zapp, der etwa
70 Romane verfaßt habe, vollständig verlassen zu
können. Das Reichsgericht erkannte jedoch am
18. Juni 1909 auf Verwerfung beider Revisionen.
(Börsenblatt)
Foncky L., S.J., Die Parabeln des Herrn im Evan¬
gelium exegetisch und praktisch erläutert (Christus Lux
mundi III. Teil: Die Reden des Herrn, Band I (XXXIV
und 927 Seiten.) Innsbruck 1909, Rauch. 6 M. — Vgl.
BZ. I 21 1, III 205.
Eine bibliographische Neuheit an dieser dritten
Auflage ist die Eingliederung in das genannte Sammel¬
werk, das die Evangelien behandeln soll. Die nähere Be¬
schäftigung mit einigen Partien dieser Parabelerklärung,
welche nicht bloß dem praktischen Theologen, sondern
auch dem Exegeten ganz ausgezeichnete Dienste leistet,
gestattet mir, einige Verbesserungsvorschläge für
kommende Auflagen zu nennen: Nestles Ausgabe des
NT. sollte nicht als selbständige Textgestaltung neben
Vestcott, Hort usw. behandelt sein; es widerspricht
dies den wiederholt ausgesprochenen Absichten Nestles
selber. Zu Seite 13: Lk. 14, 23 würde ich nicht eine
Parabel nennen; das Wort rrapaßoXf) hat hier nicht
unseren Sinn. Zu Seite 17: Der Unterschied zwischen
Parabel und Allegorie ließe sich doch schärfer fassen.
Kleine Abweichungen in den Übersetzungen liegen
z. B. bei Mk. 4, 27 Seite 108 und 110; Mt. 13, 25 Seite
130 und 133 vor. Zu Seite 176: Der Hinweis auf
Lk. 13, 29 paßt nicht ganz, weil die Stelle dort eschato-
logisch ist. Zu Seite 417: Die Vermählung des Messias
mit seiner Braut, der Kirche, ist im Gleichnis vom
königlichen Hochzeitsmahl nicht mehr angedeutet.
Zu Seite 873: drri ra öprj Mt. 18, 12 kann auch auf
TTopeuGei«; bezogen werden, da das dazwischenstehende
xai textkritisch nicht sicher ist, was Erwähnung ver¬
dienen würde. Zu Seite 871 — 890: ist £uu<; eüpq (Lk. 15,
4 und 8) wohl mit bis er (sie) finden würde (Vulg.;
donec invenirt) zu übersetzen. Seite 903 und öfter ist
statt einer Erklärung nur die Übersetzung wiederholt.
Es ist freilich nicht viel zu erklären; aber dann ist
auch diese Wiederholung überflüssig. Für nicht ge¬
glückt halte ich die Erklärung der Parabel vom un¬
gerechten Verwalter: In der Nachlassung der Schuld
liegt doch schwerlich ein Wiedergutmachen früherer
Überforderungen. Sind denn die Kinder der Welt
dadurch den Kindern des Lichtes voraus, daß sie
ihr Unrecht wieder gut machen? Die größten Be¬
denken habe ich nach wie vor gegen Foncks Nei¬
gung zu duplizieren. Ich stimme ihm zwar darin zu,
daß er die Parabel vom königlichen Hochzeitsmahl
(Mt. 22, 1 — 10) und vom großen Gastmahl (Lk. 14,
15 — 54) nicht identifiziert. An der Identifizierung der
Gleichnisse vom verlorenen Schaf (nicht „Schäflein“)
möchte ich trotz der Belehrung auf Seite 872 fest-
halten: Beide behandeln doch die Freude über das
Wiederfinden von etwas Kleinem. Wenn Mt. das Wort
„kleinem“ und Lk. das Wort „Freude“ in der Anwen¬
dung unterstreicht, so bedeutet dies keine Differenz,
die nicht auf das Konto des Evangelisten gesetzt
werden dürfte. Ebenso halte ich die drei Synoptiker
12
Beiblatt.
berichte über die Parabel vom Senfkorn für Wieder¬
gaben ein und derselben Gleichnisrede Jesu. Nicht
alles, was im lukanischen Reisebericht steht, muß des¬
halb nicht schon an das Ende der öffentlichen Wirk¬
samkeit Jesu gerückt werden. Es ist eben sehr wichtig,
die Quellenverhältnisse der drei Synoptiker zueinander
genauer zu berücksichtigen. Die Frage ist nicht die,
ob Jesus die eine oder die andere Parabel öfters ge¬
sprochen hat — kein einsichtiger Forscher wird das
leugnen — , sondern es ist zu untersuchen, ob nicht die
Synoptiker ein und denselben Bericht wiedergeben.
Bei ihrer engen Verwandtschaft ist immer die Prä¬
sumtion für die letztere Annahme vorhanden.
Sickenberger.
Der zwölfte (1808 er) Jahrgang des Hohenzollern-
J ahrbuchs (Leipzig, Giesecke & Devrient) ist wieder
ungemein reich an Beiträgen zur Geschichte des
regierenden Herrscherhauses. In einem sehr inter¬
essanten Aufsatz untersucht Reinhold Kofer die U mwege,
auf denen der Große Kurfürst zu seinem Wahlspruch
„Sic gesturus sum principatum, ut sciam rem populi
esse, non meam privatam“ gelangt ist und weist nach,
daß ihn der jugendliche Markgraf zuerst in seiner, den
Abschluß der Straßburger Studienzeit bildenden lateini¬
schen „Kunstrede“ angewandt hat, zurückgreifend auf
ein Wort des Kaisers Aelius Adrianus an den Rat zu
Rom. Friedrich Meusel teilt Briefe des Prinzen Karl-
Emil und des späteren Königs Friedrich I. an die Frei¬
frau von Schwerin mit, die Gattin Ottos von Schwerin,
der der Hofmeister und treue Erzieher des früh ver¬
storbenen Kurprinzen gewesen war und in jener Zeit
auch ein sorgfältig geführtes Tagebuch verfaßt hat.
Der Hauptwert der hier mitgeteilten Briefe besteht vor
allem darin, daß es sich um wirkliche Kinderbriefe
handelt, ohne fremde Hilfe niedergeschrieben, aber
doch charakteristisch für das Gemütsleben und .die Nei¬
gungen der beiden Hohenzollemsprossen. Beigegeben
sind u. a. Reproduktionen der de Baenschen Öl¬
porträts der beiden Prinzen, die sich im Berliner
Schlosse befinden. Hermann Friedrich Macco hat im
Wittumspalais zu Weimar, im ehemaligen Zimmer des
Fräulein von Göchhausen, ein von seinem Urgroßonkel,
dem Maler Alexander Macco, gemaltes Porträt der
Königin Luise entdeckt, das aus dem Sommer 1800
stammt und zu dem er die interessanten Aufzeichnungen
des Künstlers über dessen Aufenthalt am preußischen
Hofe wiedergibt. Ein Gedenkblatt Paul Seidels be¬
handelt den verstorbenen Fritz Werner als preußischen
Geschichtsmaler; Bogdan Krieger bringt mancherlei
N eues zur Kindheits- und Erziehungsgeschichte F riedrich
Wilhelms II., während Erich Regener die Beziehungen
Ottos von Guericke, des Erfinders der Luftpumpe, zum
Großen Kurfürsten untersucht. Es folgt die Beschreibung
zweier Hohenzollernscher Harnische im Berliner Zeug¬
hause von Edgar von Ubisch und eine Nachlese zu
dem vorjährigen Aufsatz von St.Kekule von Stradonitz
über Hohenzollem als Ritter des Goldenen Vlieses.
Von speziellem Interesse ist der Beitrag Her?nann
Graniers über die Aquarellsammlung Kaiser Wilhelms I.,
die sich heute im Hohenzollern-Museum befindet und
= Bitte. =
Der Unterzeichnete bittet die Besitzer der ältesten
Ausgaben der „propheties“ des Nostradamus (nur
XVI. Jahrhundert) ihn durch Übermittelung einer
genauen und ausführlichen Kollation der betreffenden
Exemplare bei einer bibliographischen Arbeit über
diesen Gegenstand zu unterstützen. Es ist mir nur mit
autoptischen Angaben gedient.
Graf Carl v. Klinckowstroem
München, Elisabethstr. 40.
Steiner-Prag
Als Beginn einer Reihe von Sonderpublikationen
aus der Zeitschrift für Bücherfreunde soll von dem
Artikel des Juni-Heftes über Hugo Steiner-Prag im
Herbst eine Separat aus gäbe in der von uns geschnit¬
tenen Lemmentype erscheinen. Sie wird in bedeutend
erweiterter Form sich bis auf die neuesten Arbeiten
Steiners erstrecken. Besonderes Augenmerk wird auch
den Exlibris gewidmet, einem Zweige seiner Tätigkeit,
den Steiner in letzter Zeit eifrig gepflegt hat. Einige
sehr reizvolle Illustrationen, unter anderem das früher
schwarz gegebene Bild aus dem Leipziger Kalender
1909, erscheinen in farbiger Wiedergabe. Bestellungen
auf die Publikation, die in einer Auflage von nur
500 Exemplaren gedruckt wird, nehmen wir schon
jetzt entgegen.
W. Drugulin, Verlag, Leipzig.
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13
Beiblatt.
die wahrscheinlich von Louis Schneider angelegt und
vom Geheimrat Bork fortgeführt worden ist. G. B. Volz
setzt seine Serie „Friedrich der Grobe und seine Leute“
fort und behandelt diesmal zunächst die schöne Schlo߬
herrin von Tamsel, Luise-Eleonore von Wreech, die
der junge Fritz auch dichterisch [besang 'und von der
er noch 1737 an Voltaire schrieb: „In der Blüte meiner
jungen Jahre flößte eine liebenswürdige Person mir
zwei Leidenschaften auf einmal ein. Sie ahnen es:
die eine war die Liebe und die andere die Poesie.
Dies kleine Wunder der Natur, mit allen Grazien ge¬
schmückt, besaß Geschmack und Feinsinn.“ Sei er in
der Liebe auch nicht unglücklich gewesen, so habe er
als Poet nur schlecht reüssiert. Als dritter in den Kreis
tritt Charles-Etienne Jordan, den Volz auf Grund des
noch erhaltenen Briefwechsels Friedrichs mit ihm
skizziert. Zu erwähnen sind schließlich noch die Auf¬
sätze: Ernst Moritz Arndt und Friedrich Wilhelm IV.
über die Kaiserfrage von Friedrich Meusel , und Paul
Seidels Studie über Kunst und Kunstgewerbe in den
Königlichen Schlössern.
Die Ausstattung des schönen Jahrbuchs ist die alte
und würdige geblieben. Die Abbildungen im Text und
auf den Einschaltblättern sind musterhaft reproduziert.
Dasselbe gilt von den beiden Farbendrucken; besonders
die Wiedergabe des Aquarells, das den Prinzen Wilhelm
als Turnierritter bei dem Feste der weißen Rose im
Juli 1829 darstellt, ist glänzend gelungen. — bl —
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LEIPZIG, Königstraße 3
Neue Antiquariats-Kataloge:
No. 370: Verzeichnis einer Sammlung von Palmblatt-
Manuskripten. Veda- und Sanskrit-Literatur.
No. 369: Periodica. 1119 Nummern.
No. 368: Italienische Kunst. 1364 Nummern.
No. 367: Klassische Philologie und Altertumskunde.
895 Nummern.
No. 366: Spanien und Portugal. 1277 Nummern.
No. 365: Orientalische Linguistik. 1337 Nummern.
No. 364: Archäologie. 1033 Nummern.
No. 363: Mittel- und Südamerika, West-Indien und die
Philippinen. 2166 Nummern.
No. 362: Amerikanische Linguistik. 352 Nummern.
No. 361: Nordamerika. 691 Nummern.
No. 360: Deutsche Geschichte. 1310 Nummern.
Interessenten stehen diese Kataloge gratis
und franko zur Verfügung.
Gleichzeitig biete ich zum Kaufe an:
Pergament-Manuskripte, Antiphonarien,
Livres d’heures, Choralbücher usw.
mit schönen Miniaturen aus dem XII. und XV. Jahr¬
hundert, sowie alte wertvolle Drucke mit schönen Holz¬
schnitten in großer Anzahl und in zum Teil sehr
kostbaren Stücken. Ich habe genaue Beschreibungen
darüber angefertigt, die ich Interessenten auf Verlangen
gern zusende.
KARL W. HIERSEMANN, Leipzig
Königstraße 3
— 16 —
BEIBLATT DER
ZEITSCHRIFT FÜR BÜCHERFREUNDE
NEUE FOLGE
\. Jahrgang. August -September 1909. Heft 5/6.
Herausgegeben von Prof. Dr. Georg IVitkowski, Leipzig - Gohlis, Ehrensteinstr. 20, Manuskripte an diesen erbeten.
Inserate direkt an den Verlag W. Drugulin, Leipzig, Königstraße 10.
Inserat Bedingungen:
x/i Seite . 60 Mark x/4 Seite . 15 Mark
x/2 Seite . 30 Mark x/g Seite . 8 Mark
Kleine Anzeigen (Desiderata und Angebote) : die gespalt. Petitzeile 50 Pf. , für Mitglieder der Gesellschaft der
Bibliophilen 30 Pf. — Beilagegebühr 50 Mark. — Insertionsschluß für Heft 7 am 9. Oktober. — Abonnenten haben
pro Quartal, gegen Einsendung der Abonnementsquittung, 10 Zeilen unter Angebote oder Nachfrage frei.
Angebote.
Glasbrenner , Berlin wie es ißt und — trinkt. 25 ver¬
schied. Hefte mit Tafeln v. Hosemann u. a. M. 18. — .
Rath u. Tat zu einem guten Werke. Toilettengeschenk
f. Damen. Kgsbg. 1800. Mit 2 Kupf. v. D. Chodo-
wiecki gest. M. 5. — .
Görres, Narrenhaus. Nebst Ideen üb. Kunst u. Wahn¬
sinn. (1837.) Mit Tafel nach Ivaulbach. M. 9. — .
Gutzkow, Vergangene Tage. (Wally die Zweiflerin usw.)
Frkf. 1852. M. 5.50.
Retif de laBretonne: Biographie u. Bibliographie. Von
Eug. Dühren (Dr. Iwan Bloch). 2 Bde. zusammen
für M. 12.60.
Rousseau, J., Briefe. Aus d. Franz. Kgsb. 1799. Mit
1 Faksimiletafel. M. 4.50.
Volkssagen, Niederlausitzer, ges. v. Gander. 1894. Gr.
Ausg. mit den Erläutgn., Vergleichen u. bibliogr.
Nachrichten. M. 5. — .
Birch, Dramatik od. Bühnenkunst. Stuttg. 1847. M. 4.50.
Klinger, Werke. 12 Bde. Königsberg 1809 — 1815.
Halbl. M. 20.—.
— , Plimplamplasko 1780. Pappband, M. 65. — .
— , Geschichte Giafars des Barmeciden. U. A. O. O.
1799. Halbl. M. 10. — .
Cupido im Bad. Frankf. u. Leipz. 1719. M. 6. — .
Eckermann, Gedichte. Leipz. 1838. M. 4. — .
St. George , Maximin. Berl. 1907. M. 40. — .
Schopenhauer, Parerga und Paralipomena. Berl. 1851.
2 Bde. Halbl. M. 10. — .
(J . C. Gressel), Celanders Verliebte-, Galante-, Sinn-,
Vermischte- und Grab-Gedichte. Hamb. u. Leipz.
1716. Halbl. M. 60. — .
H. Megiser, Tractat von dem dreyfachen Ritterstand.
Frankf. 1593. Perg. M. 20. — .
M. Richey, Idioticon Hamburgense. Hamb. 1755.
Perg. M. 30. — .
Z. f. B. 1909/1910. 5/6. Beiblatt. —
La Fontaine, Schwänke und Mährchen. Boston 1811,
2 Bde. Halbl. M. 14.—.
Reflektanten werden gebeten, ihre Aufträge an
W. Drugulin, Leipzig, Königstr. 10 zu senden.
Nachfrage.
Bismarckiana. ,
Goetheana u. Schilleriana.
Rieh. Wagner, alles v. u. üb. ihn.
Dtsch. Städtegeschichte (Älteres).
Alles betreff. Lack, Firnis, Bernstein.
„ ,, Papier — Zucker.
„ „ Äronautik.
und vieles andere (laut Listen).
(J. Ch. Krüger), Die Geistlichen auf dem Lande.
Frankf. u. Leipz. 1743.
G. Hauptmann, Gesammelte Werke, Vorzugsausgabe.
Das bärtige Frauenzimmer. Vorgestellt in einer lusti¬
gen Comödie. 1696.
J. von Eichendorff, Gedichte. Berl. 1837.
G. Keller, Der grüne Heinrich. Braunschweig 1854 —
1855. 4 Bde.
— , Die Leute von Seldwyla. Braunschw. 1836.
— , Züricher Novellen. Stuttg. 1878. 2 Bde.
A. Menzel, Aus König Friedrichs Zeit. 1856.
F. W. Riemer, Mitteilungen über Goethe. Berl.- 1841.
2 Bde.
D. Diderot, Les bijoux indiscrets. (Paris 1748.) 2 Bde.
— , Jacob und sein Herr. Berl. I792*
— , Die Verräther. (Braunschweig 1793.)
Goethe, Sämtliche Werke. Biel 1775 — 76. 3 Bde.
— , Das Römische Carneval. Berlin, Weimar und
Gotha 1789-
1
1
Beiblatt.
Barbazan, Fabliaux et Contes des poetes frangais des
XI. — XV. siecles. Paris 1808. 4 vol.
P. Corneille, Theätre. Rouen 1664 — 66.
Journal des dames et des modes. Paris 1812—1832.
G. Imbert, Historiettes. Amsterdam et Paris 1 774»
J. G. Fichte, Reden an die deutsche Nation. Berl. 1808.
C. von H oltei, Don Juan. Paris 1834.
— , Schlesische Gedichte. Berl. 1830.
— , Vierzig Jahre. Berl. u. Breslau 1843 — 5°- 8 Bde.
J. Rist, Poetischer Schauplatz. Hamb. 1646.
W. Hagek, Kronyka Czeska. 1541.
M. Richey, Idioticon Hamburgense. Hamb. 1755.
J. C. Lavater, Physiognomische Fragmente. Leipzig
und Winterthur 1775— 78. 4 Bde.
Fr. Kngler und R. Reinick , Liederbuch für deutsche
Künstler. Berl. 1833.
IV. HauJJ, Phantasien im Bremer Rathskeller. Stutt¬
gart 1827.
F. Hebbel , Maria Magdalena. Hamb. 1844.
— , Herodes und Mariamne. Wien 1S50.
C. F. Bahrdt, Geschichte und Tagebuch meines Ge¬
fängnisses. Berlin 1790.
Angebote mit Preisangabe an W. Drugulin, Leipzig,
Künigstr. 10 erbeten.
(In dieser Abteilung stehen jedem Abonnenten vierteljährlich zehn Zeilen unentgeltlich zur Verfügung.)
Von den Auktionen.
Lofidon. Am 14. Juli versteigerte die Firma Sotheby
eine erhebliche Anzahl illuminierter Manuskripte und
seltener Bücher aus verschiedenem Besitz. Besonderes
Interesse konzentrierte sich auf einen Druck aus dem
Jahre 1500, das „Alissale Mixtum Secundum Regulam
Beati Isidori Dictum Mozarabes“, ein Werk, welches
Mr. Quaritch für 25000 M. erwarb. Vor dem Kanon
befindet sich ein ganzseitiger Holzschnitt, die Kreuzi¬
gung darstellend. Ein anglo- flämischer Psalter, eine
Arbeit des XIII. Jahrhunderts, wahrscheinlich von der
Hand eines englischen Mönches in Ypern (Belgien)
geschrieben, erzielte 3300 AI. (Quaritch). Mr. Sabin
erstand für 7100 M. ein schönes Manuskript der spät¬
flämischen Schule, das in Brügge verfaßt war, und für
3600 M. ein aus Deutschland stammendes „Book of
Hours“ des XV. Jahrhunderts. Ein ähnliches Werk,
aber anglo-französischenUrsprungs, kaufte Mr. Leighton
zum Preise von 2500 M.
Unter den Drucken sind namentlich folgende
Werke zu erwähnen: Ein Band altenglischer Dramen
enthaltend „Pericles, Prince of Tyre, 1635“; „Hamlet,
Prince of Denmark“ und „The Complaint of Christmas
and the Teares of Twelfetyde“, erste Ausgabe, ein
Unikum und nur bisher bekannt durch die 1631 erfolgte
amtliche Eintragung in das Register der Buchhändler-
Korporation. Mr. Tregaskis zahlte für den Band
8300 M. Ein anderer Band, der die nachstehenden
altenglischen Dramen enthielt: „The first and second
part of the troublesome Raigne of John, King of Eng¬
land“ und „The Historie of Henry the Fourth, with
the Battell at Shrewsbury“, sowie endlich „The Hu-
morous Conceits of Sir John Falstaffe, newly corrected,
1632“, gelangte für 7000 M. in den Besitz von Mr.
Dobell. Machlinia „Speculum Christiani“, erreichte
2600 M. (Quaritch). Ein defektes Exemplar der vierten
Shakespeare-Folioausgabe wurde von Mr. Dobell mit
800 M. honoriert. Die erste „Pickwick“-Ausgabe mit
Dedikation an „George Thomson, Esqre. From his-
very faithfully Charles Dickens“, 1220 M. (Hornstein).
Die erste Ausgabe von „Bleak House“ mit dem Auto¬
graph „Emile de la Rue. From his friend Charles
Dickens. Fifth February 1854“ 800 M. (Sabin). „The
Cricket on the Hearth“ mit der Inschrift „Madame de
la Rue, from Charles Dickens, London Twenty seventh
December 1845“, 410 M. (Hornstein). Die erste Aus¬
gabe von George Merediths „Poems“, 1851, erzielte
410 M. (Zaehnsdorf). Die erste Ausgabe von Ben Jon-
sons „Seianus, his Fall“, mit der autographischen In¬
schrift,, The Testimony of my Affection and Observance
to my noble friend Sir Robert Townshend, which I desire
may remayne with hini and last beyond marble“,
1240 M. (Dobell). Das Originalmanuskript von Bret
Hartes „The Bell Ringer Angels“, „The Reformation
of James Reddy“, „A night at Glenbogie“ und „Her
lastletter“, ein Gedicht in 15 Stanzen, 1300 M. (Maggs).
Die erste Ausgabe von Miltons „Poems, 1645“, 1200 M.
(Quaritch). Die erste Ausgabe von Florios „Mon¬
taigne“, 1000 AI. (Quaritch). „Les Femmes de Ver¬
sailles“, von Pierre de Nolhac, 720 Al. (Graves & Co.).
Das Original „Contrat de Alariage de Louis de
Lorraine Duc de Joyeuse et de Frangoise Alarie de
Valois“, mit der Unterschrift von 50 hervorragenden
Personen der Epoche, 900 Al. (Bale). Alorris „Chaucer“
hergestellt in der „Keimscott Press“, 830 AL (Edward).
Francisco de Columnas „Hypnerotomachia Poliphili“,
1499 gedruckt, 2800 AL (Bumpus). Gregorius IX. „De-
cretales“, 1000 AI. (Symes). Ein in Sarum (Salsbury)
von einem englischen Schreiber abgefaßtes Alissale,
1800 AI. „Labores Herculi“ ein von P. Andrea de
Bassi hergestelltes Alanuskript aus dem XV. Jahr¬
hundert und Nicolaus von Este gewidmet 2040 AL
(Wayflett.) O. v. Schleinitz.
Frank Karslake, der Verfasser von „ Book- Audion
Records“, hat „Notes from Sotheby 's“ herausgegeben,
eine Zusammenstellung von 2032 Noten aus den Kata¬
logen der bei Sotheby, Wilkinson F Hodge zwischen
1885 und 1909 abgehaltenen Versteigerungen. Viele
von diesen bringen wichtige bibliographische und lite¬
rarische Alitteilungen ; als einen Alangel aber darf man
es wohl bezeichnen, daß zwar das Datum der Ver¬
steigerung und die Katalognummern, nicht aber die
Preise der einzelnen Stücke angegeben sind. Das
Buch ist mit einer photographischen Wiedergabe der
Sothebyschen Geschäftsräume während der Versteige¬
rung des ersten Teils der Amherstschen Bibliothek im
letzten Dezember ausgestattet, der zugleich die Angabe
2
Beiblatt.
der Namen besonders wichtiger Teilnehmer beige¬
fügt ist.
Im Verlag von Eliot Stock ist soeben der „ Index
to Book-Prices Current “ für die Jahre 1897 — 1906 von
William Jaggar d erschienen. Es ist ein Band von
nahezu 1100 Seiten, das ist mehr als das Doppelte des
Umfangs des ersten, von 1887 — 1896 reichenden Index,
und er enthält etwa iooooo Einträge unter den Ver¬
fassern oder Titeln mit Verweisen in denjenigen Fällen,
in denen solche angebracht erscheinen. Gegenüber
dem ersten Bande weist das vorliegende Werk mehrere
wesentliche Verbesserungen auf. Die Zahl der ano¬
nymen und pseudonymen Verfassernamen hat eine
große Zunahme erfahren, bei Hunderten derselben ist
der wirkliche Name des Verfassers hinzugefügt; die
Namen der Verleger, Mitarbeiter und Übersetzer sind
gleichfalls systematisch verzeichnet; soweit als möglich
ist bei jedem Eintrag das Erscheinungsjahr hinzugefügt,
ferner ist in zahlreichen Fällen, wo Illustrationen einem
Buche besondern Wert gaben, der Name des jeweiligen
Künstlers verzeichnet. Der Band ist durch eine witzig
plaudernde Vorrede des Verfassers sowie durch eine
Liste der Büchersammler und Besitzer der wichtigsten
Bibliotheken eingeleitet, die in den zwanzig Jahren des
Bestehens von,, Book-Prices Current“, also von 1887-1906
zur Versteigerung gelangt sind.
Rundschau der Presse.
Von Professor Dr. Adalbert H ortzschansky in Groß-Lichterfelde.
Die nachfolgende Übersicht versucht, die wichtigeren in Zeitschriften und Zeitungen enthaltenen Aufsätze und Abhandlungen zu
verzeichnen, soweit sie für die Leser unserer Zeitschrift in Betracht kommen. Zusendung von Sonderdrucken und Ausschnitten an die Adresse
des Bearbeiters in Groß-Lichterfelde bei Berlin, Moltkestr. 40, erbeten.
Schrift-, Buch- und Bibliothekswesen.
Allgemeines.
Andreani, L., I manoscritti di Galileo e della sua scuola
nella Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze. (Ri-
cordi della mostra che ne fufattanell’ ottobre 1908.)
Bibliofilia. 11. 1909/10. S. 44 — 61 mit 10 Abbild.
Bell, H. J., Early Codices from Egypt.
Library. N. S. 10. 1909. S. 303 — 313.
Börner, A., Handschriftenschätze westfälischer Biblio¬
theken.
Zentralblatt für Bibliothekswesen. 26.1909. S.338 — 359.
B(urger), C. P., De handschriftenkunde als studievak.
Tijdschrift voor boek- en bibliotheekwezen. 7.1909.
S. 112 — 119.
Fassbinder, J., Das Photographieren von Hand¬
schriften.
Photographische Mitteilungen. 1909. H. 13. S. 195
bis 199 mit 1 Abbild.
Gardthausen, V., Die römischen Zahlzeichen.
Germanisch-romanische Monatsschrift. 1. 1909.
S. 401 — 405.
Keussen, H., Miniaturen aus einem Antiphonar des
Kölner Klarenklosters.
Zeitschrift für christliche Kunst. 22. 1909. Sp. 51 — 54.
Lindsay, W. M., The Bobbio Scriptorium: its early
minuscle abbreviations.
Zentralblatt für Bibliothekswesen. 26.1909. S. 293
bis 306.
Martin, H., Un caricaturiste au temps du roi Jean.
Pierart dou Tielt. (Miniaturenmaler des 14. Jahrh.)
Gazette des beaux arts. 1909. August. S. 89 — 102
mit 21 Abbild.
Morgan, A., Monastic book-making.
Library Association Record. 11. 1909. S. 303 — 320.
Bibliophilie. Exlibris.
Brauchitsch, E. v., Monogramme deutscher Exlibris-
Zeichner.
Exlibris , Buchkunst und angewandte Graphik.
19. 1909. S. 53—61.
Broilo, F. di, Ex libris Vargas-Machuca. (Duca Fran¬
cesco Vargas-Machuca, j* 1785.)
Rivista del collegio araldico. 7. 1909. S. 503 — 505
mit I Abbild.
Elsässische Bücherzeichen vom 16. bis zum 20. Jahr¬
hundert. 3.
Exlibris , Buchkunst und angewandte Graphik. 19.
1909. S. 62—72, mit 2 Taf.
C h e n e y , S., The book-plates of some American authors.
P. 1.
The Bibliophile. 3. 1909/10. S. 170 -173, 223 bis
227 mit 13 Abbild.
CI egg, S. , Notable private libraries. Nr. 4. The
library of the Rev. Stopford A. Brooke, M. A.
The Bibliophile. 3. 1909/10. S. 186—194 mit 7 Ab¬
bild., 1 Taf.
Jacobs, E., Karl Zeisbergs literarischer Nachlaß.
Nachricht über die Fürstliche Bibliothek zu Wer-
nigerode. Geschäftsbericht 1908/09. Anhang. 12 S.
Mitterwieser, Exlibris Hanns Igler. (1470—1480.)
Exlibris , Buchkunst und angewandte Graphik. 19.
1909. S. 33 — 36, mit 1 Taf.
Weymann, K., Die Exlibris Eduard von Gebhardts.
Exlibris, Buchkunst und angewandte Graphik.
19. 1909. S. 36 — 43) mit 2 Tafeln und 7 Exlibris.
Wheeler, H. F. B., Notable private libraries. Nr. 5.
The library of Mr. W. B. Slater.
The Bibliophile. 3. 1909/10. S. 228 — 237, mit
9 Abbild.
Beiblatt.
Bibliothekswesen.
Be ss, B., Der Bibliothekar.
Der Tag. 1909. Nr. 192 vom 18. August.
Blink, H., De Economische Bibliotheek van het De¬
partement van Landbouw, Nijverheid en Handel
(’s Gravenhage, Lange Houtstraat 36).
Boekzaal. 3. 1909. S. 73 — 75> 1 Taf.
Bolton, Ch. K., The librarian’s canons of ethics.
Public Libraries. 14. 1909. S. 203 — 205.
Bos, D., University-extension en openbare leeszalen.
Boekzaal. 3. 1909. S. 142 — 150.
Breuer, R., Der Neubau der Königlichen Bibliothek.
Der Tag. 1909. Ausgabe A. Nr. 198 vom 25. August.
Briscoe, W. A., Arecent development in library work
amongst the young.
Library Association Record, n. 1909. S. 264 — 267.
Cagnat, M. R., Les bibliotheques municipales dans
l’empire romain.
Memoires de V Institut de France. Academie des
Inscriptions. T. 38. P. I. 1909. S. 1—26, m. 5 Taf.
Chambers, R. W., The Library ofUniversity College,
London.
Library Association Record, n. 1909. S. 350 — 358.
Chivers, C., The paper and binding oflending library
books. (Resume.)
Library Journal. 34. 1909. S. 350 — 354.
Colby, Ch. W., The library and education.
Library Journal. 34. 1909. S. 340 — 345.
Corns, A. R., Some insufficiently-developed points in
library practice.
Library Association Record. 11. 1909. S. 257 — 263.
Davis, M. L., and F. L. Rathbone, The necessity
of staff meetings.
Library Journal. 34. 1909. S. 299 — 304.
Delehaye, H., Catalogus codicum hagiographicorum
graecorum regii monasterii S. Laurentii Scorialensis.
Analecta Bollandiana. 28. 1909. S. 3 53 — 368.
Deville, E., Les manuscrits de l’ancienne bibliotheque
de l’abbaye de Bonport. (Suite.)
Revue des bibliotheques. 19. 1909. S. 171 — 187.
Falk, F., Mittelalterliche Bibliotheksordnungen.
Germania. 1909. Wissenschaftl. Beilage Nr. 23
vom 10. Juni.
Faloci-P ulignani , M., Le antiche cartiere di Foligno.
Bibliofilia. 11. 1909/10. S. 102— 127, mit 2 An¬
sichten und 25 Abbild, von Wasserzeichen.
Focke, R., Das Volksbibliothekswesen in der Provinz
Posen. (Schluß.)
Blätter Jiir Volksbibliotheken und Lesehallen. 10.
1909. S. 109 — 1 19.
Geiger, (K.), Bibliotheksschenkungen.
Zentralblatt Jiir Bibliothekswesen. 26. 1909. S. 368
bis 386.
Van den Gheyn, J., Le Pret des livres et des manu¬
scrits des Bibliotheques publiques d’aprös le regie¬
ment italien.
Revue des bibliotheques et archives de Belgique.
7. 1909. S. 1 — 22.
Gollob, E., Die Bibliothek des Jesuitenkollegiums in
Wien XIII (Lainz) und ihre Handschriften.
Sitzungsberichte der Kaiserl. Akademie der Wissen-
schäften. Philosoph.-histor. Klasse. Bd. 161. Ab-
handl. 7. 1909. 31 S.
Gould, Ch. H., Co-ordination, ormethodinco-operation.
Address of the president, American Library Asso¬
ciation, Bretton Woods Conference, 1909.
Library Journal. 34. 1909. S. 335—340.
Greve, H. E., Naar aanleiding van het regeerings-
onderzoek betreffende het openbare bibliotheek-
wezen in Nederland.
Boekzaal. 3. 1909. S. 40 — 42.
Greve, H. E., Bibliotheekspraktijk. 1. De Stamkata-
logus. Boekzaal. 3. 1909. S. 178—181, 1. Tabelle.
Grundmann, R., Zur Reform unserer Kataloge in
Vorbildersammlungen.
Museumskunde. 5. 1909. S. 153 — 156.
Gulyas, P. , Das ungarische Oberinspektorat der
Museen und Bibliotheken.
Museumskunde. 5. 1909. S. 135 — 153, mit 4 Abbild.
Hawkes, A. J., Partisan literature in public libraries.
Library World. 12. 1909/10. S. 28 — 34.
Hazeltine, M. E., Methods of training in one library
school. Library Journal. 34. 1909. S. 253 — 256.
Henrici, E., Funde in Braunschweigs Bibliotheken
und Archiven. 8. Henning Hägens, des Helm-
stedters, Schülerheft von 1453 (Wolfenbüttel).
9. Dietrich von Watzum. Ein Schriftsteller des
14. Jahrhunderts.
Braunschweigisches Magazin. 1909. S. 66 — 69. 81 — 84.
H o r n , E., Bibliothekdienst und Bibliothekwissenschaft.
Der Tag. 1909. Nr. 192 vom 18. August.
Jaeschke, (E.), Vorbildung und Ausbildung weib¬
licher Hilfskräfte im Bibliotheksdienste.
Zentralblatt Jiir Bibliothekswesen. 26. 1909. S. 407
bis 420.
Jaeschke, E., Die Zeitschrift in der Volksbibliothek.
Eckart. 3. 1908/9. ^S. 637—644.
Jungmann, J. A., De Bibliotheek van de tweede
Karner der Staten Generaal.
Boekzaal. 3. 1909. S. 2 — 5, 1 Taf.
Keller, H. R., The old-fashioned virtues versus the
ideal librarian.
Library Journal. 34. 1909. S. 295 — 298.
Krüger, (H.), Bücherbestellungen mit abgekürztem
Titel.
Zentralblattfiir Bibliothekswesen. 26. 1909. S.420 — 430.
Kunze, (K.), Die Neukatalogisierung der Königlichen
Bibliothek in Hannover.
Zentralblatt Jiir Bibliothekswesen. 26. 1909. S. 394— 407.
Latte rer von Lintenburg, F. Ritter, Über Militär¬
wissenschaftliche Vereinsbibliotheken.
Streffleurs österreichische militärische Zeitschrift .
1909. Heft 7. 8 S.
Leidinger, G., Mitteilungen der K. Hof- und Staats¬
bibliothek (Handschriftenabteilung).
Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst. 1909.
Halbband 1. S. 104— 105.
4
Beiblatt.
Notable Libraries: Eastbourne.
Library World. 12. 1909/10. S. 19—22, mit 3 Abbild.
Maire, G., Bibliotechepopolari in Germania. Rapporto
letto al congresso della federazione delle biblioteche
popolari.
Rivista delle biblioteche e degli arcliivi. 20. 1909.
S. 6— 11.
May, S. W., Literature and libraries in Liverpool.
Book- Audion Records (Karslake) . 6. 1908/9.
S. XLIX — LI I, mit 1 Taf.
American Library Association. Annual Meeting, 3 ist ,
Bretton Woods, N. H., June 26 — july 3, 1909.
Library Journal. 34. 1909. S. 362 — 373.
Minto, J., The Anglo-American cataloguing rules.
Library Association Record. 11. 1909. S. 289—302.
Mitjana, R., Una visita bibliografica a la Secciön de
Müsica de laReal Biblioteca Universitaria de U ppsala.
Bibliofilia. n. 1909/10. S. 1 — 23, mit 4 Faksim.
Modulo per la richiesta dei manoscritti e dei libri
rari nelle biblioteche governative.
Bollettino ufficiale dei ministero dell' istruzione
pubblica. 36. 1909. Vol. 1. S. 1397 — 1 398.
Molitor, (K.), Über Universitätsbibliotheksbauten.
Bemerkungen im Anschluß an den Neubau in Münster.
Zentralblatt für Bibliothekswesen. 26. 1909. S.386
bis 394.
Moses, M. J., The experimental temptation or the
attractive power ofbooks versus thelibrarian’s method.
Library Journal. 34. 1909. S. 247 — 253.
Phillips, W. J., Library manuscript magazines.
Library World. 12. 1909/10. S. 4— 7.
Pons, A., Le biblioteche popolari in Francia. Rapporto
letto al congresso della federazione delle biblioteche
popolari.
Rivista delle biblioteche e degli archivi. 20. 1909.
S. 1—6.
Prevost, M., Inventaire sommaire des documents
manuscrits contenus dans la collection Chätre de
Cange au Departement des imprimes de la Biblio-
theque nationale. (Forts.)
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Rivista di letteratura tedesca. 3. 1909. S. 88 — m.
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Zeitschrift für bilde?ide Kunst. 1909. August.
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Rivista di letteratura tedesca. 3. 1909. S. 66 — 78.
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Zeitschrift für den deutschen Unterricht. 23. 1909.
s. 383—391-
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Zeitschrift für den deutschen Unterricht. 23. 1909.
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Zeitschrift für den deutschen Unterricht. 23. 1909.
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— : Lyon, O., Zu Martin Greifs siebzigstem Geburts¬
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Zeitschrift für den deutschen Unterricht. 23. 1909.
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Zeitschrift für den deutschen Unterricht. 23. 1909.
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Hebbel: Wustmann, W. , Uhlands Einfluß auf die
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Grenzboten. 1909. Nr. 34. S. 362—370.
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Euphorion. 16. 1909/10. S. 147 — 166.
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Euphorion. 16. 1909/10. S. 116—131. (Wird
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Hoffmann: Knatz, K., E. T. A. Hoffmann und seine
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Arena. 1909. Juli. S. 393— 400 mit 5 Abbild.
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Beiträge zur Literaturgeschichte. 57. 1909. 37 S.
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Leopardi: Carafa, A., Lettere di Giacomo Leopardi
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Leuthold: Ivlemperer, V., Heinrich Leuthold. Ein
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Tägliche Rundschau. 1909. Unterhaltungsbeilage
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Lienhard: Weitbrecht, R., Friedrich Lienhard.
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Liliencron: Petrenz, A., Detlev v. Liliencron *J*.
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Vossische Zeitung. 1909. Sonntagsbeilage Nr. 32
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Goethe Jahrbuch. 30. 1909. S. 187 — 204.
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Modern Language Notes. 24. 1909. S. 129 — 132.
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Library. N. S. 10. 1909. S. 314 — 327.
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Der Zeitgeist. Beiblatt z. Berliner Tageblatt. 1909.
Nr. 25 vom 21. Juni.
Sidney: D ob eil, B., New light upon Sir Philip Sidney’s
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Quarterly Review. 1909. Juli. S. 74 — 10°-
Sohnrey: Kück, E., Heinrich Sohnrey. Ein Gruß
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Eckart. 3. 1908/9. S. 568 — 581.
Stifter: Hüller, F., Ein Beitrag zu Adalbert Stifters
Stil. Euphorion. 16. 1909/10. S. 136 145.
9
2
Beiblatt.
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Eckart. 3. 1908/9. S. 625—637.
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Dublin Review. 1909. Juli. S. 172 — 183.
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North AmericaJi Review. 1909. Juli. S. 93 — 100.
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Westminster Review. 1909. Juli. S. 29 — 35.
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Der Türmer. 1909. August. S. 673— 678.
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Fortnightly Review. I909. August. S. 233 — 238.
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Nineteenth Century. 1909. August. S. 226 — 233.
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Alfred Lord Tennyson.
Revue des deux mondes. 1909. August 15.
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Thompson: Delattre, F., Le pocte Francis Thompson
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Revue germanique. 5. 1909. S. 422 — 454.
Tolstoi: Baring, M., Tolstoy and Turgeniev. A contrast.
Quart erly Revieiv. 1909. Juli. S. 180—202.
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auf Grund seiner Schriften.
Grenzfragen des Nerven- und Seelenlebens. 66.
1909- 33 S.
Uhland: M oestue, \V., Uhlands Vorlesung über
nordische Sage.
Studien zur vergleichenden Literaturgeschichte.
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des arts d Amiens. 55. 1908. (Amiens 1909). S. 1— 36
mit 7 Taf.
Voltaire: Fournier, A., Voltaire und sein Arzt.
(Schluß.) Xenien. 1909. S. 327 — 339.
Werner: Leitzmann, A., Briefe Zacharias Werners
an Karoline von Humboldt.
Euphonon. 16. 1909/10. S. 93-100.
Wieland: Tornius, V., Karamsin und Wieland.
Grenzboten. 1909. Nr. 26. S. 620 — 625.
Neue Bücher.
„ William Morris og hans Betydtnng “ heißt ein
interessantes dänisches Schriftchen (36 S. 40. Preis
geb. Kr. 2.75), in dem Uffe Birkedal eine kurze, aber
erschöpfende Schilderung vom „Dichter, Künstler,
Fabrikanten und Sozialisten“ Morris entwirft. Der um
das dänische Buchgewerbe verdiente Buchdrucker
Simon Bernstee?i in Kopenhagen hat es in eigenem
Verlag herausgegeben und eigenhändig gedruckt, 675
Exemplare zweifarbig auf antikem Druckpapier, ferner
dreifarbig in der Handpresse 53 auf englischem Bütten-
und 55 auf Japanpapier. Morris, Bildnis darin ist auf
Vorschlag seiner Tochter May Morris zu dieser Arbeit
von seinem Freunde Walter Crane gezeichnet und von
zwei dänischen Xylographen in Holz geschnitten.
Rahmen und Initialen des Büchleins stammen von
Morris selber, verschiedenen seiner in der Kelmscot
Press hergestellten Arbeiten entnommen. Auch die
dänischen Künstler Gudmund Hentze, Hans Tegner
und (mit „Flora Danica-Initialen“) Anna Andersen
haben zum Buchschmuck mitgewirkt, die Ätzungen
sind mit größter Sorgfalt von Fr. Hendriksen und
Ch. Andersen ausgeführt. Den Satz hat Cecilie, die
Buchbinderarbeit und den Einband Valborg Bernsteen
besorgt. G. B.
Die Oxford-University Press hat soeben einen be¬
schreibenden Katalog der früheren Ausgaben Shake¬
speares in der Bibliothek von Eton College heraus¬
gegeben. Die Sammlung der Quartausgaben umfaßt
in fünf Bänden 22 Ausgaben von 18 Stücken; von
diesen sind mehrere unvollständig, während andere als
schlecht erhalten bezeichnet werden. Zehn derselben,
darunter zwei der unsicheren Stücke, wurden vor dem
Erscheinen der ersten Folioausgabe im Jahre 1623
gedruckt. Die erste Folioausgabe der Sammlung ist
ebenfalls ein ziemlich minderwertiges Stück, desgleichen
die dritte, während die zweite und vierte Ausgabe als
gut erhalten bezeichnet werden. Die sehr vollständige
bibliographische Beschreibung, die zugleich die Rang¬
ordnung der Stücke in der Folioausgabe und andere
auf bie Druckgeschichte derselben bezügliche Angaben
enthält, ist von Walter W. Gregg verfaßt.
Der Berliner Buchbinder Paul Kersten hat kürzlich
im Verlage Wilhelm Knapp in Halle ein Buch erscheinen
lassen, das sich „ Der exakte Bucheinband“ betitelt.
Wendet sich dies Buch auch in erster Linie an Buch¬
binder, so ist es doch für den Bücherfreund nicht
minder interessant, und muß bei unserm Mangel an
geeigneter Literatur freudig begrüßt werden, daß
Kersten in seinem Buch einen Ton zu finden wußte,
der es auch dem Laien ermöglicht, dasselbe von An¬
fang bis Ende interessiert durchzustudieren. Es ist
immer wieder die Klage zu hören, daß unsere Biblio¬
philen kein Verhältnis zur deutschen Buchbindekunst
haben; daß es nur wenige Bücherliebhaber gibt, die
Sinn für einen guten und schönen Bucheinband haben
und bereit sind, Geld für kostbarere Einbände auszu¬
geben und daß dann diese wenigen womöglich der¬
artige Einbände auch noch in England oder Frankreich
machen lassen. Gewiß sind bei uns reiche Biblio¬
philen nicht in dem Maße vorhanden, wie in England
und Frankreich; aber ebenso gewiß ist es, daß es der
10
Beiblatt.
deutsche Buchbinder weit weniger als sein französischer
und englischer Kollege verstanden hat, dem Publikum
Geschmack und Interesse an seinem schönen Hand¬
werk beizubringen. Nur wenige Leute haben einen
ungefähren Begriff, wie ein Buch gebunden wird, wie
viele Plandgrifife dazu nötig sind und wie sie alle exakt
ausgeführt werden müssen, um einen guten Bucheinband
zu ergeben. Ja, die wenigsten wissen überhaupt, wie
ein guter Bucheinband aussehen muß. Man hat in
Deutschland nicht allzuoft Gelegenheit, gute Einbände
zu sehen; bei uns dominiert der Verleger-Einband. Es
klingt, als wenn ich den Verlagseinband in Gegensatz
zu dem guten Einband stellen wollte. Dem ist aber
nicht so. Ein Verlagseinband kann sehr wohl ein guter
Einband sein; er muß sich aber bemühen, einen Typ
für sich zu bilden und muß aufhören, handgearbeitete
Einbände zu imitieren. Der Gedanke, der den Ver¬
lagseinband schuf, ist der, gute, haltbare und dabei
billige Einbände zu erzielen durch Massenanfertigung
mit Hilfe von Maschinen analog der Drucklegung des
Buches. Der Einband soll also offen bekennen: ich
bin mit der Maschine geheftet; meine Decke ist mit
der Maschine gemacht und mit der Presse bedruckt;
ich kann mir kein gutes — also teures — Leder leisten
und verschmähe schlechtes oder imitiertes, deshalb ist
mein Gewand gutes Leinen oder festes Papier. Ein
solcher Einband, der jeden falschen Schein meidet und
sich in bewußten Gegensatz zum handgefertigten
Einzeleinband stellt, kann gut und schön sein, ohne
daß er teuer zu sein braucht.
Der handgefertigte „exakte Bucheinband“ hat es
nicht nötig, nach einem Typ für sich zu suchen. Seine
Form steht seit Jahrhunderten fest und mit ihr die
Technik des Einbindens. Verändert haben sich nur
unwesentliche Dinge und wo die Buchbinder einmal,
wie z. B. in der zweiten Hälfte des XIX. Jahrhunderts
und in der Gegenwart, von der althergebrachten Tra¬
dition abweichen, so geschieht das eben zum Schaden
ihrer Erzeugnisse. Das Kerstensche Buch kann hier
sehr segensreich wirken; denn es geht zurück auf die
Technik der Alten und setzt an Stelle des kostbaren
Materials als Grundbedingung für einen schönen Ein¬
band eine exakte, präzise Arbeitsweise. Stufe für Stufe
zeigt K. seinen Lesern das Entstehen desBucheinbandes
verdeutlicht durch über ioo Abbildungen, die zum Teil
in sehr geschickter Weise die einzelnen Handgriffe
zeigen. Mit Vergnügen wird mancher Bücherfreund
ihm folgen und wird einzelne Einbände seiner
Bibliothek zur Hand nehmen und ihnen auf den Zahn
fühlen. Überrascht wird er dann die unexakte, luschige
Arbeit manches „Luxusbandes“ erkennen, die die reich
vergoldete Einbanddecke nun nicht mehr vor seinen
Augen verdecken kann. Er wird aber auch manchem
alten schlichten Bande begegnen und mit Freude sehen,
wie schön der doch ist, da er exakt und handwerklich
gediegen gearbeitet ist, ohne Ansprüche auf „Kunst“
zu machen. Ein Bücherfreund, der einmal soviel Inter¬
esse an der Buchbinderei genommen hat, wird nicht
mehr, wie vielleicht früher, mit den Verlagseinbänden
vorlieb nehmen, sondern es wird ihm eine besondere
Freude sein, sich mit einem tüchtigen Buchbinder in
Verbindung zu setzen, und mit diesem seine Einbände
selbst zusammenzustellen. Das Kerstensche Buch
wird ihm die Augen geöffnet haben und er wird nun
leicht erkennen, was wesentlich und was unwesentlich
am Einbande ist. Jeder gute alte Einband kann ihm
jetzt zum Lehrmeister dienen, nicht nur für die Technik,
sondern auch für die Verzierung. Kersten widmet
dieser ein ganzes ausführliches Kapitel und bringt ein
reiches Abbildungsmaterial moderner Stempel und mit
diesen ausgeführter Entwürfe. Aber diesen sieht man
größtenteils an, daß sie mit Absicht modern sein wollen.
Gewiß sollen wir es vermeiden, historische Stile zu
kopieren, und danach streben, auch in der Dekoration
unserer Bücher einen Ausdruck zu finden, der unserer
Zeit eigen ist. Aber wir sollen uns nicht ängstlich
damit quälen. Erfüllen wir die Forderungen unserer
Zeit und streben wir darnach, mit gutem, echtem Ma¬
terial in gediegener Technik Einbände herzustellen,
die zweckmäßig sind, so werden sie nicht nur gut und
schön, sondern auch modern werden. Der dem
Kerstenschen Buche angegliederte Aufsatz von L.
Sütterlin: „Der Entwurf des Bucheinbandes“ spricht
sich auch in diesem Sinne aus und enthält das beste,
was auf diesem Gebiet je geschrieben wurde. Unsern
Bibliophilen sei das Buch zum Ankauf und Studium
warm empfohlen.
Leipzig. Carl Sonntag jun., D. W. B.
Die deutsche Balzac- Ausgabe des Insel'-Verlags ist
nunmehr bis zum siebenten Bande vorgeschritten. Er
enthält den Schluß der Kurtisanengeschichten, die schon
zu den letzten Romanen Balzacs gehören und ihn nicht
mehr auf der vollen Höhe seines Könnens zeigen. Auf
das rein Stoffliche legte Balzac ja nie sonderlich viel
Wert; die Fabel ist bei ihm gewöhnlich dürftig und
meist ohne Originalität. In den „Kurtisanen“ häuft
sich das Abenteuerliche zu Bergen, so daß es nicht
immer ganz leicht ist, den Faden der Handlung vor
sich zu behalten. Aber als Sittenbild aus der Zeit des
Bürgerkönigstums ist der Roman von höchstem Inter¬
esse und ebenso als Dokument für die Arbeitsweise
Balzacs. Man versteht, daß Zola und seine Schule in
ihm ihr Meister sahen. Die Ausgestaltung des Zu-
ständlichen und der Begleitumstände war für Balzac
die Hauptsache. Das war der Gipfel seiner Künstler¬
schaft: die Darstellung des Menschen inmitten seiner
Umgebung, in seiner Abhängigkeit vom „Milieu“.
Die Übersetzung hat mit mancherlei Schwierig¬
keiten zu kämpfen. Ihr Stil ist ungleich, zum Teil
glänzend, namentlich im Reflektorischen, oft aber auch
in hohem Maße schludrig und flüchtig und nicht immer
geschmackvoll im Ausdruck; zuweilen verliert er sich
tatsächlich in Unverständlichkeiten. Die Übertrager
haben die Unebenheiten nach Möglichkeit zu glätten
versucht, und im allgemeinen ist ihnen das auch gut
gelungen. Dem Verlage aber kann man nur dankbar
sein, daß er uns die „Comedie humaine“ in einer auch
äußerlich stattlichen Gesamtausgabe zugänglich macht.
-bl-
ii
Beiblatt.
Die Festschrift zum 50jährigen Bestehen des Leip¬
ziger Künstlervereins, die der Vorstand als „Beitrag
zur Geschichte der Stadt Leipzig“ in 500 Exemplaren
drucken lieh, ist künstlerisch und buchtechnisch eines
der schönsten Werke, die im letzten Jahrzehnt ver¬
ausgabt wurden. Sie liegt uns in einem Großquart¬
bande vor, in weißes Pergament gebunden, das Bruno
Heroux als technischer Leiter des Ganzen mit dem
Signet des Vereins geschmückt hat. Schon diese
Deckelzier ist der Beachtung wert. Das Wort „Chro¬
nik“ und darunter das Monogramm des Vereins stehen
in Dragonerblau inmitten einer anmutigen, in Gold¬
druck ausgeführten Verschlingung von stilisierten Blatt¬
ranken, die zugleich die drei Künstlerschilde umgeben.
Darunter gesetzt sind die Jahreszahlen 1858 — 1908.
Von buntem Vorsatz hat man (nicht ganz zu Recht) ab¬
gesehen: die beiden sich gegenüberstehenden Titel¬
seiten: zur Hälfte ornamental und figürlich, zur Hälfte
mit dem Titeltext in schönen Lettern, zeichnete Hans
Zeissig. Nun kommt der zwei Seiten umfassende Druck¬
vermerk, in goldumränderten und von goldenen Quer
linien durchzogenen Kästen stehend. Wenn man das
liest, wird man vielleicht nicht glauben, daß es auch
wirklich geschmackvoll aussieht; es ist aber in der
Tat so: diese beiden Seiten sind in ihrer Art geradezu
vollendete buchtechnische Kunstwerke. Nur hätte ich
die Vermerke an den Schluß des Textes gestellt statt
an den Anfang. Den Übergang zum Text bildet ein
Sonderblatt mit einem prachtvollen Zierstück Max
Klingers ; dann beginnt die von Ernst Kieslirig ver¬
faßte Chronik des Vereins mit einem W- Initial Zeis-
sigs. Der Text wurde in der Offizin von Breitkopf &
Härtel gedruckt: in einer wunderschönen Antiqua,
deren glänzendes Schwarz gut mit der Elfenbeinton des
Papiers harmoniert. Auch die harmonische Wirkung
der Textseiten zu dem breiten Rande muß hervor¬
gehoben werden. Die Anbringung der Seitenziffern
am unteren inwendigen Rande verdient Lob; weniger
kann ich mich mit den kleinen Croquis befreunden, die
die Geschlossenheit des Gesamtbildes stören. An sich
sind sie freilich reizend, und es war immerhin gut, daß
man sie in einem zarten Lichtgrau reproduziert hat.
Ganz prächtig im Wechsel mit der Schwärze des
Drucks wirken die blauen Anfangsbuchstaben jedes
Textabschnitts. Mit Freytags Gedicht „Die Erschaffung
der Künstler“, dem Richard Gtimm einen reizvollen
Ornamentrahmen gegeben hat, schließt die Chronik
ab, und nun beginnen die Bildertafeln: 40 dunkelgraue
Kartons, auf die die Zeichnungen en flotrant befestigt
sind. Jedes Blatt trägt unten in sattem Braun ein von
Matthieu Molitor entworfenes Vereinssignet. Der
Druck der Kunstbeilagen, den verschiedene Firmen
stifteten, ist von großer Schönheit. Alles in allem: ein
Werk, über das ein Bibliophilenherz nur eitel Freude
empfinden kann. — bl —
C. F. Amelangs Verlag in Leipzig hat nach dem
Typus der kleinen Taschenausgaben englischen Ge¬
präges eine Reihe von zierlichen Büchlein herauszugeben
begonnen, gedruckt in einer altertümlichen, scharfen
Fraktur bei Poeschel &■* Trepte. An der Spitze steht
der erste Teil des „ Faust" (fünf verschiedene Aus
stattungen zu 1, 2, 3, 7*/,, 10 M., darunter eine auf
Dünndruckpapier, Gewicht ca. 100 Gramm in sehr ge¬
fälligem Lederband M. 2) Als Herausgeber zeichnet
Prof. Georg Berlit. Er gibt am Schlüsse Lesarten, die
ein Verzeichnis von Druckfehlern schamhaft unter
überflüssigen Varianten aus allerlei schlechten früheren
Faustausgaben verhüllen.
Der Herausgeber des zweiten Bändchens, „Frau
Rat in ihren Briefen " (in Leinen 1 M., in Leder 2 M.)
leitet seine spärliche Auswahl (128 Seiten) mit einer
dürftigen Biographie ein und hält es nicht für notwendig,
die vollständige Sammlung Kösters, auf der die seine
fußt, auch nur zu erwähnen.
Noch weniger bietet zum gleichen Preise der
dritte Band der Sammlung „Schillers IJebesfrühling.
Aus seinem Briefwechsel mit Lotte während der Braut¬
zeit“. Der Herausgeber (wieder nur mit den Initialen
J. R. H. bezeichnet) tut das psychologische Problem,
eines der merkwürdigsten unserer Literaturgeschichte,
damit ab, daß es Schiller schwer gefallen sei, sich für
eine der Schwestern Lengefeld zu entscheiden. Im
unmittelbaren Zusammenhang damit tritt die Behaup¬
tung auf, der Dichter habe sich noch nach der Hoch¬
zeit mit dem Gedanken an ein Leben in enger Gemein¬
schaft mit beiden Schwestern getragen. „Diese uns
merkwürdig anmutende Idee“ kann nur dem merk¬
würdig erscheinen, der an ein Verhältnis wie das
Swifts zu Stella und Vanessa oder wie Bürgers Doppel¬
ehe denkt. Dazu wird man unwillkürlich durch die
Ausdrucksweise der Einleitung veranlaßt, während
doch Schiller in einer solchen trüben Atmosphäre nie¬
mals hätte existieren können. Die Auswahl der Briefe,
in der die ganze Korrespondenz mit Karoline fehlt, ge¬
nügt nicht, um die inneren und äusseren Vorgänge zu
übersehen. G. K.
P. Angelo Secchi. Ein Lebens- und Kulturbild aus
dem XIX. Jahrhundert. Von Dr. foseph Pohle. Zweite,
gänzlich umgearbeitete und stark vermehrte Auflage.
(Mit einem Porträt und Faksimile Secchis, einer far¬
bigen Spektraltafel und 37 Abbildungen im Text.)
Köln, Verlag und Druck von J. P. Bachem. XV und
288 Seiten. Brosch. M. 4. — , geb. M. 5,30.
Der berühmte Astronom Jesuitenpater Angelo
Secchi gehört zu jenen katholischen Geistlichen, die
bei allem unverrückbaren Festhalten an der Weltan¬
schauung ihrer Kirche sich auf dem Spezialgebiete
ihrer Wissenschaft die größten Verdienste erworben
haben. Dies wird auch von der Gegenseite bereit¬
willigst zugegeben: bei dem 1878 erfolgten Tode Secchis
waren alle Kreise, „gläubige“ wie „ungläubige“, in
der Anerkennung der hohen Verdienste des großen
Gelehrten um die Wissenschaft einig. In Anbetracht
dessen sollten aber auch die Vertreter der katholischen
Wissenschaft und namentlich der Biograph des Ver¬
storbenen sich derselben Neutralität befleißigen, zumal
da es sich hier um ein Gebiet handelt, auf dem die Be¬
tonung des Gegensatzes des Konfessionsbekenntnisses
12
Beiblatt.
gar keine innere Berechtigung hat. Dieser Neutralität
aber wird geradezu ins Gesicht geschlagen, wenn der
Verfasser am Schluß seines Vorwortes gegen die „vom
Gottes- und Christusglauben losgelöste Naturforschung“
und das „traurige Glaubensbekenntnis“ Alexander
von Humboldt, der doch noch eine ganz andere Be¬
deutung für die Geschichte des menschlichen Geistes
besitzt als P. Secchi, in der heftigsten Weise polemi¬
siert und seinem Buche den Wunsch mit auf den Weg
gibt, „es möge sein Scherflein dazu beitragen, daß in
allen ehrlich nach der Wahrheit suchenden Natur¬
forscherkreisen die Überzeugung immer mehr sich
Bahn breche, daß die Wissenschaft ohne Gott nicht
Licht bedeutet, sondern Finsternis und daß sie die
Menschheit nicht glücklich macht, sondern ins Unglück
führt“. Dahin gehört es auch, wenn Pohle am Schlüsse
seines Buches sagt, Secchi habe seine Zunftgenossen
„so unmißverständlich auf das Licht des Glaubens und
des Christentums hingewiesen, daß jene Gelehrten, die
trotz dieser Mahnung auf dem öden Wege des seichten
Unglaubens hartnäckig beharren, keine Entschuldigung
haben“ — wenn er den Rationalismus, „der sich Gott
gleich setzen will“, „ein im Abfall von Gott gezeugtes
unreines System“ nennt und vom Materialismus sagt,
„er erniedrige sich zum Tiere“. Solche Äußerungen,
die in ihrem naiven Eifer nur erheiternd auf die Gegner
wirken können, beweisen immer von neuem nur das
eine, daß dem Katholizismus als solchem ein absoluter
Mangel an wissenschaftlicher Objektivität anhaftet, der
die Möglichkeit jeder weiteren Diskussion von vorn¬
herein glatt abschneidet und der sich am besten durch
das Schillersche Distichon charakterisieren läßt:
Dacht’ ich’s doch; haben sie nichts vernünftiges mehr
zu erwidern,
Schieben sie’s einem sofort in das Gewissen hinein.
Bezeichnend überdies für den Stand der „katholischen
Wissenschaft“ ist es, daß ein Professor der Theologie
(also ein Priester!), dem die astronomische Forschung
doch fernliegen muß, es unternommen hat, die Bio¬
graphie eines Astronomen zu schreiben; ein wirklicher
Fachmann hat sich wohl dazu nicht gefunden.
Abgesehen von diesen prinzipiellen Bedenken aber
ist Pohles Buch eine brauchbare, klar und gut ge¬
schriebene Arbeit, die über die wechselnden Lebens¬
schicksale Secchis, über seine zahlreichen Entdeckungen
auf dem Gebiete der Meteorologie, des Magnetismus
und der Astrophysik sowie über die Grundzüge seiner
Naturanschauung, wie Secchi sie in seinem großartigen
Werke „Unitä delle forze fisiche. Saggio de filosofia
naturale“ niedergelegt hat, in genügenderWeise orien¬
tiert. Ein 19 eng gedruckte Seiten umfassendes Ver¬
zeichnis der Schriften Secchis legt ein glänzendes Zeug¬
nis von der unermüdlichen Tätigkeit des Gelehrten ab.
Leipzig-Gautzsch. Paul Seliger.
Kleine Mitteilungen.
AlontaigJies Bibliothek. Eine interessante literar-
geschichtliche Forschungsarbeit hat in einem soeben
bei Hachette in Paris erschienenen Werk über Mon¬
taigne ein junger Gelehrter, Pierre Villey, unternommen;
er hat nämlich, um die Einflüsse und Anregungen,
die bei dem berühmten Verfasser der „Essais“ ver¬
mutlich wirksam gewesen sind, mit möglichster Sicher¬
heit festzustellen, versucht die Bibliothek zu rekonstru¬
ieren, die Montaigne auf seinem Landsitz benutzte.
Nach seiner eigenen Angabe hatte Montaigne „tausend
Bände“ in seinem Hause vereinigt, und es war „eine
der schönsten unter den Dorfbibliotheken“. So viele
Bücher hat nun Villey allerdings nicht als offenbar
häufige und ständige Lektüre von Montaigne er¬
mitteln können; immerhin vermochte er dies teils mit
Sicherheit, teils mit einem hohen Grade von Wahr¬
scheinlichkeit für 271 Bücher, was natürlich nicht aus¬
schließt, daß Montaignes Angabe annähernd richtig
war. Doch dürften die von Villey bezeichneten Bücher,
von denen einige direkt als Besitz Montaignes bezeichnet
waren, die meisten aber als Bestandteile seiner Biblio¬
thek erschlossen sind, immerhin den von ihm in erster
Reihe benutzten Kern darstellen. Lateinische und
italienische Bücher sind darunter natürlich stark ver¬
treten; denn wenn auch die französische Poesie bereits
durch Baif, du Bellay, Ronsard u. s. w., die Prosa
durch einige Romane und Geschichtschreiber ver¬
treten ist, so wurden doch zu jener Zeit noch fast alle
juristischen, theologischen und sonstigen wissenschaft¬
lichen Werke in lateinischer Sprache verfaßt, während
Komödien, Novellen, Dramen und die wichtigsten po¬
litischen und geschichtlichen Werke überwiegend von
Italienern verfaßt 'waren. So sind denn in Montaignes
Bibliothek nicht nur Machiavelli, Guicciardini, Petrarca,
Boccaccio, Castiglione, sondern auch eine große Anzahl
jetzt längst vergessener italienischerVerfasser vorhanden.
Seine eigentlichen Freunde aber sind die alten Schrift¬
steller und zwar vor allem die lateinischen: „Ich mache
mir nicht viel aus neuen Büchern,“ schrieb er, „weil die
Alten mir straffer und fester erscheinen; auch nicht
aus den griechischen, weil mich eine mäßige Einsicht
nicht befriedigen kann.“ Dies gewiß verwunderliche
Urteil dürfte sich freilich auch daraus erklären, daß
Montaigne die griechischen Studien, zu denen ihn sein
Vater anhielt, nie mit Eifer betrieben und es in dieser
Sprache nie zu großer Fertigkeit gebracht hat. So
hatte er denn auch nur wenige griechische Bücher in
seiner Bibliothek, während unter 250 Büchern, die er
nach Villeys Untersuchungen besessen haben muß, 35
italienische und 140 lateinische waren. Daher las er
auch völlig geläufig Latein ; mit sieben Jahren über¬
setzte er schon Ovids Metamorphosen, und mit fünfzig
zieht er beständigdieAnnalendesTacituszuRate; Horaz
zitiert er in seinen Essais 148 mal, Lucrez 149 mal,
Virgil 1 16 mal; ebenso zeigt er sich mit den Philo¬
sophen und Historikern völlig vertraut. Ziemlich
schlecht scheint dagegen Montaignes Bibliothek mit
theologischen, juristischen, philosophischen und natur¬
wissenschaftlichen Werken ausgestattet gewesen zu sein,
wie es nur natürlich ist bei einem Manne, der von sich
selbst sagte, daß er den verschiedenen Arten der Fach¬
wissenschaften keinen Geschmack abzugewinnen ver-
13
Beiblatt.
möge, und daß der Mensch und sein Tun der einzige
Gegenstand sei, dem er wirkliches Interesse entgegen¬
bringe. K. Schneider.
Ein unbeachtetes Werk der Werther- Literatur sind
die Beyträge zur Verteidigung und Erläuterung des
Canons der Heil. Schrift Und Der Christlichen R eligion
überhaupt von Johann Rudolph Anton Piderit. Zweyter
Beytrag, Frankfurt und Leipzig ijyö, das W erk eines
streng gesinnten, orthodoxen Geistlichen, der darin
auch gegen die zeitgenössische Literatur und vor allem
gegen Goethe als Sittenverderber herzieht. Besagter
Piderit, der am 18. August 1720 in Syrmont geboren
war (Allgem. deutsche Biographie), hat Zeit seines Le¬
bens in Streitigkeiten gelegen, wie die Akten des Mar-
burger Staatsarchives beweisen. Dort wirkte er seit
1745, er war seit 175g Doktor der Theologie und schon
seit 1747 ordentlicher Professor der Philosophie. Sein
Bestreben ging dahin, eine Einigung zwischen Evangeli¬
schen und Katholiken herbeizuführen. Aus diesen
Beweggründen widmete er, der evangelische Theologe,
seine 1751 erschienene Schrift „Von den Schlüsseln des
Himmelreichs“ dem Erzbischof von Mainz. Der Erz¬
bischof hielt die ehrlich gemeinte Widmung aber für
Hohn und setzte die Konfiskation des Buches durch.
Auch seine 1752 erschienene Abhandlung „de erroribus
Theologorum logicis circa S. Scripturam“ wurde auf Be¬
treiben seiner Kollegen eingezogen. 1766 ging er noch
Cassel an das Collegium Carolinum, aber auch dort
wurde ihm verboten, theologische Vorlesungen zu
halten. Hier entstand nun unsere Schrift mit ihren
scharfen Angriffen gegen Voltaire, Nicolai, Goethe usw.
Jede kritische Richtung war ihm verhaßt. „Die schänd¬
liche Produkte, welche von Zeit zu Zeit in unsern
Tagen herauskommen, sind, leyder! betrübte Zeugnisse
genug, wie weit es mit uns gekommen sey.“ . . . „ Wehr-
ters Leyde?i, ei?z unsre Sitten gänzlich verderbendes
Buch, machte so viel Geschrey, daß man für der
Dunse von Wehrters und Lottchens Gefühl und Emp¬
findungen, nicht mehr durch die posaunenden Zeitungen,
Journale, Blätter und Schriften hindurch dringen konnte.
Ein Narr, der noch viele andere, nicht sowohl in seiner
That angestekkt hat, als weil wir Christen so thöricht
seyn können, wilden, ungezogenen und unehrbaren Nei¬
gungen, ja selbst dem Selbstmorde ein Monument, mit
einem darauf geschriebenen Panegyricus, aufzurich¬
ten?“ ... Es wird nun geschildert, wie ein „ungesitteter“
Kandidat, trotz der Warnungen eines höheren Geist¬
lichen, zum Seelsorger einer Gemeinde berufen wird,
die aus den ins Spinnhaus verurteilten Personen be¬
stand. Der Kandidat schwängert eins seiner Beicht¬
kinder. Ironisch fährt der Verfasser dann fort: „Und
. . . angefüllet durch die edlen Flammen seines Lott¬
chens, gerührt durch die vortrefflichen Regungen seiner
erhabenen Menschheit, gieng er wie ein Held, unter
den Pallast seines Lottchens, männlich stark, stärker
wie Wehrter stand er unter dem Fenster seiner Göttin,
die ihm diese Regungen eingeflösset hatte, er erschoß
sich mit muthiger Faust im Angesichte seiner Geliebten,
und starb größer als Wehrter. — Das arme Lottchen
im Spinnhause! — Sollte wohl dieses nicht ein wich¬
tiger, ein noch viel wichtigerer Stoff, dem Verfasser
dieses verderblichen Buches geben, die Leyden des
zweiten Werthers zu beschreiben „Und wie viele
Beyspiele in ganz neuen Zeiten haben nicht den Ein¬
fluß dieses unsre Sitten verderbendes Buchs, auf die
Schwachheit unbedachtsamer und durch den wizzelnden
Ton leicht zu verführenden Menschen bewiesen?“ Noch
schärfer zieht Piderit aber gegen Goethes Puppenspiel
vom Leder. „In einer frevelhafften, brausenden und
höchst unanständigen Schrifft, unter dem Titel: Rhei¬
nischer Most. Erster Herbst, sind . . die unflätigsten
. . Dinge wieder zusammengedrukkt, damit ein jeder
diese Zoten recht beysammen haben möge, und wird
aber malen ein leidiger Beweiß abgelegt, wie wenige
Mühe es unsern galanten Herren koste, mit Gott und
den Heiligen der Religion, auf eine recht liederliche
Art zu spielen, so, daß auch selbst einem Heyden
die Haare dabey zu Berge stehen müssen, wann er
die unzüchtigen Lästerungen lesen wird, die hier gleich
in einer niedrigen Bierschenke ausgeschäumet werden.
Göthens Puppenspiel war, wegen der Lästerungen, die
auf die Erschaffung der Welt, den Sundenfall der
Menschen, Sündtluth etc. ausgespien . . . schon lange
würdig, auf dem Scheiterhauffcn zu liegen; und den¬
noch wurde es . . . damit ja in diesem brausenden
Moste, dem Leser diese doch faule und stinkende
Traube nicht entgehen möchte, in der säubern Samm¬
lung vorne an gesezzt . . In diesem Tone wird
Goethe weiter für alles Mögliche verantwortlich ge¬
macht. Piderit wurde übrigens auf Grund dieser Schrift
vorübergehend kassiert, aber nicht wegen seiner An¬
griffe auf die Literatur, sondern weil er den „Hoch-
Hochwohl- und Wohlgebohrnen , Gestrengen, Vesten
und Hochgelehrten“ Herren in Regensburg, denen er
diesen Band gewidmet hatte, und die er darin zum
Einschreiten gegen die kritische Richtung in der Theo¬
logie aufgefordert hatte, Verlegenheiten bereitet hatte.
Heute ist der Band sehr selten geworden.
Ernst Schulz-Besser.
Die Königliche Bibliothek in Kopenhagen hat in
ihrem Neubau jetzt eine permanente Ausstellung ihrer
charakteristischsten und wertvollsten Schätze dem
Publikum geöffnet. Sie ist in Kästen und auf Wand¬
tafeln unter Glas auf der Galerie über der octogon-
förmigen Vorhalle des ersten Stocks untergebracht und
umfaßt in 9 Abteilungen 886 Nummern, alle mit kurzer
Erklärung, wozu der wissenschaftlich gearbeitete Aus¬
stellungskatalog (116 Seiten 8°) noch ergänzende Be¬
merkungen gibt. Auf Wunsch steht sogar, gegen ge¬
ringe Vergütung, ein Bibliotheksbeamter als Führer
zur Verfügung. Alle Sachen dürfen zur Benutzung im
Lesesaal bestellt werden, auch fertigt das photographi
sehe Atelier, mit dem diese dänische Nationalbibliothek
nun ausgerüstet wurde, auf Bestellung Bildaufnahmen
davon an. Die Ausstellung bietet soviel des Inter¬
essanten, daß sie für jeden Bücherfreund oder Gelehrten,
der Kopenhagen besucht, zu den Sehenswürdigkeiten
gehören muß. Hier kann nur einiges wenige hervor¬
gehoben werden.
14
Beiblatt.
Die Entwicklung der Schrift des Abendlandes ist
durch griechische und lateinische Schriftproben aus
dem VI. — XV. Jahrhundert beleuchtet. — Unter den
Ha?idschriften des Occidents sehen wir vollgültige
Zeugnisse byzantinischer Kunst und ein 1278 von den
Athos-Mönchen geschriebenes Neues Testament; Paul
Warnfrieds lateinische Geschichte der Longobarden
(VIII. -IX. Jahihundert); Adam von Bremens „Historia
Hamburgensis“ (XIII. Jahrhundert); Juvenals Satiren
(1461), ein prächtiges Beispiel italienischer Renaissance¬
kunst; ein, sehr deutlich lesbar, hochdeutsch geschriebe¬
nes „Kriegs-Memorial“ (XVI. Jahrhundert) über Pflich¬
ten und Tätigkeit des Kriegsherrn, das König Chri¬
stian III. gehört hat; die älteste dänische Bibelüber¬
setzung (XV. Jahrhundert). Nicht nur als Kuriosum
ist das wie ein Herz geformte „Poesie -Album“ einer
jütländischen adeligen Dame vom Jahre 1550 von
Interesse; es enthält einige der ältesten dänischen
Volkslieder-Aufzeichnungen. Von hohem Wert ist auch
die Genealogie der Frau Lisbeth Bryske (J* 1674), die
Hauptquelle für die Geschichte des alten dänischen
Adels, mit in den Text gemalten farbigen Wappen.
Aus Island stammt der berühmte „Codex regius“,
2 Bände, die sogenannte ältere und jüngere Edda ent-
(XIII. beziehungsweise XIV. Jahrhundert), sowie das
„Flatöbuch“, dessen Inhalt, 1387—94 von zwei isländi¬
schen Pfarrern niedergeschrieben, aus zahlreichen
Sagen, Gedichten, Annalen usw. besteht, darunter den
ältesten Berichten über die Entdeckung Grönlands und
Amerikas. An das beliebteste Schreibmaterial der alten
Römer erinnert uns das Wachstafel-Kladdebuch zu
einem westpreussischen Gerichtsprotokoll für die Jahre
1380 — 1420: schwarzes Wachs, in Holztafeln gefaßt,
wurde mit dem Griffel mit Notizen beschrieben, die
man nach Eintragung in das Protokoll wieder aus¬
wischte.
Unter den etwa 240 ausgestellten Autographen
sind z. B. Martin Luther, Melanchthon, Leibniz,
Wilhelm und Jacob Grimm, Klopstock, Herder,
Wieland und Dickens mit Briefenan Baggesen
beziehungsweise H. C. Andersen, Walter Scott,
Tycho Brahe (sein ältestes Observationsbuch
von seiner Sternwarte auf Hveen); von Staatsober¬
häuptern Kaiser Karl V. mit Unterschrift und die
sämtlichen dänischen Könige von Christian II. an,
Zar Peter der Große und König Friedrich der
Große; von dem berühmten dänischen Staats¬
mann Peter Griffenfeld sieht man ein gedrucktes Büch¬
lein „Epiktet og Kebes“, in das er im Gefängnis, da
ihm der Gebrauch von Tinte und Feder verboten war,
mit einer Nadel Randbemerkungen eingeritzt hat. Und
nun folgen, nach Berufsklassen geordnet, eine große
Anzahl bekannter Dänen, hauptsächlich des XIX. Jahr¬
hunderts, mit je einem Schriftstück. Mit Interesse
betrachtet man die Manuskripte dänischer (und einiger
norwegischen) Dichter, den Fürsten der komischen
wie der tragischen Muse, Ludwig Holberg und
Adam Oehlenschlaeger, an. Man sieht, wie Hostrup
in seiner bekannten Studentenkomödie „Gjenboerne“
(Die Nachbarn) eine zu saftig geratene Szene durch¬
strichen hat; wie FI. E. Schack seine geniale Erzählung
„Fantasterne“ (Die Phantasten, 1857) mit sehr großen
Buchstaben in winzig kleine Kollegienhefte schrieb , so
daß nur 2 — 3 Sätze auf einer Seite stehen ; wie J. P. Ja-
cobsen zu seinem bedeutenden Roman „Niels Lyhne“
Briefpapier von anderer Farbe für jedes Kapitel be¬
nutzte; wie Henrik Ibsens Schrift, stets leserlich und
klar, von 1865 („Brand“ auf bläulichem Konzeptpapier)
bis 1884 doch eine Wandlung durchmacht: in „Vild-
anden“ (Die Wildente), auf feinem weißen Papier,
neigen die Buchstaben der stark kalligraphischen
Schrift nach rechts.
Der Entwicklungsgang der Buchdruckerkunst, im
Auslande sowohl als auch inDänemark mit seinenKolonien
läßt sich in der getroffenen Auswahl recht gut verfolgen.
Zu ihren allerersten Erzeugnissen gehört ein Ablaßbrief,
gedruckt in der ältesten Buchdruckerei zu Mainz 1454
und ausgefüllt für einen „Kannik“ (Kanonikus) an der
Frauenkirche zu Kopenhagen 1455, und der 2. Band
der 42 zeiligen Gutenberg-Bibel; zu ihren kleinsten
Büchern, mit mikroskopischem Druck, „Coquelle,
Etrennes galantes pour l’annee 1764“ aus Paris und
der bei C. F. Müller in Karlsruhe erschienene „Alma-
nach auf das Jahr 1822“. Ein Kuriosum ist auch ein
spanischer Taschenkalender für 1908, als Geschäfts¬
reklame bei Octavio Viadu, San Feliu Guixols (Gerona)
herausgegeben, auf Korktafeln in roter Schrift einseitig
gedruckt. — In der inländischen Gruppe dieser Ab¬
teilung erblickt man das einzige bekannte Exemplar
des ersten in Dänemark gedruckten Buches, das von
Johan Snell 1482 in Odense hergestellte ' Breviarium
Othinense. Mit Bewunderung erfüllen uns die Werke
von zwei alten dänischen Gelehrten, die sie in ihrer
eigenen Druckerei ausführen ließen : die älteste däni¬
sche Volksliederausgabe von 1591, die Anders Sörensen
Vedel zu Ribe auswählte und bei sich drucken ließ ;
und die „Epistolae astronomicae“, die Tycho Brahe
1596 auf seiner Uranieborg in Druck gab. Die älteste
dänische Fibel, welche die Bibliothek besitzt, ist das
von Universitätsbuchdrucker Ove Lynow 1731 verlegte
ABC, schon mit einem Hahn geschmückt. — Mit
einem Titel in zierlicher Schreibschrift und Goethe-
schen Versen als Motto stellt sich die erste Ausgabe
von Oehlenschlägers Gedichten 1803 dar, das Exem¬
plar ist mit einer eigenhändigen poetischen Widmung
des Dichters an Kamma Rahbek versehen.
Aus dem Orrnit stammen Handschriften auf Palm¬
blättern, moderne siamesische Gerichtsakten, auf
schwarzem Bastpapier mit weichem Griffel geschrieben,
ein mongolisches Manuskript auf Birkenrinde und
anderes mehr.
Die folgenden Abteilungen bringen eine Auswahl
kostbarer, schöner oder seltsamer Buchembände alter
und neuerer Zeit, eine Musiknotenabteilung mit Auto¬
graphen bedeutender Komponisten, endlich eine Gruppe
zur „ Weltkenntnis und Weltbetrachtung in älterer Zeit“,
die viele Kuriositäten aufweist; Bauernalmanache ; Ab¬
bildungen von Kometen, Meerwundern, Kannibalen,
Amazonen, einer Flugmaschine (deutscher Kupferstich
von 1709), Weltkarten und Landkarten über den Nor¬
den. Ein handschriftlicher deutscher „Cyprianus“ (vom
XVII. Jahrhundert, auf Pergament) mit dazugehörigen
15
Beiblatt.
losen Geistersiegeln wird noch heute hin und wieder
von naiven Leuten, die an seine Lehren der Geister¬
beschwörung glauben, in der Bibliothek zu Rate ge¬
zogen. Hier stehen auch ein paar mächtige Erd- und
Himmelsgloben, die Willem Janszoon Blaeu 1622 in
Amsterdam herstellte. Zuletzt ist da noch eine Samm¬
lung historisch-topographischer Bilder und Karten, dar¬
unter eine Reihe satirische, dänische sowohl wie deutsche
Zeitbilder (meist gräßliche Farbendrucke) aus dem
Jahre 1848 und eine gewaltige Leinwand mit der Stamm¬
tafel des sächsischen Fürstenhauses und der Verwandt¬
schaft des dänischen Königshauses mit ihm, 1646 in
Öl gemalt, mit deutschem Text.
Auf die prachtvollen Miniaturen in den alten Manu¬
skripten und Inkunabeln konnte hier nicht eingegangen
werden. Über sie hauptsächlich handelt mit 1 1 Ab¬
bildungen ein anläßlich der Eröffnung der Ausstellung
erschienener Aufsatz von Bibliothekar Dr. A. A. Björnbo
in „Gads Danske Magasin“ (Kopenhagen), 1908, Juli-
Heft. G. Bargum.
Zum Schicksal der Baskervilleschen Typen . Über
die Geschichte der berühmten Baskervilleschen Typen
war bis jetzt über das Jahr 1810 hinaus, das Jahr, wo
Beaumarchais’ Druckerei in Kehl aufgelöst wurde, nichts
mehr bekannt, wenn auch das Gerücht besteht, daß sie
bald nach jener Zeit verkauft worden seien. Strauß
und Dent drucken in ihrem Werke über John Basker-
ville die Anzeige eines bevorstehenden Verkaufs von
Baskervilleschen Typen ab. Die Anzeige ist undatiert,
gehört aber nach Ansicht der Verfasser den ersten
Jahren des XIX. Jahrhunderts an. Ob dieser ''/er¬
kauf oder die Versteigerung wirklich erfolgt ist,
können wir daher nicht sagen. Angeblich soll die
Kaiserin von Rußland eine Anzahl der Typen gekauft
haben. Doch ist das allem Anschein nach eine leere
Vermutung, die darauf zurückgeht, daß Kaiserin
Katharina in früherer Zeit einmal die Absicht hatte,
eine Voltaireausgabe herzustellen, eine Absicht,
die gerade Beaumarchais wesentlich mitbestimmte,
seine berühmte Baskerville-Ausgabe herzustellen. Im
Gegensatz zu diesem unbeglaubigten und unwahr¬
scheinlichen Gerücht legt im letzten Heft der „Library“
R. Flower eine briefliche Urkunde vor, aus der sicher
hervorgeht, daß, wenn nicht der ganze, so doch jeden¬
falls der größte Teil des Beaumarchaisschen Besitzes
an Baskerville-Typen von Beaumarchais’ Tochter, Frau
Delarue, an den berühmten Drucker Pierre Didot ver¬
kauft worden ist. Im Januar 1819, vermutlich dem
Jahr nach dem Erwerb, bot Didot die Typen dem Sir
Francis Henry Egerton, nachmaligem achten Earl von
Bridgewater, einem damals in Paris sehr bekannten
Sammler von Handschriften und sonstigen Seltenheiten,
zum Preis von 6000 Franks zum Kauf an. Es waren,
wie er mitteilt, etwa 3000 stählerne Stempelpatrizen
und ebensoviele kupferne Matrizen mit etwa 22 ver¬
schiedenen Schriftsätzen, vom kleinsten bis zum größten,
römisch und cursiv. Beaumarchais habe für das
Ganze 20000 Pfund Sterling bezahlt, er selbst habe sie
nicht aus praktischen Gründen, da seine eigene
Druckerei vollkommen mit Typen ausgestattet sei,
sondern der Seltenheit wegen und aus Liebhaberei von
Frau Delarue erworben und teils mit barem Gelde,
teils mit Ausgaben seiner Druckerei bezahlt. Die
Sammlung hervorragend schöner englischer Typen
könnte, wie Didot hinzufügte, nicht nur für den Lord
selbst Wert haben, sondern auch sehr wohl zur Unter¬
stützung und Aufmunterung für einen Drucker ge¬
eignet sein, den der Lord belohnen oder dem er
eine Lebensstellung begründen wolle. Egerton scheint
indessen auf das Angebot nicht eingegangen zu sein,
und damit verschwinden die Baskervilleschen Typen
anscheinend für immer vom Schauplatz.
K. Schneider.
Akademie-Preise. Bei der letzten Preisverteilung
der Academie des Inscriptions et Belles-Lettres in Paris
hat den ersten Gobert-Preis De lache nal für seine „Ge¬
schichte Karls V. von Frankreich“, den zweiten Gobert-
Preis Gaillet für seine „Geschichte der Beziehungen der
Gemeinde Lyon zu den Königen Karl VII. und Lud¬
wig XI.“ erhalten. Von dem Saintour-Preis haben er¬
halten der Abbö Roussel 1500 Fr. für die Übersetzung
des Ramayana, der P. Antonin Jaussen 500 Fr. für sein
Werk „Coutumes des Arabes au pays de Moab“,
Macler 500 Fr. für seinen Katalog der armenischen und
persischen Handschriften der Nationalbibliothek und
Francois Martin 500 Fr. für seine Übersetzung des
Buches Henoch aus dem Äthiopischen. Von dem
Bordin Preis haben erhalten Edmont Douttti 1000 Fr.
für sein Werk „Magie et religion dans l’Afrique du
Nord“, General de Beylii 500 Fr. für sein Werk „La
Kalaa des Beni Hammed“, de Genouillac 500 Fr. für
die „Materiaux pour servir ä l’histoire de la socidte
sumerienne“, Clement Huart 500 Fr. für „Les calli-
graphes et les miniaturistes de l'Orient musulman“ und
Lafuma 500 Fr. für seine Übersetzung des Zohar.
(Internat) Wochenschr. für Wissenschaft usw.)
Als Beleg fruchtbarer Beziehungen von Literatur-
und Kunstwissenschaft geben wir den nachfolgenden
interessanten Aufsatz Ja7i Veths aus der vortrefflich
geleiteten „Kunstchronik“ (Verlag E. A. Seemann
in Leipzig) wieder:
Vor einiger Zeit zeigte mir Herr Ant. Mensing,
der ausgezeichnete Bibliophile und Kunstkenner in
Amsterdam, .ein kurioses altes Buch „Le Cabinet de
Mr. de Scudery“, im Jahre 1646 in Paris erschienen,
worin er auf folgendes Gedicht hinwies:
Le Portraict
de Monsieur
le Marquis
d' A?idelot.
De la main de Rheimbrandt
Tels les Perses autresfois,
Vouloient que fussent les Rois,
Qu’ils esleuoient sur le Throne :
Chacum en le voyant en demeure charme;
II paroist Adonis, lors qu’il n’est point arme,
Et lors qu’il a son Casque, une Reine Amazone.
Beiblatt.
Man hat es hier also mit einem zeitgenössischen
Gedicht auf ein jedenfalls vor 1646 von Rembrandt
gemaltes Porträt zu tun.
Der Dargestellte soll ein bartloser junger Mann
sein von distinguierter, wohl etwas weiblicher Schön¬
heit, Adonis ähnlich wenn er keine Waffen trägt, und
wenn er den Helm auf hat, aussehend wie eine Ama¬
zonenkönigin.
Er kann aber doch nicht auf einem selben Bild
zugleich bewaffnet und unbewaffnet seinl
Ist es dann möglich, daß es sich hier um solch
ein Porträt handelt, wie Rembrandt um die Mitte der
dreißiger Jahre öfters malte, und worauf die Handlung
transitorisch dargestellt ist? Kann der junge Marquis
gemalt sein, während er dabei ist, sich zu waffnen?
Und sieht man dann den Helm, wovon am Schluß
des kleinen Gedichts gesprochen wird, irgendwo neben
ihm liegen?
Wenn man mit dieser Auffassung die früheren
Bände von Bodes großem Rembrandt durchblättert,
findet man schnell ein Bild, was der poetischen Be¬
schreibung des Mr. Scudery genau entspricht und aus
französischem Besitz stammt. (Jetzt bei Richard Mor-
tirner, New York.)
Bode reiht es als Nr. 205 unter die genrehaften
Einzelfiguren aus der Periode 1634 — 37 ein , und
nennt es „Ein Krieger, den Panzer anlegend“. In der
Beschreibung sagt er . . . „im Begriff den Gürtel zu
schnallen. In Beinschienen und Brusthamisch; .links
auf einem Tisch liegt der Helm. Dunkles langes Haar,
ohne Bart. Der ärmellose Panzer läßt die gestickten
Rockärmel und weißen Manschetten sehen. Rechts
an der Wand ein Plakat.“ Auf diesem Plakat ist etwas
geschrieben oder gedruckt, — vielleicht war es wirk¬
lich ein Aufruf zum Krieg oder zur Übung! Höchst¬
wahrscheinlich ist der junge Mann mit dem feinen
romanischen Gesichtsschnitt, den hübschen Händen
und den wohlgepflegten Haaren ein wirklicher Offizier.
Der Marquis d’Andelot — denn zweifelsohne haben
wir es hier mit dessen Bildnis zu tun — gehörte zur
bekannten Hugenottenfamilie der Colignys, welche mit
dem Prinzen Friedrich Heinrich nahe verwandt war.
Des Prinzen Mutter war Louise de Coligny, deren
Vater, der berühmte Admiral Gaspard de Coligny,
in der Bartholomäusnacht ermordet wurde. Ein Bruder
dieses Gaspard war der tapfere Francis de Coligny,
Seigneur d’Andelot, dessen Söhne Henri und Gaspard
auf niederländischer Seite gegen die Spanier kämpften.
Es läßt sich vermuten, daß unser von Rembrandt
gemalter und dem Aussehen nach um 1615 geborener
Marquis einer der Söhne von diesem, auf einem
hübschen Stich von W. J. Delff nach Miereveit ganz
martialisch aussehenden, jüngeren Gaspard war, denn
Henri war schon 1601 vor Ostende gefallen. Vielleicht
läßt sich von französischen Genealogen hier Festeres
bestimmen. Sicher aber gehörte der „Adonis" zu dem
in Holland weilenden französischen Familienkreise
Friedrich Heinrichs. Der Sekretär des Prinzen, Con-
stantyn Huygens, könnte dem Ausländer dann den
gerade zu der Zeit sehr mit ihm liierten Rembrandt
empfohlen haben.
Z. f. B. 1909/19 10. 5/6. Beiblatt. —
Und jedenfalls findet man in diesem Bild wieder
ein Beispiel dafür, wie ein Gemälde von Rembrandt,
das man für ein Genrebild halten könnte, in Wirklich¬
keit doch ein authentisches Porträt ist. Und daß dei
große Freibeuter in seiner ersten Amsterdamer Periode
doch eine Zeitlang der Modemaler der vornehmen
Welt war, davon bietet dieses hübsche Konterfei ein
neues Zeugnis.
Ein Manuskript Gottfried Kellers. Aus der inter¬
essantesten und noch am wenigsten erforschten Lebens¬
zeit Gottfried Kellers, derjenigen, in welcher sich sein
Übergang vom Maler zum Dichter vollzog, hat sich
eine Handschrift von etwa sechzig Gedichten erhalten,
die, wie wir hören, im Herbst in einer prächtigen Faksi¬
mile-Ausgabe bei H. Haessel Verlag in Leipzig er¬
scheinen soll. Mit der Herausgabe ist Adolf Frey , der
bekannte Verfasser der „Erinnerungen an Gottfried
Keller“, betraut worden. Die Wiedergabe des Manu¬
skripts wird bis auf die Färbung des Papiers täuschend
sein, so daß der Käufer die saubere, charakteristische
Handschrift Kellers sozusagen in Händen halten wird.
Auch eine kleine humoristische Zeichnung Kellers soll
reproduziert werden. Es wird nur eine einmalige Auf¬
lage von 500 in der Presse numerierten Exemplaren
hergestellt. Der Subskriptionspreis ist bis 1. Dezember
dieses Jahres 10 M., später wird er auf 15 M. erhöht
werden.
Heinrich Seidels Büchersammlung ist in den Be¬
sitz des Berliner Antiquars Paul Graupe übergegangen.
Das Verzeichnis läßt uns einen Blick in jene Werkstatt
tun, wo „Leberecht Hühnchen“ und der „Anhalter Bahn¬
hof“ erstand. Was das merkwürdigste ist: Den Haupt¬
bestandteil von Seidels Büchern bilden Schriften, deren
Zusammenhang mit seinem dichterischen Schaffen
und auch mit den Werken des Ingenieurs schwer zu
finden ist. — E. T. A. H offmann ist der Name, der
die Sammlung beherrscht. Sein ganzes Werk ist voll¬
ständig in den ersten sehr seltenen und auch in den
späteren Drucken vertreten, u. a. die berühmte Aus¬
gabe der „Kindermärchen“ von 1816/17 in einem un¬
berührten Exemplar, die unauffindbar gewordene „Vi¬
sion auf dem Schlachtfeld bei Dresden 1814“ und so in
langer Reihe die Schriften des großen Phantasten. Be¬
sonders interessant ist das Exemplar der „Prinzessin
Brambilla“, in das Hoffmanns Freund Ludwig Devrient
— vielleicht nach einer durchzechten Nacht bei Lutter
undWegner — die Worte schrieb: „Zum Andenken des
Tages der höchsten Potenz.“ — Der Erstausgabe des
„Meister Floh“ liegt ein Brief des Verlegers Wilmans
bei, mit dem Passus: „Daß ,der Floh* nicht so blutig
stechen wird, als es von seiten der pr. Regierung be¬
fürchtet würde“.
Auch andere Romantiker sind gut vertreten: Bren¬
tano mit den Märchen von 1846 und der Gesamtausgabe
seiner Schriften, Arnim, Heine usw. Heinrich Seidel
hat eine besondere Neigung für den Schwulst des
XVII. Jahrhunderts gehabt, für Lohenstein, Harsdörffer,
die Pegnitzschäfer, Hofmannswaldau. Man denke:
17
3
Beiblatt.
unser lieber Leberecht Hühnchen und Hofmanns¬
waldau !
Es gibt eigentlich nichts anregenderes, als in eines
Dichters Bücherei zu wühlen, die Zusammenhänge zu
suchen, den Punkt zu finden, wo der Jüngere bei dem
Alten das Gemeinsame fand. Der Katalog, den Paul
Graupe, der glückliche Käufer, im September heraus¬
geben wird, soll als Einleitung die deutlichste dieser
Neigungen Seidels, sein geistiges Verhältnis zu
E. T. A. Hofifmann, ausführlich behandeln.
Niederländische Buchausstellung in Amsterda?n.
Wie die „Deutsche Wochenzeitung für die Niederlande
und Belgien“ mitteilt, wird anläßlich des im Juni 1910
in Amsterdam tagenden Internationalen Verleger¬
kongresses dort eine nationale Buchausstellung
eröffnet werden, die möglichst viel von allem
veranschaulichen soll, was die Niederlande seit dem
XV. Jahrhundert in der Hervorbringung von
Druckwerken (Literatur, Wissenschaften, Kunst, Land-
und Seekarten usw.) geleistet haben.
Durch rechtskräftiges Urteil der 1. Strafkammer
des Landgerichts in Königsberg ist dahin erkannt
worden :
Alle Exemplare des „Amethyst“, herausgegeben
von Franz Blei, soweit dieselben sich im Besitze des
Verfassers, Druckers, Herausgebers, Verlegers oder
Buchhändlers befinden und öffentlich ausgelegt oder
öffentlich angeboten werden, nebst den Abbildungen,
sowie die zu ihrer Herstellung bestimmten Platten und
Formen sind in folgenden Teilen:
I. von den Abbildungen: 1. ex libris, 2. Der Besuch,
3. Die Einkleidung, 4. Ein Holzschnitt, 5. Eine Re¬
produktion ;
II. von den Druckschriften: 1. Der Florentiner Ri-
dolfo (S. 10), 2. Die Lesbierinnen (S. 14), 3. Paradox
über die Liebe (S. 17), 4. Von „2 Deutsche Schwänke“
Von einem Müller und seinem Weibe (S. 27), 5. Zwei
chinesische Schwänke (S. 74), 6. Der Sänger (S. 85),
7. Der Streit um die Perle (S. 92), 8. Der Blumen¬
unterricht in der Yoschiwara (S. 94), 9. Drei Mimen
des Herondas (S. 102), 10. Alte Männer und junge
Frauen (S. 110), 11. Eine Ehescheidung (S. 112), 12. Die
unbesiegbare Prinzessin (S. 141), 13. Die zehnte und
die elfte Freude der Ehe (S. 148), 14. Ruhestatt der
Liebe (S. 154), 15. Vier unveröffentlichte Erzählungen
aus 1001 Nacht (S. 237), 16. Mit der Blendlaterne „das
Monstrum“ (S. 254), 17. Die Nachtwache der Venus
(S. 260), 18. Drei Verseerzählungen des Abbe Grecourt
(S. 277), 19. Aus dem Taschenbuch eines Frauen¬
zimmers (S. 282), 20. Fünfzig Gedichte aus einem
Manuskript: Die Laterne (S. 314), 21. Die zwei unver¬
öffentlichten Kapitel aus Casanovas Memoiren (S. 327),
22. Phantasien in drei priapischen Oden (S. 343)
unbrauchbar zu machen.
Die übrigen Teile des „Amethyst“ sind nicht Gegen¬
stand der hier erfolgten Verhandlung und Entscheidung
gewesen. Inwieweit auch sie unzüchtig sind, ist von
dem hier erkennenden Gericht daher nicht geprüft
worden. _
— 18
Exlibris-Tausch
Die Aufnahme einer Adresse kostet in dieser Rubrik
für jedes Heft l. — Mk. (2 Zeilen), Jahres-Abonnement
10 Mk., Halbjahres -Abonnement 6 Mk.
W. Drugulin, Leipzig
(Entwurf von L. Sütterlin.) KönigStr. IO
Frau Paula Katz, Reichenberg (Böhmen)
Rad. von K. Reiß, tauscht nurgegeu Radierungen. Wienerstr.
Frau Pastor Schreiber, Leipzig-Gohlis
Fritzschestraße
Karl Seidel, Verlagsbuchhändler, München
(Vom Künstler sign, ßfarb. Orig.-Holischnitt Römerstr. l6
von Harry Schulz nur gegen hervorragende originalgraphische
Blätter. — 3 färb. Klischeedrucke auf Japan nur gegen
Gleichwertiges.)
Horst Stobbe, Buchhändler, München
Schwanthalerstr. 2
(Exlibris von K. Fincke u. C. Schwalbach.)
Fräulein Liesel Wachenheimer, Straßburg i. E.
(tauschtauch Doubietten.) Weukerstraße 4 II
Georg Werckmeister,
(Eigener Entwurf.)
Chr. Wohlers,
Bromberg
Berlin W. 57
Dennewitzstr. 31 part.
VERLAG VON
KARL W. H1ERSEMANN, LEIPZIG
In meinem Verlage ist soeben erschienen:
CODEX B(ERNERIANUS
Der Briefe des Apostels Paulus (MSC. Dresd.-A. 145b)
Eine griechische Handschrift aus dem
9. Jahrhundert der 1 3 Briefe des Apostels
Paulus, entstanden im Kloster St. Gallen
In Lichtdruck nachgebildet. Mit einem Vorwort von
Dr. Alexander Reichardt.
Herausgeg. v. d. Königlichen Öffentlichen Bibliothek
zu Dresden (Geh. Regierungsrat Dr. H. Er misch).
Groß-Oktav, 99 Blatt in Lichtdruck, die ersten 7 Blatt
mit kolorierten Buchstaben. 24 Seiten Titel, Wid¬
mung und einleitender Text. In Leder gebunden.
Preis 100 Mark.
Die oben genannte Handschrift ist eine der wertvollsten der
Kgl. öffentl. Bibliothek in Dresden, sie ist benannt nach ihrem
früheren Besitzer, dem Leipziger Professor Christian Friedrich
Börner, f 1753. — Die Eigentümlichkeit der Schreibweise und
besonders ein kleines Gedicht in irischer Sprache (Bl. 23) weisen
darauf hin, daß der Schreiber einer jener irischen (Schotten-)
Mönche war, die im fränkischen Reiche als Verbreiter des
Christentums und gelehrter Bildung tätig waren. Die Leitung
des Klosters St. Gallen lag damals in den Händen des Abtes
Hartmot, die der Schule in denen des gelehrten Schotten-
mönches Moengal, auf deren Veranlassung und unter deren
Leitung dürfte der Kodex abgeschrieben worden sein.
Ausführlicher Prospekt gratis Interessenten können das Buch
durch Vermittlung jeder Buchhandlung einsehen.
Leipzig, Königstr. 29. Karl W. Hiersemann
Beiblatt.
Durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts I in
München wurde angeordnet, daß die im Verlag von
Herman Hartleb in Preßburg erschienene Druckschrift
„ Rutengeschichten “ sowie die zu ihrer Herstellung be¬
stimmten Platten und Formen unbrauchbar zu machen
sind.
Die seinerzeit durch Beschluß des Amtsgerichts
Berlin-Mitte beschlagnahmte Druckschrift „Ssanin“,
Jungrussischer Roman von Arzybaschew, Verlag von
Hermann Seemann Nachfolger , Berlin und Leipzig,
ist jetzt durch Beschluß der Strafkammer 7 des Land¬
gerichts I Berlin freigegeben worden.
Auf Grund rechtskräftigen Urteils des Landgerichts I
in Berlin sind alle Exemplare folgender Schriften nebst
den zu ihrer Herstellung bestimmten Platten und For¬
men unbrauchbar zu machen :
1. Der Heptameron. Erzählungen der Königin von
Navarra. Aus dem Französischen übersetzt von Wil¬
helm Förster. Leipzig, Bibliographische Anstalt Adolf
Schumann;
2. Paprizierter Humor. Ein Buch zum Totlachen.
Herausgegeben v. E. Laetitius ;
3. Frauenk?iiffe und Tricks raffinierter Weiber.
Interessante Schilderungen aus dem Frauenleben. Ent¬
hüllungen und Erfahrungen eines Mannes der großen
Welt. Mit vielen Illustrationen von Kunstmaler R. Scholz.
Wegen Verbreitung einer unzüchtigen Schrift ist
am 1. April vom Landgerichte III in Berlin der Buch¬
händler Willy Schindler, Inhaber einer Verlags-, Ver¬
sand- und Exportbuchhandlung, zu einer Geldstrafe
verurteilt worden. Er ist mehrfach vorbestraft und hat
selbst ein Buch über das erotische Element in Lite¬
ratur und Kunst geschrieben. Im Jahre 1907 ging der
Staatsanwaltschaft anonym ein von dem Angeklagten
herausgegebener Prospekt zu, der sich auf eine „Ver¬
einigung deutscher und österreichischer Bibliophilen“
bezog. Darin wird eine Reihe von Schriften ihrem In¬
halt nach skizziert. Wer der Vereinigung mit 3 M.
Jahresbeitrag beitrete, erhalte diese Schriften zugesandt.
Das Gericht hat festgestellt, daß dieser Prospekt eine
unzüchtige Schrift ist. — Die von dem Angeklagten
eingelegte Revision wurde am 18. dieses Monats vom
Reichsgericht verworfen. (Börsenblatt)
Im Prager Technologischen Gewerbemuseum soll
vom 10. bis 31. Oktober d. J. eine Ausstellung von
Bucheinbände?i und Buntpapieren stattfinden, veran¬
staltet von der Handels- und Gewerbekammer. Es
haben sich bereits sechzig Aussteller angemeldet,
darunter die Fachschulen in Wien, Hamburg- Altona,
Berlin, München, Düsseldorf und Leipzig, Hofrat
F. Bartsch in Wien mit seiner reichen Sammlung
künstlerischer Papiere und eine Sonderausstellung
dänischer Kunstbuchbinder.
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Steiner-Prag
Als Beginn einer Reihe von Sonderpublikationen
aus der Zeitschnft für Bücherfreunde soll von dem
Artikel des Juni- Heftes über Hugo Steiner-Prag im
Herbst eine Separatausgabe in der von uns geschnit¬
tenen Letnmentype erscheinen. Sie wird in bedeutend
erweiterter Form sich bis auf die neuesten Arbeiten
Steiners erstrecken. Besonderes Augenmerk wird auch
den Exlibris gewidmet, einem Zweige seiner Tätigkeit,
den Steiner in letzter Zeit eifrig gepflegt hat. Einige
sehr reizvolle Illustrationen, unter anderem das früher
schwarz gegebene Bild aus dem Leipziger Kalender
1909, erscheinen in farbiger Wiedergabe. Bestellungen
auf die Publikation, die in einer Auflage von nur
500 Exemplaren gedruckt wird, nehmen wir schon
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In meinem Verlage ist soeben erschienen:
Taschenbuch des Bücherfreundes
für 1909 (Jahrgang I.)
In Batist geb. M. 6. — , in Ganzleder M. 7.50.
Das Taschenbuch enthält zunächst eine schematische Buchführung, deren Ausführung
nicht nur eine vollständige Übersicht über den Wert und Inhalt einer Bibliothek oder
Sammlung ermöglicht, sondern auch die Ausgaben für jeden Zeitabschnitt feststellen läßt
Ersteres ist wichtig für die Feuerversicherung oder bei beabsichtigter Ver¬
äußerung, letzteres für die Beschlußfassung über weitere Ankäufe usw.
Wertvoll ist ferner die Möglichkeit, leicht festzustellen,
von wem und zu welchem Preise ein Buch bezogen wurde (z. B. zwecks Reklamation),
wann Auktionstermine, Vereinsabende usw. stattfinden,
welche Dubletten vorhanden sind, welche Desiderata besonders gesucht werden;
an wen ein Buch verliehen wurde; von wem ein Buch entliehen ist und wann;
ferner welcher Buchbinder dies und jenes Buch zum Binden erhielt;
Preis wie vereinbart usw. usw.
Ferner erteilt das Taschenbuch Auskunft über Vereine, Zeitschriften, Münz¬
werte, Posttarif, gibt Bezugsquellen usw.
Ein Beiheft, betitelt Jahrbuch, bringt Abhandlungen von besonderem Wert für jeden
Bücherfreund.
Vorliegender erster Jahrgang, der mit einer Abbildung: ,,F. v. Zobeltitz in seiner
Bücherei“ geschmückt ist, enthält von diesem als Begründer und Vorsitzenden der Gesell¬
schaft der Bibliophilen einen Bericht über diesen Verein.
Es folgt dann aus der Feder eines der besten Kenner der Wissenschaft vom Buch und
seiner Geschichte, des Dr. jur. Bogeng, der Umriss einer Fachkunde für Büchersammler,
welcher im nächsten Jahrgang fortgesetzt und abgeschlossen wird. Ein außerordentlich umfangreiches
Sachregister wird dann das Nachschlagen in diesem sehr inhaltreichen Überblick über alles, was
das Buch betrifft, bedeutend erleichtern. In vorliegendem ersten Teil berichtet der Ver¬
fasser in gedrängter Darstellung in 354 Artikeln, wie das Buch einst entstand und
wie es jetzt hergestellt wird, über die Art Bücher zu sammeln, über berühmte Spezial¬
sammlungen, über die Einrichtung einer Bücherei, über ihre Verwaltung, Buchpflege und
Bucheinband, wobei als besonders praktisch die Anleitung zum Korrekturlesen, eine
Tabelle für die Formatbestimmung (mit Beilage: Formatmaßstab), und Katalogi¬
sierungsregeln, Rezepte für die Reinigung von Büchern und Kunstblättern, sowie unter
Assistenz des Kunstbuchbinders P. Kersten eine Erläuterung der hauptsächlichen Fachausdrücke
des Buchbinders hervorgehoben seien. Eine ganze Bibliographie der wichtigsten Biblio¬
graphien ist an den zugehörigen Stellen im Text verteilt; eine Fülle von historischen Daten
aus der Geschichte der Buchdruckerkunst, des Buchhandels und der Bibliophilie
findet sich hier übersichtlich vereinigt.
Um dies alles in ein Taschenbuch unterzubringen, wurde die Form eines Beiheftes
gewählt, das herausnehmbar ist. Der freigewordene Raum kann mit Hilfe einer beigegebenen
Tasche Skripturen usw. in großer Zahl aufnehmen, so daß das eigentliche Taschenbuch den
Besitzer stets begleiten kann und die sofortige Notierung aller Büchereiangelegenheiten (wie es
der Verlegerprospekt, welcher der Z. f. B. im Februarheft 1909 beilag, erläuterte) auch auf
der Reise gestattet.
Die folgenden Jahrgänge sollen den Wünschen der Interessenten gemäß weiter aus¬
gebaut werden, damit das Taschenbuch ganz und voll die hohen Erwartungen, die an dieses
Unternehmen sich knüpfen, erfüllt.
MAX HARRWITZ (Abteilung: Verlag), Nikolassee bei Berlin.
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Bändchen im bequemen Formate von 12:18 cm, stark
Band 41: Athen.
VonE.Petersen. 256 S. mit 122 Abb. M. 4. —
Band 42: Riga und Reval.
Von W.Neumann. 165 S. mit 1 2 1 Abb. M. 3. —
Band 43: Berlin.
Von M. Osborn. 320 S. mit 179 Abb. M. 4. —
Seemanns „Berühmte Kunststätte n‘
Begleiter deren Genuß und bewahren c
Berühmte Kunst*
Vom alten Rom. — Venedig. — Rom in der
Renaissance. — Pompeji. — Nürnberg. — Paris.
Brügge u. Ypern. — Prag. — Siena. — Ravenna.
Konstantinopel. — Moskau. — Cordoba und
Granada. — Gent und Tournai. — Sevilla.
Pisa. — Bologna. — Straßburg. — Danzig.
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Taschenformat
an Inhalt und Abbildungen. Einband von W. Tiemann 8
Band 44: Assisi.
VonW. Goetz. 164 S. mit 1 18 Abb. M. 3. —
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In Vorbereitung!
Naumburg u. Merseburg, Dresden, Trier usw.
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auernd die Erinnerung an das Gesehene
Stätten Nr. 1 — 38
Florenz. — Kairo. — Augsburg. — Verona.
Sizilien I. — Sizilien II. — Padua. — Mai¬
land. — Hildesheim u. Goslar. — Neapel I.
Neapel II. — Braunschweig. — St. Petersburg.
Genua. — Versailles. — München. — Krakau.
Mantua. — Köln.
38 haben das bisherige größere Format.
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und seine Zeitgenossen
von WILH. BODE,
Wirkl. Geh. Oberregierungsrat, Generaldirektor
der Königlich Preußischen Museen
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Brosch. M. 6. — . In Leinenbd. M. 7.50. In Hlbfrnz. M. 9. —
Inhaltsverzeichnis Rembrandt — Hals — Maes —
An das Leben
Gedichte v. FRANZ LANGHEINRICH
Mit künstlerischen Beiträgen und Buchschmuck
von Max Klinger und Otto Greiner
Ein Band in Groß-Oktav. 216 Seiten mit 4 Kunstbei¬
lagen und vielen Vignetten. Geheftet M. 4. — , in Leinen
gebunden M. 5. —
Einband und Vorsatz von Otto Greiner
I. Von himmlischen und irdischen Seeligkeiten. — II. Am Flusse. —
III. Stille Winkel. — IV. Tage und Nächte am See. — V. Winter-
sonnwende. VI. In der Fremde. — VII. Auf Sirmione. — VIII. Jahres¬
ringe. — IX. Und hätte der Liebe nicht . . .
- — - Vermeer — Hooch — Metsu —
TerBorch — Steen — Segers — Goyen — S. van Ruis-
dael — J. van Ruisdael — Hobbema — Aert van der
Neer — Cuyp — Potter — Adriaen van de Velde —
Wouwermans — De Heem — Kalf — Beijeren —
Brouwer — Rubens — Van Dyck.
Die Frankfurter Zeitung schreibt: Es ist schwer, das
Buch zu charakterisieren. Es ist kein gelehrtes Buch im schul¬
meisterlichen Sinne, aber von hoher, wissenschaftlicher Bedeutung;
es ist kein literarisches Buch, aber eine genußreiche Lektüre, und
zwar für den Laien genau so, wie für den Forscher und Liebhaber.
Es gibt in der Tat ein ganzes Bild der niederländischen Malerei
des 17. Jahrhunderts in Einzelschilderungen ihrer hervorragendsten
Meister. Die psychologische Vertiefung in die Persönlichkeit der
einzelnen Meister, die schlagenden Beobachtungen und Analysen
der Techniken und Manieren, die oft ganz neuen, stets scharf¬
sinnigen Versuche ihrer entwicklungsgeschichtlichen Einordnung
und der Datierung ihrer einzelnen Werke bieten dauernden Gewinn.
Künstlerworte
Gesammelt von KARL EUGEN SCHMIDT
Ein Oktavband von 300 Seiten
Ausstattung von Walter Tiemann
Elegant gebunden M. 4. —
Ein sehr originelles Unternehmen, das jedem Kunstfreunde einen
gediegenen Genuß bereiten wird.
Königsb erg-Hartungsche Zeitung.
Dies Buch darf in der Bibliothek keines Kunstfreundes fehlen, es
ist ein Schlüssel, der Schätze erschließt.
Norddeutsche Allgem. Zeitung.
Das kleine, als Liebhaberband ausgestattete Werk stimmt nach¬
denklich und reizt sehr zur Diskussion.
Altonaer Nachrichten.
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Beiblatt
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